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SCHWEIZERISCHE
VOLKSLIEDER.
Mit Einleitunfr und Annicrkun<rcn herausgegeben
Dr. Ludwig Tobler
Professor der deutschen Sprache an der Universität Ziiric'.L
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FRAUENFELD.
Verlag von J. Huber.
Gedruckt in J. Huber's Buchdruckerei in Frauenfeld.
Vorwort.
Daß in der «.Bibliothek älterer Schriftwerke der deutschen
Schweiz » ein Band für Volkslieder in Ausficht genotnmen
wurde, bedarf wol keiner Rechtfertigung, eher die Vereinigung
historischer Volkslieder mit den übrigen, da für die ersteren
meistens besondere Sammlungen bestehe?i. Doch haben Ja auch
U hl and und Gödeke- Tittmann dieselben unter den allgemeinen
Titel aufgenommen und hier hatidelt es sich nicht um eine
vollständige Ausgabe, sondern nur um eine vollständige Ueber-
sicht derselben und 21m Ergänzung bereits vorhandener Samm-
lungen, zvelche die neuere Zeit nicht umfassen.
Die meisten historischen Volkslieder der Schweiz aus
älterer Zeit sind aufgenommen in die große Sammlung des
Herrn v. Liliencron n Die historischen Volkslieder der Deut-
schen vom ij. bis 16. Jahrhundert », nur sind sie dort unter
der Masse der üb?-igen zerstreut. Daß die Lieder aus neuerer
Zeit ausgeschlossen sind, lag im Plane des ganzen Unternehmens
und hat seine guten Gründe, da der Grenzpunkt Jener Samm-
lung zugleich so ziemlich das Ende der ivahrhaft volksthüm-
lichen Liederdichtung überhaupt bezeichnet , für Deutschland
wie für die Schweiz. Doch hat auch die neuere Zeit noch
Lieder von einigem poetischem Werth und Jedenfalls von hi-
storischem Lnteresse hervorgebracht, welche ifi den Sammlungen
von Soltau, Körner, Hildebrand, v. Ditfurth Aufnahme gefunden
haben, schweizerische Jedoch nur noch aus dem ij . Jahrhundert ,
so daß Fortsetzung und Schluß auch hier noch zaünschenswerth
war. Nur musste man sich zum Voraus klar mache7i, daß
diese Aufgabe weniger datikbar ist , auch darum, weil die
späteren Lieder sich meistens auf Bürgerkriege, innere Partei-
kä7npfe oder auf Thaten von Schweizerti in fremden Dienstefi
beziehen, ihnen also wahrhaft nationaler Geist und da?nit
auch eine Hauptquelle wahrer poetischer Begeisterung gebricht.
Einer Gesammt ausgäbe der historischen Volkslieder der Schweiz
stand also das Bedenken entgegen, daß die meisten und darunter
gerade die schönsten Lieder, weil ziemlich bekannt, nicht wol
wieder abgedruckt werden durften, während die jvenig oder
gar nicht bekannten wegen ihres geringern Werthes vielleicht
keifte weitere Bekanntmachtmg verdienten. Eine Schwierigkeit
anderer Art besteht für jedes ähnliche Unternehmeji dariti,
daß zwischen echt volksthümlichen Liedern, dergleichen be-
sonders die ältere Zeit hervorgebracht hat , und mehr kunst-
mäßigen, welche in der spätem Zeit überhandjiehmen, wenig-
stens in der Mitte der Extreme ein fester Unterschied rveder
theoretisch festgestellt noch praktisch durchgeführt werden
kann, man also immer Gefahr läuft , zu ivcnig oder zu viel
aufzunehmen. Diese Klippe kann wol nur dadurch vermieden
werden, daß man für Produkte, die mehr den Charakter
politisch-satyrischer Zeitgedichte tragen und mehr historischen
als poetischen JVerth haben, auch nicht zum Gesänge bestimmt
wareil, eine eigene Sammlung vorbehält, welche denn auch Herr
V. Liliencron in Ausficht gestellt hat (Vorrede zum LH. Band).
So wird es möglich, die Masse der in Frage kommenden
Dichtungen zu vertheileti und bei der Auswahl der Volkslieder
den strengeren Begriff dieser Gattung festzuhalten.
Es sind nun gerade loo Jahre, seit der Begriff von
Volksliedern aufgebracht und so festgestellt worden ist , tvie
er heute in der Wissenschaft gilt. Ln der Helvetischen Gesell-
schaft (vgl. die Geschichte derselben von K. Morell, IVinter-
thur 1^6 j, S. 306 ff.) hatte man im Jahre 1766 schweizerische
Volkslieder vermisst, aber schon im nächsten Jahre glaubte man
sie in den « Schweizer liedern » von Lavater verwirklicht zu
finden. Diese waren freilich etwas ganz anderes als was dann
Herder vnd Goethe, die Romantiker und die Grimm unter
Volksliedern verstanden. Dasfelbe gilt von den noch im Jahr
ijSS in Zürich erschienenen, die von tnehr oder weniger be-
rufenen Kunstdichtern mit moralisch-patriotischer Tendenz
verfasst und zur Verbreitung im Volke bestimmt waren. Solche
Produkte bleiben natürlich von tneifier Sammlung ebenso aus-
geschlossen wie die in neueren Liederbüchern enthaltenen, die
allerdings heutzutage in Gesellschaften, Gesangvereinen und
Schulen gesungen werden, aber zum größten Theil und im besten
Falle erst volksthümlich gewordene Lieder schweizerischer
und deutscher Kunstdichter sind.
Durch den strengern Begriff des Volksliedes werden auch
mehrere andere in älterer Zeit zahlreich vertretene Arten von
Gedichten ausgeschlossen, denen es zwar ?iicht an Volksthüfti-
lichkeit, aber um so mehr an poetischem Werthe fehlt. Dahin
gehören zunächst die allerdings auch « Lieder » sich nennenden
gereimten Berichte von allerlei außerordentlichen Ereignissen
in der Natur oder Gesellschaft ; ferner Gedichte, welche bei
bestimmten Anläßen, oder auch ohne solche, von halb gelehrten
Volksdichtern den Räthen und Bürgern gemeiner Eidgenossen-
schaft oder einzelner Kantone, Städte und Landschaften zu
Ehren, vielleicht nicht ohne Bestellung und Belohmmg verfasst
wurden. Geistliche Lieder, beider Confessionen, von epischer
Art neigen sich denen der ersten Gruppe zu, lyrische spielen
in die Gattung des Kirchenliedes hinüber, welches trotz seinem
Ursprung aus dem Volkslied von diesem unterschieden iverden
muß, schon weil es über Stammes- und Volksgrejizen hinaus-
greift. Alle diese Produkte nehmen eine bemerkens7verthe
Mittelstellung ziuischen Volks- und Kunstdichtting ein und
dürfen in der Geschichte der Litteratur oder wenigstens der
Cultur im Allgemeinen nicht übergangen iverden; aber als
eigene, ebenbürtige Arten von Volksliedern können sie keine
Stelle finden, wenigstens nicht in den Texten unserer Sa?nmlung,
sonder?i nur in der Einleitung, auf welche ich hier veriveise.
Dagegen kann bei Liederji, zvelche zwischeti historische/n und
sagenhaftem Charakter scMvanken, aber durchaus volksthümlich
und meistens auch poetisch werthvoll sind , nur die Frage
bleiben, in welche von den zwei Haupt gruppefi sie aufzujieh-
men seien.
Die nicht historischen wirklichen Volkslieder, für welche
eifie eigene positive Benetinung schwer zu findeti ist , hat in
der Schweiz noch Niemand zu sammeln unternommen, und doch
sollte 7nan tneinen, ein so kräftiges und eigenthiimliches Volks-
leben wie das schweizerische werde in Liedern aller Art
reichlichen Ausdruck gefunden haben. Aber man darf nicht
vergessen, daß die Kraft dieses Volkslebens von Anfang an
vorzugsweise auf die kriegerische und staatliche Thätigkeit
gerichtet sein und auch das poetische Vermögen in dieser etwas
einseitigefi Dichtung sich bewegen musste, so daß das Privat-
und Gemüthsleben verkürzt werden mochte. Jedenfalls dürfen
also auf diesem Gebiete die Erwartungen in qualitativer und
quantitativer Hinsicht nicht hoch gespannt werden.
Während bei den historischen Liedern an schweizerischem
Ursprung imd Eigetithum nicht gezweifelt werden kann, sind
unter den übrigen viele, welche nicht als speci fisch schwei-
zerisch gelten dürfen, auch wenn die Sprachform zum Theil
dieses Gepräge trägt, sondern wir haben oft nur schweizerische
Varianten allgemein deutscher Lieder. Dieser Fall kommt
bei jeder provinziellen Sammlung vor und darf uns nicht irre
machen, da ja bei Volksliedern überhaupt nicht nur das
persönliche Eigenthum eines Verfassers , sondern auch das
eines ei?izelnen Stattmies zurücktreten ynuß. Wo der Text
eines schweizerischen Liedes wenig verändert auf dem Boden
Deutschlands sich findet, darf immerhin von dieser Verbreitung
desfelben Notiz gegeben und genommen werden. Lch habe aber
mit den mir zu Gebote stehefiden Hülfsmitteln vollständige
Nachweise solchen Sachverhaltes mir nicht zum Ziele setzen
können und glaube diese Aufgabe dem größern Werke einer
allgemein deutschen vergleichenden Volksliedersammlung über-
lassest zu dürfest. Lch habe also trotz aller Beschränkung
vielleicht immer noch Lieder in die Texte aufgenommen, welche
bei umfassender Kenntniß artdercr Sammlungen ausgeschlossen
worden wären ; aber so würde am Ende der ganze Vorrat h
auf ein Mini)nuin ziisammenscJu-jtmpfen. das überhaupt keine
Ausgabe mehr verdiente. Uebrigcns ist in einzelnen Fällen die
Zugehörigkeit eines Liedes zu einem weitern oder engern Kreis
gar nicht auszumachen , weil nieder Inhalt noch Sprachform
noch Druckangaben genügende Anhaltspunkte bieten und der
Zufall ein Lied 7veit aus seiner Heimat entführt haben kann,
ähnlich wie einzelne Wörter.
Was die äußere Form einer Ausgabe von J'olkslicdern
betrifft, so ist es schwer, zwischen den Ansprüchen, 7i.> eiche
von Gelehrten, und denen, tvelche vo7i gebildeten Laien gestellt
werden mögen, eine richtige Mitte zu finden. Im vorliegenden
Fall kommt noch der Umstand in Betracht, daß schweizerische
und deutsche Leser nicht ganz dieselben Bedürfnisse und Inter-
essen haben. Indessen sind diese Unterschiede durch den Lauf
der Zeit sehr abgeschwächt worden. Der lebendige Quell des
rolksliedes ist hüben und drüben fast ganz versiegt und es ist
so weit gekommen, daß gerade das « Volk » die sog. cc Volks-
lieder )) weniger kennt und genießt als die Gelehrten ! Eine
Ausgabe von Volksliedern kann auch nicht den praktischen
Zweck verfolgen, den versiegten Quell 7vieder aufsprudeln zu
machen, so 7venig als man mit einem Idiotikon der absterbenden
Volksfprache noch einmal wird atcfhelfen wollen. Die Volks-
lieder müssen also dem Volke, dem sie fremd geiuorden sind,
jedenfalls mit irgend tvelchen Erklärungen dargeboten 7üerden.
die auch dem Gelehrten für seine Zicecke dienen können, und
nur um das Maß dieser Zugaben kann es sich handeln; davon
7inrd dann auch die Stelle abhafigen, an der sie anzubringen
sind. Ein mit bibliographischem Detail, Verzeichnissen von
Varianten, mit iveit schweif enden Vergleichungen und Excursen
ausgestattetes Werk zu liefern ist nicht meine Absicht. Wenn
auch solcher gelehrte Apparat, in Anmerkungen unter oder
hinter den Texten angebracht, die Lektüre der letztern nicht
geradezu stören würde, so würde er doch das Buch in unnöthiger
Weise belasten und vertheuern; Specialwerke und Zeitschriften
für Fachmänner sind der 7'ichtige Ort, wo Jene Zuthaten,
deren Werth sogar für die Wissenschaft jjicht über allem
Zweifel steht, niederzulegen und aufzusuche^i sind. Das Un-
entbehrliche und wii'klich Bemerkenswerthe habe ich theils in
die Einleitung aufgenommen, theils in kurze Noten unter den
Texten gefasst. Was endlich die Auswahl der Texte selbst
anlangt, so habe ich nirgends dem bloßen Reiz des noch
Unbekannten oder Ungedruckten nachgegeben , wenn ihm nicht
innerer Werth der Sache zur Seite stand, obwol ich weiß,
daß dies heutzutage gar nicht allgenieine Praxis ist. Wün-
schcns7ucrther als manches Andere 7väre es, Volksliedern das
beigefügt zu sehen, icas zu ihrem Wesen und Leben allerdings
mitgehört und besonders mit ihrer metrischen Form ursprüng-
lich in innigem Zusammenhange steht, — die Melodie. Aber
für die historischen Lieder, deren ich übrigens nur wenige in
Texten darbiete . gab es überhaupt nur 7C'enige Afelodien und
diese konnten, jceil sie auf sehr verschiedene T-exte übertragen
oder vielmehr diese nach jenen « Tönen » oder « Weisen » ge-
formt wurden, keinen individt{elle7i musikalischen Werth haben.
Ueberdies sind Jiur wenige solche Melodien überliefert, eijiige
auch schon veröffentlicht, nach icelchen man sich ein Bild von
den anderen machen kann. s. v. Liliencron Bd. V. Böhme.
Liederbuch. Bcechtold, N. Manuel S. CXXVLL. Von iiicht-
historischcn Liedern konnte ich allerdings mehr Melodien
mitgeben, aber gerade die schönsten sind auch schon gedruckt
(s. Kuhn, Sammlung von Schweizer-Kühreihen und Volksliedern.
Bern 1812, daraus einige auch bei Erk, Ausiuahl), die übrigen
nicht von besonderm Werth, übrigens von mir am betreffenden
Orte citirt.
Was sonst noch im Allgemeinen über die Grundsätze der
Auswahl, Textbehandlung und Sacherklärung gesagt werden
könnte, tuird besser auf die Einleitung zu den zwei LLaupt-
theilen verspart . da in der That in jenen Beziehungen für
die historischen Lieder nicht ganz dasfelbe Verfahren gelten
konnte 7C'ie für die übrigen.
Lune vollständige Geschichte des Volksliedes in der Sclnveiz
7vird man hier nicht er7i.<arten ; sie kann nur im Zusammenhang
rtiit der Geschichte der allgemein deutschen Volkspoesie ge-
geben 7verden und wird in die « Geschichte der deutschen
Litter atur der Schweiz » aufzunehmen sein, weiche den Schluß
unserer (( Bibliothek » ausmachen soll. Einiges musste hier
allerdings vorweg genoinmen werden. Anderes wird um so eher
bis dorthin ver spart bleiben dürfen, und diese Vertheilung
kann den Verfassern erwünscht sein; nur hat der des vor-
liegenden Bandes nicht den Vortheil, auf den spätem bestimmt
verweisen zu können.
Erst beim Rückblick auf den vollendeten Druck bemerke
ich noch Gebrechen, die nicht mehr auszumerzen sind : einige
Wiederholungen, etwelche Ungleichheit in der orthographischen
Behandlung nmndartlicher Texte, für welche ich eben meistens
die Schreibung meiner Qtiellen bestehen ließ, u. a. dgl. Auch
die Ungleichheit , daß unter den allgemeinen Lied er 71 einige
mit Titeln, die meisten ohne Titel in den Texten stehen,
beruht nicht auf Willkür meinerseits , sondern auf der Be-
schaffenheit der Quellen und attf der Scheu , Namen zu er-
finden, 7uas nicht ohne Einmischung subjectivcr Momente ge-
schehen konnte. Ucber die Titulatur der historischen Lieder
ist das Nöthige in der Einleitung gesagt.
Als Ersatz für manche formelle Mängel mögen die ziemlich
zahlreichefi und zum Theil nicht unbedeutenden Ähichträge
dienen, welche mir erst während des Druckes zugi engen und
nicht mehr eingeschaltet werden konnten. Lch empfehle die-
selben, sowie auch einige ausdrückliche Berichtigungen , der
besondern Beachtung sorgfältiger Leser. Endlich habe ich
durch mehrere Ecgister die Nutzbarkeit des Buches zu erhöhen
gesucht; weggeblieben ist nur ein alphabetisches Verzeichniß
der sämmtlichen historischen Lieder, da die in der Ein-
leitung gegebene Uebersicht nach chronologischer Ordnung
dem Zwecke besser zu etitsprechen schien als die meist nichts-
sagenden und oft fast oder ganz gleichlautenden Anfangs^vorte.
Es bleibt mir jetzt nur noch übrig, diejenigen Mänfier
zu nennen, denen ich für Beiträge oder andere Mithülfe zu
meiner Arbeit öffentlichen Dank auszuprechcn schuldig bin.
FAnzelne kleine Mitt/ieiluiigen tverde ich später avi betreffenden
Ort erwähnen.
Größere handschriftliche Beiträge a?i Texten oder Nach-
weisimgen verdanke ich den Herren Herausgebern dieser
Sammlung, Drr. Bcechtold und Vetter, sodann den Herren
Oberst Bollinger in Schaffhausen, Drr. Geilfus in ll'interthur.
Th. V. Liebenau und A. Lütolf (f) in Luzcrn , Rochholz in
Aar au, W. Vi scher in Basel.
Den Hei-ren Bibliothekaren Dr. B7'unnhofer in Aarau,
Dr. Sieber in Basel, Dr. Blösch in Bern. P. Gabr. Meier
in Einsiedeln, Prof. Meyer in Frauenfeld , Schiffviann in
Luzern, P. v. Ithen (Stiftsbibliothek), Prof. Di er au er (Stadt-
bibliothek) in St. Gallen, Dr. Hafner in Winterthur, Dr. Horner
in Zürich (Stadtbibliothek) verdanke ich Mittheilungen von
(resp. Zutritt zu) alten Handschriften oder Drucken.
Durch meine Stellung als Mitredaktor des Schweizerischen
Idiotikons stand mir die Sammlung von Volksliedern offen,
welche mein l. College Dr. F. Staub nebst allen andern Voi'-
arbeiten zu unserm Werke mit seine/n bekannten Fleiß angelegt
und geäufnet hatte, was nicht ohne ausdrückliche Eraoähnung
und innige Dankbezeugung bleiben darf.
Und nun mögen unsere Lieder, leicht geschürzt und be-
schivingt, hinausziehen in schweizerische und deutsche Lande,
Kunde zu bringett von einem Geiste, der nicht mehr unter uns
lebt, aber voti dem vielleicht doch einige Funken wieder erweckt
werden können, und einen Beitrag zu leisten zur Geschichte
des schweizerischen Volkes und der allgemeinen deutschen
Volkspoesie !
Zürich, im October 1882.
Ludwig Tobt.f.r.
EINLEITUNG.
I.
HISTORISCHE VOLKSLIEDER.
Begriff und Quellen derselben; Grundsätze der
Auswahl und Behandlung.
Ueber Ursprung, Wesen und Geschichte der historischen
Volkslieder im Allgemeinen ist nach dem, was Herr
V. Liliencron in den Vorreden zu den einzelnen Bänden
seiner Sammlung niedergelegt hat, nichts mehr zu sagen.
Eine kürzere Fassung desfelben Inhalts mit näherer Beziehung
auf die Schweiz findet sich in meiner Abhandlung «; Ueber
die historischen Volkslieder der Schweiz;) (Archiv des histor.
Vereins in Bern, Bd. VII, 305— 328). f( Die schweizerischen
historischen Volkslieder des fünfzehnten Jahrhunderts» hat
G. Meyer v. Knonau in einem unter diesem Titel gedruckten
A^ortrag (Zürich iSyoj trefflich charakterisirt und mit Bei-
spielen illustrirt. A'on dem Unterschied im Charakter und
Werthe der Lieder aus der spätem Zeit gegenüber denen
aus der frühern war schon im Vorwort die Rede ; im Zu-
sammenhang einer Geschichte des schweizerischen Volks-
liedes, wie sie Rochholz im Vorwort zu seiner « Eidgenös-
sischen Liederchronik» (p. XI) in Ausficht gestellt hatte,
würde jener LTnter schied tiefere Begründung finden. In die
Litteraturgeschichte gehört auch eine Zusammenstellung der
Namen und biographischen Notizen von den Verfassern
IV EINLEITUNG
historischer Volkslieder. Reichliche und höchst schätzbare
Beiträge zu dem, was Lütolf im «Geschichtsfreund» Bd. XVIII,
185, Meyer v. Knonau in seinem oben citirten Vortrag p. 31 ff.
beigebracht haben, bietet Th. v. Liebenau im 'f Anzeiger für
Schweiz. Geschichte» 1873, p. 276 — 282. 1877, P- 304— 3ii-
1880, p. 272 — 274. Diese Mittheilungen betreffen nicht bloß
die Personalien der Verfasser, sondern auch die Wirkung der
Lieder, welche zwar zunächst der politischen Geschichte an-
gehört, aber auch für die Litteraturgeschichte von Interesse
ist und nach Allem sehr bedeutend gewesen sein muß. da
die Regierungen gegeneinander Klage erhoben und eine jede
auf ihrem Gebiete die Urheber und Verbreiter von Liedern
mit harten Strafen belegte. Natürlich bezieht sich dies
meistens auf die inneren Kämpfe seit der Reformation.
Solche Lieder, die die Parteien gegeneinander ausgehen
ließen, werden in einem Tagsatzungsabschied von 1529-
« Gegenlieder » genannt. Das Singen von «. Pratzliedern »
wurde 1523 in Schaffhausen verboten (pratzen = prahlen^
trotzen). Ein Spottlied auf den Herzog von Savoyen wurde
am Neujahrsonntag 1582 von einigen lustigen Gesellen auf
der Metzgerstube in Luzern nach der Mahlzeit zum Trünke
gesungen; die Tochter des Wirthes sang mit. Vor dem
Kriegsgericht in Sursee am 26. Juni 1653 bekannte ein
Bürger von Willisau, er habe mit drei Andern das Tellenlied
vor dem Hause des Herrn Landvogts gesungen, und zwar
habe er vorgesungen. — Th. v. Liebenau im Anzeiger f. schw.
Gesch. 1873. p. 281. 1880. p. 274.
Herr v. Liliencron hat den eigentlichen Liedern auch
die sog. << Sprüche», d. h. unslrophische. nur zum Lesen,
nicht zum Singen bestimmte Dichtungen beis^esellt und führt
(im Vorwort zum II. Band) für dieses Verfahren triftige
Ciründe an, da in L'rsprung. Bestimmung und Wirkung, also
auch in der Bedeutung als historische Quellen, die Sprüche
in der That den Liedern gleich stehen ; doch werden sie eben
wegen ihrer L^nsangbarkeit etwas geringere Verbreitung im
Volke gefunden haben. In das Verzeichniß habe ich unsere
HISTORISCHE VOLKSLIEDER V
Sprüche um so eher aufnehmen können, da sie nicht zahlreich
sind; in den Texten konnten sie keinen Raum finden. Ver-
schiedener Ansicht kann man auch über die ganz kurzen Verse
oder Reimsprüche sein, die hie und da in den Chroniken
citirt werden. Dort haben sie ihre richtige Stelle und ihren
historischen Werth, aber unter die Lieder kann man sie nicht
wohl aufnehmen, außer wenn sie sich mit einiger Sicherheit
als Bruchstücke von solchen darstellen, was selten der Fall
sein wird. Herr v. Liliencron hat mehrere Verse jener Art
aus der Schweiz angeführt: I, p. 57. 123. II, p. 31. Viele
finden sich z. B. in den Handschriften der Stiftsbibliothek
St. Gallen (s. den Katalog von Scherer). Vgl. auch : Kirch-
hofer, Schweiz. Sprüchwörter, p. 58 — 59. 61— 62. 69. 98. Ein
Beispiel aus der Reformationszeit sind die in den Mise. Tigur.
III, 35 mitgetheilten Zeilen eines Schmachliedchens:
«Der Zwingli und der Lcu^
Die hand ein gmeine Bulschaft,
Die isset Haber und Heu » u. s. w.
worauf geantwortet wurde :
«Der Zwingli und der Leu
Die predigend 's Evangelium,
Daß manchen Christen freu.»
Ueber die Schwierigkeit und doch Nothwendigkeit ,
politische Zeitgedichte von Volksliedern zu unterscheiden,
ist im Vorwort gesprochen ; auch dieser Unterschied brauchte
für das Verzeichniß weniger streng genommen zu werden
als für die Auswahl der Texte.
Daß Lieder von Ausländern (Deutschen) über schwei-
zerische Ereignisse nicht als schweizerische Volkslieder gelten
können, scheint selbstverständlich; doch muß der z.B. bei
Veit Weber's Liedern über den Burgunderkrieg in hervor-
ragender Weise stattfindende Fall ausgenommen werden ,
<iaß ein Ausländer wenigstens eine Zeit lang in der Schweiz
lebte und schweizerische Interessen in volksthümlicher Weise
^ Zwingli's Freund und Gehülfe Leo Jud.
VI EINLEITUNG
verfocht. Sonst ist es kaum denkbar, geschweige nachweis-
bar, daß Produkte eines Fremden Verbreitung finden konnten.
Dasfelbe Urtheil muß für den umgekehrten Fall gelten, daß
ein Schweizer ausländische Ereignisse besang, die nicht mit
schweizerischen enge verflochten waren ; wenn solche Lieder
im Ausland Verbreitung fanden, so sind sie den dortigen
Volksliedern beizuzählen ; in der Schweiz konnten sie nicht
populär werden, auch wenn der Verfasser in der Heimat
lebte. Was der weitgewanderte Pritschenmeister Heinr. Wirri
von Aarau in Oestreich und anderswo im Dienste von Fürsten
und Städten über Hof- und Schützenfeste oder Kriege sang
(vgl. Gödeke, Grundr. p. 293. Antiq. Mitth. XLIV, p. 3—4.
Well. Ann. I, Nr. 250), gehört natürlich nur dorthin. Ein Lied
auf Gustav Adolf, 1633, im Tone des Teilenliedes, ist nach
Hildebrand (p. XVIII) wahrscheinlich von einem Schweizer
verfasst und vielleicht auch in der Schweiz gedruckt: aber
ein schweizerisches Volkslied wird es darum Niemand nennen.
In der Basler Lieder-Handschrift F. X, 21 und auch in einer
zürcherischen (Stadtbibl. Msc. B. 16, p. 433) steht ein Lied^
welches den Schwaben Abfall vom Wort Gottes vorwirft
(Anfang : « O ir arme Schwaben, was hand ir geton »), unter
Anderm die Besetzung der Stadt Ulm durch spanische
(kaiserliche) Truppen als Strafe dafür anführt und mit dem
Wunsche schließt, daß Gott die Eidgenossenschaft vor ähn-
lichem Schicksal behüten möge. Das Lied könnte von einem
Schweizer verfasst sein, der in Ulm Zeuge der spanischen
Gewaltthätigkeit war, aber auch der am Schluß ausge-
sprochene Wunsch berechtigt nicht, dasfelbe der Schweiz
zuzurechnen. Anders verhält es sich mit den Liedern von
Schweizern über Thaten schweizerischer Söldner in fremden
Diensten, z. B. im französischen zur Zeit der Hugenotten-
kriege. Wenn auch die Theilnahme der Schweiz an solchen
Ereignissen keine allgemeine, nationale und officielle war
und dem Lande nicht zum Heile gereichte, so v.-ar doch
die alte Ehre der schweizerischen Waffen dabei engagirt
und manches Interesse des Volkes davon berührt. —
HISTORISCHE ^"OLKSLIl£DHR VII
Eine kurze U e b e r s i c h t der f r ü li e r e n Sammlungen
historischer Volkslieder der Schweiz habe ich in meiner
Abhandlung a. a. O. p. 307 — 309 gegeben, hauptächlich nach
Soltau und Rochholz. Einige Ergänzungen und Berichtig-
ungen mögen hier folgen. — Betreffend die Person des
Ludwig Sterner ist nach dem Anzeiger f. Schweiz. Gesch.
1879, P- 221 (wo irrig Steiner gedruckt steht), 1880, p. 248
— 252. 289 — 294 zu berichtigen, daß von ihm allerdings mehr
bekannt ist, als daß er « vielleicht » Stadtschreiber von Biel
war. Seine Sammlung von Liedern aus dem Schwabenkrieg
ist der von J. Lenz verfassten Reimchronik dieses Krieges
angehängt; s. v. Liliencron 2, 412, Anm. Hildebrand p. XXIV.
Abschriften aus den Originalen von Sterner enthält auch der
IL und III. Band der handschriftlichen Sammlung von Wyß
in Bern. Die Sammlung von Rudolf Wyßenbach (Zürich 1600)
enthält allerdings keine echten Lieder, die nicht auch aus
andern Quellen (Chroniken und fliegenden Blättern) bekannt
wären, und dagegen eine Reihe von unechten, welche erst
damals hinzugedichtet wurden, weil man eine möglichst
vollständige Schweizergeschichte in Liedern, meistens von
Schlachten, herstellen wollte. Aber daß man sich diesen
Zweck setzte und daß man die ältere Geschichte bereits als
ein abgeschlossenes Heldenzeitalter in idealem Lichte (mit
weislicher Uebergehung der Bürgerkriege!) betrachtete und
zu dem praktischen Zweck verwandte, die lebende Generation
am Vorbilde der Vergangenheit aufzurichten und zur Besser-
ung zu ermahnen, scheint mir bemerkenswerth. Dasfelbe
Bestreben tritt übrigens au( h in den aus der vaterländischen
Geschichte geschöpften Volksdramen des XVI. Jahrhunderts
hervor; es war die Frucht der im XV. erwachten Geschicht-
schreibung, welche, wenigstens seit Tschudi, auch schon von
derselben Tendenz gefärbt war.
Die Lieder der Tschudischen Sammlung, weUhe Roch-
holz (Liederchr. Vorw. p. XVII) nicht gefunden zu haben
bedauert, werden keine andern sein können als die in den
Tschudischen Handschriften der Stiftsbibliothek von St. Gallen
VIII EINLEITUNG
enthaltenen (s. Scherers Katalog Xr. 645), welche Herr
V. Liliencron benutzt hat. Derselbe Gelehrte und Weller
haben auch die von Rochholz noch im Besitz des Herrn
V. Mülinen in Bern gefundene, später von dem Freiherrn
V. Meusebach angekaufte und nunmehr auf der königlichen
Bibliothek in Berlin befindliche Liedersammlung ausgebeutet.
Dasfelbe wird von einem Sammelband von Liederdrucken
gelten, den Herr v. Meusebach aus dem Nachlaß von Martin
Usteri erworben hatte. Den auf der Stadtbibliothek in Zürich
befindlichen handschriftlichen Nachlaß von Usteri hat Herr
v. Liliencron, soweit seine Sammlung sich erstreckt, eben-
falls benutzt; die von L'steri umfasst aber auch die spätere
Zeit und gibt aus derselben eine Menge von Gedichten sehr
verschiedenen Inhaltes und Werthes, nur leider zum großen
Theil nicht die Texte selbst (deren Fundorte oft in nicht
genügender "Weise angegeben sind), sondern nur die Titel mit
Anfangszeilen, Inhaltsangabe und sachlichen oder ästhetisch-
kritischen Bemerkungen (so in den Bänden P" besonders 1
und 2). Viele von diesen Produkten gehören zu denjenigen,
welche ich, als nicht dem Begriffe historischer Volkslieder
ents^orechend, principiell ausfchließen musste ; es sind zum
Theil dieselben, welche sich auch in der Sammlung von
Wyß in Bern und in dem Sammelband 124 der Vadianischen
Bibliothek in St. Gallen finden.
Am meisten neue Ausbeute ergab die Stadtbibliothek
in Winterthur, besonders der Sammelband 44'' und einige
andere, welche ich an den betreftenden Stellen citiren werde.
Der genannte Band enthält übrigens nicht bloß historische
Lieder und Gedichte, sondern auch geistliche und sog. Ge-
sellschaftslieder, und gar nicht alle von schweizerischem
Ursprung. Dasfelbe gilt von dem Sarasin'schen Sammelband
in Basel (von dem Herr Bibliothekar Dr. Sieber ein Ver-
zeichniß angefertigt hat) und von dem handschriftlichen
Liederbuch F. X, 21 der Basler Universitätsbibliothek.
Die Berner Bibliothek hatte ich schon für meine frühere
Arbeit benutzt ; indessen würde dort mit Hülfe eines Special-
HISTORISCHE VOLKSLIEDER IX
kataloges ohne Zweifel noch JNIanches zu finden sein, und
so vielleicht noch an andern Orten. Ich glaubte mich haupt-
sächlich auf die Stadtbibliothek in Zürich verlassen zu dürfen,
welche anerkannter Maßen gerade auf diesem Gebiete die
reichste unter allen schweizerischen ist. Weiteres Nachsuchen
da und dort konnte nicht viel nützen, da nur für die spätere
Zeit allenfalls noch Neues zu entdecken, dieses aber zum
Voraus seinem Charakter nach zweifelhaft war. Schon unter
dem A'orhandenen die Auswahl zu treffen, war eben darum
äußerst schwierig. Es mussten dabei sehr verschiedene Rück-
sichten walten, und nur weil darunter rein äußerliche waren,
konnte eine Auswahl überhaupt zu Stande kommen, denn
nach dem innern Werthe hätte das Urtheil noch schwanken-
der und subjectiver ausfallen müssen, als auch jetzt noch
geschehen ist. Es ist natürlich, daß die Auswahl sich mög-
lichst auf die besseren und besten Produkte richtete, aber
diese Rücksicht niusste durchweg mit der andern combinirt
werden, ob die Produkte schon mehr oder weniger bekannt
oder in andern Sammlungen leicht zugänglich waren. Durfte
die des Herrn v. Liliencron als weitern Kreisen zugänglich
gelten, so konnte die ganze von derselben umfasste Zeit
einfach weggelassen werden. Aber jene Annahme war nicht
statthaft und es wäre mit jenem Verfahren einem großen
Theil der Leser und auch dem Gesammtzwecke des Buches
nicht gedient gewesen. Es mussten also noch andere, auch
kleinere, aber zugänglichere Sammlungen in Anschlag ge-
bracht werden. In erster Linie wäre hier anzuführen ci Roch-
holz, Eidgenössische Liederchronik » (Bern 1835), ^^'«^nn nicht
ein Theil der in dieser sonst verdienstlichen Sammlung ent-
haltenen Lieder sachlich und sprachlich überarbeitet wäre.
Dieses Verfahrens hat sich enthalten H. Kurz bei seiner
nur allzu nackt hingestellten Auswahl im XX. Band der
« Schweizerischen Volksbibliothek » (Zürich 1860) und in dem
Buche « Die Schweiz in ausgewählten Dichtungen >) (Bern
1859). Wissenschaftlichen Werth, aber nur geringen Umfang,
hat die von Ettmüller bearbeitete Auswahl «: Eidsrenössische
X EINLEITUNG
Schlachtlieder » in den Mittheilungen der antiquarischen
Gesellschaft in Zürich, Band II, Heft ii. Diese Sammlungen
enthalten eine schöne Anzahl von Liedern der besten Zeit,
welche also für die meinige am ehesten entbehrt werden
konnten; doch musste ich darauf bedacht sein, daß auch
die ältere Zeit in ihren Hauptperioden und -Ereignissen
nicht ganz ohne Vertretung blieb. Nur habe ich zu diesem
Zweck nicht gerade die am meisten bekannten Schlacht-
lieder ausgewählt, welche zwar zum Besten gehören, aber doch
eine gewisse Einseitigkeit darstellen, sondern einige weniger
bekannte Lieder, welche mehr allgemeine Zeitstimmungen
ausfprechen, übrigens der Wort- und Sacherklärung einzelne
Schwierigkeiten bieten. Eine sachliche Rücksicht negativer
Art betraf hauptsächlich die neuere Zeit. Wenn die Lieder
aus den Bürgerkriegen, welche zugleich Religionskriege waren,
besondern poetischen oder historischen Werth hätten, so
dürften sie nicht übergangen werden. Wenn aber jene Eigen-
schaft ihnen, aus schon früher erwähnten Gründen, nicht
zukommt, war es dann rathsam oder unerläßlich, das An-
denken jener Ereignisse auch in Gestalt der Lieder dem
schweizerischen Volke noch einmal vorzuführen? Dem Ge-
schichtforscher gebe ich im Gesammtverzeichniß die An-
leitung, auch jene Zeugnisse, wenn er sie bedarf und begehrt,
aufzufinden und zu verwerthen. Im Uebrigen konnte die
Auswahl in der neuern Zeit nur solche Dichtungen in Be-
tracht ziehen, welche sich selbst, schon in ihrem Titel, als
t( Lieder» geben, also Lieder wenigstens sein wollten, wenn
sie es auch nicht wirklich sind ; innerhalb dieser Schranke
hatte die Auswahl sich nach dem Maße zu richten, in welchem
die einzelnen Produkte ihre Bestimmung erreicht oder verfehlt
haben. Es ist fast unmöglich, daß ein von so vielen, sich
zum Theil kreuzenden Rücksichten bedingtes Verfahren
durchweg das Richtige getroffen habe, und ich bin hier, wie
bei den nichthistorischen Liedern, auf den Vorwurf gefasst.
daß ich mehr oder gar alles Vorhandene hätte geben sollen.
Sollte das Begehren danach wirklich in weitern Kreisen laut
HISTORISCHE VOLKSLIEDER XI
werden und sollte — was ich jetzt noch nicht zu hoffen
wage — trotz der Unvollständigkeit des jetzt Gegebenen
eine zweite Auflage nöthig werden, so könnte jener Wunsch
Erfüllung finden, indem dann die Einleitungen weggelassen
oder verkürzt und dafür mehr Texte aufgenommen würden.
Die Gestaltung des Textes beruht, soweit die Sammlung
des Herrn v. Liliencron reicht, fast durchaus auf den Quellen,
die er benutzt hat, und ich verweise für alle bezüglichen
bibliographischen und kritischen Angaben auf das von ihm
beigebrachte Material; im Wortlaut und in der Erklärung
des Textes einzelner Stellen durfte ich mir Abweichungen
gestatten. Für die neuere Zeit verweise ich betreffend das
Bibliographische auf Gödeke und Weller, soweit diese selbst
reichen. Den Text gebe ich nach den Ausgaben, die mir
hier zunächst zur Hand waren : Vergleichung mit allen andern
Drucken hätte einen Aufwand von Mühe erfordert, der mit
den Ergebnissen sicherlich in keinem Verhältniß stand. Den
Wortlaut des Textes habe ich, wo nichts Besonderes bemerkt
ist, unverändert der Vorlage entnommen, nur in der Schreib-
ung mir gelegentlich diejenigen Vereinfachungen und Aus-
gleichungen erlaubt (vgl. v. Lil. I, p. VIII ff.), die heutzutage
bei der Wiedergabe älterer Texte üblich sind, wo nicht
ausdrücklich auch die Geschichte der Orthographie mitbe-
dacht werden soll ; zu dieser würden aber unsere wenigen
Texte einen geringen Beitrag liefern. Vom Ende des XVIII.
Jahrhunderts an tritt neben die mehr oder weniger rein
gehaltene Schriftsprache die geschriebene Mundart, für deren
Schreibung die Grundsätze gelten, die bei den nicht-histo-
rischen Volksliedern zu besprechen sein werden. — Unregel-
mäßigkeiten des Versmaßes und Reimes auszugleichen wäre
stellenweise leicht, anderswo aber schwer und schon darum
nicht rathsam, weil sie ohne Zweifel keineswegs immer nur
spätem Abschreibern, sondern den Verfassern selbst zur Last
fallen, denen sie unbewusst oder gleichgültig waren.
XII EINLEITUNG
Chronologisches Verzeichniss der historischen
Volkslieder.
Das folgende Verzeichniß soll eine möglichst vollständige
Uebersicht geben. Es ist darum der Begriff « historische
Volkslieder j) hier in mehrfacher Hinsicht weniger streng ge-
nommen und festgehalten worden als bei der Auswahl der
Texte. Es waltete hier mehr die Rücksicht auf die Ereignisse
selbst als auf den Charakter und Werth der Dichtungen,
denen sie das Dasein gaben. Es sollte gezeigt werden, daß
fast kein bedeutendes Ereigniß der äußern Geschichte,
wenigstens bis gegen Ende des XVIII. Jahrhunderts, ohne
irgend ein poetisches Zeugniß dasteht. Immerhin bleiben
auch hier manche halb gelehrte Dichtungen ausgeschlossen,
dergleichen z. B. die Reformation in Gestalt von Streit-
gedichten, sogar von streitbaren Kirchenliedern, ferner die
Yilmergerkriege und andere Ereignisse hervorgebracht haben.
Weniger streng in materieller Hinsicht ist die Auswahl
insofern, als einerseits für die Anfänge der Eidgenossenschaft
auch die Sagengeschichte hereingezogen worden ist und
andrerseits auch Lieder, welche nachweislich oder wahr-
scheinlich mit den betreffenden Ereignissen nicht gleichzeitig,
sondern erst später verfasst worden sind, Aufnahme in die
Reihe gefunden haben \ Damit jedoch sowohl der geschicht-
lichen als der litterarischen Kritik ihr Recht unverkümmert
bleibe, sind die (übrigens nicht zahlreichen) Produkte jeuer
beiden Arten nur chronologisch an der betreffenden Stelle
eingereilit, aber ohne Nummern, weil sie eben den übrigen
nicht gleichgestellt werden sollen. Der Jahrzahl wird das
Ereigniß in möglichst kurzer Bezeichnung beigegeben, und
unter diesen Titeln sind die einzelnen Lieder, deren oft
mehrere sich auf dasfelbe Ereigniß beziehen, ebenfalls ganz
kurz, oft nur mit ihren Anfangszeilen, angeführt. Wer die
^ Daß aber sämmtliclie Lieder auf alte Schlachten erst im
XVI. Jahrhundert gedichtet seien (Weiler, Ann. II, Vorw.), ist unwahr.
HISTORISCHE VOLKSLIEDER XIII
Weitläufigkeit der Titulatur, besonders seit dem XVI. Jahr-
hundert, kennt und bedenkt, wird dieses Verfahren nicht
bloß entschuldigen, sondern geradezu als das einzig mögliche
billigen, da sonst diese Uebersicht zu viel Raum in Anspruch
nähme. Wer aus bibliographischem Interesse die vollständigen
Titel zu kennen wünscht, findet Hinweisung auf Werke, wo
dieselben bereits gedruckt, oder direkte auf die Bibliotheken,
wo die Stücke zu finden sind ; nur bisher unbekannte und
nicht leicht zugängliche bedurften genauerer Angaben.
Historische Erläuterungen über die Ereignisse selbst
und über das Verhältniß der in den Liedern enthaltenen
Angaben zu denen der eigentlichen Quellen konnten weder
dem Verzeichniß noch den Texten beigegeben werden ; das
hätte wieder einen unverhältnissmäßigen Raum erfordert und
auch nur von einem Historiker geleistet werden können. Die
meisten Ereignisse dürfen als jedem gebildeten Schweizer
schon aus der Volksfchule bekannt angenommen werden ;
bei weniger bekannten musste eine kurz gefasste Angabe
genügen. Auswärtige Leser, welche nicht in erster Linie
berücksichtigt werden konnten, kennen die Hauptereignisse
ebenfalls, wenigstens die der altern Zeit, welche übrigens in
der Sammlung des Herrn v. Liliencron vor den Texten dar-
gestellt sind; die Kenntniß der übrigen, besonders also der
neueren, muß aus Geschichtswerken geschöpft werden. In
meinen eigenen Angaben mag theils wegen der kurzen
Fassung, zu der ich genöthigt war, theils wegen unzu-
reichender geschichtlicher Fachkenntniß und der Unmöglich-
keit, besondere Studien erst noch zu machen, manches
Einzelne ungenau geblieben oder auch unrichtig bezogen
worden sein. Ich muß daher die Fachmänner bitten, solche
Mängel zu entschuldigen und auch, wo es nöthig sein mag,
zu berichtigen.
Betreffend die Jahrzahlen, welche den Ereignissen bei-
gesetzt sind, muß noch bemerkt werden, i) daß dieselben
nirgends mit völliger Sicherheit zugleich für die Entstehungs-
zeit der betreffenden Lieder gelten können; 2) daß bei
XIV EINLEITUNG
Ereignissen, die eine längere Zeit einnahmen, die dem Titel
in Klammer beigesetzten Jahresgrenzen sich nicht auf die
ganze Dauer der mit jenem Namen bezeichneten Ereignisse
selbst beziehen, sondern nur ungefähr den Zeitraum an-
deuten sollen, auf welchen die betreffenden Lieder sich
erstrecken. Was endlich die Citate auf Wellers Annalen
betrifft, so sind dieselben theils da angebracht, wo damit
die Angabe eines ausführlichem Titels erspart werden sollte,
theils da, wo das betreffende Stück mir nur aus Weller
bekannt war. Usteri"s Sammlungen habe ich nur in den
wenigen Fällen citirt, wo mir eine andere Quelle nicht
vorlag. Mit den unmittelbaren und genauen Citaten auf die
Zürcher Stadtbibliothek (ZSB.), auch da, wo zugleich Weller
citirt ist, soll nicht gesagt sein, daß die betreffenden Stücke
sich nur dort finden, sondern daß ich sie von dorther kenne,
und ich wollte damit dem Leser die Mühe eigenen Suchens
ersparen.
Sagenhafte J ''orgesehichte.
Einwanderung der Schweizer aus dem Norden.
Das sog. Ostfriesenlied: ^O milder Gott in deinem
Reich.» Die vielbestrittene Sage von der Herkunft der
schweizerischen Alpenbevölkerung aus dem Norden, aus
Schweden und Friesland, ist erschöpfend und endgültig auf-
geklärt durch die beiden Herausgeber dieser Sammlung, die
Herren Dr. Btechtold und Vetter, in deren nachbenannten
Schriften sich auch die Litteratur über die Streitfrage ver-
zeichnet findet. Baechtold hat in seiner Ausgabe der Stret-
linger Chronik, im ersten Bande dieser Sammlung, auch die
Schrift <<: Vom Herkommen der Schwyzer und Oberhasler »
besprochen, als deren Verfasser er den eben jener Chronik.
Eulogius Kiburger. nachgewiesen hat (a. a. O. p. LXX ff.)\
Verfasser des Liedes, welches wesentlich auf jener Schrift
^ Einige Zweifel an der Identität der beiden Verfasser äußert
Vnueher im Anzeiger f. schw. Gesch. 1877, p. 339 — 340.
HISTORISCHE VOLKSLIEDER XV
beruht, ist nach p. LXXXIII wahrscheinlich Gwer Ritter,
ein Volksdichter aus dem Berner Oberland um die Mitte
des XVI. Jahrhunderts, der noch ähnliche Lieder verfasst
hat\ nach Vetter (Bern. Taschenb. 1880, p. 49 ff.) ein ]Matthys
Zwald, aus derselben Heimat, aber erst im XVII. Jahrhundert.
Von der Sage selbst handelt ausführlich Vetter (in der
Gratulationsfchrift der Universität Bern zur vierten Säcular-
feier der Universität Upsala, Bern 1877) und zwar sucht er
nachzuweisen, daß die Sage nicht bloß aus Nachrichten
mittelalterlicher Historiker zusammengestoppelt und ins Volk
geworfen, sondern ihrem Kerne nach der Rest einer alten,
echten, mit denen anderer germanischer Stämme zusammen-
gehörigen und ebenbürtigen AVandersage der Alamannen sei.
historisch natürlich nur in ihi-em allgemeinsten Inhalt, der
Einwanderung von Norden her. Wichtig ist diese Sage als
solche auch darum, weil sie jedenfalls mit der Teil -Sage
zusammenhängt, was ^'etter (p. 29 — 32 ) in lesenswerther Weise
zum ersten Mal von dieser Seite dargestellt hat. Weitere
Auslassungen darüber können hier keine Stelle finden. Wie
Baechtold im Anhang (S. 179 — 197) die Schrift c Vom Her-
kommen )) nach der ältesten Handschrift abgedruckt hat, so
gibt Vetter als Anhang (S. 37 — 43) das Lied, nach einem
Druck von 1665, 77 Strophen (wie auch bei Rochholz
p. 381 — 39Ö), welche freilich nie werden abgesungen worden
sein, aber heute etwa noch in den Schulen vorgetragen
werden. Auf p. 44 ist noch von anderen Liedern über die
Einwanderung die Rede, deren man sich im Oberhasli
erinnere ; das dort mitgetheilte Bruchstück eines solchen
spricht jedenfalls nicht für höheres Alter.
Wilhelm Teil.
Lieber diesen Haupthelden gibt es zwei Lieder, von
denen freilich nur das eine ihm ausdrucklich gewidmet ist.
und gerade dieses ist später und weniger interessant als das
' S. über ihn aucli noch \"etter im Berner Tasclienhuch 1880,
p. 49. 56.
XVI EINLEITUNG
andere, übrigens längst bekannt und oft gedruckt. Es ist
das Lied: f<Wilhehii bin ich der Teile :>■>, dem Pritschenmeister
Hieronymus Muheim in Uri zugeschrieben, der es aber, laut
der letzten Strophe (28) und laut dem Titel des Druckes von
1633 nur «gebessert und gemehrt », also ein älteres Original
überarbeitet hat. Die älteste bekannte Ausgabe ist von Frei-
burg i. Ü. 1613, eine zweite von 1628; spätere s. bei Roch-
holz 285 und Weller, Ann. I. Xr. 188. Parodische Erneuer-
ungen des Liedes in späterer Zeit s. Nr. 41. i, a. 42. e. 3.
53, 2. Rochholz bemerkt, daß das Lied noch zur Zeit der
französischen Invasion (1798) in Luzem gesungen worden
sei. Die Verse, welche nach ihm an einem Hausgiebel in
Arth unter einem Bilde von Teil zu lesen waren und von
Brentano für « Des Knaben Wunderhorn » dort copirt wurden,
waren laut Angabe der neuen Herausgeber jener Sammlung
nicht Strophen unsersTellenliedes. sondern ein Reimgespräch
zwischen Teil und seinem Kind, in welches allerdings die
zweite Hälfte der dritten und der fünften Strophe des Tellen-
liedes aufgenommen war. Die ganze Inschrift gibt Kurz,
<« Die Schweiz in ausgewählten Dichtungen >> p. 164 mit einigen
Abweichungen vom (("Wunderhorn»; sie ist jedenfalls spätem
Datums und gehört nicht in unser Gebiet. Das Tellenlied
selbst steht auch im Wunderhorn, bei Kurz a. a. O. p. 167 — 170.
Als Produkt des XVI. Jahrhunderts gibt es sich (in seiner
erweiterten Gestalt) durch die in den letzten Strophen aus-
gesprochenen Warnungen vor Herrendienst und Zwietracht
deutlich zu erkennen. Das Hereinziehen der spätem Ge-
schichte (Schlacht am Morgarten) hat es mit dem folgenden
Liede gemein.
Dieses zweite Teilenlied ist zwar seinem Text nach
ebenfalls längst bekannt, aber erst vor einigen Jahren als
selbständiges älteres Lied wieder erkannt worden, nachdem
schon Wyßenbach den Sachverhalt richtig bemerkt hatte
(s. unten). Es bildet nämlich in der L'eberlieferung den
Eingang des Liedes « Vom Ursprung der Eidgenossenschaft »
((( Von der eidgnoschaft so wil ich heben an »), welches im
HISTORISCHE VOLKSLIEDER XVII
Jahre 1477 nach glückHcher Beendigung des Burgunderkrieges
verfasst, einen RUckbhck auf den Anfang und das Wachs-
thum des nunmehr so starken Bundes wirft. Das Lied als
Ganzes, 29 Strophen umfassend (in späterer Gestalt noch
mehr, s. Rochh. S. 210), wird also an der betreffenden Stelle
unserer chronologischen Ordnung (15, /) nochmals vor-
kommen ; aber es scheint eben allmählich entstanden zu sein
und Bestandtheile in sich aufgenommen zu haben, die sich
auch wieder ablösen lassen. Dies gilt insbesondere von den
ersten 9 Strophen, welche höchst wahrscheinlich einst ein
eigenes Lied ausgemacht haben und zwar eben das älteste
Tellenlied, das wir besitzen und das auch schon der Chronist
Ruß kannte. Dieses unterscheidet sich von dem zuerst be-
sprochenen allerdings dadurch zunächst nicht vortheilhaft.
daß es von der ganzen Tellgeschichte nur den Apfelschuß
erzählt und auch diesen nicht als Selbstzweck zur Verherr-
lichung des Helden, sondern nur als Beispiel der Tyrannei
der Vögte und als Anlaß zum Ausbruch des Freiheitskampfes
und zur Stiftung des ersten Bundes (der dann, laut der
Fortsetzung des Liedes, eine so mächtige Erweiterung finden
sollte). Aber im Grunde war es ja ganz richtig, die Tell-
geschichte nur als ein gelegentliches Moment im Ganzen
der Freiheitskämpfe darzustellen, und auch daß der Apfel-
schuß allein erwähnt wurde, hatte seinen guten Grund, denn
er ist, mythisch betrachtet, älter und ächter, moralisch
betrachtet, reiner und preiswürdiger als der Schuß auf den
Vogt aus dem Versteck oder (nach Ruß) von der Platte aus.
Die Kürze übrigens, mit der auch der Apfelschuß in jenen
9 Strophen (eigentlich nur in Str. 4 — 6) behandelt ist, hat
schon früh zu Erweiterungen geführt ; es wurden nach Str. 5
vier weitere hinzugedichtet, welche das Gespräch zwischen
dem Landvogt und Teil ausführlicher berichten, aber nicht
eben zum Vortheil des Ganzen, und nach Str. 4 noch eine.
So erscheint das Lied in einem Zürcher Druck von 1545
und bei Wyßenbach 1600, hier mit dem Titel (^Tellenlied»
und mit dem ausdrücklichen Zusatz am Schluß, daß die
II
XVIII EINLEITUNG
übrigen 22 Strophen in die Zeit der Burgunderkriege gehören.
— Was das Alter des ursprüngHchen Liedes betrifft, so muß
es, weil die Fortsetzung Ereignisse des Jahres 1474 erwähnt,
vor diesen Zeitpunkt fallen und kann dann wohl noch einige
Decennien weiter hinauf geschoben werden. Ob das Schau-
spiel von Wilhelm Teil, welches wahrscheinlich im Anfang
des XVI. Jahrhunderts in Uri aufgeführt, im Jahr 1545 durch
J. Ruef in Zürich erneuert wurde, auf Liedern wie das zuletzt
besprochene und auch die ältere Gestalt des Muheim'schen,
oder auf den Chroniken beruht und wie sich diese zu den
Liedern verhalten, ist nicht genau zu ermitteln ; wahrschein-
lich hat der mächtige Trieb zu litterarischer Darstellung der
alten Sagen und Geschichten, der um die Mitte des XV. Jahr-
hunderts durch den Zürichkrieg erweckt und durch die fol-
genden Kriege genährt worden war, ziemlich gleichzeitig in
allen drei Formen sich versucht und geäußert.
Das Obige wesentlich nach der trefflichen Darstellung von
W. Vischer (« Die Sage von der Befreiung der Waldstätte -».
Leipzig 1867), dem auch die Arbeit des Herrn v. Liliencron
schon vorlag; ich verweise l^esonders auf S. 45 — 53. 77 — 83
der Vischer"schen Schrift.
Das alte Teilenlied gebe ich unter den Texten, da es
in dieser Selbständigkeit sich anders ausnimmt und vielen
Lesern neu sein wird.
Notiz von einem noch im Jahr 155 1 bekannten Liede.
das sich auf die Einnahme der Burg Schwanau im Lowerzer
See bezog und begann : a Zwischen zweien bürgen da lit ein
dieffer see», gibt Th. v. Liebenau im Anzeiger 1880, S. 273.
■^^1^^
I. Bündniss zwischen Bern und Freiburg. (1245.)
«Wend ir nu hören märi. » Mit diesem Liede, welches
auch in der Sammlung des Herrn v. Liliencron (Bd. I, S. 2)
als ältestes voransteht, betreten wir den Boden der positiven
HISTORISCHE VOLKSLIEDER XIX
Geschichte; nur ist nicht ganz sicher, auf welches BUndniß
der beiden Städte sich das T.ied beziehe, da eines schon vor
1243 bestanden hatte (Rochh. XV) und nach diesem Jahre
noch mehrere Erneuerungen stattfanden (1271. 1307. 13x3).
Der überHeferte Text des Liedes würde, wenn er ursprünglich
und mit dem Bündniß gleichzeitig sein sollte, eher auf den
Anfang des XIV. als auf das XIII. Jahrhundert weisen ; aber
da er aus dem XV. Jahrhundert stammt, ist er jedenfalls über-
arbeitet und steht die historische Beziehung frei. Diejenige
auf das Bündniß von 1243 i^t um so weniger abzuweisen, da
Bartsch (Germ. XI, 106 — 107) nachgewiesen hat, daß einige
Wort- und Versformen , welche der Mitte des XIII. Jahr-
hunderts nicht ganz angemessen scheinen könnten, damals
schon vorkamen, andere sich leicht so herstellen lassen, wie
es die Regel verlangt. Es ist übrigens verkehrt, für Produkte
der Volkspoesie jener Zeit alle die Regeln geltend zu machen,
welche für die Kunstpoesie sollen gegolten haben. A\'as das
Sachliche betrifft, so hat Liebrecht (Zur Volkskunde S. 238.
abgedruckt aus der Academy 1870) vermuthet, daß das Bild
von den weidenden, von wilden Thieren bedrohten Ochsen
in unserm Liede wol zunächst aus der 84. Fabel von Boner,
diese aber aus der 18. des Avian stamme, wo der Löwe vier
einträchtige Ochsen entzweit und sie dann einzeln über-
Avältigt. Jene Vermuthung wird natürlich hinfällig, wenn die
über das Alter des Liedes aufgestellte richtig ist, und Boner
könnte dann umgekehrt das Lied benutzt haben, wenn nicht
die Vi er zahl der Ochsen dagegen spräche. Statt des Löwen
hat er den Wolf eingeführt, dem «die Wölfe und Füchse»
im Anfang der vierten Strophe unsers Liedes entsprechen.
In Zwingli's «. Fabelgedicht von dem Ochsen und etlichen
Thieren ", verfasst um das Jahr 15 16, ist durch die Einzahl
des Ochsen das Bild verändert. Da der von Kurz, Die
Schweiz 133—134, gegebene Text (nach Tschudi) sehr mangel-
haft und auch der des Herrn v. Liliencron noch einiger Ver-
besserungen fähig (vgl. Studer im Archiv des bist. Vereins in
Bern, Bd. V, S. 526), überdies das Lied noch wenig bekannt
XX EINLEITUNG
und durch sein Alter besonders ehrwürdig ist, so habe ich
es in die Texte aufgenommen. Ob es übrigens als wirkliches
Volkslied gesungen wurde, möchte immerhin die Frage sein,,
schon weil die Strophenform etwas künstlich, der Ton etwas
didaktisch ist und ein Bund der beiden Städte, auch wenn
das Lied sich auf den erstmaligen bezieht, schwerlich ein
Ereigniß war, das weitere Kreise des Volkes lebhaft bewegen
konnte.
Schlacht am Morgarten. 1515.
fr In Gottes Namen heb ich an. » Dieses Lied ist unecht^
es erscheint erst in der Sammlung von Wyßenbach, als Nr. 2-
Weller, Ann. I, 615. Kurz. a. a. O. 185 — 188.
Belagerung von Solothurn. 13 18.
Späteres Lied, erst von 1681. Weller I, 1027.
2. Güminenkrieg. 1331 — 1532.
«Ein jeger der hieß Friburger. 0 v, Lil. I, ;^^ — 34. Der
Text dieses Liedes ist mehrfach verderbt und lückenhaft.
Schlacht bei Laupen. 1339.
Von dieser Schlacht gibt es zwei Lieder, das eine ganz,,
das andere wahrscheinlich gröstentheils spätem Ursprungs.
Das erstere « Gott hat den Bären gewaffnet Avohl » findet
sich in Rebmanns <( Lustig poetisch Gastmahl und Gespräch
zweier Berge ),), Bern 1620. Das andere c Nun hört ein altes
Liedli schon» (bei Kurz, a.a.O. 205 — 207 nach Rochholz),
zuerst gedruckt 1536 und wahrscheinlich auch erst damals
verfasst, gibt sich selbst als Erneuerung eines altern Liedes,
und es ist nur die Frage, ob eine ältere Grundlage in ein-
zelnen Zügen noch zu erkennen sei. Herr v. Liliencron (1,52)
bejaht dies, Bartsch (Germania XI, 109) bezweifelt es und
ebenso Studer (Archiv d. hist. Ver. von Bern, Bd. V, S. 130
— 138), welcher in den Zügen, die das Lied nicht aus der
Chronik geschöpft hat, nicht alte Ueberlieferung, sondern
freie Dichtung findet, dem Geiste nach ziemlich richtig, aber
nicht in den einzelnen Daten. Bemerkenswerth ist die von
Studer nachgewiesene mehrfache Berührung des Liedes mit
dem sog. Halbsuterschen von der Schlacht bei Sempach, wo
HISTORISCHE VOLKSLIEDER XXI
eine ältere Grundlage weniger zweifelhaft, doch auch nicht
■sicher zu erkennen ist. Berichtigung bedarf nur eine von
Studer (S. 125, Anm. i) gemachte Bemerkung betreffend den
Titel des Liedes, der den Zusatz enthält : « in der Wys wie
des Ecken ußfart. d Dabei ist nicht an das von N. Manuel
verfasste Spottgedicht auf den Dr. Eck bei der Disputation
zu Baden 1526 (s. Bschtold S. 203) zu denken, dessen Vers-
maß die «Schillers Hofton >> genannte Meistersängerweise ist
(eine Strophe von 14 Zeilen), sondern an das alte, in den
Sagenkreis des Dietrich von Bern gehörende Lied von dem
Riesen Ecke, nach dessen Versmaß (Strophe von 13 Zeilen)
wirklich unser Lied gedichtet ist. Man weiß, daß die alten
Lieder von Dietrich auch in der Schweiz bekannt waren
und daß gerade auf bernischem Gebiete eine jener Sagen
localisirt worden ist (s. Vetter, Berner Taschenbuch 1880,
S. 201 ff. 204—205. Den Riesen Signot erwähnt noch Rudolf
jNIanuel, Bjechtold S. 378). Es lässt sich vielleicht gerade
.aus der Wahl jenes Versmaßes auf ein vorhanden gewesenes
älteres Lied schließen; denn daß der Erneuerer diese Strophen-
form erst hinzugethan habe, wie v. Liliencron meint, ist un-
wahrscheinlich.
3. Rapperswyler Krieg. 1550.
Fragmente eines Liedes, das diesen Krieg betroffen zu
haben scheint, glaubt Th. v. Liebenau (Anzeiger f. Schweiz.
Gesch. 1877, S. 304) aus der von Ettmüller (Mittheilungen
d. antiq. Gesellsch. Zürich, Bd. VI) herausgegebenen Rappers-
wyler Chronik erkannt zu haben.
Schlacht bei TätwyL 13 5 1.
Ein späteres Lied auf diese Schlacht, mit dem auch
sonst vorkommenden Anfang c Im Namen der helgen Drei-
faltigkeit II, hat Wyßenbach, Nr. 4. Weller. Ann. Nachtr. z.
I. Bd., Nr. II 78.
Zwist des Bischofs Heinrich von Constanz mit den Bürgern
der Stadt. 1556.
Das die Folgen dieses Zwistes beklagende Lied des
Fischers Haspel in Constanz (bei v. Lil. I, 62) mag hier
XXII EINLEITUNG
angeführt werden, wie später (Nr. 28) andere Constanz be-
treffende (obwohl die Stadt nie förmlich, wie sie ihrer Lage
nach sollte, zur Eidgenossenschaft gehört hat) wegen ihrer
vielfachen Beziehungen und Berührungen mit unserm Ge-
biete, in Folge derer auch von Schweizern gedichtete
Lieder auf Constanzer Ereignisse vorkommen.
4. Streit der Städte Bern und Biel mit dem Bischof von
Basel. 1368.
«Nu hörent jämerliche klag.» v. Lil. L 65. Kurz 223
— 225. Dieses Lied ist dem Geiste nach, aber leider auch
in seiner mangelhaften Ueberlieferung, ähnlich Nr. 2. Das
Feuerschnauben des Bären, unter dessen Bilde Bern darge-
stellt wird, erinnert an den feurigen Athem des Dietrich von
Bern in seinen Kämpfen mit Riesen und Drachen und ist
vielleicht wieder eine Spur der in Bern lebendig gebliebenen
Dietrichsagen ; vgl. das zum Titel des zweiten Laupenliedes
Bemerkte. Daß hinter dem Helden Dietrich in jener Eigen-
schaft der alte Gott Donar steckt, der auch als Bär bezeichnet
und dargestellt wurde, ist bekannt, s. Uhland, Schriften»
Bd. VIII, S. 512-519.
5. Guglerkrieg. 1575.
«Berner waffen ist als schnell.» v. Lil. I, 88 -90. Kurz
231 — 232. Die strophische Form des Liedes ist arg zerrüttet
und kaum herzustellen, aber das Alter desfelben sonst nicht
zu bezweifeln. Wyßenbach hat als Nr. 5 : « Ein schön Lied
von den Schlachten zu Buttisholz, Ins und Frauwenbrunnen,
von den Eidgnossen wider die Engellender erhalten, in den
Wienacht Feirtagen a° 1375. » Schon dieser Titel beweist
die Unechtheit und späte Abfassung, da es ja dem Begriff
eines historischen Volksliedes geradezu widerstreitet, Thaten,
die an verschiedenen Orten, wenn auch ziemlich gleichzeitig
und gleichartig, geschehen sind, in Eins zusammenzufassen,
als ob auch die Urheber dieselben gewesen wären. Dieselbe
Bewandtniß hat es mit dem Liede auf drei Schlachten des
Appenzellerkrieges bei Wyßenbach Nr. 7.
HISTORISCHE VOLKSLIEDER XXIII
6. Schlacht bei Sempach. 1386.
Eine übersichtliche Darstellung des Bestandes und Ver-
hältnisses der diese Schlacht betreffenden Dichtungen von
schweizerischer Seite habe ich im Archiv des bist. Vereins
von Bern, Bd. VII, S. 340 — 343 gegeben, wesentlich nach
V. Liliencron (I, 116— 145), und kann hier bloß einige Nach-
träge aus der seitherigen Litteratur beifügen. Die rein
historische Streitfrage über die That \Vinkelrieds könnte hier
natürlich nur dann berührt werden, wenn neue Quellen etwas
für die Kritik des Liedes selbst ergäben, das jenen Helden
nennt. Jene Nachträge sind : Lütolfs Besprechung der Schrift
von Rauchenstein « Winkelrieds That bei Sempach ist keine
Fabel)), im Neuen Schweiz. Museum, Bd. I, S. 259 — 266.
Meyer v. Knonau, « Die Schweiz, bist. Volkslieder des 15. Jahr-
hunderts )), S. 54 — 55. Th. V. Liebenau im Anz. f. Schweiz.
Gesch. 1877, S. 305 — 308, über die Halbsuter, 1878 S. 81 — 83,
1880 S. 270 und dazu Jahrbücher f. Schweiz. Gesch. 5, 14.
Ochsenbein im Sonntagsblatt des «Bund)) vom 6. Jan. 1879.
Am schärfsten und übersichtlich abschließend zeichnet den
Stand der Winkelriedfrage M. v. Stürler (Anzeiger 1881,
S. 392 — 394), der die Fassungen des großen Liedes bei
Schodeler und Steiner als erweiternde Ueberarbeitungen des
Ruß'schen, also als Mittelglieder zwischen diesem und dem
Tschudischen ansieht. Den Text des Spruches vom Sem-
pacherstreit und des Halbsuterschen Liedes, beide nach
Tschudi, gibt Kurz a. a. O. 249 — 255, das Lied allein in der
Schweiz. Volksbibl. Bd. XX, S. 39— 55. Das Lied nach der
Zürcher Handschrift von Tschudi geben die Mittheilungen
d. antiq. Gesellsch. in Zürich, Bd. II, S. 65 — 71. Den Spruch
gibt auch Lütolf a. a. O. 261^263 nach der Handschrift von
Cysat. Einen beachtenswerthen Versuch, das Lied in mehrere
(4) Bestandtheile aufzulösen und gerade dadurch genießbarer
zu machen, hat Lorenz in der Germania Bd. VI, S. 173^179
veröffentlicht und Herr v. Liliencron hat dieser Auffassung
im Allgemeinen gegenüber der Ansicht, das Lied sei ein
einheitliches Ganzes, entschieden beigepflichtet; nur geht er
XXIV EIXLEITLXG
in der Annahme ursprünglich da gewesener kleiner Lieder,
welche in einander geschoben und mit Zusatzstrophen ver-
bunden wurden, noch weiter als Lorenz, ohne doch die
einzelnen Lieder als solche genau herstellen zu wollen. Den
Spruch ((f Ach richer Christ, wie groß sind unsre schulde!»),
unzweifelhaft die älteste, am wenigsten bestrittene und in
weiteren Kreisen noch am wenigsten bekannte Dichtung
von der Sempacher Schlacht, würde ich in die Texte auf-
genommen haben, wenn er eben ein eigentliches «. Lied » und
von gleichem poetischen AA'erthe wäre wie mehrere, vielleicht
ebenso alte Bestandtheile der beiden Lieder, des von Ruß
als (f nach der Schlacht gesungen » bezeichneten «Dienider-
ländschen herren » und des sog. Halbsuterschen «Im 1386
jar», welches jedenfalls in der überlieferten Gestalt von
Niemand gesungen und wahrscheinlich von Ruß, wenn dieser
es überhaupt schon kannte, durch jenen Zusatz als späteres
Machwerk bezeichnet wird. Wackernagel hat dasfelbe in die
ersten Auflagen seines Lesbuches aufgenommen, später weg-
gelassen. Bcechtold, Deutsches Lesebuch S. 509 — 511 gibt
eine Auswahl von 30 Strophen, welche so ziemlich die ältesten
und besten Bestandtheile umfassen mag. Das Bild vom
Beichtehören, aus dem kleinern Lied auch in das große über-
gegangen, begegnet schon in der alten Heldensage, bei dem
streitbaren Mönch Ilsan, der im Gefolge Dietrichs von Bern
steht, s. der Rosengarten, von W. Grimm, S. 80. — Ueber die
Winkelriedfrage s. noch Dr. C. Dändliker im Anz. 1882, Nr. 2.
7. Schlacht bei Näfels. 1388.
Das Lied «In einer fronfasten do hüb sich (der) Glarner
not» (bei Lil. I, 146. Antiq. Mitth. II, 71. Kurz. Volksbibl.
55—56. Die Schweiz 262 — 263) ist in die Texte aufgenommen,
weil es sich durch Einfachheit auszeichnet und damit das
XIV. Jahrhundert nicht ganz unvertreten bleibe. Eine spätere
Erweiterung desfelben, zuerst von Tschudi mitgetheilt und
für seine Darstellung der Schlacht benutzt, ist das größere
Lied (clm 1388 jar», v. Lil. I, 148— 151. Kurz, Die Schweiz
263 — 265. Usteri erwähnt noch ein Lied mit gleichem Anfang,
HISTORISCHE VOLKSLIEDER XXV
welches von dem Tschudischen sonst sehr verschieden und
noch später sei.
Auf ein Nachspiel zum Näfelser Krieg, die Belagerung
von Rapperswyl, bezieht sich ein von Th. v. Liebenau (An-
zeiger f. schw. Gesch. 1877, S. 304) nachgewiesenes Spottlied
(auf den Abzug der Zürcher) aus der schon bei Nr. 3 er-
wähnten Rapperswyler Chronik. Als unecht zu bezeichnen
ist auch das Lied «Herr Gott, du seist gepriesen», bei
Wyßenbach Nr. 10.
8. Schlacht bei Visp. 1388.
(Kampf der Ober-Walliser gegen Graf Rudolf v. Greyerz.
der sie im Namen des Grafen Amadeus YII. von Savoyen
zur Anerkennung des von diesem Fürsten gewählten Bischofs
von Sitten zwingen wollte.)
Das wenig bekannte und nur von Lil. I, 152 — 154 (aus
Furrers Geschichte von WalHs) mitgetheilte Lied «Im jar als
man hat zält » etc. gibt sich durch Stil und Sprache als ein
späteres Machwerk zu erkennen, könnte aber doch auf einem
altern Volksliede beruhen. Es steht auch in der « Walliser
Monatsfchrift)^ 1863, Nr. 7. In der Notiz des Herrn v. Lilien-
cron S. 152, Anm. ist die Jahrzahl und die Beziehung auf den
«grünen Grafen» zu berichtigen; s. zum Jahr 1475.
Appenzeller Krieg. 1403 — 1405.
Ein unechtes Lied auf die Schlachten am Speicher, Stoß
und an der Wolfshalde zusammen steht bei Wyßenbach :
s. zu Nr. 5.
9. Eroberung des Aargau. 141 5.
Dieselbe wird beklagt, und zwar in einer von östreich-
ischem Standpunkt aus ziemlich zutreffenden und stellenweise
witzigen Weise, in dem Spruch eines Aargauers <.( In minem
sinn es übel hillt », v. Lil, I, 268--271. Vgl. auch Meyer
V. Knonau S. 7 — 8.
10. Zürichkrieg. 1443 — 1446.
Die diesen Krieg betreffenden Lieder von zürcherisch-
östreichischer Seite können natürlich als eigentlich schwei-
zerische nur gelten, so weit sie dem (spätem) Gebiete der
XXVI EINLEITUNG
Schweiz angehören, was gleich von einem der ersten, dem
Schmachlied des Isenhofer von AValdshut « Woluf ich hör ein
nüw gedön^), Lil L 383. Antiq. Mitth. II, 80—83 ('^'gl- Meyer
V. Knonau 9 — 11) nicht gilt, dagegen von dem früher unbe-
kannten, von Hans von Anwil verfassten Lied auf die ver-
gebliche Belagerung von Lauffenburg durch Basel und Bern
mit deren Bundesgenossen (von Solothurn) im August 1443
(vgl. Lil. I, 392). Das nicht üble Lied ist nun abgedruckt
im Anzeiger 1880, S. 270—272. Uebrigens waren schon im
Jahr 1441 Lieder auch von schwyzerischer Seite gemacht
und verboten worden (Anzeiger f. schw. Gesch. 1873, S. 279.
1877, S. 304, 3). Das erste uns leider nur in verderbtem
Text und unvollständig erhaltene Lied von schwyzerischer
Seite beginnt (dn disem nüwen jare», bei v. Lil. I, 389,
vgl. Meyer v. K. 10 — 12 und s. Texte. Es ist eine Antwort
auf das Isenhofer'sche, bald nach diesem und kurz vor der
Schlacht bei St. Jakob an der Sihl verfasst. Die hier er-
littene Niederlage der Zürcher wird in dem Liede « Gen
disem nüwen jare >) (Lil. I, 393. Meyer v. K. 13) durch Vor-
würfe wegen der von den Schwyzern gebrauchten Kriegslist
und der von ihnen begangenen Greuel vergolten, aber
befriedigtes Rachegefühl spricht erst nach der Schlacht bei
St. Jakob an der Birs aus dem Liede « Die Schwyzer sind
ußzogen», V. Lil. I, 396. Meyer v. K. 14--15. Den Schluß
macht das Lied auf die Schlacht bei Ragatz « Gen disem
werden sumer », v. Lil. I, 398 — 400. Mittheil. d. antiq. Ges.
II, 72 — 75. Meyer v. K. i — 5. Der Verfasser desfelben, Hans
Ower (Auer) war nach Th. v. Liebenau (im Anzeiger 1877.
S. 304, 4) von Schaffhausen, später in Basel und Luzern.
II. Zwist des Abtes von St. Gallen mit den Bürgern der
Stadt. 1 4 5 1 .
Das betreffende Lied « Abt Kaspar von sant Gallen ■>
(Lil. I, 441 — 443) soll von Constanz (wo vor hundert Jahren
ein ähnlicher Zwist vorgekommen war, s. o.) nach St. Gallen
gebracht worden sein, ist aber vielleicht doch daselbst ge-
dichtet, jedenfalls im Sinn der dortigen Bürger. Vgl. Nr. 17.
HISTORISCHE VOLKSLIEDER XXVII
12. Einnahme des Thurgau. 1460.
«; Der Krieg der hat sich aber erhebt. 0 Lil. I, 521 — 522.
Antiq. Mitth. II, 84. Kurz, Die Schweiz 315.
13. (Verlorenes) SpottHed auf den Schultheißen zu Bern,
Thüring v. Ringoltingen, und dessen Leute zu Utzistorf,
angeblich von einem Solothurner 1461 gedichtet und von
der dortigen Regierung mit Strafe bedroht. Soloth. Wochenbl.
1819, S. 193. Anzeiger 1880, S. 272.
14. Mülhauser und Waldshuter Zug. 146S.
Auf den erstem Zug gibt es zwei Lieder : u Woluf mit
richem schalle» und «Ein liedli wil ich heben an», das
letztere besonders munter, wahrscheinlich von einem Berner
(vgl. Anzeiger f. Schweiz. Gesch. 1877, S. 304—305). Das
Waldshuter Lied, von Toni Steinhuser von Wyl (später in
Appenzell und Luzern, s. Anzeiger 1873, S. 280), beginnt:
« Ein nüwes liedlin heb ich an. » Alle drei Lieder bei Lil. 11,
550. 552. 556. Proben des zweiten bei Meyer v. K. 16 — 18.
Das Waldshuter Lied bei Kurz, Die Schweiz 317 — 320 und
in der Volksbibliothek 58 — 61.
15. Burgunderkrieg. 1474 — 1477.
a. Friede und Bund mit Ocstrcich. (" Ewige Richtung. 0)
1474. s. Texte.
i) «^ Der stieße sumer fröwet mich '^ von Rudolf MontigeL
Lil. II, 23 — 26. Meyer v. K. 20.
2) «Gelobet si der ewig gott», von Veit Weber. Lil. II,
27 — 30. Kurz, Die Schweiz 322. Ueber V. Webers
Herkunft, Lebensumstände und Dichtungsweise s.
Meyer v. K. 34 — 39. Seine Lieder sind gesammelt
herausgegeben von Schreiber, Freiburg i. B. 1819.
Wenn er auch kein geborner Schweizer war und
zunächst die Sache seines Landesherrn vertrat, so
sang er doch auch im Dienste und Geiste gemeiner
Eidgenossen und daß diese seine Lieder sangen,
unterliegt keinem Zweifel. Die Sache liegt also anders
als bei den Liedern von deutscher Seite im alten
Zürichkrieg.
XXVIII EINLEITUNG
Das (< von einem Krämerli » verfasste Lied auf die
Gefangennahme und Hinrichtung Peters v. Hagenbach
f(Wend wir aber heben an )^ (Lil. II, 32) wurde wohl an
Ort und Stelle des Ereignisses, in Breisach, gedichtet
und gesungen, kann also nicht als schweizerisch gelten.
Ein parodisches Osterliedchen der Basler Knaben gibt
Lil. II, 31.
b. Zug nach Hericoitrt. October 1474.
«Nu will ich aber singen», von Veit Weber. Lil. IL
39 — 41. Kurz, Die Schweiz 324.
c. Zug nach Pontarlier. April 1475.
« Der winter ist gar lang gesin y, von Veit Weber.
Lil. II, 60 — 64. Kurz, a. a. O. 327.
d. Zug nach Bloniont. Ende Juli 1475.
« Ein vereinung ist lobeliche », von Mathias Zoller
(von Laufenburg, später in Bern ; vgl. Meyer v. K. 34. 55).
Lil. IL 65 — 67. Kurz, Die Schweiz 329. Volksbibl. 62 — (>(>.
e. Niederlage des Bischofs von Genf, Johann Ludwig, bei
Sitten, am 13. Nov. 1475.
Johann Ludwig, Graf von Savoyen, war ein Bruder
des Grafen Jakob von Romont, Herrn der AVaadt und
Statthalters Karls des Kühnen. In Verbindung mit der
Herzogin Jolante von Savoyen stehend, suchte er, zu-
nächst die alten Ansprüche seines Hauses auf das Wallis
erneuernd, von dort aus den Zuzug lombardischer Söldner
nach Burgund zu begünstigen und von jener Seite Bern
zu bedrohen, welches am 7. Sept. 1475 ^"'i* dem Bischof
von Sitten und den Oberwallisern sich verbündet hatte.
Strophe 27 des Liedes Nr. / (unten) erwähnt ausdrücklich
die Mitwirkung der Walliser. Der Anzeiger f. Schweiz.
Gesch. 1S61, Nr. 2, S. 24—26 gibt die Uebersetzung
eines im Patois des Einfischthaies bis auf neueste Zeit
fortgepflanzten Liedes, welches nach den a. a. O. bei-
gefügten Erklärungen sich auf jene Ereignisse bezieht.
Daß der Graf Johann Ludwig in diesem Lied ft grüner
Graf» genannt wird, soll auf Verwechslung beruhen.
HISTORISCHE VOLKSLIEDER XXIX
/. Veit Webers Lied auf die Stadt Freiburg « Mit Gesang
vertrib ich min leben )) (Lil. II, 69 — 71. Kurz, Die Schweiz
331. Volksbibl. 66 — 72) war ohne Zweifel veranlaßt durch
den festlichen Einzug der Eidgenossen (i. Xov. 1475) ^^^
ihrer Rückkehr aus der Waadt und bezieht sich auf die
durch Burgund am meisten bedrohte, aber durch die Ver-
bindung mit den Eidgenossen gesicherte Lage der Stadt.
(^^. Im December 1475 ^"^ Februar 1476 verhandelte die
Tagsatzung über zwei Schmiedgesellen, welche zu Hel-
lingen ein boshaftes Lied gegen Landammann Reding
von Schwyz gesungen hatten und zuletzt gegen Bezahlung
der Kosten entlassen wurden. Vgl. Th. v. Liebenau im
Anzeiger 1877, S. 305, 6).
//. Schlacht bei Grausen. Februar 1476. Mehrere Lieder:
i) « Oesterrich du slafest gar lang 0, nach Lütolf (Ge-
schichtsfr. XVIII, 187) von Hans Viol von Luzern,
nach Th. v. Liebenau (Anzeiger 1880, S. 272 — 273)
von Rudolf V. Montigel (s. a, i). Lil. II, 74 — 78. Kurz,
Die Schweiz 337 — 340.
2) « In welschem land hebt sich ein struß. » Lil. II, 79 — 81.
Kurz, a. a. O. 336 — 337. Der Dichter bezeichnet sich
in der letzten Strophe nur als einen armen Fahrenden.
3) ((Alle ding sol man fahen in Gotes narnen an», Lil. II,
82—83. Kurz, Volksbibl. 73 -76. .\ntiq. Mittheil. IL
75 — 76. Ein unechtes Lied verzeichnet Weller, Ann. IL
S. 414.
/. Schlacht hei Miirtcu. Juni 1476.
i) «Min herz ist aller frouden voll '\ von Veit Weber.
Lil. IL 92 — 95. Kurz, Die Schweiz 347 — 349. Wacker-
nagel, Lesebuch, 5. Aufl., S. 1427 — 1434. Brechtold.
Lesebuch S. 512 — 514.
2) «Nun merkend all geliche», von Hans Viol. Lil. II,
96 — 98. Kurz, Die Schweiz 345 — 346. Volksbibl.
76—82. Antiq. Mittheil. 76—79.
3) ((Gott vater in der ewigkeit», von Mathias Zoller.
Lil. II, 99 — 102. Kurz, Die Schweiz 349 — 351.
XXX EINLEITUNG
Alle drei Lieder neu gedruckt (mit einigen andern
und mit der Melodie von 3) zur Feier des 400. Gedenk-
tages der Schlacht, Bern 1876 (herausg. von Prof. Vetter).
k. Schlacht bei Nancy. Januar 1477.
i) ((Nun wend wir aber heben an.» I.il. II, 104 — iü6.
Antiq. Mittheil. II, 79 — 80. Kurz, Die Schweiz 354.
Volksbibl. 83 — 86. Als Verfasser nennen sich in der
letzten Strophe 0 zween Schwizerknaben ».
2) ((Woluf ir fromen eidgnoschaft ;>, von Mathias Zoller.
Lil. II, 107 — 109. Kurz, Die Schweiz 355—356.
/. Einen Rückblick auf den Burgunderkrieg und eine
Uebersicht der damaligen Bundesgenossen der Schweiz
und der Hauptschlachten enthält das oben bei Wilhelm
Teil erwähnte Lied « Vom Ursprung der Eidgnoschaft »
von Str. 15 — 29. Es steht bei Lil. II, iio — 113. Werner
Steiner, der aber nur 18 Strophen ^bt, schreibt das Lied
dem Peter Müller zu, den wir als Dichter im Schwaben-
krieg finden werden. Das ganze ist auch abgedruckt in
der Murtner Festgabe, s. i, 3. Schon Wyßenbach hat
es in seine zwei Haupttheile getrennt und zu diesem
Behuf die erste Strophe des Burgunderliedes (Strophe 9
des Tellenliedes) etwas verändert.
16. Schlacht bei Giornico. 1478.
« Nun merkend offenbare », von Hans Viol. Lil. II, 147.
17. Zwist des Abtes von St. Gallen mit den Bürgern der
Stadt. 1480. Vgl. Nr. 11 und Nr. 19.
Ein spruchähnliches, im Versbau unregelmäßiges Gedicht
«Abt Ulrich von sant Gallen» bespricht die der Bürgerschaft
unangenehme Stellung des Stiftes unter eidgenössische Auf-
sicht. Lil. II, 163 — 165.
18. Frischhans Theiling und Hans Waldmann. 1487 — 1489.
a. Ein im Anzeiger f. Schweiz. Gesch. 1865, Nr. 3 aus dem
Staatsarchiv von Basel mitgetheiltes , bei Liliencron
fehlendes Lied 0 Zu Zürich hört man klagen », « von einem
Töchterlein », welches wahrscheinlich dem Theilins: nahe
HISTORISCHE VOLKSLIEDER XXXI
Stand, beklagt den durch Waldmann verschuldeten Tod
des Helden von Giornico (1487). s. Texte.
b. Ein Lied des Scherers von Illnau (Kt. Zürich) « Aber
wil ich heben an» (Lil. II, 271 — 273. aus Lenz Reim-
chronik des Schwabenkrieges 164) erzählt den Aufstand
der Bauern vom Zürichsee gegen die gewaltsamen Maß-
regeln des Bürgermeisters, dann dessen Gefangennehmung
und Hinrichtung (April 1489) und schließt mit der
richtigen, nur für diesen Fall allzu gemeinen Moral, daß
man bei allen L^nternehmungen an das Ende denken
müsse, was Waldmann unterlassen habe.
19. Rorschacher Klosterkrieg. 1489 — 1490.
a. Ein Lied von Seite der St. Galler: 0 Wend ir hören
nUwemär. » Lil. II, 276— 278. Rochholz. Liederchr. 325.
b. Ein Lied von Seite des Abtes: <^ Nu will ich heben an
ze singen.» Lil. II, 278 — 280. Der von Lil. II, 281 — 288
mitgetheilte, aus verdorbener Form einigermaßen her-
gestellte Spruch, eine Art Reimchronik des ganzen
Klosterkrieges, fällt nicht in unsern Bereich. Eine Stelle
daraus, die den Abt klagen lässt, er werde von seinen
Gegnern mit Waldmann verglichen und in die Hölle
verwünscht, gibt Rochholz S. 330. Einen ähnlichen
Spruch gibt die Sammlung von Wyß in Bern VIII, 24
(aus dem Fraumünster- Archiv Zürich), abgedruckt in
Zellwegers L'rkunden zur Geschichte von Appenzell II.
2, 104 — 112.
20. Lied wider den schwäbischen Bund und die Landsknechte,
als Antwort auf ein von den letztern ausgegangenes Lied
wider die Eidgenossen, um 1495. Vgl. Meyer v. K. 25 — 26.
Das erstere, bei Lil. II, 370 — 374, beginnt «Mit lust so will
ich singen » und ist verfasst von « Bruder Hans im finsteren
tann », Schulmeister 0 zu Sana in dem land ;>. Unter jenem
Namen verbirgt sich Johann Lenz, ein Schwabe von Geburt,
der aber Bürger von Freiburg i. U. geworden war und in
dessen für die Herren von Freiburg verfasste Reimchronik
des Schwabenkrieges (herausgegeben von H. v. Dießbach,
XXXII EINLEITUNG
Zürich 1849. nach einer Abschrift von Ludwig Sterner j eine
Reihe von Liedern über den Schwabenkrieg, dartmter zwei
von ihm selbst, eingereiht sind. Vgl. Lil. IL 412. Hildebrand-
Soltau XXIV. Daß unter Sana in der letzten Strophe dieses
Liedes und des unter 21, 2 angeführten nicht das jetzt zu
Bern gehörige Dorf Saanen, sondern das Gebiet der Stadt
Freiburg zu verstehen sei, haben v. Liliencron und Meyer
V. Knonau (S. 55) wohl mit Recht vermuthet. da diese sonst
allerdings ungewöhnliche Bezeichnung des Orts zu der Pseudo-
nvmität der Personen stimmt. Doch erscheint sie auch in
dem Liede Xr. 21. e. 2, Strophe 8 neben andern geogra-
phischen Xamen. Die Sprache des Liedes enthält einige
lautliche Eigenheiten, welche auf das Berneroberland deuten
könnten, aber sich, wenn sie vom Verfasser selbst herrühren,
auch aus dessen schwäbischer Mundart erklären lassen.
21. Schwabenkrieg. 1499-
a. (.< Es Schwert ein pur in zoren », von Peter Müller vom
Zürichsee, seßhaft im Rheinthal (um den 10. Februar).
Lil. II, 381—383. s. Texte.
b. Plünderung des Schlosses der Herren von Brandts. Mitte
Februar.
Ein hierauf bezüglicher Spruch steht im Anzeiger
1860, S. 98. V. Liliencron II, 384 gibt die betreffende
historische Xotiz, hat aber den Spruch nicht aufge-
nommen, der allerdings nur kurz und etwas roh ist,
aber den Charakter solcher Streifzüge um so richtiger
zeichnet.
i. Schlacht am Schwad er loh. April.
i) ff An einem Donstag es beschach *), von Hans Wick
von Luzern. Lil. II, 2»^% — 390.
2) «^ Woluf in gotes namen », von einem Berner. Lil. IL
391 — 394. Kurz. Die Schweiz 374. Vgl. Meyer von
Knonau 27.
d. Schlacht bei Gliirns (an der Calven). ]Mai.
«So will ich aber singen», von einem Bündner
Lil. IL 395 — 39S. Kurz, Die Schweiz 381 — 383.
HISTORISCHE VOLKSLIEDER XXXIII
Schlacht bei Dorneck. Juli,
i) «An einem mendag es beschach. » Lil. II, 400 — 401.
Kurz, Die Schweiz 390—391. Volksbibl. 86 — 88.
Dieses 15 fünfzeilige Strophen umfassende Lied wird
in der Quelle (I.enz, Schwabenkrieg) «das recht
Dornecklied » genannt, wahrscheinlich gegenüber zwei
ähnlichen, von denen das eine (23 Strophen, bei
Lil. II, 403 — 406) denselben Anfang hat, das andere
(13 Strophen, Lil. II, 402 — 403) eine einleitende
Strophe («Wend wir aber heben an»). Das Versmaß
ist in allen drei Liedern dasfelbe, auch enthalten sie
viele gemeinsame Bestandtheile ; die ursprüngliche
Gestalt ist schwer zu erkennen. Bei den 23 Strophen
sind einige mitgezählt, welche nur in einzelnen Quellen
dieses Liedes stehen.
2) «Woluf ir gesellen all mit schall», von J.Lenz (s. Nr. 20).
Lil. II, 407 — 412. Kurz, Die Schweiz 387 — 390. Dies
Lied hat das Versmaß mit den vorigen gemein, ent-
hält aber in seinen 57 Strophen allerlei Anderes als
jene, besonders eine Einleitung (bis Str. 18) und einen
Schluß (von 52 an), vor demselben übrigens eine
Lücke in der Handschrift.
Vielleicht nur ungenaues Citat aus diesem Liede
(vgl. besonders Str. 50) oder Fragment (nur jedenfalls
nicht der Anfang) eines andern (vgl. Str. 10 des großem
Liedes Nr. i) sind die im Anzeiger 1873, S. 282 an-
geführten drei Zeilen eines « bern (Berner-) liedes y,
welches im Jahr 1538 an einer Kirchweih in Knutt-
wyl gesungen wurde — immerhin ein schätzbarer
Beweis dafür, daß solche Lieder noch geraume Zeit
nach den Ereignissen und auch bei friedlichen An-
läßen gesungen wurden.
3) Einen Spruch von der Schlacht bei Dornach, der
Stadt Solothurn gewidmet, aus einer handschriftlichen
Chronik der Abtei Muri, gibt die Argovia 1861,
S. 117 — 125. Anfang: «Wend ir mir nüt für übel han. »
III
XXXIV EINLEITUNG
Diese Dichtung (auch auf der ZSB. XVIII, 1986, 7)
beruht offenbar auf den unter i angeführten Liedern
und wird von Liebenau (Anzeiger 1877, S. 308) auch
aus einem andern Grunde als etwas späteres Produkt
erkannt. Sie ist verfasst von Ulrich Wirri, der in
Aargau und Solothurn heimisch war, und ohne Zweifel
identisch mit dem bei AVeller, Ann. 1, 1019 angeführten
(f Liede » jenes Dichters auf die Schlacht.
f. Den Schluß der den Schwabenkrieg betreffenden Lieder
machen zwei, welche den ganzen Verlauf desfelben
rückblickend behandeln.
i) «Der Krieg hat sich erhoben.» Lil. II, 413 — 417.
2) (fWiewol ich bin ein alter gris. » Lil. II, 420 — 426.
Kurz, Die Schweiz 394 — 401. Vgl. Meyer v. K. 29.
Als Verfasser nennt sich « Peter Meiler von Rappers-
wyl, seßhaft zu Luzern und auch in Appenzell be-
kannt ». Herr v. Liliencron identificirt ihn ohne
Weiteres mit Peter Müller, dem ^^erfasser von a. und
die Angaben des Heimats- und Wohnortes stimmen
allerdings auffallend nahe überein. Aber Meyer v. K.
(53, 18) macht die Verschiedenheit der Namensform
geltend und vielleicht ist bei einem Dichter, von
dem wir sonst nur ein Lied besitzen, auch die der
Strophenform in Anschlag zu bringen.
22. Eintritt Basels in den Bund. 1501.
«Ein newes lied hab ich mich bedacht», von Caspar
Jöppel. Lil. II, 458. Wenn das von Lil. II, 491 mitgetheilte
Lied «Wend ir hören singen», welches den Beitritt Basels
zur Eidgenossenschaft tadelt und den Zug der Basler mit
den Eidgenossen nach Bellenz im Jahr 1503 verspottet, von
einem Priester in Basel verfasst ist, wie Th. v. Liebenau
(Anzeiger 1877, S. 308) meint, so ist es darum doch kein
schweizerisches in dem subjectiven Sinn, der für unsere
Sammlung einzig gelten kann, da es höchstens den Stand-
punkt einer geringen ^Minderheit von Basel vertreten konnte.
Vgl. zu Nr. 10.
HISTORISCHE VOLKSLIEDER XXXV
23. Italiänische Feldzüge. 1507 — 1)22.
^z. Eimialimc iwii Genua (April 1507), wobei 6000 Schweizer
in französischem Dienste mitwirkten,
i) «Ein schön Hed von dem genower krieg», von Hans
Birker von Luzern, der selber dabei war. « Zu lob
und ehr han ich's b'tracht. » Lil. III, 6 — 12.
2) « Jenower Schlacht in rimen gemacht ,», ein Spruch
in unregelmäßiger Versform von unbekanntem Ver-
fasser. Anfang : « Die er sol man geben got. » Lil.
III, 12 — 15.
i>. Schlacht an der Adda (bei Agnadello), Mai 1509, zwischen
den Verbündeten von Cambray und den A^enetianern ;
auf Seite der erstem einige Tausend schweizerische
Reisläufer.
«Zu lob und auch zu eren », von Pamphilus Gengen-
bach von Basel. Lil. III, 30—33. Gödeke, F. Gengen-
bach 536—540.
■£. Schlacht bei Novara. Juni 15 13.
i) « Wol her, ir lieben gsellen», sehr wahrscheinlich
(l)esonders wegen Str. 37, wo die Theilnahme von
Basel ausdrücklich hervorgehoben wird) von Pam-
philus Gengenbach. Lil. III, 93—97. Vgl. Gödeke
530—531, Note. Die meisten Drucke geben noch
6 Strophen Einleitung (Anfang: «O gott in dinem
himmel ») und dann den Anfang des eigentlichen
Liedes: «Nun merkend, lieben gsellen.» Das
Eigenthümliche des urs[)rünglichen Liedes ist die
Fassung desfelben in den Rahmen eines Gespräches
zwischen einem aus der Schlacht heimkehrenden mit
den ihn empfangenden und ausfragenden Bürgern,
eine sonst in unsern Liedern nicht vorkommende,
aber recht glückliche dramatische Formgebung.
.2) «In gottes namen fah (andere Lesart: heb) ich's an.»
Lil. III, 99. Dies Lied ist nicht sicher, aber wahr-
scheinlich, schweizerisch; Werner Steiner hat es
schwerlich erst in schweizerische Sprache umgesetzt.
XXXVI EINLEITUNG
Die in Str. 13 laut werdende Klage, daß im Schweizer-
land selbst Leute seien und ungestraft bleiben, die
die Schuld der schweren Verluste tragen, kann sehr
wohl von einem Schweizer erhoben und ein Vorbote
der Volksaufstände sein, welche nach der Schlacht
in Luzern, Bern und Solothurn losbrachen.
Das Lied auf die Schlacht bei Terwan (Terouanne
in Nordfrankreich), August 1513, zwischen den Fran-
zosen und den gegen sie verbündeten Engländern und
Deutschen (Anfang: « O Gott in deinem höchsten Thron»)
dem Pamphilus Gengenbach zuzuschreiben (mit Gödeke
und V. Liliencron) sehe ich keinen genügenden Grund.
Sollte es aber auch von ihm verfasst sein, so wäre es
immerhin kein schweizerisches Volkslied, denn der
Schweizer wird darin mit keinem Worte gedacht und
es ist fraglich, ob der in dem Liede ausgesprochene
politische Standpunkt, auf .Seite des Kaisers, in der
Schweiz populär war. Ebenso verhält es sich mit einem
angeblichen Liede Gengenbachs zum Lobe des Kaisers
Karl 1519, bei Lil. III, 234 — 235.
d. Ungefähr in das Jahr 15 14 setzt Herr v. Liliencron III, 170
das bekannte Lied « Bruder Claus von Unterwaiden »
(Nikiaus von der Flüh) «In Gottes namen heb ich an»,
gedruckt bei Körner S. 29. Rochholz S. 315. Kurz, Die
Schweiz 364. Vgl. Weller, Ann. 1, 187. II, 504. Das Lied
handelt nicht von Bruder Claus, sondern es ist eine
seinem Geist entsprechende Ermahnung der Eidgenossen
zur Sittlichkeit und Eintracht, insbesondere zur Ent-
haltung von fremden Kriegsdiensten, für welche gerade
damals wieder von mehreren Seiten geworben wurde.
In den Sommer des Jahres 15 14 fällt auch P. Gengen-
bachs dialogisches, später in Liedform^ verkürztes Ge-
dicht « Der alt Eidgenoß », welches dieselben Rathschläge
* « Gott Vater rüeffend wir an.» Weller, Ann. I, Nr. 39. Körner
S. 9. « Gott Vater Sohn rufend wir an.» Zur. StadtbiM. XVIII, 1984.
HISTORISCHE VOLKSLIEDER XXXVII
ausfpricht. Vgl. Gödeke 12—22. 543 — 546. Eine spätere
Fassung derselben Gedanken, die durch das ganze Jahr-
hundert gehen und mit der Reformation zusammenhangen,
ist Hans Rudolf Manuels Spruch « Der alte und neue
Eidgenoß», s. Bi-echtold, N. Manuel S. 303 — 304, und
dessen « Lied und fründtliche Warnung », s. Baichtold
S. 375 und CCXVI. Vgl. auch Nr. 29.
£. Aufnahme vo7i Mülhaiisoi in die Eidgenossenschaft. Januar
15 15. Dies Ereigniß hängt mit den italienischen Feld-
zilgen nicht zusammen und wird nur chronologisch hier
eingeschaltet.
Das betreffende Lied : « Ein newes lied hab ich mir
außerkoren», von Hans Wick von Luzern, steht bei
Lil. III, 162 — 165. Die dortige Angabe, daß das Lied
nur in einem Druck von 161 6 existire, ist unrichtig, da
der Winterthurer Sammelband Nr. 21 einen Basler Druck
von 1553 enthält.
«Gott wend wir rufen an.» ebd. Msc. B. 80, S. 195. Dieses Lied
gibt sich als Copie eines altern und ist auf 1530 datirt. Daraus
folgende Strophen über die Sitten der alten Eidgenossen:
Wer mit herren kriesi essen wil,
Der wird dick geworfen mit dem stil,
Den spott den muß er haben.
Wer von dem esel begert das schmer,
Der wird dick von ihm s:eschla2;en
Käs und ziger das was ire spis,
Sie zugend her in beides wis,
Ire seckli uf dem rugken.
Frisch wasser was in edles trank,
Sie thatend's tapfer schlucken.
Sie rittend nit vi! hoche roß
Und fürtend nit vil großes gschoss,
Gott was ir hoifnung alleine.
Sie zugend her in löuwes müt,
Als an mengem ort erscheine.
XXXVIII EINLEITUNG
/. Schlacht bei Mai'ignano. September 15 15.
Von dieser Schlacht, welche die Eidgenossen trotz
ihrer bewiesenen Tapferkeit nicht zu Liedern begeistern
konnte, machte laut Angabe von Werner Steiner eine
Frau zu Einsiedeln ein Lied, in welchem sich die Ur-
kantone beklagten, daß Bern, uneingedenk der Gemein-
schaft von Laupen und Murten, sie im Stich gelassen
und einen voreiligen Frieden (bei Gallarate) geschlossen
habe (s. Anzeiger 1877, S. 308. 310). Ueber ein fran-
zösisches Spottlied auf die Niederlage der Schweizer
s. ebd. 1880, S. 273.
g. Der Leinlakcnkrieg imd dessen Forisetzimg. 1521.
i) «Ein lied will ich üch singen», von Hans Bircher
von Luzern. Lil. IIL 389 — 392. Rochh. 348 — 354.
2) « Ir kriegslüt, sygend guter dingen >;, von demselben.
Lil. III, 395 — 399. Dieses Lied erzählt besonders den
Sieg der schweizerischen Freiwilligen bei Bondino
(Bundyn), October 1521.
3) 0: In Gottes namen heb ich an. •> Lil. III. 399 — 402.
Rochh. 356 — 362. Der erste Theil dieses Liedes,
Str. I — 22, erzählt die Werbung des Bischofs von Veroli
für den Pabst in der Schweiz, besonders in Zürich,
wo man Bedenken trug und die Bedingung stellte,
daß die Söldner nicht gegen andere Schweizer käm-
pfen sollten. Str. 17 — 22 enthalten eine bemerkens-
werthe Auslassung gegen die fremden Dienste über-
haupt, nach Art der unter d angeführten Dichtimgen.
Der zweite Theil erzählt den Ausgang des Feldzugs,
nach dem Tode des Pabstes Leo, und die Heimkehr
der Truppen, woran sich in Str. 32 nochmals eine
Warnung vor Zwietracht und Herrendienst schließt.
Der Verfasser, wenigstens des ersten Theils, könnte
ein Zürcher gewesen sein, nicht bloß weil er Str. 2
nachdrücklich die Schutzheiligen von Zürich anruft.
4 ) Bei Nr. 2 findet sich die Angabe : « in der wys wie
das lied von der faßnacht zu Basel gemacht von vier
HISTORISCHE VOLKSLIEDER XXXIX
orten. » Nun gibt es wirklich ein Lied auf die Fas-
nachtfeier, welche die Basler 1521 mit Gästen aus
lAizern, Schwyz und Uri begiengen, zur Erwiderung
der Freundschaft, welche sie selbst im Jahr 15 17,
von den vier Waldstätten eingeladen, in Uri erfahren
hatten. Das Lied beginnt fi Sol ich aber heben an))
und ist. etwas modernisirt, abgedruckt im Basler
NeujahrstUck XLVII (1869), wo eine Menge von
Nachrichten über ähnliche altschweizerische Feste
gesammelt sind. Wenn in der Titelangabe zu Nr. 2
«•Weise» bloß die Strophenform bedeuten sollte,
so könnte jene Angabe nur den Sinn haben, daß
dem Dichter zufällig das Basler Fasnachtlied zunächst
als A'orbild jener Strophe diente, denn diese ist
dieselbe wie in den viel bekannteren Dorneckliedern
(21, e) und findet sich schon früher, z. B. in Veit
Webers Lied vom Zug nach Pontarlier (15, c). Viel-
leicht bezeichnet also «Weise » die Melodie, welche
bei derselben Strophenform eine verschiedene sein
konnte. Vgl. Lil. III, 433, Note. IV, 131, Note.
//. Schlacht bei Bicocca. 1522.
«Botz marter kyri Velti d, von Niki. Manuel. Antwort
auf ein Schmachlied der Landsknechte. Lil. III, 406 — 409.
Ba^chtold 21—28 (mit der Melodie CXXVII). Rochholz
370—376.
24. Reformation.
Ueber die Schwierigkeit der Auswahl eigentlicher Volks-
lieder aus den zahlreichen Streitgedichten dieser Zeit s. die
Einleitung.
a. (( Ein hüpsch nüw lied, wie das wort gotts in Zürich ist
zum ersten entsprungen und prediget », «von einem Prätti-
g.öuwer gen Zürich geschenkt» (gedruckt 1531J. «Ach
rycher Christ in dynem thron. » ZSB. Siml. Samml. Bd. 29.
b. Aufstand der Landleiite in Intcriakeii. 15 28.
« Wie es in disen tagen zu Bern ergangen ist », viel-
leicht von N. Manuel. Lil. III, 573 — 576. Vgl. Bsechtold
XL EINLEITUNG
S. CCXIV. Ueber die Verbreitung und Wirkung dieses
Liedes s. Anzeiger 1S73, S. 276 — 279.
c. Kappelei- Krieg.
i) Wenn Herr v. Liliencron IV, 20 — 21 den Spruch
Zwingli's an die schwäbischen Städte aufnehmen
mochte, so verdiente wol noch eher Zwingh's be-
kanntes Lied (( Herr, nun heb den wagen selb », beim
Ausbruch des ersten Kappeier Krieges 1529 gedichtet
und von Zwingli selbst in Musik gesetzt, hier wenig-
stens angeführt zu werden, da es ohne Zweifel vom
zürcherischen Volk und Heer gesungen wurde und
zwar kein Kriegslied, aber ein Kirchenlied mit be-
stimmter Veranlaßung war.
2) Schlacht bei Kappel. 1531-
A. Von Seite der Katholiken.
a. Zwei Lieder — das eine anfangend : c Ach
ewiger gott von himmelreich » (nach anderer
Lesart: d Ach wyser gott im himmelreich », auch :
« O ewiger gott in dinem rych»), Lil. IV, 23 — 26,
43 Strophen, das andere : « Die fünf ort stand
auf festem grund», ebd. 27—31, 52 Strophen —
haben dieselbe fUnfzeilige Strophe und stimmen
auch im Wortlaut vielfach überein, so daß es,
wie in dem ähnlichen Fall der Dornecklieder
(21, e, i), schwer ist, das Ursprungsverhältniß
zu bestimmen. Herr v. Liliencron hält schon
das erste Lied, wegen seiner Schreibung, für
später als 1531, das zweite für eine Ueber-
arbeitung des ersten, was doch trotz der Plus-
ftrophen (welche immerhin später sein könnten)
nicht leicht nachzuweisen sein wird. Uebrigens
behandeln beide I>ieder, besonders aber das
zweite, nicht bloß die Schlacht bei Kappel,
sondern auch den in der zweiten Hälfte des
October unternommenen Zug der Reformirten
ins Freiamt und Zugerbiet mit dem Ueberfall
HISTORISCHE VOLKSLIEDER XLI
am Gubel. Eine viel kürzere Fassung (i6 Str.).
fast nur eine Auswahl aus dem ersten Lied mit
einigen Zusätzen oder Veränderungen, enthält
die Einsiedler Handschrift Nr. 439, S. 191 ff.
Die letzte Strophe ist abgedruckt im Anzeiger
1865, S. 57. Der Anfang lautet: c O güetiger
Gott in dinem Rych. »
fi. (' Ich muß ein wenig singen », von Johann Salat
von Luzern. Lil. IV, 32. Bcechtold, Hans Salat
(Basel 1876) S. 114.
y. ". O hochgelobte dryfaltikeit. » Lil. IV, 34. Ba^ch-
told schreibt auch dieses Lied ohne Bedenken
dem Salat zu (S. iü. iio — 113), wofür allerdings
spricht, daß es mit Salats Spruch «DerTann-
grotz » und mit dem ersten Liede zusammen
gedruckt ist, auch die Angabe der letzten
Strophe, daß den Verfasser c die Feder freue»,
was auf Salats im Jahr 1531 erlangte Stellung
als Gericlitschreiber (Biechtold S. 7) oder auch
auf seine freie litterarische Thätigkeit i:)asst_
Aber der milde, versöhnliche Geist dieses Liedes
stimmt nicht zu dem leidenschaftlichen des
ersten und auch der übrigen Schriften Salats
und es ist trotz der Wechselfälle seines Lebens
und der Wandelbarkeit seines Charakters un-
wahrscheinlich, daß er um dieselbe Zeit das-
felbe Ereigniß in so verschiedenem Tone be-
sungen habe.
Von Seite der Reformirten :
a. ^c Von dem christenlichen ritter Huldrychen
Zwinglin. » « O herr gott aller dingen. » Lil. IV,
36— 39-
ß. <i Von dem thüren beiden Huldrichen Zwinglin. »
«In gottes namen heb ich an.» ebd. 39 — 41.
v. « Ach herr min got , wenn machst dich uf ? »
ebd. 41—42.
XLII HIXLEITUXG
5. «Die Wahrheit thut mich zwingen», bei Werner
Steiner und in Abschrift in der Sammlung von
Wyß VI, I. VII, 112.
d. Kirchliche Partciuug in Solothiini. 1533.
\) ff Und wend wir aber heben an. 0 Lil. IV, 62 — dj^-
Von einem kathohschen ^ Niemand >j.
2) «Im namen der drivaltigkeit » ebd. d^» — ^V- Auch
dieses Lied ist von einem Kathohken verfasst und
von diesem Standpunkt aus recht gut; daß Schultheiß
Wengi seine Partei von Gewalt gegen die Reformirten
abgehalten habe, wird nicht erwähnt.
c. Der Esel zu Baden. 1534.
Die auf die Disputation zu Baden 1526 bezüglichen
Spottgedichte von Niki. Manuel und üz Eckstein sind
übergangen worden, trotz ihrer theilweise vortrefflichen
und volksthümlichen Stellen, weil ihr Gegenstand, ein
Streit von Gelehrten, trotz dem damals allgemeinen
Interesse an der kirchlichen Bewegung, nicht für Jeder-
mann verständlich war. Dagegen war ein Vorfall wie
der, auf den sich der Titel bezieht, trotz seiner zunächst
nur lokalen und geringen Bedeutung, der lebhaftesten
Theilnahme gerade des niedrigem A'olkes sicher und
die Kunde davon scheint sich auch weiter verbreitet zu
haben. Wenigstens gibt es nicht weniger als 5 Spott-
lieder, welche sich auf denselben beziehen. Dieselben
stehen in dem Manuscriptband der ZSB. A. 135, S. 148 ff.,
eines davon, mit dem Refrain «Der Esel z' Baden», auch
in dem Sammelband 124 der Vadianischen Bibliothek in
St. Gallen. Der Vorfall selbst wird erzählt in der hand-
schriftlichen Chronik von Haller in Zürich, Buch 28,
Cap. 9, und bestand einfach darin, daß ein Bildschnitzer,
den die von Baden aus Augsburg hatten kommen lassen,
um ihnen einen neuen Palmesel zu verfertigen, an einem
Span seines Werkes erstickte, was natürlich einiges
Aufsehen erregte und den Spott der Reformirten her-
vorrief.
HISTORISCHE VOLKSLIEDER XLIII
25. Zug der Berner ins Waadtland und nach Genf. 1 5 5 ^ — 1 536.
a. <(. O Bern, du magst wol frölich syn 0, von einem Berner.
Lil. IV, 127 — 129. (Bezieht sich auf das Gefecht der
bernischen FreiwiUigen bei Nyon. October 1535.)
l>. « Got vater in dem höchsten thron», von Niki. Schorr,
der auch noch andere Lieder gedichtet hat. s. Xr. 29.
Lih IV, 131-136.
c. (dr herren, wend ir losen.» ebd. 136 — 139.
d. «Gar frölich will ich singen.» ebd. 140 — 144.
Diese 3 Lieder erzählen den glücklichen Verlauf und
Erfolg der Hauptunternehmung, Januar-März 1536. Nach der
Strophe des ersten gehen Moch zwei andere, das erste an-
fangend: «Nun will ich aber heben an», ZSB. XA'III, 1986, 15
(s. Texte); das zweite: «In Gottes namen heb ich's an», ebd.
3018, II, gibt eine Uebersicht des ganzen Feldzuges.
26. Zug eidgenössischer Söldner in die Picardie, 1543 (mi
Dienste Frankreichs gegen den Kaiser).
« O Jesu Christe reine », von Hans Salat. Lil. IV, 232
— 236. Boschtold, Hans Salat S. 213 — 221..
27. Zug eidgenössischer Söldner nach Piemont, 1544 (im
Dienste Frankreichs gegen den Kaiser), <> Bemunder Schlacht »
bei Carmiol (Carmagnola), sonst auch Schlacht bei Cerisole
genannt.
«Im namen der heiligen dryfaltigkeit », von Caspar Suter.
Lil. IV, 247 — 252. Der Verfasser bezeugt in der letzten
Strophe, daß er selbst in der Schlacht gewesen und weit in
deutschem und welschem Land herumgezogen sei, ohne Treue
zu finden; seine Heimat ist mir unbekannt. Das Lied findet
sich vielfach gedruckt, zum Theil mit etwas verschiedenem
Anfang: «Jetzt heb ich an im namen heiiger dryfaltigkeit >>,
auch: «Im namen Gott des Herren.»
Auf diesen Feldzug bezieht sich auch, wenigstens an-
geblich, das Klagelied einer ^V"ittwe, die ihren Mann in
Piemont verlor, in dem Winterthurer Sammelband 44'', Nr. 28.
Es ist aber vielmehr eine lange moralisirende Klage über
das LTnwesen des Reislaufens, ohne bestimmtere Angaben^
XLIV EINLEITUNG
ähnlich den zu Nr. 23, d angeführten Gedichten, nur noch
weitschweifiger und mehr bibHsch gefärbt. Der Anfang ist
der des sehr bekannten, allgemein deutschen Volksliedes:
<c Ich stund an einem Morgen. »
28. Ueberfall der Stadt Constanz durch spanische Truppen.
August 1548. Besetzung durch Oestreicher im October.
Gemäß der oben zum Jahr 1356 gemachten Bemerkung
werden hier und später nochmals auf Constanz bezügliche
Lieder angeführt, aber nur solche, welche zugleich auf die
Eidgenossenschaft Bezug haben und von Schweizern verfasst
sind. Das letztere gilt von dem Liede f(Mit lust so will ich
singen >) (Lil. IV, 468 — 470) wenigstens insofern, als der
Verfasser desfelben, Jakob Ruef, später mit andern refor-
mirten Flüchtlingen von Constanz in Zürich lebte, wo er
Volksfchauspiele verfasste und zur Aufführung brachte ; mit
noch größerm Rechte gilt es von dem Liede «Nun wend
wir aber heben in gottes namen an » (Lil. IV, 471), welches
laut der letzten Strophe von einem Berner (aus Büren)
verfasst ist und ausdrücklich die beabsichtigte Hülfeleistung
der Eidgenossen an die bedrängte Stadt hervorhebt. Da-
gegen können die drei andern, von Liliencron S. 473 — 476
mitgetheilten Lieder, welche sich auf die Besetzung der Stadt
durch östreichische Truppen, die Wiederherstellung des Ka-
tholicismus und die Austreibung der Reformirten beziehen,
zwei von Seite der letztern, eines von Seite der Katholiken,
hier nur diese kurze Notiz finden.
29. Krieg der protestantischen Fürsten gegen den Kaiser. 1 5 52.
Dieses Ereigniß gehört nur insofern hieher, als aus An-
laß der damaligen Zeitumstände ein schweizerischer Dichter,
der schon oben (25, h) genannte Nikiaus Schorr (Kürschner
in Bern), einen Mahnruf an die Eidgenossen richtete, sich
vorzusehen und die Thaten der Vorfahren nicht bloß im
Munde zu führen, sondern nachzuahmen. Das betreffende
Lied, uNun will ich aber singen >) (Lil. IV, 530 — 532), gleicht
in seinen Ermahnungen den zu Nr. 23, d angeführten und
HISTORISCHE VOLKSLIEDER XLV
enthält mehrere noch heute zutreffende Stellen, von denen
daher eine als Motto an die Spitze der Texte gestellt ist.
30. Berns Festhalten an der Reformation.
Zwei Lieder, welche dazu ermuntern, ohne sich auf
bestimmte Ereignisse zu beziehen, mögen hier eingeschaltet
werden.
a. «Nun will ich aber heben an», gedruckt bei Apiarius
1556. ZSB. XXV, 923. 24".
b. «Wach uf, mins herzen schöni », gedruckt bei Apiarius
1558. In dem Winterthurer Sammelband 44, Nr. 29, 3.
Dieses Lied, mehr religiös als politisch, enthält eigen-
thUmlich schöne Stellen und ist vielleicht von Benedikt
Gletting verfasst, der um jene Zeit in Bern ähnliche
Lieder dichtete, die freilich nicht mehr ganz volks-
thümlich genannt werden können, s. Anhang.
31. Hugenottenkrieg in Frankreich. (1562 — 1582.)
Die Theilnahme von Söldnern aus den katholischen
Orten an dem Kriege gegen die Hugenotten war so wenig
eine gemein eidgenössische Unternehmung wie die an dem
Kriege zwischen dem König von Frankreich und dem Kaiser
in den Jahren 1543—1544 (Nr. 26. 27 oben) und eigentlich
schon die mailändischen Feldzüge; aber da die Ehre schwei-
zerischer Waffen auf dem Spiele stand und auch dies Mal
gerettet wurde, müssen die betreffenden Lieder ihre Stelle
finden. Für das Sachliche vgl. das neue Werk von Segesser
« Ludwig Pfyffer und seine Zeit », I. Band.
a. Schlacht bei Drcux oder Blainvillc (Plaville, « Blau-
wil »). 1562.
i) «Gottvater Sohn und heiliger Geist «, von Löwen-
stein aus Freiburg. Findet sich in dem Sammelband
der Aarauer Kantonsbibl. Rar. i, Nr. 7 zusammen mit
dem Liede auf die Schlacht bei Mirabion (s. unten /').
« Getruckt zu Nothburg im Zwingenthal bei Hans
und Ulrich Wunder mann gebrüdern. Im Jahr 1621.»
s. auch Weller, Ann. I, Nr. 278.
XLVl EINLEITUNG
2) « Ir frommen Christen allgemein », von Hans Kraft
von Zofingen, später in Luzern. s. Anzeiger 1873,
S. 326 ff. Abgedruckt im Anzeiger 1873, S- 33'^ — 332
nach einem Drucke von Apiarius in Bern 1564 mit
Varianten aus einer Handschrift von Cysat, da der
Drucker den Text etwas verändert hatte, weswegen
er vom Verfasser verklagt und von der Regierung
von Bern verbannt wurde, s. darüber a. a. O. 328.
3) (cWer weißt was ist vorhanden.» Findet sich mit
dem Titel «Ein hüpsch nüw lied von der Schlacht in
Frankreich 1562 » in dem Sarasin'schen Sammelband
in Basel, Nr. 13, und auch in Zürich, s. Weller, Ann. L
Nr. 279. 280. (Nr. 279 erwähnt noch ein anderes Lied
auf dieselbe Schlacht, von Wilh. Loen. Bergell, dessen
Heimat mir unbekannt ist.)
4) « Ach milter Gott und Herre. » Dies Lied ist in dem
Sarasin'schen Band Nr. 9 (0 Ein hüpsch nüw lied von
dem herten streit so zu Plaphilen » etc.). s. Weller,
a. a. O. Nr. 281.
Z». Schlacht bei Mir eb au (« Mirabion»), auch bei Moncontour
(« Montecurt ») genannt. 1569.
t( Zuvor wend wir anrufen den Herren Jesum Christ »,
von Barthol. Theiler. Dies Lied findet sich zusammen
mit dem oben a, i angeführten, ferner handschriftlich
in der Sammlung von Wick in Zürich, Bd. 28, Fol. 185
((( Us gnad wend wir anrüefen ); ; in der letzten Strophe
nennt sich der Verfasser: Bartli Reygell, was doch
nur Entstellung von Theiler sein wird).
Eine Erwiderung auf die Lieder von Kraft, Löwenstein
und (einem sonst nirgends genannten) H. Thetling von
Schwyz ist ein Lied «Urhab imd grundtliche Ursach des
französischen Kriegs, gestellt uff die Lieder, so vorhin uß-
gangen von H. Kraft » u. s. w. Anfang : « Könnt ich von
Herzen singen. » Dieses Gedicht (denn ein Volkslied ist es
nicht mehr), welches den Ursprung und Verlauf des ganzen
Krieges von hugenottischem Standpunkte darstellt und
HISTORISCHE VOLKSLIEDER XL VII
besonders die für diese Partei glückliche spätere ^^'endung
des Streites hervorhebt, ist mir abschriftlich von Herrn
Dr. Geilfus in Winterthur mitgetheilt.
Nur dem Inhalt, nicht der Form nach gehören hieher
noch einige andere Produkte:
i) «Ein neuwer Spruch, so die fünf Orte denen von
Bern zu Schmach und Schand gemacht habend wegen
des Zugs, der geschehen ist im 1562 Jahr zu Frank-
reich.;) Einleitung: «Wie kann ein Bär, so ein wildes
Thier, so zahm gmacht werden also schier» etc.
10 Zeilen. Dann der Anfang : « Nun wollend ir hören
seltsam sachen. » Aus Kesslers Ref.-Geschichte auch
in dem Sammelband 124 der Vadianischen Bibliothek
in St. Gallen abgeschrieben ; ferner in der Einsiedler
Handschrift der Propaganda in Rom. s. Anzeiger
1865, S. 57.
2) «Ein nüw lied von dem schwarzen Bären. » Anfang:
«Nun heb ich an zu singen. » Dieses Lied scheint
sich auf dasfelbe Ereigniß zu beziehen wie der vorige
Spruch, den Zug der Berner unter Dieftbach und
Nägeli den Hugenotten zu Hülfe. «Eine kurze Ant-
wort auf das Lied, so wider den schwarzen Bären
gemacht ist» beginnt: «Nun will ich üch jetzt singen.»
Beide Stücke stehen handschriftlich in der Wick'schen
Sammlung in Zürich, aber unter dem Jahr 1577. Das
erste scheint wesentlich identisch mit dem im An-
zeiger 1873, S. 283 mitgetheilten « Tratzlied wider
ein fromme Oberkeit von Bern », von Peter Bichsel
von Trachselwald. 1580. Anfang: « So will ich aber
singen. »
3) In demselben Jahr wurde bei Apiarius in Basel ge-
druckt « Ein hüpsch new Lied von Eroberung der
Stadt Severin v u. s. w. Anfang : « Ein new Lied will
ich singen.» Dasfelbe scheint von einem Berner
verfasst, der sich unter den schweizerischen Truppen
befand, die wider den Befehl der Obrigkeit dem
XLVIII EINLEITUNG
Prinzen Conde zugezogen waren und bei der Ein-
nahme von St. Severin durch den Pfalzgrafen Casimir
mitwirkten (April 1576).
4) Eine «ernstliche Vermanung an die Herren von Bern,
daß sie sich nienen in die Vereinigung mit dem könig
von Frankrich inlassend », trägt das Datum 1582 und.
beginnt: «Ach trüwer gottindinemRich.» Msc.(Usteri).
5j «Ein nüw lied von dem löblichen Zug in Frankrych
A" 1587 geschehen.» i\nfang: «Was wellen wir aber
singen », nach R. Cysat « von Oesterreichischen ge-
stellt», s. Th. V. Liebenau im Anzeiger 1880, S. 274.
32. Kampf um Genf zwischen Bern und Savoyen. (1563 — 1602.)
Dieser Kampf, eine Fortsetzung des unter Nr. 25 ange-
führten, ist zum Theil gleichzeitig und auch sachlich ver-
flochten mit den als Nr. 31 angesetzten Unternehmungen.
a. Im Archiv des hist. Vereins von Bern Bd. V, S. 65 wird
zum Jahr 1563 ein Lied erwähnt, dessen Anfang war:
«Ich möcht wol frölich singen, Wann ich vor Alter
könto und welches in spöttischem Tone die Regierung
■vOn Bern ermahnte, den von Savoyen bedrohten Pro-
testanten im Gebiet von Genf die gleiche Hülfe zu
leisten, wie den Hugenotten.
b. « Ein Lied von der Saphoyischen PUndtnuß .... von
einem Zuger gemacht.» Anfang: «Ach Gott, es ist
vorhanden. » Das Lied enthält Klagen über die zu-
nehmende Feilheit der Eidgenossen ; es steht in der
Wick'schen Sammlung (handschriftlich) zum Jahr 1577.
c. Zwei Spottlieder auf Schultheiß Pfyffer von Luzern und
Landammann Lussi von Unterwaiden, wegen ihrer Um-
triebe gegen Genf zu Gunsten des Herzogs von Savoyen
und ihrer Betheiligung am Hüoncil von Trient, enthält
die handschriftliche Chronik des Conrad Rollenbutz von
Zürich (auf der Kantonsbibliothek in Aarau), Fol. 103 1,
mit der Jahrzahl 1582. s. Anzeiger 1S77, S. 308, 12).
Anfang des ersten: «Mich dunkt, es welle fehlen»,
s. Texte ; des zweiten : « Ich muß zuletzt beschirmen. »
HISTORISCHE VOLKSLIEDER XLIX
d. Notiz von einem Spottlied auf den Herzog von Savoyen.
wegen Genf, von Martin Müller in Luzern mit einigen
lustigen Gesellen beim Trünke gemacht und gesungen,
gibt der Anzeiger 1873, S. 281, 5.
e. «Der Schweizer Stier. » 1584. Einleitung: «Es trägt der
mächtig Schweizer Stier », mit dem Bilde eines Stiers,
um dessen Hörner die Wappen der 13 Orte geflochten
sind. Dann ein Gedicht (Anfang: «Gott hat der Eid-
gnosfchaft in gmein ») , in welchem dringend die Be-
hauptung von Genf empfohlen wird. Handschrift der
Basler Univ.-Bibl. AG. IV, 24.
f. « Neue Zeitung in Gesangsweis von der Statt Genf, was
sie nach ihrer Belegerung dem Herzogen von Savoyen
für Stett, Schlösser und Flecken eingenommen. « Basel,
Apiarius 1590. Maltzahn, Deutsch. Bücherschatz Nr. 818.
Anfang: « Ir herren nemet wol zu mut. >> Verschieden
davon ist : « Neue Zeitung von der Statt Genf Belager-
ung .» u. s. w. Anfang : « Des Menschen bestes Kleinod
ist. 0 Weller, Ann. I, Nr. 422.
.i,^ Ucberfall von Genf (Escalade). « Ich will singen von
Herzen.» 1603. Nach der Melodie des Sempacher Liedes.
ZSB. XVIII, 2018. (Lieder von der Escalade, in Genfer
Patois. enthält «Recueil de morc:eaux choisis en Patois».
Lausanne 1842, p. 149 — 168. Vgl. Kurz, Die Schweiz 347.
33. Fasnachtfeier der Frutiger und Oberhasler, 1583 und 1)99,
besungen von Gläwy Stoller von Wimmis und Beat Ritter
von Frutigen. s. Rochholz S. 406. 416. Vetter im Berner
Taschenbuch iSSij, S. 55.
34. Kirchlicher Zwist in Appenzell.
Spottverse auf die Reformirten. Spottliedchen auf den
Uebertritt des Landammann Bodmer zum Katholicismus.
1588. Zellweger, Gesch. v. Appenzell, Bd. III, 2, S. 8. 94.
35. Bündnisse mit Mülhausen und Strassburg. 1586 — 1588.
a. Mülhausen.
i) "Welcher Gestalt die von Mülhausen in den Bund
der Eidgnoschaft komen und wie inen der ist widerum
IV
L EIXLEITUXG
abgeseit worden » (von den katholischen Orten). <> In
Rymenswis gestellt.* 1586. Anfang: '< In disem sumer
an einem tag. » Einsiedl. Handschr. der Propaganda
in Rom. Anzeiger 1865, S. 58.
2) (< Ein neuw lied und wäre geschieht von dem zug
(der Städte Zürich, Bern, Basel und Schaffhausen) vor
Mülhausen. » 1587. Anfang: c Gern wolt ich frölich
singen. » Weller, Ann. I, Nr. 401. ZSB. Msc. A. 79,
S. 392. Abschrift in der Sammlung von Wyß in Bern
I, loi. Ebendaselbst noch ein anderes Lied auf
denselben Zug. aber nicht von schweizerischer Seite,
abgedruckt bei Körner 284. Anfang: 0 Nun merket
auf mit klagen. >>
b. StraJMnirg.
« Ein neu Lied von dem neuen Bund, so Straßburg,
Zürich und Bern mit einandern gemacht,» 1588. An-
fang: (• [Mit Lust so will ich singen.» Auf den Stadt-
bibliotheken von Zürich und Bern.
Das neue Bündniß mit Zürich war bekanntlich durch
die Hirsebreifahrt der Zürcher auf das Straßburger
Schießen 1576 vorbereitet worden. Die auf diese Fahrt
bezüglichen Dichtungen von zürcherischer Seite sind
nun aus der Wick"schen Sammlung vollständig heraus-
gegeben durch Bcechtold in den Mittheil. d. antiq. Ges.
XLIV (1880), sind aber keine Volkslieder.
36. Bündniss von Wallis und Graubünden. 1600.
Anfang : « Frölich so will ich singen. » ZSB. XVIII.
2019. Ein Lied über das Bündniß von Bern mit Graubünden
(1602), von Michael Stettier von Bern (s. Weller I. Xr. 491),
ist unvolksthümlich.
37. Spottlied auf Uri und Unterwaiden, gesungen von Jakob
^^'idmer von Luzern. 1603. Anzeiger 1873, S. 2S1.
38. Bündniss von Zürich und Bern mit dem Markgrafen
Georg Friedrich von Baden. 1612.
Anfang : c Ich verkünden euch neuwe mähre. » (Usteri
P^' 6.) Vgl. Kahns Chronik II. 10, o.
HISTORISCHE VOLKSLIEDER LI
39. Kämpfe in Graubünden. 1620 — 1655.
Da die damaligen bUndnerischen Parteiungen und Kriege
durch ihren Zusammenhang mit der Politik der sich ein-
mischenden Großmächte eine weit über das Gebiet des
Kantons und der Schweiz hinausreichende Bedeutung hatten,
so haben sie auch eine verhältnissmäßig große Zahl soge-
nannter Lieder veranlaßt, welche aber nicht alle volksthümlich
und auch nicht alle schweizerischen L^rsprungs sind, so daß
die Auswahl erschwert ist.
(I. (( Ein warhaftiges newes Lied aus dem Land Pünten. »
1620. (Gegen die Reformation in Bünden und Veltlin.j
Anfang: «Ihr Kriegsleut und Bundsgenossen.» Weller,
Ann. I, Xr. 566. KB. Aarau.
./^. « Ein hübsch new Lied von dem harten Streit zwischen
den Eidgenossen von Zürich und Bern und den rebelli-
schen Mordthätern den Veltlinern und ihren Ciehülfen.
beschehen uf Verenen tag 1620 (Veltlinermord), von
Heinr. Rynacher, Schulmeister zu Zürich.» Weller,
Ann. I, 570.
c. « Pündtnerisch Hanengschrei.» 1621. fErmahnung der
Bündner zur Rettung ihrer Freiheit.) Anfang : « Von der
Grisonen Freiheit gut.» ZSB. XVIII, 1987.2019.
d. « Beroldinger ist ehrenwerth. » Lied, beigedruckt der
Prosaschrift: « Warhafte historische Relation, was sich
in den dreien Bünden seit dem Blutbad im Veltlin bis
Anfang Juni 1621 begeben.» Zürich, Simml. Samml.
Weller, Ann. II, S. 417. (Spottlied auf die Flucht der
Spanier, Jesuiten und Capuziner, auch der fünförtischen
Truppen, aus Bünden. jMärz 1621.) Auf denselben Zug
bezieht sich ein freilich erst 6 Jahre nach den Ereig-
nissen verfasstes Lied von 71 Strophen; mitgetheilt bei
Sprecher, Gesch. der bündner. Kriege und Unruhen,
bearbeitet von Mohr, Bd. I, S. 236 — 249. Der Titel
des Liedes ist c Der Pündtnerisch Fagaus » (Fegaus, mit
Beziehung auf die Plünderungen der fünförtischen Truppen
und ihre nachherige Vertreibung), die strophische Form
LH EINLEITUNG
die des Murtnerliedes •■Min herz ist aller fröuden voll >>.
der Anfang : « Verschiner Herbszeit es geschach. » Der
Stil ist vorherrschend chronikartig, doch kommen einige
bessere Strophen vor; die lO letzten enthalten Mahn-
ungen gegen Bestechung durch fremdes Geld und zur
Nachahmung der alten Eidgenossen. In der letzten
Strophe wird der Verfasser <i fast wol bekannt » und wol
eben darum nicht mit Namen genannt. Von dem Stier
heißt es (Str. 24), der Steinbock (Bünden) habe ihm
einen Sterz gegeben und (Str. 30) das As (Fressen) sei
ihm recht geschüttet worden, aber das ruche Heu habe
ihm nicht schmecken wollen u. s. w. Besonders wird der
schimpfliche Rückzug über das Gebirge verspottet, wo
man den grösten Theil der Beute im Schnee musste
stecken lassen.
e. «Ein new Lied, gedieht vom redlichen alten Eydt-
gnossen ^) u. s. w. Weller. Ann. II. S. 416. Klagen über
die religiöse Trennung der Eidgenossen, die daherige
Einmischung der fremden Mächte etc. Anfang : « Nun
will ich singen und heben an, »
«Der Pündtner Spiegel, in welchem sich ein ganz
löbl. Eidgnossfchaft wol zu ersehen hat. » 1622. Anfang:
'(Wach auf, wach auf, o Pündtnerland. >> Weller, Ann. I.
Nr. 665.
/. (( Der heroische wilde Mann oder ein neu Lied, wie die
mannhafte Leut in dem Zehn Gerichten Bund mit ihren
Brügeln die Spanische und Leopoldische aus dem Land
geschlagen haben. ,» 1622. Anfang: c Dein lob, o wilder
Mann.» Weller, Ann. I, Nr. 662,. ZSB. XVIII, 2019.
(( Lobspruch der tapferen und mannhaftigen Prätti-
gäuweren . . . was Gott durch ihre Prügel . . . gewürkt hat.
Durch Habgottlieb Rainckli. '> 1622. Anfang: «Mein
Geist in freud erschwinge sich. » Weller. Ann. I, Nr. 662.
ZSB. XVIII, 2019.
«Der PUndtnerische Brügelkrieg. 0 1622. Anfang:
«Nun merkend auf mein Gsange. j) ZSB. XVIII, 2019.
HISTORISCHE VOLKSLIEDER LIII
^. « Zwei schöne Lieder zu Ehren Ihr Excellenz Herrn
Heinrich Herzogen von Rohan . . . Generalen in PUndten.
Ueber Seine Yictorien . . . im Jahr 1635. Durch einen
gutherzigen Püntnerischen Patrioten und Soldaten Gu-
lerischen Regiments.» Puschlav 1635. Anfang des ersten :
« Nun fangt ein frisch new Liedlin an », des zweiten :
«Als 1635 Jahr, ich meld.» Weller, Ann. I, Nr. 908.
40. Dreissigjähriger Krieg. (1633 — 164.4.)
Da die Schweiz an diesem Kriege nicht eigentlich be-
theiligt war (wenn man nicht die BUndnerkriege [Nr. 39]
dazu rechnet) und nur an ihrer Nordgrenze einige Mal von
demselben berührt wurde, so soll diese üeberschrift nur die
l^etreffende Zeit bezeichnen und sind zahlreiche Lieder aus
derselben nicht zu erwarten. Produkte wie die von Weller,
Ann. L 697. 701 angeführten sind, auch wenn sie aus der
Schweiz stammen, keine Volkslieder. Daß der Schrecken
■des Krieges doch auch dem schweizerischen Volke nahe
gerückt war, beweist der noch lange lebendig gebliebene
Spruch :
De SchweJ ist cho,
hüd alles gnn,
häd d' feister igschlage,
's blei drus gschlage,
Chügeli 'gösse
u d' bure-n-erschosse'.
Eine wirkliche PJerührung mit den Scliweden trat ein, als im
Jahr 1633 der schwedische General Hörn bei Stein über den
Rhein gieng und durch den Thurgau vor Constanz rückte,
um diese Stadt zu belagern. Zürich konnte oder wollte den
P>ruch der Neutralität von dieser Seite nicht hindern, die
katholischen Orte aber schickten 3000 Mann zum Schutze
des Abtes von St. Gallen. Die thurgauische Landwehr unter
Kilian Kesselring (der nachher dafür büßen musste) konnte
natürlich nichts ausrichten. Auf diese Ereignisse beziehen
^ Vgl. Kirchhofer, Schwel;;. Spriichwörter. S. 112.
LIV EINLEITUNG
sich die Lieder a und b. i, b. 2 auf die Kämpfe um den
Besitz von Rheinfelden, welches zwei Mal von dem mit den
Schweden verbündeten Rheingrafen Otto Ludwig belagert
wurde (übrigens damals noch nicht schweizerisch war), c auf
die Bedrohung der Grenze durch ein schwedisch-französisches
Heer 1644.
a. i) «^ Klaglied der löbl. Statt Costantz über die unfreund-
liche Nachbarschaft der Schwedischen Eydgnossen »
U.S.W. 1633. Weller. Ann. L 879. Die Volkslieder
des 30jähr. Krieges, von Ditfurth- Bartsch, S. 233.
Anfang: c< Ach gott, wem soll ich's klagen V ^) Einige
Strophen daraus auch in der handschriftlichen Chronik
von T. J. Meyer von Zürich, Fol. S>6, S. 640. Es wird
geklagt über den Vorschub, den Zürich, Schaffhausen,
St. Gallen und auch die thurgauischen Landleute dem
General Hörn bei der Belagerung von Constanz ge-
leistet haben sollen.
2) « Antwort auf das .... Lied im Namen der Stadt
Costanz wider die Evangelischen ort und Herren
Feldmarschall Hörn ») u. s. w. 1 634. Weller, Ann.1, 893.
Anfang: ((Mein gwüssen thut mich zwingen.;)
3) <( Grundtliche Widerlag der neulich von der Statt
Costanz in Druck außgesprengten Lästerkarten wider
Ihr Königl. Majestät von Frankreich und die refor-
rairten Stände der Eidgenossen. Durch Christ. Gottlieb
von Ehrerretten. » Anfang : (< O Costanz, Pfaffennest. »
Auch hier wird der Zug der vier katholischen Orte
in's Thurgau verspottet. (Usteri.;
b. i) «Triumph und Sieglied (andere Ausgabe: Klaglied)
von dem unüberwindtlichen Tgroßmächtigen) Heerzeug
(and. .Ausg.: Heerzugj etlicher unierten Lapländeren
aus Schmalcaden :» (wahrsch. Schmal-gaden, ärmliche
Vorrathskammer, and. Ausg.: Bergknapjpen) u. s. w.
1634. Weller, Ann. L 900. Anfang: »Ein Liedlein
will ich singen Von einer tauben Kuh. » Findet sich
auch, aber wieder mit etwas verschiedenem Wortlaut,
HISTORISCHE VOLKSLIEDER LV
in dem Sammelband 124 der Vadianischen Bibliothek
in St. Gallen, S. 193 ff. Dieses Lied, wahrscheinlich
von einem Zürcher verfasst, nicht ganz volksthUmlich,
aber in seiner Art vortrefflich, verspottet mit bitterm
Hohne den Zug der Truppen von Uri, Schwyz, Unter-
waiden und Zug in's Thurgau, besonders die mangel-
hafte Ausrüstung, dann die geringen Leistungen und
die schmähliche Heimkehr derselben, wobei unter
Andern! ein Fähnrich in einem Wirthshaus zu Rappers-
wyi seine Fahne versetzt haben soll, die dann ein
Weber von Zürich gegen Garn eintauschte.
2) P.elagerung von Rheinfelden. 1633 — 1634. Für das
Historische vgl. Aarg. histor. Taschenbuch 1860.
a. « Der Rheingraf und der Schwede. '^ Dieses Lied
ist in Stöbers Alsatia, Neue Reihe. 1 868-- 1872,
S. 401 — 404. mitgetheilt. nach einem Druck von
1675: etwas abweichend, sachlich und in mehr
schweizerischer Sprache, in der Beilage zum Schul-
bericht von Rheinfelden 1881, von Pfarrer Schröter.
Da diese Fassung bis auf die letzten Jahrzehnte in
Rheinfelden als c Schwedenlied '^ gesungen wurde
und das Lied auch sonst eines der besten aus jener
Zeit ist. so gebe ich es in den Texten.
fj. « Am Rhein da lag ein schöne Braut. » ZSf5. XVHL
1975. Dieses Lied, der Sprache nach nicht schwei-
zerisch, erwähnt, daß Johann von Werth , der in
einem von Vilmar, Handbüchlein S.85 — 87 mitge-
theiltenLiede besungene Kampfgenosse desObersten
Franz von Merey, des Yertheidigers von Rhein-
felden . in Lauffenburg gefangen gehalten wurde.
« Ein neu Lied von tapferer Bständigkeit . . . der Bürgern
und Priestern zu Bischoffzell (da der Schwed samt dem
Franzos zu Bregenz in der Clausen sich aufhielt). Ge-
dichtet durch Niclaus Schararoth. der vil thun muß umbs
liebe brot. 1644.» Weller, Ann. I, 932. Anfang: «Nun
merket wol was ich erzell Von den Burgern z" Bischofzeil.;»
LVI EINLEITUNG
41. Der Bauernkrieg. 1653.
Diese Bewegung, welche in ihrem Ursprung tief berechtigt
war und beim Volke die Erinnerung an die ersten Freiheits-
kämpfe erweckte (in Gestalt der «^ drei Teilen » und von
Landsgemeinden), hat ohne Zweifel %on Seite der Bauern
mehr Lieder hervorgebracht als uns erhalten sind. Manche
andere mögen durch den unglücklichen Ausgang der Be-
wegung und durch die Strenge, mit welcher die Obrigkeiten
auch die Erinnerungen an dieselbe verfolgt haben werden,
verloren gegangen sein. Da die vorhandenen Lieder wenig
bekannt sind, so werden die besseren in den Texten ihre
Stelle finden, wo dann auch die nöthigen Nachweisungen
anzubringen sind. Hier folgen Angaben über einige Ge-
dichte, welche, weil sie nicht eigentliche Volkslieder sind,
dort nicht aufgenommen werden können und doch nicht un-
berücksichtigt bleiben dürfen. — Ein mir von Dr. Lütolf (f)
in Luzern mitgetheiltes Manuscript aus jener Zeit enthält
folgende drei Gedichte von Seite der dortigen Herrenpartei.
a. Vom Kniittelkricg. Eine in Reimpaaren verfasste Er-
zählung (13 Seiten 8"), deren Geist sich schon in den
Titelversen verräth :
Den Knüttelkrieg fiengen die Knüttel an,
Mit Knütteln (Knittelversen) ich's bezeugen kann.
Zuerst wird die Auflehnung der Bauern gegen die alte
Ordnung und die verkehrte neue, die sie einführen
wollten, beschrieben: dann das unordentliche Treiben
in ihrem Lager, ihre schlechte Ausrüstung und Anführung,
auch ihre Feigheit ; daher der verfehlte Ausgang ihres
Unternehmens als verdiente Strafe und Warnung. Die
]3arstellung enthält einige ergötzliche Züge, z. B. wie die
Weiber den Bauern nachzogen, um sie mit Nahrung zu
versehen (Fastenschnitten, Zigerküchli, Fröschenbeine),
und ist auch sonst nicht ohne Witz und Geschick, doch
im Ganzen nur eine Reimerei, wie der Verfasser selbst
am Schlüsse sagt, die schlechte Sache sei keiner bessern
Reime werth.
HISTORISCHE VOLKSLIEDER " LVII
J). Vom Giitsch. 52 vierzeilige Strophen. Zunächst wird in
scherzhaft übertriebener und halb gelehrter Weise die
von den Bauern angerichtete Zerstörung eines auf dem
Gütsch (dei Anhöhe über der Stadt Luzern) gelegenen
herrschaftlichen Waldes mit Vogelherd beklagt ; dann
werden die Bauern insgesammt und einzelne Häupter
derselben (darunter Fridli Bucher. s. nachher), auch
einige Mitschuldige aus der Stadt, beschimpft und ver-
spottet. Am Schlüsse steht in umgekehrter Schrift der
Name (des vermuthlichen Verfassers) : Conradus Sonnen-
berg. Proben aus diesem Gedichte (Str. 28 — 38) hat
Lütolf in seinen Sagen S. 427—428 gegeben.
c. Wallfahrt zu dem Steiner am Galgen. 32 sechszeilige
Strophen, von demselben Verfasser; einige davon
a. a. O. 429 mitgetheilt. Dieses Stück zeugt in höchst
bemerkenswerther Weise von der Verehrung, welche das
Landvolk den hingerichteten Märtyrern seiner Freiheit
zollte, so daß die Richtstätte eifriger besucht wurde als
mehrere nahe liegende \\'allfahrtsorte und zuletzt von
der Regierung mit Wachen umstellt werden musste !
Lieder haben wir :
a. Von Seite der Bauern:
1) Das neue «Wilhelm Teilen Lied». Anfang: c ^^'as
wend wir aber singen? » s. Texte.
2) Das Lied von Friedli Bucher, in mehrfacher, leider
etwas verwitterter Gestalt und schon halb in's Roman-
tische gezogen, darum den Texten der zweiten
Abtheilung zugetheilt.
./'. Von Seite der Regierungen:
1) (■ Passport der Bauern vor Aarau. » Von dem schimpf-
lichen Abzug (Laufpaß) der vor Aarau gezogenen
Bauern. Anfang: c Gott dich wol bewar. Du kahle
Baurenschar. >.
2) Artillerie-Lied. s. Texte.
3) Lied von dem Gefecht bei Wohlenschwyl. Von
Weller (Ann. I, 972) einem Jakob Hotz von Zürich
LVIII EINLEITUNG
zugeschrieben, der aber nach Bahhasar, Helv. VI, 629
vielmehr einen Dankpsahn über die Vernichtung der
Bauern verfasst hat, während das Lied von der
Schlacht zwei Hufschmiede von Zürich gedichtet
haben sollen.
a. 1 und b. I. 2 finden sich handschriftlich im Band 175
der Simmler'schen Sammlung in Zürich. /'. 3 hat den Titel :
« Ein schönes nüwes Lied von den Bauern, so vor Melligen
zogen, wider ihre eigene Oberkeit . . . . Es ist gar lustig zu
singen; ein Jeder mach auch eine Melodei, die ihm gefallt,
es steht ihm frei. » Anfang: « ^\'as bringt uns auf den Tag?»
42. Der (erste) Vilmergerkrieg. 1656.
Dieser Krieg hat eine im A'erhältniß zu seiner Dauer
und den wirklichen Ereignissen bedeutende Zahl von Liedern
veranlaßt, denen freilich volksthümlicher Charakter zum
größern Theile gebricht, wie schon aus den Versmaßen (zum
Theil Alexandrinern und Strophen mit Binnenreimen) und
aus dem öfiern Mangel der (sei es auch nur formellen) An-
gabe einer Melodie hervorgeht. Es sollen hier nur diejenigen
Stücke angeführt werden, Avelche wirklich Lieder sind oder
wenigstens es sein wollen : im L'ebrigen verweise ich auf
meine Angaben im Archiv des histor. Vereins von Bern,
Bd. VIL S. 361 — 362 und auf Weller. Ann. I, Xr. 975. 977 — 986,^
wo auch die genauem Titelangaben zu finden sind, die hier
zu viel Raum erfordern würden. Die Lieder beziehen sich
hauptsächlich auf folgende Thatsachen :
a. Vertreibung der Reformirtcn ans Arth.
i) Spottgedicht auf den heimlichen Gottesdienst der
Reformirten in Arth.
2) Ermunterung derselben zum Festhalten.
3) << Ausgang von Babel und Eingang in das wahre
Christenthum. » (Aufnahme der Flüchtigen von Arth
in Zürich.) Anfang: «Bitt, lasst euch nicht ver-
drießen. ))
4) « Der ums Evangelium willen hingerichteten Schwei-
zern (Schwyzer, der Protestanten in Arth) Klag-, Valet-
HISTORISCHE VOLKSLIEDER LIX
und SterbensHed. » Anfang: «Auf, o ihr Frommen,
zu dem Sterben. » Auch in dem in Alexandrinern
abgefassten Pasquill <> Ach Schweizer schäme dich»
u. s. w. scheint Schweizer die Schwyzer zu bedeuten,
aber hier die Katholiken.
Diese 4 StUcke finden sich nebst mehrern nachher
angeführten in der Simmler 'sehen Sammlung Bd. 299.
5) Auf den geheimen Verkehr derselben Protestanten
mit zürcherischen Geistlichen scheint sich auch ein
heftiges Streitgedicht eines Predikanten Aberlin gegen
einen « Pfaff » Caspar Lang in Zug (vielleicht den
Verfasser von i) zu beziehen. Sammlung von AVyß
in Bern VIII, 11.
FntcJitlosc Bdagenmg von Kapperstvyl durch General
Werdmüller, dargestellt unter dem damals beliebten und
noch bei der Einnahme von Baden im zweiten Vilmerger-
kriege wiederholten Bilde einer «Buhlschaft »> oder Braut-
werbung, worüber zu vergleichen R. Köhler in Gosche's
Archiv f. Lit. -Gesch. Bd. I, S. 228—251. Vgl. auch
Nr. 40, b, 2. 46. 49.
i) «Von der blutdürstigen Buhlschaft des Werdmüllers
von Zürich umb die edle Gräfin d. i. die belägerung
der Grafschaft Rappersu yl. » Anfang: «Frisch und
frölich in dem Feld. » Weller, Ann. I, 982. 984, 2.
2) «Ein reine Magd ir Kranz noch tragt. '^ a. a. O. 981.
Abgedruckt bei Ditfurth, Deutsche Volkslieder des
17. 18. Jahrhunderts S. 83.
3) «Rapperschweil, du bekannte freie Stadt. 0 Einsiedler
Handschrift, s. Anzeiger 1865, S. 58.
4) « Gegenhallendes Antwort-Lied oder Abfertigung jener
verschreiten Buler-Dirnen. » Anfang: «Du Lügenmaul
wie singst so faul. >> \\'eller, a. a. O. Xr. 986. (Ant-
wort auf 3 '{)
5) Antwort eines Katholiken auf das Calumni-Lied eines
zwinglischen Predikanten. (Antwort auf 4':') Ein-
siedler Handschrift, s. Anzeiger a. a. O.
LX EINLEITUNG
c. Schlacht hei Vilmergen.
i). f< Klaglied des Bären über die verlorne Schlacht zu
Vilmergen. )^ Anfang : a O ach und weh. was ist mir
gscheh!» (Spottlied von katholischer Seite.) ^^'eller,
a. a. O. Nr. 980.
2) «Tapfere Helden, katholisch Soldaten. » («Bärentanz
nachdem zürcherischen Biribompomp.») Weller 977.1.
(Antwort auf e. 4?)
3) (( Ein Wunderding als ich vernim. » Weller 983. 984, i.
4) «. Ich kom von Arth. n Weller 985. Vgl. Anzeiger 1877,
S. 309, lö.
5) «Nun schweigen still und haben Ruh» (angeblich von
einem Bauer). Weller, Ann. II, S. 423. 424.
6) « Und als es eben uf s Jahr des Herrn », angeblich
von Pfarrer Keyser in Vilmergen, noch bis auf neueste
Zeit im A^olke erhalten, abgedruckt in der Argovia V,
213 — 214, nebst vorangehender Prosa-Erzählung der
Schlacht, aus gleichzeitiger Aufzeichnung wahrschein-
lich desfelben Geistlichen.
7) Klaglied der Berner Garngrämpier über den zu Vil-
mergen erlittenen Schaden, «durch Oswald Tölpel
an der Todtenegg in dem Berner Gebiet ». Anfang:
« Was soll ich armer Grämpier Mann. » Weller, Ann. I,
Nr. 978.
8) « Ein schöner Spruch von der Vilmerger Schlacht. »
Anfang : « Gott dem Allmächtigen ghört die Ehr. »
Handschrift der Simmler"schen Sammlung Bd. 299.
d. Grenzcinfällc der Katholiken am Zürichsee und im Gast er.
i) Gedicht auf den Ueberfall des von Zürchern besetzten
und tapfer vertheidigten Klosters Wurmspach im Gaster
durch Truppen der fünf Orte. Anfang : « Willkumm,
ihr lieben Gast, was wend ihr allhie machen?» a.a.O.
2) « Schwyzerisches Kühlied d. i. wahrhafter Bericht, was
für herrliche Thaten die kathol. Orte bei ihrem Einfall
in der Herrschaft Wädenschwyl verrichtet haben.»
Anfang: «Mein frölich Herz das trvbt mich an.» Usteri.
HISTORISCHE VOLKSLIEDER LXI
Unter e folgen noch einige Stücke, welche sich auf den
Krieg im Allgemeinen und die damaligen Zeitumstände be-
ziehen.
€. i) «Gespräch zwischen den vier evangelischen Städten.»
Anfang (Bern): «Die Nacht ist hin, nun, Burst, in
d" wehr.» s. Anzeiger 18.77, S. 309, 17.
2) Spottgedicht auf Schultheiß Fleckenstein und Alfons
Sonnenberg wegen ihrer Haltung im Kriege. (Febr.
1656.) Anfang: «< Lucern. zünd an din licht fin klar. »
ebd. 14.
3) «Ein schön new Lied: Von ^\"ilhelm Teilen, durch
Helvetium Wahrsagern von newem gebessert und
nach der Zeit gericht. n Anfang : « A\'ilhelm war ich
der Teile. » (Anspielung auf das alte Tellenlied :
«Wilhelm bin ich der Teile. ») Weller Nr. 991 setzt
das Lied in's Jahr 1659. ZSB. XVIII, 535. Vgl. Nr. 53, <^.
41, a, I. Das nicht recht volksthUmliche, aber sonst
bemerkenswerthe Gedicht, von Seite der katholischen
Orte, bezieht sich auf einen Machthaber im Kanton
Uri, der mit dem Landvogt verglichen wird und vor
dessen den Reformirten sich zuneigender Politik ge-
warnt wird (General P. Zweyer). Nach Th. v. Liebenau
im Anzeiger 1880, S. 274, wahrscheinlich von einem
Schwyzer gedichtet.
4) « Der jetzige gut eidgenössische Trommelschlag. »
Anfang: «Biribompomp, nun losend allesammt. » Am
Ende : « Alexander Hausröthel , Regimentstrommen-
schlaher von Ossingen, im Läger vor Rapperswyl,
seinem lieben Bruder Alexander VIL dem Kupfer-
schmid. » Simml. Samml. Bd. 299. Winterth. Hdschr.
P>d. 65. (Alexander VIL war der damalige Pabst und
das ganze Gedicht ist gegen die Umtriebe der Curie
gerichtet.) Vgl. c, 2.
43. Wigoldinger Handel. 1644.
Auch dieses an sich geringfügige Ereigniß, welches auf
einem leeren Schrecken beruhte und nur in einer Zeit
LXII EINLEITUNG
religiöser Spannung weitere Folgen haben konnte, hat einige
Lieder veranlaßt, die freilich nur Klagen über die unschul-
digen Opfer enthalten konnten.
a. << Thurgauisches Klag- und Trauerlied. » Anfang : o Nun
merket auf die große Klag. >■) Balthasar, Helvetia V, 3S9.
Pupikofer, Gesch. d. Thurgau, Bd. 11, Beil. S. 50.
Ik (( Thurgauischer Schwanengesang. » Anfang : (< Merkt.
Reformierte, all zugleich. » Balthasar, Helvetia a. a. O.
c. 0: Der evangelischen Thurgöuwern Traur- und Klaglied. »
Anfang : «, Ach höret an, ihr Christenleut. » Flieg. Blatt.
d. Aufmahnungsgedicht an die Stadt Zürich. Weller, Ann. I.
997-
(. <( Unpartheiischer Ausfchlag über jüngst abgeloffene
Wigoltingische bluthandel. » Ein Spruch in Reimpaaren.
Anfang: «Wenn die Wigoltinger Sachen. >> Aus einem
Winterthurer Manuscript mitgetheilt von Dr. Geilfus. Es
mögen noch andere Gedichte dieser Art vorhanden sein.
44. Glückwunschgesang zu Ehren der bernischen Kriegs-
leute, welche dem König von Frankreich zuzogen. 167 1.
Weller. Ann. I, 1008. Nicht volksthümlich.
45. «Eidgenössisches Wachauf und Klopfdrauf. ); Er-
munterung zur Wachsamkeit und Tapferkeit in den gefähr-
lichen Zeitläufen. 1673.
a. Anfang: «Fast nichts wird bei disen unsern Zeiten.»
(Usteri.)
/'. Anfang: «Will man denn nicht Frieden halten.» ZSB.
xvm, 1973.
46. « Buhlschaft der sich repräsentirenden Eidgenössi-
schen Dame » u. s. w.. von Jakob Wurmann von Wiesen-
dangen. Weller, Ann. I, 1020. Anfang: «Wenn ich schon
bin vom Baurenstand. » (Usteri.)
47. « Zugab über des widerlegten Abts zu Einsiedeln
Näfelser Predigt.» 1676. Anfang: « Unserm Abt Herrn
Augustin. » Sammlung von Wyß in Bern VIII. 5.
48. Pasquill auf Landvogt Lussi im Rheinthal. 1676.
Anfang: «0 liebes L'nterwaldner Land, Was macht Lussi
HISTORISCHE VOLKSLIEDER LXIII
dir für Schand. » Ein Spruch in Reimpaaren. Am Schluß :
((Das seig Euch anstatt einer neuwen Practik für 1676 zum
Zurzach Kram verehrt von drei ahen Soldaten, als sie ver-
nommen, wie es in ihrer Abwesenheit in der Schweiz ge-
gangen. » Winterth. Handschr. Bd. 65.
49. Belagerung von Rheinfelden durch den Marschall de
Crequi («Grigio). 1678.
a. «Liebste Gräfin an dem Rhein.» \\"eller, Ann. I. 1253.
b. «Rheinfelden thu aufwachen.» («Gesprächsweis zwischen
dem Adler Rheinfelden und dem Feind. » Constanz 167S.)
Alaltzahn, Bücherschatz Nr. 889.
£. ((Hört zu. was ich euch melden will», mitgetheilt in dem
oben zu Nr. 40, /'. 2 citirten Schulbericht von Rhein-
felden. Dieses Lied, der Sprache nach nicht schwei-
zerisch, erzählt in 39 Strophen, im Ton einer Reim-
chronik und ohne poetischen Werth, den ganzen Verlauf
der damaligen Belagerung von Rheinfelden und die
Zerstörung von Säckingen. Laut Str. 32 wurden die
Leichen in Basel aufgefischt und für jede 6 Batzen bezahlt.
.50. Eroberungen der Franzosen im Elsass. 1679 — 16S1.
a. (( Französische Vogelhäre » oder (( Hüningischer Vogel-
herd.» Anfang: <• O Eidgnossfchaft, dich wol um sieh.»
(Warnung xor der Bedrohung von Basel durch die
französische Festung Hüningen.) Weller, Ann. L i()26.
Text in der Sammlung von Wyß in Bern Vin, 1.
b. EinuaJwie von Straßhurg.
(( Straßburger Lied » aufgefunden in dem solothurn-
ischen Dorfe Bettlach, verfasst wahrscheinlich von einem
schweizerischen Handwerker, der in Straßburg nicht
eben günstige Aufnahme gefunden hatte und daher der
Stadt ihr Schicksal einigermaßen gönnte, mitgetheilt von
Fr. Jos. Schild. «Der Großätti aus dem Leberberg»,
2. Bändchen, S. i — 4: vgl. 122 — 127. Anfang: «Zu singen
ich anhebe. " Das Lied ist merkwürdig und wol noch
wenig bekannt, s. Texte.
LXIV EINLEITUNG
51. Zug schweizerischer Söldner nach Griechenland, 1688
(gegen die Türkenj.
a. « Was händ die Zuger und Urner gethan ? » s. Texte.
b. « Marianisches FeldstUcklein d. i. Schweizerischer Feld-
zug in Levante und Morea, März 16S8. wider den
Türken» u. s.w. Weller, Ann. I. i'^y. Anfang: «Auf,
ihr christliche Helden gut. »
52. Uznacher Hexenkrieg. 169).
Ein kleiner Volksauflauf, noch unbedeutender als Xr. 43
und ohne so ernsthafte Folgen ; das betreuende Lied konnte
daher auch unter die kulturhistorischen des zweiten Theils
gestellt werden. Anfang: »Hört zu. was doch die Furcht
vermag. » ZSB. XYIIL 1974, 6. Auch in einer Winterthurer
Handschrift, mitgetheilt von Geilfus.
53. Toggenburger (oder zweiter Vilmerger) Krieg. 17 12.
Von den Dichtungen, die dieser Krieg veranlaßt hat.
gilt das bei Nr. 42 Gesagte. Die Zahl derselben ist noch
bedeutend größer, aber der volksthüniliche Charakter und
zum Theil auch der poetische Werth d3rselben ebenso
zweifelhaft wie dort und Auswahl aus der Masse durchaus
geboten. Gerade eines der bekanntesten Produkte, (Phileons
und) Bärenholds (d.h. Zürichs und Berns) <■ lustige Festlieder »
(welches übrigens unter diesem Titel nicht in allen Ausgaben
gleich viele und dieselben Stücke umfasst), ist am wenigsten
volksthümlich, wenn auch sonst nicht ohne Werth durch
geschickte Form und treffenden Witz. Die in dieser Samm-
lung enthaltenen Stücke und die einzelnen übrigen Lieder
betreffen so ziemlich alle Ereignisse des Krieges, auch die
Ursachen desfelben und den Friedensfchluß.
a. Missregierung des Abtes von St. Gallen im Toggenburg
und Schmälerung der ^Nlacht desfelben in Folge des
Krieges. Das I-etztere wird dargestellt unter dem Bilde,
daß der Abt seine Kappe verloren habe, wobei es sich
fragt, ob das Kinderspiel «der abt hat si chappe verlöre >>
erst diesem Ereigniß seine Entstehung verdankt oder ob
HISTORISCHE VOLKSLIEDER LXV
das Spiel und der sprüchwörtliche Ausdruck schon früher
bestand und auf jenen Fall nur angewandt wurde.
b. Die einzelnen Hauptaktionen des Krieges, als: Ein-
nahme von Wyl und Baden (letzteres unter dem Bild
einer badbedürftigen Patientin oder einer umworbenen
Braut, s. zu Nr. 42, b). Schlachten bei Bremgarten,
Sins, Vilmergen und Gefecht an der Bellenschanze bei
Richterswyl.
c. Triumph- und Danklieder für den Frieden.
Natürlich sind die meisten Dichtungen von Seite der
übermächtigen und siegreichen Partei ausgegangen, insbe-
sondere von Bern, welches die Scharte der ersten Vilmerger
Schlacht auszuwetzen hatte und darum auch seine dies-
maligen Erfolge zu rühmen nicht ermangelte: doch hat auch
die Gegenpartei nicht ganz stillgeschwiegen und es fehlt
sogar nicht an einer Kundgebung von Unzufriedenheit Berns
mit den Leistungen der verbündeten Zürcher.
Ich verweise auf mein Verzeichniß im Archiv des histor.
Vereins von Bern, Bd. VII, S. 357 — 359, und gebe hier
hauptsächlich nur Nachträge dazu, mit Hervorhebung der
volksthümlichen oder wenigstens der minder künstlichen und
officiellen Dichtungen, welche ihren Ursprung aus höheren
Kreisen zum Theil schon durch die Form (trochäisches und
daktylisches Versmaß, Binnenreime und Reimspiele, Fremd-
wörter und gelehrte Anspielungen) verrathen.
In der folgenden Auswahl sind die Lieder nur nach
einigen Hauptgruppen und nach ungefährer Zeitfolge der
betreffenden Ereignisse geordnet, da in vielen Liedern auf
mehrere Ereignisse Bezug genommen wird.
a. Ursache und Anfang des Krieges.
i) « O du bedrängtes Toggenburg. » ZSB. XVIII, 1976, 3.
2) «Der Eidgnössisch Toggenburger, entgegengesetzt
dem Toggenburgischen Bidermanne. » Anfang : « Es
ist ein Lump im Lande. ') Schilderung der äbtischen
Missregierung im Toggenburg; Antwort auf das im
Jahr 1710 erschienene Lied «Der Toggenburgische
V
LXVl EIXLEITUN-G
Bidermann» (Anfang: (<,Ein Bidermann im Lande»),
welches die Toggenburger zur Treue gegen den Abt
ermahnt hatte. ZSB. XVIIL 438, m.
3) ((Der alte verschimlete, nun aber von neuem aus-
gebutzte Gugg Galli , was ist das. » Spottlied auf
den Abt von St. Gallen. ZSB. XVIIL 1987, 25.
4) Nur als Curiosität sei hier beigefügt: « Toggenburgisch
Bubenspiel.» 24 8zeilige Strophen, in welchen 21
Knabenspiele allegorisch behandelt werden, s. Anz.
1865, S. 58. Vgl. (( Toggenburgisches Trockenspiel»,
1708, ebenfalls unvolksthiimlich. ZSB. XVIII, 1976, i.
b. Verlauf des Krieges.
i) Abschiedslied eines bernischen Soldaten, s. Texte.
Anfang: (( Adie mein Schatz, adie mein Schatz. » ZSB.
XVIIL 1976. 8.
2) Staudenschlacht bei Bremgarten. (* Was habt ihr wohl
verdient, ihr Lumpen von Bremgarten. » (Usteri.)
3) (( Der von Gott gerechte Lohn falsch geschworner
Schweizertreu Der Landmann kann es singen nach
der Weise : Hunderttausend Aepfelküchlein Gibt ein
ganze Wannen voll.» Anfang: «Ich kann nimmer-
mehr vergessen. » Der Titel und die erste Strophe
beziehen sich auf den Wiederausbruch des Krieges
nach dem Frieden von Aarau. Das Lied ist aber
unvolksthiimlich. ZSB. XVIII, 1976, 9.
4) (( Us frischem Muth will ich ein Liedlein singen. » Zu
Ehren dem Schultheiß Frisching von Bern. (Schlacht
bei Vilmergen.) ZSB. XVIII, 1976, 18.
5) « Toggenburger Kriegs- und Soldatenlied Also zu-
samen geschrieben von einem Soldaten nach und nach
im Feld.!) iVnfang: ((AVas ist, o werthe Eidgnoss-
fchaft. » Das Lied erzählt in 49 Strophen so ziemlich
den ganzen Verlauf des Krieges. ZSB. XVIII, 1976.
6) ((Ach Baur. du lucernerischer Baur », von drei Dra-
gonern auf der Wacht gesungen, enthält in 10 Strophen
nur einige Hauptereignisse, a. a. O.
HISTORISCHE VOLKSLIEDER LXVII
7) «Was wend wir aber heben an?» (Der ganze Feld-
zug im Aargau.) a. a. O.
S) Gefecht an der Bellenschanze. « Ein Liedlein will
ich singen thun. » a. a. O.
<(. Ein neues Liedlein will ich singen. » a. a. O.
« Richtenschweil du list an Gränzen
Und hast weder Maur noch Thor,
Aber deine Thaten glänzen
Gleich der Thürnen Spitz hervor.
Deine Kinder auf den Gassen
Können schon den Degen fassen » u. s.w. ZSB. X\Tn,
438, 33-
Stellung der Parteien.
1) «Der neue Teil » (Erneuerung des alten Tellenliedes,
von Seiten der Länder gegen Luzern, als dieses mit
Zürich und Bern sich vertragen wollte). Anfang :
«Wilhelm wo ist der Teile.» ZSB. XVIII, 43S, 47.
Dieses Lied wurde von der Luzerner Regierung ver-
boten und verfolgt, s. Anzeiger 1877, S. 310 — 311.
Verfasser des Liedes war (nach Th. v. Liebenau im
Anzeiger 1880, S. 274) Joh. Melchior Schell, Caplan
•ZU St. Wolfgang, der aber vorgab, er habe es von
^inem Andern erhalten. Der Buchdrucker Leonz
Schell von Zug, dessen Sohn das Lied gedruckt
hatte, anerbot der Regierung von Luzern, ein Lied
zu Ehren dieses Standes drucken zu lassen, das
sein Bruder von dem Verfasser des ersten erhalten
habe und worin der Inhalt desfelben widerrufen werde.
.2) « Das entlarvte Tellgespenst') u. s. w. Anfang: «Seht,
seht doch dort den Teilen.» Antwort auf das vorher-
gehende Lied. ZSB. XVIII, 1987, 22.
.3) «Vom Zürcher und Berner Krieg.» (17 14.) «Kein
Faden wird niemal so klein und fein gesponnen. )<
Gegen Zürich und Bern, nicht ohne Witz und ziem-
lich volksthümlich, aber schon des Versmaßes wegen
kein Volkslied. Winterth. Stadtbibl.
LXVIII EINLEITUNG
4) «Weiß und blau über ein Ort (d. h. schräg, An-
spielung auf das zürcherische Wappenschild) : Zürich
ist das erste Ort. » 72 Knittelverse, Spott über Zürich
als Vorort, der doch meistens Bern die Sache aus-
fechten lasse. Angeblich einem durch das Bernbiet
reisenden Zürcher unbemerkt in sein Felleisen ge-
schoben. Aehnliche Tendenz hat ein Lied «Von
zürcherischer Herzhaftigkeit », wo der gesuchte Herz-
könig (Spielkarte) sich in des Löwen (Zürichs) Hosen-
latz findet. (Usteri.)
Aehnliche « Lieder 0 und ReimsprUche auf den Toggen-
burger Krieg enthält auch der Band 1267 der St. Galler Stifts-
bibliothek.
Einige Strophen (betreffend die Uebergabe von Rappers-
wyl) aus dem Anhang eines Gedichtes über den Toggenburger
Krieg, handschriftlich in St. Gallen, gibt Götzinger, « Hebels
alemannische Gedichte )>, p. XXIV.
54. Innere Parteikämpfe und Aufstände. (1713 — 1795-)
a. « Freud- und A\'unschlied auf Neujahr 1714 zur Feier des
wiederhergestellten Friedens in der Bürgerschaft Zürich»
(nach der im Jahr 17 13 eingetretenen Revision der Ver-
fassung). Das betreffende Gedicht (Anfang : c Mit IJavid
wir die Einigkeit erheben :>)) ist im Psalmton gehalten
und unvolksthümlich.
^. ■» Hirtenlied auf den Stand Zug », bezüglich auf den
dortigen Kampf der «Harten und Linden d (1728 — 1736)»
von Franz Karl Bengg. s. Anzeiger 1877, S. 311. Das
Lied wurde in Luzern verbrannt, der Verbreiter desfelben
verbannt,
r. Kampf der Harten und Linden in Appenzell Außerroden.
1732—1735-
i) Spottlied auf den Herren (Pfarrherr) im Bühler. An-
fang : « Die harten hend einen Herren im Land. »
Aus einem Winterth. Msc. mitgetheilt von Dr. Geilfus.
2) Spruch in Reimpaaren. Anfang: »Ihr schönen herten
Appenzeller der Außerroden. » Aus derselben Quelle.
HISTORISCHE VOLKSLIEDER LXIX
d. Lied auf den Friedensfchluß zu Genf, 1738 (nach den
Parteikämpfen unter der dortigen Bürgerschaft, in welchen
Zürich und Bern zu vermitteln gesucht hatten). Anfang :
« Nun heb ich an zu loben Gottes Namen. » ZSB. XVIIL
1974.
■e. Bürgerliche Unruhen in Bern, 1744 (Vorspiel der \'er-
schwörung von S. Henzi).
(f Pasquill so a" 1744 zu Bern gefunden und sonder
Zweifel von den darin Vermeldten wird gemacht worden
sein, samt der Antwort im Namen Mr. gn. Herrn als
Väter. » In Alexandrinern. Anfang : « He, Brüder, he,
Courage, steckt allen Schrecken ein. » Winterth. Msc,
mitgetheilt von Dr. Geilfus.
/. Aufstand der Liviner gegen Uri. 1755.
« Die Liviner sind Rebellen. » s. Texte.
g. Unruhen in Sch7C'yz icegen der französischen Kriegsdiensfe.
1764— 1765.
« Der singende Schafliirt », ein unvolksthümliches
Gedicht betreffend die Entlassung der schwyzerischen
Söldner aus dem französischen Dienste. ZSB. Msc.
(Leu 88, B. 170) S. 163.
/i. Zug schtveizerischer Truppen nach Neuenburg zur Be-
schwichtigung des gegen den König von Preußen er-
hobenen Widerstandes. 1768.
Das betreffende « Zuzügerlied », verfasst von dem
solothurnischen Volksdichter C. St. Glutz in Mundart
und in Form eines Gespräches zweier Soldaten, von
denen der eine lieber zu Hause bleiben möchte, mag
durch jenen Zug veranlaßt sein, hat aber gar keinen
politisch -geschichtlichen Inhalt. Es ist gedruckt im
Soloth. Wochenbl. 1810, S. 186. Anfang: «He, lustig ir
chnabe. »
/. Der Traverser oder Ortensteincr Handel in Grauhiinden.
1766 — 1767.
Zwei größere Gedichte in Alexandrinern, beide gegen
den General von Travers gerichtet, sind unvolksthümlich.
LXX EINLEITUNG
Das eine beginnt: «.Wer ist denn jener HeldV», das
andere : « O Averthes Vaterland. » ZSB.
/&. Zug der Zürcher nach Stein. 1784.
Das mundartliche Lied: «Ufuf, ihr Fekels diäzere »
schildert die damalige Miliz und enthält fast keine Be-
ziehungen auf die Ursache des Zuges ; es durfte aber
wenigstens im Anhang eine Stelle finden, zumal da es
bei dem sog. «Zürichputsch» im Jahr 1839 (aus AnlafV.
der Berufung von David Fr. Strauß) eine theilweise Er-
neuerung erlebt hat.
/. Aufstand am Zürichsee (Stäfner Handel). 1794—1795..
Einige Gedichte, sämmtlich von stadtzUrcherischem
Standpunkt, auch nicht volksthümlich gehalten und ohne
poetischen Werth, enthält der Band XXXI. 233, ZSB.
Einige Zeilen eines Liedes aus derselben Zeit gibt Stutz,.
Gemälde aus dem Volksleben, Bd. 3, S. 29. Wahr-
scheinlich hat es an Liedern von Seite der Seebewohner
nicht gefehlt, aber sie sind verschollen.
m. Beilegung des zynischen dem Abt von St. Gallen und dessen
Unter thanen entstandenen Zwistes. (1795.)
Darauf bezügliche Lieder enthält ZSB. XVlII,i727,i2,
55. Helvetische Revolution und Verfassung. (1798 — 1802.)
a. Als Vorspiel dieser zwar innerlich längst vorbereiteten,
aber durch Frankreich zum Ausbruch gebrachten Um-
wälzung können die Grenzbesetzungen bei Basel und
Genf betrachtet werden, welche zum Schutz der schwei-
zerischen Neutralität in dem zwischen Frankreich und
Oestreich ausgebrochenen Kriege 1792 stattfanden. Die
auf den Ausmarsch, die Aufnahme und Heimkehr der
eidgenössischen Truppen gedichteten Lieder sind zahl-
reich, aber einförmig und ohne historischen oder poe-
tischen Werth. s. Archiv des histor. Vereins von Bern
Vn, 359. Ariele solche Produkte finden sich ZSB. XXXL
231. 535. Aar. KB. L, 385.
b. Kampf der Berncr und Urkantone gegen die Franzosen-
179S.
HISTORISCHE VOLKSLIEDER LXXI
i) Lied eines Soldaten der Eerner Stadtwache. (Aufruf
und Drohung gegen die Franzosen, kurz vor deren
Anmarsch und Sieg.) Aar. KB. L, 385.
2) Lied auf das Gefecht bei Fraubrunnen : « Es leb das
Bernerbiet. » Schild, Großätti 2, 5. s. Texte.
3) Lied der Urkantone: c Auf zu Berg und auf im Thal.»
s. Texte.
Die Errichtung der Freiheitsbäume und der Schwur auf
die helvetische Verfassung von 1798 musste ebenfalls
besungen werden, aber da die Begeisterung zum Theil
erzwungen war, so fehlte den Poesien der rechte Schwung
und fehlte es andrerseits nicht an Verwünschung. Spott
und Parodie. Eine solche wurde z. B. dem französischen
Jakobiner Lied «Ca ira, ca ira » zu Theil (s. Texte),
dessen Anfang überdies der Name eines Kinderspieles
(« Sairassa») geworden ist. Vgl. Rochholz, Alem. Kinder-
lied und Kinderspiel, S. 57. 543. — Gedichte dieser
Gruppe finden sich auf der ZSB. XXXL 6. 542. XXIV,
1289. '^^i'- ^ß- ^- 2- O. Zürch. Taschenb. 1882, S. 248 ff.
Vgl. auch Archiv a. a. O. S. 360, c. Hieher gehört auch
ein mundartliches Spottlied auf die leere Kasse der
helvetischen Repubhk (i8ooj, ZSB. XVIÜ, 1727; ferner
ein arges Spottlied auf die Franzosen und ihre schwei-
zerischen Freunde (die «Patrioten d) aus dem Jahre 1802,
mitgetheilt von Kodier, Geschichte des Berner Volkes
(Bern 1864), abgedruckt in der «, Illustrirten Schweiz»
(Bern 1865) S. 356 — 357 ; ein noch schärferes, welches
die ganze französische und helvetische Revolution als
ein Excrement Lucifers darstellt (Winterth. Msc, mit-
getheilt von Dr. Geilfus), erneuert zum Spott auf die
Freiheits- und Einheitsbestrebungen der I^reißiger Jahre
aus den innern Kantonen; endlich ein im Zürch. Taschen-
buch 1882, S. 259 — 261 unter ähnlichen Produkten jener
Jahre niitgetheiltes « Schweizerisches Vaterunser zu Ehren
der Franken», welches auf dem bei Soltau, Ein Hundert
deutsche historische Volkslieder, S. LXXVI— LXXVII
LXXII EINLEITUNG
abgedruckten « Soldaten - Vaterunser » aus dem XVII.
Jahrhundert beruht.
d. Antkeil schtüeizerischer Ti-uppen an den Käiupfeu der
fremden Heere in der Sc/nceiz. 1799.
i) Abschiedslied der ausziehenden Soldaten. ZSB. XXIV,
1289 (in Mundart und etwas besser als die unter a
angeführten).
2) Fragmente aus einer Reimchronik, über das Gefecht
bei Neftenbach, von einem Glaser in Winterthur,
mitgetheilt von Dr. Kubier, Pfarrer in Neftenbach.
s. Die illustrirte Schweiz (Bern 1S73) S. 81. 93.
e. Lieder auf den Frieden von 1801. ZSB. XXXI, 542.
XVIII, 1727.
/. Beschießung der Stadt Zürich durch den 'helvetischen
General And er matt. 18(12.
Diese verfehlte Unternehmung hat eine Menge von
Spottgedichten der Zürcher veranlaßt. ZSB. XXXI, 542.
XVIII, 1727. Auch eine ^^'interthurer Reimchronik
(Handschr. 184 Fol.) enthält eine Episode über jenes
Ereigniß (Mittheilung von Dr. Geilfus). s. Texte.
56. Der Bockenkrieg. 1804.
Ein appenzellisches Gedicht über diesen Volksaufstand
enthält der « Schweizerbote », April 1804. Stald. Id. I. 67.
Sicherm Vernehmen nach hat es auch zürcherische Volks-
lieder gegeben, dieselben konnten aber nicht mehr aufge-
funden werden. Vgl. Xr. 54, /.
57. Theilnahme der Schweiz an dem Zug der verbündeten
Mächte nach Frankreich. 181 5.
Marschlied der ausziehenden Truppen : « Mit frohem
Muth und heiterm Sinn Ziehn, Schweizer, wir nach Frank-
reich hin. )) Mehr ein allgemeines Soldatenlied als ein eigent-
lich historisches, dalier auch noch später gesungen. Dasfelbe
gilt von dem Abschiedslied eines Rekruten, dessen Anfang
lautet: 0 Nun adies, mein lieber Vater», mit dem Refrain:
«Morgen muß ich unter"s Militär, Zu den schweizerischen
Voltigeurs. » Das I^ied soll aus der Zeit stammen, wo die
HISTORISCHE VOLKSLIEDER LXXIII
Schweiz zu den Heeren Napoleons I. ein Hülfscorps stellen
musste. Es steht gedruckt, nicht vollständig im Text, aber
mit Melodie, in der a Schweiz », Schaffhausen 1858, S. 40—41.
58. Die kantonalen Bewegungen der Dreissiger Jahre.
a. Volksversammlung in Baisthal (Solothurn). 18.^0.
« Im Winter bi dem ehalte Schnee. » s. Texte.
b. Aufstand der Hallauer Bauern gegen die Stadt Sc/iaß-
hausen. 1 83 1 ,
Ein Bruchstück eines Spottliedes der Schaffhauser
über den Zug der Hallauerbauern vor die Stadt brachte
das Feuilleton der «Neuen Zürcher Zeitung» 1876.
£. Kampf z7C'i sehen Basel Land und Stadt. 1831.
Fragmente basellandschaftlicher Lieder gibt Seiler,
Die Basler Mundart (Basel 1879), S. 18. 25 — 26.
d. In diese Zeit scheint auch ein im Kanton Luzern verfasstes
und verbreitetes mundartliches Gedicht « De Junker und
de Bür » zu gehören , welches den Sturz der Junker-
herrschaft und das Emporkommen der Bauern behandelt,
die sich nicht mehr wie im Jahr (18)14 werden unter-
thänig finden lassen. Anfang : « Losed an, ir Lüte. »
59. Parteikämpfe in Bern. (1846 — 1850.)
Lieder gegen die Regierung von 1846. Lieder von der
Volksversammlung in Münsingen 1850. Aar. KB. L, 385.
60. Sonderbundskrieg. 1847.
(( General Dufour, der edle Ritter. >> Parodie von o Prinz
Eugen », gedichtet von S. T.
Die i)olitischen Kämpfe von 1830— 1850 auf kantonalem
und eidgenössischem Gebiet haben noch eine Menge Ge-
dichte hervorgebracht, für welche die oben angeführten nur
als spärliche Beispiele dienen können. Ihr volksthümlicher
Charakter, historischer und poetischer Werth ist aber, wie
bei den Liedern aus der neuern Zeit überhaupt, so zweifelhaft,
und ihre Zahl wäre so groß, daß auf die Sammlung und
Anführung derselben an dieser Stelle verzichtet werden muß.
LXXIV
EINLEITUNG
Viele solche Produkte enthält die Lauterburgische Sammlung
auf der Stadtbibliothek Bern, einige auch der Band L, 385
der Aarauer Bibliothek, z. B. das Stück : « Bure, Bure, nüt
als Bure Wotte-n-iez ufs Rathhus ga», dessen Beziehung auf
die in den Dreißiger Jahren erweiterten Rechte des Land-
volkes deutlich genug, dessen Verbreitung und insbesondere
Sangbarkeit aber um so fraglicher ist.
IL
ALLGEMEINE VOLKSLIEDER.
Einleitung.
/. Alter und Verbrcitit/ig.
Das historische Volkslied hieng mit dem volksthüm-
lichen Epos zusammen ; es ist oben angeführt worden,
daß die Lieder aus dem Sagenkreise Dietrichs von Bern in
der Schweiz besonders verbreitet waren und vielleicht in
den ältesten bernischen Kriegsliedern Spuren hinterlassen
haben. Im XV. Jahrhundert hat der Thurgauer Heinrich
Wittenweiler in seinem « Ring » den Stoff bereits ironisch
behandelt. Das allgemeine Volkslied, und zwar zunächst
das lyrische, wird mit den Anfängen und Ausgängen des
Minnegesangs in Verbindung zu bringen sein. Dieser hatte
nicht bloß in seiner Pilüthezeit zahlreiche Vertreter auf
schweizerischem Gebiete gefunden, sondern eben dort später
besonders bei Hadlaub und Steinmar entschiedener jene
Wendung aus dem höfischen Kreise und Tone zum bäurischen
angenommen, welche bei dem Oestreicher Neithard, dem
Schwaben Gottfrid von Nifen und Andern feiner vorgebildet
war. Das epische Volkslied lässt sich mit den zahlreichen
kleinern Gedichten der mittelhochdeutschen Zeit vergleichen,
welche theils zerstreute und verdunkelte Reste der Helden-
sage behandelten, theils Ereignisse des wirklichen Eebens
LXXVI EINLEITUNG
welche, durch räumliche und zeitliche Entfernung in ro-
mantisches Licht gerückt, einen Ersatz für die größeren
Abenteuer des volksthümlichen und höfischen Epos zu bieten
vermochten.
Betreffend die Träger des allgemeinen Volksliedes haben
wir in der Schweiz an das anzuknüpfen, was über die Her-
kunft und Lebensweise der Verfasser historischer Volks-
lieder, hauptsächlich in Luzern, bekannt und in der Ein-
leitung zum ersten Theil angeführt ist. Es ergibt sich aus
jenen zerstreuten Notizen, daß die Sänger großentheils nicht
fahrende nach älterer Art, sondern Handwerker oder etwa
Inhaber untergeordneter Staatsämter waren und daß die
Uebung des Sängerberufes, dem sie daneben gelegentlich,
besonders im Kriegsdienste oder bei besonderen Anläßen
oblagen, für sie weder einträglich noch ehrenvoll, wohl aber
gefährlich und nachiheilig werden konnte, wenn sie nämlich
in inneren Kämpfen eine Partei vertraten. Daß Leute ohne
weitere Bildung, die einen Schlachtbericht oder eine Bot-
schaft von anderen Ereignissen des öffentlichen Lebens nach
einer gewissen Tradition und mit einigem natürlichem Ge-
schick in Form eines Liedes zu bringen und vorzutragen
wussten, auch Gegenstände und Vorfälle des täglichen Lebens
in lyrischer oder lyrisch- epischer Weise zu behandeln ver-
standen, ist nicht gerade zu bezweifeln, aber nirgends aus-
drücklich bezeugt. Dies gilt auch von höher gebildeten
Verfassern historischer Lieder in der Reformationszeil, wie
Hans Salat in Luzern und Nikiaus Manuel in Bern, während
die Dichtimgen des Pamphilus Gengenbach in Basel ein
weiteres Gebiet umfassen. Der Titel und Beruf von Pritschen-
meistern, welche zunächst bei Schützenfesten und anderen
städtischen Lustbarkeiten mit einer Art Polizei zugleich die
Poesie zu vertreten hatten, verlangte auch nicht gerade
höhere Bildung und konnte höchstens durch Uebung einige
Fertigkeit erzeugen, wie etwa Hieronymus Muheim in Uri,
Erneuerer des Teilenliedes, Heinrich Wirri von Aarau (s. o.).
Joh. Heinr. Grob von Zürich (Lobspruch der Schützen 1504)
ALLGEMEINE VOLKSLIEDER LXXVII
sie besitzen mochten. Dagegen drängt sich hier die Frage
auf, ob schweizerische Volksdichter des spätem Mittelalters
nicht mit inländischen oder deutschen Meistergesang-
schulen in irgend welchem Zusammenhang stunden oder
wenigstens mittelbar von dorther beeinflusst waren. Es war
leicht möglich, daß jenes Institut aus den süddeutschen
Städten in die Schweiz sich verpflanzte, aber bestimmte
Nachrichten von der Existenz solcher Schulen in unseren
Städten sind mir nicht bekannt. Gödeke (Grundr. S. 225)
spricht von « Ausläufern » oberdeutscher Meistersängerschulen
in der Schweiz ohne nähere Angaben ; etwas bestimmter findet
er (S. 236, vgl. 300) Spuren von Meistergesang in Basel bei
Gengenbach und in Bern bei Rudolf ]\lanuel, dessen Vater
schon in einem seiner Gedichte einen Meistersingerton an-
gewandt hatte (vgl. Baichtold, Nikiaus Manuel S. CLXVII).
Aber durch solche Indicien wird doch nicht Existenz von
Schulen in der Schweiz bewiesen, sondern nur ein Einfluß
der deutschen in Gestalt von Anwendung oder Nachahmung
einzelner Strophenformen, welche vielleicht auch bei Zwingli
und Glarean im Zusammenhang mit deren musikalischen
Studien nachzuweisen ist. In die unteren Schichten des
Volkes wird jener Einfluß schwerlich gedrungen, sondern
dort werden die einfacheren Formen des Kirchenliedes maß-
gebend geworden sein. Daß auch das Landvolk nicht un-
empfänglich und unthätig für Poesie blieb, davon haben wir
wenigstens einen Beweis von einiger Bedeutung, die Volks-
dichter des Berner Oberlandes im XVI. und XVII. Jahr-
hundert, welche Prof. Vetter im Berner Taschenbuch von
1880 an's Licht gezogen hat. Sind auch die Produkte dieser
Dichter in Gehalt und Form nur mittelmäßig oder fast arm-
selig, so beweisen sie doch den damaligen Bestand einer
Art von Schule, nur nicht im Sinne der Meistersänger, und
wenn die Produkte nicht Volkslieder in unserm Sinne ge-
wesen oder geworden und geblieben sind, so haben wir doch
in Ueberresten gedruckter Liedersammlungen, Avelche noch
heute im Berner Oberlande sich finden, deutliche Spuren, daß
LXXVni EINLEITUNG
in denselben Kreisen auch andere und bessere I.ieder zwar
nicht original gedichtet, wol aber gesungen wurden, darunter
allgemein deutsche. Uebrigens ist der Kanton Bern nicht
der einzige, der solches aufweist ; auch in andern Kantonen
findet sich, nur etwas zerstreuter, vom XVI. bis in's XVIII.
Jahrhundert hinein eine Reihe von Dichtern, welche zwischen
den namenlosen Urhebern wirklicher alter Volkslieder und
den modernen mit Bildung und Reflexion arbeitenden Ver-
fassern volksthümlicher Lieder eine zwar ästhetisch nicht
glänzende, aber für die Litteratur- und Kulturgeschichte
merkwürdige Mitte halten. Jene Dichter schließen sich zum
Theil an die Verfasser historisch -politischer Gedichte oder
fallen mit ihnen persönlich zusammen, indem sie Ereignisse
ihrer engern Heimat. Festanläße und Todesfälle besingen
oder Lieder zur Ehre einzelner Städte und Landschaften
verfassen ; zum andern Theil nähern sie sich durch Behand-
lung von allerlei Naturwundern oder schrecklichen Thaten.
die da und dort geschehen waren, fahrenden Bänkelsängern.
Beide, besonders aber die letztern, streifen an die Grenze
dessen, was allenfalls noch in die Litteraturgeschichte ge-
zogen werden kann (und sind schon im A'orwort von unserm
Gebiet ausgeschlossen worden) ; hier werden sie nur ange-
führt als Mittel- oder Hintergrund in dem Bilde, das ich von
den Trägern und Verbreitern des wirklichen Volksliedes
zu entwerfen suche. Daß aber der Vordergrund ausgefüllt
und in volles Licht gesetzt werde, ist nicht zu erwarten:
ich kann nur zufällig zusammengelesene Bruchstücke lose
an einander reihen. Namen können hier nicht aufgezählt
werden, wie es bei den vorhin besprochenen Volksdichtern
möglich ist, aber unter diesen sind einige, die blind waren,
und Blinde werden bei uns wie anderswo (vgl. Grimm.
Heldensage- S. 384—385) seit alter Zeit einen Antheil am
Volksgesang gehabt haben. Ich erwähne hier nur den alten
Sänger Nikiaus Weiei-mann in Bern, von dem Uhland (Volks-
lieder Nr. 347, bei Mittler Nr. 1249) ein um 1560 gedrucktes
Lied gibt (Anfang: 0 Der Winter gsicht mich übel an»). Der
Alte klagt darin, daß er. der einst ein lebenslustiger Schütze
ALLGEMEINE VOLKSLIEDER LXKIX
gewesen, nun erblindet sei und sich kümmerlich mit Bohnen
ernähren müsse : indessen erlabt er sich an dem neu er-
schlossenen Quell des Glaubens und bittet mit Ergebung um
ein seliges Ende. Nikiaus Manuel, der den Weiermann nur
in dessen jüngeren Jahren gekannt haben kann, erwähnt in
seinen eigenen Dichtungen gelegentlich einiger Lieder, die
damals beliebt gewesen sein müssen, so zweimal ein ohne
Zweifel bernisches von « Hänsli uf der Schiterbigen » und
das deutsche o. Ich weiß mir eine frye Frau Fischerin »
(vgl. Weiler, Ann. I, Nr. 334). Das Trinklied, welches Hans
Rudolf Manuel in sein «Weinspiel» eingeschaltet hat (Bcxch-
told S. ^^^), scheint von ihm selbst gedichtet, dagegen das
«letz lupf dich, Bueb ! .^ (a.a.O. 317) der Anfang eines
Reisläuferliedes zu sein (vgl. Anselm I, 225). In demselben
Stück (S. 334 — 335) wird neben zwei andern volksthümlichen
Melodien, die auch auf der Geige gespielt werden können,
das Bonenlied erwähnt, das am Aschermittwoch 1522 zur Ver-
spottung des Ablasses durch die Gassen von Bern gesungen
wurde (Bc'echtold S. CXXXI) und später noch besprochen
werden soll. Zur Prügelstrafe wurde nach Rudolfs Manuels
«Weinspieb» (P5a2chtold S. 371 unten) das a Britschenlied »
gesungen, was aber vielleicht nur bildlich gemeint ist, wie
heute etwa c das Schlaf- oder Leinlachenlied singen ». Auch
<( der Bauer auf dem Acker sang » von bekannten Dingen
(ebd. 193). — Ein Sant Barten-Lied, nach dessen Weise Leo
Jud einen Psalm dichtete, erwähnt dessen Sohn Johannes
(Mise. Tig. III, 63); es ist daraus nicht zu erkennen, welchen
Inhalt es hatte und ob Barten etwa der sonst unter dem
Namen Bartel (« der den Most holt ») vorkommende heilige
Bartolomäus ist. — Thomas Platter war in Samen bei einem
Wirthe eingekehrt, der die Laute mit der Feder schlug und
dazu übermäßig laut sang (Fechter S. 61). — Im Staatsarchiv
von Luzern tindet sich zum Jahr 1469 die Notiz, daß c einem
afentürer'. der das Lied (auf den Waldshuter Zug von 146S?)
^ « Abenteurer » hießen damals herumziehende Gauidcr und
Schauspieler.
LXXX EINLEITUNG
macht » (gemacht hatte) , etwas dafür bezahlt wurde (An-
zeiger 1880, S. 272), In der Staatsrechnung von Bern für
das Jahr 1500 erscheint neben verschiedenen Gaben an Spiel-
leute : ^< Einer Sängerinn von Unterwaiden an einen Rock
ze stür (d. h. als Beitrag zur Anschaffung eines Kleides) 4 S".
Der blinden Sängerinn von Solothurn i 'a. Einem blinden
Sänger um Gottswillen i ft. » (Bern. Taschenb. 187 1, S. 229).
Der Umgeldner (Staatskassier) von St. Gallen verrechnet
anno 1474 « einem Sänger 7 Schilling » (Anzeiger a. a. O.). Im
Jahr 1570 klagte Junker Nikiaus Pfyffer von Luzern, daß
Mich. Ritter, Schuhmacher von Liestal, ihn im Kranzlied
beleidigt habe. Der Beklagte wies durch Zeugen nach, daß
er in seinem Lied einen Andern genannt hatte \ In Egli's
Aktenstücken z. Ref.-Gesch. S. 85. 86 wird gerügt «Biderben
Lüten Nachts vor ihren Häusern das Judenlied^ singen und
ander Unfueren triben >). — Das Landbuch von Appenzell I.-R.
1585 verbietet alles Neujahrsingen, ausgenommen Sonder-
siechen (.\usfätzigen) und armen Leuten, die um das heilig
Almosen gehen. — Aus dem XVII. Jahrhundert fehlen mir
ähnliche Angaben, und aus dem XVIII. finde ich nur die
Notiz, daß ein Bauer aus Tägerweilen (Kanton Thurgau),
Namens Joos, im Jahr 1784 ein Neujahrslied dichtete (nach
einer ]\Ielodie in Mollj, welches seither alljährlich bis in den
Anfang des XIX. Jahrhunderts von den Nachtwächtern und
den Gemeindegenossen an der Sylvesternacht im Freien
gesungen wurde. Im Jahr 1829 dankt J. Grimm dem Frei-
herrn von Lassberg für die Mittheilung eines Liedes, welches
der Letztere von einem alten Mann im Thurgau erhalten
hatte. Uhland berichtet (im Briefwechsel mit Lassberg S. 195)
von einem dicken Band älterer gedruckter Volkslieder, den
er bei einem Schuhmacher Huber in Meiringen gesehen und
* Mittheilung von Staatsarchivar Dr. v. Liebenau in Luzern. —
Ueber Kranzlieder s. unten « Geselligkeit, Jahreszeiten ».
- Das Judenlied wird bestimmter mit dem hebräischen Wort
Gammahu bezeichnet und scheint sich auf Ketzerei bezo2;en zu haben.
ALLGHMEIXE VOLKSLIEDER LXXXI
den nicht gekauft zu haben er bereue. (Einiges daraus schrieb
er ab und nahm es in seine Sammlung auf, z. B. die Ballade
vom Grafen Friedrich.) Der Leinweber Kaspar Schlatter
von Fahrwangen (Kt. Aargau), gestorben 1860, hatte sich
ein Liederbuch von 4 Bänden zusammengeschrieben (Roch-
holz im Aarg. Taschenbuch 1861, 2, S. 120). Noch in den
Dreißiger Jahren zog Nikiaus Tschudi von Glarus weit im
Lande herum und sang zur Harfe seine ausfchließlich ernst-
haften alten Lieder, während Alois Glutz im Kanton Solo-
thurn mehr heitere und selbstgemachte mit der Guittarre
begleitete und im Kanton Bern ein Harfner herumzog, der
neben frommen Liedern für Geld auch den sog. Luzerner-
psalm (eine Reihe schmutziger Knittelverse) vortrug. (Berner
Taschenbuch 187 1, S. 231, Anm.) Der im Kanton Zürich
um 1830 — 1840 bekannte «Bub Heiner)) aus Schönenberg
gehörte zu dem gemeinern Stande der mit der Geige herum-
ziehenden Neujahrsänger. — Manche schätzbare Beiträge zur
Geschichte des im XIX. Jahrhundert allmählich absterbenden
alten Volksgesanges finden sich bei B. Wyß, 11 Aus Schule
und Leben» (Solothurn 1865) S. xo6 ff.; noch mehr aber
in den Schriften und handschriftlichen Aufzeichnungen des
zürcherischen Volksdichters J. Stutz, welche nicht nur eine
Menge ganzer oder fragmentarischer Volkslieder enthalten,
die bis in das vorige Jahrhundert und weiter hinauf reichen,
sondern auch manche Notizen über die Herkunft und Ver-
breitung derselben. Er bemerkt unter Anderm, daß Schwäb-
innen auf schweizerischen Jahrmärkten Lieder verkauften ;
ferner daß Pilger, welche aus Schwaben nach Einsiedeln
wallfahrteten, besonders geistliche Lieder verbreiteten. Von
anderer Art waren die Lieder, welche Schweizersoldaten aus
fremden Diensten nach Hause brachten. Ln Lande selbst
gab es verschiedene Wege, auf welchen Volkslieder herum
getragen werden konnten. Thomas Platter (S. 62) erwähnt,
daß nicht wenige Zürcherinnen im Kanton Wallis als Mägde
dienten; umgekehrt kamen noch im Anfang des XIX. Jahr-
hunderts Spinnerinnen aus dem Berner Oberland für den
VI
LXXXII EINLEITUNG
Winter in das «Knonauer Amt>) des Kantons Zürich und er-
götzten die dortige Bevölkerung durch ihre Lieder. Aehren-
leserinnen aus dem c Kellenland )■> (der sangreichen Heimat
von Stutz) kamen in die anderen Bezirke des Kantons und
füllten die Pausen ihrer Arbeit mit Gesang. In den Spinn-
stuben und auf ihren sonntäglichen Spaziergängen haben
die Landmädchen allenthalben den Gesang gepflegt. Unter
der männlichen Bevölkerung waren es die Buben d. h. die
erwachsenen ledigen Bursche des Dorfes, welche in ihren
Trinkstuben und auf ihren nächtlichen Streifzügen alte Lieder
sangen, natürlich oft nicht von der saubersten Art. Das
Alles ist nun abgegangen oder in raschem Verfall begriffen,
seit die Volksfchule und die von Lehrern geleiteten Gesang-
vereine bis in die entlegenen Gebirgsthäler hinauf eine andere
Art von Liedern verbreiten. Wenn wir beispielsweise hören,
daß im Sernftthale des Kantons Glarus altehrwürdige Lieder,
die von den Großmüttern in ihrer Jugend noch gesungen
wurden, nunmehr gänzlich verschollen sind, so lauten die
Berichte aus anderen Landestheilen ebenso. Vgl. z. B. Roch-
holz a. a. O. 121. Uebrigens hat auf dem Lande die Sitte,
auch außerhalb der Kirche, zu häuslicher Andacht oder auch
nur zu geselliger Unterhaltung, geistliche Lieder, besonders
Psalmen, zu singen, bei der protestantischen Bevölkerung bis
auf neuere Zeit fortgedauert und war eine Vorschule für
den freiem weltlichen Gesang.
//. Sprachform.
^^'enn ein Theil der in der Schweiz \ erbreiteten Volks-
lieder, wie sich vorläufig ergeben hat und nachher im
Einzelnen erweisen wird, nicht schweizerischen Ursprungs,
sondern aus Deutschland eingeführt ist, so erklärt sich zum
Theil schon daraus die sonst auffallende Thatsache, daß die
Sprachform vieler Lieder und gerade der älteren nicht
rein schweizerisch, sondern sehr gemischt, ja vorwiegend
gemeindeutsch ist. Wer also die Volkslieder zusrleich als
ALLGEMEINE VOLKSLIEDER LXXXIII
Proben der Volksfprache betrachten wollte, würde durch-
schnittlich irregehen und müsste sich auf diejenigen, meistens
neueren Lieder beschränken , in welchen schweizerische
Mundart unverkennbar vorliegt oder wenigstens vorherrscht.
Aber die Sprachmischung beschränkt sich nicht auf importirte
Lieder, sondern wie diesen zuweilen schweizerdeutsche Wörter
und Formen beigemengt wurden, so wurde umgekehrt auch
die Sprache ursprünglich einheimischer Lieder unwillkürlich
in's Hochdeutsche gezogen oder erhoben. Das Bewusstsein
des Unterschiedes zwischen (neuhochdeutscher) Schriftsprache
und (wesentlich auf mittelhochdeutschem Stand verbliebener)
Volksfprache hatte nie ganz gefehlt und wurde durch die seit
dem XVIL Jahrhundert zunehmende Verhochdeutschung der
Bibel und übriger ^'o]ksbücher genährt. Die neuhochdeutsche
Sprachform erhielt dadurch die Geltung einer wirklich höhern,
edlern, und da jeder Aufzeichner eines Volksliedes und vollends
jeder Drucker mit dem Hochdeutsch einigermaßen bekannt
war, so wurde auch der weniger gebildete Verfasser oder
Sänger eines Liedes, dem manche andere bereits in der
höhern Sprache gehaltene als Muster vorschwebten, von dem
Streben nach ähnlicher Erhöhung seines Produktes angesteckt.
Wenn noch heute im Privatgebrauch beim Schreiben eines
Briefes, Kaufvertrages oder Zeitungsinserates auch wenig ge-
bildete Leute sich etwas zusammennehmen und die gemeine
Umgangsfprache einigermaßen abzustreifen oder zu verbessern
suchen, so stellte sich solches Bestreben bei Liedern zu allen
Zeiten noch unvermeidlicher ein ; denn daß Gesang eine
Kunstübung und als solche etwas Vornehmeres, so zii sagen
Festliches bedeutet, und daß zu diesem Zwecke eben auch
die Sprache ihr Werktagskleid mit einem sonntäglichen
vertauschen müsse, hat auch der gemeine Mann von jeher
gefühlt, und schon Reim und Versmaß, vollends dann die
Melodie, musste auch den Sprachformen als solchen ein hö-
heres Gepräge verleihen. Daß dieses ganze Streben meistens
auf halbem Wege stehen blieb und ein Zwitterwesen erzeugte,
das nichts weniger als schön ist und uns den Genuß solcher
LXXXIV EINLEITUNG
Produkte verkümmerte, ist eben so natürlich : zu verwundern
ist nur, daß nicht alle Volkslieder an demselben Gebrechen
leiden. Wenn man in neuerer Zeit versucht hat, die Volks-
fprache auch in Liedern festzuhalten, so ist dies Streben
weniger naiv als das andere, es ist der Ausfluß eines durch
Reflexion geschärften Bewusstseins von dem immer größer
gewordenen Unterschied der beiden Sprachgestalten und von
dem nahenden Untergang der einen ; gerade durch diesen
Contrast, durch den Reiz des Veralteten und selten Gewor-
denen, sucht man die Wirkung zu erhöhen. Dies Bestreben
konnte eben so wenig als das entgegengesetzte zu reinen
Ergebnissen führen, gerade wenn halb oder ganz gelehrte
Kunstdichter, wie Glutz und Stutz, Häfliger, Kuhn, Wyß,
Usteri sich desfelben annahmen. Es versteht sich, daß die
Produkte solcher Dichter, auch wenn sie verhältnissmäßig
gelungen sind, von unserer Sammlung ausgeschlossen bleiben,
zumal da sie in anderen und in den Originalausgaben der
Verfasser bereits gedruckt, leicht zugänglich und wirklich
weit verbreitet sind. Höchstens können einige von denselben,
die gleichsam Volkslieder zweiter Ordnung geworden sind,
in die Uebersicht aufgenommen werden, welche auch hier
den Texten vorausgehen soll. Eben daselbst werden, aus
anderm Grunde, diejenigen Lieder eine Stelle finden, welche
als gemeindeutsche eben auch in der Schweiz verbreitet
waren oder noch sind.
///. Formen.
Hier ist nur die Frage zu erheben, wie es mit den
zahlreichen kurzen, meistens vierzeiligen Reimen zu halten
sei, welche neben den eigentlichen Liedern bestehen und
sich von diesen auch dadurch unterscheiden, daß sie keines-
wegs alle auch eine Melodie haben, dagegen meistens rein
mundartliche Sprachform. Bei den historischen Liedern haben
wir jene kleineren ReimsprUche ausgeschlossen, aber hier
liegt die Sache in mehrfacher Hinsicht anders. Der ziemlich
ALLGEMEIXE VOLKSLIEDER LXXXV
allgemeine Brauch, in Sammlungen deutscher Volkslieder
jenen Stücken, die in verschiedenen Landschaften unter
verschiedenen Namen (Schnaderhüpferl, Schlumperliedchen.
Runda's u. s. w.) bekannt und beliebt sind, irgend eine Stelle
zu gönnen, wird seine Gründe haben. In der That würde
eine wesentliche Seite des dichterischen Volksgeistes, gerade
wie er noch heute lebt und sich in jenen Formen fast mit der
Geläufigkeit, Vielseitigkeit und Naturtreue eines Improvisators
kund gibt, bei völliger AVeglassung solcher Produkte unver-
treten bleiben. Noch wichtiger ist aber der Umstand, daß
viele von jenen kleinen Stücken nicht nur einzeln gesprochen,
■sondern auch, allerdings oft nur in loser Weise, mit einander
verbunden und dann auch nach einer Melodie gesungen
werden, so daß man zuweilen nicht weiß, ob man ein Lied
oder nur Bruchstücke vor sich hat. Es wird also rathsam
sein, eine Auswahl solcher Liedchen wenigstens als Anhang
beizugeben. Dieselben grenzen zuweilen an Kinderreime; daß
aber diese von Volksliedern unterschieden werden müssen, ist
klar, obschon auch dieser Unterschied nicht strenge durch-
geführt werden kann. Rochholz, «Alemannisches Kinderlied
und Kinderspiel n, gibt Beispiele davon, entbindet mich aber
zugleich von der Nothwendigkeit, nach dieser Seite die
Grenzen meiner Sammlung weiter zu stecken. Einige Reim-
sprüche oder Liedchen, die zu Arbeitsbräuchen oder Spielen
A-on Erwachsenen gehören, sind in die Uebersicht aufge-
nommen. Im Allgemeinen kann der Unterschied von Lied
und Spruch hier noch weniger als auf dem geschichtlichen
Gebiet in"s Gewicht fallen; aber KiltsprUche, Hirsmontag-
briefe (Stalder, Id. II, 45) und dergleichen, die an Reim-
prosa grenzen, können allerdings nicht wol den Liedern
beigesellt werden.
II". Quellen und bisherige Saui/nluiigeu.
Die von mir am meisten benutzte und auch auf diesem
Gebiete reichste Stadtbibliothek von Zürich und der Winter-
LXXXVI EINLEITUNG
thurer Band 44*' enthält eine Masse von Liederdrucken des
XVI. Jahrhunderts, besonders aus den Officinen der Apiarius
in Basel und Bern, im Ganzen und auch in vielen einzelnen
Stücken übereinstimmend mit dem in Freiburg i. B. befind-
lichen Liederbuch des Apiarius, dessen Inhalt Weller, Ann. 11,
18 — 28 angegeben hat. Derselbe hat auch schon (im Anz. f.
Kunde d. Vorzeit XVII, 96) die Vermuthung ausgesprochen,
daß das handschriftliche Basler Liederbuch (F. X, 21) mit
jenem Freiburger Druck wesentlich übereinstimme. Auch
der Sarasin'sche Sammelband enthält meistens Stücke von
derselben Art und ebenso die Tschudi'schen Liederhand-
schriften der St. Galler Stiftsbibliothek Xr. 462 — 463. Alle
diese Lieder gehören in die Klasse der allgemein deutschen
Volkslieder, von denen Gödeke -Tittmann in ihrem d Lieder-
buch des XVI. Jahrhunderts » eine Auswahl gegeben haben,
unter den Titeln : Volks- und Gesellschaftslieder, geistliche
Lieder, Meisterlieder (die historischen kommen hier nicht
mehr in Betracht). Ich habe unter allen jenen Liedern (mit
Ausnahme derjenigen, welche durch den Xamen ihres Ver-
fassers, besonders Benedikt Gletting, schweizerische Heimat
bezeugen) kein einziges gefunden, welches dem Inhalt oder
der Sprache nach mit Sicherheit der Schweiz angehörte.
Daß die Druckorte (Basel. Bern, Zürich, bei geistlich
katholischen Liedern auch Luzern und Solothurn im XVII.
Jahrhundert) nichts für den Ursprung beweisen, geht daraus
hervor, daß auch historische Lieder, die sich auf auswärtige
Ereignisse beziehen, an denselben Orten gedruckt (resp.
nachgedruckt) sind. Der Geist und Ton jener Lieder setzt
andere sociale Verhältnisse als die schweizerischen voraus
und die Sprache ist nicht etwa jenes oben besprochene
Gemisch von Schweizerdeutsch und Hochdeutsch, sondern
ziemhch reines Hochdeutsch ; wenn die Vocalisation zuweilen
(z. B. in dem Basler Liederbuch) alamannisch ist, so beweist
auch dies, für jene Zeit besonders, noch nicht gerade schwei-
zerische Heimat. Geistliche Lieder wurden in der zweiten
Hälfte des XVL und dem Anfang des XVII. Jahrhunderts
ALLGEMEINE VOLKSLIEDER LXXXVII
viele in der Schweiz gedruckt, z. B. bei J- Schröter in Basel,
Jonas Gessner in Zürich u. a., die meisten nach der Melodie
weltlicher Lieder, zum Theil wol auch aus solchen umge-
dichtet, aber nun stark biblisch gefärbt und darum mehr zu
den Kirchenliedern als zu den Volksliedern im engern Sinn
gehörig, überdies ohne Merkmale schweizerischen Ursprungs.
Die geistlichen Lieder der katholischen Kirche (und zwar
nicht der ungebrochenen, allgemein christlichen vor der
Reformation, sondern der gegen die Reformation sich ver-
schließenden) gehören schon darum nicht in eine Sammlung
von Volksliedern eines bestimmten Landes, weil die katho-
lische Kirche als solche keine nationale Eigenthümlichkeit
anerkennt und aufkommen lässt. L^ebrigens schließe ich das
protestantisch Confessionelle ebenso aus ; wenn bei den
historischen Liedern die kirchlichen Parteilieder mit Grund
keine Stelle in den Texten gefunden haben , so wird hier
derselbe Grundsatz gelten müssen. In der Uebersicht der
Hauptgattungen und Unterarten kann bei den geistlichen
Volksliedern auch das Confessionelle berührt werden. Für
die Texte verweise ich auf Ph. Wackernagels großes Sammel-
werk, welches auch das katholische Lied nicht ganz ausge-
schlossen hat, und auf die speciell confessionellen Samm-
lungen.
Die Quelle, aus der die meisten Lieder geschöpft sind,
die aber bei Weitem nicht erschöpft, auch am schwersten
zugänglich ist, ist der Volksmund, aus welchem auch alle
bisherigen Sammler das Meiste und Beste entnommen haben.
Es versteht sich wol, daß ich allgemein deutsche Samm-
lungen von A^olksliedern oder von mundartlichen Dichtungen
(wie Firmenichs Völkerstimmen Bd. II, 563 — 666), welche
auch Schweizerisches aus jener Quelle, aber nicht unmittel-
bar und rein, mitgetheilt haben, hier nicht anführe, sondern
nur einheimische. Diese sind aber bald aufgezählt : Texte
zu der Sammlung von Schweizer Kuhreihen und Volksliedern,
von J. R. Wyß, Prof. 4. Ausg. Bern 1826, und Schweiz. Volks-
bibliothek Bd. XX, S. 91 — 155: Volkslieder (herausgegeben
LXXXVIII EINLEITUNG
von H. Kurz). Die Sammlung von Wyß ist von einsichtiger,
doch nicht ausreichender Kritik begleitet, übrigens schon
vielfach ausgeschrieben, auch von Kurz, der daneben noch
verschiedene kantonale Quellen benutzte (z. B. Rochholz.
Aarg. Sagen, und Tobler, Appenz. Sprachschatz), aber ohne
sie anzugeben. Rochholz verdanke auch ich weitere Beiträge,
am meisten aber meinem Collegen in der Redaktion des
schweizerischen Idiotikons, Dr. F. Staub ; Einzelnes wird an
seinem Orte angegeben werden. Das « Allgemeine Schweizer-
liederbuch », 4. Aufl. (Aarau und Thun 1838), enthält schon
seinem Titel nach nicht nur eigentliche Volkslieder ; diese
sind fast alle aus Wyß entnommen, andere sind volksthümlich
gedachte und allerdings auch volksthümlich gewordene Pro-
dukte der oben genannten Kunstdichter.
l\ A//s7l'c7///. Behandlung und Anordnung der Texte.
Bei der Auswahl muß dieselbe äußerliche Rücksicht
mitwirken wie bei den historischen Liedern : Stücke, die in
den genannten Sammlungen Jedermann zugänglich sind,
werden nicht wieder abgedruckt, außer wenn besondere
Bemerkungen, vielleicht auch einzelne Textänderungen, bei
denselben anzubringen sind. Uebrigens enthält besonders
die Sammlung von Wyß, wie die nachfolgende üebersicht
zeigen wird, auch Stücke, welche nicht echte Volkslieder
sind und schon darum ausgeschlossen werden mussten. Auch
wenig oder noch gar nicht Bekanntes gebe ich nur, wenn
es zugleich innern Werth hat und irgend eine Seite des
ganzen Gebietes vollständiger vertreten hilft. Im Uebrigen
verweise ich auf die in der Einleitung zu den historischen
Liedern gemachte Bemerkung betreffend eine eventuelle
zweite Auflage.
Für die Behandlung der Texte als solcher gilt wiederum
der Grundsatz, den ^Vortlaut unverändert zu lassen und
höchstens die Schreibung einigermaßen zu reguliren. In den
Liedern, deren Sprache stark aus Hochdeutsch und Schweizer-
ALLGEMEINE VOLKSLIEDER LXXXIX
deutsch gemischt ist, wäre es an manchen Stellen sehr leicht,
an andern aber eben so schwer, eine einheitliche Färbung
herzustellen; es wird also auf den Versuch verzichtet, da
die überlieferte Gestalt, wie oben gezeigt wurde, zum Wesen
der Sache gehört. Bei den reiner mundartlich gehaltenen
Stücken wäre es leichter, die Reinheit noch zu erhöhen:
auch dies unterbleibt aber aus dem gesagten Grunde. Wort-
und Sacherklärungen sind auf das Dringendste beschränkt
und ist dabei weniger an einheimische als an auswärtige
Leser gedacht, denen freilich bei mundartlichen Stücken
vielleicht noch mehr erklärt werden sollte. — Vergleichung
mit Volksliedern anderer deutscher Stämme oder gar anderer
Nationen ist immer interessant, führt aber leicht in's Grenzen-
lose, wenn nicht die l^elesenheit des Herausgebers selbst
Grenzen hat. Es ist also Vergleichung nur angebracht, wo
sie entweder dazu dient, das ursprüngliche Eigenthum von
Liedern zu beleuchten, oder zur Erklärung sachlicher und
sprachlicher Einzelheiten. In den Citaten habe ich mich
auf die Sammlung von Mittler beschränkt, welche ihrerseits
die meisten anderen Sammlungen citatweise in sich auf-
genommen hat. In der Anordnung der Texte musste ich
darauf verzichten, die in der folgenden Uebersicht unter-
schiedenen Abtheilungen mit besonderen Titeln durchzu-
führen, da einzelne Rubriken gar zu spärlich vertreten wären ;
ich habe mich also auf L'nterscheidung der Hauptformen
beschränkt und innerhalb dieser die Reihenfolge der Stücke
ungefähr nach dem Inhalt geordnet. ITeberschriften habe
ich denselben nur vorgesetzt, wo sie mir überliefert waren.
XC EINLEITUNG
Uebersicht.
Die Volkslieder lassen sich vielleicht noch weniger als
die Erzeugnisse der Kunstpoesie in ein strenges Fachwerk
eintheilen: wie der Unterschied zwischen historischen und
nicht -historischen stellenweise ein fließender ist, so sind
auch die innerhalb der letztern aufzustellenden Unterschiede
zwischen geistlich und weltlich, episch und lyrisch, persön-
lich und gesellschaftlich, nur relativ und mit Vorbehalt von
Uebergängen oder Mischungen zu verstehen; der Unterschied
zwischen Episch und Lyrisch kann überhaupt innerhalb der
Form des Liedes nie zu voller Geltung kommen. Wenn
das Geistliche dem Weltlichen, das Epische dem Lyrischen
vorangestellt wird, so soll damit weder höherer Werth noch
höheres Alter des erstem angedeutet, sondern nur irgend
eine auch sonst übliche äußere Anordnung befolgt werden.
Thatsächlich werden allerdings die geistlichen und die epischen
Produkte im Durchschnitt älter sein, aus Gründen, die kaum
einer Erklärung bedürfen. Unter den geistlichen stammen
die schönsten wol alle aus der Zeit, wo die Kirche noch
nicht in Confessionen zerfallen war. also auch das Katholische
keinen Beigeschmack hat, der einen Protestanten abstoßen
könnte. Die geistlich epischen lehnen sich zunächst an die
hohen Kirchenfeste oder überhaupt an die biblische Ge-
schichte, welche noch heute den gemeinsamen Grund beider
Confessionen ausmacht; erst der Marien- oder Heiligencultus
geht über das Altchristliche hinaus und vermochte darum
auch den betreffenden Liedern weder besondern Werth noch
allgemeine A^erbreitung zu verleihen. Uebrigens ist bei vielen
geistlichen Liedern die ursprüngliche Heimat noch schwerer
festzustellen als bei den weltlichen ; die meisten werden
Gemeingut gewesen sein und nur einzelne, besonders die
auf Lokalheilige und Wallfahrtsorte, können landschaftliche
Färbung tragen. Auch die Unterscheidung des Volksliedes
vom Kirchenliede ist oft schwierig.
ALLGEMEINE VOLKSLIEDER XCI
/. Geistliche Lieder.
A. Epische.
An der Spitze der geistlich epischen Volkspoesie, die
sich an die Feste des Kirchenjahres anschließt, stehen die
Weihnachtslieder, dergleichen noch in manchen deut-^
sehen Gauen sich erhalten haben, allerdings am meisten bei
katholischer Bevölkerung, weil sie dort von altherkömmlichen^
mit dem Cultus verbundenen Ausftellungen und Schauspielen
begleitet und unterstützt, ja zum Theil in die letzteren ein-
gefügt waren. Vgl. Weinhold, Weihnachtspiele und -Lieder.
Lexer, Anhang zum kärntischen AVörterbuch. Pröhle, Volks-
lieder und Volksfchauspiele. Hoffmann v. F., Geschichte des
Kirchenliedes S. 441 ff. Die Spiele gehören zur Geschichte
des Drama's und können hier nicht weiter herbeigezogen
werden ; wir haben uns an die Lieder als solche zu halten,
sei es daß sie auch einzeln bestanden oder in den Zusammen-
hang von Spielen gehörten ; denn aus diesen konnten sie
ja immerhin auch herausgenommen werden. Neben den
eigentlichen Liedern kommt auch hier einmal die kürzere
Form eines Spruches vor, den im Kanton Luzern in der
h. Nacht von Haus zu Haus herumziehende und kleine Gaben
einsammelnde Knaben (die sog. Weihnachtsänger, oft die-
selben, die das Jahr hindurch bei der Orgel singen) hersagen
oder singen :
Christchindeli mi,
Laß mich dir empfole si !
Mag's i mir nüd gwerde,
So nim mich von diser Erde,
Nim mich üf in's Himelrich
Und mache mich den Engle glich.
Von vollständigen Weihnachtsliedern führe ich hier fol-
gende an, welche sich auch anderswo finden; die übrigen
s. Texte.
« Der Tag der ist so freudenreich. » Mittler Nr. 4(12. Auch
schon im ältesten Gesangbuch von St. Gallen, s. Alem. V, i68^
XCII EINLEITUNG
« Ein große Freud verkünd ich euch. >^ s. Hommel,
Geistl. VolksHeder Nr. 17.
«Joseph mein, Wirb um ein kleines Bettelein. » Ale-
mannia a. a. O. Hoffraann Nr. 256.
Von dem Liede <( Mir träumet, wie ein Engel kam Und
führt mich bis gen Betlehem y finde ich bei ^Vyß, Schule
und Leben S. iio nur den Anfang citirt ; es muß ebenfalls
•weiter bekannt gewesen sein.
An die Geburt des Herrn schließt sich die Anbetung
der Drei Könige. Im Kanton Zug zogen noch in den
Dreißiger Jahren um die Zeit von Weihnacht bis nach Neu-
jahr Verkleidete herum, welche die h. Familie und die Weisen
aus dem Morgenlande mit dem Stern vorstellten und dazu
Lieder sangen, s. Texte. — Im Anfang dieses Jahrhunderts
kam alljährlich ein armer Dorfschulmeister mit seinen Kindern
aus dem Kanton Luzern nach Zofingen und sang auf der
Straße um Gaben fromme Lieder, darunter ein Dreikönigs-
lied, dessen Text freilich nur noch in Bruchstücken über-
liefert ist (Bündner Kalender 1864):
I. (I Die drei Weisen aus Morgenland I Von weit ent-
fernter Erde | Sie kamen zu suchen | Wie ihnen angesagt. »
2. « Der König der Könige , der soll geboren werden 1 aus
dem Geschlechte Juda j Von einer reinen Magd Ein
hellleuchtender Stern [ Begleitet sie von fern | Führt sie zum
Krippelein . . . . »
Zwei Dreikönigslieder aus Graubünden hat Vetter in der
Germania XIX, 211 — 214 mitgetheilt; sie sind aber im Text
zum Theil zerrüttet. Das erste ist eine Spielart des weitver-
breiteten «Die heiligen drei Könige mit ihrem Sterne, Mittler
Nr. 408, welches mit Danksagungen für die empfangenen
Gaben und mit Glückwünschen für das neue Jahr schließt.
Ich gebe in den Texten eine ähnliche bündnerische Form
dieses Liedes, welche von einem ausführlichem und eigen-
thUmlichen Epilog begleitet ist. Von dem andern von Vetter
mitgetheilten Liede « Ich lag in einer Nacht und schlief» gebe
ich eine vollständisrere Form aus dem Kanton Soloihurn.
ALLGEMEINE VOLKSLIEDER XCIII
Auch die heil. Drei Könige sind der Parodie nicht ent-
gangen, wahrscheinhch weil die sie vorstellenden Personen
auf ihren Umzügen so gastlich empfangen und so reichlich
beschenkt wurden, daß sie gelegentlich aus der Rolle fielen
und des Guten zu viel genoßen. Der Anfang des Liedes
« Die heiligen drei Könige mit ihrem Stern ■), Hoffmann
Nr. 260 — 263 (in anderer Fassung lautet die erste Zeile:
« Gott so wollen wir loben und ehrn » ; Mittler Xr. 408 ;
Eric 50''"'') hat daher die Ergänzung gefunden: «Sie essen
und trinken und zahlen nicht gern » ; vgl. Scheible, Schaltjahr
I. 549. Xur Variante oder Bruchstück desfelben Liedes ist
der Anfang: «Wir kommen daher aus aller Gefahr •>, s. Texte
und vgl. Scheible a. a. O. 548. Erk Nr. 50. Hoffmann Nr. 261.
Während die bildende Kunst in der Darstellung des
Leidens und Sterbens Jesu unerschöpflich war, ist die
Zahl der volksmäßigen Passionslieder verhältnissmäßig ge-
ringer, auch im Vergleich mit den Weihnachtsliedern. Es
ist wol begreiflich, daß der furchtbare Ernst und die rein
innerliche Größe der Leidensgeschichte die Phantasie und
das Gemülh des Volkes weniger ansprach und anregte als
die heitere, mehr in die Sinne fallende, mit idyllischen und
fast bis an das Komische streifenden Scenen ausgestattete
Geschichte der Geburt des Herrn ; hat doch auch das
kirchliche Volksfchauspiel die Leidensgeschichte durch Ein-
schiebung tragikomischer Scenen zu mildern und genießbarer
zu machen gesucht. Die Weihnachtslegende ist wesentlich
naiv, die Passion durchaus sentimental, und auch das Wunder
der Auferstehung hat nie vermocht, gleiche Wirkung zu thun
wie das viel natürlichere, glaubwürdigere und zutraulichere
der Menschwerdung des Heilands. A^on den wenigen Passions-
liedern, die ich kenne, sind die folgenden auch anderswo
bekannt : die übrigen s. Texte.
i( Da Jesus an dem Kreuze stund.') Hoffmann Nr. lor.
« Christus der Herr am Oelberg gieng. » Mittler Nr. 433.
Als Osterlieder wurden noch um 1820 in Freiburg
vom Volke in der Nacht gesungen « Christ ist erstanden >),
XCIV EINLEITUNG
Hommel Nr. 82, nachher c Freu dich, du Himmelskönigin »,
Hommel Nr. 87.
Am wenigsten volksthümlich, weil am wenigsten sinnlich
und persönlich, ist der Gegenstand des Pfingstfestes. Auch
Hommel S. XI hat die Thatsache bemerkenswert!! gefunden,
daß es wenige volksmäßige Pfingstlieder gebe, und hat daher
nur ein einziges gegeben ; ich kenne gar keines.
Specifisch katholische Kirchenfeste bleiben grundsätzlich
.ausgeschlossen, obwol mit einem Gedenktage « Aller Seelen f>
und («^ Aller Heiligen ); (letztere in freierem Sinne aufgefasst)
auch protestantische Religiosität und Poesie sich befreunden
und befruchten dürfte. Zwei solothurnische Aller Heiligen-
Lieder gibt J- Schild, Der Großätti aus dem Leberberg II,
112 — 121. — Maria findet bei folgenden Gruppen genügende
Vertretung.
Neben den Höhepunkten der h. Geschichte, welche durch
die allgemeinen Kirchenfeste bezeichnet sind, konnten ein-
zelne biblische Scenen episch behandelt werden. Aus dem
Alten Testament war es z. B. die Geschichte Josephs, welche
-sich dazu eignete. Sie findet sich mit einer Ausführlichkeit,
welche über das gewöhnliche Maß hinausgeht, aber auch
l3ei weltlich historischen Liedern vorkommt (55 Strophen),
in mehreren alten Drucken, mit dem auch sonst beliebten
Anfang : « Mein fröhlich Herz das treibt mich an. « Benedikt
Gletting, der um die Mitte des XVL Jahrhunderts in Bern
lebte (und einmal eine besondere Ausgabe verdiente, da er
nicht nur fruchtbar, sondern auch nicht ohne Talent war),
hat neben anderen alttestamentlichen Stoffen (Samson, Davidj
auch den Joseph behandelt. Indessen stehen diese Produkte,
-sowie andere Dichtungen Glettings, auf der Grenze eigent-
licher Volkslieder. — Von David und Salomo sagt ein paro-
discher Spruch, daß sie beide im Alter ihre Sünden gut-
gemacht haben, jener durch den Psalter, dieser durch die
Sprüche.
Aus dem Neuen Testament ist es die Scene zwischen
Jesus und der Samariterin am Brunnen, welche, schon im
ALLGEMEINE VOLKSLIEDER XCV
IX. Jahrhundert nicht bloß in Otfrids Evangeliendichtung,
sondern in einem einzelnen Liede behandelt, noch in späterer
Zeit als beliebter Gegenstand sich bezeugt findet, auch bei
Gletting. Eine Bearbeitung findet sich mit dem Anfang :
«Nun merket uf zu diser Frist» (Basel 1592) in ZSB. XXV.
923, Nr. 25, eine andere, leider nur fragmentarisch erhalten,
in der handschriftlichen Sammlung von Stutz (Anfang: c Es
wollt ein Mägdlein Wasser holen »), eine dritte (Anfang: «Es
kam ein Fräulein mit dem Krug d), handschriftlich etwa aus
dem XVII. Jahrhundert, ist vollständig, aber ohne tiefern
Werth. — Eine zweite Scene ist die Auferweckung des
Lazarus, s. Texte.
Die Poesie kann sich aber auch eines biblischen Stoffes
bemächtigen und ihn legendenartig frei gestalten. Dahin
gehört das Lied : «Mareie wott go wandle» (handschriftlich
bei Stutz), entsprechend dem hochdeutschen « Maria die wollt
wandern gehn» (Mittler Nr. 440) mit einigen Varianten und
nur 8 Strophen. Den eigentlichen Passionsliedern lässt sich
dieses doch nicht wol beigesellen , eben so wenig wie das
noch weiter verbreitete «Es sangen drei Engel» (vgl. Mittler
Nr. 443. 446. 450 — 451). Diesem Liede im Hauptgedanken
gleich, aber reiner lyrisch und ohne Anknüpfung an die
Passionsgeschichte, ist das von der armen Seele (< Dort hinten
bei der himmlischen Thür », welches in zwei mir vorliegenden
Fassungen aus dem Zürcher Oberland (die eine handschrift-
lich bei Stutz) fast gänzlich mit dem Text bei Mittler Nr. 444
stimmt. Eine abweichende Form s.'J'exte. Noch freiere Dicht-
ung ist <(. Es will ein Jungfrau reisen ». s. Texte. Einzelne
Motive aus der Passionsgeschichte finden sich in Gebeten, s. d.
Die natürliche Fortsetzung der Bibel ist die reine Legende,
von der auch bei protestantischer Bevölkerung Einzelnes
haften geblieben ist. Dies gilt wenigstens von dem Liede
<<: Regine gieng im Garten» (s. Texte), welches eigentlich
nur ein Theil des größern « Es war eins Heiden Tochter »
ist. Wackernagel. Kirchenlied 11, Nr. 1142. Ein anderes ist :
« Es war eine heilige Turtilla geboren. » s. Texte.
XCVI EINLEITUNG
Nähere Beziehung auf die Schweiz haben untei- vielen
ähnlichen folgende Stücke:
« Historia von den h. dreyen Himmelfürsten S. Mauritzen,
Victor und Urs mit sampt der ganzen Gesellschaft (der
thebaischen Legion) gesangweis gestellt." Solothurn 1668.
Anfang: «: Ein Lied so will ich heben an.»
Das St. Theodulslied, gedichtet von Chorherr Heinrich
Vischer in Sitten gegen Ende des XV. Jahrhunderts, zwar
nach Umfang und Form kein eigentliches A'olksHed, aber
manche volksthümliche Züge enthaltend. Proben davon gibt
Reithard, Geschichten und Sagen aus der Schweiz S. 549 — 554.
Lied von dem Märtyrertod der sog. Angelsachsen in
Sarmenstorf (Kt. Aargau). Argovia 1862 — 1863, S. 132 — 133.
Lied von der Wallfahrt zum Grab des h. Burkhard in
Beinwyl (Kt. Aargau). Fl. Blatt, a. a. O. S. 59.
Lied von dem Bruder Claus (nicht das politische, welches
unter den historischen Nr. 23, d angeführt ist, sondern von
dem heiligen Wandel des ^Mannes als Einsiedler). Luzern
1640. Anfang: f( Ein Lust hab ich zu singen. 0
Hieran schließen sich Lieder von Wundern und von
Gnadenorten, wo noch fortwährend Wunder geschehen :
c Von dem wunderlichen Blut zu Willisau » (Kt. Luzern),
Luzern 1640. (Einer von drei Spielern wirft, nachdem er
alles verspielt hat, seinen Dolch gen Himmel, worauf von
dort fünf Tropfen Blut herabfallen, die sich gar nicht mehr
abwaschen lassen und von Geistlichen des Ortes in einer
]\Ionstranz aufbewahrt werden. Der Hauptschuldige wird von
zwei Teufeln geholt, von den beiden übrigen ersticht der
eine den andern und stirbt im Elend.) Die Geschichte ist
mehrfach bearbeitet worden ; als Verfasser werden Hugo
Amstein von Willisau und Heinr. Wirri von Aarau genannt.
ff Kurze History von dem hochheil. Kreuz Christi, welches
ein Ochs von Braband in das Land Entlibuch getragen.»
Solothurn 1661.
(( Historischer Gesang über das Sacramentswunder ir>
Ettiswyl .0 (Kt. Luzern), — I>ied von dem wunderthätigen
ALLGEMEINE VOLKSLIEDER XCVII
Marienbild zu Schatdorf (Kt. Uri). Diese beiden Stücke aus
der Mitte des XVIII. Jahrhunderts.
Lieder von Gnadenorten im Kanton Schwyz und von
Heihgen und Märtyrern enthält ein Band der aarg. Kantons-
bibliothek (Rar. I), Lieder von Heiligen auch der Band 1257
der Stiftsbibliothek in St. Gallen und F. 83S der Bibliothek
in Frauenfeld.
Beziehung auf zwei von den oben genannten Heilthümern
enthält folgender Segensfpruch :
Walt Gott und eusi liebi Frau
Und 's heilig Bliiet ^ IVillisau,
Und 's heilig Sakrament :( Ettisivyl
Will Tag und Nacht bi-n-em si,
Und 's heilig Chrüz im Entlebueclj
Tag und Nacht zue-n-is lueg.
Bescheidener in der Anzahl und den Ansprüchen sind
die Lieder von Märtyrern des protestantischen Glaubens.
Da von Heiligkeit hier nicht die Rede ist und da die A\'ieder-
täufer auch als Rebellen gegen die bürgerliche Ordnung
betrachtet wurden, so konnten die betreffenden Lieder auch
den historischen beigesellt werden.
Lied auf Meister Martin du Voysin von Basel, welcher
1608 in Sursee wegen des Evangeliums hingerichtet wurde.
s. Gödeke, Grundriß S. 224. (Usteri schreibt: von Joyson.)
(I Ein neues Marterlied von einem frommen Christen,
genannt Werni Hess, welcher zu Schwyz um der Wahrheit
willen enthauptet 1599." (Usteri.)
Diese beiden scheinen kirchlich rechtgläubig gewesen
zu sein; es folgen nun die Sektirer, Wiedertäufer, welche
der reformirten Staatskirche zum Opfer fielen.
Lied von der Hinrichtung des Ludwig Hetzer von Bi-
schofszeil zu Constanz, von Dr. Blaarer. Straßburg 1529.
(Gödeke S. 220.)
Geistliches Lied von dem Haslibacher von Sumiswald
(Kt. Bern). Anfang: «Was wend wir aber heben an.»
32 Strophen von 5 Zeilen. Samml. von Wyß Bd. II, S. 66.
VII
XCVIII EINLEITUNG
Die von Wiedertäufern selbst, zum Theil im Gefängniß,
gedichteten Lieder sind natürlich mehr lyrisch, mögen aber
gleich hier mit angeführt werden.
Gödeke S. 224 führt ein von Christoph Hebenstreit im
Gefängniß gedichtetes Lied an, welches der Sprache nach
schweizerisch sei ; der Name ist dies aber nicht. Von Hetzer
ist das Lied «Wilt du bi Gott din wonung han. » Auch von
dem zürcherischen Wiedertäufer Manz gibt es eines. Ein
Lied des Wiedertäufers Landis, hingerichtet 16 14 in Zürich,
s. ZSB. Msc. A. 72, S. 691. 46 Strophen. Anfang: a Ich hab
ein schön new Lied gemacht. »
Lieder der im Oetenbach gefangenen Wiedertäufer 1638
s. ZSB. Msc. B. 26, S. 237. Vgl. auch noch Wackernagel,
Kirchenlied Bd. V, S. 677 sq.
Ein langes Lied von dem protestantischen Märtyrer
Matheus Waibel, Prediger in Kempten, enthält der Sammel-
band 44'' der Winterthurer Bibliothek. Anfang : « Die War-
heit thut mich zwingen. »
B. Lyrische geistliche Lieder.
Bei der lyrischen Gattung lassen sich zwei Arten unter-
scheiden, aber nicht immer scharf trennen: alte Kirchen-
lieder, welche, nachdem sie aus dem kirchlichen Gebrauch
geschwunden waren, in privatem noch fortlebten, und Volks-
lieder im engern Sinn, welche von Anfang an mehr indi-
viduell persönlichen Charakter trugen. Lieder der erstem
Art finden sich in der handschriftlichen Sammlung von Stutz
und sind wol meistens in älteren Kirchengesangbüchern
nachzuweisen. «Nach dir. o geistlich Leben» findet sich
bei Wackernagel, Kirchenl. V, Xr. 1569. « O Mensch, mit
Fleiß bedenk all Stund» ebd. Nr. 514. 1578. «Verzage nicht,
o frommer Christ» ebd. Xr. 654 — 656. Von einer Menge
alter Kirchenlieder gibt Stutz im dritten Band seiner « Ge-
mälde aus dem Volksleben » größere und kleinere Bruch-
stücke ; dieselben sind in bezeichnender Weise meist einem
Großvater in den Mund seiest. Vgl. a. a. O. S. ^o. 62.
ALLGEMEINE VOLKSLIEDER XCIX
So— 8i. 85. 87. loi — 102. 104. 108 — 109. 128 — 129. 140 — 141.
154. 159. 163. 166. 169 — 170. 176 — 177. 189. 202 — 203. 206.
209 — 210. 221. Von dem Liede «Welt, ade, ich bin din
müde» steht S. 207 nur der Anfang. Von dem «geistlichen
Vogelgesang)) (Anfang: «AVolauf, ir lieben Waldvögelein»)
gibt Stutz in seiner handschriftlichen Sammlung nur einige
Strophen: dieses Stück (übrigens kein rein geistliches Lied)
ist weit bekannt; s. Wackernagel, Voces animantium S. 42 ^
Allgemeine Verbreitung hat auch das Lied « Zufriedenheit
ist mein Vergnügen)) (Mittler Nr. 1302), bei Stutz hand-
schriftlich mit Weglassung der letzten Strophe.
Manche Lieder, auch solche, welche sich in katholischen
oder evangelischen Gesangbüchern finden, tragen keinen
erkennbaren confessionellen Charakter ; es brauchen aber
auch die katholischen deswegen nicht alle in die Zeit der
ungetrennten Kirche hinaufzureichen. Diese Frage ist für
tmsern Zweck weniger wichtig als die, ob die betreffenden
Lieder von schweizerischen Verfassern herrühren. Aber auch
diese ist ja für den Begriff schweizerischer Volkslieder, zumal
religiöser und katholischer, nicht wesentlich und muß unent-
schieden bleiben. In Solothurn und Luzern wurden in der
zweiten Hälfte des XVIL Jahrhunderts eine Menge geistliche
Lieder und darunter specifisch katholische gedruckt, deren
Ursprung schwerlich schweizerisch und von denen nicht
einmal ausgemacht ist, ob sie im Volke wirklich Verbreitung
fanden. Sammlungen solcher meistens in kleineren Büchlein
oder auf fliegenden Blättern gedruckten Lieder finden sich
in Solothurn (Privatbesitz), Marienlieder auch auf der aar-
gauischen Kantonsbibliothek (Rar. I, iS), z.B. «Maria zart,
von edler Art » (Hoffmann Nr. 204 — 205).
Auf reformirter Seite gehören hieher die Liedersamm-
lungen im Berner Oberland, welche zum Theile geistliche
^ Zwei weltliche Lieder vom Vogelgesang enthält Band 64
der Stadtbibliothek Winterthur; das eine gedruckt bei Rud. Herrli-
berger in Zürich, in rein alamannischer Sprache, aber leider mit
Entstellungen des Textes behaftet. (XVI. Jahrhundert.)
C EINLEITUXG
Lieder gemischt mit weltlichen enthalten. Viele geistliche
Lieder, welche in engerm oder weiterm Sinne der Schweiz
angehören mögen, verzeichnet Weller, Ann. II, S. 171 — 177.
Auch nur die Titel oder Anfänge aller solcher Produkte
hier abzudrucken, geschweige die ganzen Texte in unsere
Sammlung aufzunehmen, würde viel zu weit führen. Die
Sprache verräth nirgends schweizerische Heimat, und Stil
und Inhalt sind nicht einmal immer volksthümlich. — Ich
verzeichne zum Schluß nur noch einige Lieder, von denen
bezeugt ist, daß sie auf unserm Gebiete bei Wallfahrten
gesungen wurden. Eines der ältesten dieser Art ist wol das-
St. Michaels-Lied, welches ühland in seine Sammlung auf-
genommen hat (Xr. 304), aus einem Bernerischen Liederbuch
des XVI. Jahrhunderts : nach Bt-echtold, Die Stretl. Chronik
S. LIX, war es mündlich aus Graubünden überliefert, was-
aber nach Uhland, Schriften IV, 317 einzuschränken ist. Als
Einsiedler Wallfahrtslied wird bezeichnet « Elend hat mich
umgeben», Aar. KB. Rar. I, 39, 3, und von Stutz, Sieben
Mal sieben Jahre S. lOi : « Maria eine reine Jungfrau war. »
Wyß, Schule und Leben S. 113 gibt als Anfänge von Wall-
fahrtsliedern: «Freu dich, beglücktes Hirtenleben» und
(( St. Fridli hängt um den Ledersack. »
Parodie eines Wallfahrtsliedös ist die sog. Lungernmesse
(( Buebe mer wend wallfarte go ». s. Texte. Vgl, das bekannte
«. Die Pinzgauer wollten wallfahrten gehn ». Parodien geist-
licher Lieder kannte auch Stutz. Ein Beispiel aus älterer Zeit
ist die Parodie des Bußliedes der Geißler, welche im Jahr
1349 von kriegslustigen Gesellen in Bern gesungen wurde.
Original. Swer siner sele welle pflegen,
der sol gelten und widergeben ;
so wird siner sele r^t :
des hilf uns, lieber herre got. (Hoffmann S. 146.)
Parodie. Der unser Bueß well pflegen,
Der soll Roß und Rinder nemen,
Gänse und feißte Schwin:
Damit so gelten wir den Win. (Justinger ed. Studer 112.)
ALLGEMEINE VOLKSLIEDER C
Als Anhang zu den geistlichen Liedern lyrischer Art
mögen Gebete betrachtet werden, welche metrische Form
tragen, allerdings mehr die von Sprüchen oder Reimprosa
als von Liedern; ausgeschlossen bleiben aber reine Kinder-
gebete, welche man in Sammlungen von Kinderliedern finden
kann. Zu den Nachtgebeten können auch die Nachtwächter-
rufe gerechnet werden, in welchen da und dort AlterthUm-
liches erhalten ist. Dahin gehört dann auch der Alpsegen,
den die Sennen bei einbrechender Nacht durch den Trichter
ausrufen, s. Texte.
Daß übrigens sogar das Gebet nicht von Parodie ver-
schont blieb, beweist das von Soltau S. LXXVI erwähnte
Vaterunser eines Unterwaldners aus dem Ende des vorigen
Jahrhunderts, ferner das im Wunderhorn III, 134 mitgetheilte
Kriegsgebet u. dgl. Ein im ^^'interthurer Neujahrsblatt 1871
beigebrachtes Vaterunser aus der Zeit des Schmalkaldischen
Krieges (1548), worin Bitten mit Drohungen gegen die re-
formirten Eidgenossen durchfiochten sind . ist nicht schwei-
zerischen, sondern kaiserlichen LTrsprungs.
//. Weltliche Lieder.
A. Epische.
Vilmar (Handbüchlein für Freunde des Volksliedes)
nimmt auch (( historische Lieder im weitern und weitesten
Sinne )^ an ; die letztern sollen den Romanzen und Balladen
der Kunstpoesie entsprechen. Es gibt wirklich zunächst
Produkte, welche zwischen historischem und sagenhaft ro-
mantischem Charakter in einer gewissen Mitte schweben, so
daß man sie dem einen oder dem andern Gebiete zutheilen
könnte. Auch Herr v. Ij'liencron hat in seiner Einleitung
(Bd. I, S. XXVII. XXXVIII) diesen Fall bemerkt und die
betreffenden Lieder von seiner Sammlung ausgeschlossen,
weil die denselben ohne Zweifel zu Grunde liegenden That-
sachen fast bis zur Unerkennbarkeit entfärbt oder rein
poetisch, nach allgemein menschlichen Motiven, ausgestaltet
CII EINLEITUNG
seien. — Bei einer zweiten Gruppe von Liedern, deren
Gegenstand aber nicht mehr dem öffentHchen, sondern dem
privaten Leben angehört, höchstens dem einer Gemeinde^
meistens dem einer Familie oder einzelnen Person, kann
man unterscheiden, ob die Geschichte mehr in's Romantische
und Abenteuerliche einer altern Zeit fällt oder dem gewöhn-
lichen Leben neuerer Zeit entnommen ist. Das erstere ist
der Fall bei den balladenartigen Liedern, welche meistens
tragische Liebesgeschichten behandeln; auch einige Soldaten-
geschichten gehören hieher. — Eine dritte Gruppe bilden
schreckliche Naturereignisse und Thaten, welche aber ge-
radezu als wirklich geschehen durch ein gleichzeitiges Lied
bezeugt werden sollen, so daß das rein stoffliche Interesse
des Außerordentlichen den poetischen Werth ersetzen soll
und wirklich ausfchließt. Produkte dieser Art sind auch am
wenigsten wahre Volkslieder geworden.
Produkte der ersten Art kann es auf unsdrm engen
Gebiet nicht viele geben; ich kenne nur drei, von denen,
eines, die Geschichte von Fridli Bucher, den historischen
Liedern (41, a. 2) zugetheilt worden wäre, wenn die ge-
schichtliche Grundlage deutlicher hervorträte. Ebenfalls aus-
luzernischem Gebiete stammt, aber nur der Ueberlieferung,
nicht dem geschichtlichen Stoffe nach, das Lied von Roni
Sattel, welches offenbar in der Hauptsache nur eine lokale
Ueberarbeitung oder Version des deutschen Liedes von
Raumensattel (Uhland Nr. 127) ist (mit Umdeutung von
Rumen in Roni, Verkürzung von Hieronymus) und Aveder
geographische noch chronologische Anhaltspunkte bietet.
Schwer zu entscheiden ist, wohin das dritte der fraglichen
Stücke gehöre. Lütolf gibt dasfelbe in seinen Sagen S. 413,
mit der angeblichen Datierung um das Jahr 121 2; eine auf
S. 414 mitgetheilte Variante der Sage weist in die zweite
Hälfte des XIV. Jahrhunderts ; eine dritte gibt gar keine
chronologische Andeutung. In meiner Abhandlung « Ueber
die historischen Volkslieder der Schweiz » S. 335 habe ich
das Lied als vorgeschichtlich und sagenhaft dem Ostfriesen-
ALLGKMEIXE VOLKSLIEDER CHI
und Teilenlied beigesellt und verweise auf die a. a. O. bei-
gebrachten Merkmale und Parallelen der Sage ; den letztern
ist noch Bühler, Davos I, S. 398 beizufügen. Die Lokalangaben
lauten zwar ebenso bestimmt wie in jenen zwei Liedern,
aber die Jahrzahl auf der Fahne in Mund beweist natürlich
nicht, daß das Ereigniß, auf welches die Fahne bezogen
wird, in jenem Jahre stattgefunden habe. Daß bei der Teil-
sage die Varianten sich über mehrere Länder verbreiten,
während sie hier auf ein engeres Gebiet beschränkt sind,
kann den letztern Fall nicht glaubwürdiger machen. Daß
Orenzstreitigkeiten und räuberische Streifzüge auf unseren
Alpen früher da und dort stattgefunden haben, ist wol
glaublich, aber sie tragen mehr das Gepräge privater Unter-
nehmungen und stehen auch dadurch hinter der Sage von
der Einwanderung und Befreiung ganzer Völkerschaften zu-
rück. Schöne und jedenfalls alte Züge dieser Sage sind das
Schellengeläute der geraubten Lieblingskuh und der eben
so weit hallende Ton des vom Sennen in der Todesnoth
geblasenen Hornes, w^elches an Roland in Ronceval erinnert.
Leider ist das Lied nur fragmentarisch erhalten und auch
in Wortlaut und Versbau theilweise verkümmert. Ein Stück
davon, nämlich die schwarzbraune Kuh, die nach Unter-
w^alden geht, steckt auch in Nr. 45 von J. R. Wyß, Kuhreihen
und Volkslieder.
Die Gruppe der balladen artigen Lieder ist ziemlich
zahlreich vertreten, aber nur w-enige gehören der Schweiz
ganz eigenthümlich an und sind zugleich noch unbekannt,
also in die Texte aufgenommen; auch gibt es einige, die
sich zwar in keiner der mir zugänglichen Sammlungen fiwden.
aber vielleicht doch nur verstümmelte oder verkünstelte
Gestalten anderer sind. Ausnahmsweise habe ich von einigen
Liedern, die auch anderswo bekannt und schon gedruckt
sind, die Texte gegeben, entweder weil der Druck noch
wenig bekannt sein mag oder weil unser Text bemerkens-
werthe Eigenthümlichkeiten in sachlicher oder sprachlicher
Hinsicht aufweist. Wo derselbe wesentlich mit auswärtigen
CIV EINLEITUNG
übereinstimmt oder die Abweichungen desfelben ohne Werth
sind, müssen die in der folgenden Uebersicht eingeflochtenen
Bemerkungen genügen. Dieselbe nach den Gegenständen
zu ordnen, ist nicht thunlich. Daß Liebesgeschichten mit
traurigem Ausgang überwiegen, ist schon gesagt und fast
selbstverständlich ; doch kommen auch andere Motive vor
und die AVendung kann auch zum Heil ausfchlagen (Rettung
aus Todesgefahr) oder ein eigentlicher Schluß fehlen. Einigen
Liedern liegen wahre Lokalgeschichten aus neuerer Zeit zu
Grunde, woraus geschlossen werden darf, daß auch ältere
eine solche Grundlage haben mögen.
Ein von Stutz (Gemälde IIL 3) mitgetheiltes, aber wahr-
scheinlich von ihm selbst verfasstes Lied von einer frommen
Spinnerin scheint auf der weitverbreiteten Sage von der
Spinnerin Bertha zu beruhen. Zwei Lieder von der Gräfin
Ida von Toggenburg, deren Sage, eine Variante der Genoveva.
in der zweiten Hälfte des XVIIL Jahrhunderts im Toggenburg
dramatisirt als Fasnachtspiel aufgeführt wurde (s. Die Schweiz
1860, S. 263. 1864, S. iiü), nähern sich in der Form einer
Reimchronik und wurden wol nie gesungen. Das eine, ge-
druckt 1614, befindet sich auf der Aar. KB. Rar. I, Nr. 25.
das andere auf der ZSB. XVIII, 1792, 4. Daß das Lied vom
Tannhäuser in die Schweiz dringen und daselbst besondere
Gestalt annehmen konnte, findet eine Parallele in dem von
Raumensattel. Diese beiden Lieder sind in die Texte auf-
genommen.
Zu den unzweifelhaft schweizerischen, aber schon hin-
länglich bekannten Stücken gehört vor allen das Lied « Es
het e Bur es Töchterli», welches aus Grenchen (Kt. Solo-
thurn) stammen soll und dort- unter dem Namen ((Der pa-
pierig Himmel» bekannt ist,' Aveil die letzte Strophe die
Unausfprechlichkeit der Liebe in der weitverbreiteten Formel
ausdrückt : « Und wenn der Himmel war Papier » u. s. w.
Schon Herder hatte das Lied in seinen « Stimmen der Völker»
etwas verkünstelt ; später haben einheimische Dichter (Mit-
arbeiter am Solothurner Wochenblatt) demselben fünf weitere
ALLGEMEINE VOLKSLIEDER CV
Stücke angehängt, so daß die Geschichte zu einem Cyckis
ausgesponnen wurde. Den ganzen Sachverhalt hat Professor
Schlatter in Schilds « Der Großätti aus dem Leberberg :»
(Solothurn 1863) richtig dargestellt. (Fast vollständiger Ab-
druck in Birlingers Alemannia IV, 38 — 40.) — Die schwei-
zerische Version des Liedes vom Ulinger (Mittler Nr. 76 ff.,
Vilmar, HandbUchlein S. 52 ff.) findet sich bei Rochholz,
Aarg. Sagen I, 24. Kurz, Schweiz. Volksbibl. XX, 117 unter
dem Titel «Das Guggibader Lied», bei Lütolf S. 71 unter
dem Titel «Schön Anneli )\ mit dem Anfang: «Es ritet e
Rüter dur es Ried», mehr verdeutscht in der Zeitschrift «Die
Schweiz» (Bern 1859), S. 58. — Von dem Liede «Der König
von Mailand » (Anfang : « Weiß mir e Herr, hed siebe Süh ».
bei Mittler Nr. 134. Kurz. S. 91) gibt Stutz, Gemälde aus
dem Volksleben III, 24 eine im Versmaß und auch im Ein-
zelnen vielfach abweichende, im Ganzen weniger gute Form,
mit dem Anfang : « Es stoht ein Hus i der Este », worin ich
den Namen des berühmten Fürstenhauses von Este erblicke.
Eine handschriftliche Variante von Stutz hat « i der Reste ».
was an den Namen der alten Burg Resti bei Meiringen im
Berner Oberland erinnert und ohne Zweifel das altdeutsche
resti = Rast (Ruhesitz) ist. Da bei der Fremdheit des
Namens Este eine Umdeutung durch Einschiebung eines
zweiten r (resp. Herüberziehen des r von der auf das fol-
gende A\'ort, wie oft des // von de/i oder ei/i) nahe lag, so
wird an der Schreibung Este festzuhalten sein. Zu den
weniger guten Bestandtheilen der Version von Stutz gehört
ein hinzugedichteter Schluß, der noch nach 10 Jahren dem
Vater der misshandelten Braut die verdiente Strafe zu Theil
werden lässt, während das ursprüngliche Lied schöner mit
Versöhnung durch die Macht der Zeit schließt. — Das Lied
vom Grafen Friedrich hat in der Form, wie es nach einem
fliegenden Blatt aus der Schweiz (um 1647) überliefert ist
(Uhland Nr. 122. IMittler Nr. 108) in der Sprache nichts
Schweizerisches, dagegen hat mir Rochholz den Anfang einer
stark mundartlichen Fassung mitgetheilt. welche der schwarz-
CVI EINLEITUNG
wäldischen Form bei Mittler Nr. 113 am nächsten kommt.
Mehr schweizerische, und zwar bernische Färbung trägt das
Lied vom «Südeli», welches Uhland (Nr. 121. Mittler Nr. 120)
aus demselben in Meiringen gefundenen Band einzelner
Liederdrucke aufgenommen hat. Ich gebe es auch darum
in den Texten, weil es sich stellenweise mit anderen, un-
zweifelhaft schweizerischen, Anneli- Liedern berührt, und
wegen der hohen Alterthiimlichkeit des in Str. 11 vorkom-
menden Brauches. — Endlich ist hier noch anzuführen das
echt schweizerische, aber weit bekannte «Im Aargäu sind
zweu Liebi » (Kurz 112. Mittler Nr. 136 u. s. w.).
Es folgen nun Stücke, welche wahrscheinlich nicht
schweizerischen Ursprungs sind und, wenn sie auch sprach-
lich und sachlich einige Eigenheiten haben, doch mit all-
gemein deutschen wesentlich übereinstimmen.
Die uralte, weit verbreitete, ursprünglich wol mytho-
logische Sage, welche den classischen Namen von Hero und
Leander trägt, im deutschen Volkslied anfängt c Es waren
zwei Königskinder i>, hat sich in der Schweiz an mehreren
Seen lokalisirt, besonders am Hallwyler See (Kt. Aargau)
in dem Liede « Es wend zweu Liebi zsäme «. Rochholz,
Aarg. Sagen I, 33. Kurz 123. — Bisweilen weicht nur der
Anfang eines schweizerischen Liedes im Wortlaut von seinen
deutschen Parallelen ab, denen es sonst sehr nahe kommt.
Das Lied a Es spielt ein Ritter mit einer Maid » (Mittler
Nr. 91) findet sich mit diesem Anfang auch bei uns, daneben
aber die Variante «Es spielen ihrer Drei auf einem Brett»,
von denen dann der jüngste, der im Brettspiel gewonnen
hat, mit der Alaid spielen darf. — Das Lied von der drei-
fachen Kindsmörderin 'X Es wollt ein Hirtlein treiben aus »
oder («Es trieb ein Hirt in ^^'ald hinein» (Mittler Nr. 489)
gibt Simrock Nr. 37'' auch in der aargauischen Form (( Es
wollt ein Hirt in Wald use tribe » (Kurz S. 122); es findet
sich bei Stutz (Sieben Mal sieben Jahre S. 69) auch mit dem
Anfang : (c Ein Hirt gieng über die grüne Heid » und hand-
schriftlich mit Varianten. — Ein von B. Wyß, Schule und
ALLGEMEINE VOLKSLIEDER CVII
Leben S. 33 — 34 mitgetheiltes Lied scheint aus J3ruchstücken
zweier ganz verschiedener zusammengesetzt und gibt in der
vorHegenden Gestalt keinen Sinn ; einige Stellen erinnern an
die Romanze des sog. Kürenberger : « Ich zoch mir einen
valken. » — Das Lied « Es ziehed drei Gräfe Über Feld »
(bei Stutz, Gemälde II, 153 und handschriftlich, aber unvoll-
ständig) entspricht, sowie das a. a. O. I, 98 nur angeführte
«Drei Rüter wollen ein Mädchen anwerben», den Nr. 116 ff.
bei Mittler, also auch der Grundform des von Uhland um-
gedichteten «Es zogen drei Bursche wol über den Rhein».
— « Es war ein Knab von achtzehn Jahren >, oder « Es war
einmal ein Grenadier » ist = « Es war einmal ein junger
Knab. ^) Mittler Nr. 147 ff. — «Es wollt ein Jäger go jage»,
unvollständig mitgetheilt von K. Ruckstuhl in den a Alpen-
rosen» 1823, S. 32 — ;^;^ (aus dem Berner Oberland), entspricht
Nr. 204 bei Mittler ; ein anderes Lied mit demselben Anfang
ist im Ganzen = Mittler Nr. 205. — «Es wott es Maitli go
grase)!), handschriftlich unvollständig bei Stutz, findet sich
vollständig bei Erk Nr. 37=^: «Es gieng ein Mädchen grasen.»
Die dortigen Strophen 6—12 (Anfang: «Ach Mutter, liebe
Mutter, gib du mir einen Rath ») kommen aber bei uns auch
als selbständiges Lied vor, nur daß statt des Reiters « en
rothe Schwyzer», d. h. ein in fremdem Kriegdienste stehender
oder gewesener Schweizer Soldat, genannt wird. — « Es stönd
drei Sternen am Himmel i> findet sich bei Stutz nur unvoll-
ständig und entstellt, es ist Nr. ii"- bei Erk. — « Es thät ein
Müller spazieren gehn » bei Stutz, Sieben Mal sieben Jahre
S. 410, ist = Mittler Nr. 94. — « Es wollt ein Mädel früh
aufstehn », mir mitgetheilt aus Schaffhausen, ist = Mittler
Nr. 305. — «Ich stund auf hohem Berge», Wyß, Kuhreihen
und Volkslieder S. 77, und mit A'arianten im Volksmund,
ist == Mittler Nr. 273 ff., ebenso «Ein Mädchen von achtzehn
Jahren » = Mittler Nr. 491. 493. — «Was Besseres kann uns
erfreuen», handschriftlich bei Stutz, wesentlich = Mittler
Nr. loi, nur etwas kürzer. — Gesungen wurde auch bei
uns, mit mundartlichen Variationen, « Es liegt ein Schloß in
CVIII EINLEITUNG
Oesterreich » , wovon eine (wahrscheinlich schweizerische)
Nachbildung « Es stat ein Schlösslein enet dem Rhein >>
Uhland, Schriften IV, S. 144 erwähnt. — Stutz, Sieben Mal
sieben Jahre S. 59—62 gibt ein schriftdeutsches Lied « Auf
einem Meierhof geschah ein Elend groß », von einem
Bräutigam, der auf Anstiften seiner Mutter seine arme Braut
ermordet, und in den « Gemälden aus dem Volksleben » III,
31 — 33 ein sehr ähnliches, «Es wollt ein rycher Edelmanns-
fohn», nur daß hier der Mord durch einen von der Mutter
gedingten Knecht verübt wird. Ich kann diese Stücke sonst
nirgends gerade nachweisen, glaube aber Aehnliches in
älteren deutschen Drucken gelesen zu haben. — Professor
S. Studer in Bern theilte H. von der Hagen ein Lied mit,
welches wesentlich mit den Xr. 293 — 299 bei Mittler über-
einstimmt, nur daß die Geschichte in dem emmenthalischen
Dorfe Eggiwyl lokalisirt ist, mit der Eingangsftrophe :
1. Der Wirt im Eggiweil
Er het viel Gast geladen ein,
Het numen e halb Maß Wein.
2. Er het der Töchtern drei u. s. w.
Das Weitere stimmt am meisten mit Mittler Nr. 299 bis und
mit Str. 14; dann folgen noch 3 Strophen, welche von den
dortigen zwei ganz verschieden sind, dagegen mit Nr. 293,
Str. 3 — 5 ziemlich übereinstimmen, nämlich:
9. Sie schifften en über'n Rhein
Auf einem Lilienblättelein ;
Wer will der Schiffma sein?
10. Wie sie nun überen kamen,
Da krähen alle Hähnelein,
Dazu der Güggelhahn.
11. «Was chräist du, falscher Hahn?
Hab gmeint, du chräiest z' Mitternacht,
lez chräist du z' hellem Tag.»
(( Es waren einst zwei Baurensöhn », mir mitgetheilt aus
Beringen (Kt. Schaffhausen), stimmt im Ganzen zu Mittler
Nr. 291, doch mit folgenden Abweichungen: Str. 2: Sie
ALLGEMEINE VOLKSLIEDER CIX
hatten sich gleich wol bedacht Und hatten sich nacher Haus
gemacht, Nacher Haus sein sie geritten. Str. 3, i : Der erste
Ritt vor's Vaters Haus. 6, 3 : dazu ein schweinernen Braten.
7, 3: hungrische Dukaten. 9, i — 2: Ach nein, ach nein,
das kann nicht sein. Das Pferd das steht im Stall allein.
10, I — 2: Frau Wirthin gab sich allen Fleiß, Sie macht das
Fett in der Pfanne heiß. 15, 3 : Wol eurem eignen Sohne.
16, I : Frau Wirthin springt zum Fenster hinaus. Str. 17
(Zusatz) : Wegen dem verfluchten Geld und Gut Kommt
mancher um sein jung frisch Blut, Wol um sein junges Leben.
«Es stand ein Wirthshaus an dem Rhein, Da kehren
alle Fuhrleut ein», im Ganzen gleich Mittler Nr. 75, mit
folgenden Abweichungen. Str. 2 dort ist hier in 2 und 3
zerlegt. Str. 4, 2 : — ist alls nicht recht: Die Roß die gehn
zum Brunnen, Fuhrleut müssen Wasser schöpfen, Der Knecht
liegt an der Sonne. Str. 5 (Mittler 3), 2 : Sie wachet eine
ganze Nacht, Sie saß auf ihrer Schwelle. 5 : Passt sie auf
ihren Gsellen. Str. 6 : Und als das Glöcklein zwölf Uhr
schlug, Die Magd im Haus hat noch kein Ruh, Sie thät
bitterlich weinen. Ei, ei, ei, ci, daß Gott erbarm. Heut Nacht
kommt wiederum keinen.
Die bis auf neuere Zeit herrschend gewesene Sitte, daß
junge Schweizer in fremde Kriegsdienste zogen, hat auch
in den Volksliedern mehrfache Spuren hinterlassen, und zwar
nicht bloß als Nebenmotiv (wie in den oben angeführten
Liebesgeschichten von den zwei Lieben im Aargau und in
dem Grencher Lied), sondern als Hauptgegenstand, indem der
Soldat seinen Entschluß bereut, desertirt, gefangen und mit
dem Tode bestraft wird. Daß das bekannteste Lied dieser
Art: «Zu Straßburg auf der Schanz» etwa schweizerischen
Ursprungs sei, war schon aus der Sprache nicht zu schließen,
und wenn das Alphorn in demselben überhaupt ursprünglich
vorkäme, nicht erst eine Zuthat der Herausgeber des «Wunder-
horns » wäre, so hätte doch kein schweizerischer Volksdichter
das Vaterland des Soldaten gleich gegenüber von Straßburg
beginnen und das Hörn dort ertönen lassen! Li der That
ex EINLEITUNG
hat auch Stutz (handschriftlich) die äUere Form des Liedes
ohne Alphorn, jedoch mit der anderweitigen Entstellung,
daß der Soldat seine drei Brüder (vgl. Mittler Nr. 270, Str. 5)
bittet, ihn nicht zu treffen (f< Schießt mich frei, daß keine
Kugel treff mein Herz ») — welcher Wunsch freilich nicht
erfüllt wird. Wahrscheinlich beruht aber die Entstellung nur
auf Missverständniß des richtigen Reimwortes f'frei;) (:drei),
welches ja ganz wol bedeuten könnte « ohne Schonung >•>.
Ein ähnliches Lied (« Es spazieren drei Soldaten f)) aus der
handschriftlichen Sammlung von Stutz gebe ich in den Texten,
jedoch nur um diese Gruppe dort nicht ganz unvertreten zu
lassen. Ein drittes (aus derselben Quelle), noch schwächer
oder entstellt, lässt den als Deserteur gefangenen Soldaten
an seine Eltern, die ihm vom Kriegsdienst abgerathen hatten,
um Lösegeld schreiben ; aber der Vater gibt dem Sohne
selbst Schuld und lässt ihn « Spißruthen laufen uf Leben und
uf Tod I).
Kehren wir aus dem Kriegsdienst in das häusliche
Leben zurück, und zwar wie es in Wirklichkeit auch heute
noch sich darstellt, so finden wir, daß die Ehe, noch mehr
als die Liebe, von erzählenden Volksliedern nur nach der
ungünstigen Seite dargestellt wird, jedoch mit dem bemerkens-
werthen Unterschiede, daß das Unglück hier komische
Gestalt annimmt. Von glücklichem Ehestand ist, wie von
den besten Frauen, am wenigsten die Rede: Aufsehen er-
regen nur verfehlte Ehen, wo entweder offener Streit
herrscht oder das normale Verhältniß der Herrschaft des
männlichen Theils sich in's Gegentheil verkehrt hat. Darüber
kann dann natürlich nur in humoristischem Tone berichtet
werden. Wo die Frau an Größe, Stärke und Selbständigkeit
den Mann übertrifft, ist der gelindeste Fall der, daß sie ihm
aus Mitleid einen Antheil am Essen gönnt, um nachher
weiterm Vergnügen allein nachzugehen. So in dem Liede:
(.( De Ma hed große Hunger gha. » s. Texte. Schlimmer ist
der Ausgang, wenn die Frau auf ihrem Gang zum Markte
oder in's Wirthshaus den Mann nicht mitnimmt, der dann
ALLGEMEINE VOLKSLIEDER CXI
dafür, daß er sich zu Hause mit einer kleinen Näscherei
entschädigt hat, von der zurückgekehrten Frau geprügelt
wird und vergeblich einen Nachbar zu Hülfe ruft, der gleiche
Noth leidet. Unsere Lieder «■ Es wott e Frau z' Märt ga >>
oder <( i's Wirtshus, uf Bade ga ^>, auch « 's Bettelfräuli wott
bettle go», entsprechen denen bei Mittler Nr. 263. 265. Das
Verhältniß ist noch tiefer zerrüttet, wenn die Frau heimlichen
Verkehr mit einem andern Manne pflegt, der dann von dem
Ehemann entdeckt wird. Parallelen zu unserm Liede « Es
wollt es Bürli früe ufsta » finden sich bei Simrock Nr. 237. 249.
Zeitschr. f. d. Mundart VII, 211 — 214. Wenn die Frau nach
Hause gerufen wird, weil ihr Mann erkrankt sei. so geht sie
nicht; auch die Botschaft von seinem Tode ficht sie nicht
an: erst wie sie hört, daß ein neuer Freier im Hause auf sie
warte, bricht sie auf. So in dem Lied «Frau, du sollist
heim'e cho », entsprechend Nr. 258 — 260 bei Mittler. Nicht
zärtlicher ist freilich der junge Mann . der den Tod seiner
alten Frau wünscht und drei Tage nachher eine junge nimmt,
die ihn aber so schlägt, daß er die alte zurückwünscht. Das
betreffende Lied «Als ich ein junger (reselle war», bei
J. R. Wyß Nr. 42, trägt nicht gerade schweizerische Farbe.
Zu den Segnungen des Ehestandes gehört auch das sprüch-
wörtlich zärtliche Verhältniß zwischen Schwiegermutter und
Schnur. Unser Lied «Es hatten zwei Weiber mit einander
Streit» enthält in der Hauptsache dasfelbe Gespräch zwischen
den zAvei Verschwiegerten, das bei Mittler Nr. 921 steht, nur
etwas kürzer und dafür mit einigen derberen \\'endungen.
s. Texte. Der Winterthurer Sammelband Nr. 44'' enthält unter
Nr. 63 ein Lied (aus dem XVL Jahrhundert) « Ein armer
Mann wolt weihen », ein Gespräch zwischen zwei Braut-
leuten, welche einander bekennen, daß sie beide nichts be-
sitzen, und darauf die Zuversicht gründen, daß sie zusammen
passen und glücklich sein werden. Das Lied trägt keine
Merkmale schweizerischen Ursprungs. Dem Inhalt nach
könnte es auch zu den Liedern vom Hausrath (s. unten)
gestellt werden. Rein episch ist ein von Stutz (Sieben Mal
CXII EINLEITUNG
sieben Jahre S. 73) mitgetheiltes Lied von einem armen Mann
mit sieben Kindern, der seinen reichen Nachbar vergebHch
um Korn bittet und es dann von Engeln erhält, während
das Haus des Reichen abbrennt. lL,ndlich gibt Stutz, Ge-
mälde III, 205 ein Lied von einer Mutter, die ihr Kindlein
verloren hat und ihm schmerzlich nachweint, bis sie durch
den Tod wieder mit ihm vereint wird. Dieses Stück scheint
aber von Stutz selbst verfasst, wie manche andere Lieder,
die er in seine Erzählungen eingeflochten hat.
Das häusliche lieben erweitert sich zum Gemeinde-
leben. Es ist bekannt, wie nicht bloß ganze Völker und
Stämme, sondern innerhalb derselben einzelne benachbarte
Gemeinden allerlei üebernamen und Spottreime auf einander
erfunden haben und bei gegebenem Anlaße gebrauchen.
Solche Namen und Sprüche beziehen sich nicht bloß auf
beharrliche Eigenschaften, sondern oft auch nur auf einzelne
Vorfälle. Wenn irgend etwas Verkehrtes, Lächerliches in einer
Gemeinde geschehen ist, so sind die Nachbarn gleich bereit,
es mit spöttischer Schadenfreude aufzugreifen luid weiter zu
berichten, und von der einfachen Prosa einer Sage oder eines
Schwankes erhebt sich die Erzählung auch zur Form eines
Liedes. Das älteste mir bekannte Beispiel dieser Art bezieht
sich auf eine Geschichte, die im Berner Oberland spielt. Das
am Thuner See liegende Dorf Merligen ist das Abdera oder
Schiida jener Gegend, und es wurden den Merligern allerlei
Thorheiten nachgesagt, was sie natürlich am Ende übel
empfanden. Als daher bei ihren spottsüchtigen Nachbarn in
Thun einst etwas geschehen war, was ihnen nicht minder
lächerlich vorkam, so benutzten sie den Anlaß, sich einmal
zu rächen, und machten ein Gedicht darauf, welches im
Jahr 165 1 gedruckt wurde. In Thun sollte nämlich ein Stier
geschlachtet werden, der aber loskam und in der Stadt so
übel hauste, daß man Militär gegen ihn aufbieten und ihn
erschießen lassen musste. M. Usteri kannte zwei Lieder auf
diesen Vorfall , von denen das eine (20 Strophen) begann :
«Zu singen ich ein Lust hattet) und in seiner letzten Strophe
ALLGEMEINE VOLKSLIEDER CXIII
die Merliger als Verfasser nannte. Von dem andern, welches
noch besser gewesen sein soll, gibt er leider keine weitere
N'otiz. In einem defekten Exemplar eines der im Berner
Oberland verbreiteten Liederbücher aus jener Zeit habe ich
eine Anzahl von zum Theil wirklich gelungenen Strophen,
wahrscheinlich des zweiten Liedes, gefunden, welche den
fruchtlosen Kampf einiger genannter Personen mit dem
wüthenden Stier beschreiben. Da aber gerade der Anfang
des Liedes fehlte, so eignet sich das Fragment nicht wol
zur Mittheilung. Ein wahrscheinlich ähnliches Lied, vielleicht
sogar dasfelbe, nur übertragen auf einen andern Ort (die
zürcherische Gemeinde Elsau), steht im Katalog der ZSB.,
konnte aber nicht aufgefunden werden.
Am nächsten schließen sich hier Lieder von Jagd-
geschichten an, deren mehrere im Kanton Solothurn ihren
Schauplatz haben. Schild, «Der Großätti aus dem Leber-
berg» I, 14 — 21 gibt den Text von zwei Liedern, welche
von verfehlten Jagden auf Wildschweine handeln. Das erste
erzählt, wie die Jäger von Grenchen im Jahr 1782 statt eines
Wildschweins einen Iltis erjagten. Es ist von den Bewohnern
des benachbarten Dorfes Bettlach veifasst; die zwei letzten
Strophen haben aber die Grencher selbst hinzugedichtet, um
den Bettlachern nachträglich ihren Spott zu vergelten. Das
zweite, neuere, gedichtet von dem Volksfänger Alois Glutz,
berichtet, wie drei Jäger aus der Stadt Solothurn- statt eines
wilden Schweines ein zahmes anschössen. Besondern poet-
ischen Werth haben beide nicht. Das Nämliche gilt von
einem im Soloth. Wochenblatt 181 1, Nr. 30 abgedruckten
Liede von einer Bärenjagd. Von einem vierten, wo Schnee-
gänse gejagt werden, gibt B. Wyß, Schule und Leben S. 122
nur die erste Strophe. — Der Neue Solothurner Kalender
für 1845 eiithält ein Lied von der Schlacht zu Herisau «aus
einem alten Zunftprotokoll abgedruckt», 26 Strophen. Die
Schlacht war aber nur eine Schlägerei , welche in Herisau
(Kt. Appenzell) zwischen einem Trupp dort durchziehender
Soldaten und einer Schaar von Bürgern entstanden war und
VIII
ex IV EINLEITUNG
zum Vortheil der letzteren ausfchlug, doch so, daß nachher
beide Parteien bestraft wurden. Das Lied ist, ohne poetischen
Werth, in etwas alterthüniHcher Sprache, mit Einmischung
appenzellischer Mundart abgefasst, und da die « Grenatierer »
noch als c( Reuterey » bezeichnet werden, so mag die Ge-
schichte (welche vielleicht beim Durchzug angeworbener
Söldner passirt war; allerdings aus älterer Zeit stammen.
Aus neuerer Zeit und ernsthafter ist das im Berner Oberland
viel gesungene Lied, in welchem ein nach Amerika ausge-
wanderter und dann zurückgekehrter Obersimmenthaler
seinen Gemeindsgenossen von der Fahrt über das Weltmeer
und von der Ansiedelung in einer Farm recht anschaulich
und anmuthig erzählt, jedoch nicht entschieden zur Nach-
folge räth. Das Lied ist mit Melodie gedruckt in der Zeit-
schrift «Die Schweiz);, Bern 1859, S. 115 — 116.
Anhangsweise erwähne ich hier zwei Lieder, welche
nicht ganzen Gemeinden, sondern nur einzelnen Personen
zum Spott gedichtet sind, aber mit Gemeindebräuchen zu-
sammenhangen. B. Wyß a. a. O. S. 118 berichtet, daß nach
altem Herkommen der « Twingmüller * (Inhaber der herr-
schaftlichen Mühle) einer Gemeinde des Buchsgaues, da
eine benachbarte Gemeinde ihm von Zeit zu Zeit einen
Eichstamm zur Erneuerung seines Wendelbaumes zu liefern
hatte, zum Ersatz dafür und für den Gewinn, den er aus
dem kornreichen Xachbardorfe zog, jährlich den vereinigten
Zunftgliedern desfelben einen Kuchen (von der Größe eines
Mühlsteins) verabfolgen musste, der dann an dem Zunftmahle
verzehrt wurde. Einige nichtzünftige, also von diesem Fest
ausgeschlossene Mitbürger machten auf die Zünftler ein
Spottlied, von welchem Wyß einige Ueberreste mittheilt.
Proben eines andern Spottliedes gibt er S. 120 — 121. — Die
Verheiratung von Mädchen aus einem Dorfe in ein anderes,
oder gar in einen andern Kanton, wird von den jungen
Männern der Heimatgemeinde bekanntlich bis auf neuere
Zeit ungern gesehen und mit allerlei Spott verfolgt. Als um
das Jahr 1825 ein junger Mann aus dem Kanton Bern eine
ALLGEMEINE VOLKSLIEDER CXV
Luzernerin heimführte, brachten die Bursche der Braut-
gemeinde dem abziehenden Paar eine Katzenmusik und
sangen dazu ein SpottHed auf Beide, welches aber nur un-
vollständig überliefert ist. — Ein im obern Freiamt (Kanton
Aargau) heimisches Lied erzählt von drei AVeibern , welche
zusammen in"s Wirthshaus giengen und daselbst so reichlich
tranken, daß eine von ihnen, welche die Zeche nicht bezahlen
konnte, ihren Rock verpfänden und im Hemde heimkehren
musste (((Es sind der AVibere drei^;, handschriftlich mitgetheilt
von Rocliholzj. — J. Stutz führt in seinem (< Gemälde aus
dem Volksleben* Bd. II, S. 174 zwei Strophen eines (viel-
leicht von ihm selbst gedichteten) Liedes an, welches gegen
allen Spott von Auswärtigen gerichtet zu sein scheint. «Mer
sind se gschid as ander Lüt » u. s. w. ^ Zwei Spottlieder
über Gemeindeereignisse sind als Proben dieser Gattung in
die Texte aufgenommen.
Der Vollständigkeit wegen schließe ich die Uebersicht
der epischen Volkslieder mit einigen Angaben über jene
dritte Gruppe von Produkten, welche den Gegenständen
nach sich mit denen der beiden ersten und auch mit den
historischen Liedern berühren, indem ungewöhnliche Ereig-
nisse des öffentlichen und privaten Lebens behandelt werden,
aber weder in romantischem noch in humoristischem Tone,
sondern mit trockenem Ernst und einzig in der Absicht,
Geschehenes wahrheitsgetreu zu berichten. Da diesen Pro-
dukten wegen ihrer poetischen Werthlosigkeit eine Stelle
unter den Texten nicht eingeräumt werden kann, so muß
■es im Interesse der Litteratur- und Kulturgeschichte hier
geschehen. Sie gehören großeniheils dem XVII. Jahrhundert
an und eine Menge derselben findet sich besonders in der
Wick'schen Sammlung auf der Stadt^bibliothek Zürich, welche
schon M. L^'steri für seine Verzeichnisse ausgebeutet hat.
Auch Gödeke (Grundriß), Weller (Annalen I, Abtheilung 2)
haben eine Reihe hieher gehöriger Stücke verzeichnet und
ich gebe hier nur eine Auswahl, geordnet nach den ver-
schiedenen Hauptgegenständen. Die weitläufigen Titel sind
CXVI EINLEITUNG
dabei natürlich meistens auf Angabe der Hauptsache reducirt
und die Anfangsworte der Texte nur in einzelnen Fällen
beigefügt.
r3ie Uebersicht des bunten Inhalts gliedert sich ziemlich
einfach nach folgender Eintheilung :
I. Schreckhafte Ereignisse in der Natur, i. Gewitter.
2. Ueberschwemraungen. 3. Erdbeben und Bergstürze.
4. Feuersbrünste. 5. Seuchen. Nur ausnahmsweise werden
auch erfreuliche Erscheinungen besungen (wunderbarer Segen
im Ackerfeld oder Weinberg).
IL Unglücksfälle und Verbrechen in der Menschenwelt,
I. Fälle von Ertrinken. 2. Hungersnoth. 3. Mordthaten.
Anhangsweise mögen einige Produkte angeführt werden,
deren Veranlaßung mehr dem öffentlichen Leben angehört,
die aber doch nicht wol zu den historischen Volksliedern
gezogen werden konnten.
Von einem Wolkenbruch im Baselbiet. 174S. ZSB. XVIII,
1974, 16.
<( Ein merkwürdiges schönes Lied von der Ueberschwem-
mung im ganzen Schweizerland» 1762. ZSB. XVIII, 1974, 17.
«Zwei christenliche Bußlied vom Erdbidem (-beben) des
1601 Jars und andern daruf folgenden Himmelzeichen. » 1603.
(Usteri.)
Auf den Untergang von Flurs (Graubünden) durch einen
Bergsturz 1618. ZSB. XVIII, 2019, 5.
Von der Brunst in Hasle 1632, gedruckt 1641. Von
M. Zwaldt. Berner Taschenbuch 1880, S. 50.
Brand von Dagmersellen. (Erheiterungen 1857, S. 192.)
Mundartlich, aus neuerer Zeit.
« Ein nüw Lied von dem unerhörten und wunderbaren
Stern, der gegen den Usgang dieses Merzens a. D. 1573 nun
fast 5 Monat by uns on Undergang am Himel herumgat. »•
Das nicht üble, aber nicht ganz volksmäßige, jedenfalls von
einem Geistlichen verfasste Lied deutet den Stern als Straf-
zeichen für die Bartolomäus-Nacht. (Usteri.)
Von einem wunderbaren Roggenstock mit 130 Halmen,
ALLGEMEINE VOLKSLIEDER CXVII
deren jeder seine eigenen Aehren hatte, in Chur 1572. (Folio-
blatt mit Abbildung. ) Anfang : c< Ein trostlich seltsam Wunder-
that. » (Usteri.)
«Lobspruch des heurigen neuen ^^'eins 1680.» Hand-
schrift. (Usteri.) Anfang : (t Der Wyn gewachsen hüre Gibt
von sich keine Sure. »
«Ein Lied vom Sterbent» 1564. Die Seuche wird natür-
lich als Strafe und Mahnung zur Buße aufgefasst. (Usteri.)
« Der Friesel, ein neuer und böser Gast in der Schweiz.»
(Die Krankheit wird aus verschiedenen Arten von neuem
Luxus hergeleitet und als Strafe dafür betrachtet. Anfang:
«Ja, neue Sünden, neue Strafen, Das höre doch, wer Ohren
hat. ;> (Usteri.)
« Klag über die Außfchlächte » (eine Art Nesselfieber '?).
Das Gedicht ist scherzhaft gehalten, mit fingirten Appellativ-
Ortsnamen wie « Gniffikon )) (von kneifen, zwicken), Um-
schreibungen wie «Bickweilerische Rotte» (Flöhe, von bickeu.
stechen); auch als Druckort ist «Kretzingen» (von kratzen)
angegeben. Der Schauplatz muß in der Nähe einer warmen
Heilquelle (Baden oder Schinznach im Aargau) gelegen haben.
ZSB. XVm, 1985, 13.
« Bericht von dem Schiffbruch, so bei Klingnau geschehen
den andern November in disem 1598 Jahr, und was für
frommen Leuten von Zürich und andern Orten jämmerlich
ertrunken sind. Durch Ambros. Wetz. » ZSB. XVIIL 1985, 11.
Untergang eines Schiffes mit Hochzeitleuten auf dem
Hallwyler See. 1608. Anfang: «Nun schweigen still und
haben Ruh» (-en, Pers. Plur. im Sinn von: lasst uns - ).
ZSB. XVIII, 1791''. Etwas modernisirt und verkürzt von
Rochholz im Aarg. Taschenbuch 1861 — 1862, S. iii.
Ein Lied, gedichtet von Hans Wagispach aus Spiez,
einem der zahlreichen berneroberländischen Volksdichter des
XVII. Jahrhunderts, erzählt in 28 Strophen, wie Nikiaus Omlin
von Stans im Jahr 161 7 auf einer Winterreise in's Waadtland
in den Bergen des Simmenthaies verirrte und nach schwerer
Noth gerettet wurde. Das Lied ist gedruckt im Berner
CXVIII EINLEITUNG
Taschenbuch für 1873 und in den Gedichten von F. Merz.
Bern 1882.
«Ein new Lied, welches Gabriel Rubi von Frutigen in
seiner Gefangenschaft zu Thun gedichtet, der mit einem
Gesellen wegen Uebelthaten zu Bern hingerichtet wurde. »•
1601. Gedruckt 1610. (Usteri.)
Ein ähnliches von Hans Aeschlimann in Signau (Kt. Bern)^
stark mundartlich. ZSB. XA'III, 1974. 12. Ein drittes im
Berner Taschenbuch 1880. S. 71 — 72.
Ein nicht übles Lied von der Ermordung des Kloster-
ammanns Otmar Ledergerb von Wyk durch Bauern aus dem
Thurthal, im Anfang des XVIL Jahrhunderts, enthält die
Stiftsbibliothek St. Gallen, Handschrift 1425, S. 54 — 59.
« Ein erbärmlich neues Lied von einer alten Wittfraw
und fünf kleinen Kindern, welche von Hungers wegen ent-
schlafen sind, aus Gottes Kraft ohn leibliche Speis eine Zeit
lang wunderbarlich erhalten worden. Gestellt durch Gre-
gorium Meyer, Organisten zu Basel. 1571.^^ s. LHiland,
Schriften IV, S. 125. (Eine in der That rührende Geschichte,
mit welcher die von dem armen Mann mit sieben Kindern
[s. oben] verglichen werden kann und ein von Uhland a. a. O.
erwähntes Lied von einer armen Frau mit hungrigen Kindern,
aus dem Liederbuch des Herrn v. Mülinen in Bern.)
«Ein wunderbarliche Geschieht von einem Pfaffen und
seiner Kellerin, wie sie ihm der Teufel angesichts seiner
Augen hinwegfürt « etc. Folioblatt mit Holzschnitt, wie viele
ähnliche Stücke, in der ^\'ick*schen Sammlung, der Text auch
in dem Winterthurer Bd. 64. Nr. 12. Anfang: «Ein Dorf,
das ligt nit wit von Gent, Ist zu der Obentheur genennt.»
Schluß: «Mein Nam, der ist gar wol erkannt: Ich bin
Heinrich Wirry genannt. » Lieber die Sagen von Pfaffen-
kellnerinnen s. Lütolf, .Sagen S. 35 — 36. 366 — 369. Simrock,
Mythol. 5, S. 204.
« Ein neu Lied über den Rügischen Abfall. >) 1676. ZSB.
XVIII, 1974, 5. Vater und Sohn Rüg (der heutige Geschlechts-
name RUegg?) waren beide zum Katholicismus übergetreten.
Anfang : « O Rüg, wie bist verblendet ! 0
ALLGEMEINE VOLKSLIEDER CXIX
Auch Gegenstände aus der altern Geschichte und Sage
wurden mehrfach behandelt. Solche Produkte können aber
weder zu den historischen I iedern noch zu der letzten Gruppe
gerechnet werden, weil ihnen das Moment der Gleichzeitig-
keit fehlt. Beispielsweise sei erwähnt, daß Gwer Ritter ein
Lied von der Erbauung von Bern verfasste. Weller. Ann. I,
418. ZSB. XVIII, 1984, 6. Ein Lied vom Tode des Grafen
Bero von Lenzburg auf einer Bärenjagd findet sich ZSB.
XVIII. 1974, 8. Ein blinder Hans Erb besang die Stiftung
des Klosters Königsfelden. (Ebd.)
B. Lyrische weltliche Lieder.
Diese letzte Abtheilung, deren Titel natürlich nicht im
engern Sinne zu nehmen ist. bedarf keine allgemeine Ein-
leitung und auch zu den einzelnen Gruppen nur wenige
Vorbemerkungen. Mit Ausnahme der vorangestellten Liebes-
lieder, welche allgemeinen Charakter tragen und zum Theil
deutsche Quellen oder Parallelen haben, sind die meisten
übrigen speciell schweizerisch und daher, soweit sie über-
haupt Mittheilung verdienen, ohne Weiteres in den Texten
aufzusuchen. Sachliche Parallelen in deutschen Landen gibt
es natürlich auch hier, aber Aufsuchung und Vergleichung
derselben gehört nicht zu meiner Aufgabe.
I. Liebe und Kiltgang.
Ich verzeichne hier zunächst, und zwar nach alphabet-
ischer Ordnung der Anfangsworte, solche Lieder, welche
auch in Deutschland bekannt sind oder nahe Parallelen
finden.
«Ach Mueter, liebi Mueter, i sott es Ding ha», zwar
in schweizerischer Mundart, aber entsprechend Nr. 230 bei
Simrock. Gespräch zwischen Mutter und Tochter, wobei die
erstere zunächst auf eine Reihe von Kleidungsflücken räth,
welche die Tochter mit ihrem Anliegen meinen möchte,
zuletzt auf einen Mann, den das Mädchen als ihr wirkliches
Bedürfniß bekennt.
CXX EINLEITUNG
((Ach Mueter, liebi Mueter, gib du mir einen Rath. »
Auch dieses Lied hat schweizerische Sprachform, trifft aber
sonst mit den Strophen 6 — 12 des bei Erk Nr. 37" stehenden
Liedes zusammen, welches beginnt (( Es gieng ein Mädchen
grasen » und mit diesem Anfang schon bei den epischen
Liedern aufgeführt worden ist.
((Ach Schatz, was hab ich dir Leides gethan?;), hand-
schriftHch bei Stutz, 5 Strophen, mit einigen Abweichungen
von Mittler Nr. 909. Zwei Strophen daraus als besonderes
Lied: ((Die Armuth ist halt gänzlich veracht. » Die Schweiz
1859, S. 95.
((Dort oben uf dem Berge, dort stot es Ziegelhus »,
handschriftlich bei Stutz, aber vermengt mit einem andern
und auch sonst mit Entstellungen behaftet, entspricht Nr. 769
und 770 bei Mittler. Die zweite Strophe unseres Textes
lautet :
Die ersti ist mi Schwöster,
Die ander goht mi nüt a,
Die dritt hab ich genomen,
Zur Ehre wil ich si ha.
(«Ehre» nicht statt «Ehe», aber gleichbedeutend, wie auch
ehrlich = chlich vorkommt). Statt (( Muskaten » hat unser
Lied (( Nüssen » (Nüsse) und die betreffende Strophe lautet
auch sonst verschieden von der letzten bei Mittler Nr. 770:
Die Nüsse die sind bitter,
Die Nägeli die sind räß (von scharfem Geschmack),
Das gib ich meiner Liebste,
Daß si miner nüd vergeß.
Statt der zwei letzten Zeilen von Str. 2 ebd. heißt es bei uns:
Es möcht si Gott erbarme,
Daß mir nüt z' mahle händ.
In einer luzernischen Fassung desfelben Liedes lautet die
dritte Strophe:
Und Scheiden über Scheiden
Isch gar es bitters Chrut,
Wenn i wüssti, wo es wiechsi,
Wett grabe d' Würzeli us.
ALLGEMEINE VOLKSLIEDER CXXI
Auch in dem Liede der Guggisberger mit dem Refrain
« Simeliberg )) (bei Mittler Nr. 1226) erscheinen die beiden
Bäumlein, aber die Muskaten als süß. Parallelen gibt Uhland,
Schriften III, 441. 542. IV, 32. Ueber das uralte Bild von
der Mühle, die Gold und Liebe, Glück und Frieden mahlt,
s. ebd. IV, S. 34—35. Simrock, Mythol. 5, 326.
«.Es sin es Mal zwo Gspiele gsi. :» Dies Stück entspricht
in der Hauptsache dem deutschen (aus dem XVI. Jahrhundert) :
«Es waren einmal zwei Gespielen», Mittler Nr. 140 — 142,
doch ist unsere Fassung im Anfang etwas unvollständig, da-
gegen am Schluß erweitert ; auch ist die vierzeilige Strophe
in je zwei aufgelöst, die durch einen in der Mitte einge-
schobenen Refrain dreizeilig werden. (Das in diesem Refrain
vorkommende Wörtchen man scheint das niederdeutsche, im
Sinne von « nur », synonym mit dem danebenstehenden
Schweiz. )iume, aus mhd. nkvan, muwaii. mit demselben Ueber-
gang von w in in wie in dem nd. man.) Der Text findet
sich bei Kurz S. 102 — 103, in der «Schweiz» 1858, S. 168
auch eine Melodie dazu.
«Guter Himmel, ich muß scheiden», Mittler Nr. 751,
handschriftlich bei Stutz, doch so, daß Str. 6 und 7 fehlen,
dagegen nach Str. 4 noch die folgende eingeschaltet ist :■
Und so lang das Feuer brünnet
Und die Felsen tmgen Stein,
Und so lang das Wasser rünnet,
Sollst du sein und bleiben mein.
« Heute ist die Wacht an mir », handschriftlich bei Stutz,
= Mittler Nr. 793, doch nur mit 3 Strophen (es fehlen 3
und 4) und einigen Entstellungen. Nur eine Variation des-
felben Liedes, combinirt mit Nr. 792, ist das bei R. Wyß S. 85 :
« Hoch auf "m Berg und teuf im Thal. »
«Ich habe mir eines erwählt», handschriftlich bei Stutz,
= Mittler Nr. 796, aber mit mehrfachen Entstellungen und
einer unpassenden Zusatzstrophe am Schluß.
<( Ich kann und mag nicht frölich sein », handschriftlich
bei Stutz und etwas abweichend aus dem Kanton Bern,
CXXII EINLEITUNG
«Schweiz» 1860, S. 19, in beiden Quellen nur 6 Strophen
statt der 8 bei Mittler Xr. 903.
(^Ich weiß ein blaues Blümelein. » Ein Lied mit diesem
Anfang soll nach Angabe unserer Chronisten Etterlin und
Tschudi der Graf Hans von Habsburg-Rapperswyl während
seiner Gefangenschaft in Zürich (nach der Mordnacht 13 50)
gedichtet haben und es soll nachher viel gesungen worden
sein. Leider lässt sich der Originaltext aus keinem der
ähnlichen Lieder späterer Zeit mit Sicherheit herstellen (so
wenig als der des ((Bohnenliedes »). Vgl. Uhland, Schriften
III, 436 ff. 531. IV, 49—50. Bsechtold, Deutsches Lesebuch
S. 514 gibt als ((Lied des gefangenen Grafen» das bei ^Mittler
Nr, 698 (Uhland I, 108) stehende: «Weiß mir ein blUemli
blawe. »
(( O Berlin, ich muß dich lassen.» Schweiz 1858, S. 213,
aus dem Berner Oberland, mit Melodie, 5 Strophen statt
der 7 bei Mittler Nr. 941 (es fehlen Str. 4 und 6).
« Schönstes Kind, vor deinen Füßen Lieg ich hier, wein
bitterlich» u. s.w. Dieses Lied, 5 vierzeilige Strophen, mit-
getheilt von B. Wyß, Schule und Leben S. 34. kann ich zwar
anderswo nicht nachweisen, aber es wird nach Ton und
Sprache schwerlich als schweizerisches Produkt gelten dürfen.
Zeile 2 und 3 der vierten Strophe scheinen entstellt zu sein.
((Was hab ich dir denn Leides gethan?» wesentlich =
Mittler Nr. 909, handschriftlich bei Stutz und aus Beringen,
Kt. Schaffhausen, ein Stück davon auch aus Luzern, s. Texte :
«. Meine Mutter hat gesagt. »
(( Schönster Schatz, gleich wo du bist >» = ]\Iittler Nr. 911,
aber die erste Strophe fast ganz abweichend und entstellt.
I, 2: Mein allererst Gedanken, Wenn ich vor dir verklaget
bin, Kein Zorn sollst du mir tragen. Str. 2 = 4 bei Mittler^
aber Zeile 4 fehlt, da überhaupt die Strophen nur 4 Zeilen
haben. Str. 3 : Wann ich dich seh spazieren gehn, Thut
sich mein Herz erfreuen ; Wenn ich schon nicht kann bei
dir sein, Thut sich die Lieb erzeigen. Str. 4 (bei Mittler
fehlend): Hübsch bin ich nicht und auch nicht reich. Das
ALLGEMEINE VOLKSLIEDER CXXIII
wirst du selber wissen; Ehrlich und fromm ist mein Reich-
thum, Mein Herz will ich dir schenken. Str. 5,1: Ein Ring
hast du, Darauf steht beider Namen.
«Stets i Trure mues i lebe», besonders heimisch im
Kleinthal des Kantons Glarus. bei Kurz S. 147, 6 Strophen,
im Ganzen = Mittler Xr. 746 — 750. Erk Nr. 164, mit Weg-
lassung mehrerer dortigen Strophen, dagegen mit Zusatz der
2 letzten:
Bis die Berge thun sich büge
Und die Hügel senke sich,
Bis der Tod mir nimt das Lebe,
So lang wil i liebe dich.
Bis der Mühlstei traget Rebe,
Darus flüßet süßer Wi,
Bis die Distle traget Fige,
So lang sollst du blibe mi.
«Wenn alli Wässerli fließe.» Mittler Nr. 787. B. Wyß,
<i Schwizerdütsch » S. 88 gibt nur die erste Strophe und den
Anfang der zweiten :
I winke-n-ihm mit den Auge,
I tritt ene [mit dem Fueß] . . .
«Wenn ich ein Vöglein war.» Ein altes Liederbuch
aus dem Berner Oberland gibt die drei ersten Strophen, wie
sie bei Mittler Nr. 753 stehen, dann eine, die aus Mittler
Nr. 752, Str. 5, mit verändertem Versmaß und Wortlaut,
herübergenommen ist, und schließlich noch die folgende:
Ei du mein Engelskind
Käst mir mein Herz an;;ündt.
Vor Lieb es brinnt.
Eh ich dich lassen thu.
Sterben ich will.
(' Zwischen Berg und tiefem Thal Saßen einst zwei
Hasen» u. s. w. R. Wj-ß Nr. 57 lässt auf diese Anfangsftrophe
des bekannten Kinderliedes eine Fortsetzung folgen, die, wie
er selbst (S. XVI) findet, einem andern Liede angehört, das
bei B. Wvß, «Schwizerdütsch» S. 200 steht, aber in der
CXXIV EINLEITUNG
Sprache schwäbische Heimat verräth, übrigens selbst wieder
verschiedene Pjestandtheile enthält. (Anfang: «Wenn i scho.
kei Schatz nit hab. ») Auch Stutz, Sieben Mal sieben Jahre
S. 363 gibt eine ähnliche Mischung.
Als Gegenstück erwähne ich hier noch das Lied von
einer Nonne, welche in der Einsamkeit und dem strengen
Dienste des Klosters mit ihren Gedanken doch immer zu
den Freuden der weltlichen Liebe zurückkehrt. Der Anfang
(•: "s ist keis verdrießlichers Lebe » entspricht Nr. 845 bei
Mittler, das Uebrige Nr. 846, insbesondere auch der Refrain
(( O Himmel, was hab ich gethan! Die Liebe ist schuld
daran », sonst in Liedern von jungen Soldaten vorkommend.
Vgl. Mittler Nr. 1452. Die mundartliche Form des Liedes
ist mir durch Rochholz aus dem aargauischen Freiamt mit-
getheilt ; eine mehr schriftdeutsche fand ich in der Samm-
lung von M. L^steri.
Eine zweite Gruppe bilden Produkte, welche unzweifel-
haft schweizerischen Ursprungs sind, aber nicht ganz echte
Volkslieder, übrigens aus schweizerischen und deutschen
Sammlungen bereits hinlänglich bekannt. J- R- ^^ yß zeigt
in der Vorrede zu seiner Sammlung von Schweizer Kuh-
reihen und Volksliedern, daß er nicht gewissenlos verfuhr,
wenn er alte, zum Theil entstellte oder fragmentarische
Volkslieder durch eigene Zuthaten auffrischte und ergänzte:
aber daß alle Stücke seiner Sammlung, die keinen Namen
tragen und denen er keine Bemerkungen beigefügt hat, in
ihrer vorliegenden Gestalt aus dem Volksmunde geschöpft
seien, kann ich nicht glauben: es ist ja möglich, daß er
Produkte, die ihm als aus jener Quelle geflossen mitgetheilt
wurden, in guten Treuen als solche annahm. Ebenso ist es
nun der Wyßischen Sammlung' selbst ergangen: sie wurde
ohne weitere Kritik nicht bloß in Deutschland, sondern auch
in der Schweiz (z. B. von H. Kurz) ausgebeutet und so
figuriren nun manche zweifelhafte Produkte, meistens die-
selben, in den verschiedenen Sammlungen. Die reine Ge-
stalt derselben herzustellen ist natürlich heute noch weniger
ALLGEMHIXE VOLKSLIEDER CXXV
möglich und sie brauchen hier bloß als bekannt oder leicht
zugänglich (in den Sammlungen von Mittler, Erk, Kretz-
schmer u. a.) mit ihren Anfängen registrirt zu werden. Für
bloßes Machwerk eines städtischen Liebhabers der Volks-
fprache und -Sitte hake ich auch das im (v Wunderhorn» 11,
S. 34(3 aufgenommene Liebesgespräch und einige ähnliche
Stücke, welche mir handschriftlich aus dem Nachlaß von
J. i\L Wagner in Wien durch Dr. Bsechtold mitgetheilt worden
sind (im Anfang dieses Jahrhunderts von Prof. S. Studer in
Bern an H. v. d. Hagen gesandt, der damals Volkslieder aus
der Schweiz für seine Sammlung suchte). Unter den Stücken
der Wyßischen Sammlung sind mehrere , zum Theil nach
ausdrücklicher Angabe des Herausgebers, zusammengesetzt
aus kürzeren Reimsprüchen, welche in dieser Gestalt aller-
dings im Volksmunde gelebt haben mögen oder noch heute
vorkommen. Dies gilt z. B. von Xr. 40 « Hier unten im
Schatte/). "I ha diheim es Meiteli gha» (Kretzschmer S. 270)
ist nicht rein schweizerisch. ((Alis Büebli ist wol änet dem
Rhi 0 (Erlach IV, 354 und auch im Wunderhorn, angeblich
von einem fliegenden Blatt aus Bern) enthält in Strophe 4
und 5 zwei bekannte Volksreime, die übrigen Strophen finden
sich sonst nicht und scheinen fremdes Flickwerk. « Mis Lieb
ist gar wit inne », bei Wyß Xr. 5 «Kuhreihen der Emmen-
thaler.» betitelt, vielmehr ein l^iebesgespräch, besteht aus nur
locker zusammengefügten Reimsprüchen. Eher ein Ganzes
ist Nr. TyG «Mis Lieb, wenn du zur Chilche tuest ga » (doch
gibt B. Wyß, Schwizerdütsch S. 174 — 175 nur die zwei ersten
Strophen und mit etwas verschiedenem Wortlaut). Dasfelbe
gilt von Nr. 50 « Ond 's Liebe halte mer för kä Sönd ».
L'nzweifelhaft echt und alt, eines der schönsten Lieder, auch
durch seine nordisch klingende Moll-^Melodie, ist das Guggis-
berger : « 's isch eben e ]^Iönsch uf Erde — Simeliberg. »
Endlich ist hier anzuführen «Uf em Bergli bin i gsesse»,
was Goethe bei uns sich anzueignen geruht hat, wie anders-
wo « Röslein auf der Heide » und die zwei ersten Strophen
von: «Wie kommts, daß du so trurig bist? 0 Vgl. Mittler
CXXVI EINLEITUNG
Nr. 774. 775. 777. Einige unbedeutende Varianten zum erstem
finden sich im Solothurner Wochenblatt 1828, S. 261 ; ein bei
Kurz S. 215 stehendes, aus Bronner, Der Kanton Aargau II,
3—4 entnommenes Gedicht beginnt wie das Volksliedchen
und hat auch einige andere Gedanken demselben entnommen,
ist aber sonst verschieden und trägt den sentimentalen An-
strich, der viele ähnliche Machwerke von echten Volksliedern
unterscheidet.
Einige von den oben angeführten Liebesliedern und eine
Reihe anderer, welche jedoch nur zum Theil schon bekannt
sind, können unter den besondern Titel Kiltlieder gebracht
werden, weil sie sich mehr oder weniger ausdrücklich auf die
Sitte des Kiltganges d. h. der nächtlichen Liebeswerbungen
und Besuche bei Mädchen beziehen, üeber diese Sitte als
solche ist hier nicht weiter zu handeln, sondern zu verweisen
auf Liebrecht, Zur Volkskunde S. 378, wonach sie jedenfalls
alt ist und weit verbreitet war, besonders auch bei der
keltischen Bevölkerung von England, die zum Theil noch
heute genau denselben streng gehaltenen und nicht unsitt-
lichen Brauch übt, der früher auch in der Schweiz galt, aber
natürlich allenthalben leicht ausarten konnte. Jedenfalls war
die Sitte nicht schlechter, als was in höheren Kreisen Aehn-
liches im Mittelalter galt, und unsere Kiltlieder entsprechen
genau den « Tageliedern » der Minnesänger und Troubadours \
Die bei den Kiltbesuchen üblichen sog. Kiltsprüche der
Bursche, oft sehr lang, in einer eigenthümlichen Reimprosa,
allerlei scherzhaften Sinn und Unsinn enthaltend, sind von
^ Vgl. B.nrtsch, Ueber die romanischen und deutschen Tage-
lieder, und Schmidt in der Zeitschrift für deutsche Philologie XII, 338.
Die Frage ist bloß, ob der Brauch von oben nach unten gedrungen
sei oder umgekehrt. Auf denselben kann vielleicht auch folgende
Stelle aus dem Stadirecht von Dießenhofen bezogen werden: «Swele
(wer) nahtes in ains hus kont und begriffen wirt, den sol man für
gericht füeren, es sy denne daß ain frowe in dem huse by ir eide
behabe (behaupte), daß sy in het inverlan oder zu ihr geleit. »
(Schauberg, Rechtsquellen II, 13.)
ALLGEMEINE VOLKSLIEDER CXXVII
den Liedern wol zu unterscheiden und gehören nicht hieher.
Kürzere Proben finden sich in Bronners «. Kanton Aargau >>
II, 75. Die von Rochholz in Birlingers Alemannia IV, i
mitgetheilten sind von anderer Art und im Folgenden be-
rücksichtigt, aber zum Theil unter den Titel der c Jahres-
zeiten » gebracht. Die hieher gehörigen und bereits bekannten,
aber nicht ganz zuverläßigen Kiltlieder werden nachfolgend
angeführt; die übrigen s. Texte.
«Es isch e guets Hirtli.» (Wyß, Kurz, Mittler.)
'i Es isch es ]\Ieitschi i disem Zwing. » (ebd.)
«Gang mer nid über mis Mätteli. » (ebd.)
« Gueten Abe, Vreneli. » (ebd.)
« O Ueli, min Ueli, chum du zue mer z' Chilt. >> (ebd.)
« Schätzeli, was trurist du. » (ebd.)
«Wenn ig es Bure-Chätzeli war.); (Wyß, Mittler.)
Zwei Kiltlieder hatte auch Prof. S. Studer an H. von
der Hagen gesandt, sie sind aber von der zweifelhaften
Beschaffenheit wie die oben aus derselben Quelle angeführten
Produkte. Es gibt noch einige kleinere, welche aber un-
bedeutend sind oder unter den kurzen Reimsprüchen am
Schluß der Texte angebracht werden können. Auch einige
von den obigen Stücken lassen sich in solche Bestandtheile
auflösen. « Schätzli bist bös oder kennst mi net, Oder ist
das dei Fenster net?» verräth sich durch die Sprache als
schwäbisch. Eine classische Darstellung des Kiltgangs gibt
das bekannte Lied von Kuhn «Hoscho, Eisi, la mi ine I »
(auch bei Wyß S. 51).
2. Hausrath und Hochzeit.
Auch wenn die Liebeswerbung Anklang findet, führt sie
nicht sofort zur Hochzeit, sondern zunächst zur Sorge um
den nöthigen Hausrath, und an der Schwierigkeit, diesen
zu beschaffen, scheitert oft die Liebe nahe am Ziele. Die
Volksdichtungen, welche sich auf diesen Gegenstand beziehen,
gehören mehr in die Classe der Sprüche als der eigentlichen
Lieder, doch werden sie am besten hier eingereiht. Ein
CXXVIII EINLEITUNG
Stück, welches hieher gezogen -werden konnte, ist oben bei
den epischen angeführt -worden {« Ein armer Mann -wollt
weiben»). Mehr schAveizerische Farbe als jenes trägt das
von Uhland, Schriften IV, 247 erwähnte Gedicht 0 Der Haus-
rath w auf einem fliegenden Blatt, Basel 1569. Dasfelbe fand
sich auch in dem Liederbuch aus dem Berner Oberland und
ist aus dieser Quelle abgedruckt im Berner Taschenbuch 1880
S. 73 ff. Zur Mittheilung eignet es sich wegen seines Spruch-
charakters und auch schon wegen seiner Länge nicht, es ist
aber bemerkenswerth und enthält mehrere Anklänge an das
ebenfalls aus dem Berner Oberland stammende Lied «Ei du
mein schöne Margret», welches in die Texte aufgenommen
ist. Näher steht ihm aber das ältere Gedicht « Von dem
husrate», welches Pfeiffer, Altdeutsches Uebungsbuch S. 137
— 138 aus einer Straßburger Handschrift mittheilt. — Den
zwei anderen Stücken, welche in unsere Texte aufgenommen
sind, kommen am nächsten die bei Rochholz, Alemannisches
Kinderlied S. 163 — 168. Der ältere Hausrathspruch geht hier
allerdings, seiner ernsthaften Motivirung entkleidet, in ein
Sprechspiel für Kinder über. Sein ursprünglicher Zusammen-
hang mit dem Kiltspruch erhellt aus einem Produkt, welches
unter dem Titel « Hausrath- und Verlobungsbrief», hand-
schriftlich und gedruckt im Kanton Schwyz verbreitet, in
unregelmäßigen Reimpaaren abgefasst, eine Aufzählung aller
möglichen Bestandtheile des Hausrathes enthält, durch deren
Besitz der Freier seine Werbung zu unterstützen hofft.
Hochzeitlieder haben wir drei, sämmtlich aus älterer
Zeit und darum doppelt werthvoll, nur leider etwas mangel-
haft überliefert, s. Texte. — Anhangsweise mag hier noch
ein Lied auf die Weiber erwähnt werden, von welchem Lütolf
in seinen Beiträgen zur Geschithte des Volksfchauspiels im
Kanton Luzern (Geschichtsfreund Bd. XXIII, S. 185) nur drei
Strophen mittheilt; Anfang: «Es ist gewiß und kein Gedicht,
Was das Buch der Weisheit spricht : Man soll keinem Weibs-
bild trauen » u. s. w. Dieses Lied scheint zwar der Sprache
nach weniger schweizerisch als ein anderes, ebenfalls aus
einem altern Volksfchauspiel entnommenes; s. Texte.
ALLGEMEINE VOLKSLIEDER CXXIX
An den Ehestand würden sich am nächsten allerlei
Lebenserfahrungen und -betrachtungen anschließen : aber wir
haben nur AVeniges aus diesem Gebiet anzuführen. Neben
den zwei Stücken, welche in die Texte aufgenommen sind,
lassen sich etwa hieher ziehen : Das bekannte « Die Gedanken
sind frei» (Mittler Nr. 995 — 996), welches auch Stutz in seiner
handschriftlichen Sammlung hat, doch nur mit 4 Strophen,
indem die zweite der Nr. 996 ganz fehlt, die vierte und
fünfte in eine zusammengezogen sind, dagegen als dritte
die folgende erscheint :
Die Gedanken sind frei
hl jedem jedem Lande,
Drum macht man sie auch
Nicht zum (statt: zur) Conterbande.
Und weil die Gedanken
Von Ketten frei sein,
So schließt man sie auch
hl Kerker nicht ein.
In einem ernsthaften und gedankenvollen 1 ,iede hat
Benedikt Gletting die Gedankenfreiheit im Sinne der prote-
stantischen Glaubensfreiheit gepriesen (ZSB. XVIIL 1983,5).
— Da Uhland das Lied des blinden alten Sängers Weiermann
in Bern (aus dem XVL Jahrhundert) in seine Sammlung auf-
genommen hat und nach ihm auch Alittler Nr. 1249 (Anfang:
"Der ^^'inter gsicht mich übel an»), so darf es auch hier nicht
unerwähnt bleiben, obwol es zu sehr persönliche Färbung
hat, um als eigentliches Volkslied gelten zu können. Hier
mag auch das Lied vom Pfenning (d. h. von der Allmacht
des Geldes) angeführt werden, welches Ludwig Sterner seiner
Reimchronik des Schwabenkrieges angehängt hat (Lenz
S. 166—168).
3. Stände.
Vom Ehestand lässt sich auch ein L' ebergang auf die
verschiedenen « Stände » im Sinne männlicher Berufsarten
machen. Daß das A^olkslied dieses Gebiet vielfach behandelt,
IX
CXXX EINLEITUNG
ist bekannt; wir finden daher auch in der Schweiz Proben
davon. Zwei Stände, welche hier am ehesten in nationaler
Eigenthümlichkeit vertreten sein dürften, sind die Soldaten
und die Hirten oder Sennen, denen sich etwa noch die Jäger
beigesellen könnten. Aber was gleich die letztgenannten
betrifft, so ist zu bedenken, daß es in der Schweiz, mit
Ausnahme der Jagd auf Gemsen und etwa noch auf Bären
im Hochgebirge, eine Jagd in größerm Maßftabe aus be-
kannten Gründen gar nicht gibt, und auch von der Gems-
jagd gibt es zwar viele Erzählungen und Sagen, aber keine
Volkslieder, weil sie eben auf ein zu enges Gebiet einge-
schränkt ist und von verhältnissmäßig nur Wenigen betrieben
wird. Aus anderen, ebenfalls bekannten Gründen kann es
auch keine specifisch schweizerische Soldatenlieder geben:
sie müssten sich auf die ältere Zeit beziehen oder auf die
verhältnissmäßig wiederum seltenen Fälle, daß Schweizer
noch in neuerer Zeit fremde Kriegsdienste aufgesucht haben.
Was die Volkspoesie in diesen Richtungen hervorbringen
konnte, findet sich eben in den historischen Liedern und
in den bereits bei den Balladen besprochenen. Die kurze
Uebungszeit unserer 2^Iilizen reicht nicht hin, Haltung und
Bewusstsein eines besondern Standes zu erzeugen, und ein
solcher widerspricht ja überhaupt der republikanischen Ver-
fassung. Selbst diejenige Waffengattung, welche in neuerer
Zeit am meisten mit einiger Eigenthümlichkeit gepflegt worden
ist und sich dem Jägerstande am nächsten anschlöße, die
sog. Scharfschützen, haben keine besonderen Lieder. Was
also von Soldatenliedern vorhanden ist, muß aus dem Aus-
land importirt sein oder sich auf fremden Kriegsdienst be-
ziehen. Dahin gehört vor allem das bekannte : «' Soldaten-
leben! ein harter Schluß», Mfttler Nr. 1452, mit demselben
Refrain wie das oben angeführte Nonnenlied. Ein Abschieds-
lied auswandernder Soldaten ist schon bei den historischen
Liedern angeführt worden, weil es eine bestimmlere Beziehung
hat. Schwerlich schweizerisch ist das Lied: dich hab ein
Lust in's weite Feld.» 1703. ZSB. XVIIL 2018. 13.
ALLGEMEINE VOLKSLIEDER CXXXI
Am meisten erwartet man vielleicht von Liedern, welche
sich auf das Hirtenleben beziehen, und solcher gibt es
eine ziemliche Zahl : aber die Echtheit derselben ist zum
Theil fraglich. — Der Hirtenstand ist allerdings in der
Schweiz zahlreicher vertreten als die beiden bisher be-
sprochenen, aber wenn man bis auf neuere Zeit das ganze
Volk als ein Hirtenvolk bezeichnen zu dürfen glaubte, so
war dies ein arger Irrthum. Faktisch kann jene Bezeichnung
nur von der Bevölkerung des Hochgebirges gelten, welche
einen kleinen Theil der gesammten ausmacht, und romantisch
sentimentale Phantasien der städtischen Bevölkerung haben
den wirklichen Sachverhalt vielfach entstellt, darum auch
die betreffende Poesie verfälscht. Was die Kunstpoesie auf
ihrem Gebiete gesündigt hat, gehört nicht hieher, wol aber
die Frage, wie es sich mit der angeblich urwüchsigen
Sennenpoesie verhält.
Bekannt und unbestritten ist, daß das Hirtenleben die
eigenthümliche Instrumentalmusik des Alphorns und den
Naturgesang des Jodeins erzeugt hat. Der musikalische
Charakter des letztern ist im Jahrbuch des Schweiz. Alpen-
klubs Bd. I, S. 504 — 526 von einem Fachmann (der im
vierten Band S. 275 — 350 auch die alpine Instrumentalmusik
behandelt hat) ziemlich weitläufig dargestellt, gehört jedoch
zu unserm Gegenstand nur soweit das Jodeln, meist als
Anhang oder Schlussrefrain, mit gesungenen Worten sich
verbindet. Der für alle Volkslieder wesentliche Zusammen-
hang zwischen Text und Melodie nimmt aber hier die Gestalt
an, daß die Melodie die Hauptsache und Grundlage, der
Text nur nebensächliche Zuthat ist, während sonst das um-
gekehrte Verhältniß stattfindet. Dies muß man bei der Be-
urtheilung der fraglichen Gesänge vor allem festsetzen und
festhalten, so daß der kritische Grundsatz aufgestellt werden
kann: Je einfacher und kürzer der Text ist, je mehr er sich
stellenweise aus zusammenhängender Rede auf bloße Ausruf-
oder Anrufworte, Interjektionen, ja auf bloße Silben und
einzelne Vokale ohne bestimmten Sinn reducirt. um so mehr
C XXXII EINLEITUNG
hat er Anspruch auf Echtheit und Alterthümhchkeit, während
längere Ausführungen und Abschweifungen sich von selbst
als spätere Zuthaten falscher Kunstpoesie verrathen. Dies
gilt besonders von den sog. Kuhreihen. R. Wyß hat in
der Vorrede zu seiner Sammlung derselben (S. IX) den Begriff
des Wortes richtig nach Adelung erklärt, wonach Reihen =^
Reigen, älter Reic, überhaupt einen Gesang bedeutet, der
zugleich als Melodie zum Tanze dienen kann. An Tanz ist
nun hier nicht zu denken, obwol das Wort Reic mit Reigen
und Reihe ohne Zweifel zusammengehört, wie auch das
romanische ranz (= franz. rang) des vaches andeutet: nur
ist damit, wie mit dem deutschen Chüereie, nicht ein reihen-
förmiger Aufzug der Kühe selbst gemeint, sondern ein Gesang
der mit ihnen beschäftigten und sie zusammenrufenden Küher
oder Sennen. Dies ergibt sich klar daraus, daß die meisten
Kuhreihen im Anfang oder in der Mitte oder am Ende aus-
drücklich einen Zuruf an die Kühe enthalten, welche zum
Theil mit ihren Eigennamen aufgezählt werden. Diese Rufe
bilden den Hauptinhalt und den unzweifelhaft ältesten, ja
wahrscheinlich den einzig echten Bestandtheil der Kuhreihen-
texte; einige kurze Zeilen, welche sich auf die Thätigkeit
und Lebensweise der Küher selbst beziehen, mögen schon
früh von diesen selbst eingeschaltet oder angehängt worden
sein ; alles Andere aber ist Zudichtung von späterer und
fremder Hand oder Anhang von kleineren Spruchreimen,
die auch außer dieser Verbindung gesungen werden. Böhme,
Altdeutsches Liederbuch Nr. 484 gibt als Text des Appen-
zellischen Kuhreihens nur das Wort « Lobe ;), welches dann
natürlich durch die Melodie variirt wird, und beruft sich
dafür auf eine der ältesten Sammlungen (Rhaw, Bicinia 1545)-
Von dem Kuhreihen der Emmönthaler gibt er bloß zwei
Strophen, wobei der Zuruf « Fromme » neben «Lobe» be-
raerkenswerth, übrigens gleichbedeutend ist, da das letztere
eben auch nur ((fromme», d. h. zahme, freundliche, trauliche,
liebe bedeutet {lob — taub, lieb, mit diesem A\'orte so nahe
verwandt Avie lieben mit glauben (ge-Iaubenj und loben (\\'ohl-
ALLGEMEINE VOLKSLIEDER CXXXIII
gefallen, Beifall kund geben). Uebrigens ist die obige Ansicht
auch schon von Schweizern ausgesprochen worden, zuerst
von Kuhn in der Vorrede zu seiner Ausgabe der Kuhreihen-
Melodien S. IL III, allgemeiner als von R. Wyß in seiner
Sammlung der Texte, zu Nr. 9. Auch der Verfasser der
oben citirten musikalischen Abhandlung erklärt den Jodel
als Hauptbestandtheil des Hirtengesangs, die eigentlichen
Liedstrophen als spätere Einschaltung\ Er unterscheidet
(wol hauptsächlich in musikalischer Beziehung) zwei Haupt-
typen des Kuhreihens, den Appenzellischen, der für die
übrige Ostschweiz gelten kann, und den Berner Oberländ-
ischen, an den sich die Emmenthaler und Entlebucher an-
schließen Averden. Uebrigens sind feste Grenzen auch hier
nicht zu ziehen : den angeblichen Kuhreihen der Oberhasler
(bei Wyß Nr. i) erklärt Kuhn (S. V") als ursprünglich appen-
zellisch; der Sprache nach ist er keines von beiden, sondern
eben ein gemischtes Machwerk. Wie viel bei den einzelnen
Stücken echt und alt sein mag, ist äußerst schwer zu ent-
scheiden; die Zusatzstrophen enthalten Manches, was echt
sein oder auf Echtem beruhen kann, nur nicht in diesem
Zusammenhang. Uebrigens betitelt R. Wyß als Kuhreihen
mehrere Stücke, denen eine allgemeinere Benennung ange-
messener wäre und daher auch in meiner Sammlung zum
Theil eine andere Stelle angewiesen ist. Das Alter der er-
weiterten oder überarbeiteten Gestalt derselben zu kennen
wäre in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung, aber sie bieten
wenig Anhalt zu Muthmaßungen. Ich wäre geneigt, den
Anfang des XIX. Jahrhunderts anzunehmen, wo die Vor-
bereitung des ersten großen Schwingfestes im Berner Ober-
land und Einfluß der romantischen Dichterschule zusammen-
wirken konnten, um Interesse an alter Volksfitte, -Sprache
imd Poesie zu erwecken. Aber Anfänare desfelben konnten
^ Derselbe hat in einer geschichtforschcnden Gesellschaft mit-
getheilt, daß gewisse Cadenzen des Appenzellischen Jodeis auffallende
Aehnlichkeit mit Schlüssen Notker'scher Sequenzen zeigen.
CXXXIV EINLEITUNG
schon siebzig Jahre früher durch Hallers « Alpen >) veranlaßt
worden sein, und wenigstens von zweien der fraglichen
Produkte wissen wir, daß sie schon um die Mitte des vorigen
Jahrhunderts gedruckt waren. Wyß Nr. 2,^ wurde schon vor
1790 gesungen; s. Spazier, Wanderung S. 340. Mit Ausnahme
des Kuhreihens, den Wyß ausdrücklich als den der Appen-
zeller bezeichnet (Nr. 9) und etwa noch desjenigen der
Entlebucher (Nr. 8), dessen Sprache aber von der bernischen
wenig abweicht, gehören alle anderen Stücke dem Kanton
Bern an, und es ist ja natürlich, daß dieser Kanton, der im
Emmenthal und Oberland der Alpenwirthschaft den grösten
und schönsten Spielraum darbietet, der auch sonst, neben
den ürkantonen, am meisten Altschweizerisches bewahrt und
seit dem XVI. Jahrhundert eine Schule von Volksdichtung
gehegt hat, auch in der halb künstlichen Erneuerung dieses
speciellen Zweiges vorangegangen ist.
Von Mittheilung der Texte kann schon darum keine
Rede sein, weil dieselben alle bei Wyß stehen und die
meisten von dort in die Sammlungen von Kurz, Mittler und
in andere schweizerische und deutsche übergegangen sind.
Es sind also die Stücke nur hier aufzuzählen und zu einigen
noch Bemerkungen beizufügen.
Wyß Nr. I. Kühreihen der Oberhasler: « Har Kuehli,.
ho Lobe ! ,» 20 Strophen oder vielmehr Absätze, jeder (mit
Ausnahme von 19) aus zwei Theilen bestehend, von denen
der erste das Geschäft des Sennen beschreibt, der zweite,
kürzer und metrisch verschieden, von Liebe und Leben auf
der Alp überhaupt spricht (mit Ausnahme von 20). Eine
Ausgabe von Kühreigen 1805 und Kuhn geben im Text,
besonders der ersten Theile, manche andere und zwar bessere
Lesarten. Zwei Drucke der ZSB. XVIII, 1636. 1791 weichen
ebenfalls ab, doch meistens nur durch mehr hochdeutsche
Sprachformen. Maltzahn, Deutscher Bücherschatz II, Nr. 714
verzeichnet einen Druck aus der Mitte des XVIII. Jahr-
hunderts, mit dem Titel: Ein schönes neues lustiges welt-
liches Lied, genannt der Kühreihen .... zur Ergötzung des
ALLGEMEINE VOLKSLIEDER CXXXV
Weidmanns und der jungen Gesellen, k Har Kuhli, ho loben. ».
Diese Ausgabe ist schwerlich schweizerisch, setzt aber ein
schweizerisches Original voraus. — Mittler Nr. 1 194 gibt von
diesem Stücke nur eine kurze Probe, willkürlich zusammen-
gesetzt aus Str. 17. 19. II und einem unpassenden Schluß.
Zwei von den kürzern Strophen (2, 10. 11) gibt Stutz als ein
eigenes Sommerliedchen.
Xr. 2. Kühreihen für die Oberländer: « Hiehere-n-ihr
Senne!:-) Nach dem Versmaß von Xr. i, jedenfalls von einem
Städter verfasst; fehlt bei Kuhn.
Xr. 3. 4. Kühreihen der Siebenthaler: «I bin e Bergma
wohlgemuth. « Kurz S. 154. Die zwei letzten Zeilen erinnern
an Stellen aus altern Liedern, welche die Landschaften und
Alpen des Bernergebietes beschreiben ; vgl. Weller, Ann. 1,
943 und Xr. 6.
Xr. 5. Kühreihen der Emmenthaler : «MysLieb ist gar
wyt inne. » Dieses Stück ist bereits unter den Liebesliedern
angeführt. Es findet sich bei Kurz S. 151. Mittler Xr. 11 96.
Xr. 6. Lied der Emmenthaler: «Es isch kei sölige
Stamme.» 14 Strophen. Eine Luzerner Handschrift von 1747
gibt 28 Strophen und auch sonst manche Abweichungen,
ein Druck auf der ZSB. (XVIH, 1636, 22) 30 Strophen. Diese
Plusrtrophen enthalten nur weitere Aufzählung von Orts- und
Bergnamen, welche Wyß weglassen mochte.
Xr. 7. Küherlied der Emmenthaler: «Was kann schöner
sein V 1) Findet sich mit einigen Varianten auch in einem
Liederbuch aus dem Berner Oberland und weist in der
Sprache und dem etwas nüchtern reflektirenden Ton auf
das XVII. Jahrhundert. Die letzte Strophe stmimt in zwei
Zeilen mit der ersten des Jägerliedes bei Mittler Xr. 1465.
Xr. 8. Kühreihen der Entlebucher : « Üsen Ätti » u. s. w.
Dieses Stück (bei Kurz S. 149. Mittler Xr. 1197 — 1198) gibt
schon Wyß als eine Zusammensetzung aus Bruchstücken und
mit Varianten, deren auch die Drucke ZSB. XVIII, 1636, 11.
XXXI, 604 viele darbieten, so daß es unmöglich ist, eine
reine Gestalt herzustellen.
CXXXVl EINLEITUNG
Nr. 9. Kühreihen der Appenzeller : c Wend er iha, Lobe! »
Kurz S. 148. ^Mittler Nr. 1200. Vgl. die Anmerkung bei Wyß.
Nr. 25. Der ledige Sennhirt. « Sorgen und Trauren >. u. s.w.
Mittler Nr. 1210.
Hieher können noch die in Toblers Appenz. Sprachschatz
S- sys'' enthaltenen Stücke, sog. « Ruggusser ■» (beide bei
Mittler Nr. 1222, das zweite bei Kurz S. 137) gezogen werden,
die dem Inhalt nach sich auf das Sennenleben beziehen. Der
Form nach ist das erste (« Grüez mer de Senna ») mehr ein
Spruch nach Art der Kiltsprüche, das andere ((<- 1 gona gwöß
uf Ebanalp ») nur lose aus kleineren Liedchen zusammen-
gefügt, wie mehrere der oben bei den Liebesliedern ange-
führten Stücke.
In mehreren Liedern vom Hirtenstand wird dieser mit
dem Bauernstand verglichen und zwar zu Ungunsten des
letztern. Dieser ist der zahlreichste, aber nach allgemeinem
Urtheil, auch der Bauern selbst, zugleich der geplagteste Stand,
wobei man freilich nur an die «kleinen» Bauern denken
darf, die mit ihren schwer verschuldeten Gütern kaum besser
als Pächter gestellt sind, nicht an die «großen», deren Leben
z. B. das in die Texte aufgenommene Lied (< Die Buchiberger
Bure» beschreibt. Das bekannte Lied: «De Bur ist doch
en plagete ]\Ia » (ZSB. XVHI, 1791, 4) ist zwar von keinem
solchen Kleinbauer verfasst, aber es schildert das Leben
desfelben in zutreffender ^^'eise und ziemlich reiner Volks-
fprache. Dasfelbe gilt von dem Liede: «Ist das nit es elends
Lebe 0, welches nach Wyß S. 104 älter ist und sich zunächst
auf die früheren Zustände in den sog. Freien Aemtern bezieht.
Usteri gibt in seiner handschriftlichen Sammlung (T'' 5) eine
kürzere und auch sonst etwas abweichende Gestalt des Liedes;
eine noch kürzere steht bei Mittler Nr. 1490. Einige Verse,
welche nicht Klage der Bauern selbst, sondern Spott eines
andern Standes über sie enthalten, finden sich bei Stutz
(Gemälde III, 37) und Gotthelf (Schulmeister I. 174): «Wenn
die Bure z' Acher fare. » s. Texte. Gotthelf meint, das von
ihm angeführte sei ursprünglich ein Soldatenliedchen gewesen ;
ALLGEMEINE VOLKSLIEDER CXXXVII
aber nicht alle Verse passen auf diesen Stand und Stutz lässt
das seinige von Spinnern singen, welche bei ihrer Arbeit
ruhig zu Hause sitzen können. Sonst freilich ist auch der
Stand dieser « sitzenden » Berufsarten nicht beneidenswerth
und auch sie haben ihre Klage- und Spottlieder. Ein älteres
Lied der Weber im Toggenburg (« Die Fabrikante z" Didel-
dum fl) S.Texte. Usteri erwähnt einen aus dem Jahr 1669
stammenden « Wäberspruch zu billigem Lob etc. dem löbl.
Wäberhandwerk. Sodann auch eine nützliche Zugab von
Hanf und Flachs als der arbeitsamen Weibern vielgeliebter
Marter. » Zwei Lieder vom ^Veberhandwerk (ZSB. XVIII.
1987, 17) sind nicht sicher schweizerisch. — Ein auf einem
fliegenden Blatt aus dem XVIII. Jahrhundert in Basel ge-
drucktes «Loblied der Zimmerleute » enthält nichts specifisch
schweizerisches als vielleicht den Ausdruck « Hebmaie » für
den bei der festlichen Aufrichtung eines Hauses üblichen
Blumenkranz oder -Strauß. — Einige Lieder behandeln ver-
gleichend mehrere Stände oder Handwerke neben einander:
es werden alle gerühmt oder getadelt, und schließlich kann
es vorkommen, daß über sie alle der Bettler erhoben wird,
s. Texte. Sogar der landstreichende Beutelschneider singt
in einem Volksfchauspiel sein Triumphliedchen (Geschichts-
freund Bd. XXIII, S. 201), da ja die Gauner auch ihre eigene
Zunft und Kirchweih hatten !
4. Sitte und Geselligkeit; Jahreszeit feste.
An die Stände würde sich anschließen, was von Tracht
und Sitte einzelner in Liedern Ausdruck gefunden hat.
Aber da die alten Trachten des Bauernstandes der ver-
schiedenen Gaue sich fast ganz verloren haben, so ist wenig
darauf Bezügliches in Liedern zu finden. Was von besondern
Sitten noch fortlebt, findet sich zum Theil unter den Titeln:
Kiltgang, Hausrath und Hochzeit, Jahreszeiten. Eine beson-
dere Abtheilung der Texte kann also nur Weniges enthalten
imd eines der hier aufgenommenen Stücke, das Lied von der
Rigi- Reise, konnte wol unter den Titel Geselligkeit
CXXXVIII EINLEITUNG
gestellt werden. Auch dieser lässt sich von den vorhin an-
geführten nicht scharf abgrenzen und es sind hier nur einige
ältere Produkte anzuführen:
Auf das im « Weinspiel » von Rudolf Manuel enthaltene
Trinklied « Frisch frölich wend wir singen » (Bsechtold S. 333)
kann hier einfach verwiesen werden. Wenn dasfelbe von
Manuel selbst für den dortigen Zweck gedichtet war, so ist
es doch ohne Zweifel im Tone damals üblicher Trinklieder
gehalten. — Philander von Sittewalt (Gesichte II, S. 212,
Straßb. Ausg. von 1642) lässt einige Schweizerburschen in
ihrer Mundart « die volle Meß » anstimmen ; das darauf
folgende Lied ist wol ein allgemein deutsches. Ein Gegen-
stück zu diesem Preise des Weines ist der (in die Texte
aufgenommene) Wettstreit zwischen Wein und Wasser, aus
welchem das letztere als Sieger hervorgeht. Dieses Stück
erinnert an mehrere ähnliche, welche die im XYI. Jahrhundert
besonders beliebte Form eines Gespräches tragen (zwischen
Sommer und Winter, Buchsbaum und Felbinger u. a., s. Uhland,.
Schriften III, 28) und wird wol aus derselben Zeit stammen,,
hat sich aber bis auf neuere Zeit im Volk erhalten. Das
letztere gilt dagegen nicht von der noch altern Sitte, einem
Fremden eine Reihe von Räthseln vorzulegen, durch deren
Lösung er von einer Jungfrau einen Kranz und den Eintritt
in die Gesellschaft, also auch Zutritt zum Tanz, erwerben
konnte. Vgl. Rochholz, Alem. Kinderlied S. 213 ff. Uhland,
a. a. O. 182. 206. Der Winterthurer Sammelband 44'', Nr. 29
enthält das bekannte Lied « Ich kum us frömden Landen her »
(Uhland, Volksl. I, 9) mit einem Anhang von noch weiteren drei
Räthselfragen und Antworten, nämlich (mit Abkürzung):
1. Singer, sag mir ouch behend:
Es hat weder füß noth hend,
Dazu weder köpf noch nas,
Und louft geschwinder dann ein has. (6 Verse.)
Antwort: Der A\'ind. (4 Verse.)
2. Singer, sag mir alJhie :
Gott hat es sresehen nie
ALLGEMEINE VOLKSLIEDER CXXXIX
Und gesieht es ouch nümme (nimmer) ;
Ein Bur sieht es alle Tage. (6 Verse.)
.\nt\vort: Sins glichen. (8 Verse.)
3. Es stat ein müli uf dieser erden:
Was sy malet, thut weniger werden.
Die miili hat fünf reder gemein
Und trybt nit mee dann ein mülstein.
Zehen rigel thund die müli beschließen. (6 Verse.)
Antw. : Die Mühle ist das Evangelium, die fünf Rader die fünf Sinne,
der Mühlstein der Glaube, die Riegel die zehn Gebote. (6 V.)
Druck von S. Apiarius in Bern 1558. Es folgen dann zwei
geistliche Kranzlieder.
Eine andere Art von Kränzen und Kranzliedern hieng
mit der Jahreszeit zusammen, die dem Jugendalter ent-
spricht, dem Frühling. Ueber die alten Bräuche bei FrUh-
lingsfesten und die daher entnommenen Motive zu Volks-
liedern s. Uhland, Schriften III, 30. 389 ff. Die erwachsene
Tugend verband natürlich mit der Frühlingsfeier Absicht auf
Liebe tmd Werbung und die Lieder dieser Art sind daher
zu jener Gruppe gestellt. Das von O. Freiherr v. Reinsberg-
Düringsfeld, «Das festliche Jahr» 1863, S. 86, Vernaleken,
Alpensagen S. 362 mitgetheilte Lied der <■- Mareieli » am
zürcherischen FrUhlingsfeste des Sechseläutens ist nur Frag-
ment, mehrfach entstellt und aus verschiedenen Bestand-
theilen zusammengefügt. Vgl. das unter die Liebeslieder
aufgenommene « Heida, die liebe Maiezit» und das bekanntere
(( Der Maie-n-isch komen » (bei Kurz S. 1 1 1. Wyß, Kuhreihen
S. 69. Vernaleken a. a. O. Mittler Nr. 1201. Erk, Auswahl
Nr. 108), welches gewiß alte Bestandlheile enthält, aber von
Wyß überarbeitet zu sein scheint. Von der Umdichtung oder
Nachbildung eines alten Maitanzliedes durch Thomas Blarer
(um 1540) handeln Böhme, Altdeutsches Liederbuch Nr. 300,
und Uhland, Schriften III, 397. 481. Der Text, vollständig
bei Wackernagel, Kirchenlied, 184J, S. 4S0, ist freilich ganz
in's Geistliche oder Kirchlich -Politische gezogen und kein
Volkslied mehr, aber die Grundlage blickt noch deutlich
CXL EINLEITUNG
hervor und der ursprüngliche Charakter eines Tanz- und
Kranzhedes ergibt sich aus den beigefügten Anweisungen.
Umdeutung des Frühhngs, und insbesondere auch des Jung-
brunnens oder Maienbades, auf die Reformation erscheint
auch in den bernischen Liedern fr BUiemh uf der Matten».
« Der Winter gsicht mich übel an » und « Wach uf , mins
Herzen Schöni » : die beiden ersten stehen bei Uhland
Nr. 346. 347. Mittler Nr. 1247. 1249; das dritte habe ich
wegen seiner bestimmten Beziehung auf Bern in den Anhang
zu den historischen Liedern gestellt. Vgl. Nr. 30, b der
chronologischen Uebersicht. — Zum Schluß dieser Gruppe
noch ein Curiosum. Der Sarasin'sche Sammelband in Basel
enthält als das erste von vier Liedern, gedruckt bei Apiarius
in Bern 1563, das bekannte Sommerlied: «Herzlich thut
mich erfreuen ;j , aber mit der durch ihre v\nschaulichkeit
und Lokalbeziehung bemerkenswerthen Schlußflrophe:
Zu Zürich uf der Brücken
Gsieht man zu solcher Zvt
Der gälen dünnen Güppen,
Darob sich mancher fröwt,
Kurz ob den Beinen \vyße,
Darunder wäyt der Wind:
Darum thun ich sv prisen
Das gar liebliche Kind.
Ein fahrender Schüler, der unsere Stadt besuchte, mag diesen
Zug aus eigener Beobachtung beigefügt haben.
Zu den Jahreszeitliedern eher als zu den Liedern auf
kirchliche Festzeiten muß auch das vielgenannte Bohnen-
lied in seiner ursprünglichen, nicht mit Sicherheit nach-
Aveisbaren Gestalt gehört haben"; denn die übermüthige Lust,
die an gewissen Kirchenfesten sich in allerlei Bräuchen Luft
machte, kann ja auf keinen Fall aus kirchUcher Ordnung,
sondern nur aus einem Widerstand g^g'tw. dieselbe erklärt
werden, der in altherkömmlichen Sitten und zuletzt in heid-
nischem Naturdienst wurzelte. Bei dem Bohnenlied denken
wir natürlich zunächst an dasienige, welches laut der obigen
ALLGEMEINE VOLKSLIEDER CXLI
Notiz am Aschermittwoch 1522 auf den Gassen von Bern
gesungen wurde, und an die noch heute in der SchAveiz, in
Schwaben und Hessen übHche Redensart « Das geht Uber's
Bohnenlied » im Sinne von : über alles ^laß hinaus. In den
Tagsatzungsakten von 1537 heißt «neben das Bohnenlied
treten)» so viel als « übertreiben >) und so gilt noch in Appen-
zell « er ist über's Bonelied gange x> = er hat sich verstiegen,
die Schranken übertreten. Etwas anders braucht B. Gletting
in seinem Lied vom Versegnen « achten als heig (habe) er
"s Bonenlied gesungen » = für nichts achten ; und in gleichem
Sinne sagt Utz Eckstein in seinem «Reichstag der Bauern»:
Nunnengsang nützt zu keinen Dingen,
Und wenn sie schon ihr Lebtag singen;
Drum wird ihnen Gott eben Ionen,
Als sungen s' : Gang mir us den Bonen.
In einem Luzerner Neujahrspiel aus der zweiten Hälfte des
XV. Jahrhunderts (bei ]\Ione, Schauspiele IL 406) heißt es :
«Diser sach bin ich fast müed, es ist mir über's bonenlied»,
was mehr auf Ueberdruß an langweiliger Wiederholung als
auf Ueberraaß der Sache selbst deutet. Wieder anders
lautet die Angabe bei ^^'irz (Helvet. Kirchengesch. S. 399),
«einem das Bohnenlied singen» heiße so viel als «ihm sagen,
daß es mit ihm zu Ende sei , daß man sich um ihn nicht
mehr kümmere ». Auch wenn die Redensart « Das geht
über's Bohnenlied » von jeher nur den Sinn gehabt hätte,
den wir heute ihr beilegen, so dürfte daraus nicht ohne
Weiteres geschlossen werden (wie bisher fast durchweg ge-
schehen ist), das Bohnenlied müsse ein übermäßig scharfes
Spottlied, und insbesondere das in Bern 1522 gesungene
ein solches Spottlied auf das Pabstthum gewesen sein;
es könnte auch nur die übermüthige ausgelassene Lustig-
keit ausgedrückt haben, welche in der Fasnachtzeit erlaubt
war. Das im XVI. Jahrhundert und wol schon früher auch
in Frankreich und Holland bezeugte Sprichwort : « Wenn die
Bohnen blühen, gibt es viel Narren .», wird aus demalten
Glauben erklärt, daß die Bohnenblüthe einen betäubenden,
CXLII EINLEITUNG
sinnverwirrenden Geruch verbreite, woraus sich wieder die
(auch in Bern bekannte) Redensart erklärt : a Er ist in den
Bohnen», so viel als: er ist trunken, verwirrt, zerstreut.
(Vgl. Wander, Sprichw. I, 425.) Auch dem Genuß der Bohnen
schrieb man wegen ihrer Schwerverdaulichkeit eine den Geist
belästigende Wirkung zu ; darum singt der Tannhäuser :
« Zisern und bonen gent mir nicht hohen muot », und jener
alte Sänger Weiermann von Bern, ein jüngerer Zeitgenosse
Manuels, sagt in dem oben erwähnten Liede. wo er sein
kümmerliches Leben beschreibt, in bildlicher Weise :
Min Koch, der büt mirs also wol,
Singt mir ein Lied von Bonen;
Das hat so gar ein schlechte Wis,
Darzü ist es ein ruche Spis.
Bohnen waren aber gerade darum insbesondere auch Fasten-
speise, und als solche schon bei Walther von der Vogelweide
verpönt. Da nun die Fastengebote von der Geistlichkeit
selbst nicht streng gehalten wurden, so konnten bei diesem
Anlaß auch andere ]\Iissbräuche der damaligen Kirche gerügt
werden, wie das von N. Manuel im (^^ Testament der INIesse»
(Bjechtold S. 233) zum Gedächtniß der abgestorbenen Messe
am Aschermittwoch- Abend zu singen verordnete (^ Spottlied >>
verräth. Ein in diesem Sinne mit Zusätzen versehenes, über-
arbeitetes oder ganz umgedichtetes älteres Bohnenlied könnte
also am Aschermittwoch 1522 in Bern gesungen worden sein.
Das ursprüngliche Bohnenlied war nach Mittler (Volkslieder
S. 521) das zweite von den drei in seiner Sammlung abge-
druckten Liedern mit dem Refrain: «Gang mir us den
Bonen ! » Der Sinn des Refrains sowie des ganzen Liedes
ist : Laß mich in meiner sorglosen Lebensführung, in meiner
scheinbaren Narrheit ungestört 1 Das konnte auf die Fas-
nachtlust angewandt werden, der man sich überlassen wollte,
um so mehr, da nach dem Obigen bereits anderweitige Be-
ziehungen der Bohnen auf Narrheit sprichwörtlich waren.
Dann bleibt also möglich, daß auch das bernische Bohnen-
lied am Ende doch nur jenes alte, ziemlich harmlose war
ALLGEMEINE VOLKSLIEDER CXLIII
und die Redensart «es geht Uber's Bohnenlied » den Sinn
von Ueb ermaß gerade dadurch bekam, daß jenes Lied
immer noch eine mäßige Lustigkeit aussprach. Es soll
aber nicht bestritten werden, daß der Name Bohnenlied
später den Sinn von Spottlied annahm, da er z. B. auf ein
solches angewandt wurde, welches im Jahr 1668 die Hallauer
Bauern gegen die Regierung von Schaffhausen sangen, die
•den Verfasser auszuspüren suchte (Im Thurm und Härder,
Schaffhauser Chronik). — Von einem beim Bohnenfest am
Dreikönigstag gesungenen Liede haben wir keine sichere
Kunde; es konnte jedenfalls kein Spottlied sein.
Die bis auf neuere Zeit im Entlebuch unter dem Namen
« Hirsmontagbriefe » (s. Stalder, Id. II, 45) üblich gewesenen
Fasnachtgedichte gleichen in ihrer Form (Reimprosa oder
Knittelverse) den Kiltsprüchen, können aber noch weniger
zu den Volksliedern gerechnet werden, weil ihr Inhalt, wenn
auch gewisse Gegenstände des Spottes regelmäßig wieder-
kehren mochten, jeweilen nach den Jahresereignissen sich
veränderte ; sie gehören eher zu der Geschichte des Volks-
fchauspiels, das auch anderswo, z. B. im Muotta-Thal bei
der sog. « Gräuflete », einem Umzug am Dreikönigstag, und
bei der « Moosfahrt» an der Fasnacht, solche öffentliche
Kritik mit sich bringt.
Wirkliche Fasnachtlieder kennt jetzt nur noch die Jugend,
welche das Singen derselben mit Maskenumzug und Betteln
vor den Häusern verbindet. Hieher gehört das Huzgüri-Lied
in Baselland, s. Seiler, Die Basler Mundart S. 136''. Auch
das Scheibenwerfen beim Fasnachtfeuer wird dort mit einem
Liedchen begleitet (s. Anhang). Bettelsingen, auch Er-
wachsener, am Neujahr und Dreikönigsabend wurde in
Schaffhausen schon im XIV. Jahrhundert verboten (Mone.
Schauspiele des Mittelalters I, 137 — 138), schwerlich mit
nachhaltiger Wirkung. Sonst ist es, abermals besonders bei
den Knaben in Baselland, üblich zu der Zeit, wann die
Bauern Schweine schlachten und die Jugend ihren Antheil
vom Schmause begehrt. «: Um's Würstli sinsfen )^ erwähnt
CXLIV EINLEITUNG
auch Hebel, Statthalter von Schopfheim V. 72, und der
Brauch ist schon alt; s. Basel im XIV. Jahrhundert S. 71.
Der Text des Wurstbettelliedes gehört, wie all dergleichen,
mehr in eine Sammlung von Kinderliedern; da aber Roch-
holz ihn nicht bietet, so mag er wenigstens im Anhang eine
Stelle finden. Erwachsene singen ein Liedchen bei der Ernte,
wenn sie nach der Arbeit ihren Lohn verlangen, und eines zum
Spott über einen mit seiner Aufgabe im Rückstande gebliebenen
Schnitter. Solche vereinzelte Spruchverse finden ihre Stelle
besser im Idiotikon, unter einem betreffenden Schlagworte.
Auf das Naturleben, wie es im Verlauf der Jahreszeiten
das Menschenleben berührt, würde schließlich noch das
Thie rieben folgen. Aber hier ist nur wenig Eigen thüm-
liches oder noch Unbekanntes anzuführen, und Manches
gehört eher in die Kategorie der Kinderlieder. Doch gilt
dies nicht von den altern Liedern über den Vogelgesang,
welche auch eher hieher als zu den geistlichen gehören, wo
eines derselben bereits angeführt worden ist. Einen Ueber-
gang von naturgetreuer Thierschilderung zu der absichtlichen
scherzhaften Entstellung oder Verkehrung, die in den sog.
Lügenmärchen vorliegt (vgl. ühland, Schriften III, 223 ff.),
macht das kleine, schon im Wunderhorn mitgetheilte Liedchen
von der Bettlerhochzeit, bei der verschiedene Thiere als
Musikanten dienen, verschieden von Hochzeiten unter den
Thieren selbst (Uhland a. a. O. 75). Die von Wyß Nr. 47
mitgetheilte « Reise in's Schlaraffenland » gebe ich nicht
wieder. Das solothurnische Lügenmärchen, welches bei
Wackernagel, Lesebuch II, S. IX und bei Mittler Nr. 13 15
steht, hat Stutz handschriftlich in kürzerer und auch sonst
etwas abweichender Form. Der Eingang lautet: « Es got en
Ma am Öhleberg, Er sah ein "\^'under groß. Er sah einmal
zwo Chräe » u. s. w. Str. 2 dreschen die Frösche in einem
Ofen. Str. 3 : «Er sah einmal drei Dotsche (Kröten) In einem
Weiher flotschen.» Str. 4: « Drei Mugge Brot in Ofe schugge.»
EigenthUmlich ist die Schlußftrophe (5) : « Er sah einmal drei
^^'iber, Die konten gar nicht kibe » (zanken).
ALLGEMEINE VOLKSLIEDER CXLV
Anhans:-
Unter diesem Titel gebe ich eine Auswahl kleinerer,
meist vierzeiliger und scherzhafter Reime, welche sich auf
allerlei Lebensverhältnisse, am meisten auf die Liebe, be-
ziehen und nicht wol unter besondere Titel gebracht werden
können. Daß manche solche Stücke zu einem Ganzen ver-
bunden werden können und sich theilweise so verbunden
finden, ist oben bei den Liebesliedern bemerkt worden.
Diese Art von Liedchen findet sich unter verschiedenen
Namen bei allen deutschen Stämmen. Vgl. Hofmann in der
Zeitschrift für deutsche Mundarten Bd. III, 150. IV, 73. 369.
513. Dunger, Rundas und Reimsprüche aus dem Vogtlande.
Plauen 1876. Die Zahl solcher Produkte ist auch bei uns
sehr groß, doch gehört ein Theil derselben wieder zu den
Kinderliedern; s. Rochholz, Alem. Kinderlied. Einen Ge-
sammtnamen für dieselben gibt es bei uns nicht, sondern
nur mehrere Specialnamen, welche aber das Gebiet nicht
ganz decken. In einer Schrift von 1744 findet sich die Stelle:
(( Der strafende Geistliche muß an Kilbenen (Kirchweihen)
der Leute P)Uelliedlein und Gespött sein. » Daraus folgt, daß
« Bu el liedlein » fast so viel als Spottliedchen bedeuten konnte,
aber ursprünglich mussten es doch Liebesliedchen und die
Fortsetzung der alten winiliod sein, gegen welche die
Geistlichkeit schon im frühen Mittelalter zu kämpfen hatte ;
nur folgt aus jener spätem Bedeutung, daß schon die alten
Liebesliedchen einen vorwiegend scherzhaften und spöttischen
Charakter hatten. Nach dieser Richtung deuten auch die
Benennungen: Stupflied, carmen mordax, bei Fries und
Maaler {stiipfcn, stechen), Speilied, Spottlied (Ochs, Ge-
schichte von Basel), Tratzlied, Spottgedicht (Davos),
Schelmelied, ebendasfelbe (Aargau), Fauzeliedli, Gassen-
hauer (Stutz, von faiizcn, mit der Ruthe streichen) ; dagegen
Stobertelied (Appenzell) ist mehr ein in der Spinnstube
gesungenes erotisches, mit zotenhattem Anstrich. Die all-
gemeinste Bezeichnung ist Lumpeliedli, vgl. koburgisch:
X
CXLVI EINLEITUNG
Schlumperliedchen (Zeitschr. f. d. M. III, 359). Die « Ring-
l'eder und andere unzüchtige Lieder», welche zu Cysats Zeit
Knaben und Mädchen in Luzern sangen (v. Liebenau, Das
alte Luzern S. 20), werden wol zu den Kranzliedern (s. o.)
gehört haben. Eine eigenthümliche, in Thurgau und Schaff-
hausen übliche Benennung für einen Scherz- oder Spottreim,
ein muthwilliges Liedchen, ist Rappetizli (von franz. ra-
petisser, verkleinern?). Rochliolz, Alem. Kinderlied S. 42
schreibt Rappedüzli und braucht es von Reimsprüchen
mit absichtlich verkehrter Redeweise. Auch Schmid, Schwab.
Idiotikon hat Rappedüzle, aber im Sinn von: lustiges
Geschichtchen. In Tuttlingen sollen Rappendizlen kurze
Lieder bezeichnen. — Die appenzellischen « Ruggusser o oder
<•( Ruggüssler » (eine Art Jauchzen oder Jodeln) sind unter
den Hirlenliedern erwähnt worden, können aber auch hieher
gezogen werden.
Der Form nach werden alle solche Liedchen Gsätzli
genannt, was überhaupt Strophen (Absätze) bedeutet. Die
Eigenschaft der Sangbarkeit sollte eigentlich ihnen so gut
wie größeren Liedern zukommen , aber nicht alle werden
wirklich gesungen, schon weil die Kürze des Textes die
Entfaltung einer Melodie einschränkt. Die Grundform ist
vierzeilig und der normale Bau so beschaffen, daß die zwei
ersten Zeilen zu den zwei letzten entweder eine Parallele,
z. B. zwischen Natur und Menschenleben, oder einen Gegen-
satz bilden ; aber auch diese Forderung ist nicht immer
erfüllt, zumal wenn ungerade Zahl der Zeilen (3 oder 5)
ohnehin die Symmetrie aufgehoben hat. Es kommt auch
Erweiterung bis auf 6 Zeilen vor, mehr aber nicht, weil
dann lieber zur Bildung von zwei vierzeiligen Strophen ge-
schritten wird. Wenn umgekehrt Reduktion bis auf 2 Zeilen
vorliegt, so kann man diese Form nicht mehr Liedchen,
sondern nur noch Reimspruch heißen, und schon die drei-
zeiligen streifen an diesen Charakter. Daß übrigens der
Reim in allen diesen Liedchen, wie in den Liedern, oft nur
unvollkommen, bloße Assonanz ist, versteht sich und gilt
ALLGEMEINE VOLKSLIEDER CXL^'II
ja auch von manchen italiänischen, die den unsrigen auch
sonst verwandt sind.
Betreffend das Eigenthum dieser Liedchen ist zu be-
merken, daß dieselben, da sie fast durchweg mundarthch
gehalten sind, mehr schweizerischen Ursprung verrathen als
die oft in gemischter Sprache sich bewegenden Lieder. Doch
haben manche von den appenzellischen etwas schwäbische
oder bairische Färbung und es kann auch Uebereinstimmung
mit weiter entlegenen Landschaften vorkommen. So führt
Mittler Xr. 1204 als schweizerisch an: ft 's isch no nit lang,
daß gregnet hat» u. s. w. ; er hat aber dieselbe Strophe auch
in dem thüringischen Liede Nr. 775: «Wie kommt's, daß du
so trurig bist?» und in dem hessischen Liede Nr. 776, Str. 4.
Die dortigen Strophen 2 und 3 finden sich auch in der Schweiz,
aber vereinzelt. Zum ältesten, was gemein deutsch sein mag,
gehört wol der Spruch von der im Herzen verschlossenen
Liebe, s. Texte. — Die bei Mittler Nr. 1202 — 1204. 1213 — 1221
stehenden Liedchen sind aus Wyß (Kuhreihen) und aus
Toblers Appenzeller Sprachschatz entnommen und daher als
bekannt oder leicht zugänglich meistens nicht wieder ab-
gedruckt.
CXLVIII
EINLEITUNG
Verzeichniss (i)
der in der Einleitung angeführten, aber nicht in die Texte auf-
genommenen allgemeinen Volkslieder, welche in der Schweiz
verbreitet, aber meistens bereits aus andern Sammlungen
bekannt sind.
Ach Mueter, i sott es Ding ha
Ach Mueter, gib du mir einen Rath
Ach Schatz, was hab ich dir Leides goth
Als ich ein junger Geselle war
Christ ist erstanden ....
Christus der Herr am Ölberg gieng
Da Jesus an dem Kreuze stund
Das Sechseläuten und das ist da
De Bur ist doch en plagete Ma
Der Maien ist komen
Der Tag der ist so freudenreich
Der Wirt in Eggiweil
Die Gedanken sind frei
Die heiligen drei Könige mit ihrem Stern
Dort hinten bei der himmlischen Thür
Dort oben uf dem Berge .
Drei Rüter wollen ein Mädchen anwerben
Ein armer Mann wollt weihen
Ein große Freud verkünd ich euch .
Ein Mädchen von achtzehn Jahren .
Elend hat mich umgeben .
Es het e Bur es Töchterli
Es isch kei sölige Stamme
Es kam ein Fräulein mit dem Krug .
Es liegt ein Schloß in Oesterreicli .
Es ritet e Rüter dur es Ried
Es sangen drei Engel
Es sind der Wibere drei .
Es sin es Mal zwo Gspiele gsi .
Es spielt ein Ritter mit einer Maid .
Es stand ein Wirthshaus an dem Rhein
Seite
CXIX
CXX
CXX
CXI
XCIII
XCIII
xcin
CXXXIX
CXXXVI
CXXXIX
XCI
CVIII
CXXIX
XCII — III
XCV
CXX
CVII
CXI
XCII
CVII
C
CR'
cxxxv
XCV
CVII— vm
cv
XCV
CXV
CXXI
CVI
CIX
ALLGEMEINE VOLKSLIEDER
CXLIX
Es stönd drei Sternen am Himmel
Es stot ein Hus i der Este
Es thät ein Müller spazieren gehn
Es war ein Knab von achtzehn Jahr
Es war einmal ein Grenadier .
Es waren einst zwei Baurensöhn
Es wend zweu Liebi zsäme
Es wollt ein Hirt in Wald ustribe
Es wollt ein Jäger go jage
Es wollt ein Mädel früh aufstehn
Es wollt ein Mägdlein Wasser holen
Es wollt ein richer Edelmannsfohn
Es wollt es Bürli früe ufsta
Es wott e Frau z' Märt ga
Es wott es Maitli go grase
Es ziehed drei Grafen über Feld
Frau, du sollist heime cho
Freu dich, du Himmelskönigin .
Graf Friedrich wollt ausreiten .
Guter Himmel, ich muß scheiden
Herzlich thut mich erfreuen
Heute ist die Wacht an mir
Hoch auf em Berg und teuf im Th
Ich habe mir eines erwählet
Ich kann und mag nicht fröhlich sein
Ich stund auf hohem Berge
Ich weiß ein blaues Blümelein
I d's Elsiß abe wott e Floh
I gang emol der Berg uf .
Im Aargäu sind zweu Liebi
Ist das nit es elends Lebe ?
Joseph mein, wirb um em kleines B
Mareie wott go wandle
Maria ein reine Jungfrau war .
Mir träumet, wie ein Engel kam
O Berlin, ich muß dich lassen .
Sant Fridli hängt um den Ledersack
Schönster Schatz, gleich wo du bist
Schönstes Kind, vor deinen Füßen
Seite
CVII
cv
CVII
CVII
CVII
CVIII
CVI
CVI
CVII
CVII
xcv
CVIII
CXI
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CVII
CXI
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CXXI
CXXI
CXXI
CXXI
CVII
CXXII
CXLIV
CXLIV
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CXXXVI
XCII
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c
XCII
CXXII
c
CXXII
CXXII
CL
EINLEITUNG
's ist eben e Mönsch uf Erde .
's ist keis verdrießlichers Lebe .
Soldatenleben ! ein harter Schluß
Stets i Trure mues i lebe .
Uf em Bergji bin i gsesse
Csen Ätti, daß er täti
Was Besseres kann uns erfreuen
Was hab ich dir denn Leides gethan
Weiß mir e Herr, hed siebe Süh
Wenn alli Wässerli fließe
Wenn ich ein Yöglein war
Wol auf, ihr lieben Waldvögelein
Wöllent ir gern hören von Sant Michaeli
Zu Straßburg auf der Schanz
Zwischen Bera: und tiefem Thal
Seite
cxxi. cxxv
CXXIV
cxxx
CXXIII
cxxv
cxxxv
cvn
cxxn
cv
cxxm
cxxm
xcix
c
cix — X
cxxm
ALLGEMEINE VOLKSLIEDER CLI
Verzeichniss (2)
einiger in der Einleitung vorkommender, in der Inhaltsübersicht
nicht angegebener Gegenstände von allgemein litterarhistorischer
Bedeutung.
i) Besondere Arten und Xamen von Liedern: Bettellieder
cxLiii. Bühnenlied cxl — in. Diltappenlied s. Nachtrage 227.
Gegenlieder iv. Judenlied lxxx. Kranzlieder lxxx. cxxxviii.
CXL. Kuhreihen cxxxi — v. Lügenlieder cxliv. Pratzlieder iv.
Pritschenlied ixxiv. Tratzlied XLVii. Kleine Lieder oder Reini-
sprüche mit besondern Namen: im gemeinen Leben CXLV — vi;
geschichtlich politische in Chroniken v. Kirchenlieder xc ff.
xcviii. \\'ailfahrtslieder c. Lieder von Heiligen und ^^'alltahrts-
orten xcvi ff. Lieder von Sektierern (Wiedertäufern) xcvii — viii.
Umzüge von Sängern am Weihnachts- und Dreikönigstag
xci— II, mit Nachtrag 79. Spottlieder auf Getneinden und
Personen xcii— iv. Lieder von Unglücksfällen und Wunder-
dingen CXV — VIII.
2) Art und Gelegenheit des Singens von Liedern : von historischen
IV. xxxm. XXXV. XLiv; von allgemeinen lxxix — Lxxxii.
3) Wirkung politischer Parteilieder iv. xL. XLVi. lxvii.
4) Fortleben historischer Lieder xvi. xxxiii und Nachtr. 222 — 3.
5) Verbreitung allgemeiner Lieder lxxxi.
6) Personalien von Volksdichtern iv. XLiii. Lxxvi — vn. lxxx.
Meistersänger (?) lxxvii. Volksdichter des Berner Oberlandes
Lxxvii mit Nachtrag. Blinde lxxviii. Frauen xxxviii.xliii. lxxx.
7) Nachklänge der Heldensage xxi — n. xxiv. lxxv.
8) Thiere als Bilder kämpfender Parteien xix. xxii. lii.
9) Belagerte Städte als Bräute Lix.
10) Parodien xvi. xciv. ci, mit Nachtrag 192.
TEXTE.
I.
HISTORISCHE VOLKSLIEDER.
Motto: Wir könnend all vil sagen
bim win und hinderm spil,
wie unser vordem habend geschlagen
der fürsten und herren vil ;
sagend vil von den alten,
wie mannlich si sich hand ghalteu :
wenn wir uns auch so stalten
und lügtend baß ins spil !
die zit 's erfordern wil.
N!kl. Schorr.
Bein 15)2.
Das alte Tellenlied
«Vom Ursprung der Eidgnoschaft. »
s. Einl. S. XIV. ^ •
1. \^on der eidgnoschaft so wil icli heben an,
des glichen hört noch nie kein man ;
in^ ist gar wol gelungen,
si hand ein wisen festen pund ;
ich wil üch singen den rechten grund,
wie die eidgnoschaft ist entsprungen.
2. Ein edel land, gut recht als der kern,
das lit beschlossen zwüschen berg
^ ihnen.
HISTORISCHE
vil fester dann mit muren.
do hüb sich der pund zum ersten an,.
si band den sachen wislich getan
in einem land, heißt Ure.
3. Nun merkent, lieben herren gut,
wie sich der pund zum ersten anhub,
und land üch nit verdrießen :
wie einer müst sim eignen sun
ein epfel ab der scheitel schon
mit sinen henden schiessen.
4. Der landvogt sprach zu Wilhelm Teil
« nun lüg, daß dir din kunst nit fei,
und vernim min red gar eben ^ :
trifst du in nit am ersten schütz,
fürwar es bringt dir kleinen nutz
und kostet dir din leben. »
5. Do bat er got tag und nacht,
daß er den epfel zum ersten traf;
es kond si ser verdrießen.
das glück hatt er von gotes kraft,
daß er von ganzer meisterschaft
so höflich^ konde schießen.
6. Alsbald er den ersten schütz hat gtan,.
ein pfil hat er in sin göUer getan:
« hett ich min kind erschossen,
so hatt ich das in minem müt —
ich sag dir für die warheit gut —
ich wölt dich han erschossen.»
^ sreiuu. - ijeschickt.
VOLKSLIEDER
7. Domit macht sich em großer stoß,
Jo entsprang der erst eidgenoss,
si wolten die landvögt strafen;
die schlichten weder got noch fründ:
wenn eim gefiel wib oder kind,
so woltend si bi im schlafen.
8. Übermut tribend si im land —
böser gewalt der wert nit lang —
also findt man's verschriben.
das hand des fürsten vögt getan,
drumb ist er umb sin herrschaft kan^
und US dem land vertriben.
5). Also meld ich üch den recliten grund
si schwürend alle ein trüwen pund,
die jungen und ouch die alten.
Got laß si lang in eren stan
fürbaß hin als noch bis har:
so welln wir's irot lan walten !
Bern und Freiburg.
s. Ein!. S. XVIII.
I. Wend ir nu hören märi,
als ich's vernomen han :
zwen ochsen groß, nit kleine,
ein matten haut gemeine;
darin getar- nieman gan
von mengem tier sjewaltiij,
die darumb manigfaltic?
^ gekommen. - \v;io;t. Plur. tiirren V. 9 mit vorgesetzter Negation.
HISTORISCHE
gant und sehent zu;
si entürren in ze leide
nit komen an die weide,
es si spat oder frü.
2. Ir gehürne das ist spitze,
noch me denn klaftern wit,
und farent in dem klewe
als fisch in einem sewe,
als es noch mit in lit^.
was si mugen übersehen —
für war wil ich das jehen —
das muß echt^ under in sin
von mengen tieren riche^;
tünt si im nit geliche^,
so ist's doch worden schin^.
3. Das lit in'' in dem sinne
und tut in sere we,
daß die zwen ochsen riche
so gar gewaltigliche
nu watend in dem kle.
des' si gar dick zu rate
gand beide frü und spate
und tragend uf si nit^
und rieten inen beiden
gar gerne an ein scheiden'^;
es duchte etlich zit^".
^ wie es jetzt noch mit ihnen steht. '■' wohl, eben, nur. ^ = ge-
waltig I, 6. * im geliche, dergleichen. '" offenbar. '^ ihnen, den
anderen Thieren. ^ darum, darüber. ^ Neid. ^ sie möchten die
beiden auseinander bringen. " es däuchte manchen, es wäre Zeit
(nämlich, daß die beiden entzweit würden).
VOLKSLIEDER
4. Die wolf und ouch die fuchse,
manig tier in disem land,
sprechent zu eim alleine,
gemeinschaft si nit reine ^,
und tünd in das bekant'-.
lat er sich überwinden^
und sich das mag befinden^,
es muß im werden leit
und mag in wol gerüwen,
wil er's joch nit getrüwen-'':
das si in vorgeseit.
5. Es sind zwen alte farren,
die freches mütes sind ;
nieman getar mit in stoßen,
diewil si sind genossen^;
er düchte mich ein kind.
doch war es nit ein wunder
[und] gieng ir einer under'',
man spräch's dem andern hin:
« nu wer dich, du bist eine,
diu hilf ist worden kleine.»
nu merket disen sinn !
6. Gott geb den ochsen beiden
[wol] einen steten sinn,
und laß si nit gehören,
das si [noch] mög zerstören —
es war nit ir irewinn —
' die Bundesgenossensclnift sei nicht ehrlich. - und stellen ihnen
die Sache so dar. ^ überreden. * und (wenn) sein Abfall oftenbair
wird. '" wenn er auch (joch) nicht daran glauben will. "^ so lange
sie zusammenhalten. ' wenn einer von ihnen sich den Einflüsterungen
der Feinde ergäbe (?). Vielleicht ist zu lesen: sunder, auf die Seite.
HISTORISCHE
noch ußer joche treten;
wan wurden sie entweten\
so gieng es übel us.
sus^ ich si bede warne;
die wolf sind in dem garne,
die kämen dann harus.
7. Nu solt ich üch bedüten,
wer die zwen ochsen sind,
man mag es hören gerne:
es ist Friburg und Berne,
als es sich noch befindt.
die kann nieman gescheiden
mit warheit^ under in beiden
das wissent iemerme*,
als noch ir briete singent^
wann si s' zesamen bringent*"
noch minder dann ein e'^.
Schlacht bei Näfels.
s. Einl. S. XXIV.
1. In einer fronfasten do hub sich Glarner not,
si wanden^ z' Wesen fründe han : sie gabend s' in den tot.
2. Der diß mord gestiftet hat, es muß im werden leid ;
er hat nit recht gefaren, wan^ er ist meineid.
3. In österhchen ziten uf einen samstag^''
da hub sich ein großer strit, daß menger tot gelag.
^ ausgespannt, getrennt, luan verkürzt aus luande, denn. ^ so.
^ an Treue. * ein für alle Mal. '" wie ihre Urkunden lauten. ® ver-
gleichen. ' Ehe. * wähnten. ^ denn. ^" Nach den Angaben der
anderen Quellen war es Donnerstag (der 9. April).
VOLKSLIEDER 9
4. Ze Glaris in dem lande warend vierthalb hundert man,
die sahend fünfzehen tasend ir rechten fiend an\
5. Do ruft also behende der von Glaris houptman,
er ruft unsern Herren Christ von himel an.
6. « Ach, richer Christ von himel und Maria, reine magd !
wellend ir uns helfen, so sind wir unverzagt,
7. Daß wir den strit gewinnend hie uf disem feld ;
wellend ir uns helfen, so bstand wir alle weit.
8. O helger herr sant Fridli, du trüwer landsman,
si- diß land din eigen, so hilf's uns mit eren bhan ! »
9. Die herren brachend in die letz-'', si zugend in das land,
do es die Glarner saliend, si wichen in ein gand^.
IG. Do diß die herren saliend, daß wichend d' Glarner man,
si schruwend all mit luter stimm : « nun gritend s' trö-
lich an ! «
11. Die Glarner kartend'' sich umbe, si tatend ein wider-
schnall",
si wurfend mit hämpflichen' steinen, daß in dem berg
erhall.
12. Die herren begundend fallen und bitten umb ir leben,
mit gold und mit silber woltend si sich widerwegen'*.
13. « Hettist du silbers und goldes vil größer dann ein hus,
es mag dich nit gehelfen, din leben das ist us.
14. Din vil guter harnist und all din isengwand
das müstu hüt hie lassen in sant Fridlis land. »
15. Des dankend wir alle gote und sant Fridli, dem helgen
man ;
dise manliche tat band die fromen Glarner tan.
^ sahend an, standen gegenüber. - soll sein. •' Grenzwehr.
* Steingeröll (am Abhang des Rauti-Berges). " kehrten. '' Gegen-
stoß. ' die Hand füllend. * aufwägen.
10 HISTORISCHE
« Ein subirlich liedlin von eidgenossen. »
s. Einl. S. XXVI.
1. In disem nüwen jare
so endet sich die not;
das gut das wird uns zware^,
das man uns entbot;
des argen werd vergessen,
des si sich hend vermessen,
die dussen sint gesessen
alls in dem lande wit^.
2. Das sind die großen herren,
die ich nit nennen wil,
die die Zürcher leren
der argen liste vil,
da si sich erdennen^,
zu den herren rennen,
eidgnossen numme'* kennen —
das stat bis uf ein zil^!
3. Ir fromen eidgenossen,
ir füerent der eren ein fan,
das menigen hat verdrossen,
der uns nit bessers gan*".
daß üvver ding in eren stat
und, was durch üwer lande gat,
gut fride und geleite hat,
das müehet manigen man.
4. Der eren tünd üch frouwen,
ir Ironien biderben lüt;
^ es wird uns wahrlich zu Theil. - der östreichische Adel.
■' erdehnen, strecken, Beine machen. Statt da vielleicht daß zu lesen-
* nicht mehr. '" das muß einmal ein Ende nehmen. ® ffönnt.
VOLKSLIEDER 1 1
lant üch nit abetröuwen^,
behabent's mit der hüt-,
als üwer vordem haut getan ;
den half got bi dem rechten stan,
das unrecht ließ er undergan :
das merkent, ir fromcn lüt !
5. Manicher weschet iez sin mund^
mit der eidgenossen sach ;
er spricht, es si nu hie die stund,
daß sich gemachet hab,
daß die eidgenossen
legent einen bloßen'^;
der gewalt werd umgestoßen,
der lang geweret hab.
6. Wer das redt, kan wol liegen,
er redt's us falschem grund;
sin sinn möcht in wol triegen,
so sich die warheit tund.
wan got den gerechten nie geließ",
ob er das schiflin sinken ließ
etwan nach'^ bis uf den grieß'',
berüert doch nie den grund.
7. Mancher wil uns mit tröuwen töten,
er sitzt in Osterrich.
er muß sich näher zu uns löten^,
wil er uns machen licht 'M
^ abdrohen, durch Drohungen abgewinnen. " behauptet es mit
der Haut, mit dem Leben. •' spricht verächtuch von — . "* sich eine
Blöße geben, Schande einlegen. ^ denn — verließ. ** nahezu, beinahe.
^ Sand. * drängen. ^ leicht machen = in die Höhe heben. Das Bild
scheint vom Wettkampfe im Schwingen entnommen, wo man den
Gegner fest anpacken muß, um ihn vom Boden loszureißen.
12 HISTORISCHE
wann möchten
.... tröuwen die eidgenossen
kind und lüt han umbgestoßen
von manchem herren rich^.
8. Nu rmvet mich ein arm gemein
zu Zürich in der stat,
daß si des tummen rares mein-
so gar verwiset^ hat.
daß si sint so blinde,
die alten und die kinde:
si huwent ut ein winde,
der bald verwehet hat.
9. Oster '^ heißt der winde,
er wehet us Osterrich,
er wil uns zesamen binden,
er tut im wol gelich'^.
ob'^ sich erhebt das wilde spil,
so möcht der wind wol ligen still,
bis daß der Zürcher wurde^ fiel:
das gült uns alles glich!
IG. Er ist ein armer wirte,
der nit gebeiten^ mas;
einem ein einig irte''
bis uf einen tag,
^ Der Sinn der vollständigen Worte muß gewesen sein: Wenn
mit Drohungen etwas auszurichten w,äre, so hätten die Eidgenossen
auch schon manchen Herrn zu Grunde richten können. - meine,
Meinung. ^ irre führen. * Ostwind. '" er sieht danach aus. ^ wenn.
^ Würde, Ansehen, Stolz. Vielleicht aber : den Zürchern wurd ze vil.
* abwarten, stunden, Frist geben. ^ Zeche, für ürie. Der Sinn der
ganzen Strophe ist: Wir können die Abrechnung mit Zürich wohl
noch eine Weile verschieben, da wir Pfänder nehmen können.
VOLKSLIEDER 1 5
daß^ im das pfand so oben lit
in der nälie und nit zu wit,
bis im kumt der irten zit,
des er wol gebeiten mag.
11. Ir fromen eidgenossen,
ir fromen festen degen,
achtet es nit große,
ir sölnt's zum geringsten wegen- ;
üch ist dem faß ein reif enbunden^,
der win enschiossen nit gesund'^;
das hat geweret manig stund,
bis es sich hat ergeben.
12. Türst ich die sach betüten'',
ich tät's von herzen gern:
zu Zürich sind edel lüte,
man möcht s' vor buren wern'';
si sint kürzlich herren worden,
si koppen'^ in der herren orden ;
täten si nu als ir vordem*^
des pfawenschwanz^ enbern!
13. Es mocht wol etwan^*^ frömd gesin
bi alten Zürcher tagen,
daß die rüter us und in
zu Zürich solten traben.
1 hier im Sinne von da oder ifenn. - ganz gering schätzen.
3 ein GHed des Bundes hat sich abgelöst. * der ungesunde Wein
ist herausgelassen ; vielleicht zu lesen : «;/o55£'«, ausgeflossen, ^dürfte
ich erklären. ^ beschützen. ' schlagen, hier im Sinne von arten
(vgl. Boner 26, 20: er koppet balde in sin art). Anspielung auf das
Emporkommen des Bürgermeisters Ritter Stüßi von Zürich aus
niedrigem Stande. * wie ihre Vorfahren. '■' im Wappen von Oestreich.
^'^ einmal, einst.
14 HISTORISCHE
ein koufman, der bi im nit treit^
der darP von Zürich kein geleit;
die rüter^ tünd in ie kein leid,
so si nit bi in tragen.
14. Darumb so ist zu prisen
die eidgenossenscliaft :
von Berne die vil wisen,
von Soloturn mit kratt,
und was zu in da gehört,
das haben si dick wol gewert;
si sind mit fromkeit wol behert*,
mit trüwen recht behaft.
15. Von Zug, von Schwiz, von Luzern,
von Glaris feste lüt,
von Uri und von Ursern,
die habent herte hüt.
die von Underwalden
türrent's^ wagen balde,
si machent es nit lange,
was in im herzen lit.
^ keine verbotene Waare mit sich führt. - bedarf. ^ die rüter
hier müssen andere sein als die östreichischen V. 3. welche jetzt die
zürcherischen Kaufleute begleiten müssen. * mit Tüchtigkeit aus-
gestattet. ° getrauen sich. — Von Str. 16 sind nur noch die zwei
ersten Zeilen überliefert:
Die stete und die länder
die sind wol erenwert.
Schade, daß das durch seine körnige und bilderreiche Sprache aus-
gezeichnete Lied nicht vollständig ist; es wird aber nicht mehr
viel fehlen.
VOLKSLIEDER I5
Von der «Ewigen Richtung».
s. Eii.l. S. XXVII.
1. Der süeße sumer fröwet mich,
der winter wil von hinnen.
Hagenbach schribt hinder sich\
er well's ein büt gewinnen;
mit sinem heilen .... pafV-
füert er zur Hbery
gesetzet Würfel dry,
bedütet als'': hab nid und haß!
2. Nu ratend an'^, ir frommen,
was er ze letzi-'' schenk,
uf daß wir'n überkomen'^';
ich mein das ich gedenk'^:
lüg iederman zu siner schanz*^!
er spilt verworren sachen,
ob er möcht sackman machen-'
und darnach ein bettlertanz ^''.
3. Si türfend^^ wiser hste
da unden an dem Rin,
die nügebornen Cristen
brechend zun orten in.
^ seinen Anhängern. - Hagenbuchs Gefolge trug als Livree
(Abzeichen) auf die Aermel gestickt Würfel und die Worte: je giidtc
(ich wache, warte, passe). Vielleicht sollte es heißen: mit sinem
geilen Spruch: ich paß. Vgl. Str. 12, 5. ^ so viel als. * Vgl. das
volksthümliche: Rat mer i, rat mer a! "' zum Abschied; was er
(mit seinem ganzen Treiben) zuletzt beabsichtige. ^ überlisten. Die
Handschrift hat bloß: uf daz überkomen. '' was ich ausgedacht habe.
^ franz. chance, eigentlich der Fall der Würfel, dann: günstige Ge-
legenheit, ''plündern. ^" Hader, Streit, Krieg. ^^ bedürfen. Gemeint
l6 HISTORISCHE
er^ schankti in eins in das gUis
mit sinen hellen tücken,
sin anschlag wurd sich glücken,
bis menger sines kopfs^ vergaß.
4. Ich mein die löuf als hin und har^,
was menger singt ald seit;
die weit ist worden wunderbar.
ach künschi'^ müter meit,
durch dines Heben kindes kraft
verlieh mir dinen segen,
daß ich din müge pflegen,
durch ^ die iromen eidgnoschaft.
5. Man wird mit warheit innen,
was trost*' der herrlichkeit,
lobsang wird in^ entspringen
durch den fürsten hochgemeit,
der iez durch schirm mit gwalt, mit gwer,
nach adelichem frumen^
ist in ir pundnuß kumen;
des fröwet sich alls himelsch her.
sind wohl die Städte der sog. «niedern Vereinigung», welche durch
die in die östreichischen Pfandlande eingedrungenen neuen Herren,
die Burgunder, bedroht waren.
^ Hagenbach. Das folgende Bild vom Einschenken ist das in
Str. 2, 2 gebrauchte. Die Handschrift hat übrigens gläss, was nicht
wohl für glas stehen, sondern mhd. gela^e, Verlassenschaft, sein
kann, verwandt mit let:;e. - hopf hier Trinkgefäß, aber wahrscheinlich
mit doppelsinniger Anspielung auf die gewöhnliche Bedeutung. ^ die
gegenwärtigen Ereignisse, von denen alle Welt spricht. ■* keusche.
'" um — willen. Der Sänger will zur h. Jungfrau beten, daß der
Eidgenossenschaft aus ihrem. Frieden mit Oestreich Heil erwachse.
® Liliencron schreibt: was trostes daran leit (für lit, liegt?). ' ihnen,
den Eidgenossen, gemeit, stattlich, ansehnlich. ® seiner Würde gemäß.
VOLKSLIEDER I7
6. Der vor ziten ist erschlagen
(ich setz's uf beid partyg^)
und die erbsünd mit im hat getragen,
den mach got sorgenfryg,
Schluß inen uf den himeltron!
wer den puncten kan betrachten,
tut keinen wisen verachten :
si band gemacht der ern ein krön-.
7. Davon so^ wil ich singen —
nun merkend all gelich —
gut hoffen und gedingen'^;
wan^ der adel von Österrich
ist lange zit gsin übersetzt''
mit vögt, mit rät, mit heren;
sölt sich das nit verkeren,
so wurd der schimpf in's end vernetzt^.
8. Wil aber der fürst betrachten,
was im fromt oder schadt,
die eidgnossen nit verachten,
so ruckt er wol von stat,
das .... lang versessen ist^:
die sinen band verlassen
bürger, stet und Straßen^:
die orüdend wol us siner kist.
' ich beziehe das auf beide Parteien. Die auf beiden Seiten in
den fri^iheren langen Kämpfen Gefallenen haben durch das Opfer
ihres Lebens gleichsam den jetzigen Frieden erkauft und dafür die
ewige Seligkeit verdient. - wer den für beide Theile ehrenvollen
Frieden erwägt, wird darin Weisheit erkennen. ^ darum also. * Zu-
versicht. ^ denn. ^ überladen, zu reichlich versehen. ^ so würde
der Spaß zuletzt verderbt. ^ so kommt er vorwärts, was schon lange
versäumt worden ist. ° Die Vogte und Räthe (Str. 7, 6) des Fürsten
HISTORISCHE
9. Es ist gut riemen schniden
US ander lüten hüt^!
der milt Job müst sich lidcn,
was got verliengnus git- :
also hat sicli ouch geschmückt^
das edel plut von Österrich;
die müter gots hat miltenklich
ein einung in gots fründ getruckf*.
IG. Des ist ein pund ergangen^
mit ern 011 arg gefärd;
alt umbständ^ lat man hangen,
wiewol's mengen vil beschwärt,
die^ lassind sin ir argen gebrecht^!
er ist ein fürst nach fromen'^;
hat nie kein man vernomen,
daß er geton hab wider recht.
II. Kein herz sol nit gedenken,
daß er tüeg untrüw spil;
rät müestend äffen schrenken^*^,
das ich nit me sjeding-en^^ wil.
haben durch ihren Uebermutli und ihre schlechte Wirthschaft viel
Gebiet verloren, was natürlich ihm selbst zum Schaden gereicht. —
Die Handschrift hat übrigens: die Venediger güdend — .
^ Dieses Sprichwort entspricht dem «Geuden aus der Kiste eines
Andern» unmittelbar vorher. ^ auch Hiob musste sich in das schicken,
was Gott über ihn verhängte. •'' so hat sich nun auch der Fürst von
Oestrei'ch herbeigelassen. ■* die Mutter Gottes hat gnädig ihre Freunde
zur Versöhnung gebracht. ^ dadurch ist zu Stande gekommen. '^ noch
schwebende Streitfragen. '^ die sich über den Frieden aufhalten, üin
missbilhgen. ^ Lärm, lautes Reden. ^ wie er sein soll; vgl. Str. 5, 6.
^° auf Ränke sinnen, mit Betrug umgehen? Die Handschrift hat:
den aflfen, vielleicht für denn. Die Räthe sind die in Str. 7, 6 ge-
nannten. Nach rät hat die Handschrift noch das Wort diener, welches
den Vers überladet. ^^ hoffen.
VOLKSLIEDER 1 9
O edels plüt von Österrich,
halt fanv den eidgenossen.
so lebt nit din genossen^,
in tütschem und in welschem rieh !
12. Du hast ein ruggen an dich gehenkt,
der dich zu eren frumt' ;
ob das ein in siner blater krenkt^,
so acht nit was er brumt!
er git uf vil heiler spil"^ :
von dem du wandest '' trost erwarten,
der schlenzt dir selbs din rosengarten*';
der Walchen tücke der ist vil.
13. Darum solt du dich keren
zur bewärten eidgnoschaft,
und laß dich nit verfüeren"
fürsten und ir ritterschaft !
si ratend dir in iren sack*^;
du bist lang gnug umhgtüert,
als die kraj im luft verirt'*;
acht nit, daß menizem übel schmack^'^!
^ deines gleichen. - bringt, fördert. ^ in der Blase brennt, ärgert.
* Liliencron erklärt das handschriftliche gyt als giget, geigt, heil
wahrscheinlich für geil, lustig, übermüthig, wie Str. 1,5. ■' wähntest.
^ verderbt. Liliencron schreibt schleiit, zerstört, was aber Schweiz.
schlyßt hüten müsste. schleusen, verschleudern, Stalder 2, 328. Der
Rosengarten aus der Heldensage bekannt. Vgl. Uhland, Schritten
VIII, 504. 520 ff. 556 ff. Hier in bildlich allgemeinem Sinne: Er
(der Burgunder) schädigt dir dein Gebiet. Vgl. Str. 14. ^ Vielleicht
verfiren = verf;sren, erschrecken. ® zu ihrem eigenen Vortheil. ^ wie
eine vom Wind verschlagene Krähe. Die Handschrift hat aber kryg,
Ruf, Geschrei. ^** dem Sinne nach = Str. 12, 5 — 4.
20 HISTORISCHE
14. Umzün din rosengarten
mit der fromen eidgnossen land !
ir scharpfen halenharten
die zwyend^ dir din land,
das dir der adel liat zertrent^ ;
sie helfend dir die lucken
stätenklich^ verbucken'^
von anefang bis an das end.
15. Werdend si diner ern^ gewar —
(ich setz ein kurzi gloß^),
schibt^ sich din trüw nit wandelbar,
tut in den ruggenstoß —
(als ich höre alti klag):
fromer fürst, so tu gedingen^,
dir müg nit misselingen;
si brechend .... durch stock und hag^.
16. Daran wil ich erwinden^"
und melden ein ander gschrei^^
und uf ein puncten binden ^^ —
aventüre ist mengerlei —
Burgunn tat träun durch Hagenbach,
der füert ein fan, daruf zinq tus^^,
er schreib, der schimpf war noch nit us:
der schlafend hund der ist erwacht.
^ pfropfen, verbessern. - s. Str. 8, 6—7. ^ dauerhaft. * ausflicken.
' Ehrlichkeit. ® Glosse, Bemerkung. ' nicht = schiebt, sondern: rollt,
dreht, wendet. * verlaß dich darauf. ^ sie (die mit dir verbündeten
Eidgenossen) haben unwiderstehliche Kraft (wie sie z. B. bei der
Durchbrechung des Grünhags in der Schlacht bei Murten gezeigt
haben). ^° Davon will ich ablassen. ^^ Gerücht. '^ ufbinden, vor-
nehmen? ^^ cinq deiix, diese Punkte standen auf den in Str. i, 7
genannten Würfeln. Für schreib (schrieb) liest Liliencron schreit. Die
Handschrift hat tan statt fan und schlafender statt der schlafend.
VOLKSLIEDER 21
17. Nun lassend vogel sorgenM
der low hat sich geeint
mit dem her und stier unverborgen,
blaw und \viß-, der fromen gmeind.
drumb ich in gut gedingen bin,
got werde dardurch \vürken,
daß ungloub ouch der Türken
fließ aller gar dahin.
18. Wie sich das werde machen,
das merkend eigenlich^ :
nach vil vergangnen sachen
zücht der herr von Österrich
mit hilf und trost der eidgnoschaft
an die Venediger mit fromen,
die im eigen und erb hand gnomen
wider recht mit flilscher kraft^.
19. Die tünd sich denn verbinden
zum Türken, dem hellsehen rosf"*,
am glouben wend s' erblinden;
denn hilft der ewig trost
und git den sinen .... kraft,
von Österrich dem fürsten,
den eidgnossen, den türsten'',
ze erwerben hochi ritterschaft'.
20. Darumb sind sie gewidmet
zum bälgen römschen rieh, '
^ überlasst es dem natürlichen Lauf der Dinge. - in den Wappen-
schildern von Zürich, Luzern und Zug. * genau. ^ hier fast = engl.
craft, Kunst, List. ^ höllisches Feuer. ** tilrstc - tilrstis, kühn.
^ ritterliche Ehre.
22 HISTORISCHE
ir manheit durchtringt, durchbidmet*
und lebt nit ir gelich
ja under .... des himels tron.
Noch eins hau ich besunnen :
das haiig grab werd ouch gewunnen ;
.... zieret erst der eren krön.
21. Das glück sich alls zusenket,
(Sibilla redt nit us troum),
bis keiser Fridrich henket
sin Schild an türren boum ;
denn wird erfüllt die prophezy
in himel und uf erden,
darum ouch got wolt sterben
.... an stumpfen naglen dry.
22. On die puntnus möcht es nit geschehen,
schafft^ des adels untrüw z' aller frist,
wiewol es got hat angesehen^,
daß der adel des rechten kämpfer ist;
er erfüllet nit die gsatz,
miet, gab, gbirt argen samen,
si haltend uf groß namen;
das bringt den Cristen widertratz^.
23. Damit so end ich min gesang,
ich Rudolf Montigel;
macht ich des ein preameh^ l^ng^
so hätt's die gloß und fei*'.
^ Liliencron vermuthet : von nianheit all durchbidmet (durchbebt).
^ daran ist Schuld. ^ verordnet. * Widerstand. Das schadet der guten
Sache der Christenheit, im Kampf gegen die Ungläubigen. '" preamhel,
weitläufige Rede, Umschweife. "^ Fehl, Fehler.
VOLKSLIEDER 23
ach künschi müter, reine mait,
bitt .... tür uns din kinde,
daß die pundnus nit erwinde^
ze trost .... der Cristenheit !
Frischhans Theiling und Hans Waldmann.
s. Einl. S.'XXX.
1. Zu Zürich hört man kkigen
und ist ein große not,
die Waldlüt- hört man klagen
eins bidermanncs tod :
Früschhans DilHng ist er genant,
ze Luzern was er gesessen,
der eidgnosichaft wol erkannt.
2. Er kam gon Zürich gangen,
als noch vil mancher tut;
in der friheit ward er gefangen,
es möcht nit werden gut.
er hat doch nie kein übels getan:
durch Waldmann ward er vertragen^,
da ist kein zwitel an.
3. Waldmann lat sich halten,
als sig er ein edelmann ;
da schafft sin große gewalte,
ja, die er leget an
ze Zü-rich in der werden stat :
er muß sin leben wagen,
der es wider in haf^.
^ rückgängig werde. ^ die Leute von den Vier Waldstätten,
verleumdet. * wer nicht zu seiner Partei hält.
24 HISTORISCHE
4. Er ist zum ritter worden,
das hat die miet'^ getan;
wol in der puren orden
sol er voranhin gan.
er hat's nit von manUchkeit;
het er's also erworben,
es war dem adel leit.
5. Er ist gewesen ein schnider,
darnach ein gerwerknecht ;
die handwurclit wolt er nit triben,
sie waren im zu schlecht;
er sucht ein ander begangenschaft,
mit spilen und mit kuplen
tribt er groß widerbracht^.
6. Waldmann wolt sich versprechen-',
er hette kein scliuld daran;
sin hend die wolt er weschen,
als Pilatus hat getan,
er hett's wol underwegen orelan;
man wirt sin nit vergessen,
es wissen kind, wib und man.
7. Wol hin, es ist zergangen
ein wunderlich geschieht;
und do er^ ward gefangen,
man solt nit han geilt,
sunderlich wislich han betracht ;
die recht solt man im han lassen
gan nach der punten sag-^.
^ Bestechung. - Lärm, Aufsehen. ^ entschuldigen. * TheiHng.
* nach Laut der Bünde. Statt geilt (geeilt) vielleicht gericht; die
letzte Zeile etwa: der Bünde haben Acht.
VOLKSLIEDER 25
8. Früschhans ist gestorben,
ein frumer bidermann ;
zu Irnis hat er erworben,
er solt voranhin gan ;
er tat ein ritterliche tat.
man wolt nit lenger warten \
wie fast man für in bat.
9. Dis lied ist uns entsprungen,
gesungen und ouch gemacht
von einem tochterUn junge ;
es hat es wol bedacht,
wie wol es jungen jarcn ist.
das hilf uns, Maria reine,
und der vil heilig Christ!
"Wider die Schwaben in Constanz,
s. Einl. S. XXXII.
I. Es Schwert ein pur in zoren
den herren groß hcrzeleid.
es band vil türsten gschworen,
als man zu Constanz seit,
vil Behem und vil Zegen- —
es bringt groß ungehür^ —
vil tröuwer'^ bi dem für;
es kostet vil alter schegen-'',
die sclioppen*' die sind tür.
'■ mit seiner Hinrichtuno:. '^ Böhmen und Tschechen, deutsche
und slavische Böhmen. ^ Gefahr, Schrecken. * Drohende Feinde.
''Jacken. ° Juppe; vgl. Schweiz, schöpe, tschöpc, Jacke. Die Schweizer
gaben den Tirolern und Schwaben den Spottnamen des Juppenbundes.
26 HISTORISCHE
2. Man sol si anders toufen,
wenn si nit glöubig sind;
man sol in zelten^ koufen,
so schwigend s' wie die kind.
Den Schwizern möcht wol grusen
ob sömlichem lotterspil- !
si ligend bi dem zil^
als"^ die von Mülhusen,
die gloubend des tröuwen vii^!
3. Und welcher ab tröuwen stirbt,
dem wird mit furzen glüt'';
so eim biderman sin esel verdirbt,
vergrabt man in mit der hüt"^.
si land sich nit erschrecken,
als die von Costanz tünd;
si^ schwerend der Schwizern pund.
an die Stollen müeßend si schmöcken^,
wenn nun^^ die zit kumt.
4. Costanz, laß din tröuwen sin,
du stast dem adel bi,
du last die herrschaft^^ us und in,
du iüerst din w'appen fri ;
vor den Schwizern tust du bschließen,
du nimst in ir wapen ab;
* Fladen. ^ Gaukelspiel, Possep. ^ verhalten sich ruhig. * wie;
ebenso i, 4. 5, 6. '" ironisch: ebenso wenig wie die Schweizer.
® geläutet. Die derbe Redensart, im Sinn von «mit Schimpf und
Schande», ist noch heute gebräuchlich. '' Dativ von hut. Haut. ^ die
Mülhauser, im folgenden Vers die Constanzer. '■' stallen, Knochen;
an die st. schmecken (riechen), leer abgespeist werden. ^^ nur. " die
Kaiserlichen.
VOLKSLIEDER 1']
es gwinnt so wilde hab^:
du solt sin nit genießen-
gegen mengem Schwizerknab.
5. Du teilst din gunst gar ungelich,
du neigst dich gegen der sunnen,
du sprichst, der küng von Frankerich,
der herzog von Burgunne,
si wellind in's Rintal komen.
und weUind s' leben wol
und trinken bi dem koP,
das band die puren vernomen,
si wellend's machen vol !
6. Desglichen Zürich und Lucern,
Basel und die von Zug,
von Soloturn und von Bern,
si füerend des adlers flug^;
Friburg und sant Gallen,
gotshus und Appenzell,
Sargans und Wallistat schnell,
Wintertur in pund gefallen,
Dießenhofen und Frouwenfeld,
7. Schafhusen ouch mit namen:
alls von den fürsten kumt^;
si band sich zu Basel gesament,
si schwerend den Schwizer pund.
die richstett wettend wir sprengen
uß irem öden hus.
^ eine so seltsame Gestalt. ^ davon keinen Vortheil haben.
^ Kohlenfeuer. * fliegen ebenso kühn wie der Reichsadler, oder:
zeigen ihm den Weo;. ° alles föllt von den Fürsten ab.
HISTORISCHE
die alten bhend daruß,
die rüterspuren^ vertringen,
so belibend s' vorhin uß-.
8. Die rüterspuren die sind frisch,
si sitzend bi dem Rin ;
kämend vil herrn über iren tisch,
si oräbend in guten win :
so wurd man inen schenken
. . . . uß einem glas,
so drunkend sie dester baß ;
ob s' in dem Rin ertränken,
so durftend'"^ si keis glas.
9. Es ist vil adels gewesen
im Rintal, wiß und grüen'^,
si sind vor inen gnesen^,
dieselben puren küen.
sant Fridli mag wol helfen,
darzü der ruche stier,
der bärn wol mer dann vier^;
kam der löu mit sinen hilfen,
si empfiengend in gar schier,
IG. Mit hilf der besten puren
uß gmeinem Schwizerland,
von Glaris und von Uri ;
Schwiz nimt 's panner in die band,
^ berittene Bauern, Spottname für die mit Rittern verbündeten
Schwaben. - zum voraus, künftighin, draußen. ^ bedürften. * dies
sind auch die Farben des heutigen Kantons St. Gallen. ° haben sich
ihrer erwehrt; dieselben puren, jene echten Bauern, die Schweizer.
* Bären sind in den Wappen von Bern, Abtei und Stadt St. Gallen,
Appenzell.
VOLKSLIEDER 29
Wallis ZU der stelle,
Unterwaiden kund,
Rapperschwil zur stund ;
es sind vil frischer gsellen,
si stand uf festem grund.
II. Der uns das liedli nüwe gesang,
er sitzt am Zürichse,
Peter Müller ein Schwizerknab,
er singt uns menges nie.
im Rintal ist er gesessen,
im Appenzeller biet;
er hat sich der ding erniet^:
das dörfend wir nit vergessen,
wir meldend's in disem lied.
Das lied von der schlacht geschehen vor Nawerren
mit dem küng von Frankreich und gemeiner eidgnoschaft.
In der weis wie das hijndner lied. (Xr. 21, d.)
s. Eiul. S. XXXV.
1. Wol her, ir lieben gsellen,
ich sing üch nüwe mär —
welcher's nit glouben welle,
der darf nit komen her —
wie es iez stand in Lombardv
und ouch von unsern knaben,
wie's in ergangen si.
2. « O allerliebster gselle,
wie bist du so recht kon !
^ an diesen Dingen ergötzt.
HISTORISCHE
daß dir got Ionen welle,
gib uns das zu verston!
wir band gewartet tag und nacht,
lang zit keiner ist komen,
der uns nüw mär hett bracht. »
3. Ich will dir's warlich sagen:
si band 2;üt arbeit 2;macht,
got hat ir wol gepflegen,
si hond gethon ein schlacht
wol mit dem künig von Frankrich,
den sig band si bebalten,
des magst du frewen dich.
4. Groß eer band si erworben,
für war ich dir es sag.
es gschach an einem morgen,
gar früe an eim fritag,
sach man die lind dort komen bar
für Nawerren die State
mit menger großen schar.
5. Ein lerman thet man schlahen
zu Nawerren in der stat;
die find thettend sich nahen;
man gieng gar bald zu rat,
wie man die sach wölt grifen an;
si forchten sich nit sere,
ein thor Heßend s' offen stan.
6. Die Franzosen thettend schießen
in die stat on underlaß ;
noch wolt man 's thor nit bscbließen,
gar ser si das verdroß ;
VOLKSLIEDER 3I
mit schießen thettend s' großen drang,
daß thürn und muren iielend
wol zehen klafter lang.
7. Jacob Tribulsch^ der alte
der ruft ein fride us,
zur stat drang er mit gwalte ;
des het man kleinen grus ;
er sprach : « es nimpt doch wunder mich,
daß ir üch dörfend setzen
wider ein krön von Frankricii.
8. Die stat sönd ir ufgeben
und sollend ziehen ab,
wir fristend üch ür leben
und lond üch üwer hab ;
ir mögend uns doch nit widerstan,
ouch wie vil üwer sigend
wissend wir bi einem man. »
9. Houptman \\'insperger muß ich loben :
uf die muren er bald sprang,
er sprach gar unverzogen :
« nun sumpt üch da nit lang
und machend üch ouch bald dahin ;
die stat wird nit ufgeben,
ir müest ee unser gfangner sin. »
IG. Ein Sturm ward angefangen,
da gewunnend si nüt an ;
vil kartonen und ouch schlangen
ließend s' uf uns har aan.
^ Trivulzi, der Anführer der mit den Fran;^osen verbündeten
Venetianer.
32 HISTORISCHE
die landsknecht bettend 's thor ingnon,
si schruwend mit luter stimme :
« wir band ücb in stall getbon !
1 1 . Den Ion wend wir ücb geben
wol hie an diser stat ! «
das was uns nit fast ehen^;
einer zu dem andern trat;
vor in bettend wir kleinen grus,
wir sumptend uns nit lange,
schlügend s' zur stat binus.
12. Die sach wolt in nit scbmecken,
als icb vernomen bab;
si woltend uns nit witer wecken,
am sontag zugend s' ab.
darnacb kamend uns bald die mär,
wie unser trüwen eidgnossen
zugend mit macbt daber.
13. Lob und dank tbettend wir sagen
got in dem böcbsten tbron,
daß wir unsere knaben
sabend mit macbt bar kon.
wir klagtend in fast unser not,
wir bettend s' gern geroeben,
wer es nit gsin so spat.
14. Wir müstend pacienz baben,
wiewol es nit gern gescbacb.
ein lerman tbet man scblahen,
sobald der tag ber bracb ;
^ sehr ansrenehm.
VOLKSLIEDER 33
die find die ^volt man grifen an,
irn Übermut \volt man rechen,
den si uns bettend gthan.
15. Der trum berzog von Meiland
kam ouch in eigner person ;
er sprach : « wir sind hüt allesand
von aller weit verlon !
ich merk, daß wir verraten sind ;
ich will mich üch beleihen
als ein vatcr thüt sin kind. »
16. Man wolt in bi in nit haben,
man forcht verrätery.
gen finden thct man traben
on alle Ordnung fry;
si zugend hin on alls gefar
ein ganze halbe mile,
eb si ir wurdend gewar.
17. Hinder eim eichin walde
sach man die fiend stan ;
da knüwt man nider balde,
Jesum den riifi: man an.
des namend si gar eben acht:
ein büchs gieng uf die ander,
das uns groß schaden bracht.
18. Die Gaschgonier und Lakeien^
greif man zum ersten an.
den gefiel nit wol der reien,
si machtend sich bald darvon.
^ leichter Soldiit zu Fuß; im Gegensatz zu den nachfolgenden
Kürassieren.
34 HISTORISCHE
dern ist erschlagen ein große summ,
gar vil sind ir ouch komen
in einem graben um.
19. Die Kirisser thettend ouch wichen,
si woltend nit mer daran,
der glänz was in verblichen;
da griet's^ an d' landsknecht gan:
die gabend nüt umb kein gewer- ;
ein houptman thet lut schrien :
« mit den hellenbarten her ! »
20. Do gieng es an ein fechten ;
meng man gieng da zu grund
von rittern und von knechten ;
ouch ward ir menger wund.
der schimpP hat fünfthalb stund gewert,
daß nie kein teil wolt wichen :
wer hat solchs mer gehört?
21. Die eidgnossen thettend einander manen,
einer rüeft dem andern zu;
da was gar wenig schonen,
man Heß in wenig rü.
die landsknecht wichen ouch darvon ;
die eidgnossen muß ich loben,
das ield band sie behon.
22. Da habend si gewonnen
von gut ein große summ,
bi fünfundzwenzig kartonen,
ouch vil hakenbüchsen nun.
begann. - die wollten gar nicht nachgeben. ^ Spaß.
VOLKSLIEDER 35
der ist gewesen ein große zal;
von spießen, hellenbarten
lag es voll überall.
23. Do es nun was ergangen
und d' Schlacht ein ende het,
körnend bi sechstusend mannen ;
die het ein schalk verspät't^,
daß si nit kamend zu der schlacht;
wärend si darbi gewesen,
kein Franzos hett des gelacht.
24. Die eidgnossen zugend zsamen
und machtend es nit lang,
ir arm thettend si usfpannen,
got sagten s' lob und dank
umb die gnad, die er in het gethan,
dann si uf die stund warend
von aller weit vcrlan.
25. Als es ward umb den abend,
ist man mit aller hab
wider gen Naverren zogen;
daselbst bleib man drv tag,
als der eidgnossen sit und gwonheit ist:
wann si ein schlacht gewinnend,
wartend si dry tag frist.
26. Der frum herzog von Meiland
der ließ usgon ein bot,
daß man die toten allesand
von stund vera;raben solt.
^ Die Franzosen hatten die Zuzüger durch falsche Nachrichten
-authalten lassen.
36 HISTORISCHE
die eidgnossen ließ er füeren schon,
gen Nawerren in die State
müst man s' eerlich begon^.
27. Als ich do hab vernomcn
und gmeinlich was die sag,
sind nüntusend umbkomen
wol uf den selbigen tag
zu beiden siten, und ouch mer.
got well ir aller pflegen
und alles himlisch her !
28. « Ach allerliebster gselle,
du seist klägliche mär.
noch eins ich dich bitten welle
vom marggrafen von Montferrer-,
wie sich derselb gehalten hab:
hat er Ast übergeben,
als bi uns ist die sas; ? »
29. O allerliebster fründe:
ja, er hat es gethan;
ich ander mer ouch finde,
man wirt in's lassen stan,
bis daß wirt komen ouch ir zit;
dann wirt man in intrenken
ir falschheit und ouch nid.
30. Uf schlangen und kartonen
sach man ir wapen ston;
ouch hat man zeichen gAvonnen,
die von in dar sind kon.
^ eine Leiclie begleiten; vgl. nhd. Leichenbegängniß. - Der Mark-
graf von Montferrat hatte die Stadt Asti den Franzosen überliefert
und eidoenössische Boten gefansren o;enommen. Andere oberitalische
VOLKSLIEDER • 37
dannocht h;it uns geholfen got,
der uns in unsern nöten
trüwlich bigstanden hot.
31. Nach allen disen dingen
zugend wir gen WerzeP in.
kein find kündend wir finden
bis in ein stat Turin ;
si warend über den Alontanys-,
kein Franzos wolt unser warten,
in schmackt nit wol die spis.
32. Darnach sind wir gezogen
wider hindersich gen Ast;
die vogel warn usgeflogen,
der wirt wol mit dem gast;
wir fundend weder wib noch kind :
es möcht ein wunder nemen,
wo si hin komen sind.
33. Das ist schimpflich zu sagen,
daß man ein solch groß stat
innerhalb nun tagen
so gar geplündert hat,
daß man fand weder klein noch groß.
die warheit muß ich jehen:
gar mengen es verdroß.
34. Also ist es ergangen
iezund uf diser tart :
zu schitern solten wir sin gangen,
het uns nit ijot bewart
Machthaber hatten Aehnliches gethan (29, 3), den Franzosen ins-
geheim Hülfe geleistet (30, i — 4).
^ Vercelli, mit umgekehrter Betonung, wie Berne aus Verona.
- Mont Cenis.
38 HISTORISCHE
und ouch die liebste müter sin;
schandlich wärend wir verraten,
von den unsern geben hin.
35. Got wird si warlich Straten,
die daran schuldig sind;
über si so schrit lut wafen
meng vaterloses kind.
o got, das laß erbarmen dich,
ein frome eidgnoschafte
laß es entgelten nicht.
36. Ob ir joch etwan menge sind\
die schuld haben daran,
in der eidgnoschaft man dannocht findt
meng frumen biderman,
den es ist warhch von herzen leid :
dieselben well beschirmen
Maria die reine maid.
:>/■
Groß lob hat überkomen
ein ganze eidgnoschaft,
vil baner band si gwonnen;
got geb ir heil und kraft.
Basel hat ouch gethan gut fliß,
si band bracht mit großen eeren
ein baner blaw und wiß.
38. Darbi wil ich's lon^bliben
iezund zu diser zit.
bittend got durch sin groß liden,
daß er uns arme lüt
^ wenn ihrer auch ziemlich viele sind. Diese zwei Zeilen, wie-
35, I — 4 und 3<S, 5 — 7, beziehen sich auf die nach der Schlacht im
VOLKSLIEDER 39
well han allzit in siner hut,
dardurch nit werd verreret^
also das christenblüt.
Ein hüpsch Lied wie der Bär jagen will und dem Wolf
gemeinschaft des wildfangs anbütet.
In der wis: Wie wo] ich bin ein alter gris.
s. Einl. S. XLin.
1. Nun wil ich aber heben an,
desglichen hört noch nie kein man,
was ich hab hören sagen :
wie daß der edel Bär von Bern
mit sinen jungen, ein ganzer kern,
im welschen land thet jagen.
2. Zum Wolf trat er ganz unverzagt,
gar nachburHch er in da bat:
«Wolf, wiltu mit mir jagen?
ich weiß ein thier, ist mir bekant,
das thüt den frommen schafen and-;
thünd si mir herzlich klagen.
3. Den wildbann wend wir nemen in,
wir fallend rech old wilde schwin,
will Gott, soll uns gelingen ;
und wann wir kommen wider heim,
so wend wir liaben teil und gmein,
dem herren lob^sang singen.
Volke Liut gewordene und bis zu Aufruhr gesteigerte Klage über die
schweren Opfer, welche die von manchen Häuptern der Regierung
begünstigten fremden Kriegsdienste kosten.
1 verreren, vergießen. - ^^'eh.
40 HISTORISCHE
4. Nachbur Wolf, ist dir nit bekant
ein herzog im Saphoyer land,
der thüt Genf pinlich plagen?
bist ouch nit gsessen bi der bricht^?
ich meint, die sach war alle gschlicht;
zürn nit, daß ich dich fragen.
5. Denn da was mancher eidgnoss klug,
für die man ganzen handel trüg,
was sich Genf hatt ze klagen;
da macht man in ein fridenbund,
der hat geweret kum ein stund,
das ist erbärmlich z' sagen.
6. Denn d' Genfer klagen sich so seer —
und lägen si schon bi dem meer,
noch gieng es mir zu herzen —
daß dise frommen Christenlüt
vom Bapstum g'achtet werden nüt,
wie vil si liden schmerzen.
7. Drum, nachbur Wolf, wilt mit mir dran:
denn ich vil junger Motzhn- han
zu minen beiden siten ;
si Htten all den grimmen tod,
solten s' dich gsen in angst und not,
si wurden dich entschütten^. »
8. Der Wolf dem Bär >die antwort gab :
« ich blib daheim bi miner hab,
die ich lang hab besessen;
ouch los ich iez uf ander lüt.
^ Beilegung. - kleine Mutzen, junge Büren. ^ entsetzen, befreien.
VOLKSLIEDER 4I
der Genfer kummer krenkt mich nüt,
des handeis han ich vergessen. »
9. Der Bär zog mit den sinen dran,
denn er hatt manchen klugen man,
und hüb bald an ze jagen,
wie schier^ er trat in den wildbann,
das schedlich gwild was fast darvon,
eb'^ er recht lieng an hagen^.
10. Houptman Negelin ein jeger gut,
er zog daran mit reinem müt,
als solt er einghürn jagen;
des Jagens ist er wol ein kern,
das gwild hat er erstrichen gern ;
sunst fand man ouch kein zagen'^.
11. Jörg Hubelmann, ein houptmann gschwind,
er traget ernstlich nach dem find ;
man hört frolich erschallen,
basunen'' der Propheten hörn:
welcher us Got ist nüw geborn,
der mag im's lassen gfallen.
12. Jedoch so hat's Got recht gefüegt,
daß ouch den Bären wol benüegt,
Gott thet im ehrlich Ionen;
er hat gejagt in sine seil''
bürg und ouch stett ein michcl teil,
ein unzal der personen.
13. Das bös thier will ich nennen schon:
es ist ein low und treit ein krön.
^ so bald. - ehe. ^ einen W'ildzaun machen. "* keinen FeigHng.
posaunen. ^ Jagergarn.
42 HISTORISCHE
er \volt die schaf zerzeren;
da kam der bär und jagt im s' ab;
des ist der low iezund schabab
und kon von sinen ehren.
14. Da iez das gwild gefangen was,
der wolf in sinem neste saß,
als wölt er gar erlammen ^.
da thet der edel bär so gut,
wie denn ein trüwer nachbur thüt,
und gab im ouch ein hammen.
15. «Ä, nachbur Wolf, nun hab für gut,
min gjegd^ ist früsch und wolgemüt,
drum thü dich mit mir fröwen;
will es der lieb got mit mir han,
wenn mich schon hasset iederman,
laß ich mir nüt abtröwen.
16. O Wolf, min lieber nachbur gut,
des namens halb liab kein unmüt,
es gschicht dir nit zu leide ;
du seist mir bär, ich zürn es nüt,
ich rit und gang wie ander lüt
uf mancher grüenen beide. »
17. Der uns das liedlin hat gemacht,
uf richtum hat er wenig acht,
allzit lat er Gott walten;
jedoch so war es wol sin füg^,
ja hett er spis und trank genüg,
bis d' schüster d' "erber bzalten'*.
^ zum Lamme, zahm werden? oder lahm werden? '■* Jagd. ^ es
wiire ihm schon recht, wenn er nur — . ■* auf Jahresfrist?
VOLKSLIEDER 43
i8. Gott wurd^ vilicht damit nit geert,
hett er mir schon groß richtum bschert,
denn im ist nüt verborgen,
ob ich mim nächsten nütz \vär gsin
old ob es miner seel brächt pin ;
drum, Herr, thü für uns sorgen.
19. O frommer Bär, sag lob und dank
dim Got, der dir gibt spis und trank
mit reinem gmüet zu nießen;
des Herren wort mit fliß betracht.
aide- mit tusend guter nacht!
damit wil ich's beschließen.
Das Lied ist zwar nicht auf frischer That gesungen und etwas
allgemein, am Scliluss auch etwas religiös gehalten, immerhin volks-
thümlicher als manche ähnliche bernische aus jener Zeit, und darum
durfte es hier eine Stelle finden, schon wegen des durchgeführten
Bildes von der Jagd. Unter dem Wolf ist hier natürlich Zürich zu
verstehen.
Das Rheinfelder « Schwedenlied ».
s. Ein!. S. LV.
1. Der Rhigraf und der Schwede
Die chriege alle bede;
Rhiteldc wötte si ha.
2. D' Schwede chömc ein klein baß ussi",
Wol bi der Weiermatt ufi,
Mit vierziutusii? Mann.
^ würde: der Druck hat: ivirt. - = ade, adieu. ■' ein wenig mehr
hinaus.
44 HISTORISCHE
3. Wo wollen si 's Läger haben?
Z' Rhifelde in den Reben
Do han si 's Läger gha.
4. Si han das Läger gschlagen,
Es kostet si's manchen Knaben
Und mancher Frauen ir Mann.
5. Si schikten 's BöteU spate
Go Basel zum innere Rate,
Wie si es erhalte solle.
6. « Si solle brav KügeH gieße,
Solle tapfer uf Rhifelde schieße,
Si werde scho ine cho. »
7. Si han brav Kügeli gösse,
Han tapfer uf Rhifelde gschosse.
Sind nottisch ^ nit ine cho.
8. Si schikten 's Böteli spate
Go Zürich zum innere Rate,
Wie si es erhalte solle.
9. « Si solle das Chorn abschnide.
Groß Hunger müeßi si hde,
Si werde scho ine cho. »
IG. Si han das Chorn abgschnitte,
Han Hunger und Durst dabi glitte.
Sind aber doch nit ine cho.
II. Si schikten 's Böteli spate
Go Schaffliuse zum innere Rate
Und bitten um guete Lehr.
^ dennoch.
VOLKSLIEDER 45
12. « Si solle die Traube ahschnide,
Vil Durst derno werde si lide,
Dann werde si ine cho. »
13. Si lian die Trauben abgschnitte,
Großen Durst han si gelitte,
Sind nottisch nit ine cho.
14. Si schiken e Böteli spate
Gon Straßburg zum Innern Rate
Und bitten um guete Lehr.
15. « Si sollend d' Mure breche
Und sollend tapfer fechte,
Dann werde si scho ine cho. »
16. Si han die Mure breche
Und band au tapfer gfochte.
Sind nottisch nit ine cho.
17. Ein Chüeli stelle si use,
Es thät dem Schwede drob gruse,
Das Chüeli treit Werch am Hörn.
18. «So wenig das Chüeli leln't spinne,
So wenig werde d' Schwede Rhifelde gwinne,
Si werde nit ine cho. »
19. Das Chüeli het nie glehrt spinne.
Der Schwed wird Rhifelde nit gwinne.
Wird nottisch nie ine cho.
Der Hauptunterschied dieser Fassung des Liedes von der in der
Alsatia mitgetlieilten besteht darin, daß dort unter den eidgenössischen
Orten, hei denen der Rheingraf Rath gegen Rheinfelden sucht, auch
Solotliurn genannt wird, und zwar an der Stelle von Basel
(Str. 5 — 7). Geschichtlich ist aber, daß Solothurn Rheinfelden mit
46 HISTORISCHE
einem Darleihen zu Hülfe kam, während Basel dem Rheingrafen
Vorschub leistete. Eine Folge jener Verschiedenheit ist dann, daß
der Rath, das Korn abzuschneiden (Str. 8 — 9), dort den Baslern zu-
geschrieben wird. Abgesehen von dieser Verschiebung ist der Inhalt
sonst derselbe, nur daß es dort statt «sie schichten 's Böteli» und
«bitten» Str. ii. 14 heißt: «Ein Bötlein haiii ihnen und gab ihnen.»
Str. 18 lautet dort:
« Wenn uns das Kühlein lehrt spinnen,
Rheinfelden wollend wir gwünnen.
Dann wollend wir ine ko. »
und Str. 19:
« Das Kühle hat uns glehrt spinnen,
Rheinfelden händ wir nie gwunnen,
Sind notti nüd ine ko. »
also mit Verschiebung der redenden Person auf die Seite der Feinde
Rheinfeldens.
Ein neu Wilhelm Teilen Lied im Entlebuch gemacht
1653-
s. Einl. S. LVII.
Ich gebe den Text dieses Liedes nach Balthasar, Helvetia Bd. VI,
S. 625, jedoch in den Noten eine Auswahl von Varianten aus einer
Handschrift von M. Usteri, welche an manchen Stellen einen altern
Text zu bieten scheint. Aus beiden Vorlagen zusammen einen
kritischen Text herzustellen, schien mir unthunlich. Balthasar ver-
sichert, vier Abschriften des Liedes vergHchen zu haben, welche in
mehreren Worten von einander abwichen; einen Druck hat er nicht
gekannt und auch mir ist keiner zu Gesicht gekommen. Die Mehr-
zahl und Textverschiedenheit der Handschriften beweist, daß das
Lied in den aufständischen Gegenden verbreitet war und von den
Landleuten gesungen wurde ^. Nach Usteri war es in Suhr (Kanton
Aargau) verfasst (vgl. 22, 2. 23, 5). Mangelhaft und zum Theil ent-
stellt ist die Ueberlieferung jedenfalls und auch die sachlichen Be-
ziehungen sind durch Balthasars Erklärungen S. 191 ff. nicht alle
' Vor dem Kriegsgericht in Sursee bekannte am 26. Juli 1655 ein Bürger von
Willisau, er liabe mit Andern das Teilenlied vor dem Hause des Landvogts gesungen.
VOLKSLIEDER 47
aufgehellt. Uebrigens ist zu bctlnuern, daß das Lied verhältnissmäßig
nur unbedeutende Vorgänge und Persönlichkeiten aus der großen
Bewegung betrift't. Warum man es Teilen-Lied nannte, erhellt aus
Str. I nicht, wol aber aus Str. 6 und 7; auch ist zu erinnern, daß
die Anführer der Entlebucher «die drei Teilen» genannt wurden.
1. Was wenJ \vir aber singen
US Gnad Herr Jesu Christ?
Vom Teilen fürzubringen,
der längst gestorben ist.
2. Als man zählt sechszehnhundert
und drei und fünfzig Jahr,
ereignen sich groß Wunder;
ist kund und offenbar.
3. Ich sing es Niemand z' Tratze,
man soll mich recht verston :
von wegen ganzen Batzen
ist dieser Krieg iierkon.
4. Ein Stadt will ich euch sagen,
die ist euch wohl bekannt:
Weiß Blau, das thut sie tragen,
und ist die dritt im Bund.
5. Ach Gott, ich muß sie klagen,
des Landmanns große Klag;
es ist, wie ich werd sagen,
gar heiter an dem Tag.
6. Gleich wie zu Teilen Leben ^,
also thut's jetzt her gon :
3, 3. luegen der Benier Bat-e. Bezieht sich auf die Herabsetzung
des Werthes der Scheidemünze in mehrern Kantonen, eine der Ur-
sachen der Unzufriedenheit. ), I. ich thu dir. 2. schivere. ^Lebzeiten.
48 HISTORISCHE
der Landmann sollt hergeben,
seb^ wo er's möcht überkon.
/■
Ach Teil, ich wollt dich fragen
Wach auf von deinem Schlaf!
die Landvögt wend alls haben.
Roß, Rinder, Kälber, Schaf.
8. Ein jeder herr will leben
wie 'n junger Edelmann ;
es muß es ihm hergeben
der arme gringe Mann.
9. Ein armer Baurenzüttel^,
der nicht wollt ziehen dran,
macht Entlebucher Knüttel
und eisnen Stefzgen^ dran.
IG. Der Bär wollt nit still sitzen,
er kam gen Solenthurn ;
mit listig Kyb"^ und Witzen
rieht er bald an den Sturm.
1 1 . Man gab ihm fufzg Soldaten,
gerüst't über die Maß ;
im Schiff thät man sie führen
Aarwancen zu in's Schloß.
^ gleichviel. 8, i — 5. ivolt haben ein jungen E. (als Diener?), das
muste alls. - Ziitiel zu Zoifel, ~ottelnJ Lump, armer Tropf. 9,3. tnachf
hier aus Usteri in den Text aufgenommen. Balthasar hat mit, wobei
kein Satz herauskommt. ^ Stift. 10. Der Sinn dieser Strophe scheint
zu sein, daß eine bernische Gesandtschaft die Regierung von Solo-
thurn zum Einschreiten gegen die Bauern zu bewegen suchte.
IG, 3. Lustigkeit. * Kyb, Eifer, Groll, Zank. 10, 4. Sicht er bald in
den. II, 3. Mit dem Schiff sie da karten (kehrten).
VOLKSLIEDER 49
12. Die Bauren wend's nit liaben,
sie fallen vor das Schloß;
musst fort mit den Soldaten,
wie sehr ihn das verdroß.
13. Zu Aarburg ist ein Falke,
man kennt ihn nur zu wohl ;
er ist ein arger Schalke,
dazu der Tücke voll.
14. Er treit zwei falsche Augen
und ein meineidig Herz ;
's ist vorn ihm nit zu glauben,
geschweige hinterwärts.
15. Er ist gen Ölten komen,
fragt wo der Hauptmann was ;
der Falk^ hat bald vernomen
und merkt ehester das.
16. Er treit ein Modekappen,
daß er erkannt nit wurd;
wollt führen fufzg Soldaten
in's Schloß wol gen Aarburg.
17. Zu Ölten auf der Gassen
ward er gegriften an;
beim Wanst thät man ihn tassen
Woher, meineider Mann ?
12, 4. i^cb -ivie sehr 's ihn (vgl. 6, 4). r^, 2. niiuien :(. 4. und aller.
14, 2. cla:{ii ein meineicl. 3. vorii'ärts ihm iL'enig -'. 4. will gschiuygen.
^ Der Falke hier und schon Str. 15 ist Jakob Hurter, Wirth zum
Falken in Aarburg. 16, l. ahiiodisch. 17, 3. hym Arm. 4. du vieiiieiä.
4
50 HISTORISCHE
i8. Sie führten ihn zum Leuen;
auf ihn hau man gut Acht;
wölk 's Futter nit verdauen,
man hielt ihn üher Nacht.
19. Sie führten ihn zur Kronen
wohl in ein bschlossen Gmach ;
der Krieg wollt ihm nit Ionen,
auf ihn hatt man gut Wach.
20. Im Spitel auf dem Laden
da sitzt er Tag und Nacht
an einem seidnen Faden,
wie ihn der Schlosser macht.
21. Fünfhundert Basler zogen
wohl über die Schafmatt;
gen Aarau sind sie zogen,
gen Aarau in die Stadt.
22. Die Leut die muß ich loben
wohl aus dem Surenthal;
vor Aarau sind sie zogen,
fürwahr ein große Zahl.
23. Es wollt sie witers führen
der Junker May von Rued;
ein tapfrer Surenthaler
den Spieß auf ihm zerschlug. —
20, I — 2. luiird er ghaben wol etlich. 21, i — 2. Mit ßoo Soldaten
Zog Basel über die Matt. 3. sie da traten. 23, i. Einer wolt s' wyter.
2. JVar.
VOLKSLIEDER 51
24. Darum, liebe Eidgnossen,
stönd zsainen, haltet fest,
verachtet Herrenpossen
und schlichet fremde Gast!
25. Thüend s' us em Land verjagen
alsbald mit gwehrter Hand,
um Fried und Ruh zu haben
in eurem Witerland.
26. Denkt an den Bruder Klausen
und sprechet früh und spat:
Mit Knütteln muß man lausen,
und folget meinem Rath.
Artillerei-Liedli in 's Wilhelm Teilen Weis.
s. Hiiil. S. LVIl.
1. Als man zalt sechszehnhundert,
auch drü und fünfzig jähr,
im Meien, hielt sich munter
d' Artillerei fürwahr.
2. Der Constafler allsampt
warend drißig und vier,
darüber Haupt- und Lütinampt,
auch andre officier.
24, 3. und merket disen Possen. Eine der Balthasar'schen Hand-
le Schriften: Mer (man) kennt doch ihre P. 25, 3. IVenn ihr Frieden wend.
26, 2. wie von ihm gschriben staht. 3. lond euch von ihn' nit lausen.
52 HISTORISCHE
3. Als Jamalen d' Statt Bern
ein harten strit gehan,
auch Solothurn und Lucern,
mit ihren underthan,
4. Thet sich Zürich nit säumen
sampt andern orten mehr,
d' Rebellen auf ze räumen
und wer urhebig^ war.
5. Da hatend sich die Bauren
gar stif zusammen than,
in wälden thetend s' lauren
allsamm für einen Mann.
6. Sie hatten sich vermessen
zu Roß und auch zu fuß,
uns allsamm aufzufressen
in einem Habermus.
7. Mit gwalt wolten sie jucken
auf uns mit ungestümb,
uns z' nemen unsre stucken
und alles z' bringen umb.
8. Etlich die thetend dichten-,
uns eine brügelspis
z' Mellingen anzerichten
und z' tränken in der Rüß.
9. Noch eins ist unvergessen,
daß sie ausfchreien lan,
sam^ uns sie all schon gfressen
und orschlasen roß und man.
^ aufrührerisch oder schuld am Aufrulir. - denken. ^ als ob.
VOLKSLIEDER 53
10. Aber sie thetend machen
d' ürten hinder^ em wirt,
dessen sie werth ausz'lachen,
wil sie so groß geirrt.
1 1 . Als man spielte aus stucken,
marschirten sie flux fort,
hinder sich thetend s' rucken
zur flucht mit schand und forcht.
12. Diß hat füraus- empfunden
ein fändrich voll unmuth,
zum fallen war ihm gschwundeu'*
sampt sinem fändli gut.
13. Sie thetend frid begeren
aus torcht mehr dann aus will,
man thet sie dessen gwären,
der krieg stund alsbald still.
14. In mittlest man tractierte^
zu frid und einigkeit,
bald wieder heim marschierte
mit sieg und freudigkeit.
15. Wie d' hauptsach abgebunden-'*
und witers gangen ist,
wird in der cronek gtunden
von dem, der sie gern liest.
16. Diß ist wahr und nit gfablet,
zum nachdenken gestellt
von eim, der mit constaflet
und selber war im feld.
^ oline (Wissen). - besonders. ^ er war ohnmächtig hingesunken.
* unterdessen verhandelte man. "' erledigt.
54 HISTORISCHE
Strassburger Lied.
s. Eml. S. LXIII.
1. Zu singen ich anhebe,
bitt, woll mich recht verstau !'
Ein seligs End Gott gebe,
den, die das hören an.
Ich will euch jetzt anzeige(n}
in diesem Lied zugleich,
wie daß vor kurzen Zeiten
Straßburg hätt sollen streiten
mit dem König aus Frankreich .
2. Es zogen französische Herren
zu ihnen vor die Stadt;
viel Geld thun^ sie verehren,
so bald man's gnomen hat.
Es waren ihre(r) fünfzehn,
die das Geld empfangen band,
ein jede(r) ließ sich belohnen
mit hunderttusig Chronen,
zu verrathen das Vaterland.
3. Franzosen thäten kehren
vor ihre Thor geschwind ;
kein Mensch thät sich da wehren,
so wenig als ein Kind.
So bald man akkordieret,
macht man ihnert auf das Thor;
dann ließ man sie marschieren,
in der Stadt herum spazieren,
kein Mensch stund mehr davor.
^ Die Vorksre hat die dialektische Form tue.
VOLKSLIEDER 55
4. Eine Stadt will ich euch melden —
Straßburger, zürnet nüt —
dieselbige heißt Rheinfelden :
selb sind wol ander Lüt!
Tapfer hand sie gestritten
so lang mit ihrem Find ;
den Stand hand sie behalten.
Man möcht den Kopf zerspalten —
Warum bist du so blind!
5. Straßburg, du thust dich trutzcn,
du wohlgezierte Stadt;
hast viel kunstreiche Schützen \
groß Mauren, steif und satt^.
Du trügest ühermüthig
groß Hotfart, Stolz und Pracht;
jetzt trägst du Kummer und Sorgen,
du möchtest schier erworgen'',
daß dir der Buggel kracht.
6. Den höchst Thurm ohne^ Babel
hast du in deiner Stadt.
Ich sag's, es ist kein Fabel :
Der ihn gebauet hat,
sagt, er könnt einen machen
noch höher weder-^ der.
Sobald er dies gesprochen,
hast du ihm d' Augen usgstochen :
Drum straft dich Gott der Herr.
4, 9. 10. Es ist unbegreiflich, wie die Straßburger sich den
Franzosen so blind ergeben konnten, statt dem Vorbild Rheinfeldens
zu folgen, s. Einl. Nr. 40, b, 2. ^ Schutzwehren. - dick, lest. ^ er-
sticken. ■* ausgenommen. '" als.
HISTORISCHE
7. Kommt einer zu dir gangen,
ein Trunk zu thun mit Rast,
hast du ihn schön empfangen:
Willkomm, mein lieber Gast!
Was will der Herr wohl essen?
Was will der Herr für Wein?
« He, guete, wiße und rothe,
gesotten und gehrote(n).))
Der Herr kann 's^ lustig sein.
8. Ist etwer- zu dir komen,
Handwerks- oder andere Leut,
sobald es du vernomen,
daß du nicht große Beut
von ihnen könntest haben,
mussten sie in Spital hinein,
wo nichts als Flöh und Lüse,
viel Ratten und viel Muse.
Gang, lig ietz selber drein!
Schweizerischer Feldzug in Morea und Negropont
so geschehen im Merzen 1688. Getruckt im Jahr 1703.
s. Hinl. S. LXIV.
I . Was händ die Zuger und Urner gethan ?
Sie wollen ein Zug gen Morea han,
gen Morea wollen s' dingen;
sie wollen dingen acht tausend Mann,
wider den Türken^ wollen s' kriesen.
^ es, alter Genitiv: davon, daran, damit. - Jemand, mundartlich
öpper. ^ A hat: Bluthund; vgl. Str. 13.
VOLKSLIEDER 57
2. Sey zugend durch 's Frei-Ambt hiniih,
sey funden da manchen jungen Knah,
sey heßen s' all roth bekleiden ;
sey faren über den Zuger-See,
sey lugen umhen^ und das thut weh;
he, der Krieg möcht manchem erleiden"-.
3. Sev zugen zu Zug wol aus der Statt,
und ein gut Gsell zum andern sprach :
« ich hab's gar eben gerechnet^ :
wir müssen ziehen dem Türken zu,
he, ich mein, mein Herz müeß brechen. »
4. Wie s' aus den Schiften ausen"^ thun steigen,
die Hauptleut thund ihnen d' Hand all beuten,
sev thäten s' in Cjlider stellen ;
der eint Hauptmann zum andern sprach :
« he, wie hend wir die bravsten Gsellen ! »
5. Der eint Hauptmann zum andern seit:
« heut wend wir noch gen Uri hinein,
wir müssen tapfer laufen. »
Der eint Hauptmann zum andern sprach,
wie ihm gefiele dise Sach :
«he, die Gsellen wend wir verkaufen.»
6. Sie zogen über den Gotthard auf,
die jungen Soldaten schruen-"' überlaut,
es wollt sev all schier g'reuen.
Der ein gut Gsell zum andern sprach :
« he, keim Hauptmann ist nimmermehr z' trauen. »
' blicken zurück. - verleiden. Zeile 4 oder 5 dieser Strophe ist
üher;^ählig. '^ g.inz richtig vermuthet. * heraus. ^ B: schryen.
58 HISTORISCHE
7. Sey fahren über den Langen See,
sev sehen das Vaterland nimmermelir,
sey thäten all schier^ weinen.
Der ein gut Gsell zum andern sprach :
« he, wären wir nummen"^ daheimen ! »
8. Und wie sie kamen zu der Meerstrangen ^,
es thät die Schweizer-Knaben blangen"^:
«wie weit münd^ wir von hinnen!
wann ich gedenk an's Vaterland,
he, mein Herz möcht mir zerspringen.»
9. Sey reisen eine weite Reis;
der eint gut Gsell zum andern seit:
« wie weit münd wir noch reisen ! »
Der Hauptmann zu den Soldaten sprach :
«he, Venedig will euch''' bald zeigen.»
IG. Der Wachtmeister ist ein munterer Mann,
er hat die bravsten Soldaten ghan ;
z' Venedig war er der erste ;
sey hand im geben vil Gut und Geld,
he, ein goldene Kette feste.
II. Und wie sev kamend zu dem Meer,
da haben die Schweizer Galien ' gseh ;
sev sitzen darneben nider:
« händ wir guts gheben im \'aterland,
he, aufm Meer wird's uns eintriben*^. »
* B: schier all. '^ nur, und so B. -^ B: -Stangen. Ich verstehe
beide Lesarten nicht: es muß wol eine Straße nach dem Meere
gemeint sein. * lang dünken. ^ müssen. ® 5." ich. '' = Galeren, B.
® vergolten.
VOLKSLIEDER 59
12. Und wie der Hauptniiinn die Red vernahm,
und^ er zu den Soldaten sprach,
zu denen Schweizer-Knaben :
« wir seind versorget mit Speis und Tranlv,
he, kein Hunger müssen- ihr haben. »
13. Und wie sey kamen in d' Statt Morea,
dort wollten sey ihr Läger han,
dort hand sev ihres Läger.
«Wenn der Bluthund das vernehmen thut,
he, er wird uns bald Antwort geben. »
14. Es stund nit mehr ein Monat an,
dem Türken wurd es kund gethan,
es wären Christen vorhanden ;
es wären da vil tausend Mann,
he, so fern aus fremden Landen.
15. Der Türk der schickt ein Boten dar,
ob sey wollen d' Statt Morea han,
sey sollen Antwort geben ;
so W'öU er ziehen mit ihnen in's Feld,
he, kost manchen Schweizer sein Leben.
16. Und wie die Cliristen das vernahmen
und sey je länger je kächer^ waren,
sey brüellen wie die Löuen :
« hilfreicher Christe-^, wir bitten dich,
he, wie thut der Bluthund tröuen ! »
17. Sey luffen Sturm ein halben Tag,
der Hauptmann zu den Soldaten sprach:
1 so. ^ B: müsset. •'' kecker. ^ B: hilf, Jesu Christ.
6o HISTORISCHE
«seind ir noch^ nit erschrocken:
rufet ihr Maria Gottes Mutter- an,
euere Sund ^vird euch nachgelassen.»
i8. Und wie sey kamen in d' Statt Wißenburg,
der Türk mit feurigen Kuglen schuß,
er wölk die Christen dämmen^;
er grabt wol under dem Boden durch,
in d' Luft thut er sey sprengen.
19. Yon ^^'ißenburg ein weite Reis,
der eint gut Gsell zum andern seit:
« wie weit müend wir noch reisen !
wir wollen ziehen zum heiligen Grab,
der Hauptmann hat's uns verheißen. »
Der Text gröstentheils nach einem fliegenden Blatt in ZSB.
XVIII, 2018 (J), verglichen mit einem jüngeren ebd. 1656 (B). In
« Des Knaben ^^'underhorn » II, 142 ist die Sprache noch etwas mehr
verhochdeutscht. — Das Lied trägt fast mehr romantischen als hi-
storischen Charakter, aber weil es sich auf ein nach Ort und Zeit
bestimmtes Ereigniß bezieht, konnte es hier untergebracht werden.
— Das die fünfte Zeile fast regelmäßig eröffnende he! findet sich
ebenso in der fünften Zeile der siebenzeiligen Strophe des Halb-
suter'schen Sempacherliedes.
Ein schönes Abscheid-Liedlein,
welches ist gedieht von einem Bärnerischen Soldaten in diesem
gegenwärtigen Schweizer-Krieg. 1712.
s. Em!. S. I.XVI.
I. Adje mein Schatz, adje mein Schatz,
hab nur daheim gut Leben;
ich geh iezunder auf Toggenburg zu,
Gott woll mir Gsundheit geben!
^ B: doch. -' B : Gottes Namen. ^ überwältigen.
VOLKSLIEDER 6l
2. Was es zu thun alldorten ist,
das werd ich wohl erfahren ;
bet du für mich zu aller Frist,
daß mich Gott woU bewaliren.
3. Zu Bern (da) haben sie gut Brot,
mit dem füllt man uns d' Ranzen ;
in Krieg zu ziehn hat's keine Noth,
wer wollt sich darum kränken?
4. Viel Hammen^ trugen wir mit uns,
daß eim darab möcht grausen;
der ist fürwahr ein schlechter Soldat,
der nicht darmit kann hausen.
5. Das haar Gelt trugen wir im Sack,
das uns d' Mutter gegeben;
der Sold ist uns noch gut darzu,
darmit können wir leben.
6. Als wir kamen durch 's Breitteld aus
mit irischem freiem Herzen,
wer wollt nicht gehn für Bolligen auf'"^?
es bringt eim ja kein Schmerzen.
7. Dem Aergäu zu nahen wir uns,
alldort wir still thun ligen,
bis daß wir von den Officier
auch andre Ordre kriegen.
8. Im Aergäu hat's viel gute Leut
und viel böse darneben;
uns Soldaten hat's w^ohl gefreut,
wann sie uns Suppen geben.
^ Schinktrn. - über B. hinaus, ein Dort" an der alten Straße in's
Aarsrau.
62 HISTORISCHE
9. Die Suppen ist nit gnug für uns,
wir können uns nicht laben:
Wein und Taback macht uns ein Muth,
d' Soldaten müssen's haben.
10. Das dient ihn' zu der Gsundheit fein,
so sie dasfelb bekommen;
mit dem können sie frölich sein,
wenn man schlagt auf die Trummen.
11. An einem Sonntag Morgens früh
hört man die Trummlen rühren;
da mussten wir in aller Eil
auf Brugg hinab marschieren.
12. Allda wir blieben über Nacht
bis an den hellen Morgen;
wir hielten allzeit gute Wacht
und waren ohne Sorgen.
13. Am selben Montag Morgens früh
führt man unsre Canonen
so gschwind und bhend auf Stille^ zu,
mit den niemand z' verschonen.
14. Viel Schiffe waren da bereit;
mir mussten darin hauren^
und fahren durch das Wasser ab
gegen Badische Bauren.
15. Die Bauren waren wjohl versehn
mit gut starker Brustwehre;
mit Knittlen sach man viel da stehn
und anderem Gewehre.
^ die Gegend unterhalb der Mündung der Limmat in die Aare,
zur Grafschaft Baden eehörisr. ^ kauern.
VOLKSLIEDER 63
16. \'ermeinten ihre Linie dort
gar schön zu defendieren ;
aber ich sag mit einem Wort:
sie mussten sie verheren.
17. Wir stiegen aus den Schitien bald
und wollten sie angreiten;
unser Canonen dergestalt
theten auf sie brav pfeifen.
18. Als sie sahen die Grenadier
gar tapfer auf sie stoßen
und die Stuck brummen hin und !ier,
thun sie mit Schrecken loßen^
19. Da heißt es bei den Bauren dort:
Rechts um, salviert euch eben
und thut euch in den Wald hinab
in aller Eil begeben!
20. Wir funden da gar keinen Mann,
als wir auf d' Ebene kamen,
weil man sie alle in den \\'ald
gar treulich thäte mahnen.
21. Als da abglöst- wurd kein klein Gsclioß,
so thät man auch den Feinden
nicht gehen auf das Leben los :
man thut ihn' als den Freunden.
22. Es stunde nicht lang an der Zeit,
daß wir hatten vernommen,
die Zürcher wären auch nicht weit
und wollten zu uns kommen.
^ für losen, horchen? - entladen.
64 HISTORISCHE
23. Wir marschierten zu ihnen bhend
und thun uns conjungieren,
mit Gsundheit und mit Freuden fein
thut Gott uns zsammenführen.
24. Das klein Geschoß wurd da abglöst
und thät gar zierHch krachen;
wann ich noch allzeit daran denk,
thut 's Herz im Leib mir lachen.
25. Wein gnug band wir dieselbe Nacht
von den ßauren bekommen;
da heißt's: schenk ein, du Bruder mein,
und spring nur dapfer ummen!
26. Wir wollen jetzt dem Toggenburg
mit Freuden zumarschieren;
die Reis ist uns gar keine Burd,
kein Zeit wend wir verlieren.
27. Ob es dann dort wird geben Stoß,
mag ich für gwiß nicht wissen;
auf Gott vertrauen ist nicht bös,
seid nur darauf beflissen.
28. Dann dieses ist ein grechter Krieg,
einem Volk beizuspringen,
weil es nimmer kann in der Lieb^
die Psalmen frölich singen.
29. Gott segne unser Waff"en all,
denn daran ist alls srles^en,
den Feind zu bringen zu dem Fall,
wann wir band Gottes Segen.
^ im Frieden.
VOLKSLIEDER 65
30. Der uns das Liedlein hat gemacht,
von neuem hat gesungen^,
das hat gethan ein braver Soldat,
ihm hat es wohl o;elun2;en.
31. Der ist ganz frisch in seinem Muth,
für d' Freiheiten zu fechten,
obschon der Feind sehr wüthen thut
zur Linken und zur Rechten.
Daß das Lied von einem gemeinen Soldaten verfasst sei, könnte
man aus dem starken Interesse des Dichters an der Verpflegung der
Truppen und noch aus vielen matten und platten Stellen schließen;
aber andere Merkmale deuten darauf, daß der Verfasser von etwas
höherem Stande gewesen sein und sein Gedicht nur einem Soldaten
in den Mund gelcyt haben könne.
Kriegslied aus dem Liviner Zug.
s. Einl. S. LXIX.
1. Die Liviner sind Rehellen.
Was fange(n)t sie jetzt an?
Sie thäten sich findthätig^ stellen,
Die unghorsamen Gsellen,
(Und) müssen doch sein Unterthan.
2. Wir zugen vor Schwvz ane,
Ohn einzigen Verdruß,
Mit wiß und rothen Fahnen,
Wie ein alter Eidijenoß.
^ neu erfunden. '^ feindselig
66 HISTORISCHE
3. Über den Gotthard sind wir zogen,
Gar mänger junge Knab,
Sie hand sich brüderlich gwogen,
Bi Eriels^ lege(n)t sie 's Gwehr ab.
4. « Guten Tag, ihr Liviner Buren,
Das Glück ist euer Heil,
Und wend ir üch ergeben,
So wird üch gschenkt das Leben,
Das ist üwer bester Theil. »
5. «Schön Dank, ihr Herrn aller Orten,
Das wend mier- gere(n) thun,
Mier sagen's mit wenig Worten,
(Und) wo drückt uns der Schuh.
6. Der Landshauptmann ist feiße,
Er fiel bald unter'n Herd,
Er heig^ armen Wittwen und Waisen
Der* Seckel gar usgleert.
7. Der Uristier thut lüeen-'"',
Er dürstet nach dem Blut,
Ungreclitigkeit thut blühen
Und Livinen verliert der Muth.
Das mir von Dr. A. Lütolf in Luzern mitgctheilte Lied scheint
mangelhaft überHet'ert. Str. 3, 5 verstehe ich nicht, 6, 2 war in der
Vorlage nicht sicher zu lesen, 4, '4 kann wegbleiben.
^ Airolo. ^ wir. ^ habe. * der für den, wie 7, 4. ^ brüllen.
VOLKSLIEDER 67
Fraubrunnen - Lied.
s. Einl. S. LXXI.
1. Es leb das Bernerbiet
bis an der Welt ihr End!
Fi, fa, es lebi au derzue
das Schweizerregiment !
2. Das userlesni Chor^
hat schon einmal zuvor
z' Fraubrunnen und im Grauen Holz
in Schande müeße sto.
3. Falsch ist der General,
die Offizier flist all;
sie geben uns kei Munition,
drum laufen wir davon.
4. Dann sind wir retiriert
bis in's Breitfeld hinein ;
dort hielten wir als Kanonier
in guter Schweizertreu.
■5. Doch waren wir zu schwach
zu gwinnen eine Schlacht ;
drum man dich übergeben hat,
o Bern, du schöne Stadt!
'f^. O Bern, du schöne Stadt,
jetzt bist du ganz schabab,
und warst doch viele hundert Jahr
ein freie Republik.
* Vielleicht für Corps.
68 HISTORISCHE
7. Wer wollt nicht z' Felde ziehii
für unsre Obrigkeit?
Für solche sind wir jederzeit
zu ziehn in Tod bereit.
8. Dafür sind wir bereit
zu ziehen in den Streit,
für unser theures Vaterland,
das ietzund ist verspielt.
y
Lied der Urkantone im Jahr 1798..
s. Ein!. S. LXXI.
1. Auf ZU Berg und auf im Thal!
Auf in's Feld und in die Schlacht!
Gott will in geringer Zahl
Zeigen seine Uebermacht.
2. Gott im Herzen, an's Werk die Hände!
Wer verharret bis an's Ende,
(Der) verdient den Sieg zum Lohn ;
Sies und Ehre winkt uns schon.
Wehrt euch für der XincY Glauben,
Der allein uns Wahrheit lehrt;
Lasst euch selben niemals rauben.
Er ist Blut und Leben werth.
4. Wer für Gott und Glauben streitet,.
Hat sich Sieg und Ehr bereitet.
Streitet, streitet immer fort,
Sieger sind wir hier und dort.
VOLKSLIEDER 69
5. Rettet auch Marin's Ehre,
Die uns Gott hat anvertraut;
Bei uns hat der Herr der Heere
Ihren Gnadenthron erbaut.
6. Ihr(es) Heilthum zu beschützen
Will ich all mein Blut verspritzen,
Unter ihrem Schild und Schutz
Bieten wir den Feinden Trutz.
7. Hör, o Himmel, hör, o Erde,
Hör der Schweizer reinsten Schwur!
Gottes Ehr und unsre Herzen
\\'ollen wir beschützen nur.
8. Hört es, Freunde, hört es, Freunde,
Wir sind keines Menschen Feinde;
Zwingt zum Streit uns aber Xotli,
Sieg ist unser oder Tod.
9. Wenn die Wuth von Legionen
Auf uns kleine Schaaren bricht, ^
^\'enn erbebt von den Kanonen
Berg und Thal, wir zittern nicht.
IG. Wenn das Herz voll Wunden bkit'.
Sei das letzte Wort voll Muth:
Gott und Vaterland, für dich
Fließ mein Blut ; wie froh stirb ich !
1 1 . Helden waren unsre \"äter,
Denn auch Christen waren sie,
Waren Freiheits-, Glaubens-Retter,
Fochten, siegten, wichen nie.
70 HISTORISCHE
12. Ja, wir Söhne sind nicht minder
Als die Väter Gottes Kinder,
Sind voll Trost und Zuversicht;
Gott verlaß die Seinen nicht.
Mitgetheilt von Dr. A. Lütolf.
9a ira!
s. Einl. S. LXXI.
Saira - saira - sairassa !
Geld ist besser als AssignaM
Assigna ist Lumpegeld;
Patriote ziehnd i's Feld,
Ohni Strumpf und ohni Schue
Laufed sie der Heimet zue.
*
Gell du, Mueter, 's ist kei Sund,
Wenn nie Saira Saira singt?
Saira Saira mues me singe,
Wenn me will zum Kaiser springe.
Obige Fassung nach Vernaleken, Alpensagen 452. Rochholz^
Alem. Kinderlied S. 57. 545 hat statt Assigna die Entstellungen Asteria
und Afrika. Im Zürch. Taschenbuch 1882, S. 247 heißt es statt der
Heimet: dem Tüfel.
' Assignaten, das Papiergeld der französischen Revolution.
VOLKSLIEDER 7I
Chelleländer Spinnerliedli us em Jahr zwei.
s. Einl. S. LXXII iina vgl. Xurch. Taschcnb. 1S82, S. 269 (mit Melodie).
1. Schnurre, schnurre-n-um und um,
Rädli, trüU^ di umme;
Euseri^ Sach gabt schüli^ chrumm,
D' Leue^ thücnd scho brumme.
2. Cbume grad iez us der Stadt,
Mit mim-^ Wib und Cbindre;
Ha mit General Andermatt
Züri welle plündre.
3. Wunder" für ganz Chelleland^
Häm-mer welle bole,
Gold und Silber, Diamant,
Alli Sack ganz volle.
4. Doch vergebis vor der Stadt
Sim-mer^ alli gsesse,
Wil de ungschickt Andermatt
D' Chugle hat vergesse.
5. Mini Sack die trag i hei,
Leer vun alle Schätze,
Langi Nase, müedi Bei,
Und die alte Fetze.
6. Schnurre, schnurre-n-um und um,
Rädli, trüll di umme;
's ist mer grad iez nümme drum,
Züri z' biribumme'-'.
^ dreh. ^ unsere. ^ schrecklich. ^ die den zürcherischen Wappen-
schild haltenden Löwen. ° Variante: Hei mit. "^ Variante: Plunder.
' das zürcherische Oberland, Bezirk Ptaffikon. "* sind wir. '•' boni-
bardiren.
72 HISTORISCHE
Balsthaler Volksversammlung.
s. Einl. S. LXXIII.
1. Im Winter bi dem ehalte Schnee —
ha mi'r Lebtig nüt so gseh —
si mir^ uf Balsthal gfare;
die alte Herre z' Soledum
hei gseit: die Donners Narre!
Dirlum dei und so mues 's sei !
2. Zweitusig stön es do parat —
jede meint, er chömi z' spat —
der Hunzinger uf der Stäge:
die alte Herre müeße weg,
me nimt si bi de Chräge!
Dirlum u. s. \v.
3. D' Schwarzbuebe- hei Schnaps mit ne gno —
keme isch jo süsch dort cho —
sie tue de Gäuere^ winke:
he juhe, iez mues es si!
Das Ding wird welle stinke.
Dirlum u. s. w.
4. Und wo die Gsetz si alli gmacht,
heißt es do : zur guete Nacht !
D' Schwarzbuebe si do gloflfe
bis go Mümliswyl i's Dorf,
hei Stei i d' Fenster g^vorfe.
5. Zwei Johr hei si g'arbeitet dra,
gmacht e jede, was er cha ;
^ wir. ^ so heißen die Bewohner des solothurnischen Bezirks
Dorneck. ^ die Bewohner des H.iupttheiles der solothurnischen
Landschaft.
VOLKSLIEDER
73
mit Chnüttle und Pistole
hei si wieder welle cho,
die alte Rechte z' hole.
6. Si hei so Zsämekünfte gh:i —
's isch nen aber gäng uscho —
si usen i's Dütschland gfahre;
wo si wieder ume chöme,
si si die gliclie Xarre.
7. Dir^ guete Lüt, iez het's ech gfehlt,
heit das Hoor der letz Weg gstrählt- ;
strählet's dir grad use
und löt das Ding iez ruehig si,
süsch niüest er no go muse''.
8. Dir chömed nümme meh a's Brett —
oder es gab tüflisch Cläpf'^ —
und löt das Ding iez gelte;
mi ma jo köre, wo me will,
so kört me nüt as schelte.
Dirlum dei und so mues 's sei!
Das Lied ist mit einer Melodie gedruckt in der Zeitschrift «Die
Schweiz«, Jahrgang 1859, S. I iS. Die letzte Strophe habe ich weg-
gelassen, weil sie in Schriftsprache übergeht.
' ihr. - ihr habt den verkehrten Weg eingeschlagen. •' sonst
lüsst ihr euch noch Schwereres gefallen lassen. * aree Schlaj^e.
(?"'..
II.
ALLGEMEINE VOLKSLIEDER.
Geistliche Lieder.
Weihnacht und Dreikönige.
Nr. I.
I. In Mitten der Nacht,
Ihr Hirten, gebt Acht!
In Lüften thuet springen,
Das Gloria singen
Die englische Schaar:
Geboren Gott war.
Die Hirten im Feld
Verließen ihr Zelt;
Sie können nicht schnaufen
Vor Rennen und Lauten ;
O daß es Gott walt,
Wie ist es so kalt!
ALLGEMEINE VOLKSLIEDER 75
's möcht einer erfrieren,
Das Leben verlieren;
Wie kalt geht der Wind!
Mich dauert das Kmd.
4. O daß 's Gott erbarm!
Die Mutter ist arm;
Sie hatte kein Pfännlein,
Zu kochen dem Kindlein,
Kein Brot und kein Schmalz,
Kein Mehl und kein Salz.
5. Komm, Bruder, komm 'raus,
Wir wollen nach Haus.
Kommt alle, wir wollen
Dem Kindlein was holen;
Kommt einer hieher,
So kommt er nie leer.
Knonauer Amt, Kt. Zürich. Vgl. Erlach I, 145.
Nr. 2.
I. Kommet, ihr Fürsten und Heiden,
Zum König i'n Saal !
Kommet, ihr Hirten, mit Freuden
Zum Kindlein i'n Stall,
Allwo auf keinem Thron
Ihr findet Salomon,
Sondern Gott auf deni Heu
In crößter Armedev^
Anmitei, Armseligkeit.
ALLGEMEINE
2. Kommet, ihr Kaufleut, zusammen,
Das Leben ist feil ;
Hier könnt ihr ohn Geld kramen
Das ewige Heil.
Es ist das höchste Gut,
Versetzt in Fleisch und Blut.
Kaufet dies Perlein ^ ein.
So werdet ihr (alle) reich gnug sein.
3. Laufet ihm alle entgegen,
Er ist uns ganz gleich;
Er hat von unsertwegen
Verlassen sein Reich,
Verdecket sein Herrlichkeit
Mit einem Bettlerkleid,
Lasst sich in V^'indelein
Gleich einem Kind binden ein.
4. Eilet, hier liegt gefangen.
Mit Liebesband verstrickt —
Nun könnt ihr alle erlangen,
Was d' Sünder verwürkt.
Seht, wie im Krippelein
Dies herzig Kindelein
Streckt aus die Aermelein,
Will allen gnädig sein.
5. Hört, wie mit bittern Schmerzen
Er klagen sich muß
Von wegen der Kälte der Herzen,
Der Sünder Unbuß.
^ diese Perle.
VOLKSLIEDER 77
Mit einer Liebesfiamm
Mach gschwind ein Feuerlein an;
So wird das Jesulein
Gar bald erwärmet sein.
Kt. Solothurn. Wyß, Schule und Lehen S. i lo.
Nr. 3.
1. Reich und arm soll fröhlich sein
An diesem heiligen Tag:
Uns ist geboren ein Kindelein,
Das alle Ding vermag;
Dazu es heilig ist.
Sein Nam ist Jesus Christ;
Um unser Aller Missethat
Vom Himmel kommen ist.
2. Von einer Jungfrau rein und zart —
Ihr Nam Maria ist —
Wie solches offenbar,
Er uns geboren ward.
Ohn alle Schmerz und Pein
Dasfelbig Kindelein
Vom Himmel herab empfangen war,
Dem heiligen Geist ein Schein.
3. O Mensch, gedenk, wie Jesus Christ
So gar ohn alle Steur^
Zu Bethlehem geboren ist
In einer alten Scheur;
Hülfe.
7ö ALLGEMEINE
Ward in ein Kripp gelegt,
Wie uns die Sclirift anzeigt,
Der doch der höchste König war
In der Welt weit und breit.
4. Orient, das war nicht so weit;
Es ward dort offenbar
Den heiigen drei Königen zu dieser Zeit,
Wie Christus geboren war.
Mit Opfer kamen sie dar,
Das Kindlein nahmen sie wahr,
Sie brachten Gold, Weihrauch und Myrrhen,
Dazu die beste Waar.
5. Lasst uns mit reichem Schalle
Dem Kindlein sagen Preis,
Daß es uns von Adams Falle
Erlöst mit ganzem Fleiß,
Von Teufels Macht und Gwalt
Erlöst hat Jung und Alt,
Uns wiederum erlanget
Das himmlisch \"aterland.
6. Zum Schlüsse wollen wir bitten
Das schöne Kindelein
Jetzt und zu allen Zeiten,
Daß 's uns woll gnädig sein
Und uns barmherziglich
Allen gnädiglich
Nach diesem woll verleihen
Das ewige Himmelreich.
Str. I. 3. 5 nach B. ^^'vß, « Schwizerdütsch n (Solothurn 1865;,
S. 37 — 38, mit einigen Varianten aus Aegeri (Kt. Zug), wo auch
die Str. 2. 4. 6 und das Ganze unter dem Namen « Legorenlied »
VOLKSLIEDER 79
überliefert ist. Legor heißt dort eine maslcirte Figur, welche um
Weihnacht und Drei Könige herumzog, begleitet von zwei Knaben
(«Legorensinger»), welche drei alte Lieder sangen, wobei sie an
einer Stange einen drehbaren hölzernen Stern trugen. Wenn sie ihre
Gaben eingesammelt hatten, begann der Legor Possen zu spielen,
die Sänger aber sagten noch den Dankspruch:
Man hat uns erbärmlich gegeben.
Gott laß euch das Jahr mit Freuden leben
Jetzt und zu allen Zeiten.
Gott geb euch allen ein gut Neujahr.
Der Stern muß uns weiter leiten.
Str. I, 5 hat der Solothurner Text darum, Str. 5, 5 Unglücks statt
Teufels. Str. 2, 3 — 4 ist offenbar auch im Zuger Text mangelhaft
überliefert. Im « Dankspruch » ist die vierte Zeile wahrscheinlich ein
Zusatz, s. jedoch die Note zu Xr. 4 am Schluß. — Die Etymologie
des merkwürdigen Wortes Legor ist zweifelhaft und kann hier nicht
in Kürze erörtert werden; es bedeutet überhaupt und wol ursprünglich:
lustige Person, Spassmacher, Narr. Man sieht also, daß das Heilige
auch hier mit einer Posse verbunden worden ist.
Nr. 4.
1. Die heiligen drei Könige mit ihrem Stern,
Die suchen den Herrn und hätten ihn gem.
2. Wir kommen wol vor Herodis sein Haus,
Herodes der schauet zum Fenster heraus.
3. Herodes da sprach in falscher Bedacht:
« Warum ist der hinterste König so schwarz ? »
4. « Er ist nicht scliwarz, er ist wohl bekannt,
Ist König Kasper aus Mohrenland. »
5. «Bist du König Kasper aus Mohrenland,
So beutest du mir die rechte Hand. »
8o ALLGEMEINE
6. « Die rechte Hand die heut ich dir nicht,
Du bist der Herodes, wir trauen dir nicht. »
7. «Ihr Hebe Herren, wo wollt ihr hin?»
Nach Bethlehem steht unser Sinn.
8. Xach Bethlehem wohl in den Stall,
Wo Jesus Christkindlein geboren ward.
9. Wenn Jesus Christkindlein nicht ward geboren.
So wären wir alle zusammen verloren.
IG. Seit Jesus Christkindlein geboren ist,
So loben wir alle Herrn Jesum Christ.
Es flügt is ein \'öglein wol über das Feld,
Wir nehmen nichts Anderes als Fleisch und Geld,
Und wenn er is gi wend, so gend is fei bald.
Wir müssen marschiren durch finsteren Wald.
Es flügt is ein Vöglein wol über das Dach,
Wir wünschen euch allen ein gute Xacht.
Ein gute Nacht, ein glückseHge Stund,
Das wünschen wir euch allen aus Herzensgrund.
Anno 1840 von Pfarrer Klotz singenden Knaben von Untervatz,
Kt. Graubünden, wörtlich nachgeschrieben.
Als noch Erwachsene die Könige spielten, lautete der Epilog:
I höre d' Pfanne chrache,
Sie wend is Chüechli bache.
I höre d' Schüsseli klinge,
Sie wend is Chüechli bringe.
Wend ir üs gi, so gend üs bald,
Vor der Thür ist ebö ehalt.
Papirni Händschli heben nit warm,
Es ist so ehalt, daß Gott erbarm.
Und habet ihr uns die Gaben gegeben,
So wünschen wir euch das ewige Leben,
Das ewige Leben, die ewige Freud.
Der Stern der muß auf weitere Haid.
VOLKSLIEDER öl
Eine etwas kürzere Form des Liedes, vor ungefähr 50 Jaliren
in Frnuenfeld, Kt. Thurgau, am Dreikönigsabend von Knaben vor
den Häusern gesungen, gibt als Strophe 5 und 4 :
«Wo wollet ihr hin?» Wol in die Stadt.
Wo Jesus Christkindli geboren ward.
Der Himmel ist schwarz, der Himmel ist bleich,
Er sieht dem König von Mohrenland gleich.
Der Epilog dieser Form schließt:
Wenn er is wend ge, so gend is gl?,
Oder mer schlönd i d' Schiben i.
Nr. 5.
1. Ich lag in einer Nacht und schlief.
Im Traum mir König David rief,
Wie ich sollt singen und rühmen
Von den heiligen drei König ein neues Lied ;
Sie liegen zu Köln am Rheine.
2. Maria hat geboren ein Kindlein ohne Mann,
Das Himmel und Erden auf sich nahm;
Das Paradies wurd aufgeschlossen.
Gott hat sein Kreuz wol selbst getragen,
Sein Blut für uns vergossen.
3. Und da das Kindlein geboren sollt sein,
Den heiigen drei König kam ein Schein
Von einem lichten Sternen.
Der heilige Geist gab's ihnen in Sinn :
Sie nahmen Gold, Weihrauch und Mvrrhen.
4. König Kaspar kam aus Morgenland,
Balthasar kam aus Griechenland,
82 ALLGEMEINE
Melchior aus Oesterreiche.
Sie folgten dem Sternen ganz fleißig nach,
Sie wollten das Land durchreisen.
5. Und da sie schier gen Jerusalem kamen,
Gar hohe Berge vor ihnen lagen;
Der Stern(en) wollt ihnen entweichen.
König Kaspar zu den andern sprach :
Heut müssen wir hier verbleiben.
6. Sie kamen für Herodem geritten,
Der empfieng sie mit tugendliciien Sitten :
Seid ihr willkommen, ihr Herren !
Ihr bringet der neuen Mähr so viel ;
Wo wollt ihr euch hinkehren?
7. König Kaspar sprach wol auserkoren:
Es ist uns ein König der Juden geboren,
Den uns die Engel thun preisen.
Wir haben verloren den Sternenschein,
Der uns den Weg thät weisen.
8. Herodes sprach : Nun reitet forthin !
Find't ihr das Kindlein, kommt wieder zu niir,
Das thut, ir lieben drei Herren.
Ich hab des Silbers und Goldes so viel,
Damit ich das Kindlein will ehren.
9. Sie saßen auf und ritten dahin,
Der vorige Stern kam wieder zu ihn'n,
Führt sie die rechte Straße
Gen Betlehem wol in die Stadt,
Wo Joseph beim Kindlein säße.
VOLKSLIEDER 83
10. Nun höret wie Könii^ Kaspar sprach,
Da er Maria das Opfer bracht :
Seid ihr die Mutter des Herren,
So nehmet von uns das Opfer klein,
.... Gold, Weihrauch und Myrrhen.
11. Also iiat Maria das Opfer empfangen
\'on den heiligen drei König aus fremden Landen.
Wie sie (von) dannen wollten scheiden,
Der heilig Geist gab ihnen in Sinn,
Ein andere Straße zu reisen.
Solothurn, nach B. Wyß, Schwizerdütsch S. 2 — 4. Das Original
hat Str. 6, 2 Herodes statt der. Str. 8, 4 : rothen Goldes, was vielleicht
richtig ist, aber dann das vorhergehende Silber ausfchließt. Str. 9, >
ist die Form säße leicht in saßen zu corrigiren, wenn man vorher
noch lind Maria zusetzt. Z. 3 dann die alte Singularform Strafjen.
Str. 10, 5 Anfang ist leicht auszufüllen, etwa: hier ist. 11, 2 hat das
Original Langen, wie allerdings dort gesprochen wird.
Das Lied wurde früher von armen Kindern gesungen, welche
mit dem Stern von Haus zu Haus zogen und nach Empfang milder
Gaben denselben Dankvers beifügten, den wir bei Nr. 5 fanden, nur
mit den Varianten : Z. i: ehrharlicb (wahrscheinlich richtiger), Z. 4:
•ein glückselig Jahr. Z. 5 : Der Stern muß weiter reisen.
Charfreitao-.
Nr. 6. Stillenfreitags -Lied.
1. Ich will singen, ich weiß wohl was,
Das AUerschönste, das ich kann.
2. Ich will singen von meinem Heben Herr Jesus Christ,
Wie es ihm am stillen Freitag ergangen ist.
84 ALLGEMEINE
3. Es ist ihm nicht wohl ergangen,
Die Juden haben ihn gefangen.
4. Sie führen ihn in 's Pilatus Haus,
Mit Ruthen und Geiseln schwingen sie ihn aus.
5. Sie machen dem Herr Jesus eine Dornenkron,
Er muß sie tragen zu Spott und Hohn.
6. Sie haben den Herr Jesus an's Kreuz gehenkt.
Mit Essifi; und Gallen ward er ü;etrenkt.
7. Die Mutter schreit: O weh, mein Sohn,
Wie muß eine Mutter ihr Kind verlon!
8. «Johannes, Heber Jünger min,
Nimm du die Mutter und führ sie hin. »
9. Er nahm sie bei der schneeweißen Hand
Und führt sie durch einen grünen Wald.
10. Im grünen Wald wird Alles so blaß,
Es welket Alles in Laub und Gras.
1 1 . Sonn und Mond verlüred ihre Schin,
Die W^aldvöglein lönd das Singen sin.
12. Es erbebt die Erde, Felsen und Stei,
Die höchsten Berge springen enzwei.
13. Wer dieses Liedlein singe cha.
Der sing es, es sei Wib oder Ma.
14. Der sing's all Freitag nur ein Mol,
Sein Seel wird Gott versorgen wohl.
Aus der handschriftlichen Sammlung von J. Stutz mit der An-
merkung: Dies Lied wurde in meiner Jugend (vor 60 Jahren) jeden
Freitag in christlichen Haushaltungen gesungen im festen Glauben,
daß man dadurch der Selio:keit ^ewiß werde.
VOLKSLIEDER 85
Er erwähnt nocli den Anfang eines zweiten Charfreitag-Liedes,
A;velches denselben Inlialt hatte :
Christus der Herr am Oelberg gieng,
Als ihn sein heiliges Leiden iimfieng.
Ach mein Jesus !
Das obige entspricht sachlich und zum Theil auch wörtlich den
Nr. 457 — 459 bei Mittler, nur daß die Strophen dieser Lieder vier-
zcWis: sind.
Nr. 7.
Seht an die zwei Herzen,
Sie scheideii mit Schmerzen,
Marianna die Mutter
Und Jesus ihr Sohn.
1. Pilatus! Pilatus!
Was Unrechts, was Unrechts,
Was hat er gethan,
Der heilige Sohn,
Daß er so muß hangen
An der langen Kreuzstangen,
\'oll Striemen, voll Wunden,
Der heilige Sohn ?
2. Ach, helfet mir trauern,
Ihr Felsen, ihr Mauern,
Daß ich muß anschauen
Den heiligsten Sohn.
Ach, helfet mir weinen,
Ihr Lieben und Kleinen,
Weil ich muß anschauen
Den iieiligsten Sohn.
Kt. Zürich, W'chnthal.
8 6 ALLGKMEIXE
Nr. 8. Lazarus und seine Schwestern.
1. Lazarus und seine Schwestern
hauten ein Haus zum besten,
und als das Haus gehauen war,
da lag Lazarus nieder und starh.
2. Sie bauen dem Lazarus ein Grabe
und legen ihn in ein Sarge;
da weint die Schwester Marie
wol um den Bruder Lazare.
3. xMartha gieng über die Heide,
sah Jesus in schneeweißem Kleide:
« Martha, was habet ihr Übels gethan,
daß ihr so traurig; herum müsst gan.»
«Jesus, geh heiß mir ihn auferstehn
und heim zu seinen Schwestern gehn.»
5. Herr Jesus mit seinem Stabe
Gieng zu Lazarus in's Grabe:
«Lazare, du sollst auferstehn
und heim zu deinen Schwestern gehn.»
6. Lazarus ist auferstanden,
er klopfet an den Wanden;
er klopfet an Maria's Thür,
Maria rief: «Wer ist hie für?»
7. Maria sah nach außen,
Es wollt ihr fast drab grausen :
« Du stinkest wie ein fauler Mist,
Der sieben Jahr gelegen ist. »
VOLKSLIEDER 87
8. « Marie, du könntest schweigen,
denn Sterben ist ein Leiden,
ja, Sterben ist ein liarte Pein;
doch, wenn's Gott will, so muß es sein.
9. « Deine Äuglein sind gebrochen,
deine Zähnlein sind verrostet,
dein krauses Haar ist worden bleich :
Gott helfe dir in 's Himmelreich. »
Obiges Lied hat mir in drei Gestalten vorgelegen, von denen
jedoch nur eine ziemlich vollständig ist, gedruckt mit Melodie in
«Die Schweiz» (Schaffhausen 1858), S. 276 (aus dem Thurgau) ;
eine zweite bietet 4 ganze und 2 halbe Strophen, die dritte nur
3 ganze Strophen und i halbe. Ich habe versucht, die Bruchstücke
in einander zu fügen, indem ich z. B., da die erste Gestalt nur Maria
kennt, die zweite nur Martha, beide Schwestern einführte. Str. 4,
3 — 4 steht nur in II, ebenso zwei oben weggelassene Zeilen, die
Lazarus spricht :
Ach Jesus laß mich liegen,
ich liabe gar lange gestritten ....
also wahrscheinlich nach Str. 5. I lässt Str. j gleich nach 2 folgen
und Str. 6, 3 — 4 lauten dort:
Gott grüß dich, Schwester .Marie,
Ich bin dein Bruder Lazare.
Es folgt darauf:
Bist du der Bruder Lazare,
Vor .\ngst kann ich's nicht glauben.
Du schmeckst als wie u. s. w.
Alle drei Gestalten haben in der Sprache vorwiegend mundartliches
Gepräge, aber da sich reine Mundart doch nie herstellen lässt, so
habe ich dies Mal ausnahmsweise den Text in Schriftsprache gesetzt,
ausgenommen den Reim 5,4. Str. 7, i lautet in III:
Maria lueget use (: gruse).
9, 3: Chruselliaar. In I lauten die zwei letzten Zeilen:
Dy Bluet ist schneechrydewyß.
Gott helf is (uns) allen i's Paradys.
88 ALLGEMEINE
Nr. 9. Regina.
1. Regine gieng in Garte,
Wollt breche Röseli ab,
Die fine und die zarte,
Wo i dem Garte stan.
2. Regine lueget ume,
Sah einen jungen Knab :
«Wo bist du ine kume?
's ist Alles wohl vermacht.»
:>•
« Kei Mur ist mir zu hoche,
Kei Schloß ist mir zu stark :
Ich hin der Herr Jesus selber,
Der Alles erschaffe hat. »
4. « Bist du der Herr Jesus selber,
So gheiß mich mit dir cho ;
So will ich mit dir reise
In's ebige Himelrich. »
5. «Willst du denn mit mir reise
In's ebige Himelrich,
So muest du dich schneewiß kleide,
Daß du bist den Engle glich. »
6. «Wüsst das min \'ater und Mueter,
Daß ich im Himel bi,
Si würded mi nit lang sueche,
Si chämed au dohi.»
7. Herr Jesus schrieb es Briefli,
Schrieb nu drü einzigi Wort:
D' Regine sei im Himel,
Sei a nie schönen Ort.
VOLKSLIEDER 89
Das obige Lied hat mir in fünf Gestalten vorgelegen :
I. Eine aus dem Aargau, mitgetheilt von Rochholz, 7 Strophen.
II. Zwei aus dem Kt. Zürich: a. eine handschriftlich bei Stutz,
7 Strophen; /'. eine bei Kurz S. 128, 6 Strophen.
III. Zwei aus dem Kt. SchafFhausen : a. eine aus der Zeitschrift
«Der Unoth », Schaffhausen i(S68, S. 46, 7 Strophen, aber
nicht vollständig und regelmässig ; h. eine aus Stein a. Rh.,
mitgetheilt in der Zeitschrift «Die Schweiz», SchafFhausen
1858. S. 185, mit Melodie, 6 Strophen.
Den Gestalten, welche nur 6 Strophen haben, fehlt Str. 5 des
obigen Textes. Dieser ist sonst auf die wesentliche Uebereinstimmung
von I, Hb und III Z' gegründet, von welchen am meisten IIa ab-
weicht, wo Str. I und 2 unsers Textes in eine zusammengefasst sind:
I, 3 — 4. Was sah sie in dem Garten?
Ein junger hübscher Knab.
2. « Ach Jüngling, lieber Jüngling.
Wie seid ihr ine cho ?
Die Mure sind so hoche.
Die Schlösslein sind so stark.»
j. « Kci Mur ist mir zu hoche
Und auch kein Schlösslein z' stark ;
Mit niine zarte Hände
Hab ich viel Kraft und Macht.»
4. « Ach Jüngling, lieber Jüngling.
Wie heißet euer Nam?»
«Mein Name heißt Herr Jesus,
Herr Jesus werd ich genannt. »
). « Heißt euer Nam Herr Jesus
Und seid ihr so genannt.
So möcht ich mit euch gehen
In's ewig Vaterland.»
6. Sie reicht ihm ihre Hände,
Verschwunden ist sie schon,
Ist schon bei Gott dem Vater
Am güldnen Himmelsthron.
7. «Könnt ich ein Brieflein schreiben,
Ach nur drü einzige Wort :
Regine sei im Himmel,
Sei an eme schönen Ort.»
90 ALLGHMHINE
Wichtigere Abweichungen der übriijen Texte von dem obigen
sind : Str. 3, 3 — 4 hat I:
Ich bin der Röselimaler,
Der Röseli malen kann.
Und dann Str. 4:
Sind ihr der Röselimaler,
Der Röseli malen kann,
So möcht i mit euch reisen
In's himmlische Vaterland.
In III a lautet Str. 4 :
Bist du der Röseliraacher,
Der Röseli machen kann,
So will ich mit dir fahren
In's ewige Leben an.
Str. 5 :
Und willst du mit mir faren
In's ewige Leben an,
Dini Güetli muest du lassen,
Dini Kleiderli fahre lan.
Str. 7, I lautet in I: Regine schrib eis Briefli ; in III ;?: Herr Jesus,.
schrib ein Briefli.
Nr. 10. Die heilige Turtilla.
1. Es war eine heilige Turtilki geboren,
Sie miechte^ dem Vater große Zorn;
Er ließ eis Fässeli binde ;
Er sclilug im Fässeli 's Bödeli i,
Er legt die heilige Turtille dri,
Er legt sie uf das Wasser.
2. Sie schwLimm wol bis am dritte Tag,
Sie schwumm dem Müller i's Mülirad,
^ machte, aber sonst nur als Conjunctiv. Statt Zorn hat die
Quelle : Cbnniiner.
VOLKSLIEDER ■ 9I
■Sie tat die Müli bstelle^
Der Müller sprang zur Müle üs
Und nahm die heilige Turtille drüs^.
3. «Der Müller hat gar bosi Cliind.
Sie säge, ich sei eis Fünderlichind-\
Und eb'* ich es Fünderli si wett"*,
Wett sueche, bis i mis Müeterli hett;
Um 's Väterli wett i weine. »
4. Sie chneiilet'^ uf ene spitzige Stei,
Sie chneulet si selber Löcher i d' Chneii
Und weinet Löcher i d' Bagge.
Turtille schaute wol um und um,
Sie gsach den leidigen Satan clio,
Het ire Vater am Rugge.
5. «Ach sä', ach sä, du Pflenneli^ guet,
Do best de Vater us der höllische Gluet,
Wol US de turige Flamme ! »
Fs ist erhört, aber wird nüme-n-erhört,
Daß es Chind de Vater us der Höll erlöst,
Wol US de türige Flamme.
Mitgctheik von Rochholz, aus dem Aargau. Auf Str. 2 folgen
die Verse :
Er bhahet sie bis am zwanzigste Jar,
Bis sie ein reines Mägdelein war.
Auf Str. 3 folgt im Original der vereinzelte Vers:
Turtille gieng über e witi Heid.
* zum Stillstehen bringen. -' aus dem Fässchen. ^ Findelkind.
* ehe. ^ wollte, möchte. ® kniet. ' Sieh da, nimm ! "^ weinerliches
Kind.
92
)■
ALLGEMEINE
Nr. II.
1. 's will eine Jungfrau reise,
Will reisen über Feld;
Begegnet ihr der Herr Jesus
In einem schneewißen Kleid.
2. « Grüeß Gott, du Jungfrau reine.
Wo willst du reisen hin ? »
« Ich will zu Ciott dem Herren,
Will kehren bei ihm in.»
3. «Wenn du zu Gott dem Herren komst.
Was willst du bei ihm tuen ? »
«Ich hab so schwer gesündiget,
Hab wider Gott getan. »
4. « Hast du so schwer gesündiget.
Hast wider Gott getan.
Der lieb Gott wird dich strafen,
Er wird dich fahren lan.
« Der lieb Gott wird mich nit strafen,
Wird mich nit faren lan:
Will allzit flißig bete,
Will Gott vor Auge han.»
6. « Hast du das in dinem Herze,
Hast du das in dinem Sinn,
So leg di schneewiß Chleidli a.
Bist allen Engle glich. »
7. Im Himmel lauft en Brunne,
Lauft süeßer weder Hung,
Und wer darab tuet trinke.
Der krank ist, wird i^esund.
VOLKSLIEDER 93
Der obige Text is: aus Schaffhausen (Unoth S. 47), mit Aus-
nahme einiger Kleinigkeiten aus einer zürcherischen Fassung (bei
Kurz S. 150), welche den wesentlichen Inhalt in bloß 5 Strophen
gibt, denen eine ungehörige Zusatzstrophe angehängt ist. Str. 5 fehlt
dort ganz und statt Str. 6 lautet dort Str. 4:
Schneeweiß, ganz suberlich
Muest du bekleidet si;
Denn muest du mit mir reise
In's ebige Himelrich.
Beide Fassungen erinnern an Nr. 9, Str. 4 und 3, und sind vielleicht
von dort herübersfenommen.
Nr. 12. Die drei armen Seelen.
I.
1. Es kam der Tod wol über den Rhein,
Er kehrte beim ersten Wirthshaus ein.
2. Drei junge Töchterlein hatte der Wirth,
Der Tod der nahm alldrei sie mit.
3. Die Erste starb und verschied zur Stund,
Weil eben die Sonne auferstund.
4. Die Zweite die starb inmitten am Tag,
Weil eben die Sonne am höchsten war.
5. Die Dritte die starb am Abend hin,
Weil eben die Sonne zu Golde gieng.
6. Die Wirthin weinte Ach und Weh :
Jetzt haben wir keine Tochter mehr!
7. Laß mich von deinem Grab nicht gehn.
Ach Anneli, du mußt auferstehn !
8. « Ich wollt nicht um viel Silber und Gold,
Daß ich den Tod nicht haben sollt ! »
94 ALLGEMEINE
9. Laß mich von deinem Grab nicht gehn,
Ach MeieH, du mußt auferstehn !
10. «Der Tod ist eine harte Pein,
Doch \vie Gott will, so muß es sein. »
1 1 . Laß mich von deinem Grab nicht gehn,
Ach Liseli, du mußt auferstehn!
12. «Der Tod lässt mich nicht mehr heraus.
Er stößt mir alle Gliedlein aus ! »
13. Die Mutter gieng weinend vom Grabe fort,
Ihre drei Töchter giengen zu Gott.
14. Vor der Himmelsthüre klopften die Drei;
S. Peter fragt, wer draußen sei?
15. Drei arme Seelen sind's allein,
Sie möchten in den Himmel herein.
16. «Die Erst und die Zweuti soll ine cho,
Die Dritte soll vorusse stoh ! »
n.
1. Es war ein Sterbet^ wol über em Rhi,
Es starben im König drei Töchterli.
2. Sie liefe, sie käme zur Himmelsthür;
Da sprach der Heiland: «Wer ist derfür?)>
3. «Es sind au numme- drei Seele do,
Sie warte, öb^ me s' well ine lo. »
4. « Zwo Seele sollen ine cho.
Die andere Seel soll dusse sto.
5. Sie soll iez au wandle de breite Weg
Wol gege de leidige Höllesteg ! »
^ Seuche, im für dem. - nur. *' oh.
VOLKSLIEDER 95
6. Die arme Seel lief über's Maiethau,
Da begegnete ihr ei guete Frau.
7. Sie liefe wieder zur Himmelsthür,
Da sprach der Heiland: aWer ist derfür?»
8. « Es sind au numme zwo Seele do,
Sie warte, ob me s' well ine lo. »
9. « Die guete Frau soll ine cho,
Die andre Seel soll dusse sto.
10. Sie soll iez au wandle de breite Weg
Wol gegc de leidige Höllesteg. »
1 1 . Die arme Seel schreit Ach und Weh :
O iez han i kei Heiland meh.
III.
1. Es sind drei arm Seele vor 's Himmels Thür,
Petrus sprach: «Wer ist jetzt dafür?»
2. «Es sind drei arme Seele,
Sie sueched Gott den Herre. »
3. «Zwei arme Seele solled ine cho,
Die eint arm Seel soll de breit \Veg go. »
4. « Soll die eint arm Seel de breit ^^'eg go,
So wend wir au nüt ine cho. »
5. Petrus sprach: « Mueter Maria,
Was hat sie euch denn Guets getha ? »
6. « Sie hat mir alle Samstig z' Nacht
Drü brennedi Lieciitli i d' Chille^ bracht.»
7. « Setzed ere uf e Chrone :
Daß sie der Himmel werd b'lone. »
' Kirche.
^G ALLGEMEINE
IV.
1. Der Tod und der kam über de Rhi,
Im nächste Wirtshus chehrt er i.
2. Der Wirt der hat der Töchtere drei,
Der Tod und der nahm ihm all drei.
3. Die erste starb am Morge früeh,
Die andre de mitzet^ im Tag,
4. Die dritte starb am Obed spot,
Grad als die Sunne undergot.
5. Sie kommen zu der Himmelsthür,
Der heilige Petrus stand dafür.
6. Sie sprachen : «Wir wollen in Himmel hinein %
Und Petrus sprach : « Das kann nicht sein. »
Das Weitere fehlt, der Gewährsmann erinnert sich nur noch,
daß Petrus der ältesten Tochter sagte:
«Du hast all Samstig z' Nacht
's Hoor uftho und zsäme gmacht
und drü erquickti Liechtli gmacht.»
1 und II stammen aus dem Kt. Aargau, beide mitgetheilt von
Rochholz, I wahrscheinlich von ihm überarbeitet, aus dem Frickthal;
III und IV aus dem Kt. Zürich, III bei Kurz S. 129, IV handschrift-
lich bei Stutz. Alle vier Formen gehören zu Mittler Nr. 481 — 486,
nur daß sie die Ursache und Beschaffenheit der Höllenstrafe nicht
angeben, dagegen III und IV als Grund der Ausnahme von der-
selben das Anzünden von drei Lichtern am Samstag Nacht. I hat
eigen die Klagen der Mutter über den Tod der einzelnen Töchter
und deren Antwort, bricht dann aber ab, wo die übrigen erst recht
ansetzen. II hat eigen die bemerkenswerthe Str. 6, deren Folge aber
nicht klar ist, und daß von den zwei zuerst zugelassenen Seelen
nachher eine wieder ausgeschlossen wird. III, Str. 2 und 7 sind
offenbar metrisch verkürzt und IV leider sa'fchlich unvollständig, sonst
^ mitten.
VOLKSLIEDER 97
mit III zusammengehörig. Die c erquickten» Lichter sind ohne Zweifel
«stets erneuerte j). — IV stimmt mit II und beide mit Mittler Nr. 481.
485 darin, daß der Tod iJber den Rhein kommt; II mit Mittler
Nr. 482. 484. 485 darin, daß die Töchter Königstöchter sind; I mit
IV und beide mit Mittler Nr. 481 — 483 in der Angabe der Zeit des
Todes der Töchter. — In der vereinzelten Strophe zu IV ist die
Beschäftigung mit dem Haar, welche sonst der Betreffenden zur
Stinde gerechnet wird, mit dem verdienstlichen Anzünden der
Lichter offenbar irrthümlich verbunden. — I, 10 = Nr. 8,8, 5 — 4.
Nr. 13.
1. Dort ohe, dort obe vor der himlische Tür,
Do sitzt eine arme Seele derfür.
2. «Du armi Seel, warum trurist so sehr?»
«Warum sott i nit trure, du güetiger Her?
3. Wenn an hei Gott im Himel will sitze,
So mues me ut Erde Bluetstropte schwitze,
4. Bluetströpfli, Bluetströpfli so wiß als wie Schnee:
O laß mi zue dir i din Himel ingen.»
5. « Chom, armi Seel, hast grungen und gschwitzt,
Gliom herein und sitz wo de Lazarus sitzt. «
Aus Schieitheim, Kt. Schaffhausen, mitgetheilt in der Zeitschrift
«Der Unoth», Schaffh. 1868, S. 136. — an Str. 5 ist die schaffh.
mundartliche Form für ein, einer. Strophe 4 ist wahrscheinlich
entstellt; in der zweiten Zeile hat das Original empor, was der
Situation nicht entspricht und auch keinen Reim gibt; nur um diesen
nothdürftig herzustellen, ist «eingehn» gesetzt. Zeile l könnte ur-
sprünglich etwa gelautet haben :
Bluetströpfli so roth als wiß ist der Schnee,
da die Zusammenstellunjr dieser Gegensätze eine stehende Formel war.
98 ALLGEMEINE
Nr. 14.
1. Die ^'ögel, die Vögel,
Sie singen lieblich schön ;
Sie loben Gott den ganzen Tag,
Es singt ein jedes, was es mag,
Sie preisen Gott den Herren.
2. Im Winter, im Winter,
Wenn Alles erfreurt und stirbt.
Erhaltet Gott das Sämlein klein.
Das unter'm Schnee vergraben muß sein.
Daß es nicht muß erfrieren.
3. Die Menschen, die Menschen,
Sie kümmern gar so sehr;
Doch Gott kann uns erhalten,
Wir wollen ihn lassen walten.
Er ist ja Gott der Herr.
Handschriftlicli bei Stutz.
Nr. 15.
1. Dies ist mein ganzer Lebenslaut,
Denn die Uhr ist g'lotfen aus ;
lez will ich mich machen auf die Reis
Li die Ewigkeit hiiiaus.
2. Wenn ich betracht mein Lebenslauf,
So verstummt mir meine Zung;
lez gehn mir meine Augen auf
Und ich zittre um und um.
VOLKSLIEDER 99
3. Daß ich die edle Zeit verschwend't
(Und so) wenig an meinen Gott gedenkt.
Was gibt mir jetzt die Welt zum Lohn?
Der größte Spott und Hohn.
4. Ich hotf auf die Barmherzigkeit,
(Der) gestorben (ist) für uns am Kreuz,
Und ich bitt um ein einziges Tröpflein Blut,
O du allerhöchstes Gut.
5. Ach, Gott gab mir der Gnaden viel.
Wenn ich's nur brauchen will;
Er hat mich zu einem Christen genennt,
Durch sein heiliges Sakrament.
6. Nun scheide ich aus dieser Welt
Und hab nöthig nie mehr Geld;
Ich werde bald im Grabe ruhn,
Hab hier nichts mehr zu thun.
Handschriftlich bei Stutz.
Nr. 16.
1. Nun mein Leichnam geht zum Grabe
Und mein Geist nach Zion hin.
Weil ich nun die Hoffnung habe,
Meinen Jesum bald zu sehn.
2. Ach, was sind die Lebensjahre,
Eh man sie hat recht betracht,
Wie ein Strom dahin gefahren !
Nun so scheid ich : Gute Nacht !
100 ALLGEMEINE
3. Gute Nacht! ihr meine Freunde,
lez geh ich zur Ewigkeit;
Bald, bald hab ich überwunden ;
Was ist's, daß ihr um mich schreit!
Handschriftlich bei Stutz, aber nach seiner Angabe unvollständig.
Nr. 17.
1. O Mensch, steh ab von deiner Sund!
Rüst dich zum Sterbe,
Tracht zu ererbe
E seligs End!
2. Wann der Tod kommt mit seinem Pfil
Und er bald thut schieße,
Wir sterbe müeße
In schneller IL
3. Mathusalem, der ältist Mann,
Nünhundert Jahre
Nünundsechzig zware.
Der Tod hinnahm.
4. Die Engeli Gottes die wolle mit Fliß
Uf mein Seel warte
Im schönste Garte,
Im Paradis.
Aus dem Kt. Thurgau, mit'getheilt in der Zeitschrift «Die
Schweiz», SchafFhausen 1858, S. 277, mit Melodie. Die vierte
Strophe beginnt dort mit der Zeile «Au Salemon, ein König wis»,.
welche noch zum vorigen Satze gehört und nicht überzählig ist, weil
die erste Zeile der drei ersten Strophen im Gesang wiederholt wird.
VOLKSLIEDER loi
Nr. i8.
1. Der Schlüssel zum Himmel
Ist Marter und Pein,
Und wer ihn nicht versuchet,
Der kommt nicht hinein.
2. Ach Mensch, wie getraust (du) dir
In Himmel hinein?
Die Straßen sind gefährlich,
Die Pforten sind klein.
3. Kein Fieber, kein Krankheit
■ Im Himmel regiert,
Drum werden die Ärzten
Im Felde ....
4. O Sonne, o Monde,
Es freut sich die Welt,
Die Sterne von ferne
Am Himmelgezelt.
5. Wir Alle am jüngsten Tag,
Wir müssen vergehn.
Der Himmel alleine
Bleibt ewighch stehn.
Handscliriftlich bei Stutz.
^^^w^^
102 ALLGEMEINE
D-
Weltliche Lieder.
A. Episches.
Nr. ig. Tannhäuser.
1. Danuser war ein wundrige^ Knab,
grauß Wunder got er go schaue;
er Orot wol uf der Frau Vrenes Bere^
zu dene dri schöne Jungfraue.
2. Er schaut zu einem Fensterli i,
grauß Wunder kann er da schaue;
drum göt er zu dem Frau-Vrenesberg,
zu dene dri schöne Jungfraue.
Die sind die ganze Wuche gar schö
mit Gold und mit Side behänge,
händ Halsfchmeid a und Maiekrö^:
am Suntis sind s' Otre und Schlauere.
4. letz tritt es bald in's siebente Jahr -
so brichtet die alte Märe —
daß er ein graußer Sünder war,
sin Seel verdammet wäre.
5. Und wie des Morgeds Tag es war,
Danuser wollte gan bichte,
er wollte wol gehen für den Pfarr,
wollt sini Sünde verrichte^.
neusfierio-. - Maienkronen = Blumenkränze? ^ abbüßen.
VOLKSLIEDER IO3
6. Der nam die Sünde ihm iiher nid ab
und sagt, zum Papst müeß er wandre.
Da kehrt er sinen Pilgerstab
nach Rom, wie viele Andre.
7. Der Papst der nahm den Stab in die Hand,
vor Dürre wollt er spalte :
« So wenig das Stabil noch Läubli tragt,
so wenig kannst Gnad du erhalte. »
8. «Wenn i kei Gnad erhalte mag,
so geh i uf Frau Wenes Berg hi
und schlafe bis an jüngste Tag,
bis Gott selber thut wecke mi. »
9. Do währet es nid gar dritthalb Tag,
das Stabil fangt a zu gruene,
trait dri rothe Röseli z' Tag,
dri wunderschöni Blueme.
10. Der Papst schickt us i Land und Berg,
si könne Danuser nid tinde;
er Ht wol uf der Frau \'renes Berg
bi dene dri schöne Chinde.
1 1 . Es währet nid gar e halbes Jahr,
der Papst der war gestorbe ;
ietz ist er verdammet i Ewigkeit,
mueß ewig si verderbe.
12. Drum soll kei Bischof, kei Papst nid mehr
kei arme Sünder verdamme ;
groß Gwalt die git nu Straf, nit Ehr.
In nomen Domini, Arne.
104 ALLGEMEINE
Aus den «Mittheilungen zur vaterländischen Geschichte, heraus-
gegeben vom historischen Verein in St. Gallen», IV, 198, denen ich
auch noch folgende Bemerkungen entnehme. Im St. Galler Oberland,
in der Gegend zwischen Sargans und Ragatz, an der alten Römer-
straße, wo die Volksfage auch von heidnischen Opferstätten erzählt
und wo auch die Gerichtstätte der späteren Landesherren war, ist
ein Hügel, jetzt genannt « Thiergarten » (Thierget), von alten
Leuten « Frau Vrenes- oder Venesberg ». Ein Sojähriges Mütterchen
aus jener Gegend erinnerte sich, daß in ihrer Jugend das obige Lied
unter dem Namen «Tiergetlied» allgemein bekannt gewesen sei. —
Es weicht von dem bekannteren, im Entlebuch aufgefundenen (Lütolf,
Sagen S. 87, Mittler Nr. 535) im Ganzen ziemlich stark ab, trotz
fast wörtlicher Uebereinstimmunfr an einzelnen Stellen.
Nr. 20. Roni SatteL
s. Einl. S. CIL
1. Roni Sattel hat gewibet,
hat genomme ei edles Wib ;
kostet ihm Lib und Lebe,
darzue sei stolze Lib.
2. Si nehmed de Roni gfange
und thäte ne in den Thurm,
darin sind Kröten und Schlange
und menore vero;iftio;e Wurm.
3'
Darinnen muß er bleibe
siebe Jahr und drei Tag,
bis ihm seine Kleider verfulet,
sin Hör ist wiß und gra.
4. Si tuered de Roni use
für das Rötsherrehus ;
die siebe Rötsherre spaziere
und schaued zu'n Fensteren us.
VOLKSLIEDKR
105
5. Si füered de Roni use
bis vor das iißeri Tor;
dert chneuled si ^^^ter und Mucter
und wcined gar bitterli.
6. « Ach Vater und liebi Mueter,
weined nid eso bitterli ;
menge stolzere Lib ist verfulet,
\venn mine verbrenne mueß. »
7. Si füered de Roni use
wol über e witi Heid;
dert wachst kei Gras und keis Läubli,
nüt weder drü ßlüemeli.
8. « Lönd mi die Blüemli abbreche,
will s' trage mit mir i's Für. »
De Roni der ist verbrunne
bis an die rechte Hand.
9. Es chöme drü TübeU z' flüge,
drü Tübcli chridewiß ;
si neme de Rom (und flüge
mit ihm) i's Himelrich.
IG. Zu'n Rotsherre chöme siebe Rappe
si neme die siebe Rotsherre
mit ihne in's höllische Für.
Mitgetheilt au-:, dem luzernisclien Volksmund, von Dr. A. Lütolf.
— chnciüe Str. 5, 3: knien. Sir. 7, 3 lautet im Original: nüt weder
Gras und Laub. Str. 9, 5 — _) sind die eingeklammerten Worte von
mir zugesetzt. Str. 10, 4 beginnt im Original: und fahre. — Im
deutschen Lied von Raumensattel wird dieser der Siegelfölschung
angeklagt; hier muß wol eine gewaltsame Entführung eines vor-
nehmen Weibes als todeswürdio:es Verbrechen nntrenommen werden.
I06 ALLGEMEINE
Das Uebrige ist wesentlich gleich; im deutschen Lied sterben die
sieben falschen Ankläger alle eines gewaltsamen und schimpflichen
Todes.
Nr. 21. Der Buecher Fridli.
s. Ein!. S. CIL
1 . Es kämen zwei Böteli von Willisau :
« Ach Fridli, du hast gar e schöne Frau. »
Es kämen zwei Böteli von Luzern,
Sie wend der Bucher Fridli näh.
2. «Fridli, müe mer di binde oder müe mer die foh,
Oder witt du selber go Luzern goh ? »
« Ihr müet mi nit binden, ihr müet mi nit foh,
Ich darf wol selber uf Luzern goh. »
3. Der Fridli lauft dur d' Matten,
Er lauft gleich wie der Schatten.
«Ach Fridli, du muest chlei weidliger^ goh,
Din Wib und Kind sie schreien dir noh. »
4. Und wie er dann kam uf Luzern,
Die Herren all uf der Rüßbrugg warn.
Spazierten über die Rüßbrugg drein,
Sie hießen den FridH gottwillchum sein.
5. «Witt du noch bi dine Worten si.
So muest du üse Gefangen si. »
« Und was i gredt ha, das red i noh,
Bi miner Wohrheit will i hstoh. »
6. Sie thäten Fridli i'n schiefen Thurm,
Darin war menge wüeste Wurm;
^ ein wenio; schneller.
VOLKSLIEDER 10'
Er könt weder lige, er könt weder steh,
Er muest wol uf den Kneuen geh.
7. Und wie es war am Zistig spöt,
's Mareili au uf Luzern geht;
Wie es uf Luzern ine kam,
Die Herren all uf der Rüßbrugg warn.
8. Sie hießen 's Mareili gottwillchum sein :
« Was soll denn dein Begehren sein ? »
« Und mein Begehren ist mir leid :
Läut^ mir den Fridli Buecher heim.))
9. «Mareilij liebes Mareili mi,
Dein Bitt und Bet ist viel zu chli;
Der FriedU gibt üs gar böse Bscheid,
Er kommt dir währli nüme hei. »
10. 's Mareili gieng i'n Thurm hinein:
« Ach Fridli, lieber Fridli mein,
Gib du den Herren andern Bscheid,
Süst kommst du wahrli nümmen heim.»
11. « Mareili, liebes Mareili mein.
Ich gib den Herren kein andern Bscheid,
Und was ich gredt ha, das red i noh,
Bi miner Wohrheit will ich bstoh. »
12. Was zog er aus dem Büeseli?
Ein wunderschönes Büecheli:
«Und sä", und sä, Mareili mein.
Lies du darin und denke mein. »
^ lasst. ^ da nimm !
I08 ALLGEMEINE
13. Was zog er aus der Tasche?
Ein Windlen und ein Fäsche^:
«Und sä, und sä, Mareili mein,
Bind du das kleine Kind darein.»
14. Und wie es war am Fritig spöt,
Der Baschi- au uf Luzern goht;
Wie er uf Luzern ine kam,
Die Herren uf der Rüßbrugg warn.
15. Sie spazierten die Rüßbrugg us und ein
Und hießen den Baschi willkommen sein.
« Sei mir Gotrv\-illchumen, Baschi mein,
Was soll denn dein Begehren sein ? »
16. «Und mein Begehren ist mir leid:
Laut mir den Buecher Fridli heim;
Sein Weib und Kind im Hause mein
Um ihren Yater jammernd schrein. »
17. «Ach Baschi, lieber Baschi mein.
Dein Bitt und Bet sind viel zu klein.
Der Fridli gibt üs gar bösen Bscheid,
Er kommt dir wälirli nümmen heim. »
18. Der Baschi gieng zum Fridli i'n Thurm:
« Ach Fridli, deine Kinder schon !
Gib du den Herren andern Bscheid,
Süst kommst du währli nümmen heim. »
19. «Ach Baschi, lieber Baschi mein,
Ich gib den Herren kein andern Bscheid,
Und was ich gredt ha, das red i noh,
Bi miner Wohrheit will ich bstoh. »
^ Windelband. - Sebastian ; ältester Sohn oder ein Freund Fridlis?
VOLKSLIEDER IO9
20. Und wie es am Füroben^ war,
Ein Engel vom Himmel zum Fridli kam :
« Ach Fridli, stand dine Worte treu,
Du gibst ein Engel in's Himmelreich. »
21. Sie nähmen den Fridli us dem Thurm,
Sie führten ihn zum Richtplatz schon ;
Sie führten ihn us, es ist ein Grus,
's Blut schießt ihm oben zur Hirnschalen us.
22. 's Mareili gieng unter'n Galgen zu beten,
Die Herren thäten ihm das absprechen:
« Der Galgen ist ja kein Gottshus,
's ist sust nur in der Kirchen der Bruch. »
-:>•
's Mareili gab zur Antwort drut :
«Das Beten ist überall der Bruch,
Und ist der Galgen kein Gotteshus,
's thut doch den Luzernern d' Augen ut. »
Der obige Text, mir mitgetheilt von Dr. A. Lütolf in Luzern,
weicht zwar niclit in den Hauptsachen, aber in manchen Einzelheiten
bedeutend von demjenigen ab, den Rochholz im « Taschenbuch der
hist. Gesellschaft des Kantons Aargau «, 1861 — 1862, aus der Hand
eines Knaben im Freienamt mitgetheilt hat. Im Ganzen mag dieser
letztere Text den Vorzug verdienen, so daß ich nicht umhin kann,
die wichtigeren Abweichungen desfelben nachstehend anzugeben.
Der Lütolfische hat den Vorzug, daß er vollständige vierzeilige
Strophen bietet und auch sachlich einiges Neue, besonders die zwei
Schlußrtrophen. Die Fürbitte des Baschi rechne ich nicht zu den
Vorzügen, da sie zu Wiederholungen führt; die im aargauischen Text
angegebenen Vermächtnisse Fridli's an seine einzelnen Knaben sind
offenbar schöner.
Lütolf hat mir noch einen zweiten Text des Liedes mitgetheilt,
der aber etwas verwildert ist und fast nichts enthält, was nicht in
^ Feierabend, heißt auch der Abend vor einem Feste.
HO ALLGEMEINE
den beiden andern sich fände; im Ganzen stimmt er mehr zu der
aargauischen Fassung; eigenthümHch ist ihm nur, daß Fridli bei der
Ausführung auf den Richtplatz sagt:
Und wenn ihr mich henken wend, henked mich gschwind,
I gseh dort cho mi Wib und Chind,
und daß er am Schluß noch die räthselhafte Prophezeiung ausfpricht :
Es wird nit go viel hundert Jahr,
bi Rüßbüel müeßt ihr mir sagen wahr.
Die aargauische Fassung beginnt :
« Mareili, liebs Mareili mi,
Gang hol mer no nes Mäßli Wi;
Möcht au no einist trinke,
Das Herz möcht mir versinke.»
Und wie das Mol am beste war.
Es chömed drei Stadtknecht dahar.
Fridli sagt auf die Frage, ob sie ihn binden sollen:
(' I darf no selber uf Luzere,
wol under d' Auge sto dene Herre » — —
Die Vermächtnisse des Vaters an die Söhne sind:
Was zog er für es Betli (Rosenkranz)
Us sineni Fazenetli? (Taschentuch.)
« Ach sä, min Ältester, Dursli, sä,
Ich will dir das zur Letzi gä. »
Was zog er aus dem Bumper? (Hosentasche.)
0 Wunder, e schöne Lumpe (Nastuch).
« Mi chline Lunzeli, nimm's und briegg (weinej
Und denk, wie's mir ergange sig» (sei).
{Lunzeli Koseform von Leontius. Zeile 2 vielleicht zu losen:
E v\-underschöne — )
Was zog er us sinem Hemli ?
Es schönes Hosebändli. (Strumpfband od. Hosenträger?)
« Du min AlIcrchhAste,'»blib chech und frisch.
Vergiß nit, wie's mir ergangen isch.
1 han ene (ihn) treit, iez trag ne du
und nestle dich gtge. d' Herre zue. »
Die Erscheinung des Engels ist ebenfalls ausführlicher:
Am Fritig stot en Engel do :
« Wie hast du chönnen ine cho ?
VOLKSLIEDER III
Die Türe sind jo bschlosse,
En isige Rigel fürgschosse » (vorgestoßen).
« O Fridli, i bin ekei böse,
I chume, di zu erlöse« — —
Die Schlußftrophen lauten:
Und als das Glöggli Nüni schlueg,
An einem Samstig i der Frueh,
ist er uf de Chneuene (Knieen) g'lege,
Sie füered en ab dur d' Stege.
Sie füered en us, es got nit wit,
Das Glöggli lütet die anderi Zit (das zweite Zeichen);
Der Meister Lorenz lüpft der Arm,
Sie schrouen alli, daß Gott erbarm.
:>•
Nr. 22.
1. 's spazieren drei Soldaten,
spazieren durch ein Wald;
der jüngst war ihnen entgangen,
er wurde aufgefangen,
gefangen aut den Tod.
2. «Wenn das mein A'ater und Mutter wüsst,
daß ich geflmgen war,
sie würden ein Brieflein schreiben
weit, weit von tausend Meilen,
weit über Land und Meer. »
«Gott grüß euch, strenger Herr Hauptmann,
erbarmt euch meiner Noth ! »
« Hier ist kein Gnad z' erwerben :
der Sohn und der muß sterben,
er wH'd beschossen todt. »
112 ALLGEMEINE
4. Die Mutter stirbt vor Ciiumber,
sie stirbt in kurzer Zeit.
Der Vater folgt bald dem Sohne ;
jetzt sind sie vor Gottes Throne
und haben ewig Freud.
Handschriftlich bei Stutz.
Nr. 23. Südeli^
s. Einl. S. GVL
1. Es hat ein König ein Töchterlein,
Mit Namen heißt es Annelein ;
Es saß an einem Rainelein,
Liest auf die kleinen Steinelein.
2. Es kam ein fremder Krämer in's Land,
Er wurf ihm dar ein seiden Band:
« letzt mußt du mit mir in fremde Land. »
3. Er trug's für ein Frau Würtene Haus,
Er gab's für einen Bankert^ aus.
«Frau Würtene, Hebe Frau Würtene mein,
Verdinget^ mir mein Kindelein. »
4. « O ja, o ja, das will ich wol,
Ich will ihm tun doch' also wol,
Gleich wie ein Mutter eim Kind tun soll. »
^ Dies Wort bezeichnet hier eine Person, die zu gemeiner Haus-
arbeit gebraucht wird; ungefähr was Aschenbrödel. Nikiaus Manuel
braucht Kuchisüdcl als Scheltwort = Sudelköchin. - uneheliches Kind.
^ in Dienst nehmen.
VOLKSLIEDER I I
5. Und wenn die Jarszeit ummen war
Und es zu seinen Jaren kam,
Es wollt ein Herr ausreiten
Und er wollt ausgan weihen.
6. Er ritt für ein Frau Würtene Haus.
Die schöne Maget treit ihm Wein herauf.
7. « Frau Würtene, liebe Frau Würtene mein,
Ist das (denn) euers Töchterlein
Oder ist es euers Sohnes Weib,
Daß es so wunderschön mag sein ? »
cS. «Es ist doch nicht mein Töchterlein,
Es ist doch nicht mein Sohnes Weib,
Es ist nummen^ mein armes Südeli,
Es reist^ meinen Gästlenen Stübeli. »
9. « Frau W^ürtene, liebe Frau W^ürtene mein.
Erlaubet mir ein Nacht oder drei.
So lane; daß euern Willen mas; sein. »
10. Er nahm schön Annelein bei der Hand,
Er führt sie in eine Schlaf kammer, was lang-^.
Er führt sie für eines Herrenbett,
Wenn es die Nacht bei ihm schlafen wötf^.
11. Der Herr zog aus sein guldiges Schwert,
Er leit es zwischen beide hert^:
« Das Schwert soll weder hauen noch schneiden.
Das Annelein soll ein Mä2:etli bleiben.
^ nur. - zurichten. ^ die lang war. ^ wollte, Conj. ^ hart, ganz
nalie. Uhland nahm das Wort für das alte Substantiv herte, Schulter.
8
1 14 ALLGEMEINE
12. Ach Annelein, kehr dich ummer^,
Nun klag mir deinen Kummer,
Klag mir nun alles was du weißt.
Was du in deinem Herzen treist.
13. Sag, wer ist deinen ^'ater?
Sag, wer ist deine Mutter ? »
14. Der Herr König ist mein Vater,
Frau Königin ist meine Mutter ;
Ich hab ein Bruder, heißt Manigfalt,
Gott weißt wol wo er umher fart. »
15. «Und ist dein Vater ein König
Und ist dein Mutter ein Königin,
Hast du ein Bruder, heißt Manigfalt,
So hab ich mein Schwesterlein an der Hand. »
16. Und wie es morndrigs- Tage wurd,
Frau Würtene für die Kammer trat:
« Stand auf, stand auf, du schlöde^ Hur,
Füll deinen Gästlinen Häfelein zu ! »
17. «O nein, schön Annelein ist kein Hur;
Füll deine Häfelein selber zu;
Mein Schwester Annelein muß 's nimmermehr tun ! »
18. Er saß wol auf sein hohes Pferd
Und er sein Schwesterlein hinder ihn nahm;
Er nahm schöns Anneleim beim Gürtelschloß,
Er sch\vun2:'s wol hinder ihn auf sein Roß.
^ umlier - herum, vgl. 14, 4. - am nächsten Morgen. ^ schlecht,
ofemein.
VOLKSLIEDER 11)
19. Und wie er durch den Hof ein ritt,
Sein Mutter ihm entgegen schritt :
« Bis mir Gottwillkommen, du Sohne mein,
Und auch diß zarte Fräuelein ! »
20. « Es ist doch niclit mein Fräuelein,
Es ist doch nummen euser liebstes Kind,
Wo \vir so lang verloren hei ^ ghan. »
21. Sie setzen schön Annelein oben a'n Tisch,
Sie geben ihm gesotten und gebratene Fisch ;
Sie stecken ihm an ein guldigen Ring:
« letzt bist du wieder mein Königskind ! ))
Parallelen zu der weitverbreiteten Sage gibt Uhland, Sehr. IV,
S. 128 ff. Str. 18 kommt auch in Nr. 24 und 25 vor; Str. 19 und 21
in Nr. 24.
Nr. 24.
1. « Anneli, stand uf! d' ßrutreiher- sind do,
sie woUed dem Anneli a's Hochsig cho. »
2. « I stön-e nüd uf und leg mi nüd a,
i hän und mag und will kein Ma. »
3. Und als das Anneli i d' Chuchi trat,
wünscht's siner Mueter ein guete Tag.
_;. «Ich wünsche-n-euch nun keine meh ;
kei Chind soll me zwinge zu der Eh. »
5. Und als das Anneli i d' Stuben ie^ trat,
wünscht's sinem \^iter en suete Tas-
^ haben. - Hochzeito-äste. ^ hinein.
Il6 ALLGEMEINE
6. «Ich wünsche-n-euch nun keine meh;
kei Chind soll me zwinge zu der Eh. y>
7. Si nehnd das AnneU bim Gürtelschloß
und schwinged's uf ein hohes Roß.
S. Und do es gege dem Hus zu ritt,
d' Frau Schwigeri under d' Hustür tritt.
9. «Willkumm, willkumm, du Brütelein!
du sollst min eigene Tochter sein ! »
IG. Si setzed das Anneli oben a'n Tisch
und gend em Braten und 'bache Fisch.
11. Si tuend dem Anneli 's Feisterli uf,
daß es no gsech sis Vaters Hus.
12. «Und wenn ich scho gseh mis Vaters Hus,
Mini guete Tage sind eineweg^ us. »
13. « Si sind no nüd us, si gönd erst iez a;
türwahr, du hast en brave Ma. »
14. Dem Anneli wird's bald sterbesweh,
die rote Bäggli sind wiß wie Schnee.
15. Der Brüter- stöt uf und nimt's in Arm,
und 's ist scho ehalt, daß 's Gott erbarm.
16. 's ist hüt e Brut und au e Lieh,
am dritte Tag im Himelrich.
17. De Brüter springt d' Stegen ut und ab
und springt em^ selber 's Leben ab.
18. «Mer hend gmeint, mer heied^ e Hochsigmöl,
iez müe mer esse e Totemöl.
^ dennoch. - Bräutigam. ^ ihm, sich. * haben, Conj.
VOLKSLIEDER I I 7
19, Mer hend gmcint, mer heied Bettstet und Chasten
im Hus,
iez füered mer morn zwo Liehe durus ! »
Obiges ist der Wortlaut des Liedes in der handschriftlichen
Sammlung von Stutz, während er in seinem Buche «Sieben Mal
sieben Jahre» S. 65 — 6c) eine ausführlichere Gestalt (28 Strophen)
und auch den Wortlaut der gemeinsamen Strophen etwas über-
arbeitet gibt. Die Vergleichung beider Formen ist lehrreich, wird
aber zu Gunsten der kürzeren und ohne Zweifel älteren, auch noch
reiner mundartlichen ausfchlagen. Die Zusatzstrophen zeigen einen
etwas sentimentalen und künstlichen Ton oder enthalten auch nur
mattere Ausführung. In Str. 3 und 4 vergleicht Anneli sein Braut-
kränzlein mit der Dornenkrone Christi; in Str. 15 und 16 sagt es
unterwegs beim Anblick eines Klosters : dort sollte sie des Heilands
Braut werden; in Str. 27 und 28 weint sich der Bräutigam todt.
Aus dem Kanton Luzern habe ich eine leider unvollständige
Gestalt des Liedes, welche in den zwei ersten Strophen mit dem
Stutzischen wesentlich übereinstimmt, dann auch mit Str. .10 und 11,
dazwischen aber folgende eigenthümliche hat:
3. Si setzid das Anneli uf ene Stock
und leggid em a de Hochsigrock.
.\. Si setzid das Anneli uf ene Stuel
und leggid em a sini Hochsigschueh.
5. Si musizierid dem Anneli i d' Chilen ie;
e jedere seid : die Brut tued wie —
6. Si musiziered dem Anneli z' Opfer z' gö:
's hed, glaub, de Rappe daheime g'lö.
7. Si musizierid dem Anneli zur Chilen us;
es seid : mini guete Tage sind us.
8 = IG unsers Textes, nur mit der Abweichung:
— — 'brotni und 'bachnigi Fisch.
9. Si bringed dem Anneli zweierlei \\'i ;
das Anneli mag nid lustig si.
Das ivic Str. 5, 2 kann wol nicht so im Reime stehn; der Sinn ist
natürlich: sie geberdet sich unsinnig. Vgl. übrigens das Hochzeit-
lied: «Man geiget der Braut zur Kirchenthür ein», unten Nr. 58.
1 1 8 ALLGEMEINE
Nr. 25. Vom Schötzerschmied- Anneli.
1. Es tuot das Anneli früo ufsto,
es wott im Chuole^ grasen go;
es graset dem Chälbli wie der Chuo,
es luegt ihm ein stolzer Rüter zuo.
2. « Ach AnneH, laß das Grase lo si
und chum mit dem schöne Rüter e chli ;
ich wett dir gä vil hundert Pfund,
wenn d' mit mir chämist ei halbi Stund. »
3 . «Ei halbi Stund war mir nüt z' lang,
ich möcht bi dir si min Leben lang. »
4. Er nahm das Anneli bim Gürtelschloß
und schwuns's hinderen uf's höhere Roß^.
)•
Er fier^ mit dem Anneli dur d' Studen und d' Stei:
« O heia o he, mine wiße Bei ! »
« Dinen wißen Beinen denen schone-n-ich nüd,
ein rechter stolz Rüter das bin ich nid. «
6. Er fier mit dem Anneli dur d' Studen und d' Stock
« O heia o he, mine sidigen Rock ! »
«Dinen sidigen Röcken schone-n-ich nüd,
ein rechter stolz Rüter das bin ich nid. »
7. Er fier mit dem Anneli vor's höllische Tor,
do stienden drei Gottb'hüetis-* davor.
^ in der Morgenkühle. ^ auf das Kreuz des Pferdes, hinderen
wol für hinder in, ihn, sich. ^ für füer, führe, fuhr. * Teufel.
VOLKSLIEDER II9
8. Der erst heißt 's Anneli gottwillchem ^ si,
der ander stoßt's dur d' Türe-n-i,
der dritt macht ihm ein Chessi- voll Glüöt
und stellt em si under sine Hand und Füöß.
9. Si gäben dem Anneli Schwebel und Pech:
« O heia o he, es ist nit das recht ! »
10. Si setzen das Anneli uf en glüöhigen Stuol,
si zogen ihm ab si schneewiße Hut
und miechen^ ein grauen Schümel darus.
11. Es gieng nit mehr als dritthalbe Stund,
bis das Anneli wider ut d' Schötzerschmittebrugg chund.
12. «Ach Schmidli, Heber Schmidli mi,
spitz mer du drei Nägel und schlag mer s' i ! »
13. Der erst Nagel, daß-^ der Schmiedknecht schUeg,
der graue Schümel vor ume^ luegt.
14. Der ander Nagel, daß der Schmied selber schlieg,
der Schümel vor ume luegt und rief:
« Ach Vater, höred, es ist iez gnuog,
ihr b'schlönd*^ euers eigene Fleisch und Bluet!»
15. «So bist du mis Töchterli Anneh?
Weiß Gott, wie 's dir mag ergange si !
Iez han i g'schmiedet und nümme meh;
i rüere de Hammer i'n ijrüene Chlee. »
^ willkommen. - Kessel. " machten. * beim ersten Xagel, den
vorn herum. '^ beschlast.
120 ALLGEMEINE
i6. «Ach Vater, lieber Vater mei,
saget's dihr^ doch dene Brüedere zwei,
si solle der Pfaffe müeßig gö^,
si solle nit tuo wie i ha tö.
17. Witer, saget's dihr der Muoter,
si soll nit sparen die Ruoten;
Muoter, saget's dir dene Schwestere drei,
si sollen nid treibe Buolerei ! »
Vor Str. 9 hat das Original die zwei Zeilen:
Das Anneli heischt zu trinken,
sein Herz müsse ihm versinken.
Obwol etwas dieser Art dort fehlen mag, habe ich dieselben weg-
gelassen, weil sie das Versmaß stören und auch in dem Lied vom
Buecher Fridli vorkommen. Str. 16, 3 steht im Original: «si sollen
die Pfaften nit müeßig go«, ^vas offenbar keinen Sinn gibt und
entweder durch ein lö (lassen) ergänzt werden müsste oder auf der
alten, nicht mehr verstandenen Redensart beruht: einer Person oder
Sache müßig gehn = sich enthalten. Vor 16, 4 hat das Original
noch die Zeile « Si sollen die Hand nid ung'wäsche lo» und nach-
her «Sonst sind si verloren in Ewigkeit», ebenso nach 17,4.
Der obige Text ist sonst wesentlich der von Lütolf, «Sagen«
S. 70 gegebene, mit Benutzung einiger, nachträglich von ihm mir
mitgetheilter Varianten. Dahin gehört Str. 2, aufweiche folgt:
Das Anneli sprung dur d' Stegen uf
und bund si i Siden und Sammet uf,
was zur Ergänzung von Str. 3 und zur Erklärung der seidenen Röcke
Str. 6 passend wäre. Nach 6, 4 hat die Variante noch « Und rite
dur recht! Stroße nid » und dann die Worte Anneli's :
O heia, iez han i vergesse
d' Schlüssel über 's Heene Chäste (des geisthchen Herrn),
welche später nochmals erscheinen und eine deutliche Beziehung
auf die Pfaffenkellerin (s. nachher) verrathen.
Lütolf hat darauf verzichtet, Strophen herzustellen, in die doch
der srrößere Theil des Textes sich fügen lässt.
^ Nebenform von ihr.
VOLKSLIEDER 121
Im Anfang erinnert das Lied an mehrere bekannte, geht dann
aber in eigene Bahn über, für die ich keine Parallele finden konnte.
Die Lokalsage, auf der es in seinem Hauptinhalt beruht, berichtet
Lütolf a. a. O. S. 468, vgl. auch S. 75 — 76. Schote ist Name eines
alten Dorfes im Wiggerthal des Kantons Luzern; in der Xälie be-
findet sich eine dem h. Eligius, Patron der Hufschmiede, geweihte
Kapelle, deren Unterhaltung dem Schützer Schmied obliegt. Die
Sage von der entführten Tochter desfelben berührt sich mit der von
der PfafTenkellerin, über welche Lütolf S. 35 — 36 handelt. Zu den
dort und S. 76. 336 beigebrachten Citaten ähnlicher Sagen nehme
man noch Bartsch, Germania XVIII, 180. Von der Eligius-Legende,
in welcher nicht nur ein durch eine Hexe gelähmtes und durch den
Heiligen geheiltes Pferd, sondern auch eine selbst in ein Plerd ver-
wandelte Hexe vorkommt, handelt das Xeujahrstück 1874 der Stadt-
bibliothek Zürich. Im vorliegenden Fall könnte man einfach an die
bildliche Redensart denken: ein Hufeisen verloren haben = die weib-
liche Ehre eingebüßt haben ; aber die Sage von der Pfaftenkellerin
ist nur eine Variante der Vorstellung des wilden Jägers, der ein
weibliches Wesen (die Windsbraut u. s. w., urspr. seine eigene Gattin)
verfolgt, und in Rossgestalt verfolgt werden auch schon Demeter
und die indische Saranyu. Kuhn, Zeischr. I, 439 fi".
Nr. 26.
1. Der Schwanewirt sprung zum Thor hinaus,
Er Sprung dem Goldschmied in seis Haus :
« Ach Goldschmied, lieber Goldschmied mein.
Mach 's Uhrmachers Mägdlein ein Ringelein;
Mach er^ es frei hübsch und mach er es frei fein:
's Uhrmachers Mägdli mueß im^ Schwanewittli sein. »
2. Der Schwanewirt sprung zum Thor hinaus.
Und sprung dem Schuemacher in seis Haus :
ilir. - dem, ebenso 2, 6.
122 ALLGEMEINE
« Ach Schuemacher, lieber Schuemacher mi,
Mach 's Uhrmachers Mägdli Pantöffeli ;
Mach em s' frei hübsch und mach em s' frei fein:
's Uhrmachers Mägdli mueß im Schwanewittli sein. »
3. Der Schwanewirt sprung zum Thor hinaus
Und Sprung dem Apitheker in seis Haus:
«Apitheker, lieber Apitheker mi,
Mach mir für ein Krüzer Gift dari.»
« O nei, o nei, das chan nit sei,
Du vergäbest^ deiner Liebste, der Anne Katherei. »
4. Der Goldschmied sprung zum Thor hinaus
Und sprung dem Schriner in seis Haus:
« Ach Schriner, lieber Schriner mi.
Mach du mir iez eis Bäumeli;
Mach mer's frei hübsch und mach mer's frei fein,
's Uhrmachers MägdU mueß begraben sein.»
Mitgetheilt von Rochholz aus dem aargauischen Freiamt, wo
das Lied nach einer wahren Geschichte, welche sich vor einigen
Jahrzehnten in Rapperswyl zutrug, verfasst worden sein soll. Der
Schwanenwirth (Wittwer, Schweiz. Wittling, verkürzt IVittli) fand,
was im Lied nicht erzählt wird, in seiner Bewerbung um die Uhr-
macherstochter einen bevorzugten Rivalen, so daß ihn die Eifersucht
dazu trieb, der Geliebten bei einer Mahlzeit, zu der er sie einlud,
Gift zu geben, worauf er sich ertränkte.
Nr. 27.
I. Es ritt ein Reuter den Berg hinauf, Ade!
Sein Schätzli schaut zum Fenster hinaus.
Ade, Ade, Ade !
.'ergeben, mit Dativ: vergiften.
VOLKSLIEDER I25
2. « Ach Schätzen, laß dein Schauen sein,
Ich kann nicht allzeit bei dir sein.«
3. Kannst du nicht allzeit bei mir sein.
So beut mir dein kleines Fingerlein!
4. Nicht nur dein kleines Fingerlein:
Dazu dein artigs Händelein.
5. Nicht nur dein artig Händelein:
Dazu dein rothes Mündelein.
6. Und Mündclein beuten und das thut weh,
Wir beide scheiden nimmermehr.
7. Und der uns scheidet das ist der Tod,
Er scheid't so manches Mündlein roth.
8. Er scheid't so manches Kind aus der Wiegen —
Ach Schätzen, darf ich bei dir liegen?
9. Er scheid't so manchen Mann vom Weib,
Die Jahr und Tag beisammen sind.
Ade, Ade, Ade!
Aus der handschriftlichen Sammlung von M. Usteri. Parallelen
s. Birlinger, Alemannia VIII, 56.
Nr. 28. Mann und Frau.
I. De Ma hed große Hunger gha ;
Do briegget de Ma;
Do seid die Frau : « Bis wolgimuet.
Du mucst am Tischli ha bis gnueg,
Du liebe, liebe Ma ! »
124 ALLGEMEINE
2. Und wo-n-er am Tischli g'sessen ist,
gleichlautend wie in Str. i.
3 f ^
Du muest ja Süppli ha bis gnueg,
5 wie in in Str. i.
3. Und wo-n-er 's Süppli g'esse hed,
2. 3. 5 wie in Str. 2.
4. Du müest ja Stückli ha bis gnueg.
4. Und wo-n-er d' Stückli g'esse hed,
4. Du muest ja W^ürstli ha bis gnueg.
5. Und wo-n-er d' Würstli g'esse hed,
4. Du muest ja Bettli ha bis gnueg.
6. Und wo-n-er im Bettli g'legen ist,
4. Du muest ja Decki ha bis gnueg.
7. Z'letst wo-n-er recht etschlafen ist.
So schwiget de Ma.
lez seid die Frau ganz wolgimuet:
« Bim Nachher trink i iez bis gnueg ;
Schlaf wol, du alte Narr ! »
Nr. 2g. Schwigermueter und Schwigertochter.
Es hatten zwei Weiber mit enandere Streit,
Die alte Schwigermueter und ihres Sohnsweib.
I. «Wo willst du Kaffee nehme?«
Sprach die alti Schwigeri.
«Us em Nachthafe chanst du Kaffee habe».
Sprach die junge Schwigeri.
VOLKSLIEDER I25
2. «Wo Witt du Brod nehme?»
Sprach die alti Schwigeri.
« Bi de Becke chauft me Wegge »,
Sprach die Jungi wider.
3. «Wo willst du Fleisch nehme?»
Sprach die alti Schwigeri.
« Sperrt man dich hinein, hat man schon es Schwein »,
Sprach die Jungi wider.
4. « Wo willst du ne Wiege nehme ? »
Sprach die alti Schwigeri.
« Und e hohle Ziegel de git au ne Wiege »,
Sprach die Jungi wider.
5. «Wo willst du ne Löffel nehme?»
Sprach die alti Schwigeri.
« Und du hast e Buch, der ist Löffels gnueg »,
Sprach die Jungi wider.
6. «Lieber wett i mi lo henke as bi dir no blibe »,
Sprach die alti Schwigeri.
« Sä, do hast e Strick, henk di wo de witt ! »
Sprach die Jungi wider.
Aus dem Aargau, mitgetheih von Rochholz. — Vgl. Mittler
Nr. 920. 921.
Nr. 30. Der grossi Gstaat vo WauweU.
I. Es gönd drei Bueben uf Dammerselle,
Do hend si jo nes Meitschi welle —
Der sroßi Gstaat vo Wauwel !
^ Wauw\-1, ein kleines Dorf" in der Nähe von Sursee und Dagmer-
sellen, Kt. Luzcrn. Gstaat = Staat, hier im Sinne von Aufwand.
126 ALLGEMEINE
2. Si chere do bim Leuen i,
's hend ire drei es Schöppli Wi.
Der großi u. s. w.
3. Si möchte gern clili lustig si
Und stellen au e Giger i.
4. Si tanze drümol um und um
Und säge: Mier ^vend bete drum.
5. Druf chere si bim Rößli i
Und setze 's Meitschis Tschopen^ i.
(). lez isch es dann gli Sursimärt;
Do fahre si mit dem Geißli z'Märt.
7. Si löse do feuf Guldi drus
Und löse 's Meitschis Tschopen us.
8, lez händ si no drei Batze für-
Und säge: Gänd is Brod derfür.
Der orroßi Gstaat vo Wauwel!
Nr. 31. Chappeler Lied.
1. Was hei^ die Chnabe vo Chappcl gmacht?
Si hei all zsäme gschwore,
Hei gschwore, si wellen i Frankrich go,
Welle Vater u Mueter deheime lo,
I Frankrich welle si zieche.
2. Si zieh wol ufe go Neuedorf;
Dort oröi* si no einisch z' Chilche
' Jacke. ^ übrig. ^ haben. * gelien.
VOLKSLIEDER
Und rüefe Gott den Allmächtigen a,
Der ihnen am Beste helfe cha,
Daß 's ihne wohl ergöji.
3. Do zieh si ufe bis Wiedlisbach
Zum Rappe, zum schöne ^'ogel.
«Du, Rappewirt, wottst is gfällig si,
So hol is vo dim beste Wi,
Mir wei^ ne guet bizahle. »
4. De Rappewirt het e hurtigi Frau,
Si göt go Chüechli bache.
Do denkt e Jede-n-i sim Muet:
Wei Chüechli essen und die si guet.
Und wei-n-is lustig mache.
5. Und wie si g'esse-n-und trunkc hei,
Do göi si unger d' Feister-,
Si luegen ängstli hin und her,
Hei g'meint, si sigen am grüene Meer,
Do si si alle erschrecke.
6. Der jüngst, wo-n-unger ihnen isch.
De rüeft dem Wirt uf d' Site :
«Du, Rappewirt, iez los e chU,
Was möcht wol eusi Ürti^' si }
Mir wei si gli bizahle.»
7. Die Chnabe hei iez heimlige Rot,
Wie si's iez welle maclie.
«Wei hei, wei hei, wei abe-n-i's Gäu-^,
Es fröut die ganzi Chappelergmei,
Derzue die schöne Iun2;fraue. »
127
1 wollen. 2 uiucr die Fenster. ^ Zeche. * Gau, Landschaft.
128 ALLGEMEINE
8. Und wie si chöme go Chappel i's Dorf,
Tue si französisch singe,
Hei alli Hose französisch rot;
En jede zue sim Schätzeli göt,
Si tue si nümmeme b'chönne^.
9. Si zieli go Wangen i's Undervogts Hus,
Französisch tue si rede.
Der Undervogt zieht de Säbel iis
Und jagt die Welsclien us em Hus:
« Das si mer verwegeni Gseile ! »
IG. Wer het is acht das Liedli gmacht?
Wer liet's vo Neuem gsunge?
Das het is gmacht ei ewigi Brut,
Wohnt z' Bonigen i's HübeUwebers Hus,
Si \vär gern z' Cliappel ine.
Kt. Solothurn. B. W\-ß, Schule und Leben S. 119 — 120.
Nr. 32. Die Lungern -Mess.
1. Bueben, mer wend wollforte go,
Bidi bidi be eleison!
Zu Sant Iklaus dem W\mdermo,
Bidi etc.
Hälfe chon er, das \väiß me von eh^,
Bidi bidi be. :,:
Gelobt sei der Stoffel und d' Salome!
2. Sant Iklaus, du Wundermo, bidi etc.
Lueg, was mer händ davorne dro, bidi etc.
Chropfigi sin mer, das wäiß me von eh, bidi etc.
Gelobt etc.
^ erkennen. - ch, eher, früher; hier wol für je.
VOLKSLIEDER I29
3. Gib is Schof und gib is Rinder,
Aber nüd so gar vil Chinder;
Mer händ ere^ scho z' vil, das wäiß me von eh etc.
4. Gib is au en fruchtbors Johr,
Daß nüt der Hogel i d' Holme fohr;
Dürftigi sin mer etc.
5. Un gib is zlezt es säligs End,
Daß käines sis Hoor i der Hell verbränn;
Der Tüfel isch e Schelm etc.
6. Un Buebe, iez isch d' Wolfort us,
Drum ghei^ iez e jedere i d's Wirthshus
Un trink uf d' Gsundheit vo Sant Iklaus von eh etc.
Mitgetheilt von Prof. S. Studer in Bern an H. v. d. Hagen (1805),
von J. M. Wagner in Wien an Dr. Boschtold. Ich habe die Schreibung
beibehalten, obwol die o-Färbung etwas zu starlv aufgetragen ist. —
Vgl. das bekannte Lied: «Die Pinsgauer wollten wallfahrten gehn.«
Simrock Nr. 341.
B. Lyrisches.
Nr. 33.
1. Ein Liedlein will ich heben an.
Wie es in dieser Welt thut gähn;
Wie es thut gähn, das weiß ich wohl,
Weiß aber nicht, wie ich mich halten soll.
2. Meis scho^ Lieb hat mich jetzt aufgan.
Das thut mir in meim Herzen weh ;
^ ihrer. - falle, stürze. ^ für scbö(n); eine sonst unerhörte Form
des Adjectivs. Vgl. 9, 2 und Xr. 47, Str. 4, 3.
9
130 ALLGEMEINE
Wenn ich's nur gse bei eim andern stehn,
So thut es mir in meim Herzen weh.
3. Meis scho Lieb hat mi jetzt verlan,
Drum due ich nit mehr zu ihm gan,
Es het mi aufgän, das weiß ich wol,
Ein anders Biele^ find ich schon.
4. Ich denlcen Tag und Nacht daran,
Wie heb und werth es mich het ghan;
Wie es sich doch veränderen kann,
Daß es mich ietzund will verlan.
5. Ich denken jetzt (gar) vi! und dick,
Wie manchmal ich mit ihm hab g'schwätzt;
Ich bin bei ihm »'standen und 2:'sessen vil.
Ich hat gemeint, es ließ mich nit.
6. Ich hat gemeint, wenn schon die Welt
Ein Bogen war von Pergament
Und alle Menschen schriben genug könnten,
Sie schrieben nit- der Lieb ein End.
7. Wann alle Wälder wären mein
Und Berg und Thal voll Edelstein
Und ich darüber ein Herr solt sein,
Müßt mir meins Schätzele lieber sein.
8. Meis Büle Glück ist kugelrund,
Es ist vergangen in einer Stund ;
Doch weiß'^ ich nit was ich ha than.
Daß es mich ietzund will verlan.
^ für Btieli, Buhle; vgl. 8, r. 14, i. 15, i. - Das Original hat:
mit schreiben mit. ^ Oriijinal : weißt.
VOLKSLIEDER I3I
9. Doch weiß ich wer dmn schuldig ist,
Daß mich meis schön Lieb jetzt aufgit:
Es sind dran schuldig die Eiteren sein ;
Drum darf es nimmeme bei mir sein.
10. Es ist jetzt kommen ein Jüngling rieh,
Er het mehr zitliches Gut weder ich ;
Darbei kann man gsen, daß zeitliches Gut
Die menschliche Liebe scheiden thut.
11. Es ist zwar schuldig ein jedes Kind
Den Eltern zu folgen um jedes Ding;
Doch gibt die zwungene Liebe kein Ereud,
Daraus entspringet groß Herzenleid.
12. Der Arme wird jetzt unterdruckt,
Daß man ihm jedes Wort autrupft.
Wann schon der Arme thut weiser sein
Weder^ einer, der da reich thut sein. —
14. Meis Büle ist so voll der Tück :
Es het mich menges Mal zu ihm drückt,
Ich hab's probiert und küsst allein,
Wie Gold im Für muß g'lüteret sein.
15. Es ist kein Büle mehr so gut,
Es traget ein Tuck im Herzen,
Wann es schon ist wie Milch und Blut
Und wie ein schönes Blüemele gut.
16. Jungfräuli hin, Jungfräuli her.
Du mußt mich gar nicht haben,
(Und) wenn du schon Gold-glänzend wärst.
Such nur ein anderen Knaben.
132 ALLGEMEINE
17. Es geht jetzund zu dieser Stund,
Sie helfen liegen mit dem Mund,
Sie reden vorwärts listiglich
Und hinderwärts vergiftiglich.
18. Ihr Zungen ist ein scharfe Schnid,
Wormit man 's grüne Gras abschneidt;
Man schneidet's ab, es verdorret wol :
Drum wird's denen Meitschenen auch so gan.
19. Der uns diß Liedli hat gemacht,
Es hat's gethan ein junger Knab;
Es hat's gethan ein junges Blut,
Der weneli^ gwinnt und vil verthut.
Das erste von «Drei schöne weltliche Lieder», Stadtbibliothek
Zürich XVIII, 1792, i. — Str. 13 habe ich weggelassen, weil sie nur
matte Wiederholung enthält.
Nr. 34.
1. Helle Sonnen, helle Strahlen,
Helle Sternen, helles Licht!
Wer kann schwarz und dunkel malen
Ein so schönes Angesicht?
Helft mein Unglück stets bedauren.
Fangt mit mir jetzt an zu trauren;
Denn heut ist der Abscheidstag ;
O du bittrer Scheidensfchlag !
2. Bitter ist der kühle Morgen,
Finster ist die Abendzeit;
Denn der Tag bringt viele Sorgen
Und benimmt die Lustbarkeit.
VOLKSLIEDER I33
Sonn und Mond thun sich verlieren,
Weil ich von ihr nichts kann spüren
Bei der dunklen Finsternuß,
Da mein Herz jetzt trauren muß.
3. Traure, Himmel, traure, Erden,
Schau auf mein'n betrübten Stand,
Weil nun soll getrennet werden
Ein so schönes Liebesband.
Große Schmerzen mich umfallen.
Weil die Schönste unter allen
Ich an dir verlassen muß :
O du bittrer Scheidensfchluß !
4. Nun zuletzt, du liebe Seele,
Reiche mir den Abscheidskuß.
Alle Stunden werd ich zählen,
Weil ich von dir scheiden muß.
Tausend Seufzer werd ich schicken.
Weil ich dich nicht kann erblicken ;
Unterdessen liebe micli.
Schönster Engel, wie ich dich !
Mitgetheilt (mit Melodie) aus Schieitheim, Kt. Schaffhausen, von
J.Meyer, in der Zeitschrift «Die Schweiz« 1859, S. 95. Das Lied
trägt offenbar in Sprache und Inhalt einen etwas andern Charakter
als die meisten übrigen, und ist nur aufgenommen, um auch diese
Tonart einmal hören zu lassen.
Nr. 35,
Straßburg, Straßburg muß ich lassen
Ei du wunderschöne Stadt !
Kaum vermag ich mich zu fassen,
Kaum werd ich der Thränen satt.
1 34 ALLGEMEINE
2. Denn darinnen thät ich lieben
Einen Schatz gar wunderschön;
Bin ihr immer treu gebUeben,
Und sie konnte von mir gehn !
3. Schatz, wie kannst so sehr mich kränken.
Brechen unsern Liebesbund !
Immer muß ich an dich denken,
Tausend Mal in einer Stund —
4. Wie wir sind beisammen g'sessen
Manche liebe lange Nacht,
Hand den süßen Schlaf vergessen
Und mit Lieben zugebracht.
5. Komm, ach komm, du Schlafes Bruder,
Komm mit deiner schnellen Fährt,
Komm mit deinem schnellen Ruder,
Führ mich ab zur kühlen Erd!
6. Rosmarin will ich dir schenken,
Lorbeerblätter auch dazu :
Nimm sie hin zum Angedenken,
Weil ich geh zur ewgen Ruh.
Stutz, Sieben Mal sieben Jahre S. 359.
Nr. 36.
«Ach Schatz, warum so traurig.
Und redst keis Wort mit mir?
I gseh der's a den Augen a,
Daß du geweinet hast. »
VOLKSLIEDER 135
2. «Warum sollt ich denn nicht weinen
Und auch nicht traurig sein?
Denn unter meinem Herzen
Trag ich ein kleines Kind. »
3. «Wege dem sollst du nicht weinen
Und auch nicht traurig sein;
Ich will es ja ernähren
Und auch sein Vater sein. »
4. «Was hilft mir das Ernähren,
Wenn ich kein Ehr mehr hab?
Ich wett ich war gestorben
Und lag im küelen Grab. »
Münchaltdorf, Kt. Zürich. Parallelen: Birlingcr, Alem. VIII, 58.
Nr. 37.
1 . Schönster Obedstern !
Ei, wie gse-n-ich dich so gern !
\\'enn ich dich vo Witem gse,
Denkt mein Herz, du seist bi mir.
Schönste, weine nicht, ich bin verliebt^ mit dii
2. Schönste Tulipan !
Dini Schönheit lacht mich an.
's ist kci schönri uf der Welt,
Die mim Herze besser g'fällt.
Schönste u. s. w.
^ hier: in Liebe verbunden.
136 ALLGEMEINE
3. Schönstes Röseli rot!
Will dich liebe bis i'n Tod.
Will dich liebe us Harzes Grund,
Will dich liebe Tag und Stund.
Schönste u. s. av.
4. Schönstes Röseli mein !
Chönt ich ellei chlei^ bei dir sein
Du bist mein und ich bin dein,
Keines andern Heber sein.
Schönste u. s. w.
Handschriftlich bei Stutz.
Nr. 38.
1. Meine Mutter hat gesagt, ich soll e Reiche nemen,
Die da hat viel Silber und viel Gold;
Aber lieber \vill ich mich in die Armut begeben
Als ich dich, mein Schatz, verlassen soll.
Drum ade, mein Schatz, leb wol!
2. Großer Reichthum bringt uns keine Ehr,
Große Armut keine Schand.
Gäll-, du bist mein Schatz und du bleibst mein Schatz
Bis in das kühle Grab.
Drum ade, mein Schatz, leb wol!
3. Wenn wir in das ewige Leben eingehn.
Wünsch ich dir vil tausend gute Kacht.
Gute Nacht, mein Schatz, leb wol!
Kt. Luzern. — Eigentlich sind die obigen Strophen, deren letzte
zudem unvollständig ist, nur ein Theil des Liedes «Was hab ich dir
^ allein ein wenig. - = gelt, im Sinne von : nicht wahr *
VOLKSLIEDER I37
denn Leides gethan?» Mittler Nr. 909; doch fehlen dort gerade
Str. I und 2. Eine Variante aus Schaffhausen hat «Mein Vater»
statt « Meine Mutter », Str. 2 nicht.
Nr. 3g. Untreue.
1. Und daß der Wald so finster ist,
Das machet das Holz;
Und daß der Schatz ein andre liebt,
Das machet der Stolz.
2. Und daß der Wald so finster ist.
Das machet das Laub ;
Und daß der Schatz ein andre liebt.
Das hätt i nie 'L!;laubt.
3. Und daß der Wald so finster ist,
Das machen die Äst;
Und daß der Schatz ein andre liebt.
Das fi'eut mi no z' best.
Aus dem Prättisjau, Kt. Graubünden.
Nr. 40.
O Herz, Voll Schmerz Und langer ZitM
0 Lieb, Mis Lieb, Du bist gar wit.
1 chlag Und mag Gar nümme si^;
Chumm, Tod, Nit z' spöt, Nei, hol mi gH^.
Nimm mi Und si. Nimm alli beid!
I gö Nur so Li d' Ewigkeit.
B. Wyß, Sch\vi/;erdütsch S. 158.
^ lange Zit, hier, wie oft, nicht = Langeweile, sondern = Sehn-
sucht. ^ nicht mehr leben. ^ gleich, bald.
138 ALLGEMEINE
Nr. 41.
1. Mis Büöli geid über Sapüner^ Stäg —
I wünsch eme Wasser in d' Schuo ;
D' Lüt sägen, es welli Hochzit han —
I wünsch eme Glück darzuo.
2. D' Lüt sägen, i hei sehe-, und han sehe nit
Und i wett nit, daß i sehe hätti;
Schi hed es GüetH und i han keis;
Das müeßt i g'hören mi Läbtig^!
3. Und wenn i's mi Lebtig g'hören müeßt.
So täti mier 's Leben erleiden.
So wett i, es chämi der bittere Tod
Und täti ünsch'^ bedi scheiden.
4. Und wenn wier denn geschieden sind,
So leit ma mich in d' Erden,
So wünsch i dier, was dis Harz begärt:
A Kichere soll dier werden.
5. Und wenn d' denn e Kichere überchunst.
Dem Chrüz würst nit entrinnen.
Und wenn d' es Zitli lang g'huset hast.
So würst es wärden inne.
6. Ja, inne wärden würst es schon,
All Stund und au all Tag;
I muos sehen ^ so viel entgelten.
Und desch'' i so wenig vermas;'^.
4
^ Sapün heißt ein zur Gemeinde Langwies im Schanfigger Thal
des Kt. Graubünden gehörendes Thal. - unbetontes sie. ^ Lebtag,
Leben lang. ■* uns. ^ unbetontes sin, Genitiv von es, sein, dessen.
* dessen, woran. '' Schuld bin. und, doch.
VOLKSLIEDER I39
7. Und müössen sin^ tuots au nit grad,
Es muos ja gar nit sin ;
Der ledig Stand ist gar so scliön
Bim trüsche chüöle Win.
8. Min Schatz het schnewilM Füösclii
Und au schnewißi Bein;
Es nimt mi nid oder- es müößi,
No iezen seit's albig^: Nei, neu
V. Bühler, Davos in seinem Walserdialekt II, 146 — 147. Str. 8
scheint nicht zu diesem Lied zu gehören.
Nr. 42.
« Acli Mueter, liebe Mueter,
Gänd mir ein guten Rot,
Es lauft mir alle Morgen
Ein roter Schweizer noh. »
« Ach Tochter, liebe Tochter,
Den Rot den geh ich dir:
Laß du die Röten laufen,
Bleib noch eins Jahr bei mir.»
« Ach Mueter, liebe Mueter,
De Rot der ist nit guet :
Die Rote sind mir lieber
Als ihr und euers Guet. »
« Sind dir die Roten lieber
Als ich und Hab und Guet,
So pack dein Kleid zusammen
Und laut den Röten zue. »
' sein müssen. " es sei denn daß.
140 ALLGEMEINE
5. «Ach Mueter, liebe Mueter,
Der Kleider hab ich nit vil:
Gänd ihr mir tosend Taler,
Chan i chaufe was ich \\-ilL»
6. « Ach Tochter, Hebe Tochter,
Der Taler hab ich nicht vil,
Dein Vater hat s' verraußet^
Mit Würfel- und Chartespiel. »
7. «Und hat's mein A^iter verraußet
Mit Würfel- und Chartespiel,
So erbarm es Gott den Herren,
Daß ich ein Mägdlein bin.
8. War ich ein Knab geboren.
Wie ich ein Mägdlem bin.
Wollt leren Trummen schlahen
Dem Kaiser um sein Geld. »
Gunzwyl, Kt. Luzern. — Nach Str. 8, welche vielleicht schon
nicht mehr hieher gehört, folgt im Original noch die folgende:
Beim Kaiser ist gut dienen,
Beim Kaiser ist gut si,
Er zahlt uns alle Monet
Bei Heller und Pfennio: us.
Nr. 43.
1. I han es HämpfeH Haber g'streut,
Do chund de Wind und het's vertreit-.
2. Dert oben uf dem Bergeli,
Dert stad en artigs Hüseli.
^ verraußen, im wildem Leben durchbringen. - fortgetragen.
VOLKSLIEDER I4I
3. Und i dem artige Hüseli,
Dort wont mis herzig Schätzeli.
4. Min Vater balget^ mi alli Tag,
Daß icli es artigs Schätzeli ha.
5. Ach Vater, laß das Balge si.
Es hilft kei 2;0ttio;s Bitzeli^.
6. Am Sundie; wem-mer zum Pfarrer e;a:
Er seid, i hei en rechte Ma;
7. Er sei nüd z' chli und sei nüd z' groß,
Er schick si ordeli uf mi Schoß.
Stallikon, Kt. Zürich. — Eine sonst weniger gute Form des
Liedes, aus Zeinigen, Kt. Aargau, gibt als Str. 2 :
Er hät's verstreut ufs Wiseli
Vor einem nette Hüseli,
worin ein richtiges Mittelglied enthalten scheint.
Str. 5. I han e Schatz und der ist mi.
Er hat gseit, und ich seig (sei) si.
6. Und wo er ist zum Pfarrer cho,
Seit da, er heb e rechti gno.
Die zürcherische Form gibt noch 2 Zusatzstrophen.
Nr. 44.
« Anneli, wo bist gester gsi ? »
Hinder em Hus im Gärtli.
« Säg, was hast im Gärtli to ? »
Rösli pflückt und Majerö^,
Hinder em Hus im Gärtli.
^ schilt. ^ nicht das Geringste. ^ Majoran.
142 ALLGEMEINE
2. « Anneli, wer ist bi d'r gsi
Hinder em Hus im Giirtli?»
Denk, min Schatz, min liebe Schatz;
O wie gern gib ich ihm Platz
Hinder em Hus im Giirtli !
3. «Anneli, säg, was händ er g'redt
Hinder em Hus im Gärtli ? »
Gang und frög du d' Röseli,
d' Ilge^-n-und de Rosmeri
Hinder em Hus im Gärtli.
4. «AnneH, sind-er- alli Tag
Hinder em Hus im Gärtli ? »
Ach, min Schatz chunt nümmeme,
Wird en schwerlich wider gse
Hinder em Hus im Gärtli.
Stutz, Gemälde III, 17 — 18; offenbar von ihm selbst gemacht (auch
noch mit einer fünften Strophe), aber auf Grundlage eines kürzern
Volksreims, der in verschiedenen Fassungen cursirt. Vgl. Rochholz,
Alem. Kinderl. Nr. 518. Ünoth S. 55. Es gibt noch andere Varianten.
Nr. 45.
« Guggu, wo bist über Winter gsi ? »
Uf einem hohen Tändeli^.
« Guggu, schau von dem Tändeli 'rab.
Wie ich ein schönes Schätzli hab.»
Handschriftlich bei Stutz, der sich der übrigen Strophen nicht
mehr entsann. Dagegen gibt er noch ein anderes Gugguliedchen
mit derselben Frasre und Antwort im Anfang, worauf dann aber folgt:
^ Lilien. - seid ihr. ^ Tännchen.
VOLKSLIEDER I43
Guggu, nimm du kei altes Weib,
Und wenn sie tausend Taler hei (habe) ;
Tausend Taler sind nüd viel,
's treit's mänsfe uf eme Rechestiel.
Nr. 46.
1. AUi Meiteli händ au Manne,
Weder^ ich mues keine ha;
Wenn ich nu au eine fund,
Der mir 's Zöpfeli ufe bund-!
2. lez hän i eine tunde,
Da het mer's ufe bunde.
lez hän i neinie nüt des^ me,
Weder i bi kei Jümpferli me.
Handschriftlich bei Stutz.
Nr. 47.
1. In de Bergele thuet's schneie,
In de Thälere wird's ehalt.
Wie mache's die Senne?
Sie fahren ab der Alp.
2. Und wo si abe chöme,
So hei si no keis Heu;
's meint menge, er heig es Büeli,
Do füert ihm's en andere hei.
^ nur, aber; ebenso 2, 4. - Das Aufbinden der Zöpfe als Zeichen
des Eintritts in den Frauenstand erscheint auch in dem folgenden
Liedc, Str. 4. ^ desto.
144 ALLGEMEINE
3. Mis Büeli cha wol stricke, J
Strickt mängi liebi Nacht ■
An einer sidige Hube,
Si ist no nit usg'macht.
4. \o Siden ist die Hube,
Vo rotem Gold die Schnuer;
Wil si mim scho^ Lieb gebe,
's soll binde 's Hör mit zue.
5. «Mis Hör Ion i nit binde.
Will's no me flüge lö,
Will diese Sumer lang eister'^
Zu dene Tänzele gö.
6. Mit Freude zu de Tänzele,
Mit Trure widerum hei,
So göt's i mengem^ Brucchmeitschi"^,
Xit umc^ i mir allei. —
7. Mi tusige Schatz uf Erde,
Lö mi nit in Schande stö,
Mis Chränzeli will verderbe,
Muest mit mer z' Chilche go. »
8. «Will dir dis Chränzli verderbe,
Frög i gar nüt derno ;
Nimm du die Buebe drum z' Hände ^,
Wo^ du best ine e;lö.»
^ schön. - immer. ^ manchem, t, pleonastisch vor Dativen.
Bruech , Bestandtheil der weiblichen Tracht, eine Art Gürtel.
verkürzt aus nwne, nur. ^ in Anspruch. ^ die.
I
VOLKSLIEDER I45
9. «I ha keinen ine g'lasse
Als ebe-n-ume di ;
Du muest mi z' Chilche füere,
Und or'reu's di wie-n-es will. «
^^^•ß, Schule und Leben S. 117— iiS. Das Ganze besteht viel-
leicht aus 3 trennbaren Theilen: Str. i — 2, 5—6, 7 — 9. Str. 3—)
finden sich handschriftlich bei Stutz verbunden mit einem andern Stück.
Nr. 48. Kiltspruch,
der Geliebten an den Maibaum gehängt.
1 . I loß si grüeße dur e höchi Tanne :
die Zit isch cho zum wibe und zum manne.
2. I loß si grüeße dur es Hämpteli^ Tau:
i wött, mi Holdi war mi liebi Frau.
3. I loß si grüeße dur es Nägeli' :
i wött, i hätt's im Arm as Arfeli^.
4. I loß si grüeße dur en Eichespo'*:
wött lieber bi-n-er ligge as so stö.
5. I loß si grüeße dur es Chlungeli^ Fade:
i wött, i chömt scho bi-n-ere si im Gade''.
6. I loß si grüeße dur es Hämpfeli Side :
i mag's elleige' nümmeme verlide^:
7. I loß si grüeße dur es Rosmeri :
wött, aß i Tai; und Xaclit chönt bi-n-ere si.
^ Handvoll. - Xelke. ^ Armvoll. * -Span. '' Knäuelchen. •"' Ge-
mach. ' allein. ® ertra2;cn.
146 ALLGEMEINE
Mitgetheilt von Rochholz in BirHngers Alemannia IV, 5, hier
mit einigen Verbesserungen der sprachlichen Form und mit Weg-
lassung dort noch folgender 8 Zeilen, welche nach Form und Inhalt
nicht mehr zu jenem Spruch gehören und sich auch vereinzelt oder
anderswo angehängt finden, wie viele der dort folgenden sog. «Kilt-
sprüche» zu den allgemein verbreiteten vierzeiligen Reimsprüchen
gehören, von denen ich weiter unten eine Auswahl gebe. — Die
Formel des Grüßenlassens durch allerlei Gegenstände findet sich
auch bei Tobler, Appenz. Sprachschatz S. 239. Aeltere Formen von
Liebesgrüßen s. bei Uhland, Schriften III, 261 ff.
Nr. 49.
1. I hä mim Schatz en Maie gmacht,
Er soll mer e hole am Samstig z' Nacht.
2. I hän em dri tö Nägeli —
Es sei kei sübrers ChnäbeU.
3. I hän em dri to Zipereß^,
Daß er miner nüd vergeß.
4. I hän em dri tö \'eielichrut —
lez hän i gmeint, i sei si Brut.
5. I hän em dri tö Maiero- —
Wie bin i doch so herzli frö !
6. I hän em dri tö Chillesoppe^ —
Er soll mer au chli.nohe töpe^.
7. I hän em dri tö Rosmari —
I hoff, er soll min eige si.
Handschriftlich bei Stutz.
^ Cypressen. ^ Majoran. ^ Kirchenysop. * ein wenig nachtasten,
nachstehen.
VOLKSLIEDER I47
Nr, 50.
1. Im Sommer sind d' Tage lang,
Fürus^ im Maie:
Acli, du mein herziger Schatz,
Mach mir ein Maie-.
2. Ein Maie mach i dir nüd,
's brächt mir ein Schande :
Will mit der, \vo du witt,
In frömdi Lande,
3. In frömdi Lande gö,
Wend Alls erfahre.
Wenn i bei dir schlofe chönt,
Wett's au nüd spare.
4. Drü brauni Nägeli,
Goldgeli^ Side —
Und wo mein Schatz nüd ist,
Hab ich kei Blibe.
Stutz, Sieben Mal sieben Jahre S. 363. Vgl. Einl. S. ?
Nr. 51.
Und wenn die finstre Nacht thut kommen
Und ich zu meinem Schätzel geh.
Stell ich ihm mich vor sis Fenster
Und klopfe's ihm gar freundlich an'^ :
Ich komme heut zu dir ferwahr.
Darum bin ich lustic : Fallederizum trallalla!
^ besonders. - Blumenstrauß. ^ gel, gelb. * anklopfen scheint
hier transitiv: durch Klopfen anzeigen.
148 ALLGEMEINE
2. Meitschi, wo hest den Chasteschlüssel,
Wo das 'brannti Mahlzeit^ ist?
Gib dem Kamerat ein Gläsiein,
So marschiert er froh nach Haus.
Ich komme heut u. s. \v.
:>■
Schatz, der Tag wird bald ankommen,
Der Hahn der kräht zum zweiten Mal.
Und die Schwalben thön's^ anzeigen,
Tageslicht mit seinem Gsane;.
Lebe wohl und denk mir nach,
Dann bin ich lustig u. s. w.
Aus dem Berner Oberland mitgetheilt, mit Melodie, in «Die
Schweiz» 1859, S. 16 — 17.
I
Nr, 52.
1. Marianneli, bisch dinne? chumm, due mer uf!
Es friert mi a d' Finger, bi sunst nit wol uf.
2. «Friert's di a d' Finger, leg Hänscheli^ a,
Chansch'* zue den Andere uf d' Gasse ga. »
3. Uf d' Gasse ga, das isch mer ebe rächt;
De hesch mi nit wolle, i bi d'r z' schlächt.
4. «De bisch mer nit z' schlächt, de bisch m'r ebe rächt;
Vater und Mueter die düen gar lätz^.
5. I ha di jo wolle, de weisch es jo wol,
Im Hinderojaden*' obe im E^aeli vor'^. »
^ Brot in Branntwein getaucht ? ^ thun es. Z. 4 statt Siinem
wol zu lesen : ihrem. ^ Handschuhe. * (du) kannst. ^ zeigen großen
Unwillen. ^ Hintergemach. ' vorn.
VOLKSLIEDER I49
6. Dort vor in d'r Chille\ dort isch e Stei,
Dort chneue mer nider und beten e chlei'.
7. Dort vor in d'r Chille, dort isch e Tritt,
Wo me die Liebeli zsäme git^.
S. Me git se zsäme, Bar um Bar^ —
Chume-n-i acht'' au einist dörthar*'?
G. A. Seiler, Die Basler Mundart S. 12S.
Nr. 53.
Morgens, wenn die \'ögeli singe
Und der helle Tag anbricht,
Mueß ich vo mim Schätzeli ^viche,
Wenn es mir am liebsten ist.
Handschriftlich bei Stutz.
Nr. 54.
I. Und jetz fängt das Früejahr an
und alles fohd zu o-rüenen an
2. Hei, jetz isch lustig uf der Welt,
es gibt vil Blümlein uf dem Feld,
sie blühen weiß, roth, blau und gelb.
3. Jetz geh ich über Berg und Thal,
da hör ich die kleine Nachtigall
im Qrüenen \\'ald und überall.
^ Kirche. - ein wenig. ^ ehlicli einsegnet. * Paar.
* dorthin.
IjO ALLGEMEINE
4. Wann ich in den Wald 'nein kam,
singt mir das Lerchlein in der Höh,
wann ich zu meiner Liebsten geh.
5. W^ann ich vor's Schlaffenster kam
und hört da schon ein Andrer drin,
da sagt ich, daß ich nicht mehr kam.
6. Ich hab dich allzeit treu geliebt
und hab dein Herz niemals betrübt
und du führst schon ein falsche Lieb.
Aus Horw, Kt. Luzern, mit alterthümlicher Melodie.
Nr. 55.
1. Heida! die liebe Maiezit
Alle Herze Freude git!
2. Jo, und die Maiezit isch do,
's Mareili mues a'n Tanz mitcho.
3. Der Tanz, der Abedtanz !
Mi Meitli treit e Chranz.
4. Den Chranz, den mues i ha,
Sus^ blib i en arme Ma.
5. « Sä-, min Bueb, do hesch e Chranz,
Und chum mit mir a'n Abedtanz ! »
6. Lueg und e Chranz und 's Meitli derzue :
Juhe, was bin i e glückliche Bueb!
Nach Kurz S. 105 — 106, aus dem Oberaargau. Das verschiedene
Versmaß einzelner Strophen zeigt, daß l^ein geschlossenes Ganzes
^ sonst. - da nimm !
VOLKSLIEDER I 5 1
vorliegt; doch scheint das Motiv vom Maienkranz beim Abendtanz
durchzugehen; ein Verspaar, welches davon abweicht, habe ich weg-
g-elassen.
Nr. 56.
Ei, du mein schöne Margret ! hättest du mich,
So hättest gut Leben vergeben wie ich.
1. Ich hab ein Haus, darauf kein Tach,
Die Fenster seind mit Lumpen vermacht.
Ei, du mein schöne Margret! u. s.w.
2. Ich hab ein Ofen, darin kein Kachel;
Wann ich darzu komm, so muß ich Liehen.
3. Ich hab ein Kuclie, darin kein Holz,
Und wann ich drein komm, bin ich nicin stolz.
4. Ich hab ein Pfannen, daran kein Stiel,
Weiß nicht, w^as damit machen will.
5. Ich hab ein Kessel, daran kein Hienen^,
Und wann ich ihn such, so find ich ihn nienen-.
6. Ich hab ein Keller, darin kein Wein;
W^ann ich drein komm, so schenk ich nicht ein.
7. Ich hab ein Stall, darin keine Kuh ;
Wann ich drein komm, so beschmier ich kein Schuh.
8. Ich hab ein Bettstatt, darin kein Boden;
Die Federn sind mir in's Wirthshaus geflogen.
9. Ich hab ein Beutel, darin kein Geld;
Kein braverer Kerl ist in der Welt.
^ Hängebogen, -kette. - nirgends.
Is2 ALLGEMEINE
10. Das Lied das ist jetzunder aus;
Nun geh mit mir in das Wirth:
Aus einem berneroherländischen Liederbuch.
Nr. 57.
1. Wie-n-i ag'fange lia liuse,
Het mir Gott 'geben es Hus:
Guggherus heißt mis Hus.
2. Wie-n-i ag'fange ha huse,
Het mir Gott 'geben es Wih:
Zitvertrib heißt mis Wib.
Guggherus heißt mis Hus.
3. 2. Het mir Gott 'geben es Chind:
Lüsegrind heißt mis Chind.
Zitvertrib heißt mis ^^'ib u. s. \v.
>■
Samettatz heißt mi Chatz.
HuppeHliopf heißt mi Huen.
6. Rappelschwanz heißt mi Gans.
/■
Heimli-feiß heißt mi Geiß.
8. Rubelihör heißt mis Schöf.
9. Guetimue heißt mi Chue.
10. Chnochefül heißt min GüL
11. Hölleschknid heißt min Hund.
12. Unverzao;t Jieißt mi Mao;d.
13. Alach-mer's-recht 'heißt min Chnecht.
Kt. Luzern. — Im Entlibuch lautet der Anfang:
I. 's erst Jör, wo-n-i ag'fange ha huse,
Hed mer Gott 'geben es Huen,
Dem Huen e Name 'gebe :
Hoppihuen heißt mis Huen.
1
I
VOLKSLIEDER I53
2. 's zweut Jör, wo-n-i u. s. w.,
Hcd mer Gott 'gel en e Chatz :
Liippichatz heißt mi Chatz u. s. w.
3. 5. Doggihund heißt mi Hund.
4. Wullezart heißt mis Schof.
5=7 oben.
6. Türlizue heißt mi Chue.
7. Türlistock heißt mis Roß (min Bocl<?).
8. Wellostrau heißt mi Frau.
9. Rübeligrind heißt mis Chind.
(IVellestrau : Strohbündel. Rüheligriiiä : Krauskopf.)
Weitere Parallele aus Luzern :
1. Wenn i emol e Huen ha,
Se mues 's mer en Name ha:
Bibelibi heißt mi Hüeneli.
2. Wenn i emol en Ente ha,
Se mues si mer e Name ha :
Testement heißt mi Ent u. s. w.
3. Langhals heißt mi Gans.
4. Wißfleisch heißt mi Geiß.
5. Niegnue(g) heißt mi Chue.
6. Ebe(n)recht heißt mi Chnecht.
7. Fressgorsch heißt mis Roß.
8. Zipfelbalg heißt mi Magd.
9. Sumerstruß heißt mis Hus.
Vgl. Rochholz, Alem. Kinderlicd S. 1Ö5. 165. 167.
Nr. 58.
I. Man geiget der Braut zur Kirchentluir hinein —
Denk einer, was sie meint ^ —
O iieieli, o ho, o weieli, o weh !
lez ist die Braut l-ceis Meiteli meh.
^ weint?
154
ALLGEMEINE
2. Man geiget der Braut in den vorderen Stuhl,
Wo me zwei Liebeli zämen^ thud.
O heieli u. s. \v.
3. Man geiget der Braut zum Opferstock,
Dert macht man iren den rechten Knopf.
4. Man geiget der Braut zur Kirchenthür hinaus;
Denk ein Jeder, jetzt ist es aus.
5. Man geiget der Braut zum Essen,
lez hat sie keis Messer.
6. Man hat eine ahe Sichel im Haus,
Man macht der Braut eins Messer daraus.
7. Man geiget der Braut in's Bett hinein,
lez hat sie keis Deckelein.
8. Man hat ein alten Federnstrauß,
Man macht der Braut eis Dcckelein daraus.
9. Man geiget der Braut in's Bettelein,
lez hat sie kein Küsselein^.
IG. Man hat ein alten Igel im Haus,
Man macht der Braut eis KüsseH draus.
Das erste von «Drei ganz neue Lieder», gedruckt in diesem
Jahr. Zürcher Stadtbibliothek XVIII, 1792, 2. Vgl. die zu Nr. 24
angeführte Parallele aus dem Kanton Luzern.
Nr. 59. Niedersingerlied-^
I. Wo kommt denn au der Ehstand her,
Wo Gott hat eingesetzt?
Hat 2uet ^ethan.
^ zusammen. - Kissen. ^ niedersingen, mit Gesang zu Bette
begleiten.
VOLKSLIEDER I55
Wo Gott der Ehstand hat eingesetzt,
Hat er uß Wasser Wein gemacht,
In Galiläa.
2. Paulus spricht den Ehstand guet,
Wem-mere recht halte thuet;
Ist schon gethan.
Mer wünsche euch, ihr Hochzeitleut,
Viel Glück und Sege,
Das wünsche mer euch.
3. Mer wünsche euch, ihr Hochzeitleut,
Es Wiegeli und im ene Jahr
Es Chind darein.
Mer wünsche euch e guete Nacht,
Daß ihr der Ehstand recht antrat't —
Das wäinsche mer euch.
Obiges Lied wird, nur noch in vier Gemeinden des Kantons
Luzern, am Abend des Hochzeittages den Brautleuten vor dem Hause
•gesungen, von einem Vorsänger, zwei Sekundanten und Chor.
Eine andere Angabe lautet:
1. Wo kommt der Ehstand her?
Der Ehstand kommt nicht aus Menschengedicht,
Gott selber hat ihn eingericht.
Er nahm ein Ripp aus Adams Leib
Und schuf dem Adam draus ein Weib.
2. Was wünschen wir euch, ihr Hochzeitleut?
Wir wünschen euch viel Glück und Segen
Und nach dem Tod das ewige Leben.
(Wir wünschen dir ein freudige Brut.)
Vollständiger (7 Strophen) und richtiger ist der Text in
«Schwäbische Volkslieder« i86-|, S. 18 — 21.
1)6 ALLGEMEINE
Nr. 60.
I
1. Es ist gewiß und kein Gedicht,
Was das Buch der Weisheit spricht:
Man soll keinem Weibsbild trauwen,
Eh ein Haus auf Sande bauen.
Das ist gewiß und kein Gedicht:
Trau nur einem Weibsbild nicht.
2. Lange Haar, kurzen ^"erstand
Hat das Weibsvolk wie bekant ;
Drum lasst man's nicht disputieren,
Weder ^ in den Rath einfüeren.
Das ist gewiß u. s. w.
3. D' Weiber sehr der Vorwitz sticht,
Kaum man was von weitem sieht.
Gelt, des Loths sein Weib hat müssen
Iren Vorwitz sauber büßen.
Das ist gewiß u. s. w.
Aus einer luzernischen Komödie von Susanna 1747. Mitgetheilt
im «Geschichtsfreund)), Bd. XXIII, S. 185.
Nr. 61.
Chan i nit gar ordeli tänzele,
Chan i nit gar ordeli tue ?
Han i nit gar ordligi Schüeli a
Und gar ordligi Ringgli- dra?
Mini Ringgli, mini Schue —
Chan i nit gar ordeli tue?
' hier: noch. - Schnallen.
VOLKSLIEDER I57
2. Han i nit gar ordligi Strümpfli a
Und gar ordligi Zwickeli^ dra?
Mini Zwickeli, mini Strümpfli, mini Ringgli, mini Scliue —
Chan i nit gar ordeli tue?
3. Han i nit gar ordligi Höseli a
Und gar ordligi Gälgeli- dra?
Mini Gälgeli, mini Höseli u. s. \v.
4. Han i nit gar es ordligs Hemeli a
Und gar ordligi Lätzeli'' dra? u. s.w.
5. Han i nit gar es ordligs Libeli'^ a
Und gar ordligi Chnöpfli dra ?
6. Han i nit gar es ordligs Röckeli a
Und gar es ordligs Chrageli dra?
7. Han i nit gar es ordligs Hüeteli uf
Und gar es ordligs Federli dnif?
Mis Federli, mis Hüeteli, mis Chrageli, mis Röckeli,
Mini Chnöpfli, mis Libeli, mini Lätzeli, mis Hemeli,
Mini Gälgeli, mini Höseli, mini Zwickeli, mini Strümpfli,
Mini Ringgli, mini Schue —
Chan i nit gar ordeli tanze,
Chan i nit gar ordeli tue?
Aus dem Kt. Luzern. Aus dem Freienamt, Kt. Aargau, hat mir
Rochholz diesen Kettenspruch, der einen Bauernburschen in seiner
vollen Landestracht zum Tanz gerüstet zeigt, in wenig verschiedener
Form mitgetheilt. Die Einleitungsfrage, die dann auch den Refrain
schließt, lautet dort :
Bin i nit e lustige Schwizerbueb,
Bin i nit e lustige Bueb?
Vgl. Schwäbische Volkslieder S. 162 — 164. Frage 3 fehlt. In 4 steht
Nanieli statt Lätzeli; in 5 Täschll statt Chnöpfli, dagegen dieses statt
Chrageli in 6; in 7 Rösli statt Federli.
^ Einsätze. - Hosenträger. ^ Brusteinsätze, Diminutiv von Lfl/:(.
^ Leibchen, Jacke, ordeli, — g, ordentlich, artig, anständig, hübsch.
158 ALLGEMEINE
Nr. 62.
1. Die Buechiberger^ Bure
Hei sidig Hosen a,
Mit Zwilchen überzöge
Und Charesalbi dra.
2. Die Buechiberger Amme^
Hei feißi Wibleni,
Die choche Speck und Hamme
Und fuere-'' d' Büebleni.
3. Die Buechiberger Meitschi
Si wie Milch und Bluet,
Und git es albe'^ Hochzit,
Hei si brav Wiberguet^.
4. Do fingscli*' nit wiße Händli,
Do fingsch kei bleiche Zwerg.
Drum lebe hoch das Ländli,
Das schöni Buechiberg.
«Die Scliweiz )) 1859, S. 61.
(
Nr. 63.
s. Einl. S. CXXXVI.
1. Wenn die Bure z' Acher flihren,
Können wir die Schueh ersparen.
2. Wenn die Bure mahn und schwitzen,
Können wir am Schatte sitzen.
^ Bucheggberg, LandsclKift des Kantons Solothurn. - Plural
von Avimann, Gemeindevorsteher. ^ reichlich nähren. * jeweilon.
■^ reiche Mitg-ift. *' findest du.
VOLKSLIEDER I59
3. Wenn die Bure sich müend bücken,
Göhnd wir mit ufreclitem Rucken.
4. Wenn die Bure früeh ufstelien,
Können wir im Bett uns drehen.
5. Wenn die Bure Wide haue,
Sitzen wir daheim bi'n Fraue.
Stutz, Gemälde III, 37.
1. We die Bure früe ufsta,
Tuet is d' Frau im Bett ephä^
2. We die Bure Garbe schnide,
Chöu mer^ schön am Schatte bUbe.
3. We die Bure z' Acher tare,
Chöu mer schön das Chniepe^ spare.
4. We die Bure Garbe drösche,
La mir nit die Pfife lösche'^.
5. U we die Bure metzge,
Su esse mir das Beste.
J. Gottheit", Leiden und Freuden eines Schulmeisters. Bern 1838.
Bd. I. S. 174.
Nr. 64.
Die Fabrikante z' Dideldum
Die miinet bschädeH^ wol;
Si bschauet 's Stückli um und um
Und srend eim fast kei Lö.
^ zurückhalten. ^ können wir. ^ treten, stampfen. * lassen wir
das Feuer der Tabakpfeife nicht ausgehen. '" meinen (es) bescheiden-
lich, d. h. ziemlich gut (ironisch).
1 60 ALLGEMEINE
2. Der Weber hockt of em Ofebank
Und passet of de Lö ;
Er hebet bedi HändeH uf
Und springt gad met^ davo.
3. Und \vo-n-er do vor's Hus hi chunt,
Do zeih er no si Geh;
Do ist e nützigs- LüftH cho
Und streut's ihm in die Welt!
Altes ^^'eberHed aus dem Toggenburg, Kt. St. Gallen. Alpen-
rosen 1867, S. 206. Senn, Charakterbilder I, 197.
Nr. 65.
1. Wie mache's denn die Becke?
Eso^ mache si's:
Si neme numen e Hämpfeli^ Teig
Und säge, es sig e drei Batze-Laib;
Eso mache si's.
2. Wie mache's denn die Weber?
Eso mache si's :
Si beten e Vaterunser:
's besti Garn ist unser;
Eso mache si's.
3. Die Wirte:
Si schenke nur halb die Gläser ein
Und schütte no halbe Wasser drein.
^ gerade damit. - nichtig, von nüts - nichts. ^ also, auf folgende
Weise. ^ nur eine Handvoll.
VOLKSLIEDER l6l
4. Die Jumptere :
Wenn si am Morge Jumptere sein,
Lönd^ si am Ahe Blieben ein.
/. Die Schuhmaclier:
Si schnide 's Leder in siben Egg
Und stecke 's Best in d' Hosesack.
6. Die junge Wiber:
Si schkige die Eier in die Pfann :
Friß den Dreck, min lieber Mann !
7. Die Manne :
Si sufe si ganz dumm und toll
Und schlönd- de Wibere de Buggel voll.
8. Die Näjere^:
Si näje mit dem grobe Fade
Und ti^iend de rein'* i's Brusttuech abe.
9. Die Schnidere :
Sie mache gern die Chleider z' chli
Und denke: 's fürig^ Tuech ist mi.
10. Die Schuelmeistere:
Si säge de Chinde: ihr Eselschöpf!
Wenn si scho längeri Ore händ.
11. Die Chüefere :
Si mache drei Mol rumpedibum''
Und heusche scho drei Batze drum.
Zeinigen, Kt. Aargnu. — Vgl. Rocliliolz, Alem. Kinderlied Nr. 344.
^ lassen. - schlagen. ^ Nälicrinnen. * fein. ° übrig. '^ das
Geräusch des Klopfens oder Rollens.
II
l62 ALLGEMEIXE
Nr. 66.
1. Es chunt en junge Alurergsell:
« Hübscbi, Jungi, \vitt du mich ? »
« O nei, o nei, du Pflasterchelle, •
Es händ mi hüt scho sibe welle :
Ein anderer mues es sein. »
2. Es chunt en junge Chüefergsell :
«Hübschi, Jungi, witt du mich?»
« O nei, o nei, du Chübelibinder,
I will di so wenig as d'r Schinder:
Ein anderer mues es sein. »
3. Es chunt en junge Webergsell:
3. « O nei, o nei, du Schifflischießer,
I will di so wenig as d'r Chüefer. »
4. Es chunt en junge Schnidergsell :
3. « O nei, o nei, du Kodlefädler,
I will di so wenig as d'r \\'eber. »
5. Es chunt en junge Pfistergsell:
3. «O nei, o nei, du Dirlidangg^,
Wenn i di gseh, so wird i chrank. »
6. Es chunt en junge Bettlerbueb:
«Hübschi, Jungi, witt du mich?»
«He jo, he jo, du Bettlerbueb,
Du treist mer 's Brot im Seckli zue :
Kein anderer mues es sein ! »
Römerschwy], Kt. Lu;;ern. Die zweite und dritte Zeile lautet
im Kt. Zürich (wo auch noch weitere Strophen gesungen werden) :
Meiteli hopp und Meiteli hä, Meiteli witt du da?
Vgl. Rochholz, Alem. Kinderlied Nr. 345.
^ Teiijkneter.
VOLKSLIEDER
163
Nr. 67.
1. Rot, rot sind alli mini ChleiJeli,
Rot, rot treiJ Jcderma;
Drum liebe-n-ich was rot ist,
Weil mein Schatz ein Metzger ist.
2. Brun, brun sind alli mini Chleideli,
Brun, brun treid Jederma;
Drum liebe-n-ich was brun ist.
Weil mein Schatz ein Gerber ist.
3. Schwarz u. s.w., weil m. Seh. ein Choler^ ist.
4. Wiß
5. Gäl-'^
6. Grün
7. Neu
8. Grau
Kt. Luzern. -
Es so]
Bleiker^.
Goldschmied.
Jäger.
Schneider.
Müller.
noch weitere Strophen geben.
Nr. 68.
1. Frisch auf wol in das Feld,
Zu Wasser und zu Lande !
Der König hat brav Geld ;
Wir haben nicht Zeit zu schlafen,
Soldaten müssen wachen,
Dazu sind sie bestellt.
2. Der König treit e Chron,
In seiner Hand ein Scepter,
Wenn er sitzt auf dem Thron,
Köhler. - Bleicher. ^ gelb.
1 64 ALLGEMEINE
Ein Schwert wol an der Seiten,
Zum Fechten und zum Streiten,
Zum Frieden und Pardon.
3. Ein adeHche Dam
Schlaft gern bi eim Soldaten,
Aus lauter Liebesflamm.
Sie sagt, sie schwör ihm Treu.
D' Soldaten sind geboren
Aus ritterlichem Stamm.
4. Soldat, du edels Blut,
Du willst und bist's geboren,
Lebst noch in frischem Muth.
Wenn schon die Kugle sause,
Darob laß dir's nit grause;
Wer 's Glück hat, chunt dervo.
5. Hätt ich den Zoll am Rhein,
So kriegt ich 's Königs Tochter,
Venedig war schon mein ;
Frankfurt das war mein eigen,
England das war desgleichen;
Versoffen müst es sein.
6. Zu Kelen an dem Rhein,
Dort wird ein Schiff" beladen
Mit Gold und Edelstein.
Wer Geld hat, der kann kaufen ein.
Wer keins hat, der kann's lassen sein,.
Zu Kelen an dem Rhein.
7. Zu Kelen an dem Rhein,
Dort sind so viel der Kirchen
Als Tagen im Jahr sein.
VOLKSLIEDER 165
Wo findt man noch ein solche Stadt,
Die vierthalhhundert Kirchen hat,
Wie Kelen an dem Rhein?
8. Zu Kelen an dem Rhein,
Dort wächst viel Mues und Leisi\
Zvs'o Bohnen an einem Stiel.
Wo findt man noch ein solche Stadt,
Die so viel Mues und Leisi hat
Wie Kelen an dem Rhein ?
Aus dem Kt. Solothurn. B. Wvß, Schule und Leben S. 55 gibt
nur 4 Strophen, von denen er unsere Str. 8 als parodischen Anh.ing
bezeichnet. Aber offenbarer Zusatz ist auch die von ihm beigefügte:
Jetzunder ist die Zeit.
Wenn Einer ausgelernet hat,
So nimt er gli (bald) ein Weib.
O ja, o nein, es ist nicht recht.
Er ist kein Meister und kein Chnecht,
Ein Stümper mufi er sein.
Die Vergleichung mit Mittler Nr. 1442 zeigt, daß auch die Strophen
6 und 7 ursprünglich nicht hieher gehören.
Nr. 69.
1. Frisch auf und lustig dran!
Wir greifen die Feinde herzhaft an.
Sei es hei Tag oder finstrer Nacht,
Wenn nur der liehe Gott uns waclit.
Der Marsch und der geht fort
Wohl an ein anderes Ort.
2. Jetzt geht der Marsch in's Feld,
Da lieißt's: Soldat, schlag auf dein Zelt.
^ Linsen.
l66 ALLGEMEINE
Da heißt's: Wir müssen brav exercieren,
Die Glieder bald links, bald rechts formieren;
Sobald der Tag anbricht,
Das Gewehr ist schon spricht!
i
3. Alhvo die Trommeln gehn, ■
Da ist viel tausend Freud zu sehn;
AlKvo die Bomben fallen ein,
Müssen wir Soldaten herzhaft sein,
Sonst gehen wir alle zu Grund |
In einer Viertelstund. "
4. Wie mancher Herr Soldat,
Der fraget: Wo ist mein Kamerad?
Er Hegt dort draußen auf sirüner Heid
Und trägt ein rosenfarben Kleid;
Dein Kamerad der ist todt,
Trost ihn der liebe Gott!
5. Die Weiber die fangen's an:
O weh, o weh, mein lieber Mann!
Die Kinder die schreien all zugleich:
Helf Gott dem Vater im Himmelreich!
Der Vater und der ist todt!
Wer schafft uns Kindern Brod?
Als «altes Kriegslied» mitgetheilt in «Die Schweiz» 1861, S. 36,
von N. Krähenbühl in Langnau, Kt. Bern. Str 2 — 5 ziemlich gleich
Mittler Nr. 1420.
VOLKSLIEDER 167
Nr. 70.
1. Hilf mir, Gott, jetzt muß ich scheiden,
Hilf mir, Gott, jetzt muß ich tort.
Ach, da drunten muß ich bleiben,
Auf der Wacht mein Zeit vertreiben.
Mein getreuster Schatz geht fort.
2. « Könnt ich dich nur wieder sehen.
Wieder sehen noch einmal ! »
« Steige nur auf jene Berge,
(Steige nur auf jene Hügel,)
Schau hinab in's tiefe Thal.
:>■
Da wirst du mich sehen streiten
In der großen Kriegerschaar.
Alle wollen fechten, siegen.
Wollen unsern Feind bekriegen,
Schießen auf sein Herze dar.
4. Kleine Kugeln hör ich sausen.
Große aber noch viel mehr.
Ei, so bitt ich Gott im Himmel:
Ende dieses Kriegsgetümmel,
Daß es einmal Friede war. »
Handschriftlich bei Stutz.
Nr, 71.
I. Ach Gott, wem soll ich klagen
Und wo mich wenden hin ?
Mein Herz möcht mir verzagen,
Weil ich so elend bin.
l68 ALLGEMEINE
2. Ach Gott, wem soll ich's klagen,
\'ater und Mutter sind todt;
Die Freund haben mich verlassen
Und lassen mich in Xoth.
3. Wer mit goldner Feder mag kommen
Und mit silberner Glocken laut',
Der hat das Recht gewonnen
Bei dieser betrübten Zeit.
4. Die Freunde stehen zu Hauten
Und fliehen in der Xoth ;
Wenn man soll einen kaufen,
Gehn siebenzio auf ein Loth.
)■
Ist der Sohn dem ^^^ter neidig,
So sind's die Töchter auch ;
Einander die Ehr abschneiden.
Das ist der Leute Brauch.
6. Geschwisterte und ^"er^vandte
Leben nicht mehr eins;
Betrug im Handel und Wandel
Ist ietzund was gemein s.
7. Die Treue ist gestorben.
Die Wahrheit ist schwer krank.
Die Demuth ist verdorben,
Das Recht liegt unter der Bank.
8. O ihr armen Wittwen und Waisen,
Gott weiß, was euch geschieht;
Er wird euch treulich speisen
Vor seinem Angesicht.
VOLKSLIEDER 169
Aus dem handschriftlichen Liederbuch des Leinwebers Kaspar
Schlatter von Fahrwangen am Haüwvler See (f 1861), mitgetheiit
von Rochholz. Vgl. Ambraser Liederbucli Xr. 109.
Nr. 72.
1. Ach Gott, wem soll ich's klagen?
xMein A'ater und Muter sind tod ;
Meine Freund haben mich verlassen,
Auf Erden weiß ich kein Trost.
2. Ach Gott, wem soll ich's klagen,
Daß ich ein Waislein bin ?
Mein \'ater und Mutter begraben !
Drum muß ich traurig sein.
3. Ach Gott, thu für mich sorgen.
Da Niemand für mich sorgt ;
Mein ^'ater und Mutter sind g'storben.
Ich hab Niemand als Gott.
4. Es ist keim Mensch mehr z' trauen :
Wenn d' meinst, er sei dein Freund,
Und thust ihn recht anschauen,
So ist es der ärgste Feind.
5. Ach Gott, drum muß ich klagen:
Ach, ninnn mich bald zu dir!
Ich bin so ganz verlassen :
Schließ mir auf die Himmelsthür !
Stutz, Sieben Mal sieben Jahre S. 370.
lyO ALLGEMEINE
Nr. 73. Gesang von eitler Freud.
1. Herzhüseli, Herzhüseli,
Wie bist nur volle Freud,
Als wie ein magers Müseli,
Wann's d' Xuß in's Löchli treid,
Daß au den Winter fresse ka,
Mit Freuden mengest^ kerbe dra.
Herzhüseli, Herzhüseli,
Wie bist so volle Freud!
2. Herzhüseli, Herzhüseli,
Du hest ja gar kes- Leid,
Als wie ein läres Krüseli^,
\\'enn der Wihane^^ kräit,
Umb das ein Jedre läpple° thut,
's dunkt au die alten W^eiber gut.
Herzkrüseli, o Krüseli,
Du hest ja gar kes Leid.
3. Es ist mir wohl gar grüseli''
Bei einer düren Wurst;
Aus einem Schnäggehüseli
Trink ich und lösch der Durst.
Es wird mir drab gar grüseli wohl,
Ich weiß dann, wie ich tanzen soll.
Aus einem in Malters, Kt. Luzern, im Jahr 1758 gehaltenen
Spiel von dem heil. Formerius. Mitgetheilt im « Geschichtsfreund »
Bd. XXIII, S. 179. , .
'■ manchmal. - kein(s). ^ Krüglein. ■* Weinhahn. '" schlürfen,
nippen. ® eig. grausenhaft, aber hier, wie oft, nur zur Bezeichnung
eines hohen Grades.
VOLKSLIEDER I 7 I
Nr. 74.
1. Yo Luzern uf Weggis zue
Brucht me jo-n-ekeini Schue;
Me fahrt es Bitzli über e Se
Und cha schöni Fischli gse.
2. Z' Weggis göt das Stigen a
Mit euser^ Jumpfer Hopsassa;
Brüeder, laulid nid eso,
aß mer möge noche- g'cho.
3. Im ehalte Bad do chert men i
Und trinkt es Glesli guete Wi
Und denkt, mer welle blibe do,
Mer möge nümme uf d' Rigi^ g'cho.
4. Und wo mer sind uf d' Rigi cho,
So lauft is 's Sennemeitschi no
Und treid is Alperösli a
Und seid, es heigi no kei Ma.
5. D'r Ludi hed em 's Blüemli gno ;
Das wird no suber use cho !
lez darf er nümme uf d' Rigi go,
Sust treid em 's Meitschi 's Büebli no !
Kt. Luzern. — Eine andere Fassung gibt als Str. 5 :
(( Meitschi, du best fro-e Muet,
Bist so liebli, schön und guet;
Dini AugH g'falle mer au,
Aber i h.i scho e Frau !
Ich gebe dies Lied, weil es wirklich oft gesungen wird (mit einem
Refrain von nur musikalischer Bedeutung) ; es ist aber ein neueres
Produkt, wie auch der sittliche Gehalt verräth !
^ unserer. - nach. ^ Der Bergname ist ursprünglich weiblich.
172 ALLGEMEINE
Nr. 75.
Was wei wir wetten von eben an^?
Wei wetten vom Wasser und vom ^^'ein.
1. Das Wässerlein sprach: Ich bin ebenso fein;
Man richtet mich in die Matten hinein,
Darin muß ich herum fließen,
Muß schöne Blümlein begießen.
2. Der Wein sprach: Ich bin ebenso fein;
Ich wachse an einem Rebstöcklein;
Da laß ich mich hacken und hauen
^^on Männern und schönen Jungfrauen.
3. Das Wasser sprach: Ich bin ebenso fein;
Man treit mich in die Trotte^ hinein,
Da muß ich dein Bettlein noch waschen.
4. Der Wein spracli : Ich bin ebenso fein :
Man schüttet mich in die Fässer hinein,
Darin kann ich trauern und jasten^.
5. Das Wasser sprach: Ich bin ebenso fein;
Man treit mich in die Küche hinein,
Man braucht mich zu vielerlei Sachen,
Zum waschen, zum kochen und bachen.
6. Der Wein sprach: Ich bin ebenso fein;
Man treit mich in die Stube hinein,
Man haltet mich hoch in Ehren
Und stellt mich vor Fürsten und Herren.
^ von gleicher Grundlage aus, unter gleichen Bedingungen.
^ Kelter. ^ = jesen, giihren.
VOLKSLIEDER I 7 3
7. Das Wasser sprach: Ich bm ebenso tehi;
Man treit mich in die Kirche hinein,
Man braucht mich zur heiligen Taute,
Zum christkatholische Glaube.
8. Der Wein sprach: Ich bin ebenso fein;
Man treit mich in die Kirche hinein,
Man braucht mich zur Ehr und zum Amte,
Zum heiligen Sakramente.
9. Das Wasser sprach: Wein, ich bin ebenso tein.
War ich nicht zu dir geronnen,
Du wärest am Rebli verbronnen.
IG. Der Wein sprach: Wässerlein, du hast Recht,
Du bist der Herr und ich der Knecht;
Das Recht muß ich dir lassen.
Geh du nur deiner Strafften !
Der obige Text beruht zum größern Theile auf einer Mittheilung
aus Olsberg, Kt. Aargau, jedoch an mehrern Stellen mit Beiziehung
einer andern aargauischen Ueberlieferung. Diese stimmt im Anlang
mit der im « Wunderhorn » II, 37 gegebenen Fassung:
Ich weiß ein Lied, ist hübsch und fein.
Es heißt vom Wasser und vom Wein;
Sie beide leben im Streite,
Der Wein wollt 's Wasser nicht leiden.
Dann gibt sie als Str. 2 die Benutzung des Wassers zur iMühle; im
Uebrigen stimmt sie mit der olsbergischcn wesentlich überein. Diese
hat im Original noch einige Strophen mehr, welche aber Wieder-
holungen und gestörtes Versmaß enthalten. Einen vollständigen und
regelrechten Text herzustellen ist unmöglich, auch die Reihenfolge
der Strophen ist ungleich und unsicher. Die drei Strophen fehlende
Vicrzeiligkeit wäre aus dem « Wunderhorn » leicht herzustellen; von
dort habe ich auch den Schluß von Str. 2 und 10 entnommen; die
dortige Schlußftrophe ist ohne Zweifel Zusatz der Herausgeber. Das
Stück findet sich auch in dem Luzerner Sammelband (s. Nachtrag
zu S. VIII), aber nicht in besserer Gestalt; ferner in «Schwäbische
1 74 ALLGEMEINE
Volkslieder» S. 60 — 61 (7 vierteilige Strophen). Rätoromanisch in
der Engadinischen Chrestomathie von Ulrich S. 125 — 128 (23 fünf-
zeilige Strophen) und in der subselvischen Liederhandschrift, s. Zeit-
schrift f. rem. Phil. VI, 64.
Nr. 76.
1. O Tannebaum, o Tannebauni,
Du bist ein edles Zwig;
Du gruenest Sommer und W^inter,
Es regni oder es schni.
2. Das Eichelblatt, die Haselstud,
Die vor^ gestanden stif,
Verliert den Saft und toret ab.
Sobald einfällt der Rif.
3. O Tannebaum, o Tannebaum,
Dein Würz hat allzeit naß.
Wenn durstig ist der Rebestock,
Die Blumen und das Gras.
4. Der Spikenard- und Rosmarin
Floriren wenig Tag;
Sobald der Dornhag Rosen hat,
Sobald sind sie schabab.
5. Die Naclitigall, der Finken Schall
Auf deinem Gipfel singt
Und jubilieret für und für,
Das in dem ^^\tld erklingt.
^ vorher. - Spicknarde (spica nardi), Lavendel.
VOLKSLIEDER I75
6. O Nachtigall, o Himmelslaal,
O Krön der Seraphim,
O schöne Stadt Jerusalem,
Wcär ich ein Bürger din !
Aus dem Zürcher Oberland. — Str. i ist weit verbreitet, s. Mittler
Nr. 615 — 618. 975 — 977. Das Uebrige weicht von jenen Liedern
ganz ab. Eigenthümlich ist besonders der Uebergang von Str. 5 zu 6.
Ein auf der Zürcher Stadtbibliothek XVIII, 1792, 10, 3 befindHches
Lied ist in den 4 ersten Strophen wesentHch dem obigen gleich;
dann folgt :
5. O Tannebaum, o Tannebaum,
Du bist der Thierlein Trost;
Wann Berg und Thal mit Schnee bedeckt,
Der Hirsch bei dir sucht Trost.
6. Wie oft wird g'fällt die Turteltaub,
Darauf der Habicht stoßt;
Wenn sie nicht fliehet in ihr Xest,
Es ihr das Leben kost.
7. O Tannebaum, o Tannebaum,
Dein Schatten ist sehr nutz;
Wann uns fast brennt der Sonnen Glanz,
Bieten wir ihr den Trutz.
8. Dich steckt der Jäger auf sein Hut,
Wenn er vor Müde rast,
Der Hund das Gwild auf grüner Heid
Mit seinem Hörn aufblast.
9. Und wann der Jager schießen will
Die Reh, Hasen und Fuchs,
So schleicht er hinter dich fein still,
Schlägt an dich seine Buchs!
10. Der Eichhorn gschwind gleich wie der \\'ind,
Wann ihn der Hund ankriegt,
Forcht sich gar sehr, schaut hin und her,
Ob sich der Ast nicht biegt.
Es folgen 11 und 12 = 5 und 6 oben. Dann:
13. Du bist ein rechter Tannenbaum:
Auf deinem Nästlein ruht
1-6 ALLGEMEINE
Die weiß und rotlie Ritterschaft,
Gefärbt mit ihrem Blut.
14. All unser Freud, all unser Zeit,
All Hoffnung, Glaub und Glück
Ist gegen dir, o Engelskind,
Ein kurzer Augenblick.
15. Dort in Sion, da quillt ein Bronn
Bis in das Paradies;
Er löscht den Durst in Ewigkeit
In einem jeden Preis.
So noch 6 Strophen rein geistlichen Inhalts, von welchen drei
(16. 19. 20) schon dadurch, daß die erste Zeile weiblichen Ausgang
hat, sich als ursprünglich einem andern Liede zugehörig erweisen.
Wir haben also in diesem Liede vielleicht drei Bestandtheile zu
unterscheiden: i) das ursprüngliche Lied vom Tannenbaum nach
dessen natürlichen Eigenschaften: Str. i — 12. 2) Eine geistliche Um-
dichtung, in welcher der Tannenbaum (vielleicht mit Anlehnung an
den Weihnachtsbaum?) als Kreuz und Kirche Christi (himmlisches
Zion) gedacht war: Str. 13 — 15. 17. 18. 21, in welchen allen die erste
Zeile noch männlichen Ausgang hat. 3) Ein rein geistliches Lied
mit weiblichem Ausgang der ersten Zeile, mit welcher dann auch
(ausgenommen Str. 16) weibliche dritte reimt: Str. 16. 19. 20. —
Str. 6 unsers obigen Textes scheint nun, obwol sie durch die Nachtigall
mit Str. 5 verbunden ist, aus einer Umdichtung nach Art der vorhin
als 2) bezeichneten geflossen zu sein, und hatte wol ursprünglich
noch andere Strophen dieses Sinnes neben sich.
Nr. 77.
I. Ich armes Häsli im.wite Feld,
Wie wird doch mir nicht nachgestelh!
Bei Tag und halbe Nächte
Da thüen sie mir nachtrachte;
Sie trachte mir nach dem Leben mein:
O weh mir armen Häselein!
VOLKSLIEDER Ijy
2. Ich kann doch Xiemand schaden geh,
Ich freß nichts als der grüne Klee;
Yon seinen grünen Blättern
Xur thue ich mich ersättigen.
Ich geh so bald in mein Quartier
Und trinke Wasser bloß statt Bier.
3. So bald mich dann die Hunde sehn,
So thun sie meinem Gspor^ nachgehn ;
Mit Heulen und mit Bellen
So thun sie mir nachstellen.
Sie stellen mir nach dem Leben mein :
O weh mir armen Häselein !
4. Man passt mir auf wol mit dem Rohr ;
Dann steh ich in der größten Gfohr,
's ist aus mit meinem Leben,
Das mir mein Gott hat geben.
Der Schuß geht ab und trifft mich wohl,
Bis daß ich über und über dröl- !
5. So bald mich dann der Jäger iindt
Und mich auf seinen Sattel bindt.
So lasst er mich da hangen
Und thut noch mit mir prangen.
Er reißt mich hin und reißt mich her.
Als wenn ich ein Dieb vom Galgen war!
6. Er nimmt mich mit ihm nacher Haus,
Da reißt er mir mein Eineiweid aus,
Spur. - purzle.
178 ALLGEMEINE
Den Pelz thut er mir nehmen;
Da muß ich mich noch schämen.
Beim rothen Bier, beim frischen Wein
Muß armes Häslein verzehret sein.
B. WyCs Schule und Leben S. 1 16. Vgl. Uhland, Schriften III, 70.
Nr. 78.
Ich bin ein Flöhlein arm und klein,
Von Todesnot umgehen.
<( Du su2:st mir 's Bluet aus Mars; und Bein,
Drum nim ich dir das Leben.
Du störist mich in miner Ruh,
Drum drück ich dir die Augen zu :
Hansdampf und du mußt sterben. »
Zürich.
ANHAXG.
Zu den historischen Liedern.
Nr. I.
I. Wach Lit, niins harzen schöni,
du christenliche schar,
und hör das süß getöni,
das rein wort Gottes klar,
das ietz so hepHch kUngtt.
die weit darwider tringet:
in allen landen
macht es den fiendt z' schänden.
2. Drumb land uns trölich singen
gegen disem Sumerzit;
ich hoff, uns soll gelingen,
der Herr ist ietz nit wit;
mit gnad thut er har tringen,
die schönen rosen bringen ;
sie fahnd an blüjen,
es möcht den Tüfel müjen.
l8o HISTORISCHE
3. Die rosen, die ich meine,
sind das klar götlich wort;
sie thund so lieplich schinen,
man schmeckt's an menchem ort.
wir wettent brechen zu einem krantz,
erfüllen Gottes reien gantz
in himel und erden,
möcht uns der blumen werden.
4. Ach Gott, du stast den dinen bi
mit väterHcher trüw;
sänd uns in unser Herz hinin
den geist der warheit nüw.
du hast dich lan versünen
Christum den helden küenen,
der uns erlost,
sunst hetten wir kein trost.
5. Es Ht ein stat in Uechtland,
Bärn ist si genannt;
ach Gott, thu iren bistand,
si ist dir wol bekannt.
du hast si ußerwellet,
dir selber zugesellet,
drumb halt s' in huete,
Land, Lüt, Seel, Eer und Guete.
6. Ich muß den baren 4oben,
er handelt fryg am tag
und lat den Tüfel toben;
kein falsche schlang vermag,
daß er den boum zerriße,
die schädUch frucht anbiße
VOLKSLIEDER l8l
mit irem gifte;
sin gweer ist heiige gschrifte.
7. Er iiat die hihli g'läsen,
erfaren den rechten grund,
und fürt ein erbers wäsen.
Gott si gelopt der stund,
daß er die sinen uferweckt,
und daß si kein windstoß erschreckt,
darzu bkitschregen —
kompt alls von 's Herren segen.
8. Du fürst der eeren wol ein krantz,
dir schadt kein tötlich gift;
der tüfel gab dir gern ein schrantz,
er hasset heiige gschrift.
wiewol er si kan ziechen an,
als si er ouch ein Christenmann :
es thut wit fälen,
Gott wird ihm täglich strälenK
9. Dem Christus krüz thut schicken
ietz und zu diser zit,
der soll drumh nit erschrecken,
hat er schon täglich strit.
ihm wird Gott unser vater
bistan in aller marter;
drum wend mir glouben,
der bapst mög uns nit b'rouben.
IG. Sin huf- spricht unverholen,
der bär mos: nienen hin kon.
' ihn züchtisren. - der Haufe der Anhäno;er des Pabstes.
l82 HISTORISCHE
es stat dir nit fiist wol an,
er het dir gnad gethan ;
du bist so grob und unerkant\
lug, nim ihm etwas ab der band,
ich will dich gwären-,
er wird dir d' hut erberen^.
1 1 . Daß du wirst selber hinken,
merk uf, was ich dir sag :
Gott wird dir wol dran denken,
wenn nun kumpt zil und tag :
der sumer ist hart vor der thür,
die zarten blumen gand harfür;
da hat's kein mangel,
die erd ist worden schwanger,
12. Daß si gebiert frid und einigkeit
der christenlichen gmeind,
und wär's dem Römschen kriegsmann leid,
der meint, er sig's allein"^.
wir band den heiland tunden,
Gott si gelopt der stunden ;
dem wend wir losen,
denn dise zit bringt rosen.
13. Der uns das Hedli hat gedieht,
mag wol den Ablaß lan,
der uf der hundshut^ ist ufg'richt;
wills mit dem baren han.
I
^ unerkenntlich, undankbar; ungeschlitfen. - versichern. ^ durch-
kneten, -gerben. * er sei allein Meister. ^ Pergament.
VOLKSLIEDER 183
gloubt dem der stiel an kriesi^ setzt;
er hat ihm noch kein spil vernetzt-;
er wird ihm truwen,
uf diesen felsen buwen.
Getruckt zu Bern, bi S. Apl^rio,
155S.
Sammelbnnd 44 der StadtMbliotliek Winterthur Xr. 29, 3; vonm
^ehen zwei Kranzlieder. — Str. 4, 6 steht im Original: Kün^^.
Nr. 2.
1. Vier Element der Eidgnoschatt,
Verknüpft, in vier \vorten verhalt,
Stönd stif, fest, stät, uf gutem Grund,
Ghörend zum Eidgnossischen pund.
2. 's Erst ist der klare Zürichwin,
Blibt lang standhaft im huse sin;
Uf zwenzig jar thut er sin rast,
Des fröwt sich seer manch fremder gast.
3. Das Ander ist der Glarisziger,
Wird brucht zu'n suppen hin und wider;
Von krütern hat er gute tugent,
Stärkt hirn, herz, gmüt, alter und juget.
4. 's Dritt ist Eriburg münz, als ich schetz.
Gibt schön, klar schin, wie kessibletz^;
Si gat nit ferr in frömde land,
d' Wirt, Pfister nemend andre z' band.
^ Kirschen. - verdorben. ^ Stücke von Messing, mit denen
Kessel a;eflickt werden.
184 HISTORISCHE
5. Das ^'iert ich acht die Churer sprach,
Alan leert s' für und für d' Jugend nach;
Si louft nit wit us irem Kreiß,
Kum rucher sprach ich ietzmal weiß.
Haxs Murer. Y. B.
Getruckt zu Bern, bi Sa:\iuel Apiario. 1558.
Winterthurer Stadtbibliothek Bd. 28^
Nr. 3. Feldzug der zürcherischen Miliz nach Stein 1784.
s. Ein!. S. LXX.
1. Ui, uf, ihr Felcelschäzere^,
Ihr Tuner Hagels Hund !
Nehmt eure Gwehr und Habersäck,
So chömet mir endli ab em Fläck;
Drum, Tambour, wirble gschwind!
2. Herr Ruppert, Argitant- Major!
Theilt in die Regiment!
Und wann dann Alles ist rangschirt.
So kommandirt: Rechts abmarschirt.
Bim Tusig Sakerment!
3. Marschirt nu uf zwei Gliedere
Bis vor die Chroneport;
Dann rechts und linte gschwind ufmarschirt,
Peloton und Sektion formirt,
Dupplierschritt, Marsch, Marsch, fort!
^ Ffkel, Felix, der Schutzheilige von Zürich. Ketzer hier nur
als Schimpfwort. - Entstellung von Adjutant.
VOLKSLIEDER I 8 '
4. In Dübedoi'f ist Nachtquartier,
Fouriers, marscliiert voran !
Nehm jeder zu sich einen Schütz
Und schribt Bollete^ wie der Blitz,
Daß z' Nacht Alls ruhen kann.
5. Das ist bim Strohl en heiße Tag,
Nöd wohr, Herr Argitant?
Sind jetzt so guet und sprengt vorus
Und z' Dübedorf bis Chuerlis Hus
Do schreit bim Tuner: Halt!
6. Halt, Halt, i's Tüfels Name, Halt!
Verlürt Distanze nöd !
In Bataillon und Sektion,
Mit Peloton und Division
Rechts schwenkt, rieht euch uf d' Mitt!
7. Formiert Carre, ihr Chuttlehünd,
Zur Ordre schlag, Tambour!
Ihr Lüt, nehmt Alles wohl in Acht,
Morn z' Obig blibe mer über Nacht
Im Städtli Winterthur.
8. Hut z' Nacht, Feldweibel, ist d' Parole:
Rägel- und Niederglatt.
Jetzt, Fourier, theil d' BoUete-n-us,
So chan en jedere-n-i das Hus,
Wo 's Loos ihn tröffe häd.
9. Wer Tuner chlopft mir a der Thür?
« Herr Ruppert, i bin hier.
Ihr sollet, uf mi armi Seel,
^ Q.uartierbillets. - Rea:ula, Schutzheili2:e von Zürich.
l86 HISTORISCHE
üf eusers Gänerols Bifehl
Geschwind in sin Quartier. »
10. «Gang, säg dem Herren Gänerol,
I werd bald bi-n-em si. »
Ganz gAvüß, de Kärli fürchtet si,
Er weiß au, daß er ohni mi
Nöd stürme cha d' Stadt Stei.
11. (' Ihr Diener, min Herr Gänerol,
Was ist dero Bifehl ? »
«Min liebe Ruppert, sind so guet,
Äh bitte doch, blibt uf der Huet,
I förcht bi miner Seel,
12. Daß euseri Infanterie
Und die Cavallerie
Für Stei, das Tuners Lumpenest —
Es ist gar hagelsftrohÜg fest —
Xöd gnug und sattsam sei.»
13. «Wenn das dann Ihre Chummer ist,
So lach ich i eis derzue;
Schloft nu, min tapfrer Gänerol,
Wie eusi Heiri, ChuerH all,
I weusch ech guete Rueh.»
14. Hell uf, hell uf, de Morge graut!
Tambour- und Pfifer-Corps!
Spannt d' Trummle-n-und putzt d' Pfife-n-us,
De Güllevogt ist scho vorus.
Mit 's Chuerh's Notze Rohr.
VOLKSLIEDER 187
15. Soldate-n-us em Züribiet,
Vo Flach und Neftebach,
Vo-n-Embri und vo Zollike,
Vo Büli und vo Rüeschlike,
Vo Höngg und vo Chüßnach,
16. Ihr Grenadier vo Winige,
Vo SchUere-n-und Thalwil,
\o Wädischwil und Fluentere,
Vo Grüenige-n-und vo TrüUike,
Vo Töß und Richterschwil,
17. \'o Meile-n-und vo Männedorf,
Ihr Musketier vo Pli!
Vo Horge-n-und vo Pfäffike,
\'o Chlote-n-und von Wietike :
Morn werde mer z' Stei si.
iS. In Wägehuse kommt zum Steh
Die ganz Infanterie;
Bi Eschenz rückt Alls dann hervor,
D' Artillerie und 's Jägercorps,
Wie au d' Cavallerie.
19. Zum letzte mol red ich zu dir,
Du liebe Fekelrott!
letz wer nöd Herz häd wie-n-en Leu,
De pack bim Strohl si weidli hei,
Sust trifft en Schand und Spott!
20. In Hoheklinge sind zwei Stück
Mit Hagelgschütz scharschiert:
Mutschelle, Chropfe, Haselnuß
Und Eiertcätsch im Überfluß
Sind drinnen iquartiert.
l8S HISTORISCHE
21. Drum guete Muets, ihr Heidesöhn!
's sei jeder von euch Held !
Wann 's Fleisch und d' Chröpfe sind verzehrt,
So macht me wieder rechts umkehrt
Und zieht go Frauefeld.
22. Wann scho de Piifer pfiffe häd,
Er glaube, me verlür's,
Und ase dann de Tambour au :
«I glaubs, i glaub's bim Tunder au»,
So siegeten doch wir.
23. Wie herrli wird der Izug si
Wohl US dem Feld der Schlacht
In euseri liebi \^iterstadt,
Die Gott uf s Xeu gekrönet hat
Mit einem Sieg voll Pracht!
24. Herr Feldmarschall von Rollenbutz,
Herr Ruppert, Großmajor,
Die ziehen dann mit der Armee
Dur's Züribiet ablangs dem See
Hinin zum Chatzethor.
Mitgetheilt von Pfarrer Hemmann in Männedorf; einige Varianten
aus einer um 8 Strophen kürzern Fassung, mitgetheilt von Rochholz.
I
Das sog, Straussenlied von 1839.
Ut, uf, ihr Züribieter all !
's ist großi Gfohr im Land;
's chunt eine, de will gschider si
Als mir, das cha bim Eid nüd si !
Das war für eus e Schand.
VOLKSLIEDER 189
2. D' Regierig stellt en Kerli a
A d' Universität,
En Kerli, da glaubt a ken Gott!
War das nüd au e Schand und Spott,
Wenn man es leiden thät?
:>•
's sind frili au no Landslüt da,
Zu aller Zürcher Schand,
Die hanged a der neue Lehr :
De Hirzel und Direkter Scherr
Und sust na meh im Land.
4. Ihr Grenadiere vo Thahv}^
u. s.w. = Str. 16 des altern Liedes.
5. Uf, uf, ihr Fekelschäzere,
Ihr Tunerhagel Hund!
Nehmt euer G\vehr und Habersack
Und jaget fürt das Lumpepack;
Denn iez regiert's perse^.
6. Eweg mueß d' Universität,
D' Regierig und Alls eweg,
D' Regierig fürt mit schnellem Pott!
Mir wüssed scho, wie's ligge sott —
Wenn's nu scho ase- war!
1 perse, in der Stadt Zürich üblich im Sinn von: selbstverständ-
Hch (lat. per se). - also, so wie es sein sollte.
190 ALLGEMEINE
Zu den allgemeinen Liedern.
Nr. I (79). Altes Weihnachtslied.
1. Ach, wie ein so harte Krippe
Hast, o Jesus, dir gewählt !
Zwischen Felsen, Stein und Klippen,
Groben Thieren zugesellt.
Schönstes Kindlein Jesu zart.
Wenn du hart hast wollen liegen.
Wärest in mein Herz gestiegen :
Ist wol als ein Krippe hart.
2. Jesu, allerschönster König,
Hast du denn kein andern Saal,
Daß, dem Alles unterthänig,
Lieget in so kahem Stall?
Musstest du mit allem Fleiß
Ein so frostigen Ort erkiesen?
Ich hätt dir mein Herz gewiesen:
Ist wol als ein Schnee und Eis.
3. Ist denn, Jesu, dein Verlangen
Diese Hütte voll von Mist?
Warum bist nicht mir nach'gangen?
Bei mir alles unrein ist.
Leg dich in mein Herz hinein
Voller Gstank und Wust der Sünden;
Nichts wirst du drin Reines finden:
Laß es deine Wohnuns^ sein !
VOLKSLIEDER I9I
4. Ist dir, Kind, denn nicht zuwider,
Bei eim Ochs und Esel z' sein?
Ei, so leg zu mir dich nieder,
Schick dich gleich bei mir zu sein.
Ich sie alle beid vertritt.
Kannst mich für ein Ochs anbinden.
An mir auch ein Esel linden :
Meine Sitten bringen's mit !
Aus Aegeri, Kt. Zug. — Aehnlich in den Hauptged;inken, aber
weniger derb in der Ausführung, ist ein Lied bei Weinhold, \\"eih-
nachtspiele und -heder S. 451 — 1.52.
Alte Gebete.
Nr. 2 (So).
Ach Himmel, thu dich auf!
Ich komm in vollem Laut.
Ach, thu mich doch anblicken,
Ach, thu mich doch erquicken !
Herr Jesu, nimm mich ein.
Ich bin dein Täubelein.
Die Welt, die macht mir bang,
Herr Jesu, wie so lang!
Nimm mich aus dieser Welt
In's güldne Himmelszelt!
Herr Jesu, komm, mein liebster Schatz,
Ich bin mit dir verbunden;
Ach, gönne mir stets Raum und Platz
In deinen süßen W'unden !
192 ALLGEMEINE
Ade, du schnödes Sündenland,
Komm, Jesu, reich mir deine Hand,
So hab ich Wohnung funden !
Handschriftlich bei Stutz.
Nr. 3 (81). Tischgebet.
1. Jesus, wohn in minem Hus,
Wiche nimmermehr darus;
Komm mit diner Gnod darin,
Weil wir sunst verlassen sin.
2. O du großer Segesmann,
Kumm mit dinem Segen an ;
Gib, daß Fried, Freud, Glück und Heil
Minem Huse werd zu Theil.
3. Glich wie Job und Aberham
Richer Segen überkam,
Ei, so schütt du über mich
Dinen Segen mildiglich.
4. Jesus, wohn in minem Herzen,
Wenn ich lide Angst und Schmerzen;
Wenn mich Armut, Krüz und Noth
Gnug gedrucket, hilfst du Gott.
Handschriftlich bei Stutz. — Str. 2, i wird parodirt: Segesseina,
d. h. Sensenmann. Str. 3, 3 statt Ei so vielleicht ursprünglich also:
parodirt : Tause, d. h. Tansen, Tragbutten.
VOLKSLIEDER I95
Nr. 4 (82).
Herr Gott, Röseli rot,
Wie lit der Mönsch in großer Not!
Wie lit der Mönsch in großer Pin!
Wie gern wollt ich im Himmel sin !
Ich kam auf einen breiten Weg,
Ich kam auf einen schmalen Steg.
's chunt Einer, der wott mich abwisen:
0 nei, i la mi nit abwise !
1 chume vo Gott,
I wott wider zu Gott.
Gott hat mer es Liechtli 'geben,
Zu gehen in das selige Leben;
Das füert mi i's Paradis,
Us em Paradis i's Himmelrich. Amen!
Kt. Bern. — Aus dem Volksblatt für die reformirte Schweiz 1875,
Nr. 50. Mit Vergleichung von Steinmüller, Neue Jahrbücher 1827,
I, 252. In der letztern Quelle lautet der Anfang: «O Röseli rot,
o Röseli rot.» Aufgenommen habe ich aus dieser Q.uelle bloß den
drittletzten Vers.
Nr. 5 (83).
I ghöre-n-es GlöggeH klingen.
Drei Engel im Himmel singen :
Der erste well für is uferstan.
Der andere well für is niedergan.
Der dritt well für is bete.
Daß wir können in's Himmelrich trete. Amen !
Kt. Bern. — Voiksblatt für die reformirte Schweiz 1875, Nr. 50.
Einige Verse habe ich weggelassen, weil sie aus Nr. 4 entlehnt
scheinen.
13
194 ALLGEMEINE
Nr. 6 (84).
Es lütet Mittag;
Jesus chneuet vor em Grab;
Er schreit : o weh !
Wie tue mer mini Wunde weh.
Die kleinen und die großen,
Sie sind alle zerschlagen und zerstoßen.
Er wolle uns belonen
Mit der himmlischen Kronen;
Er woU uns füeren in's Paradis
Und vom Paradis in's Himmelrich.
Kt. Bern. — Volksblatt für die reformirte Schweiz 1875, Nr. 50.
Zu Xr. 6 vergleiche :
Üsen liebe Herrgott stöt uf em Grab
Mit sim trurige Herze,
Mit sine große Schmerze.
Sini Wunde tuend ihm all so we,
Die chline wie die große
Sind im all wie abgschlagen und abgstoße.
Wer das Betli bete cha,
Söll's all Tag flißig bete,
Sei's hier oder dörte:
So würt's der lieb Gott nit verlä.
würt's, wird es (ihn). — Kt. Schaff hausen. Zeitschrift « Unoth ».
S. 45—46.
Die Stelle von den Wunden findet sich auch in einem Char-
freitagsgebet aus Solothurn:
Hut ist heilige Charfritag:
Wie lidt der Herr nit grusigi Plag!
An eini Sül gebumle
Blueten ihm die heilige fünf Wunde,
Die chline wie die große,
Die gschlagne wie die gstoßne u. s. w.
mit einem Anhang in Reimprosa, ähnlich dem in Nr. 7.
VOLKSLIEDER 1^5
Nr. 7 (85).
Als Jesus in der Küchen saß,
Mit seinen zwölf Jüngern das Nachtmahl aß,
Johannes sprach: Das ist guter Wein.
Jesus aber sprach: Das ist nicht Wein,
Das ist von meinem rosenfarbnen Blut,
Es ist für eure Sünden gut.
Herr Jesus sprach : Jetzt muß ich von euch gehn,
Schwere Zeit muß ich ausftehn.
Die falschen Juden nahmen ihn,
Sie hieben ihn, sie schlugen ihn,
Sie henkten ihn an das Kreuz
Und nahmen ihn wieder herab
Und legten ihn in ein steinernes Grab,
Da keiner Mutter Kind gelegen war.
Wer das Bet im Tag drei Mal spricht
Und ihm sein bitter Leiden nicht vergißt.
Dem will er drei Engel senden
Drei Tag vor seinem Ende,
Einen, der ihn weise.
Einen, der ihn speise.
Einen, der ihn führe in's Paradis,
Vom Paradis in's Himmelrich. Amen.
Oder: Dem ist der Himmel offen.
Die Hölle zugeschlossen.
Oder: Das wird der lieb Gott belohnen
Mit seinen himmlischen Kronen. Amen.
Kt. Bern. — Volksblatt für die reformirte Kirche der Schweiz
1873, Nr. 50. Comhinirt mit: J. Gotthelf, Leiden und Freuden eines
Schulmeisters, Bd. II, S. 237. — Zum obigen Anhang vergleiche:
196 ALLGEMEINE
Herr Jesus am Chrüz,
D' Frau Mueter darnebet (daneben)»
Drei Engili schwebed,
Si gugged, si gugged,
Eb d' Hüeter nit chömed,
Vor 's Heilands si Grab.
Em Heiland si Grab ist verschlösse.
Der Himmel stöt offe.
Zeitschrift cUnoth», Schaffhausen 1868, S. 46.
Nr. 8 (86).
lez wei mer nidergo,
Achtzehn Engeh mit is lö:
Zwei zur Hauptete,
Zwei zur Fueßete,
Zwei zur rechten Siten,
Zwei zur linken Siten,
Zwei daß^ uns decken,
Zwei daß uns wecken.
Zwei daß uns wisen,
Zwei daß uns spisen,
Zwei daß uns 'führen in's Paradis
Und US em Paradis in's Himmelrich,
In die ewige Freud und Seligkeit. Amen.
Kt. Bern, — Volksblatt für die reformirte Kirche der|Schweiz-
1873, Nr. 50. Ganz ähnlich aus Schaff hausen: «Unoth» S. 45, und
aus Zürich, s. Schweiz. Idiotikon unter Engel.
^ daß für das Pronom relativ, hier also für die.
VOLKSLIEDER I97
Nr. 9 (87).
Bewahr üs Gott vor Für und Wasser,
Für Schand und Laster,
Für allen bösen Stunden,
Für allen bösen Zungen
Früh und spat, hinacht und alle Zit. Amen.
Nr. 10 (88).
Madchen beten am Andreas-Abend beim Bettgehen, indem sie
den Hnken Fuß auf die Bettlade stellen:
Heiliger Andreas, ich bitt di,
Bettladen, i tritt di:
Zeig mer hinacht min erliche Ma,
Mit dem i z' Chilche und z' Märit^ cha.
Het er Roß, so ritet er,
Het er Chüe, so tribt er se^
Het er nüt, so chunt er süst^ —
I Gotts Name !
Kt. Bern. — Volksbiatt für die reformirte Kirche der Schweiz
1873, Nr. 50. Vgl. Schweiz. Idiotikon unter Andres.
A 1 p s e g e n .
Nr. II (89).
Ave Maria!
Bhüet's Gott und üser lieb Herr Jesu Christ,
Liber, Hab und Guet und Alles was hier um ist!
Bhüet's Gott und d'r Ueb heiUg Sant Jöri-^,
Der wol hier uf wachi und höri!
^ Markt. ■ sie. ^ sonst. * Geors
198 ALLGEMEINE
Bhüet's Gott und d'r heilig Sant Marti,
Der wol hier uf wachi und warti!
Bhüet's Gott und d'r heb heiHg Sant Gall
Mit seinen GottsheiHgen all!
Bhüet's Gott und d'r heilig Sant Peter!
Sant Peter, nimm die Schlüssel wol in die rechti Hand:
ßschließ wol dem Bären sin Gang,
Dem Wolf d'r Zahn, dem Luchs d'r ChräueP,
Dem Rappen d'r Schnabel, dem Wurm d'r Schweif,.
Dem Stein d'r Sprung!
Bhüet üs Gott vor solcher bösen Stund,
Daß solchi Tierli mögen weder kratzen noch bißen,.
So wenig als die falschen Juden üsern liebe Herrgott
bschißen !
Bhüet Gott Alles hier in üserm Ring
Und die Hebe Mueter Gottes mit irem Chind!
Bhüet Gott Alles hier in üserm Tal,
Allhier und überall.
Bhüet's Gott und das walt Gott und das tue der lieb Gott!
od. : Und das tue der lieb Gott ! Ave Maria !
Sargans, Kt. St. Gallen. — Ziemlich genau übereinstimmend mit
Tschudi, Thierleben (1865) S. 552, nur daß dort die Sprache etwas
mehr verhochdeutscht ist.
Nr. 12 (90). Alpsegen auf dem Pilatus.
Ho — ho — ho — oe — ho — -ho — oe —
ho — ho — ho Lobe, ho Lpbe^ !
Nemet all Tritt in Gottes Namen, Lobe ! ho Lobe !
Nemet all Tritt in unser Lieben Frauen Namen, Lobe !
Jesus Christus! Ave Maria!
Ach, lieber Herr Jesus Christ !
Klaue. - Kühe, s. Einl. S. CX.XXII.
VOLKSLIEDER I99
Behüt Gott Allen Leib, Seel, Ehr und Gut,
Was in die Alp gehören thut !
Es walt Gott und unsere herzliebe Frauw!
Es walt Gott und der heilig Sant Wendel!
Es walt Gott und der heilig sant Antoni!
Es walt Gott und der heilig Sant Loy^!
Ho, Lobe, nemet all Tritt in Gottes Xamen, Lobe !
Ave Maria u. s. w.
Cappeller, Historia montis Pilati, 1767. Lütolf, Sagen Nr. 511.
Bei Rochholz, Aarg. Sagen I, 327 etwas verändert und verkürzt.
Lütolf gibt a. a. O. S. 248 noch einen andern Alpsegen, der im
vorigen Jahrhundert durch den Jesuiten P. Dr. Dillier in Obwalden
eingeführt und seither dort allgemein üblich sein soll, aber auf dem
obigen, der wol schon früher in den Waldstätten üblich war, zu
beruhen scheint. Der dreimal wiederkehrende Anruf: «O lobet zu
loben!» scheint eine Umdeutung des alten: «ho Lobe!» u. s. w.
Heilige werden außer Wendel und Martin noch angerufen : « St. Blasi
und der vielselige Landesvater Bruder Nikiaus wollen uns auf dieser
Alp die lieb Herberig halten. » Es folgt :
Das ist das Wort, das weiß Gott wo.
Auf dieser Alp geht (steht ?) ein goldner Thron,
Darin wohnt die lieb Mutter Gottes mit ihrem Sohn
Und ist mit vielen Gnaden übergössen,
Hat die heiligste Dreifaltigkeit unter ihrem Herzen verschlossen.
Der Schluß scheint wieder aus der obigen einfachem Grundlage
entnommen.
Nr. 13 (91).
N a c h t w ä c h t e r r u f e.
I.
Jetzt steh ich auf der Abendwacht:
Gott ueb euch allen ein frute Nacht!
* Elogius, Eligius, besonders Schutzpatron der Pferde, s. zu Nr.
200 ALLGEMEINE
Der Tag vertreibt die finstre Xacht;
Ihr lieben Christen, seid munter und wacht!
Lobet Gott den Herren !
3-
Losed, was ich euch will sage :
Die Glogg hat zehn Uhr gschlage!
Lösched Für und Liecht,
Daß Gott alU Mensche wol bihüet!
4-
Stönd uf im Name Jesu Christ!
Der helle Tag vorhanden ist,
Der helle Tag, der nie verlag.
Gott geb uns allen en guete Tag!
r und 2 aus dem Kt. Thurgau, 3 aus dem Kt. Zürich, 4 aus
Thurgau und Zürich. In 2, 2 statt seid munter Var. sorget. In 4, 2
statt vorhanden Var. erstanden. 5 statt der nie verlag (d. h. zu lange
liegen blieb, ausblieb, sich verspätete) Var. den Gott vermag.
5-
Dieweil die Xacht vorhanden ist.
So bhüt uns Gott zu dieser Frist
Vor Feur und anderem Unfall;
Vor Krieg und Theurung allzumal.
Verzeih uns Gott all unsre Sund.
Die wir dies Jahr begangen händ.
Die göttliche Macht,
Die oh uns wacht —
Gott oreb uns Allen ein o;uete Nacht!
VOLKSLIEDER 201
6.
Steht auf im Namen Jesu Christ,
Dieweil der Tag vorhanden ist.
Er kommt daher zu schleichen,
Er kommt aus Gottes Reichen;
Er streift wohl über die Berge herein,
Auf daß Gott soll gelobet sein.
Der hochg'lobt Tag,
Der nie verlag —
Gott geb uns Allen ein guten Tag !
«Die Schweiz» 1860, S. 125. 127. Aus der Stadt Scluffhausen,
wo 5 in der Weihnacht, Sylvester- und Neujahrnacht, 6 am Neu-
jahrmorgen gesungen wurde.
/•
Auf, auf, es kommt der heilig Tag,
Der sich zu keiner Zeit verlag!
Er kommt daher zu schleichen
Aus Gottes flimmelreichen.
Er kommt daher zu wedeln -
Auf einer güldnen Federn.
Er kommt daher zu fronen^
Unter güldenen Kronen.
Er kommt daher auf einem Thau^
Mit Gott und unsrer Lieben Frau.
Er kommt wohl über die Mauern:
Gott hehüt die Herren und Bauern!
^ hier im Sinn von « wehen, fliegen », weil der junge Tag auch
als geflügelt gedacht wurde. - dem Herrn dienen? oder: herrschen?
^ wahrscheinlich mit Beziehung auf die den Adventmessgesang er-
öff'nenden Worte der h. Schrift: Rorate coeli etc. (thauet oder träufelt
Segen).
202 ALLGEMEINE
Er kommt daher gegangen :
Gott tröst alle Kranken und Gefangnen!
Er kommt den Reichen und Armen,
Gott will sich Aller erbarmen.
Er streicht wohl über die Berge herein
Und singt den Völkern insgemein :
Auf, auf, es kommt der heilig Tag,
Der hochgelobt, der heilig Tag!
Taschenbuch der histor. Gesellschaft des Kantons Aargau 1881,
S. 50. In Zurzach vor Weihnacht und Neujahr gesungen. Auch in
protestantischen Ortschaften des Aargaus wurden früher Weihnacht
und Neujahr von den Nachtwächtern «eingesungen» (mit einem
besondern Liede angekündigt).
8.
1. Hört, ihr Christen, und lasst euch sagen:
Unsre Glock hat Zehn geschlagen!
Zehn Gebote schärft Gott ein:
Lasst uns ihm gehorsam sein !
2. Unsre Glock hat Elf geschlagen:
Elf Apostel blieben treu;
Gieb daß gar kein Abfall sei !
3. Unsre Glock hat Zwölf geschlagen:
Zwölf Uhr ist das Ziel der Zeit;
Mensch, denk an die Ewigkeit!
4. Unsre Glock hat Eins geschlagen :
Denk, o Mensch, an deinen Tod;
Säume nicht, denn Eins ist Noth !
5. Unsre Glock hat Zwei geschlagen:
Zwei Weg hat der Mensch vor sich;
Herr, den rechten lehre mich !
VOLKSLIEDER 205
6. Unsre Glock hat Drei geschlagen :
Dreifach ist, was heilig heißt:
Gott der Vater, Sohn und Geist.
7. Unsre Glock hat Vier geschlagen:
Vierfach ist das Ackerfeld ;
Mensch, \vie ist dein Herz bestellt?
Stönd uf im Name Herr Jesu Christ,
Das alte Jar vergangen ist ;
lez trete wir in's nüe Jar.
Behüet üs Gott vor aller Gfar,
Vor Für und Wasser und vor Not,
ßehüete üs, o trüer Gott!
Vil Glück und Segen und vil Heil,
Das himlisch Rieh werd üs zue Teil!
D' Glogge hat zwölfi gschlage!
Auf dem Hauptpliitz von Glarus in der Sylvesternacht nach
12 Uhr gesunken.
10.
1. Gott hat uns gsegnet wunderbar
In diesem abgewichnen Jahr
Mit seiner Gnad und Güte.
2. Es hat uns auch der treue Gott
Behüt' vor großer Hungersnoth
Und schweren Unt|;e wittern.
204. ALLGEMEINE
3. Er hat zu nichten gmacht dies Jahr
Die Rathschläg unsrer Widerpart,
Die sie gar oft hand gmachet.
4. Die Rathschläg unsrer Obrigkeit
Hat Gott gesegnet dieser Zeit,
Das ganze Jahr vorüber.
5. Es war nicht unsre Grechtigkeit,
Daß Gott uns so viel Guts erzeigt.
Sondern sein Gnad und Güte.
6. Dafür wir ihm sollen dankbar sein,
Daß er uns war so gnädig g'sein
hl unserm \'aterlande.
7. Jetzt treten wir an ein neues Jahr;
Gott wöU uns segnen immerdar
Mit Gsundlieit und viel Früchten.
Z. Gott segne geist- und weltHch Stand
Ze Hülf und Trost im Vaterland
Nach seinem Wohlgefallen.
9. Jetzt wünsch ich euch ein gutes Jahr,
Erstlich dem Herrn Pfarrer zwar
Und allen \'orgesetzten.
10. Hausvätern, -müttern allgemein,
Wie auch dieser ehrsamen Gmein,
Dazu auch dem Schullehrer.
11. Söhn, Töchter, Knecht, Mägd, Weib und Kind,
Auch alle die in Krankheit sind,
Wöll Gott in Gnad erhalten.
VOLKSLIEDER 20>
12. Er bhüte auch insonderheit
Vor Hunger und vor theurer Zeit
Und schweren Ungewittern.
13. Gott bhüt das Vieh und Haus und Heim,
Die Frucht im Feld und an den Bäum,
Den Weinstock auch desgleichen.
14. Gott wolle auch bekrönen wohl,
Daß Tenn und Trotten werden voll
Von Wein und von Getreide.
15. Ich wünsch euch Allen viel Glück und Heil,
Daß Gottes Gnad euch werd zu Theil,
Dazu das ewig Leben.
16. Mein Wunsch mach Gott in Gnaden wahr;
Er gebe noch viel gute Jahr
Durch Jesum Christum. Amen!
Obiges Lied sang der Nachtwächter in Oberglatt, Kt. Zürich^
in der Sylvesternacht an 28 Stellen des Dorfes (mit Variationen je
nach den Zeitereignissen).
Nr. 14 (92). Rufe beim Scheibenwerfen am Fasnacht-
feuer.
I. Schibe, Schibe über e Ri^!
Wem soll denn die si-?
Si soll N. N. si.
Göt^ si, so gilt si,
Göt si nit, so gilt si nit.
Schibe, Schibe, o, leb wol!
^ über den Rhein. * gewidmet sein. ' geht, fliegt.
206 ALLGEMEINE
2. Schibe, Schibe, über e Grabe!
Die soll die Russen us Pole jage.
Schibe, o, adiö!
3. Schibe, Schibe, über e Rei ab!
D' Chüechlipfanne het e Bei ab,
Der Ankehafe de Boden us —
Und iez ist die alt Fasnecht us.
Schibe, o, adiö Schibe !
PfefEngen, Baselland. — Die Scheiben werden von den Knaben
am Fasnachtfeuer angezündet und dann in die Luft geschleudert.
Str. 3 wird bei der letzten Scheibe gerufen. Der obige Text ist
vollständiger als der bei Rochholz, Alem. Kinderlied S. 190. In
Matt, Kt. Glarus, lautet der Ruf:
Schibe, Schibe, überribe,
Die soll mi und N. N. blibe.
Im Prättigau, Kt. Graubünden:
Flack US, flack us,
Über alli Spitz und Berg us!
Schmalz in d'r Pfanne,
Chorn in d'r Wanne,
Pflueg in d'r Erde.
Gott alles g'röte löt
Zwüschet alle Stege und Wege.
Der hohe Flug der Scheibe soll also hier ein gesegnetes Jahr vor-
bedeuten; er bedeutet offenbar den Lauf der Sonne.
Nr. 15 (93). Bettlerhochzeit.
WideH, wädeli, hinder em Städeli^
Häd d'r Bettelma^Hochsig.
Es giget es Chrebsli,
Es tanzet es Schneggli,
Es schlöd es NigeH- Trumme^,
^ Schuppen. - Igel. ^ Trommel
VOLKSLIEDER 207
Und alli Tierli, die Federli händ,
Sind zum Hociisig 'komme.
Kt. Luzern. — Es gibt zu diesem Stück allerlei Varianten, z. B.-
Es giget e Has,
Es tanzet e Fuchs,
Es schlod es Müsli Trumme u. a.
Nr. 16 (94). Wurstbettellied.
1. Düri, düri Bire^
Hinder em Ofe füre-.
's Süli liet e chrummis Bei,
Gebt mer e Wurst, so chumm i hei,
Nit so gar e chleini.
Lieber zwo für eini.
Würstli 'raus, Würstli 'raus !
Glück und Sege in das Haus!
2. I mueß no dur e tinstere Wold,
I ba kei Tschope^ und isch so cholt;
I mueß no über Stock und Stei,
I chönt au gar licht brechen es Bei ;
Es liet viel Stei und Wurzle,
I chönt guet drüber burzle.
Würstli 'raus, Würstli 'raus !
Glück und Segen in das Haus!
Waidenburg, ßaselland. — Str. 2 scheint Zusatz. Aehnlich in
Ettingen, nur daß dort das Schwein Anlaß zu groben Anspielungen
auf die Juden gibt; und ohne diese Zuthat, auch sonst noch etwas
kürzer, im benaclibarten Frickthal, Kt. Aargau.
dürre Birnen. - hinter dem Ofen hervor. ^ Jacke.
208 ALLGEMEINE
Reimsprüche.
I.
Wenn i emol es Fraueli ha,
So weiß i was i mache :
I legge-n-em e Kummet a
Und fare mit em z' Acher.
Basel.
Wenn eine-n-es steinigs Acherli het
Und au e mutze ^ Pflueg,
Derzue-n-es rüdigs Fraueli,
So het er z' chratze gnues[.
Solothurn. Luzern. — Die Vergleichung der Frau mit einem
Ackerfeld ist alt und weitverbreitet. Die Vergleichung derselben mit
einem Zugthier und die sinnbildlich scherzhafte Einspannung derselben
findet einen Reflex in alten Fasnachtbräuchen, nur daß dort die ledigen
Mädchen an den Pflug (in's Joch der Ehe) gespannt wurden. —
Vgl. Mannhardt, Baumkultus S. 553 — 565. Zeitschr. f. Völkerpsych.
XIV, s. 85 «■.
3-
Wenn ein mit Chatze z' Acher will,
So spann er d' Mus vorus;
Dann macht es eister^ rumpedibum
Und d' Chatz die geit vorus.
Solothurn. Basel. — 2 und 3 finden sich bei Mittler (aus dem
Wunderhorn III, 216) als Bestandtheile eines Liedes. Vgl. noch
Birlinger, Alemannia VIII, 59.
stumpf. '^ immerfort.
VOLKSLIEDER 2O9
4-
Mi Herzli ist zue,
Es cha's niemert uftue;
En einzige Bueb
Het de Schlösse! dezue.
Appenzell.
Wo bin i d'r lieb?
Im Herzeli dinne,
Es Rigeli dra,
'aß es nümme-n-use cha.
Rochholz, Kinderlied Nr. 225.
6.
E Herzli und e Rigeli dra,
Da' d' Liebi nümme-n-use cha.
Schaffhausen. — In «Des Minnesangs Frühling«:
Du bist min, ich bin din,
De^ solt du gewis sin.
Du bist beslozzen
hl minem herzen;
Verlorn ist das slüzzelin :
Du muost immer drinne sin.
Bairisch, XII. Jahrh.
Anders gewendet ist das Bild in dem Liede Nr. 306 bei Mittler,
Str. 6. 7, wo der Verschluß den Ausfchluß eines frühern Geliebten
durch einen andern bedeutet.
14
2 1 0 ALLGEMEINE
7-
I han e schöns Schätzeli,
Wenn's mer nu blibt;
I stell es i's Gärtli,
'aß 's d' Spatze vertriht!
8.
Mi Mueter hed gseid,
I soll 's Chindli wiege;
Do han i verstände,
I soll d' Buebe liebe.
9-
Mit Freude si mer zsäme cho,
Mit Freude tue mer scheide;
I will si gern im^ Herrgott lo,
Si wird em wol verleide !
IG.
's ist all^ eso 'gange,
's wird no-n-eso go:
D' Meitschi hend d' Buebe
Zum Lädli'^ i glö.
dem. - immer. ^ Fensterladen
VOLKSLIEDER 211
II-
Mine, mine ist en iine,
Hinecht ^vill ich en ine lö;
Bis um nüne, bis um zehne
Soll ihm 's TürU offe stö.
Aus einem Briefe Dr. Zellwegers an Bodmer 1754 als Probe
appenzellischer Volkspoesie im Gegensatz zu den platonisch-seraph-
ischen Produkten Klopstocks und des jungen Wieland. Pestalozzi,
von J. Zehnder-Stadlin I, 568.
12.
Meitli, i will d'r en Batze ge,
Wenn d' mi last es Chüssli ne.
« Bisch du nid e närsches Chind ?
Bhalt din Batze und chüß mi ijschwind ! »
13-
War i nit e schöns Meitli,
Wenn 's Gsichtli nit war?
Hätt i nit e schöns Hälsli,
Wenn 's Chröpfli nit war?
Handschriftlich bei-J. M. Usteri.
14-
Wenn i scho kein Tistevogel^ bi,
Bin i doch kein Spatz :
Wenn i scho keis Bernermeitli ha,
Han i doch en Schatz.
Zürich.
^ Distelfink.
212 ALLGEMEINE
15-
Wenn ig es Burechätzli war,
So wett i lere muse;
Am Abe spat i d's Gädeli^ ga.
Am Morge wider use.
Bern.
i6.
Min Schatz ist kein Zucker,
Wie bin i so fro!
Sunst hett i ne g'esse,
lez han i ne no.
Zürich.
17-
Apfelschnitz und Bireschnitz-,
Si wachsen a de Bäume;
's got Mänge zu me Meitschi z' Chilt,
's war besser, er blib deheime.
Apfelschnitz und Bireschnitz
Und gäli^ Rüebli drunder;
Wenn mi Mueter e Jumpfere-n-isch,
So nimt's mi 's Tüfels Wunder.
Solothurn.
i8.
Bramberistüdeli^,
Bramberibluest —
Ha einist e Schatz gha,
lez han i e Wuest^!
^ Schlafkämmerchen. -' Schniti, zerschnittenes Kernobst zurr»
Kochen oder Dörren. ^ gelbe. ^ Brombeerstäudchen. '" Scheusal-
VOLKSLIEDER 21
19-
Hinder em Hus und vor em Hus
Wachst e junge Nusshaum uf;
Und wenn der Nussbaum Beeri treid,
So träo; i für mi Schwio;eri leid.
20.
Uf den Alpen ist kei Polizei,
Dort lebt men ohni Sorge;
Wenn eine zu sim Meitschi göt.
So blibt er bis am Moriie.
21.
Siden aß^ i gwibet ha,
Mag i nümme lache ;
's Wiegeli voll und 's Betteli voll
Vo luter chline Sache.
Mi Schatz ist e Schriner,
E Schriller mueß 's si ;
Er macht mer e Wiegli
Und 's Ditti srad dri.
Meiteli, wenn d' gstorbe bist,
Chunst i's Paradis,
Wo d' Engeli Packe- händ
Wie Fledermüs.
Eine Variante zu Nr. 19 s. Alem. X, 148. ' seitdem daß. - Fittige
214 ALLGEMEINE
24.
« Rüdigs Buremeiteli :
Wie viel Eier um e Batze ? »
« Gnädigi Frau us der Stadt :
— Schlecked mi ab, so wird i glatt
Drü Eier um e Batze. »
Bern.
25-
Und gang i wit use,
So han i wit hei,
Und gang i dur d' Gasse,
So stüpfe^ mi d' Stei,
Und gang i dur d' Matte,
So netzt mi der Tau :
Und blib i deheime,
So krieg i kei Frau.
26.
's isch no nit lang, daß 's gregnet het.
Die Läubli tröpfle no;
I han emal e Schätzeli gha,
I wett^, i hätti's no!
Bern. — Auch in einem thüringisclien und einem hessischen
Liede: s. Einl. S. CXLVH.
Es Ringli am Finger,
Es Löchli derdur:
Mi herzige Schätzel
Hed falsche Natur.
stolicn. - wollte.
VOLKSLIEDER 21
28.
Der lieb Gott im Himmel
Und 's Schätzli am Arm :
Der lieb Gott macht selig
Und 's Schätzli s;it warm.
29.
Mueter, i cha nid reitet
De Finder tued mer we:
De Giger spannet d' Saite,
Tanze möcht i e.
30.
Wie^ höcher uf em Bergli,
Wie chüeler de Wind:
Wie nächer bim Schätzli,
Wie chliner die Sund.
31.
Schön Rosen im Garte,
Meirisli^ im Wald,
Chund der Gugger cho rüefe,
So ghöre si's bald.
1 den Bast von den Hanfstengeln ziehen. -' iwV — wie, je — desto.
Convallaria majalis.
2l6 ALLGEMEINE
32.
D' Chlosterfrau im Schneggehüsli,
Si meint, si sei verborge;
Do chunt der Pater Guardian^
Und seid ere guete Morge.
33-
De Pfarer hed gseid,
Das Tanze sei Sund:
lez tanzet er selber
Mit 's Ciiupferschmids Chind.
34-
D' Geiße mache Bohne,
D' Schnider lesed s' uf,
Si dered s' a der Sunne
Und mache Kafi drus.
35-
Chämifeger mit dem Stumpe^
Macht die alte Wiber z' gumpe^.
36.
Han öftersmal tenglet,
Han öftersmal gmäht,
Han öftersmal d' Schätzli
Bim Tanzen umdrelit.
^ bezieht sich auf die Schneckenzucht der Kapuziner. - Stunip-
besen. ^ scheint sich auf Hexen zu beziehen, die aus dem Schorn-
stein fahren.
VOLKSLIEDER 217
Da
Zürich.
Luzern.
Was nützt mi das Tengle,
Wenn d' Sägese^ nüd haut?
Was nützt mi das Liebe,
Wenn's d' Schätzli nüd freut:
I ha na nie tenglet
Und ha na nie gwetzt
Und bi na nie glege
Bim Schätzli im Bett.
Was hilft mi das Tengle,
Wenn d' Sichle nüd haut?
Was hilft mi das Liebe,
Wenn 's Schätzli nüd glaubt!
y 1 ■
I han ekeis Büeli
Und weiß mer ekeis :
lez nim i en Gertel"''
Und crnäcTiiele^-n-eis.
38.
Scliabab ist mer gwachse
De Garte voll;
I han en nüd pflanzet,
Er will mer sust wol*.
^ Sense. - Hagmesser ^ schnitzeln. ■* er ist mir ohnedies (von
selbst) hold.
2l8
.ALLGEMEINE VOLKSLIEDER
Zürich.
39-
Wenn eine hüratet und fehlt.
So ist er gstrieglet und gstrält^;
Wenn eine zweu Schätzli will ha,
So mues er mit Lügen umga.
40.
Was will uf euser Erde
E Jede, Jede werde
Und doch ekeine si?
Rot mer a und rot mer i^ !
' hart gestraft. ^ hilf mir dies Räthsel lösen.
NACHTRÄGE.
NACHTRÄGE.
Zu S. VIII. Die historischen Lieder, für welche Herr
V. Liliencron die Sammlung des Herrn v. Mulinen in Bern
als Quelle citirt, sind alle auch in einem handschriftlichen
Sammelband enthalten, welcher sich gegenwärtig im Besitz
des Herrn Bibliothekar Schiffmann in Luzern befindet. Also
muß dieser Band wol (wenigstens was zunächst jene Lieder
betrifft) eine Abschrift der Mülinen'schen Sammlung oder
mit dieser eine Abschrift eines verlorenen Originals oder die
Mülinen'sche Sammlung selbst sein, welche Herr v. Lilien-
cron noch (wie auch Uhland) in Bern benutzte und welche
dann nicht nach Berlin, sondern auf einem uns unbekannten
Wege nach Luzern kam. Hienach wäre also die aus Weller
(Vorwort zum IL Bande der Annalen) geschöpfte Angabe
betreffend das Schicksal der Mülinen'schen Sammlung zu
berichtigen. Daß dieselbe mit dem Luzerner Band identisch
sei, scheint auch daraus hervorzugehen, daß das von Uh-
land S. 807 aus der Mülinen'schen Sammlung mitgetheilte
St. Michaelslied und eine ganz spezielle Angabe betreffend
die Ueberlieferung desfelben (Sehr. IV, 316, vgl. Nachtrag zu
S. C) gleichlautend in dem Luzerner Band sich finden; ebenso
noch andere Lieder und einzelne Notizen. Uebrigens hält
v. Liliencron die Mülinen'sche Sammlung für eine Abschrift
alter Drucke.
Der Jvuzerner Band enthält 69 Stücke, historische und
allgemeine Lieder, zum größern Theil wol schon aus andern
222 NACHTRAGE
Sammlungen bekannt und gedruckt. Darunter mehrere Lieder
von B. Gletting ; ein Lied von Gwer Ritter « Zu Lob der Stat
Zürich » (Anfang : <f O milter Gott in dinem thron ») ; ein
« Loblied von den stetten Zürich und Bern » (als reformirten)
von einem Berner (Anfang : « Zürich, ich thun dich loben »).
<( Ein Loblied der alten Stadt Solothurn » von G(wer) R(itter)
(Anfang : « Einsmals wollt ich spazieren »).
Zu S. XXIV. Für einen Halbsuter (vielleicht den Jüngern,
Hans H, von Roth, um die Mitte des XV. Jahrhunderts) als
Verfasser des (überarbeiteten) Gesammtliedes spricht der von
Th. v. Liebenau (Monatsrosen 1871, S. 191 ff.) aus Urkunden
erbrachte Nachweis, daß <j ab der Schlacht kon » bedeutete :
von der Gedenkfeier der Schlacht kommen; von der
Theilnahme an der Schlacht selbst wurde wol schon
damals zw/ oder z/s gebraucht. Es wäre wol möglich, daß
die That Winkelrieds, nachdem sie in der ersten Zeit nach
der Schlacht wenig bekannt geworden war, nachher an's
Licht gezogen und etwa bei einer Gedächnissfeier der
Schlacht einem bereits vorhandenen Liede zugesetzt wurde.
Sonst freilich sind Gedächtniss feiern eines Ereignisses
nicht der Moment, wo historische Volkslieder entstanden,
imd auf keinen Fall könnte das ganze Lied erst bei solchem
Anlaß entstanden sein: die letzte Strophe ist also jedenfalls
in ihrem Wortlaut nicht ganz wahr. — Daß Halbsuter sein
Sempacherlied sang, als er verwundet von der Schlacht bei
Grandson heimkehrte, wie Th. v. Liebenau neuestens (Das
alte Luzern S. 266) angibt, ist doppelt unwahrscheinlich und
steht mit der frühern Ansicht desfelben Gelehrten (s. oben)
in Widerspruch. — Nach dem Zeugniß des Baslers Heinrich
Pantaleon war das Lied noch 1568 allgemein beliebt. (Das
alte Luzern S. 91.)
Zu S. XXXVII. Der Spruch « Der alte und der neue
Eidgenoß » ist nach Baechtolds eigener Berichtigung (in der
Zeitschrift f. d. Alt. Bd. XXVI, S. 104) nicht von Rudol
Manuel, sondern von dessen Vater Niki aus selbst.
NACHTRÄGE 223
Zu S. XLII, c. Utz Ecksteins Lied auf die Disputation
zu Baden ist vollständig, mit Varianten und Erklärungen,
abgedruckt im Jahrbuch f. schw. Gesch. Bd. VII, S. 184 ff.,
ebendaselbst S. 212 ff. Ecksteins Lied auf Th. Murners Ka-
lender. — Ueber die Geschichte von dem Esel zu Baden
vgl. noch Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Bd. II,
S. 272 — 274.
Zu S. LXIV. Ein Lied oder Gespräch zwischen einem
abgedankten Soldaten und einem Bauer, vom jetzigen Frieden,
gedruckt St. Gallen 1698 bei Jak. Müller, enthält das Frutiger
Liederbuch, s. Nachtrag zu S. LXXVII.
Zu S. LXVII und S. XVI. Das neue Tellenlied: «Wil-
helm, wo bist du, Teile! » wurde noch 1798 in Luzern gegen
die Helvetik gesungen, v. Liebenau, Das alte Luzern S. 125.
Zu S. LXIX, h. Auch bei R. Wyß, Kulireihen und Volks-
lieder S. 72.
Zu S. LXX. Verfasser des Liedes vom Zug der Zürcher
nach Stein soll nach Lokaltradition ein Zoller Vetter sein.
(Mittheilung von Prof. Vetter.)
Zu S. LXXII, d. Von einem Lied auf das Gefecht bei
Dettingen, 17. August 1799, wo zürcherische Scharfschützen
den Uebergang der Oestreicher über die Aare verhinderten,
ist mir die erste Strophe, mitgetheilt worden, welche lautet:
Es bedrohten unsre Fluren
Die Kroaten und Panduren,
Grimme Feinde ohne Zahl.
Doch ein Häuflein Zürcher Schüt;^en
Thut der Aare Ufer stützen,
Hält dem Feinde Widerstand,
Schützt und schirmt das Vaterland.
Aus derselben Quelle (Kantonsrath Müller in Wülflingen,
Kt. Zürich) habe ich noch Bruchstücke von zwei Liedern
empfangen, welche sich auf den Bockenkrieg (1804) be-
ziehen. Das eine rühmt die Bemühungen eines Sulzer von
224 NACHTRÄGE
Winterthur, die Hinrichtung der Führer jenes Aufstandes
abzuwenden, wofür er selbst im Gefängniß büßen musste.
Das andere betrifft einen Zug der Stadt-Züicher nach Fehr-
altdorf, um die dortigen Anhänger der f( Freiheit und Gleich-
heit» niederzuschlagen. Beide vertreten die Partei des Land-
volkes gegen die städtische Regierung, sind aber (schon
nach Versmaß und Sprache) nicht recht volksthümlich;
immerhin müssen sie sich in gewissen Kreisen ziemUch lange
erhalten haben.
Zu S. LXXVI vgl. S. VI. Hans Halbsuter war nach
Th. V. Liebenau (Das alte Luzern S. 91. 266) von Haus aus
ein einfacher Schreiner, in den Tagen seines Glückes
Schützenmeister und Stubenmeister der Zunft zum Affen-
wagen; später lebte er verarmt, als Gerichtsweibel, von
Staatsunterstützung. — Der Liedersänger Hans Birker wurde
später Schultheiß (a. a. O. S. 32).
Zu S. LXXVIL Prof. Vetter hat seither noch ein anderes
gedrucktes Liederbuch aus dem XVII. Jahrhundert entdeckt,
welches sich im Besitz des Notars Allenbach in Frutigen
(Berner Oberland) befindet und auf zusammengehefteten
Blättern deutsche und schweizerische, bekannte und unbe-
kannte Lieder von verschiedenem Inhalt und Werth enthält ;
einige derselben werden an andern Stellen dieser Nachträge
angeführt.
Zu S. LXXX. Gegen Ende des XVI. Jahrhunderts wollte
der Abt von St. Gallen die ihm unterthanen evangelischen
Toggenburger verhindern, Psalmen zu singen, und fand dabei
Unterstützung bei den katholischen Kantonen. Der Land-
ammann Reding von Schwyz ermahnte die Toggenburger,
sie sollten statt der Psalmen « das Gretli » singen. — Möri-
kofer, J. J. Breitinger S. 66. « Das Gretli d scheint der Name
eines weltlichen Volksliedes gewesen zu sein.
Zu S. I^XXXII. Interessante, auch für die Schweiz zum
Theil zutreffende, Angaben über das Schwinden und Finden
NACHTRÄGE 225
von Volksliedern in Dänemark macht Liebrecht in der Ger-
mania Bd. XXVII, S. 231.
Zu S. XCII. Angaben über Dreikönigsumzüge und -lieder
in den Kantonen Luzern und Unterwaiden s. Geschichtsfreund
Bd. XVII, 126 — 127. 133. Ein Umzug fand auch in Saviese
bei Sitten (Kt. Wallis) statt. Alpenrosen 1867, S. 344. Ein
schönes Weihnachtslied, zugleich für Neujahr und Dreikönigs-
tag, in Rheinfelden (Kt. Aargau) gesungen, ursprünglich mit
Beziehung auf den h. Sebastian als Nothhelfer in der Pest-
zeit des XIV. Jahrhunderts, gibt Rochholz, Sagen aus dem
Aargau Bd. II, S. 386.
Zu S. XCIV ist zu berichtigen, daß die von Schild
mitgetheilten Allerheiligenlieder sich nicht auf den Festtag
Allerheiligen, sondern auf einen gleichnamigen Wallfahrts-
ort bei Solothurn beziehen, also auf S. XCVI anzuführen
waren.
Zu S. XCIX, Anm. Das erste der dort citirten Lieder
vom Vogelsang ist gedruckt bei W. Wackernagel , Voces
anim., 2. Ausg., S. 106. Beide finden sich auch gedruckt
auf der Stadtbibliothek in Solothurn.
Zu S. C ist zu berichtigen, daß Btechtold an der ange-
führten Stelle selbst schon das ursprüngliche Michaelslied
von dem bei Uhland gedruckten unterscheidet, nur ohne
den von Uhland bemerkten Unterschied ausdrücklich anzu-
führen.
Zu S. CI. Parodien von Gebeten finden sich in Bsechtolds
Ausgabe der Schriften von Hans Salat S. 13 — 14; auch im
St. Galler cod. Vad. 124.
Zu S. CIV — GVL Von den dort angeführten Liedern
sind « unzweifelhaft schweizerisch » im Sinn von schweizer-
ischen Originaldichtungen wol nur die drei: «Es het e Bur
es Töchterli )), «Im Aargäu sind zweu Liebi » und «Weiß
mir e Herr, het siebe Süh » ; die übrigen nur spezifisch
schweizerische Versionen weiter verbreiteter Lieder.
15
226 NACHTRÄGE
Zu S. CXIV. Das Simmenthaler Lied von Amerika
beginnt : « Get Acht, ich will ech öppis zelle. »
Zu S. CXVIII — CXIX. Das Frutiger Liederbuch (siehe
Nachtrag zu S. LXXVII) enthält einige Stücke dieser Art :
Ein Lied von einem Wirth, der einen Meineid gethan. Im
Ton wie das Willisauer Lied. Gedruckt Schaff hausen 1698.
— Ein Lied von verschiedenen Himmelszeichen. Im Ton
wie man den Wilhelm Teil singt. Gedruckt 161 9 (4 Jahre
vor dem ersten Druck des Muheim'schen Liedes). — Lied
auf Margarete KUnin von Langnau und ihre Prophezeiungen.
In der Melodie wie man das Oberhasli-Lied singt.
Zu S. CXXII. Das Lied 0 Schönstes Kind, zu deinen
Füßen » weist Birlinger, Alemannia Bd. X, Heft 2 in Würtem-
berg nach. (Aus dem Nachlaß v. Arnims.) Ebd. S. 148 wird
das Lied : c Lässt sich schon der Frühling sehen .» als
« Schweizerlied » angeführt. Als Parallele zu dem Liede
eines Gefangenen mag hier angeführt werden, daß in den
Vierziger Jahren Dr. Steiger während seiner Gefangenschaft
in Luzern das einst viel gesungene Lied dichtete : « Ich seh
nicht Mond noch Sonne. » Das Lied : «■ Was hab ich dir
denn Leides gethan?» ist wesentlich = «Ach Schatz, was
hab ich dir Leides gethan?» (S. CXX) und hätte mit diesem
zusammengefasst werden sollen.
Zu S. CXXIV oben. Birlinger, Alemannia Bd. X, S. 149
gibt (aus dem Nachlaß A. v. Arnims) das Lied ziemlich genau
entsprechend (nur mehr hochdeutsch) dem von B. Wyß, aber
dazu die Strophe von den zwei Hasen als Schluß. Strophe 4
hat auch dort nur die Zeilen 3 und 4, während R. Wyß auch
I und 2 gibt. Das Lied bei Stutz beginnt: «Im Sommer
sind d' Tage lang. »
Zu S. CXXVm. Ein Lied: «Eingebildeter Hausrath
ohne würklichen Vorrath » (Anfang: «Ich komm in diese
Bewohnung gelaufen »), dazu : « Hans Liederlich und seine
Frau» (Anfang: «Ich bin wol ein armer Tropf». Refrain:
« O Jerum ! ») enthält das Frutiger Liederbuch.
NACHTRÄGE 227
Zu S. CXXIX. Das Lied vom Pfenning beginnt: '( Wend
ir scliAvigen und betagen. »
Zu S. CXXXIV vgl. noch Gräters Bragur Bd. V, erste
Abth., S. 175 ff.: Ueber die Schweiz. Volkslieder. Es sind
dort vier Melodien (ohne Text) von Kuhreihen aus Bal-
dingers neuem Magazin für Aerzte (15. Bd., 4. Stück) mit-
getheilt ; dann ist auf einen Kuhreihen bei Cappeler, Pilati
montis historia. Basil. 1767 hingewiesen.
Zu S. CXXXVII. Eine Reihe von Reimsprüchen über
alle Stände enthält die handschriftliche Sammlung des
Idiotikons unter dem Anfang: « Meitschi, wenn d' hürate
witt, so nim kein — », worauf je ein Vertreter eines Standes
genannt und mit einem Spottvers abgefertigt wird.
Zu S. CXLIII. Gräters Bragur Bd. VI, zweite Abth.,
S. 18 — 22 enthält eine kleine Abhandlung über das Bohnen-
lied, wobei auch Schweizerisches beigezogen ist. Eine
Parallele zu der Redensart : « Ich wollt dir nicht das Bohnen-
lied singen » — « ich gäbe dir nichts darum », ist die noch
heute in Einsiedeln, Kt. Schwyz, übliche : 0 1 wett der (dir)
nüd de Peterma singe », welche sich auf ein historisches Lied
betreffend die Mordnacht in Zürich 1350 beziehen soll, wo
« Petermann ! » Losungswort der Verschworenen war. Siehe
meinen Aufsatz über di,e Mordnächte im Zürcher Taschen-
buch 1883.
Zu S. CXLVL Im Jahr 1708 censierte der Rath von
Lenzburg (Kt. Aargau) den Dichter eines « Diltappenliedes »,
welches sich auf eine am i. April einfältigen Leuten gespielte
Posse bezogen haben wird.
Zu S. 23. Das Lied von Frischhans Theiling und Hans
VValdmann sangen Verwandte Theilings Nachts vor dem
Hause eines Verwandten Waldmanns, Namens Messerschmied.
Da sie diesen auch herausforderten, Waldmann Schelm und
Bösewicht nannten, die Thüre und den Glockenring des
Hauses verunreinigten und der ganzen Nachbarschaft lästig
228
NACHTRAGE
ZU werden anfiengen, so wurde im Jahr 1488 das Absingen
des Liedes auf offener Kanzel verboten, (v. Liebenau, Das
alte Luzern S. i8t.)
Zu S. 46. Für den sagenhaften Zug von der Kuh in
der belagerten Stadt s. Rochholz, Sagen aus dem Aargau,
Bd. I, S. 205, mit Parallelen S. 209. II, 367.
Zu S. 90, Nr. 10. Turtilla ist mundartliche Entstellung
von Ottilia. Mit diesem Namen ist das Lied in Schwaben
bekannt, s. Schwab. Volkslieder, Freiburg i. B. 1864, S. 50.
Zu S. 98, Nr. 15. Vgl. Schwab. Volkslieder S. 57.
Zu S. 147, Anm. zu Nr. 50. s. Einl. S. CXXIV oben.
Register
der in den Texten mitgetheilten Lieder.
a. Historische.
Seite
Adie mein Schatz, adie mein Schatz ( Toggenburger Krieg
1712) 61
Als man zalt 1653 jar (Bauernkrieg) . . . . . 51
Auf zu Berg und auf im Thal (Kampf der Urkantone 1798) 68
Der Rhigraf und der Schwede (Belagerung von Rheinfelden
1633 — 1634) 43
Der süeße sumer frowet mich (c Ewige Richtung» 1474) . 15
Die Liviner sind Rebellen (Aufstand der Liviner 1755) . 65
Es leb das Bernerbiet (Fall von Bern 1798) ... 67
Es Schwert ein pur in zoren (Schwabenkrieg 1499) • • -5
Im Winter bi dem ehalte Schnee (Volksversammlung in
Balsthal 1850) 72
In disem nüwen jarc (Alter Zürichkrieg 1443) ... 10
In einer fronfasten (Schlacht bei Näfels 1388) ... 8
Nun wil ich aber heben an (Eroberung der Waadt 1556) . 39
Saira-saira-sairassa (^a ira! 1798) 70
Schnurre, schnurre n-um und um (Beschießung von Zürich
1802) 71
Von der eidgnoscliaft wil ich heben an (das alte Tellenlied,
1477) 3
Was händ die Zuger und Urner gethan? (Zug schweizer-
ischer Söldner nach Morea 1688) ..... 56
Was wend wir aber singen (Das neue Tellenlied, 1655) . 47
Wend ir nu hören märi (Bern und Freiburg 1243?) . . 5
Wol her, ir lieben gsellen (Schlacht bei Xovara 1513) . 29
Zu singen ich anhebe (Fall von Straßburg 1681) . . 54
Zu Zürich hört man klagen (Theiling und Waldmann 1487) 23
2:;o
Anhang ^u den historischen Liedern.
Uf, uf, ihr Fekelschäzere (Zug Jer Zürcher nach Stein 1784)
Uf, uf, ihr Züribieter all (« Zürichputsch « 1839) .
Vier Element der Eidgnoschaft ......
Wach uf, mins harzen schöni (Reformation in Bern)
Seite
184
188
185
179
l^. Allgemeine.
Ach Gott, wem soll ich(s) klagen?
Ach Mueter, liebe Mueter
Ach Schatz, warum so traurig? .
Ach, wie ein so harte Krippe
AUi Meiteli händ au Manne .
Anneli, stand uf, d' Brutreiher sind do
Anneli, wo bist gester gsi ? .
Bueben, mer wend wollforte go .
Chan i nit gar ordeli tänzele
Danuser war ein wundrige Knab .
De Ma hed große Hunger gha
Der Schlüssel zum Himmel .
Der Schwanewirt sprung zum Thor hinaus
Der Tod und der kam über de Rhi
Die Buechiberger Bure ....
Die Fabrikante z' Dideldum .
Die heiligen drei Könige mit ihrem Stern
Dies ist mein ganzer Lebenslauf .
Die Vögel, sie singen lieblich schön .
Dort obe vor der himmlische Thür
Ei du mein schöne Margret, hättest du mich
Ein Liedlein will ich heben an
Es chunt en junge Murergsell
Es gönd drei Bueben uf Dammerselle .
Es hat ein König ein Töchterlein
Es hatten zwei Weiber mit enandere Streit
Es ist gewiß und kein Gedicht
Es kam der Tod wol über den Rhein
Es kämen zwei Böteli von Willisau
Es ritt ein Reuter den Berg hinauf
Es sind drei arm Seele vor 's Himmels Thür
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lOI
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112
124
156
93
106
122
95
2qi
Es tuot das Anneli früo ufsto
Es war ein heilige Turtilla geboren
Es war ein Sterbet wol über eni Rhi
Frisch auf und lustig dran
Frisch auf wol in das Feld .
Guggu, wo bist über Winter gsi?
Heida! die liebe Maiezit
Helle Sonnen, helle Strahlen
Herzhüseli, wie bist nur volle Freud
Hilf mir, Gott, jetzt muß ich scheiden
Ich armes Häsli im wite Feld
Ich bin ein Flöhlein arm und klein
Ich lag in einer Nacht und schlief
I loß si grüeße dur e höchi Tanne
Ich will singen, ich weiß wohl was
I ha mim Schatz en Maie gmacht
I han es Hämpfeli Haber gstreut
Im Sommer sind d' Tage lang
In de Bergele thuet's schneie
Inmitten der Nacht
Kommet, ihr Fürsten und Heiden
Lazarus und seine Schwestern
Man geiget der Braut zur Kirchenthür hine
Mareili, liebs Mareili mi
Marianneli, bist dinne ? chum due mer uf!
Meine Mutter hat gesagt, ich soll e Reiche
Mis Büöli geid über Sapimer Stäg
Morgens wenn die Vögeli singe .
Nun mein Leichnam geht zum Grabe
O Mensch, steh ab von deiner Sund
O Tannebaum, o Tannebaum
Regine gieng in Garte
Reich und Arm soll fröhlich sein
Rot sind alli mini Chleideli .
Roni Sattel hat gewibet
Schönster Obedstern
Seht an die zwei Herzen
's spaziere drei Soldaten
Straßburg, Straßburg muß ich lassen
Seite
ii(S
91
94
165
165
142
150
152
170
167
176
178
81
145
«3
116
140
147
143
74
75
S6
1)3
110
148
136
138
149
99
lOÜ
174
88
77
165
104
135
«>
III
2^2
's will eine Jungfrau reise .
Und daß der Wald so finster ist .
Und jetz fängt das Früejahr an .
Und wenn die finstre Nacht thut kommen
Vo Luzern uf Weggis zue .
Was hei die Chnabe vo Chappel gmacht?
Was wei wir wetten von eben an?
Wenn die Bure z' Acher fahren .
Wie mache's denn die Becke?
Wie-n-i a'g'fange ha huse .
Wo kommt denn au der Ehstand her?
Seite
157
149
147
171
126
172
158
160
152
154
Inhalt.
Seite
Vorwort.
Einleitung.
Historische Volkslieder.
Begriff und Q.uellen derselben; Grundsätze der
Auswahl und Behandlung
Chronologisches Verzeichniß
AU gemeine Volkslieder.
Einleitung:
I. Alter und Verbreitung .
II. Sprachform .....
III. Metrische Formen ....
IV. QjLiellen und bisherige Sammlungen
V. Auswaiil, Behandlung und Anordnun
der Texte .....
Uebersicht :
I. Geistliche Lieder.
A. Epische .....
B. Lyrische . • .
II. Weltliche Lieder.
A. Epische .....
B. Lyrische.
1. Liebe und Kiltgang
2. Hausrath und Hochzeit
3. Stände ....
4. Sitte und Geselligkeit; Jahres-
zeitleste: Thierleben . . cxxxvii— cxLiv
Anhang cxlv— cxlvii
Verzeichniß i cxlviii-cl
Verzeichniß 2 cli
III — XI
XII — LXXIV
LXXV — LXXXII
LXXXII — IV
LXXXIV — V
. LXXXV — VIII
0 Lxxxvm— IX
XCI — XCVIII
xcviii — ci
CI — CXIX
. CXIX — CXXVII
CXXVII — CXXIX
CXXIX — CXXXVII
234
Texte.
/. Historische Volkslieder
IL Allgemeine Volkslieder.
Geistliche
Weltliche.
A. Episches ,
B. L3Tisches
Anhang.
Zu den historischen Liedern
Zu den allgemeinen Liedern.
Gebete
Alpsegen
Nachtwächterrufe
Reimsprüche
Nachträge .
Register zu den Texten
Inhalt
Berichtigungen .
Seite
74-101
102— 129
129-178
179-189
191 — 197
197 — 199
199—205
208—218
219 — 228
229 — 252
235—234
235
Berichtigungen.
S. LXix, /; lies: Chnahe.
S. Lxxxiv sollte der Titel lauten : Metrische Formen.
S. cxxxvii sollte der Titel 4 noch enthalten: Thierlehen.
S. 129, Str. 6 lies: IVollfort.
S. 145. Nr. 47, Str. i lies: tiiet's, Tälere.
S. 152, Nr. )7, Str. i lies: a'g' fange.
S. 157, unten, soll das Citat Sclnväh. Volkslieder erst am Schluß der
Anmerkung stehen.
S. 167 — 169. Nr. 71 und 72 sollten zusammengefasst werden.
S. 179. Nr. 74 sollte unter den epischen Stücken stehen.
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