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Full text of "Schweizerische Volkslieder; mit Einleitung und Anmerkungen"

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SCHWEIZERISCHE 

VOLKSLIEDER. 


Mit  Einleitunfr  und  Annicrkun<rcn  herausgegeben 


Dr.  Ludwig  Tobler 

Professor  der  deutschen  Sprache  an  der   Universität   Ziiric'.L 


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FRAUENFELD. 
Verlag  von  J.  Huber. 


Gedruckt  in  J.  Huber's  Buchdruckerei  in  Frauenfeld. 


Vorwort. 


Daß  in  der  «.Bibliothek  älterer  Schriftwerke  der  deutschen 
Schweiz »  ein  Band  für  Volkslieder  in  Ausficht  genotnmen 
wurde,  bedarf  wol  keiner  Rechtfertigung,  eher  die  Vereinigung 
historischer  Volkslieder  mit  den  übrigen,  da  für  die  ersteren 
meistens  besondere  Sammlungen  bestehe?i.  Doch  haben  Ja  auch 
U hl  and  und  Gödeke- Tittmann  dieselben  unter  den  allgemeinen 
Titel  aufgenommen  und  hier  hatidelt  es  sich  nicht  um  eine 
vollständige  Ausgabe,  sondern  nur  um  eine  vollständige  Ueber- 
sicht  derselben  und  21m  Ergänzung  bereits  vorhandener  Samm- 
lungen, zvelche  die  neuere  Zeit  nicht  umfassen. 

Die  meisten  historischen  Volkslieder  der  Schweiz  aus 
älterer  Zeit  sind  aufgenommen  in  die  große  Sammlung  des 
Herrn  v.  Liliencron  n  Die  historischen  Volkslieder  der  Deut- 
schen vom  ij.  bis  16.  Jahrhundert »,  nur  sind  sie  dort  unter 
der  Masse  der  üb?-igen  zerstreut.  Daß  die  Lieder  aus  neuerer 
Zeit  ausgeschlossen  sind,  lag  im  Plane  des  ganzen  Unternehmens 
und  hat  seine  guten  Gründe,  da  der  Grenzpunkt  Jener  Samm- 
lung zugleich  so  ziemlich  das  Ende  der  ivahrhaft  volksthüm- 
lichen  Liederdichtung  überhaupt  bezeichnet ,  für  Deutschland 
wie  für  die  Schweiz.  Doch  hat  auch  die  neuere  Zeit  noch 
Lieder  von  einigem  poetischem  Werth  und  Jedenfalls  von  hi- 
storischem Lnteresse  hervorgebracht,  welche  ifi  den  Sammlungen 
von  Soltau,  Körner,  Hildebrand,  v.  Ditfurth  Aufnahme  gefunden 
haben,  schweizerische  Jedoch  nur  noch  aus  dem  ij .  Jahrhundert , 
so  daß  Fortsetzung  und  Schluß  auch  hier  noch  zaünschenswerth 


war.  Nur  musste  man  sich  zum  Voraus  klar  mache7i,  daß 
diese  Aufgabe  weniger  datikbar  ist ,  auch  darum,  weil  die 
späteren  Lieder  sich  meistens  auf  Bürgerkriege,  innere  Partei- 
kä7npfe  oder  auf  Thaten  von  Schweizerti  in  fremden  Dienstefi 
beziehen,  ihnen  also  wahrhaft  nationaler  Geist  und  da?nit 
auch  eine  Hauptquelle  wahrer  poetischer  Begeisterung  gebricht. 
Einer  Gesammt ausgäbe  der  historischen  Volkslieder  der  Schweiz 
stand  also  das  Bedenken  entgegen,  daß  die  meisten  und  darunter 
gerade  die  schönsten  Lieder,  weil  ziemlich  bekannt,  nicht  wol 
wieder  abgedruckt  werden  durften,  während  die  jvenig  oder 
gar  nicht  bekannten  wegen  ihres  geringern  Werthes  vielleicht 
keifte  weitere  Bekanntmachtmg  verdienten.  Eine  Schwierigkeit 
anderer  Art  besteht  für  jedes  ähnliche  Unternehmeji  dariti, 
daß  zwischen  echt  volksthümlichen  Liedern,  dergleichen  be- 
sonders die  ältere  Zeit  hervorgebracht  hat ,  und  mehr  kunst- 
mäßigen, welche  in  der  spätem  Zeit  überhandjiehmen,  wenig- 
stens in  der  Mitte  der  Extreme  ein  fester  Unterschied  rveder 
theoretisch  festgestellt  noch  praktisch  durchgeführt  werden 
kann,  man  also  immer  Gefahr  läuft ,  zu  ivcnig  oder  zu  viel 
aufzunehmen.  Diese  Klippe  kann  wol  nur  dadurch  vermieden 
werden,  daß  man  für  Produkte,  die  mehr  den  Charakter 
politisch-satyrischer  Zeitgedichte  tragen  und  mehr  historischen 
als  poetischen  JVerth  haben,  auch  nicht  zum  Gesänge  bestimmt 
wareil,  eine  eigene  Sammlung  vorbehält,  welche  denn  auch  Herr 
V.  Liliencron  in  Ausficht  gestellt  hat  (Vorrede  zum  LH.  Band). 
So  wird  es  möglich,  die  Masse  der  in  Frage  kommenden 
Dichtungen  zu  vertheileti  und  bei  der  Auswahl  der  Volkslieder 
den  strengeren  Begriff  dieser  Gattung  festzuhalten. 

Es  sind  nun  gerade  loo  Jahre,  seit  der  Begriff  von 
Volksliedern  aufgebracht  und  so  festgestellt  worden  ist ,  tvie 
er  heute  in  der  Wissenschaft  gilt.  Ln  der  Helvetischen  Gesell- 
schaft (vgl.  die  Geschichte  derselben  von  K.  Morell,  IVinter- 
thur  1^6 j,  S.  306  ff.)  hatte  man  im  Jahre  1766  schweizerische 
Volkslieder  vermisst,  aber  schon  im  nächsten  Jahre  glaubte  man 
sie  in  den  « Schweizer liedern  »  von  Lavater  verwirklicht  zu 
finden.   Diese  waren  freilich  etwas  ganz  anderes  als  was  dann 


Herder  vnd  Goethe,  die  Romantiker  und  die  Grimm  unter 
Volksliedern  verstanden.  Dasfelbe  gilt  von  den  noch  im  Jahr 
ijSS  in  Zürich  erschienenen,  die  von  tnehr  oder  weniger  be- 
rufenen Kunstdichtern  mit  moralisch-patriotischer  Tendenz 
verfasst  und  zur  Verbreitung  im  Volke  bestimmt  waren.  Solche 
Produkte  bleiben  natürlich  von  tneifier  Sammlung  ebenso  aus- 
geschlossen wie  die  in  neueren  Liederbüchern  enthaltenen,  die 
allerdings  heutzutage  in  Gesellschaften,  Gesangvereinen  und 
Schulen  gesungen  werden,  aber  zum  größten  Theil  und  im  besten 
Falle  erst  volksthümlich  gewordene  Lieder  schweizerischer 
und  deutscher  Kunstdichter  sind. 

Durch  den  strengern  Begriff  des  Volksliedes  werden  auch 
mehrere  andere  in  älterer  Zeit  zahlreich  vertretene  Arten  von 
Gedichten  ausgeschlossen,  denen  es  zwar  ?iicht  an  Volksthüfti- 
lichkeit,  aber  um  so  mehr  an  poetischem  Werthe  fehlt.  Dahin 
gehören  zunächst  die  allerdings  auch  «  Lieder »  sich  nennenden 
gereimten  Berichte  von  allerlei  außerordentlichen  Ereignissen 
in  der  Natur  oder  Gesellschaft ;  ferner  Gedichte,  welche  bei 
bestimmten  Anläßen,  oder  auch  ohne  solche,  von  halb  gelehrten 
Volksdichtern  den  Räthen  und  Bürgern  gemeiner  Eidgenossen- 
schaft oder  einzelner  Kantone,  Städte  und  Landschaften  zu 
Ehren,  vielleicht  nicht  ohne  Bestellung  und  Belohmmg  verfasst 
wurden.  Geistliche  Lieder,  beider  Confessionen,  von  epischer 
Art  neigen  sich  denen  der  ersten  Gruppe  zu,  lyrische  spielen 
in  die  Gattung  des  Kirchenliedes  hinüber,  welches  trotz  seinem 
Ursprung  aus  dem  Volkslied  von  diesem  unterschieden  iverden 
muß,  schon  weil  es  über  Stammes-  und  Volksgrejizen  hinaus- 
greift. Alle  diese  Produkte  nehmen  eine  bemerkens7verthe 
Mittelstellung  ziuischen  Volks-  und  Kunstdichtting  ein  und 
dürfen  in  der  Geschichte  der  Litteratur  oder  wenigstens  der 
Cultur  im  Allgemeinen  nicht  übergangen  iverden;  aber  als 
eigene,  ebenbürtige  Arten  von  Volksliedern  können  sie  keine 
Stelle  finden,  wenigstens  nicht  in  den  Texten  unserer  Sa?nmlung, 
sonder?i  nur  in  der  Einleitung,  auf  welche  ich  hier  veriveise. 
Dagegen  kann  bei  Liederji,  zvelche  zwischeti  historische/n  und 
sagenhaftem  Charakter  scMvanken,  aber  durchaus  volksthümlich 


und  meistens  auch  poetisch  werthvoll  sind ,  nur  die  Frage 
bleiben,  in  welche  von  den  zwei  Haupt gruppefi  sie  aufzujieh- 
men  seien. 

Die  nicht  historischen  wirklichen  Volkslieder,  für  welche 
eifie  eigene  positive  Benetinung  schwer  zu  findeti  ist ,  hat  in 
der  Schweiz  noch  Niemand  zu  sammeln  unternommen,  und  doch 
sollte  7nan  tneinen,  ein  so  kräftiges  und  eigenthiimliches  Volks- 
leben wie  das  schweizerische  werde  in  Liedern  aller  Art 
reichlichen  Ausdruck  gefunden  haben.  Aber  man  darf  nicht 
vergessen,  daß  die  Kraft  dieses  Volkslebens  von  Anfang  an 
vorzugsweise  auf  die  kriegerische  und  staatliche  Thätigkeit 
gerichtet  sein  und  auch  das  poetische  Vermögen  in  dieser  etwas 
einseitigefi  Dichtung  sich  bewegen  musste,  so  daß  das  Privat- 
und  Gemüthsleben  verkürzt  werden  mochte.  Jedenfalls  dürfen 
also  auf  diesem  Gebiete  die  Erwartungen  in  qualitativer  und 
quantitativer  Hinsicht  nicht  hoch  gespannt  werden. 

Während  bei  den  historischen  Liedern  an  schweizerischem 
Ursprung  imd  Eigetithum  nicht  gezweifelt  werden  kann,  sind 
unter  den  übrigen  viele,  welche  nicht  als  speci fisch  schwei- 
zerisch gelten  dürfen,  auch  wenn  die  Sprachform  zum  Theil 
dieses  Gepräge  trägt,  sondern  wir  haben  oft  nur  schweizerische 
Varianten  allgemein  deutscher  Lieder.  Dieser  Fall  kommt 
bei  jeder  provinziellen  Sammlung  vor  und  darf  uns  nicht  irre 
machen,  da  ja  bei  Volksliedern  überhaupt  nicht  nur  das 
persönliche  Eigenthum  eines  Verfassers ,  sondern  auch  das 
eines  ei?izelnen  Stattmies  zurücktreten  ynuß.  Wo  der  Text 
eines  schweizerischen  Liedes  wenig  verändert  auf  dem  Boden 
Deutschlands  sich  findet,  darf  immerhin  von  dieser  Verbreitung 
desfelben  Notiz  gegeben  und  genommen  werden.  Lch  habe  aber 
mit  den  mir  zu  Gebote  stehefiden  Hülfsmitteln  vollständige 
Nachweise  solchen  Sachverhaltes  mir  nicht  zum  Ziele  setzen 
können  und  glaube  diese  Aufgabe  dem  größern  Werke  einer 
allgemein  deutschen  vergleichenden  Volksliedersammlung  über- 
lassest zu  dürfest.  Lch  habe  also  trotz  aller  Beschränkung 
vielleicht  immer  noch  Lieder  in  die  Texte  aufgenommen,  welche 
bei  umfassender  Kenntniß  artdercr  Sammlungen  ausgeschlossen 


worden  wären ;  aber  so  würde  am  Ende  der  ganze  Vorrat h 
auf  ein  Mini)nuin  ziisammenscJu-jtmpfen.  das  überhaupt  keine 
Ausgabe  mehr  verdiente.  Uebrigcns  ist  in  einzelnen  Fällen  die 
Zugehörigkeit  eines  Liedes  zu  einem  weitern  oder  engern  Kreis 
gar  nicht  auszumachen ,  weil  nieder  Inhalt  noch  Sprachform 
noch  Druckangaben  genügende  Anhaltspunkte  bieten  und  der 
Zufall  ein  Lied  7veit  aus  seiner  Heimat  entführt  haben  kann, 
ähnlich  wie  einzelne  Wörter. 

Was  die  äußere  Form  einer  Ausgabe  von  J'olkslicdern 
betrifft,  so  ist  es  schwer,  zwischen  den  Ansprüchen,  7i.> eiche 
von  Gelehrten,  und  denen,  tvelche  vo7i  gebildeten  Laien  gestellt 
werden  mögen,  eine  richtige  Mitte  zu  finden.  Im  vorliegenden 
Fall  kommt  noch  der  Umstand  in  Betracht,  daß  schweizerische 
und  deutsche  Leser  nicht  ganz  dieselben  Bedürfnisse  und  Inter- 
essen haben.  Indessen  sind  diese  Unterschiede  durch  den  Lauf 
der  Zeit  sehr  abgeschwächt  worden.  Der  lebendige  Quell  des 
rolksliedes  ist  hüben  und  drüben  fast  ganz  versiegt  und  es  ist 
so  weit  gekommen,  daß  gerade  das  «  Volk  »  die  sog.  cc  Volks- 
lieder ))  weniger  kennt  und  genießt  als  die  Gelehrten !  Eine 
Ausgabe  von  Volksliedern  kann  auch  nicht  den  praktischen 
Zweck  verfolgen,  den  versiegten  Quell  7vieder  aufsprudeln  zu 
machen,  so  7venig  als  man  mit  einem  Idiotikon  der  absterbenden 
Volksfprache  noch  einmal  wird  atcfhelfen  wollen.  Die  Volks- 
lieder müssen  also  dem  Volke,  dem  sie  fremd  geiuorden  sind, 
jedenfalls  mit  irgend  tvelchen  Erklärungen  dargeboten  7üerden. 
die  auch  dem  Gelehrten  für  seine  Zicecke  dienen  können,  und 
nur  um  das  Maß  dieser  Zugaben  kann  es  sich  handeln;  davon 
7inrd  dann  auch  die  Stelle  abhafigen,  an  der  sie  anzubringen 
sind.  Ein  mit  bibliographischem  Detail,  Verzeichnissen  von 
Varianten,  mit  iveit  schweif  enden  Vergleichungen  und  Excursen 
ausgestattetes  Werk  zu  liefern  ist  nicht  meine  Absicht.  Wenn 
auch  solcher  gelehrte  Apparat,  in  Anmerkungen  unter  oder 
hinter  den  Texten  angebracht,  die  Lektüre  der  letztern  nicht 
geradezu  stören  würde,  so  würde  er  doch  das  Buch  in  unnöthiger 
Weise  belasten  und  vertheuern;  Specialwerke  und  Zeitschriften 
für  Fachmänner  sind  der  7'ichtige  Ort,    wo  Jene  Zuthaten, 


deren  Werth  sogar  für  die  Wissenschaft  jjicht  über  allem 
Zweifel  steht,  niederzulegen  und  aufzusuche^i  sind.  Das  Un- 
entbehrliche und  wii'klich  Bemerkenswerthe  habe  ich  theils  in 
die  Einleitung  aufgenommen,  theils  in  kurze  Noten  unter  den 
Texten  gefasst.  Was  endlich  die  Auswahl  der  Texte  selbst 
anlangt,  so  habe  ich  nirgends  dem  bloßen  Reiz  des  noch 
Unbekannten  oder  Ungedruckten  nachgegeben ,  wenn  ihm  nicht 
innerer  Werth  der  Sache  zur  Seite  stand,  obwol  ich  weiß, 
daß  dies  heutzutage  gar  nicht  allgenieine  Praxis  ist.  Wün- 
schcns7ucrther  als  manches  Andere  7väre  es,  Volksliedern  das 
beigefügt  zu  sehen,  icas  zu  ihrem  Wesen  und  Leben  allerdings 
mitgehört  und  besonders  mit  ihrer  metrischen  Form  ursprüng- 
lich in  innigem  Zusammenhange  steht,  —  die  Melodie.  Aber 
für  die  historischen  Lieder,  deren  ich  übrigens  nur  wenige  in 
Texten  darbiete .  gab  es  überhaupt  nur  7C'enige  Afelodien  und 
diese  konnten,  jceil  sie  auf  sehr  verschiedene  T-exte  übertragen 
oder  vielmehr  diese  nach  jenen  «  Tönen  »  oder  «  Weisen »  ge- 
formt wurden,  keinen  individt{elle7i  musikalischen  Werth  haben. 
Ueberdies  sind  Jiur  wenige  solche  Melodien  überliefert,  eijiige 
auch  schon  veröffentlicht,  nach  icelchen  man  sich  ein  Bild  von 
den  anderen  machen  kann.  s.  v.  Liliencron  Bd.  V.  Böhme. 
Liederbuch.  Bcechtold,  N.  Manuel  S.  CXXVLL.  Von  iiicht- 
historischcn  Liedern  konnte  ich  allerdings  mehr  Melodien 
mitgeben,  aber  gerade  die  schönsten  sind  auch  schon  gedruckt 
(s.  Kuhn,  Sammlung  von  Schweizer-Kühreihen  und  Volksliedern. 
Bern  1812,  daraus  einige  auch  bei  Erk,  Ausiuahl),  die  übrigen 
nicht  von  besonderm  Werth,  übrigens  von  mir  am  betreffenden 
Orte  citirt. 

Was  sonst  noch  im  Allgemeinen  über  die  Grundsätze  der 
Auswahl,  Textbehandlung  und  Sacherklärung  gesagt  werden 
könnte,  tuird  besser  auf  die  Einleitung  zu  den  zwei  LLaupt- 
theilen  verspart .  da  in  der  That  in  jenen  Beziehungen  für 
die  historischen  Lieder  nicht  ganz  dasfelbe  Verfahren  gelten 
konnte  7C'ie  für  die  übrigen. 

Lune  vollständige  Geschichte  des  Volksliedes  in  der  Sclnveiz 
7vird  man  hier  nicht  er7i.<arten  ;  sie  kann  nur  im  Zusammenhang 


rtiit  der  Geschichte  der  allgemein  deutschen  Volkspoesie  ge- 
geben 7verden  und  wird  in  die  «  Geschichte  der  deutschen 
Litter atur  der  Schweiz  »  aufzunehmen  sein,  weiche  den  Schluß 
unserer  (( Bibliothek »  ausmachen  soll.  Einiges  musste  hier 
allerdings  vorweg  genoinmen  werden.  Anderes  wird  um  so  eher 
bis  dorthin  ver spart  bleiben  dürfen,  und  diese  Vertheilung 
kann  den  Verfassern  erwünscht  sein;  nur  hat  der  des  vor- 
liegenden Bandes  nicht  den  Vortheil,  auf  den  spätem  bestimmt 
verweisen  zu  können. 

Erst  beim  Rückblick  auf  den  vollendeten  Druck  bemerke 
ich  noch  Gebrechen,  die  nicht  mehr  auszumerzen  sind :  einige 
Wiederholungen,  etwelche  Ungleichheit  in  der  orthographischen 
Behandlung  nmndartlicher  Texte,  für  welche  ich  eben  meistens 
die  Schreibung  meiner  Qtiellen  bestehen  ließ,  u.  a.  dgl.  Auch 
die  Ungleichheit ,  daß  unter  den  allgemeinen  Lied  er  71  einige 
mit  Titeln,  die  meisten  ohne  Titel  in  den  Texten  stehen, 
beruht  nicht  auf  Willkür  meinerseits ,  sondern  auf  der  Be- 
schaffenheit der  Quellen  und  attf  der  Scheu ,  Namen  zu  er- 
finden, 7uas  nicht  ohne  Einmischung  subjectivcr  Momente  ge- 
schehen konnte.  Ucber  die  Titulatur  der  historischen  Lieder 
ist  das  Nöthige  in  der  Einleitung  gesagt. 

Als  Ersatz  für  manche  formelle  Mängel  mögen  die  ziemlich 
zahlreichefi  und  zum  Theil  nicht  unbedeutenden  Ähichträge 
dienen,  welche  mir  erst  während  des  Druckes  zugi engen  und 
nicht  mehr  eingeschaltet  werden  konnten.  Lch  empfehle  die- 
selben, sowie  auch  einige  ausdrückliche  Berichtigungen ,  der 
besondern  Beachtung  sorgfältiger  Leser.  Endlich  habe  ich 
durch  mehrere  Ecgister  die  Nutzbarkeit  des  Buches  zu  erhöhen 
gesucht;  weggeblieben  ist  nur  ein  alphabetisches  Verzeichniß 
der  sämmtlichen  historischen  Lieder,  da  die  in  der  Ein- 
leitung gegebene  Uebersicht  nach  chronologischer  Ordnung 
dem  Zwecke  besser  zu  etitsprechen  schien  als  die  meist  nichts- 
sagenden und  oft  fast  oder  ganz  gleichlautenden  Anfangs^vorte. 

Es  bleibt  mir  jetzt  nur  noch  übrig,  diejenigen  Mänfier 
zu  nennen,  denen  ich  für  Beiträge  oder  andere  Mithülfe  zu 
meiner  Arbeit    öffentlichen   Dank   auszuprechcn   schuldig   bin. 


FAnzelne  kleine  Mitt/ieiluiigen  tverde  ich  später  avi  betreffenden 
Ort  erwähnen. 

Größere  handschriftliche  Beiträge  a?i  Texten  oder  Nach- 
weisimgen  verdanke  ich  den  Herren  Herausgebern  dieser 
Sammlung,  Drr.  Bcechtold  und  Vetter,  sodann  den  Herren 
Oberst  Bollinger  in  Schaffhausen,  Drr.  Geilfus  in  ll'interthur. 
Th.  V.  Liebenau  und  A.  Lütolf  (f)  in  Luzcrn ,  Rochholz  in 
Aar  au,    W.  Vi  scher  in  Basel. 

Den  Hei-ren  Bibliothekaren  Dr.  B7'unnhofer  in  Aarau, 
Dr.  Sieber  in  Basel,  Dr.  Blösch  in  Bern.  P.  Gabr.  Meier 
in  Einsiedeln,  Prof.  Meyer  in  Frauenfeld ,  Schiffviann  in 
Luzern,  P.  v.  Ithen  (Stiftsbibliothek),  Prof.  Di  er  au  er  (Stadt- 
bibliothek) in  St.  Gallen,  Dr.  Hafner  in  Winterthur,  Dr.  Horner 
in  Zürich  (Stadtbibliothek)  verdanke  ich  Mittheilungen  von 
(resp.  Zutritt  zu)  alten  Handschriften  oder  Drucken. 

Durch  meine  Stellung  als  Mitredaktor  des  Schweizerischen 
Idiotikons  stand  mir  die  Sammlung  von  Volksliedern  offen, 
welche  mein  l.  College  Dr.  F.  Staub  nebst  allen  andern  Voi'- 
arbeiten  zu  unserm  Werke  mit  seine/n  bekannten  Fleiß  angelegt 
und  geäufnet  hatte,  was  nicht  ohne  ausdrückliche  Eraoähnung 
und  innige  Dankbezeugung  bleiben  darf. 

Und  nun  mögen  unsere  Lieder,  leicht  geschürzt  und  be- 
schivingt,  hinausziehen  in  schweizerische  und  deutsche  Lande, 
Kunde  zu  bringett  von  einem  Geiste,  der  nicht  mehr  unter  uns 
lebt,  aber  voti  dem  vielleicht  doch  einige  Funken  wieder  erweckt 
werden  können,  und  einen  Beitrag  zu  leisten  zur  Geschichte 
des  schweizerischen  Volkes  und  der  allgemeinen  deutschen 
Volkspoesie  ! 


Zürich,  im  October  1882. 


Ludwig  Tobt.f.r. 


EINLEITUNG. 


I. 


HISTORISCHE  VOLKSLIEDER. 


Begriff  und  Quellen  derselben;   Grundsätze  der 
Auswahl  und  Behandlung. 

Ueber  Ursprung,  Wesen  und  Geschichte  der  historischen 
Volkslieder  im  Allgemeinen  ist  nach  dem,  was  Herr 
V.  Liliencron  in  den  Vorreden  zu  den  einzelnen  Bänden 
seiner  Sammlung  niedergelegt  hat,  nichts  mehr  zu  sagen. 
Eine  kürzere  Fassung  desfelben  Inhalts  mit  näherer  Beziehung 
auf  die  Schweiz  findet  sich  in  meiner  Abhandlung  «;  Ueber 
die  historischen  Volkslieder  der  Schweiz;)  (Archiv  des  histor. 
Vereins  in  Bern,  Bd.  VII,  305— 328).  f(  Die  schweizerischen 
historischen  Volkslieder  des  fünfzehnten  Jahrhunderts»  hat 
G.  Meyer  v.  Knonau  in  einem  unter  diesem  Titel  gedruckten 
A^ortrag  (Zürich  iSyoj  trefflich  charakterisirt  und  mit  Bei- 
spielen illustrirt.  A'on  dem  Unterschied  im  Charakter  und 
Werthe  der  Lieder  aus  der  spätem  Zeit  gegenüber  denen 
aus  der  frühern  war  schon  im  Vorwort  die  Rede ;  im  Zu- 
sammenhang einer  Geschichte  des  schweizerischen  Volks- 
liedes, wie  sie  Rochholz  im  Vorwort  zu  seiner  «  Eidgenös- 
sischen Liederchronik»  (p.  XI)  in  Ausficht  gestellt  hatte, 
würde  jener  LTnter schied  tiefere  Begründung  finden.  In  die 
Litteraturgeschichte  gehört  auch  eine  Zusammenstellung  der 
Namen    und    biographischen    Notizen    von    den    Verfassern 


IV  EINLEITUNG 

historischer  Volkslieder.  Reichliche  und  höchst  schätzbare 
Beiträge  zu  dem,  was  Lütolf  im  «Geschichtsfreund»  Bd.  XVIII, 
185,  Meyer  v.  Knonau  in  seinem  oben  citirten  Vortrag  p.  31  ff. 
beigebracht  haben,  bietet  Th.  v.  Liebenau  im  'f  Anzeiger  für 
Schweiz.  Geschichte»  1873,  p.  276  —  282.  1877,  P- 304— 3ii- 
1880,  p.  272 — 274.  Diese  Mittheilungen  betreffen  nicht  bloß 
die  Personalien  der  Verfasser,  sondern  auch  die  Wirkung  der 
Lieder,  welche  zwar  zunächst  der  politischen  Geschichte  an- 
gehört, aber  auch  für  die  Litteraturgeschichte  von  Interesse 
ist  und  nach  Allem  sehr  bedeutend  gewesen  sein  muß.  da 
die  Regierungen  gegeneinander  Klage  erhoben  und  eine  jede 
auf  ihrem  Gebiete  die  Urheber  und  Verbreiter  von  Liedern 
mit  harten  Strafen  belegte.  Natürlich  bezieht  sich  dies 
meistens  auf  die  inneren  Kämpfe  seit  der  Reformation. 
Solche  Lieder,  die  die  Parteien  gegeneinander  ausgehen 
ließen,  werden  in  einem  Tagsatzungsabschied  von  1529- 
«  Gegenlieder »  genannt.  Das  Singen  von  «.  Pratzliedern  » 
wurde  1523  in  Schaffhausen  verboten  (pratzen  =  prahlen^ 
trotzen).  Ein  Spottlied  auf  den  Herzog  von  Savoyen  wurde 
am  Neujahrsonntag  1582  von  einigen  lustigen  Gesellen  auf 
der  Metzgerstube  in  Luzern  nach  der  Mahlzeit  zum  Trünke 
gesungen;  die  Tochter  des  Wirthes  sang  mit.  Vor  dem 
Kriegsgericht  in  Sursee  am  26.  Juni  1653  bekannte  ein 
Bürger  von  Willisau,  er  habe  mit  drei  Andern  das  Tellenlied 
vor  dem  Hause  des  Herrn  Landvogts  gesungen,  und  zwar 
habe  er  vorgesungen.  —  Th.  v.  Liebenau  im  Anzeiger  f.  schw. 
Gesch.   1873.  p.  281.   1880.  p.  274. 

Herr  v.  Liliencron  hat  den  eigentlichen  Liedern  auch 
die  sog.  <<  Sprüche»,  d.  h.  unslrophische.  nur  zum  Lesen, 
nicht  zum  Singen  bestimmte  Dichtungen  beis^esellt  und  führt 
(im  Vorwort  zum  II.  Band)  für  dieses  Verfahren  triftige 
Ciründe  an,  da  in  L'rsprung.  Bestimmung  und  Wirkung,  also 
auch  in  der  Bedeutung  als  historische  Quellen,  die  Sprüche 
in  der  That  den  Liedern  gleich  stehen  ;  doch  werden  sie  eben 
wegen  ihrer  L^nsangbarkeit  etwas  geringere  Verbreitung  im 
Volke  gefunden  haben.    In  das  Verzeichniß  habe  ich  unsere 


HISTORISCHE  VOLKSLIEDER  V 

Sprüche  um  so  eher  aufnehmen  können,  da  sie  nicht  zahlreich 
sind;  in  den  Texten  konnten  sie  keinen  Raum  finden.  Ver- 
schiedener Ansicht  kann  man  auch  über  die  ganz  kurzen  Verse 
oder  Reimsprüche  sein,  die  hie  und  da  in  den  Chroniken 
citirt  werden.  Dort  haben  sie  ihre  richtige  Stelle  und  ihren 
historischen  Werth,  aber  unter  die  Lieder  kann  man  sie  nicht 
wohl  aufnehmen,  außer  wenn  sie  sich  mit  einiger  Sicherheit 
als  Bruchstücke  von  solchen  darstellen,  was  selten  der  Fall 
sein  wird.  Herr  v.  Liliencron  hat  mehrere  Verse  jener  Art 
aus  der  Schweiz  angeführt:  I,  p.  57.  123.  II,  p.  31.  Viele 
finden  sich  z.  B.  in  den  Handschriften  der  Stiftsbibliothek 
St.  Gallen  (s.  den  Katalog  von  Scherer).  Vgl.  auch :  Kirch- 
hofer, Schweiz.  Sprüchwörter,  p.  58 — 59.  61— 62.  69.  98.  Ein 
Beispiel  aus  der  Reformationszeit  sind  die  in  den  Mise.  Tigur. 
III,  35  mitgetheilten  Zeilen  eines  Schmachliedchens: 

«Der  Zwingli  und  der  Lcu^ 
Die  hand  ein  gmeine  Bulschaft, 
Die  isset  Haber  und  Heu  »  u.  s.  w. 

worauf  geantwortet  wurde : 

«Der  Zwingli  und  der  Leu 
Die  predigend  's  Evangelium, 
Daß  manchen  Christen  freu.» 

Ueber  die  Schwierigkeit  und  doch  Nothwendigkeit , 
politische  Zeitgedichte  von  Volksliedern  zu  unterscheiden, 
ist  im  Vorwort  gesprochen ;  auch  dieser  Unterschied  brauchte 
für  das  Verzeichniß  weniger  streng  genommen  zu  werden 
als  für  die  Auswahl  der  Texte. 

Daß  Lieder  von  Ausländern  (Deutschen)  über  schwei- 
zerische Ereignisse  nicht  als  schweizerische  Volkslieder  gelten 
können,  scheint  selbstverständlich;  doch  muß  der  z.B.  bei 
Veit  Weber's  Liedern  über  den  Burgunderkrieg  in  hervor- 
ragender Weise  stattfindende  Fall  ausgenommen  werden , 
<iaß  ein  Ausländer  wenigstens  eine  Zeit  lang  in  der  Schweiz 
lebte  und  schweizerische  Interessen  in  volksthümlicher  Weise 


^  Zwingli's  Freund  und  Gehülfe  Leo  Jud. 


VI  EINLEITUNG 

verfocht.  Sonst  ist  es  kaum  denkbar,  geschweige  nachweis- 
bar, daß  Produkte  eines  Fremden  Verbreitung  finden  konnten. 
Dasfelbe  Urtheil  muß  für  den  umgekehrten  Fall  gelten,  daß 
ein  Schweizer  ausländische  Ereignisse  besang,  die  nicht  mit 
schweizerischen  enge  verflochten  waren ;  wenn  solche  Lieder 
im  Ausland  Verbreitung  fanden,  so  sind  sie  den  dortigen 
Volksliedern  beizuzählen ;  in  der  Schweiz  konnten  sie  nicht 
populär  werden,  auch  wenn  der  Verfasser  in  der  Heimat 
lebte.  Was  der  weitgewanderte  Pritschenmeister  Heinr.  Wirri 
von  Aarau  in  Oestreich  und  anderswo  im  Dienste  von  Fürsten 
und  Städten  über  Hof-  und  Schützenfeste  oder  Kriege  sang 
(vgl.  Gödeke,  Grundr.  p.  293.  Antiq.  Mitth.  XLIV,  p.  3—4. 
Well.  Ann.  I,  Nr.  250),  gehört  natürlich  nur  dorthin.  Ein  Lied 
auf  Gustav  Adolf,  1633,  im  Tone  des  Teilenliedes,  ist  nach 
Hildebrand  (p.  XVIII)  wahrscheinlich  von  einem  Schweizer 
verfasst  und  vielleicht  auch  in  der  Schweiz  gedruckt:  aber 
ein  schweizerisches  Volkslied  wird  es  darum  Niemand  nennen. 
In  der  Basler  Lieder-Handschrift  F.  X,  21  und  auch  in  einer 
zürcherischen  (Stadtbibl.  Msc.  B.  16,  p.  433)  steht  ein  Lied^ 
welches  den  Schwaben  Abfall  vom  Wort  Gottes  vorwirft 
(Anfang :  «  O  ir  arme  Schwaben,  was  hand  ir  geton  »),  unter 
Anderm  die  Besetzung  der  Stadt  Ulm  durch  spanische 
(kaiserliche)  Truppen  als  Strafe  dafür  anführt  und  mit  dem 
Wunsche  schließt,  daß  Gott  die  Eidgenossenschaft  vor  ähn- 
lichem Schicksal  behüten  möge.  Das  Lied  könnte  von  einem 
Schweizer  verfasst  sein,  der  in  Ulm  Zeuge  der  spanischen 
Gewaltthätigkeit  war,  aber  auch  der  am  Schluß  ausge- 
sprochene Wunsch  berechtigt  nicht,  dasfelbe  der  Schweiz 
zuzurechnen.  Anders  verhält  es  sich  mit  den  Liedern  von 
Schweizern  über  Thaten  schweizerischer  Söldner  in  fremden 
Diensten,  z.  B.  im  französischen  zur  Zeit  der  Hugenotten- 
kriege. Wenn  auch  die  Theilnahme  der  Schweiz  an  solchen 
Ereignissen  keine  allgemeine,  nationale  und  officielle  war 
und  dem  Lande  nicht  zum  Heile  gereichte,  so  v.-ar  doch 
die  alte  Ehre  der  schweizerischen  Waffen  dabei  engagirt 
und  manches  Interesse  des  Volkes  davon  berührt.  — 


HISTORISCHE  ^"OLKSLIl£DHR  VII 

Eine  kurze  U  e  b  e  r  s  i  c  h  t  der  f r  ü  li  e  r  e  n  Sammlungen 
historischer  Volkslieder  der  Schweiz  habe  ich  in  meiner 
Abhandlung  a.  a.  O.  p.  307 — 309  gegeben,  hauptächlich  nach 
Soltau  und  Rochholz.  Einige  Ergänzungen  und  Berichtig- 
ungen mögen  hier  folgen.  —  Betreffend  die  Person  des 
Ludwig  Sterner  ist  nach  dem  Anzeiger  f.  Schweiz.  Gesch. 
1879,  P-  221  (wo  irrig  Steiner  gedruckt  steht),  1880,  p.  248 
—  252.  289 — 294  zu  berichtigen,  daß  von  ihm  allerdings  mehr 
bekannt  ist,  als  daß  er  « vielleicht »  Stadtschreiber  von  Biel 
war.  Seine  Sammlung  von  Liedern  aus  dem  Schwabenkrieg 
ist  der  von  J.  Lenz  verfassten  Reimchronik  dieses  Krieges 
angehängt;  s.  v.  Liliencron  2,  412,  Anm.  Hildebrand  p.  XXIV. 
Abschriften  aus  den  Originalen  von  Sterner  enthält  auch  der 
IL  und  III.  Band  der  handschriftlichen  Sammlung  von  Wyß 
in  Bern.  Die  Sammlung  von  Rudolf  Wyßenbach  (Zürich  1600) 
enthält  allerdings  keine  echten  Lieder,  die  nicht  auch  aus 
andern  Quellen  (Chroniken  und  fliegenden  Blättern)  bekannt 
wären,  und  dagegen  eine  Reihe  von  unechten,  welche  erst 
damals  hinzugedichtet  wurden,  weil  man  eine  möglichst 
vollständige  Schweizergeschichte  in  Liedern,  meistens  von 
Schlachten,  herstellen  wollte.  Aber  daß  man  sich  diesen 
Zweck  setzte  und  daß  man  die  ältere  Geschichte  bereits  als 
ein  abgeschlossenes  Heldenzeitalter  in  idealem  Lichte  (mit 
weislicher  Uebergehung  der  Bürgerkriege!)  betrachtete  und 
zu  dem  praktischen  Zweck  verwandte,  die  lebende  Generation 
am  Vorbilde  der  Vergangenheit  aufzurichten  und  zur  Besser- 
ung zu  ermahnen,  scheint  mir  bemerkenswerth.  Dasfelbe 
Bestreben  tritt  übrigens  au(  h  in  den  aus  der  vaterländischen 
Geschichte  geschöpften  Volksdramen  des  XVI.  Jahrhunderts 
hervor;  es  war  die  Frucht  der  im  XV.  erwachten  Geschicht- 
schreibung, welche,  wenigstens  seit  Tschudi,  auch  schon  von 
derselben  Tendenz  gefärbt  war. 

Die  Lieder  der  Tschudischen  Sammlung,  weUhe  Roch- 
holz (Liederchr.  Vorw.  p.  XVII)  nicht  gefunden  zu  haben 
bedauert,  werden  keine  andern  sein  können  als  die  in  den 
Tschudischen  Handschriften  der  Stiftsbibliothek  von  St.  Gallen 


VIII  EINLEITUNG 

enthaltenen  (s.  Scherers  Katalog  Xr.  645),  welche  Herr 
V.  Liliencron  benutzt  hat.  Derselbe  Gelehrte  und  Weller 
haben  auch  die  von  Rochholz  noch  im  Besitz  des  Herrn 
V.  Mülinen  in  Bern  gefundene,  später  von  dem  Freiherrn 
V.  Meusebach  angekaufte  und  nunmehr  auf  der  königlichen 
Bibliothek  in  Berlin  befindliche  Liedersammlung  ausgebeutet. 
Dasfelbe  wird  von  einem  Sammelband  von  Liederdrucken 
gelten,  den  Herr  v.  Meusebach  aus  dem  Nachlaß  von  Martin 
Usteri  erworben  hatte.  Den  auf  der  Stadtbibliothek  in  Zürich 
befindlichen  handschriftlichen  Nachlaß  von  Usteri  hat  Herr 
v.  Liliencron,  soweit  seine  Sammlung  sich  erstreckt,  eben- 
falls benutzt;  die  von  L'steri  umfasst  aber  auch  die  spätere 
Zeit  und  gibt  aus  derselben  eine  Menge  von  Gedichten  sehr 
verschiedenen  Inhaltes  und  Werthes,  nur  leider  zum  großen 
Theil  nicht  die  Texte  selbst  (deren  Fundorte  oft  in  nicht 
genügender  "Weise  angegeben  sind),  sondern  nur  die  Titel  mit 
Anfangszeilen,  Inhaltsangabe  und  sachlichen  oder  ästhetisch- 
kritischen Bemerkungen  (so  in  den  Bänden  P"  besonders  1 
und  2).  Viele  von  diesen  Produkten  gehören  zu  denjenigen, 
welche  ich,  als  nicht  dem  Begriffe  historischer  Volkslieder 
ents^orechend,  principiell  ausfchließen  musste ;  es  sind  zum 
Theil  dieselben,  welche  sich  auch  in  der  Sammlung  von 
Wyß  in  Bern  und  in  dem  Sammelband  124  der  Vadianischen 
Bibliothek  in  St.  Gallen  finden. 

Am  meisten  neue  Ausbeute  ergab  die  Stadtbibliothek 
in  Winterthur,  besonders  der  Sammelband  44''  und  einige 
andere,  welche  ich  an  den  betreftenden  Stellen  citiren  werde. 
Der  genannte  Band  enthält  übrigens  nicht  bloß  historische 
Lieder  und  Gedichte,  sondern  auch  geistliche  und  sog.  Ge- 
sellschaftslieder, und  gar  nicht  alle  von  schweizerischem 
Ursprung.  Dasfelbe  gilt  von  dem  Sarasin'schen  Sammelband 
in  Basel  (von  dem  Herr  Bibliothekar  Dr.  Sieber  ein  Ver- 
zeichniß  angefertigt  hat)  und  von  dem  handschriftlichen 
Liederbuch  F.  X,  21   der  Basler  Universitätsbibliothek. 

Die  Berner  Bibliothek  hatte  ich  schon  für  meine  frühere 
Arbeit  benutzt ;  indessen  würde  dort  mit  Hülfe  eines  Special- 


HISTORISCHE  VOLKSLIEDER  IX 

kataloges  ohne  Zweifel  noch  JNIanches  zu  finden  sein,  und 
so  vielleicht  noch  an  andern  Orten.  Ich  glaubte  mich  haupt- 
sächlich auf  die  Stadtbibliothek  in  Zürich  verlassen  zu  dürfen, 
welche  anerkannter  Maßen  gerade  auf  diesem  Gebiete  die 
reichste  unter  allen  schweizerischen  ist.  Weiteres  Nachsuchen 
da  und  dort  konnte  nicht  viel  nützen,  da  nur  für  die  spätere 
Zeit  allenfalls  noch  Neues  zu  entdecken,  dieses  aber  zum 
Voraus  seinem  Charakter  nach  zweifelhaft  war.  Schon  unter 
dem  A'orhandenen  die  Auswahl  zu  treffen,  war  eben  darum 
äußerst  schwierig.  Es  mussten  dabei  sehr  verschiedene  Rück- 
sichten walten,  und  nur  weil  darunter  rein  äußerliche  waren, 
konnte  eine  Auswahl  überhaupt  zu  Stande  kommen,  denn 
nach  dem  innern  Werthe  hätte  das  Urtheil  noch  schwanken- 
der und  subjectiver  ausfallen  müssen,  als  auch  jetzt  noch 
geschehen  ist.  Es  ist  natürlich,  daß  die  Auswahl  sich  mög- 
lichst auf  die  besseren  und  besten  Produkte  richtete,  aber 
diese  Rücksicht  niusste  durchweg  mit  der  andern  combinirt 
werden,  ob  die  Produkte  schon  mehr  oder  weniger  bekannt 
oder  in  andern  Sammlungen  leicht  zugänglich  waren.  Durfte 
die  des  Herrn  v.  Liliencron  als  weitern  Kreisen  zugänglich 
gelten,  so  konnte  die  ganze  von  derselben  umfasste  Zeit 
einfach  weggelassen  werden.  Aber  jene  Annahme  war  nicht 
statthaft  und  es  wäre  mit  jenem  Verfahren  einem  großen 
Theil  der  Leser  und  auch  dem  Gesammtzwecke  des  Buches 
nicht  gedient  gewesen.  Es  mussten  also  noch  andere,  auch 
kleinere,  aber  zugänglichere  Sammlungen  in  Anschlag  ge- 
bracht werden.  In  erster  Linie  wäre  hier  anzuführen  ci  Roch- 
holz, Eidgenössische  Liederchronik  »  (Bern  1835),  ^^'«^nn  nicht 
ein  Theil  der  in  dieser  sonst  verdienstlichen  Sammlung  ent- 
haltenen Lieder  sachlich  und  sprachlich  überarbeitet  wäre. 
Dieses  Verfahrens  hat  sich  enthalten  H.  Kurz  bei  seiner 
nur  allzu  nackt  hingestellten  Auswahl  im  XX.  Band  der 
«  Schweizerischen  Volksbibliothek  »  (Zürich  1860)  und  in  dem 
Buche  « Die  Schweiz  in  ausgewählten  Dichtungen  >)  (Bern 
1859).  Wissenschaftlichen  Werth,  aber  nur  geringen  Umfang, 
hat  die  von  Ettmüller  bearbeitete  Auswahl  «:  Eidsrenössische 


X  EINLEITUNG 

Schlachtlieder »  in  den  Mittheilungen  der  antiquarischen 
Gesellschaft  in  Zürich,  Band  II,  Heft  ii.  Diese  Sammlungen 
enthalten  eine  schöne  Anzahl  von  Liedern  der  besten  Zeit, 
welche  also  für  die  meinige  am  ehesten  entbehrt  werden 
konnten;  doch  musste  ich  darauf  bedacht  sein,  daß  auch 
die  ältere  Zeit  in  ihren  Hauptperioden  und  -Ereignissen 
nicht  ganz  ohne  Vertretung  blieb.  Nur  habe  ich  zu  diesem 
Zweck  nicht  gerade  die  am  meisten  bekannten  Schlacht- 
lieder ausgewählt,  welche  zwar  zum  Besten  gehören,  aber  doch 
eine  gewisse  Einseitigkeit  darstellen,  sondern  einige  weniger 
bekannte  Lieder,  welche  mehr  allgemeine  Zeitstimmungen 
ausfprechen,  übrigens  der  Wort-  und  Sacherklärung  einzelne 
Schwierigkeiten  bieten.  Eine  sachliche  Rücksicht  negativer 
Art  betraf  hauptsächlich  die  neuere  Zeit.  Wenn  die  Lieder 
aus  den  Bürgerkriegen,  welche  zugleich  Religionskriege  waren, 
besondern  poetischen  oder  historischen  Werth  hätten,  so 
dürften  sie  nicht  übergangen  werden.  Wenn  aber  jene  Eigen- 
schaft ihnen,  aus  schon  früher  erwähnten  Gründen,  nicht 
zukommt,  war  es  dann  rathsam  oder  unerläßlich,  das  An- 
denken jener  Ereignisse  auch  in  Gestalt  der  Lieder  dem 
schweizerischen  Volke  noch  einmal  vorzuführen?  Dem  Ge- 
schichtforscher gebe  ich  im  Gesammtverzeichniß  die  An- 
leitung, auch  jene  Zeugnisse,  wenn  er  sie  bedarf  und  begehrt, 
aufzufinden  und  zu  verwerthen.  Im  Uebrigen  konnte  die 
Auswahl  in  der  neuern  Zeit  nur  solche  Dichtungen  in  Be- 
tracht ziehen,  welche  sich  selbst,  schon  in  ihrem  Titel,  als 
t( Lieder»  geben,  also  Lieder  wenigstens  sein  wollten,  wenn 
sie  es  auch  nicht  wirklich  sind ;  innerhalb  dieser  Schranke 
hatte  die  Auswahl  sich  nach  dem  Maße  zu  richten,  in  welchem 
die  einzelnen  Produkte  ihre  Bestimmung  erreicht  oder  verfehlt 
haben.  Es  ist  fast  unmöglich,  daß  ein  von  so  vielen,  sich 
zum  Theil  kreuzenden  Rücksichten  bedingtes  Verfahren 
durchweg  das  Richtige  getroffen  habe,  und  ich  bin  hier,  wie 
bei  den  nichthistorischen  Liedern,  auf  den  Vorwurf  gefasst. 
daß  ich  mehr  oder  gar  alles  Vorhandene  hätte  geben  sollen. 
Sollte  das  Begehren  danach  wirklich  in  weitern  Kreisen  laut 


HISTORISCHE  VOLKSLIEDER  XI 

werden  und  sollte  —  was  ich  jetzt  noch  nicht  zu  hoffen 
wage  —  trotz  der  Unvollständigkeit  des  jetzt  Gegebenen 
eine  zweite  Auflage  nöthig  werden,  so  könnte  jener  Wunsch 
Erfüllung  finden,  indem  dann  die  Einleitungen  weggelassen 
oder  verkürzt  und  dafür  mehr  Texte  aufgenommen  würden. 
Die  Gestaltung  des  Textes  beruht,  soweit  die  Sammlung 
des  Herrn  v.  Liliencron  reicht,  fast  durchaus  auf  den  Quellen, 
die  er  benutzt  hat,  und  ich  verweise  für  alle  bezüglichen 
bibliographischen  und  kritischen  Angaben  auf  das  von  ihm 
beigebrachte  Material;  im  Wortlaut  und  in  der  Erklärung 
des  Textes  einzelner  Stellen  durfte  ich  mir  Abweichungen 
gestatten.  Für  die  neuere  Zeit  verweise  ich  betreffend  das 
Bibliographische  auf  Gödeke  und  Weller,  soweit  diese  selbst 
reichen.  Den  Text  gebe  ich  nach  den  Ausgaben,  die  mir 
hier  zunächst  zur  Hand  waren :  Vergleichung  mit  allen  andern 
Drucken  hätte  einen  Aufwand  von  Mühe  erfordert,  der  mit 
den  Ergebnissen  sicherlich  in  keinem  Verhältniß  stand.  Den 
Wortlaut  des  Textes  habe  ich,  wo  nichts  Besonderes  bemerkt 
ist,  unverändert  der  Vorlage  entnommen,  nur  in  der  Schreib- 
ung mir  gelegentlich  diejenigen  Vereinfachungen  und  Aus- 
gleichungen erlaubt  (vgl.  v.  Lil.  I,  p.  VIII  ff.),  die  heutzutage 
bei  der  Wiedergabe  älterer  Texte  üblich  sind,  wo  nicht 
ausdrücklich  auch  die  Geschichte  der  Orthographie  mitbe- 
dacht werden  soll ;  zu  dieser  würden  aber  unsere  wenigen 
Texte  einen  geringen  Beitrag  liefern.  Vom  Ende  des  XVIII. 
Jahrhunderts  an  tritt  neben  die  mehr  oder  weniger  rein 
gehaltene  Schriftsprache  die  geschriebene  Mundart,  für  deren 
Schreibung  die  Grundsätze  gelten,  die  bei  den  nicht-histo- 
rischen Volksliedern  zu  besprechen  sein  werden.  —  Unregel- 
mäßigkeiten des  Versmaßes  und  Reimes  auszugleichen  wäre 
stellenweise  leicht,  anderswo  aber  schwer  und  schon  darum 
nicht  rathsam,  weil  sie  ohne  Zweifel  keineswegs  immer  nur 
spätem  Abschreibern,  sondern  den  Verfassern  selbst  zur  Last 
fallen,  denen  sie  unbewusst  oder  gleichgültig  waren. 


XII  EINLEITUNG 

Chronologisches  Verzeichniss  der  historischen 
Volkslieder. 

Das  folgende  Verzeichniß  soll  eine  möglichst  vollständige 
Uebersicht  geben.  Es  ist  darum  der  Begriff  « historische 
Volkslieder  j)  hier  in  mehrfacher  Hinsicht  weniger  streng  ge- 
nommen und  festgehalten  worden  als  bei  der  Auswahl  der 
Texte.  Es  waltete  hier  mehr  die  Rücksicht  auf  die  Ereignisse 
selbst  als  auf  den  Charakter  und  Werth  der  Dichtungen, 
denen  sie  das  Dasein  gaben.  Es  sollte  gezeigt  werden,  daß 
fast  kein  bedeutendes  Ereigniß  der  äußern  Geschichte, 
wenigstens  bis  gegen  Ende  des  XVIII.  Jahrhunderts,  ohne 
irgend  ein  poetisches  Zeugniß  dasteht.  Immerhin  bleiben 
auch  hier  manche  halb  gelehrte  Dichtungen  ausgeschlossen, 
dergleichen  z.  B.  die  Reformation  in  Gestalt  von  Streit- 
gedichten, sogar  von  streitbaren  Kirchenliedern,  ferner  die 
Yilmergerkriege  und  andere  Ereignisse  hervorgebracht  haben. 
Weniger  streng  in  materieller  Hinsicht  ist  die  Auswahl 
insofern,  als  einerseits  für  die  Anfänge  der  Eidgenossenschaft 
auch  die  Sagengeschichte  hereingezogen  worden  ist  und 
andrerseits  auch  Lieder,  welche  nachweislich  oder  wahr- 
scheinlich mit  den  betreffenden  Ereignissen  nicht  gleichzeitig, 
sondern  erst  später  verfasst  worden  sind,  Aufnahme  in  die 
Reihe  gefunden  haben \  Damit  jedoch  sowohl  der  geschicht- 
lichen als  der  litterarischen  Kritik  ihr  Recht  unverkümmert 
bleibe,  sind  die  (übrigens  nicht  zahlreichen)  Produkte  jeuer 
beiden  Arten  nur  chronologisch  an  der  betreffenden  Stelle 
eingereilit,  aber  ohne  Nummern,  weil  sie  eben  den  übrigen 
nicht  gleichgestellt  werden  sollen.  Der  Jahrzahl  wird  das 
Ereigniß  in  möglichst  kurzer  Bezeichnung  beigegeben,  und 
unter  diesen  Titeln  sind  die  einzelnen  Lieder,  deren  oft 
mehrere  sich  auf  dasfelbe  Ereigniß  beziehen,  ebenfalls  ganz 
kurz,  oft  nur  mit  ihren  Anfangszeilen,  angeführt.     Wer  die 


^    Daß    aber   sämmtliclie   Lieder   auf  alte    Schlachten   erst   im 
XVI.  Jahrhundert  gedichtet  seien  (Weiler,  Ann.  II,  Vorw.),  ist  unwahr. 


HISTORISCHE  VOLKSLIEDER  XIII 

Weitläufigkeit  der  Titulatur,  besonders  seit  dem  XVI.  Jahr- 
hundert, kennt  und  bedenkt,  wird  dieses  Verfahren  nicht 
bloß  entschuldigen,  sondern  geradezu  als  das  einzig  mögliche 
billigen,  da  sonst  diese  Uebersicht  zu  viel  Raum  in  Anspruch 
nähme.  Wer  aus  bibliographischem  Interesse  die  vollständigen 
Titel  zu  kennen  wünscht,  findet  Hinweisung  auf  Werke,  wo 
dieselben  bereits  gedruckt,  oder  direkte  auf  die  Bibliotheken, 
wo  die  Stücke  zu  finden  sind ;  nur  bisher  unbekannte  und 
nicht  leicht  zugängliche  bedurften  genauerer  Angaben. 

Historische  Erläuterungen  über  die  Ereignisse  selbst 
und  über  das  Verhältniß  der  in  den  Liedern  enthaltenen 
Angaben  zu  denen  der  eigentlichen  Quellen  konnten  weder 
dem  Verzeichniß  noch  den  Texten  beigegeben  werden ;  das 
hätte  wieder  einen  unverhältnissmäßigen  Raum  erfordert  und 
auch  nur  von  einem  Historiker  geleistet  werden  können.  Die 
meisten  Ereignisse  dürfen  als  jedem  gebildeten  Schweizer 
schon  aus  der  Volksfchule  bekannt  angenommen  werden ; 
bei  weniger  bekannten  musste  eine  kurz  gefasste  Angabe 
genügen.  Auswärtige  Leser,  welche  nicht  in  erster  Linie 
berücksichtigt  werden  konnten,  kennen  die  Hauptereignisse 
ebenfalls,  wenigstens  die  der  altern  Zeit,  welche  übrigens  in 
der  Sammlung  des  Herrn  v.  Liliencron  vor  den  Texten  dar- 
gestellt sind;  die  Kenntniß  der  übrigen,  besonders  also  der 
neueren,  muß  aus  Geschichtswerken  geschöpft  werden.  In 
meinen  eigenen  Angaben  mag  theils  wegen  der  kurzen 
Fassung,  zu  der  ich  genöthigt  war,  theils  wegen  unzu- 
reichender geschichtlicher  Fachkenntniß  und  der  Unmöglich- 
keit, besondere  Studien  erst  noch  zu  machen,  manches 
Einzelne  ungenau  geblieben  oder  auch  unrichtig  bezogen 
worden  sein.  Ich  muß  daher  die  Fachmänner  bitten,  solche 
Mängel  zu  entschuldigen  und  auch,  wo  es  nöthig  sein  mag, 
zu  berichtigen. 

Betreffend  die  Jahrzahlen,  welche  den  Ereignissen  bei- 
gesetzt sind,  muß  noch  bemerkt  werden,  i)  daß  dieselben 
nirgends  mit  völliger  Sicherheit  zugleich  für  die  Entstehungs- 
zeit der  betreffenden   Lieder   gelten   können;    2)   daß   bei 


XIV  EINLEITUNG 

Ereignissen,  die  eine  längere  Zeit  einnahmen,  die  dem  Titel 
in  Klammer  beigesetzten  Jahresgrenzen  sich  nicht  auf  die 
ganze  Dauer  der  mit  jenem  Namen  bezeichneten  Ereignisse 
selbst  beziehen,  sondern  nur  ungefähr  den  Zeitraum  an- 
deuten sollen,  auf  welchen  die  betreffenden  Lieder  sich 
erstrecken.  Was  endlich  die  Citate  auf  Wellers  Annalen 
betrifft,  so  sind  dieselben  theils  da  angebracht,  wo  damit 
die  Angabe  eines  ausführlichem  Titels  erspart  werden  sollte, 
theils  da,  wo  das  betreffende  Stück  mir  nur  aus  Weller 
bekannt  war.  Usteri"s  Sammlungen  habe  ich  nur  in  den 
wenigen  Fällen  citirt,  wo  mir  eine  andere  Quelle  nicht 
vorlag.  Mit  den  unmittelbaren  und  genauen  Citaten  auf  die 
Zürcher  Stadtbibliothek  (ZSB.),  auch  da,  wo  zugleich  Weller 
citirt  ist,  soll  nicht  gesagt  sein,  daß  die  betreffenden  Stücke 
sich  nur  dort  finden,  sondern  daß  ich  sie  von  dorther  kenne, 
und  ich  wollte  damit  dem  Leser  die  Mühe  eigenen  Suchens 
ersparen. 

Sagenhafte   J ''orgesehichte. 

Einwanderung  der  Schweizer  aus  dem  Norden. 

Das  sog.  Ostfriesenlied:  ^O  milder  Gott  in  deinem 
Reich.»  Die  vielbestrittene  Sage  von  der  Herkunft  der 
schweizerischen  Alpenbevölkerung  aus  dem  Norden,  aus 
Schweden  und  Friesland,  ist  erschöpfend  und  endgültig  auf- 
geklärt durch  die  beiden  Herausgeber  dieser  Sammlung,  die 
Herren  Dr.  Btechtold  und  Vetter,  in  deren  nachbenannten 
Schriften  sich  auch  die  Litteratur  über  die  Streitfrage  ver- 
zeichnet findet.  Baechtold  hat  in  seiner  Ausgabe  der  Stret- 
linger  Chronik,  im  ersten  Bande  dieser  Sammlung,  auch  die 
Schrift  <<:  Vom  Herkommen  der  Schwyzer  und  Oberhasler » 
besprochen,  als  deren  Verfasser  er  den  eben  jener  Chronik. 
Eulogius  Kiburger.  nachgewiesen  hat  (a.  a.  O.  p.  LXX  ff.)\ 
Verfasser  des  Liedes,   welches   wesentlich   auf  jener  Schrift 


^  Einige  Zweifel  an  der  Identität  der  beiden  Verfasser  äußert 
Vnueher  im  Anzeiger  f.  schw.  Gesch.  1877,  p.  339 — 340. 


HISTORISCHE  VOLKSLIEDER  XV 

beruht,  ist  nach  p.  LXXXIII  wahrscheinlich  Gwer  Ritter, 
ein  Volksdichter  aus  dem  Berner  Oberland  um  die  Mitte 
des  XVI.  Jahrhunderts,  der  noch  ähnliche  Lieder  verfasst 
hat\  nach  Vetter  (Bern.  Taschenb.  1880,  p.  49  ff.)  ein  ]Matthys 
Zwald,  aus  derselben  Heimat,  aber  erst  im  XVII.  Jahrhundert. 
Von  der  Sage  selbst  handelt  ausführlich  Vetter  (in  der 
Gratulationsfchrift  der  Universität  Bern  zur  vierten  Säcular- 
feier  der  Universität  Upsala,  Bern  1877)  und  zwar  sucht  er 
nachzuweisen,  daß  die  Sage  nicht  bloß  aus  Nachrichten 
mittelalterlicher  Historiker  zusammengestoppelt  und  ins  Volk 
geworfen,  sondern  ihrem  Kerne  nach  der  Rest  einer  alten, 
echten,  mit  denen  anderer  germanischer  Stämme  zusammen- 
gehörigen und  ebenbürtigen  AVandersage  der  Alamannen  sei. 
historisch  natürlich  nur  in  ihi-em  allgemeinsten  Inhalt,  der 
Einwanderung  von  Norden  her.  Wichtig  ist  diese  Sage  als 
solche  auch  darum,  weil  sie  jedenfalls  mit  der  Teil -Sage 
zusammenhängt,  was  ^'etter  (p.  29 — 32 )  in  lesenswerther  Weise 
zum  ersten  Mal  von  dieser  Seite  dargestellt  hat.  Weitere 
Auslassungen  darüber  können  hier  keine  Stelle  finden.  Wie 
Baechtold  im  Anhang  (S.  179 — 197)  die  Schrift  c  Vom  Her- 
kommen ))  nach  der  ältesten  Handschrift  abgedruckt  hat,  so 
gibt  Vetter  als  Anhang  (S.  37 — 43)  das  Lied,  nach  einem 
Druck  von  1665,  77  Strophen  (wie  auch  bei  Rochholz 
p.  381 — 39Ö),  welche  freilich  nie  werden  abgesungen  worden 
sein,  aber  heute  etwa  noch  in  den  Schulen  vorgetragen 
werden.  Auf  p.  44  ist  noch  von  anderen  Liedern  über  die 
Einwanderung  die  Rede,  deren  man  sich  im  Oberhasli 
erinnere ;  das  dort  mitgetheilte  Bruchstück  eines  solchen 
spricht  jedenfalls  nicht  für  höheres  Alter. 

Wilhelm  Teil. 

Lieber   diesen  Haupthelden   gibt    es   zwei   Lieder,    von 

denen  freilich  nur  das  eine   ihm   ausdrucklich  gewidmet  ist. 

und  gerade  dieses  ist  später  und  weniger  interessant  als  das 


'  S.  über  ihn  aucli  noch  \"etter  im  Berner  Tasclienhuch  1880, 
p.  49.  56. 


XVI  EINLEITUNG 

andere,  übrigens  längst  bekannt  und  oft  gedruckt.  Es  ist 
das  Lied:  f<Wilhehii  bin  ich  der  Teile  :>■>,  dem  Pritschenmeister 
Hieronymus  Muheim  in  Uri  zugeschrieben,  der  es  aber,  laut 
der  letzten  Strophe  (28)  und  laut  dem  Titel  des  Druckes  von 
1633  nur  «gebessert  und  gemehrt  »,  also  ein  älteres  Original 
überarbeitet  hat.  Die  älteste  bekannte  Ausgabe  ist  von  Frei- 
burg i.  Ü.  1613,  eine  zweite  von  1628;  spätere  s.  bei  Roch- 
holz 285  und  Weller,  Ann.  I.  Xr.  188.  Parodische  Erneuer- 
ungen des  Liedes  in  späterer  Zeit  s.  Nr.  41.  i,  a.  42.  e.  3. 
53,  2.  Rochholz  bemerkt,  daß  das  Lied  noch  zur  Zeit  der 
französischen  Invasion  (1798)  in  Luzem  gesungen  worden 
sei.  Die  Verse,  welche  nach  ihm  an  einem  Hausgiebel  in 
Arth  unter  einem  Bilde  von  Teil  zu  lesen  waren  und  von 
Brentano  für  «  Des  Knaben  Wunderhorn  »  dort  copirt  wurden, 
waren  laut  Angabe  der  neuen  Herausgeber  jener  Sammlung 
nicht  Strophen  unsersTellenliedes.  sondern  ein  Reimgespräch 
zwischen  Teil  und  seinem  Kind,  in  welches  allerdings  die 
zweite  Hälfte  der  dritten  und  der  fünften  Strophe  des  Tellen- 
liedes  aufgenommen  war.  Die  ganze  Inschrift  gibt  Kurz, 
<«  Die  Schweiz  in  ausgewählten  Dichtungen  >>  p.  164  mit  einigen 
Abweichungen  vom  (("Wunderhorn»;  sie  ist  jedenfalls  spätem 
Datums  und  gehört  nicht  in  unser  Gebiet.  Das  Tellenlied 
selbst  steht  auch  im  Wunderhorn,  bei  Kurz  a.  a.  O.  p.  167 — 170. 
Als  Produkt  des  XVI.  Jahrhunderts  gibt  es  sich  (in  seiner 
erweiterten  Gestalt)  durch  die  in  den  letzten  Strophen  aus- 
gesprochenen Warnungen  vor  Herrendienst  und  Zwietracht 
deutlich  zu  erkennen.  Das  Hereinziehen  der  spätem  Ge- 
schichte (Schlacht  am  Morgarten)  hat  es  mit  dem  folgenden 
Liede  gemein. 

Dieses  zweite  Teilenlied  ist  zwar  seinem  Text  nach 
ebenfalls  längst  bekannt,  aber  erst  vor  einigen  Jahren  als 
selbständiges  älteres  Lied  wieder  erkannt  worden,  nachdem 
schon  Wyßenbach  den  Sachverhalt  richtig  bemerkt  hatte 
(s.  unten).  Es  bildet  nämlich  in  der  L'eberlieferung  den 
Eingang  des  Liedes  «  Vom  Ursprung  der  Eidgenossenschaft  » 
((( Von  der  eidgnoschaft  so  wil  ich  heben  an  »),  welches  im 


HISTORISCHE  VOLKSLIEDER  XVII 

Jahre  1477  nach  glückHcher  Beendigung  des  Burgunderkrieges 
verfasst,  einen  RUckbhck  auf  den  Anfang  und  das  Wachs- 
thum  des  nunmehr  so  starken  Bundes  wirft.  Das  Lied  als 
Ganzes,  29  Strophen  umfassend  (in  späterer  Gestalt  noch 
mehr,  s.  Rochh.  S.  210),  wird  also  an  der  betreffenden  Stelle 
unserer  chronologischen  Ordnung  (15,  /)  nochmals  vor- 
kommen ;  aber  es  scheint  eben  allmählich  entstanden  zu  sein 
und  Bestandtheile  in  sich  aufgenommen  zu  haben,  die  sich 
auch  wieder  ablösen  lassen.  Dies  gilt  insbesondere  von  den 
ersten  9  Strophen,  welche  höchst  wahrscheinlich  einst  ein 
eigenes  Lied  ausgemacht  haben  und  zwar  eben  das  älteste 
Tellenlied,  das  wir  besitzen  und  das  auch  schon  der  Chronist 
Ruß  kannte.  Dieses  unterscheidet  sich  von  dem  zuerst  be- 
sprochenen allerdings  dadurch  zunächst  nicht  vortheilhaft. 
daß  es  von  der  ganzen  Tellgeschichte  nur  den  Apfelschuß 
erzählt  und  auch  diesen  nicht  als  Selbstzweck  zur  Verherr- 
lichung des  Helden,  sondern  nur  als  Beispiel  der  Tyrannei 
der  Vögte  und  als  Anlaß  zum  Ausbruch  des  Freiheitskampfes 
und  zur  Stiftung  des  ersten  Bundes  (der  dann,  laut  der 
Fortsetzung  des  Liedes,  eine  so  mächtige  Erweiterung  finden 
sollte).  Aber  im  Grunde  war  es  ja  ganz  richtig,  die  Tell- 
geschichte nur  als  ein  gelegentliches  Moment  im  Ganzen 
der  Freiheitskämpfe  darzustellen,  und  auch  daß  der  Apfel- 
schuß allein  erwähnt  wurde,  hatte  seinen  guten  Grund,  denn 
er  ist,  mythisch  betrachtet,  älter  und  ächter,  moralisch 
betrachtet,  reiner  und  preiswürdiger  als  der  Schuß  auf  den 
Vogt  aus  dem  Versteck  oder  (nach  Ruß)  von  der  Platte  aus. 
Die  Kürze  übrigens,  mit  der  auch  der  Apfelschuß  in  jenen 
9  Strophen  (eigentlich  nur  in  Str.  4 — 6)  behandelt  ist,  hat 
schon  früh  zu  Erweiterungen  geführt ;  es  wurden  nach  Str.  5 
vier  weitere  hinzugedichtet,  welche  das  Gespräch  zwischen 
dem  Landvogt  und  Teil  ausführlicher  berichten,  aber  nicht 
eben  zum  Vortheil  des  Ganzen,  und  nach  Str.  4  noch  eine. 
So  erscheint  das  Lied  in  einem  Zürcher  Druck  von  1545 
und  bei  Wyßenbach  1600,  hier  mit  dem  Titel  (^Tellenlied» 
und   mit    dem    ausdrücklichen   Zusatz   am   Schluß,    daß    die 

II 


XVIII  EINLEITUNG 

übrigen  22  Strophen  in  die  Zeit  der  Burgunderkriege  gehören. 
—  Was  das  Alter  des  ursprüngHchen  Liedes  betrifft,  so  muß 
es,  weil  die  Fortsetzung  Ereignisse  des  Jahres  1474  erwähnt, 
vor  diesen  Zeitpunkt  fallen  und  kann  dann  wohl  noch  einige 
Decennien  weiter  hinauf  geschoben  werden.  Ob  das  Schau- 
spiel von  Wilhelm  Teil,  welches  wahrscheinlich  im  Anfang 
des  XVI.  Jahrhunderts  in  Uri  aufgeführt,  im  Jahr  1545  durch 
J.  Ruef  in  Zürich  erneuert  wurde,  auf  Liedern  wie  das  zuletzt 
besprochene  und  auch  die  ältere  Gestalt  des  Muheim'schen, 
oder  auf  den  Chroniken  beruht  und  wie  sich  diese  zu  den 
Liedern  verhalten,  ist  nicht  genau  zu  ermitteln ;  wahrschein- 
lich hat  der  mächtige  Trieb  zu  litterarischer  Darstellung  der 
alten  Sagen  und  Geschichten,  der  um  die  Mitte  des  XV.  Jahr- 
hunderts durch  den  Zürichkrieg  erweckt  und  durch  die  fol- 
genden Kriege  genährt  worden  war,  ziemlich  gleichzeitig  in 
allen  drei  Formen  sich  versucht  und  geäußert. 

Das  Obige  wesentlich  nach  der  trefflichen  Darstellung  von 
W.  Vischer  («  Die  Sage  von  der  Befreiung  der  Waldstätte  -». 
Leipzig  1867),  dem  auch  die  Arbeit  des  Herrn  v.  Liliencron 
schon  vorlag;  ich  verweise  l^esonders  auf  S.  45 — 53.  77 — 83 
der  Vischer"schen  Schrift. 

Das  alte  Teilenlied  gebe  ich  unter  den  Texten,  da  es 
in  dieser  Selbständigkeit  sich  anders  ausnimmt  und  vielen 
Lesern  neu  sein  wird. 

Notiz  von  einem  noch  im  Jahr  155 1  bekannten  Liede. 
das  sich  auf  die  Einnahme  der  Burg  Schwanau  im  Lowerzer 
See  bezog  und  begann  :  a  Zwischen  zweien  bürgen  da  lit  ein 
dieffer  see»,  gibt  Th.  v.  Liebenau  im  Anzeiger  1880,  S.  273. 


■^^1^^ 


I.  Bündniss  zwischen  Bern  und  Freiburg.     (1245.) 
«Wend  ir  nu  hören  märi. »    Mit  diesem  Liede,  welches 
auch  in  der  Sammlung  des  Herrn  v.  Liliencron  (Bd.  I,  S.  2) 
als  ältestes  voransteht,  betreten  wir  den  Boden  der  positiven 


HISTORISCHE  VOLKSLIEDER  XIX 

Geschichte;  nur  ist  nicht  ganz  sicher,  auf  welches  BUndniß 
der  beiden  Städte  sich  das  T.ied  beziehe,  da  eines  schon  vor 
1243  bestanden  hatte  (Rochh.  XV)  und  nach  diesem  Jahre 
noch  mehrere  Erneuerungen  stattfanden  (1271.  1307.  13x3). 
Der  überHeferte  Text  des  Liedes  würde,  wenn  er  ursprünglich 
und  mit  dem  Bündniß  gleichzeitig  sein  sollte,  eher  auf  den 
Anfang  des  XIV.  als  auf  das  XIII.  Jahrhundert  weisen ;  aber 
da  er  aus  dem  XV.  Jahrhundert  stammt,  ist  er  jedenfalls  über- 
arbeitet und  steht  die  historische  Beziehung  frei.  Diejenige 
auf  das  Bündniß  von  1243  i^t  um  so  weniger  abzuweisen,  da 
Bartsch  (Germ.  XI,  106  —  107)  nachgewiesen  hat,  daß  einige 
Wort-  und  Versformen ,  welche  der  Mitte  des  XIII.  Jahr- 
hunderts nicht  ganz  angemessen  scheinen  könnten,  damals 
schon  vorkamen,  andere  sich  leicht  so  herstellen  lassen,  wie 
es  die  Regel  verlangt.  Es  ist  übrigens  verkehrt,  für  Produkte 
der  Volkspoesie  jener  Zeit  alle  die  Regeln  geltend  zu  machen, 
welche  für  die  Kunstpoesie  sollen  gegolten  haben.  A\'as  das 
Sachliche  betrifft,  so  hat  Liebrecht  (Zur  Volkskunde  S.  238. 
abgedruckt  aus  der  Academy  1870)  vermuthet,  daß  das  Bild 
von  den  weidenden,  von  wilden  Thieren  bedrohten  Ochsen 
in  unserm  Liede  wol  zunächst  aus  der  84.  Fabel  von  Boner, 
diese  aber  aus  der  18.  des  Avian  stamme,  wo  der  Löwe  vier 
einträchtige  Ochsen  entzweit  und  sie  dann  einzeln  über- 
Avältigt.  Jene  Vermuthung  wird  natürlich  hinfällig,  wenn  die 
über  das  Alter  des  Liedes  aufgestellte  richtig  ist,  und  Boner 
könnte  dann  umgekehrt  das  Lied  benutzt  haben,  wenn  nicht 
die  Vi  er  zahl  der  Ochsen  dagegen  spräche.  Statt  des  Löwen 
hat  er  den  Wolf  eingeführt,  dem  «die  Wölfe  und  Füchse» 
im  Anfang  der  vierten  Strophe  unsers  Liedes  entsprechen. 
In  Zwingli's  «.  Fabelgedicht  von  dem  Ochsen  und  etlichen 
Thieren  ",  verfasst  um  das  Jahr  15 16,  ist  durch  die  Einzahl 
des  Ochsen  das  Bild  verändert.  Da  der  von  Kurz,  Die 
Schweiz  133—134,  gegebene  Text  (nach  Tschudi)  sehr  mangel- 
haft und  auch  der  des  Herrn  v.  Liliencron  noch  einiger  Ver- 
besserungen fähig  (vgl.  Studer  im  Archiv  des  bist.  Vereins  in 
Bern,  Bd.  V,  S.  526),  überdies  das  Lied  noch  wenig  bekannt 


XX  EINLEITUNG 

und  durch  sein  Alter  besonders  ehrwürdig  ist,  so  habe  ich 
es  in  die  Texte  aufgenommen.  Ob  es  übrigens  als  wirkliches 
Volkslied  gesungen  wurde,  möchte  immerhin  die  Frage  sein,, 
schon  weil  die  Strophenform  etwas  künstlich,  der  Ton  etwas 
didaktisch  ist  und  ein  Bund  der  beiden  Städte,  auch  wenn 
das  Lied  sich  auf  den  erstmaligen  bezieht,  schwerlich  ein 
Ereigniß  war,  das  weitere  Kreise  des  Volkes  lebhaft  bewegen 
konnte. 

Schlacht  am  Morgarten.     1515. 

fr  In  Gottes  Namen  heb  ich  an.  »  Dieses  Lied  ist  unecht^ 
es  erscheint  erst  in  der  Sammlung  von  Wyßenbach,  als  Nr.  2- 
Weller,  Ann.  I,  615.     Kurz.  a.  a.  O.  185  —  188. 

Belagerung  von  Solothurn.     13 18. 

Späteres  Lied,  erst  von  1681.    Weller  I,  1027. 

2.  Güminenkrieg.     1331  — 1532. 

«Ein  jeger  der  hieß  Friburger.  0  v,  Lil.  I,  ;^^ — 34.  Der 
Text  dieses  Liedes  ist  mehrfach  verderbt  und  lückenhaft. 

Schlacht  bei  Laupen.     1339. 

Von  dieser  Schlacht  gibt  es  zwei  Lieder,  das  eine  ganz,, 
das  andere  wahrscheinlich  gröstentheils  spätem  Ursprungs. 
Das  erstere  « Gott  hat  den  Bären  gewaffnet  Avohl »  findet 
sich  in  Rebmanns  <(  Lustig  poetisch  Gastmahl  und  Gespräch 
zweier  Berge ),),  Bern  1620.  Das  andere  c  Nun  hört  ein  altes 
Liedli  schon»  (bei  Kurz,  a.a.O.  205 — 207  nach  Rochholz), 
zuerst  gedruckt  1536  und  wahrscheinlich  auch  erst  damals 
verfasst,  gibt  sich  selbst  als  Erneuerung  eines  altern  Liedes, 
und  es  ist  nur  die  Frage,  ob  eine  ältere  Grundlage  in  ein- 
zelnen Zügen  noch  zu  erkennen  sei.  Herr  v.  Liliencron  (1,52) 
bejaht  dies,  Bartsch  (Germania  XI,  109)  bezweifelt  es  und 
ebenso  Studer  (Archiv  d.  hist.  Ver.  von  Bern,  Bd.  V,  S.  130 
— 138),  welcher  in  den  Zügen,  die  das  Lied  nicht  aus  der 
Chronik  geschöpft  hat,  nicht  alte  Ueberlieferung,  sondern 
freie  Dichtung  findet,  dem  Geiste  nach  ziemlich  richtig,  aber 
nicht  in  den  einzelnen  Daten.  Bemerkenswerth  ist  die  von 
Studer  nachgewiesene  mehrfache  Berührung  des  Liedes  mit 
dem  sog.  Halbsuterschen  von  der  Schlacht  bei  Sempach,  wo 


HISTORISCHE  VOLKSLIEDER  XXI 

eine  ältere  Grundlage  weniger  zweifelhaft,  doch  auch  nicht 
■sicher  zu  erkennen  ist.  Berichtigung  bedarf  nur  eine  von 
Studer  (S.  125,  Anm.  i)  gemachte  Bemerkung  betreffend  den 
Titel  des  Liedes,  der  den  Zusatz  enthält :  «  in  der  Wys  wie 
des  Ecken  ußfart.  d  Dabei  ist  nicht  an  das  von  N.  Manuel 
verfasste  Spottgedicht  auf  den  Dr.  Eck  bei  der  Disputation 
zu  Baden  1526  (s.  Bschtold  S.  203)  zu  denken,  dessen  Vers- 
maß die  «Schillers  Hofton  >>  genannte  Meistersängerweise  ist 
(eine  Strophe  von  14  Zeilen),  sondern  an  das  alte,  in  den 
Sagenkreis  des  Dietrich  von  Bern  gehörende  Lied  von  dem 
Riesen  Ecke,  nach  dessen  Versmaß  (Strophe  von  13  Zeilen) 
wirklich  unser  Lied  gedichtet  ist.  Man  weiß,  daß  die  alten 
Lieder  von  Dietrich  auch  in  der  Schweiz  bekannt  waren 
und  daß  gerade  auf  bernischem  Gebiete  eine  jener  Sagen 
localisirt  worden  ist  (s.  Vetter,  Berner  Taschenbuch  1880, 
S.  201  ff.  204—205.  Den  Riesen  Signot  erwähnt  noch  Rudolf 
jNIanuel,  Bjechtold  S.  378).  Es  lässt  sich  vielleicht  gerade 
.aus  der  Wahl  jenes  Versmaßes  auf  ein  vorhanden  gewesenes 
älteres  Lied  schließen;  denn  daß  der  Erneuerer  diese  Strophen- 
form erst  hinzugethan  habe,  wie  v.  Liliencron  meint,  ist  un- 
wahrscheinlich. 

3.  Rapperswyler  Krieg.     1550. 

Fragmente  eines  Liedes,  das  diesen  Krieg  betroffen  zu 
haben  scheint,  glaubt  Th.  v.  Liebenau  (Anzeiger  f.  Schweiz. 
Gesch.  1877,  S.  304)  aus  der  von  Ettmüller  (Mittheilungen 
d.  antiq.  Gesellsch.  Zürich,  Bd.  VI)  herausgegebenen  Rappers- 
wyler Chronik  erkannt  zu  haben. 

Schlacht  bei  TätwyL     13  5 1. 

Ein  späteres  Lied  auf  diese  Schlacht,  mit  dem  auch 
sonst  vorkommenden  Anfang  c  Im  Namen  der  helgen  Drei- 
faltigkeit II,  hat  Wyßenbach,  Nr.  4.  Weller.  Ann.  Nachtr.  z. 
I.  Bd.,  Nr.  II 78. 

Zwist  des  Bischofs  Heinrich  von  Constanz  mit  den  Bürgern 
der  Stadt.     1556. 

Das  die  Folgen  dieses  Zwistes  beklagende  Lied  des 
Fischers   Haspel   in   Constanz    (bei  v.  Lil.  I,  62)    mag    hier 


XXII  EINLEITUNG 

angeführt  werden,  wie  später  (Nr.  28)  andere  Constanz  be- 
treffende (obwohl  die  Stadt  nie  förmlich,  wie  sie  ihrer  Lage 
nach  sollte,  zur  Eidgenossenschaft  gehört  hat)  wegen  ihrer 
vielfachen  Beziehungen  und  Berührungen  mit  unserm  Ge- 
biete, in  Folge  derer  auch  von  Schweizern  gedichtete 
Lieder  auf  Constanzer  Ereignisse  vorkommen. 

4.  Streit  der  Städte  Bern  und  Biel  mit  dem  Bischof  von 
Basel.     1368. 

«Nu  hörent  jämerliche  klag.»  v.  Lil.  L  65.  Kurz  223 
—  225.  Dieses  Lied  ist  dem  Geiste  nach,  aber  leider  auch 
in  seiner  mangelhaften  Ueberlieferung,  ähnlich  Nr.  2.  Das 
Feuerschnauben  des  Bären,  unter  dessen  Bilde  Bern  darge- 
stellt wird,  erinnert  an  den  feurigen  Athem  des  Dietrich  von 
Bern  in  seinen  Kämpfen  mit  Riesen  und  Drachen  und  ist 
vielleicht  wieder  eine  Spur  der  in  Bern  lebendig  gebliebenen 
Dietrichsagen ;  vgl.  das  zum  Titel  des  zweiten  Laupenliedes 
Bemerkte.  Daß  hinter  dem  Helden  Dietrich  in  jener  Eigen- 
schaft der  alte  Gott  Donar  steckt,  der  auch  als  Bär  bezeichnet 
und  dargestellt  wurde,  ist  bekannt,  s.  Uhland,  Schriften» 
Bd.  VIII,  S.  512-519. 

5.  Guglerkrieg.     1575. 

«Berner  waffen  ist  als  schnell.»  v.  Lil.  I,  88 -90.  Kurz 
231  —  232.  Die  strophische  Form  des  Liedes  ist  arg  zerrüttet 
und  kaum  herzustellen,  aber  das  Alter  desfelben  sonst  nicht 
zu  bezweifeln.  Wyßenbach  hat  als  Nr.  5  :  «  Ein  schön  Lied 
von  den  Schlachten  zu  Buttisholz,  Ins  und  Frauwenbrunnen, 
von  den  Eidgnossen  wider  die  Engellender  erhalten,  in  den 
Wienacht  Feirtagen  a°  1375.  »  Schon  dieser  Titel  beweist 
die  Unechtheit  und  späte  Abfassung,  da  es  ja  dem  Begriff 
eines  historischen  Volksliedes  geradezu  widerstreitet,  Thaten, 
die  an  verschiedenen  Orten,  wenn  auch  ziemlich  gleichzeitig 
und  gleichartig,  geschehen  sind,  in  Eins  zusammenzufassen, 
als  ob  auch  die  Urheber  dieselben  gewesen  wären.  Dieselbe 
Bewandtniß  hat  es  mit  dem  Liede  auf  drei  Schlachten  des 
Appenzellerkrieges  bei  Wyßenbach  Nr.  7. 


HISTORISCHE  VOLKSLIEDER  XXIII 

6.  Schlacht  bei  Sempach.     1386. 

Eine  übersichtliche  Darstellung  des  Bestandes  und  Ver- 
hältnisses der  diese  Schlacht  betreffenden  Dichtungen  von 
schweizerischer  Seite  habe  ich  im  Archiv  des  bist.  Vereins 
von  Bern,  Bd.  VII,  S.  340 — 343  gegeben,  wesentlich  nach 
V.  Liliencron  (I,  116— 145),  und  kann  hier  bloß  einige  Nach- 
träge aus  der  seitherigen  Litteratur  beifügen.  Die  rein 
historische  Streitfrage  über  die  That  \Vinkelrieds  könnte  hier 
natürlich  nur  dann  berührt  werden,  wenn  neue  Quellen  etwas 
für  die  Kritik  des  Liedes  selbst  ergäben,  das  jenen  Helden 
nennt.  Jene  Nachträge  sind :  Lütolfs  Besprechung  der  Schrift 
von  Rauchenstein  «  Winkelrieds  That  bei  Sempach  ist  keine 
Fabel)),  im  Neuen  Schweiz.  Museum,  Bd.  I,  S.  259 — 266. 
Meyer  v.  Knonau,  «  Die  Schweiz,  bist.  Volkslieder  des  15.  Jahr- 
hunderts )),  S.  54 — 55.  Th.  V.  Liebenau  im  Anz.  f.  Schweiz. 
Gesch.  1877,  S.  305 — 308,  über  die  Halbsuter,  1878  S.  81 — 83, 
1880  S.  270  und  dazu  Jahrbücher  f.  Schweiz.  Gesch.  5,  14. 
Ochsenbein  im  Sonntagsblatt  des  «Bund))  vom  6.  Jan.  1879. 
Am  schärfsten  und  übersichtlich  abschließend  zeichnet  den 
Stand  der  Winkelriedfrage  M.  v.  Stürler  (Anzeiger  1881, 
S.  392 — 394),  der  die  Fassungen  des  großen  Liedes  bei 
Schodeler  und  Steiner  als  erweiternde  Ueberarbeitungen  des 
Ruß'schen,  also  als  Mittelglieder  zwischen  diesem  und  dem 
Tschudischen  ansieht.  Den  Text  des  Spruches  vom  Sem- 
pacherstreit  und  des  Halbsuterschen  Liedes,  beide  nach 
Tschudi,  gibt  Kurz  a.  a.  O.  249 — 255,  das  Lied  allein  in  der 
Schweiz.  Volksbibl.  Bd.  XX,  S.  39— 55.  Das  Lied  nach  der 
Zürcher  Handschrift  von  Tschudi  geben  die  Mittheilungen 
d.  antiq.  Gesellsch.  in  Zürich,  Bd.  II,  S.  65  —  71.  Den  Spruch 
gibt  auch  Lütolf  a.  a.  O.  261^263  nach  der  Handschrift  von 
Cysat.  Einen  beachtenswerthen  Versuch,  das  Lied  in  mehrere 
(4)  Bestandtheile  aufzulösen  und  gerade  dadurch  genießbarer 
zu  machen,  hat  Lorenz  in  der  Germania  Bd.  VI,  S.  173^179 
veröffentlicht  und  Herr  v.  Liliencron  hat  dieser  Auffassung 
im  Allgemeinen  gegenüber  der  Ansicht,  das  Lied  sei  ein 
einheitliches  Ganzes,  entschieden  beigepflichtet;  nur  geht  er 


XXIV  EIXLEITLXG 

in  der  Annahme  ursprünglich  da  gewesener  kleiner  Lieder, 
welche  in  einander  geschoben  und  mit  Zusatzstrophen  ver- 
bunden wurden,  noch  weiter  als  Lorenz,  ohne  doch  die 
einzelnen  Lieder  als  solche  genau  herstellen  zu  wollen.  Den 
Spruch  ((f  Ach  richer  Christ,  wie  groß  sind  unsre  schulde!»), 
unzweifelhaft  die  älteste,  am  wenigsten  bestrittene  und  in 
weiteren  Kreisen  noch  am  wenigsten  bekannte  Dichtung 
von  der  Sempacher  Schlacht,  würde  ich  in  die  Texte  auf- 
genommen haben,  wenn  er  eben  ein  eigentliches  «.  Lied  »  und 
von  gleichem  poetischen  AA'erthe  wäre  wie  mehrere,  vielleicht 
ebenso  alte  Bestandtheile  der  beiden  Lieder,  des  von  Ruß 
als  (f  nach  der  Schlacht  gesungen  »  bezeichneten  «Dienider- 
ländschen  herren »  und  des  sog.  Halbsuterschen  «Im  1386 
jar»,  welches  jedenfalls  in  der  überlieferten  Gestalt  von 
Niemand  gesungen  und  wahrscheinlich  von  Ruß,  wenn  dieser 
es  überhaupt  schon  kannte,  durch  jenen  Zusatz  als  späteres 
Machwerk  bezeichnet  wird.  Wackernagel  hat  dasfelbe  in  die 
ersten  Auflagen  seines  Lesbuches  aufgenommen,  später  weg- 
gelassen. Bcechtold,  Deutsches  Lesebuch  S.  509 — 511  gibt 
eine  Auswahl  von  30  Strophen,  welche  so  ziemlich  die  ältesten 
und  besten  Bestandtheile  umfassen  mag.  Das  Bild  vom 
Beichtehören,  aus  dem  kleinern  Lied  auch  in  das  große  über- 
gegangen, begegnet  schon  in  der  alten  Heldensage,  bei  dem 
streitbaren  Mönch  Ilsan,  der  im  Gefolge  Dietrichs  von  Bern 
steht,  s.  der  Rosengarten,  von  W.  Grimm,  S.  80.  —  Ueber  die 
Winkelriedfrage  s.  noch  Dr.  C.  Dändliker  im  Anz.  1882,  Nr.  2. 

7.  Schlacht  bei  Näfels.     1388. 

Das  Lied  «In  einer  fronfasten  do  hüb  sich  (der)  Glarner 
not»  (bei  Lil.  I,  146.  Antiq.  Mitth.  II,  71.  Kurz.  Volksbibl. 
55—56.  Die  Schweiz  262  —  263)  ist  in  die  Texte  aufgenommen, 
weil  es  sich  durch  Einfachheit  auszeichnet  und  damit  das 
XIV.  Jahrhundert  nicht  ganz  unvertreten  bleibe.  Eine  spätere 
Erweiterung  desfelben,  zuerst  von  Tschudi  mitgetheilt  und 
für  seine  Darstellung  der  Schlacht  benutzt,  ist  das  größere 
Lied  (clm  1388  jar»,  v.  Lil.  I,  148— 151.  Kurz,  Die  Schweiz 
263 — 265.  Usteri  erwähnt  noch  ein  Lied  mit  gleichem  Anfang, 


HISTORISCHE  VOLKSLIEDER  XXV 

welches  von  dem  Tschudischen  sonst  sehr  verschieden  und 
noch  später  sei. 

Auf  ein  Nachspiel  zum  Näfelser  Krieg,  die  Belagerung 
von  Rapperswyl,  bezieht  sich  ein  von  Th.  v.  Liebenau  (An- 
zeiger f.  schw.  Gesch.  1877,  S.  304)  nachgewiesenes  Spottlied 
(auf  den  Abzug  der  Zürcher)  aus  der  schon  bei  Nr.  3  er- 
wähnten Rapperswyler  Chronik.  Als  unecht  zu  bezeichnen 
ist  auch  das  Lied  «Herr  Gott,  du  seist  gepriesen»,  bei 
Wyßenbach  Nr.  10. 

8.  Schlacht  bei  Visp.     1388. 

(Kampf  der  Ober-Walliser  gegen  Graf  Rudolf  v.  Greyerz. 
der  sie  im  Namen  des  Grafen  Amadeus  YII.  von  Savoyen 
zur  Anerkennung  des  von  diesem  Fürsten  gewählten  Bischofs 
von  Sitten  zwingen  wollte.) 

Das  wenig  bekannte  und  nur  von  Lil.  I,  152  — 154  (aus 
Furrers  Geschichte  von  WalHs)  mitgetheilte  Lied  «Im  jar  als 
man  hat  zält »  etc.  gibt  sich  durch  Stil  und  Sprache  als  ein 
späteres  Machwerk  zu  erkennen,  könnte  aber  doch  auf  einem 
altern  Volksliede  beruhen.  Es  steht  auch  in  der  «  Walliser 
Monatsfchrift)^  1863,  Nr.  7.  In  der  Notiz  des  Herrn  v.  Lilien- 
cron  S.  152,  Anm.  ist  die  Jahrzahl  und  die  Beziehung  auf  den 
«grünen  Grafen»  zu  berichtigen;  s.  zum  Jahr  1475. 

Appenzeller  Krieg.     1403  — 1405. 

Ein  unechtes  Lied  auf  die  Schlachten  am  Speicher,  Stoß 
und  an  der  Wolfshalde  zusammen  steht  bei  Wyßenbach : 
s.  zu  Nr.  5. 

9.  Eroberung  des  Aargau.     141 5. 

Dieselbe  wird  beklagt,  und  zwar  in  einer  von  östreich- 
ischem  Standpunkt  aus  ziemlich  zutreffenden  und  stellenweise 
witzigen  Weise,  in  dem  Spruch  eines  Aargauers  <.(  In  minem 
sinn  es  übel  hillt »,  v.  Lil,  I,  268--271.  Vgl.  auch  Meyer 
V.  Knonau  S.  7 — 8. 

10.  Zürichkrieg.     1443  — 1446. 

Die  diesen  Krieg  betreffenden  Lieder  von  zürcherisch- 
östreichischer  Seite  können  natürlich  als  eigentlich  schwei- 
zerische nur  gelten,   so  weit  sie  dem  (spätem)  Gebiete  der 


XXVI  EINLEITUNG 

Schweiz  angehören,  was  gleich  von  einem  der  ersten,  dem 
Schmachlied  des  Isenhofer  von  AValdshut  «  Woluf  ich  hör  ein 
nüw  gedön^),  Lil  L  383.  Antiq.  Mitth.  II,  80—83  ('^'gl-  Meyer 
V.  Knonau  9  — 11)  nicht  gilt,  dagegen  von  dem  früher  unbe- 
kannten, von  Hans  von  Anwil  verfassten  Lied  auf  die  ver- 
gebliche Belagerung  von  Lauffenburg  durch  Basel  und  Bern 
mit  deren  Bundesgenossen  (von  Solothurn)  im  August  1443 
(vgl.  Lil.  I,  392).  Das  nicht  üble  Lied  ist  nun  abgedruckt 
im  Anzeiger  1880,  S.  270—272.  Uebrigens  waren  schon  im 
Jahr  1441  Lieder  auch  von  schwyzerischer  Seite  gemacht 
und  verboten  worden  (Anzeiger  f.  schw.  Gesch.  1873,  S.  279. 
1877,  S.  304,  3).  Das  erste  uns  leider  nur  in  verderbtem 
Text  und  unvollständig  erhaltene  Lied  von  schwyzerischer 
Seite  beginnt  (dn  disem  nüwen  jare»,  bei  v.  Lil.  I,  389, 
vgl.  Meyer  v.  K.  10 — 12  und  s.  Texte.  Es  ist  eine  Antwort 
auf  das  Isenhofer'sche,  bald  nach  diesem  und  kurz  vor  der 
Schlacht  bei  St.  Jakob  an  der  Sihl  verfasst.  Die  hier  er- 
littene Niederlage  der  Zürcher  wird  in  dem  Liede  « Gen 
disem  nüwen  jare  >)  (Lil.  I,  393.  Meyer  v.  K.  13)  durch  Vor- 
würfe wegen  der  von  den  Schwyzern  gebrauchten  Kriegslist 
und  der  von  ihnen  begangenen  Greuel  vergolten,  aber 
befriedigtes  Rachegefühl  spricht  erst  nach  der  Schlacht  bei 
St.  Jakob  an  der  Birs  aus  dem  Liede  «  Die  Schwyzer  sind 
ußzogen»,  V.  Lil.  I,  396.  Meyer  v.  K.  14--15.  Den  Schluß 
macht  das  Lied  auf  die  Schlacht  bei  Ragatz  « Gen  disem 
werden  sumer  »,  v.  Lil.  I,  398 — 400.  Mittheil.  d.  antiq.  Ges. 
II,  72  —  75.  Meyer  v.  K.  i — 5.  Der  Verfasser  desfelben,  Hans 
Ower  (Auer)  war  nach  Th.  v.  Liebenau  (im  Anzeiger  1877. 
S.  304,  4)   von  Schaffhausen,   später  in   Basel   und  Luzern. 

II.  Zwist  des  Abtes  von  St.  Gallen  mit  den  Bürgern  der 
Stadt.     1 4  5 1 . 

Das  betreffende  Lied  « Abt  Kaspar  von  sant  Gallen  ■> 
(Lil.  I,  441 — 443)  soll  von  Constanz  (wo  vor  hundert  Jahren 
ein  ähnlicher  Zwist  vorgekommen  war,  s.  o.)  nach  St.  Gallen 
gebracht  worden  sein,  ist  aber  vielleicht  doch  daselbst  ge- 
dichtet, jedenfalls  im  Sinn  der  dortigen  Bürger.    Vgl.  Nr.  17. 


HISTORISCHE  VOLKSLIEDER  XXVII 

12.  Einnahme  des  Thurgau.     1460. 

«;  Der  Krieg  der  hat  sich  aber  erhebt.  0  Lil.  I,  521 — 522. 
Antiq.  Mitth.  II,  84.     Kurz,  Die  Schweiz  315. 

13.  (Verlorenes)  SpottHed  auf  den  Schultheißen  zu  Bern, 
Thüring  v.  Ringoltingen,  und  dessen  Leute  zu  Utzistorf, 
angeblich  von  einem  Solothurner  1461  gedichtet  und  von 
der  dortigen  Regierung  mit  Strafe  bedroht.  Soloth.  Wochenbl. 
1819,  S.  193.     Anzeiger  1880,  S.  272. 

14.  Mülhauser  und  Waldshuter  Zug.     146S. 

Auf  den  erstem  Zug  gibt  es  zwei  Lieder :  u  Woluf  mit 
richem  schalle»  und  «Ein  liedli  wil  ich  heben  an»,  das 
letztere  besonders  munter,  wahrscheinlich  von  einem  Berner 
(vgl.  Anzeiger  f.  Schweiz.  Gesch.  1877,  S.  304—305).  Das 
Waldshuter  Lied,  von  Toni  Steinhuser  von  Wyl  (später  in 
Appenzell  und  Luzern,  s.  Anzeiger  1873,  S.  280),  beginnt: 
«  Ein  nüwes  liedlin  heb  ich  an. »  Alle  drei  Lieder  bei  Lil.  11, 
550.  552.  556.  Proben  des  zweiten  bei  Meyer  v.  K.  16  — 18. 
Das  Waldshuter  Lied  bei  Kurz,  Die  Schweiz  317 — 320  und 
in  der  Volksbibliothek  58  —  61. 

15.  Burgunderkrieg.     1474 — 1477. 

a.  Friede  und  Bund  mit  Ocstrcich.     ("  Ewige  Richtung.  0) 

1474.     s.  Texte. 

i)  «^  Der  stieße  sumer  fröwet  mich  '^  von  Rudolf  MontigeL 
Lil.  II,  23  —  26.     Meyer  v.  K.  20. 

2)  «Gelobet  si  der  ewig  gott»,  von  Veit  Weber.  Lil.  II, 
27 — 30.  Kurz,  Die  Schweiz  322.  Ueber  V.  Webers 
Herkunft,  Lebensumstände  und  Dichtungsweise  s. 
Meyer  v.  K.  34 — 39.  Seine  Lieder  sind  gesammelt 
herausgegeben  von  Schreiber,  Freiburg  i.  B.  1819. 
Wenn  er  auch  kein  geborner  Schweizer  war  und 
zunächst  die  Sache  seines  Landesherrn  vertrat,  so 
sang  er  doch  auch  im  Dienste  und  Geiste  gemeiner 
Eidgenossen  und  daß  diese  seine  Lieder  sangen, 
unterliegt  keinem  Zweifel.  Die  Sache  liegt  also  anders 
als  bei  den  Liedern  von  deutscher  Seite  im  alten 
Zürichkrieg. 


XXVIII  EINLEITUNG 

Das  (<  von  einem  Krämerli »  verfasste  Lied  auf  die 
Gefangennahme  und  Hinrichtung  Peters  v.  Hagenbach 
f(Wend  wir  aber  heben  an  )^  (Lil.  II,  32)  wurde  wohl  an 
Ort  und  Stelle  des  Ereignisses,  in  Breisach,  gedichtet 
und  gesungen,  kann  also  nicht  als  schweizerisch  gelten. 
Ein  parodisches  Osterliedchen  der  Basler  Knaben  gibt 
Lil.  II,  31. 

b.  Zug  nach  Hericoitrt.     October  1474. 

«Nu  will  ich  aber  singen»,  von  Veit  Weber.  Lil.  IL 
39 — 41.     Kurz,  Die  Schweiz  324. 

c.  Zug  nach  Pontarlier.     April  1475. 

«  Der  winter  ist  gar  lang  gesin  y,  von  Veit  Weber. 
Lil.  II,  60 — 64.     Kurz,  a.  a.  O.  327. 

d.  Zug  nach  Bloniont.     Ende  Juli   1475. 

« Ein   vereinung   ist   lobeliche  »,    von  Mathias  Zoller 

(von  Laufenburg,  später  in  Bern  ;  vgl.  Meyer  v.  K.  34.  55). 

Lil.  IL  65  — 67.  Kurz,  Die  Schweiz  329.  Volksbibl.  62 — (>(>. 

e.  Niederlage  des  Bischofs  von  Genf,  Johann  Ludwig,  bei 

Sitten,  am  13.  Nov.  1475. 

Johann  Ludwig,  Graf  von  Savoyen,  war  ein  Bruder 
des  Grafen  Jakob  von  Romont,  Herrn  der  AVaadt  und 
Statthalters  Karls  des  Kühnen.  In  Verbindung  mit  der 
Herzogin  Jolante  von  Savoyen  stehend,  suchte  er,  zu- 
nächst die  alten  Ansprüche  seines  Hauses  auf  das  Wallis 
erneuernd,  von  dort  aus  den  Zuzug  lombardischer  Söldner 
nach  Burgund  zu  begünstigen  und  von  jener  Seite  Bern 
zu  bedrohen,  welches  am  7.  Sept.  1475  ^"'i*  dem  Bischof 
von  Sitten  und  den  Oberwallisern  sich  verbündet  hatte. 
Strophe  27  des  Liedes  Nr.  /  (unten)  erwähnt  ausdrücklich 
die  Mitwirkung  der  Walliser.  Der  Anzeiger  f.  Schweiz. 
Gesch.  1S61,  Nr.  2,  S.  24—26  gibt  die  Uebersetzung 
eines  im  Patois  des  Einfischthaies  bis  auf  neueste  Zeit 
fortgepflanzten  Liedes,  welches  nach  den  a.  a.  O.  bei- 
gefügten Erklärungen  sich  auf  jene  Ereignisse  bezieht. 
Daß  der  Graf  Johann  Ludwig  in  diesem  Lied  ft  grüner 
Graf»  genannt  wird,  soll  auf  Verwechslung  beruhen. 


HISTORISCHE  VOLKSLIEDER  XXIX 

/.  Veit  Webers  Lied  auf  die  Stadt  Freiburg  «  Mit  Gesang 
vertrib  ich  min  leben ))  (Lil.  II,  69 — 71.  Kurz,  Die  Schweiz 
331.  Volksbibl.  66 — 72)  war  ohne  Zweifel  veranlaßt  durch 
den  festlichen  Einzug  der  Eidgenossen  (i.  Xov.  1475)  ^^^ 
ihrer  Rückkehr  aus  der  Waadt  und  bezieht  sich  auf  die 
durch  Burgund  am  meisten  bedrohte,  aber  durch  die  Ver- 
bindung mit  den  Eidgenossen  gesicherte  Lage  der  Stadt. 
(^^.  Im  December  1475  ^"^  Februar  1476   verhandelte   die 
Tagsatzung  über  zwei  Schmiedgesellen,  welche  zu  Hel- 
lingen  ein   boshaftes  Lied   gegen  Landammann  Reding 
von  Schwyz  gesungen  hatten  und  zuletzt  gegen  Bezahlung 
der  Kosten  entlassen  wurden.    Vgl.  Th.  v.  Liebenau  im 
Anzeiger  1877,  S.  305,  6). 
//.  Schlacht  bei  Grausen.    Februar  1476.    Mehrere  Lieder: 
i)  «  Oesterrich  du  slafest  gar  lang  0,   nach  Lütolf  (Ge- 
schichtsfr.  XVIII,  187)  von  Hans  Viol  von  Luzern, 
nach  Th.  v.  Liebenau  (Anzeiger  1880,  S.   272  —  273) 
von  Rudolf  V.  Montigel  (s.  a,  i).  Lil.  II,  74 — 78.  Kurz, 
Die  Schweiz  337 — 340. 

2)  « In  welschem  land  hebt  sich  ein  struß.  »  Lil.  II,  79 — 81. 
Kurz,  a.  a.  O.  336 — 337.  Der  Dichter  bezeichnet  sich 
in  der  letzten  Strophe  nur  als  einen  armen  Fahrenden. 

3)  ((Alle  ding  sol  man  fahen  in  Gotes  narnen  an»,  Lil.  II, 
82—83.  Kurz,  Volksbibl.  73 -76.  .\ntiq.  Mittheil.  IL 
75  —  76.  Ein  unechtes  Lied  verzeichnet  Weller,  Ann.  IL 
S.  414. 

/.  Schlacht  hei  Miirtcu.     Juni   1476. 

i)  «Min  herz  ist  aller  frouden  voll  '\  von  Veit  Weber. 
Lil.  IL  92 — 95.  Kurz,  Die  Schweiz  347 — 349.  Wacker- 
nagel, Lesebuch,  5.  Aufl.,  S.  1427  — 1434.  Brechtold. 
Lesebuch  S.  512 — 514. 

2)  «Nun  merkend  all  geliche»,  von  Hans  Viol.  Lil.  II, 
96 — 98.  Kurz,  Die  Schweiz  345 — 346.  Volksbibl. 
76—82.     Antiq.  Mittheil.  76—79. 

3)  ((Gott  vater  in  der  ewigkeit»,  von  Mathias  Zoller. 
Lil.  II,  99 — 102.     Kurz,  Die  Schweiz  349 — 351. 


XXX  EINLEITUNG 

Alle  drei  Lieder  neu  gedruckt   (mit   einigen   andern 
und  mit  der  Melodie  von  3)  zur  Feier  des  400.  Gedenk- 
tages der  Schlacht,  Bern  1876  (herausg.  von  Prof.  Vetter). 
k.  Schlacht  bei  Nancy.     Januar  1477. 

i)  ((Nun  wend  wir  aber  heben  an.»    I.il.  II,  104 — iü6. 

Antiq.  Mittheil.  II,  79 — 80.    Kurz,  Die  Schweiz  354. 

Volksbibl.  83 — 86.    Als  Verfasser  nennen  sich  in  der 

letzten  Strophe  0  zween  Schwizerknaben  ». 
2)  ((Woluf  ir  fromen  eidgnoschaft  ;>,  von  Mathias  Zoller. 

Lil.  II,  107  — 109.  Kurz,  Die  Schweiz  355—356. 
/.  Einen  Rückblick  auf  den  Burgunderkrieg  und  eine 
Uebersicht  der  damaligen  Bundesgenossen  der  Schweiz 
und  der  Hauptschlachten  enthält  das  oben  bei  Wilhelm 
Teil  erwähnte  Lied  «  Vom  Ursprung  der  Eidgnoschaft » 
von  Str.  15 — 29.  Es  steht  bei  Lil.  II,  iio — 113.  Werner 
Steiner,  der  aber  nur  18  Strophen  ^bt,  schreibt  das  Lied 
dem  Peter  Müller  zu,  den  wir  als  Dichter  im  Schwaben- 
krieg finden  werden.  Das  ganze  ist  auch  abgedruckt  in 
der  Murtner  Festgabe,  s.  i,  3.  Schon  Wyßenbach  hat 
es  in  seine  zwei  Haupttheile  getrennt  und  zu  diesem 
Behuf  die  erste  Strophe  des  Burgunderliedes  (Strophe  9 
des  Tellenliedes)  etwas  verändert. 

16.  Schlacht  bei  Giornico.     1478. 

«  Nun  merkend  offenbare  »,  von  Hans  Viol.    Lil.  II,  147. 

17.  Zwist  des  Abtes  von  St.  Gallen  mit  den  Bürgern  der 
Stadt.     1480.    Vgl.   Nr.  11  und  Nr.  19. 

Ein  spruchähnliches,  im  Versbau  unregelmäßiges  Gedicht 
«Abt  Ulrich  von  sant  Gallen»  bespricht  die  der  Bürgerschaft 
unangenehme  Stellung  des  Stiftes  unter  eidgenössische  Auf- 
sicht.    Lil.  II,  163  — 165. 

18.  Frischhans  Theiling  und  Hans  Waldmann.     1487 — 1489. 
a.  Ein  im  Anzeiger  f.  Schweiz.  Gesch.  1865,  Nr.  3  aus  dem 

Staatsarchiv  von  Basel  mitgetheiltes ,  bei  Liliencron 
fehlendes  Lied  0  Zu  Zürich  hört  man  klagen  »,  «  von  einem 
Töchterlein  »,  welches  wahrscheinlich  dem  Theilins:  nahe 


HISTORISCHE  VOLKSLIEDER  XXXI 

Stand,  beklagt  den  durch  Waldmann  verschuldeten  Tod 
des  Helden  von  Giornico  (1487).  s.  Texte. 
b.  Ein  Lied  des  Scherers  von  Illnau  (Kt.  Zürich)  «  Aber 
wil  ich  heben  an»  (Lil.  II,  271  —  273.  aus  Lenz  Reim- 
chronik des  Schwabenkrieges  164)  erzählt  den  Aufstand 
der  Bauern  vom  Zürichsee  gegen  die  gewaltsamen  Maß- 
regeln des  Bürgermeisters,  dann  dessen  Gefangennehmung 
und  Hinrichtung  (April  1489)  und  schließt  mit  der 
richtigen,  nur  für  diesen  Fall  allzu  gemeinen  Moral,  daß 
man  bei  allen  L^nternehmungen  an  das  Ende  denken 
müsse,  was  Waldmann  unterlassen  habe. 

19.  Rorschacher  Klosterkrieg.     1489 — 1490. 

a.  Ein  Lied  von  Seite  der  St.  Galler:  0  Wend  ir  hören 
nUwemär. »    Lil.  II,  276— 278.   Rochholz.  Liederchr.  325. 

b.  Ein  Lied  von  Seite  des  Abtes:  <^  Nu  will  ich  heben  an 
ze  singen.»  Lil.  II,  278 — 280.  Der  von  Lil.  II,  281  —  288 
mitgetheilte,  aus  verdorbener  Form  einigermaßen  her- 
gestellte Spruch,  eine  Art  Reimchronik  des  ganzen 
Klosterkrieges,  fällt  nicht  in  unsern  Bereich.  Eine  Stelle 
daraus,  die  den  Abt  klagen  lässt,  er  werde  von  seinen 
Gegnern  mit  Waldmann  verglichen  und  in  die  Hölle 
verwünscht,  gibt  Rochholz  S.  330.  Einen  ähnlichen 
Spruch  gibt  die  Sammlung  von  Wyß  in  Bern  VIII,  24 
(aus  dem  Fraumünster- Archiv  Zürich),  abgedruckt  in 
Zellwegers  L'rkunden  zur  Geschichte  von  Appenzell  II. 
2,  104 — 112. 

20.  Lied  wider  den  schwäbischen  Bund  und  die  Landsknechte, 
als  Antwort  auf  ein  von  den  letztern  ausgegangenes  Lied 
wider  die  Eidgenossen,  um  1495.  Vgl.  Meyer  v.  K.  25  —  26. 
Das  erstere,  bei  Lil.  II,  370 — 374,  beginnt  «Mit  lust  so  will 
ich  singen  »  und  ist  verfasst  von  «  Bruder  Hans  im  finsteren 
tann  »,  Schulmeister  0  zu  Sana  in  dem  land  ;>.  Unter  jenem 
Namen  verbirgt  sich  Johann  Lenz,  ein  Schwabe  von  Geburt, 
der  aber  Bürger  von  Freiburg  i.  U.  geworden  war  und  in 
dessen  für  die  Herren  von  Freiburg  verfasste  Reimchronik 
des  Schwabenkrieges    (herausgegeben   von   H.  v.  Dießbach, 


XXXII  EINLEITUNG 

Zürich  1849.  nach  einer  Abschrift  von  Ludwig  Sterner j  eine 
Reihe  von  Liedern  über  den  Schwabenkrieg,  dartmter  zwei 
von  ihm  selbst,  eingereiht  sind.  Vgl.  Lil.  IL  412.  Hildebrand- 
Soltau  XXIV.  Daß  unter  Sana  in  der  letzten  Strophe  dieses 
Liedes  und  des  unter  21,  2  angeführten  nicht  das  jetzt  zu 
Bern  gehörige  Dorf  Saanen,  sondern  das  Gebiet  der  Stadt 
Freiburg  zu  verstehen  sei,  haben  v.  Liliencron  und  Meyer 
V.  Knonau  (S.  55)  wohl  mit  Recht  vermuthet.  da  diese  sonst 
allerdings  ungewöhnliche  Bezeichnung  des  Orts  zu  der  Pseudo- 
nvmität  der  Personen  stimmt.  Doch  erscheint  sie  auch  in 
dem  Liede  Xr.  21.  e.  2,  Strophe  8  neben  andern  geogra- 
phischen Xamen.  Die  Sprache  des  Liedes  enthält  einige 
lautliche  Eigenheiten,  welche  auf  das  Berneroberland  deuten 
könnten,  aber  sich,  wenn  sie  vom  Verfasser  selbst  herrühren, 
auch  aus  dessen  schwäbischer  Mundart  erklären  lassen. 
21.  Schwabenkrieg.     1499- 

a.  (.<  Es  Schwert  ein  pur  in  zoren  »,  von  Peter  Müller  vom 
Zürichsee,  seßhaft  im  Rheinthal  (um  den  10.  Februar). 
Lil.  II,  381—383.     s.  Texte. 

b.  Plünderung  des  Schlosses  der  Herren  von  Brandts.  Mitte 
Februar. 

Ein  hierauf  bezüglicher  Spruch  steht  im  Anzeiger 
1860,  S.  98.  V.  Liliencron  II,  384  gibt  die  betreffende 
historische  Xotiz,  hat  aber  den  Spruch  nicht  aufge- 
nommen, der  allerdings  nur  kurz  und  etwas  roh  ist, 
aber  den  Charakter  solcher  Streifzüge  um  so  richtiger 
zeichnet. 
i.  Schlacht  am  Schwad  er  loh.     April. 

i)  ff  An  einem  Donstag  es  beschach  *),  von  Hans  Wick 

von  Luzern.     Lil.  II,  2»^% — 390. 
2)  «^  Woluf  in  gotes  namen  »,  von  einem  Berner.    Lil.  IL 

391 — 394.     Kurz.  Die  Schweiz  374.    Vgl.  Meyer  von 

Knonau  27. 
d.  Schlacht  bei  Gliirns  (an  der  Calven).     ]Mai. 

«So    will    ich    aber    singen»,    von    einem    Bündner 
Lil.  IL  395 — 39S.     Kurz,  Die  Schweiz  381 — 383. 


HISTORISCHE  VOLKSLIEDER  XXXIII 

Schlacht  bei  Dorneck.     Juli, 

i)  «An  einem  mendag  es  beschach. »  Lil.  II,  400 — 401. 
Kurz,  Die  Schweiz  390—391.  Volksbibl.  86 — 88. 
Dieses  15  fünfzeilige  Strophen  umfassende  Lied  wird 
in  der  Quelle  (I.enz,  Schwabenkrieg)  «das  recht 
Dornecklied  »  genannt,  wahrscheinlich  gegenüber  zwei 
ähnlichen,  von  denen  das  eine  (23  Strophen,  bei 
Lil.  II,  403 — 406)  denselben  Anfang  hat,  das  andere 
(13  Strophen,  Lil.  II,  402 — 403)  eine  einleitende 
Strophe  («Wend  wir  aber  heben  an»).  Das  Versmaß 
ist  in  allen  drei  Liedern  dasfelbe,  auch  enthalten  sie 
viele  gemeinsame  Bestandtheile ;  die  ursprüngliche 
Gestalt  ist  schwer  zu  erkennen.  Bei  den  23  Strophen 
sind  einige  mitgezählt,  welche  nur  in  einzelnen  Quellen 
dieses  Liedes  stehen. 

2)  «Woluf  ir  gesellen  all  mit  schall»,  von  J.Lenz  (s.  Nr.  20). 
Lil.  II,  407 — 412.  Kurz,  Die  Schweiz  387 — 390.  Dies 
Lied  hat  das  Versmaß  mit  den  vorigen  gemein,  ent- 
hält aber  in  seinen  57  Strophen  allerlei  Anderes  als 
jene,  besonders  eine  Einleitung  (bis  Str.  18)  und  einen 
Schluß  (von  52  an),  vor  demselben  übrigens  eine 
Lücke  in  der  Handschrift. 

Vielleicht  nur  ungenaues  Citat  aus  diesem  Liede 
(vgl.  besonders  Str.  50)  oder  Fragment  (nur  jedenfalls 
nicht  der  Anfang)  eines  andern  (vgl.  Str.  10  des  großem 
Liedes  Nr.  i)  sind  die  im  Anzeiger  1873,  S.  282  an- 
geführten drei  Zeilen  eines  «  bern  (Berner-)  liedes  y, 
welches  im  Jahr  1538  an  einer  Kirchweih  in  Knutt- 
wyl  gesungen  wurde  —  immerhin  ein  schätzbarer 
Beweis  dafür,  daß  solche  Lieder  noch  geraume  Zeit 
nach  den  Ereignissen  und  auch  bei  friedlichen  An- 
läßen  gesungen  wurden. 

3)  Einen  Spruch  von  der  Schlacht  bei  Dornach,  der 
Stadt  Solothurn  gewidmet,  aus  einer  handschriftlichen 
Chronik  der  Abtei  Muri,  gibt  die  Argovia  1861, 
S.  117  — 125.  Anfang:  «Wend  ir  mir  nüt  für  übel  han. » 

III 


XXXIV  EINLEITUNG 

Diese  Dichtung  (auch  auf  der  ZSB.  XVIII,  1986,  7) 

beruht  offenbar  auf  den  unter  i   angeführten  Liedern 

und  wird  von  Liebenau  (Anzeiger  1877,  S.  308)  auch 

aus  einem  andern  Grunde  als  etwas  späteres  Produkt 

erkannt.     Sie   ist   verfasst   von  Ulrich  Wirri,   der   in 

Aargau  und  Solothurn  heimisch  war,  und  ohne  Zweifel 

identisch  mit  dem  bei  AVeller,  Ann.  1, 1019  angeführten 

(f  Liede »  jenes  Dichters  auf  die  Schlacht. 

f.  Den  Schluß  der  den  Schwabenkrieg  betreffenden  Lieder 

machen    zwei,    welche    den    ganzen    Verlauf   desfelben 

rückblickend  behandeln. 

i)  «Der  Krieg  hat  sich  erhoben.»    Lil.  II,  413 — 417. 
2)  (fWiewol  ich  bin  ein  alter  gris. »    Lil.  II,  420 — 426. 
Kurz,  Die  Schweiz  394 — 401.    Vgl.  Meyer  v.  K.   29. 
Als  Verfasser  nennt  sich  «  Peter  Meiler  von  Rappers- 
wyl,   seßhaft   zu  Luzern  und  auch  in  Appenzell  be- 
kannt ».      Herr   v.   Liliencron    identificirt    ihn    ohne 
Weiteres  mit  Peter  Müller,  dem  ^^erfasser  von  a.  und 
die  Angaben   des  Heimats-  und  Wohnortes  stimmen 
allerdings  auffallend  nahe  überein.    Aber  Meyer  v.  K. 
(53,  18)  macht  die  Verschiedenheit  der  Namensform 
geltend    und    vielleicht    ist  bei   einem   Dichter,    von 
dem  wir  sonst  nur  ein  Lied  besitzen,  auch  die  der 
Strophenform  in  Anschlag  zu  bringen. 
22.   Eintritt  Basels  in  den  Bund.     1501. 
«Ein  newes  lied   hab   ich   mich  bedacht»,   von  Caspar 
Jöppel.    Lil.  II,  458.    Wenn  das  von  Lil.  II,  491  mitgetheilte 
Lied  «Wend  ir  hören  singen»,    welches   den  Beitritt  Basels 
zur  Eidgenossenschaft   tadelt   und   den  Zug   der  Basler   mit 
den  Eidgenossen  nach  Bellenz  im  Jahr  1503  verspottet,  von 
einem  Priester   in  Basel   verfasst   ist,    wie   Th.  v.  Liebenau 
(Anzeiger  1877,  S.  308)   meint,   so  ist  es  darum   doch  kein 
schweizerisches   in    dem   subjectiven    Sinn,    der    für    unsere 
Sammlung  einzig  gelten  kann,    da   es  höchstens  den  Stand- 
punkt einer  geringen  ^Minderheit  von  Basel  vertreten  konnte. 
Vgl.  zu  Nr.  10. 


HISTORISCHE  VOLKSLIEDER  XXXV 

23.  Italiänische  Feldzüge.     1507 — 1)22. 
^z.  Eimialimc  iwii  Genua  (April  1507),  wobei  6000  Schweizer 
in  französischem  Dienste  mitwirkten, 
i)  «Ein  schön  Hed  von  dem  genower  krieg»,  von  Hans 
Birker  von  Luzern,  der  selber  dabei  war.     «  Zu  lob 
und  ehr  han  ich's  b'tracht. »     Lil.  III,  6 — 12. 
2)   « Jenower    Schlacht   in   rimen   gemacht ,»,    ein  Spruch 
in  unregelmäßiger  Versform   von  unbekanntem  Ver- 
fasser.   Anfang :  «  Die  er  sol  man  geben  got. »     Lil. 
III,  12  —  15. 
i>.  Schlacht  an  der  Adda  (bei  Agnadello),  Mai  1509,  zwischen 
den  Verbündeten  von  Cambray  und  den  A^enetianern ; 
auf  Seite    der    erstem    einige    Tausend    schweizerische 
Reisläufer. 

«Zu  lob  und  auch  zu  eren  »,  von  Pamphilus  Gengen- 
bach von  Basel.    Lil.  III,  30—33.    Gödeke,  F.  Gengen- 
bach 536—540. 
■£.  Schlacht  bei  Novara.     Juni  15 13. 

i)  « Wol  her,  ir  lieben  gsellen»,  sehr  wahrscheinlich 
(l)esonders  wegen  Str.  37,  wo  die  Theilnahme  von 
Basel  ausdrücklich  hervorgehoben  wird)  von  Pam- 
philus Gengenbach.  Lil.  III,  93—97.  Vgl.  Gödeke 
530—531,  Note.  Die  meisten  Drucke  geben  noch 
6  Strophen  Einleitung  (Anfang:  «O  gott  in  dinem 
himmel »)  und  dann  den  Anfang  des  eigentlichen 
Liedes:  «Nun  merkend,  lieben  gsellen.»  Das 
Eigenthümliche  des  urs[)rünglichen  Liedes  ist  die 
Fassung  desfelben  in  den  Rahmen  eines  Gespräches 
zwischen  einem  aus  der  Schlacht  heimkehrenden  mit 
den  ihn  empfangenden  und  ausfragenden  Bürgern, 
eine  sonst  in  unsern  Liedern  nicht  vorkommende, 
aber  recht  glückliche  dramatische  Formgebung. 
.2)  «In  gottes  namen  fah  (andere  Lesart:  heb)  ich's  an.» 
Lil.  III,  99.  Dies  Lied  ist  nicht  sicher,  aber  wahr- 
scheinlich, schweizerisch;  Werner  Steiner  hat  es 
schwerlich  erst  in  schweizerische  Sprache  umgesetzt. 


XXXVI  EINLEITUNG 

Die  in  Str.  13  laut  werdende  Klage,  daß  im  Schweizer- 
land selbst  Leute   seien  und  ungestraft  bleiben,   die 
die  Schuld  der  schweren  Verluste  tragen,  kann  sehr 
wohl  von  einem  Schweizer  erhoben  und  ein  Vorbote 
der  Volksaufstände  sein,    welche  nach  der  Schlacht 
in  Luzern,  Bern  und  Solothurn  losbrachen. 
Das  Lied   auf  die  Schlacht  bei  Terwan   (Terouanne 
in  Nordfrankreich),   August  1513,   zwischen   den  Fran- 
zosen  und  den  gegen  sie  verbündeten  Engländern  und 
Deutschen  (Anfang:  «  O  Gott  in  deinem  höchsten  Thron») 
dem  Pamphilus  Gengenbach  zuzuschreiben  (mit  Gödeke 
und  V.  Liliencron)  sehe  ich  keinen  genügenden  Grund. 
Sollte  es  aber  auch  von  ihm  verfasst  sein,    so  wäre  es 
immerhin    kein    schweizerisches    Volkslied,    denn    der 
Schweizer   wird   darin  mit   keinem  Worte  gedacht  und 
es   ist  fraglich,    ob   der   in   dem  Liede   ausgesprochene 
politische   Standpunkt,    auf  .Seite    des    Kaisers,    in   der 
Schweiz  populär  war.    Ebenso  verhält  es  sich  mit  einem 
angeblichen  Liede  Gengenbachs  zum  Lobe  des  Kaisers 
Karl  1519,  bei  Lil.  III,  234 — 235. 
d.  Ungefähr  in  das  Jahr  15 14  setzt  Herr  v.  Liliencron  III,  170 
das   bekannte   Lied   « Bruder  Claus   von  Unterwaiden » 
(Nikiaus  von  der  Flüh)  «In  Gottes  namen  heb  ich  an», 
gedruckt  bei  Körner  S.  29.    Rochholz  S.  315.    Kurz,  Die 
Schweiz  364.    Vgl.  Weller,  Ann.  1, 187.  II,  504.   Das  Lied 
handelt   nicht  von   Bruder  Claus,    sondern    es    ist    eine 
seinem  Geist  entsprechende  Ermahnung  der  Eidgenossen 
zur   Sittlichkeit   und   Eintracht,    insbesondere    zur  Ent- 
haltung von  fremden  Kriegsdiensten,  für  welche  gerade 
damals   wieder  von   mehreren  Seiten   geworben  wurde. 
In  den  Sommer  des  Jahres  15 14  fällt  auch  P.  Gengen- 
bachs dialogisches,  später  in  Liedform^  verkürztes  Ge- 
dicht «  Der  alt  Eidgenoß  »,  welches  dieselben  Rathschläge 


*  «  Gott  Vater  rüeffend  wir  an.»  Weller,  Ann.  I,  Nr.  39.    Körner 
S.  9.    «  Gott  Vater  Sohn  rufend  wir  an.»    Zur.  StadtbiM.  XVIII,  1984. 


HISTORISCHE  VOLKSLIEDER  XXXVII 

ausfpricht.  Vgl.  Gödeke  12—22.  543 — 546.  Eine  spätere 
Fassung  derselben  Gedanken,  die  durch  das  ganze  Jahr- 
hundert gehen  und  mit  der  Reformation  zusammenhangen, 
ist  Hans  Rudolf  Manuels  Spruch  «  Der  alte  und  neue 
Eidgenoß»,  s.  Bi-echtold,  N.  Manuel  S.  303 — 304,  und 
dessen  « Lied  und  fründtliche  Warnung »,  s.  Baichtold 
S.  375  und  CCXVI.  Vgl.  auch  Nr.  29. 
£.  Aufnahme  vo7i  Mülhaiisoi  in  die  Eidgenossenschaft.  Januar 
15 15.  Dies  Ereigniß  hängt  mit  den  italienischen  Feld- 
zilgen  nicht  zusammen  und  wird  nur  chronologisch  hier 
eingeschaltet. 

Das  betreffende  Lied :  «  Ein  newes  lied  hab  ich  mir 
außerkoren»,  von  Hans  Wick  von  Luzern,  steht  bei 
Lil.  III,  162  — 165.  Die  dortige  Angabe,  daß  das  Lied 
nur  in  einem  Druck  von  161 6  existire,  ist  unrichtig,  da 
der  Winterthurer  Sammelband  Nr.  21  einen  Basler  Druck 
von   1553   enthält. 


«Gott  wend  wir  rufen  an.»  ebd.  Msc.  B.  80,  S.  195.  Dieses  Lied 
gibt  sich  als  Copie  eines  altern  und  ist  auf  1530  datirt.  Daraus 
folgende  Strophen  über  die  Sitten  der  alten  Eidgenossen: 

Wer  mit  herren  kriesi  essen  wil, 
Der  wird  dick  geworfen  mit  dem  stil, 
Den  spott  den  muß  er  haben. 
Wer  von  dem  esel  begert  das  schmer, 
Der  wird  dick  von  ihm  s:eschla2;en 


Käs  und  ziger  das  was  ire  spis, 
Sie  zugend  her  in  beides  wis, 
Ire  seckli  uf  dem  rugken. 
Frisch  wasser  was  in  edles  trank, 
Sie  thatend's  tapfer  schlucken. 

Sie  rittend  nit  vi!  hoche  roß 
Und  fürtend  nit  vil  großes  gschoss, 
Gott  was  ir  hoifnung  alleine. 
Sie  zugend  her  in  löuwes  müt, 
Als  an  mengem  ort  erscheine. 


XXXVIII  EINLEITUNG 

/.  Schlacht  bei  Mai'ignano.     September  15 15. 

Von  dieser  Schlacht,  welche  die  Eidgenossen  trotz 
ihrer  bewiesenen  Tapferkeit  nicht  zu  Liedern  begeistern 
konnte,  machte  laut  Angabe  von  Werner  Steiner  eine 
Frau  zu  Einsiedeln  ein  Lied,  in  welchem  sich  die  Ur- 
kantone  beklagten,  daß  Bern,  uneingedenk  der  Gemein- 
schaft von  Laupen  und  Murten,  sie  im  Stich  gelassen 
und  einen  voreiligen  Frieden  (bei  Gallarate)  geschlossen 
habe  (s.  Anzeiger  1877,  S.  308.  310).  Ueber  ein  fran- 
zösisches Spottlied  auf  die  Niederlage  der  Schweizer 
s.  ebd.  1880,  S.  273. 

g.  Der  Leinlakcnkrieg  imd  dessen  Forisetzimg.     1521. 
i)  «Ein  lied   will   ich  üch   singen»,   von  Hans  Bircher 
von  Luzern.     Lil.  IIL  389 — 392.     Rochh.  348 — 354. 

2)  « Ir  kriegslüt,  sygend  guter  dingen  >;,  von  demselben. 
Lil.  III,  395 — 399.  Dieses  Lied  erzählt  besonders  den 
Sieg  der  schweizerischen  Freiwilligen  bei  Bondino 
(Bundyn),  October  1521. 

3)  0:  In  Gottes  namen  heb  ich  an.  •>  Lil.  III.  399 — 402. 
Rochh.  356 — 362.  Der  erste  Theil  dieses  Liedes, 
Str.  I — 22,  erzählt  die  Werbung  des  Bischofs  von  Veroli 
für  den  Pabst  in  der  Schweiz,  besonders  in  Zürich, 
wo  man  Bedenken  trug  und  die  Bedingung  stellte, 
daß  die  Söldner  nicht  gegen  andere  Schweizer  käm- 
pfen sollten.  Str.  17  —  22  enthalten  eine  bemerkens- 
werthe  Auslassung  gegen  die  fremden  Dienste  über- 
haupt, nach  Art  der  unter  d  angeführten  Dichtimgen. 
Der  zweite  Theil  erzählt  den  Ausgang  des  Feldzugs, 
nach  dem  Tode  des  Pabstes  Leo,  und  die  Heimkehr 
der  Truppen,  woran  sich  in  Str.  32  nochmals  eine 
Warnung  vor  Zwietracht  und  Herrendienst  schließt. 
Der  Verfasser,  wenigstens  des  ersten  Theils,  könnte 
ein  Zürcher  gewesen  sein,  nicht  bloß  weil  er  Str.  2 
nachdrücklich   die  Schutzheiligen  von  Zürich  anruft. 

4 )  Bei  Nr.  2  findet  sich  die  Angabe :  « in  der  wys  wie 
das  lied  von  der  faßnacht  zu  Basel  gemacht  von  vier 


HISTORISCHE  VOLKSLIEDER  XXXIX 

orten.  »  Nun  gibt  es  wirklich  ein  Lied  auf  die  Fas- 
nachtfeier, welche  die  Basler  1521  mit  Gästen  aus 
lAizern,  Schwyz  und  Uri  begiengen,  zur  Erwiderung 
der  Freundschaft,  welche  sie  selbst  im  Jahr  15 17, 
von  den  vier  Waldstätten  eingeladen,  in  Uri  erfahren 
hatten.  Das  Lied  beginnt  fi  Sol  ich  aber  heben  an)) 
und  ist.  etwas  modernisirt,  abgedruckt  im  Basler 
NeujahrstUck  XLVII  (1869),  wo  eine  Menge  von 
Nachrichten  über  ähnliche  altschweizerische  Feste 
gesammelt  sind.  Wenn  in  der  Titelangabe  zu  Nr.  2 
«•Weise»  bloß  die  Strophenform  bedeuten  sollte, 
so  könnte  jene  Angabe  nur  den  Sinn  haben,  daß 
dem  Dichter  zufällig  das  Basler  Fasnachtlied  zunächst 
als  A'orbild  jener  Strophe  diente,  denn  diese  ist 
dieselbe  wie  in  den  viel  bekannteren  Dorneckliedern 
(21,  e)  und  findet  sich  schon  früher,  z.  B.  in  Veit 
Webers  Lied  vom  Zug  nach  Pontarlier  (15,  c).  Viel- 
leicht bezeichnet  also  «Weise  »  die  Melodie,  welche 
bei  derselben  Strophenform  eine  verschiedene  sein 
konnte.  Vgl.  Lil.  III,  433,  Note.  IV,  131,  Note. 
//.  Schlacht  bei  Bicocca.      1522. 

«Botz  marter  kyri  Velti  d,  von  Niki.  Manuel.    Antwort 

auf  ein  Schmachlied  der  Landsknechte.   Lil.  III,  406  —  409. 

Ba^chtold  21—28  (mit  der  Melodie  CXXVII).    Rochholz 

370—376. 

24.   Reformation. 

Ueber  die  Schwierigkeit  der  Auswahl  eigentlicher  Volks- 
lieder aus  den  zahlreichen  Streitgedichten  dieser  Zeit  s.  die 
Einleitung. 

a.  ((  Ein  hüpsch  nüw  lied,  wie  das  wort  gotts  in  Zürich  ist 
zum  ersten  entsprungen  und  prediget  »,  «von  einem  Prätti- 
g.öuwer  gen  Zürich  geschenkt»  (gedruckt  1531J.  «Ach 
rycher  Christ  in  dynem  thron.  »  ZSB.  Siml.  Samml.  Bd.  29. 

b.  Aufstand  der  Landleiite  in  Intcriakeii.      15  28. 

«  Wie  es  in  disen  tagen  zu  Bern  ergangen  ist »,  viel- 
leicht von  N.  Manuel.    Lil.  III,  573  —  576.  Vgl.  Bsechtold 


XL  EINLEITUNG 

S.  CCXIV.    Ueber  die  Verbreitung  und  Wirkung  dieses 
Liedes  s.  Anzeiger  1S73,  S.  276 — 279. 
c.  Kappelei-  Krieg. 

i)  Wenn  Herr  v.  Liliencron  IV,  20 — 21  den  Spruch 
Zwingli's  an  die  schwäbischen  Städte  aufnehmen 
mochte,  so  verdiente  wol  noch  eher  Zwingh's  be- 
kanntes Lied  (( Herr,  nun  heb  den  wagen  selb  »,  beim 
Ausbruch  des  ersten  Kappeier  Krieges  1529  gedichtet 
und  von  Zwingli  selbst  in  Musik  gesetzt,  hier  wenig- 
stens angeführt  zu  werden,  da  es  ohne  Zweifel  vom 
zürcherischen  Volk  und  Heer  gesungen  wurde  und 
zwar  kein  Kriegslied,  aber  ein  Kirchenlied  mit  be- 
stimmter Veranlaßung  war. 
2)  Schlacht  bei  Kappel.  1531- 
A.  Von  Seite  der  Katholiken. 

a.  Zwei  Lieder  —  das  eine  anfangend :  c  Ach 
ewiger  gott  von  himmelreich »  (nach  anderer 
Lesart:  d  Ach  wyser  gott  im  himmelreich »,  auch : 
«  O  ewiger  gott  in  dinem  rych»),  Lil.  IV,  23 — 26, 
43  Strophen,  das  andere :  «  Die  fünf  ort  stand 
auf  festem  grund»,  ebd.  27—31,  52  Strophen  — 
haben  dieselbe  fUnfzeilige  Strophe  und  stimmen 
auch  im  Wortlaut  vielfach  überein,  so  daß  es, 
wie  in  dem  ähnlichen  Fall  der  Dornecklieder 
(21,  e,  i),  schwer  ist,  das  Ursprungsverhältniß 
zu  bestimmen.  Herr  v.  Liliencron  hält  schon 
das  erste  Lied,  wegen  seiner  Schreibung,  für 
später  als  1531,  das  zweite  für  eine  Ueber- 
arbeitung  des  ersten,  was  doch  trotz  der  Plus- 
ftrophen  (welche  immerhin  später  sein  könnten) 
nicht  leicht  nachzuweisen  sein  wird.  Uebrigens 
behandeln  beide  I>ieder,  besonders  aber  das 
zweite,  nicht  bloß  die  Schlacht  bei  Kappel, 
sondern  auch  den  in  der  zweiten  Hälfte  des 
October  unternommenen  Zug  der  Reformirten 
ins  Freiamt  und  Zugerbiet  mit  dem  Ueberfall 


HISTORISCHE  VOLKSLIEDER  XLI 

am  Gubel.  Eine  viel  kürzere  Fassung  (i6  Str.). 
fast  nur  eine  Auswahl  aus  dem  ersten  Lied  mit 
einigen  Zusätzen  oder  Veränderungen,  enthält 
die  Einsiedler  Handschrift  Nr.  439,  S.  191  ff. 
Die  letzte  Strophe  ist  abgedruckt  im  Anzeiger 
1865,  S.  57.  Der  Anfang  lautet:  c  O  güetiger 
Gott  in  dinem  Rych. » 

fi.  ('  Ich  muß  ein  wenig  singen  »,  von  Johann  Salat 
von  Luzern.  Lil.  IV,  32.  Bcechtold,  Hans  Salat 
(Basel  1876)  S.  114. 

y.  ".  O  hochgelobte  dryfaltikeit.  »  Lil.  IV,  34.  Ba^ch- 
told  schreibt  auch  dieses  Lied  ohne  Bedenken 
dem  Salat  zu  (S.  iü.  iio — 113),  wofür  allerdings 
spricht,  daß  es  mit  Salats  Spruch  «DerTann- 
grotz »  und  mit  dem  ersten  Liede  zusammen 
gedruckt  ist,  auch  die  Angabe  der  letzten 
Strophe,  daß  den  Verfasser  c  die  Feder  freue», 
was  auf  Salats  im  Jahr  1531  erlangte  Stellung 
als  Gericlitschreiber  (Biechtold  S.  7)  oder  auch 
auf  seine  freie  litterarische  Thätigkeit  i:)asst_ 
Aber  der  milde,  versöhnliche  Geist  dieses  Liedes 
stimmt  nicht  zu  dem  leidenschaftlichen  des 
ersten  und  auch  der  übrigen  Schriften  Salats 
und  es  ist  trotz  der  Wechselfälle  seines  Lebens 
und  der  Wandelbarkeit  seines  Charakters  un- 
wahrscheinlich, daß  er  um  dieselbe  Zeit  das- 
felbe  Ereigniß  in  so  verschiedenem  Tone  be- 
sungen habe. 

Von  Seite  der  Reformirten : 

a.  ^c  Von  dem  christenlichen  ritter  Huldrychen 
Zwinglin.  »  «  O  herr  gott  aller  dingen.  »  Lil.  IV, 

36— 39- 

ß.  <i  Von  dem  thüren  beiden  Huldrichen  Zwinglin.  » 
«In  gottes  namen  heb  ich  an.»    ebd.  39 — 41. 

v.  «  Ach  herr  min  got ,  wenn  machst  dich  uf ?  » 
ebd.  41—42. 


XLII  HIXLEITUXG 

5.  «Die  Wahrheit  thut  mich  zwingen»,  bei  Werner 
Steiner  und  in  Abschrift  in  der  Sammlung  von 
Wyß  VI,  I.  VII,  112. 
d.  Kirchliche  Partciuug  in  Solothiini.      1533. 

\)  ff  Und  wend  wir   aber   heben  an.  0     Lil.  IV,  62 — dj^- 

Von  einem  kathohschen  ^  Niemand  >j. 
2)  «Im  namen  der  drivaltigkeit »  ebd.  d^» — ^V-  Auch 
dieses  Lied  ist  von  einem  Kathohken  verfasst  und 
von  diesem  Standpunkt  aus  recht  gut;  daß  Schultheiß 
Wengi  seine  Partei  von  Gewalt  gegen  die  Reformirten 
abgehalten  habe,  wird  nicht  erwähnt. 
c.  Der  Esel  zu  Baden.     1534. 

Die  auf  die  Disputation  zu  Baden  1526  bezüglichen 
Spottgedichte  von  Niki.  Manuel  und  üz  Eckstein  sind 
übergangen  worden,  trotz  ihrer  theilweise  vortrefflichen 
und  volksthümlichen  Stellen,  weil  ihr  Gegenstand,  ein 
Streit  von  Gelehrten,  trotz  dem  damals  allgemeinen 
Interesse  an  der  kirchlichen  Bewegung,  nicht  für  Jeder- 
mann verständlich  war.  Dagegen  war  ein  Vorfall  wie 
der,  auf  den  sich  der  Titel  bezieht,  trotz  seiner  zunächst 
nur  lokalen  und  geringen  Bedeutung,  der  lebhaftesten 
Theilnahme  gerade  des  niedrigem  A'olkes  sicher  und 
die  Kunde  davon  scheint  sich  auch  weiter  verbreitet  zu 
haben.  Wenigstens  gibt  es  nicht  weniger  als  5  Spott- 
lieder, welche  sich  auf  denselben  beziehen.  Dieselben 
stehen  in  dem  Manuscriptband  der  ZSB.  A.  135,  S.  148  ff., 
eines  davon,  mit  dem  Refrain  «Der  Esel  z'  Baden»,  auch 
in  dem  Sammelband  124  der  Vadianischen  Bibliothek  in 
St.  Gallen.  Der  Vorfall  selbst  wird  erzählt  in  der  hand- 
schriftlichen Chronik  von  Haller  in  Zürich,  Buch  28, 
Cap.  9,  und  bestand  einfach  darin,  daß  ein  Bildschnitzer, 
den  die  von  Baden  aus  Augsburg  hatten  kommen  lassen, 
um  ihnen  einen  neuen  Palmesel  zu  verfertigen,  an  einem 
Span  seines  Werkes  erstickte,  was  natürlich  einiges 
Aufsehen  erregte  und  den  Spott  der  Reformirten  her- 
vorrief. 


HISTORISCHE  VOLKSLIEDER  XLIII 

25.  Zug  der  Berner  ins  Waadtland  und  nach  Genf.   1 5  5  ^  —  1 536. 
a.  <(.  O  Bern,  du  magst  wol  frölich  syn  0,  von  einem  Berner. 

Lil.  IV,  127  —  129.     (Bezieht   sich   auf  das  Gefecht   der 
bernischen  FreiwiUigen  bei  Nyon.     October   1535.) 
l>.  «  Got  vater  in  dem  höchsten  thron»,   von  Niki.  Schorr, 
der  auch  noch  andere  Lieder  gedichtet  hat.    s.  Xr.  29. 
Lih  IV,  131-136. 

c.  (dr  herren,  wend  ir  losen.»     ebd.  136 — 139. 

d.  «Gar  frölich  will  ich  singen.»     ebd.  140 — 144. 

Diese  3  Lieder  erzählen  den  glücklichen  Verlauf  und 
Erfolg  der  Hauptunternehmung,  Januar-März  1536.  Nach  der 
Strophe  des  ersten  gehen  Moch  zwei  andere,  das  erste  an- 
fangend: «Nun  will  ich  aber  heben  an»,  ZSB.  XA'III,  1986, 15 
(s. Texte);  das  zweite:  «In  Gottes  namen  heb  ich's  an»,  ebd. 
3018,  II,  gibt  eine  Uebersicht  des  ganzen  Feldzuges. 

26.  Zug  eidgenössischer  Söldner  in  die  Picardie,  1543  (mi 
Dienste  Frankreichs  gegen  den  Kaiser). 

«  O  Jesu  Christe  reine  »,  von  Hans  Salat.  Lil.  IV,  232 
—  236.     Boschtold,  Hans  Salat  S.  213  —  221.. 

27.  Zug  eidgenössischer  Söldner  nach  Piemont,  1544  (im 
Dienste  Frankreichs  gegen  den  Kaiser),  <>  Bemunder  Schlacht  » 
bei  Carmiol  (Carmagnola),  sonst  auch  Schlacht  bei  Cerisole 
genannt. 

«Im  namen  der  heiligen  dryfaltigkeit »,  von  Caspar  Suter. 
Lil.  IV,  247  —  252.  Der  Verfasser  bezeugt  in  der  letzten 
Strophe,  daß  er  selbst  in  der  Schlacht  gewesen  und  weit  in 
deutschem  und  welschem  Land  herumgezogen  sei,  ohne  Treue 
zu  finden;  seine  Heimat  ist  mir  unbekannt.  Das  Lied  findet 
sich  vielfach  gedruckt,  zum  Theil  mit  etwas  verschiedenem 
Anfang:  «Jetzt  heb  ich  an  im  namen  heiiger  dryfaltigkeit  >>, 
auch:  «Im  namen  Gott  des  Herren.» 

Auf  diesen  Feldzug  bezieht  sich  auch,  wenigstens  an- 
geblich, das  Klagelied  einer  ^V"ittwe,  die  ihren  Mann  in 
Piemont  verlor,  in  dem  Winterthurer  Sammelband  44'',  Nr.  28. 
Es  ist  aber  vielmehr  eine  lange  moralisirende  Klage  über 
das  LTnwesen  des  Reislaufens,   ohne   bestimmtere  Angaben^ 


XLIV  EINLEITUNG 

ähnlich  den  zu  Nr.  23,  d  angeführten  Gedichten,  nur  noch 
weitschweifiger  und  mehr  bibHsch  gefärbt.  Der  Anfang  ist 
der  des  sehr  bekannten,  allgemein  deutschen  Volksliedes: 
<c  Ich  stund  an  einem  Morgen.  » 

28.  Ueberfall  der  Stadt  Constanz  durch  spanische  Truppen. 
August  1548.     Besetzung  durch  Oestreicher  im  October. 

Gemäß  der  oben  zum  Jahr  1356  gemachten  Bemerkung 
werden  hier  und  später  nochmals  auf  Constanz  bezügliche 
Lieder  angeführt,  aber  nur  solche,  welche  zugleich  auf  die 
Eidgenossenschaft  Bezug  haben  und  von  Schweizern  verfasst 
sind.  Das  letztere  gilt  von  dem  Liede  f(Mit  lust  so  will  ich 
singen  >)  (Lil.  IV,  468 — 470)  wenigstens  insofern,  als  der 
Verfasser  desfelben,  Jakob  Ruef,  später  mit  andern  refor- 
mirten  Flüchtlingen  von  Constanz  in  Zürich  lebte,  wo  er 
Volksfchauspiele  verfasste  und  zur  Aufführung  brachte ;  mit 
noch  größerm  Rechte  gilt  es  von  dem  Liede  «Nun  wend 
wir  aber  heben  in  gottes  namen  an  »  (Lil.  IV,  471),  welches 
laut  der  letzten  Strophe  von  einem  Berner  (aus  Büren) 
verfasst  ist  und  ausdrücklich  die  beabsichtigte  Hülfeleistung 
der  Eidgenossen  an  die  bedrängte  Stadt  hervorhebt.  Da- 
gegen können  die  drei  andern,  von  Liliencron  S.  473 — 476 
mitgetheilten  Lieder,  welche  sich  auf  die  Besetzung  der  Stadt 
durch  östreichische  Truppen,  die  Wiederherstellung  des  Ka- 
tholicismus  und  die  Austreibung  der  Reformirten  beziehen, 
zwei  von  Seite  der  letztern,  eines  von  Seite  der  Katholiken, 
hier  nur  diese  kurze  Notiz  finden. 

29.  Krieg  der  protestantischen  Fürsten  gegen  den  Kaiser.  1 5  52. 

Dieses  Ereigniß  gehört  nur  insofern  hieher,  als  aus  An- 
laß der  damaligen  Zeitumstände  ein  schweizerischer  Dichter, 
der  schon  oben  (25,  h)  genannte  Nikiaus  Schorr  (Kürschner 
in  Bern),  einen  Mahnruf  an  die  Eidgenossen  richtete,  sich 
vorzusehen  und  die  Thaten  der  Vorfahren  nicht  bloß  im 
Munde  zu  führen,  sondern  nachzuahmen.  Das  betreffende 
Lied,  uNun  will  ich  aber  singen >)  (Lil.  IV,  530 — 532),  gleicht 
in  seinen  Ermahnungen    den  zu  Nr.  23,  d  angeführten  und 


HISTORISCHE  VOLKSLIEDER  XLV 

enthält  mehrere  noch  heute  zutreffende  Stellen,   von  denen 
daher  eine  als  Motto  an  die  Spitze  der  Texte  gestellt  ist. 

30.  Berns  Festhalten  an  der  Reformation. 

Zwei  Lieder,  welche  dazu  ermuntern,  ohne  sich  auf 
bestimmte  Ereignisse  zu  beziehen,  mögen  hier  eingeschaltet 
werden. 

a.  «Nun  will  ich  aber  heben  an»,  gedruckt  bei  Apiarius 
1556.     ZSB.  XXV,  923.  24". 

b.  «Wach  uf,  mins  herzen  schöni  »,  gedruckt  bei  Apiarius 
1558.  In  dem  Winterthurer  Sammelband  44,  Nr.  29,  3. 
Dieses  Lied,  mehr  religiös  als  politisch,  enthält  eigen- 
thUmlich  schöne  Stellen  und  ist  vielleicht  von  Benedikt 
Gletting  verfasst,  der  um  jene  Zeit  in  Bern  ähnliche 
Lieder  dichtete,  die  freilich  nicht  mehr  ganz  volks- 
thümlich  genannt  werden  können,     s.  Anhang. 

31.  Hugenottenkrieg  in  Frankreich.     (1562  — 1582.) 

Die  Theilnahme  von  Söldnern  aus  den  katholischen 
Orten  an  dem  Kriege  gegen  die  Hugenotten  war  so  wenig 
eine  gemein  eidgenössische  Unternehmung  wie  die  an  dem 
Kriege  zwischen  dem  König  von  Frankreich  und  dem  Kaiser 
in  den  Jahren  1543—1544  (Nr.  26.  27  oben)  und  eigentlich 
schon  die  mailändischen  Feldzüge;  aber  da  die  Ehre  schwei- 
zerischer Waffen  auf  dem  Spiele  stand  und  auch  dies  Mal 
gerettet  wurde,  müssen  die  betreffenden  Lieder  ihre  Stelle 
finden.  Für  das  Sachliche  vgl.  das  neue  Werk  von  Segesser 
«  Ludwig  Pfyffer  und  seine  Zeit »,  I.  Band. 
a.  Schlacht  bei  Drcux  oder  Blainvillc  (Plaville,  « Blau- 
wil »).     1562. 

i)  «Gottvater  Sohn  und  heiliger  Geist «,  von  Löwen- 
stein  aus  Freiburg.  Findet  sich  in  dem  Sammelband 
der  Aarauer  Kantonsbibl.  Rar.  i,  Nr.  7  zusammen  mit 
dem  Liede  auf  die  Schlacht  bei  Mirabion  (s.  unten  /'). 
« Getruckt  zu  Nothburg  im  Zwingenthal  bei  Hans 
und  Ulrich  Wunder  mann  gebrüdern.  Im  Jahr  1621.» 
s.  auch  Weller,  Ann.  I,  Nr.  278. 


XLVl  EINLEITUNG 

2)  «  Ir  frommen  Christen  allgemein »,  von  Hans  Kraft 
von  Zofingen,  später  in  Luzern.  s.  Anzeiger  1873, 
S.  326  ff.  Abgedruckt  im  Anzeiger  1873,  S-  33'^ — 332 
nach  einem  Drucke  von  Apiarius  in  Bern  1564  mit 
Varianten  aus  einer  Handschrift  von  Cysat,  da  der 
Drucker  den  Text  etwas  verändert  hatte,  weswegen 
er  vom  Verfasser  verklagt  und  von  der  Regierung 
von  Bern   verbannt  wurde,     s.  darüber  a.  a.  O.  328. 

3)  (cWer  weißt  was  ist  vorhanden.»  Findet  sich  mit 
dem  Titel  «Ein  hüpsch  nüw  lied  von  der  Schlacht  in 
Frankreich  1562  »  in  dem  Sarasin'schen  Sammelband 
in  Basel,  Nr.  13,  und  auch  in  Zürich,  s.  Weller,  Ann.  L 
Nr.  279.  280.  (Nr.  279  erwähnt  noch  ein  anderes  Lied 
auf  dieselbe  Schlacht,  von  Wilh.  Loen.  Bergell,  dessen 
Heimat  mir  unbekannt  ist.) 

4)  «  Ach  milter  Gott  und  Herre.  »  Dies  Lied  ist  in  dem 
Sarasin'schen  Band  Nr.  9  (0  Ein  hüpsch  nüw  lied  von 
dem  herten  streit  so  zu  Plaphilen  »  etc.).  s.  Weller, 
a.  a.  O.  Nr.  281. 

Z».  Schlacht  bei  Mir eb au  («  Mirabion»),  auch  bei  Moncontour 
(«  Montecurt »)  genannt.     1569. 

t(  Zuvor  wend  wir  anrufen  den  Herren  Jesum  Christ  », 

von  Barthol.  Theiler.     Dies  Lied  findet  sich  zusammen 

mit   dem   oben  a,  i  angeführten,    ferner  handschriftlich 

in  der  Sammlung  von  Wick  in  Zürich,  Bd.  28,  Fol.  185 

((( Us  gnad  wend  wir  anrüefen ); ;  in  der  letzten  Strophe 

nennt   sich    der  Verfasser:   Bartli  Reygell,   was   doch 

nur  Entstellung  von  Theiler  sein  wird). 

Eine  Erwiderung  auf  die  Lieder  von  Kraft,  Löwenstein 

und    (einem    sonst    nirgends    genannten)    H.  Thetling    von 

Schwyz    ist   ein  Lied   «Urhab   imd   grundtliche  Ursach   des 

französischen  Kriegs,  gestellt  uff  die  Lieder,  so  vorhin  uß- 

gangen  von  H.  Kraft »  u.  s.  w.     Anfang :   « Könnt  ich   von 

Herzen  singen. »    Dieses  Gedicht  (denn  ein  Volkslied  ist  es 

nicht  mehr),  welches  den  Ursprung  und  Verlauf  des  ganzen 

Krieges     von    hugenottischem    Standpunkte     darstellt     und 


HISTORISCHE  VOLKSLIEDER  XL VII 

besonders   die  für  diese  Partei  glückliche  spätere  ^^'endung 

des    Streites    hervorhebt,    ist    mir    abschriftlich    von    Herrn 

Dr.  Geilfus  in  Winterthur  mitgetheilt. 

Nur  dem  Inhalt,   nicht   der  Form  nach   gehören  hieher 

noch  einige  andere  Produkte: 

i)  «Ein  neuwer  Spruch,  so  die  fünf  Orte  denen  von 
Bern  zu  Schmach  und  Schand  gemacht  habend  wegen 
des  Zugs,  der  geschehen  ist  im  1562  Jahr  zu  Frank- 
reich.;) Einleitung:  «Wie  kann  ein  Bär,  so  ein  wildes 
Thier,  so  zahm  gmacht  werden  also  schier»  etc. 
10  Zeilen.  Dann  der  Anfang  :  «  Nun  wollend  ir  hören 
seltsam  sachen.  »  Aus  Kesslers  Ref.-Geschichte  auch 
in  dem  Sammelband  124  der  Vadianischen  Bibliothek 
in  St.  Gallen  abgeschrieben  ;  ferner  in  der  Einsiedler 
Handschrift  der  Propaganda  in  Rom.  s.  Anzeiger 
1865,  S.  57. 

2)  «Ein  nüw  lied  von  dem  schwarzen  Bären. »  Anfang: 
«Nun  heb  ich  an  zu  singen. »  Dieses  Lied  scheint 
sich  auf  dasfelbe  Ereigniß  zu  beziehen  wie  der  vorige 
Spruch,  den  Zug  der  Berner  unter  Dieftbach  und 
Nägeli  den  Hugenotten  zu  Hülfe.  «Eine  kurze  Ant- 
wort auf  das  Lied,  so  wider  den  schwarzen  Bären 
gemacht  ist»  beginnt:  «Nun  will  ich  üch  jetzt  singen.» 
Beide  Stücke  stehen  handschriftlich  in  der  Wick'schen 
Sammlung  in  Zürich,  aber  unter  dem  Jahr  1577.  Das 
erste  scheint  wesentlich  identisch  mit  dem  im  An- 
zeiger 1873,  S.  283  mitgetheilten  « Tratzlied  wider 
ein  fromme  Oberkeit  von  Bern  »,  von  Peter  Bichsel 
von  Trachselwald.  1580.  Anfang:  «  So  will  ich  aber 
singen.  » 

3)  In  demselben  Jahr  wurde  bei  Apiarius  in  Basel  ge- 
druckt « Ein  hüpsch  new  Lied  von  Eroberung  der 
Stadt  Severin  v  u.  s.  w.  Anfang :  «  Ein  new  Lied  will 
ich  singen.»  Dasfelbe  scheint  von  einem  Berner 
verfasst,  der  sich  unter  den  schweizerischen  Truppen 
befand,    die   wider    den   Befehl    der    Obrigkeit   dem 


XLVIII  EINLEITUNG 

Prinzen  Conde  zugezogen  waren  und  bei  der  Ein- 
nahme von  St.  Severin  durch  den  Pfalzgrafen  Casimir 
mitwirkten  (April  1576). 

4)  Eine  «ernstliche  Vermanung  an  die  Herren  von  Bern, 
daß  sie  sich  nienen  in  die  Vereinigung  mit  dem  könig 
von  Frankrich  inlassend  »,  trägt  das  Datum  1582  und. 
beginnt:  «Ach  trüwer  gottindinemRich.»  Msc.(Usteri). 

5j  «Ein  nüw  lied  von  dem  löblichen  Zug  in  Frankrych 
A"  1587  geschehen.»  i\nfang:  «Was  wellen  wir  aber 
singen  »,  nach  R.  Cysat  «  von  Oesterreichischen  ge- 
stellt»,   s.  Th.  V.  Liebenau  im  Anzeiger  1880,  S.  274. 

32.  Kampf  um  Genf  zwischen  Bern  und  Savoyen.  (1563 — 1602.) 

Dieser  Kampf,  eine  Fortsetzung  des  unter  Nr.  25  ange- 
führten, ist  zum  Theil  gleichzeitig  und  auch  sachlich  ver- 
flochten mit  den  als  Nr.  31   angesetzten  Unternehmungen. 

a.  Im  Archiv  des  hist.  Vereins  von  Bern  Bd.  V,  S.  65  wird 
zum  Jahr  1563  ein  Lied  erwähnt,  dessen  Anfang  war: 
«Ich  möcht  wol  frölich  singen,  Wann  ich  vor  Alter 
könto  und  welches  in  spöttischem  Tone  die  Regierung 
■vOn  Bern  ermahnte,  den  von  Savoyen  bedrohten  Pro- 
testanten im  Gebiet  von  Genf  die  gleiche  Hülfe  zu 
leisten,  wie  den  Hugenotten. 

b.  « Ein  Lied  von  der  Saphoyischen  PUndtnuß ....  von 
einem  Zuger  gemacht.»  Anfang:  «Ach  Gott,  es  ist 
vorhanden. »  Das  Lied  enthält  Klagen  über  die  zu- 
nehmende Feilheit  der  Eidgenossen ;  es  steht  in  der 
Wick'schen  Sammlung  (handschriftlich)  zum  Jahr  1577. 

c.  Zwei  Spottlieder  auf  Schultheiß  Pfyffer  von  Luzern  und 
Landammann  Lussi  von  Unterwaiden,  wegen  ihrer  Um- 
triebe gegen  Genf  zu  Gunsten  des  Herzogs  von  Savoyen 
und  ihrer  Betheiligung  am  Hüoncil  von  Trient,  enthält 
die  handschriftliche  Chronik  des  Conrad  Rollenbutz  von 
Zürich  (auf  der  Kantonsbibliothek  in  Aarau),  Fol.  103 1, 
mit  der  Jahrzahl  1582.  s.  Anzeiger  1S77,  S.  308,  12). 
Anfang  des  ersten:  «Mich  dunkt,  es  welle  fehlen», 
s.  Texte  ;    des  zweiten :    «  Ich  muß  zuletzt  beschirmen.  » 


HISTORISCHE  VOLKSLIEDER  XLIX 

d.  Notiz  von  einem  Spottlied  auf  den  Herzog  von  Savoyen. 
wegen  Genf,  von  Martin  Müller  in  Luzern  mit  einigen 
lustigen  Gesellen  beim  Trünke  gemacht  und  gesungen, 
gibt  der  Anzeiger  1873,  S.  281,  5. 

e.  «Der  Schweizer  Stier.  »  1584.  Einleitung:  «Es  trägt  der 
mächtig  Schweizer  Stier  »,  mit  dem  Bilde  eines  Stiers, 
um  dessen  Hörner  die  Wappen  der  13  Orte  geflochten 
sind.  Dann  ein  Gedicht  (Anfang:  «Gott  hat  der  Eid- 
gnosfchaft  in  gmein  ») ,  in  welchem  dringend  die  Be- 
hauptung von  Genf  empfohlen  wird.  Handschrift  der 
Basler  Univ.-Bibl.  AG.  IV,  24. 

f.  «  Neue  Zeitung  in  Gesangsweis  von  der  Statt  Genf,  was 
sie  nach  ihrer  Belegerung  dem  Herzogen  von  Savoyen 
für  Stett,  Schlösser  und  Flecken  eingenommen.  «  Basel, 
Apiarius  1590.  Maltzahn,  Deutsch.  Bücherschatz  Nr.  818. 
Anfang:  «  Ir  herren  nemet  wol  zu  mut.  >>  Verschieden 
davon  ist :  «  Neue  Zeitung  von  der  Statt  Genf  Belager- 
ung .»  u.  s.  w.  Anfang :  «  Des  Menschen  bestes  Kleinod 
ist.  0     Weller,  Ann.  I,  Nr.  422. 

.i,^  Ucberfall  von  Genf  (Escalade).  « Ich  will  singen  von 
Herzen.»  1603.  Nach  der  Melodie  des  Sempacher  Liedes. 
ZSB.  XVIII,  2018.  (Lieder  von  der  Escalade,  in  Genfer 
Patois.  enthält  «Recueil  de  morc:eaux  choisis  en  Patois». 
Lausanne  1842,  p.  149 — 168.  Vgl.  Kurz,  Die  Schweiz  347. 

33.  Fasnachtfeier  der  Frutiger  und  Oberhasler,  1583  und  1)99, 
besungen  von  Gläwy  Stoller  von  Wimmis  und  Beat  Ritter 
von  Frutigen.  s.  Rochholz  S.  406.  416.  Vetter  im  Berner 
Taschenbuch  iSSij,  S.  55. 

34.  Kirchlicher  Zwist  in  Appenzell. 

Spottverse  auf  die  Reformirten.  Spottliedchen  auf  den 
Uebertritt  des  Landammann  Bodmer  zum  Katholicismus. 
1588.    Zellweger,  Gesch.  v.  Appenzell,  Bd.  III,  2,  S.  8.  94. 

35.  Bündnisse  mit  Mülhausen  und  Strassburg.      1586 — 1588. 
a.  Mülhausen. 

i)  "Welcher  Gestalt   die   von  Mülhausen   in   den  Bund 
der  Eidgnoschaft  komen  und  wie  inen  der  ist  widerum 

IV 


L  EIXLEITUXG 

abgeseit  worden  »  (von  den  katholischen  Orten).  <>  In 
Rymenswis  gestellt.*  1586.  Anfang:  '<  In  disem  sumer 
an  einem  tag. »  Einsiedl.  Handschr.  der  Propaganda 
in  Rom.  Anzeiger  1865,  S.  58. 
2)  (<  Ein  neuw  lied  und  wäre  geschieht  von  dem  zug 
(der  Städte  Zürich,  Bern,  Basel  und  Schaffhausen)  vor 
Mülhausen. »  1587.  Anfang:  c  Gern  wolt  ich  frölich 
singen.  »  Weller,  Ann.  I,  Nr.  401.  ZSB.  Msc.  A.  79, 
S.  392.  Abschrift  in  der  Sammlung  von  Wyß  in  Bern 
I,  loi.  Ebendaselbst  noch  ein  anderes  Lied  auf 
denselben  Zug.  aber  nicht  von  schweizerischer  Seite, 
abgedruckt  bei  Körner  284.  Anfang:  0  Nun  merket 
auf  mit  klagen.  >> 
b.  StraJMnirg. 

«  Ein  neu  Lied  von  dem  neuen  Bund,  so  Straßburg, 
Zürich  und  Bern  mit  einandern  gemacht,»  1588.  An- 
fang: (•  [Mit  Lust  so  will  ich  singen.»  Auf  den  Stadt- 
bibliotheken von  Zürich  und  Bern. 

Das  neue  Bündniß  mit  Zürich  war  bekanntlich  durch 
die  Hirsebreifahrt  der  Zürcher  auf  das  Straßburger 
Schießen  1576  vorbereitet  worden.  Die  auf  diese  Fahrt 
bezüglichen  Dichtungen  von  zürcherischer  Seite  sind 
nun  aus  der  Wick"schen  Sammlung  vollständig  heraus- 
gegeben durch  Bcechtold  in  den  Mittheil.  d.  antiq.  Ges. 
XLIV  (1880),  sind  aber  keine  Volkslieder. 

36.  Bündniss  von  Wallis  und  Graubünden.     1600. 
Anfang :    « Frölich    so    will    ich    singen. »     ZSB.    XVIII. 

2019.  Ein  Lied  über  das  Bündniß  von  Bern  mit  Graubünden 
(1602),  von  Michael  Stettier  von  Bern  (s.  Weller  I.  Xr.  491), 
ist  unvolksthümlich. 

37.  Spottlied  auf  Uri  und  Unterwaiden,  gesungen  von  Jakob 
^^'idmer  von  Luzern.      1603.     Anzeiger  1873,  S.  2S1. 

38.  Bündniss    von    Zürich    und    Bern    mit    dem    Markgrafen 
Georg  Friedrich  von  Baden.     1612. 

Anfang :   c  Ich  verkünden  euch  neuwe  mähre.  »     (Usteri 
P^'  6.)     Vgl.  Kahns  Chronik  II.  10,  o. 


HISTORISCHE  VOLKSLIEDER  LI 

39.  Kämpfe  in  Graubünden.     1620 — 1655. 
Da  die  damaligen  bUndnerischen  Parteiungen  und  Kriege 
durch   ihren  Zusammenhang   mit   der  Politik   der    sich    ein- 
mischenden   Großmächte    eine    weit    über    das    Gebiet    des 
Kantons  und  der  Schweiz  hinausreichende  Bedeutung  hatten, 
so  haben   sie   auch   eine   verhältnissmäßig  große  Zahl  soge- 
nannter Lieder  veranlaßt,  welche  aber  nicht  alle  volksthümlich 
und  auch  nicht  alle  schweizerischen  L^rsprungs  sind,  so  daß 
die  Auswahl  erschwert  ist. 
(I.  (( Ein  warhaftiges  newes  Lied   aus   dem  Land  Pünten. » 
1620.    (Gegen  die  Reformation  in  Bünden  und  Veltlin.j 
Anfang:  «Ihr  Kriegsleut  und  Bundsgenossen.»    Weller, 
Ann.  I,  Xr.  566.     KB.  Aarau. 
./^.  «  Ein  hübsch  new  Lied  von  dem  harten  Streit  zwischen 
den  Eidgenossen  von  Zürich  und  Bern  und  den  rebelli- 
schen Mordthätern  den  Veltlinern  und  ihren  Ciehülfen. 
beschehen   uf  Verenen   tag  1620    (Veltlinermord),    von 
Heinr.    Rynacher,    Schulmeister    zu    Zürich.»      Weller, 
Ann.  I,   570. 

c.  « Pündtnerisch  Hanengschrei.»  1621.  fErmahnung  der 
Bündner  zur  Rettung  ihrer  Freiheit.)  Anfang :  «  Von  der 
Grisonen  Freiheit  gut.»     ZSB.  XVIII,   1987.2019. 

d.  « Beroldinger  ist  ehrenwerth. »  Lied,  beigedruckt  der 
Prosaschrift:  « Warhafte  historische  Relation,  was  sich 
in  den  dreien  Bünden  seit  dem  Blutbad  im  Veltlin  bis 
Anfang  Juni  1621  begeben.»  Zürich,  Simml.  Samml. 
Weller,  Ann.  II,  S.  417.  (Spottlied  auf  die  Flucht  der 
Spanier,  Jesuiten  und  Capuziner,  auch  der  fünförtischen 
Truppen,  aus  Bünden.  jMärz  1621.)  Auf  denselben  Zug 
bezieht  sich  ein  freilich  erst  6  Jahre  nach  den  Ereig- 
nissen verfasstes  Lied  von  71  Strophen;  mitgetheilt  bei 
Sprecher,  Gesch.  der  bündner.  Kriege  und  Unruhen, 
bearbeitet  von  Mohr,  Bd.  I,  S.  236 — 249.  Der  Titel 
des  Liedes  ist  c  Der  Pündtnerisch  Fagaus  »  (Fegaus,  mit 
Beziehung  auf  die  Plünderungen  der  fünförtischen  Truppen 
und  ihre  nachherige  Vertreibung),  die  strophische  Form 


LH  EINLEITUNG 

die  des  Murtnerliedes  •■Min  herz  ist  aller  fröuden  voll  >>. 
der  Anfang  :  «  Verschiner  Herbszeit  es  geschach.  »  Der 
Stil  ist  vorherrschend  chronikartig,  doch  kommen  einige 
bessere  Strophen  vor;  die  lO  letzten  enthalten  Mahn- 
ungen gegen  Bestechung  durch  fremdes  Geld  und  zur 
Nachahmung  der  alten  Eidgenossen.  In  der  letzten 
Strophe  wird  der  Verfasser  <i  fast  wol  bekannt »  und  wol 
eben  darum  nicht  mit  Namen  genannt.  Von  dem  Stier 
heißt  es  (Str.  24),  der  Steinbock  (Bünden)  habe  ihm 
einen  Sterz  gegeben  und  (Str.  30)  das  As  (Fressen)  sei 
ihm  recht  geschüttet  worden,  aber  das  ruche  Heu  habe 
ihm  nicht  schmecken  wollen  u.  s.  w.  Besonders  wird  der 
schimpfliche  Rückzug  über  das  Gebirge  verspottet,  wo 
man  den  grösten  Theil  der  Beute  im  Schnee  musste 
stecken  lassen. 
e.  «Ein  new  Lied,  gedieht  vom  redlichen  alten  Eydt- 
gnossen  ^)  u.  s.  w.  Weller.  Ann.  II.  S.  416.  Klagen  über 
die  religiöse  Trennung  der  Eidgenossen,  die  daherige 
Einmischung  der  fremden  Mächte  etc.  Anfang :  «  Nun 
will  ich  singen  und  heben  an,  » 

«Der  Pündtner  Spiegel,  in  welchem  sich  ein  ganz 
löbl.  Eidgnossfchaft  wol  zu  ersehen  hat.  »  1622.  Anfang: 
'(Wach  auf,  wach  auf,  o  Pündtnerland.  >>  Weller,  Ann.  I. 
Nr.  665. 
/.  ((  Der  heroische  wilde  Mann  oder  ein  neu  Lied,  wie  die 
mannhafte  Leut  in  dem  Zehn  Gerichten  Bund  mit  ihren 
Brügeln  die  Spanische  und  Leopoldische  aus  dem  Land 
geschlagen  haben. ,»  1622.  Anfang:  c  Dein  lob,  o  wilder 
Mann.»     Weller,   Ann.  I,  Nr.  662,.     ZSB.  XVIII,  2019. 

(( Lobspruch  der  tapferen  und  mannhaftigen  Prätti- 
gäuweren . . .  was  Gott  durch  ihre  Prügel . . .  gewürkt  hat. 
Durch  Habgottlieb  Rainckli. '>  1622.  Anfang:  «Mein 
Geist  in  freud  erschwinge  sich.  »  Weller.  Ann.  I,  Nr.  662. 
ZSB.  XVIII,  2019. 

«Der  PUndtnerische  Brügelkrieg.  0  1622.  Anfang: 
«Nun  merkend  auf  mein  Gsange.  j)    ZSB.  XVIII,  2019. 


HISTORISCHE  VOLKSLIEDER  LIII 

^.  « Zwei  schöne  Lieder  zu  Ehren  Ihr  Excellenz  Herrn 
Heinrich  Herzogen  von  Rohan  . . .  Generalen  in  PUndten. 
Ueber  Seine  Yictorien  .  .  .  im  Jahr  1635.  Durch  einen 
gutherzigen  Püntnerischen  Patrioten  und  Soldaten  Gu- 
lerischen  Regiments.»  Puschlav  1635.  Anfang  des  ersten : 
« Nun  fangt  ein  frisch  new  Liedlin  an  »,  des  zweiten : 
«Als  1635  Jahr,  ich  meld.»    Weller,  Ann.  I,  Nr.  908. 

40.  Dreissigjähriger  Krieg.  (1633  — 164.4.) 
Da  die  Schweiz  an  diesem  Kriege  nicht  eigentlich  be- 
theiligt war  (wenn  man  nicht  die  BUndnerkriege  [Nr.  39] 
dazu  rechnet)  und  nur  an  ihrer  Nordgrenze  einige  Mal  von 
demselben  berührt  wurde,  so  soll  diese  üeberschrift  nur  die 
l^etreffende  Zeit  bezeichnen  und  sind  zahlreiche  Lieder  aus 
derselben  nicht  zu  erwarten.  Produkte  wie  die  von  Weller, 
Ann.  L  697.  701  angeführten  sind,  auch  wenn  sie  aus  der 
Schweiz  stammen,  keine  Volkslieder.  Daß  der  Schrecken 
■des  Krieges  doch  auch  dem  schweizerischen  Volke  nahe 
gerückt  war,  beweist  der  noch  lange  lebendig  gebliebene 
Spruch  : 

De  SchweJ  ist  cho, 

hüd  alles  gnn, 

häd  d'  feister  igschlage, 

's  blei  drus  gschlage, 

Chügeli  'gösse 

u  d'  bure-n-erschosse'. 

Eine  wirkliche  PJerührung  mit  den  Scliweden  trat  ein,  als  im 
Jahr  1633  der  schwedische  General  Hörn  bei  Stein  über  den 
Rhein  gieng  und  durch  den  Thurgau  vor  Constanz  rückte, 
um  diese  Stadt  zu  belagern.  Zürich  konnte  oder  wollte  den 
P>ruch  der  Neutralität  von  dieser  Seite  nicht  hindern,  die 
katholischen  Orte  aber  schickten  3000  Mann  zum  Schutze 
des  Abtes  von  St.  Gallen.  Die  thurgauische  Landwehr  unter 
Kilian  Kesselring  (der  nachher  dafür  büßen  musste)  konnte 
natürlich   nichts   ausrichten.     Auf  diese  Ereignisse   beziehen 


^  Vgl.  Kirchhofer,  Schwel;;.  Spriichwörter.  S.  112. 


LIV  EINLEITUNG 

sich  die  Lieder  a  und  b.  i,  b.  2  auf  die  Kämpfe  um  den 
Besitz  von  Rheinfelden,  welches  zwei  Mal  von  dem  mit  den 
Schweden  verbündeten  Rheingrafen  Otto  Ludwig  belagert 
wurde  (übrigens  damals  noch  nicht  schweizerisch  war),  c  auf 
die  Bedrohung  der  Grenze  durch  ein  schwedisch-französisches 
Heer  1644. 

a.  i)  «^  Klaglied  der  löbl.  Statt  Costantz  über  die  unfreund- 

liche Nachbarschaft  der  Schwedischen  Eydgnossen » 
U.S.W.  1633.  Weller.  Ann.  L  879.  Die  Volkslieder 
des  30jähr.  Krieges,  von  Ditfurth- Bartsch,  S.  233. 
Anfang:  c<  Ach  gott,  wem  soll  ich's  klagen  V  ^)  Einige 
Strophen  daraus  auch  in  der  handschriftlichen  Chronik 
von  T.  J.  Meyer  von  Zürich,  Fol.  S>6,  S.  640.  Es  wird 
geklagt  über  den  Vorschub,  den  Zürich,  Schaffhausen, 
St.  Gallen  und  auch  die  thurgauischen  Landleute  dem 
General  Hörn  bei  der  Belagerung  von  Constanz  ge- 
leistet haben  sollen. 

2)  « Antwort  auf  das ....  Lied  im  Namen  der  Stadt 
Costanz  wider  die  Evangelischen  ort  und  Herren 
Feldmarschall  Hörn  »)  u.  s.  w.  1 634.  Weller,  Ann.1, 893. 
Anfang:  ((Mein  gwüssen  thut  mich  zwingen.;) 

3)  <(  Grundtliche  Widerlag  der  neulich  von  der  Statt 
Costanz  in  Druck  außgesprengten  Lästerkarten  wider 
Ihr  Königl.  Majestät  von  Frankreich  und  die  refor- 
rairten  Stände  der  Eidgenossen.  Durch  Christ.  Gottlieb 
von  Ehrerretten.  »  Anfang :  (<  O  Costanz,  Pfaffennest. » 
Auch  hier  wird  der  Zug  der  vier  katholischen  Orte 
in's  Thurgau  verspottet.     (Usteri.; 

b.  i)  «Triumph  und  Sieglied  (andere  Ausgabe:  Klaglied) 

von  dem  unüberwindtlichen  Tgroßmächtigen)  Heerzeug 
(and.  .Ausg.:  Heerzugj  etlicher  unierten  Lapländeren 
aus  Schmalcaden :»  (wahrsch.  Schmal-gaden,  ärmliche 
Vorrathskammer,  and.  Ausg.:  Bergknapjpen)  u.  s.  w. 
1634.  Weller,  Ann.  L  900.  Anfang:  »Ein  Liedlein 
will  ich  singen  Von  einer  tauben  Kuh. »  Findet  sich 
auch,  aber  wieder  mit  etwas  verschiedenem  Wortlaut, 


HISTORISCHE  VOLKSLIEDER  LV 

in  dem  Sammelband  124  der  Vadianischen  Bibliothek 
in  St.  Gallen,  S.  193  ff.    Dieses  Lied,  wahrscheinlich 
von  einem  Zürcher  verfasst,  nicht  ganz  volksthUmlich, 
aber  in  seiner  Art  vortrefflich,  verspottet  mit  bitterm 
Hohne  den  Zug  der  Truppen  von  Uri,  Schwyz,  Unter- 
waiden und  Zug  in's  Thurgau,  besonders  die  mangel- 
hafte Ausrüstung,  dann  die  geringen  Leistungen  und 
die    schmähliche    Heimkehr    derselben,    wobei    unter 
Andern!  ein  Fähnrich  in  einem  Wirthshaus  zu  Rappers- 
wyi  seine  Fahne   versetzt   haben   soll,    die   dann  ein 
Weber  von  Zürich  gegen  Garn  eintauschte. 
2)  P.elagerung  von   Rheinfelden.     1633  —  1634.     Für  das 
Historische  vgl.  Aarg.  histor.  Taschenbuch  1860. 
a.  «  Der  Rheingraf  und  der  Schwede.  '^     Dieses  Lied 
ist   in   Stöbers   Alsatia,   Neue  Reihe.   1 868-- 1872, 
S.  401 — 404.  mitgetheilt.    nach  einem  Druck  von 
1675:    etwas   abweichend,    sachlich   und   in   mehr 
schweizerischer  Sprache,  in  der  Beilage  zum  Schul- 
bericht von  Rheinfelden  1881,  von  Pfarrer  Schröter. 
Da  diese  Fassung  bis  auf  die  letzten  Jahrzehnte  in 
Rheinfelden  als  c  Schwedenlied  '^  gesungen  wurde 
und  das  Lied  auch  sonst  eines  der  besten  aus  jener 
Zeit  ist.  so  gebe  ich  es  in  den  Texten. 
fj.  «  Am  Rhein  da  lag  ein  schöne  Braut.  »  ZSf5.  XVHL 
1975.    Dieses  Lied,  der  Sprache  nach  nicht  schwei- 
zerisch, erwähnt,    daß  Johann  von  Werth ,  der  in 
einem  von  Vilmar,  Handbüchlein  S.85  — 87   mitge- 
theiltenLiede  besungene  Kampfgenosse  desObersten 
Franz  von  Merey,    des  Yertheidigers   von   Rhein- 
felden .  in  Lauffenburg    gefangen   gehalten  wurde. 
«  Ein  neu  Lied  von  tapferer  Bständigkeit . . .  der  Bürgern 
und  Priestern  zu  Bischoffzell  (da  der  Schwed  samt  dem 
Franzos  zu  Bregenz  in  der  Clausen  sich  aufhielt).    Ge- 
dichtet durch  Niclaus  Schararoth.  der  vil  thun  muß  umbs 
liebe  brot.    1644.»    Weller,  Ann.  I,  932.    Anfang:  «Nun 
merket  wol  was  ich  erzell  Von  den  Burgern  z"  Bischofzeil.;» 


LVI  EINLEITUNG 

41.  Der  Bauernkrieg.     1653. 

Diese  Bewegung,  welche  in  ihrem  Ursprung  tief  berechtigt 
war  und  beim  Volke  die  Erinnerung  an  die  ersten  Freiheits- 
kämpfe erweckte  (in  Gestalt  der  «^  drei  Teilen »  und  von 
Landsgemeinden),  hat  ohne  Zweifel  %on  Seite  der  Bauern 
mehr  Lieder  hervorgebracht  als  uns  erhalten  sind.  Manche 
andere  mögen  durch  den  unglücklichen  Ausgang  der  Be- 
wegung und  durch  die  Strenge,  mit  welcher  die  Obrigkeiten 
auch  die  Erinnerungen  an  dieselbe  verfolgt  haben  werden, 
verloren  gegangen  sein.  Da  die  vorhandenen  Lieder  wenig 
bekannt  sind,  so  werden  die  besseren  in  den  Texten  ihre 
Stelle  finden,  wo  dann  auch  die  nöthigen  Nachweisungen 
anzubringen  sind.  Hier  folgen  Angaben  über  einige  Ge- 
dichte, welche,  weil  sie  nicht  eigentliche  Volkslieder  sind, 
dort  nicht  aufgenommen  werden  können  und  doch  nicht  un- 
berücksichtigt bleiben  dürfen.  —  Ein  mir  von  Dr.  Lütolf  (f) 
in  Luzern  mitgetheiltes  Manuscript  aus  jener  Zeit  enthält 
folgende  drei  Gedichte  von  Seite  der  dortigen  Herrenpartei. 
a.  Vom  Kniittelkricg.  Eine  in  Reimpaaren  verfasste  Er- 
zählung (13  Seiten  8"),  deren  Geist  sich  schon  in  den 
Titelversen  verräth : 

Den  Knüttelkrieg  fiengen  die  Knüttel  an, 
Mit  Knütteln  (Knittelversen)  ich's  bezeugen  kann. 
Zuerst  wird  die  Auflehnung  der  Bauern  gegen  die  alte 
Ordnung  und  die  verkehrte  neue,  die  sie  einführen 
wollten,  beschrieben:  dann  das  unordentliche  Treiben 
in  ihrem  Lager,  ihre  schlechte  Ausrüstung  und  Anführung, 
auch  ihre  Feigheit ;  daher  der  verfehlte  Ausgang  ihres 
Unternehmens  als  verdiente  Strafe  und  Warnung.  Die 
]3arstellung  enthält  einige  ergötzliche  Züge,  z.  B.  wie  die 
Weiber  den  Bauern  nachzogen,  um  sie  mit  Nahrung  zu 
versehen  (Fastenschnitten,  Zigerküchli,  Fröschenbeine), 
und  ist  auch  sonst  nicht  ohne  Witz  und  Geschick,  doch 
im  Ganzen  nur  eine  Reimerei,  wie  der  Verfasser  selbst 
am  Schlüsse  sagt,  die  schlechte  Sache  sei  keiner  bessern 
Reime  werth. 


HISTORISCHE  VOLKSLIEDER  "        LVII 

J).  Vom  Giitsch.  52  vierzeilige  Strophen.  Zunächst  wird  in 
scherzhaft  übertriebener  und  halb  gelehrter  Weise  die 
von  den  Bauern  angerichtete  Zerstörung  eines  auf  dem 
Gütsch  (dei  Anhöhe  über  der  Stadt  Luzern)  gelegenen 
herrschaftlichen  Waldes  mit  Vogelherd  beklagt ;  dann 
werden  die  Bauern  insgesammt  und  einzelne  Häupter 
derselben  (darunter  Fridli  Bucher.  s.  nachher),  auch 
einige  Mitschuldige  aus  der  Stadt,  beschimpft  und  ver- 
spottet. Am  Schlüsse  steht  in  umgekehrter  Schrift  der 
Name  (des  vermuthlichen  Verfassers) :  Conradus  Sonnen- 
berg. Proben  aus  diesem  Gedichte  (Str.  28 — 38)  hat 
Lütolf  in  seinen  Sagen  S.  427—428  gegeben. 

c.  Wallfahrt  zu  dem  Steiner  am  Galgen.  32  sechszeilige 
Strophen,  von  demselben  Verfasser;  einige  davon 
a.  a.  O.  429  mitgetheilt.  Dieses  Stück  zeugt  in  höchst 
bemerkenswerther  Weise  von  der  Verehrung,  welche  das 
Landvolk  den  hingerichteten  Märtyrern  seiner  Freiheit 
zollte,  so  daß  die  Richtstätte  eifriger  besucht  wurde  als 
mehrere  nahe  liegende  \\'allfahrtsorte  und  zuletzt  von 
der  Regierung  mit  Wachen  umstellt  werden  musste ! 
Lieder  haben  wir : 

a.   Von  Seite  der  Bauern: 

1)  Das  neue  «Wilhelm  Teilen  Lied».  Anfang:  c  ^^'as 
wend  wir  aber  singen?  »     s.  Texte. 

2)  Das  Lied  von  Friedli  Bucher,  in  mehrfacher,  leider 
etwas  verwitterter  Gestalt  und  schon  halb  in's  Roman- 
tische gezogen,  darum  den  Texten  der  zweiten 
Abtheilung  zugetheilt. 

./'.  Von  Seite  der  Regierungen: 

1)  (■  Passport  der  Bauern  vor  Aarau.  »  Von  dem  schimpf- 
lichen Abzug  (Laufpaß)  der  vor  Aarau  gezogenen 
Bauern.  Anfang:  c  Gott  dich  wol  bewar.  Du  kahle 
Baurenschar.  >. 

2)  Artillerie-Lied.     s.  Texte. 

3)  Lied  von  dem  Gefecht  bei  Wohlenschwyl.  Von 
Weller  (Ann.  I,  972)   einem  Jakob  Hotz  von  Zürich 


LVIII  EINLEITUNG 

zugeschrieben,  der  aber  nach  Bahhasar,  Helv.  VI,  629 

vielmehr  einen  Dankpsahn  über  die  Vernichtung  der 

Bauern    verfasst    hat,    während    das    Lied    von    der 

Schlacht    zwei    Hufschmiede    von    Zürich    gedichtet 

haben  sollen. 

a.  1   und  b.  I.  2  finden  sich  handschriftlich  im  Band  175 

der  Simmler'schen  Sammlung  in  Zürich.    /'.  3  hat  den  Titel : 

«  Ein  schönes  nüwes  Lied  von  den  Bauern,  so  vor  Melligen 

zogen,  wider  ihre  eigene  Oberkeit  . .  .  .  Es  ist   gar  lustig  zu 

singen;  ein  Jeder  mach  auch  eine  Melodei,  die  ihm  gefallt, 

es  steht  ihm  frei. »    Anfang:  «  ^\'as  bringt  uns  auf  den  Tag?» 

42.  Der  (erste)   Vilmergerkrieg.     1656. 

Dieser  Krieg  hat  eine  im  A'erhältniß  zu  seiner  Dauer 
und  den  wirklichen  Ereignissen  bedeutende  Zahl  von  Liedern 
veranlaßt,  denen  freilich  volksthümlicher  Charakter  zum 
größern  Theile  gebricht,  wie  schon  aus  den  Versmaßen  (zum 
Theil  Alexandrinern  und  Strophen  mit  Binnenreimen)  und 
aus  dem  öfiern  Mangel  der  (sei  es  auch  nur  formellen)  An- 
gabe einer  Melodie  hervorgeht.  Es  sollen  hier  nur  diejenigen 
Stücke  angeführt  werden,  Avelche  wirklich  Lieder  sind  oder 
wenigstens  es  sein  wollen :  im  L'ebrigen  verweise  ich  auf 
meine  Angaben  im  Archiv  des  histor.  Vereins  von  Bern, 
Bd.  VIL  S.  361 — 362  und  auf  Weller.  Ann.  I,  Xr.  975.  977  —  986,^ 
wo  auch  die  genauem  Titelangaben  zu  finden  sind,  die  hier 
zu  viel  Raum  erfordern  würden.  Die  Lieder  beziehen  sich 
hauptsächlich  auf  folgende  Thatsachen  : 
a.    Vertreibung  der  Reformirtcn  ans  Arth. 

i)  Spottgedicht  auf  den  heimlichen  Gottesdienst  der 
Reformirten  in  Arth. 

2)  Ermunterung  derselben  zum  Festhalten. 

3)  <<  Ausgang  von  Babel  und  Eingang  in  das  wahre 
Christenthum. »  (Aufnahme  der  Flüchtigen  von  Arth 
in  Zürich.)  Anfang:  «Bitt,  lasst  euch  nicht  ver- 
drießen. )) 

4)  «  Der  ums  Evangelium  willen  hingerichteten  Schwei- 
zern (Schwyzer,  der  Protestanten  in  Arth)  Klag-,  Valet- 


HISTORISCHE  VOLKSLIEDER  LIX 

und  SterbensHed. »  Anfang:  «Auf,  o  ihr  Frommen, 
zu  dem  Sterben.  »  Auch  in  dem  in  Alexandrinern 
abgefassten  Pasquill  <>  Ach  Schweizer  schäme  dich» 
u.  s.  w.  scheint  Schweizer  die  Schwyzer  zu  bedeuten, 
aber  hier  die  Katholiken. 

Diese  4  StUcke  finden  sich  nebst  mehrern  nachher 
angeführten  in  der  Simmler 'sehen  Sammlung  Bd.  299. 
5)  Auf  den    geheimen  Verkehr   derselben  Protestanten 
mit  zürcherischen  Geistlichen   scheint   sich  auch  ein 
heftiges  Streitgedicht  eines  Predikanten  Aberlin  gegen 
einen  «  Pfaff »  Caspar   Lang   in   Zug    (vielleicht   den 
Verfasser  von  i)  zu  beziehen.     Sammlung  von  AVyß 
in  Bern  VIII,  11. 
FntcJitlosc   Bdagenmg  von  Kapperstvyl   durch   General 
Werdmüller,  dargestellt  unter  dem  damals  beliebten  und 
noch  bei  der  Einnahme  von  Baden  im  zweiten  Vilmerger- 
kriege  wiederholten  Bilde  einer  «Buhlschaft  »>  oder  Braut- 
werbung, worüber  zu  vergleichen  R.  Köhler  in  Gosche's 
Archiv    f.  Lit. -Gesch.    Bd.  I,    S.  228—251.     Vgl.    auch 
Nr.  40,  b,  2.  46.  49. 

i)  «Von  der  blutdürstigen  Buhlschaft  des  Werdmüllers 
von  Zürich  umb  die  edle  Gräfin  d.  i.  die  belägerung 
der  Grafschaft  Rappersu  yl.  »  Anfang:  «Frisch  und 
frölich   in   dem  Feld.  »     Weller,  Ann.  I,  982.  984,  2. 

2)  «Ein  reine  Magd  ir  Kranz  noch  tragt. '^  a.  a.  O.  981. 
Abgedruckt  bei  Ditfurth,  Deutsche  Volkslieder  des 
17.  18.  Jahrhunderts  S.  83. 

3)  «Rapperschweil,  du  bekannte  freie  Stadt.  0  Einsiedler 
Handschrift,     s.  Anzeiger  1865,  S.  58. 

4)  «  Gegenhallendes  Antwort-Lied  oder  Abfertigung  jener 
verschreiten  Buler-Dirnen.  »  Anfang:  «Du  Lügenmaul 
wie  singst  so  faul.  >>  \\'eller,  a.  a.  O.  Xr.  986.  (Ant- 
wort auf  3  '{) 

5)  Antwort  eines  Katholiken  auf  das  Calumni-Lied  eines 
zwinglischen  Predikanten.  (Antwort  auf  4':')  Ein- 
siedler Handschrift,     s.  Anzeiger  a.  a.  O. 


LX  EINLEITUNG 

c.  Schlacht  hei  Vilmergen. 

i).  f<  Klaglied  des  Bären  über  die  verlorne  Schlacht  zu 
Vilmergen.  )^  Anfang :  a  O  ach  und  weh.  was  ist  mir 
gscheh!»  (Spottlied  von  katholischer  Seite.)  ^^'eller, 
a.  a.  O.  Nr.  980. 

2)  «Tapfere  Helden,  katholisch  Soldaten.  »  («Bärentanz 
nachdem  zürcherischen Biribompomp.»)  Weller 977.1. 
(Antwort  auf  e.  4?) 

3)  ((  Ein  Wunderding  als  ich  vernim.  »    Weller  983.  984,  i. 

4)  «.  Ich  kom  von  Arth.  n  Weller  985.  Vgl.  Anzeiger  1877, 
S.  309,  lö. 

5)  «Nun  schweigen  still  und  haben  Ruh»  (angeblich  von 
einem  Bauer).     Weller,  Ann.  II,  S.  423.  424. 

6)  « Und  als  es  eben  uf  s  Jahr  des  Herrn  »,  angeblich 
von  Pfarrer  Keyser  in  Vilmergen,  noch  bis  auf  neueste 
Zeit  im  A^olke  erhalten,  abgedruckt  in  der  Argovia  V, 
213  —  214,  nebst  vorangehender  Prosa-Erzählung  der 
Schlacht,  aus  gleichzeitiger  Aufzeichnung  wahrschein- 
lich desfelben  Geistlichen. 

7)  Klaglied  der  Berner  Garngrämpier  über  den  zu  Vil- 
mergen erlittenen  Schaden,  «durch  Oswald  Tölpel 
an  der  Todtenegg  in  dem  Berner  Gebiet ».  Anfang: 
«  Was  soll  ich  armer  Grämpier  Mann.  »  Weller,  Ann.  I, 
Nr.  978. 

8)  «  Ein  schöner  Spruch  von  der  Vilmerger  Schlacht. » 
Anfang :  «  Gott  dem  Allmächtigen  ghört  die  Ehr.  » 
Handschrift  der  Simmler"schen  Sammlung  Bd.  299. 

d.  Grenzcinfällc  der  Katholiken  am  Zürichsee  und  im  Gast  er. 
i)  Gedicht  auf  den  Ueberfall  des  von  Zürchern  besetzten 

und  tapfer  vertheidigten  Klosters  Wurmspach  im  Gaster 
durch  Truppen  der  fünf  Orte.  Anfang :  «  Willkumm, 
ihr  lieben  Gast,  was  wend  ihr  allhie  machen?»  a.a.O. 
2)  «  Schwyzerisches  Kühlied  d.  i.  wahrhafter  Bericht,  was 
für  herrliche  Thaten  die  kathol.  Orte  bei  ihrem  Einfall 
in  der  Herrschaft  Wädenschwyl  verrichtet  haben.» 
Anfang:  «Mein  frölich  Herz  das  trvbt  mich  an.»  Usteri. 


HISTORISCHE  VOLKSLIEDER  LXI 

Unter  e  folgen  noch  einige  Stücke,  welche  sich  auf  den 
Krieg  im  Allgemeinen  und  die  damaligen  Zeitumstände  be- 
ziehen. 
€.   i)  «Gespräch  zwischen  den  vier  evangelischen  Städten.» 
Anfang  (Bern):   «Die  Nacht  ist  hin,  nun,  Burst,  in 
d"  wehr.»     s.  Anzeiger   18.77,  S.  309,  17. 

2)  Spottgedicht  auf  Schultheiß  Fleckenstein  und  Alfons 
Sonnenberg  wegen  ihrer  Haltung  im  Kriege.  (Febr. 
1656.)  Anfang:  «<  Lucern.  zünd  an  din  licht  fin  klar. » 
ebd.  14. 

3)  «Ein  schön  new  Lied:  Von  ^\"ilhelm  Teilen,  durch 
Helvetium  Wahrsagern  von  newem  gebessert  und 
nach  der  Zeit  gericht.  n  Anfang :  « A\'ilhelm  war  ich 
der  Teile. »  (Anspielung  auf  das  alte  Tellenlied : 
«Wilhelm  bin  ich  der  Teile.  »)  Weller  Nr.  991  setzt 
das  Lied  in's  Jahr  1659.  ZSB.  XVIII,  535.  Vgl.  Nr.  53,  <^. 
41,  a,  I.  Das  nicht  recht  volksthUmliche,  aber  sonst 
bemerkenswerthe  Gedicht,  von  Seite  der  katholischen 
Orte,  bezieht  sich  auf  einen  Machthaber  im  Kanton 
Uri,  der  mit  dem  Landvogt  verglichen  wird  und  vor 
dessen  den  Reformirten  sich  zuneigender  Politik  ge- 
warnt wird  (General  P.  Zweyer).  Nach  Th.  v.  Liebenau 
im  Anzeiger  1880,  S.  274,  wahrscheinlich  von  einem 
Schwyzer  gedichtet. 

4)  « Der  jetzige  gut  eidgenössische  Trommelschlag. » 
Anfang:  «Biribompomp,  nun  losend  allesammt. »  Am 
Ende  :  «  Alexander  Hausröthel ,  Regimentstrommen- 
schlaher  von  Ossingen,  im  Läger  vor  Rapperswyl, 
seinem  lieben  Bruder  Alexander  VIL  dem  Kupfer- 
schmid.  »  Simml.  Samml.  Bd.  299.  Winterth.  Hdschr. 
P>d.  65.  (Alexander  VIL  war  der  damalige  Pabst  und 
das  ganze  Gedicht  ist  gegen  die  Umtriebe  der  Curie 
gerichtet.)    Vgl.  c,  2. 

43.   Wigoldinger  Handel.     1644. 

Auch  dieses  an  sich  geringfügige  Ereigniß,  welches  auf 
einem    leeren    Schrecken    beruhte    und    nur    in    einer    Zeit 


LXII  EINLEITUNG 

religiöser  Spannung  weitere  Folgen  haben  konnte,  hat  einige 
Lieder  veranlaßt,  die  freilich  nur  Klagen  über  die  unschul- 
digen Opfer  enthalten  konnten. 
a.  <<  Thurgauisches  Klag-  und  Trauerlied.  »    Anfang :  o  Nun 
merket  auf  die  große  Klag.  >■)    Balthasar,  Helvetia  V,  3S9. 
Pupikofer,  Gesch.  d.  Thurgau,  Bd.  11,  Beil.  S.  50. 
Ik  ((  Thurgauischer    Schwanengesang.  »     Anfang :    (<  Merkt. 
Reformierte,  all  zugleich. »    Balthasar,  Helvetia  a.  a.  O. 

c.  0:  Der  evangelischen  Thurgöuwern  Traur-  und  Klaglied.  » 
Anfang :  «,  Ach  höret  an,  ihr  Christenleut.  »    Flieg.  Blatt. 

d.  Aufmahnungsgedicht  an  die  Stadt  Zürich.  Weller,  Ann.  I. 

997- 
(.  <(  Unpartheiischer  Ausfchlag  über  jüngst  abgeloffene 
Wigoltingische  bluthandel.  »  Ein  Spruch  in  Reimpaaren. 
Anfang:  «Wenn  die  Wigoltinger  Sachen.  >>  Aus  einem 
Winterthurer  Manuscript  mitgetheilt  von  Dr.  Geilfus.  Es 
mögen  noch  andere  Gedichte  dieser  Art  vorhanden  sein. 

44.  Glückwunschgesang  zu  Ehren  der  bernischen  Kriegs- 
leute, welche  dem  König  von  Frankreich  zuzogen.  167 1. 
Weller.  Ann.  I,  1008.     Nicht  volksthümlich. 

45.  «Eidgenössisches  Wachauf  und  Klopfdrauf. );  Er- 
munterung zur  Wachsamkeit  und  Tapferkeit  in  den  gefähr- 
lichen Zeitläufen.     1673. 

a.  Anfang:    «Fast   nichts   wird   bei   disen   unsern  Zeiten.» 

(Usteri.) 
/'.  Anfang:  «Will  man  denn  nicht  Frieden  halten.»    ZSB. 

xvm,  1973. 

46.  « Buhlschaft  der  sich  repräsentirenden  Eidgenössi- 
schen Dame »  u.  s.  w..  von  Jakob  Wurmann  von  Wiesen- 
dangen.  Weller,  Ann.  I,  1020.  Anfang:  «Wenn  ich  schon 
bin  vom  Baurenstand.  »     (Usteri.) 

47.  « Zugab  über  des  widerlegten  Abts  zu  Einsiedeln 
Näfelser  Predigt.»  1676.  Anfang:  « Unserm  Abt  Herrn 
Augustin. »     Sammlung  von  Wyß  in  Bern  VIII.  5. 

48.  Pasquill  auf  Landvogt  Lussi  im  Rheinthal.  1676. 
Anfang:    «0  liebes  L'nterwaldner  Land,    Was   macht  Lussi 


HISTORISCHE  VOLKSLIEDER  LXIII 

dir  für  Schand.  »  Ein  Spruch  in  Reimpaaren.  Am  Schluß  : 
((Das  seig  Euch  anstatt  einer  neuwen  Practik  für  1676  zum 
Zurzach  Kram  verehrt  von  drei  ahen  Soldaten,  als  sie  ver- 
nommen, wie  es  in  ihrer  Abwesenheit  in  der  Schweiz  ge- 
gangen. »     Winterth.   Handschr.  Bd.  65. 

49.    Belagerung    von    Rheinfelden    durch    den    Marschall    de 
Crequi  («Grigio).     1678. 

a.  «Liebste  Gräfin  an  dem   Rhein.»    \\"eller,  Ann.  I.  1253. 

b.  «Rheinfelden  thu  aufwachen.»  («Gesprächsweis  zwischen 
dem  Adler  Rheinfelden  und  dem  Feind.  »  Constanz  167S.) 
Alaltzahn,  Bücherschatz  Nr.  889. 

£.  ((Hört  zu.  was  ich  euch  melden  will»,  mitgetheilt  in  dem 
oben  zu  Nr.  40,  /'.  2  citirten  Schulbericht  von  Rhein- 
felden. Dieses  Lied,  der  Sprache  nach  nicht  schwei- 
zerisch, erzählt  in  39  Strophen,  im  Ton  einer  Reim- 
chronik und  ohne  poetischen  Werth,  den  ganzen  Verlauf 
der  damaligen  Belagerung  von  Rheinfelden  und  die 
Zerstörung  von  Säckingen.  Laut  Str.  32  wurden  die 
Leichen  in  Basel  aufgefischt  und  für  jede  6  Batzen  bezahlt. 

.50.   Eroberungen  der  Franzosen  im   Elsass.     1679 — 16S1. 

a.  ((  Französische  Vogelhäre  »  oder  ((  Hüningischer  Vogel- 
herd.»  Anfang:  <•  O  Eidgnossfchaft,  dich  wol  um  sieh.» 
(Warnung  xor  der  Bedrohung  von  Basel  durch  die 
französische  Festung  Hüningen.)  Weller,  Ann.  L  i()26. 
Text  in  der  Sammlung  von  Wyß  in  Bern  Vin,  1. 

b.  EinuaJwie  von  Straßhurg. 

((  Straßburger  Lied  »  aufgefunden  in  dem  solothurn- 
ischen  Dorfe  Bettlach,  verfasst  wahrscheinlich  von  einem 
schweizerischen  Handwerker,  der  in  Straßburg  nicht 
eben  günstige  Aufnahme  gefunden  hatte  und  daher  der 
Stadt  ihr  Schicksal  einigermaßen  gönnte,  mitgetheilt  von 
Fr.  Jos.  Schild.  «Der  Großätti  aus  dem  Leberberg», 
2.  Bändchen,  S.  i — 4:  vgl.  122  — 127.  Anfang:  «Zu  singen 
ich  anhebe.  "  Das  Lied  ist  merkwürdig  und  wol  noch 
wenig  bekannt,     s.  Texte. 


LXIV  EINLEITUNG 

51.  Zug  schweizerischer  Söldner  nach  Griechenland,  1688 
(gegen  die  Türkenj. 

a.  «  Was  händ  die  Zuger  und  Urner  gethan  ?  »    s.  Texte. 

b.  «  Marianisches  FeldstUcklein  d.  i.  Schweizerischer  Feld- 
zug in  Levante  und  Morea,  März  16S8.  wider  den 
Türken»  u.  s.w.  Weller,  Ann.  I.  i'^y.  Anfang:  «Auf, 
ihr  christliche  Helden  gut.  » 

52.  Uznacher  Hexenkrieg.     169). 

Ein  kleiner  Volksauflauf,  noch  unbedeutender  als  Xr.  43 
und  ohne  so  ernsthafte  Folgen ;  das  betreuende  Lied  konnte 
daher  auch  unter  die  kulturhistorischen  des  zweiten  Theils 
gestellt  werden.  Anfang:  »Hört  zu.  was  doch  die  Furcht 
vermag.  »  ZSB.  XYIIL  1974,  6.  Auch  in  einer  Winterthurer 
Handschrift,  mitgetheilt  von  Geilfus. 

53.  Toggenburger  (oder  zweiter  Vilmerger)  Krieg.     17 12. 
Von  den  Dichtungen,    die   dieser  Krieg   veranlaßt   hat. 

gilt  das  bei  Nr.  42  Gesagte.     Die  Zahl   derselben   ist  noch 
bedeutend  größer,   aber   der   volksthüniliche  Charakter  und 
zum    Theil    auch    der    poetische    Werth    d3rselben    ebenso 
zweifelhaft  wie   dort  und  Auswahl  aus  der  Masse  durchaus 
geboten.    Gerade  eines  der  bekanntesten  Produkte,  (Phileons 
und)  Bärenholds  (d.h.  Zürichs  und  Berns)  <■  lustige  Festlieder » 
(welches  übrigens  unter  diesem  Titel  nicht  in  allen  Ausgaben 
gleich  viele  und  dieselben  Stücke  umfasst),  ist  am  wenigsten 
volksthümlich,    wenn    auch    sonst    nicht    ohne   Werth    durch 
geschickte  Form  und  treffenden  Witz.    Die  in  dieser  Samm- 
lung enthaltenen  Stücke   und   die   einzelnen   übrigen  Lieder 
betreffen  so  ziemlich  alle  Ereignisse  des  Krieges,    auch  die 
Ursachen  desfelben  und  den  Friedensfchluß. 
a.  Missregierung  des  Abtes  von  St.  Gallen  im  Toggenburg 
und    Schmälerung    der    ^Nlacht    desfelben    in    Folge    des 
Krieges.    Das  I-etztere  wird  dargestellt  unter  dem  Bilde, 
daß  der  Abt  seine  Kappe  verloren  habe,  wobei  es  sich 
fragt,  ob  das  Kinderspiel  «der  abt  hat  si  chappe  verlöre  >> 
erst  diesem  Ereigniß  seine  Entstehung  verdankt  oder  ob 


HISTORISCHE  VOLKSLIEDER  LXV 

das  Spiel  und  der  sprüchwörtliche  Ausdruck  schon  früher 
bestand  und  auf  jenen  Fall  nur  angewandt  wurde. 

b.  Die  einzelnen  Hauptaktionen  des  Krieges,  als:  Ein- 
nahme von  Wyl  und  Baden  (letzteres  unter  dem  Bild 
einer  badbedürftigen  Patientin  oder  einer  umworbenen 
Braut,  s.  zu  Nr.  42,  b).  Schlachten  bei  Bremgarten, 
Sins,  Vilmergen  und  Gefecht  an  der  Bellenschanze  bei 
Richterswyl. 

c.  Triumph-  und  Danklieder  für  den  Frieden. 
Natürlich   sind   die   meisten   Dichtungen   von  Seite   der 

übermächtigen  und  siegreichen  Partei  ausgegangen,  insbe- 
sondere von  Bern,  welches  die  Scharte  der  ersten  Vilmerger 
Schlacht  auszuwetzen  hatte  und  darum  auch  seine  dies- 
maligen Erfolge  zu  rühmen  nicht  ermangelte:  doch  hat  auch 
die  Gegenpartei  nicht  ganz  stillgeschwiegen  und  es  fehlt 
sogar  nicht  an  einer  Kundgebung  von  Unzufriedenheit  Berns 
mit  den  Leistungen  der  verbündeten  Zürcher. 

Ich  verweise  auf  mein  Verzeichniß  im  Archiv  des  histor. 
Vereins  von  Bern,  Bd.  VII,  S.  357  —  359,  und  gebe  hier 
hauptsächlich  nur  Nachträge  dazu,  mit  Hervorhebung  der 
volksthümlichen  oder  wenigstens  der  minder  künstlichen  und 
officiellen  Dichtungen,  welche  ihren  Ursprung  aus  höheren 
Kreisen  zum  Theil  schon  durch  die  Form  (trochäisches  und 
daktylisches  Versmaß,  Binnenreime  und  Reimspiele,  Fremd- 
wörter und  gelehrte  Anspielungen)  verrathen. 

In  der   folgenden   Auswahl    sind   die   Lieder    nur   nach 
einigen  Hauptgruppen   und   nach    ungefährer   Zeitfolge    der 
betreffenden  Ereignisse  geordnet,   da   in  vielen  Liedern  auf 
mehrere  Ereignisse  Bezug  genommen  wird. 
a.    Ursache  und  Anfang  des  Krieges. 

i)  «  O  du  bedrängtes  Toggenburg.  »  ZSB.  XVIII,  1976, 3. 
2)  «Der  Eidgnössisch  Toggenburger,  entgegengesetzt 
dem  Toggenburgischen  Bidermanne.  »  Anfang  :  «  Es 
ist  ein  Lump  im  Lande. ')  Schilderung  der  äbtischen 
Missregierung  im  Toggenburg;  Antwort  auf  das  im 
Jahr  1710   erschienene  Lied    «Der  Toggenburgische 

V 


LXVl  EIXLEITUN-G 

Bidermann»  (Anfang:  (<,Ein  Bidermann  im  Lande»), 
welches  die  Toggenburger  zur  Treue  gegen  den  Abt 
ermahnt  hatte.     ZSB.  XVIIL  438,  m. 

3)  ((Der  alte  verschimlete,  nun  aber  von  neuem  aus- 
gebutzte  Gugg  Galli ,  was  ist  das. »  Spottlied  auf 
den  Abt  von  St.  Gallen.     ZSB.  XVIIL  1987,  25. 

4)  Nur  als  Curiosität  sei  hier  beigefügt:  «  Toggenburgisch 
Bubenspiel.»  24  8zeilige  Strophen,  in  welchen  21 
Knabenspiele  allegorisch  behandelt  werden,  s.  Anz. 
1865,  S.  58.  Vgl.  (( Toggenburgisches  Trockenspiel», 
1708,  ebenfalls  unvolksthiimlich.    ZSB.  XVIII,  1976,  i. 

b.    Verlauf  des  Krieges. 

i)  Abschiedslied  eines  bernischen  Soldaten,  s.  Texte. 
Anfang:  (( Adie  mein  Schatz,  adie  mein  Schatz.  »  ZSB. 
XVIIL  1976.  8. 

2)  Staudenschlacht  bei  Bremgarten.  (*  Was  habt  ihr  wohl 
verdient,  ihr  Lumpen  von  Bremgarten. »    (Usteri.) 

3)  (( Der   von  Gott   gerechte   Lohn   falsch   geschworner 

Schweizertreu Der  Landmann  kann  es  singen  nach 

der  Weise :  Hunderttausend  Aepfelküchlein  Gibt  ein 
ganze  Wannen  voll.»  Anfang:  «Ich  kann  nimmer- 
mehr vergessen. »  Der  Titel  und  die  erste  Strophe 
beziehen  sich  auf  den  Wiederausbruch  des  Krieges 
nach  dem  Frieden  von  Aarau.  Das  Lied  ist  aber 
unvolksthiimlich.     ZSB.  XVIII,  1976,  9. 

4)  (( Us  frischem  Muth  will  ich  ein  Liedlein  singen.  »  Zu 
Ehren  dem  Schultheiß  Frisching  von  Bern.  (Schlacht 
bei  Vilmergen.)     ZSB.  XVIII,  1976,  18. 

5)  «  Toggenburger  Kriegs-  und  Soldatenlied Also  zu- 

samen  geschrieben  von  einem  Soldaten  nach  und  nach 
im  Feld.!)  iVnfang:  ((AVas  ist,  o  werthe  Eidgnoss- 
fchaft. »  Das  Lied  erzählt  in  49  Strophen  so  ziemlich 
den  ganzen  Verlauf  des  Krieges.    ZSB.  XVIII,  1976. 

6)  ((Ach  Baur.  du  lucernerischer  Baur  »,  von  drei  Dra- 
gonern auf  der  Wacht  gesungen,  enthält  in  10  Strophen 
nur  einige  Hauptereignisse,     a.  a.  O. 


HISTORISCHE  VOLKSLIEDER  LXVII 

7)  «Was  wend  wir  aber  heben  an?»    (Der  ganze  Feld- 
zug im  Aargau.)     a.  a.  O. 
S)  Gefecht   an    der  Bellenschanze.     «  Ein   Liedlein   will 

ich  singen  thun. »     a.  a.  O. 

<(.  Ein  neues  Liedlein  will  ich  singen.  »    a.  a.  O. 
«  Richtenschweil  du  list  an  Gränzen 

Und  hast  weder  Maur  noch  Thor, 

Aber  deine  Thaten  glänzen 

Gleich  der  Thürnen  Spitz  hervor. 

Deine  Kinder  auf  den  Gassen 

Können  schon  den  Degen  fassen  »  u.  s.w.   ZSB.  X\Tn, 

438,  33- 

Stellung  der  Parteien. 

1)  «Der  neue  Teil »  (Erneuerung  des  alten  Tellenliedes, 
von  Seiten  der  Länder  gegen  Luzern,  als  dieses  mit 
Zürich  und  Bern  sich  vertragen  wollte).  Anfang : 
«Wilhelm  wo  ist  der  Teile.»  ZSB.  XVIII,  43S,  47. 
Dieses  Lied  wurde  von  der  Luzerner  Regierung  ver- 
boten und  verfolgt,  s.  Anzeiger  1877,  S.  310 — 311. 
Verfasser  des  Liedes  war  (nach  Th.  v.  Liebenau  im 
Anzeiger  1880,  S.  274)  Joh.  Melchior  Schell,  Caplan 
•ZU  St.  Wolfgang,  der  aber  vorgab,  er  habe  es  von 
^inem  Andern  erhalten.  Der  Buchdrucker  Leonz 
Schell  von  Zug,  dessen  Sohn  das  Lied  gedruckt 
hatte,  anerbot  der  Regierung  von  Luzern,  ein  Lied 
zu  Ehren  dieses  Standes  drucken  zu  lassen,  das 
sein  Bruder  von  dem  Verfasser  des  ersten  erhalten 
habe  und  worin  der  Inhalt  desfelben  widerrufen  werde. 

.2)  «  Das  entlarvte  Tellgespenst')  u.  s.  w.  Anfang:  «Seht, 
seht  doch  dort  den  Teilen.»  Antwort  auf  das  vorher- 
gehende Lied.     ZSB.  XVIII,  1987,  22. 

.3)  «Vom  Zürcher  und  Berner  Krieg.»  (17 14.)  «Kein 
Faden  wird  niemal  so  klein  und  fein  gesponnen.  )< 
Gegen  Zürich  und  Bern,  nicht  ohne  Witz  und  ziem- 
lich volksthümlich,  aber  schon  des  Versmaßes  wegen 
kein  Volkslied.     Winterth.  Stadtbibl. 


LXVIII  EINLEITUNG 

4)  «Weiß    und   blau   über    ein   Ort    (d.  h.  schräg,   An- 
spielung auf  das  zürcherische  Wappenschild) :  Zürich 
ist  das  erste  Ort.  »    72  Knittelverse,  Spott  über  Zürich 
als  Vorort,    der  doch  meistens  Bern  die  Sache  aus- 
fechten lasse.     Angeblich   einem  durch  das  Bernbiet 
reisenden   Zürcher   unbemerkt   in   sein  Felleisen  ge- 
schoben.    Aehnliche   Tendenz    hat    ein   Lied    «Von 
zürcherischer  Herzhaftigkeit »,  wo  der  gesuchte  Herz- 
könig (Spielkarte)  sich  in  des  Löwen  (Zürichs)  Hosen- 
latz findet.     (Usteri.) 
Aehnliche  «  Lieder  0  und  ReimsprUche  auf  den  Toggen- 
burger  Krieg  enthält  auch  der  Band  1267  der  St.  Galler  Stifts- 
bibliothek. 

Einige  Strophen  (betreffend  die  Uebergabe  von  Rappers- 
wyl)  aus  dem  Anhang  eines  Gedichtes  über  den  Toggenburger 
Krieg,  handschriftlich  in  St.  Gallen,  gibt  Götzinger,  «  Hebels 
alemannische  Gedichte  )>,  p.  XXIV. 

54.  Innere  Parteikämpfe  und  Aufstände.     (1713  — 1795-) 
a.  «  Freud-  und  A\'unschlied  auf  Neujahr  1714  zur  Feier  des 
wiederhergestellten  Friedens  in  der  Bürgerschaft  Zürich» 
(nach  der  im  Jahr  17 13  eingetretenen  Revision  der  Ver- 
fassung).   Das  betreffende  Gedicht  (Anfang :  c  Mit  IJavid 
wir  die  Einigkeit   erheben  :>))   ist  im  Psalmton   gehalten 
und  unvolksthümlich. 
^.  ■»  Hirtenlied   auf  den    Stand    Zug »,    bezüglich    auf  den 
dortigen  Kampf  der  «Harten  und  Linden  d  (1728 — 1736)» 
von  Franz  Karl  Bengg.     s.  Anzeiger  1877,  S.  311.    Das 
Lied  wurde  in  Luzern  verbrannt,  der  Verbreiter  desfelben 
verbannt, 
r.  Kampf  der  Harten  und  Linden  in  Appenzell  Außerroden. 

1732—1735- 

i)  Spottlied  auf  den  Herren  (Pfarrherr)  im  Bühler.  An- 
fang :  « Die  harten  hend  einen  Herren  im  Land. » 
Aus  einem  Winterth.  Msc.  mitgetheilt  von  Dr.  Geilfus. 

2)  Spruch  in  Reimpaaren.  Anfang:  »Ihr  schönen  herten 
Appenzeller  der  Außerroden. »   Aus  derselben  Quelle. 


HISTORISCHE  VOLKSLIEDER  LXIX 

d.  Lied  auf  den  Friedensfchluß  zu  Genf,  1738  (nach  den 
Parteikämpfen  unter  der  dortigen  Bürgerschaft,  in  welchen 
Zürich  und  Bern  zu  vermitteln  gesucht  hatten).  Anfang  : 
«  Nun  heb  ich  an  zu  loben  Gottes  Namen. »  ZSB.  XVIIL 
1974. 

■e.  Bürgerliche  Unruhen  in  Bern,  1744  (Vorspiel  der  \'er- 
schwörung  von  S.  Henzi). 

(f  Pasquill  so  a"  1744  zu  Bern  gefunden  und  sonder 
Zweifel  von  den  darin  Vermeldten  wird  gemacht  worden 
sein,  samt  der  Antwort  im  Namen  Mr.  gn.  Herrn  als 
Väter. »  In  Alexandrinern.  Anfang :  «  He,  Brüder,  he, 
Courage,  steckt  allen  Schrecken  ein.  »  Winterth.  Msc, 
mitgetheilt  von  Dr.  Geilfus. 

/.  Aufstand  der  Liviner  gegen   Uri.      1755. 

«  Die  Liviner  sind  Rebellen. »     s.  Texte. 

g.  Unruhen  in  Sch7C'yz  icegen  der  französischen  Kriegsdiensfe. 
1764— 1765. 

« Der  singende  Schafliirt »,  ein  unvolksthümliches 
Gedicht  betreffend  die  Entlassung  der  schwyzerischen 
Söldner  aus  dem  französischen  Dienste.  ZSB.  Msc. 
(Leu  88,  B.  170)  S.  163. 

/i.  Zug  schtveizerischer  Truppen  nach  Neuenburg  zur  Be- 
schwichtigung des  gegen  den  König  von  Preußen  er- 
hobenen Widerstandes.     1768. 

Das  betreffende  « Zuzügerlied  »,  verfasst  von  dem 
solothurnischen  Volksdichter  C.  St.  Glutz  in  Mundart 
und  in  Form  eines  Gespräches  zweier  Soldaten,  von 
denen  der  eine  lieber  zu  Hause  bleiben  möchte,  mag 
durch  jenen  Zug  veranlaßt  sein,  hat  aber  gar  keinen 
politisch -geschichtlichen  Inhalt.  Es  ist  gedruckt  im 
Soloth.  Wochenbl.  1810,  S.  186.  Anfang:  «He,  lustig  ir 
chnabe. » 

/.  Der  Traverser  oder  Ortensteincr  Handel  in  Grauhiinden. 
1766  — 1767. 

Zwei  größere  Gedichte  in  Alexandrinern,  beide  gegen 
den  General  von  Travers  gerichtet,  sind  unvolksthümlich. 


LXX  EINLEITUNG 

Das    eine   beginnt:    «.Wer   ist   denn  jener  HeldV»,    das 
andere  :  «  O  Averthes  Vaterland. »     ZSB. 
/&.   Zug  der  Zürcher  nach  Stein.      1784. 

Das  mundartliche  Lied:  «Ufuf,  ihr  Fekels  diäzere » 
schildert  die  damalige  Miliz  und  enthält  fast  keine  Be- 
ziehungen auf  die  Ursache  des  Zuges ;  es  durfte  aber 
wenigstens  im  Anhang  eine  Stelle  finden,  zumal  da  es 
bei  dem  sog.  «Zürichputsch»  im  Jahr  1839  (aus  AnlafV. 
der  Berufung  von  David  Fr.  Strauß)  eine  theilweise  Er- 
neuerung erlebt  hat. 
/.  Aufstand  am  Zürichsee  (Stäfner  Handel).     1794—1795.. 

Einige  Gedichte,  sämmtlich  von  stadtzUrcherischem 
Standpunkt,  auch  nicht  volksthümlich  gehalten  und  ohne 
poetischen  Werth,  enthält  der  Band  XXXI.  233,  ZSB. 
Einige  Zeilen  eines  Liedes  aus  derselben  Zeit  gibt  Stutz,. 
Gemälde  aus  dem  Volksleben,  Bd.  3,  S.  29.  Wahr- 
scheinlich hat  es  an  Liedern  von  Seite  der  Seebewohner 
nicht  gefehlt,  aber  sie  sind  verschollen. 
m.  Beilegung  des  zynischen  dem  Abt  von  St.  Gallen  und  dessen 
Unter thanen  entstandenen  Zwistes.     (1795.) 

Darauf  bezügliche  Lieder  enthält  ZSB.  XVlII,i727,i2, 
55.  Helvetische  Revolution   und  Verfassung.     (1798 — 1802.) 

a.  Als  Vorspiel  dieser  zwar  innerlich  längst  vorbereiteten, 
aber  durch  Frankreich  zum  Ausbruch  gebrachten  Um- 
wälzung können  die  Grenzbesetzungen  bei  Basel  und 
Genf  betrachtet  werden,  welche  zum  Schutz  der  schwei- 
zerischen Neutralität  in  dem  zwischen  Frankreich  und 
Oestreich  ausgebrochenen  Kriege  1792  stattfanden.  Die 
auf  den  Ausmarsch,  die  Aufnahme  und  Heimkehr  der 
eidgenössischen  Truppen  gedichteten  Lieder  sind  zahl- 
reich, aber  einförmig  und  ohne  historischen  oder  poe- 
tischen Werth.  s.  Archiv  des  histor.  Vereins  von  Bern 
Vn,  359.  Ariele  solche  Produkte  finden  sich  ZSB.  XXXL 
231.  535.     Aar.  KB.  L,  385. 

b.  Kampf  der  Berncr  und  Urkantone  gegen  die  Franzosen- 
179S. 


HISTORISCHE  VOLKSLIEDER  LXXI 

i)  Lied  eines  Soldaten  der  Eerner  Stadtwache.  (Aufruf 
und  Drohung  gegen  die  Franzosen,  kurz  vor  deren 
Anmarsch  und  Sieg.)     Aar.  KB.  L,  385. 

2)  Lied  auf  das  Gefecht  bei  Fraubrunnen :  «  Es  leb  das 
Bernerbiet.  »     Schild,  Großätti  2,  5.     s.  Texte. 

3)  Lied  der  Urkantone:  c  Auf  zu  Berg  und  auf  im  Thal.» 
s.  Texte. 

Die  Errichtung  der  Freiheitsbäume  und  der  Schwur  auf 
die  helvetische  Verfassung  von  1798  musste  ebenfalls 
besungen  werden,  aber  da  die  Begeisterung  zum  Theil 
erzwungen  war,  so  fehlte  den  Poesien  der  rechte  Schwung 
und  fehlte  es  andrerseits  nicht  an  Verwünschung.  Spott 
und  Parodie.  Eine  solche  wurde  z.  B.  dem  französischen 
Jakobiner  Lied  «Ca  ira,  ca  ira  »  zu  Theil  (s.  Texte), 
dessen  Anfang  überdies  der  Name  eines  Kinderspieles 
(«  Sairassa»)  geworden  ist.  Vgl.  Rochholz,  Alem.  Kinder- 
lied und  Kinderspiel,  S.  57.  543.  —  Gedichte  dieser 
Gruppe  finden  sich  auf  der  ZSB.  XXXL  6.  542.  XXIV, 
1289.  '^^i'-  ^ß-  ^-  2-  O.  Zürch.  Taschenb.  1882,  S.  248  ff. 
Vgl.  auch  Archiv  a.  a.  O.  S.  360,  c.  Hieher  gehört  auch 
ein  mundartliches  Spottlied  auf  die  leere  Kasse  der 
helvetischen  Repubhk  (i8ooj,  ZSB.  XVIÜ,  1727;  ferner 
ein  arges  Spottlied  auf  die  Franzosen  und  ihre  schwei- 
zerischen Freunde  (die  «Patrioten  d)  aus  dem  Jahre  1802, 
mitgetheilt  von  Kodier,  Geschichte  des  Berner  Volkes 
(Bern  1864),  abgedruckt  in  der  «,  Illustrirten  Schweiz» 
(Bern  1865)  S.  356 — 357  ;  ein  noch  schärferes,  welches 
die  ganze  französische  und  helvetische  Revolution  als 
ein  Excrement  Lucifers  darstellt  (Winterth.  Msc,  mit- 
getheilt von  Dr.  Geilfus),  erneuert  zum  Spott  auf  die 
Freiheits-  und  Einheitsbestrebungen  der  I^reißiger  Jahre 
aus  den  innern  Kantonen;  endlich  ein  im  Zürch. Taschen- 
buch 1882,  S.  259 — 261  unter  ähnlichen  Produkten  jener 
Jahre  niitgetheiltes  «  Schweizerisches  Vaterunser  zu  Ehren 
der  Franken»,  welches  auf  dem  bei  Soltau,  Ein  Hundert 
deutsche   historische  Volkslieder,    S.  LXXVI— LXXVII 


LXXII  EINLEITUNG 

abgedruckten    «  Soldaten  -  Vaterunser  »    aus    dem   XVII. 
Jahrhundert  beruht. 

d.  Antkeil    schtüeizerischer   Ti-uppen    an    den   Käiupfeu    der 
fremden  Heere  in  der  Sc/nceiz.     1799. 

i)  Abschiedslied  der  ausziehenden  Soldaten.  ZSB.  XXIV, 
1289  (in  Mundart  und  etwas  besser  als  die  unter  a 
angeführten). 

2)  Fragmente  aus  einer  Reimchronik,  über  das  Gefecht 
bei  Neftenbach,  von  einem  Glaser  in  Winterthur, 
mitgetheilt  von  Dr.  Kubier,  Pfarrer  in  Neftenbach. 
s.  Die  illustrirte  Schweiz  (Bern  1S73)  S.  81.  93. 

e.  Lieder   auf  den   Frieden    von  1801.     ZSB.  XXXI,  542. 
XVIII,  1727. 

/.  Beschießung    der  Stadt  Zürich    durch    den  'helvetischen 
General  And  er  matt.      18(12. 

Diese  verfehlte  Unternehmung  hat  eine  Menge  von 
Spottgedichten  der  Zürcher  veranlaßt.  ZSB.  XXXI,  542. 
XVIII,  1727.  Auch  eine  ^^'interthurer  Reimchronik 
(Handschr.  184  Fol.)  enthält  eine  Episode  über  jenes 
Ereigniß  (Mittheilung  von  Dr.  Geilfus).     s.  Texte. 

56.  Der  Bockenkrieg.     1804. 

Ein  appenzellisches  Gedicht  über  diesen  Volksaufstand 
enthält  der  «  Schweizerbote  »,  April  1804.  Stald.  Id.  I.  67. 
Sicherm  Vernehmen  nach  hat  es  auch  zürcherische  Volks- 
lieder gegeben,  dieselben  konnten  aber  nicht  mehr  aufge- 
funden werden.     Vgl.  Xr.  54,  /. 

57.  Theilnahme  der  Schweiz  an  dem  Zug  der  verbündeten 
Mächte  nach  Frankreich.     181 5. 

Marschlied  der  ausziehenden  Truppen :  « Mit  frohem 
Muth  und  heiterm  Sinn  Ziehn,  Schweizer,  wir  nach  Frank- 
reich hin. ))  Mehr  ein  allgemeines  Soldatenlied  als  ein  eigent- 
lich historisches,  dalier  auch  noch  später  gesungen.  Dasfelbe 
gilt  von  dem  Abschiedslied  eines  Rekruten,  dessen  Anfang 
lautet:  0  Nun  adies,  mein  lieber  Vater»,  mit  dem  Refrain: 
«Morgen  muß  ich  unter"s  Militär,  Zu  den  schweizerischen 
Voltigeurs. »     Das  I^ied  soll  aus  der  Zeit   stammen,  wo  die 


HISTORISCHE  VOLKSLIEDER  LXXIII 

Schweiz  zu  den  Heeren  Napoleons  I.  ein  Hülfscorps  stellen 
musste.  Es  steht  gedruckt,  nicht  vollständig  im  Text,  aber 
mit  Melodie,  in  der  a  Schweiz  »,  Schaffhausen  1858,  S.  40—41. 

58.  Die  kantonalen  Bewegungen  der  Dreissiger  Jahre. 

a.  Volksversammlung  in  Baisthal  (Solothurn).     18.^0. 

« Im  Winter  bi  dem  ehalte  Schnee.  »     s.  Texte. 

b.  Aufstand  der  Hallauer  Bauern  gegen  die  Stadt  Sc/iaß- 
hausen.     1 83 1 , 

Ein  Bruchstück    eines    Spottliedes    der   Schaffhauser 
über  den  Zug  der  Hallauerbauern  vor  die  Stadt  brachte 
das  Feuilleton  der  «Neuen  Zürcher  Zeitung»   1876. 
£.  Kampf  z7C'i sehen  Basel  Land  und  Stadt.      1831. 

Fragmente  basellandschaftlicher  Lieder  gibt  Seiler, 
Die  Basler  Mundart  (Basel  1879),  S.  18.  25  —  26. 
d.  In  diese  Zeit  scheint  auch  ein  im  Kanton  Luzern  verfasstes 
und  verbreitetes  mundartliches  Gedicht  «  De  Junker  und 
de  Bür »  zu  gehören ,  welches  den  Sturz  der  Junker- 
herrschaft und  das  Emporkommen  der  Bauern  behandelt, 
die  sich  nicht  mehr  wie  im  Jahr  (18)14  werden  unter- 
thänig  finden  lassen.     Anfang :  «  Losed  an,  ir  Lüte.  » 

59.  Parteikämpfe  in  Bern.     (1846 — 1850.) 

Lieder  gegen  die  Regierung  von  1846.    Lieder  von  der 
Volksversammlung  in  Münsingen  1850.    Aar.  KB.  L,  385. 

60.  Sonderbundskrieg.     1847. 

(( General  Dufour,  der  edle  Ritter.  >>    Parodie  von  o  Prinz 
Eugen  »,  gedichtet  von  S.  T. 


Die  i)olitischen  Kämpfe  von  1830— 1850  auf  kantonalem 
und  eidgenössischem  Gebiet  haben  noch  eine  Menge  Ge- 
dichte hervorgebracht,  für  welche  die  oben  angeführten  nur 
als  spärliche  Beispiele  dienen  können.  Ihr  volksthümlicher 
Charakter,  historischer  und  poetischer  Werth  ist  aber,  wie 
bei  den  Liedern  aus  der  neuern  Zeit  überhaupt,  so  zweifelhaft, 
und  ihre  Zahl  wäre  so  groß,  daß  auf  die  Sammlung  und 
Anführung  derselben  an  dieser  Stelle  verzichtet  werden  muß. 


LXXIV 


EINLEITUNG 


Viele  solche  Produkte  enthält  die  Lauterburgische  Sammlung 
auf  der  Stadtbibliothek  Bern,  einige  auch  der  Band  L,  385 
der  Aarauer  Bibliothek,  z.  B.  das  Stück :  «  Bure,  Bure,  nüt 
als  Bure  Wotte-n-iez  ufs  Rathhus  ga»,  dessen  Beziehung  auf 
die  in  den  Dreißiger  Jahren  erweiterten  Rechte  des  Land- 
volkes deutlich  genug,  dessen  Verbreitung  und  insbesondere 
Sangbarkeit  aber  um  so  fraglicher  ist. 


IL 


ALLGEMEINE  VOLKSLIEDER. 


Einleitung. 

/.   Alter  und   Verbrcitit/ig. 

Das  historische  Volkslied  hieng  mit  dem  volksthüm- 
lichen  Epos  zusammen ;  es  ist  oben  angeführt  worden, 
daß  die  Lieder  aus  dem  Sagenkreise  Dietrichs  von  Bern  in 
der  Schweiz  besonders  verbreitet  waren  und  vielleicht  in 
den  ältesten  bernischen  Kriegsliedern  Spuren  hinterlassen 
haben.  Im  XV.  Jahrhundert  hat  der  Thurgauer  Heinrich 
Wittenweiler  in  seinem  « Ring  »  den  Stoff  bereits  ironisch 
behandelt.  Das  allgemeine  Volkslied,  und  zwar  zunächst 
das  lyrische,  wird  mit  den  Anfängen  und  Ausgängen  des 
Minnegesangs  in  Verbindung  zu  bringen  sein.  Dieser  hatte 
nicht  bloß  in  seiner  Pilüthezeit  zahlreiche  Vertreter  auf 
schweizerischem  Gebiete  gefunden,  sondern  eben  dort  später 
besonders  bei  Hadlaub  und  Steinmar  entschiedener  jene 
Wendung  aus  dem  höfischen  Kreise  und  Tone  zum  bäurischen 
angenommen,  welche  bei  dem  Oestreicher  Neithard,  dem 
Schwaben  Gottfrid  von  Nifen  und  Andern  feiner  vorgebildet 
war.  Das  epische  Volkslied  lässt  sich  mit  den  zahlreichen 
kleinern  Gedichten  der  mittelhochdeutschen  Zeit  vergleichen, 
welche  theils  zerstreute  und  verdunkelte  Reste  der  Helden- 
sage behandelten,    theils  Ereignisse   des  wirklichen  Eebens 


LXXVI  EINLEITUNG 

welche,  durch  räumliche  und  zeitliche  Entfernung  in  ro- 
mantisches Licht  gerückt,  einen  Ersatz  für  die  größeren 
Abenteuer  des  volksthümlichen  und  höfischen  Epos  zu  bieten 
vermochten. 

Betreffend  die  Träger  des  allgemeinen  Volksliedes  haben 
wir  in  der  Schweiz  an  das  anzuknüpfen,  was  über  die  Her- 
kunft und  Lebensweise  der  Verfasser  historischer  Volks- 
lieder, hauptsächlich  in  Luzern,  bekannt  und  in  der  Ein- 
leitung zum  ersten  Theil  angeführt  ist.  Es  ergibt  sich  aus 
jenen  zerstreuten  Notizen,  daß  die  Sänger  großentheils  nicht 
fahrende  nach  älterer  Art,  sondern  Handwerker  oder  etwa 
Inhaber  untergeordneter  Staatsämter  waren  und  daß  die 
Uebung  des  Sängerberufes,  dem  sie  daneben  gelegentlich, 
besonders  im  Kriegsdienste  oder  bei  besonderen  Anläßen 
oblagen,  für  sie  weder  einträglich  noch  ehrenvoll,  wohl  aber 
gefährlich  und  nachiheilig  werden  konnte,  wenn  sie  nämlich 
in  inneren  Kämpfen  eine  Partei  vertraten.  Daß  Leute  ohne 
weitere  Bildung,  die  einen  Schlachtbericht  oder  eine  Bot- 
schaft von  anderen  Ereignissen  des  öffentlichen  Lebens  nach 
einer  gewissen  Tradition  und  mit  einigem  natürlichem  Ge- 
schick in  Form  eines  Liedes  zu  bringen  und  vorzutragen 
wussten,  auch  Gegenstände  und  Vorfälle  des  täglichen  Lebens 
in  lyrischer  oder  lyrisch- epischer  Weise  zu  behandeln  ver- 
standen, ist  nicht  gerade  zu  bezweifeln,  aber  nirgends  aus- 
drücklich bezeugt.  Dies  gilt  auch  von  höher  gebildeten 
Verfassern  historischer  Lieder  in  der  Reformationszeil,  wie 
Hans  Salat  in  Luzern  und  Nikiaus  Manuel  in  Bern,  während 
die  Dichtimgen  des  Pamphilus  Gengenbach  in  Basel  ein 
weiteres  Gebiet  umfassen.  Der  Titel  und  Beruf  von  Pritschen- 
meistern, welche  zunächst  bei  Schützenfesten  und  anderen 
städtischen  Lustbarkeiten  mit  einer  Art  Polizei  zugleich  die 
Poesie  zu  vertreten  hatten,  verlangte  auch  nicht  gerade 
höhere  Bildung  und  konnte  höchstens  durch  Uebung  einige 
Fertigkeit  erzeugen,  wie  etwa  Hieronymus  Muheim  in  Uri, 
Erneuerer  des  Teilenliedes,  Heinrich  Wirri  von  Aarau  (s.  o.). 
Joh.  Heinr.  Grob  von  Zürich  (Lobspruch  der  Schützen  1504) 


ALLGEMEINE  VOLKSLIEDER  LXXVII 

sie  besitzen  mochten.  Dagegen  drängt  sich  hier  die  Frage 
auf,  ob  schweizerische  Volksdichter  des  spätem  Mittelalters 
nicht  mit  inländischen  oder  deutschen  Meistergesang- 
schulen in  irgend  welchem  Zusammenhang  stunden  oder 
wenigstens  mittelbar  von  dorther  beeinflusst  waren.  Es  war 
leicht  möglich,  daß  jenes  Institut  aus  den  süddeutschen 
Städten  in  die  Schweiz  sich  verpflanzte,  aber  bestimmte 
Nachrichten  von  der  Existenz  solcher  Schulen  in  unseren 
Städten  sind  mir  nicht  bekannt.  Gödeke  (Grundr.  S.  225) 
spricht  von  «  Ausläufern  »  oberdeutscher  Meistersängerschulen 
in  der  Schweiz  ohne  nähere  Angaben ;  etwas  bestimmter  findet 
er  (S.  236,  vgl.  300)  Spuren  von  Meistergesang  in  Basel  bei 
Gengenbach  und  in  Bern  bei  Rudolf  ]\lanuel,  dessen  Vater 
schon  in  einem  seiner  Gedichte  einen  Meistersingerton  an- 
gewandt hatte  (vgl.  Baichtold,  Nikiaus  Manuel  S.  CLXVII). 
Aber  durch  solche  Indicien  wird  doch  nicht  Existenz  von 
Schulen  in  der  Schweiz  bewiesen,  sondern  nur  ein  Einfluß 
der  deutschen  in  Gestalt  von  Anwendung  oder  Nachahmung 
einzelner  Strophenformen,  welche  vielleicht  auch  bei  Zwingli 
und  Glarean  im  Zusammenhang  mit  deren  musikalischen 
Studien  nachzuweisen  ist.  In  die  unteren  Schichten  des 
Volkes  wird  jener  Einfluß  schwerlich  gedrungen,  sondern 
dort  werden  die  einfacheren  Formen  des  Kirchenliedes  maß- 
gebend geworden  sein.  Daß  auch  das  Landvolk  nicht  un- 
empfänglich und  unthätig  für  Poesie  blieb,  davon  haben  wir 
wenigstens  einen  Beweis  von  einiger  Bedeutung,  die  Volks- 
dichter des  Berner  Oberlandes  im  XVI.  und  XVII.  Jahr- 
hundert, welche  Prof.  Vetter  im  Berner  Taschenbuch  von 
1880  an's  Licht  gezogen  hat.  Sind  auch  die  Produkte  dieser 
Dichter  in  Gehalt  und  Form  nur  mittelmäßig  oder  fast  arm- 
selig, so  beweisen  sie  doch  den  damaligen  Bestand  einer 
Art  von  Schule,  nur  nicht  im  Sinne  der  Meistersänger,  und 
wenn  die  Produkte  nicht  Volkslieder  in  unserm  Sinne  ge- 
wesen oder  geworden  und  geblieben  sind,  so  haben  wir  doch 
in  Ueberresten  gedruckter  Liedersammlungen,  Avelche  noch 
heute  im  Berner  Oberlande  sich  finden,  deutliche  Spuren,  daß 


LXXVni  EINLEITUNG 

in  denselben  Kreisen  auch  andere  und  bessere  I.ieder  zwar 
nicht  original  gedichtet,  wol  aber  gesungen  wurden,  darunter 
allgemein  deutsche.  Uebrigens  ist  der  Kanton  Bern  nicht 
der  einzige,  der  solches  aufweist ;  auch  in  andern  Kantonen 
findet  sich,  nur  etwas  zerstreuter,  vom  XVI.  bis  in's  XVIII. 
Jahrhundert  hinein  eine  Reihe  von  Dichtern,  welche  zwischen 
den  namenlosen  Urhebern  wirklicher  alter  Volkslieder  und 
den  modernen  mit  Bildung  und  Reflexion  arbeitenden  Ver- 
fassern volksthümlicher  Lieder  eine  zwar  ästhetisch  nicht 
glänzende,  aber  für  die  Litteratur-  und  Kulturgeschichte 
merkwürdige  Mitte  halten.  Jene  Dichter  schließen  sich  zum 
Theil  an  die  Verfasser  historisch -politischer  Gedichte  oder 
fallen  mit  ihnen  persönlich  zusammen,  indem  sie  Ereignisse 
ihrer  engern  Heimat.  Festanläße  und  Todesfälle  besingen 
oder  Lieder  zur  Ehre  einzelner  Städte  und  Landschaften 
verfassen ;  zum  andern  Theil  nähern  sie  sich  durch  Behand- 
lung von  allerlei  Naturwundern  oder  schrecklichen  Thaten. 
die  da  und  dort  geschehen  waren,  fahrenden  Bänkelsängern. 
Beide,  besonders  aber  die  letztern,  streifen  an  die  Grenze 
dessen,  was  allenfalls  noch  in  die  Litteraturgeschichte  ge- 
zogen werden  kann  (und  sind  schon  im  A'orwort  von  unserm 
Gebiet  ausgeschlossen  worden) ;  hier  werden  sie  nur  ange- 
führt als  Mittel-  oder  Hintergrund  in  dem  Bilde,  das  ich  von 
den  Trägern  und  Verbreitern  des  wirklichen  Volksliedes 
zu  entwerfen  suche.  Daß  aber  der  Vordergrund  ausgefüllt 
und  in  volles  Licht  gesetzt  werde,  ist  nicht  zu  erwarten: 
ich  kann  nur  zufällig  zusammengelesene  Bruchstücke  lose 
an  einander  reihen.  Namen  können  hier  nicht  aufgezählt 
werden,  wie  es  bei  den  vorhin  besprochenen  Volksdichtern 
möglich  ist,  aber  unter  diesen  sind  einige,  die  blind  waren, 
und  Blinde  werden  bei  uns  wie  anderswo  (vgl.  Grimm. 
Heldensage-  S.  384—385)  seit  alter  Zeit  einen  Antheil  am 
Volksgesang  gehabt  haben.  Ich  erwähne  hier  nur  den  alten 
Sänger  Nikiaus  Weiei-mann  in  Bern,  von  dem  Uhland  (Volks- 
lieder Nr.  347,  bei  Mittler  Nr.  1249)  ein  um  1560  gedrucktes 
Lied  gibt  (Anfang:  0  Der  Winter  gsicht  mich  übel  an»).  Der 
Alte  klagt  darin,  daß  er.  der  einst  ein  lebenslustiger  Schütze 


ALLGEMEINE  VOLKSLIEDER  LXKIX 

gewesen,  nun  erblindet  sei  und  sich  kümmerlich  mit  Bohnen 
ernähren  müsse :  indessen  erlabt  er  sich  an  dem  neu  er- 
schlossenen Quell  des  Glaubens  und  bittet  mit  Ergebung  um 
ein  seliges  Ende.  Nikiaus  Manuel,  der  den  Weiermann  nur 
in  dessen  jüngeren  Jahren  gekannt  haben  kann,  erwähnt  in 
seinen  eigenen  Dichtungen  gelegentlich  einiger  Lieder,  die 
damals  beliebt  gewesen  sein  müssen,  so  zweimal  ein  ohne 
Zweifel  bernisches  von  «  Hänsli  uf  der  Schiterbigen »  und 
das  deutsche  o.  Ich  weiß  mir  eine  frye  Frau  Fischerin » 
(vgl.  Weiler,  Ann.  I,  Nr.  334).  Das  Trinklied,  welches  Hans 
Rudolf  Manuel  in  sein  «Weinspiel»  eingeschaltet  hat  (Bcxch- 
told  S.  ^^^),  scheint  von  ihm  selbst  gedichtet,  dagegen  das 
«letz  lupf  dich,  Bueb !  .^  (a.a.O.  317)  der  Anfang  eines 
Reisläuferliedes  zu  sein  (vgl.  Anselm  I,  225).  In  demselben 
Stück  (S.  334 — 335)  wird  neben  zwei  andern  volksthümlichen 
Melodien,  die  auch  auf  der  Geige  gespielt  werden  können, 
das  Bonenlied  erwähnt,  das  am  Aschermittwoch  1522  zur  Ver- 
spottung des  Ablasses  durch  die  Gassen  von  Bern  gesungen 
wurde  (Bc'echtold  S.  CXXXI)  und  später  noch  besprochen 
werden  soll.  Zur  Prügelstrafe  wurde  nach  Rudolfs  Manuels 
«Weinspieb»  (P5a2chtold  S.  371  unten)  das  a  Britschenlied  » 
gesungen,  was  aber  vielleicht  nur  bildlich  gemeint  ist,  wie 
heute  etwa  c  das  Schlaf-  oder  Leinlachenlied  singen  ».  Auch 
<(  der  Bauer  auf  dem  Acker  sang »  von  bekannten  Dingen 
(ebd.  193).  —  Ein  Sant  Barten-Lied,  nach  dessen  Weise  Leo 
Jud  einen  Psalm  dichtete,  erwähnt  dessen  Sohn  Johannes 
(Mise.  Tig.  III,  63);  es  ist  daraus  nicht  zu  erkennen,  welchen 
Inhalt  es  hatte  und  ob  Barten  etwa  der  sonst  unter  dem 
Namen  Bartel  («  der  den  Most  holt  »)  vorkommende  heilige 
Bartolomäus  ist.  —  Thomas  Platter  war  in  Samen  bei  einem 
Wirthe  eingekehrt,  der  die  Laute  mit  der  Feder  schlug  und 
dazu  übermäßig  laut  sang  (Fechter  S.  61).  —  Im  Staatsarchiv 
von  Luzern  tindet  sich  zum  Jahr  1469  die  Notiz,  daß  c  einem 
afentürer'.  der  das  Lied  (auf  den  Waldshuter  Zug  von  146S?) 


^    « Abenteurer »    hießen    damals   herumziehende    Gauidcr    und 
Schauspieler. 


LXXX  EINLEITUNG 

macht »  (gemacht  hatte) ,  etwas  dafür  bezahlt  wurde  (An- 
zeiger 1880,  S.  272),  In  der  Staatsrechnung  von  Bern  für 
das  Jahr  1500  erscheint  neben  verschiedenen  Gaben  an  Spiel- 
leute :  ^<  Einer  Sängerinn  von  Unterwaiden  an  einen  Rock 
ze  stür  (d.  h.  als  Beitrag  zur  Anschaffung  eines  Kleides)  4  S". 
Der  blinden  Sängerinn  von  Solothurn  i  'a.  Einem  blinden 
Sänger  um  Gottswillen  i  ft.  »  (Bern.  Taschenb.  187 1,  S.  229). 
Der  Umgeldner  (Staatskassier)  von  St.  Gallen  verrechnet 
anno  1474  «  einem  Sänger  7  Schilling  »  (Anzeiger  a.  a.  O.).  Im 
Jahr  1570  klagte  Junker  Nikiaus  Pfyffer  von  Luzern,  daß 
Mich.  Ritter,  Schuhmacher  von  Liestal,  ihn  im  Kranzlied 
beleidigt  habe.  Der  Beklagte  wies  durch  Zeugen  nach,  daß 
er  in  seinem  Lied  einen  Andern  genannt  hatte  \  In  Egli's 
Aktenstücken  z.  Ref.-Gesch.  S.  85.  86  wird  gerügt  «Biderben 
Lüten  Nachts  vor  ihren  Häusern  das  Judenlied^  singen  und 
ander  Unfueren  triben  >).  —  Das  Landbuch  von  Appenzell  I.-R. 
1585  verbietet  alles  Neujahrsingen,  ausgenommen  Sonder- 
siechen (.\usfätzigen)  und  armen  Leuten,  die  um  das  heilig 
Almosen  gehen.  —  Aus  dem  XVII.  Jahrhundert  fehlen  mir 
ähnliche  Angaben,  und  aus  dem  XVIII.  finde  ich  nur  die 
Notiz,  daß  ein  Bauer  aus  Tägerweilen  (Kanton  Thurgau), 
Namens  Joos,  im  Jahr  1784  ein  Neujahrslied  dichtete  (nach 
einer  ]\Ielodie  in  Mollj,  welches  seither  alljährlich  bis  in  den 
Anfang  des  XIX.  Jahrhunderts  von  den  Nachtwächtern  und 
den  Gemeindegenossen  an  der  Sylvesternacht  im  Freien 
gesungen  wurde.  Im  Jahr  1829  dankt  J.  Grimm  dem  Frei- 
herrn von  Lassberg  für  die  Mittheilung  eines  Liedes,  welches 
der  Letztere  von  einem  alten  Mann  im  Thurgau  erhalten 
hatte.  Uhland  berichtet  (im  Briefwechsel  mit  Lassberg  S.  195) 
von  einem  dicken  Band  älterer  gedruckter  Volkslieder,  den 
er  bei  einem  Schuhmacher  Huber  in  Meiringen  gesehen  und 


*  Mittheilung  von  Staatsarchivar  Dr.  v.  Liebenau  in  Luzern.  — 
Ueber  Kranzlieder  s.  unten  «  Geselligkeit,  Jahreszeiten  ». 

-  Das  Judenlied  wird  bestimmter  mit  dem  hebräischen  Wort 
Gammahu  bezeichnet  und  scheint  sich  auf  Ketzerei  bezo2;en  zu  haben. 


ALLGHMEIXE  VOLKSLIEDER  LXXXI 

den  nicht  gekauft  zu  haben  er  bereue.  (Einiges  daraus  schrieb 
er  ab  und  nahm  es  in  seine  Sammlung  auf,  z.  B.  die  Ballade 
vom  Grafen  Friedrich.)  Der  Leinweber  Kaspar  Schlatter 
von  Fahrwangen  (Kt.  Aargau),  gestorben  1860,  hatte  sich 
ein  Liederbuch  von  4  Bänden  zusammengeschrieben  (Roch- 
holz im  Aarg.  Taschenbuch  1861,  2,  S.  120).  Noch  in  den 
Dreißiger  Jahren  zog  Nikiaus  Tschudi  von  Glarus  weit  im 
Lande  herum  und  sang  zur  Harfe  seine  ausfchließlich  ernst- 
haften alten  Lieder,  während  Alois  Glutz  im  Kanton  Solo- 
thurn  mehr  heitere  und  selbstgemachte  mit  der  Guittarre 
begleitete  und  im  Kanton  Bern  ein  Harfner  herumzog,  der 
neben  frommen  Liedern  für  Geld  auch  den  sog.  Luzerner- 
psalm (eine  Reihe  schmutziger  Knittelverse)  vortrug.  (Berner 
Taschenbuch  187 1,  S.  231,  Anm.)  Der  im  Kanton  Zürich 
um  1830 — 1840  bekannte  «Bub  Heiner))  aus  Schönenberg 
gehörte  zu  dem  gemeinern  Stande  der  mit  der  Geige  herum- 
ziehenden Neujahrsänger.  —  Manche  schätzbare  Beiträge  zur 
Geschichte  des  im  XIX.  Jahrhundert  allmählich  absterbenden 
alten  Volksgesanges  finden  sich  bei  B.  Wyß,  11  Aus  Schule 
und  Leben»  (Solothurn  1865)  S.  xo6  ff.;  noch  mehr  aber 
in  den  Schriften  und  handschriftlichen  Aufzeichnungen  des 
zürcherischen  Volksdichters  J.  Stutz,  welche  nicht  nur  eine 
Menge  ganzer  oder  fragmentarischer  Volkslieder  enthalten, 
die  bis  in  das  vorige  Jahrhundert  und  weiter  hinauf  reichen, 
sondern  auch  manche  Notizen  über  die  Herkunft  und  Ver- 
breitung derselben.  Er  bemerkt  unter  Anderm,  daß  Schwäb- 
innen auf  schweizerischen  Jahrmärkten  Lieder  verkauften ; 
ferner  daß  Pilger,  welche  aus  Schwaben  nach  Einsiedeln 
wallfahrteten,  besonders  geistliche  Lieder  verbreiteten.  Von 
anderer  Art  waren  die  Lieder,  welche  Schweizersoldaten  aus 
fremden  Diensten  nach  Hause  brachten.  Ln  Lande  selbst 
gab  es  verschiedene  Wege,  auf  welchen  Volkslieder  herum 
getragen  werden  konnten.  Thomas  Platter  (S.  62)  erwähnt, 
daß  nicht  wenige  Zürcherinnen  im  Kanton  Wallis  als  Mägde 
dienten;  umgekehrt  kamen  noch  im  Anfang  des  XIX.  Jahr- 
hunderts  Spinnerinnen   aus    dem   Berner   Oberland   für   den 

VI 


LXXXII  EINLEITUNG 

Winter  in  das  «Knonauer  Amt>)  des  Kantons  Zürich  und  er- 
götzten die  dortige  Bevölkerung  durch  ihre  Lieder.  Aehren- 
leserinnen  aus  dem  c  Kellenland  )■>  (der  sangreichen  Heimat 
von  Stutz)  kamen  in  die  anderen  Bezirke  des  Kantons  und 
füllten  die  Pausen  ihrer  Arbeit  mit  Gesang.  In  den  Spinn- 
stuben und  auf  ihren  sonntäglichen  Spaziergängen  haben 
die  Landmädchen  allenthalben  den  Gesang  gepflegt.  Unter 
der  männlichen  Bevölkerung  waren  es  die  Buben  d.  h.  die 
erwachsenen  ledigen  Bursche  des  Dorfes,  welche  in  ihren 
Trinkstuben  und  auf  ihren  nächtlichen  Streifzügen  alte  Lieder 
sangen,  natürlich  oft  nicht  von  der  saubersten  Art.  Das 
Alles  ist  nun  abgegangen  oder  in  raschem  Verfall  begriffen, 
seit  die  Volksfchule  und  die  von  Lehrern  geleiteten  Gesang- 
vereine bis  in  die  entlegenen  Gebirgsthäler  hinauf  eine  andere 
Art  von  Liedern  verbreiten.  Wenn  wir  beispielsweise  hören, 
daß  im  Sernftthale  des  Kantons  Glarus  altehrwürdige  Lieder, 
die  von  den  Großmüttern  in  ihrer  Jugend  noch  gesungen 
wurden,  nunmehr  gänzlich  verschollen  sind,  so  lauten  die 
Berichte  aus  anderen  Landestheilen  ebenso.  Vgl.  z.  B.  Roch- 
holz a.  a.  O.  121.  Uebrigens  hat  auf  dem  Lande  die  Sitte, 
auch  außerhalb  der  Kirche,  zu  häuslicher  Andacht  oder  auch 
nur  zu  geselliger  Unterhaltung,  geistliche  Lieder,  besonders 
Psalmen,  zu  singen,  bei  der  protestantischen  Bevölkerung  bis 
auf  neuere  Zeit  fortgedauert  und  war  eine  Vorschule  für 
den  freiem  weltlichen  Gesang. 

//.  Sprachform. 

^^'enn  ein  Theil  der  in  der  Schweiz  \  erbreiteten  Volks- 
lieder, wie  sich  vorläufig  ergeben  hat  und  nachher  im 
Einzelnen  erweisen  wird,  nicht  schweizerischen  Ursprungs, 
sondern  aus  Deutschland  eingeführt  ist,  so  erklärt  sich  zum 
Theil  schon  daraus  die  sonst  auffallende  Thatsache,  daß  die 
Sprachform  vieler  Lieder  und  gerade  der  älteren  nicht 
rein  schweizerisch,  sondern  sehr  gemischt,  ja  vorwiegend 
gemeindeutsch   ist.     Wer   also    die  Volkslieder   zusrleich   als 


ALLGEMEINE  VOLKSLIEDER  LXXXIII 

Proben  der  Volksfprache  betrachten  wollte,  würde  durch- 
schnittlich irregehen  und  müsste  sich  auf  diejenigen,  meistens 
neueren  Lieder  beschränken ,  in  welchen  schweizerische 
Mundart  unverkennbar  vorliegt  oder  wenigstens  vorherrscht. 
Aber  die  Sprachmischung  beschränkt  sich  nicht  auf  importirte 
Lieder,  sondern  wie  diesen  zuweilen  schweizerdeutsche  Wörter 
und  Formen  beigemengt  wurden,  so  wurde  umgekehrt  auch 
die  Sprache  ursprünglich  einheimischer  Lieder  unwillkürlich 
in's  Hochdeutsche  gezogen  oder  erhoben.  Das  Bewusstsein 
des  Unterschiedes  zwischen  (neuhochdeutscher)  Schriftsprache 
und  (wesentlich  auf  mittelhochdeutschem  Stand  verbliebener) 
Volksfprache  hatte  nie  ganz  gefehlt  und  wurde  durch  die  seit 
dem  XVIL  Jahrhundert  zunehmende  Verhochdeutschung  der 
Bibel  und  übriger  ^'o]ksbücher  genährt.  Die  neuhochdeutsche 
Sprachform  erhielt  dadurch  die  Geltung  einer  wirklich  höhern, 
edlern,  und  da  jeder  Aufzeichner  eines  Volksliedes  und  vollends 
jeder  Drucker  mit  dem  Hochdeutsch  einigermaßen  bekannt 
war,  so  wurde  auch  der  weniger  gebildete  Verfasser  oder 
Sänger  eines  Liedes,  dem  manche  andere  bereits  in  der 
höhern  Sprache  gehaltene  als  Muster  vorschwebten,  von  dem 
Streben  nach  ähnlicher  Erhöhung  seines  Produktes  angesteckt. 
Wenn  noch  heute  im  Privatgebrauch  beim  Schreiben  eines 
Briefes,  Kaufvertrages  oder  Zeitungsinserates  auch  wenig  ge- 
bildete Leute  sich  etwas  zusammennehmen  und  die  gemeine 
Umgangsfprache  einigermaßen  abzustreifen  oder  zu  verbessern 
suchen,  so  stellte  sich  solches  Bestreben  bei  Liedern  zu  allen 
Zeiten  noch  unvermeidlicher  ein ;  denn  daß  Gesang  eine 
Kunstübung  und  als  solche  etwas  Vornehmeres,  so  zii  sagen 
Festliches  bedeutet,  und  daß  zu  diesem  Zwecke  eben  auch 
die  Sprache  ihr  Werktagskleid  mit  einem  sonntäglichen 
vertauschen  müsse,  hat  auch  der  gemeine  Mann  von  jeher 
gefühlt,  und  schon  Reim  und  Versmaß,  vollends  dann  die 
Melodie,  musste  auch  den  Sprachformen  als  solchen  ein  hö- 
heres Gepräge  verleihen.  Daß  dieses  ganze  Streben  meistens 
auf  halbem  Wege  stehen  blieb  und  ein  Zwitterwesen  erzeugte, 
das  nichts  weniger  als  schön  ist  und  uns  den  Genuß  solcher 


LXXXIV  EINLEITUNG 

Produkte  verkümmerte,  ist  eben  so  natürlich :  zu  verwundern 
ist  nur,  daß  nicht  alle  Volkslieder  an  demselben  Gebrechen 
leiden.  Wenn  man  in  neuerer  Zeit  versucht  hat,  die  Volks- 
fprache  auch  in  Liedern  festzuhalten,  so  ist  dies  Streben 
weniger  naiv  als  das  andere,  es  ist  der  Ausfluß  eines  durch 
Reflexion  geschärften  Bewusstseins  von  dem  immer  größer 
gewordenen  Unterschied  der  beiden  Sprachgestalten  und  von 
dem  nahenden  Untergang  der  einen ;  gerade  durch  diesen 
Contrast,  durch  den  Reiz  des  Veralteten  und  selten  Gewor- 
denen, sucht  man  die  Wirkung  zu  erhöhen.  Dies  Bestreben 
konnte  eben  so  wenig  als  das  entgegengesetzte  zu  reinen 
Ergebnissen  führen,  gerade  wenn  halb  oder  ganz  gelehrte 
Kunstdichter,  wie  Glutz  und  Stutz,  Häfliger,  Kuhn,  Wyß, 
Usteri  sich  desfelben  annahmen.  Es  versteht  sich,  daß  die 
Produkte  solcher  Dichter,  auch  wenn  sie  verhältnissmäßig 
gelungen  sind,  von  unserer  Sammlung  ausgeschlossen  bleiben, 
zumal  da  sie  in  anderen  und  in  den  Originalausgaben  der 
Verfasser  bereits  gedruckt,  leicht  zugänglich  und  wirklich 
weit  verbreitet  sind.  Höchstens  können  einige  von  denselben, 
die  gleichsam  Volkslieder  zweiter  Ordnung  geworden  sind, 
in  die  Uebersicht  aufgenommen  werden,  welche  auch  hier 
den  Texten  vorausgehen  soll.  Eben  daselbst  werden,  aus 
anderm  Grunde,  diejenigen  Lieder  eine  Stelle  finden,  welche 
als  gemeindeutsche  eben  auch  in  der  Schweiz  verbreitet 
waren  oder  noch  sind. 

///.  Formen. 

Hier  ist  nur  die  Frage  zu  erheben,  wie  es  mit  den 
zahlreichen  kurzen,  meistens  vierzeiligen  Reimen  zu  halten 
sei,  welche  neben  den  eigentlichen  Liedern  bestehen  und 
sich  von  diesen  auch  dadurch  unterscheiden,  daß  sie  keines- 
wegs alle  auch  eine  Melodie  haben,  dagegen  meistens  rein 
mundartliche  Sprachform.  Bei  den  historischen  Liedern  haben 
wir  jene  kleineren  ReimsprUche  ausgeschlossen,  aber  hier 
liegt  die  Sache  in  mehrfacher  Hinsicht  anders.    Der  ziemlich 


ALLGEMEIXE  VOLKSLIEDER  LXXXV 

allgemeine  Brauch,  in  Sammlungen  deutscher  Volkslieder 
jenen  Stücken,  die  in  verschiedenen  Landschaften  unter 
verschiedenen  Namen  (Schnaderhüpferl,  Schlumperliedchen. 
Runda's  u.  s.  w.)  bekannt  und  beliebt  sind,  irgend  eine  Stelle 
zu  gönnen,  wird  seine  Gründe  haben.  In  der  That  würde 
eine  wesentliche  Seite  des  dichterischen  Volksgeistes,  gerade 
wie  er  noch  heute  lebt  und  sich  in  jenen  Formen  fast  mit  der 
Geläufigkeit,  Vielseitigkeit  und  Naturtreue  eines  Improvisators 
kund  gibt,  bei  völliger  AVeglassung  solcher  Produkte  unver- 
treten  bleiben.  Noch  wichtiger  ist  aber  der  Umstand,  daß 
viele  von  jenen  kleinen  Stücken  nicht  nur  einzeln  gesprochen, 
■sondern  auch,  allerdings  oft  nur  in  loser  Weise,  mit  einander 
verbunden  und  dann  auch  nach  einer  Melodie  gesungen 
werden,  so  daß  man  zuweilen  nicht  weiß,  ob  man  ein  Lied 
oder  nur  Bruchstücke  vor  sich  hat.  Es  wird  also  rathsam 
sein,  eine  Auswahl  solcher  Liedchen  wenigstens  als  Anhang 
beizugeben.  Dieselben  grenzen  zuweilen  an  Kinderreime;  daß 
aber  diese  von  Volksliedern  unterschieden  werden  müssen,  ist 
klar,  obschon  auch  dieser  Unterschied  nicht  strenge  durch- 
geführt werden  kann.  Rochholz,  «Alemannisches  Kinderlied 
und  Kinderspiel  n,  gibt  Beispiele  davon,  entbindet  mich  aber 
zugleich  von  der  Nothwendigkeit,  nach  dieser  Seite  die 
Grenzen  meiner  Sammlung  weiter  zu  stecken.  Einige  Reim- 
sprüche oder  Liedchen,  die  zu  Arbeitsbräuchen  oder  Spielen 
A-on  Erwachsenen  gehören,  sind  in  die  Uebersicht  aufge- 
nommen. Im  Allgemeinen  kann  der  Unterschied  von  Lied 
und  Spruch  hier  noch  weniger  als  auf  dem  geschichtlichen 
Gebiet  in"s  Gewicht  fallen;  aber  KiltsprUche,  Hirsmontag- 
briefe (Stalder,  Id.  II,  45)  und  dergleichen,  die  an  Reim- 
prosa grenzen,  können  allerdings  nicht  wol  den  Liedern 
beigesellt  werden. 

II".   Quellen  und  bisherige  Saui/nluiigeu. 

Die  von  mir  am  meisten  benutzte  und  auch  auf  diesem 
Gebiete  reichste  Stadtbibliothek  von  Zürich  und  der  Winter- 


LXXXVI  EINLEITUNG 

thurer  Band  44*'  enthält  eine  Masse  von  Liederdrucken  des 
XVI.  Jahrhunderts,  besonders  aus  den  Officinen  der  Apiarius 
in  Basel  und  Bern,  im  Ganzen  und  auch  in  vielen  einzelnen 
Stücken  übereinstimmend  mit  dem  in  Freiburg  i.  B.  befind- 
lichen Liederbuch  des  Apiarius,  dessen  Inhalt  Weller,  Ann.  11, 
18 — 28  angegeben  hat.  Derselbe  hat  auch  schon  (im  Anz.  f. 
Kunde  d.  Vorzeit  XVII,  96)  die  Vermuthung  ausgesprochen, 
daß  das  handschriftliche  Basler  Liederbuch  (F.  X,  21)  mit 
jenem  Freiburger  Druck  wesentlich  übereinstimme.  Auch 
der  Sarasin'sche  Sammelband  enthält  meistens  Stücke  von 
derselben  Art  und  ebenso  die  Tschudi'schen  Liederhand- 
schriften der  St.  Galler  Stiftsbibliothek  Xr.  462 — 463.  Alle 
diese  Lieder  gehören  in  die  Klasse  der  allgemein  deutschen 
Volkslieder,  von  denen  Gödeke -Tittmann  in  ihrem  d  Lieder- 
buch des  XVI.  Jahrhunderts  »  eine  Auswahl  gegeben  haben, 
unter  den  Titeln :  Volks-  und  Gesellschaftslieder,  geistliche 
Lieder,  Meisterlieder  (die  historischen  kommen  hier  nicht 
mehr  in  Betracht).  Ich  habe  unter  allen  jenen  Liedern  (mit 
Ausnahme  derjenigen,  welche  durch  den  Xamen  ihres  Ver- 
fassers, besonders  Benedikt  Gletting,  schweizerische  Heimat 
bezeugen)  kein  einziges  gefunden,  welches  dem  Inhalt  oder 
der  Sprache  nach  mit  Sicherheit  der  Schweiz  angehörte. 
Daß  die  Druckorte  (Basel.  Bern,  Zürich,  bei  geistlich 
katholischen  Liedern  auch  Luzern  und  Solothurn  im  XVII. 
Jahrhundert)  nichts  für  den  Ursprung  beweisen,  geht  daraus 
hervor,  daß  auch  historische  Lieder,  die  sich  auf  auswärtige 
Ereignisse  beziehen,  an  denselben  Orten  gedruckt  (resp. 
nachgedruckt)  sind.  Der  Geist  und  Ton  jener  Lieder  setzt 
andere  sociale  Verhältnisse  als  die  schweizerischen  voraus 
und  die  Sprache  ist  nicht  etwa  jenes  oben  besprochene 
Gemisch  von  Schweizerdeutsch  und  Hochdeutsch,  sondern 
ziemhch  reines  Hochdeutsch  ;  wenn  die  Vocalisation  zuweilen 
(z.  B.  in  dem  Basler  Liederbuch)  alamannisch  ist,  so  beweist 
auch  dies,  für  jene  Zeit  besonders,  noch  nicht  gerade  schwei- 
zerische Heimat.  Geistliche  Lieder  wurden  in  der  zweiten 
Hälfte   des  XVL   und   dem  Anfang   des  XVII.  Jahrhunderts 


ALLGEMEINE  VOLKSLIEDER  LXXXVII 

viele  in  der  Schweiz  gedruckt,  z.  B.  bei  J-  Schröter  in  Basel, 
Jonas  Gessner  in  Zürich  u.  a.,  die  meisten  nach  der  Melodie 
weltlicher  Lieder,  zum  Theil  wol  auch  aus  solchen  umge- 
dichtet, aber  nun  stark  biblisch  gefärbt  und  darum  mehr  zu 
den  Kirchenliedern  als  zu  den  Volksliedern  im  engern  Sinn 
gehörig,  überdies  ohne  Merkmale  schweizerischen  Ursprungs. 
Die  geistlichen  Lieder  der  katholischen  Kirche  (und  zwar 
nicht  der  ungebrochenen,  allgemein  christlichen  vor  der 
Reformation,  sondern  der  gegen  die  Reformation  sich  ver- 
schließenden) gehören  schon  darum  nicht  in  eine  Sammlung 
von  Volksliedern  eines  bestimmten  Landes,  weil  die  katho- 
lische Kirche  als  solche  keine  nationale  Eigenthümlichkeit 
anerkennt  und  aufkommen  lässt.  L^ebrigens  schließe  ich  das 
protestantisch  Confessionelle  ebenso  aus ;  wenn  bei  den 
historischen  Liedern  die  kirchlichen  Parteilieder  mit  Grund 
keine  Stelle  in  den  Texten  gefunden  haben ,  so  wird  hier 
derselbe  Grundsatz  gelten  müssen.  In  der  Uebersicht  der 
Hauptgattungen  und  Unterarten  kann  bei  den  geistlichen 
Volksliedern  auch  das  Confessionelle  berührt  werden.  Für 
die  Texte  verweise  ich  auf  Ph.  Wackernagels  großes  Sammel- 
werk, welches  auch  das  katholische  Lied  nicht  ganz  ausge- 
schlossen hat,  und  auf  die  speciell  confessionellen  Samm- 
lungen. 

Die  Quelle,  aus  der  die  meisten  Lieder  geschöpft  sind, 
die  aber  bei  Weitem  nicht  erschöpft,  auch  am  schwersten 
zugänglich  ist,  ist  der  Volksmund,  aus  welchem  auch  alle 
bisherigen  Sammler  das  Meiste  und  Beste  entnommen  haben. 
Es  versteht  sich  wol,  daß  ich  allgemein  deutsche  Samm- 
lungen von  A^olksliedern  oder  von  mundartlichen  Dichtungen 
(wie  Firmenichs  Völkerstimmen  Bd.  II,  563  —  666),  welche 
auch  Schweizerisches  aus  jener  Quelle,  aber  nicht  unmittel- 
bar und  rein,  mitgetheilt  haben,  hier  nicht  anführe,  sondern 
nur  einheimische.  Diese  sind  aber  bald  aufgezählt :  Texte 
zu  der  Sammlung  von  Schweizer  Kuhreihen  und  Volksliedern, 
von  J.  R.  Wyß,  Prof.  4.  Ausg.  Bern  1826,  und  Schweiz.  Volks- 
bibliothek Bd.  XX,  S.  91  — 155:  Volkslieder  (herausgegeben 


LXXXVIII  EINLEITUNG 

von  H.  Kurz).  Die  Sammlung  von  Wyß  ist  von  einsichtiger, 
doch  nicht  ausreichender  Kritik  begleitet,  übrigens  schon 
vielfach  ausgeschrieben,  auch  von  Kurz,  der  daneben  noch 
verschiedene  kantonale  Quellen  benutzte  (z.  B.  Rochholz. 
Aarg.  Sagen,  und  Tobler,  Appenz.  Sprachschatz),  aber  ohne 
sie  anzugeben.  Rochholz  verdanke  auch  ich  weitere  Beiträge, 
am  meisten  aber  meinem  Collegen  in  der  Redaktion  des 
schweizerischen  Idiotikons,  Dr.  F.  Staub ;  Einzelnes  wird  an 
seinem  Orte  angegeben  werden.  Das  «  Allgemeine  Schweizer- 
liederbuch »,  4.  Aufl.  (Aarau  und  Thun  1838),  enthält  schon 
seinem  Titel  nach  nicht  nur  eigentliche  Volkslieder ;  diese 
sind  fast  alle  aus  Wyß  entnommen,  andere  sind  volksthümlich 
gedachte  und  allerdings  auch  volksthümlich  gewordene  Pro- 
dukte der  oben  genannten  Kunstdichter. 

l\  A//s7l'c7///.  Behandlung  und  Anordnung  der   Texte. 

Bei  der  Auswahl  muß  dieselbe  äußerliche  Rücksicht 
mitwirken  wie  bei  den  historischen  Liedern :  Stücke,  die  in 
den  genannten  Sammlungen  Jedermann  zugänglich  sind, 
werden  nicht  wieder  abgedruckt,  außer  wenn  besondere 
Bemerkungen,  vielleicht  auch  einzelne  Textänderungen,  bei 
denselben  anzubringen  sind.  Uebrigens  enthält  besonders 
die  Sammlung  von  Wyß,  wie  die  nachfolgende  üebersicht 
zeigen  wird,  auch  Stücke,  welche  nicht  echte  Volkslieder 
sind  und  schon  darum  ausgeschlossen  werden  mussten.  Auch 
wenig  oder  noch  gar  nicht  Bekanntes  gebe  ich  nur,  wenn 
es  zugleich  innern  Werth  hat  und  irgend  eine  Seite  des 
ganzen  Gebietes  vollständiger  vertreten  hilft.  Im  Uebrigen 
verweise  ich  auf  die  in  der  Einleitung  zu  den  historischen 
Liedern  gemachte  Bemerkung  betreffend  eine  eventuelle 
zweite  Auflage. 

Für  die  Behandlung  der  Texte  als  solcher  gilt  wiederum 
der  Grundsatz,  den  ^Vortlaut  unverändert  zu  lassen  und 
höchstens  die  Schreibung  einigermaßen  zu  reguliren.  In  den 
Liedern,  deren  Sprache  stark  aus  Hochdeutsch  und  Schweizer- 


ALLGEMEINE  VOLKSLIEDER  LXXXIX 

deutsch  gemischt  ist,  wäre  es  an  manchen  Stellen  sehr  leicht, 
an  andern  aber  eben  so  schwer,  eine  einheitliche  Färbung 
herzustellen;  es  wird  also  auf  den  Versuch  verzichtet,  da 
die  überlieferte  Gestalt,  wie  oben  gezeigt  wurde,  zum  Wesen 
der  Sache  gehört.  Bei  den  reiner  mundartlich  gehaltenen 
Stücken  wäre  es  leichter,  die  Reinheit  noch  zu  erhöhen: 
auch  dies  unterbleibt  aber  aus  dem  gesagten  Grunde.  Wort- 
und  Sacherklärungen  sind  auf  das  Dringendste  beschränkt 
und  ist  dabei  weniger  an  einheimische  als  an  auswärtige 
Leser  gedacht,  denen  freilich  bei  mundartlichen  Stücken 
vielleicht  noch  mehr  erklärt  werden  sollte.  —  Vergleichung 
mit  Volksliedern  anderer  deutscher  Stämme  oder  gar  anderer 
Nationen  ist  immer  interessant,  führt  aber  leicht  in's  Grenzen- 
lose, wenn  nicht  die  l^elesenheit  des  Herausgebers  selbst 
Grenzen  hat.  Es  ist  also  Vergleichung  nur  angebracht,  wo 
sie  entweder  dazu  dient,  das  ursprüngliche  Eigenthum  von 
Liedern  zu  beleuchten,  oder  zur  Erklärung  sachlicher  und 
sprachlicher  Einzelheiten.  In  den  Citaten  habe  ich  mich 
auf  die  Sammlung  von  Mittler  beschränkt,  welche  ihrerseits 
die  meisten  anderen  Sammlungen  citatweise  in  sich  auf- 
genommen hat.  In  der  Anordnung  der  Texte  musste  ich 
darauf  verzichten,  die  in  der  folgenden  Uebersicht  unter- 
schiedenen Abtheilungen  mit  besonderen  Titeln  durchzu- 
führen, da  einzelne  Rubriken  gar  zu  spärlich  vertreten  wären ; 
ich  habe  mich  also  auf  L'nterscheidung  der  Hauptformen 
beschränkt  und  innerhalb  dieser  die  Reihenfolge  der  Stücke 
ungefähr  nach  dem  Inhalt  geordnet.  ITeberschriften  habe 
ich  denselben  nur  vorgesetzt,  wo  sie  mir  überliefert  waren. 


XC  EINLEITUNG 


Uebersicht. 

Die  Volkslieder  lassen  sich  vielleicht  noch  weniger  als 
die  Erzeugnisse  der  Kunstpoesie  in  ein  strenges  Fachwerk 
eintheilen:  wie  der  Unterschied  zwischen  historischen  und 
nicht -historischen  stellenweise  ein  fließender  ist,  so  sind 
auch  die  innerhalb  der  letztern  aufzustellenden  Unterschiede 
zwischen  geistlich  und  weltlich,  episch  und  lyrisch,  persön- 
lich und  gesellschaftlich,  nur  relativ  und  mit  Vorbehalt  von 
Uebergängen  oder  Mischungen  zu  verstehen;  der  Unterschied 
zwischen  Episch  und  Lyrisch  kann  überhaupt  innerhalb  der 
Form  des  Liedes  nie  zu  voller  Geltung  kommen.  Wenn 
das  Geistliche  dem  Weltlichen,  das  Epische  dem  Lyrischen 
vorangestellt  wird,  so  soll  damit  weder  höherer  Werth  noch 
höheres  Alter  des  erstem  angedeutet,  sondern  nur  irgend 
eine  auch  sonst  übliche  äußere  Anordnung  befolgt  werden. 
Thatsächlich  werden  allerdings  die  geistlichen  und  die  epischen 
Produkte  im  Durchschnitt  älter  sein,  aus  Gründen,  die  kaum 
einer  Erklärung  bedürfen.  Unter  den  geistlichen  stammen 
die  schönsten  wol  alle  aus  der  Zeit,  wo  die  Kirche  noch 
nicht  in  Confessionen  zerfallen  war.  also  auch  das  Katholische 
keinen  Beigeschmack  hat,  der  einen  Protestanten  abstoßen 
könnte.  Die  geistlich  epischen  lehnen  sich  zunächst  an  die 
hohen  Kirchenfeste  oder  überhaupt  an  die  biblische  Ge- 
schichte, welche  noch  heute  den  gemeinsamen  Grund  beider 
Confessionen  ausmacht;  erst  der  Marien-  oder  Heiligencultus 
geht  über  das  Altchristliche  hinaus  und  vermochte  darum 
auch  den  betreffenden  Liedern  weder  besondern  Werth  noch 
allgemeine  A^erbreitung  zu  verleihen.  Uebrigens  ist  bei  vielen 
geistlichen  Liedern  die  ursprüngliche  Heimat  noch  schwerer 
festzustellen  als  bei  den  weltlichen ;  die  meisten  werden 
Gemeingut  gewesen  sein  und  nur  einzelne,  besonders  die 
auf  Lokalheilige  und  Wallfahrtsorte,  können  landschaftliche 
Färbung  tragen.  Auch  die  Unterscheidung  des  Volksliedes 
vom  Kirchenliede  ist  oft  schwierig. 


ALLGEMEINE  VOLKSLIEDER  XCI 

/.  Geistliche  Lieder. 
A.  Epische. 
An  der  Spitze  der  geistlich  epischen  Volkspoesie,  die 
sich  an  die  Feste  des  Kirchenjahres  anschließt,  stehen  die 
Weihnachtslieder,  dergleichen  noch  in  manchen  deut-^ 
sehen  Gauen  sich  erhalten  haben,  allerdings  am  meisten  bei 
katholischer  Bevölkerung,  weil  sie  dort  von  altherkömmlichen^ 
mit  dem  Cultus  verbundenen  Ausftellungen  und  Schauspielen 
begleitet  und  unterstützt,  ja  zum  Theil  in  die  letzteren  ein- 
gefügt waren.  Vgl.  Weinhold,  Weihnachtspiele  und  -Lieder. 
Lexer,  Anhang  zum  kärntischen  AVörterbuch.  Pröhle,  Volks- 
lieder und  Volksfchauspiele.  Hoffmann  v.  F.,  Geschichte  des 
Kirchenliedes  S.  441  ff.  Die  Spiele  gehören  zur  Geschichte 
des  Drama's  und  können  hier  nicht  weiter  herbeigezogen 
werden ;  wir  haben  uns  an  die  Lieder  als  solche  zu  halten, 
sei  es  daß  sie  auch  einzeln  bestanden  oder  in  den  Zusammen- 
hang von  Spielen  gehörten ;  denn  aus  diesen  konnten  sie 
ja  immerhin  auch  herausgenommen  werden.  Neben  den 
eigentlichen  Liedern  kommt  auch  hier  einmal  die  kürzere 
Form  eines  Spruches  vor,  den  im  Kanton  Luzern  in  der 
h.  Nacht  von  Haus  zu  Haus  herumziehende  und  kleine  Gaben 
einsammelnde  Knaben  (die  sog.  Weihnachtsänger,  oft  die- 
selben, die  das  Jahr  hindurch  bei  der  Orgel  singen)  hersagen 
oder  singen : 

Christchindeli  mi, 

Laß  mich  dir  empfole  si ! 

Mag's  i  mir  nüd  gwerde, 

So  nim  mich  von  diser  Erde, 

Nim  mich  üf  in's  Himelrich 

Und  mache  mich  den  Engle  glich. 

Von  vollständigen  Weihnachtsliedern  führe  ich  hier  fol- 
gende an,  welche  sich  auch  anderswo  finden;  die  übrigen 
s.  Texte. 

«  Der  Tag  der  ist  so  freudenreich.  »  Mittler  Nr.  4(12.  Auch 
schon  im  ältesten  Gesangbuch  von  St.  Gallen,    s.  Alem.  V,  i68^ 


XCII  EINLEITUNG 

« Ein  große  Freud  verkünd  ich  euch.  >^  s.  Hommel, 
Geistl.  VolksHeder  Nr.  17. 

«Joseph  mein,  Wirb  um  ein  kleines  Bettelein.  »  Ale- 
mannia a.  a.  O.     Hoffraann  Nr.  256. 

Von  dem  Liede  <(  Mir  träumet,  wie  ein  Engel  kam  Und 
führt  mich  bis  gen  Betlehem  y  finde  ich  bei  ^Vyß,  Schule 
und  Leben  S.  iio  nur  den  Anfang  citirt ;  es  muß  ebenfalls 
•weiter  bekannt  gewesen  sein. 

An  die  Geburt  des  Herrn  schließt  sich  die  Anbetung 
der  Drei  Könige.  Im  Kanton  Zug  zogen  noch  in  den 
Dreißiger  Jahren  um  die  Zeit  von  Weihnacht  bis  nach  Neu- 
jahr Verkleidete  herum,  welche  die  h.  Familie  und  die  Weisen 
aus  dem  Morgenlande  mit  dem  Stern  vorstellten  und  dazu 
Lieder  sangen,  s.  Texte.  —  Im  Anfang  dieses  Jahrhunderts 
kam  alljährlich  ein  armer  Dorfschulmeister  mit  seinen  Kindern 
aus  dem  Kanton  Luzern  nach  Zofingen  und  sang  auf  der 
Straße  um  Gaben  fromme  Lieder,  darunter  ein  Dreikönigs- 
lied, dessen  Text  freilich  nur  noch  in  Bruchstücken  über- 
liefert ist  (Bündner  Kalender  1864): 

I.  (I  Die  drei  Weisen  aus  Morgenland  I  Von  weit  ent- 
fernter Erde  |  Sie  kamen  zu  suchen  |  Wie  ihnen  angesagt.  » 
2.  «  Der  König   der  Könige  ,  der  soll  geboren  werden  1  aus 

dem   Geschlechte  Juda  j  Von    einer   reinen   Magd Ein 

hellleuchtender  Stern  [  Begleitet  sie  von  fern  |  Führt  sie  zum 
Krippelein  .  . .  .  » 

Zwei  Dreikönigslieder  aus  Graubünden  hat  Vetter  in  der 
Germania  XIX,  211 — 214  mitgetheilt;  sie  sind  aber  im  Text 
zum  Theil  zerrüttet.  Das  erste  ist  eine  Spielart  des  weitver- 
breiteten «Die  heiligen  drei  Könige  mit  ihrem  Sterne,  Mittler 
Nr.  408,  welches  mit  Danksagungen  für  die  empfangenen 
Gaben  und  mit  Glückwünschen  für  das  neue  Jahr  schließt. 
Ich  gebe  in  den  Texten  eine  ähnliche  bündnerische  Form 
dieses  Liedes,  welche  von  einem  ausführlichem  und  eigen- 
thUmlichen  Epilog  begleitet  ist.  Von  dem  andern  von  Vetter 
mitgetheilten  Liede  « Ich  lag  in  einer  Nacht  und  schlief»  gebe 
ich  eine  vollständisrere  Form  aus  dem  Kanton  Soloihurn. 


ALLGEMEINE  VOLKSLIEDER  XCIII 

Auch  die  heil.  Drei  Könige  sind  der  Parodie  nicht  ent- 
gangen, wahrscheinhch  weil  die  sie  vorstellenden  Personen 
auf  ihren  Umzügen  so  gastlich  empfangen  und  so  reichlich 
beschenkt  wurden,  daß  sie  gelegentlich  aus  der  Rolle  fielen 
und  des  Guten  zu  viel  genoßen.  Der  Anfang  des  Liedes 
«  Die  heiligen  drei  Könige  mit  ihrem  Stern  ■),  Hoffmann 
Nr.  260 — 263  (in  anderer  Fassung  lautet  die  erste  Zeile: 
«  Gott  so  wollen  wir  loben  und  ehrn » ;  Mittler  Xr.  408 ; 
Eric  50''"'')  hat  daher  die  Ergänzung  gefunden:  «Sie  essen 
und  trinken  und  zahlen  nicht  gern  » ;  vgl.  Scheible,  Schaltjahr 
I.  549.  Xur  Variante  oder  Bruchstück  desfelben  Liedes  ist 
der  Anfang:  «Wir  kommen  daher  aus  aller  Gefahr  •>,  s.  Texte 
und  vgl.  Scheible  a.  a.  O.  548.  Erk  Nr.  50.  Hoffmann  Nr.  261. 

Während  die  bildende  Kunst  in  der  Darstellung  des 
Leidens  und  Sterbens  Jesu  unerschöpflich  war,  ist  die 
Zahl  der  volksmäßigen  Passionslieder  verhältnissmäßig  ge- 
ringer, auch  im  Vergleich  mit  den  Weihnachtsliedern.  Es 
ist  wol  begreiflich,  daß  der  furchtbare  Ernst  und  die  rein 
innerliche  Größe  der  Leidensgeschichte  die  Phantasie  und 
das  Gemülh  des  Volkes  weniger  ansprach  und  anregte  als 
die  heitere,  mehr  in  die  Sinne  fallende,  mit  idyllischen  und 
fast  bis  an  das  Komische  streifenden  Scenen  ausgestattete 
Geschichte  der  Geburt  des  Herrn ;  hat  doch  auch  das 
kirchliche  Volksfchauspiel  die  Leidensgeschichte  durch  Ein- 
schiebung  tragikomischer  Scenen  zu  mildern  und  genießbarer 
zu  machen  gesucht.  Die  Weihnachtslegende  ist  wesentlich 
naiv,  die  Passion  durchaus  sentimental,  und  auch  das  Wunder 
der  Auferstehung  hat  nie  vermocht,  gleiche  Wirkung  zu  thun 
wie  das  viel  natürlichere,  glaubwürdigere  und  zutraulichere 
der  Menschwerdung  des  Heilands.  A^on  den  wenigen  Passions- 
liedern, die  ich  kenne,  sind  die  folgenden  auch  anderswo 
bekannt :  die  übrigen  s.  Texte. 

i(  Da  Jesus  an  dem  Kreuze  stund.')    Hoffmann  Nr.  lor. 

«  Christus  der  Herr  am  Oelberg  gieng. »    Mittler  Nr.  433. 

Als  Osterlieder  wurden  noch  um  1820  in  Freiburg 
vom  Volke   in  der  Nacht  gesungen   «  Christ  ist  erstanden  >), 


XCIV  EINLEITUNG 

Hommel  Nr.  82,  nachher  c  Freu  dich,  du  Himmelskönigin  », 
Hommel  Nr.  87. 

Am  wenigsten  volksthümlich,  weil  am  wenigsten  sinnlich 
und  persönlich,  ist  der  Gegenstand  des  Pfingstfestes.  Auch 
Hommel  S.  XI  hat  die  Thatsache  bemerkenswert!!  gefunden, 
daß  es  wenige  volksmäßige  Pfingstlieder  gebe,  und  hat  daher 
nur  ein  einziges  gegeben ;  ich  kenne  gar  keines. 

Specifisch  katholische  Kirchenfeste  bleiben  grundsätzlich 
.ausgeschlossen,  obwol  mit  einem  Gedenktage  «  Aller  Seelen  f> 
und  («^  Aller  Heiligen );  (letztere  in  freierem  Sinne  aufgefasst) 
auch  protestantische  Religiosität  und  Poesie  sich  befreunden 
und  befruchten  dürfte.  Zwei  solothurnische  Aller  Heiligen- 
Lieder  gibt  J-  Schild,  Der  Großätti  aus  dem  Leberberg  II, 
112  — 121.  —  Maria  findet  bei  folgenden  Gruppen  genügende 
Vertretung. 

Neben  den  Höhepunkten  der  h.  Geschichte,  welche  durch 
die  allgemeinen  Kirchenfeste  bezeichnet  sind,  konnten  ein- 
zelne biblische  Scenen  episch  behandelt  werden.  Aus  dem 
Alten  Testament  war  es  z.  B.  die  Geschichte  Josephs,  welche 
-sich  dazu  eignete.  Sie  findet  sich  mit  einer  Ausführlichkeit, 
welche  über  das  gewöhnliche  Maß  hinausgeht,  aber  auch 
l3ei  weltlich  historischen  Liedern  vorkommt  (55  Strophen), 
in  mehreren  alten  Drucken,  mit  dem  auch  sonst  beliebten 
Anfang :  «  Mein  fröhlich  Herz  das  treibt  mich  an. «  Benedikt 
Gletting,  der  um  die  Mitte  des  XVL  Jahrhunderts  in  Bern 
lebte  (und  einmal  eine  besondere  Ausgabe  verdiente,  da  er 
nicht  nur  fruchtbar,  sondern  auch  nicht  ohne  Talent  war), 
hat  neben  anderen  alttestamentlichen  Stoffen  (Samson,  Davidj 
auch  den  Joseph  behandelt.  Indessen  stehen  diese  Produkte, 
-sowie  andere  Dichtungen  Glettings,  auf  der  Grenze  eigent- 
licher Volkslieder.  —  Von  David  und  Salomo  sagt  ein  paro- 
discher  Spruch,  daß  sie  beide  im  Alter  ihre  Sünden  gut- 
gemacht haben,  jener  durch  den  Psalter,  dieser  durch  die 
Sprüche. 

Aus  dem  Neuen  Testament  ist  es  die  Scene  zwischen 
Jesus  und  der  Samariterin   am  Brunnen,   welche,   schon   im 


ALLGEMEINE  VOLKSLIEDER  XCV 

IX.  Jahrhundert  nicht  bloß  in  Otfrids  Evangeliendichtung, 
sondern  in  einem  einzelnen  Liede  behandelt,  noch  in  späterer 
Zeit  als  beliebter  Gegenstand  sich  bezeugt  findet,  auch  bei 
Gletting.  Eine  Bearbeitung  findet  sich  mit  dem  Anfang : 
«Nun  merket  uf  zu  diser  Frist»  (Basel  1592)  in  ZSB.  XXV. 
923,  Nr.  25,  eine  andere,  leider  nur  fragmentarisch  erhalten, 
in  der  handschriftlichen  Sammlung  von  Stutz  (Anfang:  c  Es 
wollt  ein  Mägdlein  Wasser  holen  »),  eine  dritte  (Anfang:  «Es 
kam  ein  Fräulein  mit  dem  Krug  d),  handschriftlich  etwa  aus 
dem  XVII.  Jahrhundert,  ist  vollständig,  aber  ohne  tiefern 
Werth.  —  Eine  zweite  Scene  ist  die  Auferweckung  des 
Lazarus,     s.  Texte. 

Die  Poesie  kann  sich  aber  auch  eines  biblischen  Stoffes 
bemächtigen  und  ihn  legendenartig  frei  gestalten.  Dahin 
gehört  das  Lied :  «Mareie  wott  go  wandle»  (handschriftlich 
bei  Stutz),  entsprechend  dem  hochdeutschen  «  Maria  die  wollt 
wandern  gehn»  (Mittler  Nr.  440)  mit  einigen  Varianten  und 
nur  8  Strophen.  Den  eigentlichen  Passionsliedern  lässt  sich 
dieses  doch  nicht  wol  beigesellen ,  eben  so  wenig  wie  das 
noch  weiter  verbreitete  «Es  sangen  drei  Engel»  (vgl.  Mittler 
Nr.  443.  446.  450 — 451).  Diesem  Liede  im  Hauptgedanken 
gleich,  aber  reiner  lyrisch  und  ohne  Anknüpfung  an  die 
Passionsgeschichte,  ist  das  von  der  armen  Seele  (<  Dort  hinten 
bei  der  himmlischen  Thür  »,  welches  in  zwei  mir  vorliegenden 
Fassungen  aus  dem  Zürcher  Oberland  (die  eine  handschrift- 
lich bei  Stutz)  fast  gänzlich  mit  dem  Text  bei  Mittler  Nr.  444 
stimmt.  Eine  abweichende  Form  s.'J'exte.  Noch  freiere  Dicht- 
ung ist  <(.  Es  will  ein  Jungfrau  reisen  ».  s.  Texte.  Einzelne 
Motive  aus  der  Passionsgeschichte  finden  sich  in  Gebeten,  s.  d. 

Die  natürliche  Fortsetzung  der  Bibel  ist  die  reine  Legende, 
von  der  auch  bei  protestantischer  Bevölkerung  Einzelnes 
haften  geblieben  ist.  Dies  gilt  wenigstens  von  dem  Liede 
<<:  Regine  gieng  im  Garten»  (s.  Texte),  welches  eigentlich 
nur  ein  Theil  des  größern  «  Es  war  eins  Heiden  Tochter  » 
ist.  Wackernagel.  Kirchenlied  11,  Nr.  1142.  Ein  anderes  ist : 
«  Es  war  eine  heilige  Turtilla  geboren.  »     s.  Texte. 


XCVI  EINLEITUNG 

Nähere  Beziehung  auf  die  Schweiz  haben  untei-  vielen 
ähnlichen  folgende  Stücke: 

«  Historia  von  den  h.  dreyen  Himmelfürsten  S.  Mauritzen, 
Victor  und  Urs  mit  sampt  der  ganzen  Gesellschaft  (der 
thebaischen  Legion)  gesangweis  gestellt."  Solothurn  1668. 
Anfang:  «:  Ein  Lied  so  will  ich  heben  an.» 

Das  St.  Theodulslied,  gedichtet  von  Chorherr  Heinrich 
Vischer  in  Sitten  gegen  Ende  des  XV.  Jahrhunderts,  zwar 
nach  Umfang  und  Form  kein  eigentliches  A'olksHed,  aber 
manche  volksthümliche  Züge  enthaltend.  Proben  davon  gibt 
Reithard,  Geschichten  und  Sagen  aus  der  Schweiz  S.  549 — 554. 

Lied  von  dem  Märtyrertod  der  sog.  Angelsachsen  in 
Sarmenstorf  (Kt.  Aargau).    Argovia  1862  — 1863,  S.  132 — 133. 

Lied  von  der  Wallfahrt  zum  Grab  des  h.  Burkhard  in 
Beinwyl  (Kt.  Aargau).     Fl.  Blatt,     a.  a.  O.  S.  59. 

Lied  von  dem  Bruder  Claus  (nicht  das  politische,  welches 
unter  den  historischen  Nr.  23,  d  angeführt  ist,  sondern  von 
dem  heiligen  Wandel  des  ^Mannes  als  Einsiedler).  Luzern 
1640.     Anfang:  f(  Ein  Lust  hab  ich  zu  singen.  0 

Hieran  schließen  sich  Lieder  von  Wundern  und  von 
Gnadenorten,  wo  noch  fortwährend  Wunder  geschehen  : 

c  Von  dem  wunderlichen  Blut  zu  Willisau  »  (Kt.  Luzern), 
Luzern  1640.  (Einer  von  drei  Spielern  wirft,  nachdem  er 
alles  verspielt  hat,  seinen  Dolch  gen  Himmel,  worauf  von 
dort  fünf  Tropfen  Blut  herabfallen,  die  sich  gar  nicht  mehr 
abwaschen  lassen  und  von  Geistlichen  des  Ortes  in  einer 
]\Ionstranz  aufbewahrt  werden.  Der  Hauptschuldige  wird  von 
zwei  Teufeln  geholt,  von  den  beiden  übrigen  ersticht  der 
eine  den  andern  und  stirbt  im  Elend.)  Die  Geschichte  ist 
mehrfach  bearbeitet  worden ;  als  Verfasser  werden  Hugo 
Amstein  von  Willisau  und  Heinr.  Wirri  von  Aarau  genannt. 

ff  Kurze  History  von  dem  hochheil.  Kreuz  Christi,  welches 
ein  Ochs  von  Braband  in  das  Land  Entlibuch  getragen.» 
Solothurn  1661. 

(( Historischer  Gesang  über  das  Sacramentswunder  ir> 
Ettiswyl  .0    (Kt.  Luzern),   —    I>ied   von   dem   wunderthätigen 


ALLGEMEINE  VOLKSLIEDER  XCVII 

Marienbild  zu  Schatdorf  (Kt.  Uri).  Diese  beiden  Stücke  aus 
der  Mitte  des  XVIII.  Jahrhunderts. 

Lieder  von  Gnadenorten  im  Kanton  Schwyz  und  von 
Heihgen  und  Märtyrern  enthält  ein  Band  der  aarg.  Kantons- 
bibliothek (Rar.  I),  Lieder  von  Heiligen  auch  der  Band  1257 
der  Stiftsbibliothek  in  St.  Gallen  und  F.  83S  der  Bibliothek 
in  Frauenfeld. 

Beziehung  auf  zwei  von  den  oben  genannten  Heilthümern 
enthält  folgender  Segensfpruch : 

Walt   Gott  und  eusi  liebi  Frau 
Und  's  heilig  Bliiet  ^  IVillisau, 
Und  's  heilig  Sakrament  :(  Ettisivyl 
Will  Tag  und  Nacht  bi-n-em  si, 
Und  's  heilig   Chrüz  im  Entlebueclj 
Tag  und  Nacht  zue-n-is  lueg. 

Bescheidener  in  der  Anzahl  und  den  Ansprüchen  sind 
die  Lieder  von  Märtyrern  des  protestantischen  Glaubens. 
Da  von  Heiligkeit  hier  nicht  die  Rede  ist  und  da  die  A\'ieder- 
täufer  auch  als  Rebellen  gegen  die  bürgerliche  Ordnung 
betrachtet  wurden,  so  konnten  die  betreffenden  Lieder  auch 
den  historischen  beigesellt  werden. 

Lied  auf  Meister  Martin  du  Voysin  von  Basel,  welcher 
1608  in  Sursee  wegen  des  Evangeliums  hingerichtet  wurde. 
s.  Gödeke,  Grundriß  S.  224.     (Usteri  schreibt:  von  Joyson.) 

(I  Ein  neues  Marterlied  von  einem  frommen  Christen, 
genannt  Werni  Hess,  welcher  zu  Schwyz  um  der  Wahrheit 
willen  enthauptet  1599."     (Usteri.) 

Diese  beiden  scheinen  kirchlich  rechtgläubig  gewesen 
zu  sein;  es  folgen  nun  die  Sektirer,  Wiedertäufer,  welche 
der  reformirten  Staatskirche  zum  Opfer  fielen. 

Lied  von  der  Hinrichtung  des  Ludwig  Hetzer  von  Bi- 
schofszeil zu  Constanz,  von  Dr.  Blaarer.  Straßburg  1529. 
(Gödeke  S.  220.) 

Geistliches  Lied  von  dem  Haslibacher  von  Sumiswald 
(Kt.  Bern).  Anfang:  «Was  wend  wir  aber  heben  an.» 
32  Strophen  von  5  Zeilen.     Samml.  von  Wyß  Bd.  II,  S.  66. 

VII 


XCVIII  EINLEITUNG 

Die  von  Wiedertäufern  selbst,  zum  Theil  im  Gefängniß, 
gedichteten  Lieder  sind  natürlich  mehr  lyrisch,  mögen  aber 
gleich  hier  mit  angeführt  werden. 

Gödeke  S.  224  führt  ein  von  Christoph  Hebenstreit  im 
Gefängniß  gedichtetes  Lied  an,  welches  der  Sprache  nach 
schweizerisch  sei ;  der  Name  ist  dies  aber  nicht.  Von  Hetzer 
ist  das  Lied  «Wilt  du  bi  Gott  din  wonung  han. »  Auch  von 
dem  zürcherischen  Wiedertäufer  Manz  gibt  es  eines.  Ein 
Lied  des  Wiedertäufers  Landis,  hingerichtet  16 14  in  Zürich, 
s.  ZSB.  Msc.  A.  72,  S.  691.  46  Strophen.  Anfang:  a  Ich  hab 
ein  schön  new  Lied  gemacht. » 

Lieder  der  im  Oetenbach  gefangenen  Wiedertäufer  1638 
s.  ZSB.  Msc.  B.  26,  S.  237.  Vgl.  auch  noch  Wackernagel, 
Kirchenlied  Bd.  V,  S.  677  sq. 

Ein  langes  Lied  von  dem  protestantischen  Märtyrer 
Matheus  Waibel,  Prediger  in  Kempten,  enthält  der  Sammel- 
band 44''  der  Winterthurer  Bibliothek.  Anfang :  «  Die  War- 
heit  thut  mich  zwingen.  » 

B.  Lyrische  geistliche  Lieder. 
Bei  der  lyrischen  Gattung  lassen  sich  zwei  Arten  unter- 
scheiden, aber  nicht  immer  scharf  trennen:  alte  Kirchen- 
lieder, welche,  nachdem  sie  aus  dem  kirchlichen  Gebrauch 
geschwunden  waren,  in  privatem  noch  fortlebten,  und  Volks- 
lieder im  engern  Sinn,  welche  von  Anfang  an  mehr  indi- 
viduell persönlichen  Charakter  trugen.  Lieder  der  erstem 
Art  finden  sich  in  der  handschriftlichen  Sammlung  von  Stutz 
und  sind  wol  meistens  in  älteren  Kirchengesangbüchern 
nachzuweisen.  «Nach  dir.  o  geistlich  Leben»  findet  sich 
bei  Wackernagel,  Kirchenl.  V,  Xr.  1569.  «  O  Mensch,  mit 
Fleiß  bedenk  all  Stund»  ebd.  Nr.  514.  1578.  «Verzage  nicht, 
o  frommer  Christ»  ebd.  Xr.  654 — 656.  Von  einer  Menge 
alter  Kirchenlieder  gibt  Stutz  im  dritten  Band  seiner  «  Ge- 
mälde aus  dem  Volksleben »  größere  und  kleinere  Bruch- 
stücke ;  dieselben  sind  in  bezeichnender  Weise  meist  einem 
Großvater    in    den    Mund    seiest.     Vgl.  a.  a.  O.    S.  ^o.  62. 


ALLGEMEINE  VOLKSLIEDER  XCIX 

So— 8i.  85.  87.  loi  — 102.  104.  108 — 109.  128 — 129.  140 — 141. 

154.    159.    163.  166.  169 — 170.   176 — 177.   189.    202  —  203.    206. 

209  —  210.  221.  Von  dem  Liede  «Welt,  ade,  ich  bin  din 
müde»  steht  S.  207  nur  der  Anfang.  Von  dem  «geistlichen 
Vogelgesang))  (Anfang:  «AVolauf,  ir  lieben  Waldvögelein») 
gibt  Stutz  in  seiner  handschriftlichen  Sammlung  nur  einige 
Strophen:  dieses  Stück  (übrigens  kein  rein  geistliches  Lied) 
ist  weit  bekannt;  s.  Wackernagel,  Voces  animantium  S.  42 ^ 
Allgemeine  Verbreitung  hat  auch  das  Lied  « Zufriedenheit 
ist  mein  Vergnügen))  (Mittler  Nr.  1302),  bei  Stutz  hand- 
schriftlich mit  Weglassung  der  letzten  Strophe. 

Manche  Lieder,  auch  solche,  welche  sich  in  katholischen 
oder  evangelischen  Gesangbüchern  finden,  tragen  keinen 
erkennbaren  confessionellen  Charakter ;  es  brauchen  aber 
auch  die  katholischen  deswegen  nicht  alle  in  die  Zeit  der 
ungetrennten  Kirche  hinaufzureichen.  Diese  Frage  ist  für 
tmsern  Zweck  weniger  wichtig  als  die,  ob  die  betreffenden 
Lieder  von  schweizerischen  Verfassern  herrühren.  Aber  auch 
diese  ist  ja  für  den  Begriff  schweizerischer  Volkslieder,  zumal 
religiöser  und  katholischer,  nicht  wesentlich  und  muß  unent- 
schieden bleiben.  In  Solothurn  und  Luzern  wurden  in  der 
zweiten  Hälfte  des  XVIL  Jahrhunderts  eine  Menge  geistliche 
Lieder  und  darunter  specifisch  katholische  gedruckt,  deren 
Ursprung  schwerlich  schweizerisch  und  von  denen  nicht 
einmal  ausgemacht  ist,  ob  sie  im  Volke  wirklich  Verbreitung 
fanden.  Sammlungen  solcher  meistens  in  kleineren  Büchlein 
oder  auf  fliegenden  Blättern  gedruckten  Lieder  finden  sich 
in  Solothurn  (Privatbesitz),  Marienlieder  auch  auf  der  aar- 
gauischen Kantonsbibliothek  (Rar.  I,  iS),  z.B.  «Maria  zart, 
von  edler  Art  »  (Hoffmann  Nr.  204 — 205). 

Auf  reformirter  Seite  gehören  hieher  die  Liedersamm- 
lungen im  Berner  Oberland,    welche   zum  Theile   geistliche 


^  Zwei  weltliche  Lieder  vom  Vogelgesang  enthält  Band  64 
der  Stadtbibliothek  Winterthur;  das  eine  gedruckt  bei  Rud.  Herrli- 
berger in  Zürich,  in  rein  alamannischer  Sprache,  aber  leider  mit 
Entstellungen  des  Textes  behaftet.     (XVI.  Jahrhundert.) 


C  EINLEITUXG 

Lieder  gemischt  mit  weltlichen  enthalten.  Viele  geistliche 
Lieder,  welche  in  engerm  oder  weiterm  Sinne  der  Schweiz 
angehören  mögen,  verzeichnet  Weller,  Ann.  II,  S.  171  — 177. 
Auch  nur  die  Titel  oder  Anfänge  aller  solcher  Produkte 
hier  abzudrucken,  geschweige  die  ganzen  Texte  in  unsere 
Sammlung  aufzunehmen,  würde  viel  zu  weit  führen.  Die 
Sprache  verräth  nirgends  schweizerische  Heimat,  und  Stil 
und  Inhalt  sind  nicht  einmal  immer  volksthümlich.  —  Ich 
verzeichne  zum  Schluß  nur  noch  einige  Lieder,  von  denen 
bezeugt  ist,  daß  sie  auf  unserm  Gebiete  bei  Wallfahrten 
gesungen  wurden.  Eines  der  ältesten  dieser  Art  ist  wol  das- 
St.  Michaels-Lied,  welches  ühland  in  seine  Sammlung  auf- 
genommen hat  (Xr.  304),  aus  einem  Bernerischen  Liederbuch 
des  XVI.  Jahrhunderts :  nach  Bt-echtold,  Die  Stretl.  Chronik 
S.  LIX,  war  es  mündlich  aus  Graubünden  überliefert,  was- 
aber  nach  Uhland,  Schriften  IV,  317  einzuschränken  ist.  Als 
Einsiedler  Wallfahrtslied  wird  bezeichnet  «  Elend  hat  mich 
umgeben»,  Aar.  KB.  Rar.  I,  39,  3,  und  von  Stutz,  Sieben 
Mal  sieben  Jahre  S.  lOi :  « Maria  eine  reine  Jungfrau  war. » 
Wyß,  Schule  und  Leben  S.  113  gibt  als  Anfänge  von  Wall- 
fahrtsliedern:  «Freu  dich,  beglücktes  Hirtenleben»  und 
((  St.  Fridli  hängt  um  den  Ledersack. » 

Parodie  eines  Wallfahrtsliedös  ist  die  sog.  Lungernmesse 
((  Buebe  mer  wend  wallfarte  go  ».  s.  Texte.  Vgl,  das  bekannte 
«.  Die  Pinzgauer  wollten  wallfahrten  gehn  ».  Parodien  geist- 
licher Lieder  kannte  auch  Stutz.  Ein  Beispiel  aus  älterer  Zeit 
ist  die  Parodie  des  Bußliedes  der  Geißler,  welche  im  Jahr 
1349  von  kriegslustigen  Gesellen  in  Bern  gesungen   wurde. 

Original.  Swer  siner  sele  welle  pflegen, 
der  sol  gelten  und  widergeben ; 
so  wird  siner  sele  r^t : 
des  hilf  uns,  lieber  herre  got.     (Hoffmann  S.  146.) 

Parodie.  Der  unser  Bueß  well  pflegen, 

Der  soll  Roß  und  Rinder  nemen, 

Gänse  und  feißte  Schwin: 

Damit  so  gelten  wir  den  Win.  (Justinger  ed.  Studer  112.) 


ALLGEMEINE  VOLKSLIEDER  C 

Als  Anhang  zu  den  geistlichen  Liedern  lyrischer  Art 
mögen  Gebete  betrachtet  werden,  welche  metrische  Form 
tragen,  allerdings  mehr  die  von  Sprüchen  oder  Reimprosa 
als  von  Liedern;  ausgeschlossen  bleiben  aber  reine  Kinder- 
gebete, welche  man  in  Sammlungen  von  Kinderliedern  finden 
kann.  Zu  den  Nachtgebeten  können  auch  die  Nachtwächter- 
rufe gerechnet  werden,  in  welchen  da  und  dort  AlterthUm- 
liches  erhalten  ist.  Dahin  gehört  dann  auch  der  Alpsegen, 
den  die  Sennen  bei  einbrechender  Nacht  durch  den  Trichter 
ausrufen,     s.  Texte. 

Daß  übrigens  sogar  das  Gebet  nicht  von  Parodie  ver- 
schont blieb,  beweist  das  von  Soltau  S.  LXXVI  erwähnte 
Vaterunser  eines  Unterwaldners  aus  dem  Ende  des  vorigen 
Jahrhunderts,  ferner  das  im  Wunderhorn  III,  134  mitgetheilte 
Kriegsgebet  u.  dgl.  Ein  im  ^^'interthurer  Neujahrsblatt  1871 
beigebrachtes  Vaterunser  aus  der  Zeit  des  Schmalkaldischen 
Krieges  (1548),  worin  Bitten  mit  Drohungen  gegen  die  re- 
formirten  Eidgenossen  durchfiochten  sind .  ist  nicht  schwei- 
zerischen, sondern  kaiserlichen  LTrsprungs. 

//.    Weltliche  Lieder. 

A.   Epische. 

Vilmar  (Handbüchlein  für  Freunde  des  Volksliedes) 
nimmt  auch  (( historische  Lieder  im  weitern  und  weitesten 
Sinne  )^  an ;  die  letztern  sollen  den  Romanzen  und  Balladen 
der  Kunstpoesie  entsprechen.  Es  gibt  wirklich  zunächst 
Produkte,  welche  zwischen  historischem  und  sagenhaft  ro- 
mantischem Charakter  in  einer  gewissen  Mitte  schweben,  so 
daß  man  sie  dem  einen  oder  dem  andern  Gebiete  zutheilen 
könnte.  Auch  Herr  v.  Ij'liencron  hat  in  seiner  Einleitung 
(Bd.  I,  S.  XXVII.  XXXVIII)  diesen  Fall  bemerkt  und  die 
betreffenden  Lieder  von  seiner  Sammlung  ausgeschlossen, 
weil  die  denselben  ohne  Zweifel  zu  Grunde  liegenden  That- 
sachen  fast  bis  zur  Unerkennbarkeit  entfärbt  oder  rein 
poetisch,  nach  allgemein  menschlichen  Motiven,  ausgestaltet 


CII  EINLEITUNG 

seien.  —  Bei  einer  zweiten  Gruppe  von  Liedern,  deren 
Gegenstand  aber  nicht  mehr  dem  öffentHchen,  sondern  dem 
privaten  Leben  angehört,  höchstens  dem  einer  Gemeinde^ 
meistens  dem  einer  Familie  oder  einzelnen  Person,  kann 
man  unterscheiden,  ob  die  Geschichte  mehr  in's  Romantische 
und  Abenteuerliche  einer  altern  Zeit  fällt  oder  dem  gewöhn- 
lichen Leben  neuerer  Zeit  entnommen  ist.  Das  erstere  ist 
der  Fall  bei  den  balladenartigen  Liedern,  welche  meistens 
tragische  Liebesgeschichten  behandeln;  auch  einige  Soldaten- 
geschichten gehören  hieher.  —  Eine  dritte  Gruppe  bilden 
schreckliche  Naturereignisse  und  Thaten,  welche  aber  ge- 
radezu als  wirklich  geschehen  durch  ein  gleichzeitiges  Lied 
bezeugt  werden  sollen,  so  daß  das  rein  stoffliche  Interesse 
des  Außerordentlichen  den  poetischen  Werth  ersetzen  soll 
und  wirklich  ausfchließt.  Produkte  dieser  Art  sind  auch  am 
wenigsten  wahre  Volkslieder  geworden. 

Produkte  der  ersten  Art  kann  es  auf  unsdrm  engen 
Gebiet  nicht  viele  geben;  ich  kenne  nur  drei,  von  denen, 
eines,  die  Geschichte  von  Fridli  Bucher,  den  historischen 
Liedern  (41,  a.  2)  zugetheilt  worden  wäre,  wenn  die  ge- 
schichtliche Grundlage  deutlicher  hervorträte.  Ebenfalls  aus- 
luzernischem  Gebiete  stammt,  aber  nur  der  Ueberlieferung, 
nicht  dem  geschichtlichen  Stoffe  nach,  das  Lied  von  Roni 
Sattel,  welches  offenbar  in  der  Hauptsache  nur  eine  lokale 
Ueberarbeitung  oder  Version  des  deutschen  Liedes  von 
Raumensattel  (Uhland  Nr.  127)  ist  (mit  Umdeutung  von 
Rumen  in  Roni,  Verkürzung  von  Hieronymus)  und  Aveder 
geographische  noch  chronologische  Anhaltspunkte  bietet. 
Schwer  zu  entscheiden  ist,  wohin  das  dritte  der  fraglichen 
Stücke  gehöre.  Lütolf  gibt  dasfelbe  in  seinen  Sagen  S.  413, 
mit  der  angeblichen  Datierung  um  das  Jahr  121 2;  eine  auf 
S.  414  mitgetheilte  Variante  der  Sage  weist  in  die  zweite 
Hälfte  des  XIV.  Jahrhunderts ;  eine  dritte  gibt  gar  keine 
chronologische  Andeutung.  In  meiner  Abhandlung  « Ueber 
die  historischen  Volkslieder  der  Schweiz  »  S.  335  habe  ich 
das  Lied  als  vorgeschichtlich  und  sagenhaft  dem  Ostfriesen- 


ALLGKMEIXE  VOLKSLIEDER  CHI 

und  Teilenlied  beigesellt  und  verweise  auf  die  a.  a.  O.  bei- 
gebrachten Merkmale  und  Parallelen  der  Sage ;  den  letztern 
ist  noch  Bühler,  Davos  I,  S.  398  beizufügen.  Die  Lokalangaben 
lauten  zwar  ebenso  bestimmt  wie  in  jenen  zwei  Liedern, 
aber  die  Jahrzahl  auf  der  Fahne  in  Mund  beweist  natürlich 
nicht,  daß  das  Ereigniß,  auf  welches  die  Fahne  bezogen 
wird,  in  jenem  Jahre  stattgefunden  habe.  Daß  bei  der  Teil- 
sage die  Varianten  sich  über  mehrere  Länder  verbreiten, 
während  sie  hier  auf  ein  engeres  Gebiet  beschränkt  sind, 
kann  den  letztern  Fall  nicht  glaubwürdiger  machen.  Daß 
Orenzstreitigkeiten  und  räuberische  Streifzüge  auf  unseren 
Alpen  früher  da  und  dort  stattgefunden  haben,  ist  wol 
glaublich,  aber  sie  tragen  mehr  das  Gepräge  privater  Unter- 
nehmungen und  stehen  auch  dadurch  hinter  der  Sage  von 
der  Einwanderung  und  Befreiung  ganzer  Völkerschaften  zu- 
rück. Schöne  und  jedenfalls  alte  Züge  dieser  Sage  sind  das 
Schellengeläute  der  geraubten  Lieblingskuh  und  der  eben 
so  weit  hallende  Ton  des  vom  Sennen  in  der  Todesnoth 
geblasenen  Hornes,  w^elches  an  Roland  in  Ronceval  erinnert. 
Leider  ist  das  Lied  nur  fragmentarisch  erhalten  und  auch 
in  Wortlaut  und  Versbau  theilweise  verkümmert.  Ein  Stück 
davon,  nämlich  die  schwarzbraune  Kuh,  die  nach  Unter- 
w^alden  geht,  steckt  auch  in  Nr.  45  von  J.  R.  Wyß,  Kuhreihen 
und  Volkslieder. 

Die  Gruppe  der  balladen artigen  Lieder  ist  ziemlich 
zahlreich  vertreten,  aber  nur  w-enige  gehören  der  Schweiz 
ganz  eigenthümlich  an  und  sind  zugleich  noch  unbekannt, 
also  in  die  Texte  aufgenommen;  auch  gibt  es  einige,  die 
sich  zwar  in  keiner  der  mir  zugänglichen  Sammlungen  fiwden. 
aber  vielleicht  doch  nur  verstümmelte  oder  verkünstelte 
Gestalten  anderer  sind.  Ausnahmsweise  habe  ich  von  einigen 
Liedern,  die  auch  anderswo  bekannt  und  schon  gedruckt 
sind,  die  Texte  gegeben,  entweder  weil  der  Druck  noch 
wenig  bekannt  sein  mag  oder  weil  unser  Text  bemerkens- 
werthe  Eigenthümlichkeiten  in  sachlicher  oder  sprachlicher 
Hinsicht  aufweist.    Wo  derselbe  wesentlich  mit  auswärtigen 


CIV  EINLEITUNG 

übereinstimmt  oder  die  Abweichungen  desfelben  ohne  Werth 
sind,  müssen  die  in  der  folgenden  Uebersicht  eingeflochtenen 
Bemerkungen  genügen.  Dieselbe  nach  den  Gegenständen 
zu  ordnen,  ist  nicht  thunlich.  Daß  Liebesgeschichten  mit 
traurigem  Ausgang  überwiegen,  ist  schon  gesagt  und  fast 
selbstverständlich ;  doch  kommen  auch  andere  Motive  vor 
und  die  AVendung  kann  auch  zum  Heil  ausfchlagen  (Rettung 
aus  Todesgefahr)  oder  ein  eigentlicher  Schluß  fehlen.  Einigen 
Liedern  liegen  wahre  Lokalgeschichten  aus  neuerer  Zeit  zu 
Grunde,  woraus  geschlossen  werden  darf,  daß  auch  ältere 
eine  solche  Grundlage  haben  mögen. 

Ein  von  Stutz  (Gemälde  IIL  3)  mitgetheiltes,  aber  wahr- 
scheinlich von  ihm  selbst  verfasstes  Lied  von  einer  frommen 
Spinnerin  scheint  auf  der  weitverbreiteten  Sage  von  der 
Spinnerin  Bertha  zu  beruhen.  Zwei  Lieder  von  der  Gräfin 
Ida  von  Toggenburg,  deren  Sage,  eine  Variante  der  Genoveva. 
in  der  zweiten  Hälfte  des  XVIIL  Jahrhunderts  im  Toggenburg 
dramatisirt  als  Fasnachtspiel  aufgeführt  wurde  (s.  Die  Schweiz 
1860,  S.  263.  1864,  S.  iiü),  nähern  sich  in  der  Form  einer 
Reimchronik  und  wurden  wol  nie  gesungen.  Das  eine,  ge- 
druckt 1614,  befindet  sich  auf  der  Aar.  KB.  Rar.  I,  Nr.  25. 
das  andere  auf  der  ZSB.  XVIII,  1792,  4.  Daß  das  Lied  vom 
Tannhäuser  in  die  Schweiz  dringen  und  daselbst  besondere 
Gestalt  annehmen  konnte,  findet  eine  Parallele  in  dem  von 
Raumensattel.  Diese  beiden  Lieder  sind  in  die  Texte  auf- 
genommen. 

Zu  den  unzweifelhaft  schweizerischen,  aber  schon  hin- 
länglich bekannten  Stücken  gehört  vor  allen  das  Lied  «  Es 
het  e  Bur  es  Töchterli»,  welches  aus  Grenchen  (Kt.  Solo- 
thurn)  stammen  soll  und  dort- unter  dem  Namen  ((Der  pa- 
pierig Himmel»  bekannt  ist,'  Aveil  die  letzte  Strophe  die 
Unausfprechlichkeit  der  Liebe  in  der  weitverbreiteten  Formel 
ausdrückt :  «  Und  wenn  der  Himmel  war  Papier »  u.  s.  w. 
Schon  Herder  hatte  das  Lied  in  seinen  «  Stimmen  der  Völker» 
etwas  verkünstelt ;  später  haben  einheimische  Dichter  (Mit- 
arbeiter am  Solothurner  Wochenblatt)  demselben  fünf  weitere 


ALLGEMEINE  VOLKSLIEDER  CV 

Stücke  angehängt,  so  daß  die  Geschichte  zu  einem  Cyckis 
ausgesponnen  wurde.  Den  ganzen  Sachverhalt  hat  Professor 
Schlatter  in  Schilds  « Der  Großätti  aus  dem  Leberberg :» 
(Solothurn  1863)  richtig  dargestellt.  (Fast  vollständiger  Ab- 
druck in  Birlingers  Alemannia  IV,  38 — 40.)  —  Die  schwei- 
zerische Version  des  Liedes  vom  Ulinger  (Mittler  Nr.  76  ff., 
Vilmar,  HandbUchlein  S.  52  ff.)  findet  sich  bei  Rochholz, 
Aarg.  Sagen  I,  24.  Kurz,  Schweiz.  Volksbibl.  XX,  117  unter 
dem  Titel  «Das  Guggibader  Lied»,  bei  Lütolf  S.  71  unter 
dem  Titel  «Schön  Anneli  )\  mit  dem  Anfang:  «Es  ritet  e 
Rüter  dur  es  Ried»,  mehr  verdeutscht  in  der  Zeitschrift  «Die 
Schweiz»  (Bern  1859),  S.  58.  —  Von  dem  Liede  «Der  König 
von  Mailand  »  (Anfang :  «  Weiß  mir  e  Herr,  hed  siebe  Süh  ». 
bei  Mittler  Nr.  134.  Kurz.  S.  91)  gibt  Stutz,  Gemälde  aus 
dem  Volksleben  III,  24  eine  im  Versmaß  und  auch  im  Ein- 
zelnen vielfach  abweichende,  im  Ganzen  weniger  gute  Form, 
mit  dem  Anfang :  «  Es  stoht  ein  Hus  i  der  Este  »,  worin  ich 
den  Namen  des  berühmten  Fürstenhauses  von  Este  erblicke. 
Eine  handschriftliche  Variante  von  Stutz  hat  «  i  der  Reste  ». 
was  an  den  Namen  der  alten  Burg  Resti  bei  Meiringen  im 
Berner  Oberland  erinnert  und  ohne  Zweifel  das  altdeutsche 
resti  =  Rast  (Ruhesitz)  ist.  Da  bei  der  Fremdheit  des 
Namens  Este  eine  Umdeutung  durch  Einschiebung  eines 
zweiten  r  (resp.  Herüberziehen  des  r  von  der  auf  das  fol- 
gende A\'ort,  wie  oft  des  //  von  de/i  oder  ei/i)  nahe  lag,  so 
wird  an  der  Schreibung  Este  festzuhalten  sein.  Zu  den 
weniger  guten  Bestandtheilen  der  Version  von  Stutz  gehört 
ein  hinzugedichteter  Schluß,  der  noch  nach  10  Jahren  dem 
Vater  der  misshandelten  Braut  die  verdiente  Strafe  zu  Theil 
werden  lässt,  während  das  ursprüngliche  Lied  schöner  mit 
Versöhnung  durch  die  Macht  der  Zeit  schließt.  —  Das  Lied 
vom  Grafen  Friedrich  hat  in  der  Form,  wie  es  nach  einem 
fliegenden  Blatt  aus  der  Schweiz  (um  1647)  überliefert  ist 
(Uhland  Nr.  122.  IMittler  Nr.  108)  in  der  Sprache  nichts 
Schweizerisches,  dagegen  hat  mir  Rochholz  den  Anfang  einer 
stark  mundartlichen  Fassung  mitgetheilt.  welche  der  schwarz- 


CVI  EINLEITUNG 

wäldischen  Form  bei  Mittler  Nr.  113  am  nächsten  kommt. 
Mehr  schweizerische,  und  zwar  bernische  Färbung  trägt  das 
Lied  vom  «Südeli»,  welches  Uhland  (Nr.  121.  Mittler  Nr.  120) 
aus  demselben  in  Meiringen  gefundenen  Band  einzelner 
Liederdrucke  aufgenommen  hat.  Ich  gebe  es  auch  darum 
in  den  Texten,  weil  es  sich  stellenweise  mit  anderen,  un- 
zweifelhaft schweizerischen,  Anneli- Liedern  berührt,  und 
wegen  der  hohen  Alterthiimlichkeit  des  in  Str.  11  vorkom- 
menden Brauches.  —  Endlich  ist  hier  noch  anzuführen  das 
echt  schweizerische,  aber  weit  bekannte  «Im  Aargäu  sind 
zweu  Liebi  »  (Kurz  112.    Mittler  Nr.  136  u.  s.  w.). 

Es  folgen  nun  Stücke,  welche  wahrscheinlich  nicht 
schweizerischen  Ursprungs  sind  und,  wenn  sie  auch  sprach- 
lich und  sachlich  einige  Eigenheiten  haben,  doch  mit  all- 
gemein deutschen  wesentlich  übereinstimmen. 

Die  uralte,  weit  verbreitete,  ursprünglich  wol  mytho- 
logische Sage,  welche  den  classischen  Namen  von  Hero  und 
Leander  trägt,  im  deutschen  Volkslied  anfängt  c  Es  waren 
zwei  Königskinder  i>,  hat  sich  in  der  Schweiz  an  mehreren 
Seen  lokalisirt,  besonders  am  Hallwyler  See  (Kt.  Aargau) 
in  dem  Liede  « Es  wend  zweu  Liebi  zsäme «.  Rochholz, 
Aarg.  Sagen  I,  33.  Kurz  123.  —  Bisweilen  weicht  nur  der 
Anfang  eines  schweizerischen  Liedes  im  Wortlaut  von  seinen 
deutschen  Parallelen  ab,  denen  es  sonst  sehr  nahe  kommt. 
Das  Lied  a  Es  spielt  ein  Ritter  mit  einer  Maid  »  (Mittler 
Nr.  91)  findet  sich  mit  diesem  Anfang  auch  bei  uns,  daneben 
aber  die  Variante  «Es  spielen  ihrer  Drei  auf  einem  Brett», 
von  denen  dann  der  jüngste,  der  im  Brettspiel  gewonnen 
hat,  mit  der  Alaid  spielen  darf.  —  Das  Lied  von  der  drei- 
fachen Kindsmörderin  'X  Es  wollt  ein  Hirtlein  treiben  aus » 
oder  («Es  trieb  ein  Hirt  in  ^^'ald  hinein»  (Mittler  Nr.  489) 
gibt  Simrock  Nr.  37''  auch  in  der  aargauischen  Form  ((  Es 
wollt  ein  Hirt  in  Wald  use  tribe  »  (Kurz  S.  122);  es  findet 
sich  bei  Stutz  (Sieben  Mal  sieben  Jahre  S.  69)  auch  mit  dem 
Anfang :  (c  Ein  Hirt  gieng  über  die  grüne  Heid  »  und  hand- 
schriftlich mit  Varianten.  —  Ein   von  B.  Wyß,   Schule   und 


ALLGEMEINE  VOLKSLIEDER  CVII 

Leben  S.  33 — 34  mitgetheiltes  Lied  scheint  aus  J3ruchstücken 
zweier  ganz  verschiedener  zusammengesetzt  und  gibt  in  der 
vorHegenden  Gestalt  keinen  Sinn ;  einige  Stellen  erinnern  an 
die  Romanze  des  sog.  Kürenberger :  « Ich  zoch  mir  einen 
valken. »  —  Das  Lied  « Es  ziehed  drei  Gräfe  Über  Feld » 
(bei  Stutz,  Gemälde  II,  153  und  handschriftlich,  aber  unvoll- 
ständig) entspricht,  sowie  das  a.  a.  O.  I,  98  nur  angeführte 
«Drei  Rüter  wollen  ein  Mädchen  anwerben»,  den  Nr.  116  ff. 
bei  Mittler,  also  auch  der  Grundform  des  von  Uhland  um- 
gedichteten «Es  zogen  drei  Bursche  wol  über  den  Rhein». 
—  « Es  war  ein  Knab  von  achtzehn  Jahren  >,  oder  «  Es  war 
einmal  ein  Grenadier »  ist  =  « Es  war  einmal  ein  junger 
Knab.  ^)  Mittler  Nr.  147  ff.  —  «Es  wollt  ein  Jäger  go  jage», 
unvollständig  mitgetheilt  von  K.  Ruckstuhl  in  den  a  Alpen- 
rosen»  1823,  S.  32 — ;^;^  (aus  dem  Berner  Oberland),  entspricht 
Nr.  204  bei  Mittler ;  ein  anderes  Lied  mit  demselben  Anfang 
ist  im  Ganzen  =  Mittler  Nr.  205.  —  «Es  wott  es  Maitli  go 
grase)!),  handschriftlich  unvollständig  bei  Stutz,  findet  sich 
vollständig  bei  Erk  Nr.  37=^:  «Es  gieng  ein  Mädchen  grasen.» 
Die  dortigen  Strophen  6—12  (Anfang:  «Ach  Mutter,  liebe 
Mutter,  gib  du  mir  einen  Rath  »)  kommen  aber  bei  uns  auch 
als  selbständiges  Lied  vor,  nur  daß  statt  des  Reiters  «  en 
rothe  Schwyzer»,  d.  h.  ein  in  fremdem  Kriegdienste  stehender 
oder  gewesener  Schweizer  Soldat,  genannt  wird.  —  «  Es  stönd 
drei  Sternen  am  Himmel  i>  findet  sich  bei  Stutz  nur  unvoll- 
ständig und  entstellt,  es  ist  Nr.  ii"-  bei  Erk.  —  «  Es  thät  ein 
Müller  spazieren  gehn  »  bei  Stutz,  Sieben  Mal  sieben  Jahre 
S.  410,  ist  =  Mittler  Nr.  94.  —  «  Es  wollt  ein  Mädel  früh 
aufstehn »,  mir  mitgetheilt  aus  Schaffhausen,  ist  =  Mittler 
Nr.  305.  —  «Ich  stund  auf  hohem  Berge»,  Wyß,  Kuhreihen 
und  Volkslieder  S.  77,  und  mit  A'arianten  im  Volksmund, 
ist  ==  Mittler  Nr.  273  ff.,  ebenso  «Ein  Mädchen  von  achtzehn 
Jahren  »  =  Mittler  Nr.  491.  493.  —  «Was  Besseres  kann  uns 
erfreuen»,  handschriftlich  bei  Stutz,  wesentlich  =  Mittler 
Nr.  loi,  nur  etwas  kürzer.  —  Gesungen  wurde  auch  bei 
uns,  mit  mundartlichen  Variationen,  «  Es  liegt  ein  Schloß  in 


CVIII  EINLEITUNG 

Oesterreich » ,  wovon  eine  (wahrscheinlich  schweizerische) 
Nachbildung  « Es  stat  ein  Schlösslein  enet  dem  Rhein  >> 
Uhland,  Schriften  IV,  S.  144  erwähnt.  —  Stutz,  Sieben  Mal 
sieben  Jahre  S.  59—62  gibt  ein  schriftdeutsches  Lied  «  Auf 
einem  Meierhof  geschah  ein  Elend  groß  »,  von  einem 
Bräutigam,  der  auf  Anstiften  seiner  Mutter  seine  arme  Braut 
ermordet,  und  in  den  «  Gemälden  aus  dem  Volksleben  »  III, 
31 — 33  ein  sehr  ähnliches,  «Es  wollt  ein  rycher  Edelmanns- 
fohn»,  nur  daß  hier  der  Mord  durch  einen  von  der  Mutter 
gedingten  Knecht  verübt  wird.  Ich  kann  diese  Stücke  sonst 
nirgends  gerade  nachweisen,  glaube  aber  Aehnliches  in 
älteren  deutschen  Drucken  gelesen  zu  haben.  —  Professor 
S.  Studer  in  Bern  theilte  H.  von  der  Hagen  ein  Lied  mit, 
welches  wesentlich  mit  den  Xr.  293  —  299  bei  Mittler  über- 
einstimmt, nur  daß  die  Geschichte  in  dem  emmenthalischen 
Dorfe  Eggiwyl  lokalisirt  ist,  mit  der  Eingangsftrophe : 

1.  Der  Wirt  im  Eggiweil 

Er  het  viel  Gast  geladen  ein, 
Het  numen  e  halb  Maß  Wein. 

2.  Er  het  der  Töchtern  drei  u.  s.  w. 

Das  Weitere  stimmt  am  meisten  mit  Mittler  Nr.  299  bis  und 
mit  Str.  14;  dann  folgen  noch  3  Strophen,  welche  von  den 
dortigen  zwei  ganz  verschieden  sind,  dagegen  mit  Nr.  293, 
Str.  3 — 5  ziemlich  übereinstimmen,  nämlich: 

9.  Sie  schifften  en  über'n  Rhein 
Auf  einem  Lilienblättelein ; 
Wer  will  der  Schiffma  sein? 

10.  Wie  sie  nun  überen  kamen, 
Da  krähen  alle  Hähnelein, 
Dazu  der  Güggelhahn. 

11.  «Was  chräist  du,  falscher  Hahn? 

Hab  gmeint,  du  chräiest  z'  Mitternacht, 
lez  chräist  du  z'  hellem  Tag.» 

(( Es  waren  einst  zwei  Baurensöhn  »,  mir  mitgetheilt  aus 
Beringen  (Kt.  Schaffhausen),  stimmt  im  Ganzen  zu  Mittler 
Nr.  291,    doch    mit    folgenden   Abweichungen:    Str.  2:    Sie 


ALLGEMEINE  VOLKSLIEDER  CIX 

hatten  sich  gleich  wol  bedacht  Und  hatten  sich  nacher  Haus 
gemacht,  Nacher  Haus  sein  sie  geritten.  Str.  3,  i  :  Der  erste 
Ritt  vor's  Vaters  Haus.  6,  3  :  dazu  ein  schweinernen  Braten. 
7,  3:  hungrische  Dukaten.  9,  i  —  2:  Ach  nein,  ach  nein, 
das  kann  nicht  sein.  Das  Pferd  das  steht  im  Stall  allein. 
10,  I  —  2:  Frau  Wirthin  gab  sich  allen  Fleiß,  Sie  macht  das 
Fett  in  der  Pfanne  heiß.  15,  3  :  Wol  eurem  eignen  Sohne. 
16,  I  :  Frau  Wirthin  springt  zum  Fenster  hinaus.  Str.  17 
(Zusatz) :  Wegen  dem  verfluchten  Geld  und  Gut  Kommt 
mancher  um  sein  jung  frisch  Blut,  Wol  um  sein  junges  Leben. 

«Es  stand  ein  Wirthshaus  an  dem  Rhein,  Da  kehren 
alle  Fuhrleut  ein»,  im  Ganzen  gleich  Mittler  Nr.  75,  mit 
folgenden  Abweichungen.  Str.  2  dort  ist  hier  in  2  und  3 
zerlegt.  Str.  4,  2 :  —  ist  alls  nicht  recht:  Die  Roß  die  gehn 
zum  Brunnen,  Fuhrleut  müssen  Wasser  schöpfen,  Der  Knecht 
liegt  an  der  Sonne.  Str.  5  (Mittler  3),  2 :  Sie  wachet  eine 
ganze  Nacht,  Sie  saß  auf  ihrer  Schwelle.  5  :  Passt  sie  auf 
ihren  Gsellen.  Str.  6 :  Und  als  das  Glöcklein  zwölf  Uhr 
schlug,  Die  Magd  im  Haus  hat  noch  kein  Ruh,  Sie  thät 
bitterlich  weinen.  Ei,  ei,  ei,  ci,  daß  Gott  erbarm.  Heut  Nacht 
kommt  wiederum  keinen. 

Die  bis  auf  neuere  Zeit  herrschend  gewesene  Sitte,  daß 
junge  Schweizer  in  fremde  Kriegsdienste  zogen,  hat  auch 
in  den  Volksliedern  mehrfache  Spuren  hinterlassen,  und  zwar 
nicht  bloß  als  Nebenmotiv  (wie  in  den  oben  angeführten 
Liebesgeschichten  von  den  zwei  Lieben  im  Aargau  und  in 
dem  Grencher  Lied),  sondern  als  Hauptgegenstand,  indem  der 
Soldat  seinen  Entschluß  bereut,  desertirt,  gefangen  und  mit 
dem  Tode  bestraft  wird.  Daß  das  bekannteste  Lied  dieser 
Art:  «Zu  Straßburg  auf  der  Schanz»  etwa  schweizerischen 
Ursprungs  sei,  war  schon  aus  der  Sprache  nicht  zu  schließen, 
und  wenn  das  Alphorn  in  demselben  überhaupt  ursprünglich 
vorkäme,  nicht  erst  eine  Zuthat  der  Herausgeber  des  «Wunder- 
horns  »  wäre,  so  hätte  doch  kein  schweizerischer  Volksdichter 
das  Vaterland  des  Soldaten  gleich  gegenüber  von  Straßburg 
beginnen   und  das  Hörn  dort  ertönen  lassen!     Li  der  That 


ex  EINLEITUNG 

hat  auch  Stutz  (handschriftlich)  die  äUere  Form  des  Liedes 
ohne  Alphorn,  jedoch  mit  der  anderweitigen  Entstellung, 
daß  der  Soldat  seine  drei  Brüder  (vgl.  Mittler  Nr.  270,  Str.  5) 
bittet,  ihn  nicht  zu  treffen  (f<  Schießt  mich  frei,  daß  keine 
Kugel  treff  mein  Herz  »)  —  welcher  Wunsch  freilich  nicht 
erfüllt  wird.  Wahrscheinlich  beruht  aber  die  Entstellung  nur 
auf  Missverständniß  des  richtigen  Reimwortes  f'frei;)  (:drei), 
welches  ja  ganz  wol  bedeuten  könnte  « ohne  Schonung  >•>. 
Ein  ähnliches  Lied  («  Es  spazieren  drei  Soldaten  f))  aus  der 
handschriftlichen  Sammlung  von  Stutz  gebe  ich  in  den  Texten, 
jedoch  nur  um  diese  Gruppe  dort  nicht  ganz  unvertreten  zu 
lassen.  Ein  drittes  (aus  derselben  Quelle),  noch  schwächer 
oder  entstellt,  lässt  den  als  Deserteur  gefangenen  Soldaten 
an  seine  Eltern,  die  ihm  vom  Kriegsdienst  abgerathen  hatten, 
um  Lösegeld  schreiben ;  aber  der  Vater  gibt  dem  Sohne 
selbst  Schuld  und  lässt  ihn  «  Spißruthen  laufen  uf  Leben  und 
uf  Tod  I). 

Kehren  wir  aus  dem  Kriegsdienst  in  das  häusliche 
Leben  zurück,  und  zwar  wie  es  in  Wirklichkeit  auch  heute 
noch  sich  darstellt,  so  finden  wir,  daß  die  Ehe,  noch  mehr 
als  die  Liebe,  von  erzählenden  Volksliedern  nur  nach  der 
ungünstigen  Seite  dargestellt  wird,  jedoch  mit  dem  bemerkens- 
werthen  Unterschiede,  daß  das  Unglück  hier  komische 
Gestalt  annimmt.  Von  glücklichem  Ehestand  ist,  wie  von 
den  besten  Frauen,  am  wenigsten  die  Rede:  Aufsehen  er- 
regen nur  verfehlte  Ehen,  wo  entweder  offener  Streit 
herrscht  oder  das  normale  Verhältniß  der  Herrschaft  des 
männlichen  Theils  sich  in's  Gegentheil  verkehrt  hat.  Darüber 
kann  dann  natürlich  nur  in  humoristischem  Tone  berichtet 
werden.  Wo  die  Frau  an  Größe,  Stärke  und  Selbständigkeit 
den  Mann  übertrifft,  ist  der  gelindeste  Fall  der,  daß  sie  ihm 
aus  Mitleid  einen  Antheil  am  Essen  gönnt,  um  nachher 
weiterm  Vergnügen  allein  nachzugehen.  So  in  dem  Liede: 
(.(  De  Ma  hed  große  Hunger  gha. »  s.  Texte.  Schlimmer  ist 
der  Ausgang,  wenn  die  Frau  auf  ihrem  Gang  zum  Markte 
oder  in's  Wirthshaus  den  Mann  nicht   mitnimmt,    der  dann 


ALLGEMEINE  VOLKSLIEDER  CXI 

dafür,  daß  er  sich  zu  Hause  mit  einer  kleinen  Näscherei 
entschädigt  hat,  von  der  zurückgekehrten  Frau  geprügelt 
wird  und  vergeblich  einen  Nachbar  zu  Hülfe  ruft,  der  gleiche 
Noth  leidet.  Unsere  Lieder  «■  Es  wott  e  Frau  z'  Märt  ga  >> 
oder  <(  i's  Wirtshus,  uf  Bade  ga  ^>,  auch  «  's  Bettelfräuli  wott 
bettle  go»,  entsprechen  denen  bei  Mittler  Nr.  263.  265.  Das 
Verhältniß  ist  noch  tiefer  zerrüttet,  wenn  die  Frau  heimlichen 
Verkehr  mit  einem  andern  Manne  pflegt,  der  dann  von  dem 
Ehemann  entdeckt  wird.  Parallelen  zu  unserm  Liede  « Es 
wollt  es  Bürli  früe  ufsta  »  finden  sich  bei  Simrock  Nr.  237.  249. 
Zeitschr.  f.  d.  Mundart  VII,  211  —  214.  Wenn  die  Frau  nach 
Hause  gerufen  wird,  weil  ihr  Mann  erkrankt  sei.  so  geht  sie 
nicht;  auch  die  Botschaft  von  seinem  Tode  ficht  sie  nicht 
an:  erst  wie  sie  hört,  daß  ein  neuer  Freier  im  Hause  auf  sie 
warte,  bricht  sie  auf.  So  in  dem  Lied  «Frau,  du  sollist 
heim'e  cho  »,  entsprechend  Nr.  258  —  260  bei  Mittler.  Nicht 
zärtlicher  ist  freilich  der  junge  Mann .  der  den  Tod  seiner 
alten  Frau  wünscht  und  drei  Tage  nachher  eine  junge  nimmt, 
die  ihn  aber  so  schlägt,  daß  er  die  alte  zurückwünscht.  Das 
betreffende  Lied  «Als  ich  ein  junger  (reselle  war»,  bei 
J.  R.  Wyß  Nr.  42,  trägt  nicht  gerade  schweizerische  Farbe. 
Zu  den  Segnungen  des  Ehestandes  gehört  auch  das  sprüch- 
wörtlich zärtliche  Verhältniß  zwischen  Schwiegermutter  und 
Schnur.  Unser  Lied  «Es  hatten  zwei  Weiber  mit  einander 
Streit»  enthält  in  der  Hauptsache  dasfelbe  Gespräch  zwischen 
den  zAvei  Verschwiegerten,  das  bei  Mittler  Nr.  921  steht,  nur 
etwas  kürzer  und  dafür  mit  einigen  derberen  \\'endungen. 
s.  Texte.  Der  Winterthurer  Sammelband  Nr.  44''  enthält  unter 
Nr.  63  ein  Lied  (aus  dem  XVL  Jahrhundert)  « Ein  armer 
Mann  wolt  weihen »,  ein  Gespräch  zwischen  zwei  Braut- 
leuten, welche  einander  bekennen,  daß  sie  beide  nichts  be- 
sitzen, und  darauf  die  Zuversicht  gründen,  daß  sie  zusammen 
passen  und  glücklich  sein  werden.  Das  Lied  trägt  keine 
Merkmale  schweizerischen  Ursprungs.  Dem  Inhalt  nach 
könnte  es  auch  zu  den  Liedern  vom  Hausrath  (s.  unten) 
gestellt  werden.    Rein  episch  ist  ein  von  Stutz  (Sieben  Mal 


CXII  EINLEITUNG 

sieben  Jahre  S.  73)  mitgetheiltes  Lied  von  einem  armen  Mann 
mit  sieben  Kindern,  der  seinen  reichen  Nachbar  vergebHch 
um  Korn  bittet  und  es  dann  von  Engeln  erhält,  während 
das  Haus  des  Reichen  abbrennt.  lL,ndlich  gibt  Stutz,  Ge- 
mälde III,  205  ein  Lied  von  einer  Mutter,  die  ihr  Kindlein 
verloren  hat  und  ihm  schmerzlich  nachweint,  bis  sie  durch 
den  Tod  wieder  mit  ihm  vereint  wird.  Dieses  Stück  scheint 
aber  von  Stutz  selbst  verfasst,  wie  manche  andere  Lieder, 
die  er  in  seine  Erzählungen  eingeflochten  hat. 

Das  häusliche  lieben  erweitert  sich  zum  Gemeinde- 
leben. Es  ist  bekannt,  wie  nicht  bloß  ganze  Völker  und 
Stämme,  sondern  innerhalb  derselben  einzelne  benachbarte 
Gemeinden  allerlei  üebernamen  und  Spottreime  auf  einander 
erfunden  haben  und  bei  gegebenem  Anlaße  gebrauchen. 
Solche  Namen  und  Sprüche  beziehen  sich  nicht  bloß  auf 
beharrliche  Eigenschaften,  sondern  oft  auch  nur  auf  einzelne 
Vorfälle.  Wenn  irgend  etwas  Verkehrtes,  Lächerliches  in  einer 
Gemeinde  geschehen  ist,  so  sind  die  Nachbarn  gleich  bereit, 
es  mit  spöttischer  Schadenfreude  aufzugreifen  luid  weiter  zu 
berichten,  und  von  der  einfachen  Prosa  einer  Sage  oder  eines 
Schwankes  erhebt  sich  die  Erzählung  auch  zur  Form  eines 
Liedes.  Das  älteste  mir  bekannte  Beispiel  dieser  Art  bezieht 
sich  auf  eine  Geschichte,  die  im  Berner  Oberland  spielt.  Das 
am  Thuner  See  liegende  Dorf  Merligen  ist  das  Abdera  oder 
Schiida  jener  Gegend,  und  es  wurden  den  Merligern  allerlei 
Thorheiten  nachgesagt,  was  sie  natürlich  am  Ende  übel 
empfanden.  Als  daher  bei  ihren  spottsüchtigen  Nachbarn  in 
Thun  einst  etwas  geschehen  war,  was  ihnen  nicht  minder 
lächerlich  vorkam,  so  benutzten  sie  den  Anlaß,  sich  einmal 
zu  rächen,  und  machten  ein  Gedicht  darauf,  welches  im 
Jahr  165 1  gedruckt  wurde.  In  Thun  sollte  nämlich  ein  Stier 
geschlachtet  werden,  der  aber  loskam  und  in  der  Stadt  so 
übel  hauste,  daß  man  Militär  gegen  ihn  aufbieten  und  ihn 
erschießen  lassen  musste.  M.  Usteri  kannte  zwei  Lieder  auf 
diesen  Vorfall ,  von  denen  das  eine  (20  Strophen)  begann  : 
«Zu  singen  ich  ein  Lust  hattet)  und  in  seiner  letzten  Strophe 


ALLGEMEINE  VOLKSLIEDER  CXIII 

die  Merliger  als  Verfasser  nannte.  Von  dem  andern,  welches 
noch  besser  gewesen  sein  soll,  gibt  er  leider  keine  weitere 
N'otiz.  In  einem  defekten  Exemplar  eines  der  im  Berner 
Oberland  verbreiteten  Liederbücher  aus  jener  Zeit  habe  ich 
eine  Anzahl  von  zum  Theil  wirklich  gelungenen  Strophen, 
wahrscheinlich  des  zweiten  Liedes,  gefunden,  welche  den 
fruchtlosen  Kampf  einiger  genannter  Personen  mit  dem 
wüthenden  Stier  beschreiben.  Da  aber  gerade  der  Anfang 
des  Liedes  fehlte,  so  eignet  sich  das  Fragment  nicht  wol 
zur  Mittheilung.  Ein  wahrscheinlich  ähnliches  Lied,  vielleicht 
sogar  dasfelbe,  nur  übertragen  auf  einen  andern  Ort  (die 
zürcherische  Gemeinde  Elsau),  steht  im  Katalog  der  ZSB., 
konnte  aber  nicht  aufgefunden  werden. 

Am  nächsten  schließen  sich  hier  Lieder  von  Jagd- 
geschichten an,  deren  mehrere  im  Kanton  Solothurn  ihren 
Schauplatz  haben.  Schild,  «Der  Großätti  aus  dem  Leber- 
berg» I,  14 — 21  gibt  den  Text  von  zwei  Liedern,  welche 
von  verfehlten  Jagden  auf  Wildschweine  handeln.  Das  erste 
erzählt,  wie  die  Jäger  von  Grenchen  im  Jahr  1782  statt  eines 
Wildschweins  einen  Iltis  erjagten.  Es  ist  von  den  Bewohnern 
des  benachbarten  Dorfes  Bettlach  veifasst;  die  zwei  letzten 
Strophen  haben  aber  die  Grencher  selbst  hinzugedichtet,  um 
den  Bettlachern  nachträglich  ihren  Spott  zu  vergelten.  Das 
zweite,  neuere,  gedichtet  von  dem  Volksfänger  Alois  Glutz, 
berichtet,  wie  drei  Jäger  aus  der  Stadt  Solothurn- statt  eines 
wilden  Schweines  ein  zahmes  anschössen.  Besondern  poet- 
ischen Werth  haben  beide  nicht.  Das  Nämliche  gilt  von 
einem  im  Soloth.  Wochenblatt  181 1,  Nr.  30  abgedruckten 
Liede  von  einer  Bärenjagd.  Von  einem  vierten,  wo  Schnee- 
gänse gejagt  werden,  gibt  B.  Wyß,  Schule  und  Leben  S.  122 
nur  die  erste  Strophe.  —  Der  Neue  Solothurner  Kalender 
für  1845  eiithält  ein  Lied  von  der  Schlacht  zu  Herisau  «aus 
einem  alten  Zunftprotokoll  abgedruckt»,  26  Strophen.  Die 
Schlacht  war  aber  nur  eine  Schlägerei ,  welche  in  Herisau 
(Kt.  Appenzell)  zwischen  einem  Trupp  dort  durchziehender 
Soldaten  und  einer  Schaar  von  Bürgern  entstanden  war  und 

VIII 


ex  IV  EINLEITUNG 

zum  Vortheil  der  letzteren  ausfchlug,  doch  so,  daß  nachher 
beide  Parteien  bestraft  wurden.  Das  Lied  ist,  ohne  poetischen 
Werth,  in  etwas  alterthüniHcher  Sprache,  mit  Einmischung 
appenzellischer  Mundart  abgefasst,  und  da  die  «  Grenatierer  » 
noch  als  c(  Reuterey »  bezeichnet  werden,  so  mag  die  Ge- 
schichte (welche  vielleicht  beim  Durchzug  angeworbener 
Söldner  passirt  war;  allerdings  aus  älterer  Zeit  stammen. 
Aus  neuerer  Zeit  und  ernsthafter  ist  das  im  Berner  Oberland 
viel  gesungene  Lied,  in  welchem  ein  nach  Amerika  ausge- 
wanderter und  dann  zurückgekehrter  Obersimmenthaler 
seinen  Gemeindsgenossen  von  der  Fahrt  über  das  Weltmeer 
und  von  der  Ansiedelung  in  einer  Farm  recht  anschaulich 
und  anmuthig  erzählt,  jedoch  nicht  entschieden  zur  Nach- 
folge räth.  Das  Lied  ist  mit  Melodie  gedruckt  in  der  Zeit- 
schrift «Die  Schweiz);,  Bern  1859,  S.  115  — 116. 

Anhangsweise  erwähne  ich  hier  zwei  Lieder,  welche 
nicht  ganzen  Gemeinden,  sondern  nur  einzelnen  Personen 
zum  Spott  gedichtet  sind,  aber  mit  Gemeindebräuchen  zu- 
sammenhangen. B.  Wyß  a.  a.  O.  S.  118  berichtet,  daß  nach 
altem  Herkommen  der  « Twingmüller  *  (Inhaber  der  herr- 
schaftlichen Mühle)  einer  Gemeinde  des  Buchsgaues,  da 
eine  benachbarte  Gemeinde  ihm  von  Zeit  zu  Zeit  einen 
Eichstamm  zur  Erneuerung  seines  Wendelbaumes  zu  liefern 
hatte,  zum  Ersatz  dafür  und  für  den  Gewinn,  den  er  aus 
dem  kornreichen  Xachbardorfe  zog,  jährlich  den  vereinigten 
Zunftgliedern  desfelben  einen  Kuchen  (von  der  Größe  eines 
Mühlsteins)  verabfolgen  musste,  der  dann  an  dem  Zunftmahle 
verzehrt  wurde.  Einige  nichtzünftige,  also  von  diesem  Fest 
ausgeschlossene  Mitbürger  machten  auf  die  Zünftler  ein 
Spottlied,  von  welchem  Wyß  einige  Ueberreste  mittheilt. 
Proben  eines  andern  Spottliedes  gibt  er  S.  120 — 121.  —  Die 
Verheiratung  von  Mädchen  aus  einem  Dorfe  in  ein  anderes, 
oder  gar  in  einen  andern  Kanton,  wird  von  den  jungen 
Männern  der  Heimatgemeinde  bekanntlich  bis  auf  neuere 
Zeit  ungern  gesehen  und  mit  allerlei  Spott  verfolgt.  Als  um 
das  Jahr  1825  ein  junger  Mann  aus  dem  Kanton  Bern  eine 


ALLGEMEINE  VOLKSLIEDER  CXV 

Luzernerin  heimführte,  brachten  die  Bursche  der  Braut- 
gemeinde dem  abziehenden  Paar  eine  Katzenmusik  und 
sangen  dazu  ein  SpottHed  auf  Beide,  welches  aber  nur  un- 
vollständig überliefert  ist.  —  Ein  im  obern  Freiamt  (Kanton 
Aargau)  heimisches  Lied  erzählt  von  drei  AVeibern ,  welche 
zusammen  in"s  Wirthshaus  giengen  und  daselbst  so  reichlich 
tranken,  daß  eine  von  ihnen,  welche  die  Zeche  nicht  bezahlen 
konnte,  ihren  Rock  verpfänden  und  im  Hemde  heimkehren 
musste  (((Es  sind  der  AVibere  drei^;,  handschriftlich  mitgetheilt 
von  Rocliholzj.  —  J.  Stutz  führt  in  seinem  (<  Gemälde  aus 
dem  Volksleben*  Bd.  II,  S.  174  zwei  Strophen  eines  (viel- 
leicht von  ihm  selbst  gedichteten)  Liedes  an,  welches  gegen 
allen  Spott  von  Auswärtigen  gerichtet  zu  sein  scheint.  «Mer 
sind  se  gschid  as  ander  Lüt  »  u.  s.  w.  ^  Zwei  Spottlieder 
über  Gemeindeereignisse  sind  als  Proben  dieser  Gattung  in 
die  Texte  aufgenommen. 

Der  Vollständigkeit  wegen  schließe  ich  die  Uebersicht 
der  epischen  Volkslieder  mit  einigen  Angaben  über  jene 
dritte  Gruppe  von  Produkten,  welche  den  Gegenständen 
nach  sich  mit  denen  der  beiden  ersten  und  auch  mit  den 
historischen  Liedern  berühren,  indem  ungewöhnliche  Ereig- 
nisse des  öffentlichen  und  privaten  Lebens  behandelt  werden, 
aber  weder  in  romantischem  noch  in  humoristischem  Tone, 
sondern  mit  trockenem  Ernst  und  einzig  in  der  Absicht, 
Geschehenes  wahrheitsgetreu  zu  berichten.  Da  diesen  Pro- 
dukten wegen  ihrer  poetischen  Werthlosigkeit  eine  Stelle 
unter  den  Texten  nicht  eingeräumt  werden  kann,  so  muß 
■es  im  Interesse  der  Litteratur-  und  Kulturgeschichte  hier 
geschehen.  Sie  gehören  großeniheils  dem  XVII.  Jahrhundert 
an  und  eine  Menge  derselben  findet  sich  besonders  in  der 
Wick'schen  Sammlung  auf  der  Stadt^bibliothek  Zürich,  welche 
schon  M.  L^'steri  für  seine  Verzeichnisse  ausgebeutet  hat. 
Auch  Gödeke  (Grundriß),  Weller  (Annalen  I,  Abtheilung  2) 
haben  eine  Reihe  hieher  gehöriger  Stücke  verzeichnet  und 
ich  gebe  hier  nur  eine  Auswahl,  geordnet  nach  den  ver- 
schiedenen Hauptgegenständen.    Die  weitläufigen  Titel  sind 


CXVI  EINLEITUNG 

dabei  natürlich  meistens  auf  Angabe  der  Hauptsache  reducirt 
und  die  Anfangsworte  der  Texte  nur  in  einzelnen  Fällen 
beigefügt. 

r3ie  Uebersicht  des  bunten  Inhalts  gliedert  sich  ziemlich 
einfach  nach  folgender  Eintheilung  : 

I.  Schreckhafte  Ereignisse  in  der  Natur,  i.  Gewitter. 
2.  Ueberschwemraungen.  3.  Erdbeben  und  Bergstürze. 
4.  Feuersbrünste.  5.  Seuchen.  Nur  ausnahmsweise  werden 
auch  erfreuliche  Erscheinungen  besungen  (wunderbarer  Segen 
im  Ackerfeld  oder  Weinberg). 

IL  Unglücksfälle  und  Verbrechen  in  der  Menschenwelt, 
I.  Fälle  von  Ertrinken.     2.  Hungersnoth.     3.  Mordthaten. 

Anhangsweise  mögen  einige  Produkte  angeführt  werden, 
deren  Veranlaßung  mehr  dem  öffentlichen  Leben  angehört, 
die  aber  doch  nicht  wol  zu  den  historischen  Volksliedern 
gezogen  werden  konnten. 

Von  einem  Wolkenbruch  im  Baselbiet.  174S.  ZSB.  XVIII, 
1974,  16. 

<(  Ein  merkwürdiges  schönes  Lied  von  der  Ueberschwem- 
mung  im  ganzen  Schweizerland»  1762.  ZSB.  XVIII,  1974, 17. 

«Zwei  christenliche  Bußlied  vom  Erdbidem  (-beben)  des 
1601  Jars  und  andern  daruf  folgenden  Himmelzeichen. »  1603. 
(Usteri.) 

Auf  den  Untergang  von  Flurs  (Graubünden)  durch  einen 
Bergsturz  1618.     ZSB.  XVIII,  2019,  5. 

Von  der  Brunst  in  Hasle  1632,  gedruckt  1641.  Von 
M.  Zwaldt.     Berner  Taschenbuch  1880,  S.  50. 

Brand  von  Dagmersellen.  (Erheiterungen  1857,  S.  192.) 
Mundartlich,  aus  neuerer  Zeit. 

«  Ein  nüw  Lied  von  dem  unerhörten  und  wunderbaren 
Stern,  der  gegen  den  Usgang  dieses  Merzens  a.  D.  1573  nun 
fast  5  Monat  by  uns  on  Undergang  am  Himel  herumgat.  »• 
Das  nicht  üble,  aber  nicht  ganz  volksmäßige,  jedenfalls  von 
einem  Geistlichen  verfasste  Lied  deutet  den  Stern  als  Straf- 
zeichen für  die  Bartolomäus-Nacht.     (Usteri.) 

Von  einem  wunderbaren  Roggenstock  mit  130  Halmen, 


ALLGEMEINE  VOLKSLIEDER  CXVII 

deren  jeder  seine  eigenen  Aehren  hatte,  in  Chur  1572.  (Folio- 
blatt mit  Abbildung. )  Anfang :  c<  Ein  trostlich  seltsam  Wunder- 
that. »     (Usteri.) 

«Lobspruch  des  heurigen  neuen  ^^'eins  1680.»  Hand- 
schrift. (Usteri.)  Anfang  :  (t  Der  Wyn  gewachsen  hüre  Gibt 
von  sich  keine  Sure.  » 

«Ein  Lied  vom  Sterbent»  1564.  Die  Seuche  wird  natür- 
lich als  Strafe  und  Mahnung  zur  Buße  aufgefasst.    (Usteri.) 

«  Der  Friesel,  ein  neuer  und  böser  Gast  in  der  Schweiz.» 
(Die  Krankheit  wird  aus  verschiedenen  Arten  von  neuem 
Luxus  hergeleitet  und  als  Strafe  dafür  betrachtet.  Anfang: 
«Ja,  neue  Sünden,  neue  Strafen,  Das  höre  doch,  wer  Ohren 
hat.  ;>     (Usteri.) 

«  Klag  über  die  Außfchlächte  »  (eine  Art  Nesselfieber '?). 
Das  Gedicht  ist  scherzhaft  gehalten,  mit  fingirten  Appellativ- 
Ortsnamen  wie  « Gniffikon ))  (von  kneifen,  zwicken),  Um- 
schreibungen wie  «Bickweilerische  Rotte»  (Flöhe,  von  bickeu. 
stechen);  auch  als  Druckort  ist  «Kretzingen»  (von  kratzen) 
angegeben.  Der  Schauplatz  muß  in  der  Nähe  einer  warmen 
Heilquelle  (Baden  oder  Schinznach  im  Aargau)  gelegen  haben. 
ZSB.  XVm,  1985,  13. 

«  Bericht  von  dem  Schiffbruch,  so  bei  Klingnau  geschehen 
den  andern  November  in  disem  1598  Jahr,  und  was  für 
frommen  Leuten  von  Zürich  und  andern  Orten  jämmerlich 
ertrunken  sind.  Durch  Ambros.  Wetz.  »    ZSB.  XVIIL  1985,  11. 

Untergang  eines  Schiffes  mit  Hochzeitleuten  auf  dem 
Hallwyler  See.  1608.  Anfang:  «Nun  schweigen  still  und 
haben  Ruh»  (-en,  Pers.  Plur.  im  Sinn  von:  lasst  uns  -  ). 
ZSB.  XVIII,  1791''.  Etwas  modernisirt  und  verkürzt  von 
Rochholz  im  Aarg.  Taschenbuch  1861  — 1862,  S.  iii. 

Ein  Lied,  gedichtet  von  Hans  Wagispach  aus  Spiez, 
einem  der  zahlreichen  berneroberländischen  Volksdichter  des 
XVII.  Jahrhunderts,  erzählt  in  28  Strophen,  wie  Nikiaus  Omlin 
von  Stans  im  Jahr  161 7  auf  einer  Winterreise  in's  Waadtland 
in  den  Bergen  des  Simmenthaies  verirrte  und  nach  schwerer 
Noth    gerettet   wurde.     Das    Lied    ist    gedruckt   im    Berner 


CXVIII  EINLEITUNG 

Taschenbuch  für  1873  und  in  den  Gedichten  von  F.  Merz. 
Bern  1882. 

«Ein  new  Lied,  welches  Gabriel  Rubi  von  Frutigen  in 
seiner  Gefangenschaft  zu  Thun  gedichtet,  der  mit  einem 
Gesellen  wegen  Uebelthaten  zu  Bern  hingerichtet  wurde.  »• 
1601.     Gedruckt  1610.     (Usteri.) 

Ein  ähnliches  von  Hans  Aeschlimann  in  Signau  (Kt.  Bern)^ 
stark  mundartlich.  ZSB.  XA'III,  1974.  12.  Ein  drittes  im 
Berner  Taschenbuch  1880.  S.  71  —  72. 

Ein  nicht  übles  Lied  von  der  Ermordung  des  Kloster- 
ammanns Otmar  Ledergerb  von  Wyk  durch  Bauern  aus  dem 
Thurthal,  im  Anfang  des  XVIL  Jahrhunderts,  enthält  die 
Stiftsbibliothek  St.  Gallen,  Handschrift  1425,  S.  54 — 59. 

«  Ein  erbärmlich  neues  Lied  von  einer  alten  Wittfraw 
und  fünf  kleinen  Kindern,  welche  von  Hungers  wegen  ent- 
schlafen sind,  aus  Gottes  Kraft  ohn  leibliche  Speis  eine  Zeit 
lang  wunderbarlich  erhalten  worden.  Gestellt  durch  Gre- 
gorium  Meyer,  Organisten  zu  Basel.  1571.^^  s.  LHiland, 
Schriften  IV,  S.  125.  (Eine  in  der  That  rührende  Geschichte, 
mit  welcher  die  von  dem  armen  Mann  mit  sieben  Kindern 
[s.  oben]  verglichen  werden  kann  und  ein  von  Uhland  a.  a.  O. 
erwähntes  Lied  von  einer  armen  Frau  mit  hungrigen  Kindern, 
aus  dem  Liederbuch  des  Herrn  v.  Mülinen  in  Bern.) 

«Ein  wunderbarliche  Geschieht  von  einem  Pfaffen  und 
seiner  Kellerin,  wie  sie  ihm  der  Teufel  angesichts  seiner 
Augen  hinwegfürt «  etc.  Folioblatt  mit  Holzschnitt,  wie  viele 
ähnliche  Stücke,  in  der  ^\'ick*schen  Sammlung,  der  Text  auch 
in  dem  Winterthurer  Bd.  64.  Nr.  12.  Anfang:  «Ein  Dorf, 
das  ligt  nit  wit  von  Gent,  Ist  zu  der  Obentheur  genennt.» 
Schluß:  «Mein  Nam,  der  ist  gar  wol  erkannt:  Ich  bin 
Heinrich  Wirry  genannt.  »  Lieber  die  Sagen  von  Pfaffen- 
kellnerinnen s.  Lütolf,  .Sagen  S.  35  —  36.  366 — 369.  Simrock, 
Mythol.  5,  S.  204. 

«  Ein  neu  Lied  über  den  Rügischen  Abfall.  >)  1676.  ZSB. 
XVIII,  1974,  5.  Vater  und  Sohn  Rüg  (der  heutige  Geschlechts- 
name RUegg?)  waren  beide  zum  Katholicismus  übergetreten. 
Anfang :  «  O  Rüg,  wie  bist  verblendet !  0 


ALLGEMEINE  VOLKSLIEDER  CXIX 

Auch  Gegenstände  aus  der  altern  Geschichte  und  Sage 
wurden  mehrfach  behandelt.  Solche  Produkte  können  aber 
weder  zu  den  historischen  I  iedern  noch  zu  der  letzten  Gruppe 
gerechnet  werden,  weil  ihnen  das  Moment  der  Gleichzeitig- 
keit fehlt.  Beispielsweise  sei  erwähnt,  daß  Gwer  Ritter  ein 
Lied  von  der  Erbauung  von  Bern  verfasste.  Weller.  Ann.  I, 
418.  ZSB.  XVIII,  1984,  6.  Ein  Lied  vom  Tode  des  Grafen 
Bero  von  Lenzburg  auf  einer  Bärenjagd  findet  sich  ZSB. 
XVIII.  1974,  8.  Ein  blinder  Hans  Erb  besang  die  Stiftung 
des  Klosters  Königsfelden.     (Ebd.) 

B.  Lyrische  weltliche  Lieder. 

Diese  letzte  Abtheilung,  deren  Titel  natürlich  nicht  im 
engern  Sinne  zu  nehmen  ist.  bedarf  keine  allgemeine  Ein- 
leitung und  auch  zu  den  einzelnen  Gruppen  nur  wenige 
Vorbemerkungen.  Mit  Ausnahme  der  vorangestellten  Liebes- 
lieder, welche  allgemeinen  Charakter  tragen  und  zum  Theil 
deutsche  Quellen  oder  Parallelen  haben,  sind  die  meisten 
übrigen  speciell  schweizerisch  und  daher,  soweit  sie  über- 
haupt Mittheilung  verdienen,  ohne  Weiteres  in  den  Texten 
aufzusuchen.  Sachliche  Parallelen  in  deutschen  Landen  gibt 
es  natürlich  auch  hier,  aber  Aufsuchung  und  Vergleichung 
derselben  gehört  nicht  zu  meiner  Aufgabe. 

I.  Liebe  und  Kiltgang. 

Ich  verzeichne  hier  zunächst,  und  zwar  nach  alphabet- 
ischer Ordnung  der  Anfangsworte,  solche  Lieder,  welche 
auch  in  Deutschland  bekannt  sind  oder  nahe  Parallelen 
finden. 

«Ach  Mueter,  liebi  Mueter,  i  sott  es  Ding  ha»,  zwar 
in  schweizerischer  Mundart,  aber  entsprechend  Nr.  230  bei 
Simrock.  Gespräch  zwischen  Mutter  und  Tochter,  wobei  die 
erstere  zunächst  auf  eine  Reihe  von  Kleidungsflücken  räth, 
welche  die  Tochter  mit  ihrem  Anliegen  meinen  möchte, 
zuletzt  auf  einen  Mann,  den  das  Mädchen  als  ihr  wirkliches 
Bedürfniß  bekennt. 


CXX  EINLEITUNG 

((Ach  Mueter,  liebi  Mueter,  gib  du  mir  einen  Rath. » 
Auch  dieses  Lied  hat  schweizerische  Sprachform,  trifft  aber 
sonst  mit  den  Strophen  6 — 12  des  bei  Erk  Nr.  37"  stehenden 
Liedes  zusammen,  welches  beginnt  (( Es  gieng  ein  Mädchen 
grasen »  und  mit  diesem  Anfang  schon  bei  den  epischen 
Liedern  aufgeführt  worden  ist. 

((Ach  Schatz,  was  hab  ich  dir  Leides  gethan?;),  hand- 
schriftHch  bei  Stutz,  5  Strophen,  mit  einigen  Abweichungen 
von  Mittler  Nr.  909.  Zwei  Strophen  daraus  als  besonderes 
Lied:  ((Die  Armuth  ist  halt  gänzlich  veracht. »  Die  Schweiz 
1859,  S.  95. 

((Dort  oben  uf  dem  Berge,  dort  stot  es  Ziegelhus », 
handschriftlich  bei  Stutz,  aber  vermengt  mit  einem  andern 
und  auch  sonst  mit  Entstellungen  behaftet,  entspricht  Nr.  769 
und  770  bei  Mittler.  Die  zweite  Strophe  unseres  Textes 
lautet : 

Die  ersti  ist  mi  Schwöster, 

Die  ander  goht  mi  nüt  a, 

Die  dritt  hab  ich  genomen, 

Zur  Ehre  wil  ich  si  ha. 
(«Ehre»  nicht  statt  «Ehe»,  aber  gleichbedeutend,  wie  auch 
ehrlich  =  chlich  vorkommt).  Statt  ((  Muskaten  »  hat  unser 
Lied  (( Nüssen  »  (Nüsse)  und  die  betreffende  Strophe  lautet 
auch  sonst  verschieden  von  der  letzten  bei  Mittler  Nr.  770: 
Die  Nüsse  die  sind  bitter, 

Die  Nägeli  die  sind  räß  (von  scharfem  Geschmack), 
Das  gib  ich  meiner  Liebste, 
Daß  si  miner  nüd  vergeß. 
Statt  der  zwei  letzten  Zeilen  von  Str.  2  ebd.  heißt  es  bei  uns: 

Es  möcht  si  Gott  erbarme, 

Daß  mir  nüt  z'  mahle  händ. 
In  einer  luzernischen  Fassung    desfelben   Liedes   lautet   die 
dritte  Strophe: 

Und  Scheiden  über  Scheiden 

Isch  gar  es  bitters  Chrut, 

Wenn  i  wüssti,  wo  es  wiechsi, 

Wett  grabe  d'  Würzeli  us. 


ALLGEMEINE  VOLKSLIEDER  CXXI 

Auch  in  dem  Liede  der  Guggisberger  mit  dem  Refrain 
«  Simeliberg  ))  (bei  Mittler  Nr.  1226)  erscheinen  die  beiden 
Bäumlein,  aber  die  Muskaten  als  süß.  Parallelen  gibt  Uhland, 
Schriften  III,  441.  542.  IV,  32.  Ueber  das  uralte  Bild  von 
der  Mühle,  die  Gold  und  Liebe,  Glück  und  Frieden  mahlt, 
s.  ebd.  IV,  S.  34—35.     Simrock,  Mythol.  5,  326. 

«.Es  sin  es  Mal  zwo  Gspiele  gsi. :»  Dies  Stück  entspricht 
in  der  Hauptsache  dem  deutschen  (aus  dem  XVI.  Jahrhundert)  : 
«Es  waren  einmal  zwei  Gespielen»,  Mittler  Nr.  140 — 142, 
doch  ist  unsere  Fassung  im  Anfang  etwas  unvollständig,  da- 
gegen am  Schluß  erweitert ;  auch  ist  die  vierzeilige  Strophe 
in  je  zwei  aufgelöst,  die  durch  einen  in  der  Mitte  einge- 
schobenen Refrain  dreizeilig  werden.  (Das  in  diesem  Refrain 
vorkommende  Wörtchen  man  scheint  das  niederdeutsche,  im 
Sinne  von  « nur »,  synonym  mit  dem  danebenstehenden 
Schweiz.  )iume,  aus  mhd.  nkvan,  muwaii.  mit  demselben  Ueber- 
gang  von  w  in  in  wie  in  dem  nd.  man.)  Der  Text  findet 
sich  bei  Kurz  S.  102  —  103,  in  der  «Schweiz»  1858,  S.  168 
auch  eine  Melodie  dazu. 

«Guter  Himmel,  ich  muß  scheiden»,  Mittler  Nr.  751, 
handschriftlich  bei  Stutz,  doch  so,  daß  Str.  6  und  7  fehlen, 
dagegen  nach  Str.  4  noch  die  folgende  eingeschaltet  ist  :■ 

Und  so  lang  das  Feuer  brünnet 

Und  die  Felsen  tmgen  Stein, 

Und  so  lang  das  Wasser  rünnet, 

Sollst  du  sein  und  bleiben  mein. 

«  Heute  ist  die  Wacht  an  mir  »,  handschriftlich  bei  Stutz, 
=  Mittler  Nr.  793,  doch  nur  mit  3  Strophen  (es  fehlen  3 
und  4)  und  einigen  Entstellungen.  Nur  eine  Variation  des- 
felben  Liedes,  combinirt  mit  Nr.  792,  ist  das  bei  R.  Wyß  S.  85  : 
«  Hoch  auf  "m  Berg  und  teuf  im  Thal. » 

«Ich  habe  mir  eines  erwählt»,  handschriftlich  bei  Stutz, 
=  Mittler  Nr.  796,  aber  mit  mehrfachen  Entstellungen  und 
einer  unpassenden  Zusatzstrophe  am  Schluß. 

<(  Ich  kann  und  mag  nicht  frölich  sein  »,  handschriftlich 
bei    Stutz    und    etwas    abweichend   aus   dem   Kanton   Bern, 


CXXII  EINLEITUNG 

«Schweiz»   1860,  S.  19,   in   beiden  Quellen  nur  6  Strophen 
statt  der  8  bei  Mittler  Xr.  903. 

(^Ich  weiß  ein  blaues  Blümelein. »  Ein  Lied  mit  diesem 
Anfang  soll  nach  Angabe  unserer  Chronisten  Etterlin  und 
Tschudi  der  Graf  Hans  von  Habsburg-Rapperswyl  während 
seiner  Gefangenschaft  in  Zürich  (nach  der  Mordnacht  13 50) 
gedichtet  haben  und  es  soll  nachher  viel  gesungen  worden 
sein.  Leider  lässt  sich  der  Originaltext  aus  keinem  der 
ähnlichen  Lieder  späterer  Zeit  mit  Sicherheit  herstellen  (so 
wenig  als  der  des  ((Bohnenliedes  »).  Vgl.  Uhland,  Schriften 
III,  436  ff.  531.  IV,  49—50.  Bsechtold,  Deutsches  Lesebuch 
S.  514  gibt  als  ((Lied  des  gefangenen  Grafen»  das  bei  ^Mittler 
Nr,  698  (Uhland  I,  108)  stehende:  «Weiß  mir  ein  blUemli 
blawe. » 

((  O  Berlin,  ich  muß  dich  lassen.»  Schweiz  1858,  S.  213, 
aus  dem  Berner  Oberland,  mit  Melodie,  5  Strophen  statt 
der  7  bei  Mittler  Nr.  941   (es  fehlen  Str.  4  und  6). 

«  Schönstes  Kind,  vor  deinen  Füßen  Lieg  ich  hier,  wein 
bitterlich»  u.  s.w.  Dieses  Lied,  5  vierzeilige  Strophen,  mit- 
getheilt  von  B.  Wyß,  Schule  und  Leben  S.  34.  kann  ich  zwar 
anderswo  nicht  nachweisen,  aber  es  wird  nach  Ton  und 
Sprache  schwerlich  als  schweizerisches  Produkt  gelten  dürfen. 
Zeile  2  und  3  der  vierten  Strophe  scheinen  entstellt  zu  sein. 

((Was  hab  ich  dir  denn  Leides  gethan?»  wesentlich  = 
Mittler  Nr.  909,  handschriftlich  bei  Stutz  und  aus  Beringen, 
Kt.  Schaffhausen,  ein  Stück  davon  auch  aus  Luzern,  s.  Texte : 
«.  Meine  Mutter  hat  gesagt.  » 

((  Schönster  Schatz,  gleich  wo  du  bist  >»  =  ]\Iittler  Nr.  911, 
aber  die  erste  Strophe  fast  ganz  abweichend  und  entstellt. 
I,  2:  Mein  allererst  Gedanken,  Wenn  ich  vor  dir  verklaget 
bin,  Kein  Zorn  sollst  du  mir  tragen.  Str.  2  =  4  bei  Mittler^ 
aber  Zeile  4  fehlt,  da  überhaupt  die  Strophen  nur  4  Zeilen 
haben.  Str.  3 :  Wann  ich  dich  seh  spazieren  gehn,  Thut 
sich  mein  Herz  erfreuen  ;  Wenn  ich  schon  nicht  kann  bei 
dir  sein,  Thut  sich  die  Lieb  erzeigen.  Str.  4  (bei  Mittler 
fehlend):   Hübsch  bin  ich  nicht  und  auch  nicht  reich.   Das 


ALLGEMEINE  VOLKSLIEDER  CXXIII 

wirst  du  selber  wissen;  Ehrlich  und  fromm  ist  mein  Reich- 
thum,  Mein  Herz  will  ich  dir  schenken.  Str.  5,1:  Ein  Ring 
hast  du,    Darauf  steht  beider  Namen. 

«Stets  i  Trure  mues  i  lebe»,  besonders  heimisch  im 
Kleinthal  des  Kantons  Glarus.  bei  Kurz  S.  147,  6  Strophen, 
im  Ganzen  =  Mittler  Xr.  746  —  750.  Erk  Nr.  164,  mit  Weg- 
lassung mehrerer  dortigen  Strophen,  dagegen  mit  Zusatz  der 
2  letzten: 

Bis  die  Berge  thun  sich  büge 

Und  die  Hügel  senke  sich, 

Bis  der  Tod  mir  nimt  das  Lebe, 

So  lang  wil  i  liebe  dich. 

Bis  der  Mühlstei  traget  Rebe, 
Darus  flüßet  süßer  Wi, 
Bis  die  Distle  traget  Fige, 
So  lang  sollst  du  blibe  mi. 

«Wenn  alli  Wässerli  fließe.»  Mittler  Nr.  787.  B.  Wyß, 
<i  Schwizerdütsch »  S.  88  gibt  nur  die  erste  Strophe  und  den 
Anfang  der  zweiten : 

I  winke-n-ihm  mit  den   Auge, 
I  tritt  ene  [mit  dem  Fueß]  .  .  . 

«Wenn  ich  ein  Vöglein  war.»  Ein  altes  Liederbuch 
aus  dem  Berner  Oberland  gibt  die  drei  ersten  Strophen,  wie 
sie  bei  Mittler  Nr.  753  stehen,  dann  eine,  die  aus  Mittler 
Nr.  752,  Str.  5,  mit  verändertem  Versmaß  und  Wortlaut, 
herübergenommen  ist,  und  schließlich  noch  die  folgende: 

Ei  du  mein  Engelskind 

Käst  mir  mein  Herz  an;;ündt. 

Vor  Lieb  es  brinnt. 
Eh  ich  dich  lassen  thu. 
Sterben  ich  will. 

('  Zwischen  Berg  und  tiefem  Thal  Saßen  einst  zwei 
Hasen»  u.  s.  w.  R.  Wj-ß  Nr.  57  lässt  auf  diese  Anfangsftrophe 
des  bekannten  Kinderliedes  eine  Fortsetzung  folgen,  die,  wie 
er  selbst  (S.  XVI)  findet,  einem  andern  Liede  angehört,  das 
bei   B.  Wvß,  «Schwizerdütsch»    S.  200  steht,    aber    in    der 


CXXIV  EINLEITUNG 

Sprache  schwäbische  Heimat  verräth,  übrigens  selbst  wieder 
verschiedene  Pjestandtheile  enthält.  (Anfang:  «Wenn  i  scho. 
kei  Schatz  nit  hab. »)  Auch  Stutz,  Sieben  Mal  sieben  Jahre 
S.  363  gibt  eine  ähnliche  Mischung. 

Als  Gegenstück  erwähne  ich  hier  noch  das  Lied  von 
einer  Nonne,  welche  in  der  Einsamkeit  und  dem  strengen 
Dienste  des  Klosters  mit  ihren  Gedanken  doch  immer  zu 
den  Freuden  der  weltlichen  Liebe  zurückkehrt.  Der  Anfang 
(•:  "s  ist  keis  verdrießlichers  Lebe »  entspricht  Nr.  845  bei 
Mittler,  das  Uebrige  Nr.  846,  insbesondere  auch  der  Refrain 
(( O  Himmel,  was  hab  ich  gethan!  Die  Liebe  ist  schuld 
daran  »,  sonst  in  Liedern  von  jungen  Soldaten  vorkommend. 
Vgl.  Mittler  Nr.  1452.  Die  mundartliche  Form  des  Liedes 
ist  mir  durch  Rochholz  aus  dem  aargauischen  Freiamt  mit- 
getheilt ;  eine  mehr  schriftdeutsche  fand  ich  in  der  Samm- 
lung von  M.  L^steri. 

Eine  zweite  Gruppe  bilden  Produkte,  welche  unzweifel- 
haft schweizerischen  Ursprungs  sind,  aber  nicht  ganz  echte 
Volkslieder,  übrigens  aus  schweizerischen  und  deutschen 
Sammlungen  bereits  hinlänglich  bekannt.  J-  R-  ^^  yß  zeigt 
in  der  Vorrede  zu  seiner  Sammlung  von  Schweizer  Kuh- 
reihen und  Volksliedern,  daß  er  nicht  gewissenlos  verfuhr, 
wenn  er  alte,  zum  Theil  entstellte  oder  fragmentarische 
Volkslieder  durch  eigene  Zuthaten  auffrischte  und  ergänzte: 
aber  daß  alle  Stücke  seiner  Sammlung,  die  keinen  Namen 
tragen  und  denen  er  keine  Bemerkungen  beigefügt  hat,  in 
ihrer  vorliegenden  Gestalt  aus  dem  Volksmunde  geschöpft 
seien,  kann  ich  nicht  glauben:  es  ist  ja  möglich,  daß  er 
Produkte,  die  ihm  als  aus  jener  Quelle  geflossen  mitgetheilt 
wurden,  in  guten  Treuen  als  solche  annahm.  Ebenso  ist  es 
nun  der  Wyßischen  Sammlung'  selbst  ergangen:  sie  wurde 
ohne  weitere  Kritik  nicht  bloß  in  Deutschland,  sondern  auch 
in  der  Schweiz  (z.  B.  von  H.  Kurz)  ausgebeutet  und  so 
figuriren  nun  manche  zweifelhafte  Produkte,  meistens  die- 
selben, in  den  verschiedenen  Sammlungen.  Die  reine  Ge- 
stalt derselben  herzustellen  ist  natürlich  heute  noch  weniger 


ALLGEMHIXE  VOLKSLIEDER  CXXV 

möglich  und  sie  brauchen  hier  bloß  als  bekannt  oder  leicht 
zugänglich  (in  den  Sammlungen  von  Mittler,  Erk,  Kretz- 
schmer  u.  a.)  mit  ihren  Anfängen  registrirt  zu  werden.  Für 
bloßes  Machwerk  eines  städtischen  Liebhabers  der  Volks- 
fprache  und -Sitte  hake  ich  auch  das  im  (v  Wunderhorn»  11, 
S.  34(3  aufgenommene  Liebesgespräch  und  einige  ähnliche 
Stücke,  welche  mir  handschriftlich  aus  dem  Nachlaß  von 
J.  i\L  Wagner  in  Wien  durch  Dr.  Bsechtold  mitgetheilt  worden 
sind  (im  Anfang  dieses  Jahrhunderts  von  Prof.  S.  Studer  in 
Bern  an  H.  v.  d.  Hagen  gesandt,  der  damals  Volkslieder  aus 
der  Schweiz  für  seine  Sammlung  suchte).  Unter  den  Stücken 
der  Wyßischen  Sammlung  sind  mehrere ,  zum  Theil  nach 
ausdrücklicher  Angabe  des  Herausgebers,  zusammengesetzt 
aus  kürzeren  Reimsprüchen,  welche  in  dieser  Gestalt  aller- 
dings im  Volksmunde  gelebt  haben  mögen  oder  noch  heute 
vorkommen.  Dies  gilt  z.  B.  von  Xr.  40  « Hier  unten  im 
Schatte/).  "I  ha  diheim  es  Meiteli  gha»  (Kretzschmer  S.  270) 
ist  nicht  rein  schweizerisch.  ((Alis  Büebli  ist  wol  änet  dem 
Rhi  0  (Erlach  IV,  354  und  auch  im  Wunderhorn,  angeblich 
von  einem  fliegenden  Blatt  aus  Bern)  enthält  in  Strophe  4 
und  5  zwei  bekannte  Volksreime,  die  übrigen  Strophen  finden 
sich  sonst  nicht  und  scheinen  fremdes  Flickwerk.  «  Mis  Lieb 
ist  gar  wit  inne  »,  bei  Wyß  Xr.  5  «Kuhreihen  der  Emmen- 
thaler.»  betitelt,  vielmehr  ein  l^iebesgespräch,  besteht  aus  nur 
locker  zusammengefügten  Reimsprüchen.  Eher  ein  Ganzes 
ist  Nr.  TyG  «Mis  Lieb,  wenn  du  zur  Chilche  tuest  ga  »  (doch 
gibt  B.  Wyß,  Schwizerdütsch  S.  174 — 175  nur  die  zwei  ersten 
Strophen  und  mit  etwas  verschiedenem  Wortlaut).  Dasfelbe 
gilt  von  Nr.  50  «  Ond  's  Liebe  halte  mer  för  kä  Sönd ». 
L'nzweifelhaft  echt  und  alt,  eines  der  schönsten  Lieder,  auch 
durch  seine  nordisch  klingende  Moll-^Melodie,  ist  das  Guggis- 
berger :  « 's  isch  eben  e  ]^Iönsch  uf  Erde  —  Simeliberg. » 
Endlich  ist  hier  anzuführen  «Uf  em  Bergli  bin  i  gsesse», 
was  Goethe  bei  uns  sich  anzueignen  geruht  hat,  wie  anders- 
wo « Röslein  auf  der  Heide  »  und  die  zwei  ersten  Strophen 
von:  «Wie  kommts,   daß  du  so  trurig  bist?  0     Vgl.  Mittler 


CXXVI  EINLEITUNG 

Nr.  774.  775.  777.  Einige  unbedeutende  Varianten  zum  erstem 
finden  sich  im  Solothurner  Wochenblatt  1828,  S.  261 ;  ein  bei 
Kurz  S.  215  stehendes,  aus  Bronner,  Der  Kanton  Aargau  II, 
3—4  entnommenes  Gedicht  beginnt  wie  das  Volksliedchen 
und  hat  auch  einige  andere  Gedanken  demselben  entnommen, 
ist  aber  sonst  verschieden  und  trägt  den  sentimentalen  An- 
strich, der  viele  ähnliche  Machwerke  von  echten  Volksliedern 
unterscheidet. 

Einige  von  den  oben  angeführten  Liebesliedern  und  eine 
Reihe  anderer,  welche  jedoch  nur  zum  Theil  schon  bekannt 
sind,  können  unter  den  besondern  Titel  Kiltlieder  gebracht 
werden,  weil  sie  sich  mehr  oder  weniger  ausdrücklich  auf  die 
Sitte  des  Kiltganges  d.  h.  der  nächtlichen  Liebeswerbungen 
und  Besuche  bei  Mädchen  beziehen,  üeber  diese  Sitte  als 
solche  ist  hier  nicht  weiter  zu  handeln,  sondern  zu  verweisen 
auf  Liebrecht,  Zur  Volkskunde  S.  378,  wonach  sie  jedenfalls 
alt  ist  und  weit  verbreitet  war,  besonders  auch  bei  der 
keltischen  Bevölkerung  von  England,  die  zum  Theil  noch 
heute  genau  denselben  streng  gehaltenen  und  nicht  unsitt- 
lichen Brauch  übt,  der  früher  auch  in  der  Schweiz  galt,  aber 
natürlich  allenthalben  leicht  ausarten  konnte.  Jedenfalls  war 
die  Sitte  nicht  schlechter,  als  was  in  höheren  Kreisen  Aehn- 
liches  im  Mittelalter  galt,  und  unsere  Kiltlieder  entsprechen 
genau  den  «  Tageliedern  »  der  Minnesänger  und  Troubadours  \ 
Die  bei  den  Kiltbesuchen  üblichen  sog.  Kiltsprüche  der 
Bursche,  oft  sehr  lang,  in  einer  eigenthümlichen  Reimprosa, 
allerlei  scherzhaften  Sinn  und  Unsinn  enthaltend,   sind  von 


^  Vgl.  B.nrtsch,  Ueber  die  romanischen  und  deutschen  Tage- 
lieder, und  Schmidt  in  der  Zeitschrift  für  deutsche  Philologie  XII,  338. 
Die  Frage  ist  bloß,  ob  der  Brauch  von  oben  nach  unten  gedrungen 
sei  oder  umgekehrt.  Auf  denselben  kann  vielleicht  auch  folgende 
Stelle  aus  dem  Stadirecht  von  Dießenhofen  bezogen  werden:  «Swele 
(wer)  nahtes  in  ains  hus  kont  und  begriffen  wirt,  den  sol  man  für 
gericht  füeren,  es  sy  denne  daß  ain  frowe  in  dem  huse  by  ir  eide 
behabe  (behaupte),  daß  sy  in  het  inverlan  oder  zu  ihr  geleit. » 
(Schauberg,  Rechtsquellen  II,  13.) 


ALLGEMEINE  VOLKSLIEDER  CXXVII 

den  Liedern  wol  zu  unterscheiden  und  gehören  nicht  hieher. 
Kürzere  Proben  finden  sich  in  Bronners  «.  Kanton  Aargau  >> 
II,  75.  Die  von  Rochholz  in  Birlingers  Alemannia  IV,  i 
mitgetheilten  sind  von  anderer  Art  und  im  Folgenden  be- 
rücksichtigt, aber  zum  Theil  unter  den  Titel  der  c  Jahres- 
zeiten »  gebracht.  Die  hieher  gehörigen  und  bereits  bekannten, 
aber  nicht  ganz  zuverläßigen  Kiltlieder  werden  nachfolgend 
angeführt;  die  übrigen  s.  Texte. 

«Es  isch  e  guets  Hirtli.»     (Wyß,  Kurz,  Mittler.) 
'i  Es  isch  es  ]\Ieitschi  i  disem  Zwing.  »     (ebd.) 
«Gang  mer  nid  über  mis  Mätteli. »     (ebd.) 
«  Gueten  Abe,  Vreneli.  »     (ebd.) 

«  O  Ueli,  min  Ueli,  chum  du  zue  mer  z'  Chilt.  >>     (ebd.) 
«  Schätzeli,  was  trurist  du.  »     (ebd.) 
«Wenn  ig  es  Bure-Chätzeli  war.);     (Wyß,  Mittler.) 
Zwei  Kiltlieder  hatte    auch  Prof.  S.  Studer   an  H.  von 
der    Hagen   gesandt,    sie    sind   aber   von   der    zweifelhaften 
Beschaffenheit  wie  die  oben  aus  derselben  Quelle  angeführten 
Produkte.     Es   gibt  noch   einige   kleinere,  welche  aber  un- 
bedeutend  sind   oder    unter   den  kurzen  Reimsprüchen   am 
Schluß  der  Texte  angebracht  werden  können.    Auch  einige 
von  den  obigen  Stücken  lassen  sich  in  solche  Bestandtheile 
auflösen.     «  Schätzli  bist  bös  oder  kennst  mi  net,    Oder  ist 
das  dei  Fenster  net?»    verräth   sich   durch   die  Sprache  als 
schwäbisch.    Eine  classische  Darstellung  des  Kiltgangs  gibt 
das  bekannte  Lied   von  Kuhn   «Hoscho,  Eisi,   la  mi  ine  I  » 
(auch  bei  Wyß  S.  51). 

2.  Hausrath  und  Hochzeit. 
Auch  wenn  die  Liebeswerbung  Anklang  findet,  führt  sie 
nicht  sofort  zur  Hochzeit,  sondern  zunächst  zur  Sorge  um 
den  nöthigen  Hausrath,  und  an  der  Schwierigkeit,  diesen 
zu  beschaffen,  scheitert  oft  die  Liebe  nahe  am  Ziele.  Die 
Volksdichtungen,  welche  sich  auf  diesen  Gegenstand  beziehen, 
gehören  mehr  in  die  Classe  der  Sprüche  als  der  eigentlichen 
Lieder,    doch  werden   sie   am   besten  hier   eingereiht.     Ein 


CXXVIII  EINLEITUNG 

Stück,  welches  hieher  gezogen  -werden  konnte,  ist  oben  bei 
den  epischen  angeführt  -worden  {« Ein  armer  Mann  -wollt 
weiben»).  Mehr  schAveizerische  Farbe  als  jenes  trägt  das 
von  Uhland,  Schriften  IV,  247  erwähnte  Gedicht  0  Der  Haus- 
rath  w  auf  einem  fliegenden  Blatt,  Basel  1569.  Dasfelbe  fand 
sich  auch  in  dem  Liederbuch  aus  dem  Berner  Oberland  und 
ist  aus  dieser  Quelle  abgedruckt  im  Berner  Taschenbuch  1880 
S.  73  ff.  Zur  Mittheilung  eignet  es  sich  wegen  seines  Spruch- 
charakters und  auch  schon  wegen  seiner  Länge  nicht,  es  ist 
aber  bemerkenswerth  und  enthält  mehrere  Anklänge  an  das 
ebenfalls  aus  dem  Berner  Oberland  stammende  Lied  «Ei  du 
mein  schöne  Margret»,  welches  in  die  Texte  aufgenommen 
ist.  Näher  steht  ihm  aber  das  ältere  Gedicht  « Von  dem 
husrate»,  welches  Pfeiffer,  Altdeutsches  Uebungsbuch  S.  137 
— 138  aus  einer  Straßburger  Handschrift  mittheilt.  —  Den 
zwei  anderen  Stücken,  welche  in  unsere  Texte  aufgenommen 
sind,  kommen  am  nächsten  die  bei  Rochholz,  Alemannisches 
Kinderlied  S.  163  — 168.  Der  ältere  Hausrathspruch  geht  hier 
allerdings,  seiner  ernsthaften  Motivirung  entkleidet,  in  ein 
Sprechspiel  für  Kinder  über.  Sein  ursprünglicher  Zusammen- 
hang mit  dem  Kiltspruch  erhellt  aus  einem  Produkt,  welches 
unter  dem  Titel  « Hausrath-  und  Verlobungsbrief»,  hand- 
schriftlich und  gedruckt  im  Kanton  Schwyz  verbreitet,  in 
unregelmäßigen  Reimpaaren  abgefasst,  eine  Aufzählung  aller 
möglichen  Bestandtheile  des  Hausrathes  enthält,  durch  deren 
Besitz  der  Freier  seine  Werbung  zu  unterstützen  hofft. 

Hochzeitlieder  haben  wir  drei,  sämmtlich  aus  älterer 
Zeit  und  darum  doppelt  werthvoll,  nur  leider  etwas  mangel- 
haft überliefert,  s.  Texte.  —  Anhangsweise  mag  hier  noch 
ein  Lied  auf  die  Weiber  erwähnt  werden,  von  welchem  Lütolf 
in  seinen  Beiträgen  zur  Geschithte  des  Volksfchauspiels  im 
Kanton  Luzern  (Geschichtsfreund  Bd.  XXIII,  S.  185)  nur  drei 
Strophen  mittheilt;  Anfang:  «Es  ist  gewiß  und  kein  Gedicht, 
Was  das  Buch  der  Weisheit  spricht :  Man  soll  keinem  Weibs- 
bild trauen »  u.  s.  w.  Dieses  Lied  scheint  zwar  der  Sprache 
nach  weniger  schweizerisch  als  ein  anderes,  ebenfalls  aus 
einem  altern  Volksfchauspiel  entnommenes;  s.  Texte. 


ALLGEMEINE  VOLKSLIEDER  CXXIX 

An  den  Ehestand  würden  sich  am  nächsten  allerlei 
Lebenserfahrungen  und  -betrachtungen  anschließen  :  aber  wir 
haben  nur  AVeniges  aus  diesem  Gebiet  anzuführen.  Neben 
den  zwei  Stücken,  welche  in  die  Texte  aufgenommen  sind, 
lassen  sich  etwa  hieher  ziehen :  Das  bekannte  «  Die  Gedanken 
sind  frei»  (Mittler  Nr.  995  —  996),  welches  auch  Stutz  in  seiner 
handschriftlichen  Sammlung  hat,  doch  nur  mit  4  Strophen, 
indem  die  zweite  der  Nr.  996  ganz  fehlt,  die  vierte  und 
fünfte  in  eine  zusammengezogen  sind,  dagegen  als  dritte 
die  folgende  erscheint : 

Die  Gedanken  sind  frei 

hl  jedem  jedem  Lande, 

Drum  macht  man  sie  auch 

Nicht  zum  (statt:  zur)   Conterbande. 

Und  weil  die  Gedanken 

Von  Ketten  frei  sein, 

So  schließt  man  sie  auch 

hl  Kerker  nicht  ein. 

In  einem  ernsthaften  und  gedankenvollen  1  ,iede  hat 
Benedikt  Gletting  die  Gedankenfreiheit  im  Sinne  der  prote- 
stantischen Glaubensfreiheit  gepriesen  (ZSB.  XVIIL  1983,5). 
—  Da  Uhland  das  Lied  des  blinden  alten  Sängers  Weiermann 
in  Bern  (aus  dem  XVL  Jahrhundert)  in  seine  Sammlung  auf- 
genommen hat  und  nach  ihm  auch  Alittler  Nr.  1249  (Anfang: 
"Der  ^^'inter  gsicht  mich  übel  an»),  so  darf  es  auch  hier  nicht 
unerwähnt  bleiben,  obwol  es  zu  sehr  persönliche  Färbung 
hat,  um  als  eigentliches  Volkslied  gelten  zu  können.  Hier 
mag  auch  das  Lied  vom  Pfenning  (d.  h.  von  der  Allmacht 
des  Geldes)  angeführt  werden,  welches  Ludwig  Sterner  seiner 
Reimchronik  des  Schwabenkrieges  angehängt  hat  (Lenz 
S.  166—168). 

3.  Stände. 

Vom  Ehestand  lässt  sich  auch  ein  L' ebergang  auf  die 
verschiedenen  « Stände »  im  Sinne  männlicher  Berufsarten 
machen.   Daß  das  A^olkslied  dieses  Gebiet  vielfach  behandelt, 

IX 


CXXX  EINLEITUNG 

ist  bekannt;  wir  finden  daher  auch  in  der  Schweiz  Proben 
davon.  Zwei  Stände,  welche  hier  am  ehesten  in  nationaler 
Eigenthümlichkeit  vertreten  sein  dürften,  sind  die  Soldaten 
und  die  Hirten  oder  Sennen,  denen  sich  etwa  noch  die  Jäger 
beigesellen  könnten.  Aber  was  gleich  die  letztgenannten 
betrifft,  so  ist  zu  bedenken,  daß  es  in  der  Schweiz,  mit 
Ausnahme  der  Jagd  auf  Gemsen  und  etwa  noch  auf  Bären 
im  Hochgebirge,  eine  Jagd  in  größerm  Maßftabe  aus  be- 
kannten Gründen  gar  nicht  gibt,  und  auch  von  der  Gems- 
jagd gibt  es  zwar  viele  Erzählungen  und  Sagen,  aber  keine 
Volkslieder,  weil  sie  eben  auf  ein  zu  enges  Gebiet  einge- 
schränkt ist  und  von  verhältnissmäßig  nur  Wenigen  betrieben 
wird.  Aus  anderen,  ebenfalls  bekannten  Gründen  kann  es 
auch  keine  specifisch  schweizerische  Soldatenlieder  geben: 
sie  müssten  sich  auf  die  ältere  Zeit  beziehen  oder  auf  die 
verhältnissmäßig  wiederum  seltenen  Fälle,  daß  Schweizer 
noch  in  neuerer  Zeit  fremde  Kriegsdienste  aufgesucht  haben. 
Was  die  Volkspoesie  in  diesen  Richtungen  hervorbringen 
konnte,  findet  sich  eben  in  den  historischen  Liedern  und 
in  den  bereits  bei  den  Balladen  besprochenen.  Die  kurze 
Uebungszeit  unserer  2^Iilizen  reicht  nicht  hin,  Haltung  und 
Bewusstsein  eines  besondern  Standes  zu  erzeugen,  und  ein 
solcher  widerspricht  ja  überhaupt  der  republikanischen  Ver- 
fassung. Selbst  diejenige  Waffengattung,  welche  in  neuerer 
Zeit  am  meisten  mit  einiger  Eigenthümlichkeit  gepflegt  worden 
ist  und  sich  dem  Jägerstande  am  nächsten  anschlöße,  die 
sog.  Scharfschützen,  haben  keine  besonderen  Lieder.  Was 
also  von  Soldatenliedern  vorhanden  ist,  muß  aus  dem  Aus- 
land importirt  sein  oder  sich  auf  fremden  Kriegsdienst  be- 
ziehen. Dahin  gehört  vor  allem  das  bekannte :  «'  Soldaten- 
leben! ein  harter  Schluß»,  Mfttler  Nr.  1452,  mit  demselben 
Refrain  wie  das  oben  angeführte  Nonnenlied.  Ein  Abschieds- 
lied auswandernder  Soldaten  ist  schon  bei  den  historischen 
Liedern  angeführt  worden,  weil  es  eine  bestimmlere  Beziehung 
hat.  Schwerlich  schweizerisch  ist  das  Lied:  dich  hab  ein 
Lust  in's  weite  Feld.»     1703.     ZSB.  XVIIL  2018.  13. 


ALLGEMEINE  VOLKSLIEDER  CXXXI 

Am  meisten  erwartet  man  vielleicht  von  Liedern,  welche 
sich  auf  das  Hirtenleben  beziehen,  und  solcher  gibt  es 
eine  ziemliche  Zahl :  aber  die  Echtheit  derselben  ist  zum 
Theil  fraglich.  —  Der  Hirtenstand  ist  allerdings  in  der 
Schweiz  zahlreicher  vertreten  als  die  beiden  bisher  be- 
sprochenen, aber  wenn  man  bis  auf  neuere  Zeit  das  ganze 
Volk  als  ein  Hirtenvolk  bezeichnen  zu  dürfen  glaubte,  so 
war  dies  ein  arger  Irrthum.  Faktisch  kann  jene  Bezeichnung 
nur  von  der  Bevölkerung  des  Hochgebirges  gelten,  welche 
einen  kleinen  Theil  der  gesammten  ausmacht,  und  romantisch 
sentimentale  Phantasien  der  städtischen  Bevölkerung  haben 
den  wirklichen  Sachverhalt  vielfach  entstellt,  darum  auch 
die  betreffende  Poesie  verfälscht.  Was  die  Kunstpoesie  auf 
ihrem  Gebiete  gesündigt  hat,  gehört  nicht  hieher,  wol  aber 
die  Frage,  wie  es  sich  mit  der  angeblich  urwüchsigen 
Sennenpoesie  verhält. 

Bekannt  und  unbestritten  ist,  daß  das  Hirtenleben  die 
eigenthümliche  Instrumentalmusik  des  Alphorns  und  den 
Naturgesang  des  Jodeins  erzeugt  hat.  Der  musikalische 
Charakter  des  letztern  ist  im  Jahrbuch  des  Schweiz.  Alpen- 
klubs Bd.  I,  S.  504 — 526  von  einem  Fachmann  (der  im 
vierten  Band  S.  275 — 350  auch  die  alpine  Instrumentalmusik 
behandelt  hat)  ziemlich  weitläufig  dargestellt,  gehört  jedoch 
zu  unserm  Gegenstand  nur  soweit  das  Jodeln,  meist  als 
Anhang  oder  Schlussrefrain,  mit  gesungenen  Worten  sich 
verbindet.  Der  für  alle  Volkslieder  wesentliche  Zusammen- 
hang zwischen  Text  und  Melodie  nimmt  aber  hier  die  Gestalt 
an,  daß  die  Melodie  die  Hauptsache  und  Grundlage,  der 
Text  nur  nebensächliche  Zuthat  ist,  während  sonst  das  um- 
gekehrte Verhältniß  stattfindet.  Dies  muß  man  bei  der  Be- 
urtheilung  der  fraglichen  Gesänge  vor  allem  festsetzen  und 
festhalten,  so  daß  der  kritische  Grundsatz  aufgestellt  werden 
kann:  Je  einfacher  und  kürzer  der  Text  ist,  je  mehr  er  sich 
stellenweise  aus  zusammenhängender  Rede  auf  bloße  Ausruf- 
oder Anrufworte,  Interjektionen,  ja  auf  bloße  Silben  und 
einzelne  Vokale  ohne  bestimmten  Sinn  reducirt.  um  so  mehr 


C  XXXII  EINLEITUNG 

hat  er  Anspruch  auf  Echtheit  und  Alterthümhchkeit,  während 
längere  Ausführungen  und  Abschweifungen  sich  von  selbst 
als  spätere  Zuthaten  falscher  Kunstpoesie  verrathen.  Dies 
gilt  besonders  von  den  sog.  Kuhreihen.  R.  Wyß  hat  in 
der  Vorrede  zu  seiner  Sammlung  derselben  (S.  IX)  den  Begriff 
des  Wortes  richtig  nach  Adelung  erklärt,  wonach  Reihen  =^ 
Reigen,  älter  Reic,  überhaupt  einen  Gesang  bedeutet,  der 
zugleich  als  Melodie  zum  Tanze  dienen  kann.  An  Tanz  ist 
nun  hier  nicht  zu  denken,  obwol  das  Wort  Reic  mit  Reigen 
und  Reihe  ohne  Zweifel  zusammengehört,  wie  auch  das 
romanische  ranz  (=  franz.  rang)  des  vaches  andeutet:  nur 
ist  damit,  wie  mit  dem  deutschen  Chüereie,  nicht  ein  reihen- 
förmiger  Aufzug  der  Kühe  selbst  gemeint,  sondern  ein  Gesang 
der  mit  ihnen  beschäftigten  und  sie  zusammenrufenden  Küher 
oder  Sennen.  Dies  ergibt  sich  klar  daraus,  daß  die  meisten 
Kuhreihen  im  Anfang  oder  in  der  Mitte  oder  am  Ende  aus- 
drücklich einen  Zuruf  an  die  Kühe  enthalten,  welche  zum 
Theil  mit  ihren  Eigennamen  aufgezählt  werden.  Diese  Rufe 
bilden  den  Hauptinhalt  und  den  unzweifelhaft  ältesten,  ja 
wahrscheinlich  den  einzig  echten  Bestandtheil  der  Kuhreihen- 
texte; einige  kurze  Zeilen,  welche  sich  auf  die  Thätigkeit 
und  Lebensweise  der  Küher  selbst  beziehen,  mögen  schon 
früh  von  diesen  selbst  eingeschaltet  oder  angehängt  worden 
sein ;  alles  Andere  aber  ist  Zudichtung  von  späterer  und 
fremder  Hand  oder  Anhang  von  kleineren  Spruchreimen, 
die  auch  außer  dieser  Verbindung  gesungen  werden.  Böhme, 
Altdeutsches  Liederbuch  Nr.  484  gibt  als  Text  des  Appen- 
zellischen  Kuhreihens  nur  das  Wort  «  Lobe  ;),  welches  dann 
natürlich  durch  die  Melodie  variirt  wird,  und  beruft  sich 
dafür  auf  eine  der  ältesten  Sammlungen  (Rhaw,  Bicinia  1545)- 
Von  dem  Kuhreihen  der  Emmönthaler  gibt  er  bloß  zwei 
Strophen,  wobei  der  Zuruf  «  Fromme »  neben  «Lobe»  be- 
raerkenswerth,  übrigens  gleichbedeutend  ist,  da  das  letztere 
eben  auch  nur  ((fromme»,  d.  h.  zahme,  freundliche,  trauliche, 
liebe  bedeutet  {lob  —  taub,  lieb,  mit  diesem  A\'orte  so  nahe 
verwandt  Avie  lieben  mit  glauben  (ge-Iaubenj  und  loben  (\\'ohl- 


ALLGEMEINE  VOLKSLIEDER  CXXXIII 

gefallen,  Beifall  kund  geben).  Uebrigens  ist  die  obige  Ansicht 
auch  schon  von  Schweizern  ausgesprochen  worden,  zuerst 
von  Kuhn  in  der  Vorrede  zu  seiner  Ausgabe  der  Kuhreihen- 
Melodien  S.  IL  III,  allgemeiner  als  von  R.  Wyß  in  seiner 
Sammlung  der  Texte,  zu  Nr.  9.  Auch  der  Verfasser  der 
oben  citirten  musikalischen  Abhandlung  erklärt  den  Jodel 
als  Hauptbestandtheil  des  Hirtengesangs,  die  eigentlichen 
Liedstrophen  als  spätere  Einschaltung\  Er  unterscheidet 
(wol  hauptsächlich  in  musikalischer  Beziehung)  zwei  Haupt- 
typen des  Kuhreihens,  den  Appenzellischen,  der  für  die 
übrige  Ostschweiz  gelten  kann,  und  den  Berner  Oberländ- 
ischen, an  den  sich  die  Emmenthaler  und  Entlebucher  an- 
schließen Averden.  Uebrigens  sind  feste  Grenzen  auch  hier 
nicht  zu  ziehen :  den  angeblichen  Kuhreihen  der  Oberhasler 
(bei  Wyß  Nr.  i)  erklärt  Kuhn  (S.  V")  als  ursprünglich  appen- 
zellisch;  der  Sprache  nach  ist  er  keines  von  beiden,  sondern 
eben  ein  gemischtes  Machwerk.  Wie  viel  bei  den  einzelnen 
Stücken  echt  und  alt  sein  mag,  ist  äußerst  schwer  zu  ent- 
scheiden; die  Zusatzstrophen  enthalten  Manches,  was  echt 
sein  oder  auf  Echtem  beruhen  kann,  nur  nicht  in  diesem 
Zusammenhang.  Uebrigens  betitelt  R.  Wyß  als  Kuhreihen 
mehrere  Stücke,  denen  eine  allgemeinere  Benennung  ange- 
messener wäre  und  daher  auch  in  meiner  Sammlung  zum 
Theil  eine  andere  Stelle  angewiesen  ist.  Das  Alter  der  er- 
weiterten oder  überarbeiteten  Gestalt  derselben  zu  kennen 
wäre  in  mehrfacher  Hinsicht  von  Bedeutung,  aber  sie  bieten 
wenig  Anhalt  zu  Muthmaßungen.  Ich  wäre  geneigt,  den 
Anfang  des  XIX.  Jahrhunderts  anzunehmen,  wo  die  Vor- 
bereitung des  ersten  großen  Schwingfestes  im  Berner  Ober- 
land und  Einfluß  der  romantischen  Dichterschule  zusammen- 
wirken konnten,  um  Interesse  an  alter  Volksfitte,  -Sprache 
imd  Poesie  zu  erwecken.     Aber  Anfänare  desfelben  konnten 


^  Derselbe  hat  in  einer  geschichtforschcnden  Gesellschaft  mit- 
getheilt,  daß  gewisse  Cadenzen  des  Appenzellischen  Jodeis  auffallende 
Aehnlichkeit  mit  Schlüssen  Notker'scher  Sequenzen  zeigen. 


CXXXIV  EINLEITUNG 

schon  siebzig  Jahre  früher  durch  Hallers  « Alpen  >)  veranlaßt 
worden  sein,  und  wenigstens  von  zweien  der  fraglichen 
Produkte  wissen  wir,  daß  sie  schon  um  die  Mitte  des  vorigen 
Jahrhunderts  gedruckt  waren.  Wyß  Nr.  2,^  wurde  schon  vor 
1790  gesungen;  s.  Spazier,  Wanderung  S.  340.  Mit  Ausnahme 
des  Kuhreihens,  den  Wyß  ausdrücklich  als  den  der  Appen- 
zeller bezeichnet  (Nr.  9)  und  etwa  noch  desjenigen  der 
Entlebucher  (Nr.  8),  dessen  Sprache  aber  von  der  bernischen 
wenig  abweicht,  gehören  alle  anderen  Stücke  dem  Kanton 
Bern  an,  und  es  ist  ja  natürlich,  daß  dieser  Kanton,  der  im 
Emmenthal  und  Oberland  der  Alpenwirthschaft  den  grösten 
und  schönsten  Spielraum  darbietet,  der  auch  sonst,  neben 
den  ürkantonen,  am  meisten  Altschweizerisches  bewahrt  und 
seit  dem  XVI.  Jahrhundert  eine  Schule  von  Volksdichtung 
gehegt  hat,  auch  in  der  halb  künstlichen  Erneuerung  dieses 
speciellen  Zweiges  vorangegangen  ist. 

Von  Mittheilung  der  Texte  kann  schon  darum  keine 
Rede  sein,  weil  dieselben  alle  bei  Wyß  stehen  und  die 
meisten  von  dort  in  die  Sammlungen  von  Kurz,  Mittler  und 
in  andere  schweizerische  und  deutsche  übergegangen  sind. 
Es  sind  also  die  Stücke  nur  hier  aufzuzählen  und  zu  einigen 
noch  Bemerkungen  beizufügen. 

Wyß  Nr.  I.  Kühreihen  der  Oberhasler:  «  Har  Kuehli,. 
ho  Lobe ! ,»  20  Strophen  oder  vielmehr  Absätze,  jeder  (mit 
Ausnahme  von  19)  aus  zwei  Theilen  bestehend,  von  denen 
der  erste  das  Geschäft  des  Sennen  beschreibt,  der  zweite, 
kürzer  und  metrisch  verschieden,  von  Liebe  und  Leben  auf 
der  Alp  überhaupt  spricht  (mit  Ausnahme  von  20).  Eine 
Ausgabe  von  Kühreigen  1805  und  Kuhn  geben  im  Text, 
besonders  der  ersten  Theile,  manche  andere  und  zwar  bessere 
Lesarten.  Zwei  Drucke  der  ZSB.  XVIII,  1636.  1791  weichen 
ebenfalls  ab,  doch  meistens  nur  durch  mehr  hochdeutsche 
Sprachformen.  Maltzahn,  Deutscher  Bücherschatz  II,  Nr.  714 
verzeichnet  einen  Druck  aus  der  Mitte  des  XVIII.  Jahr- 
hunderts, mit  dem  Titel:  Ein  schönes  neues  lustiges  welt- 
liches Lied,   genannt   der  Kühreihen  ....  zur  Ergötzung  des 


ALLGEMEINE  VOLKSLIEDER  CXXXV 

Weidmanns  und  der  jungen  Gesellen,  k  Har  Kuhli,  ho  loben.  ». 
Diese  Ausgabe  ist  schwerlich  schweizerisch,  setzt  aber  ein 
schweizerisches  Original  voraus.  —  Mittler  Nr.  1 194  gibt  von 
diesem  Stücke  nur  eine  kurze  Probe,  willkürlich  zusammen- 
gesetzt aus  Str.  17.  19.  II  und  einem  unpassenden  Schluß. 
Zwei  von  den  kürzern  Strophen  (2,  10.  11)  gibt  Stutz  als  ein 
eigenes  Sommerliedchen. 

Xr.  2.  Kühreihen  für  die  Oberländer:  « Hiehere-n-ihr 
Senne!:-)  Nach  dem  Versmaß  von  Xr.  i,  jedenfalls  von  einem 
Städter  verfasst;  fehlt  bei  Kuhn. 

Xr.  3.  4.  Kühreihen  der  Siebenthaler:  «I  bin  e  Bergma 
wohlgemuth.  «  Kurz  S.  154.  Die  zwei  letzten  Zeilen  erinnern 
an  Stellen  aus  altern  Liedern,  welche  die  Landschaften  und 
Alpen  des  Bernergebietes  beschreiben ;  vgl.  Weller,  Ann.  1, 
943  und  Xr.  6. 

Xr.  5.  Kühreihen  der  Emmenthaler :  «MysLieb  ist  gar 
wyt  inne.  »  Dieses  Stück  ist  bereits  unter  den  Liebesliedern 
angeführt.    Es  findet  sich  bei  Kurz  S.  151.    Mittler  Xr.  11 96. 

Xr.  6.  Lied  der  Emmenthaler:  «Es  isch  kei  sölige 
Stamme.»  14  Strophen.  Eine  Luzerner  Handschrift  von  1747 
gibt  28  Strophen  und  auch  sonst  manche  Abweichungen, 
ein  Druck  auf  der  ZSB.  (XVIH,  1636,  22)  30  Strophen.  Diese 
Plusrtrophen  enthalten  nur  weitere  Aufzählung  von  Orts-  und 
Bergnamen,  welche  Wyß  weglassen  mochte. 

Xr.  7.  Küherlied  der  Emmenthaler:  «Was  kann  schöner 
sein  V  1)  Findet  sich  mit  einigen  Varianten  auch  in  einem 
Liederbuch  aus  dem  Berner  Oberland  und  weist  in  der 
Sprache  und  dem  etwas  nüchtern  reflektirenden  Ton  auf 
das  XVII.  Jahrhundert.  Die  letzte  Strophe  stmimt  in  zwei 
Zeilen   mit   der  ersten  des  Jägerliedes  bei  Mittler  Xr.  1465. 

Xr.  8.  Kühreihen  der  Entlebucher  :  «  Üsen  Ätti  »  u.  s.  w. 
Dieses  Stück  (bei  Kurz  S.  149.  Mittler  Xr.  1197  — 1198)  gibt 
schon  Wyß  als  eine  Zusammensetzung  aus  Bruchstücken  und 
mit  Varianten,  deren  auch  die  Drucke  ZSB.  XVIII,  1636,  11. 
XXXI,  604  viele  darbieten,  so  daß  es  unmöglich  ist,  eine 
reine  Gestalt  herzustellen. 


CXXXVl  EINLEITUNG 

Nr.  9.  Kühreihen  der  Appenzeller  :  c  Wend  er  iha,  Lobe!  » 
Kurz  S.  148.    ^Mittler  Nr.  1200.    Vgl.  die  Anmerkung  bei  Wyß. 

Nr.  25.  Der  ledige  Sennhirt.  «  Sorgen  und  Trauren  >.  u.  s.w. 
Mittler  Nr.  1210. 

Hieher  können  noch  die  in  Toblers  Appenz.  Sprachschatz 
S-  sys''  enthaltenen  Stücke,  sog.  « Ruggusser  ■»  (beide  bei 
Mittler  Nr.  1222,  das  zweite  bei  Kurz  S.  137)  gezogen  werden, 
die  dem  Inhalt  nach  sich  auf  das  Sennenleben  beziehen.  Der 
Form  nach  ist  das  erste  («  Grüez  mer  de  Senna  »)  mehr  ein 
Spruch  nach  Art  der  Kiltsprüche,  das  andere  ((<- 1  gona  gwöß 
uf  Ebanalp »)  nur  lose  aus  kleineren  Liedchen  zusammen- 
gefügt, wie  mehrere  der  oben  bei  den  Liebesliedern  ange- 
führten Stücke. 

In  mehreren  Liedern  vom  Hirtenstand  wird  dieser  mit 
dem  Bauernstand  verglichen  und  zwar  zu  Ungunsten  des 
letztern.  Dieser  ist  der  zahlreichste,  aber  nach  allgemeinem 
Urtheil,  auch  der  Bauern  selbst,  zugleich  der  geplagteste  Stand, 
wobei  man  freilich  nur  an  die  «kleinen»  Bauern  denken 
darf,  die  mit  ihren  schwer  verschuldeten  Gütern  kaum  besser 
als  Pächter  gestellt  sind,  nicht  an  die  «großen»,  deren  Leben 
z.  B.  das  in  die  Texte  aufgenommene  Lied  (<  Die  Buchiberger 
Bure»  beschreibt.  Das  bekannte  Lied:  «De  Bur  ist  doch 
en  plagete  ]\Ia  »  (ZSB.  XVHI,  1791,  4)  ist  zwar  von  keinem 
solchen  Kleinbauer  verfasst,  aber  es  schildert  das  Leben 
desfelben  in  zutreffender  ^^'eise  und  ziemlich  reiner  Volks- 
fprache.  Dasfelbe  gilt  von  dem  Liede:  «Ist  das  nit  es  elends 
Lebe  0,  welches  nach  Wyß  S.  104  älter  ist  und  sich  zunächst 
auf  die  früheren  Zustände  in  den  sog.  Freien  Aemtern  bezieht. 
Usteri  gibt  in  seiner  handschriftlichen  Sammlung  (T''  5)  eine 
kürzere  und  auch  sonst  etwas  abweichende  Gestalt  des  Liedes; 
eine  noch  kürzere  steht  bei  Mittler  Nr.  1490.  Einige  Verse, 
welche  nicht  Klage  der  Bauern  selbst,  sondern  Spott  eines 
andern  Standes  über  sie  enthalten,  finden  sich  bei  Stutz 
(Gemälde  III,  37)  und  Gotthelf  (Schulmeister  I.  174):  «Wenn 
die  Bure  z'  Acher  fare. »  s.  Texte.  Gotthelf  meint,  das  von 
ihm  angeführte  sei  ursprünglich  ein  Soldatenliedchen  gewesen ; 


ALLGEMEINE  VOLKSLIEDER  CXXXVII 

aber  nicht  alle  Verse  passen  auf  diesen  Stand  und  Stutz  lässt 
das  seinige  von  Spinnern  singen,  welche  bei  ihrer  Arbeit 
ruhig  zu  Hause  sitzen  können.  Sonst  freilich  ist  auch  der 
Stand  dieser  « sitzenden »  Berufsarten  nicht  beneidenswerth 
und  auch  sie  haben  ihre  Klage-  und  Spottlieder.  Ein  älteres 
Lied  der  Weber  im  Toggenburg  («  Die  Fabrikante  z"  Didel- 
dum  fl)  S.Texte.  Usteri  erwähnt  einen  aus  dem  Jahr  1669 
stammenden  « Wäberspruch  zu  billigem  Lob  etc.  dem  löbl. 
Wäberhandwerk.  Sodann  auch  eine  nützliche  Zugab  von 
Hanf  und  Flachs  als  der  arbeitsamen  Weibern  vielgeliebter 
Marter.  »  Zwei  Lieder  vom  ^Veberhandwerk  (ZSB.  XVIII. 
1987,  17)  sind  nicht  sicher  schweizerisch.  —  Ein  auf  einem 
fliegenden  Blatt  aus  dem  XVIII.  Jahrhundert  in  Basel  ge- 
drucktes «Loblied  der  Zimmerleute  »  enthält  nichts  specifisch 
schweizerisches  als  vielleicht  den  Ausdruck  «  Hebmaie »  für 
den  bei  der  festlichen  Aufrichtung  eines  Hauses  üblichen 
Blumenkranz  oder  -Strauß.  —  Einige  Lieder  behandeln  ver- 
gleichend mehrere  Stände  oder  Handwerke  neben  einander: 
es  werden  alle  gerühmt  oder  getadelt,  und  schließlich  kann 
es  vorkommen,  daß  über  sie  alle  der  Bettler  erhoben  wird, 
s.  Texte.  Sogar  der  landstreichende  Beutelschneider  singt 
in  einem  Volksfchauspiel  sein  Triumphliedchen  (Geschichts- 
freund Bd.  XXIII,  S.  201),  da  ja  die  Gauner  auch  ihre  eigene 
Zunft  und  Kirchweih  hatten ! 

4.  Sitte  und  Geselligkeit;  Jahreszeit  feste. 
An  die  Stände  würde  sich  anschließen,  was  von  Tracht 
und  Sitte  einzelner  in  Liedern  Ausdruck  gefunden  hat. 
Aber  da  die  alten  Trachten  des  Bauernstandes  der  ver- 
schiedenen Gaue  sich  fast  ganz  verloren  haben,  so  ist  wenig 
darauf  Bezügliches  in  Liedern  zu  finden.  Was  von  besondern 
Sitten  noch  fortlebt,  findet  sich  zum  Theil  unter  den  Titeln: 
Kiltgang,  Hausrath  und  Hochzeit,  Jahreszeiten.  Eine  beson- 
dere Abtheilung  der  Texte  kann  also  nur  Weniges  enthalten 
imd  eines  der  hier  aufgenommenen  Stücke,  das  Lied  von  der 
Rigi- Reise,    konnte    wol    unter    den   Titel   Geselligkeit 


CXXXVIII  EINLEITUNG 

gestellt  werden.  Auch  dieser  lässt  sich  von  den  vorhin  an- 
geführten nicht  scharf  abgrenzen  und  es  sind  hier  nur  einige 
ältere  Produkte  anzuführen: 

Auf  das  im  « Weinspiel  »  von  Rudolf  Manuel  enthaltene 
Trinklied  «  Frisch  frölich  wend  wir  singen  »  (Bsechtold  S.  333) 
kann  hier  einfach  verwiesen  werden.  Wenn  dasfelbe  von 
Manuel  selbst  für  den  dortigen  Zweck  gedichtet  war,  so  ist 
es  doch  ohne  Zweifel  im  Tone  damals  üblicher  Trinklieder 
gehalten.  —  Philander  von  Sittewalt  (Gesichte  II,  S.  212, 
Straßb.  Ausg.  von  1642)  lässt  einige  Schweizerburschen  in 
ihrer  Mundart  « die  volle  Meß »  anstimmen ;  das  darauf 
folgende  Lied  ist  wol  ein  allgemein  deutsches.  Ein  Gegen- 
stück zu  diesem  Preise  des  Weines  ist  der  (in  die  Texte 
aufgenommene)  Wettstreit  zwischen  Wein  und  Wasser,  aus 
welchem  das  letztere  als  Sieger  hervorgeht.  Dieses  Stück 
erinnert  an  mehrere  ähnliche,  welche  die  im  XYI.  Jahrhundert 
besonders  beliebte  Form  eines  Gespräches  tragen  (zwischen 
Sommer  und  Winter,  Buchsbaum  und  Felbinger  u.  a.,  s.  Uhland,. 
Schriften  III,  28)  und  wird  wol  aus  derselben  Zeit  stammen,, 
hat  sich  aber  bis  auf  neuere  Zeit  im  Volk  erhalten.  Das 
letztere  gilt  dagegen  nicht  von  der  noch  altern  Sitte,  einem 
Fremden  eine  Reihe  von  Räthseln  vorzulegen,  durch  deren 
Lösung  er  von  einer  Jungfrau  einen  Kranz  und  den  Eintritt 
in  die  Gesellschaft,  also  auch  Zutritt  zum  Tanz,  erwerben 
konnte.  Vgl.  Rochholz,  Alem.  Kinderlied  S.  213  ff.  Uhland, 
a.  a.  O.  182.  206.  Der  Winterthurer  Sammelband  44'',  Nr.  29 
enthält  das  bekannte  Lied  « Ich  kum  us  frömden  Landen  her  » 
(Uhland,  Volksl.  I,  9)  mit  einem  Anhang  von  noch  weiteren  drei 
Räthselfragen  und  Antworten,  nämlich  (mit  Abkürzung): 

1.  Singer,  sag  mir  ouch  behend: 
Es  hat  weder  füß  noth  hend, 
Dazu  weder  köpf  noch  nas, 

Und  louft  geschwinder  dann  ein  has.     (6  Verse.) 
Antwort:  Der  A\'ind.     (4  Verse.) 

2.  Singer,  sag  mir  alJhie : 
Gott  hat  es  sresehen  nie 


ALLGEMEINE  VOLKSLIEDER  CXXXIX 

Und  gesieht  es  ouch  nümme  (nimmer) ; 

Ein  Bur  sieht  es  alle  Tage.     (6  Verse.) 

.\nt\vort:  Sins  glichen.     (8  Verse.) 

3.  Es  stat  ein  müli  uf  dieser  erden: 
Was  sy  malet,  thut  weniger  werden. 
Die  miili  hat  fünf  reder  gemein 
Und  trybt  nit  mee  dann  ein  mülstein. 
Zehen  rigel  thund  die  müli  beschließen.    (6  Verse.) 
Antw. :  Die  Mühle  ist  das  Evangelium,  die  fünf  Rader  die  fünf  Sinne, 
der  Mühlstein  der  Glaube,  die  Riegel  die  zehn  Gebote.    (6  V.) 

Druck  von  S.  Apiarius  in  Bern  1558.    Es  folgen  dann  zwei 
geistliche  Kranzlieder. 

Eine  andere  Art  von  Kränzen  und  Kranzliedern  hieng 
mit  der  Jahreszeit  zusammen,  die  dem  Jugendalter  ent- 
spricht, dem  Frühling.  Ueber  die  alten  Bräuche  bei  FrUh- 
lingsfesten  und  die  daher  entnommenen  Motive  zu  Volks- 
liedern s.  Uhland,  Schriften  III,  30.  389  ff.  Die  erwachsene 
Tugend  verband  natürlich  mit  der  Frühlingsfeier  Absicht  auf 
Liebe  tmd  Werbung  und  die  Lieder  dieser  Art  sind  daher 
zu  jener  Gruppe  gestellt.  Das  von  O.  Freiherr  v.  Reinsberg- 
Düringsfeld,  «Das  festliche  Jahr»  1863,  S.  86,  Vernaleken, 
Alpensagen  S.  362  mitgetheilte  Lied  der  <■- Mareieli »  am 
zürcherischen  FrUhlingsfeste  des  Sechseläutens  ist  nur  Frag- 
ment, mehrfach  entstellt  und  aus  verschiedenen  Bestand- 
theilen  zusammengefügt.  Vgl.  das  unter  die  Liebeslieder 
aufgenommene  «  Heida,  die  liebe  Maiezit»  und  das  bekanntere 
((  Der  Maie-n-isch  komen  »  (bei  Kurz  S.  1 1 1.  Wyß,  Kuhreihen 
S.  69.  Vernaleken  a.  a.  O.  Mittler  Nr.  1201.  Erk,  Auswahl 
Nr.  108),  welches  gewiß  alte  Bestandlheile  enthält,  aber  von 
Wyß  überarbeitet  zu  sein  scheint.  Von  der  Umdichtung  oder 
Nachbildung  eines  alten  Maitanzliedes  durch  Thomas  Blarer 
(um  1540)  handeln  Böhme,  Altdeutsches  Liederbuch  Nr.  300, 
und  Uhland,  Schriften  III,  397.  481.  Der  Text,  vollständig 
bei  Wackernagel,  Kirchenlied,  184J,  S.  4S0,  ist  freilich  ganz 
in's  Geistliche  oder  Kirchlich -Politische  gezogen  und  kein 
Volkslied   mehr,    aber    die  Grundlage    blickt   noch   deutlich 


CXL  EINLEITUNG 

hervor  und  der  ursprüngliche  Charakter  eines  Tanz-  und 
Kranzhedes  ergibt  sich  aus  den  beigefügten  Anweisungen. 
Umdeutung  des  Frühhngs,  und  insbesondere  auch  des  Jung- 
brunnens oder  Maienbades,  auf  die  Reformation  erscheint 
auch  in  den  bernischen  Liedern  fr  BUiemh  uf  der  Matten». 
« Der  Winter  gsicht  mich  übel  an »  und  «  Wach  uf ,  mins 
Herzen  Schöni » :  die  beiden  ersten  stehen  bei  Uhland 
Nr.  346.  347.  Mittler  Nr.  1247.  1249;  das  dritte  habe  ich 
wegen  seiner  bestimmten  Beziehung  auf  Bern  in  den  Anhang 
zu  den  historischen  Liedern  gestellt.  Vgl.  Nr.  30,  b  der 
chronologischen  Uebersicht.  —  Zum  Schluß  dieser  Gruppe 
noch  ein  Curiosum.  Der  Sarasin'sche  Sammelband  in  Basel 
enthält  als  das  erste  von  vier  Liedern,  gedruckt  bei  Apiarius 
in  Bern  1563,  das  bekannte  Sommerlied:  «Herzlich  thut 
mich  erfreuen  ;j  ,  aber  mit  der  durch  ihre  v\nschaulichkeit 
und  Lokalbeziehung  bemerkenswerthen  Schlußflrophe: 

Zu  Zürich  uf  der  Brücken 
Gsieht  man  zu  solcher  Zvt 
Der  gälen  dünnen  Güppen, 
Darob  sich  mancher  fröwt, 
Kurz  ob  den  Beinen  \vyße, 
Darunder  wäyt  der  Wind: 
Darum  thun  ich  sv  prisen 
Das  gar  liebliche  Kind. 

Ein  fahrender  Schüler,  der  unsere  Stadt  besuchte,  mag  diesen 
Zug  aus  eigener  Beobachtung  beigefügt  haben. 

Zu  den  Jahreszeitliedern  eher  als  zu  den  Liedern  auf 
kirchliche  Festzeiten  muß  auch  das  vielgenannte  Bohnen- 
lied in  seiner  ursprünglichen,  nicht  mit  Sicherheit  nach- 
Aveisbaren  Gestalt  gehört  haben";  denn  die  übermüthige  Lust, 
die  an  gewissen  Kirchenfesten  sich  in  allerlei  Bräuchen  Luft 
machte,  kann  ja  auf  keinen  Fall  aus  kirchUcher  Ordnung, 
sondern  nur  aus  einem  Widerstand  g^g'tw.  dieselbe  erklärt 
werden,  der  in  altherkömmlichen  Sitten  und  zuletzt  in  heid- 
nischem Naturdienst  wurzelte.  Bei  dem  Bohnenlied  denken 
wir  natürlich  zunächst  an  dasienige,  welches  laut  der  obigen 


ALLGEMEINE  VOLKSLIEDER  CXLI 

Notiz   am  Aschermittwoch  1522   auf  den  Gassen   von  Bern 
gesungen  wurde,  und  an  die  noch  heute  in  der  SchAveiz,  in 
Schwaben  und  Hessen  übHche  Redensart  «  Das  geht  Uber's 
Bohnenlied  »  im  Sinne  von :  über  alles  ^laß  hinaus.    In  den 
Tagsatzungsakten   von  1537    heißt    «neben   das   Bohnenlied 
treten)»  so  viel  als  « übertreiben >)  und  so  gilt  noch  in  Appen- 
zell «  er  ist  über's  Bonelied  gange  x>  =  er  hat  sich  verstiegen, 
die  Schranken  übertreten.    Etwas  anders  braucht  B.  Gletting 
in  seinem  Lied  vom  Versegnen   « achten  als  heig  (habe)  er 
"s  Bonenlied  gesungen  »  =  für  nichts  achten ;  und  in  gleichem 
Sinne  sagt  Utz  Eckstein  in  seinem  «Reichstag  der  Bauern»: 
Nunnengsang  nützt  zu  keinen  Dingen, 
Und  wenn  sie  schon  ihr  Lebtag  singen; 
Drum  wird  ihnen  Gott  eben  Ionen, 
Als  sungen  s' :  Gang  mir  us  den  Bonen. 

In  einem  Luzerner  Neujahrspiel  aus  der  zweiten  Hälfte  des 
XV.  Jahrhunderts  (bei  ]\Ione,  Schauspiele  IL  406)  heißt  es : 
«Diser  sach  bin  ich  fast  müed,  es  ist  mir  über's  bonenlied», 
was  mehr  auf  Ueberdruß  an  langweiliger  Wiederholung  als 
auf  Ueberraaß  der  Sache  selbst  deutet.  Wieder  anders 
lautet  die  Angabe  bei  ^^'irz  (Helvet.  Kirchengesch.  S.  399), 
«einem  das  Bohnenlied  singen»  heiße  so  viel  als  «ihm  sagen, 
daß  es  mit  ihm  zu  Ende  sei ,  daß  man  sich  um  ihn  nicht 
mehr  kümmere ».  Auch  wenn  die  Redensart  « Das  geht 
über's  Bohnenlied »  von  jeher  nur  den  Sinn  gehabt  hätte, 
den  wir  heute  ihr  beilegen,  so  dürfte  daraus  nicht  ohne 
Weiteres  geschlossen  werden  (wie  bisher  fast  durchweg  ge- 
schehen ist),  das  Bohnenlied  müsse  ein  übermäßig  scharfes 
Spottlied,  und  insbesondere  das  in  Bern  1522  gesungene 
ein  solches  Spottlied  auf  das  Pabstthum  gewesen  sein; 
es  könnte  auch  nur  die  übermüthige  ausgelassene  Lustig- 
keit ausgedrückt  haben,  welche  in  der  Fasnachtzeit  erlaubt 
war.  Das  im  XVI.  Jahrhundert  und  wol  schon  früher  auch 
in  Frankreich  und  Holland  bezeugte  Sprichwort :  «  Wenn  die 
Bohnen  blühen,  gibt  es  viel  Narren .»,  wird  aus  demalten 
Glauben  erklärt,   daß  die  Bohnenblüthe  einen  betäubenden, 


CXLII  EINLEITUNG 

sinnverwirrenden  Geruch  verbreite,  woraus  sich  wieder  die 
(auch  in  Bern  bekannte)  Redensart  erklärt :  a  Er  ist  in  den 
Bohnen»,  so  viel  als:  er  ist  trunken,  verwirrt,  zerstreut. 
(Vgl.  Wander,  Sprichw.  I,  425.)  Auch  dem  Genuß  der  Bohnen 
schrieb  man  wegen  ihrer  Schwerverdaulichkeit  eine  den  Geist 
belästigende  Wirkung  zu ;  darum  singt  der  Tannhäuser : 
«  Zisern  und  bonen  gent  mir  nicht  hohen  muot »,  und  jener 
alte  Sänger  Weiermann  von  Bern,  ein  jüngerer  Zeitgenosse 
Manuels,  sagt  in  dem  oben  erwähnten  Liede.  wo  er  sein 
kümmerliches  Leben  beschreibt,  in  bildlicher  Weise : 

Min  Koch,  der  büt  mirs  also  wol, 
Singt  mir  ein  Lied  von  Bonen; 
Das  hat  so  gar  ein  schlechte  Wis, 
Darzü  ist  es  ein  ruche  Spis. 

Bohnen  waren  aber  gerade  darum  insbesondere  auch  Fasten- 
speise, und  als  solche  schon  bei  Walther  von  der  Vogelweide 
verpönt.  Da  nun  die  Fastengebote  von  der  Geistlichkeit 
selbst  nicht  streng  gehalten  wurden,  so  konnten  bei  diesem 
Anlaß  auch  andere  ]\Iissbräuche  der  damaligen  Kirche  gerügt 
werden,  wie  das  von  N.  Manuel  im  (^^  Testament  der  INIesse» 
(Bjechtold  S.  233)  zum  Gedächtniß  der  abgestorbenen  Messe 
am  Aschermittwoch- Abend  zu  singen  verordnete  (^  Spottlied  >> 
verräth.  Ein  in  diesem  Sinne  mit  Zusätzen  versehenes,  über- 
arbeitetes oder  ganz  umgedichtetes  älteres  Bohnenlied  könnte 
also  am  Aschermittwoch  1522  in  Bern  gesungen  worden  sein. 
Das  ursprüngliche  Bohnenlied  war  nach  Mittler  (Volkslieder 
S.  521)  das  zweite  von  den  drei  in  seiner  Sammlung  abge- 
druckten Liedern  mit  dem  Refrain:  «Gang  mir  us  den 
Bonen !  »  Der  Sinn  des  Refrains  sowie  des  ganzen  Liedes 
ist :  Laß  mich  in  meiner  sorglosen  Lebensführung,  in  meiner 
scheinbaren  Narrheit  ungestört  1  Das  konnte  auf  die  Fas- 
nachtlust angewandt  werden,  der  man  sich  überlassen  wollte, 
um  so  mehr,  da  nach  dem  Obigen  bereits  anderweitige  Be- 
ziehungen der  Bohnen  auf  Narrheit  sprichwörtlich  waren. 
Dann  bleibt  also  möglich,  daß  auch  das  bernische  Bohnen- 
lied am  Ende   doch  nur  jenes  alte,   ziemlich   harmlose   war 


ALLGEMEINE  VOLKSLIEDER  CXLIII 

und  die  Redensart  «es  geht  Uber's  Bohnenlied  »  den  Sinn 
von  Ueb ermaß  gerade  dadurch  bekam,  daß  jenes  Lied 
immer  noch  eine  mäßige  Lustigkeit  aussprach.  Es  soll 
aber  nicht  bestritten  werden,  daß  der  Name  Bohnenlied 
später  den  Sinn  von  Spottlied  annahm,  da  er  z.  B.  auf  ein 
solches  angewandt  wurde,  welches  im  Jahr  1668  die  Hallauer 
Bauern  gegen  die  Regierung  von  Schaffhausen  sangen,  die 
•den  Verfasser  auszuspüren  suchte  (Im  Thurm  und  Härder, 
Schaffhauser  Chronik).  —  Von  einem  beim  Bohnenfest  am 
Dreikönigstag  gesungenen  Liede  haben  wir  keine  sichere 
Kunde;  es  konnte  jedenfalls  kein  Spottlied  sein. 

Die  bis  auf  neuere  Zeit  im  Entlebuch  unter  dem  Namen 
«  Hirsmontagbriefe  »  (s.  Stalder,  Id.  II,  45)  üblich  gewesenen 
Fasnachtgedichte  gleichen  in  ihrer  Form  (Reimprosa  oder 
Knittelverse)  den  Kiltsprüchen,  können  aber  noch  weniger 
zu  den  Volksliedern  gerechnet  werden,  weil  ihr  Inhalt,  wenn 
auch  gewisse  Gegenstände  des  Spottes  regelmäßig  wieder- 
kehren mochten,  jeweilen  nach  den  Jahresereignissen  sich 
veränderte ;  sie  gehören  eher  zu  der  Geschichte  des  Volks- 
fchauspiels,  das  auch  anderswo,  z.  B.  im  Muotta-Thal  bei 
der  sog.  « Gräuflete  »,  einem  Umzug  am  Dreikönigstag,  und 
bei  der  « Moosfahrt»  an  der  Fasnacht,  solche  öffentliche 
Kritik  mit  sich  bringt. 

Wirkliche  Fasnachtlieder  kennt  jetzt  nur  noch  die  Jugend, 
welche  das  Singen  derselben  mit  Maskenumzug  und  Betteln 
vor  den  Häusern  verbindet.  Hieher  gehört  das  Huzgüri-Lied 
in  Baselland,  s.  Seiler,  Die  Basler  Mundart  S.  136''.  Auch 
das  Scheibenwerfen  beim  Fasnachtfeuer  wird  dort  mit  einem 
Liedchen  begleitet  (s.  Anhang).  Bettelsingen,  auch  Er- 
wachsener, am  Neujahr  und  Dreikönigsabend  wurde  in 
Schaffhausen  schon  im  XIV.  Jahrhundert  verboten  (Mone. 
Schauspiele  des  Mittelalters  I,  137  — 138),  schwerlich  mit 
nachhaltiger  Wirkung.  Sonst  ist  es,  abermals  besonders  bei 
den  Knaben  in  Baselland,  üblich  zu  der  Zeit,  wann  die 
Bauern  Schweine  schlachten  und  die  Jugend  ihren  Antheil 
vom    Schmause    begehrt.     «:  Um's  Würstli    sinsfen  )^    erwähnt 


CXLIV  EINLEITUNG 

auch  Hebel,  Statthalter  von  Schopfheim  V.  72,  und  der 
Brauch  ist  schon  alt;  s.  Basel  im  XIV.  Jahrhundert  S.  71. 
Der  Text  des  Wurstbettelliedes  gehört,  wie  all  dergleichen, 
mehr  in  eine  Sammlung  von  Kinderliedern;  da  aber  Roch- 
holz ihn  nicht  bietet,  so  mag  er  wenigstens  im  Anhang  eine 
Stelle  finden.  Erwachsene  singen  ein  Liedchen  bei  der  Ernte, 
wenn  sie  nach  der  Arbeit  ihren  Lohn  verlangen,  und  eines  zum 
Spott  über  einen  mit  seiner  Aufgabe  im  Rückstande  gebliebenen 
Schnitter.  Solche  vereinzelte  Spruchverse  finden  ihre  Stelle 
besser  im  Idiotikon,  unter  einem  betreffenden  Schlagworte. 
Auf  das  Naturleben,  wie  es  im  Verlauf  der  Jahreszeiten 
das  Menschenleben  berührt,  würde  schließlich  noch  das 
Thie rieben  folgen.  Aber  hier  ist  nur  wenig  Eigen thüm- 
liches  oder  noch  Unbekanntes  anzuführen,  und  Manches 
gehört  eher  in  die  Kategorie  der  Kinderlieder.  Doch  gilt 
dies  nicht  von  den  altern  Liedern  über  den  Vogelgesang, 
welche  auch  eher  hieher  als  zu  den  geistlichen  gehören,  wo 
eines  derselben  bereits  angeführt  worden  ist.  Einen  Ueber- 
gang  von  naturgetreuer  Thierschilderung  zu  der  absichtlichen 
scherzhaften  Entstellung  oder  Verkehrung,  die  in  den  sog. 
Lügenmärchen  vorliegt  (vgl.  ühland,  Schriften  III,  223  ff.), 
macht  das  kleine,  schon  im  Wunderhorn  mitgetheilte  Liedchen 
von  der  Bettlerhochzeit,  bei  der  verschiedene  Thiere  als 
Musikanten  dienen,  verschieden  von  Hochzeiten  unter  den 
Thieren  selbst  (Uhland  a.  a.  O.  75).  Die  von  Wyß  Nr.  47 
mitgetheilte  « Reise  in's  Schlaraffenland »  gebe  ich  nicht 
wieder.  Das  solothurnische  Lügenmärchen,  welches  bei 
Wackernagel,  Lesebuch  II,  S.  IX  und  bei  Mittler  Nr.  13 15 
steht,  hat  Stutz  handschriftlich  in  kürzerer  und  auch  sonst 
etwas  abweichender  Form.  Der  Eingang  lautet:  «  Es  got  en 
Ma  am  Öhleberg,  Er  sah  ein  "\^'under  groß.  Er  sah  einmal 
zwo  Chräe  »  u.  s.  w.  Str.  2  dreschen  die  Frösche  in  einem 
Ofen.  Str.  3 :  «Er  sah  einmal  drei  Dotsche  (Kröten)  In  einem 
Weiher  flotschen.»  Str.  4:  «  Drei  Mugge  Brot  in  Ofe  schugge.» 
EigenthUmlich  ist  die  Schlußftrophe  (5) :  «  Er  sah  einmal  drei 
^^'iber,    Die  konten  gar  nicht  kibe  »  (zanken). 


ALLGEMEINE  VOLKSLIEDER  CXLV 


Anhans:- 


Unter  diesem  Titel  gebe  ich  eine  Auswahl  kleinerer, 
meist  vierzeiliger  und  scherzhafter  Reime,  welche  sich  auf 
allerlei  Lebensverhältnisse,  am  meisten  auf  die  Liebe,  be- 
ziehen und  nicht  wol  unter  besondere  Titel  gebracht  werden 
können.  Daß  manche  solche  Stücke  zu  einem  Ganzen  ver- 
bunden werden  können  und  sich  theilweise  so  verbunden 
finden,  ist  oben  bei  den  Liebesliedern  bemerkt  worden. 
Diese  Art  von  Liedchen  findet  sich  unter  verschiedenen 
Namen  bei  allen  deutschen  Stämmen.  Vgl.  Hofmann  in  der 
Zeitschrift  für  deutsche  Mundarten  Bd.  III,  150.  IV,  73.  369. 
513.  Dunger,  Rundas  und  Reimsprüche  aus  dem  Vogtlande. 
Plauen  1876.  Die  Zahl  solcher  Produkte  ist  auch  bei  uns 
sehr  groß,  doch  gehört  ein  Theil  derselben  wieder  zu  den 
Kinderliedern;  s.  Rochholz,  Alem.  Kinderlied.  Einen  Ge- 
sammtnamen  für  dieselben  gibt  es  bei  uns  nicht,  sondern 
nur  mehrere  Specialnamen,  welche  aber  das  Gebiet  nicht 
ganz  decken.  In  einer  Schrift  von  1744  findet  sich  die  Stelle: 
(( Der  strafende  Geistliche  muß  an  Kilbenen  (Kirchweihen) 
der  Leute  P)Uelliedlein  und  Gespött  sein. »  Daraus  folgt,  daß 
«  Bu el liedlein  »  fast  so  viel  als  Spottliedchen  bedeuten  konnte, 
aber  ursprünglich  mussten  es  doch  Liebesliedchen  und  die 
Fortsetzung  der  alten  winiliod  sein,  gegen  welche  die 
Geistlichkeit  schon  im  frühen  Mittelalter  zu  kämpfen  hatte ; 
nur  folgt  aus  jener  spätem  Bedeutung,  daß  schon  die  alten 
Liebesliedchen  einen  vorwiegend  scherzhaften  und  spöttischen 
Charakter  hatten.  Nach  dieser  Richtung  deuten  auch  die 
Benennungen:  Stupflied,  carmen  mordax,  bei  Fries  und 
Maaler  {stiipfcn,  stechen),  Speilied,  Spottlied  (Ochs,  Ge- 
schichte von  Basel),  Tratzlied,  Spottgedicht  (Davos), 
Schelmelied,  ebendasfelbe  (Aargau),  Fauzeliedli,  Gassen- 
hauer (Stutz,  von  faiizcn,  mit  der  Ruthe  streichen) ;  dagegen 
Stobertelied  (Appenzell)  ist  mehr  ein  in  der  Spinnstube 
gesungenes  erotisches,  mit  zotenhattem  Anstrich.  Die  all- 
gemeinste Bezeichnung  ist  Lumpeliedli,   vgl.  koburgisch: 

X 


CXLVI  EINLEITUNG 

Schlumperliedchen  (Zeitschr.  f.  d.  M.  III,  359).  Die  «  Ring- 
l'eder  und  andere  unzüchtige  Lieder»,  welche  zu  Cysats  Zeit 
Knaben  und  Mädchen  in  Luzern  sangen  (v.  Liebenau,  Das 
alte  Luzern  S.  20),  werden  wol  zu  den  Kranzliedern  (s.  o.) 
gehört  haben.  Eine  eigenthümliche,  in  Thurgau  und  Schaff- 
hausen übliche  Benennung  für  einen  Scherz-  oder  Spottreim, 
ein  muthwilliges  Liedchen,  ist  Rappetizli  (von  franz.  ra- 
petisser,  verkleinern?).  Rochliolz,  Alem.  Kinderlied  S.  42 
schreibt  Rappedüzli  und  braucht  es  von  Reimsprüchen 
mit  absichtlich  verkehrter  Redeweise.  Auch  Schmid,  Schwab. 
Idiotikon  hat  Rappedüzle,  aber  im  Sinn  von:  lustiges 
Geschichtchen.  In  Tuttlingen  sollen  Rappendizlen  kurze 
Lieder  bezeichnen.  —  Die  appenzellischen  «  Ruggusser  o  oder 
<•(  Ruggüssler »  (eine  Art  Jauchzen  oder  Jodeln)  sind  unter 
den  Hirlenliedern  erwähnt  worden,  können  aber  auch  hieher 
gezogen  werden. 

Der  Form  nach  werden  alle  solche  Liedchen  Gsätzli 
genannt,  was  überhaupt  Strophen  (Absätze)  bedeutet.  Die 
Eigenschaft  der  Sangbarkeit  sollte  eigentlich  ihnen  so  gut 
wie  größeren  Liedern  zukommen ,  aber  nicht  alle  werden 
wirklich  gesungen,  schon  weil  die  Kürze  des  Textes  die 
Entfaltung  einer  Melodie  einschränkt.  Die  Grundform  ist 
vierzeilig  und  der  normale  Bau  so  beschaffen,  daß  die  zwei 
ersten  Zeilen  zu  den  zwei  letzten  entweder  eine  Parallele, 
z.  B.  zwischen  Natur  und  Menschenleben,  oder  einen  Gegen- 
satz bilden ;  aber  auch  diese  Forderung  ist  nicht  immer 
erfüllt,  zumal  wenn  ungerade  Zahl  der  Zeilen  (3  oder  5) 
ohnehin  die  Symmetrie  aufgehoben  hat.  Es  kommt  auch 
Erweiterung  bis  auf  6  Zeilen  vor,  mehr  aber  nicht,  weil 
dann  lieber  zur  Bildung  von  zwei  vierzeiligen  Strophen  ge- 
schritten wird.  Wenn  umgekehrt  Reduktion  bis  auf  2  Zeilen 
vorliegt,  so  kann  man  diese  Form  nicht  mehr  Liedchen, 
sondern  nur  noch  Reimspruch  heißen,  und  schon  die  drei- 
zeiligen  streifen  an  diesen  Charakter.  Daß  übrigens  der 
Reim  in  allen  diesen  Liedchen,  wie  in  den  Liedern,  oft  nur 
unvollkommen,   bloße  Assonanz  ist,   versteht   sich   und  gilt 


ALLGEMEINE  VOLKSLIEDER  CXL^'II 

ja  auch  von  manchen  italiänischen,   die   den  unsrigen  auch 
sonst  verwandt  sind. 

Betreffend  das  Eigenthum  dieser  Liedchen  ist  zu  be- 
merken, daß  dieselben,  da  sie  fast  durchweg  mundarthch 
gehalten  sind,  mehr  schweizerischen  Ursprung  verrathen  als 
die  oft  in  gemischter  Sprache  sich  bewegenden  Lieder.  Doch 
haben  manche  von  den  appenzellischen  etwas  schwäbische 
oder  bairische  Färbung  und  es  kann  auch  Uebereinstimmung 
mit  weiter  entlegenen  Landschaften  vorkommen.  So  führt 
Mittler  Xr.  1204  als  schweizerisch  an:  ft 's  isch  no  nit  lang, 
daß  gregnet  hat»  u.  s.  w. ;  er  hat  aber  dieselbe  Strophe  auch 
in  dem  thüringischen  Liede  Nr.  775:  «Wie  kommt's,  daß  du 
so  trurig  bist?»  und  in  dem  hessischen  Liede  Nr.  776,  Str.  4. 
Die  dortigen  Strophen  2  und  3  finden  sich  auch  in  der  Schweiz, 
aber  vereinzelt.  Zum  ältesten,  was  gemein  deutsch  sein  mag, 
gehört  wol  der  Spruch  von  der  im  Herzen  verschlossenen 
Liebe,  s.  Texte.  —  Die  bei  Mittler  Nr.  1202 — 1204.  1213  — 1221 
stehenden  Liedchen  sind  aus  Wyß  (Kuhreihen)  und  aus 
Toblers  Appenzeller  Sprachschatz  entnommen  und  daher  als 
bekannt  oder  leicht  zugänglich  meistens  nicht  wieder  ab- 
gedruckt. 


CXLVIII 


EINLEITUNG 


Verzeichniss  (i) 

der  in  der  Einleitung  angeführten,    aber  nicht  in  die  Texte  auf- 
genommenen   allgemeinen  Volkslieder,    welche    in    der    Schweiz 
verbreitet,  aber  meistens  bereits  aus  andern  Sammlungen 
bekannt  sind. 


Ach  Mueter,  i  sott  es  Ding  ha 

Ach  Mueter,  gib  du  mir  einen  Rath 

Ach  Schatz,  was  hab  ich  dir  Leides  goth 

Als  ich  ein  junger  Geselle  war 

Christ  ist  erstanden    .... 

Christus  der  Herr  am  Ölberg  gieng 

Da  Jesus  an  dem  Kreuze  stund 

Das  Sechseläuten  und  das  ist  da 

De  Bur  ist  doch  en  plagete  Ma 

Der  Maien  ist  komen 

Der  Tag  der  ist  so  freudenreich 

Der  Wirt  in  Eggiweil 

Die  Gedanken  sind  frei 

Die  heiligen  drei  Könige  mit  ihrem  Stern 

Dort  hinten  bei  der  himmlischen  Thür 

Dort  oben  uf  dem  Berge  . 

Drei  Rüter  wollen  ein  Mädchen  anwerben 

Ein  armer  Mann  wollt  weihen 

Ein  große  Freud  verkünd  ich  euch    . 

Ein  Mädchen  von  achtzehn  Jahren    . 

Elend  hat  mich  umgeben   . 

Es  het  e  Bur  es  Töchterli 

Es  isch  kei  sölige  Stamme 

Es  kam  ein  Fräulein  mit  dem  Krug  . 

Es  liegt  ein  Schloß  in  Oesterreicli    . 

Es  ritet  e  Rüter  dur  es  Ried 

Es  sangen  drei  Engel 

Es  sind  der  Wibere  drei    . 

Es  sin  es  Mal  zwo  Gspiele  gsi . 

Es  spielt  ein  Ritter  mit  einer  Maid    . 

Es  stand  ein  Wirthshaus  an  dem  Rhein 


Seite 
CXIX 
CXX 
CXX 
CXI 
XCIII 
XCIII 

xcin 

CXXXIX 

CXXXVI 

CXXXIX 

XCI 

CVIII 

CXXIX 

XCII — III 

XCV 

CXX 

CVII 

CXI 

XCII 

CVII 

C 

CR' 

cxxxv 

XCV 

CVII— vm 
cv 

XCV 
CXV 
CXXI 
CVI 
CIX 


ALLGEMEINE  VOLKSLIEDER 


CXLIX 


Es  stönd  drei  Sternen  am  Himmel 

Es  stot  ein  Hus  i  der  Este 

Es  thät  ein  Müller  spazieren  gehn 

Es  war  ein  Knab  von  achtzehn  Jahr 

Es  war  einmal  ein  Grenadier     . 

Es  waren  einst  zwei  Baurensöhn 

Es  wend  zweu  Liebi  zsäme 

Es  wollt  ein  Hirt  in  Wald  ustribe 

Es  wollt  ein  Jäger  go  jage 

Es  wollt  ein  Mädel  früh  aufstehn 

Es  wollt  ein  Mägdlein  Wasser  holen 

Es  wollt  ein  richer  Edelmannsfohn 

Es  wollt  es  Bürli  früe  ufsta 

Es  wott  e  Frau  z'  Märt  ga 

Es  wott  es  Maitli  go  grase 

Es  ziehed  drei  Grafen  über  Feld 

Frau,  du  sollist  heime  cho 

Freu  dich,  du  Himmelskönigin  . 

Graf  Friedrich  wollt  ausreiten   . 

Guter  Himmel,  ich  muß  scheiden 

Herzlich  thut  mich  erfreuen 

Heute  ist  die  Wacht  an  mir 

Hoch  auf  em  Berg  und  teuf  im  Th 

Ich  habe  mir  eines  erwählet 

Ich  kann  und  mag  nicht  fröhlich  sein 

Ich  stund  auf  hohem  Berge 

Ich  weiß  ein  blaues  Blümelein 

I  d's  Elsiß  abe  wott  e  Floh 

I  gang  emol  der  Berg  uf  . 

Im   Aargäu  sind  zweu  Liebi 

Ist  das  nit  es  elends  Lebe  ? 

Joseph  mein,  wirb  um  em  kleines  B 

Mareie  wott  go  wandle 

Maria  ein  reine  Jungfrau  war    . 

Mir  träumet,  wie  ein  Engel  kam 

O  Berlin,  ich  muß  dich  lassen  . 

Sant  Fridli  hängt  um  den  Ledersack 

Schönster  Schatz,  gleich  wo  du  bist 

Schönstes  Kind,  vor  deinen  Füßen 


Seite 
CVII 

cv 

CVII 
CVII 
CVII 
CVIII 
CVI 
CVI 
CVII 
CVII 

xcv 

CVIII 
CXI 
CXI 
CVII 
CVII 
CXI 
XCIV 

cv 

CXXI 

CXL 

CXXI 

CXXI 

CXXI 

CXXI 

CVII 

CXXII 

CXLIV 

CXLIV 

CVI 

CXXXVI 

XCII 

xcv 
c 

XCII 
CXXII 

c 

CXXII 
CXXII 


CL 


EINLEITUNG 


's  ist  eben  e  Mönsch  uf  Erde     . 

's  ist  keis  verdrießlichers  Lebe  . 

Soldatenleben !  ein  harter  Schluß 

Stets  i  Trure  mues  i  lebe  . 

Uf  em  Bergji  bin  i  gsesse 

Csen  Ätti,  daß  er  täti 

Was  Besseres  kann  uns  erfreuen 

Was  hab  ich  dir  denn  Leides  gethan 

Weiß  mir  e  Herr,  hed  siebe  Süh 

Wenn  alli  Wässerli  fließe 

Wenn  ich  ein  Yöglein  war 

Wol  auf,  ihr  lieben  Waldvögelein 

Wöllent  ir  gern  hören  von  Sant  Michaeli 

Zu  Straßburg  auf  der  Schanz 

Zwischen  Bera:  und  tiefem  Thal 


Seite 

cxxi.  cxxv 

CXXIV 

cxxx 

CXXIII 

cxxv 

cxxxv 

cvn 

cxxn 

cv 

cxxm 

cxxm 

xcix 

c 

cix — X 

cxxm 


ALLGEMEINE  VOLKSLIEDER  CLI 


Verzeichniss  (2) 

einiger  in  der  Einleitung  vorkommender,  in  der  Inhaltsübersicht 

nicht  angegebener  Gegenstände  von  allgemein  litterarhistorischer 

Bedeutung. 


i)  Besondere  Arten  und  Xamen  von  Liedern:  Bettellieder 
cxLiii.  Bühnenlied  cxl — in.  Diltappenlied  s.  Nachtrage  227. 
Gegenlieder  iv.  Judenlied  lxxx.  Kranzlieder  lxxx.  cxxxviii. 
CXL.  Kuhreihen  cxxxi — v.  Lügenlieder  cxliv.  Pratzlieder  iv. 
Pritschenlied  ixxiv.  Tratzlied  XLVii.  Kleine  Lieder  oder  Reini- 
sprüche  mit  besondern  Namen:  im  gemeinen  Leben  CXLV — vi; 
geschichtlich  politische  in  Chroniken  v.  Kirchenlieder  xc  ff. 
xcviii.  \\'ailfahrtslieder  c.  Lieder  von  Heiligen  und  ^^'alltahrts- 
orten  xcvi  ff.  Lieder  von  Sektierern  (Wiedertäufern)  xcvii — viii. 
Umzüge  von  Sängern  am  Weihnachts-  und  Dreikönigstag 
xci— II,  mit  Nachtrag  79.  Spottlieder  auf  Getneinden  und 
Personen  xcii— iv.  Lieder  von  Unglücksfällen  und  Wunder- 
dingen  CXV — VIII. 

2)  Art  und  Gelegenheit  des  Singens  von  Liedern :  von  historischen 
IV.  xxxm.  XXXV.  XLiv;  von  allgemeinen  lxxix — Lxxxii. 

3)  Wirkung  politischer  Parteilieder  iv.  xL.  XLVi.  lxvii. 

4)  Fortleben  historischer  Lieder  xvi.  xxxiii  und  Nachtr.  222  —  3. 

5)  Verbreitung  allgemeiner  Lieder  lxxxi. 

6)  Personalien  von  Volksdichtern  iv.  XLiii.  Lxxvi — vn.  lxxx. 
Meistersänger  (?)  lxxvii.  Volksdichter  des  Berner  Oberlandes 
Lxxvii  mit  Nachtrag.  Blinde  lxxviii.  Frauen  xxxviii.xliii.  lxxx. 

7)  Nachklänge  der  Heldensage  xxi — n.  xxiv.  lxxv. 

8)  Thiere  als  Bilder  kämpfender  Parteien  xix.  xxii.  lii. 

9)  Belagerte  Städte  als  Bräute  Lix. 

10)  Parodien  xvi.  xciv.  ci,  mit  Nachtrag   192. 


TEXTE. 


I. 


HISTORISCHE  VOLKSLIEDER. 

Motto:  Wir  könnend  all  vil  sagen 
bim  win  und  hinderm  spil, 
wie  unser  vordem  habend  geschlagen 
der  fürsten  und  herren  vil ; 
sagend  vil  von  den  alten, 
wie  mannlich  si  sich  hand  ghalteu : 
wenn  wir  uns  auch  so  stalten 
und  lügtend  baß  ins  spil  ! 
die  zit  's  erfordern  wil. 

N!kl.  Schorr. 
Bein   15)2. 


Das  alte  Tellenlied 
«Vom   Ursprung  der  Eidgnoschaft.  » 
s.  Einl.  S.   XIV.     ^  • 

1.  \^on  der  eidgnoschaft  so  wil  icli  heben  an, 
des  glichen  hört  noch  nie  kein  man ; 

in^  ist  gar  wol  gelungen, 

si  hand  ein  wisen  festen  pund ; 

ich  wil  üch  singen  den  rechten  grund, 

wie  die  eidgnoschaft  ist  entsprungen. 

2.  Ein  edel  land,  gut  recht  als  der  kern, 
das  lit  beschlossen  zwüschen  berg 

^  ihnen. 


HISTORISCHE 

vil  fester  dann  mit  muren. 
do  hüb  sich  der  pund  zum  ersten  an,. 
si  band  den  sachen  wislich  getan 
in  einem  land,  heißt  Ure. 

3.  Nun  merkent,  lieben  herren  gut, 

wie  sich  der  pund  zum  ersten  anhub, 
und  land  üch  nit  verdrießen : 
wie  einer  müst  sim  eignen  sun 
ein  epfel  ab  der  scheitel  schon 
mit  sinen  henden  schiessen. 

4.  Der  landvogt  sprach  zu  Wilhelm  Teil 
« nun  lüg,  daß  dir  din  kunst  nit  fei, 
und  vernim  min  red  gar  eben  ^ : 
trifst  du  in  nit  am  ersten  schütz, 
fürwar  es  bringt  dir  kleinen  nutz 

und  kostet  dir  din  leben. » 

5.  Do  bat  er  got  tag  und  nacht, 
daß  er  den  epfel  zum  ersten  traf; 
es  kond  si  ser  verdrießen. 

das  glück  hatt  er  von  gotes  kraft, 
daß  er  von  ganzer  meisterschaft 
so  höflich^  konde  schießen. 

6.  Alsbald  er  den  ersten  schütz  hat  gtan,. 
ein  pfil  hat  er  in  sin  göUer  getan: 

« hett  ich  min  kind  erschossen, 
so  hatt  ich  das  in  minem  müt  — 
ich  sag  dir  für  die  warheit  gut  — 
ich  wölt  dich  han  erschossen.» 


^  sreiuu.    -  ijeschickt. 


VOLKSLIEDER 

7.  Domit  macht  sich  em  großer  stoß, 
Jo  entsprang  der  erst  eidgenoss, 

si  wolten  die  landvögt  strafen; 
die  schlichten  weder  got  noch  fründ: 
wenn  eim  gefiel  wib  oder  kind, 
so  woltend  si  bi  im  schlafen. 

8.  Übermut  tribend  si  im  land  — 
böser  gewalt  der  wert  nit  lang  — 
also  findt  man's  verschriben. 

das  hand  des  fürsten  vögt  getan, 
drumb  ist  er  umb  sin  herrschaft  kan^ 
und  US  dem  land  vertriben. 

5).  Also  meld  ich  üch  den  recliten  grund 
si  schwürend  alle  ein  trüwen  pund, 
die  jungen  und  ouch  die  alten. 
Got  laß  si  lang  in  eren  stan 
fürbaß  hin  als  noch  bis  har: 
so  welln  wir's  irot  lan  walten ! 


Bern  und  Freiburg. 

s.  Ein!.  S.   XVIII. 

I.  Wend  ir  nu  hören  märi, 
als  ich's  vernomen  han  : 
zwen  ochsen  groß,  nit  kleine, 
ein  matten  haut  gemeine; 
darin  getar-   nieman  gan 
von  mengem  tier  sjewaltiij, 
die  darumb  manigfaltic? 


^  gekommen.  -  \v;io;t.  Plur.  tiirren  V.  9  mit  vorgesetzter  Negation. 


HISTORISCHE 

gant  und  sehent  zu; 
si  entürren  in  ze  leide 
nit  komen  an  die  weide, 
es  si  spat  oder  frü. 

2.  Ir  gehürne  das  ist  spitze, 
noch  me  denn  klaftern  wit, 
und  farent  in  dem  klewe 
als  fisch  in  einem  sewe, 

als  es  noch  mit  in  lit^. 
was  si  mugen  übersehen  — 
für  war  wil  ich  das  jehen  — 
das  muß  echt^  under  in  sin 
von  mengen  tieren  riche^; 
tünt  si  im  nit  geliche^, 
so  ist's  doch  worden  schin^. 

3.  Das  lit  in''  in  dem  sinne 
und  tut  in  sere  we, 

daß  die  zwen  ochsen  riche 
so  gar  gewaltigliche 
nu  watend  in  dem  kle. 
des'  si  gar  dick  zu  rate 
gand  beide  frü  und  spate 
und  tragend  uf  si  nit^ 
und  rieten  inen  beiden 
gar  gerne  an  ein  scheiden'^; 
es  duchte  etlich  zit^". 


^  wie  es  jetzt  noch  mit  ihnen  steht.  '■'  wohl,  eben,  nur.  ^  =  ge- 
waltig I,  6.  *  im  geliche,  dergleichen.  '"  offenbar.  '^  ihnen,  den 
anderen  Thieren.  ^  darum,  darüber.  ^  Neid.  ^  sie  möchten  die 
beiden  auseinander  bringen.  "  es  däuchte  manchen,  es  wäre  Zeit 
(nämlich,  daß  die  beiden  entzweit  würden). 


VOLKSLIEDER 

4.  Die  wolf  und  ouch  die  fuchse, 
manig  tier  in  disem  land, 
sprechent  zu  eim  alleine, 
gemeinschaft  si  nit  reine  ^, 
und  tünd  in  das  bekant'-. 

lat  er  sich  überwinden^ 
und  sich  das  mag  befinden^, 
es  muß  im  werden  leit 
und  mag  in  wol  gerüwen, 
wil  er's  joch  nit  getrüwen-'': 
das  si  in  vorgeseit. 

5.  Es  sind  zwen  alte  farren, 
die  freches  mütes  sind ; 
nieman  getar  mit  in  stoßen, 
diewil  si  sind  genossen^; 

er  düchte  mich  ein  kind. 
doch  war  es  nit  ein  wunder 
[und]  gieng  ir  einer  under'', 
man  spräch's  dem  andern  hin: 
«  nu  wer  dich,  du  bist  eine, 
diu  hilf  ist  worden  kleine.» 
nu  merket  disen  sinn ! 

6.  Gott  geb  den  ochsen  beiden 
[wol]  einen  steten  sinn, 
und  laß  si  nit  gehören, 

das  si  [noch]  mög  zerstören  — 
es  war  nit  ir  irewinn  — 


'  die  Bundesgenossensclnift  sei  nicht  ehrlich.  -  und  stellen  ihnen 
die  Sache  so  dar.  ^  überreden.  *  und  (wenn)  sein  Abfall  oftenbair 
wird.  '"  wenn  er  auch  (joch)  nicht  daran  glauben  will.  "^  so  lange 
sie  zusammenhalten.  '  wenn  einer  von  ihnen  sich  den  Einflüsterungen 
der  Feinde  ergäbe  (?).    Vielleicht  ist  zu  lesen:  sunder,  auf  die  Seite. 


HISTORISCHE 

noch  ußer  joche  treten; 
wan  wurden  sie  entweten\ 
so  gieng  es  übel  us. 
sus^  ich  si  bede  warne; 
die  wolf  sind  in  dem  garne, 
die  kämen  dann  harus. 

7.  Nu  solt  ich  üch  bedüten, 
wer  die  zwen  ochsen  sind, 
man  mag  es  hören  gerne: 
es  ist  Friburg  und  Berne, 
als  es  sich  noch  befindt. 
die  kann  nieman  gescheiden 
mit  warheit^  under  in  beiden 
das  wissent  iemerme*, 
als  noch  ir  briete  singent^ 
wann  si  s'  zesamen  bringent*" 
noch  minder  dann  ein  e'^. 


Schlacht  bei  Näfels. 

s.  Einl.  S.  XXIV. 

1.  In  einer  fronfasten  do  hub  sich  Glarner  not, 

si  wanden^  z'  Wesen  fründe  han :  sie  gabend  s'  in  den  tot. 

2.  Der  diß  mord  gestiftet  hat,  es  muß  im  werden  leid ; 
er  hat  nit  recht  gefaren,  wan^  er  ist  meineid. 

3.  In  österhchen  ziten  uf  einen  samstag^'' 

da  hub  sich  ein  großer  strit,  daß  menger  tot  gelag. 


^  ausgespannt,  getrennt,  luan  verkürzt  aus  luande,  denn.  ^  so. 
^  an  Treue.  *  ein  für  alle  Mal.  '"  wie  ihre  Urkunden  lauten.  ®  ver- 
gleichen. '  Ehe.  *  wähnten.  ^  denn.  ^"  Nach  den  Angaben  der 
anderen  Quellen  war  es  Donnerstag  (der  9.  April). 


VOLKSLIEDER  9 

4.  Ze  Glaris  in  dem  lande  warend  vierthalb  hundert  man, 
die  sahend  fünfzehen  tasend  ir  rechten  fiend  an\ 

5.  Do  ruft  also  behende  der  von  Glaris  houptman, 
er  ruft  unsern  Herren  Christ  von  himel  an. 

6.  «  Ach,  richer  Christ  von  himel  und  Maria,  reine  magd ! 
wellend  ir  uns  helfen,  so  sind  wir  unverzagt, 

7.  Daß  wir  den  strit  gewinnend  hie  uf  disem  feld ; 
wellend  ir  uns  helfen,  so  bstand  wir  alle  weit. 

8.  O  helger  herr  sant  Fridli,  du  trüwer  landsman, 

si-  diß  land  din  eigen,  so  hilf's  uns  mit  eren  bhan !  » 

9.  Die  herren  brachend  in  die  letz-'',  si  zugend  in  das  land, 
do  es  die  Glarner  saliend,  si  wichen  in  ein  gand^. 

IG.  Do  diß  die  herren  saliend,  daß  wichend  d'  Glarner  man, 
si  schruwend  all  mit  luter  stimm :   «  nun  gritend  s'  trö- 

lich  an !  « 

11.  Die  Glarner  kartend''  sich  umbe,  si  tatend  ein  wider- 

schnall", 
si  wurfend  mit  hämpflichen'  steinen,  daß  in  dem  berg 

erhall. 

12.  Die  herren  begundend  fallen  und  bitten  umb  ir  leben, 
mit  gold  und  mit  silber  woltend  si  sich  widerwegen'*. 

13.  «  Hettist  du  silbers  und  goldes  vil  größer  dann  ein  hus, 
es  mag  dich  nit  gehelfen,  din  leben  das  ist  us. 

14.  Din  vil  guter  harnist  und  all  din  isengwand 
das  müstu  hüt  hie  lassen  in  sant  Fridlis  land. » 

15.  Des  dankend  wir  alle  gote  und  sant  Fridli,  dem  helgen 

man ; 
dise  manliche  tat  band  die  fromen  Glarner  tan. 


^  sahend  an,  standen  gegenüber.  -  soll  sein.  •'  Grenzwehr. 
*  Steingeröll  (am  Abhang  des  Rauti-Berges).  "  kehrten.  ''  Gegen- 
stoß.   '  die  Hand  füllend.    *  aufwägen. 


10  HISTORISCHE 

«  Ein  subirlich  liedlin  von  eidgenossen.  » 

s.  Einl.  S.   XXVI. 

1.  In  disem  nüwen  jare 
so  endet  sich  die  not; 

das  gut  das  wird  uns  zware^, 
das  man  uns  entbot; 
des  argen  werd  vergessen, 
des  si  sich  hend  vermessen, 
die  dussen  sint  gesessen 
alls  in  dem  lande  wit^. 

2.  Das  sind  die  großen  herren, 
die  ich  nit  nennen  wil, 

die  die  Zürcher  leren 
der  argen  liste  vil, 
da  si  sich  erdennen^, 
zu  den  herren  rennen, 
eidgnossen  numme'*  kennen  — 
das  stat  bis  uf  ein  zil^! 

3.  Ir  fromen  eidgenossen, 

ir  füerent  der  eren  ein  fan, 
das  menigen  hat  verdrossen, 
der  uns  nit  bessers  gan*". 
daß  üvver  ding  in  eren  stat 
und,  was  durch  üwer  lande  gat, 
gut  fride  und  geleite  hat, 
das  müehet  manigen  man. 

4.  Der  eren  tünd  üch  frouwen, 
ir  Ironien  biderben  lüt; 


^  es  wird  uns  wahrlich  zu  Theil.  -  der  östreichische  Adel. 
■'  erdehnen,  strecken,  Beine  machen.  Statt  da  vielleicht  daß  zu  lesen- 
*  nicht  mehr.     '"  das  muß  einmal  ein  Ende  nehmen.    ®  ffönnt. 


VOLKSLIEDER  1 1 

lant  üch  nit  abetröuwen^, 
behabent's  mit  der  hüt-, 
als  üwer  vordem  haut  getan ; 
den  half  got  bi  dem  rechten  stan, 
das  unrecht  ließ  er  undergan : 
das  merkent,  ir  fromcn  lüt ! 

5.  Manicher  weschet  iez  sin  mund^ 
mit  der  eidgenossen  sach ; 

er  spricht,  es  si  nu  hie  die  stund, 

daß  sich  gemachet  hab, 

daß  die  eidgenossen 

legent  einen  bloßen'^; 

der  gewalt  werd  umgestoßen, 

der  lang  geweret  hab. 

6.  Wer  das  redt,  kan  wol  liegen, 
er  redt's  us  falschem  grund; 
sin  sinn  möcht  in  wol  triegen, 
so  sich  die  warheit  tund. 

wan  got  den  gerechten  nie  geließ", 
ob  er  das  schiflin  sinken  ließ 
etwan  nach'^  bis  uf  den  grieß'', 
berüert  doch  nie  den  grund. 

7.  Mancher  wil  uns  mit  tröuwen  töten, 
er  sitzt  in  Osterrich. 

er  muß  sich  näher  zu  uns  löten^, 
wil  er  uns  machen  licht 'M 


^  abdrohen,  durch  Drohungen  abgewinnen.  "  behauptet  es  mit 
der  Haut,  mit  dem  Leben.  •'  spricht  verächtuch  von  — .  "*  sich  eine 
Blöße  geben,  Schande  einlegen.  ^  denn  —  verließ.  **  nahezu,  beinahe. 
^  Sand.  *  drängen.  ^  leicht  machen  =  in  die  Höhe  heben.  Das  Bild 
scheint  vom  Wettkampfe  im  Schwingen  entnommen,  wo  man  den 
Gegner  fest  anpacken  muß,  um  ihn  vom  Boden  loszureißen. 


12  HISTORISCHE 

wann  möchten 

....  tröuwen  die  eidgenossen 
kind  und  lüt  han  umbgestoßen 
von  manchem  herren  rich^. 

8.  Nu  rmvet  mich  ein  arm  gemein 
zu  Zürich  in  der  stat, 

daß  si  des  tummen  rares  mein- 

so  gar  verwiset^  hat. 

daß  si  sint  so  blinde, 

die  alten  und  die  kinde: 

si  huwent  ut  ein  winde, 

der  bald  verwehet  hat. 

9.  Oster '^  heißt  der  winde, 
er  wehet  us  Osterrich, 

er  wil  uns  zesamen  binden, 

er  tut  im  wol  gelich'^. 

ob'^  sich  erhebt  das  wilde  spil, 

so  möcht  der  wind  wol  ligen  still, 

bis  daß  der  Zürcher  wurde^  fiel: 

das  gült  uns  alles  glich! 

IG.  Er  ist  ein  armer  wirte, 
der  nit  gebeiten^  mas; 
einem  ein  einig  irte'' 
bis  uf  einen  tag, 


^  Der  Sinn  der  vollständigen  Worte  muß  gewesen  sein:  Wenn 
mit  Drohungen  etwas  auszurichten  w,äre,  so  hätten  die  Eidgenossen 
auch  schon  manchen  Herrn  zu  Grunde  richten  können.  -  meine, 
Meinung.  ^  irre  führen.  *  Ostwind.  '"  er  sieht  danach  aus.  ^  wenn. 
^  Würde,  Ansehen,  Stolz.  Vielleicht  aber :  den  Zürchern  wurd  ze  vil. 
*  abwarten,  stunden,  Frist  geben.  ^  Zeche,  für  ürie.  Der  Sinn  der 
ganzen  Strophe  ist:  Wir  können  die  Abrechnung  mit  Zürich  wohl 
noch  eine  Weile  verschieben,  da  wir  Pfänder  nehmen  können. 


VOLKSLIEDER  1 5 

daß^  im  das  pfand  so  oben  lit 
in  der  nälie  und  nit  zu  wit, 
bis  im  kumt  der  irten  zit, 
des  er  wol  gebeiten  mag. 

11.  Ir  fromen  eidgenossen, 
ir  fromen  festen  degen, 
achtet  es  nit  große, 

ir  sölnt's  zum  geringsten  wegen- ; 
üch  ist  dem  faß  ein  reif  enbunden^, 
der  win  enschiossen  nit  gesund'^; 
das  hat  geweret  manig  stund, 
bis  es  sich  hat  ergeben. 

12.  Türst  ich  die  sach  betüten'', 
ich  tät's  von  herzen  gern: 
zu  Zürich  sind  edel  lüte, 

man  möcht  s'  vor  buren  wern''; 
si  sint  kürzlich  herren  worden, 
si  koppen'^  in  der  herren  orden ; 
täten  si  nu  als  ir  vordem*^ 
des  pfawenschwanz^  enbern! 

13.  Es  mocht  wol  etwan^*^  frömd  gesin 
bi  alten  Zürcher  tagen, 

daß  die  rüter  us  und  in 
zu  Zürich  solten  traben. 


1  hier  im  Sinne  von  da  oder  ifenn.  -  ganz  gering  schätzen. 
3  ein  GHed  des  Bundes  hat  sich  abgelöst.  *  der  ungesunde  Wein 
ist  herausgelassen ;  vielleicht  zu  lesen  :  «;/o55£'«,  ausgeflossen,  ^dürfte 
ich  erklären.  ^  beschützen.  '  schlagen,  hier  im  Sinne  von  arten 
(vgl.  Boner  26,  20:  er  koppet  balde  in  sin  art).  Anspielung  auf  das 
Emporkommen  des  Bürgermeisters  Ritter  Stüßi  von  Zürich  aus 
niedrigem  Stande.  *  wie  ihre  Vorfahren.  '■'  im  Wappen  von  Oestreich. 
^'^  einmal,  einst. 


14  HISTORISCHE 

ein  koufman,  der  bi  im  nit  treit^ 
der  darP  von  Zürich  kein  geleit; 
die  rüter^  tünd  in  ie  kein  leid, 
so  si  nit  bi  in  tragen. 

14.  Darumb  so  ist  zu  prisen 
die  eidgenossenscliaft : 
von  Berne  die  vil  wisen, 
von  Soloturn  mit  kratt, 
und  was  zu  in  da  gehört, 

das  haben  si  dick  wol  gewert; 
si  sind  mit  fromkeit  wol  behert*, 
mit  trüwen  recht  behaft. 

15.  Von  Zug,  von  Schwiz,  von  Luzern, 
von  Glaris  feste  lüt, 

von  Uri  und  von  Ursern, 
die  habent  herte  hüt. 
die  von  Underwalden 
türrent's^  wagen  balde, 
si  machent  es  nit  lange, 
was  in  im  herzen  lit. 


^  keine  verbotene  Waare  mit  sich  führt.  -  bedarf.  ^  die  rüter 
hier  müssen  andere  sein  als  die  östreichischen  V.  3.  welche  jetzt  die 
zürcherischen  Kaufleute  begleiten  müssen.  *  mit  Tüchtigkeit  aus- 
gestattet. °  getrauen  sich.  —  Von  Str.  16  sind  nur  noch  die  zwei 
ersten  Zeilen  überliefert: 

Die  stete  und  die  länder 

die  sind  wol  erenwert. 
Schade,  daß  das  durch  seine  körnige  und  bilderreiche  Sprache  aus- 
gezeichnete  Lied    nicht   vollständig   ist;    es   wird   aber   nicht   mehr 
viel  fehlen. 


VOLKSLIEDER  I5 

Von  der  «Ewigen  Richtung». 

s.  Eii.l.  S.  XXVII. 

1.  Der  süeße  sumer  fröwet  mich, 
der  winter  wil  von  hinnen. 
Hagenbach  schribt  hinder  sich\ 
er  well's  ein  büt  gewinnen; 
mit  sinem  heilen  ....  pafV- 
füert  er  zur  Hbery 

gesetzet  Würfel  dry, 

bedütet  als'':  hab  nid  und  haß! 

2.  Nu  ratend  an'^,  ir  frommen, 
was  er  ze  letzi-''  schenk, 

uf  daß  wir'n  überkomen'^'; 
ich  mein  das  ich  gedenk'^: 
lüg  iederman  zu  siner  schanz*^! 
er  spilt  verworren  sachen, 
ob  er  möcht  sackman  machen-' 
und  darnach  ein  bettlertanz  ^''. 

3.  Si  türfend^^  wiser  hste 
da  unden  an  dem  Rin, 
die  nügebornen  Cristen 
brechend  zun  orten  in. 


^  seinen  Anhängern.  -  Hagenbuchs  Gefolge  trug  als  Livree 
(Abzeichen)  auf  die  Aermel  gestickt  Würfel  und  die  Worte:  je  giidtc 
(ich  wache,  warte,  passe).  Vielleicht  sollte  es  heißen:  mit  sinem 
geilen  Spruch:  ich  paß.  Vgl.  Str.  12,  5.  ^  so  viel  als.  *  Vgl.  das 
volksthümliche:  Rat  mer  i,  rat  mer  a!  "'  zum  Abschied;  was  er 
(mit  seinem  ganzen  Treiben)  zuletzt  beabsichtige.  ^  überlisten.  Die 
Handschrift  hat  bloß:  uf  daz  überkomen.  ''  was  ich  ausgedacht  habe. 
^  franz.  chance,  eigentlich  der  Fall  der  Würfel,  dann:  günstige  Ge- 
legenheit,   ''plündern.    ^"  Hader,  Streit,  Krieg.    ^^  bedürfen.  Gemeint 


l6  HISTORISCHE 

er^  schankti  in  eins  in  das  gUis 
mit  sinen  hellen  tücken, 
sin  anschlag  wurd  sich  glücken, 
bis  menger  sines  kopfs^  vergaß. 

4.  Ich  mein  die  löuf  als  hin  und  har^, 
was  menger  singt  ald  seit; 

die  weit  ist  worden  wunderbar. 

ach  künschi'^  müter  meit, 
durch  dines  Heben  kindes  kraft 
verlieh  mir  dinen  segen, 
daß  ich  din  müge  pflegen, 
durch  ^  die  iromen  eidgnoschaft. 

5.  Man  wird  mit  warheit  innen, 
was  trost*'  der  herrlichkeit, 
lobsang  wird  in^  entspringen 
durch  den  fürsten  hochgemeit, 

der  iez  durch  schirm  mit  gwalt,  mit  gwer, 

nach  adelichem  frumen^ 

ist  in  ir  pundnuß  kumen; 

des  fröwet  sich  alls  himelsch  her. 


sind  wohl  die  Städte  der  sog.  «niedern  Vereinigung»,  welche  durch 
die  in  die  östreichischen  Pfandlande  eingedrungenen  neuen  Herren, 
die  Burgunder,  bedroht  waren. 

^  Hagenbach.  Das  folgende  Bild  vom  Einschenken  ist  das  in 
Str.  2,  2  gebrauchte.  Die  Handschrift  hat  übrigens  gläss,  was  nicht 
wohl  für  glas  stehen,  sondern  mhd.  gela^e,  Verlassenschaft,  sein 
kann,  verwandt  mit  let:;e.  -  hopf  hier  Trinkgefäß,  aber  wahrscheinlich 
mit  doppelsinniger  Anspielung  auf  die  gewöhnliche  Bedeutung.  ^  die 
gegenwärtigen  Ereignisse,  von  denen  alle  Welt  spricht.  ■*  keusche. 
'"  um  —  willen.  Der  Sänger  will  zur  h.  Jungfrau  beten,  daß  der 
Eidgenossenschaft  aus  ihrem.  Frieden  mit  Oestreich  Heil  erwachse. 
®  Liliencron  schreibt:  was  trostes  daran  leit  (für  lit,  liegt?).  '  ihnen, 
den  Eidgenossen,   gemeit,  stattlich,  ansehnlich.  ®  seiner  Würde  gemäß. 


VOLKSLIEDER  I7 

6.  Der  vor  ziten  ist  erschlagen 
(ich  setz's  uf  beid  partyg^) 

und  die  erbsünd  mit  im  hat  getragen, 

den  mach  got  sorgenfryg, 

Schluß  inen  uf  den  himeltron! 

wer  den  puncten  kan  betrachten, 

tut  keinen  wisen  verachten : 

si  band  gemacht  der  ern  ein  krön-. 

7.  Davon  so^  wil  ich  singen  — 
nun  merkend  all  gelich  — 
gut  hoffen  und  gedingen'^; 
wan^  der  adel  von  Österrich 
ist  lange  zit  gsin  übersetzt'' 
mit  vögt,  mit  rät,  mit  heren; 
sölt  sich  das  nit  verkeren, 

so  wurd  der  schimpf  in's  end  vernetzt^. 

8.  Wil  aber  der  fürst  betrachten, 
was  im  fromt  oder  schadt, 
die  eidgnossen  nit  verachten, 
so  ruckt  er  wol  von  stat, 

das  ....  lang  versessen  ist^: 
die  sinen  band  verlassen 
bürger,  stet  und  Straßen^: 
die  orüdend  wol  us  siner  kist. 


'  ich  beziehe  das  auf  beide  Parteien.  Die  auf  beiden  Seiten  in 
den  fri^iheren  langen  Kämpfen  Gefallenen  haben  durch  das  Opfer 
ihres  Lebens  gleichsam  den  jetzigen  Frieden  erkauft  und  dafür  die 
ewige  Seligkeit  verdient.  -  wer  den  für  beide  Theile  ehrenvollen 
Frieden  erwägt,  wird  darin  Weisheit  erkennen.  ^  darum  also.  *  Zu- 
versicht. ^  denn.  ^  überladen,  zu  reichlich  versehen.  ^  so  würde 
der  Spaß  zuletzt  verderbt.  ^  so  kommt  er  vorwärts,  was  schon  lange 
versäumt  worden  ist.     °  Die  Vogte  und  Räthe  (Str.  7,  6)  des  Fürsten 


HISTORISCHE 

9.  Es  ist  gut  riemen  schniden 
US  ander  lüten  hüt^! 
der  milt  Job  müst  sich  lidcn, 
was  got  verliengnus  git- : 
also  hat  sicli  ouch  geschmückt^ 
das  edel  plut  von  Österrich; 
die  müter  gots  hat  miltenklich 
ein  einung  in  gots  fründ  getruckf*. 

IG.  Des  ist  ein  pund  ergangen^ 
mit  ern  011  arg  gefärd; 
alt  umbständ^  lat  man  hangen, 
wiewol's  mengen  vil  beschwärt, 
die^  lassind  sin  ir  argen  gebrecht^! 
er  ist  ein  fürst  nach  fromen'^; 
hat  nie  kein  man  vernomen, 
daß  er  geton  hab  wider  recht. 

II.  Kein  herz  sol  nit  gedenken, 
daß  er  tüeg  untrüw  spil; 
rät  müestend  äffen  schrenken^*^, 
das  ich  nit  me  sjeding-en^^  wil. 


haben  durch  ihren  Uebermutli  und  ihre  schlechte  Wirthschaft  viel 
Gebiet  verloren,  was  natürlich  ihm  selbst  zum  Schaden  gereicht.  — 
Die  Handschrift  hat  übrigens:  die  Venediger  güdend  — . 

^  Dieses  Sprichwort  entspricht  dem  «Geuden  aus  der  Kiste  eines 
Andern»  unmittelbar  vorher.  ^  auch  Hiob  musste  sich  in  das  schicken, 
was  Gott  über  ihn  verhängte.  •''  so  hat  sich  nun  auch  der  Fürst  von 
Oestrei'ch  herbeigelassen.  ■*  die  Mutter  Gottes  hat  gnädig  ihre  Freunde 
zur  Versöhnung  gebracht.  ^  dadurch  ist  zu  Stande  gekommen.  '^  noch 
schwebende  Streitfragen.  '^  die  sich  über  den  Frieden  aufhalten,  üin 
missbilhgen.  ^  Lärm,  lautes  Reden.  ^  wie  er  sein  soll;  vgl.  Str.  5,  6. 
^°  auf  Ränke  sinnen,  mit  Betrug  umgehen?  Die  Handschrift  hat: 
den  aflfen,  vielleicht  für  denn.  Die  Räthe  sind  die  in  Str.  7,  6  ge- 
nannten. Nach  rät  hat  die  Handschrift  noch  das  Wort  diener,  welches 
den  Vers  überladet.     ^^  hoffen. 


VOLKSLIEDER  1 9 

O  edels  plüt  von  Österrich, 

halt  fanv  den  eidgenossen. 

so  lebt  nit  din  genossen^, 

in  tütschem  und  in  welschem  rieh ! 

12.  Du  hast  ein  ruggen  an  dich  gehenkt, 
der  dich  zu  eren  frumt' ; 

ob  das  ein  in  siner  blater  krenkt^, 

so  acht  nit  was  er  brumt! 

er  git  uf  vil  heiler  spil"^ : 

von  dem  du  wandest ''  trost  erwarten, 

der  schlenzt  dir  selbs  din  rosengarten*'; 

der  Walchen  tücke  der  ist  vil. 

13.  Darum  solt  du  dich  keren 
zur  bewärten  eidgnoschaft, 
und  laß  dich  nit  verfüeren" 
fürsten  und  ir  ritterschaft ! 
si  ratend  dir  in  iren  sack*^; 
du  bist  lang  gnug  umhgtüert, 
als  die  kraj  im  luft  verirt'*; 

acht  nit,  daß  menizem  übel  schmack^'^! 


^  deines  gleichen.  -  bringt,  fördert.  ^  in  der  Blase  brennt,  ärgert. 
*  Liliencron  erklärt  das  handschriftliche  gyt  als  giget,  geigt,  heil 
wahrscheinlich  für  geil,  lustig,  übermüthig,  wie  Str.  1,5.  ■'  wähntest. 
^  verderbt.  Liliencron  schreibt  schleiit,  zerstört,  was  aber  Schweiz. 
schlyßt  hüten  müsste.  schleusen,  verschleudern,  Stalder  2,  328.  Der 
Rosengarten  aus  der  Heldensage  bekannt.  Vgl.  Uhland,  Schritten 
VIII,  504.  520  ff.  556  ff.  Hier  in  bildlich  allgemeinem  Sinne:  Er 
(der  Burgunder)  schädigt  dir  dein  Gebiet.  Vgl.  Str.  14.  ^  Vielleicht 
verfiren  =  verf;sren,  erschrecken.  ®  zu  ihrem  eigenen  Vortheil.  ^  wie 
eine  vom  Wind  verschlagene  Krähe.  Die  Handschrift  hat  aber  kryg, 
Ruf,  Geschrei.     ^**  dem  Sinne  nach  =  Str.  12,  5 — 4. 


20  HISTORISCHE 

14.  Umzün  din  rosengarten 

mit  der  fromen  eidgnossen  land ! 
ir  scharpfen  halenharten 
die  zwyend^  dir  din  land, 
das  dir  der  adel  liat  zertrent^ ; 
sie  helfend  dir  die  lucken 
stätenklich^  verbucken'^ 
von  anefang  bis  an  das  end. 

15.  Werdend  si  diner  ern^  gewar  — 
(ich  setz  ein  kurzi  gloß^), 

schibt^  sich  din  trüw  nit  wandelbar, 

tut  in  den  ruggenstoß  — 

(als  ich  höre  alti  klag): 

fromer  fürst,  so  tu  gedingen^, 

dir  müg  nit  misselingen; 

si  brechend  ....  durch  stock  und  hag^. 

16.  Daran  wil  ich  erwinden^" 

und  melden  ein  ander  gschrei^^ 

und  uf  ein  puncten  binden  ^^  — 

aventüre  ist  mengerlei  — 

Burgunn  tat  träun  durch  Hagenbach, 

der  füert  ein  fan,  daruf  zinq  tus^^, 

er  schreib,  der  schimpf  war  noch  nit  us: 

der  schlafend  hund  der  ist  erwacht. 


^  pfropfen,  verbessern.  -  s.  Str.  8,  6—7.  ^  dauerhaft.  *  ausflicken. 
'  Ehrlichkeit.  ®  Glosse,  Bemerkung.  '  nicht  =  schiebt,  sondern:  rollt, 
dreht,  wendet.  *  verlaß  dich  darauf.  ^  sie  (die  mit  dir  verbündeten 
Eidgenossen)  haben  unwiderstehliche  Kraft  (wie  sie  z.  B.  bei  der 
Durchbrechung  des  Grünhags  in  der  Schlacht  bei  Murten  gezeigt 
haben).  ^°  Davon  will  ich  ablassen.  ^^  Gerücht.  '^  ufbinden,  vor- 
nehmen? ^^  cinq  deiix,  diese  Punkte  standen  auf  den  in  Str.  i,  7 
genannten  Würfeln.  Für  schreib  (schrieb)  liest  Liliencron  schreit.  Die 
Handschrift  hat  tan  statt  fan  und  schlafender  statt  der  schlafend. 


VOLKSLIEDER  21 

17.  Nun  lassend  vogel  sorgenM 
der  low  hat  sich  geeint 

mit  dem  her  und  stier  unverborgen, 
blaw  und  \viß-,  der  fromen  gmeind. 
drumb  ich  in  gut  gedingen  bin, 
got  werde  dardurch  \vürken, 
daß  ungloub  ouch  der  Türken 
fließ  aller  gar  dahin. 

18.  Wie  sich  das  werde  machen, 
das  merkend  eigenlich^ : 
nach  vil  vergangnen  sachen 
zücht  der  herr  von  Österrich 

mit  hilf  und  trost  der  eidgnoschaft 
an  die  Venediger  mit  fromen, 
die  im  eigen  und  erb  hand  gnomen 
wider  recht  mit  flilscher  kraft^. 

19.  Die  tünd  sich  denn  verbinden 
zum  Türken,  dem  hellsehen  rosf"*, 
am  glouben  wend  s'  erblinden; 
denn  hilft  der  ewig  trost 

und  git  den  sinen  ....  kraft, 
von  Österrich  dem  fürsten, 
den  eidgnossen,  den  türsten'', 
ze  erwerben  hochi  ritterschaft'. 

20.  Darumb  sind  sie  gewidmet 
zum  bälgen  römschen  rieh, ' 


^  überlasst  es  dem  natürlichen  Lauf  der  Dinge.  -  in  den  Wappen- 
schildern von  Zürich,  Luzern  und  Zug.  *  genau.  ^  hier  fast  =  engl. 
craft,  Kunst,  List.  ^  höllisches  Feuer.  **  tilrstc  -  tilrstis,  kühn. 
^  ritterliche  Ehre. 


22  HISTORISCHE 

ir  manheit  durchtringt,  durchbidmet* 

und  lebt  nit  ir  gelich 

ja  under  ....  des  himels  tron. 

Noch  eins  hau  ich  besunnen : 

das  haiig  grab  werd  ouch  gewunnen ; 

....  zieret  erst  der  eren  krön. 

21.  Das  glück  sich  alls  zusenket, 
(Sibilla  redt  nit  us  troum), 
bis  keiser  Fridrich  henket 
sin  Schild  an  türren  boum ; 
denn  wird  erfüllt  die  prophezy 
in  himel  und  uf  erden, 
darum  ouch  got  wolt  sterben 
....  an  stumpfen  naglen  dry. 

22.  On  die  puntnus  möcht  es  nit  geschehen, 
schafft^  des  adels  untrüw  z'  aller  frist, 
wiewol  es  got  hat  angesehen^, 

daß  der  adel  des  rechten  kämpfer  ist; 

er  erfüllet  nit  die  gsatz, 

miet,  gab,  gbirt  argen  samen, 

si  haltend  uf  groß  namen; 

das  bringt  den  Cristen  widertratz^. 

23.  Damit  so  end  ich  min  gesang, 
ich  Rudolf  Montigel; 

macht  ich  des  ein  preameh^  l^ng^ 
so  hätt's  die  gloß  und  fei*'. 


^  Liliencron  vermuthet :  von  nianheit  all  durchbidmet  (durchbebt). 
^  daran  ist  Schuld.  ^  verordnet.  *  Widerstand.  Das  schadet  der  guten 
Sache  der  Christenheit,  im  Kampf  gegen  die  Ungläubigen.  '"  preamhel, 
weitläufige  Rede,  Umschweife.    "^  Fehl,  Fehler. 


VOLKSLIEDER  23 


ach  künschi  müter,  reine  mait, 
bitt  ....  tür  uns  din  kinde, 
daß  die  pundnus  nit  erwinde^ 
ze  trost  ....  der  Cristenheit ! 


Frischhans  Theiling  und  Hans  Waldmann. 

s.  Einl.  S.'XXX. 

1.  Zu  Zürich  hört  man  kkigen 
und  ist  ein  große  not, 

die  Waldlüt-  hört  man  klagen 
eins  bidermanncs  tod : 
Früschhans  DilHng  ist  er  genant, 
ze  Luzern  was  er  gesessen, 
der  eidgnosichaft  wol  erkannt. 

2.  Er  kam  gon  Zürich  gangen, 
als  noch  vil  mancher  tut; 

in  der  friheit  ward  er  gefangen, 
es  möcht  nit  werden  gut. 
er  hat  doch  nie  kein  übels  getan: 
durch  Waldmann  ward  er  vertragen^, 
da  ist  kein  zwitel  an. 

3.  Waldmann  lat  sich  halten, 
als  sig  er  ein  edelmann ; 

da  schafft  sin  große  gewalte, 
ja,  die  er  leget  an 
ze  Zü-rich  in  der  werden  stat : 
er  muß  sin  leben  wagen, 
der  es  wider  in  haf^. 


^  rückgängig  werde.     ^  die   Leute   von    den  Vier  Waldstätten, 
verleumdet.     *  wer  nicht  zu  seiner  Partei  hält. 


24  HISTORISCHE 

4.  Er  ist  zum  ritter  worden, 
das  hat  die  miet'^  getan; 
wol  in  der  puren  orden 
sol  er  voranhin  gan. 

er  hat's  nit  von  manUchkeit; 
het  er's  also  erworben, 
es  war  dem  adel  leit. 

5.  Er  ist  gewesen  ein  schnider, 
darnach  ein  gerwerknecht ; 

die  handwurclit  wolt  er  nit  triben, 
sie  waren  im  zu  schlecht; 
er  sucht  ein  ander  begangenschaft, 
mit  spilen  und  mit  kuplen 
tribt  er  groß  widerbracht^. 

6.  Waldmann  wolt  sich  versprechen-', 
er  hette  kein  scliuld  daran; 

sin  hend  die  wolt  er  weschen, 
als  Pilatus  hat  getan, 
er  hett's  wol  underwegen  orelan; 
man  wirt  sin  nit  vergessen, 
es  wissen  kind,  wib  und  man. 

7.  Wol  hin,  es  ist  zergangen 
ein  wunderlich  geschieht; 
und  do  er^  ward  gefangen, 
man  solt  nit  han  geilt, 
sunderlich  wislich  han  betracht ; 
die  recht  solt  man  im  han  lassen 
gan  nach  der  punten  sag-^. 


^  Bestechung.  -  Lärm,  Aufsehen.  ^  entschuldigen.  *  TheiHng. 
*  nach  Laut  der  Bünde.  Statt  geilt  (geeilt)  vielleicht  gericht;  die 
letzte  Zeile  etwa:  der  Bünde  haben  Acht. 


VOLKSLIEDER  25 


8.  Früschhans  ist  gestorben, 
ein  frumer  bidermann ; 
zu  Irnis  hat  er  erworben, 
er  solt  voranhin  gan ; 

er  tat  ein  ritterliche  tat. 
man  wolt  nit  lenger  warten  \ 
wie  fast  man  für  in  bat. 

9.  Dis  lied  ist  uns  entsprungen, 
gesungen  und  ouch  gemacht 
von  einem  tochterUn  junge ; 
es  hat  es  wol  bedacht, 

wie  wol  es  jungen  jarcn  ist. 
das  hilf  uns,  Maria  reine, 
und  der  vil  heilig  Christ! 


"Wider  die  Schwaben  in   Constanz, 

s.  Einl.  S.  XXXII. 

I.  Es  Schwert  ein  pur  in  zoren 
den  herren  groß  hcrzeleid. 
es  band  vil  türsten  gschworen, 
als  man  zu  Constanz  seit, 
vil  Behem  und  vil  Zegen-  — 
es  bringt  groß  ungehür^  — 
vil  tröuwer'^  bi  dem  für; 
es  kostet  vil  alter  schegen-'', 
die  sclioppen*'  die  sind  tür. 


'■  mit  seiner  Hinrichtuno:.  '^  Böhmen  und  Tschechen,  deutsche 
und  slavische  Böhmen.  ^  Gefahr,  Schrecken.  *  Drohende  Feinde. 
''Jacken.  °  Juppe;  vgl.  Schweiz,  schöpe,  tschöpc,  Jacke.  Die  Schweizer 
gaben  den  Tirolern  und  Schwaben  den  Spottnamen  des  Juppenbundes. 


26  HISTORISCHE 

2.  Man  sol  si  anders  toufen, 
wenn  si  nit  glöubig  sind; 
man  sol  in  zelten^  koufen, 

so  schwigend  s'  wie  die  kind. 

Den  Schwizern  möcht  wol  grusen 

ob  sömlichem  lotterspil- ! 

si  ligend  bi  dem  zil^ 

als"^  die  von  Mülhusen, 

die  gloubend  des  tröuwen  vii^! 

3.  Und  welcher  ab  tröuwen  stirbt, 
dem  wird  mit  furzen  glüt''; 

so  eim  biderman  sin  esel  verdirbt, 

vergrabt  man  in  mit  der  hüt"^. 

si  land  sich  nit  erschrecken, 

als  die  von  Costanz  tünd; 

si^  schwerend  der  Schwizern  pund. 

an  die  Stollen  müeßend  si  schmöcken^, 

wenn  nun^^  die  zit  kumt. 

4.  Costanz,  laß  din  tröuwen  sin, 
du  stast  dem  adel  bi, 

du  last  die  herrschaft^^  us  und  in, 
du  iüerst  din  w'appen  fri ; 
vor  den  Schwizern  tust  du  bschließen, 
du  nimst  in  ir  wapen  ab; 


*  Fladen.  ^  Gaukelspiel,  Possep.  ^  verhalten  sich  ruhig.  *  wie; 
ebenso  i,  4.  5,  6.  '"  ironisch:  ebenso  wenig  wie  die  Schweizer. 
®  geläutet.  Die  derbe  Redensart,  im  Sinn  von  «mit  Schimpf  und 
Schande»,  ist  noch  heute  gebräuchlich.  ''  Dativ  von  hut.  Haut.  ^  die 
Mülhauser,  im  folgenden  Vers  die  Constanzer.  '■'  stallen,  Knochen; 
an  die  st.  schmecken  (riechen),  leer  abgespeist  werden.  ^^  nur.  "  die 
Kaiserlichen. 


VOLKSLIEDER  1'] 

es  gwinnt  so  wilde  hab^: 
du  solt  sin  nit  genießen- 
gegen  mengem  Schwizerknab. 

5.  Du  teilst  din  gunst  gar  ungelich, 
du  neigst  dich  gegen  der  sunnen, 

du  sprichst,  der  küng  von  Frankerich, 

der  herzog  von  Burgunne, 

si  wellind  in's  Rintal  komen. 

und  weUind  s'  leben  wol 

und  trinken  bi  dem  koP, 

das  band  die  puren  vernomen, 

si  wellend's  machen  vol ! 

6.  Desglichen  Zürich  und  Lucern, 
Basel  und  die  von  Zug, 

von  Soloturn  und  von  Bern, 
si  füerend  des  adlers  flug^; 
Friburg  und  sant  Gallen, 
gotshus  und  Appenzell, 
Sargans  und  Wallistat  schnell, 
Wintertur  in  pund  gefallen, 
Dießenhofen  und  Frouwenfeld, 

7.  Schafhusen  ouch  mit  namen: 
alls  von  den  fürsten  kumt^; 

si  band  sich  zu  Basel  gesament, 
si  schwerend  den  Schwizer  pund. 
die  richstett  wettend  wir  sprengen 
uß  irem  öden  hus. 


^  eine  so  seltsame  Gestalt.  ^  davon  keinen  Vortheil  haben. 
^  Kohlenfeuer.  *  fliegen  ebenso  kühn  wie  der  Reichsadler,  oder: 
zeigen  ihm  den  Weo;.     °  alles  föllt  von  den  Fürsten  ab. 


HISTORISCHE 

die  alten  bhend  daruß, 
die  rüterspuren^  vertringen, 
so  belibend  s'  vorhin  uß-. 

8.  Die  rüterspuren  die  sind  frisch, 
si  sitzend  bi  dem  Rin ; 
kämend  vil  herrn  über  iren  tisch, 
si  oräbend  in  guten  win : 

so  wurd  man  inen  schenken 
.  .  .  .  uß  einem  glas, 
so  drunkend  sie  dester  baß ; 
ob  s'  in  dem  Rin  ertränken, 
so  durftend'"^  si  keis  glas. 

9.  Es  ist  vil  adels  gewesen 

im  Rintal,  wiß  und  grüen'^, 

si  sind  vor  inen  gnesen^, 

dieselben  puren  küen. 

sant  Fridli  mag  wol  helfen, 

darzü  der  ruche  stier, 

der  bärn  wol  mer  dann  vier^; 

kam  der  löu  mit  sinen  hilfen, 

si  empfiengend  in  gar  schier, 

IG.  Mit  hilf  der  besten  puren 
uß  gmeinem  Schwizerland, 
von  Glaris  und  von  Uri ; 
Schwiz  nimt  's  panner  in  die  band, 


^  berittene  Bauern,  Spottname  für  die  mit  Rittern  verbündeten 
Schwaben.  -  zum  voraus,  künftighin,  draußen.  ^  bedürften.  *  dies 
sind  auch  die  Farben  des  heutigen  Kantons  St.  Gallen.  °  haben  sich 
ihrer  erwehrt;  dieselben  puren,  jene  echten  Bauern,  die  Schweizer. 
*  Bären  sind  in  den  Wappen  von  Bern,  Abtei  und  Stadt  St.  Gallen, 
Appenzell. 


VOLKSLIEDER  29 


Wallis  ZU  der  stelle, 
Unterwaiden  kund, 
Rapperschwil  zur  stund ; 
es  sind  vil  frischer  gsellen, 
si  stand  uf  festem  grund. 

II.  Der  uns  das  liedli  nüwe  gesang, 
er  sitzt  am  Zürichse, 
Peter  Müller  ein  Schwizerknab, 
er  singt  uns  menges  nie. 
im  Rintal  ist  er  gesessen, 
im  Appenzeller  biet; 
er  hat  sich  der  ding  erniet^: 
das  dörfend  wir  nit  vergessen, 
wir  meldend's  in  disem  lied. 


Das  lied  von  der  schlacht    geschehen    vor  Nawerren 
mit  dem  küng  von  Frankreich  und   gemeiner  eidgnoschaft. 

In  der  weis  wie  das  hijndner  lied.     (Xr.  21,  d.) 
s.  Eiul.  S.  XXXV. 

1.  Wol  her,  ir  lieben  gsellen, 
ich  sing  üch  nüwe  mär  — 
welcher's  nit  glouben  welle, 
der  darf  nit  komen  her  — 
wie  es  iez  stand  in  Lombardv 
und  ouch  von  unsern  knaben, 
wie's  in  ergangen  si. 

2.  « O  allerliebster  gselle, 
wie  bist  du  so  recht  kon ! 


^  an  diesen  Dingen  ergötzt. 


HISTORISCHE 

daß  dir  got  Ionen  welle, 

gib  uns  das  zu  verston! 

wir  band  gewartet  tag  und  nacht, 

lang  zit  keiner  ist  komen, 

der  uns  nüw  mär  hett  bracht. » 

3.  Ich  will  dir's  warlich  sagen: 
si  band  2;üt  arbeit  2;macht, 
got  hat  ir  wol  gepflegen, 

si  hond  gethon  ein  schlacht 
wol  mit  dem  künig  von  Frankrich, 
den  sig  band  si  bebalten, 
des  magst  du  frewen  dich. 

4.  Groß  eer  band  si  erworben, 
für  war  ich  dir  es  sag. 

es  gschach  an  einem  morgen, 

gar  früe  an  eim  fritag, 

sach  man  die  lind  dort  komen  bar 

für  Nawerren  die  State 

mit  menger  großen  schar. 

5.  Ein  lerman  thet  man  schlahen 
zu  Nawerren  in  der  stat; 

die  find  thettend  sich  nahen; 

man  gieng  gar  bald  zu  rat, 

wie  man  die  sach  wölt  grifen  an; 

si  forchten  sich  nit  sere, 

ein  thor  Heßend  s'  offen  stan. 

6.  Die  Franzosen  thettend  schießen 
in  die  stat  on  underlaß ; 

noch  wolt  man  's  thor  nit  bscbließen, 
gar  ser  si  das  verdroß ; 


VOLKSLIEDER  3I 

mit  schießen  thettend  s'  großen  drang, 
daß  thürn  und  muren  iielend 
wol  zehen  klafter  lang. 

7.  Jacob  Tribulsch^  der  alte 
der  ruft  ein  fride  us, 

zur  stat  drang  er  mit  gwalte ; 

des  het  man  kleinen  grus ; 

er  sprach :  «  es  nimpt  doch  wunder  mich, 

daß  ir  üch  dörfend  setzen 

wider  ein  krön  von  Frankricii. 

8.  Die  stat  sönd  ir  ufgeben 
und  sollend  ziehen  ab, 
wir  fristend  üch  ür  leben 
und  lond  üch  üwer  hab ; 

ir  mögend  uns  doch  nit  widerstan, 
ouch  wie  vil  üwer  sigend 
wissend  wir  bi  einem  man. » 

9.  Houptman  \\'insperger  muß  ich  loben : 
uf  die  muren  er  bald  sprang, 

er  sprach  gar  unverzogen : 

« nun  sumpt  üch  da  nit  lang 

und  machend  üch  ouch  bald  dahin ; 

die  stat  wird  nit  ufgeben, 

ir  müest  ee  unser  gfangner  sin. » 

IG.  Ein  Sturm  ward  angefangen, 
da  gewunnend  si  nüt  an ; 
vil  kartonen  und  ouch  schlangen 
ließend  s'  uf  uns  har  aan. 


^  Trivulzi,    der  Anführer  der  mit  den    Fran;^osen   verbündeten 
Venetianer. 


32  HISTORISCHE 

die  landsknecht  bettend  's  thor  ingnon, 
si  schruwend  mit  luter  stimme : 
« wir  band  ücb  in  stall  getbon ! 

1 1 .  Den  Ion  wend  wir  ücb  geben 
wol  hie  an  diser  stat !  « 

das  was  uns  nit  fast  ehen^; 
einer  zu  dem  andern  trat; 
vor  in  bettend  wir  kleinen  grus, 
wir  sumptend  uns  nit  lange, 
schlügend  s'  zur  stat  binus. 

12.  Die  sach  wolt  in  nit  scbmecken, 
als  icb  vernomen  bab; 

si  woltend  uns  nit  witer  wecken, 
am  sontag  zugend  s'  ab. 
darnacb  kamend  uns  bald  die  mär, 
wie  unser  trüwen  eidgnossen 
zugend  mit  macbt  daber. 

13.  Lob  und  dank  tbettend  wir  sagen 
got  in  dem  böcbsten  tbron, 

daß  wir  unsere  knaben 
sabend  mit  macbt  bar  kon. 
wir  klagtend  in  fast  unser  not, 
wir  bettend  s'  gern  geroeben, 
wer  es  nit  gsin  so  spat. 

14.  Wir  müstend  pacienz  baben, 
wiewol  es  nit  gern  gescbacb. 
ein  lerman  tbet  man  scblahen, 
sobald  der  tag  ber  bracb ; 


^  sehr  ansrenehm. 


VOLKSLIEDER  33 


die  find  die  ^volt  man  grifen  an, 
irn  Übermut  \volt  man  rechen, 
den  si  uns  bettend  gthan. 

15.  Der  trum  berzog  von  Meiland 
kam  ouch  in  eigner  person ; 

er  sprach :  « wir  sind  hüt  allesand 

von  aller  weit  verlon ! 

ich  merk,  daß  wir  verraten  sind ; 

ich  will  mich  üch  beleihen 

als  ein  vatcr  thüt  sin  kind. » 

16.  Man  wolt  in  bi  in  nit  haben, 
man  forcht  verrätery. 

gen  finden  thct  man  traben 

on  alle  Ordnung  fry; 

si  zugend  hin  on  alls  gefar 

ein  ganze  halbe  mile, 

eb  si  ir  wurdend  gewar. 

17.  Hinder  eim  eichin  walde 
sach  man  die  fiend  stan ; 
da  knüwt  man  nider  balde, 
Jesum  den  riifi:  man  an. 

des  namend  si  gar  eben  acht: 
ein  büchs  gieng  uf  die  ander, 
das  uns  groß  schaden  bracht. 

18.  Die  Gaschgonier  und  Lakeien^ 
greif  man  zum  ersten  an. 

den  gefiel  nit  wol  der  reien, 
si  machtend  sich  bald  darvon. 


^  leichter  Soldiit  zu  Fuß;   im  Gegensatz  zu  den  nachfolgenden 
Kürassieren. 


34  HISTORISCHE 

dern  ist  erschlagen  ein  große  summ, 
gar  vil  sind  ir  ouch  komen 
in  einem  graben  um. 


19.  Die  Kirisser  thettend  ouch  wichen, 
si  woltend  nit  mer  daran, 

der  glänz  was  in  verblichen; 
da  griet's^  an  d'  landsknecht  gan: 
die  gabend  nüt  umb  kein  gewer- ; 
ein  houptman  thet  lut  schrien : 
«  mit  den  hellenbarten  her !  » 

20.  Do  gieng  es  an  ein  fechten ; 
meng  man  gieng  da  zu  grund 
von  rittern  und  von  knechten ; 
ouch  ward  ir  menger  wund. 

der  schimpP  hat  fünfthalb  stund  gewert, 
daß  nie  kein  teil  wolt  wichen : 
wer  hat  solchs  mer  gehört? 

21.  Die  eidgnossen  thettend  einander  manen, 
einer  rüeft  dem  andern  zu; 

da  was  gar  wenig  schonen, 

man  Heß  in  wenig  rü. 

die  landsknecht  wichen  ouch  darvon ; 

die  eidgnossen  muß  ich  loben, 

das  ield  band  sie  behon. 

22.  Da  habend  si  gewonnen 
von  gut  ein  große  summ, 
bi  fünfundzwenzig  kartonen, 
ouch  vil  hakenbüchsen  nun. 


begann.     -  die  wollten  gar  nicht  nachgeben.     ^  Spaß. 


VOLKSLIEDER  35 

der  ist  gewesen  ein  große  zal; 
von  spießen,  hellenbarten 
lag  es  voll  überall. 

23.  Do  es  nun  was  ergangen 
und  d'  Schlacht  ein  ende  het, 
körnend  bi  sechstusend  mannen ; 
die  het  ein  schalk  verspät't^, 

daß  si  nit  kamend  zu  der  schlacht; 
wärend  si  darbi  gewesen, 
kein  Franzos  hett  des  gelacht. 

24.  Die  eidgnossen  zugend  zsamen 
und  machtend  es  nit  lang, 

ir  arm  thettend  si  usfpannen, 

got  sagten  s'  lob  und  dank 

umb  die  gnad,  die  er  in  het  gethan, 

dann  si  uf  die  stund  warend 

von  aller  weit  vcrlan. 

25.  Als  es  ward  umb  den  abend, 
ist  man  mit  aller  hab 
wider  gen  Naverren  zogen; 
daselbst  bleib  man  drv  tag, 

als  der  eidgnossen  sit  und  gwonheit  ist: 
wann  si  ein  schlacht  gewinnend, 
wartend  si  dry  tag  frist. 

26.  Der  frum  herzog  von  Meiland 
der  ließ  usgon  ein  bot, 

daß  man  die  toten  allesand 
von  stund  vera;raben  solt. 


^  Die  Franzosen  hatten  die  Zuzüger  durch  falsche  Nachrichten 
-authalten  lassen. 


36  HISTORISCHE 

die  eidgnossen  ließ  er  füeren  schon, 
gen  Nawerren  in  die  State 
müst  man  s'  eerlich  begon^. 

27.  Als  ich  do  hab  vernomcn 
und  gmeinlich  was  die  sag, 
sind  nüntusend  umbkomen 
wol  uf  den  selbigen  tag 

zu  beiden  siten,  und  ouch  mer. 
got  well  ir  aller  pflegen 
und  alles  himlisch  her ! 

28.  «  Ach  allerliebster  gselle, 
du  seist  klägliche  mär. 

noch  eins  ich  dich  bitten  welle 
vom  marggrafen  von  Montferrer-, 
wie  sich  derselb  gehalten  hab: 
hat  er  Ast  übergeben, 
als  bi  uns  ist  die  sas;  ? » 

29.  O  allerliebster  fründe: 
ja,  er  hat  es  gethan; 

ich  ander  mer  ouch  finde, 
man  wirt  in's  lassen  stan, 
bis  daß  wirt  komen  ouch  ir  zit; 
dann  wirt  man  in  intrenken 
ir  falschheit  und  ouch  nid. 

30.  Uf  schlangen  und  kartonen 
sach  man  ir  wapen  ston; 

ouch  hat  man  zeichen  gAvonnen, 
die  von  in  dar  sind  kon. 


^  eine  Leiclie  begleiten;  vgl.  nhd.  Leichenbegängniß.  -  Der  Mark- 
graf von  Montferrat  hatte  die  Stadt  Asti  den  Franzosen  überliefert 
und  eidoenössische  Boten  gefansren  o;enommen.    Andere  oberitalische 


VOLKSLIEDER  •  37 

dannocht  h;it  uns  geholfen  got, 
der  uns  in  unsern  nöten 
trüwlich  bigstanden  hot. 

31.  Nach  allen  disen  dingen 
zugend  wir  gen  WerzeP  in. 
kein  find  kündend  wir  finden 
bis  in  ein  stat  Turin  ; 

si  warend  über  den  Alontanys-, 
kein  Franzos  wolt  unser  warten, 
in  schmackt  nit  wol  die  spis. 

32.  Darnach  sind  wir  gezogen 
wider  hindersich  gen  Ast; 
die  vogel  warn  usgeflogen, 
der  wirt  wol  mit  dem  gast; 

wir  fundend  weder  wib  noch  kind : 
es  möcht  ein  wunder  nemen, 
wo  si  hin  komen  sind. 

33.  Das  ist  schimpflich  zu  sagen, 
daß  man  ein  solch  groß  stat 
innerhalb  nun  tagen 

so  gar  geplündert  hat, 

daß  man  fand  weder  klein  noch  groß. 

die  warheit  muß  ich  jehen: 

gar  mengen  es  verdroß. 

34.  Also  ist  es  ergangen 
iezund  uf  diser  tart : 

zu  schitern  solten  wir  sin  gangen, 
het  uns  nit  ijot  bewart 


Machthaber  hatten  Aehnliches  gethan  (29,  3),   den  Franzosen   ins- 
geheim Hülfe  geleistet  (30,  i — 4). 

^  Vercelli,  mit  umgekehrter  Betonung,  wie  Berne  aus  Verona. 
-  Mont  Cenis. 


38  HISTORISCHE 

und  ouch  die  liebste  müter  sin; 
schandlich  wärend  wir  verraten, 
von  den  unsern  geben  hin. 

35.  Got  wird  si  warlich  Straten, 
die  daran  schuldig  sind; 
über  si  so  schrit  lut  wafen 
meng  vaterloses  kind. 

o  got,  das  laß  erbarmen  dich, 
ein  frome  eidgnoschafte 
laß  es  entgelten  nicht. 

36.  Ob  ir  joch  etwan  menge  sind\ 
die  schuld  haben  daran, 

in  der  eidgnoschaft  man  dannocht  findt 

meng  frumen  biderman, 

den  es  ist  warhch  von  herzen  leid : 

dieselben  well  beschirmen 

Maria  die  reine  maid. 


:>/■ 


Groß  lob  hat  überkomen 

ein  ganze  eidgnoschaft, 

vil  baner  band  si  gwonnen; 

got  geb  ir  heil  und  kraft. 

Basel  hat  ouch  gethan  gut  fliß, 

si  band  bracht  mit  großen  eeren 

ein  baner  blaw  und  wiß. 


38.  Darbi  wil  ich's  lon^bliben 
iezund  zu  diser  zit. 
bittend  got  durch  sin  groß  liden, 
daß  er  uns  arme  lüt 


^  wenn  ihrer  auch  ziemlich  viele  sind.    Diese  zwei  Zeilen,  wie- 
35,  I — 4  und  3<S,  5 — 7,   beziehen  sich  auf  die  nach  der  Schlacht  im 


VOLKSLIEDER  39 


well  han  allzit  in  siner  hut, 
dardurch  nit  werd  verreret^ 
also  das  christenblüt. 


Ein  hüpsch  Lied  wie  der  Bär  jagen  will  und  dem  Wolf 

gemeinschaft  des  wildfangs  anbütet. 
In  der  wis:  Wie  wo]  ich  bin  ein  alter  gris. 

s.  Einl.  S.  XLin. 

1.  Nun  wil  ich  aber  heben  an, 
desglichen  hört  noch  nie  kein  man, 
was  ich  hab  hören  sagen : 

wie  daß  der  edel  Bär  von  Bern 
mit  sinen  jungen,  ein  ganzer  kern, 
im  welschen  land  thet  jagen. 

2.  Zum  Wolf  trat  er  ganz  unverzagt, 
gar  nachburHch  er  in  da  bat: 
«Wolf,  wiltu  mit  mir  jagen? 

ich  weiß  ein  thier,  ist  mir  bekant, 
das  thüt  den  frommen  schafen  and-; 
thünd  si  mir  herzlich  klagen. 

3.  Den  wildbann  wend  wir  nemen  in, 
wir  fallend  rech  old  wilde  schwin, 
will  Gott,  soll  uns  gelingen ; 

und  wann  wir  kommen  wider  heim, 
so  wend  wir  liaben  teil  und  gmein, 
dem  herren  lob^sang  singen. 


Volke  Liut  gewordene  und  bis  zu  Aufruhr  gesteigerte  Klage  über  die 
schweren  Opfer,  welche  die  von  manchen  Häuptern  der  Regierung 
begünstigten  fremden  Kriegsdienste  kosten. 
1  verreren,  vergießen.     -  ^^'eh. 


40  HISTORISCHE 

4.  Nachbur  Wolf,  ist  dir  nit  bekant 
ein  herzog  im  Saphoyer  land, 
der  thüt  Genf  pinlich  plagen? 

bist  ouch  nit  gsessen  bi  der  bricht^? 
ich  meint,  die  sach  war  alle  gschlicht; 
zürn  nit,  daß  ich  dich  fragen. 

5.  Denn  da  was  mancher  eidgnoss  klug, 
für  die  man  ganzen  handel  trüg, 
was  sich  Genf  hatt  ze  klagen; 

da  macht  man  in  ein  fridenbund, 
der  hat  geweret  kum  ein  stund, 
das  ist  erbärmlich  z'  sagen. 

6.  Denn  d'  Genfer  klagen  sich  so  seer  — 
und  lägen  si  schon  bi  dem  meer, 
noch  gieng  es  mir  zu  herzen  — 

daß  dise  frommen  Christenlüt 
vom  Bapstum  g'achtet  werden  nüt, 
wie  vil  si  liden  schmerzen. 

7.  Drum,  nachbur  Wolf,  wilt  mit  mir  dran: 
denn  ich  vil  junger  Motzhn-  han 

zu  minen  beiden  siten ; 
si  Htten  all  den  grimmen  tod, 
solten  s'  dich  gsen  in  angst  und  not, 
si  wurden  dich  entschütten^. » 

8.  Der  Wolf  dem  Bär  >die  antwort  gab : 
« ich  blib  daheim  bi  miner  hab, 

die  ich  lang  hab  besessen; 
ouch  los  ich  iez  uf  ander  lüt. 


^  Beilegung.    -  kleine  Mutzen,  junge  Büren.    ^  entsetzen,  befreien. 


VOLKSLIEDER  4I 

der  Genfer  kummer  krenkt  mich  nüt, 
des  handeis  han  ich  vergessen.  » 

9.  Der  Bär  zog  mit  den  sinen  dran, 
denn  er  hatt  manchen  klugen  man, 
und  hüb  bald  an  ze  jagen, 
wie  schier^  er  trat  in  den  wildbann, 
das  schedlich  gwild  was  fast  darvon, 
eb'^  er  recht  lieng  an  hagen^. 

10.  Houptman  Negelin  ein  jeger  gut, 
er  zog  daran  mit  reinem  müt, 
als  solt  er  einghürn  jagen; 

des  Jagens  ist  er  wol  ein  kern, 
das  gwild  hat  er  erstrichen  gern ; 
sunst  fand  man  ouch  kein  zagen'^. 

11.  Jörg  Hubelmann,  ein  houptmann  gschwind, 
er  traget  ernstlich  nach  dem  find ; 

man  hört  frolich  erschallen, 
basunen''  der  Propheten  hörn: 
welcher  us  Got  ist  nüw  geborn, 
der  mag  im's  lassen  gfallen. 

12.  Jedoch  so  hat's  Got  recht  gefüegt, 
daß  ouch  den  Bären  wol  benüegt, 
Gott  thet  im  ehrlich  Ionen; 

er  hat  gejagt  in  sine  seil'' 

bürg  und  ouch  stett  ein  michcl  teil, 

ein  unzal  der  personen. 

13.  Das  bös  thier  will  ich  nennen  schon: 
es  ist  ein  low  und  treit  ein  krön. 


^  so  bald.    -  ehe.    ^  einen  W'ildzaun  machen.    "*  keinen  FeigHng. 
posaunen.    ^  Jagergarn. 


42  HISTORISCHE 

er  \volt  die  schaf  zerzeren; 
da  kam  der  bär  und  jagt  im  s'  ab; 
des  ist  der  low  iezund  schabab 
und  kon  von  sinen  ehren. 

14.  Da  iez  das  gwild  gefangen  was, 
der  wolf  in  sinem  neste  saß, 
als  wölt  er  gar  erlammen  ^. 

da  thet  der  edel  bär  so  gut, 

wie  denn  ein  trüwer  nachbur  thüt, 

und  gab  im  ouch  ein  hammen. 

15.  «Ä,  nachbur  Wolf,  nun  hab  für  gut, 
min  gjegd^  ist  früsch  und  wolgemüt, 
drum  thü  dich  mit  mir  fröwen; 
will  es  der  lieb  got  mit  mir  han, 
wenn  mich  schon  hasset  iederman, 
laß  ich  mir  nüt  abtröwen. 

16.  O  Wolf,  min  lieber  nachbur  gut, 
des  namens  halb  liab  kein  unmüt, 
es  gschicht  dir  nit  zu  leide ; 

du  seist  mir  bär,  ich  zürn  es  nüt, 
ich  rit  und  gang  wie  ander  lüt 
uf  mancher  grüenen  beide. » 

17.  Der  uns  das  liedlin  hat  gemacht, 
uf  richtum  hat  er  wenig  acht, 
allzit  lat  er  Gott  walten; 
jedoch  so  war  es  wol  sin  füg^, 
ja  hett  er  spis  und  trank  genüg, 
bis  d'  schüster  d'  "erber  bzalten'*. 


^  zum  Lamme,  zahm  werden?  oder  lahm  werden?    '■*  Jagd.    ^  es 
wiire  ihm  schon  recht,  wenn  er  nur  — .    ■*  auf  Jahresfrist? 


VOLKSLIEDER  43 

i8.  Gott  wurd^  vilicht  damit  nit  geert, 

hett  er  mir  schon  groß  richtum  bschert, 
denn  im  ist  nüt  verborgen, 
ob  ich  mim  nächsten  nütz  \vär  gsin 
old  ob  es  miner  seel  brächt  pin ; 
drum,  Herr,  thü  für  uns  sorgen. 

19.  O  frommer  Bär,  sag  lob  und  dank 
dim  Got,  der  dir  gibt  spis  und  trank 
mit  reinem  gmüet  zu  nießen; 
des  Herren  wort  mit  fliß  betracht. 
aide-  mit  tusend  guter  nacht! 
damit  wil  ich's  beschließen. 

Das  Lied  ist  zwar  nicht  auf  frischer  That  gesungen  und  etwas 
allgemein,  am  Scliluss  auch  etwas  religiös  gehalten,  immerhin  volks- 
thümlicher  als  manche  ähnliche  bernische  aus  jener  Zeit,  und  darum 
durfte  es  hier  eine  Stelle  finden,  schon  wegen  des  durchgeführten 
Bildes  von  der  Jagd.  Unter  dem  Wolf  ist  hier  natürlich  Zürich  zu 
verstehen. 


Das  Rheinfelder  «  Schwedenlied  ». 

s.  Ein!.  S.  LV. 

1.  Der  Rhigraf  und  der  Schwede 
Die  chriege  alle  bede; 
Rhiteldc  wötte  si  ha. 

2.  D'  Schwede  chömc  ein  klein  baß  ussi", 
Wol  bi  der  Weiermatt  ufi, 

Mit  vierziutusii?  Mann. 


^  würde:  der  Druck  hat:  ivirt.    -  =  ade,  adieu.    ■'  ein  wenig  mehr 
hinaus. 


44  HISTORISCHE 

3.  Wo  wollen  si  's  Läger  haben? 
Z'  Rhifelde  in  den  Reben 

Do  han  si  's  Läger  gha. 

4.  Si  han  das  Läger  gschlagen, 
Es  kostet  si's  manchen  Knaben 
Und  mancher  Frauen  ir  Mann. 

5.  Si  schikten  's  BöteU  spate 
Go  Basel  zum  innere  Rate, 
Wie  si  es  erhalte  solle. 

6.  «  Si  solle  brav  KügeH  gieße, 
Solle  tapfer  uf  Rhifelde  schieße, 
Si  werde  scho  ine  cho. » 

7.  Si  han  brav  Kügeli  gösse, 

Han  tapfer  uf  Rhifelde  gschosse. 
Sind  nottisch  ^  nit  ine  cho. 

8.  Si  schikten  's  Böteli  spate 
Go  Zürich  zum  innere  Rate, 
Wie  si  es  erhalte  solle. 

9.  « Si  solle  das  Chorn  abschnide. 
Groß  Hunger  müeßi  si  hde, 

Si  werde  scho  ine  cho. » 

IG.  Si  han  das  Chorn  abgschnitte, 

Han  Hunger  und  Durst  dabi  glitte. 
Sind  aber  doch  nit  ine  cho. 

II.  Si  schikten  's  Böteli  spate 

Go  Schaffliuse  zum  innere  Rate 
Und  bitten  um  guete  Lehr. 

^  dennoch. 


VOLKSLIEDER  45 

12.  «  Si  solle  die  Traube  ahschnide, 
Vil  Durst  derno  werde  si  lide, 
Dann  werde  si  ine  cho. » 

13.  Si  lian  die  Trauben  abgschnitte, 
Großen  Durst  han  si  gelitte, 
Sind  nottisch  nit  ine  cho. 

14.  Si  schiken  e  Böteli  spate 

Gon  Straßburg  zum  Innern  Rate 
Und  bitten  um  guete  Lehr. 

15.  «  Si  sollend  d'  Mure  breche 
Und  sollend  tapfer  fechte, 
Dann  werde  si  scho  ine  cho. » 

16.  Si  han  die  Mure  breche 
Und  band  au  tapfer  gfochte. 
Sind  nottisch  nit  ine  cho. 

17.  Ein  Chüeli  stelle  si  use, 

Es  thät  dem  Schwede  drob  gruse, 
Das  Chüeli  treit  Werch  am  Hörn. 

18.  «So  wenig  das  Chüeli  leln't  spinne, 

So  wenig  werde  d'  Schwede  Rhifelde  gwinne, 
Si  werde  nit  ine  cho. » 

19.  Das  Chüeli  het  nie  glehrt  spinne. 

Der  Schwed  wird  Rhifelde  nit  gwinne. 
Wird  nottisch  nie  ine  cho. 

Der  Hauptunterschied  dieser  Fassung  des  Liedes  von  der  in  der 
Alsatia  mitgetlieilten  besteht  darin,  daß  dort  unter  den  eidgenössischen 
Orten,  hei  denen  der  Rheingraf  Rath  gegen  Rheinfelden  sucht,  auch 
Solotliurn  genannt  wird,  und  zwar  an  der  Stelle  von  Basel 
(Str.  5 — 7).    Geschichtlich  ist  aber,  daß  Solothurn  Rheinfelden  mit 


46  HISTORISCHE 

einem  Darleihen  zu  Hülfe  kam,  während  Basel  dem  Rheingrafen 
Vorschub  leistete.  Eine  Folge  jener  Verschiedenheit  ist  dann,  daß 
der  Rath,  das  Korn  abzuschneiden  (Str.  8 — 9),  dort  den  Baslern  zu- 
geschrieben wird.  Abgesehen  von  dieser  Verschiebung  ist  der  Inhalt 
sonst  derselbe,  nur  daß  es  dort  statt  «sie  schichten  's  Böteli»  und 
«bitten»  Str.  ii.  14  heißt:  «Ein  Bötlein  haiii  ihnen  und  gab  ihnen.» 
Str.  18  lautet  dort: 

«  Wenn  uns  das  Kühlein  lehrt  spinnen, 

Rheinfelden  wollend  wir  gwünnen. 

Dann  wollend  wir  ine  ko. » 
und  Str.  19: 

« Das  Kühle  hat  uns  glehrt  spinnen, 

Rheinfelden  händ  wir  nie  gwunnen, 

Sind  notti  nüd  ine  ko. » 
also  mit  Verschiebung  der  redenden  Person  auf  die  Seite  der  Feinde 
Rheinfeldens. 


Ein  neu  Wilhelm  Teilen  Lied  im  Entlebuch  gemacht 

1653- 

s.  Einl.  S.   LVII. 

Ich  gebe  den  Text  dieses  Liedes  nach  Balthasar,  Helvetia  Bd.  VI, 
S.  625,  jedoch  in  den  Noten  eine  Auswahl  von  Varianten  aus  einer 
Handschrift  von  M.  Usteri,  welche  an  manchen  Stellen  einen  altern 
Text  zu  bieten  scheint.  Aus  beiden  Vorlagen  zusammen  einen 
kritischen  Text  herzustellen,  schien  mir  unthunlich.  Balthasar  ver- 
sichert, vier  Abschriften  des  Liedes  vergHchen  zu  haben,  welche  in 
mehreren  Worten  von  einander  abwichen;  einen  Druck  hat  er  nicht 
gekannt  und  auch  mir  ist  keiner  zu  Gesicht  gekommen.  Die  Mehr- 
zahl und  Textverschiedenheit  der  Handschriften  beweist,  daß  das 
Lied  in  den  aufständischen  Gegenden  verbreitet  war  und  von  den 
Landleuten  gesungen  wurde ^.  Nach  Usteri  war  es  in  Suhr  (Kanton 
Aargau)  verfasst  (vgl.  22,  2.  23,  5).  Mangelhaft  und  zum  Theil  ent- 
stellt ist  die  Ueberlieferung  jedenfalls  und  auch  die  sachlichen  Be- 
ziehungen  sind   durch   Balthasars  Erklärungen  S.  191  ff.    nicht   alle 


'  Vor    dem    Kriegsgericht    in    Sursee    bekannte    am    26.  Juli  1655    ein  Bürger   von 
Willisau,  er  liabe  mit  Andern  das  Teilenlied  vor  dem  Hause  des  Landvogts  gesungen. 


VOLKSLIEDER  47 

aufgehellt.  Uebrigens  ist  zu  bctlnuern,  daß  das  Lied  verhältnissmäßig 
nur  unbedeutende  Vorgänge  und  Persönlichkeiten  aus  der  großen 
Bewegung  betrift't.  Warum  man  es  Teilen-Lied  nannte,  erhellt  aus 
Str.  I  nicht,  wol  aber  aus  Str.  6  und  7;  auch  ist  zu  erinnern,  daß 
die  Anführer  der  Entlebucher  «die  drei  Teilen»  genannt  wurden. 

1.  Was  wenJ  \vir  aber  singen 
US  Gnad  Herr  Jesu  Christ? 
Vom  Teilen  fürzubringen, 
der  längst  gestorben  ist. 

2.  Als  man  zählt  sechszehnhundert 
und  drei  und  fünfzig  Jahr, 
ereignen  sich   groß  Wunder; 

ist  kund  und  offenbar. 

3.  Ich  sing  es  Niemand  z'  Tratze, 
man  soll  mich  recht  verston : 
von  wegen  ganzen  Batzen 

ist  dieser  Krieg  iierkon. 

4.  Ein  Stadt  will  ich  euch  sagen, 
die  ist  euch  wohl  bekannt: 
Weiß  Blau,  das  thut  sie  tragen, 
und  ist  die  dritt  im  Bund. 

5.  Ach  Gott,  ich  muß  sie  klagen, 
des  Landmanns  große  Klag; 

es  ist,  wie  ich  werd  sagen, 
gar  heiter  an  dem  Tag. 

6.  Gleich  wie  zu  Teilen  Leben ^, 
also  thut's  jetzt  her  gon : 


3,  3.  luegen  der  Benier  Bat-e.  Bezieht  sich  auf  die  Herabsetzung 
des  Werthes  der  Scheidemünze  in  mehrern  Kantonen,  eine  der  Ur- 
sachen der  Unzufriedenheit.    ),  I.  ich  thu  dir.    2.  schivere.    ^Lebzeiten. 


48  HISTORISCHE 

der  Landmann  sollt  hergeben, 
seb^  wo  er's  möcht  überkon. 


/■ 


Ach  Teil,  ich  wollt  dich  fragen 
Wach  auf  von  deinem  Schlaf! 
die  Landvögt  wend  alls  haben. 
Roß,  Rinder,  Kälber,  Schaf. 

8.  Ein  jeder  herr  will  leben 
wie  'n  junger  Edelmann ; 
es  muß  es  ihm  hergeben 
der  arme  gringe  Mann. 

9.  Ein  armer  Baurenzüttel^, 
der  nicht  wollt  ziehen  dran, 
macht  Entlebucher  Knüttel 
und  eisnen  Stefzgen^  dran. 

IG.  Der  Bär  wollt  nit  still  sitzen, 
er  kam  gen  Solenthurn ; 
mit  listig  Kyb"^  und  Witzen 
rieht  er  bald  an  den  Sturm. 

1 1 .  Man  gab  ihm  fufzg  Soldaten, 
gerüst't  über  die  Maß ; 
im  Schiff  thät  man  sie  führen 
Aarwancen  zu  in's  Schloß. 


^  gleichviel.  8,  i  —  5.  ivolt  haben  ein  jungen  E.  (als  Diener?),  das 
muste  alls.  -  Ziitiel  zu  Zoifel,  ~ottelnJ  Lump,  armer  Tropf.  9,3.  tnachf 
hier  aus  Usteri  in  den  Text  aufgenommen.  Balthasar  hat  mit,  wobei 
kein  Satz  herauskommt.  ^  Stift.  10.  Der  Sinn  dieser  Strophe  scheint 
zu  sein,  daß  eine  bernische  Gesandtschaft  die  Regierung  von  Solo- 
thurn  zum  Einschreiten  gegen  die  Bauern  zu  bewegen  suchte. 
IG,  3.  Lustigkeit.  *  Kyb,  Eifer,  Groll,  Zank.  10,  4.  Sicht  er  bald  in 
den.     II,  3.  Mit  dem  Schiff  sie  da  karten  (kehrten). 


VOLKSLIEDER  49 


12.  Die  Bauren  wend's  nit  liaben, 
sie  fallen  vor  das  Schloß; 
musst  fort  mit  den  Soldaten, 
wie  sehr  ihn  das  verdroß. 

13.  Zu  Aarburg  ist  ein  Falke, 
man  kennt  ihn  nur  zu  wohl ; 
er  ist  ein  arger  Schalke, 
dazu  der  Tücke  voll. 

14.  Er  treit  zwei  falsche  Augen 
und  ein  meineidig  Herz ; 

's  ist  vorn  ihm  nit  zu  glauben, 
geschweige  hinterwärts. 

15.  Er  ist  gen  Ölten  komen, 
fragt  wo  der  Hauptmann  was ; 
der  Falk^  hat  bald  vernomen 
und  merkt  ehester  das. 

16.  Er  treit  ein  Modekappen, 
daß  er  erkannt  nit  wurd; 
wollt  führen  fufzg  Soldaten 
in's  Schloß  wol  gen  Aarburg. 

17.  Zu  Ölten  auf  der  Gassen 
ward  er  gegriften  an; 

beim  Wanst  thät  man  ihn  tassen 
Woher,  meineider  Mann  ? 


12,  4.  i^cb  -ivie  sehr  's  ihn  (vgl.  6,  4).  r^,  2.  niiuien  :(.  4.  und  aller. 
14,  2.  cla:{ii  ein  meineicl.  3.  vorii'ärts  ihm  iL'enig  -'.  4.  will  gschiuygen. 
^  Der  Falke  hier  und  schon  Str.  15  ist  Jakob  Hurter,  Wirth  zum 
Falken  in  Aarburg.    16,  l.  ahiiodisch.    17,  3.  hym  Arm.    4.  du  vieiiieiä. 

4 


50  HISTORISCHE 

i8.  Sie  führten  ihn  zum  Leuen; 
auf  ihn  hau  man  gut  Acht; 
wölk  's  Futter  nit  verdauen, 
man  hielt  ihn  üher  Nacht. 

19.  Sie  führten  ihn  zur  Kronen 
wohl  in  ein  bschlossen  Gmach ; 
der  Krieg  wollt  ihm  nit  Ionen, 
auf  ihn  hatt  man  gut  Wach. 

20.  Im  Spitel  auf  dem  Laden 
da  sitzt  er  Tag  und  Nacht 
an  einem  seidnen  Faden, 
wie  ihn  der  Schlosser  macht. 

21.  Fünfhundert  Basler  zogen 
wohl  über  die  Schafmatt; 
gen  Aarau  sind  sie  zogen, 
gen  Aarau  in  die  Stadt. 

22.  Die  Leut  die  muß  ich  loben 
wohl  aus  dem  Surenthal; 
vor  Aarau  sind  sie  zogen, 
fürwahr  ein  große  Zahl. 

23.  Es  wollt  sie  witers  führen 
der  Junker  May  von  Rued; 
ein  tapfrer  Surenthaler 

den  Spieß  auf  ihm  zerschlug.  — 


20,  I — 2.  luiird  er  ghaben  wol  etlich.  21,  i — 2.  Mit  ßoo  Soldaten 
Zog  Basel  über  die  Matt.  3.  sie  da  traten.  23,  i.  Einer  wolt  s'  wyter. 
2.    JVar. 


VOLKSLIEDER  51 


24.  Darum,  liebe  Eidgnossen, 
stönd  zsainen,  haltet  fest, 
verachtet  Herrenpossen 
und  schlichet  fremde  Gast! 

25.  Thüend  s'  us  em  Land  verjagen 
alsbald  mit  gwehrter  Hand, 

um  Fried  und  Ruh  zu  haben 
in  eurem  Witerland. 

26.  Denkt  an  den  Bruder  Klausen 
und  sprechet  früh  und  spat: 
Mit  Knütteln  muß  man  lausen, 
und  folget  meinem  Rath. 


Artillerei-Liedli  in  's  Wilhelm  Teilen  Weis. 

s.  Hiiil.  S.  LVIl. 

1.  Als  man  zalt  sechszehnhundert, 
auch  drü  und  fünfzig  jähr, 

im  Meien,  hielt  sich  munter 
d'  Artillerei  fürwahr. 

2.  Der  Constafler  allsampt 
warend  drißig  und  vier, 
darüber  Haupt-  und  Lütinampt, 
auch  andre  officier. 


24,  3.  und  merket  disen  Possen.     Eine  der  Balthasar'schen  Hand- 
le     Schriften:  Mer  (man)  kennt  doch  ihre  P.    25,  3.  IVenn  ihr  Frieden  wend. 
26,  2.  wie  von  ihm  gschriben  staht.     3.  lond  euch  von  ihn'  nit  lausen. 


52  HISTORISCHE 

3.  Als  Jamalen  d'  Statt  Bern 
ein  harten  strit  gehan, 
auch  Solothurn  und  Lucern, 
mit  ihren  underthan, 

4.  Thet  sich  Zürich  nit  säumen 
sampt  andern  orten  mehr, 

d'  Rebellen  auf  ze  räumen 
und  wer  urhebig^  war. 

5.  Da  hatend  sich  die  Bauren 
gar  stif  zusammen  than, 

in  wälden  thetend  s'  lauren 
allsamm  für  einen  Mann. 

6.  Sie  hatten  sich  vermessen 
zu  Roß  und  auch  zu  fuß, 
uns  allsamm  aufzufressen 
in  einem  Habermus. 

7.  Mit  gwalt  wolten  sie  jucken 
auf  uns  mit  ungestümb, 

uns  z'  nemen  unsre  stucken 
und  alles  z'  bringen  umb. 

8.  Etlich  die  thetend  dichten-, 
uns  eine  brügelspis 

z'  Mellingen  anzerichten 
und  z'  tränken  in  der  Rüß. 

9.  Noch  eins  ist  unvergessen, 
daß  sie  ausfchreien  lan, 

sam^  uns  sie  all  schon  gfressen 
und  orschlasen  roß  und  man. 


^  aufrührerisch   oder  schuld  am  Aufrulir.     -  denken.     ^  als  ob. 


VOLKSLIEDER  53 

10.  Aber  sie  thetend  machen 
d'  ürten  hinder^  em  wirt, 
dessen  sie  werth  ausz'lachen, 
wil  sie  so  groß  geirrt. 

1 1 .  Als  man  spielte  aus  stucken, 
marschirten  sie  flux  fort, 
hinder  sich  thetend  s'  rucken 
zur  flucht  mit  schand  und  forcht. 

12.  Diß  hat  füraus-  empfunden 
ein  fändrich  voll  unmuth, 

zum  fallen  war  ihm  gschwundeu'* 
sampt  sinem  fändli  gut. 

13.  Sie  thetend  frid  begeren 

aus  torcht  mehr  dann  aus  will, 
man  thet  sie  dessen  gwären, 
der  krieg  stund  alsbald  still. 

14.  In  mittlest  man  tractierte^ 
zu  frid  und  einigkeit, 

bald  wieder  heim  marschierte 
mit  sieg  und  freudigkeit. 

15.  Wie  d'  hauptsach  abgebunden-'* 
und  witers  gangen  ist, 

wird  in  der  cronek  gtunden 
von  dem,  der  sie  gern  liest. 

16.  Diß  ist  wahr  und  nit  gfablet, 
zum  nachdenken  gestellt 

von  eim,  der  mit  constaflet 
und  selber  war  im  feld. 


^  oline  (Wissen).   -  besonders.  ^  er  war  ohnmächtig  hingesunken. 
*  unterdessen  verhandelte  man.     "'  erledigt. 


54  HISTORISCHE 

Strassburger  Lied. 

s.  Eml.  S.  LXIII. 

1.  Zu  singen  ich  anhebe, 

bitt,  woll  mich  recht  verstau !' 
Ein  seligs  End  Gott  gebe, 
den,  die  das  hören  an. 
Ich  will  euch  jetzt  anzeige(n} 
in  diesem  Lied  zugleich, 
wie  daß  vor  kurzen  Zeiten 
Straßburg  hätt  sollen  streiten 
mit  dem  König  aus  Frankreich . 

2.  Es  zogen  französische  Herren 
zu  ihnen  vor  die  Stadt; 

viel  Geld  thun^  sie  verehren, 
so  bald  man's  gnomen  hat. 
Es  waren  ihre(r)  fünfzehn, 
die  das  Geld  empfangen  band, 
ein  jede(r)  ließ  sich  belohnen 
mit  hunderttusig  Chronen, 
zu  verrathen  das  Vaterland. 

3.  Franzosen  thäten  kehren 
vor  ihre  Thor  geschwind ; 

kein  Mensch  thät  sich  da  wehren, 
so  wenig  als  ein  Kind. 
So  bald  man  akkordieret, 
macht  man  ihnert  auf  das  Thor; 
dann  ließ  man  sie  marschieren, 
in  der  Stadt  herum  spazieren, 
kein  Mensch  stund  mehr  davor. 


^  Die  Vorksre  hat  die  dialektische  Form  tue. 


VOLKSLIEDER  55 

4.  Eine  Stadt  will  ich  euch  melden  — 
Straßburger,  zürnet  nüt  — 
dieselbige  heißt  Rheinfelden : 

selb  sind  wol  ander  Lüt! 

Tapfer  hand  sie  gestritten 

so  lang  mit  ihrem  Find ; 

den  Stand  hand  sie  behalten. 

Man  möcht  den  Kopf  zerspalten  — 

Warum  bist  du  so  blind! 

5.  Straßburg,  du  thust  dich  trutzcn, 
du  wohlgezierte  Stadt; 

hast  viel  kunstreiche  Schützen  \ 

groß  Mauren,  steif  und  satt^. 

Du  trügest  ühermüthig 

groß  Hotfart,  Stolz  und  Pracht; 

jetzt  trägst  du  Kummer  und  Sorgen, 

du  möchtest  schier  erworgen'', 

daß  dir  der  Buggel  kracht. 

6.  Den  höchst  Thurm  ohne^  Babel 
hast  du  in  deiner  Stadt. 

Ich  sag's,  es  ist  kein  Fabel : 

Der  ihn  gebauet  hat, 

sagt,  er  könnt  einen  machen 

noch  höher  weder-^  der. 

Sobald  er  dies  gesprochen, 

hast  du  ihm  d'  Augen  usgstochen : 

Drum  straft  dich  Gott  der  Herr. 


4,  9.  10.  Es  ist  unbegreiflich,  wie  die  Straßburger  sich  den 
Franzosen  so  blind  ergeben  konnten,  statt  dem  Vorbild  Rheinfeldens 
zu  folgen,  s.  Einl.  Nr.  40,  b,  2.  ^  Schutzwehren.  -  dick,  lest.  ^  er- 
sticken.   ■*  ausgenommen.     '"  als. 


HISTORISCHE 

7.  Kommt  einer  zu  dir  gangen, 
ein  Trunk  zu  thun  mit  Rast, 
hast  du  ihn  schön  empfangen: 
Willkomm,  mein  lieber  Gast! 
Was  will  der  Herr  wohl  essen? 
Was  will  der  Herr  für  Wein? 

«  He,  guete,  wiße  und  rothe, 
gesotten  und  gehrote(n).)) 
Der  Herr  kann  's^  lustig  sein. 

8.  Ist  etwer-  zu  dir  komen, 
Handwerks-  oder  andere  Leut, 
sobald  es  du  vernomen, 

daß  du  nicht  große  Beut 
von  ihnen  könntest  haben, 
mussten  sie  in  Spital  hinein, 
wo  nichts  als  Flöh  und  Lüse, 
viel  Ratten  und  viel  Muse. 
Gang,  lig  ietz  selber  drein! 


Schweizerischer  Feldzug  in  Morea  und  Negropont 

so  geschehen  im   Merzen  1688.     Getruckt  im  Jahr  1703. 
s.   Hinl.  S.  LXIV. 

I .  Was  händ  die  Zuger  und  Urner  gethan  ? 
Sie  wollen  ein  Zug  gen  Morea  han, 
gen  Morea  wollen  s'  dingen; 
sie  wollen  dingen  acht  tausend  Mann, 
wider  den  Türken^  wollen  s'  kriesen. 


^  es,  alter  Genitiv:  davon,  daran,  damit.     -  Jemand,  mundartlich 
öpper.    ^  A  hat:  Bluthund;  vgl.  Str.  13. 


VOLKSLIEDER  57 

2.  Sey  zugend  durch  's  Frei-Ambt  hiniih, 
sey  funden  da  manchen  jungen  Knah, 
sey  heßen  s'  all  roth  bekleiden ; 

sey  faren  über  den  Zuger-See, 

sey  lugen  umhen^  und  das  thut  weh; 

he,  der  Krieg  möcht  manchem  erleiden"-. 

3.  Sev  zugen  zu  Zug  wol  aus  der  Statt, 
und  ein  gut  Gsell  zum  andern  sprach : 
« ich  hab's  gar  eben  gerechnet^ : 

wir  müssen  ziehen  dem  Türken  zu, 

he,  ich  mein,  mein  Herz  müeß  brechen.  » 

4.  Wie  s'  aus  den  Schiften  ausen"^  thun  steigen, 
die  Hauptleut  thund  ihnen  d'  Hand  all  beuten, 
sev  thäten  s'  in  Cjlider  stellen ; 

der  eint  Hauptmann  zum  andern  sprach : 
« he,  wie  hend  wir  die  bravsten  Gsellen !  » 

5.  Der  eint  Hauptmann  zum  andern  seit: 
« heut  wend  wir  noch  gen  Uri  hinein, 
wir  müssen  tapfer  laufen.  » 

Der  eint  Hauptmann  zum  andern  sprach, 

wie  ihm  gefiele  dise  Sach : 

«he,  die  Gsellen  wend  wir  verkaufen.» 

6.  Sie  zogen  über  den  Gotthard  auf, 

die  jungen  Soldaten  schruen-"'  überlaut, 

es  wollt  sev  all  schier  g'reuen. 

Der  ein  gut  Gsell  zum  andern  sprach : 

«  he,  keim  Hauptmann  ist  nimmermehr  z'  trauen. » 


'  blicken  zurück.    -  verleiden.    Zeile  4  oder  5  dieser  Strophe  ist 
üher;^ählig.    '^  g.inz  richtig  vermuthet.     *  heraus.    ^  B:  schryen. 


58  HISTORISCHE 

7.  Sey  fahren  über  den  Langen  See, 

sev  sehen  das  Vaterland  nimmermelir, 
sey  thäten  all  schier^  weinen. 
Der  ein  gut  Gsell  zum  andern  sprach : 
«  he,  wären  wir  nummen"^  daheimen !  » 

8.  Und  wie  sie  kamen  zu  der  Meerstrangen ^, 
es  thät  die  Schweizer-Knaben  blangen"^: 
«wie  weit  münd^  wir  von  hinnen! 
wann  ich  gedenk  an's  Vaterland, 

he,  mein  Herz  möcht  mir  zerspringen.» 

9.  Sey  reisen  eine  weite  Reis; 

der  eint  gut  Gsell  zum  andern  seit: 
«  wie  weit  münd  wir  noch  reisen ! » 
Der  Hauptmann  zu  den  Soldaten  sprach : 
«he,  Venedig  will  euch'''  bald  zeigen.» 

IG.  Der  Wachtmeister  ist  ein  munterer  Mann, 
er  hat  die  bravsten  Soldaten  ghan ; 
z'  Venedig  war  er  der  erste ; 
sey  hand  im  geben  vil  Gut  und  Geld, 
he,  ein  goldene  Kette  feste. 

II.  Und  wie  sev  kamend  zu  dem  Meer, 
da  haben  die  Schweizer  Galien '  gseh ; 
sev  sitzen  darneben  nider: 
«  händ  wir  guts  gheben  im  \'aterland, 
he,  aufm  Meer  wird's  uns  eintriben*^. » 


*  B:  schier  all.  '^  nur,  und  so  B.  -^  B:  -Stangen.  Ich  verstehe 
beide  Lesarten  nicht:  es  muß  wol  eine  Straße  nach  dem  Meere 
gemeint  sein.  *  lang  dünken.  ^  müssen.  ®  5."  ich.  ''  =  Galeren,  B. 
®  vergolten. 


VOLKSLIEDER  59 

12.  Und  wie  der  Hauptniiinn  die  Red  vernahm, 
und^  er  zu  den  Soldaten  sprach, 

zu  denen  Schweizer-Knaben : 

« wir  seind  versorget  mit  Speis  und  Tranlv, 

he,  kein  Hunger  müssen-  ihr  haben. » 

13.  Und  wie  sey  kamen  in  d'  Statt  Morea, 
dort  wollten  sey  ihr  Läger  han, 

dort  hand  sev  ihres  Läger. 

«Wenn  der  Bluthund  das  vernehmen  thut, 

he,  er  wird  uns  bald  Antwort  geben. » 

14.  Es  stund  nit  mehr  ein  Monat  an, 
dem  Türken  wurd  es  kund  gethan, 
es  wären  Christen  vorhanden ; 

es  wären  da  vil  tausend  Mann, 
he,  so  fern  aus  fremden  Landen. 

15.  Der  Türk  der  schickt  ein  Boten  dar, 
ob  sey  wollen  d'  Statt  Morea  han, 
sey  sollen  Antwort  geben ; 

so  W'öU  er  ziehen  mit  ihnen  in's  Feld, 
he,  kost  manchen  Schweizer  sein  Leben. 

16.  Und  wie  die  Cliristen  das  vernahmen 
und  sey  je  länger  je  kächer^  waren, 
sey  brüellen  wie  die  Löuen : 

«  hilfreicher  Christe-^,  wir  bitten  dich, 
he,  wie  thut  der  Bluthund  tröuen !  » 

17.  Sey  luffen  Sturm  ein  halben  Tag, 

der  Hauptmann  zu  den  Soldaten  sprach: 


1  so.    ^  B:  müsset.     •''  kecker.     ^  B:  hilf,  Jesu  Christ. 


6o  HISTORISCHE 

«seind  ir  noch^  nit  erschrocken: 
rufet  ihr  Maria  Gottes  Mutter-  an, 
euere  Sund  ^vird  euch  nachgelassen.» 

i8.  Und  wie  sey  kamen  in  d'  Statt  Wißenburg, 
der  Türk  mit  feurigen  Kuglen  schuß, 
er  wölk  die  Christen  dämmen^; 
er  grabt  wol  under  dem  Boden  durch, 
in  d'  Luft  thut  er  sey  sprengen. 

19.  Yon  ^^'ißenburg  ein  weite  Reis, 
der  eint  gut  Gsell  zum  andern  seit: 
« wie  weit  müend  wir  noch  reisen ! 
wir  wollen  ziehen  zum  heiligen  Grab, 
der  Hauptmann  hat's  uns  verheißen. » 

Der  Text  gröstentheils  nach  einem  fliegenden  Blatt  in  ZSB. 
XVIII,  2018  (J),  verglichen  mit  einem  jüngeren  ebd.  1656  (B).  In 
«  Des  Knaben  ^^'underhorn  »  II,  142  ist  die  Sprache  noch  etwas  mehr 
verhochdeutscht.  —  Das  Lied  trägt  fast  mehr  romantischen  als  hi- 
storischen Charakter,  aber  weil  es  sich  auf  ein  nach  Ort  und  Zeit 
bestimmtes  Ereigniß  bezieht,  konnte  es  hier  untergebracht  werden. 
—  Das  die  fünfte  Zeile  fast  regelmäßig  eröffnende  he!  findet  sich 
ebenso  in  der  fünften  Zeile  der  siebenzeiligen  Strophe  des  Halb- 
suter'schen  Sempacherliedes. 


Ein  schönes  Abscheid-Liedlein, 

welches  ist  gedieht  von  einem  Bärnerischen  Soldaten  in  diesem 

gegenwärtigen  Schweizer-Krieg.     1712. 

s.  Em!.  S.  I.XVI. 

I.  Adje  mein  Schatz,  adje  mein  Schatz, 
hab  nur  daheim  gut  Leben; 
ich  geh  iezunder  auf  Toggenburg  zu, 
Gott  woll  mir  Gsundheit  geben! 


^  B:  doch.    -'  B :  Gottes  Namen.     ^  überwältigen. 


VOLKSLIEDER  6l 

2.  Was  es  zu  thun  alldorten  ist, 
das  werd  ich  wohl  erfahren ; 
bet  du  für  mich  zu  aller  Frist, 
daß  mich  Gott  woU  bewaliren. 

3.  Zu  Bern  (da)  haben  sie  gut  Brot, 
mit  dem  füllt  man  uns  d'  Ranzen ; 
in  Krieg  zu  ziehn  hat's  keine  Noth, 
wer  wollt  sich  darum  kränken? 

4.  Viel  Hammen^  trugen  wir  mit  uns, 
daß  eim  darab  möcht  grausen; 

der  ist  fürwahr  ein  schlechter  Soldat, 
der  nicht  darmit  kann  hausen. 

5.  Das  haar  Gelt  trugen  wir  im  Sack, 
das  uns  d'  Mutter  gegeben; 

der  Sold  ist  uns  noch  gut  darzu, 
darmit  können  wir  leben. 

6.  Als  wir  kamen  durch  's  Breitteld  aus 
mit  irischem  freiem  Herzen, 

wer  wollt  nicht  gehn  für  Bolligen  auf'"^? 
es  bringt  eim  ja  kein  Schmerzen. 

7.  Dem  Aergäu  zu  nahen  wir  uns, 
alldort  wir  still  thun  ligen, 

bis  daß  wir  von  den  Officier 
auch  andre  Ordre  kriegen. 

8.  Im  Aergäu  hat's  viel  gute  Leut 
und  viel  böse  darneben; 

uns  Soldaten  hat's  w^ohl  gefreut, 
wann  sie  uns  Suppen  geben. 


^  Schinktrn.    -  über  B.  hinaus,  ein  Dort"  an  der  alten  Straße  in's 
Aarsrau. 


62  HISTORISCHE 

9.  Die  Suppen  ist  nit  gnug  für  uns, 
wir  können  uns  nicht  laben: 
Wein  und  Taback  macht  uns  ein  Muth, 
d'  Soldaten  müssen's  haben. 

10.  Das  dient  ihn'  zu  der  Gsundheit  fein, 
so  sie  dasfelb  bekommen; 

mit  dem  können  sie  frölich  sein, 
wenn  man  schlagt  auf  die  Trummen. 

11.  An  einem  Sonntag  Morgens  früh 
hört  man  die  Trummlen  rühren; 
da  mussten  wir  in  aller  Eil 

auf  Brugg  hinab  marschieren. 

12.  Allda  wir  blieben  über  Nacht 
bis  an  den  hellen  Morgen; 
wir  hielten  allzeit  gute  Wacht 
und  waren  ohne  Sorgen. 

13.  Am  selben  Montag  Morgens  früh 
führt  man  unsre  Canonen 

so  gschwind  und  bhend  auf  Stille^  zu, 
mit  den  niemand  z'  verschonen. 

14.  Viel  Schiffe  waren  da  bereit; 
mir  mussten  darin  hauren^ 

und  fahren  durch  das  Wasser  ab 
gegen  Badische  Bauren. 

15.  Die  Bauren  waren  wjohl  versehn 
mit  gut  starker  Brustwehre; 

mit  Knittlen  sach  man  viel  da  stehn 
und  anderem  Gewehre. 


^  die  Gegend  unterhalb  der  Mündung  der  Limmat  in  die  Aare, 
zur  Grafschaft  Baden  eehörisr.    ^  kauern. 


VOLKSLIEDER  63 

16.  \'ermeinten  ihre  Linie  dort 
gar  schön  zu  defendieren ; 
aber  ich  sag  mit  einem  Wort: 
sie  mussten  sie  verheren. 

17.  Wir  stiegen  aus  den  Schitien  bald 
und  wollten  sie  angreiten; 

unser  Canonen  dergestalt 
theten  auf  sie  brav  pfeifen. 

18.  Als  sie  sahen  die  Grenadier 
gar  tapfer  auf  sie  stoßen 

und  die  Stuck  brummen  hin  und  !ier, 
thun  sie  mit  Schrecken  loßen^ 

19.  Da  heißt  es  bei  den  Bauren  dort: 
Rechts  um,  salviert  euch  eben 
und  thut  euch  in  den  Wald  hinab 
in  aller  Eil  begeben! 

20.  Wir  funden  da  gar  keinen  Mann, 
als  wir  auf  d'  Ebene  kamen, 
weil  man  sie  alle  in  den  \\'ald 
gar  treulich  thäte  mahnen. 

21.  Als  da  abglöst-  wurd  kein  klein  Gsclioß, 
so  thät  man  auch  den  Feinden 

nicht  gehen  auf  das  Leben  los : 
man  thut  ihn'  als  den  Freunden. 

22.  Es  stunde  nicht  lang  an  der  Zeit, 
daß  wir  hatten  vernommen, 

die  Zürcher  wären  auch  nicht  weit 
und  wollten  zu  uns  kommen. 


^  für  losen,  horchen?     -  entladen. 


64  HISTORISCHE 

23.  Wir  marschierten  zu  ihnen  bhend 
und  thun  uns  conjungieren, 

mit  Gsundheit  und  mit  Freuden  fein 
thut  Gott  uns  zsammenführen. 

24.  Das  klein  Geschoß  wurd  da  abglöst 
und  thät  gar  zierHch  krachen; 
wann  ich  noch  allzeit  daran  denk, 
thut  's  Herz  im  Leib  mir  lachen. 

25.  Wein  gnug  band  wir  dieselbe  Nacht 
von  den  ßauren  bekommen; 

da  heißt's:  schenk  ein,  du  Bruder  mein, 
und  spring  nur  dapfer  ummen! 

26.  Wir  wollen  jetzt  dem  Toggenburg 
mit  Freuden  zumarschieren; 

die  Reis  ist  uns  gar  keine  Burd, 
kein  Zeit  wend  wir  verlieren. 

27.  Ob  es  dann  dort  wird  geben  Stoß, 
mag  ich  für  gwiß  nicht  wissen; 
auf  Gott  vertrauen  ist  nicht  bös, 
seid  nur  darauf  beflissen. 

28.  Dann  dieses  ist  ein  grechter  Krieg, 
einem  Volk  beizuspringen, 

weil  es  nimmer  kann  in  der  Lieb^ 
die  Psalmen  frölich  singen. 

29.  Gott  segne  unser  Waff"en  all, 
denn  daran  ist  alls  srles^en, 

den  Feind  zu  bringen  zu  dem  Fall, 
wann  wir  band  Gottes  Segen. 

^  im  Frieden. 


VOLKSLIEDER  65 


30.  Der  uns  das  Liedlein  hat  gemacht, 
von  neuem  hat  gesungen^, 
das  hat  gethan  ein  braver  Soldat, 
ihm  hat  es  wohl  o;elun2;en. 


31.  Der  ist  ganz  frisch  in  seinem  Muth, 
für  d'  Freiheiten  zu  fechten, 
obschon  der  Feind  sehr  wüthen  thut 
zur  Linken  und  zur  Rechten. 

Daß  das  Lied  von  einem  gemeinen  Soldaten  verfasst  sei,  könnte 
man  aus  dem  starken  Interesse  des  Dichters  an  der  Verpflegung  der 
Truppen  und  noch  aus  vielen  matten  und  platten  Stellen  schließen; 
aber  andere  Merkmale  deuten  darauf,  daß  der  Verfasser  von  etwas 
höherem  Stande  gewesen  sein  und  sein  Gedicht  nur  einem  Soldaten 
in  den  Mund  gelcyt  haben  könne. 


Kriegslied  aus  dem  Liviner  Zug. 

s.  Einl.  S.  LXIX. 

1.  Die  Liviner  sind  Rehellen. 
Was  fange(n)t  sie  jetzt  an? 

Sie  thäten  sich  findthätig^  stellen, 

Die  unghorsamen  Gsellen, 

(Und)  müssen  doch  sein  Unterthan. 

2.  Wir  zugen  vor  Schwvz  ane, 
Ohn  einzigen  Verdruß, 

Mit  wiß  und  rothen  Fahnen, 
Wie  ein  alter  Eidijenoß. 


^  neu  erfunden.     '^  feindselig 


66  HISTORISCHE 

3.  Über  den  Gotthard  sind  wir  zogen, 
Gar  mänger  junge  Knab, 

Sie  hand  sich  brüderlich  gwogen, 
Bi  Eriels^  lege(n)t  sie  's  Gwehr  ab. 

4.  «  Guten  Tag,  ihr  Liviner  Buren, 
Das  Glück  ist  euer  Heil, 

Und  wend  ir  üch  ergeben, 

So  wird  üch  gschenkt  das  Leben, 

Das  ist  üwer  bester  Theil. » 

5.  «Schön  Dank,  ihr  Herrn  aller  Orten, 
Das  wend  mier-  gere(n)  thun, 
Mier  sagen's  mit  wenig  Worten, 
(Und)  wo  drückt  uns  der  Schuh. 

6.  Der  Landshauptmann  ist  feiße, 
Er  fiel  bald  unter'n  Herd, 

Er  heig^  armen  Wittwen  und  Waisen 
Der*  Seckel  gar  usgleert. 

7.  Der  Uristier  thut  lüeen-'"', 
Er  dürstet  nach  dem  Blut, 
Ungreclitigkeit  thut  blühen 
Und  Livinen  verliert  der  Muth. 

Das  mir  von  Dr.  A.  Lütolf  in  Luzern  mitgctheilte  Lied  scheint 
mangelhaft  überHet'ert.  Str.  3,  5  verstehe  ich  nicht,  6,  2  war  in  der 
Vorlage  nicht  sicher  zu  lesen,  4,  '4  kann  wegbleiben. 


^  Airolo.     ^  wir.     ^  habe.     *  der  für  den,  wie  7,  4.     ^  brüllen. 


VOLKSLIEDER  67 


Fraubrunnen  -  Lied. 

s.  Einl.  S.  LXXI. 

1.  Es  leb  das  Bernerbiet 

bis  an  der  Welt  ihr  End! 
Fi,  fa,  es  lebi  au  derzue 
das  Schweizerregiment ! 

2.  Das  userlesni  Chor^ 
hat  schon  einmal  zuvor 

z'  Fraubrunnen  und  im  Grauen  Holz 
in  Schande  müeße  sto. 

3.  Falsch  ist  der  General, 
die  Offizier  flist  all; 

sie  geben  uns  kei  Munition, 
drum  laufen  wir  davon. 

4.  Dann  sind  wir  retiriert 
bis  in's  Breitfeld  hinein ; 
dort  hielten  wir  als  Kanonier 
in  guter  Schweizertreu. 

■5.  Doch  waren  wir  zu  schwach 
zu  gwinnen  eine  Schlacht ; 
drum  man  dich  übergeben  hat, 
o  Bern,  du  schöne  Stadt! 

'f^.  O  Bern,  du  schöne  Stadt, 
jetzt  bist  du  ganz  schabab, 
und  warst  doch  viele  hundert  Jahr 
ein  freie  Republik. 

*  Vielleicht   für  Corps. 


68  HISTORISCHE 

7.  Wer  wollt  nicht  z'  Felde  ziehii 
für  unsre  Obrigkeit? 

Für  solche  sind  wir  jederzeit 
zu  ziehn  in  Tod  bereit. 

8.  Dafür  sind  wir  bereit 
zu  ziehen  in  den  Streit, 

für  unser  theures  Vaterland, 
das  ietzund  ist  verspielt. 


y 


Lied  der  Urkantone  im  Jahr  1798.. 

s.  Ein!.  S.  LXXI. 

1.  Auf  ZU  Berg  und  auf  im  Thal! 
Auf  in's  Feld  und  in  die  Schlacht! 
Gott  will  in  geringer  Zahl 
Zeigen  seine  Uebermacht. 

2.  Gott  im  Herzen,  an's  Werk  die  Hände! 
Wer  verharret  bis  an's  Ende, 

(Der)  verdient  den  Sieg  zum  Lohn ; 
Sies  und  Ehre  winkt  uns  schon. 


Wehrt  euch  für  der  XincY  Glauben, 
Der  allein  uns  Wahrheit  lehrt; 
Lasst  euch  selben  niemals  rauben. 
Er  ist  Blut  und  Leben  werth. 


4.  Wer  für  Gott  und  Glauben  streitet,. 
Hat  sich  Sieg  und  Ehr  bereitet. 
Streitet,  streitet  immer  fort, 
Sieger  sind  wir  hier  und  dort. 


VOLKSLIEDER  69 

5.  Rettet  auch  Marin's  Ehre, 
Die  uns  Gott  hat  anvertraut; 
Bei  uns  hat  der  Herr  der  Heere 
Ihren  Gnadenthron  erbaut. 

6.  Ihr(es)  Heilthum  zu  beschützen 
Will  ich  all  mein  Blut  verspritzen, 
Unter  ihrem  Schild  und  Schutz 
Bieten  wir  den  Feinden  Trutz. 

7.  Hör,  o  Himmel,  hör,  o  Erde, 

Hör  der  Schweizer  reinsten  Schwur! 
Gottes  Ehr  und  unsre  Herzen 
\\'ollen  wir  beschützen  nur. 

8.  Hört  es,  Freunde,  hört  es,  Freunde, 
Wir  sind  keines  Menschen  Feinde; 
Zwingt  zum  Streit  uns  aber  Xotli, 
Sieg  ist  unser  oder  Tod. 

9.  Wenn  die  Wuth  von  Legionen 
Auf  uns  kleine  Schaaren  bricht,  ^ 
^\'enn  erbebt  von  den  Kanonen 
Berg  und  Thal,  wir  zittern  nicht. 

IG.  Wenn  das  Herz  voll  Wunden  bkit'. 
Sei  das  letzte  Wort  voll  Muth: 
Gott  und  Vaterland,  für  dich 
Fließ  mein  Blut ;  wie  froh  stirb  ich ! 

1 1 .  Helden  waren  unsre  \"äter, 
Denn  auch  Christen  waren  sie, 
Waren  Freiheits-,  Glaubens-Retter, 
Fochten,  siegten,  wichen  nie. 


70  HISTORISCHE 

12.  Ja,  wir  Söhne  sind  nicht  minder 
Als  die  Väter  Gottes  Kinder, 
Sind  voll  Trost  und  Zuversicht; 
Gott  verlaß  die  Seinen  nicht. 

Mitgetheilt  von  Dr.  A.  Lütolf. 


9a  ira! 

s.  Einl.  S.  LXXI. 


Saira  -  saira  -  sairassa ! 

Geld  ist  besser  als  AssignaM 

Assigna  ist  Lumpegeld; 

Patriote  ziehnd  i's  Feld, 

Ohni  Strumpf  und  ohni  Schue 

Laufed  sie  der  Heimet  zue. 
* 
Gell  du,  Mueter,  's  ist  kei  Sund, 
Wenn  nie  Saira  Saira  singt? 
Saira  Saira  mues  me  singe, 
Wenn  me  will  zum  Kaiser  springe. 

Obige  Fassung  nach  Vernaleken,  Alpensagen  452.  Rochholz^ 
Alem.  Kinderlied  S.  57.  545  hat  statt  Assigna  die  Entstellungen  Asteria 
und  Afrika.  Im  Zürch.  Taschenbuch  1882,  S.  247  heißt  es  statt  der 
Heimet:  dem   Tüfel. 


'  Assignaten,  das  Papiergeld  der  französischen  Revolution. 


VOLKSLIEDER  7I 

Chelleländer  Spinnerliedli  us  em  Jahr  zwei. 

s.  Einl.  S.  LXXII  iina  vgl.  Xurch.  Taschcnb.  1S82,  S.  269  (mit  Melodie). 

1.  Schnurre,  schnurre-n-um  und  um, 
Rädli,  trüU^  di  umme; 

Euseri^  Sach  gabt  schüli^  chrumm, 
D'  Leue^  thücnd  scho  brumme. 

2.  Cbume  grad  iez  us  der  Stadt, 
Mit  mim-^  Wib  und  Cbindre; 
Ha  mit  General  Andermatt 
Züri  welle  plündre. 

3.  Wunder"  für  ganz  Chelleland^ 
Häm-mer  welle  bole, 

Gold  und  Silber,  Diamant, 
Alli  Sack  ganz  volle. 

4.  Doch  vergebis  vor  der  Stadt 
Sim-mer^  alli  gsesse, 

Wil  de  ungschickt  Andermatt 
D'  Chugle  hat  vergesse. 

5.  Mini  Sack  die  trag  i  hei, 
Leer  vun  alle  Schätze, 
Langi  Nase,  müedi  Bei, 
Und  die  alte  Fetze. 

6.  Schnurre,  schnurre-n-um  und  um, 
Rädli,  trüll  di  umme; 

's  ist  mer  grad  iez  nümme  drum, 
Züri  z'  biribumme'-'. 


^  dreh.  ^  unsere.  ^  schrecklich.  ^  die  den  zürcherischen  Wappen- 
schild haltenden  Löwen.  °  Variante:  Hei  mit.  "^  Variante:  Plunder. 
'  das  zürcherische  Oberland,  Bezirk  Ptaffikon.  "*  sind  wir.  '•'  boni- 
bardiren. 


72  HISTORISCHE 

Balsthaler  Volksversammlung. 

s.   Einl.  S.  LXXIII. 

1.  Im  Winter  bi  dem  ehalte  Schnee  — 
ha  mi'r  Lebtig  nüt  so  gseh  — 

si  mir^  uf  Balsthal  gfare; 
die  alte  Herre  z'  Soledum 
hei  gseit:  die  Donners  Narre! 
Dirlum  dei  und  so  mues  's  sei ! 

2.  Zweitusig  stön  es  do  parat  — 
jede  meint,  er  chömi  z'  spat  — 
der  Hunzinger  uf  der  Stäge: 
die  alte  Herre  müeße  weg, 

me  nimt  si  bi  de  Chräge! 
Dirlum  u.  s.  \v. 

3.  D'  Schwarzbuebe-  hei  Schnaps  mit  ne  gno  — 
keme  isch  jo  süsch  dort  cho  — 

sie  tue  de  Gäuere^  winke: 
he  juhe,  iez  mues  es  si! 
Das  Ding  wird  welle  stinke. 
Dirlum  u.  s.  w. 

4.  Und  wo  die  Gsetz  si  alli  gmacht, 
heißt  es  do :  zur  guete  Nacht ! 

D'  Schwarzbuebe  si  do  gloflfe 
bis  go  Mümliswyl  i's  Dorf, 
hei  Stei  i  d'  Fenster  g^vorfe. 

5.  Zwei  Johr  hei  si  g'arbeitet  dra, 
gmacht  e  jede,  was  er  cha ; 


^  wir.  ^  so  heißen  die  Bewohner  des  solothurnischen  Bezirks 
Dorneck.  ^  die  Bewohner  des  H.iupttheiles  der  solothurnischen 
Landschaft. 


VOLKSLIEDER 


73 


mit  Chnüttle  und  Pistole 
hei  si  wieder  welle  cho, 
die  alte  Rechte  z'  hole. 

6.  Si  hei  so  Zsämekünfte  gh:i  — 
's  isch  nen  aber  gäng  uscho  — 
si  usen  i's  Dütschland  gfahre; 
wo  si  wieder  ume  chöme, 

si  si  die  gliclie  Xarre. 

7.  Dir^  guete  Lüt,  iez  het's  ech  gfehlt, 
heit  das  Hoor  der  letz  Weg  gstrählt- ; 
strählet's  dir  grad  use 

und  löt  das  Ding  iez  ruehig  si, 
süsch  niüest  er  no  go  muse''. 

8.  Dir  chömed  nümme  meh  a's  Brett  — 
oder  es  gab  tüflisch  Cläpf'^  — 

und  löt  das  Ding  iez  gelte; 
mi  ma  jo  köre,  wo  me  will, 
so  kört  me  nüt  as  schelte. 
Dirlum  dei  und  so  mues  's  sei! 

Das  Lied  ist  mit  einer  Melodie  gedruckt  in  der  Zeitschrift  «Die 
Schweiz«,  Jahrgang  1859,  S.  I  iS.  Die  letzte  Strophe  habe  ich  weg- 
gelassen, weil  sie  in   Schriftsprache  übergeht. 


'  ihr.     -  ihr  habt  den  verkehrten  Weg  eingeschlagen.     •'  sonst 
lüsst  ihr  euch  noch  Schwereres  gefallen  lassen.    *  aree  Schlaj^e. 


(?"'.. 


II. 


ALLGEMEINE  VOLKSLIEDER. 


Geistliche  Lieder. 


Weihnacht  und  Dreikönige. 

Nr.  I. 

I.  In  Mitten  der  Nacht, 
Ihr  Hirten,  gebt  Acht! 
In  Lüften  thuet  springen, 
Das  Gloria  singen 
Die  englische  Schaar: 
Geboren  Gott  war. 


Die  Hirten  im  Feld 
Verließen  ihr  Zelt; 
Sie  können  nicht  schnaufen 
Vor  Rennen  und  Lauten ; 
O  daß  es  Gott  walt, 
Wie  ist  es  so  kalt! 


ALLGEMEINE  VOLKSLIEDER  75 


's  möcht  einer  erfrieren, 
Das  Leben  verlieren; 
Wie  kalt  geht  der  Wind! 
Mich  dauert  das  Kmd. 

4.  O  daß  's  Gott  erbarm! 
Die  Mutter  ist  arm; 

Sie  hatte  kein  Pfännlein, 
Zu  kochen  dem  Kindlein, 
Kein  Brot  und  kein  Schmalz, 
Kein  Mehl  und  kein  Salz. 

5.  Komm,  Bruder,  komm  'raus, 
Wir  wollen  nach  Haus. 
Kommt  alle,  wir  wollen 
Dem  Kindlein  was  holen; 
Kommt  einer  hieher, 

So  kommt  er  nie  leer. 
Knonauer  Amt,  Kt.  Zürich.     Vgl.  Erlach  I,  145. 


Nr.  2. 

I.  Kommet,  ihr  Fürsten  und  Heiden, 
Zum  König  i'n  Saal ! 
Kommet,  ihr  Hirten,  mit  Freuden 
Zum  Kindlein  i'n  Stall, 
Allwo  auf  keinem  Thron 
Ihr  findet  Salomon, 
Sondern  Gott  auf  deni  Heu 
In  crößter  Armedev^ 


Anmitei,  Armseligkeit. 


ALLGEMEINE 

2.  Kommet,  ihr  Kaufleut,  zusammen, 
Das  Leben  ist  feil ; 

Hier  könnt  ihr  ohn  Geld  kramen 

Das  ewige  Heil. 

Es  ist  das  höchste  Gut, 

Versetzt  in  Fleisch  und  Blut. 

Kaufet  dies  Perlein  ^  ein. 

So  werdet  ihr  (alle)  reich  gnug  sein. 

3.  Laufet  ihm  alle  entgegen, 
Er  ist  uns  ganz  gleich; 
Er  hat  von  unsertwegen 
Verlassen  sein  Reich, 
Verdecket  sein  Herrlichkeit 
Mit  einem  Bettlerkleid, 
Lasst  sich  in  V^'indelein 
Gleich  einem  Kind  binden  ein. 

4.  Eilet,  hier  liegt  gefangen. 
Mit  Liebesband  verstrickt  — 
Nun  könnt  ihr  alle  erlangen, 
Was  d'  Sünder  verwürkt. 
Seht,  wie  im  Krippelein 
Dies  herzig  Kindelein 
Streckt  aus  die  Aermelein, 
Will  allen  gnädig  sein. 

5.  Hört,  wie  mit  bittern  Schmerzen 
Er  klagen  sich  muß 

Von  wegen  der  Kälte  der  Herzen, 
Der  Sünder  Unbuß. 

^  diese  Perle. 


VOLKSLIEDER  77 


Mit  einer  Liebesfiamm 
Mach  gschwind  ein  Feuerlein  an; 
So  wird  das  Jesulein 
Gar  bald  erwärmet  sein. 
Kt.  Solothurn.     Wyß,  Schule  und  Lehen  S.  i  lo. 


Nr.  3. 

1.  Reich  und  arm  soll  fröhlich  sein 
An  diesem  heiligen  Tag: 

Uns  ist  geboren  ein  Kindelein, 
Das  alle  Ding  vermag; 
Dazu  es  heilig  ist. 
Sein  Nam  ist  Jesus  Christ; 
Um  unser  Aller  Missethat 
Vom  Himmel  kommen  ist. 

2.  Von  einer  Jungfrau  rein  und  zart  — 
Ihr  Nam  Maria  ist  — 

Wie  solches  offenbar, 

Er  uns  geboren  ward. 

Ohn  alle  Schmerz  und  Pein 

Dasfelbig  Kindelein 

Vom  Himmel  herab  empfangen  war, 

Dem  heiligen  Geist  ein  Schein. 

3.  O  Mensch,  gedenk,  wie  Jesus  Christ 
So  gar  ohn  alle  Steur^ 

Zu  Bethlehem  geboren  ist 
In  einer  alten  Scheur; 

Hülfe. 


7ö  ALLGEMEINE 

Ward  in  ein  Kripp  gelegt, 
Wie  uns  die  Sclirift  anzeigt, 
Der  doch  der  höchste  König  war 
In  der  Welt  weit  und  breit. 

4.  Orient,  das  war  nicht  so  weit; 
Es  ward  dort  offenbar 

Den  heiigen  drei  Königen  zu  dieser  Zeit, 

Wie  Christus  geboren  war. 

Mit  Opfer  kamen  sie  dar, 

Das  Kindlein  nahmen  sie  wahr, 

Sie  brachten  Gold,  Weihrauch  und  Myrrhen, 

Dazu  die  beste  Waar. 

5.  Lasst  uns  mit  reichem  Schalle 
Dem  Kindlein  sagen  Preis, 
Daß  es  uns  von  Adams  Falle 
Erlöst  mit  ganzem  Fleiß, 

Von  Teufels  Macht  und  Gwalt 
Erlöst  hat  Jung  und  Alt, 
Uns  wiederum  erlanget 
Das  himmlisch  \"aterland. 

6.  Zum  Schlüsse  wollen  wir  bitten 
Das  schöne  Kindelein 

Jetzt  und  zu  allen  Zeiten, 
Daß  's  uns  woll  gnädig  sein 
Und  uns  barmherziglich 
Allen  gnädiglich 
Nach  diesem  woll  verleihen 
Das  ewige  Himmelreich. 

Str.  I.  3.  5  nach  B.  ^^'vß,  «  Schwizerdütsch  n  (Solothurn  1865;, 
S.  37 — 38,  mit  einigen  Varianten  aus  Aegeri  (Kt.  Zug),  wo  auch 
die   Str.  2.  4.  6   und    das  Ganze    unter   dem    Namen   « Legorenlied » 


VOLKSLIEDER  79 

überliefert  ist.  Legor  heißt  dort  eine  maslcirte  Figur,  welche  um 
Weihnacht  und  Drei  Könige  herumzog,  begleitet  von  zwei  Knaben 
(«Legorensinger»),  welche  drei  alte  Lieder  sangen,  wobei  sie  an 
einer  Stange  einen  drehbaren  hölzernen  Stern  trugen.  Wenn  sie  ihre 
Gaben  eingesammelt  hatten,  begann  der  Legor  Possen  zu  spielen, 
die  Sänger  aber  sagten  noch  den  Dankspruch: 

Man  hat  uns  erbärmlich  gegeben. 

Gott  laß  euch  das  Jahr  mit  Freuden  leben 

Jetzt  und  zu  allen  Zeiten. 

Gott  geb  euch  allen  ein  gut  Neujahr. 

Der  Stern  muß  uns  weiter  leiten. 
Str.  I,  5  hat  der  Solothurner  Text  darum,  Str.  5,  5  Unglücks  statt 
Teufels.  Str.  2,  3 — 4  ist  offenbar  auch  im  Zuger  Text  mangelhaft 
überliefert.  Im  «  Dankspruch  »  ist  die  vierte  Zeile  wahrscheinlich  ein 
Zusatz,  s.  jedoch  die  Note  zu  Xr.  4  am  Schluß.  —  Die  Etymologie 
des  merkwürdigen  Wortes  Legor  ist  zweifelhaft  und  kann  hier  nicht 
in  Kürze  erörtert  werden;  es  bedeutet  überhaupt  und  wol  ursprünglich: 
lustige  Person,  Spassmacher,  Narr.  Man  sieht  also,  daß  das  Heilige 
auch  hier  mit  einer  Posse  verbunden  worden  ist. 


Nr.  4. 

1.  Die  heiligen  drei  Könige  mit  ihrem  Stern, 
Die  suchen  den  Herrn  und  hätten  ihn  gem. 

2.  Wir  kommen  wol  vor  Herodis  sein  Haus, 
Herodes  der  schauet  zum  Fenster  heraus. 

3.  Herodes  da  sprach  in  falscher  Bedacht: 

« Warum  ist  der  hinterste  König  so  schwarz  ?  » 

4.  «  Er  ist  nicht  scliwarz,  er  ist  wohl  bekannt, 
Ist  König  Kasper  aus  Mohrenland. » 

5.  «Bist  du  König  Kasper  aus  Mohrenland, 
So  beutest  du  mir  die  rechte  Hand.  » 


8o  ALLGEMEINE 

6.  «  Die  rechte  Hand  die  heut  ich  dir  nicht, 
Du  bist  der  Herodes,  wir  trauen  dir  nicht. » 

7.  «Ihr  Hebe  Herren,  wo  wollt  ihr  hin?» 
Nach  Bethlehem  steht  unser  Sinn. 

8.  Xach  Bethlehem  wohl  in  den  Stall, 
Wo  Jesus  Christkindlein  geboren  ward. 

9.  Wenn  Jesus  Christkindlein  nicht  ward  geboren. 
So  wären  wir  alle  zusammen  verloren. 

IG.  Seit  Jesus  Christkindlein  geboren  ist, 
So  loben  wir  alle  Herrn  Jesum  Christ. 

Es  flügt  is  ein  \'öglein  wol  über  das  Feld, 
Wir  nehmen  nichts  Anderes  als  Fleisch  und  Geld, 
Und  wenn  er  is  gi  wend,  so  gend  is  fei  bald. 
Wir  müssen  marschiren  durch  finsteren  Wald. 
Es  flügt  is  ein  Vöglein  wol  über  das  Dach, 
Wir  wünschen  euch  allen  ein  gute  Xacht. 
Ein  gute  Nacht,  ein  glückseHge  Stund, 
Das  wünschen  wir  euch  allen  aus  Herzensgrund. 

Anno  1840  von  Pfarrer  Klotz  singenden  Knaben  von  Untervatz, 
Kt.  Graubünden,  wörtlich  nachgeschrieben. 

Als  noch  Erwachsene  die  Könige  spielten,  lautete  der  Epilog: 
I  höre  d'  Pfanne  chrache, 
Sie  wend  is  Chüechli  bache. 
I  höre  d'  Schüsseli  klinge, 
Sie  wend  is  Chüechli  bringe. 
Wend  ir  üs  gi,  so  gend  üs  bald, 
Vor  der  Thür  ist  ebö  ehalt. 
Papirni  Händschli  heben  nit  warm, 
Es  ist  so  ehalt,  daß  Gott  erbarm. 
Und  habet  ihr  uns  die  Gaben  gegeben, 
So  wünschen  wir  euch  das  ewige  Leben, 
Das  ewige  Leben,  die  ewige  Freud. 
Der  Stern  der  muß  auf  weitere  Haid. 


VOLKSLIEDER  öl 

Eine  etwas  kürzere  Form  des  Liedes,  vor  ungefähr  50  Jaliren 
in  Frnuenfeld,  Kt.  Thurgau,  am  Dreikönigsabend  von  Knaben  vor 
den  Häusern  gesungen,  gibt  als  Strophe  5  und  4 : 

«Wo  wollet  ihr  hin?»     Wol  in  die  Stadt. 

Wo  Jesus  Christkindli  geboren  ward. 

Der  Himmel  ist  schwarz,  der  Himmel  ist  bleich, 

Er  sieht  dem  König  von  Mohrenland  gleich. 
Der  Epilog  dieser  Form  schließt: 

Wenn  er  is  wend  ge,  so  gend  is  gl?, 

Oder  mer  schlönd  i  d'  Schiben  i. 


Nr.  5. 

1.  Ich  lag  in  einer  Nacht  und  schlief. 
Im  Traum  mir  König  David  rief, 
Wie  ich  sollt  singen  und  rühmen 

Von  den  heiligen  drei  König  ein  neues  Lied ; 
Sie  liegen  zu  Köln  am  Rheine. 

2.  Maria  hat  geboren  ein  Kindlein  ohne  Mann, 
Das  Himmel  und  Erden  auf  sich  nahm; 
Das  Paradies  wurd  aufgeschlossen. 

Gott  hat  sein  Kreuz  wol  selbst  getragen, 
Sein  Blut  für  uns  vergossen. 

3.  Und  da  das  Kindlein  geboren  sollt  sein, 
Den  heiigen  drei  König  kam  ein  Schein 
Von  einem  lichten  Sternen. 

Der  heilige  Geist  gab's  ihnen  in  Sinn : 

Sie  nahmen  Gold,  Weihrauch  und  Mvrrhen. 

4.  König  Kaspar  kam  aus  Morgenland, 
Balthasar  kam  aus  Griechenland, 


82  ALLGEMEINE 

Melchior  aus  Oesterreiche. 

Sie  folgten  dem  Sternen  ganz  fleißig  nach, 

Sie  wollten  das  Land  durchreisen. 

5.  Und  da  sie  schier  gen  Jerusalem  kamen, 
Gar  hohe  Berge  vor  ihnen  lagen; 

Der  Stern(en)  wollt  ihnen  entweichen. 
König  Kaspar  zu  den  andern  sprach : 
Heut  müssen  wir  hier  verbleiben. 

6.  Sie  kamen  für  Herodem  geritten, 

Der  empfieng  sie  mit  tugendliciien  Sitten : 
Seid  ihr  willkommen,  ihr  Herren ! 
Ihr  bringet  der  neuen  Mähr  so  viel ; 
Wo  wollt  ihr  euch  hinkehren? 

7.  König  Kaspar  sprach  wol  auserkoren: 

Es  ist  uns  ein  König  der  Juden  geboren, 
Den  uns  die  Engel  thun  preisen. 
Wir  haben  verloren  den  Sternenschein, 
Der  uns  den  Weg  thät  weisen. 

8.  Herodes  sprach :  Nun  reitet  forthin ! 

Find't  ihr  das  Kindlein,  kommt  wieder  zu  niir, 
Das  thut,  ir  lieben  drei  Herren. 
Ich  hab  des  Silbers  und  Goldes  so  viel, 
Damit  ich  das  Kindlein  will  ehren. 

9.  Sie  saßen  auf  und  ritten  dahin, 

Der  vorige  Stern  kam  wieder  zu  ihn'n, 
Führt  sie  die  rechte  Straße 
Gen  Betlehem  wol  in  die  Stadt, 
Wo  Joseph  beim  Kindlein  säße. 


VOLKSLIEDER  83 

10.  Nun  höret  wie  Könii^  Kaspar  sprach, 
Da  er  Maria  das  Opfer  bracht : 

Seid  ihr  die  Mutter  des  Herren, 

So  nehmet  von  uns  das  Opfer  klein, 

....  Gold,  Weihrauch  und  Myrrhen. 

11.  Also  iiat  Maria  das  Opfer  empfangen 

\'on  den  heiligen  drei  König  aus  fremden  Landen. 
Wie  sie  (von)  dannen  wollten  scheiden, 
Der  heilig  Geist  gab  ihnen  in  Sinn, 
Ein  andere  Straße  zu  reisen. 

Solothurn,  nach  B.  Wyß,  Schwizerdütsch  S.  2 — 4.  Das  Original 
hat  Str.  6,  2  Herodes  statt  der.  Str.  8,  4 :  rothen  Goldes,  was  vielleicht 
richtig  ist,  aber  dann  das  vorhergehende  Silber  ausfchließt.  Str.  9,  > 
ist  die  Form  säße  leicht  in  saßen  zu  corrigiren,  wenn  man  vorher 
noch  lind  Maria  zusetzt.  Z.  3  dann  die  alte  Singularform  Strafjen. 
Str.  10,  5  Anfang  ist  leicht  auszufüllen,  etwa:  hier  ist.  11,  2  hat  das 
Original  Langen,  wie  allerdings  dort  gesprochen  wird. 

Das  Lied  wurde  früher  von  armen  Kindern  gesungen,  welche 
mit  dem  Stern  von  Haus  zu  Haus  zogen  und  nach  Empfang  milder 
Gaben  denselben  Dankvers  beifügten,  den  wir  bei  Nr.  5  fanden,  nur 
mit  den  Varianten :  Z.  i:  ehrharlicb  (wahrscheinlich  richtiger),  Z.  4: 
•ein  glückselig  Jahr.     Z.  5 :  Der  Stern  muß  weiter  reisen. 


Charfreitao-. 


Nr.  6.     Stillenfreitags -Lied. 

1.  Ich  will  singen,  ich  weiß  wohl  was, 
Das  AUerschönste,  das  ich  kann. 

2.  Ich  will  singen  von  meinem  Heben  Herr  Jesus  Christ, 
Wie  es  ihm  am  stillen  Freitag  ergangen  ist. 


84  ALLGEMEINE 

3.  Es  ist  ihm  nicht  wohl  ergangen, 
Die  Juden  haben  ihn  gefangen. 

4.  Sie  führen  ihn  in  's  Pilatus  Haus, 

Mit  Ruthen  und  Geiseln  schwingen  sie  ihn  aus. 

5.  Sie  machen  dem  Herr  Jesus  eine  Dornenkron, 
Er  muß  sie  tragen  zu  Spott  und  Hohn. 

6.  Sie  haben  den  Herr  Jesus  an's  Kreuz  gehenkt. 
Mit  Essifi;  und  Gallen  ward  er  ü;etrenkt. 

7.  Die  Mutter  schreit:  O  weh,  mein  Sohn, 
Wie  muß  eine  Mutter  ihr  Kind  verlon! 

8.  «Johannes,  Heber  Jünger  min, 

Nimm  du  die  Mutter  und  führ  sie  hin. » 

9.  Er  nahm  sie  bei  der  schneeweißen  Hand 
Und  führt  sie  durch  einen  grünen  Wald. 

10.  Im  grünen  Wald  wird  Alles  so  blaß, 
Es  welket  Alles  in  Laub  und  Gras. 

1 1 .  Sonn  und  Mond  verlüred  ihre  Schin, 
Die  W^aldvöglein  lönd  das  Singen  sin. 

12.  Es  erbebt  die  Erde,  Felsen  und  Stei, 
Die  höchsten  Berge  springen  enzwei. 

13.  Wer  dieses  Liedlein  singe  cha. 
Der  sing  es,  es  sei  Wib  oder  Ma. 

14.  Der  sing's  all  Freitag  nur  ein  Mol, 
Sein  Seel  wird  Gott  versorgen  wohl. 

Aus  der  handschriftlichen  Sammlung  von  J.  Stutz  mit  der  An- 
merkung: Dies  Lied  wurde  in  meiner  Jugend  (vor  60  Jahren)  jeden 
Freitag  in  christlichen  Haushaltungen  gesungen  im  festen  Glauben, 
daß  man  dadurch  der  Selio:keit  ^ewiß  werde. 


VOLKSLIEDER  85 

Er  erwähnt  nocli  den  Anfang  eines  zweiten  Charfreitag-Liedes, 
A;velches  denselben  Inlialt  hatte  : 

Christus  der  Herr  am  Oelberg  gieng, 
Als  ihn  sein  heiliges  Leiden  iimfieng. 
Ach  mein  Jesus ! 
Das  obige  entspricht  sachlich  und  zum  Theil  auch  wörtlich  den 
Nr.  457 — 459  bei  Mittler,  nur  daß  die  Strophen  dieser  Lieder  vier- 
zcWis:  sind. 


Nr.  7. 

Seht  an  die  zwei  Herzen, 
Sie  scheideii  mit  Schmerzen, 
Marianna  die  Mutter 
Und  Jesus  ihr  Sohn. 

1.  Pilatus!  Pilatus! 

Was  Unrechts,  was  Unrechts, 

Was  hat  er  gethan, 

Der  heilige  Sohn, 

Daß  er  so  muß  hangen 

An  der  langen  Kreuzstangen, 

\'oll  Striemen,  voll  Wunden, 

Der  heilige  Sohn  ? 

2.  Ach,  helfet  mir  trauern, 
Ihr  Felsen,  ihr  Mauern, 
Daß  ich  muß  anschauen 
Den  heiligsten  Sohn. 
Ach,  helfet  mir  weinen, 
Ihr  Lieben  und  Kleinen, 
Weil  ich  muß  anschauen 
Den  iieiligsten  Sohn. 

Kt.  Zürich,  W'chnthal. 


8  6  ALLGKMEIXE 


Nr.  8.     Lazarus  und  seine  Schwestern. 

1.  Lazarus  und  seine  Schwestern 
hauten  ein  Haus  zum  besten, 
und  als  das  Haus  gehauen  war, 
da  lag  Lazarus  nieder  und  starh. 

2.  Sie  bauen  dem  Lazarus  ein  Grabe 
und  legen  ihn  in  ein  Sarge; 

da  weint  die  Schwester  Marie 
wol  um  den  Bruder  Lazare. 

3.  xMartha  gieng  über  die  Heide, 

sah  Jesus  in  schneeweißem  Kleide: 
« Martha,  was  habet  ihr  Übels  gethan, 
daß  ihr  so  traurig;  herum  müsst  gan.» 


«Jesus,  geh  heiß  mir  ihn  auferstehn 
und  heim  zu  seinen  Schwestern  gehn.» 

5.  Herr  Jesus  mit  seinem  Stabe 
Gieng  zu  Lazarus  in's  Grabe: 
«Lazare,  du  sollst  auferstehn 

und  heim  zu  deinen  Schwestern  gehn.» 

6.  Lazarus  ist  auferstanden, 

er  klopfet  an  den  Wanden; 
er  klopfet  an  Maria's  Thür, 
Maria  rief:  «Wer  ist  hie  für?» 

7.  Maria  sah  nach  außen, 

Es  wollt  ihr  fast  drab  grausen : 
«  Du  stinkest  wie  ein  fauler  Mist, 
Der  sieben  Jahr  gelegen  ist. » 


VOLKSLIEDER  87 

8.  «  Marie,  du  könntest  schweigen, 
denn  Sterben  ist  ein  Leiden, 

ja,  Sterben  ist  ein  liarte  Pein; 

doch,  wenn's  Gott  will,  so  muß  es  sein. 

9.  « Deine  Äuglein  sind  gebrochen, 
deine  Zähnlein  sind  verrostet, 

dein  krauses  Haar  ist  worden  bleich : 
Gott  helfe  dir  in 's  Himmelreich. » 

Obiges  Lied  hat  mir  in  drei  Gestalten  vorgelegen,  von  denen 
jedoch  nur  eine  ziemlich  vollständig  ist,  gedruckt  mit  Melodie  in 
«Die  Schweiz»  (Schaffhausen  1858),  S.  276  (aus  dem  Thurgau) ; 
eine  zweite  bietet  4  ganze  und  2  halbe  Strophen,  die  dritte  nur 
3  ganze  Strophen  und  i  halbe.  Ich  habe  versucht,  die  Bruchstücke 
in  einander  zu  fügen,  indem  ich  z.  B.,  da  die  erste  Gestalt  nur  Maria 
kennt,  die  zweite  nur  Martha,  beide  Schwestern  einführte.  Str.  4, 
3 — 4  steht  nur  in  II,  ebenso  zwei  oben  weggelassene  Zeilen,  die 
Lazarus  spricht : 

Ach  Jesus  laß  mich  liegen, 

ich  liabe  gar  lange  gestritten  .... 
also  wahrscheinlich  nach  Str.  5.    I  lässt  Str.  j  gleich  nach  2  folgen 
und  Str.  6,  3 — 4  lauten  dort: 

Gott  grüß  dich,  Schwester  .Marie, 

Ich  bin  dein  Bruder  Lazare. 
Es  folgt  darauf: 

Bist  du  der  Bruder  Lazare, 

Vor  .\ngst  kann  ich's  nicht  glauben. 

Du  schmeckst  als  wie  u.  s.  w. 
Alle  drei  Gestalten  haben  in  der  Sprache  vorwiegend  mundartliches 
Gepräge,  aber  da  sich  reine  Mundart  doch  nie  herstellen  lässt,   so 
habe  ich  dies  Mal  ausnahmsweise  den  Text  in  Schriftsprache  gesetzt, 
ausgenommen  den  Reim  5,4.     Str.  7,  i   lautet  in  III: 

Maria  lueget  use  (:  gruse). 
9,  3:  Chruselliaar.     In  I  lauten  die  zwei  letzten  Zeilen: 

Dy  Bluet  ist  schneechrydewyß. 

Gott  helf  is  (uns)  allen  i's  Paradys. 


88  ALLGEMEINE 


Nr.  9.     Regina. 

1.  Regine  gieng  in  Garte, 
Wollt  breche  Röseli  ab, 
Die  fine  und  die  zarte, 
Wo  i  dem  Garte  stan. 

2.  Regine  lueget  ume, 

Sah  einen  jungen  Knab : 
«Wo  bist  du  ine  kume? 
's  ist  Alles  wohl  vermacht.» 


:>• 


« Kei  Mur  ist  mir  zu  hoche, 
Kei  Schloß  ist  mir  zu  stark : 
Ich  hin  der  Herr  Jesus  selber, 
Der  Alles  erschaffe  hat. » 

4.  « Bist  du  der  Herr  Jesus  selber, 
So  gheiß  mich  mit  dir  cho ; 
So  will  ich  mit  dir  reise 

In's  ebige  Himelrich. » 

5.  «Willst  du  denn  mit  mir  reise 
In's  ebige  Himelrich, 

So  muest  du  dich  schneewiß  kleide, 
Daß  du  bist  den  Engle  glich. » 

6.  «Wüsst  das  min  \'ater  und  Mueter, 
Daß  ich  im  Himel  bi, 

Si  würded  mi  nit  lang  sueche, 
Si  chämed  au  dohi.» 

7.  Herr  Jesus  schrieb  es  Briefli, 
Schrieb  nu  drü  einzigi  Wort: 
D'  Regine  sei  im  Himel, 

Sei  a  nie  schönen  Ort. 


VOLKSLIEDER  89 

Das  obige  Lied  hat  mir  in  fünf  Gestalten  vorgelegen : 
I.  Eine  aus  dem  Aargau,  mitgetheilt  von  Rochholz,  7  Strophen. 
II.  Zwei  aus  dem  Kt.  Zürich:  a.  eine  handschriftlich  bei  Stutz, 
7  Strophen;  /'.  eine  bei  Kurz  S.  128,  6  Strophen. 
III.  Zwei  aus  dem  Kt.  SchafFhausen :    a.  eine  aus  der  Zeitschrift 
«Der  Unoth »,  Schaffhausen  i(S68,  S.  46,   7  Strophen,   aber 
nicht  vollständig  und  regelmässig ;   h.  eine  aus  Stein  a.  Rh., 
mitgetheilt  in  der  Zeitschrift  «Die  Schweiz»,   SchafFhausen 
1858.  S.  185,  mit  Melodie,  6  Strophen. 
Den  Gestalten,  welche  nur  6  Strophen  haben,   fehlt  Str.  5  des 
obigen  Textes.  Dieser  ist  sonst  auf  die  wesentliche  Uebereinstimmung 
von  I,  Hb  und  III Z'  gegründet,    von   welchen    am  meisten  IIa  ab- 
weicht, wo  Str.  I  und  2  unsers  Textes  in  eine  zusammengefasst  sind: 

I,  3 — 4.  Was  sah  sie  in  dem  Garten? 

Ein  junger  hübscher  Knab. 
2.  «  Ach  Jüngling,  lieber  Jüngling. 

Wie  seid  ihr  ine  cho  ? 

Die  Mure  sind  so  hoche. 

Die  Schlösslein  sind  so  stark.» 
j.   «  Kci  Mur  ist  mir  zu  hoche 

Und  auch  kein  Schlösslein  z'  stark ; 

Mit  niine  zarte  Hände 

Hab  ich  viel  Kraft  und  Macht.» 
4.  «  Ach  Jüngling,  lieber  Jüngling. 

Wie  heißet  euer  Nam?» 

«Mein  Name  heißt  Herr  Jesus, 

Herr  Jesus  werd  ich  genannt. » 
).  «  Heißt  euer  Nam  Herr  Jesus 

Und  seid  ihr  so  genannt. 

So  möcht  ich  mit  euch  gehen 

In's  ewig  Vaterland.» 

6.  Sie  reicht  ihm  ihre  Hände, 
Verschwunden  ist  sie  schon, 
Ist  schon  bei   Gott  dem  Vater 
Am  güldnen  Himmelsthron. 

7.  «Könnt  ich  ein  Brieflein  schreiben, 
Ach  nur  drü  einzige  Wort : 
Regine  sei  im  Himmel, 

Sei  an  eme  schönen  Ort.» 


90  ALLGHMHINE 

Wichtigere  Abweichungen  der  übriijen  Texte  von  dem  obigen 
sind :  Str.  3,  3 — 4  hat  I: 

Ich  bin  der  Röselimaler, 

Der  Röseli  malen  kann. 
Und  dann  Str.  4: 

Sind  ihr  der  Röselimaler, 

Der  Röseli  malen  kann, 

So  möcht  i  mit  euch  reisen 

In's  himmlische  Vaterland. 
In  III  a  lautet  Str.  4  : 

Bist  du  der  Röseliraacher, 

Der  Röseli  machen  kann, 

So  will  ich  mit  dir  fahren 

In's  ewige  Leben  an. 
Str.  5 : 

Und  willst  du  mit  mir  faren 

In's  ewige  Leben  an, 

Dini  Güetli  muest  du  lassen, 

Dini  Kleiderli  fahre  lan. 
Str.  7,  I  lautet  in  I:  Regine  schrib  eis  Briefli ;  in  III ;?:  Herr  Jesus,. 
schrib  ein  Briefli. 


Nr.  10.     Die  heilige  Turtilla. 

1.  Es  war  eine  heilige  Turtilki  geboren, 
Sie  miechte^  dem  Vater  große  Zorn; 
Er  ließ  eis  Fässeli  binde ; 

Er  sclilug  im  Fässeli  's  Bödeli  i, 
Er  legt  die  heilige  Turtille  dri, 
Er  legt  sie  uf  das  Wasser. 

2.  Sie  schwLimm  wol  bis  am  dritte  Tag, 
Sie  schwumm  dem  Müller  i's  Mülirad, 


^  machte,   aber    sonst   nur   als  Conjunctiv.     Statt  Zorn   hat   die 
Quelle :  Cbnniiner. 


VOLKSLIEDER  ■    9I 

■Sie  tat  die  Müli  bstelle^ 

Der  Müller  sprang  zur  Müle  üs 

Und  nahm  die  heilige  Turtille  drüs^. 


3.  «Der  Müller  hat  gar  bosi  Cliind. 
Sie  säge,  ich  sei  eis  Fünderlichind-\ 

Und  eb'*  ich  es  Fünderli  si  wett"*, 
Wett  sueche,  bis  i  mis  Müeterli  hett; 
Um  's  Väterli  wett  i  weine. » 

4.  Sie  chneiilet'^  uf  ene  spitzige  Stei, 

Sie  chneulet  si  selber  Löcher  i  d'  Chneii 
Und  weinet  Löcher  i  d'  Bagge. 
Turtille  schaute  wol  um  und  um, 
Sie  gsach  den  leidigen  Satan  clio, 
Het  ire  Vater  am  Rugge. 

5.  «Ach  sä',  ach  sä,  du  Pflenneli^  guet, 
Do  best  de  Vater  us  der  höllische  Gluet, 
Wol  US  de  turige  Flamme !  » 

Fs  ist  erhört,  aber  wird  nüme-n-erhört, 
Daß  es  Chind  de  Vater  us  der  Höll  erlöst, 
Wol  US  de  türige  Flamme. 

Mitgctheik  von  Rochholz,  aus  dem  Aargau.     Auf  Str.  2  folgen 
die  Verse : 

Er  bhahet  sie  bis  am  zwanzigste  Jar, 

Bis  sie  ein  reines  Mägdelein  war. 
Auf  Str.  3  folgt  im  Original  der  vereinzelte  Vers: 

Turtille  gieng  über  e  witi  Heid. 


*  zum  Stillstehen  bringen.  -'  aus  dem  Fässchen.  ^  Findelkind. 
*  ehe.  ^  wollte,  möchte.  ®  kniet.  '  Sieh  da,  nimm !  "^  weinerliches 
Kind. 


92 


)■ 


ALLGEMEINE 


Nr.  II. 


1.  's  will  eine  Jungfrau  reise, 
Will  reisen  über  Feld; 
Begegnet  ihr  der  Herr  Jesus 
In  einem  schneewißen  Kleid. 

2.  « Grüeß  Gott,  du  Jungfrau  reine. 
Wo  willst  du  reisen  hin  ? » 

« Ich  will  zu  Ciott  dem  Herren, 
Will  kehren  bei  ihm  in.» 

3.  «Wenn  du  zu  Gott  dem  Herren  komst. 
Was  willst  du  bei  ihm  tuen  ?  » 

«Ich  hab  so  schwer  gesündiget, 
Hab  wider  Gott  getan. » 

4.  « Hast  du  so  schwer  gesündiget. 
Hast  wider  Gott  getan. 

Der  lieb  Gott  wird  dich  strafen, 
Er  wird  dich  fahren  lan. 


« Der  lieb  Gott  wird  mich  nit  strafen, 
Wird  mich  nit  faren  lan: 
Will  allzit  flißig  bete, 
Will  Gott  vor  Auge  han.» 

6.  « Hast  du  das  in  dinem  Herze, 
Hast  du  das  in  dinem  Sinn, 

So  leg  di  schneewiß  Chleidli  a. 
Bist  allen  Engle  glich.  » 

7.  Im  Himmel  lauft  en  Brunne, 
Lauft  süeßer  weder  Hung, 
Und  wer  darab  tuet  trinke. 
Der  krank  ist,  wird  i^esund. 


VOLKSLIEDER  93 

Der  obige  Text  is:  aus  Schaffhausen  (Unoth  S.  47),  mit  Aus- 
nahme einiger  Kleinigkeiten  aus  einer  zürcherischen  Fassung  (bei 
Kurz  S.  150),  welche  den  wesentlichen  Inhalt  in  bloß  5  Strophen 
gibt,  denen  eine  ungehörige  Zusatzstrophe  angehängt  ist.  Str.  5  fehlt 
dort  ganz  und  statt  Str.  6  lautet  dort  Str.  4: 

Schneeweiß,  ganz  suberlich 

Muest  du  bekleidet  si; 

Denn  muest  du  mit  mir  reise 

In's  ebige  Himelrich. 
Beide  Fassungen  erinnern  an  Nr.  9,  Str.  4  und  3,  und  sind  vielleicht 
von  dort  herübersfenommen. 


Nr.  12.     Die  drei  armen  Seelen. 
I. 

1.  Es  kam  der  Tod  wol  über  den  Rhein, 
Er  kehrte  beim  ersten  Wirthshaus  ein. 

2.  Drei  junge  Töchterlein  hatte  der  Wirth, 
Der  Tod  der  nahm  alldrei  sie  mit. 

3.  Die  Erste  starb  und  verschied  zur  Stund, 
Weil  eben  die  Sonne  auferstund. 

4.  Die  Zweite  die  starb  inmitten  am  Tag, 
Weil  eben  die  Sonne  am  höchsten  war. 

5.  Die  Dritte  die  starb  am  Abend  hin, 
Weil  eben  die  Sonne  zu  Golde  gieng. 

6.  Die  Wirthin  weinte  Ach  und  Weh : 
Jetzt  haben  wir  keine  Tochter  mehr! 

7.  Laß  mich  von  deinem  Grab  nicht  gehn. 
Ach  Anneli,  du  mußt  auferstehn ! 

8.  « Ich  wollt  nicht  um  viel  Silber  und  Gold, 
Daß  ich  den  Tod  nicht  haben  sollt ! » 


94  ALLGEMEINE 

9.  Laß  mich  von  deinem  Grab  nicht  gehn, 
Ach  MeieH,  du  mußt  auferstehn ! 

10.  «Der  Tod  ist  eine  harte  Pein, 

Doch  \vie  Gott  will,  so  muß  es  sein. » 

1 1 .  Laß  mich  von  deinem  Grab  nicht  gehn, 
Ach  Liseli,  du  mußt  auferstehn! 

12.  «Der  Tod  lässt  mich  nicht  mehr  heraus. 
Er  stößt  mir  alle  Gliedlein  aus !  » 

13.  Die  Mutter  gieng  weinend  vom  Grabe  fort, 
Ihre  drei  Töchter  giengen  zu  Gott. 

14.  Vor  der  Himmelsthüre  klopften  die  Drei; 
S.  Peter  fragt,  wer  draußen  sei? 

15.  Drei  arme  Seelen  sind's  allein, 

Sie  möchten  in  den  Himmel  herein. 

16.  «Die  Erst  und  die  Zweuti  soll  ine  cho, 
Die  Dritte  soll  vorusse  stoh !  » 

n. 

1.  Es  war  ein  Sterbet^  wol  über  em  Rhi, 
Es  starben  im  König  drei  Töchterli. 

2.  Sie  liefe,  sie  käme  zur  Himmelsthür; 

Da  sprach  der  Heiland:  «Wer  ist  derfür?)> 

3.  «Es  sind  au  numme-  drei  Seele  do, 
Sie  warte,  öb^  me  s'  well  ine  lo. » 

4.  « Zwo  Seele  sollen  ine  cho. 
Die  andere  Seel  soll  dusse  sto. 

5.  Sie  soll  iez  au  wandle  de  breite  Weg 
Wol  gege  de  leidige  Höllesteg ! » 


^  Seuche,     im  für  dem.     -  nur.     *'  oh. 


VOLKSLIEDER  95 

6.  Die  arme  Seel  lief  über's  Maiethau, 
Da  begegnete  ihr  ei  guete  Frau. 

7.  Sie  liefe  wieder  zur  Himmelsthür, 

Da  sprach  der  Heiland:  aWer  ist  derfür?» 

8.  «  Es  sind  au  numme  zwo  Seele  do, 
Sie  warte,  ob  me  s'  well  ine  lo. » 

9.  « Die  guete  Frau  soll  ine  cho, 
Die  andre  Seel  soll  dusse  sto. 

10.  Sie  soll  iez  au  wandle  de  breite  Weg 
Wol  gegc  de  leidige  Höllesteg. » 

1 1 .  Die  arme  Seel  schreit  Ach  und  Weh : 
O  iez  han  i  kei  Heiland  meh. 

III. 

1.  Es  sind  drei  arm  Seele  vor  's  Himmels  Thür, 
Petrus  sprach:   «Wer  ist  jetzt  dafür?» 

2.  «Es  sind  drei  arme  Seele, 
Sie  sueched  Gott  den  Herre. » 

3.  «Zwei  arme  Seele  solled  ine  cho, 

Die  eint  arm  Seel  soll  de  breit  \Veg  go. » 

4.  «  Soll  die  eint  arm  Seel  de  breit  ^^'eg  go, 
So  wend  wir  au  nüt  ine  cho. » 

5.  Petrus  sprach:   «  Mueter  Maria, 

Was  hat  sie  euch  denn  Guets  getha  ? » 

6.  « Sie  hat  mir  alle  Samstig  z'  Nacht 

Drü  brennedi  Lieciitli  i  d'  Chille^  bracht.» 

7.  «  Setzed  ere  uf  e  Chrone : 

Daß  sie  der  Himmel  werd  b'lone. » 

'  Kirche. 


^G  ALLGEMEINE 

IV. 

1.  Der  Tod  und  der  kam  über  de  Rhi, 
Im  nächste  Wirtshus  chehrt  er  i. 

2.  Der  Wirt  der  hat  der  Töchtere  drei, 
Der  Tod  und  der  nahm  ihm  all  drei. 

3.  Die  erste  starb  am  Morge  früeh, 
Die  andre  de  mitzet^  im  Tag, 

4.  Die  dritte  starb  am  Obed  spot, 
Grad  als  die  Sunne  undergot. 

5.  Sie  kommen  zu  der  Himmelsthür, 
Der  heilige  Petrus  stand  dafür. 

6.  Sie  sprachen :  «Wir  wollen  in  Himmel  hinein  % 
Und  Petrus  sprach :  «  Das  kann  nicht  sein.  » 

Das  Weitere  fehlt,  der  Gewährsmann  erinnert  sich  nur  noch, 
daß  Petrus  der  ältesten  Tochter  sagte: 

«Du  hast  all  Samstig  z'  Nacht 
's  Hoor  uftho  und  zsäme  gmacht 
und  drü  erquickti  Liechtli  gmacht.» 

1  und  II  stammen  aus  dem  Kt.  Aargau,  beide  mitgetheilt  von 
Rochholz,  I  wahrscheinlich  von  ihm  überarbeitet,  aus  dem  Frickthal; 
III  und  IV  aus  dem  Kt.  Zürich,  III  bei  Kurz  S.  129,  IV  handschrift- 
lich bei  Stutz.  Alle  vier  Formen  gehören  zu  Mittler  Nr.  481 — 486, 
nur  daß  sie  die  Ursache  und  Beschaffenheit  der  Höllenstrafe  nicht 
angeben,  dagegen  III  und  IV  als  Grund  der  Ausnahme  von  der- 
selben das  Anzünden  von  drei  Lichtern  am  Samstag  Nacht.  I  hat 
eigen  die  Klagen  der  Mutter  über  den  Tod  der  einzelnen  Töchter 
und  deren  Antwort,  bricht  dann  aber  ab,  wo  die  übrigen  erst  recht 
ansetzen.  II  hat  eigen  die  bemerkenswerthe  Str.  6,  deren  Folge  aber 
nicht  klar  ist,  und  daß  von  den  zwei  zuerst  zugelassenen  Seelen 
nachher  eine  wieder  ausgeschlossen  wird.  III,  Str.  2  und  7  sind 
offenbar  metrisch  verkürzt  und  IV  leider  sa'fchlich  unvollständig,  sonst 

^  mitten. 


VOLKSLIEDER  97 

mit  III  zusammengehörig.  Die  c  erquickten»  Lichter  sind  ohne  Zweifel 
«stets  erneuerte j).  —  IV  stimmt  mit  II  und  beide  mit  Mittler  Nr.  481. 
485  darin,  daß  der  Tod  iJber  den  Rhein  kommt;  II  mit  Mittler 
Nr.  482.  484.  485  darin,  daß  die  Töchter  Königstöchter  sind;  I  mit 
IV  und  beide  mit  Mittler  Nr.  481 — 483  in  der  Angabe  der  Zeit  des 
Todes  der  Töchter.  —  In  der  vereinzelten  Strophe  zu  IV  ist  die 
Beschäftigung  mit  dem  Haar,  welche  sonst  der  Betreffenden  zur 
Stinde  gerechnet  wird,  mit  dem  verdienstlichen  Anzünden  der 
Lichter  offenbar  irrthümlich  verbunden.  —  I,  10  =  Nr.  8,8,  5 — 4. 


Nr.  13. 

1.  Dort  ohe,  dort  obe  vor  der  himlische  Tür, 
Do  sitzt  eine  arme  Seele  derfür. 

2.  «Du  armi  Seel,  warum  trurist  so  sehr?» 
«Warum  sott  i  nit  trure,  du  güetiger  Her? 

3.  Wenn  an  hei  Gott  im  Himel  will  sitze, 

So  mues  me  ut  Erde  Bluetstropte  schwitze, 

4.  Bluetströpfli,  Bluetströpfli  so  wiß  als  wie  Schnee: 
O  laß  mi  zue  dir  i  din  Himel  ingen.» 

5.  «  Chom,  armi  Seel,  hast  grungen  und  gschwitzt, 
Gliom  herein  und  sitz  wo  de  Lazarus  sitzt. « 

Aus  Schieitheim,  Kt.  Schaffhausen,  mitgetheilt  in  der  Zeitschrift 
«Der  Unoth»,  Schaffh.  1868,  S.  136.  —  an  Str.  5  ist  die  schaffh. 
mundartliche  Form  für  ein,  einer.  Strophe  4  ist  wahrscheinlich 
entstellt;  in  der  zweiten  Zeile  hat  das  Original  empor,  was  der 
Situation  nicht  entspricht  und  auch  keinen  Reim  gibt;  nur  um  diesen 
nothdürftig  herzustellen,  ist  «eingehn»  gesetzt.  Zeile  l  könnte  ur- 
sprünglich etwa  gelautet  haben : 

Bluetströpfli  so  roth  als  wiß  ist  der  Schnee, 
da  die  Zusammenstellunjr  dieser  Gegensätze  eine  stehende  Formel  war. 


98  ALLGEMEINE 

Nr.  14. 

1.  Die  ^'ögel,  die  Vögel, 
Sie  singen  lieblich  schön ; 

Sie  loben  Gott  den  ganzen  Tag, 
Es  singt  ein  jedes,  was  es  mag, 
Sie  preisen  Gott  den  Herren. 

2.  Im  Winter,  im  Winter, 
Wenn  Alles  erfreurt  und  stirbt. 
Erhaltet  Gott  das  Sämlein  klein. 

Das  unter'm  Schnee  vergraben  muß  sein. 
Daß  es  nicht  muß  erfrieren. 

3.  Die  Menschen,  die  Menschen, 
Sie  kümmern  gar  so  sehr; 
Doch  Gott  kann  uns  erhalten, 
Wir  wollen  ihn  lassen  walten. 
Er  ist  ja  Gott  der  Herr. 

Handschriftlicli  bei  Stutz. 


Nr.  15. 

1.  Dies  ist  mein  ganzer  Lebenslaut, 
Denn  die  Uhr  ist  g'lotfen  aus ; 

lez  will  ich  mich  machen  auf  die  Reis 
Li  die  Ewigkeit  hiiiaus. 

2.  Wenn  ich  betracht  mein  Lebenslauf, 
So  verstummt  mir  meine  Zung; 

lez  gehn  mir  meine  Augen  auf 
Und  ich  zittre  um  und  um. 


VOLKSLIEDER  99 

3.  Daß  ich  die  edle  Zeit  verschwend't 
(Und  so)  wenig  an  meinen  Gott  gedenkt. 
Was  gibt  mir  jetzt  die  Welt  zum  Lohn? 
Der  größte  Spott  und  Hohn. 

4.  Ich  hotf  auf  die  Barmherzigkeit, 

(Der)  gestorben  (ist)  für  uns  am  Kreuz, 
Und  ich  bitt  um  ein  einziges  Tröpflein  Blut, 
O  du  allerhöchstes  Gut. 

5.  Ach,  Gott  gab  mir  der  Gnaden  viel. 
Wenn  ich's  nur  brauchen  will; 

Er  hat  mich  zu  einem  Christen  genennt, 
Durch  sein  heiliges  Sakrament. 

6.  Nun  scheide  ich  aus  dieser  Welt 
Und  hab  nöthig  nie  mehr  Geld; 
Ich  werde  bald  im  Grabe  ruhn, 
Hab  hier  nichts  mehr  zu  thun. 

Handschriftlich  bei  Stutz. 


Nr.  16. 

1.  Nun  mein  Leichnam  geht  zum  Grabe 
Und  mein  Geist  nach  Zion  hin. 
Weil  ich  nun  die  Hoffnung  habe, 
Meinen  Jesum  bald  zu  sehn. 

2.  Ach,  was  sind  die  Lebensjahre, 
Eh  man  sie  hat  recht  betracht, 
Wie  ein  Strom  dahin  gefahren ! 
Nun  so  scheid  ich :  Gute  Nacht ! 


100  ALLGEMEINE 

3.  Gute  Nacht!  ihr  meine  Freunde, 
lez  geh  ich  zur  Ewigkeit; 
Bald,  bald  hab  ich  überwunden ; 
Was  ist's,  daß  ihr  um  mich  schreit! 

Handschriftlich  bei  Stutz,  aber  nach  seiner  Angabe  unvollständig. 


Nr.  17. 

1.  O  Mensch,  steh  ab  von  deiner  Sund! 
Rüst  dich  zum  Sterbe, 

Tracht  zu  ererbe 
E  seligs  End! 

2.  Wann  der  Tod  kommt  mit  seinem  Pfil 
Und  er  bald  thut  schieße, 

Wir  sterbe  müeße 
In  schneller  IL 

3.  Mathusalem,  der  ältist  Mann, 
Nünhundert  Jahre 
Nünundsechzig  zware. 

Der  Tod  hinnahm. 

4.  Die  Engeli  Gottes  die  wolle  mit  Fliß 
Uf  mein  Seel  warte 

Im  schönste  Garte, 
Im  Paradis. 

Aus  dem  Kt.  Thurgau,  mit'getheilt  in  der  Zeitschrift  «Die 
Schweiz»,  SchafFhausen  1858,  S.  277,  mit  Melodie.  Die  vierte 
Strophe  beginnt  dort  mit  der  Zeile  «Au  Salemon,  ein  König  wis»,. 
welche  noch  zum  vorigen  Satze  gehört  und  nicht  überzählig  ist,  weil 
die  erste  Zeile  der  drei  ersten  Strophen  im  Gesang  wiederholt  wird. 


VOLKSLIEDER  loi 


Nr.  i8. 


1.  Der  Schlüssel  zum  Himmel 
Ist  Marter  und  Pein, 

Und  wer  ihn  nicht  versuchet, 
Der  kommt  nicht  hinein. 

2.  Ach  Mensch,  wie  getraust  (du)  dir 
In  Himmel  hinein? 

Die  Straßen  sind  gefährlich, 
Die  Pforten  sind  klein. 

3.  Kein  Fieber,  kein  Krankheit 
■    Im  Himmel  regiert, 

Drum  werden  die  Ärzten 
Im  Felde  .... 

4.  O   Sonne,  o  Monde, 
Es  freut  sich  die  Welt, 
Die  Sterne  von  ferne 
Am  Himmelgezelt. 

5.  Wir  Alle  am  jüngsten  Tag, 
Wir  müssen  vergehn. 

Der  Himmel  alleine 
Bleibt  ewighch  stehn. 

Handscliriftlich  bei  Stutz. 


^^^w^^ 


102  ALLGEMEINE 


D- 


Weltliche  Lieder. 


A.  Episches. 

Nr.  ig.     Tannhäuser. 

1.  Danuser  war  ein  wundrige^  Knab, 
grauß  Wunder  got  er  go  schaue; 

er  Orot  wol  uf  der  Frau  Vrenes  Bere^ 
zu  dene  dri  schöne  Jungfraue. 

2.  Er  schaut  zu  einem  Fensterli  i, 
grauß  Wunder  kann  er  da  schaue; 
drum  göt  er  zu  dem  Frau-Vrenesberg, 
zu  dene  dri  schöne  Jungfraue. 


Die  sind  die  ganze  Wuche  gar  schö 
mit  Gold  und  mit  Side  behänge, 
händ  Halsfchmeid  a  und  Maiekrö^: 
am  Suntis  sind  s'  Otre  und  Schlauere. 


4.  letz  tritt  es  bald  in's  siebente  Jahr  - 
so  brichtet  die  alte  Märe  — 

daß  er  ein  graußer  Sünder  war, 
sin  Seel  verdammet  wäre. 

5.  Und  wie  des  Morgeds  Tag  es  war, 
Danuser  wollte  gan  bichte, 

er  wollte  wol  gehen  für  den  Pfarr, 
wollt  sini  Sünde  verrichte^. 


neusfierio-.     -  Maienkronen  =  Blumenkränze?     ^  abbüßen. 


VOLKSLIEDER  IO3 

6.  Der  nam  die  Sünde  ihm  iiher  nid  ab 
und  sagt,  zum  Papst  müeß  er  wandre. 
Da  kehrt  er  sinen  Pilgerstab 

nach  Rom,  wie  viele  Andre. 

7.  Der  Papst  der  nahm  den  Stab  in  die  Hand, 
vor  Dürre  wollt  er  spalte : 

«  So  wenig  das  Stabil  noch  Läubli  tragt, 
so  wenig  kannst  Gnad  du  erhalte. » 

8.  «Wenn  i  kei  Gnad  erhalte  mag, 
so  geh  i  uf  Frau  Wenes  Berg  hi 
und  schlafe  bis  an  jüngste  Tag, 
bis  Gott  selber  thut  wecke  mi. » 

9.  Do  währet  es  nid  gar  dritthalb  Tag, 
das  Stabil  fangt  a  zu  gruene, 

trait  dri  rothe  Röseli  z'  Tag, 
dri  wunderschöni  Blueme. 

10.  Der  Papst  schickt  us  i  Land  und  Berg, 
si  könne  Danuser  nid  tinde; 

er  Ht  wol  uf  der  Frau  \'renes  Berg 
bi  dene  dri  schöne  Chinde. 

1 1 .  Es  währet  nid  gar  e  halbes  Jahr, 
der  Papst  der  war  gestorbe ; 

ietz  ist  er  verdammet  i  Ewigkeit, 
mueß  ewig  si  verderbe. 

12.  Drum  soll  kei  Bischof,  kei  Papst  nid  mehr 
kei  arme  Sünder  verdamme ; 

groß  Gwalt  die  git  nu  Straf,  nit  Ehr. 
In  nomen  Domini,  Arne. 


104  ALLGEMEINE 

Aus  den  «Mittheilungen  zur  vaterländischen  Geschichte,  heraus- 
gegeben vom  historischen  Verein  in  St.  Gallen»,  IV,  198,  denen  ich 
auch  noch  folgende  Bemerkungen  entnehme.  Im  St.  Galler  Oberland, 
in  der  Gegend  zwischen  Sargans  und  Ragatz,  an  der  alten  Römer- 
straße, wo  die  Volksfage  auch  von  heidnischen  Opferstätten  erzählt 
und  wo  auch  die  Gerichtstätte  der  späteren  Landesherren  war,  ist 
ein  Hügel,  jetzt  genannt  « Thiergarten »  (Thierget),  von  alten 
Leuten  «  Frau  Vrenes-  oder  Venesberg  ».  Ein  Sojähriges  Mütterchen 
aus  jener  Gegend  erinnerte  sich,  daß  in  ihrer  Jugend  das  obige  Lied 
unter  dem  Namen  «Tiergetlied»  allgemein  bekannt  gewesen  sei.  — 
Es  weicht  von  dem  bekannteren,  im  Entlebuch  aufgefundenen  (Lütolf, 
Sagen  S.  87,  Mittler  Nr.  535)  im  Ganzen  ziemlich  stark  ab,  trotz 
fast  wörtlicher  Uebereinstimmunfr  an  einzelnen  Stellen. 


Nr.  20.     Roni  SatteL 

s.  Einl.  S.  CIL 

1.  Roni  Sattel  hat  gewibet, 
hat  genomme  ei  edles  Wib ; 
kostet  ihm  Lib  und  Lebe, 
darzue  sei  stolze  Lib. 

2.  Si  nehmed  de  Roni  gfange 
und  thäte  ne  in  den  Thurm, 
darin  sind  Kröten  und  Schlange 
und  menore  vero;iftio;e  Wurm. 


3' 


Darinnen  muß  er  bleibe 
siebe  Jahr  und  drei  Tag, 
bis  ihm  seine  Kleider  verfulet, 
sin  Hör  ist  wiß  und  gra. 

4.  Si  tuered  de  Roni  use 
für  das  Rötsherrehus ; 
die  siebe  Rötsherre  spaziere 
und  schaued  zu'n  Fensteren  us. 


VOLKSLIEDKR 


105 


5.  Si  füered  de  Roni  use 
bis  vor  das  iißeri  Tor; 

dert  chneuled  si  ^^^ter  und  Mucter 
und  wcined  gar  bitterli. 

6.  «  Ach  Vater  und  liebi  Mueter, 
weined  nid  eso  bitterli ; 
menge  stolzere  Lib  ist  verfulet, 
\venn  mine  verbrenne  mueß. » 

7.  Si  füered  de  Roni  use 
wol  über  e  witi  Heid; 

dert  wachst  kei  Gras  und  keis  Läubli, 
nüt  weder  drü  ßlüemeli. 

8.  « Lönd  mi  die  Blüemli  abbreche, 
will  s'  trage  mit  mir  i's  Für. » 
De  Roni  der  ist  verbrunne 

bis  an  die  rechte  Hand. 

9.  Es  chöme  drü  TübeU  z'  flüge, 
drü  Tübcli  chridewiß ; 

si  neme  de  Rom  (und  flüge 
mit  ihm)  i's  Himelrich. 

IG.  Zu'n  Rotsherre  chöme  siebe  Rappe 

si  neme  die  siebe  Rotsherre 
mit  ihne  in's  höllische  Für. 

Mitgetheilt  au-:,  dem  luzernisclien  Volksmund,  von  Dr.  A.  Lütolf. 
—  chnciüe  Str.  5,  3:  knien.  Sir.  7,  3  lautet  im  Original:  nüt  weder 
Gras  und  Laub.  Str.  9,  5 — _)  sind  die  eingeklammerten  Worte  von 
mir  zugesetzt.  Str.  10,  4  beginnt  im  Original:  und  fahre.  —  Im 
deutschen  Lied  von  Raumensattel  wird  dieser  der  Siegelfölschung 
angeklagt;  hier  muß  wol  eine  gewaltsame  Entführung  eines  vor- 
nehmen Weibes  als  todeswürdio:es  Verbrechen  nntrenommen  werden. 


I06  ALLGEMEINE 

Das  Uebrige  ist  wesentlich  gleich;  im  deutschen  Lied  sterben  die 
sieben  falschen  Ankläger  alle  eines  gewaltsamen  und  schimpflichen 
Todes. 


Nr.  21.     Der  Buecher  Fridli. 

s.  Ein!.  S.  CIL 

1 .  Es  kämen  zwei  Böteli  von  Willisau : 

«  Ach  Fridli,  du  hast  gar  e  schöne  Frau. » 
Es  kämen  zwei  Böteli  von  Luzern, 
Sie  wend  der  Bucher  Fridli  näh. 

2.  «Fridli,  müe  mer  di  binde  oder  müe  mer  die  foh, 
Oder  witt  du  selber  go  Luzern  goh  ?  » 

« Ihr  müet  mi  nit  binden,  ihr  müet  mi  nit  foh, 
Ich  darf  wol  selber  uf  Luzern  goh. » 

3.  Der  Fridli  lauft  dur  d'  Matten, 
Er  lauft  gleich  wie  der  Schatten. 

«Ach  Fridli,  du  muest  chlei  weidliger^  goh, 
Din  Wib  und  Kind  sie  schreien  dir  noh. » 

4.  Und  wie  er  dann  kam  uf  Luzern, 

Die  Herren  all  uf  der  Rüßbrugg  warn. 
Spazierten  über  die  Rüßbrugg  drein, 
Sie  hießen  den  FridH  gottwillchum  sein. 

5.  «Witt  du  noch  bi  dine  Worten  si. 
So  muest  du  üse  Gefangen  si. » 

«  Und  was  i  gredt  ha,  das  red  i  noh, 
Bi  miner  Wohrheit  will  i  hstoh. » 

6.  Sie  thäten  Fridli  i'n  schiefen  Thurm, 
Darin  war  menge  wüeste  Wurm; 


^  ein  wenio;  schneller. 


VOLKSLIEDER  10' 

Er  könt  weder  lige,  er  könt  weder  steh, 
Er  muest  wol  uf  den  Kneuen  geh. 

7.  Und  wie  es  war  am  Zistig  spöt, 
's  Mareili  au  uf  Luzern  geht; 
Wie  es  uf  Luzern  ine  kam, 

Die  Herren  all  uf  der  Rüßbrugg  warn. 

8.  Sie  hießen  's  Mareili  gottwillchum  sein : 
« Was  soll  denn  dein  Begehren  sein  ? » 

« Und  mein  Begehren  ist  mir  leid : 
Läut^  mir  den  Fridli  Buecher  heim.)) 

9.  «Mareilij  liebes  Mareili  mi, 

Dein  Bitt  und  Bet  ist  viel  zu  chli; 
Der  FriedU  gibt  üs  gar  böse  Bscheid, 
Er  kommt  dir  währli  nüme  hei. » 

10.  's  Mareili  gieng  i'n  Thurm  hinein: 
« Ach  Fridli,  lieber  Fridli  mein, 
Gib  du  den  Herren  andern  Bscheid, 
Süst  kommst  du  wahrli  nümmen  heim.» 

11.  « Mareili,  liebes  Mareili  mein. 

Ich  gib  den  Herren  kein  andern  Bscheid, 
Und  was  ich  gredt  ha,  das  red  i  noh, 
Bi  miner  Wohrheit  will  ich  bstoh. » 

12.  Was  zog  er  aus  dem  Büeseli? 
Ein  wunderschönes  Büecheli: 
«Und  sä",  und  sä,  Mareili  mein. 
Lies  du  darin   und  denke  mein.  » 


^  lasst.     ^  da  nimm ! 


I08  ALLGEMEINE 

13.  Was  zog  er  aus  der  Tasche? 
Ein  Windlen  und  ein  Fäsche^: 
«Und  sä,  und  sä,  Mareili  mein, 
Bind  du  das  kleine  Kind  darein.» 

14.  Und  wie  es  war  am  Fritig  spöt, 
Der  Baschi-  au  uf  Luzern  goht; 
Wie  er  uf  Luzern  ine  kam, 

Die  Herren  uf  der  Rüßbrugg  warn. 

15.  Sie  spazierten  die  Rüßbrugg  us  und  ein 
Und  hießen  den  Baschi  willkommen  sein. 
«  Sei  mir  Gotrv\-illchumen,  Baschi  mein, 
Was  soll  denn  dein  Begehren  sein  ? » 

16.  «Und  mein  Begehren  ist  mir  leid: 
Laut  mir  den  Buecher  Fridli  heim; 
Sein  Weib  und  Kind  im  Hause  mein 
Um  ihren  Yater  jammernd  schrein. » 

17.  «Ach  Baschi,  lieber  Baschi  mein. 
Dein  Bitt  und  Bet  sind  viel  zu  klein. 
Der  Fridli  gibt  üs  gar  bösen  Bscheid, 
Er  kommt  dir  wälirli  nümmen  heim. » 

18.  Der  Baschi  gieng  zum  Fridli  i'n  Thurm: 
«  Ach  Fridli,  deine  Kinder  schon ! 

Gib  du  den  Herren  andern  Bscheid, 
Süst  kommst  du  währli  nümmen  heim. » 

19.  «Ach  Baschi,  lieber  Baschi  mein, 

Ich  gib  den  Herren  kein  andern  Bscheid, 
Und  was  ich  gredt  ha,  das  red  i  noh, 
Bi  miner  Wohrheit  will  ich  bstoh. » 


^  Windelband.  -  Sebastian ;  ältester  Sohn  oder  ein  Freund  Fridlis? 


VOLKSLIEDER  IO9 

20.  Und  wie  es  am  Füroben^  war, 

Ein  Engel  vom  Himmel  zum  Fridli  kam : 
« Ach  Fridli,  stand  dine  Worte  treu, 
Du  gibst  ein  Engel  in's  Himmelreich. » 

21.  Sie  nähmen  den  Fridli  us  dem  Thurm, 
Sie  führten  ihn  zum  Richtplatz  schon ; 
Sie  führten  ihn  us,  es  ist  ein  Grus, 

's  Blut  schießt  ihm  oben  zur  Hirnschalen  us. 

22.  's  Mareili  gieng  unter'n  Galgen  zu  beten, 
Die  Herren  thäten  ihm  das  absprechen: 

« Der  Galgen  ist  ja  kein  Gottshus, 

's  ist  sust  nur  in  der  Kirchen  der  Bruch. » 


-:>• 


's  Mareili  gab  zur  Antwort  drut : 

«Das  Beten  ist  überall  der  Bruch, 

Und  ist  der  Galgen  kein  Gotteshus, 

's  thut  doch  den  Luzernern  d'  Augen  ut. » 

Der  obige  Text,  mir  mitgetheilt  von  Dr.  A.  Lütolf  in  Luzern, 
weicht  zwar  niclit  in  den  Hauptsachen,  aber  in  manchen  Einzelheiten 
bedeutend  von  demjenigen  ab,  den  Rochholz  im  « Taschenbuch  der 
hist.  Gesellschaft  des  Kantons  Aargau «,  1861  — 1862,  aus  der  Hand 
eines  Knaben  im  Freienamt  mitgetheilt  hat.  Im  Ganzen  mag  dieser 
letztere  Text  den  Vorzug  verdienen,  so  daß  ich  nicht  umhin  kann, 
die  wichtigeren  Abweichungen  desfelben  nachstehend  anzugeben. 
Der  Lütolfische  hat  den  Vorzug,  daß  er  vollständige  vierzeilige 
Strophen  bietet  und  auch  sachlich  einiges  Neue,  besonders  die  zwei 
Schlußrtrophen.  Die  Fürbitte  des  Baschi  rechne  ich  nicht  zu  den 
Vorzügen,  da  sie  zu  Wiederholungen  führt;  die  im  aargauischen  Text 
angegebenen  Vermächtnisse  Fridli's  an  seine  einzelnen  Knaben  sind 
offenbar  schöner. 

Lütolf  hat  mir  noch  einen  zweiten  Text  des  Liedes  mitgetheilt, 
der  aber  etwas  verwildert  ist   und   fast   nichts  enthält,  was  nicht  in 


^  Feierabend,  heißt  auch  der  Abend  vor  einem  Feste. 


HO  ALLGEMEINE 

den  beiden  andern  sich  fände;  im  Ganzen  stimmt  er  mehr  zu  der 
aargauischen  Fassung;  eigenthümHch  ist  ihm  nur,  daß  Fridli  bei  der 
Ausführung  auf  den  Richtplatz  sagt: 

Und  wenn  ihr  mich  henken  wend,  henked  mich  gschwind, 
I  gseh  dort  cho  mi  Wib  und   Chind, 
und  daß  er  am  Schluß  noch  die  räthselhafte  Prophezeiung  ausfpricht : 
Es  wird  nit  go  viel  hundert  Jahr, 
bi  Rüßbüel  müeßt  ihr  mir  sagen  wahr. 
Die  aargauische  Fassung  beginnt : 
«  Mareili,  liebs  Mareili  mi, 
Gang  hol  mer  no  nes  Mäßli  Wi; 
Möcht  au  no  einist  trinke, 
Das  Herz  möcht  mir  versinke.» 
Und  wie  das  Mol  am  beste  war. 
Es  chömed  drei  Stadtknecht  dahar. 
Fridli  sagt  auf  die  Frage,  ob  sie  ihn  binden  sollen: 
('  I  darf  no  selber  uf  Luzere, 
wol  under  d'  Auge  sto  dene  Herre  »  —  — 
Die  Vermächtnisse  des  Vaters  an  die  Söhne  sind: 
Was  zog  er  für  es  Betli  (Rosenkranz) 
Us  sineni  Fazenetli?  (Taschentuch.) 
«  Ach  sä,  min  Ältester,  Dursli,  sä, 
Ich  will  dir  das  zur  Letzi  gä. » 
Was  zog  er  aus  dem  Bumper?  (Hosentasche.) 

0  Wunder,  e  schöne  Lumpe  (Nastuch). 

« Mi  chline  Lunzeli,  nimm's  und  briegg  (weinej 
Und  denk,  wie's  mir  ergange  sig»   (sei). 
{Lunzeli  Koseform  von  Leontius.    Zeile  2  vielleicht  zu  losen: 
E  v\-underschöne  — ) 
Was  zog  er  us  sinem  Hemli  ? 

Es  schönes  Hosebändli.    (Strumpfband  od.  Hosenträger?) 
« Du  min  AlIcrchhAste,'»blib  chech  und  frisch. 
Vergiß  nit,  wie's  mir  ergangen  isch. 

1  han  ene  (ihn)  treit,  iez  trag  ne  du 
und  nestle  dich  gtge.  d'  Herre  zue. » 

Die  Erscheinung  des  Engels  ist  ebenfalls  ausführlicher: 
Am  Fritig  stot  en  Engel  do : 
« Wie  hast  du  chönnen  ine  cho  ? 


VOLKSLIEDER  III 

Die  Türe  sind  jo  bschlosse, 
En  isige  Rigel  fürgschosse »  (vorgestoßen). 
«  O  Fridli,  i  bin  ekei  böse, 
I  chume,  di  zu  erlöse«  —  — 
Die  Schlußftrophen  lauten: 

Und  als  das  Glöggli  Nüni  schlueg, 

An  einem  Samstig  i  der  Frueh, 

ist  er  uf  de  Chneuene  (Knieen)  g'lege, 

Sie  füered  en  ab  dur  d'  Stege. 

Sie  füered  en  us,  es  got  nit  wit, 

Das  Glöggli  lütet  die  anderi  Zit  (das  zweite  Zeichen); 

Der  Meister  Lorenz  lüpft  der  Arm, 

Sie  schrouen  alli,  daß   Gott  erbarm. 


:>• 


Nr.  22. 

1.  's  spazieren  drei  Soldaten, 
spazieren  durch  ein  Wald; 

der  jüngst  war  ihnen  entgangen, 
er  wurde  aufgefangen, 
gefangen  aut  den  Tod. 

2.  «Wenn  das  mein  A'ater  und  Mutter  wüsst, 
daß  ich  geflmgen  war, 

sie  würden  ein  Brieflein  schreiben 
weit,  weit  von  tausend  Meilen, 
weit  über  Land  und  Meer. » 


«Gott  grüß  euch,  strenger  Herr  Hauptmann, 

erbarmt  euch  meiner  Noth !  » 

« Hier  ist  kein  Gnad  z'  erwerben : 

der  Sohn  und  der  muß  sterben, 

er  wH'd  beschossen  todt.  » 


112  ALLGEMEINE 

4.  Die  Mutter  stirbt  vor  Ciiumber, 
sie  stirbt  in  kurzer  Zeit. 
Der  Vater  folgt  bald  dem  Sohne ; 
jetzt  sind  sie  vor  Gottes  Throne 
und  haben  ewig  Freud. 

Handschriftlich  bei  Stutz. 


Nr.  23.     Südeli^ 

s.  Einl.  S.  GVL 


1.  Es  hat  ein  König  ein  Töchterlein, 
Mit  Namen  heißt  es  Annelein ; 

Es  saß  an  einem  Rainelein, 
Liest  auf  die  kleinen  Steinelein. 

2.  Es  kam  ein  fremder  Krämer  in's  Land, 
Er  wurf  ihm  dar  ein  seiden  Band: 

« letzt  mußt  du  mit  mir  in  fremde  Land. » 

3.  Er  trug's  für  ein  Frau  Würtene  Haus, 
Er  gab's  für  einen  Bankert^  aus. 

«Frau  Würtene,  Hebe  Frau  Würtene  mein, 
Verdinget^  mir  mein  Kindelein. » 

4.  «  O  ja,  o  ja,  das  will  ich  wol, 
Ich  will  ihm  tun  doch'  also  wol, 

Gleich  wie  ein  Mutter  eim  Kind  tun  soll. » 


^  Dies  Wort  bezeichnet  hier  eine  Person,  die  zu  gemeiner  Haus- 
arbeit gebraucht  wird;  ungefähr  was  Aschenbrödel.  Nikiaus  Manuel 
braucht  Kuchisüdcl  als  Scheltwort  =  Sudelköchin.  -  uneheliches  Kind. 
^  in  Dienst  nehmen. 


VOLKSLIEDER  I  I 

5.  Und  wenn  die  Jarszeit  ummen  war 
Und  es  zu  seinen  Jaren  kam, 

Es  wollt  ein  Herr  ausreiten 
Und  er  wollt  ausgan  weihen. 

6.  Er  ritt  für  ein  Frau  Würtene  Haus. 

Die  schöne  Maget  treit  ihm  Wein  herauf. 

7.  « Frau  Würtene,  liebe  Frau  Würtene  mein, 
Ist  das  (denn)  euers  Töchterlein 

Oder  ist  es  euers  Sohnes  Weib, 
Daß  es  so  wunderschön  mag  sein  ?  » 

cS.   «Es  ist  doch  nicht  mein  Töchterlein, 
Es  ist  doch  nicht  mein  Sohnes  Weib, 
Es  ist  nummen^  mein  armes  Südeli, 
Es  reist^  meinen  Gästlenen  Stübeli.  » 

9.  « Frau  W^ürtene,  liebe  Frau  W^ürtene  mein. 
Erlaubet  mir  ein  Nacht  oder  drei. 
So  lane;  daß  euern  Willen  mas;  sein. » 

10.  Er  nahm  schön  Annelein  bei  der  Hand, 

Er  führt  sie  in  eine  Schlaf kammer,  was  lang-^. 

Er  führt  sie  für  eines  Herrenbett, 

Wenn  es  die  Nacht  bei  ihm  schlafen  wötf^. 

11.  Der  Herr  zog  aus  sein  guldiges  Schwert, 
Er  leit  es  zwischen  beide  hert^: 

«  Das  Schwert  soll  weder  hauen  noch  schneiden. 
Das  Annelein  soll  ein  Mä2:etli  bleiben. 


^  nur.    -  zurichten.    ^  die  lang  war.    ^  wollte,  Conj.    ^  hart,  ganz 
nalie.    Uhland  nahm  das  Wort  für  das  alte  Substantiv  herte,  Schulter. 

8 


1 14  ALLGEMEINE 

12.  Ach  Annelein,  kehr  dich  ummer^, 
Nun  klag  mir  deinen  Kummer, 
Klag  mir  nun  alles  was  du  weißt. 
Was  du  in  deinem  Herzen  treist. 

13.  Sag,  wer  ist  deinen  ^'ater? 
Sag,  wer  ist  deine  Mutter  ?  » 

14.  Der  Herr  König  ist  mein  Vater, 
Frau  Königin  ist  meine  Mutter ; 
Ich  hab  ein  Bruder,  heißt  Manigfalt, 
Gott  weißt  wol  wo  er  umher  fart. » 

15.  «Und  ist  dein  Vater  ein  König 
Und  ist  dein  Mutter  ein  Königin, 
Hast  du  ein  Bruder,  heißt  Manigfalt, 

So  hab  ich  mein  Schwesterlein  an  der  Hand.  » 

16.  Und  wie  es  morndrigs-  Tage  wurd, 
Frau  Würtene  für  die  Kammer  trat: 

«  Stand  auf,  stand  auf,  du  schlöde^  Hur, 
Füll  deinen  Gästlinen  Häfelein  zu ! » 

17.  «O  nein,  schön  Annelein  ist  kein  Hur; 
Füll  deine  Häfelein  selber  zu; 

Mein  Schwester  Annelein  muß  's  nimmermehr  tun !  » 

18.  Er  saß  wol  auf  sein  hohes  Pferd 

Und  er  sein  Schwesterlein  hinder  ihn  nahm; 
Er  nahm  schöns  Anneleim  beim  Gürtelschloß, 
Er  sch\vun2:'s  wol  hinder  ihn  auf  sein  Roß. 


^  umlier  -  herum,  vgl.  14,  4.    -  am  nächsten  Morgen.    ^  schlecht, 
ofemein. 


VOLKSLIEDER  11) 

19.  Und  wie  er  durch  den  Hof  ein  ritt, 
Sein  Mutter  ihm  entgegen  schritt : 

« Bis  mir  Gottwillkommen,  du  Sohne  mein, 
Und  auch  diß  zarte  Fräuelein ! » 

20.  « Es  ist  doch  niclit  mein  Fräuelein, 

Es  ist  doch  nummen  euser  liebstes  Kind, 
Wo  \vir  so  lang  verloren  hei  ^  ghan. » 

21.  Sie  setzen  schön  Annelein  oben  a'n  Tisch, 
Sie  geben  ihm  gesotten  und  gebratene  Fisch ; 
Sie  stecken  ihm  an  ein  guldigen  Ring: 

« letzt  bist  du  wieder  mein  Königskind ! )) 

Parallelen  zu  der  weitverbreiteten  Sage  gibt  Uhland,  Sehr.  IV, 
S.  128  ff.  Str.  18  kommt  auch  in  Nr.  24  und  25  vor;  Str.  19  und  21 
in  Nr.  24. 


Nr.  24. 

1.  « Anneli,  stand  uf!    d'  ßrutreiher-  sind  do, 
sie  woUed  dem  Anneli  a's  Hochsig  cho. » 

2.  « I  stön-e  nüd  uf  und  leg  mi  nüd  a, 
i  hän  und  mag  und  will  kein  Ma. » 

3.  Und  als  das  Anneli  i  d'  Chuchi  trat, 
wünscht's  siner  Mueter  ein  guete  Tag. 

_;.  «Ich  wünsche-n-euch  nun  keine  meh ; 
kei  Chind  soll  me  zwinge  zu  der  Eh. » 

5.  Und  als  das  Anneli  i  d'  Stuben  ie^  trat, 
wünscht's  sinem  \^iter  en  suete  Tas- 


^  haben.     -  Hochzeito-äste.     ^  hinein. 


Il6  ALLGEMEINE 

6.  «Ich  wünsche-n-euch  nun  keine  meh; 
kei  Chind  soll  me  zwinge  zu  der  Eh.  y> 

7.  Si  nehnd  das  AnneU  bim  Gürtelschloß 
und  schwinged's  uf  ein  hohes  Roß. 

S.  Und  do  es  gege  dem  Hus  zu  ritt, 

d'  Frau  Schwigeri  under  d'  Hustür  tritt. 

9.  «Willkumm,  willkumm,  du  Brütelein! 
du  sollst  min  eigene  Tochter  sein !  » 

IG.  Si  setzed  das  Anneli  oben  a'n  Tisch 
und  gend  em  Braten  und  'bache  Fisch. 

11.  Si  tuend  dem  Anneli  's  Feisterli  uf, 
daß  es  no  gsech  sis  Vaters  Hus. 

12.  «Und  wenn  ich  scho  gseh  mis  Vaters  Hus, 
Mini  guete  Tage  sind  eineweg^  us. » 

13.  «  Si  sind  no  nüd  us,  si  gönd  erst  iez  a; 
türwahr,  du  hast  en  brave  Ma. » 

14.  Dem  Anneli  wird's  bald  sterbesweh, 
die  rote  Bäggli  sind  wiß  wie  Schnee. 

15.  Der  Brüter-  stöt  uf  und  nimt's  in  Arm, 
und  's  ist  scho  ehalt,  daß  's  Gott  erbarm. 

16.  's  ist  hüt  e  Brut  und  au  e  Lieh, 
am  dritte  Tag  im  Himelrich. 

17.  De  Brüter  springt  d'  Stegen  ut  und  ab 
und  springt  em^  selber  's  Leben  ab. 

18.  «Mer  hend  gmeint,  mer  heied^  e  Hochsigmöl, 
iez  müe  mer  esse  e  Totemöl. 


^  dennoch.     -  Bräutigam.     ^  ihm,  sich.     *  haben,   Conj. 


VOLKSLIEDER  I  I  7 

19,  Mer  hend  gmcint,  mer  heied  Bettstet  und  Chasten 

im  Hus, 
iez  füered  mer  morn  zwo  Liehe  durus !  » 

Obiges  ist  der  Wortlaut  des  Liedes  in  der  handschriftlichen 
Sammlung  von  Stutz,  während  er  in  seinem  Buche  «Sieben  Mal 
sieben  Jahre»  S.  65 — 6c)  eine  ausführlichere  Gestalt  (28  Strophen) 
und  auch  den  Wortlaut  der  gemeinsamen  Strophen  etwas  über- 
arbeitet gibt.  Die  Vergleichung  beider  Formen  ist  lehrreich,  wird 
aber  zu  Gunsten  der  kürzeren  und  ohne  Zweifel  älteren,  auch  noch 
reiner  mundartlichen  ausfchlagen.  Die  Zusatzstrophen  zeigen  einen 
etwas  sentimentalen  und  künstlichen  Ton  oder  enthalten  auch  nur 
mattere  Ausführung.  In  Str.  3  und  4  vergleicht  Anneli  sein  Braut- 
kränzlein mit  der  Dornenkrone  Christi;  in  Str.  15  und  16  sagt  es 
unterwegs  beim  Anblick  eines  Klosters :  dort  sollte  sie  des  Heilands 
Braut  werden;  in  Str.  27  und  28  weint  sich  der  Bräutigam  todt. 

Aus   dem  Kanton  Luzern    habe    ich    eine    leider   unvollständige 
Gestalt  des  Liedes,   welche    in  den   zwei   ersten  Strophen  mit  dem 
Stutzischen  wesentlich  übereinstimmt,  dann  auch  mit  Str.  .10  und  11, 
dazwischen  aber  folgende  eigenthümliche  hat: 
3.  Si  setzid  das  Anneli  uf  ene  Stock 
und  leggid  em  a  de  Hochsigrock. 
.\.  Si  setzid  das  Anneli  uf  ene  Stuel 
und  leggid  em  a  sini  Hochsigschueh. 

5.  Si  musizierid  dem  Anneli  i  d'   Chilen  ie; 
e  jedere  seid :  die  Brut  tued  wie  — 

6.  Si  musiziered  dem  Anneli  z'  Opfer  z'  gö: 
's  hed,  glaub,  de  Rappe  daheime  g'lö. 

7.  Si  musizierid  dem  Anneli  zur  Chilen  us; 
es  seid :  mini  guete  Tage  sind  us. 

8  =  IG  unsers  Textes,  nur  mit  der  Abweichung: 

—  —  'brotni  und  'bachnigi  Fisch. 
9.  Si  bringed  dem  Anneli  zweierlei  \\'i ; 
das  Anneli  mag  nid  lustig  si. 
Das  ivic  Str.  5,  2  kann  wol  nicht  so  im  Reime  stehn;    der  Sinn  ist 
natürlich:   sie  geberdet  sich  unsinnig.     Vgl.  übrigens  das  Hochzeit- 
lied: «Man  geiget  der  Braut  zur  Kirchenthür  ein»,  unten  Nr.  58. 


1 1 8  ALLGEMEINE 


Nr.  25.     Vom  Schötzerschmied- Anneli. 

1.  Es  tuot  das  Anneli  früo  ufsto, 
es  wott  im  Chuole^  grasen  go; 

es  graset  dem  Chälbli  wie  der  Chuo, 
es  luegt  ihm  ein  stolzer  Rüter  zuo. 

2.  « Ach  AnneH,  laß  das  Grase  lo  si 

und  chum  mit  dem  schöne  Rüter  e  chli ; 

ich  wett  dir  gä  vil  hundert  Pfund, 

wenn  d'  mit  mir  chämist  ei  halbi  Stund. » 

3 .  «Ei  halbi  Stund  war  mir  nüt  z'  lang, 
ich  möcht  bi  dir  si  min  Leben  lang. » 

4.  Er  nahm  das  Anneli  bim  Gürtelschloß 
und  schwuns's  hinderen  uf's  höhere  Roß^. 


)• 


Er  fier^  mit  dem  Anneli  dur  d'  Studen  und  d'  Stei: 
«  O  heia  o  he,  mine  wiße  Bei ! » 
« Dinen  wißen  Beinen  denen  schone-n-ich  nüd, 
ein  rechter  stolz  Rüter  das  bin  ich  nid. « 


6.  Er  fier  mit  dem  Anneli  dur  d'  Studen  und  d'  Stock 
«  O  heia  o  he,  mine  sidigen  Rock ! » 

«Dinen  sidigen  Röcken  schone-n-ich  nüd, 
ein  rechter  stolz  Rüter  das  bin  ich  nid. » 

7.  Er  fier  mit  dem  Anneli  vor's  höllische  Tor, 
do  stienden  drei  Gottb'hüetis-*  davor. 


^  in  der  Morgenkühle.     ^  auf  das  Kreuz  des  Pferdes,     hinderen 
wol  für  hinder  in,  ihn,  sich.     ^  für  füer,  führe,  fuhr.      *  Teufel. 


VOLKSLIEDER  II9 

8.  Der  erst  heißt  's  Anneli  gottwillchem  ^  si, 
der  ander  stoßt's  dur  d'  Türe-n-i, 

der  dritt  macht  ihm  ein  Chessi-  voll  Glüöt 
und  stellt  em  si  under  sine  Hand  und  Füöß. 

9.  Si  gäben  dem  Anneli  Schwebel  und  Pech: 
«  O  heia  o  he,  es  ist  nit  das  recht ! » 

10.  Si  setzen  das  Anneli  uf  en  glüöhigen  Stuol, 

si  zogen  ihm  ab  si  schneewiße  Hut 
und  miechen^  ein  grauen  Schümel  darus. 

11.  Es  gieng  nit  mehr  als  dritthalbe  Stund, 

bis  das  Anneli  wider  ut  d'  Schötzerschmittebrugg  chund. 

12.  «Ach  Schmidli,  Heber  Schmidli  mi, 

spitz  mer  du  drei  Nägel  und  schlag  mer  s'  i !  » 

13.  Der  erst  Nagel,  daß-^  der  Schmiedknecht  schUeg, 
der  graue  Schümel  vor  ume^  luegt. 

14.  Der  ander  Nagel,  daß  der  Schmied  selber  schlieg, 
der  Schümel  vor  ume  luegt  und  rief: 

« Ach  Vater,  höred,  es  ist  iez  gnuog, 

ihr  b'schlönd*^  euers  eigene  Fleisch  und  Bluet!» 

15.  «So  bist  du  mis  Töchterli  Anneh? 
Weiß  Gott,  wie  's  dir  mag  ergange  si ! 
Iez  han  i  g'schmiedet  und  nümme  meh; 
i  rüere  de  Hammer  i'n  ijrüene  Chlee. » 


^  willkommen.  -  Kessel.   "  machten.  *  beim  ersten  Xagel,  den 
vorn  herum.     '^  beschlast. 


120  ALLGEMEINE 

i6.  «Ach  Vater,  lieber  Vater  mei, 

saget's  dihr^  doch  dene  Brüedere  zwei, 
si  solle  der  Pfaffe  müeßig  gö^, 
si  solle  nit  tuo  wie  i  ha  tö. 

17.  Witer,  saget's  dihr  der  Muoter, 
si  soll  nit  sparen  die  Ruoten; 
Muoter,  saget's  dir  dene  Schwestere  drei, 
si  sollen  nid  treibe  Buolerei !  » 

Vor  Str.  9  hat  das  Original  die  zwei  Zeilen: 
Das  Anneli  heischt  zu  trinken, 
sein  Herz  müsse  ihm  versinken. 
Obwol  etwas  dieser  Art  dort  fehlen  mag,  habe  ich  dieselben  weg- 
gelassen, weil  sie  das  Versmaß  stören  und  auch  in  dem  Lied  vom 
Buecher  Fridli  vorkommen.    Str.  16,  3  steht  im  Original:  «si  sollen 
die  Pfaften    nit   müeßig   go«,   ^vas    offenbar   keinen   Sinn   gibt   und 
entweder  durch  ein  lö  (lassen)  ergänzt  werden  müsste  oder  auf  der 
alten,  nicht  mehr  verstandenen  Redensart  beruht:  einer  Person  oder 
Sache  müßig  gehn  =  sich  enthalten.     Vor  16,  4    hat    das  Original 
noch  die  Zeile  « Si  sollen  die  Hand  nid  ung'wäsche  lo»  und  nach- 
her «Sonst  sind  si  verloren  in  Ewigkeit»,  ebenso  nach  17,4. 

Der  obige  Text  ist  sonst  wesentlich  der  von  Lütolf,  «Sagen« 
S.  70  gegebene,  mit  Benutzung  einiger,  nachträglich  von  ihm  mir 
mitgetheilter  Varianten.     Dahin  gehört  Str.  2,  aufweiche  folgt: 
Das  Anneli  sprung  dur  d'  Stegen  uf 
und  bund  si  i  Siden  und  Sammet  uf, 
was  zur  Ergänzung  von  Str.  3  und  zur  Erklärung  der  seidenen  Röcke 
Str.  6  passend  wäre.     Nach  6,  4    hat  die  Variante   noch   «  Und   rite 
dur  recht!  Stroße  nid »  und  dann  die  Worte  Anneli's : 
O  heia,  iez  han  i  vergesse 

d'  Schlüssel  über  's  Heene  Chäste  (des  geisthchen  Herrn), 
welche  später  nochmals  erscheinen  und  eine  deutliche  Beziehung 
auf  die  Pfaffenkellerin  (s.  nachher)  verrathen. 

Lütolf  hat  darauf  verzichtet,  Strophen  herzustellen,  in  die  doch 
der  srrößere  Theil  des  Textes  sich  fügen  lässt. 


^  Nebenform  von  ihr. 


VOLKSLIEDER  121 

Im  Anfang  erinnert  das  Lied  an  mehrere  bekannte,  geht  dann 
aber  in  eigene  Bahn  über,  für  die  ich  keine  Parallele  finden  konnte. 
Die  Lokalsage,  auf  der  es  in  seinem  Hauptinhalt  beruht,  berichtet 
Lütolf  a.  a.  O.  S.  468,  vgl.  auch  S.  75 — 76.  Schote  ist  Name  eines 
alten  Dorfes  im  Wiggerthal  des  Kantons  Luzern;  in  der  Xälie  be- 
findet sich  eine  dem  h.  Eligius,  Patron  der  Hufschmiede,  geweihte 
Kapelle,  deren  Unterhaltung  dem  Schützer  Schmied  obliegt.  Die 
Sage  von  der  entführten  Tochter  desfelben  berührt  sich  mit  der  von 
der  PfafTenkellerin,  über  welche  Lütolf  S.  35 — 36  handelt.  Zu  den 
dort  und  S.  76.  336  beigebrachten  Citaten  ähnlicher  Sagen  nehme 
man  noch  Bartsch,  Germania  XVIII,  180.  Von  der  Eligius-Legende, 
in  welcher  nicht  nur  ein  durch  eine  Hexe  gelähmtes  und  durch  den 
Heiligen  geheiltes  Pferd,  sondern  auch  eine  selbst  in  ein  Plerd  ver- 
wandelte Hexe  vorkommt,  handelt  das  Xeujahrstück  1874  der  Stadt- 
bibliothek Zürich.  Im  vorliegenden  Fall  könnte  man  einfach  an  die 
bildliche  Redensart  denken:  ein  Hufeisen  verloren  haben  =  die  weib- 
liche Ehre  eingebüßt  haben ;  aber  die  Sage  von  der  Pfaftenkellerin 
ist  nur  eine  Variante  der  Vorstellung  des  wilden  Jägers,  der  ein 
weibliches  Wesen  (die  Windsbraut  u.  s.  w.,  urspr.  seine  eigene  Gattin) 
verfolgt,  und  in  Rossgestalt  verfolgt  werden  auch  schon  Demeter 
und  die  indische  Saranyu.     Kuhn,  Zeischr.  I,  439  fi". 


Nr.  26. 

1.  Der  Schwanewirt  sprung  zum  Thor  hinaus, 
Er  Sprung  dem  Goldschmied  in  seis  Haus : 

« Ach  Goldschmied,  lieber  Goldschmied  mein. 
Mach  's  Uhrmachers  Mägdlein  ein  Ringelein; 
Mach  er^  es  frei  hübsch  und  mach  er  es  frei  fein: 
's  Uhrmachers  Mägdli  mueß  im^  Schwanewittli  sein.  » 

2.  Der  Schwanewirt  sprung  zum  Thor  hinaus. 
Und  sprung  dem  Schuemacher  in  seis  Haus : 


ilir.     -  dem,  ebenso  2,  6. 


122  ALLGEMEINE 

«  Ach  Schuemacher,  lieber  Schuemacher  mi, 
Mach  's  Uhrmachers  Mägdli  Pantöffeli ; 
Mach  em  s'  frei  hübsch  und  mach  em  s'  frei  fein: 
's  Uhrmachers  Mägdli  mueß  im  Schwanewittli  sein. » 

3.  Der  Schwanewirt  sprung  zum  Thor  hinaus 
Und  Sprung  dem  Apitheker  in  seis  Haus: 
«Apitheker,  lieber  Apitheker  mi, 

Mach  mir  für  ein  Krüzer  Gift  dari.» 

«  O  nei,  o  nei,  das  chan  nit  sei, 

Du  vergäbest^  deiner  Liebste,  der  Anne  Katherei. » 

4.  Der  Goldschmied  sprung  zum  Thor  hinaus 
Und  sprung  dem  Schriner  in  seis  Haus: 

« Ach  Schriner,  lieber  Schriner  mi. 

Mach  du  mir  iez  eis  Bäumeli; 

Mach  mer's  frei  hübsch  und  mach  mer's  frei  fein, 

's  Uhrmachers  MägdU  mueß  begraben  sein.» 

Mitgetheilt  von  Rochholz  aus  dem  aargauischen  Freiamt,  wo 
das  Lied  nach  einer  wahren  Geschichte,  welche  sich  vor  einigen 
Jahrzehnten  in  Rapperswyl  zutrug,  verfasst  worden  sein  soll.  Der 
Schwanenwirth  (Wittwer,  Schweiz.  Wittling,  verkürzt  IVittli)  fand, 
was  im  Lied  nicht  erzählt  wird,  in  seiner  Bewerbung  um  die  Uhr- 
macherstochter einen  bevorzugten  Rivalen,  so  daß  ihn  die  Eifersucht 
dazu  trieb,  der  Geliebten  bei  einer  Mahlzeit,  zu  der  er  sie  einlud, 
Gift  zu  geben,  worauf  er  sich  ertränkte. 


Nr.  27. 

I.  Es  ritt  ein  Reuter  den  Berg  hinauf,  Ade! 
Sein  Schätzli  schaut  zum  Fenster  hinaus. 
Ade,  Ade,  Ade ! 


.'ergeben,  mit  Dativ:  vergiften. 


VOLKSLIEDER  I25 

2.  « Ach  Schätzen,  laß  dein  Schauen  sein, 
Ich  kann  nicht  allzeit  bei  dir  sein.« 

3.  Kannst  du  nicht  allzeit  bei  mir  sein. 
So  beut  mir  dein  kleines  Fingerlein! 

4.  Nicht  nur  dein  kleines  Fingerlein: 
Dazu  dein  artigs  Händelein. 

5.  Nicht  nur  dein  artig  Händelein: 
Dazu  dein  rothes  Mündelein. 

6.  Und  Mündclein  beuten  und  das  thut  weh, 
Wir  beide  scheiden  nimmermehr. 

7.  Und  der  uns  scheidet  das  ist  der  Tod, 
Er  scheid't  so  manches  Mündlein  roth. 

8.  Er  scheid't  so  manches  Kind  aus  der  Wiegen  — 
Ach  Schätzen,  darf  ich  bei  dir  liegen? 

9.  Er  scheid't  so  manchen  Mann  vom  Weib, 
Die  Jahr  und  Tag  beisammen  sind. 

Ade,  Ade,  Ade! 

Aus  der  handschriftlichen  Sammlung  von  M.  Usteri.    Parallelen 
s.  Birlinger,  Alemannia  VIII,  56. 


Nr.  28.     Mann  und  Frau. 

I.  De  Ma  hed  große  Hunger  gha ; 
Do  briegget  de  Ma; 
Do  seid  die  Frau :   « Bis  wolgimuet. 
Du  mucst  am  Tischli  ha  bis  gnueg, 
Du  liebe,  liebe  Ma ! » 


124  ALLGEMEINE 

2.  Und  wo-n-er  am  Tischli  g'sessen  ist, 

gleichlautend  wie  in  Str.  i. 
3  f   ^ 

Du  muest  ja  Süppli  ha  bis  gnueg, 
5  wie  in  in  Str.  i. 

3.  Und  wo-n-er  's  Süppli  g'esse  hed, 
2.   3.  5  wie  in  Str.  2. 

4.  Du  müest  ja  Stückli  ha  bis  gnueg. 

4.  Und  wo-n-er  d'  Stückli  g'esse  hed, 

4.  Du  muest  ja  W^ürstli  ha  bis  gnueg. 

5.  Und  wo-n-er  d'  Würstli  g'esse  hed, 
4.  Du  muest  ja  Bettli  ha  bis  gnueg. 

6.  Und  wo-n-er  im  Bettli  g'legen  ist, 
4.  Du  muest  ja  Decki  ha  bis  gnueg. 

7.  Z'letst  wo-n-er  recht  etschlafen  ist. 
So  schwiget  de  Ma. 

lez  seid  die  Frau  ganz  wolgimuet: 
« Bim  Nachher  trink  i  iez  bis  gnueg ; 
Schlaf  wol,  du  alte  Narr !  » 


Nr.  2g.     Schwigermueter  und  Schwigertochter. 

Es  hatten  zwei  Weiber  mit  enandere  Streit, 
Die  alte  Schwigermueter  und  ihres  Sohnsweib. 

I.   «Wo  willst  du  Kaffee  nehme?« 
Sprach  die  alti  Schwigeri. 
«Us  em  Nachthafe  chanst  du  Kaffee  habe». 
Sprach  die  junge  Schwigeri. 


VOLKSLIEDER  I25 

2.  «Wo  Witt  du  Brod  nehme?» 
Sprach  die  alti  Schwigeri. 

« Bi  de  Becke  chauft  me  Wegge », 
Sprach  die  Jungi  wider. 

3.  «Wo  willst  du  Fleisch  nehme?» 
Sprach  die  alti  Schwigeri. 

«  Sperrt  man  dich  hinein,  hat  man  schon  es  Schwein  », 
Sprach  die  Jungi  wider. 

4.  « Wo  willst  du  ne  Wiege  nehme  ? » 
Sprach  die  alti  Schwigeri. 

« Und  e  hohle  Ziegel  de  git  au  ne  Wiege  », 
Sprach  die  Jungi  wider. 

5.  «Wo  willst  du  ne  Löffel  nehme?» 
Sprach  die  alti  Schwigeri. 

« Und  du  hast  e  Buch,  der  ist  Löffels  gnueg », 
Sprach  die  Jungi  wider. 

6.  «Lieber  wett  i  mi  lo  henke  as  bi  dir  no  blibe  », 
Sprach  die  alti  Schwigeri. 

«  Sä,  do  hast  e  Strick,  henk  di  wo  de  witt !  » 
Sprach  die  Jungi  wider. 

Aus  dem    Aargau,    mitgetheih    von   Rochholz.  —  Vgl.  Mittler 
Nr.  920.  921. 


Nr.  30.     Der  grossi   Gstaat  vo  WauweU. 

I.  Es  gönd  drei  Bueben  uf  Dammerselle, 
Do  hend  si  jo  nes  Meitschi  welle  — 
Der  sroßi  Gstaat  vo  Wauwel ! 


^  Wauw\-1,  ein  kleines  Dorf"  in  der  Nähe  von  Sursee  und  Dagmer- 
sellen,  Kt.  Luzcrn.     Gstaat  =  Staat,  hier  im  Sinne  von  Aufwand. 


126  ALLGEMEINE 

2.  Si  chere  do  bim  Leuen  i, 

's  hend  ire  drei  es  Schöppli  Wi. 
Der  großi  u.  s.  w. 

3.  Si  möchte  gern  clili  lustig  si 
Und  stellen  au  e  Giger  i. 

4.  Si  tanze  drümol  um  und  um 
Und  säge:  Mier  ^vend  bete  drum. 

5.  Druf  chere  si  bim  Rößli  i 

Und  setze  's  Meitschis  Tschopen^  i. 

().  lez  isch  es  dann  gli  Sursimärt; 
Do  fahre  si  mit  dem  Geißli  z'Märt. 

7.  Si  löse  do  feuf  Guldi  drus 

Und  löse  's  Meitschis  Tschopen  us. 

8,  lez  händ  si  no  drei  Batze  für- 
Und  säge:  Gänd  is  Brod  derfür. 
Der  orroßi  Gstaat  vo  Wauwel! 


Nr.  31.      Chappeler  Lied. 

1.  Was  hei^  die  Chnabe  vo  Chappcl  gmacht? 
Si  hei  all  zsäme  gschwore, 

Hei  gschwore,  si  wellen  i  Frankrich  go, 
Welle  Vater  u  Mueter  deheime  lo, 
I  Frankrich  welle  si  zieche. 

2.  Si  zieh  wol  ufe  go  Neuedorf; 
Dort  oröi*  si  no  einisch  z'  Chilche 


'  Jacke.     ^  übrig.     ^  haben.     *  gelien. 


VOLKSLIEDER 

Und  rüefe  Gott  den  Allmächtigen  a, 
Der  ihnen  am  Beste  helfe  cha, 
Daß  's  ihne  wohl  ergöji. 

3.  Do  zieh  si  ufe  bis  Wiedlisbach 
Zum  Rappe,  zum  schöne  ^'ogel. 
«Du,  Rappewirt,  wottst  is  gfällig  si, 
So  hol  is  vo  dim  beste  Wi, 

Mir  wei^  ne  guet  bizahle. » 

4.  De  Rappewirt  het  e  hurtigi  Frau, 
Si  göt  go  Chüechli  bache. 

Do  denkt  e  Jede-n-i  sim  Muet: 
Wei  Chüechli  essen  und  die  si  guet. 
Und  wei-n-is  lustig  mache. 

5.  Und  wie  si  g'esse-n-und  trunkc  hei, 
Do  göi  si  unger  d'  Feister-, 

Si  luegen  ängstli  hin  und  her, 

Hei  g'meint,  si  sigen  am  grüene  Meer, 

Do  si  si  alle  erschrecke. 

6.  Der  jüngst,  wo-n-unger  ihnen  isch. 
De  rüeft  dem  Wirt  uf  d'  Site : 
«Du,  Rappewirt,  iez  los  e  chU, 
Was  möcht  wol  eusi  Ürti^'  si } 
Mir  wei  si  gli  bizahle.» 

7.  Die  Chnabe  hei  iez  heimlige  Rot, 
Wie  si's  iez  welle  maclie. 

«Wei  hei,  wei  hei,  wei  abe-n-i's  Gäu-^, 
Es  fröut  die  ganzi  Chappelergmei, 
Derzue  die  schöne   Iun2;fraue. » 


127 


1  wollen.     2  uiucr  die  Fenster.     ^  Zeche.     *  Gau,    Landschaft. 


128  ALLGEMEINE 

8.  Und  wie  si  chöme  go  Chappel  i's  Dorf, 
Tue  si  französisch  singe, 

Hei  alli  Hose  französisch  rot; 
En  jede  zue  sim  Schätzeli  göt, 
Si  tue  si  nümmeme  b'chönne^. 

9.  Si  zieli  go  Wangen  i's  Undervogts  Hus, 
Französisch  tue  si  rede. 

Der  Undervogt  zieht  de  Säbel  iis 
Und  jagt  die  Welsclien  us  em  Hus: 
«  Das  si  mer  verwegeni  Gseile !  » 

IG.  Wer  het  is  acht  das  Liedli  gmacht? 
Wer  liet's  vo  Neuem  gsunge? 
Das  het  is  gmacht  ei  ewigi  Brut, 
Wohnt  z'  Bonigen  i's  HübeUwebers  Hus, 
Si  \vär  gern  z'  Cliappel  ine. 
Kt.  Solothurn.     B.  W\-ß,  Schule  und  Leben  S.  119 — 120. 


Nr.  32.     Die  Lungern -Mess. 

1.  Bueben,  mer  wend  wollforte  go, 

Bidi  bidi  be  eleison! 
Zu  Sant  Iklaus  dem  W\mdermo, 

Bidi  etc. 
Hälfe  chon  er,  das  \väiß  me  von  eh^, 

Bidi  bidi  be.    :,: 
Gelobt  sei  der  Stoffel  und  d'  Salome! 

2.  Sant  Iklaus,  du  Wundermo,  bidi  etc. 
Lueg,  was  mer  händ  davorne  dro,  bidi  etc. 
Chropfigi  sin  mer,  das  wäiß  me  von  eh,  bidi  etc. 
Gelobt  etc. 


^  erkennen.     -  ch,  eher,  früher;  hier  wol  für  je. 


VOLKSLIEDER  I29 

3.  Gib  is  Schof  und  gib  is  Rinder, 
Aber  nüd  so  gar  vil  Chinder; 

Mer  händ  ere^  scho  z'  vil,  das  wäiß  me  von  eh  etc. 

4.  Gib  is  au  en  fruchtbors  Johr, 

Daß  nüt  der  Hogel  i  d'  Holme  fohr; 
Dürftigi  sin  mer  etc. 

5.  Un  gib  is  zlezt  es  säligs  End, 

Daß  käines  sis  Hoor  i  der  Hell  verbränn; 
Der  Tüfel  isch  e  Schelm  etc. 

6.  Un  Buebe,  iez  isch  d'  Wolfort  us, 
Drum  ghei^  iez  e  jedere  i  d's  Wirthshus 

Un  trink  uf  d'  Gsundheit  vo  Sant  Iklaus  von  eh  etc. 

Mitgetheilt  von  Prof.  S.  Studer  in  Bern  an  H.  v.  d.  Hagen  (1805), 
von  J.  M.  Wagner  in  Wien  an  Dr.  Boschtold.  Ich  habe  die  Schreibung 
beibehalten,  obwol  die  o-Färbung  etwas  zu  starlv  aufgetragen  ist.  — 
Vgl.  das  bekannte  Lied:  «Die  Pinsgauer  wollten  wallfahrten  gehn.« 
Simrock  Nr.  341. 


B.  Lyrisches. 


Nr.  33. 

1.  Ein  Liedlein  will  ich  heben  an. 
Wie  es  in  dieser  Welt  thut  gähn; 
Wie  es  thut  gähn,  das  weiß  ich  wohl, 
Weiß  aber  nicht,  wie  ich  mich  halten  soll. 

2.  Meis  scho^  Lieb  hat  mich  jetzt  aufgan. 
Das  thut  mir  in  meim  Herzen  weh ; 


^  ihrer.    -  falle,  stürze.    ^  für  scbö(n);  eine  sonst  unerhörte  Form 
des  Adjectivs.    Vgl.  9,  2  und  Xr.  47,  Str.  4,  3. 

9 


130  ALLGEMEINE 

Wenn  ich's  nur  gse  bei  eim  andern  stehn, 
So  thut  es  mir  in  meim  Herzen  weh. 

3.  Meis  scho  Lieb  hat  mi  jetzt  verlan, 
Drum  due  ich  nit  mehr  zu  ihm  gan, 
Es  het  mi  aufgän,  das  weiß  ich  wol, 
Ein  anders  Biele^  find  ich  schon. 

4.  Ich  denlcen  Tag  und  Nacht  daran, 
Wie  heb  und  werth  es  mich  het  ghan; 
Wie  es  sich  doch  veränderen  kann, 
Daß  es  mich  ietzund  will  verlan. 

5.  Ich  denken  jetzt  (gar)  vi!  und  dick, 

Wie  manchmal  ich  mit  ihm  hab  g'schwätzt; 
Ich  bin  bei  ihm  »'standen  und  2:'sessen  vil. 
Ich  hat  gemeint,  es  ließ  mich  nit. 

6.  Ich  hat  gemeint,  wenn  schon  die  Welt 
Ein  Bogen  war  von  Pergament 

Und  alle  Menschen  schriben  genug  könnten, 
Sie  schrieben  nit-  der  Lieb  ein  End. 

7.  Wann  alle  Wälder  wären  mein 
Und  Berg  und  Thal  voll  Edelstein 
Und  ich  darüber  ein  Herr  solt  sein, 
Müßt  mir  meins  Schätzele  lieber  sein. 

8.  Meis  Büle  Glück  ist  kugelrund, 
Es  ist  vergangen  in  einer  Stund ; 
Doch  weiß'^  ich  nit  was  ich  ha  than. 
Daß  es  mich  ietzund  will  verlan. 


^  für  Btieli,  Buhle;  vgl.  8,  r.   14,  i.   15,  i.    -  Das  Original  hat: 
mit  schreiben  mit.     ^  Oriijinal :  weißt. 


VOLKSLIEDER  I3I 

9.  Doch  weiß  ich  wer  dmn  schuldig  ist, 
Daß  mich  meis  schön  Lieb  jetzt  aufgit: 
Es  sind  dran  schuldig  die  Eiteren  sein ; 
Drum  darf  es  nimmeme  bei  mir  sein. 

10.  Es  ist  jetzt  kommen  ein  Jüngling  rieh, 
Er  het  mehr  zitliches  Gut  weder  ich ; 
Darbei  kann  man  gsen,  daß  zeitliches  Gut 
Die  menschliche  Liebe  scheiden  thut. 

11.  Es  ist  zwar  schuldig  ein  jedes  Kind 
Den  Eltern  zu  folgen  um  jedes  Ding; 
Doch  gibt  die  zwungene  Liebe  kein  Ereud, 
Daraus  entspringet  groß  Herzenleid. 

12.  Der  Arme  wird  jetzt  unterdruckt, 
Daß  man  ihm  jedes  Wort  autrupft. 
Wann  schon  der  Arme  thut  weiser  sein 
Weder^  einer,  der  da  reich  thut  sein.  — 

14.  Meis  Büle  ist  so  voll  der  Tück : 

Es  het  mich  menges  Mal  zu  ihm  drückt, 
Ich  hab's  probiert  und  küsst  allein, 
Wie  Gold  im  Für  muß  g'lüteret  sein. 

15.  Es  ist  kein  Büle  mehr  so  gut, 
Es  traget  ein  Tuck  im  Herzen, 
Wann  es  schon  ist  wie  Milch  und  Blut 
Und  wie  ein  schönes  Blüemele  gut. 

16.  Jungfräuli  hin,  Jungfräuli  her. 
Du  mußt  mich  gar  nicht  haben, 

(Und)   wenn  du  schon  Gold-glänzend  wärst. 
Such  nur  ein  anderen  Knaben. 


132  ALLGEMEINE 

17.  Es  geht  jetzund  zu  dieser  Stund, 
Sie  helfen  liegen  mit  dem  Mund, 
Sie  reden  vorwärts  listiglich 
Und  hinderwärts  vergiftiglich. 

18.  Ihr  Zungen  ist  ein  scharfe  Schnid, 
Wormit  man  's  grüne  Gras  abschneidt; 
Man  schneidet's  ab,  es  verdorret  wol : 
Drum  wird's  denen  Meitschenen  auch  so  gan. 

19.  Der  uns  diß  Liedli  hat  gemacht, 
Es  hat's  gethan  ein  junger  Knab; 
Es  hat's  gethan  ein  junges  Blut, 
Der  weneli^  gwinnt  und  vil  verthut. 

Das  erste  von  «Drei  schöne  weltliche  Lieder»,  Stadtbibliothek 
Zürich  XVIII,  1792,  i.  —  Str.  13  habe  ich  weggelassen,  weil  sie  nur 
matte  Wiederholung  enthält. 


Nr.  34. 

1.  Helle  Sonnen,  helle  Strahlen, 
Helle  Sternen,  helles  Licht! 

Wer  kann  schwarz  und  dunkel  malen 
Ein  so  schönes  Angesicht? 
Helft  mein  Unglück  stets  bedauren. 
Fangt  mit  mir  jetzt  an  zu  trauren; 
Denn  heut  ist  der  Abscheidstag ; 
O  du  bittrer  Scheidensfchlag ! 

2.  Bitter  ist  der  kühle  Morgen, 
Finster  ist  die  Abendzeit; 

Denn  der  Tag  bringt  viele  Sorgen 
Und  benimmt  die  Lustbarkeit. 


VOLKSLIEDER  I33 

Sonn  und  Mond  thun  sich  verlieren, 
Weil  ich  von  ihr  nichts  kann  spüren 
Bei  der  dunklen  Finsternuß, 
Da  mein  Herz  jetzt  trauren  muß. 

3.  Traure,  Himmel,  traure,  Erden, 
Schau  auf  mein'n  betrübten  Stand, 
Weil  nun  soll  getrennet  werden 
Ein  so  schönes  Liebesband. 
Große  Schmerzen  mich  umfallen. 
Weil  die  Schönste  unter  allen 

Ich  an  dir  verlassen  muß : 
O  du  bittrer  Scheidensfchluß ! 

4.  Nun  zuletzt,  du  liebe  Seele, 
Reiche  mir  den  Abscheidskuß. 
Alle  Stunden  werd  ich  zählen, 
Weil  ich  von  dir  scheiden  muß. 
Tausend  Seufzer  werd  ich  schicken. 
Weil  ich  dich  nicht  kann  erblicken ; 
Unterdessen  liebe  micli. 
Schönster  Engel,  wie  ich  dich ! 

Mitgetheilt  (mit  Melodie)  aus  Schieitheim,  Kt.  Schaffhausen,  von 
J.Meyer,  in  der  Zeitschrift  «Die  Schweiz«  1859,  S.  95.  Das  Lied 
trägt  offenbar  in  Sprache  und  Inhalt  einen  etwas  andern  Charakter 
als  die  meisten  übrigen,  und  ist  nur  aufgenommen,  um  auch  diese 
Tonart  einmal  hören  zu  lassen. 


Nr.  35, 

Straßburg,  Straßburg  muß  ich  lassen 
Ei  du  wunderschöne  Stadt ! 
Kaum  vermag  ich  mich  zu  fassen, 
Kaum  werd  ich  der  Thränen  satt. 


1 34  ALLGEMEINE 

2.  Denn  darinnen  thät  ich  lieben 
Einen  Schatz  gar  wunderschön; 
Bin  ihr  immer  treu  gebUeben, 
Und  sie  konnte  von  mir  gehn ! 

3.  Schatz,  wie  kannst  so  sehr  mich  kränken. 
Brechen  unsern  Liebesbund ! 

Immer  muß  ich  an  dich  denken, 
Tausend  Mal  in  einer  Stund  — 

4.  Wie  wir  sind  beisammen  g'sessen 
Manche  liebe  lange  Nacht, 
Hand  den  süßen  Schlaf  vergessen 
Und  mit  Lieben  zugebracht. 

5.  Komm,  ach  komm,  du  Schlafes  Bruder, 
Komm  mit  deiner  schnellen  Fährt, 
Komm  mit  deinem  schnellen  Ruder, 
Führ  mich  ab  zur  kühlen  Erd! 

6.  Rosmarin  will  ich  dir  schenken, 
Lorbeerblätter  auch  dazu : 
Nimm  sie  hin  zum  Angedenken, 
Weil  ich  geh  zur  ewgen  Ruh. 

Stutz,  Sieben  Mal  sieben  Jahre  S.  359. 


Nr.  36. 

«Ach  Schatz,  warum  so  traurig. 
Und  redst  keis  Wort  mit  mir? 
I  gseh  der's  a  den  Augen  a, 
Daß  du  geweinet  hast. » 


VOLKSLIEDER  135 

2.  «Warum  sollt  ich  denn  nicht  weinen 
Und  auch  nicht  traurig  sein? 

Denn  unter  meinem  Herzen 
Trag  ich  ein  kleines  Kind. » 

3.  «Wege  dem  sollst  du  nicht  weinen 
Und  auch  nicht  traurig  sein; 

Ich  will  es  ja  ernähren 
Und  auch  sein  Vater  sein. » 

4.  «Was  hilft  mir  das  Ernähren, 
Wenn  ich  kein  Ehr  mehr  hab? 
Ich  wett  ich  war  gestorben 
Und  lag  im  küelen  Grab. » 

Münchaltdorf,  Kt.  Zürich.    Parallelen:  Birlingcr,  Alem.  VIII,  58. 


Nr.  37. 

1 .  Schönster  Obedstern  ! 

Ei,  wie  gse-n-ich  dich  so  gern ! 

\\'enn  ich  dich  vo  Witem  gse, 

Denkt  mein  Herz,  du  seist  bi  mir. 

Schönste,  weine  nicht,  ich  bin  verliebt^  mit  dii 

2.  Schönste  Tulipan ! 

Dini  Schönheit  lacht  mich  an. 
's  ist  kci  schönri  uf  der  Welt, 
Die  mim  Herze  besser  g'fällt. 
Schönste  u.  s.  w. 


^  hier:  in  Liebe  verbunden. 


136  ALLGEMEINE 

3.  Schönstes  Röseli  rot! 

Will  dich  liebe  bis  i'n  Tod. 
Will  dich  liebe  us  Harzes  Grund, 
Will  dich  liebe  Tag  und  Stund. 
Schönste  u.  s.  av. 

4.  Schönstes  Röseli  mein ! 

Chönt  ich  ellei  chlei^  bei  dir  sein 
Du  bist  mein  und  ich  bin  dein, 
Keines  andern  Heber  sein. 
Schönste  u.  s.  w. 
Handschriftlich  bei  Stutz. 


Nr.  38. 

1.  Meine  Mutter  hat  gesagt,  ich  soll  e  Reiche  nemen, 
Die  da  hat  viel  Silber  und  viel  Gold; 

Aber  lieber  \vill  ich  mich  in  die  Armut  begeben 
Als  ich  dich,  mein  Schatz,  verlassen  soll. 
Drum  ade,  mein  Schatz,  leb  wol! 

2.  Großer  Reichthum  bringt  uns  keine  Ehr, 
Große  Armut  keine  Schand. 

Gäll-,  du  bist  mein  Schatz  und  du  bleibst  mein  Schatz 

Bis  in  das  kühle  Grab. 

Drum  ade,  mein  Schatz,  leb  wol! 

3.  Wenn  wir  in  das  ewige  Leben  eingehn. 
Wünsch  ich  dir  vil  tausend  gute  Kacht. 
Gute  Nacht,  mein  Schatz,  leb  wol! 

Kt.  Luzern.  —  Eigentlich  sind  die  obigen  Strophen,  deren  letzte 
zudem  unvollständig  ist,  nur  ein  Theil  des  Liedes  «Was  hab  ich  dir 


^  allein  ein  wenig.     -  =  gelt,  im  Sinne  von :  nicht  wahr  * 


VOLKSLIEDER  I37 

denn   Leides  gethan?»    Mittler  Nr.  909;    doch  fehlen   dort   gerade 

Str.  I  und  2.     Eine  Variante    aus   Schaffhausen  hat    «Mein  Vater» 
statt  «  Meine  Mutter  »,  Str.  2  nicht. 


Nr.  3g.     Untreue. 

1.  Und  daß  der  Wald  so  finster  ist, 
Das  machet  das  Holz; 

Und  daß  der  Schatz  ein  andre  liebt, 
Das  machet  der  Stolz. 

2.  Und  daß  der  Wald  so  finster  ist. 
Das  machet  das  Laub ; 

Und  daß  der  Schatz  ein  andre  liebt. 
Das  hätt  i  nie  'L!;laubt. 

3.  Und  daß  der  Wald  so  finster  ist, 
Das  machen  die  Äst; 

Und  daß  der  Schatz  ein  andre  liebt. 
Das  fi'eut  mi  no  z'  best. 
Aus  dem  Prättisjau,  Kt.  Graubünden. 


Nr.  40. 
O  Herz,     Voll  Schmerz     Und  langer  ZitM 

0  Lieb,     Mis  Lieb,     Du  bist  gar  wit. 

1  chlag     Und  mag     Gar  nümme  si^; 
Chumm,  Tod,     Nit  z'  spöt,     Nei,  hol  mi  gH^. 
Nimm  mi     Und  si.     Nimm  alli  beid! 

I  gö     Nur  so     Li  d'  Ewigkeit. 

B.  Wyß,  Sch\vi/;erdütsch  S.  158. 


^  lange  Zit,  hier,  wie  oft,  nicht  =  Langeweile,  sondern  =  Sehn- 
sucht.    ^  nicht  mehr  leben.     ^  gleich,  bald. 


138  ALLGEMEINE 


Nr.  41. 

1.  Mis  Büöli  geid  über  Sapüner^  Stäg  — 
I  wünsch  eme  Wasser  in  d'  Schuo ; 
D'  Lüt  sägen,  es  welli  Hochzit  han  — 
I  wünsch  eme  Glück  darzuo. 

2.  D'  Lüt  sägen,  i  hei  sehe-,  und  han  sehe  nit 
Und  i  wett  nit,  daß  i  sehe  hätti; 

Schi  hed  es  GüetH  und  i  han  keis; 
Das  müeßt  i  g'hören  mi  Läbtig^! 

3.  Und  wenn  i's  mi  Lebtig  g'hören  müeßt. 
So  täti  mier  's  Leben  erleiden. 

So  wett  i,  es  chämi  der  bittere  Tod 
Und  täti  ünsch'^  bedi  scheiden. 

4.  Und  wenn  wier  denn  geschieden  sind, 
So  leit  ma  mich  in  d'  Erden, 

So  wünsch  i  dier,  was  dis  Harz  begärt: 
A  Kichere  soll  dier  werden. 

5.  Und  wenn  d'  denn  e  Kichere  überchunst. 
Dem  Chrüz  würst  nit  entrinnen. 

Und  wenn  d'  es  Zitli  lang  g'huset  hast. 
So  würst  es  wärden  inne. 

6.  Ja,  inne  wärden  würst  es  schon, 
All  Stund  und  au  all  Tag; 

I  muos  sehen  ^  so  viel  entgelten. 
Und  desch''  i  so  wenig  vermas;'^. 


4 


^  Sapün  heißt  ein  zur  Gemeinde  Langwies  im  Schanfigger  Thal 
des  Kt.  Graubünden  gehörendes  Thal.  -  unbetontes  sie.  ^  Lebtag, 
Leben  lang.  ■*  uns.  ^  unbetontes  sin,  Genitiv  von  es,  sein,  dessen. 
*  dessen,  woran.     ''     Schuld  bin.     und,  doch. 


VOLKSLIEDER  I39 

7.  Und  müössen  sin^  tuots  au  nit  grad, 
Es  muos  ja  gar  nit  sin ; 

Der  ledig  Stand  ist  gar  so  scliön 
Bim  trüsche  chüöle  Win. 

8.  Min  Schatz  het  schnewilM  Füösclii 
Und  au  schnewißi  Bein; 

Es  nimt  mi  nid  oder-  es  müößi, 
No  iezen  seit's  albig^:  Nei,  neu 

V.  Bühler,  Davos  in  seinem  Walserdialekt  II,  146 — 147.     Str.  8 
scheint  nicht  zu  diesem  Lied  zu  gehören. 


Nr.  42. 

«  Acli  Mueter,  liebe  Mueter, 
Gänd  mir  ein  guten  Rot, 
Es  lauft  mir  alle  Morgen 
Ein  roter  Schweizer  noh. » 

« Ach  Tochter,  liebe  Tochter, 
Den  Rot  den  geh  ich  dir: 
Laß  du  die  Röten  laufen, 
Bleib  noch  eins  Jahr  bei  mir.» 

«  Ach  Mueter,  liebe  Mueter, 
De  Rot  der  ist  nit  guet : 
Die  Rote  sind  mir  lieber 
Als  ihr  und  euers  Guet. » 

«  Sind  dir  die  Roten  lieber 
Als  ich  und  Hab  und  Guet, 
So  pack  dein  Kleid  zusammen 
Und  laut  den  Röten  zue. » 


'  sein  müssen.     "  es  sei  denn  daß. 


140  ALLGEMEINE 

5.  «Ach  Mueter,  liebe  Mueter, 
Der  Kleider  hab  ich  nit  vil: 
Gänd  ihr  mir  tosend  Taler, 
Chan  i  chaufe  was  ich  \\-ilL» 

6.  « Ach  Tochter,  Hebe  Tochter, 
Der  Taler  hab  ich  nicht  vil, 
Dein  Vater  hat  s'  verraußet^ 
Mit  Würfel-  und  Chartespiel. » 

7.  «Und  hat's  mein  A^iter  verraußet 
Mit  Würfel-  und  Chartespiel, 

So  erbarm  es  Gott  den  Herren, 
Daß  ich  ein  Mägdlein  bin. 

8.  War  ich  ein  Knab  geboren. 
Wie  ich  ein  Mägdlem  bin. 
Wollt  leren  Trummen  schlahen 
Dem  Kaiser  um  sein  Geld. » 

Gunzwyl,  Kt.  Luzern.  —  Nach  Str.  8,  welche  vielleicht  schon 
nicht  mehr  hieher  gehört,  folgt  im  Original  noch  die  folgende: 
Beim  Kaiser  ist  gut  dienen, 
Beim  Kaiser  ist  gut  si, 
Er  zahlt  uns  alle  Monet 
Bei  Heller  und  Pfennio:  us. 


Nr.  43. 

1.  I  han  es  HämpfeH  Haber  g'streut, 

Do  chund  de  Wind  und  het's  vertreit-. 

2.  Dert  oben  uf  dem  Bergeli, 
Dert  stad  en  artigs  Hüseli. 


^  verraußen,  im  wildem  Leben  durchbringen.    -  fortgetragen. 


VOLKSLIEDER  I4I 

3.  Und  i  dem  artige  Hüseli, 

Dort  wont  mis  herzig  Schätzeli. 

4.  Min  Vater  balget^  mi  alli  Tag, 
Daß  icli  es  artigs  Schätzeli  ha. 

5.  Ach  Vater,  laß  das  Balge  si. 
Es  hilft  kei  2;0ttio;s  Bitzeli^. 

6.  Am  Sundie;  wem-mer  zum  Pfarrer  e;a: 
Er  seid,  i  hei  en  rechte  Ma; 

7.  Er  sei  nüd  z'  chli  und  sei  nüd  z'  groß, 
Er  schick  si  ordeli  uf  mi  Schoß. 

Stallikon,   Kt.  Zürich.   —  Eine    sonst  weniger  gute  Form    des 
Liedes,  aus  Zeinigen,  Kt.  Aargau,  gibt  als  Str.  2 : 
Er  hät's  verstreut  ufs  Wiseli 
Vor  einem  nette  Hüseli, 
worin  ein  richtiges  Mittelglied  enthalten  scheint. 
Str.  5.  I  han  e  Schatz  und  der  ist  mi. 

Er  hat  gseit,  und  ich  seig  (sei)  si. 
6.  Und  wo  er  ist  zum  Pfarrer  cho, 
Seit  da,  er  heb  e  rechti  gno. 
Die  zürcherische  Form  gibt  noch  2  Zusatzstrophen. 


Nr.  44. 

«  Anneli,  wo  bist  gester  gsi  ?  » 
Hinder  em  Hus  im  Gärtli. 
«  Säg,  was  hast  im  Gärtli  to  ? » 
Rösli  pflückt  und  Majerö^, 
Hinder  em  Hus  im  Gärtli. 


^  schilt.     ^  nicht  das  Geringste.     ^  Majoran. 


142  ALLGEMEINE 

2.  « Anneli,  wer  ist  bi  d'r  gsi 
Hinder  em  Hus  im  Giirtli?» 

Denk,  min  Schatz,  min  liebe  Schatz; 
O  wie  gern  gib  ich  ihm  Platz 
Hinder  em  Hus  im  Giirtli ! 

3.  «Anneli,  säg,  was  händ  er  g'redt 
Hinder  em  Hus  im  Gärtli  ?  » 
Gang  und  frög  du  d'  Röseli, 

d'  Ilge^-n-und  de  Rosmeri 
Hinder  em  Hus  im  Gärtli. 

4.  «AnneH,  sind-er-  alli  Tag 
Hinder  em  Hus  im  Gärtli  ? » 

Ach,  min  Schatz  chunt  nümmeme, 
Wird  en  schwerlich  wider  gse 
Hinder  em  Hus  im  Gärtli. 

Stutz,  Gemälde  III,  17 — 18;  offenbar  von  ihm  selbst  gemacht  (auch 
noch  mit  einer  fünften  Strophe),  aber  auf  Grundlage  eines  kürzern 
Volksreims,  der  in  verschiedenen  Fassungen  cursirt.  Vgl.  Rochholz, 
Alem.  Kinderl.  Nr.  518.  Ünoth  S.  55.    Es  gibt  noch  andere  Varianten. 


Nr.  45. 

«  Guggu,  wo  bist  über  Winter  gsi  ? » 
Uf  einem  hohen  Tändeli^. 
« Guggu,  schau  von  dem  Tändeli  'rab. 
Wie  ich  ein  schönes  Schätzli  hab.» 


Handschriftlich  bei  Stutz,  der  sich  der  übrigen  Strophen  nicht 
mehr  entsann.  Dagegen  gibt  er  noch  ein  anderes  Gugguliedchen 
mit  derselben  Frasre  und  Antwort  im  Anfang,  worauf  dann  aber  folgt: 


^  Lilien.     -  seid  ihr.     ^  Tännchen. 


VOLKSLIEDER  I43 

Guggu,  nimm  du  kei  altes  Weib, 

Und  wenn  sie  tausend  Taler  hei  (habe) ; 

Tausend  Taler  sind  nüd  viel, 

's  treit's  mänsfe  uf  eme  Rechestiel. 


Nr.  46. 

1.  AUi  Meiteli  händ  au  Manne, 
Weder^  ich  mues  keine  ha; 
Wenn  ich  nu  au  eine  fund, 
Der  mir  's  Zöpfeli  ufe  bund-! 

2.  lez  hän  i  eine  tunde, 
Da  het  mer's  ufe  bunde. 

lez  hän  i  neinie  nüt  des^  me, 
Weder  i  bi  kei  Jümpferli  me. 

Handschriftlich  bei  Stutz. 


Nr.  47. 

1.  In  de  Bergele  thuet's  schneie, 
In  de  Thälere  wird's  ehalt. 
Wie  mache's  die  Senne? 

Sie  fahren  ab  der  Alp. 

2.  Und  wo  si  abe  chöme, 
So  hei  si  no  keis  Heu; 

's  meint  menge,  er  heig  es  Büeli, 
Do  füert  ihm's  en  andere  hei. 


^  nur,  aber;  ebenso  2,  4.  -  Das  Aufbinden  der  Zöpfe  als  Zeichen 
des  Eintritts  in  den  Frauenstand  erscheint  auch  in  dem  folgenden 
Liedc,  Str.  4.     ^  desto. 


144  ALLGEMEINE 

3.  Mis  Büeli  cha  wol  stricke,  J 
Strickt  mängi  liebi  Nacht  ■ 
An  einer  sidige  Hube, 

Si  ist  no  nit  usg'macht. 

4.  \o  Siden  ist  die  Hube, 

Vo  rotem  Gold  die  Schnuer; 
Wil  si  mim  scho^  Lieb  gebe, 
's  soll  binde  's  Hör  mit  zue. 

5.  «Mis  Hör  Ion  i  nit  binde. 
Will's  no  me  flüge  lö, 
Will  diese  Sumer  lang  eister'^ 
Zu  dene  Tänzele  gö. 

6.  Mit  Freude  zu  de  Tänzele, 
Mit  Trure  widerum  hei, 
So  göt's  i  mengem^  Brucchmeitschi"^, 
Xit  umc^  i  mir  allei.  — 

7.  Mi  tusige  Schatz  uf  Erde, 
Lö  mi  nit  in  Schande  stö, 
Mis  Chränzeli  will  verderbe, 
Muest  mit  mer  z'  Chilche  go. » 

8.  «Will  dir  dis  Chränzli  verderbe, 
Frög  i  gar  nüt  derno ; 
Nimm  du  die  Buebe  drum  z'  Hände  ^, 
Wo^  du  best  ine  e;lö.» 


^  schön.     -  immer.     ^  manchem,     t,  pleonastisch  vor  Dativen. 
Bruech ,    Bestandtheil    der    weiblichen    Tracht,    eine    Art    Gürtel. 

verkürzt  aus  nwne,  nur.     ^  in  Anspruch.     ^  die. 


I 


VOLKSLIEDER  I45 

9.  «I  ha  keinen  ine  g'lasse 
Als  ebe-n-ume  di ; 
Du  muest  mi  z'  Chilche  füere, 
Und  or'reu's  di  wie-n-es  will.  « 

^^^•ß,  Schule  und  Leben  S.  117— iiS.  Das  Ganze  besteht  viel- 
leicht aus  3  trennbaren  Theilen:  Str.  i — 2,  5—6,  7  —  9.  Str.  3—) 
finden  sich  handschriftlich  bei  Stutz  verbunden  mit  einem  andern  Stück. 


Nr.  48.     Kiltspruch, 
der  Geliebten  an  den  Maibaum  gehängt. 

1 .  I  loß  si  grüeße  dur  e  höchi  Tanne : 

die  Zit  isch  cho  zum  wibe  und  zum  manne. 

2.  I  loß  si  grüeße  dur  es  Hämpteli^  Tau: 
i  wött,  mi  Holdi  war  mi  liebi  Frau. 

3.  I  loß  si  grüeße  dur  es  Nägeli' : 

i  wött,  i  hätt's  im  Arm  as  Arfeli^. 

4.  I  loß  si  grüeße  dur  en  Eichespo'*: 
wött  lieber  bi-n-er  ligge  as  so  stö. 

5.  I  loß  si  grüeße  dur  es  Chlungeli^  Fade: 

i  wött,  i  chömt  scho  bi-n-ere  si  im  Gade''. 

6.  I  loß  si  grüeße  dur  es  Hämpfeli  Side : 
i  mag's  elleige'  nümmeme  verlide^: 

7.  I  loß  si  grüeße  dur  es  Rosmeri : 

wött,  aß  i  Tai;  und  Xaclit  chönt  bi-n-ere  si. 


^  Handvoll.    -  Xelke.    ^  Armvoll.    *  -Span.    ''  Knäuelchen.    •"'  Ge- 
mach.    '  allein.     ®  ertra2;cn. 


146  ALLGEMEINE 

Mitgetheilt  von  Rochholz  in  BirHngers  Alemannia  IV,  5,  hier 
mit  einigen  Verbesserungen  der  sprachlichen  Form  und  mit  Weg- 
lassung  dort  noch  folgender  8  Zeilen,  welche  nach  Form  und  Inhalt 
nicht  mehr  zu  jenem  Spruch  gehören  und  sich  auch  vereinzelt  oder 
anderswo  angehängt  finden,  wie  viele  der  dort  folgenden  sog.  «Kilt- 
sprüche»  zu  den  allgemein  verbreiteten  vierzeiligen  Reimsprüchen 
gehören,  von  denen  ich  weiter  unten  eine  Auswahl  gebe.  —  Die 
Formel  des  Grüßenlassens  durch  allerlei  Gegenstände  findet  sich 
auch  bei  Tobler,  Appenz.  Sprachschatz  S.  239.  Aeltere  Formen  von 
Liebesgrüßen  s.  bei  Uhland,  Schriften  III,  261  ff. 


Nr.  49. 

1.  I  hä  mim  Schatz  en  Maie  gmacht, 

Er  soll  mer  e  hole  am  Samstig  z'  Nacht. 

2.  I  hän  em  dri  tö  Nägeli  — 
Es  sei  kei  sübrers  ChnäbeU. 

3.  I  hän  em  dri  to  Zipereß^, 
Daß  er  miner  nüd  vergeß. 

4.  I  hän  em  dri  tö    \'eielichrut  — 
lez  hän  i  gmeint,  i  sei  si  Brut. 

5.  I  hän  em  dri  tö  Maiero-  — 
Wie  bin  i  doch  so  herzli  frö ! 

6.  I  hän  em  dri  tö  Chillesoppe^  — 
Er  soll  mer  au  chli.nohe  töpe^. 

7.  I  hän  em  dri  tö  Rosmari  — 
I  hoff,  er  soll  min  eige  si. 

Handschriftlich  bei  Stutz. 


^  Cypressen.   ^  Majoran.    ^  Kirchenysop.    *  ein  wenig  nachtasten, 
nachstehen. 


VOLKSLIEDER  I47 

Nr,  50. 

1.  Im  Sommer  sind  d'  Tage  lang, 
Fürus^  im  Maie: 

Acli,  du  mein  herziger  Schatz, 
Mach  mir  ein  Maie-. 

2.  Ein  Maie  mach  i  dir  nüd, 
's  brächt  mir  ein  Schande : 
Will  mit  der,  \vo  du  witt, 
In  frömdi  Lande, 

3.  In  frömdi  Lande  gö, 
Wend  Alls  erfahre. 

Wenn  i  bei  dir  schlofe  chönt, 
Wett's  au  nüd  spare. 

4.  Drü  brauni  Nägeli, 
Goldgeli^  Side  — 

Und  wo  mein  Schatz  nüd  ist, 
Hab  ich  kei  Blibe. 

Stutz,  Sieben  Mal  sieben  Jahre  S.  363.     Vgl.  Einl.  S.  ? 


Nr.  51. 

Und  wenn  die  finstre  Nacht  thut  kommen 

Und  ich  zu  meinem  Schätzel  geh. 

Stell  ich  ihm  mich  vor  sis  Fenster 

Und  klopfe's  ihm  gar  freundlich  an'^ : 

Ich  komme  heut  zu  dir  ferwahr. 

Darum  bin  ich  lustic :  Fallederizum  trallalla! 


^  besonders.     -   Blumenstrauß.     ^  gel,  gelb.     *  anklopfen  scheint 
hier  transitiv:  durch  Klopfen  anzeigen. 


148  ALLGEMEINE 

2.  Meitschi,  wo  hest  den  Chasteschlüssel, 
Wo  das  'brannti  Mahlzeit^  ist? 
Gib  dem  Kamerat  ein  Gläsiein, 
So  marschiert  er  froh  nach  Haus. 
Ich  komme  heut  u.  s.  \v. 


:>■ 


Schatz,  der  Tag  wird  bald  ankommen, 
Der  Hahn  der  kräht  zum  zweiten  Mal. 
Und  die  Schwalben  thön's^  anzeigen, 
Tageslicht  mit  seinem  Gsane;. 
Lebe  wohl  und  denk  mir  nach, 
Dann  bin  ich  lustig  u.  s.  w. 

Aus  dem  Berner  Oberland   mitgetheilt,   mit  Melodie,   in  «Die 
Schweiz»   1859,  S.  16 — 17. 


I 


Nr,  52. 

1.  Marianneli,  bisch  dinne?    chumm,  due  mer  uf! 
Es  friert  mi  a  d'  Finger,  bi  sunst  nit  wol  uf. 

2.  «Friert's  di  a  d'  Finger,  leg  Hänscheli^  a, 
Chansch'*  zue  den  Andere  uf  d'  Gasse  ga. » 

3.  Uf  d'  Gasse  ga,  das  isch  mer  ebe  rächt; 
De  hesch  mi  nit  wolle,  i  bi  d'r  z'  schlächt. 

4.  «De  bisch  mer  nit  z'  schlächt,  de  bisch  m'r  ebe  rächt; 
Vater  und  Mueter  die  düen  gar  lätz^. 

5.  I  ha  di  jo  wolle,  de  weisch  es  jo  wol, 
Im  Hinderojaden*'  obe  im  E^aeli  vor'^. » 


^  Brot  in  Branntwein  getaucht  ?  ^  thun  es.  Z.  4  statt  Siinem 
wol  zu  lesen :  ihrem.  ^  Handschuhe.  *  (du)  kannst.  ^  zeigen  großen 
Unwillen.     ^  Hintergemach.     '  vorn. 


VOLKSLIEDER  I49 

6.  Dort  vor  in  d'r  Chille\  dort  isch  e  Stei, 
Dort  chneue  mer  nider  und  beten  e  chlei'. 

7.  Dort  vor  in  d'r  Chille,  dort  isch  e  Tritt, 
Wo  me  die  Liebeli  zsäme  git^. 

S.  Me  git  se  zsäme,  Bar  um  Bar^  — 
Chume-n-i  acht''  au  einist  dörthar*'? 

G.  A.  Seiler,  Die  Basler  Mundart  S.  12S. 


Nr.  53. 

Morgens,  wenn  die  \'ögeli  singe 
Und  der  helle  Tag  anbricht, 
Mueß  ich  vo  mim  Schätzeli  ^viche, 
Wenn  es  mir  am  liebsten  ist. 

Handschriftlich  bei  Stutz. 


Nr.  54. 

I.  Und  jetz  fängt  das  Früejahr  an 
und  alles  fohd  zu   o-rüenen  an 


2.  Hei,  jetz  isch  lustig  uf  der  Welt, 
es  gibt  vil  Blümlein  uf  dem  Feld, 

sie  blühen  weiß,  roth,  blau  und  gelb. 

3.  Jetz  geh  ich  über  Berg  und  Thal, 
da  hör  ich  die  kleine  Nachtigall 
im  Qrüenen  \\'ald  und  überall. 


^   Kirche.     -  ein   wenig.     ^  ehlicli   einsegnet.     *   Paar. 
*  dorthin. 


IjO  ALLGEMEINE 

4.  Wann  ich  in  den  Wald  'nein  kam, 
singt  mir  das  Lerchlein  in  der  Höh, 
wann  ich  zu  meiner  Liebsten  geh. 

5.  W^ann  ich  vor's  Schlaffenster  kam 
und  hört  da  schon  ein  Andrer  drin, 
da  sagt  ich,  daß  ich  nicht  mehr  kam. 

6.  Ich  hab  dich  allzeit  treu  geliebt 
und  hab  dein  Herz  niemals  betrübt 
und  du  führst  schon  ein  falsche  Lieb. 

Aus  Horw,  Kt.  Luzern,  mit  alterthümlicher  Melodie. 


Nr.  55. 

1.  Heida!  die  liebe  Maiezit 
Alle  Herze  Freude  git! 

2.  Jo,  und  die  Maiezit  isch  do, 

's  Mareili  mues  a'n  Tanz  mitcho. 

3.  Der  Tanz,  der  Abedtanz ! 
Mi  Meitli  treit  e  Chranz. 

4.  Den  Chranz,  den  mues  i  ha, 
Sus^  blib  i  en  arme  Ma. 

5.  «  Sä-,  min  Bueb,  do  hesch  e  Chranz, 
Und  chum  mit  mir  a'n  Abedtanz ! » 

6.  Lueg  und  e  Chranz  und  's  Meitli  derzue : 
Juhe,  was  bin  i  e  glückliche  Bueb! 

Nach  Kurz  S.  105  — 106,  aus  dem  Oberaargau.    Das  verschiedene 
Versmaß  einzelner  Strophen   zeigt,    daß  l^ein  geschlossenes  Ganzes 


^  sonst.     -  da  nimm  ! 


VOLKSLIEDER  I  5  1 

vorliegt;  doch  scheint  das  Motiv  vom  Maienkranz  beim  Abendtanz 
durchzugehen;  ein  Verspaar,  welches  davon  abweicht,  habe  ich  weg- 
g-elassen. 


Nr.  56. 

Ei,  du  mein  schöne  Margret !   hättest  du  mich, 
So  hättest  gut  Leben  vergeben  wie  ich. 

1.  Ich  hab  ein  Haus,  darauf  kein  Tach, 
Die  Fenster  seind  mit  Lumpen  vermacht. 
Ei,  du  mein  schöne  Margret!  u.  s.w. 

2.  Ich  hab  ein  Ofen,  darin  kein  Kachel; 
Wann  ich  darzu  komm,  so  muß  ich  Liehen. 

3.  Ich  hab  ein  Kuclie,  darin  kein  Holz, 

Und  wann  ich  drein  komm,  bin  ich  nicin  stolz. 

4.  Ich  hab  ein  Pfannen,  daran  kein  Stiel, 
Weiß  nicht,  w^as  damit  machen  will. 

5.  Ich  hab  ein  Kessel,  daran  kein  Hienen^, 

Und  wann  ich  ihn  such,  so  find  ich  ihn  nienen-. 

6.  Ich  hab  ein  Keller,  darin  kein   Wein; 

W^ann  ich  drein  komm,  so  schenk  ich  nicht  ein. 

7.  Ich  hab  ein  Stall,  darin  keine  Kuh ; 

Wann  ich  drein  komm,  so  beschmier  ich  kein  Schuh. 

8.  Ich  hab  ein  Bettstatt,  darin  kein  Boden; 

Die  Federn  sind  mir  in's  Wirthshaus  geflogen. 

9.  Ich  hab  ein  Beutel,  darin  kein  Geld; 
Kein  braverer  Kerl  ist  in  der  Welt. 


^  Hängebogen,  -kette.      -  nirgends. 


Is2  ALLGEMEINE 


10.  Das  Lied  das  ist  jetzunder  aus; 
Nun  geh  mit  mir  in  das  Wirth: 

Aus  einem  berneroherländischen  Liederbuch. 


Nr.  57. 

1.  Wie-n-i  ag'fange  lia  liuse, 
Het  mir  Gott  'geben  es  Hus: 
Guggherus  heißt  mis  Hus. 

2.  Wie-n-i  ag'fange  ha  huse, 
Het  mir  Gott  'geben  es  Wih: 
Zitvertrib  heißt  mis  Wib. 
Guggherus  heißt  mis  Hus. 

3.  2.  Het  mir  Gott  'geben  es  Chind: 
Lüsegrind  heißt  mis  Chind. 
Zitvertrib  heißt  mis  ^^'ib  u.  s.  \v. 


>■ 


Samettatz  heißt  mi  Chatz. 
HuppeHliopf  heißt  mi  Huen. 


6.  Rappelschwanz  heißt  mi  Gans. 


/■ 


Heimli-feiß  heißt  mi  Geiß. 

8.  Rubelihör  heißt  mis  Schöf. 

9.  Guetimue  heißt  mi  Chue. 

10.  Chnochefül  heißt  min  GüL 

11.  Hölleschknid  heißt  min  Hund. 

12.  Unverzao;t  Jieißt  mi  Mao;d. 

13.  Alach-mer's-recht 'heißt  min  Chnecht. 

Kt.  Luzern.  —  Im  Entlibuch  lautet  der  Anfang: 
I.  's  erst  Jör,  wo-n-i  ag'fange  ha  huse, 
Hed  mer  Gott  'geben  es  Huen, 
Dem  Huen  e  Name  'gebe : 
Hoppihuen  heißt  mis  Huen. 


1 


I 


VOLKSLIEDER  I53 

2.  's  zweut  Jör,  wo-n-i  u.  s.  w., 
Hcd  mer  Gott  'gel  en  e   Chatz : 
Liippichatz  heißt  mi   Chatz  u.  s.  w. 

3.  5.  Doggihund  heißt  mi  Hund. 

4.  Wullezart  heißt  mis  Schof. 
5=7  oben. 

6.  Türlizue  heißt  mi   Chue. 

7.  Türlistock  heißt  mis  Roß   (min  Bocl<?). 

8.  Wellostrau  heißt  mi  Frau. 

9.  Rübeligrind  heißt  mis   Chind. 
(IVellestrau :  Strohbündel.     Rüheligriiiä :  Krauskopf.) 

Weitere  Parallele  aus  Luzern : 

1.  Wenn  i  emol  e  Huen  ha, 

Se  mues  's  mer  en  Name  ha: 
Bibelibi  heißt  mi  Hüeneli. 

2.  Wenn  i  emol  en  Ente  ha, 
Se  mues  si  mer  e  Name  ha : 
Testement  heißt  mi  Ent  u.  s.  w. 

3.  Langhals  heißt  mi  Gans. 

4.  Wißfleisch  heißt  mi   Geiß. 

5.  Niegnue(g)  heißt  mi  Chue. 

6.  Ebe(n)recht  heißt  mi  Chnecht. 

7.  Fressgorsch  heißt  mis  Roß. 

8.  Zipfelbalg  heißt  mi  Magd. 

9.  Sumerstruß  heißt  mis  Hus. 

Vgl.  Rochholz,   Alem.  Kinderlicd  S.  1Ö5.  165.  167. 


Nr.  58. 

I.  Man  geiget  der  Braut  zur  Kirchentluir  hinein  — 
Denk  einer,  was  sie  meint  ^  — 
O  iieieli,  o  ho,  o  weieli,  o  weh ! 
lez  ist  die  Braut  l-ceis  Meiteli  meh. 

^  weint? 


154 


ALLGEMEINE 


2.  Man  geiget  der  Braut  in  den  vorderen  Stuhl, 
Wo  me  zwei  Liebeli  zämen^  thud. 

O  heieli  u.  s.  \v. 

3.  Man  geiget  der  Braut  zum  Opferstock, 
Dert  macht  man  iren  den  rechten  Knopf. 

4.  Man  geiget  der  Braut  zur  Kirchenthür  hinaus; 
Denk  ein  Jeder,  jetzt  ist  es  aus. 

5.  Man  geiget  der  Braut  zum  Essen, 
lez  hat  sie  keis  Messer. 

6.  Man  hat  eine  ahe  Sichel  im  Haus, 

Man  macht  der  Braut  eins  Messer  daraus. 

7.  Man  geiget  der  Braut  in's  Bett  hinein, 
lez  hat  sie  keis  Deckelein. 

8.  Man  hat  ein  alten  Federnstrauß, 

Man  macht  der  Braut  eis  Dcckelein  daraus. 

9.  Man  geiget  der  Braut  in's  Bettelein, 
lez  hat  sie  kein  Küsselein^. 

IG.  Man  hat  ein  alten  Igel  im  Haus, 

Man  macht  der  Braut  eis  KüsseH  draus. 

Das  erste  von  «Drei  ganz  neue  Lieder»,  gedruckt  in  diesem 
Jahr.  Zürcher  Stadtbibliothek  XVIII,  1792,  2.  Vgl.  die  zu  Nr.  24 
angeführte  Parallele  aus  dem  Kanton  Luzern. 


Nr.  59.     Niedersingerlied-^ 

I.  Wo  kommt  denn  au  der  Ehstand  her, 
Wo  Gott  hat  eingesetzt? 
Hat  2uet  ^ethan. 


^  zusammen.     -  Kissen.     ^  niedersingen,    mit    Gesang    zu    Bette 
begleiten. 


VOLKSLIEDER  I55 

Wo  Gott  der  Ehstand  hat  eingesetzt, 
Hat  er  uß  Wasser  Wein  gemacht, 
In  Galiläa. 

2.  Paulus  spricht  den  Ehstand  guet, 
Wem-mere  recht  halte  thuet; 
Ist  schon  gethan. 

Mer  wünsche  euch,  ihr  Hochzeitleut, 
Viel  Glück  und  Sege, 
Das  wünsche  mer  euch. 

3.  Mer  wünsche  euch,  ihr  Hochzeitleut, 
Es  Wiegeli  und  im  ene  Jahr 

Es  Chind  darein. 

Mer  wünsche  euch  e  guete  Nacht, 
Daß  ihr  der  Ehstand  recht  antrat't  — 
Das  wäinsche  mer  euch. 

Obiges  Lied  wird,  nur  noch  in  vier  Gemeinden  des  Kantons 
Luzern,  am  Abend  des  Hochzeittages  den  Brautleuten  vor  dem  Hause 
•gesungen,  von  einem  Vorsänger,  zwei  Sekundanten  und  Chor. 

Eine  andere  Angabe  lautet: 

1.  Wo  kommt  der  Ehstand  her? 

Der  Ehstand  kommt  nicht  aus  Menschengedicht, 

Gott  selber  hat  ihn  eingericht. 

Er  nahm  ein  Ripp  aus  Adams  Leib 

Und  schuf  dem  Adam  draus  ein  Weib. 

2.  Was  wünschen  wir  euch,  ihr  Hochzeitleut? 
Wir  wünschen  euch  viel  Glück  und  Segen 
Und  nach  dem  Tod  das  ewige  Leben. 
(Wir  wünschen  dir  ein  freudige  Brut.) 

Vollständiger  (7  Strophen)  und  richtiger  ist  der  Text  in 
«Schwäbische  Volkslieder«    i86-|,  S.  18 — 21. 


1)6  ALLGEMEINE 


Nr.  60. 


I 


1.  Es  ist  gewiß  und  kein  Gedicht, 
Was  das  Buch  der  Weisheit  spricht: 
Man  soll  keinem  Weibsbild  trauwen, 
Eh  ein  Haus  auf  Sande  bauen. 

Das  ist  gewiß  und  kein  Gedicht: 
Trau  nur  einem  Weibsbild  nicht. 

2.  Lange  Haar,  kurzen  ^"erstand 
Hat  das  Weibsvolk  wie  bekant ; 
Drum  lasst  man's  nicht  disputieren, 
Weder  ^  in  den  Rath  einfüeren. 
Das  ist  gewiß  u.  s.  w. 

3.  D'  Weiber  sehr  der  Vorwitz  sticht, 
Kaum  man  was  von  weitem  sieht. 
Gelt,  des  Loths  sein  Weib  hat  müssen 
Iren  Vorwitz  sauber  büßen. 

Das  ist  gewiß  u.  s.  w. 

Aus  einer  luzernischen  Komödie  von  Susanna  1747.    Mitgetheilt 
im  «Geschichtsfreund)),  Bd.  XXIII,  S.  185. 


Nr.  61. 

Chan  i  nit  gar  ordeli  tänzele, 
Chan  i  nit  gar  ordeli  tue  ? 

Han  i  nit  gar  ordligi  Schüeli  a 
Und  gar  ordligi  Ringgli-  dra? 
Mini  Ringgli,  mini  Schue  — 
Chan  i  nit  gar  ordeli  tue? 


'  hier:  noch.     -  Schnallen. 


VOLKSLIEDER  I57 

2.  Han  i  nit  gar  ordligi  Strümpfli  a 
Und  gar  ordligi  Zwickeli^  dra? 

Mini  Zwickeli,  mini  Strümpfli,  mini  Ringgli,  mini  Scliue  — 
Chan  i  nit  gar  ordeli  tue? 

3.  Han  i  nit  gar  ordligi  Höseli  a 
Und  gar  ordligi  Gälgeli-  dra? 
Mini  Gälgeli,  mini  Höseli  u.  s.  \v. 

4.  Han  i  nit  gar  es  ordligs  Hemeli  a 
Und  gar  ordligi  Lätzeli''  dra?  u.  s.w. 

5.  Han  i  nit  gar  es  ordligs  Libeli'^  a 
Und  gar  ordligi  Chnöpfli  dra  ? 

6.  Han  i  nit  gar  es  ordligs  Röckeli  a 
Und  gar  es  ordligs  Chrageli  dra? 

7.  Han  i  nit  gar  es  ordligs  Hüeteli  uf 
Und  gar  es  ordligs  Federli  dnif? 

Mis  Federli,  mis  Hüeteli,  mis  Chrageli,  mis  Röckeli, 
Mini  Chnöpfli,  mis  Libeli,  mini  Lätzeli,  mis  Hemeli, 
Mini  Gälgeli,  mini  Höseli,  mini  Zwickeli,  mini  Strümpfli, 
Mini  Ringgli,  mini  Schue  — 
Chan  i  nit  gar  ordeli  tanze, 
Chan  i  nit  gar  ordeli  tue? 

Aus  dem  Kt.  Luzern.  Aus  dem  Freienamt,  Kt.  Aargau,  hat  mir 
Rochholz  diesen  Kettenspruch,  der  einen  Bauernburschen  in  seiner 
vollen  Landestracht  zum  Tanz  gerüstet  zeigt,  in  wenig  verschiedener 
Form  mitgetheilt.  Die  Einleitungsfrage,  die  dann  auch  den  Refrain 
schließt,  lautet  dort : 

Bin  i  nit  e  lustige  Schwizerbueb, 

Bin  i  nit  e  lustige  Bueb? 
Vgl.  Schwäbische  Volkslieder  S.  162  — 164.    Frage  3  fehlt.    In  4  steht 
Nanieli  statt  Lätzeli;  in    5  Täschll  statt  Chnöpfli,  dagegen  dieses  statt 
Chrageli  in  6;  in  7  Rösli  statt  Federli. 


^  Einsätze.   -  Hosenträger.   ^  Brusteinsätze,  Diminutiv  von  Lfl/:(. 
^  Leibchen,  Jacke,     ordeli,  — g,  ordentlich,  artig,  anständig,  hübsch. 


158  ALLGEMEINE 

Nr.  62. 

1.  Die  Buechiberger^  Bure 
Hei  sidig  Hosen  a, 
Mit  Zwilchen  überzöge 
Und  Charesalbi  dra. 

2.  Die  Buechiberger  Amme^ 
Hei  feißi  Wibleni, 

Die  choche  Speck  und  Hamme 
Und  fuere-''  d'  Büebleni. 

3.  Die  Buechiberger  Meitschi 
Si  wie  Milch  und  Bluet, 
Und  git  es  albe'^  Hochzit, 
Hei  si  brav  Wiberguet^. 

4.  Do  fingscli*'  nit  wiße  Händli, 
Do  fingsch  kei  bleiche  Zwerg. 
Drum  lebe  hoch  das  Ländli, 
Das  schöni  Buechiberg. 

«Die  Scliweiz ))   1859,  S.  61. 


( 


Nr.  63. 

s.  Einl.  S.  CXXXVI. 


1.  Wenn  die  Bure  z'  Acher  flihren, 
Können  wir  die  Schueh  ersparen. 

2.  Wenn  die  Bure  mahn  und  schwitzen, 
Können  wir  am  Schatte  sitzen. 


^  Bucheggberg,  LandsclKift  des  Kantons  Solothurn.  -  Plural 
von  Avimann,  Gemeindevorsteher.  ^  reichlich  nähren.  *  jeweilon. 
■^  reiche  Mitg-ift.     *'  findest  du. 


VOLKSLIEDER  I59 

3.  Wenn  die  Bure  sich  müend  bücken, 
Göhnd  wir  mit  ufreclitem  Rucken. 

4.  Wenn  die  Bure  früeh  ufstelien, 
Können  wir  im  Bett  uns  drehen. 

5.  Wenn  die  Bure  Wide  haue, 
Sitzen  wir  daheim  bi'n  Fraue. 

Stutz,   Gemälde  III,  37. 

1.  We  die  Bure  früe  ufsta, 

Tuet  is  d'  Frau  im  Bett  ephä^ 

2.  We  die  Bure  Garbe  schnide, 
Chöu  mer^  schön  am  Schatte  bUbe. 

3.  We  die  Bure  z'  Acher  tare, 

Chöu  mer  schön  das  Chniepe^  spare. 

4.  We  die  Bure  Garbe  drösche, 
La  mir  nit  die  Pfife  lösche'^. 

5.  U  we  die  Bure  metzge, 
Su  esse  mir  das  Beste. 

J.  Gottheit",  Leiden  und  Freuden  eines  Schulmeisters.    Bern  1838. 
Bd.  I.  S.  174. 


Nr.  64. 

Die  Fabrikante  z'  Dideldum 
Die  miinet  bschädeH^  wol; 
Si  bschauet  's  Stückli  um  und  um 
Und  srend  eim  fast  kei  Lö. 


^  zurückhalten.  ^  können  wir.  ^  treten,  stampfen.  *  lassen  wir 
das  Feuer  der  Tabakpfeife  nicht  ausgehen.  '"  meinen  (es)  bescheiden- 
lich,  d.  h.  ziemlich  gut  (ironisch). 


1 60  ALLGEMEINE 

2.  Der  Weber  hockt  of  em  Ofebank 
Und  passet  of  de  Lö ; 

Er  hebet  bedi  HändeH  uf 
Und  springt  gad  met^  davo. 

3.  Und  \vo-n-er  do  vor's  Hus  hi  chunt, 
Do  zeih  er  no  si  Geh; 

Do  ist  e  nützigs-  LüftH  cho 
Und  streut's  ihm  in  die  Welt! 

Altes  ^^'eberHed  aus  dem  Toggenburg,  Kt.  St.  Gallen.     Alpen- 
rosen 1867,  S.  206.     Senn,  Charakterbilder  I,  197. 


Nr.  65. 

1.  Wie  mache's  denn  die  Becke? 
Eso^  mache  si's: 

Si  neme  numen  e  Hämpfeli^  Teig 
Und  säge,  es  sig  e  drei  Batze-Laib; 
Eso  mache  si's. 

2.  Wie  mache's  denn  die  Weber? 
Eso  mache  si's : 

Si  beten  e  Vaterunser: 
's  besti  Garn  ist  unser; 
Eso  mache  si's. 

3.  Die  Wirte: 

Si  schenke  nur  halb  die  Gläser  ein 
Und  schütte  no  halbe  Wasser  drein. 


^  gerade  damit.    -  nichtig,  von  nüts  -  nichts.    ^  also,  auf  folgende 
Weise.     ^  nur  eine  Handvoll. 


VOLKSLIEDER  l6l 

4.  Die  Jumptere : 

Wenn  si  am  Morge  Jumptere  sein, 
Lönd^  si  am  Ahe  Blieben  ein. 

/.  Die  Schuhmaclier: 

Si  schnide  's  Leder  in  siben  Egg 
Und  stecke  's  Best  in  d'  Hosesack. 

6.  Die  junge  Wiber: 

Si   schkige  die  Eier  in  die  Pfann : 
Friß  den  Dreck,  min  lieber  Mann ! 

7.  Die  Manne : 

Si  sufe  si  ganz  dumm  und  toll 

Und  schlönd-   de  Wibere  de  Buggel  voll. 

8.  Die  Näjere^: 

Si  näje  mit  dem  grobe  Fade 

Und  ti^iend  de  rein'*  i's  Brusttuech  abe. 

9.  Die  Schnidere : 

Sie  mache  gern  die  Chleider  z'  chli 
Und  denke:  's  fürig^  Tuech  ist  mi. 

10.  Die  Schuelmeistere: 

Si  säge  de  Chinde:  ihr  Eselschöpf! 
Wenn  si  scho  längeri  Ore  händ. 

11.  Die  Chüefere : 

Si  mache  drei  Mol  rumpedibum'' 
Und  heusche  scho  drei  Batze  drum. 
Zeinigen,  Kt.  Aargnu.  —  Vgl.  Rocliliolz,  Alem.  Kinderlied  Nr.  344. 


^  lassen.     -  schlagen.     ^  Nälicrinnen.     *  fein.     °  übrig.     '^  das 
Geräusch  des  Klopfens  oder  Rollens. 

II 


l62  ALLGEMEIXE 

Nr.  66. 

1.  Es  chunt  en  junge  Alurergsell: 

«  Hübscbi,  Jungi,  \vitt  du  mich  ?  » 
«  O  nei,  o  nei,  du  Pflasterchelle,  • 

Es  händ  mi  hüt  scho  sibe  welle : 
Ein  anderer  mues  es  sein. » 

2.  Es  chunt  en  junge  Chüefergsell : 
«Hübschi,  Jungi,  witt  du  mich?» 
«  O  nei,  o  nei,  du  Chübelibinder, 

I  will  di  so  wenig  as  d'r  Schinder: 
Ein  anderer  mues  es  sein.  » 

3.  Es  chunt  en  junge  Webergsell: 

3.   « O  nei,  o  nei,  du  Schifflischießer, 
I  will  di  so  wenig  as  d'r  Chüefer. » 

4.  Es  chunt  en  junge  Schnidergsell  : 
3.   «  O  nei,  o  nei,  du  Kodlefädler, 
I  will  di  so  wenig  as  d'r  \\'eber. » 

5.  Es  chunt  en  junge  Pfistergsell: 

3.   «O  nei,  o  nei,  du  Dirlidangg^, 
Wenn  i  di  gseh,  so  wird  i  chrank. » 

6.  Es  chunt  en  junge  Bettlerbueb: 
«Hübschi,  Jungi,  witt  du  mich?» 
«He  jo,  he  jo,  du  Bettlerbueb, 

Du  treist  mer  's  Brot  im  Seckli  zue : 
Kein  anderer  mues  es  sein ! » 

Römerschwy],  Kt.  Lu;;ern.     Die   zweite  und   dritte  Zeile   lautet 
im  Kt.  Zürich  (wo  auch  noch  weitere  Strophen  gesungen  werden) : 

Meiteli  hopp  und  Meiteli  hä,  Meiteli  witt  du  da? 
Vgl.  Rochholz,  Alem.  Kinderlied  Nr.  345. 

^  Teiijkneter. 


VOLKSLIEDER 


163 


Nr.  67. 

1.  Rot,  rot  sind  alli  mini  ChleiJeli, 
Rot,  rot  treiJ  Jcderma; 

Drum  liebe-n-ich  was  rot  ist, 
Weil  mein  Schatz  ein  Metzger  ist. 

2.  Brun,  brun  sind  alli  mini  Chleideli, 
Brun,  brun  treid  Jederma; 

Drum  liebe-n-ich  was  brun  ist. 
Weil  mein  Schatz  ein  Gerber  ist. 


3.  Schwarz  u.  s.w.,  weil  m.  Seh.  ein  Choler^  ist. 


4.  Wiß 

5.  Gäl-'^ 

6.  Grün 

7.  Neu 

8.  Grau 
Kt.  Luzern.  - 


Es  so] 


Bleiker^. 

Goldschmied. 

Jäger. 

Schneider. 

Müller. 

noch  weitere  Strophen  geben. 


Nr.  68. 

1.  Frisch  auf  wol  in  das  Feld, 
Zu  Wasser  und  zu  Lande ! 
Der  König  hat  brav  Geld ; 

Wir  haben  nicht  Zeit  zu  schlafen, 
Soldaten  müssen  wachen, 
Dazu  sind  sie  bestellt. 

2.  Der  König  treit  e  Chron, 
In  seiner  Hand  ein  Scepter, 
Wenn  er  sitzt  auf  dem  Thron, 


Köhler.     -  Bleicher.     ^  gelb. 


1 64  ALLGEMEINE 

Ein  Schwert  wol  an  der  Seiten, 
Zum  Fechten  und  zum  Streiten, 
Zum  Frieden  und  Pardon. 

3.  Ein  adeHche  Dam 

Schlaft  gern  bi  eim  Soldaten, 
Aus  lauter  Liebesflamm. 
Sie  sagt,  sie  schwör  ihm  Treu. 
D'  Soldaten  sind  geboren 
Aus  ritterlichem  Stamm. 

4.  Soldat,  du  edels  Blut, 

Du  willst  und  bist's  geboren, 
Lebst  noch  in  frischem  Muth. 
Wenn  schon  die  Kugle  sause, 
Darob  laß  dir's  nit  grause; 
Wer  's  Glück  hat,  chunt  dervo. 

5.  Hätt  ich  den  Zoll  am  Rhein, 

So  kriegt  ich  's  Königs  Tochter, 
Venedig  war  schon  mein ; 
Frankfurt  das  war  mein  eigen, 
England  das  war  desgleichen; 
Versoffen  müst  es  sein. 

6.  Zu  Kelen  an  dem  Rhein, 
Dort  wird  ein  Schiff"  beladen 
Mit  Gold  und  Edelstein. 

Wer  Geld  hat,  der  kann  kaufen  ein. 
Wer  keins  hat,  der  kann's  lassen  sein,. 
Zu  Kelen  an  dem  Rhein. 

7.  Zu  Kelen  an  dem  Rhein, 
Dort  sind  so  viel  der  Kirchen 
Als  Tagen  im  Jahr  sein. 


VOLKSLIEDER  165 

Wo  findt  man  noch  ein  solche  Stadt, 
Die  vierthalhhundert  Kirchen  hat, 
Wie  Kelen  an  dem  Rhein? 

8.  Zu  Kelen  an  dem  Rhein, 

Dort  wächst  viel  Mues  und  Leisi\ 
Zvs'o  Bohnen  an  einem  Stiel. 
Wo  findt  man  noch  ein  solche  Stadt, 
Die  so  viel  Mues  und  Leisi  hat 
Wie  Kelen  an  dem  Rhein  ? 

Aus  dem  Kt.  Solothurn.  B.  Wvß,  Schule  und  Leben  S.  55  gibt 
nur  4  Strophen,  von  denen  er  unsere  Str.  8  als  parodischen  Anh.ing 
bezeichnet.     Aber  offenbarer  Zusatz  ist  auch  die  von  ihm  beigefügte: 

Jetzunder  ist  die  Zeit. 

Wenn  Einer  ausgelernet  hat, 

So  nimt  er  gli  (bald)  ein   Weib. 

O  ja,  o  nein,  es  ist  nicht  recht. 

Er  ist  kein  Meister  und  kein   Chnecht, 

Ein  Stümper  mufi  er  sein. 
Die  Vergleichung  mit  Mittler  Nr.  1442  zeigt,  daß  auch  die  Strophen 
6  und  7  ursprünglich  nicht  hieher  gehören. 


Nr.  69. 

1.  Frisch  auf  und  lustig  dran! 

Wir  greifen  die  Feinde  herzhaft  an. 
Sei  es  hei  Tag  oder  finstrer  Nacht, 
Wenn  nur  der  liehe  Gott  uns  waclit. 
Der  Marsch  und  der  geht  fort 
Wohl  an  ein  anderes  Ort. 

2.  Jetzt  geht  der  Marsch  in's  Feld, 

Da  lieißt's:  Soldat,  schlag  auf  dein  Zelt. 

^  Linsen. 


l66  ALLGEMEINE 

Da  heißt's:  Wir  müssen  brav  exercieren, 
Die  Glieder  bald  links,  bald  rechts  formieren; 
Sobald  der  Tag  anbricht, 
Das  Gewehr  ist  schon  spricht! 


i 


3.  Alhvo  die  Trommeln  gehn,  ■ 
Da  ist  viel  tausend  Freud  zu  sehn; 

AlKvo  die  Bomben  fallen  ein, 

Müssen  wir  Soldaten  herzhaft  sein, 

Sonst  gehen  wir  alle  zu  Grund  | 

In  einer  Viertelstund.  " 

4.  Wie  mancher  Herr  Soldat, 

Der  fraget:  Wo  ist  mein  Kamerad? 
Er  Hegt  dort  draußen  auf  sirüner  Heid 
Und  trägt  ein  rosenfarben  Kleid; 
Dein  Kamerad  der  ist  todt, 
Trost  ihn  der  liebe  Gott! 

5.  Die  Weiber  die  fangen's  an: 

O  weh,  o  weh,  mein  lieber  Mann! 
Die  Kinder  die  schreien  all  zugleich: 
Helf  Gott  dem  Vater  im  Himmelreich! 
Der  Vater  und  der  ist  todt! 
Wer  schafft  uns  Kindern  Brod? 

Als  «altes  Kriegslied»  mitgetheilt  in  «Die  Schweiz»  1861,  S.  36, 
von  N.  Krähenbühl  in  Langnau,  Kt.  Bern.  Str  2 — 5  ziemlich  gleich 
Mittler  Nr.  1420. 


VOLKSLIEDER  167 

Nr.  70. 

1.  Hilf  mir,  Gott,  jetzt  muß  ich  scheiden, 
Hilf  mir,  Gott,  jetzt  muß  ich  tort. 
Ach,  da  drunten  muß  ich  bleiben, 
Auf  der  Wacht  mein  Zeit  vertreiben. 
Mein  getreuster  Schatz  geht  fort. 

2.  « Könnt  ich  dich  nur  wieder  sehen. 
Wieder  sehen  noch  einmal !  » 

«  Steige  nur  auf  jene  Berge, 
(Steige  nur  auf  jene  Hügel,) 
Schau  hinab  in's  tiefe  Thal. 


:>■ 


Da  wirst  du  mich  sehen  streiten 
In  der  großen  Kriegerschaar. 
Alle  wollen  fechten,  siegen. 
Wollen  unsern  Feind  bekriegen, 
Schießen  auf  sein  Herze  dar. 

4.  Kleine  Kugeln  hör  ich  sausen. 
Große  aber  noch  viel  mehr. 
Ei,  so  bitt  ich  Gott  im  Himmel: 
Ende  dieses  Kriegsgetümmel, 
Daß  es  einmal  Friede  war. » 

Handschriftlich  bei  Stutz. 


Nr,  71. 

I.  Ach  Gott,  wem  soll  ich  klagen 
Und  wo  mich  wenden  hin  ? 
Mein  Herz  möcht  mir  verzagen, 
Weil  ich  so  elend  bin. 


l68  ALLGEMEINE 

2.  Ach  Gott,  wem  soll  ich's  klagen, 
\'ater  und  Mutter  sind  todt; 

Die  Freund  haben  mich  verlassen 
Und  lassen  mich  in  Xoth. 

3.  Wer  mit  goldner  Feder  mag  kommen 
Und  mit  silberner  Glocken  laut', 

Der  hat  das  Recht  gewonnen 
Bei  dieser  betrübten  Zeit. 

4.  Die  Freunde  stehen  zu  Hauten 
Und  fliehen  in  der  Xoth ; 
Wenn  man  soll  einen  kaufen, 
Gehn  siebenzio  auf  ein  Loth. 


)■ 


Ist  der  Sohn  dem  ^^^ter  neidig, 
So  sind's  die  Töchter  auch ; 
Einander  die  Ehr  abschneiden. 
Das  ist  der  Leute  Brauch. 


6.  Geschwisterte  und  ^"er^vandte 
Leben  nicht  mehr  eins; 
Betrug  im  Handel  und  Wandel 
Ist  ietzund  was  gemein s. 

7.  Die  Treue  ist  gestorben. 

Die  Wahrheit  ist  schwer  krank. 
Die  Demuth  ist  verdorben, 
Das  Recht  liegt  unter  der  Bank. 

8.  O  ihr  armen  Wittwen  und  Waisen, 
Gott  weiß,  was  euch  geschieht; 

Er  wird  euch  treulich  speisen 
Vor  seinem  Angesicht. 


VOLKSLIEDER  169 

Aus  dem  handschriftlichen  Liederbuch  des  Leinwebers  Kaspar 
Schlatter  von  Fahrwangen  am  Haüwvler  See  (f  1861),  mitgetheiit 
von  Rochholz.     Vgl.   Ambraser  Liederbucli  Xr.  109. 


Nr.  72. 

1.  Ach  Gott,  wem  soll  ich's  klagen? 
xMein  A'ater  und  Muter  sind  tod ; 
Meine  Freund  haben  mich  verlassen, 
Auf  Erden  weiß  ich  kein  Trost. 

2.  Ach  Gott,  wem  soll  ich's  klagen, 
Daß  ich  ein  Waislein  bin  ? 

Mein  \'ater  und  Mutter  begraben ! 
Drum  muß  ich  traurig  sein. 

3.  Ach  Gott,  thu  für  mich  sorgen. 
Da  Niemand  für  mich  sorgt ; 

Mein  ^'ater  und  Mutter  sind  g'storben. 
Ich  hab  Niemand  als  Gott. 

4.  Es  ist  keim  Mensch  mehr  z'  trauen : 
Wenn  d'  meinst,  er  sei  dein  Freund, 
Und  thust  ihn  recht  anschauen, 

So  ist  es  der  ärgste  Feind. 

5.  Ach  Gott,  drum  muß  ich  klagen: 
Ach,  ninnn  mich  bald  zu  dir! 
Ich  bin  so  ganz  verlassen : 
Schließ  mir  auf  die  Himmelsthür ! 

Stutz,  Sieben  Mal  sieben  Jahre  S.  370. 


lyO  ALLGEMEINE 

Nr.  73.      Gesang  von  eitler  Freud. 

1.  Herzhüseli,  Herzhüseli, 
Wie  bist  nur  volle  Freud, 
Als  wie  ein  magers  Müseli, 
Wann's  d'  Xuß  in's  Löchli  treid, 
Daß  au  den  Winter  fresse  ka, 
Mit  Freuden  mengest^  kerbe  dra. 
Herzhüseli,  Herzhüseli, 

Wie  bist  so  volle  Freud! 

2.  Herzhüseli,  Herzhüseli, 
Du  hest  ja  gar  kes-  Leid, 
Als  wie  ein  läres  Krüseli^, 
\\'enn  der  Wihane^^  kräit, 
Umb  das  ein  Jedre  läpple°  thut, 
's  dunkt  au  die  alten  W^eiber  gut. 
Herzkrüseli,  o  Krüseli, 

Du  hest  ja  gar  kes  Leid. 

3.  Es  ist  mir  wohl  gar  grüseli'' 
Bei  einer  düren  Wurst; 
Aus  einem  Schnäggehüseli 
Trink  ich  und  lösch  der  Durst. 

Es  wird  mir  drab  gar  grüseli  wohl, 
Ich  weiß  dann,  wie  ich  tanzen  soll. 

Aus  einem  in  Malters,  Kt.  Luzern,  im  Jahr  1758  gehaltenen 
Spiel  von  dem  heil.  Formerius.  Mitgetheilt  im  «  Geschichtsfreund  » 
Bd.  XXIII,  S.  179.  ,    . 


'■  manchmal.  -  kein(s).  ^  Krüglein.  ■*  Weinhahn.  '"  schlürfen, 
nippen.  ®  eig.  grausenhaft,  aber  hier,  wie  oft,  nur  zur  Bezeichnung 
eines  hohen  Grades. 


VOLKSLIEDER  I  7  I 

Nr.  74. 

1.  Yo  Luzern  uf  Weggis  zue 
Brucht  me  jo-n-ekeini  Schue; 
Me  fahrt  es  Bitzli  über  e  Se 
Und  cha  schöni  Fischli  gse. 

2.  Z'  Weggis  göt  das  Stigen  a 
Mit  euser^  Jumpfer  Hopsassa; 
Brüeder,  laulid  nid  eso, 

aß  mer  möge  noche-  g'cho. 

3.  Im  ehalte  Bad  do  chert  men  i 
Und  trinkt  es  Glesli  guete  Wi 
Und  denkt,  mer  welle  blibe  do, 

Mer  möge  nümme  uf  d'  Rigi^  g'cho. 

4.  Und  wo  mer  sind  uf  d'  Rigi  cho, 
So  lauft  is  's  Sennemeitschi  no 
Und  treid  is  Alperösli  a 

Und  seid,  es  heigi  no  kei  Ma. 

5.  D'r  Ludi  hed  em  's  Blüemli  gno ; 
Das  wird  no  suber  use  cho ! 

lez  darf  er  nümme  uf  d'  Rigi  go, 
Sust  treid  em  's  Meitschi  's  Büebli  no ! 

Kt.  Luzern.  —  Eine  andere  Fassung  gibt  als  Str.  5 : 

((  Meitschi,  du  best  fro-e  Muet, 

Bist  so  liebli,  schön  und  guet; 

Dini  AugH  g'falle  mer  au, 

Aber  i  h.i  scho  e  Frau ! 
Ich  gebe  dies  Lied,  weil  es  wirklich  oft  gesungen  wird   (mit  einem 
Refrain   von  nur  musikalischer  Bedeutung)  ;    es  ist  aber  ein  neueres 
Produkt,  wie  auch  der  sittliche  Gehalt  verräth ! 


^  unserer.     -  nach.     ^  Der  Bergname  ist  ursprünglich  weiblich. 


172  ALLGEMEINE 

Nr.  75. 

Was  wei  wir  wetten  von  eben  an^? 
Wei  wetten  vom  Wasser  und  vom  ^^'ein. 

1.  Das  Wässerlein  sprach:  Ich  bin  ebenso  fein; 
Man  richtet  mich  in  die  Matten  hinein, 
Darin  muß  ich  herum  fließen, 

Muß  schöne  Blümlein  begießen. 

2.  Der  Wein  sprach:  Ich  bin  ebenso  fein; 
Ich  wachse  an  einem  Rebstöcklein; 

Da  laß  ich  mich  hacken  und  hauen 
^^on  Männern  und  schönen  Jungfrauen. 

3.  Das  Wasser  sprach:  Ich  bin  ebenso  fein; 
Man  treit  mich  in  die  Trotte^  hinein, 
Da  muß  ich  dein  Bettlein  noch  waschen. 

4.  Der  Wein  spracli :  Ich  bin  ebenso  fein : 
Man  schüttet  mich  in  die  Fässer  hinein, 
Darin  kann  ich  trauern  und  jasten^. 

5.  Das  Wasser  sprach:  Ich  bin  ebenso  fein; 
Man  treit  mich  in  die  Küche  hinein, 
Man  braucht  mich  zu  vielerlei  Sachen, 
Zum  waschen,  zum  kochen  und  bachen. 

6.  Der  Wein  sprach:  Ich  bin  ebenso  fein; 
Man  treit  mich  in  die  Stube  hinein, 
Man  haltet  mich  hoch  in  Ehren 

Und  stellt  mich  vor  Fürsten  und  Herren. 


^  von   gleicher    Grundlage    aus,    unter    gleichen    Bedingungen. 
^  Kelter.     ^  =  jesen,  giihren. 


VOLKSLIEDER  I  7  3 

7.  Das  Wasser  sprach:  Ich  bm  ebenso  tehi; 
Man  treit  mich  in  die  Kirche  hinein, 
Man  braucht  mich  zur  heiligen  Taute, 
Zum  christkatholische  Glaube. 

8.  Der  Wein  sprach:  Ich  bin  ebenso  fein; 
Man  treit  mich  in  die  Kirche  hinein, 

Man  braucht  mich  zur  Ehr  und  zum  Amte, 
Zum  heiligen  Sakramente. 

9.  Das  Wasser  sprach:  Wein,  ich  bin  ebenso  tein. 
War  ich  nicht  zu  dir  geronnen, 

Du  wärest  am  Rebli  verbronnen. 

IG.  Der  Wein  sprach:  Wässerlein,  du  hast  Recht, 
Du  bist  der  Herr  und  ich  der  Knecht; 
Das  Recht  muß  ich  dir  lassen. 
Geh  du  nur  deiner  Strafften ! 

Der  obige  Text  beruht  zum  größern  Theile  auf  einer  Mittheilung 
aus  Olsberg,  Kt.  Aargau,  jedoch  an  mehrern  Stellen  mit  Beiziehung 
einer  andern  aargauischen  Ueberlieferung.    Diese  stimmt  im  Anlang 
mit  der  im  « Wunderhorn  »   II,  37  gegebenen  Fassung: 
Ich  weiß  ein  Lied,  ist  hübsch  und  fein. 
Es  heißt  vom  Wasser  und  vom  Wein; 
Sie  beide  leben  im  Streite, 
Der  Wein  wollt  's  Wasser  nicht  leiden. 
Dann  gibt  sie  als  Str.  2  die  Benutzung  des  Wassers  zur  iMühle;  im 
Uebrigen  stimmt  sie  mit  der  olsbergischcn  wesentlich  überein.    Diese 
hat  im  Original  noch  einige  Strophen  mehr,  welche  aber  Wieder- 
holungen und  gestörtes  Versmaß  enthalten.    Einen  vollständigen  und 
regelrechten  Text  herzustellen  ist  unmöglich,  auch  die  Reihenfolge 
der  Strophen  ist  ungleich  und  unsicher.    Die  drei  Strophen  fehlende 
Vicrzeiligkeit  wäre  aus  dem  «  Wunderhorn  »  leicht  herzustellen;  von 
dort  habe  ich  auch  den  Schluß   von  Str.  2  und  10  entnommen;    die 
dortige  Schlußftrophe  ist  ohne  Zweifel  Zusatz  der  Herausgeber.    Das 
Stück  findet  sich  auch  in  dem  Luzerner  Sammelband   (s.  Nachtrag 
zu  S.  VIII),  aber  nicht  in  besserer  Gestalt;  ferner  in  «Schwäbische 


1 74  ALLGEMEINE 

Volkslieder»  S.  60 — 61  (7  vierteilige  Strophen).  Rätoromanisch  in 
der  Engadinischen  Chrestomathie  von  Ulrich  S.  125  — 128  (23  fünf- 
zeilige  Strophen)  und  in  der  subselvischen  Liederhandschrift,  s.  Zeit- 
schrift f.  rem.  Phil.  VI,  64. 


Nr.  76. 

1.  O  Tannebaum,  o  Tannebauni, 
Du  bist  ein  edles  Zwig; 

Du  gruenest  Sommer  und  W^inter, 
Es  regni  oder  es  schni. 

2.  Das  Eichelblatt,  die  Haselstud, 
Die  vor^  gestanden  stif, 
Verliert  den  Saft  und  toret  ab. 
Sobald  einfällt  der  Rif. 

3.  O  Tannebaum,  o  Tannebaum, 
Dein  Würz  hat  allzeit  naß. 
Wenn  durstig  ist  der  Rebestock, 
Die  Blumen  und  das  Gras. 

4.  Der  Spikenard-  und  Rosmarin 
Floriren  wenig  Tag; 

Sobald  der  Dornhag  Rosen  hat, 
Sobald  sind  sie  schabab. 

5.  Die  Naclitigall,  der  Finken  Schall 
Auf  deinem  Gipfel  singt 

Und  jubilieret  für  und  für, 
Das  in  dem  ^^\tld  erklingt. 


^  vorher.     -  Spicknarde  (spica  nardi),  Lavendel. 


VOLKSLIEDER  I75 

6.  O  Nachtigall,  o  Himmelslaal, 
O  Krön  der  Seraphim, 
O  schöne  Stadt  Jerusalem, 
Wcär  ich  ein  Bürger  din ! 

Aus  dem  Zürcher  Oberland.  —  Str.  i  ist  weit  verbreitet,  s.  Mittler 
Nr.  615 — 618.  975 — 977.  Das  Uebrige  weicht  von  jenen  Liedern 
ganz  ab.  Eigenthümlich  ist  besonders  der  Uebergang  von  Str.  5  zu  6. 
Ein  auf  der  Zürcher  Stadtbibliothek  XVIII,  1792,  10,  3  befindHches 
Lied  ist  in  den  4  ersten  Strophen  wesentHch  dem  obigen  gleich; 
dann  folgt : 

5.  O   Tannebaum,  o  Tannebaum, 
Du  bist  der  Thierlein   Trost; 

Wann  Berg  und  Thal   mit  Schnee  bedeckt, 
Der  Hirsch  bei  dir  sucht  Trost. 

6.  Wie  oft  wird  g'fällt  die  Turteltaub, 
Darauf  der  Habicht  stoßt; 

Wenn  sie  nicht  fliehet  in  ihr  Xest, 
Es  ihr  das  Leben  kost. 

7.  O  Tannebaum,  o  Tannebaum, 
Dein  Schatten  ist  sehr  nutz; 

Wann  uns  fast  brennt  der  Sonnen  Glanz, 
Bieten  wir  ihr  den  Trutz. 

8.  Dich  steckt  der  Jäger  auf  sein  Hut, 
Wenn  er  vor  Müde  rast, 

Der  Hund  das  Gwild  auf  grüner  Heid 
Mit  seinem  Hörn  aufblast. 

9.  Und  wann  der  Jager  schießen  will 
Die  Reh,  Hasen  und  Fuchs, 

So  schleicht  er  hinter  dich  fein  still, 
Schlägt  an  dich  seine  Buchs! 
10.  Der  Eichhorn  gschwind  gleich  wie  der  \\'ind, 
Wann  ihn  der  Hund  ankriegt, 
Forcht  sich  gar  sehr,  schaut  hin  und  her, 
Ob  sich  der  Ast  nicht  biegt. 
Es  folgen   11   und   12  =   5  und  6  oben.     Dann: 
13.  Du  bist  ein  rechter  Tannenbaum: 
Auf  deinem  Nästlein  ruht 


1-6  ALLGEMEINE 

Die  weiß  und  rotlie  Ritterschaft, 
Gefärbt  mit  ihrem  Blut. 

14.  All  unser  Freud,  all  unser  Zeit, 
All  Hoffnung,  Glaub  und  Glück 
Ist  gegen  dir,  o  Engelskind, 
Ein  kurzer  Augenblick. 

15.  Dort  in  Sion,  da  quillt  ein  Bronn 
Bis  in  das  Paradies; 
Er  löscht  den  Durst  in  Ewigkeit 
In  einem  jeden  Preis. 

So  noch  6  Strophen  rein  geistlichen  Inhalts,  von  welchen  drei 
(16.  19.  20)  schon  dadurch,  daß  die  erste  Zeile  weiblichen  Ausgang 
hat,  sich  als  ursprünglich  einem  andern  Liede  zugehörig  erweisen. 
Wir  haben  also  in  diesem  Liede  vielleicht  drei  Bestandtheile  zu 
unterscheiden:  i)  das  ursprüngliche  Lied  vom  Tannenbaum  nach 
dessen  natürlichen  Eigenschaften:  Str.  i  — 12.  2)  Eine  geistliche  Um- 
dichtung,  in  welcher  der  Tannenbaum  (vielleicht  mit  Anlehnung  an 
den  Weihnachtsbaum?)  als  Kreuz  und  Kirche  Christi  (himmlisches 
Zion)  gedacht  war:  Str.  13 — 15.  17.  18.  21,  in  welchen  allen  die  erste 
Zeile  noch  männlichen  Ausgang  hat.  3)  Ein  rein  geistliches  Lied 
mit  weiblichem  Ausgang  der  ersten  Zeile,  mit  welcher  dann  auch 
(ausgenommen  Str.  16)  weibliche  dritte  reimt:  Str.  16.  19.  20.  — 
Str.  6  unsers  obigen  Textes  scheint  nun,  obwol  sie  durch  die  Nachtigall 
mit  Str.  5  verbunden  ist,  aus  einer  Umdichtung  nach  Art  der  vorhin 
als  2)  bezeichneten  geflossen  zu  sein,  und  hatte  wol  ursprünglich 
noch  andere  Strophen  dieses  Sinnes  neben  sich. 


Nr.  77. 

I.  Ich  armes  Häsli  im.wite  Feld, 

Wie  wird  doch  mir  nicht  nachgestelh! 

Bei  Tag  und  halbe  Nächte 

Da  thüen  sie  mir  nachtrachte; 

Sie  trachte  mir  nach  dem  Leben   mein: 

O  weh  mir  armen  Häselein! 


VOLKSLIEDER  Ijy 

2.  Ich  kann  doch  Xiemand  schaden  geh, 
Ich  freß  nichts  als  der  grüne  Klee; 
Yon  seinen  grünen  Blättern 

Xur  thue  ich  mich  ersättigen. 
Ich  geh  so  bald  in  mein  Quartier 
Und  trinke  Wasser  bloß  statt  Bier. 

3.  So  bald  mich  dann  die  Hunde  sehn, 
So  thun  sie  meinem  Gspor^  nachgehn ; 
Mit  Heulen  und  mit  Bellen 

So  thun  sie  mir  nachstellen. 

Sie  stellen  mir  nach  dem  Leben  mein : 

O  weh  mir  armen  Häselein ! 

4.  Man  passt  mir  auf  wol  mit  dem  Rohr ; 
Dann  steh  ich  in  der  größten  Gfohr, 

's  ist  aus  mit  meinem  Leben, 

Das  mir  mein  Gott  hat  geben. 

Der  Schuß  geht  ab  und  trifft  mich  wohl, 

Bis  daß  ich  über  und  über  dröl- ! 

5.  So  bald  mich  dann  der  Jäger  iindt 
Und  mich  auf  seinen  Sattel  bindt. 
So  lasst  er  mich  da  hangen 

Und  thut  noch  mit  mir  prangen. 

Er  reißt  mich  hin  und  reißt  mich  her. 

Als  wenn  ich  ein  Dieb  vom  Galgen  war! 

6.  Er  nimmt  mich  mit  ihm  nacher  Haus, 
Da  reißt  er  mir  mein  Eineiweid  aus, 


Spur.     -  purzle. 


178  ALLGEMEINE 

Den  Pelz  thut  er  mir  nehmen; 
Da  muß  ich  mich  noch  schämen. 
Beim  rothen  Bier,  beim  frischen  Wein 
Muß  armes  Häslein  verzehret  sein. 

B.  WyCs  Schule  und  Leben  S.  1 16.    Vgl.  Uhland,  Schriften  III,  70. 


Nr.  78. 

Ich  bin  ein  Flöhlein  arm  und  klein, 

Von  Todesnot  umgehen. 

<(  Du  su2:st  mir  's  Bluet  aus  Mars;  und  Bein, 

Drum  nim  ich  dir  das  Leben. 

Du  störist  mich  in  miner  Ruh, 

Drum  drück  ich  dir  die  Augen  zu : 

Hansdampf  und  du  mußt  sterben. » 

Zürich. 


ANHAXG. 


Zu  den  historischen  Liedern. 


Nr.  I. 


I.  Wach  Lit,  niins  harzen  schöni, 
du  christenliche  schar, 
und  hör  das  süß  getöni, 
das  rein  wort  Gottes  klar, 
das  ietz  so  hepHch  kUngtt. 
die  weit  darwider  tringet: 
in  allen  landen 
macht  es  den  fiendt  z'  schänden. 


2.  Drumb  land  uns  trölich  singen 
gegen  disem  Sumerzit; 
ich  hoff,  uns  soll  gelingen, 
der  Herr  ist  ietz  nit  wit; 
mit  gnad  thut  er  har  tringen, 
die  schönen  rosen  bringen ; 
sie  fahnd  an  blüjen, 
es  möcht  den  Tüfel  müjen. 


l8o  HISTORISCHE 

3.  Die  rosen,  die  ich  meine, 
sind  das  klar  götlich  wort; 
sie  thund  so  lieplich  schinen, 
man  schmeckt's  an  menchem  ort. 
wir  wettent  brechen  zu  einem  krantz, 
erfüllen  Gottes  reien  gantz 

in  himel  und  erden, 

möcht  uns  der  blumen  werden. 

4.  Ach  Gott,  du  stast  den  dinen  bi 
mit  väterHcher  trüw; 

sänd  uns  in  unser  Herz  hinin 
den  geist  der  warheit  nüw. 
du  hast  dich  lan  versünen 
Christum  den  helden  küenen, 
der  uns  erlost, 
sunst  hetten  wir  kein  trost. 

5.  Es  Ht  ein  stat  in  Uechtland, 
Bärn  ist  si  genannt; 

ach  Gott,  thu  iren  bistand, 

si  ist  dir  wol  bekannt. 

du  hast  si  ußerwellet, 

dir  selber  zugesellet, 

drumb  halt  s'  in  huete, 

Land,  Lüt,  Seel,  Eer  und  Guete. 

6.  Ich  muß  den  baren  4oben, 
er  handelt  fryg  am  tag 
und  lat  den  Tüfel  toben; 
kein  falsche  schlang  vermag, 
daß  er  den  boum  zerriße, 
die  schädUch  frucht  anbiße 


VOLKSLIEDER  l8l 

mit  irem  gifte; 

sin  gweer  ist  heiige  gschrifte. 

7.  Er  iiat  die  hihli  g'läsen, 
erfaren  den  rechten  grund, 
und  fürt  ein  erbers  wäsen. 
Gott  si  gelopt  der  stund, 
daß  er  die  sinen  uferweckt, 

und  daß  si  kein  windstoß  erschreckt, 

darzu  bkitschregen  — 

kompt  alls  von  's  Herren  segen. 

8.  Du  fürst  der  eeren  wol  ein  krantz, 
dir  schadt  kein  tötlich  gift; 

der  tüfel  gab  dir  gern  ein  schrantz, 

er  hasset  heiige  gschrift. 

wiewol  er  si  kan  ziechen  an, 

als  si  er  ouch  ein  Christenmann : 

es  thut  wit  fälen, 

Gott  wird  ihm  täglich  strälenK 

9.  Dem  Christus  krüz  thut  schicken 
ietz  und  zu  diser  zit, 

der  soll  drumh  nit  erschrecken, 

hat  er  schon  täglich  strit. 

ihm  wird  Gott  unser  vater 

bistan  in  aller  marter; 

drum  wend  mir  glouben, 

der  bapst  mög  uns  nit  b'rouben. 

IG.  Sin  huf-  spricht  unverholen, 
der  bär  mos:  nienen  hin  kon. 


'  ihn  züchtisren.     -  der  Haufe  der  Anhäno;er  des  Pabstes. 


l82  HISTORISCHE 

es  stat  dir  nit  fiist  wol  an, 

er  het  dir  gnad  gethan ; 

du  bist  so  grob  und  unerkant\ 

lug,  nim  ihm  etwas  ab  der  band, 

ich  will  dich  gwären-, 

er  wird  dir  d'  hut  erberen^. 

1 1 .  Daß  du  wirst  selber  hinken, 
merk  uf,  was  ich  dir  sag : 
Gott  wird  dir  wol  dran  denken, 
wenn  nun  kumpt  zil  und  tag : 
der  sumer  ist  hart  vor  der  thür, 
die  zarten  blumen  gand  harfür; 
da  hat's  kein  mangel, 

die  erd  ist  worden  schwanger, 

12.  Daß  si  gebiert  frid  und  einigkeit 
der  christenlichen  gmeind, 

und  wär's  dem  Römschen  kriegsmann  leid, 

der  meint,  er  sig's  allein"^. 

wir  band  den  heiland  tunden, 

Gott  si  gelopt  der  stunden ; 

dem  wend  wir  losen, 

denn  dise  zit  bringt  rosen. 

13.  Der  uns  das  Hedli  hat  gedieht, 
mag  wol  den  Ablaß  lan, 

der  uf  der  hundshut^  ist  ufg'richt; 
wills  mit  dem  baren  han. 


I 


^  unerkenntlich,  undankbar;  ungeschlitfen.    -  versichern.    ^  durch- 
kneten, -gerben.     *  er  sei  allein  Meister.     ^  Pergament. 


VOLKSLIEDER  183 

gloubt  dem  der  stiel  an  kriesi^  setzt; 
er  hat  ihm  noch  kein  spil  vernetzt-; 
er  wird  ihm  truwen, 
uf  diesen  felsen  buwen. 

Getruckt  zu  Bern,  bi  S.  Apl^rio, 
155S. 

Sammelbnnd  44  der  StadtMbliotliek  Winterthur  Xr.  29,  3;  vonm 
^ehen  zwei  Kranzlieder.  —  Str.  4,  6  steht  im   Original:  Kün^^. 


Nr.  2. 

1.  Vier  Element  der  Eidgnoschatt, 
Verknüpft,  in  vier  \vorten  verhalt, 
Stönd  stif,  fest,  stät,  uf  gutem  Grund, 
Ghörend  zum  Eidgnossischen  pund. 

2.  's  Erst  ist  der  klare  Zürichwin, 
Blibt  lang  standhaft  im  huse  sin; 
Uf  zwenzig  jar  thut  er  sin  rast, 
Des  fröwt  sich  seer  manch  fremder  gast. 

3.  Das  Ander  ist  der  Glarisziger, 
Wird  brucht  zu'n  suppen  hin  und  wider; 
Von  krütern  hat  er  gute  tugent, 
Stärkt  hirn,  herz,  gmüt,  alter  und  juget. 

4.  's  Dritt  ist  Eriburg  münz,  als  ich  schetz. 
Gibt  schön,  klar  schin,  wie  kessibletz^; 
Si  gat  nit  ferr  in  frömde  land, 
d'  Wirt,  Pfister  nemend  andre  z'  band. 

^  Kirschen.     -  verdorben.     ^  Stücke    von   Messing,    mit    denen 
Kessel  a;eflickt  werden. 


184  HISTORISCHE 

5.  Das  ^'iert  ich  acht  die  Churer  sprach, 
Alan  leert  s'  für  und  für  d'  Jugend  nach; 
Si  louft  nit  wit  us  irem  Kreiß, 
Kum  rucher  sprach  ich  ietzmal  weiß. 

Haxs  Murer.  Y.  B. 

Getruckt  zu  Bern,  bi  Sa:\iuel  Apiario.     1558. 

Winterthurer  Stadtbibliothek  Bd.  28^ 


Nr.  3.   Feldzug  der  zürcherischen  Miliz  nach  Stein  1784. 

s.   Ein!.  S.  LXX. 

1.  Ui,  uf,  ihr  Felcelschäzere^, 
Ihr  Tuner  Hagels  Hund ! 

Nehmt  eure  Gwehr  und  Habersäck, 
So  chömet  mir  endli  ab  em  Fläck; 
Drum,  Tambour,  wirble  gschwind! 

2.  Herr  Ruppert,  Argitant-  Major! 
Theilt  in  die  Regiment! 

Und  wann  dann  Alles  ist  rangschirt. 
So  kommandirt:  Rechts  abmarschirt. 
Bim  Tusig  Sakerment! 

3.  Marschirt  nu  uf  zwei  Gliedere 
Bis  vor  die  Chroneport; 

Dann  rechts  und  linte  gschwind  ufmarschirt, 
Peloton  und  Sektion  formirt, 
Dupplierschritt,  Marsch,  Marsch,  fort! 


^  Ffkel,  Felix,   der  Schutzheilige  von  Zürich.     Ketzer  hier   nur 
als  Schimpfwort.     -  Entstellung  von  Adjutant. 


VOLKSLIEDER  I  8 ' 

4.  In  Dübedoi'f  ist  Nachtquartier, 
Fouriers,  marscliiert  voran ! 
Nehm  jeder  zu  sich  einen  Schütz 
Und  schribt  Bollete^  wie  der  Blitz, 
Daß  z'  Nacht  Alls  ruhen  kann. 

5.  Das  ist  bim  Strohl  en  heiße  Tag, 
Nöd  wohr,  Herr  Argitant? 

Sind  jetzt  so  guet  und  sprengt  vorus 
Und  z'  Dübedorf  bis  Chuerlis  Hus 
Do  schreit  bim  Tuner:  Halt! 

6.  Halt,  Halt,  i's  Tüfels  Name,  Halt! 
Verlürt  Distanze  nöd ! 

In  Bataillon  und  Sektion, 
Mit  Peloton  und  Division 
Rechts  schwenkt,  rieht  euch  uf  d'  Mitt! 

7.  Formiert  Carre,  ihr  Chuttlehünd, 
Zur  Ordre  schlag,  Tambour! 

Ihr  Lüt,  nehmt  Alles  wohl  in  Acht, 
Morn  z'  Obig  blibe  mer  über  Nacht 
Im  Städtli  Winterthur. 

8.  Hut  z'  Nacht,  Feldweibel,  ist  d'  Parole: 
Rägel-   und  Niederglatt. 

Jetzt,  Fourier,  theil  d'  BoUete-n-us, 
So  chan  en  jedere-n-i  das  Hus, 
Wo  's  Loos  ihn  tröffe  häd. 

9.  Wer  Tuner  chlopft  mir  a  der  Thür? 
« Herr  Ruppert,  i  bin  hier. 

Ihr  sollet,  uf  mi  armi  Seel, 


^  Q.uartierbillets.     -  Rea:ula,  Schutzheili2:e  von  Zürich. 


l86  HISTORISCHE 

üf  eusers  Gänerols  Bifehl 
Geschwind  in  sin  Quartier. » 

10.  «Gang,  säg  dem  Herren  Gänerol, 
I  werd  bald  bi-n-em  si. » 

Ganz  gAvüß,  de  Kärli  fürchtet  si, 
Er  weiß  au,  daß  er  ohni  mi 
Nöd  stürme  cha  d'  Stadt  Stei. 

11.  ('  Ihr  Diener,  min  Herr  Gänerol, 
Was  ist  dero  Bifehl  ? » 

«Min  liebe  Ruppert,  sind  so  guet, 
Äh  bitte  doch,  blibt  uf  der  Huet, 
I  förcht  bi  miner  Seel, 

12.  Daß  euseri  Infanterie 
Und  die  Cavallerie 

Für  Stei,  das  Tuners  Lumpenest  — 
Es  ist  gar  hagelsftrohÜg  fest  — 
Xöd  gnug  und  sattsam  sei.» 

13.  «Wenn  das  dann  Ihre  Chummer  ist, 
So  lach  ich  i  eis  derzue; 

Schloft  nu,  min  tapfrer  Gänerol, 
Wie  eusi  Heiri,  ChuerH  all, 
I  weusch  ech  guete  Rueh.» 

14.  Hell  uf,  hell  uf,  de  Morge  graut! 
Tambour-  und  Pfifer-Corps! 

Spannt  d'  Trummle-n-und  putzt  d'  Pfife-n-us, 
De  Güllevogt  ist  scho  vorus. 
Mit  's  Chuerh's  Notze  Rohr. 


VOLKSLIEDER  187 

15.  Soldate-n-us  em  Züribiet, 
Vo  Flach  und  Neftebach, 
Vo-n-Embri  und  vo  Zollike, 
Vo  Büli  und  vo  Rüeschlike, 
Vo  Höngg  und  vo  Chüßnach, 

16.  Ihr  Grenadier  vo  Winige, 
Vo  SchUere-n-und  Thalwil, 
\o  Wädischwil  und  Fluentere, 
Vo  Grüenige-n-und  vo  TrüUike, 
Vo  Töß  und  Richterschwil, 

17.  \'o  Meile-n-und  vo  Männedorf, 
Ihr  Musketier  vo  Pli! 

Vo  Horge-n-und  vo  Pfäffike, 
\'o  Chlote-n-und  von  Wietike : 
Morn  werde  mer  z'  Stei  si. 

iS.  In  Wägehuse  kommt  zum  Steh 
Die  ganz  Infanterie; 
Bi  Eschenz  rückt  Alls  dann  hervor, 
D'  Artillerie  und  's  Jägercorps, 
Wie  au  d'  Cavallerie. 

19.  Zum  letzte  mol  red  ich  zu  dir, 
Du  liebe  Fekelrott! 

letz  wer  nöd  Herz  häd  wie-n-en  Leu, 
De  pack  bim  Strohl  si  weidli  hei, 
Sust  trifft  en  Schand  und  Spott! 

20.  In  Hoheklinge  sind  zwei  Stück 
Mit  Hagelgschütz  scharschiert: 
Mutschelle,  Chropfe,  Haselnuß 
Und  Eiertcätsch  im  Überfluß 
Sind  drinnen  iquartiert. 


l8S  HISTORISCHE 

21.  Drum  guete  Muets,  ihr  Heidesöhn! 
's  sei  jeder  von  euch  Held ! 

Wann  's  Fleisch  und  d'  Chröpfe  sind  verzehrt, 
So  macht  me  wieder  rechts  umkehrt 
Und  zieht  go  Frauefeld. 

22.  Wann  scho  de  Piifer  pfiffe  häd, 
Er  glaube,  me  verlür's, 

Und  ase  dann  de  Tambour  au : 

«I  glaubs,  i  glaub's  bim  Tunder  au», 

So  siegeten  doch  wir. 

23.  Wie  herrli  wird  der  Izug  si 
Wohl  US  dem  Feld  der  Schlacht 
In  euseri  liebi  \^iterstadt, 

Die  Gott  uf  s  Xeu  gekrönet  hat 
Mit  einem  Sieg  voll  Pracht! 

24.  Herr  Feldmarschall  von  Rollenbutz, 
Herr  Ruppert,  Großmajor, 

Die  ziehen  dann  mit  der  Armee 
Dur's  Züribiet  ablangs  dem  See 
Hinin  zum  Chatzethor. 

Mitgetheilt  von  Pfarrer  Hemmann  in  Männedorf;  einige  Varianten 
aus  einer  um  8  Strophen  kürzern  Fassung,  mitgetheilt  von  Rochholz. 


I 


Das  sog,  Straussenlied  von  1839. 

Ut,  uf,  ihr  Züribieter  all ! 
's  ist  großi  Gfohr  im  Land; 
's  chunt  eine,  de  will  gschider  si 
Als  mir,  das  cha  bim  Eid  nüd  si ! 
Das  war  für  eus  e  Schand. 


VOLKSLIEDER  189 

2.  D'  Regierig  stellt  en  Kerli  a 
A  d'  Universität, 
En  Kerli,  da  glaubt  a  ken  Gott! 
War  das  nüd  au  e  Schand  und  Spott, 
Wenn  man  es  leiden  thät? 


:>• 


's  sind  frili  au  no  Landslüt  da, 
Zu  aller  Zürcher  Schand, 
Die  hanged  a  der  neue  Lehr : 
De  Hirzel  und  Direkter  Scherr 
Und  sust  na  meh  im  Land. 

4.  Ihr  Grenadiere  vo  Thahv}^ 

u.  s.w.  =  Str.  16  des  altern  Liedes. 

5.  Uf,  uf,  ihr  Fekelschäzere, 
Ihr  Tunerhagel  Hund! 

Nehmt  euer  G\vehr  und  Habersack 
Und  jaget  fürt  das  Lumpepack; 
Denn  iez  regiert's  perse^. 

6.  Eweg  mueß  d'  Universität, 
D'  Regierig  und  Alls  eweg, 

D'  Regierig  fürt  mit  schnellem  Pott! 
Mir  wüssed  scho,  wie's  ligge  sott  — 
Wenn's  nu  scho  ase-  war! 


1  perse,  in  der  Stadt  Zürich  üblich  im  Sinn  von:  selbstverständ- 
Hch  (lat.  per  se).     -  also,  so  wie  es  sein  sollte. 


190  ALLGEMEINE 


Zu  den  allgemeinen  Liedern. 


Nr.  I  (79).     Altes  Weihnachtslied. 

1.  Ach,  wie  ein  so  harte  Krippe 
Hast,  o  Jesus,  dir  gewählt ! 
Zwischen  Felsen,  Stein  und  Klippen, 
Groben  Thieren  zugesellt. 
Schönstes  Kindlein  Jesu  zart. 
Wenn  du  hart  hast  wollen  liegen. 
Wärest  in  mein  Herz  gestiegen : 

Ist  wol  als  ein  Krippe  hart. 

2.  Jesu,  allerschönster  König, 
Hast  du  denn  kein  andern  Saal, 
Daß,  dem  Alles  unterthänig, 
Lieget  in  so  kahem  Stall? 
Musstest  du  mit  allem  Fleiß 
Ein  so  frostigen  Ort  erkiesen? 
Ich  hätt  dir  mein  Herz  gewiesen: 
Ist  wol  als  ein  Schnee  und  Eis. 

3.  Ist  denn,  Jesu,  dein  Verlangen 
Diese  Hütte  voll  von  Mist? 
Warum  bist  nicht  mir  nach'gangen? 
Bei  mir  alles  unrein  ist. 

Leg  dich  in  mein  Herz  hinein 
Voller  Gstank  und  Wust  der  Sünden; 
Nichts  wirst  du  drin  Reines  finden: 
Laß  es  deine  Wohnuns^  sein ! 


VOLKSLIEDER  I9I 

4.  Ist  dir,  Kind,  denn  nicht  zuwider, 
Bei  eim  Ochs  und  Esel  z'  sein? 
Ei,  so  leg  zu  mir  dich  nieder, 
Schick  dich  gleich  bei  mir  zu  sein. 
Ich  sie  alle  beid  vertritt. 
Kannst  mich  für  ein  Ochs  anbinden. 
An  mir  auch  ein  Esel  linden : 
Meine  Sitten  bringen's  mit ! 

Aus  Aegeri,  Kt.  Zug.  —  Aehnlich  in  den  Hauptged;inken,  aber 
weniger  derb  in  der  Ausführung,  ist  ein  Lied  bei  Weinhold,  \\"eih- 
nachtspiele  und  -heder  S.  451 — 1.52. 


Alte  Gebete. 
Nr.  2  (So). 

Ach  Himmel,  thu  dich  auf! 
Ich  komm  in  vollem  Laut. 
Ach,  thu  mich  doch  anblicken, 
Ach,  thu  mich  doch  erquicken ! 
Herr  Jesu,  nimm  mich  ein. 
Ich  bin  dein  Täubelein. 
Die  Welt,  die  macht  mir  bang, 
Herr  Jesu,  wie  so  lang! 
Nimm  mich  aus  dieser  Welt 
In's  güldne  Himmelszelt! 

Herr  Jesu,  komm,  mein  liebster  Schatz, 
Ich  bin  mit  dir  verbunden; 
Ach,  gönne  mir  stets  Raum  und  Platz 
In  deinen  süßen  W'unden ! 


192  ALLGEMEINE 

Ade,  du  schnödes  Sündenland, 
Komm,  Jesu,  reich  mir  deine  Hand, 
So  hab  ich  Wohnung  funden ! 

Handschriftlich  bei  Stutz. 


Nr.  3  (81).     Tischgebet. 

1.  Jesus,  wohn  in  minem  Hus, 
Wiche  nimmermehr  darus; 
Komm  mit  diner  Gnod  darin, 
Weil  wir  sunst  verlassen  sin. 

2.  O  du  großer  Segesmann, 
Kumm  mit  dinem  Segen  an ; 

Gib,  daß  Fried,  Freud,  Glück  und  Heil 
Minem  Huse  werd  zu  Theil. 

3.  Glich  wie  Job  und  Aberham 
Richer  Segen  überkam, 

Ei,  so  schütt  du  über  mich 
Dinen  Segen  mildiglich. 

4.  Jesus,  wohn  in  minem  Herzen, 
Wenn  ich  lide  Angst  und  Schmerzen; 
Wenn  mich  Armut,  Krüz  und  Noth 
Gnug  gedrucket,  hilfst  du  Gott. 

Handschriftlich  bei  Stutz.  —  Str.  2,  i  wird  parodirt:  Segesseina, 
d.  h.  Sensenmann.  Str.  3,  3  statt  Ei  so  vielleicht  ursprünglich  also: 
parodirt :    Tause,  d.  h.  Tansen,  Tragbutten. 


VOLKSLIEDER  I95 

Nr.  4  (82). 

Herr  Gott,  Röseli  rot, 

Wie  lit  der  Mönsch  in  großer  Not! 

Wie  lit  der  Mönsch  in  großer  Pin! 

Wie  gern  wollt  ich  im  Himmel  sin ! 

Ich  kam  auf  einen  breiten  Weg, 

Ich  kam  auf  einen  schmalen  Steg. 

's  chunt  Einer,  der  wott  mich  abwisen: 

0  nei,  i  la  mi  nit  abwise ! 

1  chume  vo  Gott, 

I  wott  wider  zu  Gott. 

Gott  hat  mer  es  Liechtli  'geben, 

Zu  gehen  in  das  selige  Leben; 

Das  füert  mi  i's  Paradis, 

Us  em  Paradis  i's  Himmelrich.    Amen! 

Kt.  Bern.  —  Aus  dem  Volksblatt  für  die  reformirte  Schweiz  1875, 
Nr.  50.  Mit  Vergleichung  von  Steinmüller,  Neue  Jahrbücher  1827, 
I,  252.  In  der  letztern  Quelle  lautet  der  Anfang:  «O  Röseli  rot, 
o  Röseli  rot.»  Aufgenommen  habe  ich  aus  dieser  Q.uelle  bloß  den 
drittletzten  Vers. 


Nr.  5   (83). 

I  ghöre-n-es  GlöggeH  klingen. 

Drei  Engel  im  Himmel  singen : 

Der  erste  well  für  is  uferstan. 

Der  andere  well  für  is  niedergan. 

Der  dritt  well  für  is  bete. 

Daß  wir  können  in's  Himmelrich  trete.    Amen ! 

Kt.  Bern.  —  Voiksblatt  für  die  reformirte  Schweiz  1875,  Nr.  50. 
Einige  Verse  habe  ich  weggelassen,  weil  sie  aus  Nr.  4  entlehnt 
scheinen. 


13 


194  ALLGEMEINE 

Nr.  6  (84). 

Es  lütet  Mittag; 

Jesus  chneuet  vor  em  Grab; 

Er  schreit :  o  weh  ! 

Wie  tue  mer  mini  Wunde  weh. 

Die  kleinen  und  die  großen, 

Sie  sind  alle  zerschlagen  und  zerstoßen. 

Er  wolle  uns  belonen 

Mit  der  himmlischen  Kronen; 

Er  woU  uns  füeren  in's  Paradis 

Und  vom  Paradis  in's  Himmelrich. 

Kt.  Bern.  —  Volksblatt  für  die  reformirte  Schweiz  1875,  Nr.  50. 
Zu  Xr.  6  vergleiche : 

Üsen  liebe  Herrgott  stöt  uf  em  Grab 
Mit  sim  trurige  Herze, 
Mit  sine  große  Schmerze. 
Sini  Wunde  tuend  ihm  all  so  we, 
Die  chline  wie  die  große 
Sind  im  all  wie  abgschlagen  und  abgstoße. 
Wer  das  Betli  bete  cha, 
Söll's  all  Tag  flißig  bete, 
Sei's  hier  oder  dörte: 
So  würt's  der  lieb  Gott  nit  verlä. 
würt's,   wird    es    (ihn).    —    Kt.  Schaff  hausen.     Zeitschrift  « Unoth ». 
S.  45—46. 

Die  Stelle  von  den  Wunden    findet   sich   auch  in  einem  Char- 
freitagsgebet  aus  Solothurn: 

Hut  ist  heilige  Charfritag: 
Wie  lidt  der  Herr  nit  grusigi  Plag! 
An  eini  Sül  gebumle 
Blueten  ihm  die  heilige  fünf  Wunde, 
Die  chline  wie  die  große, 
Die  gschlagne  wie  die  gstoßne  u.  s.  w. 
mit  einem  Anhang  in  Reimprosa,  ähnlich  dem  in  Nr.  7. 


VOLKSLIEDER  1^5 

Nr.  7  (85). 

Als  Jesus  in  der  Küchen  saß, 

Mit  seinen  zwölf  Jüngern  das  Nachtmahl  aß, 

Johannes  sprach:  Das  ist  guter  Wein. 

Jesus  aber  sprach:  Das  ist  nicht  Wein, 

Das  ist  von  meinem  rosenfarbnen  Blut, 

Es  ist  für  eure  Sünden  gut. 

Herr  Jesus  sprach :  Jetzt  muß  ich  von  euch  gehn, 

Schwere  Zeit  muß  ich  ausftehn. 

Die  falschen  Juden  nahmen  ihn, 

Sie  hieben  ihn,  sie  schlugen  ihn, 

Sie  henkten  ihn  an  das  Kreuz 

Und  nahmen  ihn  wieder  herab 

Und  legten  ihn  in  ein  steinernes  Grab, 

Da  keiner  Mutter  Kind  gelegen  war. 

Wer  das  Bet  im  Tag  drei  Mal  spricht 

Und  ihm  sein  bitter  Leiden  nicht  vergißt. 

Dem  will  er  drei  Engel  senden 

Drei  Tag  vor  seinem  Ende, 

Einen,  der  ihn  weise. 

Einen,  der  ihn  speise. 

Einen,  der  ihn  führe  in's  Paradis, 

Vom  Paradis  in's  Himmelrich.    Amen. 

Oder:  Dem  ist  der  Himmel  offen. 
Die  Hölle  zugeschlossen. 

Oder:  Das  wird  der  lieb  Gott  belohnen 

Mit  seinen  himmlischen  Kronen.    Amen. 

Kt.  Bern.  —  Volksblatt  für  die  reformirte  Kirche  der  Schweiz 
1873,  Nr.  50.  Comhinirt  mit:  J.  Gotthelf,  Leiden  und  Freuden  eines 
Schulmeisters,  Bd.  II,  S.  237.  —  Zum  obigen  Anhang  vergleiche: 


196  ALLGEMEINE 

Herr  Jesus  am  Chrüz, 
D'  Frau  Mueter  darnebet  (daneben)» 
Drei  Engili  schwebed, 
Si  gugged,  si  gugged, 
Eb  d'  Hüeter  nit  chömed, 
Vor  's  Heilands  si  Grab. 
Em  Heiland  si  Grab  ist  verschlösse. 
Der  Himmel  stöt  offe. 
Zeitschrift  cUnoth»,  Schaffhausen  1868,  S.  46. 


Nr.  8  (86). 

lez  wei  mer  nidergo, 

Achtzehn  Engeh  mit  is  lö: 

Zwei  zur  Hauptete, 

Zwei  zur  Fueßete, 

Zwei  zur  rechten  Siten, 

Zwei  zur  linken  Siten, 

Zwei  daß^  uns  decken, 

Zwei  daß  uns  wecken. 

Zwei  daß  uns  wisen, 

Zwei  daß  uns  spisen, 

Zwei  daß  uns 'führen  in's  Paradis 

Und  US  em  Paradis  in's  Himmelrich, 

In  die  ewige  Freud  und  Seligkeit.    Amen. 

Kt.  Bern,  —  Volksblatt  für  die  reformirte  Kirche  der|Schweiz- 
1873,  Nr.  50.  Ganz  ähnlich  aus  Schaff  hausen:  «Unoth»  S.  45,  und 
aus  Zürich,  s.  Schweiz.  Idiotikon  unter  Engel. 


^  daß  für  das  Pronom  relativ,  hier  also  für  die. 


VOLKSLIEDER  I97 

Nr.  9  (87). 

Bewahr  üs  Gott  vor  Für  und  Wasser, 

Für  Schand  und  Laster, 

Für  allen  bösen  Stunden, 

Für  allen  bösen  Zungen 

Früh  und  spat,  hinacht  und  alle  Zit.    Amen. 


Nr.  10  (88). 

Madchen  beten  am  Andreas-Abend  beim  Bettgehen,   indem  sie 
den  Hnken  Fuß  auf  die  Bettlade  stellen: 

Heiliger  Andreas,  ich  bitt  di, 

Bettladen,  i  tritt  di: 

Zeig  mer  hinacht  min  erliche  Ma, 

Mit  dem  i  z'  Chilche  und  z'  Märit^  cha. 

Het  er  Roß,  so  ritet  er, 

Het  er  Chüe,  so  tribt  er  se^ 

Het  er  nüt,  so  chunt  er  süst^  — 

I  Gotts  Name ! 

Kt.  Bern.  —  Volksbiatt   für  die  reformirte  Kirche  der  Schweiz 
1873,  Nr.  50.     Vgl.  Schweiz.  Idiotikon  unter  Andres. 


A  1  p  s  e  g  e  n . 

Nr.  II  (89). 
Ave  Maria! 
Bhüet's  Gott  und  üser  lieb  Herr  Jesu  Christ, 
Liber,  Hab  und  Guet  und  Alles  was  hier  um  ist! 
Bhüet's  Gott  und  d'r  Ueb  heiUg  Sant  Jöri-^, 
Der  wol  hier  uf  wachi  und  höri! 


^  Markt.     ■  sie.     ^  sonst.     *  Geors 


198  ALLGEMEINE 

Bhüet's  Gott  und  d'r  heilig  Sant  Marti, 

Der  wol  hier  uf  wachi  und  warti! 

Bhüet's  Gott  und  d'r  heb  heiHg  Sant  Gall 

Mit  seinen  GottsheiHgen  all! 

Bhüet's  Gott  und  d'r  heilig  Sant  Peter! 

Sant  Peter,  nimm  die  Schlüssel  wol  in  die  rechti  Hand: 

ßschließ  wol  dem  Bären  sin  Gang, 

Dem  Wolf  d'r  Zahn,  dem  Luchs  d'r  ChräueP, 

Dem  Rappen  d'r  Schnabel,  dem  Wurm  d'r  Schweif,. 

Dem  Stein  d'r  Sprung! 

Bhüet  üs  Gott  vor  solcher  bösen  Stund, 

Daß  solchi  Tierli  mögen  weder  kratzen  noch  bißen,. 

So  wenig  als  die  falschen  Juden  üsern  liebe  Herrgott 

bschißen ! 
Bhüet  Gott  Alles  hier  in  üserm  Ring 
Und  die  Hebe  Mueter  Gottes  mit  irem  Chind! 
Bhüet  Gott  Alles  hier  in  üserm  Tal, 
Allhier  und  überall. 

Bhüet's  Gott  und  das  walt  Gott  und  das  tue  der  lieb  Gott! 
od. :  Und  das  tue  der  lieb  Gott !     Ave  Maria ! 

Sargans,  Kt.  St.  Gallen.  —  Ziemlich  genau  übereinstimmend  mit 
Tschudi,  Thierleben  (1865)  S.  552,  nur  daß  dort  die  Sprache  etwas 
mehr  verhochdeutscht  ist. 


Nr.  12  (90).     Alpsegen  auf  dem  Pilatus. 

Ho — ho — ho — oe — ho — -ho — oe — 

ho — ho — ho  Lobe,  ho  Lpbe^ ! 

Nemet  all  Tritt  in  Gottes  Namen,  Lobe !  ho  Lobe ! 

Nemet  all  Tritt  in  unser  Lieben  Frauen  Namen,  Lobe ! 

Jesus  Christus!     Ave  Maria! 

Ach,  lieber  Herr  Jesus  Christ ! 


Klaue.     -  Kühe,  s.  Einl.  S.  CX.XXII. 


VOLKSLIEDER  I99 

Behüt  Gott  Allen  Leib,  Seel,  Ehr  und  Gut, 
Was  in  die  Alp  gehören  thut ! 
Es  walt  Gott  und  unsere  herzliebe  Frauw! 
Es  walt  Gott  und  der  heilig  Sant  Wendel! 
Es  walt  Gott  und  der  heilig  sant  Antoni! 
Es  walt  Gott  und  der  heilig  Sant  Loy^! 
Ho,  Lobe,  nemet  all  Tritt  in  Gottes  Xamen,  Lobe ! 
Ave  Maria  u.  s.  w. 

Cappeller,  Historia  montis  Pilati,  1767.  Lütolf,  Sagen  Nr.  511. 
Bei  Rochholz,  Aarg.  Sagen  I,  327  etwas  verändert  und  verkürzt. 
Lütolf  gibt  a.  a.  O.  S.  248  noch  einen  andern  Alpsegen,  der  im 
vorigen  Jahrhundert  durch  den  Jesuiten  P.  Dr.  Dillier  in  Obwalden 
eingeführt  und  seither  dort  allgemein  üblich  sein  soll,  aber  auf  dem 
obigen,  der  wol  schon  früher  in  den  Waldstätten  üblich  war,  zu 
beruhen  scheint.  Der  dreimal  wiederkehrende  Anruf:  «O  lobet  zu 
loben!»  scheint  eine  Umdeutung  des  alten:  «ho  Lobe!»  u.  s.  w. 
Heilige  werden  außer  Wendel  und  Martin  noch  angerufen :  «  St.  Blasi 
und  der  vielselige  Landesvater  Bruder  Nikiaus  wollen  uns  auf  dieser 
Alp  die  lieb  Herberig  halten. »     Es  folgt : 

Das  ist  das  Wort,  das  weiß  Gott  wo. 

Auf  dieser  Alp  geht  (steht  ?)  ein  goldner  Thron, 

Darin  wohnt  die  lieb  Mutter  Gottes  mit  ihrem  Sohn 

Und  ist  mit  vielen  Gnaden  übergössen, 

Hat  die  heiligste  Dreifaltigkeit  unter  ihrem  Herzen  verschlossen. 
Der  Schluß  scheint  wieder  aus  der  obigen  einfachem  Grundlage 
entnommen. 


Nr.  13   (91). 

N  a  c  h  t  w  ä  c  h  t  e  r  r  u  f  e. 
I. 
Jetzt  steh  ich  auf  der  Abendwacht: 
Gott  ueb  euch  allen  ein  frute  Nacht! 


*  Elogius,  Eligius,  besonders  Schutzpatron  der  Pferde,  s.  zu  Nr. 


200  ALLGEMEINE 


Der  Tag  vertreibt  die  finstre  Xacht; 

Ihr  lieben  Christen,  seid  munter  und  wacht! 

Lobet  Gott  den  Herren ! 


3- 
Losed,  was  ich  euch  will  sage : 
Die  Glogg  hat  zehn  Uhr  gschlage! 
Lösched  Für  und  Liecht, 
Daß  Gott  alU  Mensche  wol  bihüet! 


4- 
Stönd  uf  im  Name  Jesu  Christ! 
Der  helle  Tag  vorhanden  ist, 
Der  helle  Tag,  der  nie  verlag. 
Gott  geb  uns  allen  en  guete  Tag! 

r  und  2  aus  dem  Kt.  Thurgau,  3  aus  dem  Kt.  Zürich,  4  aus 
Thurgau  und  Zürich.  In  2,  2  statt  seid  munter  Var.  sorget.  In  4,  2 
statt  vorhanden  Var.  erstanden.  5  statt  der  nie  verlag  (d.  h.  zu  lange 
liegen  blieb,  ausblieb,  sich  verspätete)  Var.  den  Gott  vermag. 


5- 
Dieweil  die  Xacht  vorhanden  ist. 
So  bhüt  uns  Gott  zu  dieser  Frist 
Vor  Feur  und  anderem  Unfall; 
Vor  Krieg  und  Theurung  allzumal. 
Verzeih  uns  Gott  all  unsre  Sund. 
Die  wir  dies  Jahr  begangen  händ. 

Die  göttliche  Macht, 

Die  oh  uns  wacht  — 
Gott  oreb  uns  Allen  ein  o;uete  Nacht! 


VOLKSLIEDER  201 

6. 

Steht  auf  im  Namen  Jesu  Christ, 

Dieweil  der  Tag  vorhanden  ist. 

Er  kommt  daher  zu  schleichen, 

Er  kommt  aus  Gottes  Reichen; 

Er  streift  wohl  über  die  Berge  herein, 

Auf  daß  Gott  soll  gelobet  sein. 

Der  hochg'lobt  Tag, 

Der  nie  verlag  — 
Gott  geb  uns  Allen  ein  guten  Tag ! 

«Die  Schweiz»  1860,  S.  125.  127.  Aus  der  Stadt  Scluffhausen, 
wo  5  in  der  Weihnacht,  Sylvester-  und  Neujahrnacht,  6  am  Neu- 
jahrmorgen gesungen  wurde. 


/• 
Auf,  auf,  es  kommt  der  heilig  Tag, 
Der  sich  zu  keiner  Zeit  verlag! 
Er  kommt  daher  zu  schleichen 
Aus  Gottes  flimmelreichen. 
Er  kommt  daher  zu  wedeln - 
Auf  einer  güldnen  Federn. 
Er  kommt  daher  zu  fronen^ 
Unter  güldenen  Kronen. 
Er  kommt  daher  auf  einem  Thau^ 
Mit  Gott  und  unsrer  Lieben  Frau. 
Er  kommt  wohl  über  die  Mauern: 
Gott  hehüt  die  Herren  und  Bauern! 


^  hier  im  Sinn  von  «  wehen,  fliegen  »,  weil  der  junge  Tag  auch 
als  geflügelt  gedacht  wurde.  -  dem  Herrn  dienen?  oder:  herrschen? 
^  wahrscheinlich  mit  Beziehung  auf  die  den  Adventmessgesang  er- 
öff'nenden  Worte  der  h.  Schrift:  Rorate  coeli  etc.  (thauet  oder  träufelt 
Segen). 


202  ALLGEMEINE 

Er  kommt  daher  gegangen : 

Gott  tröst  alle  Kranken  und  Gefangnen! 

Er  kommt  den  Reichen  und  Armen, 

Gott  will  sich  Aller  erbarmen. 

Er  streicht  wohl  über  die  Berge  herein 

Und  singt  den  Völkern  insgemein : 

Auf,  auf,  es  kommt  der  heilig  Tag, 

Der  hochgelobt,  der  heilig  Tag! 

Taschenbuch  der  histor.  Gesellschaft  des  Kantons  Aargau  1881, 
S.  50.  In  Zurzach  vor  Weihnacht  und  Neujahr  gesungen.  Auch  in 
protestantischen  Ortschaften  des  Aargaus  wurden  früher  Weihnacht 
und  Neujahr  von  den  Nachtwächtern  «eingesungen»  (mit  einem 
besondern  Liede  angekündigt). 


8. 

1.  Hört,  ihr  Christen,  und  lasst  euch  sagen: 
Unsre  Glock  hat  Zehn  geschlagen! 
Zehn  Gebote  schärft  Gott  ein: 

Lasst  uns  ihm  gehorsam  sein ! 

2.  Unsre  Glock  hat  Elf  geschlagen: 
Elf  Apostel  blieben  treu; 

Gieb  daß  gar  kein  Abfall  sei ! 

3.  Unsre  Glock  hat  Zwölf  geschlagen: 
Zwölf  Uhr  ist  das  Ziel  der  Zeit; 
Mensch,  denk  an  die  Ewigkeit! 

4.  Unsre  Glock  hat  Eins  geschlagen : 
Denk,  o  Mensch,  an  deinen  Tod; 
Säume  nicht,  denn  Eins  ist  Noth ! 

5.  Unsre  Glock  hat  Zwei  geschlagen: 
Zwei  Weg  hat  der  Mensch  vor  sich; 
Herr,  den  rechten  lehre  mich ! 


VOLKSLIEDER  205 


6.  Unsre  Glock  hat  Drei  geschlagen : 
Dreifach  ist,  was  heilig  heißt: 
Gott  der  Vater,  Sohn  und  Geist. 

7.  Unsre  Glock  hat  Vier  geschlagen: 
Vierfach  ist  das  Ackerfeld ; 
Mensch,  \vie  ist  dein  Herz  bestellt? 


Stönd  uf  im  Name  Herr  Jesu  Christ, 
Das  alte  Jar  vergangen  ist ; 
lez  trete  wir  in's  nüe  Jar. 
Behüet  üs  Gott  vor  aller  Gfar, 
Vor  Für  und  Wasser  und  vor  Not, 
ßehüete  üs,  o  trüer  Gott! 
Vil  Glück  und  Segen  und  vil  Heil, 
Das  himlisch  Rieh  werd  üs  zue  Teil! 
D'  Glogge  hat  zwölfi  gschlage! 

Auf  dem    Hauptpliitz   von    Glarus   in   der   Sylvesternacht   nach 
12   Uhr  gesunken. 


10. 

1.  Gott  hat  uns  gsegnet  wunderbar 
In  diesem  abgewichnen  Jahr 
Mit  seiner  Gnad  und  Güte. 

2.  Es  hat  uns  auch  der  treue  Gott 
Behüt'  vor  großer  Hungersnoth 
Und  schweren  Unt|;e wittern. 


204.  ALLGEMEINE 

3.  Er  hat  zu  nichten  gmacht  dies  Jahr 
Die  Rathschläg  unsrer  Widerpart, 
Die  sie  gar  oft  hand  gmachet. 

4.  Die  Rathschläg  unsrer  Obrigkeit 
Hat  Gott  gesegnet  dieser  Zeit, 
Das  ganze  Jahr  vorüber. 

5.  Es  war  nicht  unsre  Grechtigkeit, 
Daß  Gott  uns  so  viel  Guts  erzeigt. 
Sondern  sein  Gnad  und  Güte. 

6.  Dafür  wir  ihm  sollen  dankbar  sein, 
Daß  er  uns  war  so  gnädig  g'sein 
hl  unserm  \'aterlande. 

7.  Jetzt  treten  wir  an  ein  neues  Jahr; 
Gott  wöU  uns  segnen  immerdar 

Mit  Gsundlieit  und  viel  Früchten. 

Z.  Gott  segne  geist-  und  weltHch  Stand 
Ze  Hülf  und  Trost  im  Vaterland 
Nach  seinem  Wohlgefallen. 

9.  Jetzt  wünsch  ich  euch  ein  gutes  Jahr, 
Erstlich  dem  Herrn  Pfarrer  zwar 
Und  allen  \'orgesetzten. 

10.  Hausvätern,  -müttern  allgemein, 
Wie  auch  dieser  ehrsamen  Gmein, 
Dazu  auch  dem  Schullehrer. 

11.  Söhn,  Töchter,  Knecht,  Mägd,  Weib  und  Kind, 
Auch  alle  die  in  Krankheit  sind, 

Wöll  Gott  in  Gnad  erhalten. 


VOLKSLIEDER  20> 

12.  Er  bhüte  auch  insonderheit 

Vor  Hunger  und  vor  theurer  Zeit 
Und  schweren  Ungewittern. 

13.  Gott  bhüt  das  Vieh  und  Haus  und  Heim, 
Die  Frucht  im  Feld  und  an  den  Bäum, 
Den  Weinstock  auch  desgleichen. 

14.  Gott  wolle  auch  bekrönen  wohl, 
Daß  Tenn  und  Trotten  werden  voll 
Von  Wein  und  von  Getreide. 

15.  Ich  wünsch  euch  Allen  viel  Glück  und  Heil, 
Daß  Gottes  Gnad  euch  werd  zu  Theil, 
Dazu  das  ewig  Leben. 

16.  Mein  Wunsch  mach  Gott  in  Gnaden  wahr; 
Er  gebe  noch  viel  gute  Jahr 

Durch  Jesum  Christum.     Amen! 

Obiges  Lied  sang  der  Nachtwächter  in  Oberglatt,  Kt.  Zürich^ 
in  der  Sylvesternacht  an  28  Stellen  des  Dorfes  (mit  Variationen  je 
nach  den  Zeitereignissen). 


Nr.  14  (92).    Rufe  beim  Scheibenwerfen  am  Fasnacht- 
feuer. 

I.  Schibe,  Schibe  über  e  Ri^! 
Wem  soll  denn  die  si-? 
Si  soll  N.  N.  si. 
Göt^  si,  so  gilt  si, 
Göt  si  nit,  so  gilt  si  nit. 
Schibe,  Schibe,  o,  leb  wol! 


^  über  den  Rhein.     *  gewidmet  sein.     '  geht,  fliegt. 


206  ALLGEMEINE 

2.  Schibe,  Schibe,  über  e  Grabe! 
Die  soll  die  Russen  us  Pole  jage. 
Schibe,  o,  adiö! 

3.  Schibe,  Schibe,  über  e  Rei  ab! 
D'  Chüechlipfanne  het  e  Bei  ab, 
Der  Ankehafe  de  Boden  us  — 
Und  iez  ist  die  alt  Fasnecht  us. 
Schibe,  o,  adiö  Schibe ! 

PfefEngen,  Baselland.  —  Die  Scheiben  werden  von  den  Knaben 
am  Fasnachtfeuer  angezündet  und  dann  in  die  Luft  geschleudert. 
Str.  3  wird  bei  der  letzten  Scheibe  gerufen.  Der  obige  Text  ist 
vollständiger  als  der  bei  Rochholz,  Alem.  Kinderlied  S.  190.  In 
Matt,  Kt.  Glarus,  lautet  der  Ruf: 

Schibe,  Schibe,  überribe, 

Die  soll  mi  und  N.  N.  blibe. 
Im  Prättigau,  Kt.  Graubünden: 

Flack  US,  flack  us, 

Über  alli  Spitz  und  Berg  us! 

Schmalz  in  d'r  Pfanne, 

Chorn  in  d'r  Wanne, 

Pflueg  in  d'r  Erde. 

Gott  alles  g'röte  löt 

Zwüschet  alle  Stege  und  Wege. 
Der  hohe  Flug  der  Scheibe  soll  also  hier  ein  gesegnetes  Jahr  vor- 
bedeuten; er  bedeutet  offenbar  den  Lauf  der  Sonne. 


Nr.  15  (93).     Bettlerhochzeit. 

WideH,  wädeli,  hinder  em  Städeli^ 

Häd  d'r  Bettelma^Hochsig. 

Es  giget  es  Chrebsli, 

Es  tanzet  es  Schneggli, 

Es  schlöd  es  NigeH-  Trumme^, 


^  Schuppen.     -  Igel.     ^  Trommel 


VOLKSLIEDER  207 

Und  alli  Tierli,  die  Federli  händ, 
Sind  zum  Hociisig  'komme. 

Kt.  Luzern.  —  Es  gibt  zu  diesem  Stück  allerlei  Varianten,  z.  B.- 
Es  giget  e  Has, 
Es  tanzet  e  Fuchs, 
Es  schlod  es  Müsli  Trumme  u.  a. 


Nr.  16  (94).     Wurstbettellied. 

1.  Düri,  düri  Bire^ 
Hinder  em  Ofe  füre-. 

's  Süli  liet  e  chrummis  Bei, 

Gebt  mer  e  Wurst,  so  chumm  i  hei, 

Nit  so  gar  e  chleini. 

Lieber  zwo  für  eini. 

Würstli  'raus,  Würstli  'raus ! 

Glück  und  Sege  in  das  Haus! 

2.  I  mueß  no  dur  e  tinstere  Wold, 

I  ba  kei  Tschope^  und  isch  so  cholt; 
I  mueß  no  über  Stock  und  Stei, 
I  chönt  au  gar  licht  brechen  es  Bei ; 
Es  liet  viel  Stei  und  Wurzle, 
I  chönt  guet  drüber  burzle. 
Würstli  'raus,  Würstli  'raus ! 
Glück  und  Segen  in  das  Haus! 

Waidenburg,  ßaselland.  —  Str.  2  scheint  Zusatz.  Aehnlich  in 
Ettingen,  nur  daß  dort  das  Schwein  Anlaß  zu  groben  Anspielungen 
auf  die  Juden  gibt;  und  ohne  diese  Zuthat,  auch  sonst  noch  etwas 
kürzer,  im  benaclibarten  Frickthal,  Kt.  Aargau. 


dürre  Birnen.     -  hinter  dem  Ofen  hervor.     ^  Jacke. 


208  ALLGEMEINE 


Reimsprüche. 


I. 

Wenn  i  emol  es  Fraueli  ha, 
So  weiß  i  was  i  mache : 
I  legge-n-em  e  Kummet  a 
Und  fare  mit  em  z'  Acher. 
Basel. 


Wenn  eine-n-es  steinigs  Acherli  het 
Und  au  e  mutze  ^  Pflueg, 
Derzue-n-es  rüdigs  Fraueli, 
So  het  er  z'  chratze  gnues[. 

Solothurn.  Luzern.  —  Die  Vergleichung  der  Frau  mit  einem 
Ackerfeld  ist  alt  und  weitverbreitet.  Die  Vergleichung  derselben  mit 
einem  Zugthier  und  die  sinnbildlich  scherzhafte  Einspannung  derselben 
findet  einen  Reflex  in  alten  Fasnachtbräuchen,  nur  daß  dort  die  ledigen 
Mädchen  an  den  Pflug  (in's  Joch  der  Ehe)  gespannt  wurden.  — 
Vgl.  Mannhardt,  Baumkultus  S.  553 — 565.     Zeitschr.  f.  Völkerpsych. 

XIV,  s.  85  «■. 


3- 

Wenn  ein  mit  Chatze  z'  Acher  will, 
So  spann  er  d'  Mus  vorus; 
Dann  macht  es  eister^  rumpedibum 
Und  d'  Chatz  die  geit  vorus. 

Solothurn.  Basel.  —  2  und  3  finden  sich  bei  Mittler  (aus  dem 
Wunderhorn  III,  216)  als  Bestandtheile  eines  Liedes.  Vgl.  noch 
Birlinger,  Alemannia  VIII,  59. 


stumpf.     '^  immerfort. 


VOLKSLIEDER  2O9 


4- 

Mi  Herzli  ist  zue, 
Es  cha's  niemert  uftue; 
En  einzige  Bueb 
Het  de  Schlösse!  dezue. 
Appenzell. 


Wo  bin  i  d'r  lieb? 

Im  Herzeli  dinne, 

Es  Rigeli  dra, 

'aß  es  nümme-n-use  cha. 

Rochholz,  Kinderlied  Nr.  225. 


6. 

E  Herzli  und  e  Rigeli  dra, 
Da'  d'  Liebi  nümme-n-use  cha. 

Schaffhausen.  —  In  «Des  Minnesangs  Frühling«: 

Du  bist  min,  ich  bin  din, 

De^  solt  du  gewis  sin. 

Du  bist  beslozzen 

hl  minem  herzen; 

Verlorn  ist  das  slüzzelin : 

Du  muost  immer  drinne  sin. 

Bairisch,  XII.  Jahrh. 
Anders   gewendet    ist    das   Bild   in   dem   Liede  Nr.  306    bei  Mittler, 
Str.  6.  7,  wo  der  Verschluß  den  Ausfchluß   eines   frühern   Geliebten 
durch  einen  andern  bedeutet. 


14 


2 1 0  ALLGEMEINE 

7- 
I  han  e  schöns  Schätzeli, 
Wenn's  mer  nu  blibt; 
I  stell  es  i's  Gärtli, 
'aß  's  d'  Spatze  vertriht! 


8. 

Mi  Mueter  hed  gseid, 
I  soll  's  Chindli  wiege; 
Do  han  i  verstände, 
I  soll  d'  Buebe  liebe. 


9- 
Mit  Freude  si  mer  zsäme  cho, 
Mit  Freude  tue  mer  scheide; 
I  will  si  gern  im^  Herrgott  lo, 
Si  wird  em  wol  verleide ! 


IG. 

's  ist  all^  eso  'gange, 
's  wird  no-n-eso  go: 
D'  Meitschi  hend  d'  Buebe 
Zum  Lädli'^  i  glö. 


dem.     -  immer.     ^  Fensterladen 


VOLKSLIEDER  211 

II- 

Mine,  mine  ist  en  iine, 
Hinecht  ^vill  ich  en  ine  lö; 
Bis  um  nüne,  bis  um  zehne 
Soll  ihm  's  TürU  offe  stö. 

Aus  einem  Briefe  Dr.  Zellwegers  an  Bodmer  1754  als  Probe 
appenzellischer  Volkspoesie  im  Gegensatz  zu  den  platonisch-seraph- 
ischen Produkten  Klopstocks  und  des  jungen  Wieland.  Pestalozzi, 
von  J.  Zehnder-Stadlin  I,  568. 


12. 
Meitli,  i  will  d'r  en  Batze  ge, 
Wenn  d'  mi  last  es  Chüssli  ne. 
« Bisch  du  nid  e  närsches  Chind  ? 
Bhalt  din  Batze  und  chüß  mi  ijschwind !  » 


13- 
War  i  nit  e  schöns  Meitli, 
Wenn  's  Gsichtli  nit  war? 
Hätt  i  nit  e  schöns  Hälsli, 
Wenn  's  Chröpfli  nit  war? 
Handschriftlich  bei-J.  M.  Usteri. 


14- 
Wenn  i  scho  kein  Tistevogel^  bi, 
Bin  i  doch  kein  Spatz : 
Wenn  i  scho  keis  Bernermeitli  ha, 
Han  i  doch  en  Schatz. 


Zürich. 

^  Distelfink. 


212  ALLGEMEINE 

15- 

Wenn  ig  es  Burechätzli  war, 
So  wett  i  lere  muse; 
Am  Abe  spat  i  d's  Gädeli^  ga. 
Am  Morge  wider  use. 
Bern. 


i6. 

Min  Schatz  ist  kein  Zucker, 
Wie  bin  i  so  fro! 
Sunst  hett  i  ne  g'esse, 
lez  han  i  ne  no. 


Zürich. 


17- 
Apfelschnitz  und  Bireschnitz-, 
Si  wachsen  a  de  Bäume; 
's  got  Mänge  zu  me  Meitschi  z'  Chilt, 
's  war  besser,  er  blib  deheime. 

Apfelschnitz  und  Bireschnitz 
Und  gäli^  Rüebli  drunder; 
Wenn  mi  Mueter  e  Jumpfere-n-isch, 
So  nimt's  mi  's  Tüfels  Wunder. 
Solothurn. 


i8. 
Bramberistüdeli^, 
Bramberibluest  — 
Ha  einist  e  Schatz  gha, 
lez  han  i  e  Wuest^! 


^  Schlafkämmerchen.     -'  Schniti,    zerschnittenes  Kernobst   zurr» 
Kochen  oder  Dörren.     ^  gelbe.     ^  Brombeerstäudchen.     '"  Scheusal- 


VOLKSLIEDER  21 

19- 

Hinder  em  Hus  und  vor  em  Hus 
Wachst  e  junge  Nusshaum  uf; 
Und  wenn  der  Nussbaum  Beeri  treid, 
So  träo;  i  für  mi  Schwio;eri  leid. 


20. 

Uf  den  Alpen  ist  kei  Polizei, 
Dort  lebt  men  ohni  Sorge; 
Wenn  eine  zu  sim  Meitschi  göt. 
So  blibt  er  bis  am  Moriie. 


21. 

Siden  aß^  i  gwibet  ha, 

Mag  i  nümme  lache ; 

's  Wiegeli  voll  und  's  Betteli  voll 

Vo  luter  chline  Sache. 


Mi  Schatz  ist  e  Schriner, 
E  Schriller  mueß  's  si ; 
Er  macht  mer  e  Wiegli 
Und  's  Ditti  srad  dri. 


Meiteli,  wenn  d'  gstorbe  bist, 
Chunst  i's  Paradis, 
Wo  d'  Engeli  Packe-  händ 
Wie  Fledermüs. 


Eine  Variante  zu  Nr.  19  s.  Alem.  X,  148.    '  seitdem  daß.  -  Fittige 


214  ALLGEMEINE 

24. 

«  Rüdigs  Buremeiteli : 

Wie  viel  Eier  um  e  Batze  ? » 

«  Gnädigi  Frau  us  der  Stadt : 

—  Schlecked  mi  ab,  so  wird  i  glatt 

Drü  Eier  um  e  Batze. » 


Bern. 


25- 
Und  gang  i  wit  use, 
So  han  i  wit  hei, 
Und  gang  i  dur  d'  Gasse, 
So  stüpfe^  mi  d'  Stei, 
Und  gang  i  dur  d'  Matte, 
So  netzt  mi  der  Tau : 
Und  blib  i  deheime, 
So  krieg  i  kei  Frau. 


26. 

's  isch  no  nit  lang,  daß  's  gregnet  het. 
Die  Läubli  tröpfle  no; 
I  han  emal  e  Schätzeli  gha, 
I  wett^,  i  hätti's  no! 
Bern.   —   Auch   in    einem   thüringisclien   und  einem  hessischen 
Liede:  s.  Einl.  S.  CXLVH. 


Es  Ringli  am  Finger, 
Es  Löchli  derdur: 
Mi  herzige  Schätzel 
Hed  falsche  Natur. 

stolicn.     -  wollte. 


VOLKSLIEDER  21 


28. 

Der  lieb  Gott  im  Himmel 
Und  's  Schätzli  am  Arm : 
Der  lieb  Gott  macht  selig 
Und  's  Schätzli  s;it  warm. 


29. 

Mueter,  i  cha  nid  reitet 
De  Finder  tued  mer  we: 
De  Giger  spannet  d'  Saite, 
Tanze  möcht  i  e. 


30. 

Wie^  höcher  uf  em  Bergli, 
Wie  chüeler  de  Wind: 
Wie  nächer  bim  Schätzli, 
Wie  chliner  die  Sund. 


31. 

Schön  Rosen  im  Garte, 
Meirisli^  im  Wald, 
Chund  der  Gugger  cho  rüefe, 
So  ghöre  si's  bald. 


1  den  Bast  von  den  Hanfstengeln  ziehen.  -'  iwV  —  wie,  je  —  desto. 
Convallaria  majalis. 


2l6  ALLGEMEINE 


32. 

D'  Chlosterfrau  im  Schneggehüsli, 
Si  meint,  si  sei  verborge; 
Do  chunt  der  Pater  Guardian^ 
Und  seid  ere  guete  Morge. 


33- 

De  Pfarer  hed  gseid, 

Das  Tanze  sei  Sund: 

lez  tanzet  er  selber 

Mit  's  Ciiupferschmids  Chind. 


34- 

D'  Geiße  mache  Bohne, 
D'  Schnider  lesed  s'  uf, 
Si  dered  s'  a  der  Sunne 
Und  mache  Kafi  drus. 


35- 

Chämifeger  mit  dem  Stumpe^ 
Macht  die  alte  Wiber  z'  gumpe^. 


36. 

Han  öftersmal  tenglet, 
Han  öftersmal  gmäht, 
Han  öftersmal  d'  Schätzli 
Bim  Tanzen  umdrelit. 


^  bezieht  sich  auf  die  Schneckenzucht  der  Kapuziner.  -  Stunip- 
besen.  ^  scheint  sich  auf  Hexen  zu  beziehen,  die  aus  dem  Schorn- 
stein fahren. 


VOLKSLIEDER  217 


Da 


Zürich. 


Luzern. 


Was  nützt  mi  das  Tengle, 
Wenn  d'  Sägese^  nüd  haut? 
Was  nützt  mi  das  Liebe, 
Wenn's  d'  Schätzli  nüd  freut: 


I  ha  na  nie  tenglet 
Und  ha  na  nie  gwetzt 
Und  bi  na  nie  glege 
Bim  Schätzli  im  Bett. 

Was  hilft  mi  das  Tengle, 
Wenn  d'  Sichle  nüd  haut? 
Was  hilft  mi  das  Liebe, 
Wenn  's  Schätzli  nüd  glaubt! 


y  1  ■ 
I  han  ekeis  Büeli 
Und  weiß  mer  ekeis : 
lez  nim  i  en  Gertel"'' 
Und  crnäcTiiele^-n-eis. 


38. 

Scliabab  ist  mer  gwachse 
De  Garte  voll; 
I  han  en  nüd  pflanzet, 
Er  will  mer  sust  wol*. 

^  Sense.    -  Hagmesser     ^  schnitzeln.    ■*  er  ist  mir  ohnedies  (von 
selbst)  hold. 


2l8 


.ALLGEMEINE  VOLKSLIEDER 


Zürich. 


39- 

Wenn  eine  hüratet  und  fehlt. 
So  ist  er  gstrieglet  und  gstrält^; 
Wenn  eine  zweu  Schätzli  will  ha, 
So  mues  er  mit  Lügen  umga. 


40. 

Was  will  uf  euser  Erde 
E  Jede,  Jede  werde 
Und  doch  ekeine  si? 
Rot  mer  a  und  rot  mer  i^ ! 


'  hart  gestraft.     ^  hilf  mir  dies  Räthsel  lösen. 


NACHTRÄGE. 


NACHTRÄGE. 


Zu  S.  VIII.  Die  historischen  Lieder,  für  welche  Herr 
V.  Liliencron  die  Sammlung  des  Herrn  v.  Mulinen  in  Bern 
als  Quelle  citirt,  sind  alle  auch  in  einem  handschriftlichen 
Sammelband  enthalten,  welcher  sich  gegenwärtig  im  Besitz 
des  Herrn  Bibliothekar  Schiffmann  in  Luzern  befindet.  Also 
muß  dieser  Band  wol  (wenigstens  was  zunächst  jene  Lieder 
betrifft)  eine  Abschrift  der  Mülinen'schen  Sammlung  oder 
mit  dieser  eine  Abschrift  eines  verlorenen  Originals  oder  die 
Mülinen'sche  Sammlung  selbst  sein,  welche  Herr  v.  Lilien- 
cron noch  (wie  auch  Uhland)  in  Bern  benutzte  und  welche 
dann  nicht  nach  Berlin,  sondern  auf  einem  uns  unbekannten 
Wege  nach  Luzern  kam.  Hienach  wäre  also  die  aus  Weller 
(Vorwort  zum  IL  Bande  der  Annalen)  geschöpfte  Angabe 
betreffend  das  Schicksal  der  Mülinen'schen  Sammlung  zu 
berichtigen.  Daß  dieselbe  mit  dem  Luzerner  Band  identisch 
sei,  scheint  auch  daraus  hervorzugehen,  daß  das  von  Uh- 
land S.  807  aus  der  Mülinen'schen  Sammlung  mitgetheilte 
St. Michaelslied  und  eine  ganz  spezielle  Angabe  betreffend 
die  Ueberlieferung  desfelben  (Sehr.  IV,  316,  vgl.  Nachtrag  zu 
S.  C)  gleichlautend  in  dem  Luzerner  Band  sich  finden;  ebenso 
noch  andere  Lieder  und  einzelne  Notizen.  Uebrigens  hält 
v.  Liliencron  die  Mülinen'sche  Sammlung  für  eine  Abschrift 
alter  Drucke. 

Der  Jvuzerner  Band  enthält  69  Stücke,  historische  und 
allgemeine  Lieder,  zum  größern  Theil  wol  schon  aus  andern 


222  NACHTRAGE 

Sammlungen  bekannt  und  gedruckt.  Darunter  mehrere  Lieder 
von  B.  Gletting ;  ein  Lied  von  Gwer  Ritter  «  Zu  Lob  der  Stat 
Zürich  »  (Anfang :  <f  O  milter  Gott  in  dinem  thron  ») ;  ein 
«  Loblied  von  den  stetten  Zürich  und  Bern  »  (als  reformirten) 
von  einem  Berner  (Anfang :  «  Zürich,  ich  thun  dich  loben  »). 
<(  Ein  Loblied  der  alten  Stadt  Solothurn  »  von  G(wer)  R(itter) 
(Anfang :  «  Einsmals  wollt  ich  spazieren »). 

Zu  S.  XXIV.  Für  einen  Halbsuter  (vielleicht  den  Jüngern, 
Hans  H,  von  Roth,  um  die  Mitte  des  XV.  Jahrhunderts)  als 
Verfasser  des  (überarbeiteten)  Gesammtliedes  spricht  der  von 
Th.  v.  Liebenau  (Monatsrosen  1871,  S.  191  ff.)  aus  Urkunden 
erbrachte  Nachweis,  daß  <j  ab  der  Schlacht  kon »  bedeutete : 
von  der  Gedenkfeier  der  Schlacht  kommen;  von  der 
Theilnahme  an  der  Schlacht  selbst  wurde  wol  schon 
damals  zw/  oder  z/s  gebraucht.  Es  wäre  wol  möglich,  daß 
die  That  Winkelrieds,  nachdem  sie  in  der  ersten  Zeit  nach 
der  Schlacht  wenig  bekannt  geworden  war,  nachher  an's 
Licht  gezogen  und  etwa  bei  einer  Gedächnissfeier  der 
Schlacht  einem  bereits  vorhandenen  Liede  zugesetzt  wurde. 
Sonst  freilich  sind  Gedächtniss feiern  eines  Ereignisses 
nicht  der  Moment,  wo  historische  Volkslieder  entstanden, 
imd  auf  keinen  Fall  könnte  das  ganze  Lied  erst  bei  solchem 
Anlaß  entstanden  sein:  die  letzte  Strophe  ist  also  jedenfalls 
in  ihrem  Wortlaut  nicht  ganz  wahr.  —  Daß  Halbsuter  sein 
Sempacherlied  sang,  als  er  verwundet  von  der  Schlacht  bei 
Grandson  heimkehrte,  wie  Th.  v.  Liebenau  neuestens  (Das 
alte  Luzern  S.  266)  angibt,  ist  doppelt  unwahrscheinlich  und 
steht  mit  der  frühern  Ansicht  desfelben  Gelehrten  (s.  oben) 
in  Widerspruch.  —  Nach  dem  Zeugniß  des  Baslers  Heinrich 
Pantaleon  war  das  Lied  noch  1568  allgemein  beliebt.  (Das 
alte  Luzern  S.  91.) 

Zu  S.  XXXVII.     Der  Spruch  « Der  alte   und   der  neue 
Eidgenoß  »  ist  nach  Baechtolds  eigener  Berichtigung  (in  der 
Zeitschrift  f.  d.  Alt.  Bd.  XXVI,  S.  104)    nicht   von   Rudol 
Manuel,  sondern  von  dessen  Vater  Niki  aus  selbst. 


NACHTRÄGE  223 

Zu  S.  XLII,  c.  Utz  Ecksteins  Lied  auf  die  Disputation 
zu  Baden  ist  vollständig,  mit  Varianten  und  Erklärungen, 
abgedruckt  im  Jahrbuch  f.  schw.  Gesch.  Bd.  VII,  S.  184  ff., 
ebendaselbst  S.  212  ff.  Ecksteins  Lied  auf  Th.  Murners  Ka- 
lender. —  Ueber  die  Geschichte  von  dem  Esel  zu  Baden 
vgl.  noch  Rochholz,  Schweizer  Sagen  aus  dem  Aargau,  Bd.  II, 
S.  272  —  274. 

Zu  S.  LXIV.  Ein  Lied  oder  Gespräch  zwischen  einem 
abgedankten  Soldaten  und  einem  Bauer,  vom  jetzigen  Frieden, 
gedruckt  St.  Gallen  1698  bei  Jak.  Müller,  enthält  das  Frutiger 
Liederbuch,     s.  Nachtrag  zu  S.  LXXVII. 

Zu  S.  LXVII  und  S.  XVI.  Das  neue  Tellenlied:  «Wil- 
helm, wo  bist  du,  Teile!  »  wurde  noch  1798  in  Luzern  gegen 
die  Helvetik  gesungen,    v.  Liebenau,  Das  alte  Luzern  S.  125. 

Zu  S.  LXIX,  h.  Auch  bei  R.  Wyß,  Kulireihen  und  Volks- 
lieder S.  72. 

Zu  S.  LXX.  Verfasser  des  Liedes  vom  Zug  der  Zürcher 
nach  Stein  soll  nach  Lokaltradition  ein  Zoller  Vetter  sein. 
(Mittheilung  von  Prof.  Vetter.) 

Zu  S.  LXXII,  d.  Von  einem  Lied  auf  das  Gefecht  bei 
Dettingen,  17.  August  1799,  wo  zürcherische  Scharfschützen 
den  Uebergang  der  Oestreicher  über  die  Aare  verhinderten, 
ist  mir  die  erste  Strophe,  mitgetheilt  worden,   welche  lautet: 

Es  bedrohten  unsre  Fluren 

Die  Kroaten  und  Panduren, 

Grimme  Feinde  ohne  Zahl. 

Doch  ein  Häuflein  Zürcher  Schüt;^en 

Thut  der  Aare  Ufer  stützen, 

Hält  dem  Feinde  Widerstand, 

Schützt  und  schirmt  das  Vaterland. 

Aus  derselben  Quelle  (Kantonsrath  Müller  in  Wülflingen, 
Kt.  Zürich)  habe  ich  noch  Bruchstücke  von  zwei  Liedern 
empfangen,  welche  sich  auf  den  Bockenkrieg  (1804)  be- 
ziehen.    Das  eine  rühmt  die  Bemühungen  eines  Sulzer  von 


224  NACHTRÄGE 

Winterthur,  die  Hinrichtung  der  Führer  jenes  Aufstandes 
abzuwenden,  wofür  er  selbst  im  Gefängniß  büßen  musste. 
Das  andere  betrifft  einen  Zug  der  Stadt-Züicher  nach  Fehr- 
altdorf,  um  die  dortigen  Anhänger  der  f(  Freiheit  und  Gleich- 
heit» niederzuschlagen.  Beide  vertreten  die  Partei  des  Land- 
volkes gegen  die  städtische  Regierung,  sind  aber  (schon 
nach  Versmaß  und  Sprache)  nicht  recht  volksthümlich; 
immerhin  müssen  sie  sich  in  gewissen  Kreisen  ziemUch  lange 
erhalten  haben. 

Zu  S.  LXXVI  vgl.  S.  VI.  Hans  Halbsuter  war  nach 
Th.  V.  Liebenau  (Das  alte  Luzern  S.  91.  266)  von  Haus  aus 
ein  einfacher  Schreiner,  in  den  Tagen  seines  Glückes 
Schützenmeister  und  Stubenmeister  der  Zunft  zum  Affen- 
wagen; später  lebte  er  verarmt,  als  Gerichtsweibel,  von 
Staatsunterstützung.  —  Der  Liedersänger  Hans  Birker  wurde 
später  Schultheiß  (a.  a.  O.  S.  32). 

Zu  S.  LXXVIL  Prof.  Vetter  hat  seither  noch  ein  anderes 
gedrucktes  Liederbuch  aus  dem  XVII.  Jahrhundert  entdeckt, 
welches  sich  im  Besitz  des  Notars  Allenbach  in  Frutigen 
(Berner  Oberland)  befindet  und  auf  zusammengehefteten 
Blättern  deutsche  und  schweizerische,  bekannte  und  unbe- 
kannte Lieder  von  verschiedenem  Inhalt  und  Werth  enthält ; 
einige  derselben  werden  an  andern  Stellen  dieser  Nachträge 
angeführt. 

Zu  S.  LXXX.  Gegen  Ende  des  XVI.  Jahrhunderts  wollte 
der  Abt  von  St.  Gallen  die  ihm  unterthanen  evangelischen 
Toggenburger  verhindern,  Psalmen  zu  singen,  und  fand  dabei 
Unterstützung  bei  den  katholischen  Kantonen.  Der  Land- 
ammann Reding  von  Schwyz  ermahnte  die  Toggenburger, 
sie  sollten  statt  der  Psalmen  « das  Gretli  »  singen.  —  Möri- 
kofer,  J.  J.  Breitinger  S.  66.  «  Das  Gretli  d  scheint  der  Name 
eines  weltlichen  Volksliedes  gewesen  zu  sein. 

Zu  S.  I^XXXII.  Interessante,  auch  für  die  Schweiz  zum 
Theil  zutreffende,  Angaben  über  das  Schwinden  und  Finden 


NACHTRÄGE  225 

von  Volksliedern  in  Dänemark  macht  Liebrecht  in  der  Ger- 
mania Bd.  XXVII,  S.  231. 

Zu  S.  XCII.  Angaben  über  Dreikönigsumzüge  und  -lieder 
in  den  Kantonen  Luzern  und  Unterwaiden  s.  Geschichtsfreund 
Bd.  XVII,  126 — 127.  133.  Ein  Umzug  fand  auch  in  Saviese 
bei  Sitten  (Kt.  Wallis)  statt.  Alpenrosen  1867,  S.  344.  Ein 
schönes  Weihnachtslied,  zugleich  für  Neujahr  und  Dreikönigs- 
tag, in  Rheinfelden  (Kt.  Aargau)  gesungen,  ursprünglich  mit 
Beziehung  auf  den  h.  Sebastian  als  Nothhelfer  in  der  Pest- 
zeit des  XIV.  Jahrhunderts,  gibt  Rochholz,  Sagen  aus  dem 
Aargau  Bd.  II,  S.  386. 

Zu  S.  XCIV  ist  zu  berichtigen,  daß  die  von  Schild 
mitgetheilten  Allerheiligenlieder  sich  nicht  auf  den  Festtag 
Allerheiligen,  sondern  auf  einen  gleichnamigen  Wallfahrts- 
ort bei  Solothurn  beziehen,  also  auf  S.  XCVI  anzuführen 
waren. 

Zu  S.  XCIX,  Anm.  Das  erste  der  dort  citirten  Lieder 
vom  Vogelsang  ist  gedruckt  bei  W.  Wackernagel ,  Voces 
anim.,  2.  Ausg.,  S.  106.  Beide  finden  sich  auch  gedruckt 
auf  der  Stadtbibliothek  in  Solothurn. 

Zu  S.  C  ist  zu  berichtigen,  daß  Btechtold  an  der  ange- 
führten Stelle  selbst  schon  das  ursprüngliche  Michaelslied 
von  dem  bei  Uhland  gedruckten  unterscheidet,  nur  ohne 
den  von  Uhland  bemerkten  Unterschied  ausdrücklich  anzu- 
führen. 

Zu  S.  CI.  Parodien  von  Gebeten  finden  sich  in  Bsechtolds 
Ausgabe  der  Schriften  von  Hans  Salat  S.  13 — 14;  auch  im 
St.  Galler  cod.  Vad.  124. 

Zu  S.  CIV — GVL  Von  den  dort  angeführten  Liedern 
sind  «  unzweifelhaft  schweizerisch »  im  Sinn  von  schweizer- 
ischen Originaldichtungen  wol  nur  die  drei:  «Es  het  e  Bur 
es  Töchterli  )),  «Im  Aargäu  sind  zweu  Liebi »  und  «Weiß 
mir  e  Herr,  het  siebe  Süh » ;  die  übrigen  nur  spezifisch 
schweizerische  Versionen  weiter  verbreiteter  Lieder. 

15 


226  NACHTRÄGE 

Zu  S.  CXIV.  Das  Simmenthaler  Lied  von  Amerika 
beginnt :  «  Get  Acht,  ich  will  ech  öppis  zelle.  » 

Zu  S.  CXVIII — CXIX.  Das  Frutiger  Liederbuch  (siehe 
Nachtrag  zu  S.  LXXVII)  enthält  einige  Stücke  dieser  Art : 
Ein  Lied  von  einem  Wirth,  der  einen  Meineid  gethan.  Im 
Ton  wie  das  Willisauer  Lied.  Gedruckt  Schaff  hausen  1698. 
—  Ein  Lied  von  verschiedenen  Himmelszeichen.  Im  Ton 
wie  man  den  Wilhelm  Teil  singt.  Gedruckt  161 9  (4  Jahre 
vor  dem  ersten  Druck  des  Muheim'schen  Liedes).  —  Lied 
auf  Margarete  KUnin  von  Langnau  und  ihre  Prophezeiungen. 
In  der  Melodie  wie  man  das  Oberhasli-Lied  singt. 

Zu  S.  CXXII.  Das  Lied  0  Schönstes  Kind,  zu  deinen 
Füßen  »  weist  Birlinger,  Alemannia  Bd.  X,  Heft  2  in  Würtem- 
berg  nach.  (Aus  dem  Nachlaß  v.  Arnims.)  Ebd.  S.  148  wird 
das  Lied :  c  Lässt  sich  schon  der  Frühling  sehen .»  als 
«  Schweizerlied »  angeführt.  Als  Parallele  zu  dem  Liede 
eines  Gefangenen  mag  hier  angeführt  werden,  daß  in  den 
Vierziger  Jahren  Dr.  Steiger  während  seiner  Gefangenschaft 
in  Luzern  das  einst  viel  gesungene  Lied  dichtete :  «  Ich  seh 
nicht  Mond  noch  Sonne. »  Das  Lied :  «■  Was  hab  ich  dir 
denn  Leides  gethan?»  ist  wesentlich  =  «Ach  Schatz,  was 
hab  ich  dir  Leides  gethan?»  (S.  CXX)  und  hätte  mit  diesem 
zusammengefasst  werden  sollen. 

Zu  S.  CXXIV  oben.  Birlinger,  Alemannia  Bd.  X,  S.  149 
gibt  (aus  dem  Nachlaß  A.  v.  Arnims)  das  Lied  ziemlich  genau 
entsprechend  (nur  mehr  hochdeutsch)  dem  von  B.  Wyß,  aber 
dazu  die  Strophe  von  den  zwei  Hasen  als  Schluß.  Strophe  4 
hat  auch  dort  nur  die  Zeilen  3  und  4,  während  R.  Wyß  auch 
I  und  2  gibt.  Das  Lied  bei  Stutz  beginnt:  «Im  Sommer 
sind  d'  Tage  lang.  » 

Zu  S.  CXXVm.  Ein  Lied:  «Eingebildeter  Hausrath 
ohne  würklichen  Vorrath »  (Anfang:  «Ich  komm  in  diese 
Bewohnung  gelaufen  »),  dazu :  «  Hans  Liederlich  und  seine 
Frau»  (Anfang:  «Ich  bin  wol  ein  armer  Tropf».  Refrain: 
«  O  Jerum !  »)  enthält  das  Frutiger  Liederbuch. 


NACHTRÄGE  227 

Zu  S.  CXXIX.  Das  Lied  vom  Pfenning  beginnt:  '(  Wend 
ir  scliAvigen  und  betagen.  » 

Zu  S.  CXXXIV  vgl.  noch  Gräters  Bragur  Bd.  V,  erste 
Abth.,  S.  175  ff.:  Ueber  die  Schweiz.  Volkslieder.  Es  sind 
dort  vier  Melodien  (ohne  Text)  von  Kuhreihen  aus  Bal- 
dingers  neuem  Magazin  für  Aerzte  (15.  Bd.,  4.  Stück)  mit- 
getheilt ;  dann  ist  auf  einen  Kuhreihen  bei  Cappeler,  Pilati 
montis  historia.    Basil.  1767   hingewiesen. 

Zu  S.  CXXXVII.  Eine  Reihe  von  Reimsprüchen  über 
alle  Stände  enthält  die  handschriftliche  Sammlung  des 
Idiotikons  unter  dem  Anfang:  «  Meitschi,  wenn  d'  hürate 
witt,  so  nim  kein  —  »,  worauf  je  ein  Vertreter  eines  Standes 
genannt  und  mit  einem  Spottvers  abgefertigt  wird. 

Zu  S.  CXLIII.  Gräters  Bragur  Bd.  VI,  zweite  Abth., 
S.  18 — 22  enthält  eine  kleine  Abhandlung  über  das  Bohnen- 
lied, wobei  auch  Schweizerisches  beigezogen  ist.  Eine 
Parallele  zu  der  Redensart :  « Ich  wollt  dir  nicht  das  Bohnen- 
lied singen  »  —  «  ich  gäbe  dir  nichts  darum  »,  ist  die  noch 
heute  in  Einsiedeln,  Kt.  Schwyz,  übliche :  0  1  wett  der  (dir) 
nüd  de  Peterma  singe  »,  welche  sich  auf  ein  historisches  Lied 
betreffend  die  Mordnacht  in  Zürich  1350  beziehen  soll,  wo 
«  Petermann  !  »  Losungswort  der  Verschworenen  war.  Siehe 
meinen  Aufsatz  über  di,e  Mordnächte  im  Zürcher  Taschen- 
buch  1883. 

Zu  S.  CXLVL  Im  Jahr  1708  censierte  der  Rath  von 
Lenzburg  (Kt.  Aargau)  den  Dichter  eines  «  Diltappenliedes  », 
welches  sich  auf  eine  am  i.  April  einfältigen  Leuten  gespielte 
Posse  bezogen  haben  wird. 

Zu  S.  23.  Das  Lied  von  Frischhans  Theiling  und  Hans 
VValdmann  sangen  Verwandte  Theilings  Nachts  vor  dem 
Hause  eines  Verwandten  Waldmanns,  Namens  Messerschmied. 
Da  sie  diesen  auch  herausforderten,  Waldmann  Schelm  und 
Bösewicht  nannten,  die  Thüre  und  den  Glockenring  des 
Hauses  verunreinigten  und  der  ganzen  Nachbarschaft  lästig 


228 


NACHTRAGE 


ZU  werden  anfiengen,  so  wurde  im  Jahr  1488  das  Absingen 
des  Liedes  auf  offener  Kanzel  verboten,  (v.  Liebenau,  Das 
alte  Luzern  S.  i8t.) 

Zu  S.  46.  Für  den  sagenhaften  Zug  von  der  Kuh  in 
der  belagerten  Stadt  s.  Rochholz,  Sagen  aus  dem  Aargau, 
Bd.  I,  S.  205,  mit  Parallelen  S.  209.  II,  367. 

Zu  S.  90,  Nr.  10.  Turtilla  ist  mundartliche  Entstellung 
von  Ottilia.  Mit  diesem  Namen  ist  das  Lied  in  Schwaben 
bekannt,    s.  Schwab.  Volkslieder,  Freiburg  i.  B.  1864,  S.  50. 

Zu  S.  98,  Nr.  15.    Vgl.  Schwab.  Volkslieder  S.  57. 

Zu  S.  147,   Anm.   zu  Nr.  50.     s.  Einl.  S.  CXXIV  oben. 


Register 
der  in  den  Texten  mitgetheilten  Lieder. 


a.  Historische. 

Seite 

Adie  mein  Schatz,  adie  mein  Schatz    ( Toggenburger  Krieg 

1712) 61 

Als  man  zalt   1653  jar  (Bauernkrieg)     .         .         .         .         .  51 

Auf  zu  Berg  und  auf  im  Thal  (Kampf  der  Urkantone  1798)  68 
Der  Rhigraf  und  der  Schwede  (Belagerung  von  Rheinfelden 

1633  — 1634) 43 

Der  süeße  sumer  frowet  mich  (c  Ewige  Richtung»   1474)  .  15 

Die  Liviner  sind  Rebellen  (Aufstand  der  Liviner  1755)        .  65 

Es  leb  das  Bernerbiet  (Fall  von  Bern  1798)         ...  67 

Es  Schwert  ein  pur  in  zoren  (Schwabenkrieg  1499)     •         •  -5 
Im  Winter    bi    dem    ehalte    Schnee    (Volksversammlung    in 

Balsthal  1850) 72 

In  disem  nüwen  jarc  (Alter  Zürichkrieg  1443)     ...  10 

In  einer  fronfasten  (Schlacht  bei  Näfels  1388)     ...  8 

Nun  wil  ich  aber  heben  an  (Eroberung  der  Waadt  1556)  .  39 

Saira-saira-sairassa  (^a  ira!   1798) 70 

Schnurre,  schnurre  n-um  und  um    (Beschießung  von  Zürich 

1802) 71 

Von  der  eidgnoscliaft  wil  ich  heben  an  (das  alte  Tellenlied, 

1477) 3 

Was  händ  die  Zuger  und  Urner  gethan?  (Zug  schweizer- 
ischer Söldner  nach  Morea  1688)  .....  56 
Was  wend  wir  aber  singen  (Das  neue  Tellenlied,  1655)  .  47 
Wend  ir  nu  hören  märi  (Bern  und  Freiburg  1243?)  .  .  5 
Wol  her,  ir  lieben  gsellen  (Schlacht  bei  Xovara  1513)  .  29 
Zu  singen  ich  anhebe  (Fall  von  Straßburg  1681)  .  .  54 
Zu  Zürich  hört  man  klagen   (Theiling  und  Waldmann  1487)  23 


2:;o 


Anhang  ^u  den  historischen  Liedern. 

Uf,  uf,  ihr  Fekelschäzere  (Zug  Jer  Zürcher  nach  Stein  1784) 

Uf,  uf,  ihr  Züribieter  all  («  Zürichputsch  «   1839)  . 

Vier  Element  der  Eidgnoschaft      ...... 

Wach  uf,  mins  harzen  schöni  (Reformation  in  Bern) 


Seite 

184 
188 
185 
179 


l^.  Allgemeine. 

Ach  Gott,  wem  soll  ich(s)  klagen? 

Ach  Mueter,  liebe  Mueter 

Ach  Schatz,  warum  so  traurig?    . 

Ach,  wie  ein  so  harte  Krippe 

AUi  Meiteli  händ  au  Manne  . 

Anneli,  stand  uf,  d'  Brutreiher  sind  do 

Anneli,  wo  bist  gester  gsi  ?  . 

Bueben,  mer  wend  wollforte  go  . 

Chan  i  nit  gar  ordeli  tänzele 

Danuser  war  ein  wundrige  Knab  . 

De  Ma  hed  große  Hunger  gha 

Der  Schlüssel  zum  Himmel   . 

Der  Schwanewirt  sprung  zum  Thor  hinaus 

Der  Tod  und  der  kam  über  de  Rhi 

Die  Buechiberger  Bure  .... 

Die  Fabrikante  z'  Dideldum  . 

Die  heiligen  drei  Könige  mit  ihrem  Stern 

Dies  ist  mein  ganzer  Lebenslauf  . 

Die  Vögel,  sie  singen  lieblich  schön     . 

Dort  obe  vor  der  himmlische  Thür 

Ei  du  mein  schöne  Margret,  hättest  du  mich 

Ein  Liedlein  will  ich  heben  an 

Es  chunt  en  junge  Murergsell 

Es  gönd  drei  Bueben  uf  Dammerselle  . 

Es  hat  ein  König  ein  Töchterlein 

Es  hatten  zwei  Weiber  mit  enandere  Streit 

Es  ist  gewiß  und  kein  Gedicht 

Es  kam  der  Tod  wol  über  den  Rhein 

Es  kämen  zwei  Böteli  von  Willisau 

Es  ritt  ein  Reuter  den  Berg  hinauf 

Es  sind  drei  arm  Seele  vor  's  Himmels  Thür 


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122 

95 


2qi 


Es  tuot  das  Anneli  früo  ufsto 

Es  war  ein  heilige  Turtilla  geboren 

Es  war  ein  Sterbet  wol  über  eni  Rhi 

Frisch  auf  und  lustig  dran 

Frisch  auf  wol  in  das  Feld    . 

Guggu,  wo  bist  über  Winter  gsi? 

Heida!  die  liebe  Maiezit 

Helle  Sonnen,  helle  Strahlen 

Herzhüseli,  wie  bist  nur  volle  Freud 

Hilf  mir,   Gott,  jetzt  muß  ich  scheiden 

Ich  armes  Häsli  im  wite  Feld 

Ich  bin  ein  Flöhlein  arm  und  klein 

Ich  lag  in  einer  Nacht  und  schlief 

I  loß  si  grüeße  dur  e  höchi  Tanne 

Ich  will  singen,  ich  weiß  wohl  was 

I  ha  mim  Schatz  en  Maie  gmacht 

I  han  es  Hämpfeli  Haber  gstreut 

Im  Sommer  sind  d'  Tage  lang 

In  de  Bergele  thuet's  schneie 

Inmitten  der  Nacht 

Kommet,  ihr  Fürsten  und  Heiden 

Lazarus  und  seine  Schwestern 

Man  geiget  der  Braut  zur  Kirchenthür  hine 

Mareili,  liebs  Mareili  mi 

Marianneli,  bist  dinne  ?  chum  due  mer  uf! 

Meine  Mutter  hat  gesagt,  ich  soll  e  Reiche 

Mis  Büöli  geid  über  Sapimer  Stäg 

Morgens  wenn  die  Vögeli  singe   . 

Nun  mein  Leichnam  geht  zum  Grabe 

O  Mensch,  steh  ab  von  deiner  Sund 

O  Tannebaum,  o  Tannebaum 

Regine  gieng  in  Garte 

Reich  und  Arm  soll  fröhlich  sein 

Rot  sind  alli  mini  Chleideli  . 

Roni  Sattel  hat  gewibet 

Schönster  Obedstern 

Seht  an  die  zwei  Herzen 

's  spaziere  drei  Soldaten 

Straßburg,  Straßburg  muß  ich  lassen 


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104 
135 

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III 


2^2 


's  will  eine  Jungfrau  reise     . 

Und  daß  der  Wald  so  finster  ist  . 

Und  jetz  fängt  das  Früejahr  an     . 

Und  wenn  die  finstre  Nacht  thut  kommen 

Vo  Luzern  uf  Weggis  zue     . 

Was  hei  die  Chnabe  vo  Chappel  gmacht? 

Was  wei  wir  wetten  von  eben  an? 

Wenn  die  Bure  z'  Acher  fahren    . 

Wie  mache's  denn  die  Becke? 

Wie-n-i  a'g'fange  ha  huse     . 

Wo  kommt  denn  au  der  Ehstand  her? 


Seite 

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149 

147 
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126 
172 
158 
160 
152 
154 


Inhalt. 


Seite 

Vorwort. 
Einleitung. 

Historische  Volkslieder. 

Begriff  und  Q.uellen  derselben;    Grundsätze  der 

Auswahl  und  Behandlung 
Chronologisches  Verzeichniß 
AU  gemeine   Volkslieder. 
Einleitung: 

I.   Alter  und  Verbreitung    . 
II.   Sprachform      ..... 

III.  Metrische  Formen  .... 

IV.  QjLiellen  und  bisherige  Sammlungen 
V.  Auswaiil,    Behandlung   und   Anordnun 

der  Texte     ..... 
Uebersicht : 

I.  Geistliche  Lieder. 

A.  Epische      ..... 

B.  Lyrische     .  •      . 
II.  Weltliche  Lieder. 

A.  Epische      ..... 

B.  Lyrische. 

1.  Liebe  und  Kiltgang 

2.  Hausrath  und  Hochzeit 

3.  Stände   .... 

4.  Sitte  und  Geselligkeit;  Jahres- 

zeitleste:  Thierleben      .         .       cxxxvii— cxLiv 

Anhang cxlv— cxlvii 

Verzeichniß   i cxlviii-cl 

Verzeichniß  2 cli 


III — XI 
XII — LXXIV 


LXXV  — LXXXII 

LXXXII — IV 

LXXXIV — V 

.      LXXXV — VIII 

0  Lxxxvm— IX 


XCI — XCVIII 

xcviii — ci 

CI — CXIX 

.  CXIX  — CXXVII 

CXXVII — CXXIX 

CXXIX — CXXXVII 


234 


Texte. 

/.  Historische   Volkslieder 
IL  Allgemeine   Volkslieder. 
Geistliche 
Weltliche. 

A.  Episches  , 

B.  L3Tisches 
Anhang. 

Zu  den  historischen  Liedern 
Zu  den  allgemeinen  Liedern. 

Gebete 

Alpsegen 

Nachtwächterrufe 

Reimsprüche 
Nachträge     . 

Register  zu  den  Texten 
Inhalt 
Berichtigungen    . 


Seite 


74-101 

102—  129 
129-178 

179-189 

191  — 197 
197 — 199 
199—205 
208—218 
219 — 228 
229  —  252 
235—234 
235 


Berichtigungen. 


S.  LXix,  /;  lies:  Chnahe. 

S.  Lxxxiv  sollte  der  Titel  lauten :  Metrische  Formen. 

S.  cxxxvii  sollte  der  Titel  4  noch  enthalten:   Thierlehen. 

S.  129,  Str.  6  lies:    IVollfort. 

S.  145.  Nr.  47,  Str.  i  lies:  tiiet's,  Tälere. 

S.  152,  Nr.  )7,  Str.  i  lies:  a'g' fange. 

S.  157,  unten,  soll  das  Citat  Sclnväh.  Volkslieder  erst  am  Schluß  der 

Anmerkung  stehen. 
S.  167 — 169.     Nr.  71  und  72  sollten  zusammengefasst  werden. 
S.  179.     Nr.  74  sollte  unter  den  epischen  Stücken  stehen. 


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