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Full text of "Selke-Eissler Family Collection 1906-1999"

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Die  Hönde 


Da  sassaa  sie  nun  alle  ia  ^.er  löndlichea  iyohnstub3  vor  dem 
KÄjninfeuer,   lausditen  halb-bewusst  auf  das  wilde  Toben  des  Sturms 
UQd  das  CSerSusch   dos  .rnQcüti^  hersbstürzeaden  Ra^^ens  und  fohlten  sich 
sicher  und  gebor-^jen.      Es    waren   inrer  fünf,    die   in  dein  alten  Fernjhaus 
auf  der   kleinen  Insel    boisaaiaen  vvaren.      Die    Besit'/er  von  Insel   und 
Haus,  Rudolf  Mnd  Sybille  K. ,    hatten  auf  einer  ihrer  Soinnerreisen  diesen 
Schatz  r;:itten    in  dar  Penobscot   Bay  in  Ivjaine   entdeckt  und  sich  so  völlig 
ange70f^en,    ja  bezaubert   r^efunden,    d"  ss    sie  ohne  viel  Ueborlegen  den 
gefördt^rten  Preis   gezahlt   hatten.     Sie  Tischten  sich   mich  sofort   daran, 
die   durcii   das  Altar   verurs^:chten  Schaden   des  Hauses  euszubes^^ern* 
Sie    liessen   den  Brunnen  3r.veitern,    der   frisches  luellwasser  für  dßs 
^eus  lieferte  und  Hessen  si  di    ei  le  kleine  Turbine  schicken,    die  sie 
Tut  Slektri/itSt  versorgte,   -was  nicht   nur  stetiges  Licht  vors^rch, 
sondöi'n  dazu   noch  den  Luxus  eines  Gr8iCi:ophon3   ern^Öglichte.     Die   Insel 
selbst   reichte   etwa   eine  ivleile    in  allen  Hinunels  rieh  tu  ngen,      Sie  \7&r 
felsig,    clt  Nadel-  und  Birkenwald  be\vachsen  und    nit   grau -grünen  koss 
bedeckt.     Die  Ufer  fielen   steil  ab,   und  nur  an  eiaor  Seite  war  ein 
tiefer  Einschnitt    '.dt   stndigem  Boden  und  seichtere  i  \7as3er,    der  als 
geschützter  kleiner  Hefen   für  das  ..totorboot   diente.      Die   Besonderheit 
der  Landschaft    lag  darin,    dass    sie  gleichzeitig  einan  Gebirgscliarakter 


h'3tte,   und   in  Farben  und  Vegetation  Erinnerungen   an  Skandin-^-vien 


wie  an  das  Ivlitteliueer  .vadarief»     So  war  es  dieses  verbindlidie 
Wesen  der  Insel,   das  die  K's,    die   :us  Liitteleuropc   stanxnten, 
so   unwidarstahlidi   angezogen  hatte»     Sybille  kam  aus  Nord- 
deutscIilöÄd,  Rudolf  sus  dem  SÜdea,     Beide  hatten  Saropa   aus  po- 
litischen Orüiiden  verlassen,    hatten  einender  \7ahrend   der  Emigra- 
tion kenneagelernt   und   .geheiratet  und  waren  gemeinsam  in  des 
neue  L.^nd  eingewandert.     3ie  waren  tätige  Menschen,   beide  Aer7te, 
die   in  ihren  freien  Stunden  ihren  Neigungen  lebten  irlt   Bücliern, 
Llislk  und  Kunst  und  aiit   einigen  nahen     Freunden.     So  fanden 
sich   auch   in  den  Ferien  iirjuer  Freunde  bei     ihnen   ein,    die 
ihren  Geschaiack  teilten  und   sidi    ?erne  von  Sybilles   freundlicher 
Fürsorge  uiahegen   Hessen  und   das  stille,    friedliche  Ferien- 
leben der  Inselbewohner  teilten»     Das  Haus  bestellten  sie  selbst, 
der  Frovi  exit  wurde  von  dem  nSchsten  Ort  cn  der  etwa  fünfzelin 
^leilen  entfernten  Küste     daTi  Boot   geholt.     Äflanchusl  ^-^uch  fuhr 
man   zu    andern  etwas   OTÖsseren  Insel,    ouf  denen  kleine  Fisdier- 
d!5rfer  w^-ren,    oder  lüan  konnte   durcli    ein  verabredetes  Crlocken? eichen 
die  Führe,    die    zweimal    am  Page  vorbeifuhr,    pv.f  etwas  notwendifTes 
aufinercksai  machen.     Wie   es   so  typisch   för  insulares  Leben   ist, 
vergass    ran  n^ch   IcÜrzester  Zeit   die  Übrige  Welt   oder  schien  ihr 
docii   keine  'Yichtigkeit   beizulegen. 

In  liese'n  Jahr  waren  von  den  OSsten     Hsinric!:!   und  .'.'erianne 
V.  S.   und   der  Schriftsteller  John  D.    bis   zum  Ende  des   Somiers 
geblieben,    der  wolkenlos,    sonnig  und   bl£.u  gewesen  war.     Mbü  hatte 
'sicli   in  die  Hausarbeit   geteilt  und  den  Rest    des  Tages  verbracht. 


wie   33  jadeiij  Einzelnen  von  ihnen  .u.»:  liebsten  war.     Abends   fand 

man  sich    zusam.nen  in:  'Vohnzi  -mer  vor  dem  offenen  ITaminfeuer,    loGend 

oder  sich   untarh-iltend  oder  auch    schweigend   der  LIusü^  lauschend, 

--- -  D'inn     plötzlich  ei  aes  I/Iorgens  war  der  Wind  geko-)^"i'3n  :r:it 

der   /rild^jc  Brandung.     Ibn  h   tte  gerade  noch   Zeit,    ^.=.^s  3cct 

ans  Land  2U   ziehen  uhd  feszurnacben.     Oenz  plötzlich  wurde  es   dunkel, 

dar  Sturm  raste  über  die  kleine  Insel,   schüttelte   die  BBuaie, 

heulte  ujTis  Haus     und  der  ^egen  ^033    :'-n  wilir^.^  StrCmen 

herunter,   so   dass   er  eine  fast   schwarze  Wassorwand  bildete.     Man 

teai  sich   im  Haus  eingeschlossen,   und  wirklich  von  der  IVelt 

abgeschnitten. 

Dieses  Äingeschlossensein  miteinander  rief  das   G-efflhl  alter 
Vertrautheit   stark  ins   GedSichtnis   zurück,   einer  Vertrautheit, 
die  diese  fünf  Ivjanschen  vor  Jahren   in  einem  anderem  Sturm  auf 
iimer  verbunden  hatte.      So  wanderten   jetzt   ihre  Gedanken  zurück 
zu   manchierij  gemeinsamiiien  jürlebnis   der  Vergangenheit.     Ein 
Wohlgefffiil,   wie  es  Ivlenschen  empfinden,    die  eineiü  fast   sicheren 
Verderben  entronnen  sind,    erhOhte  noch   das  üblidie  Vergnügen 
am  Austausch   solcher  Erinnerungen • 

Iviarianne  und  Sybille  hatten  einander  schon  seit   ihrer 
gernei  nsaTTiaen  Schulzeit   in  inniger  Freundschaft  nahe  gestanden. 
ObgLeidi    ihre  beruflidien  Neigungen  sie   örtlich   auseinander 
gebracht  hatten  —  Marianne  h?"-itte  alte  Sprachen  und  Archäologie 


studiert   —  waren  sie  doch   einander   nie  fremd   geworden  und 


hatten  schliesslich  wieder  ein  fest   geii^einsaraes  Leben  in  Paris 

aufgenoiiiiüen, 

Marianne  ^and  Heinrich  'Taren   nr  di  Paris  von  Spanien  geko-^men, 


wo  sie  beide     auf  Seiten  der  recht massigon  Hegierang  gekämpft 
hstten,     Heinrich  war  von  clten  dautchaoi  Mel,   der  einzige 

Nadikomaie das  ^nde einer  langen  Reihe  von  Oenerctionen 

von  Raubrittern,   Gutsherren  und  Offizieren,     Sein  Vater  hatte 
durch  Heirat   mit   einer  Judin  etwas  neues   Blut   und  ein  grosses 
Ter:aögen  in  die  aussterbende  und  redit   degenerierte  Fanillie  ge- 
bracht,  und  Heinrich  hatte  es    vohl  dieser  mötterlichen  Brbsch&ft 
zu  verdanken,    düss   er  sich  niciit    in  de.s  Tunlcerleben  eixipassen 
konnte  uad  wallte.     Die  Liebe   zu  seiner  schönen,    geistreichen  und 
zSrtli dien  i.xitter,    die  unter  der  Brutalität   seines  Taters  zugrunde 
gins»   hatte  ihn  zu   einem  leidenschaftlichen  Kömpfer   gegen 
Jede  Pxt  Roheit  und  Ungerechtigkeit    geinacht.      Er  hatte  eine 
glänzende  Karriere  &ls  Journalist   aufgegeben  und  seine  ganze  Kreft 
und  sein  TerinOgen   im  Kampf  fjßßea  Hitler  und  den  Nationalsozialismus 
eingesetzt.     Von  einem.  Spitzel   verraten,   v/ar   er  verh^-ftet  und 
zu  mehreren  Jahren  Zuchthaus  verurteilt  worden.     TTachdein  er 
nodh   ein  Jahr  die   Qreuel    eines  Konzentr;^tic^.^l   ^^^^   erlebt  hafte, 
wurde  er  entlassen,    und  es   gelang  saiaer  mutigen  jungen  Frau, 
ihn   Tiit  Hilfe  von  Freunden  in  Holl  -nd   auf  abenteuerlichste  Weise 
aus  Deutsdiland  herauszubringen.     Einer  dieser  Helfer  war  John  D. 
gewesen,   ein   junger   ainerikanischer  Schriftsteller,    der  nach 
Europ3   ^gsagea  war,  weil  weder  der  aiberkanische  Sport  noch  das 
amerikanische  Oangstertu:n  seinen  Drang  nach  Äbenteuori  und 
seinen  Freiheit ssinn  befriedigen  könnten.     Ein  frühes  Erlebnis 


hatt3  seinen  besonderen  3ie-^el   auf  seinen  Charakter   gedi-tlckt. 
Er  hatte  einea  Somaer  im  Sffden  verbracht«      Darr.als  war  er 
12  gewesen  und  rebelliscli   gegen  sein  eigenes   elterliches  Milieu, 
in  dan  gute  Sitten  und  Ivanieren  nicht   nur  gepredigt   sondern 
auch  gepflegt  \7urden.     ton  hatte  ihn  allein  zu   seine^i  sUdlichen 
Verwandten  fahren   lassen,   uin  sei ne:n  UnsbhSngigkeit^bedflrfnis 
genug  zu  tun.     Aufgeweckt,    phantasieriich  und  körperlich  seinem 
Alter  voraus  wurde  er  ein  Mitglied  einer  (Iruppe  Jugendlicher, 
die   ihre  Mnnlichkeit    in  jeder  ITiasidit   zu   beweisen  sudxten, 
gewöhnlich   in  kindischen  Actionen   gegen  die  'Yelt  der  Erwachsenen. 
Aber   sie  tranken  audi  und  trieben   es  mit   den  MHdchen«     Schuldbe- 
wusst   zwar  hatte  dodi  John  alle  diese  Streiche  gerne  und   stolz 
mitgemacht.     Dann  aber,    am  Tage  vor  seiner  Heinireise,   hatte  die 
Bande  sich  auf  zwei  harrulose  kleine  Negerkinder  gestflrzt,    die 
unschuldig  genug  nackt    im  Fluss   badeten,    an  einer  Stelle   die 
nur  für  Weisse  reserviert  war.     Sie  hatten  dea  kleinen  Burschen 
Blutig  geschlagen  und   zu   ertrSnken  versucht,   und  die  Versuche 
des  winzigen  Iv^dchens,    ihren  Bruder  zu  retten,    slt  Fus -stritten 
verhindert.     John  hatte  an  dieser  Gewalttat   sich  nicht   beteiligt, 
aber  er  war  debei   gestanden  und  hatte,  wie  gelffhaat,    zugeschaut. 
Er  s^h  die  kleine  Sarah  am  Boden  sitzen  und  mit    ihrem  schwarzen 
Hund  dien  ihre  Blosse  verdecken.     Ihre   schwarzen  Augen  traten 
vor  Angst   aus  den  Höhlen  heraus    ;   sie  war  trSnenlos  wie  ein  Tier. 
John  war  davon  gelaufen.      Irgendwo  hatte   er  sich  ins  Gras   gewor- 
fen und  geweint   vor  Scham,   Schuld  und  Hilflosigkeit.      In  der  Xacht 
war  er  schlaflos  gewesen  und  a:n  nächsten  Morgen  fuhr  ein  stillerer 


John  nach  Hause  zurück. 


Er  erzählte  niamariden  von  dieseir.  Erlebnis,   er  scM  ite 
sich   zu  sehr.     Es  hatte  aber  zur  Folge,   dass   sich  sein  ünabhÄn- 
gißlceitsbedürfnis  von  nun  an  in  persönlichem  IVLit   Susserte, 
selbst  wenn  er  einer  Orur^pe  rdlein  entgegentreten  nusste.      Er 
war  eigentlidi   über  Nacht   zu  einem  Helden  geworden,     Sarahs 
Augen  hatte  er  nie  ver.^^essen  können« 

Er  gehörte  einer  Organisation  an,    deren  L-ltglieder  es   sich  zur 
Aufgabe  geiaacht  hatten,    selbst   untex-   eigener  Lebensgefahr, 
politisdi   Grefllirdete  aus  faschistischen  Ländern  herauszu- 
bringen.    Da  er  sein  eigenes  Leben  oft   aufs  Spiel   setzte,   w='r 
es  für  ihn  kein  Problem,    in  seinen  Rettungsaktionen,   wenn 
notwondig,   ruch  bis  z'am  Aeussersten  zu  gehen.     Er  war  ^It  Heinrich 
und  iyjarianne   in  Spanien  zusam-nen  gewesen  und  lornte  später  durch 
sie  Sybille  kennen.     Sie  wurde  kurz  darauf  -^ber  Rudolfs  Frau. 
Rudolf,    der  schon  damals   einen  betrflchtliciien  ^aiaen  hls  Wissen- 
schaftler hatte,      hatte  ohne  Zögern   seine  Hei.nat   verlassen  als 
Protest    gegen  eine  Irrationalität,    die   ihm  als  Rückfall   in  den 
Ärgsten  Hexen  -  und  Aber^auben  erschien.     Er  fühlte   sich    in  seinex 
wissensdiaftlichen  Denken  beeint rS cht ic^t,    in  seiner  ^IHnnlichkeit 
beleidigt  und  in  seiner  Gerechtigkeitssinn  empört.     Sein  Ruf 
verschafte   ih.T.  Gelegenheit,    in  Paris   seine  wissenschaftliche 
Tätigkeit   fortzusetzen  und  so   viel   als  möglich  jüngeren  emigrierten 
Kollegen,   unter  denen  sich   -^uch  Sybille  befand,   beizustehen. 
Seine  einfache  beschützende  und  helfende  Wesanart  wurde   für  Sybille 
ein  Ersatz  für  ^les,   was  sie  verloren  hatte.     John,    in  seiner 
roiaantlf=?ciien  Abenteuerlichkeit,    erschien  ihr  als  ein  Junger 


liebenswürdi^;er  Knabe,    dessen  leidenschaftliche  Liebe  sie  in  eine 
tiefe  und  ruhige  Freundschaft    zu  verwandeln  suchte. 


Es  war    dttlerweila  Abond  ,p;eworden*       Drsusson  r-Jüt^-  d-  !■  Un- 
wetter,   2uf  das  die  Freunde  in   ihrem  Gefühl  des  Geborgonseins  nur 
gleichsam  halb-bewusst  hinhörten.     So  ent.2:ing  ih.ien  zunüchot 
dQS  klopfen  an  der  Haustür,   und   erst   als     ei   rtMrker  wurde  und 
sich   :!3utlicher  voa  dem  andern  Getöse  unterschied,   wurden  sie 
alle  fast   gleichzeitig  darauf  aufinerksn]iu     Sie  sahen  einander 
ungläubig  fragend  an,    als  ob  niemand  von  ihnen  fas^^an  konnte, 
dass  ein  Lebewesen  draussen  stand  und  Binlass  begehrte«     Bi 
schien  ihnen  völlig  unmöglich,   doss   irgendein  Ivüensch  in  diesem 
Sturm  auf  ihrer  Insel   gelandet   war,    auf  der  es   ausser  ihaen 
nur  Hasen  und  Vögel   ^ßh.     Rucli)lf  wer  der  Erste,   der  /u  dem  Eat- 
schluss  ka:ü,    dass  das  Unwsiirscheinliche  wohl  geschehen  sein  :iiusste. 
3r  erhob  sich  und  ging  zur  Singan^-^stür,   die  er  rasch  Öffnete. 
Gegen  das   Dinkel  draussen  hob  sich  eine  schattenh::fte  Gestalt 
ab,    die   auf  eixie  einlade   GebSrde  Rudolfs   in  den  hellen  Liclritkreis 
der  Eingangshalle  trat  und   dort    einen  Augenblick  schwei^^rend 
und  geblendet   stehen  blieb. 

Der  Fremde   war  ein  grosser,    stattlicher  I^Iann,    der  so  durch- 
nässt  war,   dass  das  7asser  an  ihnin  herunterfloss.     Er  bat  die   An- 
wesenden Uin  Entschuldigung  für  sein  Sindringen  und  erklärte  .Txit 
heiserer  Stimme,    dass  er  seit   Stunden  in  seinein  Boot    ix  Sturm 
auf  dem  Wasser   gewesen  sei  und  völlig  Richtung  und  Orientierung 
verloren  habe;    durch  einet.»  glücklichem  Zufall   sei   er  in  die  kleine 
Bucht  der  Insel   geschleudert   .vorden.      Es   sei   ihm  .gelungen, 
sein  Boot   festzumachen;   da  er  die  beleuchteten  Fenster  des  Hauses 


II 


8 


erblickt  h?.be,    habe  er  sich  not CQclrungen  entschlossen,    anzuklop- 
fen und  um  Gastfreundschaft   zu  bitten,   bis  sich  der  Sturm  gelegt 
habe.     3r  war  recht    erschöpft,    obgleich  er  ein  kräftiger  tonn 
in  mittleren  Jahren  war  und  sprach   etwas  zÖp;ernd  und  müde  in 
einem  gewählten  Snglisch,    das  gerade  durch  diese   Ge^-vähltheit 
den.  AuslÖJider  verriet.     Rudolf  und  Sybille  hiesson  ihm  freund- 
lich willkorrimen,    Forderten  ihn   ^:uf,    in  eines  der  verfügbaren 
CrastzLmTier  zu  treten,   und  während  ihm  Rudolf  trockene  Kleidung 
verschaffte,    berreitete  Sybille  schnell  etwas   zu  essen  und  ein 
heisses   Oetrönk  vor.     Als  er  darauf  in  das  Wohnzimmer  tr^^t,   wur- 
de eine  fori^ielle  Begrüasung  und  Vorstellung  vorgenotaTxea. 

•»Mein  Name/'  sagte  der  Fremde,    ^   ist   Karl  ivUller  "  und   er 
fügte  scherzhaft   hinzu,    dass   dies  v/ohl  der  unverbindlichste  Name 
sei,    den  sich   jemand  in  seiner  besonderen  Lage   ausdenken  könnte, 
obgleich   in  den  Vereinigten  Staaten  wohl  Smith  und  Jones  noch 
besser  dam  Zweck  unidentifiziert   zu  bleiben,    dienen  würden. 
Er  sei  ein  Ingenieur  und,   wie  wohl  seine  Aussprache  verr2ten 
hebe,    ein  Deutscher,    der  vor  Jahren  eingewandert   sei.      Er  vorbringe 
seine  Ferien  in  eineiL  der  kleineren  Orte  an  der  Küste  von  Idaine 
und  sei  heute    r.orgen  bei   schönem  V/etter     ausgefahren,   um  zu 
fischen,    nicht    ahnend,   welche  Abenteuer  ihn  der  Tag  noch  einleben 
lassen  sollte.     Tom  Feuer  und  dem  heissen  Crog  erwärnt  und  durch  drjs 
Essen  gestärkt,    verlor  er  bald  sein  erschöpftes  Aussehen  und 
schien  sich  liebenswürdig  und  gesellig  der  (Gesellschaft   anpassen 
zu  wollen,     ifen  sprach  darüber,   wie  das  plötzliche  klopfen  an 


aar  Haustür  einen  jedan  seltsnji  bartllirt  h^be  uad   jedar  er^ins  sich 
in  der   beschreibung  seiner  Geföhle  und  Ged-nkea,    die  ^lla  das 
Uuheimlidie  des  Erei-^nisses  hervorhoben,      ^  Es  i.^t  wie  der  Beginn 
einer  Geschichte,   "  sap^e  Marianne*      ^  Oder  .vie  das   Ende,    ^    leinte 
Sybille.      "  Dsts  Letztere    ist    vohl  das  Richtige,    "^  aahia    Herr  miler 
den  Faden  uuf,    »'zumindest   fttr  :r,lch.     Und  nun  niag  aiin  wohl  sage^» 
dass   es   ein  •  Happy  end   ♦    ist.     TShrend  ich  mich  im  Boot  voä 
den  \7ellen  hin  und  her   geworfen  f:ind,   ka^j  jiir  däs   Groteske   -iieiner 
tage   zun  Bewusstsein.      De   erwShnte   ich  vorhin  scherzhaft,   -jievl  ele 
»Miens vettern  ich  auf  der  Welt   hnbe,   und  dübei  hebe   ich  unter  all 
den  L'Klllern  nicht    einen  Veriv&ndten    aehr.      Ich   bin  völlig  ohne  F^jh- 
ilie,    das   erste  Mal   in  Ij/Icine  ^uf  einer    *   c^.r.ping  -  und-fishing- 
expedition   ♦   gsnz  allein,   und  w9re   ich  heute  nicht   iijii   Ilxre  Insel 


verschlagen  \7ord3n,   sondern  im  Stunn  untergegangen,    so  wsre  zwar 

ein  IvJlller  v/eniger   auf  der   .Veit,    .ber  die  ;^elt  hfltte  dieses  tr.-gische 

Ereit?ni3   nicht   einiu&l  bemerkt •  •^ 

*♦  Sie  heben   die  HÖugigkeit    Ihres  !^s:uens  nun  aiehrmals  erwöhnt ,  ♦♦ 
sagte  Heinrich,    ''rdit   dem  Hinweis    :.uf  Ver^/echslungen  der   Identität 
und  dergleichen,    die  i'\  unter  solchen  ümstffnden  natürliche  r-eise 
häufig  voko:ri:ien  können.     I^Ian  ist    i^eneigt,   sich  entsprechende  Situ-i- 
tionen  reizvoll  ciuszumalen.     Sie   'bürden  oft   des  Komischen  nicht 
entbehren.   ~  Aber   ax  wieviel  : iorkw^^rdi^er  und  unhelnlicher  ist   es, 
wenn  loan  einen  recht    seltenen  Nsimen  hat  und  IhÄ  plötzlich   in  völlig 
unerwarteter   Yoise  begegnet.     Als   ich   -Is   junger  Journalist   bei   einer 


II 


10 


Barlinar  Zeitung  Eingestellt   war,    mrde  ich  eines  T^^ges  nach  dem 
toabiter  Gericht   ausgesaüdt,  um  ober  einan  politischen  Prozess   zu 
bariditen.     Tor  der  för  des   entsprechenden  Oerichtssaals  f.ngekoiraen, 
fand  idi    zu  aeinein  Ajrger  heraus,    dsss  «an  die  Tresse  ausgeschlossen 
hatte,    unter  dass  hinter  gesclilossenen  Türen  verhandelt  vmrde. 
Teratimnt  Ober   diesen  IvELserfolg    ^.eines  Auftrages  wanderte  ich  aurch 
die  langen  hÄsslid^en  ITorridors  und  -vusste  nicht  recht,  wie  ich 
meine  Zeit  verbringen   sollte,   da   icii  nicht   fortgehen  wollte,   noch 
imn-er  hoffend,    dass   ich  vielleicht  doch  noch  etwas   spater  Zutritt 
zur  Verhandlung  erzwingen  könnte.     Mir  kam  der  O-sdanke,     Ir  inzwi- 
schen irgendein  anderes  Qerichtverf&hren  in  eineT.  '^ndereu.  Raum 
anzuhören.     Auf  gut   Olflck  öffnete   ich  eine  Tür,    die  zu  einer,  der 
•äderen  SSle  führte,    in  deiü  gerade,  wie  es  schien,    oin  Strafpro- 
zess  U  0»nge  wer.      Ich  hialt    noch  beira  Eintreten  die  Klinke  der 
Türe  in  der  Hand,   tls  ich  kler  und  deutlich  den  Richter  sagen  höi-te: 
•   Der  Angeklagte  v.  S.    ist   gestSnUg.    •     Idi  w&r  wie    in  einem  Angst- 
traura  befangen.     Mein  erster   Impuls  war,   die  Türe  aufzureissen  und 
dfcvonzurennea,   «b«r  gerade  wie  in  einem  jener  SchreckenstrSu^ie 
fühlt©  ich  n-dch  wie  en  den  Boden  gebannt,   ohne    -uch  nur  einen  I\iss 
heben  m  können.      Ich  hatte  das   Oeföhl.    lIs   ob  eine  Svigkeit  ver- 
gangen sei,  und  doch  konnte  es   nur  ein  loarzer  Augenblick  gewesen 
sein,    bis  ich   den  ervShnten  Angeklagten  stehen  seh  -  einen  -rossen 
robusten  Karl,    dem  man  wolil  ein  Terbrechen  zutrauen  konnte,   und  dar, 
«isaer  dan  Ne;nen  —  wenigsten  bilde   ich  r.ir  d?.s  ein  -  auch  nichts  -.-.it 


11 


»ir  ^e-nein  hatte.     D'js  Uaheirliche  diGsec  Erlebnisses  l*:;g  eben 


d:Jrin,    dfcss    es   sich  nicht   ur;  Schmidt   oder  I«feyer  hi^ndelte,    sondern 
um  :neinen  Ncnien,    der  — •  sowoit    nir  damals  bekunnt  v/ur  —  nur  ^^uf 


meine  Familie  beschränkt  war,   deren  letztes  inffnnliclies  Mitglied 
ich  darstellte,   •• 

Ifan  hatte   interessiert  Hei.irichs   2rz9hlung  nngehOrt   und  5aie 
redeten   nun  lebhaft    durchein?  nder,    ein  jeder   in   seinen  Srinnerua^en 
na  dl  forschend,    ob   nicht   ':iuch    ihia  ein  ahnliches   Srlebnis   sich 
ereignet  h??tt3,    das   zur   nllo^eneiaen  Unterhaltung  beitragen  konnto. 

'*  Situationen,    die   in  ihrer  unheirlichen  Stiv"ung  ca  Trffu  e 
erinnern,    Ivorri^aen  -.vohl  hüufig  vor,    *'  sogte  Mari:^:nne,    ^  Un:l   sie  v/irken 
uinso  unheimlicher,    Je    lehr  sie  sich   einen  uns  ^vohlbekonnten 
Traum  nÄharn.     So  hatte   ich   9in:':al   ein  Srlebnis,    bei   der.   ich  ^.ich 
Slmlidi  :vie   in  vielen  Trlu.Len  hilflos    in  einer  vOllig  unver- 


staendlichen  Situation  befand.      'Ss    vc-r  während  das  letzten  Krieges. 
Icli   verbraclite    einen  Teil  .neiner  Ferien  un  der  Westküste   allein 
in  einem  recht   bekannten  Ferienort.     Der  Ort   w'^r  überlaufen 
mit  So:ii:nerg5sten,    grösstenteils  An^jehöriciöJCi   des   in  der  Nahe   sta- 
tionierten Ivilitfirs.      Idi   fjnd  nach  einigen  Schwierigkeiten  eine 
einigenriassen  freundliclie  ünta/kungt,    rius"te  aber  die  Iifehlzoiten 
ausserhalb  des  Hauses  einnehmen.     So  ssdi   ich  mich  denn  auch   nach 
Restaurants  und  Gastwirtschaften  um,   versuchte,   hier  und  dort    zu 
essen,    bis   ich   auf  ein  russisches   Gk.^sthaus   stiess,    das  mir  gefiel 
und  das   ausgezeichnete  Kost   htitte.      Die  '.Tirtin,    eine  grosse     hüb- 
sdhe  Person,    staaimte   aus  dar  Ficrsine,      Sie  hatte  für   .lich,    i#^ 


12 


idi    ja  meine  Kindheit    zum  Teil   in  Russland  verbracht  hcitte, 
etwas  Liebes  und  Anhei.nelades.     Mit    ihren  dunklen  ffttr,    in 
der  Llitte  gescheitelt,    ihrem  weissen  und  rosigen  Cesidit,   den 
blauen  Augen  urid   ihrer  Ueppigkeit    erinnerte  sie  an  Jene  russischen 
HolzpBppen,   die  das  Entzücken    aeiner  Kinder Jthre  waren   :    auin 
konnte   sie   aümlich   aufschrcuben  und  fand    irjner  kleinere  Aus- 
gJiibea  der   ersten,    .-gewöhnlich  eine  BSuerin  darstellenden  Puppe   in 
ihrem  Innern,   sechs  oder   acht    i:n  r^^mzen  bis   zu  der  kleinsten, 
deren  Zfl/^e  nun   schon  nicht  irehr  erkennbar  waren.      Ihr  könnt   euch 
denken,    Tzie  wohl   es  .nir   in  dieser  Wirtschift   gefiel*     Bald  kam 
ich   auch   mit   der  Wirtin  ins  Crespröch  und  brachte  meine  wenigen 
lAissischen  Brocken  hervor,    urn  noch  rnelir  die   intime  Atnjosphflre 
23U   geniessen.     So  beschloss   ich  denn,    nachdem  ich   zweimal  .uitt'^gs 
dort    .gegessen  hatte,    euch    rieine  Abendmahlzeit   in  janem  Oasthrus 
einzunehmen.     Es  herrschte  ein  reger   Betrieb,    :^ber  es   gelang  mir, 
einen  Tisch   zu  finden.      Eine  Kellnerin  brachte  mir  zp.var  die  Speise- 
karte,   aber  dann  küninerte  sich  niemand  mehr  um  r.iich.      Ich  konnte, 
wie  sehr  ich  Jiich  auch  bemöhte,    nicht   erreichen,    bedient    zu  werden. 
Personal   und  Wirtin  ttberf^ing  inich  geflissentlichst,    irgendeine 
höfliche  Entschuldigung   TiurTielüd.      Zunächst   glaubte  ich,   dass  sie 
zu  beschäftigt    seien  mt   Cfisten,  die   froher  gekoimen  waren.      Bald 
überzeugte   ich  mich  aber,    dass   später  GekorniTiene  schon  bedient  wur- 
den.    Dann  ineinte   ich,    dass  möglicherweise  Damen  ohne   Begleitung 
nicht   erwönscht   w!!ren,    aber  auch  dies  war  nicht   richtig   :    es  sassen 


13 


mehrere  Frauen  allein  an  Einzeltischen  und  essen.     Der  quÄlende 
Gedanke,    dass   ich  hier  plOtzlich  \vieder  auf  eine  bösartige  Kältung 
gegen  Juden   gestossen  war,    vor  der  ich  doch  rus  Deutschland  ge- 
flohen war,    schnürte  mir  die  Kehle  zu.      Ich  schaute   nich  um  und 
seh,    dass   unter  den  essenden  Gästen  eine  Anzahl  Juden  vertreten 
waren.      Ich   versuchte  noch  niehrnißls,    die  Aufmerksamkeit  der  Kell- 
nerin auf  iTiich   zu  lenken  —  vergebens.     Schliesslich,    nachdem  ich 
föist    eine  Stunde  gewr.rtet   und  ^^ehofft  hatte,    erhob  ich  ^lich  und 
ging  deci  Eingang  zu,   in  dessea  unmittelbarer  NMhe  die  ukreinische 
Wirtin  stand.      Idi  wollte  mit   ihr  sprechen,    aber  sie  wich  mit 
einer  undeutliche  geipurmelten  Entschuldigung  von  mir  zurück  und 
liess   -oilch  ohne  eine  Erklirung  ihrerseits  hinausgehen.      Auf  der 
Stasse   fand  ich  mich  zitternd  vor  Aufregung,    denn  das   eben  Erlebte 
hatte  mich  -uit   einem  Gefühl  von  verwirrender   Angst   erfüllt.      Das 
Unverständliche     dsr?^n  gab  mir  ein  Gefühl  von  Hilflosi^^keit •      Ich 
konnte   in  kein  anderes  Lokal  gehen,   verzichtete  aufs  Essen  und 
ging  zu  meinem  Logis   zurück.     Beim  Betreten  des  Hauses  sah  ich, 
dass  mein  Hausherr  ia  seinem  Zinmer  sass.      Ich  stieg  zu  'neinem 
Raum  hinauf  und  sass  eine  Weile   im  Dunkeln,    noch  immer  damit   be- 
schäftigt,  eine  Erklärung  für  das  eben  Durchlebte  zu  finden. 
Dann  entschloss   ich  mich,   den  Hausherrn  zu  fr::gen.     Er  hörte  mir 
freundlich   zu  und  schien  nicht   im  Gerinc^-sten  arstaunt  über  meinen 
Bericht.      *  Die  Russin,*    sagte  er,    als   ich  geendat  hatte,    'hat    sie 


natürlich  als  Deutsche  erkannt    ;   und  da   gerade  die  Deutschen  in  ihre 
Heimat   eingefallen  sind,   weigert   3ie  sich,    Sie  bei   sich   zu  verköstigen.* 


14 


•  Aber  sie  hat  mich  doch   gestern  und  vorgestern  freundlich  auf- 
finom.nen,    ♦  rief  ich  aus«      •   Inzwischen  hat   sie   Ihren  Natnen  erfah- 
ren und  ihre  Schlösse  daraus  gezogen,    •   entgegnete  :nein  Wirt.^  Sie 
können  ihr  ihre  Haltung  nicht   allzusehr  TTbelnehren,   wenn  Sie  beden- 
ken -^as  die  Deutschen  in  ihrer  Hei  nat   treiben,    • 

^  Eine  gute  Anekdote  und  gut    erzählt,  "*  loeinte  John,    "^  aber  eigent- 
lich handelt   es  sich  hier  weniger  um  eine  yer.7echslung  als  um  ein 
Missverstöndiis;    doch   ist   die  unheimliche  Sti-^-inung  sicher  nicht 
geringer« **     Er  und  Rudolf  ergingen  Jich  nun  in  weiteren  Beispielen 
von  TTamens  -und  Personenverwechslungen,    die  durch  eine  lllischung 
von  Grroteskem  und  Grauen  ebenfalls   ein  Geftfhl  von   ühheimlichkeit 


erwirkten» 


Der  Sturm  tobte  weiter,   und  von  Zeit    zu   Zeit    lauschte  die 
Gesellschaft   auf  den  grossen  LÜr/ü. ,    der  durch  den  endlosen  Regen 


u 


nd  dHis  Aechsen  der  BSuT.e  verursacht  '^arde.     DtiS  Feuer  brannte 


lustig  im  KaiTiin,     Die   ^förj^B   zusemi-nen  Tiit   den  Erzählungen  liess 
eine  gewisse  innere  Erregung  bei  den  einzelnen  Anwesenden  zum 
Vorschein  konii^ien»    die  ;:.ich  in  geröteten  Wangen  und  einer  Gewissen 
körperlichen  Unrast   ausdruckte.      Nur  Sybille  war  schweigsam 
geblieben  und  schien  in  sich  versunken  und  mit    ihren  eignen  Ge- 
denken beschäftigt.     Jolm,   der  sie  iTJTier  wieder  prüfend  unda.uf- 
fordernd   angeschc:'Ut  hatte,   unterbrach  schliesslich  die  Andern 
reit   der  "SVnge   r:n  Sybille,   was  es  wohl   sei,    das   sie  so  sehr  be- 
schäftigte.     Sr  meinte,    sie  habe  wohl   kauri  den  Anekdoten  und 


15 


Krzllilungen  Tu^eliört    ;   sie  msche  den  Eiudmick,    eis  ob  sie  T^leilen 
entfernt   wie   in  einer  anderen  Welt   sei.     ^  D^s   ist    aur  halb  rich- 
tig,^ antwortete  sie  und   fflgte   zOgornd,  wie  .?;egen  einen  inneren 
Widerstand  kfmpfend,   hinzu  :    ••  ffore  Oeechichten  haben  mich  ^n  et- 
was erinnert,   wovon  ich   nie  vi^es prochen  habe,    ja   nicht   eiruijal 
Mtte  sprechen  kOnnen,   ^.veil  es   etwas   so  ünheluliches  betrifft, 
d^AS  nicht  nur  r.a  eine  vorüber Teg^^n^ene  Situation  geheftet   ist, 
sondern  fortdauert  und  wohl   nie   ::.uf gehoben  werden  kunn*      Ihr  hobt 
in  all  Suren  Erlebnissen  i.rjner  wieder   das  TJnlieiinliche  von  Verwechs- 
lung der  Identitaft    oder  von  MisverstSndnissen   in  den  Tordergrund 
geschoben,    aber   das  Un:iei -nliche,    das   ich  ineine^   hat  rrJLt   dem 
Gegenteil  zu   tun,    -:it   der  lientit^tslosigkeit »   die  nie   aufgeklärt 
worden   ist  und  nie   aufgeklart   werden  kann»     Drs   Grotesk-Komische 
fehlt  diesem  Erleben  volkomjiien   ;    es  war  und  wird  irr^ier  nur  furcht- 
bar und  CTüuenhaft   bleiben  und  kann  darum  auch  nicht   in  Einzelheiten 


orzShlt  werden« 

^   Ihr  h&bt   Eiadi   oft   gewuiidert,  ••  fuhr  sie  fort,    sich  an  ihre 
Preudde  wendend,   ^  warum  ich  midi  geweigert  hsibe,    je  wieder  nach 
Deuts diland  —  selbst   auf  einen  Icurzen  Besuch  —  zurückzukehren; 
jäi,   dass    ich    es  sogar  .ablehnte,    Deutsche,    die  nach  (lern  Krieg 
in  die  Vereinigten  Staaten  kw.aen,    kennenzulernen  oder  bei  niir 
zu  begrtlssen.      Ich   hoffe  **   sagte   sie    ,   sich  -m  Herrn  Mller  7;en- 
dend,   "  unser   Gast  wird,   was   ich  s^ge  nicht   öbelnehMen,    da  er 
ja  schon  laage  Tdxre   in  aiesem  Lande  lebt  und  also  nicht  mit 
eingeschlossen  ist    in  jene  Gruppe,      Ihr  habt   .air  sog^r  klein- 


16 


lictikeit,    Hidisudit   und  'Ue  Unffthiskeit,    zu  vergeben,   vorgewor- 
fen,    Aböi»  es    ist    eher  das   Oeftlhl  dieses  stÄndlg  ünlaeiinlichen, 
das  oiich   zu  dieser  Haltung  zwingt.     Du,   Ifcrlaüne,    erinnerst   Dich 
vielleicht  noch   nn  eine  ^1it Schülerin  aus  unserer  Gymnasiolzeit, 
Bella  B*,    die    sich   traurigerw  ise  nach  kurzer   Oeisteskranklieit 
umbrachte.     Wir  waren  befreundet    gewesen,   und  ich  hatte  sie  zu 
3e<^inn  ihrer  Erkrankung  auch  hflufig  besucht,      Sie  litt   damals 
schon  an   allen    aöglichen  Aengsten,     Ein:iial   gingen  wir  im  Park 
spazieren,   und   als  wir  uns   ei  nein  kleinen  Teich   nöherten,    lief 
sie  plötzlich   laut  schreiend  davon.      Idi  folgte  ihr  und  fand  sie, 
von  Orfeuen  geschüttelt,   hinter  einem  Baum  versteckt,   stc3hen. 
Sie  hatte  ihr  Gesicht   mit  den  Hönden  bedeckt,    und   ich  konnte 
2unÄchst   nicht   verstehen,   was   sie   in   abgehackten  'Vorten  hervor- 
stiess,     All.üShlich  wurde  es  mir  klar,    dass   Angst  und  Abscheu 
sie  von  den.  Teich  weggetrieben  hatten,   weil   sie  Frösche   in  dem 
Wasser  veru.utete  und   fürchtete,    dö.ss    sie   zu  schreien  anfangen 
würden.     Nachdem  3ie   sich  etwas  berutiiGt  hatte,    erzählte  sie  mir, 
dass   sie   als   kleines  Ivlddien  ein.nal  Knaben  beobachtet   hatte, 
die  aus  Lust   Frösche  aufgebissen  und   zuxd  Platzen  feebracht  hotten. 
Das  Ger  tusch   sei   ihr  noch  iromer  gegenwärtig,   und  die  Ivjöglich- 
keit,   Frösche   zu   sehen  oder   zu  hören,   brachte  das  ganze   grauen- 
hafte Erlebnis   ihr  v/ieder  so   nahe,    als   ob   es   gerade   geschähe* 
Damals   erkannte   ich  wohl  das  Krankhafte   in  Bella,   war  aber 
nidit   fühig,    das  Unlieiinliche,   das  sie  anscheinend  erlebte. 


17 


nschzufülilen.     Heute   jedodi  weiss   ich  aus  Eiseaeia,   was  sie  emp- 
fundea  h^'ben  itiuss.** 

Sie   schwieg  eine  Teile,    als  sdiöpfte  sie  Kraft,   um  weiter- 
zusprechea.      In  ihrer  Stimme  klang  unterdrfickte  Erre.?:ung,    als 
siö   fortfuhr»      "   Ich  .nusste  'vährend  der  Hitlerzeit    sininal  hilflos 
zusehen,   eis    ein  alterschwacher  Jude  von  einem  Sturrn-Staffel 
ykiaa  erdrosselt  wurde.      Ss  waren  etwa   ftlnfzig  SS  leute   zugegen, 
die   in  ihren  schwarzen  Uniformen  eine  völlig  gleiche  schwarze 
llASSe  bildeten.     Derjeni^^e,    der  die  Tat   be.^ing,   war  nur  eine 
Crleicher  unter   allen  andern  und  hatte  kein   Gresicht  und  keinen  Namen; 
vielleicht   ist   er  gesichtlos   geblieben,   weil  wir  alle  nur  auf 
seine  Hinde  starrten.      Das  w£-r  das  Sinzige,    das  sich  heraushob; 
weisse,   grosse  HÄnde  mit   ]<rÄftigen,    an  den  iCnden  viereckigen 
Fingern.     Seine   A^ermel   waren  zurflck^:eglitten  und  iB&n  sah  v?ider- 
lich   breite  Handgelenke;    das  rechte  hatte  ein  seltsames  brennend 
rotes,   SpinnenfOrmiges  Mal.     Das  ist   das  Einzige,    das  ich  von 
dem  I»(([örder   im  Gedächtnis   behalten  habe  —  nichts  anderes.      Sonst 
war  er  nur  ein  Identität sloser  Teil  einer  gleichförinigen  schwar- 
zen Masse.     Könnt  Ihr  nun  begreifen,    dass  ich  nicht   zurückgehen 
kann  ?     MQsste   ich   nicht    jedesmal,   wenn  ich  einem  Fremden  begeg- 
nete,  denken,    dass  dieser  der  Ivlörder  sei   ?     Könnte  ich   irgend- 
eine^n  wohl  die  Hand   schütteln  ?     Kann   Tan  denn  verlangen,    dass 
er   zuerst   sein  rechtes  Handgelenk  entblösst    ?^ 

Sie  Hörte   auf,    zu  sprechen,   und  die  Andern  wagten  käum, 
sie  anzuschauen,   aus   Furcht,    dass   ihre  sonst   so  beherrschten 


■-  -^-  *■■   -  •la,  , 


II 


18 


zage  die   iuäI volle  Erregung  der  Stimme  widerspiegeln  wfirde. 
In  dem  .gespannten  Schweigen  hörte  man  '.vieder  deutlicher 
das  Toben  des  Stur.^ns.     Das  Feuer  war  üt.  Erlöschen,    aber  des 
ZiT^er  war  schwül*      Die  ^Tfirme  und  die  nnstrangenden  Erlebnisse 
des  Tages  -nachten  sich  wohl  nun  bei  dem  Freiuden  bemerkbar.      ISr 
sass  unbeweglich,   mit   halbgescblossanen  Au^en,    zurflckr^elehnt   da. 
Sin  schwaches  Licheln  spielte  uifx   3eine  IVIundwinkel,    die  wie   im 
Schlaf  etwas   schlaff  und  lose  erschienen.     Die  Jacke,   die  ihm 
nicht   recht   passte,   wer  geöffnet,   die  Arne  laf?en  auf  den  Seiten- 
lehnen des  Sessels.      Sein  Aussehen  war  das  eines  Menschen,    der, 
von  MQdigkeit   QberwSltigt,   nicht   -r.3hr  den  'Villen  3ufbrinf?i:,    die 
Unordnung  seiner  Erscheinung  zu  beheben.      Es  schien  als  hfftte 
er  nur  wie   von  Weitem  den  Inhalt  von  Sybilles  Worten  vernommen. 
Er  setzte  sich   jedoch  plötzlich  ruck-^rtig  und  steif  auf   ;    obi^leich 
seine  Augen  noch   immer  von  den  Lidern  halb  bedeckt   waren,w3r 
sein  Blick  aber  scharf  und  wachsam  geworden.     Ds.s  Lächeln  war 
völlig  .veggewischt.     ¥At  bewe^^^er  StimiT^e,    Üe  heiser  vor  Er- 
regung klang,    S'igte  er,    sich   :2n  niemanden  i:n  Besonderen  wendend: 
^  Was  für  merkwtlrdig  peinliche   Zufäflle  in  der  Welt    f^eschehen   l 
Ist   es  nicht    genug  Müller  zu  heissen,    ein  Name,    der  einen  kauTi 
identifizieren  kann  ?     I-iiss  man  auch  noch  das  Einzige,   was   ich 
so  völlig  als  mir  eigenttLnilich   angesehen  hr^be  -  ein  ivlal  von  be- 
sonderer färbe  und  Form  an  einer  ganz  besondreren  Stelle  des 
Körpars  —   muss   dieses  l^Iel  nun  euch  noch  7U  jemenden  andern 
gehören   —   garz  so  wie  es   der  Herr  v.S.  "^it   seinem  Namen  triebt 
hat,    damals    im  Gerichtssaal. 


.  A*  j»i      l*_    .JA :  - 


II 


19 


Nur   .VAX  es  einfach   fflr  Herrn  v.3.   sich  und  andern  zu  beweisen, 
dass   er  nicht   der  Yerbrecher  war,   da  doch  dieser  lebendig  und 
allen  sichtbar   in  eigener  Oestalt   iort   gestanden  ist?     Hior,^ 
rief  er  bitter   sus,    indein  er  seinen  rechten  Aermel   zurtlck- 
streifte  und   ein  brandrotes   spinnenförniiges  Mril  an  seine*  brei- 
ten Handgelenk  entblösste,    ^     hier,   sehen  Sie  dies  an  und  sagen 
Sie  idr,   v;ie   ich   diesen  spukhaften  Zufall   erklffren,   wie   ich  Sie 
davon  überzeugen  kann,    dass    ich  nicht    jener     Andere  bin   t   ^ 

Während  die  Freunde  durch   diese  jfihe   Enthülluns  der  Sprache 
beraubt   ihn  anstarrten,    sprang  der  Fremde  auf  und  rannte,    ohne 
sich  noch  einmal  uinzuschauen,    e.us  dem  Ziiaiüer»     Die  bestürzte 
Zurückgebliebenen  hOrten  ihn  die  Tür  zu  seinem  ei^^enem  Raum  zu- 
schlagen, 

Rudolf  hatte  eine  halbe  Wendung  geiiiacht,    als  wolle  er  den 
Davoneilenden  aufhalten   ;    stattdem  liess   er  sich  aber  schwer 
in  einen  Sessel  fallen  und  sah  fast   rstlos   zu  Sybille  hinüber» 
Sie    stand  -iiit    beiden  HÄnden  auf  eine  Stuhllehne  gestützt,    als 
wöre  sie  in  Gefahr,   niederzusinken,      Ihre  Gestalt  schien  plötz- 
lich  zur  Grösse  eines  Kindes   geschrumpft,    ihr  Gesicht  klein  und 
weiss  und  von  lautlose:ii  Weinen  verzogen.     John,    der  neben  ihr 
stand  zwang  sie   saaft,    sich  nieder  zu  setzen*     Heinrich  und 
Marianne  sassen  dicht   aneinandergerückt,   als  suchten  sie  so 
Schutz  gegen  eine  drohende  Gefahr, 

^  Wie  kann  so   etwas  möglich  sein'*  segte  Ivlarianne,  **was  soll    xan 
nun  tun?  Gibt   es  solche  Zufalle  oder  ist   6S  Spiegelfechterei?  Du 


J.M.»t.  .^^TMlji-    r.    . 


II 


20 


«usst  es  doch  wissen,   Rudolf,   ob  eia  solches  Spiel  ier  ITstur  vor- 
kovmen  kann  ~  ein  solches  Mal  bei   CTei  verschiedenen  Ivienschen  T' 

Rudolf  schien  sich   p-esaataelt    zu  hh:ben.    Sr  ging  zu  Sybille, 
beu^e  sich  zu   ihr  nieder  und  ktls-te  sanft  das  H«tr  der  Weinenden* 

"  Wir  wissen  nicht   eininal,**  sagte   er  mit   beherrschter  Stixue, 
•♦   ob  dieses  Mal  wirklich  identisch  niit   demjenigen  ist,   das  uiiiae 
Ttsm  vor  so  vielen  Jahren  wflhrend  eines  schrecklichen  Augenblicks 
m   sahen  glaubte.      Es  ist   eine  hassliche  Situation  für  uns  alle, 
besonders  aber  für  Herrn  IvStller,   wer  inner  er  wirklich  sein  mag.'' 

''Du  vermeidest   eine  Antwort    zu  geben  ?uf  Msriannes  Frage  **  sagte 
Heinrich   jetzt  heftig  "aber  Biir  scheint,   dass  dieser  Herr  Müller 
eine   zu   schnelle  Antwort   bereit  hatte  —  wer  hat    ihn  denn  überhaupt 
gebeten,   uns   sein  Mal    zu  zeigen —  hatte  er  vielleicht   Angst,    driss 
einer  von  uns   es  doch   schon  vorher  ersp«ht  hatte  ?     Tielleicht   hat 
Sybille  es  wirklich  vorher   zusehen,    als   ar  noch  nicht   so  auf  seiner 
Hut  war,   vielleicht   ist    dadurch  überhaupt   die  schreckliche  Srin- 
nerung  in  Dir  wieder  wachgerufen  worden,    Sybille,   ohne  dass  Du  Dir 
über   den  Oruad  Rechenschaft   gegeben  hast.   Nein  Rudolf,"  wandte   er 
sich  wieder  mit   grosser  Srregung  an  den  Freund   "wir  können  uns 
nidit    zufrieden   r^^ben  mit   der  Zufallt heorie,   wir  müssen  wissen. 


f  »t 


wen  wir  hier  beherbergen  . 

"  Und  wie  werden  wir  das  bewerkstelligen  können,  Tein  Freund?»» 
fregte  Rudolf  "  Sybille  kann  sich,  wie  sie  selbst  uns  erzShlte,  an 
keine  indiduellen  Züge  des  L(23rders  erinnern,  nur  an  das  Mal,  das  sie 


21 


nur  einen  kurzen  Augenblick  unter  entsetzlich  aufregenden  und  er- 
schütternden Umstanden   gesehen  hat.     Sicher  kann  gerade  eine  GOlche 
Geiöötserregung  die  Sinne  uufs   Aeusserste  schärfen,   aber  es  knnn 
«ich  das  Oegenteil   eintreten;   es  können  Dinge  gesehen  werden,    die 
nicht    einmal  vorhanden  sind,   oder  das   Bild  kc^nn  entstellt   i^i  OedPcht- 
nis  bleiben  -  all  das   .bissen  wir.     Kein  Richter  könnte  Sybilles 
Zeugenaussage   als  bindend  ansehen,   selbst  wenn  er  persönlich  von 

ihrer  Rieht i^^keit  voll  überzeu^'^rt  würe.** Sybille  hatte  ihr-^n 

Kopf  an  Rudolfs   Brust   gelehnt;    sie  weinte  nicht   mehr.     Sie  sagte 
mit  ■nüder  Stimme   :    ^•ich  hfftte  weiter  schv/eigen  sollen;   ich  weiss 
nicht  warum  ich    nich  heute  habe  verleiten  lassen,   über  den  Albdruck 
23LL  sprechen«      2s   ist  wie  ich  gesa^rt  habe,   men  kenn  nie  wissen,    wem 
man     die  Hand   .?ibt,   selbst  wenn  der  Betreffende  kein  Ivfel   am  Hand- 


f  ft 


gelenk  hat    ! 

John  hatte  sich  bisher  an  dem  Oesprfch  nicht   beteiligt.      Sein 
Öesicht  war  ausdruckslos,    fast  riieskenhsft   vgeworden.     Sr  schien 
sich    auf  dyis   FQllen  und  Anzflnden  seiner  Pfeife  zu  konzentrieren 
in  einer   gewissen  pedantischen  Art,   die  seinen  Freuaden  gewöhnlich 
ein  Zeichen  war,    dass  John  versuchte,    seine  aufgeregten  Oefühle  und  Oe 
öedanken   zu   beherrschen.     Die  Pfeife  z^/?ischen  den  Zlhnen  haltend 
brachte   er  schliesslich  trocken  hervor   :^  Wenn  ich  Richter   ,?flre, 
wörde   ich  .nich   ganz  und  völlig  auf  Sybilles  Gedächtnis  vorlassen 
und  wf!rde   eher  das  Wahrscheinliche  ?5ls   das  Un^rohrscheinliche   ,    nffm- 
lich  dass  es  nur  ein  solches  Mal  und   nur  bei  einem  deutschen  N^zi   gibt. 


2Z 


Du,   Rudolf,    bi?t  tolerant   und  weise  und  ein  Wissens cheftler  -  manch- 
mal  bin   ich  iTxeinem  Sdiicksal  dankbar,    dass   ich  nichts  von  alledem  bin,^ 

^  Wie   dem  aucli   sei   "   antwortete  Rudolf   ^  wir  können  nur  hof- 
fen,  dess   der  Sturm  Jior^en  vorüber  ist,   und  dcss  wir  diesen  I4aan 
80   schnell  wie  niÖgLich  los  worden.     2r  wird  selbst  dazu  sehen, 
bei   der  orsten  laögliclien  Gelegenheit   abzufahren,    dessen  bin  ich 
sicher.     Sybille,   Du  bist   vOUig  erschöpft,    und  c^uch  wir  -indem 
sind  sehr   .ritgenoiTmien;   wir  können  wirklich  ir.:  Augenblick  keine 
Lösung  finden;    darua  schlag  ich  vor,    dass  wir  uns   zurückziehen* 
Also,    gute  Nacht.'*     Er  nahm  Sybilles  Aim  und  führte  sie  zflrtlich 
sus  dem  Ziimier  herüus. 

Heinrich   legte  John  die  Hand  auf  die  Sdiulter  und  verliess 
dann  ebenfalls    ait   Ivkrianne  den  Reunu      Rudolf  war  es  geglückt 
Sybille   zu  überreden,    ein  Schlafmittel   zu  nehmen.     Sie  Hatte 
sich   zunflchst   dagegen  geströubt   da  sie  nicht   gewohnt  war,    sich 
nachzugeben,    und  da  sie   glaubte,    dass  sie  sich  zusaxnrrian  nehraen 

9 

iriBsste,    um  Rudolf  Leid  zu   ersparen.     Aber  seine  bemihigenden 
Worte  hatten  sie  davon  überzeugt,    dass   auch   er  besser  ruhen  könnte, 
^j?ean  sie  sich  den  Schlaf  erlaubte.     Er  sass  bei  ihr  bis  sie  ein- 
geschlafen war.     Seine  Gedanken  ^varen  mit    ihr     beschffftis^t,    die 
Ihm  so   selbstverständlich  nach  gewesen  war  in  den  langen  Jthren 
ihrer  Ehe. 

Jetzt   schien  es   ihm  auf  einmal,    dass  er  sie  kaum  k>-:nnte. 


Sie  hatte  das   entsetzliche  Erlebnis   r.it   dem  alten  Juden  ihm  nie 


23 


erÄthlt»     Er  htttt©  ale  von  Bella  B«  gehört.     Mirienoe  wusste  ^^hr 
von  4er  Vex'f^an^enbeit  seiner  7rau  als  or.     Er  hatte  es  aie  recht 
ertragen  könnon^  ^vonn  Sybille  von  Jenen  7eiten  spredi,    In  denen 
er  noch   nicht   ihr  L»ben  t feilte«     Er  war  ein  unsedulAif^er  Tuhörer 
und  entschullirto  seine  Ungeduld  'nlt   Manfrel   ^n  *^eit»     Hlnqrec^on 
war  Svbllle  Inner  bereit,    myjih9r9a,   wenn  er  Ihr  seine  Ideen 
Tortru/?  od^r  seine  Arbeiten  vorl'^e.     WLl'^u  pcrs<9nliche  Jftttellun- 
gen  wsiren  IhTs  selbst  bei  den  ih?tj  nÄchst  stehenden  Memschen  pein- 
lich»    1fr  h??tte  ^ie  tiefe  TTeberyeunjn.ct,    dass  man  nur  schweip'end 
seine  nenschliche  Würde  bewshrer  konnte;   deswegen  hatte  er  «uch 
nie  Sybille  er«uti,^   ihr:  von  Erlebnissen  7u  er^ffhlon,   die  sie 
■anol:xaal  wie  frnf^ond  anzudeuten  schien*     Jet!?t  wrr  er  orcchffttert 
in  der  plötzlichen  Erkenntnis  der  ^^^9  Elncen^keit   meiner  TJVcu,   die 
«11  dl©  Jahre  die  Leiden  der  Ver^en,*:!;enheit  allein  getragen  hetlro* 
Kinder  und  jum^e  *^^dchon  erlebten  Dinge,   die  zu  schwer  für  sie  warea 

ISr  schämte  sich  n?iaer  Selbstt^ucht«      Als  wSybille  fost  *ichlief, 
V'irliess  i^r  leise  das  Ziaamer  und   r,iR(r  in  sein  Arbelt szlrwier  hin- 
aber.     3ein3  leisen  Schritte  vmrden  doch  von  !*irisnn9  gehört, 
die  aadWtrenrt  lauschend  in  ihre»  Bett  lag#     Sie  beTflhte  sich 
den  Lftrra   les  Sturn^es   aus  ihren  Ohren     eus^^uhnlten,  um  heraus 7U- 
flndan,    ob  Heinrich  ruhig  schlief«      Er  blatte  nicht  Aber  die  Oe- 
Rchehniss©  des   Abends  sprechen  .tollen,   und  Ä^irl^nne  beförchtete 


eine  schwere  OeJEötBerschtltterun/^  bei  de»  fibersensitiven  erreg- 
baren Heinrich,   der  nie  nit  seinen  Erlebniseen  im  Konzentrat ione- 


24 


-lager  und  in  Spanien  fertig:  geworden  wer.     Sie  salbst  war  geneigt, 
sich  Rudolfs  Standpunkt   zu  eigen  zu  machen,    dass  iiÄn  nicht    zu 
einem  endgülti{2:en  Sntschluss  Über  den  Fremden  ko;men  dürfte, 
solange  auch  der  ^erin^ste  Zweifel  bestand,   dass  er  der  von 
Sybille   beschriebene   gesichtslose  Mörder  v/ar,      Ihrem  Charsikter 


göJOÄss,   versuchte  sie  dort   eine  gtlnsti.iere  Ant'^ort   einer  Fra 


ge 


anzunehmen,   wo  sonst     sie  einairi  unertrffglichen,   unlösbaren  Dil 


«3 


fli  gegenüber  gestanden  w«re.     Sie  hatte  iiLiuer  versucht,   Probleri^e 
auf  möglichst   einfache  Nenner  zurÜckzuTühren,   oder  sie  nur  dann 
wirklich  anzuerkennen,    wenn  ein     persönliches  Eingreifan  eine 
Aenderung  herbeizuführen  versprach.      Diese  praktische  Seite   ihrer 

« 

Natur  war  für  Heinrich  ein  ßxosser  Segen  «gewesen,     Sie  hatte 
ilin  aus   Deutschland  gerettet   und  ihre   baruhigende  Gegenwart 
rettete   ihn  i:a'ner  von  Neuen  l-us   seinen  hüufigen  Angst trüuiuen, 
bei  denen  es   geschoben  konnte,    dass  er  &us   ie-n  Bett   stürtzte 
und  nach  Gegenständen  wie  Le^-ipe  oder     Stuhl  griff,    um  sie  einem 
ver-neint liehen  Angreifer  entgegenzuschleudsrn.     Ss  war  nicht 
imJTier  leicht,    ihn  diuvon  abzuhalten  und  ihn  ganz  zu  wecken. 
Sie  lag  nun  und  horchte   auf  den  Sturm  und  auf  ;jlle  Geräusche 
iin  Nebenzi.TFier,    in  dem  Heinrich  schlief.      Sie  hörto  Johns  Schritte 
tQ  ihrer  Stube  vorbfeigehen  und  dochte;    ♦»  arm^^r  John,    Du  bist 
bis   jetzt   allein  im  WohnziT.iier  gewesen;   Du  sorgst  Dich,    ohne 
das  Recht    zu  haben,    Dich   zu  sorgen. ** 

John  hatte  seine  Pfoifa   zuenda  geraucht   und  dann  wie   je- 
den Abend  sorgsam  ijn  ZiriT.er  Ordma  ig  g3ai;icht,    \-^i-l\   Svbille  am 


25 


aäd-istea  Morgea  von  eineia  s-^nh^rea  frauadlichen  Roum  begrüsst 
wörde,    anstatt  kttlte  Asche  und  sch-Tiutzige  Olfser  Yorzufinden. 
Heute  hatte  er  besonders  lange  Zeit   damit  verbracht,   dio  Aßchen- 
bocher  zu  leeren  und  die  OlSser  zu  spfllen.     Ir  machte  sich  aller- 
lei   OeschSft,   bis   er  schliesslich  nichts  mehr  finden  konnte,    das 
Ihm  Grund  gab,  das  Verlassen  des  Wohnziau-ers  hin^.us zuschieben. 
Er  ging  in  sein  ZLnmer  und  setzte  sich  ia  Dunkeln  ans  Tönst  er. 
Draussen  war  es  pechschwarz.      Zu  John  besonderen  Gaben  gehörte 
ein  visuelles  Vorstellungsveraiflgen,   das  soiner  schriftstelleri- 
schen Tätigkeit  sehr  zu  Oute  ka-c.     Aber  diese  Gabe  wrde  zur 
(Ju&l,  wenn  er,   wie  bei  Sybilles  Erz«hlung.   allo  Geschehnisse 
deutlich  vor  sich  sah.     ^as  sndern  Worte  waren,    i:us3te  er  bildlich 
erleben.     Jedes  neue  Erlebnis  dieser  Art  'vurde  noch  von  verganeaen 
verstirckt,   die  sich  ihia  uiit  aller  Frische  .vieder  vor  A-ogen  brach- 
ten.     Ge.vahnlich  konnte  er  sich  von  diesen  Erinnerungen  nur  durch 
eine  Tat   befreien,    sei  es  in  Wirklichkeit   oder  in  einem  Roman. 
Am  oieisten  lufllte  ihn  die  ir-.er  wieder  auftauchende  Erinneming 

•a  die  kleine  Sarah. 

Der  Stuion  heulte  die  ganze  Nacht.     Das  GetOse  von  find  und 
Regen  war  so  leut   .geworden,   d.ss  es  unmöglich  war.    irgendwelche 
andern  Oeriusche  innerhalb  oder  ausserhalb  des  Hauses  xit  Sicher- 
heit   zu  unterscheiden,  hatte  sich  ir,-endj.m.nd  auch  noch  so  darum 

beinftlit  • 

Am  nächsten  iviorgen  jedoch  grttsste  ein  tiefblauer  Hi:nmel 
das  voa  Regen  leuchtende  GrQn.     Die  Sonne  strahlte;  der  Wind  hstte 
sich  völlig  gelegt  und  das  Wasser  hatte  seine  Mittelmeerfarbe 
wieder.     Nur  die  Möwen  flogen  noch  unruhig  und  «ngstlich  umher 
und  kreischten  einander  laute  Warnungsrufe  zu. 


26 


Sybille  war  trotz  des  Schlafmittels  früh  -lUfge standen.      Das 
PröhstÜck  st^^nd  schon  berreit,   als  sich  -^ie  andern     Haus-^enossen 
wie   .leden  Mbr.^^en  aeitig  r.uf  der  Veranda  einfanden.     Aber   in  Gegen- 
satz zu  andern  IvJor/^ön  herrschte  eine  düstere  und  bedrückte  St  iia- 
laing.     Tom  Fremden  -.var  nichts  zu  sehen  und  nieii^and  wagte  die  lei- 
dige  Frage  nach  seinem  Verbleiben  zu  stellen.      Sybille  Sögte  wie 
gLeichgflltig:    ^  Seine  Sachen,    die  er  gestern  zur.  Trocknen  auf  ge- 
hingt hat,    sind  noch  in  der  Kttcbe.*^     Dainit   war  d^s  Schweigen 
gebrochen  und    ntn  redete  durcheinander,    SS^-•e^lich  aiachte  xan  dem 
Ftemden  Vor.vf[rfe,    dass  er  nicht   schon  die  Insel  verlassen  habe. 
Vielleicht  habe  er  c^ber  in  fremden  Kleidern  das  Weite  gesucht. 
Das  /^ürde  wohl   zu  seinem  Charakter  passen  I     Eigentlich  wollte 
aber  niemand  wirklich  die  Antwort   auf  diese  Fr>Age  herausfinden. 
Der  ungebetene  Gast    aochte  v/ohl   noch   in  seine^Ti  Zirumer  sein  und 
sich  nicht   heraustrauen.     Sdiliesslich  beschloss  Rudolf  der 
peinlichen  Situation  ein  Ende  zu  machen  und  nach  Herrn  iiÄfller 
zu  sehen.     Sr  kam  bestürzt   nach  ein  paar  Minuten  zurück  und  be- 
richtete^  dass   das  Grast ziiiiiüer  leer  sei  und  das   Bett   unberührt. 

Auf  der  ganzen  Insel  war  keine  Spur  von  dera  Jremden  zu 
finden.      In  der  kleinen  Bucht,   die  als  Hafen  diente,   lag  ein 
zweites   Boot,   wohl  befest i.-^,   wie  Herr  Mller  es   ihnen  beschrieben 
hatte.     Es  war  nur  leicht   beschödiit  und  wiegte  sich  sanft  auf 
den  '.bellen  der  einströmenden   Flut  hin  und  her. 

Anfang  September  wurde  eine  männliche  Leiche   ia  einer  der 
vielen  Buchten  an  der  Küste  von  IJlalae  enges chw^Tinit.     Der  Ertrun- 
kene rrusste  Tiindestens  zwei  bis  drei  Tochen  im  Wasser  getrie'-^en 
worden  sein.     Seine   Züge  waren  nicht   erkennbar,    in  seiner  KLeiduog 


fand  ::aan  keinerlei  Papiere. 


,tf 


27 


Die  K«*s,    die     das  Verschwinden  des  Freioden  sofort   der 
Polizei   gemeldet  hatten,  wurden  aufgefordert,   die  Leiche  zwecks 
Identifizierung  zu  besichtigen.     Aber  selbst  Rudolfs   -geübten  Au.^e 
wur  es  uninöglich,   fast  zustellen,    ob  der  Tote  jener  Freinde  war, 
der  auf  so  dramotische  Weise  £uf  Ihrer  Insel  erschienen  und  von 
dort   verschwunden  war,      Fttsse  und  Hflnde  des   Ertrunkenen  w&ren  so 
zerrissen  und  verletzt,   d^^ss  man  keinerlei  IUI  mehr  hStte  erkennen 
können.     Die  Grösse  und   Breite  der  HÄnde,     wie  Oberhaupt   der 
Bau  des  Skelets,    das  ungefffhre  Alter  des   Mannes  und  der  Rest    der 
zerfetzten  Kleidung  hatten  wohl   3uf  Herrn  LltUler  gepasst,    aber 
init    irgendeiner  Sicherheit   konnte  man  keine  Identifizierung  vor- 
nehmen.     Auch   in  den  bei  den  K.  's   zurtlckgelassenen  KLeidungs» 
Stöcken  waren  weder  Merkzeichen  noch  persönliche  Doku^iiente  ge- 
funden worden,    die   ein  Fragezeichen  ftlr  das  Woher  des  Freinden 
hotten  geben  können.     Alle  3e:iiöhen  der  Polizei   eine  Firma  zu 
erruleren,   die   einen   Ingenieur  plötzlich  auf  ungeklärte  Teise 
verloren  hatte,   waren  erfolglos   geblieben,     N'iemj.^nd  schien  einen 
Mann  zu  verraiessen,    der  ein  so  duff killendes  splxinenförmlges,    rotes 
Mal  a.ii  Handgelenk  hatte,   ein  Deutscher  war  und  angeblich  Lanier 
hiess. 


II 


/OK  im^i  ),^fi^   "Cq(^  r«^. 


/' 


t 


GELBE  ROSEN 


Dezember  1955 


Sophrlne  war  tot*  Der  einzige  Mensch,  der  ihres 
Todes  wegen  mit  rotgeweinten  Äugen  bei  Ihrem  Begräbnis 
anwesend  war,  war  Ihre  Cousine  Helene.  Aber  auch  Helene 
hatte  nicht  um  ^den  Verlust  eines  gellebten  Menschen  ge- 
weint. Sie  trauerte  nicht,  sondern  sie  weinte,  well  sie 
—  und  nur  sie  allein  —  wußte,  warum  Sophrlne  den  Tod 
einem  scheinbar  so  ruhigen  und  sorgenfreien  Leben  vorge- 
zogen hatte.  Wenn  Helene  an  Ihre  eigene  Rolle  In  dieser 
absurden  Geschichte  dachte,  hätte  sie  am  liebsten  sich 
▼or  Scham  und  Bedauern  verkriechen  oder  vielleicht  sogar 
niederlegen  und  heimlich  sterben  wollen.  Es  war  Im  Grun- 
de eine  so  lächerliche  Angelegenheit,  eigentlich  ein  Stoff 
für  eine  Komödie  und  nicht  für  eine  Tragödie.   Jeder  Ko- 
mödien-Schriftsteller hätte  darauf  ein  Stück  mit  einem 
lustigen  d^nouement  geschrieben.  Hat  man  schon  je  gehört, 
daß  die  Neigung  zu  Vergeßlichkeit  und  Vagheit  in  solch 
ekelhaften  Schrecken  ausgeht,  auf  das  Leben  eines  ande- 
ren Menschen  einen  so  drastischen  SinfluS  haben  kann? 
Helene  war  immer  vage  gewesen  und  natürlich  vergeßlich, 
aber  wenn  diese  Sigenschaften  Folgen  gehabt  hatten,  so 
hatten  sie  nur  sie  selbst  betroffen.  Wenn  sie  verges- 


s 


Ben  hatte,  als  Kind  ihre  Strümpfe  zu  befestigen,  so  wurde 
sie  In  der  Schule  verlacht,  well  ihr  die  Strümpfe  herun- 
terrutschten, oder  wenn  sie  später  an  der  Universität 
die  falschen  Kurse  belegte,  so  mußte  sie  natürlich  ein 
weiteres  Semester  zulegen,  um  zu  den  Examinas  zugelassen 
zu  werden.  Das  war  alles  ganz  in  der  Ordnung  und  hatte, 
wie  sie  vag  zur  Kenntnis  genommen.  Irgendwie  folgerichtig 
dem  Prinzip  von  Ursache  und  Wirkung  entsprochen,  obgleich 
auch  diese  Zusammenhänge  ihr  häufig  merkwürdig  und  wunder- 
bar vorkamen.  Aber  die  Sache  mit  Sophrine  lag  anders. 
Nachdem  Helene  genugsam  geweint  hatte  und  darüber  nach- 
dachte, kam  sie  zu  der  Ueberzeugung,  daß  es  wirklich  et- 
was in  Sophrine  selbst  war,  das  ihr  so  völlig  unvorherge- 
sehenes Ende  herbeigeführt  hatte,  Sophrine  hatte  ihre 
Rolle  in  der  Komödie  nicht  akzeptiert  und  aus  Gott  weiß 
welchen  Gründen  das  Spiel  in  häßlichster  Welse  abgebro- 
chen. Wenn  man  es  sich  genau  überlegte,  so  war  das 
eigentlich  nichts  Neues;  so  hatte  sie  sich  auch  in  Je- 
nen Zelten  oft  verhalten,  in  denen  Sophrine  und  Helene 
als  kleine  Mädchen  zusammen  gespielt  hatten.  Sie  hat- 
ten viel  Zelt  miteinander  als  Kinder  verbracht.  Die 
Häuser  ihrer  Eltern  lagen  dicht  bei  einander,  die  Gär- 
ten waren  nur  durch  eine  Mauer  von  einander  getrennt. 
Die  Nähe  machte  sie  zu  Spielgefährtten,  und  die  Bluts- 
verwandtschaft der  Eltern  spielte  eine  unterstützende 


Rolle,  obgleich  man  sich  wohl  kaum  zwei  ungleichere  Schwe- 
stern vorstellen  konnte  als  die  Mütter  der  beiden  Mädchen. 
Helenes  Mutter  war  vielleicht  noch  vager  als  ihre  Tochter, 
liess  alles  Im  Hause  den  Gang  gehen,  den  Köchin  und  Haus- 
mädchen für  richtig  hielten  und  verbrachte  ihre  Zeit  damit, 

» 

mathematische  Probleme  zu  lösen  oder  griechische  und  la- 
teinische Verse  zu  schreiben*  Vertieft  in  solche  absor- 
bierende Beschäftigungen  hatte  sie  nur  einen  sehr  nebel- 
haften Eindruck  von  der  Existenz  ihrer  Tochter,  und  es 
wäre  ihr  nicht  einmal  im  Traum  eingefallen,  sich  daraum 
zu  kümmern,  in  welchem  Zustand  zum  Beispiel  Helenes  Klei- 

-  * 

der,  ihr  Zimmer,  oder  die  Schubladen  ihrer  Komniode  waren; 
ebensowenig  dachte  sie  dareoi,  die  Freiheiten  ihrer  Tochter 
einzuschränken,  da  sie  als  selbstverständlich  annahm,  daß 
ihr  Kind  den  üblichen  Beschäftigungen  der  Kinder Jahre 
nachgehen  würde,  die  in  Schule,  Hausaufgaben,  Klavier- 
stunden, in  frischer  Luft  sein  und  Mahlzeiten  eingeteilt, 
ihre  natürliche  Ordnung  in  der  Welt  hatten.  Diese  natür- 
liche Ordnung  war  etwas  Vorausgesetztes,  dem  man,  Gott 
sei  Dank,  keinen  geistigen  Aufwand  spenden  mußte«  Es  war 
so  in  ihrer  eigenen  Kindheit  gewesen  und  würde  so  weiter- 
gehen  durch  alle  zukünftigen  Generationen*  Was  ihren 
Mann  anbelangte,  so  war  er  ein  Professor  der  Heilkunde, 
viel  älter  als  sie  selbst,  großartig  beschäftigt  mit  sei- 
nen weit  sich  verzweigenden  beruflichen  Verpflichtungen, 


die  Ihm  nur  wenig  Zelt  für  ein  nahes  Familienleben  lies-- 
Ben.     Ihre  ehelichen  Beziehungen  waren  auf  die  Hochzelts 
nacht  beschränkt  gebllebeni  und  dieses  einmalige  Erleb- 
nis, das  zu  Helenes  Existenz  geführt  hatte,  war  von  He- 
lenes Mutter  mit  vager  Verwunderung  als  eine  eines  klas- 
sisch gebildeten  Menschen  unwürdige  Angelegenheit  abge- 
tan worden«  Der  Professor,  der  schließlich  bis  zu  einem 
sehr  relfep  Alter  nie  Zelt  für  solche  zeltraubende  Betä- 
tigungen gefunden  hatte,  war  es  zufrieden  und  fand  es  für 
sich  selbst  recht  angenehm,  dass  Ihr  geräumiges  Haus  ge- 
trennte Schlafzimmer  begünstigte»  Er  arbeitete  gewöhn- 
lieh  bis  spät  in  die  Nacht  hinein,  und  da  er  von  seiner 
Neigung  zu  schnarchen  wußte  und  ein  eher  rücksichtsvol- 
ler Mensch  war,  war  ihm  diese  Lösung  willkommen.  Die 
Familienmitglieder  sahen  einander  bei  den  Mahlzelten, 
wenn  die  Mutter  nicht  zufällig  vergaß,  daß  die  Essens- 
zeitzelt  herangekommen  war,  oder  der  Professor  beruf- 
lich abgehalten  war.  Häufig  fand  Helene  sich  auch  ganz 
allein  am  Tisch  und  erfuhr  erst  von  dem  das  Mahl  auf tra- 
genden  Mädchen,  daß  die  Eltern  zu  einer  Abendgesell- 
schaft eingeladen  waren.  Sie  hatte  allmählich  gelernt, 
solche  Geschehnisse  mit  Gleichmut  hinzunehmen  und  den  El- 
tern  Ihre  Vergessllchkeit  nicht  nachzutragen.  Die  Zer- 
streutheit der  Eltern  war  überhaupt  sprichwörtlich  ge- 
worden unter  ihren  Bekannten,  war  es  doch  sogar  vorge- 
kommen, dass  der  kurzsichtige  Professor  bei  einer  Ge-  • 


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Seilschaft  sich  seiner  Frau  formell  vorgestellt  hatte 
und  diese,  anscheinend  von  einem  mathematischen  Problem 
völlig  In  Anspruch  genommen,  mechanisch  auf  die  Vorstel- 
lung mit  der  Nennung  Ihres  Kädchennamens  erwidert  hatte. 

Bs  war  demnach  nicht  verwunderlich,  dass  der  Pro- 
fessor  nur  zeitweilig  von  der  Existenz  seiner  Tochter 
Kenntnis  nahm.  Aber  auch  dann  geschah  es  häufig,  daß  er 
mit  Ihr  sprach,  als  ob  sie  einer  seiner  Studenten  oder 
jüngeren  Assistenten  wäre.  Helene  fühlte  sich  bei  sol- 
chen Gelegenheiten  recht  verlegen  und  war  froh,  wenn  sie 
einen  Vorwand  fand,  um  den  Reden  des  Vaters  zu  entwischen. 
Nicht  viel  besser  erging  es  Ihr  mit  Ihrer  Mutter,  die  ge- 
legentlich versucht  hatte,  Ihr  von  Interessanten  mathe- 
matischen oder  sprachwissenschaftlichen  Problemen  Mittei- 
lung zu  machen.  Helene  konnte,  trotz  größter  Willens- 
anstrengung,  es  nicht  unterlassen,  Ihre  Mutter  mit  ganz 
unwesentlichen  und  albernen  Fragen  zu  unterbrechen  und  zu 
ermüden,  so  daß  schließlich  die  Mutter  aufgab,  ein  engeres 
geistiges  Band  zwischen  sich  und  dem  kleinen  Mädchen  her- 
zustellen. 

So  Ist  leicht  zu  ersehen,  daß  Helene  In  Ihrem  eige- 
nen Hause  nicht  viel  Anregung  fand,  da  auch  das  Hausper- 
sonal  zu  beschäftigt  war,  um  sich  mit  ihr  abzugeben.   Es 
war  daher  nur  natürlich,  daß  sie  viel  Zeit  im  Nachbarhaus 
bei  ihrer  Tante  verbrachte.  Nun  war  das  Merkwürdige,  daß 


diese  Tante,  obgleich  eine  Zwillingsschwester  von  Helenes 
Mutter,  bei  der  man  doch  große  Ähnlichkeit  im  Aussehen 
und  Charakter  erwarten  sollte,  eine  völlig  andere  Persön- 
lichkeit war,  Sie  zeichnete  sich  dadurch  vor  allem  aus, 
daß  sie  eine  besonders  hübsche  Frau  war,  elegant  geklei- 
det, mit  einem  starken  Sinn  für  das,  was  sich  gehörte. 
Darin  waren  Haushalt,  Kleidung  und  Manieren  gleicherweise 
eingeschlossen.  Wo  in  Helenes  Haus  Unordnung,  Verwir- 
rung und  permanente  Katastrophen  an  der  Tagesordnung  wa- 
ren, lief  das  Hauswesen  Im  Nachbarheus  wie  am  Schnürchen. 
Eine  Atmosphäre  sauberster  Tüchtigkeit  und  genauester 
Pünktlichkeit  verbunden  mit  einem  präzisen  und  unnach- 
giebigen Geschmack  füllte  dieses  Haus  vom  Boden  bis  zun 
Keller.  Die  Hausmädchen  waren  in  schwarz  gekleidet  mit 
weisser  Schürze  und  Häubchen,  zu  welcher  Tageszelt  man 
auch  immer  das  Haus  betrat.  Die  Parkettfußböden  glänzten 
und  schienen,  die  Teppiche  waren  sauber  und  die  Möbel  an 
ihrem  Platz.  Das  Sssen  kam  auf  die  Minute  und  heiß  auf 
den  Tisch,  um  den  die  Familieniaitglleder  sich  ein  paar 
Minuten  früher  gruppiert  hatten.   Onkel  und  Tante  waren 
Immer  zugegen  mit  Ausnahme  von  Jenen  Abenden,  an  denen 
sie  auswärts  eingeladen  waren.  Nie  kam  es  vor,  daß  ein 
ramilienmitglied  sich  verspätete  oder  mit  schmutzigen 
Händen  zu  Tisch  kam,  nie  daß  der  wohlgekleidete  und  wohl- 
frisierte Onkel  vergaß,  der  Tante  zum  Gruß  die  Hand  zu 
küssen.  Die  Tante,  wie  schon  vorher  bemerkt,  war  ele- 


gant.  Das  Tischgespräch  drehte  sich  um  gesellschaftliche 
oder  wohl  auch  geschäftliche  Ereignisse,  von  denen  natür- 
lich die  beiden  Kinder  ebenso  ausgeschlossen  blieben  wie 
von  den  tiefen  Gedanken,  die  gewöhnlich  Helenes  Eltern  bei 
Tisch  beschäftigten.  Es  muß  nun  gesagt  werden,  dass  in  all 
dieser  Sauberkeit,  Pünktlichkeit  und  präziser  Aesthetik  ein 
dunkler  Punkt  war,  der  nicht  auszumerzen  war:   Sophrine. 
Sophrine  war  unschön,  um  nicht  direkt  zu  sagen,  häßlich. 
Schon  als  kleines  Kind  hatte  sie  sich  durch  eine  zu  große 
Nase  und  eine  etwas  zu  breite  Unterlippe  bemerkbar  gemacht, 
und  ihre  Mutter  hatte  entschieden,  daß  nur  ein  besonders 
guter  und  wohlgebildeter  Charakter  diese  Verfehlungen  der 
Natur  etwas  ausgleichen  könnten;  denn  auf  die  schönen 
Augen  der  Tochter  legte  die  Mutter  kein  allzugroßes  Ge- 
wicht, da  sie  zu  oft  gehört  hatte,  daß  in  Bemerkungen  wie, 
dieses  oder  jenes  Mädchen  habe  '^aber^'  sehr  schöne  Augen, 
das  "aber**  die  ganze  übrige  traurige  Erscheinung  implizier- 
te •  Mädchen  mit  nur  schönen  Augen  mußten  sehr  viel  Geld 
haben,  um  standesgemäß  verheiratet  zu  werden •  Sophrines 
Mutter  brauchte  selbst  sehr  viel  Geld  und  plante  durchaus 
nicht,  sich  in  dieser  Beziehung  Opfer  aufzuerlegen  für  ein 
Geschöpf,  das  so  gar  nicht  in  den  festgefügten  Rahmen  ih- 
rer Werte  hineinpaßte.  Guter  Charakter  war  etwas  anderes. 
Es  gab  Männer,  die  pflichttreue  und  ordentliche  Frauen  für 
ihren  Haushalt  wünschten  und  glaubten,  daß  solche  Personen 


8 


ihren  Kindern  gute  Mütter  sein  würden;  der  Vorteil  war 
natürlich 9  daß  eine  Frau  dieser  Art  dankbar  anerkennend 
dafür  sein  rnuiSte,  daß  Irgend  ein  Mann  sie  heiratete  und 
demnach  keinerlei  Ansprüche  an  den  Mann  stellen  dürfte. 
Mit  Tüchtigkeit,  Ordentllchkelt  und  einem  guten  Charakter 
konnte  heutzutage  ein  Mädchen  einen  Beruf  ergreifen,  soll- 
te sie  das  Pech  haben,  daß  doch  kein  Mann  sich  Ihrer  er* 
barmte*  So  wurde  Sophrlne  also  von  Ihrer  Mutter  gut  er- 
zogen« Es  wurde  Ihr  aufs  Genaueste  klar  gemacht,  daß  sie 
nicht  schön  sei,  daß  aber  Sauberkeit,  Ordnung  und  Willens- 
stärke auch  für  ein  nicht  schönes  Mädchen  Attribute  seien, 
die  Ihr  Im  Leben  helfen  und  sie  zu  einem  gewissen  Grade 
wenigstens  begehrenswert  machen  könnten»   Ihre  Mutter  brach- 
te das  Opfer,  regelmäßig  eine  oder  zwei  Stunden  mit  So- 
phrlne zu  verbringen«  Sie  sah  dazu,  daß  das  Mädchen  sich 
Fertigkelten  In  Handarbeiten  erwarb,  daß  sie  fleißig  Kla- 
vier übte  und  inspizierte  in  regelmäßigen  Abständen  ihr 
Zimmer,  Ihren  Kleiderschrank  und  ihre  Wäschekommode.   Sie 
hatte  nichts  dagegen,  daß  sie  häufig  mit  Helene  zusammen 
war,  da  es  Sophrlne  eine  gute  Gelegenheit  gab,  der  Cousine 
gegenüber  ihre  eigene  Willensstärke  zu  üben  und  auch  so- 
zusagen an  einem  praktischen  Beispiel  sich  von  der  Rich- 
tigkeit der  mütterlichen  Lehren  zu  überzeugen.  Denn  ob- 
wohl Helene  ein  hübsches  Kind  war,  so  brachten  doch  Nach- 
lässigkeit und  Unordnung  Ihr  gewöhnlich  sehr  viele  Nachtelle, 


I  i 


und  sie  war  In  einen  ständigen  Kampf  mit  den  einfachsten 
Anforderungen  des  Lebens  verstrickt.  Unvergesslich  blieb 
es  für  die  sonst  recht  vergeßliche  Helene,  daß  eines  Tages 
die  etwas  ältere  Sophrine  in  ihr  Zimmer  eindrang,  gerade 
als  sie  in  einer  ihrer  Schubladen  nach  irgendeinem  Gegen- 
stand suchte,  der  wieder  einmal  auf  die  rätselhafteste 
Weise  verschwunden  war  oder  zumindest  nicht  an  jenem  Ort 
sich  befand,  an  dem  Helene  ihn  vermutet  hatte.   Sophrine, 
deren  Nase  und  breite  Unterlippe  strenge  Zurückweisung  und 
fast  Skel  ausdrückten,  nahm  ihre  Cousine  fest  bei  der  Hand 
und  führte  die  Erstaunte  mit  unnachgiebigen  Schritten  aus 
dem  Haus  heraus  in  ihr  eigenes,  und  dort  in  ihr  sauberes 
JungmSdchenzimmer;  erst  als  sie  vor  ihrer  Wäschekommode 
standen,  ließ  sie  Helenes  Hand  los;  sie  zog  eine  Schublade 
nach  der  anderen  heraus  und  zeigte  vorwurfsvoll  aber  mit 
größter  Selbstgefälligkeit  auf  den  in  schönster  Ordnung 
sich  befindenden  Inhalt  hin.  Aber  es  konnte  auch  vorkommen, 
daß  Helene  Dinge  sagte  oder  tat  in  ihrer  Vagheit  und  nur 
nebelhaften  Wahrnehmung,  die  das  Gebäude  von  Sophrines 
Ueberlegenheit  oder  moralischer  Entrüstung  plötzlich  ein- 
stürzen  ließen  und  eine  Reaktion  herbeiführten,  die  für 
Helene  immer  gänzlich  unerwartet  war.  Einmal  fing  sie  an, 
der  Cousine  begeistert  von  Zwerg  Nase  zu  erzählen  und  sah 
mit  Bestürzung,  wie  Sophrines  Nase  plötzlich  sich  rötete, 

ihre  Augen  sich  mit  Tränen  füllten  und  Sophrine  ihr  wohl- 


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gefaltetes  weißes  Taschentuch  herausholte  und  es  gegen  ihr 
Gesicht  drückend  aufsprang  und  davonlief.  Mehrere  Tage  hin- 
durch wollte  Sophrlne  sie  nicht  sehen  und  nicht  mit  Ihr 
spielen,  Sie  ließ  sich  auch  nie  dazu  herab,  Helene  später 
eine  Erklärung  darüber  zu  geben,  warum  sie  geweint  hatte. 
Später  in  der  Tanzstunde  waren  beide  Mädchen  nicht  zu  er- 
folgreich; aber  doch  passierte  es  manchmal,  daß  einer  der 
Tanzstunden  Herren  öfters  mit  Helene  tanzte  oder  sie  nach 
der  Tanzstunde  nach  Hause  bringen  wollte.  Bei  diesen  Ge- 
legenheiten geschah  es  dann,  daß  Sophrlne  kalt  und  schwei- 
gend als  Dritte  mitging,  und  da  sie  nicht  in  ein  Gespräch 
mit  hineinbezogen  werden  konnte,  legte  sich  eine  tödliche 
Verlegenheit  über  die  beiden  anderen.  Helene  war  froh, 
wenn  sie  sich  von  ihrem  Begleiter  verabschieden  konnte 
und  hatte  das  unbehagliche  Gefühl,  dass  sie  Sophrlne  durch 
irgendeine  freundschaftliche  Handlung  beschwichtigen  und 
versöhnen  müßte,  obgleich  sie  in  ihrer  Ratlosigkeit  nie 

wußte,  womit. 

sophrlne  beendigte  das  Gymnasium  mit  Auszeichnung 

und  verließ  das  Haus  und  die  Stadt,  um  zu  studieren.  He- 
lene vermißte  sie  nicht  allzusehr.  Sie  hatte  genug  damit 
zu  tun,  das  von  ihr  Erwartete  zu  vollbringen  und  hatte 
sich  fast  durch  ihre  Gedankenlosigkeit  und  Vergeßlichkeit 
um  allen  Erfolg  gebracht,  als  sie  einen  Zettel  mit  mathe- 
matischen Formeln,  die  sie  -  noch  dazu  falsch  -  von  ih- 


I  I 


i    t 


11 


rer  Nachbarin  abgeschrieben  hatte,  nit  ihrer  Matura-Ar- 
beit zusammen  dem  Lehrer  einreichte»  V/as  sie  davor  ret- 
tete, wegen  Unehrlichkeit  disqualifiziert  zu  werden, 
war  nur  eben  die  Tatsache,  dass  sie  falsch  abgeschrie- 
ben  hatte.  So  viel  Unaufmerksamkeit  hielt  man  sogar  bei 
Helene  für  unwahrscheinlich.   So  bestand  sie  recht  und 
schlecht  die  Prüfungen  und  willigte  in  den  elterlichen 
Vorschlag  ein,  ebenfalls  auf  die  Universität  zu  gehen 
und,  da  sie  keine  ausgesprochenen  Neigungen  oder  Abnei- 
gungen hatte,  so  wie  Sophrine  es  mit  dem  üedizinstudium 
zu  versuchen*   Die  beiden  Cousinen  sahen  einander  selten, 
aber  behielten  für  einander  ein  Gefühl  der  Verbundenheit 
und  Zuneigung.  Keine  von  den  beiden  hätte  sagen  können, 
was  sie  eigentlich  miteinander  verband;  doch  waren  sie 
überzeugt,  dass  es  eine  unlösliche  Freundschaft  war. 
Wie  während  ihrer  Kinder-  und  Jungmädchenzeit 
so  durfte  Sophrine  auch  während  ihrer  Studienzeit  sich 
mehr  auf  Erfolge  durch  Fleiss  und  Ordentlichkeit  verlas- 
sen als  durch  weibliche  Reize.  Sie  war  eine  tüchtige 
Studentin,  die  ihren  Professoren  und  Uitstudierenden 
durch  ihr  Wissen  und  ihre  Verläßlichkeit  imponierte, 
aber  gleichzeitig  hatten  diese  Eigenschaften  etwas  fast 
Unerbittliches,  das  jede  intimere  Annäherung  ausschloß 
und  niemandem  erlaubte,  den  empfindlicheren  und  weiche- 
ren Kern  ihres  Wesens  auch  nur  zu  ahnen.  Helene,  im  Ge- 


12 


gensatz  zu  ihrer  Cousine »  geriet  aus  purer  Nachlässigkeit 
und  Vagheit  in  die  merkwürdigsten  Beziehungen,  die  nur 
wieder  auf  Grund  ihrer  Vergeßlichkeit  zu  Irgendeinem  En- 
de  führten.  Aber  immerhin  sammelte  sie  auf  diese  Weise 
Liebeserfahrungen,  die  sie  auf  ihre  eigene,  nicht  ganz 
wache  Art  genoß. 


So  Terglng.en  einige  Jahre,  in  denen  die  beiden 
Frauen  ihren  Beruf  nachgingen  und  allmählich  ihren  eige- 
nen Kreis  fanden.  Die  Kreise  berührten  sich  manchmal, 
aber  nur  sehr  tangential.  Von  Zeit  zu  Zeit  hörten  sie 
durch  dritte  Personen  voneinander  und  gelegentlich  be- 
suchten sie  einander,  besonders  in  den  Ferien,  die  sie 
manchmal  gemeinsam  in  ihrer  Heimatstadt  verbrachten.  Bei 
einem  dieser  gelegentlichen  Besuche  im  Hachbarhaus  er- 
fuhr Helene,  daß  Sophrine  sich  entschlossen  hatte,  nun 
endgültig  in  der  Stadt  zu  bleiben.  Sie  hatte  eine  längere 
Zeit  schon  eine  Stelle  an  dem  wohlrenomlerten  städtischen 
Krankenhaus  bekleidet,  sich  selbst  einen  guten  Namen  unter 
Kollegen  und  Patienten  erworben  und  hoffte,  nun  bald 
eine  eigene  ärztliche  Praxis  zu  eröffnen.  Ihren  Eltern 
war  es  recht;  ja,  ihre  Mutter  zeigte  sogar  in  letzter 
zeit  einen  gewissen  Stolz  auf  ihre  Tochter  und  deren  be- 


13 


ruf  Hohe  Erfolge  und  hatte  schon  begonnen,  in  der  Gesell- 
schaft von  Sophrlnes  Plänen  Ankündigung  und  bedeutsame 
Bemerkungen  über  Zuverlässigkeit  und  Tüchtigkeit  Jünge- 
rer Arzte  zu  machen«   Trotz  ihrer  Beschäftigung  mit  ihren 
eigenen  Angelegenheiten,  die  sich  gerade  recht  verwickelt 
befanden,  bemerkte  Helene  eine  gewisse  Veränderung  im 
Wesen  ihrer  Cousine,  eine  größere  Bereitschaft  gleichsam, 
sich  mitzuteilen,  einen  Eifer,  der  ihrem  Gesicht  Wärme 
und  Lebhaftigkeit  verlieh  und  um  die  Aufmerksamkeit  ihrer 
Freundin  zu  werben  schien,  Sie  streiften  zusammen  durch 
den  Garten,  der  in  spät-sommerlicher  Blüte  stand.  Beson- 
ders die  Rosen  zogen  den  Blick  auf  sich«  Sophrine  blieb 
vor  einem  Busch  mit  Teerosen  stehen  und  ließ  ihre  Hand 
merkwürdig  zärtlich  über  einige  der  gelben  Blüten  strei- 
chen; dabei  lächelte  sie  versonnen  und  wehmütig,  und  als 
Helene  verwundert  über  die  ungewöhnliche,  sanfte  Geste 
Sophrines  verlegen  weitergehen  wollte,  hielt  diese  sie 
zurück  und  sagte:  "Diese  gelbe  Rose  ist  meine  Lieblings- 
blume;  ich  habe  sie  immer  schon  seit  früher  Kindheit  ge- 
liebt; Du  hast  das  aber  wohl  nicht  gewußt. ♦*  Helene  erwi- 
derte, daß  sie  nie  den  Eindruck  gehabt  hatte,  daß  Sophri- 
ne sich  besonders  für  Blumen  interessierte,  "aber,"  sag- 
te sie,  "es  gibt  wohl  eine  Menge  Dinge,  die  wir  vergaßen 
oder  vielleicht  nie  von  einander  gewußt  haben*  Beson- 
ders ich,  da  ich  immer  erst  zu  spät  bemerke,  wenn  etwas 


14 


am  mich  vorgeht."  "Ist  es  nicht  seltsam,"  fuhr  Sophrine 
daraufhin  fort,  "wir  haben  so  viel  Zeit  unseres  Lebens 
so  nahe  miteinander  verbracht»  und  doch  wissen  wir  kaum 
das  Oberflächlichste  voneinander.  Die  gelben  Rosen  be- 
deuten mir  mehr  noch  in  Jüngster  Zeit*  Weißt  Du,  wann 
ich  das  letzte  Mal  einen  Strauß  gelber  Rosen  erhalten 
habe?  An  meinem  Geburtstag«  Das  ist  jetzt  genau  zehn 
Monate  auf  den  Tag»  und  ich  war  sehr  glücklich.''  .... 
"Soll  ich  Dir  davon  erzählen,  Helene;  ich  muß  mit  Jeman- 
dem davon  reden,"  setzte  sie  hinzu,  als  ob  noch  zögernd 
und  doch  voll  Gier,  sich  mitzuteilen.  Helene  fühlte 
sich  unbehaglich  und  fühlte  schon  wieder,  wie  sie  Mühe 
hatte,  selbst  ein  aufforderndes  Nicken  zustande  zu  brin- 
gen. Aber  Sophrine  brauchte  nun  diese  Aufforderung  gar 
nicht  mehr,  sondern,  als  ob  sie  hundertmal  sich  selbst 
die  Geschichte  erzählt  hatte  und  doch  nicht  ganz  sicher 
war,  daß  alles  Ihr  so  widerfahren  sei,  sprach  sie:   "Es 
ist  Jetzt  wohl  dreizehn  oder  vierzehn  Monate  her,  daß 
wir  auf  unserer  Privatabteilung  einen  Patienten  hatten, 
der  mit  einer  schweren  Lungenerkrankung  eingeliefert 
wurde.   Du  weißt,  daß  ich  seit  anderthalb  Jahren 
auf  der  Lungenabteilung  arbeite,  um  mich  zu  speziali- 
sieren.   Die  Privatabteilung  ist  mir  unterstellt. 
Herr  Hagen,  ich  mag  Dir  schon  diesen  Namen  mitteilen, 
da  ich  überhaupt  von  ihm  spreche,  und  Du  kennst  ihn  Ja 


^jf^/;/ vuf 


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um  mich  vorgeht."  ''Ist  es  nicht  seltsam/'  fuhr  Sophrine 
daraufhin  fort,  "wir  haben  so  viel  Zeit  unseres  Lebens 
so  nahe  miteinander  verbracht,  und  doch  wissen  wir  kaum 
das  Oberflächlichste  Tonelnander .  Die  gelbea  Rosen  be- 
deuten mir  mehr  noch  in  JQngster  Zeit«  Weißt  Du,  wann 
ich  das  letzte  Mal  einen  Strauß  gelber  Rosen  erhalten 
habe?  An  meinem  Geburtstag,  Das  ist  jetzt  genau  zehn 
Monate  auf  den  Tag,  und  ich  war  sehr  glücklich."  .... 
"Soll  ich  Dir  davon  erzählen,  Helene;  ich  muß  mit  Jeman- 
dem davon  reden,"  setzte  sie  hinzu,  als  ob  noch  zögernd 
und  doch  voll  Gier,  sich  mitzuteilen.  Helene  fühlte 
sich  unbehaglich  und  fühlte  schon  wieder,  wie  sie  Mühe 
hatte,  selbst  ein  aufforderndes  Nicken  zustande  zu  brin- 
gen. Aber  Sophrine  brauchte  nun  diese  Aufforderung  gar 
nicht  mehr,  sondern,  als  ob  sie  hundertmal  sich  selbst 
die  Geschichte  erzählt  hatte  und  doch  nicht  ganz  sicher 
war,  daß  alles  ihr  so  widerfahren  sei,  sprach  sie:   "Ss 
ist  jetzt  wohl  dreizehn  oder  vierzehn  Monate  her,  daß 
wir  auf  unserer  Privatabteilung  einen  Patienten  hatten, 
der  mit  einer  schweren  Lungenerkrankung  eingeliefert 
wurde.   Du  weißt,  daß  ich  seit  anderthalb  Jahren 
auf  der  Lungenabteilung  arbeite,  um  mich  zu  speziali- 
sieren.  Die  Privatabteilung  ist  mir  unterstellt. 
Herr  Hagen,  ich  mag  Dir  schon  diesen  Namen  mitteilen, 
da  ich  überhaupt  von  ihm  spreche,  und  Du  kennst  ihn  ja 


15 


wenigstens  dem  Namen  nach,  da  Du  seine  Bücher  gelesen 
hast  ••  Herr  Hagen  also  war  mit  einer  falschen  Diagno- 
se als  einseitige  Lungenentzündung  zu  uns  geschickt  wor- 
den, aber  Ich  bemerkte  bald,  daß  wir  es  mit  einer  Tuber- 
kulose zu  tun  hatten.  Eine  Jener  plötzlichen  tuberkulö- 
sen Infektionen,  ohne  lange  Vorgeschichte,  die  böse  aus- 
zugehen pflegen,  wenn  man  nicht  sofort  aktiv  eingreift. 
Ich  mußte  die  Entscheidung  selbst  treffen,  da  der  Chef- 
arzt nicht  da  war,  und  obgleich  Herr  Hagen  sehr  krank 
und  besonders  schon  toxisch  erschien,  machte  Ich  Ihm 
seine  Situation  ganz  klar  und  verlangte  seine  Elnwllll- 
gung  zum.  sofortigen  Pneumothorax.  Er  gab  sie  auch,  und 
glücklicherweise  brachte  die  Ruhigstellung  der  Lunge 
eine  erstaunlich  schnelle  Besserung  seines  Zustsiides  her- 
bei. Er  war  mir  sehr  dankbar,  und  sobald  er  sich  etwas 
wohler  fühlte,  versuchte  er,  seine  Dankbarkeit  in  klei- 
nen Freundlichkeiten  zu  beweisen.  Er  war  sympathisch, 
und  ich  war  gerührt  durch  seine  so  deutlich  gezeigte 
Freude,  wenn  ich  meine  Visite  bei  ihm  machte.  Bald  fing 
er  an,  mich  in  längere  Gespräche  zu  verwickeln  und  um 
ihn  nicht  durch  meine  Eile,  die  Ja  leider  durch  die  vie- 
len anderen  Patienten  verursacht  war,  zu  kränken,  rich- 
tete ich  es  mir  bald  ein,  ihn  immer  als  letzten  aufzu- 
suchen. Er  hatte  so  Vieles  und  Interessantes  zu  erzäh- 
len. Er  ist  verheiratet  und  hat  zwei  noch  kleine  Kin- 


\ 


18 


der,  aber  zur  Zelt  seiner  Erkrankvmg  hatte  er  große  Er- 
schütterungen In  seinem  Eheleben  erfahren,  die  wahrschein- 
lich zur  Schwächung  seines  Allgemeinzustandes  beitrugen. 
Seine  Frau  besuchte  ihn  nicht,  da  sie  sich  entsetzlich 
vor  Ansteckung  fürchtete.  So  war  er  allein,  und  wir  schlös- 
sen uns  mehr  und  laehr  an  einander  an  und  zu  einander  auf. 
Mit  einem  Wort,  Helene,  wir  liebten  und  lieben  einander. 
Er  ist  der  aufmerksariste,  liebreichste  Mensch,  Iminer  dar- 
auf bedacht,  herauszufinden,  womit  er  mir  eine  Freude 
machen  könnte.  Sein  Leben  und  meines  passen  zu  einander; 
wir  beide  sind  gewohnt,  Opfer  zu  bringen,  zu  verzichten. 
Und  wir  wußten  Ja  vom  Beginn,  dass  wir  wohl  verzichten 
müßten  auf  eine  lange  Zelt,  bis  er  sich  von  seiner  Frau 
trennen  könnte,  bis  die  Kinder  Ihn  nicht  mehr  brauchten. 
Drei  Monate  lang  sahen  wir  uns  doch  täglich  im  Kranken- 
haus, und  er  verstand  mich  und  hörte  mir  zu  und  erzählte 
mir  von  sich  und  seiner  Arbeit.  Diese  drei  Honate  waren 
für  mich  so  unglaublich  glücklich.  Ich  erzShlte  ihm  von 
meiner  Vorliebe  für  gelbe  Rosen  und  siehst  Du,  was  für 
ein  Mensch  er  ist:  an  meinem  Geburtstag  -  das  war,  nach- 
dem wir  zusammen  beschlossen  hatten,  zu  verzichten,  nach- 
dem seine  Frau  ihn  abgeholt  hatte,  um  ihn  in  ein  Sanato- 
rium in  der  Schweiz  zu  bringen  —  erhielt  ich  einen 
Strauß  gelber  Rosen.  Wir  hatten  einander  gelobt,  nicht 
zu  schreiben  -  es  ist  Ja  auch  nicht  nötig,  wenn  man  an- 


17 


einander  denkt,  einander  so  unendlich  nahe  Ist,  so  war 
auch  nichts  Geschriebenes  dabei;  aber  wie  wunderbar,  daß 
er  sich  erinnert  hat,  daß  er  meiner  gedacht  hat  und  sicher 

♦ 

noch  immer  an  mich  denkt.'' 

Helene  war  gerührt,  sagte  V/orte,  die  ihr  passend 
erschienen  und  versuchte,  Sophrines  Hoffnungen  auf  eine 
Vereinigung  mit  dem  Geliebten  in  der  Zukunft  zu  bestärken. 

Dann  nahm  sie  bald  Abschied,   Sie  machte  beim  Nach- 
hausekommen  eine  Notiz,  um  nicht  Sophrines  Geburtstag  zu 
vergessen,  und  glücklicherweise  kam  ihr  diese  Notiz  auch 
wirklich  einige  Tage  vor  dem  Geburtstag  wieder  vor  Augen. 
Ihr  war  ganz  eindeutig  klar,  daß  sie  die  Absicht  gehabt 
hatte,  ihrer  Cousine  eine  Freude  zu  machen,  und  so  schrieb 
sie  an  ein  Blumengeschäft  in  ihrer  Heimatstadt  und  ließ 
Sophrinen  einen  Strauß  gelber  Rosen  schicken.   Ja,  sie  tat 
noch  mehr.   Glücklich,  ein:iial  wenigstens  zu  v/issen,  was 
einem  andern  J:enschen  lieb  sei  und  im  Vollgefühl  ihrer  eigenen 
Großzügigkeit,  aber  auch  diesmal  sich  ihrer  Gewohnheit,  zu 
vergessen,  bevnißt,  ordnete  sie  an,  daß  jedes  Jahr  --  auf 
fünf  Jahre  hinaus  —  dieselbe  Gabe  ihrer  Cousine  am  Ge- 
burtstage geschickt  weräen  sollte.  Für  eine  Weile  freute 
sie  sich  über  ihre  freundschaftliche  Tat,  dann  vergaß  sie 
die  ganze  Angelegenheit  vollkomen  und  restlos.  Sie  hatte 
allerdings  auch  vergessen,  ihre  Namenskarten  den  Blumen- 

» 

spenden  beilegen  zu  lassen. 

War  es  denn  nun  wirklich  ihre  Schuld,  daß  Sophrine 


-fF 


16 


80  schrecklich  überspannt  und  empfindlich  war  und  gar 
keinen  Sinn  für  die  Ironie  und  Komik  des  Lebens  hatte?  — 
Helene  heiratete  aus  Zufall  und  hatte  auch,  rein  zufäl- 
lig, eine  gute  Ehe.  Ebenso  zufällig  wurde  sie  schwan- 
ger und  hatte  nun  zwei  Kinder.  Sie  war  vollauf  verwo- 
ben  in  ein  verwickeltes  Familienleben  mit  ungeheuren 
Zufällen,  Katastrophen  und  Errettungen.  So  hatte  sie 
keine  Gelegenheit,  ihre  Familie  in  ihrer  Heimatstadt 
während  der  nächsten  fünf  Jahre  zu  besuchen.  Da  aber 
Ihr  Vater  krank  wurde  und  den  Wunsch  geäußert  hatte,  seine 
Tochter  zu  sehen,  entschloiS  sie  sich  zu  einem  Besuch  ihrer 
Eltern.  Es  war  im  Oktober,  dem  llonat,  in  dem  Sophrine 

ihren  Geburtstag  feierte. 

Helene  ging  an  dem  Geburtstag  hinüber  ins  Nachbar- 
haus, um  ihrer  Cousine,  die  zur  Teestunde  zu  Hause  war. 
Glück  zu  wünschen.  Die  beiden  Frauen  saßen  zusammen  im 
kalten  eleganten  Salon,  und  da  sie  einander  so  lange  nicht 
gesehen  hatten,  wußten  sie  nicht  recht,  worüber  zu  spre- 
chen. Doch  schien  es  Helene,  als  ob  Sophrine  in  Erwar- 
tung war,  in  Spannung  auf  etwas,  was  ihre  Gedanken  gefangen 
hielt.  Mehrmals  hörte  man  die  Haustürglocke  und  Jedesmal 
schien  sophrine  den  Atem  anzuhalten  und  zu  warten,  um  dann 
nach  einer  Weile  wieder  sich  dem  Gast  zuzuwenden  und  den 
Faden  des  gleichgültigen  Gesprächs  aufzunehmen,  bis  wieder 
einmal  die  Haustürglocke  ertönte.  Diesmal  hörte  man 


19 


eine  kurze  Zeit  darauf  Schritte,  es  wurde  an  die  Tür  ge- 
klopft und  das  eintretende  Hausmädchen  überreichte  Sophrine 
ein  Bouquet  herrlicher  gelber  Rosen.  Sophrine  griff  mit 
unbeherrschter  Gier  danach,  Rührung  und  Triumph  malten  sich 
auf  ihrem  Gesicht;  um  ihre  Tränen  zu  verbergen,  beugte  sie 
sich  über  den  Strauß,  den  sie  heftig  an  Mund  und  Nase  pre3- 
te.  Dann  wandte  sie  sich  zu  Helene  um,  und  sagte  mit  zit- 
ternder Stimme:  "Du  siehst,  er  denkt  an  mich  —  Du  erin- 
nerst Dich  doch  an  das,  was  ich  Dir  erzählte.  Jedes  Jahr, 
zum  Geburtstag  durch  all  die  Jahre'.   Oh,  mein  Gott,  was 
für  ein  Glück,  was  für  ein  Glück'."  Sie  schaute  auf  und 
blickte  hinüber  zu  Helene,  auf  deren  Gesicht  die  plötzli- 
che Erinnerung  Entsetzen,  Schuld  und  Verlegenheit  in 
raschester  Reihenfolge  spiegelte.  Sie  wollte  etwas  sagen, 
stammerte  etwas  heraus  über  -ihre  Gedankenlosigkeit,  daß 
sie  es  80  gut  gemeint  hätte,  nicht  habe  täuschen  wollen, 
wie  Zufälle  Fallen  setzten"  und  machte  es  dadurch  nur 
schlimmer.  Sophrine  stand  wie  entgeistert  mit  verfallenen 
Zügen,  die  große  Nase  plötzlich  das  einzig  Bemerkenswer- 
te  im  Blickfeld  Helenes. 

Doch  schien  sie  sich  noch  zu  wehren,  den  Sinn  der 
verworrenen  Worte  ganz  zu  verstehen.   "Vfas  meinst  Du  mit 
all  diesem  Gestammel?",  fragte  sie  mit  heiserer  Stimme 
und,  sich  zu  einem  verzerrten  Lächeln  zwingend,  setzte 
sie  hinzu:  "Du  scheinst  wieder  einmal  ganz  verwirrt  zu 


; 


20 


sein  und  etwas  vergessen  oder  mißverstanden  zu  haben'." 
••Ach,**  sagte  Helene,  "wäre  es  nur  sol  Die  Rosen  sind 
wirklich  von  mir*  Ich  hatte  es  so  freundlich  gemeint,  als  ich 
dem  Blumenhändler  den  Auftrag  gab,  sie  Dir  immer  an  Deinem 
Geburtstag  zu  schickenl"  "Dul",  brachte  Sophrine  nur  mit 
erstickter  Stimme  heraus: "Dul"  Sie  ließ  den  Strauß  auf 
den  Teppich  fallen  und  lief  aus  dem  Salon  hinaus,  die 
Treppe  hinauf  und  in  ihr  eigenes  so  wohlgeordnetes  Zim- 
mer. Sie  drehte  den  Schlüssel  im  Schloß  herum.  Helene 
wartete  noch  eine  Weile,  trat  von  einem  Fuß  auf  den  an- 
dern, wie  sie  es  als  kleines  Mädchen  getan  hatte,  rief 
Sophrine  ein  paar  lial,  und  als  keine  Antwort  kam,  schlich 
sie  sich  betrübt  nach  Hause.  Dort  widmete  sie  sich  ihrem 
Vater,  der  schon  wieder  in  der  Convaleszenz  war,  und  nach 
einigem  Kopf schütteln  beschloß  sie,  nicht  mehr  an  die  un- 
angenehme und  alberne  Begebenheit  zu  denken. 

Am  nächsten  Morgen  wurde  Sophrine  am  Familien- 
rrOhstückstisch  vermißt.  Als  man  die  Tür  zu  ihrem  Zim- 
mer aufbrach,  fand  man  sie  tot  auf  ihrem  Bett  liegen. 
Sie  hatte  sich  am  Abend  vorher  mit  einem  Schlafmittel 
vergiftet  und  war  ohne  viel  Aufhebens  während  der  Nacht 
gestorben. 


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IS  54 


Sie  war  keine  Mexe.  Cie   war  un  Jeae  ^jelt  eine  Frau 
von  nlttleron  Jehron,  V.a8  sie  2;ur  He:xe  uordon  Hess,  wa- 
ren ^wel  ihrer  ^leentörulichktfilten,  eine  körperliche  und 
eine  ßeistigo.   Das  eine  war  ihre  otillo,  di^   verlockte, 
die  eile,  nlt  denen  sie  Vr^fanf:   pflente,  zu  frechem 
machte.   Sie  hört^  nur  7.u.   Das  hatte  sie  schon  z\}   J^nor 
7eit  an  sich,  als  sie  zn   den  Tüssen  SöuIg  SBg^ein  p^nz 
Junp.oG  j^ödch'ijn,  noch  n^:r  nicht  erblüht,  schwoJ^-end  und 
zSrtlich  aufrnerkseruj^öurch  3tunden  zuhörte,  \sQi\r\   der  re- 
nig In  wilder  oder  sanfter,  trüurlper  oder  Übersprudeln- 
der Laune,  seine  Oedaaken  vor  Ihr  .und  ihr  allein /-ent- 
hüllte. Und  v;a3  für  Gedanken  v/aren  es,  die  In  den:  ver- 
schlossenen :iQU,r.  von  den  ..ünden  ^urückr.sv\orfen  v\urdonl 
Cft  hätte  sie  wohl  erschreckon  können  vor  der  Leiden- 
schaft und  der  -.'ordlust  und  cft  er:ilttörn  vor  solnor  Je- 
nut,  Croupe  uiid  tcronhafton  .irrobonhel t.   3ie  jedoch  hör- 
te nur  zu,  und  das  Gefühl  der  Denkbarkoit  für  ihn,  den 
Lebensrettor,  verwandelte  sich  zu   einer  alles  uuschlles- 
senden  Liebe,  zu  einer  Bewunderung,  die  an  Anbetunp,  grenz- 


*., 


/. 


I  I 


2 


t6  und  einer  Yöllig  vsrtrauensvollon  Hlneabe  lJir«3  elßo- 
nen  kleinen  Lebene.  Die  Stille,  die  Ihraa  Wesen  so  eigen 
wer  und  ale  zur  Zuhörarin  machte,  war  das  älnilpo,  dßo 
slo  aus  den  TrUj::aern  Ihres  Daseins  gorettot  hotte,  naoh- 
dea  der  unbari!±9ri;lce  ochlag  sie  getroffen. 

Die  körperliche  i;lc9ntüal ichkalt,  von  dsr  Ich  ee- 
sprochen,  waren  aber  Ihre  Augen.   Seltsame  Augen,  die  In 
das  aaurloche  Goslcht  schrüg  hlnelnpostellt,  mandelför- 
ttlß  und  von  langen  '.'.'Impern  beschattet,  aus  prünsr.  Gold 
bestanden.   RStselhnfte  Augon,  deren  Blick  In  sich  ver- 
aunkon  schien.   V/enn  Ihre  nächtlichen  Besuchsr  Ihre 
Stille  er.pfcindan  und  in  dlt3:3e  Au/73n  schauten,  Vcnnte 
nichts  nehr  sie  davon  ^suruckh^ilt^n,  von  i;ich  /,u  3::re- 
ch'.m,  Cde   enthüllten  DInce  über  sich  und  Andere,  die 
sie  nicht  olnr>il  sich  selbst  7.uf:3:iVjnd3n   hatten,  b3Vor 
sie  Jene  ?Taniner  betraten.   3o  wurde  sie  /;ur  Hexe,  zur 
^auborin,  refürchtet,  geachtet  und  In  ihrer  völlipon 
höllischen  Einsamkeit  gelassen,  donn   rlölle  ist  keincs- 
wofTS  ?euor,  ijor^dern  der  IJis^elast  des  .nlleinseins.   Der 
oinilre  I'aiuert^d  v.ar  elr.o  Katze,  schwarz,  schlank  und 
elegöut  und  mit  Auifren,  die  denen  der  Herrin  Shnlich  v.a- 
ren;  nur  fehlte  däs  Gold,  sie  wtiren  einfach  grün.   Sie 
verstönden  einander  so  v/ohl,  die  beiden,  ü1«j  würen  ein- 
ender so  ähnlich.   Gle  hatte  das  Tiorchan  porettet,  v^iie 
einst  sie  von  Saul  perettet  vorden  v/ar,  hatte  das  Ver- 
wundete gepflegt,  es  ßroiSgezo^en  mit  mütterlicher  oorg- 


i 


falt  und  es  sich  zu  eigen  Eoniaoht,  wlo  ma   sich  nur  Kot- 
zen  zu  eigen  machen  kann. 

Ich  vreli^  nichts  von  Sndor  selbst,   Se  war  wohl  ein 
kleiner  Ort  nlt  einfachen  üüttea,  in  denen  das  Laben  wie 
überall  anderswo  exuoh  seinen  Leuf  nahri.   Ihra  Hütto  war 
eenz  am  inde,  schon  elpontlich  eui^erhalb,  wie  sie  Ju 
selbst  außerhalb  und  nur  ani  Rande  lebte.  3lo  war  Itrjzer, 
seit  sie  des  KOnißS  Haus  batreton  hatte,  Ilag&r,  dlo  Freii- 
äe.  gewesen,  "elt  swaniie  Jöhron  wohnte  Hepar  In  Ihrca  . 
kleinen  Haus.  nChrto  sich  von  Beeren, Wurzeln  und  Kräu- 
tern und  von  öera,  was  ihr  die  Snp.stllcho  girfurcht  der 
Dorfbev.ohnor  brucht-a.  Las  hcl^t  allerdlnrs  nur,  rtai  ihr 
Körper  davon  r^nShrt  würde.  Kr  brauchte  nicht  vl-3l,  die- 
ser Körper,  er  war  so  leicht  unr-  zart,  f«st  wie  der   eines 
Kindes,  braun  und  fein,  nit  Unron  Echnalon  Oliedern. 
TrctÄ  der  Xü^e^erlichkeit  dieses  äu3eren  Lebens,  dor  T'ör- 
te  und  des  I^orbcns  behielten  ihre  Glieder  seltsar.er.velse 
Ihre  Z^^rthelt,  besondcr-s  die  F.Snde,  die  sch;:.al  und  schfJn 
fiefornit.  nAt   Unr..n  Flnecrn,  das  Aur.o  das  Eeechaucrs  auf 
sich  zoßan.  Der  Geist  und  die  Jede  dlouer  Frau  aber 
hatte  nur  eine  Mahrunn,  und  das  war  üaul.  Durch  zwanzig 
Jahre  wartete  sie  auf  den  einen  Aufrenbllck,  der  korancn 
nußte.  auf  den  Augenblick,  da  3qu1  sie  fand.   Sie  A-ußte, 
daJ  er  komaen  würde,  sonst  hßtte  ihr  Leben  keinen  Ab- 
schluß gehabt,  dieses  Leben,  das  sie  durch  ^v.an^le  Jahre 


/ 


L 


Incer  wledor  uad  wledor  durchlobte,  wenn  ßlo  vor  ihrer 
Hütte  eaC,  oder  In  Ihrer  Komrcer,  In  den  endlosen  Koch- 
ten frlersnd  auf  Ihrera  Lßpor,  oder  schlafloö  In  der 
Sonnenglut*   Inner  war  Jeul  mit  Ihr,  Bprach  zu  Ihr, 
liebkoste  sie,  rli?>  sie  in  seiner  Leidenschaft  alt  In 
HOhen  und  Tiefen  oIqcs  doppelten  Galno.  Kur  dl<3  :>tun- 
doß  der  DStrtaorunß  «aron  zu  fUrchton,  wenn  In  i.wlellcht 
Blch  allös  verv/aridQlto,  allös  Vertraute  fro,r.d  und  falnd- 
eellp.  wurde  und  sl«  oich  sn  dlo  :;chrocken  orlnncrto,  en 
das  ßrausano,  unstillbare  Leid,  das  Ihr  ct»ul  enfoton. 
Dann  hätte  sie  sterben  soll&n,  Teif,  für  T&f,  durch  zwan- 
zig Jöhri,  dann  verfluchte  sie  den  rbnlc,  der  ihr  dos 
leichtere  ..chicksul  des  Todes  vorentholton.   üenn  er 
hütte  sie  noch  den  Gesetz  töten  lassen  müssen;  und  ob- 
e-lelch  sie  es  nanchr.bl  salnar  Cro:.'niut  zuschrieb,  dass 
er  sie  cntkoar^an  llei,  schien  es  Ihr  doch  in  Jonen  sel- 
tenen elnslchtlren  Augenblicken,  die  frei  von  Liebe  und 
Hau  waren,  daJ'  os  weriiper  roit  GroJr-ut  üu   tun  hatte,  son- 
dern, da^  er  salbst  niocuils  a::  die  furchtbare  AnKlaf.e 
ßcclöubt  hatte,  unt-ar  die  er  sie  selbst  costellt.   üenn 
sie  kannte  3aul  und  seine  fanatische  ^iräsbonhelt  in  Got- 
tes Gebot.   Das  Gesetz  stand  Ihca  über  allen  menschli- 
chen Boziehungen,  das  Gesetz,  und  .^ar.uol,  dessen  1  rle- 


fiter. 


Ab:;r  diese  'Einsicht  hätte  Kegar  nur  selten. 


Je  nachdem,  ob  die  Leidensohuft  der  Liebs  oder  dos  Has- 
ses obwaltete,  eah  sie  in  Saula  Handaln  die «^örtlich- 

I 

keit  und  Besorr,al6  dec  noch  Lltsbünden,  dar  sich  dem  Cn- 
vermeldllchan  tilgen  rznl^^   oder  don  erauoarüstan  und  käl- 
testen, elftensüchtlpsten  FanütlkoTp  der  uborfrlSublcch 
sola  Chr  böeartlpora  Gerade  über  seiao  trouoato  Dlanerln 
lieh;  der  pleubte,  wös  Ihm  /.upetra^^^^en  wurde  und  die  hür- 
teeto  ntrefe  Über  sie  verhnnfrto.   »ohl  konnte  or  3I0  voa 
solnon  Antllts  bönnon,  bei  Todesstrafe,  aber  er  brennte 
doch  nicht  verhindern,  da;.'  sl^i  nlt  der  noch  J-^jdor  Nach- 
richt üb^3r  ihn  unci  sola  Loben  unc  seln*5  Tüt^n  h.ischte. 
-Sio  nul-^to  es  klur  und  holmllch  ünrtoll^n  wahr:jnd  dle^ar 
lftn^?en  Jnhre,  denn  nle^i^^nd  Ir.  Ihrer  tmg.obunc  durrto  fth- 
nen,  Anxu    slc^  die  Hßgar  wer,  dlo  durch  Flucht  —  so  war 
die  von  dos  Könlg.s  ULifieburifr  auBt-ohonce  I-arstellunc?;  (:o\\o^ 
sea  --  sich  der-^trafs  entzc^-cn  h^-tto.   ^io  war  c.;akbt.r 
für  Jedes  '>  ort,  das  d^njenlp.en  Über  d-sn  ::önlg  entschlüpf- 
te, die  Ihre  rlütto  aufauchten,  uci  von   lhre.T4  ^hraapc- 
f^elst  Gebrauch  /.u   machen,  indea  sie  sich  selbst  /;ahrt-uc- 
tene   31c  konnte  vvenißsten^  durch  die  Brocken,  die  ab- 
fielen, an  selnerri  Leben  tellnehneru   Geschickt  vorbönd 
sie  diese  Brocken  miteinander,  däfc3  sie  sinnvolle  Berich- 
te ergaben.   Hlnlpe  wenige  ;Vale  auch  erlaubte  Ihr  das 
Schicksal,  den  König  zu  sehen,  da  er  durch  lindor  20c  nilt 
seinem  Gefolge,  den  schbnen,  elof^^anten  David  und  den  lle- 


I  i 


i 


bavoll  treuen  Jonathaa  en  solner  Selta.   Jle  selbst  war 
▼erboreen  In  der  Jienge,  die  Ihn  umsohrlei  oder  elnr^il 
eoger  8ai3  sie  auf  einen  Baun  neben  der  üütte,  In  dessen 
dlcbtea  grlinon  Cezvrolße  sie  und  die  Katze  sich  versteckt 
hielten*   Da  konnte  sie  Ihn  e^nz  In  der  Nöhe  sehen,  auf's 
Osnaueste,  uad  Vergleich«  anstellen  zwischen  dea  Jaul, 
des  ßie  t&gllch  neh«  f.ev/esen  und  dorn  Jotzipon  Roalter- 
ten  König.  Denn  geoltert  war  c:aul,  dos  tnuüte  selbst 
sie  zugestehen.  Ler  einat  ao  schöne  RIgsc  v,'&r  leicht 
eebougt,  der  Gang  ein  wenig  steifer,  obgleich  r.cch  la- 
ner  recht  fest,  die  eino  Jchulter  l^iö  zur  ivbwchr  ein  .ve- 
nig  fTohobsa.  las  elnat  so  volle  blondo  Haar  war  schüt- 
ter geworden,  und  es  rührte  sie,  da.:  er  den  Versuch  fo- 
necht  hatte,  dlo  btjccndsrs  au  Hinterkopf  etwus  kehlaren 
;>tellon,  v;o  die  hello  I-cpfhaut  durchschlinaerte,  für- 
sorglich mit  den  Hest  dfts  üearoe  zu  bedecken.  Das  Ge- 
eicht zeißte  noch  irin^er  die  feinGesohnltter.an  ^Üf8,  die 
edel  gebogene  üase,  die  hoho  .-itlrn  und  das  etAac  vor- 
stehende vioreckiße  riinn.  Aber  die  Augen  waren  von 
feinsten  .Runzeln  ungeten,  die  Falten  von  Nase  zu  '.und 
waren  tief  und  der  I'und  selbst  so  viel  dünner  geworden 
und  so  eapfindsaii,  da:-  er  fast  bitter  wirkte.  Die  Augen, 
schtaal  und  hell,  waren  wie  iis  und  ließen  nicht  zu,  daiS 
man  In  die  Tiefe  ssh.  Sie  waren  scharf,  klar  und  beob- 
achtend, wie  auf  der  Kut,  so  daß  nienand  erraten  konnte, 


'■•  *  1 1  >  1 1 1 


ob  der  groCe  König  Je  ein  Leid  ecipfunäen  hatte.  3o  sah 
Ihn  Hagar  nach  Tlelon  Jähron  und  erlebte  das  Seltsarae, 
daä  er  für  sie  pleloh  hinroliJend  sohba  war  wie  in  den 
Jahren,  da  er  auf  der  Höhe  seiner  lianneskraft  war.   Je- 
de  I'altd  In  seinen  Gesicht,  Jecl«  kleine  Runzel  bedeckte 
ihr  forschender  Blick  loit  Liebe  und  sslbat  der  fast  bb- 
ee  Mund  erweckte  ihr  .lehnen.  Koante  er  sich  andern  für 
sie,  die  ihn  das  erstemal  erblickte  eis  sie,  ein  kleines 
llödchen,  sich  aa  v.egosrend  zu  verborften  suchte,  un  nicht 
wie  ihre  ptinze  Faraille  und  ihr  fi^.n/.9r  3taj:;3i,  niedcrce- 


QU 


cht  zM   werden?  Hio  vmr  die  eln^if  üeberlobande, und 


schon  stlo:'  ein  Jüdi-jcher  :;.oldöt  r.it  seineci  .Iplei  nach  ihr 
Aber  der  grow"e,  strahl,  ndo  :'nnn  hielt  ihn  auf,  heuerte 
sich  über  das  in  unvoratehender  An^st  erstarrte  Kind  und 
hob  es  in  seine  Artia.  Lachend  sagte  er  efAas  in  seiner 
S;>rache  zu  den  ihn  UaRebendon  und  drückte  sie  cn  sich. 
2r  war  so  wara  und  sicher  und  sie  schlief  ein.  AIj  sie 
ery.'echte,  befand  sie  sich  in  einen  wohlauspsstatteten 
Raun,  in  desi  sich  aehrore  rreusn  zu  schaffen  machten. 
Die  Freuen  hatten  helle  Gesichter  und  hübsche  Kleider, 
sie  waren  verschiedenen  ^.Itsrs,  Junge  und  alte,  und 
sprachen  eine  Sprache,  die  sie  nicht  verstand.   Doch 
eines  verstand  sie,  nä;jaich  die  Ausrufe  des  Srsteunens 
und  fast  Entzückens,  als  sie  den  ücistehonden  ihre  offe- 


Hl 


8 


nea  erüngoldenon  Au^oq  dorbot.  iSs  mußte  auch  wohl  die 
Anderen  In  Erstaunen  ▼ersetzen,  da  sie  bis  dahin  nur  dos 
braunhßutlge  raaurlscho  Gcslehtchen  alt  den  geschlosse- 
nen AuEün  und  den  laagon  dunklen  v.imporn  c3Sö*i«ii  hatten, 
so  June  Haear  auch  danulo  war,  eo  oehr  sie  auch  wünsch- 
te, der  J.irtllchkvjit  dieser  sie  liöbkoeendan  Frauen  zu 
trauen,  so  erfahrea  und  klue  war  sie  doch  schon,  da3  sie 
fest  entechlosson  war,  nleannden  altzuteilen,  T.'esf3on 
Tochter  sie  war,  vrer  Ihr  Vater  £-e'we8on  und  wer  Ihre 
Familie;  denn  sie  wer  sicher,  da^  dieses  Vlssen  für  sie 
ein  Todecurtell  bedeutete.   Sie  machte  sich  Ihre  Gprech- 
unkenntnle  xunutie,  lenfs  noch,  naehdesi  sie  schon  vieles 
der  neuen  vorstand,  und  in  der  Zwißchenzolt  war  des  In- 
tereone  an  ihrer  Herkunft  schon  endaron,  Jüni^ieror.  Ar- 
eif nlssen  aua  Cjfer  F.ofallon.   -ile  ';n:rd9  Hßßar  penanat, 
dl3  rreade,  und  sie  blieb  Haf;ar.  Wienand  wui?.te.  v/le 
bedeutunrorelch  dlecor  Naiao  für  des  frevido  Kind  wer  — 
ein  Naae,  der  ihr  sehr  vertraut  wsr  eua  den  Lebenden  und 
SrzShluncen  Ihres  .itar.'nos,  so  oft  von  Ihr  r.dhört,  der 
Ka:ae  Jener  ersten  Iia)t!.ar,  die,  nftchdes  sie  den:  froren 
yenn  aus  ür  r,e<llerit  und  elaoa  Knaben  peboren  hatte,  fort- 
Rejup.t  wurde  in  die  velta  —  allein  nlt  der.  kleinen  Sohn, 
der  der  ntannvater  Üagars,  dos  Kindes,  v/erden  sollte. 
So  wußte  sie  un  das  r.chicksal  der  ersten  HeRer  und  konn- 
te sich  mit  Ihr  eins  fühlen,  erst  In  goldenen  Hoffnungen 


/ 


•      I' 


auf  eine  LÖsune  Ihres  eigenan  Schicksals»  die  der  Ce* 
schichte  die  Immer  ersehnte  Sndung  geben  sollte  -•  und 
später,  Ja  spater  wurde  sie  elna  alt  dieser  nebolhaften 
Gestalt»  eins  bl3  auf  einen  Funkt  —  die  zweite  xifc^ear 
war  kinderlos.  Aber  dieses  zweite  ;ilnßwerdea  sollte 
noch  lange  nicht  geschehen • 

Hagar»  das  Kind»  hielt  eich  In  den  frauonrenS* 
ehern  auf.  Da  sie  die  Stille  um  sich  hatte  und  die  wun- 
dersacen  Aucen»  da  sie  sich  jrerSuöchlos  bewe£;te  und  sich 
zu  Jedem  Dienet  verv;endbar  zelpte,  gewann  sie  sich  bald 
nicht  nur  die  Gunst»  scndorri  euch  die  Liebe  und  des  Ver- 
trauen all  der  so  v.'^rsohlodenon  Frauen.  Besonders  eine, 
eine  Junpo  und  schöne  xercon»  üpplf:  und  weiss  und  rot- 


hearlf»  eine  nadasrah»  entdeckte  «4-5  bald»  d€i  dieses 
Kind  zuhören  konnte  wie  kein  anderer  L'ensch  --  und  sie 
begann  zu  sprechen,   .^'le  sprach  natürlich  vcn  sich» 
und  von  der  Liebe»  un«i  daran  '^ar  Ladassah  so  reich.  Das 
Kind  hörte  2:u,  durch  viele  stunden»  besondi^rs  in   flüch- 
ten» da  Hadaccah  auf  ihrem  eigenen  Lap.er  Iri  Frauenge- 
laach  blieb.   Das  Mädchen  riafrar  wartote  auf  die  Brocken» 
die  sich  auf  d^n  Zincn  bö;;C£ön,  dessen  Dild  sie  in  der 
Stunde  des  Grauens  r,iin2i  und  voll  und  für  l/amer  In  sieh 
aufgenoux-ien  hatte»  un;  es  nie  mehr  verv/ischen  z\i   können. 
ole  sah  Ihn  nur  selten»  und  er  selbst  hatte  sie  /rchl 
ganz  vergessen.   Denn  so  Ist  es  In  der  reit:  ein  strah- 
lender Held»  ein  Lebensretter»  wird  für  ewig  die  Conne» 


10 


um  die  sich  die  nclt  dreht  ••  aber  für  Ihn  eenügt  der  Ge- 
nuß des  kurzen  Auponbllcks  der  Tat  —  und  was  folgt  Ist 
Ihia  nicht  elnriol  f.egenv/ürtlß,  Jaul  hatte  ein  i/lbtzlicbes, 
glückliches  Oofühl  des  :i;rbarmens  nlt  elnoa  elnzlr^n  frem- 
den Kinde  verspürt  —  und  das  war  alles. 

ITagar  erfuhr  von  Hadassah  und  den  enderen  Frauen 
vieles,  das  eich  In  Haus  des  Königs  und  auch  In  Lande  zu- 
trug»  Hin  üaine  vor  allem  vmrde  lajuor  wieder  p:enannt,  nlt 
derü  grök^ten  Respokt,  Je  soßar  r.lt  einer  re'Alcsen  Anrst, 
der  NeriC  3en;uel.  Uanchr:al  erschien  es  den  Kinde,  als  ob 
öaKuel  der  elRentllcho  Herrncher  sei.   3o  v.sr  es  wohl  frü- 
her  pe'/.'€sen,  l^nre  vor  ihrer  oirenen  -elt.  'S,r   riUL:to  v/ohl 
sehr,  sehr  alt  sein,  dieser  Jarauel.   rwuch  die  Geschichte 
wurde  erzählt,  wie  "^eul  von  Gott  erfühlt  .vorden  war,  Kb- 
nir  der  Juden  zu  worden»   liln  Jmnder  nonnte  nan  es,  ein 
Vdnder,  fite   Gott  durch  ilar.uel  be'>verkstelllj't  hatte.   Viel 
Yiurdo  auch  von  den  Kr  leren  pesprochon  und  den  rroJen  318- 
gon,  die  Cauls  Tapferkeit  errang.  Noch  erinnerte  sich 
Harar  an  die  t3chreckllchkeiten,  die  sie  selbst  erlebt  faat- 
t^  und  alt  anpecehen  hatte,  und  sie  zog  sich  fT.?ir.Zs   in  sich 

selbst  zurück  vor  Anpst  und  wehea^chnorz,  wenn  dio  Pil- 

Bilder 
ö^^  Ihres  Vaters  und  Ihrer  Brüder^  plötzlich  kler  vor  ih- 
ren Inneren  Auro  erschienen.   An  die  Mutter  erinnerte  sie 
sich  nicht,  aber  an  den  Vater,  der  sie  geliebt  hatte  und 


11 


an  die  viel  öltaror»  Brüdor,  «lo  sie  verhätschelt  und  be- 
sehOtzt  hatten.  l'Mn   hatte  sie  alo  de:i  gröDten  Sehet* 
betrachtet,  frenz   anders  als  es  sonst  nlt  Töchtern  die 
Sitte  war.  Sie  hatte  schöne  Kleider  gehabt  und  Spangen 
ur.d  Ketten.  Und  frr^h  hatte  r.an  sie  tanzen  galehrt.  vle 
oft,  wenn  der  Vater  In  seinem  rroüon  ielt  war,  hatte  man 
sie  zu  1ha  gebracht,  und  er  hatte  sie  Inalg  In  seine  Ar- 
me penoarrien,  naohdon  sie  vor  Ihn  fstsn^t  hatte,   .vle  sein 
dunlclar  311clc  sich  aufhellt a,  'Asti;!  er  sie  tanaen  sehi 
fc:enchraal  in  Trau'-e  erlebte  sie  das  wl-ador.  Aber  seltsam, 
dal2  in  diesen  Trüur.en  der  Votar  ein  helles  usr-icht  hot- 
te und  blonde  üat  re  und  r.chr  und  röhr  die  .^üuß   I'auls  an- 
naha.  Allnnhllch  pcschüh  co,  da;!'  sie  sich  duncch  sehnte, 
▼or  Cäul  /.u  tonr.en.  51e  hörte  von  dnn  ond-iraa  Trauen, 
de2  der  Könlp,  v;onn  er  nicht  auf  seinen  Kriaf-ssüfron  war, 
oft  in  der  durkc-lcten  GeT.ütestin-.unp,  sich  befand,  und 
daf^  vielleicht  die  Hand  Oottcn  auf  Ihn  lastete,   '-s  wur- 
de f.oflüstert,  da?  Cemol  J=5denfftlls  Andeutunf:en  dieser 
Art  ee'nflcht  habe,  und  cau  auch  nur  er  :aul  aus  di^ssn 
Stlnriunpen  durch  füre,  Fasten  unc«  C;,fer  bofrcien  Vonnto. 
Aber  Kßfar  trCur^te  davon,  vor  ihr.  /.u  tanrion,  un<3  sie  war 
ßichar,  dai  er  eich  erheitern  würde,  ftl-i  sich  ihr  Vater 
erheitert  hatte.  So  lauschte  sie  den  :ri8hlunf;en  und 
Buchte  nach  Gelaf;enh3lt,  ihr  Tanzen  den  Frauen  vcr.'-.u- 
führan  und  sie  dazu  zu  verlslten,  selbst  den  Vorschlag 


4m>^' 


12 


ZU  machen,  flaO  Hagar  Tor  oaul  tanze.  Älnaal  waren  sie 
alle  frBhlich  und  ^eschwQtÄle,  sanpon  Lieder  und  spiel- 
ten die  Laute,  Jede  der  Frauen  und  rädchen  wu3te  etwas 
zu  bieten.  Das  MSdchen  Hagar  saß  sohwelpend  z\x   den  Füs- 
een  der  anderen  und  rührte  sloh  nicht,  ole  hatte  nie 
Ihre  Oabo  des  Ton^iens  erwöhnt,  nie  ihre  3tlr.-jr4e  in  einem 
Oeeang  hören  lassen,  sondern  hatte  nur  ir^er  gerne  und 
ununschrSnk-t  Ihre  Bewundsruaß  für  die  Künste  der  aride- 
ren t^ezelct.  Dly  anderan  nactcten  sie  wogen  ihrer  ^urück- 
halturiG,  und  schlie-;lich  ergriff  Ladassah  sie  bei  den 
HSnden  und  zcff, de   auf  ihre  Fü3e,  u;^  siit  ihr  heru3^u- 
wirboln.  l^nd  denn  ee^chah  es:  Kaum  h^tte  üadasseh  sie 
losgelassen,  sehwindlif;  selbst  von  dor  allzu  raschen  Ps- 
wecunc,  als  hapar,  ohne  zu   straucheln  oder  des  Gloich- 
powicht  zu  verlier'in,  die  rasoho  l>r3hunf  in  alren  rhyth- 
mischen Tanü  forteetüte  und  in  unverKlolchllchor  ..nr.ut, 
wie  echwebend,  bald  langsaa,  bald  schnell,  ihren  Tanz 
den  Genossinnen  vorführte.  Di^öe,  zuerst  luchond,  und 
Beifell  klatschend,  wurden  allmählich  stun^^i,  völliß  hin- 
gorisson  von  der  ^^lepanz  und  Ooschrxeidlf.keit  cos  schien- 
ken  braunen  Körpers,  dessen  Jprün^a  und  Schritte  und  wel- 
che elastische  BowoKlichkelt  au  ehesten  noch  an  die  kör- 
perliche  Ünbehlnderthol t  einer  Raubkatze  erinnsrte.   r>ä- 
zu  kaa,  daß  die  :.Üee  des  braunen  Gesichts  etv.as  eltabße- 
wandtes,  ekstatisches  ann&haen  und  die  weit  geöffneten 
Augen  durch  das  eieene  Gold  den  Schein  dar  Flamen  dop- 


13 


i 


pelt  wloderzueeben  sohlenon.  Plötzlich  kam  der  Tanz  zun 
Stillstand,  ein«  Sekunde  noch  stand  Heßar  still  und  auf- 
gerichtet, mit  eoochloBsenen  Auesn,  dann  lösten  sich  ih- 
re J.!u8keln  und  in  einer  weichen,  fließenden  Bewegung 
ließ  sie  sich  zu  Boden  gleiten.  Der  Bann  war  gebrochen. 
Ihre  OefShrtinnen  drückten  nun  das  AusaaC  der  Rührune, 
des  Hntzückons,  aber  auch  schon  dos  baginnenden  rCeidss, 
je  la  Einklang  rait  der  ei^erien  1  ersönlichkeit,  aus.  üa- 
dassah  war  auior  sich  vor  id^nne.  3ic  ^*urf  sich  fant 
auf  die > Kleine,  usi  sie  au  ur-amen  und  iu  küssen,  liana 
richtete  sie  sich  auf  und  stolz  tchauto  aie  ux  eich, 
denu  schon  hatte  cia  Hagar  unö  Ha£ars  Tan^  iv  ihrem  Besitz 
C.eaacht.  ^/in  v.ar  es  ihr,  &l3  ob  siö  aö  iiir.or  ^^.Gvmi^t 
hätte,  ja  als  ob  das  Kind  unt'jr  ihror  Führuuf  uiid  Lei- 
tune  sioU  diese  borauachonde  Gabe  orworban  hatt-3.  I'at- 
sle  doch  die  engste  nexlohune  zu  l-agar;  im'.er  schon, 

f 

seit  du8  .VSdchsn  ihnan  von  Gott  f.eachlckt  war,  hatte 
sie  es  c9Het)t  und  beschützt  T'^t'en  andere,  doaon  viel- 
leicht der  Neukb.-uilln?.  nicht  f-olor.^ia  f-oko:t;ion  rfar.  Sie 
konatö  sich  nun  brüsten  alt  ihrer  Vorauci'icht  \xvA   Klup- 
hait  und  konnte  davon  sprechen,  wio  sie  sofort  als  das 
Kind  zua  ersten  Niale  die  Auf^eü  t-.eöfx'nct  hatte,  das  Be- 
deutsaiaö  in  ihnen  erkannt  hatte.  I-Iapar  se:  still  und 
hörte  zu  und  lächelte  heimlich.  31e  fühlte  ciahr,  als 
daß  sie  wissend  erkannte,  da»2  nun,  und  durch  Hadassah, 


•■\ 


u 


die  80  brennend  ersehnte  Geleganhelt  für  die  Erfüllung 
Ihrer  Traume  cekomuaa  war.  Sie  wußte,  da2  Hadossah  des 
Könlgo  Bett  geteilt  hntto,  wußte,  da£  In  Jünr.ster  ..elt 
der  König  nachlßssle  geworden  war;  daß  Ileänseah  nun  öf- 
ters, selbst  wenn  fJaul  In  selnoia  Kauao  war,  auf  Ihren 
eigenen  Lager  blieb,  r.ehorlsch  erfaßte  sie,  dal:  Hadas- 
sahs  plötzliche  besltzercsrelfonde  BazlehunR  zu  Ihr  aus- 
genützt werden  raupte.   Ach,  da|>  sie  nur  klug  g-jnug  iftS- 
re,  es  durchsuführonV   lenn  vdrd  man  so  als  -Olnes  und 
Eigenes  von  einem  anderen  ronschea  betrachtet,  v/lrd  die- 
ser doch  den  so  rasch  erworbenen  Glanz,  euch  vor  der  'elt 
scheinen  lassen  wollen  und  ihn  anwonüen  wollen,  u-  i-.u 
befoötlren  oder  wloder/.ucr langen,  wao  die  c.rö- te  ."vurir.t 

und  Gnade  bedeutete, 

üchluflos  lagen  ola  beide  houto  auf  Ihren  Lnrer 
und  dachten  vielleicht  das  Gleiche  und  scheuten  sich  bei- 
de noch,  davon  xu  spröchan.  V.ar,ar  lag  P<»n/.  still,  Hodas- 
sah  warf  Ihren  vollen,  üppig-^n  Körper  restloa  hin  und 
her.   Da  sarte  endlich  dos  :-'inä:  "TladasEah,  v;enn  Du  nicht 
schläfst,  sprich  xu  mir,  auch  Ich  Vann  nicht  ochlufen; 
vor  Freude,  daß  Ich  Dir  heute  znn  erstenn.al  ein  Vergnü- 
gen bereitet  habe.  Dir  und  den  anderen.  ?:lr  scheint 
aber,  daO  Ich  doch  nicht  fähif,  war.  Dich  efin:i  äu  trö- 
sten.  Ich  r^öchte  so  gerne.  Dich  wieder  froh  sahen." 
und  nun  fing  Radessah  zu  weinen  an,  wirklich  z)x   schluch- 


X5 


z^a  und  bekanntd  zuin  ersten  Lal  dem  llfidohen  Ihr  Gefühl 
der  Hilflosigkeit»   die  Ahuune»    Ja  Bcbon  Cewliihelt»   daß 
sie  Sauls  Liebe  nicht  mahr  halten  konnte^     Ja»   v^enn   sie 
etwas  noch  besö^'e,   des  seine  .ilnne  wieder  anföchen  könn- 
te,  etwas,   dos   ihn  abzö^ya  von  aelnen  düatoren  Oedanken, 
et^aa  Neues,   SchclneAtl  is,   In-Flaronien-Jet^iendes,    so  et- 
was wie  Hagors   Tanzl      .«us  würde  sie  darun  geben,   das  z\x 
habanl      ''Aber  u\x  kenntjt  oo  doch  habanl",    sagte  Hairar, 
"Ich  bin  doch  Jeln«      Ju  br^iuohst  mir  doch  nur  ^u  befeh- 
len,  und   leb   tan^e  vor  Llr  und   den  i.'önlt;,   wie    Icjh  hau- 
to  eetan.:t  htbo,   vielleicht  soefar  besser.      Jaa  wird   ihn 
erfreuen;    er  v;irU   i>ir  üünkb^ir  una  frut  r.eainat   söln«   Kr 
tr/ird   i>lcL  wiüder   liob^in   --   und   uu,   ./irnt   ^ieü^*r   cia   al- 
te  frohe  radt:öiiah  sei:.,*'      is   Aar  co  eirifuch  r.3::h,^t,    iso 
ohne  Llliiterhalt,    und   LlnterfiJdcin/.cn.      r.ai^ar  noiate   es 
auch  vielleicht  so  Ir/  jener  i%3cht;   denn   sie   ersehnte   je 
nur,   'Aafe   sie  au3   ihren  Träumen  kannte,    vor  der*  KtSnig 
zu  tan^sen.     Iladassoh  la   ihrer  star.T.lscnon  uubofrled ig- 
ten Leidenschaft  und  ^ngst   schien   dieser  VorscUlei{r  wie 
eine   wrlouchtun^r  des  *Ii^'-^els.      ciofort  erfasste   ihre 
Ilinbilduneskraft  die  entzückende  ozene,    in  der   sie   3aul 
dos  Kind  zuführte:    in   der   sie  und   dor  Ilöniß  auf  den  Ru- 
hebett ßt)lcf;ort,    sich  an  Haßars  Tan-c:en  entüundaton  und 
3aul  sich  ihr  wieder  zuneigend   sie   haraushob  aus  desi 
fra£;würdif;en  otand  der  verlassenen  Geliebten,      cie  cach- 


16 


t«n  nun  Pläne,  Eaeor  und  Uadassoh,  wann  es  f.eschehon  soll- 

•  * 

te  und  die  groCe  Beharrllchkoit  des  Klndos,  dl«  auf  die 
sinnliche,  rastlose  Boglerds  dar  Frau  traf,  setzte  es 
durch,  daß  Eadnssahelnv.llliBte,  es  sehen  an  nSchsten 
Abend  zu  untnrnehaon.  Auf  welchen  Vepjen  und  Jchlelch- 
v»eßon  08  Hadassah  polanp,  Ihren  peTOalnsanen  i  Ion  zu  ver- 
wirklichen, eöhört  nicht  in  diese  :-:rzShlung,   Jedoch  an 
Jenem  Tcrausbastinnten  Abend  tenzto  Ilaeer  vor  ihren  :b- 
(Tott  saul. 


l'.it  dlaceta  Jralenis  trat  eine  •  onduar,  in  Ilapars 
Leben  ein,  das  nun  allriShlich  ni^hr  und  f'.ehr  oich  ua  oaul 
und  in  -.aal  Konzectri^rta.  .vis  der  Koni»?  sich  klar  dar- 
über '.vurde,  da3  das  tanzanda  CJeschöpf  -^Irkltch  sein  Ge- 
schöpf war,  nänllch  du3  'Mnö t   das  er  vor  dorr.  Todo  g-o- 
schütit  hütto,  b'-itrachtoto  er  nepar  ranz  salbstvorctSnd- 
lich  als  coin  .iif^entura  und  do  sie,  Jcindhaft  zwar,  abor 
vohlrobildet  und  erfreulich  ßnzunchauan  war,  hielt  er 
sie  ßsrne  bei  sich.  Zt   lio2  sie  tanzen,  wenn  er  die 
Lust  danach  verspürte,  oder  nur  um  sich  sein,  -^enn  er 
allein  wjir,  streichelte  und  kCi?te  ihre  :;tirn,  ^enn  er  in 
zHrtlicher  JtitiÄung  v^ht   und  lie"  sie  auch  oft  ßanz  unbe- 
achtet in  seines:  Paum  sitzen,  wenn  andere  Dlnce  ihn  be- 


\ 


17 


sobäftlgten«  Dien   Letztoro,  mehr  als  allds  Anddre,  war 
ein  Zeichen  dafür,  wie  selbstverst&ndllch  und  zu  Ihizi  ge* 
hBrlß  er  das  V.fidchcn  enpfbnd,  ^m   solchen  c-elten  caG  sie 
entweder  zu  seinen  rü;2ea  oder  lr^,5ndwo  in  einora  «.inkel 
und  ihre  Blicke  llelien  des  ;^tllt2  des  ?Unlgs  nicht  einen 
AURenbllck  loß.   Oft  noch  bevor  oaul  sich  Irgendeines 
Bedürfnisses  selbst  bov.uLt  wurde,  v;ar  es  schon  erfüllt, 
da  Hagar  auf  Grund  Ihrer  fortwährenden  Deobüchtunp,  vie- 
le seiner  VOnsche  sofort  zu  erreton  vermochte. 

Auch  alle  anderen  !:itf:lleaer  des  könU'llchen  Haus- 
haltes frewöhnten  sich  bald  bn  diese  stille,  kindliche 
GefBhrtln  des   FÖnlr.s,  die  ;:lor.ü:ideiS  in  .cß  war  und  einen 
seltsaa  bcruhißr/^uddn  :influi  auf  die  unb^jrochonbüren 


Jti^nunfien  des  Oebleters  hatto.   i.lese  Unb^jrechenbar'<cit 


hatte  da^u  geführt,  da.'  die  i-.inder  Säule  ihia  eher  aus 
dcrri  ^ep  gingen  und,  wenn  Irgend,  glücklich  darüber  waren, 
Jenanden  gefunden  zu  haben,  der  sie  bei  ihroa  unbeque- 
nen  und  oft  sof.ar  gefürchteten  Vater  ersetz. te.  L:it  ei- 
ner Ausnahme  allordiGr,s  waren  .>aul  auch  seine  Kinder  nur 
eine  Belastung,  Die  Ausnahne  ;^^ar  sein  ältester  .»ohn 
Jonathan,  Ir   var  einige  Jahre  Slter  als  ilagar,  ein  Jun- 
ger Lann  von  einer  Lieblichkeit,  die  über  den  iro/;öhnllchen 
Reiz  des  Jüntrllnps  v/eit  hinausging.   Schlank  und  fast 
schon  von  der  gleichen  Gr&i3e  des  Vaters,  glich  er  Jaul 
In  Farben  und  :.üp;on  und  wohl  auch  in  vielen  seiner  Be- 


18 


weguneea  und  Coetan.  är  schritt  wlo  der  König,  und  er 
lachte  wie  er.  Abor  wo  sich  eine  gcwlsÄe  Hiirte  und 
Kälte  In  des  I'.önnes  .:.üßen  zolgto,  war  In  Jonüthon  olles 
zart,  schwarn-erisch  und  vvoich.   Das  unbeherrschte  lol- 
denschftftllche,  schnell  wechöolnde  ^eson  des  rönles,  das 
so  hSuflK  sich  In  wilden  Ausbrüchen  erging,  Aar  nur  an- 
gedeutet in  des  Lohnes  VerträUT4thelt#   Vena  es  einen 
Menschen  pab,  den  Taul  wirklich  nahe  stand  und  den  or, 
Y^enn  auch  auf  Reine  Bipeno  und  eigensüchtig?:«  röiee  ll'^b- 
to,  80  war  ea  dieser  3ohn.   In  Ihm  sah  und  erlobte  er 
sich  selbst,  un  seine  Liebe  warb  er,  vor  ihn  suchte  er 
daxuMtoh^n  fcls  der  von  Gott  2rw5hlte.   Jonathan  weißte 
er  der  .clt,  in  ihn  f.l^tubte  er,  sich  den  e/;  ;iur  Unstorb- 
lichk*5it  rebahnt  ^u  h^b^n.   «.chl  var  er  .iinriChninl  uiipo- 
duldiß,  wenn  er  be::ierkte,  da^:  die  iupfindsaitikeit  dos 
JÜiißli-'^e«  keine  wahre  7reude  ari  nSnnlichen  ipiel  des 
Krieges  fand,  da:^  aeine  :;eif:uncen  ihn  eher  dazu  führ- 
ten, vor  sich  hiniutrHunen,  Llodcr  lm   ersinnen,  oder 
oft  fen/.  untatiß  7.u  sein.   Oft  auch  stellte  er  viele 
r raren  Ober  das  '.:oher  und  eshelb  der  Dinn^  und  dr:r 
^^elt*   Lann  raupte  faul,  hilflos  und  uni.uf rieden,  ihn 


Q 


uf  Samuel  verweisen,  der  der  :-:iniilfte  war,  der  den 


I 


r>chlÜ9s:el  des     isoens  besä-,   eines  tVissens,   das  1ha  un- 
mittelbar von  Gott  ^ef-eben  war  und  ihn  mächtlf.er  r.ach- 
to  als  ireendeinen,   aiHchtiger  sogar  als  den  könlf;;   auf 


19 


dan  Hohonprlostor  Samuel,  Jeae  (s^ip.antiscba  CfOstalt,  die 
das  Leban  und  Srlebon  aller  sc  Yerhöngniovoll,  ßo  unaus* 
tilgbar  beelnflUi^ta, 

Piagar  konnte  natürlich  diesen  Gevraltlf:sn  nur  von 
ihren  eieeaeri  bocroazten  Faseln  aus  beurtalloa,  Ihr 
fehlte  völlip  die  paistige  liegriff sbraite,  liio  ßachliche 
Bewertung,  die  GröCe  und  Bedeutung  eines  Ceictoo  wie  .^a- 
muel  auch  nur  üu  ahnen •  Für  sie  war  das  y.aü  aller  v/erte 
ihre  Liebe  und  Ergebenheit  für  Jaul.  Jie  spürte  eher  als 
da-  sie  wuwtö,  dass  laniuel  ^auls  reind  geworden  v;ar  und 
sein  Vernichter  werden  würde.  Die  Liebe  für  den  König 
und  Ihre  Anfst  ua  ihn   rauchten  sie  hallhörlp  und  frlnfüh- 
lip,  und  lleJen  sie  Gefühle  und  innere  ..idernetiillchkei- 
ten  erraten,  die  erst  in  ;:eli::e  vorhanden  v;bren,  lanrst 
bevor  oie  sich  ia   Handlungen  oder  vortcn  enthüll ton.  M^ 
ahnte,  wie  schwer  .:aul  d6vcn  betroffen  vvßr,  daui  Jontithün 
öanuel  übar  itn  setzen  riU-te,ihr;  eeine  ?ans9  heU'e  Jüng- 
lingsverehrung darbrachte  und  sich  b'3d«nkenlc£  .^arr.uels 
Führung  und  .:ar;uals  Creict  unturwerfen  wollte,   Jau  er  ea 
wollte,  daran  war  Vcein  :^;wtijifol;  wohl  aber  schien  es  IIa- 
rur.  der  ioob^ohterin,  die  viele  Gespräche  zwischen  FÖ- 
nig  und  Iiohr*nirio:3ter  von  ihreiü  .inkel  aus  belauschen 
konnte,  dau  Jamuel  keineswegs  geneigt  v;ar,  diese  Hingöbe 
des  Jungen  llannes  an^unehiaen  und  sich  'zunutze  iiu  taachen. 
Viellaicht  wäre  üaul  2;ufrleaen  gewesen  und  der  lii'^   zwi- 


2C 


\ 


sehen  Ihm  und  naauel  wfire  verhollt,  bütta  nur  dlöwor 
Koneohenlenker  deci  Sohne  das  zuteil  werden  lassen,  wo- 
naoh  der  Vater  sich   so  hoffnungslos  sehnte.     Hotte  er 
Jonathans  /.arthelt  onö   scheue  oüCe  e-äschfitit,   seinen 
v.lssensdranp  und  seine  Vertrfiunithelt  als  Stoff  fevver- 
tet,  aus  dea  er  einen  weis'jn  König  fernen  konnte,   hät- 
te er  dorla  dasjenige  erkannt,   den  Urstoff  der  r.rß^e, 
den  auch  der  Vater  einst  besessen  und  der  bei  ::aul 
durch  das  zu  rasche  Eingreifen  des   Schicksals  nicht  zur 
Blüte  und  voller  ^tfaltung  Rslangt  war,   hätte   er  den 
Jun..>en  i-aul   Ir.  Jonathan  ccli^ht,    to  fcötie  or  wohl  in 
.iaul  einen  3undösce;.03s-n  fs^-'^bt,   der  sein  ..chicKsal  in 
den  seines    -.ohnas  erfüllt   seh^n   konats.      otatt  dessen 
sah  3a-juel  d^n   jun/:oa  Jon>itnr:a  als  einan  .ich.väctillnp. 
;,o  der  Vater   ihn  durch  -Jnbjrieri'schthelt  und   heftl^ron 
Kiffenwillon   raUto  ün:1   3r.tti:iischte,   da    süh  er   in  Jona- 
thnas  Tetonlopirk'-it  nur  ';^eiterön  I:ev.ois  für  cie  Un- 
fShlrkftlt  des  HeuDea  .;aul,   die  drJmrtndtu.  ,.ufrabea  des 
Tüceß  -it  Vorsicht  unö   riur^eit  ^ur  srfoUreichon  l,b- 
sunp.  zu  brinren.     Für  Jariuol,    6e:n  Vertreter,    *er  die 
Cecen-Aart  und   .-ukunft  seln^js  Gott^jssteotes   der   oberste 
und   wichtleste  ^.ednr.ke.      :i:nttnuGcht  an   seinen  eigenen 
Söhnen,   deren  :?estechlichkeU  unü  Käbßier  ihn  ant^eekelt 
hatte,   deren  Tin^oistiskeit  und    .elbstsucht  »ein  Leben 
fast  zu  einer  Sch':;ach  poMCht  hatte,   hatte  er  scheinbar 
dea  BcRehren  des  unzufriedenen  Volke«  nachÄeeabon  und 


£1 


hatte  Ihnen  elnoa  Könlß  erwählt.  Aber  diese  Tat  war 
nichts  anderes  gewesen  als  ein  bitterer  Scherz,  ein  Witz, 


den  er  sich  mit  dem  Ahnunealosen  erlaubte,  war  er  doch 
fest  entsohlosoea,  die  ^{X^el   in  eigener  üand  zm   behal- 
ten. So  hatte  er  3eul  orwöhlt,  nach  desi  AusnaC  des  Kör* 
pers  und  nicht  des  GolöteS|  -  3aul,  der  die  Anderen  an 

Länge  überreii:te,  der  schbn  von  Gestalt  war,  und  der  nicht 

gewesen 
einmal  föhip^^M'ar,  seines  Vaters  :;sellnnen  zu  hütenl  ila\xl 

war  decials,  wie  Jonathan  Jetr.t,  ein  Yerträuiiter  feveson, 
dem  die  seiner  Cbhut  anvertrauten  Tlero  ont'.vlc:ien,-  also 
hatte  ihra  i^anuel  ctott  ealnor  osellnn^n  ein  ICÖniereloh 
eep.aben.  Aber  dlesor  helnllcha  ..It^  sollte  ein  unhelni- 
Hohes  r':nd^  hfibc^n,  hatto  der  pro^o  .'!tellv^rtr.ner  des 
Herrn  doch  nicht  crcit  erforrscht,  v,es  Inhalts  die  TrHu- 
ne  des  Junren  Hießen  svaren,  vichnell  r*uLHc  er  handeln 
und  schnell  «^In  /  erkzaup:  in  ::anen  Cotten  den  auf  rühra- 
rlsohon  Jud^n  hinhalten.  Gekrankt,  und  Im  Gcheir.r^n  vol- 
ler empörter  Pachenödfinkeu,  clöubte  er,  einen  stumpfen 
Eselhlrton  In  seiner  Hand  zu  holten,  ab^ir  diese  Lfuid 
hatte  sich  an  olnan  wilden,  ehrfeizlf^en  Traunor  Vorgrif- 
fen* Für  Saul  hatte  5;lch  in  eineiii  Auponbllck  erfüllt, 
wovon  er  durch  viele  Jehro  Ira  -sehen  und  -'chlöfen  ge- 
tr5urr.t  hotte,  worauf  er  steh  aber  trotz  dieser  T^rfiunie, 
ZM   hoffen  nie  powa^t  hätte*  Ausgebreitet  vor  1ha  lag 
nun  das  Leben  eines  Heidan,  die  Landschaft  der  'rat  und 


\ 


zz 


der  OröCe,  Ihm  p.ewordon  durch  ela  ein-:lgeo  »Vort  Samuels, 
und  geheiligt  eis  Oaratelluag  eines  Viunders.  ?;lo  sollte 
er  nicht  den  lofichtlfjcn  Stellvartretor  fast  anbetend  vor- 
ehren, der  ihn  die  v;elt  hinreichtel  uie   solltön  snlne 
Tröurie  nicht  Jet-^-t  dio  Tahn  laufen,  dl«  Ih^^a  Lsnkbarl-ieit 
und  Shrßeis:  verbanden,  und  dl8  in  Tatsa  un^osetzt  seine 
SrwShlung  ziur.  König  rochtfartif-on  sollten,  Inder::  er  ooln 
eigenes  Haldentua  und  damit  seine  eicene  Gröio  der  Volt 
und  den  Hohoprlester  vor  nUf:an  brachte.  LerJt  wer  es 
aber  ua  ihn  und  sein  Maus  p.fischehen.  Sauls  Vörtrauan  3a 
Gariuals  guten  ..illen  wuröe  Ibr.  sur:  trcpischea  Ceechlck, 

So  geschah  es,  ä&.  Uer  Junge  !<.5nig,  un  sein  f-olda-i 
tui.  deoi  älteren  l;ann  zu  Tüi.  en  za  iöfen,  schn-iille  Jntschei 
dunpcn  traf,  unbei3cn:.en-:?,  dio  ihn  in  unnbtirs  ::rio6;,3'^L-o 


h3r' 


verwicV-elten,   QU3  danen  er   Vfshv  als  t:efaicrt3r  •.:iüÄ:-jr 
vcrrind-:,   die  ihn  aber  VÜi^trauen  und  Unv.'lllsa  des  politisch 
geschulten  und  vorslchtiren,    ja  vorau9r,?chti-ön  !  rl03ters 
elntrutren.     Cacuel  befU-chtots  v^ohl,   da.-  die  Lacht  und 
die  Leitung,  der  .".taüts<:-e.'?chäfte   neinsn  eirtsnen  TlKndon  ©nt- 
Rleiten  wUrdsn,   und  daL^  der  Jüdische  Gottesstaat  durch  die 
B6  cewftlttJitlFen  oelbstherrllchjn  Taton  des  /bnifs  in 
eine  kriegführende  rliuborlsche  riorde  übersahen  «ürde;   be- 
sonders aber,   das??,  die  bisher  unter  deir»  strengen  Oesetx 
des  oin-zlgon  Gottes  und  seines  ^itellvertr-jters  stehenden 


23 


Judea  durch  don  oehcn  Verkehr  lait  boaleptan  Völksrn,  sich 
deren  Sitten  und  Götzen  zu  elften  raaohen  würden.  Für  Ihn, 
den  m  der  hohen  Gchule  der  i  rlestor  £rzo.reaen.  war  es 
ein  Greuel.  2r  konnte  3aul  nicht  lonkan,  well  er  das 
.eeentllcho  In  .'i:aul  nicht  verstand.   2r  verVannte  -euls 
leldenschof  tllche  .Sehnsucht,  vor  Ihni.  der-  l'eistor  iU 
ßltnzen  und  dadurch  sölno.  Denkbarkelt  und  Liebe  ^u  zel- 
ß^jn  und  .leinte,  es  nur  rdt  elneu  wilden  unpei^ürelten 
Rochi^ut.  nlt  einer  neldlschon  Konkurrenz  urr.  die  -ccht- 
etellunp.  zu  tun  ^u  h.b.n.   :-'.eul  aber,  d^r  cn  lar.uels 
Ctellvertreterschaft  Gottes  fest  glaubte,  schon  ^.us 
5elbstror.pekt,-d3.n  d.von  hlaf.  Je  das  .under  seiner  ei^ca- 
nen  ür^ßhUhelt  ob,-fünlto  sich  i^^^r   v.lod^jr  vor,  seiner, 
llelstor  zurücksestoJen^  gctedalt.  wo  er  Lob  -.u  verdie- 
nen glaubte  und  ^vurde  allr^ahUch  von  der  .ngat  eepelnlRt. 
verworfen  zu  sein.   In  r:or.uels  schwelgender  Ablehnunr 
öes  Jun.en  Jonathan  ahnte  er  d3n  Fall  celnos  Ku^ee. 

so  stand  es,  als  Ilapar  In  Ilauoe  '.>aula  Fu^fa-He 
un=;  hi;une  ^eu^m  wurde  von  Gesprächen  z-.vlBChon  .^arr.uel 
und  den  Kbnlg,.   Sie  soC  In  Ihrer.  .Ink.l  und  hörto  .u. 
Der  Alte  beachtete  sie  nicht  welter;  •.vahrecbelnlich 
hielt  er  sie  nur  für  ein  kindisches  3plel7.eug  rauls, 
plelchwertlß  Ireondelne«  kleinen  Uaustler,  das  r.an  Ja 
auch  nicht  aus  den;  .Ir.'^.or  schickt,  wenn  :aan  eich  unter- 
halt.  Aber  Ilagaro  can.es  Herz  Inuechto  den  Gesprächen 


£4 


und  Buohta  zu  vorstehen,  und  wie  sie  eo  oft  die  Wünaohe 
des  Königs  Torwegnebmend  hatte  erfüllen  können,  so  streng- 
te  sie  Ihren  llobonden  Colat  «n,  die  Absichten  und  Ilfine 
Ssnuels  aus  dleaen  Coßpröchon  zu  erraten,  ua  In  Ihren  Co- 
danken einen  Schutzwall  u'a  den  Gellebten  eufaubauon.   Glo 
haßte  Sanuol,  well  sie  spürte,  dak'  er  3aul  verachtete . 
Es  waren  nur  eben  Gedanksn  oder  1 huntasterelen, 
xalt  denen  sie  zur  Hettung  Sauls  beochSftlgt  war,  fehlten 
Ihr  doch  Begriffe  und  werte,  dex  Könlf-  zu  beweisen.  In 
welche  Gefahr  Ihn  sslr.e  Srgöbenhelt  und  Liebe  au  Samuel 
brachte,   'ilo  fühlte  nur  unklar  und  angstvoll  die  un- 
heimliche und  unglückscll/^a  Verkettung  der  Schicksale, 

Cft,  In  den  lunt'on  Jahroa  dos  -.artens,  suchte  die 
Hexe  von  Kndor  rückblickend  zu  vorstehen,  waruiu  aio  der 
Spielball  eines  Geschickes  wurde,  an  de-,  slo  selbst  kei- 
nen tetlp^en  Anteil  rehobt  hatte,  Jia   war  In  den  erbit- 
terten Keapf  Jsuls  un  CörucIs  Achtung  und  3anu«ls  Ka;r.pf 
ua  seine  eigene  l'.aohtstellung  hinelngo^ogon  worden  wie 
in  einen  otrudal,  und  war,  hilflos  und  schwindlig,  der 
Vernichtung  prelcit;e£',öbün  worden.   Durch  longa  ,.eit  hin- 
durch hatte  Sar.uel  sie  nicht  beachtot,   Jonathan  war  in 
diesen  Jahren  zu  sehr  mit  sich  beschfiftigt  gewesen  und 
mit  seinen  eigenen  Güdacken,  uci  ein  Auge  für  Irgendein 
Mädchen  zu  haben,  außer  violleicht  für  L'lchal,  seine 
Jüngste  Schwester,  f.lchel  war  lebhaft  und  leidansohaft- 


25 


lieh,  «chön  Yon  Antllti  und  «.uohs;  gro^  und  schlank ,  mit 
goldenen  Haaren  und  Tellchenfarbenen  i^ugen,  ellcü  sie 
dea  König  und  dem  Bruder.   Ibre  eaniie  Liebe  pchörte  Jo- 
nathan; der  Vater  war  Ihr  nur  beschwerlich  und  sie  war 
(perne  beroit,  sich  mit  Hacar  anzufreunden  und  vertraulich 
und  vertrauend  sich  ihr  su/-uwendcn,  solange  Kapar  keinen 
Anspruch  auf  Jcnathane  wunelpunp  erhob  und  sich  gerne 


s 


auls  Ansprüchen  und  ^^.'tlrj^unf.en  aussetzte.  !lan  konnte 


sich  kauiü  einen  gröl.erea  Gegensatz  voratollen  als  diese 
beiden  Jungten  l'fidchen,  so^vohl  in  Hrscheiaung  als  auch 
In  -Vesen.  yichal,  foschSftig,  hoitar  und  launenhaft, 
hatte  Ihr  Merz  auf  der  ^^unpe;  rasch  aufbrausend  wie  ihr 
Vater,  konnte  sie  in  nächsten  Auf^nbllck  weich  unv!  z6rt- 
lich  sein  und  euch  Aohl  titer  sich  sjlb^t  so  lochen,  wie 
sie  es  so  perne  Über  />ndere  tat.   ..>ie  bewunderte  die 
schweigcane  Ilapar,  die  ihr  fast  weise  erschien,  v/eil  sie 
sich  weder  zu  schnellen  Urteilen,  noch  unbedachten  Taten 
hinreisen  llci?,  und  ^eil  sie  zuhörte.  Me   fand  aller- 
dln^-s  auch  Ila^ars  stille  -rf'obenfieit  für  den  tönlp  unver- 
stSndllch,  und  wenn  sie  ihr  nicht  selbst  sc  sehr  zupute 
gekoCinen  wöre,  hätte  sie  sich  wohl  auch  darüber  lustig 
pemacht.   Ihre  Versuche  allerdings,  von  Hagar  z\x   erfah- 
ren, was  '^aul  über  pe'.visse  Dlnpe  dachte,  "^ae  seine  TIB* 
ne  waren,  oder  was  zwischen  ihn  und  Ga'jiuel  vereine, 
scheltarten  an  eben  dieser  iirgebenhelt  liapsrs,  die  sie 


II 


2ft 


unbedingt  verochwlogen  wachte,  Viaren  olch  die  beiden 
Kfidchon  achon  ea»*  uneinig  In  Bezug  auf  Ihre  Gefühle 
Saul  e«e«nüber,  so  waron  sie  noch  weniger  clnlß  In  Be- 
zug auf  3anuel.  l\lr   liagar  stellte  er  eine  unhelallche, 
drohende  ^!acht  dar,  fUr  ZJlchal  hlnf,ep,en  einen  cütlgon, 
▼erstiSndnlavollen  Greis,  der  Ihr,  als  sie  noch  ein  kiel- 
nes  Kind  gewesen  und  harz^erbreohond  geweint  hatte,  als 
Vater  und  Brüder  In  den  Krieg  zogon,  versprochen  hütto, 
den  schönsten  und  besten  Jtinpllnp,  z\xn  Vann   auezusuchen; 
einen  ^!ann^  den  sie  alt  Nleri;anäem  teilen  sollte,  und  der 
sie  nie  verlassen  würde,   olo  erinnerte  sich  deutlich 
daran,  und  dat  Ihre  Tränen  daraufhin  aufhörten,  zu  flies- 
aen,   Jlo  plnubte  noch  h^utc  an  dl^^tcs  Versiirechen  und 
wartete  darauf,  da3  Januel  es  v/ahrr^achte.   Acocholnend 
hatte  er  noch  nicht  den  besten  und  schönsten  Llann  pefun- 
den.  L'erab,  die  filtere  "ichwester,  die  vor  kuriien  re- 
heiratet  hatte,  muSte  nlt  einem  durchschnittlichen  Hel- 
den verlieb  nehrtien.  Jllchals  Herz  konnte  warten,  sie  war 
junpl  Keines  der  beiden  liödchon  konnte  öaroals  ahnen, 
dai^  oanuels  Versprochen,  das  er  einen  kleinen  Kinde  ge- 
geben  hatte,  auf  hageres  Johlcksal  einen  so  schreckli- 
chen ZlnfluC  hoben  sollte. 


B7 


Vlol  ^elt  war  vorflostion  zwlischen  Jenon  Tag,  da 
das  Kind  Ila^ar,  von  Kadaanah  olnfjaflihrt,  vor  dea  iCBnlß 
tanzte  und  diesea  Abschnitt  Ihres  Lebens«  Üac^ar  war  in* 
zwiaohen  durch  Jene  Kntwickluiif,  goßangon,  dia  sie  zunln- 
dest  körperlich  zu  einer  reifen  Freu  nachte,  Allerdlng«, 
verßllchen  mit  Hödassah  und  Llchal,  schien  Ihre  Velbllch* 
kelt  nur  angedeutet.  Sie  war  noch  Inir^ar  so  schlank  wie 
ein  Knabe  und  Ihr  Gewand  llo3  dlo  kleine  wohlr.^rundete 
Brust  eher  erraten  ßlc  sehen.  Jlo  hatto  dabei  nichts 
von  der  sonst  üblichen  Unposchlcklichkelt  oder  car  ilam- 
mung  Ihrer  Körperlichkoit  rspenüborp  die  so  hliufle  in 
dieser  ^olt  des  ."ilrblühons  bal  Junr.t^n  l.fidchen  vorhanden 
Ist.  ole  be^^o^tö  alch  i^ilt  der  plalcheu  lelson  unbekDa- 
merten  Crrazie  eines  Jungen  üaubtlers  wie  ehedera,  und  v^as 
Iranier  in  ihrer  r.eelo  vorr.ingi  zel^rte  sich  in  kölner  ^;el- 
so  In  ihren:  ;;uiieren  oder  heiiüite  f.ar  die  Freiheit  ihrer 
Haltung  oder  riowegung. 

Vias  aber  ihr  Inneres  anbelangt,  oo  brachen  nun 
Stürne  aus,  die  sie  bis  Ins  Tiefste  erschütterten.  Ihre 
Liebe  zu  Saul,  die  ehodeia  nur  Zrf;ebenhelt  und  KShe  zum 
Ziel  hatte,  verlangte  Jetiit  mehr.  Ihre  Trlxufne  erschreck- 
tan  sle^  und  in  ihrem  Wachsein  dee  Nachts  war  sie  ge- 
schüttelt  wie  im  Fieber  von  Ihre/n  Beeehren  nach  Ihm. 


28 


Seine  ^Ifihe,  sein  Anblick»  v/area  elolohzeltlg  die  einzi- 
ge Beruhlf.ung  ucd  die  la:rä9r  eraeuorte  ^iuelle  Ihrer  Lei« 
deaochaft*   Seine  Stlor^e  nachte  sie  zittern  vor  Lust 
und  wieder  ruhig  und  still  wlo  das  In  den  oChlof-Gesunpen 
Werden  eines  kleinen  ^'Indea.  Cft  v/enn  sie  allein  wer, 
fühlte  sie  sich  üborAültlgt  von  der  liehnsucht  nach  Uauls 
Llobkosunfiöa  und  glaubte,  zuKrunde  gchea  zu   Liüssen  In 
Ihrer  Hoffnun^'SlOi^lpkolt.   .3öu1  aber  breuchte  nie,   Tä* 
ner  öfter  «^escheh  es,  dö2  er  nach  Ihr  fragte,  daf:  er  sie 
un  sich  hnben  wollte,  \x:i   mit  Ihr  zu  sprochen,  Denn 
Samuel  kam  seltener  nun  in  das  Haus  des  Könlgr»,   .ir  war 
viel  auf  Preisen.   .Cr  ßln^  von  olner  3t3dt  ^ur  anderen, 
nlt  elrenen  I  Ifiner;  boschSf tlrt,  /:elr;te  er  35ch  dsn  Vol- 
ke lr:r^er  wieder,  sprach  nlt  den  Tvltonten  der  rreir.eJndea 
und  erforschte  die  wtlrv:runG  des  Landes.   ;5aul  blieb 
zurück*   Durch  -ochen  und  .  onate  sal  er  iu   meinen  Haus, 
flnatnr  uad  In  sich  f;3/.ohrt,  ur^d  llc3  Nleriündea  /*u  sich 
als  Iiagar.  2r   sprach  zu  Ihr  von  seinen  erfoif-rsichen 
Krief3^szüfe:en,  von  seineni  Trauer*,  alle  Völker  zu  bosleren 
und  sie  hörlf,  zu  nachon  den  nußerv;ahlt^3n  Volk  und  den; 
eln-il^on  Gott.  Und  nanchaal  sj^rach  er  von  seiner  Ju- 
pand,  von  seines  Vaters  Maus,  und  den  .^elten,  da  er  un- 
beschwert war  von  der  schweren  Verantwortung,  Gott  und 
Samuel  zu  dienen.   Er  rief  Jene  .:elten  zurück,  da  er 
eis  Knabe  Über  seines  Vaters  Felder  wanderte  nlt  groi^er 


eo 


Lust,  dem  Treiben  der  Herden  zuschaute ,  und  ohne  Verant* 
Wertung  Borglos  den  ßro3eQ  Traun  trßumte,  der  ao  viel  nä* 
her  detii  Erfolg  achten  ala  jet^t,  da  er  König  war.  Der 
Wind  sanß  ihn  in  den  ochlof  und  die  .Jonno  erü2te  ihn  In 
der  TrÜh.  Sr  traak  Vassor  von  der  ^-^uelle  und  a2  Y/lldcn 
Ilonlgi  wenn  er  hunprlg  wurde.  r5elne  TrSune  lleuon  ihn 
nur  seine  Krfifte  spüron,  sie  otörten  nicht  selnsn  Appe* 
tlt  oder  aolne  Nachtruhe.  Oanz   ariders  als  Jot^t*  Jetzt 
wollte  er  nicht  ru^hr   essen,  die  lan^^on  dächte  füllten 
ihn  mit  Grauen,  und  die  norpendänr.erung  sa3  wie  ein  al* 
tes  7feib  auf  seiner  Jirust. 

Cft  nlschton  sich  in  dleoo  Littellunp^jn  Klagen 
und  <;weifel  Über  sich  seltPt  und  soln^  Crbve,  und  dann 
wiederholte  Harar  r:iit  stiller  Geduld,  was  er  ihr  von  sich 
erzählt  b&tto,  von  seinen  lihr^'alz  und  seinen  TrSurzen, 
und  wlo  alles,  was  er  als  Knabe  powünccht  hatte,  ^Vahrholt 
eeworden  war,  ein  I-leAelo  für  &oine  Jrv.ähltheit  Vvon  Gott. 
Er  soe  Ihre  v.orte  ein,  alo  ob  sl*  panx  neue  lirkenntnla 
brachten  und  Uoi  eich  durch  sie  boruhUtsn,   ür  hörte 
Ihre  ütlcuce  und  den  Inhalt  Ihrer  Viorte,  er  vorlangte 
nach  ihrer  irgcbenboit  unrt  nsoh  Ihren  YertreuMn  in  ihn, 
da  niemand  Anderer  ihm  so  wohltun  konnte;  er  sah  sich 
in  Ihren  A\ip.sn   wie  in  einem  klaren  Spiegel,  wie  einst 
KarzlBSua  sein  Bild  in  Jee  entdeckte,  und  wie  Nariissus 
ßohlen  er  sich  nicht  laebr  von  dieses  Bild  trennen  au 


30 


könnon.  So  verging  dlo  ielt,  und  dor  König  wartete  auf 
das  £rowe  noue  Zaichen  von  Jarauel« 

Endlich  kßm  dor  g^o^^e  ^.icfiter  zurQck.   In  ßelnora 
Oefolga  war  ein  Jun/Pier  l!ann,  den  er  In  daa  Unus  Saula 
einführte»  David ,  der  Jün/rste  John  Joasas  aua  dein  Jtamx 
Juda«  Von  mlttlorer  Grtt-e,  krüftlg  und  v^ohlrebcut,  ÄOg 
er  don  Blick  auf  alch  durch  dlo  ebenrLfiJlpen  -:.üf'e  seines 
Gaslchts  und  don  Ausdruck  vollkonnon  ruhlpcr  Ilolterkelt* 
Scheute  nen  aber  genauer  hin,  so  entdockto  -^ian,  dat^  die- 
ser  Mindruck  durch  den  I/und  harvorfciruf ^n  7;urcle|  desöon 
I.lppen  voll  und  t'^^c'^^'^^^t^^  waren  und  In  den  ilnkcln  ein 
v/enlr.  n^ch  oben  perlchtet,  i*o  6a2   er  stets  ein  süCes, 
pehelnnl^^volle3  I.ücholn  andeutete,  des,  zu3ö-r.en  ralt  den 
sanitenen,  klugen,  nandelförrdlrcn  .-^.upen,  dlo  keinerlei 
Gefühlserropungen  verrlcton,  dl-scen  Eindruck  fröhlicher 
Ruhe  ereab»  2t   hatte  eine  schbne  xSnnllche  ::tlrjii9  von 
einer  seltserr.en  vfirziio,  und  seine  .Vorte  waren  revvhhlt  Ir. 
Ausdruck,  und  freundlich  Ici  Inhalt,  obplelch  er  ctves 
zörernd  und  nur  nach  länr^rea  Ueborlepen  s^.rach.   Samuels 
Blick  lag  oft  mit  ^SrtlichV^f^lt  und  hoffnune  auf  ihn,   ilr 
schien  dem  junfen  :i:ann  zu  vertrauen,  und  als  DrklSrung 
für  seine  Slnführunf:  In  oauls  Haus  gab  er  an,  da^  David 
deir.  König  nützlich  aeln  könnte  und  ein  guter  Gesellschaf- 
ter, und  daLJ  er  eine  ^roie  Gabe  besitze,  die  des  Könipa 
traurie^  StiiaraunRen  hellen  werde.  David  oane,  und 


31 


•piolta  dld  H&rfe  mit  einer  Vollkocimdnhdlt  wie  kela  An- 
derer Id  jüdischen  Volk«  Samuel  versprach  eich  und  3aul 
▼iel  von  dieser  Gabe«  3o   zuailndest  versicherte  er  dem 
Kttnig«  Auch  war  David  tapfer  und  umolchtig  und  in  Jona- 
thans Alter,  ein  ruter  Gefährte  für  den  Königsohn,  ein 
treuer  Berater  in  Jenen  zukünftigen  ^^elten,  wenn  Jonathan 
sein  firbe  antraten  würde.   1.8  dauerte  nicht  lüDf?.e  und 
Jauls  f;ani:er  Haushalt  verfiel  Ijavids  Reizen.  I;er  Name 
jüavid  war  auf  eller  Lippen,  zärtlich,  sehnsuchtsvoll  und 
voller  Leidenschaft.   £r  war  angenehm.   Jelbst  Haftar,  die 
ihn  schweifend  boobachteto,  r.uiJte  das  zugostehon.   Ab^r 
sie  verspürte  ein  leises  FrÖdteln  in  ceiuor  :<ähe,  ein© 
DnheinlichV:eit,  dio  ßle  sich  nicht  erklfircin  koanta,  und 
die  sie  sich  auch  !:auni  elnrestond.   David  -^ar  vlol  mit 
dem  FTönlr  zusammen  urul  zeigte  olne  .Chrerbietunp,  ^ie  in 
ihrer  Zurückhaltung  Üb?r:ieu*!önd  v;ar.   Bald  noch  solnera 
Llnzur  in  Juuls  Haus  verfiol  der  Kbnlp  wieder  ä'3n  bör-en 
Geist,  der  ochwar.'::ut,  die  nur  durch  jarauels  besuch  ge- 
schwunden zu  sein  schlc^n.  ':lr   sai  schv;eie>^nd,  düster  und 
grübelnd  in  seinen»  Zii:s:.iiv   und  schien  nicht  eim^al  Hagar 
wahri:unehn.en.   Die  l/Hnr.erun^  füllte  d^n  liaum  ralt  grau- 
bleuen:  Schein,  in  derr:  öle  i-Cnturen  aller  GoeönstÖnde  un- 
scharf wurden  und  ein  Gefühl  der  Ungewiuheit  und  Unsicher- 
heit die  ^ieale  ergriff.   Uavid  naha  die  Karfe.   ir  spiel- 
te und  sang,  und  oauls  Starre  verschwand,   ir  wurde  auf- 
gesohlossan.  Ja  fast  hoiter*  i^r  ISchelte  Javid  zu  und 


zz 


«prach  alt  Ihra  und  wollte  den  Jüncllnr,  von  nun  an  iaraer 
um  ölch  haben,  oder  wonlfstons  ao  oft  und  so  Ylel  als 
mBijllch.  liagar  sah  voller  iual,  daß  Davids  Aufen  der 
See  wurden,  In  doa  der  König  sich  salbst  In  elneca  neuen 
berückenden  Bild  erkannte. 

David  und  Hager  >aran  viel  ;iusa:Griien,  da  beide  ih- 
re weit  crÖJ^tentails  bei  .^eul  verbrachten.  Und  Ilagar 
nachte  einen  ero^^^^  Zindruck  auf  üavid,  dessen  Herz  eich 
ihr  In  Loidencchaft  ^Uivt^ndte. 


.:onn  die  Üexe,  elnoaii  ii  ihrer  Ilütto  auf  Ihrerü 
dürftir^n  Lftfor,  in  ihren  schlaflcson  I.'fichten  zn   jenen 
:?röicnls3o::  zurückkehrte,  fühlte  sie  irnri^r  den  gleichen 
schnierzhöften  ::rarr.pf  In  der  r;erzgepend.   Cft,  ihre  Ge- 
danken frevraltsar;  unterbrechend,  sprar:r  sie  auf  und  lief 
vor  die  Tür  ihres  ^lauser.   Die  schwarze  I  ati'.e  folf?to  ihr 
und  hielt  nit  ihr  ::chrltt,  .vean  sie  in  den  -ald  hln^^inrann- 
te.   ochwelf/on  v;ar  um  sie  heru.n,  die  Jterue  schauten  auf 
öle  herab  Mit  feuchten  Blinken,  kli.r,  ki-*lt,  ciltleldlos 
v/ie  Sauls  Äu^cn.  i:nd   die  Katise  sprane  lautlos  und  ge- 
schickt durch  die  BUsche,  hier  uud  da  abf-elonkt  durch 
ein  leises  .Rascheln  oder  ein  rasch  varochwind^nidos  Tier; 
Aber  sie  holte  Ha^ar  iritier  ein:  und  nach  einirj.or  /:elt, 
wenn  die  ürregunß  in  ihrer  Herrin  sich  etwas  f;elef:t  hatte. 


•  ^3 

m 

wenn  sie  nicht  r:ehr  bllndllnes  darauf  loe  Hof,  schnloß- 
ta  sloU  dlo  Katze  schnurrend  aa  ihre  Beine  und  zwang  die 
Aufcorkser.kelt  der  Hexe  euf  sich.  Hap,ar  blieb  dann  ste- 
hen, hob  die  Katze  auf,  drückte  sie  zSrtllch  an  sich  und 
erlebte  ein  Uberflutf^nöoc  Gefühl  von  Mitgefühl  und  'Srnio 
der  Kreatur  gegenüber,  das  wie  eine  alte  -Erinnerung  war; 
öas  eiazlß  ,;'ahro  ihrer  Jrinnorunßen.  dsa  alle  anderen 
wieder  v.le  unbelebte  farblcao  und  unv/irklicho  311der  er- 
scheinen  Hei?.  In  solchen  JJächten  dachte  sie  nicht  wel- 
ter,  kehrte  sie  nicht  sehr  zurUc'<  ^u  ihrer  Vorgan.-en- 
heit.  Auch  geschah  es  rtanch-al,  da^ä  si?.  bei  ihr.^r  mck- 
k^^hr  einen  Gast  in  Ihrer  "üttc  farA,    Jsnandaü  au?  de^a 


Dorfe  oder  eogur  von  •.v-lfjr  hsr,  5or  Ihras  r^Dh^jrblickes 
bödurrte,  ihr  sein  Loid  kla£,;?a  v-olit^  oder  lr{,:nJ'3in 
lieilnlttel  f^egea  eine  iCrankhcit  erbat,   3chv.alt?->nG  h&rte 
sie  d3n7ronc!en  zn;   sch-veieeni  bereitete  sie  den  Treutar- 
trunK-,  und  in  der  dun-:lc.n  Hütte,  di-  nur  viurch  das  üerd- 
fa-a«?r  erleuchtet  v;ar,  sah  und  hbrte-  der   Besucher,  was  zu 
hörön  odor  zu  sehsn  or  qnVor— en  v.-er.   Karar  .s-lbst  hatte- 
koin  7oil  darsn. 

Lanchnal  ftnd  sie  in  sich  die  Kraft,  auch  jeuo  3r- 
eieniose  v.ieöor  ins  Gedächtnis  zurUc/rzurufen,  dare-n  ^rin- 
nerun^:  sie  aus  ihr^r  Hütte  in  die  Lacht  hinausstürzen 
liei^<ea. 

Nur  nu2t0  es  dann  Tag  sein,  hell  und  nüchternes 
Licht,  mit  klarer  31cht  auf  das  Dorf  und  das  lebendige 


34 


Leben  vor  Ihr.  Dann  erzählte  sie  sich  die  Geschichte 
TOn  jener  Hager,  Jener  weit  entfernten  ciythlschen  Ce- 
etalt,  die  vertrieben  wurde  von  Haus  und  Hof  und  dem  An- 
gereicht  des  L'anneSi  den  sie  liebte,  ••   Ulchal,  das 
wui2te  Hagar  nur  zu  beld,  verliebte  sich  li^ldensch'-if tllch 
In  David  nlt  der  fanden  UtSrke  Ihres  raschen,  Junren 
Eerzcns.   Sie  wollte  David  und  nur  David.  Sie   verlencte 
nach  selnca  Saltensplel.  llio   vorbrachte  nun  viele  Stun- 
den zusanrüan  alt  Lüvld  und  rlafar  bei  Ihroci  Vater.   Sie 
Vi'urde  still  und  für.saa,  Sä;:ft  und  /»eich,   Sie  wolnte, 
wenn  Lavld  ear.p  und  eplelte;  sie  vertraute  Ihrer  üofRhr- 
tin  Ihre  Liebe  an,  und  da  i^avld  Ihr  nur  wenig  AufLierk- 
sariicelt  schonkto,  vurdo  sie  r.atter  und  blasser.  Co   fiel 

0 

es  schlle311ch  auch  Saul  auf,  dß'^  Michal  sich  vorrindort 
hatte,  ur.d  Jonathan,  und  dsOM  r^jn^en  Hauae.  V^n6   da  es 
nicht  an  anz.ünllchen  ?er.orkunt?on  fohlte,  vern^ihr:  auch 
Saul,  iai^   Michels  Leiden  durch  Ihre  Liebe  zu  David  ver- 
ursacht waren.   Ihn  schien  eine  Verbindung  zwischen 
David  und  Mlchal  erwünscht,  {rlaubte  er  doch,  dadurch  den 
Junrf^n  yann   auf  ir-rrsr  an  sein  raus  /-u  binden.   Der  :Cin- 
zlpe  allerdings,  der  ::ichal*s  *-UGtand  nicht  zu   S'jjhen 
oder  nicht  zu  verstehen  schien,  war  l^avld.  Zr   war  so 
ganz  ralt  seinen  Gl<Tonen  Gefühlen  und  i  IBnen  beschäftiget; 
für  ihn  war  die  atille  und  rfitselhijfte  iiaear  mit  den 
goldgrünen  Aupon  das  bofehrensv^erteste  Geschöpf  der  .'*elt 


- '  y 


35 


pewordan,   das  sopar  ßolnen  I^hrc^lÄ  und  salno  Kunst  In 
den  Hintergrund  rückto.     r^hrgelz  und  Kunat  vtaren  nun 
eigentlich  nur  wichtig  als  llttol  zun  iweck,   um  Hepar 
zu  werben^  um  Ha(5;ör  zu  erlanr^n.     31e  schwieg  Jedoch 
und  pab  kein  -lelchen  der  l^rnutleung.     Als  3aul  celeciint- 
lieh  und  wlo  S6lbstvt3rsti:ndllch  davon  sprach,   dat""  David 
seinen  Hause  durch  Ilelrnt  arv7.ehöron  würde,   abar  sich 
nicht  In   Slnzelholten  erging,  konnte   David  solnon  Träu- 
m^n  nnchhön^en  und   annehmen,   6a2   es   sich   um  eln*i  Vor* 
bladung  nlt  Hagar  handle,    dla   ja  auch  zan  Mause  d^s 
KUnip^B  pehörte,   7;enn  auch  auf  seltöan  unpöklürto     'Veise, 
und   konnte,   auf   seine  Descheldenholt  c^-'tütz^t,    die    iorte 
dee  Könlps   rnl^voratahen,      ::v  nliherte   alch  nicht    .Ichal, 
noch  zog   or  sich  .<^anz  von   l^r  zurücic,    aber  or  fühlte 
sich  auch  zu  schüchtern,   urr.  r*lt  :-af.ar  zu   öpr'3chen  unci 
sie   sich  zu   elchern;     Hcrnr,    die   sonnt   so  r.ut  Poobach- 
tende,    war  aber  ßöltsur.i  blind,   wo   of^   sich  un  il/avldn  Ge- 
fühle für  ölö   hftnd'^lto. 

3o  verjRln/^  dla    -clt,    und  :'ichal   fitxvd  Ir^aer  trsiu- 
rlrer  und  unf^oduldlrcr.     Xo*    t5>   Ihr  olfvonor  Vator  :;lcht 
genüifrend  üacht   Übor  Javid  ausüben?      do  erl:;iiJ3rte   e^\e 
sich  an  r>an:uel3  Veraprechen  und   bet5chlo2,    ihn  un  seine 
Kllfe  zu  bitten,      übßlelch  David   seiner  Liebe  zu  ::arar 
keinen  offenen  Auadruck  zu  f'oben  warte,   zserkten  doch  I'an- 
che  aus  des  Königs  Ump^ebunp  allriLähllch,   wie  es  un:  sein 


ix\ 


-r-~- 


II 


36 


Hera  bestellt  v^ar;  und  damit  boßann  das  Tuschala  und 
Sohwfitzen,  die  Andeutungon  und  dos  Ansohwörien,  nicht 
nur  la  könlrllcten  Haushalt^  sondern  In  Itunn^r  weiteren 
Kreisen,  Auf  elnnRl  wollte  es  aerkwCLrdlg  erscheinen,  de3 
eine  Stanmosfrc^^de  dexa  KÖnle  so  nahe  stand,  und  nicht  nur 
den:  König,  sondern  euch  dor  Fanvllle  des  VCönlßs.  l'an  v/un- 
derte  sich,  dai  lllchal  Ihr  so  Vt^rtraute,  so  Innle  an  Ihr 
bln(;,  und  nicht  ein.Tiäl  nerkte,  dau»  os  doch  Ilagar  war,  die 
das  Herz  t^avlds  von  T.lchal  ab{rew8ndet  hatte,  ob-^nso  wie 
sie  auch  Sauls  remlllo  In  den  ülntergrund  f^edrSnct  hot- 
te; denn  wäre  es  nicht  eir^ntllch  das  autürllche  £:e/;e3on, 
deu  elues  der  Könipskinder  des  Vaters  Vertrauter  w§re? 
L:en  sprach  auch  darüber,  da^'  sie  so  j?ch^eif:öar.  var  oder, 
besser  noch,  verr>chv,lr;-A;n,  da-'  sie  die  Cehalunilcse  eines 
Jeglichen  herausjiu^ilehen  in3tand-3  war,  aber  dei:'  rie  nie 
von  sich  selbst  sprach  und  niemand  wirklich  etwas  von  ihr 
>uJte,   ;V1g  ein  Gehatten  b3wef»e  sio  sich,  so  leise,  so 
unauffällig,  vielleicht  habe  sie  einen  heinllchon  /:aub3r, 
den  sio  verwende,  ua  öle  Liebo  der  IJiniior  auf  sich  zu 
ziehen.   Sie  sei  doch  nicht  schbn;  dunkalhautlp,  und  über- 
schlank,  ohne  die  üblichen  weiblichen  ^-celzo  cdor  die  rül- 
le  des  Körpers,  wie  könne  sie  auf  natürlichen  Veg^n  die 
l.Snner  anziehen?  Und  dann  die  üuren,  die  so  unheinlich 
seien  In  otellunp  und  rarbe.   v.ie  blind  \sjxn   doch  frewesen 
sei  in  der  Vöreanpanhelt,  dai  .T^an  eil  dies  nicht  beir.erkt 


\ 


37 


habe«  Das  //ort  '♦iLaubor'*  wurde  zur  **i:aubarln*%  und  nun 
wardo  gemunlcelt,  daiJ  der  König  solbat  von  der  Zauberin 
Tenvandelt  v/orden  wSre,  de2  seine  VeretlrosiunRftn,  seine 
Schwermut  und  sein  reschos  Aufbrausen  In  Wut  verstund* 
Hohe  und  offensichtliche  ICrscheinunpen  dieses  /:.aubers 
seien,  den  Haßer  auf  ihn  peivorfon.  Beunruhigt  waren  slo 
alle,  denn  konnte  non  v/ohl  vorausceheni  v/os  diese  Mexe 
im  Schilde  führte?  :»:an  erinnerte  sich  doran  und  besprach 
es  flüsternd,  da^^  Hapar  doch  das  ?;lad  elnos  von  den  Israe- 
liten vernichteten  Gtaforneo  sei,  eufpohobon  und  gerettet 
von  deta  König.   Jla  v;ar  doch  ein  rabkörinllng-  eines  Staci- 
ces,  der  nicht  an  d^n  i'ln^lr.en  floubte,  der   nlt  dunklen 
furchtbaren  Göttern  In  V^^rblndun^  f^e^^tanden,  uno  cle  ha- 
be wohl  schon  als  rlnd  Dlnpe  e'*^lernt  von  schtiudernder 
Tiefe  und  uö^le,  an  die  nur  äu  dcnVion,  den  Juden  verbo- 
ten  wer.  Ihr  Ttlrbe  habe  sie  angetreten  und  nütze  es  nun 
im  Dienst  der  Blutreche,  un  das  Haus  des  rTÖnlgs  und  so- 
nlt  sein  Volk  zu  vernichten. 

Den  ?'önle  davon  zu  sprechen  war  vergebons,  denn 
er  wollte  die  Andeutuncen  nicht  verstehen.  Man  niusste 
auf  ^^amuol  warten,  er  sei  Ja  der  iSinzlge,  der  /.Influu^ 
auf  caul  habe.  Und  so  wartete  nicht  nur  I.llchal  auf  den 
großen  Propheten,  nlt  ihr  wertete  das  Volk.  Llichals 
Liebe  zu  David,  ilichals  Verlanfen  und  Leidenschaft  war 
nun  euch  die  3ache  des  Volkes  geworden. 


38 


Die  Bäusie  standen  in  Blüte,  und  die  langen  Tage 
leuchteten  golden  und  blau.  Die  Ihillster  erhoben  Ihre 
barbarloohen  otlrucen  und  sotzton  Ihre  Cmslcht,  Ihre  Kraft 
und  Ihr  Verlangen  auf  die  Ilnnahae  Gilboas;  Israel  berei- 
tete sich  vor  auf  den  Krieg,  aber  ir.lt  enfeut Igt em  iierzen, 
Ündllch  erschien  der  i  rophct,  ur*  Cpfer  v^u  brlnßin  und  den 
i:ut  des  KCnlßs  und  des  Vclkas  zu   stSrken,  Llchal  konnte 
kaua  erv/arton,  daü^  -iamuel  sich  Ihr  'ituwandto,  dac:  sie  Ihn 
ihr  Herz  ausschütten  konnte*   Der  Alt3  hörte  ihr  nach- 
denklich z\x.     £a   paiJte  Ihni  vortrefflich  in  seine  IlSno, 
dai:  des  Königs  Tocht«r  sc  drön^joiid  nach  einer  Verbindung 
mit  derjenigen  verlanf^ta,  den  der  i  rophet  selbst  schon 
zun  NachfoliC'.er  Sauls  erkoren  hatte,  lüt  öiecsr  Verbin- 
dung. ^AÜrdon  dl«  politiachsn  Jchv.lerlekclt^n  auf  elnnal 
gelöst  sein,  die  i  artel  o6uls  würde  sich  zufrieden  ge- 
ben, wenn  die  FÖnlf sv/ürde  nuf  oln  1  Itf^lied  das  I-auses 
Überginf.,  selbst  y/enn   e?.  nur  der  .ch>rle;jer3chn  würe;  in- 
nere Unruhen,  Ja  fCrlere  der  einzelnen  raktlonen  unterein- 
ender wären  vcrrc^leden  und  der  n^tarcn  Juda  würde  sich  er\cor 
an  Israel  anschlio-en,  trcuor  7-ucr»  rCönlgshauß  halten,  wll- 
liper  sein,  sich  am  notwenUifron  KrleK  pe^en  die  barbari- 
scben  iindrlnglln?o  zu  beteiligen,  Judas  und  Bonjonlns 
Löyalltüt  zu  deii  jungen  vereinigten  teich  v;ar  bisher  iin- 
ner  et/ms  fraglich,  ja  zweifelhaft  ^ieAesen.   .»Khrend  Ti- 
chal  sprach,  dachte  der  i  rophet  Über  diese  L>ing:e  nach. 


39 


und  al«  sie  endlich  schwieg,  schwieg  auch  er  noch  eine 
«alle»  dann  wandte  er  sich  lalt  freundllohera  Lächeln  Ihr 
zu  und  versprach  ihr  nlt  wenigen  ebor  trostreichen  v/or- 
ten Boine  Hilfe.  Aber  er  bopab  sich  nicht  «l«lch  zu 
3anl,  oondern  begrüßte  iunöohst  die  anderen  lütßlledor 
des  Haushaltes;  Inebcsondero  lag  1ha  daran,  alt  Abaer 
zu  sprechen.  Abn3r,  ein  Vetter  des  Könlps,  der  petreu- 
eote  aller  Getreuen  des  Hauses  Saul,  der  Voßt  und  Er- 
zieher der  königlichen  Söhne  und  Vorstahor  des  Haus- 
halts nu3to  erforscht  *erdea,  seine  ^.elnung  war  wichtig, 
denn  er  hatte  einün  großen  i:influ3  bei  den  ::Bnnern  so- 
wohl alc  auch  In  de:;  Keiücnat^n  der  rrtiuen.   Abnor  hette 
sehr  grow3S  Ansehen,  und  er  war  der  erf'.obensta  /inhüni-er 
t3aul8.   Kau:i  hatte  der  :  rophet  nach  ••eErü.'unp,  und  ein- 
Isitonden  Eanerkungen,  fest  scharzhaft  und  leichthin  von 
llichals  KUnschen  und  :  länen  ?.u  sprechen  boßonnen,  als  or 
aerkte,  daJ  Abncr  düstsr  «urde  und  beßorftt,  und  as  dauer- 
te nicht  lan,?e.  bis  der  Cottesrtaun  hervorf.eholt  hatte, 
was  des  Anderen  .:lnn  und  Tleri;  bodrüokto.   ^r  hörte  über 
I-aear,  und  Davids  Li&be  iiu  ihr,  und  übor  die  schnell 
sich  vorbreitatan  Gerüchte  über  den  .:auber  und  über 
brütende  Angst  im  Volke.   CbBl?^ich  Ab.aar  versuchte, 
sich  als  sachlicher  und  auf^oklärtar  i'ann  von  den  Frau- 
engeschwBtz  abiusondarn,  so  konrito  er  doch  nicht  die 
Berechtigung  dieser  Gerüchte  ftanü  abweisen,  besonders 


40 


nicht  Jeaer,  die  sich  auf  dl©  fccltullchen  RÄChcplSne 
•Iner  Volkefreaden  bciiogoa,  deren  Stanm  vernichtet  wor- 
den war.  Auch  war  es  nicht  elnfiich  von  der  üend  zu  wei- 
sen, da2  sie  noch  Ihren  alten  Göttern  anhlnc  und  Kröfte 
von  Ihnen  erlangte,  die  sie  zuin   Schaden  der  Juden  ans- 
nat:rüto»  Von  solchen  Llnfcn  war  die  lec^ndo  der  Verpwn- 
gonhelt  voll,  und  ob^-lolch  es  nicht  absolut  beweisbar 
v;ar,  so  mu^te  zan   f,erochtx^rw3lso  die  Mbrllchkelt  zucebon. 
VTleder  lauschte  der  Alte  sch.voln3nd,  ohne  den  Anderen  au 
unterbrechen  und  erfaßte  diö  Bedeutung  des  Ge^Srt^a  für 
seine  eigenen  helxllchen  ilSne,  nü-ilich  die  :.:C(Tlloh!<olt, 
;:aul  vor  seinen  Volke  unrr.öc-llch  iu  r.achon  und  .avld  In 
den  Vordargrund  zu   ^»c^.l2boa.  ::ar  züu.rto  r^n  Co.t\   r^nsuon 
unci  richtigen  ^ug  splelon,  und  er  plüubte  sich  d£.;^u  be- 
fßhlrt.  h:{x^te   ein  C^f^r  derf-ebracht  werden  '^ur  *Jrrel- 
chune  der  hohen  ^lole,  oc  war  ec  ein  Gottoar.e^cheak,  dal^ 
ein  rrerudlintt  geopfert  werden  konnte,  r^(r,^a   den  i^chon 
die  Leidenschaft  Ir-  Volke  eiitbrannt  ^var.  i^ecia   das  ioll- 
tische  kennte  eo,  dux-ch  die  rollclö.'je  Inbrunst  rodeckt, 
ohne  besondere  3ch?/ierigkelt  £i3fördert  \^erden. 

Uer  irophet  betrat  das  Cer.ach  des  ?önlr,3,  wohl  be- 
rechnet, ala  nur  HaRar,  Lavid  und  K;aul  anv/esend  waren. 
Freundlich  boßrüite  er  alle  und  zögerte  nicht,  den   KB- 
nie  zu  beßlUoKvvünschen  zu  der  ausf.ezelchneten  vehl,  die 
er  getroffen  für  LÜchals  und  seines  Volkes  vohl.   ^r  um- 


• 


41 


»rate  David  voll  firme  und  prophezeite  ihzx  und  oalnen 
Ctttttaie  den  'Jegen  Gottes  durch  seine  She  alt  l^^lchal. 
David,  dar  dlo  relecoatllchsn  ne-norkucßen  des  KCnlp.s  in 
Elnklane  alt  seinen  Triiucüen  und  -..önschen  cedeutet  hatte, 
zuckte  zusQHT-.en,  als  hübe  er  einen  5ohlQ«  erhalten.   2r 
fühlte  sich  zutiefst  In  fiolner  l ännllchK^lt  bedroht,  da 
seine  eigenen  Llebcsv.ünsche  völll{;  auCerlPht  r.eloccon 
wurden,  und  soin  Gefleht  zeir.to  die  c.am.o   hoftl^ö  Härte 
seines  .esons,  dlo  er  bUher  Ixcer  so  -.vobl  hutte  züc^la 
können.  Horor  ^^ar  r^>-önv.'5rtlp.  und  Hagar  uar  In  dlescta 
Augenblick  wlchlU-er  für  lr;n  olc  Jcul,  .anuel  und  dl? 
Aussicht  auf  ein  Y.JinirS'^.ith,      Cr  ue^f^'J   sich  vor  dopi  ;'ö- 
nlfr  und  der.  }  rophotea.  dann  rlchtste  er  sich  auf  und 
sprach:  "I^eln  Herr,  und  .u,  cettllcher,  die  Shre  ist 
groc,  dl«  Ihr  r.lr  z\j   orv.ei^ien  cedenkt.  Abor  der  iohn 
des  Josse  Ist  nur  ein  ern.ör  Hirte  und  ist  nicht  v/ürdl*-, 
der  Schwiefersohn  des  von  Gott  selbst  l^nftShlton  z\i   wer- 
den.  Kr  denütlpt  sich  vor  "Cuch  bii  zux  Boden,  wlo  er 
sich  vor  &s:z   eJniir.en  Gott  demütifön  v.-ürdo  und  bittot 
>:uch,  y.uer  Anfobot  nicht  ausrecprochen  sein  zu  laoocn. 
David  aus  Josses  :?hu3,  aus  doß  r.taicsx   Juda.  will  zurück- 
kehren zu  seines  Vaters  Haus  una  will  selnaü  alton  Va- 
ter durch  den  .e^^en  Gottes  und  alt  Hilfe  seines  .eibes 
Heear  3bhus  geben,  die  sein  Kaus  ver:uehren  und  seinen 
Nataen  erhalten  sollen.  •  Verwundurt  schaute  :^aul  auf 
David  und  hinüber  su  Maear,  die  ratlos  und  Verständnis- 


42 


108  diese  Rede  Cavldo  gohört  hotte,  f^anuol  Ifieholte  den 
erregten  JünglinF,  zu,  dann  wandte  er  eioh  mit  dec  f,lei- 
cfcen  Lächeln,  fest  zfirtllch,  lönpsaa  zu  Kapar  und  sprach 
freundlich:  -::ein  Kind,  vergib  ailr.  dasa  Lu  mir  TÖlllß  un- 
bekannt bist;  es  ist  dlo  Schuld  eines  eltfln,  boschüftlp- 
tan  V.annes,  daC  mir  dla  P.elze  einer  Jungfrau  enteanfsn 
sind,  die  iwstunde  sind,  dl«  ..Inno  eines  -iavid  öo  olnzu- 
netsi^a,  d&u   des  rönlßshüua  Innen  goponüber  bla.":  für  Ihn 
wird.  Gestatte  nir,  Deine  iiokanntsohaf t  2U  aachan.  da2 
ich  euch  zu   Dir  die  Traundschaft  überträfe,  t-.lt  dor  ich 
dari  Hauce  Jesne  verbunden  bin.   i;u  nu^t  aua  elnani  F.roren 
Kaus  stauben,  da^  Jossae  cha  cslr.oö  Vatero  Haus  durch 
Dolcea  ::cho-  bereichern  v;iU.  Vor  sind  •-■ein  Kaun  und 
Lein  Starua,  ueinc  trüdor  und  i:ein  Vator,  der.en  d«r  ?:in^l- 
re  eine  solche  Tochter  treröben?"  DU   Aur/J«  ..a^iuals  hiel- 
tea  r.agare  raick  und  unter  ihrea  ^v/anp  verein^-  für  llapar 
die  Gegenwart  und  alle  Vorsicht  und  alles  Bedenken;  aus 
tiefsten  Tiefen  erschien  vor  Ihr  des  Antlitz  ihres  Vaters, 
sie  spürte  v.ieOar  seine  nrce  urr.  ihren  Körper,  sah  sein 
liebovoUea  Lüchcln,  und  hörte  c».s  frohe  Lachen  der  Brü- 
der, und  fast  trSunend  serte  sie:  'lleln  Vater,  ilerr,  ist 
Apeg.  der  gro^e  Kboiß  aus  aeca  3tann  der  .XÄleKiter  und 
ich  ihm  geboren  als  cinzire  Tochter  unter  vielen  -.bhnen. 
Ich.  Herr,  bin  Hepar,  die  Tochter  ABags." 


43 


Sanuela  Antlitz;  wurde  starr  und  blau.     Kln  Ausdruck 
unbeschreiblichen  ttreuens,    ^vldorwillen8,    Ja   ikels,   brei- 
tete sich  darüber  aus;   der  Blick  solner  /-.upan  zog  sich 
zurück  und  lönpsan,    lenpßnr*  wandte  er  eich  un  zu  den  Kö- 
nig*    2r  sprach  kein   ..ort;    er  hob  nur  die  Hand  wie  zur 
Abwehr  ocor  zun  .:3chlafi  fepon  et^ves  fTduimhaft  Andrünf.öa- 
des.      Dann  raffte  er  sein  Gewand   zusaioirien  und  verlle*.    den 
iteun.     David  stend  ^^ie  entrückt  und  erstarrt^   sein  so 
freudig  er«vartun;?;svolle3  Gesicht  wurd^  bleich  und  heilich, 

und  /vngßt  trieb  ::chwei*i  aus  seinen  lorsn.      L'r  zörerte 

einer 
einen  Aup^snbllck,    schwunkta,   als  werde  er  von^lnnoren  y.acht 

gepen  Harer  fösto:-en,    stBhnte  auf  und   lief    -arnunl  ne-ch. 
So  bliobon   r^eul  und   Ilaf-ar  allein.      :\^ocb   star^d   ole  ^iio   Iri 
Treurtl  unter  de^.  Denn   ihrer   I:;rlnnerun£,    das  K^r^  voller 
*:-Brtlichkcit  und  Liebe  für  d^*n  Vater,    dessen  Bilc  nit   den 
des  lönips   sc   iunlp  verschn^olzcn   war.      Sie   erAiirtete  v/chl, 
von   ihm  urr*arrr.t  unc!   an   sein  Verz  p^idrückt  su   v/ercen,    .far 
sie  doch  seine  Tochter,    sein   schönster,    teuerster  i  esit^. 
::tntt   dessen  fUhlts   sie  plbt-^llch  die   ^isesk^ilte   von  .•:fi:uls 
Blick.      :*ine  unerbittliche   erbürrr.unpslose  Hürte   tr^jf   sie 
und   zw^intf,  sie  wie   ein  Tier  auf  den  5oden.      iJinst  h«tte 
sie  beobachtet,   vfie   ein   l^.aubvop.el   in  r  lu£:  einen   klair.en 
Sinftvogel   in   seinen  Krallen  ,^efan£.an  und  ^Qp.getvur^n  hat- 
te.     ÜB  wer  die  f^lelcho   ^rbaraunf-TSlosigkoit.     kau  konnte 
es  nicht  ein:^l  Grausamkeit  nennen,      eis  war   Jenseits  al- 
les Sinnlichen  —  nur  schreckliches,   unaufhaltsarces   "nde 


•V— 


44 


für  don  kleinen  Voßol.  Sie  batte  datnule  ein  Gefühl  von 
Krankheit  und  üebelkelt  und  wurda  lönee  euch  In  Ihron 
Träumen  Tcn  diesen  Bild  der  .-erstörunf,  gequSlt.  Nun  war 
©8  wieder  da.  Se  war  ihre  eigene  ^Wirklichkeit  t'ewordon 
In  den  Blick,  den  3aul  auf  ole  ^orlchtet  hielt.  31«  var- 
ßuchte,  zu  sprechen,  zu  erklären,  atanr.^ilte  Veralcharun- 
cen  Ihrer  Treue,  Ihrer  Liebe,  Ihrer  Jrgebunc  Sauls 
Blick  findorte  sich  nicht.  31©  kroch  auf  Ihren  Xnlon  zu 
1ha  und  unschlnnr,  seine  FIXZq,   er  stlei  sie  voa  sich  — 
ohne  Leldonschnft,  tio   etvra  elnoa  :^tein,  der  la  .'eg  llagt. 
Und  denn  ."iit  unbe.vactor  :;tln;io  oprach  er  Jene  .orte,  die 
Ihr  Leben  b<^onöeter.:  "Ar,9gs  '^ochter.  liu  hi.3t  ducch  List 
und  ..«ub?rei  Lloh  eiiv^oschllchyn,  Du   hu::t  .Ivviotrocht  ^-o- 
sät  -.wlöchen  nlr  un^  -.olnp-v.  Cotf.  Uu  hj.at  vorbucht, 
alt  Hexerei  nein  Haus  ^u  vernichten.  Unrlück  £öbracht 
fcuf  denjenir.^n.  der  Dich  voti  Tode  r,erettot,  unvdßr^'snt- 
lieh,  dor  er  ?ich  dsr  Hend  des  Herrn  er.tfr.jpcnset^te.  Ich 
ffluy  dein  Haus  von  Dir  rolniron  und  -.-ferde  durch  r.>3ln  Le- 
ben dl«se  :-chuld  sühnen  -üsr-^n.  Du  ebsr  v.-lret  sterben 
nüssen,  damit  d'ir  Fluch  alch  von  nu-ln^-n  rieus'.»  r.ebs.V 
HefTur  wollte  wteäer  seine  Knie  urafassen,  ihn  anflehen, 
Ihn  erinnern  an  alias,  v/ac  oio  ihm  gowdoen  A-ar.  Ab'ir 
für  Saul  sohlen  sie  nichts  zu   sein  un.I  auch  nie  reweaen 
XU  sein,  ür  nechto  eine  unf^aduldlee  r^owecun«;,  ctieii  sie 
zurück  und  verlleü  das  ilrjaer,  ohne  sich  umzublicken. 


■"  ■^ 


45 


Einen  Augenblick  8;)St«r  kanon  zwei  von  r.auls  '.^finnern  und 
zerrten  die  faat  Leblose  aus  seinem  Getaach, 

Danach  hatte  alch  ein  Hebel  ui'.  Ihren  Colct  pelogt, 
den  sie  auch  später  nie  ranz  durchdrlnpon  konnte.  Die  Er- 
eignisse, die  zu  Ihrer  Flucht  und  aettune  führten,  vor- 
blloben  nur  unklar  un<  ebperlssen  In  Ihrer  £rlnnerune.  Da 
das  Zeitliche  seiner  Bedoutunp  beraubt  war,  wurde  Tag  und 
Nacht  für  sie  gleich,  Sie  wurde  nicht  olnrisl  gewahr,  ob 
Stunden,  Tage  oder  r.ondo  vert^inpon.   ..le  war  es  auch  mög- 
lich, den  Fall  aus  elricr  -.Veit  in  eine  völlig  andere  auch 
nur  ira  Entfernteoton  an  .'.eitJafli^ stöben  zu  Eeeeen.  In  dem 
tunkel,  das  sie  umröb,  trat  nur  das  Antlitz  Joabs  deutlich 
hervor.   Sr  war  einer  der  boirten  y.Snner,  die  3le  aus  ":auls 
Geruch  ndt  Gewalt  herausschle^ptan.  ?>r   varhhlf  ihr  -sur 
Flucht,  üarials  schien  er  ihr  bekannt,  doch  konnte  sie  ihn 
nicht  erkennen.  Erst  nach  Unrer   ^eit,  nachdera  sie  schon 
die  Hexe  von  ::ndor  war  und  Itr^er  von  tfcuea  versuchte, 
Crdnung  und  Klarheit  in  die  Begcbonheiten  zu  bringen,  er- 
kannte sie  in  iha  Jonen  verdienstvollen  Krie^or.  dera  3aul 
Hadasseh  zur  Frau  geßebon  hatte  als  Belohnung  für  seine 
Tapferkeit  und  Ergebenheit.  Joab  war  durch  ILadassah  nit 
Hagars  Geschick  vertraut  und  auch  ralt  den  Dienet,  den  sie 
•inst  Hadassah  geleistet  hatte.  Vielleicht  war  es  ein 
Gefühl  der  Dankbarkeit  oder  dos  y.ltleids, vielleicht  auch 
Hadassahs  Bitte  für  die  frühere  Gefährtin  oder  vielleicht 


46 


ein  heimlicher  Befehl  dos  Kbnlgs  —  was  Irrjaer  auoh  die 
Veranlasnung  war»  Jedenfalls  hatte  Joab  das  !.:8dchen 
nfichtllchorwelso  entführt  und  nach  Sndor  gebracht»  2r 
hatte  ale  ßezwunßen,  sich  zu  beiV8€:ent  t^ahrung  zu  sich  zu  nehmen 
und  weiterxulebon,  nicht  ahnend,  dai  er  durch  seine 
üenachllchkelt  Ihreizi  Leben  den  eln^lgien  noch  verbliebenen 
Sinn  nahm,  nBmllch  eo  v;le  einet  Jej;.ht^hs  Tochtor  durch 
einen  frelvvllllf.en  Cpfortod  den  Vator  öle  Versöhnung: 
nlt  selnaci  Gott  zu  schenken*  Hagar  konnte  sich  nie  ent- 
scheiden, ob  OS  Gottes  Fügunp,  Jchlcksal  odar  llnn   fre- 
wesen  wer,  da;-  Saul  sie  nicht  auf  der  otelle  petötat, 
sie  nicht  für  Ihn  hatte  sterben  lassen,  scndcrn  Ihr  — 
ebcichtllch  oder  unabsichtlich  —  Joab  eis  i^'etter  rs-- 
schickt  hatte.  UnablJisslg  durch  die  vielen  Jbhre  dach- 
te sie  dsrtibor  nech,  ßleubte  ri^wnchinal  Sauls  Llobo  zu  ihr 
darin  zu  erbllckon,  ein  ander.aal  seine  völlige  Glalch- 
pültigkoit  ••  dann  wieder  nur  ^ufall  oder  viel  ÄrK^r; 
Ka;3  und  VerachtunR,  da  er  sie  dos  elnzipen  sinnvollen 
Abochlussas  ihrer  Liebe  beraubte* 


Das  war  die  Geschichte,  die  sich  die  Viere  von  r.n- 
dor  imraer  wieder  erzöhlan  rr.uute;  nur  In  diesen  i'irlnnerun- 
gen  war  sie  noch  Hagar,  das  i:ädchen,  das  von  :>aul  geret- 
tet worden  wart  und  das  in  soinea  Gemach  Iha  zu  Füien 


.  '\ 


47 


Sitzen  dürft«.  FUr  die  v.elt.  In  der  sie  seit  so  vielen 
Jehren  lebte,  war  sie  eine  iiauberlo  nlt  elnec  .vahrsage- 
gelat,  den  sich  die  heinlichen  Besucher  nützlich  zu  Ra- 
chen suchten* 

Die  Jahre  verflossen  und  slt  den  Jahren  wechsal- 
ten die  Gerüchte,  die  über  Oaul  und  sein  Haus  zu  ihr  dran 
gen.  ^unBchst.  r.sch  ihrer  Flucht,  schien  Friede  und 
OlUcK  zu  herrschen.  Beld  wurde  Davids  liochsoit  mit  ri- 
chal  verkündet.   Der  pro3e  1  rieotor  hatte  r,lt  elfrsnor 
Hand  diesen  Bund  eoseFnot.  Kricßszüge  wurden  siegreich 
geführt  und  die  I  hllister  peschla^ren.  Uavlds  Nano  war 
In  Aller  I'.unde.  sein  Lob  wurde  In  .;tSdton  und  liörforn 
resuncen,  und  wenn  ni'.n  .iaul  pries,  so  Aurde  Devid  p^fei- 
ert.  x)ann  aber  ber-'ünn  Ocflüster  über  dos  Königs  ..ciuver- 
liut,  seine  CüüterKeit  und  Ranerel.  !^an  s^-rach  von  sei- 
ner Jlf ersucht  auf  den  Jüng-ren  und  voller  Grauen  kam 
die  Kunde  von  seinem  Versuch,  Jonathan,  der  sich  innip 
an  David  anqeoohloßsen  hotte,  ur.d  der  gorade  einen  bedeu- 
tenden SloG  errunr-en  hatte,  niittels  f^efölschter  Lose 
uns  Leben  zu  brinRen.  V.fitten  nicht  die  Kricßer  sich  ee- 
wolRert,  das  Todesurteil  ^u  vollstrecken,  und  alt  offe- 
ner y-euterei  f.edroht,  ;:eul  hätte  den  Sohn  sterben  las- 
sen, öatauel  hotte  sich  in  bitteren  Anklufen  P,e<r9n  den 
Kenlß  erklärt  und  öffentlich  die  Vernichtune  dos  Hauses 
Saul  prophezeit.  Aber  schließlich  vv^rde  auch  er  zu  sei- 


-"^ 


46 


neu  Vlltern  berufen;  dos  VolJc  betrauerte  ihn  wie  Kinder 
Ihren  Vater  betreuern.  Saul  war  sich  selbst  ttborlassea. 
Immer  hSuflper  wurden  die  Oorüchte  über  seinen  Trübsinn 
und  über  sein  ^erwürfnls  rilt  DaYld^  und  eines  Tages  er- 
fuhr tian,  dai?  David  göf lohen  war,  un  sein  Leben  vor  den 
Kordanechlfipen  dos  F:önlrs  zu  schützen.  Jlner  von  ♦Oavlds 
Getreuen  hatte  auf  solner  Flucht  sich  bei  seinen  Ver- 
wandten In  Endor  eine  ?.acht  versteckt  rehfilten  und  hatte 
Jenen  einen  seltsaj:nen  Bericht  pereben  über  einen  Traua, 
den  der  König  gehabt  hatte.   In  diesen  Traun  seien  die 
Ibllister  ralt  gro»;ecL  Geschrei  und  affenlSrn  an  dar  Gren- 
ze des  Landes  erschlenan,  i^aführt  von  elnora  rilosen,  der 
die  Juden  nlt  bbson  und  krankenden  /orten  ^un  Kanpf  auf- 
forderte.  I:evld  allein  s^l  diesem  Riesen  entr.ofcnpetre- 
ten  und  habe  Ihn  nur  'alt  elne.-a  Jteln  aus  seiner  ;:^chleuder 
zur  Strecke  gebracht.   Ler  KCnlg  sei  aus  diesen  Traun 
voller  Angst  und  üchwerrnut  erwacht  und  als  David,  wie 
schon  bei  früheren  Colegonhaltan  die  finstere  Laune  sei- 
nes Gebieters  lait  selneii  Harfensplel  und  Gosan,?;  zu  vor- 
scheuohon  suchte,  habe  Saul  In  rasendar  J\xt   einen  o^jeer 
nach  Ihn  geworfen* 

« 

Der  König,  in  seinen  Llißtrauen  und  In  seiner  Nei- 
gung zum  Aberglauben,  sah  In  diesen  Traun  ein  Mielchen 
seines  eigenen  Verderbens  durch  Lavld,  war  er  doch  selbst 
solch  ein  Riese,  der  seine  Königswürde  erlangt  hatte ^  well 


49 


•r  dla  Juden  ta  Körpsrgr&i^e  überragte •  Dloa,  zumindest, 
hatte  Saauel  1ha  oft  genvig  zu  verBtcbea  geßebea.  Von  der 
Troucuiacht  an  trachtete  3aul  David  ncch  dea  Leben,  und  nur 
XLlohals  Srpebenhelt  und  Treue  eelang  ee,  den  Gatten  vor 
dem  Vater  zu  vorsteokon,  David  eatke;u  und  floh  zu  den 

Phlllatorn. 

3aul8  Macht  und  Jtellune  waren  nun  unbestritten 
unter  den  Juden,  aber  er  -jMct^   sich  stSndlp  gocan  die 
Ihlllster  zur  '."ehr  setzen,  die  wlec?r  an  den  Grenzen  sei- 
nes Landes  standen.  Der  König  v.ar  xsüCq   und  alt  und  war 
gepeinigt  von  den  Gedanken,  daS  David  r.cF.sn  ii^B  dea  Feere 
der  Feinde  vorenzlehen  werde;  der  unbewaffnete,  Jun/^ö, 
slnrande  :>avld  t;lt  olnor  Jchleudcr  und  dorx  todbrln?:ond3n 
Stein.   Der  Kttnlg  wer  elasar..   "Cr  versucht?,  durch  stren- 
ge Gesetze  fer.en  '..Magier  und  Mexcn,  die  er  xalt  •Todesstra- 
fe bedrohte,  seine  Anrät  vor  -ianuels  rrophe/.elunrKn  und 
vor  seinen  eigenen  Tröunon  zu  bozwinr.en,  die  den  iell  sei- 
nes Hauses  verkündeten.  Jonüthan  war  noch  bei  ihn,  trotz 
allea  ein  'I'rcu-i:rf.öboner  und  ein  guter  l-esrführer,  ob- 
gleich von  tröurip.oEü  Teoperaaent  wie  dar  Vater,  nur  ohne 
dessen  aaserei  und  Grojiisucht.  ::r  w^r  als  ein  ochv/eigoa- 
oer  bekannt.  V.an  sarte,  dai;  er  sich  nach  einen  .'/leder- 
sehen alt  David  sehne,  nach  seinen  Freund,  deta  er  nur  zu 
gerne  sein  Srbo  abtreten  würde. 

Die  Grenzüberffillo  der  ihilistcr  häuften  sich,  und 
plötzlich  fiel  der  Funke,  der  zur  Flasae  wurde,  und  der 


80 


gXoS9   Krieg  brach  aus.  KUde  waron  die  Juden  des  Kunpfes, 
und  e«  war  nicht  leloht,  ein  wirkliches  Voltrehosr  zusac- 
monzubrlnßen*  Die  Verluste  waren  erdrückend,  selbst  v/atin 
auch  einig;®  v>chlecht3n  gewonnen  waren*  Die  Keore  standen 
sich  endlich  In  der  TJLhe  von  ;:ndor  zur  entücheldenden 
ochlttcht  ceeenliber* 

An  Vorabend  dloßer  vichlöcht  saj  Kafar  allein  In 
Ihrer  Hütte •  Die  lonf;o  Lfiatiorung  v/er  endlich  de.-::  vollen 
Dunkel  fewlchttöe  Hin  Relslcfeuor  brennte  nuf  dem  Kerd, 
vor  den  Kaper  in  Tr^iunerel  versunken  sa.?,  Ihr  spfirll- 
ches  Mahl  stand  unberührt  auf  dosi  Herd.  r;le  "i^iir  te  von 
der  bevorrt^hendcn  v3chlBc^.t  und  obp;lalch  sie  wie  olle  hin- 
deren voller  Furcht  an  die  FolF.en  eines  Jlepes  der  Ihl- 
llster  dachte,  war  sie  doch  noch  nehr  von  de.^  Gedanken 
berührt,  da^  Irpondwo,  nicht  v/elt  von  lindor,  3suls  ^elt 
aufgerichtet  wer,  und  dai2  3aul  selbst  In  fast  prelfboror 
Ii^Bhe  sich  befand.  Sie  versuchte,  sich  ihn  vorzustellen, 
wie  er  einsam  und  brütend  saS  und  nüilte  sich  ln?ier  wieder 
die  eine  herrliche  Szene  aus,  wie  sie  sich  zu  soinera  ;delt 
hinschlich,  ohne  von  irgend  Jemanden  (tesahen  zm   v^erden, 
wie  sie  in  das  ..olt  eindrang,  wie  Saul  aufblickend  sie 
erkannte,  ihr  rxlt  außpebraiteten  Amen  entgef.enkam  und 
ihr  paatend,  datJ  er  auf  ihr  Kopien  gewartet  und  gehofft 
habe,  da2  es  das  von  Uott  erflehte  deichen  sei  der  Ver- 
zeihung und  des  :3ieees.  Sie  lie^i  ihn  alle  die  v;orte  äus- 
sern, ae^*|  nach  denen  sie  sich  oelt  so  vielen  Jahren  ge- 


61 
sehnt •  Sie  trSumte  sich  als  das  V/erkzeuR  äes  Herrn;  duroh 
Ihr  Dasein  wurde  der  Fluch  vora  Hause  3auls  getilgt.  In 
diesen  Trfiui^Aerelen  konnte  sie  Iraner  neue  -ilnzelhaiton  aus- 
führen,  änderni  hlnsufliesn,  abor  das  V^'ssentllcho  blieb, 
da3  der  König  öle  sofort,  ebne  das  geringste  Zögern,  er- 
kannte und  sie  ontgepennahm  eis  sein  so  lan?:e  f:e5uchte£ 
und  gröi^tes  Gut* 

So  caP  sie,  Ihren  Gedanlren  hlnfropebeu,  als  sie 
plbtzllch  ::cfcrltte  vernahm.   Die  TUr  ihres  Hauses  wurde 
geöffnet,  und  zwei  :,:änner  nit  verhüllten  Häuptern  bstre- 
töD  die  Kaaruer.   Der  eine  trat  rasch  an  sie  heran  und 
sprach  nlt  leiFar  und  elr.drinnllcher  :.>tlrj^3;  *Trc.a,  cxn 
se^^t,  da3  Du   einen  Vehrsaeepelst  hast.  Im   r:uL-t  ihn  be- 
nüh'^n,  er.  reht  un  Leben  uad  Tod."   Kapar  s^^rr^nr.   e:af 


un 


0  wich  ^egen  die  ».'and  zurück.   Der  Schein  des  reuers 


lag  auf  ihrer-.  Gesicht  und  belsuchtet©  klar  und  deut- 
lich ihre  zLü.cjo.   jlntvSOt/.t  hörto  sie  die  Rede  des  llan- 
nee   an,  überzeur;t,  dai:^  nan  ihr  eine  Folio  mit  ciesen 
Ansinnen  stellen  v/oll t^.   'Vor  doch  jedes  V.ahraarxn 
durch  das  Gesetz  des  Kbnigs  bei  Todesstrafe  verboten. 
Sie  weigerte  sich  mit  Vercichorung.in,  da£  die  i>eaäliage 
falsch  unterrichtet,  v/firon,  (303  sio  weder  'A-ahrsaren,  noch 
enderen  Zauber  bev/erkstellif-en  könne;  dai  alle  ;iagi9  ^o- 
pen  das  GesQtz  sei,  und  dar  nur  irgend  -Solche  bCsan  Zun- 
gen sie  verleumdet  haben  mÜLHon.  Der  zweite  r.ann  hatte 
sich  bisher  schwelgend  im  Hintergrund  gahaltea.  Jetat 


T" 


62 


trat  auch  er  heran  und  sprach  nlt  nüdor,  trauriger,  ober 
•Indrlnglloher  Stlmae:  •♦.Velb,  tu,  was  Dir  geboten  wird«. 
Der  König  aacht  dos  Gesetz,  aber  er  kann  es  auch  wieder 
außer  Kraft  setzen.   Er  hat  dl©  V;aoht,  zu  binden  und  zu 
lösen.  Du  hast  nlchta  zu  bofürohten,  wenn  Du  gehorchst. 
3ieh  herl"  Daalt  enthüllto  er  soln  Antlitz,  und  Reror 
schaute  in  ^uls  halle  kalte  Aur.en.  Sie  fühlte,  wie  ihr 
Herz  sich  zueairjsenzog,  Ihr  Ateai  setzte  aus,  unJ  aie  stürz- 
te zu  seinen  yü^en  nieder.  Ihr  war  schwindlig,  als  sie 
so  dalsG  und  auf  ein  lelchon  des  "^rkennens  von  Jaul  war- 
tete. Aber  der  Aupenbliok-  vorglnj?,  und  nichts  t'eschah. 
3aul  befahl  ihr,  auf/.uütehtjn  und  für  Ihrsn  Könl^  zu  tun, 
%os  sie,  wie  b8>:anr.t,  für  endors,  frcrlnrore  Kuncen  reti^n 
hatte.   "La-  Cslnsn  =.6hrcarercist  '.vlrkan', ",  Si^rach  er. 
"Laii  ihn  .lemuel  herbeirufen,  da2  ich  noch  einmal  seine 
Ctlrs,tie  höre,  sein  rrtoll  vornshme,  an  sclnea  proben  Ooist 
tsilnohxs^n  kann,  ^v  nxx'l   aiir  heute  erscheinen,  or  allein 
kann  mir  helfen,   r.iof  oder  üntarf:ang,-ohrio  ihn  r.u:?  Ich 
sterben»."  Kaf.ar  hörte  die  v.crtc,  sie  fühlte  die  Luft 
eicifr  ihr  Gesicht  umstrelfen.  in  ihren  Ohron  dröhnte  es. 
Pleich,  alt  8Ufp,eriseenen  Auf;an  stand  sie  und  hörte  nlt 
hilflosen:  Grauen  tSanuels  i:tins:e  aus  ihrer  oißcnon  Kehle, 
aus  ibrea  Munde  hsrvcrtönen.   Senuels  Stlrwae  sprach: 
-Warum  beunruhigst  L^u  mich?  i^er  Eerr  hat  Dich  verworfen, 
denn  Du  hast  «einer  3ti«c3ie  nicht  cehorcht,  und  hast  sein 


53 


O«bot  nicht  cebalten.  Du  hast  Äen  Staoai  d«r  Amal«klter 
nicht  Teralchtct,  und  Du  host  Dich  wider  die  Hand  des 
Herrn  gesetzt.  Du  wirst  morgen  vernichtet  werden,  I>u 
wirst  fallen,  und  Dein  Haus  mit  Dir,  und  Dein  KÖnlgr'jlch 
wird  David  erben."  Saul  fiel  2U  boden,  bQwu.itloa,  und 
von  heftigsten  Krönpfen  ßeschüttelt,  ticheum  war  auf  sei- 
nen Lippen,  und  er  schlug  alt  den  Araon  un  sich.  Hagar 
erwachte  aus  Ihrer  Jrstarrung.  :ile  warf  sich  übor  den 
König,  hob  sein  Haupt  voa  Boden  und  versuchte,  es  an  Ih- 
rer Brust  zu  bercön,  so  dei^  die  selbstzerstbrerischon 
Krämpfe  abgelenkt  würden  pöpen  Ihren  Körper.  Der  Oe- 
fHhrte  :aula  aber  stle/.  sie  zurück,   ür  kniete  nieder 
und  hielt  die  H&ndo  des  Könißs,  bis  allnShllch  der  /m- 
fall  sich  Räclgte  und  In  ein  Jichluch^en  üterglne.  I.lt 
Kllfe  Yon  llapar  flöite  er  :;oul  etwas  Vasüsr  ein  und  p.ab 
1ha  von  der  körglich^^n  .p^lsa.  die  auf  dera  Herd  stand. 
Nach  einer  .•.eile  schien  der  König  sich  wieder  ^-esarunelt 
zu  haben,  er  blickte  uru  sich,  richtete  sich  zu  seiner 
vollen  Höhe  auf,  vorhüllto  sein  Haupt  und  verlief  schwel- 
gend die  Hütte. 

sein  Gefährte  erhob  sich  ebenfalls  und  war  schon 

Im  Begriff,  Iho  zu  folgen;  er  zögerte,  wandte  sich 
zurück  alt  enthülltem  /vntlltz.  und  trat  rasch  auf  llaesr 
zu.   31e  konnte  noch  gerade  ^bner.  den  treuesten  Freund 
aeuls  erkennen,  bevor  sein  kesser  sie  traf  und  in  Ihr 
Herz  drang.  Sie  verstand  nicht  r.ehr  die  beßleltendon 


) 


54 


Worte:  "Stirb  In  Namen  des  Herrn,  Hacar»  Tochter  des 
Aßag,  Du  verfluchte  Hexe  und  *:auberlnl  Delnetwapen  let 
der  Gesalbte  dos  Herrn  vernichtet'." 


/\fi  m 


2.6 


/,A 


f^S£r       "^/c   (^j^r^StU'-«     ^r^J^U    f<f^    ■\yv/ ='  jn^^X^'t^J 


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DIE  ÜSBSRRASCHIÜTG 


Vinalhaven  1955 


Mathias  war  nie  in  seinem  Leben  so  ruhig  und 
glücklich  ge-Aeson  als  in  diesen  lataten  sechs  ..ochcn, 
die  er  im  Krankenhausbett  verbpachte.  Die  tiefe  Cebor- 
zeuguns  seines  Lebens,  seit  den  junt^cn  Jahren  seiner 
Kindheit,  hatte  sich  ihra  bewahrheitet.   >;isson,  so  hatte 
er  schon  als  Kind  gedacht,  war  Schutz  eegen  plötzliche 
Gefahren,  deren  prö2te  und  schrecklichsto  der  Tod  ist. 
:ieiQ>   iiian,'A'as  im  cienschlichen  Körper  vor  sich  f>eht,  kennt 
man  seine  IhyslolOKie  und  Anatomie  und  olle  Zinzelheiten 
ihres  gestörten  Verlaufs,  dünn  und  nur  dann  kann  nan  si- 
cher sein,  da£-  der  Schrecken  des  U9t)errascht*'erdcn&  einen 
nicht  überA'ültict.   So  war  es  auch  vor  sechs  .Vochen,  al£5 
er  on  seinen:  fünfzigstyn  Geburtstas  die  bedrohenden  Z.ei- 
chen  eines  ersten  Herzanfalles  erlebte.  Da   er  ein  be- 
deutender Eerzspezialist  war,  erkannte  er  sie  sofort 
und  war  so  Herr  der  Situation,  daß  er  seiner  Frau  Char- 
lotta  ;.arnuns  und  An-.voisuag  geben  konnte,  bevor  or  des 
Be-Außtsein  verlor,   iiwar  waren  die  darauffolß-^ndön  Te^e 
und  Wochen,. na chdös  er  arwaohond  in  Krankenhausziniaer 
Charlotte  und  eine  Krankenschwester  an  eeinea  Bett  olt- 
zend  gefunden,  voll  körperlichen  Leidens  gewesen.  Trotz- 
aea  war  das  tiefe  Glticksgefühl  und  die  ßeistige  Ruhe 


—  fi  ■"  *i 


ein  köetllohea  Srlebnls.  Er  war  angstlos,  und  wenn  er  an 
den  Tod  dachte,  so  erschien  er  Ihn  eis  etwas  Bekanntes, 
efflöB,  v/as  er  ßerado,  wenn  auch  nur  in  Tora  einer  Probe, 
schon  durchlebt  hatte.  Zr  konnte  ciit  Interesse  den  täg- 
lichen Berichten  seines  Kollecen  Ober  den  Fortschritt 
solner  Genesung  lauschen  und  alt  1ha  besprecben,  was  sei- 
ne Lebenserwartungon  v;arcn.  tr  konnte  Flüae  nachen  In 
Bezug  auf  ein  künftigoc  Äep.lmen  und  seine  elßene  wlsson- 
schaftliche  Arbeit;  berechnen,  '.vio  weit  etwa  er  seine 
Forschungen  beachlounigen  oder  einschränken  müsse,  ura  vor 
seinen  zu  errechnend 'sr.  Indo  noch  gcvdssö  .Resultate  au  er- 
reichen.  Kr  dachte  rdt  ,^är:::e  und  freundlichen  Gorühlen 
an  Charlotte,  die  durch  fast  zwonzlß  Jahre  ihn  eina  ?o 
herzlich  gute  Geführtin  t'QV.esan  war,  und  dass  er  sie 
wohl  versorgt  zurückl&osen  würde.  Selbst  wenn  er  nicht 
völlig  die  ihm  noch  zustehenden  sehn  Jahre  leben  sollte, 
so  wurde  sie  vor  Kot  geschützt  sola.  2r  hatte  keine 
Kinder.  Früh  schon. hatte  er  dlo^e  Fra^e  entschieden  be- 
antwortet:  Schwangerschaft,  Geburt  und  Aufzucht  von  Kin- 
dern war  ein  raclko,  da3  nicht  berechnet  werden  konnte 
und  zu  viele,  üeberraschungen  nilt  sich  trug.  So  war  es 
Ihm  lieb  gewesen,  dass  Charlotte  nicht  darauf  bestand 
und  ihr  Lebensziel  darin  sah,  irathias'  Dasein  so  ruhig 
und  störungsfrei,  zumindest  zuhause,  hinfließen  zu  las- 
sen als  es  in  menschlicher  Macht  stand.  SJathias  dachte 


mit  Dankberkeit  en  die  Jahre  Ihrer  Sreebenhelt  und  Treue, 
die  es  Ihm  ermöglicht  hatten,  sich  ganz  seiner  Arbelt  und 
seinen  Studien  z\x   widmen  und  1ha  alles  Getüni^'ael  und  alle 
Unruhe  fernhielten.  Er  hatte  Charlotte  seit  ihrer  gemein- 
sar.en  Kindheit  gerne  gehabt.  2r  wußte  von  Ihrer  Liebe 
zu  Ihm  seit  Jener  Zelt  als  sie  beide,  etwa  sechsjährig, 
zusainmen  auf  der  kleinen  V.'ieso  vor  der  Kirche  spielten 
und  Charlotte  aus  GSnsebllkichon  einen  Kranz  machte,  den 
sie  dem  CesplelDn  um  die  Stlrne  legts.  ola  hatte  ver- 
zückt  still  vor  1ha  geatandon  and  aufssufzend  gesagt : 
"Du  siehst  aus  -Ale  der  Engel. "  2r  kannte  dar*  Inr.ol,  ouf 
den  sich  die  kleine  Lotte  boüoe.  '-^^   v=ar  in  seiner,  eiee- 
nen  Bilderbuch  au  sehen;  böido  Kinder  hatten  oft  zusar.- 
nen  das  Bild  ancsscheut.  Kr  fand  den  Znzel   auch  schön, 
konnte  aber  nicht  pt»n2  Lottes  Liebs  zu  ihr.  teilen.  Sei- 
ne eigene  starke  Liebe  gehörte  einar  anderen  Gestalt  in 
deniselbea  Buch:  Das  vrar  Christus  In  langen  weieon  Oa- 
vfand,  siit  einem  Spltsbert  und  einem  strahlenden  Heili- 
genschein um  das  Haupt,  der  gerade  den  vorher  toten  La- 
zarus zum  Leben  erweckt  hatte.  Auch  ein  ähnliches  Bild, 
das  Christus  in  gleicher  '/.'eise  aber  nit  Jeirus  Töchter- 
chen darstellte,  hatte  l'ethlas  sehr  f^&vn.     Jedoch  keines 
der  anderen  Bilder  gab  ihn  das  Gefühl  tiefster  Liebe  und 
Ruhe,  das  er  beim  Anblick  der  Wiedererweckung  von  Lazarus 
hatte.  Charlotte  aber  liebte  den  Sncsl,  der  mit  se^Ück- 


tea  Schwert  vor  dea  21ngang  zuia  Paradies  stand. 

Jetzt,  In  Krankenhauszlnaer,  In  Bette  liegend, 
alD  er  aa  frühen  I^orp.en  die  Sonnenstrahlen  durch  die  5iu- 
gezogenen  FenstervorhUnge  ::ehr  erriet  als  wirklich  sah, 
dachte  üathlas  an  Charlotte  als  kleines  Ijadchen,  und 
daran,  daO  er  wohl  inner  gewuut  hatte,  da£  er  sie  hei- 
raten v/ürde,  war  er  doch  Ihrer  Liebe  so  sicher  füowesen 
und  80  eicher,  dai  clt  ihr  und  durch  sie  nie  ein  er- 
schütterndes, unvorhergesehenes  ."[ireißnis  ihn  treffen 
würde.  31c  hatte  es  selbst  so  ce.vollt,  dieses  VerhSlt- 
nl8  zu  Ihta.   Sr  wuSte  auch,  da  es  er  i-Ji-aer  für  sie  der 
ini^el  reblieben  war,  der  den  Lvingang  zur.  Faradlos  nlt 
äem  Schwert  abwehrend  bovcachte.  Nur  einen  kurzen  Augen- 
blick war  das  Paradies  unbr.vacht  gewesen.   Das  aber  v.ar 
nicht  für  Charlotte  geschehen.   Das  geschah,  bevor  er 
Charlotte  eeheiratot  hatte.   Er  vmr  seit  seinen  Jüng- 
llnßsjahren  ständis  auf  der  Hut  gQ^'^esen  vor  der.  Chaoti- 
schen, worunter  er  auch  seine  cicenan  schv/er  zu  beherr- 
schenden Liebeßgefühie  zählte.  Hit  eisorncr  Di3:5lplin 
hatte  er  sich  zun  Studieren  und  Arbeiten  erzogen.   3r 
hatte  schon  früh  erlebt,  an  eich  und  an  anderen  beob- 
achtet, v.elch  unheilvolle,  überraschende  Folgen  entste- 
hen, wenn  nian  seinen  Gefühlen  freie  Bahn  gewehrt.  Die 
Herzschr-orzen  Jetzt,  die  durch  den  Verschluss  der  Kranz 
eefsae  hervorgerufen  waren,  waren  überhaupt  nicht  mit 


'S  » 


denen  vergleichbar,  die  er  zuu  Beispiel  erlebt  hatte, 
als  er  zw&lf  Jahre  alt  vver*  Noch  heute,  wenn  er  an  die 
Erfahrung  alt  dem u>]^rf ahrenea  Kund  dachte,  krunapfte  sich 
sein  Herz  zusa.tucen,   2r  liebte  Tiere,  besonders  Kunde, 
deren  es  in  seinen  Rausa  inünar  einige  eep;eben  hatte» 
Sinmal  gin?  der  zv;ölf  jShripe  L^athias  auf  der  Hauptstraße 
des  Vorortes,  in  da::i  er  wohnte,  spazieren  und  beobachte- 
te bewundernd  einen  jungen  netter,  der  vergnüst  haruiri- 
spranß.   2r  ^^'ar  anscheinend  ohne  Begleitung;!  Jedenfalls 
war  nler^nd  auf  der  Straße,  zu  den  er  zu  gehören  schlf.n. 
Plötzlich  eur-3h  irrend  etv'as  auf  der  anderen  Seite  des 
Fahrdenrues  an^r^loc/ct,  rar.nte  der-  IJ.und  über  di5  otra2e 
und  eoradö  vor  eina  Straßenbahn,  jot   Kondukteur  koante 
den  vVagen  nicht  schnell  .^r^i^nup  bre:iiSr3n,  und  das  arr.e  Tier 
vjurde  Überfahren,  Zs   stie3  einen  schrecxlichen  Jchrel 
au3,  dar  Mathias  duro.'i  alle  lüiochea  fuhr  und  iha  einen 
Augsnblick  lans  "^or  Angst  lähiato.  Dann  abor  rannte  er 
in  wenlc^n  Sätzen  zxx   dor  Stslle  des  Uncaücks.  Ein  klei- 
n-sr  l^easchenh^ufea  hatte  sich  an ges erhielt  u;i  d-3a  Hund, 
der  blutand  auf  dar  HtraCo  la?.  Hr  war  nicht  tot;  -ar 
«ins9lte  und  schrie,  Miaaend  von  d&u  ün-stohendan  nach- 
te Anstalten,  den  ?ier  zu  helfen.  Hathiae,  dar^  die  TrS- 
aan  ttbor  die  3acken  lisfan,  etisS  die  L<juta  zur  Saite, 
kniete  bei  dec  arciaaligan  Geschöpf  nieder  und  -(rersuchte, 
es  aufzuhaben.  Es  war  zu  schwer,  lüetaand  half  '.'lathlas 


bei  seinen  BenUhunßon,  obgleich  er  flehte  und  bat.  Schließ- 
lich, er  wußte  nicht  wie,  gclcng  3S  ihm,  den  Euad  auf  sein© 
Arme  zu  nehmen,  und  verzweifelt  oah  er  sich  ua  nach  freund- 
licher Beratung.  Jenend  nannte  den  "aiaen  und  die  Adresse 
eines  Tierarztes,  nicht  allzuweit  entfernt  von  der  ünf aus- 
stelle. Allein,  mit  größter  ;uistreug.unr„  die  er  aber  in 
seiner  Erregung  nicht  spürte,  trug  er  den  Hund  zu  den  Haus 
des  Tierarztes.   Dieser,  ein  wohlfc-epflegter  Herr  in  mittle- 
ren Jahren,  mit  einer  Blume  in  Knopfloch,  war  gQrade  von 
einem  Besuch  nach  Heus3  getcoa-r^sa.  Als  er  den  erregten  Kna- 
ben mit  des  verwür.deten  Hund  sah,  zeigte  or  sich  zunächst 
eifrlt:  und  freundlich.  KöU'i  abar  hatte  or  di<?  'On-rlückar^e- 
schichte  gehört,  vmrdo  er  uniatereosi.jrt  and  v;3i?ert3  sich, 
de-  amen  Tier  Hilfe  zu  gobsn,  dessen  Besitzer  unbäkännt 
sei  und  da  er  für  seine  BeraUhur.fren  der  Bezahlunr  nicht 
sieber  wäre.  Kathies,  dessen  j;itleläirps.  schr.orzendes 
Kerz  einen  AugenblicVc  lang  Beruhiguns  spürte,  rar  durch 
dieses  herzlose  Verhelten  des  Tierarztes  so  erschüttert, 
deC  er  c^it  aller  Kacht  ^egen  ein  Gefühl  von  L^eekrankheit 
und  Brechreiz  ankär.pfen  mußte.  2r  brachte  es  dennoch  fer- 
tig, dem  Tierarzt  davon  zu  r«den,  daC  sein  Vater,  dessen 
Harten.  Adresse  und  Beruf  er  aaßab,  für  die  Kosten  entste- 
hen würde.  Ilrst  nachdem  sich  der  Tierarzt  telephonisch 
die  Vereicherune  von  ilethias«  Vater  ßeholt  hatte,  wandte 
er  sich  dca  schon  fast  verbluteten  Tier  zu.  Der  Kund  er- 


lag  em  Abend  seinen  Vorletzungen.  liathlas  war  einige 
Tag«  lang  kraak  an  Körper  und  Seele,  In  seiner  Faaille 
aber  wurde  Mathias  noch  lange  Zeit  von  den  Geschv/istern 
und  den  Vater  geneckt,  weil  er  noch  nicht  gonus  v/elt- 
wlssen  erworben  hatte,  dis  Cnbarr-hsrsiK5^:cit  seiner  Mit- 
menschen voreuszusehen.   3r  lernte  aber  und  verstund  es 
bald,  sein  eigenes  Herü  vor  überraschenden  Verwuadunf,on 
zu  schützen,  lUcht  aber  Refren  Kenste,   Als  drei^igjSh- 
riper  verliebte  er  sich  in  sie,  ohne  zunächst  seinen 
eif.enen  Gemütszustand  ernst  zu  nehr-sn.  Sie  war  so  gar 
nicht  der  Typun  Frau,  deren  üborA-Sltif-^aden  Sinflut;  er 
Incaar  p;efürchtet  hatte.   Die  ihr  eir'^nö  Ari2lshun>-,skraf t 
v>ar  eher  in  der  Ab-A-esenheit  slles  Auf fsll arid -^n  i-ele^'^sa. 
J^ie  war  still  und  fre.ßd  und  doch  nerl-cv.'lirdi.c:  bokanrit,   Ki 
nannte  sie  eimial  in  3cherz  Jalrus'  Töchterlein.   Sie 
lebte  für  sich,  ob^laich  sie  sehr  Junr,  war;  v;ovon,  konn- 
te er  nicht  erraten,   Sic  selbst,  ^A'ena  er  Frap.er.  dles- 
bezüfi;llch  stellte,  scherzte  über  die  Uili-^n  ia  Felde" 
oder  die  "YÖglein  in  Valde.'"   Als  er  sie  eine  l?in(rore 
zeit,  da  sie  krank  war,  nichc  sehen  konnte,  v/urde  er 
sich  des  allbeherrschenden  Gefühles  für  sie  bewuCt.   Sr 
niu^te  ihr  nahe  sein,  und  sie  erlaubte  seine  Annäherun- 
gen, Dann  kam  das  2nde,  das  er  in  seineru  :iustar.d  der 
Leidenschaft  nicht  einmal  bedacht,  viel  weniger  voraus- 
«;eaehen  hatte.  Als  er  ihr,  hingerissen  von  den  Tirleb- 


e 


nie  einer  Nacht,  äie  2ha  enbot  ohne  Zögern,  bereit,  alle 
oeine  klugen,  wissenden  Vorsätze  zun   Teufel  zu  schicken, 
lehnte  sie  ihn  alt  kühlem  .Erstaunen  eb  und  bökannte  sich 
YÖlllg  unffihlß,  seine  Cofühls  zu  erwidern  oder  auch  nur 
die  Beziehunc  ua  oiue  Nacht  zu  bereicLern.  In  ihren  lei' 
een  Lachen  klang  Ifingst  vergessenes  echadenfröhes  Lachen 
aus  der  Kinderzelt  alt.  Sinigo  Tage  später  hielt  er  unx 
Charlottea  Kand  an.  Seitder^  war  sein  Leben  in  ruhigen 
BesUnen  dahingeflossen,   2s  gab  kein  -aradios,  aber  auch 
keinen  Erzengel  mehr,  der  einen  plötzlich  daraus  vertrel 
ben  konnte.   Jahre  verglnp.en,  die  Lathias  in  seinen  Tor- 
schuncsarb^iton  verbracht?.. 


II 


Mathias  erv?achte  sahr  frlih;  der  Lorgen  dätsnorte 
erst.  3r  lag  ßehr  ruhie,  u~i  nicht  die  Aufaerksamkeit  der 
irflsperin  auf  sich  zu  ziehen.  :2r  wollte  das  ßlückliche 
Gefahl  der  Stille  penieSen,  das  die  eifric3n  Tracen  der 
puten  Krankenschwester  nur  stBran  inochtcn.  Der  anbrechen, 
de  Taß  war  bedeutungsvoll.  Heute  durfte  er  das  Kranken- 
haus verlassen.  Er  würde  sich  noch  ein-3  ieitlanß  scho- 
nen müssen,  aber  er  brauchte  sich  nicht  mehr  als  krank 
oder  Invalid  zu  betrachten.  Nichts  durfte  nun  seiner 


9 


Rüokkehr  Ins  tSitlpe  Leben  entgepenstahen,  Elno  leichte 
Bekler^ruunß  befiel  Ihn  bei  dera  Gedenken,  daß  Irgend  etwas 
Unvorhergesehenes  geschehen  könnte.  2v   iTiUSto  Ifichcln, 
als  er  sich  bei  dorn  "^vunsch  ertappte,  —  v/ie  es  wohl  frü- 
her In  unbo;v8chton  Iio:n.enten  auch  geschehen  v;ar,  —  Gott 
in  kindlicher  s/olso  anzurufen.   Sr  erkl&rte  diesen  kiel* 
nen  Rückfall  mit  der  noch  bestehenden  körperlichen  Llchv/ä- 
che*  ooin  Klndarflaube  an  Gott  war  zerbrochen  zur  ^elt 
der  Episode  nit  den:  Hund.   Das  v;ar  eine  schmerzhafte 
Zelt  cev/osen,  in  der  sein  Bruder  Rolf  eine  wichtige  Hol- 
le  gespielt  hatte.   Rolf  ;var  für  ihn  l;:ri:er  der  groCe  be- 
wunderte V>isser  gev;osen.   Er  war  sein  ön^^ebetster  Hold 
eoweson,  als  i'athlac  noch  gsnz  klein  vi-ar,  ilr  konnte 
Geschichten  orzlihlen  und  ^vui:tc  über  frer^do  LJinder  und 
Völker  viel,  viel  laehr  als  !:inna  oder  so{.:ar  InUtter.  nuch 
machte  er  Verse.  Venn  Rolf  borelt  wnr,  mit  einera  zu  spie- 
len ^  nahn  nan  sogar  seine  Mackerelen  In  Kauf.  Aber  es 
hatte  auch  manche  ?.rf abrunden  dißilluslonlerender  Matur 
nlt  dem  ,7,ellobten  Bruder  gegeben,  die  Mathias  tief  trafen 
und  seiner  intwicklunp.  dienlich  waroa.   3o  zun  Beispiel 
der  Vorfall  alt  der  Schokolade.   Rolf  war.  ein  gierii^feß 
Kind.  Niemand  trug  ihia  das  Je  nach,  da  roan  ihm   seiner 
vielen  guten  Gaben  wegen  Vieles  zu  Gute  hielt,  ilathlas 
hatte  früh  gelernt ,  dali  nan  den  Genu2  von  Süi^lgkelt  ver- 
längern, je  sogar  steigern  konnte,  wenn  raan  das  einem  zu- 
geteilte Stück  Schokolade  in  kleine  Stückchen  brach  und 


10 


nur  von  Zelt  zu  Zeit  eins  dieser  otüokchen  aß^  Dann 
relohte  die  ?mnderbare  Süiv'lßkolt  durch  lengc  Stunden  des 
Tages,  üathlao  hatte  ein  paar  LIal  schon  diese  Erfahrung 
gemacht,  Ja  er  hatte  sogar,  nachdem  er  eins  dieser  klei- 
nen Stückchen  geßessen  hatte,  den  Uect  der  ochokolade  la 
einer  Schublade  vor  sich  selber  verstockt,  \ia   so  der  Ver- 
suchung, welter  zu  naschen,  zu  entf.ehen.  /jn  Abend  konn- 
te er  dann  trlunphiorend  den  'altcjren  Geschv/lstern  zeigan, 
daiJ  er  noch  in  Besitz  dos  ersehnten  Gutes  war*   iVia  vor- 
wirrend und  derüötlf.end  war  es  dann,  als  bei::i  nächsten  V.al, 
da  er  wieder  seino  versteckten  Jchokoladoastücrrchon  her- 
vorholen wollte,  er  entdeckte,  dai?  sie  nicht  r.shr  da  wa- 
ren*  Dazu  ir/j.Lte  or  dann  noch  das  Kecken  von  icolf  Ubar 
sich  ergehen  lassen,  (1er   stolz  erzählte,  da^j  or  die  -ichc- 
kolade  erspürt  und  gee^essen  habe  und  r»ich  weidlich  über 
den  vortreuensseliiTen  duornen  Bruder  lustlß  ricichte^  der 
doch  selbst  verraten  hatte,  v/o  er  seinen  Vorrat  verbarg. 
Auch  knüpfte  I^olf  eine  aorallsche  Lehre  daran  Über  Geiz 
und  Kabsler,  und  i'ethias  empfand  seine  eigene  ünzulSng- 
llohkeit  als  sehr  beschSnend^   So  lernte  er,  seinen  Bru- 
der Rolf  frelv/lllig:  Iminer  den  Rest  seiner  eigenen  w^üLlg- 
keitaa  zu  geben,  selbst  wenn  dieser  Uest  der  grö^Iere  An- 
teil war.   Dafür  tauschte  or  das  Bewui^tsain  ein,  ein  an- 
stfindlf.er  Lensch  zu  sein,  wofür  er  Rolf  dankbar  war.  Auch 
war  er  ihn  dankbar  dafür,  daS  er  so  viel  über  Gott  wußte, 
als  wfiro  er  ganz  persönlich  und  eigens  mit  Ihni  bekannt, 


II 


11 


ganz  anders  als  eile  anderen  Kinder.   >Vie  gsrne  lauschte 
Kathlas^  wenn  Rolf  von  Gott  und  seiner  Güte  und  seinen 
Forderungen  sprich.  Er  vmSt«,  welche  Gebete  an  nütz- 
lichsten und  wchlg»3fSllif^sten  v/aren,  er  konnte  Tallsciane 
herstellen,  die  einen  beschüt:iten,  und  schllo^ilich  lehr- 
te er  den  kleinen  Bruder  das  Vater  Unser,  da  er  die  ^In- 
dergehete  für  duroni  und  umvlrksaia  erklärte.  Mathias  llo3 
sich  nur  zu  gerne  von  Rolf  In  seinen  an  und  für  sich 
schon  keimenden  Gottecglaubon  unterstützen.  Zweifel, 
die  manchmal  aufkaiaen,  konnten  abgev^iesen  werden  mit  deai 
Einweis  auf  Rolfs  starken  Glauben.   Holf  au2td  es  Ja  wis- 
sen, da  er  so  viel,  vielleicht  sop;ar  alles  wu:**te.   AI? 
Mathias  zwölf  war,  um  die  ieit  der  liundc-Upi.^iode,  benork- 
te  er  eines  Abends,  daß  Holf  nicht  betete,   i^r  fühlte 
sich  verstört,  aber  beruhigte  sich  dar.it,  daß  es  ein 
*:ufall  gev/ecen  sei.   Aber  er  nachte  die  gleiche  Becbecb- 
tung  an  &en   folgenden  Abenden,  und  schließlich  fragte  er 
Rolf  nach  dou  Grund  dieser  NachlSssigK-eit.   »«es  er  zur 
Antwort  bokam,  erschütterte  ihn  sehr,  denn  i^olf  klSrte 
ihn  darüber  auf,  dai?.  es  keinen  Gott  gab.   blr  konnte  des 
Nachts  nicht  einschlafen,  als  er  dem  Rat  des  Brudore 
folgend  das  Beten  aufgegeben  hatte.   Diesmal  war  er  nicht 
sicher,  ob  der  Ältere  wirkliches  »Vissen  besaß,  oder  ihn 
nur  zum  Bestea  hielt.   Doch  das  3rlöbnis  mit  den  den  übar 
fahrenen  Eund  uastebeadsa,  erbaraungslossn  llonschen  und 


12 


mit  doni  Tierarzt  entschied  dlece  Frage  für  Ihn.   Sr 
fUhlta  sloh  kalt  und  unbesohützt.   Ss  war  ein  Gefühl, 
das  Ihn  an  ein  klelnea  Lied  erinnerte,  das  soin  Groß- 
vater —  oder  war  es  l'inna  —  ihn  vorzusinean  pflegte, 
und  das  ihn  Iziraor  mit  rasieniorter  Traurlßkolt  erfüllt 


hatte. 


Christinchen  saß  im  Garten 
Das  Unglück  zu  erv;arten. 
Denn  sie  hat  schon  im  Traua  paoahon, 
Dass  sie  im  Hhein  muß  unterpehen. — 
Gle  fuhr  über  eina  Brücke, 
Die  Brücke  ging  in  Stücke, 
Christinchen  fiel  in  dsn  Rhein  hinein 
Und  hörte  dort  die  .in^^elein. 


ISigentlich  hörte  er  diosas  Lied  nicht  c-^^-  ^^^ 
dachte  auch  nicht  rerne  dnran.   Cena  cbgloich  Christin* 
chen  durch  den  Traun  von  ihre;::  Schicksal  verständigt 
worien  '»var,  war  sie  auf  den  liinbruch  der  Brücke  doch 
nicht  vorbereitet  gey/esen.  Und  was  das  CUnpen  der  i;n- 
golein  anbelangte,  so  konnte  sich  r.athias  bolTi  besten 
Willen  nur  sehr  traurige  Lijder  vorstellen,  ctv/a  sol- 
che, wie  die  l'utter  sie  ihui   nanchnal  vorsaac,  und  die 
ihn  rerelLiai^lg  sun  Weinen  brachten,  obgleich  £:ar  koi;*e 
üeberraschunsen  in  diesen  Liedern  für  ihn  vorhanden  wa- 
ren.  Sr  kannte  sie  schon  alle  auswendie, 

3o  v/elt  er  zurückdenken  konnte,  waren  es  irjxier 
üeberraschungen  gev/esen,  die  sein  Leben  verbittert  hat- 
ten, besonders  in  seiner  Kindheit»  So  hatte  er  schon 


13 


als  kleines  Kind  elngeeehen,  da3  Wissen  die  einzige  und 
nächtigste  V/affe  war  gepen  üeberraschungen.  Als  er  unge* 
ffihr  drei  Jahre  alt  war,  wohnte  er  In  elnom  ßrollon  sonni- 
gen Keus,  das  In  einem  schönen  Garten  stand.  Zv   war  das 
Jüngste  Kind.   Lle  Siteren  Schwostern  und  Brüder  kiLTimer- 
ten  sich  nur  um  Ihn,  uxi  Ihn  soln  Unwlsssn  auf  die  erfin- 
derischste Art  vorzuführen.  Sie  konnton  einfach  davon- 
laufen,  wenn  sie  ihn  i.entßenä   gonectt  hatten  —  für  iiz- 
Cieri  denn  er,  dar  nur  kurze,  kleine  Seine  hatte,  war 
nicht  fähig,  sie  einzuholen,  Y»'ie  sehr  er  sich  auch  an- 
strenr.en  mochte.   Sie  hatten  ihre  eigenen  Spisle  und  Ver- 
gnügungen, und  v;enn  ci3  ihn  daran  teilnehncn  llei:3n,  so 
war  33  nur  IcL^er  zura  "ch3in.   Irsandelno  schreckliche 
Ueberraschung  nachte  re^elniEssig  äieseiii  ^schein  ein  Snde. 
So  zua  Beisplsl,  eis  die  Birnen  lia  I^'achb^rgarten  reif 
v/aren,  und  die  Kords  der  Sltoren  Gesch'.vister  (es  'A-arsn 
nur  vier,  aber  für  Jut-thias  waren  sie  aerinlgfeltig  wie 
die  rBrr.l sehen  Lsr.ionan)  beschlol^,  über  den  ::aun  zu  stei- 
gen und  die  herrlichsn  grollen  Pirnen,  die  so  slli2  und 
saftig  waren,  zu  stehlen.   Er  war  bei  dieser  Ireratung 
anv/esend  und  fühlte  sich  grc^artlg  !nit  einbezof^en  im  Rat 
der  5ro2en.   Sr  sah  sich  auf  dem   Baum,  auf  den  höchsten 
Ästen  und  stellte  sich  vor,  wie  dankbare  /Jierkeanung  zu- 
sanimen  mit  der  sülien  Prucht  sohniecksn  würde,  die  er  in 
die  Ihra  entgegengestreckten  Hfinde  der  den  Baum  umstehen- 
den  Horde  werfen  würde.  Sr  sagte  auch  laut  zu  Ihnen, 


14 


was  er  zu  tua  In  Sinn  hatte,  und  ßle  nabmen  es  freund- 
lich ermunternd  euf.   Sl(5  rannton  darauf  davon,  Kathies 
nit  Ihnen,  zum  iaun,  der  den  IJecbbargarton  uagab.  Schnell 
und  leicht  überstieg  dio  Horde  dieses  Hindernis  und  war 
schnell  ßuf  der  anderen  Seite  und  schon  belia  Birnbaum. 
Armer  Itathlesl  Die  üeberraschung  kam,  er  blieb  mit  sei- 
nem Höschen  am  Zaun  hSnr,?n:  zwischen  llimrael  und  Srde 
schwebte  er,  und  statt  des  Jubeine  der  dankbaren  Ge- 
schwister hörte  or  ihr  höhnisches  Freudengelöchter.  So 
hinß  er  und  schrie  unC  weinte  durch  .^vvigkolten  —  zunln- 
dest  ein  paar  endlose  Ll.iuten;  endlich  kam  die  Befrei- 
ung In  Gestalt  seiner  I.utter  —  ein  Kn^.el  Gottes  wSre 
ihn  lieber  cewoson,  denn  der  hotte  ihn  nicht  auch  noch 
eeocholten  und  bestraft.--   Oder  des  andere  Ic'sl,  eis 
ihm  sein  Bruder  IJolf  einen  lieblichen  Keks  anbot.   Zr 
blQ  sofort  hinein  —  und  es  v/ur  Seife.   Des  war  nicht 
das  Schllniaiste.  l'an  cuLHo  wohl  dem  älteren  und  bev.un- 
derten  Bruder  solche  £,upostMndnisse  machen,   £s  v/ar  wohl 
in  der  Ordnung  der  v;elt,  daß  die  rehrwlssenden  ihren 
SpcS  mit  den  Unwissenden  trieben.   Aber  das  zv;eito  llal 
hätte  es  nicht  Reschehen  dürfen'.   Das  war  entsetzlich 
krankend  ee^'eaen.     Sin  peer  Tage  nach  der  ersten  Sel- 
feneplGOde  wiederholte  sich  der  3puk.   Diesnal  war  i:a- 
thias  so  klug  gewesen:  er  vmr  nicht  blindllncs  darauf 
hineingefallen.  Sr  hatte  tiefe  Gedanken  gehabt,  voll 


15 


unbezwlngbaror  Logik:  da3  nun  doch  dor  Bruder  Ihn  elnnal 
hlneingeleet  hatte;  ör  irm2te  also  annehmen,  daß  J/athias 
gelernt  hatte  aus  dleaen  Erlebnis  und  konnte  Ihn  nicht 
nur  für  so  unvorstellbar  durji  halten,  daß  er  ihm  noch 
einmal  auf  den  f.leiol''en  Scherz  hineinfallen  würde.   Also 
mußte  es  ein  ricbtleer  Eeks  sein.  3o  biß  er  vertrauens- 
voll hinein  --  und  Ueberraschunßl  --  es  war  wiader  Seife. 
Diesual  weinte  Mathias,  da  nicht  nur  seine  Ehre,  sondern 
auch  sein  Vertrauen  a,*:i  eigenen  Danken  erschüttert  war, 
3o  sehr  er  eich  auch  übte,  die  iröipnisse  vorauszusehen, 
es  geli^ne  ihK  nicht.  Kinna,  das  ::öcchen,  drohte  Ihn  rr.it 
den  schwarzen  ;.:ann  für  irgendeine  Uebeltat,  sie  zelpte 
iha  sogar  die  llessinptür  era  KUchencfen,  durch  dlo  der 
schwarze  I'anu  kOK:i.3n  würde.   Er  glaubte  kein  -.ort  davon. 
Kr  wuüte,  es  gab  keinen  schwarten  'u'ann.   iin  paar  Tape 
darauf  läutete  es  an  der  Tlauotür  und  V-athiae  stürzte 
hinzu,  un  sie  zu  offnen.  Draußen  stand  der  schwarze 
üann,  Eilt  hoheia  schwarzen  Hut,  elnea  Reifen  in  der  Kand, 
rollte  seine  AUßsn  und  zoißto  f;rSi:iiche  weiße  ^ahne'. 
i:athias  verkroch  sich  unter  dem  Tisch.  Matürllch  lernte 
er  später,  unter  deji  Celfichter  der  üutter  und  der  Ge- 
schwister, da£  es  der  ;3chornsteinfec<5r  gewesen  war.  Aber 
konnte  man  das  glauben?  Sie  mochten  wieder  einroal  ihm 
Dinee  erzfihlen.  die  dann  später  sich  als  unwahr  heraus- 
stellten. All  dies  waren  iSrlebnisse,  die  nur  den  Boden 


I  I 


16 


vorbereiteten  für  dlo  entsetzlichste  Ueberrasohung  In 

seinen  Kinderleben. 

kSu  Jener  ielt  seiner  Kindheit  lebte  der  Gro2va- 
ter  bei  Ihnen  la  Hause.  Der  war  ein  wunderbarer  alter 
llenn  und  Spielgefährte,  ür  liebte  den  Kleinen,  als  den 
Jttngaten,  der  bei  dem  alten  llann  blieb,  wenn  alle  ande- 
ren rlausgenossen  sich  anöarswo  tumnelten,  Ihren  Geschäf- 
ten nachglnften,  ^vorunter  auch  der  Schulbesuch  der  älte- 
ren Kinder  einbegriffen  war.  Der  alte  llann  war  einsam. 
3r  hatte  vor  kurzem  s^ino  Frau  verloren,  nun  lebte  er 
beim  3ohn  und  dar  Schv/legertochter.   Ue  waren  gut  zu 
Ihii,  aber  sie  >vu::t3n  natürlich  nichts  von  äe:i  Allein- 
sein des  Alters,  von  der  tiefen  Jehnsucht  nach  i«rt- 
lichkoit.  nach  der.  Gewiegt-  und  Besoretvverdon,  nach  dem 
Gefüttertweröan  und  dan  alten  Kinderliedorn.   Der  kleine 
liathias  war  der  richtl-e  3piolgefährt9.  denn  wenn  er 
auch  nicht  die  hairrJlche  Cahnsucht  des  Gro2vetors  erfül- 
len konnte,  so  konnten  sie  Jedenfalls  all  das  Begehrens- 
werte in  Spiel  und  ralt  r^echselnden  ".ollen  geschehen  las- 
sen. Sie  konnten  einander  füttern,  beim  :\nziehon  und 
;^a8chen  helfen.   Sie  konnten  zusar^nen  zur  L!usik  der  "Hof 
nxuslkenten"  tanzen,  und  er  konnte  den  Kind  all  die  al- 
ten kleinen  Lieder  singen,  v;enn  er  ihn  auf  seinen  Knien 
schaukeln  ließ.  Auch  spielten  sie  Ueberraschung  zusam- 
men, aber  üeberrasohune.  die  eine  Reeelmft 31 ekelt  ßewor- 


17 


den  war^  das  2iuerv/artende  und  doch  lianier  Neue*  l'orgene, 
ganz  früh,  wenn  alle  ;tnäern  noch  schliefen  und  selbst 
Hlnna  noch  nicht  erwacht  v.ar,  stand  ilathlas  auf  und  schlich 
sich  in  seines  aro^vaters  z,inr:ier.   Die  Vorhönce  waren  noch 
zußozoften,  aber  die  3onne  schien  durch  die  Ritzen  und 
schickte  einen  feinen  dOnnen  Strahl  zum  (rro^en   runden 
Tisch  in  der  i'.itte  des  olriLners,  der  riilt  einer  schweren 
dunkelroton  Tischdeclce  bod-jckt  war#   Das  grOiZa,  alte> 
braune  Bett  v/ar  auch  gut  erkennbar  und  sogar  das  Nacht- 
geschirr unter  dera  Patt,  3ine  Vase  mit  Blucien  stand 
auf  dein  Tisch,  auf  dem  /aschtisoh  der  Krug  and  die  r.asch- 
Schüssel.   Der  Schauk-al stuhl  kixärrto  ein  wenig,  wonn  rjjn 
daran  ankan.  aev   rote  Dlvdü  scliaate  elaladönd  hsrübör 
und  erinnerto  liathies  daran,  wia  er  einir^al  näch  vIqIok 
filn-  und  Herrutschen  auf  disseca  Livan  er;r.üdet  eingeschla- 
fen war  und  bein  Erwachen  nicht  etwa  seinen  GroJvatsr, 
sondern  einen  frecidan  l'.ann  zu  sehen  vernalnte.  Sine 
erschreckende  Ueberraschung'.   ts  stellte  sich  dann  aber 
heraus,  daß  der  Ireincle  sein  von  einor  Roiso  zurückge- 
kehrter Vater  war,  der  der  I/ode  gei:iä3  sich  hatte  inzwi- 
schen den  schönen  vollen  Spitzbart  ebaehnea  lassen  und 
soiait  ica  kleinen  föiabcn  ein  völlig  verändertes  Gesicht 
zeiete.  Aber  diese  Erinnerung  tauchte  nur  pleichsan  als 
kleine  Kostprobe  von  anderen  üeberraechuagan  auf,  wahrend 
Mathiaa  die  erwartete,  und  so  sicher  folgende,  voraus- 


18 


nahii»  Ar  sohlich  sich  ans  Bett  dos  Großvaters«   Der  lag 
da  nlt  geschlossenen  Augen,  schlafend  und  schnarchend, 
wie  es  sich  doch  für  einen  wirklich  ocblafenden  eehörte. 
Er  trat  ganz  nahe  heran  und  etröckte  die  kleine  Hand  un- 
ter  das  weit^o  groSo  Daunenkissen,  auf  deni  der  Kopf  des 
alten  Herrn  ls.£«  2r  fühlte  etwas  Kartos  und  2:0g  ein  Dös- 
chen heraus,  das  er  schnell  öffnete.   Da  waren  sie,  die 
kleinen  bekannten  Bonhcns,  die  so  wunderbar  nach  allen 
möglichen  Früchten  und  sü^^en  oüften  schraeckten.  Schnell 
steckte  er  eins  in  den  Mund,   Großvater  nachte  diese  Bon- 
bon? in  der  !:scht  fjr  ihn,  und  Jedan  ilorgen  v;ar  ein  pe- 
fülltss  Ijößchen  unt^r  dea  Kopf Vilssaa.   ;.a3  ;var  abor  doch 
no-ch  nicht  das  c^nzc   Vür£uUj,eü*   Jetzt  ka:^  d'^s  ':ndo  dos 
Rituals.  Mathias  kü^te  dex;  alten  r.ann  auf  beide  itUgen. 
Das  schnarchen  hbrt-i  auf  uix,   eine:::  letc-ten  tiefen  Aton;- 
zu^,,  dio  Aui^enlider  blinzelton  und  der  uro^^vatar  war 
wach,  ^Äie  er  aatürlich  schon  lan^-e  gewesen  war,  und  herz- 
te und  ku^te  das  sich  Überraccht  stellende  Kind,  liit 
sclch';53i  I3öglnn  d^bS  Tap.es  und  solch  eineiü  herzlichon  Grci^- 
v^.ter  v/ar  die  Übrige  ,.elt  erträglich.  Lan  konnte  Fritz 
und  Rolf,  Lieschen  und  liaria  ruhig  7.ur  liChuls  gehen  las- 
sen, ohne  so  schrecklich  dringend  luitftehen  zu  wollen. 
Jean  konnte  Ja  iJchule  nit  GroCvater  spielen.   Vater  und 
t'utter  konnten  ruhig  ara  Abend  ausgehen  und  wohl  auch 
nanchmal  die  älteren  Kinder  ciitnehiaen,  der  kleine  LIathias 


19 


j,     ^Ki   wftnrv  der  Gro2vater  an  s«l- 
fühlte  alch  sicher  unö  wohl,  «enn  aar 

ne.  Bettchen  saC  un.  1ha  K.rchoa  er..hlte.  Auch  .innas 
sch.ar.or  .ann  .onnto  ih.  nichts  neh.  anhaben,  hatte  ih. 
acch  der  GroCvater  Biiaor  In  eine.  Buch  .ezeigt.  auf  de- 

nen  viele  schv.-arze  Ilenscbea  '.varcn.  di-  in 

«   -,  Tar,fl  WO  die  3onae  so  warn 
terhütten  lebten  in  einer.  ..and.  wo  aia 

c«^  natürlich  dunlcelbruun  vmr- 
schien,  da:^  alle  Kenschen  rana  naturlicn 

T^^-,*-or   -^o  war  er  euch  par  nicht  so 
aen  wie  ein  guter  Drateu.   -^o  ^ar 

•  4«*^T.  Bis  er  alt  seiner  gan- 
,..  ,..1U,  in  eine  Ausstellu..  In  ,oolo,l.«h3a  0.rt=r. 
,;,„  »o  Ol.  Mc.tl,..  ::or,ordorf  .u  «h«  w-  nlt  elnlsor, 
.;e.:.fo.lll«n.  -Oeln  Visa,»  .atte  .=..on  ..t.«oUUl..  .u- 


ponorj^iCn« 


o  c*-,--»  3r  wi3  gewöhnlich  in  der 
2ines  ::orcens  stau-  er  «i^  . 

;»«<«-  "u  aaireM  Groi^vatsr. 
schweiEenden  Frühe  auf  ur.d  gin^,  ^u 

.,   «.  h-^trat  hatte  or  ein  Gefühl  von  An- 
Als  er  das  Zln:;ir.cr  betrat ,  .^au 

-..  trat  er.  aa3  Eett  heran,  ä.r  OroSv.tar 


äer3-33ia« 


j  1^*   Tö^csÄ  nahn  das  Kina 
achllet.  aber  er  schnarchte  nicht.  L.ls«     ^ 

«e  Klein,  Do3a  unter  e«  r.pr.las..  .er,«,  .«nn  s  ell- 
.e  or  SIC.  »n.  die  „encns,ltzen.  u.  den  elten  .ann  « le 

-.^^^^  ^gpte  sich  .leöoch  nicht 
pewbhnlich  zu  VcU.-Bsen.   .Ivse.  refx 

,.   .o^  Walt  »n.  T'un  bor.erkte  l-athias,  da.  des 
und  fühlte  sich  Kaiti  -u.  i 

v.nih  o^fer  standen  und  der  l^und  ganz 
GroEvaters  Aupen  hnlb-o.ro..  sx 

.   .  .  orbir-e-  des  schüchtern  elndrinf.enden 
offen,  und  in  deia  .^.chir^e.  oes 

.  .     ^oT.  /ite  ppnz  blau  aus.  Verwirrt 
i:orßenliohtes  schaute  der  i.lte  e^nz 


i    i 


20 


un 


und  Yorwuadört  schüttalte  er  den  Alton  und  griff  nach  den 
Rfind^n,   dl3  eiskalt  waren.     Als  auch   Jetzt  kein  Welchen 
von:  Gro2vater  kan,   fing  r^athias  an,   laut  xu  v/einen.     Das 
laute   Schluchzen  brachte  den  5rud'ir  Fritz  herbei,   der   so- 
fort nach  den:  Teter  lief,  war  es  ihm  doch  klor,   daS   der 
Gro»:vet8r  tot  war*      In  der  Aufregung  und  den  Trubel,   der 
durch  den  Tod  heraufbeschvror^in  v/ar,  'tvar  Mathlas  verfer- 
sen*     Kie'aand  hatte  zur  Kenntnis  gencranien,   &a2   er  der 
ISntdecker  der   schrecklichen  '^eberraschuac  gev^esen  v/ar. 
Zr  saß  in  der  Küche  an  Boden,    schaukelte  hin  und  wider 

d  ^A^elntc  leise  vor   rieh   hin.      Denn   saf-te  nan   ihti,   daJ 
der  '^-rc::vfUer  penz  plöt-ilich  In  der  Tracht  gestorben   sei; 
a::.  ^r-chlap/'   sa^te  I/innc.      In  Cro3vat.?.ra  .lli^ir.er  rinp.en 
viele  y.enachen   ein   und   aus;    er   selbst   durfte  nicht  hin- 
ein.     Sines   spS^ten  T-^?=^ ehr it taps  karr.en  eechs   schwarze  Mt;n- 
ner,   schwarz  ,?eklcidet,   tr.it  schwarzen  Hüten,   aber  nicht 
im  Gesicht.      L'ie    tru/^en  den   J^chwarzeri  3arf:  hinaus,    in 
dein  sein  Großvater  Isp.      3eire  I'utter  Bsrte   ihrr.  zun 
Trost,   dat    seincsGroi. vaters   :eele   zun  3tarn  ain  r'irjiiel  g«- 
worden  v;ar,   und  sie   zeigte  ihr.  aopar  diesen   .^3tern.      lir 
pleubto  zbi^.evni   daran  und  -/rurce  ein  stillet^,   vcrsichtif.aa 
Kinci,   das  enfinr,    sich  für  Gott  und  den  Flimmel  zu  in- 
teressieren. 


i  i 


21 


III 


Die  üoresnatuaden  --nit  ihrer   Kranicenheusroutine 
verp.lnt-on  heute  nur  sehr  langsara  für  i.ethias.  Sr  r^ui- 
t9  noch  den  leUten  Beauoh  seines  Arztes  abv.fcrten, 
nachdem  alle  atrlfea  Einzelheiten  der  Stiquette  einer 
Entlassung  eus  dea  Spital  beobachtet  worden  waren.  v.Sh- 
rend  er  auf  den  Kollcp^en  wartete,  -.Yandartcu  seine  Gedan- 
ken hin  und  her  von  der  nehen  Zukunft  iur  Yerranrenheit. 
Bald  würde  Charlotte  ko.iiraea,  u:i  ihn  abzuholen;  sie  lle::: 
sich  dieses  Verp.nÜA-en  nicht  nel-aaea.  Sie  v^oUte  ihn  zurück 
in  ihr  Haus  führen,  das  sie  eicher  zn   seinani  ^^pi>^nv   fest- 
lich hDrf^Drichtet  hatte.   L'r  kcant'3  die  Af-.osphMre  an^e- 
noh..!  vorausfühlen  und  -seh-.n:   die  Blu:.ou  in  allen  ZlnLxern. 
besonders  aber  in  seine:a  Arb^itszii..:er.  der  p«stliche  Duft 
einoD  Rutsn  Uahle.^.  das  rait  gröl^ter  oorgfait  von  Charlot- 
te seinen  Yorliebeu  geruliß.  enfecehan  und  von  der  Köchin 
zubereitet  oein  würde.   Er  stellte  sich  das  sar.fte  Licht 
in  soiaea  Arbeits-/.imr^er  vor.  die  mit  Buchern  bedecVten 
■.VSndo.  seinen  Gchroibtisch.  auf  der.,  obGleich  nicht  ein 
3täubchen  zu  sehen  «ar,  doch  alles  ^enau  so  lag.  wie  er 
es  vor  sechs  VJochen  vsrlasoen  hatte.   Sein  !v:anuskript 
war  an  der  Stelle  aufgeschlagen,  v.-o  er  aufgehört  hatte, 
zu  schreiben.  Er  wUrde  nun  diese  Arbeit  v/ieder  in  An- 


22 


griff  nehmen^  wShrend  der  kornraenden  Schonungsparlode, 
die  er  für  ßich  als  Ferien  bozelohnete.  2r  kourite  sogar 
hoffen,  diese  Arbelt  bei  deu  nSchsten  v/lssenschaf tlloheu 
Kongrees,  der  In  drei  ^.onatea  stattflndsn  sollte,  salbst 
Torzutragen*  V/Shrend  seiner  Ferien,  v/ean  such  nicht  so- 
fort, gedachte  or  auch  sein  eigenes  Spital  und  sein  La- 
boratorlura  zu  besuchen,   3r  ir:u2te  un^vlllkürlich  lächeln, 
als  er  an  seine  Kollegen  dachte.   3ie  hatten  wohl  alle 
erwartet,  daas  er  sterben  Vtürde,  besonders  aber  derjeni- 
ge, der  ihn  Im  Hang  an  nächsten  stand*  ;?er  hatte  v/ohl 
heimlich  schon  ausf.erechnot,  v;aan  er  den  Lehrstuhl,  den 
L:athies  seit  sc  vielen  Jahron  sn  der  Universitüt  inne- 
hatte, einnehrien  v;Ürdo.   3r  h^ttt^^  sich  ^lt-   so  entsetzt 
gezeigt  über  :-:ethias'  plötzliche  IrkrankiL«!?:;  aber  ver- 
denken konnte  inan  es  1ha  doch  nicht,  dal'  er  uit  beiden 
Auf;en  nach  der  sicheron  und  ehrenvollen  Ctellunr*  harüber- 
bllnzolto.  Auch  alle  die  anderen,  jünp^r'^r:  ^'olle^en  i^ioch- 
ten  wohl  £chon  elfrir.e  Berechrunfr^n  untorelnandor  ange- 
stellt haben  In  bezug  auf  die  Verschiebung:  t^r   .•nstellun- 
gen,  die  Inraer  einer  freiwerdenden  ordentlichen  I rof es- 
sorstelle  folgten,  "^oie  enttäuscht  sie  alle  sein  v/crden,** 
dachte  T-öthias  und  konnte  sich  einer  £ovvissen  Schaden- 
freude nicht  erwehren.   Br  hatte  ihnen  allen  ein  Schnipp- 
chen geschlagen.  wSle  hatten  seinen  Tod  so  sicher  aneoncm- 
men,  und  hier  war  er  qulcklebendljr  und  bereit,  bald  die 


•*\ 


Z5 


ZQgel  wieder  In  seine  Kand  üu  nehnen.     Vielleicht  aber 
waren  sie  auch  wirklich  sehr  erschreckt  und  ehrlich  uia 
Ihn  besorgt  gowesen,    besonders  einige  von  den  ganz   Jun* 
gen  llltarbeitern,   die  Ihn  verehrten  und  noch  viel  von  ihia 
z\i  larnan  erhofften.     Mochte   es  für   sie  nicht  eine  p;ro39 
heitere  Freude  oeln^    ihn  nach  diesem  wSciirecken  wieder 
lebandlg  unter   Ihnen  z\x  sehen?     Fast  so,    dachte  üathlas, 
wie  in  seiner  Kindheit  ar.  liear,   als  er  selbst  noch  nicht 
schwlinnien  konnte,    j^  ßc^ar  eine  f^evdsse   Scheu  vor  den 
herelnst^r^enden  \Vellen  hatte  unc»   die  Slteran  Kinder  ihn 
darait  neckten,    dalS    sie    •'toter  LIann'»    spielten;    sie   laftton 
sich  flach  auf  d-^n   Rückan  und  Heren   sich,   selbst  ^enz 
biwefunrslos,   von  c^.a  //ell^>n   trar.en.      cln^rstvoll,   pmt  bis 
zu  den   v-adf^n   i^i    \esB3r  steaend,   h^utt^   er  Ihnen  zucaschaut, 
und  er  '^'o.v   irrjr.er  wieder  unpomein  erleichtert   und  glück- 
lich  pevvesen,   v^'enn   seine  aeschv^/ister  sich   Miea-i-r  aufrich- 
teten und  sich  als   hsrucasprin^ende  und   löri^iende  >:obolce 
In   ihrer   p-ev/ohnllchen  und   ihnen  anreMesseren  Netur  zcie- 
ton.     iieute  wf>r  er    "der   tote  uanc.^''  der  zwar  nicht  harun- 
eprlnpen,   aber  doch*  ^u^aindest  wieder  uni-ehaxrxit  e^^hon   und 

sich   bev/eg;en   konnte. 

Südlich  kan  der  Kollege,    der  ihn  noch  eiuraal  un- 
tersuchte,  und  nachdem  er   ih^  bestlnnte  Verhaltunr.smaß- 
nahmen  vorf^eschrleben  hatte,   die  Llathlas  fast  alL^   spawlg 
empfand,   nlt  besten  Wünschen  und  {IBadeschütteln  als  weit- 


24 


gehend  gebessert  nach  üause  entließ,  Kelter  verabschie- 
detö  er  sich  von  den  anderen  Ärzten  und  den  Krankneschwe- 
Stern«  Hrwartunesvoll  und  etwas  ungeduldig  ließ  er  sich 
mit  Charlotte  zusaiinion  In  iahrstuhl  hinunterfahren,  Kest 
Jugendlich  glnß  er  oeinor  Frau  voraus  durch  das  groCe 
i'Ortöl  des  Krankenh&uses,  durch  das  er  vor  nur  sechs  .;o- 
chcn  bevm.^tlo3  hineln^otraGön  worden  v/ar.  Welch  eine 
glückliche  iluhe  hat  er  in  dieser  ^eit  hier  gefundonl 
nichts  konnte  ihn  aehr  erschrecken  oder  überraschen^  da 
er  der  Zukunft  v/issend  entbegenging. 

TJebernütig  wandte  or  sich  uu  nach  Charlotte,  utx 
ihr  öin  paar  heitere  Vorts  '^a^urafeii,  *jerädo  ala  '-or  die 
Strauße  üborauerte,  u--:  zu   d-^a  auf  ihn  v^urtonden  M'aron  zu 
eelan.};on,   ::;r  hatte  in  seir^er  fröhlichen  Launo  daoei  v/o- 
der nach  rechts  noch  links  pesehen  und  so  nicht  be:;ierkt, 
da:  sich  das  Verkolirssignal  peiindort  hatte,   .'^in  schnell 
fahrendos  /.utonobil  stiei;  ihn  nieder  und  soliloifte  ihn 
ein  putes  Stück,   Veit,  weit  entfernt  hörta  er  ein  seit- 
saiaes  Krachen  und  Knirschen;  ein  Hinauf-  cnd  liinuntor- 
7/C{^an  machte  ihn  sch^vindlig  und  seekrank.   £in  unbekann- 
ter unortriißlicht3r  üc.'iiuor^  raubte  ih:a  fust  die  Besinnung, 
und  in  jäher  Tjehorrasohun^  sah  er  ein  fremdes  Gesicht  sich 
über  ihn  beugf^n,  ein  Gesicht^  das,  der  I£ode^  entsprechend, 
glatt  rasiert  v;ar,  Dann  schlo:3  er  für  iuiaer  die  Augen, 


DIE  USBSRRASCKIII^G 


Vlnalhaven  1955 


"> 


•^rwB«^»  ^N^ 


Mathias  war  nie  In  seinem  Leben  so  ruhig  and 
glttcklich  ße-A©89n  als  In  diesen  le taten  sechs  v.ochcn, 
die  er  im  Krankenhausbett  verbrachte.  Die  tiefe  Cebor- 
zeugung  seines  Lebens,  seit  den  jungen  Jahren  seiner 
Kindheit,  hatte  sich  ihn  bewahrheitet.   V/issen,  so  hatte 
er  schon  als  Kind  gedacht,  war  Schutz  e^gsn  plötzliche 
Gefahren,  deren  grö2te  und  schreckllchsto  der  Tod  ist. 
.Veit-  man.  7/as  ia  üsnschllohen  Körper  vor  sich  geht,  kennt 

- 

man  seine  ihysiolORie  und  Anatonie  und  olle  ^.inzelheiten 
ihres  gestörten  Verlaufs,  dann  und  nur  dann  kann  nan  ei- 
cher sein,  daS  der  Schrecken  des  TJoberraschtwerdene  einen 
nicht  übervi'ültict.  So  v;ar  es  euch  vor  sechs  Vochen,  als 
er  an  seines:  fünfzigstan  Geburtstag  die  bedrohenden  dei- 
chen eines  ersten  Herzanfalles  erlabte.  Da   er  ein  be- 
deutender Eerzspezialist  war,  erkannte  er  sie  sofort 
und  war  so  Herr  der  Situation,  daß  er  seiner  Frau  Char- 
lotts  .•.arnung  und  Amveisung  geben  konnto,  bevor  or  des 
Be-ftußtsein  verlor,   iwar  waren  die  daraur:folg.5ndon  Tage 
und  Wochen,  nachdea  er  erwaohond  ia  Krankenhauszimaer 
Charlotte  und  eine  Krankenschwester  an  seinea  Bett  olt- 
zend  gefunden,  voll  körperlichen  Leidens  gewesen.  Trotz- 
des  war  das  tiefe  GlücksgefUhl  und  die  geistige  Ruhe 


2 


ela  köstliches  Srlebnls»  Er  war  angstlos,  und  wenn  er  an 
den  Tod  dachte»  so  erschien  er  Ihn  als  etwas  Bekanntes, 
etwas,  was  er  gerade,  wenn  auch  nur  In  Form  einer  Probe, 
schon  durchlebt  hatte.   2r  konnte  nilt  Interesse  den  tüg- 
lichen  Berichten  seines  Kollegen  über  den  Fortschritt 
seiner  Genesung  lauschen  und  alt  ihm  besprecben,  was  sei- 
ne Lebenserwartungen  waren.   £r  konnte  FlSne  naohen  in 
Bezug  auf  ein  künftiges  aeßlmen  und  seine  elßene  wissen- 
schaftliche Arbeit;  barechnen,  wie  weit  etwa  er  seine 
Forschungen  beschleunigen  oder  elnschräniien  müsse,  uia  vor 
seinen  zu.   errechnend -3.1  Jinda  noch  gewlsso  ?.esultate  au  er- 
reichon.   Sr  dachte  nit  oär^e  und  freundlichen  Gefühlen 
an  Charlotte,  die  durch  fast  zwanzig  Jahre  iha  eine  so 
herzlich  gute  Gefährtin  f'ev.esen  war,  und  dass  er  sie 
wohl  ver3or£t  zurücklaosen  würde,  selbst  wenn  er  nicht 
vbllig  die  ihm  noch  zustehenden  zehn  Jahre  leben  sollte, 
so  wurde  sie  vor  Kot  geschützt  sein.  2r  hatte  keine 
Kinder.  Früh  schon  hatte  er  diese  Fra^e  entschieden  be- 
antwortet:  Schwangerschaft,  Geburt  und  Aufzucht  von  Kin- 
dern war  ein  Risiko,  das  nicht  berechnet  werden  konnte 
und  zu  viele.  Ueberraschung.en  ait  sich  trug.  So  war  es 
ihm  lieb  gewesen,  dass  Charlotte  nicht  darauf  bestand 
und  ihr  Lebensziel  darin  sah,  irathias«  Taseln  so  ruhig 
und  störungsfrei,  zumindest  zuhause,  hinfließen  zu  las- 
sen «18  es  in  menschlicher  Macht  stand.  Hathias  dachte 


•> 


mit  Dankbarkeit  an  die  Jahre  Ihrer  Ergebenheit  und  Traue, 
die  es  Ihm  ermöglicht  hatten,  sich  ganz  seiner  Arbelt  und 
eelnen  Studien  z\x   widmen  und  ihm  allaa  Getüinmel  und  alle 
Unruhe  fernhielten.   Er  hatte  Charlotte  seit  ihrer  genein- 
aacien  Kindheit  gerne  gehabt.  3r  wußte  von  ihrer  Liebe 
2U  ihm  seit  Jener  Zelt  als  sie  beide,  etv/a  sechsjährig, 
zusammen  auf  der  kleinen  V.'iese  vor  der  Kirche  spielten 
und  Charlotte  aus  GSaseblünchon  einen  Kranz  machte,  den 
sie  dem  Gespieion  um  die  Stirne  legte.   Sie  hatte  ver- 
zückt still  vor  ihm  gestanden  und  aufseufzend  gesagt: 
'•Du  siehst  aus  wie  der  Engel.''  Kr  konnte  ä^en  Znf:ol^   auf 
den  sich  die  kleine  Lotte  boisoe.   £r  v^ar  in  seinem  eige- 
nen Bilderbuch  zu  sehen;  beide  Kinder  hatten  oft  zusaxr.- 
men  das  Dild  angeschaut.   3r  fand  den  lingel  auch  schön, 

» 

konnte  aber  nicht  g^nz  Lottes  Liebe  zu  ihm  teilen.   Sei- 
ne eigene  starke  Liebe  gehörte  einer  anderen  Gestelt  in 
demselben  Buch:   Das  v/ar  Christus  im  langen  weiCen  Ge- 
wand, mit  einem  Spitzbert  und  einem  strahlenden  Kelli- 
genschein  um  das  Haupt,  der  gerade  den  vorher  toten  La- 
zarus zum  Leben  erweckt  hatte.  Auch  ein  ähnliches  Bild, 
das  Christus  in  gleicher  Weise  aber  mit  Jelrus  Töohter- 
chen  darstellte,  hatte  üathlas  sehr  gern.   Jedoch  keines 
der  anderen  Bilder  gab  ihm  das  Gefühl  tiefster  Liebe  und 
Ruhe,  das  er  beim  Anblick  der  Wiedererweckung  von  Lazarus 
hatte.   Charlotte  aber  liebte  den  Sngel,  der  mit  gezüeir- 


-"> 


texa  Schwert  vor  den  Eingang  zum  Paradies  stand. 

Jetzt,  in  Krankenhauszlnaer,  Ici  Batte  llegond, 
als  er  am  frühen  L'orgen  die  Sonnenstrahlon  durch  die  zu- 
gezogenen Fenstervorhünge  mehr  erriet  als  wirklich  sah, 
dachte  üatblas  an  Charlotte  als  kleines  liödch-cn,  und 
daran,  da3  er  wohl  Inner  gewußt  hatte,  daß  er  sie  hei- 
raten würde,  war  er  doch  Ihrer  Liebe  so  sicher  eev:esen 
und  ßo  sicher,  dai  nlt  ihr  und  durch  sie  nie  ein  er- 
schütterndes, unvorhergesehenes  .'jlrolgnls  Ihn  treffen 
würde.  Sic  hatte  es  selbst  so  5e;vollt,  diesen  Verholt- 
nis  zu  Ihm.   Sr  wuSte  euch,  dase  er  l-jiner  für  slo  der 
^:ngel  geblieben  war,  d^r  den  ::lngang  zun  Paradlos  nlt 
deni  3chv;ert  abwehrend  bewachte.  Nur  einen  kurzen  Augen- 
blick war  das  Paradies  unbr^'acht  gewesen.   Das  aber  v/ar 
nicht  für  Charlotte  geschehan.   Das  geschah,  bevor  er 
Charlotte  geheiratet  hatte.   2r  war  seit  selnon  JUng- 
lingsjahren  ständig  auf  der  !Iut  gewesen  vor  deni  Chaoti- 
schen, worunter  er  auch  seine  eigenen  schwer  zu  beherr- 
schenden LiebesgefühlQ  zählte,  llit  eiserner  Disziplin 
hatte  er  sich  zun  otudieran  und  Arbeiten  erzogen.   3r 
hatte  schon  früh  erlebt,  an  sich  und  an  anderen  beob- 
achtet, volch  unheilvolle,  überraschende  Folgen  entste- 
hen, wenn  man  seinen  Gefühlen  freie  Bahn  gev^öhrt.   Die 
Herzsch!::3rzen  Jetzt,  die  durch  den  Verschluss  der  Kranz- 
gefSBe  hervcrgorufen  waren,  waren  überhaupt  nicht  mit 


denen  vergleichbar,  die  er  zuu  Beispiel  erlebt  hatte, 
als  er  zwölf  Jahre  alt  war.  Noch  heute,  wenn  er  an  die 
Erfahrung  mit   dem uwrf ahrenen  Kund  dachte,  krampfte  sich 
sein  Herz  zusaiüir^en.  Er  liebte  Tiere,  besonders  Hunde, 
deren  es  in  seinen  Hause  Inyaer  einige  gegeben  hatte ♦ 
Einmal  ging  der  zv;Ölf  Jfihrlge  llathias  auf  der  Hauptstraße 
des  Vorortes,  In  daa  er  wohnte,  spazieren  und  beobachte- 
te bewundernd  einen  Jungen  oetter,  dar  vergnü£,t  h^^rum- 
spranß,  2r  war  anscheinend  ohne  Segleitung,  jodonfalls 
war  nler^nd  auf  der  Straße,  zu  dea  er  zu  gehören  schien« 
Plötzlich  öur!3h  irgend  et-vas  auf  der  andoron  Seite  des 
Fahrdeniiiies  angolockt,  rannte  der  T:und  über  äi3  oträ2e 
und  gerade  vor  eine  5traJo>ib^ahn.  Dar  Koadukteur  koante 
den  V/agen  nicht  schnall  ftenug  brezüsaa,  und  das  arne  Tier 
wurde  überfahren •  Es  stie3  einen  schrecirllchaa  Jchrei 
aus,  dar  Mathias  durch  alle  Ilnoohen  fuhr  und  ihn  einen 
Augenblick  lang  vor  Angst  lähnto«  Dann  aber  rannte  er 
In  wenigen  Sfitzen  zu  der  Stelle  des  Ungltloks*  Ein  klei- 
ner l'enschenhaufen  hatte  sich  angesömielt  ura  d-3a  Hund, 
der  blutend  auf  der  5:tra2e  Is?.  zlr  war  nicht  tot;  er 
winselte  und  schrie •  Niezuand  von  dsa  üinstehenden  nach- 
te Anstalten,  dea  ?ler  zu  helfen*  üathias,  der»i  die  Trö- 
nen  ttber  die  Backen  liefan,  stieß  die  Leute  zur  Seite, 
kniete  bei  d^^G  armssligen  Geschöpf  nieder  und  versuchte, 
es  aufzuheben*  Es  war  zu  schwer,  Ilietaand  half  Mathias 


••^ 


bei  Beinen  BenUhungon,  obgleich  er  flehte  und  bat.  Sohlleß- 
lieh,  er  wußte  nicht  wie,  gelang  es  ihm,  den  Kund  auf  ßelne 
Arme  zu  nehmen,  und  verzweifelt  oah  er  sich  ura  nach  freund* 
llcher  Beratung.  Jenand  nannte  den  Kamen  und  die  Adresse 
eines  Tierarztes,  nicht  allzuweit  entfernt  von  der  Unfalls- 
stelle.  Allein,  mit  größter  Anstrengung,  die  er  aber  in 
seiner  Erregung  nicht  spürte,  trug  er  den  Hund  zu  den  Haus 
des  Tierarztes.   Dieser,  ein  wohlgepflegter  Herr  in  niittle- 
ren  Jahren,  mit  einer  Blume  in  Knopfloch,  war  gerade  von 
einem  Besuch  nach  Haus3  gekoar^en.  Al3  er  den  erragtan  Kna- 
ben mit  deni  verwundeten  Hund  sah,  zeigte  er  sich  zunächst 
eifrig  und  freundlich.  Kau?i  aber  hatte  er  dia  Unclüclcsge- 
schichte  gehört,  v.urdc  er  unintereosltirt  und  v/slgrerte  sich, 
den  ernen  Tier  Hilfe  zu  goben,  aussen   Sesitzer  unbakannt 
sei  und  da  er  für  seine  BeraühUi^gen  der  Bezahlunr  nicht 
sicber  waro.  kathias,  dösseii  Äitleldifios,  scbr.erzsndes 
Eerz  oinea  Augenblic'tf  lang  Beruhigung  spürte,  v;ar  durch 
dieses  herzlose  Verholten  des  Tiorerz-tss  so  erschüttert, 
de;:  er  Eilt  aller  :>:&cht  Regen  ein  Gefühl  von  üeokrankheit 
und  Brechreiz  aak£r-i>fea  mußte.  Sr  brachte  os  dennoch  fer- 
tig, den-  Tierarzt  davon  zu  reden,  äa£  sein  Vater,  döS53en 
Naaen,  Adresse  und  Beruf  er  aneah,  für  dio  Kostan  euteto- 
hen  würde.  Erst  nechdom  sich  der  Tierarzt  telephcnisch 
die  Versicherung  von  i:athias'  Vater  geholt  hatte,  wandta 
er  sich  dem  ßohon  fest  verbluteten  Tier  zu.  Der  Kund  er- 


lag  am  Abend  ssinen  Vorletzuneen.  lÄSthias  war  einige 
Tage  lang  krank  an   Körper  und  Seele •  In  seiner  Fanille 
aber  wurde  Mathlas  noch  lange  2elt  von  den  Geschwistern 
und  dea  Vater  geneckt,  v/eil  er  noch  nicht  gonuf?  .'elt- 
wissen  erv/orben  hatte,  die  ünbarrJtiersicltelt  seiner  lllt- 
ßienschen  vorauszusehen.  3r  lernte  aber  und  verstand  es 
bald,  sein  eigenes  Kerz  vor  Überraschenden  Verwundungen 
zu  sohtttzen«  Nicht  aber  f^egsn   kenete.  Als  dreiClgjSh* 
rlger  verliebte  er  sich  in  sie,  ohne  zunSchst  ssinen 
6if,enon  Gemütszustand  ernst  zu  nehr.en.  3l3  war  so  gar 
nicht  der  Typus  Frau,  deren  über/;Sltie-3ridea  Sinfluw.  er 
Irrner  ?:efürchtet  hatte.   Die  ihr  ei^ono  Anzishunf.sVrraf t 
war  eher  in  der  Abv/esenheit  alles  Auff slln:;don  f.elegan. 
'  Sie  war  still  und  fre.r.d  und  doch  nerlr/rtirdif:  b^Vian^.t.   iir 
nannte  sie  elmial  im  Scherz  Jairus'  Töchterlaii.  Sie 
lebte  für  sich,  obgleich  sie  sehr  Junf;  war;  v;ovon,  konn- 
te er  nicht  erraten.  Sic  solbst,  wenn  er  7raf;en  dies- 
bezüfjlch  stellte,  scherzte  übor  öle  ^Lili-^n  ici  Felde" 
oder  die  n^ÖP-lein  in  Valde.''  Als  er  sie  eine  ISn^are 
Zelt,  da  slfl  krank  war,  nicht  sehen  konat^i,  vmr5e  er 
sich  das  allbeherrschanden  Gefühles  für  sie  bewuCt.  Sr 
mußt©  Ihr  nahQ  sein,  und  sie  erlaubte  seine  AnnSherua- 
gen.  Dann  kam  das  3ndo,  des  er  In  salaen  Zustand  der 
Leidenschaft  nicht  einmal  bedacht,  visl  weniger  voraus- 
gesehen hatte.  Als  er  ihr,  hingerissen  Ton  dea  3rleb- 


.  *\ 


nl8  einer  Naoht,  die  2he  anbot  ohne  Zögern^  beroit^  alle 
aeine  klugen,  wissenden  Vorsätze  zun  Teufel  zu  schicken, 
lehnte  sie  ihn  niit  kühlem  .Erstaunen  ab  und  bekannte  sich 
völlig  unfähig,  sein*5  Gefühle  zu  erwidern  oder  auch  nur 
die  Beziehung  ua  oine  Nacht  zu  bereichern.   In  ihrem  lei- 
sen Lachen  klang  länget  vergessenes  schadenfrohes  Lachen 
aus  der  Kinderzelt  alt.   Sinigo  Tage  später  hielt  er  ua 
Charlottes  Hand  an*  3eitdera  war  sein  Leben  in  ruhigon 
Bahnen  dahingeflossen*   Ss  gab  kein  laradies,  aber  auch 
keinen  Erzengel  mehr,  der  einen  plötzlich  daraus  vertrei- 
ben konnte,   Jahre  vergingen,  die  llathlas  in  seinen  For- 
schuni^rsarb^iton  verbrachte. 


II 


Mathias  erv/achte  sehr  früh;  der  L'orgen  dä^anerte 
erst.-  Sr  lag  sehr  ruhig,  un  nicht  die  Aufmerksamkeit  der 
tflegerln  auf  sich  zu  ziehen.   15r  wollte  das  glückliche 
Gefühl  der  Stille  genießen,  das  die  eifrigen  fragen  der 
guten  Krankenschwester  nur  stören  mochten.   Der  anbrechen- 
de  Tap.  war  bsöeutunssvoll.  Heute  durfte  er  das  Kranken- 
hRUS  verlassen.  Er  würde  sich  noch  eine  Zeitlang  scho- 
nen BxQssen,  aber  er  brauchte  eich  nicht  luehr  als  krank 
odar  invalid  zu  betrachten.  Nichts  durfte  nun  seiner 


.  ^ 


RUokkehr  Ins  t&tlf^^e  Leben  entgef:en9t9hen«  Eine  leichte 
Beklemmung  befiel  Ihn  bei  dem  Gedanken,  daß  Irgend  etwas 
Unvorhergesehenes  geschehen  könnte.  2r   muSte  lächeln, 
als  er  sich  bei  dem  vVunsoh  ertappte,  --  wie  es  wohl  frü- 
her In  unbev/öchton  lioiaenten  auch  geschehen  war,  --  Gott 
in  kindlicher  s/olse  anzurufen.  Er   erklßrte  diesen  klei- 
nen Rückfall  nlt  der  noch  bestehenden  körperlichen  Gchv/ä- 
che.   Sein  Klnderplauba  an  Gott  war  zerbrochen  zur  ielt 
der  Episode  nlt  derr;  Hund.   Das  v;ar  eine  schmerzhafte 
Zelt  gev/csen,  in  der  sein  Bruder  Rolf  eine  wichtige  Rol- 
le gespielt  hatte.   Reif  war  für  ihn  Inmer  der  grolle  be- 
wunderte /»Isser  gevrfosen*   Er  war  sein  angebeteter  Hold 
geweson,  als  üathlas  noch  ganz  klein  war*  Ur  konnte 
Geschichten  erzShlen  und  wußte  über  freade  Lfinder  und 
Völker  viel,  viel  nehr  als  Minna  oder  sogar  Mutter.  Auch 
machte  er  Verse«  Venn  Rolf  bereit  war,  alt  elnera  zu  spie- 
len, nahn  nan  sogar  seine  Neckereien  in  Kauf,  Aber  es 
hatte  auch  raanche  'Erfahrungen  disllluslonlerender  Matur 
nlt  dera  gellobten  Bruder  gegeben,  die  Mathlas  tief  trafen 
und  seiner  £ntv/lcklung  dienlich  waraa*   So  zun  Beispiel 
der  Vorfall  mit  der  Schokolade.   Rolf  war  ein  gieriges 
Kind.  Nleir*and  trug  ihm  das  Je  nach,  da  laan  ihm  seiner 
vielen  guten  Gaben  wegen  Vieles  zu  Gute  hielt,  üathias 
hatte  früh  gelernt,  daß  r.an  den  Genu2  von  Süßigkeit  ver- 
ISngern,  Je  sogar  steigern  konnte,  wenn  luan  das  einem  zu- 
geteilte Stück  Schokolade  in  kleine  Stückchen  brach  und 


10 


nur  von  Zelt  zu  Zeit  eins  dieser  Stückchan  aß.  Dann 
relohte  die  wunderbare  SQülgkoit  durch  lange  Stunden  des 
Tages.  Uathlao  hatte  ein  paar  Mal  schon  diese  Erfahrung 
gemacht,  Ja  er  hatte  sogar,  nachdec:  er  eins  dieser  klei- 
nen Stückchen  gegesßen  hatte,  den  Rost  der  3chokolede  In 
einer  Schublade  vor  sich  seibar  versteckt,  un  so  der  Ver- 
suchung, welter  zu  naschen,  zu  entgehen.  Aa  Abend  konn- 
te er  dann  trluaphiorend  den  Ulteren  Geschwistern  zeigan, 
daß  er  noch  lia  Besitz  dos  ersehnten  Gutes  ^ar.   iVle  ver- 
wirrend und  denütlf^end  war  es  dann,  als  boir:  nSchsten  llal, 
da  er  'bieder  seino  versteckten  Jchokoladoastückchen  her- 
vorholen ^vollto,  ev   entdeckte,  dai?  sie  nicht  iT^shr  da  wa- 
ren.  Dazu  mußte  er  dann  noch  das  ICecken  von  Rolf  Ubar 
sich  ergehen  lassen,  der  stols  orzKhltc,  dai   er  die  Jcho- 
kolade  erspOrt  und  ge^-essen  habe  und  rdch  weidlich  Über 
den  vertreuensseligen  duornen  Bruder  lustig  nachte,  der 
doch  selbst  verraten  hatte,  v/o  er  seinen  Vorrat  verbarg. 
Auch  knüpfte  Rolf  eine  moralische  Lehre  darein  über  Geiz 
und  Habgier,  und  2'athias  enpfend  seine  eigens  ÜnzulSng- 
llchkelt  als  ßehr  beschSnend«   So  lernte  er,  seinen  Bru- 
der Rolf  frelvdllig  inuner  den  Rest  seiner  eigenen  Süßig- 
keiten zu  gebei'v,  selbst  wenn  dieser  Rest  der  gröu>ere  An- 
teil war*   Dafür  tauschte  er  das  Bewuiitsein  ein,  ein  an- 
ständiger iiensch  zu  sein,  wofür  er  Rolf  dankbar  war.  Auch 
war  er  ihm  dankbar  dafür,  da2  er  so  viel  über  Gott  vaißte, 
als  wBre  er  ganz  persönlich  und  eigens  alt  Ihai  bekannt. 


11 


ganz  anders  als  alle  anderen  Kinder.   Ale  gerne  lauschte 
Kathies^  wenn  Rolf  von  Gott  und  seiner  Güte  und  seinen 
Forderungen  sprich»  Er  wüßt«,  welche  Gebete  am  nütz- 
lichsten und  wchlg«3ffilliRSten  waren,  er  konnte  Talisnane 
herstellen,  die  einen  beschütiiten,  und  schlloUlich  lehr- 
te  er  den  kleinen  Bruder  das  Vater  Unser,  da  er  die  Kin- 
dergebete für  duani  und  unwirksam  erklärte •  ilathles  ließ 
sich  nur  zu  gerne  von  Rolf  In  seinen  an  und  für  sich 
schon  keimenden  Gottecglaubon  unterstützen,  Zweifel, 
die  manchmal  aufkaraen,  konnten  abgev^lesen  werden  mit  C.eui 
Hinwels  auf  Rolfs  starken  Glauben*   Rolf  au£td  es  Ja  wis- 
sen, da  er  so  viel,  vielleicht  sogar  alles  wui'te*  AI? 
ilöthlas  zwölf  war,  um  die  ^eit  der  Hunde-Jpisode,  benork- 
te  er  eines  abends,  daß  Rolf  nicht  betöte,  '^r   flihlta 
sich  verstört,  aber  beruhigte  sich  danit,  dali  e3  ein 
Zufall  gewesen  sei.   Aber  er  machte  die  gleiche  Bocbech- 

« 

tung  an  den  folgenden  Abenden,  und  schliei-tlich  fragte  er 
Rolf  nach  den  Grund  dieser  Nachlässigkeit,   ..'as  er  zur 
AnUiOTt   bokiis,  erschütterte  ihn  sehr,  dena  Rolf  klarte 
Ihn  darüber  auf,  dai?«  es  keinen  Gott  gab,  tlr   konnte  des 
Nachts  nicht  einschlafen,  als  er  den  Rat  des  Brudore 
folgend  das  Beten  aufgegeben  hatte.   Diesmal  v/ar  er  nicht 
sicher,  ob  der  Ältere  wirkliches  wissen  besaß,  oder  ihn 
nur  zum  Besten  hielt.   Doch  das  Srlebnis  lait  den  den  über 
fahrenen  Eund  umstehenden,  erbarmungslosen  tlonschen  und 


-N 


12 


alt  dem  Tierarzt  eatsohled  diese  Frage  für  Ihn.  3r 
fühlte  öloh  kalt  und  unbasohützt.  He  war  ein  Gefühl, 
das  Ihn  an  ein  klelnea  Lied  orinnerto,  das  sein  Groß- 
vater —  oder  war  oo  Itinna  —  ihm  vorzusineen  pflegte, 
und  das  Ihn  Inner  mit  re3ie;nlorter  Traurigkeit  erfüllt 


hatte« 


Christinchen  saß  Im  Garten 
Dae  Unglück  zu  erwarten, 
Denn  sie  hat  schon  iia  Traun  gasohon, 
Daes  sie  Im  Rhein  rauß  untergehen •  — 
Sie  fuhr  über  eine  Brücke, 
Die  Brücke  ßinß  in  Stücke, 
Christinchen  fiel  in  den  Rhein  hinein 
und  hörte  dort  die  ^incelein. 


Eigentlich  hörte  er  dioses  Lied  nicht  göroe  und 
dachte  auch  nicht  gerne  daran.   Denn  cbploich  Christin* 
chen  durch  den  Traun  von  ihreic  Schicksal  varstfindigt 
worden  war,  war  sie  auf  den  liinbruch  der  Drücke  doch 
nicht  vorbereitet  gewesen.  Und  was  das  oinpen  der  2n- 
ßolein  anbelangte,  so  konnte  sich  üathias  beim  besten 
Viillon  nur  sehr  traurige  Lijder  vorstellen,  etv;a  sol- 
che, wie  die  i^utter  sie  ihui   nanchnal  vorsanc,  und  die 
ihn  rer.elnSiBlr,  zviu  v/einen  brachten,  obgleich  par  keine 
üeberrasohuncon  in  diesen  Liedern  für  ihn  vorhanden  wa- 
ren. Sr  kannte  sie  schon  alle  auswendig. 

So  v/elt  er  zurückdenken  konnte,  waren  es  iinraer 
Ueberraschungen  Rev/esen,  die  sein  Leben  verbittert  hat- 
ten, besonders  in  seiner  Kindheit.  So  hatte  er  schon 


13 


als  kleines  Kind  eingesehen ,  da3  v/lssen  die  einzige  und 
mäohtigste  t^affe  war  ßogen  Ueberreschungen,  Als  er  unge- 
ffihr  drei  Jahre  alt  war,  wohnte  er  In  einem  groiion  sonni- 
gen  Haus,  das  in  einecn  schönen  Garten  stand.  "Sr  war  das 
Jllngste  Kind.  Lle  Siteren  Schwostorn  und  Brüder  kCLLmer- 
ten  sich  nur  um  ihn,  un  ihn  sein  Unwissen  auf  die  erfln- 
dorischste  Art  vor2.uf Uhren,  oie  konnten  einfach  davon- 
laufen, wenn  sie  ihn  genUcand  gonecfet  hatten  —  für  in- 
mer,  denn  er,  der  nur  kurze,  kleine  3eine  hatte,  war 
nicht  fähig,  sie  elnziuholen,  wie  sehr  er  sich  auch  an- 
strenf^en  mochte.   Sie  hatten  ihre  eigenen  Spiele  und  Ver- 
gnügungen, und  wenn  cie  ihn  daran  teilnehmon  liefen,  so 
war  es  nur  iizxer  zuni  rJch3in.   Trsendelno  schreckliche 


Ueberraschung  nachte  regalmSssig  diesen;  .':'ichein  ein  I^nde. 
So  zua  Böispisl,  eis  die  Birnen  iiu  ICachbargarten  reif 
waren,  und  die  Korde  der  Sltoran  Geschwister  (es  waren 
nur  vier,  aber  für  L'^^thlas  waren  sie  uaanlgfeltig  wie 
die  römischen  Legionen)  beschlcC^,  über  den  ::aun  zu  stei- 
gen und  die  herrlichen  grol'en  Birnen,  die  so  süT!  und 
saftig  v/aren,  zu  stehlen.   Er  war  bei  dieser  i?eratung 
anwesend  und  fühlte  sich  grci-'artig  mit  einbezofr.en  im  Rat 
der  Großen.   Sr  sah  sich  auf  den;  Baum,  auf  den  höchsten 
Ästen  und  stellte  sich  vor,  wie  dankbare  /j^arkennung  zu- 
semmen  alt  der  sülien  r'rucht  sch.-necksn  würde,  die  er  in 
die  ihra  entgegengestreckten  Kfinde  der  den  Baum  umstehen- 
den Horde  werfen  würde.  £r  sagte  auch  laut  zu  ihnen, 


14 


was  er  zu  tun  Im  Sinn  hatte ,  ond  sie   nabmen  es  freund* 
lieh  erraun ternd  auf.  Sie  rannton  darauf  davon,  Kathies 
mit  Ihnen,  zum  ^aun,  der  den  Nechbargarton  utagab.  Schnell 
und  leicht  überstieg  die  Horde  dieses  Hindernis  und  war 
schnell  auf  der  anderen  Seite  und  schon  belu  Birnbaum. 
Armer  tlathlasl  Die  üeberraschung  kam,  er  blieb  nit  sei- 
nem  Höschen  an  Zaun  hSnf.en:  zwischen  Illnuael  und  2rde 
schwebte  er,  und  statt  des  Jubeine  der  dankbaren  Ge- 
schwister hörte  er  Ihr  höhnisches  Freudengelfichter.  So 
hing  er  und  schrie  und  weinte  durch  Ewigkeiten  —  zumin- 
dest ein  paar  endlose  Minuten;  endlich  kara  die  Befrei- 
ung In  G?23talt  seiner  r.iuttor  —  ein  F.ngel  Gottes  wSre 
Ihia  lieber  gev/oson,  denn  der  hätte  ihn  nicht  auch  noch 
gescholten  und  bestraft. —  Oder  des  andere  L'al,  als 
Ihm  sein  Bruder  Rolf  einen  lieblichen  Keks  anbot.  Zr 
biß  sofort  hinein  -•  und  os  war  Seife.  Das  war  nicht 
das  Schllraniste.  l'an  mußte  wohl  dem  älteren  und  bavmn- 
derten  Sruder  solche  ^LugcstSnänisse  machen.  £s  war  wohl 
in  der  Ordnung  der  VTelt,  daß  die  I/.ehrwlssonden  ihren 
Speß  mit  den  Unwissenden  trieben.   Aber  das  zv;eito  Mal 
hätte  es  nicht  geschehen  dürfen*.   Das  war  entsetzlich 
krBnkend  gewesen.  Sin  paor  Tage  nach  der  ersten  Sei- 
fenepisode wiederholte  sich  der  Spuk.  Diesmal  war  Ma- 
thias so  klug  gewesen:  er  war  nicht  blindlings  darauf 
hineingefallen.  Er  hatte  tiefe  Gedanken  gehabt^  voll 


15 


unbezwingbarer  Logik:  da3  nun  äoch  der  Bruder  Ihn  einmal 
hineingelegt  hatte;  er  tauSte  also  annehmen,  daö  Mathias 
gelernt  hatte  aus  dleseni  Erlebnis  und  konnte  Ihn  nicht 
nur  für  eo  unvorstellbar  durjü  halten,  daß  er  ihm  noch 
elntsal  auf  den  f.lelohen  Scherz  hineinfallen  würde.  Also 
mui2t3  es  ein  richtleer  Keks  sein,  3o   biß  er  vertrauens- 
voll hinein  —  und  Ueberr&schune'.  —  es  war  wlader  Seife. 
Diesmal  weinte  Mathias,  da  nicht  nur  seine  2hre,  sondern 
auch  sein  Vertrauen  a;a  eigenen  Danken  erschüttert  war. 
So   sehr  er  eich  auch  übte,  die  irelgalsse  vorauszusehen, 
es  geltine  Ihn:  nicht.  lUnna,  das  y.ödchen,  drohte  1ha  mit 
den  schwarzen  iiann  für  Irgendeine  Uebeltat,  sie  zeigte 
Ihffl  sogar  die  ^essln^tür  ani  KÜchancfon,  durch  die  der 
schwarze  :.'.ann  koraen  würde.  lür  glaubte  kein  v;ort  davon. 
Kr  wu^ite,  es  gab  keinen  schwarzen  'u'ann.  lin   paar  Tage 
darauf  lautete  es  an  der  Haustür  und  V.athlee  stürzte 
hinzu,  Mti   sie  zu  öffnen.  Drauien  stand  der  sch'rterze 
Hann,  nlt  hohes  schwarzen  Kut,  einem  Reifen  In  der  Kand, 
rollte  seine  Außen  und  zelßte  gröbliche  weliie  z.öhne'. 
Kathlas  verkroch  sich  unter  dem  Tisch,  natürlich  lernte 
er  später,  unter  deni  Gelächter  der  Mutter  und  der  Ge- 
schwister, da£  es  der  3chornstelnfec<5r  eewesen  wer.  Aber 
konnte  man  das  glauben?  Sie  niochten  wieder  ©Innal  Ihm 
Dlnee  erzShlen,  die  dann  später  sich  als  unwahr  heraus- 
stellten. All  dies  waren  Erlebnisse,  die  nur  den  Boden 


16 


▼orberelteten  für  dlo  entsetzlichste  Ueberrasohung  In 

seinen  Kinderleben. 

:iu  jener  Zelt  seiner  Kindheit  lebte  der  GroSva- 
ter  bei  Ihnen  Iq  Kouse.  Der  war  ein  wunderbarer  alter 
Mann  und  Spielgefährte,  ür  liebte  den  Kleinen,  als  den 
Jttnesten,  der  bei  dem  alten  llann  blieb,  wenn  alle  ande- 
ren Kauseenossen  sich  andarswo  tuimelten,  ihren  Geschäf- 
ten nachgingen,  worunter  euch  der  Schulbesuch  der  älte- 
ren Kinder  elnbefrlffen  war.  Der  alte  llana  war  einsam. 
2r  hatte  vor  kurzen  saino  Trau  verloren,  nun  lebte  er 
beim  3ohn  und  der  Schwiegertochter.   Ue  waren  gut  zu 
lh!Q,  aber  sie  wußten  natürlich  nichts  von  dsM  Alloin- 
sein  des  Alters,  von  der  tiefen  Sehnsucht  nach  ^ürt- 
llchkolt,  nach  dera  Gewiegt-  und  Boscrgtwerdcn,  nach  dem 
Cefüttertwsrden  und  dan  alten  Klnderliedorn.   Der  kleine 
Mathlas  war  der  rlchtlf.s  3piolr.efährte,  denn  wenn  er 
auch  nicht  die  helaliche  Sehnsucht  des  Grci?.vetors  erfül- 
len konnte,  so  konnten  sie  Jedenfalls  all  des  Begehrens- 
werte in  Spiel  und  rait  wechselnden  ".ollen  geschehen  las- 
sen. Sie  konnten  einander  füttern,  beim  ;\nziahen  und 
Waschen  helfen.  Sie  konnten  zusam^^en  zur  L'.usik  der  "Hof 
musikanten"  tanzen,  und  er  konnte  den  Kind  all  die  ei- 
len kleinen  Lieder  singen,  wenn  er  ihn  auf  seinen  Knien 
schaukeln  liel?.  Auch  spielten  sie  Ueberreschung  ausa^a- 
men,  aber  Ueberrasohunß.  die  eine  Reeelmftaigkeit  gewor- 


<L 


17 


den  war,  das  Zuerwartende  und  doch  Iraner  Neue«  l'orgens, 
ganz  früh,  wenn  alle  Andern  noch  schliefen  und  selbst 
Klnna  noch  nicht  erwacht  war,  stand  Llathias  auf  und  schlich 
sich  in  seines  ßroßvaters  Zinnier,   Die  VorhSnge  waren  noch 
zugezogen,  aber  die  oonne  schien  durch  die  Ritzen  und 
schickte  einen  feinen  dünnen  Strahl  zum  großen  runden 
Tisch  in  der  glitte  des  ^ianers,  der  rixif  einer  schweren 
dunkelroton  Tischdecke  bedeckt  war»   Das  groiia,  alte, 
braune  Bett  war  auch  gut  erkennbar  und  sogar  das  Nacht- 
geschirr unter  dem  Bett»  3ine  Vase  mit  Blucien  stand 
auf  dem  Tisch,  auf  dam  .aschtisch  der  Krug  und  die  r.asch- 
Schüssel,  Der  ochauic -31  stuhl  knarrto  ein  wenig,  wonn  .lan 
daran  ankani,  i)or  rote  DlvdD  schaute  elnlädönd  hsrüber 
und  erinnerte  IJatiales  daran,  vd-3  er  einr^al  nach  vieloc: 
Hin-  und  Herrutschen  auf  dieaea  jjivan  erir.üdst  ainGeschla- 
fen  war  und  tela.  Erwachen  nicht  etwa  seinen  Gro-ivatsr, 
sondern  einen  fremden  Cann  zu  sehen  vernelata.  Sine  • 
erschreckende  Ueberraschungl   Es  stellte  sich  dann  aber 
heraus,  daß  der  iremde  sein  von  einer  Uoise  zurückge- 
kehrter Vater  war,  der  der  yode  gemäi!  sich  hatte  inzY^- 
schen  den  schönen  vollen  üpitzbart  ebnahtaea  lassen  und 
somit  dea  kleinen  foiabon  ein  völlif?  verändertes  Gesicht 
zeigte.  Aber  diese  Erinnerung  tauchte  nur  glaichsan  als 
kleine  Kostprobe  von  anderen  Ueberraschungen  auf,  vrShrend 
Mathias  die  erwartete,  und  so  sicher  folgende,  voraus- 


16 


nahm.  Er   sohllch  sich  ans  Bett  dos  GroSvaters.  Der  lag 
da  mit  geschlossenen  Augen,  schlafend  und  schnarchend, 
wie  es  sich  doch  für  einen  wirklich  Schlafenden  gehörte. 
Er  trat  ganz  nahe  heran  und  streckte  die  kleine  Hand  un- 
ter das  welßo  große  Daunenkissen,  auf  deui  der  Kopf  des 
alten  Herrn  lag,  3r  fühlte  etwas  Hartes  und  2:or  ein  Dös- 
chen  heraus,  das  er  schnell  öffnete.   Da  waren  sie,  dla 
kleinen  bekannten  Bonhons,  dlo  so  wunderbar  nach  allen 
möglichen  Früchten  und  süi?en  Säften  schmeckten,  Schnoll 
steckte  er  eins  In  den  Mund,  Großvater  nachts  diese  Bon- 
bons In  der  Macht  für  ihn,  und  Jsdan  J;lorgen  v/ar  ein  ge- 
fülltes Döschen  unter  deia  Kopfxissaa,   ^as  war  abor  doch 
noch  nicht  das  t^an^o  Verguüjen,   Jetzt  kam  das  i'^nde  dos 
Rituals,  ilathlas  küwte  den  alten  r.ann  auf  beide  .-iusen* 
Das  Schnarchen  hörto  auf  ;uit  alneia  letcitan  tiefen  Aton;- 
zug,  dlo  Augenlider  blinzelten  und  dar  Oroi^vatar  war 
wach,  'nie   er  natürlich  schon  lange  gewesen  war,  und  herz- 
te und  küi;te  das  sich  Überrascht  stellende  Kind,  Mit 
solcheai  i3öglnn  des  Tages  und  solch  einem  herslichon  Groß- 
vater war  die  übrige  V.elt  erträglich.  Lan  konnte  Fritz 
und  Rolf,  Lioaohen  und  llarla  ruhig  zur  Schule  gehen  las- 
sen, ohne  so  schrecklich  drincend  mitgehen  su  wollen. 


!an  konnte  Ja  fjchule  nit  Großvater  spielen.   Vater  und 


Mutter  konnten  ruhig  axa  Abend  ausgehen  und  wohl  auch 
manchmal  äi©  älteren  Klnäer  niltneh:aen,  der  klein©  Hathlas 


1« 


mit.  .loh  sicher  una  wohl,  «enn  «.r  GroET.t.r  an  s.l- 
„^  B.ttchea  ..8  und  Ih.  Mrch.n  .rzShlt..  Auch  lUnna. 
,ehw.r.or  Ksn«  >:onnto  Ib..  nicht,  nehr  anhaban,  hatt.  Ihm 
4och  «er  GroBvetcr  BUäer  In  einem  Buch  gezeigt,  auf  de- 
nen .1,1.  .ch.-arze  i.;en3Chen  «orcn.  dl.  in  Ora.-  und  B«t- 
terhtttten  lebten  In  .Ine,.  Land,  wo  dl.  3onn.  so  »an. 
schien,  das  alle  IJen.chen  ean^  natürlich  dunlcelbraun  wur- 
den wie  ein  guter  Braten.  3o  war  .r  auch  gar  nicht  ao 
Oberraacht  wie  seine  Se.chwl.t.r.  al.  er  alt  seiner  gan- 
zen ramlll«  in  eine  Ausstelluns  in  Zoologischen  Garten 
ging,  wo  ein  richtiges  "egerdorf  zu  sehen  war  nlt  einigen 
Kegerfa^lllen.   Dein  Vlssen  hatte  schon  betrüchtllch  zu- 


gonorrjneu 


Sines  I-orceas  stand  er  wie  gcBUnlloh 


in  der 


^   A   ^4«-  -MI  Höineii  Großvater. 
schwelgenden  7rttho  auf  und  glnt  -u  oaine.i 

il,  er  das  ;.l=^.er  betrat,  hatte  er  ein  Gefühl  von  /m- 
aers-seln.  Zr   trat  an  das  Bett  heran,  der  Großvater 
schlief,  aber  er  schnarchte  nicht.  Leise  nahn  das  Kind 
ale  Kleine  Dose  unter  den  ropfMssen  hervor.  =ann  stelL 
te  er  sich  auf  die  .Zehenspitzen,  u.  den  alten  VM.n   «le 
gewöhnlich  zu  Füssen,  '.leser  regte  sich  Jedoch  nicht 
und  fühlte  sich  kalt  an.  Kun  bemerkte  Xathlas,  daB  des 

w  1K  r.rfnn   ßtenden  und  der  i:unä  ganz 
Großvaters  Aupen  halb-offon  stenaon 

^  ^.«   «»«  ,1a.*  fichüchtern  eindringenden 
offen,  und  In  dem  Schininer  des  scnucnxe 

w  *  ^ot,  Mte  pßnz  blau  auo.  Verwirrt 
llorgenliohtes  schaute  der  i^lte  e^nz  ux 


20 


und  verwundert  schüttelte  er  den  Alten  und  griff  nach  den 
Efind3n,  dl9  eiskalt  waren«  Als  auch  Jetzt  kein  Welchen 
vom  Oro2vater  kan^  fing  Mathlas  an,  laut  zu  weinen.   Das 
laute  Schluchzen  trachte  den  Bruder  Fritz  herbei,  der  so* 
fort  nach  den  Vater  lief,  war  es  Ihm  doch  klar,  da2  d^r 
Grc'vatar  tot  "Ä'sr.  In  der  Aufregung  und  den  Trubel,  der 
durch  den  Tod  heraufbeschworen  war,  war  !^athlas  verf:es- 
sea.  Kleaand  hatte  zur  Kenutnlo  ßonoramen,  da-?  er  der 
Entdecker  der  schrecklichen  T7eberraschuag  gev/eseri  v/ar, 
Sr  saß  In  der  Küche  an  Boden,  schaukelte  hin  und  wider 


un 


d  weinte  leise  vor   eich  hin.      Denn  sa^te  nan  ihn,   daß 


der  C-roi2vf\ter  f^enz  plötzlich  in  der  Ts'acht  gestorben   sei; 
an  **:"chlae/'   saf-.ta  l'inna.     In  Großvaters  Zlar.er  r-if^P^a 
viele  y.onachen  ein  und   aus;   er  selbst   durfte  nicht  hin- 
ein.     Slnes   sp&ten  >!Rc^l^xlttacs  kanen  sechs  schwarze  Män- 
ner ^   schwarz  ^eklcldet,   tilt  schwarzen  üüten,   aber  nicht 
Ira  Gesicht,      Die   truf^en  den  schwarzen  3arp.  hinaus,    in 
dem  sein  GroLvstsr  lac*      3eine  l'utter  sa^te   Ihm  zun 
Trost,   daiB   S3lr.tr Groi?V2ters  r^eele   zun  3tarn  am  Plxniel  ge- 
T?roräen  war,   und  sie  zeigte  ihn  sopar  diesen   Stern.      Er 
glaubte  zögernd   daran  und  -/rurde  ein   stilles,   vorsichtiges 
Kind,   das  anflnr,   sich  für  Gott  und   den  Kimniel  zu  in- 
teressieren. 


•> 


21 


III 


Die  iioreenstuaden  rsiit  Ihrer  Krankenheusroutlne 
verglnßen  heute  nur  sehr  langßan  für  i^ethias.   2r  raup- 
te noch  den  letzten  Besuch  seines  Arztes  abwarten, 
nachdem  alle  übrirea  Hlazelheiten  der  Stiquette  einer 
Entlassung  aus  den  Spital  beobachtet  worden  waren^   v;ah- 
rend  er  auf  den  Kollepen  wartete,  wanderten  seine  Gedan- 
ken hin  und  her  von  der   neben  Zukunft  zur  Verpancenheit. 
Bald  würde  Charlotte  kOMien,  un  ihn  abzuholen;  sie  lie£ 
sich  dieses  Verp,nü/:-en  nicint  nehiaen.   Sie  sollte  ihn  zurück 
in  ihr  Haus  fUhreä,  das  sie  sicher  zu  seineni  jjnpfanf^  fest- 
lich harßorichtat  hätte.   2r  kennte  die  Atmosphäre  ange- 
noha  vorausfühl en  und  -sehen:   die  Bluaou  in  eilen  Zitamern, 
besondere  aber  in  selnea  Arb-sltsiluiiier,  der  fraatlicha  Duft 
eines  guten  Mahles,  das  nlt  größter  Gorgifalt  von  Charlot- 
te seinen  Vorliebsa  geraS^  enfeceban  und  von  der  Köchln 
zubereitet  sein  würde.   Sr  stellte  sich  das  sanfte  Licht 
in  soiaea  Arbeit £aini'::er  vor,  die  ndt  Büchern  bedeckten 
;VSndo,  seinen  Schreibtisch,  auf  dea,  obgleich  nicht  ein 
StSubohen  zu  sehen  war,  doch  alles  genau  so  lag,  .wie  er 
es  vor  sechs  /lOchen  vsrlassen  hatte.   Sein  Kenuskript 
war  an  der  Stelle  aufgescJilagen,  wo  er  aufgehbrt  hatte, 
zu  schreiben.  Er  würde  nun  diese  Arbeit  wieder  in  An- 


£2 


griff  nehmen,  während  der  ko/nraenden  Schonungspsrlode, 
die  er  für  sich  als  Ferien  bezeichnete,  2r  konnte  sogar 
hoffen,  diese  Arbelt  bei  dea  nSchßten  v/lssenschaf tliohen 
Kongrees,  der  In  drei  I^onaten  stattrinden  sollte,  salbst 
Torzutregen»  V/Strend  selnor  Ferien,  v?ena  auci'i  nicht  so- 
fort, gedachte  er  auch  sein  eigenes  Spital  und  sein  La- 
boratorium zu  besuchen.   Sr  J3:u2te  univlllkürllch  lächeln, 
als  er  an  seine  Kollegien  dachte.   31e  hatten  wohl  alle 
erwartet,  dass  er  sterben  ^ürde,  besonders  aber  darj3nl- 
pe,  der  Ihn  Im  Hang  an  nächsten  stand •  Der  hatt3  v/ohl 
heimlich  schon  aus^erechnot,  wann  er  den  Lehrstuhl,  den 
Mathias  seit  so  vielen  Jöhron  sn  der  Universität  Inne- 
hatte, einnehmen  würde*   2r  h&tte  sich  gar  so  gntsetÄt 
gezeigt  ober  Mathias»  plötzliche  2rkrnnkunF.;  aber  ver- 
denken konnte  inan  es  1ha  doch  nicht,  daü  er  alt  beiden 
Auf.en  nach  dor  sicheren  untl  ehrenvollen  Stellunf:,  harübör- 
bllnzelte.  Auch  alle  die  anderen,  Jttnperen  rolleren  ;Tioch- 
ten  wohl  schon  elfrlr.o  Berechr.unf;?in  unterolnanaor  anje- 
stellt  haben  In  bszug  auf  die  Verschiebunc  der  Anstellun- 
gen, die  Ininxer  einer  frelv/erdenden  ordentlichen  I  rof  es- 
sorstelle  folgten.  '^V/le  enttäuscht  sie  alle  sein  v/orden,*' 
dachte  l!öthlas  und  konnte  sich  einer  ßov/lssen  Schaden- 
freude nicht  er;ivehren.  iär  hatte  Ihnen  allen  ein  Schnipp- 
chen geschlagen.  Sie  hatten  seinen  Tod  so  sicher  angoncni- 
men,  und  hier  wer  er  quicklebendig  und  bereit,  bald  die 


23 


Zügel  wieder  In  seine  Kand  z\x   nehnen.  Vielleicht  aber 
waren  sie  auch  wirklich  sehr  erschreckt  und  ehrlich  um 
ihn  besorgt  gewesen,  besonders  einige  von  den  ganz  Jun- 
gen Mitarbeitern,  die  ihn  verehrten  und  noch  viel  von  ihm 
zu  lernen  erhofften,  ilochte  ea  für  sie  nicht  eine  gro3e 
heitere  Freude  oein,  ihn  nech  diesem  wSohrscken  wieder 
lebendig  unter  ihnen  zu  sehen?  fast  so,  dachte  üathias, 
wie  in  seiner  Kindheit  as  liear,  als  er  seibat  noch  nicht 
schwiümen  konnte,  J^  sogar  eine  f^ewisse  Scheu  vor  den 
hereinstürzenden  tVellen  hatte  und  die  Slteran  Kinder  iha 
dariit  neckten,  dai?.  sie  ••toter  lilann'*  spielten;  sie  leftten 
sich  flach  auf  den  Rücken  und  llereü  sic!i,  seiest  fanz 
bewep:unr8l03,  von  den  ^vell'^n  trafen,   An.^stvoll,  ni:r  bis 
zu  den  V'^ädfin  i^n  -Vasser  steiiend,  hatte  er  iir.en  zugeschaut, 
und  er  war  itiL^er  wieder  ungemein  erleichtert  an^^,   glück- 
lich freweaen,  '^enn  seine  Geschwister  sich  '»vieder  aufrich- 
teten und  sich  als  heruraspringende  und  ISri^snde  Kobolde 
in  ihrer  {i:ev/öhnllchen  und  ihnen  anfre.riessepen  Netur  zeig- 
ten. Heute  war  er  "der  tote  Liann,''  der  sv;ar  nicht  herun- 
springen,  aber  doch  ^uiaindest  wieder  uni:ehe:rx:t  gehen  und 

sich  bev/egen  konnte, 

Südlich  kan  der  Kollege,  dar  ihn  noch  eiuuial  un- 
tersuchte, und  nachdera  er  ihm  bestimmte  Verh.-altunt^.srriaa- 
nahmen  vorgeschrieben  hatte,  die  Mathias  fast  als  apai^ig 
eoipfand,  nit  besten  Wünschen  und  Händeschütteln  als  weit- 


24 


gehend  gebeesert  nach  Hause  entließ»  Heiter  verabschie- 
dete er  eich  von  den  anderen  Ärzten  und  den  Krankneschwe- 
stern*  iärwartungsvoll  und  etwas  ungeduldig  ließ  er  sich 
mit  Charlotte  kiusajimon  ir:  iahr stuhl  hinunterfahren.  Fest 
jugendlich  ßlnß  er  seiner  Frau  voraus  durch  das  g^oCe 
Portal  des  Krankenhauses,  durch  das  er  vor  nur  sechs  v;o- 
chen  bevmitlos  hinöincotraf,en  worden  war»  Welch  eine 
glückliche  Ruhe  hat  er  in  dieser  Zeit  hier  gofundenl 
nichts  konnte  ihn  aehr  erschrecken  oder  überraschen,  da 
er  der  Zukunft  wissend  entt^egenging, 

Ucberiaütlg  wandte  or  sich  uu  nach  Charlotte,  um 
Ihr  ein  paar  heitere  Vorts  ^iuiurafeii,  t-örade  alo  er  die 
Strai/e  überq^uerte,  uni  zu  d^r.  euf  ihn  v/art^^aaen  ..a^on  zu 
gelvingon.   ;i;r  hatte  in  seiner  fröhlichen  Laun;j  daoei  v;e- 
der  nach  rechts  noch  links  pesohea  und  so  nicht  bemerkt, 
da:   sich   das  Verkoiirssisnal  petindort  hatte.   3in  schnell 
fahrendes  /tutoiaobil  stieii  ihn  nieder  und  soxilGifte  ihn 
ein  gutes  :stück,   ^-eit,  w^it  entfernt  hbrta  er  ein  seit- 
saiuas  Krachen  und  Knirschen;  ein  Hinauf •  und  ainuntor- 
v;o($en  machte  ihn  schwindlig  und  seekrank.   Sin  unbekann- 
ter unertrJißlicht3r  :jch:aovz   raubte  iha  fast  die  Besinnung, 
und  in  jäher  weberraschun^^  sah  er  ein  freradas  Gesicht  sich 
über  ihn  beugfjn,  ein  Gesicht,  das,  der  lüodo^  entsprechend, 
glatt  rasiert  war.   Dann  schloü  er  für  iuaer  die  Augen» 


\ 


r 

\     ^ 


% 


DIE  USBERRASCHiraG 


Vinalhaven  1955 


Matliift»  war  nie  in  seinam  Laben  so  ruhig  und 
glttokliolx  gaweean  als  in  diaaan  letzten  aecha  Wochen, 
die  ar  im  Krankenhausbett  verbrachte.  Dia  tiefe  Uabar- 
«augung  seines  Labena,  seit  den  jungen  Jahren  seiner 
Kindheit,  hatte  sich  ihm  bewahrheitet.  Wissen,  so  hatte 
•r  schon  als  Kind  gedacht,  war  Schutz  gegen  plötaliohs 
Oefahren,  daran  größte  und  schrecklichste  der  Tod  ist. 
Weiß  man,  was  im  menschlichen  Körper  vor  sich  geht,  kennt 
man  seine  ihyaiologie  und  Anatomie  und  alla  Einzelheiten 
ihres  gestörten  Verlaufs,  dann  und  nur  dann  kann  man  al- 
ohar  sein,  daß  dar  Schrecken  des  XJeberfMchtwerdans  einen 
nicht  überwältigt.  So  war  es  auch  vor  sechs  Wochen,  als 
•r  an  seinem  fünfzigsten  Geburtstag  die  bedrohenden  aei- 
chen eines  ersten  Herzanfalles  erlebte.  Da  er  ein  be- 
deutender Hsrzspeziallst  war,  erkannte  er  sie  sofort 
und  war  so  Herr  der  Situation,  daß  er  seiner  Frau  Char- 
lotta  Warnung  und  Anweisung  geben  konnte,  bevor  er  das 
Bewußtsein  verlor.  2.war  waren  die  darauffolgenden  Tage 
und  Woohen,  nachdem  er  erwachend  im  Krankenhausz immer 
Charlotte  und  eine  Krankenschwester  an  seinem  Bett  sit- 
zend gefunden,  voll  körperlichen  Leidens  gewesen.  Trotz- 
dem war  das  tiefe  GlUcksgefühl  und  die  geistige  Ruhe 


I  II  ^  h  -■-' - 


i    t 


ein  kOstllohes  Erlebnis •  Ir  war  angstlos,  und  wenn  er  an 
den  Tod  dachte,  so  ersoiilen  er  Ihm  als  etwas  Bekanntes, 
•tiraa,  was  er  gerade,  wenn  auch  nur  In  Fora  einer  Probe, 
schon  durchlebt  hatte«  Sr  konnte  mit  Internste  den  t&g«- 
liehen  Berichten  aeinea  Kollegen  über  den  Fortschritt 
seiner  Genesung  lauschen  und  lait  ihm  besprechen,  was  selt- 
ne Lebenserwartungen  waren.  Er  konnte  Pläne  machen  in 
Bezug  auf  ein  künftiges  Regimen  und  seine  eigene  wissen* 
schaftliche  Arbeit;  berechnen,  wie  weit  etwa  er  seine 
Forschungen  beschleunigen  oder  einschränken  müsse,  um  Yor 
Mlnem  z\x   errechnenden  ^ilnde  noch  gewisse  .Resultate  zu  er- 
reichon.  Ir  dachte  mit  Wärme  und  freundlichen  Gefühlen 
an  Charlotte,  die  durch  fast  zwanzig  Jahre  ihm  eine  so 
herzlich  gute  Gefährtin  gewesen  war,  und  dass  er  sie 
wohl  versorgt  zurticklaasen  würde.  Selbst  wenn  er  nicht 
völlig  die  ihm  noch  zustehenden  zehn  Jahre  leben  sollte, 
••  würde  sie  vor  Not  geschützt  Mlln.  Ir  hatte  keine 
Kinder.  Früh  schon  hatte  er  diese  Frage  entschieden  be- 
antwortet:  Schwangerschaft,  Geburt  und  Aufzucht  von  Kin- 
dern war  ein  Risiko,  das  nicht  berechnet  werden  konnte 
und  zu  viele,  üeberraschungen  mit  sich  trug.   So  war  es 
ihm  lieb  gewiaen,  dass  Charlotte  nicht  darauf  bestand 
und  ihr  Lebensziel  darin  sah,  Mathias'  Dasein  so  ruhig 
und  störungsfrei,  zumindest  zuhause,  hinfließen  zu  las- 
sen als  es  in  menBChlicher  Macht  stand.  Mathias  dachte 


•^^hA.'.afäJ±äilÄM 


mit  Dankbarkalt  an  die  Jahre  Ihrer  Ergebenheit  und  Treue, 
die  es  ihm  ermöglicht  hatten,  aleb  gan^  seiner  Arbeit  und 
••inen  Studien  zu  wiämen  und  Ihm  alles  Getümmel  und  alle 
Unruhe  fernhielten.  Ir  hatte  Charlotte  seit  ihrer  gemein- 


sanxen  Kindheit  gerne  gehabt.  Sr  wußte  von  ihrer  Liebe 


zu  ihm  seit  J 


■■» 


elt  ala  sie  beide,  etwa  sechsjährig, 


zusammen  auf  der  kleinen  Wiese  vor  der  Kirche  spielten 
und  Charlotte  aus  Ofinseblümchen  einen  Kranz  aechte,  4«n 
sie  dem  Gespielen  um  die  "^tirne  legte.   31e  hatte  ver- 
zückt still  vor  ihm  gestanden  und  aufseufzend  gesagt: 
"Du  siehst  aus  wie  der  Engel."  Ar  kannte  den  ^ngel,  auf 
«•n  sich  die  kleine  Lotto  bezog.  Kr  war  in  seinem  eige- 
nen Bilderbuch  zu  sehen;  beide  PCinder  hatten  oft  zusam- 
men das  Bild  aneeschaut.  Br  fand  den  2ngel  auch  schön, 
konnte  aber  nicht  ganz  Lottes  Liebe  zu  ihm  teilen.   Sei- 
ne eigene  starke  Liebe  gehörte  einer  anderen  Gestalt  in 
demselben  Buch:   Das  war  Christus  Im  langen  weißen  Ge- 
wand, mit  einem  Spitzbart  und  einem  strahlenden  Heili- 
genschein um  das  Haupt,  der  gerade  den  vorher  toten  La- 
zarus zum  Leben  erweckt  hatte.  Auch  ein  Ähnliches  Bild, 
das  Christus  in  gleicher  W«i»e  aber  mit  Jairus  Töohter- 
ohen  darstellte,  hatte  Mathlas  sehr  gern.  Jedoch  keines 
der  anderen  Bilder  gab  ihm  tet  Gefühl  tiefster  Liebe  und 
Ruhe,  das  er  beim  Anblick  der  Wiedererweckung  von  Lazarus 
hatte.   Charlotte  aber  liebte  den  Sngel,  der  mit  gezück- 


4 


tea  Schwert  vor  dorn  Singang  zum  laradiBa  atand. 

Jetzt,  Im  Krankenhauszlraaer,  Im  Bette  liegend, 
•l3  er  am  frühen  Morgen  die  Sonnenstrahlen  durch  die  üu- 
gejüogenen  Fenstervorhfinge  mehr  erriet  als  wirklich  sah, 
dacht«  Kathiai  an  Charlotte  als  kleines  Mädchen,  und 
daran,  daß  er  wohl  immer  gewutJt  hatte,  daß  er  sie  hei- 
raten würde,  war  er  doch  ihrer  Liebe  so  sicher  gewesen 
und  so  sicher,  daß  mit  ihr  und  durch  sie  nie  ein  er- 
schütterndes, unvorhergesehenes  üraignia  ihn  treffen 
Wtrde.   Sie  hatte  es  salbst  so  gewollt,  dieses  Verhält- 
nis zu  ihm.  f^r   wußte  auch,  dass  er  immer  flir  sie  der 
Engel  geblieben  war,  der  den  EingSJEis  zum  Paradies  mit 
dem  Schwert  abwahrend  bewachte.  Nur  einen  kurzen  Augen- 
blick war  das  iaradies  unbewacht  gewesen.   Das  aber  war 
nicht  für  Charlotte  geschehen.   Das  geschah,  bevor  er 
Charlotte  geheiratet  hatte.  Sr  war  seit  seinen  Jüng- 
lingsjahren ständig  auf  der  Hut  gewesen  vor  dom  Chaoti- 
schen, worunter  er  auch  seine  eigenen  schwer  zu  beherr- 
schenden Liebesgefühla  zählte.  Kit  eiserner  Disziplin 
hatte  er  sich  zum  Studieren  und  Arbeiten  erzogen.   Sr 
hatte  schon  früh  erlebt,  an  sich  und  an  ander«  beob- 
achtet, v^lch  unheilvolle,  (Iberraschende  Jolgen  entste- 
hen, Mimn   man  seinen  Crefühlen  freie  Bahn  gewährt.   Dl« 
Herzschaerzen  Jetzt,  die  durch  den  Verschluss  der  Kranz- 
gofaie  hervorgerufen  waren,  waren  überhaupt  nicht  mit 


.  .-..^O^l.-». 


•«- '-—  -^ 


d#nen  vergleichbar,  die  ar  zum  Beispiel  erlebt  hatte, 
als  er  zwölf  Jahre  alt  war.  Noch  heute,  wenn  er  aa  die 
Erfahrung  mit  öem übarfahrenen  Rund  dachte,  kra?apfte  sich 
•ein  rierz  xusammen,  tr   liebte  Tiere,  besonders  Hunde, 
deren  es  in  seinem  Hause  Immer  einige  gegeben  hatte« 
llnmal  ging  Hut   mwölf Jährige  Mathlas  auf  der  Hauptstraße 
des  Vorortes,  In  dem  er  wohnte,  spazieren  und  beobachte- 
te bewundernd  einen  Jungen  Setter,  dar  vergnügt  herum- 
sprang.  Zr   war  anscheinend  ohne  Begleitung,  Jedenfalls 
war  nler^nd  auf  der  Straße,  au  dem  er  zu  gehören  sohlen« 
Plötzlich  durch  Irgend  etw-aß  auf  der  anderen  Seite  des 
Fahrdaames  angelockt,  rannte  der  Hund  über  die  Strafte 
und  gerade  Tor  eine  StraiSenbahn.  Der  Kondukteur  konnte 
den  Wagen  nicht  schnell  genug  bre:assn,  und  das  arme  Tier 
wurde  überfahren.  Ks  stieß  einen  schrecklichen  Schrei 
«tte,  der  Mathias  durch  alle  Knochen  fuhr  und  ihn  einen 
Auganblick  lang  vor  Angst  lähiate.   Dann  aber  rannte  er 
in  wenigen  SÄtzen  zu  der  Stelle  des  Unglücks.  Ein  klei- 
ner Mwinohenhaufen  hatte  sich  angesamiaelt  um  den  Rund, 
der  blutend  auf  der  Straße  lag.  Kr  war  nicht  tot;  er 
winselte  und  schrie.  Nieannd  von  den  Umstehenden  mach- 
te Anstalten,  dem  Tier  zu  helfen.  Mathias,  dem  die  Tra- 
nen über  die  Backen  liefen,  stieß  die  Leute  zur  Seite, 
iBliata  bei  dem  armseligen  Oeeohöpf  nieder  und  versuchte, 
es  aufzuheben.   Es  war  au  schwer,  niemand  half  Kathla« 


-"■■^ ^  . 


I  I 


bei  »«inen  BemUhungon»  obgleich  er  tl»hte  und  bat.  Sohlleß- 
lloh,  «r  wußte  nicht  wie,  gelang  es  ihm»  don  Hund  auf  seine 
Arra©  au  aehmon,  und  verzweifelt  sah  tr  sloli  um  nach  freund- 
licher Beratung.  Jemand  nannte  den  Namen  und  die  Adresse 
eines  Tierarztes,  nicht  allzuweit  entfernt  von  der  Unfalls- 
•telle.  Allein,  mit  größter  Anstrengung,  die  er  aber  in 
seiner  Erregung  nicht  spürte,  trug  er  den  Hund  zu  dem  Haus 
des  Tierarztes.   Dieser,  ein  wohlgepflegter  Herr  in  mittle- 
ren Jahren,  mit  einer  Bluma  im  Knopfloch,  war  gerade  von 
einem  Besuch  nach  Haus©  gekomjuen.  Ala  ar  den  erregten  Kna- 
ben mit  dem  verwundeten  Hund  sah,  zeigte  or  sich  zunöchst 
eifrig  und  freundlich.  Kauiu  aber  hatte  er  die  Dnglücksge- 
schiohte  gehört,  wurde  er  uniateresslert  und  weigerte  «loh, 
dem  armen  Tier  Hilfe  zu  geben,  dessen  Besitzer  unbekannt 
sei  und  da  er  für  seine  Bemühungen  der  Bezahlung  nicht 
•icher  w&re.  Mathias,  dessen  mitleldigss,  schx.erzendes 
Herz  einen  Augenbliolr  lang  Beruhigung  spürte,  war  durch 
dieses  herzlose  Verhalten  des  Tierarztes  so  erschüttert, 
daC  er  mit  aller  Macht  gegen  ein  Gefühl  von  Seekrankheit 
und  Brechreiz  ankämpfen  mußte.   Sr  brachte  es  dennoch  fer- 
tig, dem  Tierarzt  davon  zu  reden,  daß  sein  Vater,  dessen 
Namen,  Adresse  und  Beruf  er  angab,  für  die  Kostan  gutste- 
hen würde.  Srst  nachdem  sich  der  Tierarzt  telephonisch 
die  Versicherung  von  llethias'  Vater  geholt  hatte,  wandte 
er  sich  dem  schon  fast  verbluteten  Tier  zu.   Der  Kund  er- 


,«p_,„^Ä_t^^„.. 


ita^  nri<»^stMaaoa^—a— ■ft^MlmaaiT 


lag  am  Abend  seinen  Verletzungen.  Mathias  war  einige 
Tage  lang  krank  an  Körper  und  Seele.   In  seiner  Familie 
aber  wurde  Hathiae  noch  lange  Zelt  von  den  Gesehwlstern 


und  dem 


de  Hathiaa  noch  lange  Zelt  von  den  aesehwiste 
Vater  geneckt,  weil  er  noch  nicht  genug  Welt- 


wissen  erworben  hatte ^  die  Unbarmheraigkeit  seiner  Mit- 
■MUNrtien  vorauszuaehen.   ^r  lernte  aber  und  verstand  es 
bald,  sein  eigenes  Kerz;  vor  Überraschenden  Verwundungen 
zu  schützen.  Kioht  aber  gegen  Renate.  hIb   dreißigjäh- 
riger verliebte  er  sich  in  sie,  ohne  zunSchst  seinen 
eigenen  Gemütszustand  ernst  zu  nehmen.   Sie  war  so  gar 
nicht  der  fjp\xß   Frau,  deren  überwältigenden  Einfluß  er 
lamer  gefürchtet  hatte.   Die  ihr  eigene  /mziehungskraft 
war  eher  in  der  Abwesenheit  alles  Auffallenden  gelegen. 
Sie  war  still  uM  fremd  und  doch  merkwürdig  bekannt.   Sr 
nannte  sie  einmal  im  Scherz  Jairus*  Töchterlein,  Sie 
lebte  für  sich,  obgleich  sie  »ehr  jung  war;  wovon,  konn- 
te er  nicht  erraten.   Sic  s<5lb8t,  wenn  er  Fragen  dies- 
bezüglich stellte,  scherzte  •%er  die  '"Lilien  im  Felde" 
oder  die  ^Vöglain  im  Walde.'*  Als  er  sie  eine  lÄngere 
Zeit,  da  sie  krank  war,  nicht  sehen  konnte,  wurde  er 
sich  des  ellbeherrschenden  Gefühles  für  sie  bewuSt.  Ir 
mußte  ihr  nahe  sein,  und  sie  erlaubte  seine  Annäherun- 
gen.  Dann  kam  das  ände,  das  er  in  seinem  Zustand  der 
Leidenschaft  nicht  einmal  bedacht,  viel  weniger  voraus- 
gesehen hatte.  Als  er  ihr,  hingerissen  von  dem  Srleb- 


8 


nls  «Iner  Naoht,  di«  8h«  anbot  ohne  Zögern,  bersit»  alle 
Mine  klugen,  wissenden  Vorsätze  z\im   Teufel  zu  schicken, 
lohnte  sie  ihn  mit  kühlem  Erstaunen  ab  unä  bekannte  sich 
völlig  unfähig,  eeine  Gefühle  au  erwidern  oder  auch  nur 
die  Beziehung  um  ©lue  Nacht  zu  bereichern.  In  ihrem  lei- 
sen Lachen  klang  längst  vergessenes  schadenfrohes  Lachen 
aus  der  Kindorzelt  alt.  llnlge  Tag«  «pfiter  hielt  er  um 
Charlottes  Hand  an.  Seitdem  war  sein  Leben  in  ruhigen 
Bahnen  dahingeflossen.  Es  gab  kein  Paradies,  «%«r  auch 
keinen  Krzengel  mehr,  der  einen  plötzlich  daraus  vertrei- 
ben konnte,  Jahre  vergingen,  die  Mathias  in  seinen  For- 
sohungsarbeitMi  verbrachte. 


II 


Mathias  erwachte  sehr  früh;  der  Morgen  dlaaert« 
erst.  Er  lag  sehr  ruhig,  um  nicht  die  Aufmerksamkeit  der 
Pflegerin  auf  sich  zu  ziehen.  Er  wollte  da«  glückliche 
Gefühl  der  Stille  genießen,  das  die  eifrigen  ?ragen  der 
guten  Krankenschwester  nur  stören  mochten.   Der  anbrechen- 
de Tag  war  bedeutungsvoll.  Heute  durfte  er  das  Kranken- 
haus verlassen,  Ür  würde  sich  noch  eine  Zeitlang  scho- 
nen müssen,  aber  er  brauchte  sich  nicht  mehr  als  kranH 
oder  invalid  zu  betrachten.  Nichts  durfte  nun  seiner 


9 


Rückkehr  Ins  tätig©  Leben  entgegenetahen.   Älne  leichte 
Beklemniung  befiel  ihn  bei  dorn  Gedanken,  daß  irgend  etwas 
ünTorhergeaeheaes  geschehen  könnte.  Sr  mußte  lächeln, 
als  er  aioh  bei  dem  c^'unsoh  ertappte,  —  wi«  aa  wohl  frü- 
her in  unbewachten  Momenten  auch  geachahen  war,  --  Oott 
In  kindlicher  Weise  anzurufen.  Sr  erklärte  dl«««n  klei- 
nen Rtlokfall  mit  der  noch  bestehenden  körperlichen  Schwä- 
che.  3ein  Kinderglaube  an  Gott  war  zerbrochen  zur  Äeit 
der  Episode  mit  dem  Hund.  Das  war  eine  schmerzhaft© 
2.eit  gevvosen,  in  dar  aein  Bruder  Rolf  eine  wichtige  Hol- 
la faspielt  hatte.  Reif  war  für  ihn  immer  der  große  be- 
wunderte Wisser  gewesen.  Er  war  sein  angebeteter  Held 
gawaaen,  als  Mathias  noch  ganz  klein  war,  Sr  konnte 
Geschichten  erzählen  und  wuBte  über  fremde  Länder  und 
Völker  viel,  viel  mehr  als  Minna  oder  aogar  Mutter.  Auch 
machte  ar  Versa,  V«enn  Rolf  bereit  war,  mit  einem  zu  apie- 
lan,  nahm  man  sogar  seine  Neckereien  in  Kauf.  Aber  aa 
hatte  auch  aa&oha  Erfahrungen  disilluslonlerender  Natur 
mit  dam  geliebten  Bruder  gegeben,  die  Mathias  tief  trafen 
und  »einer  äntwioklung  dienlich  waren.  So  zu«  Itlspiel 
der  Vorfall  mit  der  Schokolade.  Rolf  war  ein  gierigea 
Kind.  Niemand  trug  ihm  daa  Je  nach,  da  man  ihm  seiner 
vielen  guten  Gaben  wegen  Vieles  zu  Oute  hielt.  Mathias 
hatte  früh  gelernt,  daß  man  den  Genuß  von  Süßigkeit  ver- 
längern, ja  sogar  steigern  konnte,  «HUa  man  daa  alnaa  zu- 
fateilta  Stück  Schokolade  in  kleine  Stückchen  brach  und 


10 


nur  von  ^ieit  zu  Äait  eins  dieser  StOokchen  aß^   Dann 
relohte  die  wunderbare  Sttüigkelt  durch  lange  Stunden  des 
TafttS*  Uathlas  hatte  ein  paar  Kai  schon  diese  Erfahrung 
gemacht,  ja  er  hatte  sogar,  nachdem  er  eine  dieser  kiel«» 
nen  StückolMa  gegeseen  hatte,  den  Rest  der  Schokolade  In 
einer  Schublade  vor  sich  selber  versteckt,  um  8o  der  Ver* 
suchung,  weiter  zu  naschen,  zu  entgehen«  Am  Abend  konn- 
te er  dann  triumphierend  den  älteren  Oeschwlstern  zeigen, 
daß  er  noch  im  Besitz  des  ersehnten  Gutes  war.  Wie  ver- 
wirrend und  demütigend  war  es  dann,  als  beim  n&cheten  ■*!, 
da  er  wieder  seine  versteckten  Schokoladenstückchen  her- 
vorholen sollte,  er  entdeckte,  daß  sie  nicht  mehr  da  wa- 
ren.  Dazu  mußte  er  dann  noch  das  Kecken  von  Holf  Über 
sich  ergehen  lassen,  der  stolz  erzShlte,  daß  er  die  Scho- 
kolade erspürt  und  gegessen  habe  und  sich  weidlich  über 
den  vertrauensseligen  dummen  Bruder  lustig  machte,  der 
doch  selbst  verraten  hatte,  wo  er  seinen  Vorrat  verbarg. 
Auch  knüpfte  Holf  eine  moralische  Lehre  daran  über  Geiz 
und  Habgier,  und  Mathias  empfand  seine  eigene  Unzuläng- 
lichkeit als  sehr  beschämend.  So  lernte  er,  seinem  Bru- 
der fiolf  freiwillig  immer  den  Rest  seiner  eigenen  Süßig- 
keiten zu  geben,  selbst  wenn  dieser  Rest  der  größere  An- 
teil war.  Dafür  tauschte  er  das  BewuiEtsein  ein,  ein  an- 
•tfindlger  Mensch  zu  sein,  wofür  er  Rolf  dankbar  war.  Auch 
war  er  ihm  dankbar  dafür,  dafi  er  so  viel  über  Gott  wußte, 
als  wäre  er  ganz  persönlich  und  eigene  mit  ihm  bekannt. 


11 


gAAX  anders  ala   alle  anderen  Kinder,  Vle  gerne  lauschte 
Kathla«,  wann  Rolf  von  Gott  und  aalnar  GUte  und  seinen 
Torderungen  aprtch*  Kr  wußte,  welche  Gebete  am  nütz- 
llohaten  und  wohlgaffilligaten  waren ,  er  konnte  Taliamane 
herstellen,  AI«  einen  besehüt:2.ten^  und  sohlleölich  lehr- 
te er  den  kleinen  Bruder  das  Vater  ünaer,  da  er  die  ¥ln- 
Aergebete  flir  dumm  und  unwirksam  erklärte •  Mathlas  liefi 
sich  nur  zu  «erne  von  Rolf  in  seinem  an  und  für  sich 
schon  keimendea  Qottesglauben  untersttttsen«  Zweifel, 
die  manchmal  aufluuMii,  konnten  abgewiesen  werden  mit  dem 
Einweia  auf  Rolfs  starken  Glauben.   Rolf  mußte  es  Ja  wis- 
sen, dm  er  so  viel,  vielleicht  sogar  alles  mx&te.     Als 
Mathias  zwölf  war,  um  die  idieit  der  Hunde-Bpisode,  bemerk- 
te er  eines  Abends,  daß  Rolf  nicht  betete •  Ir  fUhlts 
sich  verstört,  aber  beruhigte  sich  damit,  daß  es  ein 
Zufall  gewesen  sei*   Aber  er  machte  die  gleiche  Beobach- 
tung an  AsR  folgssden  Abenden,  und  schlieülich  fragts  er 
Rolf  nach  dem  Grund  dieser  Nachlässigkeit*  Was  er  zur 
Antwort  bekam,  erschütterte  ihn  sehr,  denn  Rolf  klärte 
ihn  darllber  auf,  daß  es  keinen  Gott  gab*   är  konnte  des 
Nachts  nicht  einschlafen,  als  er  dem  Hat  des  Bruders 
folgend  4las  Beten  aufgegeben  hatte*  Diesmal  war  er  nicht 
sicher,  ob  der  Ältere  wirkliches  ^l/isoen  besaß,  oder  ihn 
nur  zum  Besten  hielt*  Doch  dss  Irlebnis  mit  den  den  ttber- 
fahrenen  Hund  umstehenden,  erbarraungslosen  Menschen  und 


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12 


mit  dam  Tiararzt  entschied  dlaaa  Traga  fQr  ihn«  8r 
fühlte  aioh  kalt  und  unbesohützt.   Es  war  ein  Gefühl, 
daa  ihn  an  ein  kleinee  Lied  erinnerte,  daa  sein  QroB- 
vater  -•  oder  war  es  ilinna  —  ihm  vorzusingen  pflegte, 
und  das  ihn  immer  mit  reaigniorter  Traurigkeit  erfüllt 


hatte» 


Christinohen  saß  im  Garten 
Baa  UnglUok  ^u  erwarten, 
Dann  sie  hat  schon  im  Traum  geßahan, 
Daes  sie  im  Rhein  muß  untergehen* — 
Sie  fuhr  über  eine  Brücke, 
Dia  Brücke  ging  in  Stücke, 
Christinchen  fiel  in  den  Rhein  hinein 
Und  hörte  dort  die  ilngelein. 


Eigentlich  hörte  er  dieses  Lied  nicht  gerne  und 
dachte  auch  nicht  gerne  daran*   Denn  obgleioh  Christin- 
ehen durch  den  Traum  von  ihrem  Schicksal  verständigt 
worden  war,  war  sie  auf  den  Kinbruch  der  Brücke  doch 
»Icht  vorbereitet  gawasen.  Und  was  das  Singen  der  ISii- 
gelein  anbelangte,  so  konnte  sich  Mathias  beim  besten 
Willen  nur  sehr  traurige  Li^^der  vorstellen,  etwa  sol- 
MMi  wie  die  Kutter  sie  ihm  manchmal  vorsang,  und  die 
ihn  regelmäßig  zum  weinen  brachten,  obgleich  gar  keine 
üeberrasohungen  in  diesen  Liedern  für  ihn  vorhanden  wa- 
ren •   Kr  kannte  sie  schon  alle  auswendig. 

So  weit  er  zurückdanken  konnte,  waren  es  immer 
Ueberraschungen  gewesen,  die  sein  Leben  verbittert  hat- 
ten, besonders  in  seiner  Kindheit»   So  hatte  er  schon 


13 


als  kleines  Kind  elugeeeben,  daß  Wissen  die  einzige  wA 
miohtigste  Waffe  war  gegen  üeberreschungen.  Als  er  unge- 
fähr  drei  Jahre  alt  war,  wohnte  er  In  einem  groÄen  sonni- 
gen Haus,  das  In  einem  schönen  harten  stand,  "Sr  war  das 
Jüngste  Kind.  Me  alteren  Schwestern  und  Brüder  kümmer- 
ten sich  nur  am  ihn»  uoi  Ibxa  sein  Unwiasea  guf  die  erfin* 
derisohste  Art  vorzuführen*  Sie  konnten  einfach  davon- 
laufen, wenn  sie  ihn  genügend  geneckt  hatten  —  für  im- 
■er,  denn  er,  der  nur  kurze,  kleine  Beine  hatte,  war 
nicht  fähig,  sie  einzuholen,  wie  sehr  er  sich  auch  an- 
strengen mochte •   Sie  hatten  ihr«  «igenen  Spiele  und  Ver- 
gnügungen, und  wenn  sie  ihn  daran  teilnehmen  lieBen,  so 
war  es  nur  iomer  zum  Schein.   Irgendeine  schreckliche 
Ueberraschung  machte  rtHT^lni&ssig  diesMa  öohelu  ein  Snde. 
So  zum  Beispiel,  als  die  Birnen  im  !iaohbargarten  reif 
waren,  und  die  Korde  der  Siteren  Geschwister  (es  waren 
nur  vier,  aber  für  JJathias  waren  sie  naanlgf altig  wie 
die  römischen  Legionen)  beschlot,  über  den  iaun  zu  stei- 
gen und  die  herrlichen  grolien  Birnen,  die  so  süß  und 
»aftlg  waren,  zu  stehlen.  2r  war  bei  dieser  Beratung 
anwesend  und  fühlte  sich  f:roßartig  mit  einbezogen  im  Rat 
der  Großen.   Sr  sah  sich  auf  dem  Baum,  auf  den  hBchsten 
Ästen  und  stellte  sich  vor,  wie  dankbare  Anerkennung  zu- 
sammen mit  der  süßen  Frucht  edhÄSCken  würde,  die  er  in 
die  ihm  entgegengestreckten  Hände  der  den  Baum  umstehen- 
den Horde  werfen  würde.  Sr  met#  auch  laut  zu  ihnen. 


Mjf.^k^A^^^äJi^ 


14 


was  er  zu  tun  Im  Sinn  hatte,  und  ule  nabrnen  es  freund- 
lieh  ermunternd  auf.   Sie  rannten  darauf  davon,  Mathlas 
wlt  ihnen,  zum  ^aun,  der  den  Keohbargarten  umgab.  Schnell 
und  leicht  überstieg  die  Horde  dieses  Hindernis  und  war 
schnell  auf  der  anderen  Seite  und  schon  beim  Birnbaum. 
Armer  Mathlasl   Die  üeberraschunp  kam,  er  blieb  mit  sei- 
nem Höschen  am  ^^aun  hängen:  zwischen  Himmel  und  iSrde 
schwebte  er,  und  statt  des  Jubeins  der  dankbaren  Ge- 
schwister  hörte  er  Ihr  höhnisches  Freudengelächter.  So 
hing  er  und  schrie  und  weinte  durch  ifiwigkelten  ••  »umln- 
dest  ein  paar  endlose  Minuten;  endlich  kam  die  Befrei- 
ung in  Gestalt  seiner  Mutter  —  ein  Engel  Gottes  wäre 
ihm  lieber  gew>en>  denn  der  hätte  ihn  nicht  auch  noch 
gescholten  und  bestraft. —  Oder  das  andere  Mal,  als 
ihm  sein  Bruder  Holf  einen  lieblichen  Keks  anbot.   2r 
biß  sofort  hinein  —  und  es  war  Seife.   Des  war  nicht 
das  Schlixamste.  lüan  mußte  wohl  dem  älteren  und  bewun- 
derten Sruder  solche  Z.ugest6ndnisse  machen.  Is  war  wohl 
in  der  Ordnung  der  Welt,  dafi  die  Mehrwissenden  ihren 
Spaß  mit  den  Unwissenden  trieben.   Aber  das  zweite  Ual 
hätte  es  nicht  geschehen  dürfen*.   Das  war  entsetzlich 
kränkend  gewesen,  lin  paar  Tage  nach  der  ersten  Sei- 
ftneplsode  wiederholte  sich  der  3puk.   Diesmal  war  Ma- 
thias so  klug  gewesen:  er  war  nicht  blindlings  darauf 
hineingefallen.   Er  hatte  tiefe  Gedanken  gehabt,  voll 


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15 


unb«zwingbar«r  Logik:  daß  nun  doch  ämt   Bruder  ihn  einmal 
hineingelegt  hatte;  er  nuEte  also  annehmen,  daß  Mathias 
gelernt  hatte  aus  diesem  Erlebnis  und  konnte  ihn  nicht 
nur  für  so  unvorstellbar  duEia  halten,  dafl  «r  ihm  noch 
einmal  auf  den  gleichen  Scherz  hineinfallen  würde.   Also 
mußte  es  ein  richtiger  Keks  sein,  3o   biö  er  vertrauens- 
voll hinein  --  und  TJeberraschung'.  --  es  war  wieder  Seife. 
Diesiaal  weinte  Mathias,  da  nicht  nur  seine  iShre,  sondern 
auch  sein  Vertrauen  am  eigenen  Denken  erschüttert  war. 
So  a«br  er  sich  euch  übte,  die  Sreignlsse  vorauszusehen, 
es  gelöng  ihm  nicht.  Minna,  das  Äidchen,  drohte  ihm  rnit 
Ami  schwarzen  Mann  für  irgendeine  üebeitat,  sie  zeigt© 
ihm  sogar  die  SJessingtür  am  Küohenofen,  durch  die  der 
tchwarz«  Mann  kommen  würde.  Kr  glaubte  kein  Wort  davon. 
Er  wußte,  es  gab  keinen  schwarzen  ISann.   ün  paar  Tage 
darauf  läutete  es  an  der  Haustür  und  Uathiae  stürzta 
hinzu,  um  sie  zu  öffnen.  Draußen  stand  der  schwarze 
Mann,  mit  hohem  schwarzen  Hut,  einem  Reifen  in  der  Hand, 
rollte  seine  Augen  und  zeigte  gräßliche  weiBe  i.ähne'. 
Mathias  verkroch  sich  unter  dem  Tisch.  Natürlich  lernte 
er  später,  unter  dem  Gelächter  der  üutter  und  der  Oe- 
sohwister,  äa£  es  der  Schornsteinfeger  gewesen  war.  Aber 
konnte  man  das  glauben?  Sie  mochten  wieder  einmal  ihm 
Dinge  erzählen,  die  dann  später  sich  als  unwahr  heraus- 
stellten. All  dies  waren  Erlebnisse,  die  nur  den  Boden 


I  I 


16 


▼orbarelteten  für  dlo  entsetzlichste  üeberraschung  in 

seinem  Kinderleben. 

Zu  jener  Zelt  seiner  Kindheit  lebte  der  Großva- 

« 
ter  bei  ihnen  im  Hause*   Der  war  ein  wunderbarer  alter 

Mann  und  Spielgefährte •  £r  liebte  den  Kleinen ,  als  den 
JOngeten,  der  bei  dem  alten  Mann  bliebe  wenn  alle  ande-* 
ren  H&usgenosseu  sich  anderswo  tummelten^  ihren  GeMhäf- 
ten  naohginpen,  worunter  auch  der  Schulbesuch  der  älte- 
ren Kinder  einbegriffen  war.   Der  alte  Mann  war  einsam* 
Br  hatte  vor  kurzem  seine  Frau  verloren,  nun  lebte  er 
beim  oohn  und  der  Schwiegertochter,   3ie  waren  gut  zu 
ihm,  aber  sie  wuiu>tan  natürlich  nichts  TM  4ea  Allein«* 
»ein  des  Alters,  von  der  tiefen  3ehnsucht  nach  2iärt- 
lichkeiti  nach  deni  Gewiegt-  und  Besorgtwerden,  nach  dem 
Gefüttertwerdan  und  dan  alten  Kinderliedorn,   Der  kleine 
Mathias  war  der  richtige  3pielgefährte,  denn  wenn  er 
auch  nicht  die  heißiliche  Sehnsucht  des  Grciivaters  erfül- 
len konnte,  so  konnten  sie  jedenfalls  all  das  Begehrens- 
werte Iä  Spiel  und  mit  wechselnden  ^iollen  geschehen  las- 
MB«  Sie  konnten  einander  füttern,  beim  .^ziehen  und 
Waschen  helfen,   Sie  konnten  zusammen  zur  Musik  der  **Hof- 
lausikanten''  tan2;en,  und  er  konnte  deti  Kind  all  die  al- 
ten kleinen  Lieder  singen,  wenn  er  ihn  auf  seinen  Knien 
»ehaukeln  ließ.  Auch  spielten  sie  Ueberraschung  zusam- 
men, aber  Ueberraschung,  die  eine  Regelmääigkeit  gewor- 


17 


den  war,  das  Z»u#rw8rtende  und  doch  immer  Ntue*  Morgens, 
gftna  früh,  wenn  alle  Andern  noch  schliefen  und  selbst 
Miona  noch  nicht  erwacht  war,  stand  kathlas  auf  und  schlich 
•ich  in  seine»  aroßvaters  Zlmiaer,   Die  Vorhänge  waren  noch 
zugezogen,  aber  die  3onne  schien  durch  die  Ritzen  und 
schickte  einen  feinen  dünnen  Strahl  zum  großen  runden 
Tisch  in  der  Kitte  des  .:.iimrier8,  der  coit  einer  schweren 
dunkelroten  Tisohdecke  bodeckt  war,   üas  groiJe,  alte, 
braune  Bett  war  auch  gut  erkennbar  und  sogar  das  Nacht- 
geschirr unter  dem  Bett*  Sine  Vase  rait  Blumen  stand 
auf  dem  Tisch,  auf  dem  Waechtisoh  dar  Krug  und  die  A'asch- 
Schüssel.   Der  Schaukelstuhl  knarrte  ein  wenig,  wenn  man 
ieran  ankam.  i>er  rote  Divan  schaute  einladend  herüber 
und  erinnerte  Mathias  daran,  wie  er  einmal  nach  vielem 
Hin*  und  Herrutschen  auf  diesem  i^ivan  ermüdet  eingeechla- 
fen  war  and  beim  Erwachen  nicht  etwa  seinen  Groi^vater, 
sondern  einen  fremden  Mann  zu  sehen  vermeinte,  line 
erschreckende  Ueberraschungl  ^b   stellte  sich  dann  aber 
heraus,  daß  der  Fremde  sein  von  einer  Heise  zurückge- 
kehrter Vater  war,  der  der  Mode  gemäß  sich  hatte  inzwi- 
schen den  schönen  vollen  3pitzbart  abnehmen  lassen  und 
somit  dem  kleinen  Kiiaben  ein  völlig  verändertes  Gesicht 
zeigte.  Aber  diese  Erinnerung  tauchte  nur  gleichsam  al» 
kleine  Kostprobe  von  anderen  üebarraschungen  auf,  während 
Mathias  die  erwartete,  und  so  sicher  folgende,  voraus- 


^^ .1*1  J.L^  ■■  t   t.fc 


.>.L  «ku.ti>  isA*. 


18 


nahm.  Jfir  sohlioh  sloh  ans  Batt  das  Groüvatörs.   Der  lag 
da  mit  geschlossenen  Augen,  schlafend  und  schnarchend, 
wie  es  sich  doch  für  einen  wirklich  Schlafenden  gehörte. 
Sr  trat  ganz  nahe  heran  und  e treckte  die  kleine  Hand  un- 
ter das  weiße  große  Daunenkissen,  auf  dem  der  Kopf  des 
alten  Herrn  lag.  Er  fühlte  etwas  Hartes  und  xog  ein  Dös- 
chen haraua,  dMi  er  schnell  öffnete«   Da  waren  sie,  die 
kleinen  bekannten  Bonbons,  die  so  wunderbar  nach  allen 
möglichen  Früchten  und  süßen  ofiften  schmeckten.  Schnell 
steckte  er  eins  in  den  Mund,  Großvater  machte  diese  Bon- 
bons in  der  Nacht  für  ihn,  und  jeden  Morgen  war  ein  ge- 
fülltes Döschen  unter  dem  Kopfkissen,   Das  war  aber  doch 
noch  nicht  das  gan^e  Vergnügen.   Jetzt  kam  das  ;*:nde  des 
Rituals.  Mathias  küUte  den  alten  Mann  auf  beide  Augen* 
Dms  Schnarchen  hörte  auf  mit  einem  let^iten  tiefen  Atem- 
zug, die  Augenlider  blinzelten  und  der  Oroßvater  war 
wach,  wie  er  natürlich  schon  lange  gewesen  war,  und  herz- 
te und  küüte  das  sich  überrascht  stellende  Kind.  Eit 
solchera  Beginn  des  Tages  und  solch  einem  herzlichen  Groß- 
vater war  dlö  übrige  W«lt  erträglich.  Man  konnte  Fritz 
und  Rolf,  Lieschen  und  llarla  ruhig  zur  Schule  gehen  las- 
sen, ohne  so  schrecklich  dringend  mitgehen  zu  wollen. 
Man  konnte  Ja  Schule  roit  Großvater  spielen.  Vater  und 
Mutter  konnten  ruhig  aia  Abend  ausgehen  und  wohl  auch 
manchmal  die  älteren  Kinder  mitnehmen,  der  kleine  Mathlas 


19 


fühlte  aioh  slohar  und  «ikl»  wenn  der  Großvater  an  sei- 
nem Bettchen  saß  und  Ihm  Mfirohan  erzählte •  Auoh  Minnas 
schwarzer  Mann  konnte  ihm  nichts  mehr  anhaben,  hatte  ihm 
doch  der  Großvater  Bilder  In  einem  Buch  gezeigt,  auf  de- 
nen viele  schwarze  Menschen  waren,  die  in  Gras-  und  Blät- 
terhütten lebten  in  einem  Land,  wo  die  3onne  so  warm 
ßchien,  daß  alle  Menschen  ganz  natürlich  dunkelbraun  wur- 
den wie  ein  guter  Braten.   3o  war  er  auch  gar  nicht  so 
Überrascht  wie  seine  Geschwister,  als  er  mit  seiner  gan- 
zen Familie  in  eine  Ausstellung  im  Z*oologischen  Garten 
ging,  wo  ein  richtig#«  Negerdorf  zu  sehen  war  mit  einigen 
Negerfamilien,   Sein  /Rissen  hatte  schon  beträchtlich  zu- 
genommen« 

Unes  l^orgens  stand  er  wie  gewöhnlich  in  der 
schweigenden  Frühe  auf  und  ging  zu  seinem  Großvater* 
Als  er  das  Zimmer  betrat,  hatte  er  ein  Gefühl  von  An- 
ders-Sein.  Er  trat  an  das  Bett  heran,  der  Qroüvater 
achlief,  aber  er  schnarchte  nicht.  Leise  nahm  das  Kind 
die  kleine  Dose  unter  dem  Kopf kiesen  hervor •  Dann  stell- 
te er  sich  auf  die  Zehenspitzen,  um  den  alten  iUann  wie 
i;0Wöhnlich  zu  küssen*   Bieser  regte  sich  Je4ooh  nicht 
und  fühlte  sich  kalt  an.  Hun  be»erkte  Mathias,  daß  des 
Großvaters  Augen  halb-offen  standen  und  der  Mund  ganz 
offen,  und  in  dem  Schimaer  des  schüchtern  eindringenden 
Morgenliohtes  schaute  der  Alte  ganz  blau  aus.  Verwirrt 


II 


20 


und  verwundert  schüttelte  er  den  Alten  und  griff  nach  den 
Händen,  die  eiskalt  waren*   Ale  auch  Jetzt  kein  /^eichen 
vom  Großvater  kw»  fing  Mathias  an,  laut  zu  weinen.   Daa 
laute  Schluchten  brachte  den  Bruder  Fritat  herbei,  dor  so- 
fort nach  dem  Vater  lief,  war  aa  ihm  doch  klar,  dai2  der 


Großvater  tot 


In  der  Aufregung  und  dem  Trubel,  der 


durch  den  Tod  heraufbeschworen  war,  war  Mathias  vergas- 

B  er  der 


sen«  NlMUnnd  hatte  ^ur  Kenntnis  gen 
Entdecker  der  schrecklichen  üeberraschung  gewesen  war. 
Er  saß  In  der  Küche  am  Boden,  schaukelte  hin  und  wider 
ttid  weinte  leise  vor  sich  hin.  Dann  Mgte  man  ihm,  daß 
der  Großvater  ganz  plötalich  in  der  Nacht  gestorben  sei; 
am  ''Schlag'^  sagte  Minna,   In  Großvaters  Zi«Mr  gingen 
viele  llenaehen  ein  und  aus;  er  selbst  durfte  nicht  hin- 
ein, Kines  eptten  Nachmittags  kamen  sechs  schwarze  Hfin- 
ner,  schwarz  gekleidet,  mit  schwarzen  Hüten,  aber  nicht 
im  Gesicht.   Die  trugen  den  schwarzen  Sarg  hinaus,  in 
dem  sein  Großvater  lag,   3ein#  Mutter  Mgte  ihm  zum 
Trost,  dafl  sein« Großvaters  Seele  zum  3tern  am  Klmmel  ge- 


worden war,  und  sie  zeigte  ihm  sogar  diesen  3tern 


Kr 


glaubte  zögernd  daran  und  ^mirde  ein  stilles,  vorsichtiges 
Kind,  das  anfing,  sich  für  Gott  und  den  Himmel  zu  in- 
teressieren. 


■  [— ^i*ai  JaiMi-  ■  -*-  ■  rf^M.   .  li.' 1 


«^aAti«ft.f.Ajftf.A&j.^i<  •  1  ^^t  i  I  •. 


21 


III 


Di«  Morgenatuadan  mit  ihrar  Krankanhausroutlne 
vergineon  heute  nur  »ehr  langsam  für  J^athlas.  Kr  muß- 
te noch  den  letzten  Besuch  »eines  Arztes  abwarten, 
nachdem  alle  übrigen  Einzelheiten  der  Btiquette  einer 
Entlassung  aus  dem  Spital  beobachtet  worden  waren,  wäh- 
rend er  auf  den  Kollegen  wartete,  wanderten  seine  Gedan- 
ken bin  und  her  TOn  <leT   nahen  Zukunft  zur  Vergangenheit. 
Bald  würde  Charlotte  konmen,  um  ihn  abzuholen;  sie  ließ 
sich  dieses  Vergnügen  nicht  nehmen.  Sie  wollte  ihn  zurück 
in  ihr  Haus  führen,  das  sie  sicher  zu  seinem  itopfang  fest- 
lich hergerichtet  hatte.  Er  konnte  die  Atmosphäre  ange- 

Torausftihlen  und  -sehen:   die  Blumen  in  allen  Zimm»rn, 
besonder»  aber  in  seinem  Arbeitszimmer,  der  gastliche  Duft 
eines  guten  Mahles,  das  mit  größter  Sorgfalt  von  Charlot- 
t«  »»Inön  Vorlieben  gemfiß  angegeben  und  von  der  Köchin 
zubereitet  sein  würde.  Ir  stellte  sich  das  »anfte  Licht 
in  seinem  ArbeitszlMier  vor,  die  mit  Büchern  bedeckten 
WEnde.  seinen  Schreibtisch,  auf  dem,  obgleich  nicht  ein 
Stauhöhen  zu  sehen  war,  doch  alles  genau  so  lag,  wie  er 
es  vor  sechs  ?;ochen  verlassen  hatte.   Sein  Manuskript 
war  an  der  Stelle  aufgeschlagen,  wo  er  aufgehört  hatte, 
zu  schreib«».  Er  würde  nun  diese  Arbeit  wieder  in  An- 


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griff  nehmen,  wShrend  der  kommenden  Schonungspdrlode, 
die  er  für  ölch  als  Ferien  bezelohnete.  Ir  konnte  sogar 
hoffen,  dies«  Arbelt  bei  dem  n&ohsten  wissenschaftlichen 
Kongrees,  der  In  drei  Monaten  stattfinden  sollte,  selbst 
vorzutragen,  wahrend  seiner  Ferien,  wenn  auch  nicht  so- 
fort, gedachte  er  auch  sein  eigenes  Spital  und  sein  La- 
boratorium zu  besuchen,  9r   mußte  unwillkürlich  lächeln, 
als  tr  an  seine  Kollegen  dachte.  31e  hatten  wohl  alle 
erwartetp  daes  er  sterben  würde,  besonders  aber  derjeni- 


ge, der  Ihm  ia   Hang 


ißchsten  stand.   Der  hatte  wohl 


heimlich  schon  ausgerechnet,  wann  er  den  Lehrstuhl,  den 
Mathias  seit  so  vielen  Jahren  an  der  Universität  inne- 
hatte, elMiehiaen  würde.  2r  hette  sich  gar  so  entsetzt 
gezeigt  über  Mathias»  plötzliche  Erkrankung;  aber  ver- 
denken konnte  jBan  es  ihm  doch  nicht,  daß  er  uit  beiden 
Augen  nach  der  sicheren  und  ehrenvollen  Stellung  herüber- 
blinzelte. Auch  alle  die  anderen,  jünp.eren  Foliegen  moch- 
ten wohl  schon  eifrige  Berechnune^n  untereinander  ange- 
stellt haben  in  bezug  auf  die  Verschiebung  der  Anstellun- 
gen, die  imirxar  einer  freiwerdenden  ordentlichen  Irofes- 
sorstelle  folgten,  •'Wie  enttauscht  sie  alle  sein  werden,^ 
dachte  Mathias  und  konnte  sich  einer  gewissen  Schaden- 
freude nicht  erwehren,   Sr  hatte  ihnen  allen  ein  Schnipp- 
chen geschlagen,   Sie  hatten  seinen  Tod  so  sicher  angenom- 
men, und  hier  war  er  quicklebendig  und  bereit,  bald  die 


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Zügel  wieder  In  seine  Hand  2iu  nehmen.  Vielleicht  aber 
waren  sie  auch  wirklich  sehr  erschreckt  und  ehrlich  um 
ihn  besorgt  geweMB^i  besonders  einige  von  den  ganz  Jon«^ 
gen  Mitarbeitern,  die  Ihn  verehrten  und  noch  viel  von  ihM 
SU  lernen  erhofften*  Mochte  es  für  sie  nicht  eine  groüe 
heitere  Freude  sein,  ihn  nach  diesem  Schrecken  wieder 
lebendig  unter  ihnen  zxx   sehen?  fast  so,  dachte  Mathias, 
wl«  in  seiner  Kindheit  am  Lear,  als  er  seibat  noch  nicht 
aohwiiamen  konnte,  Jft  sogar  eine  gewisse  Scheu  vor  den 
hereinstürzenden  ^Yellen  hatte  und  die  älteren  Kinder  ihn 
temit  neckten,  daB  sie  ^toter  Mann^  spielten;  sie  legten 
sich  flach  auf  den  Äüoken  und  ließen  sich,  selbst  ganz 
bewegungslos,  von  den  A/ellen  tragen.   Angstvoll,  nur  bis 
zu  den  Waden  im   nasser  stehend,  hatte  er  ihnen  zugeschaut, 
und  er  war  immer  wieder  ungemein  erleichtert  und  glück- 
lich gewesen,  wenn  seine  Oesohwister  sich  wieder  aufrich- 
teten und  sich  als  herumspringende  und  lärmende  Kobolde 
in  ihrer  gewöhnlichen  und  ihnen  angemessenen  Netur  zeig- 
ten* Heute  war  er  "der  tote  Mann,''  der  zwar  nicht  herum- 
springen, aber  doch  zumindest  wieder  ungehemmt  gehen  und 


sich 


en  konnte. 


Eiidlich  kam  der  Kollege,  der  ihn  noch  einmal  un- 


tersuchte, und  nachdem  er  ihm  bestiinmte  VerhaltungsmtÄ* 
nahmen  vorgeschrieben  hatte,  die  Mathlas  fast  als  spai21g 
empfand,  mit  besten  Wünschen  und  Rfindeschütteln  als  weit- 


) 


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gehend  gebessert  nach  Uauae  entließ.  Heiter  verabschie- 
dete er  sich  von  den  anderen  Ärzten  und  den  Krankneschwe- 
stern*   Erwartungsvoll  und  etwas  \mgeduldlg  ließ  er  sich 


•it  Charlotte  zxx 


im  Fahrstuhl  hinunterfahren.  Fast 


Jugendlich  ging  er  seiner  Freu  voraus  durch  da«  große 
Portal  des  Krankenhauses,  durch  d«e  er  vor  nur  sechs  Wo- 
chen bewUi^tlos  hineingetragen  wordon  v/ar.  Welch  eine 
glückliche  Ruhe  hat  er  in  dieser  ^ieit  hier  gefundenl 
nichts  konnte  ihn  mehr  erschrecken  oder  überraschen,  da 
•r  der  Zukunft  wlBsend  entgegenging, 

Uebermütig  wandte  er  sich  Uta  nach  Charlotte,  um 
Ihr  ein  paar  heitere  Worte  zu2,urafön,  gerade  als  er  die 
Straße  überquerte,  um  zu  dem  auf  ihn  wartenden  vvapen  zu 
gelangen.   Er  hatte  in  seiner  fröhlichen  Laune  dabei  we- 
der nach  rechts  noch  links  gesehen  und  so  nicht  bemerkt, 
da£  sich  das  Verkehrssignal  geändert  hatte.   Ein  schnell 
^•ilrandes  iiutomobil  stlciä  Ihn  nieder  und  schleifte  ihn 
ein  gutes  Stück.  Weit,  weit  entfernt  hörte  er  ein  selt- 
sames Krachen  und  Knirschen;  ein  Hinauf-  und  Hinunter- 
wogan  machte  ihn  schwindlig  und  seakrank.  Ein  unbekann- 
ter unerträglicher  Schmerz  raubte  ihm  fast  die  Besinnung, 
und  in  jäher  Ijebarraschung  sah  er  ein  fremdes  Gesicht  sich 
über  ihn  beugen,  ein  Cresicht,  das,  der  lüode  entsprechend, 
glatt  rasiert  war.   Dann  aohloö  er  für  immer  die  Augen. 


V 

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DIE   ÜBroRASCHUNG 


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I 


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V^MaäUa-u^,    I'?6"ö 


DIE  ÜBERRASCHUNG 


Mathias  war  nie  In  seinem  Leben  so  ruhig  und  glück- 
lich gewesen  als  In  diesen  letzten  sechs  Wochen,  die  er  Im 
Krankenhausbett  verbrachte,   jle  tiefe  oberzeugung  seines 
Lebens,  seit  den  jungen  Jahren  seiner  Kindheit,  hatte  sich 
Ihm  bewahrheitet«   Wissen,  so  hatte  er  schon  als  Kind  ge- 
dacht, war  Schutz  gegen  plötzliche  Gefahren,  deren  gröeste 
und  schrecklichste  der  Tod  Ist«   Weiss  man,  was  Im  menschli- 
chen Körper  vor  sich  geht,  kennt  man  seine  i-'hyslologle  und 
Anatomie  und  alle  Einzelheiten  Ihres  gestörten  Verlaufs, 
dann  und  nur  dann  kann  man  sicher  sein,  dass  der  'ichrecken 
des  Überraschtwerdens  einen  nicht  überwältigt«   So  war  es 
auch  vor  sechs  ^Vochen,  als  er  an  seinem  fünfzigsten  Geburts- 
tag die  bedrohenden  Zeichen  eines  ersten  Herzanfalles  er- 
lebte. Db   er  ein  bedeutender  Herzspezlallst  war,  erkannte 
er  sie  sofort  und  war  so  sehr  Herr  der  Situation,  dass  er 
seiner  Frau  Charlotte  V?arnung  und  Anweisung  geben  konnte, 
bevor  er  das  uewusn tscin  verlor«   Zwar  waren  die  darauffol- 
genden Tage  und  Wochen,  nachdem  er  erwachend  Im  Krankenhaus- 
zimmer Charlotte  und  eine  Krankenschwester  an  seinem  Bett 
sitzend  gefunden,  vollfwn  körperlichen  Leidens  gewesen*  Trotz- 
dem  war  das  tiefe  GlückegefUhl  und  die  geistige  Ruhe  ein  kost- 
llches  Erlebnis«   Fr  war  angstlos,  und  wenn  er  an  den  Tod  dach- 


II   i«ifc  I   I 


te,  80  erßchlen  er  Ihm  ale  etwas  Bekanntes,  etwas,  was  er 
gerade,  wenn  auch  nur  In  Form  einer  *'rcbe,  schon  durchlebt 
hatte.   h:r  konnte  mit  Interesse  den  täglichen  Berlc^iten  sei- 
nes Kollegen  über  den  Fortschritt  seiner  Genesung  lauschen 
und  mit  Ihm  besprechen,  v;ac  seine  Lebenserwartungen  waren# 
Er  konnte  Pläne  machen  In  3e%ug  auf  ein  künftiges  Regimen 
und  seine  eigene  wissenschaftliche  Arbelt;  berechnen,  wie 
weit  etwa  er  seine  Forschungen  beschleunigen  oder  einschrän- 
ken müssl(e,  um  vor  seinem  zu  errechnenden  Knde  noch  gewisse 
Resultate  zu  erreichen.   Er  dachte  mit  Wärme  und  freundli- 
chen Gefühlen  an  Charlotte,  die  durch  fast  zwanzig  Jahre  Ihm 
eine  so  herzlich  gute  Gefährtin  gewesen  war,  und  dass  er  sie 
wohl  versorgt  zurücklassen  würde.  Selbst  wenn  er  nicht  völ- 
lig die  Ihm  noch  zustehenden  zehn  Jahre  leben  sollte,  so  wür- 
de sie  vor  Not  geschützt  sein.   Er  hatte  keine  Klnier.  Früh 
schon  hatte  er  diese  Frage  entschieden  beantwortet:  Schwan- 
gerschaft, Geburt  und  Aufzucht  von  Kindern  war  ein  Risiko, 
das  nicht  berechnet  werden  konnte  und  zu  viele  Überraschun- 
gen mit  sich  trug#  Co  war  es  Ihm  lieb  gewesen,  dass  Char- 
lotte nicht  darauf  bestand  und  Ihr  Lebensziel  darin  sah, 
fvathlas*  Dasein  so  ruhig  und  störungsfrei,  zumindest  zuhause, 
hlnflleseen  zu  lassen  als  es  In  menschlicher  Macht  stand. 
MÄthlas  dachte  ralt  Dankbarkelt  an  die  Jahre  Ihrer  Ergeben- 
heit und  Treue,  die  es  Ihm  ermöglicht  hatten,  sich  ganz  sei- 
ner Arbelt  und  seinen  Studien  zu  widmen  und  Ihm  alles  Getüm- 


mel  unJ  alle  Unruhe  fernhielten*   Er  hatte  Charlotte  seit 
Ihrer  gemelneamen  Kindheit  gerne  gehabt*  Er  wusete  von  ih- 
rer Liebe  zu   ihm  seit  Jener  Zeit  als  sie  beide,  etwa  sechs- 
jährig, zusammen  auf  der  kleinen  Wiese  vor  der  Kirche  spiel- 

lus  Gänseblümchen  einen  Kranz  machte,  tmd 


/ 


ten  und  Charlotta^i 

i*«  dem  Gespielen  um  die  Stime   legte*     Sie    hatte  verzückt 


still  vor  ihm  gestanden  und  aufseufzend  gesagt:    '*Du  siehst 
aus  wie  der   ?,ngel.''     H,r  kannte  den  r-ngel,    auf  den  sich  tiie 
kleine  Lotte  bezog.     Er  war  In  seinem  eigenen  Bilderbuch  zu 
sehen *w«i  beide  Kinder  hatten  i^  oft  zusammen  das  3ild   an- 
eschaut*      Er  f^nd  den   rj:ngel  auch  schf5n,   konnte  aber  nicht 


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ganz  Lottes  Liebe  zu  ihm  teilen.   Seine  eigene  starke  Liebe 
P'ehörte  einer  anderen  Gestalt  in  demselben  ßuch:   Das  war 
Christus  Im  langen  weissen  Gewan.: ,  mit  einem  Spltzbsrt  und 
einem  strahlenden  Heiligenschein  um  das  Haupt,  der  gerade 
den  vorher  toten  Lazarus  zum  Lehen  erweckt  hatte.  Auch  ein 
ähnliches  Bild,  das  Christus  In  gleicher  Weise  aber  mit 
Jalrus  Töchterchen  darstellte,  hatte  Mathlas  sehr  gern.  Je- 
doch keines  der  anderen  3ilder  f^ab  Ihm  das  üefUhl  tiefster 
Liebe  und  Ruhe,  das  er  beim  Anblick  der  Wiedererweckung  von 
Lazarus  hatte,  Charlotte  aber  liebte  den  Engel,  der  mit  ge- 
zfJcktera  fiChwert  vor  dem  Eingang  zum  i'aradles  stand. 

Jetzt,  im  Krankenhauszimmer,  Im  Bette  liegend,  als 
•r  am  frühen  r-'lorgen  die  Sonnenstrahlen  durch  die  zugezogenen 
Fonstervorhänge  mehr  erriet  als  wirklich  sah,  dachte  Mathias 


an  Charlotte  als   kleines  Mädchen,   und  dasa  er  wohl   Irraner  §•• 


wu 


88t  hatte,  dass  er  sie  heiraten  würde,  war  er  doch  Ihrer 


Liebe  bo  sicher  gewesen  und  so  sicher,  daes  mit  ihr  und  durch 
Bie  nie  ein  erschütterndes  .unvorherge  sehenee  Ereißnis  Ihn 
treffen  würde.   Sie  hatte  es  seihst  so  gewollt,  dieses  Ver- 
hältnis  zu  ihm.  Er  wusste^  dass  er  immer  für  sie  der  iingel 
geblieben  war,  der  den  Eingang  zum  x-aradles  mit  dem  Schwert 
abwehrend  bewachte.  Nur  einen  kurzen  Augenblick  war  das  Para- 
dies unbewacht  gewesen.   Das  aber  war  nicht  für  Charlotte  ge- 
schehen. Das  geschah,  bevor  er  Charlotte  geheiratet  hatte. 
Fr   war  seit  seinen  Jünglings Jahren  ständig  auf  der  Hut  gewe- 
sen vor  dem  Chaotischen,  worunter  er  audi  seine  eigenen  schwer 
zu  beherrschenden  Liebesgefühle  zählte,  Kit  eiserner  Diezi- 
plin  hatte  er  sich  zum  Studieren  unü  Arbeiten  erzogen.   Er 
hatte  schon  früh  erlebt  mtäka»   anderen  beobaehtert,  welch  un- 
heilvolle überraschende  Folgen  entstehen,  wenn  man  seinen  Ge- 
fühlen  freie  BAn  gewährt.  Die  Herzschmerzen  Jetzt,  die  durch 
den  Verschluss  der  Kranzgefässe  hervorgerufen  waren,  waren 

i 

überhaupt  nicht  mit  denen  vergleichbar,  die  er  zum  üelsplel 
erlebt  hatte,  als  er  zwölf  Jahre  alt  war.   Noch  heute,  wenn 
er  an  die  ^rfahmng  mit  dem  überfahrenen  Hund  dachte,  krampf- 
te  sich  sein  Herz  zusammen.  '£r   liebte  Tiere,  besonders  Hunde, 
deren  «s  in  seinem  Hause  Immer  einige  gegeben  hatte.   Einmal 
ging  der  zwölfjährige  Mathias  auf  der  Haupt  Strasse  des  Vor- 
ortes, in  dem  er  wohnte,  spazieren  und  beobachtete  bewundernd 


II 


einen  Jungen  Setter,  der  vergnügt  herumsprang.   Lr  war  an- 
•chelnend  ohne  Begleitung,  Jedenfalls  war  niemand  auf  der 
Strasse,  zu   dem  er  zu  p^^hören  schien*  Plötzlich  durch  Ir* 
gend  etwas  auf  der  anderen  reite  des  Fahrdammes  angelockt, 
rannte  der  Hund  tlber  die  Strasse  und  gerade  vor  eine  Gtras- 
senbahn.  Der   Kondukteur  konnte  den  Wagen  nicht  schnell  ge- 
nug bremsen  und  das  arme  Tier  wurde  überfahren •   Es  stless 
einen  schrecklichen  Schrei  aus,  der  :.'ethla8  durch  alle  Kno- 
chen  fuhr  und  Ihn  einen  Augenblick  lang^ erstarren  llesg^> 
Dann  abtr  rannte  er  In  wenigen  Sätzen  zu  der  Stelle  des  Un- 
glücks.  Ein  kleiner  Menschenhaufen  hatte  sich  angesammelt 

c 

um  den  Hund,   der  blutend  auf  der  Strasse  lag»     Atamr  ^r  war 

nicht   tot.     ^r  winselte  und    echrle.     Niemand  von  den  Umste- 
henden  ^JaalnftrB  daran i   ot»>afr-iu<r..£un.     Idathlas,   dem  -ir^ilbst  die 


Tränen  über  die  Backen  liefen,    stlese  die  Leute  zur  Seite, 
kniete  bei  dem  armsellf^en  Geschöpf  nieder  und  versuchte,    es 
aufzuheben«      F's  war  zu  schwer.     Niemand  half  Mathlas  bei  sei- 
nen  Bemühungen,    obgleich  er   flehte  und  bat«     Schliesslich, 
er  wusste  nicht  wie,   s^l^'^ß   ^ß   ^^^i   ^^^  ilxxnd  auf   seine  Arme 
zu  nehmen*und  verzweifelt  sah   er  sich  um  nach  freundlicher 
Beratung«     Jemand  nannte  den  riamen  und  die  Adresse  eines 
Tierarztes,   nicht   allzuweit  entfernt  von  der  Unfallsstelle. 
Allein,   mit  gröspter  Anstrengung,   die   er  aber  In  seiner  Er- 
regung nicht  spürte,    trug  er  den  Hund  zu  dem  Haus  des  Tier- 
arztes.    Dlecer,   ein  wohlgepfl9gt.r  Herr  In  mittleren  Jahren, 


mit  einer  Blume  im  Knopfloch,   war  ßerade  von  einem  Besuch 
naoh  Haue«  gekommen.     Ale  er  den  erregten  Knaben  aalt  dem  ver- 
vnindeten  Hund  irti,   zeigte  er  sich  zunächst  eifrig  und  freund- 
lich.    Kaum  aber  hatte  er  die  ünglUcksgeschlchte  gehört,   wur- 
de er  unlntereßslert  und  weigerte  sich,   dem  arn»n  Tier  Hll- 
fe  zu  geben,   da  d»r  Besitzer  unbekannt   sei  und^er  für  seine 
i3etnühungen  der  Bezahlung  nicht   sicher  wäre.     Mathlas,   dessen 
mltleldlpeo.   schmerzendes  Herz  einen  Augenblick  lang  Beruhl- 
gung  gespürt  hat*.e,  war  wt«^--v<wr1J&mieT--Bw4lh^  uad  nnuart^-inl^ 
ck(.  Ov    U^T     aller  Macht  gegen   ein  Gefühl   von  Seekrankheit  und  Brechreiz 

ankämpfen^A    -r  brachte  es  dennoch  fertig,   dem  Tierarzt  davon 
zu  reden,   dase  sein  Vater,   despen  Hamen,   Adreose  und  Beruf  er 
•n^a^*    f^Jr   die  Kosten  gutstohen  würde.     Erst  nachdem  sich  der 
Tierarzt    telephonloch  die  Versicherung  von    .athlas*    Vater  ge- 
holt hatte,  wandte   er  sich    dem  schon  fast  verbluteten  Tier  zu. 
Der  KunJ   erlag  am  Abend  seinen  Verletzungen.     Mathlas  war  eini- 
ge Tage  l<?ng  krank  an  Körper  und  Seele.      In  seiner  Fanilll« 
aber  wurde  IJathlas  noch  lange  Zelt  von  den  Geschwletern  und 
dem  Vater  geneckt,   well  er  noch  nicht  genug./^'« lesen  erworben 
hatte,   die  iJnbarmherzlgkelt  seiner  Mitmenschen  vorauszusehen. 
Er  lernte  aber  un2    verstand   es   bald,    sein  eigenes  Herz  vor 
überraschenden  Verwundungen  zu  schützen.     Nicht  aber  gegen 
Renate.     Ale  drelsslgjährlger  verliebte   er  sich  In  sie, ohne 
zunächst  seinen  «Igenen   Gemütszustnnd   ernst  zu  nehmen.     Sie 
war  00  gar  nicht  der  Typus  Frau»   deren  Uberwältlg«^ndcn  tln- 


flufls  er  Immer  gefürchtet  hatte*   Die  ihr  eigene  Anzlehun,;8* 
kraft  war  häW  rp^lw  In  der  Abwesenheit  alles  Auffallenden 
gelegen*   Sie  war  still  und  fremd  und  doch  merkwürdig  be- 
kannt.  Er  nannte  sie  einmal  im  Scherz  Jalrus'  n)cht^rlelnt 
Sie  lebte  für  sich,  obgleich  sie  sehr  Jung  war;  wovon,  konnte 
er  nicht  erraten.   Sie  selbst,  wenn  er  Fragen  diesbezüglich 
stellte,  scherzte  über  die  *'Llllen  im  Felde*"  oder  die  '*Vög- 
lein  im  ValJe."  Als  er  sie  eine  längere  Zelt,  da  sie  krank 
war,  nicht  sehen  konnte,  wurde  er  eich  des  allbeherrschen- 
den  Gefühles  für  sie  bewusst»   Er  musste  ihr  nahe  sein,  und 
sie  erlaubte  seine  Annäherungen.   Dann  kam  das  linde,  das  er 
in  seinem  Zustand  der  Leidenschaft  nicht  einmal  bedacht, 
viel  weniger  vorausgesehen  hatte»   Als  er  ihr,  hingerissen 
von  dem  Frlebnis  einer  Nacht,  die  She  anbot  ohne  Zögern,  be- 
reit alle  seine  klugen,  wissenden  Vorsätze  zum  Teufel  zu 
schicken,  lehnte  sie  ihn  mit  IcBhlem  Erstaunen  ab  und  bekannte 
olch  völlig  unfähig,  seine  Gefühle  zu  erwidern  oder  auch  nur 
die  Beziehung  um  eine  Nacht  zu  bereichern.   In  ihrem  leisen 
Lachen  klaHg  länget  vergessenes  schadenfrohes  Lachen  aus  der 
Kinderzelt  mit.   Einige  Tage  später  hielt  er  um  Charlottee 
Hand  an«   Seitdem  war  sein  Leben  in  ruhigen  i^ahnen  dahlnge- 
flössen«   L's  g«b  kein  Paradies,  aber  auch  keinen  Lrzengel 
mehr,  der  einen  plötzlich  daraus  vertreiben  konnte.  Jahre 
vergingen,  die  Mathias  in  seinen  Forschungsarbeiten  ver- 


brachte. 


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II 


liathlö  ß  erwaohte  eehr  frtlh;  der  L^orgen  dainmerte  erßtt 
Er  lag  sehr  ruhlß,  um  nicht  die  AufojerkBarakelt  der  iTlegerln 
auf  sich  zu  ziehen»  Er   wollte  das  glückliche  Gefühl  der  Stil- 
le geniessen,  das  die  eifrigen  Fragen  der  guten  Krankenachwe* 
stÄr  nur  atören  iHiv^Jn^*     Der  anbrechende  Tag  war  bedoutungs- 
voll*   Heute  H^fcüWe  er  dtt#  Krankenhaus  verlaaeen.   Er  würde 
sich  noch  eine  Zeltlang  schonen  mÜRseni  aber  er  brauchte  sich 
nicht  mehr  als  krenk  oder  invalid  zu  betrachten*   Nichts  durf- 
te  nun  seiner  Rückkehr  ins  tätige  Leben  entgegenstehen.   Eine 
leichte  Seklenimung  befiel  ihn  bei  dem  Oedanken,  dass  Irgend 
etwas  Unvorhergesehenes  geschehen  könntet^  Rr  musste  lächeln, 
als  er  sich  bei  dem  Wunsch  ertappte,- wie  es  wohl  früher  in  un- 
bewachten  f/omenten  auch  pat^viorto ,  -  Gott  In  kindlicher  Weise 
anzurufen.  Kr   erklärte  diesen  kleinen  F.ückfall  mit  der  noch 


bestehenden  körperlichen  Gchwäche.   Sein  Kinderglaube  an  Gott 
war  zerbrochen  zur  Zelt  der  ICplsode  mit  dem  Hund.   Das  war 
eine  schmerzhafte  üeit  gev/esen,  in  der  sein  Bruder  Rolf  eine 
jrr^noQ^.  Rolle  gGspielt  hatte.  Rolf  war  für  ihn  immer  der  grosse 
bewunderte  Wisser  gewesen.   £r  war  sein  angebeteter  Held^^als 
im   noch  ganz  klein  war.   Er  konnte  Geschichten  erzählen  und 


wutste  über  fremde  Länder  und  Völker  viel,  viel  athr  als  :ilin- 
na  oder  sogar  die  S.':utter.   Auch  machte  er  Verse.   Wenn  Rolf 
bereit  war,  mit  einem  zu  spielen,  nahm  man  sogar  seine  Neckerei- 


en  In  Kauf*  Aber  es  w-aiv^n  w^l  such  manche  Krfahrungen  dis- 
llluelonlerender  Natur  mit  dem  pe  liebten  Bruder/  die  iv:athi8  8 
tief  trafen  und  solner  Entwicklung  dienlich  waren»  So  zum 
Beispiel  der  Vorfall  mit  der  Schokolade.  Rolf  war  ein  gie- 
riges Klnd#  Nlenand  truc  ihm  daß  je  nach,  da  man  Ihm  seiner 
vielen  guten  Oaben  wegen  Vieles  zu  Gute  hlelt#  Mathlas  hatte 
früh  gelernt,  dass  man  den  üenuss  von  SUsslgkelt  verlaneern, 
Ja  sogar  steigern  konnte,  wenn  man  das  einem  zugeteilte  Stllck 
Schokolade  In  kleine  Stückchen  brach  und  nur  von  Zelt  zu  Zelt 
eins  dieser  Stückchen  ass*  Dann  reichte  dl§  wunderbare  SVLb^ 
slgkfrlt  durch  lange  Stunden  des  Tagee.  Mathlas  hatte  ein 
paar  iJ\al   schon  diese  Erfahrung  gemacht,  Ja  er  hatte  sogar, 
nachdem  er  eins  der  kleinen  Stückchen  gegessen  hatte,  den 


/• 


Rest  der  ^chokolade  vor   slch^^lber  versteckten   einer  Schu^- 
ade^/'um  so  der  Versuchung,   v;elter  zu  naschen,    zu   entgehen. 


Am  Abend  konnte  er  dann   triumphierend  den  älteren  Geschwistern 
zeigen,   dass  er  noch   Im  Cesltz  des  ersehnten  Gut^j  war.     Wie 
verwirrend  und  demütigend  war  es  dann,    als   beim  nächsten 
Mal,   da  er  wieder  seine  versteckten  SchokoladenstUcicchen  her- 
vorholen wollte,    er  entdeckte,    dass   sie  nicht  mehr  da  waren» 
Dazu   mußste   er  dann  noch  das   Necken  von  Rolf  über   sich  er- 
gehen lassen,   der  stolz  erzählte,   dftte  er  die  Schokolade  er- 
•pürt  und   gegessen  habe  und   sich  weidlich  über  den  vertrau- 
enssollren  dummen  Bruder  lustig  machte,   der  doch   selbst  ver- 
raten hatte,   wo  er  seinen  Vorrat  verbarg.      Auch  knüpfte  Rolf 


10 


eine  moralische  Lehre  daran  über  Qelz  unJ  Hahgieri  und  itathlas 
empfand  seine  eigene  Unzulänglichkeit  alo  sehr  beschämendt 
So  lernte  er,  oeinem  Bruder  Rolf  freiwillig  Immer  den  Rest 
»einer  eigenen  Süoslgkeiten  zu   geben,  selbet  wenn  dieser  Rest 
der  grösrere  Anteil  war.   Dafür  tauschte  er  das  3ewuestsein 
ein,  ein  anctUndiger  I'.renßch  zu  sein,  wofür  er  Rolf  ewig  dank* 
bar  war*   Auch  war  er  ihm  dankbar  dafür,  dase  er  so  viel  über 
Gott  wusste,  als  wäre  er  ganz  persönlich  und  eigens  mit  Ihm 
bekannt,  ganz  anders  als  alle  anderen  Klnder#  Wie  gerne 
lauechte  iilathlns,  wenn  Rolf  von  Gott  und  seiner  Güte  und  «ei- 
nen Forderungen  sprach»   Er  wusste,  welche  Gebete  am  nützlich- 
sten und  wohlgefälligsten  waron,  er  konnte  Talismane  herstel- 
len, die  einen  beschützten,  und  schliesslich  lehrte  er  den 
kleinen  Bru:.er  das  Vater  Unser,  da  er  die  Kindergebete  für 
dumm  und  unwirksam  erklärte*  r-iathias  Hess  sich  nur  zu  ger- 
ne von   Rolf  in  seinem  an  und  für  sich  schon  keimenden  Gottes- 
glauben unterstützent   Zweifel,  die  manchmal  aufkamen,  konn- 
ten abgewiesen  werden  mit  dem  Hinweis  auf  Rolfs  starken  Glau- 
ben* Rolf  musste  es  ja  wissen,  da  er  so  viel,  vielleicht  so- 
gar alles  wusptet   Als  Mathlas  zwölf  war,  um  die  Zeit  der 
Hundeepisode,  bemerkte  er  eines  Abenis,  dass  Rolf  nicht  be- 
tete*  Er  fühlte  sich  verstört  aber  beruhigte  sich  damit,  dass 
en   ein  Zufall  gewesen  sei.   Aber  er  machte  die  gleiche  Be- 
obachtung an  den  folgenden  Abenden,  und  schllesrllch  fragte 
er  Rolf  nach  dem  Grund  dieser  iiachlässigkelt.   Was  er  zur  Ant- 
wort  bekam,  erschütterte  Ihn  sehr,  denn  Rolf  klärte  Ihn  dar- 


I  I 


11 


über  auf.  daßß  es  keinen  Gott  cab.   Er  konnte  dee  Nachte 
nicht  einschlafen,  4*.  er  dem  Rat  des  Bruders  f olßend  das  :,^e- 
ten  aufgegeben  hatte.   Dlesrnal  vrar  er  nicht  sicher,  ob  »^^^ 
Ältere  %\^\j^iUtM»UW^t§i,  oder  Ihn  nur  zum  testen  hlei..   «ci»r 
das  irlGbnls  mit  den  den  üborfahronen  Hund  umstehenden,  er- 
barmunselosen  Menschen  und  'mit  dem  Tierarzt  entschied  diese 
Fragre  ft!r  Ihn.   Er  fühlte  sich  kalt  und  unbe schützt.   Ee  war 
ein  Gefühl,  das  Ihn  an  ein  kleines  Lied  erinnerte,  daß  sein 
Grossvater  —  oder  war  es  r/lnne  —  Ihm  vorzuslncen  pflegte, 
und  das  Ihn  Immer  mit  rcslßnierter  rraurlgkelt  erfüllt  hatte. 

Chrlßtlnchcn  brbs  Im  Garten 
Das  Unglück  zu  erwarten, 
denn   sie  hat  schon  Im  Traum  gesehen 
Dass  sie  Ira  Rhein  muas  untergehen. -- 
Sie  fuhr  über  eine  Brücke, 
Die  Brücke  ßlng  In  Stücke, 
Christinchen  fiel  In  den  Rhein  hinein 
Und  hörte  dort  die  tngeleln. 

Eigentlich  hörte  er  dieses  Lied  nicht  gerne  und  dachte 
auch  nicht  gerne  daran.   Denn  ob£lelch  Chris tlnchen  durch  den 
Traum  von  Ihrem  Schickaal  verständigt  worden  war,  war  sie  auf 
den  Einbruch  der  Brücke  doch  nicht  vorbereitet  Belesen. 
was  das  Singen  der  r:ngeleln  anbelanete,  eo  konnte  sich  l^iathlas 
beim  besten  Willen  nur  sehr  traurige  Lieder  vorstellen,  etwa 
solche,  wie  die  .'.Butter  ßle  Ihra  menchmal  vorsang, und  die  Ihn 
regelmässig  zum  Weinen  brachten,  obeldch  gar  keine  Überra- 
schungen m  diesen  Liedern  für  Ihn  vorhanden  waren.   Lr  kannte 
sie  schon  alle  auswendig. 


Und 


12 


So  weit  er  zurückdenken  konnte,  waren  es  Iminer  Über- 
raschungen gewesen,  die  sein  Leben  verbittert  hatten,  beson- 
ders  in  seiner  Kindheit.  Co  hatte  er  schon  ale  kleines  Kind 
eingesehen,  dasR  .Vlssen  die  einzige  und  mächtigste  v.'affe  war 
gegen  Überraschungen.  ^Sp^-^wt^ÜMü  J o % a fer-a fi  ■*) uncsa »4A«  ^Is  er 

In  einem  grossen  sonnigen 
Er  war  das  jüngste  Kind. 
^£.aiteren  Schwestern  und  ürUder]^  kümmerten  sich 


ungefähr, drei  Jahre  alt 
Hau8y.tn*t^  schönem  Garte 


nur  um  ihn,  um  ihm  sein  Unwissen  auf  die  erfinderischste  Art 
vorzuführen.  Sie  konnten  einfach  davonlaufen,  wenn  sie  ihn 
gentigcnd  geneckt  hatten  --  für  immer,  denn  er,  der  nur  kurze, 
kleine  Seine  hatte,  war  nicht  fähig,  sie  einzuholen,  wie  sehr 
•r  sich  auch  anstrengen  mochte.   Sie  hatten  ihre  eigenen  Spie- 
le und  Vergnügungen,  und  wenn  sie  Ihn  daran  teilnehmen  liee- 
sen,  so  war  es  nur  immer  zum  röcheln.   Irgendeine  schreckliche 
Überraschung  machte  regelmässig  diesem  Schein  ein  inde.   So 


zum 


Beispiel,  als  die  Birnen  Im  Nachbargarten  reif  waren, 


und  die  Horde  der  älteren  Geschwister  (es  waren  nur  vier, 
aber  für  .'athias  waren  sie  mannigfaltig  wie  die  römischen 
Legionen)  beschlosß,  über  den  Zaun  zu  steigen  und  die  herrli- 
chen grossen  3irnen,  die  so  süss  und  saftig  waren,  zu  steh- 
len.  Er  war  bei  dieser  Beratung  anwesend  und  fühlte  »loh 
orrossartig  mit  einbezogen  im  Bat  der  Grossen.   Er  sah  sich 
auf  dem  Baum,  auf  den  höchsten  Ästen  und  w»»**«,  wie  dank- 
bare Anerkennung  zusammen  mit  der  süssen  Frucht  schmecken 


.  ,«a ..  .   ^i  '.ji.  tk-'.W  ^*. 


lÜ 


würde,  die  er  lr>  die  Ihm  enteegengestreoxten  üände  der  den 
Bauro  umstehenden  Korde  warfen  wUrde.   Er  sagte  auch  laut  zu 
Ihnen,  'wae  er  zu  tun  Im  Sinn  hatte,  und  ele  nahmen  ee  freund- 
lieh  ernunternd  auf.  Sie  rannten  ^m,  ..'lathlas  mit  Ihnen,  zum 
Zaun,  der  den  Nachbargjarten  umgab.   Schnell  und  leicht  Uher- 
8tlep,«ö  «*«  4+»«  und  war«»  oohen  auf  der  andern  Seite  und 
schon  beim  Slmbaum.  Armer  Mathlas,.  Die  Überraschung  kam, 
er  hing  mit  seinem  Höschen  am  Zauni  zwl'schen  Himmel  und  Krde 
schwebte  er,  und  statt  des  Jubelns  dar  dankbaren  Geschwister 
hörte  er  Ihr  höhnlecheo  Freudeni^:elächter.   So  hing  er  und 
schrie  und  weinte  durch  Ewigkeiten  —  zumindest  ein  paar  end- 
lose  i.':lnuten;  ct«fm  kam  die  3efrelune  In  Gestalt  seiner  Mutter 
--  ein  Engel  Gottes  wäre  ihm  lieber  gewesen,  denn  der  hätte 
ihn  nicht  auch  noch  gescholten  und  bestraft.—  Oder  das  andere 
Mal,  als  ihm  sein  Bruder  Rolf  einen  lieblichen  Keks  anbot. 
Er  blss  sofort  hinein  —  und  es  war  Deife,   Das  war  nicht 
das  'Schlimmste.  Man  rausste  wohl  dem  älteren  und  bewunderten 
Bruder  solche  Zugeständniese  machen.   Es  war  wohl  in  der  Ord- 
nung der  'Veit,  dase  die  i ehrwissenden  ihren  Spass  mit  den  ünwiS' 
senden  trieben.   Aber  das  zweite  i7ial  hätte  es  nicht  geschehen 
dürfenl   Das  war  entsetzlich  kränkend  gewesen.   Ein  paar  Tage 
nach  der  ersten  Seifeneoisode  wiederholte  sich  der  Spuk.   Dies- 
mal war  f,:athiaß  so  klug  «gewesen:  er  war  nicht  bllndllnrs  dar- 
auf  hlnelnK«f»llen.   Er  hatte  tiefe  Gedanken  gehabt,  voll/ un- 
bezwingbarer Logik:  dass  nun  doch  der  Bruder  Ihn  einmal  bin- 


lA 


eingelegt  hatte;  er  musste  alßo  annehmenp  dass  Mathlaß  ge- 
lernt hatte  Bwn   dleeem  Firlebnls  und  konnte  Ihn  nicht  für  bo 
unvorstellbar  dumm  halten,  dasa  er  ih^n  noch  einmal  auf  den 
gleichen  Scher:^  hineinfallen  wiJrde.  Also  muc?ste  es  ein  rieh- 
tls^t^Keks  ßeln#   So  blsß  er  vertrauensvoll  hinein  —  und 
Überraschung!  --  es  war  wieder  Seife»   Diesmal  weinte  ^athlas, 
da  nicht  nur  seine  Lhre,  condern  auch  sein  Vertrauen  am  eige- 
nen Denken  erschüttert  war. 


seiner  irr 


borr 


So  sehr  er  sich  auch 


übte,  die  frelgnlBce  vorauszusehen,  es  gelang  Ihm  nicht« 
Minna,  das  f.ädchen,  drohte  Ihm  mit  dem  schwarzen  ;'ann  für 


M 


Irgendeine  Übeltat,  sie  zeigte  Ihm  sogar  die  :  esslngtUr  am 
Küchenofen,  durch  die  der  schwarze  h^ann  kommen  würde.   Er 
glaubte  kein  Wort  davon.   Er  wusste,  es  gab  keinen  schwar- 
zen Ä'önn.   Ein  paar  Tage  darauf  läutete  es  an  der  Haustür 
und  V.athlas  stürzte  hinzu,  um  sie  zu  öffnen.   Draussen 
stand  der  schwarze  r  ann,  mit  hohem  schwarzen  Hut,  einem  Fiel- 
fen  in  der  '^^and,  rollte  seine  Augen  und  zeigte  grässllche 
weisse  Zähne!   l^athlas  verkroch  sich  unter  dem  Tl?ch.   Na- 
türlich lernte  er  später,  unter  dem  ^elächter  der  :v.utter 
und  der  Geschwister,  dasc  es  der  Schornsteinfeger  geivesen 
war.   Aber  konnte  m?n  das  glauben?   Sie  mochten  wieder  einmal 
Ihm  Dinge  erzählen,  die  dann  später  sich  als  unwahr  heraus- 


stellten.  All  dies  waren  Triebnisse,  die  nur  den  Boden'vor- 
bereiteten  für  die  entsetzlichste  Überraschung  in  seinem  Kln- 
derleben# 


^^'^^iP^^^^^^'^^PT'^S^^^fBf^ 


15 


7k  jUuM  ^T    U^'h^^  KrhHJU^ 

jM/UJtbiAf   lebte  der  Grossvater  bei 


Ihnen ^  Der  war 


ein  wunderbarer  alter  ::)ann  und  Spielgefährte.  Er  llebtt 
den  Kleinen,  alB  den  Jüngsten,  der  bei  dem  alten  .tiann  blieb, 
wenn  alle  anderen  hauegenossen  eich  anderswo  tummelten,  Ih- 
ren Geschäften  nachgingen,  worunter  auch  der  Schulbesuch  der 
älteren  Kinder  elnbecrrlffen  war*   Der  alte  Mann  ^ar  einsam. 
Er  hatte  vor  kurzem  seine  Frau  verloren,  nun  lebte  er  beim 
Sohn  und  der  Schwiegertochter.   Sie  waren  gut  zu  Ihm,  aber 
Ble  wusBten  natürlich  nicht?  von  dem  Alleinsein  dos  Alters, 
von  der  tiefen  Sehnsuch  nach  -Zärtlichkeit,  nach  dem  Gewiegt- 
uni  Besorgtwerden,  nach  dem  üefüttert^erden  und  den  alten 
Kinderlledern.   Der  kleine  Kathies  wr>r  der  rlchtlgG_Splelge- 
fährte,  denn  wenn  er  auch  nlchtAdem  ürrossvater 
Ich 


PO  konnten  sie  jedenfalls 


all  das  Begehrenswerte  Im  Spiel  und  mit  wechselnden  Rollen 
geschehen  lassen.  Sie  konnten  einander  füttern,  beim  Anzie- 
hen und  Waschen  helfen.  Sie  konnten  zusammen  zur  Musik  der 
"Hofmusikanten"  tanzen,  und  er  konnte  dem  Kind  all  die  alten 
kleinen  Lieder  singen,  wenn  er  Ihn  auf  seinen  Knien  schau- 
keln llesst   Auch  spielten  sie  Überraschung  zusammen,  aber 
Überraschung,  die  eine  Regelmässlgkelt  gewor^den  war,  das  Zu- 
erwartende  und  doch  Immer  Neue,   l/iorgens,  ganz  früh,  wenn 
alle  Andern  noch  schliefen  und  selbst  Ulnna  noch  nicht  er- 
wacht war,  stand  Ivlathl^s  auf  und  schlich  sich  in  seines 
Grossvaters  Zimmer.   Die  Vorhänge  waren  noch  zug^*zogen,  aber 


i 


16 


die  Sonne  ochlen  schon  durch  dlo  Ritzen  und  schickte  einen 
feinen  dünnen  Strahl  zum  groesen  runden  Tisch  In  der  Mitte 
deB  Zimmere,  der  mit  einer  schweren  dunkelroten  Tischdecke 
bedeckt  war.  Las  gr-osse,  alte,  braune  Bett  war  auch  gut  er- 
kennbar und  sogar  das  Nachtgeflchlrr  unter  dem  ßett»  i:.lne 
Vase  mit  blumen  stand  auf  dem  Tisch,  auf  dem  //aschtlsch  der 
Krug  und  die  Vaschschüssel*   Der  Schaukelstuhl  knarrte  ein 
wenig,  ^enn   man  darrn  ankfim#  Der   rote  Dlvan  schaute  einla- 
dend herüber  und  erinnerte  ..athias  daran,  wie  er  einmal  nach 
vielem  ilin-  und  Herrutschen  auf  diesem  Dlvan  ermüdet  einge- 
schlafen war  und  beim  Erwachen  nicht  etwa  seinen  Qrossvater. 
sondern  einen  fremden  w-ann  zu  sehen  vermeinte*   Eine  er-     ^ 
schreckende  llberraechungl   b:8  stellte  sich  dann  aber  heraus, 
das;'^  der  Fremde  sein  von  einer  Reise  zurückgekehrter  Yater 
war,  der  der  ..ode  gemäss  eich  hatte  Inzwischen  den  schönen 
vollen  Spitzbart  abnehmen  lassen  und  somit  dem  kleinen  Kna- 
ben ein  v??lllg  verändertes  Geeicht  zeigte.  Aber  diese  Erin- 
nerung tauchte  nur  gleichsam  als  kleine  Kostprobe  von  anderen 
Überraschungen  auf,  während  r^-athias  die  erwartete,  und  so 

sicher  folgende,  vorausnahm*   Er  schlich  sich  ans  üett  des 

\ 
Großßvatars.   Der  lag  da  mit  geschlossenen  Augen,  schlafend 

und  schnarchend,  wie  es  sich  doch  für  einen  wirklich  Schla- 
fenden gehörte*   ILr  trat  ganz  nahe  heran  und  streckte  die 
kleine  Hand  unter  das  weisse  grosse  i^aunenkissen,  auf  dem 


17 


der  Kopf  dos  alton  Herrn  lag#  ±r   fühlte  etwas  Hartes  und 
zog;  ein  Döschen  heraus,  das  er  schnell  öffnete#   Da  waren 
sie,  die  kleinen  bekannten  Bonbons,  die  so  wunderbar  nach 
allen  raiJgllchon  Früchten  und  süssen  fiäften  schmeckten.  Schnell 
steckte  er  eins  In  den  ?.und»   Grossvater  machte  diese  Bonbons 
In  der  Nacht  für  Ihn,  und  Jeden  Morgen  war  ein  gefülltes  Dös- 
chen unter  dein  Kopfkissen.   Das  war  aber  doch  noch  nicht  das 
(Tanze  Vergnügen.   Jetzt  kam  das  Ende  des  Rituals.   Mathlas 
küsste  den  alten  V.ann  auf  beide  Augen.   Das  Schnarchen  hörte 
auf  mit  einem  letzten  tiefen  Atemzug,  die  Augenlider  blin- 
zelten und  der  Grospvater  war  wach,  wie  er  natürlich  schon 
lange  gewesen  war,  und  herzte  und  küsste  das  sich  überrascht 
stellende  Kind.   i^^.lt  solchem  Beginn  des  Tages  und  solch  einem 
herzlichen  Grosavater  war  die  Übrige  V/elt  erträglich.  Man 
konnte  Fritz  und  Rolf,  Lieschen  und  Maria  ruhig  zur  Schule 
gehan  lassen,  ohne  so  schrecklich  dringend  mitgehen  zu  wol- 
len.  ;  an  konnte  ja  Schule  mit  Gros^vater  spielen*   Vater  und 
S^^utter  konnten  inihlg  am  Abend  ausgehen  und  wohl  auch  manch- 


ma 


1  die  älteren  Kinder  mitnehmen,  der  kleine  Mathlas  f%lte 


sich  sicher  und  wohl,  wenn  der  Grossvater  an  seinem  Bettchen 
sass  und  ihm  Märchen  erzdhlte.   Auch  Elnnas  schwarzer  1.  ann 
konnte  ihm  nichts  mehr  anhaben,  hatte  ihm  doch  der  Grossva- 
ter Bilder  In  einem  Buch  gezeigt,  auf  denen  viele  schwarze 
Kenschen  waren,  dio  in  uras-  und  Blätterhüt*en  lebten  in 
einem  Land,  wo  die  Sonne  so  warm  schien,  dasr  alle  üenschen 


18 


genz  natürlich  dunkelbraun  wurden  wie  ein  guter  Braten.  So 
war  er  auch  gar  nicht  so  überrasclit  wie  seine  Geschwister, 
als  er  mit  eelner  ganzen  Familie  In  eine  Ausstellunc  l^n  /zo- 
ologischen üarten  ging,  wo  ein  richtiges  Negerdorf  äu  sehen 
war  mit  einigen  Aegerfanilllen.  Sein  Wlanen  hatte  schon  be- 
trächtlich 7,ugenomaien. 

Eines  i-'orgens  stand  er  wie  gewöhnlich  In  der  schwel- 
genden Frohe  auf  und  ging  zu  seinem  Grossvater.   Als  er  das 
Zim-ner  betrat,  hatte  er  ein  Gefühl  von  Anders-'ein.   Er  trat 
an  das  Sett  heran,  der  Grossvater  schlief,  aber  er  schnarch- 
te nicht.   Leise  nahm  das  Kind  die  kleine  Jose  unter  dem 
Kopfkissen  hervor.   Dann  stellte  er  sich  auf  die  Zehenspit- 
zen, um  den  alten  .  ann  wie  gewöhnlich  zu  küssen.   Dieser  reg- 
te sich  Jedoch  nicht  und  fühlte  eich  kalt  an.   Nun  bemerkte 
Mathias,  daes  des  Grospvaters  Augen  halb-offen  standen  und 
der  -und  ganz  offen,  und  in  dem  Schimmer  des  schüchtern  ein- 
dringenden  orgcnllchtes  schaute  der  Alte  ganz  blau  aus. 
Verwirrt  und  verwundert  schüttelte  er  den  Alten  und  griff 


na 


ch  den  üänden,  die  eiskalt  waren.   Ale  auch  Jetzt  kein 


Zeichen  vom  Grossvater  kam,  fing  F/.athlas  sn,  laut  zu  weinen. 


D 


as  laute  Cchluchzen  brachte  den  Bruder  Fritz  herbei,  der  so- 
fort  nach  dem  Vater  lief,  da_aii->.f«i?&^and,  dass  der  Grossvater 


tot  war.   In  der  Aufregung  und  dem  Trubel,  der  durch  den  Tod 
heraufbeschworen  war,  war  -athlas  vergessen.   Niemand  hatte 
zur  Kenntnis  genommen,  dass  er  der  Entdecker  der  schrecklichen 


^.-L.   A  -*A    .Lh^^Al.)  JT.A^  ^.a^^..^.A.> 


19 


überraschungAwar.   £r  saiR  In  der  Küche  am  üoden,  echaukelte 

* 

hin  und  wlrfder  und  weinte  leise  vor  sich  hin,  Dann  sagfe  man 
Ihm,  dass  der  Grosßvator  ganz  plötzlich  In  Jer  Nacht  gestor- 
ben sei;  aiü  "^chlag"  sagte  'Unna.   In  Grosßvaters  Zlmaer  gln- 

)ffiJLL 

genft-enschen  ein  und  sue;  er  salbat  durfte  nicht  hinein. 
%\x\QB   späten  Nachmittags  Kamen  sechs  schwarze  :'änner,  schwarz 
gekleidet,  mit  schwarzen  Hüten,  aber  nicht  schwarz  Im  Gesicht. 
Die  trugen  den  schwarzen  r.arg  hinaus.  In  dem  sein  Grossvuter 
lag.   Seine  Mutter  sagte  ihm  zum  Trost,  dasB  seines  Grossva- 
tera  Saale  zum  Stern  am  Hlramel  geworden  war,  und  sie  zeigte 
Ihm  sogar  ä-en  f^tsrn.   Er  glaubte  *%i^f«re  daran^  wurde  ein  stil- 

1t^  sich  für  Gott  und  den 


les,  vorsichtiges  Kind  tmd 
Himmel  zu  interessieren. 


20 


\ 


^liL 


Die  Lorgenstunden  mit  Ihrer  Krankenhaueroutlne  ver- 
gingen heute  nur  pehr  lanfTssm  für  .v.athlas*  )iT   mueete  noch 
den  loteten  Benuch  selneo  Arztes  abwarten,  nachdem  alle  übri- 
gen vinzelhelten  der  Ktlquette  elnor  luntlascung  aus  dem  Spi- 
tal beobachtet  worden  waren.   Während  er  auf  den  Kollegen 
wartete,  wanderten  seine  Gedanken  hin  und  her  von  der  nahen 
Zukunft  zur  Verrangenhelt«   Said  wUrde  Chsrlotte  kommen,  um 
Ihn  abzuholen;  f^ie   Hess  sich  dieses  Vergnüßen  nicht  neh- 
men.  Sie  wollte  Ihn  zurück  In  Ihr  Fiaus  führen,  das  sie  si- 
cher zu  seinem  Kmpfanjr  festlich  hergerichtet  hatte.   Er  konn- 
te die  Atmosphäre  angenehm  vorausHlhlen  und^sehen:  die  Blu- 
men In  allen  Zimmern,  besonders  aber  In  seinem  Arbeltszimmer, 
der  gastliche  Duft  eines  guten  r-shles,  das  mit  grösster  Sorg- 
falt von  Charlotte  seinen  Vorlieben  gemäss  angegeben  und  von 
dar  Köchln  zubereitet  sein  würde.   Er  wife  das  sanfte  Licht 
In  seinem  Arbeltszimmer,  die  mit  Suchern  bedeckten  Wände, 
seinen  Schreibtisch,  auf  dem,  obgleich  nicht  ein  Dtäubchen 
ZU  sehen  rt^^ln  wüx^te,  doch  alles  genau  so  liegen  wüpde,  wie 


er  es  vor  sechs  '.lochen  verlassen  hatte.   Sein  Manuskript 
4e  sn   der  Stelle  aufgeschlagen  s-e+n-,  wo  er  aufgehört  hatte, 


f^' 


zu  schreiben.  Fr  würde  nun  diese  Arbelt  wieder  In  Arfgrlff 
nahmen,  während  der  kommenden  fchonungsperlod^,  die  er  f^Jr 
Sic*!   als  Ferlem  ^)i  iBBBTTfryte  .      Er  konnte   sogar  hoffen,   diese 


I  I 


21 


Arbelt  bei  dem  nächßten  wlseenschaf tllchen  Kongresa,  der  in 
drei  :'onaten  stattfinden  sollte,  selbst  vorzutragen.  Während 
seiner  Ferien,  wenn  auch  nicht  sofort,  gedachte  er  auch  sein 
eigenes  Spital  und  sein  Laboratorium  zu  besuchen.  Er  musste 
unwillkürlich  lächeln,  als  er  an  seine  Kollegen  dachte.   Sie 
hatten  wohl  alle  erwartet,  dass  er  sterben  würde,  besonders 
aber  derjenige,  der  ihm  im  Rang  am  nächsten  stand.  Der  hatte 
wohl  heinlich  schon  auseerechnet,  wann  er  den  Lehrstuhl,  den 
ivathlas  seit  so  vielen  Jahren  an  der  Universität  Innehatte, 
einnehmen  würde.   Er  hatte  sich  gar  so  entsetzt  gezeigt  über 
?:athlas*  pl!5tzllche  i1?krankuns;  aber  verdenken  konnte  man  es 
ihm  doch  nicht,  dass  er  mit  beiden  Aurren  nach  der  sicheren 
und  ehrenvollen  Stellung  herUberblinzelte.   Auch  alle  die  an- 
deren. Jüngeren  Kollegen  mochten  wohl  schon  eifrige  Berech- 
nunpen  untereinander  angestellt  haben  in  bezug  auf  die  Ver- 
Schiebung  der  Anstellungen,  die  immer  einer  freiwerdenden 
ordentlichen  Prof  essors  teile  folgten,  ^/'^ie  enttäuscht  sie  alle 
sein  nF«r*^,  dachte  ?'athlas  und  konnte  sich  einer  gewissen 
Schadenfreude  nicht  erwehren.   Er  hatte  Ihnen  allen  ein  Schnipp- 
chen geschlagen.   Sie  tetten  seinen  Tod  so  sicher  angenommen. 


und  hier  war  er  quicklebendig  und  bereit,  bald  die-^ZÜgel  wie- 
der in  seine  Hand  zu  nehmen.   Vielleicht  aber  waren  sie  auch 
wirklich  sehr  erschreckt  und  ehrlich  um  ihn  besorgt  gewesen, 
besonders  einige  von  den  ganz  Jungen  Mitarbeitern,  die  ihn 
verehrten  und  noch  viel  von  ihm  zu  lernen  erhofften.  Mochte 


22 


öB  für  sie  nicht    eine  grosse  heiter«  Freude   sein,    Ihn  nach 
diesem  Sohreck!*^ieder  lebendig  unter  ihnen  zu  sehen?     Fast 
so,    dachte  Mathlas,  wie   in  seiner  Kindheit  am  Meer,   als  er 
selbst  noch  nicht  schwimmen  konnte,    Ja  sogar  eine  gewisse 
Scheu  vor  den  hereinstürzenden  wellen  hatte  und  die  älteren 
Kinder  Ihn  da.-nlt  neckten,    dasß  sie    "toter  Vann"   spielten; 
sie  legten  sich  flach  auf  den  RUcken  und  Hessen  sich,    selbst 
ganz  bowegungslos,   von  den  Wellen   tragen.     Angstvoll,    nur  bis 
zu  den   .Vaden  Im  fftseer  stehend,   hatte  er  Ihnen  zugeschaut, 
uni^ar  Inmer  wieder  ungeoieln  erleichtert^ ?,eweeen,   wenn  seine 
Gecehwlcter  sich  wieder  aufrichteten  und  sich  als  herurasprin- 
pende  und  lärmende  Kobolde   in  Ihrer  eew^-hnlichen  und   Ihnen 
anoemessenen  Mstur  :ipezelgten.     Heute  war  er   "der  tote  .Vann," 
der  zwar  nicht  jctx^^i^pr Ingen  ^temrtc,    aber  doch  zumindest 
wieder  ungehemmt  gehen  und   sich  beweeen  konnte. 

Endlich  kam  der  Kollege,    der   ihn  noch   einmal  unter- 
«•uchte     und  nachdem  er   Ihm  besti:ninte  Verhaltungsmasonahmen 
vo^chrlebW^   ä'.athias   fast  als   spasslg  e.r.pfsnd,    mit  besten 
Wünschen  und  Händeschütteln  als  weitgehend  febeseert  nach 
Hauee   entliesF.      Heiter  verabschiedete   er  sich  von  den   an- 
deren Straten  und  den  Krankenschwestern,      i-rwartungsvoll  und 
etwas  ungeduldig  liesP   er  sich  mit  Charlotte   zusammen   Im 
Fahrstuhl  hinunterfahren.     Fest   Jugendlich  ging  er  seiner 
Frau  voraus  durch   das  grosse  Portal  des  Krankenhauses,   durch 
das   er  vor  nur  sechs  ?/ochen  bewusetloa  hineingetragen  wor- 


f 


23 


den  war#  Welch  eine  gltlckllche  Ruhe  hat  or  In  dieser  Zelt 
hier  gefunden!   Nichte  konnte  Ihn  mehr  erschrecken  oder  über« 
raschen,  da  er  der  Zukrmft  wlsBend  entRepr.englng#"^  Übermütig 
wandte  er  sich  um  nach  Charlotte,  um  Ihr  ein  par'^r  heitere 
Worte  zuzurufen,  perade  alp  er  die  Btraßoe  überquerte,  um  zu 
dem  auf  Ihn  v/artenden  'ffapen  zu  Kelßnp;en.   Hr  hatte  In  seiner 
fröhlichen  Laune  dabei  weder  nach  rechts  noch  llnkD  geaehen 
und  ßo  nicht  bemerkt,  dase  sich  daß  Verkehres Ignal  geändert 
hatte,   Ein  schnell  fahrendes  Automobil  etlesß  Ihn  nieder 
und  schleifte  Ihn  ein  putes  Stück*   Welt,  weit  entfernt  hJ?r- 
te  er  ein  seltsaires  Krachen  und  Knirschen;  ein  Hinauf-  und 
Hlnunterwofen  machte  Ihn  schwlndllp;  und  seekrank»   Ein  unbe- 
kannter unerträglicher  Schmerz  raubte  Ihm  fast  die  Besinnung, 
und  In  jäher  -berraachung  sah  er  ein  fremdes  Gesicht  sich 
über  Ihn  beugen,  ein  Geeicht,  das,  der  vode  entsprechend, 
glatt  rasiert  war.   Dann  schloss  er  für  Immer  die  Augen. 


\ 


1 


DIE  USBäRxRASCHUNG 


Vinalhaven  1955 


fut^  ^-iuJU/u^ 


Maithia«  war  nie  la  ••!&<»«  L«)>«n  so  ruhig  aa4 
giacklicla  £«w«t«n  als  In  41«««a  l«tat«a  ••«hs  Wochen, 
Äl»  »r  l«  Krank«nh«uiibett  verbraoht«.  üi«  tlaf»  ü«b«r- 
2«uguag  0«lA«a  L«il«ii»,  »alt  dan  Jungaß  Ja-^r«R  aalnar 
Klndhalt,  hatta  aloh  Ihm  bawehrhaitat.  tiasao,  so  hatta 
•r  aohon  ala  Kind  «adaaht,  war  Scüuta  gagan  plötiliobe 
(>afahr«n,  isran  gröSta  und  9chr«ekllohßta  dar  Tod  Ist. 
Weiß  man,   waa  la  «aatchllohan  Körper  Tor  »ich  «aht,  kannt 
••te«  Fhyalologle  und  Anatoalo  und  alla  Sinzalhaltan 
Ihraa  gaatörtan  Varlauf»,  dann  und  nur  dann  kann  aan  sl- 
oher  aaln,  da0  dar  Schrackaa  daa  Itabarraachtwardens  alnan 
aioht  übarwSltlßt.  So  war  aa  auch  vor  »aohe  Wochan,  ala 
ar  an  Wlnaai  fünfzigatan  (laburtatag  die  badrohendan  iel- 
cban  ainaa  aratan  Haraanf alles  arlabta.  Da  er  «in  ba- 
dautaadar  Harzapazlaliat  war,  arkannt«  er  aie  sofort 
und  war  ao  Herr  dar  Situation,  da«  •t   »alner  Frau  Char- 
lotta  »arnunE  und  /oiwaiauag  gab.in  konnta,  bevor  »r  daa 


BawuStaain  varlor. 


waren  <ttt  darauflolgandan  Tag« 


und  Wochon,  naohdam  ar  «rwMhand  in  Kranken h»aazlm.'nar 
Charlotta  und  ein*:i  Krankanschwaatar  an  aalnaa  Batt  alt- 
••nd  «•funden,  voll  körparlichaa  Laldans  g©*ei«i.  Trota- 

daa  tlaf®  rjiückageftihl  und  di«  <är.alstl(5a  Roha 


/ 


ein  köstliche«  Srlebnle.  Br  wer  «ngstlos,  und  wenn  er  an 
den  Tod  deohte,  »o  erschJen  er  1ha  eis  etwa«  Bekanntes, 
etwes,  wes  er  s;erede,  wenn  auch  nur  In  For»  einer  Probe, 
schon  durchlebt  hat%«.  Er  konate  »It  Interesse  den  täg- 
lich«» Itrlohten  seines  Kollegen  über  den  fortsohrltt 
seiner  Oenesun«  lauschen  und  alt  1ha  bespreohen,  wis  sei- 
ne LeIlSftaerwertungön  waren,  fr  konnte  PlSn«  naohen  In 
Bezug  euf  ein  künftl«os  Regimen  und  seine  eigene  wlt««n- 
«chäftliohe  Arbeit;  bereoh»«,  wie  weit  etM  «r  seine 


Forstlwingen  beachlounlften  od«r  einschränken  müsse,  ora  Tor 
seinem  z\x   erreohnendan  :£nde  noch  gewisse  Äesultst»  ttt  er- 
reichen. Ir  dachte  dt  Wlrae  und  frouadllohen  Oeftthlen 
an  Charlotte,  die  durch  fast  «wanzlg  Jahre  Ih«  eine  so 
herzlich  «ute  Geffihrtln  gewesen  «»r,  und  das«  er  sie 
wohl  versorgt  zurücklassen  würde.  Selbst  wenn  er  nicht 
▼bin«  die  Ihm  noch  austehendon  zehn  Jahre  leben  sollte, 
so  würde  sie  vor  Kot  geochUt^t  »ein.  Ir  hatte  keine 
Kinder.  Früh  schon  hatte  er  diese  frag«  entschieden  be- 
antwortet: »1WWMi<ilTsciiaft,  Caburt  und  Aufsucht  von  Kin- 
dern war  sin  Hlslko,  das  nicht  berechnet  werden  konnte 
und  AU  viele  Ueberraschungcn  alt  sich  trug.  80  war  •• 
ihm  lieb  gewsüari,  dass  Charlotte  nicht  darauf  beotend 
und  ihr  tebensaiel  darin  sah,  Irethias'  Da«al»  so  ruhig 
und  störungsfrei,  zualnäest  zuhause,  hlnflleSan  zu  i»*- 
Mn  als  M  in  «anschllcher  Kacht  stand.  Mathias  dachte 


B^^k-<^*B-A*>*eaM^'^^^a^-^h^^ 


II 


N 


alt  Daakbark«lt  «n  dl«  JaUr«  lhr«r  lari«berxh«lt  und  Tr«u«, 
dU  ••  ihn   «möelloht  hott«n,  sieh  gan^  öt»la«r  Arbeit  uxid 
••lR«n  3tudl»n  *u  wldn«n  und  ihm  alU«  0«tü««i«l  und  all« 
T'nruh«  ftrahl«Xt.n.  ftP  hatte  Chsrlottt  mU  lhr*r  g«ft«ln 
Mm«a  Kindheit  i«rnt  g«he.bt.  Ir  wußte  von  ibr.r  Li«b« 
3tu  Ihffi  seit  Jtner  i«it  als  tU  bald«,  ati««  •••h.JIhrig, 
««Baamen  auf  i«r  kl.Uw  Wiese  vor  der  Klrcha  «pialtaa 
und  Churlotta  au»  öfiaMblüachdii  einen  Kranz  «»•hta.  dan 
sie  dem   Caaplelan  ua  dla  9%iwnm   l»Sta.  Sla  hatta  v.r- 
«ückt  still  vor  Ihm  gaetandan  und  aufB*ufzand  «eeagt; 
"Du  slahst  au»  wie  dar  Engel."  Ir  kannte  dan  lA«»I,  auf 
öen  aloh  die  kleine  Lotte  bezog.  Sr  war  in  seinem  eige- 
nen Biidarbucn  su  sehen;  beide  Kinder  hatten  «ft  au^azt- 
mn   das  Bild  eneaeohaut.  '^r  fand  dan  Angel  auch  schön, 
konnte  »bar  nicht  mnz   X^otte«  Liebe  äu  ih«  teilen,  «al- 
M  •it«B«  »^-a'^»^«  ^^®*'*  gehörte  einer  anderen  0«»t«Xt  in 
«««aalban  3uoh:   Da»  war  Chrletu»  im  lanir.en  wallen  Ge- 
••nd.  mit  einem  Splt;.bert  und  einem  atrahlenden  Keili- 
e««chein  u«  das  Haupt,  der  gerade  den  vorher  toten  La- 
«aru«  z^x:r.   Laben  erweckt  hatte.  Auch  aln  ähnliche»  Bild. 


ias  Chriattt»  in  glelchar 


l?L 


Aber  Rit  jralru«  Töohter- 


ohen  darstellte,  hatte  M»thl«s  »ehr  «ern.  Jedoch  keine» 
^   anderen  Bilder  «ab  Ihi.  da»  Gefühl  tiefafr  Liebe  und 
Ruhe,  das  er  beim  AnbUoSi  der  Slederarwaokung  von  L«»arue 
hat«*.  Charlotte  aber  llöbte  den  Sngel,  der  talt  «azüek- 


rii'-f<»  ■'- 


tM  3cÄ«wrt  vor  Um  Älnßftn«  süss  luradlea  ■tßa<a. 

Jetxt,  In  Krankonhauezlmm«r,  Iib  3att«  ll«««nd, 
«l3  er  aa  frühen  Äor««o  öle  Soananatrahlon  «uroh  di«  zu- 
«•zoganan  Fanstervorhäng«  aebr  «rrlat  «1»  wlrlcllch  »ah, 
«aehta  l^athlaa  an  Charlotta  aXa  klalna»  Mlldoh««,  unö 
daran,  dai  ar  wohl  lataor  gewußt  hötta,  dai  «r  al«  hei- 
raten würda,  war  er  doch  Ihrer  Liebe  ao  aloher  «tewaaen 
und  ao  »icher,  da;,  mit  ihr  uad  durch  si«  nie  ein  er- 
schütterndes, onvorh<)rff9«ehenes  Srelgnlo  ihn  treffen 
würde.  Sie  hatte  es  salbet  »o  gtwollt,  dleaes  Terhilt- 
nls  zu  ihm.  Ir  wußtQ  auch,  daa»  ar  lamer  für  ale  der 
Sngol  geblieben  war,  «er  den  Slngan«  zum  Paradl««  «It 
dem  Schwert  abwehrend  bewachte.  Nur  einen  kurxen  Augen- 
blick war  to»  iaradle»  unbewacht  peweaen.   öaa  aber  war 
nicht  fttr  Charlotte  geachehan.  üaa  «••ehah,  bevor  er 
Charlotte  geheiratet  h«tte.  »r  war  aalt  »einen  Jüng- 
llnReJahren  «tÄndlg  auf  der  !!ut  ^mmmm   vor  dem  Chaotl- 


••bw«!' 


»Obendon  Llab«»6«fühle  zfthlt«.  Kit  eiserner  Disziplin 
hatte  er  sich  zum  StudKiffÄn  und  Arbeiten  eraogen.  1» 
htttt«  »chon  früh  erXOt,  an  »Ich  und  an  ander«n  beob- 
ÄOhtat, -«sloh  unheilvolle,  «»«rraachende  folgen  entste- 
hen.  wenn  aan  »einen  Geftthlen  frei«  B«hn  «tovföhrt.  Die 
«•rzaohMraen  jet^t,  die  durch  den  Versonlu»»  «W  Kranz 
ßof«2e  hervorgerufen  waren,  «aran  überhaupt  nicht  »it 


4«:i#n  T«rgl«lohbftir,  die  «r 


B«lspi»l  «riebt  hatte, 


als  tr  zwölf  Jifchre  «It  v^ar.     Moob  heut«,  wenn  er  en  aie 
frfahrung  lalt  de« üb»rf uhreneü  Hund  dachte,  Jcra^aspfte  sich 


Miit  Her 2  xu»A!u 


«-i.« u.  4^    W 


Er  littet«  Tiere,  btMMf  Bunde, 


i«ar«l  ••  in  »elnera  Haue«  iniiraar  einige  j^egebea  bette. 
llnmel  glrtf  «er  zi»blf  jÄhfige  Kathies  auf  der  Iwiptetreße 
#••  Vorortee,  ia  4mi  er  wokate,  »p&zi»ren  und  beobachte- 
te bewundernd  einen  junge«  netter,  der  vergoüet  heruÄ- 
»pren«.  2r  war  anscholnend  ohn»  Befiel tun«,  jodeafalle 
war  üieaand  auf  der  StreSe,  stu  de»  er  zn   «;eh5ren  achien. 
TlOtzlloh  durch  Irgend  etwas  «uf  der  atidörea  "-elt«  im» 
fahrdawaee  angelockt,  rannte  der  Rund  über  dl«  StraSe 
und  «rerade  vor  eine  Straiionbahn.  Der  Kondukteur  könnt« 
€•»  Wegen  nicht  »chnell  genug  bremaen,  und  da»  arne  Tier 
wurde  Ub'srtahren.  ae  stleiä  einen  schrecklichen  Schrei 
aus,  der  Kathies  durch  alle  Knochen  fuhr  und  1ha  einen 
ifcBHenblick  lang  TOr  Angst  IShate.  iiaan  aber  reoate  er 
in  wenigen  SItaen  zu  der  Stelle  de»  Unglüclc».  Sin  klei- 
ner Menschenhsufen  hatte  »Ich  angeeammelt  ua  den  Hund, 
der  blutend  auf  der  StrnS«  lag.  tr  wer  nicht  tot;  er 
winselte  und  schrie.  NlemÄnd  von  den  DaBötebendsa  mach- 
te .'inotalten,  dea  Tier  z\i   helfen.  Mathie»,  de»  die  Tr«- 
nen  über  die  Backen  liefen,  stieß  die  Leute  aur  .4»it«» 
kniete  bei  dem  araaellgen  Qmm9M§f   aieder  und  versuchte, 
•i  aufzuÄ«toea.  ßa  war  zu  schwer.  Kleaand  half  £!athla« 


b«l  ••inon  B«Bitthunif(en f  obgleich  «r  flehte  una  bat.  Schließ- 
lioh,  er  wuiäte  nicht  wie,  gelanir  «b  ihn,  den  Hund  auf  sein« 
iürw  zu  nelmen,  und  versweifelt  Mh  er  sieh  am  nach  freund- 
licher Beratung.  Jeraanä  nennte  den  Neoen  und  die  Adreeae 
eine«  Tierärzte«,  nicht  •ll^.atveit  ezitfernt  Yon  der  tJnfalls- 
•teile.  Allein»  alt  grbdter  Anstrengun«,  die  er  aber  in 


eeiner  Erregung  nicht  spürt«,  trug  er  den  Hund  zu   de«  Hmui 
des  Tiertrztes.  Dieter,  ein  wohlgepflögter  Herr  in  mittle- 
ren JÄhren,  «it  einer  Blume  Ira  Knopfloch,  war  i«rade  von 


einem  Beeaeh  nach  Haaee 


n.  Als  dr  den  erragten  Kna- 


ben alt  den  verwundeten  Hunö  sah,  zeigte  er  sieh  zunBehet 
eifrig  und  freundlich.  Kau-r.  aber  lititte  er  die  Dnglückage- 


sohiohte 


rt,  wurde  er  unintereftslart  und  wei/Piert«  »ich. 


de©  «rnen  Tier  Hilfe  zu  geben,  dessen  Beeitaer  unbekannt 
Ml  und  da  er  für  seine  Besiühungen  der  Be«&hlunc  nicht 
alchor  wire.  feathies,  deaaen  »Itleldlgea,  »ch5i«raendea 
Hera  einen  Augenblick  lang  öeruhigung  spürte,  war  duroli 
diese«  heralose  Verholten  de»  Tieraratss  so  eraohUttert, 
dtß  er  Eilt  aller  Macht  pegen  ein  Oefühl  von  Seekrankheit 
fMfi  Brechreiz  ankljapfen  rous^te.   Sr  brachte  es  dennoch  fer- 
tig, äera  Tierarzt  davon  :'.u  r©d«n,  ö«*;  »ein  Vater,  deaa« 
Namen,  Adrease  und  Beruf  er  «np'.ab,  für  Äle  Koatan  gutstc- 
han  wUräe.  Iret  neohdem  sich  dar  Tierarzt  telephonisch 
die  Versicherung  von  i-athlta'  Väter  geholt  !«%%•,  wandte 
•r  aich  d«Ma  schon  fest  varhlutetön  Tier  zu.  Dar  Hund  er- 


-  "- 


lag  •»  AbenÄ  ••Inon  V«rletzun««n.     ll«thl«s  wnr  »laig« 
Tä««  lang  krank  an  Körpar  und  Saal«.     In  saiaar  faadlia 
abar  wurda  H&thlaa  nooh  lang©  aalt  von  «Jen  Oaaohwlstern 
und  dMi  Vatar  ganeoVct,  wall  ar  noch  nicht  f«nuf  #tlt- 
«iMHin  arworbon  hatte,  dl«  iab<ir2iii«»rÄlglt«lt  aainer  Kit- 
HMiBaohan  voröussusaban.     ^r  larnta  aber  und  varatand  a« 
bald,   sein  algeaes  Kar»  vor  übarrasohandaii  Vörwundungan 
au  achütaa»,     Sicht  abar  gagsn  !^*?nata.     AI»  drftl21«:.J«h- 
rlgar  varliebta  ar  sich  In  «le,  chn«  zunächst  aalnan 
•lf«non  üaaLÜtaaiustand  arnat  zu  nahuan.     Äi«  vmr  fo  gar 
nicht  dar  Typus  Frau,   daran  ttbarwältlgandan  iSlnflttt  ar 
iBBU'^r  ?,öfUroht9t  hatt«.     Die   Ihr  eigön«  Analstoungskraft 
•h'ifr  In  d«r  Abwaaanbait  ellos  Auffall«id«n  «talagan. 
la  aar  »tili  und  fraad  und  doch  raarkwtirdiff  bekannt.     Kr 


naanta  slö  «IruMil  1«  Soharz  Jalrua'    Tbchtarleln.     81« 
lebta  für  sieh,   obgleich  aia  »«shr  Jung  war;  wovon,   konn- 
tö  er  nloht  ar  raten.     31  ??  «tjlbst,   ««nii  ar  Frag»  dlaa- 
bajsüglioii  atallte,   icherste  übar  dla   UlllftR  la  Felda"* 
«dar  dla  "Vö^rlein  im  mlda."     Als  «r  «i«  aina  länp:ar« 
»tit,  dß  st«  krank  wär,  nicht  sahen  kennt«,  vk-urda  ar 
sich  dat  allbaharraohandan  ßefUhla»  für  «la  bawtt»t.     •» 
ttuÄta  ihr  naho  »ain,  und  aia  arlaubta  aelna  AnnÄharun- 
gan.     fi^nn  kam  das   ':rxa«5,   das  ar  In  aalnöiü  Sustand  dar 
Leidarsohöft  nloht  einaol  bedacht,  vi»!  waolgar  ▼oraus- 
«eaahtsn  hatte.     Als  «r  ihr,  hl««ariasan  ron  daa  3rlab- 


e 


ni«  »Insr  Macht,  «!•  »•  ««bot  ohn»  2,ögern,  b«r«lt,  alle 
Mi»«  klugen,  wl««enden  VorsütÄa  «uk  T©uf«l  zu  aotiicken, 
l»h«t«  •!•  Ihn  alt  kühl««  Irataunen  ab  utiä  bdlcaniite  Pich 
völlig  unfähig,  »ein«  Gefühle  »u  erwidern  oder  euch  nur 
die  Beziehung  ua  «ine  Naebt  zu  baroi«h«rtt.  In  ihr««  lel 
Laoben  klang  länget  vergessene«  «ehadenfrohea  Laehen 


au«  der  Klndari«lt  mit.  «Iniße  Tv^eß   apfiter  hielt  er  u» 
CÄarlotte»  Kand  an.  ijeitdem  war  sein  Leben  in  ruhi#>;en 
»•hnen  ÄahingefloPKsn.   Ki  gab  kein  iaredle«,  «her  aueh 
keinen  Eraengel  aehr.  der  einen  plötzlich  daraas  vertrel- 
ben  konnte.  Jahre  verf;ingen.  dl«  ÜÄthles  in  »einen  For- 
aohunp^sarbeiten  verbrachte. 


TT 


erat.   Er  leg  sehr  ruhig,  un  nicht  dla  AufM«rk««Äkelt  der 
Jfle«erln  auf  sich  zu  ^ieh-^n.  Sr  wollte  4««  ßlüoklich« 
Gefühl  der  Stille  jcealotJen,  das  die  «ifrlt^n  fraßen  der 
/Tuten  Krankenachweater  nur  stören  «oohten.  D«r  «nbreoh«n- 
de  Tag  ««r  >«d«utuneovoll.  Heut«  durfte  er  das  Kranken- 
hftu»  ^«rl«»«««.  »r  «»Tde  sich  noch  eine  Zeitlang  scho- 
siaa««n,  m^t   «r  brauchte  sieh  nicht  mähr  als  krank 
invalid  au  betraohtan.  ilohta  durfte  nun  »«iner 


Hüokkebr  Ins  tätig»  L«b«a  OMt«eg«aßt9b<5a.  lln«  l«icbte 
B«)cl«MUiac  btfl«!  Ihn  b«l  Ö««  Oodaökon,  d«ft  Irgend  «twes 
üaYorb»rg«a«h«a«8  g«Botie&«n  könnt«.  Ir  WiSt«  löcheln, 
als  «r  aloh  b»l  d«B  Wunsch  «Ptappt«.  —  wl«  es  wohl  frü- 
her In  unboWÄOhton  Mofa»nt«n  euch  geschehen  w»r,  —  Gott 
in  kindlicher  »«oise  anzurufen.   Cr  erklUrto  diesen  kiel- 
BM  FUckfell  olt  der  noch  bestehenden  körperlichen  schwa- 
che.  Sein  Kinderglßube  an   Qott  wer  xarbrochen  zur  *.eit 
der  Ipleodt  alt  d«a  Huad.  Da»  wer  ein«  »oüaerzhafte 
,;elt  gewseea,  In  der  sein  Bruder  itolf  eiae  wichtige  Rol- 


le geapielt  hatte.  Reif  wer  für  ihn  i«wir  der  groCo  be- 
wunderte «iaeer  geweaen.  Sr  war  adln  angebeteter  Hold 


geweaen,  als  Mathiaa  noch  ganz  klein  war.  Kr  konnte 
0«aohlohton  ©raühlen  ua<3  wutiM  über  frocaö«  Uinder  und 
Völker  viel,  viel  »ehr  ele  Kinne  odör  aogar  Kutter.  Auch 
■Achte  er  Vera«.  Wann  aolf  burelt  war,  alt  einem  «u  spie- 
len, netui  «Ml  aogar  aelne  Keokerelen  in  Kauf.  Aber  ea 
tMitte  euch  ciönche  Erfahrungen  dlsilluisloalereai^r  Netur 
Hit  deta  geliebten  Bruder  gageben,  dl»  Mathias  tlof  trafen 
an«  »einer  Entwicklung  dienlich  waren.  So  ztiai  Balaplel 
der  Vorfall  mit  4t9t   »ahokolada.  l»lf  *ar  »In  glerlgea 
Kinfl.  fleaacd  trug  Ih»  daa  je  nach,  da  «am  iha  «einer 
▼lelen  guten  Gaben  wagen  Viele»  au  Oute  hielt,  üathiaa 
hatte  früh  gelernt,  dalj  san  den  Oenuii  von  Süülßkelt  ver- 
l&ngern,  j»  aogar  stei«r«rn  kotmte,  wenn  aaan  te«  »Ine®  äu- 
geteilte  Stick  Schokolade  In  kleine  3tüokohen  brach  und 


■  ■fcr  .^1 V*'  ■  -*.^^h^jk^tu 


10 


nur  von  Zait  «u  ^oit  «Ins  di«e«r  3tüolcehoß  aB.     Dana 
r«iete^  dl«  iWtigWr»  aüi^iekelt  duroh  lUMIt  ^itunden  d«« 
Tttg*8.     üftthlae  hatt«  «in  paar  Mal  »chon  <Si«8«    irfahrun« 
gaiaacbt,    Ja  «r  hatt«  sogar,  naoiidaio  ar  «ins  ilMtv  klel- 
aan     tüekoh#ft  «•«•■«•n  hatte,  4m  a«et  dar  Sohokolada  In 
•iner  aobablad«  vor  «ich  aelbar  TerstaoJct,   vm  «o  dar  V«r- 
MUIil«lH(,  imitar  zu  nttoohan,  zu  eatgehsa*     Aia  Aband  ironn» 
ta  ar  dana  triiUBpfeiarend   d«n  Mltarae  aesohwlßtarn  salf)!on, 
dai   ar  aoch  1»  Baalt«  *MI  «raalmtan  Outas  war.     Wi«  ver- 
wirrQnd  und  daQQtl|r,and  ««ar  aa  dauü,  als  bala  aichstan  Mal, 
4m  ar  »iedar  saine  varataoktan  ^^ehokoladaaatückehen  har- 
Torhol«tt  irollta,  «»r  aotdackta,  dai;  »la  nicht  auihr  da  wa- 
ran,     Daatu  swiite  ar  dann  noch  das  ?Jacken  von  Mit  übar 
sich  argöhan  laasan,   dar  9^lz  arzfihlto,   daS  ar  dla     cbo- 
koibd«  «rsiitirt  und  (reg^asaen  habe  und  »ich  waldlich  übar 
dan  yartrauansßallgan  duaman  Brudar  lustig  »aohta,   dar 
doch  salbst  verrat«»  hatt»,  wo  er  salnen  Vorrat  verbarg. 
Attch  knüpfte  Holf  eine  laorailaohe  Lehre  daran  übar  C»sia 
und  Habgier,   und  »«thlas  enpfand  »ein«  eifMa  Cn^uldng- 
llohkelt  als  »sbr  besohämand.     3o  lernte  »r,   eainem  Bru- 
der ftolf  freiwillig  ifficter  den  i«est  seiner  algenen  30fiig- 
kelten  «u  «s^n,   oslbst  *'örui  dieser  Rest  &9r  grööara  An- 
teil war.     Dafür  tauschte  er  das  Bawuitaein  ein,   ein  aa- 
stlndigar  Hsnaeh  zu  sein,  wofür  er  Eolf  dankbör  war.  Auch 
war  sr  1ha  dankbar  defür,   daS  sr  so  viel  über  Octt  wußte, 
als  wfire  er  «an»  paraBnlioh  und  eigens  jsit  ih«  bekannt. 


II 


11 


«•nx  andara  «le  alU  andar.n  Klndtr.  äU  «trne  l^uffcht« 
ItetUaa,  wena  Rolf  von  Gott  und  «»Iner  Oüt«  und  ealata 
f ord.runcan  »pr««it  »r  wüßt«,  «»loh«  a«b«U  am  nOtz- 
ilohatan  und  »©hlgeffilll^etan  war«n.  «r  könnt«  f^llamana 
harataUan,  dl«  alnon  baaahütatan.  und  aahllaaiicb  lobr- 
ta  ar  dan  klalnen  Brudar  das  Vatar  tJnaar,  da  «r  dl«  Kln- 
darfidbata  för  diuu&  und  uawlrkaaai  erklttrta.  Matblaa  llal 
«loh  nur  zu  garn«  von  Rolf  In  salna»  aa  und  für  sloh 
schon  kolaeadan  QottaafJLauban  untoratütatao,  Zwalfal 
dia  «anobMl  aufkaaaa,  konntao  abgewlasaa  wardon  mit  dam 
Hlnwaia  auf  Rolfs  starkon  Ol&uban,  Rolf  waÄf  ••  ;a  wl»- 
—a,   da  ar  ao  vlal,  viellaicht  »ogar  allaa  wuÄt«.  Als 
Mftthlaa  ziHÜXt   war,  ua  dla  ^alt  der  liunöo-äpleoda,  bemark- 
ta  ar  alnas  Abend«,  daß  Holf  nioht  batata.  .tr  föhlta 
alob  veratört,  abar  beruhigt«  aich  damit,  daß  aa  alo 
iittfall  gawoaan  aal.  Abar  ar  aaohto  die  glaloh«»  Baobaoh- 
tttög  «a  dan  folgandan  Abenden,  und  «chlleiiHoh  fragt«  ar 
Äolf  naob  dan  Qrttad  diaaar  Nüotilftssl«kalt.  «aa  ar  aur 
imtwort  bekaa,  arachüttsrta  Ihn  aabr,  denn  Äolf  klSrt« 
1ha  darübar  auf.  4m&  •»   kaloan  Oott  «ab.   Sr  konnta  dea 
»ÄObtÄ  nicht  ainsehlafen,  al»  ar  dea  Hat  da«  Brudor« 
folgend  daa  Baten  aufgafraban  hatte.  iJlasaal  war  »r   nicht 


siabar,  ob  dar  Jiltara  wirklloha«  wiaaan  b«9«£,  9§%r  Ihn 
ttW  »um  Basten  hielt.  i.'0Ch  daa  lirlabnls  alt  den  dan  übar- 
fthranan  Bund  uastahaadan,  erburaungelosa»  Kanaehen  und 


12 


mit  d0m  Tierarzt  «ntsohled  dl«s#  frfifi^  fUr  ihn.     %r 
fttbltt  öleb  kalt  und  uab^schüt^t.     Kf  iti^ar  ein  OtfttliX» 
4«t  Ihn  an  nin  klelnaa  Lied  arinnort«,   da«  aaln  GroB-* 
vmtar  ^-^  oder  war  en  l^^lnna  --<*-  ihm  vor;^,u3lngan  pflagta, 
uad  daa  IhA  Imz^er  «It  raalgniortcfr  Traurigkalt  arfailt 


hatta« 


CbrlBtlDChan  aa0  ia  Gartan 
!>aa  UnglUok  zu   arwartan, 
Bmnn   ßie  hat  »choa  im  Traun  gaaahan, 
Daaa  ala  Im  Hheln  miö  untergehen.— 
Sla  fuhr  über  eine  Brücka, 
Dia  Brücka  ging  in  Stücke» 
Chrißtlnchan  fiel  iu  dan  Hh^lu  hinein 
Und  hCrta  dort  dia  Kngalain. 


■igatitlich  h5rta  er  dieaaa  Liad  nicht  garua  und 
daalita  auch  nicht  gerna  daran.  Cann  obgleich  Ctiriatin- 
ohan  durch  den  Traum  von  ihrem  8ehiokaal  veretündigt 
worden  war,  war  sie  auf  den  Einbruch  dar  Bracke  doch 
nicht  Torberaitat  genasen.  Und  waa  daa  Üngen  dar  Sa* 
gclain  anbelangte,  ao  konnte  aich  Mathlaa  beim  bestaa 
Willen  nur  aehr  traurige  Lieder  voratellea,  etwa  sol- 
che, wie  dia  Kutter  sie  IhB  nancJhmal  voraanü;,  und  die 
ihn  raeelaüig  znm.   ^^velnen  brachten,  obgleich  mT   keine 
T?ebarraachun«an  in  diesen  Liedern  für  ihn  vorhanden  wa- 
ren. Sr  kannte  sie  achon  alle  auawendig. 

So  weit  ar  ssurückdenken  konnte,  i^aren  ea  iinmar 
Uebarraachungen  gamiaaii,  die  aaln  Leben  verbittert  hat- 
ten, besondara  in  seJner  Kindheit.  So  hatte  er  achon 


13 


als  kldlnta  Kind  elnf^a&ehaa,  de3  Wlasac  dla  eln:2;ife  und 
sAobtlgstt  Wmttm   war  «agan  üabarraaohuÄgan*  AI«  er  uixga- 
f8hr  dral  Jahra  alt  wor,  pohnta  ar  In  ein^m  eroAau  aoaiil* 
tan  Haua»  daa  in  alnam  sch&nan  Cfartan  atand«  ^:r  war  da^ 
Jüngata  Kind*  iJie  ältaran  Schw^.^aarn  und  Brüdar  kUünaw»- 
tan  alcb  nur  um  ihn,  um  ihn;  aain  Unwiaaan  auf  dla  erfin- 
iarlaohata  Art  vorÄufüihran.  $ia  konnten  ainfnoh  davon-* 
lauf  an»  wenn   ala  Ihn  g^j^Cgend  gana<jkt  hattan  •-  für  ixt- 
laar,  dann  ar,  dar  nur  kura^a,  klaiaa  Saina  hatta,  war 
nloht  fäbig,  sia  aln&uholan,  wia  aahr  ar  sich  auoh  an«> 
atraniran  mochte*  Sla  hattan  ihre  aig'   n  Upiala  und  V^t^ 
Knügungan,  und  waan  aia  iha   daran  tallriahman  llataa,  ao 
war  aa  nur  imitier  /.um  3o)ialn.  Irgondaina  aoJhrecklloha 
Uabarraachung  nacnta  ragalaafisslg  dia^am  ^^ohein  aln  ?.nda. 
So  z\m  Balapiel,  ula  dia  BIruon  Im  Miohbargartan  ralf 
waran,  und  dla  Horda  dar  filtaran  Ge5ch'^iat<f^r  i^n   waran 
nur  viar,  abar  für  Bathias  w&rcin  sie  jfaennlirfaltlß  wia 
dla  r5ml acher  Lagjlon^n)  beschloi;,  üb«ar  dan  £aun  zu  stai* 
gan  und  dia  harrlioh^n  großan  Blrnan,  dl©  ao  aUi!  urd 


s&f  tig  waran,  2;u  «taälea.  Br  war  b<^l  dl 


Baratung 


anwaaand  nn&   fUlxlta  sich  f^roSartlg  alt  alnba»ogan  im  i%at 
dar  Oroßan.  8r  sah  sich  auf  dam  Saum,  auf  dan  hBchatan 
Aatan  und  atollta  ;^lch  vor,  w&a  dankbj^^ra  Anarhaanung  zu- 
aamman  alt  dar  »ü^^jan  f  ructot  aoha^JOkan  wörda,  dla  ar  In 
4ia  ihm   antgagangaetracKtau  Häada  dar  dan  Baum  iMMtahan* 
Aaü  Horda  warf an  würda.  Sr  aagta  auch  laut  xu  Ihnan, 


".'.. i.afca^fca-'  !-■-■■--  ^*- - 


14 


WK«  «r  2U  tun  1«  S^lnn  hatte,   und  sl«  n«lM»n  «8  fr«uiid- 
llch  «rrauntÄrnd  auf.     81«  rannton  darauf  davon,  1/öthies 
»It  Ihnen,   »um  ZAxm,  der  d»n  Keohbarftartan  uapab.  Sohnall 
und  XaloHt  überstiair.  die  iiorde  diaaa«  HiaA«rnls  und  war 
Mfenall  auf  dar  UMI«r«a  Balte  und   schon  bal«  Birnbaum. 
Araar  KatJilaa;     üle  üaberraaohuöp  kam,  «r  bilab  mit  aal- 
naoi  H()echan  am  ..ä.un  tifingan:   xwlachan  HIsmI  und  Irda 
setiwebta  ar,   und   atatt  des  «Tubaina  dar  dankbaren  ßa- 
aohwiatar  hörta  ar  ihr  hOhnlaoh«!  f  rauAMtiialllobtor.  $• 
hing  ar  und  sataria  und  weinte  durah  iwigkoitan  —  zoialn- 
daat  «In  paar  ondlose  Liinuten;  endlloh  k&m  dla  Bafral'- 
lOMI  In  Oaatttlt  aalnar  isuttar  —  aln  Sngal  Cottaa  wlrt 
Ihw  Ilabor  i^awaaan,   denn  der  hätte  ihn  nicht  auch  noch 
nacotioltan  und  bestraft.—     Oder  daa  andere  Ital,  ala 


ibjR  aeln  Bruder  Holf  «inen  lieblichen  KeVa  anbot. 


ir. 


hiB  aofort  hinein  —  und  «s  war  Seife.     Daa  war  nicht 
da»  SohllMitta.     Man  latiQta  wohl  dem  Siteren  und  bewun- 
derten 8ru^®r  solche  2.ugeßt8ndnl««e  ß*aehen,     Sa  war  wohl 
In  d^r  Ordnung  dar  Welt,   (i&B  dl»  ütltrwl sa^nAen  ihren 
if«i  nlt  den  Unwlaaenden  trieben.     Alter  daa  zweite  Mal 
hätte  aa  nicht  geschehen  dUrfenV     üaa  war  antaetzlloh 
kräalfand  pewaaen.     lln  paar  ffcge  nach  d^r  araWn  Sel- 
faneplsoda  wiederholte  sieh  dar  Spuk.     Blaamal  war  Wa- 
thi««  •©  kltif  gowaßön:   er  war  nicht  öllndllug»  teVftuf 
iilnaliMI«fall«n.     Br  hatte  tiefe  Gedanken  Aohabt,  »eil 


15 


unb««witt«b«r#r  Logik:   4«3  nun  dooh  der  Bruder  ihn  altmfti 
hln«lng«l««t  htttte;   «r  Witt«  «Iso  ann»fcilM,  4*Ä  Matfel«« 


gelerat  hwU«  »u»  d!»»»©  Erlebnis  und  Jconnt«  ihn  nicht 
ftttr  fUr  so  unTorstallbar  dum  haitwi.   d««i  •?  Ihm  nooh 
•lam«I  auf  d«n  |3t«loh«ß  3oh«rz  hin«lftfalX«n  würde.     Alßo 
aiißt«  •»  «In  richtiger  r«k8  8«ln.     So  bli  or  vortrauans- 
voll   hinaln  —  und  UeberriiBChung«    —  ob  w«r  wlod»r  3«lf«. 
M««Wl  weint«  Mathias,   da  nicht  nur  sein«  Ähr«,   sondern 
auch  sein  Vertrauen  aa  eigenen  iJonicen  erachüttert  war. 
So  9^r  er  sich  auch  übt«,   die  Srelgaiaae  vorauszusehen, 
••  gelang  Ihm  nicht.     Uinna.   das  «iöchen,   drohte  Ite  Alt 
dea  schwarzen  kann  für  Irfwiüoln©  Ueböltat,   sie  zeigte 
ihm  «©«ar  die  Measinf^tür  am  Kücbenofan,   durch  dl«  der 
»ehwarso  Mann  kotm^n  würde.     Xr  glaubte  kein  Wort  4«Ton. 
fr  wuöte,  es  gab  Keiaeu  schwarzen  lä^enru     iSln  i>8ar  Tage 
«arauf  mutete  es»  en  der  Hauetür  unÄ  llathi«a  atUrzte 
hinau,   Uta  sie  tu  öffnen.     3raui«ii  «tand  dar  aoHwarsa 
«Mn,  aüLt  holw»  &<aumnn  Hut,   eines  Helfen   in  der  Hand, 
rollte  aaine  Aug^n  und  aeigta  trüallche  welÄ«  Mhnel 
«athius  verkroch  sich  ontor  dem  Tisch .     Katürlloh  lernt« 
er  ap&ter.   unter  dem  CelSehter  der  Mutter  und  der  3e- 
•chwiater,  dafi  as  der  lichoraatelnfeger  ge«o.ien  war.  Aber 
konnte  aian  das  glaubon?     Sie  mochten  wieder  einroal   ihm 
Dinice  arsUhlen,   die  dann  apMter  sich  als  unwahr  heraus- 
•tauten.     Ali  dies  waren  lrlabni««e,   die  nur  den  Boden 


16 


▼orb»r«lt«ten  für  dls  «ntsetzllcbst«  U«i>«rrasohunß  ia 

g«lnMi  Kinder Ieb#n. 

■S\x   Jto«r  l9it   »tln«r  Kindhslt  l«bta  <S«r  Großva- 
ter b«l  lünen  la  Houße.  D«r  w»r  «in  wunderbarer  alter 
Vttnu  uni  Spielgefihrte.  Br  liebte  den  Klalneo,  als  den 
JOnfAten,  der  bei  dem  alten  '^ufln  blieb,  weno  alle  ande- 
ren Heu8genoa«eß  sich  andarswo  toMMltea,  Ihren  GeeohHf- 
ten  n&chgiinfön,  worunter  auch  der  Sofeulbesueh  der  älte- 
ren Kinder  einbegriffen  war.  Der  alte  L'ann  war  einsam. 


Ar  hm%%§   vor  kur 


B^ine  frau  varloron,  nim  labte  «r 


beim  aohn  und  d«r  :iohwlegertochter.   31e  waren  gut  au 
Ihm,  ober  sie  wutlHln  natüriloh  nloiit»  von  den  nlleln- 
MAn  de»  Altäre,  von  dor  tiefen  achnaucht  nach  'iört- 
llchitelt,  aaoh  dena  Gewiegt-  und  Bosorgtwerdon,  nach  dem 
••füttert'«erdf»ri  und  den  alten  f.lnderll9dt*r?..  üor  kleine 
||«tblaa  mar   der  riohtlfr.«  3pi«»l|?ef8hrte,  denn  wenn  er 
«t»ch  nicht  die  helfflliohe  Sehnsucht  dea  OroiVttor»  erfül- 
len konnte,  so  konnt«>ü  sie  Jedeafall»  all  da»  Begehrens- 
werte l«  ?>plel  und  alt  wechselnden  »oll«n  feschehoo  !••• 
•«B.  •!•  twwintgn  elnand*»  füttern,  beim  Ansleh«n  und 
Waeohen  helfen.  Sio  konnton  xusaassen  zur  :^u»lk  der  "niof- 


Hitteikanten"  tanzen,  und  er  konnte 


Kiail  all  die  el- 


ten  kleinen  Lieder  ainften,  wena  er  ihn  eixf  »einen  Kaien 
»oheukeln  ließ.  Auch  spielten  sie  Ueberraschunir  siua«»» 
,  «Wr  Uaberrasohung,  die  eine  Hep^elmÄiJlgkeit  gewor- 


17 


«en  war.  do«  Äu«rw«rt«nd«  und  doch  li'-aor  Nau».     UorftRSf 


Mfcii^f 


Klaa*  nooh  nicht  erwacht  war,  atanö  üethl««  «uf  und  «ehlich 
sich  m  ««IMS  Oroüvütsr«  ^-iaoier.  Ö4«  Yorhfia««  waren  ncoh 
aupezoii«n,  «ber  dl«  3onn«  aonian  duroh  öl«  Äitx«ri  und 
••hlcKt«  •In«»  f«ia«n  dUnaen  'trahl  zum  «roßao  ruada» 
nach  la  dar  klltte  das  .isaciars,  dar  lait  alnar  aohwaran 
dunkalrot««  Ti»olid««lt«  bed^^oKt  war.   Da»  groaa,  alt», 
braune  Batt  war  aucfe  gut  arkanabar  und  sogar  da»  »«oht- 
gatohlrr  uatar  d«m  Bett.   Ilne  Yaaa  alt  Bluaen  atand 
•of  daa  Tisch,  auf  dam  Wasohtiaoh  der  Krug  und  dl«  wasch- 
sohüaael.  Ber  Schaujcalßtuhl  knarrte  ein  wenig,  wenn  rnan 
d^ran  iAkMi.  i>9r   rote  Dlvan  »chaute  elnlaaend  herüber 
und  «rlnnerto  i^athlaa  daran,  wie  ar  eina&l  nach  viele« 
«In-  und  Herrutsohen  auf  dleee«  i^liran  ermüdet  elngeaohla- 
fan  wer  «aad  beim  grwachen  nicht  etwa  aelnan  Groi-vater, 


wm^tn  einen  fr 


Kann  zu   sehen  veraelnte.     line 


•rsohreokwide  Ueberreschuag».     t«  «teilte  «ich  dann  aber 
heraus .   daß  der  Ireiade  sein  von  einer  »•!•«  aurückee- 
|Mlirt«r  f^ttr  war,   der  der  Kode  §ßmAÜ  »ich  hatte  ln«wl- 
•«h«Q  den  aohbnen  vollen  Spitxbart  ebuöbaen  lastM  Wl4 
•omlt  dea  kleiaen  Knaben  ein  völlig  verHadertoa  Geeicht 
zeigte.     Aber  dleee  Srlnaerung  tauchte  nur  gleich«««  «le 
kleine  Kostprobe  von  anderen  UeberrMlIiiingen  auf,  wehrend 
«athia«  dl«  erwertet«,   unä  «o  sicher  folgende,   vcraua- 


le 


nalui.  Ar  sohl  ich  sieh  «n«  Bett  d«»  öroi^v&t«ra.   Der  lag 
da  mit  gttsohloM«!«»  Aueen,  «ohlafand  und  Mittisrchend, 
wi«  »t  »leb  <Jooh  för  «ln©n  wlrlcllch  Schlaf endan  e«hbrta. 
£r  trat  §ßt»   nah«  heran  und  ©treckt«  die  kleine  Hand  ua- 
%%v   dae  iMl^a  groiä«  Daunenkissen,  auf  A«M  i«r  Kopf  des 
alten  Herrn  Inf.  Er  fühlt©  etwa»  Karte«  und  zott   ein  Döo- 
eben  her&u»,  du«  er  aohnoll  öffnete.  0a  war«n  sie,  die 
kiöiaen  bekann tan  Bonbont,  dl«  sc  wunderbar  neoh  allen 
litycliehen  Fröchten  und  sü:i"cn  Sfiften  ach«eokten.  Schn©ll 
steckt«  er  ein«  in  den  Uund.  Großvater  laacht«  dleee  Ben« 
lH»ns  in  der  Kacht  für  ihn,  und  Jeden  Morgen  war  ein  ff«- 
fOllte«  Dösohen  unter  de«  Kopftelsßöa.  ü«a  war  aber  doch 
noch  niaht  da«  g&n&ß   VergnUcjoa.  Jetsit  kaa  da»  inde  de« 
Ritual«.  Uathlaa  kü2t«  den  alten  Mann  ouf  beide  Augen. 
Da«  Sflnwrciiea  bort©  auf  alt  einaa  letüt-ac  tl  jf  on  Atem- 
zug, dl«  AUi«Blldor  blinzelten  und  der  OroBvater  war 
«ach,  wie  er  aatürlioh  schon  len««  gew«Mn  ^r,  und  bera- 
te und  küiite  dae  sich  überrascht  stellende  Kind.  Xlt 
»Olehers  Beginn  des  Tag«»  und  solch  «Ineni  herzllohon  Groü- 
veter  war  die  übrig«  '«ölt  ertrSgllch.  Man  könnt«  Tritz 
und  Rolf.  LleBChen  und  Maria  ruhig  «ur  nohule  gahen  la»- 
••n,  ohn«  9o  «chreoklich  drlngand  mitgehen  zu   wollen. 
li«A  koamte  ja  "chule  lalt  Großvater  »plelea.  Vater  und 
Mutter  konnton  ruhig  am  Abend  &u8f^eh«n  und  wohl  auch 
.•n»H«.i  «11«  sitop«R  Kinder  altnohatB,  iMf   kleine  Mathla« 


h^i^fih'iidii   , 


■ « * '  ^  '  ■ '   •' 


19 


fühlte  fiioh  «ioher  und  wohl,  m%nn  dar  Grou^^at^r  6Q  sti«» 
u<im  Bettohea  naH  un4  ihia  Mftrohou  era^Shlta*     Auoh  Minnas 
iohwarzor  Hann  konnte  Ihja  nichts  laahr  aöhubön,   hatte  ihat 
doch     dar  Grotmitar  Bilder  in  «inam  Buch  ga^eigt»   auf  da- 
nan  vlala  sataMinM  Kt^aachf^n  waran,   dla  In  Graa«*  uad  Bliit*- 
tarhUtt^fin  lebtari   In  alnam  loind,   wo  dla  3onna  so  warm 
achian»   da^  alla  ManaolMMi  gan^  natürlich  dunkalbraun  wur«* 
t%n  wie  ain  gutar  Bratau.     So  wiir  ar  auch  gar  nicht  ao 
Qbarraacht  wla  aalna  Gaaobwlatar,  als  ar  alt  aalnar  gan* 
zen  Familia  In  alna  Auaatallttag  1»  i^oologlschan  Garten 
ging,  wo  ain   riohtlgaa  Naeerdorf  zu  eahan  war  mit  einigen 
9m§ßvt0mili^n.     taln  Wttaaa  hatt«)  achon  betrttohtllch  zu- 
gaDORunan  • 

Eines  Horganün  atund  ar  wla  gewöhnlich  in  dar 
3Chwaigaaii«a  frühe  auf  und  ging  ;:u  aalnam  Groairater. 
AI»  er  daa  yAsmer  betrat,   hatte  er  ein  Gefühl  von  An- 
d6rs-3aln.     %t  trat  an  daa  Batt  heran,   der  Oroä^^vater 
achlief  y  aber  er  achnerchte  nicht«     Leiae  uiiha  daa  Kind 
dla  iclelna  Doaa  untar  d^Ki  fopfklaaan  hervor.     Dann  atell- 
%a  er  sich  auf  die  ^^ehensr^pltsaa,   um  den  alten  Mann  wie 
<ptawöhnlich  »u  kösaen,     Dl«i?er  regia  eich   Jaöooh  nicht 
und  fühlte  atah  kalt  an.     Ilun  bamertcte  Mathlaa,   da£S  daa 
Ckroivatera  Augan  halb-offen  atfisnden  und  dar  Mund  ganx 
offen,   und  in  dam  SohiOT»r  da»  schüchtern  alndrinftanden 
Morgenllchtaa  achiiuta  dar  iLlta  gß^na  blau  aus.     Verwirrt 


.  ^'x     ,  '.:. .'  \ 


i      i 


Zij 


Qroiifht^r   tot  wir. 


und  verwundert  schüttelt«  ar  den  kltm   ünfl  grlXf  nach  d«n 
HÄa««n,  dl«  «lelfalt  waroa.  Alu  «uoU  Jetat  k«la  ..eichen 
vom  aroöT«%»r  MM,  fing  Muthia»  aa.  Ifeut  »u  w«iaea.  Da« 
laut«  Sohluobxan  brachte  den  Srüdar  Frita  berbei.  der  so- 
fort nach  dem  Vatar  lief.  fW  —   Ih»  dcot  klar,  daü  der 

In  der  Aufregung  und  dos  Trubel»  i«r 
durch  daö  Tod  berauf beachworon  war,  war  llfcthiÄa  Terg 
s«n.  rUeaand  hatte  aur  ««ttutnia  «©noasaen,  daa  er  der 
Intdeoker  4ar  »ohreoklichen  üobörreschun«  geweaan  war. 
Er  aaß  In  der  Küche  am  Boden ,  achuukelte  hlii  und  wider 
und  wainta  lel9«  vor  sich  hin.  i>ann  aagte  naft  ihm.  daä 
dar  Croeyeter  ganz  plötzlich  in  der  liacat  «••torbsn  MAf 
aa  "Schlag"  aagte  ^^üna.  la  Oro^vöters  Zljw&er  giugoa 
▼§•!•  Monncber.  esln  und  aus;  er  selbst  dürft©  nicht  hin- 
ein, llnes  apfettin  i^aotolttaga  \smm  M%«i^ä   ßohvfaraa  liEn- 
ßor,  achwara  gekleidet,  »It  sohwarzea  Uütan,  ab«r  nicht 
la  Geeicht.   Die  trugen  dan  schwarzaa  .>are  hlüaus,  la 
dea  sein  Oro^vetar  laß.  Beina  Kutter  M«ta  1ha  ^u« 
Trost,  da£  seines Grot^vatar»  Seele  äu«  Stern  axa  Ela»l  «a- 
wordan  war,  uad  «la  zoigta  ihri  aogar  dleaan  'Jtern.  Sr 
glaubt»  l«t«rnd  ctaran  und  mirde  oin  atlllo»,  vcraiohtlgaa 
Riad,  daa  anfing,  «ich  für  Gott  und  de«  Kiamel  «o  In- 


tx 


III 


Dl«  iiop««Mtuüd«ft  alt  Ihrer  KraBk«nhau» routin» 
lagen  h«ut«  nur  sehr  löngaaei  för  Mathias.  Ir  muii-' 
%•  noch  dan  latztan  Kaauch  aalnaa  Jvrxta«  ab««rtan, 
naohdaffi  all«  librlfan  Slajwlhalten  dar  Itiquött«  alnar 
S&tlasaung  aus  da«  apltal  baobachtat  wordan  waren,  «äb- 
reaö  er  auf  daa  Kollagan  wartat«,  waadartan  aaln«  Oadan- 
hin  und  her  ron  dar  nahaa  Zukunft  aur  Varganeanhalt. 
Bald  würda  Cherlotta  kommeo,  um  lim  abauholan;  sla  Hai 
sich  diaaae  ¥argnUgan  nicht  nehmen.  Sla  wollte  Iha  zurück 


In  ihr  Häu«  f Uhren,  daa  «la  »lohar  au  »elnaa 


ug   fast* 


lieh  hargerlohtot  hatta,  Kr  könnt©  dla  AtmoaphSra  aii(a> 
nehm  ▼orauafUhlan  und  -aahan:  dl«  Blueaen  In  alian  Slnmmra, 
ba8ond«r8  aber  in  aalna»  Arb^ltsilaiuer,  da>r  gaatllcha  Duft 
airiös  guten  Mabla»,  das  alt  crö^^tar  Sorgfalt  Ton  Charlot- 
ta  »aln«n  Vorilob^n  Kaiaii  engagaben  und  ▼oa  dar  Köchln 
xubaraitat  aein  würde.  Ir  atallte  aicü  da»  «anfta  Liobt 
in  seinen  /irbaltSÄlEsaer  vor,  die  mit  aUoharn  badacirtan 
Wunde,  seinen  Schrolbtlaoh,  auf  4mi,  obgiolch  nicht  ein 
9ttubch«n  «u  aahan  war,  doch  all«»  «anau  ao  laf,,  wie  er 
•t  vor  aaoha  '"ocben  varlaeaea  hatta.  Sein  ÄWliwkrlpt 
war  an  der  Stolle  auf?.e«ohla«an,  wo  ar  aufgehört  hatte, 
zu  schreiben.  Ir  wUrde  nun  dleae  Arbeit  wieder  In  An- 


J  * 
1 


I  i 


«Sic 


griff  nohm«n,  wihr«nd  d«r  ko«B(Widen  :3clionuagep»rioäe, 
dl«  «r  für  sich  al«  y«rlen  be»#lohn«t«.  Ar  koimt«  sogar 
hoffen,  diese  /wrbeit  b«l  dem  näctietan  wisaenschÄf tllohan 
longret»,  der  in  drei  i«onat«n  Btattflndon  «ollte,  »«Ibst 
vorzutragen .  WSbread  sslner  Ferien,  wenn  «uon  niobt  so- 
fort, «•dachte  er  tiucb  aein  eigenes  Spital  WHA   »aln  La- 
boretorlum  zu  besuchen.  Sr  »uSte  unwillkürlich  lächeln, 
ala  er  an  sain«  Kollagan  dacbta.  Sie  hatten  wohl  alle 
•rwartet,  dass  er  sterben  würde,  boaonäara  aber  derjani- 
p«,  dar  Ihm  la  Hang  aa  nächaton  stand.  Dt   hatte  wohl 
helmlich  schon  auagarecbaot,  wann  ar  den  Lehrstuhl,  den 
Mathias  seit  so  vlslon  Jahren  an  d«r  UniversitÄt  inne- 
Katte,  einnehmen  würde,   är  hatte  «ich  gar  so  ont»at«t 
zeigt  über  HatbUfl*  pietalioha  Erkrankung;  aber  ver- 
denken konnte  man  es  ihn  doch  nicht,  daß  er  salt  beiden 
Att?,<jn  nach  der  aioheron  «nö  ehrenvollen  Stallone  horöber- 
bllnaelta.  Auch  alle  die  anderen,  Jünf?er«n  Kollegen  taooh- 
teii  wohl  schon  elfriga  Barechnuni»»  unterelaender  anga- 
stellt  habön  in  bszug  auf  die  Verschiebung  dar  Anstellun- 
Sm,  die  ifflaer  einer  freiwerdenden  ordantllchan  Irofes- 
eorstelle  folgt«n.  ■^wie  anttauacht  sie  alle  »ein  werden," 
dachte  Mathias  und  konnte  alch  einer  gewissen  Schaden- 
freud© nicht  erwehren,  tr  hatte  Ihnen  allen  «in  Schnipp- 
ehen gaachlagen.  P/l«  hatten  seinen  Tod  so  sicher  angenom- 
aen,  und  hier  war  er  quicklebendig  und  bereit,  bald  dl« 


•^ 


23 


Zügtl  wieder  In  stlae  Kand  z\x   nehiwin.  Vielleicht  aber 
waren  tle  auch  wirklich  sehr  eraohreckt  und  ehrlich  uta 
ihü  besorgt  go. , -an,  l^eoadore  einige  von  den  ganz  Jan- 
Ken  Kitarbeitern,  die  ihn  verehrten  und  noch  viel  von  ihm 
i\x   lernen  erhofften.  Mochte  es  für  aie  nicht  eine  große 
keltere  Freude  cein,  ihn  nach  dieet»  Bohrecken  «i«i*r 
lebendig  unter  ihnen  zu  eehen?  Paat  ao,  dachte  Mathias, 
wie  in  ••Iner  Fandhelt  aßi  Keer,  ala  er  seibat  noch  nicht 
sohwittmen  konnte,  Ja  aogar  eine  gewisse  Scheu  vor  den 
hereinatürasenaea  ftollen  hatte  und  die  Siteren  Kinder  ihn 
derait  necKten,  daß  als  ••toter  Uann"*   epielten;  sie  lehrten 
sich  flach  auf  den  Hucken  und  lleSen  »loh,  selbnt  f^nz 
beisifungsloa,  von  Ann   /«eilen  trsffsn.  JüUfStvoll,  nur  bis 
zu   den  Wed«n  Im  Wasser  stehend,  hatte  er  ihnen  zugeschaut, 
und  er  war  lumer  wieder  ungemein  erleichtert  und  glück- 
lich gewesen,  wenn  seine  Oeßchwlatsr  sich  wieder  aufrich- 
teten und  «ich  alß  herumapringende  und  ISrmende  Kobolde 
ifi  ihrer  s^VtlMillchen  und  ihnen  aAgemeaaens«  Wstur  zeig- 
ten. Heute  war  er  'Mar  tote  Kana,"*  der  ^war  nicht  herum- 
springen,  aber  doch  ^ui^sindest  wieder  ungehesußt  gehen  und 
Sich  bewegen  konnte. 

Ändlich  kam  der  Kollega,  der  ihn  noch  einmal  un- 
tersuchte, unä  nachdem  er  ihm  beatißmte  Verhaltungamali- 
nahmen  vorgeachrieben  hatte,  die  Mathia«  fast  als  spsßig 
eräpfand,  mit  besten  ^^^Unschen  und  OfindeachUtteln  als  weit- 


24 


gebend  galWTt  nach  Hause  entli«0.  Heiter  verabsohie* 
dete  er  sich  von  den  anderen  Ärzten  und  den  Kranknesohwe- 
Stern«   Jhrwartungsvoll  und  etwas  ungeduldig  lle0  er  sloh 


mit  Charlotte 


im  Fahrstuhl  binunterfabren«  Faet; 


jugendlich  ging  sr  seiner  Frau  voraus  durch  das  groUe 
lortal  des  Krankenbauaes,  durch  das  er  vor  nur  sechs  Wo- 
chen b«imBtlos  bineingdtragan  worden  war*  Welch  eine 
glückliche  Ruhe  hat  er  in  dieser  Zeit  hier  gefundenl 
Nichts  konnte  ihn  caehr  erschrecken  oder  überraschen,  da 
•r  der  Zukunft  wissend  entgegenging. 

Uebermütig  wandte  er  sich  um  nach  Charlotte,  um 
ihr  ein  pi*r  heitere  Worte  icuzurufen,  gerade  als  er  die 
Strafe  Überquerte,  um  zu  dem  auf  ihn  wartenden  vap^en  zu 
fslangen«   Ar  hatte  in  seiner  fröhlichen  Laune  dabei  we- 
der nach  rechts  noch  linJcs  gesehen  und  so  nicht  bemerkt, 
da2  sich  das  Verkehrssignal  geändert  hatte.   Ein  schnell 
fahrendes  AutomoHil  stiei-?  ihn  nieder  und  achleifte  ihn 
ein  putes  3tüok.  Weit,  weit  entfernt  hörte  er  ein  selt- 
sames Krachen  und  Knirschen;  ein  Hinauf-  und  älnunter- 
wogen  machte  ihn  schwindlig  und  seekrank.  Ein  unbekann- 
ter unerträglicher  Schmerz  raubte  ihm  fast  die  Besinnung, 
und  in  Jäher  Ueberrasohung  sah  er  ein  fremdes  Gesicht  sich 
über  ihn  beugen,  ein  Gesicht,  tas,  der  Mode  entsprechend, 
glatt  rasiert  war.   Dana  schloÄ  er  für  liaraer  die  Augen • 


', —  vJTT 


33 


wenn  sie  nicht  mehr  blindlings  darauf  los  lief,  schmieg- 
te sich  die  Katze  schnurrend  an  ihre  Beine  und  zwang  die 
Aufmerksamkeit  der  Hexe  auf  sich*  Hagar  blieb  dann  ste- 
hen,  hob  die  Katze  auf,  drückte  sie  zärtlich  an  sich  und 
erlebte  ein  überflutendes  Gefühl  von  Mitgefühl  und  Wärme 
der  Kreatur  gegenüber,  das  wie  eine  alte  Erinnerung  war; 
das  einzig  Wahre  ihrer  Erinnerungen,  das  alle  anderen 
wieder  wie  unbelebte  farblose  und  unwirkliche  Bilder  er- 
scheinen ließ.  In  solchen  Nächten  dachte  sie  nichts 
weiter,  kehrte  sie  nicht  mehr  zurück  zu  ihrer  Vergangen- 
heit« Auch  geschah  es  manchmal,  dass  sie  bei  ihrer  Rück- 
kehr einen  Gast  in  ihrer  Hütte  fand.  Jemanden  aus  dem 
Dorfe  oder  sogar  von  weiter  her,  der  ihres  Seherblickes 
bedurfte,  ihr  sein  Leid  klagen  wollte  oder  irgendein 
Heilmittel  gegen  eine  Krankheit  erbat.   Schweigend  hörte 
sie  dem  Fremden  zu;  schweigend  bereitete  sie  den  Kräuter- 
trunk,  und  oft  in  der  dunklen  Hütte,  die  nur  durch  das 
Herdfeuer  erleuchtert  war,  sah  und  hörte  der  Besucher, 
was  zu  hören  oder  zu  sehen  er  gekommen  war.  Hagar  selbst 
hatte  kein  Teil  daran.  Manchmal  fand  sie  in  sich  die 
Kraft,  auch  jene  Ereignisse  wieder  ins  Gedächtnis  zurück- 
zurufen, deren  Erinnerung  sie  aus  ihrer  Hütte  in  die 
Nacht  hinausstürzen  ließen« 

Nur  mußte  es  dann  Tag  sein,  hell  und  nüchternes 
Licht,  mit  klarer  Sicht  auf  das  Dorf  und  das  lebendige 


I  f 


51 


sehnt,   Sie  träumte  sloh  als  das  Werkzeug  des  Herrn;  durch 
Ihr  Dasein  wurde  der  Fluch  vom  Hause  Sauls  getilgt •  In 
diesen  Träumereien  konnte  sie  immer  neue  Einzelheiten 
ausführen 9  ändern »  hinzufügen ,  aber  das  Wesentliche 
blieb,  daß  der  König  sie  sofort,  ohne  das  geringste  Zö- 
gern, erkannte  und  sie  entgegennahm  als  sein  so  lange 
gesuchtes  und  größtes  Gut«  So  saß  sie,  ihren  Gredanken 
hingegeben,  als  sie  plötzlich  Schritte  vernahm*   Die  Tür 
ihres  Hauses  wurde  geöffnet,  und  zwei  Männer  mit  verhüll- 
ten Häuptern  betraten  die  Kammer«  Der  eine  trat  rasch 
an  sie  heran  und  sprach  mit  leiser  und  eindringlicher 
Stimme:  ^rau,  man  sagt,  daß  Du  einen  Wahrsagegeist  hast. 
Du  mußt  ihn  bemühen,  es  geht  um  Leben  und  Tod«^  Hagar 
sprang  auf  und  wich  gegen  die  V/and  zurück«  Der  Schein 
des  Feuers  lag  auf  ihrem  Gesicht  und  beleuchtete  klar 
und  deutlich  ihre  Züge«  Entsetzt  hörte  sie  die  Rede 
des  Mannes  an,  Überzeugt,  daß  man  ihr  eine  Falle  mit 
diesem  Ansinnen  stellen  wollte«  War  doch  Jedes  Wahrsagen 
durch  das  Gesetz  des  Königs  bei  Todesstrafe  verboten« 
Sie  weigerte  sich  mit  Versicherungen,  daß  die  Fremdlinge 
falsch  unterrichtet  wären,  daß  sie  weder  wahrsagen,  noch 
anderen  Zauber  bewerkstelligen  könne;  daß  alle  Magie  ge- 
gen das  Gesetz  sei,  und  daß  nur  irgend  welche  bösen  Zun- 
gen sie  verleumdet  haben  müßten«  Der  zweite  Mann  hatte 
sich  bisher  schweigend  im  Hintergrund  gehalten«  Jetzt 


zz 


der  Größe,  Ihm  geworden  durch  ein  einziges  Wort  Samuels, 
und  geheiligt  als  Darstellung  eines  Wunders.  Wie  sollte 
er  nicht  den  mächtigen  StellTertreter  fast  anbetend  ver- 
ehren, der  ihm  die  Welt  hinreichte».  Wie  sollten  seine 
Träume  nicht  Jetzt  die  Bahn  laufen,  die  ihm  Dankbarkeit 
und  Ehrgeiz  verbanden,  Träume,  in  denen  er  Samuel  die  Rich- 
tigkeit seiner  Wahl  dadurch  zu  beweisen  suchte,  daß  er 
sein  eigenes  Heldentum  und  damit  seine  eigene  Größe  der 
Welt  und  dem  Hohepriester  vor  Augen  brachte.  Damit  war 
es  aber  um  ihn  und  sein  Haus  geschehen.  Denn  sein  Ver- 
trauen in  Samuels  guten  Willen  wurde  Saul  zum  tragischen 

Geschick. 

So  geschah  es,  daß  der  junge  König,  um  sein  Helden- 
tum dem  älteren  Mann  zu  Füßen  zu  legen,  schnelle  Entschei- 
dungen traf,  unbesonnene,  die  ihn  in  unnötige  Kriegszüge 
verwickelten,  aus  denen  er  zwar  als  gefeierter  Sieger  her- 
vorging, die  ihm  aber  Mißtrauen  und  Unwillen  des  politisch 
geschulten  und  vorsichtigen,  ja  voraussichtigen  Priesters 
eintrugen.  Samuel  befürchtete  wohl,  daß  die  Macht  und 
die  Leitung  der  Staatsgesohäfte  seinen  eigenen  Händen  ent- 
gleiten würden  und  daß  der  jüdische  Gottesstaat  durch  die- 
se gewalttätigen  selbstherrlichen  Taten  des  Königs  in 
eine  kriegführende  räuberische  Horde  übergehen  würde;  be- 
sonders aber,  daß  die  bisher  unter  dem  strengen  Gesetz 
des  einzigen  Gottes  und  seines  Stellvertreters  stehenden 


BZ 


dar  Oröiä»,  ihm  fiewordsn  durch  »In  elazlgos  v.ort  üamual», 
wii  t^htillpt  als  Darstellung  elnoa  'Wunders.  Wl«  iollto 
•r  nicht  den  aaMohtiffon  Sttllvertreter  fast  anbetend  ver- 
•hrea,  der  Ib»  dl«  Welt  hlnv«ichtel  Wie  sollten  Mine 
Träume  uicht  jetxt  die  Behn  laufen,  die  Ihm  Dankbarkeit 
und  Shrgelz  verbenden,  TrÄume,  in  denen  er  Jamuel  die  tUch- 
tigkelt  seiner  - ahl  dadurch  zu  beweisen  suchte,  daß  er 
•ein  eigenes  Heldentum  und  damit  seine  eigene  Orööe  der 
Welt  und  den  Hohepriester  vor  Augen  brachte.  Daialt  wmr 
••  aber  um  Ihn  und  sein  Heus  geschehen.  Denn  sein  Ver- 
trauen in  3aiauels  e^ten  Willen  wurde  Saul  aua  traf^i sehen 

Oesohlok. 

30  geschah  es,  da^  der  Junge  König,  um  «iln  Helden- 
tum dem  filteren  Mann  2u  iUuen  au  lagen,  schnell«  Entschei- 
dungen traf,  unbesonnene,  die  ihn  in  unnötige  Krie^rszüge 
▼•rwiokelten,  aus  denen  «r  «war  als  gefeierter  Sieger  her- 
vorging, die  IhjB  aber  Mißtrauen  und  Unwillen  d«t  politisch 
gtechulton  und  vorsichtigen,  ja  voraussichtigen  i riestere 


•intrugen. 


befürchtete  wohl,  daB  die  lischt  uni 


die  Leitung  der  StaatagesohSfte  seinen  eigenen  Hfinden  ent- 
gleiten würden  und  daß  der  jüdische  Gottesstaat  durch  die- 
se gewtlttfttigen  •elbstherrlichen  Taten  des  Königs  in 
«ine  kriegführende  räuberische  Horde  übergehen  würde;  be- 
sonders aber,  daß  die  bisher  unter  dem  strengen  Gesetz 
d«8  •Inaigen  Gottes  und  seines  .Stellvertreters  stehenden 


33 


wann  ale  nicht  raehr  blindlings  darauf  los  lief,  sohmiog- 
t«  sioh  di«  Kstztt  sobnurrend  an  ihre  Beine  und  z^ans,   die 
Aufaerksarikelt  der  Hexe  auf  sioh,  Hagar  blieb  dann  ste- 
hen, hob  die  Katae  auf,  druckte  sie  aärtlich  an  sioh  und 
•riebt«  «im  Oberflutondes  Gefühl  von  Illtgaftthl  und  WKrir^e 
der  Kreatur  gegenüber,  das  wie  eine  alte  Erinnerung  war; 
das  einzig  Vfthre  ihrer  Srlnnerungen,  das  alle  anderen 
wieder  wie  unbelebte  färblose  und  unwirkliche  Bilder  er- 
scheinen ließ.  In  solchen  Nächten  dachte  sie  nichts 
iv»iter,  kehrte  sie  nicht  aahr  aurClck  zu  Ihrer  Vergangen- 
heit. Auch  geschah  es  aanchmal,  dass  sie  bei  ihror  Hüok- 
kehr  einen  Gast  in  ihrer  Hütte  fand.  Jemanden  aus  d«a 
Dorfe  oder  sogar  von  weiter  her,  der  ihres  ".eherblloke» 
bedurfte,  ihr  sein  Leid  klagen  wollte  odor  lr«rendein 
Heilmittel  gegen  eine  Krankheit  erbat,  Jchweigand  hörte 
•!•  dem  Treradsn  zu;  schweigend  bereitste  sie  den  KrButer- 
trunk,  und  oft  in  der  dunklen  fitttte,  die  nur  durch  da« 
■•rdfeuer  erlauchtert  war,  ««h  und  hörte  der  Besucher, 
was  zu  hören  oder  zu  sehen  er  «ekotamen  war,  fUig«r  «elbst 
hatt«  kein  Teil  daran,  ItanckMll  fand  sie  in  sich  die 
Kraft,  auch  Jene  "^reipnlase  wieder  ins  GedÄohtni«  zurück- 
zurufen, deren  ti-rinnerung  sie  aus  ihrer  Hütte  in  die 
■aieht  hinausstürzen  Heiden, 

Nur  niu2t«  es  dann  Tag  sein,  hell  und  nüchternes 
Licht,  alt  klarer  Sicht  auf  da«  i,orf  und  das  lebendige 


II 


51 


t 

sehnt,  3ie  trüumtt  sich  ale  das  «trkÄeug  des  Herrn;  durch 
ihr  Dasoln  wurde  der  Fluch  Tom  Hause  :3«uls  getilgt.   In 
tfiesen  Träumereien  konnte  sie  imner  neue  j;iniuelhaiten 
ausfuhren I  Ändern,  hinzufügen,  aber  das  ifesentllche 
blieb,  daß  der  König  sie  sofort,  ohne  das  geringste  ^iö» 
gern,  erkannte  und  sie  entgegennaha  als  sein  ao  lasfl» 
gesuchtes  und  gröBtes  Out.  So  saß  sie,  ihren  Gedanken 
hingegeben,  als  sie  plötzlich  schritte  Ternahm.   Die  Tttr 
Ihres  Hauses  wurde  geöffnet,  und  zwei  !.^finner  alt  verhüll- 
ten HKuptern  betraten  die  Kammer.   Der  eine  trat  rasch 
•II  sie  heran  und  sprach  mit  leiser  und  eindringlicher 
StlMi«:  Trau,  man  sagt,  daß  Du  einen  Wahrsagegeist  hast. 


Du  auät  ihn  bemühen,  es  geht  um  Leben  und  Tod.""  Safpr 
•prang  auf  und  wich  gegen  die  end  zurück.  Der  Schein 
des  Feuers  lag  auf  Ihrem  Gesicht  und  beleuchtete  klar 
und  deutlich  ihre  *iüge.  Entsetzt  hörte  sie  die  Hede 
des  Eannes  an,  überzeugt,  daß  ^an  ihr  eine  Falle  mit 
diesem  Ansinnen  stellen  wollte.  War  doch  Jedes  /ahroagen 
durch  das  Gesetz  des  Königs  bei  Todesstrafe  verboten. 
Sie  weigerte  sich  mit  Versicherungen,  daS  die  Fremdlinge 


falsch  unterrichtet  wären,  daiS  sie  weder  wahrsagen,  noch 
anderen  sauber  bewerkstelligen  könne;  daß  alle  Magie  ge* 
gen  das  Oesetz  sei,  und  daä  nur  irgend  welche  böaen  .uun- 
gen  aie  verleumdet  haben  müßten.  Ti^r   zweite  Mann  hatte 

»ich  bisher  aohwelgend  im  Hintergrund  gehalten.  Jetzt 

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ä«r  Orö3«,  Ihm  ptewordan  durch  tln  einzige«  »ort  i>eiiiu«l», 
und  gaheillFt  als  Daretellunii^  eines  'Wunders.  Wie  sollt© 
er  nicht  den  rafiohtlpon  Stellvertreter  fast  anbetend  ver- 
ehren, der  ihm  die  W«lt  hinreichte'.  Wie  sollten  seine 
Trttume  nicht  Jetzt  die  Bahn  laufen,  die  ihm  Danlcberkeit 
und  I^hrgeiz  verbanden ,  TrSume,  in  denen  er  oamuel  die  Rich- 
tigkeit seiner  STahl  dadurch  zu  beweisen  suchte,  daß  er 
sein  eigenes  Heldentum  und  damit  seine  eigene  Oröiie  der 
Welt  und  den  Hohepriester  vor  Augen  brachte.  Daait  war 
•8  aber  um  ihn  und  sein  Reua  geschehen.  Denn  sein  Ver- 
trauen in  Samuels  puten  willen  wurde  3aul  2um  tragisohen 

Ceschiok. 

So  g<9cch8h  es,  dau  der  Junge  König,  um  sein  Helden- 
tum dem  filteren  Mann  zu  ittüen  zu  lagen,  actotll«  Sntschei- 
dungen  traf,  un»«»onnene.  die  ihn  in  unnötige  Kriegszüge 
t»fwi ekelten,  aus  denen  er  zwar  als  gefeierter  Sieger  her- 
vorging, die  ihm  aber  iÄißtrauen  und  Unwillen  das  politisch 
geschulten  und  vorsichtigen.  Ja  voraussichtigen  1  riestere 
eintruran.  Samuel  befürchtete  wohl,  daß  die  Macht  und 
die  Leitung  der  Staatagesohäfte  seinen  eigenen  Hönden  ent- 
gleiten würden  und  dai2  der  Jüdische  Gottesstaat  durch  die- 
se  gewalttätigen  selbstherrlichen  Taten  des  Königs  in 
eine  kriegführende  räuberische  Horde  übergehen  würde;  be- 
sonders aber,  daß  die  bisher  unter  dem  strengen  Gesetz 
des  einzigen  Gottes  und  »«ines  Stellvertreters  stehenden 


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33 


«•nn  ai«  nicht  mehr  blladlltigs  darauf  los  lief,  schrdeg- 
%•  sich  di«  Katae  schnurrend  an  Ihre  Belno  und  iwang  die 
AufaerksanJcelt  der  Hex«  auf  sloh.  Hagar  blieb  dann  ste- 
hen» hob  die  Katze  auf,  drückte  sie  zSrtllch  an  «loh  und 
erlebte  «In  überflutondea  0«fühl  von  Mitgefühl  und  Wärme 
der  Kreatur  gegenüber,  das  wie  ein«  alt«  Erinnerung  war; 
aas  elnilg  Walup«  ihrer  Erinnerungen,  das  all«  anderen 
wieder  wie  unbelebte  farblose  und  unwirkliche  Bilder  er- 
scheinen lleä.   la  solchen  Nächten  dachte  sie  nichts 
«•iter,  köhrte  tle  nicht  nshr  aurttck  zu  Ihrer  Vergangen- 
heit. Auch  «esohah  es  manchmal,  dass  «ie  bei  Ihrer  Rück- 
kehr einen  Gaat  In  Ihrer  Hütte  fand.  Jemanden  aus  dem 
Dorfe  oder  sogar  Ton  welter  her,  der  ihres  Seherbllokes 
bedurfte,  ihr  sein  Leid  klagen  wollte  odor  Irgendein 
lellraittel  gegen  eine  Krankheit  erbat.  Schwelpand  hörte 
sie  dem  Treraden  zu;  schweigend  bereitete  sie  den  KrÖuter- 
trunk,  und  oft  in  der  dunklen  Hütte,  die  nur  durch  das 
Herdfeuer  erleuchtert  war,  sah  und  hörte  der  Besucher, 
was  au  hören  oder  zu  sehen  er  gekocaaeü  war.  Hagar  aelbst 
hatte  kein  Teil  daran.  Maaiohaal  fand  sie  in  sich  die 
Kraft,  auch  Jene  ülreignisse  wieder  ins  GeÄlchtnls  zurück- 
zurufen, deren  Erinnerung  sie  aus  ihrer  llütto  In  die 
Nacht  hinausstürzen  ließen. 

i 

Nur  mußte  ee  dann  Tag  sein,  hell  und  nüchternes 
Licht,  mit  klarer  31cht  auf  daa  Dorf  und  das  lebendige 


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33 


al«  nicht  mehr  blindlings  darauf  los  Hof,  ^chrieg* 

te  sich  die  Katz«  schnurrend  an  Ihre  Beine  und  zwang  die 
Aufmerkaaxiikeit  der  Hexe  auf  sich,  lagar  blieb  dann  ate«* 
hen,  hob  die  Katze  auf,  drückte  sie  zärtlich  an  sich  und 
erlebte  ein  Überflutendes  Gefühl  von  Mitgefühl  und  mirme 
iMP  Kreatur  gogwittber,  das  wie  eine  alte  Srinnarung  war; 
das  einzig  Wahre  ihrer  2rlnn8rungen,  daa  alle  anderen 
wieder  wie  unbelebte  farblose  und  unwirkliche  Bilder  er- 
scheinen lie3«  la  aolchen  Nftchten  dachte  sie  nichts 
weiter,  kehrte  sie  nicht  mehr  zurück  zu  ihrer  Vergangen- 
heit. Auch  geschah  es  manchmal,  dass  sie  bei  ihrer  Rück- 
kehr einen  öast  in  ihrer  Hütte  fand.  Jemanden  aus  dem 
Dorfe  oder  sopar  von  weiter  her,  der  ihres  3eherbllckes 
bedurfte,  Ihr  sein  Leid  klagen  wollte  oder  irgendein 
Heilmittel  gegen  eine  Krankheit  erbat.   Schweigend  hörte 
sie  dem  Fremden  zu;  schweigend  bereitete  sie  den  Kräuter- 
trank,  und  oft  in  der  dunklen  Hütte,  die  nur  durch  döS 
Herdfeuer  erleuchtert  war,  »ah  und  hörte  der  Besucher, 
was  zu  hören  oder  zu  sehen  er  gekoiiiuen  war.  Hagar  selbst 
hatte  kein  Teil  daran.  Manchmal  fand  sie  in  sich  die 
Kraft,  auch  jene  »eignisse  wieder  ins  Gedächtnis  zurück- 
zurufen, deren  Erinnerung  sie  aus  ihrer  Hütte  in  die 
Nacht  hinausstürzen  Heiden. 

Nur  mußte  ee  dann  Tag  «ein,  hell  und  nüchterne« 
Licht,  Bxlt  klarer  Sicht  auf  des  Dorf  und  das  lebendige 


51 


sehnt*  Sie  träumte  sich  als  das  Werkzeug  Im  Herrn;  durch 
Ihr  Dasein  wurde  der  Fluch  Tom  Hause  Sauls  getilgt.   In 
diesen  Träuriereien  konnte  sie  InL'ier  neue  uliiisellieltmi 
ausführen I  andern,  hinzufügen,  aber  das  Wesentliche 
blieb,  da3  der  König  sie  sofort,  ohne  das  geringste  ^D* 
gern,  erkannte  und  sie  entgegennahm  als  sein  so  lange 
gesuchtes  und  grOBtes  Gut«   So  saß  sie,  ihren  Gedanken 
hingegeben,  als  sie  plötzlich  Schritte  Ternahm.  Die  Tür 
ihres  Hauses  wurde  geöffnet,  und  zwei  ü&nner  mit  verhüll- 
ten Häuptern  batraten  die  Kammer •   Der  eine  trat  rasch 
an  sie  heran  und  sprach  mit  leiser  und  eindringlicher 
Stimme:  Trau,  laan  sagt,  daß  Du  einen  Vvahrsagegeist  hast. 
Du  mui3t  ihn  bemühen,  es  geht  um  Leben  und  Tod.^  Hagar 
sprang  auf  und  wich  gegen  die  Wand  zurück.  Der  Schein 
des  Feuers  lag  auf  ihrem  Gesicht  und  beleuchtete  klar 
und  deutlich  ihre  Züge.  Sntsetzt  hörte  sie  die  Rede 
des  Mannes  an.  Überzeugt,  da£  man  ihr  eine  Falle  mit 
diesem  Ansinnen  stellen  wollte.  War  doch  Jedes  Wahrsagen 
durch  das  Gesetz  des  Königs  bei  Todesstrafe  verboten. 


Sie  weigerte  sich  mit  Versicherungen,  daß  die  Fremdlinge 
falsch  unterrichtet  wären,  daß  sie  weder  wahrsagen,  noch 
anderen  ^^auber  bewerkstelligen  könne;  daß  alle  Magie  ge- 
gen das  Gesetz  sei,  und  Amii  nur  irgend  welche  bösen  luun-» 
gen  sie  verleumdet  haben  müßten.  Der  zweite  Mann  hatte 
sich  bisher  schweigend  im  Hintergrund  gehalten*  Jetzt 


£B 


«•r  OröÄ«,  Ihm  «ewordan  durch  «in  «iazlg^t  tort  Gaautli» 
uQd  g«b«illßt  als  Darstellung  elii«s  Wundere.  Wit^  oollto 
er  nicht  d«n  mfichtlRen  otsllvsrtreter  fast  «nhetend  Tsr- 
•hren,  der  ihm  dl«  Wslt  hlnralchtsi  «It  soll ton  ssins 
Trlums  nicht  j^txt  die  Bahn  laufen,  die  Iha  DtnJrberkelt 
und  Shrgeiii  Ysrbenden,  TrSume,  in  derian  er  Ssaual  dl«  Rich- 
tigkeit seiner  ahl  dadurch  zu  bewelssn  sucht«,  daß  sr 
sein  eigenes  Heldentum  und  datalt  seine  «Igsns  Orößs  i«r 
W*lt  und  den  Hohsprlestsr  vor  AofMin  brachte.  Damit  wsr 
•8  aber  u«  Ihn  und  sein  Haua  geschehen.  Dean  sein  Ver- 
trauen In  Saauole  cuten  rfillM  wurde  3aul  iura  tr««l sehen 

•••tfilok. 

30  g:eschah  es,  dau*  der  Junge  König,  ua  aeln  Helden- 
tum dem  filteren  *ann  au  iüüen  au  legen,  schnelle  Äntechel- 

en  tr»f,  unbesonnen«,  die  Ihn  In  unnötige  Krlegsaüge 
▼erwl ekelten,  aus  denen  er  «war  als  gef alerter  :-;ioger  her- 
vorging, die  Ihm  «l»r  Ml2trauea  und  Unwillen  des  politisch 
geschulten  und  voraichtlfen,  Ja  voratt««iohtlg*tt  i ri»»t«»« 
eintrugen.  8««uel  befttrchtete  wohl,  daß  dls  Maoht  und 
die  Leitung  der  staatsgesohifte  seinen  eigenen  Hinden  ent- 
gleiten würden  und  da-i  der  Jüdische  Gottesstaat  durch  die- 


se 


Ittitlgen  selbstherrlichen  Taten  des  Königs  in 


eine  kriegführende  räuberische  Horde  übergehen  würde;  be- 
sonders aber,  deß  die  bisher  unter  dea  strengen  Gesetz 
des  elnalgen  Gottes  und  seines  Stellvertreters  stehenden 


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33 


»•nn  al«  nloht  mehr  blindlings  darauf  los  lief,  sohnleg- 
ta  aich  dia  Katze  schnurrend  an  Ihro  3olna  und  zwang  die 
Aufaarksanlceit  der  Haxa  auf  sioh.  Ragar  blieb  dann  sta- 
han,  hob  die  Kat^a  auf,  drückte  aia  zärtlich  an  aiob  und 
•rlebta  tla  abarflutondos  Gefühl  von  ültgaftthl  und  '/'Brma 
der  Kreatur  gegen Ubar,  tet  wl«  eine  alt«  Irinnarung  war; 
iMi  einzig  Wahre  ihrar  Erinnerungen,  das  alle  anderen 
wieder  wie  unbelebte  forbloee  und  unwirkliche  Bilder  cr- 
solMinea  lie3.  In  solchen  ificht«::  dachte  sie  nichts 
weiter,  kyhrto  »i«  mieht  aehr  aurttck  zu  ihrer  Vergangen- 
heit. Auch  geschah  es  taunchcoal,  daas  sie  bei  ihrer  HUok- 
iMhr  einen  Gast  In  ihrer  Hütte  fand,  Jsssadsn  auc  dam 
Dorfe  oder  aopar  von  welter  har,  der  ihres  3eherbllcke8 
bedurfte,  ihr  sein  Leid  klagen  wollte  odor  irgÄixdaln 
üeilwlttel  gegen  ©ine  Krankheit  erbat.  Schweipiand  hörte 
elo  d«a  Fremden  zu;  Bchwelgend  beroitato  sie  den  Krüuter- 
trunk,  und  oft  in  der  dunklen  Hütte,  die  nur  durch  des 
Herdfeuer  crlouchtert  war,  sah  und  hörte  der  Besucher, 
was  zu  hür^n  oder  zu  sehen  er  illrii— in  war.  Ungar  selbst 
hatte  kein  Teil  daran,  k'anchxoal  fand  sie  in  sioh  die 
Kraft,  auch  Jane  Ereignisse  wis<8«r  ins  Ged&chtnis  zurüok- 
zurufwn,  deren  ärinnerung  sie  aus  Ihrer  Hütta  In  die 
Nacht  hinausstürzen  liefen, 

Nur  «rtta  «8  dann  Tag  sein,  hall  und  nüchternes 

Licht,  ralt  klaror  Uoht  auf  des  Dorf  unrf  des  lebendige 

I 


I  I 


91 


••hnt.  31«  trHuat«  «loh  als  das  Werkzeug  da«  Harrn;  durah 
ihr  Bftseln  wurdo  der  Fluch  ▼om  Hauaa  iaula  getilgt.  In 
diasan  TrHuTiaralon  konnta  ale  inmar  neaa  ulinicelhalten 
ausfUhran,  ändorn,  hinauf ügan,  aber  das  '?aaantlicha 
bllöb,  da3  dar  Köniff  sie  sofort,  ohna  daa  «aringate  .B- 
gam,  erJcannta  und  ala  enti»g«»ttaha  ala  aain  ao  lan«a 
«•Mchtas  und  größtes  ':?ut.  So  saß  ala,  Ihran  Oadankan 
hine«eaban,  al«  sia  plötzlich  Schritta  ▼•««te.  Pia  Tür 
ihres  naus«s  wurda  tcaöffnot,  und  zwei  :ianrior  mit  ▼•rhüll- 
t«n  HÄuptern  betraten  die  Kammer.  Dar  eine  trat  raach 
an  ala  horao  und  sprach  mit  lalaar  und  eindringlicher 
Stimme:  Trau,  man  sagt,  daß  Du  einen  ■ahrsagageiit  haat. 
Du  Kuöt  Ihn  bemühen,  es  psht  ua  Laban  und  Tod."  Ha«»» 
sprang  auf  und  wich  fragen  die  Wand  zurück.  Lar  Schein 
des  Tsuers  lag  äuf  ihrem  Osaicht  und  beleuchtete  klar 
und  deutlich  ihre  .iüge.  Entaetzt  hörte  sie  die  ?ede 
#••  Hernes  an,  überzeugt,  daß  asan  ihr  eine  Falle  alt 
dießom  Ansinnen  stellen  wollte.  War  doch  jedes  \»ahr sagen 
durch  des  Oeaetz  dee  Königs  bei  Todesstrafe  verboten. 
81«  weigerte  sich  mit  Ver Sicherungen,  da£  die  yramdlirige 
falsch  untorrichtet  wären,  daß  sie  weder  wahrsagen,  noch 
anderen  -:oubor  b^Psrkstelllßen  könne;  daß  alle  Magie  ge- 


gen das  Oesetz  sei,  und  daö  nur  irgend  welche  böaen  -uun- 
gen  aie  varleuadet  haben  müßten.  Dar  zweite  Kann  hatte 
sich  blslisr  schweigend  im  Hintergrund  gehalten.  Jetzt 


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fiehnt.  Ol«  trKumt»  olch  al»  da«  ^«rkziuf  d»«  Herrn;  durch 
ihr  Dasoln  »urt«  dor  Fluch  vom  Httua«  Sauls  fttllgt.  In 
41«aan  Tröurierelan  konnte  al«  Imaar  neu«  älnaelhelten 
ttuaführon,  tndaro»  hlnzufügan,  ab«r  da«  •aaentllche 
blieb,  de3  der  rönlg  sie  aofort,  ohne  da»  gerlngate  '0- 
fem,  erkannte  und  ale  entge^ennaha  als  »«in  ao  lang« 
g«öuchteB  und  gröEtes  Out,  So  aaß  sie,  Ihr^n  Cedanken 
hincfjiyftben,  ala  ale  plötzlich  Schritte  irernaha.  Die  Tttr 
ihrea  H&ueoa  wurde  geöfl'not,  und  zwei  MiHier  alt  verhüll- 
t«a  HSujpt«rn  botraten  dl«  Kaiuaar.  üer  «ine  trat  rasch 
an  ale  horan  und  apraoh  talt  laläer  und  eindringlicher 
Stliame:  "Irau,  man  Mftt,  daß  i>u  einen  .vahroageeolst  hast. 
Du  Eußt  ihn  bemühen,  ea  peht  un  Leben  und  Tod."  Kap-ar 
apranp  auf  und  wich  fagen  die  -and  zurück.  Der  T-choln 
4«8  Feuor»  lag  auf  Ihrem  Oealcht  und  beleuchtete  klar 
und  deutlich  ihr«  ^üge.  Entsetzt  hörte  ale  die  ■•*• 
4«s  KaonMI  AO,  ttberzeugt,  daß  nian  ihr  «Ino  falle  mit 
diesen  Ansinnen  stellen  wollte.  Har  doch  Jedea  vahraagen 
durch  daa  Geoetz  dea  Könige  bei  Todeaatrafe  verboten, 
81e  weigerte  »Ich  ralt  Versloherungen,  daü  dl«  Fremdling« 
falsch  unterrichtet  wären,  daiS  al«  w«d«r  wahrsagen,  noch 
anderen  «auber  bewerkstelligen  könne;  daß  alle  Maple  ge- 
gen da«  Gesetz  sei,  und  daü  nur  Irgend  welche  bbaen  ^.un- 
(gmi   ale  varleuadot  haben  müßten.  Der  zweit«  Mann  hatt« 
sich  blaher  schwelgend  Im  Hintergrund  gehalten.  Jetzt 


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..*_-.  .1  .  II . 


dar  GrÖii«,  Ina  fi;äwor4Ml  durch  «in  einzig«»  V.ort  äMMtlt» 
und  g«h«ille.t  al«  Darstellune:  «Inoa  Vundare,  Wie  «ollta 
•r  nicht  d«n  mfiöbtigon  Jtellvartrater  fast  «nbatand  ir»r- 
•luraQf  der  ihm  die  alt  hinraiobtal  Via  sollten  aalne 
TrSum«  nicht  Jetrt  die  Bahn  laufen»  die  1ha  Dankbarkeit 
und  2hrgeia  varbßnden,  Trlua»,  in  danan  er  Samuel  die  Hich- 
tigkeit  seiner  -ahl  dadurch  zu  beweisen  suchte,  daS  er 
sein  eigenea  Heldontum  und  daalt  seine  eigene  Oröiüe  der 
Walt  und  daß  Hohepriester  vor  Augen  brachte.  Damit  war 
as  aber  um  ihn  und  aein  Heus  gaaohehen.  Denn  sein  Ver- 
trauen in  SuMMla  guten  Hillen  wurde  Saul  zum.  tragiaohen 

Oaaehiok. 

80  geaehah  et,  da4  4er  junge  rlbnig,  um  sein  Helden- 
tum  deia  älteren  Mann  zu  IU2en  zn   logen,  »ohnolle  antschei- 
dungen  traf,  unbesonnene,  die  ihn  in  unnötige  KrititWüg« 
^•firiokelten,  eu»  öettMl  «r  «war  als  gefeiarter  Sieger  her- 
vorging, die  iha  aber  Hißtrauen  und  Unwillen  das  politiaoh 
geaohulten  und  vorsichtigen,  ja  vorauasichtigen  i  riestere 
eintrugen.  Samuel  befürchtete  wohl,  daß  die  Macht  und 
die  Leitung  der  iitaatsgesohfifte  seinen  eigenen  Hunden  ent- 
gleiten würden  und  da0  der  Jüdiaoha  Gottosstaat  durch  die- 
se gewalttitigen  selbstherrlichen  Taten  des  Königs  in 
eine  kriegführende  rJiuberiacho  Horde  Übergehen  würde;  be- 
sonders aber,  daß  die  bisher  unter  dam  strengen  Ceeetz 
das  einzigen  Gottes  und  seines  Stellvertreter»  atehondan 


33 


ivtnn  8l«  nicht  aehr  bllndllugd  darauf  los  Hof,  •tfteitg-^ 

t#  sieb  die  Katze  schnurrfind  an  ihro  Boln«  und  xirafig  die 
Aufs;«rkfiauk6lt  <9r  Haxe  auf  sich«  Regftr  blieb  dann  ate-» 
hen^  hob  die  Kat^e  auf ^  drückte  ale  zärtlich  an  «ich  und 
erlebte  ein  Überflutondea  Gefühl  von  üitgeftthl  und  ^/8rme 
4«r  Kreatur  gegeatiber»  das  wie  eine  alt«  Irinnerung  wer; 
4ae  einzig  Wahre  ihrer  ^Irlnaerungen,  daa  alle  anderen 
wieder  wie  unbelebte  fcirbloee  und  unwirkliche  Bilder  er« 
scheinen  lie3«  In  solchen  Nfiohten  dachte  sie  nichts 
welter,  kehrte  ale  nicht  Etehr  Äurück  zu  ihrer  Vergangen- 
heit •  Auch  geachah  es  tmnchtml^   daaa  ale  bei  ihrer  Hüok-» 
kehr  einen  Gesst  In  ihrer  ElOtte  fand,  Joinmnden  aus  dem 
Dorfe  oder  sogar  von  weiter  her,  der  Ihres  3eherbllokes 
bodurfte,  ihr  SMlin  Leid  klagen  v^ollte  oder  irgendöln 
Heilmittel  gegen  eine  Krankheit  erbat.  Schwelgend  hörte 
sie  dem  Fremdan  zu;  schweigend  bereitete  sie  den  Kräuter«- 
trunk,  und  oft  in  der  dunklen  Hütte,  die  nur  durch  das 
fferdfeuer  erlauchtert  war,  sah  und  hörte  der  Besucher, 

i7ar  selbst 


wös  z^i  hören  oder  zu  SftlMm  er  gekoisznen  war* 
hatte  kein  Teil  daran.     Kanchiaal  fand  sie  in  sieh  die 
Kraft,  auch  Jane  *^rei£ni33e  wieder  Ino  Gedichtnl«  zurück- 
zuruf'^m,   deren   firinnarung  sie  aus  ihrer  Hütte  in  die 
Sacht  hinausstürzen  liefen. 

■wr  rm^to  e&  dann  Tag  sein,  hell  und  nüchternes 
Licht,   ralt  klarer  Sicht  auf  daa  liorf  und  das  lebendige 


IW^lo 


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der  Groß«,  ihm  geworden  durch  ein  einziges  Wort  Samuels, 
und  geheiligt  als  Darstellung  eines  Wunders,  Wie  sollte 
•r  nicht  den  mächtigen  otellvertreter  fast  anbetend  ver- 
ehren, der  ihm  die  '.?elt  hinreichtet  Wie  sollten  seine 
Träume  nicht  Jetzt  die  B,ahn  laufen,  die  ihm  Dankbarkeit 
und  Ehrgeiz  verbanden,         *   "        "^         " 


sein  eigenes  Heldentum  und  damit  seine  eigene  Größe  der 
Vi'elt  und  dem  Hohepriester  vor  Augen  brachte.  Damit  war 
es  aber  um  ihn  und  sein  Haus  geschehen.  -Äwtn  S/Mi^Ver- 
trauen  in  Samuels  guten  Willen  wurde  Sw»i-  zum  tragischen 

Geschick, 

So  geschah  es,  daii  der  junge  König,  um  sein  Helden- 
tum dem  älteren  Mann  zu  Füßen  zu  legen,  schnelle  Entschei- 
dungen traf,  unbesonnene,  die  ihn  in  unnötige  Kriegszüge 
verwickelten,  aus  denen  er  zwar  als  gefeierter  Sieger  her- 
vorging, die  ihm  aber  Mißtrauen  und  Unwillen  des  politisch 
geschulten  und  vorsichtigen,  ja  voraussichtigen  i riesters 
eintrugen.  Samuel  befürchtete  wohl,  daß  die  Macht  und 
die  Leitung  der  Staatsgesohäfte  seinen  eigenen  Händen  ent- 
gleiten würden  und  daß  der  jüdische  Gottesstaat  durch  die- 
se  gewalttätigen  selbstherrlichen  Taten  des  Königs  in 
eine  kriegführende  räuberische  Horde  übergehen  würde;  be- 
sonders aber,  daß  die  bisher  unter  dem  strengen  Gesetz 
des  einzigen  Gottes  und  seines  Stellvertreters  stehenden 


61 

•ehnt»   Sie  träumte  sich  als  das  Werkzeug  des  Herrn;  duroh 
Ihr  Dasein  wurde  der  Fluch  Tom  Hause  Sauls  getilgt»   In 
diesen  Träumereien  konnte  sie  immer  neue  Einzelheiten  aus- 
führen, ändern,  hinzufügen,  aber  das  Wesentliche  blieb, 
imß   der  König  •!•  sofort,  ohne  das  geringste  Zögern,  er- 
kannte und  sie  entgegennahm  als  sein  so  lange  gesuchtes 
und  größtes  Gut, 

So  saß  sie,  ihren  Gedanken  hingegeben,  als  sie 
plötzlich  Schritte  vernahm.  Die  Tür  ihres  Hauses  wurde 
geöffnet,  und  zwei  Mönner  mit  verhüllten  Häuptern  betra- 
ten die  Kamiaer.   Der  eine  trat  rasch  an  sie  heran  und 
sprach  mit  leiser  und  eindringlicher  otimrae:  "Frau,  man 
sagt,  daß  Du  einen  V/ahrsagegeist  hast.  Du  mußt  ihn  be- 
mOhen,  es  geht  um  Leben  und  Tod."   Hagar  sprang  auf 
und  wich  gegen  die  Vvand  zurück.   Der  Schein  des  Feuers 
lag  auf  ihrem  Gesicht  und  beleuchtete  klar  und  deut- 
lich ihre  Z.Uge.   Entsetzt  hörte  sie  die  Rede  des  Man- 
nes an,  UberzÄUgt,  daii  man  ihr  eine  Falle  mit  diesem 
Ansinnen  stellen  wollte.  War  doch  jedes  Wahrsagen 
durch  das  Gesetz  des  Königs  bei  Todesstrafe  verboten. 
Sie  weigerte  sich  mit  Versicherungen,  daß  die  Fremdlinge 
falsch  unterrichtet  wären,  daß  sie  weder  wahrsagen,  noch 
anderen  kiauber  bewerkstelligen  könne;  daß  alle  Magie  ge- 
gen das  Gesetz  sei,  und  daß  nur  Irgend  welche  bösen  Zun- 
gen sie  verleumdet  haben  müßten.   Der  zweite  Kann  hatt« 
sich  bisher  schweigend  im  Hintergrund  gehalten.   Jetzt 


fiß^lZ^ 


33 


wenn  sie  nicht  mehr  blindlings  darauf  los  lief,  schmieg- 
te sich  die  Katze  schnurrend  an  ihre  Beine  und  zwang  die 
Aufmerksamkeit  der  Hexe  auf  sich.  Hagar  blieb  dann  ste- 
hen, hob  die  Katze  auf,  drückte  sie  zärtlich  an  sich  und 
erlebte  ein  überflutendes  Gefühl  von  Mitgefühl  und  Wärme 
der  Kreatur  gegenüber,  das  wie  eine  alte  Erinnerung  war; 
das  einzig  Wahre  ihrer  Erinnerungen,  das  alle  anderen 
wieder  wie  unbelebte  farblose  und  unwirkliche  Bilder  er- 
scheinen ließt   In  solchen  Nächten  dachte  sie  nicht^ 
weiter,  kehrte  sie  nicht  mehr  zurück  zu  ihrer  Vergangen- 
heit. Auch  geschah  es  manchmal,  dass  sie  bei  ihrer  Rück- 
kehr einen  Gast  in  ihrer  Hütte  fand,  Jemanden  aus  dem 
Dorfe  oder  sogar  von  weiter  her,  der  ihres  Seherblickes 
bedurfte,  ihr  sein  Leid  klagen  wollte  oder  iri^idein 
Heilmittel  gegen  eine  Krankheit  erbat.   Schweigend  hörte 
sie  dem  Fremden  zu;  schweigend  bereitete  sie  den  Kräuter- 
trunk,  und  «M  in  der  dunklen  Hütte,  die  nur  durch  das 
Herdfeuer  erleuchtert  war,  sah  und  hörte  der  Besucher, 
was  zu  hören  oder  zu  sehen  er  gekommen  war.   Hagar  selbst 
hatte  kein  Teil  daran ."^  Manchmal  fand  sie  in  sich  die 
Kraft,  auch  jene  Ereignisse  wieder  ins  Gedächtnis  zurück- 
zurufen, deren  ilrinnerung  sie  aus  ihrer  Hütte  in  die 
Nacht  hinausstürzen  ließen. 

Nur  mußte  es  dann  Tag  sein,  hell  und  nüchternes 
Licht,  mit  klarer  Sicht  auf  das  Dorf  und  das  lebendige 


'  g.       i    '    '  ■    I    ifii     tii    umtt    I  I    M  I   ilMKliii  1  itifif'   ■  ■    --  jiarf.    m     <    -t.. -■!«.. 


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d#r  Oröü#9  Ihm  geworden  durch  ein  einziges  V/ort  Samuels ^ 
und  geheiligt  als  Darstelluag  elaes  Wunders»  Wie  sollte 
er  nicht  den  mächtigen  Stellvertreter  fast  anbetend  ver- 
ehren »  der  ihm  die  Welt  hinreichtet  l^e  sollten  seine 
TriOBie  nicht  Jetzt  die  Bahn  laufen»  die  ihm  Dankbarkeit 
und  Shrgeiz  verbanden,  und  die  in  Taten  umgesetzt  seine 
Krwählung  zum  König  rechtfertigen  sollten,  indem  er  sein 
eigenes  Heldentum  und  damit  seine  eigene  Größe  der  Welt 
und  dem  Hohepriester  vor  Augen  brachte.   Damit  war  e& 
aber  um  ihn  und  sein  Haus  geschehen.  3auls  Vertrauen  in 
Samuels  guten  Willen  wurde  ihiri  zum  tragischen  Geechiclc. 

So  geschah  es,  da£  der  Junge  König,  um  s^ln  Helden- 
tum dem  ältaram  Mann  zu  Füten  za   legen,  schnelle  Sntsohei- 
dungen  traf,  unbesonnene,  die  ihn  in  unnötige  Kriagszüge 
verwickalten,  aus  denen  er  z^av   als  gefeierter  Sieger  her- 
vorging, die  ihm  aber  MiiStrauen  und  Unwillen  des  politisch 
geschulten  und  vorsichtigen,  Ja  vorausaichtigen  Iriesters 
eintrugaA#  ßaniuel  befürchtete  wohl,  daS  die  Macht  und 
die  Leitung  der  Staatsgeschäfte  seinen  eigenen  Händen  ent- 
gleiten würden,  und  dai  der  jüdlscha  aottesstaat  durch  die- 
se gewalttätigen  selbstherrlichen  Taten  des  Königs  in 
eine  kriegführende  räuberische  Horde  übergehen  würde;  be- 
sonders aber,  dass  die  bisher  unter  dem  strengen  Gesetz 
des  einzigen  Gottes  und  seines  Stellvertreters  stehenden 


,«A  .  V-A- 


r"  •  jnk  iV.«  l»i  j 


33 


wenn  sie  nicht  mehr  blindlings  darauf  los  lief  ^  sohxnieg- 
te  sieh  die  Katze  schnurrend  an  ihre  Beine  und  zwang  die 
Aufmerksamlceit  der  Hexe  auf  sich,  Hagar  blieb  dann  ste- 
hen, hob  die  Katze  auf,  drückte  sie  zärtlich  an  sich  und 
erlebte  ein  überflutendes  aefühl  von  Mitgefühl  und  Wärme 
der  Kreatur  gegenüber,  das  wie  eine  alte  Erinnerung  war; 
das  einzig  Wahre  ihrer  Erinnerungen,  das  alle  anderen 
wieder  wie  unbelebte  farblose  und  unwirkliche  Bilder  er- 
scheinen  ließ.  In  solchen  Nächten  dachte  sie  nicht  wei- 
ter, kehrte  sie  nicht  mehr  zurück  zu  ihrer  Vergangen- 
heit,  Auch  geschah  es  manchmal,  dass  sie  bei  ihrer  Rück- 
kehr einen  Gast  in  ihrer  Hütte  fand,  jemanden  aus  deA 
Dorfe  oder  sogar  von  weiter  her,  der  ihres  Seherblickes 
bedurfte,  ihr  sein  Leid  klagen  wollte  oder  irgendein 
Heilmittel  gegen  eine  Krankheit  erbat*   Schwelgend  hörte 
sie  dem  Fremden  zu;  schweigend  bereitete  sie  den  Kräuter- 
trunk,  und  in  der  dunklen  Hütte,  die  nur  durch  das  Herd- 
feuer erleuchtet  war,  sah  und  hörte  der  Besucher,  was  zu 
hören  oder  zu  sehen  er  gekommen  war,   Hagar  selbst  hatte 

kein  Teil  daran. 

Manchmal  fand  sie  in  sich  die  Kraft,  auch  jene  3r- 
eignisse  wieder  ins  Gedächtnis  zurückzurufen,  deren  ?:rin- 
nerung  sie  aus  ihrer  Hütte  in  die  Nacht  hinausstürzen 

ließen. 

Nur  mußte  es  dann  Tag  sein,  hell  und  nüchternes 
Licht,  mit  klarer  Sicht  auf  das  Dorf  und  das  lebendige 


51 


sehnt,  Sie  tr&umte  sich  als  das  Werkzeug  des  Herrn;  durch 
Ihr  Dasein  wurde  der  Fluch  vom  Hause  Sauls  getilgt.   In 
diesen  Träuniereien  konnte  sie  immer  neue  Einzelheiten 
ausführen,  ändern,  hinzufügen,  aber  das  Wesentliche 
blieb,  daß  der  König  sie  sofort,  ohne  das  geringste  Zö- 
gern, erkannte  und  sie  entgegennahm  als  sein  so  lange 

"^ ' 
gesuchtes  und  größtes  Gut^TSo  saß  sie,  ihren  Gedanken 

\y 

hingegeben,  als  sie  plötzlich  Schritte  vernahm.  Die  Tür 
ihres  Hauses  wurde  geöffnet,  und  zwei  Männer  mit  verhüll- 
ten Häuptern  betraten  die  Kammer.   Der  eine  trat  rasch 
an  sie  heran  und  sprach  mit  leiser  und  eindringlicher 
Stimme:  Trau,  man  sagt,  daß  Du  einen  Wahrsagegeist  hast. 
Du  mußt  ihn  bemühen,  es  geht  um  Leben  und  Tod."  Hagar 
sprang  auf  und  wich  gegen  die  Wand  zurück.  Der  Schein 
des  Teuere  lag  auf  ihrem  Gesicht  und  beleuchtete  klar 
und  deutlich  ihre  Züge.  Entsetzt  hörte  sie  die  Rede 
des  Mannes  an,  überzeugt,  daß  man  ihr  eine  Falle  mit 
diesem  Ansinnen  stellen  wollte.  War  doch  Jedes  v/ahr sagen 
durch  das  Gesetz  des  Königs  bei  Todesstrafe  verboten, 
Sie  weigerte  sich  mit  Versicherungen,  daß  die  Fremdlinge 
falsch  unterrichtet  wären,  daß  sie  weder  wahrsagen,  noch 
anderen  Zauber  bewerkstelligen  könne;  daß  alle  Magie  ge- 
gen das  Gesetz  sei,  und  daß  nur  irgend  welche  bösen  Zun- 
gen sie  verleumdet  haben  müßten.  Der  zweite  Mann  hatte 
sich  bisher  schweigend  im  Hintergrund  gehalten.  Jetzt 


.&-■ -  --J  -■•  - »  - 


20 


ein  klarer,  heller  fm%   besohieden  aeia  wird.  Gute  Nachtl** 

Rudolf  hatte  Sybilles  Arm  genommen  und  führte  sie 

noch  im  Sprechen  der  Tür  zu.  Sie  verließen  zusammen  das 

Zimmer  und  sahen  sich  nicht  nach  den  2;urückgebliebenen  um. 

Sybille,  die  sich  an  ihren  Mann  anlehnte,  sah  kleiner  und 

sehr  zerbrechlich  aus.   Rudolfs  Haltung  dem  schrecklichen, 

«Mrwarteten  Ereignis  gegenüber  hatte  fast  einen  Zwang  auf 

die  drei  Freunde  ausgeübt,  die  nun  ihrerseits  schweigend 

ihren  Wirten  folgten  und  auch  ausserhalb  des  iVohnzimmers, 

in  dem  der  Fremde  allein  geblieben  v/ar,  mit  einer  verlege- 

sich 
nen  Rasohheit^ von  einander  trennten.   Jeder  schien  auf * s 

iusaerste  angestrengt,  die  in  ihm  erweckten  Gefühle  zu  be- 
herrschen und  vor  den  anderen  zu  verbergen.   Dies  T^lang 
ihnen  um  so  eher,  da  ihre  Schlaf zimmar  räumlich  auseinan- 
derlagen. Heinrich  und  Marianne  schliefen  gewohnheits- 
mäßig in  getrennten  Räumen;  sie  nahmen  von  einander  wort- 
los mit  einer  kurzen  leidenschaftlichen  Umarmung  für  diese 
Nacht  Abschied.   John  hatte  schon  die  Tür  zu  seinem  neben 
dem  Viohnzimraer  gelegenen  Z.immer  geschlossen,  als  Rudolf  in 
••in  Arbeit szimümer  ging,  in  dem  er  wie  gewöhnlich  noch  eini- 
ge Stunden  mit  Lesen  oder  Schreiben  verbringen  zu  wollen 
schien*   Da  das  alte  Haus  solide  gebaut  war,  k^mnte  nie- 
mand  hören,  ob  sich  die  Tür  zu  dem  Gastzimmer,  das  Herrn 
Müller  angewiesen  war,  öffnete  und  schloß.  — 

Keiner  von  den  Freunden  erwartete  sich  schnellen 
Schlaf,  so  sehr  ein  jeder  auch  den  Wünsch  nach  Ruhe  verspü- 
ren mußte« 


21 


John  saß  rauchend  am  Ftnster  und  schaute  In  das 
dunkle  Toben  hinaus.   vVenn  er  an  die  letzten  iiireignlsse 
des  Abends  dachte»  so  sah  er  Sybilles  blai^^s  aesicht  vor 
sich  und  hörte  iimner  wieder  ihre  schmerzerfüllte  Stimme, 
das  grauenvolle  Erlebnis  mit  dem  alten  Juden  und  den  S.S. 
Leuten  erzählen»   5ß  war  ihm,  als  ob  er  selbst  bei  dem 
Mord  zugesehen  hatte,  und  es  bemächtigte  sich  seiner  eine 
rasende  V^ut,   Dieses  wilde,  unbeherrsohbare  Grsflihl  war 
ihm  nur  zu  gut  bekannt  aus  seinem  vergangenen  Leben*   2s 
hatte  zu  Taten  geführt,  die  er  für  gewöhnlich  von  seinem 
Gedächtnis  fern  halten  konnte,  dio  er  aber  nie  bereut 
hatte •  Nur  durften  sie  nicht  störend  in  sein  gegenwärtig 
ges,  geordnetes  Loben  eindringen.  Wieder  schauten  ihn 
Sybilles  erschreckte  Augen  aus  dem  Dunkel,  das  draußen 
herrschte,  an,   Sie  wurden  allmählich  eins  mit  einem  laar  . 
andrer  Augen,  die  schwarz  und  feucht  sich  vor  ;jigst  aus 
ihren  Sockeln  zu  wölben  schienen.  Wie  oft  hatte  er  die- 
se Augen  mit  dem  verzweifelten  Blick  eines  gehetzten  Tie- 
res in  seinen  Träumen  gesehen  --  die  Augen  des  kleinen 
NegermSdohens  Sara.   Ar  war  damals  ein  Knabe  von  10  oder 
11  gewesen  auf  3ommerferien  bei  seinen  "Verwandten  in  einem 
kleinen  Ort  in  LCississippi.   Der  wilde,  fantasievolla 
Bursche,  der  er  damals  war,  hatte  bald  eine  Anzahl  Spiel- 
gefährten  unter  den  benachbarten  FaoBilien  gefunden.   Als 
ein  Fremder  aus  dem  Norden  hatte  er  für  die  übrigen  Kna- 


2S 


ban  einen  besonderen  Reiz,  der  wohl  auf  deia  Seltenhelts- 
«•rt  beruhte.  So  kam  es,  daß  er  sloh  bald  von  einer 
Gruppe  älterer  Kinder  aufgenommen  fand,  was  seiner  Eitel- 
keit schmeichelte.   Es  lag  ihm  viel  daran,  nicht  nur  ihnen 
gleich  zu  tun,  sondern  sie  durch  seinen  besonderen  Mut  und 
seine  Männlichkeit  zu  beeindrucken,  2r  trieb  sich  mit  ih- 
nen herum,  nahm  an  ihren  Streichen  teil  und  ging  mit  ihnen 
schwimmen  und  fischen.   Daß  sie  eins  Bande  von  unerzogenen, 
ungebildeten  und  brutalen  Jugendlichen  waren,  wuBte  er  sich 
auf  irgendeine  Weise  zu  verheimlichen,  um  ihre  Freundschaft 
nicht  zu  verlieren,   Bines  Korgens  gingen  sie  zusammen  an 
eine  bestimmte  Stelle  des  Flusses,  wo  sie  gewöhnlich  bade- 
ten,  Ss  war  noch  sehr  früh,  und  der  leichte  iiorgsnnebel 
lag  auf  den  Wiesen  und  war  wie  auch  das  vMsser  des  Flusses 
rosenfarbig  von  der  eben  aufgegangenen  Sonne  getönt,   Dia 
Luft  war  frisch  und  würzig;  eine  groiie  Stille  lag  noch 
über  der  Natur.  Als  sie  an  das  Ufer  des  Flusses  kamen, 
sahen  sie  zwei  Mögerkinder  im  »Vasser  stehen.   Der  Knabe 
war  vielleicht  in  Johns  Alter,  das  kleine  Mädchen  ein  paar 
Jahre  JÖnger.   Sie  waren  beide  nackt  und  wahrsoheinlloh 
gtrade  dabei,  helmlich  ein  Morgenbad  im  Fluß  zu  nehmen  an 
dieser  Stelle,  wo  nur  vVelße  das  Recht  hatten  au  baden. 
John  erkannte  sie  als  die  Kinder  einer  Negerin,  die  manchmal 
im  Hause  seiner  Verwandten  arbeitete.  Das  kleine  Mädchen 
hieß  Sara.  Als  die  Knaben  die  Kinder  sahen,  bli«b«n  »i« 


23 


gen 


erst  einen  Augenblick  stehen,  um  dann  aber  plötzlich  wie 
ein  Mann  eich  mit  größter  Geschwindigkeit  auf  die  beiden 
Opfer  zu  stürzen.   Sie  bemächtigten  sich  des  nackten  Kna- 
ben, der  sich  nur  versuchsweise  zur  Wehr  setzte.   Sie  war- 
fen ihn  nieder,  schlugen  erbarmungslos  auf  ihn  ein  mit 
rtueten  und  rasch  aufgehobenen  Stöcken;  ja  einer  hatte  so- 
gar einen  großen  Stein  gefunden,  mit  dem  er  den  Hilflosen 
auf  den  Kopf  schlug.   Sie  rissen  an  ihm  herum  und  hielten 
ihn  schließlich  unter  Wasser,  das  sich  um  ihn  noch  röter 
färbte.  Dana  ließen  sie  don  schon  Bewußtlosen  am  Ufer  lie- 

Sara  hatte  nackt  und  zitternd  dabei  gestanden,  ihre 
großen  Augen  weit  aufgerissen  vor  Angst;  sie  hatte  zunächst 
versucht,  dem  Bruder  zu  helfen,  wurde  aber  mit  Fußtritten 
zur  Erde  geworfen,  wo  sie  nun  unbeweglich  saß.   Tränen 
liefen  ihr  über  das  kleine  schwarze  Gesicht,  ihr  Mund  war 
weit  aufgerissen,  aber  kein  Ton  kam  aus  ihror  Kehle.   Ihre 
kleinen  schwarzen  Hände  versuchten  ihre  Blöße  zu  decken. 
John  war  von  der  Gruppe  seiner  Freunde  mitgerissen  worden 
and  hatte  sich  mit  ihnen  auf  den  Knaben  gestürzt,  war  aber 
von  den  Größeren  zurückgedrängt  worden.  Er  war  daher  eher 
ein  ^.uschauer  als  ein  Beteiligter  gewesen, 
kleine  Mädchen  mit  den  entsetzten  Augen  und  dem  Terzerrten 
Gesicht  sah  war  or  plötzlich  zur  Besinnung  gekommen.  If 
hatte  sich  weg  geschlichen  und  hatte  stundenlang  verborgen 
weinend  im  Gras  gelegen.  12r  war  von  peinigender  Scham  er- 

f 

fttllt,  ii#ll  er  nicht  eingeschritten  war  gegen  die  Brutali- 


Ais  er  das 


r,    ■..■,  1      i. 


i'ii^ 


24 


tlt  der  Älteren,  weil  er  zu  feige  gewesen  mtr,  sich  der 
Meute  entgegenzustellen  und  nicht  einmal  wußte,  was  sie 
dem  kleinen  Mädchen  noch  angetan  hatten. 

Nachts  konnte  er  nicht  schlafen •  Sara»  Augen  ver- 
folgten ihn  Im  Dunkeln. 

Glücklicherweise  war  diese  Spisode  am  Ende  seiner 
Ferien  vorgefalleat  Kr  fuhr  in  den  Norden  zurück  zu  sei- 
nen  Eltern  und  seiner  Schule  und  seinen  vertrauten  Kamera- 
den. Ir  sprach  au  nieaandtm  über  das  Srlehte,  aber  er 
konnte  sioh  spfiter  erfolgreich  weigern,  Je  wieder  seine 
Verwandten  im  Süden  zu  besuchen.   Saras  Augen  hatten  Ihn 
jedoch  durch  die  Jahre  begleitet  und  hatten  ihn  in  den 
T«rhängni8Vollen  Augenblicken  seines  Lebens  immer  wieder 
aus  dem  Dunkel  heraus  angesehen. 

Nachdem  Heinrich  sein  Zimmer  betreten  hatte,  trat 
auch  er  ans  fenster,  um  einen  Augenblick  in  die  Nacht 
hinauszuschauen.  Dann  warf  er  sioh,  ohne  Licht  zu  machen 
und  ohne  sich  auszuziehen,  auf  sein  Bett.  Ir  lag  mit  ge- 
schlossenen Augen  und  horchte  auf  das  Dröhnen  des  Sturms, 
das  sich  mit  dem  wilden  Pulsieren  seines  Blute«  yerband 
und  zu  einem  qualvollen  lauten  OerHusch  in  seinen  Ohren 
wurde,  «r  hörte  den  unablässigen  Lärm  der  Flugzeugmoto- 
ren über  Barcelona  und  das  Geschrei  der  fliehenden  Mas- 
sen, das  Explodieren  der  Bomben  und  wieder  das  Heulen  der 
Terwundeten.  Schreiende  Massen  wälzten  sioh  auf  den  Stras 


_  ...  .'i. 


•-  ■  ■  _i_Äi  ■^■■1 


i   i 


25 


Ben  Berlins;  mit  hooh  erhobenen  Armen  begrüßten  sie  ande- 
re Massen,  die  :^t  Trommeln  und  Trompeten  in  endlosen  Rei- 
hmi   vorbeimaraohierten,  graue,  braune,  schwarz«  Bataillone, 
«waufhaltaam,  «aschinengleioh,  alles  überrennend,  das  sich 
in  ihren  Weg  stellte.   Der  wilde  rhythmische  Lärm  wurde  zu 
Peitschenhieben,  die  schneller  und  schneller  unerbittlich 
auf  ihn  niedersausten,  zu  Worten,  die  im  gleichen  Takt  fie- 
len Vudenschwein,  Sozialistenhund,"  und  sich  mit  seinem 
eigenen  nicht  mehr  zu  beherrschenden  Schreien  rerbanden.— 
Schweißgebadet  öffnete  er  die  Augen  und  konnte  nur  mit 
V.ühe  sich  erinnern,  wo  er  war.  Noch  halb  in  dem  Alb  träum 
befangen  sah  er  das  Bild  der  schwarz  gekleideten  Gestalt 
mit  den  hohen  Stiefeln  und  der  Reitpeitsche  im  Nobel  ver- 
schwimmend und  stieü  keuchend  die  Worte  heraus:  "Du  hast 
Rächt,  Mutter  —  Er  ist  eine  Gefahr  für  die  Menschheit'." 


Die  ganze  Nacht  hindurch  heulte  und  tobte  der  Sturm. 
Ss  war  ein  solcher  Lärm,  dass  es  unmöglich  gewesen  wäre, 
irgendwelche  anderen  Geröusohe  in  dem  Sturm  und  Regen  zu 
unterscheiden»   Sie  wären  von  dem  schwarzen  Getöse  ver* 
schlangen  worden» 

Be  dämmerte  schon,  als  Rudolf  Ins  Schlafzimmer  ein- 
trat.  Sybille  schien  zu  schlafen.   Auf  ihrem  blassen  Ge- 
sicht waren  noch  die  Spuren  der  Tränen  zu  sehen. 


,*'%'■■'''.'  ^J^' 


M 


Am  Morgan  schien  die  Sonne  am  tiefblauen  Himmel. 
Man  traf  einander  wie  gewöhnlloh  beim  Frühstück.  Nur  Harr 
Müller  fehlte.  Nachdem  man  höflich  eine  //eile  gewartet 
hatte,  ging  Tludolf  In  das  Zimmer  des  Fremden  und  fand  es 
leer.   Seine  Kleider  hingen  noch  In  der  Küche  nahe  am 
Herd,  wo  Sybille  sie  am  Abend  zum  Trocknen  hingehBngt  hat- 
te.  Dae  Bett  war  unbenutzt«   Verwundert  sahen  die  Freun- 
de einander  an  und  beschlossen,  die  Insel  abzuschreiten, 
Sie  konnten  keine  Spur  von  dem  Fremden  entdecken.   Sein 
Boot  lag  fastgebunden  und  nur  leicht  beschädigt  am  Ufer 
der  geschützten  kleinen  Bucht,  ganz  so  wie  Herr  l!üller  es 
am  Abend  vorheT-  dort  gelassen  hatte. 


20 


ein  klarer»  heller  Tag  beeohleden  aela  wird«  Oute  Nachtl"* 

Rudolf  hatte  Byblllee  Arm  geaoaoiea  und  führte  sie 

•Mll  im  Sprechen  der  Tür  z\x.     Sie  Terlieden  zuaannen  daa 

ZioAer  and  sahen  sich  nicht  nach  den  Zurückgebliebenen  um« 

Sybille,  4ie  eich  an  ihren  Mann  anlehnte,  sah  klelasip  md 

•ehr  aerbreohlich  eua»   audolfa  Haltung  dem  aohrecklichen, 

unerwarteten  Äreignis  gegenüber  hatte  fest  einen  ZwwBig  auf 

die  d»«i  VMunde  ausgeübt,  die  nun  ihrerseits  schweigend 

Ihren  Wirten  folgten  und  auch  ausserhalb  des  ftohnzimmers, 

In  de»  der  fremde  allein  geblieben  war,  mit  einer  verlege- 

sich 
nen  ftaschheit^von  eloander  trennten.  JTeder  schien  auf^s 

Äusserste  angestrengt,  die  in  1ha  erweckten  Gefühle  zu  be- 
herrschen und  vor  den  anderen  zu  verbergen.  Dies  gelang 
ihnen  u»  so  eher,  da  ihre  Schlaf zitcmer  räumlich  auseinan- 
derlagen.  Heinrich  und  Marianne  schliefen  gewohnhelts- 
Iriliig  In  getrennten  Räumen;  sie  nahÄüii  von  einander  wort- 
los 3iit  einer  kurzen  leidenschaftlichen  Umarmung  für  diese 
Acht  i^bachlöd*  John  hatte  schon  die  Tür  zu  seinea  neben 
de»  Äohnzifluaer  gelQgcnan  ilmaer  geschlossen,  als  audolf  In 
»ein  Arbeitszimcior  ging,  in  dem  er  wie  gewöhnlich  noch  eini- 
ge Stunden  .-alt  Lesen  oder  Schreiben  verbringen  zu  wollen 
•ehlen.  De  das  alte  Haus  solide  gebaut  war,  konnte  nie- 
mand hören,  ob  sich  die  Tür  zu  i«si  GastaliMMir,  daa  Herrn 
■aller  angewiesen  war,  öffnete  und  schloß •  -- 

Keiner  von  den  Freunden  erwartete  sich  schnellen 
Schlaf,  so  sehr  ein  Je4er  auch  den  Wunsch  nach  Ruhe  verspü- 
re» mu£te« 


"i"«"»j'"r.'j*iiÄ .  «ffc^j-»'  "^v  •' 


21 


JTohn  saB  rauchend  am  Fensttr  und  sohaute  In  das 
dunkl«  Toben  hinau«.  fl%nn   er  an  dla  letzten  firtlgalsae 
das  Abends  dachte »  ao  sah  er  ybilles  blasses  Gesicht  vor 
sich  und  hörte  louaer  wieder  Ihre  schmer^erfüllte  Stimme ^ 
!••  grauenvolle  Irlebnls  mit  dem  alten  Juden  und  den  S.S. 
Leuten  erschien.  Se  «mr  Ihm,  als  ob  er  selbst  bei  dem 
Mord  zugesehen  hatte »  und  es  bemächtigte  sich  seiner  eine 
«•sende  Wut«  I/leaes  wilde,  unbeherrsohbare  OefUhl  wer 
Ihm  nur  zu  gut  bekannt  aus  seinem  vergangenen  Leben«  M» 
liette  zu  Taten  geführt,  die  er  für  gewöhnlich  von  seinem 
Gediohtnia  fern  halten  konnte,  die  er  aber  nie  bereut 
hatte,  Kur  durften  sie  nicht  störend  In  sein  gegenwfirtl- 
fes,  geordnet««  Leben  eindringe««  Wieder  schauten  ihn 
Sybilles  erschreckte  Augen  aus  dam  Dunkel,  das  draußen 
herrschte,  an*   Sie  wurden  allmählich  eins  mit  einem  ?«•» 


andrer 


,  die  schwarz  und  feucht  sich  vor  Angst  aus 


ihren  Sockeln  zu  wölben  schienen •  Wie  oft  hatte  er  die- 
««  A«gen  mit  dem  verzweifelten  Blick  eines  gehetzten  Tie- 
res In  seinen  Träumen  gesehen  —  die  Augen  des  kleinen 
WegermÄdohens  Sara*   fr  war  damals  ein  Knabe  von  10  oder 
11  «eweeen  auf  Somxaerferlen  bei  seinen  Tenvandten  In  einem 
kleinen  Qrt  in  Mississippi.  Der  wilde,  fantasievolle 
Bursche,  der  er  damals  war,  hatte  bald  eine  iloamhl  Spiel- 
gefährten unter  den  benachbarten  Familien  gefunden.  Ale 
ein  Fremder  aus  dem  Norden  hatte  er  für  die  übrigen  Kna- 


'  A_  .i.  It  L  *.    .  .> 


I  K'tfJ.     J.^r.  «L^   '  k*  .         >  ff    t 


2^-J<    '^'''''^i'    ': 


2S 


bvn  elaen  b««ondören  R«lz,  d«r  iwohl  auf  dem  Seltenheits- 
wert beruhte.  So  kam  es,  <••  t   »loh  beld  von  einer 
aruppe  älterer  Kinder  Aufgenonunon  fand,  was  aelner  Eitel- 
keit aohaelchelte.  S»  lag  Iho  viel  daran,  nloht  nur  ihnen 
gleich  zu  tun,  eondern  eie  durch  seinen  beaonderen  ^ut  und 
•eine  M&nnliehkelt  zu  beeindrucken,  ^t   trieb  sich  tait  ih- 
nen hefua,  nehm  an  ihren  Streichen  teil  und  ging  mit  ihnen 
■chwiBunen  und  flachen.   Daß  sie  eine  Bande  von  unerzoRenen, 

I 

ungebildetea  und  brutalen  Jugondlichön  waren,  wuiäte  er  sich 
auf  Irpendelne  Weise  zu  vorheiKlichen,  um  ihre  Freundschaft 
nicht  au  verlieren.   Sine»  Morgens  «Innren  »ie  zusammen  an 
eine  bestimmte  Stelle  des  Flusses,  ao  sie  i«r5halioh  b»4»- 


ten.  1»  war  noch  »»hr  früh,  und  der  leichte  Morgennebel 
I*t  »Äf  den  irieeen  und  war  wie  auch  das  tasser  des  Flusse» 
rosonftirbig  von  der  eben  aufgegangenan  Sonne  getönt.   Die 
Luft  war  frisch  und  würzig;  eine  grote  Stille  lag  noch 
Über  der  Natur.  Al»  sie  an  das  Ufer  de»  Flusse»  k»«en, 
s«h«n  sie  zwei  l-3egerkiat«r  La  Nasser  stehen.  Der  Knabe 
war  vielleicht  in  .Toha»  Alter,  das  kleine  tÄÄdchen  ein  paar 
Jahre  JÖnger.   Sia  warafi  beide  nackt  und  wahraohelnlioh 
gerade  dabei,  heimlich  ein  Morgenbad  im  Fluß  zu  nehmen  an 
dieser  Stell«,  wo  nur  Weiße  das  Recht  hatten  iu  bsien. 
John  erkannte  »ie  als  die  Kinder  einer  »»«eria,  die  manchmal 
U  Hause  seiner  Verwandten  arbeitete.  Da»  kleine  M14eh»n 
hieS  Sara.  Als  die  Knaben  die  Kinder  »ahen,  blieben  ai» 


23 


trat  olnen  Augecbllok  stvhan,  oa  dann  ab^r  tl^tzlicb  wl« 
•in  lUuin  aloh  iält  größter  Oasohwlndlgktlt  auf  dio  beiden 
Cipfar  XU  atüntan.  St«  baffiSohtlgtas  «loh  da«  nackten  Ena- 
k«i|  dar  «loh  nur  v^r »uahawai sa  z\xt   Wahr  a«tzt«.  Sia  war- 
fen ihn  niadar,  aehlugan  arbaraungsloa  auf  ihn  aln  mit 
F9Mt«n  und  rasch  aufi^ahobenan  Stöcken;  Ja  ainar  iMtta  80> 
Car  einen  grodaa  Stein  gefunden,  ait  den  er  den  Hilfloaen 
auf  den  Kopf  schlug.  Sie  rissen  aa  ihm  herum  und  hielten 
ihn  achll«?311ob  unter  Waseer,  das  sieh  um  Ihn  noch  röter 
fttrbte.  Dann  lieiJen  sl«  ie«  schon  Bowuiitlosan  am  Ufer  lla- 


Sara  hatta  neckt  und  zitternd  dabei  fsstandan,  Ihre 


froren  Augon  wait  aufgerissen  vor  Anget;  sie  hatte  zunächst 
▼ersucht,  dam  Brudor  zu  helfen,  «wrda  aber  mit  Fußtritten 
lur  'Ärde  g<«>worfen,  wo  sie  nun  unbawegllcb  saß.   Tränen 
liefen  Ihr  über  das  kloine  scbwttrta  Gesicht,  ihr  iiund  war 
weit  aufgerissen,  aber  k«ia  Ton  kaa  «u»  ihrer  Kahle.  Ihre 
kleinen  schwarzen  HInde  versuchten  ihre  HlBiie  zu   decken. 
John  wer  von  der  Gruppe  seiner  Jreunde  mitgariasen  worden 
und  hatta  sich  mit  ihnen  auf  den  Knaben  gestürzt,  war  aber 
▼on  den  Orö-'eran  zurückgedrängt  worden.  Er  war  daher  tlwr 
ein  ^ttsehauar  als  ein  Bateilißtar  gawasan.  Als  er  das 
kleine  KÄdohäu  lait  den  entsetzten  Augen  und  dem  verzerrten 
Oesicht  sah  war  or  plbtalich  zur  Besinnung  gekomiaen.  tr 
hatte  ßloh  weg  gasohllohon  und  hatte  stundenlang  verborgan 
weinend  im.  Oraa  gelegen.   Sr  war  von  peinigender  3oham  er- 
füllt, weil  er  nicht  alngaaahritten  war  gagan  die  Brutali- 


24 


Ut  der  rat»r»n,  well  er  zu  feig«  g»w«o«n  war,  sich  dar 
M«ute  entgegeriÄUStellen  und  nicht  elmaal  wüßt«;  wa«  sie 
data  klainan  kÄdchön  nooli  angetan  hattan. 

Nftchta  konnta  er  nicht  sschlafen.  fJaras  Augan  ver- 

folgten  Ihn  1«  Dunkeln. 

Glückllchörwalae  war  diese  Splsod«  am  Snda  aalnar 
rarian  vorgefallen ,  3r  fuhr  In  den  Nordon  zurück  zm  —i» 
nen  Altern  und  seiner  Cohule  und  seinen  vertrautan  Kaaara- 
4«iL.  %T   sprach  zu  nieuuindam  übor  das  ''.rlebta,  aber  er 
konnte  sieh  später  erfolgreich  weigern ,  je  wisder  seine 
Verwandten  la  9M«i  mu  basuchen.  naras  Augen  hatten  ihn 
j«dooh  durch  die  Jahre  begleitet  und  hatten  Ihn  In  dan 
▼erhÄa^nisvollan  Augenblicken  seines  Lebens  Immer  wieder 
aus  dam  Dunkel  heraus  angesehen. 

Nachdem  Heinrich  sein  .llnuaer  betreten  hatte,  trat 
auah  ar  ans  Fenster,  um  alnan  Augenblick  in  die  Macht 
hlaattszusohauen.  Dann  warf  ar  aloh,  ohne  Licht  zu  aaohan 
und  ohne  sich  auszuziehen,  auf  «ein  Bett.  Br  lag  mit  ga- 
achloasanen  Aujren  und  horchte  auf  da»  DrChnea  des  ::turai«, 
daa  »loh  mit  «Mi  wilden  Fulalaren  »alnea  Blutes  verband 
und  zu  alnaa  qualvollen  lauten  Oariusch  in  »alnan  Ohren 
wurde.  Rr  hörte  den  unablä»»l«an  LMrm  der  ?lug»au«moto- 
ren  über  Barcelona  und  das  Geschrei  der  fliehenden  Maa- 
»an,  da»  iSxplodleren  dar  Bomben  und  wieder  da»  ■•ttltn  dar 
Varwundatan.  Schrelanda  Maasan  wälzten  aloh  auf  den  3traa 


*i 


2S 


■an  B«rliu8;  mit  hooh  «rhobw^«!!  Arm«&  begrtißten  sl«  enda- 
ra  M«fifeen,  dia  «It  TrcMunaln  und  Trompeten  In  endlosan  Rai- 
han  Torbeixaöraohiertan,  graua»  brauna,  tahwarza  Batalllona, 
•naufhaltaaa,  mfisohiaan^leloh,  allaa  übarrannaiUI,  daa  aioh 
in  ihran  'äfag  stellt©.  Der  wilda  rhythmlsoha  Ltr«  wurde  »u 
Paitsobanliieben,  dla  sohnallar  wmä   aehnellar  unarblttlloh 
auf  ihn  niadaraaustan,  zu  Worten,  dla  Im  gleichen  Talct  fie- 
len "Judanaohwein,  Sozialistenhund,"  und  sich  alt  salnea 
eigenen  nicht  mehr  zu  beherrschend'an  Schreien  Terbanden, — 
Schweißgebadet  öffnete  er  die  Augen  und  konnte  nur  mit 
VCttta  sich  erinnern,  wo  er  war.  »Tooh  halb  In  dea  Albtraum 
Wfangan  sah  «r  #••  Bild  der  schwarz  gekleideten  Oestalt 
mit  den  hohen  Stiefeln  und  der  Reitpeitsche  im  Nebel  Tar- 
aohwlaaand  und  sM«!  keuchend  die  '^'orte  heraus:  "Du  hast 
Mäht,  Mutter  —  ä"r  ist  eine  Gefahr  für  die  ilensohheltl'* 


Ela  ganze  Nacht  hlndaroh  haulte  und  tobte  der  Sturm 
Is  war  ein  solcher  Lärm,  daaa  es  unmöglich  gewoaen  wäre. 
Irgendwelche  andaran  Geriusohe  in  den  Sturm  und  "(^egan  zu 
uüterachaldan.  Sie  wären  von  dem  schwarzen  Oetöaa  ▼•r- 

•chlungen  worden. 

It  dlmoert©  schon,  als  Rudolf  Ina  Schlaf zlomar  ein- 
trat. Sybille  aohlen  zu  schlafen.  Auf  -ihrara  blassen  Ge- 
sicht waren  noch  «t«  Spuren  dar  Trtni^n  zu  sehen. 


tB 


Am  Morgen  sohlen  die  Sonne  am  tiefblauen  -Ummel. 


Ken  traf  eiAaader  wie  gewOhnlloh  beim  Yrahettick«  Nur  Herr 
Müller  fehlte*  Nachdem  man  höflich  eine  Welle  gewartet 
hatte»  ging  Rudolf  in  daa  Zlnter  dee  Fremden  und  fand  eB 
leer«  Seine  Kleider  hingen  noch  In  der  Kttche  nahe  a» 
Herd,  wo  Sybille  sie  aa  Abend  zum  Trocknen  hingehängt  hat- 
te, fta«  Bett  war  unbenutzt •  Verwundert  aahen  die  ?reun- 
de  ainonder  Rn   und  baschlosaen,  die  Ineel  abzueohrelten, 
Sie  konnten  keine  Spur  von  d^n  ?raaden  entdecken»   3eln 
Boot  lag  festgebunden  und  nur  leicht  besohfidl^rt  am  Ufer 
der  geschützten  kleinen  Bucht,  gan^  so  wie  Herr  JüUller  ee 
am  Abend  vorher  dort  gelaesen  hatte. 


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20 


•in  klartr,  h«Xl«r  T«c  b«t«hl«d«n  ««ia  wird.  Oute  Na«ht'. 
Rudolf  hatt«  SybilloB  Arm  i;«noma«a  und  führte  si« 


aooh  Ui  tf r«ob«n  der 


z\x,     Sie  v«rXi90«a  xusamatn  des 
bt  nach  daa  Z.urfl«kg«bXi ebenen  ui 


Sybille,  die  sich  an  ihren  Mann  anlehnte,  sab  kleiner  und 
aehr  aerbreoblloh  au».  »lÄolfa  Haltung  dem  aohreokllchen, 
unerwarteten  iCrelgnla  gegenüber  hatte  faat  einen  ^wang  auf 
die  drei  Freunde  ausgeübt,  die  nun  ihreraeita  ■ohweleend 
Ihren  Wirten  folgten  un<3  auch  ausserhalb  das  Wohnilramera, 

In  de«  der  Fre««e  allein  geblieben  war,  mit  einer  verl*«»* 

s  JLcli 
nen  Raaehhelt^von  einander  trennten.  Jeder  »ohien  auf's 

tueeers*'    ~  atrengt,  die  in  ihta  erweckten  Gefühle  zu  be- 
herrschen una  vor  den  anderen  äu  verbergen.  Mao  f^elang 
Ihnen  u«  so  eher,  da  ihre  Schlaf zlamer  rtumlich  auseinan- 
derlagen. Keinricfc  und  Marianne  achliefea  gawohnhelts- 
■Itlg  In  getrennten  HSomen;  sie  nahaen  von  einander  wort- 
los ait  einer  kurzen  leidensohaftllchen  UmarjaunK  für  dl 
Wacht  üboohied.  John  hatte  schon  die  Tür  xu  seinem  neben 
de»  *ohn;ilra«»r  gelegenen  ^Itamer  geschlossen,  als  f?udolf  in 
■ein  ArbeltazluÄor  ging,  in  den:  er  wie  gewöhnlich  noch  eini- 
ge Stunden  mit  Lesen  oder  .ohrelben  verbringen  su  wollen 
sohlen.  Da  Aas  alte  Haus  solide  gebaut  war,  Konnte  nle- 
■and  hbren,  ob  eich  die  Tür  üu  dem  Oaßtziaaaer,  das  Herrn 
miller  angewiesen  war,  öffnete  tui4  sshloö.  — 

Keiner  von  den  Freunden  er^artots  sich  sohnellen 
Schlaf,  so  sehr  ein  J«*«r  such  4m   Wunsch  nach  Ruhe  verspü- 
ren au£te. 


'j:\        *  I  ■■* 


21 


Joün  safi  rauchend  aa  y«B8t«r  und  tohaut«»  In  da« 
du&kl«  Toben  hinauf.  ff«nn  er  «n  die  letztan  Srelgnlts« 
des  Abends  dachte,  so  sah  er  Sybilles  blasses  Gesicht  vor 
sich  und  hörte  isHMr  wieder  Ihre  aeluMrzerfailt«  Stlmne» 
das  erauenTolle  Erlebnis  mit  dam  alten  Juden  und  den  S.:i. 
Leuten  erzählon.   .?a  wer  lh0,  als  ob  er  selbst  bei  den 
Mord  ztt«a««ken  hatte,  und  es  bemttchtigta  sich  seiner  ein« 


Wm 


rasende  Wut.  Dieses  wilde,  unbeherrsohbar«  Qeftthl  war 
ihm  nur  z\x   gut  bekannt  oua  sein«s  vergangenen  Leben. 
hatte  zu  Taten  geführt,  dla  er  für  gewöhnlich  von  seinem 
Oedüehtnl»  f«rn  halten  könnt«,  die  «r  aber  nie  bereut 
iMtta.  Nur  durften  sie  nicht  störend  in  sein  gegenwörti- 
ges,  g»or4nste8  Loben  eindringen.  Wieder  schauten  Ihn 
Sybilles  ersohrookte  Au«en  aus  dem  Dunkel,  aas  dreuiüan 
heiwiohte,  an.  Sie  wurden  allmöhilch  ©Ina  alt  einam  Paar 
andrer  Augen,  öle  schwarz  und  feucht  «Ich  vor  ^ngst  aus 
ihren  Sockeln  au  wölben  echiouon.  Wie  oft  hatte  er  dia- 
M  Auc«B  mit  dam  verzweifelten  Blick  eines  gehetzten  Tie- 
res in  seinen  Träumen  gesehen  —  die  Att^en  des  kleinen 
NegermMdeheas  ««ra,  'Iv  w&t   damals  ein  Enabe  von  IC  oder 
11  gewesen  auf  aoiwaerferlen  bei  seinen  Verwandten  in  einem 
kleinen  Ort  In  WlmÄlMippi.   Ler  wilde,  fantaslevolla 
Bmrsche,  d«r  «r  damals  war,  hatte  bald  eine  .-^zahl  Spiel- 
gefährten unter  den  bonachbarten  Faiailien  gefunden.  Ali 
ein  Fremder  aua  den  fJorden  hatte  ar  für  die  übrigen  Kna- 


ES 


b«n  «lattn  basondaren  üeiz,  dar  wohl  auf  dtn  S«lt«nh«it8» 
«•rt  beruht«.  So  kä«  •&,  dAä  «r  «loh  bald  von  einer 
Gruppe  lltorer  Riader  ftufgenommeß  fand,  was  aelner  Sltel- 
kalt  aohmalohalt«.  H»   lag  il»  viel  daran,  nloht  nur  Ihaen 
glaloh  zu  tun,  sondern  sie  duroh  seinen  baaondaran  l«ut  und 
sein«  Mimllehkelt  zu  beelndruokan.  Ir  trieb  sioh  mit  Ih- 
nan  herum,  naha  an  Ihren  Otrelehen  teil  und  ging  mit  Ihnan 
•ohwimmen  und  fischen.  Daia  sie  eine  Bande  von  uner2;ogenen, 
Mlfeblldaten  und  brutalen  /ttt^n^lichan  waren,  wu2te  er  sieh 
auf  Irgendeine  ifelse  zu  vorhelral lohen,  uä  Ihre  Freundschaft 
nicht  xu  verlleraa.   i21ne«  korgone  «iniBien  •!•  siusasuMin  an 
«ine  beatimte  Stelle  dea  Fluasea,  wo  ale  gewöhnlloh  bade- 


ten, Sa  war  noch  sehr  früh,  und  der  leichte  Jiorf?ennebel 


lag  auf 


Masen 


wie  auch  das  nasser  des  Flusses 


rosenfarbig  von  dar  eben  aufgaganAsaen  96nne  getönt.  Dl« 
Luft  war  frisch  und  würzig;  elae  groiia  Stille  Im^  aooh 
über  dar  Natur.  Alt  si«  an  das  Ufer  dea  Fluasea  IcasMn, 
sahen  sie  zwei  Begsrlcindar  ita  ^iiasser  stehen.  Der  Knab« 
war  vielleicht  in  Johns  Alter,  das  U.«ima  MAdehen  ein  ^Mtf 
Jahre  jdneer.  31«  waren  beide  nackt  und  wahrsohelnlleh 
gerade  dabei,  heiisllch  ein  Morgenbad  im  FluÄ  wi  nehoMS  an 
dl«s«r  Stelle,  wo  nur  W«lö«  das  Rsoht  hatten  au  baden. 
John  erkannte  sie  als  äie  Kinder  einer  Negerin,  die  aanchaal 
1a  Haus«  seiner  Verwand t«ta  arb«lt«te.  Das  kl«in«  ICIdchen 
hlaS  Sara.  Ale  die  Xnaben  die  Kinder  aaliea,  blieben  ale 


I 


•rat  «inen  ^ugenbilok  0t«h«n,  ua  dann  «bar  pl&t/^liob  wla 
•in  Uaim  sloh  mit  grOStar  Oaaohwindigkalt  auf  dla  beiden 


Opfer  zu  atUrzea.  Sie  bem&ohtigten  sich  daß  nackten  Kna- 
ben, dar  aioh  nur  versuohaweiaa  zur  Wahr  setzte.  Sie  war- 
fen ihn  nieder,  aohlugen  erbarmungsloa  auf  ihn  ein  mit 
Fausten  und  raaeh  aufgehobenen  Stöcken;  ja  aiaar  hatte  ao- 
eiaan  großen  stein  gefunden,  mit  dem  er  den  Hilfloaan 
auf  den  Kopf  »ohlug.  Sie  rissen  an  ihm  herum  und  hielten 
Ihn  »chlieülioh  unter  .esser,  da»  aich  um  IM  aoah  röter 
färbte.  Dann  lieSen  sie  den  schon  Bewußtlosen  an  Ufer  lie- 


gen 


hatte  nackt  und  zitternd  dabei  geatöndan,  ihr» 


groden  Augen  weit  aufgerissen  vor  An^st;  sie  hatte  zunächst 
Tersucht,  dem  Bruder  zu  helfen,  wurde  aber  mit  Fußtritten 
zur  SErde  geworfen,  wo  sie  nun  unbeweglich  saß,  TrÄnen 
lief  an  ihr  über  daa  kleine  achwarze  Gesicht,  ihr  iJund  war 

*  

weit  aufgeriaaen,  aber  kein  Ton  kam  aus  ihrer  Kehle.  Ihre 
kleinen  schwarzen  Hfinda  terauchten  ihre  Blööe  zu  decken, 
John  war  fon   der  Gruppe  seiner  Freunde  mitgerissen  worden 
und  hatte  sich  mit  ihnen  auf  den  Knaben  gestürzt,  war  aber 
Ton  den.OrWeran  iurüokgedrlagt  worden.  Ar  war  dahar  eher 
ein  .-luaohauar  als  ein  Beteiligter  gewesen.  Ale  er  das 
klein«  Äädohen  mit  den  aataetzten  Augen  und  dem  rerzerrtan 
••sieht  sah  war  er  plötzlich  zur  Beainnung  gekommen,  Sr 
hatte  sich  weg  gesohlichen  und  hatte  stundenlang  ▼arborgan 
weinend  im  Grat  gelegen,  «r  war  von  peinigender  Scham  er- 
füllt, weil  er  nicht  eingeschritten  war  gegen  die  Brutall- 


24 


tlt  d«r  rateran,  weil  er  zu  f»ic«  £ew»ß«n  war,  alch  der 
li^ute  entgegsnKUctellen  und  nicht  «Inmel  waiJte,  «ea  Hl« 
§wm   kl*la«n  Lüdchen  noch  aneetan  hettea. 

Nachte  konnte  er  nicht  schlafen.  Sara»  Augen  var- 

folgtan  ihn  Im  Dunkeln. 

©lUckllcharwaiae  war  diese  Splaode  am  2nde  aelner 
Ferien  vorgefallen.  Ir  fuhr  In  den  Norden  zurück  zu  ael- 
nen  Sltern  nnA   aelner  ochule  und  seinen  vertrauten  Kamera- 
iMi«  tir   aprach  zu  nieaianÄam  Ub«r  daa  ürlebte,  aber  «r 
Ifonnte  sich  apöter  erfolgreich  weigern,  je  wieder  MÜM 
Verwandten  ira  'üdön  su  basuohtn.  Smimi  Auf^n  h«tten  ihn 
jedoch  durch  die  Jahre  begleitet  und  hatten  ihn  in  den 
verhängnisvollen  Augenblicken  aelnea  Lebena  lamer  «i«4«r 
aus  dem  Dunkel  hereue  angesohen. 

nachdem  Heinrich  oaln  ..iramer  botraten  hatte,  trat 
euch  er  ans  Fenetör,  nn  einen  Augenblick  in  die  «acht 
hlnauBsuschauea.  Dann  warf  «r  «loh,  ohae  Licht  zu  aaabM 
•RA  ohne  alch  auszuziehen,  auf  sein  Bett.  Er  lag  alt  ge- 
schlosoeuen  Augen  und  horchte  mtf  daa  üröhnaa  4«t  3turm», 
daa  alch  alt  daa  wilden  lulaieren  aelnea  Blutea  verband 
und  zu  einem  qualvollen  lauten  üerÄuach  in  a«i««n  Ohren 
wurde.  Ir  hörte  den  unabliaaigan  Lira  der  FlugzeufBOto- 
ren  über  Barcelona  und  daa  Oaachrel  der  fliehenden  Mna- 

,  daa  .Explodieren  der  3o«ben  und  wieder  daa  Eeulen  dar 
Verwundeten.  Schreiende  üaaaan  walzten  aloh  auf  den  Straa- 


.  \'     i~*  ^  .  .  .■!.'  \  :  •    t.     >  ä1   ..^y^.ut-i 


•>.V...  ■  ,  *.  ,»,  ...  ...  /.-  T.. 


25 


—n   Btrlint;  mit  hoch  «rHo^MM  AroMS  b«er13t9n  •!•  and«- 
y^  llj^t««n,  41»  mit  Tr«BWln  und  Trompeten  In  endloßen  Hel- 
iMn  ▼orbeliMraohierten,  grau»,  braun«,  •ohwarz«  liatalllone, 
unaufbalta««,  «aiahlnanglaloh,  allaa  ttbarrannand,  daa  «loh 
In  Ihran  vra«  stallt«.  Dar  wilde  rhythmlsoha  Lira  wurd«  au 
reltachenhiaban,  die  «chaellor  und  achnellar  anarblttllch 
«uf  ihn  niaÄaraausten,  zu  horten,  dla  Im  glelcbon  Takt  fla- 
laa  Vuflanachweln,  Soziallatenhund,"  und  aloh  alt  ••tnem 
•igartan  nicht  mabr  xu  boharr wehenden  Schreien  ▼arbandan,— 
S«hwaia«ab8d«t  »ffnate  er  die  Außen  und  konnte  nur  mit 
Mttha  alch  arlnnern,  w»  ar  war.  Hooh  halb  In  dem  Albtrmi» 
bafancan  »ah  er  das  Bild  dar  cchwarz  pekleideten  Oaatalt 
mit  den  hohen  Stiefeln  und  dar  Raltpeitpche  im  Kabal  rar- 
sohwimmam«  und  atlaö  keuchend  die  wort«  heraus:  "Du  hast 
lecht,  Mutter  -  Ar  Ist  eine  Gefahr  für  die  üensohhaltl" 

Cl«  ganze  Nacht  hindurch  heulte  und  tobte  der  3tur«. 
JU  wer  ein  solcher  LBra,  daes  es  unsabglioh  gewesen  wftra, 
Ifgendwelche  andaran  Oeräuseha  in  den  .-Jturm  und  ^apen  zu 
xKst er schal den.  Sla  wlren  von  dem  schwarzen  OetBsa  var- 

schlun«an  worden. 

••  HiifH  schon,  9 18  Rudolf  ins  ^-chlafzlamar  ein- 
trat. Sybille  schien  zu  schlafen.  Auf  ihrmn  blassen  Ga- 
Sicht  waren  noch  die  Spuren  dar  TrRn^n  zu  sehen. 


Am  {yiorir»n  schien  di«  Sonn«  am  tl<9fblau9n  HIbbi«!. 
Man  traf  «Inander  wl«  t«wÖhnllch  b«lm  Trühttück.  lur  Herr 
Müller  fahlte.  Naohdam  aaa  hönich  «Ina  Walle  gewartat 
batta,  ging  !?udolf  in  da»  2la»ar  da»  ?ra»dan  und  fand  «8 
Xaar.  ialBa  Kleldar  binden  noch  In  dar  Ktteha  naha  um 
Rard,  wo  Sybllla  ale  am  Abend  zum  Trocknan  hln^rahün^t  hat- 
te. Mm  Batt  war  unbenutzt .  Verwundert  sahen  die  Treun- 
i«  ainandar  an  und  beechloessn,  die  Insel  abzuschreiten. 
«1«  konnten  keine  Spur  von  da«  fremden  entdecken.  Sein 
l«ot  lag  faatgebunden  und  nur  leicht  b«schlldl<irt  ans  Ufer 
der  peachützten  kleinen  Bucht,  «anx  «o  wie  Herr  üüller  •• 


a« 


Abend- vorher  dcrt  gelaseon  hatte. 


,1-  ,»  ,■  Yt   .  i.  ..•  J.   »il 


l.'."*  V'> 


2C 


•in  klArer,  heller  Tttg  beschl«d*a  Mla  wird.     Out*  Nacht; 
B«4olf  hatt«  Sybilles  Ars  genoiscien  und  führte  sie 


noch  1»  Sprechen  der  Tür  z.U.     Sie  yerlleßen 
ZioaMr  und  Mhen  sich  nicht  nach  den  Z>urQokj 


das 


Sybille,  die  sich  an  ihren  l^ann  anlehnte,  aab  kleiner  und 

sehr  zerbrechlich  aus.  Hudolfs  Haltung  da«  sehrecklioheu, 

lamriMirteten  Xr«si£nls  e^^C^^nüber  hatte  fast  einen  Äwar.g  auf 

die  drei  Freunde  ausgeübt,  die  nun  ihrerseits  sohweleend 

Ihrem  Vflrten  folgten  und  auch  ausserhalb  des  'Wohnilamers, 

in  d«s  der  Freade  allein  geblieben  war,  mit  einer  verlege- 

sich 
nen  iNischhelt  von  einander  trönntan.  Jeder  sahien  auf» 

A 

Sussersto  angeetrengt,  die  In  Iha  erweckten  r.efühle  zu  be- 
herrschen und  vor  den  anderen  zu  verbergen.  Dies  gelang 
ihnen  utt  so  eher,  da  ihr«  Schlaf alaatr  riuallch  ausalnaa- 
darlegen.  Heinrich  und  Karlann«  achliefen  ^ewohnhelts- 
nMiiig  in  getrennten  Haua«in;  sie  nöhmen  von  ainander  wort- 
los alt  olnor  kurzen  leidensohaftliohon  UtaarmuniK  fUr  diese 
lacht  «bflchiöd.  J'ohn  hatte  schon  die  Tür  zu  seinem  neHea 
«es:  viohaalra^ör  islagaaaa  Zlauier  geschlossen,  als  «udolf  In 
sein  ArbeltszlBKor  ging,  in  dem  er  wie  gewöhnlich  noch  eini- 
ge atunden  alt  Lesen  oder  ichreiben  verbrin^jon  xu  wollen 
sohlen.  Da  das  slte  Hous  solide  gebaut  war,  konnte  nie- 
mand hbren,  ob  eich  die  Tttr  au  dea  Gastzloiaer,  imm  Herrn 
Müller  angewiesen  war,  öffnete  und  schloß.  — 

Keiner  von  den  Freunden  erwartete  aich  schnellen 
Schlaf,  so  89hr  ein  Jeder  auch  den  vunseh  nach  Ruhe  verspü- 


ren nuute. 


21 


John  Sit  rauchend  am  Fenster  und  «chaute  In  da« 
dunkle  Toben  hinaus,  f}%nn   er  an  die  letaten  Srelgnlsöe 
des  Abende  dachte,  »o  seh  er  Sybille«  bleseee  Geeicht  vor 
eloh  und  hörte  IßLuor  wieder  Ihrrj  achmer*erfüllte  Stlaanei 
dee  fr^rftüMlvelle  Srlebnl«  mit  dm  alten  Juden  und  den  S.U. 
Leuten  erzählen,  B:e  war  Ihm,  ale  ob  er  eelbet  bei  dem 
Mord  augeeehen  hatte,  und  ee  berüchtigte  aloh  aelner  eine 
raeende  Wut.  i)leaee  wilde,  unbeherraehbare  OefQhl  war 


Ihm  nur  zu   gut  bekannt  aue  seinen 


Leben •  Sa 


hatte  zu  Taten  ßoführt,  die  er  für  gewöhnlich  von  aelneai 
Gedöohtnls  f<*rn  halten  konnta,  die  ar   aber  nie  bereut 
Iia1it#«  Kur  durften  ale  nicht  störend  In  aaln  (n:afenwartl» 
gea,  geordnetes  Loben  eindringen •  Wieder  schauten  ilM 
SjHbllloa  erachrooJcte  Augen  aua  den.  Dunkel,  das  draußen 
herrschte,  an.     ;;la  wurden  allia&hiich  elna  alt  einen  l^aar 
andrer  Augen,  die  schwarz  und  feucht  sich  vor  Angat  eua 
Ihren  v^ockeln  zu   wftlben  schienen,  »le  oft  hatte  er  die- 


se Augen  salt  den  varawelfelten  Blick  elnea 


tzten  Tle 


res  In  seinen  l'rÄumen  f,eaehen  —  die  Augen  des  kleinen 


laSt^»^lldolü«»a8  Snra«  Er  war  MsHila  ein  Knabe  von  IC  oder 
11  f;:eweeen  auf  :50Mflierferlen  bei  aelnen  Verwandten  In  ein 
kleinen  Ort  In  klsslealppl.  D%r   wilde,  fantaalevolle 


Bursche,  der  er 


Is  war,  hatte  bald  eine  Ansiahl  Spiel-- 


gefihrten  unt<i>r  den  benachbarten  Familien  gefunden.   Ala 
•la  rresider  aus  dem  Norden  hatte  er  für  die  Ubriffan  Kna« 


SS 


b«ii  «In«!!  basonddren  Reiz,  d«r  wohl  auf  daa  8altÄnh«lts- 
wart  boruiJta,  So  kam  «s«  da«  ar  alcü  bald  von  alaar 
Gruppe  filtarar  Klndar  aufgaüo— an  fand,  waa  aelnor  r;:ltal> 
kalt  sehaaioüalta.  iSa  leg  Ihis  vlal  daran,  nlott  nur  Ihaan 
glaloh  SU  tun,  aocdarn  sla  durob  ssiaan  baaondaran  ik<ut  und 
Ina  Mlnnllciikalt  zu  baalndrucican.  Ir  trlab  slok  mit  Ih« 
nan  haruun,  n«hm  an  lbr«n  Strelohon  tdll  und  ging  nlt  ihnaa 
t   :  ..OD  und  flaohan.  Dai^  slo  alna  laada  Ton  unar^oganaa, 
ungablldaian  und  brutalen  Jugandlleban  weron,  muäf   ar  slob 
auf  Irgandalna  V»aiaa  zu  ▼orhairalichen,  ua  ihre  Fraondaohaft 


nleht  %u  Tarllaren.  Illlnes  korgens  gln«;an  ala  '4ui 


an 


alna  baatlMita  Stalla  daa  Fluasas,  wo  sla  ««wöhnlloh  bada- 
t«n.  la  war  noch  aehr  früh,  und  der  laichte  Uori^aanabal 

lag  auf  dan  v.'laaan  und  war  wie  auc^i  das  .£(9«or  das  Fluaaaa 
roaonfarblg  von  dar  aban  «nufgegöngönsn  K>onna  getönt,   01a 
Luft  wer  frisch  und  würilg;  olna  grofia  Stille  lag  nocb 
über  der  Natur.  Ml»   sie  an  dac  L-for  dea  Flusses  kamen. 


aabe&  ala  swal  Be^;«rkludar  Im  äm9mr   ataliaa. 


Knctb< 


«ar  Tlallelcht  In  Jonas  Altar,  das  kleine  Uttdoben  ein  paar 
Shhre   jUngör.  81e  warer.  beld©  nackt  und  wahrachelnlloh 
gerade  dabal,  belallch  ein  l^^orgenbad  in  ?lu0  s.u  iiebaaa  aa 
dlaaar  Stelle,  wo  nur  '#eliüe  das  Recht  hattaa  2u  baden. 
John  arkMMt«  sie  als  dl«  Kinder  einer  Xatarla,  die  menchm 
la  HGtuta  aalner  Verwandten  arbeitete.  Das  kleine  MIdohen 
hlaS  Sara.  Als  die  Knaben  'Ue  Kinder  aahan,  blieben  ala 


i    i 


C«n 


SS 


•r»t  einen  Augenbliok  »t«h«n,  u»  dum  «b^r  plötillob  wie 
•ia  MAttii  »loh  mit  gröüter  0««ohwlndlgk«lt  «uf  dl«  b«ld«a 
Opfer  XU  stürzan,  Sl«  bwslchtlgten  «loh  d«s  naekt«n  Kna- 
ben, der  sioh  nur  verauohiwei»«  xur  f»hr  setzte.  Sie  wer- 
fen Ihn  nieder,  »chlugea  erbaraungslos  auf  Ihn  ein  mit 
Fäueten  und  rasch  aufgehobenen  otöokenj  Je  el«er  hatte  so- 
gar «Inen  großen  itoln  gefunden,  rait  dem  er  den  Hilflosen 
auf  den  Kopf  «ehlug.  31»  rissen  an  1ha  herum  und  hielten 
Ihn  schließlich  unter  ^'aJSPor,  ift»  sich  um  Ihn  noch  röter 
färbte.  Denn  lloiSsn  sie  don  schon  Bewußtlosen  aa  Ufer  lle- 

'"sra  hatte  nackt  und  xltternd  dabei  «•»tanden,  Ihre 
großen  Augen  weit  aufgerissen  vor  Angst;  sie  hatte  zunächst 
Tersucht,  dem  Bruder  zu   helfen,  wurde  aber  itlt  fuBtrltten 
»ur  'i?rde  geworfen,  wo  als  nun  uobev/egllch  saß,  Trünen 
liefen  ihr  über  des  kloln»  schwarze  Gesicht,  Ihr  i'und  war 
weit  anfEerlösan.  aber  kein  Ton  kam  uns   Ihror  Tehle.   Ihre 
kloinen  schwarzen  FlSnde  versuoht«n  Ihre  Slöö«  «u  decken. 
John  wer  von  der  Gruppe  seiner  Ireunda  mitearlasen  worden 
und  hatte  sich  alt  ihnen  auf  den  Knaben  gestürzt,  war  aber 
von  den  Größeren  zurückgedrängt  v/order.   ISr  war  dah«r  «h^r 
ein  ;:.uschauor  als  ein  Beteiligter  gewesen.  Ale  er  das. 
kleine  MMdohen  mit  den  «ntsetÄten  Augen  und  dem  verzerrten 
O««loht  sah  war  or  plötzlich  zur  Besinnung  gekoauaen.   Sr 
ttaitte  eich  we«^  geschlichen  und  hatte  stundealt«!  ▼•rborgen 
iwinend  Im  aras  gel«««n.  Ir  war  von  peinigender  Scham  er- 
füllt, well  er  nicht  eingeschritten  war  ••«•n  die  Brutall- 


■•  t-v 


II 


24 


tlt  der  Xiter«n,  w«!!  or  iu  feig«  gewesen  war,  alch  der 
Meute  entgegensttetellon  unä  nicht  elnraol  wui^te,  vas  »ie 
dea  kleinen  aiÄdohen  nocä  angetan  hatten. 

Raehtt  konnte  er  nicht  echlefen.  Saraa  Augen  ver- 
folgten Ihn  Itt  Dunkeln. 

OlttekllcheviMilee  war  diese  iEplsoi»  am  Snde  seiner 
ferlen  vorgefallen.  :^r  fuhr  in  den  Norden  zurück  r.u  sel- 
uan  iltern  und  seiner  Schule  und  seinen  vertrauten  Kanera- 
(2eu.  Sr  sprach  zu  aiemandaB  übor  da»  SrletJte,  aber  er 
konnte  eich  später  erfolgreich  weigern,  Je  wieder  seine 
Verwandten  in  ^Uden  7.u  besaoli«B.  ßarae  Augen  hatten  Ihn 
Jedoch  durch  die  .Tahre  begleitet  und  hatten  ihn  in  den 
▼erWtngnißvollen  AtiftnblickeE  seines  Lebens  loaer  wieder 
eua  dem  Duixk«?!  haraus  engoaehen. 

Nachdem  Heinrich  sein  .'.laiaer  betreten  hatte,  trat 
auch  er  ans  Jenster,  um  einen  Augenblick  in  die  Naoht 
hinausauBohauen.  Dann  warf  er  sich,  ohne  Lioht  au  aiAOhen 
und  ohne  sich  auszuziehen,  auf  sein  Bett.  Ir  la^  alt  R»- 


schlosaenen  Augen  und  horchte  auf  das  ürdimen  dös  5tui«l, 
das  sich  mit  4em  wilden  iulsleren  seines  Blutes  verband 
und  au  einem  qualvollen  lauten  aeräusch  in  seinen  ührea 
wurde.  Kr  hörte  den  unablHsslgen  LBria  der  Flugmeugaoto- 
ren  über  ImreelOGa  und  das  Geschrei  der  fliehenden  Mas- 
sen,  das  Explodieren  der  Boaben  und  wieder  das  Beulen  der 
Verwundeten,   :ciirei«nde  ISassen  wälzten  sich  auf  den  Stras- 


TsPüfüjsnsi 


SS 


••n  B«rlia8;  nlt  hcoh  «rhobMiva  Aratn  begrasten  sio  ande- 
r«  Mait««n,  dl«  adt   TronmeXn  und  Troap«tMi  in  «ndlo&on  aoI- 
hen  vorbelMraohlorten»  greu«,  >r«aft«,  »ohwara«  Bataillon«, 
lUMuftieltaan,  BMtsohinanelaioh,  alias  ttbarrannaad,  ämn   sieh 
In  Ihren  .»«  stellt« .  Dar  wilde  rhythalaoh«  Urm  wurde  au 
faitsotenhieban,  die  lohnallar  und  aehnaller  unerbittlich 
auf  Ihn  niederaauatan,  «u  Worten,  die  in  flelohan  Takt  fla- 
i«i  "JaAansehwalD,  SoKlfillstanbund,"  und  sich  mit  seine« 


•igenan  nicht  taehr  7.u  beherrschenden  Schreien  verbanden. -- 
S«hw«ltt|?ebaäet  öffnete  er  die  A«ean  und  konnte  nur  mit 
Mttha  sich  erinnern,  wo  «r  war.  ffoch  helb  in  dar.  Albtreum 
befanden  sah  «r  das  Bild  der  schwarz  golcleidotan  Oaatalt 
«it  4«ft  lK)hen  Stiefeln  «Ad  Amt   Beitpeitcoho  im  Nebel  var- 
Bchwlmmend  unö  stleL^  keuchend  die  Wort«  heraus:  ''Du  hast 
Recht,  Mutter  —  Ir  ist  eine  Oefahr  für  die  Mansohheitl'» 


Cie  frenze  Maeht  hindurch  heulte  und  tobte  der  Sturm. 
la  war  ein  solchör  LMrra,  daaa  «a  unmöglich  Rewo«en  w8re, 
irgendwelch»  anderen  CJorSusohe  in  dem  äturm  und  ^tagan  zu 
unterachaiden.  Sie  wSren  von  dem  schwarzen  Crstös«  ver- 

•ohlungen  worden. 

t»   «Rmnsorte  schon,  als  Rudolf  In«  Schlaf xlomar  «in- 
trat.   :  ybillfl  schien  zu  aohlsfon.  Auf  ihrara  bln9««n  0«- 
alcht  »Armi  noch  die  ?pur>^n  der  Tränen  xu  ««ftM. 


26 


j-lorgen  schitn  öl«  Sonn»  an  tiefblauen  niam«l. 
lUft  tr«f  «Inander  wl«  istwöhnlloli  b«lm  Trühstücic.     Nur  Herr 


llttll«r  fehlt«.  Keohd«» 


höflich  •!»•  W«ll«  gewort«t 


Matt«,  ging  Rudolf  In  <I«b  lAmier   de«  Freaden  und  fend  •• 
leer.  Seine  Kleider  hin«en  nooh  in  der  Küche  nehf»  •» 
Herd  wo  Syblllo  eie  a»  Abend  zua  Trocknen  hlnrehinft  hat- 
te. t>«»  Bett  wer  unbenüt«t.  Verwundert  aahen  die  Treun- 
d«  einender  an  und  beacfclooaen,  die  Inael  abzuiohr'')lten. 
Sie  konnten  Jcalne  :'^pur  von  dem  Freaden  entdecken.  3ein 
Boot  lag  festgebunden  und  nur  leicht  benchfidl?^t  aa  Ufer 
der  (?«80hüt?.ten  kleinen  Bucht,  «ranx  eo  wie  Herr  Vüller  es 

ff 

•0  Abend  vorher  dort  «elesaen  hatte. 


.'X'^.Cr^:'  t  .üi^-/^'\ff!'"/.  'l[^fj  ■.  '^'t-  <\    ■*"' 


so 


UIa  klamr,  heller  Tag  b«sohl«4«n  stla  wird.  Out«  Naobtl  ' 

M«  gani&#  Haoht  blnduroh  beult«  und  tobte  der  f^turai« 
!•  war  ein  lolohar  Lim«  das»  ••  uimögllob  ge-ireeen  wSre, 


irgeadwelche  anderen  Oeräuaohe  In  dem 


und  Regen  %\x 


untersobelden«     Sie  ittren  Yon  de«  MiMirsen  Oet5ee  ver-* 


eehlunran  worden« 


tl 


k 


^/ktL  iftfllKHik  Morgen  eeblen  die  Sonne  am  tiefblauen 
Hlvmel.     Mm  traf  einander  wie  fVwCbnllcb  beim  frUbatUok:* 
Nur  Herr  iiüller  foblte,     Kaohdesi  man  höflich  eine  welle  ga- 
«artet  hatte,  ging  :<udolf  In  daa  ^iHimor  da«  fra«i4Hi  iMii 
fand  ea  leer«     Seine  Kleider  tilngen  nooh  in  der  KÜehe  nahe 
am  Herd,  wo  Sybille   die  am  Abend  4;ua  Trocknen  hinf^ehängt 


batte»     Ca& 


t  war  MllMiallt^te     Verwundert  aahen  die  Freun*- 


de  einander  an  und  b^^iaobloaeau,   die  Inael  abi^uschreiten« 
81a  konnten  keln^i»  :>pur  Toa  de»  fraiidan  entdecken«     ^eln 
Boot  la£  festgebunden  und  ^mr  lo>lcht  beaeb&digt  an  T^fer 
der  gaeehUtxt^n  Iclelnen  Buobt^    gaii:iti  so  wie  Herr  Httller  aa 
am  Abaad  vorher  dort  galaaaan  hatte« 


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ft^   »^  Vi^iU^    if^^u^u^    ^^^^-ce/vt-^ 


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'^  (^utuXuA^ 


'^<^  ^ic^. 


^  ^  /r;^:^^.  ii,u.H.s '  tu.^  ^TT^.  ^^''"^  '^v^  -'^>c 


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20 


ein  klarer,  heller  Tag  beschieden  sein  wird.  Gute  Nacht* " 

Rudolf  hatte  Sybilles  Arm  genommen  und  führte  sie 
noch  im  Sprechen  der  Tür  zu.  Sie  verließen  zusammen  das 
Zimmer  und  sahen  sich  nicht  nach  den  Zurückgebliebenen  um. 
Sybille,  die  sich  an  ihren  Mann  anlehnte,  sah  kleiner  und 
sehr  zerbrechlich  aus.  Rudolfs  Haltung  dem  schrecklichen, 
unerwarteten  Ereignis  gegenüber  hatte  fast  einen  Zwang  auf 
die  drei  Freunde  ausgeübt,  die  nun  ihrerseits  schweigend 
ihren  Wirten  folgten  und  auch  ausserhalb  des  Wohnzimmers, 
in  demi  der  Fremde  allein  geblieben  war,  mit  einer  verlege- 
nen  Rasohheit^von  einander  trennten.  Jeder  schien  auf  s 
äusserste  angestrengt,  die  in  ihm  erweckten  Gefühle  zu  be- 
herrschen und  vor  den  anderen  zu  verbergen.  Dies  gelang 
ihnen  um  so  eher,  da  ihre  Schlafzimmer  räumlich  auseinan- 
derlagen. Heinrich  und  Marianne  schliefen  gewohnheits- 
mäßig in  getrennten  Räumen;  sie  nahmen  von  einander  wort- 
los mit  einer  kurzen  leidenschaftlichen  Umarmung  für  diese 
Nacht  Abschied.  John  hatte  schon  die  TOr  zu  seinem  neben 
dem  Wohnzimmer  gelegenen  Zimmer  geschlossen,  als  Rudolf  in 
sein  Arbeitszimmer  ging,  in  dem  er  wie  gewöhnlich  noch  eini 
ge  Stunden  mit  Lesen  oder  Schreiben  verbringen  zu  wollen 
schien.  Da  das  alte  Haus  solide  gebaut  war,  konnte  nie- 
mand  hören,  ob  sich  die  Tür  zu  dem  Gastzimmer,  das  Herrn 
Müller  angewiesen  war,  öffnete  und  schloß.  - 

Keiner  von  den  Freunden  erwartete  sich  schnellen 
schlaf,  so  sehr  ein  jeder  auch  den  Wunsch  nach  Ruhe  verspü- 
ren  mußte« 


21 


John  saß  rauchend  am  Fenster  und  schaute  in  das 
dunkle  Toben  hinaus.  Wenn  er  an  die  letzten  Ereignisse 
des  Abends  dachte,  so  sah  er  Sybilles  blasses  Gesicht  vor 
sich  und  hörte  immer  wieder  ihre  schmerzerfüllte  Stimme, 
das  grauenvolle  Erlebnis  mit  dem  alten  Juden  und  den  S.S. 
Leuten  erzählen.  Es  war  ihm,  als  ob  er  selbst  bei  dem 
Mord  zugesehen  hatte,  und  es  bemächtigte  sich  seiner  eine 
rasende  Wut.  Dieses  wilde,  unbeherrschbare  Geftthl  war 
ihm  nur  zu  gut  bekannt  aus  seinem  vergangenen  Leben.  Es 
hatte  zu  Taten  geführt,  die  er  für  gewöhnlich  von  seinem 
Gedächtnis  fern  halten  konnte,  die  er  aber  nie  bereut 
hatte.  Nur  durften  sie  nicht  störend  in  sein  gegenwärti- 
ges, geordnetes  Leben  eindringen.  Wieder  schauten  ihn 
Sybilles  erschreckte  Augen  aus  dem  Dunkel,  das  draußen 
herrschte,  an.  Sie  wurden  allmählich  eins  mit  einem  Paar 
andrer  Augen,  die  schwarz  und  feucht  sich  vor  Angst  aus 
ihren  Sockeln  zu  wölben  schienen.  Wie  oft  hatte  er  die- 
se  Augen  mit  dem  verzweifelten  Blick  eines  gehetzten  Tie- 
res in  seinen  Träumen  gesehen  -  die  Augen  des  kleinen 
Negermädohens  Sara.  Er  war  damals  ein  Knabe  von  10  oder 
11  gewesen  auf  Sommerferien  bei  seinen  Verwandten  in  einem 
kleinen  Ort  in  Mississippi.  Der  wilde,  fantasievolle 
Bursche,  der  er  damals  war,  hatte  bald  eine  Anzahl  Spiel- 
gefährten unter  den  benachbarten  Familien  gefunden.  Als 
ein  Fremder  aus  dem  Norden  hatte  er  für  die  übrigen  Kna- 


22 


ben  einen  besonderen  Reiz,  der  wohl  auf  dem  Seltenheits- 
wert beruhte.  So  kam  es,  daß  er  sich  bald  von  einer 
Gruppe  älterer  Kinder  aufgenommen  fand,  was  seiner  Eitel- 
keit schmeichelte.  Es  lag  ihm  viel  daran,  nicht  nur  ihnen 
gleich  zu  tun,  sondern  sie  durch  seinen  besonderen  Mut  und 
seine  Männlichkeit  zu  beeindrucken.  Er  trieb  sich  mit  ih- 
nen herum,  nahm  an  ihren  Streichen  teil  und  ging  mit  ihnen 
schwimmen  und  fischen.  Daß  sie  eine  Bande  von  unerzogenen, 
ungebildeten  und  brutalen  Jugendlichen  waren,  wußte  er  sich 
auf  irgendeine  Weise  zu  verheimlichen,  um  ihre  Freundschaft 
nicht  zu  verlieren.  Eines  Morgens  gingen  sie  zusammen  an 
eine  bestimmte  Stelle  des  Flusses,  wo  sie  gewöhnlich  bade- 
ten. Es  war  noch  sehr  früh,  und  der  leichte  Morgennebel 
lag  auf  den  Wiesen  und  war  wie  auch  das  Wasser  des  Flusses 
rosenfarbig  von  der  eben  aufgegangenen  Sonne  getönt.  Die 
Luft  war  frisch  und  würzig;  eine  gro£e  Stille  lag  noch 
über  der  Natur.  Als  sie  an  das  Ufer  des  Flusses  kamen, 
sahen  sie  zwei  Kegerkinder  im  Wasser  stehen.   Der  Knabe 
war  vielleicht  in  Johns  Alter,  das  kleine  L.ädchen  ein  paar 
Jahre  Jünger.   Sie  waren  beide  nackt  und  wahrscheinlich 
gerade  dabei,  heimlich  ein  Morgenbad  im  Fluß  zu  nehmen  an 
dieser  Stelle,  wo  nur  Weiße  das  Recht  hatten  zu  baden. 
John  erkannte  sie  als  die  Kinder  einer  Negerin,  die  manchmal 
im  Hause  seiner  Verwandten  arbeitete.  Das  kleine  Mädchen 
hieß  Sara.  Als  die  Knaben  die  Kinder  sahen,  blieben  sie 


23 


erst  einen  Augenblick  stehen,  um  dann  aber  plötzlich  wie 
ein  Mann  sich  mit  größter  Geschwindigkeit  auf  die  beiden 
Opfer  zu  stürzen.  Sie  bemächtigten  sich  des  nackten  Kna- 
ben, der  sich  nur  versuchsweise  zur  V/ehr  setzte.  Sie  war- 
fen ihn  nieder,  schlugen  erbarmungslos  auf  ihn  ein  mit 
Fäusten  und  rasch  aufgehobenen  Stöcken;  Ja  einer  hatte  so- 
gar einen  großen  Stein  gefunden,  mit  dem  er  den  Hilflosen 
auf  den  Kopf  schlug,  Sie  rissen  an  ihm  herum  und  hielten 
ihn  schließlich  unter  V/asser,  das  sich  um  ihn  noch  röter 
färbte.  Dann  ließen  sie  den  schon  Bewußtlosen  am  Ufer  lie- 
gen, Sara  hatte  nackt  und  zitternd  dabei  gestanden,  ihre 
großen  Augen  weit  aufgerissen  vor  Angst;  sie  hatte  zunächst 
versucht,  dem  Bruder  zu  helfen,  wurde  aber  mit  Fußtritten 
zur  Erde  geworfen,  wo  sie  nun  unbeweglich  saß,  Tränen 
liefen  ihr  über  das  kleine  schwarze  Gesicht,  ihr  Mund  war 
weit  aufgerissen,  aber  kein  Ton  kam  aus  ihrer  Kehle.  Ihre 
kleinen  schwarzen  Hände  versuchten  ihre  Blöße  zu  decken. 
John  war  von  der  Gruppe  seiner  Freunde  mitgerissen  worden 
und  hatte  sich  mit  ihnen  auf  den  Knaben  gestürzt,  war  aber 
von  den  Größeren  zurückgedrängt  worden.  Er  war  daher  eher 
ein  Zuschauer  als  ein  Beteiligter  gewesen.  Als  er  das 
kleine  Mädchen  mit  den  entsetzten  Augen  und  dem  verzerrten 
Gesicht  sah  war  er  plötzlich  zur  Besinnung  gekommen.  Er 
hatte  sich  weg  geschlichen  und  hatte  stundenlang  verborgen 
weinend  im  Gras  gelegen.  Er  war  von  peinigender  Scham  er- 
füllt, weil  er  nicht  eingeschritten  war  gegen  die  Brutali- 


24 


tat  der  Alteren,  weil  er  zu  feige  gewesen  war,  sich  der 
Meute  entgegenzustellen  und  nicht  einmal  wußte,  was  sie 
dem  kleinen  Mädchen  noch  angetan  hatten. 

Nachts  konnte  er  nicht  schlafen.  Saras  Augen  ver- 
folgten ihn  im  Dunkeln, 

Glücklicherweise  war  diese  Episode  am  Ende  seiner 
rerien  vorgefallen.  Er  fuhr  in  den  Norden  zurück  zu  sei- 
nen Eltern  und  seiner  Schule  und  seinen  vertrauten  Kamera- 
den. Er  sprach  zu  niemandem  über  das  "«Irlebte,  aber  er 
konnte  sich  später  erfolgreich  weigerni  je  wieder  seine 
Verwandten  im  Süden  zu  besuchen.  Saras  Augen  hatten  ihn 
jedoch  durch  die  Jahre  begleitet  und  hatten  ihn  in  den 
verhängnisvollen  Augenblicken  seines  Lebens  immer  wieder 
aus  dem  Dunkel  heraus  angesehen. 

Nachdem  Heinrich  sein  Zimmer  betreten  hatte,  trat 
auch  er  ans  Fenster,  um  einen  Augenblick  in  die  Nacht 
hinauszuschauen.  Dann  warf  er  sich,  ohne  Licht  zu  machen 
und  Ohne  sich  auszuziehen,  auf  sein  Bett.  Er  lag  mit  ge- 
schlossenen Augen  und  horchte  auf  das  Dröhnen  des  Sturms, 
das  sich  mit  dem  wilden  Pulsieren  seines  Blutes  verband 
und  zu  einem  qualvollen  lauten  Geräusch  in  seinen  Ohren 
wurde.  Er  hörte  den  unablässigen  Lärm  der  Flugzeugmoto- 
ren über  Barcelona  und  das  Geschrei  der  fliehenden  Mas- 
sen, das  Explodieren  der  Bomben  und  wieder  das  Heulen  der 
verendeten.  Schreiende  Massen  wälzten  sich  auf  den  Stras 


25 


sen  Berlins;  mit  hoch  erhobenen  Armen  begrüßten  sie  ande- 
re Massen,  die  mit  Trommeln  und  Trompeten  in  endlosen  Rei- 
hen vorbeimarschierten,  graue,  braune,  schwarze  Bataillone, 
unaufhaltsam,  maschinengleioh,  alles  überrennend,  das  sich 
in  ihren  Weg  stellte.  Der  wilde  rhythmische  LSrm  wurde  zu 
Peitschenhieben,  die  schneller  und  schneller  unerbittlich 
auf  ihn  nieder sausten,  zu  Worten,  die  im  gleichen  Takt  fie- 
len ♦» Judenschwein,  Sozialistenhund ,»♦  und  sich  mit  seinem 
eigenen  nicht  mehr  zu  beherrschenden  Schreien  verbanden.— 
Schweißgebadet  öffnete  er  die  Augen  und  konnte  nur  mit 
Mühe  sich  erinnern,  wo  er  war.  Noch  halb  in  dem  Alb träum 
befangen  sah  er  das  Bild  der  schwarz  gekleideten  Gestalt 
mit  den  hohen  Stiefeln  und  der  Reitpeitsche  im  Nebel  ver- 
schwlmmend  und  stieß  keuchend  die  Worte  heraus:  "Du  hast 
Recht,  Mutter  -  Er  ist  eine  Gefahr  für  die  Menschheit»." 


Die  ganze  Nacht  hindurch  heulte  und  tobte  der  Sturm. 
Es  war  ein  solcher  Lärm,  dass  es  unmöglich  gewesen  wäre, 
irgendwelche  anderen  Geräusche  in  dem  Sturm  und  Regen  zu 
unterscheiden.  Sie  wären  von  dem  schwarzen  Getöse  ver- 
schlungen worden. 

Es  dämmerte  schon,  als  Rudolf  ins  Schlafzimmer  ein- 
trat. Sybille  schien  zu  schlafen.  Auf  ihrem  blassen  Ge- 
Sicht  waren  noch  die  Spuren  der  Tränen  zu  sehen. 


26 


Am  Morgen  schien  die  Sonne  am  tiefblauen  Himmel. 
Man  traf  einander  wie  gewöhnlich  beim  Frühstück.  Nur  Herr 
Müller  fehlte.  Nachdem  man  höflich  eine  Weile  gewartet 
hatte,  ging  Rudolf  in  das  Zimmer  des  Fremden  und  fand  es 
leer.  Seine  Kleider  hingen  noch  in  der  Küche  nahe  am 
Herd,  wo  Sybille  sie  am  Abend  zum  Trocknen  hingehängt  hat- 
te. Das  Bett  war  unbenutzt.  Verwundert  sahen  die  Freun- 
de einander  an  und  beschlossen,  die  Insel  abzuschreiten. 
Sie  konnten  keine  Spur  von  dem  Fremden  entdecken.   Sein 
Boot  lag  festgebunden  und  nur  leicht  beschädigt  am  Ufer 
der  geschützten  kleinen  Bucht,  ganz  so  wie  Herr  Müller  es 
am  Abend  vorher  dort  gelassen  hatte. 


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PROLOG 


1 


Matthias  war  unter  einem  glücklichen  Stern 
geboren.   Dies  war  schon  daraus  hersichtlich,  dass  er 
seine  Kindheit  überlebt  hatte.  TZr   stammte  aus  Hamburg, 
der  älteste  Sohn  eines Fuhrwerkbesitzers  und  Transporteurs, 
der  ein  brutaler,  selbstsüchtiger,  kleinlicher  und 


•    • 


geiziger  Mann  war.   Er  misshandelte  Frau  und  Kinder  und 
hatte  häufig  Händel,  besonders  wenn  er,  wie  es  oft  geschah, 
getrunken  hatte.   Seine  Frau  war  eine  schüchterne  Person, 
mit  einst  zärtlichen  Anlagen,  die  ihm  wie  eine  Sklavin 
gehorchte,  auf  Befehl  sein  Bett  mit  ihm  teilte,  und  vor 
ihm  zitterte.   Nur  heimlich  wagte  sie  es,  ihre  Zärtlichkeit 
den  Kindern  zuzuwenden.   Matthias,  der  ee  als  selbstver- 
ständlich hinnahjij,dass  er  selbL   vom  Vt.ter  geprügelt 
wurde,  fühlte  .jedoch  wilde,  kaum  zu  unterdrückende  Wut, 
wenn  er  Zeuge  sein  musste,  wenn  der  Vater  die  Mutter 
erniedrigte  und  misshandelte.   Schwangerschaft  folgte 
auf  Schwangerschaft,  aber  das  verhinderte  den  brutalen 
Christian  Witte  nicht,  Matthias'  Mutter  zu  schlagen, 
zu  beschimpfen,  oder  seine  Lust  an  ihr  zu  befriedigen, 
wenn  seine  Laune  ihn  dazu  trieb.   Als  Matthias  fünfzehn 
war,  lief  er  davon.   T5s  ergab  sich  eine  Gelegenheit  für 


• 


( 


538 


4«n  «In  lt»llenl8oh«r    Jplon  mit  Nflm«r  Barroate  n«oh  Deutsch- 
land elnpeschmuff^lt  uni   duroh  einen  Kommunlgtcn,   namena 
Kerl    P'lacher,   G^nth°r  zukooiwn  IsBBen  h«tte.    Dieser  3rlof, 
fior  hurcilosen  Inhelt«?   schien,   enthielt  eine  wlohtlfo  polltliüohe 
Klttellune  In  ein««  e«lMiB«n  Go-le). 


(2J      ;:)f.af5  er  mit   Joner  oben  erwähnten  Trtiher^n   3o/3flllntln, 
j«t:'.b   l\or;nlun.l8^,in,    aelt   1927    In  enpeter   ilezlchunr  atehe,    nie 
und  Ihr  ;.lnd  erhslta,    ihr  verhelfen  habe,    in  die  Gohweiz   zu 
r.lieh«n,   un<-;   durch  slo   alt  anderen  ho—iun^nten  U.^irpnf  pfle-re, 

('>.)      Di'PiH   er  euch  Im   Dritten    '(floh  weiter  dleae   ne^iehunp 
fortfefahrt   h&bo,    und   df.n;^   er  cktlv  den   ihia  befreundeten   Ko;r.rnu- 
niaten   alt   Geld  und     vat  ftoholfon  und   ihre   verbrecherisohon   Üö- 
tl^jkeltQn  untorRtiltst  mibe, 

(A.)      Dfjgs  er  trotz   der  :^a8enconel7.e«bur.c   rnit  besagter 
Saloaea    Fernsndl,    die    der   Jüdischen   I^.B30  nnc-.ehHrt,    r.eßchlöoht- 
Uchnn  Verkehr  euagtübt  und  ihr  unehelichem   ilind  sin   sein  ei- 
genea   ang^^Ctreben   habe, 

(5)      Oc??  or  flo  weit   in  ':l...3er  krlrrilnollen  Btzlehunf  ver- 
wlokelt   sei,   daafl   or  einen  froßsen   Teil   sein«»  und  aoiner  ?rou 
Vtraidpena   seinem  Jüdiaohon    itistard  an   ihre«  elnundzwfmzia-sten 
Oeburtatae;  zu  äberfeben  f^plant  höbe,   wofür  Hewelne   in  einem 
schon  Trü)r.9r  abpefertlf tan  TontaaMint  und   in  einer  »ohrlftllch 
nloaerfelepten  und   dokurjentlerten   üntorredunf,  mit   «einem  An- 
walt PiÄberleln  vorlögen    (-3öilse©  ß.    ),    Bcilaee    C  ©üthlelt 
Zwttjfenausaee.ön  aber  aüntnera  Beziehunp:  zu   ':'»elorne»,    die  nicht 


-'   ■      ^-i^^fc 


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-'^•r* A'.'"- ■*:■ ,-.  3^',;,'y  ':^. .»^ ,4..->  ,st-:^,j^'U-<u<^: ;a:t.-^<igi)3f  1 


.•K.frrn 


I    I 


SCHWARZES  ELFi:.NFEIN 

Günther  kam  am  2.  Septembor  1871  Im  deutschen  Hel- 
denjahr 7,ur  IVelt  als  zweiter  Sohn  des  Hamburger  Kaufmanns 
Hans  Hoyk.   Man  hiubf  diese  Tatsache  erwähnen,  nicht  aus  na- 
tionalen Gründen,  sondern  well  sie  einen  Elnfluss  auf  das 
Leben  ÜUnthere  zu  haben  schien;  wäre  er  doch  so  gerne  ein 
Held  gewesen.   Er  sah  aber  sehr  bald  In  seiner  Kindheit  ein, 
dasB  dieses  Sehnen  nach  angstloser  GrJJase  für  ihn  nicht  er- 
füllbar war.   Die  Umstände  In  seinem  elterlichen  Hause  dien- 
ten ihm  in  anderer  Richtung,  aber  entmutigten  Ihn,  auch  nur 
zu  hofen,  dass  er  Je  seinem  älteren  Bruder  Horst  nicht  nur 
furchtlos  gegenüberstehen  würde,  nicht  nur  ihm  gewachsen 
sein  könnte,  vor  allem  aber,  dase  er  Je  diesem  Bruder  an 
Körperkraft  Überlegen  sein  und  ihm  all  die  Quälerelan  helm- 
zahlen könnte,  die  er  durch  ihn  hatte  erleiden  müssen.  Horst 
war  fünf  Jahre  älter  als  Günther;  er  war  ein  schöner  braun- 
haariger,  blauäugiger  Junge,  schlank  und   muskulös,  ein  guter 
wenn  auch  nicht  ausgezeichneter  Schüler  —  aber  welcher  Ham- 
burger Kaufmann  wollte  schon,  dass  sein  C-ohn  ein  ausgezeich- 
neter Schüler  sei;  das  würde  doch  nur  zu  Schwierigkelten  füh- 
ren —  man  denke  nur,  dass  er  ein  Gelehrter,  vielleicht  ein 
Bücherwurm  werden  könnte,  der  sich  für  alle  möglichen  merk- 
würdigen Ideen  interessieren  möchte. 


Nein,  Horst  war  gerade  richtig,  er  würde  Tee  Im- 
portieren wie  Bein  Vater,  oder  vielleicht  sogar,  wenn  es 
sein  cnUsete,  In  eine  befreundete  Bank  eintreten,   3ankdl- 
rektor  Lange  hatte  zwei  Töchter  etwa  Im  Alter  Irmgards, 
einer  Schwester,  die  Im  Alter  zwischen  Horst  und  Günther 
stand,  fian   hätte  annehmen  können,  dass  Irmgard,  die  nur 
«wel  Jahre  älter  als  Günther  war,  den  kleinen  Bruder  dem 
älteren  vorziehen  würde«   Schliesslich  neckte  er  sie  nicht, 
zog  sie  nicht  an  Ihrem  dicken  blonden  Zopf  wie  Horst  es  tat, 
sondern  zeigte  ihr  seine  Bewunderung  und  sogar,  obgleich  sie 
ein  iiiädchen  war^  Respekt.   Er  verstand  nie,  auch  nicht  spä- 
ter, als  er  schon  erwachsen  und  mit  Oertrude  verheiratet  war, 
warum  Frauen  sich  perade  über  diesen  Zug  In  seiner  Beziehung 
zu   ihnen  lustig  machten  und  Ihn  zum  Anläse  nahmen,  Günther 
von  oben  herab  zu  behandeln« 


Der   Tee -Import  Ist,  eollte  man  meinen,  kein  sehr 
roraantlschee  Geschäft,  aber  für  den  kleinen  Günther  war  er 
eine  Quelle  aufregender  und  Interessanter  Spekulation.  Tee 
kommt  von  weit  her,  von  fremden  Ländern,  wo  es  i^enschen  mit 
geschlitzten  Augen  und  bunten  Kleidern  und  merkwürdigen  Hü- 
ten gibt;  oder  er  kommt  aus  Ländern,  wo  die  Menschen  dunkel- 
häutig sind  und  die  Fürsten  in  Sänften  getragen  werden,  an- 
getan In  Seide  und  Juwelen,  wohnen  sie  In  ralästen  mit  herr- 
lichen Frauen,  die  für  sie  tanzen«   niemand  verlangte,  dass 
diese  f'rlnzen  gross  und  stattlich  und  mutig  sein  müssten; 
die  Bilder  auf  den  Teebüchsen  zeigten  eher  etwas  fette,  voll- 
leiblge  ältere  Herren,  die  bequem  auf  einem  Dlvan  zurückge- 


legt,  flieh  von  Ihren  halbnackten  Dienern  fächeln  lleesen. 
Dl«  herrlichsten  Mädchen  tanzten  vor  Ihnen*  Ja,  das  Tanzen! 
Irmgard  und  Ihre  Freundinnen  lernten  ea  In  der  Schule.  Horst 
lernte  Geige  spielen  —  und  öUnther,  wenn  er  etwas  älter  wttre^ 
würde  wohl  auch  die  Qelge  erlernen.   Er  hätte  so  sehr  gerne 
Irmgard  tanzen  sehen.  Er  wagte  nicht  einmal  darum  zu  bitten, 
denn  das  Lied  "Schwesterchen,  willst  Du  tanzen?'*  sagte  ganz 
klar  und  deutlich,  daee  kleine  Kinder  nicht  tanzen;  nur  wenn 
der  Bruder  Geige  spielen  könnte,  wUrde  sich  das  Schwesterchen 
bereden  lassen  --  um  sich  nicht  einer  unvermeidlichen  Er- 
nl^:drlgung  durch  Ablehnung  und  Ausgelachtwerden  auszusetzen, 
behielt  er  diesen  Vfunsch  fUr  eich* 

Seine  T.:utter,  die  Frau  Kaufmann  Hoyk,  war  eine  be- 
queme liebenswürdige  rundliche  Frau,  die  es  Ihrer  Familie 
behaglich  zu  machen  suchte.   Sie  kam  von  einer  Sippe  von 


Schiffern  von  der  Vasperkant 


Ihr  Vater  Heinrich  Witte  hatte 


eine  kleine  Reederei  gehabt,  ralt  der  er  ganz  hübsch  verdient 
hatte,  obgleich  seine  Schiffe  nicht  mehr  taten  als  an  der 
Küete  entlang  zu  fahren  und  Heringe  von  solch  fernliegenden 
Orten  wie  Rostock  oder  ßogar  Danzlg  nach  Hamburg  zu  bringen. 
Er  konnte  daraufhin  seiner  Tochter  Caroline  eine  stattliche 
mtglft  In  die  Ehe  geben  und,  nachdem  alles  gesagt  und  getan 
war,  hlnterlless  er  seinem  Sohn  ein  gutgehendes  Geschäft  und 
seiner  Frau  einen  ausreichenden  Witwentoll.   Er  selbst  war 
nie  über  Helgoland  hinausgekommen.   Er  war  kurz,  voll-lelblg 
und  blond  gewesen  und  Günthv-^r  schien  sein  Ebenbild  zu  werden, 
über  diesen  Grossvater  hörte  der  Kleine  viel,  denn  seine  üdut- 


:&:aMfa:i 


!Z:UB£^: 


,>*  .ü  ^sjAat  z::?  ^.a:z^rsM3!rJi\..':.i-i  t . 


.^jiisprast. 


ter  liebte  über  Ihn  zu  sprechen  und  auf  »eine  Ähnlichkeit  mit 
Ihm  hinzuweisen«  Anders  war  es  mit  seinem  Qrossonkel  uattje; 
da  gab  es  nur  Andeutungen:  wie  er  schon  als  Knabe  nicht  gut 
getan,  wie  er  sich  mit  seinem  Vater  —  Günthers  Urgrossvater  -- 
gestritten  habe  und  schliesslich  auf  und  davon  sei,  well  er 
nicht  mit  ansehen  konnte,  wie  sein  Vater  seine  Mutter  tyran- 
nisierte*  Er  sei  als  Matrose  zur  See  gegangen  und  sei  schliess- 
lich In  Amerika  gelandet,  niemand  wusste,  ob  er  dort  verkom- 
men oder  ein  Millionär  geworden  sei*  Es  gab  noch  eine  andere 
Version  dieser  Famlllenlegende.   QUnther  hatte  sie  öfters  von 
Fräulein  Frida  gehPrt*   Fräulein  Frida  war  sehr  alt.   Sie  war 
Hausmädchen  bei  Günthers  Grosf^eltern  /«'Itte  gewesen  und  ass 
das  sogenannte  Gnadenbrot  bei  den  Hoyks,  für  die  sie  die  Wä- 
sche ausbesserte  und  andere  kleine  Handreichungen  machte.   Sie 
behauptete,  dase  Grossonkel  Matt Je  schon  Im  Alter  von  zehn 
Jahren  fortgelaufen  war  aus  Angst  vor  seinem  Vater,  Günthers 
Urgrossvater  Witte,  für  einen  kleineren  Diebstahl  aus  seiner 
üutter  Börse  totgeschlagen  zu  werden.   Dieser  ältere  Reeder 
litte  war,  wenn  man  Fridas  Bericht  Glauben  schenken  wollte, 
ein  wahres  Ungeheuer,   Er  war  so  breit  wie  gross  und  ausseror- 
dentlich stark»   Man  behauptete,  dass  er  einmal,  als  er  sich 
über  einen  Bierkutscher  geärgert  hatte,  der  Ihn  zwingen  wollte, 
seinem  Bierwagen  aun  d««  '»Veg  zu  gehen,  sich  mit  der  Brust  ge- 
gen  die  Pferde  gestemmt  und  diese  zum  Halten  gebracht  habe. 
Dann  habe  er  sich  den  Kutscher  herunter  geholt  und  Ihn  ent- 
MtEllch  zugerichtet.   Diese  Gewalttat  mag  oder  mag  nicht  Ihre 
Berechtigung  gehabt  haben  —  die  Behandlung  seiner  Familie  war 


r»öft£r.,37:faV,  i7i;'„-:raK'Ä,^t*  «u. 


i'trry-f  j 


m  keiner  Wtlse  zu  rechtf ertleen.  Er  war  dreimal  verheiratet 
gewesen  und  hatte  seine  drei  Frauen  überlebt.   Sie  hatten  Ih« 
•ine  grosse  Anzahl  Kinder  geboren,  die  er  alle  misshandelte. 
Für  das  kleinste  kindische  Vergehen  band  er  sie  an  einen  Stuhl 
und  schlug  sie  erbarmungslos  mit  einer  n«un  schwänz  Igen  i>eltsohe 
seine  Frauen  misshandelte  er  In  gröbster  W.lse.  Mattje  lief 
davon  und  war  auf  der  Str«««e.  die  das  Holsteinische,  also 
nach  Dänemark  führte,  als  er  von  einer  eleganten  Kutsche  über- 
holt wurde.  Ein  Herr  und  eine  Dame,  beide  deutlich  auslän- 
disch aussehend,  waren  die  Insaspen  dieses  Wagens,  der  auf 
ein  Zeichen  des  Herrn  anhielt.  Man  wusste  nur  so  viel,  dass 
der  kleine  Mattje  in  den  v/agen  herelngenordroen  wurde  und  mit 
da«  fremden  Paar  welterfuhr.   Später  seien  dann  Verhandlungen 
gewesen  zwischen  dem  alten  v/ltte  und  einem  Anwalt  und  der  al- 
te Witte  hatte  eine  enorme  Summe  Geldes  verlangt  und  bekom- 
men. Von  ilattje  habe  man  nichts  mehr  gehört,  aber  es  wäre 
ein  Gerücht  herumgegangen,  dass  er  von  amerikanischen  oder 
Jüdischen  ^'llllonären  adoptiert  worden  sei. 

Günther  gefiel  die  erste  Version  von  L'attjes  Ver- 
schwinden viel  besser  als  die  zweite.   Heimlich,  wann  er  Im 
Bett  unter  seiner  Decke  versteckt  war.  bewunderte  Günther 
diesen  fernen  Grossonkel,  der  für  Ihn  mit  üdysseus  verschmolz, 
und  dem  er  auf  ferne  Inseln  mit  schwarzen  lAännern  und  lieb- 
lichen Mädchen  folgte,  wo  er  nach  einem  Schiffbruch  ans  Land 
schwamm,  alle  Ungeheuer  und  Feinde  besiegte  und  von  allen  als 
der  welspe  Held  wie  ein  Gott  angebetet  wurde.   Der  König  führ- 
te ihm  dla  Prinzessin  zu,  die  wie  Elfriede,  Irmgards  äugen- 


i.-'^r.\ 


r-rftj-vS 


bllckllch  beste  Freundin  aueeah.   Sie  kam  mit  gesenktem  Blick, 
beugte  sich  tief  vor  Ihm  und  begann  zu  tanzen.   Günther  rles 
sich  gewaltsam  von  diesem  Bild  ab,  die  Gefühle^  die  Ihn  über- 
strömten, waren  zu  stark,  zu  gefährlich  —  er  wusste,  er  würde 
nachher  den  entsetzlichen  Angsttraum  haben,  der  Ihn  oft  stun* 
dtnlang  In  der  Nacht  mit  klappernden  Zähnen  In  seinem  Bett  auf- 
sitzen Hess. 

Es  gab  noch  eine  andere  Wlgllchkelt,  In  ferne  Länder 
zu  reisen,  man  musste  viel  Geld  haben.   '*7/enn  man  so  viel  Geld 
hat  wie  die  V's,"  sagte  Günthers  Vater,  "dann  kann  man  sich 
alles  leisten."   Er  sagte  das  zu  Günthers  Mutter  auf  eine  An- 
deutung hin,  dass  sie  wohl  gerne  einmal  mit  Ihrem  Mann  eine 
Ferienreise  machen  würde;  vielleicht  nach  London,  wo  ein  Nef- 
fe gerade  als  "junger  Mann"  In  ein  seinem  Vater  befreundetes 
Geschäftshaus  eingetreten  war,  um  die  englische  Korrespondenz 
zu  erlernen;  oder  nach  Paris,  wohin  ihr  Gatte  ein-  oder  zwei- 
mal auf  «Ine  kurze  Geschäftsreise  gegangen  war.   Aber  sie 
fürchtete  slc>^  vor  Paris,  well  sie  gehört  hatte,  wie  elegant 
die  Damen  angezogen  seien,  auch  konnte  sie  kein  Französisch 
•prechen*  Englisch  wtr  leichter,  erinnerte  auch  an  Platt- 
deutsch, das  noch  alltögllch  In  Ihres  Vaters  Familie  gespro- 
chen wurde.  Am  liebsten  wäre  sie  In  die  Schweiz  gefahren,  na- 
türlich In  den  deutschsprachigen  Teil,  der  natürlich  land- 
•chaftllch  und  kulturell  auch  viel  angenehmer  war*  Als  Junges 
üttdchen  war  sie  einmal  drei  ^Vochen  In  iürlch  gewesen;  sie  sprach 
noch  gerne  und  oft  davon.   Herr  Hoyk  fand  es  ausreichend  für 
••Ine  Verhältnisse,  dass  seine  Frau  mit  den  Kindern  Jeden  Som- 
mer auf  drei  ?5ochen  —  für  Jedes  Kind  eln^  Woche,  scherzte  er  -- 


In  ein  klelneß  OBtsetbad,  nach  Grömitz,  ging*  Die  Kinder  hat- 
ten dort  die  frische  Luft,  Sonne  und  stärkende  Salzbäder  und 
Lina  war  durch  drei  ^»Vochen  ihrer  Hauefrauenpf lichten  entbun* 
den*  Er  selbst  verspürte  nicht  die  geringste  Neigung,  sein 
bequemes  HamburRer  Dasein  gegen  all  die  Unannehmlichkeiten 
und  unvorhergesehenen  Anforderungen  einer  Ferienreise  einzu- 
tauschen. Schon  die  gelegentlichen  Geschäftsreisen  waren 
lästig,  ebenso  wie  die  drei  Wochen,  die  er  Jährlich  ohne  Lina 
V#rbr Ingen  musste«  Wenn  man  bequem  und  angentlui  reisen  wollte, 
musste  man  so  viel  geld  haben,  wie  die  V*s#   Die  V*s  waren  eine 
bekannte  Hamburger  Familie,  die  grössten  Reeder,  nicht  nur  in 
Hamburg,  sondern  im  Reich.  Günther  hörte  viel  über  die  V*e 
sprechen,  da  ''/alter  V»  mit  Horst  in  einer  Klasse  war.  Er  hör- 
te seine  Mutter  zu  einer  ihrer  Freundinnen  nicht  nur  einmal 
sagen,  dass  man  doch  wüsste,  dasß  die  V*8  Ihr  Vermögen  slt 
schwarzem  Elfenbein  gemacht  hatten.   Schwarzes  rllfenbein,  wie 
das  sich  wunderbar  und  seltsam  lockend  anhörte.  Qünther  wusste 
nicht,  was  schwarzes  Elfenbein  war*  Weisses  Elfenbein  kam  von 
Elephanten,  er  hatte  selbst  in  einem  üirkus  die  riesigen  Stoss- 
zähne  gesehen.   Auch  gab  es  eine  kleine  chineslßche  Figur  in 
seiner  Mutter  Clasvitrine,  die  gelblich  weiss  war,  und  die  er 
manchmal  in  die  Band  nehmen  durfte.   Sie  war  kühl  und  glatt 
und  hatte  nichts  angst erregendes  an  sich  ungleich  Jenen  grossen 
Zähnen  der  Elephanten.  Er  hätte  so  gerne  gewusst,  woher  schwar- 
zes Elfenbein  kam,  vor  allem,  well  er  sich  dann  hätte  vorstel- 
len können,  wie  man  zu  so  viel  Geld  kommen  konnte,  um  die  weite 
7;elt  zu  bereisen.  Er  wälzte  diese  Frage  lange  in  seinem  Kopfe 


8 


herum,  bis  eich  die  Gelegenheit  bot,  eine  Antwort  direkt  von 
demjenigen  zu  bekommenp  der  es  ganz  slcner  wissen  musete  und 
Ihm  keinen  Bären  aufbinden  würde* 

Eines  Nachmittags  kam  Horst  von  der  Schule  nach  Hause 
In  Begleitung  von  mehreren  Klassenkameraden,  unter  denen  sich 
Walter  V*  befand*  Hans  Wledemann  und  Georg  Lemke  kamen  oft 
Ins  Haus  und  Günther  war  vertraut  mit  Ihnen.   Die  Jungens  waren 
zunächst  In  Horsts  Zimmer  gegangen,  wo  Günther  nicht  gewünscht 
war,  aber  nach  einer  v/elle  kamen  sie  alle  In  den  Garten.  Horst 
war  freundlicher  als  sonst  und  schien  sogar  mit  einem  gewissen 


Stolz  und  etwa«  f#lerlicher  Miene  Walter  herumzuführen  und  de 


m 


neuen  Gastfreund  alle  Sehenswürdigkeiten  und  alle  seine  Besit- 
zungen zu  zeigen,  zu  denen  auch  der  Jüngere  Bruder  zu  gehören 
•Älen.   "Dies  Ist  mein  kleiner  üruder  Günther,"  sagte  er.   "'üu 
magst  Ihn  vielleicht  schon  einmal  in  der  Schule  bemerkt  haben, 
er  geht  In  die  Septlma  und  ist  iPrlmus  in  seiner  KlasRe."  Gün- 
ther traute  seinen  Ohren  nicht,  nie  hatte  Horst  ihm  auch  nur 
die  geringste  Beachtung  in  der  Schule  geschenkt,  noch  viel 
weniger  hatte  er  seine  Schulleistungen  anerkannt.  Walter,  der 
•In  grosser  rothaariger  Knabe  war,  mit  wässerig  blauen  Augen, 
Sommersprossen,  einem  Mund,  der  an  den  Winkeln  etwas  herabge- 
zogen war  und  daher  den  Eindruck  eines  arroganten  Flschmauls 
exnreckte,  verzog  diesen  Ifund  zu  einem  freundlichen  Grinsen. 
Er  erwähnte,  daes  er  einen  jüngeren  Bruder  habe,  der  aber  noch 
nicht  in  die  Schule  ginge.  Günther  schloss  sich  den  älteren 
Kindern  an,  zu  denen  sich  auch  Irmgard  gesellt  hatte;  sie 
streiften  durch  den  Garten  und  gingen  ins  Haus  zurück,  um  die 


9 
Mutter  zu  suoherit  Lina  war  nicht  zu  Hause«  Dftf  Damenzimmeri 
wie  die  gute  Stube  bei  den  Hoyki  genannt  wurde,  war  leer. 
Horat  zeigte  seinen  Freunden  die  Glacvitrine  mit  allen  ihren 
Schätzen,   besonders  auch  die  kleine  elfenbeinerne  chineei- 
»ohe  Figur*   Das  brachte  das  ** schwarze  Elfenbein*'  plötzlich 
wieder  in  Günthers  Bewuesteein;  schnell,  bevor  er  es  hätte 
wieder  vergessen  können,  ergriff  er  die  sich  bietende  Gele- 
genheit, seinen  Wissensdurst  an  der  Quelle  zu  löschen*   "Wal- 
ter," sagte  er  sehr  höflich,  '*Du  wirst  wissen,  was  schwarzes 
Elfenbein  ist  und  woher  es  kommt,  da  doch  Dein  Grossvater 
all  das  viele  Geld  damit  gemacht  hat.''   Er  konnte  nicht  fort- 
fahren, weil  Ihm  Horst  eine  sehr  heftige  Ohrfelge  gab,  Irm- 
gard ihn  In  die  Rippen  stiess  und  Walter,  dessen  Gesicht  wie 
eine  Erdbeere  aussah,  sich  umgedreht  hatte  und  nicht  nur  aus 
dem  Zimmer,  sondern  auch  aus  dem  Hause  lief •   Einen  Augen- 
blick war  es  still  wie  vor  einem  grossen  Sturm,  und  dann 
brach  er  los,  so  heftig  und  abscheulich,  wie  Günther  ihn 
noch  nie  erlebt  hatte*   Hans  und  Georg  waren  sofort  Walter 
gefolgt  und  daher  nicht  Zeugen  des  Wutausbruches ^  der  Horst 
schüttelte  und  ihn  fast  seinen  Jüngeren  Bruder  ermorden  Hess* 
Nur  die  zurückkehrende  iv.^.utter  rettete  lhn#  Sie  mus^te  dem 
völlig  entsetzten  und  weinenden  Günther  erklären»  was  mit 
schwarzem  Elfenbein  gemeint  sei;  dase  es  der  Sklavenhandel 
war,  der  zwar  In  vielen  Ländern  ,  wie  Amerika,  noch  vor  nicht 
so  langer  Zeit  gesetzlich  erlaubt  gewesen  «ei,  der  aber  vom 
christlichen  und  menschlichen  Standpunkt  aus  verwerflich  und 


10 


somit  als  Quelle  dee  Relohtume  als  beschämend  und  eohämens* 
wert  angesehen  werden  mUeste. 


II 


MAX 


In  Jeder  ordentlichen  Hamburger  höheren  Schule  wurde 
Homer,  natürlich  In  der  Voss* sehen  Übersetzung,  in  der  Tertia 
gelesen*   Es  gab  nur  ein  huraanistischeß  Gymnasium  In  Hamburg 
in  Jener  Zeit;  es  wäre  Herrn  Kaufmann  Hoyk  nicht  im  Traume 
eingefallen,  seine  Söhne  dorthin  zu  schicken,  die  Realschule 
war  seiner  Meinung  nach  alles,  was  ein  Junger  Mann,  der  den 
kaufmännischen  Beruf  ergreifen  wollte,  brauchte*   Diese  Schule 
sohloss  mit  der  sogenannten  "einjährigen''  Prüfung  ab,  was 
gleichbedeutend  war  mit  der  Vergünstigung,  nur  ein  Jahr  beim 
Militär  zu  dienen;  ein  Vorteil,  der  sich  für  einen  Kaufmann  von 

sslbst  verstand« 

Günther  hatte  nach  der  gewaltsamen  Aufklärung  Über 

das  schwarze  Elfenbein  sich  mehr  und  mehr  seinen  Schulaufgaben 
und  -bUchern  zugewandt  und  auch  so  viel  als  möglich  seine  Wiss- 
begierde auf  das  gedruckte  '.'^ort  beschränkte   Ein  Konversations- 
lexikon, selbst  wenn  man  es  heimlich  las,  konnte  einen  wenig- 
stens nicht  puffen  und  schlagen  und  manchmal,  w«nn  man  Glück 
hatte,  verstand  man  die  Antworten  auf  den  ersten  Anhieb.  Deutsche 
und  griechische  Heldensagen,  neben  dem  "Deutschen  Kameraden'' 
machten  seine  geistige  Nahrung  aus.  Er  lernte  den  alten  Kaiser 


und  31 


k  zu  bewundern  und  wurde  von  allen  Klassenkameraden 


11 


beneidet,  daee  Bein  Geburtstag  jährlich  auf  einen  Feiertag 
fiel,  nämlloh  auf  den  Gedenktag  an  den  Sieg  bei  Sedan.  Er 
konnte  zum Indes t  an  seinem  Geburtstag  länger  schlafen. 

In  der  Tertia  lernte  er  Max  kennen,  der  ein  Frem- 

I 

der  war,  der  erst  vor  kurzem  von  Amerika  nach  Hamburg  gekom- 
Mn  war.  Max  ging  nicht  in  die  gleiche  Schule  wie  Günther, 
er  ging  Ins  Johanniter  Gymnasium  und  lernte  Griechisch  und 
Latein.  Die  beiden  Knaben  hatten  aber  ein  Stück  Schulweg 
gemeinsam.  Ein  Zufall  hatte  sie  einander  zugeführt.  Günther 
hatte  von  Zeit  zu  Zelt  sein  karg  bemeesenes  Taschengeld  dazu 
benützt,  mit  einem  der  Alsterdampfer  In  die  Schule  au  fahren, 
wenn  er  besonders  am  Morgen  getrödelt  hatte.  Er  entdeckte 
bald,  dass  mit  einigem  Geschick  man  diese  Dampferfahrt  ohne 
die  übliche  Bezahlung  machen  konnte:  man  musste  nur  recht- 
zeitig und  unauffällig  von  der  einen  Seite  des  Dampfers  auf  die 
andere,  von  vorne  nach  rückwärts  pendeln,  wenn  man  den  Kon- 
dukteur, der  das  Fahrgeld  einkassierte,  eich  nähern  sah, 
•e5hnlich  gelang  ihm  dieses  Kunststück  recht  gut.  War  er  nun 
vielleicht  zu  selbstsicher  geworden,  oder  hatte  er  sich  ver- 
zögert beim  i3etrachten  der  Schwäne  —  plötzlich  stand  eines 
Morgens  der  Kondukteur  vor  ihm  und  verlangte  seine  zehn  Pfen- 
nige für  die  Fahrt,  Günther  hatte  seinen  letzten  Groschen 
für  SüBBlgkelten  ausgegeben,  bevor  er  den  Dampfer  bestieg, 
nun  stand  er  da  und  suchte  in  seinen  Taschen  nach,  obgleich 
er  nur  zu  gut  wusste,  dass  sie  leer  waren.   Der  Angstschwelss 
trat  Ihm  auf  die  Stirn,  «r  sah  sich  schon  In  der  Schule,  /die 
durch  die  Streifen  an  seiner  Schulmütze  verraten  wurde,/  ange- 


Ge- 


12 
«elgt,  zum  Direktor  gerufen  wegen  de«  Versuches,  die  Stadt- 
behörden zu   beschwindeln;  er  hörte  In  eelner  Einbildung  seinen 
Vater  laut  schimpfen  und  glaubte  schon  die  Schande  und  die 
Schmerzen  der  -Prügelstrafe,  die  eine  solche  lilSRetat  zur  Fol- 


ge haben 


te,  erleiden  zu  müseen  —  als  eine  ruhige  Stim- 


me mit  ausländischem  Akzent  fragte:  "Kann  Ich  Dir  behilflich 
•ein?  Hier  Ist  ein  Groschen«  Du  hast  wahrscheinlich  Deinen 
durch  ein  Loch  in  der  Tasche  fallen  lassen."   Ein  Groschen 
erschien  vor  seinen  Augen  und  wurde  dem  rolsstraulschen  Kon- 
dukteur in  die  Hand  gedrückt.   Es  war  wie  ein  Traum.  Günther 
wagte  kaum  zu  atmen,  aus  Angst,  dass  alles  nur  ein  Spuk  sein 
könnte.  Langsam  wandte  er  seinen  Blick  zur  Seite  zu  seinem 
Befreier.  Er  erblickte  einen  Knaben  seines  eigenen  Alters 
mit  der  Schulmütze  des  Johanlter  Gymnasiums,  die  seine  Zuge- 
hörigkeit zur  gleichen  Klasse  bekundete.  Er  war  grösaer  als 
Günther,  schlanker,  mit  schwarzen  Augen  und  schwarzen  Haaren 
und  einer  nicht  grospen  aber  leicht  gebogenen  IJase.   Unter 
der  Mütze  zeigte  er  eine  sehr  hohe  und  breite  Stirn  über 
dicken  zusammengewachsenen  Brauen.   Er  hatte  lange  '/Wimpern 
und  einen  ganz  auffallend  roten  Mund.   Günther  starrte  Ihn 
an,  erstens,  well  er  nicht  fassen  konnte,  dase  ein  Gleichal- 
triger Ihm  so  grosszUglg  mit  einem  Groschen  zu  Hilfe  gekom- 
men war,  und  zweitens,  well  Ihm  der  Fremde  seltsam  schön  und 
edel  vorkam.   '^Ich  helspe  Uax   Lilienfeld,"  sagte  der  Retter, 
'*und  wohne  Harvestehuderstrasse  10;  Du  kannst  Jederzeit,  wenn 
Du  willst,  den  Groschen  dorthin  zurückschicken  —  oder  wenn 


13 
Du  willst,  kannst  Du  Ihn  nun  auch  selbst  zurückbringen  und 
mich  gleich  dabei  besuchen."  Günther  stammelte  seinen  Dank 
und  um  über  seine  Verlegenheit  hinwegzukommen,  verfing  er 
sich  In  einer  langen  Geschichte  über  seine  Vergessllchkelt, 
dlo  schon  ärztlich  festgestellt  worden  sei  —  wl«  er  heute 
morgen  vergessen  hab«,  Geld  einzustecken,  obgleich  sein  Por- 
temonnaie mit  mehreren  Markstücken  doch  direkt  vor  Ihm  gele- 
gen wäre.  Vielleicht  brauche  er  wirklich  eine  Brille,  um 
besser  zu  sehen;  denn  Lesen  und  Schreiben  sei  Ihm  In  letzter 
Zelt  auch  etwas  beschwerlich  geworden.  Max  hörte  sich  all 
dies  mit  ernster  Kiene  an,  dann  lachte  er  sehr  fröhlich: 
"Ich  habe  Dich  schon  mehrmsls  beobachtet,"  sagte  er, "wie  ge- 
schickt Du  gewöhnlich  dem  Kondukteur  entschlüpfst;  das  Ist 
ein  guter  Trick,  den  Du  anwendest;  hast  Du  Ihn  Dir  selbst  aus- 
iCht?  ^Ir  in  Amerika  nennen  so  etwas  ein  "Racket,"  Günther 


lachte  nun  auch  und  rühmte  sich  der  Urheberschaft  der  kleinen 
Betrügerei.   "Kommst  Du  wirklich  aus  Amerika?"  fragte  er  dann 
schnell.  Jedoch  nicht  nur,  um  das  Thema  zu  wechseln.  Max  er- 
zählte Ihm,  dass  er  In  New  York  geboren  und  erst  vor  einem 
halben  Jahr  nach  Europa  gekommen  sei,  um  hier  die  Schule  und 
später  die  Universität  zu  besuchen.   Ihm  gefiele  es  recht  gut 
hier,  er  fahre  häufig  mit  dem  Dampfer  zur  Schule,  obgleich  er 
eigentlich  lieber  zu  Fuss  ^ehe.     Aber  seine  Mutter  habe  os 
gerne,  wenn  er  den  Schulweg  abkürze.   "Wahrscheinlich,"  meinte 
er,  "will  sie  das  Frühstück  mit  mir  so  lange  als  miJgllch  ge- 
nlessen."  M«x  war  wirklich  ein  Fremder,  alle  diese  Dinge  klan- 
gen ganz  unwahrscheinlich  für  Günther,  der  nie  bemerkt  hatte, 


14 
datt  Caroline  einen  besonderen  Wert  i«lner  GesellBChaft  bel- 
masfl,  BChon  gar  nicht  beim  Frühstück. 

So  begann  eine  Freundschaft  zwischen  den  beiden 
Knaben,  eine  Freundschaft,  In  der  es  Günther  schien,  als  ob 
einer  nur  der  Gebende,  der  andere  der  Nehmende  war.  Er  be- 
wundert« Max  rpstlos,  seine  Furchtlosigkeit,  seine  Geradheit, 
seinen  Humor  und  Verstand  und  vor  allem  seine  Weltkenntnl«, 
die  er  In  der  freundlichsten,  ja  gutmütigsten  v/else  seinem 
neuen  naiven  Freund  zur  Verfügung  stellte. 

Am  zweiten  Tage  ihrer  Bekanntschaft  trafen  die  bei- 
den Knaben  Horst  auf  ihrem  Nachhauseweg.  Horst  wer  nun  Jun- 
ger Mann  bei  der  Exportfirma  Schuster  &  Howe  und  hielt  sich 
In  seiner  neuen  Würde  noch  welter  als  früher  von  seinem  Jün- 
geren 3ruder  entfexvit.  Er  ging,  ohne  zu  grUssen,  vorüber, 
warf  aber  einen  forschenden  und  mlsatraulschen  Blick  auf  K'.ax. 
Auch  Günther  Hess  eich  nichts  anmerken,  da  es  Ihm  unerträglich 
peinlich  gewesen  wäre,  seinem  Begleiter  eine  Erklärung  über 
•tlnen  älteren  Bruder  geben  zu  müssen.   Ihm  ahnte  aber  nlchtB 
Gutes.   Beim  Mittagstisch  sagte  Horst  denn  auch  recht  hämisch: 
"Unser  Günther  scheint  als  Prlmua  so  unbeliebt  zu  sein,  dass 
er  «loh  einen  Judenbengel  als  Begleiter  auf  dem  Nachhauseweg 
zugelegt  hat."  Dann  wandte  er  sich  scharf  an  Günther  mit  der 
Frage  nach  dem  Namen  dieser  Kreatur.  Günther  war  rot  gewor- 
den unter  d«m  forschenden  Blick  von  Vater  und  Botter.  Er  ver- 
suchte, an  der  Frage  vorbeizuhören.  Es  war  Ihm  nicht  in  den 
•Inn  gekommen,  dass  sein  Freund  Jüdisch  sein  könnte.  Überdle« 
bedeutete  es  auch  nicht  viel  für  ihn.  Er  kannte  keine  Juden. 


15 


Selnt  Eltern  hatten  keine  Jüdischen  Freunde,  so  daee  dleaea 
Problem  meinem  Leben  noch  fern  lag.   In  Preussen  waren  die 
groflöen  Vermögen  der  Jüdischen  Schwiegerväter  dem  Adel  recht 
willkommen.  Hamburg  hatte  keinen  Adelj  die  Patrlzlerfamllien 
hatten  genug  Oeld^  aber  verschmähten  nicht,  eich  mit  den  War- 
burga  und  Sohwarzschtlds  z\x   verbinden,  aolange  die  Verbindung 
nicht  zxx   ostentativ  wurde.   Die  Vorurteile  der  Hoyks  machten 
vor  diesen  Namen  und  Vermögen  Halt,   ''v/arum  antwortest  Du  Dei- 
nem Bruder  nicht?",  fragte  Herr  Hoyk,   ''Wie  heiset  der  Junge, 
mit  dem  er  Dich  gesehen  hat?'*  Günther  musste  nun  zugeben, 
daßs  sein  neuer  Freund  Max  Lilienfeld  hlesee  und  Amerikaner 
sei.   "Wirklich  ein  Jude,"  sagte  Caroline  xind  rümpfte  etwas 
die  Nase.   "\^artet,''  gebot  Herr  Hoyk,  "das  scheint  der  Junge 
Lillenfeld  zu  sein,  der  vor  kurzem  nach  Hamburg  gekommen  ist. 
Seine  Mutter  war  eine  Deutsche,  und  Ich  habe  vor  einiger  ielt 
an  der  Börse  gehört,  dass  sein  Vater,  Juliua  Lilienfeld,  ge- 
storben ist  und  rtJax  der  Erbe  eines  üillionen  Dollar-Vermögens 
ist.   "Eisenbahnen,"  wandte  er  sich  an  Horst,  "und  Kupfermi- 
nen.  Es  soll  eines  der  bedeutendsten  Vermögen  in  Amerika  sein. 
Es  wird  Günther  nichts  schaden,  diese  Bekanntschaft  zu  pflegen.** 
Günther,  der  an  seinen  neuerworbenen  Freund  dachte,  ertappte 
sich  bei  einem  Gefühl  des  Neides;  erstens  kam  sein  Freund  au» 
Amerika  und  brauchte  sich  also  nicht  mit  dem  Erlernen  der  engli- 
schen Sprach«  zu  plagen,  die   als  ein  absolut  notwendiges  ßll- 
dungselement  eines  r^itgllede  einer  Hamburger  Kaufmannefamilie 
angesehen  wurde;  und  zweitens:  .Max  hatte  keinen  Vaterl   Als 
sich  Günther  bei  diesem  Gedanken  ertappte,  verschluckte  er  sich 


'lli- 5£r^-'!l'.J.\''ii 


f.\«r*; .  .A  a'-v... 


^j»,r«,xa*iffc-a 


16 


und  musßte  eiligst  den  Mlttagßtlßch  und  das  Speisezimmer 
verlasoen« 

Aber  trotz  dieses  Äwlschenfallee  und  Giinthers  Ge- 
wlssensblas^nt  die  unvermeidlich  seinem  Neid  auf  Faxens  Va« 
terloslgkelt  folgten,  hatte  das  riechgespräch  eine  klärende, 
J«  beruhigende  Wirkung.  Günther  konnte  nun  seinen  Freund 
ungehindert  auf  dem  Schulweg  treffen  und  Ihn  sogar  nach  der 
Schule  besuchen,  ohne  Lügengesohlchten  ausdenken  zu  müssen, 
wozu  er  schon  öfter  In  der  Vergangenheit  sich  gezwungen  ge- 
Mtien  hatte,  wenn  er  ein  den  Eltern  unliebsames  Vorhaben 
nach  der  Schule  ausgeführt  hatte.   Seine  Bewunderung  für 
Max  nfthiQ  zu,  je  öfter  er  Ihn  traf •  Er  hätte  sich  nichts 
Schöneres  ausmalen  können,  als  zusammen  mit  Max  In  vergan- 
genen Jahren  am  ''Laternengehen''  teilgenommen  zu  haben  und 
nun  mit  dem  Freund  die  Erinnerung  an  Jene  seltsamen  August- 
nächte zu  teilen,  in  denen  die  leuchtenden,  von  Kindern  ge* 
tragenen  Laternen  lange  Schlangen  formten,  gegen  die  alles 
andere  im  Dunkel  verschwand*   Er  liebte  ;-lax  mehr  als  er  er- 
innern konnte,  Irgend  jemanden  gellebt  zu  haben,  mit  Ausnahme 
vielleicht  von  Irmgard,  als  sie  beide  noch  sehr  Jung  waren* 
Aus  einem  unklaren  Akt  von  Grosszügigkelt  hatte  damals  Irm- 
gard Ihm  einmal  erlaubt,  mit  ihren  eigenen  Gespielen  und  Ge- 
spielinnen am  ''Laternengehen'^  teilzunehmen*   Sie  hatte  ihm 
sogar  eine  ihrer  alten  Papierlaternen  geschenkt.  Es  war  ein 
grosses  Erlebnis  gewesen,  das  selbst  durch  ein  etwas  er- 
schreckendes und  beechitmendes  Ende  nicht  völlig  ausgelÄecht 
oder  verdorben  werden  konnte*  Seit  jenem  Augustabend  rief 


17 

das  alljährlich  eich  wiederholende  •^Laternongehen'*  In  den 
schon  dunkel  werdenden  Strassen  mit  dem  eintönigen  Gesang 
der  Kinderstlmmen  immer  das  gleiche  sUss-qualvolle  Sehnen 
In  Ihm  hervor,  eine  Sehnsucht,  die  Ihm  unstillbar  erschien* 

''Laterne,  Laterne, 
Sonne,  Mond  und  Sterne,'* 
«angen  die  Kinder  In  allen  Straaaan  der  Stadt,  durch  die  sie 
In  langen  Reihen  zogen  mit  den  schwingenden,  leuchtenden  i^a- 
ternen  In  der  Hand* 

"Brenne  ab  mein  Licht,  brenne  ab  mein  Licht 

Kur  meine  schöne  i-aterne  nicht" 
Immer  wieder  wurden  diese  Strophen  wiederholt.  Im  Rhythmus 
mit  dem  zunächst  sanften  Schwenken  der  Laternen;  dann  änder- 
te flieh  das  Tempo  plötzlich,  laut,  aufreizend  und  spöttisch 


klangen  die  letzten  Verse: 


«»TT 


Und  die  Olsch  mit  dem  LUcht, 
Die,  die  LUt  betrügt. 
Die,  die  liier  holt 
und  sie  nicht  betolt*' 
Immer  aufregender  wurden  die  Stlrnji^en  der  Kinder  Je 
Öfter  sie  zu  diese»  Schluse  kamen;  man  hörte  Lachen  und  Krei- 
schen und  die  Laternen  wurden  heftiger.  Ja  fast  wild  geschwun- 
gen —  bis  es  ganz  dunkel  wurde  und  der  Augustmond  organgen- 

farbig  am  Himmel  stand« 

Die  kleineren  Kinder  wurden  von  Müttern  oder  Kinder- 
frauen nach  Hause  geführt;  die  älteren  zögerten  noch  ein  wenig, 
riefen  einander  Scherzworte  zu,  aller  nach  kürzester  Zeit  waren 


rrrtff  t»frf  • 


18 

auch  «le  von  den  Strassen  verschwunden.  Die  Gaslaternen  be- 
leuchteten nun  die  stille  Stadtt 

Der  kleine  Günther  ^rar  jedoch  beim  Singen  und  Lachen 
80  aufgeregt  worden,  dass  er  ganz  unachtsam  wurde  und  Beine  La- 
terne 80  unvoreichtlg  schwenkte,  dass  die  Kerze  innen  umfiel, 
ium  gröBsten  Entsetzen  das  Kleinen  fing  die  Laterne  Feuer.  Al- 
le Kinder  liefen  sofort  zusamiaenp  die  Kleinen  begannen  auf  die 
Flammen  zu  pusten,  die  urösoeren  riefen  Günther  zup   die  Laterne 
fahren  zu  lasBen.  Dies  tat  er  auch  und  stand  dann  hilflos  da- 
bei wie  seine  bunte  Laterne  unter  den  zahllosen  Stiefeln  ver- 


schwand. 


Vor  Kumiaer  und  Angst  näsate  er  eich  ein  und  musste 


sich  gefallen  laeeen,  von  der  ärgerlichen  älteren  Schwester 
abgeführt  zu  werden.  Dieser  demütigende  Abschlues  gab  Jedoch 
der  ganzen  Begebenheit  einen  zusätzlichen  FwelZo  illt  Uax   teil- 
te er  andere  Freuden.   Die  griechischen  Helden  wurden  ihm  durch 
Kax  wirklich  nahe  gebracht;  er  konnte  sich  mit  Achilles  eins 
fühlen  In  der  Liebe  für  Patrokles.   Er  erlitt  mit  ihnen  alle 
Schmerzen  und  Leiden  und  bewunderte  Odysseus*  Klugheit  und 
geistige  Stärke,  ii'.ax  schien  Ihm  eine  zweite  Ausgabe  dieses 
unverwüstlichen  Helden  zu  sein,  dessen  iVltz  und  Schlauheit  ihn 
durch  alle  Gefahren  sicher  wieder  zu  seiner  gellebten,  treuen 
Penelope  führten.   Der  einzige  Komerlsche  lield,  der  ihm  Unbe- 
hagen verursachte,  war  Agamemnon,  deseen  schrecklicheß  Ende 
Ihn  mit  Grauen  und  Ilasß  gegen  Clytämnestra  erfüllte,  aber 
gleichzeitig  ainen  Zweifel  ,   wenn  auch  nur  ganz  halmlich,  auf- 
komaien  lless^  ob  er  nicht  muglicherweise  dieses  Schicksal  ver- 


.'■■'".  .ü.-.!^.* .•&>a'3Ci;ifc?^SBr' x'se , 


19 
dient  oder  zumindest,  es   s#lb«t  herauf b^BChworen  hatte.  Wie 
dem  auch  sei,  er  hatte  eher  noch  Sympathie  für  den  triefäugi- 
gen Thersltee  als  für  den  charakterlich  fragwürdigen  Agamea* 
non.  ^-ax  hingegen  war  ganz  auf  Selten  der  Trojaner  engagiert j 
er  fand  Paris'  Verwegenheit  und  Schönheit  wunderbar  und  Hektor 
»chlen  Ihm  die  Verkörperung  aller  Tugenden,  die  ein  Held  haben 
muflSe   Die  tragische  Greetalt  dee  alten  Könige  erregte  sein  Mit* 
gefUhl  und  er  hatte  BOgar  etwas  Gutes  über  Hekuba  und  Caapandra 
zu  sagen.   Nur  Über  Helena  sagte  er  nichts,  aber  Günther  schloss 
gerade  daraus,  daae  hinter  seines  Freundes  Parteiganger tum  für 
Troja  wahrscheinlich  das  Bild  der  Helena  stand.   Er  wusste  all- 
mählich aber  ßescheid  über  die  Erapf indsamkelten  seines  Freun- 
des.  Fast  war  er  auf  diese  mit  Ihm  ungeteilte  und  verborgen 
gehaltene  Liebe  zu  Helena  elf ertüchtig*   Er  war  deiwegen  umso 
mehr  geneigt,  die  üröase  seiner  Griechen  hervorzuheben,  nicht 
nur  In  ihren  Taten,  sondern  auch  in  Ihren  Qefühlen. 

Im  Herbst,  als  Günther  dreizehn  Jahre  alt  war,  soll- 
te er  nun  auch  zur  Tanzstunde  geheno   Fräulein  Csraers,  ein 
siebzigjähriges  Fräulein,  hatte  durch  viele  Jahre  hindurch 
den  Kindern  der  besseren  Hamburger  Familien  i;ienuett  und  Rhein- 
länder beigebracht;  aber  vor  Allem  war  sie  damit  beauftragt, 
sie  In  allen  Aspekten  gesellschaftlichen  Benehmens  zu  unter- 
weißen»   Das  moralische  Benehmen  war  die  Angelegenheit  ihres 
EeliglonBunterrichtes  in  der  Schule  und  des  Kinder-Gottee- 
dlenetee  am  Sonntag  In  der  Kirche*  Man  erwartete  mit  Recht 
von  den  jungen  Leuten,  daes  sie  zur  Zeit  ihrer  Konfirmation 
•ich  nicht  nur  in  der  Kirche,  sondern  auch  im  Damen-  und  Her- 


'^ij-^'^^l^.^f^-'Wi^ 


^im^rsm^ 


20 


r«nz;liHMir  zu   benehmen  wüsBten.   Qünther  war  bedrückt  und  mlsß- 
mutlg;  beim  MechhauBepehen  etiess  er  mit  der  StlefelBpltze 
Steine  zur  Seite  und  war  ungewvihnllch  schweigsam.   ''Was  Isßt 
Dich?"  fragte  Max,  ein  amerlkanlP'ches  Idiom  direkt  Ins  Deutsche 
übernehmend,  wie  er  es  öfters  tat,  um  seinen  Freund  xura  Lachen 
zu  bringen.   •^Ach,  nichts/*  antwortete  Günther,  fügte  aber 
hinzu,  "nur  soll  Ich  jetzt  In  die  Tanzstunde  gehen."   Auf 
Kaxens  Frage  nach  dem  lirund  seiner  Ablehnung,  brach  Günther 
aus  mit  dem  Ausdruck  von  Angst  und  Widerwillen:  erstens  hless 
es,  einen  Nachmittag,  der  nowieeo  beschränkten  Freizelt  her- 
geben,  zweitens  "Mädchen''  und  drittens  überhaupt  -•  er  wäre 
ungeschickt.  Ja  geradezu  plump,  was  täte  er  in  einer  Tanz- 
stunde, alle  ^vUrden  über  ihn  herfallen  oder  lachen.   Er  brau* 
che  diesen  Unterricht  in  feinen  rianieren  nicht,  wollte  er 
doch  später  xur  See  gehen.   Aber  das,  natürlich,  sei  ein  Ge- 
helmnls.  Max  schwieg  eine  \;elle,  dann  fragte  er  den  Freund, 
warum  er  seinen  Eltern  nicht  sagte,  dass  er  nicht  zur  Tanz- 
stunde gehen  wolle,   niemand  könne  ihn  dazu  zwingen.   Günther 
Btarrte  Ihn  an,  als  ob  er  plötzlich  delirierte:  "Ihnen  sagen, 
dass  ich  nicht  gehen  will?  Mich  weigern  --  was  würde  das 
nützen?  Du  kennst  meinen  alten  Herrn  nicht!"   Er  beschrieb 
darauf,  all  die  Straf Prozeduren,  die  er  in  seinem  kurzen  Le- 
ben durchgemacht  hatte:  vom  Eingeeperrtsein  auf  dem  Boden  bis 
zur  Prügelstrafe  mit  dem  Rohrstock,  Je  nechdem  wie  sehr  er  sich 
der  elterlichen  Autorität  widersetzt  hatte.   Max  schwieg.  Nach 
einer  lelle  fragte  Günther:  ''ist  es  wahr,  dass  Du  nie  bestraft 
worden  bist?  Wie  haben  denn  Deine  Eltern  Dich  erzogen?  Was 


y.f 


21 
haben  sie  getan,  wenn  Du  Ihnen  nloht  gehorcht  hast?*'   ••Gewöhn- 
lich haben  sie  mit  mir  besprochen,  was  sie  von  mir  erwarteten; 
alle  Pläne  wurden  mir  zunächst  mitgeteilt*   Oft  änderten  sie, 
was  sie  vorhatten,  wenn  sie  sahen,  dasa  es  mir  zu  schwer  fiel 
oder  Ich  eine  unüberwindliche  Abneigung  dagegen  hatte.   Öfter 
nooh  iconnten  sie  mich  von  der  Vernünf tlgkeit  Ihrer  Vorschläge 
überzeugen.  Bein  Vater  war  sehr  gut,"  fügte  Max  hinzu  und 
irandte  sein  Gesicht  zur  Seite«  "So  hast  Du  nie  etwas  tun  müs* 
aen,  was  Du  nicht  wolltest;  Ich  meine,  nichts  von  Wichtigkeit?" 
''Nur  ein  einziges  Mal,"  sagte  Uax   nach  einer  Pause,  ''aber  das 
ohne  Wissen  meiner  i^lutter«   Ich  spreche  ungern  davon,  well  es 
mir  peinlich  Ist;  aber  Dir  kann  Ich's  erzählen»   Ich  wollte 
nicht  herüberkommen;  ich  wollte  in  Amerika  bleiben;  nicht  et- 
wa, weil  ich  ein  so  eingefleischter  Amerikaner  bin  --  sondern 
ganz  einfach  aus  Angst,  aus  schrecklicher  Angst  vor  der  Über- 
fahrt, vor  der  Seereise,   Ich  werde  nämlich  seekrank,  und  das 
ist  ein  so  fUrchtörllcIier  Zustand,  dass  Ich  glaube,  keine  Stra- 
fe kann  ärger  sein«   Ich  habe  nur  schwache  Einwände  beibringen 
können,  als  meine  Mutter  mir  ihre  Absicht,  mich  In  Europa  zu 
bilden,  mitteilte*   Ich  konnte  ihr  nichts  von  meiner  Angst  er- 
zählen.  Siehst  Du,  wie  merkwürdig  ähnlich  ich  mich  da  verhal- 
ten habe  wie  Du  mit  der  Tanzstunde!   Seltsam,  seltsam,"  sagte 
er  und  schüttelte  seinen  Kopf,  den  er  beim  Geetändnis  seiner 
Angst  vor  der  Überfahrt  zur  Seite  gewandt  hielt;  aber  Günther 
bemerkte  doch,  wie  sein  Freund  blase  geworden  war*  Angst  vor 
der  See,  vor  der  Fahrt  über  das  grosse  Wasser  —  und  er  hatte 
lax  so  sehr  darum  beneide t«   Günther  versuchte  eich  vorzustel- 


22 


len,  was  Seekrankheit  war;  em   war  vergebena.   Erst  als  .«äax  Ihn 
an  Sensationen  erinnerte,  die  von  einem  überladenen  oder  ver- 
dorbenen üagen  herkamen,  an  die  Übelkeit,  den  Brechreiz  und 
die  Hilflosigkeit  seinen  eigenen  Gedärmen  g^^genüber,  konnte 
er  sich  wenigstens  von  den  körperlichen  Leiden  ein  Bild  machen. 
Die  seelischen  konnte  Ihm  soßar  M«x  weder  beschreiben  noch 
erklären.   "Wan  möchte  nur  tot  sein,"  wsr  allee,  was  er  sagen 


konnt*^. 


Bs  verstimmte  Günther;  er  wusste  nicht  recht  warum, 


aber  ?r  konnte  mit  dem  besten  "Tillen  sich  nicht  Cdysseue  see- 
krank vorstellen. 


•sftm- 


4 


Ruth   3*   Elnoler 


AGA!!li>'.NON 


auonthor  kam  ani   2.    September  I87I  In  doutoohen  Helden- 
Jahr  zu  Welt  <i1f]  zweiter  Sohn  deo  HGunburger     Kaufmanns  Hajis 
Hoyk«     Man  muns  diese  Tatsache     on^rMuien,  nicht  aus  nationalen 
Gruonderi  sondern  well   sie  einen  Elnfluss  auf  das  Leben  Guonthers 
zu  haben   sohlen;   waerc  er  doch  so  seme  ein  Held  ^e^jeson*  Er 
sali  aber  röhr  bald  In   seiner  Kindheit  ein,   dass  dieses 
Sehnen  nach  nngstloser  Groosr.e  fuer  Ihn  nicht   erfuellbar  war» 
Die  Umstaende  In   seinem   ol torilohen  Haune dienten  ihm  in  an- 
derer Rlohtuns,   aber  enturntlßten   ihn,   auoh  nur  zu  hoffen, 

furchtlos 

dass   er  Je   seinem  aeltoren  Bruder  Horst  nicht  nur  Gegenueber 
stehen wuerde,   nicht  nur  Ihm  gewachsen      sein  koennte,   vor  allem 
aber  dass   er  Je  diesem  Bruder  an  Xoeroerkraft  ueborlegen   sein 
und  ihm  all  die  Quaelcrelen  heimzahlen  koennte,   die  er  durch 
ihn  hatte  erleiden  muer^.^en#     Horst  was  5  Jalire  aelter  als 
Guenther;    er  war  ein   sohoener  braunhaar Iger,  blauaeucis^^ 
Junge,    schlank  und  muskuloes,   ein  cuter  ^^nn  auch  nicht  aus- 
gezeichneter Schuelor  —  aber  vreloher  Hamburger  Kaufmann 
wollte  schon,   dass   sein   Sohn  ein  auQger'.elclineter  Sohueler  sei; 
das  iworde  doch  nur  '^.u  Gohvriorigkelten   fuehren  —  man  denke 
nur  dass   er  ein  Gelehrter  vielleicht,    ein  Bueche}?A'narm  werden 
konnte,  der  sich  fuer  aJLle  moegllohen  merkwuerdi^en  Ideen 
interessieren  moechto« 

Nein,  Horst  war  gerade  richtig,   er  \fuerde  Tee  impoiiiieren 


Agaüiemnon 


wie  nein  Vatert   oder  vielleicht   sogar,   wenn  qb  denn   sein  muesste, 
in  eine  befreundete  Bank  eintreten«     Bankdirektor  Lanr^e  hatte 
zwei  Toeohter  etwa  in  Alter    Irmgards,   einer  Schwester,   die  im 
Alter  zwischen  Horst  und  CJucnther  stand.     Man  haette  annehmen 
koennen,   dass    Irmf:ard,   die  nur  2  Jnhre  aelter  als  G-uenther  war, 
den  kleinen  Bruder  dem  aelteren  vorziehen  wuerde.      Schliesslich 
neckte  er  sie  nichts   zog  sie  nicht  an  ihrem  dicken  blonden 
Zopf  wie  Horst  es  tat,    sondern  zeigte  ihr  seine  Bewunderung 
und  sogar,   obcleich  sie  ein  Maedohen  war,  Respekt f.    Er  verstand 
nie,   auch  nicht  spaeter,   als  er  schon  er^mohsen  und  mit  CJertrude 
verheiratet  war,   warum  Frauen   sich  gerade  ueber  diese  huebsche 
Beziehung  zu  ihnen  lustig  mo.ohten  und  sie  zum  Anlass  nohmenf 
ihn  von   oben  herab  zu  behandeln«     Nausikaa  behandelte  den   sich 
ihr  respekvoll  nalienden  Odysseue  ganz  anders  trotz  der  gegen 
ihn     sprechenden Um st aende» 

Der  Tee-Im-^ort  ist,    sollte  man  meinen,  kein   sehr  roaan- 
tlsches  Öeschaeft,   aber  fuor  den  kleinen  O-uenther  war  er  der 
Haken,   an  dem  er  den  Hut   seiner  Fantasie  aufhing!     Tee  kommt 
von  weit  her,  von   fremden  Laendern,   wo  es  Menschen  mit  ge- 
schlitzten Augen  und  bunten  Kleidein  und  morkwu erdigen  Hueton 
gibt;   oder  er  kommt  aus  Laendern,  wo  die  Menschen   fast   schwarz 
sind  xmäi  die  Fuersten  inSaenften  getragen  v/erden,   angetan  in 
Seide  und  Juwelen  vrohnen   sie  in  Paelasten    nit  herrlichen 
Frauen,   die  endlos  fuer  sie  tanzen •     Niemand  sprach  darueber, 
dass  diese  Prinzen  gross  und  stattlich  sein  muessten;   die 


Bilder  auf  den  Teebuechsen  zeigten   eher  etwaa  fette,  voll-leibi[;e 


AsQ^iönnon 


-3- 


aeltere  Herren t   die  bequem   auf  einem  Dlvan   zurueokgelegt   nich 
von  ihren  halbnackten  Dienern  faecheln  llecGen«     Die  herrlichsten 
Maei^dchen  tanzten  vor  ihnen.     Ja,   das  Tanzen l     Irmsard  und  ihre 
Froundlnnfisa  lernten   es  in   ihrer  3ohule#     Horst  lernte  O-cdge 
spielen  —  und  ffujentheri   wenn  er  etwas  aelter  waere,   wuorde  wohl 
auch  die  CJelge  erlernen*     Er  haette  so   sehr  gerne  Irmgard 
tanzen   sehen.     Er  wagte  nicht  einmal  darum  zu  bitten,   denn  das 
Lied   *'8ohwe st erchen »willst    Du  tanzen?**  sagte  ganz  klar  und  deut- 
lieh,   dans  kleine  Kinder  nicht  tanzen;   nur  wenn  der  Bruder 
Geige  spielen  koennte,   wuerde  sich  das  Schwesterchen  bereden 
lassen  —  also  wuerde  er  sich  nur  erneuter  Erniedrigung  aus- 
setzen,   wenn   er  sie  bat. 

Seine  Mutter,   die  Prau  Kaufmann  Hoyk,   v/ar  eine  bequeme 

* 

lieben swu erdige  rundliche  Frau,   die  es  ihrer  Familie  behaglich 
zu  machen    suchte. .    Sie  kam  von   einer  Sippe  von   Schiffern  von 
der  Waterkant.      Ihr  Vater  hatte  eine  kleine  Reederei  gehabt, 
mit  der  er  gaaiz  huebsch  verdient  hatte,   obgleich   seine  Schiffe. 
nicht  mehr  taten  als  an  der  Kueste  entlajig   zu   fahren  und  Hee^ 
ringe  von    solch  femliegenden  Crten  v/ie  Rostock  oder  sogar 
Dan  zig  nach  Hamburg  brachten.     Er  konnte  daraufhin   seiner 
Tochter  Caroline  eine   stattliche  Mitgift  in  die  Ehe  geben  und, 
nach  dem  alles  genagt  und  getan  war,   hlnterliess  er  seinem 
Sohn  ein  gutgehendes  Öeschaeft  und  seiner  Frau  einen  aus- 
reichenden  v;itwenteil.     Er  selbst  \far  nie  ueber  Helgoland 
hinausgejjommen.     Er  war  kurz,   voll-lelbig  ujid  blond  gewesen 
und  O-uenther  schien   sein  Ebenbild  zu  werden.     Ueber  diesen 


Ar^amemnon 


4-. 


GroBsvator  hoerte  der  Kleine  viel,   denn   neine  Mutter  liebte 
ueber  Ihn  zu   sprechen  und  auf  die  Aehnllchkelt  mit  ihm  hinzu- 
welcen*      Andern  war  es  mit   seinem  O-rossonkel  Mattje;   da  gab  es 
nur  Andeutungen:      wie  er  schon   als  Knabe  nicht  gut  getan,   wie 
er  sich  mit   seinen]  Vater  —  Günthers  ürgrossvater  —  gestritten 
habe  und  sohl iessl loh  auf  und  davon   sei,   vrell  er  nicht  mit  nji- 
sehen  konnte,   wie   sein   Vater  seine  üuttor  tyrannisierte»     Er 
sei  als  Matrose  zur  See  gegangen  und  c>el   sohliesslioh  in  A^nerika 
gelandet,  niemand  wuscte,   ob  er  dort  verkommen  oder  ein  Mlllionaer 
geworden   sei.     Heimlich,   wenn   er  isa  Bett  unter   neiner  Decke 
verstockt  war,   be^-mnderte  Guenthcr  dienen   fernen  Grossonkel, 
der  fuer  ihn  mit  Odysseun  verschmolz,  und  dem   er  auf  ferne  Inseln 
mit   schwarzen  Maennern  und  lieblichen  Maedchen  folgte,   wo  er 
nach  einem   Schiffbruch  ans  Land  schwamm,   alle  Uncoheuer  und 
Feinde  besiegte  uhd  von  allen  als  der  weisse  Held  wie  ein  Gott 
angebetet  wurde.     Der  Koenig  fuehrte  ilim  die  Prinzessin  zu,   die 
wie  Hlfriede,   Irmgards  angeblich  beste  Freundin   aussnh#      Sie  kam 
mit  gesenktem  Blick,   beugte  nlch  tief  vor  ihm  und  begojnn   zu 
tanzen»     Guenther  riss   sich  gewaltsam  von  diesem  Bild  ab,   die 
Gefuehle  die  ihn  ueberstroemten,   vraren   zu   stark,   zu   gef aehrlich 


—   er  wusste  er  würde  nachher  den   entsetzlichen  .?\ngsttraum  haben, 
der  ihn  oft   studenlang  in  der  Nacht  mit  klapnorudcn  Zaehnen  in 
seinem  Bett  aufsitzen  llens# 

Es  gab  noch  eine  andere  Moegllohkeit,   in   ferne  Laender  zu 
reisen,  man  musste  viel  Geld  haben f    **Wenn  man   so  viel  Geld  hat 
wie  die  V^s*^,    sagte  Guonthors  Vater,    Maiin  kann  man   sich  alles 
leisten.'*     Er  sagte  das  zu  Guenthers  Mutter  auf  eine  Andeutung 


Ageineanon 


-5- 


hin,   daos   ßle  wohl  gerne  einmal  mit  ihrem  Mann  eine  Ferienreise 
machen  wuerde;   vielleicht  nach  London,   wo  ein  Neffe  gerade  als 
"Ju/nger  Mann"  In   ein   seinem  Vater  befreundetes  aeochaeftahaus 
eingetreten  war,  um  die  englische  Korrespondenz   zu  erlernen; 
oder  nach  Paris,   wohin  ihr  (Jatte  ein-oder  zweimal  auf  eine  kurze 
Gesohaef tsreise  gegangen  war.      Aber  sie  fuerohtote  sich  vor  Paris, 
weil   sie  gehocrt  hatte,   wie  elegant  die  Daraen  angezogen   seien, 
auch  konnte  sie  kein  Franzoesisch  sprechen.     English  war  leichter, 
erinnerte  auch  an  Plattdeutsch,   das  noch  alltaeglich  in  ihres 
Vaters  Fnjnllle  geprochen  wurde.     Am  liebsten  waere  sie  in  die 
Schweiz  gefahren,  natuerlich  in  den  deutschspreohlGon  Teil,   der 
natuerllch  landschaftlich  und  kulturell  auch  viel  angenehmer 
war.     Als  Junges  Maedchen  vrar  sie  einmal  drei  V/ochen   in   Zuerich 
gewesen;    sie  sprach  noch  gerne  und  oft  davon.     Herr  Hoyk  fand 
es  ausreichend  fuer  seine  Verhaeltn 1 s c e ,   dass   seine  Frau  mit 
den  Kindern   jeden  Sommer  auf  3  Wochen  —  fuer  Jedes  Kind  eine 
Woche,    scherzte  er  ~  in   ein  kleines  Ostseebad,  «ach  Groemltz, 
ging.     Die  Kinder  hatten  dort  die  frische  Luft,   Sonne  und 
staerkende  Salzbaeder  und  Lina  war  durch  drei  V/ochen  ihren 
Hausfrauenpflichten  entbunden.      Er  selbst  verspuerte  nicht  die 
geringste  Neigung,    sein  bequemes  Hamburger  Dasein  segen  all  die 
Unannehmlichkeiten  und  unvorherp-eoeheneiiAnforderungen  einer 
Ferienreine  einzutauschen.      Schon  die  gelegentlichen  Geschaefts- 
reisen  waren  laestig  ebenso  wie  die  drei  Wochen,   die  er  Jaehrlich 
ohne  Lina  verbringen  musste.     V/enn  man  bequem  und  angenehm 
reisen  wollte,  musste  man   so  viel  Geld  haben*  wie  die  V*s.     Die 
V's  waren  eine  bekannte  Hamburger  Familie,   die  groessten  Ifeeder, 


Agamemnon 


-6- 


nicht  nur  In  Hamturg  sondern  im  Reich.   Guenther  hoerte  viel 
ueber  die  V.'s  sprechen,  da  Walter  V.  mit  Horst  in  einer  Klasse 
war.   Er  hoerte  seine  Mutter  zu  einer  ihrer  Freundinen  nicht 
nur  einmal  sagen,  dass  man  doch  v/uesste,  dass  die  V.'s  ihr  Ver- 
moegen  mit  schwarzem  Elfenbein  gemacht  hatten.   Schv/arzes  Elfen- 
bein, v;ie  das  sich  wunderbar  und  seltsam  lockend  anhoerte. 
Guenther  wusste  nicht,  was  schwarzes  Elfenbein  war.   Weissen 
Elfenbein  kam  von  Elephanten,  er  hatte  selbst  in  einem  Zirkus 
die  riesigen  Stosszaehne  gesehen.   Auch  gab  es  eine  kleine 
chinesische  Figur  in  seiner  Mutter  Glasvitrine,  die  gelblich 
weiss  war,  und  die  er  manchmal  in  die  Hand  nehmen  durfte.   Sie 
war  kuehl  und  glatt  und  hatte  nichts  angsterregendes  an  sich 
ungleich  jenen  grossen  Zaehnen  der  Elephanten.   Er  hätte  so 
gerne  gev/usst,  woher  schw^arzes  Elfenbein  kam,  vor  allem,  weil 
er  sich  dann  haette  vorstellen  koennen,  wie  man  zu  ^o   viel  Geld 
kommen  konnte,  um  die  v/eite  Welt  zu  bereisen.   Er  v/aelzte  diese 
Frage  lange  in  seinem  Kopfe  herum,  bis  sich  die  Gelegenheit 
bot,  eine  Antwort  direkt  von  demjenigen  zu  bekommen,  der  es 
ganz  sicher  wissen  musste  und  ihm  keinem  Baeren  aufbinden 

wuerde. 

Eines  Nachmittags  kam  Horst  von  der  Schule  nach  Hause 
in  Begleitung  von  mehreren  Klassengenossen,  unter  denen  sich 
Walter  V.  befand.   Hans  Wiedemann  und  Georg  Lemke  kamen  oft 
ins  Haus  und  Guenther  v;ar  vertraut  mit  ihnen.  Die  Jungens 
waren  zunaechibt  in  Horst s  Zimmer,  wo  Guenther  nicht  gewuenscht 
war,  aber  nach  einer  Weile  kamen  sie  alle  in  den  Garten.   Horst 


I  t 


Agamemnon 


-7- 


war  freundlicher  als  sonst  und  schien  sogar  mit  einem  gewissen 
Stolz  und  etwas  feierlich  V/alter  herumzufuehren  und  dem  neuen 
Gastfreund  alle  Sehenswuerdigkeiten  und  alle  seine  Besitzungen 
zu  zeigen,  zu  denen  auch  der  juengere  Bruder  zu  gehoeren  schien. 
"Dies  ist  mein  kleiner  Bruder  Guenther/'  sagte  er,   ^'Du  magst 
ihn  vielleicht  schon  einmal  in  der  Schule  bemerkt  haben^  er 
geht  in  die  Septima  und  ist  Primus  in  seiner  Klasse,"  Guenther 
traute  seinen  Ohren  nichts  nie  hatte  Horst  ihm  auch  nur  die  ge- 
ringste Beachtung  in  der  Schule  geschenkt,  noch  viel  v/eniger 
hatte  er  seine  Schulleistungen  anerkannt,  V/alter^  der  ein 
grosser  rothaariger  Knabe  war, mit  waesserig  blauen  Augen^  Som- 
mersprossen, einem  Mund,  der  an  den  Winkeln  etwas  herabgezogen 
v/ar  und  daher  den  Eindruck  eines  arroganten  Fischmauls  erweckte, 
verzog  diesen  Mund  zu  einem  freundlichen  Grinsen*   Er  erwaehnte, 
dass  auch  er  einen  Juengeren  Bruder  habe,  der  aber  noch  nicht 
in  der  Schule  ginge,   Guenther  schloss  sich  den  aelteren  Kindern 
an,  zu  denen  sich  auch  Irmgard  gesellt  hatte,  sie  streiften 
durch  den  Garten  und  gingen  ins  Haus  zurueck,  um  die  Mutter  zu 
suchen.   Lina  war  nicht  zu  Hause.   Das  Damenzimmer,  wie  die 
gute  Stube  bei  den  Hoyks  genannt  \'VTirde,  war  leer.   Horst  zeigte 
seinen  ?reunden  die  Glastvitrine ,  mit  all  ihren  Schaetzen,  be- 
sonders auch  die  kleine  elfenbeinerne  chinesische  Figur.   Das 
brachte  das  "schwarze  'Elfenbein"  ploetzlich  wieder  in  Guenthers 
Bewusstsein;  schnell  bevor  er  es  haette  wieder  vergessen  koennen 
ergriff  er  sich  bietende  Gelegenheit  seinen  Wissensdurst  an 
der  Ouelle  zu  loeschen.   "Walter,"  sagte  er  sehr  hoeflich,  "Du 
wirst  v/issen,  was  schv/arzes  Elfenbein  ist  und  woher  es  kommt, 
da  doch  dein  Grossvater  all  das  viele  Geld  damit  gemacht  hat." 


Agamemnon 


-8- 


Er  konnte  nicht  fortfahren-,  weil  ihm  Horst  eine  sehr  heftige 
Ohrfeige  gab,  Irmgard  ihn  in  die  Rippen  stiess  und  Walter, 
dessen  Gesicht  wie  eine  Erdbeere  aussah,  sich  umgedreht  hatte 
und  nicht  nur  aus  dem  Zimmer,  sondern  auch  aus  dem  Hause  lief. 
Einen  Augenblick  war  es  still  wie  vor  einem  grossen  Sturm, 
und  dann  brach  er  los,  so  heftig  und  abscheulich,  wie  Guenther 
ihn  noch  nie  erlebt  hatte*   Hans  und  Georg  waren  sofort  Walter 
gefolgt  und  daher  nicht  Zeugen,  des  Wutausbruches,  der  Horst 
schuettelte  und  ihn  fast  seinen  Juengeren  Bruder  ermorden  liess. 


Nur  die  zurueckkehrende  Mutter  rettete  ihn.   Sie  musste  de 


m 


voellig  entsetzten  und  weinenden  Guenther  erklaeren,  was  mit 
schwarzem  Elfenbein  gemeint  sei;  dass  es  der  Sklavenhandel  war, 
der  zwar  in  vielen  Laendern,  wie  Amerika,  noch  vor  nicht  so 
langer  Zeit  legal  gewesen  sei,  der  aber  vom  christlichen  und 
menschlichen  Standpunkt  aus  verwerflich  und  somit  als  Quelle 
des  Reichtums  als  beschaemend  und  schaemenswert  angesehen  werden 
muesste. 

In  jeder  ordentlichen  Hamburger  hoeheren  Schule  wurde 
Homer,  natuerlich  in  der  Voss 'sehen  Uebersetzung,  in  der  Tertia 
gelesen.   Es  gab  nur  ein  humanistisches  Gymnasium  in  Hamburg 
in  jener  Zeit;  es  waere  Herrn  Kaufmann  Hoyk  nicht  im  Traeume 
eingefallen,  seine  Soehne  dorthin  zu  schicken,  die  Realschule 
war  seiner  Meinung  nach  alles,  was  ein  junger  Mann,  der  den 
kaufmannischen  Beruf  ergreifen  wollte , brauchte.   Diese  Schule 
schloss  mit  der  sogenannten  "einjaehrigen"  Pruefung  ab,  was 
gleichbedeutend  warmit  der  Verguenstigung,  nur  ein  Jahr  beim 
Militaer  zu  dienen;  ein  Vorteil,  der  sich  fuer  einen  Kaufmann 
von  selbst  verstand. 


Agamemnon 


-9- 


Guenther  hatte  nach  der  gewaltsamen  Aufklaerung  ueber 
das  schwarze  Elfenbein,  sich  mehr  und  mehr  seinen  Schulaufgaben 
und-  buechern  zugewandtfund  auch  so  viel  als  moeglich,  seine 
Wissbegierde  auf  das  gedruckte  V;ort  beschraenkt.   Ein  Konver- 
sationslexikon,  selbst  wenn  man  es  heimlich  las,  konnte  einen 
wenigstens  nicht  puffen  und  schlagen  und  manchmal,  wenn  man 
Glueck  hatte,  verstand  man  die  Antworten  auf  den  ersten  Anhieb 
Deutsche  und  Griechische  Heldensagen,  neben  dem  "Deutschen 
Kameraden"  machten  seine  geistige  Nahrung  aus.   Er  lernte  den 
alten  Kaiser  und  Bismarck  zu  bewundern  und  wurde  von  allen 
Klassenkameraden  beneidet,  dass  sein  Geburtstag  Jaehrlich  auf 
einen  Feiertag  fiel,  naemllich  den  Gedenktag  an  den  Sieg  bei 
Sedan.   Er  konnte  zumindest  an  seinem  Geburtstag  laenger 
schlafen. 

In  der  Tertia  lernte  er  Max  kennen,  der  ein  Fremder  warj 
erst  vor  kurzem  von  Amerka  nach  Hamburg  gekommen  war.   Max 
ging  nicht  in  die  gleiche  Schule  v/ie  Guenther,  er  ging  ins 
Johanniter  Gymnasium  und  lernte  Griechisch  und  Latein.   Die 
beide  Knaben  hatten  aber  ein  Stueck  Schulweg  gemeinsam,  ein 
Zufall  hatte  sie  einander  zugefuehrt.   Guenther  hatte  von  Zeit 
zu  Zeit  sein  karg  bemessenes  Taschengeld  dazu  benuetzt,  mit 
einem  der  Alsterdampf er  in  die  Schule  zu  fahren,  wenn  er  be- 
sonders am  Morgen  getroedelt  hatte.   Er  entdeckte  bald,  dass 
mit  einigem  Geschick  ^^   diese  Dampferfahrt   ohne  die  liebliche 

Bezahlung  machen  konnte;   man  musste  nur  rechtzeitig  und  un- 
auffaellig  von  der  einen  Seite  des  Dampfers  auf  die  andere, 
von  vorne  nach  rueckwaerts  pendeln,  wenn  man  den  Kondukteur, 


Agamemnon 


-10- 


der  das  Fahrgeld  einkassierte,  sich  naehern  sah*   Gev/oehnlich 
gelang  ihm  dieses  Kunststueck  recht  gut»  War  er  nun  vielleicht 
zu  selbstsicher  geworden,  oder  hatte  er  sich  verzoegert  "beim 


Betrachten  der  Schwaen 


ploetzlich  stand  eines  Morgens 


der  Kondukteur  vor  ihm  und  verlangte  seine  zehn  Pfennige  fuer 
die  I'ahrt.   Guenther  hatte  seinen  letzten  Groschen  fuer  Suessig- 
keiten  ausgegeben, bevor  er  den  Dampfer  bestieg.   Nun  stand  er 
da  und  suchte  in  seinen  Taschen  nach,  obgleich  er  nur  zu  gut 
wusste,  dass  sie  leer  v;aren.   Der  Angstschweiss  trat  ihm  auf  die 
Stirn,  er  sah  sich  schon  in  der  Schule,  die  durch  die  Streifen 
an  seiner  Gchulmuetze  verraten  wurde,  angezeigt,  zum  Direktor 
gerufen  wegen  des  Versuchs,  die  Stadtbehoerden  zu  beschwindeln; 
er  hoerte  in  seiner  Einbildung  schon  seinen  Vater  laut  schimpfen 
und  glaubte  schon  die  Schande  und  die  Schmerzen  der  Pruegel- 
strafe,  die  eine  solche  Missetat  unweigerlich  zur  Folge  haben 
musste,  erleiden  zu  muessen  —  als  eine  ruhige  Stimme  mit  aus- 
laendischem  Akzent  fragte:   "Kann  ich  Dir  behilflich  sein?  Hier 
ist  ein  Groschen.   Du  hast  wahrscheinlich  Deinen  durch  ein  Loch 
in  der  Tasche  fallen  lassen."  Ein  Groschen  erschien  vor  seinen 
Augen  und  wurde  dem  misstrauischen  Kondukteur  in  die  Hand  ge- 
drueckt.   Es  v/ar  wie  ein  Traum.   Guenther  wagte  kaum  zu  atmen, 
aus  Angst,  dass  alles  nur  ein  Spuk  sein  koennte.   Langsam  v/andte 
er  seinen  Blick  zur  Seite  zu  seinem  Befreier.   Er  erblickte 
einenKnaben  seines  eigenen  Alters  mit  der  Schulmuetze  des  Johan- 
nitergymnasiums ,  die  seine  Zugehoerigkeit  zur  gleichen  Klasse 
bekundete.  Er  was  groesser  als  Guenther,  schlanker,  mit 


Agamemnon 


-11- 


schwarzen  Augen  und  schwarzen  Haaren  und  einer  nicht  grossen 
aber  leicht  gebogenen  Nase,  Wenn  er  die  Muetze  abnahm,  zeigte 
er  eine  sehr  hohe  und  breite  Stirn  ueber  dicken  zusammengewach- 
senen Brauen.  Er  hatte  lange  Wimpern  und  einen  ganz  auffallend 
roten  Mund.  Guenther  starrte  ihn  an,  erstens,  weil  er  nicht 
fassen  konnte,  dass  ein  Gleichaltriger  ihm  so  grosszuegig  mit 
einem  Groschen  zur  Hilfe  gekommen  war,  und  zweitens,  weil  ihm 
der  Fremde  ueberwaeltigend  schoen  und  edel  vorkam.  "Ich  heisse 
Max  Lilienfeld",  sagte  der  Retter,  "und  wohne  Harvestehuderstrasse 
10;  Du  kannst  mir  Jederzeit,  wenn  Du  willst,  den  Groschen  dortr 
hin  zurueckschicken  —  oder  wenn  Du  willst,  kannst  Du  ihn  nun 
auch  selbst  zurueckbringen  und  mich  gleich  dabei  besuchen." 
Guenther  stammelte  seinen  Dank  und  um  ueber  seine  Verlegenheit 
hinwegzukommen,  verfing  er  sich  in  einer  langen  Geschichte  ueber 
seine  Vergesslichkeit ,  die  schon  aertztlich  f estgestelltworden 

sei  wie  er  heute  morgen  vergessen  habe,  Geld  einzustecken, 

obgleich  sein  Portemonait  mit  mehreren  Markstueckendort  direkt 
vor  ihm  gelegen  waere.  Vielleicht  brauche  er  wirklich  eine 
Brille,  um  besser  zu  sehen;  dem  Lesen  und  Schreiben  sei  ihm  in 
letzter  Zeit  auch  etwas  beschwerlich  geworden.  Max  hoerte  sich 
all  dies  mit  ernster  Miene  an,  dann  lackte  er  sehr  froehlich: 
"Ich  habe  Dich  schon  mehrmals  beobachtet",  sagte  er,  "wie  ge- 
schickt Du  gewoehlich  dem  Kondukteur  entschluepfst ;  das  ist 
ein  guter  Trick,  den  Du  anwendest;  hast  Du  ihn  Dir  selbst  aus- 
gedacht? Wir  in  Amerika  nennen  so  etwas  ein  "Racket".   Guenther 
lachte  nun  auch  und  ruehmte  sich  der  Urheberschaft  der  kleinen 


Agamemnon 


^12- 


Betrliperei.   "Kommst  Du  wirklich  aus  Amerika?"  fragte  er  dann 
schnellt  Jedoch  nicht  nur  um  das  Thema  zu  wechseln.  Max  er- 
zählte ihm,  dass  er  in  New  York  geboren  und  erst  vor  einem  hal- 
ben Jahr  nach  Exiropa  gekommen  sei,  um  hier  die  Schule  und  spa- 
ter die  Universität  zu  besuchen.   Ihm  gefiele  es  recht  gut  hier, 
er  fahre  häufig  mit  dem  Dampfer  zur  Schule,  obgleich  er  eigent- 
lich lieber  zu  Fuss  gehe.  Aber  seine  Mutter  habe  es  gerne, 
wenn  er  den  Schulweg  abkürze.   "Wahrscheinlich"  meinte  er  "will 
sie  das  FrUhstUck  mit  mir  so  lange  als  möglich  geniessen. "  Max 
war  wirklich  ein  Fremder,  alle  diese  Dinge  klangen  ganz  unwahr- 
scheinlich fUr  Günther,  der  nie  bemerkt  hatte,  dass  Caroline 
besonderen  Wert  seiner  Gesellschaft  beimass. 

So  begann  eine  Freundschaft  zwischen  den  beiden  Knaben, 
eine  Freundschaft,  in  der  es  Günther  schien,  als  ob  einer  nur 
der  Gebende,  der  andere  der  Nehmende  war.   Er  bewunderte  Max 
restlos,  seine  Furchtlosigkeit,  seine  Geradheit,  seinen  Humor 
und  Verstand  und  vor  allem  seine  Weltkenntnis,  die  er  in  der 
fremidlichsten,  Ja  gutmütigsten  Weise  seinem  neuen  naiven  Freund 
zur  Verfügung  stellte. 

Am  zweiten  Tage  ihrer  Bekanntschaft  trafen  die  beiden 
Horst  auf  ihrem  Nachhauseweg.  Horst  war  nun  junger  Mann  bei  der 
Exportfirma  Schuster  und  Howe  und  war  in  seiner  neuen  Würde  noch 
weiter  als  früher  von  seinem  jüngeren  Bruder  entfernt.  Er  ging, 
ohne  zu  grüssen  vorüber,  warf  aber  einen  forschenden  Blick  auf 
Max.  Beim  Mittagstisch  sagte  er  ganz  unvermittelt:  "Unser  Gün- 
ther scheint  als  Primus  so  unbeliebt  zu  sein,  dass  er  sich  einen 


Agamemnon 


•■13— 


Judenjiingen  als  Begleiter  aiif  dem  Nachhauseweg  angelegt  hat*" 
Dann  wandte  er  sich  scharf  an  GUnther  mit  der  Frage  nach  dem 
Namen  dieser  Kreatur,   GUnther  war  rot  geworden  unter  dem  for- 
schenden Blick  von  Vater  und  Mutter.   Er  versuchte,  an  der  Frage 
vorbei  zu  hören.  Es  war  ihm  nicht  in  den  Sinn  gekommen^  dass 
sein  Freiind  jUdisch  sein  könnte.  Ueberdies  bedeutete  es  auch 
nicht  viel  ftlr  ihn.   Er  kannte  keine  Juden.   Seine  Eltern  hatten 
keine  jüdischen  Freunde,  so  dass  dieses  Problem  seinem  Leben  noch 
fern  lag.   In  Preussen  waren  die  grossen  Vermögen  der  jüdischen 
SchwiegervSter  dem  Adel  recht  willkommen.   Hamburg  hatte  keinen 
Adel|  die  Patrizierfamilien  hatten  genug  Geld»  aber  verschmähten 
nicht,  sich  mit  den  Warburgs  und  Schwarzschilds  zu  verbinden,  so- 
lange die  Verbindung  nicht  zu  ostentativ  wurde.   Die  Vorurteile 
der  Hoyks  machten  vor  diesen  Namen  und  Vermögen  Halt.   "Warum 
antwortest  Du  Deinem  Bruder  nicht?"  fragte  Herr  Hoyk.  "Wie  heisst 
der  Junge,  mit  dem  er  Dich  gesehen  hat?"  Günther  musste  n\m   zxt- 
geben,  dass  sein  neuer  Freund  Max  Lilienfeld  hiesse,  und  Ameri- 
kaner sei.   "Wirklich  ein  Jude"  sagte  Caroline  und  rümpfte  etwas 
die  Nase.   "Wartet"  gebot  Herr  Hoyk  "das  scheint  der  junge  Lilien- 
feld  zu  sein,  der  vor  kurzem  nach  Hamburg  gekommen  ist.   Seine 
Mutter  war  eine  Deutsche,  und  ich  habe  vor  einiger  Zeit  an  der  Bör- 
se gehört,  dass  sein  Vater,  Julius  Lilienfeld,  gestorben  ist  und 
Max  der  Erbe  eines  Millionen-Dollar-Vermögens  ist.   "Eisenbahnen" 
wandte  er  sich  an  Horst  "und  Kupferminen.  Es  soll  eines  der  be- 
deutendsten Vermögen  in  Amerika  sein.   Es  wird  Günther  nichts 


Agamemnon 


-14.- 


schaden,  diese  Bekanntschaft  zu  pflegen*"  GUnther,  der  an  sei- 
nen neuerworbenen  Freund  dachte,  ertappte  sich  bei  einem  GefUhl 
des  Neides;  erstens  kam  sein  Freund  aus  Amerika  iind  brauchte  sich 
also  nicht  mit  dem  Erlernen  der  englischen  Sprache  zu  plagen,  die 
als  ein  absolut  notwendiges  Bildungselement  eines  Mitglieds  ei- 
ner Hamburger  Kauf mannsfamilie  angesehen  wurde;  und  zweitens: 
Max  hatte  keinen  Vaterl  Als  sich  GUnther  bei  diesem  Gedanken  er- 
tappte, verschluckte  er  sich,  \md  muoste  eiligst  den  Mittagstisch 
\ind  das  Speisezimmer  verlassen« 

Aber  trotz  dieses  Zwischenfalles  und  Gtlnther's  Gewissens- 
bissen, die  unvermeidlich  seinem  Neid  auf  Maxens  Vaterlosigkeit 
folgten,  hatte  das  Tischgespräch  eine  klirrende,  a»  beruhigende 
Wirkung.  GUnther  konnte  nun  seinen  Freund  \ingehindert  auf  dem 
Schulweg  treffen  und  ihn  so^ar  nach  der  Schule  besuchen,  ohne  LU- 
genge schichten  ausdenken  zu  müssen,  wozu  er  schon  öfter  in  der 
Vergangenheit  sich  gezwungen  gesehen  hatte,  wenn  er  ein  den  El- 
tern unliebsames  Vorhaben  nach  der  Schule  ausgeführt  hatte. 
Seine  Bewunderung  für  P^Iax  nahm  zu  je  öfter  er  ihn  traf;  er  liebte 
ihn  mehr  als  er  erinnern  konnte  irgend Jemanden  geliebt  zu  haben, 
mit  Ausnahme  vielleicht  von  Irmgard,  als  sie  beide  noch  sehr 
jung  waren.  Aus  einem  unklaren  Akt  von  Grosszügigkeit  hatte  Irm- 
gard ihm  einmal  erlaubt  mit  ihren  eigenen  Gespielen  und  Gespielin- 
nen am  Laternengehen  teilzunehmen.   Sie  hätte  ihm  sogar  eine  Ihrer 
alten  Papierlaternen  geschenkt.   Es  war  aie  schönste  imd  süsseste 

Erinnerung  seiner  Kindheit,  vielleicht  gerade  wegen  des  Gefühls 


Agamemnon 


-15- 


fast  Überwältigender  Liebe  iind  Dankbarkeit  für  Irmgard  iind  weil 
dieses  Geftlhl  berechtigt,  aiif  einer  guten  Tat  ihrerseits  begrün- 
det war.   Seit  jenem  Augustabend  rief  das  alljährlich  sich  wie- 
derholende Laternengehen  in  den  schon  dunkel  werdenden  Strassen 
mit  dem  eintönigen  Gesang  der  Kinderstimmen  immer  das  gleiche 
sUss-qualvolle  Sehnen  in  ihm  hervor^  eine  Sehnsucht,  die  ihm  un- 
stillbar erschien. 


"Laterne ,  Laterne , 
Sonne,  Mond  und  Sterne," 


e  s  ie  in 


sangen  die  Kinder  in  allen  Strassen  der  Stadt,  durch  di 
langen  Reihen  zogen  mit  den  schwingenden,  leuchtenden  Laternen 

in  der  Hand, 

"Brenne  auf  mein  Licht,  brenne  auf  mein  Licht 
Nur  meine  schöne  Laterne  nicht" 
immer  wieder  wurden  diese  Strophen  wiederholt,  im  Rhytmus  mit 
dem  zunächst  sanften  Schwenken  der  Laternen;  dann  änderte  sich 
das  Tempo  plötzlich,  laut,  aufreizend  und  spöttisch  klangen  die 

letzten  Verse: 

"Und  die  Olsch  mit  dem  LUcht 

Die  die  Lttt  betr\lgt 

Die  die  Eier  holt 

Die  sie  nicht  betolt" 

Immer  aufregender  wurden  die  Stimmen  der  Kinder  Je  öfter  sie 
zu  diesem  Schluss  kamen;  man  hörte  Lachen  \ind  Kreischen  \ind  die 
Laternen  wurden  heftiger,  Ja  fast  wild  geschwungen  -  bis  es  ganz 
dunkel  wurde  und  der  Augustmond  orangefarbig  am  Himmel  stand. 


I  » 


Agamemnon 


-16- 


Die  kleineren  Kinder  wurden  von  Muttern  oder  Kinderfrauen 
nach  Hause  geführt ^  die  älteren  zögerten  noch  ein  v/enig^  ri'jien 
einander  Scherzv/orte  zu,  aber  nach  kürzester  Zeit  v;aren  auch 
sie  von  den  Strassen  verschwunden.   Die  Gaslaternen  beleuchte- 
ten nun  die  stille  Stadt# 

Günther  hatte  wie  alle  die  anderen  Kinder  Jahr  für  Jahr 
an  dieser  Sitte  teilgenommen,  aber  er  war  nie  mehr  richtig  ver- 
gnügt dabei  gewesen. 

Jetzt  war  er  zu  alt  dafür  und  Max  hätte  auch  gar  nicht  ver- 
standen, wodurch  die  süsse  Aufregung  des  Laternengehens  zustande 
kam.   Günther  hätte  sich  geschämt,  ihm  vorzuschlagen,  daran  teil 
zu  nehmen;  so  gerne  er  ihm  auch  eine  T»ate;^ne  geschenkt  hätte 
und  mit  ihm  den  Rhytmus  des  alten,  unverständlichen  Liedes  ge- 
teilt hätte.   Sie  teilten  andere  Erlebnisse.   Die  griechischen 
Helden  wurden  ihm  durch  Max  v;irklich  nahe  gebracht;  er  konnte 
fast  sich  mit  Achilles  eins  fühlen  in  der  Liebe  für  Patrokles. 
Er  litt  die  entsetzlichen  Schmerzen  und  Leiden,  die  sie  durch- 
machen mussten  und  bewunderte  Odysseus^  Klugheit  und  geistige 
Stärke.   Max  schien  ihm  eine  zweite  Ausgabe  dieses  unverwüst- 
lichen Helden  zu  sein,  dessen  Witz  und  Schlauheit  ihn  durch 
alle  Gefahren  sicher  wieder  zu  seiner  geliebten,  treuen  Penelope 
führten.   Der  einzige  Homerische  Held,  der  ihm  unsagbares  Un- 
behagen verursachte  war  Agamemnon,  dessen  schreckliches  Ende 
ihn  mit  Grauen  und  Hass  gegen  Clytemnestra  erfüllte  aber  gleich- 
zeitig einen  Zweifel,  wenn  auch  nur  ganz  heimlich  aufkommen  Hess, 
ob  er  nicht  möglicherweise  dieses  Schicksal  verdient  oder  zumindest 


Agamemnon 


-17- 


sich  selbst  zugezogen  hatte.   Wie  dem  auch  sei,  er  hatte  wohl 
sogar  eher  für  den  tiefäugigen  Thersites  Sympathie  als  für 
Agamemnon,   Max,  merkwürdigerweise,  war  eher  für  die  Trojaner 
eingenommen;  er  fand  Paris'  Verwegenheit  bewundernswert  auch 
sah  in  Hector  den  grSssten  aller  Helden.   Auch  dem  alten  Priamus 
war  er  wohlgesinnt.   Günther  vermutete,  dass  es  möglicherweise 
doch  mit  Helena  zu  tun  hatte.  V/enn  Max  von  Helena  sprach  sahen 
seine  Augen  aus,  als  ob  sie  weit  in  die  Ferne  blickten. 

In  jenem  Herbst,  als  Günther  zwölf  Jahre  alt  war,  sollte 
er  zur  Tanzstunde  gehen.   Fraülein  Osmers,  eine  70  Jährige 
Jungfrau,  hatte  durch  viele  Jahre  hindurch  den  Kindern  der  bes- 
seren Hamburger  Familien  Menuett  und  Rheinländer  beigebracht; 
aber  vor  Allem  war  sie  damit  beauftragt,  sie  in  allen  Aspekten 
gesellschaftlichen  Benehmens  zu  unterweisen.   Das  moralische 
Benehmen  war  die  Angelegenheit  ihres  Religionsunterrichtes  in 
der  Schule  und  des  Kinder  Gottesdienstes  am  Sonntag  in  der 
Kirche.   Man  erwartete  mit  Recht  von  den  jungen  Leuten,  dass 
sie  zur  Zeit  ihrer  Confirmation  sich  nicht  nur  in  der  Kirche 
sondern  auch  im  Damen-  und  Herrenzimmern  zu  benehmen  v;üssten. 
Günther  war  bedrückt  und  missmutig;  beim  Nachhause  gehen  stiess 
er  mit  der  Stiefelspitze  Steine  zur  Seite  und  war  ungewöhnlich 
schweigsam.   "Was isst  Dich?"  fragte  Max,  ein  amerikanisches 
Idiom  direkt  ins  Deutsche  übernehmend,  v/ie  er  es  öfters  tat, 
um  seinen  Freund  zum  lachen  zu  bringen.   "Ach,  nichts,"  ant- 
wortete Günther,  fügte  aber  hinzu,  "nur  soll  ich  Jetzt  in  die 
Tanzstunde  gehen."   Auf  Maxens  Frage  nach  dem  Grund  seiner 


I  I     II 


Agamemnon 


-18- 


Ablehnune,  brach  Gunthar  aus  mit  dem  Ausdruck  von  Angst  und 
Wiederwillen:   erstens  liess  es  einen  Nachmittag  der  so  v/ieso 
"beschränkten  Freizeit  hergeben,  zweitens  Mädchen  und  drittens 
überhaupt  ~  er  wäre  ungeschickt,  ja  gerade  zu  pl'omp,  was  täte 
er  in  einer  Tanzstunde,  alle  würden  über  ihn  herfallen  oder 
lachen.   "Sr  brauche  diesen  Unterricht  in  feinen  Mannieren  nicht, 
wollte  er  doch  später  zur  See  gehen.   Aber  das,  natürlich,  sei 
ein  Geheimnis.   Max  schwieg  eine  Weile,  dann  fragte  er  den 
Freund  warum  er  seinen  Eltern  nicht  sagte,  dass  er  nicht  zur 
Tanzstunde  gehen  wolle.   Niemand  könne  ihm  dazu  zwingen.   Günther 
starrte  ihn  an,  als  ob  er  plötzlich  delirierte:   "Ihnen  sagen, 
dass  ich  nicht  gehen  will?  Mich  weigern  —  was  würd«  das  nützen? 
Du  kannst  meinen  alten  Herrn  nicht!"   Er  beschrieb  darauf,  all 
die  Straf Prozeduren,  die  er  in  seinem  kurzen  leben  durchgemacht 
hatte:   vom  Tüinge  sperrt  sein  auf  dem  Boden  bin  zur  Prügelstrafe 
mit  dem  Pohrstock,  ,1e  nachdem  wie  sehr  er  sich  der  elterlichen 
Authorität  widersetzt  hatte.   Eax  schwieg.   Nach  einer  \Veile 
fra<?-te  Günther:   "Ist  es  wahr,  dass  Du  nie  bestraft  worden  bist? 
Wie  haben  denn  deine  Eltei-n  Dich  erzogen?  Was  haben  sie  getan, 
wenn  Du  ihnen  nicht  gehorcht  hast?"   "Gewöhnlich  haben  sie  mit 
m.ir  besprochen,  was  sie  von  mir  erwarteten?  alle  Pläne  wurden 
mir  zunächst  mitgeteilt.   Oft  änderten  sie,  was  sie  vorhatten, 
wenn  sie  sahen,  dass  es  Tdr  zu  schwer  fiel  oder  ich  eine  i.müber- 
windliche  Abneigung  dagegen  hatte.   Oefter  noch  konnten  sie  mich 
von  dar  Vernunft igkeit  ihrer  Vorschläge  überzeugen.   Mein  Vater 
war  sehr  gut,"  fügte  Max  hinzu  und  wandte  sein  Gesicht  zur  Seite. 
"So  hast  Du  nie  etwas  tun  müssen,  was  Du  nicht  wolltest;  ich 
meine,  nichts  von  Wichtigkeit?"   "Nur  ein  einziges  Mal,"  sagte 


Agamemnon 


-19- 


Max  nach  einer  Pause,  "abar  das  ohne  Wissen  meiner  Mutter.   Ich 
spreche  ungern  davon  weil  es  mir  peinlich  ist;  aber  Dir  kann 
ich 's  erzählen»   Ich  wollte  nicht  herüber  kommen;  ich  v/ollte 
in  Amerika  bleiben;  nicht  etwa,  weil  ich  ein  so  eingefleischter 
Amerikaner  bin  —  sondern  ganz  einfach  aus  Angst,  aus  schreck- 
licher Angst  vor  der  Ueberfahrt,  vor  der  Seereise.   Ich  werde 
nämlich  seekrank,  und  das  ist  ein  so  fürchterlicher  Zustand, 
dass  ich  glaube,  keine  Prügelstrafe  kann  ärger  sein.   Ich  habe 
nur  schwache  Einwände  beibringen  können,  als  meine  Mutter  mir 
ihre  Absicht,  mich  in  Europa  zu  bilden,  mitteilte.   Ich  konnte 
ihr  nichts  von  meiner  Angst  erzählen.   Siehst  Du,  wie  merkwürdig 
ähnlich  das  ist  Deinem  Verhalten  in  bezug  auf  die  Tanzstunde  1 
Seltsam^  seltsam*',  sagbeer  und  schüttelte  seinen  Kopf,  den  er 
beim  Geständnis  seiner  Angst  vor  der  Ueberfahrt  zur  Seite  ge- 
wandt hielt}  aber  Günther  bemerkte  doch,  wie  sein  Freund  blass 
geworden  war.   Angst  vor  der  See,  vor  der  Fahrt  über  das  grosse 
Wasser  —  und  er  hatte  Max  so  sehr  darum  beneidet.   Günther 
versuchte  sich  vorzustellen,  was  Seekrankheit  war;  es  war  ver- 
gebens. Erst  als  Max  ihn  an  Sensationen  erinnerte,  die  von 
einem  überladenen  oder  verdorbenen  Magen  herkamen,  die  Uebel- 
keit|  den  Brechreiz  und  die  Hilflosigkeit  seinen  eigenen  Ge- 
därmen gegenüber,  konnte  er  sich  wenigstens  von  den  körper- 
lichen Leiden  ein  Bild  machen.   Die  seelischen  konnte  ihm  sogar 
Max  weder  beschreiben  noch  erklären.   "Man  möchte  nur  tot  sein", 
war  alles,  was  er  sagen  konnte. 

Es  verstimmte  Günther |  er  wusste  nicht  recht  v/arum,  aber 
er  konnte  mit  dem  besten  Willen  sich  nicht  Odysseus  seekrank 
vorstellen» 


'*'   \% 


.  \  \ 


1) 


EINER  UNTER  UNS  IST  EIN  NEGER 


<-c 


Es  gil^t  eine  Insel  in  der  Penobscot  Bay  im  Staate  Maine ^ 
auf  dey  sich  eine  seltsame  und  tragische  Geschichte  abgespielt  hat. 
DasÄfierkwUrdige  Geschichten  auf  Inseln  sfa.#J^»i  ist  nichts  Sel- 
tenes, geht5rt  so  zu  sagen,  zu  den  tljilichen  Erwart iingsvorste Illingen.  ^^ 
Aber  diese  Geschichte,  die  sich  wirklich  zugetragen  hat,  wird  da- 
durch tragisch,  dass  »far durch  unsinnige  und  leichtsinnige  Ver- 
kntlpfijngen  ein  ^immuG^ts  und  wertvolles  Schicksal  zerstWr- 

tf^^und  auf  viele  Jahre  hin,  Mis trauen  und  Scham  ujiter  die  Gemein- 


de 


/* 


'>^, «- 


^v.iCL>Lc  . 


Die  Insel  heisst  Rockhaven  und  ist  eine  der  reizvollsten 


Inseln  der  Gegend.  Tannenwälder  lond  Wiesen  wechseln  miteinander  ab. 
Tiefe  einschnitte  des  Meeres  bilden  FJOrde  jeglicher  Poi^  an  deren 
Ufern  riesige  Steingebilde  e4««jn  ein  \irzeitliches  Bild  voropiogelm 
Die  Insel  hat,,  jetzt  brachliegende,  Granit Steinbrüche,  die  mit 


Wasser  gefüllt,  lieblichen  Seen  gleichi€&«#n.  Am, südlichen  Ende 


ist  ein'  kleiner  Ort, 


eine  Stadt^^ 


Die  Ereignisse  von  denen*  hier  die  Rede/^wird,  spielten 


Kreigi 


ä-<^ws.u>£^i 


sich  in  Äte^!r^a?  frühen,  aber  schon  geschichtlichen  Periode  Rockhavens 
ab.  Die  noch  frtlhere  —  man  konnte  sagen  prö-historische  Zeit, 


.*,%: 


'  da  sie  vor  dem  Unabhängigkeit^ Krieg  liegt  —  ist  nur  durch  mUnd- 
liehe  Wber1»4|fttftg  bekannt,  die  wenig  feststellbare  Tatsachen  enthalt. 


I  I 


2) 


^^M 


V'd-w 


Man  MB^xSM't^f  dass  die  ersten.  Ansiedler  0^44;  den  Indianern 


freundlich  riJ^ptTi rfci^U  V "^TtTt  ^^^  dass  sie  sogar  indianische  Frauen 


heirateten.  Sie  wurden  von  dem  ^^weiligen  Stamm  adoptiert  und  ^^ 

, flrhwqr]^i3fn  nyyf   Hi ffgft ^BU4^fl^,  Aeiiii  ihre  haltoindismischen  Kinder  waren 

^        *  SjuMA 

von  den  vollblutigen  nicht  zu  \mterscheiden.  DaHH  aberf  kamen  ander* 

weisse  Seefahrer^  dj.e.  w^htr  sölionschrec^te  ErfahrungenröTmacht  hatteni 

>3i^~^ingen:  sofort  agr-^^atili^^ie  sich  Nähernden  .jfca^aQbieooen,  siua^iXamiiü^    I 


CO   war  natürlich  von  freundlichem  Zusammenleben  keine  Rede  mehr#  Geschich- 
ten  TO^fGrausamkeiten  der  Indianer ,  von<  Skaj^pieren  und  von 


gab  es  zu  Genüge  und  man  fand  es  daher  gerechtfertigt^  dass 
schliesslich  alle  Ureinwohner  der  Insel  ausgerottet  wurden  und  die 
weissen  Sieger  sich  entweder  ansiedelten  oder  zu  mindest  andere 
^reiheitsuchendej|[  Weisseji  ermutigten^  dieses  bewaldete  Land  fUr 


\ 


alles(sicn\  ^-oz^ 


Ackerbau  \and  Fischfang  brauchbar  zu  machen.  Wann 

zugetragen  hatte,  konnte  man  nicht  mehr  feststellen.  Im  Unabhängig- 


keits  Krieg  allerdings  waren  die  meisten  Inselbewohner  von  den 


Loyalisten  und  Englandern  vertrieben  und  ihre  HSuser 


nieder- 


gebrannt worden.  Viele  von  ihnen  schlössen  sich  der  Armee  Washingtons 
an.  Nachdem  die  grossen  Umwälzungen  des  Krieges  vorüber  waren,  sie- 
delten sich  etwa  vierzig  Familien  auf  der  Insel  an.  Viele  von  ihnen 
waren  schon  während  des  Krieges  zusammen  gewesen,  hatten  zusammen 
gegen  die  Engländer  gekämpft  und  beschlossen,  ein  neues  Gemeinschafte- 
leben zu  beginnen.  Mehrere  Familien  waren  untereinander  verschwä- 
gert und  verwandt.  Sie  kamen  von  Dörfern  und  kleinen  Städtchen  von 
Massachusetts  und  Maine.  Sie  trugen  meistens  englische  oder  irische 


I  I 


I  I 


5) 

Namen,   aber  auch  einige  französiche  waren  dabei ^  wie  man  es  in 
Maine  gewohnt  war.   Sie  waren  Fischer,  Handwerker  \ind  Farmer,  tta^L    ^ 

ihnen  konnte(^l>aen   nrier/  schreiben.   Sie  Iiielten  nicht  viel 


/ 

von  der  Kirche,  welcher  Art  sie  auch  immer  sein  mochte,  und  betrach- 
teten Religion  als  eine  private  Angelegenheit;  aber  sie  waren  ent- 
schlossen, ihren  Kindern  eine  bessere  Erziehung  zu  geben,  als  sie  sie 
erhalten  hatten;  sie  wollten  eine  Schule  haben,  sollte  die  Schule  auch 
noch  80  klein  und  einfach  sein.  Sie  bauten  einen  kleinen  Ort  mit  ei- 
nem  Ha g en ,  uad-ürirte^pinom  Ladeir,  •  4ft-d4fim  man  ,.jAlre-  War»ttir-ti±r-  nxjtwen- 
dig  iff^brauSht  wurden^ -erhandeln  konnte,  st^^auten  ein  GebSude, 
dass  als  eine  Verssmmlungshalle  diente,  -und  sie  wählten  Jedes  Jahr 
drei  Männer,  die  die  Geschäfte  ihrer  Ortschaft  oind  der  Insel  ftlr 
sie  führten.  Bevor  aber  alli^dires-  e(Jb^)»lfjag^ war ,  hatten  sie  sich 
darüber  versicheren  müssen,  dass  ihnen  auch  wirklich  das  Land  gehörte, 
von  dem  sie  Besitz  ergriffen  hatten.  So  schickten  sie  ein  Gesuch 
nach  Boston,  an  den  Regierungssitz  und  suchten  um  Bestätigung  ihres 
Besi:^zes  an.  Alle  männlichen  Mitglieder  der  Gemeinde  unterzeichneten 
mit  Nahmen;  das  Dokument  schloss  aber  mit  dem  merkwürdigen  Satz: 
"  einer  unter  ubs  ist  ein  Neger." 

Der  Neger  war  Jephta  Stone.  Er  war  gross  und  kräftig;  seine 
Haut  war  fast  so  schwarz  wie  Ebenholz.  Er  war  gleicherweise  ge- 
schickt mit  der  Axt  wie  mit  der  Feder.  Er  konnte  lesen  und  öchrei- 
ben.  Er  hatte  mit  ihnen  zusammen  gekämpft,  um  ihre  und  seineJTreiheitT" 
^  hatte  mit  seinel^  körperlichen  Grösse  und  Kraft  H^ldeatateaa^  goloiatet 
vjßär  mit  seinem  Wissen  und  seinem  Verstand,  seinen  Mitkämpfer  und 
Kameraden  mehr  als  einmal  aus  grösster  Bedrängnis  herausgeholfen. 


O 


K' 


Nim  war  er  "einer"  von  ihnen  geworden.  Aber  einer^  den  sie  schtlt- 

zend  iimringten^  dessen  Identität  sie  nicht  an  die  Behörlen  preis- 

geben  vollten,  und  doch  intr5Bi>#n.::r84e-  erwShnjen^  dass  einer  unter 

ihnen  ein  ITeger  war.  Sie  schienen  zu  sagen,  es  kann  jeder  voBe  tmd 

\  ii  

sein.'  PUr  die  Behörden  war  e^  unkenntlich  geworden,  da  die  Schatten 

von  59  Männern  ihn.^vg^I11g  vftrdi7nKp1  ten.  Aber  ifur  die  39  war  er  cdo^tA^ 
sehr  sichtbar  uB4--e^rlteÄBbar ,  nicht  nur  durch  seine  Haufarbe.  S o-ocO^jul^^^^ 
jCiL   Ar  -toHPde  der  Lehrer  ihrer  Kinder 4/^lt>ü^^(i  ,  ^ 

Er  hatte  ngalich  in  Boston  eine  gute  Erziehung  genossen.Hprl^^ba? 
-.-fieöeh  ihr  Siclab3*e4ber ,  und  dlljfSifM^h   wurde  ^   von  fast  allen  als  ein 
weiser  Mann  angesehen,  zu  dem  man  kam,  um  Rat  zu  erbitten,  oder  den 
man  ersuchte,  Streitigkeiten  zu  schlichten;  er  wurde  eine  Art 
-4?voffl7.1pller  Richter.  Mk^b^  Jephta  war  als  kleiner  Knabe  mit 
seiner  Mutter  zusammen  von  e inemXXIISXXlffiSMIS^^X  feindlichen 
afrikanischen  Stamm  gefai:.gen  und  an  eiaen^^ Sklavenhändler  verkauft 
worden*  Er  konnte  sich  nur  noch  dukel  an  das  ^^chiff  erinnern;  nur 
daran^  dass  man  ihn  von  seiner  ii4utter  fortgerissen  hatte,  die  exnes 
i^^crgens  if;anz  stili  gewesen  war  und  nicht  mehr  geweint  und  gesprochen 
hatte.  Ein  weisser  Mann  aus  Boston  hatte  das  Kind  schreien  gehtJrt 
und  hatte  ihn  tröstend  zu  sich  genommen.  Er  hatte  Jephta  als  Ge- 
schen^k  ftlr  seine  junge  Frau  gekauft  und  ihn  in  seiner  Kajüte 
auf  einem  Polster  an  seinem  Bett  zusammen  mit  einer  englischen 
Buldogge  schlafen  lassen.  Er  brachte  auch  nech  weisses  Elfenbein 
und  Straussenfedern  fUr  seine  Prau  aus  Afrika  mit  ,  abgesehen  von 
he^ia^üchen-  Diamanten,  die  er  noch  ungefasst  bei  sich  in  der  Rock- 
tasche trug.  Jephta  hatte  es  viel  besser  auf  dem  Polster  in  der 
Kajüte,  als  bei  den  übrigen  Skla\ien,  wenn  auch  der  Hund  ihm  den 

*  - 

kleinen  Platz  zunächst  mit  Knurren  und  Schnappen  streitig  machte. 


(,* 


5) 

Bald  aber  waren  sie  die  besten  Freunde  und  teilten  Essen  und  Lager. 


Sein  Gönner  und  Meister  erzählte  ihm  yiel  später^  dass  seine  Mutter 

sich  'rerffift^t  habe,  da  sie  ein  Leben  als  Sklavin  nicht  ertragen 

konnte   ^-^-^  ^^^^     ^^^^^    ^    ^C&^  "itcA^    sUM    ^U^  Le^()<u^    ^HÄjiHua. 

Jephta  wuchs  in  Boston  auf  undjyxarde  gut  behandelt.  Er  wurde 


vO/AVi>J4t 


Sorgfalt ig^^rzogenr^usammen  mit  den  weissen  Kindern  der  Familie 

:r'-6fltil  t 


t 


christlichen  Religionsunterricht.  Er  war  gut 
und  geftlgig,  hilfsbereit  und  gelehrsam.  Niemand  konnte  sich  Über 
Ungehorsam  oder  Unarten  beklagen,  aber  es  konnte  sich  auch  niemand 
damit  brüsten,  dass  Jephta  ihn  zu  seinem  Vertrauten  gemacht  habe,, 
oder  dass  er  wusste,  was  in  Jephta  vorging.  Ery\1a0aattt»%o  jede  Ge- 


legenheiVi' 


,^   Er  waiL^ein  Vorbild  fUr  die  anderen  Kinder 


des  Hauses,  die  ihn/^lDewunderten  und  ^of^-tt- beneideten.  So  schien  es, 
als  oB  der  kleine  schwarze  Waisenknabe^  den  man  gewaltsam  seiner 
Heimat  und  Familie  beraubt  hatte,  in  jOa^üeifi] üjöt'^ßfS^   Bostoner  Haus 
alles^'oder  noch  meh3?^gef\inden,  was  er  verloren  hatte.  Er  war  klüger 
\md  besser  als  seine  gleichartigen^  Spielgefährten  und  wurde  wfißPtti 
i^J^Ji^jgt^l4^^^  Er  selbst^liebte  nur  f^^L|^;,(#ieji^^        die  kleine 
Tochter  des  Hauses,  Peggy,  die  etwa  drei  Jahre  Jünger  war  als  er. 
Er  beschützte  Peggy  gegen  alle  Unbilden,  die  vor  allem  in  den 
Neckereian  ihrer  Brüder  bestanden.  Er  war  immer  bereit,  ihr  bei 
ihren  Aufgaben  zu  helfen,  ihr  Geschichten  vorzulesen  und  für  sie 
Botengänge  imd  Dienste  zu  tun#  Er  schnitzte  Puppenmöbel  für  sie 
und  machte  sogar  ein  Puppentheater  für  sie,  um  sie  zu  unterhalten, 
als  sie  einmal  mehrere  Tage  einer  Erkrankung  wegen  im  Zimmer  blei- 
ben musste« 
( 


^^^cp^c\,^^^jp^^  Yu  elneiv'jiilng^n^Jia&e  gWiDsl^t  ^Mi^&t   sollte. 


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T8W  ry^xC^t     ;-:ar-r  l9ib  iy.v:^e   sif    ,-  --^e^    ^aeeußH  aeb  -lor^riooT 


X9cr  Olli    t^'i^'i^'J  'lOfiif'i   'ir.'A  't7   .ctef    •       30   19' ••'fl  TOTjclr   ruaiGTSTloev: 
sie  -1WI:   b'tr;  aeh^lu^-rov  aaetrlDirio^jaO  -iril    ^n9^X9/i   js  nadBijluA  xietdi 

j.'.:9*XexiTa^xia  x;.^    9X8  nu    ^9^^   '^^^'^   •:t3J-e9rid09n'.7L;^  ni->  ^?-?c:?    ^irloBm   bnu 

-ieXcf  lemÄX"    ml   ne^sw  ;^mj:}iaf9t>[ia  isni)   ogßT  9T«>frf^m   r8mni9    -^f«   aXe 

*j siiv> i* F Ä#^ . Äx 9  al   Yj-jiT^''     •-'•••    f"*5x^'  n©         i/s  09.         ffti^'8    .s^eeuffl  ixacf 

•  9;]Xrc^   nsbi^'    ir^bXxi         -.LßG.  a9  iib«.   -rani^  jjü    uie   Ov^    .^Vrir^  rf>fox4pae?? 


6) 


U-*& 


Jephta  war  inzwi sehen 


Geschäft  seines 


th 


eingetreten.  Sas-sollte^iSlles  lernen,  was  mit  dem 
ExportgtechSf t  zu  tun  hatte,  denn  Mr.  Stone  hatte  *»  Absicht (^i^^ 


Jp^fiMm    jwf^i>    MWgXdr^hlTAT  t;^     «T_cb-- 


T— »u--gaben>- — ^- -^ 


P6KP>y  musste  von  vielen  Verwandten  und  Freunden  Abschied 
nehmen,  bevor  sie  abreiste.  Ihre  Tage  waren  von  diesen  gesell- 
schaftlichen Verpflichtungen  einerseits  und  von  Schneiderinnen 
und  ModistK^n/anderseits  ausgefüllt.  Jephta  sah  sie  kaum  in  jener 
Zeit.  Vielleicht  einmal  bei  einer  MaMzeit,  bei  der  sie  aber  auch 
nur  einen  Gedanken  zu  haben  schien,  nömlich  so  schnell  wie  mtJglich 
wieder  vom  Tisch  aufzustehen  zu  dürfen.  Sie  scherzte  und  redete 


viel,  aber  zeigte  in  keiner  Weise 


•,  dass  es  ihr  etwas  ausmachte, 


sich  von  ihrer  Familie  oder  gar  von  Jephta  trennen  zu  müssen.  Alle 
ihre  Gedanken  schienen  schon  auf  die  zu  erwartende  neue  Umgebung 

und  an  die  möglichen  Ereignisse  und  die  neuen  Menschen,  die  sie 

ff 
dort  treffen  wurde,  zu  richten.  Jephta  verbrachte  einsame  Abende 

in  dieser  Zeit.  Gewöhnlich  sass  er  in  seinem  Zimmer  und  las. 


t\  k4  9 


Häufig,  ;jedoch,  liess  er  das  Buch  auf  den  Schoss  sinken 


und  hing  seinen  Gedanken  nach,  die  sich  alle  um  Peggy  drehten  und 
xm   die  Veränderung  in  seinem  leben,  die  ihr  Pemsein  verursachen 
würde •  Er  wurde  sich  tiefer,  leidenschaftlichen  Gefühle  für  die 
kleine  blonde  Pflege  Schwester  gewusst,  xind  er  war  unglücklich.  Er 
wusste  natürlich,  dass  Peggy  ihm  zugetan  war,  dass  sie  mit  kindlicher 
Zärtlichkeit  an  ihm  hing  -  aber  was  half  das  ihm*  der  nun  eine  ganz 
andere  Beziehimg  zu  ihr  entdeckte,  die  nicht  nur  den  Wunsch  bein- 
haltete,  ein  brüderlicher  Beschützer  zu  sein.  B3^-gloubte  s^b0 — 
- B hnungs^ ^ l^Mrtt  sohwanktay zwischen  den]  Wunsch,  sich  ihr^  mitzuteilen. 


7) 


U^M^ 


ihr  alles  zu  sagen,  was  er   mif  dem  Herzen  hat Ww^sle 


.^^[zokXv^ 


zu  zwin-   ,   ^ 
'^^^^Äfe^lJeTBEl  von  Schuld  und  verzweifelter  Schami  Ax^  ) 


'i.c{>uicAt: 


30  weit  es  möglich  warf  iinaT  suchte  sogar  die 
Begegniingen  bei  den  Mahlzeiten  zu  vermeiden,    indeii  er 


?fi^ 


ißchienen  ihm  keinerlei  besondere  Aufmerksamkeit 
zu  schenken,  und  Peggy  hatte,  ,^^y^^f^\^p^^)S^^. ^O^^t  s^i^  ihren  Reise- 
vorbereitungen weder  Auge  noch  Ohr  fUr  ihn  übrig. 

Wie  erstaunt  war  er  fl4tP(pchw  als  am  A^end  vor  Peggys  Abreise, 
als  er  schon  alle  Hoffnung  aufgegeben  hatte,  sie  auch  nur  auf  ein^^^ 
j§gmm^  Augenblicke  allein  zu  sehen  imd  yl  i  Jhl^n  seine  Traumereien 
versunken  in  seinem  Zimmer  sahs,  sie  zu  ihm  hineinschlUpfte«  Sie 

r7 


ganz  leise  geöffnet  un(L\wieder  geschlossen. 


raschr-im4-~XeJLsa-  ZU  Jephta  hin  imd-^^amgcUlang-  ihn  mit  ihren  Armftn> 
Ihr  Köpfchen  mit  den  blonden  Locken  lag  an  seiner  Brust  und  Jephta 

merkte/dass  sie  weinte.  Sie  weinte  so  sehr,  dass  ihr  ganzer  Körper 

* 

krapfhaft  erschüttert  war  \ind  Jephtas  ^emd  ganz  nass  wurde.  Er 
hielt  sie  fest  an  sich  gedrückt  und  wagte  kaum  mehr  als  beruhigende 
zärtliche  Worte  zu  sagen,  so  wie  er  es  früher  getan  hatte,  als  sie 
noch  Kinder  waren.  Nach  einer  Weile  hörte  das  Schluchz. -en  auf  und 
Peggys  |g|*g|^ wurde  still.  Sie  hob  lKr---G^^JLChii-:vQn-BBiner  Brust- 
und  schaute  ihn  Tiit  ihren  groBoon  blauen,  feucht  sc  hj^imm^den  Augen 
,mii?\inendlicher  Sanftheit  iMA^i^^   an.  "  Wie  werde  ich  ohne  Dich 


leben,  Jephta?"  sagte  sie  "  Wer  wird  mir  helfen,  wer  immer  da  sein, 
wenn  ich  Angst  habe  ?  wer  wird  mich  beschützen?  Ich  kann  nicht 
fortgehen;  ich  kann  ohne  Dich  ja  gar  nicht  sein  -  oh,  Jephta,  ich 


habe  solche  Angst,  allein  zu  seini 


I  tt 


4)4^# 


—dKCjJIÖB 


t)       -VIA  v-^r-n»^  j       ' 


^*lA, 


'^ 


aJo 


altereA^Bruder»  zvac  BeschUtzer,  wm  star- 
anderen Gefühle  r'die 


-e4«  sich  anhalten  durfte.  4M»  


heftigen,  wilden  Urgeftlhle7*die  durften  nun  nicht^^  gelten;  merk- 
würdigerweise 8p*urte  er  wirklich  in  diesem  wunderharen  Augenblick 
nur  Zärtlichkeit.  Seine  kleine  Peggy  brauchte  ihn  wieder,  noch  war 
sie  nicht  entschwxmden,  noch  war  sie  bei  ihm  in  seinen  Armen.  Er 
tröstete  sie;  malte  ihr  ihr  Leben  im  Pensionat  in  den  freundlichsten 
ParbenAund  versprach,  sie  sofort  zu  holen,  flM  falls  sie  sich  nicht 
eingewöhnen  könnte  oder  wirklich  so  grosse  Angst  leiden  müsste^  <>hß  ßo  ^ 
Er  kUsste  sie  auf  die  Stirn  und  löste  sie  von  sich.  Peggy  ISchelte 
aua  schon  wieder,  und  da  sie  sehr  müde  war,  küsste  sie  leicht  seine 
braune  Wange  wie  im  Halbschlaf,  sagte  "Auf wieder sehen"  und  ging 
rasch  in  ihr  eigenes  Zimmer.  Sie  schlief  sofort  ein,  so^ie  ihr 
Kopf  das  Kissen  berührte,  tficht  so  Jephta  -  er  konnte  diese  Nacht 

überhaupt  nicht  schlafen.  c^^|  ^  «VctCec, 

Es  war  Ostern,  als  Peggy  abreiste.  Weihnachten  kam  sie^nach 


.  Sie  hatte  Jephta  öfters  geschrieben  und  im 


Hause 

letzten  Brief,  tojirz  vor  ihren  Ferien,  klang  eine  fast  unbändige  P 
Preude  durch  die  kindlichen  Worte,  mit  denen  sie  ihre  Erwartung, 
ihn  wieder  zu  sehen,  ausdrückte.  Jephta  bewahrte  ihre  Briefe  auf 
wie  Kostbarkeiten.  Weihnachten  wxirde  im  Hause  Stone  als  ein  Familien- 
fest Kefeiert.  Peggy  schien  gewachsen;  sie  hatte  an  Haltung  gewon- 
nen,  sie  Äiea-  erwachsen/.  -Bie  bekam  von  allen  Seiten  Komplimente 
und  war  bald  wieder  in  einem  Rausch  gesellschaftlicher  ^^^^^ij^^^^.^^^^^ 
d^m  Sie  Sich  ganz  hinzugeben  s^;^hien^Aber  i^^  ?TJS''ai:"  wT^  L.^^ 
jBeffe^^Bi  vpc  ihrer  Abreise 

^«^i^WV^K^*  ^^  ^^*  ^^^^  ®^^®  Gelegenheit  bot,  suchtesie 
-„*>  dA^  Vom   orto-fiT»  ins  aeachöft  ihres  Vaters,  nur.  um  ein  paaI^ 


9) 

mit  Jephta  zu  wechseln.  Bevor  sie  zurück  ins  Pensionat  fuhr, 
»ie  wieder  gu  4tem,  xmA  diesmal  waren  ihre  UmarmungenKnicnt  menr 
kindlich;  Jephta  musste  seine  ganze  Willeiiraft  zusammen  reissen, 
um  sich  von  ihr  zu  trennen;  aber  sie  hatten  einander  i^iM^  ihre 
Liebe  gestanden  und  versprochen  aufeinander  zu  warten.  Sie  waren 
heimlich  verlobt.  Sie  waren  beide  so  j4ng,  dass  sie  gar  nicht  an 
dem  guten  Willen  des  ihr  Schicksal  lenkenden  Gottes  zweifelten. 
Nur  noch  oin  pao^ Monate  langer  sollte  ihre  Trennung  dauern,  dann 
wUrde  Peggy  zurück  sein  und  ihn  nie  mehr  verlassen.  Es  folgten 
Briefe,  die  diese  Schwüre  in  uoandXio hon  Variationen  wiederholten. 
Kurz  ilevor  dem  grossen  Tag  ihrer  Heimkehr,  liess  Peggys  Vater 
Jephta  zu  sich  kommen.  Er  sprach  sehr  freundlich  zu  dem  ;j\ingen  Mann, 
lobte  die  Arbeit,  die  er  im  Komptoir  geleistet  habe,  seine  Klug- 
heit  lind  seinen  Takt,  ja  sein  natürliches  Geschick  mit  Menschen 


umzugehen.  i-a^äiTmÜsse  nun  doch  ernstlich  an  seine  Zukunft  denken, 

;  er  sei  nun  bald  wie  alt  ?  Einundzwanzig  Jahre; 
hier  in  Boston  künne  er  schwerlich  viel  weiter  kommen.  Aber  jTinge 
Leute  kannten  anderswo  in  der  Welt  einen  Platz  für  sich  machen 
vorausgesetzt,  dass  sie  Jephtas  Begabung  und  die  Hilfe  \ind  Unter- 
sttzung  eines  fay^^^ji^^  hatten  und  guten  Willens'  seien.  Er  wolle 
ihn  zunächst  zu  einenj Geschäftsfreund  nach  London  schicken,  um  eine 
bestimmte  geschäftliche  Angelegenheit .über  d#«  er  ja  gut  informiert 
sei,  zu  erledigen.  Dieser  Geschäft sfrexmd  werde  dann  das  Weitere 
für  ihn  untemehmÄn  \ind  ihn  anweisen.  Es  töte  ihn,  l^^g^c^i^'^ß^   sehr 
leid,  wie  es, allen  in  der  Familie  fast  das  Herz  brache,  dass  Jephta 
4^A  sie  verlassen  müsse,  aber  sie  könnten  seinem  Fortschritt  imd 
seiner  Entwicklimg  nicht  im  Weg  stehen.  Hier  war  ntm  eine  glanzen- 
de Gelegenheit  für  ihnl  Das  Schiff  ginge  in  2  Tagen  nach  London  ab. 


"I 


10) 

sagte  er.  "Ich  bin  nicht  mehr  Jimg  .\ind  ich  will  mein  Haus  so 

bestellen,  dass  allen  Gerechtigkeit  widerfahren  soll,"  Jephta 

l 
starrte  seinen  P:^egevater  erschrocken  und  vt511ig  fassungslos  an; 

er  wollte  sprechen,  wollte  Mr.  Stone  erklären,  dass  er  unter  keinen 
Umständen  reisen  könnte,  bevor  Peggy  zurUck  gekommen  sei;  dass 
er  mit  ihr  verlobt  sei,  mit  ihr  zuerst  sich  ins  Einvernehmen  set- 
zen mUsste  -  aber  Mr.  Stone  fuhr  fort,  ohne  ihn  Gelegenheit  zu 
geben,  etwas  zu  sagen r^^^^^cBT^eiss ,' was"  Du  f tlhls t »  Jephta;  ich 
weiss^  was  Du  Peggy  gegenüber  empfindest.  Das  ist  verstandlich,  ja 
ich  würde  sagen  natürlich,  da  sie  wirklich  sehr  liebenswert  ist; 


jeder,  der  mit  ihr  näher  bekannt  ist  liebt  sie. 


?. 


wSre  kein  Grund ^ 


Dich  fortzuschicken,  weil  Du  si«  liebst.  Ich  vertraue  Bir  und  weiss ^ 
dass  Du  ein  Ehrenmann  bist.  Jeder  Junge  Mann  mag  durch  eine  sodche 
unglückliche  Liebe  oder  eine  tiefe  Leidenschaft  gehen,  die  ihn  wohl 
nur  reifer  und  ernster  machen  wird.  Nein,  es  ist  geradeyPeggys  wegen-, 
dass  Du  gehen  musst.  Denn  ich  weiss ,  dass  Peggy  Deine  Gefühle  er- 
widert -  sie  hat  es  mir  selbst  geschrieben  -  und  das  ist  eine  an- 
dere Sache,  da  haben  wir  keine  Wahl,  das  siehst  Du  ein:  Du  musst 
unser  Haus  verlassen,  bevor  sie  zurückkommt.  Du  kannst  nicht  mit 
ihr  unter  einem  Dach  lebenl/'sie  ist  kein  Kind  mehr;"  Er  lies  Jephta 
nicht  zu  Worte  kommen,  legte  eine  wohlgefüllte  BOrs#  auf  den  Tisch 
mit  der  Anweisung  sich  zu  beschaffen,  was  er  für  die  Reise  brauche 
\md  in  2  Tagen  fertig  zu  sein.  Er  würde  inzwischen  für  die  notwen- 
digen Empfehlungte  xind  Kreditbriefe  sorgen.  Bevor  er  das  Zimmer 
verliess,  erwähnte  er^  dass  niemand  vom  eigentlichem  Grund  seiner 

Abreise  \mterrichtet  sei,HB€l  er  reise  in  Mr/  Stones  Geschäften,  dass 

chjy/    (yiu,LA,c4  <SJii'»^\--  mixtAX, 
sei  dC^voiL-ihin  g{»fundonc  J(f^fkm}\S^^^   die  für  alle  eine  Lüsung  sei  und 

allen  -  mit  Ausnahme  von  ihn  und  Jephta  grosses  Herzleid  ersparen 


11) 

würde.  Er  verpflichte  Jepl^ta,  bei  allem,  was  die  Familie  Stone  für 

ihn  bedeute,  '^^^lip^jAJ^y^^itÄ^J^^^^^^  V-<>^' cA'Y-^il\ 

Jephta^   d^r  ppraohlooe»  war  zimäciiat   in  Verwirrung  und  Schmer: 

^-^   UA^  «^>»-^  ^/^"^   '"^^W  '"^  '^^ 

Weile ^  ^b44ii:^Öäh- eigentliche  Bedeutung  von  Mr*  Stones 


.  Er  war  ein  Ver- 


bannter •  ein  Verworfenere  So  sicher  er  sich  im  Gefühl  der  Liebgj 
die  ihm  seine  Pf legefamilia  gezeigt  hatte ^  gefühlt  hatte,  so 


die  Erkenntnis ^  dass  er  nur  ihr  schwarzes 


war  nunXdas  Erwachen 

Pflegekind  war,  jemand  den  man  liebte  und  auf  den  man  stfclz  war, 

wie  auf  einen  scnünen  Hund  oder  ein  v>/^^/f\?^^^*  Pferd| 

der  aber  nie  zu  ihnen  gehört  hatte  oder  je  zu  ihnen  gehören  durfte* 

Selbst  wenn  er  eine  prinzliche  Geburt  nachweisen  konnte  -  sie  wÄre 

teea^  immeryivon  schwarzen  Prinzen,  und  das  allein  nahm  ihm  das  Recht 

auf  Peggy  und  Peggy  das  Recht,  ihn  zu  lieben  oder  sogar  nur  mit 

*  • 

ihm  in  einem  Haus  zu  leben,  weil  sie  ihn  liebte. 
Der  Zustand  hilfloser,  lahmender  Qual,  der  eine  Weile  daueroe  \ind 
ihn  an  den  Hand  des  Selbstmords  brachte,  wurde  von  Wut  und  fildem 
Aufruhr  gegen  seinen  Pflegevater  abgelöst.  Seine  Männlichkeit  sowohl 
wie  sein  sittliches  Gefühl  waren  im  ^!^  Tief sten  verletzt.  In  die- 
ser Empörung  traf  er  seine  Entscheidting.  Er  schwor,  nie  wieder  Fuss 
tlber  die  Schwelle  dieses  Hauses  zu  setzen.  Er  brach  mit  seiner  Ver- 
gangenheit,  seine  Kindheit  *w^^3nm  endgültig  hinter  ihm.  Er  verlieös 
das  Ston*sche  Haus  in  der  Nacht,  um  nie  zurCl^zukehren.  Nie  wieder 
sollte  er  mit  einem  Mitglied  seiner  Pflegefamilie  zusammentreffen. 
Endgültig  war  dieses  Band  zerrissen.  Er  verschwand  aus  ihrer  Welt 
so  vollkommen,  als  hatte  er  nie  an  ihr  teilgenommen;  er  liess  keine 

spur  .urBok.       ^-^1^  j;iöä£U^ 

Dies  war  um  so  mögiirch^  als  die  Unruhen,  die  de«  Unaohangig- 

keits  Krieg  vorausgingen,  eine  Art  Untergrund-Bewegving  mit  sich 


:\ 


12) 


^^g^^^4^^J4r^c^e<A^Sga^[t^^ 


^Mi&^^/^   fanden  Hilfe  und  Beistand,  ja  wohl  auch  Beteiligung 

in  vielen  Schichten  der  Bevölkerung,  oftmals  in  Kreisen,  die  man 

nie  verdachtigt  hatte.  Es  ist  fast  sicher,  dass  Jephta  sich  der  q^daX,^ 

Bewegung  an.schloss.  i^S/p^J^i^\   aus  dem  Gefühl  tiefer  Empörung 

gegen  Mr.  Stone,  dessen  gesellschaftliche  Vorurteile  Jephta  selbst 

betroffen  hatten.  Er  wusste  Übrigens,  dass  sein  Pflegevater  und 

ito^t  seine  Familie  England  in  grtJsster  Loyalität  verbunden!  waren, 

was  wiederum  dafür  sprach,  dass  er  sich  den  Rebellen  anschliessen 


musste.  Die  Stones.'  gaben  das  Suchen  nach  ihm  erst  auf,  al3  sie 

Krieees  nach  England  'gingÄÄr  wo  sie  ^<^4Ä7lrt«* 


'/ 


verwandte  hatten,  die  ihnen  eine  neue  Heimat  schafften.  Sie  hatten 
nie  verstanden,  warum  ii«  geliebter  Pflegesohn  -  und  geliebt  war  er 
trotz  seiner  Farbe  -  sie  so  pH5t*^lich  verlassen  hatte.  Sie  glaubten 
an  einer  Unfall,  die  ihn  betroffen  haben  mochte,  oder  dass  er  einem 
verbrechen  zum  Opfer  gefallen  war.  Es  wäre  Mr/  Stone  nie  eingefallen, 
dass  er  sich  seiner  Stellung  als  Neger  nicht  ^/ollig  bewusst  gewesen 

.are*  ..^..^f^  ^'^^'i^^^^:iSZ^'ci''ch^£;pi^ 

als  seinen  Vertreter  in  cWpüälöi^Ä^^eAsrtJ^    schicken  J^eft«c 
Ji^e  ein  Zeichen  von  Gunst  und  Vertrauen  gewesen  undj^^auch 
ein  Versuch  Jephta  einen  Ausweg  aus  seinem  Leiden  zu  f^^f^kf-   Dass 
Jephta  darin  eine  Herabsetzung  seiner  menschlichen  Würde,  ja, 
seiner  selbst  ^^Mß^4p(m  sehen  musste,  wäre  jM^^s^if«^  den  Stones 


nicht  einmal  im  Traume  eingefallen. 

Und  Peggy?  Wer  wusste  schon  um  ihre  Traume;  oder  richtiger 
gesagt,  wer  kümmerte  sich  um  die  TrBume  eines  jungen  MS^ch^?^^^ 
Sie  wurden  nicht  ernst  genommen,  schon  gar  nicht  in  jener^Zeit. 


15) 

Sie  lernte  in  England  einen  in  Jeder  Beziehung  passenden  jungen 
Mann  kennen,  der  ihr  ein  angenehmes  Heim  bieten  konnte*  Sie  hei- 
ratete  \md  liess  sich  die  ehelichen  Intimitäten  gefallen*  Sie 
konnte  das  um  so  eher  ,  als  man  sich  auch  um  die  TrSume  jungen 
Frauen  damals  nicht  ktlmmfcrte,-  oilfayt^wenn  4i^4re- während  solcher  ehe 


liehen  Intimitaten  stattfanden.  Ihr  Kind,  allerdings,  war  nicht 
lebensfähig  und  starb  nach  ein  paar  Tagen.  Er  war  blond  und  blau 
öugig  gewesen  und  von  schneeweisser  Hautfarbe. 


II 


In  den  ersten  Wochen  und  Monaten 


HaaA  Xßv^u^  tCoicAi 


e   unmittelbaren 


Ereignisse  Jephtas  ganzes  Denken  und  Fühlen  in  Anspruch.  Er  muss- 
te  stSndig  auf  die-  seine  Sicherheit  bedacht  sein,  darauf,  sich 
zu  ernähren  und  ein  Versteck  zu  finden.  In  all  seiner  GUte  und 
Rechtschaffenheit  hatte  Mr/  Stone  Jephta  so  vtJllig  zur  Familie 
p;erechnet,  dass  er  verabsSumt  hatte,  ihm^Sü^-Scs li  isn   erklären > 
So  war-f  Jephtay  juridiseh  gesehen,  ein  Sklave,  nömlich  Mr.  und 


V 


/ 


Mrs#  Stones*  Eigentum.  Er  konnte  jederzeit  von  HÄschern  fest  ge- 
nommen und  seineJi^/rechtmÄssigen  Besitzern  gebunden  Überleben  werden. 
Er  musste  auf  der  Hut  sein,  immer  gewärtig  verraten  zu  werden. 
Auf  seinen  heimlichen  WanSrungen  traf  er  andere  Neger,  die  entlau- 
fen  waren. aber  auch  solcheidie  freigesetzt  waren.  Die  meisten  ka- 
men  aus  dem  Stlden,  wo  ihr  Schicksal  ein  wesentlich  andres  gewesen 
war  als  Jephtas.  ßle  erzBhlten  ihm  von  all  den  Leiden,  die  sie  er- 
lebt hatten,  von  Ketten  und  Peitchenhieber,  von  schwere/? Arbeit  auf 
den  Feldern,  Hungerkost  und  elenden  Hütten.  Sie  sprachen  eine  fremde 
Sprache,  die  oft/schwer  zu  verstehen  war,  da  sie  nur  Brocken  von 
richtigem  Englisch  enthielt.  Aber  er  lernte  sie  zu  verstehen  und 


14) 

sog  den  Inhalt  dieser  Berichte  in  sich  ein  \md  stärkte  damit  seinen 

Fntschlues, /Ifcu  kämpfen.  Denn  manchmal,  in  schlaflosen  Nichten,  ^»sjeBU 

I 

Gefühle  wach  und  wagten  sich  hervor,  die  er  am  Tage  von  sich  gestos- 
Ben  hatte;  weiche  Geftlhle,  ^hnsucht  nach  seiner  Familie,  nach 
seiner  Pflegemutter,  Peggy.jlmd  sogar /lÄf/Stone.  In  solchen  NHchten, 

* 

war  er  bereit  zu  verzeihen  -  ja  sogar,  um  Verzeihung  zu  bitten;  er 
musste  alle  seine  Kräfte  aufbieten,  nicht  aufzustehen  und  den  Weg 
nach  Boston  anzutreten.  So-JKar^Är^ie  Berichte  der  anderen  Neger  ^vMa^/h/' 
gut  und  nützlich;  sie  machten  ihn  hSrter  und  bestimmter  in  seinem 

j4ls^  er  erfuhr,_dass 


Entschluss,  für  dwl^i^eiheit  zu  kämpf en^. 


iifiivKrx 


ein  Neger  in  Boston  bei  einem  Aufstand^ett)tet/\war,Xals  einziges^ 
Opf er J  da  gab  es  keine  weichen  Gefühle  mehr  während  der  Nacht  und 
kein  Verzeihen  a^g^^^^kß^^^  ^o^^   Se^uu  i.-dU    fCy 

'  M  Er  war  nun  im  Dienst  der  Revolution;  und  da  er 

durch  seine  Bildung  und  seine  Kenntnisse  und  durch  eine  Gabe 
des  Redens  und  des  ZuhOrens,  wurden  ihm  bald  Aufgaben  zu  teil,  die 
seine  ZuverlHssigkeit ,  seine  Loyalität  und  sein  Geschick  a\if  die 
Probe  stellten*  Er  wurde  als  EmissaV  nach  New  England  gescaickt,  um  cpic^ 

Teute  für  die  Sache  der  Revolution,  [der  Freiheit  zu  werben.  Es 

* 

waren  guBstenteils  Bauern  und  Fischer  oder  Handelsleute. in  den 
kleinen  SStewifcit'^wHid  Dörfern;  hatte  und  mistrauische  Leute,  die  selbst 


wenig  sprachen,  aber  desto  besser  ziihörten.  Er  musste  vorsichtig 
sein,  musste  einen  Ansatzpunkt  ^^yl)^^^^^yi  finden,  denjenigen,  nttm- 
lich,  der  sowohl  selbst  denken  konnte  .und  auch  Einf  luss  hatte  :slUi  ' 
seineJ  Mitbürger^.  Manchmal  war  es  der  Pfarrer,  manchmal  der  Bürger- 
meister  oder  ein  Kaufmann,  in  dessen  Laden  die  -B««e«i  sich  gewohn- 
heitsmSssig  versammelten,  um  über  ihren  Fischfanf  oder  ihre  müh- 
seligen Farmarbeiten  zu  reden.  Aber  am  häufigsten  waren  es  die 


15) 

Lehrer  der  kleinen  Gemeinden^  die  eine  besonder«  Stellung  inne-   ._ 
hatten^  da  sie  gewöhnlich  auch  Schreiber  waren.  Sie  kannten  die  I^JnsäsUAi c 
Verhältnisse  |^u^^en~Bl:trl7g^8uchen,  die  sie^^auf  setzten -fttp 
feemeind-emitfeliedrf-  sie  wussten,  wer  reif  war  für  (H^i 

Ideell  ^fcei?  Gleichheit  -«ftd-Freiheit*/'§'ie~l?are^"arelbs"^f^^  ausser- 

^  l 

ordentlich  schlecht  besoldeten  Stellungen  und  daher  von  Beginn  gu- 
tes Material  ftlr  Jephtas  Überzeugende  Beredsamkeit*  -  So  kam  er 

'r  . 

Jis  JLan4l  immer  weiter  nach  dem  Norden  und  traf 

immer  wenige rrlSeiner  eigenen  Rasse  an.  Sie  waren  die  Kälte  nicht 

gewöhnt;  das  harte  Klima  brachte  sie  um^  besonders  die  Alten  und  cLCc 

ganz  jungen. 


W 
—  ^1 


In  einem  der  kleinen  Lager,  die  sich  im  Wald  gebildet  netten 


#8rM'  er  einen  greisen  Neger  mit  seiner  jimgen  Enkeltochter.  Der 

Ite  war  erschtSpft  von  seinem  Leidensweg. «ad  hatte  sich  eine  Lungen- 
entzündung  zugezogen,  die  mit  hohem  Fieber  einherging  und  ein  Weiter- 
ziehen unmöglich  machte.  Er  lag  auf  dem  schon  kalten,  spÄtherbst- 
lichen  Waldboden  \ind  sang  leise  mit  seinem  letzten  Atem  «I4*ej  tl^UgA%/i^ 
^M^eiodie.  Jephta  horchte  auf;  ein  merkwürdiges  süsses,  schweres  Ge- 
fUhl  Umspannte  sein  Herz;  etwas  ganz  f  Grosses  .Schattenhaftes  schien 
sich  in  seinem  Geist  zu  drSngen.  Fast?  konnte  er  eine  Form  imter- 
scheiden,  fast  sie  greifen  -  da  brach  die  Melodie  ab  und  alles  war 
ins  Dunkel  hinab  gesunken.  Er  kannte  diese  seltsamen  Geschehnisse; 
sie  ereigneten  sich  manchmal,  wenn  er  müde  war,  oder  auch  wenn  er 
Fieber  gft^OviltH:?  hatte;  irgend  etwas  brachte  diese^^^Ächattenhaite 
Formen  herbei  und  gab  ihm  das  GefUhl,  des  Wiedererkennend. Nie  war  ^s 
ihm  vergönnt  gewesen,|'zu|^erkennen,  was  es  wer,  dass  wiftderftpleanirtr 
^werd«^^ -3^1 1 1 e »  Heute  aber  war  es  anders;  er  war  sicher,  dass  er  die 
Melodie  erkannt  hatte;  dass  sie  von  weit,  weit,  her  kam,  aus  einer 


16) 


um  ihn  zu  fragen,  woher  die  Melodie  kam;  aber  es  war  zu  spftt^  der 
Alte  hatte  ^Mimtirl^^^  mehr\zu  sprechen,  viel  w enige r^'Sfü  s tügeir; 
Er  bftjbre  ^d4r#^JlugeEnp55^^      und  war  ^chon  dei^-Welt  entrückt.-;,^ 
Jephta  blieb  bei  ihm  sitzen,  twbeg-ihm  oaoc  Leil|(r"äie  Junge 


(^^kelinTv^r  sah  zum  ersten  Mal  den  Tod  in  unmittelbarer  W9he,  siBei^ 
er  war  noch  zu  o^^S*  ^^  ^^^  unentrinnbare  Geschick  des  Menschen| 
zu  begreifen,  Leila  sass  bei  ihmjimä^sie  musste  getröstet  werden, 
und  jemand  musste  sich  um  sie  ktlmmern,  da  sie  erst  16  Jahre  alt  war. 
Sie  konnte  nicht  einfach  hier  im  Lager  den  aufgeregten,  oft  wilden 
Mönnern  überlassen  werden,  MSnnern  die  sicH  von  ihren  eigenen  Frauen 
hatten  trennen  mtlssen,  die  es  vielleicht  nicht  so  genau  nehuiien  wür- 
den mit  einem  NegermHdchen,  wenn  sie  auch  Skrupel  hatten  einem  weis- 
sen Mödchen  gegenüber.  Sie  war  ein  liebliches  Kind;  hübsch  ge- 
wachsen von  hellbrauner  Hautfarbe,  eine  Mulattin,  deren  Mutter  von 
dem  weissen  Plantagenbesitzer  ins  Haus  genommen  worden  war.  Sie 
wurde,  als  sie  schwanger  war  mit  einem  Neger  verheiratet,  der  auf 
dem  Felde  arbeitete  lund  der  geduldig  trug,  was  der  Himmel  ihm  auf- 
erlegt hatte.  Aber  er  war  nicht  stark  genug  und  starb  Jxing  und  die 
Mutter  folgte  ihn  bald  nach.  So  blieb  Leila  allein  bei  dem  Gross- 
vater,  der  nur  einen  Wunsch  hatte,  zu  Äitf liehen.  Durch  Jahre  hatte 
er  ihre  Flucht  vorbereitet.  Leila  war  inzwischen  herangewachsen  und 
war  von  dem  Plantagenbesitzer  bemerkt  worden.  Sie  wurde  ins  Haus 
genommen,  und  man  lehrte  sie  alle  Verrichtungen  des  Haushalts, 
Kochen  und  NShen.  Eines  Nachts,  als  sie  vor  dem  Hause  stand,  hörte 
sie  ein  Wispern  neben  sich^  diftBin,  als  sie  erschreckt  aix^J;^Bum  faehen^    / 
jÄWidrt^  eliie(  süsse,  leise  Melodie,  dfci^^selfe^  die  Jephta  den  ster- 


benden hatte  summen  hören.  Sie  erkannte  den  Grossvater  an  dieser 
Melodie. 


17) 

Er  nahm  sie  bei  der  Hand  iind  flüsterte  ihr  zu,  sie  solle  ihm 
folRen^  es  sei  niin  so  weit,  und  sie  verlief  In  zusammen  die  PlantagBi 
um  die  grosse  Wanorung  anzutreten*  Sie  waren  -nun  schon  über  zwei 
Jahre  auf  der  Flucht.  Zum  erstenmal^  seit  seineft  A^lwaefei^  von 
Peggy  empfand  Jephta  ein  inniges ^  zartes  Gefühl  für  ein  MSdchen, 
ein  Gefühl  der  Rührung  über  soviel  Hilf losigkeit ^  soviel  ünbe- 
schütztheit  und  den  Wunsch,  sie  auf  den  Armen  zu  tragen,  zi   be- 
schützen,  für  sie  zu  kämpfen.  Er  giiatg--«4*--4iir- »-tt- einem  Pfarrer, 
der  §eH  im  Lager  war  luadr-it^e^e -s-i^h  mit  ihr  trauenSTV/Das  hin-  a,  7Z    T^ 
und  her  der  Flucht  und  der  darauffolgenden  KriegBenlThetiTUiTgen   [  ^^7^^/^ 
hatten  aber  die  Gesundheit  der  jungen  Frau  zermürbt.  Jephtas  Für- 
sorge /jRfcSy'VV^e  konnte  es  nicht  verhindern,  dass  sie  in  ihrem  ersten 
Wochenbett  starb.  Sie  hinterliess  ihm  einen  Sohn,  den  er  Benjamin 
nannte.  *  , 

Jephta  und  Benjamin  siedelten  sich  mit  den  anderen  39  Fa- 
milien in  RiMJ^M(30tiBga  an.  Eine  alte  weisse  Frau,  die  ihren  Mann  und 
ihre  StJhne  verloren  hatte,  hatte  sich  des  schwarzen  Babies  ange- 
nommen und  war  dann  mit  Jephta  auf  die  Insel  gezogen,  wo  sie  ihm 

* 

den  Haushalt  führte  und  sich  um  Benjamin  kümmerte.  Benjamia  v-ar 
übrigens  nicht  sehr  dunkelhSutig,  eher  olivenfarbtg- glich  er  seiner 
Mutter  mehr  als  seinem  Vater.  Er  wuch^j^uf  ( mit  den  Kindern  der 


^achbarn,J ging  mit  ihnen  zur  Schule,  wo  sein  Vater  ihn  wie  alle 
unterrichtete  und  tummelte  sich  auf  den  Wiesen  herum.  Als  er  heran- 
wuchs kannte  er  nur  eine  Leidenschaft:  die  See.  Er  konnte  Stunden- 
lang auf  den  Klippen  am  Ufer  sitzen  xmd  den  Anprall  der  Wellen  zu- 
sehen.  Er  kannte  sich  bald  in  den  Geze/ten  aus  ,  wie  kaum  ein 

Erwachsener  und  verbrachte  4^^  freie  -Stunde  damit  ^  .g^inon^  ^ 

,?n^  \^,flri  ihn  in  ein  CsnQ.a....zu_verw  angle  In.  Er  hatte 


r  > 


18) 

wenig  Interesse  für  Bücher  xmd  ging  nur  ungern  zur  Schule.  Auch 
darin  ^f»r  er  .s^br  ifaT^finhi^^pn  von  seinem  Vater*  Jephta  versuchte 
vergeblich  seinen  S-^hn  für  die  Dinge  zu  interessieren^  die  für 
ihn  seihst  so  wichtig  ^5#wf*4«n  waren.  Benjamin  wurde  ein  Fischer  , 


sobald  er  sein  Boot  fertig  gestellt  hattej  \|«U  er  fühlte  sich  auf 


dem  Wag^ser  zuhajise  und  -war-^^fla-  Iieb6^t^n-jft44;;— dee-^«^  zu^ 

^^"iTTlftP  f  1^^*^^^^^  ^^^  \/iAt:rPT>  y.n  flhi^-rmi  gr>b  war,  um  hinauszufahren,  sass 
er  daheim  und  knüpfte  seine  Netze,  fieine  Ktmeraden ^nd  Ar  hattejji, 

eine  ftpt\  Falle  ^AMj>U'iPriV*  ^^  Hummer  zu  fangen.  Diese  "Pallen  wurde4 
aus  Holzleisten  zusammengezimmert  und  mit  einen  kleinen  Netz  ver- 

..V  ^ 

sehen,  in  das  der  Hummer  hinein-  aber  nicht  wieder  heraus-  itonnte. 
Der  Hummerfang  hatte  sich  als  eine^Verdienstquelle  erwiesen,  da 
immer  wieder  Segler  anlegten,  die  die  Hummer  in  PSssem  mit  kaltem 
^.eewasser  verstauten,  so  dass  die  Tiere  lebendig  blieben  und  selbst 
nach  langen  Tagen,  Ja  Wochen  noch  frisch  auf  die  Tafel  der  Reichen 
in  Boston  oder  NewYork  gelangten.  Benoamin  verdiente  sich  also  als 
Hummerf isoher  seinen  Unterhalt,  tanzte  am  Sonnabend  Abend  mit  der 
übrigen  Jugend  entweder  auf  der  Dorf  wiese  oder  im  Versammlung8hsi;us, 
FTinc:  Sonntags  wohl  auch  zum  Gottesdienst  uad  bowarb^oioh  fii4--'di»    « 
«and'  elnes-^x^ungeil  MSdchena,  ntit  .rlftm  in>  tiufji,wmm'hHi>H  wap  u»d  die  er 

.rKNe^<       '  \>  .       .  ^  /  r  -     -»    >' 

seit   seinem  zehnte^^^LebensJahr  x^iebte*   «Föhn  und  ^ary  Carter  waren 


f.V.  ^Jephtta  vvon  jeher  zugetan  und  dankbar/ da  er  bilden  da 
^   rettet   hasfete,   alsNein  Tr^PP  engUrächer  S 


r^^9 


und  die  bei< 


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eben  ge--^^ 
en  sie  iimrinkt  hatte, 


V'^-^' 


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oren 


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,e  hatten  im  Lauf*  der 
Jahre   eine   tücXtige  und')B{^fot^eiche  Milchwirschaft  a\if  der  InsXl 

iS^itgl 


v.>  >     i  -^  '■^ 


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entwickelt  und  gehörj^en  zu  (ä^n  i^nge 


r  der  Gemeinde.^ 


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Eine   eheliche  VerbinOsung   IhrervTAChter  Calista   mit  Ben,iamin  war 


ihnen  sehr  wiHa)mmen,    Jephta  hiei\^grosse  Stücke   auf  das  MMdchen, 


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AK>v     (U^     Cc^^^^tdu^^  ^^  ^I/^hA-t, 


S^i^^ftfucip. '^^  .iM  ^^.^c^^^^Ut/iiA^^^k^js^  i,^_^^^ 


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9^U^  ,  ^ii^Ji     ÖUfcuo     i^r     ^^^U-i ::-  M'^tttt  *.— ^^ 


•e^  /Y- :  *^      ^c«^.^^,^it  ^ci^Jj  a  i.  trV.,    Vl 


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,  '^riobf^^"   B'ßb  tue    -'AüUja   ^bbci^   ""-Mii   ßitr!-r'/^    „  .!^'.      ■  rCiw  Tn'-^«f3    aenrii 


:*     0     ^ 


(-4^ 


19) 


und  er  hoffte   sich  eüien  guteii/Einf luss  auf  Benjainin  von''einer 


frühen  H^rat;  s 
jamin 


nd  dieser  Vereinigung  nL<f1its  \im  .Wege.      Ben- 
d  Cal^st^  warlen>^n  schünes  aber/mxch  rtlt;i4p.de s  Brautpaar; 


zwanzi 


Jahre  u^  sie  gerade  17 
r  nach  der  Eheschliessiing 


sie  w^i^en  X«i4^  so  äujar^»  er  wa, 
gewa^Ml'.  M  nachsjyen  sAmmer,  ein 

br^Kte  jefalista.^ein  TUch^erl&lfi/Zur  Welt.  Jephta  glaubte  in  seinem 
ganzem  Leben  nichts  liebreizenderes  gesehen  zu  haben  als  dieses 
Kindchen  mit  den  riesengrossen  grauschwarzen  Augen,  dem  feinen  el- 
fenbeinfarbenen Gesichtahen  und  dem  dunklen  lockigen  Haar.  Es  herr- 
schte grosse  Freude  in  seinem  Haus,  das  die  Kinder  und  die  alte 
Anna  mit  ihm  teilten.  Caliista  war  kräftig  und  erholte  sich  schnell 
von  dem  Wochenbett.  Sie  nShBte  ihr  Kind  und  pflegte  es  mit  Hilfe  der 
alten  Prau,  die  schon  Benjamin  aufgezogen  hatte.  Sie  tauften  das 
Kind  Hachel.  Jephta  liebte  sie  «it  ooinem  ganzem  Herzen ./»ris— 


zwei  Johro  alt  war  fahren  Oal/i 
Boot 


p  bfcii^^iBiTttirxyiX      JLaa 


^— we9-^e©<riiehe#-  wa  »*- 

^-  -  "  "       v?Sis^ 

lihre  Leichen  wurden  erst  10  Tage  spater  geborgen,*  Äse^adem  sie^ia 

einer  etwas  abseits  gelegenen  Bucht  angeschwemmt  «^yea-.  Das  Boot 
war  schon  mehrere  Tage  vorher  an  Land  getrielaen  ««aiBn.  Jephta  war 
weiashaarig  geworden;  er  hielt  sich  aber  aufrecht,  versorgte  seine 
Ämter,  schlichtete  Streitigkeiten,  unterrichtete  die  Kinder  und 
war  immer  bereit,  z  u  helfen  und  zu  raten.  Er  gehtSrte  nun  der  Ver- 
waltung des  Stadtchens  an.  Die  kleine  Rachel  abpr  war  das  einzige 
Wesen,  das  ihm  zum  lieben  geblieben  war4fa'äs  LeBelT^^  wert  gelebt 
zu  werden,  ijg»**««i  er  ^^r  sie  lebte.  So  vergingen  die  Jahre  und 


'•f 


Rachel  wuchs  heran.  Sie  war  recht  verwöhnt,  eigenwillig  aber  dabei 
von  einem  grosszugigen  \md  gutherzigen  Wesen,  ^^edoch  mit  starken 
Leidenschaften  begilbt;  sie  konnteAaus  Liebe  nachgebenoder_Ver^cht-i 
leisten, 


Selbstbeherrschxing  und  GehorsanVihr  schwer«  wurden.] 


20) 

Jephta  erzog  sie  mit  Liebe  und  Vernunft  und  war  Überzeugt  davon^ 
dass  keine  Strafe  mehr  bei  ihr  erreichen  konnte  als  der  Au3<lruck 
seiner  Enttäuschung  oder  einer  ihrer  geistigen  Entwicklung  ange- 
passte  Unterredung*  Die  alte  Frau  Anna  war  dem  reizenden  Kind 
völlig  ergeben,  Sie  konnte  auch  nicht  den  geringsten  Fehler  an  ihr 
entdecken,  ,ia  sie  fand  sogar  manchmal,  dass  Jephta  zu  hohe  Anfor- 
derungen  an  des  jvuige  Madchen  hab*4^,  besonders,  wenn  er  darauf  be- 
stand, dass  Rachel  nicht  nur  Lesen  und  Schreiben  und   etwas  Rechnen 
lernte,  sondern  ihren  Jungen  Kopf  auch  mit  anderen  gelehrten  Sachen 
füllte,  die  nun  einmal  ein  schönes, junges  Ding  nicht  interessieren 
konnten.  .j?«4ml4rCfegjüiiiwg  uinh  Jephtarmit  dem  Gedanken,  Rachel  als 
seine  Hilfe  heranzubilden.  Sie  sollte  einmal  die  kleine  Schule  tÄer« 
nehmen,  die  er  leitete,  sollte  die  Kinder  der  Farmer  und  Fischer 


unterrichten  und  in  ihnen  den  Wunsch  nach  Wissen  und 


Wahrheit 


anregen.  Vielleicht  war  Rachel  nicht  so  begabt,  wie  er  sich  vor- 
stellte, oder  vielleicht  war  es  wirklich  so  viel  natürlicher  — 
das  war  Annas  Meinung  —  dass  sie  sich  mehr  für  BUaus  und  Hof,  Wie- 
sen Und  Felder  und  spftter  für  Spinnen  und  Weben  und  Schneidern  interes- 
sirte,  Jedenfalls  hatte  Rachel  nicht  allzuviel  Geduld  mit  Büchern. 
Sie  fand  immer  eine  Ausrede,  um  schnell  von  Stuhl  und  Pult  aufzu- 
springen \md  sich  ein  Geschäft  im  oder  ausser  dem  Hause  zu  machen. 
Sie  lernte  aber  genug,  um  ihren  Gespielinnen  Eindruck  zu  machen  und 
half  sogar  oft  sowohl  Fremden  wie  auch  Freunden  mit  ihren  Aufgaben. 
Rachel  war  ausnehmend  beliebt,  nicht  nur  zu  Hause,  sondern  auch  im 
Ort,  ganz  allgemein,  vor  allem  weil  sie  liebreizend  und  anmutig 

und.  weil  sie  Jephtas  Enkelin  war.  Sie  hatte  ka\im  erkennbare 
negroide  Züge,  wenn  man  dasxkrause  Haary^r^^^  kooteanionf arbig  war^ 
und  den  etwas  zu  vollen  aber  kleinen  Mund  nicht  dafür  ansah.  Ihre 


Pc 


21) 

Augen 


|V^'U>^ 


4^  t-Wi 


KjL^i      U.^t<J^^   ^p^XX^.  ö  ci^AiLK  ^  C&,t     ixc     l'tKo^ 


£eu^  aAXi^j 


e^    ^ö^LiKi^ 


nen  Tor  hatten^  Sie  Awar  mittelgross ^  schlank  xind  von 
aus seiN^ewtJhnl icher  Grazie  und  körperlicher  Geschicklichkeit.  Sie 
trug  ihren  kleinen  Kopf  sehr  stolz  auf  e ine nrj  sehr  zierlichen,  langen 
Hals*  A?»uk  die  Qrooüoltern  Partei  liebten—ai-»^  konnte»  oioh  aber  ^ 


nich 


:(g  an  diesem  Enkelkiira  erfreuen^ 


einerJ[jQÄha 


—  Die  Milchwirtschaft 


ging  nach  ihrek  Tod  an  ±nren  Sohn,  Jonathan,  Rachels  Onkel,  über, 
der  mit  seinen  eilsenern  Sorgen  und  seiner  wachsenden  Familie  be- 
schäftigt, nur  wenagNlnteresse  an  seiner  Nichte  nahm.  Auch  lebte 
er  einige  MeiLra  ausserhalb  des  schnell  gewachsenen  Ortes  und  Besuche 
erforde rten/gewtJhnl ich  Zeit\  einen  Wagen  \md  Pferde  land  fanden  daher 


im  Ort»! Ate 


V^ 


nur  um >dle  Zeit  der  grossen  Pesttage  statt.        ^ 

Mit  16  Jahren^ wan  Rachel  einCder  begehrenswertesten  Mädchen 
jungen  Louto  riccen  sich  darum^,  mit  ihr  zu  tanzen-.  J^ie 
tanzte  gerne  xmA   sie. lachte  gernei^ab^r  ^ie  hatte  ihr  Herz  noch  nicht 
entdeckt^  aitflSÄFTÄhrrTB  dU»eh  konnte  man  inr,  schon 

\jf^r^r^   1  a -i r^ nnnnh n ^hn ff h^n  OMmy-m^^mi^   nnnnhftn.  An  einem  Sommersbend, 

bei  einem  Tanz  auf  der  Dorfwiese  wurde  ihr^Matthias  , vorgestellt. 
Sie  ^Buias^e-  ihm  wohl  gefallen  hiufee»-,  denn  er  bat  sie  fast  um   jeden 
Tanz.  Er  war  ein  grosser  blonder  Junger  !\/rann  von  germanischem  Typ, 
mit  weizenblondem  Haar  und  heiblauen  Augen.  Er  war  braungebrannt 
und  seine  Züge  zeigten  eine  gewisse  SchÄrfe,  die  weniger  von  Natur 
als  durch  Erfahrungen  erzeugt  schien.  Obgleich  er  erst  25  Jahre  alt 
war,  schien  er  Rachel  sehr  viel  erwachsener  imd  männlicher  als  die 
Burschen,  mit  denen  sie  täglichem  Umgang  pflegte.  Seine  Aufmerk- 
samkeiten, sein  deutliches  Vl^hlgefallen  an  ihr  und  seine  Fremdheit, 
Ja  sogar  die  ihm  eigene  Art  Englisch  zu  sprechen,  gefielen  ihr 


22) 

ausnehmend.  Nachdem  sie  sich  von  ihm  getrennt  ^^J^'^^p}^}^'!^^, 


ttcc 


fGef Uhl  Xn  ihrer 


wach  in  ihrem  Bett  \ind  dachte  an  ihm,  mit  ein( 

C  daa  fefä^z^neu^d  l^r^imr^SwiV  Matthias  hatte  auf 
seinem  Segelboot  am  frtlhen  Morgen  achon  RimMib  » in  verlassen;  auch 
er  hattfi  die  Nachii^Ubej^an  ««ripe  junge  Trmifaptnerin  gedact^t.  Aber 


ol  ,\ 


^  er  nattfi  aie  «acni^uD&x  .»xi  x^j-^^  S/   "^  ä   ^ 

tftAo  Verlangenpieftig« 
Ragkhayen^  tliebi 


berten  ihm 


wieder  die  entzückende  Gestalt,  das  kleine  herz- 
förmige Gesicht  mit  den  goldenen  Augen  und  dem  vollei|1«mdvor.  Er 
war  allein  auf  seinem  Boot,  das  beladen  mit  jeglicher  Fracht,  die 
es  halten  konnte,  weiter  nordwärts  segelte. 


III 


war 


Matthias  war  unter  einem  glücklichem  Stern  geboren.  |^^ 
schon  daraus  ersichtlich,  dass  er  seine  Kindheit  Uberlebt^^r 
stammte  aus  Hamburg,  Sp  war  der  Älteste  Sohn  eines  Fuhrwerk  Se- 
sisitzers  und  Transporteurs,  der  ein  brutale»,  selbstsucht^iAer, 


und  hatte 


häufig  Hfrandel  mit  ondoren-,  besonders  wenn  e 


ßuH 


getrunken  hatte.  Seine  Frau  war  eine  dchUchterne  Person  mit^zart. 
liehen  Anlagen^» ttwtwtr^  die  ihm  wie  eine  Sklavin  gehorchte,  sein 


Bett  mit  ihm  teilte,  wenn  er  es  bef ahl|  und  vor  ihm  zitterte.  Nur 
heimlich  wagte  sie  es  ihre  Zärtlichkeit  den  Kindern  zu  zeigen. 
Matthias,  der  9^W>»t  die  Prttgel  seines  Vaters  als  seLbsWerstand-^ 
lieh  (St^lbverdient/fTTTV^^^^i  IJtgbtySjlitg  Mut4<ei  ae  Icidenoohaft- 
iWLb.  dAnn  er  in  unbMnfJliro  Wnt?"  rftirit^,  wona  #r  oahf  aasB 


25) 
^^^l^^yk<%li|)iiM ^\ l'^Httf ' h  das  verhinderte  aber  den  brutalen  Christian  V/itte 

nichts  sie  zu  schlagen  zu  beschimpfen  oder  seine  Lust  an  ihr  zu 

befriedigen,  wenn  seine  Laune  ihn  dazu  trieb.  Als  Matthias  15  war, 

hatte  er  5  lebende  Geschwister  und  eins  war  wieder  auf  dem  Weg, 

sieben  Kinder  waren  kurz  nach  der  Geburt  oder  in  den  ersten  Lebens- 


;jahren  gest 
die,,anfiftyn  F>  a 


c.ie.|annftyn  h 


^'^        Cllu^       H.LjuI 


heranwuchs 


oLd^-^-^UULM^ 


V/ 


taßiMnv^Lex- 4fhö  stttndig 


blBliei'  eb  -njoht  f erti 


^JU&4-  tv    ^^^^^^-t^^^-.^LM-'^^  ^^-^-^o      ^^^    2"^  «^-oc/LJT/^j-fi-^ 


ycht.  dey  Mutter  wegen 


iSSÄi^rin  ^^^  Hoffnung  ^ 


bis  sich 


64^ 


eben« 


für  sie  eine  Gelegenheit  _ 

^Empömuig I Eke 1  und  Entsetzen  erkennen,  dass  sie 


bei  ihrem 


Mann  zu  bleiben  gedachte  trotz  der  Roheit  und  Mishandliing.  die  ihr 
Teil  der  Ehe  war*  In  ooineg  VorBwciflxmg,  Wachdem  ev   wieder^ einmal 
aus  dem  Schlafzimmer  der  Eltern  wilde,  ihm  iMAWüiuliUiidlluhu  GerSusche, 


die  ihW  niit  Angst  und  Hass  erfttlltfin,  htJren  musste,  beschloss  er 
seinen  Fluchtplai^  durch  zutVJciren . (fn   dery\Nacht,  die  Stiefel  in  der 
Hand  tragend  schlich  er  sich  die  Stiegen  herunter. nahm  aus  der  Speise- 
kammerrein  Brot  mit,  öffneterd^ie"  schwere  HaustUre  und  i»e«('im  Freien« 
Er  war  aber  noch  nicht  frei,  denn  noch  konnte  ihn  der  Vater  selbst 

zuUckbringen.  solanee 

er  auf  Hamburger  Gebiet  war.  ^fi^HWö^^^  ir(lm  Dunkeln^ und  nur  der 
Mond,  der  manchmal  zwischen  zwei  schwarzen  Wolken  hind\irchschien, 
zeigte  ihm  an^  wohin  er  lief •  Stxmden  mussten  vergangen  sein,  denn 
das  Dunkel  lichtete  sich,  \md  er  sah  die  schweren  Umrisse  der  Bauern- 
wagen, hörte  den  gleichmassigen  Trott  der  Pferde,  die  die  Wagen  zum 
Markt  zogen.  Er  fürchtete  sich  gesehen  zu  werden  aber  fUrchtete  sich 


24) 

auch  vor  der  dänischen  Grenze,  deren  Überschreitung  sein  Ziel  war. 

Glücklicherweise  war  es  neblig,  so  dass  selbst  der  hereinbrechen- 

de  Tag  nicht  lichte  war  und  Matthias  Sicherheit  ^llzusehr  gefghr- 


i^^^U^T  M^x-4  A-u-V»^  .Ue^**<- 


f^    -'-      -f        '  •      • -^ --J-  -""r  konnte^icht  mehr  weit  von  der 

Grenze  gewesen  sein,  als  ein<  geschlossene^litni f ac<"  von  i  schtJnen 
Pferden  gezogen^mit  einem  Kutcher  und  Laqai  vorne  auf  dem  Bock 
und  vielen  Koffern  rückwärts  angobraeht . herannahte «  Als  Matthias 
die  Koffer  sah,  **fe=-eT»,'(Ws.er^\oft  im  ausgelassenen  Spiel  getan  ^xjluc. 

hangt ^v/sich  rückwärts  an  den  Wageny.<t»BB.  cvu.^ 


schwang  «^  sich  mit  einer  letzten  Anstrengunjg  auf  die  Koffer 
/«"ItaBd/^inen  ausreichenden  Platz  zwischen  ihnen^^nsc  he  inend  waren 
die  Insassen  de^  Equipace  den  Zollbeamten  gut  bekannt,  denn  sie 
liessen  Wagen,  Koffer  und  Matthias  passieren,  nur  mit  Scherzworten 
an  den  Kutcher  8*Ä«-ohne  i^iVinzuhalten.  Matthias  war  nun  im  Dä- 
nischem; er  machte  seinen  Weg  vm.   nach  Glückstadt,  das  oberhalb  ' 


Hamburgs  an  der  Elbe  lag  und  ein  Hafen  für  Skandinavische  Schiffe  war, 
die  nach  allen  Hftfen  Europas  aber  auch  nach  denen  der  neuen  Welt 
segelten.  Bald  ergab  sich  eine  Gelegenheit  für  ihn,  auf  einem  Nor- 


weger als  Schiffsjunge  geheuert  zu  werden. 


aoin — - 


^^»j^'guKui    or krankt  wa-r^.    Der  7;alf  is^h  unter  der  Führiang  von  Kapi- 
tän  Hilgerson  Jja^delte  nicht  nury^Kohlen,   die  er  nach  Spanien  brach- 
te,    sondern  ^4fi  viel  wertvolleren/  Gut_,   das  er  in  Nprdafrica  auf- 


iren  Noga 


schwarzes  Elfenbein  bezeichnet  und  geführt  wurden.  Matthias  war 
an  Brutalitat  \md  Mishandlung  gewohnt,  w%s  er  aber  von  selten  des 
Kapitäns  und  ersten  Steuermanns  fty»«*»-,  und  was  er  aitaaiBehen  muoote. 


0 
f 


liess  ihn  manchmal  fast  wünschen,  wieder  daheim  zu  sein#  Er 


25) 

"brauchte  sich  *«i«fr-a"ber  niir  das  Gesicht  seines  Vaters  \ind  seiner 

Mutter  hüffmmiTBlnnnyfTi  ^* |  ^"^   ihrem  schweren  körperlichen  Zu- 

stand  vorzustellen,  «ftd  Hilgersons  Pratze  ftjqrhi»n  ih»  fast  mensch- 
lichVUn^en'im  Bauch  des  Schiffes  lagen  die  Neger,  wie  einst  Jonas 
im  ^rcprtocl  tohom  Walfisch,"  aber  sie  lagen  in  Ketten,  MSnner,  Frauen 
imd  Kinder.  Die  Kinder  taten  ihm  leid,  denn  sie  hotten  um  keinen 
Preis  entkommen  können,  und  es  wSre  besser  gewesen,  wenn  sie  nicht 
geboren  worden  waren.  Manchmal  schlich  er  sichCliSTuhd  gab  ihnen 
etwas  von  der  immer  spärlichen  Wasserration.  Die  Kinder  schienen 
2u^»rkennon  tmd  sich  nicht  vor  ihm  zu  furchten,  sondern  ihn  gern 
zu  haben.  Aber  er  setzte  sich  argen  Strafen  vmd  schweren  PrUgeln 
aus.  da  es  der  Mannschaft  verboten  war,  unbefugt  sich  dem  targo  zu 

en- 


bein  bestand.  Als  die  Mishanainng  linftrtrnglirih  miT*(ip>,  biss  Matthias 
den  Kapitän < 4t  b ttr-on ~i-hm=^v»3r3bg«g- ins  Bein.  Der  Kapitän  schrie 
auf,  liess  ihn  gehen  iind  alles  rannte  herbei,  um  die  Bisswunde  zu 
versorgen.  Matthias  wurde  nicht  mehr  geschlagen;  er  konnte  es  sich 
nicht  anders  erklären,  als  dass  er  endlich  eine  Sprache  gefunden    , 
hatte,  die  sein  Kapitön  verstand  xmd  dass  dieser /8iTs~seinesgieichen 


ansah.  In  New  York, 


r lyrrTTty fa»  ^  gelang  es  Matthias  an 


Land  zu  gehen  und  im  Gewirr  der  Grossstadt  zu  entkommen.  Er  war  nun 
nicht  nur  ein  flüchtiger  Knabe,  der  das  Elternhaus  unbefugt  verlassen 
hatte,  sondern  ein  Verbrecher,  der  seinem  Schiff  und  seinem  Kapitän 
entlaufen  war.  Fr  musste  sich  vi«j?e%-e«ireirfund  wSre  wohl  umgekommen, 
hatte  nicht  ein  gütiges  Geschick  ihm  den  Skipper  Petersen  zugeführt. 


<5it>V 


den  Jimgen  völlig  erschöpft  an  einer  Strassenecke  1  legen -^i-ut^. 


26) 


t^ 


(Geschichte  4^Ä.^c^*v- 


^tltterte  er  ihn,  pflegte  ihn  \md  liess  sich 
»rgPhilf^:  sogar  die  Episode  vom  Beinhiss  erzahlte  ihm  Matthias 
und  Peter  Petersen  konnte  sein  lergntlgen  daran  nicht  verhehlen. 
Als  Matthias  sich  erholt  hatte,  machte  ihm  Petersen  den  Vorschlag  . 
fluf  sein  eitrenes  flohlff  zu  kommen.  Er  sei  nur  ein^Zwoiaaotor,  aber 


nu^^ 


durchaus  zureichend.  Er  brauche  aberAeine  üana^una  Macxjnxas 
thm  utiii  garrhaffnr  Er  warnte  ihn  allerdings,  dass  es  kein  leichtes 
Leben  sei,  dass  man  das  Meer  lieben  müsse,  Ja  dass  man  es  im  Blut 
haben  müsse,  um  dieses  Leben  auszuhalten,  gäbe  es  doch  kein^uhause 
als  eben  das  Meer,  selbst  wenn  man  sich  hie  und  da  irgendwo  auf- 
hielte, wie  er  es  jetzt  tue;  das  sei  aber  nur,  weil  sein  Schiff 
einige  Reparaturen  brauche.  Er  schilderte  Matthias  die  Hörte  des 
Lebens,  dem  er  entgegenseh,  die  Entbehrungen  und  vor  allem  die  Tat- 
sache, dass  ein  Leben  auf  dem  Wasser  keine  bestandige  Beziehung 
ZU  anderen  Menschen,  besonders  nicht  zu  Frauen  zulasse.  Denn  sol- 
che Beziehiingen  ziehen  den  Schiffer  ans  Land  zurück,  machen  ihn 
unzufrieden  und  unglücklich.  In  diesem  Zustand  aber  sei  man  geneigt 
unachtsam,  Ja  unvoriichtig  zu  werden. 

Matthias  sog  alle  diese  Worte  in  sich  hinein.  Zum  erstenmal 
in  seinem  Leben  sprach  ein  erwachsener  Mann  mit  ihm  wie  zu  einem 
Gleichgestellten*  Er  wSre  für  Petersen  durchiPeuer  gegangen.  Es 
war  sein  Glück,  dass  Petersen  zumindest  in  Bezug  auf  die  meisten 
Dinge,  ein  anstandiger  xmd  grossherziger  Mensch.  Er  hielt  nicht 
viel  von  Frauen  und  hatte  Matthias  angedeutet,  dass  eine  Reihe 
unerfreulicher  Erfahrungen  für  diese  Eins teil nng  verantwortlich 

^.  So  suchte  er,  wenn  sie  an  Land  waren,  nur  die  kSuf liehen 


Mädchen  auf  und  schien  damit  ganz  zufrieden  zu  sein.  Seine  freund- 


27) 


o^puotet -er  schien  den  jungen  Mann  an  Sohnes 


schaftlxche] 

zu  Matthias 

statt  anzunehmen  und  schien  es  zu  geniessen.  dass  er  ihm  b^c^s^a^    s  Luu, 
was  er  »uootQ^sei  »a  Wronrf^egein^  ü^ischen  oderdie  Welt  im  All- 
gemeinen  mitamteilen  juil  '>w  J  '"ftijilTil  Matthias  war  ein  begabter  \md 


gelehriger  Schüler.  Er  konnte  bald  das  Boot  ebensogut  handhaben 

verwaohseu* 


wie  der  Skipper  und  fühlte  sich  völlig  mit 

Bald  nachdem  er  Petersen  getroffen  hatte,  d.h.  noch  in  New  York 
hatte  er  seiner  Mutter  geschrieben j um  ihr  weiteres  Sorgen  'im  ihn 


zu  ersparen. 


erste  Nachricht  nach  seiner  gluo  ht, 
ULL-tat  na  oiir  Anraten  von  Petersen. /TNach  i/T^Joju. 


Wochen,  als  sie  wieder  in  N.Y.  eintrafen,  erhielt  er  eine  Antwort. 
Sie  dankte  ihm^  und  Gott,  der  i^/^^gen  erhalt   h^t^t^e^^r^die^^  ^^ 
Nachricht  aber  flehte  ihn  an,  nicht  mohp  zu  schreiben, fda  sein^^^^-Ji{f^  ^^  ^ 
Vater  isoaa*  in  seiner  Wut,  sie  erschlagen  möge.  Sie  habe  nach  dieser 


ersten  Mitjje 
Wochen 


unter  seinem  Zorn  so  leiden  mUssen,  dass  sie  seit 
htttetOi^  ÄUi/älierdings/gabe^  feter ^. iej^j^^ejae nh e i 


diesen  Brief  durch  eine  Nachbarin,  die  üMah  ihi  ürliuiite,  heraus- 


zuschmuKßeln.  Von  seinen  Geschwistern  seien  nur  noch  5  am  Letoen,  da 
die  anderen  drei  durch  eine  schwere 
den  seien.  Auch  sei  das 


g  zu  Gott  berufen  wor- 


m  einem  sehr  geschwacSten 
Zustande  Sie  habe  ihn  Christian  Peter  genannt;  den  letzteren  Namen 
habe  sift  Matthias  Skipper  zu  Ehren  gewShlt.  Wolle  Gott  das  Kind 
erhalten.  Er  tröste  sie  über  Matthias  Abwesenheit.  Sie  bat  Matthias, 
sie  nicht  zu  vergessen,  barmherzig  zu  sein  und  nicht  mehr  zu  schrei- 
ben  und  an  sie  zu  denken,  wenn  er  sein  Abendgebet  •«teSStt.  Auch  er- 
mahnte sie  ihn. gut  iind  sittlich  zu  bleiben  und  Gottes  Gebote  zu 

I 
befolgen.  Durch  Jahre  hindurch  erfüllte  Matthias  wenigstens  einen 


28)         \,  CL IC  a^<y^^  [  t't^ 

Teil  ihrer  Bitten;  er  vergass  sie  nicht,  er  dachte  an  sie 


^omi  'cT*Dcin  A*«reK^ebet  verrichtete.  Da  er  aber  Gottes  Gebote 


nicht  halten 
«^  betete  er 


xind  nicht  gut  und  sittlich  bleiben  konnte, 


h  nicht  mehr^  ._  .  .      _      _         ^ 


ä4^  1(Ult4$4A 

Nach  sieben  Jahren  starb  Petersen  an  einer  L\ingenen.t zUndung ; 

da  er  niemanden  asser  Matthias  auf  der  Welt  zurUckliess,  hinterliess 

er  ihm  das  Schiff  und  die  wenigen  Besitzttlmer,  die  er  während  seines 

einsamen  Leben  angesammelt  hatte,  i^^arit  S<l^ift  K^'  tuü  lglll^Jft.■lt^^«-- 

««&  war  Matthias/ganz  auf  sich  selbst  angewiesen.  Geld  hatte 
Petersen  ihm  nicht  hinterlassen,  »«- hiess  es  es  denn  entweder 
weiter  zu  fischen,  vielleicht  sogar  einen  Partner  zu  finden,  da  e» 
allein  wohl  kaum  mit  Boot  \ind  Fischen  fertig  geworden  ware|  oder 
sein  Boot  für  «tdere  Geschäfte  zu  benutzen.  Auf  ihren  vielen  Fahr- 
ten  entlang  der  langen  und  wechselnden  KUste  hatte  Matthias  *ie- 
Augen  offen  gehabt;.  Er  hatte  sich  gemerkt,  was  die  Bedürfnisse  der 
verschiedenen  KUstenbevülkerung  war,  so  dass  ihm  diese  Beobach- 
tung nun  gut  zustatten  kam.  Er  wurde  eine  Art  Agent,  schaffte  von 
Norden  nach  SUden,  von  Süden  nach  Norden,  von  einer  Insel  zur  an- 
deren dieöenAgen  Dinge,  die  am  notwendigsten  gebraucht  wurden;  ja, 
er  führte  auch  Waren  mit  sich,  die  nicht  wn  d^Q.  Lebensnotwendigen 
zahlen,  sondern  das  Begehren  des  Beschauenden  erregen  und  sie  da- 
durch zum  kaufen  verfUhrea Rollten'.  Kleiderstoffe  und  Hauben 
oder  hübsche  Tüicherf'MesserfÜr  die  Manner  oder  wohl  auch  Spiri- 
tuosen, manchmal  handp;ewebte  Teppiche  .oder  gekltJp^elte  Spitzen, 
Zuckerwerk  und  Obst  aus  dem  S'üden,  dasTti^hJ; \y%3i^ ^ .  Bald  machte  L. 


er  die  Erfahr\mg,  dass  jede  Ware  sich  verkaufen  liess,  wenn  man 


29) 

nur  don  rechten  Kunden,  den  entsprechenden  Markt  kannte.  Sogar 

Tiere,  Himde,  Katzen /Tanninchen  konnte  man  ljajsw««dani  ja,  sogar 

kleine  Negerkinder.  Im  Süden  wurden  Negerkinder  gerne  gekauft;  sie 

brachten  nichti,  allzuviel  ©in,  da  ihre  Arbeitskraft  nur  eine  pg^en 

Iß   war^der  Käufer  sie  füttern  musste  und  keine  Garantie  dafür 
Ue 


JtiAllt 


,  dass  sie  ein  nützliches  Alter  erreichen  würden,  ^ber  auch 


junge  Kinder  können  schon  etwas  arbeitend  fast  wie  im  Spiel  be- 
merkten sie  wohl  nicht  einmal,  dass  es  Arbeit  war.  Nun  war  Matthias 
kein  wirklicher  Sklavenhändler,  zumindest  würde  er  niemanden  erlaubt 

haben,  ihn  des  Sklavenhand^s  zu  bezichtigen.  Es  geschah  auch  nur 

"U^-xJUjUi,  d*^t   ^*^«v<4-v^  tc^iXu^  I4iu.c^kx<i  ^^t>MK4-i^ 
selten,  »•"«  ^«ini  r.r>.ahw.ftmnrta  tlrint^  •ingetraf  n-war.  dass  er 


ein  paar  Negerkinder  auf  sein  Boot  nahm.  GewtShnlich  geschah  das  in 
New  York,  wo  kleine  Kinder  in  Mengen  auf  den  engen  schmutzigen  und 
übervölkerten  Strassen  spielten.  Niemand  schien  sich  um  sie  zu 
kümmern.  Matthias  sagte  sich,  dass  die  schwarzen  Eltern  ihre  |(leinen 
i^Äff-  nichty^ vermissen  würden,  vielleicht  sogar  froh  wSren,  einen 
hungrigen  Mund  weniger  füttern  zu  müssen.  Er  hatte  die  kleinen 
gerne,  und  er  war  gut  zu  ihnen,  gab  ihnen  Süssikeiten 

i^[(|an 

nicht  eigentlich  sagen,  dass  er  sie  stahl.  Er  hatte  nie  ein  Kind  mit 
Gewalt  entführt,  dessen  war  er  ganz  sicher.  Die  Kinder  mus st en  na- 
türlich  in  der  iaSiÄ«  sein,  wenn  sie  sich  einem  Hafen  näherten, 
damit  sie  nicht  gesehen  würden  und  unnützer  Verdacht  eXEjOgt  würde. 

r 

Zu  diesem  Zweck,  und  auch  wenn  sie  am  Abend  unruhig  wurden  und  zu 
ihren  Müttern  wollten,  hatte  Matthias  Opiumtrop^en  bereit,  die  er 
einmal  ^on   einem  Arzt  erhalten  hatte,  als  er  an  Dyssenterie  erkrankt 
war.  Die  Tropfen  wirkten  Wxmder,  die  Kinder  schliefen  "tacSB^fegt-  ein. 


Matthias  brachte  sie  nach  dem  Süden,  wo  die  von  irgendeinem  Plan- 


30) 

tagenbesitzer  erworben  wurden*  Er  dachte  gerne  daran^  dass  sie 
n\m  im  freien  Feld  an  der  frischen  Luft  sein  würden ,  statt  in  den 
tätlichen  Strassen  der  Grossstadt ^  und  dass  es  ihnen  vergönnt  seii^ 
ytliAe  ein  gesunderes  Leben  zu  führen*  Auf  diese  Weise  ersparte  er 
sich  Gewissensbisse;  im  Gegenteil  letzten  Endes  konnte  er  sich  sa- 


gar  als 


Wohltater  vorkommen.  Er  hielt  aber  dennoch  diese  gele- 


gentlichen HandelseigentUmlichkeiten  streng  geheim;  niemand  schien 
eine  Ahnung  davon  zu  haben*  Sein  Verdienst  war  kein  sehr  grosser* 
Ptir  junge  Erwachsene  wurde  weit  mehr  gezahlt^  aber  zu  Erwachsenen 
hatte  er  nicht  die  verführerisch  warme  Beziehung  wie  zu  Kindern 
\ind  wusste  gar  nicht ,  wie  er  sie  auf  sein  Schiff  hatte  bringen 
künnen*  Auch  erinnerte  er  sich  noch  an  den  Walfisch  \md  die  schreck- 
lichen Dinge,  die  er  dort  mit  angesehen  hatte*  Nein,  sie  muösten 

« 

freiwillig  zu  ihm  kommen,  mit  Gewalt  wollte  er  nichts  zu  tun  haben* 
Auf  seinen  Fahrten  nach  Ä  dem  Norden  war  Matthias  auch  zu  den 
Inseln  in  Maine  gekommen  und  hatte  RflWÄSHpfl«  kennen  gelernt.  Ihm 
fiel  auf,  dass  die  Insel  aus  Granitfelsen  bestand  und  seine  Ein- 
bildung begann  sich  mit  den  Möglichkeiten  dieses  Gesteins  zu  be- 
schäftigen* Er  verschaffte  sich  so  viel  Information  Über  die  Ver- 


wendungsmöglichkeit von  Granit tals  es  ihm  möglich  warH 

Je  mehr  er  darüber  erfuhr,  je  sicherer  war  er,  dass  er  auf  eine  ganz 

grosse  Zukunftsmöglichkeit  cestossen  war*  Es  musste  möglich  sein, 


den  Granit  zu  schlagen  und  ihn/zu 


/«K 


iogon,  wo  man  ihn  brau- 


chen konnte,  hatte  man  doch  sogar  Marmor  geschlagen  \ind  befördert* 
Granit  wurde  seine  Passion,  er  trHumte  sogar  davon.  Er  kehrte  immer 
wieder  nach  Rtf^MtfritsooL  zurttck,  wo  ihn  die  Fischer  und  Farmer  gerne 
sahen,  da  er  ihnen  Neuigheiten/^vom  Festland  brachte*  ftio  ka^iften 
aueh  wohl  manche  seiner  Waren A^^^^J^  i^J^  ein  mit  ihnen  zu  trinken 


51) 

und  scherzten  über  sein  Interesse  an  ihrem  Granit.  Sie  wurden  aher 

bedenklich,  als  er  Land  kaufen  wollte,  dass  fast  nur  aus  ^teeem 

Gestein  bestand.  Sie  wollten  seine  Besessenheit,  die  sie  für  eine 

Art  Wahnsinn  hielten,  nicht  ausnutzen.  Aber  schliesslich  gaben  sie 

nach.  So  erwarb  er  sich  denjenigen  Grund. auf »dem  spöter  die  ersten 


Steinbruche  entstand^!,  Nachdem  er 


oft  genug  in  R 


angelegt 


hatte,  wurde  er  schon  regelmässig  erwartet  tmd  fast  als  ein  Zuge- 

4 

htJriger  angesehen.  So  geshah  es  denn  auch,  dass  er  zu  Jenem  Tanz 
gebeten  wurde,  auf  dem  er  der  j\uigen  Rachel  begegnete. 

Matthias  war  nicht  unschuldig  geblieben,  was  Frauen  anbelangt. 
Er  hatte  normale  Bedürfnisse  und  war  oft  in  Hafenschenken  einge- 
kehrt, \m   sich  ein  MSdchen  mit  aufs  Boot  zu  nehuen.  Aber  er  war 
auch  einige  Male  recht  heftig  verliebt  gewesen,  gewöhnlich  aller- 
dings in  etwas  altere  Frauen,  die  schon  Erfahrung  hatten  und  bereit 
waren  diese  Erfahrung  mit  dem  jimgen  Burschen  zu  teilen.  Es  war  ihm 
nie  der  Gedanke  an  Heirat  oder  Sesshaftigkeit  gekommen;  seine  Be- 
dürfnisse waren  bald  gestillt,  und  seine  Verliebtheit  liess  ihn 
keine  Narrefei  begehen.  Er  hatte  §;Lch  lie  Warnungen  seines  wohl- 
meinenden 


Aber  mit  Rachel  schien  es  anders  zu  sein.  Sie  war  sehr  jung, 
unberührt  4nd  wohl  behütet,  ja  es  schien  ihm,  als  ob  der  ganze  Ort 
ItoolihoTiP  ato  junge  Rachel  bewachte.  Bei  ihrem  zweiten  Zusammen- 
treffen sah  er  ihren  Grossvater;  nun  erst  bemerkte  er,  dass  Rachel 
eigentlich  eine  Farbige  war.  Er  wurde  Jephta  vorgestellt,  der  sich 
sehr  zurückhaltend  gegen  den  jxingen  Mann  benahm  und  ihn  nicht  in 
sein  Haus  einlud.  Jephta  wer  ein  besonders  gastfreier  Mann,  so  dass 
dieses  Verhalten  einem  Fremden  gegenüber,  der  deutlich  die  Sympathie 
seiner  Enkelin  und  der  ganzen  Ortschaft  genoss,  recht  tmgewühnlich 


52) 

war.  Wahrscheinlich  machte  die  Liebe  zu  Rachel  den  alten  Mann 
hellhöriger  und  feinfühliger  als  die  anderen  Leute.  Er  mistraute 
Matthias,  ^a   er  fUhlte  sogar  eine  ausgesprochene  Abneigung  cregen 
den  Jungen  Mann,  die  er  nicht  begründen  konnte*  Bg  bogrUfoto  oo, 
(fass  Matthias  bald  wieder  die  Insel  verliess  um  seinen  Geschäften 
nachzugehen,  er  ahnte  nicht,  dass  Mjatthias  Rachel  versprochen 

fwiederzukoÖLmen.  JJas  wusste  nur  Rachel ,  die  sich 

gegeben  hatte  und  zwar  4n  pinftr 


hatte, 


esen- 


mit  ihm  ein  heimliches 

Woche  nach  seiner  Abfahrt,  auf  dem  Felsen,  den  er  sich  erworben 
hatte*  Dieses  Grundstück  war  nicht  weit  von  Jephtas  Haus,  man 
mviB3te(^eT   eine  htJlzerne  Brücke  gehen,  um  es  zu  erreichen.  Der 
Mond,  der  im:  letzten  yi^^t^l  ^av^   warf  ein  freundliches  silbernes 
Licht  auf  die  Liebenden,  die  eng  ineinander  geschmiegt^ sas^en  und 
einander  küssten.  Sie  vergassen  Völlig  (i*€  Zeit^-^tTephta  war  in 
eineiy Stadtversammlung  und  die  jungen  Leute  hatte 

tg^nutzte-  \xm  einander  ohne  sein  Wissen  zu  treffen.  Die  alte 
^rau  glaubte  Rachelfiin  ihrem  Zimmer.  Es  war  spSt  gewordenjA  Jephta 
^^Irte  nach  Haus^;  als  er  die  Brücke  erreichte,  sahy^die  beiden  Schat- 
ten auf  dem  Felsen;  er  erkannte  Rachel  und  rief  ihr  zu,  nach  hause 
zu  komümen.  Matthias  war  aufgesprungen  und  der  Alte  sah  ihn  beim 
Licht  des  Mondes^  wie  einen  bösen,  bleichen  Geist.r:5inen  Augenblick 

^kannte  er  ihn.  Er  rief  noch  einmal  dAn  beiden  jungen  Leuten 


schweigend. vor  ihm  das  Haus  betreten;  mit  einer  eher  bef ehlerischen 
als  einladenden  Handbewegung  deutete  er  ihnen  an,  dass  sie  in  das 
Wohnzimmer,  das  in  ?^einem  Hause  von  der  Küche  abgetrennt  war,  treten 
sollten.  Rachel  stand  einem  ihr  völlig  fremden  Jephta  gegenüber.  Sie 


hatte  ihren  Grossvater  nur  gütig  und  freundlich  gekannt;  nicht  nur 


53) 

zu  ihr  war  er  immer  liebevoll  und  sanft  gewesen,  auch  zu  allen 

f 

anderen  Leuten,  so  weit  sie  sich  erinnern  konnte.  Nun  sah  sie  ihn 
zornig  und  hitter,  die  Stirn  gefurcht  «b4-  mit  einem  hasserfUllten 
Blick  in  seinen  schwarzen  tiefliegenden  ^ugen,  den  er  auf  Matthias 
eerichtet  hielt.  T^r  hatte  sich  ah eirln^der  Gewalt .  •*©  dase  seine 


i^ 


Stimme   zwar  sehr  kalt  \mä  unnahbar rKTang,   abeg  er  }ror\nte-M«a4 
x'uhiff;   oprcchnrn    Die    Vorte,  die  er  sprach,  waren  daher  i^i  sj  echSr- 
fer,   um  so  verletzender.   Er  nannte  Matthias  einen  hoimliohett-  Schur- 
ke^,   der  in  sein  Haus  eingebrochen  sei,  und  versucht  habe  ein  junges 
Mädchen  zu  stehlen,   der  die  Welt  völlig  fremd  sei.  Er  habe  das  Ver- 
trauen,  das  Ettl)<tot?ttJl  iiini  erwiesen  habe,    schmSlich  misbraucht,   er 
verböte   ihm  sich  in  Rachels  Nöhe   zu  zeigen,    sonst  wtlrde  er  von  sei- 
nem  Recht  Gebrauch  machen^  «ör  auf   ihIv^schiessen.   Er  erlaubte  Mat- 

r 

thias  nicht,  sich  zu  rechtfertigen,  nicht  zu  erklären, wer  er  sei 
und  das  er  vielleicht  ehrbare  Absichten  habe,  so  sicher  war  Jephta, 
dass  er  es  mit  einem  üblen  Menschen  zu  tun  hatte.  Er  wies  ihn  aus 


seinem  Haus.vindVl^tthiasibliebjnichts  übrig  »als  dem  alten  Neger  zu 

I  ^' ->  ... 


gehorchen.  Seit  er  dem  Kapitän  des  Walfisch  entkommen  war,  hatte 
er  sich  nie  mehr  so  gedemütigt  gefühlt. 

IV 


Als  Matthias  das  Haus  verlassen  hatte,  lief  Rachel  weinend  in 
ihr  Schlafzimmer.  Sie  warf  sich  auf  Ihr  Bett  imd  schluchzte  ver- 
zweiflungsvoll. Sie  konnte  den  Grossvater  nicht  verstehen,  konnte 
den  sonst  so  gütigen  und  vernünftigen  Mann  nicht  in  dem  halrten,  zor- 
nigen Menschen  wiedererkennen,  der  ohne  jeglichen  Anlass  einen 
anderen  beschimpfte  und  bedrohte.  Auch  als  Jephta  nach  einer  Weile 
zu  ihr  kam,  um  sie  zu  trttsten,  htJrte  sie  zwar  bald  zu  weinen  auf  und 
erwiderte  seine  Zärtlichkeit,  aber  in  ihr  Herz  war  Furcht  eingekehrt, 


34) 

Furcht  vor  Jephta  und  damit  auch  der  Wunsch. sich  vor  ihm  zu  schüt- 
zen, ja  sogar  ihn  zu  hintergehen.  Am  nächsten  Morgen  erklSirte  ihr 
der  Grossvater,  dass  bei  der  Versammlung,  die  er  am  Abend  vorher 
besucht  hatte,  man  ihm  den  ehrenvollen  Auftrag  gegeben  habe,  die 
Stadt  in  einem  Civiidisput  in  Boston  zu  vertreten.  Er  habe  eigent- 


lich geplant,  sie  mit  Anna  in  R 


zu  lassen;  die  jllngsten 


Geshehnisse  hatten  ihm  aber  bewiesen,  dass  Anna  zu  alt  seit  um  auf 
Rachel  einen  Einfluss  auszuüben  oder  sie  gar  beschützen  zu  können. 
Auch  sei  sie  keine  rechte  Gesellschaftferin  für  ein  faslr  erwachse- 
nes Mädchen.  So  müsse  er  andere  P18ne  machen,  da  ihre  Verwandten 
auch  nicht  geeignet  seien,  ihn  zu  vertreten.  Er  würde  sie  gerne 
mit  sich  nehmen,  wolle  und  könne  sie/\nicht  einer  so  beschwerlichen 
langen  Reise  aussetzen;  Boston  habe  er  vor  sehr  vielen  Jahren  ver- 
lassen \ind  sei  nun  selbst  fremd  und  unbekannt  dort.  Es  sei  wohl 
auch  schwierig  für  einen  Farbigen  ein  entsprechendes  Unterkommen 
zu  finden;  dies  sei  w#hl  der  Hauptgrund,  war\xm  er  Rachel  nicht  mit 


sich  nehmen  könne.  Rachel  hatte  bisher  nichtjvon  Rassenhass  ge- 
merkt, niemand  hatte  je  zu  ihr  darüber  gesprochen,  sie  hatte  sich 
nie  als  Negerin  gefühlt;  es  war  schon  richtig,  dass  ihr  Grossvater 
schwarz  war,  aber  er  war  einer  der  geehrtesten  Leute  in  ihrer 
kleinen  Stadt  \md  sie  selbst  war  völlig  weiss.  Jetzt  erschien  es  ihr, 
als  ob  ein  Vorhang  von  ihren  Augen  gerissen  worden  war:  sie  war 
nicht  weiss  — ihre  Haut  war  elfenbein,  sie  war  anders  als  die  an- 
deren /die  ihre  Gespielen  und  Freund  von  Kindheit  an  waren.  Sie  hasste 
Jephta  für  das,  was  er  ihr  angetan  hatte,  und  sie  sehnte  sich  \m 
so  mehr  nach  dem  blonden  Matthias.  Der  Schmerz  machte  sie  stumm 


/ 


sie  schien  sich  %^   in  alles  zu  fügen,  was  der  besorgte  und 


liebevolle  Grossvater  anordnete.  Die  Lösung,  die  er  gefunden  hatte. 


55) 

imi  Äii^^'  UU|> .  sie  passte  auch  in  Racliels  Plöne.  Wie  sollte  mit 

ihm  Über  die  Bay  aufs  Festland  fahren.  Anna  oollte  ?iie  bes^.elten 
^jj^^t__3^i4-:t^^-:b^4_a±nÄ3B4^^S5^      Jahre  Älteren  verheirateten  Preun- 
din  bleiben,  die  sie  gerne  aufnehmen  würde.  Sie  habe  zwei  Zimmer, 
die  sie  ihnen  vermieten  ktJnne,  \ind  Rachel  habe  auf  dieser  Weise 
die  Gesellschaft  ihrer  Freundin  und  den  Schutz  einer  Familie.  Sollte 
sich  in  Boston  eine  gOnstige  Gelegenheit  bieten,  so  würde  er  nach 
ihr  schicken,  um  nicht  zu  lange  von  ihr  getrennt  zu  sein.  Die  Reise- 
vorbereitungen nahmen  einige  Zeit  in  Anspruch jund  es  schien  Jephta, 
als  habe  Rachel  sich  vtJllig  in  ihr  Schicksal  gefunden.  Ja  als  habe 
sie  sich  Matthias  schon  W^^^i^  aus  dem  Kopf  geschlagen.  So  war  es 
wohl  doch  nur  ein  flüchtiges  Verliebtsein  gewesen,  dachte  er,  denn 
er  hOrte  sie  lachen  xind  singen  und  sie  schien  sich  sehr  auf  die 
Reise  und  die  damit  verbxindenen  neuen  Erlebnisse  zu  freuen.  Niemand, 
ausser  einen  andegea.  jungen  Burschen,  der  mit  Matthias  sehr  be- 
freundet war,  wusste  von  dem  kurzen  heimlichen  Treffen  zwischen 
Rachel  und  Matthias,  bei  dem  Rachel  ihm  ihre  Liebe  bekannte  und 
ihm  mitteilte,  wo  sie  am  Festland  leben  würde.  Sie  machten  Zeichen 
aus,  die  Matthias  ihr  geben  würde,  \im  seine  Anwesenheit  ihr  anzuzei- 
gen. So  war  es  wohl  verstandlich,  dass  Rachel  lustig  war  \ind  nicht 


um 


Matthias  trauerte.  Sie  konnte  sogar  zSrtlich  zu  Jephta  sein.  Der 


wilde  Hass,  den  sie  einen  kurzen  Augenblick  verspürt  hatte,  war 
verschwunden.  Sie  fühlte  sich  ziinÄchst  etwas  schuldig,  weil  sie 
Jephtas  Verbot  zu  umgehen  trachtete;  aber  es  gelang  ihr  sich  zu 
überreden,  dass,  nachdem  sie  und  Matthias  verheiratet  seien,  Jephta 
ihn  besser  kennen  lernen  würde.  Es  konnte  gar  kein  Zweifel  daran 
bestehen,  dass  er  ihn  dann  ebenso  lieben  würde  wie  sie.  Nur  manch- 
mal, wenn  sie  an  den  Abschied  von  Jephta  dachte,  war  es  ihr  zum 
Weinen  zu  Mute  und  sie  kam  sich  schlecht^  Ja  verworfen  vor.  Ein- 


56) 

mal  tn  einer  dieser  Stimmungen  wollte  sie  alles  Jephta  bekennen, 

ihn  bitten,  sie  nach  Boston  mitzunehmen.  Sie  lief  in  sein  Zimmer 

aber  er  war  ausgegangen;  als  er  zurückkam  war  diese  dUstere  Stirn- 

mung  verflogen;  sie  lachte  und  scherzte  mit  ihm  und  dabei  dachte 

nicht  mehr  daran,  ihm  ihre  Plane  zu  beichten. 


Matthias  Verlangen  nach  Rachel 


umso  heftiger. 


n 


je  mehr  Widerstände  ihm  entgegen  getreten  waren.  Er  hass- 

« 

te  den  alten  Neger,  der  sie  ihm  verweigerte  und  gleichzeitig  be- 
neidete er  Rachel  um  ihr  geschütztes  und  geliebtes  Dasein.  Alles 
war  fUr  ihn,  der  nie  das  GlUck  des  Geliebtwerdens  erlebt  hatte,  nur 
eine  Herausforderung.  So  war  seine  Phantasie  durch  seine  Leiden- 
schaften angeregt,  und  er  lebte^durch  Wochen  in  den  Vorstellungen, 


t  waren.  Endlich,  nachdem  Jephta 


die  mit  Rachels  Besitz 

seine  Reise  nach  Boston  angetreten  hatte,  Rachel  sich  bei  ihren 

Freunden  auf  dem  Festland  befand,  und  Matthias'  Geschäfte  ihn  wieder 

in  diese  Gegend  brachten,  gelang  es  den  Liebenden  sich  heimlich 

zu  treffen.  Rachel  war  eines  Abends  unbemerkt  aus  dem  Haus  ge- 

schlüpft  und  auf  Matthias  Boot  gekommen.  Erst  in  der    «^ -Dam*vi  *«i  axt^ 

verliess  sie  ebenso  unbemerkt  wie  sie  gekommen  wieder  das 
Boot  \and  erreichte ':ö«  ihr  Haus.  Diesas  Abenteuer^  das  mr   Rachel 
eine  vTSllig  neue  Veit  ^aofüaftto   und  sie  Matthias  hOrig  machte^ 
wurdefBfters  widerholt.  FUr  Rachel  zahlten  nur  noch  die  Stunden, 
die  sie  mit  Matthias  verbrachte,  der  Rest  ihres  Lebens  hatte  keine 
Bedeutung  mehr.  Es  war  ihr  gleichgültig,  mit  wem  sie  auch  immer 
sonst  zusammen  war;  Jephta  schien  nicht  mehr  zu  existieren,  bei 
ihren  Freunden  führte  sie  ein  Scheindasein.  Konnte  sie  die  NSchte 
nicht  mit  Matthias  verbringen,  so  konnte  sie  doch «wenn  sie  allein 
war. an  ihn  denken  oderkKachts  von  ihm  trÄumen.  Sie  zog  sich  früh 


36) 

auf  ihr  Zimmer  zurück,  weigerte  sich,  an  der  üblichen  Geselligheit 

teilzunehmen  und  wurde  verschlossen  und  still.  Ihre  Freiinde,  die 
wussten,  wie  sehr  a4^e  ihr  Leben  mit  Jephtas  verbunden  war,  glaub- 
ten, ijpQa  gj^  r.-ifth  f\Hi\\i   ihm  schnfeet  Als  Matthias  ^  sein  Verlangen 


t^'tK 


so  mühelos  und  weitgehend  gestillt  hatte  und -ef*y  er  Rachel 

80  völlig  ergeben  sah,  geschah,  was  Ammor  boi  ihm  geoohah;  sein 

für  das  Mädchen  ncagCtoBMttd^>  Er  hatte  -m   oehr  gehofft, 
dass  es  mit  Rachel  anders  sein  würde  als  mit  all  den  anderen  Frauen, 
die  sich  ihm  hingegeben  hatten^  Er  begann  sich  zu  langweilen  und 
Huschte  seine  geschäftlichen  Verpflichtungen  dt4»-  Ausrede y^jagufeaJLd.  l 
^k^-dali?filClCl[lJeai3r^^^        Er  versprach^  in  einigen  '/lochen  wie- 


6U.W 


der  zu  kommen^und  obgleich  seine  Sehnsucht  und  sein  Verlangen  nach 

l 
ihr  nicht  mehr  sehr  stark  waren,  hielt  er  sein  Versprechen.  In- 
zwischen hatte  Rachel  mehrere  Briefe  von  Jephta  erhalten,  die  ihr 
von  dem  Fortgang  der  Verhandlungen,  die  er  führte  berichtete,  sie 
über  die  lange  Trennung  tröstete  und  ihr  versprach,  dass  er  sie 
nach  Boston  kommen  lassen  würde,  so  bald  er  ein  passendes  Unterkom» 
men  für  sie  gefunjälen  hatte.  Er  erzÄhlte  ihr  auch  von  mehreren  far- 
bigen  Familien,  k^i   denen  er  als  Gast' aufgenommen  worden  war  und 
liess  einfliessen.dass  ^^t»  eine  dieser  Familien  einen  sehr  sym- 
pathischen,  gebildeten  irnd  begabten  Sohn  hatte^j^.  Zu  Rachels  Sehn- 


sucht nach  Matthias  trat  nun 


die  Angst, von  ihm  für  immer  durch 


ihres  Grossvaters  ahnungsloses  Planen,  dass  er  in  die  Tat  umzu- 
setzen  suchte,  getrennt  zu  werden.  Die  Tatsache,  das  sie  schwanger 
geworden  war,  hatte  sie  nur  noch  enger  mit  Matthias  verbunden;  sie 
hatte  keinen  Augenblick  an  ihm  und  seinen  guten  Absichten  ^-ezweifelt* 
E  s yÄard^nun  >£^r  sleOmr  nc^eh  eine  F 
ruck  sein  würde,  um  sie  zu  heiiVtr^,  be 


ihr 


iy-t>-4-u-^  l 


5V)  ^^e-^  ItiUXix.^^'^^'^^^  (LsiM.  (X^^^l^'^v^ 

ujuMtlLtir.  Tatsächlich,  kam  Matthias  g!|^||t%fp  imd  musste  bei  ihrem 

ersten  Zusammentreffen  erfahren,  dass  er  in  einer  Falle  war.  Selbst 
wahren;»|der  kurzen  Zeit  seiner  heftigsten  Verliebtheit,  seines 
stärksten  Verlangen  nach  Rachel  war  ihm  nie  der  Gedanke  gekommen, 
sie  zu  heiraten.  Hatte  sein  Begehren  nach  ihr  sowieso  schon  nach- 
gelassen, 80  war  sie  ihm  durch  ihre  Schwangerschaft  vt511ig  zuwider 
geworden.  Er  hatte  von  jvlier  schwangere  Frauen  nicht  leiden  kttn- 
hBit,  sie  erfüllten  ihn  mit  einem  fast  körperlich  empfundenen  Un- 
behagen, ja,  in  Rachels  Fall  empfand  er  sogar  Ekel  vor  ihr*  Noch 
dazu  war  sie  eine  Farbige,  eine  Negerin,  wenn  man  es  ihr  selbst 
auch  nicht  ansah  —  \md  nichts  lag  Matthias  ferner  als  der  Wunsch, 
^der  Vater  von  Negerkindern  zu  sein.  Gleichzeitig  ^%a4rtift  ihn  eine  fa^t 

ngst  vor  dem  alten  Ne«er  Jephta  B^ßmei^t^   vor  seiner  Rache^ 
^  '^       ÖffTTCh  im  ntiin)i  Innqen  Er  wTlrde  sich  nicht  mehT» 


auf 


hatte  vor 


/ 


zeigen  dürfen  —  aber  da  war  sein  Granit,  und  er 
[mehr  Granit  zu  kaufen,  hatte  er  doch  gehört. 


dass  irgendwann  in  der  Zukunft  —  aber  sicher  noch  zu  seinem  Leb- ^ - 
Zeiten  —  die  grosse  Erfindung  der  Dampf  kraft  ausgenutzt  ^»CMte 
cffleai  Schiffe  jtobon  <»ttpAe,  die  von  Dampf  getrieben  wUrden. 
scUüM  ilaTttbei'  •  Er  gedacitte  all  ^eine  Ersparnisse  dazu  zu  benutzen, 
um  Granit  zu  kaufen,  für  den  es  viele  Verwendungen  geben  muootei' 
Alle  diese  Zukunftsplane  sollten  nun  einfach  zu  nichts  werden,  nur 

« 

weil  ein  MSdchen,  das  verwöhnt  und  unerfahren  war  und  noch  dazu 
farbig,  sich  an  ihn  hangen  wollte.  Sie  verstand  ja  nicht  einmal  zu 
lieben,  da  waren  die  Y  BarmSdchen  und  verheirateten  Frauen  ihm  viel 
bequemer.  Er  musste  einen  Ausweg  finden,  und  er  fand  ihn  auch. 
Rachel  war  ahnungslos,  sie  hatte  nicht  den  leisesten  Zweifel  an 
Matthias •  Liebe,  und  er  liess  sich  nicht  anmerken,  dass  er  ihrer 


58) 

satt  war.  Er  war  zHrtlich  \md  besorgt  irnd  bat  sie,  ihm  alles  zu 
überlassen,  was  mit  ihrer  Zukunft  zusammenhing^.  Er  e^h  oi-ti,  dass 
sie  schnell  handeln  mUssten,  um  den  Grossvater  zizvor  zu  kommen 
und  er  war  sicher,  ihr  in  ein  paar  Tagen,  die  Einzelheiten  seines 
Planes  mitteilen  zu  künnen.  Sie  machten  eine  Zeit  aus  für  ihr 
Tref f en  |und  Rachel  konnte  ihre  freudige  Erwarttmg  nur  schlecht 
verbergen,  Matthias  hatte  kurz  nachdem  er  Rachel  verlassen  hatte 
und  wieder  klar  denken  komnte  einen  sehr  einfachen  Weg  gesehen,  wie 
er  mit  dieser  Unannehmlichkeit  fertig  werden  konnte.  -8u  leuclilete — 
Sein^Plan,  ziimindest  der  erste  Teil,'^xind  nur  diesen  unterbreitete 
er  4lMaj^^ch  Rachel  sofort  ein.  Er  wollte  sie  so  schnell  als  mtJg- 
lieh  heiraten,  und  dann,  da  Jephta  vor  vollendeter  Tatsache  stünde, 
noch  dazu,  da  ein  Kind  unterwegs  sei,  könne  er  gar  nicht  anders 
handeln. als  das  ^unge  Paar  willkommen  heissen.  Aber  sie  mussten 

'  u 

heimlich  heiraten |Und  das  konnte  nicht  hier  geschehen.  Dazu  mussten 
sie  in  einen  anderen  Ort,  ja  wohl  einen  anderen  Staat  segeln,  wo 
ma]vl?achel  nicht  kannte^  ctbor  ihft  und  deshalb  keine  verfänglichen 


Fragen  nach  Alter  xxnd  ^Itern  fragen  würde.  Da  eB  vorläufig  nicht 
gesehen  werden Öfürfe  -und  niemand  hier  von  seiner  Beziehimg  zu  ihr 
wisse,  habe  er  gedacht,  dass  sie  von  Jephta«  Absicht,  sie  nach 
Boston  kommen  zu  lassen,  Gebrauch  machen  ktSnnten.  Er,  Matthias, 
wUrde  ihr  einen  Brief  schicken,  als  kSme  er  von  ihrem  Grossvater 
und  sie  müsse  nur  den  Freunden  sagen,  dass  ihr  befohlen  sei  mit 
der  Post  an  den  nächsten  grösseren  Ort  zu  fahren,  wo  Freunde  von 
Jephta  sie  erwarteten,  um  sie  nach  Boston  zu  bringen.  Dieser  Ort, 

« 

der  etwa  6  Stunden  mit  der  Postkutche  von  dem  Ort  entfernt  war, 
in  dem  Rachel  bei  ihren  Freunden  lebte,  hatte  einen  ansehnlichen 
Hafen;  hier  also  würde  Matthias  sie  erwarten  und  sie  würden  so 


59) 

bald  wie  möglich  weiter  segeln^  d.h.  bei  Nacht  natürlich^  da  sie 
ja  nicht  gesehen  werden  durfte,  bis  sie  an  ihrem  Bestimmungsort 
angekommen  und  wirklich  getraut  waren.  Er  müsse  sie  also  in  seiner 
kleinen  Kajüte  versteckt  halten  und  er  wolle  sie  darauf  vorberei- 
ten, dass  es  eine  nicht  zu  behagliche  Reise  sein  würde • 

Alles  war  Rachel  ^echt,  das*  sie  der  endgültigen  Vereinigung 
mit  ihrem  Geliebten  naher  brachte.  Der  Brief  kam,  die  Lügen  mach- 
ten ihr  keine  Schwierigheit.  Ihr  Koffer  war  rasch  gepackt,  und  sie 
konnte  ehrliche  Freude  zeigen,  wenn  sie  auch  nicht  dem  Wiedersehen 
mit  Jephta  galt.  Die  Postkutsche  brachte  sie  an  jenen  Ort,  wo  Mat- 
thias sie  erwartete.  Sie  war  im  Gasthaus  abgestiegen,  angeblich 
\m.   Jephtas  Boten  dort  zu  erwarten.  Am  Abend  ging  sie,  wie  sie  de* 
Wirten  mitteilte,  auf  einen  kleinen  Spaziergang.  Sie  ging  zum  Hafen, 
fand  Matthias  Boot  und  verschwand  in  seiner  Kajüte.  Niemand  hatte 
es  gesehen.  Ihr  Koffer  blieb  im  Gasthaus  —  einy\Zeichen,  dass  sie 
nicht  freiwillig  verschwunden  war« 

Matthias  hatte  Rachel  nun  einfach  umbringen  können. aber  zu 
seiner  Ehre  muss  gesagt  werden,  dass  dieser  Gedanke  ihm  nie  ge- 
kommen war.  Er  hatte  andere  Pltoe,  die  kxirz  erzfthlt  sind.  Sie  se- 
gelten nach  dem  Süden;  es  war  eine  lange  lond  unbequeme  Reiae  für 
ein  junges  MSdchen,  dass  nooch  nie  anders  als  im  bequemen  Bett  ge- 
schlafen \md  vom  gedeckten  Tisch  gut  gekochte  Speisen  gegessen  hatte 
Sie  lebten  von  gepökeltem  Fleisch  imd  Schiffszwieback  und  schliefen 
auf  hartem  Holz,  das  nur  mit  einigen  Decken  belegt  war«  Nichts 
machte  ihr  etwas  aus,  ihre  Fröhlichkeit  und  ihre  freudige  Erwart\mg 
stellten  Matthias  Selbstbeherrschung  auf  eine  hatte  Probe.  Er  spiel- 
te den  zärtlichen  Liebhaber,  allerdings  war  es  auch  manchmal  beqmem, 

0 

eine  Frau  neben  sich  zu  finden,  selbst  wenn  es  ein  NegermSdchen  war 


^ 


^0)  cU 

und  noch  dazu  schwanger,  ein  Negermadehen,  an  4i«  er  nur  noch  als 

Ware  denken  sollte.  Es  war  wie  mit  den  kleinen  Negerktndern,  er 
konnte  sich  einreden,  dass  er  sie  nicht  gezwungen  hatte,  mit  ihm 
zu  gehen  —  sie  war  freiwillig  auf  sein  Schiff  gekommen. 

Sie  segelten  nach  dem  Süden.  Rachel  war  entzückt  Über  die 
W«rme,  die  Sonne,  die  tropische  Vegetation.  Sie  legten  an  einem 
Hafen  an,  wo  nicht  allzuviele  Schiffe  vor  Anker  lagen.  Matthias 
half  ihr  aus  dem  Boot  ans  Land.  Sie  hatte  zunächst  Schwierigkeiten^ 
ihr  Gleichgewicht  zu  halten,  aber  bald  konnte  sie  wieder  auf  fes- 
tem Boden  gehen.  Sie  war  überglücklich.  Sie  gingen  zusammen  zu 
einem  Gasthaus,  wo  sie  anscheinend  erwartet  wurden.  Matthias  liess 
sie  kurze  Zeit  in  einem  kahlen  Kam;  dann  kam  er  zurück  mit  einem 
Mann  und  einer  Frau,  die  er  ihr  nicht  vorstellte.  Sie  sahen  aus 
wie  Farmer  und  betrachteten  sie  mit  prüfenden  etwas  strengen  Blicken 
Sie  sprachen  zu  Matthias  in  einer  Sprache,  die  Rachel  nicht  ver- 
stand  —  aber  sie  war  sicher,  das  es  Englisch  war,  nur  anders  als 
es  daheim  gesprochen  wurde.  Matthias  forderte  sie  auf,  mit  ih»-;E 
\md  den  fremden  Leuten  vors  Haus  zu  treten  und  in  den  dort  bereit- 
stehenden Wagen  zu  steigen.  Es  war  ein  Lastwagen,  wie  Landleute 
ihn  benutzten,  um  Vieh  zu  transportieren,  aber  Matthias  sagte,  die 
Fahrt  würde  nur  ICurz  dauern,  sie  solle  nur  voranfahren  mit  den 
Leuten,  er  müsse  noch  die  notwendigen  Vorbereitungen  für  ihre  Trau- 
ung, die  in  einer  kleinen  Kirche,  nicht  weit  von  diesem  Ort  statt- 
finden  solle,  zu  machen.  Er  vertraue  sie  diesen  Bekannten  aur  für 
eine  Weile  an.  Man  half  ihr  in  den  Karren  und  die  Frau  setzte  sich 
zu  ihr  und  hielt  ihren  Arm.  Dann  sah  sie  noch,  dass  Matthias  und 
der  Mann  ein  paar  Schritte  zur  Seite  gi^igen  und  der  Mann  Matthias 
etwas  Überreichte  das  wie  Geldnoten  aussah;  er  drehte  sich  um  und 


41) 

I 

winkte  ihr  zu,  wÄhrend  der  Mann  den  Kutscherbock  bestieg  und  die 
Pferde  anzogen.  Das  war  das  letzte,  was  sie  von  Matthias  sah:  er 
stand  und  winkte.  Niemand  in  ihrer  Heimat  hörte  je  etwas  wieder 
von  Rachel,  aber  von  Matthias  sollte  man  noch  viel  htSren,  denn 
er  kaufte  Granit,  auch  mit  dem  Geld,  das  er  für  Rachel  bekam | 
«eine  Vision  was  ßb^  Granit  anbetraf  verwirklichte  sich;  er  wurde 
ein  sehr  reicher  Mann. 


Jephta  hatte  nichts  von  dem  Verschwinden  Rachels  erfahren. 
Die  Besitzer  des  GasthofHj;  wo  sie  ihren  Koffer  zurückgelassen 
hattefi,  hatten  zunächst  auf  ihre  Rückkehr  gewartet;  da  es  aber 
kein  sehr  respejlftables  Wirtshaus  war,  sonst  hatte  ein  junges  Mäd- 
chen, das  ohne  Begleitung  reiste,  wohl  ungunstiges  Aufsehen  er- 
regen müssen  —  ^  machten  sie  kein  Axifheben  von  ihrem  Verschwin- 
den und  eigneten  sich  die  wenigen  Sachen,  die  sie  in  ihrem  Koffer 
fanden  als  Entgelt  für  die  Mahlzeit,  die  sie  bei  ihnen  eingenommen 
hatte,  an.  Rachels  Freunde  glaubten,  dass  sie  sicher  in  Boston 
angekommen  war,  saibat-^^eBn  ihre  Ankunft^nicht  gemeldet  würfle. 
Da  es  schien,  als  ob  die  Angelegenheiten,  die  seine  Reise  notwen- 
dig gemacht  hatten,  sich  nun  doch  schneller  abwickelten,  als  er 
vorausgesehen  hatte,  plante  Jephta,  seine  kleine  Enkelin  zu  über- 
raschen. Deswegen  schrieb  er  nicht,  da  er  hoffte,  sie  so  bald  zu 
sehen.  Allerdings,  wie  es  unvermeitlich  ist,  traten  Veraügerimgen 
ein,  so  vergingen  viele  Wochen  bis  er  ;jenen  kleinen  Ort  wieder 
erreichte,  wo  er  Rachel  bei  ihrer  Freimdin  untergebracht  hatte. 
Es  herrschte  ein  Zustand  völliger  Verwirrung,  als  sich  heraus- 
stellte, dass  Rachel  weder  mit  ihrem  Grossvater  noch  bei  ihren 
Freunden  war.  Der  alte  Mann  war  verzweifelt,  er  konnte  sich  ihr 


42) 

Verschwinden  nicht  erllSren.  Er  hatte  zunächst  Matthias  in  Verdacht, 

aber  die  ganze  Angelegenheit  machte  keinen  Sinn.  H**Btte  Rachel 

ihn  heimlich  heiraten  wollen,  so  wSre  die  Entführung,  das  ge- 

■ 

fälschte  Schreiben,  das  vt511ig  spurlose  Verschwinden  doch  unnötig 

hatte  „    .     ^ 

gewesen.  Auchmiemand  Matthias  um  diese  Zeit  in  dieser  Gegend  gesehen 

Die  Freunde  versicherten  ihm,  dass  Rachel  niemanden  ohne  ihr  Wissen 
hotte  treffen  oderj^lielilich  Post  empfangen  können.  Ihr  Verschwin- 
den blieb  ein  Rätsel,  da  auch  der  Postkutscher  sich  nicht  entstn- 
nen  konnte,  dass  Rachel  o«  ^^^   i^  gefahren  »ei-;  so  koimte  er  na- 
türlich auch  keinerlei  Angaben  datlber  machen,  wo  sie  abgestiegen 
.  Jephta  setzte  alle  ihm  zu  Gebot  st ehende», Mittel  in  Bewegung, 


um  wenigsten  eine  Spur  von  Rachel  zu  entdecken.  Alles  war  vergebens. 
Nach  schrecklichen,  genponnlten  Wochen  kam  immer  der  gleiche  Be- 
scheid: sie  war  nicht  aufzufinden.  Jephta  kehrte  nach  Rijilrha«iin 
als  ein  gebrochener  Mann  zurück.  Dass  er  die  Verhandlungen  in 
Boston  zu  feunsten  ftoekLuveno  abgeschlossen  hatte,  war  ihm  nun 
völlig  gleichgültig.  Man  hatte  ihm  viel  Anerkennvmg  sowohl  als 
auch  Mitgefühl  zunächst  entgegengebracht,  aber  er  zog  sich  in  seiner 
Trauer  von  allen  Freunden  zurück  imd  schien  völlig  vereinsammt. 
Er  wollte  auch  Anna  nicht  um  sich  haben,  sondern  liess  nun  sein 
Haus  von  einer  Nachbarin  in  Ordnung  bringen.  Sonst  liesorgte  er  -f»-*^ 

sich  selbst. 

Matthias  erschien  in  Reeltha^ia  wie  gewöhnlich  zur  erwarteten 
Zeit;  er  zeigte  sich  entsetzt  und  tief  betroffen,  als  man  inm 
Rachels  seltsames  Verschwinden  berichtete;  aber  auch  er,  der  ja 
viel  erfahrener  in  weltlichen  Dingen  war,  konnte  ke inei**i -pä^- 

Erkiatrimg  finden.  Er  sajis  mit  seinen  Kiimpanen  zusammen  und  LLi>u^i 
l^^lCLu.    bespract^^lle  spoglichkeiten. 


^5) 


Es  waren  ein  paar  neue  Gesichter  in 


zu  bemerken, 


Zugezogene,  die  von  wer  weiss  welchen  Gegenden  stanunten,  stÄm- 

«ige  Burschen,  ^^^j^  ^^<^U^Z  ^^^"St'^^Vtl^'r 
und  den  Jungen  in  R^lBb%vtp4(^?öHrTi5pöhTerten,  Sie  machten  den 

Eindruck  von  Leuten,  die  ein  recht  huntes  Lehen  hinter  sica  hatten 

und  in  ihrer  Zeit  vor  nichts  zurückgeschreckt  waren.  Sie  sahen  mit 

Terachtung  auf  alle  herah,  die  nicht  ihres  gleichen  waren:  abeijvor 

allem  sprachen  sie  in  schamlosester^  Ausdrucken  von  FarhiKen,  ob 

tm  Neger  ©*«r  Chinesen ^unä'spücK^ten'^s,  wenn  sie  ♦«•Wmt=MBa*«fi ^vv'U^ 

Mit  ihnen  nun  kam  auch  Matthias  zusammen  und  musste  mitanhOren, 

was  sie  über  Rachel  zu  sagen  hatten.  Sie  tranken  und  machten  ihre 

groben  Scherze  \md  kamen  immer  wieder  darauf  zurück,  was  für  eine 

schändliche  Angelegenheit  es  doch  sei,  dass  Jephta,  ein  Neger,  eine 

Ehrenstelle  in  ihrem  Ort  iimcha»o .  Es  konnte  natürlich  nicht  mehr 

festgestellt  werden,  wem  der  Verdacht  «^*'sP^.^6^.°^$i^;^^;J!^  ,^^^^ 
den  pruten  Boden  ahnend,  scl&uerweise  pflanzte;  jedenfalls  plützlichn^ 
war  der  Verdacht  ausgesprochen:  Hatte  nicht  vielleicht  Jeptite  selbst 

etwas  mit  dem  Verschwinden  Rachels  zu  tun?  War  das  nicht  die  ein- 

.  tt  ^   ^ 

fachste,  naheliegendste  |::os\ing  des  Ratseis?  ^ 

(gründe  für  das  Verschwindenlassen  seiner  Enkeltochter  würden 
sich  schon  finden,  wenn  man  zunächst  überhaupt  eine  solche  Müglichli 
keit  ins  Auge  fasste.  Der  alte  Neger  war  ja  sehr  lange  fortge- 
blieben, viel  langer  als  es  den  Verhandltingen,  die  er  zu  führen 
hatte  entsprach.  War  es  denn  so  unerhört  anzunehmen,  dass  er  selber, 
der  doch  in  das  Mödchen  so  ogfentlich  vernarrt  war,  vielleicht 
seiner  Beziehung  zu  ihr  weiter  gegangen  war  als  das  Gesetz  es  ge- 
stattete. Alle  Neger  waren  doch  Lüstlinge  und  irgendwie  musste 


44) 

doch  wohl  auch  Jephta  fleischliche  Bedttpfnisse  haben.  War  man  so 

weit  in  den  VerdMchtigungen  gegangen,  so  sah  man  doch  auch,  was 
die  wahrscheinliche  Folge  war.  Rachel  musste  wohl  die  Pugckt  der 
Unzucht  in  sich  geliKagen^  haben.  Der  Alte  konnte  aber  die  Anschau- 
lichkeit  seines  Verbrechens  nicht  riskieren  —  so  musste  er  Enkel- 
tochter und  Urenkel  zusammen  los  geworden  sein.  Urenkel,  man  bedenke, 
gleichzeitig  sein  eigenes  Kind  —  was  für  eine  komplizierte 
Situationnlenn  war  nicht  auch  Rachel  gleichzeitig  die  Mutter  und 
Urgrossmutter  ihres  Kindes!  Sie  ergingen  sich  in  n jcht  endenwoUen- ^^ 
den.  immer  neuen  Vorschlagen  und  Vorstellungen  i^toag^t,  DuC ^Ka^ 

i<.  Matthias  hatte  sie  langst 


verlassen.  Ganz  frllh  am  nächsten  Morgen  setzte  er  Segel  und  verliesa 


R 


.  Wer  konnte  sagen,  was  in  Matthias  vorging.  Fatte  er 


Gewissensbisse;  konnte  er  vielleicht  nachts  nicht  schlafen,  weil 
er  Rachels  liebes  Gesichtchen  vor  sich  sah^  wie  er  es  zuletzt  ge- 
sehen hatte,  ganz  erwartungsvoll  und  ein  \iischen  Ängstlich  aber 
völlig  vertrauensvoll?  Niemand  wusste  in  jenen  Jahren,  was  in  dem 
Mann  vorfeich  ging.  Allerdings,  als  er  ein  ganz  alter  Mann  war  und 
ein  vielfacher  Millionär  jjaber  ganz  vereinsamt  ohne  Nachkommen  oder 
^■Albat  jpgAnHiiiri  Wesen,  das  ihm  nahe  stand,  als  er  auf  seinem  Be- 
sitz in  riüDiili^yOT  tiilfln-  und  krank  in  seinem  Bett  lag,  da  besuchte 
ihn  ein  anderer  alter  Mann,  mit  dem  er  einst  als  er  a\ing  war  und 


in  Rachel  verliebt  I^meradschaf t  gehalten  hatte.  Diesem  Natnanael 
Brown  gestand  er 


schrecklichste  Tat  seines  Lebens  und  ver- 
sicherte ihm,  dass  er  seither  keine  einzige  Nacht  habe  schlafen 
können.  In  seinem  Testament,  in  dem  er  einen  weitläufigen  Verwandten 
und  zwar  den  Jüngsten,  der  ihn  Überlebenden  Enkel  seines  jüngsten 
Geschwisters  als  Erben  eingesetzt  hatte,  hatte  er  ^ine  ansehnliche 


^5) 

Stiftung  zur  Besserung  des  Schicksals  seiner  farlDigen  Mitbürger 


gemacht 


VI 


Jephta  lebte  allein  in  seinem  Haus*  Er  verwaltete  seine 
Ämter,  er  unterrichtete  sogar  noch  einige  Kinder,  aber  er  hatte 
sich  so  sehr  in  sich  selbst  zurückgezogen,  dass  man  ihn  naob  itgtriger    - . 
Zeit  allein  liess.  Seine  Freunde  mtisaton  ihre  erfolglosen  Versuche 
ihn  abzulenken,  bald  ein»tellen>  Sein  Haar  und  sein  Bart  waren 
weiss  geworden  und,  obgleich  er  sich  aufrecht  hielt,  schien  er 
zart  und  zerbrechlich  geworden  zu  sein^Am  Abend  blieb  er  zuhause, 


s€^s  in  seiner  Stube  oder  wanderte/von  Raum  zu  Raum,  ^f  t  ^tunden- 

lachte  an  Rachel,  an  die  Zeit  als  sie  so  klein  war,  dass 


er  sie  mit  sich  herumtrmg;  an  seine  erste  Bekanntschaft  mit  ihr, 
als  sie  neben  ihrer  Mutter  im  Bett  lag,  ein  winzigej^  SÄugling  mit 
einem  Schopf  Sftgfe^^ÄnlxraaffiÄr  Haare  und  überraschend  grossen  grau- 


schwarzen  Augen*  Wo  war  sie  jetzt,  lebte  sie  noch?  Er  zweifelte 
daran,  denn  sie  hütte  wohl  einen  Weg  gefunden,  ihn  wissen  zu  las- 
sen, dass  sie  noch  am  Leben  war.  Aber  wenn  sie  nicht  mehr  lebte, 
so  musste  ihr  ein  Leid  zugefügt  worden  sein.  Er  konnte  nicht  glau- 
ben, dass  es  irgend  einen  Menschen  gab,  der  Rachel,  ihretwegen, 
etwas  Böses  antun  wollte.  So  konnte  es  nur  ihm  gelten*  Man  hatte 
ihn  treffen  wollen,  irgend  jemand  hatte  sich  mit  teuflischer  Klug- 
heit ausgedacht,  wie  er  Jephta  den  grOssten  Schmerz  bereiten  könne; 
eine  nie  endende  Polterqual,  die  den  Rest  seines  Lebens  unerträglich 
machte.  Er  musste  sich  Feinde  erworben  heben  in  seinem  langen  tä- 
tigen,  öffentlichen  Leben,  Feinde,  von  deren  Byistene  er  nicht  ge- 
wusst  h^tte,  deren  Hess  er  ahnungslos  auf  sich  gezogen  hatte^'^ei-:;:. 


<ti. 


46) 

Er  der  Gerechte  und  Gute  musste  geirrt  haben,  musste  Menschen, 

wenigstens  einen,  gekrankt  haben,  ^o  unverzeilich  gekrÄnkt,  dass 

er  ihm  dies  antun  konnte.  Er  versuchte,  sich  vorzustellen,  wer 

\md  wann  e^  gewesen  sein  kOnnte.  Er  fand  ni^emandenin  der  Ver- 

gangenheit  mit  Ausnahme  der  H4feyift VQ Ai ^^^teOaeaJJiniie^ ,  gegen  die 

erVekaipf t  hat te ;  aber  es  war  ka\im  anzunehmen,  dass  irgendeiner 

cy,ooor  frWherftn- ?ft1n^fr  ihm  die  Feindschaft  nach  so  langen  Jahren 

in  sein  Privatleben  .binaintrug.  Er  schritt  durch  die  Rftume  seines 

Hauses  und  dachte  an  seine  Vergangenheit:  Er  hatte  jeden  verloren, 

den  er  geliebt  hatte.  Vielleicht  hatte  er  zu  sehr  geliebt  —  und 

immer^einen  Menschen.  Weit  weg  in  der  Ferne^ aber  mit  schärfster 

Klarheit|War  seine  Mutter.  Er  konnte  sich  pltStzlich  an  sie -ßrin- 

nern;  fast  spürte  er  die  Weichheit  und  den  Duft  ihrer  braunen 

Haut,  den  Druck  ihrer  Arme  um  ihn.  Dann  war  die  Wfirme  versohwun- 

den;  sie  war  kalt, geworden,  und  \mbewegt  durch  sein  Weinen  und 

B/^tten.  Peggy,  das  kleine  blonde  MSdchen  hatte  etwas  später  sein 

Herz  gewonnen,  bis  zu  dem  Tag  als  sein  Pflegevater  ihn  fortschicken 

wollte^  "^Peggys  wegen.  Er  hatte  damals  geglaubt,  dass  er  den 

% 
Schmerz  nie  wttrde  ertragen  können. aber  er  war  Jung  und  er  fand 

leila  und  sein  Glück,  dass  fast  dem  seiner  frühesten  Erinnerxmg 

gleichkam,  i^r  es  waren  schwere  Zeiten(imdLeila  gi^^g  von  ihm; 

doch  sie  liess  ihm  SStet.  Wieviel  Zärtlichkeit,  wieviel  Sorge,  wie- 

viel^Mühe  \ind  Hoffnung  ^m^^fi   in  jene^t Jahre  investiert  in  denen  er 

nfuhri  hnrnnwfrrhffnn  sah.  Sicher,  er  war  enttauscht  gewesen,  dass  sein 

Sohn  so  wenig  ihm  nachgeraten  war,  nur  das  Wasser,  aber  nicht  die 

Bücher  liebte.  Aber  er  war  auch  stolz  auf  ihn  gewesen,  auf  sein 

Geschick  als  Fischer,  auf  das  Boot,  das  er  sich  gebaut  hatte  und 


i 


^7) 

auf  die  reizende  kleine  Frau,  die  er  ins  Haus  brachte.  Wie  glück- 
lich und  reich  war  Jephta  in  jenen  Jahren  geworden,  nicht  so  sehr 

< 

an  materiellen  Gütern,  obgleich  auch  die  nicht  viel  zu  wtlnschen 
übrig  Hessen  —  aber  an  Liebe  undV  Vertrauen  in  seinem  Haus. 
Sie  hatten  ihm  Rachel  geschenkt,  und  sie  war  ihm  wenigstens  ge- 
blieben, als  die  entsetzliche  Katastrophe  über  ihn  und  sein  Haus 

* 

hereinbrach,  Jene  schreckliche  Tsgectmd  NHChte,  als  man  das  Boot 

mit  Sm  und  Cal/ista  nicht  finden  konnte,  als  es  schliesslich 

unumstrittene  Wahrheit  wurde,  dass  sie  beide  im  Meer,  das  sie  so 

liebten,  umgekommen  waren,  beide  zusammen;  man  fand  sie  am  .Strand 
\ 

einer  im  Arm  des  anderen  liegend.  Es  hatte  damals  lange  gedauert, 
bis  er  sein  Schicksal  als  meines  angenommen  hatte.  Er  hatte  sich 


nicht  darunter  gebeugt;  er  hatte  an  den  Krieg  gedacht,  in  dem  er 
hatte  kämpfen  dürfen,  und  dass  er  mit  an  der  Republik  gebaut  hatte, 
an  der  Freiheit  für  seine  Mitbürger  und  für  sich  selbst;  es  hatten 
andere  ebensoviel  oder  sogar  noch  mehr  zahlen  müssen  als  er  und 
hatten  nichts  dabei  gewonnen.  Auch  hatte  er  ein  noch  winziges 
Leben  zu  betreuen,  das  heranwachsen  sollte -und  das  sein  Leben 
vtSllig  ausfüllte.  N\m  hatte  er  auch  sie  verloren,  unverstandlicher- 


V.  «^  I, 


weise, -sinnlos,  fast  musste  er  denljen,  nur  weil  er  sie  geliebt  hatte. 
Aber  seine  Liebe  hatte  sie  nicht  ders-  Verderben  geführt,  es  sei  denn 
dass  man  sie  benutzt  hatte,  um   ihn  zu  peinigen. 

Er  kam  immer  wieder  zu  diesem  Gedanken  zurück  und  damit  zur 
Jüngsten  Vergangenheit,  zu  Matthias.  Hatte  dieser  Bursche,  der 
vom  ersten  Augenblick  an  so  abstossend  erschienen  war,  docn 


mit  Rachels  Schicksal  zu  tun?  Aber  wie  war  das  möglich?  Niemand 
brachte  ihn  mit  ihr  in  Verbindung,  niemand  hatte  ihn  um  die  Zeit 
in  diesen  Gegenden  gesehen;  und  Rachels  Freimde  hatten  geschworen, 


I  I 


48) 

dass  sie  nur  Umgang  mit  Leuten  hatte ,  die  sie  kannten^  und  nur  in 
ihrer,  der  Freunde,  Gegenwart*  Rachel  war  wohl  etwas  flatterhaft 
und  ihr  Character  deutete  starke  aber  noch  verhaltene  Leidenschaft- 


lichkeit an,  wj 


aber  um  einen  solchen  Betrug  zu  planen  und 


durchzuführen  — •  denn  es  musste  ein  Betrug  sein,  wenn  sie  selbst 
daran  beteiligt  war,  —  dazu  fehlten  ihr  ein  klar  überlegender 

Sinn  und  weltliche  Erfahrung,  Matthias  hatte  wohl  der  Planer  sein 

I 

ktJnnen,  er  hatte  aber  Rachels  Einwilligung  und  H^ilfe  gebraucht. 

Wi#i4lephta  wiederholte  dies  immer  wieder,  hatte  Rachel  sich  dazu 
bereit  gefunden,  ihrem  Grossvater  einen  solchen  Schmerz  zuzufügen. 
Warum  sollte  sie  verschwunden  sein  —  aus  Angst  vor  ihm?  Sie  kann- 
te ihn  doch  zu  gut,  um  nicht  anzunehmen,  dass  er  ihr  schliesslich 
doch  in  Allem  nachgtlÄC^ö^cx^  *Ä^//^^ 

Matthias  aber  kannte  ihn  nicht ^und  Matthias  konnte  man  alles 
zutraufe.  Nur  wusste  Jephta  nicht,  was  er  Matthias  in  dies^m  Fall 
zur  Last  legen  konnte.  Es  war  als  hatte  Rachel  plötzlich  sich  in 
Nichts  aufgelöst,  keine  Spur  war  vorhanden.  Jephta  saSs   stundenlang 
in  seiner  Stube  vor  seinem  Tisch  der  mit  B  BUchern  feehauf t  war.  Er 
las  das  Buch  Hiob.  Sein  eigenes  Geschick  erschien  ihm  so  fremd  und 

wie  Hiobs.  Das  war  aber  kein  Trost.  Hiob  hatte  ^a   Recht 


gehabt;  es  war  nicht  sein  eigenes  Tun  oder  Wesen,  das  sein  vmvor- 
stellbares  Leid  heranbeschworen  hatte  —  nein,  es  war  die  Laune 
eines  anderen  gewesen,  der  sich  Gott  nannte  und  einer  teuflischen 
Laune  nachgab.  Oft  wurde  es  draussen  schon  licht  b«  Jephta  er- 
schtJpft  auf  sein  Bett  fiel  und  in  %hu   paar  Stunden  Schlaf  Vergessen 
fand. 


^9) 

Jephta  war  so  in  sich  gekehrt  und  mit  seinem  sich  endlos 

»  * 

wiederholenden  Gedanken  beschäftigt^  dass  er  nicht  einmal  merkte , 
wie  sich  die  allgemeine  Stimmimg  gegen  ihn  geändert  hatte.  War  er 
früher  der  geschStzeste  Bf^rger  des  Ortes  gewesen,  so  war  er  Jetzt 
ein  Gegenstand  der  Verdacht igimgen*  Vielleicht  war  das  möglich, 
weil  eine  neue  Generation  herangewachsen  war,  die  von  Jephtas 
grossen  Verdiensten,  Ja  von  seinen  Heldentaten  nichts  oder  nur 
durch  HtJrensagen  wussten;  Fremde  waren  gekommen  und  hatten  sich  in 
Ro^ÜiiiiKn  angesiedelt.  Die  Gerüchte,  die  an  jenem  Abend  an  dem 
Matthias  mit  seinen  Kumpanen  trank,  entstanden  waren,  verbreiteten 

sich  schnell.  Das  Mitgefühl  für  das  tragische  Schicksal  des  alten 

f  5 

Negers  hatte  sich  in  Mistrauen  verwandelt,  das  von  Misgunst  ge- 
speist wurde.  Seine  Zurückgezogeiiheit  kam  diesem  Mistrauen  ent- 

tf 
gegen.  Warum  musste  sich  ein  früher  so  sehr  in  der  Öffentlichkeit 

lebendeJ^Mensch  verstecken,  wenn  er  nicht  die  Zeichen  seiner  Schuld 
verbergen  wollte.  Dies  war  die  halböffentliche  Meinung.  Die  Zahl 

von  Jephtas  Freunden  war  gering  geworden  und  die  meisten  von  ihnen 

I»  ' 

waren  alt.  Öffentlich  wurde  diese  Meinung  erst «jf bei  der  Stadtver- 

samml\mg,  die  Jephta  nie  versöumt  hatte,  solange  die  Gemainde  auf 


R 


n  bestanden  hatte.  Auch  diesmal,  trotz  seiner  Schwermut 


und  eines  Widerwillens-seine  Trauer  zur  Schau  zu  stellen,  tat  er 
seine  Pflicht.  Er  kam  sp8t  zu  Versammlung -\ind  gleich  beim  Betreten 
des  Raumes  spürte  sogar  Jephta  eine  merkwürdig*  gespannte  Atmosphäre. 

« 

Die  Anwesenden  beobachteten  schweigend,  wie  der  alte  Mann  zu  sei- 
nem  gewohnten  Platz  in  der  vordersten  Reihe  zu  gelangen  versuchte, 
der  ihm  in  seiner  Rolle  als  Gemeinderat  zukam.  Er  fand  die  Reihen 

r 

dicht  besetzt,  niemand  machte  ihm  Platz.  Verwirrt  durch  dieses 


50) 

ungewohnte  mid  unerwartete  Vorgehen,  Hess  er  sich  auf  den  nächs- 
ten Sitz  nieder, der  frei  war.  Ein  Gewirr  von  Stimmen  war  auf  der 
einen  Seite  des  Raumes  zu  htJren,  wie  das  btJse  Summen  gereizter 
Hummeln.  Nachdem  der  Vorsitzende  die  Versammlung  eröffnet  hatte, 
aber  bevor  er  noch  die  Liste  der  zu  besprechenden  Themen  vorlesen 
konnte,  meldete  sich  jemand  heftig  zu  Worte.  Es  war  einer  der 
zugereisten  Grobiane,  der  schon  seit  einiger  Zeit  seinen  Binfluss 
auf  die  jüngeren  Leute,  Mönner  und  natürlich  auch  Frauen  —  er  war 
gross  und  stattlich  tmd  brutal  —  geltend  gemacht  hatte;  einer  von 
jenen,  die  niit  Matthias  kameradschaftlich  getrunken  hatte.  Hier 
stand  er  nun  in  seiner  ganzen  unverschämten  Kraft  und  sagte  t5ffent- 
lich,  was  bisher  nur  hinter  Jephtas  Rücken  gemurmelt  wurde: 

"  Was  tut  dieser  Neger  hier  in  der  Versamml\ing  weisser  MÄnner? 
Brüder,  wollt  Ihr  das  weiter  dulden,  dass  Exire  Versammlxmg  zu  einen 
Schweinestall  wird?  Nirgendwo  sonst  würde  man  erlauben,  dass  der 
schwarze  Bastard  sich  mit  einem  weissen  Mann  niedersetzen  darf.  N' och 
dazu  dieser  Nigger,  der  wie  wir  doch  alle  wissen,  seine  eigene  ver- 
dammte Brut  geschändet  xand  dann  ximgebracht  hat.   Seid  Ihr  denn 
alle  Idioten  und  SchwÄchlinge,  dass  Ihr  ihm  erlaubt. frei  herum  zu 
gehen  \ind  noch  dazu  diese  Versammlimg  zu  beschmutzen.  Werft  ihn 
hinaus,  oder  wir  werden  es  selbst  besorgen.  Wir  haben  an  anderen 
Orten  gesehen,  wie  man  mit  diesen  blutschänderischen  Schweinen  um- 
geht lind  wir  werden  es  t\in,  wenn  ihr  ihn  nicht  sofort  entfernt.  Die 


1^»-UX^. 


alten  Fre\ande  und  ■jiii  Tu  Ix    'innt-n  waren  aufgesprxingen  und 

hatten  sich  schützend  xm  Jephta  gestellt:   es  war^nicht  sicher,    o\)XcHx._ 

neunund^-dreissig     itj_ip-^   iu  Allwm  ni.i  i-j^rilL^ie  drängten  ihn)   pt^j  ,x^ 
zur  Tür  und  brachten  den  alten,  vor  Entsetzen  stiimmen  Mann  in  se''"''' 


51) 

I^r^us.  Sie  wollten  bei  ihm  bleiben,  um  ihn  vor  Gewalttaten  zu 
schützen I  aber  er  verweigerte  ihnen  diesen  Liebesdienst ^  wubste 
er  doch  nur  zu  gut,  in  welche  Gefahr  sie  sich  seinetwegen  begeben 
würden. /STs'Tie  gegangen" waren,  nahm  er  sich  ni(Cht  einmal  die 
Mühe,  die  Türen  zu  schliessen. 

Die  Versammlung. zu  der  Jephtas  Freunde  zurück  kehrten ^war 
wild  und  stürmisch  und  dauerte  die  ganze  Nacht  hindurch.  Man  kam 
nicht  dazu,  irgend  ein  anderes  Thema  zu  besprechen  als  Jephta,\ind 
was  mit  ihm  zu  geschehen  habe.  Die  alten  MHnner  und  die  anstSndi- 
geren  hielten  lange  dem  Ansturm  der  Brutalitat  stand,  aber  schliess- 
lich mussten  sie  der  Mehrheit  weichen,  denn  sie  waren  eine  demo- 
kratische  Versammlung.  Hatten  sie  nicht  nachgegeben,  so  wSre  wohl 

^  das  Recht  in  die  HSLnde  der  Saufkumpanen  übergegangen,  die  vor- 

sie 
fcfchatten  Jephta  zu  hangen,  so  wie  es  im  Süden  und  Westen  gesenen  oder 

iiohl  auch  mitausgefUhrt  hatten.  Es  wurde  beschlossen,  dass  Jepiita 
I  innerhalb  von  48  Stunden  die  Insel  verlassen  müsse,  da  er  ein  un- 
erwünschter Fremder  in  der  Gemeinde  sei. 

^(3i»j(^n  Morgen,  nach  dieoer-^i  tzii.n^  gingen  die  Gemeinde  Ver- 
walter, die  noch  alte  Freunde  Jephtas  waren,  zu  ßeinem  Haus,  um 
ihm  den  Beschluss  der  Versammlung  bu  bringen.  Sie  wollten  ihn  auch 
trtJsten  und  ihrer  eigenen  l^f^y^ii^^B,^  versichern.  Sie  gingen  schwer 
mit  bedeckten  Köpfen,  aber  entfernten  ihre  Kppfbedeckung.  als  sie 
sein  Haus  erreichten,  als  wollten  sie  eine  Kirchs  betreten.  Sie 
riefen,  aber  nichts  rührte  sich.  So  schritten  sie  durch  sein  Haus, 
von  Raum  zu  Ra\im,  bis  sie  sein  Schlafzimmer  betraten.  Jephta  lag 
auf  seinem  Bett  mit  durchschnittener  Kehle.  Blut  bedeckte  das 
weisse  Leinentuch  und  sein  weisses  Hemd.  Sein  Rasiermesser  lag 


52) 

am  Boden.  Die  Kerze  auf  seinem  Nachttisch  war  fast  schon  vt3llig 

hera^)gehrannt ;  neben  der  Kerze  lag  die  heilige  Schrift,  die  beim 
Buch  Hiob  aufgeschlagen  war^^Die  Gemeinde  beerdigte  Jephta^  nur 
ein  kleiner  Zug  folgte  dem  Sarg  zum  Friedhof.  Auf  dem  Totenschein 
waren  seine  Personalien  angegeben,  sein  Alter,  sein  Name/  Jephta 
Stone,  ein  Neger* 

^Itk  ^^^  4Mk  *^ 

t^iUt^  ^  t^yuhM .  fU^   ^  SröUillju.    xL,    •Lz^  ^-a^u^  r£^ 

2;^     f/eu<^.cX^       t^^t^  J^' C^c^  m"  i^V^tf^    tct,,;   ^^<^    ^^^^^ 


i-tt^t-<.i^    4^i^^KU.     t^^ltc    ö.uJ!., 


77 


VI,   Kapitel 

■     II—      ■    ■!     ■■■       I      I    ^H  I  Uli     ■  — 


Dil    ^ 


'  'XIIIG 


Dr»   von  Ja^emaim  war  In  ^o,y#r  p^rwdn   döbel^    alch   seinen 
ÜBT^tPl   9UBi!u«leh#*n,   <!le  Tour  seiner  N  achmlttaiT-övlftiten  war 
bee.idlprt.     ^q  wr^r  ein  Pebruernachtrdttag  mit  N  ehel   und    r^lnd; 
"Hauh  und  unonpeneh«^  vci^  eß  mir   in  U  a.burg  zu  ditatr  Zelt 
Ist,**  dachtf   der  Doktor,   verbesserte   sich   aber  selbst   dahin- 
gehend,  daaa   eö  Wberwll   IMnr^t  der  Oat-und   Nordsee-Küste   Je tat 
ao   sein  »••uaitet   T?r  dachte  voller  aehnauoht  an  :3tzllien,    wohin 
er  als   ,junc?er  •^ann  elne^  im^^nf^^ene^^'aen  Hustens  vteren  einaal   im 
?ebri2ar  creachlckt   worden  war.    Dieser  Aufenthalt,   der    iei  rere 
Wocben   seiner.  Lebens  ver'^.aubert  hatte,   war   Ihm  strahlend   und 
lockend    in  Frlnnenmr  f;ebl leben.   Jedem  Jnhr   im  Herbat   begann  er 
zu   planen  und   «unrnrechnen,    ob   a-^ine    Iv^er  wachsende   .^raxi» 
ihm  erlauben  wtjr^ie,    nlc^.    zwei    /ochen  Kerlen  sch^n   im  Februar 
zu   Rpnnen»      Fn  kai»  nie   so  weit*   Ger?^1e    In  dieaem  ^rrsuen  Monat 
war  er  beschilft Ifct er  als  sonst*      Influansa  und  Herzerkran- 
kun^/en  schienen  nn  der  T/igesorduunf.:,   und   er   ^^vurde   soptar  hSufig 
nachta  von  Patienten   f^e^nifen,   denen  er  drinrendf^  Hilfe   nicht 
verweigern  mochte.      ?;o  v78r  ee   nicht  verwunderlich,   desa  er 
müde   war  unr»    -ich  auf  eine   ruhii^re   r'tunde    In  ^einfm   Arbeits- 
limmer  freute.     Fr  war  nicht   ein  aal    lozuwekr  nnieo,  die  Zeitung 
wie   frewtihnl  Ich   nach  xlacfc   zu   lesen,   ria   er  von  Frau  lii^irnfeld 
gebeten  wurde,    eiligst   zu   kommen.     Max  hatte   hohes  lieber 
und   hatte  die  ^'acht   und   den  ^lowren  Über  viel   trehustot.      Beim 


I  I 


I  i 


VT-2 


7« 


Geianken  an  Vax  wurle  der  Doktor  besorgt;  er  sollte  doch  Jehr 
entachleden  raten,  dasa  ¥ax  Haraburp;  verliess  —  "auf  immer, *• 
dachte  er  seuf/ead,  90  »;erne  er  ihn   auch  hier  behalten  bStte. 
nieaea  Kl  1ms  war  Olft  für  ihn.  Fr  würde  ihii  oehr  verniasen; 
er  konnte  sich  30  gut  mit  diese-n  jxingen  \!en3chen  imterbalten, 
tie  ver.itarjden  eiiisrn ler  trot?  des  Geuerationaunternchiedes. 
Fr  hatf?  gf  ode  «ax  von  TTietzjche  erzBhlt  und  ihm  den  Isra- 
thustre  zum  leaeu  p;e^reben.   Fs  war  eine  ftrosae  Freude,  das 
Interesse  und  die  geistige  Lebendigkeit  in  ihm  anzuregen  und 
zu   pflegen.   K  ieiuend  axide^  er  in  seinein  Gesellschaftskreis 
oder  im  Krankenhaus  vermittelte  ihm  dieses  wunderbare  flefUhl, 
einen  neiat  zu  formen.  Fr  dachte,  unmittelbar  an  diesen  Ge- 
danken anschliessond,  an  Irene  und  fühlte  .vieder  die  «grosse 
Müdigkeit,  mit  der  er  aacn  Hauue  gekofnaicn  war.   Er  hürte 
Stiraraen  vom  '^-alon  her.   Jcniand  hotte  die  Tür  dort  geüffnet; 
anscheinend  war  seine  Frau  nit  eirem  Benuch  beschäftigt;  er 
glaubte  Frichs  ntrame  erkannt  zu  haben.   Dai)n  klopfte  es 
leise  an  seine  Tür  und  Gertru^e  kam  herein  mit  eiaeoi  Ausdruck 
im  Gesicht,  der  Neuigkeiten  verkündigte.   Mit  ftlÄnzenden  Au- 
ß;en  und  gert^teten  v'anpen  rief  sie:  "Vater,  Erich  hat  sich 
verlobt,  -  mit  dieser  Irmgsrd  Hoyk.  Fr  sitzt  bei  ".»futter  im 
Salon  und  wartet  auf  Oich,  daas  Du  ihn  3e<.'ne3t.   '^'aa  Sdf5;st  Du 
denn  zu  dieser  "ahl?"   "Das  wird  das  ;junge  MWichen  sein,  mit 
dea  Frich  bei  den  Petersens  so  viel  getanzt  hat,"  neinte  von 
Jagemann.   "Sie  scheint  ein  sttraktiv<^ä  und  nettes  Vödchen 
zu  sein.   Die  Familie  scheint  T.it  den  Tilienfelds  zu  verkehren." 
"Nicht  die  F3:nilie,"  sagte  Trude  schnell  und  aufgeret-t. 


VI-5 


79 


I « 


"nur  der  ,1\lngere  Bruder.   Nein,  sie  nind  bestl-nmt  nicht 
die  Art»  eo  eine  Familie  vi«  die  Lilienfelda  zu  schützen. 
Herinsrskraaier,"  eegte   sie  «rerinsrschRtzig,  "otcleich  er  sich 
Gr^SGkaufrrann  nennt i   Er  vird  eher  der  Tochter  eine  e-ute 
MltP-lft  sreben,  30  das?  T:rich  sich  in  seine  Firme  eink^\'fen 
kenn  und  ein  Haus  wohl  in  der  ühlenhorst  —  -nan  wss  ja  rieht 
gleich  in  HarvesteJi^Ude  anfano-enl   Du  solltest  dem  Erich 
p;ebVrlg  Deine  '>«einunf?  sagen  —  vielleicht  hat  sich  der  H  err 
Assessor  aber  vorspekuliert,  vielleicht  hat  »r  von   der  mira- 
kultJsen  Erbschaft  gehBrt,  -Bber  die  ?^ehr5rt  nur  dem  Jüngsten, 
savt  Max,  der  Yater  haO  nicht  .ual  das  Versal tunj^srechtl 
Mtlde  und  9r"-erlich  wie  er  bei  diesen  beissenden  Bemerkungen 
ieiner  Tchter  w^r,  nahro  Jafretiaim  ^ich  doch  zus^Jimnen  und 
setzte  ihr  auseinander,  daas  seiner  TIberzeu?ung  nach  der 
Assessor  nur  aus  Zunei?-.ung  seine  Wahl  petroffen  habe  und  das» 
der  Hoykschen  ^^amilie  nichts  Ehrenrühriges  nach^esa^t  wtlrde, 
80  da  SS  die  Verbin- ung;  mit  ihnen  allen  willkoairaen  sei.   "Aber 
was  willst  Du  denn  -'.irklich  von  mir,  Trude.  warum  hast  Du 
nicht  warten  können?",  fragte  er  misstrauisch.   "Ich  wollte 
genau  das  hören,  was  Du  geaa-^t  hast,  lieber  V-^ter,"  ant-Drte- 
te  sie  und  glitt  zur  T«r  ninauß. 

Trude,  die  von  Maxens  Erkr^nkun;?  gehört  hatte,  besuchte 
ihn  ein  paar  Tage  'spHter,  nachde-n  er  «nieder  fieberfrei  war. 
GUrther  TP-r  bei  ihoi,  und  die  beiden  Freunde  waren  in  ein  Ge- 
sprach vertieft,  bei  dem  sie  sich  nur  xangern  stören  liessen; 
richtiger  eea  gt ,  »fax  lle<53  sich  nur  ungern  stören.   Für 


I  I 


VI-^ 


80 


GUnthor  -^i^v   Trade 3  Erscheinen  keine  .itürunp;^  anndern  noch 
inaraer  das  grOsste   under^  das  sich  in  Fleisch  naterjaliex^ren 
konnte •   Reibst  die  wichtigen  Gedankeniiani^e,  die  er  gerade 
im  GesprHch  .nit  Max  zu   entwickeln  versuchte ^  und  die  von 
ethischen  und  religiösen  'A'erten  handelten ^  bekamen  neben- 
sächlich in  Gert  udes  Licht.   Sie  spUrte  MsxeijS  Ungeduld  und 
erfasste  mit  ihrem  feine h  Gefühl  fUr  Nuancen  die  Spannung , 
die  ihr  Fintreten  verursacht  hatte*   Sie  hatte  sofort  das 
Buch  erkannt,  dar  auf  Maxens  Bett  la^t^    es  war  •'  Also  sprach 
Zarrthustra/'  das  sie  bei  ihrera  Vater  auf  dera  Schreibtisch 
hatte  lieeren  sehen.   "Ah©/'  saete  sie  sptJttisdh,  *'^.er  jaensch- 
enverfUhrer  war  hier,  der  »rosse  Dr*  von  JatreT.ann^  der  seinen 
heidnischen  Tinfluss  auf  die  Jurend  der  freien  Hßn.Bentadt 
Hamburjz:  ausübt.   Rinm  dich  nur  in  Acht,  Max,  0  ^er  es  wird  Dir 
p:ehen  %ie  Irene  und  Hu  ^irst  Deine  Wutter  oder  die  FCttchin 
umbringen.   Das  darf  mnu   iion  Aohl,  ,%enn  oian  so  ein  tTttrmensch 
ist,  \ie   der  He^r  ?Uet7.sche  oder  der  Doctor  odo^^  das  rröulein 
Johannsen,  ohne  ^'v'r.l  und  ohne  '^eli^ion.   lan  eeht  danach 
einfach  in  ein  Sanatorium  und  wiijt  Schwermut  ig  fenannt-" 

Max  war  bei  ihren  »^orten  weiss  ß:evvorden,  er  kl^'nmerte 
flieh  an  sein  B  ett  und  schluckte  hart;  er  schien  sich  nur 
mit  grOsste^  Anstrengung  zu   beherrschen.   Nachdem  er   seiner 
wieder  sicher  war,  säurte  er  tait  leiser  obe^  scharfer  Scim'ne, 
dass  er  diere  Attacke  Gertrudes  ©uf  ihre<;  Vater  und  fiuf   ein 
iWdchen,  das  ihr  nie  ein  Leid  zugefügt  hatte,  nicht  verstehen 
könne;  dass  sie  aber  ver^Ä/erflich  sei  und  entwedr-  von  geisti- 
ger Beschrüiikt^elt  oder  einem  Grade  von  Seelenkalte  zeugte  ^ 


VI-5 


3i 


der  Ihn  schaudern  mach«,     laa   Imsaar  ihr  Grund   r;el»   er  wttaache 
dleae»  Gef.pr»^ch  nlc^t   fortzusetzen.     Gertrudc  bemerkte   zu 
spMt,   dasn   ßle   zu  w^lt  reo-sn  en  war;    sie  «ntachuldigte   sich 
damit,   daaa  «la   narvOa  sei,   flufP:e^«p:t  aowohl  über  ihres  Vetters 
Verlobuno;   ^it  GTln'-her«»  ?>chweater  als  «uch  Ub«fr   ihr«  heran- 
nwhond«  Konfirmation.     G«r«d«  dl  ae   letat«  TatDocha   :aache 
ihr   30  zu  .ichnffen  und    iei  vielleicht     cnuld  an  Ihreji  Aus- 
bruch (^epen  dss  Heidentum  der    tiodernon  Intollesctuelien  und 
Philosophen,   da    aia  '3ooh    imuer  '^e'*sbr  w'Trde,   durch  die    Uun- 
dan  -nit    Ihrea     aator,    vte   3ehr  Jian   selbst   in  ;:ef3hr  A«ra, 
'ieidnlschen  lockunKen  nachzutraben.     Sla  böte   KSax  nochüals, 
ihr   ihre  Taktlosiejireit  zu  verpeban.     üax  wurde  daa  upfar  eiueo 
hafti'jreß   HHu^teninfali«8  und   konnte  die    ih«  eutgcencre- treckte 
Hftnd  ^IcaA'^-o-«!.  nicht    »rnckon.     Gtlnbher  hat'.e   ..tuasa  und  ver- 
lasren  den  beiden   sui^ehtJrt.     Tr  wußste  nicht,  woher  or  plbtz- 
lich  den  »Jtut   nchPpfte,   aber  %ie  unter  einea   ..wang  erhob  er 
«loh,   aacrte  den:  Preund,   d-^ss  er  glaubte,  «fax  brauche  !?uho,   er 
werde  Frau  Lilicüfeld  rufen  und  ßerji  Trude  ea  j-estattcte,   diese 
»•ch  Hauae  begleiten.     Frau  Lilienfeld  ica;n  ungerufen  und 
Gl'ntber  und  Trude  ver»bs»cniedeten  sich. 

Von  die  eoi  Tok  an  saher.  Gunthar  und  Trude  elmnder 
hnufier;   nicht  sehr  bei  Vax,  da   ßie  beide  unausereaprochcn 
fühlten,  daas  es   zu  dritt  nicht  gut  ei-ng.     Aber  diese  Zeit 
ijjuaste  wphl   reicher  an  Zurollen  sein  als  alle   anderen,  denn 
aie   trafen  einander  isuuer  zufSllig,   oft   -juf  G"unt!i€ra  TTachhau- 
aeweg  von  der  "^»chule,  bevor  er   Sfsx  besuchte,    oder  wenn  er 


Z\]OR 


T^onflr-Tianden-nnterricht  *'ing.      iT^mer  'Aar  Irude     Hein, 


I    I 


VI-6 


82 


hatte  sich  ^,eradf;  von  einer  Freundin  verabschiedet,  odc   war 

I 

auf  dem  'ep:  zwischen  ''>chnelderin,  die  trgen^^wo  uia  uie  TcKe 

^anz   in  der  NHhe  wohnte ^  zu  einer  Bekannten^  wo  ole  die  Mut- 

ter  schon  er\K8rtete.   Gtlnther  ^Itiubtt  en  '^iufSllei  an  den 

oft 
besti/nmten  ?.uf8ll,  der  th^i  Gcrtrude  so.  ent^eP'enfVhrte  • 

^ie  hatten  .lo  viel^  das  sie  Jetzt  ü»;e.T:elnsöin  beschert  igte  i  Irm- 
gard und  "Pirich,  Max  uiid  seine  Erkr-^inkung  und  vor  allem  ihre 
bevorötehende  Kontf irmation.   E3  stellte  sich  heraus,  dass 
sie  zur  gleichen  Stunde  am  ^solr:-"onnt©.«r;,  7enn  ^uöh  in  veT- 
schiedenen  Kirchen  das  Abendmahl  einnehcien  wUrden.   GUnther^ 
der  von  vielen  Zweifeln  MieplsRt  ^a  .r,  -ah  Trude  reicht  nur  ala 
das  schönste,  sondern  such  eis  das  weiseste  '  esen  an,  deaaaii 
oft  rStselhofte  "^InftLhlunc^sgabe  ihn  entzückte  und  in  ihji 

VTi 

Zukunft strSijuBe  erregte.      ''>ein  grosser  Gewissensköi)f  tobte 
um   seine   Zweifel   an  Gottea  Allfftlte    and   Allvvi^senhelt.      In 
so  vielen  Beisoielff^n  des   Altan  Testamentes   erschien  er   eher 
all»«   Pin  brutaler,    eitler  Tyrann,    der  unaussprechlich   .',röU3ama 
Opfer  von  seinen  crlttubieen  Anbetern  verlan?/;te,   uia   ihre   Er- 
gebenneit   auf  die   Probe   zu  stellen*      Aber    .ie   konnte   er  all- 
gUtlp   oder  allwissend   sein,   \^enn  ea  ntttlg  wa^,   Abraham   zu 
dieser  Opferwilligkeit,    ^'oinen  Sokii   zu   schlachten,    zu   i#rei- 
1^9,    oder  Hiobs  f^anze   Fa:nilie   auszurotten,   und   nur,    ^3C^ien  es, 
um  sich  vor  dem  Teufel   mit  dieser  Treue   einer  hilflosen  ideale 


TU   brtlstenl      Und    donn   nusste   er  euch   seixien  c- Irenen     ohn 
auf*?j  Graus'Ufiste   töten   lassen  —  GUnther  v.usste,   dass   im 
Flnter^run-^   seiner  Gedanken  der  Vergleich  aiit   den  Titanen  und 
den   rT^ieohischen  Gt5ttr:rn  ^sich  hervor  drSngen  v.ollte.   Er 


vi-7 


85 


^ 


/ 


mu3*;te  (ilei^eiii  Gedani<en    -urOkkdSflimen  rüit   grosser  rre\valt| 
hatte  doch  Trude  neulich  bei  Max  eine  Andeutung-  ^c"e;iiacht 
über  die  Versuchungen  des  Heidentums   iu  einem  selbst*      )  er 
andere    ':rc0^e  nia  ubeiis^roziflilct   hatte   min    neine  u  LnverstHrid- 
uis  de'n  Betrrif^  d^r  Dreieinigkeit  gegenüber  zu   tun.      Als 
er  diese   /"-v^eifel   Tru4e  beichtete,    ermahnte   sie   ihn  seufti 
nicht   alles  verstehen    7,\x  wollen,   Trottes  Sip:enschJ^f ten   und 
Gott^'?    ^ntHChltJBse    seien  den    >terbllcb<^n  nicht   zugcJnglich; 
ein  ^niter  Christ    sein,    hie^">se^   die  Onade   zu  habeui   «klauben 
zu  dUfCea;    r.u  versteberi   sei  dabei  gar  nichts.      Gtinther  hotte 
so   j^erne    ihre  Überzeuf>riiiLp:sstSf  ^'ke  [jehabt   ^-enau   so^   Vvie   er 
sich  wünschte^   Maxens  durchdringende xi  Verstand   zu  besitzen. 
Bei    Ihm  selbst  ';^ar   elles  ein  Purche inander;    das  Srgste  wohl 
war,    dass   ihrn^   wenn  er  die   v  orte    "heiliger  Geiaf   hürte^    ein 
Gedicht   einfiel^    in  deii)   ein  f ^nnztJsischer  Offizier  ^aoolieonsi 
nachdem   ihm  seine  deutsche  Wirtin,   Über  ein  ?ild  einer  Taube 
befragt,   erklärt   hatte  dass  es  der  Heilige  Geist   sel^    sie 
auff ord«=»rte,    ih:n  einen  Iteili^en  Geist   zu  braten,    "aber  keinen 
solchen   alten'\      Diese  alberne   und   kiaw:liche  Gedankenverbin- 
dung,  die   sich   ihm  unweigerlich  aufdrSlnprte,    konnte   er  weder 
Trude  noch  ^^ax   ein^ejtehen;    er   schämte   r>ic.b    zu   öehr. 

II 
Irmgards  Verlobung  viit   einen  Miti.:lied  der  Pahiiie  Jage- 
mann  3tellte   ein  früheres  Verhältnis   zwisfehon  den  Geschwis- 
tern v.ieder  her.      ¥  ie   einst  verbrachten  sie  wieder    'tunden 


I  I 


VI-8 


34^ 


vor  fltÄ  Zubettfreheri  d^mit,  einander  Über  ihre  r>eT-GT5nlicheten 
Ge fühle  zu  berichten.  WÄhrencilriber  In  ^er  PClrdbelfc  immer 
Irmpierd  die  überlegene  und  Gebende  war,  so  warc/^  r.ie  Jetzt 
gleichberecbtlfft  und  teilten  p:lelche  .Ängste  und  Freuden« 
Allerdin(Ts  war  Cllnther  im  Sachteil,  da  er  nur  im  Zustand 
6er   Verliebtheit  und  ncch  nicht  sicher  Aar,  dasa  die  Göttin 
seine  CefOhle  Oberhaupt  er?.idera  konnte.   Hatte  er  früher  ei- 
ne leichte  Verachtung  für  dien  Assessor  von  Ja^emsnn  verspürt, 
weil  er  niemand  besseren  als  Irmarard  umwarb,  so  war  er  ihm 
^etzt  80  dankbar  dafür,  dass  er  bereit  Aar,  -jit  Irmgards 
Jiugen  in  ihm  das  Ideal  der  'Männlichkeit  zu   sehen,  -nackte 
Ir^nf^ards  ^tlnfti^^e  Ver-^anitschaf t  nit  den  JagemannG  es  doch 
sehr  viel  leichter  ftJr  ihn  seibat,  oeine  Beziehung  mit  Ger- 
trude  in  Zukunft  aufrechtzuhalten,  ohne  unnötiges  GeschwStz 
zu  errepen.   Die  offizielle  Verlobungsfeier  war  auf  den  Son- 
nabend vor  Palasonntap,  ji;elGy;l.   Die  Dr.  von  Jagea^nns  Aaren, 
da  Gie  die  nächsten  Verwandten,  ^ia  die  eir^;entliche  Familie, 
des  Asses  ors  w?5r»en,  die  wichtignten  G^^a^^te.   Gc-rtrude  als 
^iieblinrrakusine  war  gleichfalls  eingeladen  worden.   ?,o  wür- 
den sie  einen  ganzen  Abend  zusaaimen  Bein.   Am  nächsten  Mor- 
ien aber,  nra  Palmsonntag,  wUrden  aie  beide  konfirmiert  zur 
gleichen  ^tunde,  aber  Gertrude  in  der  P©t.ri;<irche  und  G«nther 
in  Sankt  Katherinen.   Beide  j^.rossen  Facriilienerelgnissf»  fielen 
fast  zun  am 'Den. 


I  I 


In  oicBpfT!  freudl^ren  Frw-irtungsaustande  ereif^nete  sich 
eine  bef^onr^rrB  schmerzhafte  SttJruiiK  bei  einem  Besuch  be.  Max^ 
der  noch  Immer  das  Zimmer  hUton  musste.   GUnther  konnte  von 
nichts  anderem  als  seiner  Bewunderung  fUr  Trude  sprechen ^ 
womit  er  den  ?rcund  nicht  nur  laneweiltei  sondern  auch  wirk- 
lich beoor^^t  machte.   Max  ^urde  sich  plötzlich  bewusst^  daas 
das  Net  I  das  GUnti^er  ein^:6fangen  hatte,  auB  einem  feinem 
ntahl-Gewebe  b'^^tand,  da?  ^chwer  zerreiaebAr  ^.elri  vlüröei 
besonders  v.enn  mehr  und  mehr  FSden  dazukament   Auch  fUhlte 
er  sich  seibat  sehr  verantwortlich,  da  er  eine  peinliche 
Ahnunor  hatte,  dass  Trude  weniger  durch  Günthers  ^Persönlich- 
keit und  ^eln  erwachendes  SÄannestum  als  durch  seine  nicht 

;^orden 
unbedeutende  Erbschaft  anpexoren >  war#   ?r  selbGt  hatte  ihr 


leider  davon  bell9ufl(r  erzShlt  und  ihre  Oier  anscheinend  an- 
geregt.  Fr  unterbrach  GUnthers  Wieder^-abe  eines  sehr  rüh- 
renden Berichts,  den  Gert  rüde  «her  ihre  Beziehnnjt  zu  ihrer 
Familie  p'rf2r,eberi  hatte,  und  der  darauf  hinatisjscing,  GtJnther 
eifersüchtig  nuf  so   viel  Liebe  zu   inachcn^  und  sa^te  arger- 
lieh:  "Was  ftJr  ein^    raffinierte  kleine  ]tlf,nerln  die^^e«  Mäd- 
chen ist.   Sie  hat  nie  et^^^s  für  ihre  Brllde-^  Ubri^  ^eh?bt; 
sie  verabscheut  ihre  Mutter  und  verpachtet  ihren  Vater  und 
will  Dir  vi^eisiaachen,  dass  3ie  ein  wirklicher  Knr;el  i^t.   0, 
GUnther,  niim  Dich  vor  Gertrudes  Appetit  in  Acht;  yie  iat 
eine  Menschenfresserin,  die  sich  ein  VergnA^en  daraus  machen 
>?^?ird,  Dich  zum  FrUhstUck  zu  verzehren.   Denk  an   Circe  und 
sei  stark  wie  Odysseus,"  fUp:te  er  schon  wieder  scherzend 


i  i 


VI-10 


86 


hlnru.      Fr  hat:^#|   aber  nicht   mit   der»  ''irkun^  ör#r^chji#»fc  ^      i% 
«eine  wohl   unbei acuten  und   fcftlcfclos<?'U|   ^#axi   -^»tcci  ;^ehr  wahi^^fX) 
Worte  bei  GUi.ther  hervorrief eru 

Gtintbe^ö     oru  wor  voü  honeriöchea  Ausaeee^   er  tobte 
wl#  ein  Beneanei^er,   w^rf  de«  Freuu;i  Uneufrichtiglcf  it    v:  ^ 
nle'^^'^re  Motive  vor  und.   Bt.tJrrte   vilt   roten  Konf  und  p-eballtea 
Föu   teii  davon,   Ä«   <i^r  fürchtete,    ßlcü  ar.  :/ax  xu  verpr^^lfeat 
Fr   lif^ss  eich  nicht  uöKr  bei  ^len  Liltcnfeldö  sehen«      Zv^elfel 
^n   Ontt   und    '.•^ft^ifel    9n  eeiaenfi  Fre^ind    stt^rtei:    seinen  Schleif, 
"^»r   aeh   so  überr.^cht   und  \mcr,l\lol\llcA\  sub,    daac  Trude  sriae 
Yersti        ng  «erkte   und  durch  f?,eöchickte8  FrH^^n  von   th:c;  er- 


fuhr,  de««  llex  eineii   Htos«   ^  ecen   sie  ^ciUlirt   hett«.      nie 
oorierte  die-^ien    "toeÄ  mit  chrlHClicber  Sanftheit   und  Le^n-^ 
eiutf    Indexe   ^^ie   nur  fln  wenip;  '«ehmWtlP:  18chclC(^   und    sich   dann 
seufzerid   zu   f»»lnf»r  ^/rJ^lKrung   z^^v^eap;»      nie   B8fz:t6   -alt   leiser 
stimme:    -''eWen  iie,   (IttiithGr,    ich  wUl  ganz   ehrlich  mit    Ihnen 
sein,   de   Ich  Ihnen  ve ^treuer.   '£Bnn^^  -Ue   haben    3ilr    ja    >uch 
Ihr  Vertreuen  erwiesen*      :"le   haben  vielleiciit   «eaertt,   daM 
ich  einmal  Max  sehr  geliebt  habe,    eo  sehr,   daf?a   ich  ao^rsr 
devon   retr*?u*^t    habe,   mein  leben   mit    ihm   zn   teilen.   Mein 
Vater,   der  «ehi?  auf  mich  aufpesst,   tuss  etwai3  cbvou  rremcr^kt 
haben,    <^ecn  r^   1  ie^^s   eine    nrltaeae  Br  nerkun>-    fallen,   ala  ^^^ir 
etnna]    Ober  Max  und   ßnintt   "iUkunft   v*precbet.      Max,   stjrte   er 
damalo,    uei   nicht   wie  andere   jurr^    VtHnner,   er  sei  tJber»tichtet, 
vielleicht  d\!rch  solne  Rpeie   verv^eichlicht*      Jedenfalls  würde 
er   nicht  vrü^   -vf^l  hijchea  Geßchlecht   ancrezo^  ea^    er  wUrie    nie 
he  trater    kennen.      Das  w/^r  ^In      röa:^er  '^chock   fllr  o^iich,    h^t 


I  I 


VI-11 


87 


unendlich  weh  getan.   Ich  ging  durch  eine  sehr  dunkle  "eit, 
aber  Ich  habe  damals  glauben  gelernt,  und  ao  habe  ich  meine 
Gefühle  Überwunden.   Ich  habe  nur  ein  Gefühl  von  Freundschaft 
und  Mitleid  f«r  ihn  behalten.  Vielleicht  kenn  ich  ihn  deshalb 
bes  er  als  ."^ie  verstehen.  Ich  denke,  dass  er  an  Ihnen  !sit  so 
grosser  Liebe  hSngt,  dass  er  Sie  mit  niemanden  teilen  Kenn. 
Das  ist  wohl,"  sagte  sie  trHumcrisch,  "wie  wenn  man  selbst 
einen  /ann  liebt  und  nicht  ertragen  kann,  dass  er  sich  für  ein 
anderes  MBdchen  interessiert."  Günther  hatte  ihr  anccestreiiRt 
zugehört,  er  ve-spürte  Ancrst  um  den  Freund  und  leichten  Bkel 
vor  ihcQ.  Fr  errötete  bei  dem  Gedaiiken,  daos  sie  diese  verbo- 
tensten Dinge  verstr.nd,  Aber  wer  gerührt,  dass  die  ihm  ao  ver- 
traute, dass  sie  iha:  dieses  Ge3t?3ndnis  machen  konnte.   Er 
suchte  nach  einem  entsprechenden  Ausdruck  seiner  Gefühle, 
konnte  »be»-  nur  stottern  und  stammeln  aus  allzu  grosser  Ter- 
lesrenheit.   "Wir  sind  so  viel  glücklicher,"  fuhr  Gertrude  fort, 
«wir  sind  Christer:  und  wir  haben  einander  in  unseres  gemein- 
aamen  Glauben  gefunden  —  und  da  sollten  wir  uns  'iax   ^ei  en- 
über  auch  versöhnlich  zeigen,  sollten  ihn  verstehen  und  ihin 
nie  verraten,  was  *ir  über  ihn  wissen.  Viollen  "ie  ;nir  das 
versprechen?"  Sie  streckte  iha  ihre  kleine  weissa  land  ent- 
fretren,  die  er  mit  seinen  beiden  langen  braunen  KnabenhSnden 

uaf aaste.   Dann  beugte  er  sich  über  sie  und  drückte  seine 

-/""■•■ 

Lippen  auf  die  Kand.   Sie  winkte ^noch  ein.Tial  ihm  zu  und  p:ing 

rasch  durch  die  Gartentür  ihres  Hauses,  das  sie  inzwischen, 
ohne  es  zu  bemerken,  erreicht  hatten. 


I  I 


VI-12 


88 


Allein  «ebl loben^   versucnte  GUnther    rrude»  Anspieiuugen 
Äuf  Maxens  sn^iebllche  Abnora^litöt   in  V.ein  eiw:anes  Bild  von 
dem   Freund   einzupassen  und  au91te   sich  mit  Erinnerungen  an 
alle   mögliche  VorfÄlle,   die    ihm   in  der  Ve^piangenheit   f/anz 
harnilos   ernchienen  waren,    nun  ^ber  plötzlich    in  rliesem  neuen 
grellen  Licht   eine   Uberniö 531; irre,    unglllckyieliKe  Bedeutung  an« 
zuneh'tien  drohten.      Fr  bencnloss   schliesslich,    zu    'lax   zu   ^vehen, 
von  dei«  er  nun   Über   z'/;ei    Vochen   '^•-eder»   etwas   reoehen  noch  ge- 
hört  bi^t-e.      Er  ^^usBte,    daag   er  noch  krank  war,    war  aber  nicht 
vorbereitet   auf  die  Veränderung,    die   mit   Max  x^orrcrangen  war: 
Maxen^i  Gesicht   ^^nr  von  piner  fanlen  BiBase,    Peine   AuKtii   ein- 
i^esunken,   die   an  und  fUr  sich   prooiinente]:!   BBockenicnochen 
standen  noch   mehr  hervor  und   schienen  nur  noch  von  durchsich- 
tiger Haut    ^ekleidet.      e^^tirn   und   Käse   schienen   unverhSltnis- 
niassig  erross.      Tv   S'-.h  .sehr   zerbrechlich  avs^    vde   er  da    in 
S6»inem  Bett    im  Schlaf zimaer   ]ag.      l^ein   traurir-er  Geaicnts- 
ausdruck  erhellr>e   sich,    als  er  G*'unther  eintreten  sah, 
GUnther,   der   seinen  Schreck  über  den  Portschritt  von  Maxens 
körperlichem  Verfall   zu  ve^^berpen   ouch  e,   wirkte   unbehoifen 
und   verlegen.      Idax   39^;te    lächelnd,    "Du  bist   rloch   t:na:ier  der 


y\lte,   r;**unther,    kannst  Dich  nicht  ver3tellenl     NNoch  gena 


u 


so   tollpatachig  wie   deaalB   auf  dem   Üanpfer.      3eh    ich  v.irk- 
lich   30  au3,   als  ob   ich  rrleiob   sterben  T7?erde?     Fs  ist   gut, 
dass    '^u  frekommen  bist;    ich  'vollte   Dir   ■^ovaA'^   schreibe;]," 
fuhr  er   fort,    als   er  be:iierkte   das^  GUnther   sich  no-^h   riicht 
ganx    in  der  Gewalt   hatte.      "ich   bin  3ehr   krank  ^:ewe3en,   weinst 
Du,    zwf^i  iVochen   lanfir   hatte    ich  f^^ehr  hohes  ^irber,   so  i^^piv  es 
nur  gut,    das^    Du  nicht   herkommen   konntest,    denn  -nan  h^.ote 


I  I 


VI-13 


89 


Dich   nicht   zu   mir  gelassen   un^   des  wHre   h^sslich     pevesen.^ 
Fr  berichtete   denn  die   Neuiffkelt^   die    ihn  anscheinend   sehr 
beschBfticrte   und  Günther  eriChreckter    Frau  lilienfeld   hatte 
beschlossen,    Ranbura   end^Ultic^  mit    ihrem   Sohn    /u   ve-^L^ssen. 


le   klflrte   Bich  an,    atj^i  Egoismus   w^axens  Gesundheit  durch  das 


Hembur^^er  K]  itus   «reschgdifrt   zu  haben.     Nun  würden  sie   erst 
nach  de:u  :j>üden,    wohl  Garda   See   ode^  Nizza   reisen,   damit   er 
sich   erholen   könne  \ind    '*wenn   ich  ^vieder  gesund   bin,    rehen 
wir  zntJck   nach   Amerilra,'*   ssfT-te   er  und  >>etonte   das    •W'^K^^', 
80   das-o   e-:>  Günther  sehr  schwer  ums  Herz   ^urde.      "Bist   Du  noch 
i.Dtner   sehr  krank?**,    fragte   er*    ^chTJchLem  und  versucht ^^   des 

ort:    Schwindsucht,    das  so   au^ifire zeichnet   auf   seines  '»^reundes 
kf5rperlichen   Zustand   pasr.te,    in   seinen  Gedanken   zu  unter- 
drücken.      "Noch   krank  t-^.enug,    leide^,"  antwortete  Wax^    Mass 
ich  nun  nicht   zu   Beiner  Konfirmation   kou:iaaen   kann.      Ich  w9re 
so  irerne   gekorufnen!  ■ ,   rief  er   plötzlich   leidenschaftlich  aua^ 
"Du  bist   noch   (^.cv  einzlrre   ^'erlsch  ausser  Mutter  und  Jascmaiin, 
der  ^ir  et^as  bedeutet.*'     Günther   fUhlte   Vviede;    den  Ekel  auf- 
stei^^en,   der   ihn  bei  Gertrudes  Eröffnungen  befallen  hatte^ 
Er  versuchte,    ihn   %u  unterdrücken,    aber  Max   hatte   sofort   p:e- 
merkt,   dass   sich  Günther  verändert   beaahii.      Er  wurde  ff:an2 
still,    und  erst  nach  einer  perauiüen    .eile   öä^:te  er  leise: 
"Bu  bist   anders   zu   mir  als   Du  früher  w?trr>t.     Vielleicht    ist 
es  meine  dumme   "Bemerkung  von  neulich,   um  die   es  mir  sofort 
leid   p;etan   hat.      Ich  wollte   Dich  nicht   krün^en.  Vielleicht 
ist    es   auch  meine   Krankheit,   die   Dich   so  KrBftigen  und  Ge- 
sunden Hbstösst   —  das  könnte    ich  verstehen  und  hinnehraen» 


I  I 


VI-14 


so 


Was    ich   nicht   ertrg;j;en   kannte,    ^Mp.ther^    ist,    Deine   Preund- 
sc'*?8ft   zu  verlieren,    3U^i  Grtlnder:,   die    ich  nicht  weigs;    so 
dai  s    leb   mich   rjc^fc  v^rtridigen,    riicht>3  richtip;Gt:ellet.   k^Piiin^ 
Vi    ^    mt!^«- liehe  rvei.'C    frilsch   un^'^.    cntBtellt    ist.      HoC:::jeT   irene 
fortFejranpen   lr>t   —  knnn    ich   nicht  den   emzi  ei:  ?reund   ver- 
l^erec  ,   den    ich  .;^e   rrehobt   hebe*"     Gtlntber  versucht e    zu  spre- 
cfer,    eher  Wax  untf^rbrnch:    '^?^ein,    vcr^-^te,    lesn   mich  erklären. 
^'pV;hen   hahe    ich    Kf^ine   "^reuno^»    o^ehobt,   v/iel    ich    zu   reich  war. 
Du   verntehst   rlB5-^   nicht.    Tn   ArrierikT   haben   Mult irill  ion'ire 
keine    "r/euadei    selbst  wenn   sie   noch  Kinde^-   oc'er  junre   Bu^- 
r^cheri    sin--^.      Man   tr^^ut  niemanden   —  nur  vielleicht   rinderen 


M,, 


ultinil]  icnPrex:,    urid   den   ist    eine   frRwtlrdige   Gc^-ellech' ft. 
•^M  t   Dir  hebe    ich   Uiich   r.o  befreundet,   neil   Tu   ehrlich  bist 
und   die      elt   frßv   r/icht   kennst.      '\ie    davals    ruf  dem  Dampf er^" 
wiederholte   er,    "aln   Du  ver^.uchte.st ,    zu   schwindeln  und   Dich 
so  hilflos  verrietest.      Auch   i^echct   Du  Dir  den  leben  nicht 
leicht,    scncicrn   Du   denkst.     Vielleicht    ist   es  p^ut,   da^a 
wir   nun  p:etrenr:t   v^erden;   den,.  Gertrvi Je   'aafz;   recht   haben,    das3 

f 

der  "lnflijsj:>  von      ietzsche   Feine   Sveiftl   nur   tiefer  müchen 
T^yrdf    :.nd   d^sn   Deine   ""eele   vielleicht   der  nicht    standhalten 
knnn,    oder  noch  nicht. 

HS'Pe ,   versprich    iiir  eines  und    Ich  werde   mich  'x^ieder 
ean?"   beruh! -eii?    v.e::    i^Tier    in  Deinem  lebeu   r-e.icner.ien   sollte, 
Bolltent   Du    .-je     'llfe   brauchen,   wflche:^^   Art    auch    iiaaier,    Üu 
rauQst   es   T;lch   v.issen  lassen.      Ich  sterbe    noch  lange   nicht   — 
Jagerr/mn  h^t^e   ..ilch   aonst    :':€'A'-rnt.      'Ür.,s  versf:rach  er    <'ir, 
l^ffann  zu    'snn.      "  ir  wt^rc'er)   so  wie   so    in  ein   paar  Jansen  uns 


VI-15 


91 


gttrennt  h/^ben^    selbst  wtnn  ich  hier  dßn  Gyinnasiam  beendet: 
h«tte.      Ich  hl|tt<^    T:lt   achtzehn  uoledf^r  zu"^Uc*<  mlis^rn   in   :neine 
Feim-Jt.      über  eines  bin   Ich  allerdinfts   rltlcklich^   das-   T)ein 
Crossonkel   dir   Bedin^unp;  rrestellt  hr^t,   das«?   sein  Erbe^    falls 
er  noch   ;^\\n.r  ^enu^   -rei^    ein   ßtirUerte'^  "^Bnn   sein  Tiüsoe.      So 
i^irst   nu  noch  e,ul?  Schule    -eben   und   den:    zur  UnlverjitJJt  • 
'teile   Dir  vor,   v:ie  es  hatte    lein  ktJnnen  —  Pu  hattest   jctr.t 
in  ein  Geschafft   eintreten   ratls.^enl"     Günther   h>'^tte   sich    Inzwi- 
schen   •  ieder   in  Gewalt  und  ver^icher^te   "'ax^   das«   aich   aeine 
"Freundschaft   für   ihn  nicht  we^ndert  hebe,    noch   ie  »ndern  v;ü.r- 
de.      ^s   spi    ihra  so   leid^   d-^ss  *^ax  nicht    zu   seiner  Konfirma- 
tion  of^^  zu   der   Abeadpssell  f^chaf t   kommen  könne.      "Fa    ist 
mir   leid  um  Dich,    mein  Bruder  Jonathan/*   dachte   er,    und   fühl- 
te  sich   sehr   schuldig.     Fr  konnte   nicht   klauben,   daas   sie   sich 
auf   lange    trennen  v^Urden;    er  machte  Pl»ne    für  sie    beide    für 
den   '^orniaer.      Er  ?;Ollte   den  Gedf^nken  nicht    zulassen,   das« 
Maxens  Abreise   seine   eigene   Titu^tion  öehr  erleichterte,   dass 
der   favst  unertrÄc?: liehe   innere   Zwiespalt   zu   seiner  Baziehußp 
zum  Freund  und   zur  Freundin  d^mit  versch/^inden  würde.      Laut 
sapte   er,    d^ss   er  M«x  d.^s   irewüjnschte  Veraf)r^  chen  unter  der 
Bediüruni/   reben   .^erde,   dass  der   ^reund   ihm  ein  «leiches   g»be# 
Gle   drückten  einander  daraufhin  die  HSHde. 

"N  un    iiusst   Du  p:ehen,'^   sagte  -vlax  und    Itess   ^^icn   zurück- 
sinken,   "ich   bin  müde   und   Js^reaiann     ird   f^leich   hier  sein." 
Fr   IBchelte   noch  einrnßl  dem    Freund   zu  und   schlos:.  die   Augen, 
als   ob  er   sich  vÄllic  von  der  Welt   zurückziehen  wollte« 
Günther   rinp  auf   Zehenspitzen   zur  Tür   nlanaus. 


I  I 


I  I 


Vl-16  92 

Er   trtJstete    lUch  über  cieee    -el^i^me  Szene   :nlt  :y58x  mit 
dr*m  v,e<1n   kea,   dess  der  Freund  durch  dB3    r-leber  ireschwÄcht   sei, 
und   de^h'^lb  'n'ohl    alleri   8o  anders  auRsShe,    als   es   son.^^t   seine 
Art   war»        es    ihn   selbst   betraf,    seine    Kraiikheit,    die   Zukimft, 
der   Abschied   von  Kaaibur:\,    \sBr  wohl  Übertrieben  du^^ch  den 
Schmerz,   den  die   Trennunr';  von  cieoi  poy;ohnten   lieben  und   von 
Gnnther   ve-urs^chtf*      Oder  ^'3V  ei   nicht   ei^enblich  doch   iieine 
tiefe  Entt^luschunr   Über  Irene?      '-Ünther  W3r   so   froh,    ciieoen 
KrKlörung  gefunden   zu   haben  —  n\m  war  der   Freund- doch  viieder 
der  alte,   vertr-uensv',t1rdi«;e  GefMnrte,    der   ihm  die   letzten  Jahre 
30  wunder  bar     est^ltet   hatte,    und   Mit   deiri  ev  so  viel   erlebt 
und   'geteilt   hatte.      ?  ine  ?,ro3.ie   Last   schien  oich  von  Glinthers 
VievAen   zu  heben,    er  konnte  wieder   frei   atmen,   wieder  '^.n    sich 
selbst   denken*      l^/.ax   hatte   natürlich  recht,    d-^sa   sU.    -ich   in 

« 

<^in  p'-ar  J.-^hren  hatten  trennen  müssen,  denn  Max  ais^te  nach 
dem  Abitur  nacb  Amerika  55urUck.   i^s  7;or  ^-^ut,  dass  v'^-Unther  nicht 


'»Ofcrt  ,-^etrt  entnchiiden  mu8?^te,  was  er  werden  wollte.   AI 


ö 


9V  mit   den  Bedingungen  seiner  Frb-.chaft  bek-^nnt   remaot   '^vurde, 
hatte   er  zun^^chst    innerlich   rebelliert,    dass    ih:ri  dieser  un- 
bekannte Grnsnonkel   vor-chrieb,   wieviel   er  nov-h   lernen   sollte* 
"Fr  hatte   nicht   -.lanit      erechi;*t,    auf  eine   Univen-it^'t   zu  c^,ehen. 
Obcrleich  er  vusatr,    daas   sein  Vater   ihn   in  die   kQuf .a!innl3che 
lehr^zu    -^rhickon  b(  abU^ntigfce ,    hatte   er  doch     ehofft,    zur 
ee   zu  p-:eheD,   vielleicht   :mf  eijnei^  von  Cni:el  Uwes     chtffen; 
er   /.ollte  Kapit9n  werden,   dazu  brauchte   3an  nicht  auf  der 
Universltr^t  ctudierer  •      Nun    .nr  ^ber  alles  anders.     Herr  Hoyk 


• 

VI-17                                                                                                   93 

hatte   ')uf  Gtlüthers  Frbech^ft   hin  die  'Jü'jlichkeit   erwo^^ea^   den 

ohn   soMte'-  «Is   Teilhaber  in   sein  Ge^chWft   i^ufzunehnaen,   aber 

tr  hatte  die  Teilhaberschaft   schon  For^t  versprochen  ctebnbti 

und   er  k^^nnte  die  ien  ftlteren  "^ohn   ^.u   ^ut ^   um  nicht  vorauszu- 

sehen,  dnss  er  df^n   JOnreren  nicht   neben  und   schon  gar  nicht 

t!ber   Bich  dulden   /vtJrde.      Auch  war  ihm  ßelbst  der  Gedanke,   einen 

studierten  Teilhaber  zu   haben,    auch  wenn  es  der  el^eni#  lohn 

v/Wre^    eigentlich   peinlich,      ^o  ^bt  er   nur   zu   zugUnfrlich  f^r 

Uvves  Vorschlag,   Günther  dem   Testaaient  nach  die   Schule  been- 

digen  7,v   lassen,    ihn  dann  ein  paar  Jahre   auf   eine  Hochschule 

zu   schlck-en,   wo   er   sich  welter  bilden   konnte,   vor  allem   In 

fre  Oden  Sprachen,    zuoi  Beispiel   in  london  oder  Tarls  und  dann 

ihn   in  Uwe5=?   Reederei   eintreten   zu   lassen,    da    er  Ja  nun  ein- 

- 

■     mbI   dlfse  Vorliebe   fl5r  7ss--^ev  und  ^'chlffe   habe,     ll/ie  fWgte 

noch  hinzu,   daso   er  ,1a   Inmer  Günther  als   einen  Sohn  angesehen 

h^bf»  und    Ihn   perae  um   sich  h!ltte«      Diese  Lösung   schien  auch 
Gtlnther  annehmbar.      !v!lt   seiner  Beziehung   zu  Gertrude   än- 
derte  3ich   nelne   Flnstellunp;  der   "^ou^^unft   t?.efren13ber.      Er 
ftVnlte   sich  nun  verpflichtet,    so  viel  Bild  uns;   zu  erwerben 
als   möglich,    um   in  den  Augen  ier  Gellebten  und   ihrer  Familie 
bestehen   zu  können.      Fln  akademischer  Beruf  '^jbv  vielleicht 
wOncchen^vert  er  von   Ihrem  Standpunkt   aus   f^la   eine   noch   so 


frut   gehende   Reederei. 

^'le   ^ut   es  war,    d':chte  GUnther,   dpss  er  Zeit  hatte, 
sich   aTles  noch  zu  «beriefen.      Er  hatte   ;ia  noch   drei  Jahre 
vor  sich,   bevor  er  eine  endgttltli^e  Entscheidung?*  raachen  iau3Ste# 
Die   "»^erlen  lausste  er  allerdln^^^s  damit  verbringen,   nach7.aholen| 


VT-18 


9^ 


was  er  In  seiner  *'chu]e  versäumt  h«:itt;c  ^  um  dir  Aufnrhme- 
prUfunf^.  ins  Gymn^^ium  zw  nachen*  Wax  hatte  ihn  seit  dem 
HtrbBt  in  drlech  i'^ch  \:n6  Tatoin  unterrichtet,  -^o  d^ss  er 
nicht    -rv      eit    zurrcfe  ^3T.      Noch   <^^ei  Johre^   dachte   ^r*,    mid 


se 


Inf    ^'^^»nVrtn  v^BTi'^rrte'    v/elter   ^u  Gertrude  und    zu    ien  nächsten 


drei    "'     en,    die    rilt   öf^n  l^trter  Yovheveituzxfrf^n  fWr  Irin^8rd8 
Verlobunsfeier   und   selnf^   K?n*lrT;ation  erfUl  Jt    sein  v^llr^^eru 


III 


Im  Hnu8€   Royk   nohm  .xan  6ie  Vcrberelfcun^^er    ftlr    Irr,-  ards- 
Yerlobunrsfrier,   di«-    Abendi^esellsch? ''t   !?.  ;i  Sonnebeni   vor  r  alm- 
sonntac^  sehr  ernst.      Herr  Hojk  hatte   Lina    sn^^eviesen^    nicht 
zu   sparen;    T;an   sollte   dter^Tial    zel|7:er,   7^^t>  a^r  Grosskaufmann 
Hoyk  el?^entlich  v^bt.      Bei  der  Verlobung    seiner  einzlpeu  Toch- 
te-^   r^u^ftr   nicht   per^part  v/erden*      '^.v.el  lohniiener  'x^ir-^en  ge- 
kreucht  und   eine   kalt^   Mamsell;    die   elcene   Kt5chin  sei   s^t    ^^r 
prewt^hnliche   Tage   aber  nicht   fUr  die^e   Gele«-'enheit .      Tina   hatte 
zunächst   etwri3   An?r-.t,    ihrer  ^:>5c^rin  von  clese^r  ^nl   chluss  Mit- 
tel! uncr   zu  mach'-Mi;    ?rute  KtJch innen   nind   leicht   beleidigt ^    in 
ihror  Fhre   gekrankt,    :^enn  fnon   ihnen   ,je"i^ind*='n  ande-en    ia  Kochen 
vorzieht.      Aber  alles    ^inn;    ^ut ;    ,;*•■,   \Mnmi   und   Anna    ^reuten 
sich  auf   den  Trubel;    eine   kalte   Mamsell   wr-   doch  etwas  ganz 
anderes  als  eine   regelrechte   KVchin;    es  w^r  s^ut,    '  ..  il   etwas 
neues  zu   lernen  und   auch   elniial   zu   essen ^   was   man  uicht 
selbst   v-^ekocht   hatte.      Auch  die   Lohndiener  waren  akzeptiert; 
es  war  nicht    oft^    d^sf^f^  et^as  ^/?fnnllch#s    in  der  KUche   erschien. 
ChSTipa-ner   ;;urde   beateilt    ind  die   k^lte    lansell    richtete  die 
wunderbarsten  Plv^tten    rjit   Schinken»    '^chv^elnebreten ,   enpll- 


I  I 


vi-19 

schem  Rcsntbeef^   g^rB^^^^^^fte  n  und   frischen  Lr^chs  an. 


95 


Grosse  garnierte   *  chllBseln  mit  Hummernelet   und   mit   Krebsen, 
Leberpasteten   urid    p[:espickten  GJInsebrUöten  «urden  ruf   die 
Anrichte    im  opeiseziramer  ö;estellt.      Die   delikatesten  BrtJt- 
chen,    die    fichtSristeu   Kuchen  und  Torten  wurden  vorbereifcf»t  und 
gebecken. 


F8  v/or  eine  crroase  und  wl'riis^e  Vorbereitunfr.     Ktwa 


i^ 


r-X,^ 


ffl^^ig;  GÖstc-  wren  p:eladen,   nur  die  nächsten  Pamillenanre-- 
hörigen  und  en  sten  Freunde»   aber  doch  fünfzig^    so  deso   es 
eine   runde   Zahl  w^r.      Die   Deinen  w^jren  ganz  vertieft   in   ihre 
Oardcpobe.      'J^an  hatte   natürlich  für  ir-ngord   ein  neues  Kleid 
macrien   iGSsan  aus  veilchenVlauera  '^■-aiTiiuet   rjit   echtec  Brüsseler 


r ~- 


'  ' """- •••'i'.jf 


,_r»lw«'5.-4.  ._ 


Spitzen  besetzt.   Sie  s?ih  lieMich  feus  darin-  -'ie  3ie  vor 
dem  '';pie»:';el  paradierte  und  ihre  Schleppe  nocu  rechte  oder 


V^..-fc»  • 


links   schwenkte.      Günther  wnr  voller  ^irwartung   land   gespannt, 
wie  Gertrude   aussehen  v.Urde.      "'f  le    imtner   sie  .uich  ^^ekleidet 
ist,"   dachte   er,    "^ie   ^.ird    i-nmer  die    JchtJnjte   sein^    irrnaer 
und  liberal  1.  " 


IV 


Auch   in  von  Japremann*  wichen  Hause   «wurden  Vor  bereit  untren 
f^emRCht.      Die    Da.nea  v^c^reu   preneu   so  beechaftlf^t   ^ie  di*^  >  oyk'- 
sehen   ^B^r^^n.      Der  Doktor  kam  von  seinen  'krankenbesuchen   zurück 
und  wollte  gerade  an   meiner  eip.enen  Haustür  aniöur.en^    3ls  ein 
Dlenstraonn  ihci  einen  Brief  überreichte.      Fr  erkannte   die 


i  ^ 


▼1-20 


96 


^ 


H  andschrift    aofort   als   Irenes^    uad  nochdea  er   -le^j^    ^.:^txL'/t^it 
einem  Trln<g€lr!l   ab«« fertigt   hatte^   risö  er  »;nß:edulciifr?  deu 


c 


Ü«8Chl«(c  dei*  Briefe»  auf  •      Ein  Brlefbo»i.eu  «It  wtnifc'en    .eilen 


^ 


leg  In  seiner  H»nd#     fr  ftlhlte   <=^lnen   heffeiipen     chLors   In  der 
H  erzfregendi   sl;^  er  les^   dase  eie   Ihn  so  bal^   ^Is  tttJj^licn 
sehen  wolltet   ^«nn  mt*;.lich  noch  heute.     ?r   /artete  nur  ao 
lanre,   bis  sein  Atem  nicht   mehr  otoe^^i^else   ^cami  dann  ^Itig 
er  ^nit    schweren    rrißchen   DChrltteri ,    aber   Iramerhin  ge»IIS8i{.;t ^ 
80  dasB  seine   ^-ile   nicht   auffic^li    zu  deia  v'ietkut.  chenstand  an 
^er  nächsten  Fcke  und   Hess  alch    zum  Senator)  um  fohren»      Sr 
kannte   die  Fro«e>ur,    -le   Ihn  dort   entartete,   nur  zu   p;ut|    b«tte 
er  doch  so   oft   vergeblich  versucht ,   Irene   zu   wichen.      I..'i;uer 
wieder  wurde    ihm  nech   lan|i^',ea    Porten     Itgetetlt,   das.-:    sie 


niemanden  sehen  trollte.      *^lt   nie^jnnd   war  öuch  er 


€iat  I 


den  sie   frUher  >aicht   oft   genug  hatte   sehen   künnen.      Heute | 
ala  er   Im   fnhlc^n  Ifachnriittfigelicht    iai  Wartev  Itnraer  ai|.a8|   war 


<c. 


/ 


er  nicht   einmal   >::f*'ti8S,    ob    3ie    rieht   vsleder   ihrem   '>lnn  gelin- 
dert  hatte#      Kr  v^acte   nicht   ^urUcksudenKen    a;     ic  kurze   in- 
tlme  Beziehung^   die   er   ölt    Ihr  gjehabt   hatte,   wöf^te  ke  tm  au 
haffen,   daaa  sie    ihij  erlauben  %15rc*ei    ihr  'bieder  n«hf?   zu  aeln« 

fa  war  eine   t'^lOckliche   Zeit    für   ihn  R^^^^-escn,    :\o   Rar.'?    öle   auch 
^e/.'e?^en 
^,war»     Ir  hatte   »ich  plUtzllch  ^«^ieder    ;'ung  r^f^hlti    hntte    ^en 

Tag  mit   freudiger  in^artung  begonnen»      Er  hatt^   nicht   eli-üal 

■jCh\Jdgr fühle   aelner  ^r^mu   geftenUber  k^      bt,        :  in   "    frhl    fUr 
Irene    .vr^r  einislr.artip ,    es   h,/,»ttt=-  iiicri.t;.:v    »lit   aeincr  "Fihe   und 
dea  zärtlichen  Verotandnia,   <laa  er  öelner  "rau  ectpregenbrachtei 
zu   tv;n«     Fr  Kor.nte   es  €i   f:iätlich      it  i.icht.»   frtlher  'rlebte© 


I  I 


VI-21 


97 


vercr]  eichen,    nur  rntJc^lJchi^r  eise   mit  rtnem  best  iTfP.ten   erfri- 
3chen(ien  Kt)rp«rg#?ft5hl  i»l€   nach  etne.Q  Bad   In   ^'er  kUhlen  h    "^- 
Bee   «n   einem    -ommertar  ,   -i^enn  ein   feiner   .' ind   ?ehte.      r'r 
konnte   f^st  d^s  Solz  ^'^iuf  der  Zunge  und  den  Lippen  sptlren  und 
Abu   ei'^entttmlichen^   erregenden  Geruch  von  Seetang,   von  deitt 
die  I.uft  vibrierte.      Fr  riss   sich  aus  dieser  TrHumerei,    seh 
sich   im    '  ortezimmer  um^   doß   mit   seinem  Mahagoninittbeln,    chine- 
sischer Va^en,    i-^rtluen   -ofo   und   Sesseln  und   denn  cencrlif feuen 
Kronleuchter  et^as  Bin?^chtlchterndes,    ,J8  Beengendes  hatte» 
Hier  kam  keine   1  uf t   herein*      Die   Fenster  weren  halb  von 
sch?/rren  s^^mtenen  fortiftren  verhönfTt»      Er   sah  auf  und    erschrak^ 
als   er  sein  eigene  3^    haderen  und    gealtertes  Gericht    ioi  gold- 
nwrahmten  Spiegel  an  der  ^^^and   erblickte.      Haar  und    -pitzbart 
waren    hell,    aber  er  v;usr>te,    dass   die   Helli^-^^^keit    sum  Teil 
auf  dem  Weisswerden  beruhte.      Nim  endlich  nt^herten  3ich  Schrit- 
te,   diePTlegerin  k^m  zurUck  und  bat   ihn,    mitzukom^ten,    Fröulein 
Johannsen  er^^^^rte    ihn.      Fine   Treppe  hoch,    einen  GanrT   -^ntlang^ 
eine   halboffene  TUr  —  die  Pflegerin  klopfte    imd  rief   seinen 
"f^B^pn   ins   Zinoier;    dann  trat   sie   zurück   und   liess    ihn  eintre- 
ten.     Irene   :^tand    im  ?;irDmer;    nie   hob   r>ich  al3   Silhouette    re- 
gen das   TJ'enster   ab.      Sie   ^»"inf^   ihm  ent*.^e^en,    .;ab   ihü  die   Hand^ 
Ittchplte   und  wehrte   einem  Vercrach  seinerseits,    3ie   zu  uaaaraen, 
ab.      Mit   einer  autoiiat Ischen  HanobswerunR    formierte    '^ie    ihn 
auf,    sich   'AU  se'^zen.      Sie  nahm   ^mT  dem  anderen     es^el    Platz, 
und  da  der  Tisch  fwlschen  Ihnen  war,   konnte   er  sie   nicht  ein- 
nal    berühren»      Jac:emann  a.^^^te,    "\?ein  Lieb,    Irene,   wie   fzut   es 
Ist,    Dich   zu   sehen,'*   aber   sie   unterbrach   ihn  mit  einem   "Nein^ 
nicht   so,    lassen   "ie   mich  uilt   Ihnen  sprechen,    Ihnen  erklären^ 


I  I 


II 


VI-?P 


9B 


bevor    Ue    »eiterarehen,   bevor  vir  «inanlfr  Tilssverst^hen  — - 
"blttp"   füp-te   sie   ernsthaft  mit   eindringlicher  Stimme  hinzu. 
"Ich   habe  8«hr  viel    •■-«it  *<eh8bt,    hier  nachzudenken.      Ich  wei  .s, 
Ich  bin  sehr  icr^nk  »rewestn,    -^ber   ich  glaube  nicht,   dsss   ich 
•^etzt,    uachrJem    ich  wieder   /ejund      eworden  bin,    zu  raeineii 
•  Itr-'n  Leben   r.urUclckehrea  kann.      Ich    tuan   eine     !53ang   finien, 
und  das   kann   ich  nur  allein-^.      D3vu-r\  will    ich   fort   von   hier. 
Morp-en   rei^e    ich.      Alles   ist    aohon  arrgneiert.      Mein  Anwalt 
bat   rl   n  Anftrar,    mein  Haus   zu  verkaufen   und   meine  Lie 'enschiSf- 
ten   ru   li  uidieren.      Eit;eutlich  wollte    ich  Sie  nicht  wieder- 
sehen:   aber   ich   sonnte  d'aa     ;icht   tun;    ich  musi^te   ihnea 
weni^ntens   eeffen ,    daas  alles,   nss   zwischen   un*   be  .tsnden  h'Jt 
—  nur  Scnall   und   Rauch  war,    dssa  nichts  «ehr  besteht," 
"Irfne,"   dr»n=rte  von  Jaf-emenn,    "Du  bint   noch  nicht   ^^anz  eesund, 
mein   K^ind,    '^u  ^-pisat  nicht,   wa3   Du  sagst,    vng   ')u   tu^t.   Warte, 
tue   nichts  Voreiliges.      Entscheide  nichts,    bcwor  Du  nicht 
ranz    sicher  bist.      Um  Him-ela    nilen,   ^^ie    k,'?nnst    Du  von   3chall 
i'nd    ?n,3ch   screchen  —  Du  bedeutest   mir  luehr  als   ^dles    in  der 
telt   —  dag   ist   nicht   Jchall   und    ^^auchl      Erinnere  Dich  dach  — 
ich  bin  es  .ja,      ier,   bei  Dir.      Ich  bin  bereit,    Jedes  .,pfer 
zu  b"inren,   um  Pir.  d^g   ?,u  beweiaen   —  Du  brauchst   es  nur  zu 
sagen  und   ich  -Aerde  aiich    -cheiclen  laascn   und   Dich   heiraten, 
mit   Dir  hin»-rehen,    v^ohin  Du  willst   —  hVvtt    Ou,    .iedes    jpfevi 
Sag',   dasH   nu  ajich   noch  liebnt,    IreneJ"     Als  er  vom  Or-fer 
bring'-n  sproch,    verdunkelte   sich   iure   \nene  und   er  wusate, 
dass  er  den   ft.urenblick  verpasst  hatte,   dt-as  er  ihreii  :-:tolz 
und   ««uch    ihr   tiefes  Fmpfin-'en   fW-   j5s  ^vT€n3Chlich--,chickUche 


I     I 


VI-25 


99 


verletzt   hatte»       Juaste   er  ein  Cpfer  brin^?<=!a,    00   war  doc. 
des  Bedauern  schon   ii\  Hintergrund   Sichtbar.      Des  ^ar  'ias 
Unzutreffendste    und   Pölache^te   srev.eseü,   we«   er  hStte    S'^en 


können.      Fr  fQhlte   eine   IMhinende  Verz.  ciflunp-  wie   in  eine 


fÜ 


Alpdruck^    den   man  niclit   abschütteln    /ann.      Irene   h^itte    ihn 
3iit   einem  Aufdruck    jf' •;  viderwiileas  suge^e'^^e-o.      "Wie   können 
Sie/'   rief   sie   aus,    "mir  ein  solches   Anerbieten  aiachea  < — 
nach  ^llem,   was   p-.ewesen   ist.      Ich  wollte   ^^Ue   um  Ve^zeihunf; 
bitten  imd  auch   Ihnen  verzeiheu^   aber  nun  weiss   ich,   dass    ich 
es  nicht   kann,    nie   monGn  verde*      Sie   hab^n  kein  Mitr.eftlhl, 
weder  tiit  mir,   noch  alit   der  Toten*      Sie   v^^ollen  nicht   [nelne 
und   nicht   Ihre   schuld   anerkennen  und  wollen  nur  Ihr  Vergnügen 
haben.     Gehen  Sie   fort,   Doktor  von  Jap_eiQann,    ich  7?erde   Sie 
nie   mehr  sehen."     TrSnen  liefen  über   ihr  Gesicht,    sie  be- 
mllhte   sich  nicht,    sie   abzu?/ischen.      ^'Gehen  Sie   fort,"   v'ieder- 
holte    sie,    "mö^en  Sie    einmal  durch  ein  Inferno  riehen   in  hoff- 
nungsloser Reue   darüber,   daas      ie   ein  leben   30  gründlich 
zersttSrt   haben.''     Von  Jaremann  war  aufgesprungen  und  wollte 
ihre   Hand   fassen  oÄer  sie   abfanp;en  lind    zurHckfialten,    jilj^.    rie 
bei    ihren  letzten  ^'orten  sich  erhoben  hatte   und   an   ihm  vorbei 
(dem  ^^Tebenz immer   iiulief.      Sie   wich    ihm  aus,    erreichte   die 
VerbindungstUr   und   cchloss   sie   hinter   sich.      Dae  GerSJucch 
der  sich  schlies^enden  Ttlr  hatte   einen  endgUl  tif^en  Klenp*. 


VI-24 


100 


^«Ine  glänzende  Gesellschaft,  Lina/'  sr^gte  Uwe,  **wle 
schttn  Abs   jiin?;e  Paar  aussieht.''  Man  hatte  gerade  einen  Toast 
auf  die  Gastgeber  und  Eltern  der  Braut  getrunken,  Heirr  Hoyk 
war  tief  im  GeaprSch  Tilt  Pfarrer  Hellincrer,  de^  mit  seiner 
Prau  eingeladen  worden  \»8r#   Frau  Pastor  hatte  leidernnicht 
koiTonen  k^Jimen,  sie  war  in  interessanten  Umstanden»   iriigard 
und  ^rich  waren  umringt  von  ,iunf?:en  Leuten,  Studienfreunde 
von  ihm,  l'Teund innen  von  ihr»   Einige  hatten  3elb3t  von  kur- 
zem erst  geheiratet*   Tante  Jutta  und  vr-^n   von  <iagemann  spra- 
chen tJber  die  Verantwortung,  die  man  den  Junp-en  gegenüber  habe. 
Der  DoKtor  stand  am  Fenster  und  schaute  auf  die  dunkle  Strasse 
hinaus.   Er  war  erleichtert,  Horst  losp-ei^orden  zu  ^ein,  der 
ihm  Komplimente  über  das  Aussehen  seiner  Tochter  gemacht  hat- 
te.  ""Ein  dam:Qert  grober  Kerl",  dachte  er,  "wie  andere  der 
Jttnf?:ere  ist."  Aber  er  war  auch  nicht  ei' entlich  inteiresslert 
an  den  Vorgängen  um  ihn  herum.   Er  wollte  ralt  seinen  Gedanken 
allein  sein. 

Günther  schaute  sich  nach  Gertrude  um;  sie  war  nicht 
im  Salon,  musste  wohl  ^-eva^le   hinausgeschlüpft  sein.  £r  ging 
hinaus  in  ^i^   Vorhalle;  die  Tür  zum  H  errenzimmer  stand  halb 
offen.  Als  er  hineinschaute?,  sah  er  Trude  auf  einem  Sessel 
sitzen,  den  Kopf  zurück  elehnt,  die  Augen  geschlossen.   Sie 
hielt  ein  Spitzenttlchlein  in  ihrf^r  he runterhSnu enden  Hand. 
Günther,  der  G;l8ubte,  dass  sie  sich  vielleicht  unwohl  fühlte, 
rief  sie  an  und  fr?)gte,  oTJ  er  ihr  helfen  könne.   Sie  schaute 


•i  .  ä 


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101 


/ 


auf  und   streckte   ii)z,   Ihre  Hand   tnt«?ag#n#      Sie   flUsterte   Ihm 
zu,   dnso  sie  tBit   ihm  sprechen    iUasa^   daas  etv'afi  geschahen  seif 
dfls  sie   sehr  ßufre^re^     Fr  würde  dss  vielleicht  nicht  verste- 
hen,   sie   Alsae   ,;ja  nicht,   was  er  e^npflndej    aber  peute  »a  Vor- 
abend  Ihrer  Konfirmation  laUsae   sie  aufrichtig  c^eln,    besonders 
de  daB  '"^lück  der  beiden  Brautsleute   ale   ßo  ^r^rührt  habe*      Irm- 
gard aal  doch  nur  ein  paar  Jahre  »iter  und    jchon  tJffentlich 
verlobt;    sie  aber,   Truda,   ktJnue   sich  nicht  verloben^  well   sie 
Jesnandan  liebe,   dar  zu  ^lung  sei  — -  nicht  wie  der  Assessor  schon 
um   Ihre  Hand  anhalten  könne»      Ihre  Fl  tarn  wUrden  emptJyt   sein, 
wOrdr  er  es  vernuchen.      Aber  mm  habe   Ihre  •JJutter  Ihr  mitge- 
teilt,  das^  ale   auf  swel  Jahre   In  ein  r,chj?el»er  Pensionat   solle, 
und  das   so  bald   als  möglich.      •*Daa  helsst,    ich  werde  "^»le  nicht 
üxehr  sehen  dürfen,  Günther,   und  Sie  werden  mich  Inzwischen 
verfressen  —  und   Ich,  die   Ich  sie   liebe,   werde  auf   laixaer  un- 
glücklich sein!''     Günther  versuchte,   sie    zu  trt!3ten,   z\x  be- 
ruhigen,  er  konnte   teaum  glauben,   daan  sie    Ihm  Ihre  I  lebe   ?:e- 
ntanden  habe«     Ir  versicherte   Ihr,   daan  nichts   In  dieser     elt 
seine  Gefühle   für  sie  Ändern  würde;  er    -schwöre  es»      •'och'j^öre 
nicht/'   sagte   öle,    "das   Ist   nicht   recht.      Aber   Ich  weiss,   was 
wir  tun  wollen.     Wir  "titr^en  uns  einander  vor  Gott  verleben. 
Moriren,  wenn  wir  beide  das  Abendmahl  nahmen,   werden  w^^r  zu  dem 
GelUbde,   ein  ffiuter  Christ   zu  sein,   hlnsufügen,   dass  wir  auf 
Immer  miteinander  verlobt   nlndj  — •  bis  wir  es  öffentlich  be- 
kann^  machen  dürfen,   werden  nur  Gott   und  wir  es  wlsaen»     Willst 


I  I 


VI-26 


102 


Du  das  tiin?''  Er  kllsste  ihre  Hand;  sie  zog  ihn  zu  ^ich,  und 
er  war  erschreckt  und  beglückt^  ihre  Lippen  auf  deu  seinen 
zu  spüren. 

Als  frtlnther  am  nächsten  Morien  dsa   Abendmahl  kniend 
aci  Altar  In  Sankt  Katherlnen  einnahm^  wusste  ePi  dass  zur 
selben  Zelt  Gertrude  vor  dem  Altar  in  der  Petrikirche  kniete 
und  ebenfalls  die  Oblate  und  den  Kelch  zwischen  ihre  *jippen 
nahm.   Ir  verlobte  sich  ihr  niit  seinem  cranzen  Herzen, 


I  I 


Die  Hönde 


Da  sasson  sie  r.un  alle  ia  '5.sr  löndlichoa  \Tdhnstub3  vor  da-n 

# 

Kemiafeuer,   Isusditen  halb-bev/usst  cuf  d-iS  wilde  Tobea  des  Sturrns 
und  dis  GerSusch  des  n.^Citi^.  Ijar^bstflr/o.ider.  Rai'^is  u..i  fü'iltea  sich 
sicher  uad  z^^^^:^^*     2s  •vc.rea  i:.rer  ftlnf,   di'3   j..i  da;   -J.te.i  Fsmhr.us 


au 


f  dor  kleinoa  Insel   b^ist-L^en   .VL^rarx.      Die    3esit^3r  voa  I.s-d   ii;-! 


Haus,  Rudiir  '\^i  Sybilla  K.,   acttan  auf  aii.er  ihr.ir  So  r.TtGrrols^;!  üoi^en 
Bchc-^tz  :.'.ittei    ii   ler  lenobscot   317  ir.  li-rlie  3atdec':t  "lad   sich   so  völlig 
aiigo70f;eii,    ja  be7'iubert   r-efi;.:deri,   d-^  ss   sie  ^h::e  viol  Ueb^rle^'en  iea 
Seford::;x'tän  Preis   ^ez-^^lt   liitteri*     3io  ..^  cl.te.i  sic.i   nuca  sofort   d^ra.:^ 
die    iui^di   ^'13  Alt?r  verurs-clitc:!  SchSdea  des  Heuses  ^us'/ubes  ern. 
Sie    liess3a    i-a-i  Bru/iuen    -^rv^^itern,    d^r  friscixes   "uell  .-^-Sc- fr  für  d- s 
•-eu-:  liefex^te  u  id  liosse.i  sici    -ü  le  kleir.B  I^irbia^  scaick-n,    ^ia   ?io 


ta 


it  iClektri/it^t  Vcjrsori:tG,    -qs  nic:;t    ;.ur  steti;es  Lia^t  v^r-^-r  eh. 


sorxdjrn  dc:zu    -lOch  dea  Luxus  ei  les  Or^i:  ophonj   er/.Ö^-liC'.t  i.     !^ie   lasal 
selbst    reichte  et,v^2  eir.e  i.:eil3    ia  üllen  Hi  :.;elsrichtui:ssa.      Tio  .7^  r 
felsi-f   ^-it   ■^'del-  -ad  3irkeav7..1d  bevncasen  uad    'it    o-.c-^rtl.ie-  ..oss 
bedeckt.     Die  Ufer   fiel?::   steil  sb,   uad  nur  r.j  ei^er  5-ito  •7rr  ^^la 
tiifer  EiascLaitt   '.it   Sciidi:i:e.n  Boden  und  Siic/.tt-r^:  'T^-srcr,    ier   il3 
geschützt  ir  kleiner  Hcfo.i  ft!r   ."I^s  ..btorboot   dl^-te.     Die   Btisonloiv.oit 
d3r  Lcuadsch.?.ft   Icz  doria,    dc^ss   sie  e'^eichzeiti^  einea  0ebira,3c:  urakter 
h'itte,    und   ia  Farben  und  Vegetotion  ^rianerun^en    -ui  3-:;  adin  viea 


-N 


s 


wie  aa  das  Mlttelmeer  .vochrief.     So  war  es  dieses  varbiadliche 
Wesea  der  Insel,  das  die  E's,   die  -us  LIitteleuropc.  stü.n^ten, 
so  unmi darsteh  11  eh.  cngezoo:en  hatte.     Sybille  kair.  aus  Nord- 
deutsclil'.ni,  3^udolf  cus  dem  30dea,      Beide  h-tten  j>jiropc:  au3  po- 
litlsdien  OrÜxdeii  verlassen,   hotten  einander  -jühread  der  2-igr?H- 
tion  keniiea^elernt  und   raheir^^tet  und  "seran  fire^eins.".:!  in  d?3 
neu9  L'^nd  ei.isevrcndort«     Sie  jcren  t!!ti2e  IJenschen,   bei-'.e  .ver-'te, 
die   in  ihren  freien  Stunden   ihron  !TeisiLn;:ca  lebten  ^It   Büciorr-i, 
L!u3lk  und  Kunst  un'?    rdt   ei  ii';3n  nihen     Fre-.ndsn.     3o   f:nden 
sidi   nuch   in  ioa  Ferien  i:  ::er  Freunde  bei     ihnen   ^ia,    3ie 
ihren  Oesch:uick  teilten  und   sidi    rsrne  von  Sybille.^   freundlicher 
Far3or^?:e  unihe-^^n   lies3:?n  und   da.s  stille,    frie^liaie  Ferien- 
leboa  dar  I.iselbev/ohner  toiltBn,     Das  Hr.us  b.'Stsllten  ^ie   -elb.^.t, 
der  Proviex:t   Tur'le  vja  de.,  nüclisten  Ort   :n   ier  et^,r-   f'hifrra'ia 
LIeilsn  sntfirnt^n  irUste     dan  Boot    geholt.     r.:nnc:-.  -.^l  -uch  Tihr 
man   lu   ^jsAe^z  et'-.'-s    rr'5.^3er3n  Inr^el,    vuf  den^n  kl-^i.ie  Fiscl:cr- 
dSrfsr  '.T'-r^.;,    ü'ier  :;::^n  ko^nt?  d-jrdi    ein  v.^r-'bre-^  ^tes  Olock'^a'  :i  chen 
die  F!ihr2,    die    z.^oir:-!    ?=^r.  V'S-Z^  vcrreif'ahr,    'uf   etvjs  notv-'-rinfi-^^^^ 
suf.i:erck3s  .: -^lüd'ion.     Wie 'es   co  tvpi-sch   för  ir:Jul.irjo  Lobon  ist, 


ve^'o'^s  > 


3n  ni-cl:   kürzester  Zeit    iie  übrige  Vfalt   oder  sccAaa  ihr 


dodi  keine  7ichtl::keit   b-ü  tu  lehren. 

In  diese-.;  Jy;r  '«.Tan  von  ien  Olsten     :-:=:inric:i   uii  :'-ri':nno 
V,  S.   \x:A  ^.oc  Schriftsteller  John  D.    bis   zur  Snde  de.'^    -Torers 

a 

geblieben,    ier  ;:ol herzlos,    so.-.nif  und   bl:u  zeiesQn  '.v-ir«     I.xn  hutte 
'sich  in  die  Hauscrbeit    geteilt  und  den  Rest    ies  Tcges  verbr:icht. 


I  I 


wie   33  Jedem  Slnzolnen  ^/or.  ihnen  klu  liebsten  war.     Absuds  f^nd 
msn  sich   zusria.nsn  ini  ^ohnzl -rr.er  vor  da-i  offenen  Ksiiinfeuer,    lenend 
oder  sich  unterh^atond  oder  auch   schwei.>9nd  der  !.\isi]5  Isuschend« 


D-ann     plötzlich   eir.es  ::orrens  -.var  der  Yi 


nd  söko:/;^n  .-^it 


sns  L^nd  zu   ziehen  -jhd  feszarachen.     Öen?  plötzlich  ^v^jrde  03  dun}:el, 
dar  Stur::i  rosts  über  'iie  kleine  Inasl,   schüttelte  die  35u.:e, 
heulte  Uh6  :^:'•.,     und  ler  ^?-7t'i  _;.3.,-   ..n   7III-3..  Str?--ri 


Mun 


herunter,  so  dr-9s  er  eine  f'-st  r>chv?2r7e  7jssor.7:.nd  bildete, 
f^üd  3ich  l-'i  H.aus  eingeschlossen,  u.:d  virl-clich  von  der  '.^elt 
abgeschnitten. 


Dieses  i::in5e5c:ilossen;^5oin    lit ei n-r^nior  ri'-^f  las   asftH.l  :ilt3r 
Vertrrj.thc-it   stcr>  ins  Go^IJlch^jnis   rarCck,    ei/ier  T^rtr^utheit , 
c»le  diese  fC.if  :.^nschen  vor  Jahren   in  eine.r.  .-ndero::  Cturr.  ^.luf 
i-.:.er  verbunden  h:tte.      So  -T-ndertxi    j2t'!t   ihre  S^dcnlren  ^.iir'Jc'r: 
zu   uicncl'.eru  se-^einsuT./.en  jirlebnls   der  T-ir^-:-.nre.iheit .     2ia 

'Yohl^eftlM,   -de  93  Lbnschen  enpfiaden,    iieeineü  fe.st   sicheren  . 

Verderben  aitroiLaen  sin5,    erhöhte  noch  '^.as   öbliche  Yer-^'l5'^-n  ' 

':im  Austausch:   solcher  Srinaox'^unr^en. 

I.iiirianne  und  Sybille  hatten   eln-:nder  «^ch^n   seit   ihrer 

i;:e:neln3a-:..en  Sch.^olzeit   ii   inr.iger  Freundschaft    ci-ihe   gest-nr^en. 

Obgleiäi   ihre  beruflichen  Vei^dn::^:.  sie   örtlich   auseinander 

gebracht  hatte.i  —  Ll^^riaime  hr.tte  alte  Sprachen  und  ;^chöülo.i:.ie 

studiert   —  '.vare.i  sie  doch   eiaan.ler  nie   frejid   =re-7ordea  und 


I  I 


II 


hotten  schliesslich  v/ieder  ein  fest  seiaeinsanies  Leben  in  Paris 
Qufgeno/nnen. 

I^rianne  und  Heinrich  'tdrec   n"  ch  Psris  von  Spanien  gekOT.Tien, 
??o  sie  beide     ?uf  Seiten  der  recht n.üssi£;oa  R3i-lerang  r;:ek9nipft 
hatten.     Heinrich  \inv  von  eltea  deutchor.  A-clal,   der  einzige 
Nachkoiaiie  — -  das    il.ide  — --  einer  laa:."'an  Rei^:e  von  Ooner:tionen 
von  Raubrittern,   Outslierron  uid  Offizieren.     Sein  Y^ter  bitte 
durdi  Heirat  -Jiit   eiaer  Judin   3twc^3   aeues   31ut   und  ein  grosses 
Ver.nti.^en  in  die  -mssterb^ude   'ind  rcdit  de;2;Gneri2rtö  Fc-ir.iilie   ^Te- 
bracht,   und  Heinrich  h^tta  es    vohl   liesor  :..1Itterlichen  2rbschcft 
zu  verdanken,    dass   er  sich  niciit    in  dt  s  Ju^üierleben  ei.ipcssea 
konnte  und  i^ollto.     Die  Liebe  zu  seiner  schönen,    gel  streichen  unl 
zÜrtlicLen  i.iitter,    die  uiter  der  Brutelit^t  seines  T?ters   "umrunde 
gin?,   h^tte  ihi  zi;    eine:-,  leideaschvftlich^'in  I-:*!.:ipfor    yjZ'^^ 
Jod3  ."jTt  Hohalt  und  Ungerecht i^lcüit    gs.iji.cht.      3r  h.tt-^  eine 
glänzende  Karriere  r.ls  Journ^dist   •  uf gegeben  und  seine   ^nnre  Tr  ft 
und  sein  Yer:aöi:en   in:  Kaiapf  ae-z^a  I-Iitler  und  cien  X^tion^lsozi-disrus 
eingesetzt.     Von  einer:!  Spitzel   varr.^t^n,   v/ar  er  verhaftet   und 
zu   meareren  J::hr^n  Zuaithaus  rervrteilt  v;orden.      Mtchde:"  er 


nodi   ein  Jcüir  die   Cr»3uel    3inos  TTonz^ntr-t-w**^!    ^ 


•>  ■'^  c*       i.  ••• 


•-4-1,       t. 


^  ....  V 


.4        .  b    V«    * 


vTLirde  er  antl-jssen,    und  es   ^el?n.j:  seiner  iMti^ea  jungen  Frau, 
ihn   rdt  Hilfe  von  Freunden  in  Holl  nd    :af  -abenteuerlichste  TToise 


au 


s  Doutsciil^nd  her-.'iszubrini^en.     Einer  dieser  reifer  ^;cr  Jcl.n  D. 


:;ew.=^sen,   ein   junger   e^i-ierikanischer  Schriftsteller,    ier  ncch 
^ropa   5^v;sngen  V7::5r,   weil  v/eder  der  a  i.erkani.^che   3port  noch   das 
a.nerikfinisch  3  Oon^stertafi  seinen  Dron-j  nach  Abenteuern  und 
seinen  Freiheitssinn  befriedigen  könnten.     Ein  frühes  Erlebnis 


A 


hatt9  seinen  besonderen  Sie3el  2uf  seinen  Charalcter  sedrückt» 
Er  hatte  einen  So:2:aer  Ln  Sfiden  verbracht.     D&:r.al3  wrjr  er 
12  gewesen  und  rebelllsdi   ^egen  sein  eigenes  elterliches  Milieu, 
in  dan  gute  Sitten  und  Ll&nieren  nicht   nur  ^e predigt   sondern 
auch  gepflegt  vrarien.     liin  hatte  ihn  allein  zu  seinen  stidlichen 
Ver^'indten  fähren  lassan,   u^n  sei  ne:n  Un?bh5ngi  Tkeit^bedörfnis 
genug  zu  tun.     Auf^ejecVt,   rh-iutasier4ich  und  körperlich  seiaeni 
Altex^  vor-ius  .vurde  er  ein  :.:itf:liöd  einer  Grappe  JuvenilicI^er, 
die  ihre  r.!» nnl i ci kei t   1  n  jeder  üinsidit   zu  be-^eisen  sucliten, 
ge:?8'inlich  in  vindischen  Actionen   segen  die  7elt  der  Ervachsonen. 
Aber  sie  tranken  audi  und  trieben  es  mit   den  ?.!9dchsn.     Schuldbe- 


wu 


sst   rwar  hc^tte  dodi  John  3II9  diese  Streich-B  ger.'ia  unl    stolz 


Itgeinacht.     D'^nn  'jber,    a.:.  Tage  vor  seiner  Mei-jraise,   h'-itte    lie 


Bande  sich  juf  r.iei  hr;rJ.os'j  klein3  Ifegerhinder  gest^r:^t,   die 
unschuldig  geauj  nackt    ir.  Fluss   bcdeten,    oa   einer  StellJ   uie 
nur  für  Teisse  reserviert  v/er.     Sie   h.^tten  lea  kleinen  Burschen 
Blutif-  gesd-il^gen  und  zu   ertr'^alcen  ver.rachtt   und  die  Versuche    . 
des  -vinzig-en  L2*dchens,    ihre-i  Bruder  tu  rotten,   .rit   Fos^-tritten 
verhindert.     John  hatte   m  dieser  Oew-iLttut   sich  nidit   beteilii:t, 


a 


ber  er  \7cr  d^bei   'bestanden  und  hstte,  zie  .Tall'imt,    ^^^lesch^'ut. 


Sr  s^-h  -iie  kleine  S-rah   c-a  Boden  sitzen  und  r.it    Ihre.a  schwar-.en 
HSInddien  ihre  Blosse  verdecken.     Ihre   sdiwirzen  Au-i^en  traten 
vor  Änv^st   cus  den  nt5hlen  h9r:ius   ;  sie  vnr  tr*tnenlos  Tie  oin  Tier. 
John  v/ar  d-^voc.  r^l^ufen.     Irgendvo  hstte  er  sicli  ins  Gras  gevor- 
fen  vnd  gemeint  vor  3ch?ni,  Schuld  und  Hilflos iglci^ it.     In  der  Xecht 
war  er  sdilaflos  Qe-:ieBQa  und  an  nächsten  Morgen  fuhr  ein  stillerer 
John  nadi  Kause  zurttck. 


'•t- 


•■'^ 


I  I 


II 


6 


Er  erzühlte  nie:naaden  70a  dieser  Erlebais,   er  schff  ite 
sidx   zu  sehr.     2s  hatte  aber  zur  Fol^e,  dass  sich  S2ia  Uncbhan- 
gigkeitsbedürfnis  voc  nun  on  in  persönlichem  R!ut   Susaerte, 
selbst  v/enu  er  eiaer  Orur^pe  allein  entgegentretea  nusste.     3r 


•  •, 


Wßr  eigentlidi  über  Nacht   tjl  einea  Felden  gsT/orden.     Sarüis 
Aus^n  h'iitte  er  ale  ver/^esssa  kö  inea, 

.3r  c^öliörte  einer  Organi3:tion  cn,    d3ren  Mt^liöde^»  es  sich  zur 
Aufg-ibe  3a  13 eilt  h-^-tten,    selbst  uatej   eigener  Lebensgefahri 
politisdi   G-dfSihrdete  ?us  faschistischen  Ländern  her-jiuszu- 
bringen.     D::.  0^'  sein  eiijieaes  Leben  oft   ciufs  Spiel  setzte,  w  r 
es  für  ihn  kein  Froblorr^,    in  seinen  H3ttun:s'.kti3n3n,  \ica.\ 
not\vin:li2,   rjch  bis   r^n  Aeusrsersten  ?ai  ciehea.     jIt  ;7ar  'It   -einrich 
und  LJi'riunr.e   la  Sr/iniea  7?A2t:zjda   ^^^^vesen  und  lornte  spftex"  durch 
sie  Sybille  kenr.en,     Sie  Tarde  kurz  dirauf  Jber  Rulolfs  ?ruu. 
Rudolf,    der  schoa  da-,:-:d3   oiaen  betrfcatlicl.en  ^^2::.eii  ».la  IVis-on- 
schcftler  h:'tte,     hctte  ohao  7^5:ern  seine  Hei  c-t   Y3rl-',zz2a  ^Is 
Fristest    ,T'3.2en  eine  Irrationalit!?t,    die   ih:::  als  Rückfall  in  den 
Ör^:i3t an  Hexen  -  und  Aber:l -:\uben  er.:ci:i3a.     Er  fü'nlte  sidi   ia  ceiaer. 
7/is3ensdi3ftli(Saen  Denken  beeintr^chti^rt,   in  seiner  ^.'Hnnlichkeit 
beleidig  uad   ia  seiaer  Creraclitiskeit 33inn  e.ipört.     3jia  Huf 
ve^schTifte   ihr  Ctelo^anheit,    in  Paris   sei.ie  wi?senfech:ftliche 
TÖtir^keit   fortzusetzen  uad   so  viel   als  'Löblich  jüngeren  eni^rierten 
Kollegen,   unter  denen  sidi.  -^uck  Sybille  befcnd,   beizustehen. 
Seine   sinfache  beschützende  uid  helfende  "^esoaurt  v;urde  für  Sybille 
ein  Srsötz  für  ellss,-  was  sie  verloren  hatte,     John,    in  seiner 
roynntl^chen  Abenteuerlichkeit,   erschien  i^.r  als  ein  Junger 

•    •     -    * 

liebensTzttrdi'jer  Knabe,   dessen  leidenschaftliche  Liebe  sie  in  eine 
tiefe  und  rahi^e  Freundschaft   zu  Terwandeln  suchte. 


•^w  mt^^^^^m**  ■  'mmm'^mm^^-'M^ 


23  TTar   'ittlerAreil?  Aband  .^ov/orden.       Drsu33oa  v:ct.:  '^.vs  Un- 
wetter,  suf  dc:s  die  Freunde  in  ihrsT.  Oeroiil  des  Oeborgonsiins  nur 
gleichsam  h-ilb-b9.7usst  hinhöi-tea.     So  entring  ih.ien  zunächst 
das  klopfen  an  der  Haustür,   und  erst  alü     ei  rtärker  wurde  und 
sich    !^utlicLer  von  deci  andern  Cratöse  unterschied,   v/urden  sie 
alle  fast   gleicnzeitlg  dcrcuf  ?.uf-nerk3r:m,     Sie  sah^n  ein^nler 
unglöubis  rrsgsnd  an,    eis  ob  ni^nnrid  von  ihnen  fes^-an  koriAta, 
d'Biss  ein  Lebe^resen  drtiussan  stJmd  und  Binloss  begehrto,     Tis 
schien  ihnen  völli»^  Uxi^öc^licli,   d-^ss   ir.^endein  :.j3nsch  in  diesen: 

« 

Sturm  auf  ihrer  Insel  gelcndet  rrcir,    auf  der  es  ausser  ihien 


nur  Heaen  und  TÖ^el  cßh.     Rudolf  :7cr  der  "Srst^i:,    T  r 


Z*.t- 


3q:.Ij.s^  !:.•-•..,   d^ss  das  Un.vsiirscheinliche  Tohl  .geschehen  sein  .nieste. 
3r  erhob  sich  ^jud  ^i.ig  z^ir  3in3':n:;3tCr,   die  er  ra-^^ch  öffnete« 
Gegen  das   Dm.iel  driussen  Iiob  sich  eine  schattenh  fte  Oestclt 
c:b,    die   :^uf  ei.-e   sinlide   Oebürde   luiclfo   in  den  Italien  Lic.  tkrei/:; 
dar  3inr3Ln£;shwlle  tr^t  und  dort    einen  .-Jigenblick  sch:7ei,:8nd 
und  {reblendet   stehen  blieb. 

Der  Frer^e  ;;sr  ein  .^ossar,    stattlicher  r.;unn,    d^r  ro  durch- 
nüsst   .var,   d-£:ss:  des  Tcsser  ca  ihnn  heninterfloss.      3r  but   die    -n- 
v!eserAaa  u.i  Sntschuldi^ung  für  sein  Zindringen  und  3rkl?!rte  T.it 
heiserer  Sti~-"3,   dsss  er   seit  Stunden  in  seiner.  Boot   in  otuiT: 
auf  den  '.Ta^ser  gev/esen  sei   und  völlij  Richtung  und  Criantiaranj 
verlor-jn  hsbe;    durch  ein*^.    vinjkllch^v;:.  7uf'll  sei   or  in  di'^  kleine 
Buclit  der  Insel   frischleudert    vcrdt^n.      jJs  sei   ibir.  .relun.r^n. 


sein  Boot   fjstzu";':iChen;   da  er  die  beleuchteten  Fenster  des  H-uses 


6 


erblickt  habe,  hsbe  er  sich  notcö^rungen  eatschlossen,   enzuldop- 
fen  und  uia  CrQStfreundschaft  zu  bitten,   bis  r.ich  der  Sturm  sei  e^ 
höbe«     3r  ^var  recht   erschöpft,   obgleich  er  ein  lcr?fti;?sr  iMana 
in  nlttlersn  T^ihren  v;ar  und  sprach  etv;as  zö eiernd  unl  nüde  in 
eineia  gevyählten  Snsli^ch,  dos  ^^er^^de  durch  di9S3  Ce-.vähltueit 
den  Auslf'ivler  verriet.     Rudolf  und  Sybille  hiesson  ihn:  freund- 
lieh  \7ill!'Co:u^*en,    Fordert -:n  i:in   :  uf ,    in  eiaes  d^-*  verfügbaren 
CastzlTiTier  zu  treten,   und  vftfhrend  ihr::  Rudolf  trockene  IIlsidua£; 

« 

verschcfftG,   berreitet^  Sybille  schnell  et:;£s  zu  essen  und  ein 
heisses   Cf8tr^*?nk  7zr.     Ais  er  dorsuf  in  das  V/oIinziir^ier  tr,t,   '.7ur- 
de  eine   fori^elle  3esrt!3s*x.i^  und  yorf:t'3llun.-^  vorzeaOi.::.eLi. 

♦•Lein  ?:£.ue,"  sc.-fte  ier  Fr-r.do,    ^   ist   K-irl  :.:tlller  *'  und   r:r 
fö;:::te  sch{^rrii".ft   hiarj,   i^^s  dies  v/ohl  der  uavarbiidlichste  "Ts.-.^ 
sei,   den  sicli   Ja^.^nd  ir.  seiner  besonderen  Lvi^e   uu.£donken  kör.nte, 
obgleich   in  den  V3reinijten  Staaten  ^^ohl  S-^ith  und  Jones   noch 
besser  de^u  Zv/eck  unidentifiziert   zu  bleiben,   dienen  v/tirv^jn. 
Er  sei   ein  In.j:enieur  vnd,  '.;ie  '.to'lL  seine  Aussprriche  verrcten 
hebe,   ein  Deut^^cher,   der  vor  Jähren  ^3 ia^ev; ändert   sei.      Er  vorbringe 
seine  Ferien  in  eir.e  .  der  klei.ieren  Crte  an  der  Ktlste  '/oa  I.Jelae 
und  sei  heute    r/jr^en  sei   schöne-r.  '.7 et t er     'Jus^efahren,   uc.  zu 
fischen,    nicht   ahneni,    .Tc^ldia  Abent.^uer  i^^n   "ler  Ta^  noch  erleben 
lassen  sollte.     yo:i  Feuer  ur.d  dei's  heissen  '^rog  er.7Ör.;t  und'5urch   i'.s 
Sssen  (gestärkt,   verlox'  er  bald  sein  ex'schöpftes  Aussehen  und 
schien  sich  liebens.vürli-  und  iTesellir  der  Cren eil s  chiift   unpassen 
zu  \T0llen.     I.'len  Spruch  dirCber,  Y7ie  das  plötzliche  klopfen  ^n 


•"> 


dar  Hinisttlr  elnoA  Jedan  3elt3-:.n  bortlhrt  hi-be  uad  Jed^r  arr.lns  sich 
In  d-sr  beschrelbung  seiner  Oefflhle  und  Gedanken,   die  *"ll3  5-^3 
ünheiinliche  ies  EreiTnisses  horvorhoben.     ""  Ss  i^t  ':Tie  der  R3glnn 

*  •  • 

9lnor  Oeschiclite,   "  aa^ts  Il-ri-u-ma.     "  Odor  -vie  das  Sade,   "     einte 
Sybille.      "  D23  L^itztsre   ist    .ohl  d-s  Rlchtins,   "  a-h-s    Herr  :„Tlller 
deo  Faden  i-uf,   "zui-iifliost   för  ;rlch.     Und  aun  n^£  .-iin  wohl  Sieea, 
doss  es  sin  •  Hcppy  ead  *   ist.     T1hr-?ad  ich  .-Ich  U.:  9oot  voa 
den  '.Teilen  hla  und  her  geworfen  f^ad,  k^-a  -'Ir  das  Groteske  -..einer 
Läse   zun  3e'.7U33t sein.     De   env^hnte  ich  vorhin  r-chorzhaft,  -ie-l  ale 
Nev-iensvettern  ich  ^uf  dar  ^elt  hnbe,  und  döbei  h:be  ich  unter  -i  11 
den  I.Hlljrn  alcht    eiA-^c  Vervtnlten  ..;ehr.     Ich  bin  völli-:  ohne  Pcüi- 
ille,    d.-.3   erste  ULI   in  -*J.inj  ^uf  eiuar   *  c-.pir-s  -  ual-fi::.!.-;?- 
expeiition  *   2  nz  allein,   i;ad  T;9r3   ich  heute  nicht    -n  Tnre   Inc-ol 
versdil-^en  jor-lin,   soad-.:-a   i.-.  Star...  i:nt3:-e:-unsen,   --0   .vlre  ^v/^r 
ein  ;.miGr  -venisar  ::U.r  dar   Talt,     be.-   3ie  ^^It  hftt  i  -U-3es  tr  fische 


.7^^    n 


Erei:^ni3   nicht   einnil  be.ierkt. 

"*  Sie  h-ben  die  K??uCiC^-eit   Ihres  %^5:'.ens  nun    Vnrra^-ls  üi-7??hnt ,  •* 
sagte  Heinrich,   »^uit   de :.  Kinvreis     uf  Tir^ec\:.lv.^;Sbn  der  Id2fitit'!t 


und   dei-'i^eichen. 


uuter  solchen  ür.;3t Jf nisn  .-at^rliche  r-si.'se 


h-'.ufi-r  vo!co.-:en  können.     LInn  ist    -onei.rt,  sich   3nt£pr.^chend3  3itu:- 
tionen  reizvoll  uU'szu.Tilon.     Sie  •vür^^nn  oft   i^s  :Co:-:i?chon  nicht 
entbehran.  —  Aber  a:a  .Tievial    :^jrk7/3rdi:er  und  uxäieii-licher  i  ;t  es, 
wenn  --/in  einen  richt   seltenen  JIv_-;en  hi-t  und  iiia  plöt-lich  in  va.lli.3 
unerwarteter  .Toise  begegnet,     tds   ich  'Is  junger  Journalist  bei  einer 


10 


Berliaar  Zeitung  .mgüstellt  war,    .«urfts  ich  elnas  T-^ges  nach  der. 
l'oabiter  Gericht  cussesandt,  u:n  ober  einaa  politischer.  Prozess  zu 
bariditeü.     Vor  der  Tür  das  entaprecaeniaa  Oerichtssaels  ^.n-okoiTr.ea, 
f::nd  icxi   m  ^iaen  Ajrser  har:n3,   des?  ^-.a  ü^  Trersa  .usgeschlossea 
h'tte,   unter  dsss  hinter  .^eschlosseoea  Ttlroa  venv-uielt  'vurde. 
Vsrsti-r.t  über  dieaaa  I.Iisc-rfolG    .sines   Auftr— 3S  w-nderte  ich  ?uroh 
dia  ipasQ-"'  h«3slid.3n  Forridors  und  -nusste  nicht  rächt,  -nie  ich 
.TMns  Zelt  varbrincen  sollte,   da   iah  nicht  fortrahan  .vollt'j.   r.och 
IciTer  hoffend,    d^-ss  ich  vielleicht   doch  noch  et^^cs   srSt.r  Zutritt 
rar  Verhandlung  er^v.-in-en  könnte,     ilir  h:::::  der  0-.d:.iike,     Ir  inz";i- 


.-.dere  .  R  -u.-ä 


"sehen  irgendein  -.inderes  Oeriohtvai'r.hren  m  -iin..  . 

cü^ahören.     Auf  j;t  Olttck  öff -tit .   ich    üne  Ttlr.    rüe  :'u  ein^r  d5.- 


•inior-.:.  3«! 3   rtli.rta,    i 


.-   .-■'j 


-e.-'üds,    vis  äj  -.•ci.iea,    jin  3tr' fpro- 


r.9S.T  i.:  Cnre  -.T^r.      Icl\  hijlt   noc; 


4  V  ^^  ^ 


3iatr-at;n  die  rriinl:,^  Jer 


TOr.'  in  der  H'.nd,   :ls  ich  kl^r  und  deutlich  den  Hielte;-  s^.en  hSit-^: 
•  Der  Ansehl-sta  v.  S.    ist   -33t3n:is.    •     lÄ  ^  r  .vie   Ir.  eine-,  .-n^.t- 
trüur,  bef^-i^en.     Ivein  erster   Ir.puls  -v^-r,   die  Ttlre   r.;f'/;:reis3ei:  und 
d'-voflzurennen,   .-^ber   Jerude  vüe  in  einx..  j^;ner  Sahreckon-ttrSu  .e 
fülilte  ici    r-idi  wie  rn  den  Boden  ^oia^»   ohne     uch  nur  oinen  Paso 
heben  -ni  hönnen.     Id^  h^itte  dus   Oeftfhl,   Ms  ob  eine  Svi^h^it  ver- 
gongen sei,  und  doch   konnte  es   nur  ain  'rurzer  Augenblick   -ewesjn 
sein,   bis  ich   den   arvfihnten  Angckle-tea  i-tohen  s- h  -  einon  .-rossen 
robusten  Kerl,   der  i=l  n  whl  ein  Vorhrechen  z>jtr:uen  könnt -->,  und  der, 
ausser  da-.  Ka.nen  -  weni.."t3n  biMe   ich  -ir  d^-3  ein  -  ':uch  nichts  -.-.it 


ü 


11 


:alr  ^enein  hatte«     D'us  Unhei  fliehe  dieses  Erlebnisses  li.g  eoea 
d^jrin,  dtss   es   sich  nicht  un  3ch:idt   oder  Libyer  Lundolta,   soniera 
1121  r.elnen  ITxaea,    der  ~  so'^volt   :i:lr  da^ids  bek'-inat  v/er  —  nur  nuf 
neir.e  Fa-iilie  besdirlokt   ;?i  r,   dara.i  Istztea  .n2nalicl:es  LIitglied 
ich  darstellte.   ^ 

J.iin  h':.tte  iiiteressiart  Hsi.irichs  Srz^lilun^  i^n.^'-jhört  uiri  flle 
i^edets-i  nun  lebhaft    f.urchoin:  nder,    ein  joder   in  sainea  Srinnerua^^a 
nad.fDrschead,    ob   nicl'.t   '^-udi   ih.-  ein  ffhaliches   Srl^^bnis   sich 
erei.^net  h?tt3,    das   zur  ^11 '■«•3  meinen  üiterh^iltun.^'  beitri:/^an  kor.r.t:^. 

•»  3itU3tion3ii,    dio   in  ihrer  u:ühei -liehen  3t i  .-u:ic  ::n  Tr^u  e 
eri.narn,   *vO  .-..on  v/ohl  htJafie;  ';or,    •♦  s-^ta  V/yci^aae.   *♦  Un'   sie  ':::irk?n 
u::-so  urjiai  lichar,    Je    '.ehr  sie  sich  eine-  uns  -johlbolc-nntan 
Tr'^.U:.  n'^h^rn.     So   'V:tt  .   ich   ?in-:.l   ein  SrL.bnis,   b^i   io;.  ich   "ich 
ü-inlidi  -^ie   ia  vl-^len  Tx''?a:.^:i  hilflos   i-,  ciiv-r  v31li.^  unver- 
st 'ß-:dlich3n  3itUc.tion  haf  ..;i.      ^.:     ^.  r   .^hrcnd  d  ^s  1-t-ton  Trio-e:?. 
Id:  verbr^tf-itö    alaoa  Toil  .i.eiii*-.-  F^,!,-*.    ..;    T^j  7estkÜ3ty   -dleia 
in  eir^.^r.  recht   bok-^inntaa  Perienort.     Der  Crt    ./-r  tt^o^^x^liufcn 
r-:it  3o  :.er::'*3ten,    £:rÖ5stenteil3  An^iehörl^en   dc-s   in  ^ar  Kühe   zt-i- 
tionierten  IvilitSrs.     Idi   fvnd   n^ch  eini?3-3n  Sc-/.7ieris:<eiten  eine 
cini2'jr:/:.3sec   freundlid.e  Unt  .^.irjnft,    .U3"te  :-ber  cie  r.j-hl'/oiteri 
2usserh:^lb  des  H':.use3  ei^anehJ-en.     3o  s:-:h   ich  ■.ich  denn  uuch   nc^ch 
Rerti:ur:.nt3  und  Gost'^irtschcften  u::i,   versuchte,   hier  und  dort   zu 
essen,    bis   ich   f-uf  ein  russisches   C'--2tii:-us  3ticss,    dus  i.:ir  gefiel 
und  das   c^us.^ezeichnete  Kost   hi-tte.      Di3  TTirtir.,    eir^e  rrosse     ht!b- 
sehe  Person,   sta^rjute   aus  der  Ul-crsine.      Sie  h^^tte  för   .lich,    d^' 


12 


Idi    Ja  meiAe  Kindheit    zum  Teil   in  Russlsni  varbr^cht  hctte, 
etwas  Liebes  und  Anheiinelades.     Vit    ihren  dunklen  Ha:*r,    in 
der  lütte  gescheitelt,    ihre;ii  weissen  und  rosigen  &33idit,   den 
blauen  Augen  \xrd  ihrer  Ueppi^keit    erinnerte  sie  cn  jene  rassischen 
HolzpBppen,   die   3eis  Sntzücken    :einer  Kinderjs-hre  vz-ren   :   XJ^a 
konnte  sie   nü.-ulid:   oufschnuben  und  f:xad   i^Jier  kleinere  Aus- 
g'-be.i  der  ersten,   Jöwölinlich  ein-a  Bäuerin  darstellenden  Fuppe  in 
ihrem  Innern,   sechs  o^er  c-cht   i:n  C/unzea  bis  rj  der  kleinsten, 
deren  M^e  nun  ^cl'.on  nicht  .lehr  3rkennb-:r  v/'^.ren.     Ihr  VrOnnt   euch 
denken,.  T/ie  v:ohl   es    rir  in  dieser  '.Tirtsciu  ft    gefiel.      B\tld  kij^i' 
id-.   ::uch   rrdt    der  lirtin  ins  OesprSca  und  brachte  rneine  'voni^^en 
russischen  3rccken  hervor,   u:i  r.och   rielir  die   Intime  At.'.csphffra 
zu    sreniessen»     3o  haachloss   ich  '!enn,    iiochde:::  ich   zirei:ol  .vltt-^s 
dort    re.'^essen  htitte,   LUch    -eine  Abend. ''^hl^^":jit   in  .^^ner  Ocsthrus 
einzianea  :en.      Es  herrscht j  ein  ra^er   Betrieb,    -her  es   geling   rdr, 
einen  Tisch   zu  finden.     Sine  Kellnerin  brc-cht-ü  rlr  z^.var  die  Spelse- 
kcrte,    c:ber  d^nn  Icd.r.nerte  sich   nia.rend  :nehr  um  ;.ich»      Ich  konnte, 
7de  sehr  ich  xich  --^uch  ben^tthte,    nicht   erreichen,   bedient    zu  worden. 
Personal  und  Tirtin  überf^ing  T.ich   gefli33entlic]sst ,    ir-^^endeine 
höfliche  Entschuldi^run^  ^oirnelnd«      Zunächst   glaubte  ich,    cloos   sie 
zu  beschöfti^t    seien  j:it   CSsten,   die   frflher  gekorjir^en  v/aren.      Bald 
Oberzeugte   ich  riich  ober,    dass   später  Oeko  n.^:ene  schon  bedient   wur- 
den.     Dann  ir.einte   ich,    dass  iriösücher^/'^ise  Dainen  ohne   Begleitung 
nicht   er-^nscht  -v^^ren,    aber  euch  dies   m^it  nicht  richtig   :    es  stissen 


-^\ 


13 


mehrere  ?raueü  allein  an  Sinzelt Ischen  und  essen.     Der  '^ufilende 
Gedanke,   dass  ich  hier  plötzlich  nieder  auf  eine  bösartige  Ealtung 
gegen  Juden  gestossen  wer,   vor  der  ich  doch  vxis  Deutschland  ge- 
fLohea  ^ar,   schnürte  rlr  die  Kehle  zu»     Ich  schaute   nich  uni  und 
seh,   dass  unter  den  essenden  Gästen  eine  Anzahl  Juden  vertreten 
w£irea»     Ich  versuchte  noch  CiQhr.rxjls,   die  AufiHerksamlceit  der  Kell- 
nerin auf  irdch  zu  lenken  —  vergebens«     Schliesslich,   nachdem  ich 
ftist   eine  Stunde  rew'irtet   und  .gehofft  hatte,    erhob  ich  r.ich  und 
ging  deci  2ins^ng  zu,   in  dessen  unrj.ttelbarer  Nähe  die  ukrcinische 
vyirtin  stand.      Idi  wollte  mit   ihr  sprechen,    cber  sie  wich  mit 
einer  undeutliche  ga'^r:.:elten  Sntschuldi jung  von  Tj.r  zurück  und 
liess    rieh  ohae  sine  Zrklffruü^  ihrerseits  hin^:iusg3hen.     Auf  der 
Stösse  fand  ich  .'ich  zittarfld  vor  Aufre:Tunc^,    äean  d^^s   eben  Erlebte 
hatte  rieh  .:1t   eine.i:  OefÜrJ.  von  verwirrende:*  An^st   erftlllt.      D'i3 
Ünvejst?^ndliche     d^r-^n  .^ab  xir  «iia  Gefühl  von  Milflosi^keit .      Ich 
konnte  in  kein  anderes  Lokal  ,;^eh3ü,   ver'c:ichte;te  aufs  Zssen  und 
gln^  zu  :neinea  Logis   ^niröclc.      3eini  Betreten  ies  Kruses  seh  ich, 
dess  r.ein  Hausherr  i-i  seiner;  Zir.T.er  Si^ss»      Ich  stieg  zu  veine:. 
R.'3Uai  hinauf  und  sbss  eine  'Teile   iT.  Dun!^eln,    :iocu  i-^iner  d'j::it  ba- 
schSftigt,   eine  3rki5rung  ftlr  d^is  eben  Durchljbte  zu  finiea. 
Dann  eatschloss  ich  ..-Ich,   iea  Hausherrn  zu  fr>-cen«     2r  hörte    rlr 
freundlich  zu  und  schien  nicht   Ix,  Geriajsten  erstaunt  tfber  r.oinen 
Bericht«      *  Die  Rusrrin,  •   s>igte  er,   üIs  ich   reendst  hatte,    'hat   sie 
natürlich  eis  Deutsche  erkannt    ;  und  de    gerade  die  Deutschen  in  ihre 
Heirat  eingefallen  sind,   weisert   -^ie  sich,   Sie  bei   sich   zu  verköstigen»  • 


14 


•  Aber  sie  hft  ii.ich  doch  gestern  und  vorgestern  freunllich  auf- 
eenO!!ir.en,    •  rief  Ich  cus*      •  InCTischea  hat   sie   Ihren  N?i:r.an  erfah- 
Pen  und  ihre  Schlflsae  ds^r^us  gezogen,    •  entsegaete  :neln  Wirt.*  Sie 
]aanea  ihr  ihre  Haltung  nicht   cllzusehr  Ubalnehien,   v/enn  Sie  baden- 
ken  -^as  die  Deutschen  in  ihrer  Hei  aat   treiben.    • 

*•  Sine  gute  Anekdote  und  rut   erzflhlt,^  ir^into  John,    ""  aber  eigent- 
lich handelt   es  sich  hier  .veni^er  ur::  eine  Ver.iechslung  als  ar.  ein 
lilssverstÄndiils;    doch  ist   die  unheirliche  3ti  r.uns  .sicher  nicht 
Seringar.'^     Sr  und  Rudolf  erainsen  sich  nun  in  Treiteren  Beispielen 


vo 


11  Nar^ens  -und  Per-'^onenver.Techslunsen,   die  durch  eine  rischunj; 


von 


Oroteskem  und  Cr'-iuen  ebenfalls  ein  Oifühl  von  Unheinlichkeit 


er^ir!^en. 


Der  StuTu  tobte  weiter,   uid  von  Zeit    ?u   Zeit   Iraschte  die 
Oesellschcift   ^uf  de.i  grossen  Lür... ,    5er  durch   5.en  endlosea  Hogen 
und  d-:-s  Aechsen  der  33u.:3  v-.-^irs:>cht    .rurde.     D.  s  Feuer  br-.nnte 
lustit  i.:  Kirnin.     Die  V/Ür.ie   7usr.Tr]en   rit   cl^a  ^S.-zählucjen  lie3S 
eine   >3'.7iss3  innere  Zrre ran?  bei   den  einzelnen  Anwesenden  z'Ji'i 
Vorschein  kor.  .e...    die  aic'^  in  ^aröteten  'l'.-:iz^ci  und  einer  C3wi:-3en 
körparlichen  ünr.'St   uusdrtfclite.     N^^  Sybille  v/cr  schveisexi 
geblieben  und  schien  in  sich  var.sunlien  und  :;it    ihren  3i::nen  Ge- 
d^^nl:en  besch^ftist.     John,   der  jie  i;--u3r  v^ieder  prüfend  und=-'uf- 
fordernd   ^nceschcut  hutte,  unterbrach  schliesslich  die  Andern 
mit   der  Trr.Qs  r.n  S/biUe,   v;.-s   es  -v^ohl   sei,   des   sie  so  sehr  be- 


scn 


afffti-'^e.  3r  .-ei.ite,  sie  r.abe  wohl  !r^u-.  den  .^aekdoten  und 


I  I 


15 


KTzahlungBü  7U3oli9rt    ;  sie  -r.tcho  äen  Elndjwck,   eis  ob  sie  .Mailen 
eatferat  irte  In  einer  ecderea  Telt  sei.     "  D'JS  Ist   aur  halb  rlch- 
tis,"  aftt«ortete  sie  uni  ftt.jte   78£erfla,  wie  .;^e,:r9a  elnea  innerea 
Widarstand  kütrapfead,  hia^^u  :   "  E-ire  OeaÄichten  h-  bea  mich   -ß  et- 
was erinnert,  wovon  ich  iie  sesprochea  hebe,    js  nicht   oin.n.-.l 
hatte  3jr3chea  Mnkon,  -tsII  33   etvaa   so  Unh^l  iliches  betrir^t, 
d'->s  aicht  nur  '.n   eine  vcrübsi-'ö.T-aiane  Situ-tioa  rehsftet   Ist, 

fora  fo-'tl-u^rt  uai   .Tohl  aie  cufsohoben   vardan  kuaa.     Eir  h-bt 
In  ^11  S'orsa  Erlabcissen  i  i.er  .lieier   1-"  Ual;3i:ü.icb.3  voa  Var.ischs- 
lua?  der  Id3atit3t   ofa-  voa  nsvarsttündaiai^ü  In   den  7ord?r3;ru--d. 
SeschJb2a,   aber   J'-s  Ui.ei -lidie,   das   ich  :r.3ia3,  hut  cit   de- 
Gei-iafail  7u  ti:n,   -it   d--.r  T"  •..-it«t3lo3i3:<-'it ,   die  als  cuf^skl-rt 
-/ordaa  ist  und  nie   luf.rekl^rt  -.v^rdün  )cj^:i.     1>-3  Orot  r:l:-yo  änc! 


son 


f^^  ^ 


fehlt  diesen.  Srle^oen  vol>>  .  sn   ;    es  '.^ar  Ux'^.d  v/lrd   i.  er  nur  i^urcht- 
b-r  urd   sn-ueah-^ft   bleica^  ur.d  kcan  dcrd:t:  cmq\\  nicht   ixi  Sia- -.llieitjü 

erzShlt   .•■^rdea. 

"  Ihr  ntbt  3.-.cli  oft   .zi-iur^e-t»"  fulir  sia  fort,    sich  ui  ihre 
Fr-^dde  •.veadead,   "  warun.  ich    .-.icli  ^STelrert  hcro,   >  -.Tiedsr  m.ch    , 
Dsutsdil-.nd  —  selbst   ^uf  =inea  loarzen  Besuch  —  r.urückvukehren; 
jü,  das3    ich   es   so^ar   ;blch^t3,   Dautsche,   die  a&ch  d3rü  Krie^ 
in  die  Yer3iai£tea  St-iaten  k  ..ea,   kennenzulernen  oder  bei  rlr 
zu  besrüssea.      Ich  hoffe  "  s-a.^te  sie   ,  sich  -n  Herrn  IvHller  -an- 
ds^id,  "  uaser   G-^st  'vird,   7:.s   ich  £--i'i  nicht  «♦••>el.ich..-5r,   de  er 
Ja  schoa  l:-n.:e  7uhre  la   Uer.e  .  L^ie  lebt  und  -..Uo  nicht  r:lt     • 
eiQ--e3chlos.iea  ist    in  Jene  Gruppe.     Ihr  htbt  ..;ir  sos.r  klein- 


IUI  I  an  IM  I   m Hl 


K^t 


Ifl 


llcl:keit,  H::Ch3uclit  und  ^ie  UafOhickait,    zu  versabea,  vorcawor- 
fea.     Aböt  as   ist  eher  ^aa  CeftEil  dieses  stSnila  üiiliei-lichen. 
das  mich  ai  <51eser  Hältuag  zwLi^t.     Du,   LQiri.nao,    erinnerst  Dich 

«  • 

vleUelcht  nodi   lü  aiae  Mtschtllsria  j-us  u^iserer  Oz-iatsislzeit, 
3all3  B.,    ne   cici  triuriiarviss  nach  bar-zer  Oiisteskr^ol-cheit 
u-sbrachte.     mr  ■.75ren  befreundet    jewesaa,   und  ich  h^tte  sie  zu 
3e.=-ian  ihrer  Sr'rrenVuns  audi  hffufi;.'  besucht.     Sie  litt   di.ncl3 
schon  cn  ollen  ..-»Sslichen  Aenssten.     Sinnal  gingen  -.vir  ir.  P^rk 
spczisran,  und  ols  vrir  uns   eifie/i  l-leinen  T3ich   n9h-2-tea,   liaf 
sie  plötzlich   l'iut   schreien!   3::7oa.      Idi  fol^Tto  ihr  und  find   lie, 
von  Or:uen  ^eschüttalt,   hinter  eine  ;  3:.iua  verstecrrt,   stehen. 
Sie  h'-tte  iir  a^sid^t  rlt  den  HSndt^n  oeleckt,   uad   ich  l-ronnte 


21: 


machst   nicht    v^r^Jtehen,   vraa   ^ie   in  ub.^3heckten  7orten  h-^rvor- 


stlass.     All.::?hlich  '.TJLr!e  93  .i'.ir  kl-'r,    i^a^   An^st   und  Abschva 
sie  von  de:.  Tel  a;  we:£etriabea  hLttt-n,  ^reil  sie  ?rö^c::ö   in  i^.v. 
7-3ser  7er..utat3  und   ft!rchtete,   d.ss    ?iö   i-^a  schr-^iac  infüQ'jrin 
wtlrclen.     r-chle.::  ci3   sich   etv/us   büruhicjt  h-tt-i,    ^^rzühlta  3le  -::ir, 
dass  sie   -jIs   kleines  lüdchen  einrx^l   Knnben  beob^^chtet   hatte, 
die  aus  Lust   Fr5scr.e  aufsable-sen  und   7u.n  Platzen  feebr^cht  hatten. 
Das  ''>ir3^-i3ch   sei  ihr  noch  iir.er  i:ö£en'varti^:,   und  die  L23d;lich-. 
kalt,   Frösche  zu   sehen  Dder   7u  h^ren,    brachte  dü;3  r^anze   srcuen- 
hafte  Srl-ibnis   ihr   vieler  so  naho,   als  ob  ^s   gerude  goschnhe. 
Damals  erkannte  ich  Tohl  das  Krankha.te  i.i  Bella,   ^rar  cber 
nidit   fähig,   di^s  rnliei-rJ-iche,   dts  sie  enschsinend  erlebte. 


f— ■     f 


U—BaBBULWl^UH  ■»»!>— »w**ww 


17 


nachzufühlen.     Heute  Jedoch  Kretas  ich  aus  Eiseae:a,  was  sie  emp- 

* 
■  • 

fuadaa  heben  nuss," 

Sie  schmieg  eine  »Teile,   ols  sdiOpfte  sie  Kraft,  u:ri  weiter- 
zusprechea.     In  Ihror  Stitn-iie  klang  uat«rdröckt9  Erre.sung.   ^Is 
sie  rortfuhr.     "   Ich   misste  -TÜhreni  dar  Hitlerzeit    sia-ral  hilflos 
zusehen,   eis   ein  alter  schwacher  Jude  yo.i  oiaeni  Sturn-Staffel 
Ifcnn  erdrosselt  mirde.      1&  -verea  et.va  fQafzis  SS  leute   zu-esen, 
die   ia  ihren  sch-rarren  TTalfor.iea  eine  viflli^  sl^iche  schwsrzs 
Masse  bildeten.     Darjeni-e,   der   iia  ?ct   be-i.in,   viar  nur  eine 
Gleicher  -aater  «llen  endern  und  hatte  ksin  Sesicht  und  k^in-^n  Maren; 
vielleicht  ist   er   ^esichtlos    reblieban,   .7eil    fir  L^lle  nur  auf 
seine  KSnde  starrten.     D-as    r.r  das  Siazi^a,   d:.3  sich  hersushob; 
^eissa,    -rosse  HSad^  r.it   ^xSfti-en,   cn  d^n  :€ndea  vior-^ckl-en 
Fia:ern.     Seiae   ''.ern.el  -arsa  zur-ack^e^litt  ^n  und   r.jn  sah   vider- 
lieh  breite  Esndr.jlenke;   dus  rechte  hs.tt.'3  ein  solt-K-L^es  brennend 
rotes,  SpianenfOr-J.T^s  :^al.     Des  ist  d:.3  3inzise.   des  ich  von 
dem  LOSrder   iu;  Oedüchtnis  belvaltan  habe  —  nichts  anderes.     Sonst 
Tjar  er  nur  eia  identitStsloser  Teil  einer  5leicaför7ii,?en  sch-ser- 


zon 


kann 


iJasse.     KOont  Ihr  nun  basrsifsn,    lass   ich  nicht   ^rOckr-'^cn 
?     Icüsste   ich  nicht    je.iesux.1,    .Tenn  ich  -^i  lem  Fre-iien  be.:,-3?.- 


aete,  denken,  dass  dieser  der  ä!Jrdcr  sei  ?  Könnte  ich  ir-end- 
einon  -tohl  die  Hand  schütteln  ?  K=^an  -ßn  denn  vorlenGon,  d^.s'. 
er   zuerst   sein  rechtes  H^ünd^el^nk  entblOsat    ?" 

Sie  Hörte  auf,    zu  sprachen,   und  die  Andern  v/cgten  k^.uin, 
sie  anzuschauen,   aus  Furcht,   dass   ihre  sonst   so  beherrschten 


-•^ 


I     I 


18 


ZOßa  die  qualvolle  Srresun?  der  Stliae  wlderspiegelfl  ^Tflrde. 
I0  dem  ^aspaantea  Schwelgao  hörte  juifl  nieder  deutlicher 
das  Toben  des  Sturms.     Das  Feuer  an.r  ar.  SrlOscheü,   aber  das 
Zirj.er  war  schwQl.     Die  '.Tartne  und  die  nastranjeniea  Erlebnisse 
das  Tages  rächten  sich  wohl  nun  bei  darr.  TvevAea  be-erkbar.      2r 
sess  unbeweslich,   r.it  halb£eschlos33üoü  Au/an,   2urad:.ieleh.-it  da, 
3ia  sdi-.7aches  L9chela  spiolts  u;.:    jeine  J.äand.viakel,   die  «ie   It. 
Schlsf  stwfas   schlfcff  und  lose  erschienen.     Die  Jacke,   die  ihn 
nicht  rocht   passte,  -.vcr  rdOffnet,   die  .^-e  l-i-en  r.uf  den  Seiten. 
lehnen  das  Sessels.     Sein  Aussehen  v;t.r  d^'.s  aia^n  Menschen,   der, 
von.ifldiskeit  über.vSltist,   nicht    -.^hr  den  Tillen  oufbrinf^,   die 
Unordnung  seiner  Erscheinung  zu  beheber..      3s  schien  :.l3  hfftte 


er 


nur  wie   von  '.Leiter,  den  Inh-lt  von  Sybilles   -Tortei^  v3rno:.T.en. 


3r  setzte  sich   jaloch  plötzlich  ruck-rti^  und  -t^-if  auf  ;   ob.gl'ji  ch 
seine  Augen  noch   i— er  von  den  Lidern  h:-.lb  bedeckt   -Tar^n.vT.r 
sein  Blick  aber  scharf  und  w-chsa-i  a^vor^-en.     Des  Lächeln  'vnr 
vOllis  .vegsev/ischt.     Mit   beve.-ter  3ti:v-e,    Ue  heiser  7or  Zr- 
res-ang  klenr,   s-.>ste  er,    sich   ':n  niemanden  1  :  ^-.sond^ror.  -.»endend: 
"  Tbs  ftJr  :terk.7tlrdig  peinliche  7uf'Jlle   in  der  Telt   .-geschehen   ! 
Ist   es  nicht    renm:  fmier  z^a  heissen,    ein  ll-ne,    der  einen  kaux 
identifizieren  kann  ?     :.liss  in'.n  '•uch  noch  des  Sin-i^e,   ■.•i-.s  ich 
so  völüs  als  :2ir  elC'Snttt.aich   an^esehon  h-.bc  -  ein  :.ial  von  be- 
sonderer  Farbe  und  Tora.  &n  einer  r^ic/.  beson^^ren  Stelle  des 
Körpsrs  ~  nwss  dieses  Lei  nun   -udx  noch  7.u   je-t-ndan  cndorn 
«hören   —   T-rr.  so   .vie  es  der  Herr  v.S.  :'it   seinen:  Na.-en  orlobt 
hat,   d'iTGals    in  Oerichtssacl, 


wmmm 


19 


Nur   ,iar  es  einfach  fflr  Herrn  v.3.  sich  und  EüderA  7U  tevielssn, 
das3  er  nicht  dar  Varbrecher  v/ar,  ds  doch  dieser  lebeadig  und 
allen  sichtbar  in  eigener  Oestalt   3crt  jestanden  ist?     Hier,- 
rief  er  bitter  cus,   icdei  er  seinen  rechten  Aeriiel  nirflck- 
streifte  und   ein"  brandrotes   spinnenför-d^es  Lhl  sn  seinen  brei- 
ten Hf^d-elenk  aatblOsste.   "     hier,   sehen  Sie  dies  f-n  und  .lagsn 
sie  3iir,   wie  i±  diesen  spukheften  Zufall  arklflran,  -.lie  ich  Sie 
davon  Oberzausen  kr.nn,   d;=.ss   ich  nicht   Janer     Anders  bin  ! 

Wahrsnd  die  Freunds  durch   diese  j?hs   SathüUun^  der  Spriche 
beraubt   ihn  cnsf^irrten,   sprang  der  Fre-rde  auf  und  rannte,  ohne 
sich  noch  eiru-äl  u::zusoh:.uen,    -JS  der.  Zli^.er.     Die  beötOrzte 
ZurQck,^ebliebenftQ  hörten  ihn   die  TQr  zu  seinen  ei -anex  Rtua  zu- 


t   if 


S!Äl"5$:en. 


Rudolf  hutte  eine  h'-lbe  7endun,:!  ^eaficht,   als  -.70116  er  den 
Dr. vonei landen  auÄnltea  ;   st-ttde:.  Iies3  er  sich  ;;b3r  schnor 
in  einen  Sessel  falle-  und  s.h  faSt   ratlos   tm  Sybille  hinüber. 
Sie   stand  .:iit   beiden  H3ndea  auf  eine  Stuhllehne  sestfltzt,   ^,13 
würe  3io  in  Oefahr»  niederzusinken.     Ihre  t>3str.lt   schien  plötz- 
lich  zur  arSsse  eines  Kindeo   c-oschraipft,    ihr  0-3Sicht  klein  und 
weiss  und  von  lautlose.a  Weinaa  verzozen.     Jo-.:n,   der  neben  ihr 
st.-jnd  zwang  sie   senift,   sich  niede-  zu  -.et-sn.     Heinrich  und 
Marianne  sassen  dicht  sneim^nd^raei-flckt,   ^Is  suchten  sie  so 
Schutz  ge^ea  alae  drohende  Oef«hr. 

"  Wie  kann  so   etwes  rflslich  sein"  s-gte  ilarionne.-was  soll   r.-.n 
.ua  tun?  Gibt   es  solche  Zufalle  oder  ist   ^s  Spieeelf ochterei?  Du 


nun 


II       i   t 


20 


aiusst  es  doch  ^rissen.  Rudolf,   ob  ein  solches  Stisl  ler  Hatur  vor- 
kaiucea  kaan  —  ein  solches  Kai  bei  rvei  vorschisaeaea  i-ansohea  J" 

Budolf  schien  sich  3es3Juielt   zu  htben.  2r  glaj  zu  Sybille, 
beugte  sich  zu  llir  nieder  und  küs-to  sanft  dos  Haar  der  ?feiaendeQ. 

••  Wir  v»lssea  nicht  eln-^.l,"  sagte  er  mit  beherrschter  Stl.'.ue, 
"  ob  dieses  ll'J.   vlrklich  Idantlsch  mit   deinjeüis^a  ist,   das  -.^ine 
Frau  vor  so  vielen  Tshren  wflhraad  eines  schr^ci:llsh3n  Au-enbllcks 
TU   sehen  sl^u^^e.     Bs  ist   eine  hÄssliche  Siturtion  för  uns.  alle, 
besonders  aber  für  Herrn  .Aller.  -.Ter  ir.ar  er  :virkllch  sein  icag.« 

"Du  veraaide^t   eins  Anf/ort   zu  £sben  ouf  ;.:tri-::n9s  Frage  -  sagte 
Heinrich   jetzt  heftlj  -»sber  ,nlr  scheint,   dass  diesjr  Herr  miler 
eine  zu   schnelle  Antwort' bereit  h.:tte  —   ver  h't   ilin  denn  aberhiurt 
TObetsn,   uns  .sein  lüxL   zu  zoigea—  h' tta  er  vl^Ilolcht   Anzst ,    d  :S3 
einer  von  uns   es   loch  schon  vorher  erspüht  h;'tt5  ?    Tielleicht   h-t 
Sybille  es   .vlrklich  vorher   .zesehen,   -Is   ar  noch  nicht   so   '-uf  ^alner 
Kut  •7cr,  vielleicht  ist   dciurch  üjorhcupt   die  3  ehre  etliche  Srln- 
nerung  in  Dir  -.iieier  ^vcchgar^fan  v.orden,   Svbille,   ohna  d'::ss  Du  Dir 

ir   den  -Oruid  Rechenschaft   -sz^ben  h^ist.   T7ein  :^jdolf,''  Tiondte  er 


Ob' 


sich  -.Tieder  r-.it    grosser  Srreran?,  an  den  Tra^jnd   ".ir  können  uns 
nidit    zufrieden   r^ben  rrlt   der  Zuf-llthcorie,  -.vir    --Csien  -.Tlssen, 


••»en  •.7ir  hier  beherbergten  ; 


I  1 


Und 


rrie  -.yerden  .7ir  d&s     bev7u-rki.-tellic-.in  können,   rein  Freund?" 


fr^-gte  Rudolf  "  Sybille  kenn  $ioh,  -vie   sie  selbst  uns  erzChlta,   ca 
keine   lndidu.3llea  ZÜze  des  JvSri-jrs  erinnern,   nur  r.n  des  Jbl,    d-.s  sie 


'>"-     t 


I     f 


21 


nur  einen  lr,:rzeü  Augeübllck  unter  ento.jtzllch  ?ufregoadexi  und  er- 
schQtternden  V^tüaim  sesehaa  hat.     Sicher  küün  z^rale  eine  solche 
OeinOtaerrasins  die  Sinne  i^ufs  Asussarste  schürfen,   aber  es  kMnn 
Euch  des  Oara^teil  eintreten;   es  Mnaen  Di.i^e  ccsehon  Tförden,   die 
nicht  elmnal  Torh:»nden  sind,   oder  des  3ild  kvnn  eatstellt  It.  tJedPcht 

■ 

nls  bleiben  -  eil  des   .rissen  «ir.     Kein  Richter  köantcj  Sybilles 
Zeugenausscre  eis  bindend  -.nsahen.   solbst   Trenn  er  persönlich  von 

ihrer  Ridati-iielt  voll  überzeu:t  ^Sre.- Sybille  hatte  ihr^n 

Kopf  on  Rud3lf3  Brust  gelehnt;   sie    veinte  nicht    r.ehr.     Sie  Sijte 
mit  :::aier  Sti".e  :   "ich  h?tte  -.Telter  schvei-on  r.ollen;   ich  ^veiss 
nicht  ^:'ru.-  ici  -rieh  heute  habe  verleiten  lassen,  aber  den  ;dbdruck 
au  sprechen.      Zs   ist  -Tio  ich   jesv-t  hc^bs,    r.un  k"nn  nie  v/lssen,    .v-a 
3'.n     die  H:.n2   iribt.   selbst   ./enn  der  Betreffende  kein  i«i.l  •••.-  K.nd- 


f  n 


John  btt 


5  3i±  bisher  ..n  dex  CjsFr'cii  ^icht   batoilift.     Sein 


-  i--» 


slos,   f'jst  ..i.-.dl:en:v-ft    rewordon.     3r  schi=;n 


Gesicht  rar  üSfracK 
3i±    ^f  d-.3  ?lLleQ  und  Aozüaacn  seiair  Pfeife  tu  kon^.^ntri^ren 
in  einer  .:!e-?l5=.?i  pedantischen  Art,   die  seiaea  Frouiden  sr,70halic:a 
ein  Zeicr.en  -^r,   d.ss  Tohn  vors-acUe.   seine  aufrer^.sten  Oefahlc  UAd 
danken  zu  b=-.^rrsch3n.     Di 3  Pfeife  -./tschon  .!-3n  r.fluen  a'.lt-^nd 


Oed 


bruiite  er  sc 


idliesolich  trocken  hervor   :"  -.Tenn  id^.  Richter  ^flre. 


'sflrdo  icli  :-.i=:-.  r'.a?  un 


d  v311i^  -^-f  Sybilles  OtjdSchtnis  vorli'ssen 


und  -^vürde  eher  d  .s  Tuhrschei.iliche  as  das  Un.?chr"cheinllche   ,   n««'.- 


lich  da SS  3^ 


rcr  ein  solches  Tsl  und  nur  bei  eiaar.  d-r-tschen  TT-^i  ^ibt. 


22 


Du,  Rudolf,   bist  tolerant  v..ii  -.voiso  uad  elü  Wissens chsftler  -  -'..ach. 
nal  bin  ich  .^Inex  Sd^icksal  dankbar,   des  ich  nichts  von  allede:.  bia." 

-  Wie  deo  8udi  sei  "  antwortete  'Rudolf  "  wir  kOüasn  nur  hof- 
fen, dsss   der  Stur-,  xor-sn  vorüber  ist,   und  Icss  -lir  diesen  :,riiü 
so  30h.nell  ^ie  inOslich  los  worden.     3r  '/rird  selbst  dazu  cehen. 
bei  der  ersten'  ^^ic-lxea  Oele-^nhait   cb^^ifchren,   des3ea  bin  ich 
sicher.     Sybille.  D-a  bist  vöUis  erschöpft,   und  -u=h  .7ir  -.ndern 
sinl  sehr   ^it 3eno.--:en;    .vir  kennen  .virklich  i.:  Augenblick  kei:;-^ 
Lösung  flndon;    iarua  schlr.g  ich  vor,   d.ss  •.7ir  uns  r^arackziehea.       . 
Also.   -Ute  Nacht. '^     3r  nahu:  Sybilles  Am  und  führte   sie  uSrtlich 

aus   3e:^  Zix.uer  heraus. 

.  Heinrich  l'^^te  Tonn  iie  H:And  -iuf  dia  Sd^ulter  und  V3rlle33 
l.nn  ebenfalls    ".it   y^rianne  d.n  R'-u:. .     Rudolf  -.v.r  es   re^ltJckt 
Sybille   zu   Oberrsden,.  el.i  3cl:l- f.rlttel   zu  nehtr.sn.     Sie  Hrittö 
sich  7.unfld-.st   d'.se:2en  ce^'trSubt  d-  sie  nicht   ^ev/ohnt  •.v.r.   5ich 
nachzug.iben.   un.I  du  sie  rl^ubte,  dass  sie  sich  ru3n.v.an  neh.'.en 
aflsste,   ^^  R>adclf  Leid  zu  er.r^cren.     Ab.r  seine  beruhi-^nden 
^orte  hatten  =ie  devon  äbe.z -u-t,   d-'S^  auch  er  besser  ruhen  könnte, 

sie  sich  den  Schlaf  erlr.ubte.     2r  s£:ss  bei  ihr  bis  sie  ein-  • 
«schlafen  wer.     Seine  0,d-.nken  vur^n  ^.it   ihr     beschi'fti -t,   die 
Ihx  so  selbstverständlich  nech  sev.eson  -^r.v  in  den  Ungen  Jthren      ^ 


^te  m 


( 


ihrer  Slie. 

Jstzt   schien  es  iliiri  cuf  ein:'.t:l.    dass  er  sie  k.u.a  kannte. 
Sie  hctte  das  entsetzliche  -rlebnls    "it   dem  ulten  Juden  ihr.  nie 


e^nfwavmw« 


4iM> 


23 


erzfihlt#     Er  h«tte  nlo  von  Bella  B«  (gehört.     Säirl^noe  wusste  njehr 
toü  ier  Verr^tifl.^onbelt  seiaer  Frau  «la  or.     Er  hatte  es  ale  recht 
ertra^a  kOnnon»  ^vona  Sybille  von  Jea^n  7elt«Q  sprach,   lo  denen 
er  noch  nicht   Ihr  L-^ban  teiltet     Er  wr.r  ela  unseduldlfer  ?uhörer 
und  entschulilTte  seine  Unrredulc!  'rilt   .'fen7el   -jn  "^eit»     Hln^^e^jen 
war  Sybille  Iraiar  bereit,    7urjih3roa,   wenn  or  Ihr  solno  Ideen 
Yortru«'»  cd'^r  eelae  Arbeiten  vorlns«     Allr-j.  pcrr^^lnllohr  ?.!ltteilun- 
pen  w?ren  ih*T  selbst  bei  den  IhT  nf!*«!t  ftehcn:?en  Ver^chfin  peln- 
llcht     Er  h^tte  ''le  tiefe  TTeberreu'^jn.f.i   d^rs  Tj^n  nur  schTrsirend 
»eine  n-i^nschllcbe  '^tlrfle  bnr^hrer  konnte;   de?7»eren  hette  er  «uch 
rfe  Sybille  crtüuti'^  Ih*::  von  Erlebninson  zu  erzähl on,   die  sie 
jpcancLr:^!  7?lo  frr.f.cnd  v.nzi:dcuten  schien,     Jrtrrt  ^ft  rv  orcchtfttort 
in  der  rlötrllcii^-^n  ^.rfi'-nntal?:  ('er  V^^p  Slncc^kclt   rolnor  '^ru,  die 
?11  ^5e  Jahren  die  Loic\r;ix  der  Vorrria,>oßheit   r^lloin  Cr^tr-.  o:er.  h^itto» 

* 

Kinder  und  Jun-^o  '-^^idchnn  'erlebten  Din^'^e,   die  eii  cchvcr  für  tzin  -Terea 

15r  J^ch.Tmte  3loh  n?lner  3aJ.b'!trucht.      AI '5  Syblllo  f^r^t  r.ohliefp 
Virll'irw  «ir  lols'?  das  Zlnr^'^r  und   zi^*r  in  seil  Arbeit 53 r^l'^^er  hln- 
Qbor.      Hein-)  lelnon  Hchritt?  -raT^ar.  dDch  :ron  ürirl-^nno  i^rihört, 
die  'zrxror.tranr^  lau^chand  in  Ihroix  Bett  Isß»     Sie  be?:öhtr5  rslch 
den  Lerra  Jeß  Stur^os  ^^ufj  ihren  Ohren     cusTiuhnlten,  ut.  her«ti?7U-. 
flnd-,n,   ob  Heinrich  nihig  schlief*      2r  h-ittte  nicht  Cber  die  O- 
ßcheJinisso  des  /.bends  sprechen  .follent   und  liirinnne  befCrchtet^» 
eine  schwere  OerfltHerscbCttorun.^  bei  de*^  flbereengitlven  erreg- 
teren Heinrich,   dor  cie  nit   seinen  Srlebniicec  Ire  Konzectrstlooe- 


I 


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iimi     I        I    '  — *• 


«.^ 


24 


-leger  und  in  Spaniea  ferticT  .^ö'orden  \nr.     Sie  salbst   .var  geneigt, 
sich  Rudolfs  Standpunkt   zu  eigen  zu  xcciien,   lass  :ian  nicht   zu 
eineni  andtitllti^ien  Entschluss  Über  den  IraiJen  koi'ren  dürfte, 
solange  auch  der  geringste  Z^-^ifel  b-^sts*:!,  d'iss  er  der  von 
Sybille  beschriebene  sesiclitslorje  IvJJrder  ?rar*     Ihren:  ai-^^rckter 
gemäss,  versuchte  sie  dort   elae  günstigere  i^Jit^ort   einer  Fr^^ge 
anzunehmen,  v/o  sonst     sie  eiaerr.  unertr!f jlichin,  unlösbaren  Dile.ri- 
3»  r^genüber  se5;t5inden  ^v5re.     Sie  h^^tte  i-'.:er  versucht,   Proble':e 
euf  möglichst  einfache  Nenner  zurÜckzuTühren,   odr.r  sie  r.ur  dann 
wirklich  anzuerkennon,   vieaa  ein     pörsOnlich:=3  Sin^eifen  eine 
Aenderung  herbei  zuführ  t3n  rerj^Tr.ch.     Diese  praktische  Seite  ihnr 
Natur  v7sr  für  Heinrich  3ia  ^^rosser  S^^ea   -re-iesen,     3ie  hatte 
ilan  ous  Deutschl'nd   jerattet   und  ihre  b-rjhirenie  Oegen/rTt 
rettete   ihn  i  :':er  von  Neu-^jn  •  us   sei.iea  h-Mfi.jen  Aa--3ttr!fix:-en, 
bei   denen  os    ^'schohen  konnte,    i^^ss    3r  -^^us  ie  :  Bett   stOrtzto 
und  nt:ch  Oe^enstünden  wie  Lc— e  oder     St--:hl  ^rlff,   un  sie  einem 
verneint  liehen  An3reif9r  ont^egenzuschloui^rn.      3s   vi-r  nicht 
iLc^nsr  leicht,   ihn  de  von  ubzuh^lten  und  ilm  7ünz  zu  Trocken. 
Sie  la.^  nun  und  horchte   ruf  den  3tur:i    md  z^JiT  eile  aBr^uscho 
tn  yeben7.i:'ner,    in  de::  Heinrich  cchlief,      Sie  h!5rte  John3  Schritte 
i-n  ihrer  Stube  vorbfcir^:;ehen  und  dachte;    "  ^ir.v.-r  John,   Du  bir=:t 
bis   jetzt   sllein  ir  Tohnzi..:.er  c^'-vesBn;   !>.;  iDr-^t  Dich,    ohne 
dc.s  Recht   zu  haben,   Dich  zu  sorgen.'' 

John  hc^tte  seine  Ffoife   zuende    ^3:-iUcht  und  d-:nn  vie   je- 


i 


I 


den  Abend  3orss-:-r.  ifn  Zi-.jier  Or^-"*   .^  gi— 


1  .  ' 


-  •• 


.:.:t   Svbille  ax 


■-) 


25 


Qfldistea  lireoti  voa  einea  sfiubjrea  frouailichea  R=uai  bssrQsst 
wörde.   aüstatt  kalte  Asche  und  schriitzlsa  QlSaer  TorzuTiaden. 
Hauta  hatte  er  besonders  lange  Zelt  dsoilt  verbracht,  die  Aflchen- 
boclier  zu  leeren  und  die  Ol?ser  7U  srfllen.     ^r  xaclite  sie!:  ■•^llsr. 
lei  Geschäft,   bis  er  schliesslich  nichts  r.2hr  fi.-Jea  konnte,   das 
Ihai  Grund  g&b,  das  Terlftssen  des  Wuazi  .  ".era  hin'uszuschiebon. 
Er  Sias  ia  sein  71.  .r.er  und  setzte  sich  i.z  !>an;-eln  oas  7ja^3ter. 
Drüussan  «ur  es  pechsch7.-3rz.     Zu  John  besonde.-cjn  Gaben  gehörte 
in  visu6ll33  TorstellungsTar-'iJsen,   das  sai-.ar  3cl:rift  :-.toll-.ri- 


e 


schon  T-tiskeit  sahr  zu  Ä-ta  ki..     Aber  di-se  Gabe  -.mrde  7ur 
'iua,  -Tena  er,  -.ile  bei  S/biUes  irzShlun^.  aio  Geschehnisse 
deutlich  vor  sich  3:ih.     :T23  -r.fsra  7ort=  T.-.>rän,    --usste  er  billlich 
erleben.     Jedes  nous  Srlebnii  di^-er  Art   vurdo  -ocli  von  vjrjc-oaen 
verstffrckt,   die  sich  iaa  :::it   .lU-r  Frische   vi eiar  vor  A-^en  :r.ch. 
ten.     0e.7ahnlich  koante  er  siel.  vo.i  fies.n  i:rir.ncrMr-.i:3a  nur  .-.urch 
eine  Tat   belTeien,    sei  c-s  in  Wirklicak:^lt   oder  in  eiia-:  Ro-an. 
AT  i^eisten   lufllte  ihn  die  i-.ier  ••«ie'.er  aurtauc'-.anie  Srianeran^ 

an  die  kleine  Ssrch. 

Der  Sturz  heulte  die   J.ß-/e  Nacht»     Dus  C^tO^e  von  Tind  und 
Ra.san  w.r  so  Irut    re^orden.   dcss  es  ur-Ö£li=h  •7..r,   ir3end-7elch<. 
andern  GerSusche  innariudb  oder  -.us-jerh.lb  ^es  H-'Oses  rit  Sicher- 
heit  zu  unterscheiden,  hatte  sich  ir-3ndj-.=:.nd  ..uch  noch  so  darux 


beniü^- 


^u  • 


Am  nflclisten  i^Iorsea  jedoch  grösste  oln  tiefblauer  Hi--el 
das  va:i  Regen  leuchtanla  GrOn.     Die  Sonne  strahlte;  der  Tind  hctte 
sich  vOUls  C^Uüt  und  das  TTasser  hette  seine  Mttolxeerfarbe 
wieder.     Nur  die  '^B^fen  flo3en  noch  unruhig  und  Sasstlich  ur:h9r 
uüd  kreischten  einander  lf;ute  Tt;rau;issrufö  zu. 


2S 


Sybille  viar  trotz  des  Schi'- rnltt eis  frtth  -^ufsastanaea.     Das 
Fröhatück  sttnd  schon  berrsit,  eis  sich  ^ie  andern    Hausgenossen 
wie  Jeden  l/jor^en  aeitls  -uf  der  Voraada  einfanden.     AlDer.  In  Oosen- 
sntz  zu  andern  Lor.'.^en  herrschte  alae  düstera  und  bedrückte  3t  L::- 
laing.     Von  Freuden  -.vir  nichts  zu  sihen  und  nie:  cnd  '.7a-;:te  die  lei- 
dige  Frcige  noch  seiner^  Yerbloiben  zu  stalle.i.     Sybille  3?:P:te  "/ie 
gLeichcjaitic,:    ••  Seine  Ssichsn,    dio  er  gestern  zur.  Tr6c>.i'".Q  aufre- 
hUn^  h£t,   sind  noch  la  der  Kü^le.**     D::-^.it   .Vor  d^^s  ScliTfeisen 
gebrochen  und    un  redeta  durchein'-^nder,   Sl^-e^lich  rächte  r^a  der 
ItaiMen  Vor.ifJrfe,    dass  er  nicht  schon  die  Insel  verl-^sen  habe. 
Vielleicht,  hr.be   er  cber  in  freniden  Kleidern  das  7elta  gesucht. 
Das  vvflrde  v/ohl   zu  seinen  Cacir-iter  pr;s  en  J     Zi3^ntlich  -vollte 
aber  nisnund  -/jirldich  die  Ant.vort   ::uf  diese  ?r-  je  har-usf iivden. 


*•  ??  ■^  * 


Der  ungebetene  Oust   -lOchte  -vohl  noch  ir.  s^-.iasr.  Zi  r.er  3ein  un 


sicli  nicht   hernustr-uen.     Schliesslich  becchloss  RuiOi.f  ^.-^-r 
peinlichen  Situ^^tion  ei.i  i:nde  7U  luvichen  und  nnch  Herrn  IJlller 
zu  sehen.     2r  kan  bestürzt   n:  ch   3in  raar  Llnut^^n  zurück  und  be- 
richtete,   dos-^   d-s  Ö.iStzi-w.er  leer  sai  ^irA  das   3ett  unberChrt. 

Auf  der  sr.n7.on  Insel  .v^^r  keine  Siur  von  de.a  7r-r'd2i:  zu 
finden.      In  d'^r  kloinen  Bucht,   die  /-i-ls  K^fen  'li-nt-,   1^^  ein 
z/^eites   Boot,    .vohl  befe-ti-rt,  wie  Herr  LllUör  es   ihnen  beschrieben 
heitte.      3s  ?r--:r   nur  leiclit   beschffii-'-t   u::d  -vieirte   sich  sanft  ^^uf 
den  '.Teilen  der  einströmenden  Flut  hin  und  her. 

Anfang  Septecber  wurde  eine  n:.«?nnliche  Leiche   in  einer  der 
vielen  Buchten  an  der  Küste  von  !/.Une  angeschiv-.u-t.     Der  Ertrun- 
kene r.TUSSte  .Tinde^tens  zwei  bis  drei  Tochen  ir  ^Tüsser  .-etrle'-en 
worden  sein.     Seine  7.nze  '.v-rren  nicht   erkennbar,    in  seiner  KLeidunc 
fand  r.cn  keinerlei  Papiere. 


27 


Die  K«*3t    ilö     das  Ver3ch\7indea  des  Freiaden  sofort  der 
Polizei   ^aneldet  hatten,  wurden  auf gefordert ,   die  Leiche  zwecks 
Identifizierung  zu  bosiditisen*     Abar  selbst  Ru'iolfs   geübten  Au^e 
wur  es  un':.i!5sllch,   fast  zustellen,   ob  der  Tote  joner  Fre.nde  Tor, 
der  euf  so  draroitischa  ^Yeise  auf  Ihrer  Insel   erschien^an  und  von 
dort   Yerschvunden  .7ar.     FQsse  xirA  Hflnde  des  Ertrunkenen  7i£:rea  so 
zerrissen  und  verletzt,   d-ss  ir.r-n  kainsrlei   Lllal  n:ehr  h?tto  erkenndn 
können.     Die  OrOsso  und   Breite  der  Hflnde,     -Tle  überhaupt   der 
Bau  des  Slcelets,   d':?3  un^efÄhre  Alter  d-DS  Tviannes  und  der  Rest   der 
zerfetzton  Fleldunj;  h'Tttön  -vohl   ?uf  Herrn  I.mi er  gepasst,    abt^r 
:rit   irsendeiner  Sicherl.eit  konnte  Jir.a  keine  Identifizierung  vor- 
nehn:en.     Auch   in   lea  bei  den  K. 's  zurflck^el^'ssenen  KLeilun^s* 
stücken  v/nren  weler  r.Ierkzrdchen  noch  rersO.iliche  Doku..eQte   ^3- 
fundon  -/vordön,    die   ein  Fr  eoz^ichen  für  des  •Yoh^-;r  l^s  Fro.-.den 
hCtten  ^eben  könnr^n.     Alle  3e;:li:viri   d-^r  Polizei   eine  Firii:a  zu 
erruieren,   die   aincn   In^-önijur  pl<3tzlich  ::uf  ua:3kl?'rt3   7-i33 
verloron  !\ctt3,   -/ar^n  erfolglos    x;:;bli8len.     Tv^iiv.nd  -.chi-3n  ei.ien 
L^nn  7u  V;3r.aie33on,   der  ein  so   .;Uf füllendes  spi/.nenr^i\:.i::3S,   rotfiS 
lltl  0.2  Hciidcelonl:  hr^tte,   ein  Deutschor  .7Gr  und  angeblich  I.mior     • 
hiess« 


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tat-- — "— .    mJi  -    t 


Dl»  RiAde 


amatf 


Dt  8«Mta  8id  aua  alle  in  dar  Ilndliohoa  ^ghABtube  ror  dMi 


KaaBlnfeuari  lautchtaa  halb* 


t    Wf  dfill    Wtl4#   TobaO   609   8tUW88 


uod  dan  texüusGh  d«a  slohtlg  liarmMtOrzendea  Ha^ma  und  fObltaQ  alob 
al«har  und  gaborgaat     Xa  «araa  iiarar  ftlnfi  dia  La  Amsi  altaa  Faxvhaua 
auf  dar  kXalAaA  Inaal   balanjEsnen  wi^.reo»     Dia  9aait«er  von  loaal  urvl 
Haue»  Hudiklf  uod  Sybillo  K«,   hattaa  auf  alaar  ihrer  cioinsarraisoa  die^aa 
»ehatx  asittaa   la  iw  Paaobecot  Bay  In  ^Ide  aat'Jackt  und  alch  ao  rOlllg 
angaaofirao,    ja  ba^aubart  frafuMao»  deaa  ala  ohna  ¥lal  Uaberlaf:an  daa 
gafordwtaA  Praia  gaaablt  battaa#     Sia  i&eatiten  aidi  aiioh  aofort  daran, 
dla  durch  daa  Altar  raruraaohtaa  Sdiid«a  daa  Hauaaa  auasuhaasam« 
Sia  liaaaaQ  daa  Bruonaa  ora^ltara,   dar  friatfbtea  ^luellw^saar  für  laa 
Haus  liafarta  und  liaaaan  elda  ^iaa  klatna  Turblaa  a(diiokaA|  dia  aia 
«alt  Blakt riTltit  rosraorgta«  wae  oloht  aur  atatigaa  Liebt  Tan^pn^eht 
Boodera  dam  aoau  daa  Luxus  alno^  OrarcaiiophOAp  arioOgilohtc«     Dia  iasol 
aolböt  ralflhta  at^^a  «lac  Maila  la  tllan  Hliwwilarirhtungaa#     31a  war 
talale,  Bdt  Hadal«  und  Birhamf^ald  beaacüsaa  uad  tnlt  srau»srtla(3:n  Moaa 
badeäct«     Dia  Ufar  flalan  atell  ab|  uad  aur  aa  ainar  oelta  war  oic 
tlafar  Slnachnltt  alt  aoadi|»om  Bodaa  uad  aeichtaraia  ^fo^a^er,  dar  ala 
gaeeJifltxter  klaiaarHafac  för  das  ^torboot  diaota»     Dia  Basoodarhalt 
dar  Laadechaft  la^  dörlai   daas  ala  p;LaicbreJtlf,  Bin^n  OaMrjjscharaWar 
batta»  uafl  In  Farban  und  ?ai?atation  lSrlaaan;of;an  aa  8}raadln©viaa 


I     I 


a 


wl«  Ä1  «•»  lilttAatMir  v^cükTiBt.     So  wr  m  aiewa  Terbindlldx« 
W^u^a  4w  IfitiA,  4as  dla  K*o,  41«  ra«  Mittel wiopr*  «tö«ßBt(^ö, 
so  ufiwl(l«rot«lill<h  MgeiO'ien  hatt«.     Sybillt  km^  lus  Nord^ 
a<!iutflchlii»l,  I^iidnlf  «u»  dm  3Üd<iA*     8«iaa  hQttea  Siiropii  aus  po« 

tiofl  1r«an<iAS«l#rat  und  ijwhairat^t  xin6  w*srön  PieiBelüHom  In  flaa 
floue  ^iHrtd  elng*5^Taiidert*     Sie  wawa  titig«  ?iteiiÄ<öiea,   bald«  Aerrta, 
iim  In  lhra<^  fralaa  3tuAdfltn  Ihraa  N#lgtia'?«n  labten  lalt  TOohera, 
MuivIV  und  Miatt  vnd  »It  Malgan  aahea    ?re^in1en#     3o  ftadfwi 
öldh   auoh   ta  den  Vertan  Ixmnr  'Tr^tiada  bal     Ihaaa  «alni  dla 
Ihran  OasohOKiak  tailtaa  unS  al*   «araa  ron  Sybllla«  ftraiiadll*ar 
JXlTtiOT^^  Oßhaff^  l.laii^^n  utA  da»  «tlllai   frleflllcha  Ferien- 
labea  1«r  JaB«lb«»wo>iMr  teilten*     Baa  Reu«  b'^atfjlltan  ala  <*ftlb«t, 
dar  ProTlaat  ^urd©  ror^  dem  rilchatan  Ort  ea  dar  «tvra  T9nf7i^n 
Mallan  antferataa  Yflsta    dam  Boot  geholt*     Mtoohrißal  «nch  f^^hr 
»an  ai   anlarn  at^ya»  jPTr^aaaraa  laaÄl,  auf  deaaa  klMaa  Flaolier- 
dörfar  aaraai   oiler  afvsa  kennt®  toroh   ala  T^^rabraiataa  Olock^arolchea 
die  flhra,   die  rwelmrt   e?^  Tage  vorbeifuhr,   Ruf  etw«a  Kr»tw^^Ml{!9S 
ai).f»»arakeam  madbaa*     Wie  ea  so  t3rplacto  ftlr  laaularea  Leben  lat, 
▼ergea»  pao  oaÄi  Wlr«estar  7elt  dla  Hbrlja  ?Telt  oder  achlaa  Ihr 
do<#i  Valne  ^lc^tl?Velt  bMmilefiieö. 

In  dleaem  Jahr  ^«rfttn  Toa  ^iel^  Otatan    Heinrich  und  Marlaane 
T.  9»  und  dar  Schrlftatallar  loia  D*  bis  ma»  la^a  daa  r^omara 
gabliabaa»  dar  «ol Vanloa»  aotialf  sind  blau  gawaaen  war«     Mia  hatte 
alcto  la  die  Rauaarbalt  geteilt  und  daa  Beat  dea  Tagesr  rorbraditi 


1 


I  I 


wio  00  jddoaü  Klnaalüoa  von  Ibaoa  m  Il^brt^o  war«     Ab^ads  tma6 

tt«a  sldtx  sufiORioiaa  1j)  v/oküsd  notdr  vor  dem  offtnea  KiüBiafouor,   las^nd 

odor  aldfci  uatorhidtoad  od»r  weh  dcahvdigoad  der  &!usU$  Icusdiead« 

^^^  DtiüA    plOtxXlcU  daoii  iitHorftaas  war  dar  ffind  gtkoß^^a  mit 

d«  wildM  ßrcaclußgt     Ha0  hatte  garade  nocti  r^lt,  dw  Boot 

uun  Laofi  tu  idahoo  uhd  f«&?.uie(Qeheri*     O^i^As  pLOt»lloii  wurde  oa  duakol^ 

dm:  ^;turti  mcte  Über  die  kUlae  Ineel,  ediflttelte  die  Muirte, 


heulte  UM  Haue     xind  der  i 


soae  lA  wilden  StrOmea 
beruntert  ao  deee  er  eine  fest  echwerxe  r/eeaerwüad  bildete»     Mux 
t&Qfi  sidi  iÄ  Haus  elaijjcachlosseQp  und  wlxldlch  von  der  Welt 


ebAeechnittea« 

Dieaes  MAgei)diloaaea&ela  mitelatiudor  rief  dae  Gofühl  alter 
Vertrautheit  stark  laß  GedÄcUtais  aurüek,  elaer  Vertrautheit» 
die  diese  fünf  Manchen  vor  Jahren  In  einea  anderem  äturm  auf 
ita^er  verbuadaa  nf;tta#     So  waadertea  Jetzt  ihre  Gedanken  säurdck 
211  awncheoi  gefsei  natiiiiiriea  .ürlebaini  d^r  Yert^a/?;^nlielt  •     JSin 
Wohl^fÜhl»  wie  «e  ImixBcJatin  «sopfiaden,  die  einem  f^&t  öidaerea 
Verderben  afttroan^n  ei  od,   erhöhte  noch  daa  «bliebe  VengntSg^n 
em  AuBtawaoh  eolcher  JSrlanerunßen» 

Unriaane  und  Sybille  tiatteo  t\toanr\w  ffchoa  .r»elt   ihrer 
I5ei?>el  neaj^Tven  r>ch^ilzeit  in  ianie^r  Freimded-jaft  nahe  ^star^lÄü» 
Obifiieiflh   ihre  beruflidi^a  jSel^unßea  sie  ertlich  auaei/i&ader 
aebraont  hatten  —  Marlai4£4©  hätte  alte  .Sprachen  und  Arohfiologie 
studiert  ^  waren  sie  doch  einfiel  er  nie  freind  s^orden  und 


hattaa  •ehliassliöh  wieder  •in  fmat  gMslnaamM  L«b#A  1a  Pari« 

au  f gaooR3«aa « 

IkkxiuAa^  uad  Hfinrlohi  warao  na<to  Paria  toh  Spanian  fio^o^taidn, 
wo  ala  balda     auf  Scdtan  dar  rachtnlaaigaa  Bagiarun«  gaklopft 
hattaa#     Hainrloh  war  Yoa  altaa  dautohaa  Adal,  dar  alaalga 


Haahküiiiia  — —  das  lüde  — -  aiaar  langen  Hatha  ton  Oeneratlonan 

durea  ilöiri^t  Jiit  aiuw  Judixi  jtnre  .leuf^s  FJjit  v^-d  ela  groas^i? 
Tori^iiaa  ia  dlt»  uuaatarlGiide  und  rächt   iegoaeri^rte  F»^lll€^  5P- 

s;u  vuru^-iKtiii,   d^iJß  ''i*  aicii  .lioit   In  d&a  Tualorlebexi  elnpas^an 

koaata  ua2  wUta«  Oia  Li^^bo  zu  aeiaor  a::hC:iüi:,    (.•eis'trelali.en  \:nd 

3iÄi:vllcii3a  i'/ut1;3-.\  die  uxita-:  dar  Jrutulitflt  i^i.vji? '"öleri«  :'U{irv!.:?a 

g;i.aea   Hatta  iiüi  2a  tjixiua  lalJanaÄiiflliGhci^  l^iapfex    ^gt-L 

glilnaoadgi  iUi^-rior^^  ^s  J'uuriiui  i;. c  uui^a^'^a^ ba;i  Ui-U  ooiua  «jani^ö  IL^j-ft 


alAgaaat^i^»     Vüu  eliiam  Jpi-tMl  Vorrat ea,   vor  3r  vtjrhaflet  uacl 


mi 


ÄÄ^^irüa  •i'iu^'^a  ZuviL^tüäu,:,  vüi^^urtwiit  Äri;itlciu     Nmdviei't  f.»r 


noi^  »»ia  :'aar  diu  UivmaL   diiiiäe  lioxiisoati.'titi.oavJiL'.crör::;  erlebt  h^^Uo, 
wurda  ar  untlAesea,    uad  aa  ^aag  aeiatir  iiatlgon  ju^a^sa  "»^^xi, 
1ha  adt  Hilfa  ron  Fraundan  iü  Hollaad  «af  •bantaaörliiyta   Velße 


Ma  Dautadilaad  barauaxubrlASan« 


dlaaar  Halfar  w&r  Jolm  0« 


g^waaan,  ala  juagor  amarikanla^ar  Scüiriftstallox»   d&v  uach 
Äiropa  ge^^jangaa  war,  wail  aadar  dar  ajaarkajilselxa  Sport  -loak  das 
«aarUcaaladae  Qaagatartx»  «alnan  Oraag  aaoh  Abaateuöra  uüd 
aalMA  Fraihaitaalnn  bafrladigan  kSüütan.     üä  frtüiM  Jrlabnla 


1«  da»  p?tt  Slttea  und  lüclercA  Äicbt  mir  ßtprudlgt  aoadtro 
auc^»  tc^pClegt  tmitieÄ*     laiÄ  hette  IhÄ  ollalü  ra  seluc/i  aCdllchftft 
T*rWÄXi5twi  fthröü  IftostA»  ua  scIomei  üÄ»biL«ru;i4;k:itlts3'o%<lflrfala 
f^ue  ru  tue,     Auf^esecJt,  |^tuitÄBi«r£iab  uitd  IrfJrpsrUÄ  «tiiuM 
klUü  TOTtw  rart'i  iT  «li  lat^llei  si:u0r  lirurps  Ju^Ailicäer^ 
6lc   Vxii  ftai.mlici;!!^k  in  Jader  nii»l*:t  ru  bweie^a  siicbt«*, 

/.'üfW  3iff  tr^aker   ?u(i  u^i  -ixiobcn  e:?  sit  der.  K2ldcii»n#     ^^ohulcba- 

mix  für   5f»l:.3«j»  roßorviürt  v-sir.     3io  liatxa.i  sJsa  W-rd^i^a  '1ux*<jcVwii 
Blut:^  s:oa<ftil:4goa  und  7^:  ÄrtrS.al-on  vOT^icUtt  uaci  ala  Vargudia 

TWüiri'^^^.-t^     Jx^a  i;utt<:»  a-x  Jl#3^r  aa,«VlttAt  jLcfa  iiiÄt  b^^tdllir.t, 

Tor  Äa^sit  «urj  loa  aiRilifa  htiawis  {  öi©  wr  tnui&alofli  wie  äIjo  Tliiy» 
X7bii  iTar  düVJÄ  acleufeö»     Irg«difo  hrttd  er  sich  Im  OrM  /w^rnr^ 

w«r  er  eahlßHoci  r^n^öecu  vmd  aa  attd.i5too  U^rtöü  fuhr  aia  fetlllwr« 
7ohA  nach  Rax20t  raxllclu 


Er   erzählte  niainandea  von  diacera  Erlebnis,    er  schSfi/ite 
sich  zu  sehr.     Es  hatte   aber   zur  Fol^e,   dass  sich  sein  Unrjbh.<!n- 
gi/^eitsbedörfnis  von  nun  an   in  perseJnlichem  Mut   Äusserte, 
selbst   wann  er  einer  Omppe  allein  entgegentreten  musste.      Er 
war  r>igentlich  Aber  N-hcht    zu  einem  Helden  geworden*     Saruhs 
Augen  hfitte  er  nie  vergessen  können. 

Er  .z^hOrtQ  einer  Organisation  an,   deren  I^Üt. Glieder  es 
sich  zur  Aufgabe  geraucht  hatten,   selbst  unter  eigener  Lebensge- 
fahr,   politisch  gefChrdete  aus   fcschistischen  Ländern  heraus- 


zubringen*    Da  er  sein  eigenes  Leben  oft   aufs  Spiel  setzte, 


war 


es  für  ihn  kein  Problem,    in  seinen  Rettungsaktionen,    wenn  not- 
wendig,   auch   bis   zuiu  Aeusserstan  zu  gehen.      Er  war  rnit  Heinrich 
und  Marianne   in  Spj^nien  zusammen  gewesen  und  lernte  spiter  durch 
sie  Sybille  kennen,     Sie  wurde  kurz  darauf  aber  Rudolfs  Frau. 
Rudolf,    der  schon  damals  einsn  beträchtlichen  Najien  als  ^Wissen- 
schaftler hatte,   hatte  ohne   ZQgera  seine  Heimat   verlassen  sls 
Protest    gegen  eine   Irrationalität,    die   ihm  als  Rückfi.dl   in  den 
Srgsten  Hexen-und  -Aberglauben  erschien.      Er  fühlte  sich  in  sei- 
nem    wissenschaftlichen  Denken  beeinträchtigt,    in  seiner  I^nn- 
lichkeit   beleidigt,    und  in  seinem  Gerechtigkeitssinn  empört. 
Sein  Ruf  verschaffte   ihm  Gelegenheit,    in  Paris   seine  wissenschaft- 
liche Täti^'keit   fortzusetzen  und  so  viel   als  möglich  jüngeren  emi- 
grierten Kollegen,   unter  denen  sich  auch  Sybille  befand,   beizu- 
stehen.    Seine  einfache  beschützende  und  helfende  Wesenart  wurde 
für  Sybille  ein  Ersatz  für  alles,    was   sie  verloren  hatte.     John, 
in  seiner  romantischen  Abenteuerlichkeit,    ^jrschien  ihr  als  ein 
junger  liebenswürdiger  Knabe,    dessen  leidenschaftliche  Liebe  sie 
in  eine  tiefe  und  ruhige  Freundschaft    zu  verwandeln  suchte. 


.t.    -»ill-  ..■-».    *  .  t  ,r 


f    I 


II 


la  ww  niittl«rw«l!l«  Ab«nd  geworden.       Dr«usB«n  roat«  da»  ün- 
»•ttar,  «uf  4««  dl«  rreufld«  ia  Ihram  OafOhl  das  O^borgoaseinB  aur 
elaiohaui  hnlb-b«wu««t  hlnhOrtaa.     So  »ntRlng  lhn«n  zunächst 
daa  klopfan  «n  dar  Hauatür,  und  arat  «1»     •»  »tirkar  wurda  und 
aidi  dautlldiar  roa  dam  aadarn  Oetöa«  untarachlad,  wurdan  sla 
alla  f««t  ^alAaaltl«  darauf  »uffflarkauau     Sla  aahan  alaandar 
ua«liublg  fragaod  aa.  ala  ob  alomaod  toü  Ihnen  faanen  konnta, 
daaa  «In  Labaaaaan  drauaaaa  rtaad  und  llnlaaa  bagahrta.     » 
achlan  lUnan  Tfllllg  unrtJglloh,  daaa  Irgaadala  Äaach  la  dlaaaa 
Sturm  auf  Ihiar  Ina«l  galandat  war,  auf  dar  •«  ausser  Ihnen 
nur  Haaan  und  V8g«l  ß«b.     Rudfclf  war  dar  Brate,  dar  zu  dem  Bat- 
aehluas  kaa,  daaa  daa  Unwahradhalnllohe  wohl  gaeohehen  sein  nuast«. 
tr  erhob  aloh  und  ging  «ir  Blngangatflr,  dl«  er  rasch  öffnete. 
Gegen  daa  Dunkel  drauasen  hob  aldi  ein«  adiattaahafte  Oaatalt 
ab»  die  auf  alaa  einlade  Gebilde  Hudolfa  in  den  hellen  Lichtkreis 
der  llagangahalla  trat  und  dort  einen  Augenblick  achwelgend 
und  geblendet  atahea  blieb. 

Der  Fre«le  war  ein  groeaar,  «tattllcher  »an,  der  so  durch- 
nlaat  war,  da««  daa  ^aaaer  an  Ihm  herunterfloaa.     Ir  bat  die  An- 
wesenden u«  Bntaehuldlguag  fllr  sein  Elndrlagea  und  erkMrte  alt 
helaexer  Stla«»,  daaa  er  seit  Stunden  la  seinen  Boot  im 
auf  da«  Waeaey  gewesen  sei  und  rOlllg  Richtung  und  Orientierung 
Terloren  habej  durch  einem  glückliche«  TUfall  sei  er  In  die  kl «In« 
Badit  d«r  Ias«l  geschleudert  wordea.     M  sei  Ihm  a«lune«o» 
B«ln  Boot  festwuMchen;  da  er  die  beleuchteten  Fenster  des  Hauaea 


i^i  _   •.j-v_>if'<tiaj^:.itl. 


I     I 


8 


•rbllokt  habai  habe  er  aicih  not g«druAg»a  •ntsohlossoai  tAzuklop» 
ftn  und  un  QMtfreuiidsehaft  sm  blttM,  bl«  eioh  dar  Sturm  gelegt 
hebe«     Ir  wer  recht   ersohOpft»  obgleldi  er  ein  krtftlger  Mena 
ia  mittlerea  Jehren  wer  und  spraoh  etwee  aOgerad  und  raQde  in 
einem  gewählten  Englieoh»  dee  gerade  durch  dieee  Qevthltheit 
den  Aualiader  yerriet«     Rudolf  und  Sybille  hieasen  ihm  freund- 
lioh  willkoinmena   Forderten  ihn  auf»   in  einee  der  Yerfttgbaren 
Oeatziinmer  zu  treten«  und  wahrend  ihm  Rudolf  trockene  Kleidung 
Yeraohafftet   berreitete  Sybille  achnell  etwaa  zu  ^mbbsx  und  ein 
heiaaea  Oetrink  vor«     Ala  er  derauf  in  daa  iTobnzimner  trat»  wur« 
de  eine  formelle  Begrflaeung  und  Vorstellung  rorgenoaraen* 

••Mein  Neme«**  aagte  der  Rremde,   ••  iat  Karl  Mttller  ••  und  er 
fOgte  aoherzhaft  hinzu»  dase  dies  wohl  der  unverbindlichate  Name 
sei,   den  sich  jemand  in  seiner  besonderen  Lage  ausdenken  könnte» 
obgleich  in  den  Vereinigten  Staaten  wohl  Sk&ith  und  Jones  noch 
beaser  den  2^eok  unidentifiziert  zu  bleiben,  dienen  wflrden* 
Sr  sei  oin  Ingenieur  und,  wie  wohl  seine  Auaaprache  rerraten 
habe,   ein  Deutaoher,  der  vor  Jahren  eingewandert  aei*     Er  verbringe 
seine  Ferien  in  einem  der  kleineren  Orte  an  der  Kflate  von  Uaine 
und  aal  heute  morgen  bei  schOnem  Wetter    euagef ehren,  um  zu 
fischen,  nicht  ahnend,  welche  Abenteuer  ihn  der  Tag  noch  erleben 
laasen  eollte.     Vom  Teuer  und  dem  heiaaen  Orog  erwirmt  und  durch  dea 
tBB^a  geatirkt,   verlor  er  bald  sein  erachOpftes  Auaaehen  und 
schien  sich  liebenswürdig  und  gesellig  der  Oesellsohaft  anpassen 
zu  wollen«     idBa  sprach  darttber,  wie  daa  plötzliche  klopfen  an 


I  I 


II 


d«r  Hmistttr  einen  jeden  seltsem  beröhrt  lifibe  und  Jedar  erging  sich 
in  der   beeohreibung  seiner  Oeföhle  und  Oed»nken,   die  eile  das 
Ünheimlidie  de»  Breiffnisses  herTortxoben*      ""  Es  ist  vde  d^r  Beginn 
einer  Oeechichte,   ••  sagte  Marianne.      •*  Oder  wie  das  Ende,    ^  nelnte 
Syblllot      "  ßea  Letztare   ist   «vohl  das  Richtige,    *♦  nshin     Herr  Mttller 
den  Faden  auf,   ''auÄlndest   fOr  rieh.     Und  nun  wfig  «an  wohl  sagen, 
dase   es  ein  •  Happy  end   '    ist.     Während  ich  isich  iit  Boot  vcm 
den  Wellen  hin  und  her  g9>'^orfen  ffcnd,    Ki»ia  iislr  das  Groteako  Miner 
Lage   zum  Bev?uftstsöln.      Dft  erwShnte  ich  vorhin  scherzhaft,   wle\d  ele 
Namensvettern  ich  auf  der  Welt  Us-be,   und  d^bei  hibe  ich  unter  all 
den  IVÜllern  nicht   einen  Verwandten  aahr.     Ich   bin  völlig  ohne  T^rn^ 
llie,    das   erste  I^aI  in  ^^iae  ^uf  einer    '   Cirriping  -  und-fishing- 
expedltion  *   giinz  allein,   und  wfire   ich  heute  nicht   an  Ihre   Insel 
versdilagen  norden,   sondern   la  Sturai  untergegiingen,    so  wire  zwar 
ein  MCLller  weniger  ^^iuf  der   /feit,    aber  die  Welt  hfltte  dieses  tregische 
Ereignis  nicht   einmal  bamerkt«^ 

^  Sie  haben  die  HttuÄlgkeit   Ihres   Naaens  nun  »lehrmals  ervtHhnt,** 
sagte  Heinrich,   '•»it  dem  Hinweis   gaif  Verwechslungen  der  Identität 
und  dergleichen,    die  ja  unter  solchen  Uratfnden   aatfirliche  rvvelse 
hiuflg  vokOMaen  können,     Wan  ist   ^neigt,   sich  öntsprechende  Situa- 
tionen reizvoll  auszu»alen.     Sie  wQrden  oft  des  Kowif^chen  nicht 
entbehren.  ~  Aber  um  wieviel  aierkwtfrdiger  und  unhe  toi  icher  ist  es, 
wenn  nan  einen  recht   seltenen  Na»en  hat  und  ihm  plOtzlich   in  völlig 
unerwarteter  Welse  begegnet.     Als   ich  ßls  junger  Journalist  bei  einer 


I  I 


10 


Berliner  Zeitung  angestellt  wer,   wurde  Ich  eines  Tages  neoh  dem 
Moeblter  Oerldit   misgeeandt»   im  Ober  einen  politischen  Prozess   zu 
berichten«     Vor  der  Tür  des  entsprechenden  Oerichtssaels  angakoiaBen, 
fand  loh   nx  aeinem  Aerger  heraus,   dass  nan  die  Fresse  ausgeschlossen 
hattet   unter  dass  hinter  geschlossenen  Tflren  veihandelt  wurde# 
Verstiaait  Über  diesen  Miserfolg  meines  Auftra/^es  wanderte  ich  durch 
die  langen  hlssllciien  Korridors  und  wusste  nicht  recht,  wie  ich 
■eine  Zeit  verbringen  sollte,   da  ich  nicht   fortgehen  wollte,  noch 
i«Bier  hoffend,    dass   ich  vielleicht  doch  noch  etwas   apiter  Zutritt 
zur  Verhandlung  erzwingen  könnte.     Mr  kaai  der  Gedanke,   alr  inzwi- 
schen irgendein  anderes  Geridhtvex'fahren  In  einea  anderem  RauÄ 
anzuhören*     Auf  gut  Olflck  öffnete   ich  eine  Tllr,   die  zu  eine»  der 
anderen  Slle  führte,    in  deKi  gerade,   wie  es  schien,    ein  Strafpro- 
zess   1«  CSenge  war.      Ich  hielt   noch  beim  Eintreten  die  Klinke  der 
Türe  in  der  Hand,   als  ich  klar  und  deutlich  den  Richter  sagen  hörte: 
•   Der  Angeklagte  v.  S.    ist  gestlnaig.    *     Ich  war  wie   in  einem  Angst- 
trauM  befangen.     Mein  erster  Impuls  war,   die  Türe  aufzureissen  und 
davonzurennen,    aber   gerade  wie  in  eine«  Jener  Sdireckenstrluiae 
fühlte  ich  aich  wie  an  den  Boden  gebaAnt,   ohne  auch  nur  einen  lUss 
heben  zu   können.     Ich  hatte  das  Gefühl,   als  ob  eine  Ewigkeit  ver- 
gangen sei,  und  doch  konnte  es  nur  ein  kurzer  Augenblick  gewesen 
sein^    bis  ich   den   erwihnten  Angeklagten  stehen  aah  —  einen  grossen 
robusten  Kerl»   dem  aan  wohl  ein  Verbrechen  zutrauen  konnte,   und  der» 
ausser  dem  Namen  —  wenigsten  bilde   ich  siir  das  ein  —  auch  nichts  mit 


u 


«ir  gMMin  hatte«     Das  Uahaiallcfae  dlesaB  ErlebnisBes  lag  eben 
darin,   daaa   es   sich  nicht  um  3di?aidt   oder  ^fey©r  handelte,   sondern 
um  seinen  Noten,    der  ~  soweit  nir  damals  bekannt  w^r  —   nur  auf 
meine  yaiallie  beschrinkt  war,   deren  letztes  minnlicheB  Mitglied 
idi  darstellte,   *• 

Itän  hatte  interessiert  Heiarlchs   Hr7.«hlung  an^jf^hOrt  imd  alle 
redeten   nun  lebhaft    durch© Inrnder,    ein  jeder  in  seinem  Erinnerungen 
nachforschend,    ob  nicht   auch    ihm  ein  fhnliches  Erlebnis   sich 
ereignet  hftte,    das   zur  f5llffer.el'ien  Unterhaltung  beitragen  konnte, 

^  Situationen,    die   in  ihrer  unheimlichen  Stirarung  an  Trffume 
erinnern,   korcmen  ^Aohl  hÄufig  vor,    ••  sngte  Marianne.   "  Und   nie  wirken 
umso  unhelTÜcher,    je  rnehr  sie  sich  einem  uns  wohlbekannten 
Traum  nShern.     So  hstt'?  ich   ainrsl  ein  Erlebnis,   bei  deir   ich  irich 
Ähnlich   wie  Iq  vielen  Trfunen  hilflos   in  einer  völlig  unver- 
staindlldien  Situation  befand.      Es  war  wÄhrend  des  letzten  Krieges. 
Ich  verbrachte   einen  Teil  iceiner  Ferien  an  der  Westküste  allein 
in  einem  recht  bekennten  Perienort,     Der  Ort  war  überlaufen 
mit  SoÄSiergCsten,    grösstenteils  Angehört^^en  dos   in  der  Nlhe  sta- 
tionierten Militirs.     Ich   fand  n&ch  einigen  Schwierigkeiten  eine 
rfnigermassen  freundliche  UnterkunjPt,   aausste  aber  die  Mahlzeiten 
ausserhalb  des  Hauses  einnehmen.     So  sah  ich  mich  denn  auch  nach 
Restaurants  und  Gastwirtschaften  uöi,  versuchte,   hier  und  dort   zu 
essen,    bis  ich  auf  ein  russisches  Oasthaus  stiess,    das  vir  gefiel 
und  das  ausgezeichnete  Kost  hatte.     Die  Wlrtio,    eine  grosse     hQb* 


a<äie  Person,    stanmte  aus  der  Ukraine,     Sie  hatte  fOr  mich,   diu 


12 


1dl   JÄ  meine  Kindheit    zu»  Teil  in  Husaltnd  verbr«oht  hatta, 
ttWM  Ll(^be*?  und  Anhel^aelades.     Mit    ihren  dunklen  Hasr,    in 
der  Mitte  /^Qachelt^alt,    Ihren  weissen  und  rosigen  Ckislohlr»  den 
hlaucan  Augan  Ui^  Ihrar  Uopplgkelt   erinnerte  sie  an  Jene  rueslsqUen 
HolTpwppMf  dl9  das  Eatzücken  tiolner  Klndorjidire  waren   :   aan 
konnte  sie  nSnGLich  «ufndirauben  \md  fand  i^imer  kleinere  Aue- 
/pbea  der  ornton,    .TOwBhnlich  eine  Muorin  derot^;!! enden  Puppe  In 
Ihreiti  Innorn,   sechs  oder   f  cht    im  Oan^^en  bia  2u  dar  kleinsten, 
deren   ''Cj,e  nun  echon  niclit  n.ohr  orkonnbar  w^rea«     Ihr  könnt  euch 
denken,   ;7lo  ttoIiI   es  mir  in  dieaor  'Virtüch:  .Tt   (^oflel»     Bald  kcia 
Idi  auch  rit   df^r   Virtin  ine  Gaspröch   und  brcchte  meine  V7enl/?en 
rusolschcn  Brocken  hervor,   ua  noch  i^tahr  die  intisio  Atr.:oephl?rQ 
ra   pOiiiosnen»     3o  beschloßo  ich  denn,    nochde:::  Ich   zwalßjnl  Kiittaf?? 
dort   f^dgeasen  h;2tte,   »uch  nielne  Abeadait?hlzelt   In  jeneia  Oestheue 
elnzunehisen»     Es  harrschto  ein  reger  Betrieb,   tiber  es  {!:elsing  lalr, 
einen  Tisch   zu  firxlen«      Sine  Kellnerin  brachte  £ilr  zwar  die  Speise- 
karte,  aber  dünn  k£lIr^J1€rte  3 Ich  nierüand  oiehr  ux  niich«     Ich  könnt e» 
wie  j?ehr  ich  rieh  auch  bosÄhte,   nicht   erreichen,   bedient   zu  werden« 
Personal  und  Wirtin  tiberf:;lng  zolch  geflissentlichst,    irgendeine 
höfliche  Sntschuldiguns  raur?:0lnä«     Zuntchst  glciubte  ich,   dass  sie 
TU  becdilftist    seien  iziit  Gisten,  die  frflher  gekoiaaen  ^^rt^a^     Bald 
flberzeugte  ich  rsich  aber,    dnss   spflter  Oekoacnene  sdion  bedient  wur» 
den.     Dann  rreinte  ich,   dass  Tiögllcherwoise  Daaen  ohne  Begleitung 
nicht  erwOnsoht  würen,   aber  ^xxdh  dies  war  nicht  richtig  :   es  sissen 


I  I 


13 


»ohrero  Fraueü  all  sin  en  'Sinzeltiadisn  und  eaaen.     Der  qullend« 
CeAaxxke,  a«33  Idi  hl«r  platzlich  ',7i9d9r  auf  eine  b03?rtlg«  Haltung 
gegen  Judan  ©sstoasen  .vtr,   vor  der  Ich  doch  aus  Deutschland  ga- 
flobaü  Tjar,   schnflrte  rdr  die  Kohl«  zu.     Ich  schaut«  «ich  u«  und 
sah,   d«88  unter  den  eGsendon  Ottsten  eine   Uz&hX  Judaa  vertrettn 
waroi.     Idt  verauohte  nach  lüehrÄLß,   die  Aufmorksamkalt  der  KeU- 
nerin  auf  reich  zu  lenken  —  vargebens.     SchliesclicL,  üacLde:a  ich 
U>3t   9iM  Stunde  üöffc.'tet   .Jid  r.ehofft  hatte,    ürhch  ich  rieh  und 
ginü  d»::  iln^j^ng  i^i,   In  dessen  u/:Kittalb»iror  Mflhe  die  ukrslnifche 
Wirtin  8t »-nd.     Idi  wollte  lüit  ihr  ^rrcchan,    Jiber  sie  wich   sit 
•IMT  undeutliche  gepirmeltoü  Entschuldigung  Ton  mir  r.urtldc  und 
Hess  siich  ohne  eino  Srklfruü«  ihrarfioits  hinausrtshen.     A^if  der 

fand  ich  .aicli  zittarnd  vor  Aufrer.une,    Sann  das  eben  Erlebte 


Stasi^a 


h»*tt«  iuich  mit   •älnenn  Cxcftlhl  von  verwirr* ndar  Angst  erfttUt.     De3 
Ünveratindliche     daran  ««b  itir  ein  GafaUL  von  HllflosigJtolt.     Ich 
konnte  ia  kein  anloi-es  Lok^il  sehttn,   verzichtete  aufs  Sssan  und 
ging  zu  Beinea  Logis  zurflck.     Bei»)  Bet  ret  an  dos  Hfeußes  sah  ich, 
daes  nein  Hwisherr  ia  seinea  r.iB-:<er  sesa.     Ich  st  laß  zu  »einax 
Beu^a  hinauf  uad  esas  eine  '.feile  i*  Dunkeln,   aoch  ireiaer  daait  be- 
schiftißt,  eine  Zv^Mama  für  das  eher.  Durchlobte  zu  finden. 
Dann  «otschloas  ich  aich,   dan  Hj^ushorrn  zu  fragen.     Sr  hörte  mir 
freuaulich  zu  und  schien  nicht  iit  a0rinfr:sten  arstsunt  Aber  aalnea 
Beridit.      '  Die  Rus.^in,  •   sagte  or,   ula  ich  geendst  hatte,    »hat   sie 
oatflrlich  ila  Dautsche  erkannt    ;  und  d«  gerade  die  Deutschen  in  ihre 
Hein»t  oingefallGn  sind,  welßert   «ie  sich,  Sie  bei  sich  zu  verkOstigen. • 


14 


•  Ab©r  slo  hat  adoä  docii  gestern  und  vorgoatarn  Traunilich  auf- 
goüomaaa,    •  rief  ich  aus.      •   Inzwischen  hat  sio   Ihi^on  Nniman  erfah- 
ren und  iure  Schltlsae  daraus  gezogen,    •   entgegnete  Jiein  iYirt#*  Sie 
können  ihr  ihre  Haltung  nicht  allzusehr  Ubelnehiiion,   vrena  Sie  boden- 
ken  ^vrAs  die  Deutschen  in  ihrer  Heimat   treiben.    • 

♦•  Sine  ;juto  Anekdote  und  gut   er:;2«iat,''  .nvsinta  John,    "  aber  eigent« 
lieh  handelt   es  sich  hier  weniger  um  nino  Verwechslung  als  um  ein 
MiaenrerstllndAin;    doch  ist   die  unlioiroliche  Stia-nung  sicher  nicht 
geringar.'*     Ar  und  Rudolf  ergingen  sich  nun  in  weiteren  Beispielen 
Ton  .Nawons  -und  Persononverwechslungen,   die  clurch  eine  Mßchung 
Ton  Groteske»  uüd  Orauon  ebenfalls   ein  Gefühl  von   Unhelmlichkeit 
sr'virkten,  » 

i 

Dor  St^orm  todto  weiter,   und  von  Zeit   zu  Zoit    l^ujchte  die 
Oesellschaft   auf  den  grossen  LÄr^. ,   der  durch  den  endlosen  Regen 
und  dÄS  Aechseu  der  Böum3  verursacht  Murde,      D^ir»  Feuer  braxinte 
lustig  iiL  Kamin.      Die  lYöriSO   zusaaKen  mit   den   iiirztiiiluagen  iiass 
aine  e^wissü  Innere  iilrregung  bei  den  einzelnen  /-oiwüsonden  zoia 
Voröchüin  kx)iai:ien,    die  sicü  in  geröteten  Wangon  und  einer  Gev^issen 
körperlichen  ünr-ist   ausdrtlGkte.     rlur  Sybille  wur  scnwaigeaia 
geblieben  und  scnien  in  sich  versunicen  und  wit   ihren  eij^nen  Ge- 
danken beacaam^t.     Joaü^   der  sia  tnioar  .vieder  prüfend  ondauf- 
fordernd  aneosch^ut  hatte,   unteroracii  Jcnliesslicn  die  Andern 
Mit   der  Frage  an  Sybille,   was  es  wohl   sei,   das  sie  so  senr  be- 
schäftigte.     i£r  ifieinte,   sie  Habe  wohl  kauin  den  Anekdoten  und 


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16 


SriBihluiigon  zugehört    ;  sie  msche  Abu  RÜK^tnirk,   nls  ob  sla  stelle a 
antf^rot   wie  in  einer  anderen  Welt  sei.     ••  Dee  Ist    aur  helb  rieh- 
tigj"  enteortete  sie  und  Ittgte   zögernd,  wie  p:egen  ei  non  Innerf^n 
Wideralancl  kiiepfend,   hln^u  :    **   ^xre  a«Bchlcbten  hfl>'en  Ti^ich  >'n  ot- 
W«B  erlonert,   noTon  Ich   rJ.e  gosprochoa  hebe,    j«  nicht   eiruHul 
hUttt^  f^Vi^^^<^h^n  kOon-^n,   ^^'^IX  r\<^    .^tvus  -^o  n-^^j^inllohes   hötrlfft, 
^15*  nl(.iht    aur   nn  M  n*»  ^nrtlbm^^oirpn^^enf'i  Situfitiia   '▼rthnft^t    Irt. 
«ondei-a  f(»rt<!'-uort  uad  vA^hl   al«  nuffi^fibob^^n  vmrd^^a   k^ain.      Ihr  hnbt 
in  «U   ^ir-^A  ]?7l-jbil.«?fi'?fi  liewer  wle-^or   i^i^'  TTriheli«llc^ia  von  V^^rTredi«- 
lung  1»r  Idontltat   r^lfir  voi  :v:inv^r<it9ndiln3<^rt  In   it^a  Vorio/jcrinind 
gesai  )b3(i|    ab'Br   4««  Uaiei  nfTitfia,    des   Icii  Äelao,    hct  mit   de^ 
Oes:«»nt«'>il  '-ni  tiii,   yA\    i-^r  I.1oatlt^tf,loslij;Vf>tt,   lle   nie  ^^ufgeklirt 
l3a   lot  und   nie  «ufr^ftklTri:   ^'»rdon  ^corjuu      T>n  Crot^^ak-^'^'ojrlpjche 


fthlt   lios'^iR  j)rl2b9n  voikonn^n   ;   e^?  wp.r  uad  wird    iim-ier  uur  furcht- 
bar uid   {/rtueah^ft    blelbo/\  uad    k'^nn  dvrir  «iuch  nicht   In  Tünt^elht^tlten 
jT'sÄhlt  werdf^n» 

•*  Inr  h'^bt   i3ad*.   oft  c:cy.?u  ade  - 1 ,  *•  fur^r  s-lo  fort,    5^ich   m  ihre 
Fr*«idda  wendend,   *•  vr<}ruir.  ich  fuidi  f!:i»*volTOrt   Jü^be^    .1e  wi^dnr  n«ch 
DfiUtndil'.nJ  —   seibat   ßuf  t?l  nea  jcur2;0n  Besuch  —   '':ur<5ck7,ukfihr«n; 
J9,    JftSf^    Itfi   Hfl   30f»8r  ablofciata,    Da^utache,    die  n«5ch  '^^^  ^Trlo,'^ 
iü  die  Veroinigt<aü  Stauten  k^.ien,    k'^innonjsulornen  odsr  boi  mir 
zu  bjj£;rnssön#      Idi  iioffe  "  ne.gt^  sio   ,  sich  «sn  Herrn  Mail^^r  i?^n- 
dend»   ••  un^er  Owst  ^vlrd,   •.?-i?i   ich  aafr«  nicht  flbelneh-r.eni    da  '^r 
Ja.  3chon  l'm/^e  Juhre  In   lleii^Ä  L^ji^'j  labt  und  il«io  nicht  ^It 
elüÄ'^s^iilonaan  lot    In  Jene  Cruppe.     Ihr  hebt  tnir  oos^r  klein- 


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16 


lichk^it,   Rachsucht  und  die  Unfihlpjceitp    zu  vergeben,  vorfijewor- 
fen«     Abot  es    Ist   eher  das  Qeftlhl  dieses  stffndlg  Unheimlichen^ 
di)8  iiich  ^  dieser  Hkltung  zwingt*     Du,  Ifcrlenne,    erinnerst  Dich 
▼lelleldit  noch   an  eine  Mitschülerin  aus  unserer  Cymnaslalzelt, 
Bella  Bt,   die   sich  traurigerw^ise  nach  kurzer  Qelsteskrankhelt 
UMbrachte#     Wir  waren  befreundet   gewesen,   und  ich  hatte  sie  xu 
Beginn  ihrer  Erkrankung  auch  hiufig  besucht.      Sie  litt   damals 
schon  an   allen  möglichen  Aengaten,     Einmal   gingen  wir  1»  Park 
spazieren,  und  «la  wir  uns   einem  kleinen  Teich  nÄherten,   lief 
sie  plötzlich   laut  schreiend   davon*      Ich  folgte  ihr  und  fand  sie, 
von  Grauen  geschüttelt,  hinter  einem  Baum  versteckt,   stehen* 
Sie  hatte  ihr  Gesicht  alt  den  Hinden  bedeckt,    und   ich  konnte 
xunlchst   nicht   verstehen,   was  sie  in  abgehackten  Porten  hervor- 
«tless.     AllMihlich  wurde  es  mir  klar,   dass  Angst  und  Abschau 
sie  von  dem  Teich  weggetrieben  hatten,  weil  öle  Frösdie   in  dem 
Wasser  vermitete  und  fürchtete,   dass   sie   zu  schreien  anfangen 
würden*     Nadidem  sie  sich  etwas  beruliigt  hatte,    erzflhlte  sie  mir» 
dass  sie   als   kleines  AAddien  einmal  Knaben  beobachtet  hatte, 
die  aus  Lust   FrÖsdae  aufgeblasen  und  z\m  Platzen  feebracht  bitten. 
Das  Gerlusoh   sei   ihr  noch  inner  gegenwMi-tlg,   und  die  iM9glich- 
kelt,   FrOsche  zu   sehen  oder  zu  hören,   brachte  das  ganze  grauen- 
hafte Erlebnis   ihr  wieder  so  nahe,    als  ob  es  gerade  geschähe. 
Damals  erkannte   Idx  wohl  das  Krankhai^e  in  Bella,   war  aber 
nicht   fihig,   das  ünheinllche,   das  sie  anscheinend  erlebte. 


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17 


nachzufQhloQ»     Houte  jedoch  weiss   ich  sur   Eigenem,   was  sie  e«p» 
fuaden  haben  nuss«** 

Sie  schwieg  eine  -Veila,   als   schöpfte  sie  Kreft,   um  weiter- 
ziisprechen.     In   ihrer  Stimme  klanf?  unterdrückte  RrreCTQg,    als 
sie  fbrtfuhr.      *•   Ich  inisste  während  der  Hitlerzeit    einrnal  hilflos 
zusehen,   als    ein  alt ernchwa eher  Jude  von  einem  Sturm-Staffel 
l/fenn  erdrosselt  wurde,      ^s  waren  etwa   fffnfzip;  SS  lafüte  zugep'en, 
die   in  ihren  schwärzen  Unlfortaen  eine  v(!fllie  f^l^iohe  schwarze 
M»8?ie  bürdeten.      D«n?ieni''e,    der  die  T^t  be^iaf?,   war  nur  eine 
Gleicher  unter  allen  andern  und   hatte  k3in   Gesicht  und   keinen   Katjen; 
vielleicht   ist   er  ,f©sichtlos    c^eblloben,   weil  wir  alle  nur  auf 
seine  Hfnde   starrten.      Das  W2ir  das  Einzl/re,    das  sich  heraushob; 
weisse,    grosse  Hiade  mit    Vrf  ftigea,    an  dea  Anden  vierecki/?;en 
Tiüf^Tn.     Seine   Aernael   vraren  zurffck,'3:e^litten  und  B»n  sah  wider- 
lidi   breite  Hindf^elenke;    das  rechte  hattf^  ein  seltsames  brennend 
rotes,  SpianenfOrmifjes   itflal.     Das  ist   das  Einzige,   das  ich  von 
den  Mörder   im  OedÄchtnis   behalten  habe  —  nichts  anderes.     Sonst 
war  er  nur  ein  identitÄtsloser  Teil  einer  sieichförwiipen  schwar- 
zen Masse.     Könnt   Ihr  nun  begreifen,    dass   ich  nicht   zurückPtehen 
kann  ?     itfösste  idi   nicht    ledesrnal,   vr^nn  ich   ei lem  Fremden  b<?p:ep:- 
nete,   denken,    dass  dieser  der  Mörder  sei   ?     Könnte  ich   irpiend- 
einen  wohl  die  Hand   schütteln  ?     Kann  mn  denn  verlanr;en,    dass 
er   aaierst   sein  rechtes  Handgelenk  entblösst    ?•♦ 


Sie  Hörte  auf,    txx  sprechen,    und  die  Andern  wagten  katw, 
aie  anzuschauen,   aus  I^ircht,   dass  ihre  sonst  so  beherrschten 


18 


Zäffß  die   quÄl volle  Erregung  der  Stimme  widerspiegeln  wffrde. 
In  de«  <?espannten  Schweigen  hörte  nuin  wieder  'deutlicher 
das  Toben  des  Sturms.      Das  Feuer  v^v  «rr  Brlör»chen,    aber  d^n 
Ziiraser  war  ßchwttl»     Die  Wlrme  und  ^ie  anstrengenden  Erlebnlr>ne 
des  ÜHfrßF  Techten  sich  wohl  nun  bei  dex  Fre^iden  benierkb^r.      Sr 
pess  unbe^i-eglichi    Tilt   hrlbre^^chlo^rgenr^n  Ai^/^en,    :?urftck --elehnt   da, 
Ein  s.cb'j^rcihes  Löcheln  fipielte  urr   f^.eine  )Vluadv7inkel,    die  ifie   ??: 
Schlaf  ctwis   ^-^^chlcff  *jnd  lose  errchienent      Pie  Jrcke,    ile  ihm 
rieht   r9cht   passte,   !?er  «r^eOffnet,   difij   Arre  Ir.Pien  Quf  den  Seiten- 
lehnen d?^s  Sesf^ls.      Sein  /^'»^fisehen  '^j^r  das  ein^jfi  Menschen,    dor, 
von  Wdiff-k^^lt   f!berw91tl(rt,    nicht   9!'^hr  den  '^lll^.r  '*ufbrinrt,    die 
ünordnuap:  ?*iiner  Brp.ch^^loun?:  zu  bebeben.      Es  schien  uls  h.^tte 
er  rur  wio  von    '^eitern  den   Tnhu^lt  von  Sybille?^  ^^orten  verno'^Ten. 
It  r.^tTt^  '?lch    j<?doch   clötTllch  ruckartig  und   nt^if  nuf   ;    ob^rl^lch 
seine  Au^oa   nocb    i  mr.er  von  den   Liiei'n  ^!^lb  bedeckt   \tirenp'i?.?r 
eein  Blick  aber  schsrf  und  »vach^jam  g'jworden.      Das  Llcheln   var 
v0111;t  »re^'revischt.      I.lit   be^e.'^ter  .Stlu^^e,    'le  helsf^r  vor  BIr- 
re^^ng  kl^nf:,    r^jpte   er,    sich   an  nle'^^änden  Ire  «'^aondercn  ;veadonr!: 
•*  ^os  ftlr  n'örkvTtJrdif  polaliche   '^^■f^ille  in  der  '^elt   p.eschehen   I 
Ist   ec  nicht    TOnu*:*   jtüller  ^u  belssea,    ein  Nsin^e,    der   '^daen  \[H}m 
Identifizieren  kenn   ?     tvAjss  »nwn  «uch   nocb  ds^s  Ein7t'/e,    w-«s   ich 
«D  vf'llig  «Is  mir  clp^entäuaich   «:ng€sehcn  h?:be  •  ein  MäI  von  be- 
sonderer Farbe  und  Forfi'   on  einer  f<an7  besonieren  Stelle  dos 
Körx:erc  ~  Küse   diesef^  Mtl  ajrx  such   noch   iu   jensiiuden  andern 
gehören   --  <?«an2  so  wie  eg  der  Herr  v.S.  "^It   selneiR  Nraeen  erlebt 
hat,    daaals    im  0erlchts3'^al. 


I  I 


II 


10 


»ur  war  es  einfach   fflr  Herrn  v#St  sich  und  madern  zu  beweisen, 
da«8   «r  nicht   dar  Verbrecher  war»   da  doch  dieser  lebendig  \ind 
allen  sichtbar  in  eigener  Oestalt   dort  gestünden  istT     Hierp" 
rief  er  bitter  aust    Indeaa  er  seinen  rechten  Aernel   zurtlck- 
atreifte  und   ein  brandrotes   spinnenföraolges  1/IrI  an  seines  brel» 
ten  Handgelenk  antbl<!5sä tag    ^     hier«   selien  Sie  dies  «n  und  sagen 
Sie   Dir,  wie   idi   diesen  spukhaften  7ufall   erklären»  wie  ich  Sie 


f   ft 


davon  tiberzeugen  k%>nap    duHü   ich  nicht   jeuer     Andere   bin  l 

WaOirond  die  l^reunJe  Airdhi  diese  jihe  Enthüllung  der  Sprache 
beraubt   ihn  anstarrten,    sprang  ^^sv  Freiade  auf  und   rannte,   ohne 
sich  nocn  einȀl  umzuschauen,    ^us  deaa  Ziimov.     Dia  besttlrzte 
Zu rüd: gebliebenen  hörton  ilm  die  Tür  zu  aeinooi  eigenem  Raum  zu- 

8chl?5fj;en. 

Rudolf  hatte  eine  halbe  Wendung  /^eiaacht,    als  wolle   or  den 
Davoneilenden  aufhclten   ;    stattdea  Hess  er  sicli  aber  schwer 
^   in  einen  Sessel   fallen  und   srdi  fast   ratlos   zu  Sybille  hinüber. 
Sie   stand  xnit    beiden  Händen  üuf  aine  Stuhllehne  gestützt,   als 
wire  sie  in  Oefahr,    niederzusinken.      Ihre  Cest&lt   schien  plötz- 
lich   7M1'  Größte  ßines  Kindec  e^ößchruiupft,    iiir  Gesicht  klein  und 
weiss  und  von  lautlosex  Weinen  vorzogen.     John,    der  neben  ihr 
stand  zweng  sie   seoift,    sich  nioder  zu  setzen.     Heinrich  und 
Ifciritnne  sassan  dicht   aneinander .jeiUckt,    ala  suchten  sie  ao 
Schutt  gegen  olae  dronende  Gofahr, 

•*  Wie  kann  so   etwas  iuöglich  sein''  sagte  jjöariiinne, '*was  soll   uan 
nun  tun?  Gibt   es  solche  ZufClle  oder  ist   ös  Spiefielfechterel?  Du 


20 


■luaat  es  doch  wissen,  Rudolf,   ob  ein  solches  Spiel  der  l^fltur  vor- 
koaiÄea  kann  —   ein  solches  Mnl  bei  zvel  vorsohlsdenen  liflenschea  •'•* 

Rudolf  öchlea  sich  r^esauuielt   zu  h?^ben.   Er  gln^  zv.  Sybille, 
beurte  sich   7U   Ihr  nieder  und  Vffg-^te  sanft   das  H««r  der  Wolnenden« 

^  wir  v>»lfi»sen   nicht  einmal,  •*  8ö£te   er  mit   beherrschter  StLriae, 
••   ob  ^icsee  Mel   wirklich  Identisch  rrlt    ae^lenlgan  Ist,    floa  rn^lae 
fvm  vor  no  vielen  Jähren  wfhrend  ©Ines  schrecklichen  Aurenblicks 
TU   se^BQ  claiubtß.     Es  ist   eine  h*S3liche  Situation  tüv  uns  alle, 
besonders  aber  für  Herrn  Ivlöller,   w^r  Ir.ajer  er  wirklich  sein  raag.*» 

"Du  vernieic5eat   eine  Antwrt   7U  peben  -uf  Mwiannes  Tr^sre   ••  sagte 
Heinrich    .letzt  heftig  •♦aber  mir  scheint,    dass  dieser  Herr  MOller 
eine  2U   r,d"inelle  Antwort  bereit  hfitte  —  wer  hfit   ihn  denn  überhaupt 
,^betnn,   uns  ^^eiu  Mal   zu  zeigen— -  hstte  er  vielleicht   An,<?r,t ,   dass 
einer  von  uns   es  doch  schon  vorher  erspäht  hatte  ?     Vielleicht   h*>t 
Sybille  efl  wirklich  vertier  (^5? eben,    als   er  noch  nicht   so  .luf  «^»eiaer 
Kut  wsr,   vielleicht   ist    dadurch  überhaupt   die  achreckliche  Srln- 
nerufig  in  Dir  wieder  ^tchfonifan  worden,   Sybille,   ohne  daR*^  Du  Dir 
über  den  Oniad  Hechen^^chaft    f^pc^y^ea  h^  at .    Nein   Rudolf,''  wandte  er 
flidh  wieder  i'nit    {^^rosoer  ßrrofnjn*^  an  den  T'^reund    ••wir  kfJnnen  ^rns 
ni^t    ZJifrieden   r^bea  mit   der  7uf^llthoorle,   wir  i:iÜRsen  wi^^^en, 


f   ff 


wen  wir  hl^r  beherbergen   ; 

^  Und  T7i9  werden  wir  das     bf^  werkst  eil  is^en  können,   T(F)in  T^ftund?*» 
frsi^e  Rudolf  '•  Sybille  kann  eich,  wie  nie  selbst  uns  erzflhlte,   an 
keine   indiduellen  7Üg©  des   I)Ä5rdors  erinnern,    nur  p.n  das   Mal,    das  sia 


I  I 


nur  eiüon  kurzen  Augenblick  unter  onteotzllch  -^ufro.^ondftn  uni  eiv 
•loFititterxiäea  Unistlndftn  P'oflehan  hnt.      Slchor  kam)  x^orade  oine  solche 
Oe-Ätsdrraö^iJCifi  die  ninne  üufo    Anwsrmrst©  schf^rfen,   aber  on  kann 
euch  dnn  Or?i;T:ent«ll   ^Intraton;   es  Mnnsn  Dinr©  rerohen  ^ordoa,    die 
nioht   ftlnwal  vorhanden  .«^ilad,    od^r  dao   Bild  ksrin  entstellt   ia  OedHoht- 
iilö  blölboa  •  nll  das    vl^sia  V7lr#     Köln  Richter  könnte  Sybilles 
rei^TennnnRrfto    1I3  blal^nd  nnsehon,   ^elbrt  Tfonn  r^r  persflallcb  von 

lhp«r  TUd\tir/*kolt  voll  über/.nu^Tt    tfi-ti»'^ Sybille  hGtts  lhr«,n 

Ko-^^f  QQ  Rjdolfm  "^ruBtr  .Tielihnt;    r^l^   //«^Inta  licht  nehr«     :•>!©  r»«::te 
Vit  -Ttldflr  Sti'ft-^o   :    ''ich  h^ttr»  •.yr^ite''  TchT(^lp:rjn  rollon;    ich  \foi83 
nicht  TJirum  ich    vlch  houto  hßba  verleiten  lassc^n,   ^bor  den  /.Ibdruok 
Hl  3pr30hen«      Ss   ist  wie   ich  ge3a/rt  hnho^   man  ktan  nie  Trlr.sen,   m^m 
rmn     die  IT^nd   ?ibt,   f^olbtit  •r7Qnn  der  Hetreffonde  kein  M*?l  «ni  Hand- 


f  *• 


f^eak  hat   ! 

John  h»tto  r>ich   bisher  an  dem  OosTTÄch   nicht   botoill.^*      Sein 
0681  cht  v:ar  ausdruckslos,    faßt    afinkexüitft   r:(rvordon.     Er  ficnien 
eich   auf  A^s   Völlen  und   AnTtlnden  nolner  Pfeife  ot  ^onr^ntrieron 
in  elnor   gPivi^f^ea  pedantischan  Art,   dia  ßeinen  .Freunden  ge':7C3hnlIch 
ein  beiden  w?-r,   dass  lohn  versuchte,    rjcine  TOff^erf^c-ten  G^fflhlQ  unä 
OedanVon  zu  beherrschen*     Die  Pfoifo  '^Inchon  den  !^ihnen  hnltoad 
braditQ  er  schliesalich  trocken  horvor  :••  "^ona  ich   Hiohtor  '^flre, 
wflnlo  Ich  mich  ^rin?.  und  völlig  ^r:T  Sybilles  Oedffchtnls  verlnec^^n 
und  TTtfrde  fti^v  6^s  ^sihrnchciinliche  eis  das  ünwr^hrRchelnliche  ,    n«iii- 
lieh  d«i?.9  69  nur  ein  Rolches   fsfel  und  nur  bei  einem  deutschen  Nczi  gibt« 


I  I 


22 


Du,   Rudolf,    biet  tolerant   uad  weise  und  ©in  wißsenschaftler  -  mtnch- 
i»l   bin  ich  mainem  Schicksal  dankbar,    dass  ich  nichts  von  alledea  bin»^ 

••  Wi«  dem  «u«ii   sei    ••  antwortet«  Rudolf  •♦  wir  können  nur  hof- 
fen,  düss   (1er  Sturm  morgen  vortlber  ist,   und  dass  wir  diesen  Mann 
80   schnell  wie  möglich  los  werden,     Tür  wird  selbst   daru   sehen, 
hei   der  rrsten  nöf?:lichen  Gelegenheit   sbruf^hron,    dessen  bin  ich 
slchor.     Sybiric,   Du  bist   vOllig  erschöpft,   und  nuch  wir  andern 
sind   sehr   ^Itfreno-^nen;   ^Ir  kennen  wirklich  ins  Augenblick  keine 
Lösung  finden;    darum  v^^jchla/r  ich  vor,    dnss  wir  uns   zurückziehen, 
Al^o.    njte  Nacht. •*     Sr  nahm  vGybillei  Am  und  ftllirte  «5ie  r^örtlich 

«US  dew  7iiTimer  her«u8# 

Heinrich  l^gte  John  die  Hand  ^uf  die  Schulter  und  verliess 
dann  ohenf-^lls    alt   Marianne  ^.e^n  Ti^^m.     Rudolf  w^r  es   3:e.^,lüclrt 
Sybille   zu  Überreden,    ein  Schlafrilttel   zu  nehmen*     Sie  Hatte 
sich   zunfdiflt    dagegen  gesträubt   da  sie  nicht   gewohnt  wer,    sich 
nach7ij|freben,    und  do  sie   glaubte,    dcss  sie  sich  zusaBmcn  nehmen 
iflösste,   UJD  Rudol-"  Leid  zu  ersparen.     Aber  seine  beruhigenden 
Worte  hatten  sie  d&von  <!ber7eup:t,    dass  auch   er  becser  ruhen  könnte, 
wean  sie  sich  den  Schlaf  erlaubte.      Kr  saas  bei   ihr  bis  sie  ein- 
geschlafen wer.      Seine  Gedanken  waren  mit    Ihr     beschffti^,    die 
§m  so   selbfltverstflndlich  nach  fljowesen  vht  in  den  Icngen  Jehren 

ihrer  Khe# 

Jetzt   schien  es   Ihia  nuf  einraal,    Anso  er  sie  kaum  k^^nnte. 
Sie  hsttG  das   entsetzliche  Erlebnis  mit   derri  alten  Juden  ihm  nie 


23 


erzflhlt.      Er  hatte  nie  von  Bella  B*  f^ehört,      ÄÄrl^^nne  wusf^t«  nehr 
von  ^nr  VerpfinTOnheit   seiner  Frau  tls   er.      Er  h^tte  es  nie  recht 
ertr«i*geo   könaon^    '3na  S?/bille  von  jenen  Zeiten  sprich,    in  lenen 
er   noch    nicht    Ihr  loh^n  teilte.      Er  w^r  ein  unp:edul(^l^er  Zuhörf^r 
und  entschulUc^te  soine  UnJ^edull  nit   14Bn^el   en  7©it.     Hinf^egen 
var  Sybille   i-ner  bereit,    zuzuhören,   wenn  er  ihr  seine  Ideen 
vortnjfl'  odr-^  seine  Arbeiten  vorlud.      All^u  persönliche  Ätttteilun- 
gen  waren   ihr.  ßclbst  bei   ^ca  Ihü?  nichst   st^hen^'^n  Menschan  pein- 
lich,     ^r  h^ttf^  11c  tl3fr;  ^eber7euTOav'^,    de?«  ^nü  nur  schwelgend 
seine    -en.^chlicha  '^tlrde  be\^r^hren  konnte;   deswegen  b»tte  er  auch 
nie  r-ybUIe  »PWJtl-i:   Ihrr  von  ErleboiBsen  m  er7«fhLen,   die  ?ie 
jranchwnl  ttIo  fr^Jf^^nd  Rnztideutan  schien.     Jetzt  war  er  erschüttert 
in  der  plOtrl.ichon  Erkenntnis  der  V#a»  Einsannkeit   meiner  ?r?«u,   die 
fil   dir.  Jahre   '^le  Leiden  '1er  Vore:'^n«»:enhelt   allein  getragen  hatte. 
Kinder  und  junge   MSdchen  erle^bten  Dinre,    die  zu  schwer  fftr  sie  waroA 

Kr  schÄifte  sich  f^einer  3elb^t^^ucht.      Als   Sybille  fest  schlief, 
verliens   er  leise  r^fie   Tiwmer  und   p:lnr»-  in  sein   A.rb«its7iTnmer  bln- 
über.      Seine   leisen  Schritte  wurden  doch  von  K^rlanne  gehört, 
die   an/:^errtren/rt   lauschend  In  ihren  Bett  leg.      Sie   berstJhte  sich 
den  LSriü  des   Stur'^es   «?ue   ihren   Ohren     aufzuhalten,   uw  hereus au- 
fladen,   ob  Heinrich  ruhig  schlief.      Sr  hotte  nicht   über  die  Oe- 
schohnlsse  (!ei3    -^bcndj?  sprechen  wollen,   und  Iferinnne  beftlrchtote 


eine  schwere  Oeiafltserscbtftterung  bei  dem  flbersenflitiven  erreg- 
baren Heinrich,   der  nie  wit   neinen  llrlebnlssen  i«  Konzentrations- 


24 


-Itgar  und  in  Spanien  fortig  gowordon  frtr.     Sie  selbst  vftir  geneigt, 
sich  Rudolf^'.  3t«udpunkt   zu  elfjon  zu  aachon,    dass  ri&n  nicht   7.u 
oiar»»  endgaitir);en  Entschluss  über  lex;  ?rejidan  kor.oien  ötirfto^ 
solnaw  fluch  d^r  s:»^lfi.^^to  Zweifol  bostisnd,   daes  er  der  von 
Sybille  beschriebene  .^esichtslose  Mörder  v»ar.      Ihrein  Charakter 
geoifsn,   veravichte  gie  dort   eine  .rrtlnst irrere    '^nt^^oi-t    elaer  Tn^^o 
ijnzuneh^on,    'vo   so  aßt      sie   '^ineni  unortrff,^lich'3n,   unlÖFbflröQ  ^ilen;- 
na   ^^e^entlbot'  ger;tü»nden  ^fjl?r^#     Sie  hnjtt3   iii-nor  versucht,    rrobl6;::a 
auf  nöglichf^it   oinfache  Nerjier  zurückzurtlhrsn,    od?:r  sie  iiur  döun 
wirklich  ^nzm^rkennon,   ',7onn   ojn     pors^nliches    ßin^reifen  r^lne 
ilendcrang  herbeizuftlhron  versprf.ch.      Diese  pr?iktlrcbe  Seits   ihr^^r 
Nstur  war  fflr  Heinrich   ^lin  ßvos^ev  Sor.en  ."re^'ß^en.      Sie  h:-.tte 
ihn  aus   Ofiutschl^nd    gerottet   und  ihre   beruhip-ende   Ge/?:err,v.  rt 
rettete   Ihn  immer  von  Nouen  cus  selaeii  Ul^ufigen  An^sttrA-oruen, 
bei   d^nen  '?s   r^esohohcin  könnt?,    dass  er  r-us  der  Bett   sttlrtzt'^ 
und   ntich  Oe£:en.^tf!ndßn  wie  Lrir.pe  oder     Stuhl   i^riff,   uja  sie  oincMii 
vermeint  lieh  on  Angreifer  ent»^egen7.uschlead^rn.      j)ß  ^ar  nicht 
iirjuer  leicht,    1ha  davon  abzuh-nlten  und  ihn  sri.ci7.  rn  vncken. 


Sie  lEhz  nun  wnd  horchte   ■  uf  den  Sturm  und   «uf  eil«  Ooräußoh 


ß 


im  NobeaTilnmer,    In  de»n  Keiarich  schlief,      Sie  hOrt'^  Johns   .'Ichritte 
«in  ihror  Stube  vorbfeigehen  und  d.'jchte;    **  erirrr  John,    Du   bint 
bl3   jetzt   allein  im  Wohnzlnimer  c'^wec^^n;    ?>i   iscrgGt   Dich,    ohne 
des  Rocht   zu   haben,    nieb   7u   sorgen,'* 

John  hatte  seine  Pfeife   7uendo  ^oraucht   und  denn  v/ie   je- 
den Abend   sorp:8«in  i«  Ziinriier  Ordnung  gemacht,    ^amlt   Sybille  «c 


I  I 


80 


V 


nfchsten  Margen  von  «inam  sauberen  freundlichen  Reu«  begrttoit 
«Oxd«.   enetett  kelte  Asche  und  schmutzige  (Uiser  rormufinden. 
Heute  hette  er  besonders  lange  Zeit  d««lt  verbrecht,  die  Aschen- 
becher su  leeren  und  die  Ollser  zu  spfllen.     Sr  «eöhte  sich  »ller- 
lel  Oeschfft,   bis  er  schliesslich  nichts  »ehr  finden  konnte,   des 
Ih«  Grund  geh,  des  Verlassen  des  Wohnzlamers  hinauszuschieben. 
Br  ging  In  sein  7lo«er  und  setzte  sich  Im  Dunkeln  ens  ?enster. 
Dreussen  war  es  pechschwarz.     Zu  John  besonderen  Gaben  gehOrte 
•in  visuelles  Voratellungsvernflgen,   das  seiner  schrlftatellerl- 
schon  Tätigkeit  sehr  zu  Oute  kam.     Aber  diese  Gabe  wurde  zur 
^iual,  'tenn  er,  wie  bei  Sybilles  Erzfhlung,  allo  Geschehnisse 
deutlich  vor  sich  sah.     ^as  andern  Worte  waren,  ausste  er  bildlich 
erleben.     Jedes  neue  Brlebnla  dieser  Art  wurde  noch  von  verganenen 
versttrckt.  die  sich  Ih«  «It  aller  msche  wieder  vor  Augen  brach- 
ten.    Qwiffhnllch  konnte  er  sich  von  diesen  Erinnerungen  nur  durch 
eine  Tat  befreien,   sei  es  in  Wirklichkeit  ofer  In  eine«  Ro««n. 
A«  «eisten  qullte  ihn  die  l««er  wieder  auftauchende  Irlnneiung 

an  die  kleine  Sarah. 

Der  Stui«  heulte  die  ganze  Nacht.     Das  Getöse  von  Wind  und 
Regen  war  so  laut  geworden,  dass  es  uniaOgllch  war.   Irgendwelche 
andern  Oarfusche  Innerhalb  oder  ausserhalb  des  Hauses  «It  Sicher- 
heit   zu  unterscheiden,  bitte  sich  Irgendjemand  auch  noch  so  daru« 

beaOht. 

A«  nidisten  Morgen  Jedoch  grOsste  ein  tiefblauer  HL-noel 
das  vom  Regen  leuchtende  Grtln.     Die  Sonne  strahlte;  der  Wind  hatt( 
sich  völlig  gelegt  und  das  Wasser  hatte  seine  ldlttel«eerfarb. 
wieder.     Nur  die  WJwen  flogen  noch  unruhig  und  fngstllch  u«her 
und  kreischten  einander  laute  Warnungsrufe  zu. 


25 


Sybille  wir  trotz  des  Schlaftalttelfl  früh  aufgestanden«      Das 
Frflhetflck  stand  schon  berreit,    als  sich  die  andern    Hausgenossen 
wie  jeden  Morgen  awitig  auf  der  Veranda  einfanden«     Aber  in  Gegen- 
eatz  zu  andern  Morgen  herrschte  eine  düstere  und  bedröokte  Stia- 
Äing»     Vom  Fremden  war  nichts  zu  sehen  und  niemand  wagte  die  lei- 
dige Präge  nach  seinem  Verbleiben  zu  stellen,     Sybille  sagte  wie 
gleichgflltig:    ••  Seine  Sachen,   die  er  gestern  zut  Trocknen  auf  ge- 
hingt hat,   sind  noch  in  der  Küche •••     Damit  war  das  Schweigen 
gebrochen  und  man  redete  durcheinander,   ilffferlich  machte  man  dem 
Fremden  Vorwürfe,    dass  er  nicht  schon  die  Insel  verlassen  habe« 
Vielleicht  habe  er  aber  in  fremden  Kleidern  das  Weite  gesucht« 
Das  würde  wohl   zu  seinem  Charakter  pasnen  J     Eigentlich  wollte 
aber  niemand  wirklich  die  Antwort   auf  diese  Frage  herausfindexu 
Der  ungebetene  Oast  mochte  wohl  noch  in  seinem  Ziamer  sein  und 
sich  nicht  heraustrauen*     Schliesslich  beschloss  Rudolf  der 
peinlichen  Situation  ein  Ende  zu  machen  und  nach  Herrn  MTller 
SU  sehen.     Kr  kam  bestürzt   nach  ein  paar  Minuten  zurück  imd  be- 
richtete,  dass  das  Gastzimmer  leer  sei  und  das  Bett  unberührt. 

Auf  der  ganzen  Insel  war  keine  Spur  von  dem  fremden  zu 
finden.      In  der  kleinen  Bucht,  die  als  Hafen  diente,   lag  ein 
zweites   Boot,   wohl  befestigt,  wie  Herr  Mttller  es  ihnen  beschrieben 
hatte.     Es  war  nur  leicht  besch«dl/rt  und  wiegte  sich  sanft  auf 
den  Wellen  der  einströmenden  Flut  hin  und  her. 

Anfang  September  wurde  eine  mÄnnliche  Leiche  in  einer  der 
vielen  Buchten  an  der  Küste  von  Maine  engeschwammt.     Der  Ertrun- 
kene fflusste  mindestens  zwei  bis  drei  Wochen  im  Wasser  getrieben 
worden  sein.     Seine  Züge  waren  nicht  erkennbar,   in  seiner  Kleidung 
find  man  keinerlei  Papiere, 


27 


Ol«  £•*•»   die    das  Yorachwindda  das  Ftaadan  aofort  dar 
Polisal  gaBMldat  hattaüi  wurdaa  auf gafordart »  dla  Laloha  sweoks 
Idaixtifisiarung  zu  besichtlgan«     Aber  salbst  Rudolfs  gafibtan  Auga 
war  as  iinaDglloh»   fest  zuatallan,   ob  dar  Tote  Janar  Franda  wart 
dar  auf  so  draaat Ische  Welse  auf  Ihrer  Insel  erschieaen  und  von 
dort   varsotairuAden  war«     FQsse  und  Binde  des  Ertrunkenan  waren  so 
zerrissen  und  verletzt»  dass  aan  keinerlei  Mal  mehr  bitte  erkennen 
kOnnen»     Die  OrSsse  und  Breite  der  Hindei     wie  ttberhaupt  der 
Bau  das  SkeletSi   das  ungefihre  Alter  des  Mannes  und  der  Rest  der 
zeirfetzten  Kleidung  bitten  wohl  auf  Herrn  MtULler  gepasstt  aber 
■it  irgendeiner  Siohertieit  konnte  man  keine  Identifizierung  yor- 
nehaen«     Auob  in  den  bei  den  K«  *s  zurfickgelassenen  Kleidungs» 
stfldcen  waren  weder  Merkzeichen  noch  persönliche  Dokumente  ge« 
funden  worden»   die  ein  Fragezeichen  fOr  das  Woher  des  Trenden 
bitten  geben  kOnnent     Alle  Beaaben  der  Polizei  eine  Fima  zu 
arruieran,   die  einen  Ingenieur  plötzlich  auf  ungeklfrte  Weise 
verloren  hatte»  waren  erfolglos  geblieben»     Nieaand  schien  einen 
Mann  zu  Taraiessen,  dar  ein  so  auffallendes  spinnenfOrmiges»  rotes 
Uli  aa  Handgelenk  hatte»   ein  Deutscher  war  und  angablich  MBllor 
hiass« 


t  I 


II 


Dift  Bind« 


0«  Basstto  alt  nun  alla  in  dar  lindllofaan  ii^olinatube  ror  dam 
Kaalnfauar»  lauadbt an  halb^bawuaat  auf  daa  vllda  Toban  das  Sturms 
und  das  Oarluacb  daa  aiohtlg  harabatürzandan  Ragana  und  fflhltan  aloh 
alohar  und  gaborgan«     la  waran  Ihrar  fünfi   dla  in  dam  altan  Fartnhaus 
auf  dar  klalnan  Inaal   baiaanan  waran«     üia  Baaitser  ?on  Inaal  und 
Haus«  BudAlf  und  Sybilla  S«i  hatt an  auf  alnar  ihrer  Soaaaarraiaan  diaaan 
Schats  mittan   in  dar  Panobaoot  Bay  in  Mii na  antdackt  und  aloh  ao  TOlllg 
angaaogaa,    Ja  bazaubart  gafundan»  deaa  ala  ohna  vlal  Uabarlagan  dan 
gafbrdartan  Prala  gaaAlt  battan*     Sie  zoaditan  alcb  auch  sofort  daran, 
dla  durch  daa  Altar  raruraaehten  Sehtdan  das  Hauaaa  auaaubaas am« 
3ia  liaaaan  daa  Bxunnan  orweltarn,   dar  friaäiaa  viuallwaasar  fflr  das 
Haus  llafarta  und  liasaon  sieb   aina  Irlal na  Turbina  sdbicltant   dla  ala 
alt  jElaktriKLtlt  reraorgtag  aas  nicht  nur  atatigas  Licht  yarspraeht 
aondarn  daau  noch  dan  Luxus  ainaa  GrasBuophons  ari&Oglichta«     Dla  Inaal 
aal  bat  ralchta  atwa  alna  Maila   in  allao  Himialsrlchtunii^an«     Sla  war 
falaigt  alt  Nadal-»  und  Birkanwald  bawachaan  und  ;xlt  grau^grQnm  Moaa 
badackrt«     Dla  Ufar  flalan  stall  ab»  uad  nur  an  aloar  5aita  war  aln 
tlafar  Sinaohnitt  mit  aandigam  Bodan  und  aaichtara^a  vraasar»  dar  als 
gaaohüta^ter  idainer  Hefaa  fflr  das  «btorboot  dianta»     Dla  B^aoiidarhalt 
dar  Landschaft   lag  dsrlni   daas  sie  glalchTaltig  alnan  Gablrgaoharaktar 
hatta,   und   in  Farban  und  iAogotQtlon  Krinnarungcn  an  J)randlo«vlan 


wie  mn  dM  llin#l»wr  wachrief»     So  wwr  ••  dieses  rerbindllche 
Wesea  der  lasel,  dss  die  K»s,   die  azs  Witteleuiope  steatrtea, 
so  UÄWiderateliilch  aageTOgeü  hstte»     SybiUe  km«  au»  iSoxd- 
deutecal«ad,  .Rudolf  *us  de»  SÜdea*     Seide  hatten  JCuropa  sub  po* 
lltisdioa  Ortlidan  rar  lassen,   hatten  elnaüdsr  wthread  der  2nigra- 
tioü  ksaneasolorüt  und   gohelratat  oad  waren  «a.aaiuaam  in  das 
neue  iMai  eins©J3Lndart,     Sio  \Taren  tätiga  j^enrchoa,   beide  AÄrrte, 
die  in  ihren  freien  Stondai  ihren  Neiguni^en  lebten   ^t  BüÄera* 
lAisik  ^Juid  Kunst  und  Jiit  eiaigaa  nahen     freunden.     So  fanden 
eldi  auch  in  don  Ferien  l^msr  Treundö  boi     ihnen   aln,   die 
ihren  Cks3c^ha;ack  teilten  und  ßlA   gfsrae  von  Sybllleß  fi^eundlicher 
Fürsorso  ucihogea  lle?2en  ufld   las  stille,   friedliche  Ferien-* 
lebon  der  Inselbewohner  tollton.     Das  Haus  bestellten  sie  selbst, 
der  Provient  wurde  Ton  dem  nicheten  Ort  an  der  etwa  fünfzehn 
Meilen  «ntforntaa  EÜste  Adcm  Boot   geholt.     Ifenchmal  auch  fuhif 
i&an  m  c^idern  etvyas  /crÖSfieren  Inseln»   ^^^  denen  kleine  fischer- 
dörfer  w^xron,   oder  ma  koxinto  durcb.  ein  verabredetes  Olocdcenzelchea 
die  fahre,   die   aweim'^l   am  Tage  vorbeifuhr,   Ruf  etwas  j/otwendlges 
wf»er*k»aat  cwidjen.     Wie  es  so  typiacb  fflr  insulares  Leben  ist, 
ver«as.i  man  nach  kürxeöter  f^it  die  übrige  ^elt  oder  schien  Ihr 
dodi  keine  Wirtxtigkeit  beisilogen* 

In  diese«  Jahr  waron  von  den  OÄsten    Heinrich  und  Sferlanne 
T.  3.  und  der  3 ehr lit steiler  John  D.  bis  na  Bade  des  Somers 
gablieben,   der  wolkenlos,  sonnig  und  blau  gewesen  war.     Afen  hatte 
sich  in  die  Housarbelt  geteilt  und  den  Reot   des  Tages  verbracht, 


UmM\a 


/: 


SifttfriLflw.  Ton  Ihnea  «&  llebsttiiai  war«     Abazida  fand 


ttüA  sldi   RusQfiBMia  IB  WohxislfaMr  Tor  des  offaaen  Ca&lafeuar,   laaand 

oder  8l<^  unterhalt oad  odor  auch  schwolgead  der  lysuakli  Imischend* 

•~  Eann     plOtzlioh  eiaea  Morgans  war  der  Wind  ^koHsaiaa  «It 

dw  wlldea  ßrendiu^t     Itlan  h^tta  gerade  noch  Zeit,   das  Bcot 

a&a  Land  ^  cLaiicn  ubd  fefiKu^J^dbia:;«     Qax;^  plStxll^h  wurde  ea  dunkel, 

lar  Stuzm  rasts  Ölor  die  i^löina  Ixiael,  eciiSttalte  die  BSua», 

hoiulte  a-'^is  f^aiis     und  der  Regen  <sösö  in  «illden  StrCineu 

hcruntöv^   so  daas   or  aina  faat  ochwarzö  ^^sserf/suil  bildete«     Usui 

fwjad  rjicfe   \y^  Haus  oliieoscniosaon,   uAd  ^tlrJclloli  von  dar  »Veit 

wbgüsoiaaitte;;« 

Dioaoc  Si-a{jf»£di1oön^aöoin  :^lt olasuiler  rlof  das  a^rüLl  fclter 
Vöitrauthoit  sterl:  ir£  Ccdöchtais  aairtlok,  einer  VertrautUeit» 


aie  diase  1^ixt  ^JaI:.sche^  vor  ^aliren  in  eicea  Uidereu:  Stursi  auf 
iirnßer  verbußdcn  hatte«     So  T^aiiderten  jöt^t  iha-e  Gödaükou  aaurück 
SU  mand.  otc  gemel  nactimen  i'rlebiils  der  VorgÄneeiüielt  •     Elü 
Wotl^^lUhl,  wie  es  yeufichcii  ea;priadcn,  die  eiiiooi  faat  alciierea 
Vorder  bau  eatroxi&aa  sind,   erhöhte  uoch  4äs  tStbllclie  Tergiittgen 
aia  AuctauBcfc   aolcher  Erinnerißgen» 

ilariar.ne  und  i^ybllle  tJ^ttot  «Inaad^jr  achon  aelt  Ihrer 
pi««l naatmeß  Schulzeit  In  Inniger  Freundocfcaft  nahe  gestanden« 
ObslelA   ihre  beruflichen  Keigunfie^a  sie  Ortlich  auöeiasnder 
g^brac>!t  hettön  —  -yariaiuxo  hrtte  alte  Sprachen  und  ArchÄologie 
ntudlert  —  waren  öle  doch  einander  ole  rremd  e^-'^'^rden  und 


I  I 


hatten  adilUsalldb  wieder  ein  feet  seMlneeftee  Leben  la  Perle 

euflBeaoflaneat 

Uiriexuie  uad  Helari<Äi  wareo  each  Perle  toü  Spealen  gekoemee, 
wo  ele  beide     euf  Saltea  fler  reditnieeleea  Beglerun«  gekl^ft 
hetteAt    HelnrlÄ  wer  yoü  elteiDdeutdii»  Adel,  der  elnsige 
Nedxkome  ^«  dee  lade  <~«  eliier  leogen  Reihe  yfon  Oeaesretlonen 
ton  Reubrlttemt  Outeberren  uad  Offlaleree*     Sele  Veter  bette 
durtfi  Helmt  slt  eleer  Judla  etwee  aenee  Blut  uad  ele  groeeee 
T-arafig^A  1a  die  eueeterbeode  uad  redit  degeaerlerte  Twillle  ge* 
bredbti  ua!  Kelnrl*  hatte  ee  wohl  dleeer  aBtterlichea  Irbeoheft 
SU  werdaalceA,  deee  er  sl<^.  nicht  la  deo  Tuokerleben  elapewen 
konnte  und  wollte.     Die  Llabe  m  «einer  BCix9Mn^  fjeletrelcfcen  und 
«nrtllAen  JAitter,  die  unter  4er  Ürutelltit  e eines  Vatare  augrunde 
ging,  hatte  Ihn  m  elnea  leldensoiieftllchei  lÄa^pjfer  s^gen 
Je^t  Vrt  Hoheit  uft«  üaserechtlrfcelt  geMoht*     tr  bette  eine 
(l^gn^eade  Xarrlare  «le  JouTnalist  aufgegeben  und  eolne  genee  Kraft 
und  sein  Yer^ögen  Im  Keapf  gesea  Hitler  uid  den  üatlonelaoelelleaMte 
elngeeatÄtt    Von  eine«  Splt«eX  yerraten»  wer  er  werhaftet  uad 
2a  mahreren  Jabröa  ?ac3htheu«  verurteilt  worden«     Ifechdem  er 
nodb  ela  Tahr  die  Qreual  ei  nee  Koneertretlonelagere  erlebt  hatte» 
wurde  er  eatlessan,  und  ea  aßaög  selaer  »atlfen  jungen  ?reu. 
Ihn  alt  Hilf*  von  Freunden  In  Hollaod  «ruf  obenteuerllehete  Welee 
©ue  re^itadiland  harauassubrlagea«     Ilaer  dleeer  Helfer  war  Joho  Dt 
geweaeat  ein  Junger  amerlka  nie  eher  Schriftsteller,   der  neeh 
SUropft  gasanctn  war>  well  wader  der  eweTlrfinl^ohe  ^port  nooh  das 
«merlkanlacftie  Gaas»tertua  aalaen  Draa«  nach  Abenteuern  und 
ael:ian  rrelhelteelxm  befrleligen  könnten«     Sin  fröhee  Srlebnle 


hatte  n^Loma  beaoaS«rea  Sl0gel  auf  sei aaa  Charaktar  godrflokt« 
Xr  iHttta  elMA  Sowar  Im  Sffdan  Tartaradht«     Daaala  war  ar 


18  eawaaan  und  raballiach  gagaa  aain  alganaa  altarllahaa  MlllaUt 
la  daa  gata  Slttao  und  Ifanlaraa  niaht  mr  gapradlgk  aoodara 
auch  c^pnagt  mirflaat     Ifcn  hatte  Ihn  allaln  w  aalnan  afldllehan 
Terwandtea  fahren  laaaan»  \m  aalnan  UAabhlnglgkaitabadllrfaia 
genug  SU  tun»     Aufgawaalrt,  jiiaataaiartleh  uad  kOrparlleh  aalaan 
Altar  Toraua  wurde  ar  ein  Mitglied  einer  tlruppa  Jugandllciier, 
die  Ihre  l«nnlldikelt  In  jeder  Hinsicht  aaa  bewelaen  suahtea, 
gewOhnlieh  In  klndlaehaa  Act  Ionen  gegen  die  Welt  der  Xxvachaanea« 
Aber  sie  tranken  auch  und  trieben  ea  alt  den  IMdehen«     SAuldba« 
wuaet  swar  hatte  dooh  John  alte  dleae  Streiche  gerne  und  atolz 
altgeaaoht«     Dann  aber,   tm  Tage  yor  seiner  Heisre laa,   hatte  die 
Bande  alob  auf  swel  harsdoee  kleine  Negarklnder  geatflrKt,   die 
unschuldig  genug  naokt   Im  Tluaa  badeten«   an  einer  Stelle  die 
nur  fOr  Welaea  reearrlert  war«     Sie  hatten  den  kleinen  Bursohen 
Blutig  gaa<falagen  und  zu  ertrSnken  versudit»  und  die  Ver&uohe 
des  winzigen  Midchena»   ihreA  Bruder  ra  retten,  alt  füastrlttea 
rerhlndert«     7ohn  hatte  an  dleeer  Oewalttat  sich  aidtit  beteiligt» 
aber  er  irar  dabei  fceatanden  und  hatte»  wie  geiehmt»    migeaehaut« 
Xr  aah  die  kleine  Ss^rah  aa  BDden  sitzen  und  la^t  Ihrem  schwarzen 
mnddien  Ihre  BlOese  verdecken.     Ihre  schwarzen  Augen  traten 
Tor  Angst  aus  den  HWilen  heraus   j  sie  war  trtnanlos  wie  ein  Tier. 
John  war  Abjoü  galaufen.     Irgendwo  hatte  er  sich  Ins  Oraa  geworw 
fen  und  geweint  Tor  8diaa,  Schuld  und  Hllfloalgkeit.     In  der  Hecht 
war  er  sdilaflos  gewesen  und  a©  ntcbetan  Uorgan  fuhr  ein  atillarer 
7ohn  nach  Hause  zurtlck. 


I  f 


»->y«' 


Br  erzfhlte  nieBaadam  yon  diosea  Erlebnis ^   er  schinte 
slöh  zu  sahr«     Is  hatte  aber  zur  Fblgei   dass  sich  sein  Unabhla- 
glj^oltsbadflrfnls  yon  nun  an  in  persOnllohaM  Mut  luasorta» 
selbst  wenn  er  einer  Oruppe  allein  entgegentraten  musste.     Kr 
war  eigentlich  über  Nacht   zu  eine»  Helden  geworden«     Sarahs 
Augen  hatte  er  nie  vergessen  ktfxuren. 

Er  gehörte  einer  Organisation  an,   deren  Mtglleder  es 
sich  zur  Aufgabe  gecaacht  hatten,   selbst  unter  eigener  Lebensga* 
fahr,   politisch  gefährdete  aus  faschistischen  Lflndern  heraus- 
zubringen»    Da  er  sein  eigenes  Leben  oft  aufs  Spiel  setzte,  war 
es  fflr  ihn  kein  Problen,    in  seinen  Rettungsaktionen,  wenn  not* 
wendig,    auch  bis  zum  Aeussersten  zu  gehen«     Sr  war  mit  Heinrich 
und  Marianne  in  Spanien  zusaiu&en  gewesen  und  lernte  spiter  durch 
sie  Sybille  kennen«     Sie  wurde  kurz  darauf  aber  Rudolfs  Frau« 
Rudolf,   der  schon  daiaals  einen  bet rechtlichen  Namen  als  Wissen- 
schaftler hatte,  hatte  ohne  ZOgern  seine  Heimat  verlassen  als 
Protest   gegen  eine  Irrational itlt,   die  Ihm  als  Rückfall  in  den 
ttrgsten  Hexen-und  -Aberglauben  erschien«     Er  fflhlte  sich  in  sei- 
nem   wissenschaftlichen  Danken  beelnt rieht  igt,   in  seiner  Minn- 
lichkeit  beleidigt,  und  in  seinem  Gerecht Igkeitssinn  empOrt« 
Sein  Ruf  verschaffte  ihm  Gelegenheit,    in  Paris  seine  wissenschaft« 
lldiie  Titi^elt   fortzusetzen  und  so  viel  als  mOglich  JfljQgeren  emi- 
grierten Kollegen,   unter  denen  sich  auch  Sybille  befand,   beizu^ 
stehen«     Seine  einfache  beschützende  und  helfende  Wesenart  wurde 
für  Sybille  ein  Ersatz  fflr  alles,  was  sie  verloren  hatte.     John, 
In  seiner  romantischen  Abenteuerlichkeit,    erschien  ihr  als  ein 
junger  liebenswtlrdiger  Knabe,  dessan  leidenschaftliche  Liebe  sie 
in  eine  tiefe  und  ruhige  Freundschaft   zu  verwandeln  suchte« 


i^fcjgfc— ^■■^"-  -    —  — -^^^^^^^^^^^^jt^ 


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S«  war  mittlarw^l&o  Aboad  geworden«       Orausaen  raata  daa  Un- 
wattar,   auf  daa  dla  Fraunda  In  ihrem  Qafflhl  daa  Oeborgense ine  nur 
glaiohaaa  halb«-bewiiaat  binbOrtan*     So  entging  Ihnen  zunScbat 
daa  klopfen  an  dar  Hauatflrt  und  erat  als     aa  attrkar  wurde  und 
al(di  deutlleher  Ton  dem  andern  OetOae  unterschied,  wurden  sie 
alle  faat  gleichzeitig  darauf  aufmerksam«     Sie  aahen  einander 
ungltublg  fragend  aA|   ala  ob  niemand  Ton  Ihnen  faasen  konnte« 
daaa  ein  Lebeweaen  drauaaan  atand  und  llalaaa  begehrte«     Si 
achlen  Ihnen  rOlllg  unmttglich,  daaa  irgendein  &tonsch  in  dleaem 
Sturm  auf  Ihrer  Inael  gelandet  war,   auf  der  ea  ausser  Ihnen 
nur  Haaen  und  70gel  gab«     RudDlf  war  der  Srata,   der  zu  dem  2nt«> 
sohluas  kam«  daaa  daa  XTnwataraehalnllohe  wohl  geaohehen  sein  musste« 
Sr  erhob  sich  und  ging  zur  Mngangstflr,  die  er  rasch  öffnete« 
Qegen  das  Dunkel  drauaaan  hob  sich  eine  aohatt anhafte  Gestalt 
abt  die  auf  eine  einlade  Oebirde  Rudolfe  la  den  hellen  Llohtkrela 
der  Magangahalle  trat  und  dort   einen  Augenblick  achwelgend 
und  geblendet  atehen  blieb. 

Der  Fremde  war  ein  grosser,   stattlicher  Ifcnn,   der  so  durch- 
niaat  war,  daaa  daa  Waaaer  an  Ihoa  harxmterfloaa«     Ir  bat  die  An- 
weaenden  um  Entschuldigung  fflr  aeln  Bindringen  und  erkbtrte  mit 
heiserer  Stlmmm,  daaa  er  aalt  Stunden  In  aelnem  Boot  Im  Stuxm 
auf  dem  Waaaer  gewesen  sei  und  TOlllg  Richtung  und  Orientierung 
rerloren  habe;   durch  einem  glücklichem  Zufall  aal  er  in  die  kleine 
&icht  der  Insel  geschleudert  worden«     Si  sei  Ihm  gelungen, 
sein  Boot  festzumachen;  da  er  die  beleuchteten  Fenster  des  Hauaea 


8 


erblickt  habe,  habe  er  sich  notgedrungen  entschlossen,  enzuklop- 
fen  und  um  Oestfreundschaft  zu  bitten«  big  sich  der  Stur»  gelegt 
hebe«  Br  wer  recht  orschöpft,  obgleich  er  ein  krlftiger  Uenn 
In  mittleren  Tehren  war  und  sprach  etwas  zOgernd  und  mOde  in 
einem  gewählten  Englisch,  das  gerade  durch  diese  GewShltheit 
den  Ausllnder  rerriet«  Rudolf  und  Sybille  hlessen  ihm  freunde 
liA  willkommen.  Forderten  Ihn  euf,  in  eines  der  verfQgbaren 


Oestzizamer  zu  treten»  und 


ihm  Rudolf  trockene  Kleidung 


verschaffte,  berreltete  Sybille  schnell  etwas  zu  essen  und  ein 
heisses  OetrSnk  yor*  Als  er  darauf  in  das  Wohnzimmer  trat,  wur- 
de eine  formelle  Begrflasung  und  Vorstellung  vorgenommen, 

••Mein  Name,'*  sagte  der  Fremde,  ••  ist  Karl  lÄlller  ••  und  er 
fügte  scherzhaft  hinzu,  dass  dies  wohl  der  unverbindlichste  l^me 
sei,  den  sich  Jemand  in  seiner  besonderen  Lage  ausdenken  könnte, 
obgleich  in  den  Vereinigten  Staaten  wohl  Smith  und  Jones  noch 
besser  dem  »reck  unidentifiziert  zu  bleiben,  dienen  würden. 
Ar  sei  ein  Ingenieur  und,  wie  wohl  seine  Aussprache  verraten 
habe,  ein  Deutscher,  der  vor  Jahren  eingewandert  sei*  Er  verbringe 
seine  förien  in  einem  der  kleineren  Orte  an  der  Mate  von  Maine 
und  sei  heute  nsorgen  bei  schönem  Wetter  ausgefahren,  um  zu 
fischen,  nicht  ahnend,  welche  Abenteuer  ihn  der  Tag  noch  erleben 
lassen  sollte.  Vom  Feuer  und  dem  heissen  Grog  erwlrmt  und  durch  das 
Issen  gestirkt,  verlor  er  bald  sein  erschöpftes  Aussehen  und 
schien  sich  liebenswürdig  und  gesellig  der  Gesellschaft  anpassen 
zu  wollen.  Man  sprach  darflber,  wie  das  plötzliche  klopfen  an 


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di«r  Htustttr  einexx  jtdsn  soltsoÄ  bsrOhrt  hßb«  und   leder  Bv^ing  sich 
in  d«5r  boschreibung  seiner  Oafahle  und  0«d«nk#n,   dla  «IIa  das 
Unheialldie  des  Sreigniflsee  hervorhoben*     *"  Sa  iat  wie  der  Beginn 
einer  OeacLichte,   "^  a&gte  Mtrl*»nne,      *•  Oder  wie  das  Ende,   **  aielnte 
Sybille.      "  D«8  Letztore   Ist  Nvohl  das  Rieht isOf    "^  ör.h^     Herr  ^Äller 
den  Faden  auf,   ''zutaindost   för  nicht     Und  av^n  SM«  aaa  wohl  sagen, 
<Uae   oc  ein  •  Ilappy  end   •   ist,     r/ührand  ich  Älch  1»  Boot  vom 
den  -Vellen  hin  und  her  geworfon  f^d,    kaa  ^nir  das  Groteske  -aeinar 
Lage   zuikt  Bewuscitaain.     Do  ar-vahate  ich  vorhin  schort^nft,  i^ie^d  ele 
H«ienBvett9rn  ich  auf  der  Welt  habe,   und  dabei  h«be  Ich  unter  nll 
den  .vllllern  nicht   einen  Veni^eadtan  luehr.     Ich  bin  völlig  ohne  Fam- 
ilie,   das  erste  Mal  In  Mslna  auf  einer   •  carrping  -  und-fishlng- 
axpedltion  *   gsnz  allein,   und  wfire   ich  heute  nicht   an  Ihre   Insel 
varÄohlagen  wrdea,   sondern  Im  Stursa  untergegungen,   so  wire  zwar 
ein  1.1111er  wümlö^r  auf  der   Talt,   aber  die  ^^elt  hi^tte  dieses  trsglscha 
Ereignis  nicht  einmal  bomerlct**' 

^  Sie  haben  die  lISuJEigkeit   Ihres  Naaons  nun  mehraaals  arwthnt,'* 
•at^te  üeinrldi,   '•mit  dorn  Hinweis   auf  Verwechslungen  der  Identität 
und  dargleichen,    die  Jg  unter  aolchen  ÜMstinden  r^atürliche  rweise 
hiufig  vokoüiaien  könnon.     Man  iat  i?enai3t,  sich  ant sprechende  Situa- 
tionen reizvoll  auszumalon.     Sie  \ttlrdan  oft  des  Komischen  nicht 
entbehren«  ~  Aber  uix»  ;7levial  ixßrkwtfi'^U^ar  und  uaheialichar  ist  es, 
wenn  ma  ainan  rächt   seltenen  Naaen  hat  und  th»  plOtzllch   in  völlig 
unerwarteter  i'^ei.se  begegnet«     Als  ich  «Is  junger  Journalist  bei  einer 


10 


Barllaer  Zelttin«  angestellt  war,   wrde  ich  elaea  Tages  naoh  de« 
Moablter  Oerlcht   «aisgesandt,  u«  über  einen  politischen  rrozess  zu 
berldtitent     Vor  4er  Tür  des  entsprechenden  Oerlcht soaals  ÄngekOTwen, 
fand  idi   m  laeinea  Aerger  heraus,   dass  tuin  die  Presse  misgeßchlossen 
hatte,   unter  dass  hinter  geschlossenen  Türen  verhandelt  wurde* 
Varstlaat  Über   diesea  Miserfolg  meines  Auftrages  wanderte  ich  durch 
die  lan/^en  hlss liehen  Korridors  und  wusstc  nicht  recht,   wie  loh 
Mine  Zelt  verbringen  sollte,   da  idi  nicht  fortgehen  wollte,   noch 
laner  hoffend,    dass  ich  vielleicht  doch  noch  etwas   spiter  Zutritt 


Tur 


Verhandlung  erzwingen  könnte.     Mir  kam  der  Gedanke,   adr  inzwi- 


schea  irgendein  anderes  Qerlchtver fahren  In  einem  anderem  Raum 
anzuhören.     Auf  mt  Olttok  öffnete   ich  eine  Tür,   die  z\x  einem  der 
anderen  Sile  führte,    in  dem  gerade,   wie  es   schien,    ein  Strafpro- 
zess  im  O&nge  war.     ld\  hielt   noch  beim  Eintreten  die  Klinke  der 
Türe  in  der  Hand,    als  ich  klar  und  deutlich   acn  Richter  sagen  hörte; 
♦   Der  Angeklagte  v.  S.    ist  geotflndig.    ^     loh  war  wie   in  einem  Angst- 
traum  befangen,     h'eia  erster  Impuls  war,   die  Türe  aufzureisson  und 
davonzurennen,   aber  ^gerade  wie  In  einem  Jener  Schrockonstriume 
fühlte  lA  laich  wie  im  den  Boden  gebannt,   ohne  nuch  nur  einen  Ries 
heben  ai  kOnnen.      lÄ  hatte  äas  Oeftfhl,   als  ob  eine  Eklgkeit  ver- 
gangen sei,  und  doch  konnte  es  nur  ein  kurzer  Augenblick  gewesen 
sein,   bis  ich  den  erwfhnten  Angeklagten  stoben  s^ih  —  einen  {rroseen 
robusten  Kerl,   dem  mn  wohl  ein  Vorbrechen  aiutrauen  konnte,  und  der» 
ausser  dem  Namen  —  wenigsten  bilde  ich  mir  dfes  ein  —  auch  nichts  mit 


I  I 


II 


u 


mir  gwMin  hvtt«.    Das  Uaheinaidie  dlesss  Erlebnisses  lag  ebea 
daria^  dM8   es  sich  nidit  um  SchnJidt  oder  Mayer  handelt«,  sondern 
nm  Minen  VmBa^   der  ~  soweit  mir  daisifllß  bekannt  war  —  nur  auf 
meiae  Ftttllie  beachrtnkt  war,  deren  letztes  raÄnnlichas  Mitglied 
Ich  d^^rstellte.  ^ 

Mtfi  hotte  interessiert  Hoinrlchs  Sralhlung  angehört  und  alle 
redeten  nun  lebhaft   durcheinander,   ein  Jeder  in  selnea  Erinnerungen 
nadiforaohend,   ob  nicht  auch  ihia  ein  ihaliches  Krlebnis   sich 
erei^Mt  hitte,   das  zur  allfstejaeinen  Unterhaltung  beitragen  konnte. 

^  Situationen,   die   in  ihrer  unheimlichen  ötinanung  an  Tr«unie 
erionarn,  kotiaaen  wohl  htufig  vor,    ^  sagte  Marianne.   *•  Und  sie  wirken 
umo  unheimlicher,    je  mehr  sie  sidi  einem  uns  wohlbekannten 
Traum  nShai'n,     So  batt(5  ich  oinrial  ein  JErlebnis,   bei  der:  ich  inich 
tthalidi  wie  In  vielen  Traiinen  hilflos  in  einer  völlig  unver- 
staindlldiec  Situation  befand.     Es  war  wlthrond  des  let:?^en  Krieges. 
Ich  verbrachte  einen  Teil  inoiner  yerien  an  der  Westköste  nllein 
in  elaea  recht  bek^uinten  Perlenort.     Der  Ort  war  überlaufen 
mit  BQGf2nerf7??8ton,   ^össtenteils  Angehöri !^,en  dos  in  der  NMho  sta- 
tionierten ydlitÄrs.     Ich  ffcnd  nach  einIren  Schwlerigk-eiten  eine 
aittlgermassen  freundliche  Unterkunft,  TOSste  «ber  die  \«©hlzeiten 
ausserhalb  des  Hauses  einnahmen.     So  sah  ich  wich  d^an  auch  nach 
Restaurants  und  G^stwlrtecheften  um,  versuchte,  hier  und  dort   zu 
essen,   bis  ich  auf  ein  russisches  Gasthaus  stieas,    das  »Ir  gefiel 
und  das  ausgezeichnete  Koet  hatte.     Die  Wirtin,   eine  grosso     hfllb- 
sdie  Person,   stammte  «la  der  Ukraine.     Sie  hatte  fflr  mich,  JitXL 


12 


/ 


Ich   Ja  meine  Kindheit    zu«  Teil   In  Russliüd  Terbracht  hatte, 
etwÄS  Liebes  und  Anheimelndes •     VÜt    ihren  dunklen  Hear,    in 
der  Mitte  frisch  eitel  t,    Ihrem  weisaen  und   rosigen  Ooslditp   den 
blaien  Augen  und   ihrer  üepplgkeit    erinnerte  sie  en  jene  russischen 


HolÄptrppon,   die  dfcs  Entzücken  meiner  Kinderjöhre  wtron  : 


konnte  sie   attmLich  a uf s di rtiu ben  und  fand   i!nraer  kleinere  Aus- 
gaben der  ersten,    gewöhnlich  eine  BÄuerln  darstellenden  Puppe  In 
ihrem  Innern,   sechs  oder  acht    im  Ounzen  bis   zu  der  kleinsten, 
deren  ?Hpß  nun  r:chon  nicht  niehr  erkennbor  waren»     Ihr  könnt  euch 
denken,   wie  wohl    es  mir  in  dieser  '^irtschalt   gefiel.     Bald  kam 
ich  such   ??jlt   dor  ^Virtln  ins  Cesprv^ldi  und  brachte  »tielne  wenigen 
xussischon  Brocken  hervor,   um  noch  m^^r  die   int  iipe  Atniosphfre 
m   geaiesRen»     3o  baschloss   ich  (\^im,    nachdeiu  ich   zwaimal  ^Itt^igs 
dort    pegessen  h«tte,   auch   Tieine  Abenduphlreit    in  jenem  Oasth'^us 
el nzu neh '«en#      Sa  herrschte  ein  reger   Betrieb,   nber  es   {gelang  tiIp, 
einen  Tisch   zu  .Cinden»      Eine  Kellnerin  bi-achte  rdr  zrrar  die  Speise- 
karte,   ^ber  d*^nn  Vfitinerte  -^ich   niemand  mehr  ur?  mich«      Ich  konnte, 
wie  selur  ich  ^la-i  aucli  heirjflhte,    nicht    erreichen,    bedient   zu  werden« 
Per^oaal  und  'Virtln  flberojlng  mich   gefli^gentliclist,    irgendoine 
höfliche  Kntschuldlguag  ^airmelnd,      7!unÄchst   glaubte  ich,   dößß   sie 
zu  beschifti.^    seien  iiiit   Gißten,  die   früher  gekonjmen  wraren.      Bald 
überzeugte   Ich  r^ich   aber,    d^ss   spflter  Oeko-ciene  acrtion  bedient  wui> 
ä.9n.     Dana  :Tieinte   ich,    dass  mflglicherwölse  Damen  ohn«   ^{iLeitung 
nicht  erwffnscht  wären,    aber  audi  dies  war  nicht  richtig  :    es  sassen 


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13 


Mehrere  yrauen  allain  an   ülxizöltlaolieii  und  essen.     Der  quÄleade 
Qedanke,    dass  Ich  hier  plOtzlioh  wieder  auf  eine  bösartige  Haltung 
gegaa  Judea  geetoesea  wer,   vor  der  ich  doch  eius  Deutschl^ind  ge« 
flohen  wtr,   BChiiflrte  Mr  die  Kehle  zu.      Ich  schaute  mich  um  und 
sah,   daes  unter  den  eeaenden  Oflaten  ©Ine  Anzahl  Juden  vertreten 
waren*      loh   7orsuchte  noch  umlxi^iMla,   die  Aufiaerkcankeit  der  Kell- 
nerin «uT  idch  zu  lenken  —  vergebens.     Schliesslich,   nachdem  ich 
fjköt    eine  Stunde  gewartet   und  .^öhofft   hatte,    erhob  ich  iwich  und 
ging  dem  Singftng  zu,   in  dessea  unmittelbarer  Nihe  die  ukr«inißcho 
Wirtin  ötrtnd.      Ich  vfollte  mit   ihr  sprachen,    aber  sie  wich  Lilt 
einer  undeutliche  ge^ruielten  iSntacbuldi^ng  von  ilIt  zurück  und 
Hess  aich  ohne  eine  Erklirung  ihrorsoits  hlnausGc-'hen.     Auf  der 
Staaae  fand   ich  taich  zitternd  vor  Aufre^ng,    c'enn  daa   eben  Erlebte 
katte  fliich  Jiit   äinem  Genihl  von  verwirrender   Angst   erfüllt.     Das 
UnverstÄndliche     dtr&a   yal  aiir  öin  Ooftlhl  von  Hilflosigkeit.      Ich 
konnte  in  kein  mderea  Lokal  ^ehen,   verzichtete  Äufs  Essen  und 
ging  zu  raeliau  Lo£i3   zurück.     Beiri  Betreten  des  Ki.u£es  sah  ich, 
da8£  Jkeia  Euujtherr  in  soiaeiii  Ziriiktör  sass.      Idi  stieg  ::u  meine» 
hiAUui  hinauf  und  öt^ss   »lue  Weile   i^i  Dunkeln,    aocU  imiiier  dsiiiilt  bo- 
fichöftigt,   eine  ErkMruiia  für  d^iG  ebeu  Durchlebte  zu  finden. 
Dann  Äutschloes  icli  lalch,    den  Hi-ushei'rn  zu  fr^^gen.     Er  hörte  piir 
freundlich  x\x  und  üchion  nicht   ihi  Oeriugüten  orstciint  ober  ciolnen 
Bericht.      •  Die  Russin,  •   sagte  er,    als  ich  geendet  hatte,    'hat   3le 
natürlich  aie  Deutsche  erkannt    ;   und  d»  gerade  die  Deutschen  In  ihre 
Heiisat   olngefc-llen  sind,   weigert   sie  sich,   Sie  bei  sich  zu  verköstigen.  • 


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14 


•  Aber  sl«  h»t  mich  4och  gestern  und  Torgsatern  fr'iundlich  auf- 
genoitiuen,    »  rief  Iah  aus.     «  Inrwlsohea  h»t  sl«  Ihren  Namen  erfeh- 
i\  Ihro  Scüilflsse  laraua  neroirßa,    •  entgeEnete   rein  Tlrt.»  Sie 


r«n  um 


Kötiaac  llr  Ihro  Hei  tun?  nicht  ollzuaehr  tTb-jlnahnen,  wenn  Sie  be(5?n- 
Icen  ^tts  <*.!«  Deutschen  In  Ihrer  Hsi-nst  treiben,   • 

•  Eine  (?ato  Anekdote  und  s-ut   err.iUt,"  Twlnte  Tohn»    "  «iber  elgent- 
lidi  han-lelt   ee  sich  hier  weniger  «-:  elno  Vemeohslnng  als  \m  ein 
J.'lsavarstSadkls;   ''.och  ist   -'Ic  unliclnllohe  nti-irrunc  sieher  nicht 
f«ringor,"     Er  vnd  Eu-Jolf  Pr^-lnc^n  Jich  nun  in  weltoren  Beispielen 
von  NcoBxir.  -und  Per9oneav?r^'ichrr"np;en,   die  dur-h  eine  Aflschnna: 
Ton  CrotoiikotD  iiad  Omuen  '»beafalls  ein  QefOhl  von  UnhelTBllchkelt 

erwirkton. 

Dar  Zt\xm  tobte  reitor,  und  von  Zeit   ro.  ^elt   l?vu?chte  die 
Ceißllschart  auf  den  {proosen  LÜrr.. ,  der  durch  den  endlosen  Regen 
und  das  Aechsen  der  Sauna  verursacht  wurde.     !)aa  Feuer  brnnnte 
luRtle  ii"'  rai:in.     Die  warne  r:uo.in»«!en  mit  den  ErzÄhlunRon  Hess 
eine  cpttIbso  inner'.«  Hrrsfjun^s  bei  den  einzelnen  A.nwosr.nden  7Am 
Vorschein  toir.':en,    die  nlch  in  serOteten  ^Rnf^ien  und  einer  Gewiesen 
körperlichen  Unrast  »usdrfldcte.     Nur  Sybille  -srnr  schwelpeam 
gsbliobon  und  schien  in  sich  versunken  und  r,lt   Ihren  «eignen  Qe- 
dankon  beschfffti.rrt.     Jolin,   der  sie  larL-Mr  wieder  pröfend  undauf- 
fordojnd  «uireschout  hatte,  unterbrach  ßchllensllch  die  Addern 
«dt  der  ft-ußo  -m  Sybille,  wes  efs  nohl  sei,  dwn  alo  go  sehr  be- 
schSfttst«.     Kr  lÄlnte,   sie  habe  wohl  kaum  den  Anekdoten  und 


,   <l,    •    .A-».       tS  . 


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16 


Srsihlungsn  zugehört    ;  sie  mcche  den  Siadvucki   als  ob  sie  l^loUen 
eatfernt   wie  la  einer  «äderen  Welt   sei.     *•  Dee   Ist    nur  halb  rich- 
tig," antwortete  sie  und  fögte  zögernd,  wie  5?egen  einen  Inneren 
Wldorstend  kimpfand,  hin^u  :   ••  Sure  Oeschichten  heben  mich  ^n  et- 
wHß  erinnert,  wovon  loh   nie  gesprochen  habe,    ja  nicht   eln»nl 
bitte  sprechen  können,   well  ßs   etiles   ^>o  IJnhelÄiliches  betrifft, 
dar.   nicht  nur  r^n  fiine  verüb  er  f^e  gar  frene  Situotion  freheftet   Ist, 
sondern  fortdauert  und  wohl   nie  aufgehoben  werden  k&nn»      Ihr  hebt 
In  »11   Rhiren  Erlebnissen  Iraner  wieder   das  Uaheimllche  von  Verwechs- 
lung der  Idantltflt   oder  von  Msveratindnia^en  in  den  Vordergrund 
geschoben,   aber   das  UnJieiraliche,    das   ich  meino,   hot  »it   dem 
Gegenteil  tu  tua,   r^it   der  Ir1entitf!tslogl/;^keit,   die  nie   euf(^ekTffrt 
worden   ist  und   nie  aufgeklart   werden  kann.      Des  Grotesk-Konische 
fehlt   diese«  Erleben  volkorrimen   ;   es  w^r  uiid  wird   insier  nur  furcht- 
bar und   fi^röuenh«ft    bleiben  und  kann  dtru»  «ucb  nicht    in  Einzelheiten 
erzihlt   werden« 

^  Ihr  h'>bt   Euch   oft   gewundert,**  fuhr  sie  fort,    iiich   cn  ihre 
Freudde  sendend,   •*  *.v«ru^  loh  Tdch   roToi-^ort   h«be,    .1e  wieder  nach 
Dsutsdil'iind  —  selbst   auf  ^Inen  kiarzen  Besuch  —  zu  iflck  zu  kehren; 
Ja,    dns.*=^    Ich    sn  no/ror  ablehnte,    üeut«?che,    die  nnch  '^S!«  Yviopt 
in  die  Vereinigten  Staaten  knnceüi    kennen^sulernen  oder  bei   »nir 
zu  begrüssea,      Ic^i   hoffe  "^  säurte  p1»   ,   sich  v,n  Herrn  Möller  wen- 
dend,  "  unser  O^at  wird,   w?^8   Ich  ^nfre  nicht  tfbelnehron,   dn  nr 
ja  schon  Isn^-e  J«hre  in  diese«  Lende  lebt  und  nlso  nicht   ^It 
eingeschlossen  ist    In  jene  Gruppe,      Ihr  habt  air  sogar  klein- 


I  I 


16 


llchk#it,   Rachsucht  uad  dl«  üaflhlf*oit,   zu  vergeben,  vorgewor- 

fen,     Abe^  es   ist   eher  dss  Oeftihl  diesee  stindlg  Unhelallchen, 
des  mida.  au  dieser  Haltung  zw  lagt.     0U|   yruriaxuiei    erinndrst  Dich 

V    ^-  *  - 

vlelleldit  noch   an  eine  I\ütsch Hierin  aus  unserer  Gyianasialzait, 
BaUa  B.,   die   sloh   trauriger* :laa  nach  kurzer  Oeisteskrankhöit 
umbrachte«     Wir  v?ar«a  bafreiindot   ^o^^es^a,   und  ich  hatte  sie  zu 
Bee5i nn  ihrer  Erkrankung  fiud;  hfufl«  besucht.      Sie   Litt   daaala 
scjhon  an  allen  »äglichen  A'^ng>^ten.     Äimaal   gingen  \^iv  im  Park 
spazidran,  und   ^ils  wir  uns   ela»w  kleinen  Taicb   rillhorten,   lief 
9l0  plötzlioii   laut   schreiend   da/on*      Ich  folgte  ihr  nrA  fttM  aie, 
von  Qrouen  iienoii üttelt,  Jiinter  einoia  3i*im  versteckt,   .itöhon. 
3ia  hatte  ihr  Ge?9icht   -alt  don  HUndon  bedeckt,    und  ich  konnte 
:w nächst  nicht   verstehen,   was  sie  in  «»b^ehacktan   Vortea  hervor- 
otless.     Alln^hlich  wurde  e3  iüir  klar,    daae  ÄAüst  und  >Absch:4U 
-?ie  von  deü  Teich  we':?g9triab6a  hutten,  weil  wie  Fi-ödche   in  dea 
Wasser  verisatete  und  TÖrchtete,   dass   sicj  -m  achreioa  auX^ini^on 
wtlrdea»     Nadidem  sie  sich  etwas  beruhigt  h^1;t^,   er^fihit^  3ia  .Bir. 
dass   3ie  öLs   kleines   iJläohen  öianifid   Knaben  beobachtet  hatte, 
die  aus  Lust   Fröscae  «ui'geblassn  und  -zum  ilötzen  ipäbr^iciit  ulttten. 
Das  Oerlusch   sei   ihr  noch   iaazier  gogonwfertig,   und  die  kÜGliöh- 
kelt,    Fröeorie  zu   sahen  oder   zu  hören,    brachte  das  gan'-^e  grk^uöa- 
harte  Krlfäbniß   ihr  v;ieder  so   nahe,    aie  ob  eö   ^.erada  gcschiiLe. 
Danalö  erkannte   ich  wohl  dus  Kranldiaite  in   BollJä,   war  t^bor 
nidit   fihig,   düB  Unheimliche,   das  sie  anscheinend  erifcbte. 


17 


caehzufühlaa«     Heute  jedoch  weisa   ich  aus  Elganemi   was  sie  emp» 
fuadaa  hsbsn  rmiss«** 

Sie  schwieg  eine  ^eile,   qIs  sdhOpfte  sie  Kraft»   um  weiter- 
wisprechen.     In  Ihrer  Stimme  kleng  uaterdröckte  Erregung,   als 
sie  fbrtfuhr.      "   Ich  iiusnte  Tihrt^nd  der  Hltlerzeit   elniral  hilflos 
zusehen,  als   ein  alt  er  schwacher  Jude  von  ei  neu  Stum-Staffel 
Ifenn  erdrosselt  wurde.     Hs  waren  etwa  fönf^ip;  SS  Imjte  zugegen, 
die   in  Ihren  schwarzen  Uni forraen  eine  rmiq  gleiche  schwarze 
Masse  bildeten«     Dot Jenire,    d«^r  die  Tat  be^la^f^,   war  nur  eine 
Gleicher  ^jnter  allen  andern  und  hatte  kein  OeRicht  und  kein^-jn  Kamen; 
Tielleicht  ist   ar  ^oslchtloa  gebliob^n,   weil  wir  alle  nur  auf 
seine  Hlnde  starrten«     Das  war  das  Einzl^ye,   das  sich  heraushob; 
weisse»   /zrosse  Hlnde  lalt   krÄrtip;en,   an  den  Snden  viereckigen 
Fln/^ern.     Seine  /^ernael  waren  2urf!cli:ic^aglitten  und  aian  sah  'fider- 
lieh  breite  Handf^elenke;   das  rechte  hatt^  ein  aoltaames  brennend 
rotes,  Spianenförmi^s    >lal«     Das  ist  des  Sin^üige,   das  ich  von 
dem  JiSSrdar  im  CJer^lchtnis  behalten  habo  ~  nichts  anderes.     Sonßt 
war  er  nur  ein  idonti  tatslos  er  Teil  einer  c^leichfömdgen  schwär^ 
zen  L!asse»     KOnnt   Ihr  nun  begreifen,  dass  ich  nicht  zurflckgehen 
kann  ?     Msste  ich  nicht    ledesnunl,   wenn  ich  einem  Frenden  bep:eg- 
nete,  denken,   dass  dieser  der  Mörder  sei   ?     Könnte  ich  irgend- 
einen? wohl  die  Hand   schütteln  ?     Kann  main  denn  verlangen,   dass 
er  zuerst   sein  rechtes  Handgelenk  entblösst    ?'* 

Sie  Hörte  auf,    zu  sprechen,   und  die  Andern  wagten  kau», 
sie  anzuschauen,   aus   Furcht,  dass  ihre  sonst  so  beherrschten 


I  I 


18 


zage  die  quÄl volle  iSrregiiQ/?  der  Stlaa»  widerspiegeln  würde. 
In  dorn  gespannten  Schweigen  hörte  sniia  nieder  deutlicher 


tes  Toben  des  3turnc?.     Des  Teuer 


ßm  ErlOfJchfta,    abor  d^^s 


ZisäüßT  mr  BOhwöl.     Die  'tBrwe  und  die  «nstran^enden  Erli^bnir'?« 
dea  Tages  rachtwa  fslch  wohl  nun  hei  dem  Fremden  borerkber.      Sr 
B9BQ  unbeweglich,    mit   h^^lbftJ^chlo.v.st^nrjn  Auvon,    r^nrC rk/^elehnt  da. 
Ein  sAwoches  Lflcheln  Bpl«lte  ua;  ceine  ^^mdwinkel,    dl«  wie   Im 
Sdilef  et'^i\s  ßahlaff  und  loee  erf^chienen.      Die  Jzcke^   f^ie  ih» 
nicht   recht  p«inHte,  wer  sreOffnet,   die   Aroie  iRgen  ftuf  den  Seiton- 
lehnen den  SeöoelB.     Sein  Auesehen  w«r  ümß  einen  LCenechen,    der, 
von  ^tldirkelt   flberwiltifrt»    nicht  ^^^hr  r^.«a  '^ll  Ten  eufbrir.Tt»   die 
ünordrmnf:  ßeiner  Br^cheiaung  zii   behebet.      Er  schien  rls  h^tto 
er  nur  wie  Ton  vf eitern  den  Inhalt  von  Sybilles  ^^orteo  vornonwen. 
2r  setzte  nich    Jedoch  plOt7lich   ruckertlf  »m^   '^toif  ?mf  ;   ob;Tlf5ich 
seine  Augen  noch   l^n^ier  von  d.Gn   Lidern  halb  bedockt   v;t.ron,  r-^r 
sein  Blick  nber  rch^rf  und  ivj'ch^eE  ^^^wor^ion.      Das  Lfch<?ln   var 
völlir:   vegfrewischt«      Mit  bc^er'ter  Stiw'^ie,    -^ie  helF^r  vor  Tr- 
rogung  klan/^j    neßte  rxr,    sich  '^n  nieT.enden  im  ^'^aondcren  sendend: 
^  "^^Hs  fOr  n^erkwtlrdi.c?  peialicho   Zufille   in  der  ^alt    ^eschehe?.n    ! 
Ist   er.   nicht    renn^,  MQllei*  txi  helsp^n,    ein  Mf^nje,    der  einen  Vc. u?c 
ldantifl7.ieren  kann  ?     ^4lS8  oßn  ruch  noch  des  ISin^ire,   \tk5  Ich 
so  vOllie'^  ?l9  i?ir  eirentfl^ilich   ?  nrf?rehen  h'^be  -  ein  Mal  von  be- 
sonderer Ferbe  und  Tornvi  en  einer  r;9^T  beson^  *ren  Stelle  des 
Körpern  —  mübs  dieses  Ifel  n^ui  tuch  noch  zu   JeTcnden  andern 


frebOren 


<^n«  so  ^^le  ^^  der  Herr  v.S.  "»it  selneiR  Namen  'triebt 


hat,   dauwln    üa  Oarichtssaal» 


19 


Nur  wmr  ee  einfach   fflr  Herrn  v.S#  slcjh  und  andora  zu  fceweison, 
dasa   er  nicht  der  Verbrecher  wtr,   dt  doch  dieser  lebenüig  und 
allen  sichtbar  in  eigener  Oeetalt  dort  sestätoden  istV     Hior,^* 
rief  er  bitter  tfua»   indeit  er  «einen  rechten  äeri^iel  zurück- 
fitraiftö  und   ein  br&ndrotos   Q\>iimeaS!(icaiiß3B  lHnl  an  seine»  brei« 
ten  HÄndßelenk  oatbWcate,    "     hier,  sehen  Sie  dies  en  und  sag^n 
Sie  wir,  wie  ich.  ciieöea  ßpukhaften  Zufall   erklai^en,  wie  ich  Sie 
devoü  überz^iugea  k&un,    duss   ich  nicht   jüiicr     Andere  bin  l   •• 

WaOiründ  die  Freunde  «Jurdi  cUqsö  JäIiq  Enthüllung  dar  Sprache 
beraubt   ihn  ensterrteu,    sprang  der  frejidö  euT  und  rannte,   ohne 
6ich   noch  elniu^-l   OÄra^cUauen,    iuö   Jen  Ziib^iier.      Die  besltlrrte 
Zurücki^ebliebeAen  hörten  ihn  die  Tür  zu  selne^a  ei^-^enem  ]Raua  zu- 
odil^gen» 

Rudolf  hatte  eine  h«lbe  "Yendunc  geaacht,   alß  wolle  er   len 
Dövünetlenden  aufiiaiten  ;    3t?Attdea  liess   er  öldi  aber  schwer 
in  einen  Sessel  fallan  und  stdi  fast  ratlos   zu  Sybille  hinüber, 
Sie   ötoiiid  aiit    beiden  Mnden  auf  eino  Stulilluline  fjescötzt,   ols 
w9re  sie  in  Ooiahr,   niiaerzusiniien.      luxo  03dt^.lt  :^chien  pldtz- 
lidi   7ur  Qr^ase  eines  Kindes   ::es ;:hrun:pft ,    ihr  G^aloht  klein  und 
weiss   und  Y.>a  luutlos*a]  Weinen  Yerzo:.en*      John,    der  neben   ihr 
stsind  z'/an^j  sie  attaft,    sich  nieder  zu  setren,     H©i;n:'ich  und 
lABrianne  aassjn  dicht  i^aeink^ndergertfckt,   als  nuchten  «i«  .^o 
Hchutz  (iegen  oine  drohende  Cerahr« 


7ie  kann  no  öt?/*3  möglich  sein''  Bi^e  aari«n.iß,'Vao  soll  i 


r.t 


mm  tun?  Oibt   es  öololie  Zuffllle  oder  ist   es  öpiegelfechterei?  Du 


I  I 


eo 


Baisflt  öS  doch  wissen,  Rudolf,   ob  aln  solches  Splgl  '5er  !<?«tur  vor- 
koxftefl  kenn  ~  eir.  solches  M«l  bei  zwei  verßcbledsaöG  ^feaschea  l^ 

Rudolf  achlea   sioh  ,7e8aii.f*elt   zu  heb«n»   Er  rlas  7U  Syblllo, 
bcuf^te  ulch   zu   lUr  nieder  uaä  lrt!.«>^te  saaft  dag  H»B«r  der  ?!rclnf^nd(5n# 

^  ^ix  Älcsea  /ilcht  elricail,^  eogto  3r  mit   beherrschter  Stimme, 
•'  ob  -Meeee  ürt  A'lrkllcl::   idonticch  3;it   iOTJeoifen  i^it,    ds»  »r:alna 
FrfD  vor  £»0  viriler)  Tnbi'or]  wAbr^-ad  olr.^f  pchrncVlirhen  Auc^enblldra 
7i\   oehon  cA'VJbte,      Eb  int   eine  h*s«llche  Sltiu^tioa  ftfr  uns  eile, 
botjoriflors  i'bw  Itlr  Fr>rm  ^^tJlTrr,   wer  I^raer  ar  irlrlclich  ?eln  mm^."* 

'Tu  Vfc*r3ioiae.'it   eine  Act  von    ru  febon   .:uf  Msrla.ines  ?rÄ??e  •*  «Jftrto 
ilfilxiricli   .inv'.t  hoitic  **abnv  wir  icheint,   d:>3G  ilccsr  H?rr  !«lller 
eine  aj   r.d-.nollfJ  Ant?iort   bereit  h^tts  —  ner  h? t   ihn  denn  üherhnipt 
^^jjoboton,    uns  r^etii  r^CriL   :',u  r.ols^a —  h'-tta  --.r  \ritsll3f.  cht   Aa^nt,   d-!r>3 
idn<3i   70IJ  Uiia   tdö  :locii  Sv:hon  vorhe^r  orsp2ht   hattr.  ?     Vielleicht   hsit 
Sybilla  or  v/irklich  vorhej*  jr^r^hen,    j.'If>   --r  noch  nicht   so  auf  -^.Giner 
Hut   m^Tf   vielleicht   ist    dadurch  Überhaupt  die  schreckliche  5ria« 
aaruiig  ia  Dir  wieder  wocbc;oixifftn  Kordon,   wSybilla,   ohne  dir^i  Du  Dir 
Ober  Jen  OriKid  fiechr^nschoft   ßes&toa  hr^pt.   TJain   Rudolf,'*  wandte  er 
sicü  wieder  ralt   erosßer  Ärro-maß  an  don  7*ri>A]nd   "ivir  ]iÖaM£i  uns 
nicht    »^frieden  ^rebe.a  mit   der  Zuf'-iiltheorie,  wir  rtflsMen  wif?r^en, 
wen  A'ir  :Jer  beho. rbarp.en  2   " 

**  Und  ^7ia   ^erdan  ^vir  das     bowertet^^lll^ren  können,    r^in  flrmind?^ 
fr«^a  Rudolf  ""  Sybille  k-^in  f'ich,  ^A^le  de  selbst  uns  er^Shltö,   an 
kf5la^  indirluallen  rCLc^e  d'jß  .'58rd'?r8  erlaiovn,   nur  an  dac  Bhl,    das  sie 


I  I 


aur  9ia«n  kurzen  Augeübllck  unter  ©ntsi9t«llch  «ufreRandsn  nad  eiw 
echatteraden  U«atiDd«a  ^eaehea  hat.     Sicher  kann  porade  «ine  solche 
OeaQtserreguag  die  31nne  aufa   Aeugsrtrnt»  sch«Irf«n,   aber  es  kena 
«ich  *B  0«ßenteil   .'»intreten;    es  können  Dinge  /resehen  werden,    die 
nicht   elnm«!  Torhsnien  "Ind,   oder  des   Bild  k^on  entstellt    1»  Qedlcht 
nie  bleiben  -  all  das  wissen  wir.     Kein  Richter  könüte  Sybilles 
^Iwsfenousfloxje    Ua  bindend  ^jnsehen,    nelb-t   wenn  er  persönlich 


von 


Ihrer  Rid\tl{3:kelt  voll  Ober^-ur^t  wii'e." Sybille  hatte  ihrsa 

Kopf  an  Rudolfa  Brust   3:el«hnt;   3ie   »einto  nicht  xähr.     Sie  ssfte 
nlt  -sOder  Rtitrte  :    "Ich  h'tta  w-jitsr  sch'.voi,ian  sollen;   ich  iralas 
nicht  warum  ich    »Ich  heut's  h«be  verleiten  lassen,  Aber  den  Albdruck 
w  sprechen.      Ss   ist  wie  ich  g«««Gt  hf;be,   m»n  knna  nie  wlcßen,   w<i« 
ma     die  Hand  fl;ibt,   seibot  vveiin  der  Betreffende  kein  ivid  rm  EaaiU 
gelenk  hat   J" 

John  hatte  sich   bisher  an  dorn  Oeoprffch   nicht   beteilijat.     Sein 
Gesicht  wer  mjBdmcksloe.,    ffist  me8kenh».ft   gevorden.     Er  echitn 
sidi   auf  das   POlloa  und   Anjvflnden  seiner  Pfeife  zu  konzentrieren 
In  einer  ßßwlssea  pedantischen  Art,   die  seinen  Freuaden  gewöhnlich 
ein  Zeichen  war,    dass  John  versuchte,    seine  »"urcreref^en  OfPhle  und  Cs 
Oedsnken  ni  beherrschen.     Die  Pfeife  zwischen  den  ZShnen  haltend 
brachte  er  schliesslich  trocken  hervor   :"  Wenn  Ich  Richter  wlre, 
wOrde  ich   mich  E^m  urd  vfllllg  atif  Hybllles  Oedfchtnls  vorlsssen 
und  wfirde  eher  das  Wahrscheinliche  «Is   das  Unwehrschelnllche  ,   neu- 
lich dass  es  nur  ein  nolches   Mal  und  nur  bei   eine»!  deutschen  N*7l  gibt. 


I     § 


82 


r>u,   Ruiolf,    bist  toleraat   und  welfle  und  ein  '^ifisenscheftler  -  ntncb- 
r«l   bin  Ich  uelnsw  Sdiickflal  dankbar,    dcaB   Ich  nlchto  von  nlledca  bln# 

*♦  Wie  dmm  «idi  5  ei    "   uiitwortete  Rudolf  ••  v:ir  können  nur  hof- 
fon,   dase   d«r  Stu»  Ror^ea  vorüber  Ist,    und  dcgß  vrir  llegon  Jtoin 
90   ßdinoil  v7io  mö/?iich  los  verä^ea.     Ür  wird  solbft  datni  sehen, 
bei   (ior  orsten  !iP53lich«n  O^-^le^enhelt   '^bnjfnhren,    ietsen  bin  Ich 
slü^iör.     Sybille,   Du  bist    vöUlf  erochöp-^t,    und  nuch  ^Ir  andern 
3ini   sotir  Tit'^^^-aoT-ten;   Tilr  klfinen  wirklich  1t  AUv'^,oabllck  keine 
LÖTiriß  -fincle.!;    lariir:'  ßahlni/r  ich  "'^ir,    dr^.SG  '71  r  unn  Turflckzl'^hen* 
Alt^o,    -^t?»  *fic'.it**'     •!!::  n?3hro  Sybillen   ^^xro  und  führto  sie  zärtlich 
«18  de»  ?lTjrer  h-^r^'us» 

Heinrich   l^'^^ts  lohn  {li<^  Hand  9-jf  ile  Schultor  und  verlie.gs 
dann  obanfalls  .'J.t    'v'irianne    lf?n  IV.um,     t^^dolf  '7?ir  ^r>  .^crltJckt 
Sy'oiilo  zu  übQrredoa,   (^Iti  Schlbf^^ittal   zu  oehjnen,     Sie  Hctto 
.«ilch   2"anff cfcst    da^sjcijoa  r/.ei^t  rlubt   da  «=5i3   nicht   t>ewohnt  '/:cr,    ^ich 
nacnzugeben,    und  d«  .''ile  glau^'^tGt    dßfls  sie  3lch  zusarirnnn  aohson 
rö533te,    ^xt  Rudolf  Leid  'na   erspairen.      Aber  G©iao  beruh! :T:'^nd*n 
Worte  hatten  sio  davon  ebor7'^u,^,    dr.8s  auch  er  bonsor  ruhen  kOnnte, 
worin  sie  sich  den  ochl&f  erlaubte.      Kr  .:?aas  bsl   ihr  Mo  rle  ein- 
föochlafen  w<?r»      3oinft  Oed'inken   .^ar^^n  frlt   Ihr     beschtfti^-^,   die 
Ihn  r!0   ßelh*2tv*.rc!tl^ndlich  noch  gewesen  war  in  den  langen  Jähren 
Ihror  Eiie. 

J(!?t2t   sclilan  en   Ihr.  ^mt  einrael,    dasG  er  sie  Y'^um  kinnte. 


Sie  hatte  dos   oat??et?!:llcbe  Erlr^bnln  nilt  do»  alten  lud  an  Ihra  nie 


23 


erzthlt.     Er  hatte  nie  von  Bella  B.  gehört.     ]\*iri?inne  misste  'nehr 
von  der  Versan^nheit   seiner  Frau  als   sr.      Er  hatte  es  nie  recht 
ertr'L'gen  kOnüen,   W'3na  Sybille  von  jenen  Zeiten  sprach,    in  denen 
©r  noch   nicht    ihr  Leben  teilte*      Sr  war  ein  ungeduldiger  Zuhörer 
und  entschuldi^^te  seine  Ungeduld  mit   i^ngel   an  7eit.     Hingegen 
war  Sybille   irimer  bereit,    zuzuhören,   wenn  er  ihr  seine  Ideen 
vortrug  oder  seine  Arbeiten  vorlas.     Allzu  persönliche  Mitteilun- 
gen waren  ihin  selbst   bei  den  ihm  nöchst   stehenden  Manschen  pein- 
lich.    Er  hotte  die  tiefe  Ueberzeup^ung,    dass  man  nur  schweigend 
seine  nienschliche  ^Ürde  bev?ahren  konnte;   deswegen  hatte  er  auch 
nie  Sybille  er:mitigt   ihm  von  Erlebnissen  zu  erzShlen,   die  sie 
mnchmal  wie  fragend  anzudeuten  schien.     Jetzt  war  er  erschöttert 
in  der  plötzlichen  Erkenntnis  der  ^^«  Einsamkeit   seiner  Freu,   die 
all  die  Jahre  die  Leiden  der  Verg^ngenlieit   allein  getragen  hatte. 
Kinder  \md  junge  Midchen  erlebten  Dinge,    die   zu  schwer  für  sie  waren. 

Er  schÄnite  sich  seiner  Selbstsucht.      /\ls   Sybille  fest   schlief, 
verliess   er  leise  das   Zimmer  und   ging  in  sein  Arbeitszimmer  hin- 
über.    Seine  leisen  Schritte  .vurden  doch  von  Marianne  gehört, 
die   angestrengt   lauschend  in  ihren  Bett   lag.     Sie  bemtlhte  sich 
den  LÄrm  des  Sturmes   aus   ihren  Ohren     auszuhalten,   um  heraus  zu- 
finden»  ob  Heinrich  ruhig  schlief.      Er  h'itte  nicht  über  die  Ge- 
schehnisse des   Abends  sprechen  wollen,   und  Ikbrianne  befürchtete 
eine  schwere  Oaaifltserschütterung  bei  dem  übersensitiven  erreg- 
baren Heinrich,    der  nie  mit   seinen  Erlebnissen  im  Konzentrat ions- 


-l&ger  und  ia  Spöixien  fertig  getordoa  trcr»     Sie  salbst  ^ar  genei^, 
sich  Rudolfs  Staadpur^lrt   zu  uigea  zu  aachea,    itas  litn  eicht  zu 
eiae»  •ad.'^Oiti.ren  Entöchluss  über  dea  yremdeü  ko  .cec  dürft:?, 
sol^^-ngei  i-iucL  dor  i^erla^ste  Zweifel  b^stsnd,   d^^ßs  ex«  der  vcn 
Cyblllt  beschriebe at  gcßlchtr^losc  ilöi^dor  v/er»      Dire^  CSiriraktor 


öcrx'eß,   versuchte  rie  cci*t  eir.e  fMixstir.^re  Antwoit   i?lner  JV^i 


ge 


aii:uacL-j:xii,   v;o  aoact     lAt  cii:o-\  unertivf glichen,  unlOcbarer:  Tilei*. 
nvi  trccciitlbc^'  ,::öi.teact:'*  v;Crrc,     Sie  hett?  iLCier  vürfruc'it,   Problei?^» 
uir  :*i6'gliciict   eiafrciio  Keaaer  zurtlckzuTtüu^ea,   od'-r  ^ie  aur  dana 
T-lrklich  aa:iUü.'l:oxinoa,    .voa^  uia     p**'i^^^«^^-li^-i'-ü   3iacxeif.:>n  .-»ia« 
Aeadcruag  hurbf!i:2uf(llir-a  vsrs-rach.     Disae  pr3niyc!ho  f-eit-i;  ihror 
Natar  v;ur  :i^ir  r^larich   .;ia  ;2r->süor  Segoa  .'::;ü"?esen*     Sio  h  tto 
iJui  uuß   Deutr.cl:l:  at^  <!;erett'Jt   uacl   ihre  b;j.'uhi;>^ai3  Gyfjea/^^rt 
»Xt3t*i  iha  ira^ner  7üa  Noueu  juq  aöiüOü  iit»uri,^3a  Aa,^sttrö'^'vea, 
bei  doaoa  cc   ^üiciiüliea  l:üaa':.5,   dase  c;r  :  us  dö^ti  Bett  'sttirtzto 
uad  nocli  03geai.it/iodea  wlft  Lcwnpc  odor    Stuhl  griff,   uin  sie  ciaa« 
variielatiichoa  aagx-alfcr  oatso{>en'/.u3d:l'3ud'jra*     2?  tct  nicht 
iiaiTier  löicät,    iha  d^voa  ab2uh::lt sa  urid  iaa  gtirj»  7x\  weckea, 
Sio  Ig-:^  nua  und  .:oroi:te  vvi   ^eti  Stuim  wnd  ouf  eile  0'£rflusche 
im  5iobea?iia.:iar,    ia  dt«  Rijinrich  scrdief.     Sie  bfJrt^i  Johas  r>cbritte 
m  ijaror  3tuoo  voroijÄcohoa  und  dachte;   ♦♦  sr.:} t  John,   Du  bist 
bl9   Jatiit   r.  11  ein  ia  Tonazin-aer  ,;uw;?r.^n;    *Ju  ;^orr?.t   Dich,    ohne 
das  '^3cht   zu  lu^boa,    Dica  .ra  t^ox'^rßam'^ 

Joha  iiatte  noinö  Pfoifn  5:uaatio  ,'>3-r.äuclit  und  diim  '?i3  .jo- 
(loa  .i.^aad  sor.jsfj.ii  in  ^irorjcr  Ordauag  .'5äL:acht,    "^n'jdt   3ybille  ra 


25 


Atfchsten  Morgen  von  einem  sauberen  freundlichen  Reu«  begrOsst 
wflrdei   enstett  kelte  Asche  und  schimitzlge  Qlteer  Torxuflnden. 
Heute  hette  er  besonders  lange  Zelt  demit  yerbrecht,   die  Aschen« 
beoher  su  leeren  und  die  Oliser  zu  spfllen«     Er  mschte  sich  aller- 
lei Oeechift,   bis  er  schliesslich  nichts  mehr  finden  konnte,    das 
ihm  Orund  gab,  das  Verlassen  des  WohnzlBuners  hinauszuschieben« 
Sr  ging  in  sein  Zinaer  und  setzte  sich  im  Dunkeln  ans  Fenster« 
Draussen  war  es  pechschwarz«     Zu  John  besonderen  Gaben  gehOrte 
ein  visuelles  Vorstellungsvermögen,   das  seiner  schriftstelleri- 
sehen  Titigkeit  sehr  su  Oute  kam«     Aber  diese  Gabe  wurde  zur 
^al,  wenn  er,   wie  bei  Sybilles  Erzihlung,    alle  Geschehnisse 
deutlich  vor  sich  sah«     Was  andern  Worte  waren,   musste  er  bildlich 
erleben«     Jedes  neue  Erlebnis  dieser  Art  wurde  noch  von  verganenen 
verstirckt,   die  sich  ihm  mit  aller  Frische  wieder  vor  Augen  brach- 
ten«    Gewöhnlich  konnte  er  sich  von  diesen  Erinnerungen  nur  durch 
eine  Tat  befreien,    sei  es  in  Wirklichkeit   o«er  in  einem  Roman« 
Am  meisten  quilte  ihn  die  iinmer  wieder  auftauchende  Erinnerung 
an  die  kleine  Sarah« 

Der  Sturm  heulte  die  ganze  Nacht«      Das  Getöse  von  Wind  und 
Regen  war  so  laut  geworden»   dass  es  unmöglich  war,    irgendwelche 
andern  Oeriusche  Innerhalb  oder  ausserhalb  des  Hauses  «it  Sicher- 
heit  zu  unterscheident  hitte  sich  irgendjemand  auch  noch  so  darum 


bem&ht« 

Am  nichsten  Morgen  Jedoch  grüsste  ein  tiefblauer  Himmel 
das  vom  Regen  leuchtende  Grfln,     Die  Sonne  strahlte;  der  Wind  hatte 
sich  völlig  gelegt  und  das  Wasser  hatte  seine  Idttelmeerfarbe 
wieder«     Nur  die  Möwen  flogen  noch  unruhig  und  tngstlich  umher 
und  kreischten  einander  laute  Warnungsrufe  zu« 


26 


Sybille  war  trotz  das  Schlafmittels  frflh  aufgeatandoa«     Das 
Trabst ttck  stand  schon  berreiti    als  sich  die  andern    Hausf^enosssn 
wie  jeden  Morgen  seit  ig  auf  dor  Veranda  einfanden»     Aber  in  Oegen^ 
satz  2u  andern  Mor(j;en  herrschte  eine  dUatere  und  bedrOokte  Stia- 
iming»     Vo«  Fremden  war  nichts  zu  sehen  und  niemand  wagte  die  lei» 
dige  Trage  nach  seinea  Verbleiben  zu  stellen«     Sybille  sagte  wie 
£^leichgaitig:   **  Seine  Sachen,   die  er  gestern  zua  TrAcknen  aufge- 
hingt  hat,   sind  noch  in  der  Kflche«^     Damit  war  das  Schweigen 
gebrochen  und  man  redete  durcheinander,  i^Terlich  atachte  aan  des 
Treaden  Vorwurfe,   dass  er  nicht  schon  die  Insel  verlassen  habe« 
Vielleicht  habe  ar  über  in  frenden  Kleidern  das  ^eite  gesucht« 
Das  würde  wohl  zu  seinem  Charakter  passen  }     Eigentlich  wollte 
aber  nieoand  wirklich  die  Antwort  auf  diese  Trage  herausfinden« 
Der  ungebetene  Gast  aochte  wohl  noch  in  seinexs  Zinmer  sein  und 
sich  nicht  heraustrauen«     Schliesslich  beschloss  Rudolf  der 
peinlichen  Situation  ein  Ende  zu  machen  und  nach  Herrn  Iflller 
au  sehen«     Er  kam  bestflrzt  nach  ein  paar  Minuten  zurück  und  be« 
richtete,   dass  das  OastziosBer  leer  sei  und  das  Bett  unberOhrt« 

Auf  der  ganzen  Insel  war  keine  Spur  von  deia  Wremdea  zu 
finden«     In  der  kleinen  Bucht,  die  als  B[afen  diente,   lag  ein 
iweites  Boot,   wohl  befestigt,  wie  Herr  UBller  es  ihnen  beschrieben 
hatte«     Es  war  nur  leicht   beschltdigt  und  wiegte  sich  sanft  auf 
den  Wellen  der  einst rOaenden  Flut  hin  und  her« 

Anfang  September  wurde  eine  aiinnliche  Leiche  in  einer  der 
Tielen  Buchten  an  der  Küste  von  Uaine  engesohweut«     Der  Ertrun- 
kene iDUSste  mindestens  zwei  bis  drei  Wochen  im  Wasser  getrieben 
worden  sein«     Seine  T^flge  waren  nicht  erkennbar,   in  seiner  Kleidung 


find  man  keinerlei  Papiere« 


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Dis  K.^Si   dla     das  Verschwlndon  das  Frsaden  sofort  dsr 
Follzsl  gsBsldat  hsttsa»  wurden  suf gsfordtrt »  die  Laiche  zweoks 
Idejztlflilerung  zu  best  cht  Igen*     Aber  salbst  Rudolfs  geübt  an  Auge 
war  es  uiuitfglioh,   festzustellen!   ob  der  Tote  Jener  Fronde  war» 
der  auf  so  draaatische  ff  eise  auf  Ihrer  Insel  erschienen  und  von 
dort   verschwunden  war«      FQsse  und  Hinde  des  Ertrunkenen  waren  so 
zerrissen  und  verletzt»   dass  aan  keinerlei  Mal  mehr  bitte  erkexmen 
kflnnen«     Die  OrOsse  und  Breite  der  HInde,     wie  fiberhaupt  der 
Bau  des  Skelets»   das  ungefihre  Alter  des  Ntonnes  und  der  Rest  der 
zerfetzten  Kleidung  bitten  wohl  auf  Herrn  MOller  gepasst»   aber 
■It   irgendeiner  Sicherheit  konnte  mmn  keine  Identifizierung  rop- 
nehJBsn*     Auch  in  den  bei  den  K.  *8  zurflckgelassenen  ELeidungs» 
stocken  waren  weder  Markzeichen  noch  persönliche  Dokumente  ge« 
funden  worden»    die  ein  Fragezeichen  fttr  das  Woher  des  fremden 
bitten  geben  kOnnen*     Alle  Beallhen  der  Polizei  eine  Firma  zu 


erruieren«   die  einen  Ingenieur  pltftzlich  auf  ungeklirte  Welse 
verloren  hatte»   waren  erfolglos   geblieben«     Niemand  schien  einen 
Uann  zu  vermiessen»   der  ein  so  auffallendes  spinnenfOrmiges»  rotes 
Mil  am  Handgelenk  hatte»   ein  Deutscher  war  und  angeblich  MBller 
hiess« 


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gla-3äaa^ 


Da  Sassen  sie  nun  alle  In  der  ländlichen  y.'ohnstube  vor 
dem  Kcoflinfeuer,  lauschten  halb-bewusst  auf  das  wilde  Toben 
des  Sturms  und  das  Geräusch  des  mächtig  herabstürzenden  Regens 
und  fühlten  sich  sicher  und  geborgen.  Es  waren  ihrer  fünf,  die 
in  dem  alten  Farinhaus  auf  der  kleinen  Insel  beisomiuen  waren. 
Die  Besitzer  von  lusel  und  Haus,  Rudolf  und  Sybille  K.,  hat- 
ten auf  einer  ihrer  Somoierreisen  diesen  Schatz  mitten  in  der 
Penobscot  Bay  in  Maine  entdeckt  \ind  sich  so  völlig  angezogen, 
ja  verzaubert  gefunden,  dass  sie  ohne  viel  Ueberlegen  den  ge- 
foruerten  Preis  gezahlt  hatten.  Sie  machten  sich  auch  sofort 
daran,  die  durch  das  Alter  verursachten  Schäden  des  Hauses 
auszubessern.  Sie  Hessen  den  Brunnen  erweitern,  der  frisches 
Quellwasser  für  das  Haus  lieferte  und  Hessen  sich  eine  klein« 
Turbine  schicken,  die  sie  mit  Elektrizität  versorgte,  '>vas  nicht 
nur  stetiges  Licht  versprach,  sondern  dazu  noch  den  Luxus  eines 
Grammophons  ermöglichte.  Die  Insel  selbst  reichte  etwa  eine  Mei- 
le in  allen  Himmelsrichtungen.  Sie  war  felsig,  mit  Nadel-  und 
Birkenwald  bewachsen  und  mit  grau-granem  loss  bedeckt.  Die  Ufer 
fielen  steil  ab,  und  nur  an  einer  Seite  war  ein  tiefer  Einscnnitt 
mit  sandigem  Boden  und  seichterem  Wasser,  der  als  geschützter 
kleiner  diäten   für  das  Motorboot  diente.  Die  Besonderheit  der 
Landschaft  lag  darin,  dass  sie  gleichzeitig  einen  Gebirgsch&rak- 
ter  hatte,  und  in  Farben  und  Vegetationy\sowohl  ah  Skandinavien 


■jtf   f   Willi     *-'^V-*^>->  ^^^m  -.^i*-^^'^    '-^^.tkwL..^,, 


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wie  an  das  Mittc^lmeer  wachrief*  So  war  es  dieses  verbindliche 
Wesen  der  Insel,  das  die  K^s,  die  aus  Mitteleuropa  stammten, 
so  unwiderstehlich  angezogen  hatte*  Sybille  kam  aus  Nord-«- 
deutschland,  Rudolf  aus  dem  Süden*  Beide  hatten  Europa  aus  po- 
litischen Gründen  verlassen,  hatten  einander  während  der  Emigra- 
tion kennengelernt  und  geheiratet  und  v;aren  gemeinsaio  in  das 
neue  Land  eingewandert*  Sie  waren  tätige  Menschen,  beide  y^erz- 
te,  die  in  ihren  freien  Stunden  ihren  Neigungen  lebten  mit  Bü- 
chern, MusiK  und  Kunst  und  mit  einigen  nahen  Freunden.  So  fan- 
den sich  auch  in  den  Ferien  immer  Freuride  bei  ihnen  ein,  die 
ihren  Geschmack  teilten  und  sich  gerne  von  Sj^billes  fr-jur-dli- 
cher  Fürsorge  umhegen  Hessen  und  das  stille,  friedliche  Feri- 
enleben der  Inselbev/ohiier  teilten.  Das  Haus  bestellten  sie  selbst, 
der  Proviant  vmrde  von  dem  nächsten  Ort  an  der  etwa  fünfzehn 
Meilen  entfexviten  Küste  mit  dem  Boot  geholt.  Manchmal  auch  fuhr 
man  zu  andern  etwas  grösseren  Inseln,  auf  denen  kleine  Fischer- 
dörfer waren,  oder  man  konnte  durch  ein  verabredetes  Glockenzei- 
chen die  Fähre,  die  zweimal  am  Tage  vorbeifuhr,  auf  etwas  Not- 
wendiges aufmerksam  machen.  Wie  es  so  typisch  für  insulares  Le- 
ben ist,  vergass  man  nach  kürzester  Zeit  die  übrige  Welt  oder 
schien  ihr  doch  keine  Wichtigkeit  beizulegen. 


Ul. 


In  diesem  Jahr  waren  von  den  Gästen  Heinrich  und  Marianne 


V.  S*  una  der  Schriftsteller  John  D*  bis  zum  Ende  des  Sommers 
geblieben,  der  wolkenlos,  sonnig  und  blau  g#wesen  war*  Man  hatte 
•Ich  in  die  Hausarbeit  geteilt  und  den  Rest  des  Tages  verbracht. 


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wie  es  Jedem  Einzelnen  von  ihnen  am  liebsten  war#  Abends  fand 
man  sich  zusammen  im  Wohnzimmer  vor  dem  offenen  Kaminfeuer,  le- 
send oder  sich  unterhaltend  oder  auch  scnweigend  der  Musik  lau- 
sehend*  —  Dann  plötzlich  eines  Morgens  war  der  Wina  gekommen 
mit  der  wilden  Brandung*  Man  hatte  gerade  noch  Zeit,  das  Boot 
ans  Land  zu  ziehen  und  festzumachen.  Ganz  plötzlich  voirde  es 
dunkel,  der  Sturm  raste  über  die  kleine  Insel,  schüttelte  die 
Bäume,  heulte  ums  Haus  und  der  Regen  goss  in  wilden  StroÄto 
herunter,  so  dass  %r   ein«  fast  sclnrarze  Wasserwand  bildete*  Man 
fand  sich  im  Haus  eingeschlossen,  und  wirklich  von  der  Welt  ab- 
geschnitten* 

Dieses  Eingeschlossensein  miteinander  rief  dao  Gefühl  al- 
ter Vertrautheit  stark  ins  Gedächtnis  zurück,  einer  Vertrautheit, 
die  diese  fünf  Manschen  vor  Jahren  in  einem  anderen  Sturm  auf 
JÜBiner  verbunden  hatte.  So  v;&naertea  jetzt  ihre  Gedanken  zu- 
rück zu  manchem  gemeinsamen  Erlebnis  cier  Vergangenheit.  Ein 
WohlgefiÄl,  wie  es  nur  ikeuschen  empfinden,  die  eiriem  fast  siche- 
ren Verderben  entronnen  sind,  erhöhte  noch  das  übliche  Vergnü- 
gen an  Austausch  solcher  Erinterungen. 

Marianne  und  Sybille  hatten  einander  schon  seit  ihrer  ge- 
meinsamen Schulzeit  in  inniger  Freundschaft  nahe  i—ttaAm.   Ob- 
gleich ihre  beruflichen  i^eigunge»  sie  Örtlich  auseinander  ge- 
bracht hatten  —  Maxianne  hatte  alte  Sprachen  und  Archäologie 
studiert  —  waren  sie  doch  einander  nie  fr-md  geworden  und 


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hatten  schliesslich  wieder  ein  fast  gemeinsames  Leben  in  Paris 
aufgenommen» 

Marianne  und  Heinrich  waren  nach  Paris  von  Spanien  gekom- 
men ^  wo  sie  beide  auf  Seiten  der  reohtiaässigem  Regierung  ge- 
kftmpft  hatten*  Heinrich  war  von  altem  deutschem  Adel,  der  ein- 
sige Nachkomme  ~  das  liinde  ~  einer  langen  Reihe  von  Generatio- 
nen von  Raubrittern ,  Gutsherren  und  Offizieren*  Sein  Vater  hatte 
durch  Heirat  mit  einer  Jüdin  etwas  neues  Blut  und  ein  grosses 
Vermögen  in  die  aussterbende  und  recht  degenerierte  Familie  ge- 
bracht, tmd  Heinrich  hatte  es  wohl  dieser  mütterlichen  Erbschaft 
zu  verdanken,  dass  er  sich  nicht  in  das  J\uikerleben  einpassen 
konnte  und  wollte*  Die  Jjbbe   zu  seiner  schönen,  geistreichen  und 
zärtlichen  Mutter,  die  unter  der  Brutalität  seines  Vaters  zu- 
grunde ging,  hatte  ihn  zu  einem  leidenschaftlichen  Kampfer  gegen 
Jede  Art  Roheit  und  Ungerechtigkeit  gemacht*  Er  hatte  eine  glän- 
zende Karriere  als  Journalist  aufgegeben  und  seine  ganze  Kraft 
und  sein  Vermögen  im  Kampf  gegen  Hitler  und  den  JNational Sozia- 
lismus eingesetzt*  Von  einem  Spitzel  verraten,  war  er  verhaftet 
und  zu  mehreren  Jahren  Zuchthaus  verurteilt  worden*  Nachdem  er 
noch  ein  Jahr  die  Greuel  eines  Konzentrationslagers  erlebt  hat- 
te, wurde  er  entlassen,  und  es  gelang  seiner  mutigen  jungen  Frau, 
ihn  mit  Hilfe  von  if^reunden  in  Holland  auf  abenteuerlichste  Weise 
aus  Deutschland  herauszubringen.  Einer  dieser  Helfer  war  John. 
D.  gewesen,  ein  o^i^ger  amerikanischer  Schriftsteller,  der  nach 
Europa  gegangen  war,  weil  weder  der  amerikanische  Sport  noch  das 
amerikanische  Gangstertum  jlgptMiMi  seinen  Drang  nach  Abenteuern 
und  seinen  Preiheitssinn  befriedigen  k^nnlen.  Ein  frühes  Erlebnis 


hatte  seinem  besonderem  Siegel  auf  seinen  Charakter  gedrückt« 
Er  hatte  einen  Sommer  im  Süden  verbracht«  Damals  war  er 
12  gewesen  un  rebellisch  gegem  sein  eigenes  elterliches  Milieu^ 
im  dem  gute  Sitten  xind  Manieren  nicht  nur  gepredigt  sondern 
auch  gepflegt  wurden«  Man  hatte  ihn  allein  zu  seinen  südlichen 
Verwandten  fahren  lassen,  um  seinem  Unabhängigkeit abedürfnis 
genug  zu  tun«  Aikf geweckt,  phantasiereich  und  körperlich  seinem 
Alter  voraus  wurde  er  ein  Mitglied  einer  Gruppe  Jugendlicher t 
die  ihre  Männlichkeit  in  Jeder  hinsieht  zu  beweisen  suchten, 


gewöhnlich  in  kindischen  Actionen  g 


die  Welt  der  Erwachsenen. 


Aber  sie  tranken  auch  und  trieben  es  mit  den  MKdchen«  Schuldbe- 
wusst  zwar  hatte  doch  John  alle  diese  Streiche  gerne  und  stolz 
mitgemacht«  Damm  aber,  am  Tage  vor  seiner  Helmreise«  hatte  die 
Bande  kich  auf  zwei  harmlose  kleine  Negerkinder  gestürzt,  die 
unschuldig  genug  nackt  im  71us8  badeten^  an  einer  Stelle  die 
nur  für  Weisse  reserviert  war«  Sie  hatten  den  kleinen  Burschen 
blutig  geschlagen  und  zu  ertrftnken  versucht,  und  die  Versuche 
des  winzigen  MSdchens,  ihren  Bruder  zu  retten,  mit  Fusstrlttem 
verhindert«  John  hatte  an  dieser  Gewalttat  sich  nicht  beteiligt, 
aber  er  war  dabei  gestanden  und  hatte,  wie  gelahmt,  zugeschaut« 
Er  sah  die  kleine  Sarah  am  Boden  sitzen  und  mit  ihrem  schwär«* 
zen  HKndchem  ihre  Blt5s8e  verdecken«  Ihre  schwarzen  Augen  traten 
vor  Angst  aus  den  Kühlen  heraus;  ele  war  trUnenlos  wie  ein  Tier« 
John  war  davon  gelaufem«  Irgendwo  hatte  er  sich  1ms  Gras  gewoJ^^ 
fem  und  geweint  vor  Scham,  Schuld  und  Hilflosigkeit«  In  der  Hacht 
war  er  adtmflos  gewesen  und  am  nächsten  Morgen  fuhr  ein  stillerer 
John  nach  Hause  zurück« 


Er  evzUhXte   niemandem  von  dieeem  Erlebnis  ^  er  schämte 
sich  zu  sehr#  Es  hatte  aber  ztir  Folge,  dass  sich  sein  Unabhän«» 
gigkeitsbedUrfnis  von  nun  an  in  persönlichem  Mut  äusserte , 
selbst  wenn  er  einer  Gruppe  allein  entgegentreten  musste»  Br 
war  eigentlich  Über  Nacht  zu  einem  Helden  geworden*  Sarahs 
Augen  hatte  er  nie  vergessen  kOnnen« 

Er  gehörte  einer  Organisation  an,  deren  Mitglieder  es 
sich  zur  Aufgabe  gemacht  hatten,  selbst  unter  eigener  Leb#nsge-* 
fahr,  politisch  Geftihrdete  aus  faschistischen  LKndem  heraus-» 
zubringen«  Da  er  sein  eigenes  Leben  oft  atxfs  Spiel  setzte,  war 
es  für  ihn  kein  Problem,  in  seinen  Rettungsaktionen,  wenn  not- 
wendig, auch  bis  zum  Aeussersten  zu  gehen«  Er  war  mit  Heinrich 
und  Marianne  in  Spanien  Zusammen  gewesen  und  lernte  später  durch 
sie  Sybille  kennen«  Sie  wurde  kurz  darauf  aber  Rudolfs  Frau« 
Rudolf,  der  schon  damals  einen  beträchtlichen  Hamen  als  Wissen-- 
schaftler  hatte,  hatte  ohne  ZtJgern  seine  Heimat  verlassen  als 
Protest  gegen  eine  Irratioxialität,  die  ihm  als  Rückfall  in  den 
ärgsten  Hexen*  und  Aberglauben  erschien«  Er  ftlhlte  sich  in  sei- 
nem wissenschaftlichen  Denken  beeinträchtigt,  in  seiner  Mann«* 
lichkeit  beleidigt  und  in  seinem  Gerechtigkeitssinn  empOrt«  Sein 
Ruf  verschaffte  ihm  Gelegenheit,  in  Paris  seine  wissenschaftliche 
Tätigkeit  fortzusetzen  und  so  riel  als  möglich  jtLngeren  emigrier- 
t%x^   Kollegen,  unter  denen  sich  auch  Sybille  befand,  beizustehen« 
^eine  einfache  beschützende  iind  helfende  Wesensart  wurde  ftlr  Sj-^ 
bille  ein  Ersatz  für  alles,  was  sie  verloren  hatte«  John,  in  sei-* 
ner  romantischen  Abenteuerlichkeit,  erschien  ihr  als  ein  Junger 
liebenswürdiger  Knabe,  dessen  leidenschaftliche  Liebe  sie  in  eine 
tiefe  und  ruhige  Freundschaft  zu  verwandeln  suchte« 


tat^^     '  "IJ  •■■■   ■  Mti^'* 


ib^ 


Es  war  mittlerweiit  Abend  geworden.  Dr  lussen  raste  das  Un- 
watter^  auf  das  die  Freunde  in  ihrem  Gefuehl  des  Geborgenseins 
nur  £lelchsc:m  halb-be^AOisst  hiiihörten#  So  entging  ihnen  zunächst 
das  Klopfen  an  der  Haustür,  und  erst  als  es  stärker  wurde  und 
sich  aeutlicher  von  dem  andern  Getöse  unterschied,  wurden  sie 
alle  fast  gleichiseitig  darauf  aufmerksam*  Sie  sahen  einander 
ungläubig  fragend  an,  als  ob  niemand  von  ihnen  fassen  konnte, 
dass  ein  Lebewesen  draussen  stand  und  Einlass  b^gahrte.  Es 
schien  ihnen  völlig  unmöglich,  dass  irgendein  Mensch  in  diesem 
Sturm  auf  ihrer  Insel  gelandet  war,  auf  der  es  ausser  ihnen 
nur  Hasen  und  Vögel  gab.  Ruaolf  war  der  Erste,  der  zu  dem  Ent- 
schluss  kam,  dass  das  Unwahrscheinliche  wohl  geschehen  sein 


mus 


ste#  Er  erhob  sich  und  ging  zur  Eingangstür,  die  er  rasch 


öffnete*  Gegen  das  Dunkel  draussen  hob  sich  eine  schattenhafte 
Gestalt  ab,  die  auf  eine  einladende  Gebärde  Rudolfs  in  aen  hel- 
len Lichtkreis  der  Eingangtmalle  trat  und  dort  einen  Augenblick 
schweigend  und  geblendet  stehen  blieb« 

Der  Fremde  war  ein  grosser,  stattlicher  Mann,  der  so  durch- 
nässt  war,  dass  dns  Wasser  an  ihm  herunterf loss.  Er  bat  die  An- 
wesenden um  Entschuldigung  fülf  sein  Eindringen  und  erklärte  mit 
heiserer  Stimme,  dass  er  seit  Stunden  in  seinem  Boot  im  Sturm 
auf  dem  Wasser  gewesen  sei  und  völlig  Richtung  und  Orientierung 
verloren  habe;  durch  einen  glücklichen  Zufall  sei  er  in  die  klei- 
ne Bucht  der  Insel  geschleudert  worden*  Es  sei  ihm  gelungen, 
sein  Boot  festzumachen;  da  er  die  beleuchteten  Fenster  des  Hauses 


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erblickt  habe,  habe  er  sich  notgedrungen  entschlossen,  anzuklop- 
fen und  um  Gastfreundschaft  zu  bitten,  bis  sich  der  Sturm  gelegt 
habe^  Er  war  recht  erschöpft,  obgleich  er  ei/  kräftiger  Mann 
In  mittleren  Jahren  war  unu  sprach  etwas  zögernd  und  müde  in 
eineiD  gewählten  Englisch,  das  gerade  durch  diese  Gewahltheit 
den  Ausländer  verriet •  Rudolf  und  Sybille  hiessen  ihn  freund- 
lich willkommen,  forderten  ihn  auf,  in  eines  der  verfügbaren 
Gastzimmer  zu  treten,  und  während  ihm  Rudolf  trockene  Kleidung 
verschaffte^  bereitete  Sybille  schnell  etwas  zu  essen  und  ein 
heisses  Getränk  vor.  Als  er  darauf  in  das  7/ohriziJBmer  trat,  wur- 
de eine  formelle  Begrü^ssung  und  Vorstellung  vorgenommen* 

»Mein  Name,^»  sagte  der  Fremde,  ^  ist  Karl  Müller^  und  er 
fugte  scherzhaft  hinzu,  dass  dies  wohl  der  unverbindlichste  Na- 
se sei,  den  sich  jemand  in  seiner  besonderen  Lage  ausdenken  kön- 
nte, obgleich  in  den  Vereinigten  Staaten  ^ohl  Smith  und  Jones^ 
noch  besser  dem  Zv^eck  unidentifiziert  zu  bleiben,  dienen  wUr- 
€mn.   Er  sei  ein  Ingenieur  und,  v/ie  wohl  seine  Aussprache  verra- 
ten habe,  ein  Deutscher,  der  vor  Jahren  eingewandert  sei*  Er 
▼erbringe  seine  Ferien  in  einem  der  kleineren  Orte  an  der  Kü- 
ste von  Maine  und  sei  heute  morgen  bei  schönem  'Vetter  ausgefah- 
ren, uro  zu  fischen,  nicht  ahnend,  welche  Abenteuer  ihn  der  Tag 
noch  erleben  lassen  sollte»  Vom  Feuer  und  dem  heissen  Grog  er- 
wärmt und  durch  das  Essen  gestärkt,  verlor  er  bald  sein  er- 
schöpftes Aussehen  und  schien  sich  liebenswürdig  \xnd  gesellig 
der  Gesellschaft  anpassen  zu  wollen*  Man  sprach  dar: ber,  wie  das 


/^)r       lD1^6      y  ,  ^\f        f'^^-^^Jir,  J 


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i^'J>  ^  '  "^  ■' '  <i'  s  'Ussu^, 


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Brie  f o 


Noch  bevor  O^öth«*^  seine   letzten  und  eigentlichen 
Ingenleursprüfunpen  an  der  Te-'hnlsohen  Hoohsohule  In 
De3*=<GU  bestanden  hatte,    fanden  zwei  Srelpnlsse   statt, 
die  auf  sein  Leben  einen  beträohtllchen  Slnfluss  nehmen 
sollten*    Sein  Vater  starb  ganz  plötzlich  auf  einer 
Geschäftsreise  In  seinem  Hotelzimmer.   Der  Hausbursche, 
der  Ihm  des  warme  //asser  am  Morgen  Ins   Zimmer  brachte, 
fand  den  Unglücklichen  röchelnd,   nur  mit  einem  Nacht- 
hemd  bekleidet,   am  Boden  llaf?en*   Er  starb  bevor  der 
schnell  herbeigerufene  Arzt   Ihm  Hilfe  bringen  konnte. 
Ganz  klar  war  die   Todesursache  nicht.   Man  nahm  an, 
da  SS  er,  der  schon  lange  Immer  wieder  über  Magenbe- 
schwerden geklagt  hatte,   am  Abend  vorher  wohl  zu  viel 
gegessen  und  vielleicht  auch  zu  viel  getrunken  habe 
und  damit  das  an  und  für  sich  gefährdete  Org^n  über* 
reizt  und  zu  einer  akuten  Entzündung  veranlasst  habe, 
die  dann  zu  diesem  rafliöhen  Tod  führte.   Tfen  musste  sich 
mit  dieser  wissenschaftlich  nicht  ganz  bewiesenen 
Hypothese   zufrieden  geben. 

Lina,   dlo  nun  frei  von  Ihrer  ehelichen  Bürde  war, 
schien  sich  Ihrer  F*i?elhelt  nicht   zu  freuen,   im  Gegen* 
teil,   sie  nahm  Ihre  Witwenpflichten  sehr  ernst  und 


2 


verlangte  auch  von  Ihren  Kindern,   desa  sie  das   Trauerjahr 
einhielten,   keinerlei  Pestllohkelten  besuchten  und  alle 
Plän«,   die  ..Mw»  öffentliche  Kund^ebuneen  fröhlicher  Natur 
<kxö^M/     ,   zum  Beispiel,   Verlobungen  oder  Hochzeiten, 
bl3  auf  weiteres  verschöben.    31q   konnte  allerdinge  nicht 
verhindern,   dass  Irmgard  die  Geburt  Ihres  vierten  Sprösa- 
lln^g  nur  eln«n  Monat  nach  ihres   Voters   Tod  anzelp-t«, 
Günther  hatte  kurz  vorher  seinen  21.   Geburtstag 
begangen,  und  somit  war  er  mündig  geworden.  Er  war  damit 
der  Vormundschaft  seines  Älteren  Bruders  entkommen,  ein 
Ereignis,   das  Ihn  aller  Vei-w Irrung  zum  Trotz,   sieb  glücklich 
preisen  Hess.   Das  Ereignis  seiner  Mündigkeit  brachte  es 
mit  sich,   dasB  er  noch  Amerika  reisen  musate,  um  sein 
Erb©  dort  anzutreten  und  sich  von  den  Anwälten,   die  das 
Vermögen  bisher  verwaltet  hatten,  Abrechnung  vorlegen  zu 
lassen.  Er  hatte   gehofft,   diese  Reise  glelolizdltlg  zu 
seiner  Hochzeitsreise  zu  machen,  aber  da  er  seiner  r'utter 
Standpunkt  verstehen  konnte,   obgleich  er  Ihn  nicht  teilte 
und  nicht  glaubte,   dess  eine   so  baldige  Shesohllessung 
nach  seines  Vaters   Tod  In  Irgendeiner  Melae  seine 
Beziehung  zu  dem  Verschiedenen  Änderte,   verhielt  er  sloh 
doch  aus  Liebe  und  Respekt  für  Lina  wie  sie  es  für  richtig 
hielt.   Vielleicht  hätte  er  eine  andere  und  einfachere 
Lösung  gefunden,  nämlich  eine   stille  und  ganz  private 
Trauung,   gegen  die  seine  Mutter  wohl  nichts  einzuwenden 
gehabt  hätte,   aber  Gertrud.^;  von  Jogemann  weigerte   sich 


dleaen  vlohtlpsten  Schritt  Ihres  Lebens  ohne  die  üblichen 
und  Ihr  zustehenden  Pelerllohlielten^   ohne  den  herkömmlichen 
Pomp  und  die  traditionelle  Zur-'chaustellung  z\x  untemehnent 
31e  bedauerte  zwar,   dass  sie  nun  ein  weiteres  Jahr  warten 
mÜ83ten|   aber  b^c^üpte   sich  daralt,   Ihren  nflohaten  Ver- 
wandten mitzuteilen,   dass  sie  und  Günther  seit  Jahren 
heimlich  verlobt  waren  und  nach  Ablauf  des   Treuer Jahres 
mit  allem  Zeremoniell  heiroten  würden«    31g   schien  nicht 
einmal  z\x  unglücklich  Über  die    Trennung  von  Ihrem  Ver- 
lobten 7.U  sein,   sondern  nahm  welter  am  gesellschaftlichen 
Leben  in  Hamburg  teil,   tanzte  auf  allen  Bfillen  und  war  der 
strahlende  Mittelpunkt  bei   Jeder  Abendgesellschaft,  bei 
Schlittenfahrten  und  Eislauf-Partien*   Diese  Genüsse  hßtte 
sie   sich  versapen  müssen,  hÄtte   sie  um  diese  Zelt  Ihare 
Verlobung  öffentlich  kundgegebn;   aus   3chlckllohk#lt  hfitte 
sie  daheim  sitzen  müssen  ,   da  Abwesenheit  des  Verlobten 
und  seines   Vaters   lod  sie   zur  Zurückhialtung  gezwunifen 
hfitten* Günther  konnte  keinen  Einspruch  erheben,   da   der 
Aufschub  Ihrer  Vermahlung  auf  seine   Bitten  geschehen  war« 
Er  war  sehr  glücklich,  dass  Gertrudeso  gefällig  war,  und 
das«  es  nicht  ru  einem  Konflikt  zwischen  den  beiden  Frauen, 
die  er  von  Herzen  liebte,  kam.   Sr  war  Ihr  so  denkbar,   das» 
er  eich  bereit  erklärte,   nach  seinen  SchlusaprÜfungen  Im 
nÄohsten  Herbst  oder  Frühwlnter  seine   Reise  anzutreten  und 
an  dem  folgenden  Oster- "Sonntag  zu  heiraten.    So  arbeitete 


•r  mit  grÖ83ter  Energie  und  Konzentration  für  die  Prüfungen, 
die   er  auoh  im  Oktober  "bestand. 

Im  November  konnte   or  endlich  die  wichtige  ilölae  riehh 
Anerlka  antreten,   obcleloh  das  v^etter  nicht  gflnstlc  war 
und  die  an  und  für  aloh  aohon  sehr  lange   Seefahrt  dadurch 
noch  bedeutend  verlängert  wurde.  Er  reifte ber  sehr  bequem 
auf  einem  Schiff,   das  der  von  Witteschen  Reederei  pehörte. 
Sein  Onkel  hatte  ihm  die   3taatskablne  belegen  lesaen.  Er, 
der  später  einen  leitenden  Posten  In  dieser  Reederei 
elnnehnen  sollte,   fond  das   Schiff  so  put  geführt  wie  ein 
Luxus  hotel.   Er  sah  notürlloh  nicht,  wie  es  auf  anderen 
Teilen  des   Schiffs  aussah,   7,um  Beispiel  am  Zwischendeck, 
noch  hörte  er  die  hesserfüllten  und  höhnischen  Bemerloineen 
des   Schiffpersonels,  die  sie  untereinander  austauschten, 
wenn  sie  nicht  belauscht  werden  konnten,   Günther  lebte 

in  seiner  Traumwelt. 

Eigentlich  wer  diese   Schiffsi^lse   seit  Johron  die 
erste   Gele|?enhelt  für  Günther,   sich  unfrehindort  von 
pflichtmlsaieen  beruflichen  Denken  und  arbeiten  seinen 
Gedanlcen  und  seinen  r.inblldungon  zu  überlassen,  Sr  war 
mit  Büchern  aller  Art  wohl  versehen  auf  diese  Eela«        ^  it 

gegangen,   aber  zur  Untätigkeit  verurteilt, auf jelnem    *" 

Strecksessel  llepend  und  auf  die  unendlichen  Weiten  des 
Ozeans  und  des  Himmels  schauend,   oier  des  Nachts  in  seiner 
liijüte   träumte  er  von  einer  Zukunft,   deren  Mittelpunkt 
Trude  war.   Das  aber  brachte  mit  sich,  dasa  er  an  die 


9 


Verc-angenhelt  denken  musate.   Die  letzten  Gymnaslfeljshre  und 
die   Jtihre  auf  der  Ceclmlaohen  Hoohschule  waren  Johre  des 
Wartens  gewesen,    3eln  Ziel  war  klar  und  deutlich  vor  Ihm. 
Alles  was   ihn  verhindern  wollte^   dieses   Ziel  so  aohnell 
wie   möflloh  zu  erreichen,   musste  aus  dem  Weg  gesohefft 
werden.   Er  wollte  kein  Odysseua  sein.  Er  war  ein  zäher 
Arbeiter.   Er  welrerte   aloh,   seine   Zeit  mit   nelnen  Kommili- 
tonen bei  3piel|    Trinken  und  sexuellen  Ausschreitungen  zu 
verbrinpen.   Er  hielt  sich  rein  für  seine  Braut.   Obgleich 
er  sein  Versprechen,   die   Verlobunp:  geheim  zu  halten,   hielt, 
obgleich  er  3pott  und   Verdächtigungen  von  seinen  Kameraden 
ertragen  musste,   obgleich  er  Trude  nur  während  der  Semester- 
ferien und  auch  dann  nur  selten  und  fast  nie   allein  sah, 
konnte  er  sich  nicht  deren  erinnern,    diese   Jahre  der  harten 
Selbstdlsciplin  Je  bedauert  oder  gar  verwünscht   zu  heben. 
Die   fleischlichen  Anfechtungen,    iie   ihn  oft  und  sehr 
heftig  quälten  und  denen  er  in   Jüngeren  Jahren  wohl  hin 
und  wieder  nachgeben  musste,  konnte  er  nun  durch  .studieren 
und   lange,   oft  ermüdende   3pazlerp;änge  beherrschen  und 


durch  sein  festes   Vertrauen, 


dsa  Jlädchen,  das  ver^ 


sprechen  hatte  seine   Frau  zu  werden, (^keusch  wie  die 
Mondgöttin  von  ihm  diese   Jahre  des   Verzichts  erwartete, 
um  ihn  später  um  so  reicher  zu  belohnen* 

Auf  dieser  i^ise   fragte  er  sich  zum  tausendsten  l-fel, 
wie   Gertrudcdle   Trennung  von  ihm  ertragen  kffhnte;    sie  hatte 
ihm  so  häufig  versichert,   dess  es   für  sie  viel  schwerer  sei 
zu  werten,   da    sie  keine  beruflichen  Interessen  hätte,   die 


Zelt  und  31nn  ausfüllten;   alles,  was  Ihr  gegteben  war  das 
Warten  zu  erlelohtern,   seien  die  pesellsohaftllohen  Zer- 
streuungen^  denen  sie  deswegen  oblag,  und  die  sie  auoh 
darum  in  seinem  Trauerjahr  nicht  aufgeben  konnte«   Er  sah 
das  ein  und  war  auoh  ehrlich  genug  sloh  einzugestehen, 
dass  weder  er  noch  Trude  eigentlichen  Oxnind  hatten,   seinen 
Voter  zu  betrauern»   Wenn  er  zu  diesem  Punkt   In  seinen  Oe- 
danken  kam,   machte  er  gowöhnlloh  eine   Schwenkung  und  begann 
sich  wieder  mit  der  Zukunft  zu  beschäftigen.   Eines   Nachts 
wachte  er  auf  und  konnte  nicht  wieder  einschlafen«   Es  war 
sehr  still;   er  hörte  nur  den  Wellenschlag;    durch  das 
Ka Jütenrenater  sah  er  nur  einen  Stern,   ganz  gross  und 
kalt,  und  so  weit  entfernt,   dass  ein  Gefühl  unendlicher 
Einsamkeit   Ihn  ergriff  und  er  an  den  Tod  denken  musste. 
Er  dachte  an  seinen  Vater,   der  sein  Knde  allein  In  einem 
Hotelzimmer  gefunden  hatte«     Er  dachte   an  seines  Vaters 
Leben,  und  es  erschien  Ihm  plötzlich,   dass  sein  Vater 
auoh  In  seinem  Leben  allein  gewesen  war«   Der  alte  Hoyk 
war  von  niemandem  gellebt  worden,   das  stand  absolut  fest 
für  Günther«    i?Ür  Ihn  war  der  Vater  nur  ein  unangenehmer 
Fremder  gewesen,   dessen  Slnmlsohungen  In  sein  Leben  er 
der  Mutter  zuliebe  ohne  Protest  ertragen  hatte  —ohne 
äusseren  Protest,   denn  Innerlich  hatte  er  In  den  letzten 
Jahren  wohl  häufig  den  Veter  zurückgewiesen.   Ihn  lächerlich 


und  ebstossend,    Ja   raanohmal  sogar  veräohtlloh^   gefunden; 
Jedooh  hotte  er  sohlloBslloh  eine  Lösung  In  einer  begtlmm- 
ten  Form  höflicher  Nichtbeachtung  erreicht»    Die  Tatsache 
seiner  finanziellen  Unabhängigkeit  hatte   Ihm  dabei  sehr 
geholfen»   Nun  aber  wurde  es   Ihm  zum  ersten  Mal  klar^ 
dass  er  seinen  Vater  überhaupt  nicht  gekannt  hatte.   2r 
wusste  nichts  von  seinem  Leben  ausser  der  äusseren  Form; 
wie  hatte  er  nur  einen  Kenn  hassen  können^   den  er  nicht 
kennte?   Seine  Geschwister  hatten  ebenfalls  keine   Beziehung 
zu  dem  Vater  gahabti    zumindest  hatte   Günther  das   Immer 
angenommen.   Allerdings  hatte   Irmgard,   selbst  während  der 
Intimeren  Beziehung  zu  Günther^  nie  über  ihren  V^ter  ge« 
sprechen.      Nach  seinem  Tod  aber  war  sie   so  sehr  mit  Ihrer 
eigenen   Porallle  und  besonders  mit  dem  Neugeborenen  be- 
schäftigt,  dass  der  Bruder  keine   Zeichen  der  Trauer  an 
Ihr  entdecken  konnte.    31e  hatte  allerdings  des   Jüngste 
Kind  nach  dem  Vater  benannt^   als  wollte   sie   dadurch  kund- 
.    geben,   dass  ar  nicht  ganz  aus   Ihrem  Leben  verschwunden 
sei.   Hatte  Horst  den  Vater  ebenso  verabscheut  wie  Günther? 
Der  ältere   Druder,   der  sonst  Immer  so  ßelbstnulcher  und 
ohne   Jedes   feinere  oder  warme  Gefühl  ersjhlen,  war  bei 
der  Todesnachricht  seltsam  zusammengeschrumpft}   tränenloa 
und  hilflos  sass  und  stand  der  sonst  so  Geschäftige  Im 
Hoyk* sehen  Haus  herum  und  Hess  den   Schwager  Jagemann 
alle  wichtigen  und  notwendigen  Vorkehrungen  treffen. 


8 


ala   sei  der  v/lnd^   der  aonat   Ihn  auf  dem  Meer  der  3elbat- 
wlohtlgkelt  uraherge trieben  hatte,   plötzlich  aus   seinen 
Segeln  genomnen  worden.   Hatte  er  vielleicht  doch  den 


Vater  geliebt?,   frapte   aioh  Günther.   Aber  er  war  sicher, 
da 98  dem  nicht   so   sein  konnte,   denn  Horst  hatte   sich 
bald  wieder  erholt  und  war,  wenn  das  überhaupt  noch 
möglich  war,   vielleicht  noch  unangenehmer  und  arroganter 
geworden.    Der  Tod  des   Vaters  hatte   sicher  ^ie   Brüder 
nicht  einander  nflher  gobrocht,   besonders  da  Erbschaf t#^ 


B   Feindseligkeiten 


des 


Junge reiy^nur  zu  deutlich  den  Charakter  des    uJ4<^xz^ 

Bxu    Oia  I^utter  aber  hatte   den  Vater  nie 

wirklich  geliebt,   dessen  war  Günther  ganz   sicher.    3ie 

hatte'  sich  vor  ihm  gefürchtet  und   sich  ihm  angepasst 

und  hatte   sein  Bett  geteilt  und  ihm  Kinder  geboren, 

aber  sie  hatte   ihn  nicht  geliebt,  wie   Günther  Trude 

liebte. und  wie.  er  sicher  war, Trude   ihn  liebte.    T}eT 
\  I  / 

Vater  war  ohne   Liebe  durchs  Leben  gegangen,   hatte   ein 
nutzloses,   einsames  Leben  verbracht,  und  vielleicht 
war  grade  dieses   Fehlen  der  Liebe   in  seinem  Leben  dafür 
irtrantv/ortlioh  gewesen,   dass  er  so  unangenehm  erschien, 
sich  nicht  mitteilen  konnte  ohne  harsch  zm  sein,   dass 
seine   Frau  und  seine  Kinder  ihn  nicht  einmal  kennen 
lernen  wollten,  und  dass  er  allein  in  einem  Hotelzimmer 
starb.    Günther  fühlte  ein  j^lf^kM^*^  Mitleid  mit 


f 


seinem  Vater  und  mit  sloh  seibat  ~  er  weinte,  wie  er  seit 
seinen  Kinder Jahren  nicht  mehr  geweint  hatte,  und  fühlte 
sloh  klein,   verlassen  und  voller  Bangen  und  Sehnsucht  nach 
seiner  Mutter.  Endlich  schlief  er  ein  und  hatte  einen 
Traumi 

Er  lag  im  Bott,  und  nur  die  Laterne  vor  seinem 
Fenster  W(?rf  ein  blasseg  Lloht  Ins   Zimmer.   Er  blickte  auf 

die   ^rür,   die   in  dem  Laternenlicht  weisslich  leuchtete, 

sie 
und  sah,  wie/sich  lon^asm,   panz  langsam  öff'note.  Er 

hlolt  den  Atem  an  vor  Anpat  und  Spannung,   aber  niemand 
kam  hei?oin.    Doch  fühlte  er  einen  Blick  auf  sich  gerlohtet 
von  ?.wel  dunklen  Augen,   einen  ernsten,   strengen,   unver- 
wandten Blick, der  ihn  prüfte  und  zu  verurteilen  schleh. 

eine  ^ 

Dann  Hof  er,   lief  und  lief  durch/morgengraue  Strasserff 

und  plötzlich  sah  er  eine   dunkle   Gestalt   In  langen  Mantel, 
die  nur  etwas  über  dem  Boden  schwebte,  weder  gehend  noch 
fliegend,  und  es   schien  ihm,   daes  das   das   Traurigste  war, 
das  er  Je  erlebt  hatte.  Er  erwachte  mit  von  Trönen 
feuchtem  Gesicht.   Es  war  Morgen  geworden,  und  er  war 
froh,   dass  es  licht  war  und  er  aufstehen  und  an  Deck 
gehen  konnte.   Aber  die    Stimmung  des   Traumes   folgte   ihm 
durch  den  Tsgj  ^f«^  er  konnte  den  Traum  lange  nicht 
vergessen* 


xo 


IZ 


Max  Lilienfeld  bewohnte  ein  schönes  Haus  In  New  York 
am  Waahlnston  Square.   Günther  wurde  von  Ihm  und  Frau 
Llllenfeld  so  herzlich  erapfane-en,   daaa  kein  Gefühl  der 
Premdhelt  oder  Verlegenheit  In  Ihm  aufkommen  konnte.    Die 
Freunde  hotten  einander  seit  Jahren  nicht  mehr  gesehen, 
und  der  Briefwechsel  zwischen  Ihnen  drohte  zu  versanden, 
hitte  nicht  Max  Immer  wieder  den  Freund  um  Nachrichten 
gebeten.  Als  er  erfuhr,   dass  Günther  eine  Itelse  nach  den 
Staaten  plant«,  hatte  er  darauf  bestanden,   dass  er  In 
New  York  sein  Gast  sein  müsste,  und  Günther  hatte  dl© 
Einladung  mit   Dankbarkeit  ongenomTnen,   da  er  sich  doch 
vor  dem  fremden  Land  und  der  grossen  flUbökennten  3taflt 
und  dem  Alleinsein  nohaute.  Er  wuaste,   dass  Max  die  Rechte 
Studiert  hotte,   dass  er  versucht  hatte  sich  für  die  Unter- 
nehmunjren,   die  sein  Vater  Ihm  hinterlassen  hatte,   zu  In- 
teressieren,  ober  nach  etwa  einem  Jahr  diese   Beschäftigung 
aufgegeben  hatte  und  nun  UAAAL^^^^kmA^o }^o4 


*ö<%<fe^^|^<^:i^3h^.  ar.4^ährte  das  Leben  eines  Privat- 
gelehrten, das  allerdings  hSuflg  durch  schöne   Reisen 
unterbrochen  wurde.  Er  war  mehrmals  wieder  In  Europa 
gewesen,   aber  nur  In  Ländern  mit  südlichem  Klima,  und 
sogar  in  Sgypten.   Auf  einigen  Ftelsen  hatte  seine  Mutter 
Ihn  begleitet.    Obgleich  er  erst  In  seinem  ?4.   Jahr  war, 
machte  er  auf  Günther  den  Sindruck  eines  durch  Leiden 
und  Leben  weit  über  sein  Alter  gerelften  Mannes.   Soweit 


11 


Jwund-  wu83te|  war  er  an  keine   Frau  0§iflß^ifUBA  uw3  hatte 
kB  ine  Absicht,   r^eln  Junp-pesellentum  oufzupeben.    Sein 
HöU3  war  unf!;e wohnlich  ruhig,    Im  hollflndlschen  3t  11 
gebaut  relohte  es  wotüL   In  die  Vereanpenhelt  zurück. 


Die  enge   Fa98de  aber  täuschte,   denn  Innen  war  es  weit- 
läufig und  Im  besten  modernen  Geschmack  elnj':erlohtet. 
Eine  schöne  und  kostbare  Gemäldosaramlung  war  von  ??elnem 
Vater  begonnen  und  von  iMax  sehr  prosszÜglg  ergänzt  worden. 
Neben  alten  Meistern  fanden  auch  neue   Ihren  Platz  In  der 
Gallerle,   Ein  von  Sargent   gemaltes  Porträt  seines  Vaters 


hing  In  der  Bibliothek;    sein  eigenes  und   das.jaelner 
Mutter  waren. von  Llebermenn  gemalt 


X 


Bi4Jfc3g[tS3gtgiJ!»lid^^ 


Es  war  behaglich  In  der  Bibliothek,   Plax  und 


^^^'    i^olH^      tLLCH. 


^HLtO 


Günther  sassen  vor  dem  Kaminfeuer  zum  ersten  iMal  allelne 


seit  Günthers  Ankunft, 


nach  Boston^  wo  er  mit   seinen  Anwälten  zu- 
sammenkommen sollte.   Er  rechnete  mit  einem  längeren 
Aufenthalt  dort  und  Hess  sich  daher  von  seinem  Freund 
über  Boston  erzählen,  über  die   dortigen  Sitten  und 
Anschauungen,   die   sich  so  deutlich  von  denen  der 
New  Yorker  unterschieden, Sie   schienen  Günther  dem 
Hamburger  Wesen  sogar  verwandter  zu  sein,   Max  kannte 
Boston  recht  gut,   da  er  dort   studiert  hatte.   Er  hatte 
sein  Doktorat  der  Rechte  von^arvar"(f  erhalten.  Er 


/i 


f 


JiA^\)'  hatte  auch  Veivandte   In  Boston,   Vettexm  väterlicherseits. 


kM^iku     \k<i     ^^^^k'^^Hu^iUA 


'O    / 


12 


die  mit  einer  ehrvürrtlgen  Bonkflrma   verbunden  waren, 

Günther  hatte  Max  von  seiner  eigenen  Familie  taerlch- 
tat,    von  seines  Vaters  plötzllohera  Hlnsohelden,   seiner 
Mutter  Zurüokgezogenhelt  In  Ihrem  Wltwentumj    von  seiner 
Schwester  und  Ihren  Klndem^an  deren  Heranwaohsen  Günther 
viel  Anteil  nahm;    von  seinem   Studium  und  seiner  beruf- 
lichen Zukunft,   die  mit  der  von  Witte' sohen  Reederei 
eng  verbunden  war.  Er  hatte  aber  noch  nicht  völlig  die 

alte  Vertrauensbe Ziehung  zu  Max  In  sich  wiedergefunden, 

zu 
deswegen  zögerte  er/Ihm  von  den  persönlichsten  Dingen 

seines  Lebens   zu  sprechon,  wie  er  es  In  den  Jahren  Ihrer 

Knabenfreundschaft  getan  hatte.    Statt  dessen  begann  er 

sich  nach  Maxens   Familie   zu  erkundigen,  und  da  Ilax 

ausser  der  Kutter  keine  nahen  oder  Ihm  nahestehenden 

Angehörigen  hatte,  brachte  Günther  das  Gespräch  auf 

Mixens  verstorbenen  Vater,   der  bisher  zwar  eine   grosse, 

aber  nur  eine   schattenhafte  Gestalt  für  Günther  war. 

Max  war  Immer  sehr  zurückhaltend  Inbezug  auf  seine 

Beziehung  zu  seinem  Vater  gewesen.   Er  hatte   Ihn  lange 

betrauert  und  hatte   Ihn  nur  selten  erwähnt.    Die   fünf- 

zehn  Jahre,   die   seit  seinem  Tod  vergangen  waren,  er- 

schienen  dem   Sohn  nur  wie  Wochen,  wenn  er  an  seinen 

Vater  dachte,   obgleich  der  Schmerz  und  das  Gefühl  des 

Unfas blichen  nicht  mehr  da  waren.   Die  frühen  Erinnerungen 

an  seinen  Vater  waren  wohl  auch  etwas  bless  geworden. 


il 


13 


i 


waa  aber  geblieben  war,  war  die  Oberzeugung  von  diesem 
Mann  gellebt  und  gef3chÄt2t  worden  zu  eeln  als  ein  Kamerad 
und  Freund.  Er  erinnerte   sloh  an  die  vielen  Abende,   die 
er  mit  Ihm  In  der  Bibliothek  verbracht  hatte,  w«5«r1nujft — ' 


mit  Günther  BassJ  an  lange  Gespräche,   In  denen  der  Vater 
Ihm  zuhörte,   Fragen  beantwortete  und  Ihm  von  der  Welt, 
die   Ihn  erwartete,  erzählte.    31e  lasen  zusammen,   oder-'» 
noch  flffüher  In  seiner  Kindheit^ hatte  der  Vater  Ihm  vor- 
gelesen.    Frau  Llllenfeld  war  häufig  zugegen,   ml3ohte   sich 
aber  nur  selten  In  die  Gespräche   zwischen  Vater  und  Sohn 
•In.   Es  gab  aber  auch  3tunden  Im  Mualkzlmmer,  wenn  die 
Mutter  Klavier  spielte  oder  sang  und  Vf^ter  und   3ohn yylhr 
bezaubert   llÄö^GTrten.    Dann  ^|wtoter--wT:g(ae r  Tage  ode^r  'lochen, 
n  der  Vater  nicht  da  war;   er  machte  lange  Helsen, 


von  denen  er  dem  3ohn  Immer  Interessante  und  wichtig© 
Andenken  mitbrachte  und  Berichte   gab,   die   seinem  Ver- 
ständnls  engepaaat  Ajchlenon^   Allerdings   sprach  der 
Vater  selten  von  geschäftlichen  Dingen,   und  Max  hatte 
keine   rechte  Vorstellung  von  dem  was  seines  Vaters 
Geschäft  war.   Lange   Zelt  hindurch  hatte  er  mit  Geschäft 
nur  die   Idee  eines  Ladens  verbunden.   Aber  Im  letzten 
Jahr  bevor  Äeiai  Vater  starb  hatte  er  angefangen  Zeltun- 
gen  zu  lesen  und  hatte   seines  Vaters   Namen  erwähnt  gesehen 


/ 


14 

im  Zusammenhang  mit  Berlohten  von^rbsltert^m^feG-Pe-i«« 
In  Bergwerken  und  an  Eisenbahnen,  mit  Gewalttätigkeiten 
und  mit  aßßfiLhllahe«  Hunp-er  von  brauen  und   Kin<i«ym     i?« 


hatte  den  Vater  gefragt  und  nur  unzureichende  Antowrt 
bekommen,   denn  ea   sohlen,   daas  sein  Vater  selbst  nicht 
wusate,  was  die  Wahrheit  In  diesen  Berichten  war.  Er  wer 
sehr  beunruhigt  und  besorgt  gewesen  und  versprach  dem 
3ohn,  einen  vollständigen  Bericht,   nachdem  er  a4«e-^^ÖR%<Hw 
a;ifllma6b:^ft^J!tt4i»oohon  vorgenommen  hatte,   Max  hatte  dieser 
Bericht  9^  von  seinem  Vater  bekommen,   de   der  Vater  von 
seiner  Reise  noch  den  Kohlenbergwerken  >l^i*«d.  nicht -»»hr 
zurückkehrte.  Er  war  mit  den  Arbeitern  zusammen  In  den 
Schaft  hinuntergefahren,  um  sich  selbst  von  den  Verhält- 
nissen zu  überzeugen  und  war  einer  Explosion  zum  Opfer 
gefallen.   Erst  nach  vielen  Tagen  wurde  er  mit  vierzig 
anderen  Toten  ausgegraben.    Dieses  Bergwerkunglück,   In 
dem  ein  so  bekannter  Millionär  wie  Herr  Llllenfeld  ums 
Leben  kam,  war  dann  der  -Anlasa   zu  bedeutenden  techni- 
schen FerbQsaerungen  In  den  Kohlen-  und  Kupfermienen 
geworden.    Das  war  nüt-nllch  und  ein  Segen  für  viele 
hunderte    Familien,    In  denen  die    F*rauen  und  Kinder 
nicht  mehr  Ihre   Tage   In  zitternder  Angst  verbringen 
mussten;   aber  Max  hatte   seinen  Vater  verloren,  >laxens 


'^^^^g^^^^sS^!sisA 


"-"^•^•^'*^ 


15 


\ 


örossvoter  hatte  sein  Leben  elnpebüsat  als  er  einen  Streit 


zwischen 


aolner  Aufseher  In  den  Petroleumfeldern 


sohllohten  wollte;   einer  von  Ihnen  sohoss  Ihn  nieder • 

Es   schien  dem  heranwachsenden  Knaben^   dasa  viel  Gewalt- 
tat l?;lrelt  mit  solchen  Untemehmunpen  wie  öroasvater  und 
Vater  sie  besasson,   verbunden  war.   Er  hätte  es  vorpezopen 
der  3ohn  eines  Lodenbesltsers   zu  sein,  wenn  das  Ihm  den 
Vater  erholten  h^tte.   Nach  dem  Tod   seines  Vaters  war 
seine  Mutter  lanrr,e  krank  peweaon;   er  selbst  war  sehr 
einsam  und  sehr  unglücklich.   Als  die  iMutter  gesundete, 
war  er  so  desnkbari   dass  er  bereit  war  alles   zu  tun  was 
sie  von  Ihm  erwartete  und  sograr  die   grosse   Reise  Übers 
V/assor  zu  unternehmen,   vor  der  er  sich  sehr  fürchtete, 
Max  erzählte   Günther  von  den  vielen  Reisen  seines 
Vaters,   der  soj^ar  In  Afrika   pev/esen  wtir,Sr  hatte  elnlpe 
schöne  wilde   geschnitzte   Gottheiten  seinem  Jungen  Sohn 
von  dort  mitgebracht,   die   dieser  nun  seinem  F^reund 
zeigte,    30  kam  das   Gespräch  auf  Afrika   und   damit  auf 

eine   Neuigkeit ,   die  I^x  noch  nicht   (rehört  hatte  und 

mit 
die   Günther  benutzen  wollte,  um/deft  -freund     von  seinen 

\     eigenen  Afffi ren  zu  sprechen,    Dr.   von  Jap^emann  war  vor 

einigen  .ioneten  für  die  deutsche   ite gierung  nach  3iiBh«k- 

Afrika   {Tepßno:en,  um  dort  ein  vorbildliches   3pltal  für 


16 


dl«  Armee  elnzurlohten,   Dleseg  Ansuchen  war  aohon  vor 
länperer  Zelt  an  Ihn  peatellt  wordeni   aber  er  hatte   Immer 
wieder  gezögert  und  nlle  mÖgllohen  Gründe  gegen  ein  sol- 
ches  Unternehmen  vorpehracht.   Der  Dinick  von  Seiten  der 
Rep;lerung  musste  aber  wohl  stärker  geworden  seln^   denn 
die  Entscheidung  wurde  plötzlich  von  Ihm     gemaohti  und 
er  verlless  Hamburg  danach  In  kürzester  Zelt.   Günther 
hatte   Ihn  nur  flüchtig,  vor  seiner  Abreise  gesehen  und 
den  Eindruck  gewonnen^   dass  der  Professor  völlig  mit 
seinen  eigenen  Gedanken  beschäftigt  war  und  nicht  das 
geringste   Interesse  für  die  Geschehnisse  um  Ihn  herum 
bezeugte^ 

"Selbst  Trudea  Mitteilung^   dass  wir  seit  Jahren 
verlobt  sind,   schien  keinen  Eindruck  auf  Ihn  zu  maohen^^- 
sagte   Günther  und  schaute   den  F'reund  erwartungsvoll  an. 

*'0  Günther,  was  hast  du  getan,   wie  konntest  Du 
mir  das  antun?!**   -rief  Max  entsetzt  aus* 

Er  war  bleich  geworden  und  hielt  sich  ni|%  zitternd 
flfffilBn  an  seinem  Sessel  fest,   als  raÜsstc  er  sich  zurück- 
halten  aufzuspringen  und  sich  auf  vdon  i?reund  zu  stürzen» 

Qilnther,   der  I-Iax  nie   In  solcher  Erregung  gesehen 
hatte,   schaute  ratlos  auf  fi^n  völlig  veränderten  freund* 
Er  blieb  stumm.   Max  versuchte   seine    Selbstbeherrschung 


vile  der  Zugewinnen  Indem  er  sein 


s  Gesicht  In 


( 


/ 


s 


17 


seine  Hönde   verrrub.    Für  Günther  gab  es   fast  automntlsoh 
nur  eine  lirklflming  für  diesen  Ausbruch  seines   i^reundest 

von    ,/  rv    ^ 

Eifersucht«  't^ar  er  doch/ Je  davon  Überzeugt  gewesen,  dass 
Max  Gertrud  nur  darum  so  heftig  abgelehnt  hatte,  well 
sie  Ihn,  Günther,  bevorzugte,  und  dass  Max  sie  noch  Immer 
unglücklich  liebte.  Das  war  natürlich  der  Grund  warum 
Max  weder  verlobt  noch  verheiratet  war.  Ja  nie  von  einem 
Mädchen,  das  eine  Rolle  In  seinem  Leben  spielte,  dem 
Freund  Mitteilung  gemacht  hatte.  Günther  nahm  sich  vor, 
sehr  zartfühlend  und  freundlich  zu  lAax   zu  sein  und  Ihm 
nicht  zu  sagen,  was  er  zu  wissen  glaubte.  De  Ihm  kein 
Zweifel  an  solner  eigenen  Erklärung  kam,  war  er  völlig 
unvorbereitet  auf  das,  was  Max  Ihm  nun  berichten  musate. 

"Verzeih  mir  diesen  Aufbruch,  mein  Freund,^  -sagte 
er  nun  mit  noch  Immer  bewegter  3tlmme.  "Du  welsst,  es 
Ist  nur  sehr  selten,  dass  Gefühle  die  Oberhand  über 
mich  gewinnen.  Aber  wenn  der  Ichmerz  zu  gross  wnr  für 
•In  stilles  Dulden,  haben  selbst  die  griechischen  Helden 
geschrien,  Sie  konnten  es  allerdings  viel  besser  und 
dramatischer  tun  als  loh,'*-fügte  er  mit  bittendem  Lächeln 
hinzu, 

"Deine  Verbindung  mit  diesem  Mädchen  Ist  nicht  nur 
so  schmerzhaft,  well  loh  dadurch  den  einzigen  mir  noch 
nahen  Freund  verliere,  sondern  well  Ich  weiss,  dass  dieser 


18 
Freund  In  seiner  klndl lohen  Vertrauensselip.kelt  In  ein 
Netz  geraten  Ist,   aua  dem  er  aloh  kaum  mehr  heraushelfen 
kann»   Lsas  mloh  aussprechen^    gelbst  wenn  es   Dloh  empört*^ 
bat  er,   als  öünther  bei  seinen  Worten  wA^  iiJLAha^jQdan  Aupen 
von  seinem  Sesael  aufsprang. -'•Bitte ,   lass  mloh  Dir  erklären 
was   loh  meine,   loh  will  nloht  über  Gertruds: spreohenp   denn 
das   Ist   vergebens.    Selbnt  wenn  loh  Dir  Beweise   Ihrer  Charak- 
terlosigkeit  sohwarz;  auf  weiss  hier  auf  den  Tlsoh  legte   — 
Du  würdest  mir  nloht  glauben.    loh  will  Dir  nur  von  Ihrem 
Voter  erzählen^   der  mir  einst  ein  Idealer  ?reund  tind  Lehrer 
war,   dem  loh  ein   Sohn  war,   wie  er  mir  Immer  wieder  ver- 
alohe rte.    Du  bist   Zeuge   unBeror  nahen  und  liebevollen 
Beziehung  gewesen.    Du  walsi^t,    dass   loh  Ihm  vertraute  -  Ja 
dass   loh  glaubte >    fast  einen  Vater  In  Ihm  wiederzufinden. 


"Du  erinnerst   Dloh  vlelleioht  auoh  an  Irene /\ 


ßxJLcc- 


Freundln  Deiner   lohweater,   die   In  eine   traurige    Skandal« 
geschlohte   verwlokelt  war.   Auch  sie  war  unter  der  gütigen 
Fürsorge   Dr.   von  Jt^remanna  g^wesen^   der  sie   sofort  In 
ein  Privatsanatorium  brachte,   wo   sie  duroh  Wochen  niemanden 
sehen  durfte.    Sie  war  In  eine   uoliMire    BüpügBnion  verfallen, 
aus   der  ?ilo   er?^t  n»oh  langer  Zelt  wieder  zu   sich  kam.    Ihre 
Haushälterin  hatte    Selbstmord   verübt,   und  Irene,    In  der 
sohreckllchen  Umnachtung  Ihrer  Sinne,   ha^Lta^^ohnuptot^ 
sie   sdba  umgebracht  li^ittifl.    Natürlich  war  das  eine 


Phantasie  gewesen,  eine  Einbildung,  mit  der  sie  sloh 


I  I 


19 


quälen  musato,    Sie  war  völlig  alloln,   elß  sie  do3   Sanato- 
rium verlleaa^    Selbst  molne  liutteri   die   sie  ßerne  hatte, 
konnte   ^le  weder  Im   '3anatorlun  besuchen  noch  wurde   nie 
bona ohrloht Igt,   als  Irene   von  dort  fortging.    Der  einzige 
Menaoh^  der  es  wusste,  wer  Professor  JBßemann.  Er  erzählte 

uns  nloht  davon«   '^Tlr  trafen  Irene  ganz  zufällig  wieder, 

uns 
»eine  Muttor  und  loh,   als  wlr/lm  Herbst  vor  zwei  Jahren 

In  in.orenz  auf  einige  Wochen  n'»ederliessen»    31o  lebte 
in  einer  kleinen,   sehr  exolusiven  Pension,  nur  nm»  filnnr 
J£flmwirflflfQ.iibOjji>iiettott    31e  war  allerdings   sehr  wohl  behütet 
und  beschützt  in  Jener  Pension,   die  einer  älteren  aristo- 
kratischen  Dame  gehörte,   die   Irene  wie  eine   Tochter  liebte 
und  elfersüchtig  übenfaohte.v;ir  trafen  sie  mit  dieser 
Dame   In  einem  Konzert,   das   im  Garten  des   Palazzo  Plttl 
gegeben  wurde,    ./ir  erneuorten  unsor*e   Bekanntschaft  und 
wurden  nahe    freunde.   \'ir  verbrachten  sehr  viel   Zeit 
mlelnander,   entdeckten  ge^ielnsame  Interessen,   und  am 
Ende  unseres  Aufenthaltes  gestand  ich  ihr  meine  Liebe 
und  meine   Hoffnung,   dass   sie  meine   v'mxx  werden  würde, 
eine   Hoffnung,   die   ich  schon  als  I.nube   in  Haraburg  gehegt 
hatte.    Ich  ahnte,   dass   Irene  nicht  gleich  eine  Entschei- 
dung treffen  konnte,    ich  wollte    sie  nicht  drängen,   bat 
sie  nur,  mir  Gelegenheit  zu  geben  ihre   Zuneigung  und 
Liebe   zu  erwerben.    Ich  wollte   in  Florenz  bleiben  oder 
zui^ckkommen,   aber  sie   verbot  mir  das   zu  tun.    Ich  besohlosa 


20 

In  New  York  auf  Ih^  Antwort  zu  warten  und  Inzwlgohen  ver- 
suchte loh  mloh  «Ai-unae^  i^ainlllenuntemehmen  ^^^^^^'^^^ 


um  Ihr  zu  beweisen,  daaa  loh  bereit  sei  Pflichten 
und  Verantwortungen  auf  mich  zu  nehmen,  dl«  man  von  einem 
Mann  erwarten  konnte. 

"Im  Frühjahr  kam  Irene  nach  Kew  York,   31e  hatte   FVau 
von  Steinen,   bei  der  sie  In  Florenz  gelebt  hatte,   einge- 
laden^ sie   als  ältere   Freundin  zu  begleiten  und  einige 
Monete  mit   Ihr  zu  verbringen.   Die  beiden  Damen  wohnten 
In  meiner  Nähe  In  einem  Prlvathotel.   Nichts  konnte   Irene 
dazu  bewegen,   meine  und  meiner  Jiutter  Gantfreundaohaft 
länfrer  als  ein  paar  Top:e  anzunehinen. 

"Ich  erzähle   Dir  diese  Einzelheiten"  -unterbrach  sich 
Max-  "domlt   Du  ein  Bild  von  Irenes  Art,   von  Ihrer  Zurück- 
haltung und  ihrem  Stolz  bekommst.  Wir  kamen  einander  sehr 
nahoi    sie  wurde   In  der  Oeaallachaft  hier  aufpenomnen;   sie 
versuchte   Ihre  vielen  Inteptasen  hier  zu  befriedigen,   In- 
dira sie   Vorlesungen  anhörte,   Konzerte  und  Theater  besuchte 
und  sich  an  wohltatl£:on  Untemshmunpen  beteiligte.    Prau 
von   Steinen  verliess   sie  nach  einigen  Monaten,  nachdem  sie 
sich  vercewiaaert  hatte,   da  es   Irene   von  treuem  und  umsich- 
tigen Per^^onal  umgeben  war.    Die  I^ßdchen  in  Amerika   sind, 
wie   Du  weisst,    aelbstständlger  und  unebhän^^ieer  als  In 
Europa,   so  dass  es  nicht  eesoHschaftlich  gepen  sie  sprach, 
dasa  sie  allein  lebte.   3o  freundlich  Jedoch  wie  sich  ouoh 
die   Gesellschaft  um  sie  bemühte,    Irene  war  so  zurückhal- 
tend,  da  BS   sie  ausser  mir  keinen  nahen  Menschen  hatte, 
und  auch  ich  wusste  nicht  viel  mehr  von  Ihrer  Vereongen- 


\ 

M 

\  I 


?1 


h6iV,aiÄ  ^BM^  was  mir  oft  ungebeten  und  nloht  von  Ihr  an- 
vertraut Ina  GedÄohtnla  kam,      loh  hatte  nach  einigen  Mo- 
naten meine   i^erhxxnp  wiederholt^   und  Irene  verlobte   sloh 
mit  mlrj    das  war  Im  vorigen  Winter.     Wir  hatten  beechlosaen 
Ostern  In   Rom,    dae  wir  beide   sehr  liebten.   In  aller  Stille 
zu  heiraten.    31e  wollte  kein  Aufsehen,  keine   grossen  Fest- 
llohkelten,    sie  wollte  nur  mit  mir  allein  sein.   Me  war 


80  sicher,   dass   sie  mich  liebte.    Ich  war  sehr  glüoklloh, 
und  sie   schien  auch  eilüöklloh  zu  sein. 

^^Das  war  Im  Februar»   Am  Ende  des   Monats   schrieb  sie 
mir  einen  langen  Brief,  well   sie  mich  an  dem  teilnehmen 
lassen  wollte,   das   Ihr  Leben  durch  Jahre   verdunkelt  hatte; 
teilnehmen  sollte   loh  daran,   aber  auch  wissen, dass   loh  frei 
war  mich  von  Ihr  zurückzuziehen.    In  diesem  Brief  teilte 
sie  mir  Ihre   frühere  Beziehung  zu  von  Jage mann  mit.    Sie 
war  grausam  gegen  sich  und  mloh,    sie   sohonte  uns  nlohtj 
aber  sie   sohonte  auch  Ihn  nloht,   der  Ihr  Vertrauen  ausge- 
nutzt hatte,    sie  verführt  hatte,  und  der  am  Tod  Ihrer 
IhushSlterln  schuld  war.   Nach  diesem  Bekenntnis  glaubte 
Ich,    dass  «le  nun  diese   schreckliche  Episode  Üben-mnden 
hStte,   dass  sie  mir  nun  voll  vertraute  und  ganz  mein 
sein  konnte. Ich  war  so  dankbar  sogar  für  den  Schmerz, 
den  Ihre   Geschichte  mir  bereitet  hatte,   denn  er  war  ein 
Beweis  meiner  Liebe.    Ich  machte   Pläne   für  die   Zukunft, 


22 


für  unsere  Reise,  Vorbereitung  für  die  Hochzeit  und  unnere 
Rückkehr  hierher.  Wir  wollten  Anfeng  April  reisen, 

•'Es  war  schon  Mitte  UBrz  als   loh  bemerkte,   daas   Irene 
zögerte  notwendlp,e  ij*lnkäufe   zu  machen,    31e   zog  sich  auf 
mehrere  Tage  zurück  und  erlaubte  keinen  Besuch,   Nach  etwa 
einer  V/oohe,   in  der  loh  fast  verrückt  vor  Sehnsucht  und 
Sorge  war,   schickte   sie  mir  ein  Briefchen,   In  dem  sie  mich 
bat  sie   Ins  Konzert   zu  begleiten.    31e  war  so  unendlich 
lieb  und  gut   zu  mir  an  diesem  Abend,   dass  loh  Überzeugt  war, 
dass  nun  keinerlei  Beden;;en  Ihrerseits  mehr  vorhanden  waren, 
was  auch  Immer  der  Orund  für  Ihr  plötzliches   Zurückziehen 
gewesen  sein  mochte.   Beim  i\bsohled  vor  Ihrem  Haus  erlaubte 
sie  mir  sie   zu  küsnen  und  bat  mich  — was  loh  für  einen 
Scherz  hielt—  sie  nicht   zu  vergessen.    Sie   schien  zufrie- 
den,  ruhig  und.   Ich  dachte,   glücklich.  Am  nächsten  Morgen 
erfuhr  loh,   dass  sie  tot  wer.  Ein  Brief,   den  sie  gesohrle- 
ben  hatte  bevor  sie   diesen  letzten  Schritt  tat,   erreichte 
mich  am  selben  Tag. 

•'Du   sollst  beide   Briefe   lesen,   Günther.    Sage   Jetzt  ,j 
nlchtsj    Ich  habe  es   fast  nicht  überstanden,  war  sehr  krank. 
Aber  nun  weiss  lo^,   dass  niemand  mir  Irene  mehr  rauben  kann; 
alles   Ist  milder  geworden,   und  Ich  kenn  an  sie   denken,   ohne 
selbst   sterben  zu  müssen, V/enn  Du  diese   Briefe   liest,  wirst 
Du  verstehen  -das  hoffe    Ich  von  ganzem  Herzen—  warum  loh 


23 


80  entsetzt  übar  Deine  Beziehung  zu  Gertrud  bin.  Versuche 
gereoht  zu  aeln,  Günther,  aelbat  wenn  Du  nloht  loyal 

sein  kannst*'* 

^, 
Er  hetto  zwei  Briefe  aus  der  Sohrelbtlsohlade  genom- 
men und  reichte  nie  Günther  hlnj  der  zögerte  nur  kurz  und 
nahm  sie  daxm  sohwelg-end  In  Smpfang,  Er  stand  noch  einen 
Augenblick  da,  als  wollte  er  dem  Freund  etwas  sagen,  konnte 
ßlch  aber  nicht  antachllesson,  und  verlies»  mit  gesenktem 
Kopf  rasch  das  Zlmaer. 


III 


"^yn  «^     fr%  vi^«3j  f,  r- 


Dej  er^%ß  Brle;^ 


27#  Februar  13  •• 

Mein  llebfiter  Freund, 
Du  wirst  ea   seltsam  finden,   dess  Ich  an  Dich,   den 
Ich  doch  täglich  sehe,  einen  langen  Brief  wie  diesen  sende} 
aber  loh  hoffe,   dass   Du,   nach  dem     Du  Ihn  gelesen  hast, 
vorstehen  wirst,   dass   loh  selbst   Dir,  den  Ich  auf  dieser 
Welt  am  meisten  liebe  und  zu  dem  loh  das  grösste  Vertrauen 
habe,   dass   loh  selbst  Dir  nloht  mündlich  aapen  könnte,  was 
loh  zu  sagen  habe.   Ich  habe   Dir  mein  V/ort  gegtbtn  Dich  zu 
heiraten,  aber  loh  habe  kein  Reoht  dazu  gehabt,    zumindest 
nicht  solange   Du  nicht  diesen  Teil  meiner  Geschichte 
kennst,   den  zu  gestehen  Ich  nie  gewagt  habe,   loh  weiss, 


24 


döQS   Du  frossmütlg  un^  taktvoll  vermlefien  hast  mich  Je  naoh 
Janer  sohreokllohen  Zeit  In  Hamburg  zu  fragen^  nach  Jonen 
WocJJen  unsäglicher  '^ual  und  noch  den  voranp.e^an ebenen  Er« 
eifrjilagen.   Aber  wie  konnte   Ich  Deine   ?rau  werden^  wenn  loh 
diese  lirelgr.nlsge   Immer  verbergen  raüaBte,   Inuner  In  der  Angst 
lebandi   daea  Du  erfahren  könntest  wa3  ^.eachahi   dess  loh 
mich  vcjrraten  könnte,  und  dasfl  solch  ein  Verrat  nloht  nur 
Dir  Leid  bereiten  wilrde,  aber  auch  Dfiine  Voraohtungi    Ja 
Deinen  IIa 3g  ^epen  mloh  verursachen  wÜl^de«   Ich  könnte  Dir 
und  mir  das  nicht  antun«   Darumt  nein   i^Veund,   lege   loh 
Deinen  Ring  in  diesen  Briefi   damit   Du,  nachdem  Du  mein 
Bekenntnis  gelegen  hast,   Dich  nicht  gebunden  fühlst  durch 
Ring  oder  Vergprechen, 

Alg   ich  naoh  Hambur-g  kam,  war  ich  ganz  allein.    Ich 
hatte  keine  Verwandten*    Frau  Mller  begleitete  mloh;   mein 
Vorinund  hatte   sie  auf  Empfehlung  von  guten  Freunden  engagiert; 
sie  war  als    Junges  liÖdohen  Krankengohwester  auf  der  Kran* 
kenabteilung  meines  Vaters  gewesen  und  sohlen  Ihm  In  Ers- 
inne rung  ergeben  zu  sein.    In  Hamburg  sollte   ich  noch  ein 
oder  Äwel  Jahre   ins  Lyzeum  gehen  und  dann  entscheiden,  wo 
loh  leben  wollte»  lilln  früherer  Assistent  meines  Vaters, 
Professor  von  Jagemann,  war  von  meinem  Vormund  von  meiner 
Ankunft  benachriohtlgt  worden  und  war  gern  bereit  mir  und 
Frau  Kuller  behllflloh  su  sein,   die  entsprechende  Wohnung 
zu  finden •    So  lernte   ich  die  Jagemonns  kennen.   Mein  Vor- 
mund gtarb  bald  darauf,  und  loh  gewöixnte  mich  daran  den 


I  I 


25 


ProfesBor  als   seinen  Stellvertreter  anzusehn,   Ja  noch  mehr 
sogar  —als  einen  gütigen  Vater ^   den  mir  das   Schicksal  als 
Ersatz  für  meinen  so   früh  verstorbenen  pepeben  hatte •    Die 
Frau  Professor  war  55war  freundlich  zu  mir,   zelp;te  aber  wenig 
Interesse,   wie   sie  auch  weder  für  lh3?e  eigenen  Kinder  oder 
n'Miß  Ihren  yi&nn  besondere   Teilnahme  oder  :^rtllchkelt   zeigte^ 
Jöfenann  half  uns  ein  Haus   flndeni   das  auf  unbeschränkte 
Zelt  zu  verinietan  war  und   In  der  Kähe   seines  elj^onen  e'^ele- 
ren  war,  Tir  half  uns   Personal  heuern  un^l   fand  dlo  passende 
Schule   für  mich.  Kr  besuchte  mich  häufig,  um,  wie  er  be- 
houptete,   sich  zu  überzeugen,   dass  ralr  nichts  abging.  Bei 
diesen  Besuchen  sprach  er  gewöhnlich  von  meinen  Eltern 
und  wies  alle  meine  Dankeabezeufrung  damit   zurück,   dass 
er  glücklich  sei  einen  Teil  seiner  eigenen  Dankesschuld 
an  meine  Eltern  -besonders  meinen  Vater-  abzutragen,  die 
sich  seiner  so  herzlich  angenommen  hatten,  als  er  In 
Dorpat   studiertet  Er  erzählte   von  meinem  Vater,   von  sei- 
ner Arbeit,   seinen  Verdiensten  um  die  Wissenschaft,   von 
seiner  Menschlichkeit.    3o  p^ewann  er  meine   ganze 
Zuneigung,  mein  Herz,  mein  Vertrauen,  mein  ganzes   Sein. 
Ich  lebte   von  seinen  Besuchen  und  4«^ L.rwartung.  Slnmel, 


•Is  wir  zusammen  beim  Tee   sassen,   erschien  plötzlich, 
unangemeldet,   seine   Tochter  Gertrudi^die  einige   Jahre 
Jünger  als  loh  war,  aber  mich  Immer  durch  ihre  Weltwels 
helt  beAftndruokt  hatte.      Ich  merkte,    dass  es   Jagemann 
peinlich  war,  seiner  Tochter  bei  mir  zu  begeg^ien.   An 


26 


diesem  Naohinlttag  hörte  ich  Ihn  die  erste   Unwahrholt  aaeen, 
ala  er  als  4*!»' Grund  für  seinen  Besuch  eine  Unpässllohkelt 
meinerseits  anpab.   Trudos  Lächeln  zeigte  mir,   dass  cia  Ihre 
Zweifel  hatte,   sie  war  eher  taktvoll  nloht  welter  nach 
■lelnejn  aneebllohen  Leiden  zu  fragen,   Jedooh  kam  sie  nun 
hÄuflp^r,  unf-ebeten  und  unerwünscht, und  pab  vor.sloh  nach 
meinem  Gesundheitszustand  erkundlp^n  zu  wollen,   Jassraenn 
schien  sehr  rerelzt  durch  Gert  rüdes  /.ufraerksemkelt  und  kam 
nicht  mehr  so  hfluflg.   Nach  elnlfon  v/ochen  erschien  er  eines 
/.berds.  Er  erklärte,   dass  er  dem  Spionieren  seiner  Tochter 
u  entcehen  versuche  und  warnte  mich  vor  Ihr.  Er  war  be- 


4JI 


Icümnert  eino   solche   roohter  zu  haben,   machte  Andeutungen 
übor  ihren  schlechten  Charakter  und  vor  sllem,   dass  er 
Dich,  Kax,   vor  Ihr  zu  beschützen  twchte.   Er  orzöhlte  mir 
von  Dir,   von  Deiner  Mutter  und  versprach. ralph  bei  Such 
einzuführen.   I^r  .sprach  von  T)lr  mit  mehr  Liebe  als  er  von 
seinen  eigenen  Kindern  sprach;    Ja,  er  gestand,   dsss  Ihm 
nichts  Lieberes  geschehen  könnt©  als   Dich  zum  Sohn  zu 
haben,   dass  er  aber  alles  unternehmen  würde,  um  eine 
zul^nftlge  Verbindung  7.wlsohen  Dir  und  Gertrude  zu  verhüten^ 
Er  sacte,  dass  sie  nur  an  sich  dichte,   für  niemanden  auoh 
nur  das  leiseste  Empfinden  hebe,  und  Dich  nur  an  sich 
binden  wolle,   well  Du  ein  Millionär  seist.    Dann  pe stand 


I  I 


27 


er  mir  inlt  grosser  echter  Verzwelflunß,   dssB  Crertrude  sohon 
als   Junpies  Kind  ein  sohreokllohee  Verbrechen  zu  begehen 
▼•rsuoht  höbe^  nflmlloh  einen  Mordversuch  an  Ihruren  Jün- 
geren BrÜdom,   die  sie   Ins  Wasser  (blockt  hatte.  Man  habe 
nie  e-^  vrirkllch  nachweisen  können,   dasa  es  absichtlich 
geschehen  vrar,  er  habe  versucht  es  za-J^m imoJre In ,   aber 
es  sei  Ihm  nletljrelunpren.Sle  verberge  unter  Ihrer  Ilaske 
von  unnchuldl^or  Schönheit  eine  maasloso   Gier  und  völlige 
Herzlosigkeit tSr  v/ar  so  unp-.lüokllch,   dess   Ich  meine   g:e-* 
wohnliche   Zurückhaltung  vorf?ess  und  seine  Hand  nehm  und 
sie  küsste.    Ich  v/äre   so  g-lÜckllch  gewesen  seine   Tochter 
zu   sein,    Dan  v/ar  nlr  nicht  vergönnt,   /^n   Jenem  /ibond  wur- 
de  loh  seine   Geliebte.   Mein  Loben  v/uruo  nun  von  Leiden- 
schaft und  Liebe   für  ihn  erfüllt.    Ich  wurde   vorsichtigt 
um  ihn  nicht  zu  verraten.    Ich  ptfir/terte   durch  die   Tage  mit 
ihren  Jflichton  und  Verpflichtungen  und  e3:>/achto   erat  am 
Abend  zum  eigentlichen  I^benj    denn   ich  lebte  nur  noch 
ih  Ihjn.  Kr  konnte  natürlich  nicht   Jeden  Abend  kommen^ 
sein  3eruf,    seine   Panillo,   seine   gesellsohdftllchen  Vöf^riloh^ 
tungen  erlaubten  das  nicht.   Aber  er  kam  doch  so  häufig,   dass 
l*rau  J-tfiller  mich  mit  mlstrauischer  I-Iiene  beobachtete  und 
hie  und  da  warnende  Worte    fallen  Hess.    Das  nachte  mir 
keine    Sorge;   aber  ich  hatte   das  onhelmllche   GefÜhli    dass 
Oertrude  wieder  angefsnj^^en  hatte  zu  splonioreni   dass  sie 
sichtbar  um  mich  herum  v/ar,   bis   ich  entdeckte,   dass   sie 
sich  an  Frau  Müller  heranpomacht  hatte  oline  mein  ^/Issen. 


'•  ■•-■"-■■  --^.  ■ 


28 


loh  fand  3le  eines  Tages  In  ITrau  >füllers   Zlrameri  wo  die  bei- 
den zusammen  Tee   tranken^ und  iiiutfi-Bh^zuaümiiieiiführeni   als- 
45Jöriiftx»fari««BT-  Ich  weiss  noch  heute  nicht  was  Gertrudes 
Abslohten  waren.   Frau  Malier  erzählte  mlr^  dass  sie  sie 
mit  Prägen  übersohüttete  und  versuchte , herauszufinden,  ob 
und  warum  Ihr  Vater  mich  be Buchte •   31e  bot   Ihr  sogar  Geld 
für  diese  Auskünfte  an, 

Jaremann  hatte  sloh  verändert;    der— sonst  -a^iJbetaeyrs-f^htei 
gJjklcMflsslpe  y^reci  war  launisch  geworden  und  oft  nloht 
berechenbar .Er  machte  Bemerkungen  und  Anspielungen,   die 
je Ine  entsetzliche  Eifersucht  bezeugten  und  deren  Bedeutung 
mich  tief  verletzte.    In  einer  solchen  Soene   verlangte  er 
von  mir,   dass   loh  Frau  Mller  wegschickte,   da  er  Ihre 
sittlichen  Grundsätze  verdflohtlge.   Er  habe   von  seiner 
Tochter  erfahren,   dass   sie   versucht  habe.raloh  mit    Jungen 
Männern  bekannt   tai  machen,  um  mich  sowohl  von  Jage  mann 
zu  trennen  als  auch  sich  einen  guten  Nebenverdienst  zu 
sichelt.   In  seiner  Elfersucht  befangen  zweifelte  er 
nicht  einmal  mehr  an  der  Wahrheitsliebe   seiner  Tochter, 
von  der  er  selbst  als   Intrigantin  gesprochen  hatte.  Er 
hatte  eine   Unterredung  mit  Freu  Müller,   die   Ihn  aus  Sorge 
um  mich  wohl  ungesohlckterwelse  ersuchtey  seine  Besuche 
einzustellen  und  andeutete,   dass   seine   Frau  von  diesen 
Besuchen  benachrichtigt  werden  könnte.    Jage mann  antwortete 


1 


29 

r 

Ihr  In  kaltem  Ton,   daaa  sie  es  nicht  wapen  sollte  etwas   zxx 
unternehmen,  was  sie  nur  bedauern  würde,   de  er  etwas  aus 
Ihrer  Vergangenheit  wüaate,   dessen  Mitteilung  ihren 
Aufenthalt  In  Hamburg  unmöglich  machen  würde.   Ich  hatte 
keine  Ahnung  was  diese   Drohung  bedeutete;   loh  war  so 
müde  und  so  unglücklich,   dsss  Ich  mich  In  mein  Zimmer 
elnschloss  und  mich  In  den  Schlaf  weinte.   Ich  ha äste 
Frau  Müller  und  besohloss  Jagemanna  Wunsch  zu  erfüllen 
und  ale  wegzuschicken.   Kein  einziges   Verlangen  war  die 
alte   Beziehung  zu  Ihm  wiederherzustellen,  meine   Sinne 
verlangten  mit  Leidenschaft  nach  Ihm,  und  mir  erschien 
Preu  Müllers   zukünftiges  Geschick  In  Jener  iNacht  völlig 
unwichtig.   Ich  konnte  nicht  ahnen,  dass  loh  mich  unlös- 
lich in  Schuld  verstrickt  hatte.    loh  kann  noch  heute 
nicht  ohne  tiefste  Erschütterung  daran  denken,   dass  nur 
wenige   Räume  von  mir  entfernt  ein  menschliches  ¥esen, 
dem  ich  mein  Mitgefühl  versagte,   einen  Verzweiflungs- 
kampf  völlig  allein  kämpfte,  ein  Gethsemane,  dass  In 
einem  Golgatha  enden  muaste.     Sin  iflenÄoPntlchiiiM'Weafen, 

r- 

das  mir  tief  ereeben  yfBVp  und  das  duroh  meine  Gleich- 
gültigkeit sterben  muaste. 

Man  fand  Frau  I^ller  am  nächsten  Morgen  tot  auf 
ihrem  Bett  liee;en.    Sie  hatte   sich  mit   Rattengift  das 
Leben  genommene    Sie  hatte  einen  Brief  an  mich  hinter- 
lassen,  in  dem  ale  erklärte  warum  sie  nicht  weiter 
leben  könnte.    Ihr  Name  war  Therese  Mühlhelmer,    Sie 


30 


hatte  als   Junpe  Krankenaohwester  auf  meines  Vetars  Abtei- 
lung gearbeitet.    31e  wer  eine  gute   3ohwester  gewesenj   sie 
hatte  meinen  Vater  sehr  verehrt.     Aber  sie  war  Jung  gewesen 
und  hatte  den  dringenden  Liebeserklärungen  eines   Jungen 
Arr.tea  nicht  wiederstehen  können.   Ea  war  die  alte  Geaohloh- 
te»   sie  war  In  gesegnete  — weloh  aeltsaraes  v/orti —  UmatÄnde 
gekommen,   hatte  auf  Heirat  gehofft  und  war  auf  Kllte  und 
Unverständnis  gestossen.  Er  war  mit  einem  Mädchen  aus 
einer  anderen  Qesellaohaftsklasse  verlobt.  Am  Tage  seiner 
Hoohr.elt  gebahr  sie  ein  Kind  In  Ihrem  Zimmer  Im  Kranken- 
haus,   31e  hatte  durch  Ihre  weite   Schwesterntracht  Ihren 
Zustand  verbergen  können.  Allein  Im  Zimmer  und  In  Ihrer 
Angst  und  Verzweiflung,   erstickte   sie  das  Kind,   31e 
wurde  auf  dem  Kinde  liegend  gefunden.   Unter  den  Ärzten, 
die  mit  meinem  Vater  zu  Ihr  Ina   Zimmer  kamen,  war  auch 
Jagemonn,   sein  damaliger  Oberarzt.   Nk»«L  hatte  «p- sie    st^F^-jCT 


wiedererkannt?    Ihre  Tat  hatte   damals  und  auch  heute 
nichts  für  Ihn  bedeutet,  aber  er  hatte  sie  wieder  Ina 
Leben  gerufen,  um  sie   damit  zu  vernichten.   Durch  die 
Fürsorge  meines  Vaters  war  sie  damals  nicht  des  Kinde s- 
mordes  angeklagt  worden,   sondern  nur  der  fahrlässigen 
Tötung.    31e  wurde  auf  J'.wel  Jahre   Ins  Gefängnis  geschickt. 
Nach  Ihrer  Entlassung  hatte   sie   In  einem  russischen  Kloster 
Zuflucht  gefunden/bis  sie  wieder  fähig  war  zu  arbeiten. 


31 


Endlloh  hatte   sie  eine  Gelerenhelt  Ihre   üankberkelt  für 
meines  Vetera   Güte   zu   zeigen^   seinem  Kind  alle  die   Treue^ 
Liebe  und  Ergebung  zu  irldm©;|^|^41e  sie  dem  eigenen  nicht 
geben  konnte •    31e  glaubte,   dosa  sie   damit   Ihre   Tat  sühnen 
konnte.   Aber,   so  sagte   sie  als  Letztes   In  Ihrem  Brlef| 
Gtott  Hesse  sloh  nicht  betrügen;   er  wolle   sie  nun  mit 
dem  strafen^  was   für  sie  das   Grauenhafteste  und  Uner- 
träglichste sel|   In  dem  er  mich  vor  Ihren  Augen  verder- 
ben  lasse I  well  sie  das  Leben  Ihres  eigenen  Kindes  ver- 
dorben hotte ♦ 

Des  v/eltere  welsst  Du.  nein  Freund,   Ich  war  durch 
lange    Zelt  wie  umnoohtet;    loh  wollte  nicht  leben,    Ich 
konnte   die    Schuld,   die   Ich  durch  meine   leidenschaftliche 
Liebe   zu  Jcgemann  auf  mich  geladen  hatte,   nicht  ertragen. 
Aber  allmählich  wurde   Ich  ruhiger  und  war  schliesslich 
bereit  wieder  In  das  Leben  zu  treten.    Ich  sah  Jogemann 
noch  ein  einziges  Mal.  Er  wollte   sloh  mir  hoffend  und 
liebevoll  nähern  -  mein  Herz  schrie  nach  Ihm,   aber  loh 
sohlcltte   Ihn  fort  -  auf  Immer.   Ob  ich  meine    Schuld  ver- 
büflst  habe  —Ich  weiss  os  nicht.   Du  sollst  aber  wenigstens 
Dich  frei  entsohllessen.   ob  Du  mit  mir  Dein  Leben  teilen 


willst. 


I» 


In  Treue 


Irene 


32 


Der  zweite  Brief 


"Lieber  MaXt   treuer  ?round^ 
loh  lege  nun  mein  Herz  und  meine   Seele  In  Deine  HÖnde^  mit 
diesen  Zellen,   die   sllee   sind  was  von  mir  geblieben  Ist. 
MaX|   lieber  Max^   verzeih  mir,   dass   loh  Dir  den   3ohmerz 
des  Abschieds  zufüge   —vlelleloht  kennst  Du  mir  verzeihen, 
wenn  Du  daran  denkst,   dosa  Trennung  von  einander  unumgflng^ 
lloh  Int,   da 8 3  es  nicht  darauf  ankommt,   ob  es  heute  oder 
In  50  Jahren  lat  und  nur,   ob  man  das  Wesen  des   gellebten 
Menschen  In  sich  aufgenommen  hat.   Ich  möchte   Dich  trösten 
und  von  Dir  getröstet  werden.   Du  bist   der  einzige  Mensoh, 
der  mich  damit  versöhnt,   dass  es  ein  Leben  überhaupt 
gibt*  Warum  denn  kann  loh  nicht  bei  Dir  bleiben  und  mit 
Dir  leben?   Du  musst  mich  vorstehen,   der  Du  meine   Oeschlohte 
kennst.   Wir  haben  so  viel  und  vertraulich  miteinander 
gesprochen,  und  Du  kennst  den  besten  Teil  meiner  Per- 
sönlichkeit.  Aber  mit   Dir  würde  auch  der  verworfenste 
Mensch  ein  Stück  göttlicher  Natur  zelpen.  \'füB  an  mir 
schlecht  und  verworfen  Ist,   hast  Du  nie   zu  fühlen  be- 
kommen.  Vielleicht  auch  hat  es  nur  existiert  als   Spie- 
gelbild eines  anderen  Menschen,   der  auf  Immer  den 
Stempel  des  Besitzes  auf  mich  gedrückt  hat.    Denke  an 
Freu  Müllers  v/orte,   dass  Grott   sich  nlcli  betrügen  iSsst, 
selbst  wenn  wir  Menschen  Erbarmen  empfinden.    Ich  welsa 


I  I      I  i 


33 


Du  hast  Erbarmen  mit  mir/  aber  loh  finde  nlohta  In  Gott- 
dle  entsetzliche   Schuld  muga/  gteaühnt  werden.   Ob  ea 
Thereae  Müllers  Tod  -oder  lrp:end  ein  Tod  Ist-  loh  rauaa 
dafür  bÜaaen,  und  loh  kÖnnto  ea  nicht  ertragen  von  Neuem 
durch  Wochen  und  Monate  entaetzlloher  Gewlaaenaqualen 
zu  leben,   loh  hatte   pehofft,   daas   Du  mich  retten  könntest, 
daaa  unaere  Li«be,  unser  Vertrauen  ein  Bullwerk  daf^egen 
sein  würde  —  aber  loh  welaa  nun  sicher,   daaa  ea  diesen 
Auaweß  für  mich  nicht  s^lbt.   Ich  kann  Dein  Leben  nicht 
zeratören!   Ich  welaa,   daaa   Ich  Jagemanna  Eigentum  bleiben 
werde,   Immer  mit  Ihm  In  Schuld  und   3ünde   verbunden  und 
Immer,   Immer  nach  Ihm  verlangend. 

Mein  llebater,   liebster  Max,   Du  wKreat  bereit  mich 
sogar  unter  dleaer  Bedine^ng  zu  lieben  und  zu  stützen  - 
•b«r  Ich  bin  nicht  fähls  mich  selbst  zu  ertragen,   dies 
abgründige   Schlechte   In  mir,   das  keine  Erlöauns  duldeti 
loh  kann  die  HÖlle  In  mir  nicht  dulden— -'die  Liebe  aber 
Ist  die   Stärkate  unter  Ihnen,'  das   Ist  mein  Troat  In 
diesen  letzten  Augenblicken  ~  Deine  Liebe  wird  atark 
sein  und  mir  verzeihen.   Du  Guter,   Du  Lieber,   leb  wohl, 
loh  nehme   Dein  Bild  mit  mir,   Dein  LScheln,   Deine  Grossmut. 


Adieu 


Irene   " 


I    I         II 


7 


34 


Günther  aess  ©in  Penaten  und  sohpute  auf  den  ver- 
schneiten atmen  Platz  hinaus.   Er  hielt  die  Briefe, 
die  er  golesen  hotte,   In  seiner  Hand,  er  hatte   seit 
Stunden  so   reaeagen,   fest  ohne   aloh  zu  beweren.    Noch 
dem  ernten  fast  wlldon  Gefühl  von  Abacheu,  Empörunc, 
Zorn  und  einem  fiOtt,  körperlichen  Widerwillen,  war  all- 
mählloh  eine  Reaktion  elnpotreten.  Er  hatte  nun  keinerlei 
Smpfinden  mehr,  er  konnte  ober  auch  nicht  denken.    3o 
905S  er  und  beobachtete  den  Lichtschein,   der  von  der 
öeslsterne  über  den   3ohnee   fiel,    seh  die  wenlf-en  Puss- 
päneer  elllcat   den  Platz  Übe räch reiten,  hörte   das   Geläute 
elnea   verspäteten  Pferdesohllttena,   und  folgte  mit  den 
Aupen  einer  kleinen  schwarzen  Katze,   dl©  vorsichtig  und 
latlioa  In  den  alten  Fusatapfen  der  FHiaagänprer  elnherschllch. 


35 


I 


3©^ 


Langsam  erlÖaohten  die  Lata  man  ♦   Es  wurda  kalt  im  Zimmer  | 
so  das 3  er  oufötehen  mugstOi  um  das  Kamlnfeuor  wieder  an- 
zufachen  und  Holzsohelta  darauf  zu  werÄen^   Diese   Bawepwnc 
tat  ihm  ßutf   löste  fa^^^^-KÄaijiJf  seines  panzen  Körpers  und 
vor  allem  der  i^ln^sri   die  die  Briefe  umklammert  hielten. 
Sr  schaute  auf  die  Briefe i   lepte   sie  auf  den  Tisch 
und  durchquerte  einlf.o  Male   das   Zimmer  und  merkte,   dass 
er  zu  denken  bejjrann,   Er  dachte  zunächst  an  Irene,   deren 
Selbstmord  ihn  unfraheuarlich  erschien,    fremd,  unver* 
ständlich  und  abatossend.   Dobel  ober  socte  t:>twas  in  ihm, 
dass  er  sich  umbrinrten  würde,  wenn  Irenes  Brief  die  ^B)ar^ 
halt  enthielte,   die  Wahrheit  Über  Gartrude.  hr  könnte  es 
nicht  ortraron.wenn  seine  Geliebte  wirklich  ein  so  bös- 
artif.aa   CTeschÖpf  sei  wie   Irene   sie  schilderte,    Gartruda 
w8re  sfaom  ja  an  Frau  Müllers  und  damit  auch  an  Irenas 
Tod  schuld  —  wenn  Irene     Recht  hätte •    Irene  konnte 
nicht  Recht  haben,   3s  konnte  nicht  sein  —hatte   sie 
doch  auch  in  ihrer  3ohv/ermut  behauptet,   dass   sie   Frau 
Mller  umf^ebrscht  hftte;   durch  Wochen  hatte  sie   das 
behauptet,   und  es  hotte   sehr  lan^^e  (tedauert,  bis  sie 
wieder  aus  den   "Sanntoriura  entlassen  werden  konnte •  War 
•e  denn  nicht  möglich  —Ja   sogar  wahrscheinlich--  dass 
ihr  Bekenntnis,   das  Trofesnor  Ja ermann  und  Gart rüde 
In  abstossand-unnoralischo  Beziehungen  und  Taten  ver* 
wickelte,  auf  krankhafter  Einbildung  beruhte?  Wenn  sie 


36 


x^^x 


einmal  In  Ihrer  ümnaohtung  sloh  mit  völlig  haltlosen  Selbst- 
vorvrürfon  duroh  viele  Wochen  quälen  konnte,   so  muaste  man 
annehmen,   dess  die  Anklagenge pen  andere  genau  ao  haltlos 

i 

und  krankhaft  waren.   Dloae   Sohluasfolgerung  sohlen  Günther 
überzeugend,  und  er  war  nun  willens  welter  zu  denken.  Aber 
er  war  ao  müdG|   daas  er  plötzlich  auf  dem  Sessel  altzend 
einschlief»   Sr  sah  die  eohwarze  Katze  lautlos  mmä,  geister- 
haft Über  den    Johnee   aohleiohenj   unter  der  Laterne   sass 
ein  kleiner  Vopel.  Sr  hotte   seine   ?edem  aufgeplustert 
und  hielt  des  Köpfchen  auf  die  Brust  eenelct  und  schlief. 
Lanpaam  fielen   Schneeflocken  auf  Ihn  hinunter.   Die  Katze 
machte  plötzlich  einen   Sprung  und  packte   den  Vopel  mit 
iMaul  und  Klauen;    sie   zerbiss  und   zerriss  ihn,    Sie   drehte 
ihren  Kopf  nach  Günthers   Fenster  zu^  und  Günther  sah^ 
dasfl   die  Katze   Ihn  mit   Gertrudea  lixxßen  anblickte. Dann 
hörte  er  einen  schrillen  Todessohrel. 

Günther  erv/achte.;  seine  3tlra  war  auf  die  Fenster-» 
bank  gefallen,  und  er  hatte  dadurch  eine  kleine  Schale, 
die  einige  Itosen  enthielt^  heruntergeworfent  Die  Schale 
lag  In  Scherben,  und  die  Rosen  waren  entblättert.  Er 
musste  ein  Gefühl  des  blkels,  den  der  Traum  verursacht 
hatte,  bekämpfen,  trotzdem  war  er  ruhiger  und  gefasster 
als  vorher.   Er  fragte   sich  wie  [Max  ^rÄur-  die  Hirngespinste  Ci.x^^ 


37 


^ 


V 


seine  Mutter  war  mit   Ihm  befreundet  ßeweaen,   V/Sre  Jaf^emann 
ein  Mengoh  wie   Ihn  Irene  de  rateilte,    go  müssten  AGferüohte  -  AT 

Im  Umlauf  eein.  Aber  ao  viel  er  wusete, 
hatte  man  nie   irfrendetwas  Anräohipea  aber  Ihn  c"ohört,  mmi  vu-Oi^ 


immer  Gutes,   Bewundernawerteoj  niemand  hatte   Je  eine  ab- 
trägliche Bemerkung  ober  Ihn  eerasoht«    So  viel  du  weiset» 
sagte  eine  kaum  hörbare   Gtlnime  in  Günthers   Innerem.   Er 
braohte  die   Stinme   zum  Sohweig-enf  inden  or  sich  Jacemanns 
ernste,   vergeistigte   Züge  ins  Gedächtnis   rief.   Sr  dachte 
an  die   Stille,   die   ihn  umgab,   an  die  Ehrlichkeit  und 
Direktholt,  mit  der  er  Günther  beceg-net  war.   Er  konnte 
nicht   zug;eben,   dass  dieser  Mann  heimllch^leldenscheften 
naohrab.   Er  liebte   Gertrude,  und  da  er  sie   liebte,  mus^t« 
sie  sut  sein.  Er  welgterte  sich  afRzufarkennen,   dass  er  die- 


selbe BeweisführunF  anwandte  wie  Max,   dem  er  vorwarf,   deaa 
er  durch  seine   Liebe /geblendet  ^isubte,   dass  ■iPone.o  Be- 
aohuldlfTungen  wahr  seien. 


V 


dass   Jagcimanns  Veränderung  und  sein  plötzlicher  Entsohlusa 
nach  Afrika   zu  f-ehen,   nichts  mit  der  Itechrioht  von  Irenes 
Selbstmord  zu  tun  hatten  und  nur  zufällig  zeitlich  zusam- 

I 

menfielen. 

Es  dämmerte  schon, als  er  sich  endlich  niederlegte 
und  mit  dem  Vorsatz  einschlief,  dem  Freund  rücksichtsvoll 
aber  doch  unweigerlich  mltRutoilen,  dass  er  Irenea  Geschichte 


3 


f 


für  dl©  Hlmgeaplnate  einer  öerafltakrenken  hielt,   dass  er 
aber  verstände,   d&ss  I4ax,   d^iep  Iwfio   liebte,   Ihr  glauben 

OUL4J  r^«^«**^^ 

mflaBöi  und  dass  er  deswegen  sein  Roua /(verlassen  raflsste, 
wenn  er  dejn  iilfmennd  nloht   zu  seiner  eigenen  Ansloht  herüber- 


ziehen könnte 


Tv  , 


39 


Vk 


#^ 


Max  ßass  lange  unbeweglloh,   den  Kopf  In  dlo  Hände  ver- 
grabeni  vor  seinem  Schreibtisch.   Nach  der  erre^^^nden  3cene 
mit  O^lnther  \^ar  er  recht  eraohftpftt  Er  fühlte,   dasa  er 
Btt  einer  Entscheidung  gezwungen  war,  und  dass  er  nicht 
Imstande  war  sie  7.\x  machen.   Es  wör  unver0ieftai4hti,da8s  die 
neubelebte   Freundschaft  mit  Günther  eine  weitere  Belastung 
nicht  trafen  würde.   Sr  bedauerte   schon  aufs   Tiefste,   dass 
er  Ihm  die  zwei  Briefe   von  Irene   gegeben  hatte;    er  hatte 
sie  nie   Jemandem  6ezel£;t.  Es  konnte  nichts  Gutes  dabei 
herauskommen  —wie  hatte  er  so  Impulsiv  handeln  können? 
Er  wurde   sich  bewusst,   da es  Günthers  Besuch,   Günthers 
Freundschaft  4^  ersehnt  und  berehrt  waren,   dass  er  zu 
heftig  und  unklug  gehandelt  hatte.   Mit  ungewöhnlicher 
Klarheit  erkannte  er  den  Grund  dieses   so  ungestümen 
Bedürfnisses!    Günther  hatte   Irene  und  seine   Knabenjahre 
bedeutet,    seine  erste  und  seine   letzte  Liebe.   Er  sohfimte 
sich,   da 3  3  er  nicht  eigentlich  um  den  Freund  geworben 
hatte   sondern  um  Irene,  oder  vielmehr  hatte  er  versucht 
In  Günther  einen  mffkw^  tür  Irene  zu  werben.   Sr  hatte, 
ohne  es  zu  wollen,   ihm  ein  Leid  angetan.     Aber  der  Freund 
wer  In  Gefahr,   selbst  wenn  es  sich  nicht  um  Irene  handelte, 
niemand  wusste  besser  als  I^ax,  was  Günthers  Schicksal  sein 
würde,  wenn  er  Gertrude  heiratete  —oder  sie  Ihn.  Er  nahm 
aus  der  Schreib  tischlade  elwm  Packe^Brlefe,   sie  waren 


u.^'Aij^u  —  ^^  .^  :  ^ 


40 


9S 


In  Qertrudea  grosser  höhnischer  Hand  geschrieben»   Er 

fröpte   sich  €aat  verwundert .worum  er  sie  aufbowahrt  hritte. 

f 

Hatte  er  auf  diesen  Aupenbliok  pewsrteti  wo  er  sie   dem 
Freund  trlumphlGi^#nd  zeigen  konnte?  Triumphierend  Über  was?-- 
Über  Günthers  Elend  undANlod^i^ö^^e,  Er  wusBte  was  In  den 
Briefen  stand;   es  waren  Immer  neue   Versuche  Max  zxx  gewinn  en, 
Max  z\x  betören»   Gertrude  versuchte  Mddap  Mittel*   sie  war 
völlig  schamlos  In  Ihrem  Begehren*    Ble  war  oynlsch  und 
axiorallÄeh- und  nahm  kein  IJoln,   In  v/oloher  i^orm  auch  Immer 
es  gegeben  v^ar,  iviuit«   31o  hate  allerdings  nie  ervrähnt,   daas 
sie  mit   Günther  verlobt  wer,   dos  hielt  sie  geheim  und  hatte 
Ja   auch  Günther  davon  üborzougti   dass  er  es  geheim  halten 
raüsste*    Sie  machte  sich  Jedoch  über  Ihn  von  Zelt  zu  Zelt 
In  Ihren  Briefen  an  Max  lustig^   ohne   Rücksicht  auf  l-Iaxens 
Freunische ft  mit  Günther.    31e  beschrieb  seine  unglaub- 
liche  Naivität  und  Ungeschicklichkeit,   seine   Bravhelt| 
Vertrauensseligkeit  und  Narretei,  und  schilderte  andere 
Verehre r,   doren  Vortrüge  sie  In  Einzelheiten  auf?^ählte|^ 
wobei   sie  nanchmal^^so  weit  glng,>  daon  oo   Jedem  Anstand 
wldorffi^ractt»  Anscheinend  hoffte   sie  durch  diese  Briefe 
Max  zu  erregen,   seine  Neugierde  und  Eifersucht  zu  entfachen 

sich  vor  Ihm  zu  entblössen« 
Max  hatte  kaum  je  geantwortet}   endlich  teilte  er  Ihr 
mit,   dass  er  anderwärts  gebunden  sei,   dass  es  sinnlos 
sei  Ihm  zu  schreiben,   auf  Ihn  zu  hoffen«    31e  glaubte   Ihm 


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A  ^'i!^^.   ...  ■  t3""".i 


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nlohtp  bis  er  Ihr  Irenea  Neman  nannte,   dann  wurde   ale  auf 
einmal  vernünftig  In  Ihren  Briefen^  aaohlloh  und  freund« 
lieh  und  Bchien  sieh  für  alle9|Wa8   Irene  betraf,  zu  Inte- 
resalerent   Das  war  natürlich  bevor  Max  von  Oertrudea  Rolle 
In  Irenes  Tragödie  wusate^    Die  Hamburg-er  Zeltun^-en  ÄriNetm- 

rauanten  wohl  die  Nachricht  von  Irenes  Tod  gebracht 
haben,   donn  elnl£;e  V/ochen  später  kam  ein  Oondolenzbrlef 
von  Gertrude,   den  er  nur  formell  beantwortete;  und  dann 
kam  sehr  bald  ein  neuerlicher  Versuch. Max  zu  eewlnnen« 
Der  Brief  war  voller  Sympathie  für  Ihn,  aber  er  enthielt 
Anaplelunßen  auf  die  Vergangenheit,  auf  Irenes  Beziehung 
zu  Gert  rüdes  Vater  und  Ihre  Ver^ilcherung,   dass  Professor 
Jagemann  die   Zeltuncsnachrloht  g^e lesen  habe  und  sicher 
mit  Max  fühle;    Jedenfalls  sei  er  sehr  verändert  und  habe 
für  niemanden  v/eder  ein  gutes  ftoct  ein  böses  Wort  mehrt 
Max  konnte  wohl  reten.^wer  die   Zeitungsnachricht  dem 
Profesrior  vor  Augen  gebr^^oht  hatte»   Obgleich  noch  weitere 
Briefe  Icamen,  hatte   ale   Ihm  nichts  von  Ihres  Vaters   Reise 
nach  Afrika  mitgeteilt,  nichts  von  Ihrer  nun  der  Familie 
wenigstens  bekannten  Verlobung  mit  Günther,  über  den  sie 
nur  wenige  und  wegwerfende  Bemerkungen  machte»    31e  bat 
nun  um  Kexens  Freundschaft,  um  Antwort  auf  Ihre  Briefe, 
Max  antwortete  ihr  nicht»   Nun  stand  er  vor  der  rcntschel- 
düng,  ob  er  dem  Freund  diese  Briefe  zeigen  sollte»  Er  war 


/^ 


zu  müde,  um  zm  olnem  iinteohluss  zu  kommen.   Er  wollte 
^^arton,w,e  (Klnthors  ^m^^UmS^.  Irenes  BrlefeH^lÄ^^^ 
würde,  wollte  es  davon  abhfin£flr  machen,   oh  er  bereit  sei 
die  v/ahrhelt   zu  sehen-  konnte  er  sie  nloht  In  Irenes 

2Si!S"  .:i!!r ^"u!<.^^        Vielleicht  ein^  «tärlce,^-  1^^^ 

.   Sr  i«iA}e    len   Freund 


GUU.— 


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^W  '"«t  ^/€,t<. 


-42- 


enjoyed  th«  friandshlp  of  eo  manj  ot   ths  townspöople^ 
vi'ös  v«ry  unu;^ual.   Hie  lov«  for  Rachel  may  have 
helght ened  hls  sensitivitj ;  h©  feit  a  dlstrust,  a  atrong 
dlslike  for  Matthias  that  ho  hiiaself  fölt  was  not  quitö 
rational.   He  falt  safer  when  Llatthias  left  the  icland 
agjain  to  attend  to  his  husindsB, 

He  did  not  know^  howover^  that  Matthias  and 
r?achdl  had  an   underatanding  that  the  young  sailor  would 
return  to  R.  within  a  week  for  a  tryat^  on  the  granite 
rock  which  he  had  bought.  This  property  was  located  rather 
cloae  to  Jephthah's;  only  a  wooden  bridge  acro$:ö  a  narrow 
inlet  of  the  aea  separoted  thom  frosi  each  other#  Thd 
laoon  was  almost  füll  and  bathod  tha  lovera  in  its  silver 
light*  Thay  lay  in  aach  othor'ß  arsis^  kiaced,  and  forgot 
tima  and  space« 

Jephthah^  had  to  attand  a  town  maating  that  night* 
(Rachall  of  coursa,  had  known  of  hie  abssnce  and  had 
takan  advantaga  of  it.)  Old  Anna  balievad  her  in  bed 
long  8inca# 

Tt  was  lata  whan  Japhthah  hurrlad  home^  Crosaing 
the  bridga  he  noticad  the  shadows  on  the  rock;  ha 
recognizad  Rachel  and  called  to  her  to  coiua  home#  Matthias 
Jumpad  up  and  Japhthah  saw  him  in  the  light  of  the  moon 
looking  like  an  evil^  pale  ghoat^  bat  it  was  a  faw  momants 


i  I 


-^3- 


before  he  could  really  iddntify  hlm*   He  aBked  the  young 
people  to  follow  hixu  but  then  hö  waitad  &il«intly  and  made 
them  precedo  him  Into  the  houöe,   With  a  commandläg  ruther 
than  inviting  gooture  he  indicated  Tor  them  to  atep  into 
the  parlor»  Mvhich  in  his  houso  was  soparated  Xrom  th» 
kitchen. 

Rachel  facod  a  Jephthah  coaiplatoly  unknown  to  her; 
he  had  alv/ays  baen  friendly  and  Idndly^  not  only  with  her 
but  with  ev'üfryone.   Now  ha  was  angry  and  bitter,  frowning 
and  glowering  at  them*   Hiß  deej^aet  black  eyes  glared 
with  an  expreseion  of  violent  hatred  at  Jlatthlae. 
NeverthelesQ  he  was  so  mach  in  control  of  hiiaaelf  th&t 
he  spoke  calmly,  if  coldly  and  unapproachably*   Hia 
words  therefore  appeared  the  harder  and  the  more  offensive • 
He  called  the  young  man  a  sneaking  rascal,  who  broka  into 
hiß  house  and  tried  to  steal  the  young  gi^lf  ^^o   ii^d  no 
knowledge  of  the  world.  Ee  accuaed  him  of  having  iiisused 
the  hospitality  and  trust  of  the  Island  people;  ha  forbade 
hirü  to  approech  Rachel  in  any  way,  othonviso  hc  \7ould  laake 
use  of  his  right  to  shoot  him  down  for  breaking  tho  peace 
of  hia  home.  He  did  not  even  penait  üatthiaa  to  Juatify 
himaelf ,  to  explain  his  actions  and  his  interitione,  so 
sure  was  Jephthah  that  ho  was  dealing  with  pure  malice 
and  evil  on  Matthias 's  part.  He  orderad  him  out  of  his 


house  aiid  taero  waö  nothing  left  for  Httthias  but  to  obey. 
£ince  hiß  seinrice  on  tho  «hale  he  had  nevar  feit  so 


mmmmmmmmmmm 


humiliatdd« 


17 


As  »oon  as  Matthias  had  left^  Rachal  ran  to  h«r 
bedroom  whera  she  threw  herßalf  on  her  bed  crying  as  if 
har  haart  would  break:*  Sha  was  ihfWJked  and  pussrAad  at 
tha  saiua  tlma;  sha  could  not  undaratand  tha  raason  for 
har  grandjrathar'a  hostlla  T.rt^   •^«•-•«mi  bahavlor  toward 
Matthias«  Pha  was  frightaned^  too^  by  a  savarlty  In  him 
which  was  coaplataly  alian  to  har»  "Svnn   aftar  Japhthah 
had  coma  to  har  room  and,  sitting  on  har  bad,  triad  to 
comfort  and  raessura  har,  tha  faar  ramainad  in  har  haart 
and  the  wish  to  protact  haraalf  from  him  in  har  aindt 
although  aha  saamingly  raspondad  to  hia  affactlon.  Fha 
was  abaolutaly  firm  in  har  intantion  not  to  loaa  Matthias 
9Y^n   if  aha  had  to  dacaiva  har  grandfathar. 

The  naxt  morning  Japhthah  had  a  long  talk  with 
har,  yat  ha  could  not  convinca  har  that  har  lovar'a 
daportmant  was  criminal  or  that  sha  had  baan  gullty  of  a 
mi8damaanor#  Lova  in  har  opinion  rightad  avarything  and 
sha  was  anR:ry  and  indignant  about  har  grandfathar'a 
ausplciona  and  low  opinion  of  Matthiac^s  charactar» 


-^5- 


Just 


J«phthah  dld  not  try  to  prolong  th«  argumentj  thero  was  a 
n«w  developaent  in  their  liv«a  that  h«  had  to  talk  to  her 
about.  At  th«  meetlng  whlch  he  had  attended  the  previoue 
night  he  had  been  asked  and  appointed  to  represent  the 
town  in  a  lawsuit  in  Boaton.  Thia  meant  that  he  would 
probably  have  to  spend  a  long  time  away  froa»  hoffl«. 
getting  to  Boston  would  take  almoat  a  week.  He  had  thought 
that  he  would  leave  Bachel  with  old  Anne  at  home,   However, 
after  the  evente  of  last  night  he  had  to  make  other  plan». 
He  feit  that  he  could  not  entrust  her  to  anyone  on  the 
Island.  On  the  other  hand,  it  was  impossible  to  take  her 
with  him  to  Boston.  Traveling  conditlons  were  too  unsafe, 
and  in  Boston,  which  he  had  left  so  many  years  ago  without 
ever  revlsiting  it,  he  was  not  at  hoae  any  more,  did  not 
know  where  he  himself  could  find  accommodations,  not  to 
speak  of  finding  a  proper  and  safe  place  for  a  young  girl. 
Now  for  the  first  time  h«  spoke  of  racial  prejudice  to  her, 
who  never  had  been  exposad  to  it.   He  was  afraid  that  ehe 
would  experience  it  in  Boston  and  he  would  not  be  able  to 
Protect  her  from  it.  Thus  he  had  to  make  quickly  a  plan 
that  would  deal  with  the  Situation  for  both  of  them. 
Rachel  was  aghast*  Suddenly  she  feit  self-conacious  at 
the  thought  of  being  conaidered  colored.  Her  grandfather, 
in  spite  of  his  very  dark  ekin,  was  so  highly  reapected 


*  ..»■   »■'■£' 


■■■---*- 


^"*T'^5*» 


In  the  town  that  she  had  naver  thought  of  hersalf  ae 
different  from  anyone  elsa*  She  Jiad  an  ivory  complaxion 
thüt  had  alwaya  bean  lookad  upon  by  avaryona  as  a 
parttcular  part  of  her  baauty*   Now  aha  suddanly  falt 
insecure  bacause  of  it  —  not  accaptabla^  almost  dirty  -•- 
and  now  aha  hated  the  old  man  whosa  fault  it  vras  that  aha 
was  not  whita  llka  all  tha  othars  and  so  imhappy  bacausa 
of  hiß  hataful  bahavior  egainst  her  lovar,  who  in  this 
naw  light  saemed  avan  more  desirable  and  worthy  to  tha 
confusad  young  girlt 

Laft  alona  for  sevaral  hours^  sha  thought  only  of 
maans  to  maat  Matthias  again.  Sha  had  to  think  up  a  plan 
that  would  satisfy  har  grandfathar  in  his  concarn  for  har 
and  at  tha  sama  tima  giva  har  har  chanca.  Sha  suddanly 
had  tha  right  idaa:   a  formar  school  friand  of  hars  had 
married  a  young  wall-to-do  man  on  tha  mainland^  in  ona  of 
tha  coastal  towns  of  Meina.  Sha  had  racaivad  lettars  froa 
this  friand I  now  Mary  PlaasantSi  with  invitations  to  coma 
and  Visit  har  any  tima  it  was  convaniant#  Mary  had  a 
larga  housa  and  offarad  har  and  old  Anna  aach  a  room  for 
as  long  as  thay  wantad  to  stay»  Rachal  had  had  no 
intantion  bafora  of  availing  harsalf  of  this  invitetion* 
But  now  it  appaarad  to  har  lika  r  godsand»  Sha  immadiataly 
ran  to  inform  har  grandfathar  of  this  opportunity^ 


"X- 


^  ^  -  .    Ju      ^im.,..  ■    ^  >Iu^JmA.VaÄ«4  t    A     lAilk-AÄ  &kV 


-47- 


stresßing  the  frlendship  with  Mary^  the  reliability  of  her 
husband^  and  her  certainty  of  being  welcome  and  protected 
in  their  houset   ßhe  assured  Jephthah  that  ahe  would  do 
everything  to  please  him  and  convince  him  once  more  that 
he  could  trust  her.   Her  only  wish  was  not  to  disturb  and 
worry  hini|  partlcularly  at  this  moment  when  he  had  so  many 
Import ant  things  on  hia  mind.   Jephthah  was  deeply  moved» 
He  accepted  her  plan  and  added  to  it  the  proapect  of 
Coming  back  to  fetch  her  as  ßoon  as  he  had  established 
himself  properly  in  Boston.   Rachel  was  cheerful  again^ 
sang  and  laughed  and  pr epared  for  her  Joumey* 

Jephthah  was  happy  and  grateful  and  only  reproached 
himself  for  his  foolishness^  that  he  could  have  believed 
his  Rachel  in  danger;  she  was  so  young  and  good  and  the 
incident  with  Matthias  had  been  not hing  but  a  fleeting 
moment  of  infatuation.   He  did  not  have  the  slightest 
suspicion  of  hiß  granddaughter 's  deception. 

There  was  a  young  f ellow  in  town  who  was  a  particular 
friend  of  Matthias 's.   Rachel  met  him  secretly  to  give 
Matthias  a  message.   Matthias  anchored  not  far  from  the 
Island  and  he  and  Rachel  met  again^  though  only  for  a  very 
Short  time,  at  a  place  where  no  one  could  see  them.  Ther« 
they  made  further  plana  to  see  each  other  on  the  mainland« 
Matthias  promised  to  send  her  a  message  as  soon  as  he  was 


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4 


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-48- 


abl»  to  Visit  tii»  town  «liera  Raoh«l  was  going  to  etay. 
Aftar  awcaring  eternal  love  to  aach  other  they  partad. 

Rachal  was  affactionat»  with  Japhthahj  sh©  was  aot 
rasantful  any  raora;  tha  hatred  ehe  had  falt  for  her 
frandfatbar  had  vaniehad;  instaad,  aha  triad  to  ward  off 
8  faaling  of  guilt  by  talling  heraelf  that  avarythlug 
would  tum  out  well  even  if  ehe  had  to  deceive  Japhthah 
for  4u8t  a  Short  time  until  she  and  Matthias  wäre  narriad. 
Than  her  ganaroue  and  good  grandfathar  would  laam  to  lova 
■atthiae  aa  aha  did  and  would  easily  forgiv«  her.  Howevar, 
now  and  than  whan  aha  thought  of  parting  froa  Japhthah 
aha  had  to  fight  hack  har  taars  and  sha  reproachad  harself 
for  baing  dapravad  and  not  worthy  of  hia  lova.  Onca  evan, 
ovarcoma  by  thia  deaparata  faaling,  sha  ran  into  his  room 
to  confasB  avarything  to  hin  and  to  iaplora  him  not  to 
laava  har  bahind  but  to  taka  har  iomadiataly  to  Boston 
with  him,  But  sha  found  tha  room  a:;pty;  Japhthah  had  gona 
out»  and  whan  ha  raturnad  aha  wa»  calm  »gain,  laughad  and 
amuead  him  with  har  chattar  and  did  not  think  again  of 
tha  momantary  impulaa  to  throw  haraalf  on  hie  marcy, 
Svarything  was  going  to  ba  all  right. 

Matthias 'a  dasira  for  Rachal  bacam«  tha  aora  iatansa 
tha  graater  tha  obataclae  to  tha  satiafaction  of  this 
dasira.  Ha  hatad  tha  old  Nagro  with  a  violant  paaaion. 


^  j^^g^^g 


.49- 


and  76t  hd  anvlad  Rachiil  Ixis  lova  and  hia  oonoarn  for  har» 
Ht  anviad  har  aecura  and  protactad  Ufa;  thls  bacama  to 
hli&i  who  navar  had  Jcncvm  such  paaca  and  lova^  only  a 
challanga  to  Invada  it.  For  savaral  we^ks  ha  livad  In 
his  fantaslaa  of  poaaasaing  Rachal^  almoat  burnlng  with 
paaalon  and  loslng  Intareet  in  avarything  alaa» 

FlnalXy  Japhthah  and  Kachal  and  i^nna  croaaad  tha 
bay  and  Pachal  and  old  Anna  wara  astablishad  at  Mary*6| 
Japhthah  contlnuad  on  his  Journay  to  Boston«  Tha  aaparatJon 
from  his  granddaughtar  v/as  very  palnful  for  tha  old  man; 
ha  almoat  could  not  control  hia  taara.  Kachal  harßalf 
was  torn  batwaan  har  lova  for  hlm  and  har  OYerwhalming 
daalra  to  hava  him  gona  that  aha  mlght  maat  ^latthlae  aa 
eoon  aa  poaalbla.  ßha  was  afrald  that  sha  could  not 
contain  har  lova  ax^  longar;  aha  had  to  ba  v/ith  Matthias  1 
had  to  ßatisfy  har  sanaas  by  hia  physical  presenca^ 
otharwisa  sha  falt  aha  would  Just  burat  and  dia«  Thus 
as  aoon  as  har  grandfathar  %aa  aafaly  on  his  way«  sha 
alippad  out  of  tha  house  that  vary  night  to  maat  Matthiaa 
on  his  boat«  Sha  stayad  with  him  through  tha  small  hours 
of  tha  night  almost  until  dawn«  Than  in  tha  uncortain 
ahadows  of  tha  vaniahing  night  aha  raached  Mary*8  houaa« 
Tha  had  laft  it  aft ar  avaryona  had  gone  to  bad  and  had 
prudantly  laft  tha  backdoor  opan*  Ünnoticad  by  anyona 


-50- 


she  return^d  to  har  room  and  bed  and  was  Btill  sleeplng 
whtn  old  Anns  came  in  at  nlna  in  tha  mornlng^  wondering 
about  her  not  baing  up  and  aroiind#  Sha  mada  up  a  story 
about  not  havlng  bean  abla  to  fall  aalaap  bacause  of  har 
worries  for  Japhthah  on  hie  long  lonely  trip;  but  secretly 
ßhe  mado  up  har  mind  to  avoid  any  suspicion  naxt  tima  by 
gatting  up  at  har  usual  tima  in  apita  of  tha  night  apant 
with  Matthlaa  in  tha  paesionata  ambracea  of  lova. 
Everything  alsa  bacamö  meaninglaaa  to  har;  sha  want 
through  tha  motions  of  aocial  ralatioxiahips^  baing  a 
friand  to  Mary^  a  plaasant  guast  to  har  husband  and  aa 
usual  to  old  Anne*  Only  those  hours  countad  which  aha 
apant  with  her  lover*  Sha  looked  pale  and  vary  delicöte 
becauee  of  her  lacfc  of  slaap;  avaryona  asBumad  though^ 
that  the  Separation  from  Japhthah  was  responaibla  for  it. 

Rachel  scarcely  aver  even  thought  of  Japhthah. 
Her  life  seamed  to  be  without  past  or  futura  and  was  linked 
to  those  nichts  when  ehe  could  be  with  Matthias,  At  first 
he  also  was  possessad  by  his  longing  for  her*   However» 
once  he  had  satisfied  his  appetites  and  saw  Kachel 
comi letely  devoted  and  submiasive  to  every  whim  and  wiah 
of  hisi  his  ardor  gradually  diminishad«  This  always 
happened  to  him;  the  storm  of  passion  Just  subsided*  He 
had  hoped  so  much  th^t  it  would  be  different  this  time* 


\~-^ --■■  •*^'-  ■  -  .M^.. 


-51- 


H«  feit  hlmaelf  gatting  tirad  of  Rach«l.  ßiiico  ha  waa  not 
in  love  with  her  any  mor©  he  etarted  to  feel  bored  with 
her  and  rea«!n"bered  hls  skipper's  warning  not  to  get 
permanent ly  involved  with  any  woman,  aince  this  would  meke 
a  man  who  was  married  to  hiß  boat  and  the  »ea  Imprudent 
and  put  hiffl  in  danger  for  hls  life.  He  therefore  uaed  hiß 
busineas  obligatione  as  an  excuaa  for  leaving  but  promlsed 
to  come  back  in  a  few  weeks. 

Rachel  in  the  meantime  had  received  aeveral  lettera 
from  her  grandfath^r  telling  her  of  the  progr»«»  of  the 
lawsuit  and  trying  to  console  her  for  the  long  Separation. 
He  agaln  promised  to  come  for  her  as  soon  aa  he  had  found 
an  appropriate  place  for  her  to  atay.  He  mantioned 
eeveral  colored  fawilies  who  had  opened  their  houees  to 
him  and  stressed  in  particular  that  he  had  met  the  sou  of 
one  of  the  f amilies  who  seemed  to  be  educated,  gifted,  and 
very  attractlve.   He  indicated  that  this  young  man  could 
be  c onsidered  as  very  eligible  as  a  future  hußband  for  his 
Eachel.  This  place  of  confidential  news  frigntened  her 
very  much.  What  if  her  grandfather  caaie  for  her  before 
Matthias  returned?  How  couid  she  teil  him  what  had 
heppened  between  them;  yet  how  could  she  follow  him  to 
Boston,  where  he  would  purau«  hie  plans  to  wed  her  to  « 
man  whom  she  did  not  even  want  to  meat?  She  only  wiehod 


^yrr-  -».-r:;-r 


kX^L^.i^ki  •»  .A.«jMwy  JC.  ...BMlAk.. 


•    ^i^ll^OlAV' 


-5i^- 


ITatthlas  would  com«  back*  She  eoon  diacovered  that  she 
höd  böcome  ^ragnant.  Thie  boand  h<ir  ev«n  mora  closaly  to 
Matthias  and  made  it  imparativa  to  sae  him  bafore  Japhthah 
could  put  any  of  hia  plana  In  effact» 

Matthias  arrived  indaed  bafora  Jophthah  and  laarnad 
at  thoir  flret  sacrat  maatlng  of  T^achel^s  condltlon*   Ha 
falt  trappad*  Evan  during  his  ßhort-llvad  infatuation  wtth 
tiar^  avan  at  tha  paak  of  hia  paesion^  ha  had  navar  aeriously 
considarad  marriaga  with  har.   His  dasira  for  har  had 
wtakanad  bvbh   beforo  ha  laft  her;  prägnant,  sha  now  bacama 
rapulslva  to  hlm*  Ha  had  loathad  prägnant  woman  from  way 
back;  ha  suffarad  an  almoat  physical  abhorrance  that 
incx^aasad  to  ravulsion  in  Röchal*s  casa^   In  addition,  aha 
was  a  Nagro  evan  if  sha  did  not  appaar  colored,  and  nothing 
was  furthar  froia  hie  xaind  than  to  bacoma  tha  fathar  of  a 
Nagro  Childs  Mixad  with  thia  intanse  avaraion  was  faar 
of  tha  old  Nagro  Japhthah,  of  his  ravange  for  tha  disgraca 
and  dagradation  of  his  granddaufjhtar*  Ha  would  not  ba  abla 
to  ahow  his  face  on  tha  islond  —  and  hia  property  waa  thara, 
his  granlta*  His  graad  for  granita  was  immensa;  ha  wantad 
to  buy  mora  and  laora*  Ha  wantad  to  invast  all  hia  aavinga 
in  it,  sinca  ha  foreoaw  such  unlimitad  usa  for  it  in  tha 
futura*  And  all  thasa  hopas  wara  to  ba  daatroyad  just 
bacausa  a  spoilad  and  inaxpariancad  girl,  a  colorad  ona  to 


-53- 


did  not  övan  kjxow   iiow  to  maüe  lovo|  th«  tav^rn  m^idb  öJod 
the  laarriöd  women  wer«  »ore  satißfying  aad  vt^ry  auch  mor« 
convenlant.  H#  had  to  find  a  Solution  to  free  himaalf 
from  her  —  and  a  Solution  he  foundJ 

Rachel  had  not  the  slighteet  doubt  of  Matthias'© 
love  for  her;  no  suspicion  dampened  her  joy  in  belng  ^ith 
him»   He  was  able  to  hide  from  her  how  much  he  wiohed  to 
get  rid  of  her.  He  ahowed  hirjself  attentiv^  and  affectionate 
and  begged  her  to  trust  to  him  everything  that  had  to  do 
with  preparations  for  t;heir  future*   Ke  admicted  that  they 
had  to  act  quicKiy  and  promised  to  tall  her  at  thelr  next 
meeting  all  the  v/oriced-out  detaila  ot   his  plan.  Shortly 
after  he  liad  gone^  ha  was  able  to  thinJc  v^^ry  clearly»  and 
when  he  aaw  her  the  next  night  he  cozamunicated  to  her  hie 
definite  intentions  —  at  leaat  the  part  that  was  acceptable 
to  her.  He  insisted  on  marrying  her  as  soon  as  poaaible. 
Howevert  eince  here  ehe  wouid  need  her  grandfather'ß 
consent I  they  had  to  get  away  to  anotner  ßtate.   If 
Jephthah  came  back  and  discovered  her  in  her  prägnant 
condition  there  v/ould  be  hell  to  pay.  They  would  have  to 
get  married  aecretly  and  he^  Matthiaa^  knew  trxe  place 
where  it  could  be  done.   He  had  frienda  there,  no  queatione 
would  be  aiBked  about  where  she  came  from  or  her  age,  since 


■  lilüii^fc^aai    la^a    i» 


k..*LjLX       —-»•*»       .-   ^   _         ^   -^   ■    .«j.. 


II 


«.^/u» 
^y*^^ 


ht  w«0  w«Il  known  th«re  and  truat«d#  Ono«  th«y  wer« 
»arrltd,  h«r  grandfathar  would  aceapt  thmm^   aapacially 
alnca  aha  was  going  to  hava  a  child»  Now,  though^  thay 
had  to  act  In  parfact  sacracyj  nobody  muat  know  of  him  and 
hia  ralationahip  to  har  yat«  Thay  would  taka  advantaga  of 
Japhthah*8  iiitantlon  of  lattlxig  har  coma  to  Boaton»  Bha 
would  recalva  a  lattar  seetningly  froa  har  grandfathar 
talling  har  to  taka  tha  coach  to  tha  naxt  largar  town^ 
about  a  aix  houra*  rida  away#  fhara  mhm   would  ba  mat  by 
frlanda  of  har  grandfathar *8  who  wäre  to  ascort  har  to 
Boaton«  Sha  waa  to  laava  by  tha  naxt  coach  aftar  racalpt 
of  thla  masaaga«  Rar  grandfathar  would  axpraea  hia  ragrat 
for  not  balng  abla  to  maat  her  himaalf ^  alnca  ha  would  ba 
datainad  by  hia  businaaa«  Aftar  Rachal  arrivad  at  tha  inn 
sha  waa  to  laava  to  maat  Matthias  on  hia  boat,  which  would 
ba  aioorad  at  tha  barbor«  Bha  had  to  ba  vary  careful  not 
to  ba  saan  Coming  aboard#  Bar  trank  with  all  har  clothaa 
had  to  ba  laft  at  tha  inn  in  ordar  not  to  arouaa  auaplcion« 
Kobody  would  aaauma  that  a  girl  who  waa  planning  to  run 
away  would  laave  all  har  finary  bahind«  Thay  would  aail 
tha  aama  night.  Sha  would  hava  to  atay  hiddan  in  hia 
amall  cabin  and  ander  no  condition  ahow  haraalf  on  dackf 
alnca  aha  muat  not  ba  s^nn   bafora  thay  raachad  thair 
daetination»  Ha  was  afraid  tha  Journay  night  not  ba  vary 


-55- 


comfortable  for  har^  but  once  athor*  again  averythlng 
would  ba  «ond ar ful« 

Bachal  accaptad  avarything  and  waa  ao  happy  about 
tha  liapandlng  marrlega  that  it  was  not  avan  difflcult  for 
har  to  IIa  when  tha  fakad  lattar  arrlvad«  Evarythixig 
workad  out  as  plannad  and  har  frlands  and  old  Annai 
thlnklng  that  Rachal's  radiant  Joy  waa  dua  to  tha  proapact 
of  being  soon  raunitad  with  Japhthah,  wara  vary  happy  with 
har»  Sha  laft  by  coach  aa  plannad  and  arrivad  alx  hours 
latar  at  tha  appolntad  placa^  wfaara  sha  took  a  room  at  tha 
Goldan  Star«  Toward  avening^  \vhan  the  dark  sattlad  ovar 
tha  town  and  averythlng  and  avaryona  lookad  shadowy^  sha 
laft  tha  inn^  making  a  polnt  of  talllng  tha  landlord 
that  sha  waa  going  for  a  twalk  to  taka  tha  alr«  Tha  Izm 
was  closa  to  tha  harbor;  it  was  aesy  for  har  to  find 
Matthias* 8  sloop«   It  was  suppartima  ax>d  thara  was  nobody 
around  so  sha  cama  aboard  without  baing  obsarvad  by  anyona» 

Onca  on  board  tha  sloop  and  out  on  tha  aaa  Matthias 
could  aaaily  have  klllad  har;  yat  this  thought  had  navar 
occurrad  to  him*   Ha  tihb  a   practical  man  and  had  thought 
up  a  watartight  plot#  Thay  sailad  southward«  Tha  Journay 
took  a  long  tima  and  was  e  naw  and  hard  axparianca  for  a 
girl  who  was  usad  to  a  comfortabla  bad  and  wall-cookad 
food.   Thay  livad  on  aalt  peric  and  hard  atala  braad;  only 


-56— 


raraly  dld  Matthias  cook  soma  fish;  thay  alapt  on  woodan 
blinke  covarad  with  a  thin  blankat.  Bha  was  saaslck  and 
auffarad  from  morning  sicknaßs»  Sha  loat  walght  and  har 
radlant  fraehnasa  fadad  but  sha  andurad  avarything 
chaarfully^  chattaring  gaily  about  thair  futura  Ufa 
♦•ftthar  and  Matthias  had  to  mustar  all  his  aalf-control 
not  to  loea  his  patianca  and  shov;  his  raal  faalinge*  Ha 
pratandad  to  ba  concarnad  for  har  and  tharefora  to  avold 
saxual  Intimacias.  Only  onca^  during  tha  night  bafora 
thay  raachad  thalr  dastination^  dld  ha  glva  in  to  a  suddan 
passionata  Impulaa  and  lia  with  har«   Otharwisa  ha  had 
tralnad  himsalf  to  think  of  har  only  as  a  Nagro  glrl»  a 
prägnant  Nagro  glrl^  who  was  a  piaca  of  marchandisa  vary 
much  In  damand  on  tha  markat  of  tha  Southarn  town  to  whioh 
ha  was  sailing.  Tat  ha  could  aalva  his  consciancai  Just 
aa  ha  had  dona  aarliar  in  tha  casa  of  tha  Nagro  ohildrani 
by  talllng  hlmself  that  ha  had  navar  forcad  har  to  coma 
with  him  —  that  sha  had  coma  to  htm   on  his  boat  of  har  own 
fraa  will* 

As  thay  sailad  along  tha  southarn  coast  Rachal 
baskad  in  tha  sun  and  was  dallghtad  by  tha  warmth  and  tha 
aubtropical  vagatation«  Thay  moorad  tha  boat  in  a  amall 
cova,  a  natural  harbor  whara  only  vary  faw  boats  wara 
anchorad*   It  was  difficult  at  flrst  for  Rachal  to  hold 


^  -■--'  -■■■  *-  — *•-  -  '■  -  ^^ 


-57- 


h«r  balanct  on  land,  bat  aoon  aha  was  abla  to  walk  eacurely« 
Matthias  took  har  to  an  ampty  hall  whlch  lookad  lika  a 
markat«  Ha  aakad  har  to  walt  for  hlm  whlla  ha  lookad 
for  hia  frianda»   Ha  appaarad  agaln  accompaniad  by  a  man 
and  woman  who  lookad  llka  farmare.  Matthias  murmurad  an 
indlstinct  introduction  and  tha  ooupla  lookad  atarnly  at 
Rachal«  who^  smiling^  expactad  a  smiling  raspon&a,  ßha 
falt  frightanad  becausa  thara  was  no  smlla  and  no  walcome, 
Thay  spoka  to  Matthias^  not  to  har^  in  low  voioes  in  a 
languaga  that  aoundad  lika  English  and  yat  quita  foraign; 
Fachal  could  not  undaratand  what  thay  wäre  aaying*   Bat 
8ha  did  not  worry:   aftar  all  Matthias  was  with  har  and 
ha  would  taka  cara  of  averything«  Thay  thay  walkad  to  a 
horaa-^drawn  cart^  a  primitiva  wagon^  whlch  was  uaad  to 
tranaport  cattla  and  farm  producot  Mitthlaa  axplainad  to 
har  that  sha  was  to  climb  into  tha  cart  and  driva  to  tha 
farm  paopla'a  housa«   Ha  had  to  fetoh  tha  miniatar  who  was 
to  wad  tham  in  a  small  church  on  tha  bordar  oJT  town  and 
ha  would  follow  har  immediately«   Bachal  did  as  sha  was 
told  and  tha  woman  sat  down  by  har  and  hald  har  arm«  Than 
Matthias  and  tha  farmar  steppad  asida  and  aha  could  aaa 
that  tha  man  handad  a  bundla  of  bank  notaa  ovar  to  Matthias* 
Whila  tha  farmar  climbad  on  tha  cart  and  took  tha  raina 
and  tha  horaaa  Start ad  moving^  Rachal  lookad  back  at 


-58- 


Matthiae  wlth  love,  trust,  and  happlnase  in  har  oyaa, 
Matthias  waved  to  har  chearfully.  Thia  was  tha  last 
imaga  of  him  that  eha  ratainads  ha  stood  thare  in  tha 
sunlight  and  wavad  to  har. 

Not>ody  at  homa  avar  haard  of  Bachal  again,  Yat 
of  Matthias  tha  island  R.  saw  and  haard  a  great  deal.  Ha 
bought  mora  and  nore  granita;  tha  money  that  ha  racairad 
for  Pachal  was  invasted  in  the  roclcy  ground.  Aftar  soma 
tima  his  Vision  of  tha  great  importanca  of  granita  wa« 
raalizad.  Ha  bacame  a  very  waalthy  man. 


Japhthah  did  not  know  for  a  considarabla  time  that 
Rachal  had  diaappaarad.  Nor  did  old  Anne  and  fiachal's 
friands  hava  any  inkling  of  tha  truth.  Thay  baliavad  her 
ßafe  in  Boston  with  har  grandfathar  and  did  not  avan  wondar 
that  thara  was  no  maesaga  of  har  arrival,  aasuming  that 
Japhthah  and  Rachel  wäre  too  much  praoccuplad  with 
thanselvas  and  thair  naw  eurroundinga  to  find  tima  to  writa 
80  aoon.  Tha  ownars  of  tha  Golden  Ftar  did  not  give  tha 
alarxn  bacause  thay  wäre  afraid  lest  thia  incident  hurt 
the  reputation  of  thair  establishnient.  Thay  waitad  awhila 
for  har  to  ratum  and  than,  convlncad  that  aha  had  run  off 
—  it  was  not  too  common  a  thing  for  a  young  woman  to 


-59- 


traval  without  escort  —  th«y  kept  thelr  own  counsel^ 
comptneatlng  themselves  for  tha  food  thay  had  aorvad  her 
with  the  trank  and  Its  content i  abandoned  by  the  young 
girl.  For  thla  reaaan^  toO|  thay  kept  quiet* 

Jephthahi  foraaaelng  an  aarly  and  to  hia  litigatlon 
in  Boaton ^  plannad  to  aurprlaa  Rachel  by  an  unannouncad 
return«  Howevari  In  apit«  of  all  hia  hurrying  aeveral 
weeks  paased  before  he  was  able  to  Start  his  Journey  homa 
and  raach  the  houaa  of  Rachel *8  frienda«  Shock  and 
ccnfuaion  followed  hia  appaarance  when  it  bacame  clear 
thöt  tha  young  girl  was  neither  with  her  grandfather  nor 
with  old  Anne  and  her  frienda«   Japhthah  laarned  about  the 
letter  which  had  called  Rachel  away*  Too  mach  time  had 
paaaed  for  the  coachiaan  of  the  atagecoach  to  remember 
where  the  girl  had  gottan  off«  There  wtre  quita  a  faw 
atopa  on  hia  way  and  nobody  remembared  her«   Jephthah 
waa  desperate  I  he  could  not  find  any  explanation  for  what 
had  happenad« 

Strangaly  enough,  he  did  auapect  Matthias  but  ha 
could  not  comprahend  tha  reaaon  for  the  faked  letter  and 
Hechelte  complete  diaappaarancai  if  it  waa  a  matter  of 
aloping  and  gattlng  marriad,  even  if  it  waa  done  againat 
hia  wiah«   Knowing  hia  granddaughter ^a  attachemant  to  hia 
and  to  her  home  he  falt  quite  sura  that  t^  now  aha  would 


-60- 


r 


t 


» 

havo  ratuxned  to  asJc  for  hie  f orgiven.aa .  Th«  Pleasantees 
•wore  that  Hachol  had  not  mt   aa/on«  without  their 
knowledg«  and  nobody  had  aeen  Matthias  around  duriag  the 
tlme  in  queetion.  Japhthah  tried  evarything  in  hls  power 
to  traca  Rachel,  but  all  in  vain.  Aftor  weeka  of  terrible 
worry,  paln,  and  auffertng  the  newe  was  th©  sam«:   thare 
was  no  trace  of  Rachel, 

Japhthah  returndd  to  the  Island  a  broican  man.   He 
Indifferent  to  the  praise  and  appreciation  of  hls 
Community  for  the  splendid  reeults  he  had  obtained  in 
their  behalf  in  Boston.   The  news  of  Rachel 's  disapi earance 
caused  a  great  daal  of  horror,  «rief .  and  compassion  for 
the  old  Negro,  but  he  withdrew  into  himself.  He  was 
terribly  alone.  He  did  not  aven  keep  old  Anne  wlth  hin. 
He  paid  her  well  and  sent  her  away.  Sxcapt  for  a  naighbor 
who  cleaned  his  house,  ho  took  caro  of  himself. 

At  the  expected  ti^e  Matthias  appeared  in  R.  again 
and  iamediately  was  told  about  Rachel.  Even  he,  so  auch 
more  experlenced  in  the  ways  of  the  world  than  the 
lelanders,  professed  to  bo  aghast  and  completely  puzzled. 
He  could  not  think  of  angr  posaible  explanation  —  "ehe 
Just  aust  have  met  with  foul  play,»'  he  said  in  a  sincerely 
sad  voice. 

He  sat  drinking  with  a  few  friends  and  sev«flwl 


-^ 


"^'H***  I  ^  M*^ 


-61- 


other  man  who  wera  nawoomex^'ö  to  th«  Island;  thay  had  com« 
from  far  away,  big  strapplng  ftllowa  who  impreBsad  th* 
youngar  crowd  by  thair  graat  strangth  and  thalr  loud 
indapandant  bahavlor*  Thay  looicad  lika  paopla  who  had  lad 
a  chackarad  Ufa  and  in  thair  tima  had  not  baan  ecared  by 
anything»  Thay  ahowad  contampt  for  anyona  who  did  not  act 
or  think  aa  thay  dld{  thay  hatad  avaryona  who  waa  not  whita« 
Nagroast  Chinaaa,  and  Indiana;  thay  avan  apat  on  the  tloor 
whan  aomaona  mantionad  a  Nagro«  Matthlaa  aitting  with 
tham  liatanad  to  what  thay  had  to  say  about  Hachal;  thay 
mada  gross  drunkan  Jokae  and  rapaated  sevaral  tiiaae  that 
thay  conaidarad  it  diagracaful  for  a  niggar  to  hold  an 
honorad  position  in  tha  communityt 

Nobody  evar  could  traca  back  how  and  whara  tha 
rumor  originatad  that  Japhthah  himaalf  waa  involved  with 
and  rasponsible  for  hia  granddaughtar'a  stränge  disappaaranca# 
Waa  it  poaaibla  that  Matthias  himaalf  had  plantad  thia 
saad  in  tha  minda  of  his  drixxking  companiona?  Or  did 
soraaona  alaa  of  tha  rough  and  raw  group  auddanly  concaiva 
it  in  hia  stata  of  drunkannaasV  Nobody  would  avar  know« 
But  it  saamad  so  convincing  and  so  simple  a  Solution  to 
tha  riddla  that  many  wondarad  how  thay  had  not  thought  of 
it  bafora  nowt   It  would  not  ba  difficult  to  find  a  raason 
for  his  doing  away  with  hart  Aft ar  all^  tha  old  niggar 


II 


-62^ 


had  8tayad  away  for  a  long  tlme^  much  longar  than  waß 
uaceaa&x^y  to  teka  cara  of  tha  Job  in  Boc^ton«  Wae  it 
raally  ao  unthinkable  that  this  man»  who  doted  so  siuch  on 
hia  granddaughtar  that  he  did  not  parmlt  anj   young  man  to 
approach  her^  might  hava  gona  too  far  with  her  and  did 
with  her  what  was  againat  tha  law?  After  all  it  was  an 
opan  secrat  that  all  Hagroa^  wäre  posaasaad  hj   their 
sexual  paasionat  they  luated  aftar  any  girl  or  woman  they 
oame  cloaa  to#  Jephthah  aiust  have  had  urgee  of  the  fleahi 
how  did  he  satisfy  tham?  Kotody  could  anawer  or  deny 
thaoa  ineinuations«   Onca  the  suspiclon  had  gone  that  far» 
it  went  even  further,  and  could  no  longer  he  stoi)ped;  the 
a&aumption  waa  that  Rachel  carried  the  fruit  of  thia 
horrible  Inceatuous  relationship  in  her  v/omb«   The  old 
nigger  could  not  have  riaked  discovery  of  this  crirao 
againat  natura  and  the  commandmönts  of  the  Lord  —  he 
muat  have  eliminated  the  evidence  by  removing  his 
granddaughter  togather  with  the  future  great-grandchildJ 
^llia   great-grandchildl''  they  roared»  "and  at  the  same  time 
his  own  ohild  —  what  a  monstroua  aituation!"  Rachel 
would  be  the  mother  and  at  the  same  time  the  great- 
grandmoth'^r  of  her  own  childt  if  ahe  was  married  to  her 
grandfataer»  of  couraei  Thare  waa  no  end  to  the  fun  they 
had  thinking  up  new  combinationa  of  relationships,  but 


I   i 


~63- 


vith  this  growlng  salaclty  thair  oonTlctlon  elso  grew  that 
Japhthah  had  oommlttad  a  crime  agsinat  hls  vanlahQd 
granddaughtar« 

ilatthlaa  raturnad  to  hls  boat  unnoticad  by  anyona 
and  salldd  away  aarly  in  tlxa  morning.  Nobody  evdr  laarnad 
whathar  he  was  tormented  by  hls  guiltj  nfhathar  in  sleapless 
night 8  he  saw  again  and  again  tha  Image  of  Rachel* 8  lovely 
face  as  ehe   looked  toin^ard  him  from  that  cart  that  took  her 
away  forevePi  wlth  her  amber  eyes  füll  of  love^  hope,  and 


truat» 


VI 


Japhthah  livad  alone  in  his  houae«  He  took  cara 
of  hia  Job8|  hie  obligationai  ha  even  continued  teaching 
for  a  while»  Yet  othez^ise  he  seemed  ao  withdrawn  that 
hia  friends  did  not  dare  to  intrude^  hoping  that  as  time 
went  on  he  would  overcome  hia  terrible  grief •  His  hair 
and  beard  were  now  completely  white |  and  though  he  etill 
kept  himaelf  very  ereot  he  aeemed  to  have  to  put  a  great 
deal  of  effort  into  it,  and  he  had  become  delicate  and 
frall-looicing«  At  night  he  walked  for  hours  through  hia 
houae  from  room  to  room«  He  thought  of  Rachel  ^  of  the 
paet  when  ahe  waa  ao  tiny  that  ha  carried  her  in  one  hand^ 
of  the  time  of  her  birth  v^hen  ahe  lay  in  her  mother*a 


II 


^6^« 


arms,  an  Infant  with  a  head  of  dark  curlß  and  huge  alate- 
colorad  ayas  in  tha  lovaly  llttla  faca#  Ha  tormantad 
hlmaalf  wlth  tha  sama  quaetiona  ovar  and  ovar:  whare  waa 
8ha,  waa  aha  Btill  aliva?  Ha  doubtad  it;  aha  would  hava 
found  soma  way  to  aand  hlm  a  massaga  if  aha  wara  atill 
aliva»  But  If  aha  was  daad^  than  somaona  muat  ba 
rasponalbla  for  it«  He  could  not  haliava  that  anyona 
would  hava  harmad  Rachal  bacauaa  of  haraalf •   It  could 
only  hava  haan  aomaona  who  wantad  to  gat  at  him^  Japhthah« 
through  Rachal«  Somaona  with  daviliah  malica  and 
ilavarnasa  had  found  tha  maana  to  hit  Japhthah  whara  ha 
waa  moat  vulnax^abla;  a  navar-anding  tortura  waa  infllctad 
on  hiiQt  which  aada  tha  raat  of  hia  Ufa  almoat  unbaarabla« 
Ha  wondarad  whara  ha  could  hava  mada  auch  anamiaat  of 
whoaa  axlatanca  ha  had  baan  ao  Ignorant ^  whosa  hatrad  ha 
had  provokad  without  intantion  or  awarana&a«  Ha  had  triad 
to  ba  good  and  juat^  but  aomatlxaai  aomahow^  ha  muat  hava 
committad  an  arror^  ha  muat  hava  hurt  at  laaat  ona  human 
baing  ao  badly  that  hia  ravanga  muat  ba  commanaurata  to 
tha  inJury  unwittingly  inflictad  by  Japhthah«  Ha  triad 
again  and  again  to  imagina^  to  ramambar,  yat  ha  could  not 
idantlfy  anyona  from  hia  paat  axcapt  for  aoma  political 
advaraariaa  againat  whom  ha  had  fought  in  tha  war;  yat 
ha  baliavad  it  vary  unlikaly  that  any  ona  of  thoaa  would 


-65- 


act  on  hiß  hatred  after  so  many  ytars#  Thua  ha  wandered 
from  rooa  to  room^  rastlesely  thinklng^  He  had  loat  all 
thoae  whom  ha  had  loved#  He  had  loved  too  well  —  alwaya 
only  one  alngle  person.  Par  from  the  paßt  rose  the  dlm 
Image  of  bis  mother;  suddenly  ha  could  remember  her^  he 
almost  feit  the  softness  and  tha  scent  of  her  brown  skin 
and  the  warm  praß eure  of  her  arm©*  Then  she  suddenly 
became  cold»  unmoved  by  his  beggiiig  and  crying*  Feggy^ 
tha  llttle  blond  glrl^  who  later  filled  hia  whole  heart 
up  to  that  day  when  his  foster  father  wanted  to  send  him 
away  —  becauaa  of  Peggy*  He  was  young  and  strong  then» 
and  though  he  thought  he  never  would  be  able  to  bear  the 
paln  and  heartache,  he  mastered  it^  he  found  Lella  and 
happiness  that  almoat  matohed  that  of  his  earliest  memorles« 
Times  had  been  so  hard^  and  Leila  was  taken  from  him,  but 
she  left  him  their  Infant  son,  Benjamin,  How  much  concern, 
how  much  affection,  how  much  äff ort  and  hope,  were  invested 
in  those  years!  He  had  been  disappolnted  when  his  son 
preferred  the  aea  to  the  scholarly  life  that  Jephthah  had 
hoped  he  would  pursue,  but  he  also  was  proud  of  him,  of 
his  youthful  strength,  of  his  skill,  of  hie  inventive  mind* 
How  beautiful  the  young  couple  had  lookedi  Jephthah  had 
been  so  happy,  so  rieh,  during  those  years,  rieh  not  in 
maberial  goods  but  in  love  and  in  trust  in  his  home#  They 


^1  ■  ^  »ßm^  w  ..   ^  _ 


*  W.  — u   ^4_  *  11 .  I  : 


irä±:.-=i. 


-66- 


pr«s»iit«d  him  with  the  great«8t  gift  of  all:  Rachel.  fÄhe 
had  b»en  left  to  him  when  the  tragedy  of  thoae  yettrs  broke 
upon  him»  when  he  had  to  live  through  those  endless  nightß 
and  daya  before  Benjamin 's  and  Caliata'a  bodiea  were  given 
up  by  the  sea.  It  took  a  long  time  before  he  could 
acknowledge  and  accept  his  fate.   He  did  not  bend,  thoughj 
he  remembered  the  war  in  which  he  had  been  privileged  to 
partlcipate,  and  that  he  also  had  taken  part  in  the 
bullding  of  the  great  republic,  of  freedoia  and  liberty  for 
hiß  fellow  citlzena  and  for  hiaaelf,  Others  had  aacrificad 
much,  poaslbly  even  more  than  he.  He  could  be  uaeful  still; 
a  young  life  was  entruated  to  hie  care,  a  tiny  child  who, 
growlng  up,  became  hie  whole  present  and  future.  Now  she 
was  loat  to  him;  in  a  aenaeleaa  unundaratandabla  manner; 
"Just  becauae  I  lovad  her  ao  much,"  he  thought;  "but  my 
love  would  never  have  harmed  her,**  Someone  must  have  used 
her  to  torture  him. 

He  could  not  let  go  of  theae  thoughta  and  thua  they 
turned  to  the  racent  past,  to  Matthlaa.  Could  he  have  been 
responsibla  for  Rachel *8  fate?  Jephthah  remembered  that 
Mary  Pleasants  had  aworn  that  Hachel  had  neyer  aeen  anyone 
alone,  that  ahe  aaaociated  only  with  people  who  -were 
frienda  and  acquaintances  quite  well  known  to  her  friends. 
He  knew  that  Rachel  was  a  bit  fllghtly  and  that  she  was 


-67- 


pa.alonatt  and  impulsive,  but  ah«  waa  utterly  unable  to 
daceiv«  or  to  lio  or  evan  to  think  up  a  very  complicated 
plan  —and  it  had  to  be  a  planned  dacaption  if  Rachal 
dlsappeared  voluntarily,  sh«  was  not  clavar  anough  for 
tlut  aithar.  But  moet  of  all  -  what  could  aha  hava  gainad 
by  disappaarixi«?  m  Japhthah's  nlnd.  Matthiaa  was  capabla 
of  any  kind  of  devilry;  he  could  hava  thought  up  «  plot 
but  not  without  Rachel 's  consent.  He  never  would  bellava 
that  Rachel  voluntarlly  and  knowingly  could  hava  inflicted 
auch  pain  on  her  «randfather.  Ihat  reason  could  hava  mada 
her  run  away;  fear  of  hin.  to  hide  froiE  him?  It  aeemed 
Inposaibla,  eince  she  knew  hia  absolute  devotlon  to  her. 
and  that  in  the  and  aha  would  alv/aya  gat  from  htm   whatever 
Äe  wanted.  Aa  to  Matthias  -  no  evil  deed  was  beyond  hia; 
only  Jephthah  could  not  imagine  what  Matthiaa  oould  have 
done  to  make  Rachel  diaappear  in  auch  a  manner  that  no 
trace  was  left  bahind. 

Japhthah  ramained  so  preoccupied  with  thee«  questions 
for  auch  a  long  tima  that  he  was  not  aware  of  a  change  of 
aood  about  him  in  the  Community.   If  in  the  past  he  had 
been  an  ob^Ject  of  their  truat  and  respect.  now  there  were 
rumora  and  auapicions  and  gossip  about  him. 
genaration  had  auddonly  grown  up  that  did  not  know  much 
about  hia  heroic  paat  and  hia  great  work  in  building  and 


A   naw 


-68- 


d«v«loping  their  own  town,  although  many  of  tham  had  t)ciexi 
his  pupil».  But  for  t  es«  youjig«r  paopl«  the  old  man  inay 
heve  b««n  too  atrlct  and  too  damaading  •  taachar.  Eine» 
they,  in  contrast  to  thelr  parents  und  grandparants,  took 
schools  fop  granted  and  longad  to  be  frae  of  any  pressure 
and  compulalon,  thay  did  not  faal  any  such  vanaratlon  or 
raspact  for  Jephthah  aa  tha  older  genaration  still  dld. 
Tberö  was,  too,  tha  group  of  nevly  oattled  paopl»,  those 
©an  who  cama  from  othar  parts  and  who  wäre  not  acquainted 
with  tha  tradltions  of  tha  Island.  Thay  wera  probably 
responsible  for  tha  spraading  of  the  rumors  that  arosa  whan 
Matthias  had  been  drinking  with  tham.  The  compaaaion  for 
th«  old  Nagro  had  changed  into  distrust  fod  by  malice. 
Hla  withdrawal  from  avaryone  aupported  suspicion.  Why  did 
a  man  who  had  bean  so  much  in  the  public  aye  in  the  past 
hide  now,  unlea«  to  cover  up  avidonce  of  guilt?  This  was 
the  unofficlal  ^Judgmant  of  the  graater  part  of  tha  town. 
Hla  fr lande  wer«  old  and  not  very  active,  and  they  had 

dwindled  to  only  a  few, 

The  accusötions  and  euspicione  wäre  finally  publicly 
exprasied  in  the  annual  town  meatlng»  which  Jephthah  never 
once  had  missed  ae  long  as  it  had  «xieted.  Even  now  in 
hie  bereavement  and  grief  he  did  not  feil  to  attend  th« 
meeting,  though  he  came  rather  lete.  On  entering  the  hall 


-69- 


he  became  aware  of  a  stränge  and  tenii>0  atmosphere •  R« 
ftlt  an  alian  silance  around  kirn  whan  he  trled  to  mak« 
his  way  to  tho  first  row  of  seatß^  where  he  habitually 
took  his  place  a&  one  oX   th<»  selectmen«  He  found  hla 
place  occupied;  all  the  front  ßoats  wäre  taken  and  nobody 
mado  room  for  him.   ßomewhat  confusod  by  thia  unexpocted 
hoBtillty^  ha  aat  down  on  a  frea  soat  In  one  of  the  rows 
further  tack*  Then  suddenly  thore  was  a  murmur  and  whir 
of  voicea  from  the  opposlte  aide  of  the  room  that  aounded 
llke  the  furloua  humniing  of  oxclted  hornetSt  The  first 
selectman  opened  the  laeeting  at  once^  but  even  before  he 
had  a  Chance  to  announce  the  businesa  of  the  meeting 
someone  insisted  on  taking  the  floor#  Tho  Speaker  was 
one  of  the  newconers^  a  powerful  crude  man  whoae  influence 
on  the  young  man  and  women  of  the  coiosiunity  was  con£idarable 
and  who  had  been  one  of  Matthias •s  drinking  coiapanlona» 
He  was  Standing  up  in  the  consciouaneas  of  hie  power ful 
phyeique  and  his  ruthlees  impertinence  and  denouncad 
Jephthah  openly: 

"V/hat  iß  thiß  nigger  doing  here  in  the  meeting  of 
white  "s^^ilI     Brothers I  do  you  want  just  to  looK  on  when 
your  aceembly  ie  being  turned  into  e  pigsty?  Fowhere 
eise  would  a  black  baetard  be  allowed  to  sit  dxmti   with  a 
white  man  —  thie  nigG^r  who  haßt  aß  all  of  you  know^ 


^jp- 


a.i.^^^i>üi   ---  ^  r  —  —  "■!_  «■fcAtiia^i  lü  In 


-70- 


raped  Ms  own  damned  brood  and  kllled  herj  Are  you  Idiots 
and  coward.  ov   .eakllngs  that  you  pennlt  hl.  fco  run  loose 
and  to  dlrty  .your  meetlng'/  Throw  him  out  er  w.  will  tak« 
care  of  Mb;  wa  icnow  tor   to  daal  with  thaae  r.plng  swlna, 
wa  saw  It  don«  In  other  placas  ...  end  we  will  do  it  if 
you  don't  reaove  Mm  Imniadiataly.« 

Jephthah'e  cid  frianda  and  the  falr-ninded  peopla 
Of  th«  assambly  Jumpad  up  «nd  eurroundod  Mm  prof  ctivaly, 
but  ha  was  not  sura  whathar  tHalr  numbar  all  tcld  was 
even  tha  tMrty-ntna  it  had  baan  many  yaara  bafora  whan 
thay  Bignad  thair  flrat  patltlon.  Thay  urgad  hlm  toward 
tha  door  and  «ceompanl^d  tha  ßilant,  horriflad  old  «an 
to  Ma  houaa.  Thay  implorad  Mm  to  lat  tham  stay  with 
Mm,  to  protact  hi«  againat  any  violanca,  but  ha  rafuaad. 
knowing  that  thair  o^  livaa  w.uld  ba  andangarad.  For 
tha  last  tiaia  in  hi«  Ufa  ha  could  protact  thaa. 
thay  finally  laft.  ha  did  not  avan  bothar  to  lock  hls  door. 

Tha  aasambly  continuad  Into  tha  night.  Japhtha'a 
frianda  raturnad  and  triad  to  fight  for  raa«on  and  ordar. 
but  tha  maating  becana  stormiar  and  wlldar;  no  othar  topic 
but  Japhthah  was  admittad  for  discussion.  Tha  old  and  tha 
dacant  nambara  triad  in  vain  to  ward  off  tha  brutnlity 
and  violanc.  of  tha  groap  of  nawccmars  and  their  foliowar.. 
Finally,  in  ordar  to  aave  at  la.Bt  tha  appaaranca  of  a 


After 


■  ijM  Maiafciaifcifciaia  aiimi  ■ 


-71 


denocratlo  procadura  th«y  had  to  ylald  to  the  m©jorltyj 
otharwlso  a  lynchlng  would  have  reaultad,  whlch  actually 
was  what  thosa  rlolant  man  intandadj  thay  avidajQtly  had 
axparianca  in  it  and  quita  obvloualy  wara  dlaappolnted  In 
not  balng  abla  to  axacuta  it.  Tha  assarably  accaptad  a 
motion  that  ordarad  Japhthah  to  laava  tha  island  within 
forty-aight  houra,  ainca  ha  was  considerad  an  undaairabl« 


alian. 


Tha  naw  moming  had  alraady  dawnad  whan  tha 


salactman  who  wara  cid  frianda  of  Japhthah »a  want  to  his 
houaa  to  inform  him  of  tha  assembly'a  daciaion.  Thay  wanted 
to  aaaura  hina  of  thair  lova  and  loyalty  and  offar  their 
halp.  Thay  ramovad  thair  capa  whan  thay  antarad  his  houaa 
aß  thay  did  in  church.  Tha  house  was  quiat  and  ampty, 
their  voicaa  aoundad  hollow  whan  thay  oallad  him,  Walking 
from  room  to  room,  Thay  antarad  his  bedroom  and  found 
Japhthah  on  his  bad  with  his  throat  cut.  Blood  coverad 
tha  white  sheet  and  his  white  Shirt.  The  Sharp  razor  he 
used  for  ehaving  his  beard  lay  on  the  floor.  Tha  candle 
on  hie  night  table  was  almost  completaly  burned  down;  the 
holy  Bible,  next  to  the  candle,  was  opanad  at  tha  Book  of 
Job. 

Thay  buriad  Japhthah  on  the  following  dayj  only  • 
'•w  followed  his  ooffin  to  the  cametery  and  threw  a  few 


I    i 


V^v: 


-72- 


handful»  of  eoil  on  lt.  The  d«ath  ctirtificate  showad  only 
hifi  narnft:  Jtphthah  Ston«,  a  Negro. 

Some  yearß  paesttd  bafore  tha  nam«  of  J«phthah  Stone 
«•0  mantioiiad  again  on  th«  Island  of  fi,  When  th«  small 
town  cölabratad  its  fxftieth  annivörfcary  h©  was  rdasmbörad 
by  th«  fttir-mind«d  msrnbers  of  the  oommunity.  Msn  and 
wooen  who  gathe>röd  for  tiiis  ovent  had  baan  tiia  puplla.  The 
Petition  which  had  baen  instruzaental  in  eetabliahing  the 
rights  of  thfeir  town  had  been  written  by  Jephthah.  They 
listönad  with  shaae  and  eorrow  in  their  haarte  when  the 
text  of  the  petition  was  read  to  thani,  the  petition  which 
kaA  beon  signed  by  forty  man  and  which  endad  with  the  words: 

*'One  of  U6  ia  a  ■•gro." 


•  •  *  «  * 


,-^ 


JLL 


Am  näoh 8 ton  normen,  als 


-43- 


^-^  ^ ,  8«ln  Frühstück 

-.  Bott  bracht..  ,ab  or  .„„eisung  „i„e  Koffer  .u  parken 
Er  wor  er«.o  „u  .„.leiten  foniß.  al.  M.,  a„  »eine  Tflr     ' 
■clopfte.  Er  betrat  da,  z^^,  „,,  .8^™d.r.  f „,,,„,„ 
«lane.   Die  .™,„ae  „.„,,„  einander  verlern  .e^nflber 

"W.™»,  wiust  ^  an,  3*on  ao  ™,oh  verXasaen,"  .  fragte 
»■ax.     Muas  „i.kUoh  unser.  Freundaohaft  ,u«n.nde  ,ehe„.  „an 
Du  die  Wahrheit  nloht  ertropen  kannst?" 

«Inther  hatte  nooh  nicht  "Alt  pehabt  .u  antworten,  als 
«BX  eahon  die  beiden  Brl.fe.   dl.  auf  de™  Tlaoh  la,en.  nah„ 
und  ele  i„  ^u  Bn..,ttaaohe  s,i„ee  acckea  ateo.te.   «tather 

sagite  mit  einer  Ifcelfheif      -?««  „11 

'heimelt,   aie  all  seinen  foiten  Vorafitzen 
zuwiderlief: 

"loh  tonn  in  el„e„  „„„„  nicht  bleiben,  vle  Du  verstehen 
wirst.  VC  die  Ehr.  „einer  3ra«t  und  .eines  Wnftleen  3chwle. 
fervoters  vorletzt  wonJen  Ist.  Ich  „flrde  „Ich  .It  Dir 
duellieren,  wenn  loh  nicht  In  B^chnune  a.t.te,  dass  Du 
nooh  l^r  1„  zustand  der  r«uer  u»  Deine  B^ut  bist.  Ich 
bin  sicher,  das.,  wenn  ^  dies,  T™,«dle  vaille  überwunden 


/^ 


H>t^ 


•   Du  einsehen  wlrat,  dasa  die  Anaohuldlgungen 
und  Anklagen  einem  kranlien,    Ja  unmachteten  Qolat  entsprunpon 
fllnd,  da83  sie  die  Slnblldunsen  einer  aaraütskranken  waren, 
die  sohon  frflher  einmal  solcho  felachen  Ankla^on^ 


aber  ^epen  sich  selbst,   Z'-^mcht  hat|^.   Ich  werde  nicht 
welter  an  dl'jae  traurlpen  Olnfte  denken,   sondern  nur  daron, 
daaa  Du  fointon  haat,  und  Ich  verapreche   Dir,   deas  wenn 
Du  bereit   aoln  wirst yDelnen  Irrtum  elnr.uaehen,   Ich  wieder 
Dein  Pround  sein  werdo," 

30  rauss  oa  wohl  aoln,"  sacte  l'^x  traurig,   "ein   3ohatten 
kann  alch  nicht  verteldl^-en,  und  ich  bin  M^^^fcS^nlcht 
stark  c-enurr^dem  Schotten  so  vlol  Kraft  zu  ßeben,  daaa  er 
lebendig  wird  und  Elnfluag  auf  die  labenden  bokonimt.   Leb 
wohl,   Oünthor,"  und  mit  lelaor  verzweifelter  Stlraine  fü^te 
«r  hln7.u,    "könnte  Ich  Dich  nur  vor  Deinem  Goachlck  rotten," 

is.r  wandte   sich  rasch  um,  aloor  hörte  nochAGünthera^ 
Worte,    "Ich  nniaa  —wie   Du  den  Deinen—  mslner  Liebe  treu 
bleiben,   Ich  habe  ea  nicht  nur  Trude,   aondorn  Gott  f-oachwo- 

In  seiner  Bibliothek  aa  Ichrolbtlr.oh  sltaand 
Kax  Gert  rüde  8  Briefe  Xn  tiolnor  Ilnnd;   er  woß  slo   li 
Hand  und  dachte  dabei  an  Günthora   3chlck3ol;   dann  warf 
«r  Bio  mit  einer  raaohon,  unp-eduldlren  Bewegune  In  dao 
hall-lodomde  Kaminfeuer. 


U^lMcc^ 


vi^'^^j^ 


A^  I0U6  y^^  f 


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^      ''/*>*  r^^l^  ^  > 


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asjiiJBBaai 


-25- 


Chaptar  III 


IRENE 


Es  war  ein  Wlhler  feuchter  Aprilmorgen.      In  der  Nacht 
hatte    ea  geregnet;  noch  waren  Pfützen  auf  der  Strasse  zu  se- 
hen und  der  FussgÄngerstelg  war  feucht.     Günther  war  frtlher 
als  sonst  von  zu  Hause  weggegangen,  ohne  sein  PrtlhstUck  zu 
Ende  zu  essen.     Er  wollte  niemanden  von  der  Familie   treffen. 
HStte   ihm  jemand  zugeschaut  wie  er  fast   in  Zickzack  seinen 
Weg  verfolgte,   so  hKtte  der  Beschauer  vielleicht  gemeint,   dass 
er  einem  bestimmten  Inneren  oder  vorgeschriebenen  Rhythmus 
folgte.     Aber  es  waren  nur  die  Regenwürmer,  die   ihn  dazu  ver-* 
anlassten  von  einer  Seite  der  Strasse  zur  andern  a\is zuweichen. 
Nach  einer  Regennacht  gab  es  so  viele  Regenwürmer.     Es  ekelte 
ihn  vor   ihnen,  vor  ihrer  Nacktheit  und  Weichheit,  und  der  Mög- 
lichkeit auf  einen  Wurm  zu  treten,  ihn  zu  zerquetschen  oder 
entzwei  zu  schneiden.     Er  hatte  auch  das  ?ischen  seit  einiger 
Zeit  aufgegeben,  weil  er  es  nicht  über  sich  bringen  konnte  ei-» 
nen  Wurm  an  den  Haken  zu  stecken.     7s  war  bekannt,  dass  ein 
zerteilter  Wurm  keine  Finbusse  erlitt,   ja  man  konnte   sagen  Im 
Gegenteil  davon  profitierte,  da  er  nim  zwei  Würmer  wurde   — 
aber  das  erhOhte  nur  den  Abscheu  und  das  Gefühl  der  ünheim«* 
lichkeit.     Einmal  vor  Jahren  hatte  Günther  mit  andern  Kindern 
Eidechsen  fangen  wollen.     Es  gelang  ihm  auch  eine  zu  erwischen, 
exihielt  sie  an  ihrem  Schwanz  fest  \md  musste  zu  seinem  Grauen 

erleben,  dass  nur  der  Schwanz   in  seiner  Hand  blieb;  der  Rest 
der  Eidechse  war  in  ein  Loch  in  der  Erde  geschlüpft.     Auch  an 


Ch.  III 


-24- 


dlf  1el«in«n  nao1ct«n  ifttuse  «rurd«  «r  erinnert,  die   er  einmal 
«uf  einem  Feld  aufgesrmben  hattet  alle  dieae  Erinnerungen 
naren  imangenahm  und  etwaa  beüngatigeni*     Aber  heute  bei  sei- 
nem Versuch  nleht  atif  Rei^nwltraer  tu  treten,  var  er  mit  etwas 
anderem  besohüftigt,  etwas  viel  BeMngstigenderes»  daa  er  gea- 
tem  Ton  Maxens  Mutter  gehDrt  hatte« 

Er  hatte  heute  morgen  seine  Pamilie  vermieden,  «eil  er 
SU  sehr  mit  seinen  Gedanken  besehXftigt  war  tind  nicht  gefragt 
werden  wollte  aber  auch  nicht  in  die  Versuchung  kommen  wollte, 
selbst  einige  Fragen  su  stellen* 

Frau  Lilienfeld  war  gerade  gestern  die  Treppe  in  ihrem 
Hause hersuf gekommen,  als  Gttnther  hinunter  stieg,  nachdem  er 
Maxens  Zimmer  yerlassen  hatte*     Wie  isner  grUsste  sie  ihn 
freundlich«  aber  statt  der  Üblichen  Frage  nach  Schule  und 
Wohlergehen  sagte  slet      "Deine  Fltezsx  und  Deine  Schwester  aus- 
sen wohl  sehr  mitgenommen  sein  von  dieser  entsetzlichen  Sache, 
mit  Irmgards  Freundin*     Alle  Zeitungen  sind  voll  davon»     Eine 
sehr  traurige  \md  verwirrende  Angelegenheit,  in  die  ao  ein 
armes  junges  Ding  hineingerit  und  sich  nicht  mehr  su  helfen 
weiss*     und  dann  kommt  die  ganze  Meute  auf  sie  su,  Polisei  lasid 
Presse,  und  zerreisst  sie  und  zerztUokelt  sie  und  IVsst  nichts 
von  ihr  ttbrig***     Gttnther  war  15  Jahre  alt;  er  hatte  biaher keine 
Zeitung  lesen  dürfen«  weil  Zeitungen  nicht  für  Kinder  schrieben. 
Br  war  entsetzlich  verlegen  und  gleichseitig  aufgeregt»     Er 
kozmte  Frau  Lilienfeld  nicht  geatehen,   dass  er  nicht  wusste wo- 
von sie  redete,  dass  man  ihn  zuhause  noch  wie  ein  Baby  behan- 


".  !>*»• 


I  I 


Ch.   III 


-25- 


dtlt««     81«  hHtte  wohl  darttber  gelHchtlt  mitleidig  xmd  ver-» 
Mohtlioh»     ISr  bitte  ein  GefUhl,   als  ob  tr  bersten  sollte  vor 


Neugierde  und  gleichseitigsA 


•     7rsu  Lilienfeld t 


die  mehr  alt  ihren  eigenen  Gedanken  besohsf tigt  war  als  sonst ^ 
nahm  die  Stimsiheit  des  Knaben  als  Zeichen  seiner  ErschUtteruog; 
und  sagte:  ^^ioh  werde  versuchen ^  Irene  in  UntersuchungsgefSng-* 
nis  SU  besucheui  ich  habe  ihre  Mutter  geksnnti  als  wir  beide 
,iung  waren."  Sie  legte  ihre  Hand  gans  leicht  auf  Günthers 
Schtilter«  wie  um  ihn  su  trbsten  und  ging  an  ihm  Torbeii  die 
Treppe  hinauf* 

"Also  es  war  etwas  mit  Irene';  dachte  Günther ^  '•Hatte 
darxm  Irmgard  so  merkwürdig  mürrisch  ausgesehen ^  als  habe  sie 
eine  MlgrMne^  mit  etwas  geschwollenen  Augenlidern«  fr  hatte 
gestern  nicht  mit  ihnen  Mittag  und  Nachtmahl  gegessen^  weil 
die  Damen  angeblich  su  den  Grosseltern  nach  Wandsbeck  hatten 
fahren  müssen  und  der  Vater  in  seinen  Club  gegangen  war#  Was 


meinte  Frau  Lilienfeld  mit  ^^zerstückelt"  werden 


wie  konnte 


man  Irene  zerre  lasen  xmä.  nichts  Ton  ihr  übrig  lassen  ««*  war 
daa  wbrtllch  oder  bildlich  zu  nehmen?     Sollte   er  zu  Max  zu«* 
r^ckgehen;  der  war  krank  und  lag  im  Bett  und  hatte  seltsam 
zurückgesogen  ausgeschaut,  als  ob  er  sich  nicht  bewegen  wollte« 
Er  hatte  auch  kaxim  gesprochen«     Günther  hatte  all  das  dem  Fie- 
ber zugeschrieben  und   der  Influenza,   an  der  Max  erkrankt  mr« 
Jetzt  zweifelte  er  an  allemi  Max  hatte  Irene  einige  Haie  ge-* 
aehen,    sufMllig  auf  der  Straase  waren  sie  an  ihr  rorüber  ge«- 
gangen  und  GUnther  hatte  sie  gegrüsst«     Max  war  heimlich  in 


Cht   III 


•i#  Terlltbt«   glaubte  Gttnthari  wtll  «r  «rrtttet  war,   als  sie 
das  avtlta  Mal  ihr  bagagnat;  waran  und  aalna  A\igan  dlaaen  faiv 
Dan  Blick  bakonman  hattan»     GUnthar  atand  noch  imaar  auf  dar 
Trappai   sOgamd,   ob  %t  hlna\if**  odar  hlnuntargahan  sollta« 
••Uta  ar  Max  fragan  ~-  ar  ftbrchtata  aber,   daas  Max  ihm  hexita 
nicht  antworten  wUrde;  htittar  ar  ihm  doch  aonat  wohl  frei«- 
willig  etwaa  arailhlt»     So  ging  GUnthar  nach  Hauaa.     Er  hatte 
gehofft,  daas  auch   an  dieflem  Abend  die  übrigen  Feailianiftit- 
glieder  nicht  dahaia  aein  wttrden;   aber  eia  kanan  xua  Eaaan, 
aaaaan  laihr  oder  weniger  atuaa  da^  und  beeilten  alch  ,  ao 
achnell  wie  abglich  ait  der  Tafel  fertig  «u  werden»     Horat 
fing  an,  etwaa  au  sagen,  aber  Lina  machte  ihm  ein  Zeichen, 
nicht  fort  anfahren,  war   ea  um  Irmgarda  GafUhle  au  achonen 
oder  ua  nicht  Tor  Gunthar  die  aufrage näa  Angelegenheit   au  be«* 
aprechen»     Da  aie  alle   auhauae  waran,  konnte  er  auch  nicht 
heimlich  aich  die  Zeitung  auaamaenauchan  oder  In  die  Küche 
gehen,  und  Minna   oder  Anna  befragen«     Die  beiden,   fCtSchin  und 
StubenmUchen,  eraVhlten  ihm  gewttnlich  die  Geheimnisse  aoweit 
aie   aie  wusatan*     Es  war  erstaunlich  wieriale  Geheimnisse  ea 
gab  in  der  Familie,  von  denen  Günther  aonst  nie  etwaa  erfahren 
hMtte«     Aber  ea  brauchte  Zeit  und  geachicictaa  fJantJvrieren,  um 
aie   aua  Sprechen  au  bringen,   man  konnte   das  nicht  awiachan 
Tür  und  Angel  machen«     Heute  war  man  nicht  aicher,    dasa  nicht 
Mutter  oder  Schweater  in  die   Küche  kommen  würden;   aie  durften 
unter  keinen  Umstunden  Günther  dort  finden« 

Bo  blieb  ihm  nichts  anderes  übrig,    ala   in  aein  Zimmer 


» -  '^w.. 


Ch.    III 


-27- 


zu  gehen.     Er  versuchte,  seine   Hausaufgaben  zu  machen^   aber 
er  konnte  sich   nicht  konzentrieren«     Er  ??ing  ruhelos  auf  und 
ab  und  stand   eine  Weile   am  Fenster  und   scuaute    in   die  dunkle 
Nacht  hinaus.     Schliesslich   schlich   er  sich  wieder  aus  dem 
Zimmer  heraus ^  ging  ganz   leise  die  Treppe  hinunter,    und  auf 
Zehenspitzen  nftherte  er   sich   der  Tür  des  Herrenzimmers,    in 
dem  die  Erwachsenen  versammelt  waren.      Er  drückte   sich  flach 
an  die  Wand  und   lauschte.     Es  schien  ihm,    dass   er  Irmgard 
weinen  hörte  und  ohne   sich  über  äen  Grund  dafür  klar  zu  sein, 
fühlte  er  eine  groc.'se  fast  beschämende   Zärtlichkeit  für  sie. 
"Sie  ist  doch  gut**  dachte    er. 

Herrn  Hoyks  Stimme   kam  klar  durch  die  Tür:    "Höre  auf   zu 
weinen,   Irmgard,      ^s  besteht  kein  Grund,   Dich   auch  nur   im  ge- 
ringsten zu  besorgen  dass   Dein  Name   in  irf2;end  einer  iVeise  mit 
Irene   im  Zusammenhang  gebracht  wird.      Schliesslich  hast  Du  sie 
nicht   einmal   sehr  gut  gekannt.      Fs   ist  sehr  bedauerlich,   dass 
so  ein  Skandal  in  unseren  Kreisen  vorkommen  kann,   aber  verglas 
bitte  nicht,  dass  diese   Person  doch  eine  Fremde   ist^   wenn  sie 
auch  angeblich  mütterlicherseits  von  Adel    sein  soll*     Es   geht 
doch  nicht   an^  Lina,   dass  wir  unsern  Verkehr  auf  Kreti  und 
Pleti  erstrecken.      Diese  Affaire   soll  uns  allen  eine  Lehre 
sein."      "Fs  ist  wirklich  kaum  zu  glauben,  wie   sich  diese  Per- 
son aufgespielt  hat'\  warf  Horst   ein,    "sie   hat  gtwöhnlich  getan^ 
als  ob  ich  Luft  wäre   oder  als  ob  sie  zu  hoheitsvoll  war,  um 


überhaupt   einen  Gruss  zu  bemerken  und  dabei  hat  sie 


ti 


'Schweig  still"  unterbrach   der  Vater,    "Du  bist  hier   in  Gegen- 


Ch.  III 


-28- 


wart  von  Deiner  Mutter  Schwester^  vergiss  das  bitte  nicht  1 " 
"Waxnim  sie  den  Namen  des  Mannes  nicht  nennen  will^  verstehe 
ich  nicht"  sagte  Günthers  Mutter^  **und  warum  sie  sich  nicht 
varteidigt^  nicht  den  wirklichen  Grund  sagt,  warum  sie  die  Frau 
Müller  umgebracht  hat,  die  doch  seit  ihrer  Kindheit  bei  ihr  wari 
Es  ist  alles  so  ganz  entsetzlich  und  grauenhaft  und  \anverstand- 
liohj" 

Günther  httrte  nun  wieder  Irmgard  aufschluchzen.  Er  war 
so  aufgeregt,  dass  er  am  ganzen  Körper  zitterte  und  musste  war- 
ten, bis  das  Zittern  nachliess,  so  dass  er  sich  zurück  in  sein 
Zimmer  schleichen  konnte.   Irene  hatte  eine  Frau  i-üller  umge- 
bracht und  hatte  eine  geheimnisvolle  Beziehung  zu  einem  Manni 
eine  Jener  Beziehungen,  die  man  nicht  in  Gegenwart  von  Mutter 
und  Schwester  erwöhnt,  über  die  Schuljungen  im  Geheimen  tuscheln 
und  lachen  und  über  die  Günther  immer  noch  nicht  gewagt  hatte, 
Max  um  Aufklärung  zu  bitten*  Aber  wie  konnte  man  diese  Dinge ^ 
Mord  und  verbotene  Beziehungen,  nur  slt  Irene  in  Verbind\ing 
bringen,  mit  einer  Irene,  die  am  ehestt>n  einer  Lilie  Bhnlich 
war.  Sie  war  so  zart,  schlank  und  schön  und  sah  Mihi  und  ent- 
rückt aus*   Selbst  Horst  hatte  es  bemerkt. 

Irene  Johannsen  war  in  Dorpat  auf  die  Welt  gekommen,  ei- 
ner Universitätsstadt  in  den  Baltischen  Provinzen,  wo  der  müt- 
terliche Grossvater^  ein  Baron  von  Schulmann,  als  Professor 
der  Juedizin  tatig  \ind  berühmt  war.  Seine  Tocher  Emanuela  war 
bei  Verwandten  in  Hamburg  zu  Besuch  als  sie  den  Jimgen  Arzt 
und  Wissenschaftler  Johan  Johannsen  kennen  lernte.   Die  beiden 


i   i 


Ch.    III 


-29- 


ijungen  Leutt  verliebten  sich  leidenschaftlich  in  einander  und 
d«  es  dem  Professor  von  Schulmann  gerade  an  einem  tüchtigen 
Assistenten  gBbrach,   Hess  er  JohÄnnsen  nach  Dorpat  kommen  und 
verschaffte   ihm  die  sehr  begehrte  Stellung  an  der  Unlversitöts- 
klinlk*     Johann  und  Fiaanuela  heirateten  und  lebten  viele  Jahre 
in  einer  Liebeaehe^  die  nxxr  durch  die  Tatsache   ihrer  Kinder- 
losigkeit getrUbt  wurde •     Der  alte  von  Schulmann  starb  und  hin- 
terliess  seiner  Tochter  ein  grosses  Vermögen  und   seinem  Schwie- 
gersohn seine   Professur^    eine  blendende  wissenschaftliche   Kar- 
riere und   eine  weit  ausgedehnte  KonsultationspraxiSe 

Endlich^  als  Emanuela  schon  fast  40  Jahre  alt  war^  wurde 
sie   schwangere      Sie  gab  einem  TOchterchen  das  leben,  verlor 
aber  das   ihrige    im  Wochenbett.      Professor  Johannaen  ging  mit 
einer  Expedition  nach  Stld -Afrika  um  eine  dort   ausgebrochene 
Epidemie  der  afrikanischen  Schlafkrankheit  zu  studieren*      Er 
infizierte  sich  und   starb  ungefähr  6  Monate  nach  dem  Tod   sei- 
ner 7rau# 

Irene  wuchs   ohne  Eltern  auf.      Sie  hatte  einen  Vormund , 
der  sich  darum  kümmerte^   dass  sie  die   richtigen  Pf le0;er innen 
hatte ,   in  die   richtigen  Schulen  ging  und  engagierte   schliess- 
lich eine  Frau  Therese  MUller,   die  gerade  verwitwet  war»    als 
eine  Art  Gesellschafterin  oder  Duenna  für   das  heranwachsende 
Mtldohen.     Frau  MUH  er  war  ihm  von  Bekannten   recht  empfohlen 
worden,  als  eine  verlassliche,  sittenstrenge,  religiöse  Per- 
son, die  man  wohl  einem  Jungen  Madchen  aus  gutesa  Hause  ziar 
Seite  stellen  konnte,  und  mit  der  man  ein  solches  junges   Mgd- 


Ch.   III 


«Jo- 


chen wohl  auch  auf  die  Reiae   schicken  konnte.      Dieser  Aspekt 
war  "besonders  wichtig,  da  Irene  nach  Deutschland  gehen  sollte, 
vn  dort  eine  ht5here   Töchterschule   bu  besuchen.     Man  einigte 
sich  auf  Hamburg.     Es  wurde  durch   einen  Agenten  ein  Haus    in 
Harvestehude  gekauft  und  eingerichtet.     Irene  tmd  Frau  stiller 
belogen  es   im.  Hertöt  S^.     Sie  war  damals  16  Jalire  alt   und   trat 
In  die  oberste  Klasse  der  Schule  eln^   In  der  die  jungen  lÄdchen 
mvM  guten  Hamburger  Familien  Ihre  Erziehung  erhielten,   und   die 
auch  Irmgard  Hoyk  be suchte #     Irene  war  still  und  surückhaltend 
und   schloss  sich  nicht  leicht  an  Ihre  Altersgenossinnen  an# 
Sie  besuchte  jedoch  Irmgard  einige  Msle  und  lud  sie   mit  anderen 
jungen  \mdchen  zu  sich  zum  Tee  ein#      Sie  wurde  von  allen  benei- 
det  und  bewundert,  da  sie  ein  völlig  unabhängiges  Leben   zu  füh- 
ren  schien;   jedenfalls  war  keine  Autorltütsperson  zu  bemerken. 
Frau  \miler,   der  die  Prundlnnen  höflicherweise  vorgestellt 
wurden,  machte  eher  den  T^lndruck  einer  Untergebenen,   die    sich 
Irenens  Anordnungen  fUgte*     Irenes  Vormund  lebte  auf  seinen 
Gutem  in  Kurland,  und   falls  sie  Verwandte   in  Haflflburg  hatte, 
so  schien  sie  jedenfalls  nicht  auf  sehr  intimem  Puss  mit    ihnen 
zu  stehen.     Irmgard,  die  von  jeher  dazu  neigte   ihre  Freundin- 
nen zu  idealisieren,  war  ganz  und  gar  in  Irene  vernarrt.    Sie 
verteidigte  sie   sopcar  Horst  gegenüber,  der  sich  durch   ihre  her- 
ablassende Haltung   gekränkt  und  zxirückgewiesen  fühlte.      Nach- 
dem sie  nach  einem  Jahr  die  Schule  beendet   hatte,  hörte  und 
sah  man  wenig  von   ihr.     Nur  sehr   gelegentlich  kam  sie   mit    Irm- 


rung 


ziitun  schien. 


Ch.    III 


-51- 


Am  10*  April  1886  brachte   das  Hambiirger  Fremdenblatt  und 
die  Hamburf?;er  Zeitung  die  Nachricht^   dass  yrÄulein  Irene   Johann- 
sen,  Harvestehuder  Weg  21^   ihre  langjährige  GefMhrtin  und  Haus- 
dame  mit  Rattengift  vergiftet  habe#      Sie  habe  das  Verbechen  ein- 
gestanden,  sich  aber  geweigert   einen  Grund    dafür  anzugeben. 
Erst  nachdeoa  das  Hausmädchen  bei  der  Zeugenvernehmting  ausgesagt 
hatte,  dass  das  Fräulein  hSufig  am  Abend  Herrenbesuche   empfan- 
gen habe,   fand  sich  Irene  dazu  bereit,  eine  weitere  Aussage 
zu  machen*     Sie  gab  zu,   eine  Liebesbeziehung  zu  einem  verhei- 
rateten Mann  seit   einiger  Zeit  unterhalten  zu  haben*     Er  habe 
ihre   "insamkeit  und  ünerfahrenheit,  wie  sie  Jetzt  wisse,   mit 
Hilfe   ihrer  früheren  Hausdame  ausgenutzt*     Eine   Mitteilung   sei- 
nerseits, deren  Inhalt  sie  nicht  preiszugeben  gedächte,   habe 
direkt  zu  ihrem  Entschluss  geführt,  Frau  Müller  zu  töten.      Prau 
Müller  sei  eine  verräterische   Ratte  gewesen  und  habe   daher  eine 
gerechte  Bestrafung   erlitten. 

Die  Zeitungen  wiesen  darauf  hin,  dass  die  junge   Dame   kei- 
nerlei Anzeichen  von  Reue  oder  Kummer  über  die  Tat  zxxr  Schau 
trüge.      Sie  wurde   als  wortkarg,  unmitteilsam  und  unnahbar  be- 
schrieben.    Im  allgemeinen  schienen  die  Vertreter  der  Presse 
darüber  beunruhigt,  dass  sie  sich  weder  in  einem  Nervenzusamr- 
menbruch  noch   im  Zvistand  tiefster  2:erknirschung  befand. 

Den  Namen  ihres  Liebhabers  weigerte  sie  sich  zu  nennen, 

im  Stt  genug  Unheil  angerichtet  hmh%  und  keinen  Grund  habe, 
seine  Familie  in  Schande  und  Unglück  zu  stürzen.     Dabei  ver- 
blieb sie.     Auch  dem  Anwalt,  den  der  telegraphisch  benachrich- 


Ch.    III 


^32- 


tigte  Vormund  telegraphiöch  fUr  sie  bestelltet   machte    sie  keine 
weiteren  Mitteilungen.   Die  gute  Gesellscheft  Hambiirgs,    insbe- 
sondere Jene  Hluser,   die   sich  dem  Jungen  FrÄulein  gastfretind- 
lich   geöffnet  hatten,  war  Skandal isierti   schockiert   urid  gleich- 
»eitig  heimlich  erregt  als  hatte   sie  Champagner  getrunken. 

Es  war  GAlnther  in  der  Früh  gelungen,    die  gestrige   Morgen- 
zeitung und  auch  das  Abendblatt  zu  finden.     Er  war  sehr  früh 
aufgestanden,  bevor  noch  die  JJiadchen  auf  waren.      Er  war  mit 
A(M  Gelesenen  und  Erlauschten  beschäftigt  \md  versuchte    zu  ver- 
stehen,  mis  die  Zettungen  nur  angedeutet  hatten.     Er  war  ver- 
wirrt, wenn  er  an  Frau  Lilienfelds  mitleidige  Worte  dachte   und 
sie   mit  der  scharfen  Rede  seines  Vaters  oder  gar  mit  Horsts  hiss- 
lichen  Bemerkungen  verglich •   Er  fragte  sich,    ob   Irmgard  so   ge- 
weint hatte,   weil   sie   Mitleid  für  die  unglückliche   Freundin 
empfand   oder  weil  sie   selbst   im  zweideutigen  Licht   erscheinen 
könnte,  da  sie  aus  ihrer  Zunei^-img  und  Bewunderung  für  Irene 
keinen  Hahl  gemacht  habe,  Ja  sich  ihrer  Freunschaft  wo   immer 
und  wann  immer  eine  Gelegenheit  sich  bot,   gerühmt  hatte.      Würde 
der  junge  Assessor  Jagemann  sich  nun  z\n?ückziehen,  wie   di«   Mut- 
ter fre Stern  befürchtend  erwähnt   hatte;  würde   man  sie  vielleicht 
gesellschaftlich   schneiden?     Günther   trottete  zur  Schule   und 
wünschte,   dass  er  ^ax  schon  befragen  könnte;    Max,   der  krank  im 
Bett   lag  und  gestern  ein  so  leidendes  Gesicht  hatte*      Plötzlich 
kam   es  Günther  vor,   als  ob  Max  vielleicht  geweint  hatte.     War 
er  wohl  Irenes  wegen  krank? 


Ch.    III 


-35- 


GUnther  konnte  sich  wahrend  der  Schulstunden  nicht  kon- 
«entrleren.      Er  wurde  mehrmals  berxifen  und  Herr  Prof.   Meyer. 
8€in  Klassenlehrer,  verlor  schliesslich  die  Geduld  mit    ihm  und 
trug  einen  Tadel   ins  Klassenbuch  ein.     GtLather  nausste  eine  halbe 
Stxinde  nachsitzen.     Er  sah  Prof.   Meyer  mit  so  unverständlicher 
Miene  an,   dsss  der  lehr  er  ihn  schliesslich  fortschickte,   weil 
er  sicher  war,  dass  der  Junge   krank  sei. 


^3*- 


Ctmpttr  lY 


Dr#  von  Jagaaaxm 

Der  faehVrstllohe  Bericht  Über  Irene  Johannseae  Gesimd-^ 
helte«*  und  Geieteexuetend  erschien  in  der  Abendauegabe  der 
Hamburger  Zeitung  schon  am  Tag  nach  der  ersten  Nachricht  von 
dem  vermuteten  Mord  an  Frau  Müller.     Das  Gutachten  war  von  Dr. 
Klaus  von  Jagemann  unterseichnet  #     In  dLesem  Gutachten  vertrat 
der  Arzt  die  Meinung^   dass  Prttulein  Johannaens  Geständnis   uod 
Selbstanklage  kranWiaf  ter  Natur  seien.     Er  selbst  kannte  das 
Frllulein  seit  ihrer  Ankunft  in  Hamburg.     Sie   hatte    ihn  öftere 
konsultiert  wegen  vorwiegend  nervöser  Beschwerden,  von  denen 
Schlaf loaigkeit  die  hervorstechezidste  gewesen  war.     In  den 
letzten  Wochen  habe  sich  eine  deutliche  Schwermut  bei   ihr  ein- 
gestellt, die   sich   in  Nahrungsverweigerung  und  Vor-sich-hinbrUten 
audgedrtlckt  hÄtte.     Sie  hatte   oft  geweint   ohne  wirklichen  Grund, 
hatte  aber  als  Grund  Sehnsusht  nach  ihrer  Heimat  und  den  ver- 
storbenen Eltern,  die   sie  nicht  einmal  gekannt  hatte ,   angege— 
ben  und  dem  Arzt  auch  einmal  erklttrt,   daas  sie   am  liebsten  tot 
sein  möchte.     Dr.  von  Jagetoann  war  Überzeugt  davon  dasS|  was 
auch  immer  mit  der  Frau  •stiller  geschehen  wÄre,  es  sicher  nicht 
in  Irene* s  Macht  stand  oder  ihrem  Charakter  entsprach,    einen 
solchen  Mord  zu  begehen.     Sie  hatte  keine  oder  sehr  wenig  Ahnung 
von  Ratten-  oder  anderen  Giften  gehabt  oder  wie   man  aolche  er- 
langen könntet  sie   sei  eine  ;]unge  Person,  die  in  praktischen 
Dingen  völlig  unerfahren  sei.     Hingegen  sei   es  nicht  untypisch 


Ch.   BT 


für  an  Schwermut  Leidtnde  sioh  solch  grauenhafter  Verbrechen 
SU  beschuldigen,  selbst  wenn  kein  Todesfall  sich  gerade  ereig- 
net habe.     Unter  den  obwaltenden  Uoisttlnden  aber  habe  sich  Frtfu- 
lein  Johann8en*8  Gemlltserlcrankung  durch  den  Tod  ihrer  Hausdame 
so  vertieft,  dass  ihr  Gestllndnis,   sie  umgebracht  su  haben,  nur 
auf  dieser  Grundlage  asu  verstehen  sei.     Dr.  von  Jageoann  fUgte 
ninsu,  dass  er  Frau  ifttller  Öfters  als  Begleiterin  des  FrKulein 
Johannsen  gesehen  habe,   ihm  die  Besiehung  der  beiden  Damen  nicht 
als  besonders  nahe  aufgefallen  seij  er  habe  vermutet,   dass  Frau 
Maliers  Gesundheitssustand  su  wtlnsohen  tibrig  Hesse.     Si«  habe 
Ihn  aber  nie  ihrer  seihst  wegen  konsultiert« 

Herr  Dr.  Rtider,   der  vom  Vormund  bestellte  Anwalt,   hatte 
auf  Grxuid  dieses  Gutaehtens  den  Untersuchungsrichter  ttberseugti 
dass  Irene  Johannsen  an  einer  schweren  Gemütskrankheit  litte 
und  hatte  bewirkt«  dass  sie  aus  der  tlntersuchuni^shaft   entlas«^ 
sen  wurde«     Sie  wurde  sofort  in  ein  Privat Sanatorium  ausserhalb 
Hamburgs  gebracht« 

Es  stellte  sich  übrigens  heraus«  dass  Prau  MUller  völlig 

ohne  Familienanhang  war«     Sie  schien  auch  keine  nahen  Freunde 

SU  haben«     So  verlor  sich  das  Interesse  an  ihr  sehr  bald  und 

die  Hamburger  Gesellschaft  kümmerte  sich  nicht  darum«  was  mit 

ihrer  Leiche  nach  der  gerichtlichen  Sektion  geschehen  war« 

Günther  hbrte  allerdings  von  Max«    dass  Dr«  von  Jagemann  die 
Beerdigungskosten  auf  sich  genommen  hatte  und  dafür  gesorgt 

habe,  dass  Frau  Müller  in  Ohlsdorf  anstKndig  begraben  wurde« 

Ihn  rührte  und  bedrückte  diese  Fürsorge  des  Arztes  für  eine 


Ch*    IV 


-36- 


Frau,   die  unter  so  merkwürdigen  Umstanden   gestorben  war^    \md  die 
er  doch  kaum  gekannt  hatte.      Das  Gericht   hatte   sich  davon  über- 
zeugt,  dass  kein  Mord  vorlag^   sondern  dass  Frau  Wüller  das  Rat- 
tengift aus  Versehen  zu  sich  genommen  hatte.      Niemand  konnte 
zwar  erklären  woher  sie  es  hatte   und  wozu  sie   es  brauchte ^  da 
In  Harvestehude  das  Vorkommen  von  Ratten  unwahrscheinlich  war« 
Ja,   es  wSre  wohl   anders  gewesen,   hätte   sie   in  einem  jener  alten 
HHuser  gewohnt,   die  tief  in  einen  der  Fleete   eintauchten  ~  Ja, 

da  wimmelte  es  von  Ratten*     Aber  in  Hamburgs  vornehmstem  Stadt- 
wohl 
teil?     Nein^  Frau  Mtillers  Tod  warAdoch  kein  Versehen.      Die  ein- 
zig mögliche  Erklärung  war,   dass  sie   sich  selbst   das  Leben  ab- 
sichtlich genommen   hatte.     Bei  cter  Obduktion  hatte   man  ein  Schwe- 
res, unheilbares  Leberleiden  gefunden,   das  war  wohl,  worauf  auch 
Dr.   von  Jagemann  mit    seiner  Vermutung   in  dem  Bericht   hingewie- 
sen hatte • 

Gtother  kannte   den  Dr.   von  Jage  mann  vom  Sehen  und  Hören, 
wenn  man  das   sagen  kann.     Er  hatte    ihn  einige   Male  bei  den 

« 

Lilienfelds  gesehen,  wenn  er  iiim  mit  Frau  Lilienfeld  begegnete« 
Er  war  F3?e\ind  und  Hausarzt  der  Lilienfelds.      Sein  Ruf  war  her- 
vorragend,  wenn  auch    seine  Herkunft  nicht    ganz   so  eindeutig  war. 
Sein  Vater  war  Pfarrer  in  Altona  an  der  Kirche  St.   Georg  gewe- 
sen.     Aber  die  Familie   stammte  nicht   aus  der  Gegend,    sondern 
war  von   dem  Kaschubischen  Grenzgebiet  West-   oder  Ostpreussens 
einr.e wandert.     Er    selbst  hatte    in  Dorpat  Medizin  studiert,  wo 
er  wohl  ein  Schüler  Professor   Johannsens  gewesen  war.     Er  war 
ein  bekannter  Spezialist  auf  dem  Gebiet  der  Inneren  Medizin  und 


Ch.    IV 


-57- 


Nenrenhell^imde  geworden ^  der  auageseiohnete  wissenschaftliche 
Beitrüge   gemacht  hatte   imd  eine   wissenschaftliche  Laufbahn  an 
einer  der  testen  medizinischen  Fakuktitten  seiner  Frau  wegen 
aufgeben  musste.     Seine  Frau  die  aus  einer  sehr  reichen  Familie 
stammte  und  auf  deren  Vermögen,  wie  es  hless^  der  Doktor  ange- 
wiesen wsTt  hatte   darauf  bestanden  In  Hamburg   In  der  NÄhe  Ihrer 
Eltern  zu  lebeui  von  denen  sie  nicht  getrennt  zu  sein  wtlnschte* 
Ein  gegenteiliger  Versuch  hatte  fast  zu  einer  Entfremdung  der 
beiden  Gatten  ge fuhrt«     Dr«  von  Jagemann  hatte  nachgegeben  und 
daraufhin  auf  die  Universität  verzichtet«     Er  nahm  eine   leitende 
Stellung  In  einem  der  besten  Hamburger  Kranke nhtus er  an#     Cr  hatte 
drei  {C Inder»  von  denen  Trude  gleichaltrig  mit  Max  \ind  Günther  war^ 
Max  hatte   sie  bfters  erwähnt^   und  brschrleb  sie  als  eine   Mischung 
von  Krlmhllde  und  Clrce»  also   sohbn  und  verderblich*  WMhrendbrttn-* 
thers  Phantasie  durch  diese  Beschreibung  sehr  angeregt  wurde » 
erklärte  Max  einfach»  dass  sie    Ihm  viel  zu  blond  sei« 

■ 

Es  gab  noch  eine  andere ,  für  Günther  interessante,  Bezle-* 
hung  zu  den  Jagemanns»  nämlich  Über  Irmgards  Assessor  von  Ja<» 
gemann.   Der  war  ein  Junger  Vetter  des  Arztes;  sein  Vater,  ein. 
Bruder  des  Pfarrers»  war  ein  bekannter  Anwalt  gewesen  und  hatte 
ebenfalls  In  eine  wohlhabende  Hambxirger  Familie  eingeheiratet« 
Ir  war  mitsamt  seiner  Frau  auf  einer  Reise  an  der  Cholera  ge- 
storben, als  der  Assessor  gerade  die  UnlversltMt  bezogen  hatte* 
Klaus  von  Jagemann  hatte  sich  sehr  gewissenhaft  um  den  Jungen 
Verwandten  gekümmert  und  bis  zu  seiner  Mündigkeit  dessen  Kapl-* 
tal  verwaltet«  Man  hatte  davon  gemunkelt»  dass  der  Doktor  auJT 


Ch^   IV 


•58- 


eine  apütere  VtTt)lndux:ig  zwischen  seiner  Tochter  Tr\uie  und  dem 
Jüngeren  Mann  gehofft  habe«     Der  Assessor  hless  übrigens  Erich 
lind  war  rothaarig,  womit  er  von  Triade ,  die  keine  besonders 
herzliche  Zuneigung  zu  Ihm  zu  haben  sohlen^   oft  gehttnselt  wurde« 
Wenn  man  gewissen  Zeichen  trauen  konnte i   wie   ZtB«  dem  häufigen 
Erscheinen  des  Assessors  auf  ;jenen  Gesellschaf ten^  wo  Irmgard 
eingeladen  war,   oder  seinem  Drängeni  so  viele  Tttnze  als  nur 
Immer  schicklich  auf  den  Bttlleni  die   sie  beide  besuchten^   mit 
Irmgard  zu  tanzen,   oder  seiner  ausgesuchten  Höflichkeit  Herrn 
«id  Frau  Hoyk  gegenüber,  hatte    Irmgard  zu  erwarten, das«  er  bald 
bei  Ihrem  Yater  offiziell  vorsprechen  würde«     Baas  sie    Ihm  ge- 
neigt war,  daran  konnte  er  nicht   zweifeln,    Jeder  konnte   das 
sehen«     Ein  gemeinsames  Gesprächsthema   zwischen  ihm  und   seiner 
Zukünftigen  war  der  ausgezeichnete  Ruf  und  die  Bedeutung  seines 
Vetters  Klaus  von  Jagemann  gewesen,  damit  sollten  die  Eltern 
wohl  mit   seiner  Familie  bekannt  gemacht  sein«     Mit  der  Affaire 
Irene  Johannaen  hatte    es  zianächst  geschienen,    als  ob   Irmgard 
durch  ihre  freundschaftliche  Beziehung   zu  Irene   in  den  Augen 
des  Asseasors  herabgesetzt  sein  kt5nnte,    aber  die  Verbindung  des 


Hit 


Jagemann  mit  dieser  Affaire  hatte  die  Situation  sozu«-» 


sagen  ausgeglichen« 

Als  Günther  die  Schule  verlless,  hatte  er  noch  nichts 
von  der  neuesten  Entwicklung,   die   der  Fall   Irene  genommen  hatte^ 
gehttrt«     Er  beeilte  sich,   zu  Max  zu  kommen,   den  er  aueh  heute 
nicht  auf  dem  Schulweg  getroffen  hatte«     Er  sorgte   sich   sehr 
um  den  Freund  und  war  In  einem  Zustand  von  Ratlosigkeit  und 


w 


II 


Ch.    lY 


-39 


Verwirrung.     Dabei  fürchtete  er  sich,  diirch  Fragen  Max  zu  ver- 
wunden oder  seine  eigene  NalYitltt  'blosezustellen.     Das  Lilien- 
feldisohe  Haus  schien  ihm  unheimlich  ruhig.     Als  er  vor  Maxens 
Ttlr  stand,  hörte  er  Stimmen,     Er  klopfte,  erhielt  keine  Ant- 
wort, ttffnete  aber  trotzdea  die  Ttlr.     Max  lag  im  Bett  und  auf 
dem  Bettrend  sass  Dr.  von  Jagemann.     Günther  erkannte    ihn  so- 
fort^  obgleich   er  Ihm  den  Rücken  zuwandtea     er  hatte  etwas  so 
Unverkennbares  In  seiner  Gestalt  xind  Haltiing,   der  mUchtlge   ei- 
förmig ausgezogene  Hinterkopf »   die  etwas  nach  vorne   gezogenen 
Schultern^  der  lange  gerade  Rücken  und  der  schlanke  Hals  -~ 
Günther  hJJtte   es  nicht   in  Worte  fassen  können,  aber  der  Körper 
des  '.Cannes  drückte   einerseits  einen  starren  Willen  und  ander- 
seits eine  fast  überfeinerte  Zartheit  aus.      Max  und  der  Arzt 
schienen  so   sehr  im  Gespräch  vertieft,  dass  sie   erst  nach  eini- 
gen Augenblicken  die  Anwesenheit  eines  dritten  bemerkten.     Max 
begrüsste  den  Freund  mit   einem  LUcheln.     J)r  sah  elend  aus,    mit 
seinen  eingefallenen  Wangen^  die    sehr  blass  waren^   und  dunklen 
Schatten  unter  den  Augen.     Aber  er  schien   etwas  ruhiger  als  am 
vergangenen  Tag.      Jagemann  erhob  sich  und  reichte  Günther  die 
Hand.     Sein  Gesicht  passte  zu  seiner  langen  hageren  Gestalt. 
Es  war  gross  angelegt,  mit   hoher  Stirn  und  eckigem  Kinn.     Die 
Augen  lagen  tief  unter  gutgezeichneten  aber  blonden  Brauen, 
deren  Schwung  dem  Gesicht  eine   leichte  Ironie  verlieh.     Die 
tiefen  Falten,   die  von  der  grossen  etwas  gebogenen  Nase  zu  dem 
weiten  geschwungenen  Mund  liefen,  vertieften  noch  diesen   iro- 
nischen Ausdruck.     Ein  kurzer  dichter  blonder  Backenbart 


Ch.   IV 


-i*0« 


timrahot«  das  0«8loht  und  setzte  die   8«hr  grossen,  ausserordent- 
lich fein  ausgebildeten  Ohrmuscheln  ab.     Er  trug  ein  Plnce-nez 
das  die  Augen  noch  grtJsser  und  tiefer  erscheinen  Hess*     Ob- 
gleich die  Stirn  sehr  bedeutend  war,  so  schienen  doch  In  die- 
sem Gesicht  die  Sinnesorgane  wie  überbetont.     OUnther  ertappte 
sich  dabei,  dass   er  an  den  ?/olf   im  ?iJttrchen  Tom  Rotkäppchen 
dachte.     Ohren,  Augen,  Nhind  und  Nast  —  was   Immer  durch  die 
Sinne   erfasst  werden  konnte,  würde  diesem  Menschen  nicht  ent- 
gehen.     Die  Hand,  die  Günthers  Hand  einen  Augenblick  lang 
hielt,  war  fest  und  ktthl  und   dabei  verführerisch  zart  —  "fast 
zÄrtlich"  dachte  Günther  und   schämte  sich  dieses  Gedankens» 
Er  fühlte  In  diesem  Augenblick  dass  etwas  in  ihm  vorging,  das 
mit  der  Gegenwart  dieses  Mannes  zu  tun  hatte,   md  das   ihn  ver- 
wirrte,   erschütterte  und  unerklärlich  erregte.     Er  spürte  eine 
wilde   schmerzliche  Sehnsucht,  die   in  dem  Wunsch  gipfelte   auf 
immer  In  Jagemanns  N»he  zu  bleiben  und  gleichzeitig  wünschte 
er,  dass  der  Arzt  weggehen  und  nie  wieder  seinen  Weg  kreuzen 
•eilte.     Er  hatte  sich  am  liebsten  aus  dem  Zimmer  geschlichen 
und  irgendwo  draussen,  wo  man  Ihn  nicht  hbren  konnte,   laut  ge- 
brüllt.    Statt   dessen  blas  er  die  Zühne   zusammen  und  errOtete 
Ms  unter  die  blonden  Haarwurzeln.     Klaus  von  Jagemann  hatte 
sich  inzwischen  wieder  Max  zugewandt,  von  dem  er  sich  verab- 
schledete.     "Nun  gut,  mein  Junge",   sagte  er,    "mlss  Deine  Tem- 
peratur.    Auf  alle  TBlle  bleibst  Du  morgen  Im  Zimmer.     Hast 
Du  kein  Fieber  mehr,   so  darfst  Du  wenigstens  etwas  aufstehen. 
Du  hast  wahrscheinlich  eine  leichte  Influenza,  aber  man  soll 


/ 


I  , 


K^i 


Ch.   IV 


-41- 


doch  vorsichtig  stixi  —  besonders  bei  Dir",  fügte   er  mit  einem 
bedeutungsvollen  Blick  hin«u.      "Yor  allem  aber  ist   es  gut,  dass 
Du  nun  Gesellschaft   hast.     Mach  Dir  keine   Sorgen  und  nicht   so 
viele  Gedanken,     Wir  kttnnen  awar  nicht  alles  wissen  und   tun, 
aber  doch  manches",   dann  lachte   er  und  setzte  hinzu:      "Mwie   im 
Paust".     Er  nickte  Günther  su,  berührte   fast   aHrtlich  Maxens 
Schulter  und  verliesa  das  Zimmer. 

Nachdem  der  Arzt  das  Zimmer  verlassen  hatte,   schwiegen 
die  Freunde  eine  Weile.     Jeder  schien  seinen  eigenen  Gedanken 
nachzuhängen.     Endlich  sprach  Max  mit  belegter  Stimme:    "Ich 
habe   mich  gestern  und  auch  heute   morgen  nicht  wohl  gefühlt; 
starke  Kopfschmerzen  und  etwas   erhöhte  Temperatur,  weisst  Du« 
■eine  Mutter  hat  den  Jageaann  alarmiert,  aber  ich  weiss  und 
sie  weiss  es  auch,   dass  ich  nicht  wirklich  krank  bin.     Du  hast 
sicher  gewusst,  dass  mich  die  entsetzliche  Sache  mit  Irene  Jo- 
hannaen  sehr  aufgeregt  hat,   und  ich  habe  schon  als  Kind  oft 
Fieber  gehabt,  wenn  ich  mich  aufgeregt  habe.     Es  war  aber  gut 
von  meiner  Mutter^   dass  sie  Jagemann  gerufen  hat   —  loh  habe 
mit  ihm  sprechen  kUnnen,  und   er  hat  mich  sehr  hertihlgt»"      "Wie- 
so"^  fragte  Günther»    "es  ist   alles  doch  ganz  schrecklicht    der 
Mord»   land  die  andere  Sache  mit   dem  Manne»  •"      "Nein,   nein»    das 
ist   Ja  alles  schon  nicht  mehr  wahr»    schon  Überholt"  fuhr  ihm 
Max  rasch  dazwischen.      "Jagemann  hat   das  alles  schon  richtig 
gestellt  —  Irene   ist  auch  nicht  mehr  in  Haft«     Sie   haben  sie 
schon  entlassen  und  sie  ist  nun  zur  Beruhigung  und  Reconvalescenz 
in   ein«m  privaten  Sanatoriume     Aber  Du  Icannst  das  Ja  noch  nicht 


i 


i 


Ch.   IV 


"M-Z- 


«l8S«n,  da  Du  j«   gar  keine   Zeitungen  gelesen   hastl  Also,    Ich 
werde  Dir  alles  erzUhlen.     Der  Jagemann   Ut   einfach  herrlich, 
80  furchtlos  und  gerade  und  geschickt'."     Er  erzahlte  nun  dem 
gespannten  Günther  von  Jageawnns  Gutachten  und  dessen  sofortige 
Wirkung  und  auch  von  der  wirklich  väterlichen  Fürsorge  des 
Arztes  fUr  Irene. 

"Kun  ;Ja",   meinte  Günther,    "was  er  Über   Irenes   Schwermut 
sagt,    mag  Ja  wohl  richtig   sein  —  obgleich   so  etwas  schwer 
vostellbar  Ist,   dass  man   zu    seinen  eigenen  Ungunsten  Lügen- 
teschichten erztthlt  —  Du  weisst   schon  —  die   eklige  Sache  mit 
dem  Mann  —  das   ist  doch  gar  nicht   erklärt   mit  dem  was  Jagemann, 
ich  meine   der  Herr  Dr.  von  Jage  mann  sagt   —  der  >!ord  wohl  schon, 
mit  dieser  Gemütskrankheit  aber.."      "Oh,    das   ist  alles  ünainn" 
unterbrach  ?iax  ungeduldig.    "Jagemann  hat   itir  auch  das   erklört, 
wie   er  es  auch  dem  Anwalt  —  und  dieser  darauf  dem  Untersuchungs- 
richter —  erklärt  hat.     Siehst   Du,  gerade  well  Irene  schwer- 
mütig ist,   ist    sie   bereit  alles  was  man   ihr  nur  vorhalten  will, 
als  wahr  anzuerkennen  und  sich  dann  selbst  zu  bezichtigen  —  ob 
es  nun  ein  Mord  Ist  oder  solch   eins  unredliche,   hÄssliche  Be- 
ziehung.    Jage  mann  sagte,  dass   er  mehrmals  von  Frau  J-miler  am 
spateren  Nachmittag  gerufen  wurde  Irenes  wegen,   da  sie  wsder 
essen  wollte  noch  schlafen.      Er  kam  dann  am  Abend,  wurde  von 
Frau  '^lüller  hineingelassen  und  versuchte   sogar  Irene   in  einen 
hypnotischen  Schlaf  zu  versetzen.     Br  ist   sicher,   dass  das 
?adchen  ihn  gehört   habe  und  daraufhin  ihre  eigene  unsaubere 


Ch.    IV 


-45- 


Phantasle   hat  walten  lassen.      Irene,    In  ihrem  schon  Überreiz- 
ten Zustand  hat   dann  auoh  diese  Schuld  und   Schande   auf   sich 
sehnen  wollen.     Sie   soll   jetast  gana   still  und  apathisch   sein", 
•etzte   er  mit  leiser  stimme  hinzu.      "Was  mir  leid  ist,"  fuhr 
Max  fort,    "ist,   dass  ich  nun  wohl  kaum  mehr  Gelegenheit   haben 
werde,    ihr  vorgestellt  zu  werden.   Ich  hatte  darauf   so  gehofft, 
sie  bei  den  Jagemanns  zu  treffen.     Sie   stand  so  gut  mit    ihnen. 
Mit  dem  Doktor  tind   seiner  Prau,  sollte  ich    sagen  —  denn  Trude 
hat   irgend  etwas  gegen  sie  gehabt,   sie  hat  iaier  an  ihr  her- 
umgeinakelt ,  kein  gutes  Haar  an  ihr  gelassen  —  fast  so  als   ob 
sie  neidisch  oder  eifersltohtig  auf  sie  wttre.     Dabei   ist  Irene 
doch  viel  Mlter  —  drei  oder  vier  Jahre   —  als  Trude.     Aber 
Trude  hat   es  immer  zu  verhindern  gewusst,    dass  Irene  da  war, 
wenn  ich  bei   den  Jagemanns  eingeladen  war.      Ich  könnte   Dir  noch 
eine  Menge  von  dem  Doktor  erzählen  —  er  war  nicht  nur   su  Irene 
so  gut;   er  ist   Jemand,   dem  ich  voll  und  ganz  vertraue  \ind  mit 
dem  ich   alle  solche   Dinge  besprechen  kann,   über  die   man   sich 
sonst   so  geniert  zu  sprechen." 

Voller  Erstaunen  hörte  Günther  seinen  Freund  sagen,    dass 
es  Dinge   gab,  ttber  die  zu  sprechen  er  sich  genierte.     Es  war 
ihm  nie   in  den  Sinn  gekommen,   dass  auch  Max  solche   Dinge   und 
Gefühle  kannte.   Wenn  immer  der  Freund   schweigsam  oder  nicht 
mitteilsam  war,   hatte  Günther  angenommen,    es  mit  wirklich 
mttnnlicher     urückhaltung   zu  t\m  zu  haben.    Worüber  konnte  Max 
sich  genieren  zu  sprechen.     Er  schob  die  auftauchenden  Ge- 
danken rasch  beiseite  und  erinnerte   sich  an  die  merkwürdigen 


Ch*  IV 


-44- 


Worte  die  Max  in  Bezug  auf  Irenes  Dienstmädchen  geäuscert 
hatte:   "Sie  hat  ihre  eigene  unsaubere  Phantasie  walten  lassen" • 
Er  wollte  bestimmt  nicht  in  der  selben  Klasse  mit  diesen  Mäd- 
chen sein*  "Er  musote  sich  von  Max  verabschieden^  da  es  spät 
war  und  er  ungern  die  Aufmerkasmkeit  seiner  Familie  heute  auf 
sich  gezogen  hätte.   So  versprach  er^  llax  am  nächsten  Tag  wieder 
zu  besuchen  und  verliess  ihn  mit  etwas  leichterem  Herzen  als 
er  gekommen  v/ar*  Max  war  wenigstens  in  einem  besseren  Zustand 
als  gestern.  Er  beschimpfte  sich  aber^  dass  er  aus  ihm  unklaren 
Gründen^  nicht  völlig  von  Jagemanns  Erklärung  überzeugt  war#   Br 
ärgerte  sich  darüber  und  versuchte ,  sich  selbst  ausschaltend^ 
sich  zu  der  Annahme  dieser  Erklärung  zu  zwingen.   Es  feing  nicht. 
Irgend  etwas  schien  nicht  zu  stimmen  —  er  wusste  nicht  was. 
Vielleicht  war  es  Jagemann  selbst  und  dies  ungev/Shntei  Öber- 
v/ältigende  Gefühl,  dass  er  ihm  gegenüber  empfunden  hatte#   Er 
konnte  es  nun  sehr  leicht  und  schnell  wieder  hervorrufen^  v/enn 
er  es  zuliess  —  aber  er  kämpfte  dagegen  an.  Was  hatte  dieser 
Mann  an  sich^  dass  man  ihm  so  verfallen  konnte |  ohne  ihn  über- 
haupt zu  kennen?  Und  Max?  War  er  ihm  auch  verfallen?  Glaubte 
er  darum  alles |  was  von  Jaremann  gesagt  hatte ^  so  unbedingt? 
Günther  rannte  nach  Hause.  Sr  wollte  nicht  mehr  denken,  nicht 
an  Irene  und  all  das  Schreckliche  und  Unverständliche:  Mord 
oder  GemOtskrankheit  —  nicht  an  Jagemann  und  was  er  ihm  antun 
konnte,  und  vielleicht  nicht  einmal  an  Max,  Frau  Müller  — 
warum  sollte  sie  sich  getötet  haben?  Well  sie  totkrank  v;ar  — 
sagte  Max.   Günther  wollte  nicht  an  den  Tod  denken  —  er  hasste 


4  • 


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i  * 


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1  •  '  *  '  '  f 


Ch.  IV 


-/^5- 


die  Dämmerung  und  das  fahle  Licht,  das  von  den  Gaslantemen 
schien.   Er  war  erleichtert,  als  er  bei  seinem  Haus  ankam. 
Die  Vorhalle  war  beleuchtet,  und  es  duftete  nach  Kalbsbraten. 
Noch  von  ein  paar  Tagen  hatte  er  sich  geniert,  dass  man  so 
häufig  in  der  Halle  roch,  was  in  der  Küche  gekocht  wurde.   Heute 
heimelte  es  ihn  an,   gab  ihm  ein  Geffthl  von  WSrme  und  Geborgen- 
heit, und  ganz  unvermutet  grOsste  er  seine  Mutter,  die  aus  dem 
Damenzimmer  in  die  Halle  trat,  indem  er  seine  Arme  um  sie 
schlang.   Caroline,  überrascht  durch  diese  völlig  ungewöhnte 
Zärtlichkeit  ihres  Jüngsten,  legte  ihre  Rand  sofort  auf  seine 
Stirn,  da  sie  überzeugt  war,  dass  er  Fieber  hatte. 


41  «  *  «  *  * 


Klaus  von  Jagemann  stand  einen  Augenblick  unschlüssig 
da,  nachdem  er  die  Haustür  des  Lilienf eidischen  Hauses  hinter 
sich  zugezogen  hatte.   Es  fiel  ihm  ein,  dass  seine  Frau,  Ilse, 
heute  nachmittag  ihren  Jour  hatte.   Daraufhin  entschloss  er 
sich,  nach  Hause  zu  fahren.   15r  hielt  eine  vorbeifahrende  Drosch- 
ke an  und  gab  seine  Addresse.   Im  Wagen  zvirÜckge lehnt  dachte 
er  an  die  verflossene  Stunde  zurück,  in  der  er  eine  schwierige 
Arbeit  vollbracht  hatte.   Ss  schien  ihm,  dass  er  mit  dieser 
Leistung  manches,  was  er  sich  vorzuwerfen  hatte,  zumindest  wett- 
gemacht hatte,  wenn  er  es  auch  nicht  gut  oder  ungeschehen  machen 
konnte.   Wie  dieser  Knabe  ihm  vertraute i   Es  war  ihm  gelungen, 
seinen  Glauben  an  die  Welt,  an  die  Gute,  an  die  Menschheit 
wieder  aufzurichten,  eine  Geele  zu  stützen,  die  im  Begriff  war, 


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Ch.  IV-2 


-46- 


zu  zerbrechen.  Was  machte  es  aus,  o"b  es  auf  Grund  von  Wahr- 
heit oder  Unwahrheit  geschehen  v;ar.  Ueherdies,  was  war  in 
diesem  Zusammenhang  schon  Wahrheit.  Er  hatte  Max  sehr  gerne. 
Es  gab  in  Hamburg  —  vielleicht  auch  anderswo  —  nicht  viele 
solcher  gescheiten  und  dabei  sensitiven  und  idealistischen 
Knaben.   Seine  eigenen  beiden,  Petsr  und  Paul,  waren  völlig 
anders.   Die  interessierten  sich  nur  für  praktische  Ding© — 
von  Trude  gar  nicht  zu  sprechen.  Wenn  Trude  von  etwas  Unbe- 
kanntem hörte,  v/ar  ihre  erste  Frage:   "Kann  man  das  essen?" 
War  Ilse  auch  so  gewesen,  als  sie  Jung  war?  Er  konnte  sich 
das  nicht  recht  vorstellen.  5r  hatte  sie  als  elfenhaft  zart 
in  Erinnerung,  als  ob  ein  Hauch  sie  unwerfen  konnte.  Er  hatte 
sie  auf  einem  Ball  beim  Bürgermeister  Petersen  kennen  gelernt 
und  hatte  nicht  mehr  schlafen  können,  bevor  es  ihm  gelang  bei 
ihrem  Vater  eingeführt  zu  werden.   Er  hatte  seinen  ganzen 
Willen  und  sein  ungeheuer  einfallsreiches  Gehirn  ans  Werk  ge- 
setzt, und  es  wahr  ihm  nach  etwa  einer  Woche  gelungen,  eine 
solche  Einführung  zi  einer  passenden  Gelegenheit  zu  bekommen. 
Daraufhin  schlief  er  16  Stunden  lang.  Bei  diesem  ersten  Wieder- 
sehen mit  Ilse  gestand  er  ihr  seine  Liebe  und  schilderte  ihr 
seinen  Zustand  während  der  vergangenen  Woche.   Ilse  war  über- 
rumpelt von  seinen  Gefühlen.  Ausser  seiner  begonnenen  Univer- 
sität srjarriere  und  seiner  glänzenden  Zukunft  hatte  er  nichts 
zu  bieten.  Aber  Ilses  Vater  konnte  seiner  einzigen  Tochter 
nichts  versagen:   so  verlobten  sie  sich.  Nach  einem  Jahr 
heirateten  sie  —  aber  mit  der  wissenschaftlichen  Laufbalin  war 
es  aus.  Er  gab  nach,  wie  er  in  seiner  Ehe  immer  nachgegeben 


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hatte  —  obgleich  er^  besonders  im  letzten  Jahr^  sich  sehr 
weit  von  Ilse  innerlich  entfernt  hatte*  Das  hatte  aber  nicht 
die  Frage  nach  einer  Aehnlichkeit  mit  seiner  Tochter  beantwortet. 
T?r  glaubte  nichts  dass  Trade  irgendv;ie  Aehnliclikeit  mit  ihrer 
Mutter  hätte*   Ilse  war  zwar  nicht  mehr  aetherisch^  v/ar  es  viel- 
leicht nie  gewesen ^  aber  sie  war  ein  warmer  und  freundlicher 
Mensch,   Von  Trude  fürchtete  er  sich  fast;  sie  v;ar  von  einer 
unbeschreibbaren  Rücksichtlosigkeit ^  berechnend  und  völlig  ohne 
sittliches  Gefühl.   Sie  war  allerdings  auffallend  schon.   Sie 
war  licht-blond  mit  veilchenfarbigen  Augen ^  die  von  £Chv;arzen 
VJimpern  eingerahmt  v/aren.   Diese  Augen  waren  die  ärgsten  Be- 
trüger; Klaus  Jagemann  erschauerte^  als  er  daran  dachte^  wie 
seine  Tochter  schon  von  klein  auf  sich  der  Macht  ihrer  Schön- 
heit und  besondere  ihrer  Augen  bewusst  gewesen  war^  und  wie  sie 
von  allen,  ihren  Vater  miteingeschlossen,  erreichte,  v/onach  sie 
gerade  begehrte.  Dabei  kam  es  ihr  nicht  auf  die  Mittel  an,  die 
sie  benutzte.   Sie  konnte  mit  dem  unschuldigsten  Gesicht  lUgsn 
und  verleumden,  und  häufig  schob  sie  z.B.  den  Brüdern  Dinge  in 
die  Schuhe,  die  sie  begangen  hatte.   Peter  und  Paul,  die  Zwil- 
linge, \  aren  Trude  gegenüber  von  Jeher  hilflos  gewesen  —  ^Won 
Jeher?"  fragte  sich  von  Jagemann  und  verbesserte  sich  dahin- 
gehend dass  er  diese  HilfloGi«gkeit  zurückführte  auf  ein  Ereignis, 
in  dem  er  die  beiden  Söhne  aufs  strengste  bestraft  hatte  auf  eine 
Anklage  seines  Töchterchens  hin.   Damals  war  er  noch  Kon  ihr 
völlig  bestrickt  gewesen  und  hatte  ihr  blindlings  geglaubt« 
Die  Sache  hatte  sich  an  der  Nordsee  abgespielt,  v/o  die  ganze 
Familie  Jagemann  ein  Paar  Wochen  im  Sommer  zubrachte.  Trude 


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war  8  Jahre  alt  und  die  Zwillinge  fünf.   Die  Kinder  waren  un- 
beaufsichtigt am  Strand  gewesen.  Er  war  öterzeugt  gewesen, 
dass  es  auf  Grund  einer  Nachlässigkeit  des  Kindermädchens  ge- 
schehen  war.  Er  hatte  sich  hicht  einmal  die  Mühe  genommen,  nach- 
zuforschen, sondern  die  Frau  sofort  nach  dem  Ereignis  entlassen. 
Br  hatte  sie  fortgewiesen,  als  sie  ihn  flehentlich  bat,  ihr  zu- 
zuhören.  Tatsächlich  war,  dass  die  Kinder  unbeaufsichtigt  am 
Strand  waren,  und  dass  Trude  weinend  nach  Hause  gelaufen  kam^ 
mit  der  völlig  verworrenen  Geschichte,  dass  die  Zwillinrre  im 
Wasser  seien.  Sie  hätten  ihr  nicht  gehorcht  und  seien  immer 
tiefer  hineingelaufen,  und  sie  habe  vergebens  versucht  sie  zu- 
rückzuhalten.  Sie  v/ar  so  ausser  sich,  so  verzweifelt,  dass  niemand 
ihre  Worte  bezweifelte.   Jagemann  jagte  den  Weg  vom  Haus  zum  Strand 
hinunter.   Die  Gezeiten  hatten  gerade  gewechselt;  die  Flut  hatte 
die  Ebbe  abgelöst.   So  war  der  Wasserspiegel  noch  nicht  sehr 
hoch  und  die  Wellen  umspielten  die  blossgelegten  Felsen  nahe  am 
Ufer,  aber  etwas  weiter  draussen  waren  sie  schon  mächtiger  und 
spülten  über  die  Felsenklippen  hinweg.   Auf  einen  dieser  Felsen 
sah  or  seine  beiden  Jungens  sich  anklammern,  sov7ohl  an  den  un- 
wirtlichen Stein  als  auch  aneinander.   Von  Zeit  zu  Zeit  schwemmte 
eine  V/eile  über  sie  hin.   Sie  Hessen  ilir-en  Grii'f  noch  nicht  los, 

prusteten  und  versuchten^  zu  schreien.   Jagemann  war  in  kurzes- 
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ter  Zeit  bei  ihnen,  nahm  sie  beide  je  auf  einen  Arm  und  brachte 
sie  in  Sicherheit.   Er  war  so  zornig  und  ausser  sich,  dai-s  er 
sie  dann  auf  der  Stelle  züchtigte.   Erst  danach  hörte  er,  was 
die  weinenden  Kinder  sagten.  Sie  behaupteten  Trude  habe  sie   / 


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überredet,  mit  ihr  so  weit  hinauszugehen  zu  dem  Felsen,  auf 
dem  der  Vater  sie  gefunden  hatte.   Gio  versprach  ihnen  dort 
etwas  ganz  Wundorbares  zu  seigen.  Kaum  seien  sie  dort  ange- 
kommen, sei  die  Flut  gekommen;  Trude  sei  davon  gerannt,  sie 
seien  aber  zu  klein  um  den  grossen  Wellen  zu  entwischen.  Sie 
hätten  schreckliche  Angst  gehabt*   Jagemann  glaubte  kein  ..ort 
davon;  er  war  überzeugt  davon,  dass  die  Jungens  nach  einer  Aus- 
rede suchten,   ^^o  bestimmte  er,  dass  sie  sofort  ins  Bett  mussten, 
und  dass  sio  nicht  zum  rCinderfest  am  nächsten  Tag  gehen  durften, 
ein  ''^reignics,  auf  das  sich  alle  Binder  bes'^ders  freuten,  da 
es  allerlei  ; ettspiele  dabei  gab,  in  denen  man  sein  Geschick  und 
seinen  Mut  zeigen  konnte  und  die  Möglichkeit  hatte,  Ireise  und 
Ehren  zu  gevvimien.   Feter  und  Paul  durften  nicht  hin(3;ehen.   Trude 
Y/urde  von  ihrsm  Vater  zu  dem  Fest  hingeführt*   Für  Peter  und  Paul 
mochte  diese  Ereignis  in  dem  Maee  verblesst  sein  und  vielleicht 
ihnen  nur  noch  mit  Fantasien  verwoben  erscheinen,  in  dem  es  für 
den  Vatc-r  mit  den  Jahren  klarer  und  unheimlicher  wurde.   Sr  wehrte 
sich  zwar  gegen  den  Gedanken,  dass  Trude  willentlich  die  Brüder 
ins  ::'eer  hinausgelockt  hatte,  aber  Je  älter  sie  wurde  und  je 
besser  er  ^^ie  Scannte,  um  so  st'irker  v;urden  die  Sweifel  an  ihrer 
Un^chvll.  Die  Brüder  hatten  aber  nie  wieder  irgendetr/es  sagen 
die  ältei*e  Schwester  ausgesagt. 

Jagenann  Öffnete  die  Haustür  mit  seinem  Schlüssel.   Im 
Parterre,  wo  die  Gesellschaftsräume  lagen,  hielt  er  sich  nicht 
auf.  Er  horte  r.timinen  und  Jachen  aus  dem  Salon  kommen.  Sr 
stieg  die  Treppe  hinauf  und  ging  in  sein  Arbeitszimmer.  Mantel 
und  Hut  warf  er  auf  einen  Sessel.   Es  war  5  Uhr.   Er  hatte  etwa 


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eine  Stunde  Zelt  bis  die  Gäste  fortgingen*  Das  Zimmer  war  warm* 
Kr   ging  an  den  grossen  weissen  Kachelofen  heran ^  und  fand  ihn 
heisß.   Dann  setzte  er  sich  auf  den  Schreibtischsessel,  achloss 
die  Schreibtischschublade  auf  und  entnahm  ihr  einen  Packen 
Briefe,   "Rlinen  Augenblick  zögerte  er,  schaute  auf  und  ging  wieder 
zu  dem  Ofen*  Diesmal  öffnete  er  die  Ofentür  und  v;arf  die  Briefe 
in  die  Glut.   T'^ine  Flamme  zischte  herauf  und  leckte  an  den 
Briefen;  dann  waren  sie  völlig  von  Feuer  eingehüllt  und  nur  für 
eine  Tekunde  etwa  sah  man  deutlich  die  Anschrift  auf  einem  der 
Briefe:   ^'Geliebter  Klaus i"   3r  echloss  rasch  die  Ofentür •   Als 
er  sich  umdrehte,  sah  er,  dass  seine  'Tochter  Trude  im  Zimmer 


stand» 


"Ich  habe  geklopft,  Vater"  --  "v/irklich"  fügte  sie  sehr 


dringlich  hinzu,  als  sie  seinen  zweifelnden  Blick  bemerkte 
*'v/irklich  —  Du  warst  so  in  Gedanken  vertieft,  dass  Du  m.ich 
nicht  gehört  hast.   Ich  hörte  Dich  in  Dein  Zimmer  sehen  vor 
kurzer  Zeit  —  so  v/usste  ich,  dass  Du  hier  bist;  sonst  wäre  ich 
natürlich  nicht  in  Dein  Zimmer  geganp^en. "   Klaus  erkundigte  sich, 
was  sie  denn  von  ihm  wollte.   Seine  Zweifel  waren  nicht  beige- 
legt dur^h  Trudes  hastir^e  "^rklHrunc.   ^r  wusste  auch  nicht,  wie 
lange  f.?ie  schon  dort  gestanden  nnd  ihn  beobochtst  hotte.   Tüs 
war  aber  besser,  der  Angelegenheit  nicht  zo  viel  Wichtigkeit 
durch  Fragen  beizulegen»   "Soll  sie  sich  denken,  was  immer  sie 
mag"  dachte  er.   Trude  wollte  vrissen,  sagte  sie,  v/ie  es  Max 
ginge.   Sie  wisse,  ihr  Vater  sei  gerade  von  einem  Besuch  bei 
ilim  zurückceküiamen  —  sie  habe  ihn  zur  Mutter  sap-en  hSren,  dass 


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er  zu  den  Lilienfelds  müsse,  da  Max  krank  sei  —  heute  morgen, 
meine  sie,  als  Mutter  ihn  an  ihren  Jour  eri^ert  habe.   Sie, 


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Trude,  höbe  den  ganzen  Nachmittag  nach  der  Cchule  .gewartet,  da 

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sie  doch  um  Max  recht  besorgt  sei.   '^Diese  ekelhafte  Irmgard 
Angelegenheit  muss  ihm  wohl  Jetzt  bezeigt  haben^  v/as  für  eine 
Person  sie  wirklich  ist.   Ich  habe  immer  gewusst,  dass  sie  eine 
Scheinheilige  und  Heuchlerin  ist  —  so  ein  ^'BlUmchen-ruhr-nich- 
nicht  an"  irnd  nun  so  etwas T^  Trude  lachte  verächtlich  und 
Klaus  fühlte,  dass  er  ärgerlich  wijirde.   Das  war  nicht  gut.   Er 
musste  auch  den  Vorurteilen  seiner  eigenen  Tochter  gegenüber 
sachlich  und  geduldig  bleiben.   So  erklärte  er  ihr  kurz  die  neue 
Sachlage  und  fügte  nur  hinzu,  dass  es  Max  besser  ginge,  dass  er 
eine  Influenza  habe,  noch  zu  Bett  liege,  aber  morgen,  falls  er 
fieberfrei  sei,  aufstehen  dürfe.  Dann  sagte  er  in  einem  etwas 
persönlicheren  Ton:   *'Du  scheinst  Max  etwas  zu  v/ichtig  zu  nehmen, 
Trude.   Ich  Habe  Pich  nie  so  interessiert  nach  Jemanden  anderen 
fragen  hSren.   Du  bist  ungerecht  gegen  Irene,  v^eil  Du  mit  Recht 
annimmst, dass  sie  Max  gefallen  konnte.   Du  hast  möglicherweise 
sogar  im  Sinn,  dass  Du  Max  Lilienfeld  heiraten  wirst.   Du  bist 
schliesslich  schon  15  Jahre  und  in  Deinem  Alter  macht  man  viele 
solche  Pläne.  Dieser  eine,  mein  Kind,  kommt  absolut  nicht  in 
Frage.   Glaube  mir,  dass  ich  nie  meine  Einwilligung  dazu  geben 
würde.**  Er  hatte  das  Letztere  leidenschaftlicher  gesagt  als  er 
beabsichtigte  und  sah  sofort  Jenen  schlauen  und  berechnenden 
Blick  in  Trudes  Augen,  den  er  vor  allem  an  ihr  verabscheute  aber 
auch  fürchtete;  denn  nun  bereitete  sie  einen  Cchlachtenplan  vor. 
Er  musste  auf  der  Hut  sein,  dass  sie  ihn  nicht  überrumrelto. 
"Warum"  fragte  Trude  "bist  Du  so  gegen  eine  Heirat  mit  Uax, 
Ich  hatte  gehofft,  dass  irr.   Gegenteil  Ihr,  Du  und  ?^utter,  sehr 


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dafür  seid»  ISr  ist  sehr  klugi  er  kommt  aus  einer  guten  Familie 
und  —  was  Ja  wohl  auch  wichtig  für  ein  Mädchen  ist  —  er  ist 
eehr  nett  und  sieht  sehr  gut  auß#"   "Und  hat  sehi*  viel  Geld^ 
Trude  —  Du  hast  vergecsen,  diese  kleine  Tatsache  hinzuzufüt;;en 
—  Millionen,  die  Dich  verblenden»  Du  kannst  aber  sicher  sein^ 
dass  keine  Millionen  mich  dazu  bringen  werden^  Dir  zu   erlauben, 
einen  Juden  zu  heiraten»   In  unserer  Familie  versippt  man  sich 
nicht  Jüdisch»"  Gott  verzeih  mir  diese  Gemeinheit^  dachte  Klaus 
während  er  sprach»  Was  würde  ich  nicht  darum  e^beni  diesen  Sohn 
zu  haben;  aber  nicht  in  dieser  Weise;  Trude  7.ürda  ihn  umbringen» 
8ie  v/ill  nur  böin  Geld»   "Wie  seltsam",  sagte  seine  Tochter,  "ich 
war  so  Oberzeugt  davon,  dass  Du  mit  den  Lilienfelds  befreundet 
seist»  Du  bist  sonst  auch  ganz  tolerfxnt  Juden  gegenüber;  Ja,  ich 
dachte  immer,  dass  Frau  Lilienfeld  Dir' ganz  besondere  c^^fallt» 
Du  gehst  doch  so  oft  hin  und  bleibst  so  viel  länger  dort,  als 
bei  Deinen  sonstigen  Patienten»  Auch  hast  Du  Max  ins  Haus  einge- 
laden —  und  jetzt  auf  einmal  ist  er  nur  ein  Judenbengel  und  Du 
bist  gegen  eine  Heirat  mit  ihm»   Ich  verstehe  das  einfach  nicht." 
"Trude"  sagte  Klaus  eindringlich,  "höre  mir  gut  zu»  Max  ist 
nicht  für  Dich.  Deine  Bemerkungen  über  meine  Beziehung  zu  den 
Lilienfelds  sind  ganz  unangebracht.   Ich  bin  auch  ziemlich  sicher^ 
dass  Dir  Max  nicht  so  viel  bedeutet,  sondern  dass  Du  Träume  hast^ 
wie  Du  seiner  Millionen  habhaftig  werden  und  sie  ausgeben  kannst." 
Er  hatte  versucht  mit  dem  letzten  Satz  schon  einen  leichteren 
Ton  anzuschlagen  und  fuhr  in  derselben  Art  fort:   "Du  brauchst 
aber  seine  L.illionen  nichts  Du  wirst  eine  sehr  ansehnliche  Mit- 


gift haben  von  mir  und  von  Deinem  Grossvater^  eine  Mitgift  noch 


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dazu,  die  Dir  gehören  wird,  wxd   über  die  nur  Du  das  VerfU^ungs- 
recht  haben  v?irst.  Das  sollst  Du  wissen,  damit  Du  Dich  nicht 
in  unerwünschte  Abenteuer  einläset .  nur  weil  Du  von  Geld  trgumst, 
wie  das  GMnschen  vom  laaic."  Trudes  Blick  war  in  die  V;eito 
gerichtet,  sie  ISchelte  vor  eich  hin,  und  sagte  mit  ihrer 
feinsten  Rtinmie  träumerisch:   "Geliebter  Klaus"  —  Yater,  v/er 
hat  die  Briefe  geschrieben,  die  Du  verbrannt  hast?" 
holte  innerlich  tief  Aten.   "Kur  ruhig  bleiben"  sagte  er  sich, 
"sie  hat  ihre  Kai^te  nun  iusgtspielt ."  ^   schauts  sie  e-'.ne  V'eile 
mit  zusammenßGZ-ogerien  Breuen  sch^^eif^end  an,  bis  sie  die  Augen 
niederschlug,  darji  sagte  er;   "lieine  Angel egenheiten  gohen  Dich 
nichts  an,  Drude.  Di.3  Briefe  waren  von  jemandem,  der  mir  Behr 
nahe  gestanden  hat  aber  leider  nicht  mehr  e:<iEtlort  zu  meinem 
sehr  «-roBsea  Schmerz.  Darum  will  ich  nicht  dnrübar  sprechen. 
Aber  um  auf  Deine  Iläne  in  Bezug  auf  Max  zurückzuicommen  —  wenn 
es  wirklich  sein  Varmösen  ist,  das  Dich  so  lockt,  so  sollst  Du 
das  Folgende  wissen:   Das  Lilienfeldsche  Vermögen  ist  in  einem 
sogenannten  Trustfund  angelegt,  von  dem  die  Mutter  nur  die 
Nutzniessung  hat.  Max  wird  im  Alter  von  25  Jahren  einen  Teil 
iieses  Vermögens  ausgezahlt  bekommen,  und  dann  wieder  mit  55 
und  45  Jahren.  Sollte  er  sterben,  so  erben  seine  Kinder  oder 
wenn  er  keine  Kinder  haben  sollte,  geht  das  ganze  VormSgen  an 
seinen  nächsten  väterlichen  Verwandten.  Seine  Frau  kann  and 
wird  nicht  erben j  sie  v^rde  nur  eine  beschränkte  3umne  als 
Witwengeld  erhalten.  Du  siehst  also,  dass  er  nur  beschränkten 
finanziellen  Wert  für  Dich  hat."   "Und  nur  solange  er  am  Leben 
ist"  fügte  er  zynisch  in  Gedanken  hinzu.  "Ich  hebe  gsr  nicht 


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Ch.  IV-2 


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gegen  Deine  Freundschaft  mit  !l!ax,  solange  Du  Dich  daran 
erinnerst,  dass  keinerlei  Intimitäten  zwischen  T=)uch  erv/ünecht 
cind,  und  nun  geh  bitte,  ich  hahe  zu  arbeiten."  Er  wandte 
sich  mit  diesen  Worten  seinen  mänigfaltigen  Papieren,  die  den 

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Schreibtisch  bedeckten,  zn   und  schenkte  seiner  Tochter  keine 
weitere  Beachtung.   Trude  warf  Ihm  einen  hasserfüllten  Blick 
zu.  Sie  verliesE  sein  Zimmer  ebenso  geräuschlose,  wie  sie  es 
betreten  hatte.  Sie  entschied  sich  in  einem  kurzen  Augenblick 
der  Ueberlegung  dafür,  ins  DamenziEiner  hinunterzugehen  und  die 
Gäste  ihrer  Mutter  zu  bezaubern.  ■ 


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Chapter  III 

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IRENE 


Es  war  ein  kühler  feuchter  Aprilmorgen.      In  der  Nacht 
hatte    es  geregnet;   noch  waren  PfUtzen  auf  der  Strasse   zu  se- 
hen \md  der  Fussgftngersteig  war   feucht.     Günther  war  früher 
als  sonst  von  zu  Hause  weggegangen,   ohne  sein  Frühstück   zu 
Ende  zu  essen.     Er  wollte  niemanden  von  der  Pamllie   treffen. 
Hatte   ihm  jemand  zugeschaut  wie  er  fast   in  Zickzack  seinen 
Weg  verfolgte,   so  hatte  der  Beschauer  vielleicht  gemeint,    dass 
er  einem  bestimmten  Inneren  oder  vorgeschriebenen  Rhythmus 
folgte.     Aber  es  waren  n\ir  die  Regenwürmer ,   die   ihn  dazu  ver- 
anlassten von  einer  Seite  der  Strasse  zur  andern  auszuweichen. 
Nach   einer  Regennacht  gab  es  so  viele  Regenwürmer.     Es  ekelte 
ihn  vor   ihnen,  vor  ihrer  Nacktheit  und  Weichheit,   und  der   Mög- 
lichkeit aiif  einen  Wvirm  zu  treten,  ihn  zu  zerquetschen  oder 
entzwei  zu  schneiden.     Er  hatte  auch  das  Fischen  seit  einiger 
Zeit  aufgegeben,  weil  er  es  nicht  über  sich  bringen  konnte  ei- 
nen Wurm  an  den  Haken  zu  stecken.     Es  war  bekannt,  dass  ein 
zerteilter  Wurm  keine  Einbusse  erlitt,   Ja  man  könnte   sagen  im 
Gegenteil  davon  profitierte,  da  er  nun  zwei  Würmer  wurde   — 
aber  das  erhöhte  nur  den  Abscheu  und  das  Gefühl  der  Unheim- 
lichkeit.     Einmal  vor  Jahren  hatte  Günther  mit  andern  Kindern 
Eidechsen  fangen  wollen.     Es  gelang  ihm  auch  eine   zu  erwischen, 
erhielt  sie  an  Ihrem  Schwanz   fest  und  musste  zu   seinem  Grauen 

erleben,  dass  nur   der  Schwanz   in   seiner  Hand  blieb;   der  Rest 
der  Eidechse  war  in  ein  Loch  in  der  Erde  geschlüpft.      Auch  an 


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Ch.  III 


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die  kleinen  nackten  Mause  wxirde  er  erinnert,  die  er  einmal 
euf  einem  Feld  aufgegraben  hatte;  alle  diese  Erinnerungen 
waren  unangenehm  und  etwas  beängstigend*   Aber  heute  bei  sei- 
nem Versuch  nicht  auf  Regenwürme r  zu  treten,  war  er  mit  etwas 
anderem  beschäftigt,  etwas  viel  Beängstigenderes,  das  er  ges- 
tern von  Maxens  Mutter  gehört  hatte* 

Er  hatte  heute  morgen  seine  Familie  vermieden,  weil  er 
zu  sehr  mit  seinen  Gedanken  beschäftigt  war  und  nicht  gefragt 
werden  wollte  aber  auch  nicht  in  die  Versuchung  kommen  wollte, 
selbst  einige  Fragen  zu  stellen. 

Prau  Lilienfeld  war  gerade  gestern  die  Treppe  in  Ihrem 
Hause  heraufgekommen,  als  GUnther  hinunter  stieg,  nachdem  er 
Maxens  Zimmer  verlassen  hatte.  Wie  immer  grUsste  sie  ihn 
freundlich,  aber  statt  der  üblichen  Frage  nach  Schule  und 
Wohlergehen  sagte  sie:   "Deine  Eltern  und  Deine  Schwester  müs- 
sen wohl  sehr  mitgenommen  sein  von  dieser  entsetzlichen  Sache, 
mit  Irmgards  Freundin.  Alle  Zeitungen  sind  voll  davon.   Eine 
sehr  traurige  und  verwirrende  Angelegenheit,  in  die  so  ein 
armes  Jimges  Ding  hineingerat  und  sich  nicht  mehr  zu  helfen 
weiss.  Und  dann  kommt  die  ganze  Meute  auf  sie  zu,  Polizei  und 
Presse,  und  zerreisst  sie  und  zerztUckelt  sie  und  lässt  nichts 
von  ihr  Übrig."  Günther  war  15  Jahre  alt;  er  hatte  bisher  keine 
Zeitxmg  lesen  dürfen,  weil  Zeitungen  nicht  für  Kinder  schrieben. 
Er  war  entsetzlich  verlegen  und  gleichzeitig  aufgeregt.   Er 
konnte  Frau  Lilienfeld  nicht  gestehen,  dass  er  nicht  wusste  wo- 
von sie  redete,  dass  man  ihn  zuhause  noch  wie  ein  Baby  behan- 


Ch.  III 


-25- 


delte.   Sie  hatte  wohl  darüber  gelächelt  mitleidig  und  ver- 
achtlich»   Er  hatte  ein  Gefühl,  als  ob  er  bersten  sollte  vor 
Neugierde  und  gleichzeitigem  Erschrecken*   ?rau  Liltenfeld, 
die  mehr  mit  ihren  eigenen  Gedanken  beschäftigt  war  als  sonst ^ 
nahm  die  Stummheit  des  Knaben  als  Zeichen  seiner  Erschütterung; 
und  sagte:  "ich  werde  versuchen,  Irene  im  üntersuchiingsgefang- 
nis  zu  besuchen,  ich  habe  ihre  Mutter  gekannt,  als  wir  beide 
jung  waren."  Sie  legte  ihre  Hand  ganz  leicht  auf  GUnthers 
Schulter,  wie  um  ihn  zu  trösten  und  ging  an  ihm  vorbei,  die 
Treppe  hinauf  • 

"Also  es  war  etwas  mit  Irene*;  dachte  Günther,  ""Hatte 
darum  Irmgard  so  merlcwürdig  mürrisch  ausgesehen,  als  habe  sie 
eine  MigrSne  ,  mit  etwas  geschwollenen  Augenlidern»  Er  hatte 
gestern  nicht  mit  ihnen  Mittag  und  Nachtmahl  gegessen,  weil 
die  Damen  angeblich  zu  den  Grosseltern  nach  V/andsbeck  hatten 
fahren  müssen  nnd  der  Vater  in  seinen  Club  gegangen  war#   Was 
meinte  Frau  Lilienfeld  mit  "zerstückelt"  werden  ■^-  wie  konnte 
man  Irene  zerreissen  und  nichts  von  ihr  übrig  lassen  —  war 
das  wörtlich  oder  bildlich  zu  nehmen?  Sollte  er  zu  Max  zu- 
rückgehen; der  war  krank  und  lag  im  Bett  und  hatte  seltsam 
zurückgezogen  ausgeschaut,  als  ob  er  sich  nicht  bewegen  wollte. 
Er  hatte  auch  kaxm  gesprochen.   Günther  hatte  all  das  dem  Fie- 
ber zugeschrieben  und  der  Influenza,  an  der  Max  erkrankt  war* 
Jetzt  zweifelte  er  an  allemj  Max  hatte  Irene  einige  Male  ge- 
sehen, zufällig  auf  der  Strasse  waren  sie  an  ihr  vorüber  ge- 
gangen und  Günther  hatte  sie  gegrüsst.  lax  war  heimlich  in 


.1 


A 


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Ch^    III 


-26- 


sie  verliebt^    glaubte  Günther,   weil  er  errötet  war^   als   sie 
das  zweite  Mal   Ihr  begegnet  waren  irnd    seine    Augen  diesen  fer- 
nen Blick  bekommen  hatten.      Günther  stand  noch  immer  auf  der 
Treppe,   zögernd,    ob  er  hinauf-  oder  hinunter  gehen  sollte. 
Sollte  er  Max  fragen  —  er  fürchtete   aber,    aass  Max  ihm  heute 
nicht  antworten  würde;   hatte   er  ihm  doch  sonst  wohl  frel- 


w 


1111g  etwas  erzählt*   So  ging  Günther  nach  Hause*  Er  hatte 


gehofft,  dass  auch  an  diesem  Abend  die  übrigen  Familienmit- 
glieder nicht  daheim  sein  würden;  aber  sie  kamen  zum  Fssen, 
sassen  mehr  oder  weniger  stumm  da,  und  beeilten  sich,  so 
schnell  wie  möglich  mit  der  Tafel  fertig  zu  werden*   Horst 
fing  an,  etwas  zu  sagen,  aber  Lina  machte  ihm  ein  Zeichen, 
nicht  fortzufahren,  war  es  um  Irirgards  Gefühle  zu  schonen 
oder  um  nicht  vor  Günther  die  aufregende  Angelegenheit  zu  be- 
sprechen* Da  sie  alle  zu  Hause  waren,  konnte  er  auch  nicht 
heimlich  sich  die  Zettung  zusammensuchen  oder  in  die  Küche 
gehen,  \md  Minna  oder  Anna  befragen.   Die  beiden.  Köchln  und 
StubeninJJdchen,  erzahlten  ihm  gewöhnlich  die  Geheimnisse  soweit 
sie  sie  wussten.  Es  war  erstaunlich  wieviele  Geheimnisse  es 
gab  in  der  Familie,  von  denen  Günther  sonst  nie  etwas  erfahren 
hätte.  Aber  es  brauchte  Zelt  und  geschicktes  Manövrieren,  um 
sie  zum  Sprechen  zu  bringen,  man  konnte  das  nicht  zwischen 
Tür  und  Angel  machen.  Heute  war  man  nicht  sicher,  dass  nicht 
Mutter  oder  Schwester  in  die  Küche  kommen  würden;  sie  durften 
unter  keinen  Umständen  Günther  dort  finden. 

So  blieb  ihm  nichts  anderes  übrig,  als  In  sein  Zimmer 


Cht    III 


-27- 


SU  gtthen#     Fr  versuohtti  seine  TTauaaufgeben  zu  machen«  eher 
er  konnte  sloh  nicht  kon«entrieren#     Er  Ring  ruhelos  auf  und 
ab  und  stand  eine  Welle  aa  Fenster  und  schaute   in  die  dunkle 
Nacht  hinaus»     Bchlleaslich  schlich  er  sich  wieder  aus  den 
Zinuner  heraus«  ging  genz  leise  die  Treppe  hinunter«   und  auf 
Zehenspitzen  nHherte  er  sich   der  Ttlr  des  Her renz Immers «   in 
dem  die  Erwachsenen  versammelt  waren*     Er  drückte  sich  flach 
an  die  Wand  und   lauschte«     Bs  schien  ihm«   dass   er  Irmgard 
weinen  hörte  und  ohne   sich  über  den  Grund  dafllr  klar  zu  sein« 
fUhlte  er  eine  grosse  fast  beschämende  Zärtlichkeit  fUr  sie« 
'*Sle  ist  doch  gut**  dachte   er# 

Herrn  Hojks  Stimme   kam  klar  durch  die  Tttr:    ''Höre  auf  zu 
weinen«  Irmgard.     Tb  besteht  kein  Grund«   Dich   auch  nur   Im  ge- 
ringe ten  zu  besorgen  dass  Dein  Name  in  Irgend  einer   -eise  mit 
Irene   im  Zusammenhang  gebracht  wird«     Schliesslich  hast  Du  sie 
nicht   einmal  sehr  gut  gekannt«      Ks  ist  sehr  bedauerlich«   dass 
so  ein  Skandal  in  unseren  Kreisen  vorkommen  kann«  aber  vergiss 
bitte   nicht«  dass  diese  Person  doch  eine  Fremde   ist«   wenn  sie 
auch  angeblich  mtt tt er  1  Ichers eits  von  Adel   sein  ßoll#     Tb  geht 
doc^    nicht  an«  Llaa«   dass  wir  unsem  Verkehr  auf  Kreti  und 
Pleti  erstrecken.     Diese  Affaire  soll  uns  allen  eine  liehre 
aein.'*      "Fa  ist  wirklich  kaum  zu  glauben«  wie  sich  diese  Per- 
son auffitresplelt  hat"«  warf  Horst  ein«    "sie  hat  gewöhnlich  getan« 
eis  ob  ich  luft  «•*•  oder  als  ob  sie  zu  hoheitsvoll  war«  um 


tlberhiupv   einen  Grass  zu  bemerken  tind  dabei  hat  sie    .••••#*• 
•'Schweig  still"  unterbrach  der  Vater«    "Du  bist  hier  in  Gegen- 


II 


Ch.  III 


-28- 


wart  von  Deiner  Mutter  Schwester^  vergiss  das  bitte  nicht  I  " 
'fWamm  sie  den  Namen  des  Mannes  nicht  nennen  will,  verstehe 
Ich  nioht"  sagte  Günthers  Mutter^  "und  warum  sie  sich  nicht 
verteidigt I  nicht  den  wirklichen  Grund  sagt,  warum  sie  die  Frau 
Müller  umgebracht  hat,  die  doch  seit  ihrer  Kindheit  bei  ihr  warl 
Es  ist  alles  so  ganz  entsetzlich  und  grauenhaft  und  unverständ- 
lich:" 

Günther  hlSrte  nun  wieder  Irmgard  auf  schluchzen  •   Er  war 
so  aufgeregt,  dass  er  am  ganzen  Körper  zitterte  und  musste  war- 
ten, bis  das  Zittern  nachliess,  so  dass  er  sich  zurück  in  sein 
Zimmer  schleichen  konnte.   Irene  hatte  eine  Frau  Müller  umge- 
bracht und  hatte  eine  geheimnisvolle  Beziehung  zu  einem  Ifenni 
eine  Jener  Beziehungen,  die  man  nicht  in  Gegenwart  von  JJutter 
und  Schwester  erwähnt,  über  die  Schuljungen  im  Geheimen  tuscheln 
und  lachen  und  über  die  Günther  immer  noch  nicht  gewagt  hatta, 
Max  um  Aufklärung  zu  bitten.   Aber  wie  konnte  man  diese  Dinge, 
Mord  und  verbotene  Beziehungen,  nur  mit  Irene  in  Verbindung 
bringen,  mit  einer  Irene,  die  am  ehesten  einer  Lilie  ähnlich 
war.   Sie  war  so  zart,  schlank  und  schön  imd  sah  kllhl  und  ent- 
rückt aus.   Selbst  Horst  hatte  es  bemerkt. 

Irene  Johannsen  war  in  Dorpat  auf  die  Welt  gekommen,  ei- 
ner Universitätsstadt  in  den  Baltischen  Provinzen,  wo  der  müt- 
terliche Grossvater,  ein  Baron  von  Schulmann,  als  Professor  * 
der  Medizin  tätig  und  berühmt  war.   Seine  Tocher  Emanuela  war 
bei  Verwandten  in  Hamburg  zu  Besuch  als  sie  den  Jungen  Arzt 
und  Wissenschaftler  Johan  Johannsen  kennen  lernte.   Die  beiden 


II 


Ch.  III 


-29- 


jTongen  Leute  verliebten  sich  leidenschaftlich,  in  einander  und 
da  es  dem  Professor  von  Schulmann  gerade  an  einem  tüchtigen 
Assistenten  gebrach,  liess  er  Johannsen  nach  Dorpat  kommen  und 
verschaffte  ihm  die  sehr  begehrte  Stellung  an  der  Universitäts- 
klinik, Johann  und  Emanuela  heirateten  und  lebten  viele  Jahre 
in  einer  Liebeaehe,  die  nur  durch  die  Tatsache  ihrer  Kinder- 
losigkeit getrUbt  wurde.  Der  alte  von  Schulmann  starb  und  hin- 
terliess  seiner  Tochter  ein  grosses  Vermögen  tind  seinem  Schwie- 
gersohn seine  Professur,  eine  blendende  wissenschaftliche  Kar- 
riere und  eine  weit  ausgedehnte  Konsultationspraxia. 

Endlich,  als  Emanuela  schon  fast  40  Jahre  alt  war,  wurde 
sie  schwanger.   Sie  gab  einem  Tttchterchen  das  Leben,  verlor 
aber  das  ihrige  im  Wochenbett.   Professor  Johannsen  ging  mit 
einer  Expedition  nach  SUd-Afrika  um  eine  dort  ausgebrochene 
Epidemie  der  afrikanischen  Schlafkrankheit  zu  studieren«   Er 
infizierte  sich  und  starb  ungefähr  6  Monate  nach  dem  Tod  sei- 
ner Frau. 

Irene  wuchs  ohne  Eltern  auf.   Sie  hatte  einen  Vormund, 

der  sich  darum  kümmerte,  dass  sie  die  richtigen  Pflegerinnen 
hatte,  in  die  richtigen  Schulen  ging  und  engagierte  schliess- 
lich eine  Frau  Therese  Müller,  die  gerade  verwitwet  war,  als 
eine  Art  Gesellschafterin  oder  Duenna  für  das  heranwachsende 
Ädchen.  Frau  Müller  war  ihm  von  Bekannten  recht  empfohlen 
worden,  als  eine  verlassliche,  sittenstrenge,  religiöse  Per- 
son, die  man  wohl  einem  jungen  Mädchen  aus  gutem  Hause  zur 
Seite  stellen  konnte,  und  mit  der  man  ein  solches  Junges  Mgd- 


Ch.    III 


«30- 


chen  wohl  auch  atif   die  Reise   schicken  konnte»      Dieser  Aspekt 
war  besonders  wichtig»   da   Irene  nach  Deutschland  gehen   sollte, 
um  dort   eine  htJhere   Töchterschule   zu  besuchen»      Man  einigte 
sich  auf  Hamb\irg.     Es  wurde  durch   einen  Agenten  ein  Haus   in 
Harvestehude  gekauft  und  eingerichtet.      Irene   und  Frau  ^füller 
bezogen  es   im  Herbst   84 •      Sie  war  damals   16  Jahre   alt   \ind   trat 
in  die   oberste  Klasse   der  Schule  ein,   in  der  die  Jungen  Mödchen 
aus   guten  Hamburger  Familien  ihre  Erziehung  erhielten^   imd  die 
auch  Irmgard  Hoyk  be suchte •      Irene  war   still  und  zurückhaltend 
und   schloss  sich  nicht  leicht  an  ihre  Altersgenossinnen  an* 
Sie  besuchte   Jedoch  Irmgard  einige   Male  und   lud   sie   mit  anderen 
jungen  \'!adchen  zu  sich  zum  Tee  ein.      Sie  wurde  von  allen  benei- 
det  und  bewundert^  da  sie   ein  völlig  unabhängiges  Leben   zu  fuh- 
ren  schien;   jedenfalls  war  keine  Autor itötsperson   zu  bemerken. 
Frau  ^ifUlleri    der  die  Frundinnen  höflicherweise  vorgestellt 
wurden^   machte   eaer  den  Findruck  einer  Untergebenen,    die    sich 
Irenens  Anordnungen  fügte.      Irenes  Vormund  lebte   auf   seinen 
Gütern   in  Kiirland^  und    falls   sie  Verwandte    in  Hamburg  hatte ^ 
so   schien  sie   Jedenfalls  nicht  auf  sehr  intimem  Fuss  mit    ihnen 
zu  stehen.      Irmgard^  die  von  Jeher  dazu  neigte  ihre  Freundin- 
nen zu  idealisieren^  war  ganz  und  gar  in  Irene  vernarrt.    Sie 
verteidigte  sie   sogar  Horst  gegenüber ,  der  sich  durch   ihre  her- 
ablassende Haltung   gekrankt  und  zurückgewiesen  fühlte»      Nach- 
dem sie  nach  einem  Jahr  die  Schule  beendet   hatte,  hörte   und 
sah  man  wenig  von  ihr.      Nur   sehr   gelegentlich  kam  sie    mit   Irm- 
gard  zusammen,   deren  Bewunderung  und  Anhänglichkeit    ihr  wohl- 
zutun schien. 


Ch.    III 


-51- 


Am  10.  April  1886  brachte   das  Hamburger  Fremdenblatt  und 
die  Hamburger  Zeitung  die  Nachricht,    dass  Fröulein  Irene  Johann- 
sen,  Harveatehuder  Weg  21,   ihre  langjährige  Gefährtin  und  Haus- 
dame mit  Rattengift  vergiftet  habe.      Sie   habe  das  Verbechen  ein- 
gestanden,  sich  aber  geweigert   einen  Grund   dafür  anzugeben. 
Erst  nachdem  das  Hausmädchen  bei  der  Zeugenvernehm\ing  ausgesagt 
hatte,  dass  das  FrSulein  häufig  am  Abend  Herrenbesuche   empfan- 
gen habe,   fand  sich  Irene  dazu  bereit,  eine  weitere  Axissage 
zu  machen.     Sie  gab  zu,   eine  Liebesbeziehung  zu  einem  verhei- 
rateten Mann  seit  einiger  Zeit  unterhalten  zu  haben.      Er  habe ■ 
ihre  Einsamkeit  vxxä.  Unerfahrenheit,  wie  sie  oetzt  wisse,   mit 
Hilfe   ihrer  früheren  Hausdame  ausgenutzt.      Eine  Mitteilixng  sei- 
nerseits, deren  Inhalt  sie  nicht  preiszugeben  gedächte,   habe 
direkt  zu  ihrem  Entschluss  geführt,  Frau  Müller  zu  töten.      Frau 
?/!üller  sei  eine  verräterische  Ratte  gewesen  und  habe   daher  eine 
gerechte  Bestrafung   erlitten. 

Die  Zeitxmgen  wiesen  darauf  hin,  dass  die  Junge  Dame   kei- 
nerlei Anzeichen  von  Reue  oder  Kummer  über  die  Tat  z\ir  Schau 
trüge.      Sie  wiirde   als  wortkarg,  unmitteilsam  und  unnahbar  be- 
schrieben.    Im  allgemeinen  schienen  die  Vertreter  der  Presse 
darüber  beunr\ahigt,  dass  sie  sich  weder  in  einem  Nervenzusant- 
menbruch  noch  im  Zustand  tiefster  Zerknirschung  befand. 

Den  Namen  ihres  Liebhabers  weigerte  sie  sich  zu  nennen, 
da   sie  genug  Unheil  angerichtet  habe  und  keinen  Gr^lnd  habe, 
seine  Fainilie  in  Schande  und  Unglück  zu  stürzen.     Dabei  ver- 
blieb  sie.     Auch  dem  Anwalt,  den  der  telegraphisch  benachrich- 


Ch.    III 


^32- 


tlgte  Vormund  telegraphisoh  für  sie  bestell te,   machte   sie  keine 
weiteren  Mitteilungen.   Die   gute  Gesellschaft  Hamburgs^    insbe- 
sondere  jene  H^useri   die   sich  dem  jtingen  PrSulein  gastfreund- 
lich geöffnet  hatten,  war  Skandal isiert»   schockiert  und  gleich- 
zeitig heimlich  erregt  als  hatte   sie  Champagner  getrunken« 

Es  war  Gllnther  in  der  PrUh  gelungen^    die   gestrige   Morgen- 
zeitung und  auch  das  Abendblatt  zu  finden •      Er  war  sehr  frtlh 
aufgestanden,  bevor  noch  die  Madchen  auf  waren*      Er  war  mit 
dem  Gelesenen  und  Erlauschten  beschäftigt  \ind  versuchte    zu  ver- 
stehen,  was  die  Zeitungen  nur  angedeutet  hatten*      Er  war  ver- 
wirrt |  wenn  er  an  Prau  Lilienfelds  mitleidige  Worte  dachte   und 
sie  mit  der  scharfen  Rede  seines  Vaters  oder  gar  mit  Horsts  hflss- 
lichen  Bemerkungen  verglich*  Er  fragte   sich,    ob   Irmgard  so   ge- 
weint hatte,   weil   sie   Mitleid  für  die  unglückliche  Freundin 
empfand   oder  weil   sie   selbst   im  zweideutigen  Licht   erscheinen 
könnte,   da  sie  aus   ihrer  Zuneifjung  tmd  Bewunderung  für  Irene 
keinen  Hehl  gemacht  habe,   Ja  sich  ihrer  Preunschaft  wo  immer 
und  wann  immer  eine  Gelegenheit   sich  bot,    gerühmt   hatte*      Würde 
der  Junge  Assessor  Jagemann  sich  nun  z\n?ückziehen,  wie   die   Mut- 
ter gestern  befürchtend  erwähnt   hatte;   würde  man  sie  vielleicht 
gesellschaftlich   schneiden?     Günther   trottete  zur  Schule   und 
wünschte,   dass  er  ?^ax  schon  befragen  könnte;    Max,   der  krank  im 
Bett   lag  und  gestern  ein  so  leidendes,  Gesicht   hatte*      Plötzlich 
kam    es  Günther  vor,   als  ob  Max  vielleicht   geweint  hatte.      War 
er  wohl  Irenes  wegen  krank? 


Ch.    III 


-33- 


Gttnther  konnte  sich  wahrend  der  Schulstunden  nicht  kon- 
zentrieren.    Er  vmrde  mehrnials  berxifen  und  Herr  Prof.   Meyer, 
sein  Klassenlehrer,  verlor  schliesslich  die  Geduld  mit    ihm  und 
trug  einen  Tadel   ins  Klassenbuch  ein.     Gtlnther  musste  eine  halbe 
Stunde  nachsitzen.     Er  sah  Prof.   Meyer  mit  so  unverständlicher 
Miene  an,   dass  der  Lehrer  ihn  schliesslich  fortschickte,   weil 
er  sicher  war,  dass  der  Junge  krank  sei* 


•3^- 


Chapter  IV 


Dr#  von  JaKemann 

Der  fachSrzt liehe  Bericht  über  Irene  Johannsens  Gesund- 
heits-  und  Geisteszustand  erschien  in  der  Abendausgabe  der 
Hamburger  Zeitung  schon  am  Tag  nach   der  ersten  Nachricht  von 
dem  vermuteten  Mord  an  Frau  MUller»      Das  Gutachten  war  von  Dr. 
Klaus  von  Jagemann  unterzeichnet*      In  diesem  Gutachten  vertrat 
der  Arzt  die  Meinung,    dass  Fröulein  Johannsens  Geständnis    und 
Selbstanklage  krankhafter  Natur   seien»     Er  selbst  kannte  das 
Fräulein  seit  ihrer  Ankunft   in  Hamburg*      Sie   hatte    um  t3fters 
konsultiert  wegen  vorwiegend  neiTVÖser  Beschwerden,  von  denen 
Schlaflosigkeit  die  hervorstechendste   gewesen  war.      In  den 
letzten  Wochen  habe   sich  eine  deutliche  Schwermut  bei    ihr  ein- 
gestellt, die    sich   in  Nahrungsverweigerung  und  Vor-sich-hinbrUten 
audgedrtickt  h^itte.     Sie  hotte   oft  geweint    ohne  wirklichen  Grund, 
hatte  aber  als  Grund  Sehnsucht  nach  ihrer  Heimat  und  den  ver- 
storbenen Eltern,   die   sie  nicht  einmal  gekannt   hatte,   angege- 
ben und  dem  Arzt  auch  einmal  erklärt,    dass  sie    am  liebsten  tot 
sein  möchte.     Dr.   von  Jagemann  war  tiberzeugt  davon  dass^  was 
auch  immer  mit  der  Frau  Müller  geschehen  wÄre,   es  sicher  nicht 
in  Iraners  Macht  stand  oder  ihrem  Charakter  entsprach,    einen 
solchen  Mord  zu  begehen.     Sie  hStte  keine   oder  sehr  wenig  Ahnung 
von  Ratten-  oder  anderen  Giften  gehabt  oder  wie   man  solche  er- 
langen könnte;   sie    sei  eine   j-unge   Person,    die   in  praktischen 
Dingen  völlig  unerfahren  sei.     Hingegen   sei   es  nicht  untypisch 


Ch.  IV 


-55- 


ftlr  an  Schwermut  Leidende   sich  solch  grauenhafter  Verbrechen 
zu  "beschuldigen,   selbst  wenn  kein  Todesfall  sich  gerade   ereig- 
net habe.     Unter  den  obwaltenden  Umstanden   aber  habe   sich  Pröu- 
lein  Johannsen's  Gemntserkrankung  durch  den  Tod  ihrer  Hausdame 
80  vertieft,  dass   ihr  Geständnis,    sie  umgebracht  zu  haben,   nur 
auf  dieser  Grundlage  zu  verstehen  sei.     Dr.  von  Jagemann  fügte 
Sinzu,  dass  er  ^rau  Müller  öfters  als  Begleiterin  des  FrSulein 
Johannsen  gesehen  habe,    ihm  die  Beziehung  der  beiden  Damen  nicht 
als  besonders  nahe  aufgefallen  sei;   er  habe  vermutet,   dass  Frau 
Iftlllers  Gesundheitszustand  zu  wönschen  übrig  liesse.     Sie  habe 
ihn  aber  nie  ih]?er  selbst  wegen  konsultiert. 

Herr  Dr.  Räder,   der  vom  Vormtmd  bestellte  Anwalt,   hatte 
auf  Grtind  dieses  Gutachtens  den  Untersuchungsrichter  überzeugt, 
dass  Irene  Johannsen  an  einer  schweren  Gemtttskrankheit   litte 

imd  hatte  bewirkt^  dass  sie  aus  der  Untersuoh*ungshaf t   entlas- 

f 
sen  wurde.     Sie  wurde  sofort   in  ein  Privat  Sanatorium  ausserhalb 


Hamburgs  gebracht. 

Es  stellte  sich  übrigens  heraus,  dass  Frau  Müller  völlig 
ohne  Familienanhang  war.     Sie  schien  auch  keine  nahen  Freiinde 
zu  haben.     So  verlor  sich  das  Interesse  an  ihr  sehr  bald  und 
die  Hamburger  Gesellschaft  kümmerte  sich  nicht  darum,  was  mit 
ihrer  Leiche  nach  der  gerichtlichen  Sekt ton  geschehen  war. 

Günther  ht5rte  allerdings  von  Max,    dass  Dr.   von  Jagemann  die 
Beerdigangakosten  auf   sich  genommen  hatte  vnä.  dafür  gesorgt 

habe,  dass  Frau  Müller  in  Ohlsdorf  anstftndig  begraben  wurde. 

Ihn  rührte  und  bedrückte  diese  Fürsorge  des  Arztes  für  eine 


Ch.   IV 


-  51  - 


nur  fUr  eine  Sekunde  etwa  sah  man  deutlich  die  Anschrift  auf 
einem  der  Briefe:   "Geliebter  Klaus!"  Er  schloss  rasch  die 
OfentUr.  Als  er  sich  umdrehte,  sah  er,  dass  seine  Tochter 

Trude  im  Zimmer  stand. 
X        "Ich  habe  geklopft,  Vater"  —  "wirklich"  fügte  sie  sehr 
dringlich  hinzu,  als  sie  seinen  zweifelnden  Blick  bemerkte 
"wirklich  —  Du  warst  so  in  Gedanken  vertieft,  dass  Du  mich 
nicht  geh-ört  hast.   Ich  hörte  Dich  in  Dein  Zimmer  gehen  vor 
kurzer  Zeit  —  so  wusste  ich,  dass  Du  hier  bist;  sonst  wHre 
ich  natürlich  nicht  in  Dein  Zimmer  gegangen. "  Klaus  erkun- 
digte sich,  was  sie  denn  von  ihm  wollte.   Seine  Zweifel  waren 
nicht  beigelegt  durch  Trudes  hastige  Erklärung.   Er  wusste 
auch  nicht,  wie  lange  sie  schon  dort  gestanden  und  ihn  be- 
obachtet hatte.  Es  war  aber  besser,  der  Angelegenheit  nicht 
zu  viel  Wichtigkeit  durch  Fragen  beizulegen.   "Soll  sie  sich 
denken,  was  immer  sie  mag"  dachte  er.   Trude  wollte  wissen, 
saprte  sie,  wie  es  Max  ginge.   Sie  wisse,  ihr  Vater  sei  gerade 
von  einem  Besuch  bei  ihm  z\irUckgekommen  —  sie  habe  ihn  zur 
Mutter  sa -en  httren,  dass  er  «u  den  Lilienfelds  müsse,  da  Max 
krank  sei- —  heute  morgen,  meine  sie,  als  Mutter  ihn  an  ihren 
Jour  erixu.ert  habe.  Sie,  Trude,  habe  den  ganzen  Nachmittag 
nach  der  Schule  gewartet,  da  sie  doch  um  Max  recht  besorgt 
sei.   "Diese  ekelhafte  Irmgard  Angelegenheit  muss  ihm  wohl 
jetzt  gezeigt  haben,  was  für  eine  Person  sie  wirklich  ist. 
Ich  habe  immer  gewusst,  dass  sie  eine  Scheinheilige  und  Heuch- 
lerin ist  —  so  ein  "Blümchen-rühr-mich-nicht  an"  und  nun  so 
etwas: "  Trude  lachte  verächtlich  und  Klaus  fühlte,  dass  er 


Ch.   lY 


-  52  - 


Ärgerlich  wurde.   Das  war  nicht  gut#  Er  musste  auch  den  Vor- 
urteilen seiner  eigenen  Tochter  gegenüber  sachlich  und  gedul- 
dig bleiben.  So  erklärte  er  ihr  kurz  die  neue  Sachlage  und 
fügte  nur  hinzu,  d^ss  es  Max  besser  ginge,  dass  er  eine  In- 
fluenza habe,  noch  zu  Bett  liege ^  aber  morgen,  falls  er  fieber- 
frei sei,  aufstehen  dtlrfe.  Dann  sagte  er  in  einem  etwas  per- 
sönlicheren Ton:   "Du  scheinst  Max  etwas  zu  wichtig  zu  nehmen, 
Trude.   Ich  habe  Dich  nie  so  interessiert  nach  Jemandem  an- 
deren fragen  hören.   Du  bist  ungerecht  gegen  Irene,  weil  Du 
mit  Recht  annimmst,  dass  sie  Max  gefallen  könnte.   Du  hast  mög- 
licherweise sogar  im  Sinn,  dass  Du  Max  Lilienfeld  heiraten 
wirst.   Du  bist  schliesslich  schon  15  Jahre  und  in  Deinem  Alter 
macht  man  viele  solcher  PlSne.   Dieser  eine,  mein  Kind,  kommt 
absolut  nicht  in  Frage.  Glaube  mir,  dass  ich  nie  meine  Ein- 
willigung dazu  geben  würde."  Er  hatte  das  Letztere  leiden- 
schaftlicher gesägt  als  er  beabsichtigte  und  sah  sofort  jenen 
schlauen  und  berechnenden  Blick  in  Trudes  Augen,  den  er  vor 
allem  an  ihr  verabscheute  aber  auch  fürchtete;  denn  nun  berei- 
tete sie  einen  Schlachtenplan  vor.  Er  musste  auf  der  Hut  sein, 
dass  sie  ihn  nicht  überrumpelte.   "Warum"  fragte  Trude  "bist 
Du  so  gegen  eine  Heirat  mit  Max.   Ich  hatte  gehofft,  dass  im 
Gegenteil  Ihr,  Du  und  Mutter,  sehr  dafür  seid.   Er  ist  sehr 
klug,  er  kommt  aus  einer  guten  Familie  und  -  was  Ja  wohl  auch 
wichtig  für  ein  Mädchen  ist  -  er  ist  sehr  nett  und  sieht  sehr 


gut  aus."   "Und  hat  sehr  viel  Geld,  Trude  —  Du  hast  vergessen, 
diese  kleine  Tatsache  hinz  zufügen  —  Millionen,  die  Dich  ver- 


i  i 


Ch*   IV 


-  53  - 


blenden.   Du  kannst  aber  sicher  sein,  dass  keine  Millionen 
mich  dazu  bringen  werden,  Dir  zu  erlauben,  einen  Juden  zu  hei- 
raten.  In  ujiserer  Familie  versippt  man  sich  nicht  jüdisch." 
Gott  verzeih  mir  diese  Gemeinheit,  dachte  Klaus  während  er 
sprach.  Was  würde  ich  nicht  darum  geben,  diesen  Sohn  zu  haben; 
aber  nicht  in  dieser  Weise;  Trude  würde  ihn  umbringen.   Sie 
will  nur  sein  Geld.   "Wie  seltsam",  sagte  seine  Tochter,  "ich 
war  so  überzeugt  davon,  dass  Du  mit  den  Lilienfelds  befreundet 
seist.   Du  bist  sonst  auch  ganz  tolerant  Juden  gegenüber;  Ja, 
ich  dachte  immer,  dass  "Frau  Lilienfeld  Dir  ganz  besonders  ge- 
fallt.  Du  gehst  doch  so  oft  hin  und  bleibst  so  viel  länger 
dort,  als  bei  Deinen  sonstigen  Patienten.   Auch  hast  Du  Max 
ins  Haus  eingeladen- —  und  Jetzt  auf  einmal  ist  er  nur  ein 
Judenbengel  und  Du  bist  gegen  eine  Heirat  mit  «dbr«   Ich  ver- 


stehe das  einfach  nicht".   "Trude"  sagte  Klaus  eindringlich 
"hbre  mir  gut  zu.   Max  ist  nicht  für  Dich.   Deine  Bemerkungen 
über  meine  Bezieh\mg  zu  den  Lilienfelds  sind  ganz  unangebracht. 
Ich  bin  auch  ziemlich  sicher,  dass  Dir  Max  nicht  so  viel  be- 
deutet, sondern  dass  Du  Tröume  hast,  wie  Du  seiner  Millionen 
habhaftig  werden  und  sie  ausgeben  kannst. "  Er  hatte  versucht 
mit  dem  letzten  Satz  schon  einen  leichteren  Ton  anzuschlagen 
und  fuhr  in  derselben  Art  fort:   "Du  brauchst  aber  seine  Mill- 
ionen nicht.  Du  wirst  eine  sehr  ansehnliche  Mitgift  haben  von 
mir  und  von  Deinem  Giossvater,  eine  Mitgift  noch  dazu,  die  Dir 
gehören  wird,  und  über  die  nur  Du  das  Verfügungsrecht  haben 
wirst.   Das  sollst  Du  wissen,  damit  Du  Dich  nicht  in  uner- 
wünschte Abenteuer  einlässt,  nur  weil  Du  von  Geld  trHumst, 


Ch.   IV 


-  54  - 


wie  das  Ganschen  vom  Mais."  Trudes  Blick  war  in  die  Weite 
gerichtet,  sie  ISchelte  vor  sich  hin,  und  sagte  mit  ihrer 
feinsten  Stimme  träumerisch:  "Geliebter  Klaus"  —  Vater,  wer 
hat  die  Briefe  geschrieben,  die  Du  verbrannt  hast?"  Klaus 
holte  innerlich  tief  Atem.   "Nur  ruhig  bleiben"  sagte  er 
sich, "sie  hat  ihre  Karte  nun  ausgespielt".   Er  schaute  sie 
eine  Weile  mit  zusammengezogenen  Brauen  schweigend  an,  bis 
sie  die  Augen  niederschlug,  dann  sagte  er:  "Meine  Angelegen- 
heiten gehen  Dich  nichts  an,  Trude.  Die  Briefe  waren  von  je- 
mandem, der  mir  sehr  nahe  gestanden  hat  aber  leider  nicht 
mehr  existiert  zu  meinem  sehr  grossen  Schmerz.   Darum  will 
ich  nicht  darüber  sprechen.   Aber  um  auf  ueine  Plane  in  Be- 
zug auf  Max  zurückzukommen  -  wenn  es  wirklich  sein  Vermögen 
ist, das  Dich  so  lockt,  so  sollst  Du  das  Folgende  wissen:  Das 
Lilienfeldsche  Vermögen  ist  in  einem  sogenannten  Trustfund 
angelegt,  von  dem  die  Mutter  nur  die  Nutzniessung  hat.   Max 
wird  im  Alter  von  25  Jahren  einen  Teil  dieses  Vermögens  aus- 
gezahlt bekommen,  und  dann  wieder  mit  35  und  45  Jahren.  Sollte 
er  sterben,  so  erben  seine  Kinder  oder  wenn  er  keine  Kinder 
haben  sollte,  geht  das  ganze  Vermögen  an  seinen  nächsten  va- 
terlichen Verwandten.  Seine  Frau  kann  und  wird  nicht  erben; 
sie  würde  nur  eine  beschrankte  Summe  als  Witwengeld  erhalten. 
Du  siehst  also,  dass  er  nur  beschränkten  finanziellen  Wert 
für  Dich  hat."   "Und  nur  solange  er  am  Leben  ist"  fügte  er 
zjmisch  in  Gedanken  hinzu.   "Ich  habe  gar  nichts  gegen  Deine 
Freundschaft  mit  Max,..solange  Du  Dich  daran  erinnerst,  dass 


Ch.  IV 


-55- 


keinerlei  Intimitäten  zwischen  Euch  erwtlnscht  sind,  und  nun 
geh  bitte,  ich  habe  zu  arbeiten,"  Er  wandte  sich  mit  diesen 
Worten  seinen  mänigfaltigen  Papieren,  die  den  Schreibtisch 
bedeckten,  zu  und  schenkte  seiner  Tochter  keine  weitere  Be- 
achtung.  Trude  warf  ihm  einen  hasserftlllten  Blick  zu.   Sie 
verliess  sein  Zimmer  ebenso  gerHuschloss,  wie  sie  es  betreten 
hatte.   Sie  entschied  sich  in  einem  kurzen  Augenblick  der 
Ueberlegxing  dafür,  ins  Damenzimmer  hinunterzugehen  und  die 
Gaste  ihrer  Mutter  zu  bezaubern. 


A 


f-', 


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I  I 


Ch.  IV. 


-5- 


gemunkelt,  dass  der  Doktor  auf  eine  spätere  Verbindung 
zwischen  seiner  Tochter  Trude  und  dem  jüngeren  Mann  gehofft 
habet   Der  Assessor  hiess  übrigens  Erich  und  war  rothaarig, 
womit  er  von  Trude,  die  keine  besonders  herzliche  Zuneigung 
zu  ihm  zu  haben  schien,  oft  gehä/tfselt  wurde.   Wenn  men  gewissen 
Zeichen  trauen  konnte,  wie  z.B.  dem  häufigen  Erscheinen  des 
Assessors  auf  jenen  Gesellschaften,  wo  Irmgard  eingeladen  war, 
oder  seinem  Drängen,  so  viele  Tänze  als  nur  immer  schicklich 
auf  den  Bällen,  die  sie  beide  besuchten,  mit  Irmgard  zu  tanzen, 
oder  seiner  ausgesuchtenHöflichkeit  Herrn  und  Frau  Hoyk  gegen--- 
über,  hatte  Irmgard  zu  erwarten,  dass  er  bald  bei  Ihrem  Vater 
offiziell  vorsprechen  würde.   Dass  sie  ihm  geneigt  war,  daran 
konnte  er  nicht  zweifeln,  jeder  konnte  das  sehen.   Eine  gemein- 
sames Gesprächthema  zwischen  ihm  und  seiner  Zukünftigen  war 
der  ausgezeichnete  Ruf  und  die  Bedeutung  seines  Vetters  Klaus 
von  Jagemann  gewesen,  damit  sollten  die  Eltern  wohl  mit  seiner 
Familie  bekannt  gemacht  sein.   Mit  der  Affaire  Irene  Johannsen 
hatte  es  zunächst  geschienen,  als  ob  Irmgard  durch  ihre  freund- 
schaftliche Beziehung  zu  Irene  in  den  Augen  des  Assessors  herab- 
gesetzt sein  könnte,  aber  die  Verbindung  des  älteren  Jagemann 
mit  dieser  Affaire,  hatte  die  Situation  sozu^^sagen  ausgeglichen. 

Als  Günther  die  Schule  verliess,  hatte  er  noch  nichts 
von  der  neuesten  Entwicklung,  die  der  Fall  Irene  genommen  hatte, 
gehört.   Er  beeilte  sich,  zu  Max  zu  kommen,  den  er  auch  heute 
nicht  auf  dem  Schulweg  getroffen  hatte.   Er  sorgte  sich  sehr  um 
den  Freund  und  war  in  einem  Zustand  von  Ratlosigkeit  und 


c^   ♦ 


I  I 


'1 


Ch.  IV. 


-6- 


Verwirrung.   Dabei  fürchtete  er  sich^  durch  Fragen  Max  zu 
verwunden  oder  seine  eigene  Naivität  bioszustellen.   Das  Li- 
lienfeldische  Haus  schien  unheimlich  ruhig.   Als  er  vor  Maxens 
Tür  stand,  hörte  er  Stimmen.  Er  klopfte,  erhielt  keine  Ant- 
wort, öffnete  aber  trotzdem  die  Tür.  Max  lag  im  Bett  und  auf 
dem  Bettrand  sass  Dr.  von  Jagemann.   Günther  erkannte  ihn  so- 
fort, obgleich  er  ihm  den  Rücken  zuwandte:   er  hatte  etwas  so 
Unverkennbares  in  seiner  Gestalt  und  Haltung,  der  mächtige 
eiförmig  ausgezogene  Hinterkopf,  die  etwas  n^ch  v^-^ne  gezogenen 

Schultern,  der  lange  gerade  Rücken  und  der  schlanke  Hals  

Günther  hätte  es  nicht  in  Worte  fassen  können,  aber  der  Körper 
des  Mannes  drückte  einerseits  einen  starren  Willen  und  ander- 
seits eine  fast  überfeinerte  Zartheit  aus.   Max  und  der  Arzt 
schienen  so  sehr  im  Gespräch  vertieft,  dass  sie  erst  nach  einigen 
Augenblicken  die  Anwesenheit  eines  dritten  bemerkten.   Max  be- 
grüsste  den  Freund  mit  einem  Lächeln.  Er  sah  elend  aus,  mit 
seinen  eingefallenen  Wangen,  die  sehr  blass  waren,  und  dunklen 
Schatten  unter  den  Augen.   Aber  er  schien  etwas  ruhiger  als 


am 


vergangenen  Tag.   Jagemann  erhob  sich  und  reichte  Günther  die 
Hand.   Sein  Gesicht  passte  zu  seiner  langen  hageren  Gestalt. 
Es  war  gross  angelegt  mit  hoher  Stirn  und  eckigem  Kinn.  Die 
Augen  lagen  tief  unter  gutgezeichneten  aber  blonden  Brauen, 
deren  Schwung  dem  Gesicht  eine  leichte  Ironie  verlieh.   Die 


tiefen  Falten,  die  von  der  grossen  etwas  gebogenen  Nase  zu  d 


em 


weiten  geschwungenen  Mund  liefen,  vertieften  noch  diesen  iro- 
nischen Ausdruck.   Ein  kurzer  dichter  blonder  Backenbart 


I 


II     II 


Ohapter  11/ 


•%  -  ». 


Lp 


In  der  Erde  seachluepft#      Auch  an  die  kleinen  nackten  Maeuse 
v/urde  er  erinnert,   die  er  einmal  auf  einem  Feld  aufgegraben 
hatte;   alle  diese  Erinnerunp:en  waren  unangenehm  und  etwas  be- 
aencotlgend»      Aber  heute  bei   seinem  Versuch  nicht  auf  Regen- 
wuerner  7^  treten,   \mr  er  mit   etwas  anderew  beschaeftigt,   etwas 
viel  Beaens^tisendereG,   das  er  ßestem  von  Maxens  Mutter  p^ehoert 


hatte» 


Er  hatte  heute  morgen   seine  Familie  veraiiedent   weil  er 


zu   sehr  mit   seinen  Gedanken  besohaeftigt  war  und  nicht  gefragt 
werden  v/ollte  aber  auch  nicht   in  die  Versuchung  kommen  wollte, 
selbst   einige  Fragen   zu   stellen ^f-^  Frau  Lilienfeld  war  gerade    ^^«LcVt^ 
die  Treppe  in  ihrem  Hause  heraufgekommen,    als  Guenther  hinunter 
stiep^,  nachdem  er  Maxens  Ziiimier  verlassen  hrtte«      Wie  immer 
gruesstE  sie  ihn  freundlich,   aber  statt  der  ueblichen  Frage 
nach  Schule  und  Wohlergehen   sagte  sie:      ^Deine  Eltern  und 
Deine  Schwester  rauessen  wohl   sehr  mitgenommen   sein  von  dieser 
entsetzllchaa    Sache,  mit   Irmgards  Freundin •      Alle  Zeltungen 
sind  voll  davon«     Eine  sehr  traurige  und  ven>rirrende  Angelegen- 
heit,  in  die  so  ein  armes  Junges  Ding  hineingeraet  und  sich 
nicht  mehr  zu  helfen  welss#     Und  dann  kommt  die  ganze  Meute 
auf  sie  zu,   Polizei  und  Presce,   und  zerreisst  sie  und  zerstueck-lßt^"" 
sie  und  laesst  nichts  von  ihr  uebrig»^     Guenther  war  15  Jahre 
alt;    er  hatte  bischer  keine  Zeltung  lesen  duerfen,   well 
Zeitungen  nicht   fuer  Kinder  schrieben*     Er  war  entsetzlich 
verlegen  und  gleichzeitig  aufgei-egt.     Er  konnte  Frau  Lilienfeld 
nicht  gestehen,   dass  er  nicht  wusste,   wovon   sie  redete,   dass 


Chapter  II 


^ 


man  Ihn  zuhause  n~öh  wie  ein  Baby  behandelte«      Sie  haette  wohl 
darueber  Gelaeohelt  mitleidig  und  veräohtlloh.     Er  hatte  ein 
O-efuehl,   als  ob  er  beraten   sollte  vor  Neugierde  und  glelch- 
zeltigem  Ernchreoken#     Frau  Llllenfeld,   die  mehr  mit  Ihren 
eigenen  Gedanl:en  beschaeftigt  war  als  sonst,  nahm  die  Sti:umm- 
helt  des  Knaben  als  Zeichen   seiner   Erschuettemng;und  sagte, 
'^ioh  werde  versuchen,   Irene  im  Untersuchung sgefaengnls  zu  beh- 
auchen,  loh  habe  ihre  Kutter  gekannt,   als  wir  beide  Jung  waren »^^ 
Sie  legte  ihre  Hand  ganz  leicht  auf  Guenthers  Schulter,  wie 
um  ihn  zu  troesten  und  ging  an  ihm  vorbei,  die  Treppe  irhiimnMr 

••Also  es  war  etwas  mit  Irene**  dachte  Guenther,    •'hatte 
darum  Irmgard  so  merkwuerdig  muerrisch  ausgesehen,   als  habe  sie 
eine  Mlgraene.  mit  etv:as  geschwollenen  Augenlidexm-     Er  hatte 
gestern  nicht  mit  ilinen  Mittag  und  Nachtmahl  gegessen,   vrell 
die  Damen  angeblich  zu  den  Grosseltern  nach  Wandsbeok  hatten 

fahren  muessen  und  der  Vater  in   seinen  Olub  gegangen  war»     Vfas 

If 

meinte  Frau  Lilienfeld  mit,  zerstueckelt  werden  —  wie  konnte 

H 

man  Irene  zerreiscen  und  nichts  von  ihr  uebrlg  lassen  —  war 
das  woertlich  oder  bildlich  zu  nehmen?  Sollte  er  zu  Max  zu- 


^m 


rueckgehen;  der  war  krank  und  lag  im  Bett  und  hatte  seltsam 
zurueckgezogen  ausgeschaut,  als  ob  er  sich  nicht  bewegen 
wollte.  Er  hatte  auch  kaum  gesprochen •  Guenther  hatte  all 
das  dem  Fieber  zugeschrieben  und  der  Influenza,  an  der  Max 
erkrankt  war.  Jetzt  zv:elfelte  er  an  allem;  Max  hatte  Irene 


I  I 


Chapter  Il|  , 


2^.4 


ejjilge  Male  gesehen,   zufaelllg  auf  der  Strasse  waren   sie  an 

Ihr  voruebergegangen  und  Öuenther  hatte  sie  ^ßruesot.     Max 

war  heimlich  In   sie  verliebt,   glaubte  Guenther,  well  er  erroetet 

war,   als  sie  das  zweite  Mal  Ihr  begegnet  waren  und  seine  Augen 

diesen  fernen  Blick  bekommen  hatten.     Guenther  stand  noch  Im-     " 

mer  auf  der  Treppe,  zoegemd,   ob  er  hinauf-  oder  hinuntergehen 

sollte.     Sollte  er  Max  fragen  —  er  fuerchtete  aber,  dass  Max 

Ihm  heute  nicht  antworten  wuerde;  haette  er  Ihm  doch  sonst  wohl 

freiwillig  etwas  erzaehlt.     So  ging  Guenther  nach  Hause.     Er 

hatte  gehofft,   dass  auch  an  dienern  Abend  die  uebrlgen  Familien 

Mltßlledor  nicht  daheim  sein  wuerden;   aber  sie  kamen   zum  Eer.en, 

Sassen  mehr  oder  weniger  stumm  da,  und  beeilten  sich,    so   schnell 

wie  moegllch  mit  der  Tafel  fertig  zu  werden.     Horst  fing  an, 

etwas  zu  sagen,    aber  Lina  machte  ihm  ein  Zeichen,  nicht  fortzu- 

fahren,   war  es  um  Irmgards  Gefuehle  zu   schonen  oder  um  nicht 

vor  Guenther  die  aufregenden  Angelegenheit  zu  besprechen.     Da 

sie  alle  zuhause  waren,  konnte  er  a  uch  nicht  heimlich  sich 

die  Zeitung  zusararaen  suchen  oder  in  die  Kueche  gehen,  und  Mlana       ^ 

oder  Anna  befragen.     Die  beiden,  Koeehin  und  Stubenmaedchen, 
t 

erzaehlen  ihm  gewoehnlich  die  Gehelmnlaae  soweit  sie  sie  \>russten. 
Es  war  erstaunlich,   wie  viele  Geheimnisse  es  gab  in  der  Familie, 
von  denen  Guenther  sonst  nie  etwas  erfahren  haette.     Aber  es 
brauchte  Zeit  und  geschicktes  Man oevr leren. um  sie  zum  Sprechen 
zu  bringen,  man  ko>nnte  das  nicht  zwischen  Tuer  und  Angel  machen. 
Heute  war  man  nicht   sicher,   dacs  nicht  Mutter  oder  Schwester  in 
die  Kueche  kommen  vmerden;    sie  durften  unter  keinen  Umstaenden 
Guenther  dort  finden. 


I    I 


^' 


So  blieb  iliiii  nichts  anderes  uebrig,   als  In   oeln  ZLrjner 
au  gehen.     Er  versuchte,    ceino  PI  au  sauf  gaben   zu  machen,   aber  er 
konnte  sich  nicht  konzentrlei'en.     Er  ging  ruhelos  auf  und  ab 
und  stand  eine  ^^iTelle  am  Fenster  und  schaute  In  die  dxxnkle 
NQCht  hinaus.      Schliesslich  schlich  er  sich  wieder  auG  dem 
Zliamer  heraus,  ging  ganz  leise  die  Treppe  hinunter  und  auf 
Zehenspitzen  naehcrto  er  sich  der  Tuer  dos  Ilerrenzicmcrs,   in 
dem  die  Erwachsenen  vorsammelt  waren.     Er  dru eckte  sich  flach 
an  die  Watjd  und  lauschte.     Es   sohlen  ilim,   dass  er  Irmgai'd 
weinen  hoerte  und  ohne  sich  ueber  den  Grund  dafuer  klar  zu   sein, 
fuehlte  er  eine   togbo  fast  boschaemonde  Zaertliolilcelt   fuar  sie. 
"Sie  ist  doch  gut"  dachte  er. 

Herrn  Hoyks  Stlnune  kam  klar  durch  die  Tuor:      '*IIoero 
auf  zu  weinen,   Irmgard.     Es  besteht  kein  GrundÄfflÄ»  Dich,   auch 
nur  im  Geringsten  ^^' zu  besorgen  dass  Dein     N-oine  in  irgend- 
einer  Welse  mit  Irene  im  Zusainaenhang  gebracht  vrird.      Schi  Ions- 
lieh  hast  Du  sie  nicht  einmal  sehr  gut  gekannt.     Es  ist  sehr 
bedauerlich,  dass  so  ein  Sliandal  In  unseren  Kreisen  vorkommen 
kann,   aber  verglss  bitte  nicht,   dass  dies^  Person  doch  eine 
Fremde  Ist,   v;enn   sie  auch  angeblich  muetterlicherseits  von 
Adel  sein   soll.     Es  geht  doch  nicht  an,  Lina,  dass  wir  unseren 
Verkelir  auf  Kretiund  Fl eti erstrecken.     Diese  Af faire  soll  uns 
allen  eine  Lehre   sein."     "Es  ist  wirklich  kaum  zu  glauben,   wie 
sich  diese  Person  aufgespielt  hat,"  warf  Horst  ein,    •*sle  hat 
gewoehnlich  getan,   als  ob  Ich  Luft  vraere  oder  als  ob  sie  zu 


Chapter  llf 


^- 


ZU  hoheitsvoll  war,  um  ueberhaupt  einen  Gruss  zu  "bemerken 


und  dabei  hat  sie 


fi      II 


Schweig   still"   unterbrach  der 


Vater,    "Du  bist  hier  in  Gegenv/art  von  Deiner  Mutter  und 


S 


chv/ester^  vergiss  das  bitte  nicht  I"   "VJarum  Hie  den  Namen 


des  Mannes  nicht  nennen  will,  verstehe  ich  nicht"  sagte 
Guenthers  ^Tutter.  "und  warum  sie  sich  nicht  verteidigt, 
nicht  fsägir7'~waFiiir''^^  die  Frau  ^'^"^-ller  umgebracht  hat,  die 
doch  seit  ihrer  Kindheit  bei  ihr  war!   Es  ist  alles  so  ganz 
entsetzlich  und  grauenhaft  und  unverstaendlichj" 

Guenther  beerte  nun  wieder  Irmgard  aufschluchzen. 
Er  war  so  aufgeregt,  dass  er  am  ganzen  Koerper  zitterte 
und  musste  warten,  bis  das  Zittern  nachliess,  so  das  er 
sich  zurueck  in  sein  Zimmer  schleichen  konnte.   Irene  hatte 
eine  Frau  Mueller  umgebracht  und  hatte  eine  geheimnisvolle 
Beziehung  zu  einem  Mann,  eine  jener  Beziehungen,  die  man 
nicht  in  Gegenwart  von  Mutter  und  Schwester  erwähnt,  ueber 
die  aber  die  Schuljungen  im  Geheimen  tuschefe^und  lachen  und 
ueber  die  Guenther  noch  immer  nicht  gev^/agt  hatte,  Max  um 
Aufklaerung  zu  bitten.   Aber  v;ie  konnte  m.an  diese  Dinge, 
Mord  und  verbotene  Beziehungen,  nur  mit  Irene  in  Verbindung 
bringen,  mit  einer  Irene,  die  am  ehesten  einer  Lilie  aehnlich 
war.   Sie  war  so  zart,  schlank  und  schoen  und  sah  kuehl  und 
entrueckt  aus.   Selbst  Horst  hatte  es  bemerkt. 

Irene  Johannsen  war  in  Dorpat  zur  Vvelt  gekommen, 
einer  Universitaetstadt  ^JU^^i^^^tm^   wo  der  muetterliche 


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Chapter  11/ 


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Grossvater,  ein  Baron  von  Schulmann,  als  Professor  der 
Medizin  taetig  und  beruehmt  war»   Seine  Tochter  Einanuela 
war  bei  Verwandten  in  Hamburg  zu  Besuch  als  sie  den  Jungen 

Arzt  und  Wissenschaftler  Johan  Johannsen  kennen  lernte. 

t 
Die  beiden  jungen  Leute  verliefen  sich  leidenschaftlich  in 

einander  und  da  es  dem  Professor  von  Schulmann  gerade  an 

einem  tuechtigen  Assistenten  gebrach,  liess  er  Johannsen 

nach  Dorpat  kommen  und  verschaffte  ihm  die  sehr  begehrte 

Stellung  an  der  Universitaetsklinik.   Johann  und  ^manuela 

heirateten  und  lebten  viele  Jahre  in  einer  Liebesehe,  die 

nur  durch  'die  Tatsache  ihrer  Kinderlosigkeit  getruebt 

wurde.   Der  alte  von  Schulmann  starb  und  hintarliess  seiner 

Tochter  ein  grosses  Vermoegen  und  seinem  Schwiegersohn 

seine  Professur,  eine  blendende  wissenschaftliche  Karriere 

und  eine  weit  ausgedehnte  Konsultationspraxis. 

Endlich,  als  Bmanuela,  schon  fast  40  Jahre  alt  war, 
wurde  sie  schwanger.   Sie  gab  einem  Toechterchen  das  Leben, 
verlor  aber  das  ihrige  im  Wochenbett.   Professor  Johannsen 
ging  mit  einer  Expedition  nach  Sued^Afrika  um  eine  dort 
ausgebrochene  Epidemie  der  afrikanischen  Schlafkrankheit 
zu  studieren.   Er  infizierte  sich  und  starb  ungefaehr  6  Mo- 
nate  nach  dem  Tod  seiner  Frau. 

Irene  wuchs  ohne  Eltern  auf.   Sie  hatte  einen 
Vormund,  der  sich  darum  kuemmerte,  dass  sie  die  richtigen 
Pflegerinnen  hatte,  in  die  richtigen  Schulen  ging  und  en- 
gagierte schliesslich  eine  Frau  Therese  Mueller,  die 


Chqpter   11/ 


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gerade  verwitwet  war^  als  eine  Art  Gesellschafterin  oder 
Duenna  fuer  das  heranwachsende  Maedchen.   Frau  Mueller 
war  ihm  von  Bekannten  recht  empfohlen  v;orden,  als  eine  ver- 
laessliche,  sittenstrenge^  religioese  Person^  die  man  wohl 
einem  jungen  Maedchen  aus  gutem  Hause  zur  Seite  stellen 
konnte j^und  mit  der  man  ein  solches  junges  Maedchen  wohl  auch 
auf  die  Reise  schicken  konnte.   Dieser  Aspekt  war  hesonders 
wichtig,  da  Irene  nach  Deutschland  gehen  sollte,  um  dort 
eine  hoehere  Toechterschule  zu  besuchen.   Man  einigte  sich 
auf  Hamburg,   Es  wurde  durch  einen  Agenten  ein  Haus  in 
Harvestehude  gekauft  und  eingerichtet.   Irene  und  Frau 
Mueller  bezogen  es  im  Herbst  84.  Sie  v/ar  damals  16  Jahre 
alt  und  trat  in  die  oberste  Klasse  der  Schule  ein,  in  die 
jungen  Maedchen  aus  guten  Hamburger  Familien  ihre  Erziehung 
erhielten,  und  die  auch  Irmgard  Hoyk  besuchte.   Irene  v/ar 
still  und  zurueckhaltend  und  schloss  sich  nicht  leicht  an 
ihre  Altersgenossinnen  an.  Sie  besuchte  d^^och  Irmgard 
einige  Male  und  lud  sie  mit  anderen  jungen  Maedchen  zu  sich 
zum  Tee  ein.   Sie  v/urde  von  allen  beneidet  und  bevmndert^ 
da  sie  ein  voellig  unabhaengiges  Leben  zu  fuehren  schien; 

jedenfalls  war  keine  Authoritaetsperson  zu  bemerken«   Frau 
Mueller,  e^aen  die  Freundinnen  hoeflicherjA^eise  vorgestellt 


wurden,  machte  eher  den  Eindruck  einer  Untergebenen,  die 
sich  Irenens  Anordnungen  fuegte,   Irenes  Vormund  lebte  auf 
seinen  Guetern  in  Kurland,  und  falls  sie  Verwandte  in 


/ 


Chapter  II| 


3^- 


Hamburg  hatte ^  sxd  schien  sie  Jedenfalls  nicht  auf  sehr 
intiman  Fuss  mit  ihnen  zu  stehen.   Irmgard^  die  von  Jeher 
dazu  neigte  ihre  Freundinnen  zu  idealisieren,  war  gan^i  und 
gar  in  Irene  vernarrt.   Sie  verteidigte  sie  sogar  Horst 
gegenueher^  der  sich  durch  ihre  herablassende  Haltung  ge- 
kraenkt  und  zurueckgewiesen  fuehlte.   Nachdem  sie  nach 
einem  Jahr  die  Schule  beendet  hatte  hoerte  und  sah  man  wenig 
von  ihr.  Nur  sehr  gelegentlich  kam  sie  mit  Irmgard  zusam- 
men, deren  Bewunderung  und  Anhaenglichkeit  ihr  wohlzutun 


schien. 


Am  10.  April  1886  brachten  das  Hamburger  Fremden- 


im 


blatt  und  die  Hamburger  Zeitung  die  Nachricht,  dass  Fräulein 
Irene  Johannsen,  Harverst ehuder  7;eg  21,  ihre  langsjaehrige 
Gefaehrtin  und  Hausdame  mit  Rattengift  vergiftet  habe.   Sie 
habe  das  Verbrechen  eingestanden,  sich  aber  geweigert  einen 
Grund  dafuer  zu  geben.   Erst  nachdem  das  Hausmaedchen  bei 
der  Zeugen"Vernehmung  ausgesagt  hatte,  dass  das  Fraeulein 
haeufig  am  Abend  Herrenbesuche  empfangen  habe,  fand  sicti  / 


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_ nennen,  da  sie  genug  Unheil  angerlcht?et  häTi^Ä^u^  k^i^en 
Grund  habe,  seine  Pamilie  in  Schande  und  Unglueck  zu  stuerzen* 
Dabei  verblieb  sie.   Auch  dem  Anwalt,  den  der  telegrephisch 
benachrichtigte  Vormund  telegraphisch  fuer  sie  bestellte, 
machte  sie  keine  weiteren  Mitteilungen.   Die  gute  Gesellschaft 


Hamburgs,  insbesondere  jene  Haeuser,  die  sich  dem  jungen 
Fraeulein  gastfreundlich  geoeffnet  hatten,  war  skandalisiert , 
schockiert  und  gleichzeitig  heimlich  erregt  als  haette  sie 
Champagner  getrunken. 

Es  war  Guenther  in  der  Prueh  gelungen,  die  gestrige 
l'lorgenzeitung  und  auch  das  Abendblatt  zu  finden.   Er  war  sehr 
frueh  aufgestanden,  bevor  noch  die  Maedchen  auf  waren.   Er 
war  mit  dem  Gelesenen  und  mit  dem  Erlauschten  beschaeftigt 
und  versuchte  zu  verstehen,  was  die  Zeitungen  nur  angedeutet 
hatten.   Er  war  verwirrt,  wenn  er  an  Erau  Lilienfelds  mit- 
leidige Worte  dachte  und  sie  mit  der  schai^fen  Rede  seines 
Vaters  oder  gar  mit  Horsts  haesslichen  Bemerkungen  verglich. 
Er  fragte  sich,  ob  Irmgard  so  geweint  hatte,  weil  sie  Mitleid 
fuer  die  unglueckliche  Freundin  empfand  oder  weil  sie  selbst 
im  zweideutigen  Licht  erscheinen  koennte,  da  sie  aus  ihrer 
Zuneigung  und  Bewunderung  fuer  Irene  keinen  Hehl  gamacht 


Jfc 


Ch.  IV. 


-5- 


gekannt  hatte.   Das  Gericht  hatte  sich  davon  überzeugt  dass 
kein  Mord  vorlag,  sondern  dass  Frau  Müller  das  Rattengift  aus 
Versehen  zu  sich  genomn^en  hatte.   Niemand  konnte  zwar  erklären 
woher  sie  es  hatte  und  wozu  sie  es  brauchte,  da  in  Harvestehude 
das  Vorkommen  von  Ratten  unwahrscheinlich  war.   Ja,  es  wäre 
wohl  anders  gewesen,  hStte  sie  in  einem  Jener  alten  Häuser  ge- 
wohnt,  die  tief  in  einen  der  Flwte  eintauchten  —  ja,  da  wim- 
melte es  von  Ratten.   Aber  in  Hamburgs  vornehmstem  Stadttei. 
Nein,  Frau  Müllers  Tod  war  wohl  doch  kein  Versehen.   Die  einzig 
mögliche  Erklärung  war,  dass  sie  sich  selbst  das  Leben  absicht- 
lich genommen  hatte.   Bei  der  Obduktion  hatte  man  ein  schweres, 
unheilbares  Leberleiden  gefunden,  das  war  ^'-'ohl,  worauf  auch 
Dr.  von  Jagemann  mit  seiner  Vermutung  in  dem  Bericht  hinge- 
wiesen hatte.  • 

Günther  kannte  den  Dr.  v.  Jagemann  vom  Sehen  und  Hören, 
wenn  man  das  sagen  kann.   Er  hatte  ihn  einige  Male  bei  den 
Lilienfelds  gesehen,  wenn  er  ihm  mit  Frau  Lilienfeld  begegnete. 
Er  war  Freund  und  Hausarzt  der  Lilienfelds.   Sein  Ruf  war  her- 
vorragend, wenn  auch  seine  Herkunft  nicht  ganz  so  eindeutig 
war.   Sein  Vater  war  Pfarrer  in  Altena  an  der  Kirche  St.  Georg 
gewesen.   Ab-^r  die  Familie  stammte  nicht  aus  der  Gegend,  sondern 
war  von  dem  Kaschubischen  Grenzgebiet  West-  oder  Ostpreussens    / 
eingewandert.   Er  selbst  hatte  in  Dorpat  Medizin  studiert,  wo 
er  wohl  ein  Schüler  Professor  Johannsens  gewesen  war.   Er  war 
ein  bekannter  Spezialist  auf  dem  Gebiet  der  Inneren  Medizin 
und  Nervenheilkünde  geworden,  der  ausgezeichnete  wissenschaftliche 


y 


■7 


Ch.  IV. 


,i\.^ 


Beiträge  gemacht  hatte  und  eine  wissenschaftliche  Laufbahn 
an  einer  der  besten  medizinischen  Fakultäten  seiner  Frau 
wegen  aufgeben  musste.   Seine  Frau  die  aus  einer  sehr  reichen 
Familie  stammte  und  auf  deren  Vermögen,  wie  es  hiess,  der 
Doktor  angewiesen  war,  hatte  darauf  bestanden  in  Hamburg  in 
der  Nähe  ihrer  Eltern  zu  leben,  von  denen  sie  nicht  getrennt 
zu  sein  wünschte.   Ein  gegenteiliger  Versuch  hatte  faJ  7.\x 
einer  Entfremdung  der  beiden  Gatten  geführt*   Dr.  von  Jagemann 
hatte  nachgegeben  und  daraufhin  auf  die  Universität  verzichtet 
Er  nahm  eine  leitende  Stellung  in  einem  der  besten  Hamburger 
Krankenhäuser  an.   Er  hatte  drei  Kinder,  von  denen  Trude 
gleichaltrig  mit  Max  und  Günther  war.   Max  hatte  sie  öfters  er- 
wähnt, und  beschrieb  sie  als  eine  Mischung  von  Krimhilde  und 
Circe,  also  schön  und  verderblich.   Während  Günthers  Phantasie 
durch  diese  Beschreibung  sher  angeregt  wurde,  erklärte  Max 
einfach,  dass  sie  ihm  viel  zu  blond  sei. 

Es  gab  noch  eine  andere,  für  Günther  interessante,  Be- 
ziehung zu  den  Jagemanns,  nämlich  über  Irmgards  Assessor  v. 
Jagemann.   Der  war  ein  junger  Vetter  des  Arztes;  sein  Vater, 
ein  Bruder  des  Pfarrers,  war  ein  bekannter  Anwalt  gewesen  und 
hatte  ebenfalls  in  eine  wohlhabende  Hamburger  Familie  einge- 
heiratet.  Er  war  mitsamt   seiner  Frau  auf  einer  Reise  an 
der  Cholera  gestorben,  als  der  Assessor  gerade" die  Universität 
bezogen  hatte.   Klaus  von  Jagemann  hatte  sich  sehr  gewissen- 
haft um  den  Jungen  Verwandten  gekümmert  und  bis  zu  seiner 
Mündigkeit  dessen  Kapital  verwaltet.   Man  hatte  davon 


3y 


IK 


Ch.  IV. 


Dr«  von  Jagemann 

■■■^■■■^■■■■■■■■■MaHMMUMMaktMiiiMhMMMa^^lh 


Der  facharztliche  Bericht  über  Irene  Johannsens  Gesund- 
heits-  und  Geisteszustand  erschien  in  der  Abendausgabe  der 
Hamburger  Zeitung  schon  am  Tag  nach  der  ersten  Nachricht  von, 
dem  vermuteten  Mord  an  Frau  Müller.   Das  Gutachten  war  von  Dr. 
Klaus  von  Jagemann  unterzeichnet.   In  diesem  Gutachten  vertrat 
der  Arzt  die  Meinung,  dass  Fraulein  Johannsens  Geständnis  und 
Selbstanklage  krankhafter  Natur  seien.   Er  selbst  kannte  das 
Fräulein  seit  ihrer  Ankunft  in  Hamburg.   Sie  hatte  ihn  öfters 
konsultiert  wegen  vorwiegend  nervöser  Beschwerden,  von  denen 
Schlaflosigkeit  die  hervorstechendste  gewesen  war.   In  den 
letzten  Wochen  habe  sich  eine  deutliche  Schwermut  bei  ihr  ein- 
gestellt, die  sich  in  Nahrungsverweigerung  und  Vor-sich-hinbrüten 
ausgedruckt  hätte.   She  hätte  oft  geweint  ohne  wirklichen 
Grund,  hätte  aber  als  Grund  Sehnsucht  nach  ihrer  Heimat  und 
den  verstorbenen  Sltern,  die  sie  nicht  einmal  gekannt  habe,  an- 
gegeben und  dem  Arzt  auch  einmal  erklärt,  dass  sie  am  liebsten 
tot  sein  möchte.   Dr.  von  Jagemann  war  überzeugt  davon,  dass, 
was  auch  immer  mit  der  Frau  Müller  geschehen  wäre,  es  sicher 
nicht  in  Irenes  Macht  stand  oder  ihrem  Charakter  entsprach, 
einen  solchen  Mord  zu  begehen.   Sie  hätte  keine  oder  sehr  wenig 
Ahnung  von  Ratten-oder  anderen  Giften  gehabt  oder  v/ie  man  solche 
erlangen  konnte;  sie  sei  eine  Junge  Person,  die  in  praktischen 
Dingen  völlig  unerfahren  sei.   Hingegen  sei  es  nicht  untypisch 
für  an  Schwermut  Leidende  sich  solch  grauenhafter  Verbrechen  zu 


K 


Ch.  IV. 


-2- 


H  '1  -  ^ 


ZU  beschuldigen/ selbst  wenn  kein  Todesfall  sich  gerade  ereignet 
habe.   Unter  den  obwaltenden  Umständen  aber  habe  sich  Fräulein 
Johannsens  Gemütserkrankung  durch  den  Tod  ihrer  Hausdame  so 
vertieft»  dass  ihr  Geständnis,  sie  umgebracht  zu  haben,  nur  auf 
dieser  Grundlage  zu. verstehen  sei.   Dr.  von  Jagemann  fügte  hin- 
zu, dass  er  Prau  Müller  öfters  als  als  Begleiterin  des  Fräulein 
Johannsen  gesehen  habe,  ihm  die  Beziehung  der  beiden  "Damen  nicht 
als  besonders  nahe  aufgefallen  sei;  er  habe  vermutet,  dass  Frau 
Müllers  Gesundheitszustand  zu  wünschen  übrig  liesse.   Sie 
habe  ihn  aber  nie  ihrer  selbst  wegen  konsultiert. 

Herr  Dr.  Raeder,  der  vom  Vormund  bestellte  Anwalt, 
hatte  auf  Grund  dieses  Gutachtens  den  Untersuchungsrichter  über- 
zeugt,  dass  Irene  Johannsen  an  einer  schweren  Gemütskrankheit 
litte  und  hatte  bewirkt,  dass  sie  aus  der  Untersuchungshaft  ent- 
lassen wurde.   Sie  v/urde  .sofort  in  ein  Privatsanatorium  ausser- 
halb Hamburgs  gebracht • 

Es  stellte  sich  übrigens  heraus,  dass  Frau  Müller  völlig 
ohne  Familienanhang  war.   Sie  schien  auch  keine  nahen  Freunde 
zu  haben.   So  verlor  sich  das  Interesse  an  ihr  sehr  bald  und  die 
Hamburger  Gesellschaft  kümmerte  sich  nicht  darum,  was  mit  ihrer 
Leiche  nach  der  gerichtlichen  Sektion  geschehen  war.   Günther 
hörte  allerdings.,  von  Max,  dass  Dr.  von  Jagemann  die  Beerdigungs- 
kosten auf  sich  genommen  hatte  und  dafür  gesorgt  habe,  dass  Frau 
Müller  in  Ohlsdorf  anständing  begraben  wurde.   Ihn  rührte  und 
bedrückte  diese  Fürsorge  des  Arztes  für  eine  Frau,  die  unter  so 
merkwürdigen  Umständen  gestorben  war,  und  die  er  doch  kaum 


ift:gaJiTeflU!i©il 
Chepter   11/ 


■^ 


habe,  ja  sich  ihrer  Freundschaft  wo  immer  and  v/ann  immer 
eine  Gelegenheit  sich  bot,  geruehmt  hatte.  Wuerde  der  Junge 
Assessor  Jagemann  sich  nun  zurueckziehen,  v/ie  die  Mutter 
gestern  befürchtend  erv/aehnt  hatte;   wuerde  man  sie  vielleicht 
gesellschaftlich  schneiden?  Guenther  trottete  zur  Schule 
und  vmenschte,  dass  er  Max  schon  befragen  koennte;  Max,  der 
krank  im  Bett  lag  und  gestern  ein  so  leidendes  Gesicht  hatte. 
Ploetzlich  kam  es  Guenther  vor,  als  ob  Max  vielleicht  ge- 
weint hatte.   War  er  wohl  Irenes  wegen  krank? 

Guenther  konnte  sich  waehrend  der  Schulstunden 
nicht  konzentrieren.   Er  vmrde  mehrmals  berufen  und  Herr 
Prof.  Meyer,  sein  Klassenlehrer,  verlor  schliesslich  die 
Geduld  mit  ihm  und  trug  einen  Tadel  ins  Klassenbuch  ein. 
Guenther  musste  eine  halbe  Stunde  nachsitzen.   Er  sah  Prof. 
Meyer  mit  so  unverstaendlicher  Miene  an,  dass  der  Lehrer 
ilin  schliesslich  f oi-tschickte,  weil  er  sicher  war,  dass  der 
Junge  krank  sei. 


l; 


^.S 


Chapter  11/ 

Es  war  ein  kuehler  feuchter  Aprilmorgen.   In  der  l>Jacht 
hatte  es  geregnet;  noch  waren  Pfuetzen  auf  der  Strasse  ::u 
sehen  und  der  Pussgaengersteig  war  feucht.   Guenther  v/ar  irue- 
her  als  sonst  von  zu  Hause  weggegangen^  ohne  sein  Pruestueck 
zu  Ende  zu  essen.   Er  wollte  niemanden  von  der  Familie  treffen. 

7 

Haette  ihm  Jemand  zugeschaut  v/ie  er  fast  in  Zickzack  seinen  ;veg 

t  ., 

verfolgte,  so  haette  der  Beschauer  vielleicht  ge^  eint|  dass 

er  einem  bestimmten  inneren  oder  vorgeschriebenen  Rtij^thmus 
folß:te.   Aber  es  waren  nur  die  Regenwuermer ,  die  ihn  dazu  veran- 


lassten von  einer  Seite  der  Strasse  z\ir  andern  auszuweichen. 
Nach  einer  Regennacht  gab  es  so  viele  Regemvuermer.  Es  ekelte 
ihn  vor  ihnen,  vor  ihrer  Nacktkeit  unÄ  Weichheit ,  und  der 
Koeglichkelt  auf  einen  Wurm  zu  t..'eten,  ihn ^ zu  zerquetschen 
oder  entzwei  zu  schneiden.   E-  hatte  aufjh  das  Fischen  seit 
einiger  Zeit  aufgegeben,  weyL  er  es  n.icbt;  ueber  sich  bringen 
konnte  einen  Wurm  an  den  n/cen  zu  ^^tecken.   Es  war  zwar  be- 
kannt, dass  ein  zerteilte/  Wurm  keine  Einbusse  erlitt,  Ja  man 
koennte  sagen  im  Gegenteil  davon  -orofitierte,  da  er  nun  zv;ei 
Wuermer  wurde  —  aber  das  erhoehte  nur  den  Abscheu  und  das 
Gefuehl  der  Unheimlichkeit*   Einmal  vor  Jahren  hatte  Guenther 
mit  anderen  Kindern  Eidechsen  fangen  wollen.   Es  gelang  ihm 
auch  eine  zu  erwischen,  er  hielt  sie  an  ihrem  Schwanz  fest 
und  musste  zu  seinem  Grau in  erleben,  dass  nur  der  Schwanz  in 
seiner  Hand  blieb;  der  Rest  der  Eidechse  war  in  ein  Loch  in 


r. 


II 


^o 


Ch.  IV. 


-7- 


**ij 


umrahmte  das  Gesicht  und  setzte  die  sehr  grossen,  ausserordent- 
lich fein  ausgebildeten  Ohrmuscheln  ab.   Er  trug  ein  Plnce-nez 
das  die  Augen  noch  grösser  und  tiefer  erscheinen  liess.   Ob- 
gleich  die  Stirn  sehr  bedeutend  war^  so  schienen  doch  in 
diesen  Gesicht,  die  Sinnesorgane  wie  überbetont,   Günther  er- 
tappte sich  dabei,  dass  er  an  den  Wolf  im  Märchen  vom  Rot- 
käppchen dachte.   Ohren,  Augen,  Mund  und  Nase  —  was  immer 
durch  die  Sinne  erfasst  werden  konnte,  wurde  diesem  Menschen 
nicht  entgehen.   Die  Hand,  die  Günthers  Hand  einen  Augenblick 
lang  hielt,  war  fest  und  kühl  und  dabei  verführerisch  zart  — 
"fast  zärtlich"  dachte  Günther  und  schämte  sich  dieses  Gedankens. 
Er  fühlte  in  diesem  Augenblick  dass  etwas  in  ihm  vorging,  das 
mit  der  Gegenwart  dieses  Mannes  zu  tun  hatte,  und  das  ihn  ver- 
wirrte, erschütterte  und  unerklärlich  erregte.   Er  spürte  eine 
wilde  schmerzliche  Sehnsucht,  die  in  dem  V/unsch  gipfelte  auf 
immer  in  Jagemanns  Nahe  zu  bleiben  und  gleichzeitig  wünschte 
er,  dass  der  Arzt  weggehen  und  nie  v/ieder  seinen  \1'eg  kreuzen 
sollte.   Er  hätte  sich  am  liebsten  aus  dem  Zimmer  geschlichen 
und  irgend  wo  draussen,  wo  man  ihn  nicht  hören  konnte,  laut  ge- 
brüllt.  Statt  dessen  biss  er  die  Zähne  zusammen  und  errötete 
bis  unter  die  blonden  Haarwurzeln,   Klaus  von  Jagemann  hatte 
sich  inzwischen  wieder  Max  zugewandt,  von  dem  er  sich  verab- 
schiedete.  "Nun  gut,  mein  Junge",  sagte  er,  "miss  Deine  Tem- 
peratur.  Auf  alle  Fälle  bleibst  Du  morgen  im  Zimmer.   Hast 
Du  kein  Fieber  mehr,  so  darfst  Du  wenigstens  etwas  aufstehehn« 
Du  hast  wahrscheinlich  eine  leichte  Influenza,  aber  man  soll 


■.IIPIIHIIJ- 


y 


Ch.    IV. 


-8- 


doch  vorsichtig  sein  —  besonders  bei  Dir",  fügte  er  mit  einem 
bedeutungsvollen  Blick  hinzu.   "Vor  allem  aber  ist  es  gut,  dass 
Du  nun  Gesellschaft  hast.   Mach  Dir  keine  Sorgen  und  nicht  so 
viele  Gedanken.   Wir  können  zwar  nicht  alles  wissen  und  tun, 
aber  doch  manches",  dann  lachte  er  und  setzte  hinzu:   "wie  im 
Faust".   Er  nickte  Günther  zu,  berührte  fast  zärtlich  Maxens 
Schulter  und  verliess  das  Zimmer, 

Nachdem  der  Arzt  das  Zimmer  verlassen  hatte,  schwiegen 
die  Freunde  eine  Weile.   Jeder  schien  seinen  eigenen  Gedanken 
nachzuhängen.   Endlich  sprach  Max  mit  belegter  Stimme:   "Ich 
habe  mich  gestern  und  auch  heute  morgen  nicht  wohl  gefühlt; 
starke  Kopfschmerzen  und  etwas  erhöhte  Temperatur,  weis st  Du. 
Meine  Mutter  hat  den  Jagemann  alarmiert,  aber  ich  weiss  und 
sie  weiss  es  auch,  dass  ich  nicht  wirklich  krank  bin.   Du  hast 
sicher  gewusst,  dass  mich  die  entsetzliche  Sache  mit  Irene 
Johannsen  sehr  aufgeregt  hat,  und  ich  habe  schon  als  Kind  oft 
Fieber  behabt,  wenn  ich  mich  aufgeregt  habe.   Es  war  aber  gut 
von  meiner  Mutter,  dass  sie  Jagemann  gerufen  hat  —  ich  habe 
mit  ihm  sprechen  können,  und  er  hat  mich  sehr  beruhigt."   "Wie- 
so", fragte  Günther,  "es  ist  alles  doch  ganz  schrecklich;  der 
Mord,  und  die  andere  Sache  mit  dem  Mann...."   "Nein,  nein,  das 
ist  Ja  alles  schon  nicht  mehr  war,  schon  überholt"  fuhr  ihm  Max 
rasch  dazwischen.   "Jagemann  hat  das  alles  schon  richtig  ge- 
stellt —  Irene  ist  auch  nicht  mehr  in  Haft.   Sie  haben  sie 
schon  entlassen  und  sie  ist  nun  zur  Beruhigung  und  Reconvalescenz 
in  einem  privaten  Sanatorium.   Aber  Du  kannst  das  Ja  noch  nicht 


/' 


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H 


Ch.  IV. 


-10- 


Phantasie  hat  walten  lassen.   Irene,  in  ihrem  schon  über- 
reizten Zustand  hat  dann  auch  diese  Schuld  und  Schande  auf 
sich  nehmen  wollen.   Sie  soll  Jetzt  ganz  still  und  apathisch 
sein/'  setzte  er  mit  leiser  Stimme  hinzu.   "Was  mir  leid  ist/' 
fuhr  Max  fort,  "ist,  dass  ich  nun  wohl  kaum  mehr  Gelegenheit 
haben  werde,  ihr  vorgestellt  zu  werden.   Ich  hatte  so  darauf 
gehofft,  sie  bei  den  Jagemanns  zu  treffen.   Sie  stand  so  gut 
mit  ihnen.   Mit  dem  Doktor  und  seiner  Frau,  sollte  ich  sagen 
—  denn  Trude  hat  irgend  etwas  gegen  sie  gehabt,  sie  hat  immer 
an  ihr  herumgemäkelt,  kein  gutes  Haar  an  ihr  gelassen  —  fast 
so  als  ob  sie  neidisch  oder  eif errsüchtig  auf  sie  wäre.   Dabei 
ist  Irene  doch  viel  älter  —  drei  oder  vier  Jahre  —  als  Trude. 
Aber  Trude  hat  es  immer  zu  verhindern  gewunst,  dass  Irene  da 
war,  wenn  ich  bei  den  Jagemanns  eingeladen  war.   Ich  könnte 
Dir  noch  eine  Menge  von  dem  Doktor  erzählen  —  er  war  nicht  nur 
zu  Irene  so  gut;  er  ist  jemand,  dem  ich  voll  und  ganz  vertraue 
und  mit  dem  ich  alle  solche  Dinge  besprechen  kann,  über  die 
man  sich  sonst  so  geniert  zo  sprechen." 

Voller  Erstaunen  hörte  Günther  seinen  Freund  sagen,  dass 
er  Dinge  gab,  über  die  zu  sprechen  er  sich  genierte.   Es  war 
ihm  nie  in  den  Sinn  gekommen,  dass  auch  Max  solche  Dinge  und 
und  Gefühle  kannte.   Wenn  immer  der  Freund  schweigsam  oder 
nicht  mitteilsam  war,  hatte  Günther  angenommen,  es  mit  wirklich 
männlicher  Zurückhaltung  zu  tun  zu  haben.   Worüber  konnte  Max 
sich  genieren,  zu  sprechen.   Er  schob  die  auftauchenden  Ge- 
danken  rasch  beiseite  und  erinnerte  sich  an  die  merkwürdigen 


y 


Gh.  IV* 


-11- 


Worte  die  Max  in  Bezug  auf  Irenes  Dienstmädchen  geäussert 
hatte:   "sie  hat  ihre  eigene  unsaubere  Phantasie  walten  lassen". 
Sr  wollte  bestimmt  nicht  in  der  selben  Klasse  mit  diesem  Mäd- 
chen sein.   Er  musste  sich  von  Max  verabschieden,  da  es  spät 
war  und  er  ungern  die  Aufmerksamkeit  seiner  Familie  heute  auf 
sich  gezogen  hätte.   So  versprach  er,  Max  am  nächsten  Tag  wieder 
zu  besuchen  und  verliess  ihn  mit  etwas  leichterem  Herzen  als 
er  gekommen  war.   Max  war  wenigstens  in  einem  besseren  Zustand 
als  gestern.   Er  beschimpfte  sich  aber,  dass  er  aus  ihm  unklaren 


Gründen,  nicht  völlig  von  Jagemanns  Erklärung  überzeugt  war.   Er 
ärgerte  sich  darüber  und  versuchte,  sich  selbst  ausscheltend, 
sich  zu  der  Annahme  dieser  Erklärung  zu  zwingen.  Es  ging  nicht. 
Irgend  etwas  schien  nicht  zu  stimmen  —  er  wusste  nicht  was. 
Vielleicht  was  es  Jagemann  selbst  und  dies  ungewöhnt;e,  über- 
wäM^ande  Gefühl,  das  er  ihm  gegenüber  empfunden  hatte.   Er 
konnte  es  nun  sehr  leicht  und  schnell  wieder  hervorrufen,  wenn 
er  es  zuliess  —  aber  er  kämpfte  dagegen  an.   Was  hatte  dieser 
Mann  an  sich,  dass  man  ihm  so  verfallen  konnte,  ohne  ihn  über- 
haupt zu  kennen?  Und  Max?  War  er  ihm  auch  verfallen?  Glaubte 
er  darum  alles-,  was  von  Jagemann  gesagt  hatte,  so  unbedingt? 
Günther  rannte  nach  Hause,   ^r  wollte  nicht  mehr  denken,  nicht 
an  Irene  und  all  das  Schreckliche  und  Unverständliche:   Mord 
oder  Gemütskrankheit  —  nicht  an  Jagemann  und  was  er  ihm  antun 
konnte,  und  vielleicht  nicht  einmal  an  Max,   Frau  Müller  ~ 
warum  sollte  sie  sich  getötet  haben?  Weil  sie  totkrank  war  — 
sagte  Max.   Günther  wollte  nicht  an  den  Tod  denken  —  er  hasste 


Vb 


Ch.  IV. 


-12  - 


die  Dämmerung  und  das  fahle  Licht,  das  von  den  Gaslaternen 
schien.   Er  war  erleichtert,  als  er  bei  seinem  Haus  ankam. 
Die  Vorhalle  war  beleuchtet,  und  es  duftete  nach  Kalbsbraten. 
Noch  vor  ein  paar  Tagen  hatte  er  sich  geniert,  dass  man  so 
häufig  in  der  Halle  roch,  was  in  der  Küche  gekocht  wurde.   Heute 
heimelte  es  ihn  an,  gab  ihm  ein  Gefühl  von  Wärme  und  Geborgen- 
heit, und  ganz  unvermutet  grüsste  er  seine  Mutter,  die  aus  dem 
Damenzimmer  in  die  Halle  trat,  indem  er  seine  Arme  um  s.ie 
schlang.   Caroline,  überrascht  durch  diese  völlig  ungewohnte 
Zärtlichkeit  ihres  Jüngsten,  legte  ihre  Hand  sofort  auf  seine 


Stirn,  da  sie  überzeugt  war,  dass  er  Fieber  hatte 


e 


0m*** 


V6 


Ch.  TV-r2 


-15- 


Klaus  von  Jagemann  stand  einen  Augenblick  unschlüssig 
da,  nachdem  er  die  Haustür  des  Lilienfeldischen  Hauses  hinter 
sich  zugezogen  hatte.   "Es  fiel  ihm  ein,  dass  seine  Frau,  Ilse, 
heute  nachmittag  ihren  Jour  hatte.   Daraufhin  entschloss  er 
sich,  nach  Hause  zu  fahren.   Er  hielt  eine  vorbeifahrende  Drosch- 
ke an  und  gab  seine  Addresse.   Im  Wagen  zurückgelehnt  dachte 
er  an  die  verflossene  Stunde  zurück,  in  der  er  eine  schwierige 
Arbeit  vollbracht  hatte.   Es  schien  ihm,  dass  er  mit  dieser 
Leistung  manches,  was  er  sich  vorzuwerfen  hatte,  zumindest  wett- 
gemacht hatte,  wenn  er  es  auch  nicht  gut  oder  ungeschehen  machen 
konnte.   Wie  dieser  Knabe  ihm  vertraute I  Es  war  ihm  gelungen, 
seinen  Glauben  an  die  Welt,  an  das  Gute,  an  die  Menschheit 
wieder  aufzurichten,  eine  Seele  zu  stützen,  die  im  Begriff  war, 
zu  zerbrechen.   Was  machte  es  aus,  ob  es  auf  Grund  von  Wahr- 
heit oder  Unwahrheit  geschehen  war.   Ueberdies,  was  war  in 
diesem  Zusammenhang  schon  V/ahrheit.   Er  hatte  Max  sehr  gerne. 
Es  gab  in  Hamburg  —  vielleicht  auch  anderswo  —  nicht  viele 
solcher  gescheiten  und  dabei  sensitiven  and  idealistischen 
Knaben.   Seine  eigenen  beiden,  Peter  und  Paul,  waren  völlig 
anders.   Die  interessierten  sich  nur  für  praktische  Dinge  — 
von  Trude  gar  nicht  zu  sprechen.   Wenn  Trude  von  etwas  Unbe- 
kanntem hörte,  war  ihre  erste  Frage:   "Kann  man  das  essen?" 
War  Ilse  auch  so  gewesen,  als  sie  Jung  war?  Er  konnte  sich 
das  nicht  recht  vorstellen*  Er  hatte  sie  als  elfenhaft  zart 
in  Erinnerung,  als  ob  ein  Hauch  sie  unv/erfen  konnte.   Er  hatte 
sie  auf  einem  Ball  beim  Bürgermeister  Petersen  kennen  gelernt 


^7 


Ch.  IV^2 


•14- 


und  hatte  nicht  mehr  schlafen  können^  bevor  es  Ihm  gelang  "bei 
ihrem  Vater  eingeführt  zu  werden*   Er  hatte  seinen  ganzen 
Willen  und  sein  ungeheuer  einfallsreiches  Gehirn  ans  Werk  ge- 
setzt, und  es  wahr  ihm  nach  etwa  einer  Woche  gelungen,  eine 
solche  Einführung  zu  einer  passenden  Gelegenheit  zu  bekommen. 
Daraufhin  schlief  er  16  Studen  lang.   Bei  diesem  ersten  Wieder- 
sehen mit  Ilse  gestand  er  ihr  seineLiebe  und  schilderte  ihr 
seinen  Zustand  während  der  vergangenen  Woche.   Ilse  war  über- 
rumpelt von  seinen  Gefühlen.   Ausser  seiner  begonnenen  Univer- 
sitätscarriere  und  seiner  glänzenden  Zukunft  hatte  er  nichts  zu 
bieten.   Aber  Ilses  Vater  konnte  seiner  einzigen  Tochter  nichts 
versagen:  so  verlobten  sie  sich.   Nach  einem  Jahr  heirateten 
sie  —  aber  mit  der  wissenschaftlichen  Laufbahn  war  es  aus.   Er 
gab  nach,  wie  er  in  seiner  Ehe  immer  nachgegeben  hatte  —  ob- 
gleich er,  besonders  im  letzten  Jahr,  sich  sehr  weit  von  ih^  fti^ 
innerlich  entfernt  hatte.   Das  hatte  aber  nicht  die  Frage  nach 
einer  Aehnlichkeit  mit  seiner  Tochter  beantwortet.   Er  glaubte 
nicht,  dass  Trude  irgendeine  Aehnlichkeit  mit  ihrer  Mutter  hätte. 
Ilse  was  zwar  nicht  mehr  aetherisch,  war  es  vielleicht  nie  ge- 
wesen, aber  sie  war  ein  warmer  und  freundlicher  Mensch.   Vor 
Trude  fürchtete  er  sich  fast;  sie  war  von  einer  unbeschreib- 
baren  Rücksichtslosigkeit,  berechnend  und  völlig  ohne  sittliches 
Gefühl.   Sie  war  allerdings  auffallend  schön.   Sie  war  licht- 
blond mit  veilchenfarbigen  Augen,  die  von  schwarzen  Wimpern 
eingerahmt  waren.   Diese  Augen  waren  die  ärgsten  Betrüger*  Klaus 
Jagemann  erschauerte,  als  er  daran  dachte,  wie  seine  Tochter 


^ 


Ch.  IV. -2 


-15- 


schon  von  klein  auf  sich  der  Macht  ihrer  Schönheit  und  besonders 
ihrer  Augen  bewüsst  gewesen  war,  und  wie  sie  von  allen,  ihren 
Vater  miteingeschlossen,  erreichte,  wonach  sie  gerade  begehrte. 
Dabei  kam  es  ihr  nicht  auf  die  Mittel  an,  die  sie  benützte. 
Sie  konnte  mit  dem  unschuldigsten  Gesicht  lügen  und  verleumden, 
und  häufig  schob  sie  z.B.  den  Brüdern  Dinge  in  die  Schuhe,  die 
sie  begangen  hatte.   Peter  und  Paul,  die  Zwillinge,  waren  Trude 
gegenüber  von  jeher  hilflos  gewesen  —  "von  Jeher?"  fragte  sich 
von  Jagemann  und  verbesserte  sictldahingehend  dass  er  diese 
Hilflosigkeit  zurückführte  auf  ein  Ereignis^  in  dem  er  die  beiden 
Söhne  aufs  strengste  bestraft  hatte  auf  eine  Anklage  seines 
Töchterchens  hin.   Damals  war  er  noch  von  ihr  völlig  bestrickt 
gewesen  und  hatte  ihr  blindlings  geglaubt.   Die  Sache  hatte  sich 
an  der  Nordsee  abgespielt,  wo  die  ganze  Familie  Jagemann  ein 
Paar  Wochen  im  Sommer  zubrachte.   Trude  war  8  Jahre  alt  und  die 
Zwillinge  fünf.   Die  Kinder  waren  unbeaufsichtigt  am  Strand 
gewesen.   Er  war  überzeugt  gewesen,  dass  es  auf  Grund  einer 
Nachlässigkeit  des  Kindermädchens  geschehen  war.   Er  hatte  sich 
nicht  einmal  die  Mühe  genommen,  nachzuforschen,  sondern  die 
Frau  sofort  nach  dem  Ereignis  entlassen.   "Br  hatte  sie  fort- 
gewiesen, als  sie  ihn  flehentlich  hat,  ihr  zuzuhören.   Tat- 
sächlich war,  dass  die  Kinder  unbeaufsichtigt  am  Strand  waren, 
und  dass  Trude  weinend  nach  Hause  gelaufen  kam,  mit  der  völlig 
verworrenen  Geschichte,  dass  die  Zwillinge  im  Wasser  seien. 
Sie  hätten  ihr  nicht  gehorcht  und  seien  immer  tiefer  hinein- 
gelaufen, und  sie  habe  vergebens  versucht  sie  zurückzuhalten. 


y 


/  Ch. 


IV-2 


-16- 


Sie  war  so  ausser  sich,  so  verzweifelt,  das s  niemand  ihre  Worte 
bezweifelte.   Jagemann  ,1agte  den  V/eg  vom  Haus  zum  Strand  hin- 
unter.   Die  Gezeiten  hatten  gerade  gewechselt;  die  Flut  hatte 
die  Ebbe  abgelöst.   So  war  der  Wasserspiegel  noch  nicht  sehr 
hoch  und  die  Wellen  umspielten  die  blossgelegten  Felsen  nahe 
am  Ufer,  aber  etwas  weiter  draussen  waren  sie  schon  mächtiger 
und  spülten  über  die  Felsenklippen  hinweg.   /Vuf  einem  dieser 
Felsen  sah  er  seine  beiden  Jungens  sich  anklammern,  sowohl  an 
den  unwirtlichen  Stein  als  auch  aneinander.   Von  Zeit  zu  Zeit 
schwemmte  eine  Welle  über  sie  hin*   Sie  Hessen  ihren  Griff 
noch  nicht  los,  prusteten  und  versuchten,  zu  schreien.   Jage- 
mann war  in  kürzester  Zeit  bei  ihnen,  nahm  sie  beide  je  auf 
einen  Arm  und  brachte  sie  in  Sicherheit.   Er  war  so  zornig  und 
ausser  sich,  dass  er  sie  Tauf  der  Stelle  züchtigte.   Erst  da- 
nach hörte  er,  was  die  weinenden  Kinder  sagten.   Sie  behaupte- 
ten Trude  habe  sie  überredet,  mit  ihr  so  weit  hinauszugehen 
zu  dem  Felsen,  auf  dem  der  Vater  sie  gefunden  hatte.   Sie  ver- 
sprach ihnen  dort  etwas  ganz  Wunderbares  zu  zeigen.   Kaum  seien 
sie  dort  angekommen,  sei  die  Flut  gekommen;  Trude  sei  davon 
gerannt,  sie  seien  aber  zu  klein  um  den  grossen  Wellen  zu  ent- 
wischen.  Sie  hätten  schreckliche  Angst  gehabt.   Jagemann 
glaubte  kein  Wort  davon;  er  war  überzeugt  davon,  dass  die 
Jungens  nach  einer  Ausrede  suchten.   So  bestimmte  er,  dass  sie 
sofort  ins  Bett  mussten,  und  dass  sie  nicht  zum  Kinderfest  am 
nächsten  Tag  gehen  durften,  ein  Ereignis,  auf  das  sich  alle 
Kinder  besonders  freuten,  da  es  allerlei  Wettspiele  dabei  gab, 


5^ 


Ch.IV-2 


-17- 


in  denen  man  sein  Geschick  und  seinen  Mut  zeigen  konnte  und 
die  Möglichkeit  hatte,  Preise  und  Ehren  zu  gewinnen.   Peter 
und  Paul  durften  nicht  hingehen.   Trude  wurde  von  ihrem  Vater 
zu  dem  Fest  hingefügt.   Für  Peter  und  Paul  mochte  dieses  Ereig- 
nis in  dem  Mafiose  verblasst  sein  und  vielleicht  ihnen  nur  noch 
mit  Fantasien  verwoben  erscheinen,  in  dem  es  für  den  Vater  mit 
den  Jahren  klarer  und  unheimlicher  wurde.   Er  wehrte  sich 
zwar  gegen  den  Gedanken,  dass  Trude  willentlich  di^  Brüder  ins 
Meer  hinausgelockt  hatte,  aber  Je  älter  sie  wurde  und  je  besser 
er  sie  kannte,  um  so  stärker  wurden  die  Zweifel  an  ihrer  Un- 
schuld.  Die  Brüder  hatten  aber  nie  wieder  irgendetwas  gegen 
die  ältere  Schwester  ausgesagt. 

Jagemann  öffnete  die  Haustür  mit  seinem  Schlüssel.   Im 
Parterre,  wo  die  Gesellschaftsräume  lagen,  hielt  er  sich  nicht 
auf.   Er  hörte  Stimmen  und  Lachen  aus  dem  Salon  kommen.   Er 
stieg  die  Treppe  hinauf  und  ging  in  sein  Arbeitszimmer.  Mantel 
und  Hut  warf  er  auf  einen  Sessel.   Es  war  5  Uhr.   Er  hatte  etwa 
eine  Stunde  Zeit  bis  die  Gäste  fortgingen.   Das  Zimmer  war  warm. 
Er  ging  an  den  grossen  weissen  Kachelofen  heran,  und  fand  ihn 
heiss.   Dann  setzte  er  sich  auf  den  Schreibtischsessel,  schloss 
die  Schreibtischschublade  auf  und  entnahm  ihr  einen  Packen 
Briefe.   Einen  Augenblick  zögerte  er,  schaute  mit  einem  schmerz- 
haften Ausdruck  auf  die  Briefe,  seufzte,  stand  auf  und  ging 
wieder  zu  dem  Ofen.   Diesmal  öffnete  er  die  Ofentür  und  warf 
die  Briefe  in  die  Glut.   Eine  Flamme  zischte  herauf  und  leckte 
an  den  Briefen;  dann  waren  sie  völlig  von  Feuer  eingehüllt  und 


I  t 


ch.  ly 


-36- 


?rau,  Ale  unter  bo  ae rk^rtJrdl g«n  UMtitnden  gestorben  iw«r,  und  die 

er  doch  Ybvm  ge kennt  hatte.     Da«  Gericht   hatte  «ich  davon  Über- 

leugt»  da««  kein  Mord  rorlag,  «ondem  da««  Frau    mier  da«  Hat- 

tenglft  au«  Ver«ehen  «u  »loh  genommen  hatte,     niemand  konnte 

8war  erklären  woher  ale  e«  hatte  und  woau  «1«  e«  brauchte,  da 

In  Hairveatehule  das  Vorkommen  von  Ratten  mwahreohelnllch  war. 

Ja,  e«  wtre  wohl  andere  gewesen,  hUtte  «le  in  einem  Jener  alten 

H»u«er  gewohnt,  die  tief  In  einen  der  Fleete  eintauchten  —  ja, 

da  wimmelte  e«  von  Rattea.     Aber  in  Hamburg«  vomehmatem  Stadt- 
wohl 
teil?     Kein,  Frau  'milera  Tod  war^doch  kein  Veraehen.     Die  ein- 

«Ig  mögliche  Erklärung  war,  da««  «le   «Ich  selbet  da«  Leben  ab- 
«lohtlloh  genommen  hatte.     Bei  *r  Obduktion  hatte  man  ein  Schwe- 
re«, unheilbare«  Leberleiden  gefunden,  da«  war  wohl,  worauf  auch 
Dr.  von  Jageoann  mit  «einer  Vermutung  In  dem  Bericht  hlngewle- 

sen  hatte. 

Gttother  kannte  den  Dr.  von  Jageoann  vom  Sehen  und  Hör«i, 

wenn  man  da«  «agen  kann.     Ir  hatte   ihn  einige  itele  bei  den 
Llllenfelda  gesehen,  wenn  er  Ihm  mit  ?rau  Llllenfeld  begegnete. 
Er  war  Freund  und  Hauaarat  der  Llllenfeld«.     Sein  Ruf  war  her- 
vorragend,  wenn  auch   seine  Herkunft  nicht  gana  so  eindeutig  war. 
Sein  Vater  war  Pfarrer  In  Alton«  an  der  Kirche  St.  Georg  gewe- 
sen.    Aber  die  Familie  stallte  nicht  au«  der  Gegend,  «ondem 


war  von  dem  Kaaehub Ischen  Grensgebiet  Weat-  oder  G«tpreu««ens 
eingewandert.  Er  seibat  hatte  in  Dorpat  «edlsln  «tudlert,  wo 
er  wohl  ein  Schttler  Professor  Johannsens  gewesen  war.  Fr  war 
ein  bekannter  Spe «lallet  auf  dem  Gebiet  der  Inneren  Mediain  und 


Ch^  IV 


•37- 


Nerrtnhtllkundt  geworden^  d«r  aus gts« lohne te  Wissenschaft liehe 
Beitrüge  gewoht  hatte  und  eine  issensohaft liehe  Laufhahn  an 
einer  der  besten  «edisinisohen  yakuktlten  seiner  Frau  we^en 
aufgeben  musstSt  Seine  Frau  die  aus  einer  sehr  reichen  Familie 
stsmate  und  auf  deren  Vermögen^  wie  es  hlesSt  der  Doktor  ange- 
wiesen wsTi  hatte  darauf  bestanden  in  Hamburg  in  der  NKhe  ihrer 
Eltern  zu  leben,  von  denen  sie  nicht  getrennt  su  sein  wtlnschte« 
^in  gegenteiliger  Versuch  hatte  fast  su  einer  Entfremdung  der 
beiden  Gatten  geführt«  Dr«  von  Jage  mann  hatte  nachgegeben  und 
daraufhin  auf  die  UniversitHt  yerzichtet«  Er  nahm  eine  leitende 
Stellung  in  einem  der  besten  Hamburger  Krankenhtuser  an#  ür  hatte 
drei  Kinde rt  von  denen  Trude  gleichaltrig  mit  l\lax  und  Günther  war^ 
Max  hatte  sie  bfters  erwUhnt^  xmd  b  schrieb  sie  als  eine  Mischung 
von  Krimhilde  und  Circe^  also  schön  und  verderblich •  Wührendbttn- 
thers  Phantasie  durch  diese  Beschreibxing  sehr  ax^eregt  wurde t 
erklärte  Max  einfach^  dass  sie  ihm  viel  zu   blond  eei# 

Es  gab  noch  eine  andere ,  für  Gtbnther  interessante,  Besie« 
hung  SU  den  Jagemanns ,  nämlich  über  Irmgards  Assessor  von  Ja«» 
gemann«  Der  war  ein  Junger  Vetter  des  Arztes;  sein  Vater«  ein 
Bruder  des  Pfarrers ,  war  ein  bekazmter  Anwalt  gewesen  und  hatte 
ebenfalls  in  eine  wohlhabende  Hamburger  Familie  eingeheiratet« 
Kr  war  mitsamt  seiner  Frau  auf  einer  Heise  an  der  Cholera  ge«- 
sterben«  als  der  Assessor  gerade  die  Universitilt  bezogen  hatte* 
Klaus  von  Jagemann  hatte  sich  sehr  gewissenhaft  um  den  Jungen 
Verwandten  gekümmert  und  bis  su  seiner  Mündigkeit  dessen  Kapi«» 
tal  verwaltet*  Man  hatte  davon  gem\nikelt|  dass  der  Doktor  auf 


Ch.   17 


«58* 


•Ina  spMt«r«  V«xblxidusig  zwi80h«n  ««Iner  Tooht«r  Trtad«  und  d«i 
;)Unger«n  Vazm  g«hofft  hab«.     D«r  AsMMor  hless  ttbrlseixs  Brich 
und  var  rothaarig,  womit  ar  von  Truda,  dia  kaina  baaondars 
harzlicha  Zunaigung  zu  ihm  xu  haban  aehian,  oft  gah«ii>aelt  «urda« 
Wann  aan  gawlaaan  Zaichan  trauan  konnta*  wla  s.B.  dam  htlufigan 
Erachaiaan  daa  Asaasaora  auf  ;Janan  Gaaallschaftan,  «o  Iragard 
aingaladan  war,  oder  aalnam  Drüngan,  ao  vlala  TKnza  ala  nur 
iaaar  aehieklioh  auf  dan  BMllan,  dia  ala  baida  baauahtan,  mit 
Irogard  au  taxuan,  oder  aalner  auagaauohtan  HOfliohkait  Harrn 
und  ?rau  Hojk  gaganttbar,  hatte  Irmgard  au  ar«artan,daa8  ar  bald 
bei  ihren  Tatar  off  isiall  Torspraohen  wtlrda.     Baas  ala   ihm  ge-> 
neigt  aar,  daran  konnte  er  nicht  awelfeln,   jeder  konnte  daa 
aehen.     Ein  genalaaaaea  GeaprVohathama  xwiaahan  ihm  und  aeinar 
Zukunft iiren  war  der  ausgase iehnete  Ruf  und  die  Bedeutung  aeinea 
Vettara  Klaua  Ton  Jagamann  gaweaan,  damit  aollten  die  Eltern 
wohl  alt  aeiaer  Familie  bekannt  gemacht  aain«     Mit  der  Affaire 
Irene  Johannseii  hatte   es  Buntfchst  geschleneiif   eis  oü)  Irmgard 
daroh  Ihre  freundsohaft liehe  Besiehung  zu  Irene   In  den  Augen 
des  Assessors  heral^gesetst  sein  kt5nnte,   aber  die  Verbindung  des 
mteran  Jagemann  alt  dieaer  Affaire  hatte  die  Situation  aosu- 
aagan  auagegliehan, 

Ala  Günther  die  Schule  verlieaa,  hatte  er  noch  xilohta 
von  dar  neueaten  Entwicklung,  die  dar  Fall  Irene  genommen  hatte, 
gehbrt*     Er  beeilte  aich,  zu  ifax  au  kommen,   den  «gr  auoh  heute 
zxicht  auf  dem  Schulweg  getroffen  hatte.     Er  aorgte  aich  aehr 
xw  den  Freiuod  \md  war  in  einem  Zustand  Ton  Ratloaigkait  und 


/ 


Ch.    IV 


-56- 


Frau,  die  unter  so  merkwUrdlsen  Uastinden  geatorban  war,  und  dla 
er  dooh  kau«  gekannt  hafct«.     Das  Gericht   hatte  sich  davon  Über- 
zeugt, dass  kein  Mord  vorlag,  sondern  daaa  Prau  '»ttller  das  Rat- 
tengift aus  Versehen  za  sich  genonaen  hatte.     Niemand  konnte 
zwar  erkl)9iren  woher  sie  es  hatte  und  wozu  sie  es  brauchte«  da 
In  Harvestehude  das  Vorkoinmen  von  Ratten  unwahrsohelnlich  war. 
Ja,  es  wtlre  wohl  andere  gewesen,  hVtte  aie  in  einem  jener  alten 
Häuser  gewohnt,  die  tief  in  eii»n  der  ?leete  eintauchten  —  ja, 

da  wimmelte  es  von  Ratten.     Aber  in  Hamburgs  vornehmstem  Stadt- 
wohl 
teil?     Nein,  Prau  MMllers  Tod  war/»loeh  kein  Versehen.     Die  ein- 
zig mbgliche  Erklärung  war,  dass  sie   sich  selbst  das  Leben  ab- 
sichtlich genommen  hatte.     Bei  Ar  Obduktion  hatte  man  ein  Schwe- 

ilbares  Leberleiden  gefunden,  das  war  wohl,  worauf  auch 


res. 


Dr.  von  Jagemann  mit  seiner  Vermutung  in  dem  Bericht  hingewie- 
sen hatte. 

Gtlnther  kannte  den  Dr.  von  Jage  mann  vom  Sehen  und  Hören, 

wenn  man  das  sagen  kann.  Er  hatte  ihn  einige  Male  bei  den 
Lilienfelds  gesehen,  wenn  er  ihm  mit  Prau  Lillenfeld  begegnete. 
Er  war  freund  und  Hausarzt  der  Lilienfelds.  Sein  Buf  war  her- 
vorragend, wenn  auch  seine  Herkunft  nicht  ganz  so  eindeutig  war. 
Sein  Vater  war  Pfarrer  in  Alfcona  an  der  Kirche  St.  Georg  gewe- 
sen. Aber  die  Pamllle  staamte  nicht  aus  der  Gegend,  sondern 
war  von  dem  Kaschubiaohen  Grenzgebiet  West-  oder  Ostpreussens 
eingewandert.  Er  selbst  hatte  in  Dorpat  Medizin  studiert,  wo 
er  wohl  ein  Schüler  Professor  Johannsens  gewesen  war.  Er  war 
ein  bekannter  Spezialist  auf  dem  Gebiet  der  Inneren  Medizin  und 


l 


Ch.  IV 


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Nervenheilkunde  geworden^  der  ausgezeichnete  wissenschaftliche 
Beiträge  gemacht  hatte  und  eine  wissenschaftliche  Laufhahn  an 
einer  der  besten  medizinischen  Pakuktaten  seiner  Frau  wehren 
a-ufgeben  musste»   Seine  Frau  die  aus  einer  sehr  reichen  Familie 
stammte  und  auf  deren  Vermögen,  wie  es  hiess,  der  Doktor  ange- 
wiesen war,  hatte  darauf  bestanden  in  Hamburg  in  der  Nahe  ihrer 
Eltern  zu  leben,  von  denen  sie  nicht  getrennt  zu  sein  wtlnschte. 
Ein  gegenteiliger  Verfluch  hatte  fast  zu  einer  Entfremdung  der 
beiden  Gatten  geftthrt»   Dr#  von  Jagemann  hatte  nachgegeben  und 
daraufhin  auf  die  Universität  verzichtet •   Er  nahm  eine  leitende 
Stellung  in  einem  der  besten  Hamburger  Krankenhäuser  an^   Er  hatte 
drei  Kinder,  von  denen  Trude  gleichaltrig  mit  Max  und  Günther  war, 
Max  hatte  sie  Öfters  erwähnt,  und  brschrieb  sie  als  eine  Mischung 
von  Krimhilde  und  Circe,  also  schön  und  verderblich*  WöhrenclGUn- 
thers  Phantasie  durch  diese  Beschreibung  sehr  angeregt  wurde, 
erklärte  Max  einfach,  dass  sie  ihm  viel  zu  blond  sei« 

Es  gab  noch  eine  andere,  für  Günther  interessante,  Bezie- 
hung zu  den  Jagemanns,  nämlich  über  Irmgards  Assessor  von  Ja- 
gemann.  Der  war  ein  junger  Vetter  des  Arztes;  sein  Vater ^  ein 
Bruder  des  Pfarrers,  war  ein  bekannter  Anwalt  gewesen  und  hatte 
ebenfalls  in  eine  wohlhabende  Hamburger  Familie  eingeheiratet. 
Er  war  mitsamt  seiner  Frau  auf  einer  Reise  an  der  Cholera  ge- 
storben, als  der  Assessor  gerade  die  Universität  bezogen  hatte • 
Klaus  von  Jagemann  hatte  sich  sehr  gewissenhaft  um  den  jungen 

« 

Verwandten  gekümmert  und  bis  zu  seiner  Mündigkeit  dessen  Kapi- 
tal verwaltet*   Man  hatte  davon  gem\mkelt,  dass  der  Doktor  auf 


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ch.  rv 


-58- 


eine   spätere  Verbindung  zwischen  seiner  Tochter  Trude  und  dem 
jüngeren  Macn  gehofft  halje  •     Der  Assessor  htess  Übrigens  Erich 

« 

tuid  war  rothaarig,  womit   er  von  Tri:de,  die  keine  besonders 
herzliche  Zuneigung   zu   ihm  zu  haben  schien ^   oft   gehänselt   wurde. 
Wenn  man  gewissen  Zeichen   trauen  konnte,   wie   z.B#   dem  häufigen 
Erscheinen  des  Assessors  auf  jenen  Gesellschaften!   wo   Iriugao^d 
eingeladen  v^ar,    oder  seinem  Drängen i   so  viele  Tanze   als   nur 
iramer  schicklich  auf  den  Ballen^   die    sie  beide  besuchten,    mit 
Irmgard  zu  tanzen,   oder  seiner  ausgesuchten  Höflichkeit   Herrn 
und  Frau  HoyR  gegenüber ,  hatte    Irmgard  zu   erwarten, dass  er  bald 
bei   Ihrem  Vater  offiziell  vorsprechen  würde.      Dass  sie    ihm  ge- 
neigt  vjar,  daran  konnte   er  nicht   zweifeln,    jeder  konnte   das 
»then.     Ein  gemeinsames  Gesprächsthema   zwischen  ihm  und   seiner 
Zukllnftiaren  war  der  ausgezeichnete  Ruf  und  die  Bedeutimg  seines 
Vetters  Klaus  von  Jageroann  gewesen,  damit  sollten  die  Eltern 
wohl  mit    seiner  Familie  bekannt  gemacht   sein.      Mit  der  Affaire 

« 

Irene  Johannsen  hatte   es  zunächst  geschienen,    als   ob  Irmgard 
durch  ihre  freundschaftliche  Beziehung   zu  Irene   in  den  Augen 
des  Assessors  herabgesetzt  sein  könnte,    aber  die  Verbindung  des 
älteren  Jagemann  mit  dieser  Affaire  hatte  die  Situation  sozu- 
sagen ausgeglichen. 

Als  GUnther  die  Schule  verliess,   hatte   er  noch  nichts 
von  der  neuesten  Entwicklung,   die   der  Fall   Irene  genommen  hatte, 
gehört.     Er  beeilte  sich,   zu  Max  zu  kommen,   den   er  auch  heute 
nicht  auf   dem  Schulweg  getroffen  hatte.      Er   sorgte   sich   sehr 
vm  den  Ereund  und  war  in  einem  Zustand  von  Ratlosigkeit  und 


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-25- 


Chapter  III 


IREITE 


Üs  war  ein  kühler  feuchter  ^prlloiorren.      In  der  Kecht 
hatte    es  geregnet;   noch  waren  Pfützen  auf  der  Strasse   zu  se- 
hen und  der  7ussr«infrer9telg  war  feucht*     Günther  war  früher 


ala  sonst  von  zu  Hause  wep;ge 


n,   ohne  sein  Frühstück   zu 


l&Ae  zu  essen*     Fr  wollte  nlaasnden  von  der  Pamille   treffen* 


Hütte   ihm  Jemand  zugeschaut  wie  er  fast   in  Zickzack  seinen 
Weg  verfolgte,  so  hatte  der  Beschauer  vielleicht  gemeint^   dass 
er  einem  bestiaaten  inneren  oder  vorgeschriebenen  tMgrth:nua 
folf^te.     Aber  es  waren  nur  die   Regenwürmer,  die   ihn  dazu  ver- 
anlassten von  einer  Seite  dar  Strasse  zxir  andern  auszuv^eichen» 
Nach   einer  Regennacht  gab  es  so  viele  Rerenwürmer*     Es  ekelte 
ihn  vor   ihnen,  vor  ihrer  Nacktheit  und  Weichheit,   und  der  ?^- 
lichkeit  auf  einen  Kvorm  «u  treten,  ihn  zu  zerquetschen  oder 
Mitswei  zu  schneiden*     T?r  hatte  auch  das  Fischen  seit  einiger 
Zeit  aufgegeben,   weil  er  es  nicht  über  sich  bringen  konnte  ei- 
nen Vi^urm  an  den  Haken  zu  stecken •     Fs  war  bekannt,  dass  ein 
zerteilter  Wurm  keine  Finbusse  erlitt^   ;Ja  man  könnte   sa^en  im 
Gegenteil  davon  nrofitierte,   da  er  nun  zwei     ürmer  wurde   — 
aber  das  erhöhte  nur  den  Abscheu  und  das  Gefühl  der  Unheim- 
lichkeit •     Einmal  vor  Jahren  hatte  Günther  mit  andern  Kindern 
Eidechsen  fangen  wollen.     Es  gelang  ihm  auch  eine  zu  erwischen, 
•rfhielt  sie  an  ihrem  Schwanz   fest  und  musste  zu  seinem  Grauen 

erleben,  dass  nur  der  Schwanz   in  seiner  Hand  blieb;  der  Rest 
der  Elde.cV^e  -^ar  in  ein  Loch  in  der  Erde  geschlüpft.     Auch  an 


Ch.   III 


-24- 


öie  Icletaen  nackt*a  Müuae  wurde  or  erinnert,  die   er  einmal 
auf  einem  Feld  aufgegraben  hatte;   alle  diese  Frinnerungen 
waren  unangenehia  und  etwas  "beöngstigend.     Aber  heute  bei  sei- 
nem Versuch  nicht  auf  RegenwMrraer  zu  treten,   war  er  mit   etwas 
anderem  t«?3Ch»ftigt,  etwas  viel  Beängstigenderes,  das  er  ges- 
tem  von  Maieens  Mutter  gehbrt  hatte. 

Er  hatte   heute  morgen  seine   Familie  vermieden,   weil  er 
zu  sehr  mit  seinen  Gedanken  "beschäftigt  war  und  nicht  gefragt 
werden  wollte  aber  auch  nicht   In  die  Versuchung  kommen  wollte, 
selbst  einige  Fragen  zu  stellen, 

Frau  Lilienfeld  war  gerade  gestern  die  Treppe  in  ihrem 
Hause  heraufgekommen,   als  Günther  hinunter  stieg,  nachdem  er 
Maxens  Zimmer  verlassen  hatte.     Wie  immer  grUsste  sie    ihn 
freundlich,  aber  statt  der  «blichen  Frage  nach  Schule   und 
Wohlergehen  sagte  sie:      "Deine  Eltern  und  Deine  Schwester  müs- 
sen wohl   sehr  mitgenommen  sein  von  dieser  entsetzlichen  Sache, 
mit  Irmgards  Freundin.     Alle  Zettungen  sind  voll  davon.     Eine 
sehr  traurige  und  verwirrende  Angelegenheit,   in  die  so  ein 
armes  junges  Ding  hineingerät  und  sich  nicht  mehr  zu  helfen 
weiss.     Und  dann  kommt   die   ganze  Meute  auf  sie  zu,  Polizei  und 
Presse,  und  zerreisst  sie  und  zerztUckelt  sie  und  lösst  nichts 
von  ihr  Übrig."     GUnther  war  15  Jahre  alt;   er  hatte  bisher  keine 
Zeitung  lesen  dUrfen,  weil  Zeitungen  nicht   für  Kinder  schrieben. 
Er  war  entsetzlich  verlegen  und  gleichzeitig  aufgeregt.     Er 
konnte  Frau  Lilienfeld  nicht  gestehen,   dass  er  nicht  wusste wo- 
von sie' redete,  dass  man  ihn  z\ihause  noch  wie  ein  Babj  behan- 


Cta*  III 


-25- 


dal«««     Sl«  hMtf  wohl  d«rttb«r  g«Hleh«lt  »ItUidlg  \md  T«r- 
■chtllch.     Ir  taitt«  «In  OefUhl,   al«  ob  tr  b«r*ton  sollt«  vor 
HOugltzd«  und  glelohseitigoa  ErachMokea*     Trau  Llllonfold, 
dlt  «Ohr  alt  ihren  olgonon  GedanloBn  he»oh«f  »Igt  »»r  «la  aonat, 
naha  dl«  8tuAah«lt  das  Rziaben  als  Zaloben  Miuer  EraohUtt«r\mg( 
und  ••!(%•(   "Ich  ward«  yarauchan,  Irana  im  TtotarauühtingagafMng- 
nia  1«  baauohen»   ich  haha  ihre  Mutter  gakanat,  als  wir  baida 
,iUBg  aaran.**     Sia  lagte  ihra  Hand  ganz  laicht  auf  GUnthara 
Schulter»  wia  ua  ihn  »u  trOstan  und  ging  an  i ha  rorbai,  dia 

Treppa  hinauf« 

"Alao  aa  war  ataaa  mit  Irana"»  daohta  Gunthar,    "Hatta 
darum  Irmgard  ao  markwAlrdig  mürriach  auagaaahan,   ala  haba   sia 
aiaa  MigrIIna,  mit  ataaa  ga  ach  wo  IIa  na  n  Auganlidam.     Br  hatta 
gast  am  nicht  mit  ihnan  Mittag  und  Nachtmahl  gagaaaan,  wail 
dia  Daman  angeblich  au  dan  Groaaeltem  nach  Wandabeok  hatten 
fahren  mUaaan  und  dar  Vater  in  atinen  Club  gegangen  war.     Waa 
meinte  Frau  Lilianfald  mit  "zeratUckelt"  werden  —  wia  konnte 
omn  Irena  aarraiaman  und  nichta  von  ihr  Übrig  laaaen  —  war 
daa  wbrtlich  oder  bildlich  zu  nehmen?     Sollte  er  au  %x  tu- 
x^kgehaB}  dar  war  krank  und  lag  im  Bett  und  hatte  aeltaaa 
BurUokge Bogen  ausgeschaut,  ala  ob  er  aioh  nicht  bewegen  wollte« 
Br  hatte  auch  kaim  gaaproohan*     Günther  hatte  all  das  dam  Fie- 
ber zugeaehriaben  unfl  der  Influenza,   an  dar  Max  erkrankt  war« 
Jatst  sweifalta  er  an  allemi  Ilmx  hatte  Irene  einige  liila  ge- 
aehan,   aufUllig  auf  dar  Straaae  waren  aie  an  ihr  rorlibar  ge- 
^ngen  tyiid  Günther  hatte  aie  gagrUsat.     Vax  war  haimlioh  in 


i  I 


Ch*  III 


sie  verliebt»   glaubte  Günther»  weil  er  errötet  war»   als  sie 
das   zweite  Mal   ihr  begegnet  waren  und  seine  Augen  diesen  fer-* 
nen  Blick  bekommen  hatten»     GUnther  stand  noch  imaer  auf  der 
Treppe»   zögernd»   ob  er  hinauf-  oder  hinuntergehen  sollte. 
Sollte  er  Max  fragen  —  er  fürchtete  aber»  dass  Max  ihm  heute 
nicht  antworten  würde;  hatter  er  ihm  doch  sonst  wohl  frei- 
willig etwas  erzahlt.     So  ging  Günther  nach  Hause*     Er  hatte 
gehofft»  dass  auch  an  diesem  Abend  die  übrigen  Familienmit- 
glieder nicht  daheim  sein  würden;   aber  sie  kamen  zum  Essen» 
Sassen  mehr  oder  weniger  stumm  da»  und  beeilten  sich  »   so 
schnell  wie  möglich  mit  der  Tafel  fertig  zu  werden,     Horst 
fing  an»   etwas  zu  sagen»  aber  Lina  machte  ihm  ein  Zeichen» 
nicht  fortzufahren»  war   es  um  Iracards  Gefühle  zu  schonen 
oder  um  nicht  vor  Günther  die  aufregende  Angelegenheit   zu  be- 
sprechen»    Da  sie  alle    zuhause  waren»   konnte  er  auch  nicht 
heimlich  sich  die  Zeitung  zus ammensiic hen  oder  in  die  Küche 
gehen»   und  Minna   oder  Anna  befragen»     Die  beiden»   Köchin  und 
Stubenmädchen»   erztthlten  ihm  gewönlich  die  Geheimnisse  soweit 
sie   sie  wussten.     Es  war  erstaunlich  wieviele  Geheimnisse  es 
gab   in  der  Familie,  von  denen  Günther  sonst  nie  etwas   erfahren 
hatte •     Aber  es  brauchte  Zeit  und  geschicktes  Manövrieren»  um 
sie   zum  Sprechen  zu  bringen,   man  konnte  das  nicht  zwischen 
Tür  und  Angel  machen»     Heute  war  man  nicht  sicher»    dass  nicht 
Mutter  oder  Schwester  in  die   Küche  kcMnmen  würden;   sie   durften 
unter  keinen  Umständen  Günther  dort  finden. 

?o  blieT    ihm  nichts  anderes  übrig»    als   in  sein  Zimmer 


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Ch.  III 


-27- 


zu  gehen.  Er  versuchte,  seine  Hausaufgaben  zu  machen,  aber 
er  konnte  sich  nicht  konzentrieren.  Er  ging  ruhelos  auf  und 
ftl)  und  stand  eine  Weile  am  Fenster  und  schaute  in  die  dunkle 
Nacht  hinaus.  Schliesslich  schlich  er  sich  wieder  aus  dem 
Zimmer  heraus,  ging  ganz  leise  die  Treppe  hinunter,  und  auf 
Zehenspitzen  näherte  er  sich  der  Ttlr  des  Herrenzimmers,  in 
dem  die  Erwachsenen  versammelt  waren.   Er  drückte  sich  flach 
an  die  Wand  und  lauschte.  Es  schien  ihm,  dass  er  Irmgard 
weinen  hörte  \uid  ohne  sich  Über  den  Grund  dafür  klar  zu  sein, 
fühlte  er  eine  grosse  fast  beschämende  Zärtlichkeit  für  sie. 
"Sie  ist  doch  gut"  dachte  er. 

Herrn  Hoyks  Stimme  kam  klar  durch  die  Tür:  "Höre  auf  zu 
weinen,  Irmgard.   Es  besteht  kein  Grund,  Dich  auch  nur  im  ge- 
ringsten zu  besorgen  dass  Dein  ITame  in  irgend  einer  Weise  mit 
Irene  im  Zusammenhang  gebracht  wird.   Schliesslich  hast  Du  sie 
nicht  einmal  sehr  gut  gekannt.   Es  ist  sehr  bedauerlich,  dass 
so  ein  Skandal  in  unseren  Kreisen  vorkommen  kann,  aber  vergiss 
bitte  nicht,  dass  diese  Person  doch  eine  Fremde  ist,  wenn  sie 
auch  angeblich  mütterlicherseits  von  Adel  sein  soll.  Es  geht 
docl  nicht  an,  Lina,  dass  wir  unsem  Verkehr  auf  Kreti  und 
Pleti  erstrecken.   Diese  Affaire  soll  uns  allen  eine  Lehre 
sein."   "Es  ist  wirklich  kaum  zu  glauben,  wie  sich  diese  Per- 
son aufgespielt  hat",  warf  Horst  ein,  "sie  hat  gewöhnlich  getan, 
als  ob  ich  L\ift  wäre  oder  als  ob  sie  zu  hoheitsvoll  war,  um 

überhaupt  einen  Gruss  zu  bemerken  und  dabei  hat  sie  " 

"Schweigest ill"  unterbrach  der  Vater,  "Du  bist  hier  in  Gegen- 


Ch.  III 


$ 


wart  Ton  Dtin^r  Mutter  Sohwesttr^  irergiae  das  bitte  xxiohtl*' 
*^Warua  ala  dan  Namen  des  Vannes  nieht  nennen  will^  verstehe 
leh  nicht ^  ssste  Günthern  Mutter^   **iuxd  warum  sie  sich  nicht 
verteidigt«  nicht  den  wlxkllchen  Grund  sagt«  warun  ale  die  Frau 
^c^Uller  umgebracht  hat,  die  doch  seit   Ihrer  Kindheit  bei  Ihr  warl 
Ist  slles  so  gans  entsetzlich  und  grauenhaft  und  Unverstand-- 


llchJ" 

Günther  hbrte  nun  wieder  Irmgard  aufschluchzen #     Er  war 
so  aufgeregti  dass  er  am  ganzen  Kbrper  zitterte  und  susste  war- 
tMin,  bis  das  Zittern  nachlless«   so  dass  er  sich  ztxrttck   In  sein 
Zimmer  schleichen  konnte*     Irene  hatte  eine  Prau  ^»fUller  umge- 
bracht und  hatte  eine  geheimnlevolle  Beziehung  zu  elxiem  Mann« 
eine  Jener  Beziehungeni  die  man  nicht  In  Gegenwart  von  Mutter 
und  Schwester  erwVhnti  Über  die  Sch\il;jungen  Im  Geheimen  tuscheln 
und   Ischen  und  Über  die  Günther  Immer  noch  nicht  gewagt  hatte ^ 
Wwlx  um  AufklMrung  zu  bitten«     Aber  wie  konnte  man  diese  Dinge ^ 
Kord  und  verbotene  Bezlehungeui  nur  mit  Irene   In  Terblndung 
bringen^  mit  einer  Irene«  die  am  ehesten  einer  Lille  Shnllch 
war«     Sie  war  ao  zart«  schlank  und   schOn  und  sah  kUhl  und   ant- 
rttckt  aus.     Selbst  Horst  hatte  es  bemerkt • 

Irene  Johannsen  war  in  Dorpat  auf  die  Welt  gekommen«  el«* 
ner  Universitätsstadt  In  den  Baltischen  Provlnzeni  wo  der  mttt-- 
terliche  Grossvater«   ein  Baron  von  SchulHÄnn«  als  Professor 


der  ^.iedlzin  tut  lg  und  berühmt  war«     Seine  Tocher  Emanuela  war 
bei  Verwandten  in  Hamburg  zu  Besuch  als  sie  den  Jtmgen  Arzt 
und  Äispcj^ischaf tler  Johan  Johannsen   kennen  lernte.      Die  beiden 


^ 


A. 


Ch^   III 


-.29- 


(Jungen  Leute  verliebten  sich  leidenschaftlich  in  einander  und 
da  es  dem  Profesaor  von  Schulmann  gerade  an  einem  tüchtigen 
Assistenten  gebrach ,   Hess  er  Johannsen  nach  Dorpat  kommen  und 
verschaffte  ihm  die  sehr  begehrte  Stellung  an  der  Univers ItHts- 
kllnlk*     Johann  und  Fmanuela  heirateten  und  lebten  viele  Jahre 
in  einer  Liebesehe,  die  nur  durch  die  Tatsache   ihrer  Kinder- 
losigkeit getrübt  wurde •     Der  alte  von  Schulaann  starb  und  hin- 
terlless  seiner  Tochter  ein  grosses  Vermögen  \ind   seinem  Schwie- 
gersohn seine   Professur ,   eine  blendende  wissenschaftliche   Kar- 
riere und  eine  weit  ausgedehnte  Kcmsultationspraxis« 

Endlich,  als  Eaanuela  schon  fast  40  Jahre  alt  war^  wurde 
sie    schwanger«     Sie  gab  einem  Tt5chterchen  das  Leben,  verlor 
aber  das   ihrige   im  ^^/ochenbett*     Profesaor  Johannsen  ging  mit 
einer  Expedition  nach  Süd-Afrika  um  eine  dort  ausgebrochene 
Fpidemie  der  afrikanischen  Schlafkrankheit  su  studieren*     Sip 
infisierte  sich  und  starb  ungefähr  6  Monate  nach  dem  Tod   sei- 


•n:». 


ner  /rau# 


Irene  wuchs  ohne  Eltern  a\xf*     Sl^  hatte  einen  Vormund, 
der  sich  darum  kümmerte,   daas  sie  die   richtigen  PfleR;erlnnen 
hatte,   in  die   richtigen  Schulen  gixjg  und  engagierte  schliess- 
lich eine  Frau  Therese  ?^ü)ler,  die  gerade  verwitwet  war,    als 
eine  Art  Gesellschafterin  oder  Duenna  für   das  heranwachsende 
inidchent     Frau  Müller  war  ihm  von  Bekannten   recht  empfohlen 
worden,  als  eine  verUlssliche ,  sittenstrenge,  religiöse   Per- 
son, die  man  wohl  eine«  jungen  Mfidchen  aus  gutea  Hause  zur 
Heite  stellen  ^cnntSi  und  mit  der  man  ein  solches  ^tinges   Mgd- 


Ch.    III 


-30- 


ch«n  wohl  «uch  auf  dl«  Htls«  »ehicken  konnte.     Dieser  Aspekt 
war  besondere  wlehtig»  da  Irene  nach  Deutschland  gehen  sollte, 
um  dort  eine  h!5here  Töchterschule  zu  besucheng     Man  einigte 
«Ich  auf  Hamburg.     Es  wurde  durch   einen  Agenten  ein  Haua   in 
Horvestehude  gekauft  und  eingerichtet.      Ir«»  und  Frau  «ttller 
bezogen  •■  im  Herbat  34.     Sie  war  damals  16  Jahre  alt  und  trat 
in  die  oberste  Klaaaa  der  Schule  ein,   in  der  die  jungen  üWdchen 
aua  guten  Hamburger  Familien  ihre  Erziehung  erhielten,   und   die 
auch  Irmgard  Hoyk  besuchte.     Irene  war  still  und  axirückhaltend 
und    schloss  sich  nicht  leicht  an  ihre  Altersgenosainnen  an. 
Sie  besuchte  (Jedoch  Irmgard  einige   Pfeile  und  lud   sie   mit  anderen 
jungen  '.mdchen  zu  sich  zum  Tee  ein.     Sie  wurde  von  allen  benei- 
det und  bewundert,  da  sie  ein  völlig  unabhängiges  Leben   zu  ftlh- 
ren    schient  jedenfalls  war  keine   AutorltÄtaperson  zu  bemerken. 
Frau  \'miler,    dar  die  Prundinnen  höflicherweiae  vori»t teilt 
wurden,  machte  ehar  den  Findruck  einer  Untergebenen,   die   sich 
Irenens  Anordntmgen  fügte.     Irenes  Voriaund  labte  auf  seinen 
Gütern   in  Kurland,  und    falls  sie  Verwandte   in  Hanburg  hatte, 
so  schien  sie  jedenfalls  nicht  auf  «ahr  intimen  Ptiaa  nit   ihnen 
zu  stehen.     Irmgard,  die  von  jeher  dazu  neigte   ihre  Freundin- 
nen zu  idealisieren,  war  ganz  und  gar  in  Irene  vernarrt.   Sie 
verteidigte  sie  sogar  Horst  gegenüber,  der  sich  durch  ihre  har- 
ablasaande  Haltung   gekrUnkt  und  zurückgewiesen  fUhlte.     nach- 
dem sie  nach  eittt«  Jahr  die  Schule  beendet  hatte,  hörte  und 
sah  mßn  wenig  von  ihr.     Nur  sehr  gelegentlich  kam  sie   mit   Irm- 
gard  zusammen,   d'sren  Bewunderung  und  AnhUnglichkelt    ihr  wohl- 
zutun schien , 


I    I 


Ch.   III 


-31- 


Aa  10.  April  1886  brachte  das  Hamburger  Premdcnblatt  und 
die  Hamburger  Zeltung  die  Nachricht,   dass  Fräulein  Irene  Johann- 
■en,  Harvestehuder  Weg  21,   Ihre  langjährige  GefBhrtln  und  Haus- 
dame mit  Rattengift  vergiftet  habe.     31e  habe  das  Verbechen  ein- 
gestanden, sloh  aber  p^eweigert   einen  Gr\md   dafür  ansugeben. 
Erst  nachdem  das  Hausmädchen  bei  der  Zeugeavernehmvmg  ausgesagt 
hatte,  dass  das  "Fräulein  hiluflg  am  Abend  Herrenbesuche   empfan- 
gen habe,   fand   sich  Irene  dazu  bereit,  eine  weitere  Aussage 
zu  machen.     Sie  gab  zu,   eine  Liebesbeziehung  zu  Hiiem  verhei- 
rateten Mann  seit  einiger  Zeit  unterhalten  zu  haben.     Er  habe 
ihre  "=;  in  samice  1 1  \md  Un  erfahren  hei  t,  wie  sie  Jetzt  wisse,   mit 
Hilfe  ihrer  früheren  Hausdame  ausgenutzt.     Bine  fiitteilung  sei- 
nerseits, deren  Inhalt  sie  nicht  preiszup-eben  gedächte,   habe 
direkt  zu  ihrem  Fntschluss  geführt,  Frau  '■•üllcr  zu  töten.      Frau 
MUller  sei  eine  verräterische   Ratte  gewesen  und  habe   daher  eine 
gerechte  Bestrafung   erlitten. 

Me  Zeltxingen  wiesen  darauf  hin,  dass  die  .junge   Dame   kei- 
nerlei Anzeichen  von  Reue  oder  Kummer  über  die  Tat  zur  Schau 
trüge.      Sie  wurde   als  wortkarg,  tinmitteilsam  und  unnahbar  be- 
schrieben.    Im  allgemeinen  schienen  die  Vertreter  der  "Presse 
darüber  beunruhigt,  dass  sie  sich  weder  in  einem  nervenzusaan 
aienbruch  noch   im  Zustand  tiefster  Zerknirschung  befand. 

Den  Namen  ihr«s  Liebhabers  weigerte  sie  sich  zu  nennen, 

da   sie  genug  Unheil  angerichtet  habe  und   keinen  Grund  habe, 
seine  Feailie  In  Schande  und  TMglück  zu  stürzen.     Dabei  ver- 
blieb sie.     Auch  dem  Anwalt,  dtn  der  telegraphisch  benachrlch- 


Ch.  III 


-?2- 


tlgte  Vormund  telegraphisch  für  sie  bestellte,  machte  sie  keine 
weiteren  Vit teilungen.  Die  gute  Gesellachaft  Hamburgs,  Inabe- 
sondere .jene  Heuser,  die  sich  dem  Jungen  KrMuleln  gastfreund- 
lich geöffnet  hatten,  war  Skandal isi er t,  schockiert  und  gleich- 
seitig heimlich  erregt  als  hUtte  sie  Champagner  getrunken. 

Es  war  Günther  In  dar  Früh  gelungen,  die  gestrige  Morgen- 
zeitung und  auch  das  Abendblatt  zu  finden.  Er  war  sehr  früh 
aufgestanden,  bevor  noch  die  MMdchen  auf  waren.   Er  war  mit 
dem  Gelesenen  und  Frlauschten  beschilft  igt  und  versuchte  zu  ver- 


stehen. 


die  Zel'^ungen  n\ir  angedeutet  hatten.     Er  war  ver- 


wirrt, wenn  er  an  Frau  Lilienfelds  mitleidige  Worte  dachte   xmd 
sie  mit  der  scharfen  Red«  seines  Vaters  oder  gar  mit  Horst  s  häss- 
lichen  Bemerkungen  verglich.  Er  fragte  sich,    ob  Irmgard  so  ge- 
weint hatte,  weil  sie  Mitleid  für  die  unglückliche  Freundin 
•mpfand  oder  weil  sie  selbst   im  zwtideutiaren  Licht  erscheinen 
könnte,   da  sie  aus  ihrer  Zuneiiung  und  Bewunderung  für  Irene 
keinen  Hehl  geroacht  habe,  ;Ja  sich  ihrer  Freunschaft  wo  immer 
und  wann  immer  eine  Gelegenheit  sich  bot,   gerühmt  hatte.     Hürde 
dsr  junge  Assessor  Jagemann  sich  nun  sturückzlehen,  wie   die   Mut- 
ter frestem  befürchtend  erwBhnt  hatte;  würde  man  sie  vielleicht 
gesellschaftlich  schneiden?     Günther  trottete  zur  Schule  und 
wünschte,   dass  er  Max  schon  befragen  könnte;   Max,   der  krank  im 
Bett  lag  und  gestern  ein  so  leidendes  Gesicht  hatte.     Plötzlich 
kam   ••  Günther  vor,  als  ob  üJax  vielleicht  geweint  hatte.     War 
er  wohl  Irene«  wegen  krank? 


Ch^    III 


-53- 


arinther  konnte  sich  wahrend  der  Sohulstunden  nicht  kon- 
zentrieren.    Br  wurde  aiehrmals  berufen  Uxid  Herr  Prof.   Meyer» 
Min  Kleö<^enlehrer,  verlor  schliesslich  die  Geduld  mit    Ihm  und 
trug  einen  Tadel   Ina  Klassenbuch  ein.     Otlnther  naisste  eine  halbe 


n 
t  ) 


tunde  ßÄchaitzen.     Sjr  sah  T^of.  Meyer  mit  so  unverst  Und  Hoher 


Miene  an,  dass  der  I  ehr  er  ihn  schliesslich  fortschickte»  weil 
er  sicher  war»  dass  der  Junge   krank  sei« 


-34- 


Ctopttr  IV 


Dt«  Ton  Srnmum 

D«r  faehirstlleh»  B«rioht  tfber  Ir«iit  Johannscns  G«suad- 
hclts-  tmd  0«  Ist  •«zustand  «rsehisa  in  dsr  Absudsussab«  dsr 
Hsaburger  Zsltung  sohoa  mm  Tsg  nsoh  dsr  «rstsn  Raohrioht  ron 
dsm  vsranitttsn  Mord  an  Prau  Mülls v.     Das  Gutaehtsn  war  voa  Dr. 
Klaus  Ton  Jagsaiaxin  untsrss lohnst  •     In  disssm  Gutsohtsn  vsrtrst 
dsr  Arst  dls  Msinung,  dass  Frtulsin  Johsnnssns  Gsstlndnis  und 


Ankunft 


tnr  ssisn.     Er  sslbst  Itanats  das 
Ln  Hamburg.     Sis  hstts   ihn  tSftsrs 
konsultiert  wsgen  vorwlsgsnd  nsrvössr  Bsschwsrdsn,  von  dsnsn 
Schlaf  loslgkslt  dls  hsrvorstsehsnists  gswsssn  war.     In  dsn 
Iststsn  Wochsn  habe  sieh  sLns  dsutllobs  Schwsraut  bsi  ihr  sia- 


Vshrungsvs  rwsigsrong 


Grund 


hntt«  absr  als  Grund  Sehnsucht  nach  ihrsr  Heimat  und  dsn  ver- 
storbenen Eltern,  die  sie  nioht  sinaial  gekannt  hatte,  angege- 
ben und  dem  Arst  such  einmal  erklitrt,  dass  sie  am  lisbsten  tot 
sein  mochte.     Dr.  von  Jagenann  war  ttberseugt  davon  dass,  was 
sush  immsr  nit  dsr  Frau  *<miler  geschehen  wtre,  es  sieher  nleht 
in  Irene* s  Msoht  stsnd  oder  ihrem  Charakter  entsprach,  einen 
solchen  Mord  su  begehen.     Sie  hMtte  keine  oder  sehr  wenig  Ahniug 
von  Ratten-  oder  anderen  Giften  gehabt  oder  wie  man  aolehe  er- 
Isagea  ktJnatei  sie  sei  eine  Junge  Person,  die  in  prsktisehen 
Dingen  vbllig  unerf ehren  sei.     Hingegen  sei  es  nicht  untypisoh 


Ch.  I? 


-35- 


fUr  •»  SöhwtrBTOt  LtlÄtnd«  »loh  so  Ich  gr»u«nh»ft«r  Verbrechen 
SU  betchuldlgta,  »elbst  wenn  kttn  Tode»f»ll  «Ich  gerade  ereig- 
net h»be.    Unter  den  obwaltenden  Umstanden  aber  hebe  eich  Fräu- 
lein Johennsen««  Gemütserkrankung  durch  den  Tod  Ihrer  Hauadaoe 
ao  vertieft,  daaa  Ihr  Geatlndnla,   ale  uagebracht  su  haben,   nur 
auf  dleaer  Grundlage  «u  veretehen  sei.     Dr.  Ton  Jageaann  fügte 
Gniu,  daea  er  Frau  Wller  »ftera  ala  Begleiterin  dea  PrUuleln 
Johannaen  gesehen  habe.  Ihn  die  Beziehung  der  beiden  Damen  nlchl 
ala  besonders  nahe  aufgefallen  sei;  er  habe  ▼ermutet,  daaa  Frau 
lüllers  Gesundheit  saust  and  «u  wCnschen  tlbrlg  Hesse.     Sie  habe 
Ihn  aber  nie  ihrer  seibat  wegen  konaultlert. 

Harr  Dr,  HUder,  der  voa  Vormund  beatellte  Anwalt,  hatte 
auf  Grund  dieses  Gutachtens  den  Untersuchungsrichter  überzeugt, 
dass  Irene  Johannaen  an  elatr  achweran  Gemüt akrankhelt  litte 
und  hatte  bewirkt,  daaa  ale  aua  der  Untereuohungshaft  entlas- 
sen wurde,     Sie  wurde  sofort  in  ein  Privat aanatorlo«  ausserhalb 

Hamburgs  gebracht. 

Es  atellte  alch  «brigena  heraus,  daaa  Frau  Müller  vOlllg 
ohne  Pamllienanhang  war.     Sie  sohlen  auch  keine  nahen  Freunde 
au  haben.     So  verlor  alch  daa  Intereaae  an  Ihx  «ehr  bald  und 
die  Hamburger  Geaellachaft  kUimerte  alch  nicht  darum,  was  mit 
Ihrer  laiche  nach  der  gerichtlichen  Sektion  geschehen  war. 

Günther  httrte  allerdinga  von  Max,   daaa  Dr.  von  Jageaann  die 
Beerdlfungakoaten  auf  alch  genommen  hatte  und  dafür  geaorgt 

hao«,  daaa  Frau  Müller  In  Ohladorf  anatindig  begraben  wurde. 

Ihn  rührte  und  bedrückte  diese  Füraorge  dea  Aratea  für  eine 


Ch.   IV 


-59 


T^rwlrrun«.     Da1>al  fürchtete  er  sich,  durch  Fragen  Max  su  ver- 
mmden  oder  seine  eigene  17«lTitVt  blosssuatellen.     Das  Llllen- 
feldlsohe  Haus  sohlen  1ha  unhelalloh  ruhig*     Als  er  Tor  &!arens 
Tür  stand,  hOrte  er  Stimmen.     I^r  klopfte,  erhielt  keine  Ant- 
wort^  ttffnet«  sber  trotzdem  dlt  TUr.     Max  lag  Im  Bett  und  auf 
dam  Battrand  aaas  Dr»  von  Jageaann«     Gtlnthar  arkannta   ihn  ao- 
fort,   obgleich   er  ihm  den  RUoken  auwandtai     «r  hatte  etwaa  8o 
iJ^Terkannharea  In  seiner  Geatalt  und  Haltung,   der  oritehtige   ei- 
förmig auageaogene  Hinterkopf ,  die  etwaa  nach  yoma  geaogenaa 
Schultern^  der  lange  gerade  '?tlckeK  und  dar  achlanke  Hiila  — 
Gtbathar  htttte  ea  nicht  in  ?/orte  f aasen  kOnnen,  aber  der  KOrpar 
dea  Spanne a  drückte  eineraeita  einen  atarren  Willen  und  ander«* 
aeita  aina  faat  Überfeinerte  Zartheit  aua«     Max  und  der  Ar«t 
schienen  so   sehr  im  GesprHoh  vertieft,  dass  sie   erat  nach  eini-» 
fen  Augenhlicken  die  Anwesenheit  einea  dritten  hemarktan«     Max 
begrUaate  den  ?reund  mit  einem  LAchelne     Er  sah  elend  aua,   odLt 
aeinen  eingefallenen  Wangen,  die   aehr  blaaa  wai«en,  und  dunklen 
Sehatten  unter  den  Augen«     Aber  er  schien  etwaa  ruhiger  ala  am 
vergangenen  Tag#     Jagemnn  erhob  aich  und  reichte  Günther  die 

« 

Hand*     Sein  Gesicht  passte  zu  aeiner  langen  hageren  Geatalt# 
Ea  war  gross  angelegt,  mit   hoher  Stirn  und  eckigem  Kinn«     Die 
Augen  lagen  tief  \inter  gutge  zeichne  tan  aber  blonden  Brauen, 
deren  Schwung  d«n  Geeicht  eine   leichte  Ironie  verlieh«     Dia 
tiefen  halten,  die  von  der  grossen  etwaa  gebogenen  Naae  au  dem 
weiten  geschwungenen  ?jund  liefen,  vertieften  noch  diesen  Ire«» 
nisohen  Ausdruck,     Ein  kurzer  dichter  blonder  Backenbart 


i   i 


Ch^   IV 


-40- 


yarahmte  das  Gesicht  und  sststs  die   sehr  grossen^  ausserordeat«* 


lieh  fein  ausgebildeten  Ohrmuscheln  ab« 


trug 


das  die  Augen  noch  grösser  und  tiefer  erseheinen  Hess«     Ob- 
gleich die  Stirn  sehr  bedeutend  war^  so  schienen  doch  in  die- 
sem Gesicht  die  Sinnesorgane  wie  tiberbetont*     Günther  ertappte 
«ich  dabei ^  dass  er  an  den  Solf  im  Mttrchen  vom  Rotkäppchen 
dachte«     Ohren I   Augen ^  Mund  und  Nase  «*-  was   laoBr  durch  die 
Sinne   erfasst  werden  konnte,  würde  diesem  Menschen  nicht  ent- 


gehen*    Die  Hand|   die  Gtüathers  Hand  einen  Augenblick  lang 
hielt,  war  fest  und  kühl  und   dabei  verführerisch  sart  — 


fast 


zirtlich''  dachte  Günther  und  schtimte  sich  dieses  Gedankens* 
Er  fühlte  in  diesem  Augenblick  dass  etwas   in  ihm  vorglngi  das 

* 

mit  der  Gegenwart  dieses  Mannes  zu  tun  hatte i   tnd  das   Ihn  irwr- 


wirrte«  erschütterte  und  unerklMrlich  erregte*     Er  spürte  eine 
wilde  schmersllche  Sehnsucht^  die   in  dem  Wunsch  gipfelte  auf 
immer  in  Jagemanns  Nthe  su  bleiben  tind  gleichseitig  wünschte 
•r,  dass  der  Arst  weggehen  und  nie  wieder  seinen  Weg  kreuzen 
sollte*     Er  htttte  sich  am  liebsten  aus  dem  Zimmer  geschlichen 
und  irgendwo  draussen,  wo  man  ihn  nicht  hören  konnte,   laut  ge- 
brüllt«    Statt  dessen  blas  er  die  ZSihne   zusammen  und  errOtete 
bis  unter  die  blonden  Haarwurseln«     Klaus  von  Jageiaann  hatte 
sich  inzwischen  wieder  Max  zugewandt^  von  dem  er  sich  verab- 
swhledete«     ''Ifun  gut,  iMln  Junge *%  sagte  er,    "mlss  Deine  Tem- 


Haat 


peratur*     Auf  alle  ?alle  bleibat  Du  morgen  im  Zimmer« 

Du  kein  Fieber  mehr,   so  darfst  Du  wenigstens  etwas  aufatehen* 

Du  hast  wahrscheinlich  eine  leichte  Influensa«  aber  man  soll 


Ch,   IV 


-41- 


dooh  ▼oreichtlg  st in  —  btsondtrs  bei  Dir",  fUgt«   er  mit  elnea 
bed«titung8voU«n  Blick  hlnau,      "Vor  «Htm  »btr  ist   ts  gut,  data 
Du  nun  Gtttlltohtft  hast.     Maoh  Dir  ktlnt  Sorgen  und  nicht  so 
▼ielt  Gtdanktn,     Wir  WJnntn  zwar  nicht  allta  «laatn  und  tun, 
abtr  doch  manchta",   dann  lachte   tr  und  attztt  hlnxut      "wlt   im 
Faust".     Er  nlcktt  Günther  »u,  berührte   fast  zürtllch  »azans 
Schulter  und  vtrlies«  das  Zimmer« 

Nachdem  der  Arst  das  Zimmer  verlasatn  hattt,  schwiegen 
die  Freunde  eine  Walle.     Jeder  schien  seinen  eigenen  Gedanken 
naohzuyiasaa.     T^ndllch  sprach  Itex  mit  belegter  Gtimmei    "Ich 
habe  mich  gestern  und  auch  haute  morgen  nicht  wohl  gefühlt; 
stark»  Kopfschmerzen  und  etwas   erhöhte  Temperatur,  weisst  Du« 
•eine  Mutter  hat  den  Jagemann  alarmiert,  aber  ich  waiss  und 


sla  weiss  es  auch,  dass  ich  nicht  wirklich  krank  bin.     Du  hast 
sicher  gawusst,  dass  mich  die  entsatzliche  Sache  mit  Irena  Jo- 
hannsen  aahr  aufgeregt  hat,  und  ich  habe  schon  als  Kind  oft 
Fieber  gehabt,  wann  Ich  mich  aufgeregt  habe.     Es  war  aber  gut 
▼on  meiner  Mutter,   dass  sie  Jage  mann  gerufen  hat  —  ich  habe 
mit  iha  aprechen  kbnnen,  und  er  hat  mich  sehr  beruhigt."     "Wie- 
so",  fräste  Günther,    "es  ist  alles  doch  gans  schreckllchi   der 
Mord,   und  die  andere  Sache  mit   dem  Mann..."     "Hein,  nein,   das 
ist  im  alles  schon  nicht  mehr  wahr,   schon  überiiolt"  fuhr  ihm 
Max  rasch  dazwischen.      "Jagemann  hat  das  alles  schon  richtig 
gestellt  —  Iren»  Ist  auch  nicht  mehr  in  Haft.     Sie  h^en  aie 
schon  entlassen  und  sie  ist  nun  zmt  Beruhigung  und  Recozrvslesoens 


in  elnam  privaten 


um.     Abar  Du  kazmst  das  Ja  noch  nicht 


Ch,   IV 


-42- 


wlsatn,  d«  Du  J8  gar  lc«lii«  Zeltungtn  gÄlestn  hast!  Also,   ich 
wtrd«  Dir  all«8  «rzlihlan.     Der  Jagemann  Ist   einfach  harrllch, 
so  furchtlos  und  gsrade  uod   gasehlcktl"     Er  arzÄhlte  nun  den 
ga  spann  tan  Gttofehar  voax  Jagananas  Gutaehtan  und  dassan  sofortlga 
Wirkung  und  aueh  von  dar  wirklich  vlltarllchan  Ftlraorga  das 
Arstas  ftbr  Iran«. 

f 

"Nun  ;Ja",  meinte  Günther,   "was  er  üher  Irenas  ?5ohwermut 
sagt,   nag  Ja  wohl  richtig  sein  —  obgleich  so  atwaa  aohwar 
Tostallhar  tat,  dass  man  eu   seinen  eigenen  Ungunsten  LUgan- 
gaschlehten  ersMhlt  —  Du  welsst   sehen  -—  die  eklige  Sache  mit 
dem  Mann  —  das  ist  doch  gar  nicht   erklBrt  alt  dam  waa  Jagemann, 
Ich  meine  der  Herr  Dr.  von  Jage  mann  sagt  —  der  ^»ord  wohl  schon, 
«It  dieser  Gemüt skrankbeit  aber» ."      "Oh,   daa  lat  alles  Unsinn" 
untarhrach  ICax  ungeduldig,    "Jageoann  hat  mir  euch  daa  erklärt, 
wie  er  ea  auch  dam  Anwalt  —  tmd  dieser  darauf  dam  Untereiichungs- 
richter  —  erklÄrt  hat.     Siahat  Du,  gerade  well  Irene  schwer- 
■Utlg  lat,  lat   sie  bereit  allaa  was  ssn  ihr  nur  Torheiten  will, 
ala  wahr  ansuarkennen  imd  aich  dann  seibat  su  bezichtigen  •—  ob 
es  nun  ein  Mbrd  lat  odsr  solch  eine  unredliche,   hÄssllche  Be- 
ziehung*    Jagemann  aagte,  dass  er  mehnaals  -von  Frau  MQllar  a« 
aplteren  Nachmittag  gerufen  wurde  Irenes  wegen,   da   sie  weder 
essen  wollt«  noch  schlafen,     fr  kam  dann  am  Abend,  wurde  von 
freu  MtÜLler  hineingelaaaen  und  verauehte  aogar  Irene   In  einen 
hypnotischen  Schlaf  zu  versetzen.     15r  ist   sicher,  dass  das 
mdchen  Ihn  gehört  habe  und  daraufhin  ihre  eigene  unsaubere 


Ch.   IV 


-43- 


* 

I 


'■\ 


Phantasie  hat  waltan  laaaan«     Irtne^    In  Ihrem  aohon  Überreiz- 
ten  Zuatand  hat  dann  auch  diese  Schuld  ixod  Schande  auf   sich 
nehmen  wolle».     Sl«  aoll   Jetzt  ganz  atill  und  apathisch   seln*^, 
aetzte   er  alt  lelaer  "itlrniM  hinzu#      '*Wa8  mir  leid  iatt"  fuhr 
Max  fortt   ""lat^  daaa  ich  nun  wchl  kaum  mehr  Oalegenhelt   haben 
werdet   ihr  yorgeatellt  zu  werden.  Ich  hatte  darauf  m  gehofft^ 
ale  bei  tet  Jagemerma  zu  treffen«     Sie  stand   so  gut   ndt    ihnen« 
Mit  dem  Doktor  ual    seiner  ?raU|   sollte  ich   sagen  —  denn  Trude 
hrit   irgend  etwas  gegen  aie  gehabt,   aie  hat   Imar  an  ihr  her- 
ungemHkelt ,  kein  gutea  Haar  an   ihr  gelassen  —  fast  so  als   ob 
sie  neidisch  oder  elfersttchtis  auf  sie  w8re.     Dabei  ist  Irene 


doch  viel  mter 


drei   oder  vier  Jahre 


als  Trude»     Aber 


Trude  hat   es  laiMr  zu  Tex^indern  gewusst^   dass  Irene  da  war« 
wenn  ich  bei  dan  Jageaanns  eingeladen  war«     Ich  könnte  Dir  noch 
eine  Menge  von  dem  Doktor  erzählen  *~  er  war  nicht  nur  zu  Irene 
ao  gut;  er  ist  ^jeiBand«   dem  ich  voll  und  ganz  vertraue  und  mit 
de«  ich  alle  solche  Dinge  beaprechen  kanui  Über  die  oan  eich 
sonst  so  geniert   zu  sprechen«'^ 

Voller  Erstaunen  httrte  Günther  seinen  Freund  sagen,   dass 
es  Dinge  gab,  ttber  die  zu  sprechen  er  sich  genierte«     Tm  war 
ihm  nie  in  den  Sixm  gekommen,   dass  auch  Masr  solche  Dinge  und 
Gefühle  kannte«  Wenn  Immer  der  ?reund  schweigsam  oder  nicht 
mitteilsam  war,   hatte  Günther  angenommen,    es  mit  wirklieh 
mtnnllcher  Zurückhaltung  su  tun  zu  haben«    Worüber  konnte   Max 
sich  genleren  zu  sprechen«     Er  schob  die  auftauchenden  Ge«» 
dank   -»  raaeh  beiseite  und  erinnerte   sich  am  die  merkwürdigen 


/ 


I 


/ 


/ 


I  I 


Ch.    IV 


-39 


Verwirrung.      Dabei  ftlrchtete  er  sich,  durch  Fragen  Mioc  zu  ver- 
wunden oder  seine  eigene  Naivität  hlosszustellen.      Das  Lilten- 
feldisohe  Haus   schien  ihm  unheimlich  ruhig.     Als  er  vor  Maxens 
TUT  stand,   hörte   er  Stimmen.     Er  klopfte,   erhielt  keine  Ant- 
wort, ttffnete  aber  trotzdem  die   Tür.      Max  lag  im  Bett   und  auf 
dem  Bettrand  sasa  Dr.  von  Jagemann.     Gtlnther  erkannte   ihn  so- 
fort,   obgleich   er  ihm  den  Rtlcken  zuwandte«      er  hatte  etwas   so 
Unverkennbares  in  seiner  Gestalt  und  Haltung,    der  mächtige   ei- 
förmig ausgezogene  Hinterkopf,   die  etwas  nach  vorne   gezogenen 
Schultern,  der  lange  gerade   Rücken  und  der  schlanke  Hals   — 
Gtlnther  hatte   es  nicht  in  7/orte  fassen  können,   aber  der  Körper 
des  Mannes  drückte   einerseits  einen  starren  Willen  und  ander- 
seits  eine  fast  überfeinerte  Zartheit  aus.      Max  und  der  Arzt 
schienen  so   sehr  im  Gespräch  vertieft,  dass   sie   erat  nach  eini- 
gen Augenblicken  die  Anwesenheit   eines  dritten  bemerkten.      ?tex 
begrüsste  den  Freund  mit   einem  Lächeln.     Er   sah   elend   aus,    mit 
seinen  eingefallenen  7;angen ,  die    sehr  blass  waren,   und  dunklen 
Schatten  unter  den  Augen.     Aber  er  schien  etwas  ruhiger  als  am 
vergangenen  Tag.      Jagtaann  erhob  sich  und  reichte  Gtlnther  die 
Hand.     Sein  Gesicht  passte  zu  seiner  langen  hageren  Gestalt. 
Es  war  gross  angelegt,  mit   hoher  Stirn  und  eckigem  Kinn.      Die 
Augen  lagen  tief  unter  gutgezeichneten  aber  blonden  Brauen, 
deren  Schwung  dem  Gesicht  eine    leichte  Ironie  verlieh.      Die 
tiefen  Falten,   die  von  der  grossen  etwas  gebogenen  Nase  zu  dem 
weiten  geschwungenen  Mund  liefen,  vertieften  noch  diesen   iro- 
nischen Ausdruck.     Ein  kurzer  dichter  blonder  Backenbart 


1 


Ch.   IV 


-^- 


umrahmte  das  Gesicht  und  setzte  die    sehr  grossen,  ausserordeat 
lieh  fein  ousgehlldeten  Ohrmuscheln  ab.     Er   trug  ein  Pince-aez 
das   die  Augen  noch  grösser  und   tiefer  erscheinen   Hess.      Ob- 
gleich die  Stirn  sehr  bedeutend  war,   so  schienen  doch  in  die- 
sem Gesicht  die  Sinnesorgane  wie  ttberbetont.     Gtlnther  ertappte 
sich  dabei,   dass   er  an  den  Wolf   im  MSrchen  vom  Rotkäppchen 
dachte.     Ohren,  Augen,  Mund  vnA  Nase  —  was   immer  durch  die 
Sinne    erfasst  werden  konnte,  würde  diesem  Menschen  nicht  ent- 
gehen.     Die  Hand,   die  Gtothers  Hand  einen  Augenblick   lang 
hielt,  war  fest  und  kUhl  und    dabei  verführerisch  zart   —   "fast 
zärtlich"  dachte  Günther  und  schämte   sich  dieses  Gedankens. 
Er  fühlte  in  diesem  Augenblick  dass  etwas   in  ihm  vorging,  das 
mit   der  Gegenwart   dieses  Mannes  zu  tun  hatte,   und  das   ihn  ver- 
wirrte,  erschütterte  und  umerklHrlich  erregte.      Er  spürte  eine 
wilde   schmerzliche  Sehnsucht,   die   in  dem  Wunsch  gipfelte   auf 
immer  in  Jagemanns  Nöhe  zu  bleiben  und  gleichzeitig  wünschte 
er,  dass   der  Arzt  weggehen  und  nie  wieder  seinen  Weg  kreuzen 
sollte.     Er  hatte   sich   am  liebsten  aus   dem  Zimmer  geschlichen 
und  Irgendwo  draus  s  en ,  wo  man   ihn  nicht   hören  konnte,   laut   ge- 
brüllt.    Statt   dessen  biss  er  die  Zöhne    zusammen  und   errötete 
bis  unter  die  blonden  Haarwurzeln.     Klaus  von  Jagemann  hatte 
sich  Inzwischen  wieder  Max  zugewandt,  von  dem  er  sich  verab- 
schiedete.     "Nun  gut,  mein  Junge",   sagte   er,    "miss  Deine  Tem- 
peratur.    Auf   alle  Falle  bleibst   Du  morgen  im  Zimmer.     Hast 
Du  kein  Fieber  mehr,    so  darfst   Du  wenigstens  etwas  aufstehen. 
Du  hast   wahrscheinlich   eine  leichte   Influenza,   aber  man  soll 


Ch.  IV 


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dooh  vorsichtig  sein  —  besonders  bei  Dir"»  fUgte  er  mit  einem 
bedeutungsvollen  Blick  hineu.   "Vor  allem  aber  ist  es  gut,  dass 
Du  nun  Gesellschaft  hast.   Mach  Dir  keine  Sorgen  und  nicht  so 
viele  Gedanken.  Wir  können  ZTwar  nicht  alles  wissen  und  tun, 
aber  doch  manches",  dann  lachte  er  iind  setzte  hinzu:   "wie  im 
Faust".  Er  nickte  GUnther  zu,  berührte  fast  zÄrtlich  Maxens 
Schulter  und  verliess  das  Zimmer. 

Nachdem  der  Arzt  das  Zimmer  verlassen  hatte,  schwiegen 
die  Freunde  eine  Weile.  Jeder  schien  seinen  eigenen  Gedanken 
nachziihSngen.  Endlich  sprach  Max  mit  belegter  Stimme:  "Ich 
habe  mich  gestern  imd  auch  heute  morgen  nicht  wohl  ^fUhlt; 
•tarke  Kopfschmerzen  und  etwas  erhöhte  Temperatur,  weisst  Du. 
■eine  Mutter  hat  den  Jagemann  alarmiert,  aber  ich  weiss  und 
sie  weiss  es  auch,  dass  ich  nicht  wirklich  krank  bin.  Du  hast 
sicher  gewusst,  dass  mich  die  entsetzliche  Sache  mit  Irene  Jo- 
hannsen  sehr  aufgeregt  hat,  xind  ich  habe  schon  als  Kind  oft 
Fieber  gehabt,  wenn  ich  mich  aufgeregt  habe.  Es  war  aber  gut 
von  meiner  Mutter,  dass  sie  Jagemann  gerxifen  hat  —  ich  habe 
mit  ihm  sprechen  k'önnen,  \ind  er  hat  mich  sehr  ber\ahigt."   "Wie- 
so", fragte  GUnther,  "es  ist  alles  doch  ganz  schrecklich;  der 
Mord,  und  die  andere  Sache  mit  dem  Mann..."   "Nein,  nein,  das 
ist  ja  alles  schon  nicht  mehr  wahr,  nchon  Überholt"  fuhr  ihm 
Max  rasch  dazv;i3Chen.   "Jagemann  hat  das  alles  schon  richtig 
gestellt  —  Irene  ist  auch  nicht  mehr  in  Haft.  Sie  haben  sie 
schon  entlassen  und  sie  ist  nun  zur  Beruhigung  und  Reconvalescenz 
in  einem  privaten  Sanatorium.  Aber  Du  kaxmst  das  Ja  noch  nicht 


KtMt 


Ch.   IV 


-42^ 


wissen^   da  Du  ja   gar  keine   Zeitiingen  gelesen   hast  l  Also,    ich 
werde   Dir  alles  erzählen.     Der  Jagemann   Ist    einfach  herrlich^ 
so   furchtlos   und  gerade  und   geschickt l"     Er  erzählte   nun  dem 
gespannten  Günther  von  Jagemanns  Gutachten  und  dessen   sofortige 
Wirkung   xmd  auch  von  der  wirklich  väterlichen  Fürsorge  des 
Arztes   fUr  Irene. 

"Nim  ja*',   meinte  Günther,    '*was   er  über   Irenes   Schwermut 
sagt,    mag  ja  wohl  richtig    sein  —   obgleich   so  etwas   schwer 
vostellbar   ist,    dass  man   zu    seinen  eigenen  TJngxxasten  LÜgen- 
geschichten  erzählt   —  Du  v/eisst    schon   —  die    eklige  Sache   mit 
dem  Mann  —  das    ist   doch  gar  nicht    erklärt   mit  dem  was  Jagemann, 
ich  meine   der  Herr  Dr*   von  Jage  mann  sagt   —   der  Mord  wohl   schon, 
mit   dieser  Gemütskrankheit  aber.*"      '^Oh,    das   ist  alles  Unsinn'^ 
unterbrach  Max  ungeduldige    ''Jagemann  hat   mir  auch  das   erklärt, 
wie   er   es  auch  dem  Anwalt  —   und   dieser  darauf   dem  Untersuchungs- 
richter — -  erklärt  hat.     Siehst   DUf    gerade  weil   Irene   schwer- 
mütig  ist,    ist    sie   bereit   alles  was  man   ihr  nur  vorhalten  will^ 
als   walir  anzuerkennen  und  sich   dann   selbst   zu  bezichtigen   —  ob 
es   nun  ein  Mord  ist   oder  solch   eine   unredliche,    hässliche  Be- 


ziehung.    Jage  mann  sagte  ^  dass    er  mehrmals   von  Prau  Müller 


am 


spateren  Nachmittag  gerufen  wurde  Irenes  wegen,  da  sie  weder 
essen  wollte  noch  schlafen.  Er  kam  dann  am  Abend,  wurde  von 
Frau  Müller  hineingelassen  und  versuchte  sogar  Irene  in  einen 
hypnotischen  Schlaf  zu  versetzen.   Er  ist  sicher,  dass  das 
Mädchen  ihn  gehört  habe  und  daraufhin  ihre  eigene  unsaubere 


II 


Ch.    TV 


-43- 


Phantasie   hat   walten  lassen.      Irene ^    in  ihrem  schon  überreiz- 
ten Zustand   hat   dann  auch  diese   Schuld  xind  Schande   auf    sich 
nehmen  wollen*      Sie    soll   Jetzt  ganz   still  und  apathisch   sein'*, 
setzte    er  mit   leiser  Stimme  hinzu#      '^Vas  mir   leid  ist/'   fuhr 
Max  fort,    "ist,   dass  ich  nun  wohl  kaum  mehr  Gelegenheit   haben 

^  werde,    ihr  vorgestellt  zu  werden.    Ich  hatte  darauf    so   gehofft, 

f. 
,  sie   hei   den  Jagemanns  zu  treffen*     Sie   stand    so  gut   mit    ihnen. 

Mit  dem  Doktor  und    seiner  Frau,    sollte   ich    sagen  —  denn  Trude 

hat    irgend  etwas   gegen  sie   gehabt,    sie  hat    immer  an   ihr  her- 

umgemSkelt,   kein   gutes  Haar  an   ihr  gelassen  —  fast   so  als    ob 

sie   neidisch   oder  eifersüchtig  auf   sie  wHre.      Dabei    ist  Irene 


doch  viel  alter 


drei   oder  vier  Jaiire 


als   Trude.      Aber 


Trude  hat    es  immer  zu  verhindern  gewusst,    dass   Irene   da  war^ 
wenn  ich  bei   den  Jagemanns  eingeladen  war.      Ich  könnte   Dir  noch 
eine  Menge  von  dem  Doktor  erzählen  —  er  war  nicht  nur   zu  Irene 
so   gut;    er  ist   jemand,    dem  ich  voll  und  ganz  vertraue  und  mit 
dem  ich   alle  solche   Dinge  besprechen  kann,   über  die  man   sich 
sonst   so   geniert   zu  sprechen*" 

Voller  Erstaunen  horte  Günther  seinen  Freund  sagen,    dass 
es  Dinge   gab,   über  die   zu   sprechen  er  sich  genierte.     Fs  war 
ihm  nie    in  den  Sinn  gekommen,    dass  auch  Max  solche   Dinge   und 
Gefühle  kannte.   Wenn  immer  der  Freund   schweigsam  oder  nicht 
mitteilsam  war,   hatte  Günther  angenonmien,   es  mit   wirklich 
mannlicher  Zurückhaltung   zu   tun  zu  haben.    Worüber  kannte   Max 
sich  genieren  zu   sprechen.      Er  schob   die   auftauchenden  Ge- 
danken rasch  beiseite   und  erinnerte    sich   an  die   merkwürdigen 


Ch.  IV 


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Vvorte  dio  Max  in  Bezug  auf  Irenec  riensbmadchen  p:e:^\),^B3rt 
hatte:   "-ie  hat  ihre  eigene  unsaubere  :hajntasie  v/alten  lassen^'. 
Er  v/ollte  bestimmt  nicht  in  der  selben  Klasse  mit  diesen  liäd- 
chen  ^:ein.  Er   musste  sich  von  Max  verabschieden,  da  es  spät 
v/ar  und  er  ungern  die  AufmerkasmKelt  seiner  Bamilie  heute  auf 
sich  frezogen  hätte,   ^o  versprach  er,  iViax  am  nächsten  Tag  wieder 
zu  besuchen  und  verliess  ihn  mit  etwas  leichterem  Herzen  als 
er  p;ekommen  v;ar.  Vex   v/ar  vvenigstens  in  einem  besseren  Zastand 
als  gestern.   r^ir  beschimpfte  sich  aber,  dass  er  aus  ihm  unklaren 
Gründen,  nicht  völlig  von  Jagemianns  -rklärunf:';  überzeugt  war.   Er 
ärgerte  sich  darüber  und  versuchte,  sich  selbst  ausschaltend, 
sich  zu  der  Annahme  dieser  -.^Irklärung  zu  zwingen.   Es  ging  nicht. 
Irgend  etwas  schien  nicht  zu  stimmen  —  er  wusste  nicht  v/as. 
Vielleicht  war  es  Jagemann  selbst  und  dies  unfj^ewölmoe ,  über- 
wältigende Gefühl,  dass  er  ihm  gegenüber  erapiunuen  ha'Gte*   Sr 
konnte  es  nun  sehr  leicht  und  schnell  wieder  hervoi^rufen,  x^enn 
er  es  zuliess  —  aber  er  kämpfte  dagegen  an#   Was  hatte  dieser 
f';anii  an  sich,  dass  man  ihm  so  verfallen  konnte,  ohne  ilin  über- 
haupt zu  kennen?  Und  Max?  War  er  ihm  auch  verfallen?  Glaubte 
er  darum  alles,  was  von  Jagemann  gesagt  hatte,  so  unbedingt? 
Günther  rannte  nacn  tiause.   tür  wollte  nicht  mehr  danken,  nicht 
an  Irene  und  all  das  Schreckliche  und  Unverständliche:  Mord 
oder  Gemuübki^ankheit  —  nicht  an  Jagemann  und  was  er  ihm  antun 
konnte,  und  vielleicht  nicht  einmal  an  Max,  ffi^au  ulier  — 
warum  sollte  sie  sich  getötet  haben?   ..eil  sie  totkrank  v;ar  — 


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at3te   .uax.      Güuth'ar  v/ollte  nicht   an  den  Tod  denken  —  er  hasate 


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Ch»  IV 


-.^1-5-. 


die  DSmmerung  und  das  fahle  Mcht^  das  von  d^n  Gasl&ntWHü^n 
schien*   Sr  war  arleichtort^  als  er  bei  seinem  Haus  ankam« 
Die  Vorhalle  v;ar  beleuchtet^  \md   es  duftete  nach  Kalbsbraten* 
Noch  von  ein  paar  Ta;:en  hatte  er  sich  geniert^  daes  man  üo 
häufig  in  der  ::3lle  roch^  was  in  der  ICOche  ftkocht  wurde.   Heute 
heimelte  eß  ihn  an^   gab  ihm  ein  Geftlhl  vor.  VSrme  und  Geborgen-- 
hcit^  und  ganz  unvermutet  grüsste  er  ßeiüe  Mutter,  die  aus  dem 
Damenziiimer  in  die  TIalle  trat,  indem  er  seine  Arme  um  sie 
echlang.   Caroline,  Überrascht  durch  diese  völlig  una;ev;Öhnte 
Zärtlichkeit  ihrer  Jüngsten,  legte  ihre  )!and  cofort  auf  Mine 
rtirn,  da  rio  überzeugt  v:ar ^   daos  er  Fiaber  hatte. 


Klaus  von  Jagemann  stnnd  einen  Augenblick  unschlücsig 
da,  nachdem  er  die  HaustUr  des  Lilienfeldischen  Kausee  hinter 
eich  zugezogen  hatte.   ^8  fiel  ihn  ein,  dass  reine  Frau,  ^loe, 
heute  aochmittag  ihren  Jour  hatte.   Daraufhin  entschloss  or 
sich^  nach  Hause  zu  fahren.   Ir  hielt  eine  vorbeifahrende  Trosch- 
ke  an  und  gab  seine  Addresce.   Im  Waffen  zurCckcelehnt  dachte 
er  an  die  verflocsene  -tunde  zurück,  in  der  er  eine  schwierige 
Arbeit  vollbracht  hatte.   5e  schien  ihm,  dass  er  mit  dieser 
Leistung  manchea,  v;aß  er  Bich  vorzuwerfen  hatte,  zumindoöt  wett- 
enacht  aatte,  wenn  or  e::  auch  nicht  ftoit  od?r  untjeEChebcn  itachen 


konnto.   Wie  dler??r  Knrtbe  ihm  vortT^aute!  Ss  war  ihm  frelur -en, 
Geinen  Glauben  an  die  <velt,  an  die  Gute,  an  die  l^nechheit 


wieder  aufzurichten,  eine  Seele  zu  stützen,  die  im 


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iff  war, 


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A^ 


Ch,  IV-2 


•46- 


anders. 


zu  zerDrechen.  Wbs  nachte  es  aue,  ot  es  auf  Grund  vor  Wahr- 
heit  oder  Unwahrheit  geschehen  war.  Ueberdies.  was  v'«r  In 
diesen  Zusammenh^mg  schon  Wahrheit.  Kr  hatte  L^ax  sehr  gerne. 
Es  gab  in  Hamburg  -^  vielleicht  auch  anderswo  --  nicht  viele 
solcher  gescheiten  und  dabei  sensitiven  und  idealistischen 
Knaben.   Reine  eigenen  beiden,  Peter  und  Taul,  waren  völlig 

Die  interessierten  sich  nur  fttr  praktische  Dinge— 
von  Trude  gar  nicht  zu  sprechen,  '/.enn  Trude  von  etwas  Unbe- 
kanntem hörte,  war  ihre  erste  Frage:   "Kann  man  das  essen?" 
war  Ilse  auch  so  gevrecen,  als  sie  Jung  v.ar?  Er  konnte  sich 
das  n^cht  recht  vorstallen.  3r  hatte  sie  als  alfenhaft  zart 
in  'i*inn:jrung ,  als  ob  ein  Hauch  sie  unwerfsn  konnte.  Ur  hatte 
sie  auf  einem  Ball  beim  Bürgermeister  Petersen  kennen  t^elarnt 
und  hatte  nicht  mehr  schlafen  kennen,  bevor  es  ihm  gelang  bei 
ihren  Vater  eingeführt  zu  ..erden.  F.r  hatte  seinen  ganzen 
Willen  und  oein  ungeheuer  einfallsreiches  Gehirn  ans  V/erk  ge- 
setzt, und  es  wahr  ihm  nach  etwa  einer  v,'oche  gelungen,  eine 
solche  Flinftlhrung  zi  einer  passenden  Gelegenheit  zu  bekommen. 
Daraufhin  schlief  er  16  r-tunden  lang.  Bei  diesem  ersten  Wieder- 
sehen mit  Ilse  gestand  er  ihr  seine  Liebe  und  schildorte  ihr 
seinen  Zustand  wShrend  der  vergangeren  '  oche.  Ilse  v.ar  über- 
rumpelt von  seinen  Gefühlen.   Ausser  seiner  begonnenen  Untver-   ii 
sitgtscarriere  imd  seiner  glänzenden  Zukunft  hatte  er  nichts 
eu  bieten.   Aber  Ilses  Vater  konnte  seiner  einzigen  Tochter 
nichts  versagen:   so  verlobten  sie  sich.  Nach  einem  Jahr 
heirateten  sie  -  aber  mit  der  v.lssenschaftlichen  Laufbahn  v.ar 
^s  aus.   Kr  gab  nach,  wie  er  in  seiner  Ehe  immer  nachgegeben 


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-47- 


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jaatte otglolch  er,  "beEonderß  Im  letzten  Jahr,  sich  cahr 

weit  von  Ilse  innerlich  entfernt  hatte.   Das  hatte   aber  nicht 
die  Frage  nach  einer  Aehnlichkeit  mit  seiner  Tochter  b«*ntv/ortet. 
l?r  glaubte  nicht,  dass  Trade  irgendwie  Aehnlichkeit  mit  ihrer 
Mutter  hStte.   Ilse  war  zwar  nicht  mehr  aetherisch,  war  es  viel- 
leicht nie  gewesen,  aber  Bie  war  ein  's-armer  imd  freundlicher 
Mensch.   Von  Trude  fürchtete  er  sich  fastj  sie  war  von  einer 
unbeschreibbaren  Rücksicht ioßigkeit ,  berechnend  und  völlig  ohne 
sittliches  Gefühl.   Sie  war  allerdings  auffallend  schön.   Hie 
war  licht-b-ond  mit  veilchenfarbigen  Augen,  die  von  *thM.r£,en 
Wiüiparn  eingerahmt  waren,  riaoe  Augen  waren  die  Srgctsn  Be- 
trüger; Klaus  Jagemann  erschauerte,  als  er  daran  dachte,  wie 
seine  Tochter  schon  von  klein  auf  sich  dör  Wacht  ihrer  Schön- 
heit und  besonders  ihrer  Augen  bewusst  gewesen  wer,  und  \vie  sie 
von  allen,  ihren  Vater  miteingeschlossen,  erreichte,  wonach  sie 
gerade  begehrte.   Dabai  kam  es  ihr  nicht  auf  die  :.:ittel  an,  die 
eie  benutzte.   Sie  konnte  mit  dem  unschuldigsten  Gesicht  lU^^en 
und  verleumden,  und  häufig  schob  sie  z.3.  den  Brüdern  Dinge  in 
die  Cchuhe,  die  .  ie  begangen  hatte.   Peter  und  ?aul,  die  :3wil- 
ling«,  v,aren  Trude  gegenüber  von  ;jeher  hilflos  gewesen  —  "von 
Jeher?"  fragte  sich  V'.n  Jagemann  und  verbesserte  eich  dahin- 
gehend dasß  er  diese  Kilfloßimgkeit  zurUckführte  auf  ein  .Ereignis, 
in  dem  er  die  beiden  G'dhna  aufs  strengste  bestraft  hatte  auf  eine 
Anklage  seines  TSchtercbea::  hin.  Danals  war  er  noch  aon  ihr 
v-dllig  bestrickt  gexvesen  and  hatte  ihr  blindlings  geglaubt. 
^ie  Saci'3  hatte  sich  an  der  Nordree  abgespielt,  wo  die  ganze 


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Ch.  IV-2 


«mn^Qm» 


war  r.  Jahre   alt  und  die  Zwillinge  fünft  Pie  Kinder  v/aren  un- 
btaufsichttgt  am  Strand  gewe.-en.  Er  war  überzeugt  gewesen ^ 
dann  er   ruf  Grund  einer  NachlSceißkeit  des  ICIndermSdchenB  ge- 
schehen rart  Fr  hatte  eich  nicht  einmal  die   J/Ühe  gencmren^  nach- 
znforrcben^  rondern  die  Frau  nofort  nach  dem  Freignic  entloGsen* 
Er  hrtte  sie  fortfrewieöen^  alß  sie  ihn  flehentlich  bat^  ihr  zu- 
zuhören.  7f?tßüchlich  Y'ar,  das£  die  Kinder  unbeaufi  ichtigt  am 
Strond  Y:areni  und  dacß  Trude  vsinend  nnch  Fcmre  gelaufen  kom^ 

* 

•it  der  völlig:  verworrenen  Crerchichte^  dasr.  die  Zv/ililn^e  im 
Waewir  reien^  Fie  hStten  ihr  nicht  gehorcht  urj:"  r.elen  immer 
tieff^r  hireingelaufen^  und  rie  habe  vergebens  versucht  sie  zu- 
rückzuhalten* Sie  var  so  auMNir  sich^  so  vei zweifelt^  Aass  nionand 
ihre  Worte  bezv^eifelte,   Jafreirtann  Jagte  den  ^'eg  vom  ''aus  zum  Strand 
hinunter«  "Die  Gezeiten  hatten  orerade  gev/echeelt ;  die  Flut  hatte 
di?  :T)be  abjelSst»  So  viav   der  Wasßerspiegel  roch  nicht  sehr 
hoch  und  die  V eilen  umspielten  die  blosegelegten  Felsen  nahe  am 
Ufer,  aber  etwas  v.eitar  drau3sen  waron  sie  ^jchon  macht iger  and 
spülten  Ober  die  Felsenklippen  hinweg.   Auf  einen  die  -:er  Felsen 
«ah  or  seine  beiden  Jun^rens  sich  anklamnarni  Bov/ohl  an  den  im- 
wlrtllchen  ^^^ein  ale  auch  aneinander.  Von  Zeit  zu  Zjit  schwerunte 


eine  ?velle  über  sie  hin.  Sie  Hessen  ihren  Crritf  noch  nicht  los^ 
prusteten  und  versuchten,  au  schreien«  Jagemann  war  in  küri^es- 
ter  Zeit  bei  ihnen ,  nahm  sie  beide  Je  euf  einen  Arm  uixd  brachte 
sie  in  Sicherheit.   liJr  war  so  zornig  und  ausser  ßich|  da:ie  er 
sie  dann  auf  der  Stelle  züchtigte.   Srst  danach  hörte  er,  was 
/  *^"   dl 3 ^'.einenden  Binder  sagten.  Sie  behaupteten  Trude  habe  sie  • 


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Familie  Ja^  .ai^ 


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-xi  faai  »vocuda  Im 


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Ch.  IV-2- 


-49- 


<  ♦Ih- 


Überredet,  init  ihr  so  ;veit  hinauszugehen  zu   dem  Folsan,  auf 
dem  der  Vatex'  sie  gofunden  ha.te.   Cie  versprach  ihnen  dort 
etwas  gan»  Wundorbaros  zu  sei'Seru      «rauit  seien  ßie  dort  ange- 
kommen, sei  die  Fiat  t5ekoinraenj  f^rude  sei  davon  gerannt,  5^ie 
seien  aber  zu  klain  um  den  Grossen  *^'ellon  zu  entwischen,   Sie 
hatten  schreckliche  AngEt  gehabt.   J8f3;emann  erlaubte  kein  '^'ort 
davon;  er  v-ar  Überzeugt  davon,  dass  die  Jansens  nach  ein?r  Aus- 
rede suchten.   So  boctimmte  er,  iass  sie  ßofort  inr  Bett  Tr!U8ßten, 
und  da^^s  sie  nicht  zum  K:inderfe£t  aia  nSchßten  Tag  pehen  durften, 
ein  *;reigniLS,  auf  dae  t^ich  alle  Inder  be£ianderG  freuten,  da 
es  allerlei  "ettspicle  dabei  gab,  in  denen  nan  nein  Genchick  und 
seinen  Mut  zeigen  konnte  und  die  Möglichkeit  hatte,  ^'veive   und 
Ehi-en  zu  gewinnen.  loter  und  Paul  dujrften  nicht  hingehen.   Trude 
wurde  von   ihrem  Vater  zu  dem  Pest  hingeführt.   Für  eter  und  '^aul 
mochte  diese  'Ereignis  in  dem  Btee  vex^blasst  sein  und  violleicht 
ihnen  nur  noch  mit  Fantasien  verwoben  erscheinen,  in  den  er.  für 
den  Vater  mit  den  Jahren  klarer  und  unheimlicher  v/urde.   Er  \vehrte  ' 
sich  zwar  gegan  den  Gedanken,  dasß  Trude  willentlich  die  'Rrüder 
ins  reer  hinausgelockt  hatte,  aber  je  Slter  sie  7vurde  unxl  ,je 


v 


besser  er  ^i-i  kannte^  um  £0  BtVxx^T  vrurJan   iie  Zvvüifel  «1  ihrer 
üncch'jld.     rie  Pxlldcr  hatten  ^bor  nlr^    vljder  irgendjtv.Mfi  £'egen 
die   eitere   r^chv;eeter  c:;u8gftflec:t. 

I 

Jageniann  öffnete  die  Haustür  mit  seinem  SchlÜBcel.   Tm 
Parterre,  wo  die  GesellcchaftßrSuEie  lagen,  hielt  er  eich  nicht 

^  auf.   ^r  hörte  Stinunen  und  Lachen  aus  dem  faion  kommen.   Tür 

V 

•stieg  die  Treppe  hinauf  und  ging  in  i^eiix   Arbeit ezimr.orr   '^ant-^l 


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und  Hut  W8a:f  er  auf  einen  reseel.  "^p  wa-»^  5  Uhr«  '^   "•'"' 

v/ 


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Ch.  TV-2 


-5)- 


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der 


eine  Stunde  ^slt  bis  dlo  fxäßte  forfsin^en.  Des  Zimnör  war  warm. 
^;r  ging  an  den  gronson  weisGön  ICacholofan  horon,  und  fand  ihn 
heies.  Dann  setzte  er  sich  auf  den  nchreibtiecnseosel,  schloss 
die  r-chreibtischachublade  auf  und  entn-'hm  ihr  einen  lacken 
Briefe.  Einen  Au}?enblicV.  zögert ü  er,  Behaute  auf  und  Bing  wieder 
zu  dem  Ofen.  Diocsal  öffnete  er  die  Ofentür  und  v/arf  die  Briefe 
in  die  Crlut.  Eine  Plainme  zischte  herauf  und  leckte  an  den 
Briefen;  dann  waren  sie  völlig  von  Feuer  eineehüllt  und  ntir  für 
eine  ."ekunde  etwa  sah  man  deutlich  die  Änsclirift  auf  einem 
Briefe:   "Geliebter  Klausl"  ^.r   schloss  rasch  die  Ofentür,  Als 
er  sich  umdrehte,  seh  er,  dess  teine  Tochter  Trude  im  ZiTnmer 
stend« 

"Ich  habe  geklopft,  Vater"  —  "wirklich"  fügte  eie  sehr 
dringlich  hinzu»  als  sie  seihen  zweifelnden  Blick  bemerkte 
"wirklich  —  Du  warst  sc  in  Gedanken  vertieft»  dass  Du  mich 
nicht  gehört  hast.  Ich  hörte  Dich  in  Dein  Ziauaer  gehen  vor 
kurzer  Zeit  —  so  wusste  ich»  dass  Du  hior  bist;  sonst  wäre  ich 
natürlich  nicht  in  Dein  Zimner  gegangen."  iClauo  erkundigte  sich, 
was  sie  denn  von  ihm  wollte.  Seine  Zweifel  waren  nicht  beige- 
legt durch  Trudes  hastige  ^^rklärung.  Er  wussto  auch  nicht,  wie 
lange  cie  schon  dort  gestaüden  und  ihn  beobachtet  hatte,  fis 
v.-ar  aber  bosser,  der  'Ingelegenheit  nicht  zo  viel  Wichtigkeit 
durch  Fragen  oeiKulegen.   "Poll  nie  s.ich  denken,  ?;as  i««er  sie 

g"  dachte  er,  Trude  wollte  wissen,  sagte  sie,  wie  es  Max 
ginge.  Sie  wisse,  ihr  Vater  sei  gerade  von  einem  Besuch  bei 
ilm  zurückgekocmen  —  sie  habe  ilin  zu-" 
er  zu  den  .ilienfelds  münne»  da  Mf 


Mutter  sagen  holten,  dass 
•  sei  —  heute  mc. 


'  meine  sie,  als  ''utter   ' 
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Trudc,  ..*.  .en  e«..on  »«.«Utag  nach  aor  Sc.ul,  .»,„t.t.  da 
Sie  doch  un  .a.  r«c!,t  b^orgt  s.l.  -^u.o   ...i^,„  ,^„, 

-6  i..!r.  Bou  Jdtit  bezalgt  haben,  w«»  «ff  ^ing 
re.son  .i.  „1X.UC.  Ist.  Ic^  h.be  l^er  s,,:u..t.  aa.e  .u  el.e 
UhelnhelUge  und  H.uohlerl.  ist  -  so  ein  ■•.l».,h.r.-r„h.-.ich- 
nicht  an"  und  nun  .0  et..M"  Irude  lachte  verSchtUoh  >u,4 
Klaue  mite.  d„e.  er  argerUch  wurde.  Dae  war  „leht  gut.  Kx 
.ue.te  auch  den  Vorurteilen  seiner  eigenen  Tochter  gegenüber 
..chlioh  und  eeduläie  bleiben.  So  er.lSrte  er  Ihr  .ur.  dl.  reu. 
e-hl.Ee  und  fü,te  nur  hin^u.  da«  .s  M«  be..er  Blnce.  das.  er 

eine  Inf iuenze  hebe,  noch  7r  t^-h+'  n« 

e,  nocn  zu  Jett  lieee,  abor  norgen,  falls  er 

X,  cuictehen  dürie.  Dnnn  cacte  er  In  einen  etwas 
persönlicheren  .on,   -Du  scheinet  .a.  etwas  .u  .Ichtl,  .u  nah.er, 
^rude.   icl  vabo  Mch  nie  ao  Irtereaaiert  nach  ,l3.anden  anderen 

:.ra,-cn  h'-'reü.  Da  bist  imjre-nccht   -rt^s-mn   tt.,^v>^    j,  ^ 

UÄLö-vcn-c  gegen  Ipfjna,  well  Du  rait  Pecht 

anni».st,da33  .le  Ma..  6ef.,.n.n  Wnnte.  Du  ha.t  mSsUeh.rweiB. 
soäar  1,  Sinn,  dase  Du  riax  Lilienfeld  heiraten  ^Irat.  Du  bist 
schliesslich  .chon  13  Jahre  und  in  Dein.,.  Alter  nacht  wn  viele 


•olche  ritoe.  Ma.er  eine.  ;„ein  "ind.  korat  absolut  nicht  in 

Mr,u>=  ..'.r,  i^,   ich  nie  =alr„  3in:rlui5„„e  a.,,„  .^^^ 


I^rag 


würde e 


*  =:.tte  das  letzter«  leldenr-ahnftMoher  e-.^rt  «ig  ^r 

'•%'ÄV''*^*^'"  ."°*  "'•"  ^0^°'*  .1«°"  schauen  und  berechnenden 
Lliclc  m  irude.  A^.en.  den  .r  vor  alle.,  an  ihr  verabscheut,  aber 
auch  fürchtete,  denn  .w  beraj^^^^i.  .,,,„  schlachtehplan  vor. 


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r  r.u..te  auf  der  Kut  sein,  ««ss  sie  Ihn  nicht  ttberrur,;,!*.. 


"'""""  ^":"S*'  ^'f"?di.e"^i^*  »"  ««  ^^t-en  eine  Heirat  mit  «,«.  „   . 
ich  hatte  «eh.fft.  da^c  1:..  SeGenteil  Ihr.  Du  und  Kutter,  sehr,,  ,ei 


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103 


Briefe 


Noch  bevor  Günther  seine  letzten  und  eigentlichen 
Ingenieursprüfungen  an  der  Technischen  Hochschule  in 
Dessau  bestanden  hatte,  fanden  zwei  Ereignisse  statt, 
die  auf  sein  Leben  einen  beträchtlichen  Elnfluss  nehmen 
sollten.  Sein  Vater  starb  ganz  plötzlich  auf  einer 
Geschäftsreise  In  seinem  Hotelzimmer.  Der  Hausbursche, 
der  ihm  das  warme  Wasser  am  Morgen  ins  Zimmer  brachte, 
fand  den  Unglücklichen  röchelnd,  nur  mit  einem  Nacht- 
hemd bekleidet,  am  Boden  liegen.  Er  starb  bevor  der 
schnell  herbeigerufene  Arzt  ihm  Hilfe  bringen  konnte. 
Ganz  klar  war  die  Todesursache  nicht.  Man  nahm  an, 
da  SS  er,  der  schon  lange  immer  wieder  über  Magenbe- 
schwerden geklagt  hatte,  am  Abend  vorher  wohl  zu  viel 
gegessen  und  vielleicht  auch  zu  viel  getrunken  habe 
und  damit  das  an  und  fÜr  sich  gefährdete  Organ  Über- 
reizt und  zu  einer  akuten  Entzündung  veranlasst  habe, 
die  dann  zu  diesem  raschen  Tod  führte.  14sn  musste  sich 
mit  dieser  wissenschaftlich  nicht  ganz  bewiesenen 
Hypothese  zufrieden  geben. 

Lina,  die  nun  frei  von  ihrer  ehelichen  Bürde  war, 
schien  sich  ihrer  Freiheit  nicht  zu  freuen,  im  Gegen- 
teil, sie  nahm  ihre  Witwenpflichten  sehr  ernst  und 


104 


verlangte  auch  von  ihren  Kindern,    daaa   sie   das   Trauerjahr 

einhielten,   keinerlei  Festlichkeiten  besuchten  und  alle 

sich  auf 
Pläne,    die  jotnee   öffentliche   Kundpehung'en  fröhlicher  Natur 

,    zum  Beispiel,   Verlobungen  oder  Hochzeiten, 


bezogen 

bis  auf  weiteres  verschöben.    Sie   konnte   allerdings  nicht 
verhindern,    dass   Irmgard  die   Geburt   ihres   vierten  Spröss- 
lings  nur  einen  Monat  nach  ihres  Vaters  Tod  anzeigte, 
Günther  hatte  kurz  vorher  seinen  21.    Geburtstag 
begangen,   und  somit  war  er  mündig  geworden.  Sr  war  damit 
der  Vormundschaft   seines   älteren  Bruders  entkommen,   ein 
Ereignis,    das   ihn  aller  Verwirrung  zum  Trotz,    sich  glücklich 
preisen  Hess.    Das  Ereignis   seiner  Mündigkeit  brachte   es 
mit  sich,   dass  er  nach  Amerika  reisen  musste,  um  sein 
Erbe   dort   anzutreten  und  sich  von  den  Anwälten,    die   das 
Vermögen  bisher  verwaltet  hatten,   Abrechnunr;  vorlegen  zu 
lassen.   Er  hatte   gehofft,    diese  Reise   gleichzeitig  zu 
seiner  Hochzeitsreise   zu  machen,   aber  da  er  seiner  Mutter 
Standpunkt   verstehen  konnte,    obgleich  er  ihn  nicht  teilte 
und  nicht   glaubte,    dsss  eine    so  baldige  Ehe Schliessung 
nach  seines   Vaters   Tod  in  Irgendeiner  Weise   seine 
Beziehung  zu  dem  Verschiedenen  änderte,    verhielt  er  sich 
doch  aus   Liebe  und  Respekt   für  Lina   wie   sie  es   für  richtig 
hielt.   Vielleicht  hätte   er  eine  andere  und  einfachere 
Lösung  gefunden,    nämlich  eine   stille  und  ganz  private 
Trauung,    gegen  die   seine  Mutter  wohl  nichts  einzuwenden 
gehabt  hätte,    aber  Gertrude    von  Jageraann  weigerte   sich 


1Ö5 


diesen  wichtigsten  Schritt   ihres   Lebens   ohne   die  üblichen 
und   ihr   zustehenden  Feierlichkeiten,    ohne   den  herkömmlichen 
Pomp  und  die   traditionelle   Zur-3chau3tellung  zu  unternehmen. 
Sie  bedauerte   zwar,   dass   sie   nun  ein  weiteres   Jahr  warten 
müssten,    aber  bepnüpte    sich  damit,    ihren  nächsten  Ver- 
wandten mitzuteilen,    dass   sie  und  Günther  seit   Jahren 
heimlich  verlobt  waren  und  nach  Ablauf  des   Trauerjahres 


m 


it   allem  Zeremoniell  heiraten  würden.    Sie   schien  nicht 


einmal   zu  unglücklich  über  die   Trennung  von  ihrem  Ver- 
lobten  zu   sein,    sondern  nahm  weiter  am  gesellschaftlichen 
Leben  in  Hamburg  teil,    tanzte   auf  allen  Bällen  und  war  der 
/    strahlende   Mittelnunkt  bei    Jeder  Abendgesellschaft,   bei 
Schlittenfahrten  und  Eislauf-Partien.    Diese   Genüsse  hätte 
sie   sich  versagen  müssen,   hätte   sie  um  diese   Zelt   ihre 
Verlobung  öffentlich  kundgegebn;    aus   Schicklichkeit  hätte 
sie  daheim  sitzen  müssen   ,    da  Abwesenheit  des  Verlobten 
und  seines   Vaters   Tod  sie   zur  Zurückhaltung  gezwungen 
hätten. Günther  konnte  keinen  Einspruch  erheben,    da   der 
Aufschub   ihrer  Vermählung  auf  seine   Bitten  geschehen  war. 
Er  war   sehr  glücklich,    dass   Gertrud  so   gefällig  war,   und 
dass   es  nicht   zu  einem  Konflikt   zwischen  den  beiden  Frauen, 
die  er  von  Herzen  liebte,   kam.   Er  war  ihr  so  danlibar,    dass 
er  sich  bereit  erklärte,   nach  seinen  Schlussprüfungen  im 
nächsten  Herbst   oder  Frühwinter  seine   Reise  anzutreten  und 
an  dem  folgenden  Oster-Sonntag  zu  heiraten.    So  arbeitete 


106 


er  mit  gräaater  Energie  und  Konzentration  für  die  Prüfungen, 
die   er  auch  im  Oktober  bestand. 

Im  November  konnte   er  endlich  die  wichtige  Reise  nach 
Amerika   antreten,    obgleich  das  Wetter  nicht   günstig  war 

und  die   an  und   für  sich  schon  sehr  lange   Seefahrt  dadurch 

reiste 
noch  bedeutend  verlängert  wurde.   Er  jfsi*Ksber  sehr  bequem 

auf  einem  Schiff,    das   der  von  Witteschen  Reederei  gehörte. 

Sein  Onkel  hatte   ihm  die    Staatskabine  belegen  lassen.   Er, 

der  später  einen  leitenden  Posten  in  dieser  Reederei 

einnehmen   sollte,    fand  das    Schiff  so   gut   geführt  wie  ein 

Luxus  hotel.   Er  sah  natürlich  nicht,   wie   es   auf  anderen 

Teilen  des    Schiffs   aussah,    zum  Beispiel  am  Zwischendeck, 

noch  hörte   er  die  hasserfüllten  und  höhnischen  Bemerkungen 

des   Schiffpersonals,    die   sie  untereinander  austauschten, 

wenn  sie   nicht  belauscht  werden  konnten.   Günther  lebte 

in  seiner  Traumwelt. 

Eigentlich  war  diese   Schiffsreise   seit   Jahren  die 
erste   Gelegenheit   für  Günther,    sich  ungehindert  von 
pflichtmässlgen  beruflichen  Denken  und  /irbeiten  seinen 
Gedanken  und  seinen  Einbildungen  zu  überlassen.   Er  war 


m 


It  Büchern  aller  Art  wohl  versehen  auf  diese  Reise 


gegangen,   aber  zur  Untätigkeit  verurteilt,   auf  seinem 


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Strecksessel  liegend  und  auf  die  unendlichen  Welten  des 
Ozeans  und  des  Himmels  schauend,  oier  des  Nachts  in  seiner 
Kajüte  träumte  er  von  einer  Zukunft,  deren  Mittelpunkt 
Trude  war.  Das  aber  brachte  mit  sich,  dass  er  an  die 


107 


Verrsngenhelt   denken  rausste.    Die   letzten  Gymna3ialjahre  und 
die   Jahre   auf  der  Technischen  Hochschule  waren  Jahre   des 
Wartens   gewesen.    Sein  Ziel  war  klar  und  deutlich  vor  Ihm, 
Alles  was   ihn  verhindern  wollte,    dieses   Ziel  so   schnell 
wie   möglich  zu  erreichen,   musste   aus   dem  Weg  geschafft 
werden.   Er  wollte   kein  Odysseus   sein.   Er  war  ein   zäher 
Arbeiter.   Er  weigerte    sich,    seine   Zeit  mit   seinen  Kommili- 
tonen bei   Spiel,    Trinken  und  sexuellen  Ausschreitungen  zu 
verbringen.   Er  hielt   sich  rein  für  seine   Braut.    Obgleich 
er  sein  Versprechen,   die   Verlobung  geheim  zu  halten,   hielt, 
obgleich  er  Spott  und  Verdächtigungen  von  seinen  Kameraden 
ertragen  rausste,    obgleich  er  Trude  nur  während  der  Semester- 
ferien und  auch  dann  nur  selten  und  fast  nie   allein  sah, 
konnte   er  sich  nicht  daran  erinnern,    diese    Jahre   der  harten 
Selbstdisciplin   Je  bedauert  oder  gar  verwünscht   zu  heben. 
Die   fleischlichen  Anfechtungen,    die   ihn  oft  und  sehr 
heftig  quälten  und  denen  er  in   Jüngeren  Jahren  wohl  hin 
und  wieder  nachgeben  musste,   konnte  er  nun  durch  Studieren 

und  lange,    oft  ermüdende    Spaziergänge  beherrschen  und 

auf 

durch  sein  festes   Vertrauen,    ekzaa  das  Mädchen,    das   ver- 

die 

sprochen  hatte  seine  Frau  zu  werden, /keusch  wie  die 

KondgÖttin  von  ihm  diese  Jahre  des  Verzichts  erwartete, 
um  Ihn  später  um  so  reicher  zu  belohnen. 

Auf  dieser  Reise  fragte  er  sich  zum  tausendsten  Mal, 
wie  Gertrud  die  Trennung  von  ihm  ertragen  könnte;  sie  hatte 
ihm  30  häufig  versichert,  dass  es  fÜr  sie  viel  schwerer  sei 
zu  warten,  da  sie  keine  beruflichen  Interessen  hätte,  die 


108 


Zelt  und   31nn  ausfüllten;    alles,   was   Ihr  gepeben  war  das 
Warten   zu  erleichtern,    seien  die   gesellschaftlichen  Zer- 
streuungen,   denen   sie   deswep-en  oblag,   und  die   sie   auch 
darum  In  seinem  Trauerjahr  nicht   aufgeben  konnte.   Er  sah 
das   ein  und  war  auch  ehrlich  genug  sich  einzugestehen, 
dass  weder  er  noch  Trude   eigentlichen  Grund  hatten,    seinen 
Vater  zu  betrauern*   Wenn  er  zu  diesem  Punkt   in  seinen  Ge- 
danken kam,    machte   er   gewBhnlich  eine    Schwenkung  und  begann 
sich  wieder  mit   der   Zukunft   zu  beschäftigen.   Eines   Nachts 
wachte   er  auf  und  konnte   nicht  wieder  einschlafen.   Es  war 
sehr  still;    er  hörte   nur  den  Wellenschlag;    durch  das 
Ka jütenrenster  sah  er  nur  einen   Stern,    ganz  gross  und 
kalt,   und   so  weit  entfernt,    dass   ein  Gefühl  unendlicher 
Einsamkeit    ihn  ergriff  und  er  an  den  Tod  denken  rausste. 
Er  dachte   an   seinen  Vater,    der  sein  Ende   allein  in  einem 
Hotelzimmer  gefunden  hatte.      Er  dachte   an   seines   Vaters 
Leben,   und  es   erschien   ihm  plötzlich,    dass   sein  Vater 
auch  in  seinem  Leben  allein  gewesen  war.    Der  alte   Hoyk 
war  von  niemandem  gellebt  worden,    das   stand  absolut   fest 
für  Günther.    Für  ihn  war  der  Vater  nur  ein  unangenehmer 
Fremder  gewesen,    dessen  Einmischungen   in  sein  Leben  er 
der  Mutter   zuliebe   ohne   Protest   ertragen  hatte   — ohne 
äusseren  Protest,    denn   innerlich  hatte   er   in  den  letzten 
Jahren  wohl  häufig  den  Vater   zurückgewiesen,    ihn  lächerlich 


109 


und  abstosaend,  Ja  manchmal  sogar  verächtlich,  gefunden; 
Jedoch  hatte  er  schliesslich  eine  Lösung  in  einer  bestimm- 
ten Form  höflicher  Nichtbeachtung  erreicht.  Die  Tatsache 
seiner  finanziellen  Unabhängigkeit  hatte  ihm  dabei  sehr 
geholfen.  Nun  aber  wurde  es  ihm  zum  ersten  Mal   klar, 
dass  er  seinen  Vater  überhaupt  nicht  gekannt  hatte.  Er 
wusste  nichts  von  seinem  Leben  ausser  der  äusseren  Form; 
wie  hatte  er  nur  einen  Mann  hassen  können,  den  er  nicht 
kannte?  Seine  Geschwister  hatten  ebenfalls  keine  Beziehung 
zu  dem  Vater  gahabt,  zumindest  hatte  Günther  das  immer 
anprenommen.  Allerdings  hatte  Irmgard,  selbst  während  der 
intimeren  Beziehung  zu  Günther,  nie  über  ihren  Vater  ge- 
sprochen.  Nach  seinem  Tod  aber  war  sie  so  sehr  mit  ihrer 
eigenen  Familie  und  besonders  mit  dem  Neugeborenen  be- 
schäftigt, dass  der  Bruder  keine  Zeichen  der  Trauer  an 
ihr  entdecken  konnte,  Sie  hatte  allerdings  das  Jüngste 
Kind  nach  dem  Vater  benannt,  als  wollte  sie  dadurch  kund- 
geben, dass  er  nicht  ganz  aus  ihrem  Leben  verschwunden 
sei.  Hatte  Horst  den  Vater  ebenso  verabscheut  wie  Günther? 
Der  ältere  Bruder,  der  sonst  immer  so  selbstsicher  und 
ohne  Jedes  feinere  oder  warme  Gefühl  erschien,  war  bei 
der  Todesnachricht  seltsam  zusammengeschrumpft;  tränenlos 
und  hilflos  sass  und  stand  der  sonst  so  Geschäftige  im 
Hoyk' sehen  Haus  herum  und  liess  den  Schwager  Jagemann 
alle  wichtigen  und  notwendigen  Vorkehrungen  treffen, 


110 


als  sei  der  Wind,  der  sonst  ihn  auf  dem  Meer  der  Selbst- 
wlchtipkelt  umherpe trieben  hatte,  plötzlich  aus  seinen 
Segeln  genommen  worden.  Hatte  er  vielleicht  doch  den 
Vater  geliebt?,  fragte  sich  Günther.  Aber  er  war  sicher, 
dass  dem  nicht  so  sein  konnte,  denn  Horst  hatte  sich 
bald  wieder  erholt  und  war,  wenn  das  überhaupt  noch 
möglich  war,  vielleicht  noch  unangenehmer  und  arroganter 
geworden.  Der  Tod  des  Vaters  hatte  sicher  die  Brüder 
nicht  einander  näher  gebracht,  besonders  da  Erbschaft  - 
in  Sachen  der  Horstes  Feindseligkeiten  dem  jüngeren 
Bruder  nur  zu  deutlich  den  Charakter  des  älteren  vor  Augen 
führten.  ikoti/SXh^    Die  Kutter  aber  hatte  den  Vater  nie 
wirklich  geliebt,  dessen  v/ar  Günther  ganz  sicher.  Sie 
hatte  sich  vor  ihm  gefürchtet  und  sich  ihm  angepasst 
und  hatte  sein  Bett  geteilt  und  ihm  Kinder  geboren, 
aber  sie  hatte  ihn  nicht  geliebt,  wie  Günther  Trude 
liebte  und  wie  er  sicher  war  Trude  ihn  liebte*  Der 
Vater  war  ohne  Liebe  durchs  Leben  gegangen,  hatte  ein 
nutzloses,  einsames  Leben  verbracht,  und  vielleicht 
war  grade  dieses  Fehlen  der  Liebe  in  seinem  Leben  dafür 
verantwortlich  gewesen,  dass  er  so  unangenehm  erschien, 
sich  nicht  mitteilen  konnte  ohne  harsch  zu  sein,  dass 
seine  Frau  und  seine  Kinder  ihn  nicht  einmal  kennen 
lernen  wollten,  und  dass  er  allein  in  einem  Hotelzimmer 
starb.  Günther  fühlte  ein  schmerzhaftes  Mitleid  mit 


111 


seinem  Vater  und  mit  sich  selbst  —  er  weinte,  wie  er  seit 
seinen  Kinder Jahren  nicht  mehr  geweint  hatte,  und  fühlte 
sich  klein,  verlassen  und  voller  Bangen  und  Sehnsucht  nach 
seiner  Mutter.  Endlich  schlief  er  ein  und  hatte  einen 

Traum: 

Er  lag  Im  Bett,  und  nur  die  Laterne  vor  seinem 
Fenster  warf  ein  blasses  Licht  Ins  Zimmer.  Er  blickte  auf 

die  Tür,  die  In  dem  Laternenllcht  welssllch  leuchtete, 

sie 
und  sah,  wle/slch  langsam,  ganz  langsam  öffnete.  Er 

hielt  den  Atem  an  vor  Angst  und  Spannung,  aber  niemand 
kam  herein.  Doch  fühlte  er  einen  Blick  auf  sich  gerichtet 
von  zwei  dunklen  Augen,  einen  ernsten,  strengen,  unver- 
wandten Blick, der  ihn  prüfte  und  zu  verurteilen  schien. 

eine 
Dann  lief  er,  lief  und  lief  durch/morgengraue  Strasse 

und  plötzlich  sah  er  eine  dunkle  Gestalt  In  langem  Mantel, 
die  nur  etwas  Über  dem  Boden  schwebte,  weder  gehend  noch 
fliegend,  und  es  schien  ihm,  dass  das  das  Traurigste  war, 
das  er  Je  erlebt  hatte.  Er  erwachte  mit  von  Tränen 
feuchtem  Gesicht.  Es  war  Morgen  geworden,  und  er  war 
froh,  dass  es  licht  war  und  er  aufstehen  und  an  Deck 
gehen  konnte.  Aber  die  Stimmung  des  Traumes  folgte  ihm 


durch  den  Tag} 


er  konnte  den  Traum  lange  nicht 


vergessen. 


112 


II 

Max  Llllenfeld  bevvoliTite    sin   schönes  Haus   In  New  York 
am  Washlnpton  Square,    Günther  wurde   von  Ihm  und  Frau 
Llllenfeld  so  herzlich  empfanden,    dass  kein  Gefühl   der 
Fremdheit   oder  Verlegenheit   In  Ihm  aufkommen  konnte.    Die 
Freunde   hatten  einander  seit   Jahren  nicht  mehr  gesehen, 
und  der  Briefwechsel   zwischen   Ihnen  drohte    zu   versanden, 
hätte   nicht  Max   immer  wieder  den  Freund  um  Nachrichten 
gebeten.   Als   er  erfuhr,    dass   Günther  eine   Reise   nach  den 
Staaten  plante,    hatte   er  darauf  bestanden,    dass  er  in 
New  York  sein  Gast   sein  müsste,   und  Günther  hatte   die 
Einladung  mit   Dankbarkelt  anprenommen,    da   er  sich  doch 
vor  dem  fremden  Land  und   der  grossen  unbekannten   Stadt 
und  dem  Alleinsein  scheute.   Er  wusste,    dass   Max  die   flechte 
Studiert  hatte,    dass  er  versucht   hatte   sich  für  die  Unter- 
nehmungen,   die    sein  Veter  ihm  hinterlassen  hatte,    zu   in- 
teressleren,   aber  nach  etwa   einem   Jahr  diese   Beschäftigung 
aufgegeben  hatte   und  nun   stRiüXxksclaÄKxxKicaÄksaxxaracJcKQro 

Mgt!s3c2Qrxx3tKkKac{x;l>cto^  das   Leben  eines   Privat- 

führte 

gelehrten/  das   allerdings  häufig  durch   schöne    Reisen 
unterbrochen  wurde.   Er  war  mehrmals  wieder  in  Europa 
gewesen,    aber  nur  in  Ländern  mit   südlichem  Klima,   und 
sogar  in  Egypten,   Auf  einigen  Reisen  hatte    seine   Mutter 
ihn  begleitet.    Obc^lelch  er  erst   in   seinem  24,    Jahr  war, 
machte   er  auf  Günther  den  Eindruck  eines   durch  Leiden 
und  Leben  weit  über  sein  Alter  gereiften  Itonnes.    Soweit 


113 


er  wusste,  war  er  an  keine  Frau  gebunden  noch  hatte  er  die 
Absicht,  sein  Junggesellentum  aufzugeben.   Sein  Haus  war 
ungewöhnlich  ruhig,  im  holländischen  Still  gebaut  reichte 
es  weit  in  die  Vergangenheit  zurück.   Die  enge  Facade  aber 
täuschte,  denn  innen  war  es  weitläufig  und  im  besten 
modernen  Geschmack  eingerichtet.   Eine  schone  und  kostbare 
Gemäldesammlung  war  von  seinem  Vater  begonnen  und  von  Max 
sehr  grosszügig  ergänzt  worden.   Neben  alten  Meistern  fanden 
auch  neue  ihren  P^-atz  in  der  Gallerie.   Ein  von  Sargent 
gemaltes  Porträt  seines  Vaters  hing  in  der  Bibliothek;  sein 
eigenes  und  das  seiner  Mutter  waren  von  Liebermann  gemalt 
und  leuchteten  von  den  mit  weisser  Seide  bespannten  Wanden 
des  Musikzimmers. 

Es  war  behaglich  in  der  Bibliothek.  Max  und 
Günther  sassen  vor  dem  Kaminfeuer  zum  ersten  Mal  alleine 
seit  Günthers  Ankunft.   Günther  hatte  schon  viel  von  New 
York  gesehen,  Theater,  die  Oper  und  Konzerte  besucht  und 
einige  Abendgesellschaften.   Er  wollte  nun  bald  nach  Boston, 
wo  er  mit  seinen  Anwälten  zusammenkommen  sollte.   Er  rechnete 
mit  einem  längeren  Aufenhalt  dort  und  liess  sich  daher  von 
seinem  Freud  über  Boston  erzählen,  über  die  dortigen  Sitten 
und  Anschauungen,  die  sich  so  deutlich  von  denen  der 
New  Yorker  unterschieden.   Sie  schienen  Günther  dem  Hamburger 
Wesen  sogar  verwandter  zu  sein.   Max  kannte  Boston  recht  gut, 
da  er  dort  studiert  hatte.   Er  hatte  sein  Doktorat  der  Rechte 
von  der  Universität  Harvard  erhalten.   Er  hatte  auch 
Verwandte  in  Boston,  Vettern  väterlicherseits. 


lu 


die   mit   einer  ehrw^lrdlpen  Bankfirma   verbunden  waren. 

Günther  hatte  Max  von   seiner  el^^enen  Familie  berich- 
tet,   von  seines   Vaters  plötzlichem  Hinscheiden,    seiner 
Mutter  Zunückgezogenhelt   In  Ihrem  Wltwentum;    von   seiner 
Schwester  und   Ihren  Kindern, an  deren  Heranwachsen  Günther 
viel  Anteil  nahm;    von   seinem   Studium  und   seiner  beruf- 
lichen  Zukunft,    die   mit   der  von  Witte' sehen  Reederei 
eng  verbunden  war.   Er  hatte   aber  noch  nicht   völlig  die 

alte   Vertrauensbeziehung  z;u  I^x  In  sich  wiedergefunden, 

zu 
deswegen  zögerte   er/ihm  von  den  persönlichsten  Dingen 

seines   Lebens   zu   sprechen,   wie  er  es   In  den  Jahren   Ihrer 
Knabenfreundschaft   getan  hatte.    Statt   dessen  begann  er 
sich  nach  Maxens   Familie    zu  erkundigen,   und   da   Max 
ausser  der  Mutter  keine   nahen  oder  Ihm  nahestehenden 
Angehörigen  hatte,   brachte   Günther  das   Gespräch  auf 
Maxens   verstorbenen  Vater,    der  bisher  zwar  eine    prrosse. 
aber  nur  eine   schattenhafte   Gestalt  für  Günther  war. 

Max  war  Immer  sehr  zurückhaltend   Inbezug  auf   seine 
Beziehung   zu   seinem  Vater  gewesen.   Er  hatte    Ihn  lange 
betrauert  und  hatte    Ihn  nur  selten  erwähnt.    Die   fünf- 
zehn Jahre,    die    seit   seinem   Tod  vergangen  waren,    er- 
schienen dem   Sohn  nur  wie  Wochen,   wenn  er  an  seinen 
Vater  dachte,    obgleich  der  Schmerz  und  das   Gefühl   des 
Unfassllchen  nicht   mehr  da   waren.    Die   frühen  Erinnerungen 
an  seinen  Vater  waren  wohl  auch  etwas   blass   geworden. 


115 


was  aber  geblieben  war,  war  die  Überzeugung  von  diesem 
Mann  gellebt  und  geschätzt  worden  zu  sein  als  ein  Kamerad 
und  Freund.  Er  erinnerte  sich  an  die  vielen  Abende,  die 
er  mit  Ihm  In  der  Bibliothek  verbracht  hatte,  in  der  er  nun 


ra 


It   Günther  sass;   an  lange   Gespräche,    In  denen  der  Vater 


Ihm  zuhörte,    Fragen  beantwortete  und  Ihm  von  der  Welt, 
die    Ihn  erwartete,    erzählte.    Sie   lasen   zusammen,    oder 
noch  früher  In   seiner  Kindheit  hatte   der  Vater  Ihm  vor- 
gelesen.   Frau  Llllenfeld  war  häufig  zugegen,   mischte    sich 
aber  nur  selten  In  die    Gespräche    zwischen  Vater  und  Sohn 
ein.   Es   gab  aber  auch   Stunden   Im  Musikzimmer,   wenn  die 
Mutter  Klavier  spielte   oder  sang  und   Vater  und   Sohn    von   ihr 
bezaubert   lauschten.    Es   gab   aber  Tage   und  Wochen,    wenn   . 
affxxäöcoBsn  der  Vater  nicht  da  war;    er  machte   lange   Reisen, 
von  denen  er  dem   Sohn  Immer  Interessante  und  wichtige 
Andenken  mitbrachte   und  Berichte   gab,    die    seinem  Ver- 
ständnis angepasst  waren,   xx  Allerdings   sprach  der 
Vater  selten  von  geschäftlichen   Dingen,   und  Max  hatte 
keine   rechte   Vorstellung  von  dem  was    seines  Vaters 
Geschäft  war.    Lange   Zelt  hindurch  hatte   er  mit   Geschäft 
nur  die    Idee   eines   Ladens   verbunden.   Abor  im  letzten 
Jahr  bevor  sein  Vater  starb  hatte   er  angefangen  Zeltun- 
gen  zu   lesen  und  hatte   seines   Vaters   Namen  erwähnt   gesehei  . 


[ 


116 


meuternden 

Im  Zusammenhang  mit  Berichten  von/Arbeitermeuterelen 

In  Bergrwerken  und   an  Elsenbahnen,   mit   Gewalttätigkeiten 

und  mit   9dk9ißa0^iß}äxxiK  Hunger  von  Frauen  und  Kinde rn.   Er 

hatte   den  Vater  gefragt  und  nur  unzureichende  Antowrt 

bekommen,    denn  es    schien,    dass   sein  Vater  selbst  nicht 

wusste,   was   die  Wahrheit   In  diesen  Berichten  war.   Er  war 

sehr  beunruhigt  und  besorgt  gewesen  und  versprach  dem 

Sohn  einen   vollständigen  Bericht,    nachdem  er  eine   Unter- 

-nie 
suchung  der  Tatsachen  vorgenommen  hatte.   Max  hatte /diesen 

Bericht   Kkac  von   seinem  Vater  bekommen,    da    der  Vater  von 
seiner  Reise   nach  den  Kohlenbergwerken  Sörbcscsdk  nicht  iradxK 
zurückkehrte.   Er  war  mit   den  Arbeitern  zusammen  In  den 
Schaft  hinuntergefahren,   um  sich  selbst   von  den  Verhält- 
nissen zu  überzeugen  und  war  einer  Explosion   zum  Opfer 
gefallen.   Erst   nach  vielen  Tagen  wurde   er  mit   vierzig 
anderen  Toten  ausgegraben.    Dieses  Bergwerkunglück,    In 
dem  ein   so  bekannter  Millionär  wie   Herr  Llllenfeld  ums 
Leben  kam,   war  dann  der  Anlass   zu  bedeutenden  techni- 
schen Verbesserungen  In  den  Kohlen-  und  Kupfermienen 
geworden.    Das  war  nützlich  und  ein  Segen  für  viele 
hunderte    Familien,    In  denen  die    Frauen  und  Kinder 
nicht  mehr  Ihre   Tage   In   zitternder  Anf^^st   verbringen 
mussten;    aber  Max  hatte    seinen  Vater  verloren,    Maxens 


117 


Groa^^vater  hatte   sein  Leben  elng'ebässt  als   er  einen  Streit 
zwischen  zwdlen  seiner  Aufseher  In  den  Petroleumfeldern 
schlichten  wollte;    einer  von  Ihnen  schosa   Ihn  nieder. 
Es    schien  dem  heranwachsenden  Knaben,    dass   viel   Gewalt- 
tätigkeit mit   solchen  Unternehmungen  wie   Groasvater  und 
Vater  sie  besessen,    verbunden  war.   Er  hätte  es   vorgezogen 
der  Sohn  eines  Ladenbesitzers   zu   sein,   wenn  das   Ihm  den 
Vater  erhalten  hätte.    Nach  dem  Tod   seines  Vaters  war 
seine   Kutter  lange   krank  gewesen;    er  selbst  war  sehr 
einsam  und  sehr  unglücklich.   Als   die   Mutter  gesundete, 
war  er  so   dankbar,    dass   er  bereit  war  alles   zu  tun  was 
sie   von   Ihm  erwartete  und  sogar  die   grosse   Reise  übers 
Wasser  zu  unternehmen,    vor  der  er  sich  sehr  fürchtete, 
Max  erzählte   Günther  von  den  vielen  Reisen   seines 
Vaters,    der   sogar  In  Afrika    gewesen  war, Er  hatte   einige 
schöne  wilde   geschnitzte   Gottheiten  seinem  jungen  Sohn 
von  dort   mitgebracht,    die   dieser  nun   seinem  Freund 
zeigte.    So  kam  das   Gespräch  auf  Afrika   und   daralt   auf 

eine    Neuigkeit,    die   Max  noch  nicht   gehört  hatte  und 

mit 
die    Günther  benutzen  wollte,   um/dem  Freund     von   seinen 

eigenen  A-^f'^ren  zu   sprechen.    Dr,    von  Jag.emann  war  vor 

einigen  Monaten  für  die   deutsche   Regierung  nach 

Afrika    gegangen,   um  dort   ein  vorbildliches    Spital  für 


118 


die  Armee  einzurichten.    Dieses  Ansuchen  war  schon  vor 
längerer  Zelt   an  Ihn  frestellt  worden,   aber  er  hatte    Immer 
wieder  gezögert  und  alle   möglichen  Gründe   gegen  ein  sol- 
ches  Unternehmen  vorgebracht.    Der  Druck  von   Selten  der 
Regierung  muaste   aber  wohl   stärker  geworden  sein,    denn 
die  Entscheidung  wurde   plötzlich  von   Ihm     gemacht,   und 
er  verllesa   Hanburg  danach   In  kürzester  Zelt,    Günther 
hatte    Ihn  nur  flüchtig  vor  seiner  Abreise   gesehen  und 
den  Eindruck  gewonnen,    dass   der  Professor  völlig  mit 
seinen  eigenen  Gedanken  beschäftigt  war  und  nicht   das 
geringste   Interesse   für  die   Geschehnisse  um  ihn  herum 
bezeugte. 

"Selbst   Trudes   Mitteilung,    dass  wir  seit   Jahren 
verlobt    sind,    schien  keinen  Eindruck  auf   ihn  zu  machen",- 
sagte   Günther  und   schaute   den  Freund  erwartungsvoll  an. 

"0  Günther,   was  hast   du   getan,   wie   konntest   Du 
mir  das   antun?!'*   -rief  Max  entsetzt  aus. 

Er  war  bleich  geworden  und  hielt   sichxtttfc   zittern^«! 
üikxAaafL  an  seinem   Sessel   fest,    als  müsste   er  sich  zurück- 
halten aufzuspringen  und   sich  auf  den  Freund  zu   stürzen. 

Günther,    der  lyiax  nie   in  solcher  Erregung  gesehen 
hatte,    schaute   ratlos  auf  den  völlig  veränderten  Freund. 
Er  blieb   stumm.   Max  versuchte    seine    Selbstbeherrschung 
wiederzugewinnen  indem  er  sein  s^^jtxftKxksa  Gesicht   in 


^119 


'seine   Hände   ver^inib.    Für  Günther  ^ab  es    fast  autorastisch 

nur  eine  Erklärnang  für  diesen  Ausbruch  seines   Freundes: 

von   jeher 
Elfersucht.   War  er  doch/^  davon  Überzeugt   gewesen,    dass 

Max  Gertrud  nur  darum   so  heftig  abgelehnt  hatte,   weil 

sie    Ihn,    Günther,   bevorzugte,   und  dass  Max  sie   noch  Immer 

unglücklich  liebte.    Das  war  natürlich  der  Grund  warum 

Max  weder  verlobt  noch  verheiratet  war.    Ja   nie   von  einem 

Mädchen,    das   eine   Rolle    In  seinem  Leben   spielte,    dem 

Freund  Mitteilung  gemacht  hatte.    Günther  nahm  sich  vor, 

sehr  zartfühlend  und    freundlich  zu  Max   zu   sein  und  ihm 

nicht   zu   sagen,   was   er  zu  wissen  glaubte.    Da    Ihm  kein 

Zv/elfel   an   seiner  eigenen  Erklärung  kam,   war  er  völlig 

unvorbereitet   auf  das,   was  Max   Ihm  nun  berichten  rausste. 

"Verzeih  mir  diesen  Ausbruch,   mein   Freund,"   -sagte 

er  nun  mit  noch   Immer  bewegter   Stimme.    "Du  welsst,   es 

Ist  nur  sehr  selten,    dass   Gefühle   die   Oberhand  über 

t 

mich  gewinnen.  Aber  wenn  der  Schmerz  zu  gross  war  für 
ein  stilles  Dulden,  haben  selbst  die  griechischen  Helden 
geschrien.  Sie  konnten  es  allerdings  viel  besser  und 
dramatischer  tun  als  Ich, "-fügte  er  mit  bittendem  Lächeln 

hinzu. 

"Deine  Verbindung  mit  diesem  Mädchen  ist  nicht  nur 
so  schmerzhaft,  well  ich  dadurch  den  einzigen  mir  noch 
nahen  Freund  verliere,  sondern  weil  ich  weiss,  dass  dieser 


120 

Freund  in  seiner  kindlichen  Vertrauensaelie^eit   in  ein 
Netz  geraten   ist,    aus   dem  er  sich  kaum  mehr  heraushelfen 
kann.    Laas   mich  aussprechen,    selbst  wenn  es   Dich  empört", 
bat  er,   als  CxÜnther  bei  seinen  Worten  adctcxbtkk1tc3«uJid«KxAo%9t9ES 

von  seinem   Sessel  aufsprang. -"Bitte ,    lass  mich  Dir  erklären 
was   ich  meine.    Ich  will  nicht  über  Gertrud  sprechen,    denn 
das   ist   vergebens.    Selbst  wenn   ich  Dir  Beweise   ihrer  Charak- 
terlosigkeit  schwarz  auf  weiss  hier  auf  den  Tisch  legte   — 
Du  würdest  mir  nicht  glauben.    Ich  will  Dir  nur  von  ihrem 
Vater  erzöhlen,    der  mir  einst  ein   Idealer  Freund  und  Lehrer 
war,    dem  ich  ein   Sohn  war,   wie  er  mir  immer  wieder  ver- 
sicherte.  Du  bist   Zeuge  unserer  nahen  und  liebevollen 
Beziehung  gewesen.    Du  weisst,    dass   ich  ihm  vertraute   -   Ja 
dass   ich  glaubte,    fast  einen  Vater  in  ihm  wiederzufinden. 

"Du  erinnerst   Dich  vielleicht   auch  an  Irene .Johannsen,    eine 
Freundin  Deiner  Schwester,    die   in  eine   traurige    Skandal- 
geschichte  verwickelt  war.   Auch  sie  war  unter  der  gütigen 
Fürsorge   Dr.    von  Jagemanns   gev/esen,    der  sie    sofort   in 
ein  Prlvatsenatorlum  brachte,   wo   sie   durch  Wochen  niemanden 
sehen  durfte.    Sie  war  in  eire  Schwermut  verfallen,  . 

aus   der  sie   erst  nach  langer  Zelt  wieder  zu   sich  kam.    Ihre 


Ha 


ushälterln  hatte  Selbstmord  verübt,  und  Irene,  in  der 


schrecklieben  Umnachtung  ihrer  Sinne,   klagte  sich  an, 
sie  umgebracht  zu  haben.  xx>c;c  Natürlich  war  das  eine 
Phantasie  gewesen,  eine  Einbildung,  mit  der  sie  sich 


L21 


quälen  musste*    Sie  war  völlig  allein,    als   sie   das    Sansto- 

rlum  verlless.    Selbst  meine   Mutter,    die   sie   gerne   hatte, 

^konnte    sie  weder   im   3anatorium  besuchen  noch  wurde    sie 

benachrichtigt,    als   Irene   von   dort   fortging.    Der  einzige 

Mensch,    der  es  wusste,   war  Professor  Jagemann*   Er  erzählte 

uns  nicht   davon.    Wir  trafen   Irene   ganz   zufällig  wieder, 

uns 
meine   Mutter  und   ich,    als  wir/im  Herbst   vor  zwei   Jahren 

in  Florenz   auf  einige   Woohen  n^ederliessen,    Sie   lebte 
in  einer  kleinen,    sehr  exclusiven  Pension,   stDtiS^xXftKxJtics^SJ^ 
X9CKKaQexis£KxXQcx^9dcXQC)^^   3ie  war  allerdings    sehr  wohl  behütet 
und  beschützt   in   Jener  Pension,    die   einer  älteren  aristo- 
kratischen  Dame   gehörte,    die    Irene  wie   eine    Tochter  liebte 
und  eifersüchtig  Überwachte. Wir  trafen   sie   mit   dieser 
Dame    in  einem  Konzert,    das    im  G-arten  des   Palazzo   Pittl 
gegeben  wurde.    Wir  erneuerten  unsere   Bekanntschaft  und 
wurden  nahe    Freunde.   V/ir  verbrachten   sehr  viel   Zeit 
mieinander,    entdeckten  gemeinsame   Interessen,   und  am 
Ende  unseres  Aufenthaltes   gestand   ich  ihr  meine   Liebe 
und  meine   Hoffnung,    dass   sie   meine    Frau  werden  würde, 
eine   Hoffnung,    die    ich  schon  als   Knabe    in  Hamburg  gehegt 
hatte.    Ich  ahnte,    dass    Irene   nicht   gleich  eine  Entschei- 
dung treffen  konnte,    ich  wollte    sie   nicht   drängen,   bat 
sie   nur,    mir  Gelegenheit   zu  geben  ihre    Zuneigung  und 
Liebe    zu  erwerben.    Ich  wollte    in   Florenz  bleiben  oder 
zurückkommen,    aber  sie   verbot  mir  das    zu  tun.    Ich  beschlosa 


122 


In  New  York  auf  ihre  Antwort   zu  warten  und  inzwischen  ver- 
suchte  ich  mich  |{*K  unser«  Fanillienunternehnien   einzuarbeiten 

um  ihr  zu  beweisen,  dass  ich  bereit  sei  Pflichten 
und  Verantwortunren  auf  mich  zu  nehmen,  die  man  von  einem 
Mann  erwarten  konnte. 

"Im  Frühjahr  kam  Irene  nach  New  York,    Sie  hatte  Frau 
von   Steinen,   bei   der  sie   in  Florenz   gelebt  hatte,    einge- 
laden sie   als  filtere   Freundin  zu  begleiten  und  einige 
Monate   mit   ihr  zu  verbringen.    Die  beiden  Damen  wohnten 
in  meiner  Nähe   in  einem  Privathotel.    Nichts  konnte   I 


rene 


dazu  bewegen,  meine  und  meiner  Mutter  Gastfreundschaft 
länger  als  ein  paar  Tage  anzunehmen, 

"Ich  erzähle  Dir  diese  Einzelheiten"  -unterbrach  sich 
Max-  "damit  Du  ein  Bild  von  Irenes  Art,  von  ihrer  Zurück- 
haltung und  ihrem  Stolz  bekommst.  Wir  kamen  einander  sehr 
nahe;  sie  wurde  in  der  Gesellschaft  hier  aufgenommen;  sie 
versuchte  ihre  vielen  Interessen  hier  zu  befriedigen,  in- 
dem sie  Vorlesungen  anhörte,  Konzerte  und  Theater  besuchte 
und  sich  an  wohltätigen  Unternehmungen  beteiligte.  Frau 
von  Steinen  verliess  sie  nach  einigen  Monaten,  nachdem  sie 
sich  vergewissert  hatte,  dass  Irene  von  treuem  und  umsich- 
tigen Personal  umgeben  war.  Die  Mädchen  in  Amerika  sind, 
wie  Du  weisst,  selbstständiger  und  unabhängiger  als  in 
Europa,  so  dass  es  nicht  gesellschaftlich  gegen  sie  sprach, 
dass  sie  allein  lebte.  So  freundlich  Jedoch  wie  sich  auch 
die  Gesellschaft  um  sie  bemühte,  Irene  war  so  zurückhal- 
tend, dass  sie  ausser  mir  keinen  nahen  Menschen  hatte, 
und  auch  ich  wusste  nicht  viel  mehr  von  ihrer  Vergangen- 


123 


helt.ala  das,  was  mir  oft  ungebeten  und  nicht  von  Ihr  an- 
vertraut ins  Gedächtnis  kam.   Ich  hatte  nach  einigen  Mo- 
naten meine  Werbung  wiederholt,  und  Irene  verlobte  sich 
mit  mir;  das  war  Im  vorigen  Winter«   Wir  hatten  beschlossen 
Ostern  In  Rom,  das  wir  beide  sehr  liebten,  In  aller  Stille 
zu  heiraten.  Sie  wollte  kein  Aufsehen,  keine  grossen  Fest- 
lichkeiten, sie  wollte  nur  mit  mir  allein  sein.  Ich  war 
so  sicher,  dass  sie  mich  liebte.  Ich  war  sehr  glücklich, 
und  sie  schien  auch  glücklich  zu  sein. 

''Das  war  im  Februar,  Am  Ende  des  Monats  schrieb  sie 
mir  einen  langen  Brief,  well  sie  mich  an  dem  teilnehmen 
lassen  wollte,  das  ihr  Leben  durch  Jahre  verdunkelt  hatte; 
teilnehmen  sollte  ich  daran,  aber  auch  wissen, dass  ich  frei 


wa 


r  mich  von  ihr  zurückzuziehen.  In  diesem  Brief  teilte 


sie  mir  ihre  frühere  Beziehung  zu  von  Jage mann  mit.  Sie 
war  grausam  (rer^en   sich  und  mich,  sie  schonte  uns  nicht; 
aber  sie  schonte  auch  ihn  nicht,  der  ihr  Vertrauen  ausge- 
nutzt hatte,  sie  verführt  hatte,  und  der  am  Tod  ihrer 
Haushälterin  schuld  war.  Nach  diesem  Bekenntnis  glaubte 
ich,  dass  sie  nun  diese  schreckliche  Episode  Überwunden 
hätte,  dass  sie  mir  nun  voll  vertraute  und  ganz  mein 
sein  konnte. Ich  war  so  dankbar  sogar  für  den  Schmerz, 
den  ihre  Geschichte  mir  bereitet  hatte,  denn  er  war  ein 
Beweis  meiner  Liebe.  Ich  machte  Pl^ne  für  die  Zukunft, 


124 


für  unaere   Reise,   Vorbereltun;?   für  die   Hochzelt  und  unsere 
Rückkehr  hierher.    V/lr  wollten  Anfang  April   reisen. 

"Es  war  schon  Mitte  März  als   ich  bemerkte,    dass   Irene 
zög-erte  notwendige  Einkäufe   zu  machen.    Sie   zog  sich  auf 
mehrere   Ta^-e   zurück  und  erlaubte   keinen  Besuch.    Nach  etwa 
einer  Woche,    in  der  ich  fast   verrückt   vor  Sehnsucht  und 
Sorc'e  war,    schickte    sie  mir  ein  Briefchen,    in  dem  sie  mich 
bat   sie   ins   Konzert   zu  begleiten.    Sie  war  so  unendlich 
lieb  und  gut   zu  mir  an  diesem  Abend,    dass   ich  überzeugt  war, 
dass  nun  keinerlei  Bedenken  ihrerseits  mehr  vorhanden  waren, 
was   auch  immer  der  Grund  für  ihr  plötzliches   Zurückziehen 
gewesen   sein  mochte.    Beim  Abschied  vor  Ihrem  Haus  erlaubte 
sie   mir  sie    zu  küssen  und  bat  mich  — was   ich  für  einen 
Scherz  hielt —  sie   nicht   zu  vergessen.    Sie   schien  zufrie- 
den,   ruhig  und,    ich  dachte,    glücklich.   Am  nächsten  Morgen 
erfuhr  ich,    dass   sie   tot  war.   Ein  Brief,    den  sie   geschrie- 
ben hatte  bevor  sie   diesen  letzten   Schritt   tat,   erreichte 
mich  am  selben  Tag. 

"Du   sollst  beide   Briefe   lesen,    Günther.    Sage    Jetzt  .' 
nichts;    ich  habe   es   fast  nicht  überstanden,   war  sehr  krank. 
Aber  nun  weiss   Icft,    dass  niemand  mir  Irene  mehr  rauben  kann; 
alles   ist  milder  geworden,   und   ich  kann  an  sie   denken,   ohne 
selbst   sterben  zu  müssen. V/enn  Du   diese   Briefe   liest,   wirst 
Du  verstehen  -das  hoffe    ich  von  ganzem  Herzen —  warum  Ich 


L25 


so  entsetzt  über  Deine  Beziehung  zu  Gertrud  bin.  Versuche 
gerecht  zu  sein,  Günther,  selbst  wenn  Du  nicht  loyal 

sein  kannst." 

Er  hatte  zwei  Briefe  aus  der  Schrelbtlschlade  genom- 
men und  reichte  sie  Günther  hin;  der  zöperte  nur  kurz  und 
nahm  sie  dann  3chwel£^end  In  Empfang.  Er  stand  noch  einen 
Auö:enbllck  da,  als  wollte  er  dem  Freund  etwas  sapen,  konnte 
sich  aber  nicht  entschllessen,  und  verlless  mit  gesenktem 
Kopf  rasch  das  Zimmer. 


III 


Der  erste  Brief 


27.Februar  18.. 

Mein  liebster  Freund, 
Du  wirst  es  seltsam  finden,  dass  ich  an  Dich,  den 
ich  doch  täglich  sehe,  einen  langen  Brief  wie  diesen  sende; 
aber  ich  hoffe,  dass  Du,  nach  dem  Du  ihn  gelesen  hast, 
verstehen  wirst,  dass  ich  selbst  Dir,  den  ich  auf  dieser 
Welt  am  meisten  liebe  und  zu  dem  ich  das  grösste  Vertrauen 
habe,  dass  ich  selbst  Dir  nicht  mündlich  sagen  könnte,  was 
ich  zu  sagen  habe.  Ich  habe  Dir  mein  Wort  gegeben  Dich  zu 
heiraten,  aber  ich  habe  kein  Recht  dazu  gehabt,  zumindest 
nicht  solange  Du  nicht  diesen  Teil  meiner  Geschichte 
kennst,  den  zu  gestehen  ich  nie  gewagt  habe.  Ich  weiss, 


L26 


dass   Du  frossmütlg  und  taktvoll  vermieden  hast  mich   Je   nach 
Jener  schrecklichen  Zelt   In  Hamburg  zu   fragen,   nach   Jenen 
Wochen  unsäglicher  Qual  und  nach  den  vorangegangenen  Er- 
elg^lssen.   Aber  wie   konnte   Ich  Deine   Frau  werden,   wenn  Ich 
diese  Ereignisse   Immer  verbergen  raüsste,    Immer  In  der  Angst 
lebend,    dass   Du  erfahren  könntest  was   geschah,    dass   Ich 
mich  verraten  könnte,   und  dass   solch  ein  Verrat  nicht  nur 
Dir  Leid  bereiten  würde,   aber  auch  Deine   Verachtung,    Ja 
Deinen  Hass   ^e^en  mich  verursachen  würde*    Ich  könnte   Dir 
und  mir  das   nicht   antun.    Darum,   mein  Freund,    lege   ich 
Deinen  Ring  in  diesen  3rief,    damit   Du,   nachdem  Du  mein 
Bekenntnis   gelesen  hast.    Dich  nicht   gebunden  fühlst   durch 
Ring  oder  Versprechen. 

Als   ich  nach  Hamburg  kam,   war  ich  ganz   allein.    Ich 
hatte   keine   Verwandten,    Frau  Müller  begleitete   mich;    mein 
Vormund  hatte   sie  auf  Empfehlung  von  guten  Freunden  engagiert; 
sie  war  als    Junges   Mädchen  Krankenschwester  auf  der  Kran- 
kenabteilung meines   Vaters   gewesen  und   schien  ihm  in  Er- 
innerung ergeben   zu   sein.    In  Hamburg   sollte    ich  noch  ein 
oder  feiwei   Jahre   ins  Lyzeum  gehen  und   dann  entscheiden,   wo 
ich  leben  wollte.   Ein   früherer  Assistent  meines   Vaters, 
Professor  von  Jagemann,   war  von  meinem  Vormund  von  meiner 
Ankunft  benachrichtigt  worden  und  war  gern  bereit  mir  und 
Frau  Müller  behilflich  zu  sein,    die  entsprechende  Wohnung 
zu   finden.    So   lernte    ich  die   Jagemanns   kennen.    Mein  Vor- 
mund  starb  bald  darauf,   und   ich  gewöhnte   mich  daran  den 


127 


Professor  als  seinen  Stellvertreter  anzusehn,  Ja  noch  mehr 
sogar  — als  einen  gütigen  Vater,  den  mir  das  Schicksal  als 
Ersatz  für  meinen  so  früh  verstorbenen  gegeben  hatte.  Die 
Frau  Professor  war  zwar  freundlich  zu  mir,  zeigte  aber  wenig 
Interesse,  wie  sie  auch  weder  für  Ihre  eigenen  Kinder  oder 
oder  Ihren  Mann  besondere  Teilnahme  oder  Zärtlichkeit  zeigte, 
Jagemann  half  uns  ein  Haus  finden,  das  auf  unbeschränkte 
Zelt  zu  vermieten  w^^r  und  In  der  Nähe  seines  eigenen  gele- 
gen war.  Er  half  uns  Personal  heuern  und  fand  die  passende 
Schule  für  mich.  Er  besuchte  mich  häufig,  um,  wie  er  be- 
hauptete, sich  zu  überzeugen,  dass  mir  nichts  abging.  Bei 
diesen  Besuchen  sprach  er  gewöhnlich  von  meinen  Eltern 
und  wies  alle  meine  Dankesbezeugung  damit  zurück,  dass 
er  glücklich  sei  einen  Teil  seiner  eigenen  Dankesschuld 
an  meine  Eltern  -besonders  meinen  Vater-  abzutragen,  die 
sich  seiner  so  herzlich  angenommen  hatten,  als  er  in 
Dorpat  studierte.  Er  erzählte  von  meinem  Vater,  von  sei- 
ner Arbelt,  seinen  Verdiensten  um  die  Wissenschaft,  von 
seiner  Kenschllchkelt.  So  gewann  er  meine  ganze 

Zuneigung,  mein  Herz,  mein  Vertrauen,  mein  ganzes  Sein. 

in   ihrer 

Ich  lebte   von   seinen  Besuchen  und/^tesr  Erwartimg.   Einmal, 
als  wir  zusammen  beim  Tee    sassen,    erschien  plötzlich, 
unangemeldet,    seine    Tochter  Gertrud^,  die   einige    Jahre 
Jünger  als    ich  war,    aber  mich  immer  durch  ihre   Weltweis- 
heit beeindruckt  hatte.      Ich  merkte,    dass  es    Jagemann 
peinlich  war, seiner  Tochter  bei  mir  zu  begegnen.    An 


128 


diesem  Nachmittag  hörte  ich  Ihn  die  erste  Unwahrheit  aagen, 


als  er  als 


G-rund  fillr  seinen  Besuch  eine   Unpäsalichkelt 


meinerseits   angab.    Trudes  Lächeln  z;elgte  mir,    dass   sie  Ihre 
Zweifel  hatte,    sie  war  aber  taktvoll  nicht  welter  nach 
meinem  angeblichen  Leiden  zu  fragen.    Jedoch  kam  sie   nun 
häufiger,   ungebeten  und  unerwünscht , und  gab  vor  sich  nach 
meinem  Gesundheitszustand  erkundigen  zu  wollen.    Jagemann 
schien  sehr  gereizt  durch  Gerti\ides  Aufmerksamkeit  und  kam 
nicht  mehr  so  häufig.    Nach  einigen  Wochen  erschien  er  eines 
Abends.   Er  erklärte,    dass   er  dem  Spionieren  seiner  Tochter 
zu  entgehen  versuche  und  warnte  mich  vor  Ihr.   Er  war  be- 
kümmert  eine   solche   Tochter  zu  haben,   machte   Andeutungen 
über  Ihren   schlechten  Charakter  und  vor  allem,    dass  er 
Dich,   Kax,    vor  Ihr  zu  beschützen  trachte.   Er  erzählte   mir 
von  Dir,    von  Deiner  Mutter  und  versprach  mich  bei  Euch 
einzuführen.   Er   sprach  von  Dir  mit  mehr  Liebe   als  er  von 
seinen  eigenen  Kindern   sprach;    Je,   er  gestand,    dass    Ihm 
nichts   Lieberes   geschehen  könnte   als   Dich  zum   Sohn   zu 
haben,    dass   er  aber  alles  unternehmen  würde,   um  eine 
zukünftige   Verbindung  zwischen  Dir  und  Gert rüde   zu  verhüten. 
Er  sagte,    dass   sie   nur  an  sich  dächte,    für  niemanden  auch 
nur  das   leiseste  Empfinden  habe,   und  Dich  nur  an   sich 
binden  wolle,   well   Du  ein  Millionär  seist.    Dann  gestand 


129 


er  mir  mit  grosser  echter  Verzweiflung,  dass  Gertrude  schon 
als  Junges  Kind  ein  schreckliches  Verbrechen  zu  begehen 
versucht  habe,  nämlich  einen  Kord  versuch  an  ihreren  Jün- 
geren Brddern,  die  sie  Ins  'Nasser   gelockt  hatte.  Man  habe 
nie  es  wirklich  nachweisen  können,  dass  es  absichtlich 

geschehen  war,  er  habe  versucht  es  zu  verleugnen^  aber 

nicht 

es   sei   ihm  xoi»/ gelungen •  Sie   verberge  unter  ihrer  Maske 
von  unschuldiger  Schönheit  eine   masslose   Gier  und  völlige 
Herzlosigkeit.Er  war  sc  unglücklich,    dass    ich  meine    ge- 
wöhnliche   Zurückhaltung  vergase  und  seine   Hand  nahm  und 
sie   küsste.    Ich  v/äre    so   glücklich  gewesen   seine   Tochter 
zu   sein.    Das  war  mir  nicht   vergflnnt.   An   Jenem  Abend  wur- 
de   ich  seine   Geliebte.   Mein  Leben  wurde   nun  von  Leiden- 
schaft und  Liebe   für  ihn  erfüllt.    Ich  wurde   vorsichtig, 
um  ihn  nicht   zu   verraten.    Ich  geisterte   durch  die   Tage  mit 
ihren  If lichten  und  Verpflichtungen  und  erwachte   erst   am 
Abend  zum  eigentlichen  Leben;    denn   ich  lebte   nur  noch 
ih  ihm.   Er  konnte  natürlich  nicht    Jeden  Abend  kommen, 
sein  Beruf,    seine   Familie,    seine   gesellschaftlichen  Verpflich- 
tungen erlaubten  das  nicht.  Aber  er  kam  doch  so  häufig,    dass 
Frau  Müller  mich  mit  mist raulscher  Miene  beobachtete  und 
hie   und  da   warnende   Worte   fallen  Hess.    Das  machte  mir 
keine    Sorge;    aber  ich  hatte   das  unheimliche   Gefühl,   dass 
Gertrude  wieder  angefangen  hatte   zu  spionieren,    dass   sie 
sichtbar  um  mich  herum  war,  bis   ich  entdeckte,    dass   sie 
sich  an  Frau  Müller  herangemacht  hatte   ohne   mein  Wissen. 


130 


Ich  fand   sie  eines   Tspea   In  Frau  Müllers   Zimmer,   wo  die  bei- 


den zusammen  Tee   tranken.  \xsckyä(ßnxk^ickaäxzc 


icaäx 


Ab  «»  ^i'w.uAi.  4»;«>:4»  4»:«m;  «»: 


:;c  Ich  weiss  noch  heute   nicht  was   Gertrudes 
Absichten  waren,    Frau  Müller  erzählte   mir,   dass   sie   sie 
mit   Frapen  überschüttete  und  versuchte  ,he raus  zufinden,    ob 
und  warum  ihr  Vater  mich  besuchte.    Sie  bot   ihr  sogar  Geld 
für  diese  Auskünfte   an. 

Jage  mann  hatte   sich  verändert;    er  x9axDC9d>c300c:)d»d: 

pdockjdmÄsadfccgpc^dfeOTac  wa r  launisch  geworden  und  oft  nicht 
berechenbar  .Er  machte   Bemerkungen  und  Anspielungen,    die 
eine   entsetzliche  Elfersucht  bezeugten  und  deren  Bedeutung 
mich  tief  verletzte.    In  einer  solchen  3cene   verlangte  er 
von  mir,    dass   Ich  Frau  Müller  wegschickte,    da    er  ihre 
sittlichen  Grundsätze   verdächtige.   Er  habe   von  seiner 
Tochter  erfahren,    dass    sie   versucht   habe, mich  mit    Jungen 
I^nnem  bekannt   zu  machen,   um  mich  sowohl  von  Jagemann 


zu  trennen  als  auch  sich  einen  guten  Nebenverdienst   zu 
sichern.    In   seiner  Elfersucht  befangen   zweifelte   er 
nicht   einmal  mehr  an  der  Wahrheitsliebe   seiner  Tochter, 
von  der  er  selbst  als   Intrigantin  gesprochen  hatte.   Er 
hatte   eine   Unterredung  mit   Frau  MÜller,    die    ihn  aus   Sorge 
um  mich  wohl  ungeschickterweise  ersuchte , seine   Besuche 
einzustellen  und  andeutete,    dass   seine    Frau  von  diesen 
Besuchen  benachrichtigt  werden  könnte.    Jagemann  antwortete 


I  t 


131 


Ihr  In  kaltem  Ton,  dasa  sie  es  nicht  wagen  sollte  etwas  zu 
unternehmen,  was  sie  nur  bedauern  würde,  da  er  etwas  aus 
Ihrer  Verp-anfrenhelt  wüsste,  dessen  Mitteilung  ihren 
Aufenthalt  in  Hamburg  unmöglich  machen  würde.  Ich  hatte 
keine  Ahnung  was  diese  Drohung  bedeutete;  ich  war  so 
müde  und  so  unglücklich,  dass  ich  mich  in  mein  Zimmer 
einschloss  und  mich  in  den  Schlaf  weinte.  Ich  hasste 
Frau  Müller  und  beschloss  Jagemanns  Wunsch  zu  erfüllen 
und  sie  wegzuschicken.  Mein  einziges  Verlangen  war  die 
alte  Beziehung  zu  ihm  wiederherzustellen,  meine  Sinne 
verlangten  mit  Leidenschaft  nach  ihm,  und  mir  erschien 
Frau  Müllers  zukünftiges  Geschick  in  jener  Nacht  völlig 
unwichtig»  Ich  konnte  nicht  ahnen,  dass  ich  mich  unlös- 
lich in  Schuld  verstrickt  hatte.  Ich  kann  noch  heute 
nicht  ohne  tiefste  Erschütterung  daran  denken,  dass  nur 
wenige  Räume  von  mir  entfernt  ein  menschliches  v/esen, 
dem  ich  mein  Mitgefühl  versagte,  einen  Verzweiflungs- 
kampf völlig  allein  kämpfte,  ein  Gethsemane,  dass  in 
einem  Golgatha  enden  musste.   Ein  menschliches  Wesen, 
das  mir  tief  ergeben  war,  und  das  durch  meine  Gleich- 
gültigkeit sterben  musste. 

Man  fand  Frau  Müller  am  nächsten  Morgen  tot  auf 
ihrem  Bett  liegen.  Sie  hatte  sich  mit  Rattengift  das 
Leben  genommen.  Sie  hatte  einen  Brief  an  mich  hinter- 
lassen, in  dem  sie  erklärte  warum  sie  nicht  weiter  • 
leben  könnte,  Ihr  Name  war  Therese  Mühlhelmer,  Sie 


132 


hatte  al3  Junpe  Krankensohweater  auf  meines  Vaters  Abtei- 
lung gearbeitet,  31e  war  eine  gute  Schwester  gewesen;  sie 
hatte  meinen  Vater  sehr  verehrt*  Aber  sie  war  Jung  gewesen 
und  hatte  den  dringenden  Liebeserklärungen  eines  Jungen 
Arztes  nleht  wiederstehen  können.  Es  war  die  alte  Geschich- 
te: sie  war  in  gesegnete  — welch  seltsames  Wortl —  Umstände 
gekommen^  hatte  auf  Heirat  gehofft  und  war  auf  Kälte  und 
Unverständnis  gestossen.  Er  war  mit  einem  Mädchen  aus 
einer  anderen  Gesellschaftsklasse  verlobt.  Am  Tage  seiner 
Hochzeit  gebahr  sie  ein  Kind  in  ihrem  Zimmer  im  Kranken- 
haus, Sie  hatte  durch  ihre  weite  Schwesterntracht  ihren 
Zustand  verbergen  können*  Allein  im  Zimmer  und  in  ihrer 
Angst  und  Verzweiflung,  erstickte  sie  das  Kind.  Sie 
vmrde  auf  dem  Kinde  liegend  gefunden.  Unter  den  Ärzten, 
die  mit  meinem  Vater  zu  ihr  ins  Zimmer  kamen,  war  auch 
Jagemann,  sein  damaliger  Oberarzt.  Er  hatte  sie  sofort 
wiedererkannt;  ihre  Tat  hatte  damals  und  auch  heute 
nichts  für  ihn  bedeutet,  aber  er  hatte  sie  wieder  ins 
Leben  gerufen,  um  sie  damit  zu  vernichten.  Durch  die 
Fürsorge  meines  Vaters  vfar  sie  damals  nicht  des  Kindes- 
mordes angeklagt  worden,  sondern  nur  der  fahrlässigen 
Tötung.  Sie  v/urde  auf  zwei  Jahre  ins  Gefängnis  geschickt. 
Nach  ihrer  Entlassung  hatte-  sie  in  einem  russischen  Kloster 
Zuflucht  gefunden  bis  sie  wieder  fähig  war  zu  arbeiten« 


133 


Endlich  hatte    sie   eine   Gtelerenhelt   Ihre   Dankbarkelt   für 
meines   Vaters   G-üte    zu   zelrren,    seinem  Kind  alle   die   Treue, 
Liebe   und  Ergebung  zu  wldme9,,dle   sie   dem  eigenen  nicht 
geben  konnte.    Sie   glaubte,    dass   sie   damit   Ihre    Tat   sühnen 
konnte.   Aber,    so   sagte   sie  als  Letztes   In  Ihrem  Brief, 
Gott   Hesse    sich  nicht  betrügen;    er  wolle   sie  nun  mit 
dem.  strafen,   v/as   für  sie   das   Grauenhafteste  und  Uner- 
tr^p-llchste   sei.    In  dem  er  mich  vor  Ihren  Auf^en  verder- 
ben   lasse,   well   sie   das   Leben   Ihres   eigenen  Kindes   ver- 
dorben hatte. 

Das   'keltere  welsst   Du,    mein  Freund.    Ich  war  durch 
lange    Zelt  wie  umnschtet;    Ich  wollte   nicht   leben,    Ich 
konnte   die    Schuld,    die    ich  durch  meine    leidenschaftliche 
Liebe    zu   Jagemann  auf  mich  geladen  hatte,   nicht  ertragen. 
Aber  allmählich  wurde   ich  ruhiger  und  war  schliesslich 
bereit  wieder  in  das  Leben   zu  treten.    Ich  sah   Jcgemann 
noch  ein  einziges  Mal.   Er  wollte    sich  mir  hoffend  und 
liebevoll  nähern  -  mein  Herz   schrie   nach   ihm,    aber  ich 
schickte    ihn  fort   -  auf   immer.    Ob   ich  meine    Schuld  ver- 
büsst  habe   — ich  weiss   os   nicht.    Du   sollst  aber  wenigstens 
Dich  frei  entschliessen,    ob  Du  mit   mir  Dein  Leben  teilen 
willst. 


In  Treue 


Irene 


134 


Der  zweite   Brief 


"Lieber  Max,    treuer  Freund, 
loh  le£:e  nun  mein  Herz  und  meine    Seele   In  Deine  Hände,   mit 
diesen   Zellen,    die   alles   sind  was   von  mir  geblieben  Ist. 
Max,    lieber  Max,    verzeih  mir,    dass   ich  Dir  den   Schmerz 
des  Abschieds   zufillge   —vielleicht  kannst   Du  mir  verzeihen, 
wenn  Du  daran  denkst,    dass   Trennung  von  einander  unumgäng- 
lich ist,    dass  es  nicht   darauf  ankommt,    ob  es  heute   oder 
in  50  Jahren  ist  und  nur,    ob  man  das  Wesen  des   geliebten 
Menschen   in  sich  aufgenommen  hat.    Ich  möchte   Dich  trösten 
und  von  Dir  getröstet  werden.    Du  bist   der  einzige  Mensch, 
der  mich  damit   versöhnt,    dass  es  ein  Leben  überhaupt 
gibt,   Warum  denn  kann  ich  nicht  bei  Dir  bleiben  und  mit 
Dir  leben?  Du  musst  mich  verstehen,    der  Du  meine   Geschichte 
kennst.   Wir  haben  so  viel  und  vertraulich  miteinander 
gesprochen,   und  Du  kennst   den  besten  Teil  meiner  Per- 
sönlichkeit.  Aber  mit   Dir  würde   auch  der  verworfenste 
Mensch  ein   Stück  göttlicher  Natur  zeigen,   Was   an  mir 
schlecht  und  verworfen  ist,   hast   Du  nie   zu  fühlen  be- 
kommen.   Vielleicht   auch  hat  es  nur  existiert  als   Spie- 
gelbild eines   anderen  Menschen,    der  auf  immer  den 
Stempel   des  Besitzes  auf  mich  gedrückt  hat.    Denke   an 
Frau  Müllers  Worte,    dass   Sott   sich  nict  betrügen  Ifisst, 
selbst  wenn  wir  Menschen  Erbarmen  empfinden.    Ich  weiss 


135 


Du  hast   Erbarmen  mit  mir,    aber  ich   finde   nichts   In  Gott- 
dle   entsetzliche   Schuld  mussjif  gesühnt  werden*    Ob  es 
Therese  Müllers   Tod  -oder  Irp.end  ein  Tod  Ist-  Ich  muss 
dafür  büssen,   und   Ich  könnte  es  nicht  ertra{?"en  von  Neuem 
durch  Wochen  und  Monate   entsetzlicher  Gewissensqualen 
zu   leben.    Ich  hatte   gehofft,    dass    Du  mich  retten  könntest, 
dass  unsere   Liebe,   unser  Vertrauen  ein  Bullwerk  dagregen 
sein  würde   —  aber  Ich  weiss  nun  sicher,    dass  es   diesen 
Ausweg  für  mich  nicht   g-lbt.    Ich  kann  Dein  Leben  nicht 
zerstörenl    Ich  weiss,    dass    Ich  Ja^-emanns  Elgenttam  bleiben 
werde,    Immer  mit   Ihm  In   Schuld  und   Sünde   verbunden  und 
Immer,    immer  nach  ihm  verlangend. 

Mein  liebster,    liebster  Max,    Du  wärest  bereit  mich 
sofrar  unter  dieser  Bedingung  zu  lieben  und  zu   stützen  - 
aber  Ich  bin  nicht  fähig  mich  selbst    zu  ertragen,    dies 
abgründige   Schlechte    in  mir,    das  keine  Erlösung  duldet I 
Ich  kann  die   Hölle   in  mir  nicht  dulden — 'die   Liebe   aber 
ist   die    Stärkste  unter  ihnen, *   das   ist  mein  Trost   in 
diesen   letzten  Augenblicken  —  Deine   Liebe  wird  stark 
sein  und  mir  verzeihen.    Du  Guter,    Du  Lieber,    leb  wohl. 
Ich  nehme   Dein  Bild  mit  mir.    Dein  Lächeln,    Deine   Grossmut. 


Adieu 


Irene    " 


f  I 


IV 


136 


Günther  sass  am  Fenster  und  schaute  auf  den  ver- 
schneiten stillen  Platz  hinaus.  Er  hielt  die  Briefe, 
die  er  gelesen  hatte,  in  seiner  Hand,  er  hatte  seit 
Stunden  so  gesessen,  fast  ohne  sich  zu  bewegen.  Nach 
dem  ersten  fast  wilden  Gefühl  von  Abscheu,  Empörung, 
Zorn  und  einem  Sosct  körperlichen  Widerwillen,  war  all- 


m 


öhlich  eine  Reaktion  eingetreten.  Er  hatte  nun  keinerlei 


Empfinden  mehr,  er  konnte  aber  auch  nicht  denken.  3o 
sass  er  und  beobachtete  den  Lichtschein,  der  von  der 
Gaslaterne  über  den  Schnee  fiel,  sah  die  wenigen  Fuss- 
gänger  eilirst  den  Platz  überschreiten,  hörte  das  Geläute 
eines  verspäteten  Pferdeschlittens,  und  folgte  mit  den 
Augen  einer  kleinen  schwarzen  Katze,  die  vorsichtig  und 
lautlos  in  den  alten  Pusstapfen  der  Pussgänger  einherschlich. 


137 


Lengsam  erlÖschten  die  Laternen,  Es  wurde  kalt  im  Zimmer, 
so  dass  er  aufstehen  musste,  um  das  Kaminfeuer  v^ieder  an- 
zufachen und  Holzscheite   darauf   zu  werfen.    Diese   Bewegung 

die   Steifheit 
tat   Ihm  gut,    löste /^öcxxxxxxKÄ  seines   ganzen  Körpers  und 

vor  allem  der  Finger,    die   die   Briefe  umklammert  hielten. 
Er   schaute   auf  die   Briefe,    legte    sie   auf  den   Tisch 
und  durchquerte  einire   Male   das   Zimmer  und  merkte,    dass 
er  zu   denken  begann.   Er  dachte   zunächst   an   Irene,    deren 
Selbstmord  ihm  unp-eheuerlich  erschien,    fremd,   unver- 
ständlich und  abstossend.    Dabei  aber  sagte  etwas   in  ihm, 
dass   er  sich  umbringen  würde,   v;enn   Irenes   Brief   die  Wahr- 
heit  enthielte,    die   Wahrheit  über  Gertrude,   Er  könnte   es 
nicht   ertragen , wenn   seine   Geliebte  wirklich  ein   so  bös- 
artiges  Geschöpf   sei  wie   Irene    sie    schilderte,    Gertrude 
wäre   iscKH   Ja   an  Frau  Müllers  und  damit  auch  an  Irenes 
Tod   schuld  —  wenn   Irene      Recht   hätte.    Irene   konnte 
nicht   Recht  haben.    Es   konnte   nicht   sein  — hatte    sie 
doch  auch  in   ihrer   3chv;ermut  behauptet,    dass   sie   Frau 
Müller  umgebracht  hätte;    durch  Wochen  hatte   sie   das 
behauptet,   und  es  hatte   sehr  lange   gedauert,   bis    sie 
wieder  aus   dem   Sanatorium  entlassen  werden  konnte.   War 
es   denn  nicht  möglich  — Ja    sogar  wahrscheinlich —   dass 
ihr  Bekenntnis,    das   Professor  Jagemann  und  Gertrude 
in  abstossend-unmoralische  Beziehungen  und  Taten  ver- 
wickelte,   auf  krankhafter  Einbildung  beruhte?  Wenn   sie 


I  I 


138 


einmal  In  ihrer  Umnachtung  sich  mit  völlig  haltlosen  Selbst- 
vorwürfen durch  viele  Wochen  quälen  konnte,  so  musste  man 
annehmen,  dass  die  Anklagenrepen  andere  g-enau  so  haltlos 
und  krankhaft  waren.  Diese  Schlussfolperung  schien  Günther 
überzeugend,  und  er  war  nun  willens  weiter  zu  denken.  Aber 
er  war  so  müde,  dass  er  plötzlich  auf  dem  Sessel  sitzend 


einschlief.  Er  sah  die  schwarze  Katze  lautlos 


geister- 


haft über  den  Schnee  schleichen;  unter  der  Laterne  sass 
ein  kleiner  Vogel.  Er  hatte  seine  Federn  aufgeplustert 
und  hielt  das  Köpfchen  auf  die  Brust  geneigt  und  schlief. 
Langsam  fielen  Schneeflocken  auf  ihn  hinunter.  Die  Katze 


ma 


chte  plötzlich  einen  Sprung  und  packte  den  Vogel  mit 


Fiaul  und  Klauen;  sie  zerblss  und  zerrlss  ihn,  Sie  drehte 
ihren  Kopf  nach  Günthers  Fenster  zu,  und  Günther  sah, 
dass  die  Katze  ihn  mit  Gertrudes  Augen  anblickte. Dann 
hörte  er  einen  schrillen  Todesschrei, 

Günther  erwachte,;  seine  Stirn  war  auf  die  Fenster- 
bank gefallen,-  und  er  hatte  dadurch  eine  kleine  Schale, 
die  einige  Rosen  enthielt,  heruntergeworfen.  Die  Schale 
lag  in  Scherben,  und  die  Rosen  waren  entblättert.  Er 
musste  ein  Gefühl  des  Ekels,  den  der  Traum  verursacht 
hatte,  bekämpfen,  trotzdem  war  er  ruhiger  und  gefasster 
als  vorher.  Er  fragte  sich, wie  es  möglich  war,  dass  Max  die 

Hirngespinste  einer 


139 


Kranken  ;-lauben  konnte.   Er  hatte   doch  Japemann  gut  gekannt, 

seine   Mutter  war  mit   Ihm  befreundet   gewesen.   Wäre   Jagemann 

ein  Mensch  wie   Ihn  Irene   darstellte,    so  raössteii    auch  andere 

betrafen   im 

Gerüchte,   die  seine  Sittenlosigkeit/ Umlauf  sein.   Aber  so   viel  er  wusste 

hatte  man  nie  irgendetwas  Anrüchiges  illber  Ihn  gehört,  nur 
Immer  Gutes,  Bewundernswertes;  niemand  hatte  Je  eine  ab- 
trägliche Bemerkung  üb^r  Ihn  gemacht.  So  viel  du  welsst, 
sagte  eine  kaum  hörbare  Stimme  In  Günthers  Innerem.  Er 
brachte  die  Stimme  zum  Schwelgen,  indem  er  sich  Jagemanns 
ernste,  vergeistigte  Züge  ins  Gedächtnis  rief.  Er  dachte 
an  die    Stille,    die   ihn  umgab,   an  die  Ehrlichkeit  und 

Direktheit,   mit   der  er  Günther  begegnet  war.   Er  konnte 

heimlichen 
nicht   zugeben,    dass   dieser  Mann  i»ixi±KVLeid.en3chaften 

nachgab.   Er  liebte   Gertrude,   und  da   er  sie   liebte,   rau3<^te 

> 

sie  gut  sein.  Er  weigerte  sich  zu  erkennen,  dass  er  die- 

selbe  Beweisführung  anwandte  wi«  Max,  dem  er  vorwarf,  dass 

zu  Irene 
er  durch  seine  Liebe/geblendet  glaubte,  dacs  ihre  Be- 
schuldigungen wahr  seien.  Schliesslich  gelang  es  ihm,  sich 
einzureden,   dass  Jagemanns  Veränderung  und  sein  plötzlicher  Entschluss 

nach  Afrika  zu  gehen,  nichts  mit  der  Nachricht  von  Irenes 
Selbstmord  zu  tun  hatten  und  nur  zufällig  zeltlich  zusam- 
menfielen. 

Es  dämmerte  schon, als  er  sich  endlich  niederlegte 
und  mit  dem  Vorsatz  einschlief,  dem  Freund  rücksichtsvoll 
aber  doch  unweigerlich  mitzuteilen,  dass  er  Irenes  Geschichte 


IV 


140 


für  die  Hirngespinste  einer  Gemütskranken  hielt,  dass  er 
aber  verstünde,  dass  Max,  der  sie  liebte,  ihr  glauben 
müsse,  und  dass  er  deswegen  sein  Haus  auf  immer  verlassen 
müsste,  wenn  er  ihn  nicht  zu  seiner  eigenen  Ansicht 
her aberziehen  könnte . 


141 


Max  3ass  lanpe  unbeweglich,  den  Kopf  In  die  Hände  ver- 
graben, vor  seinem  Schreibtisch,  Nach  der  errettenden  Scene 
mit  Günther  war  er  recht  erschöpft.  Er  fühlte,  dass  er 
zu  einer  Entscheidung  gezwunp-en  war,  und  dass  er  nicht 
imstande  war  sie  zu  machen.  Es  war  unvermeidlich, dass  die 
neubelebte  Freundschaft  mit  Günther  eine  weitere  Belastung 
nicht  tragen  würde.  Er  bedauerte  schon  aufs  Tiefste,  dass 
er  ihm  die  zwei  Briefe  von  Irene  gegeben  hatte;  er  hatte 
sie  nie  Jemandem  gezeigt.  Es  konnte  nichts  Gutes  dabei 
herauskommen  — wie  hatte  er  so  impulsiv  handeln  können? 
Er  vmrde  sich  bewusst,  dass  Günthers  Besuch,  Günthers 
Freundschaft  2u  ersehnt  und  begehrt  waren,  dass  er  zu 
heftig  und  unklug  gehandelt  hatte.  Mit  ungewöhnlicher 
Klarheit  erkannte  er  den  Grund  dieses  so  ungestümen 
Bedürfnisses:  Günther  hatte  Irene  und  seine  Knabenjahre 
bedeutet,  seine  erste  und  seine  letzte  Liebe.  Er  schSmte 
sich,  dass  er  nicht  eigentlich  um  den  Freund  geworben 

ha tte^  sondern  um  Irene,  oder  vielmehr  hatte  er  versucht 

Kämpfer 

in  Günther  e ine n/ÄSstetaar  für   Irene    zu  werben.   Er  hatte, 
oline   es    zu  wollen,    ihm  ein  Leid  angetan.      Aber  der  Freund 
war  in  Gefahr,    selbst  wenn  es   sich  nicht  um  Irene   handelte, 
niemand  wusste  besser  als  Hax,   was   Günthers   Schicksal   sein 

v;Ürde,   wenn  er  Gertr^de  heiratet-^    --oder  sie   ihn.   Er  nahm 

Päckchen 
aus   der  Schreibtischlade  ein«»  i^susiPSiA  Briefe,    sie  waren 


-142- 


In  Gertrudea   grosser  höhnischer  Hand  j'e schrieben.   Er 

fragte    sich  fast   verwundert,  warum  er  sie   aufbewahrt  hatte. 

Hatte   er  auf  diesen  Auf^enbllck   £:ewartet,   wo  er  sie   dem 

Freund  triumphierend  zelp$n  kennte?  Triumphierend  über  was?— 

seine  ^ 

über  Günthers  Elend  und/Nie d«^ag:e.   Er  wusste  was   In  den 
Briefen  stand;    es  waren  Immer  neue   Versuche  Max  zu  gewinn  en, 
Max  zu  betören.    Gertrude   versuchte    Jedes  Mittel,    sie  war 
völlig  schamlos   In  ihrem  Begehren,    Sie  war  cynlsch  und 
sittenlos      und  nahm  kein  Nein,    in  welcher  Form  auch  immer 
es   gegeben  v;ar,   ornst.    Sie  hate   allerdings  nie  erwähnt,    dass 
sie   mit   G-iünther  verlobt  war,    das  hielt   sie   geheim  und  hatte 
Ja   auch  Günther  davon  überzeugt,    dass  er  es   geheim  halten 
raüsste.    Sie  machte   sich  jedoch  über  ihn  von  Zelt   zu  Zeit 
in  ihren  Briefen  an  Max  lustig,    ohne   Rücksicht  auf  Maxens 
Freundschaft  mit   Günther.    Sie  beschrieb   seine  unglaub- 
liche  Naivität  und  Ungeschicklichkeit,    seine   Bravheit, 

» 

Vertrauensseligkeit  und  Narretei,  und  schilderte  andere 
Verehrer,  deren  Vorzüge  sie  in  Einzelheiten  aufzählte, 
wobei  sie  manohmsl  so  gegen  jedem  Anstand  verstiess. 
x±:^Kxx^^QeKHk:y  Anscheinend  hoffte  sie  duroh  diese  Briefe 
Max  zu  erregen,  seine  Neugierde  und  Eifersucht  zu  entfachen 
xx3bOsxxx:kxJCKX3^K^xx}(t)^XK]^^  sich  vor  ihm  zu  entblössen. 
Max  hatte  kaum  Je  geantwortet;  endlich  teilte  er  ihr 
mit,  dass  er  anden>rärts  gebunden  sei,  dass  es  sinnlos 
sei  ihm  zu  schreiben,  auf  ihn  zu  hoffen.  Sie  glaubte  ihm 


%  i 


-143- 


nlcht,   bis   er  ihr  Irenes   Namen  nennte,    dann  wurde   sie   auf 
einmal   vernünftig  In  Ihren  Briefen,    sachlich  und  freund- 
lich und  schien   sich  für  alles, was    Irene  betraf, zu   Inte- 
ressleren.   Das  war  natürlich  bevor  Max  von  Gertruden   Rolle 
In  Irenes   Tragödie  wusste.    Die   Hamburger  Zeitungen 
?«38  mussten  wohl  die   Nachricht   von   Irenes   Tod  gebracht 
haben,    denn  einige  Wochen  später  kern  ein  Condolenzbrlef 
von   Gertrude,    den  er  nur  formell  beantwortete;   und  dann 
kam  sehr  bald  ein  neuerlicher  Versuch  Max  zu   gewinnen. 
Der  Brief  war  voller  Sympathie   für  Ihn,   aber  er  enthielt 
Anspielungen  auf  die   Vergangenheit,   auf  Irenes   Beziehung 
zu  Gertrudes  Vater  und  ihre  Versicherung,   dass   Professor 
Jagemann  die   Zeitungsnachricht   gelesen  habe  und  sicher 
mit  l'lax  fühle;    Jedenfalls   sei  er  sehr  verändert  und  habe 
für  niemanden  weder  ein  gutes  noch  ein  böses   vVort  mehr. 
Max  konnte  wohl   raten,  wer  die   Zeitungsnachricht   dem 
Professor  vor  Augen  gebracht  hatte.    Obgleich  noch  weitere 
Briefe   kamen,   hatte   sie    ihm  nichts   von  ihres   Vaters   Reise 
nach  Afrika  mitgeteilt,  nichts  von  ihrer  nun^^der  Familie 
-^weniH?s4-«Tm  bekannten  Verlobung  mit  Günther,   über  den  sie 
nur  wenige  und  wegwerfende   Bemerkungen  machte.    Sie  bat 
nun  um  Maxens   Freundschaft,   um  Antwort  auf  ihre   Briefe. 
Max  antwortete    ihr  nicht.    Nun  stand  er  vor  der  Entschei- 
dung,   ob  er  dem  Freund  diese   Briefe   zeigen   sollte.   Er 


war 


144 


4J. 


ZU  müde,  um  zu  einem  Entschluss  zu  kommen.   Er  wollte 

abwarten,  wie  Günthers  sich  zu  Irenes  Briefen  verhalten 
würde,  wollte  es  davon  abhängig  machen,  ob  er  bereit  sei 
die  Wahrheit  zu  sehen  —  konnte  er  sie  nicht  in  Irenes 
Briefen  erkennen,  so  mSsste  vielleicht  ein  stärkeres 
Mittel   angewandt  werden  um  eine  Erschütterung  herbeizu- 
führen.  Er  konnte  den  Freund  nicht  blind  in  sein 
Verdorben  gehen  lassen. 


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ans   Bett  brachte,    gab  er  Anweisung  seine   Koffer  zu  packen. 
Er  war  grade  mit  Ankleiden  fertig,    als  Max  an  seine   Tür 
klopfte.   Er  betrat   das    Zimmer  mit   zögernder,    fragender 
Miene.    Die    Freunde    standen  einander  verlegen  gegenüber. 

**Warum  willst   Du  uns   schon  so   rasch  verlassen?"   -  fragte 
Max.    "Muss  wirklich  unsere   Freundschaft   zugrunde   gehen,   weil 
Du  die  Wahrheit  nicht   ertragen  kannst?'* 

Günther  hatte   noch  nicht  Zeit   gehabt   zu  antworten,    als 
Max  schon  die   beiden  Briefe,    die   auf  dem  Tisch  lagen,   nahm 
und   sie   in  die   Brusttasche   seines   Rockes   steckte.    Günther 
sagte   mit   einer  Steifheit,   die   all   seinen  guten  Vorsätzen 
zuwiderlief: 

"Ich  kann  in  einem  Haus  nicht  bleiben,   wie   Du  verstehen 


w 


irst,  wo  die  Ehre  meiner  Braut  und  meines  künftigen  Schwie- 


ge 


rvafcers   verletzt  worden  ist.    Ich  wörde  mich  mit   Dir 


duellieren,   wenn   ich  nicht   in  Rechnung  setzte,    dass   Du 
noch  immer  im  Zustand  der  Trauer  um  Deine   Braut  bist.    Ich 
bin  sicher,    dass,   wenn  Du  diese   Tragödie   völlig  überwunden 


146 


h-^ 


hast 


ixJcxxxx*x3CX3j;   Du  einsehen  wirst,    daas   die  Anschuldigungen 
und  Anklagen  einem  kranken.    Ja   umnachteten  Geist  entsprungen 
sind,    dass   sie   die  Einbildungen  einer  Gemütskranken  waren, 
die   schon  früher  einmal  solche   falschen  Anklagen, 


»;s-:'f.<fL<l  < 


aber  pepen  sich  selbst,    gemaoht  hattec^   Ich  werde   nicht 
welter  an  diese   traurigen  Dlnpe   denken,    sondern  nur  daran, 
dass   Du  gelitten  hast,   und  Ich  verspreche   Dir,    dass  wenn 
Du  bereit   sein  wirst, Deinen  Irrtum  einzusehen.    Ich  wieder 
Dein  Freund   sein  werde." 

So  muss   es  wohl   sein,"   sagte   Max  traurig,    "ein   Schatten 
kann   sich  nicht   verteidigen,   und  Ich  bin   MtÄflotot»«  nicht 


stark  genug, dem  Schatten  so  viel  Kraft  zu  geben,  dass  er 
lebendig  wird  und  Elnfluss  auf  die  Lebenden  bekommt.  Leb 
wohl,    Günther,"   und  mit   leiser  verzweifelter  Stimme   fügte 

er  hinzu,    "könnte   ich  Dich  nur  vor  Deinem  Geschick   retten." 

beim  Herausgehen 

Er  wandte   sich  rasch  um,    aber  hörte   noch /Günthers 

Worte,    "ich  muss   — wie   Du  den  Deinen —  meiner  Liebe   treu 
bleiben,    ich  habe   es   nicht   nur  Trade,    sondern  Grott   geschwo- 
ren,."  aax9ae©DdciBC3ffli!k>c3üöo^ 


In   seiner  Bibliothek  am  Schreibtisch  sitzend  HÄhlit 

aus   der  Lade; 
Max  Gert  rüdes   Briefe    ^Z3a:i2zz}22ä3e2^;    er  wog   sie    in  docDc  seiner 

Hand  und  dachte   dabei   an  Günthers    Schicksal;    dann  warf 

er  sie  mit   einer  raschen,   ungeduldi^r^en  Bewegung  in  das 

hell-lodernde   Kaminfeuer. 


/ 


-1^ 


Salomeas  Kreik 


Nach  der  Beerdigung  in  Rom  reisten  der  Aasesor  und 
die  Zwillinge  sofort  zurQck«  Behrens  und  Qtfnther  beschlossen t 
in  Rom  zu  bleiben  --  oder  zumindest  in  Italien;  beiden 
achien  eine  so  baldige  Rückkehr  nach  Hamburg  unmZfglich 
obgleich  aus  sehr  verschiedenen  Orönden.  Behrens  fürchtete 
die  Leere  und  Einsamkeit,  die  Jagemanns  Tod  in  seinem 

*  . 

beruflichen  als  auch  perslfnlichen  Leben  notwendigerweise 
mit  sich  bringen  muaste,  auch  wollte  er  Entscheidungen 
seine  Zukunft  betreffend  nicht  unter  dem  Eindruck  dieses 
Verlustes  machen,  wollte  Familie  und  Freunde  in  Rom  sehen 
und  sich  mit  den  Folgen  einer  möglichen  beruflichen 
Uebersiedlung  nach  Italien  vertrattt  machen^  Bei  Günther 
war  es  ein  Gefifhl  von  Angst,  das  ihn  zurSckhielt.  Er 
hatte  Angst  Gertrude  wieder  zu  sehen,  Angst  vor  seinen 
Gefühlen,  Angst  vor  ihrer  Reaktion.  Am  grSssten  aber  war 
die  Angst,  die  Wahrheit  herauszufinden;  eine  Wahrheit,  die 
er  ja  langst  wusste,  die  nur  die  Beatfitigung  seines 
bewussten  Denkens  bencftigte,  sozusagen  seiner  Einwirkung, 
den  Schmerz  zuzulassen  und  zu  ertragen,  um  Wirklichkeit 
zu  werden e  Die  Nachte,  in  denen  er  sich  über  seine  Frau 
und  vor  allem  über  ihre  Beziehung  zu  Wolf  klar  war,  waren 
viele  gewesen«   In  TrSumen  hatte  er  die  Bitternis  ihres 
Betruges  erlebt  --  aber  am  Morgen  waren  die  Gespenster 
verschwunden,  oder  schienen  weit  fort  hinter  den  Nebel, 


-2- 


\\ 


der  gewZJhnlich  die  Strassen  Hamburgß  undurchsichtig 
machte,  gedrangt  zu  sein*   In  der  feuchten  Kalte,  die  so- 
gar in  seinen  geschlossenen  Wagen  drang,  flihltc  er  ihren 
Kuss  auf  seinen  Lippen  noch  so  warm  und  so  viel  versprechend; 
und  ihr  schlaftrunkenes  Gesicht  schien  ihm  so  kindlich 
und  unschuldig  wie  das  seines  kleinen  Sohns.   In  seinem 
Bureau  nahmen  seine  Geschäftsinteressen  ihn  dann  vSllig 
in  Anspruch.   Er  hatte  sich  nie  Gelegenheit  gegeben,  seine 
Nachtgedanken  bei  Tag  zu  untersuchen;  aber  er  wusste,  dass 
er  sich  so  sehr  von  Gesellschaft  und  intimeren 
Beziehungen  zurückhielt,  weil  er  es  verzog,  blind  und  taub 
zu  sein.  Nun  brauchte  er  Zeit.   Er  wollte  Zerstreuung, 
jir  wollte  nicht  allein  sein.   Er  hatte  sich  ja  diese 
Wochen  frei  gemacht,  um  mit  Jagemann  zu  sein;  jetzt  konnte 
er, unbesorgt  um  die  Folgen  dieser  Freiheit,  von  seinem 
Geschäft  fortbleiben  und  sich  von  Behrens,  mit  Menschen 
bekannt  machen  lassen,  die  mit  keinem  Zuge  an  Gertrude 
oder  Hamburg  erinnerten.   Er  musste  nicht  an  Gertrude 
denken.   Er  konnte  ein  neues  Stück  Leben  kennen  lernen, 
bevor  er  seine  alte  Wirklichkeit  erwggen  und  beurteilen 


musste. 


Salomea  hat  schon  bei  ihrem  ersten  Zusammen- 


treffen einen  reichen  und  tiefen  Eindruck  gemacht.  Er 
fragte  sich  später,  was  es  war,  dass  dieses  Gefühl  von 


•3- 


innerem  Reichtum  gab.  Sie  war  ke  neawega  eine  Schönheit 
zu  nennen.   Ihre  Züge  waren  eher  unrege Imassig,  die  Nase 
etwas  zu   schwer,  der  Mund  gross  mit  voller  Unterlippe 
unter  der  achmaleren  geschwuntigenen  Oberlippe.   Eine  hohe, 
von  kastanienbraunen  Haaren  umgebene  Stirn  und  dunkle 
Augenbrauen  liber  groaaange legten  mandelförmigen  goldenen 
Augen.   Sie  war  klein  und  zierlich  und  hielt  sich  aehr 
gerade,  so  daaa  aie  gröaaer  wirkte  als  sie  war.   Sie  hatte 
einen  elfenbeinfarbenen  Teint  ohne  auch  nur  eine  Spur  von 
roaiger  Farbe,  auf  die  die  meisten  Mädchen  und  Frauen 
seiner  Bekanntachaf t  stolz  waren.  Sie  war  einfach  und 
dunlcel  gekleidet,  und  soweit  er  sehen  konnte,  trug  sie 
keinen  Schmuck  ;  am  vierten  Finger  der  rechten  Hand,  die 
sie  ohne  Handschuh  ihm  entgegengestreckt  hatte,  sah  er 
zwei  einfache  goldene  Reifen  übereinander;  sie  war  eine 
Witwe.   Sie  schien  sehr  viel  junger  als  Behrens,  wahr- 
scheinlich Mitte  Zwanzig,  aber  sie  machte  den  Eindruck 
eines  völlig  gereiften,  so  noch  recht  jungendlichen 
Menschen.  Als  er  sich  ihre  Erscheinung  so  untersuchend 
wieder  vor  Augen  führte,  kam  Günther  zur  Entscheidung, 
dasa  ea  ihre  goldenen  Augen  waren,  die  die  Voratellung 
von  Märchen  und  Träumen  hervtrzaabcrten.   Schon  am  ersten 
Tag  ihrer  Begegnung,  ala  er  und  Behrena  mit  ihr  dem 
Sonnenuntergang  auf  der  Via  Appia  zuaahen  und  aie  nur  vor* 


-X 


-4- 


Zelt  zu  Zeit  eine  Bemerkung  machte,  die  Behrens  zu 
historischen  und  kunstkrit Ischen  Ausfuhrungen  anregte, 
sonst  aber  schweigsam  war,  und  als  sie  ihn  nachher  wie 
selbstverständlich  mit  Behrens  zusammen  in  ihre  Wohnung 
zum  Abendessen  aufforderte,  ganz  als  gehöre  er  schon  dazu 
~  fühlte  er  sich  zu  dieser  Frau  hingezogen,  die  wie 
Behrens  vorher,  ein  lang  vergessenes  Gefiihl  von  Warme  und 
Vertrautsein,  aber  auch  Vergessen,  in  ihm  erweckte. 

Am  Ende  ihres  S^przterganges  forderte  Salomea  / 
ihren  Vetter  und  Günther  auf,  mit  ihr  nach  Hause  zu  kommen. 
Sie  könne  zwar  ,  meinte  sie,  kein  grossartiges  Mahl  den 
beiden  vorsetzen,  aber  wenn  sie  mit  einfacher  Kost  vorlieb- 
nehmen wollten,  so  seien  8±e   ihr  sehr  willkommen.   Sie 
hatte  in  der  Nahe  der  Spanischen  Treppe,  im  2.  Stock  eines 
alten  Hauses  mit  ihrem  Vater  zusammen  eine  Wohnung,  die 
selbst  am  Abend  hell  und  freundlich  erschien.   Der  alte  Mann, 
dem  Günther  vorgestellt  wurde,  sprach  ein  fliessendes,  ja 
sogar  schönes  Deutsch.   Er  sah  ehrwürdig  aus  mit  seinem 
weissen  Haar  und  langem,  dichtem  Bart.   Es  stellte  sich 
heraus,  dass  er  zwar  zum  Rabbiner  bestimmt  gewesen  und  auch 
die  Rabblnatschule  absolviert  hatte,  dann  aber  zum  Studium 
der  Philosophie,  Sanscrit  und  vergleichender  Sprachwissen- 
schaft ifbergetreten  war,  wobei  er  «ich  einen  bedeutenden 
Namen  aber  kein  Vermögen  erworben  hatte.   Er  lebte  von 


II 


-5- 


einer  kleinen  Pension   und   seine  Tochter  unterichtete 
Sprachen   in  einer  Madchenschule.      Ein  wesentlicher 
Charakterzag   ihrer  Wohnung  war  eine  Harmonie,    die   auf 
das  Ueber einstimmen  beider  Menschen   in   ihrem  Lebenstil 
hindeutete*      Bücher  und   Bilder  schienen  das  Wohnzimmer 
zu  füllen;   dazu  einige  Vasen  mit  Blumen,   deren  Frische    und 
Farbe  von   liebevoller  Pflege   zeugte.      Professor  Gabriele 
Morini  unterhielt  seine   Gäste  während  Saloraea  die  Vor« 
bereitungen  zum  Abendbrot  machte*      Er  liess   sich  von 
Behrens   über  seine  Tätigkeit   in  Rom  berichten,    und   sprach 
sein  Beileid   aus,    als  er  von  Jagemanns  Tod   hSrte.      Er  hatte 
den  Verstorbenen  auf  einem  seiner  Besuche   in  Hamburg 
kennen  gelernt,    als  er  an  einer  fieberhaften  Erkrankung 
litt   und  Behrens  darauf  bestand,   den  älteren  Arzt  als 
Konailariua   zuzuziehen.     Während   er  seinem  Bedauern  Ausdruck 
gab,    trat  ein   junger  Mann   ins  Zimmer,   der   anscheinend   ein 
vertrauter  Freund  war.      Jedenfalls   wurde   sein  Eintreten 
nicht  besonders   beachtet,    er  vurde   Günther  als   Giovanni 
Barreate  vorgestellt.     Was   sein     Beruf  war  konnte  Günther 
nicht  erraten.      Er  hatte   ein   langes  hageres   dunkles  Gesicht 
mit  einer  Adlernase   und   sehr  dunklen   tiefliegenden  Augen. 
Seine   hohe  Stirn  war  von  einer  Menge   fast  buschigem  Haar 
umgeben,   wozu  ein  etwa^chtltterer  kleiner  Spitzbart  einen 
merkwürdigen  Gegensatz  bildete.      Günther  vielen  die  kleinen 


ITi 


so- 


sehr weissen  Hände  auf,  die  in  standiger  nervöser  Unruhe 
waren,  am  Bart  zupften,  tiber  die  Stirn  strichen  oder 
auch  einfach  gefaltet  und  wieder  entfaltet  wurden.   Das 
Gesicht  dagegen  blieb  fast  unbeweglich,  nur  die  Augen 
schienen  voller  Leben  zu  glühen.   Beim  Essen,  an  dem  auch 
Signor  Barreste  teilnahm,  befragte  Professor  Morini 
Günther  nach  seinen  Reisen,  besonders  nach  seinen  Eindri3cken 
von  Amerika.   Die  herzliche  Atmosphere,  der  Wein,  Salomeas 
Ftirsorge  hatten  ihre  Wirkung  auf  Günther.   Er  fühlte  sich 
frei  und  weniger  gehemmt  als  sonst.   Er  erzahlte  von  New 
York  und  Boston,  von  Oper  und  Theater,  von  all  dem,  was 
för  ihn  den  Unterschied  zwischen  Hamburg  und  Amerika  aus- 
machte.  **Und,''  frage  Barreate,  "was  für  einen  Eindruck 
haben  Sie  von  den  Arbeitsverhaltnissen,  den'Sweatshops* 
den  wirtschaftlichen  Unruhen  bekommen?'^   Jetzt  erst  wurde 


Günther  gewahr,  dass  die  anderen  seinem  Bericht  schweigend 
und  wie  verwundert  zugehSrt  hatten,  ohne  ihn  nach  den 
ersten  Fragen  zu  unterbrechen.   Er  merkte,  dass  Behrens 
bei  der  aggressiven  Bemerkung  Barreates  etwas  verlegen 
schaute  und  Salomea  leicht  errötete.   Der  Professor  sagte: 
''Giovanni,  was  für  Fragen  —  woher  sollte  Herr  Hoyk  solche 
Auskünfte  geben  können.   Ich  bin  sicher,  dass  er  nicht 
weiss  worüber  Sie  sprechen''  d/ann  begann  er  Günther  aus-» 
einanderzusetzen,  dass  Barreste  ein  grosses  Interesse  an 


•7- 


der  Arbeiterbewegung  hatte  und  natSrlich  hoffte  von  einem 
Augenzeugen  ober  die  maerikanischen  VerhKltnißse  etwas  zu 
hören.  Die  schrecklichen  Bedingungen,  unter  denen  die 
Arbeiter  drüben  Lebten,  seien  wohl  auch  Günther  zu  Ohren  -- 
wenn  auch  nicht  zu  Gesicht  --  gekommen.   Man  müsste 
naturlich  hoffen,  dase  bald  eine  Aenderung  zum  Besseren 
einträte,  wenn  eine  gewaltsame  Umänderung  vermieden  werden 
sollte.    AllmÄilich  hatten  sie  noch  einige  Freunde  ein- 
gefunden.  Es  schien   Günther,  als  ob  dieser  Abend,  der  ihm 
etwas  so  Einzigartiges  schien,  den  anderen  ganz  gewohnlich 
war.  Sie  waren  alle  bei  Salomea  und  Morini  zuhause,  kannten 
einander  und  führten  Gespräche  fort,  die  sie  anscheinend 
erst  vor  kurzem  abgebrochen  hatten.   Unter  diesen  Gästen 


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war  auch  eine  junge  Frau  von  zwergraassigem  Wuchs.    Ihr 
Korper,  der  unschön  und  schwer  war,  ruhte  auf  kurzen  Beinen 
Die  ganze  Person  reichte  gerade  etx^as  über  den  Tisch  heraus 
She  hatte  einen  sehr  grossen  Kopf,  mit  schonen,  klugen 
braunen  Augen  und  regelmässigen  Zügen  und  einer  I  oben 
Frisur,  die  sie  etwas  grosser  erscheinen  lassen  sollte. 
Sie  wurde  ihm  als  Rebecka  vorgestellt.   Ihren  Familiennamen 
verstand  er  nicht.   Rebecka  war  Lehrerin,  unterrichtete 
aber  in  einer  Volkschule  in  Deutschland  und  war  nur  während 
der  Osterferien  in  Rom,  um  Salomea  zu  besuchen.   Es  stellte 
sich  heraus  dass  sie  aus  Hamburg  kam,  wo  sie  in  einem 


•  8- 


Waisenhaus  aufgewachsen  war.   So  merkwürdig  ea  auch  war, 
diese  groteske  Person  unterrichtete  nicht  etwa  Madchen, 
sondern  Jungens,  besonders  solche  Jugendlichen,  die  schwer 
ersiehbar  waren.  Es  wurden  Probleme  besprochen,  die 
GHnther  so  völlig  fremd  waren,  dass  er  wie  gebannt  zuhörte. 
Man  sprach  Deutsch  oder  auch  Englisch  und   obgleich  man 
bald  genug  herausgefunden  hatte,  dass  er  nichts  zu  diesen 
Themen  beitragen  konnte,  liess  man  es  nicht  einen  Augenblick 
an  Höflichkeit  fehlen,  indem  man  in  das  allen  vertraute 
Italieniech  verfiel.   Sie  schienen  ihn  nicht  besonders  zu 
beachten,  liessen  ihn  aber  auf  diese  Weise  in  ihrer 
Diskussion  teilnehmen.   Es  schien  ihm,  dass  Barreste  eine 
besondere  Stellung  in  dieser  Gruppe  einnahm.   Er  sprach 
viel  und  leidenschaftlich  und,  wie  es  Günther  erschien, 
eher  zornig.   Ganz  unvorhergesehen  fing  er  plötzlich  an 
auf  die  Juden  zu  schimpfen  und  behauptete,  dass  sie  an  all 
dem  Elend  der  Arbeiter  und  der  Brutalitat  und  Unmenschlich- 
keit des  Kapitalismus  Schuld  seien.   Günther  konnte  sein 
Entsetzen  ob  dieser  Taktlosigkeit  kaum  verbergen.   Zu  seinem 
Erstaunen,  schienen  die  anderen  diesen  Ausbruch  nicht  ganz 
ernst  zu  nehmen  und  bevor  ihr  Vater  etwas  sagen  konnte, 
sagte  Salomea  wie  erklärend  und  wohl  als  ob  sie  über  ein 
unartiges  Kind  spräche  '^Giovanni  meint  diese  Dinge  nicht 
wirklich,  er  hat  sich  darüber  gekrankt,  dass  Max  seinen 


«9- 


es 


Plan  abgelehnt  hat  und  ihm  das  Geld  nicht  geben  will/' 
"l-Iax"  griff  Morinl  diese  Bemerkung  auf  "ist  viel  zu 
gescheit,  um  sich  auf  solche  Extravaganzen  einzulassen. 
Er  ist  inuner  bereit  zu  helfen,  aber  sicher  nicht  wenn 
sich  um  Gewalttätigkeit,  was  auch  immer  die  Ziele  sein 
rab'gen,  handelt.  Max  hat  noch  nie  jemanden  im  Stick  gelassen/  h, 
— aber  was  Sie  vorhaben,  Giovanni,  ist  einfach  grocesk." 
Das  wollen  wir  gleich  sehen"  antwortete  dieser  und  sich 
an  den  erstaunten  Günther  wendend  fuhr  er  fort:   "Sie 
Signore  Hoyk,  sind  kein  Jude, Sie  sind  aber  ein  Millionär, 
sie  haben  grossen  industriellen  Besitz  in  Amerika  — 
mit  anderen  Worten,  es  muss  in  Ihrem  Interesse  sein,  wenn 
Ihr  stärkster  Konkurrent  Scuvierigkciten  in  der  Produktion 


tr 


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hat;   wenn  Sie   in   uns   eine  gewisse  Summe    investieren, 

werden  wir  für  solche  Schwierigkeiten  wie  Strike   oder  /   ^  n"^^  ''-t 

****'   .......1  "*  t 

Explosionen  sorgen.  Was  sagen  Sie  dazu?  Ist  das  nicht 
ein  genialer  Plan?  Sie  helfen  uns,  wir  helfen  Ihnen  — 
eine  bessere  Kapitalsanlage  kann  es  fHr  Sie  doch  nicht 
geben.   Der  jüdische  Kapitalist  hat  natürlich  moralische 
Skrupel  --  aber  Sie  würden  sogar  für  Ihren  christlichen 
Glauben  etwas  tun,  wenn  Sie  einen  jüdischen  Konkurrenten 
von  uns  in  die  Luft  sprengen  lieseenl"  Günther  fühlte  sich 
geniert,  da  er  so  plötzlich  der  Gegenstand  von  Giovannis 
bitterem  Humor  geworden  war;  er  versuchte,  sich  dieser 


•  10« 


Aufmerksamlcclten  dadurch  zu  erwehren,  dass  er  sein  völlig 
steifes,  undurchdringliches  GcaclJfftsgesicht  aufsetzte 
und  tat,  als  ob  er  die  Anzüglichkeiten  nicht  verstanden 
habe.   Der  Name  ''Max'*  hatte  in  ihm  eine  innere  Unruhe 
ausgelöst.   Er  wandte  sich  an  Saloraea  mit  der  Frage,  ob 
jener  Max,  vielleicht  Max  Lilienfeld  sei.   Dies  wurde 
bestätigt  und  man  wollte  wissen,  woher  ihm  der  Name  bekannt 
sei.   "Er  war  ein  Freund  von  mir;  ging  ein  paar  Jahre 
mit  mir  zur  Schule.   Wir  waren  einander  sehr  nahe,  sind 
aber  auseinander  gekommen'*  erwiderte  er,  '*ich  habe  ihn 
seit  meinem  ersten  Besuch  in  den  Staaten  nicht  mehr 
gesehen."  "Ein  Freund  und  auseinandergekommen"  wieder- 
holte Mörini  'Vie  seltsam  —  das  hört  sich  so  gar  nicht 
nach  Max  an.  Max  halt  an  allem  fest,  an  dem  er  einmal 
ein  Interesse  gewonnen  hat,  wie  auch  an  jedem  Besitz, 
geistig  wie  materiell.   Ich  habe  noch  nie  gehört,  dass  er 
je  eine  Freundschaft  abgebrochen  oder  irgend  eine  Beziehung 
aus  den  Augen  verloren  habe;  diejenige  zu  Ihnen  muas 
wohl  eine  Ausnahme  gewesen  sein.  Wir,  die  wir  hier  bei- 
sammen sind,  selbst  Signor  Barreste  obgleich  er  heute  so 
wenig  schmeichelhaft  über  ihn  sich  ausgelassen  hat,  sind 
Max  sehr  verbunden,  ja  w^ir  konnten  wohl  sagen,  dass  wir 
ihn  lieben  und  trotz  aller  Gegensätze  in  sozialen  Ver- 
haltnissen,  Weltanschauungen  und  politischen  Glaubens* 


-11- 


o 


bekenntniflsen  gehört  er  zu  unserer  Welt.   Zu  meiner  besonders, 
weil  er  begabtester  Schüler  gewesen  ist  und  nun  nicht  nur 
mein  Kollege  sondern  oft  auch  mein  Lehrer  sein  kann. 
Max  ist,  abgesehen  von  seinen  grossen  Talenten,  ein 
seltenes  Gemisch  von  Vernunft  und  Treue  --  seine  Be- 
ziehungen haben  schwere  Belastungen  aus  gehalten/'  ''Mein 
Vater''  sagte  Salomea  lächelnd  '*ist  immer  bereit  für  Max 
eine  Rede  zu  halten  --  aber  er  hat  recht,  wir  lieben  ihn 
alle  und  was  eher  wunderlich  ist,  ist,  dass  er  uns  liebt. 
Als  ich  ein  kleines  Madchen  war,  war  Max  mein  Held,  ich 
war  in  ihn  verliebt."  "Wer  war  das  nicht?'*  sagte  Rebekka 
und  sah  mit  traurigen  Augen  zu  Salomea  hinüber.   "Er  hat 
Euch  alle  gekauft"  warf  Giovanni  ein,  dann  aber  fügte  er 
hinzu:   "trotzdem  er  mir  meinen  Plan  nicht  finanzieren  will, 
muss  ich  zugeben,  dass  die  Welt  um  vieles  unglücklicher 
und  armer  ohne  ihn  wäre.  Basta.   Lasst  uns  über  wichtigere 
Dinge  sprechen I" 

Behrens  und  Günther  verabschiedeten  sich  und 
gingen  zu  ihrem  Hotel.   Günther  was  erregt  und  gequält. 
Haxens  Persönlichkeit  war  ihm  so  lebhaft  wieder  vor  Augen 
geführt  worden  und  hatte  damit  auch  alle  die  schmerzhaften 
Probleme,  die  er  von  sich  geschoben  hatte,  wieder  herauf- 
beschwören, so  dass  er  nur  mit  Mühe  seine  düstere  Stimmung 


-L2-. 


verbergen  konnte.  Nachdem  sie  eine  Weile  schwelgend  neben- 
einander hergegangen  waren,  fragte  Günther  den  Doktor  aus 
seinen  Gedanken  heraus,  ob  auch  er  Max  gekannt  habe, 
Behrens  bejahte  diese  Frage  und  fügte  hinzu,  dass  er  Max 
in  Afrika,  als  dieser  Jagemann  besuchte,  kennen  gelernt  habe 
'»Max  hat  Jagemann  besucht!''  rief  Günther  aus  und  blieb  un- 
willkürlich stehen  ''aber  das  ist  doch  unmöglich.   Das  muss 
doch  nach  . • . /'  er  wollte,  nach  Irenes  Tod  sagen,  unterbrach 
sich  aber.  Behrens  sagte  es  für  ihn  "nach  Irenes  Tod.  Mir 
ist  die  Geschichte  bekannt."  "Aber,  um  Gotteswillen,  wie 
ist  das  möglich.   Er  hat  Jagemann  gehasst."   "Nicht  genug, 
um  ihm  die  Bitte,  zu  ihm  zu  kommen  abzuschlagen.   Jagemann 
wandte  sich  in  seiner  Verzweiflung  an  ihti  und  Max  blieb 
sich  selbst  treu  —  und  kam."  "Das  muss  doch  gewesen  sein, 
nachdem  ich  ihn  besucht  hatte  —  nachdem  unsere  Freundschaft 
an  seinem  Haas  und  seinen  Beschuldigungen  zerbrach!"   "Ich 
würde  nicht  so  sicher  sein,  dass  Maxens  Freundschaft  zer- 
brochen ist.   Nein  —  er  wird  Sie  wohl  verstanden  haben, 
was  auch  immer  Sie  veranlasst  haben  mag,  von  Ihrer  Seite 
her  den  Abbruch  herbeizuführen."  Günther  konnte  nicht  mehr 
an  sich  halten,  er  begann  Behrens  zu  erklaren,  warum  er 
damals  sich  von  Max  trennen  musste  und  er  wiederholte  mehr- 
mals, dass  er  nun  sicher  sei,  dass  seine  damalige  Auslegung 


^13- 


der  Angelegenheit  richtig  gewesen  sein  miisse  —  sonst  hatte 
Max  Jagemanna  Bitten  nicht  nachgeben  kSnnen.  Behrens 
achiittelte  den  Kopf,  schwieg  eine  Weile  und  sagte  in  gewohn- 
lichem Gesprächs  ton:   ''Sie  haben  ganz  Unrecht.  Es  hat 
sich  alles  so  zugetragen^  wie  Max  Ihnen  es  erzatilt  hat. 
Vielleicht  hatte  ein  anderer  Mensch  seinen  Hass  behalten, 
vielleicht  Rache  genommen  und  sich  an  dem  Leiden  seines 
Gegners  ergötzt,  ja  zu  dem  Leiden  beigetragen,  indem  er 
dessen  Bitte  um  Hilfe  abschlug  und  ihn  auch  noch  demutigte. 
Das  wäre  eben  nicht  Max  gewesen,  Max  ist  kein  Wilder. 
Max  ist  ein  Kulturmensch.   Er  wusste,  was  geschehen  war. 
Er  wusste  auch,   dass  Irene  nicht  wieder  zum  Leben  erstehen 
konnte,  ob  ar  sich  auch  noch  so  rächte.   Er  liebte  Irene. 
Aber  Jagemann  hatte  Irene  auch  geliebt  --  leidenschaftlich 
geliebt.  Max  wusste,  dass  ein  Mensch  aus  leidenschaftlicher 
Liebe  für  einem  anderen  Menschen,  eine  Frau,  einen  Freund 
oder  sogar  eine  Sache  Dinge  begehen  kann,  die  ihm  sonst  fremd 
sind."  ''Max  muss  ein  Heiliger  sein,  ein  Apostel"  rief 
Günther  aus.   "Durchaus  nicht;  er  ist  ein  Realist,   Er 
musste  nicht  erst  blind  werden,  um  sehen  zu  lernen  --  wie 
Paulus,  Sie,  mein  Guter,  sind  ein  Romantiker;  Sie  sehen 
nur  ihre  TrSume,  Ihre  blaue  Blume  --  Ihre  Leidenschaft  macht 
Sie  ebenso  blind,  wie  Barreste  blind  ist  und  daher  sind  Sie 


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ebensowenig  wie  er  —  oder  wie  es  Jagemann  war  •-  geneigt, 
Verbrechen  zu  begehen.  Emporen  Sie  sich  nicht  darüber, 
dass  ich  Sie  mit  Barreste  im  selben  Ater..  nenne.   Barreste 
hat  noch  kein  Verbrechen  begangen  —  obgleich  er  es  konnte, 
fdr  seine  Idee,  fCr  seine  Leidenschaft,  dem  Proletariat 
zu  helfen.   Sein  Scherz  heute,  kann  morgen  Ernst  werden* 
Sie  aber  haben  schon  ein  Verbrechen  begangen,  haben  sich 
selbst  gebllndet,  um  ihrer  blauen  Blume  willen,  weil  Sie 


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■«II II  miwpW*' 


nicht  wahr  haben  wollen,  was  wahr  ist.   Sie  haben  einen 
Freund  verraten  und  nicht  einmal  mehr  den  Hahn  krähen 
gehSrt,  und  Sie  wollen  auch  jetzt  wieder  das  Gleiche  tun. 
Sie  begehen  das  Verbrechen  gegen  sich  seibat,  lassen  sich 
nicht  mehr  leben  --  weil  Sie  den  Schmerz  der  Gegenwart  so 
hoch  einsetzen,  als  ob  Sie  ein  hilfloses  Kind  waren. 
Sie  würden  lieber  den  Sterbenden,  der  Ihnen  die  Wahrheit 
sagte.  Lögen  strafen,  indem  Sie  ein  weiteres  Stück  Leben 
von  sich  nehmen,  als  dass  Sie  ehrlich  mit  sich  --  und  Ihrer 
Frau  sind'*  fHgte  er  nach  einer  ganz  kurzen  Pause  hinzu. 
"Max  war  bei  Jagemann,  Max  half  hira;  er  teilte  seinen  Schmerz 
Hatte  er  ihm  vergeben?   Ich  glaube  gar  nicht,  dass  er  mit 
diesem  Begriff  etwas  anfangen  kannte.  Er  hatte  Jagemann 
gehasst  --  aber  das  war  vorbei.   Jagemann  war  krank  und 
brauchte  ihn.'*  Sie  waren  an  ihrem  Hotel  angekommen  und 
Behrens  streckte  Günther  mit  einer  versöhnlichen  Geste 


•  15- 


seine  Hand  hin:   ''Berauben  Sie  sich  nicht  Ihres  vollen 
Lebens,  mein  Freund.   Lernen  Sie  verstehen  und  nicht 
urteilen.   Out  und  Böse  sind  Begriffe  aus  der  Kinderstube 
oder  dem  Märchenbuch,"  damit  ging  er  in  sein  Zimmer. 


II 


Ein  von  qualenden  Traumen  durchsetzter  Schlaf 
liess  GUnther  am  nächsten  Morgen  mit  einem  Gefühl  von 
Erschöpfung  und  Abneigung  diesem  und  der  Reihe  der 
folgenden  Tage  entgegensehen.   Er  zwang  sich  aufzustehen, 
konnte  sich  aber  nicht  entschliessen  auszugehen,  um  Rom 
zu  besichtigen;  ebensowenig  wollte  er  aber  allein  in 
seinem  Zimmer  sein.   Einen  Brief  Gertrudes,  der  ihm  gebracht 
wurde,  liess  er  ungeöffnet  auf  dem  Tisch  liegen.   Der 
Gedanke  an  Behrens  machte  ihm  Angst;  die  Vorstellung,  dass 
Max  möglicherweise  in  Rom  war  verursachte  in  ihm  fast  ein 
Gefiihl  von  Uebelkeit.  Als  er  so  mit  sich  selbst  verfehdet 
und  unglücklich  vor  sich  hingrubelte,  trat  plötzlich 
Salomeas  Bildnis  vor  sein  inneres  Auge  und  er  fühlte  einen 
unüberwindlichen  Drang,  sie  zu  sehen  und  mit  ihr  zu  sprechen, 
Er  versuchte  diesen  Wunsch  nicht  einmal,  wie  es  sonst 
seine  Gewohnheit  war,  logisch  zu  begründen  oder  vor  sich 


*. 


II 


-16- 


selbst  zu  rechtfertigen*   Er  erinnerte  sich,  dass  in  der  gestri- 
gen Gesellschaft  ein  Cafeehaus  auf  der  Pia2>za  Narvona 
erwähnt  wurde,  wo  sich  täglich  eine  Gruppe  von  Salomeas 
Freunden  am  frühen  Nachmittag  traf,  auf  kurze  oder 
längere  Zeit,  wie  gerade  der  Einzelne  Zeit  hatte.  Es  war 
anscheinend  ein  unformelles  Zusammentreffen  und  der  sonst 


so  zurückhaltende  Günther  beschloss  ohne  zu  zc5gem 
dorthin  zu  gehen,  um  Salomea  zu  sehen.   Er  war  sicher  sie 
dort  zu  finden.   Seine  Ungeduld  trieb  ihn  aus  dem  Hotel 
und  schon  sehr  viel  früher  zu  dem  kleinen  Cafeehaus,  das 
eigentlich  eher  den  Charakter  einer  Taverne  hatte a   Er  licss 
sich  dort  so  nieder,  dass  er  den  Eingang  im  Auge  behielt 
und  versuchte  die  Zeit  damit  zu  verkürzen,  dass  er  sich 
alle  Einzelheiten  des  herrlichen  Platzes  mit  geschlossenen 
Augen  ins  Gedächtnis  zurückrief;  aber  an  Stelle  der 
Brunnen  und  Paläste  sah  er  Salomeas  Gesicht,  das  sich  in 
dasjenige  von  Max  verwandelte;  oder  er  sah  das  spöttische 
Auge  Barrestes  und  öffnete  seine  Augen^  um  diese  Bilder 
los  zu  werden.   Endlich  sah  er  eine  kleine  schlanke 
Gestalt  hereinkommen;  sie  sah  sich  um  und  entdeckte 
Günther,  der  aufgesprungen  war  und  nun  sie  erwartend  etwas 
ungeschickt  und  verlegen  dastand.   Salomeas  LScheln  war 
überrascht  aber  freundlich,  sie  begrÜsste  ihn,  wie  einen 
alten  Bekannten  und  liess  sich  auf  seine  Aufforderung  hin 
an  seinem  Tisch  nieder;  er  merkte  aber,  dass  sie  sich 


-17- 


^ 


weiterhin  umschaute,  als  erwartete  sie  jemanden  Bestimmten. 
^'Barreste  sollte  hier  sein  und  Reb«cka/'  sagte  sie  und 
filgte  erklärend  hinzu  dass  Giovanni  ihre  Freundin  unter 
seine  Fittiche  genommen  hatte,  um  ihr  die  grauen  Seiten 
Roms  zu  zeigen.   Rebecka  habe  diesem  Vorschlag  nicht 
widerstehen  kJJnnen;  sie  sei  so  völlig  innerlich  mit  den 


4 


•• 


Problemen  der  Kinder  der  Ärmsten  beschäftigt;  sie  habe 
ihr  Leben  wirklich  dia  Ärmsten  gewidmet  und  habe  dadurch 
Sinn  in  dieses  Leben  gebrecht.   Sie  sei  Sozialistin, 
aber  nicht  nur  in  der  Theorie,  sondern  sie  arbeite  sehr 
aktiv  überall  dort  mit,  wo  ihre  grossen  Talente  gebraucht 
werden  konnten.   Sie  hatte  ein  andere?, bequemeres  Leben 
führen  können;  trotz  ihres  körperlichen  Defektes  hatte 
sie  gute  und  ehrenhafte  Heirats an träge  bekommen  von  Männern, 
die  ihren  menschlichen  Wert  erkannt  hatten,  aber  sie  konnte 
sich  zu  einem  Schritt  in  eine  so  völlig  private  Welt 
nicht  entschliessen.   So  lebe  sie  alleine  und  sorge  für 
sich  und  eine  schwachsinnige  Schwester,  die  noch  im  Waisen- 
haus  lebe.   Ihr  einziger  Bruaer   sei  als  Junge  aus  dem 
Waisenhaus  davongelaufen  und  zur  See  gegangen.   Er  sex 
jetzt  auf  irgendeinem  Schiff  der  kaiserlichen  Marine  als 
Steuermann  oder  dergleichen  tätig.   Günther  horte  Salomea 
ernsthaft  aber  dabei  doch  ungeduldig  zu;  es  rührte  ihn 


dass  sie  so  viel  Interesse  an  dieser  unscheinbaren  Freundin 


V 


-18- 


y. 


nahm,  gleichzeitig  beneidete  er  diese  Freundin  schon  and 
wollte  Salomeas  Mitgefühl  für  sich  in  Anspruch  nehmen. 
Er  wartete  nur  auf  eine  Pause  in  ihrem  Bericht,  um 
schnell  und  dringlich  seine  Bitte  vorzubringen.   "Signora 
Fernandi"  sagte  er  "ich  muas  mit  Ihnen  sprechen;  muss 
Ihre  Meinung  und  Ihren  Rat  hören.   Bitte  hSren  Sie  mich 
an  und  sagen  Sic  mir,  was  ich  tun  soll.   Sie  sind  gütig 
und  weise  und  nicht  eine  Träumende,  die  nach  der  blauen 
Blume  sucht,  wie  Behrens  von  mir  es  behauptet.  Sie  kennen 
die  Welt,  Sie  haben  selbst,  wie  ich  an  den  beiden  Ringen 
Ihrer  Hand  sehe,  einen  grossen  Verlust  erlitten,  Sie 
wissen,  was  Leiden  ist  und  können  mir  Ihre  Hilfe  in 
meinem  jetzigen  Zustand  nicht  versagen."  Er  hatte  ihre 
Hand  mit  seinen  beiden  Händen  ergriffen  und  sah  sie 
flehentlich  an.   Sie  entzog  ihm  ihre  Hand  und  bat  ihn 
nicht  fortzufahren;  sie  kenne  ihn  ja  erst  seit  gestern 
zwar  wisse  sie  von  Behrens,  dass  der  Tod  seines  Schwieger- 
vaters und  andere  traurige  Ereignisse  ihn  schwer  betroffen 
und  sein  Gleichgewicht  erschüttert  hätten;  sie  glaube 
^  aber,  dass  sie  durchaus  nicht  in  der  Position  sei,  ihm  zu 
raten,  da  sie  ihm  eine  völlig  Fremde  sei.  Aber  das  sei 
ja  gerade  das  Notwendige,  rief  Günther  aus,  dass  sie  eine 
Fremde  sei  und  ihn  und  seine  Angelegenheit  sie  persönlich 
nichts  angingen,  dass  sie  nur  gütig  sei  und  ehrlich  und 


•  19- 


i|Sid  ihm  helfen  kcfnnte  in  seiner  Verwirrung  und  seiner 

eigenen  Blindheit,  mit  der  er,  wie  Behrens  sagte, 

sich  selbst  geschlagen  habe;  sie  kffnne  ihm  doch  helfen, 

m 

die  Wirklichkeit  zu  sehen  und  nicht  nur  Bildnisse  und 
Fratzen.   '^0,  Signor  Hoyk,'*  sagte  sie  lächelnd,  ''Sie  haben 
xxxx  sich  da  doch  schon  wieder  gleich  ein  Bildnis  gemacht. 
Sie  kennen  mich  doch  gar  nicht  und  wissen  nicht,  ob  ich 
giitig  und  weise,  oder  bösartig  und  engstirnig  bin.   Warten 
Sie  eine  Weile,  bis  Sie  mehr  von  mir  wisecin,  dann  diirfen 
Sie  sich  mir  anvertrauen;  sonst,  sehen  Sie,  kannte  es  wohl 
sein,  dass  Sie  wieder  enttauscht  wurden  und  dass  zu  allem 
jetzigen  Leid  Sie  auch  noch  das  der  Selbstbeschämung  hinzufügten. 
Nein,  lassen  Sie  uns  warten,  bevor  wir  diesen  Schritt  des 
Vertrauens  und  der  Verantwortung  unternehmen  und  dann,'* 
fugte  sie  hinzu  ''sollte  er  auf  Gegenseitigkeit  beruhen. 
Übrigens  kommen  hier  schon  einige  Freunde,  denen  ich  Sie 
vorstellen  werde."   "Ist  es  dann  ein  Versprechen,  dass 
wir  einander  Sfter  sehen  werden  --  dann  will  ich  warten" 
sagte  Günther  leise  und  fühlte  sich  seltsam  zufrieden. 


III 
Man  kSnnte  wohl  den  Eindruck  bekommen,  dass 
Günther  ein  Narr  war.  Aber  dieser  Eindruck  wäre  irrig; 
er  war  nur  naVrisch  was  sein  Gefühlsleben  anbelangt.   Das 


I  I 


-20- 


i.Ki*-'  ' 


(^ 


war  nur  eine  Seite  seiner  Persönlichkeit.   Er  schien  naiv 
inbeaug  auf  die  Unterhaltung  zwischen  Salomeas  Freunden, 
eine  Unterhaltung,  die  grösstenteils  sich  um  soziale 
Probleme,  Arbeiterbev/egung,  Strikt??  oder  anarchistische 
Gewaltakte  drehte;  es  war  aber  weniger  Naivität  als  ein 

«Mangel  an  Conceutration.   Er  war  in  «einem  Berufsleben 
kein  Geschäftsmann,  obgleich  er  einer  sich  immer  ver- 
grcJssemden  Reederei  vorstand  und  in  den  Staaten  ein 
beträchtliches  Kapital  in  grossen  Unternehmungen  investiert 
hatte.   Er  war  vor  allem  ein  Schiffsbauer,  ein  Ingenieur 
mit  solider,  ja  ausgezeichneter T^achkenntnis  und  Begabung, 
die  ihm  in  seinen  Fachkreisen  schon  viel  Anerkennung 
gebracht  hatte;  er  war  klug  genug,  den  geschäftlichen 
Teil  einem  GeschSftsleiter  zu  überlassen,  und  auch  in 
Amerika  hatte  er  einen  Geschaftsrat,  der  seine  Angelegen- 
heiten führte.   Seine  eigenen  Angestellten  waren  gut  be^ 
zahlt;  er  war  auch  nicht  unfreundlich  Gewerkschaften 
gegenüber  gesinnt.   Seine  beruflichen  Interessen  nahmen 
ihn  sehr  in  Anspruch.   Die  seelische  Blindheit,  die 
seine  persö  nlichen  Beziehungen  so  einengte,  das  Schul- 


jungenhafte dieser  Beziehungen  dehnte  sich  nicht  auf  diese 
andere  Seite  seiner  Persönlichkeit  aus.   Eher  hatte  sie 
noch  einen  Einfluss  auf  Vorliebe  und  Auswahl  seiner 
Lektüre •   Er  liebte  die  Klassiker,  aber  vor  allem  die 


•21- 


lateinischen  and  griechischen  Schriftsteller,  die  er  in 
der  Schule  gelesen  hatte,  vor  allem  Homer,  dann  aber 
auch  Virgil  und  Horaz.  Eines  Tages  hatte  er  in  einem 
Bucherladen  heruragesucht  und  eine  kleine  Ausgabe  von 
Catullufi'  Gedichten  gefunden,  die  er  mit  nach  Hause  nahm. 
Die  Gedichte  hatten  ihn  seltsam  berührt,  sie  hatten  ihn 
erregt  und  ein  grosses  Verlangen  in  ihm  wachgerufen.   Er 
las  die  ganze  Nacht  in  dem  kleinen  Buch  und  verschloss 


es  dann  in  seinem  Bacherschrankials  ob  irgendjemand  andrer 
in  seinem  Haus  je  daran  gedacht  hatte,  Gatullus  oder 
irgendeinen  anderen  lateinischen  Schriftsteller  zu  lesen. 
Das  war  das  knabenhafte  in  ihm,  seine  jugendlich- 
träumerische  unrealistische  Seite.  Aber  in  seinem  Beruf 
mit  Kollegen  und  Angestellten  nahm  er  ohne  zu  zogern 
seinen  Platz  ein.   Vielleicht  brauchte  er  da  nicht  blind 
zu  sein,  sich  nicht  in  seine  Träumereien  zu  fliehen,  weil 
ja  von  jeher  alles  so  gut  fiir  ihn  arrangiert  schien. 
Durch  seine  Erbschaft  sov/ohl  des  Matthias  *  sehen  Vermögens 
als  auch  der  de  Witt 'sehen  Reederei  war  er  weit  über  dös 
Notwendige  hinaus  versorgt,  und  konnte  ein  gutes  Teil 
seiner  technischen  Ideen  einführen  und  vervollkommnen; 
die  klugen  Investierungen,  die  seine  üerärer  für  ihn 
machten  hatten  ihn  über  einige  allgemeine  Krisen  sicher 
herübergebracht.   Er  hatte  nie  mit  beonsderen  Problemen 


-22- 


Skonomlscher  Natur  zu  kSrapfen  gehabt,  seine  berufliche 
Arbeit  war  wirklich  eine  Quelle  der  Befriedigung  gewesen. 

Während  er  nun  aber  den  Gesprächen  im  kleinen 
Cafcehaus  auf  der  Piazza  Norvona  zuhSrte,  nur  mit  halber 
Anfmerksamlceit,  da  seine  Gedanken  mit  aich  selbst  beschäftigt 
waren,  fiel  es  ihm  dcx:h  auf,  dass  auch  auf  seinem  beruf- 
lichen Gebiet  er  ganz  eingeengt  war,  nur  seine  eigenen 
Interessen  im  Auge  hatte  und  dem  allgemeinen  Geschehen 
wenig  oder  gar  keine  Aufmerksamkeit  schenkte.  Was  konnte 
er  wirklich  von  seinen  Reisen  berichten,  was  von  Amerika, 

J  1. 

das  er  sich  eingebildet  hatte  so  gut  zu  kennen.   Die 
Menschen,  die  er  drüben  kennen  gelernt  hatte,  gehörten 
zu  einer  bestimmten  Klasse;  sie  waren  sauber,  höflich, 
wohlerzogen  und  reich;  sie  hatten  schöne  Häuser  in  der 
Stadt  und  gewöhnlich  auch  auf  dem  Land  und  luden  Ihn^  z" 


■r>  ■■'«  '>«««i  .^M/^ 


Dinieren  oder  zumkuf enthalt  über  Wochenende  auf  dem  Lande 

Oder  auf  einer  Yacht  ein:  sie  sprachen  über  geschäftliche 

Angelegenheiten,  aber  nur  vom  Standpunkt  des  Unternehmers 

aus;  unangenehme  Themen  waren  taboo.   Ihre  Frauen  und 

Töchter  waren  reizvoll  und  amüsant  —  er  hatte  sich  aber 

nie  darum  gekümmert,  ob  sie  ausserdem  auch  noch  etwas 

anders  waren.   Und  doch  las  er  Zeitungen,  wusste  dass  es 

A 
Unruhen  gab,  dass  Korruption  herischte,  dass  die 


^ 


i 


-23. 


MuLtlmllLionäre  ihr  VeriuSgeti,  wenn  sie  es  nicht  ererbt 
hatten  wie  er  selbst,  gewöhnlich  auf  unlauterem  Wege 
erworben  hatten.   Sie  hatten  geraubt  und  gemordet,  und 
sie  taten  es  noch  immer,  indem  sie  Millionen  von  Menschen 
i  wie  Sklaven  behandelten,  ihren  Arbeitern  Hungerlohne 
zahlten  und  deren  Kinder  in  Kohlen-  und  Kupfermi/^nen,  wo 
sie  n'e   das  Licht  uer  Sonne  erblickten,  arbeiten  liessen. 
Er  wusste  natürlich  von  dem  Kinderelend  drüben  -•  Rebecka 
hfftte  ihn  nicht  darüber  belehren  müssen. 

Das  Licht  auf  dem  grossen  Platz  vor  ihm  wanderte, 
der  Himmel  färbte  sich  rosig,  als  ob  die  roten  Steine  der 
Hauser  ihren  Schein  nach  oben  warfen,  das  Blau  des  Himmels 
das  vor  kurzem  noch  ganz  tief  und  dunkel  war,  leuchtete 
jetzt  grünlich  wie  Glass,  durch  das  ein  Licht  schimmert 
und  die  Brunnen  schienen  nun  ernst  und  kühl.   Die  Kinder, 
die  dort  gespielt  hatten,  waren  nach  Hause  gegangen. 
Katzen  wanderten  über  die  Steine  und  sassen  in  dem  Dunkel 
der  geöffneten  Haustore.   ''Und  wie''  sagte  eine  spöttische 
Stimme  "hat   ihr  Vorfahre  sein  Vermögen  gemacht,  Signor 
Hoyk?" 


■'OS*!^' 


Ikk 


V 


2u  müde,  um  zu  einem  EntachLu««  «u  kotniaen.  Er  wollte 
abwartet»,  wie  (ÜHtliftra  sich  au  Irenes  Brief aa verhalten 
würde,  wollte  es  davon  abhffngiß  machen,  ob  er  bereit  sei 
die  Wahrheit  zu  sehen  —  konnte  er  sie  nicht  in  Irenes 
Briefen  erkennen,  so  müsate  vielleicht  ein  stÄrkeres 
Mittet  angewandt  werden  um  eine  Erschütterung  herbeieu- 
f Uhren.  Er  konnte  den  Freund  nicht  blind  in  «ein 
Verdorben  gah«n  lassen. 


IV 


38 


für  die  Hirngespinste  einer  Gcmatskrankcn  hielt,  dass  er 
aber  verstünde,  dass  Max,  der  sie  liebte,  Ihr  glauben 
niQsse,  und  da««  er  deswegen  sein  Haus  auf  immer  verlassen 
masste,  wenn  er  ihn  nicht  zu  seiner  eigenen  Ansicht 
herüberziehen  kannte. 


113 


er  wusBte,  war  er  an  keine  Frau  gebunden  noch  hatte  er  die 
Absichtt  «ein  Juniigesellentum  aufzugeben*  Sein  Haus  war 
ungewöhnlich  ruhig,  im  hollÄndiachen  Still  gebaut  reichte 
«•  weit  in  die  VotrganäCinheit  surUcxc.   Die  enge  Pacade  aber 
tKuscht^,  denn  innen  war  es  weitläufig  und  im  besten 
modernen  Geschtoack  ein^serichtet.  Eine  schöne  und  koatbare 
GeaifildeÄacamlung  war  von  aelnem  Vater  begonnen  und  von  Max 
sehr  groaazügig  ergSnzt  worden.  Neben  alten  Meistern  fanden 
auch  neue  ihren  P^atz  in  der  Gallerie.   Ein  von  Sargent 
gernaltes  Portrat  seines  Vaters  hing  in  der  Bibliothek;  sein 
eigenes  und  das  seiner  Mutter  waren  von  Liebcrniann  gemalt 
und  l€:uchteten  von  den  mit  weisser  Seide  bespannten  Winden 
dea  Musikasitmnera, 

Es  war  behaglich  in  der  Bibliothek.  Max  und 
Günther  sasöen  vor  dem  Kaminfeuer  jsum  ersten  Mal  alleine 
seit  GJinthers  Ankunft,   Günther  hatte  schon  viel  on   New 
York  gesehen,  Theater,  die  Oper  und  Konzerte  besucht  und 
«ini^ie  Abendgesellschaf ten.   Er  wollte  nun  bald  nach  Boston, 
wo  er  ruit  seinen  Anwälten  zusaiamenkoinmen  sollte •   Er  rechnete 
mit  einetu  längeren  Aufenhalt  dort  und  liesa  sich  daher  von 
seinem  Freud  ober  Boston  erzählen,  über  die  dortigen  Sitten 
und  Anschauungen,  die  sich  so  deutlich  von  denen  der 
New  Yorker  unterschieden.  Sie  schienen  Günther  dem  Hamburger 
Wesen  sogar  verwÄ^ndttr  zu  sein.  Max  kannte  Boston  recht  gut, 
da  er  dort  atiitlert  hatte.   Er  hatte  aein  Doktorat  der  ^.echte 
von  der  Universität  Harvard  erhalten.   Er  hatte  auch 
Verwandte  in  Boston,  Vettern  va'ter lieber aeitSt 


II 


er  wusste,  war  er  an  keine  Frau  gebunden  noch  hatte  er  die 
Absicht t  sein  Jun^^^gesellentum  aufcugeben«  Sein  Haus  war 
ungewöhnlich  ruhi^,  im  holländischen  Still  gebaut  reichte 
es  weit  in  die  Vergangenheit  ssurScK«  Die  enge  Facade  aber 
tifuschtet  denn  innen  war  es  weitliTufig  und  im  besten 
modernen  Geschnack  eingerichtet •  Eine  schöne  und  kostbare 
GemXlde Sammlung  war  \ron  seinem  Vater  begonnen  und  von  Max 
Mito  grosazCigig  ergSnst  worden.  Neben  alten  Meistern  fanden 
auch  neue  ihren  PJ^atz  in  der  Gallerie.  Ein  von  Sargent 
gemaltes  PortrSt  seines  Vaters  hing  in  der  Bibliothek;  sein 
eigenes  und  das  seiner  Kutter  waren  von  Liebermann  gemalt 
und  Ivjuchteten  von  den  mit  weisser  Seide  bespannten  WMnden 
des  Husikiziiouiera. 

Es  war  behaglich  in  der  Bibliothek.  Max  und 
GCinther  sasaen  vor  dem  Kaminfeuer  zum  ersten  Mal  alleine 
seit  GtJntherö  Ankunft.   Ollnther  hatte  schon  viel  on  New 
York  gesehen,  Theater,  die  Oper  und  Konzerte  besucht  und 
einige  Abendgesellschaften.  Er  wollte  nun  bald  nach  Boston« 
wo  er  Qiit  seinen  Anwälten  zusaaimenkoinmen  sollte.  Er  rechnete 
mit  einem  längeren  Aufenhalt  dort  und  liesa  sich  daher  von 
SMilnem  Pr^eud  liber  Boston  erzlfhlen»  Sber  die  dortigen  Sitten 
und  Anschauungen 9  die  sich  so  deutlich  von  denen  der 
New  Yorker  unterschieden.  Sie  schienen  Günther  dem  Hamburger 
Wesen  sogar  verwandter  ssu  sein,  Max  kannte  Boston  recht  gut, 
da  er  dort  studiert  hatte.   Er  hatte  sein  Doktorat  der  Fechte 
von  der  Universität  Harvard  erhalten.   Er  hatte  auch 
Verwandte  in  Boston,  Vettern  väterlicherseits, 


11 


er   '  wusste,  war  er  an  keine  Pra^^  gebunden  noch  hatte  er 
die  Absicht,  sein  Junggesellentum  aufzugeben.  Sein 
Haus  war  ungewöhnlich  ruhig,  Im  holländischen  Stil 
gebaut  reichte  ^eö  weit  In  die  Vergangenheit  zurück. 
Die  enge  Fayade  aber  täuschte,  denn  innen  war  es  weit- 
läufig und  im  besten  modernen  CJeschmack  eingerichtet. 
Eine  schöne  und  kostbare  Gemäldesammlung  war  von  seinem 
Vater  begonnen  und  von  Max  sehr  grosszügig  ergänzt  worden. 
Neben  alten  Meistern  fanden  auch  neue  ihren  Platz  in  der 
Galle rie.  Ein  von  Sargent  gemaltes  Forträt  seines  Vaters 
hing  in  der  Bibliothek;  sein  eigenes  und  das  seiner 
Mutter  waren  von  Liebermann  gemalt  und  leuchteten  ^^oti  den 
mit  weisser  Seide  bespannten  Wä*nden  des  Mus ikz immer s . 

Es  war  behaglich  in  der  Bibliothek,  14a x  und 
Günther  sassen  vor  dem  Kaminfeuer  zum  ersten  Mal  alleine 

seit  Günthers  Ankunft,  Günther  hatte  schon  viel  von  New  York 

gesehen,  Theater,  die  Oper  und  Konzerte  besucht  und  einige  Abendgesellschaften 
Er  wollte  nun  bald  nach  Boston,  wo  er  mit  seinen  Anwälten  zu- 
sammenkommen sollte.  Er  rechnete  mit  einem  längeren 
Aufenthalt  dort  und  Hess  sich  daher  von  seinem  Freund 
über  Boston  erzählen,  über  die  dortigen  Sitten  und 
Anschauungen,  die  sich  so  deutlich  von  denen  der 
New  Yorker  unterschieden. Sie  schienen  Günther  dem 
Hamburger  Wesen  sogar  verwandter  zu  sein,  Max   kannte 

Boston  recht  gut,  da  er  dort  studiert  hatte.  Er  hatte 

der  Universität 
sein  Doktorat  der  Rechte  von/Harvard  erhalten.  Er 

hatte  auch  Verwandte  in  Boston,  Vettern  väterlicherseits. 


11 


er  wusate,  war  er  an  keine  Frau  gebunden  noch  hatte  er  die 
Absicht,  sein  Jun^gesellentum  aufzugeben.  Sein  Haus  war 
ungewöhnlich  ruhig,  im  holländischen  ^till  gebaut  reichte 
es  weit  in  die  vTex^^angenheit  zuriicK«   Die  enge  Facade  aber 
tauschte,  denn  innen  war  ee  weitläufig  und  im  besten 
modernen  vjeschmack  eingerichtet«   Eine  schöne  und  kostbare 
Oemfildesammlung  war  von  ßeinem  V^iter  begonner.  und  von  Max 
sehr  grosszügig  ergänzt  worden.  Neber»  alten  Meistern  fanden 
auch  neue  ihren  Platz   in  der  Gallerie.   Ein  von  Sargent 
gemaltes  Porträt  seines  Vaters  hing  in  der  Bibliothek;  sein 
eigenes  und  das  seiner  Mutter  waren  von  Lieberoann  gemalt 
und  lt.uchteten  von  den  mit  weisser  Seide  bespannten  Wänden 
des  Musikzimmers. 

Es  war  behaglich  in  der  Bibliothek.  Max  und 
Günther  sassen  vor  dem  Kaminfeuer  zum  ersten  Mal  alleine 
seit  Günthers  Ankunft.   Günther  hatte  schon  viel  von  New 
York  gesehen,  Theater,  die  Oper  und  Konzerte  besucht  und 
einige  Abendgesellschaften.   Er  wollte  nun  bald  nach  Boston, 
wo  er  mit  seinen  Anwälten  zusammenkommen  sollte.   £r  rechnete 
mit  einem  längeren  Aufenhalt  dort  und  liess  sich  daher  von 
seinem  Freud  über  Boston  erzählen,  über  die  dortigen  Sitten 
und  Anschauungen,  die  sich  so  deutlich  von  denen  der 
New  Yorker  unterschieden.  Sie  schienen  Gttr.ther  dem  Hamburger 
Wesen  sogar  verwandt^sr  zu  sein.  Max  kannte  Boston  recht  gut, 
da  er  dort  studiert  hatte.   Er  hatte  sein  Doktorat  der  Rechte 
von  der  Universität  Harvard  erhalten.   Er  hatte  auch 
Verwandte  in  Boston,  Vettern  väterlicherseits, 


I  I 


37 


zu  müde,  um  zu  einem  Entschluss  zu  kommen.  Er  v/ollte 
v^grten  was  Günthers  Reaktion  auf  Irenes  Briefe  sein 
würde,  wollte  es  davon  abhängir  machen,  ob  er  bereit  sei 
die  Wahrheit  zu  sehen--  konnte  er  sie  nicht  in  Irenes 
Briefen  erkennen,  so  müsste  vielleicht  eine  stärkere 
Erschütterung  he rvorf^eb rächt  werden.  Er  wärde  den  Freund 
nicht  in  sein  Unglück  rennen  lassen. 


/](<    WlJ-b     y^^       ]fL(>i   ,     r^o-J^uf^hi-  /y»j^m';j 


\ 


-1- 


Da  Günther  dazu  ausersehen  war,  die  Reederei 
seines  Onkels  zu  übernehmen,  und  da  seine  amerikanische 
iärbschaft  ihn  finanziell  unabhängig  von  seinem  Vater 
gemacht  hatte,  und  da  auch  seine  Neigungen  ihn  in  diese 
Richtung  leiteten,  so  sollte  er  seine  Abiturientenprüfung 
machen  und  dann  eine  Technische  Hochschule  besuchen.   Die ^ 
letzten  Schuljahre  waren  recht  einsam  für  ihn.   Max  war  in 
New  York   und  Gertrude  war  in  einem  Pensionat  in  der 
Schweiz.   Seine  Freundschaft  mit  Max  hatte  ihn  unter  seinen 
Mitschülern  isoliert;  obgleich  er  nicht  unbeliebt  war, 
so  war  er  ihnen  und  sie  ihm  recht  fremd  geworden,  als  ob 
er  ihnen  und  ihren  Interessen  entwachsen  war.   Er  befreundete 
iBiÄ  sich  nut  mit  einem  Jungen  in  seiner  Klasse,  der  aus 
einer  jener  Patrizierfamilien  stammte,  deren  männliche 
Mitglieder  gewöhnlich  Senatoren  oder  Konsuln  wurden.   Georg 
von  der  Harden  war  ein  Träumer  und  ein  Musiker  und  seine 
Familie  beachtete  ihn  wenig.   Er  ging  seine  eigenen  Wege, 
lae.  viel,  besonders  eine  Literatur,  die  eigentlich  sich 
gar  nicht  für  einen  Hamburger  Senatorensohn  schickte  und 
die  von  fremden  Schriftstellern  geschrieben  dem  Hamburger 
Seelenleben  fremd  waren.   Russen  und  Franzosen,  in  etwas 
holperiges  Deutsch  übersetzt,  waren  in  seinem  Bücherschrank 
zu  finden.   Aber  er  las  auch  Deutsche  Literatur,  nicht  nur 


-2- 


Klassiker,  sondern  z.B.  Fontane,  der  ihm  zusagte,  weil 
er  zwar  in  beherrschter  Weise  aber  doch  kritisch  das  deutsche 
Grossbürgertum  betrachtete.   Andere  Bücher  wurden  nicht 
einmal  in  seinen  Bücherschrank  gestellt — sie  waren  in 
Schubladen  vergraben  unter  seiner  Wäsche.  Als   er  sie 
einmal  Günther  zeigte,  glaubte  Güntter  zunächst,  dass  sie 
verbotenen  erotischen  Tnhalts  wären.  Tut   war  überrascht 
und  enttäuscht,  als  es  sich  herausstellte  dass  sie  von 
Revolutionären^  die  aus  Deutschland  verbannt  oder  von 
Deutschland  geflohen  waren,  geschrieben  waren.   Günther 
wusste  sehr  wenig  über  die  revolutionäre  Bewegung  von  1848; 
sie  wurde  sehr  einseitig  in  dem  Geschichtsunterricht  be- 
handelt.   Obgleich  zwar  die  Hamburger  weder  Sympathien 
für  das  Oesterreichische  noch  das  von  Preussen  geleitete 
Kaiserreich  hatten — waren  sie  doch  von  Jeher  eine  freie 
Stadt  gewesen  mit  mehr  oder  weniger  demokratischem*  oder 
wohl  besser  patrizischer  Regierung — aber  Revolutionäre 
waren  eben  eine  Menschenrasse  für  sich,  gefährlich  und 
gewalttätig  waren  sie  und  wollten  allen  Besitz  enteignen 
und  die  wohlhabenden, in  jedem  Sinne  verdienstvollen  Leute 
entweder  hinrichten  oder  doch  in  eine  Art  verächtliche 


Stellung  pressen.   So  tat  man  am  Besten,  die  Jugend  vor 
ihren  Ideen  und  ihrer  Ideologie  zu  beschützen.   Georg 
zeigte  Günther  seinen  heimlichen  Bücherschatz  und  liess 


-5- 


ihn  einige  seiner  bewunderten  Autoren  lesen,  aber  Günther 
war  zu  sehr  mit  anderen  Dingen  beschäftigt,  als  dass  er 
sich  wirklich  auf  die  sozialen  Probleme,  über  die  sie 
schrieben,  konzentrieren  konnte,  "Er  wollte  mit  Georg 
über  seine  sexuellen  Befürchtungen  und  Gewissensbisse 
sprechen,  wollte  wissen,  ob  auch  er  von  Zeit  zu  Zeit  seinen 
Trieben  und  Fantasien  nachgab,  ob  er  Angst  hatte.   "Br 
sehnte  sich  nach  einer  beruhigenden,  helfenden  Aussprache» 
Er  konnte  nicht  darüber  an  Max  schreiben,  konnte  sich 
nicht  einmal  mehr  an  Dr.  Jagemann  wenden,  da  er  ja  heimlich 
nun  in  einem  Sohn-Vater  Verhältnis  zu  ihm  stand. 

Als  er  einmal  allen  Mut  zusammennahm  und  das 
Gespräch  mit  Georg  auf  diesen  verpönten  Gegenstand  brachte, 
fand  er  den  Freund  nicht  dazu  geneigt,  auf  feinere  Dinge 
einzugehen:   "Was  willst  Du  denn  wissen?"  fragte  er 
Günther,  warst  Du  nie  in  einem  der  Häuser?"   Er  merkte, 
dass  Günther  nicht  einmal  wusste,  wovon  er  sprach:   "Na, 
das  ist  doch  ganz  einfach;  er  gibt  Häuser — Freudenhäuser — 
in  St.  Pauli  meistens,  wo  Du  ein  Mädchen  bezahlst,  die 
Dir  alles  beibringt,  was  Du  wissen  willst  und  Dir  zeigt, 
was  Du  tun  musst.   Die  Hauptsache  ist,  dass  sie  rein  ist 
und  keine  Krankheit  hat.   Ich  kann  Dir  eine  Adresse  geben. 
Es  Kostet  5  Mark  für  einmal  und  wenn  Du  länger  willst. 


I  i 


-4- 


musst  i^u  mehr  zahlen."   "Aber,  mein  Gott,  Georg,  wie 
kannst  Du  das  tun — Du  kennst  doch  das  Madchen  nicht,  wie 
kannst  Du  da  einfach,  so  etwas  mit  ihr  tun?"  rief  Günther 
aus,   "Aber  dazu  sind  sie  doch  da,  Dummkopf — mit  einem 
Mädchen  das  Du  kennst  und  gerne  hast,  wirst  Du  doch  sowas 
nicht  tun  wollenl"  Das  war  alles,  was  Günther  erfuhr 
als  Georg  ihm  den  Namen  des  Hauses  in  St.  Pauli  gab. 
Günther  konnte  sich  nicht  entschliessen,  dass  Freudenhaus 
aufzusuchen,  obgleich  er  nehrmals  Ansätze  dazu  machte; 
immer  fiel  ihm,  im  letzten  Augenblick,  Trude  ein,  und 
dann  packte  ihn  fast  ein  Grauen  und  Widerwillen  bis  zum 
Ekel,  zis  zum  Erbrechen.   So  kehrte  er  um  und  ging  stunden- 
lang durch  die  Stadt. 

Er  sprach  nie  wieder  mit  Georg  über  dieses  Thema, 
und  Georg  war  so  beschäftigt  mit  seinen  politischen 
Geheimnissen,  dass  er  ihm  nicht  einfiel  Günther  nach  seinen 
sexuellen  Erfolgen  zu  fragen.   Seine  Beziehung  zu  Georg 
endete  ganz  plötzlich  in  Oberprima  kurz  vor  dem  Abiturienten- 
Examen.   Er  kam  nicht  mehr  zur  Schule.  Er  konnte  zuhause 


nicht  erreicht  werden.   Günther  hörte  nichts  von  ihm  und 
erfuhr  erst  einige  Tap:e  nach  Georgs  Abwesenheit,  dass  er 
bei  einer  geheimen  politischen  Versammlung  von  der  Polizei 
überrascht  und  festgenommen  wurde  und  der  Senator  durch 


-5- 


seinen  Rinflues  und  mit  Hilfe  von  Georgs  Minder,1ährip:;keit 
ihn  aus  der  Haft  befreit  hatte  und  ihn  zu  Verwandten  nach 
T5ngland  geschickt  hatte.   Viele  Wochen  später  erhielt  er 
Günther  einen  Brief  von  Georg,  der  voller  Bedauern  war, 
Günther  nicht  mehr  gesehen  zu  haben  und  die  Mitteilung 
enthielt,  dass  er  sich  auf  Oxford  vorbereite,  wo  er  Philo- 
Sophie  zu  studieren  gedachte.   Er  wollte,  so  schrieb  er, 
ein  Schriftsteller  werden. 

Max  schrieb  selten.   Er  war  zum  Studium  nach 
Princeton  gegangen,  war  begeistert  über  alles  Weue,  dass 
er  erfuhr  und  reiste  viel  durchs  Land.   Trude  schrieb 
überhaupt  nicht»   Wenn  sie  in  den  Ferien  zuhause  war, 
wurde  Günther  eingeladen  und  hatte  Gelegenheit  seine 
grosse,  heisse  Liebe  und  Bewunderung  für  sie  anzuschüren, 
indem  er  sie  betrachten  und  mit  ihr  Nebensächliches  besprechen 
oder  mit  ihr  auf  den  Neujahrsbällen  tanzen  konnte.   Aber 
alles  dies  geschah  öffentlich,  in  Geß:enwart  von  vielen 
Menschen.   Keine  intime  Unterredung  konnte  stattfinden, 
nur  manchmal  ein  heimlicher  Handdruck. 

Eiii  sehr  aufregendes  grässlicltes  Ereignis  aber 
fand  statt  fast  um  die  gleiche  Zeit  als  Georg  verschwand. 
Ein  Mitschüler — Südamerikanischer  Abstaininunff  durch  seine 
Mutter — aber  aus  sehr  respektierlicher  und  eher  wohlhabender 


-6- 


Famille  väterlicherseits — erschoss  sich,  da  er  ein  junges 
Mädchen  geschwängert  hatte,   ^r  hinterliess  einen  herz- 
zerreissenden  Abschiedsbrief.   Des  Mädchens  Name  war 
nicht  gekannt,  aber  man  erfuhr,  dass  eine  sechzehnjährige 
Schülerin  aus  einem  der  feinsten  Privatlyzeen  ganz  plötzlich 
an  einer  rätselhaften  Erkrankung — eine  Unterleibsblutung 
wurde  gemunkelt— gestorben  sei.   Günther  bestand  sein 
Abiturientenexamen.   T5r  hatte  beschlossen  Ingenieur  zu 
werden  und  vor  allen,  alles  zu  studieren,  was  mit  Schiffs- 
bau und  mit  Marinewesen  zusammenhing. 

Er  bezog  die  Hochschule  in  Danzig  um  später 
nach  Dessau  zu  übersideln,  um  sich  dort  ganz  spezielle 
Kenntnisse  zu  erwerben.   Auch  war  er  entschlossen,  sein 
Dienstjahr  bei  der  Marine  während  seiner  Studienjahre  zu 
erledigen. 

Bevor  er  Hamburg  verliess,  gelang  es  ihm  doch 
sich  von  Trude  zu  verabschieden,  ohne  von  den  anderen 
Familienmitgliedern  beobachtet  oder  bewacht  zu  werden. 
Die  beiden  jungen  Leuten  hatten  Ausreden  gewählt  um  mit- 
einander allein  zu  sein  und  trafen  einander  nun  an  der 
Alster,  wo  sie  die  Schwäne  beobachten  konnten  und  neben 
einander  dahin  schleuderten.   Es  war  ein  etwas  nebliger 
Tag,  die  Alster  war  silbergrau,  die  Schwäne  waren  faul 


-7- 


und  deutlich  in  schlechter  Laune.   Getrude  strahlte  in 
Schönheit,  so  dass  Günther  wohl  nicht  einmal  merkte,  dass 
die  Sonne  nicht  schien.   "Er  war  so  errep;t,  dass  das  Sprechen 
ihm  schwer  fiel  aber  er  brachte  es  doch  fertig,  Gertrude  zu 
fragen:   "Hast  Du  Dir  überleg-^  ob  Du  auf  mich  warten  willst?" 
Es  kam  komisch  und  wie  gestolpert  und  so  plötzlich  heraus 
aber  Gertrude  schien  nicht  Überrascht.   Sie  sah  ihn  mit 
ihren  grossen  blauen  Augen  ernsthaft  an:   "Wie  kannst  Du 
nur  fragen,  Güntheri   Ich  werde  auf  Dich  warten,  wie  lange 
es  auch  dauern  wird.   Du  darfst  nicht  zweifeln — es  ist 
sehr  schwer,  auch  für  mich  aber  haben  wir  nicht  beide  einen 
Schwur  getan?  Dies  ist  unsere  Prüfung."   Dann  fügte  sie 
hinzu:   "Ich  habe  Dir  etwas  mitgebracht  und  entnahm  ihrer 
Handtasche  ein  winziges  in  Seide  eingebundenes  Büchlein, 
"dies  ist  der  Kathechismus ,  den  ich  zur  Konfirmation  bekommen 
habe.   Ich  habe  ihn  immer  bei  mir  gehabt — auch  wenn  ich 
schlief  unter  meinem  Kopfkissen — und  habe  dabei  immer  an 
Dich  gedacht.   Nimm  ihn  von  mir,  diann  weiss  ich,  dass  Du  an 
mich  denken  wirst."   Günther  nahm  ihre  Hand  und  küsste  sie 
und  legte  das  Büchlein  ehrfurchtvoll  in  seine  Rocktasche* 
Dann  nahm  er  aus  derselben  Tasche  eine  kleine  Schachtel 
heraus,  öffnete  sie  und  bot  sie  offen  Trude  an:   ein  einfaches 
goldenes  Band  war  darin.   Innen  im  Ring  waren  die  Namen 


H. 


Gertrude  und  Günther  eingraviert.   Aber  Trude  zö>erte  den 
Ring  zu  nehmen:   "Wir  können  uns  noch  nicht  Öffentlich 
verloben/'  sagte  sie,  "meine  Eltern  würden  es  nicht  erlauben, 
denn  sie  bestehen  darauf,  dass  ich  noch  ein  Jahr  zur  Schule 
gehe. bis  ich  18  Jahre  alt  bin*   Ich  will  aber  diesen  Rin^ 
immer  bei  mir  tragen,"  fügte  sie  hinzu,  **und  ihn  nie  von  mir 
lassen,  selbst  wenn  ich  ihn  nicht  am  Finger  trage."  Dann 
schaute  sie  sich  um,  und  da  sie  sich  mit  Günther  und  den 
mißmutigen  Schwänen  allein  sah,  hob  sie  sich  auf  ihre 
Zehenspitzen,  legte  ihre  Arme  um  Günthers  Hals  und  küsste 
den  Erstaunten  und  Verwirrten  auf  den  Mund.   Als  er  nach 
ihr  greifen  und  die  Umarmung  verlängern  wollte,  liess  sie 
es  einen  Augenblick  lang  geschehen,  aber  löste  sich  schnell 
von  ihm  und  ging  ein  paar  Schritte  in  der  Richtung  nach 
Hause  voran.   Günther  stand  ganz  still,  eine  heisse  Welle 
unbekannten  Drängens  erfüllte  ihn,  dann  ein  unbändiges 
Glücksgefühl,  das  aber  in  einer  Flut  unbeschreiblichen 
Wehs  mündete   und  ihm  Tränen  in  die  Augen  und  einen  Schrei 
in  die  Kehle  trieb,  den  er  unterdrückte — er  glaubte  zu 
ersticken.   Aber  der  Schmerz  verging  und  er  folgte  Trude. 

Günther  fühlte  sich  einsam  in  Danzig.   Er  hatte 
zwar  T5mpfehlungen  an  einige  Familien,  aber  das  gesellschaft- 
liche Leben  in  Danzig  was  sogar  steifer  als  in  Hamburg, 
und  nachdem  er  seine  Karte  am  Sonntag  morgen  pflichtmassig 


-9- 


abgegeben  hatte,  wurde  er  wohl  erst  nach  einigen  Wochen 
zum  Tee  oder  Mittagessen  gewöhnlich  mit  einigen  anderen 
Studenten  eingeladen.   Wenn  Töchter  vorhanden  waren,  so 
waren  sie  gewöhnlich  schüchtern  und  nahmen  kaum  an  der 
Tischunterhaltung  teil.   Nach  dem  Essen  blieb  man  mit  dem 
Herrn  des  Hauses  noch  eine  kurze  Zeit  zusammen  und  musste 
sich  dann  taktvoll  verabschieden.   Die  Stadt  war  schön, 
die  Weichsel,  die  Motlau,  die  Radaune  gaben  der  Stadt  und 
Umgebung  besonderen  Reiz.   Die  gotiiische  Architektur,  die 
Tore  und  vor  allem  die  Marienkirche  erinnerten  nicht  nur 
an  die  Vergangenheit  sondern  überwältigten  mit  ihrer 
Schwere  und  ihrem  Ernst  die  engen  Gassen.   Nicht  umsonst 
waren  an  fast  allen  Fenstern  sogenannte  Spoone  angebracht, 
d.h.  Spiegel  in  denen  man  sehen  konnte,  was  auf  dör  Strasse 
vorging  aber  selbst  nicht  gesehen  wurde.   Die  alten  Frauen 
und  die  jungen  Mädchen  hatten  auf  diese  Weise  viel  Stoff 
für  Unterhaltung,  wenn  sie  so  brav  und  ungesehen  hinter 
ihren  Fenstern  in  ihren  guten  Stuben  sassen. 

Nur  am  Hafen  fühlte  sich  Günther  wohl,  wenn  er 
die  Schiffe  beobachten  konnte,  oder  wenn  er  zur  anderen 
Seite  der  Stadt  auf  der  Fähre  herüberkreuzte,  dann  hatte  er 
wohl  auch  die  Fantasie,  dass  er  die  dunkle  strenge  Stadt 
verliess  und  nun  zu  fremden  Ländern  schiffte.   Von  akademischer 
Freiheit  war  nichts  zu  merken.   Er  besuchte  die  vorgeschriebenen 


-10- 


VorlesuriKen  und  selbst  die  Studenten  Verbindungen  schienen 
ihm  einen  Zwang  auf  ihre  Bundesbrüder  aus  zu  üben,  weil 
man  an  so  vielen  Abenden  bei  den  Versammlungen  anwesend 
sein  und  Bier  trinken  musste,  ob  man  wollte  oder  nicht. 
Er  trat  einer  Burschenschaft  bei,  lernte  sich  schlagen  und 
erhielt  die  vorgeschriebene  Zahl  der  Schmisse.  Er  hatte 
ein  recht  nettes  Zimmer  mit  der  üblichen  betreuenden 
Wirtin,  die  aber  fett  und  unhübsch  war.   Er  hatte  Sehnsucht 
nach  hause  ond  träumte  nächtlich  von  Gertrude.   Seine 
Kommilitonen . redeten  viel  von  Mädchen  und  ihren  sexuellen 
Erfolgen,  besonders  wenn  sie  viel  Bier  getrunken  hatten. 
Aber  trotz  seiner  inneren  Abneigung  konnte  sich  Günther 
nicht  der  Atmosphäre  von  Bier  und  Sexualität  entziehen. 
Er  hörte  den  anderen  zu  und  fühlte  sich  mehr  und  mehr  erregt. 
So  verliess  er  eines  Abends  das  Bierlokal  und  schleuderte 
durch  die  dunklen  Strassen  dem  Hafen  zu.   In  einem  der 
offenen  Höfe  stand  eine  Frau.   Er  trat  dicht  an  sie  heran, 
um  ihr  die  Gelegenheit  zu  geben,  ihn  anzusprechen,  aber 
anstatt  dessen  streckte  sie  ihre  Hand  aus  und  berührte  ihn. 
Es  machte  ihn  wild,  und  er  vergass  alle  Keuschheitsgelübde 
und  Gertrude  und  griff  nach  der  Frau,  die  sich  ihm  entzog 
aber  eine  Gebärde  machte,  ihr  zu  folgen.   Sie  stiegen  eine 
steile  Treppe  hinauf,  und  sie  öffnete  eine  TÜr.  Durch 


-11- 


eine  dunkle  enge  Halle  gingen  sie  in  ein  Zimmer,  dass 
mit  einer  Petroleum  Lampe  erleuchtet  war.   Er  sah  nur  das 
Bett,  sonst  nichts.   Er  wusste  nicht,  wie  es  kram,  dass  er 
ausgezogen  neben  der  Frau  im  Bett  lag,  wie  sie  ihn  dazu 
brachte,  den  Akt  zu  vollziehen,  wie  es  war,  dass  rir   durch 
eine  Phase  fast  von  Bewusslosigkeit  schliesslich  wiede 


r  zu 


sich  kam  und  in  einen  tiefen  Schlaf  verfiel.   Er  wusste 
nicht,  wie  lange  er  geschlaffen  hatte.   Als  er  erwachte 
beleuchtete  die  Lampe  noch  trübe  das  Bett.   Die  Frau  neben 
ihm  war  nackend,  ihr  Gesicht  war  zerfurcht,  ihre  Brüste 
hingen  schlaff  herunter  und  die  ^   Schamhaare  waren  grau  ' 
oder  sahen  zumindest  so  aus.   Sie  schnarchte  mit  offenem 
Mund  und  es  fehlten  ihr  zwei  Zähne.   Ein  Gefühl  des  Ent- 
setzens, der  tiefsten  Einsamkeit  und  unbeschreiblich  qual- 
voller Reue  ergriff  Günther.   Er  musste  an  seine  Mutter 
denken—die  Ekel  schüttelte  ihn.   Er  merkte  erst,  dass 
er  weinte,  als  er  seine  Tränen  salzig  im  Munde  spürte. 
Er  verliess  das  Bett,  hoffte  die  Frau,  die  sich  rührte 
und  etwas  murmelte    würde  nicht  aufwachen.   Belm>üt 
Anziehen  verwickelte  er  sich  in  seinen  Hosen  und  fiel  fast 
hin,  aber  er  weckte  sie  nicht  auf;  es  gelang  ihm  5  Mark  zu 
finden,  die  er  auf  dem  Tisch  neben  der  Lampe  liess,  dann 
stolperte  er  aus  dem  Zimmer.   Draussen  im  Gang  lehnte  er 


"  -  -  ^j^— 


-12- 


p;eß;en  die  Wand  und  weinte,  dass  es  ihm  schüttelte.   Dann 
ging  er  in  der  Dämmerung  nach  Hause. 

T5s  vergingen  Monate,  in  denen  er  das  Leben 
und  sich  selbst  hasste.   Er  versäumte  eine  Reihe  von 
Vorlesungen  und  i^ierabende,  aber  allmählich  zwang  er 
sich  wieder  in  seine  Routine.   Seine  Kameraden  redeten 
von  ihren  sexuellen  Eroberungen,  wenn  sie  betrunken 
waren,  und  Günther  schob  die  grauenhafte  Nacht  mehr  und  mehr 
aus  seinem  Gedächtnis  in  eine  Sphäre,  die  weit  weg  von  seinem 
Bewusstsein  zu  sein  schien.   Es  war  wie  ein  Traum,  der 
allmählich  verschwindet  und  dann  nicht  mehr  erinnert  werden 
kann.   Er  liess  sich  von  seinen  Kommilitonen  verleiten 
mit  ihnen  zu  gehen,  wenn  sie  ein  Freudenhaus  besuchten. 

r 

Er  fühlte  keinen^bscheu  aber  auch  keine  Freude.   Die 
Mädchen  waren  fast  alle  ,iunK  und  hübsch  und  verstanden 
ihr  Geschäft.  Günther  träumte  nicht  mehr,  weder  von 
Gertrude  noch  von  anderen  Göttinen,  aber  er  konnte  wieder 
arbeiten  und  übersiedelte  im  Früh.iahr  nach  Dessau. 


ft 


I 


259 


\ 


berkelt  ab.    31e   auoht«   Ihn  r.u  überzsagen,    dess  In  Ihrer  Llebea- 
beziehung  nloht  nur  ale   die   Gobenc!«  wsr,   da  na  er  sie  beglückte, 
und  da»3  sl«  als   Frau  nicht  nur  leidend  die  Leldennohaft  des 
Mennea  über  aloh  ergehen  lleaae.    Eb   e»b  ober  trotz  alledem 
AuFenbllcke,    In  ienen  aioh  Günther  plöt7.1ioh  an  seine  verponce- 
ne  Liebe  für  Gortrud«  erlmierte,    die   ao  emiers  gewesen  war, 
Jünp;llngah8ft  und  foet  unachuldlg.    in  solchen  Aueenbllqken 
sehnte  er  sloh  nach  der  KÜhle   aeinea   Hauses,    Ja   aelnes  Lebena 
in  HamVNure;,    aorar  noch  seiner  Elnaamkoit.    ür  eeb  es  sloh  nloht 
zu,   aber  er  war  eigentlich  nicht  unfaüokllch  iarüber,   dasa 
eine  endgÜltipie   -Entscheidung  noch  aufgeschoben  war, 

3«lomea  war  viel  mehr  dazu  geneigt,    ihre   Gefühle   mit  gros- 
ser Ehrlichkeit  zu  untersucj^en.    31e  wer  gewohnt,   sloh  Rechen- 
schaft zu  geben,   und  hatte   von  klein  euf  eine  /.rt  Üewiasens- 


forsohung  «nepeübt,   die   ihr  nur  selten  erlaubte,    .ilch  selbst 
zu  belügen,    logar  in  3ezug  auf  Liobeaboziahunpen  war  sie   sloh 
selber  gegenüber  ehrlich  gewesen,    /ruh  schon  hutte  sie  dl« 
ellgenelnen  Vorurteile,   die   für  das    lexual verhalten  der  *3fld- 
chen  und   i-^fiuen  galten,   durchschaut  und  abgele^xnt.   Tis  war  ihr 
selbst  nicht  schwer  geworden,    ihre    linne  zu  beherrschen.   Aber 
sie   hatte  früh  geheiratet  und  hatte   ihr«  ersten  sexuellen  Er- 
fahrungen In  Ihrer  Lhe  erlebt,   lait  einem  Jungen  i-Iann,   dem  sie 
tief  ergeben  war,    dessen   itieclistische   Oberzeugungon  ele  teil- 
te und  bei  dem  sie  sich  geborgen  und  verstanden   fühlte.    Wie 


239 


•♦I 


bsrkelt  ah.    31o   suohte  Ihn  7.u  übörÄ^ufren,   dess  In  ihrer  Liebes- 
beziehung nloht  nur  fllo  die  Gebende  w$r|   deaa  er  ale  beglückte^ 
und  daaa   sie  ols   Freu  nicht  nur  leidend,  die  Leldenaohaft  des 
Mannes  über  sich  erf:ohen  lleoae»   üs  e;i»b  aber  trotz  alledem 
j\ufenbIloke|    In  denen  eidh  Günther  plötzlich  an  Beine  verponge- 
ne  Liebe  fÜr  CJertrude  erinnerte,   die   so  ©nders  gewesen  wer, 
JÜnf;llng8h8rt  und  foet  unaohuldlp.    In  nolohen  Aurenbllckon 
sehnte  or  sich  noch  der  KÜhlo   solnea  Hnunes,    Je   aolnes  Lebens 
In  Hembur^;,    Bopor  nnoh  seiner  Slnflerakelt,    Xr  peb  es  sieh  nloht 
zu,   eher  er  wer  elc'üntlloh  nicht  unrjüokllch  darüber,   dsss 
ein«   endpultrlfe   .:ntscheldanp  noch  tufpe^chobon  war^ 

.^loriea  wsr  viel  mehr  dazu  e;enel^,t,    ihre  Gefühle   mit  prros- 
ser  /:hrllch>.elt  zu  unterfluc^en»    31  *?  köt  gewohnt,   eich  Sechen- 
Qohfti't  zu  frebeni    und  hette   von  klein  auf  eine  Art  Gewissens- 
forsohunp  ©uapeübt,   die   ihr  nur  selten  erlimbto,   f»loh  selbst 
z\x  belügen,    loöiar  in  Bee.ug  auf  Liobesbeziahungen  war  sie  sloh 
aolbar  fepenÜbor  ehrlich  pe\toBon.    Früh  schon  hntte  ale  die 
allj^enelnon  Vorurteile,   die   für  das    :iexual verhalten  der  I^läd- 
öhen  und    rrauen  galten,   durchschaut  und  abf^olrhnt.   lels  war  Ihr 
selbst  nicht   aohwer  geworden,    ihre    linne   zw  beherrschen.   Aber 
sie   hatte   früh  r.^hoiratet  und  hatte   ihre  ersten  sexuellen  Er- 
fehrunf^'jn  In  Ihror  P^he  erlebt,   wlt  einem  Junten  Viannf   dem  sie 
tlc3r  ert^eben  war,    dessen   1  let^ll;»itisoho   ÜbcirzeuHungen  sie  teil- 
to  und  bei  dem  sie  sloli  peborf^an  und  verstanden  fühlte.   Wie 


A'« 


2^0 


^ 


^^ 


euoh  naoh  seinem_Tod^(ile  vielen  Freunde,   die   al©  umwarben, 
hatte  er  für  sie  die  Anziehung  des  Vertrauten,   Geschwister- 
Hohen  gohabt,   aber  Ihre  grosse   leldonsohaftllche  31nnlloh- 
kelt  war  In  dieser  Bezlohunp  nloht  befrladlet  worden.   Sie  hatte 
Bloh  elnlßö  Male  hrfM*^  In.  Männer  verliebt,   die   Ihr  eigentlich 
sonst  fremd  waren.   Einen  engllsohon   Schüler  Ihres  Vaters  hfltt« 
sie   fast  eehelratet,   hatte   sich  aber  doch  zugeben  müssen,    dass 
Ihre   Beziehung  zu  Ihm  nur  eine  körperliche  war  und  sie   sein 
Leben  nloht   teilen  konnte. Barraste  war  Ihr  näher  als  die  ande- 
ren tlänner,   die   sie  umgaben.    Er  zog  sie  an,   atleas  sie  aber 
auch  ab.    31e  fürchtete  sich  vor  seiner  Gewalttätigkeit;   ale 
war  auch  davon  Überzeugt,   dass  er,   so  sehr  er  sie   Hebte,   sie 
aufopfern  würde,    sollten  seine  politischen  Verpflichtungen  ein 

solches   Opfer  verlangen. 

Mit   Günther  wer  es  änderst   er  zog  «le  sinnlich  an  und  be- 
friedigte  gleichzeitig  Ihre  Mütterlichkeit;   und  was  anderen 
möglicherweise  als  naiv  und  unreif  erschien,   erhöhte   seinen 
Itolz  für  sie.    da   es   so   sehr  Im  Widerspruch  war  zu  seiner  fri- 
schen und  rationellen  üuffassungagabe.    seiner  beruflichen  Aus- 
geze lehne thelt,    seiner  männlichen  Besonnenheit  und  geschöft- 
Hohen  laughelt.    Seine   Augeschlossenhelt  neuen  Erfahrungen 
gogenüber  und  aoln  noch  Immer  vorhandener  Protostantlsmus 
bildeten  reizvolle  Gegensätze   für  ale.   Obglolch  ale  wünschte, 
daaa   diese   Beziehung  eine  bleibende  würde,  wollte   sie   Günther 
nicht  dröngen.    seine  Ehe   zu  liquidieren.   iNoch  war  sie  ge^^uldle. 


239 


berkelt  ab^    31o  aaohte   Ihn  zxx  üborz^ujren,   dass  In  ihrer  Llobes- 
bezlehung  nloht  nur  alo   die   Gobende  wari   deaa  er  ale  beglÜokte^ 
und  daaa  ale  ela   Frou  nicht  nur  leidend  die  Leldenaohaft  des 
Mönnes  über  sich  erhöhen  lleDae.   Ea  gi^b  aber  trotz  alledem 
j^uperAblloke,    In  denen  aidh  Günther  plötzlich  an  aelno  vergange- 
ne Liebe  für  Clertrude  erlniierte,   dU^   ao  ©n'iera  geweaen  war^ 
JÜnglln^Bhaft  und  foot  unachuldlg.    In  aolohen  Aufenbllokon 
aehnte  or  sich  noch  der  Kdhle   aoln^^a  HnuBea,    Ja   aoinoa  Lebena 
In  Hanburp,   aorar  nach  aeinor  Elnaarakoit,    Kr  peb  ea  aloh  nloht 
zup   aber  or  war  eli^^ntlloh  nicht  unpjüoklloh  daKlber,   daaa 
eln«^   endfrültliP;e   .;nt90holdunp;  nooii  oufpe!ichobon  war^ 

^ploi^-iea  wör  viel  melir  da^u  genei^Ttt   Ihre   Gefühle   mit  proa- 
aer  i^ihrllohltelt  zu  unterauo^^on»    .519  war  gewohnt,   aloh  Rechen- 
aohert  zu  frebeni   und  ^lotte  von  klein  auf  eine  Art  Gewlaaens- 
forsohunp  öuageiibt,   die   Ihr  nur  aelten  erlnubto^   aloh  «elbat 
zu  bolügen,    loi^rar  In  Bezugr,  auf  Llebesbczlenunt^^en  war  ale  aloh 
aolbar  f.ef^enabor  ohrlloh  pewoaon»    Früh  aohon  hatte  ale  die 
allgenelnon  Vorurteile^   die   für  daa   3exual verhalten  der  Mäd- 
chen und    trauen  gcalteni    durchschaut  unri  abfolf^hnt«   Ea  war  Ihr 
seibat  nicht  schwer  pewordon,   Ihre    linne  zu  beherraohent  Aber 
ale  hatte  frÜii  f^e heiratet  und  hatte   Ihre  eraten  aexuellen  Er- 
fahrunf>''3n  In  Ihr^r  Khe  erlebt,   wit  einem  Jungten  Mann,   dem  ale 
tief  er4?:ebon  war,   dessen  1  ienlL^tlfloho  UboirzeuHung^n  ale  tell- 
to  und  bei   doT.  alo  aloli  peborf?on  und  veratanden   fühlte»   Wie 


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euoh  naoh  seinem^To^^  die  vielen  Freundei  die  ale  umwarben^ 
hatte  er  für  ale  die  Anziehung  des  Vertrauteni  Goschwlater- 
llohen  gehabt I  aber  Ihre  grosBe  leldonv«^ohaftllche  Sinnlich- 
keit war  In  dieser  Beziehung  nloht  beTrladlgt  worden«  Sie  hatte 


sloh  elnlgo  Wele  linüiHrti;  In,  Männer  verliebt,  die  Ihr  eigentlich 
öonst  fremd  waren.  Einen  englischen  Sohtiler  Ihres  Vatera  hätte 
sie  fast  geheiratet,  hatte  sich  aber  doch  zugeben  müssen,  dass 
Ihre  Beziehung  zu  Ihm  nur  eine  körperliche  war  und  ale  sein 
Leben  nicht  teilen  konnte, Barreste  war  Ihr  näher  als  die  ande- 
ren Münner,  die  sie  umgaben.  Er  zog  sie  an,  atless  sie  aber 
auch  ab.  Sie  fürchtete  eich  vor  seiner  Gewalttätigkeit j  ale 
war  auch  davon  Überzeugt,  dass  er,  so  sehr  er  ale  liebte,  sie 
aufopfern  würde,  sollten  seine  politischen  Verpflichtungen  ein 
solches  Opfer  verlangen« 

Mit  Günther  war  es  änderst  er  zog  sie  sinnlich  an  und  be- 
friedigte gleichzeitig  Ihre  Mütterlichkeit;  und  was  ßnderen 
möglicherweise  als  naiv  und  unreif  erschien,  erhöhte  seinen 
Iteiz  für  sie.  da  es  so  sehr  im  V/iderspruch  war  zu  seiner  fri- 
schen und  rationellen  i^uffassungsgebe,  seiner  beruflichen  Auß- 
gezeichnetheit,  seiner  männlichen  Besonnenheit  und  geschäft- 


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liehen  iQughelt.  '3eino  Augeschlossenheit  neuen  Erfahrungen 
gegenüber  und  sein  nooli  immer  vorhandener  Protestantismus 
bildeten  reizvolle  Gegensätze  für  sie.  Obgleich  sie  wünschte, 
dass  diese  Beziehung  eine  bleibende  würde,  wollte  sie  OÜnther 
nicht  drängen,  seine  Ehe  zu  liquidieren.  Noch  war  sie  geduldig. 


240 


1 


( 


«uoh  naoh  *mlntfa  üod  die  vielen  F*r©unci©,   eil«   oie  umwarben, 
hfitto  er  für  ale  die  Anzlehun(T  dee  Vertreutön,    Geschwister- 
lichen p^habti   aber  ihre  grcsf?ie   leidenschaftliche    llnnlioh- 
kelt  war  in  dieser  3ezlohune  nicht  bofriedlet  worden,    31e  hatte 


Blch  einige  141». le 


in  Kinner  vorliebt,    die   ihr  eigentlich 


aonst   fromd  wehren.    Einen  enfjiachen   3ohiller  ihre«   Viütera  hÄtte 
sie  fs3t  ceheirateti   hf.tte   sich  aber  docVi  zugeben  müaaenp    deas 
Ihre   nexiehunr  zu   ihn  nur  eine   körperliche   v/er  und   Ria  sein 
Leben  nicht   tollen  konnte^  ii^rrei^te  wer  Ihr  nSher  eis  die  ende- 
ren  MÄnner,    die   nie  umfcihen.   Er  zop  sie  on^   atlees  ale  sber 
euch  ab.    Sie  fürchtete  flieh  vor  seiner  öewclttätlfkeit;    ale 
wi»r  auch  devon  überzeucti    lass   er,   no  aenr  er  sie   liebte,   ale 
aufopfern  v/Ürde,    nollten  f^elne   polltlr^chon   Verpflichtune:en  ein 
solches   Opfer  verlangen. 

llit   Gunthar  wer  en  enders j   er  zo^^  ale   sinnlich  an  und  be- 
friedigte  [rleiohseitie'  ihre   HÜtterlichkeit;    un^  w©ä  anieren 
fi6£5lichorweiBe  ale  naiv  und  unreif  ernohien,   erhöhte   seinen 
Reiz   für  Pie,   de   eß   so  «?ehr  Im  v/iderepruch  war  zu  ^^einer  frl« 

ßchen  und   rationellen  iiuffensunfyßfCibe,    aeineij^  beruf  liehen  Aua- 

i 
pezeichnetfcsein,  peiner  männlichen   FieBonnenhelt  und   freachöft- 

llohen   Klugheit,    lein.  Au^^jpschloapenhelt  neuen  Erfahrungen 

föpenÜber  und  sein  noch  Inmer  vorhandener  Prcteetentiftmus 


bildeten  reizvolle   OepensKtze 


.    Obglüioh  sie   sich  wünschte, 


/ 


daaa   dlefle   Mezlehun,i5^,  eine  bleibende  würde,   wollte   ale   Günther 
nicht  dröneien,    seine  Ehe   zu   licuidloren.   Noch  wer  ale  gevluldlg. 


I  I 


^'f  •  ,31  W,    T  ;.«  ' 


III 


Familie  väterlicherbeits--örscho89  sich,  da  er  ein  jMUfTen 
Mädchen  geschwängert  hatte*   ^r  hinterliess  einen  herz- 
zerreißsendan  Abaciiiedsbrief .   Des  Mädchens  Name  war 
^^M^julmT   nicht  ge^^umiU  öt)0r  man  erfuhr,  dass  eine  sechzehnjährige 

Schülerin  aus  einem  der  feinsten  Privatlyzeen  ganz  plötzlich 
an  e^:ner  rätselhaften  "Rrkrankung — eine  ünterleibsblutung 
wurde  gemun'<elt--'geBtorben  sel^l   Günther  bestand  sein 
Abiturienteneyamen.   Kr  hatte  besc^ilossen  Ingenieur  zu 
werden  und  vor  allem,  alles  zu  studieren^  was  mit  Schiffs- 
bau und  mit  Mnrinewesen  zusaramenhing.  ^  LLm^  kß 

"Cr  bezog  die  Hochschule  in  Danz ig  TSfcr- spater   / 
nach  Dessau  zu  üb^srsideln,  um  sich  dort  ganz  spezielle 
Kenntnisse  zu  erwerben.   Auch  war  er  entscnlossen,  sein 
Dienst.iahr  bei  der  Marine  während  seiner  Studienjahre  zu 


/ 


V 


erledigen. 

Bevor  er  Hamburg  verliess^  gelang  es  ihm  doch 
sich  von  Trude  zu  verabschieden,  ohne  von  den  anderen 
A  ^.  i  A   ^>  Familienmitgliedern  beobachtet  oder  bewacht  zu  werden. 
/^  €<^j[^t^p4€^^  Die  beiden  Jungen  Leuto»  hatten. ^^^Hisreden /yiiiulil'^rTum  mit- 
einander allein  zu  sein  und  trafen  einander  nun  nn  der 
Alster,  wo  sie  die  :':chv/sne  beobachten  konnten  und  neben 
'o^/ef^c^%44iV\  einander  dahin  schleuderten.   Bs  war  ein  etwas  nebliger 

Tag,  die  Alster  war  silbergrau,  die  Schwäne  waren  faul 


-10- 


Handelseigentümlichkeiten  streng  geheim;  niemand 

hatte  die  leiseste  Ahnung  davon«   Pein  Verdienet  war 

kein  sehr  grosser.   Für  junge  "F^rwachBene  wurde  weit 

mehr  gezahlt »  aber  zu  ^erwachsenen  hatte  er  nicht  die 

verführerisch  werme  Beziehung  wie  zu  Kindern  und  wusste 

nicht,  wie  er  auf  sein  Pchiff  hätte  brinpen  können* 

Auch  erinnerte  er  sich  noch  an  den  "Walfisch"  und  die 

> 

schrecklichen  Dinge,  die  er  dort  mitangesehen  hatte. 
Nein,  sie  mussten  freiwillig  zu  ihm  kommen,  ihn  liehen 
und  bewundern — Gewalttätigkeit  war  ihm  ein  Greuel. 

Auf  seinen  Fahrten  noch  dem  Norden  war  Matthias 
auch  zu  Inseln  in  Maine  gekommen  und  hatte  öfters  an  der 
Insel  T?.  angelegt.   Ihm  fiel  auf,  dass  die  Insel  aus 
Granitfelsen  bestand,  und  seine  Pantasle  begann,  eich 
mit  den  Möglichkeiten  der  Verwendung  dieses  Gesteins 
zu  beschäftigen.   Er  verschaffte  sich  soviel  Kenntnisse 
über  Granit  wie  ihm  zugänglich  war.   Je  mehr  er  darüber 
erfuhr.  Je  sicherer  war  er,  dass  er  auf  ein  ganz  grosses 


Zukunftsgeschäft  gestossen  sei.  "^b   musete  mögglich  sein, 
den  Granit  zu  schlagen  und  ihn  (;forthin  zu  verfrachten. 


wo  man  ihn  brauchen  ko 


n  un 


hette  man_d, _ 

Gränlt^  IJm^dS^seTnsrTa sslön^ 


er  träumte   sogar  davon. /\T?r  kehrte  immer  wieder  nach  R. 


lU^i^/l^ 


r 


3?»:^   261 


( 


( 


chlrurp;lBchon  Elnfrlffen  mltzuholfenj  aie  war  ganz  beaonlera 

31e   hatto   Gunthar  nie   Geler^nheit   gepeberii   Über  die  Ver- 
gangenheit  zu  Rprochen.    3elrjo   Gefenwrirt  nfihm  öle   xur  Kenntnla, 


B0t 


wlo   dl<?   einen  beknxinten  liOblllBri^*    31e  war  nicht  unfreundlich, 

BhQT  vülllf,  unlnter«?^55Blert,    ■)r>    ni«^-   nicht  v;ie  aniere   In   peut^oh- 

durch  den  schwarzen  Markt  ^ 
land  hung'cm  nuR??te,    fi0nr?era^^^tti.«€!n4  unl   rut   zu  ef^nen  hetto, 

eixL,       entsprechend 

1  sie   vlf.l   ^iint-^r^  al!5   ihr  Alter/uncl  noch  Ini'üier  flehr  schön 

AUS.    c.ß  w?r  fdr  G-Ünthor  ^tn  p-roaaes   'Jnf lÜok  in   ihrer  KÖhe   z\x 
le''.on,   ohne  nie   zw  fee.^^ity.en*    'ir  .Ipchte    isnn  oft  an   Irlomen, 
die   Ihm  eini^l  von   iiom,   wohin  nlo   kurz   vor  It;?:ilionfl   iilntritt 
in  .:len  Krieg  7.urüok^;e'ce>irt  wrr,    froschricben  hctte.    Der  nrlef 
wi^r   ihm   iurch  Bot^n  üb(?rbraoht  worrlen»    iJiner  ihrer  noziftllRtl- 
ach^n    ?reun1e  hstt^   ^ich  nr<ch  Dcnit^chlsnd  cinpenchnufrr.elt  und 
hatte   auch  für  Günther  eine   ^:ittei1un£r  ß:eh€5btt   Sr  hntto   nicht 
antworten  können.    Ctirtrade,    1er  er  von  dieser  i^iöchrioht  erzfihl- 
tCp    Ja   er    Ißn/il-^i   noch  hoffto, durch  voll>.o:nmcnc    Offenheit  eine 
neua  3^2iehunp"  zu  bewirken,   h^itte   nicht??  weiter   iBWlber  be- 
Ä#rkt,   el^   1a aa  er  .«lich  ^^ea   rloohverrntea   schul dif  mschen  würde, 
wenn  er  aritwortete»    3o  ti«4ia  er  e?^  auf  f^icr:  b«weAd©n. 

Aber  zeitweise   störte   der  T^un^^ch,    3slo:noß  wiederzusehen, 
iion  beim  V.lnachlofen,   und  er  mahnte   sein  Alkoholqur^ritum  er- 
höhen,   2r  he^tiPiQ  ein  H-ut   i:n  Holsteinischen,    -^o    If^s?»   er  und 
sein  HßUB   vor    \c  ^em  körperlichen  Dßrbon  pesohÜtzt  warben,   «her 
seine    3e3€le    ^arbte   sehr*    ::r  hfitto   >iaum  noch    .^rounde.     >ein 


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zvrsiffia  BUCH 


1»  Kapitel:     Tod  In  Rom 


I. 

Ea  war  ein  spätes  Ostern  In  diesem  Jehr,   In  Hamburg  lapen 
Im  April  nooh  Beste  aohrautzlgen  3chneea  auf  der  Strasse, 
So  viele  Leute  weren  sn   der  leidigen  Influenza  erkrankt 
und  hotten  sloh  dann  Im  Zuge  dieser  Erkrankung  noch  Lungen- 
entzündungen zugezogen.   So  wor  es  auoh  dem  Professor  von 
Jagemonn  erganeen.  Er  hotte  diese  unangenehme,  Ja  für  Ihn 
recht  gefährliche  Erkrankung  auf  einem  der  nun  noch  sehr 
seltenen  Krankenbesuche  erwischt,  le  waren  nur  ganz  privi- 
legierte Patienten,  die  er  mit  einem  Hausbesuch  beehrte, 
alte  F'reunde  oder  vielleicht  hin  und  wieder  ein  Würden= 
träger,  dem  er  dieses  Zeichen  von  Respekt  nicht  versagen 
konnte.   Die  über  achtzigjährige  Kedlzlnalrätln  Helle, 
Witwe  eines  seiner  geschätzten  Kollegen,  hotte  Ihn  zu  sich 
rufen  lassen  während  einer  nebeligen  und  feuchten  Nacht. 
Sobald  er  Ihr  Zimmer  betrat,  schloas  er  von  Ihrem  fieber- 
haft geröteten  Gesicht  und  den  schwer- keuchenden  Atemstöasen, 
dass  sie  Ihn  dringend  brauchte.  Er  tat  und  verschrieb  alles, 
was  In  seiner  Macht  stand,  verschaffte  ihr  eine  Kranken- 
schwester und  blieb  selbst  nach  deren  Erscheinen  nooh  eine 
lange  Zelt  an  Ihrem  Bett  sitzen.  Erat  als  sie  in  einen  ruhige- 
ren Schlaf  verfiel,  verliess  er  Ihr  Haus, 


\ 


#> 


-2- 


Er  selbst  war  nun  ßchon  ein  ©Iter  Mann«   "Aber  ich  bin 
nicht  alleine,"  dachte  er^^  ala  er  wieder  In  «meinem  Wapon  ^bbb. 
Er  dachte  an  seine  FVau  und  seine  Kinder  und  seinen  Junpen 
Enkel,  auf  den  er  sehr  stolz  war,   Dadrlnnen  aber  In  dem 
Heus,  das  er  grade  verlasf^en  hatte,  lag  eine  alte  Frau, 
nur  auf  bezahlte  Dienste  angewiesen  und  auf  die  Fürsorge 
einen  alten  Preunded,  der  sie  nur  sehr  selten  seh  und  den 
sie  nur  in  dringendsten  Umstanden  rufen  Hess,   Es  war  ihm 
kalt;  von  weitem  hÖrte  man  die  Schüsse,  die  das  Hochwasser 
anzeigten  und  die  Nebelhörner  vom  Hafen.  Zuhause  angekommen, 
fand  er  auch  sein  Haus  kalt  und  seltsam  Öde.  Er  Hess  sich 
von  seinem  alten  Diener,  der  auf  ihn  gewartet  hatte,  einen 
Grog£,  brauen  und  in  seinem  Schlafzimmer  ein  Feuer  legen, 
und  doch  fröstelte  ihn  selbst  unter  den  wernnen  Decken« 

Am  nächsten  Morron  hatte  er  hohes  Fieber  und  sein 
Husten  hörte  sich  gefährlich  an.   Seine  Frau,  die  überängstlich 
für  sich  selbst  und  die  beiden  nun  schon  herangewachsenen 
Söhne  war,  hielt  sich  nach  Möglichkeit  von  Ihm  fem.  Er 
schickte  den  alten  Martin  aus,  um  seinen  Assistenten,  einen 
Dr.  Behrens  zu  rufen.   Dieser  Dr.  Jakob  Behrens  war  sein 
begabter  Schüler  gewesen,  einer  der  wenigen,  mit  dem  es 
ein  Vergnügen  für  Jagemann  war,  sich  fachlich  zu  unterhalten. 
Auch  sonst  h^tte  er  den  Jungen  Arzt  gerne,  obgleich  es  ihm 
an  Benehmen  fehlte.  Er  war  Jude,  kam  aus  sehr  kleinen 
Verhältnissen  und  hatte  mit  eiserner  Energie,  oft  hungernd, 
es  fertig  gebracht  Medizin  zu  studieren,   lein  ganzes  Junges 
Leben  war  ein  harter  Kampf  gewes^m,  einerseits  gegen  die 
Orthodoxie  seiner  i::itern,  die  ihn  zum  RabMner  ausersehen 
hatten  und  ihm  sein  Medlzlnstudlura  verübelten,  als  sei  er 


-3- 


vom  Judentum  abe-efallQn;     andrerseits  gerben  die  ohrlstllchen 
Vorurteile,   die  er  bei   Jodern  lohrltt  In  seiner  Loufbohn 
•l8  Hemmschuh  zu  spüren  bokara.      Nur  Jogeraenn  helf  Ihm,   maohte 
Ihn  7.U  seinem  Prlvatasalstenton,   da   das  Krankenhaus  nicht 
geneigt  war.   Ihn  Kum  Oberarzt   zu  ernennen,     Hlnfepen  war 
die   ?rau  von  Jegemann  den  Behrens  nicht  sehr  geneigt,  weigerte 
sich  Ihn  bei  Ihren  Abendgesellschoften  zu  haben  und   sogar  Ihn 
einfach  zum  Pamllienmlttagessen  einzuladen,      31e  redete  sich 


auf  seine  unmöglichen  Monieren  aus,      Jagemann,  der  sich  nie 
In  diese   Dinge  elngemisoht  hatte,  konnte  nicht  plötzlich 
SQlnofl  Assistenten  wegen  seine   langjährigen   litten  ändern, 
:3o  nehm  er  den   Jungen  Mann  gelegentlich  in  ein  Rstaurant 
nach  apSter  Arbelt  oder  einer  wissenschaftlichen  Sitzung, 

Krank  wie  er  sich  nun  fühlte,  konnte  er  sich  nl«nonden 
besseren  für  seine  eigene  Behandlung  denken  als  Jakob  Behrens, 
der  doch  neben  seinem  wohl  fundierten  '.»'isaen  eine  so  ermutigende 
Haltung  am  Krankenbett  hatte.     Auch  konnte  er,  wenn  er  seine 
anfängliche  Verlegenheit  überwunden  hatte,  alle  möglichen 
Anekdoten  und  eigene  Erlebnisse  erzählen,   die  er  unter  dem 
Söramelnamen   'Sohnurren'    zusaramenfasste,  und  die  pewöhnlloh 
so{7;0r  den  crlOvSgramlgBten  Kranken  erheiterten« 

1^1^   Jareraann  auf  Ihn  wartete,   lleB3  er  aloh  das  alles 
durch  den  Kopf  gehen.     Er  überlegte,  wie   lange  er  Behrens 
kannte  und  rechnete  aus,   dass  der  sogenannte   Junge  Mann 


ein  Vierziger  war.      Der  Professor  fühlte  wieder  die   soltsa 


me 


Kfllte,   die   er  gostem  nach  dem  Besuch  bei  der  alten  Frau  Halle 
empfunden  hatte,  und  als  Behrens   eintrat,   fand  er  den  Kranken 


-4- 


In  einem  heftigen  Sohüttelfroat. 

Jogemann,   stellte  ea  sich  heraus,  war  sehr  krank, 
I'tertln  und  eine  Pflegerin  aus  dem  Krsnkenhsua,   die  dem 
Chefarzt  sehr  orfohen  war,  wechselten  sich  in  seiner  Pflege 
ab,    Behrens  verbrechte  mehr  Zelt  mit  ihm  als  mit  all  seinen 
anderen  Patienten;   oft   sasa  er  die  Nacht  hindurch  mit  dem 
alten  Martin,  den  er  mit  seinen  Geschichten  zu  zerstreuen 
suchte.    Die   Freu  Professor  schlich  mehrraala  am  Tag  auf 
Zehenspitzen  bis  zur  Krankenzimmertür,  um  sich  nach  dem 
Befinden  ihres  Xennes   zu  erkundl,f?en.     Von  den  iClndern  und 
Freunden  kamen  Zeichen  ihrer  Aufmorkeamkeiti  Bücher,   Blumen 
und  Süsaie-.kelten.   Nioraend  durfte   den  Krenken  besuchen,  der 
mit  einer  schweren  Lunpenentzündunp  um  sein  Leben  kfimpfte. 

Seine  sehr  wideratondsfähipe   Natur  siegte.     Aber 
die  Krankheit  llosa  ihn  schwach  und  piealtert,  und  er  erholte 
sich  nur  lan^rsam,     Kln  hässllcher  acharfer  Wind  wehte  von 
der  Nordsee  herüber,   so  dasß  an  ein  aus  dem  Hause  gehen  gar 
nicht  zu  denken  war.      Sogar  der  Oedanke  daran  mochte  ihn 
frieren, 

Behrens  fand  seinen  Patienten  am  Nachmittag  am  Fenster 
sitzen  und  in  den  allmählich  (rrünwerdenden  Garten  hlnaua= 
«eben.   Auf  die  übliche  Frof-.e  nach  seinem  Befinden  sagte  er, 
"Ja,  wohl  ganz  gut  —  aber  kann  man  denn  Je  wieder  warm 
werden  In  dieoem  Klima?     Denken  Sie,   Behrens,  wie  schön  es 
wSre    ,    Jetzt  in  Afrika   zu  sein  ~  oder  selbst   Italien  würde 
wohl  fenügen.      Sollte  man  nicht  nach  Sizilien  gehen,  um  sich 


-5- 


aufzuwärmen?  Aber  wer  hnt  denn  die  Zelt  de  zu?" 

Behrens  hatte  Interessiert  eufgöhorcht  und  hatte  dann 
gtmelntt  daaa  der  Herr  Professor  wohl  In  zwei  bis  drei 
Wochen  so  weit  sein  würde  ^  solche  PlÄne  In  die  Tet  umzu= 
eetzen,   Devon  wollte  Jepemenn  nichts  wiaseni  *'Ioh  bin  ein 
alter  Menn,  Behrens;  habe  nicht  mehr  viel  Zelt  zu  verschwenden» 
Zwel|  drei  Wochen  warten  und  denn  reisen,  nein,  das  kann  Ich 
mir  nicht  leisten.   31o  sind  Übervorsicht lg  mit  mir,  mein 
Freund,  und  nehmen  nicht  zur  Kenntnis,  dass  Ich  eine 
unverwüstliche  Konstitution  habe.   Denken  31e  doch  daran, 
dass  Ich  die  iMalarla  überstanden  hebe,  damals  als  wir  In 
Afrika  waren,  und  so  viele  sind  Ihr  erleben»** 

**31e  erinnern  mich  an  meinen  Grosavater,'*  aapte  der 
Junpe  Behrens,  **der  hielt  sich  für  den  stärksten  Mann  In 
Hamburg,  Er  i/urde  der  rote  Behrens  (.renant,  war  ebenso  breit 
wie  hoch  und  wirklich  sehr  kräftig«  Einmal  schrie  llim  ein 
La stwap-en-Kut scher  zu,  ^'Aus  dem  Weg,  Judi"  als  er  Über  die 
Strasse  gi^Ä»   ^^  wurde  so  wütend,  dass  er  sich  gegen  die 
Pferde  stemmte,  den  Wapren  zum  Halten  brachte,  sich  des 
Kutschers  bomächtlpte  und  Ihn  ao  zusammenschlug,  dass  der 
LastWGf.enkerl  Ina  Krankenhaus  musste.   Der  rote  Behrens 
war  der  stärkste  Mann  —  aber  er  starb  doch  nicht  so  lanpe 
nachher  an  einer  Flschpräte,  die  Ihm  Im  Hals  stecken 
geblieben  war;  die  wc^r  noch  stärker  als  er.** 

"Sie  sind  ao  aufheiternd  heute,  lieber  Behrens," 
sagte  von  Jagemann,  "Um  aber  auf  meine  Reise  zurückzukommen. 
Ich  möchte  es  doch  so  bald  wie  möglich,  sagen  wir  In  etwa 
drei  Tagen  versuchen*" 


-6- 


Behrens  Hess  aloh  von  dem  älteren  und  so  e;e9chflt7.ten 
Kollee.en  bereden,  konnte  es  aber  durohaetzen,   daai   Jagomnn 
voraprsoh,  nicht  all  eine  r.u  fahren.   Allerdinßfl  konnte  er  sich 
nicht  vorstellen,  wen  er  um  sich  dulden  könnte,  und  wer,  von 
Bohrens   Gealchtapunlct  aus,  ftolpjiet  wfire,   Ihn  zu  bep.lalten« 
Weder  Frau  noch  Söhne  schienen  Ihm  (senehm,   Behrens  wurde 
gewahr,   daas  Jap:emann  oln  sehr  elnaaiaer  Menaoh  war, 

"Der  olnzif-e,  der  mich  nicht  fltöron  würde,   ist  mein 
3chwlef^er30hn,''  sagte  der  Irofesnor  noch  langer  überleping, 
tr  Ist   30   i^uhlgf   de 93  man  selnö   G^penwart  nicht  merkt ,   aber 
Immer  doch  gef:enwörtlp,  wenn  man  3lch  unterhalten  möchte. 
Ich  wel33  nicht  ellzuvlel  über  IhJi,   eher  Ich  glöube,    Ich  könnte 
Ihn  wohl  um  mich  leiden» ** 

3o  wurde  also  die   Helge   von  Günthors   BereltJ=?chaft   ihn 
z\x  bef-.lelten  abhJnplg  forneioht* 

Günther  war  recht  erstaunt  |  daas  von  Ja  {bemann  ein  eolches 
Ersuchen  an  Ihn  stellte.  Er  8ög:te  sofort  zu,   da  er  aus  elgrenen 
Gründen  froh  war,  aus  He^mburg  und  von  seinen  Geschfiften  und 
seiner  Häuslichkeit  fortaukofhrhen;     Die  Reise   sollte   zwar 

» 

80  schnell  als  möplloh,  vhev   auch  so  bequem  eis  möglich  eln=r 
gerichtet  werden* 


1 ': 


«♦ 


Oertrude  hatte    relnerlel  lillnwende   ,^epen  die   replante 
Pwelse*      Sie  waren  nun  ze^in  Jahre   verheiratet,  hatten  einen 
Sohn  und   ein  recht   peselllpes  Haus,   und  wie   in  ihrer  Mfldchenzelt, 
wer  sie   der  eeaellschaftlloha  Mittelpunkt  geblieben.   Wenn  möglich 


I  I 


•7- 


war  Bio  noch  sohönor  e;oworden.      Qünther  hlnpepen  wer  von 

seiner  beruf Hohen  Tätigkeit  vernohluckt;    so  sohlen  es   Jeden» 

fölla^  Er  war  zurflokßezofren,  hotte   aelbat  keine   freunde 

obr.lolch  Behr  viele  Dekannte,   Nfioh  dem  Tod   seines  Onkela  hätte 

er  die   Reederei  übarnomrr.en  und   sie   In  den  letzten  fünf 

Jahren  gehörig  erweitert;   er  hotte  einen  Teil  aelnes 

amerlkanlaohen  VermÖpens  dazu  benutzt,   hatte  die  Beziehungen 

zu  Amerika   p;e9ohlokt  benutzt,  um  nun  eine   ref^alreohte 

♦■ 
Pasaa^lerdampfer-Llnle   Hanburg-Amerlka   zu  betreiben.  Er 

hotte  mehrmals  den  Ozean  Üborquerti  hatte  die  modernsten 

und   sichersten  Erflndunpron  ausgewertet  und   sah  den  Erfolg 

daran^  dass  seine   lohlffe  die  Reise   In  kürzester  Zelt 

zurüoklef^ten.      (Jbordles  hatte  er  auch  neue   Prachtdarapfer 

bauen  lassen,   die  naoh  Afrika   gingen«   Nun  hatte  er  eine 

neue   Idee,   die   Ihm  reizvoll  und  vlolversr^^ohend  erschien! 

Er  plante  mehrwöchent liehe  V^^rgflügungsrolseni   die  einer 

beschränkten  Anzahl  Passagiere  erlauben  sollten.    Je  nach 

der  Jahreszelt   In  nöHllchen  oder  südlichen  Zonen  einher» 

zukreuzen.    Gerade,   zum  Beispiel,   In  Jagemanns   Fall  wäre 

so  eine  Möglichkeit   von  grossem  Nutzen  gewesen.   Aber  nun 

musaten  sie  mit  der  3a hn  fahren,  und  das  würde  anstrengend 

sein  für  den  noch  nicht  ganz  Genesenden* 

Behrens  gab  Ihm  genaueste  i\nwelsungen  über  Jagemanns 

Gesundheitszustand  und  warnte   Ihn  besonders  davor,  dass  der 


-8- 


M 


Professor  auf  die  nur  longseme  Verbesserunfr  seines  Allgemein^ 
beflndens  mit  proaser  Unreduld  reepieren  mögei    Ja   dass  er  sich 
mehr  en  körperlicher  Leiatunp  deswegen  zumuten  würde  als  er 
wlrklloh  leisten  könne«     Er  bat  Günther  drlngendst,   mit   Ihm 
in  regelrechtem  Briefwechsel   zu  bleiben,    Ihm  alle   Beobaohtunpen 
über  Jcigemanna   Zustand  mitzuteilen  und  Hess   sich  das  Versprochen 
gebeni   dass  er  ihm  sofort   telegraphieren  würde,   sollte   Irgend 
eine   Veränderung  ungünstiger  Art  elntretent 

Günther  hctte  Behrens  nie  getroffen,   sah  nun  einen  Kann 
vor  sich,   dessen  menschlicher  und  beruflicher  Ernst  einen 
grossen  L-lndruck  auf  Ihn  machten,    so  sehr  Im  Gegensatz   zu  den 
schnippischen  und  sarkastischen  Bemerkungen,   die  Gertrude 
gelegentlich  über  diesen  Mann  zu  machen  pflegte.     Er  war 
sicher  keine  besonders   schöne  Erscheinung,  wenn  man  sich 
den  deutschen   Turnverein  als  männliches   Ideal  dachte*  Er 
war  untersetzt,   rothaarig,  mit  einer  fast  assyrischen  Nase 
und  dabei  wasserklaren,   hellen  Augen,   die  unter  roten  buschigen 
Brauen  einen  durchdringenden  Blick  zu  haben   schienen»    Der 
Kund  war  gross zügig  angelegt,   von  einem  rotblonden  Schnurrbart 
und  Klnnbart  umgeben,      Günther  fühlte   sich  In  der  Gegenwart 
dieses  Mannes  wohl.   Er  sohlen  Ihn  nicht  als  einen  fremden 
zu  behandeln,   sondern  ganz  ohne  Aufdringlichkeit  als   Jemanden, 
der  zu  Jagemann  dazu  gehörte,    Ihm  also  vertraut  sein  musste 
und  auch  wertvoll.     Er  behandelte  auch  Martin  In  dieser  '.Velse, 
nur  mit  grösserer  Wärme,  und  der  alte  Mann  hing  mit  Vertrauen 
und   Zärtlichkeit  an  ihm.     All  dies  konnte  flünther  in  der 


-9- 


kurzen  Spanne   Zelt  bis   zu  seiner  Abreise  mit   Japemann  und 
Mertln  beobachteni   und  er  übernahm  seine  Aufgabe  mit  einem 
seltsam  petrösteten  Gefühl,   das  er  seit  seiner  frühen 
Kindheit  nicht  mehr  empfunden  hatte.      In  der  dritten  April- 
woohe  verlless   Japremnnn  mit   Günther  und  Martin  Hamburg« 

Sie  kamen  noch  pTede   rechtzeitig  In  Rom  on,   um  die 
Osterfelerllchkelten  In  und  vor  Senkt  Peter  zu  sehen» 
Jepjemenn  konnte   sich  nur  ouf  kurze   Zelt  an  dieser  Praohttr 
sohaustellung  erfreuen,   da   er  zu  raüde  wurde;    so  begleitete 
ihn  Martin  zurück  Ins   fiotel.      Er  hatte   das   Santa   Chlara  Hotel 
eusgesucht,   das   Ihm  bei  seinem  früheren  Aufenthalt   In  Rom 
gut   gedient  hatte.  Es   lag  bescheiden  In  einer  schmalen^ 
ruhigen  Gasse,   war  aber  bequem  und  gediegen  eingerichtet, 
hatte  ausgezeichnete   Bedienung  und  war  nahe   genug  dem 
Pantheon,   dass  man  es    Jederzeit  aufsuchen  konnte. 

Im  Pantheon  hatte   Ja^emann  oft  und  oft  gestanden, 
hatte  Raum  und  Licht  auf  sich  wirken  lassen  und  hatte 
gewöhnlich  ein  klareres   Denken,  beruhigte   Sinne,    Ja   manbhmäl 
sogar  die  Lösung  eines  wissenschaftlichen  Problems  mit 
fortgetragen.    Das  hatte  er  vor  seinem  Inneren  Auge   gehabt| 
als  er  vorgeschlagen  hatte,    In  Rom  halt   zu  machen.   Er  hatte 
Beschwerden  eigener  Art  empfunden,   die  er  sich  selbst  und 
seinem  Reisegefährten  nicht  eingestehen  wollte;    so  prätendierte 
er  einfach  Müdigkeit  von  der  schon  mehrtägigen  Elsenbahnfahrt. 
Er  war  aber  ein  zu  guter  Arzt,  um  sich  wirklich  über  den 
G3?ad   seiner  Erschöpfung  zu  täuschen.      Zu  Zelten  hatte  er  ein 
Oj^re  SS  Ions  ge  fühl,  das   Ihm  das  Atmen  schwer  machte  und  sein 
sonst  eher  longsamer  Pulaschlag  konnte  nach  leichteren 


-10- 


Anatrengunf.en  wie   Treppensteigen  plötzlich  unraaaalre  Jlle 
zelfren.     Er  wollte  Ina  Pantheon;   es  war  wie  aln  Zwang,   Doch 
wollte  er  allein  dort  sein,   aonat  hotte  ea  keinen  31nn  für 
Ihn.     Überrascht  ertappte  alch  der  Atheist  und  fiatlonallst 
Jafemonn  dabei,   deaa  für  Ihn  das  Pantheon  wirklich  der  31t z 
übemstürlloher  Kräfte  war,   doaa  &r  ein  froramea  Gefühl  hatte, 
wenn  er  aloh  das  von  oben  horelnstrBmende  Licht  In  dem  runden 
hohen  Raum  vorstellte  —  und  die  weihevolle,   göttliche   3tllle, 
Er  lächelte  erstaunt  über  sich  aelbat  und  doch  trieb  es   Ihn 
dort  hin,    zu  einer  msglsohen  Kur  seines  kranken  Herzens, 
Als  Ihr  Wagen  am  Hotel  hielt,   llesa  er  Martin  vorangehen 
und  versprach  sehr  bald  Ihm  naohzukonnen, 

Jagemanna   Besuch  Im  Pantheon  hatte   Ihm  Jedoch  nicht 
die  helmlloht  erwartete  Hellung  gebracht.      Im  Gegenteil,    In 
der  gtllla  des  Tempels  hatte  er  die  alte  Klarheit  der  Sinne 
zurückerhalten,  die  Ihn  zu  dem  ausgezeichneten  Arzt  und  './lsaen=r 
HChaftler  ,  der  er  war,   gemacht  hatte,  und  die  er  nun  ohne 
besonderes   Selbsterbarmen  auf  aloh  und  seine  Symptome  richtete. 
Er  konnte   sich  nun  zugesteVien,   dasa  er  am  Rande   seines   Lebens 
stand,   da  SS  die  vielen  kleinen  Zeichen,   dl©  er  unwillkürlich 
an  sich  beobachtet  hatte,  eine  Erschöpfung  des  Herzens  an= 
••Igten  und  dass  er  rasch  d*JB^Hllfe  seines  guten  Behrens 
bedurfte  —  falls  noch  Zelt  dazu  war  —  um  nicht  auf  dieser 
Reise   zu  sterben.  Er  ertappte  sich  dabei,   dasa  der  eigene 
Tod  Ihm  völlig  unnatürlich  und  genau  so  rätselhaft  war  wie 
In   Jenen  Tepen,   eis  er,   ein  sehr  Junper  Mann,   von  Grauen 


-11- 


überföllen  wurde,  wenn  er  dleaem  Gedanken  aloh  auch  nur  nfiherte, 
Elpentlloh  hatte  Ihn  dieses  Leiden  zum  Studium  der  Medizin 
veronlaaat,  3r  hcstte  sich  selbst  auf  die  Probe  stellen  wollen; 

5  er  hette  dem  i\n8tomlecliener  ein  Trinke;eld  crefrebeni  damit  er 
ihn  helmlioh,  bevor  er  sieh  in  die  Studöntenliste  eintrug^ 
in  den   Sectionsraum  liess,  so  dass  er  dem  Erfolg  des  Todes 
allein  g;apenÜber  stand  und  mit  eigenen  Aupen  das  Oefürchtete 
Mh.  Aber  er  wuaste,  daag  er  das  ertrap:en  konnte.  Er  hatte   ^ 
den  Tod  so  oft  in  anderen  bekämpft;  er  hatte  verlernt  an  sich 
selbst  zu  denken,  wenn  es  um  Krankheit  oder  um  Experimente 
gingt  Er  dachte  an  soino  Erlebnisse  am  Tropenkrankenhaus, 
wo  er  nun  nach  seinen  drei  JTehren  in  Afrika  die  leitende 
Stellung:  innehatte.   Damals^  bevor  er  nach  Afrika  ginpi  hatte 
er  wieder  oine  Zeitlang  das  Grauen  empfunden,  hatte  Ta^e  und 
Nächte  im  inneren  Kampf  zuKöbraoht,  weil  Irenes  Selbstmord 

\   ihm  das  Leben  leer  und  lächerlich  erschienen  liess  und  er 
selbst  nicht  mehr  leben  wollte.  Aber  das  Grauen  vor  dem 
Nichts  war  stärker,  er  ging  nach  Afrika,  um,  wie  all©  -.-  ausser 
Behrens  —  meinten,  den  letzten  Stein  dem  Gebäude  seines 
Ehrgeizes  anzufÜßan.   Bohrens  wusste,  dass  dem  nicht  so  sei; 
und  Jafremanni  der  nie  den  Jungen  Arzt  zu  seinen  Vertrauten 
gemacht  hette,  fühlte  sich  wenifstens  von  einem  Menschen 
verstanden, 

3o  war  es  natürlich,  dass  er  Jetzt  an  Behrens  dachte, 
der  Ihn  so  gut  durch  die  letzte  Krankheit  gebracht  hatte 
und  dessen  besorgten  Ausdruck  beim  Besprechen  der  Reisepläne 


-IP- 


und  beim  Abschied  er  wieder  vor  sich  seh;   hetto  er  doch  den 
Anderen  ob  seiner  übertriebenen  Pürsorge  etwas  ausgelechtt 
Er  glnp  lunpsam,   ein  müder,  wissender  Mann,    zum  Hotel 
zurück  und   sendte  ein  Teleprom  an  Behrens,   In  dem  er  Ihn 
bat,    siofort   z\x  kommen.      Günther  und  Martin  sapte   er,   dsss  er 
sich  welter  elnlpe   Tape   In  Rom  aufhalten  wollte,  um  den 
Letzten  Teil  der  Reise  besonder??   zu  penlesaen.    Da   er  sich  aber 
doch  so  krank   fühlte,   dass  er  om  Abend  viel   früher  als   sonst 
sich  zu  Bette   lefte,  wurde   Günther  recht  besorgt  und  beriet 
mit  Martin,   ob  sie,   ohne   Jafomf^nn    Tavon  etwas   zu  saren, 
von   sich  aus   Bohrens   telegraphieren  sollten«    31e  beschlossen 
aber,   mehr  aus  Angst  vor  der  Srrerllchen  Reaktion  des 
Professors  als   aus   vernünftigen  t)berlefrun(;an,   bis   zum 
irfichsten  Morien  zu  warten. 

Günther  war  seit  seinen  Jünplin^^^^^tagan  zum  ersten 
Mal  wieder  In  näherer  Beziehung  zu   seinem   ^chwlepervater. 
Während   clor  ersten  Jahre   seiner  I:^he  war  Japomann   In  Afrika, 
mit  Ausnahme  der  kurzen  Zelt,   die   er  aur  Hochzelt  Gertrudes 
In  HE^mburf  verbracht  hr,tte.      3o   sehr  Günther  sich  auch 
bemüht  hatte  das,  was  er  bei  seinem  ersten  Besuch  In  New 
York  von  Itox  über  seinen  zukünftlfren  Schwiegervater  erfahren 
hatte,    zu  verfressen,   es  war  Ihm  nicht  ganz  gelunpen.     Er 
war  mlstraulsch  {reworden  un  1  ertappte   sich     dabei,   dass  er 
bei   Ihren  kurz'?n  und   seltenen  Beisammensein  Jede   von  Jage=r 
mann  gremochte  jlusserung-    sozusagen  auf  die  Wagschale  legte, 
um  Ihren  WahrheltsFohalt   festzustellen.   Er  war  überkritisch. 


i 


-li- 


eber euch  übersenaltlv  In  neiner  Beziehung  zu  dem  elnBt  30 
Verehrten  geworden;    doch  muaBte  er  sloh  Iratner  wieder  gestehen, 
dass  nloht  der  Hauch  elnea  Verdachtes   von  UnmoralltSt  an  dem 
Kenn  zu  haften  schien»      Der  einzige   Vorwurf,   der  mit   Recht 
geuacht  werden  konnte,  wer  seine   Zurückhaltung  und  die 
Abwesenheit    Joder  Spur  einer  menschlichen  Wärme   seiner  Tochter 
gegenüber.   Es   aohien  Günther   ,dö83  er  sie  ebelchtllch  vermied» 
Er  kam  nur  SusBorBt   selten  zu   Ihren  geaelligen  Veranataltunf-en, 
schien  sloh  In  seinem  eigenen  Kauae  ebenso  auf  Arbelt  auszureden, 
wie  wenn  Gert rüde  und  Günther  zu  Senuch  kamen,   und  Günther 
empfand  es  als   recht   sohmerzheft,   dass   Jsgerasnn  auch  keinen 
Anteil  am  Aufwachsen  seines  Enkels    zu  nehmen  schien«   Manchmal, 
wenn  er  zufällig  doch  bei  einer  Ihrer  Visiten  zugegen  war, 
beobchtete  or  mit  fest  düsterem  Blick  den   Jungen  Knaben,   als 
ob  er  In  seinem  Benehmen  etwas   Verborgenes  und  übles   zu 
erwarten  sohlen«    Zu  andei^on  Menschen  war  er  dagegen  freund^lch, 
wenn  auch  nicht  besonders  herzlich«    Die    Zwillinge,    die 
beschlossen  betten  nicht   zu  studieren,   waren  offensichtlich 
eine   iiinttäuschung  für  ihren  V^ter  gewesen«   Aber  er  behandelte 
sie  eher  mit  einem  Piumor,   der  zwar  etwas   von  seiner  Verachtung 
Ihnen  gegenüber  be Inhal  täte,   aber  doch  gutartig  war«    (Sie  waren 
beide,   nachdem  sie   ihre  Militärpflicht  erledigt  hatten,    in 
den  kaufmännischen  Setrieb  ihres  mütterlichen  Grossvetera 
eingetreten,  wo   sie   sloh  wohl   fühlten  und  für  das   Unternehmen 
vielversprechend  entwickelten)« 


-14- 


Obfloloh  also  Günther  den  iilndruok  go*ftnn|   daaa  keine 
sehr  Sterken  Llebesbezlehunfren  seinen   3chwlogrei^v£iter  an  seine 
?erallle  beenden,  hotto  er  doch  nie  ein  zweldeutlp^ea  V/ort  oder 

ger  ein  Gerücht  über  eheliche  Untreue  Über  Ihn  frehört.   Er 

^ — '" — '-^^ 

war  ,^war  allgeraelnNela  ein  sehr  ehrg-elzlper  aber  duroh^^ua 


'>•«».•»• 


rechtschaffener  Mann  angesehen,  beliebt  bei  seinen  Patienten, 
fresohStzti  aber  auch  pafürchteti  von  seinen  Mitarbeitern, 
Die  Pürsorge  und  Liebe,  die  Behrens  so  unverholen  seinem 
Lehrer  und  Vorf^e setzten  entn-egrenbrechte,  wirkte  daher  r :  •.  t 
elfrentlloh  recht  überraschend  und  sehr  anziehend  auf  Günther; 
errerte  Jedoch  ein  Gefühl  von  Slfarsucht  auf  den  Jüngeren 
Ärzt|  der  anscheinend  zu  Japemann  In  einem  einzigartigen 
VerhjWltnls  stand.   Er  konnte  sich  aber  des  Gefühls  nicht 
erwehren,  dass  er  schon  einmal  In  der  Vergangenheit  Zeu^e 
eines  solchen  Verhältnisses  gewesen  war. 

Die  Tapo  seit  Ihrer  /abreise  von  Hannburg  hatten  Ihn 
seinen  Schwiegervater  In  einem  anderen  Licht  sehen  lassen. 
Klne  andere  Seite  aelner  Persönlichkeit  schien  zum  Vorschein 
zu  kommen,   Der  sonst  so  ernste  und  zurückgezogene  Kann 
zeigte  sich  Günther  liebenswürdig,  heiter  und  dan-^bar.  Er 
war  mlttollsani,  Ja  unterhaltend  und  machte  den  ^ilndruok 
eines  .^'enschen,  der  Irgendwelchen  ITesseln  und  Quälereien 
entronnen  war  oder  auch  Jemandem  einen  Streich  gespielt  hatte. 
ir  erzählte  Günther  von  früheren  Reisen  und  besonders  von 
seinen  i:-rlebnisson  In  Afrika.  Er  sprach  von  Ja 'tob  Behrens  und 
seiner  grossen  ärztllc^ien  ilegabung,  und  wie  grossartig  er 
sich  bei  der  Behandlung  und  Untr^rsuchunig  der  Verursachung 
der  Tsetsekrankhelt  bewährt  hatte.  Zum  ersten  Mal  hörte  Ihn 


^ 


^15- 


QÜnther  auch  von   oelner  Kindheit  und  aelnen  Oupondjahren 
apre oben. 

Er  hotte  einen  baltischen  Vpter  und  eine   rusalsche 
Mutter  (Tohöht»      Die   J^nromanns  waren  eine  nlte  edllge   ?^mllle 
In  Revöl  pawesent    Seine   frühe  Kindheit  hotte  er  dort  verbracht 
und  auf  dem  Gut  seines  GroBSvatera   In  Finnland*    3elne  Mutter 
W8r  früh  peBtorben,   wie   so  viele   demslSi    Im  Kindbett^  und 
hatte   Ihn  und  seinen  älteren  Bmider  untröstlich  Über  Ihren 
Tod  zurückgelassen,    3eln  Veter,   der  ein  schweip;samer  und 
fast   düsterer  Mann  peweaen  war^  hatte  nach  Ihrem  Tod  viel 
Zelt  auf  Reisen  verbracht  und  brachte  dann  von  einer  dieser 
^^Isen  eine    Junpe   3tiefmutter  ml$#    31e  war  aus   Hamburp  und 
erkrankte   so   stark  an  Helmweh|   dass   die   ganze   Mamille  nach 
Hamburg  übersiedelte.    Die   Ferien  verbrachten  die   Brüder 
aber  Inner  bei   Ihren  Gro^seltern,   auch  die   vVeihnachtaferlen, 
In  denen  der  Grossvater  sie  mit  auf  die  Büren  Jagd  nahm«   Es 
waren  prossartlfe  Zelten     auf  dem  alten   Besitz,   so  viel 
heiterer  und   freier  als   In  Hamburgt    Viele   i^este  wurden  dort 
gefelerti   es   g-ab   Immer  gute   Geselllfrkeit  und  welch*   eine 
Verschwendunpi    JiBperaenn   fügte  mit   einem  LÖoheln  hlnzUt 
dass   allerdln/f.s  na/ch  seines   Grossvaters   Tod  auch  nichts 
von  dem  BeRitz  Übrlp  reblieben  war,    Nur  ganz  undeutlich, 
safte  er,   erinnere  er  sich  an  seinen  väterlichen  Grossveter 
In  Dorpat;    der  war  ein  ernster  Wissenschaftler  und  bedeutender 


•16- 


Kun?^thlf=^torlk8r  pewenen.  Er  f^el  ober  gestorben,  gIs  Jnfremonn 
nooh  sehr  Junp,  war.  Die  Qroaamutteri  die  eine  IchÖnhelt 
goweaen  sein  sollte ,  habe  er  ger  nlcVit  gekonnt,  3öln 
Medlzlnetudlum  habe  er  In  Dorpat  bekommen*  Das  war  damr^la 
eine  berühmte  Fekultät  peweaenp  mit  vielen  bedeutenden  Männern, 
denen  er  viel  zu  verdanken  hStte,   Ja^emann  schwieg  und  sohlen 
eine  Zeltlenp  seinen  Gedanken  naohzuhönren.  Er  keim  nloht 
wieder  auf  seine  JuB^^ndgaRchlohte  In  späteren  Gesprächen 
zurück* 

Jagemonn  hatte  schon  mehrmßls  In  den  letzten  lochen 
nach  Tajren  grösserer  körperlicher  Anatrongunß  und  auch  see- 
lischer Anspannung  ein  unbequemes  Gefühl  In  der  Brustj^epend 
p.ehebtj  man  konnte  es  nicht  recht  als  Schmerz  definieren, 
obrl^^loh  es  den  franzen  Brustkorb  aozusap-en  gefangen  hielt 
und  auch  einen  v/eg  In  den  linken  Arm  bahnte t  Sr  wusste 
natürlich,  dasa  es  anglnöse  Erscheinungen  waren,  die  von 
einem  leichten  Verkrampfen  der  Herzgefässe  herstemmten» 
Er  war  aber  immer  imatande  gewesen,  einfach  durch  Untere 
brechung  der  Jeweiligen  Tätigkeit  oder  ein  Icurzes  Ausruhen 
diese  Belästigung  los  zu  werden*  Nach  seinem  Besuch  im 
Pantheon  aber,  obgleich  er  im  3ettvlag  und  schon  seit 
mehreren  Itunden  völliger  Ruhe  pflegte,  überfiel  ihn   der 
Schmerz  unei^ortet  mit  gross ter  Intensität • 

Es  war  nun  als  ob  ein  Tier  seine  Rloaenklauen  in 
seinen  Brustkorb  grübe  und  ihn  zusammendrückte,  dass  er 
nicht  atmen  konnte  vor  angstvoller  Pein;  heisse  quälende 


-17- 


Strahlan     lief an  in  den  linken  Arm  uni   sopar  In  seine  Holas 
rrube,   Sr  fühlte  seinen  Herzachlsg  rasen  und  sprlnp-en  und 
von  Zelt   ?.u   Zelt  ausaetzen,    Der  Schmerz  wer  so  stark, 
da 93  er  fürohtete  bewuastloa   zu  werden.  Er  wollte  um  Hilfe 
rufen  oder  die  Hand  nach  der  Glocke  auaat recken,  um  I'Iartin 
oder  Günther  daa  verabredete   Zeichen  seiner  Hllfsbedürftlp-keit 
zu  eeban,  aber  er  wagte  alch  nicht  2U  rühren,  aua  Angiat  den 
Anfall  zu  verschlimmern  orlor  zu  verlängem.   Er  konnte  nicht 
aapen   ,   wi^;   lanfre  dieser  Zustand  anpedauert  hatte,  er  schien 
ausserhalb  measborer  7,eit  zu  soln. 

Der  Schmerz  hörte  auf,   und  er  fiel  in  einen   Schlaf 
tiefster  SrschÖpfung,   Nach  einigen   Stunden  oder  Minuten 
wachte  er  auf  und  aeh,   dass  die   Nacht   in   namtnerune  übe rpe ^a npen 
w«r.   Er  hatte  nun  Anpat  allein  zu  aein,   konnte  dem  Morpen, 
den  er  ao  dringend  herbeisehnte,   doch  nicht  allein  entpepen« 
sehen,   so  läutete  er,  und  iMartln  kam  aofort  In  sein  Zimmer, 

4 

ala  w^re  er  ggr  nicht   zu  Bette  peweaen,   aondem  hätte   Im 
Hebenziramer  gewacht  und  gewartet.      Der  alte  Mann  hatte  -  » 
nie      jemandom  erzJhlt,   deRB  er  seinen  Herrn  weinend   im  rte tt 
vorf^efunden  Unfl^lhn  wie   ein  Kind  in  seinen  r.rmon  eetröstot 


hatte« 


Günther  schickte  ein  paar  Stunden  später  ein  Telegra 


m 


an  Behrens, als   Japemann  einen  erneuten  Herzanfall  hatte 
und  auf  kurze   Zeit  bewustlos  wurde.  Er  schickte  aber  auch 
pleichzeltif*  nach  oinom  /.rzt,  der  auch  in  wenigen  Augenblicken 
da  war«   Weder  Martin  noch  Günther  konnten   ihm  einen  zusammen- 
hÄnj^'onden  Bericht   geben,   dn   ihr  italienisch  nicht  imsreichta 


•18- 


und  der  Dootor  Glanottl  weder  Deutsch  nooh  lilnpllsch  apreoh» 
Vfas   Immer  sein  Eindruck  von  der  Erkrankung  Jepemanns  war, 
er  brachte   den  Professor  durch  Irgendwelche  iMassnchmen  wieder 
zu  aloh,   und  de   der  Arme  an  schwerer  Atemnot   litt,   legte  er 
Ihn  90^   desa  er  mit   Unterstützung  von  vlolen  Kissen  fest  Im 
Bett  oufsess*      Pur  Günther,   der  ratlos  und   ohne   Sechkenntnis 


das  Leiden  seines    Schwiegervaters  mit  ansehen  musste^  WcH ren 

es   ho rz zerre Issende   3tundoni   es  war  ihm  als  ob  er  selbst  dort 

läge,   blau   Im  G-esloht  und  nach  Atem  rlnf^endj    es   schien  als 

nun  'L 

ob  die   {Tanze  Welt  für  Ihn/zusammengeschrumpft  war  in  Immer 

den  nächsten  Atemzug,   den  er  Jsgemann  seiner  Brust  abringen 

sah  unter  so  qualvollen   Schmerzen,   die   das   Gesicht   des  Leidenden 

bis   zur  Unkenntnis   veränderten^ 

Der  Italienische   Dootor  flÖsste   Ihm  verschiedene 
Tropfen  ein,   die  wohl  die  Herztätigkeit  unterstützen  sollten? 
was   Immer  sie  bewirkten,   sie   veränderten  den   Zustand  nicht. 
Günther  warte   kaum   Je   das   Zimmer  zu  verlassen;    er  sah  wie 
der  Kranke   seine   Hände   In  die   Bettdecke  krampfte,   sah  wie 
Ihm  der  Schwelss  über  das   Gesicht   rann,   das   Martin  Ihm  immer 
wieder  abwischte.     Er  hörte   Ihn   ^/orte  ausstossen,   die  er 
nicht   ganz  vernehmen  konnte  und  doch  verstand,   und  hörte 
Ihn  einen   Namen,   der  wie   Irene  klang,   anrufen.     Er  betete 
Innerlich,   daaa  Behrens  kominen  möge,   obgleich  er  sich  aus- 
rechnete,  dass   er  nicht  vor  dem  nächsten  Abend  eintreffen 
könnte,   denn  er  wusste   Ja   nicht,   dass   Jagemann  schon  vor  Ihm 


-19- 


don  Arzt  benachrichtigt  hotte. 

In  all  dem  hatte  Günther  wieder  ein  undeutliches 
Gefühl,  ala  hotte  er  diese  flohrechllohen  Stunden  des  Wr^rtena 
schon  frflher  durohlebt  und  konnte  «loh  doch  nicht  beginnen, 
etwea  so  iintsetzllohea  Je  erlebt  zu  heben.  Flüchtig  dachte 
er  an  den  Tod  seines  eigenen  Vaters  --  aber  er  war  nicht  zun: 
pepen  pewesen  und  hatte  sich  des?^en  Hinscheiden  auch  nicht 
In  seiner  Phantasie  so  ausgemalt.   Denn  dachte  er  an  Gertrude, 
en  Ihre  l^ntblndung  und  an  die  Geburt  seines  kleinen  Heinrich. 
Des  ^^arten  war  qualvoll  gewesen  mit  all  der  Anpat  um  Gert  rüde, 
die  Furcht  sie  oder  das  Bable  zu  verlieren  —  aber  er  war 
nicht  Im  Zimmer,  wo  die  GebSrende  lap,  anwesend  p:ewesen# 
Arzt  und  Hebamne  hatten  Ihm  verboten  hereinzukommen.   Ja, 
das  'Varten  damals  war  schracklloh  pewesen,  vielleicht 
prausamar  noch  als  Jetzt,  well  er  das  Stöhnen  und  Schreien 
seiner  pellebten  ?rau  durch  geschlossene  Türen  hören  musste 
und  nicht  Bsh   was  vor  sich  ging. 

Der  Dootor  flÖa'^te  Japemenn  neue  Medizin  ein,  dann 
geb  er  einige  Anweisungen,  wie  ihn  warm  zu  halten  und  Ihm 
nichts  zu  essen  zu  peben,  oder  nur,  wenn  er  danach  verlangte, 
ein  v;enlg  Hühnerbrühe,  und  ging  seinen  Geschäften  nach. 

Zeltwelse  schien  Japenann  auf  einen  /»ugenblick  zu 
schlafen,  oder  vielleicht  wer  er  auch  momentweise  bewusstlos; 
dann  schien  der  Kampf  wieder  verstärkt  vor  sich  zu  gehen; 
er  knirschte  mit  den  Zähnen  und  verzerrte  sein  Gesicht  vor 
3ohmerz,  und  manchmal  schien  er  um  Hilfe  zu  rufen.  Es  war 
schon  fast  Abend  ala  Behrens  ankam. 


-20- 


Günther  plaubte  ein    /ander  zu  erleben»    Dr*    GlenotLl 
r  grade  wieder  bei  dem  KrenV.en  und  schien  ebenfio  hilflos 
wie   Günther  und  Martin,   Behrens ,   der  merkwÜrdlfrerwelae 
Itellenlfloh  sprsoh|   Hess   aloh  von  Glanottl  raaoh  berlchteni 
dtnn  untersuchte  er  Jopemann,   schnell  aber  mit   so  zcrter 
Geschlokllchlcelt,   dasf^  es   sohlen^   als  ob  schon  die  Berührung 
seiner  HUnde  dem  Kranken  Erleichterung  brachte.     Er  trat  auf 
einen  Aupenbllck  mit   Glanottl  ans   Ponster   ,  und  von  der  heftig 
abwehrenden  Bewegung  des   Italieners  konnte   Günther  entnehmen^ 
dass   Sehrena  einen  Vorschlaft  gemacht  hatte ,   der  dem  anderen 
ge föhrlich  schien.    Behrens  trat  nun  wieder  ans  Bett  heran 
und  sagte  mit   ruhiger  Stimme i 

"Herr  Professor,    3l9  haben  einen  Herzinfarkt  erlitten, 
loh  kann   Ihnen  nur  cirlalchterung  geben,   wenn   Ich  Ihnen  eine 
I'iorphlnlnjektlon  machen  darf.    31e  müssen  sich  auf  mich 
verlassen.    Ich  habe  Erfahrung  darin." 

Jagomann  konnte  nloht   antworten,   er  hatte  die  Augen 
nun  r-eHffnet  und  blickte   den  Jüngeren  Arzt  an,   als  ob  er 
eine   tiefe,   nicht   7U  beantwortende    ?r&pe   stellte}    seine 
Hände   umklem-xerten  den   Ftend  des  Bettes,   seine   trockenen 
blauen  Lippen  waren  geöffnet,   um  mehr  Luft  hineinzuziehen, 
der  Brustkorb  schien  kaum  mehr  die   heftige  Arbelt  des 
Slnatnens  bewältigen  zu  können.     Behrens  hatte  eine 
Phiole   geöffnet  und  hatte  eine  kleine   Spritze  mit   Ihrem 
Inhalt   gefüllt;    er  betupfte  den  Ann  des  Leidenden  rasch 
mit   etwas  Alkohol,   bevor  er  die   Nadel  unter  die  Haut  stless. 
Denn  nahm  er  Jago^nanns   Handgelenk   In  seine   Hand  und   zählte 


-?!-. 


seine   Pulsßohlöce»      ^r  Kampf  umfl  Atmen  wurde   schwächer. 
Jeroraanna  verkrempfte   Züpe   lösten  slohi   er  lehnte   den  Kopf 
oufB  Kissen   zurück  und  achloas  die  Augen,    ein  p:onz   fölnea 
Ucheln  flchwebte  um  Beine   Lippen,   die    "Mutter"   lispelten; 
denn  schlief  er  ein, 

Behrens   tr&t  ans   ?enater,   und  als  Günther  auch  hlnr.u- 
tr©t,    sah  er  7.\x  seinem  unhaher'' Ichen   Srstaunen,   daas   dem 
Mann   Trönen  übe>^  die   ./en/^en  llefeni   die   er  ohne   Zeichen 
der  Vorlefenhelt  mit  der  Iinnd  wefrwlschte,      3r  sarte  mit 
leiser^    orrrlffener  3t Imme j 

"ir  hette  mir  teleprraphlart,   er  muss   eine  Ahnung 
p^ehaht  haben,   dass  ea  am   Snde   Ist.    Nur  ein   Vunder  kann   Ihn 
retten  —  und   loh  kann  es   nichtl" 

(Nieder  standen   Ihm   Trönen   In  den  Auj^en,   und   Günther 
merkte,    daas   auch  seine  elpenen  feucht  wurden,    "v/le   lanpe," 
brachte  er  mühsam  hervor,    "wie   lange   —  es  war  so   sohrocklloh, 
er  litt   so   entsetzlich — Gott   sei    Dank,   daas    3ie  hier  sind. 
Wir  telegraphierten,   aber  31e   müssen  schon  unteivegs   gewesen 
sein.   Er  serte  nichts  davon,   dass  er  Ihnen  tolec^raphlert 
hatte.    —  ^te   lanpe,    glauben   31e, ".versuchte  er  wieder,   ohne 
doch  sich   zu   trauen,   die  elfentliohe    ?vc\^e   zu  stellen. 

Behrens   antwortete   nicht;    er  kehrte   zum  Bett   zurück 
und  löste  Martin  ab,   den  er  fortschickte.    Martin  weigerte 
sich  zunächst,    seinen  Herren  selb^-^^t  auf  kurze   Zelt   zu  verlassen, 
aber  Behrens   machte   Ihm  klar,   dass   er  Ihn  spöter  dringend 
brauchen  würde,   und  dass  er  deshalb   Jetzt   die   Zelt  eusr: 
nutzen  musste,   um  sich  auszuruhen.   Auch  gr^b  er  Ihm  ein 


-22* 


leichtes  3eruhlf:une;3mlttel,   voreprach  eher,    Ihn  sofort   zu  rufen,  wenn 
sein  Herr  erwechte^ 

3o  hielten  Behrens  und  Günther  V/ache  an  Jafonannsi   Seite. 
Sein  Atem  p;ln£^  rahlfer,  aber  nelne  Lippen  und  nein  rronzeB  Gealcht 
hotten  eine  kalte  blau-graue   Farbe,   die  Ihn  schon  tot  oraohelnen 
llesfl.     Er  v;aohto  noch  etwo  einer  3tunAe  auf,   iScholte   seine  beiden 
WSohter  ^n  und  begann  zu  reden*  Es  erschien  Günther,   daas  er  wenlper 
oder  vielleicht   ^,sr  nicht  mehr  von   Ichnerzen  gequält  vmrde,   aber  ouch, 
dasB  seine   ^inne  nicht   inmer  völUp  klnr  ^i^ren.     Er  nchien,  wenn 
auch  nur  seitwelöo,   gelne   Unfrabun(?;   zu  v  rkennen,   redete   sie   zum 
Beispiel   in  einer  fronden  3prf^che   an,   die  anscheinend  HiiSBlsoh 
wer^    Günther  hntte  nicht   frov/uBat,   dfiag   sein    ^chwiepervoter  Russlach 
beherrschte»    Seine   Itimr^ie  kleng  weich  und  zSrtllch,  und  Günther 


me 


rkte,  da  Bf:  er  {rar  nicht   zu  Ihnen  sprach,   sondern  dass   Jemand 


anderes  für  ihn  im  Zimmer  war.   Er  schien  um  ^^twan   zu  bitten 


m 


It   verführerischen  Gelten  aber  dem  LÜoheln  eines   kleinen  Klndea» 


Plßt^.lich  war  or  wieder  bei   ihnen  und   sprach  mit   ihnen  Deutsch, 
als  hotte  die   russische  Episode  nicht   stettpefunden.  Er  vrar 
wieder  klar  bei   Sinnen  und  wandte   sich  nn  Günther  mit  den 


Wörtern 


"loh  weiss,   es  geht   zu  Bnde  mit  mir;    ich  habe  nur  kurze 
Zeit  noch.   Dir  etwas   zu  sa^en.    Behrens   soll   Zeupe   sein,   daas 
Ich'a  wirklich  pesapt  habe»      Ich  glaube  an  nichts,   keinen 
Gott,   aber  ich  will  nicht  e:ehen  olrine   zu  aagen,   dass   ich 
Irene  reliebt  habe,   dass   loh  schuld  bin  en  Ihrera  Tod.    Ich 
konnte   sie  nicht   retten,    f!lo  wollte  nlc>xt.      Es   gl^^t  koino   SÜhne 


.P3- 


defür  —  nloht  für  Ihren  Tod  —  für  meine  Fei ehe  lt.   Wenn 
ich  nur  u.etan  hStte  —  wofs   loh  3o-  oft  hohe  tun  wollen. 
In   Ifmer  ^elt  —  nur*  fort  eua  der  i-^npe,     nur  mit  ihr 
leben  --ein  neues  Lebenl     Aber  ich  konnto  nloht   — • 
Polfhe.iti   Unehre/'   f^tVefi«j  er  7.v/lsohen  schweren  Atemzügen 
hervor^    "mach  nloht  den  Fehler,   raeln  Sohn  —  das  Leben  iBt 
es  nloht  wert  —  nur  eine  ^^rosae   SnttöUBchung,   raelne  Frnu, 


ma 


Ino  "ohne  —  und  Trude,  sie  Ist  böse,  bÖse  und  sehr 


I    ft 


unp;lüclclloh; 

Er  quälte   Bloh  welter  zu  sprechen,   wie   In  Hast, 
llesa   sich  nicht  unterbrechen  trot7^  ungeheurer  Fein,   die 
Ihrn   In  den  Augen  standt      "Geh  von  ihr,   Günther,   wenn  Du 
Dich  retten  willst   —  nur  ich  kenne   sie   —  und  Max;    grüsse 
Max  von  mir/'   D(?nn,   <=jlch  an  Bohrens  wendend,   mit  nun 
fl^ihender   3t Imme:      ''loh  ksnn  es  nloht  mihr  ert raffen, 
nicht  welter  —  Du   sertest,   Du  seist  m^^in   ?reund,    Jr«kob, 
nun  hilf   Du  mir  —  und   sei  frosep.not,"   füg:.te  er  fast  un=: 
hörber  peinncht  durch   sein;^  röchelndes  /»t-.en  hin.'^u.   Ein 
nsuer  schwerer  KD-npf  schien  sein  Herz  bofnllen   7.u  hahen, 
denn  er  flnr  t.n  wieder  aeln  3ott   zu  umklprnr.ern  und  nach 
Luft   zu  rlnren,   ^elno  Auren  wsron  weit  f-cöffnet  und 
atsrrten  vcM  Greuen  In  ein  Nichts, 

B'^hrens,   der  Inzwischen  Msrtln   f-erufen  hntte,  bat 
den  Alten   aelnen  Herrn  zu  halten  und  fsh  Japsmann  eine 


^.e 


?A 


weitere   Itorphlumeinsprltrüung^   die   ßehr  bald  eine  beruhigende 
V/lrkunp.  hfitto^  Er  ?^chllef  nun  fest;    nelne  Atem7l{cß $  die  erat 
Icut  und  f^tosowclse   kernen,   wurden  leiser,  bin   ale  allmÖhlloh 
nur  wie   ein  Hauch  waren^     Qepon  I^orpen  zu,   alß  der  HiinnGl 
enilnr  Rieh  zu  rftten,    verschied  Hr^nnn    Jafemsnn  in  aelnem 
3ohlf.f, 


II. 


Günther  erinnerte   5^1ch,   doB«?    Jaftemonn,   alfi  er  wflhnnd 
ihrer  Reise  ncoh  rlora  so  viel   von  sich  erzählte ,   erwShnt  hette, 
dösfl  er  wünschte  auf  dem  kleinen  ?renidenfrledhof  In  Rom  be=: 
graben  zu  werden*     Er  hatte  ralt   Zärtlichkeit    von  diegem 
Friedhof  gesprochen,   a^a  von  etwas   Intimen,   i^reundlichen, 
Ja  v/örmen*      Shelley  und  Keats  waren  dort  ^osfrehenp  und  man 
war  dort  nicht   einsam.    Daran  dachte   nun  Günther,   als  es 
galt   eine  Sntacheidunf?;  zu  treffen,   was  mit   Jafem<?,nn9  Laiche 
pesohehen  sollte^    Die   italienischen  Behörden  w^ren  von 
Dr.    Sehrens  vorständifrt  worden  und  hotten   iceinerlel 
Schwlerlplcelten  gemacht,   da    Ja   auch   ein   Itol ionischer 
Arzt   zurezopen  worden  war,   der  seinen  Zustand  für 
hoffnunflos  erklärt  hatte.  Es   schien  Günther  nur  recht,   dass 
der  letzte    iunsch,   den  Jaremann  ausresprochen  hotte, 
erfüllt  werden  sollte.    Behrens   stimmte  mit   ihm  übereln, 


?5 


und  30  sandten  ale   lanre    relep-ramm'^  an  die   Frau  ProfesBor 
Jar'ömonn  un.1  an  G^rtrude  und  die   Zwillinge ,   wie  Quch  an 
A^n  Ju^^tlzrst   Jafeniarm,    In  denen  sie  erklärten,   dc^Bs   der 
Profesf^or  verBchloden  ael,  und  dö38  das  Be^rgbnl^   In  Rom 
In  drei   Ta.^en  stattfinden  würde.    G/lnther  fürte   sein  tiofea 
Mlt.'^efühl  im  Telegrnm  an  aelne   3chvflep;ermutter  und  die 
Schwäger  hinzu,   nicht   aber  in  Gertrudea. 

Er  handelte   In  ^i^lleni  korrekt  und  geaohiokt,   hr-tte 
abor  aolt   JajreT.anna   Srkr&nkung,   dem  schrecklichen  Miterlaben 
aelnoa    Sterbens,   dem  aufwühlenden   SterbebettFeatändnia  und 
dorn  Rtillen  ^nde,   ein  Gefühl  von   Selbatentf remdung,   ala 
ob  elno   Glaaaohelbe   aich  !^wlBChen   ihn  und  die    /elt  f^eschoben 
hätte  \xn6  er  aelbst  nur  wie  ein  aufpexopenea   Uhrwerk 
funktionierte ♦     Er  konnto   in  dlosem  Zuatend  ao.^ar  Martin 
trösten  und   Behrena   aelne  Kllfe   anbieten. 

Behrena   brauchte   keine   Hlire,    er  war   sehr  traurig 
und   verbarp  nicht,   da.'^i'^    ihm  mit   Ja^emanna   Tod  ein  rroasea 
Leid  poachehen  war.    £r  war  abfo^^ponnt  uni   niüde   noch  der 
lön{ren  R^iiae  und  dar  bei   goinem   freunde   duroliwaohten  fecht; 
aber  aohlafloae    Mächte  war  er  ^^ewohnt,   er  hatte  deren  un-^r 
gezahlte   in  seinem  ärztlichen  Beruf  erlebt,   und   or  hf^tte 
die   Gabe,    aelbat  öuf  Minuten  elnzuachlafen,   v/enn  eine 
Köo^lichkeit   aich  bot,   und   aich  auf  dieae    /oiae   t,u  erfrlaohen. 
Jetzt  wollte  er  aber  nicht   achlafen,    aondorn  wollte 
Bewegung  haben.    Ihm  war  ea   nicht   entp'.anp'on,   daaa   Qünthor 


^26^ 


nur  sohelnbor  In  voller  Jelbstbeherrschung  war;  nnohdem, 
was  er  mitönpeaehen  hettei  konnte  es  per  nicht  anders  sein. 
Der  Mann  hätte  Ja  eufl  3teln  aeln  müssen,  wenn  er  wirklich 
so  wenig  gefühlBmBsBle;  schon  nuf  das,  wes  Japemann  über 
seine  Prsu  pesap't  hstte,  re^glerfeB.   3ehren5i  hatte  zu  oft 
geaehen,  wie  Menschen  auf  einen  rrossen  Schock  renplerteni 
manche  brachen  zusamnoni  wurden  völllj^  unbeherrscht  und 
pabon  sich  wild  Ihren  (refühlen  hin  —  andere ^  Im  Gef^entell, 
vorsperrton  3ich  alle  Geraütawage  und  blieben  eine  Zeitlang 
wie  Automaten.  Man  mus^te  Ihnen  3elt  lassen  unri  sie  nur, 
ohne  es  sie  merken  zu  lassen,  sanft  leiten  und  sie  im 
Augo  behalten,  so  do^ns  man  zur  rlohtlgien  Zelt  sie  wieder 
sich  selbst  zuführte.  3o  formierte  er  Günther  auf,  Ihn 
auf  einen  3pazierp"8ne;  zu   begleiten. 

Er  zelf^'to  Ihm  Rom  bei  untergehender  lonne,  die  Ihren 
rötlichen  Schein  über  den  Fora  spielen  Hess,  so  dass  die 
alten  Zeichen  einstiger  Kraft  und  Iracht  wie  von  innerem 
Peuer  glühten.  3ie  icrlnren  zum  Capltol  hinauf  und  schauten 
hinunter  auf  Rom,  und  als  der  Mond  aufplng  wanderten  sie 
noch  Immer  durch  die  Strassen,  sahen  die  Brunnen  spielen 
und  die  alten  Paläste  an  der  Piazza  Narvona  sich  mit  3ilber 
überziehen.  Der  Hlmnel  hlnp"  wie  ein  Dach  leuchtenden  3amta 
über  Ihnen,  und  Günther  füWte  lamgraam  sein  Leben  zurüokir 
kom^ien»  Noch  war  es  aber  nicht  schmerzhaft,  sondern  wie 
die  römische  ^/elt  Im  sanften  kühlen  Mondlloht  elne:etaucht/ 
schien,  so  war  auch  ein  wehmütiger  schimmernder  Schleier 


-27- 


nooh  Über  sein  Empfinden  gelegt.  Behrens  spürte  die  Ver= 
finderune,  die   In  GÜnthor  vorging,   er  bepann  zu  Ihm  zu 
sprechen,  über  sich  selbst,   sein  Leben,   seine  Vereanpenhelt. 
Er  brachte  GÜnthor  auf  diese  Welse  wieder  In  menschliche 
Nähe  und  beantwortete   Praxen,   die  der  andere  sich  nie 
getraut  hätte  ihn  nach  so  kurzer  Bekanntschaft  zu  fropen. 
"Ich  weiss,   31e  haben  sich  gewundert  darüber,  dass 
loh  mit  Rom  so  vertraut  bin  und  euch,  dass  Ich  die   Italienische 
Sprache  beherrsche;    Ich  sah  Ihr  Erstaunen,   als  loh  mit 
Dr.    Glanottl  sprach,"  begann  er.      "Das  hat  eine  höchst 
einfache  Erklärung;   meiner  Mutters   Familie   sind  se;  bardische 
Juden,  die  sich  In  Italien  vor  einigen  Jahrhunderten 
ansiedelten,   als  die    Inquisition  sie   aus   Spanien  vertrieb. 
Obgleich   sie   streng  orthodoxe   Juden  gehlieben  sind,    so  hat 
sie  nichts   daran  gehindert,    sich  auch  als   Italiener  zu 
fühlen  und  am   Italienischen  Leben  schon  seit  mehreren 
Generationen  teilzunehmen.      Meine  y.utter  sprach  Italienisch 
und  lehrte  uns  Kinder  die   Sprache  schon  im  frühen  /ilter; 
man  könnte  sapen,  dass   Ich  Italienisch  und  Deutsch  gleichs 
zeitig  pelemt  habe.    Ich  habe  mein  Medizinstudium  eigentlich 
dieser  3prachkenntnls   zu  verdanken,  da   loh  mit  Unterri-ht 
geben  mir  was  ich  brauchte  verdienen  konnte.    In  meiner 
Kindheit  und   Jufend  war  Ich  mehrmals   In  Rom  zu  Besuch 
bei  meinen  Grosseltern  und  Onkel  und   Tanten,   so  erwarb  ich 
mir  eine  gewisse   Ortskenntnis,      loh  habe  einmal   sorer   In  Rom 


-P8- 


gelebt  und  eine  kurze  Zelt  hinduroh  meinen  Beruf  hier 

auflp:eübt*'^  ü  fügte  er  naoh  einer  kurzen  Pause  hinzu, 

"Das  war,  bevor  loh  mit  Ihrem  3ohwlegervater  nach 

Afrika  ging,  Dami-^la  wuaate  loh  nloht,  wie  loh  welterleben 

sollte;  loh  hatte  meine  Frau  und  einen  kleinen  Sohn 

verloren  •—  sie  starben  In  einer  Typhuaepldemle.  Es  war 

schreokllohi  mir  war  nichts  mehr  f.eblleben  —  nichts. 

Wenn  Jagemann  mloh  damals  nicht  gerufen  hätte ,  Ich  wäre 

wohl  nie  mehr  fähig  gewesen  zu  leben.  loh  verdanke  Ihm 

letzten 
alle  diese/ Jahre,  In  denen  Ich  Arbeit  und  frieden  gefunden 


habe»" 


"loh  weiss  nicht  wie  man  welter  leben  konn,^  stleas 


Günther  hervor,  "wenn  man  einen  iMenschen  verliert,  den 
man  Über  alles  liebt  —  Ich  könnte  es  nicht,  Ja  loh  wollte 
es  nicht  einmal." 

*'rflr  werden  nicht  viel  gefragt,  mein  Freund,"  sagte 
Behrens,  '^auoh  Ist  es  seltsam  an  sich  zu  erfahren,  dass 
man  viel  mehr  aushält  als  man  sich  vorstellt;  Ja,  dass  man, 
wenn  man  nicht  wirklich  gemütskrank  ist,  dem  Leben  unvers 
brüohllohe  Treue  hält.  Man  möchte  sterben,  aber  gleichzeitig 
klammert  man  sich  an  das  geringste  bischen  Lebenskraft,  des 
sich  In  einer  Erinnerung  oder  In  einem  //unsoh  oder  selbst 
In  einer  Träne  manifestleren  kann.  Ein  Traum  mag  einen 
trösten  oder  eine  bestimmte  Naturerscheinung.  Als  Arzt 
sieht  man  natürlich  sehr  londerbares;  wie,  zum  Beispiel, 
Kranke,  die  totkrenk  sind,  es  nicht  zugeben,  sondern  bis  zum 
Letzten  noch  hoffen  und  davon  sprechen,  dass  sie  gesund  werden. 


Jfc.l*',  •■'  • 


.P9- 


*'Ioh  habe  damals  auch  geglaubt i  dasa  nachdem  Ich 
das  mir  Liebste  auf  der  Welt  verloren  hatte,  zusehen  musste 
wie  sie  beide  elend  zugrunde  gingen  —  und  andere  konnte 
loh  retten  — Ja  damals  dachte  loh,  dess  loh  nie  wieder 
mloh  freuen  wollte ,  nie  wieder  etwas  anderes  spüren  wollte 
als  mein  tiefes  Unglück,   Wissen  31e  was  mloh  wirklich 
daraus  herausrles?  Es  war  Japemanns  Verzweiflung«  Ich 


me 


rkte,  da  SS  er  auch  Jemanden  verloren  hatte,  und  dess  er 


nun 


sein  Leid  In  sich  vergrub  und  sein  Lehen/nur  noch  In  den 
Dienst  seines  Berufes  stellte,  Sr  sprach  nie  direkt  über 
seinen  3c^nerz,  aber  er  suchte  Ihn  nicht  zu  verleugnen; 
er  war  gut  zu  mir,  verständnisvoll  und  hilfreich  und  Hess 
mich  on  aller  Arbelt  teilnehmen,  die  er  sich  selbst  auf=r 
bürdete.  loh  hebe  seitdem  fÜr  und  mit  Ihm  gearbeitet  — 
und  nun  Ist  euch  das  zu  linde." 

"Was  werden  Sie  nun  tun?" 

"0,  loh  weiss  nicht  —  violleicht  In  Hamburg  meine 
eigene  Praxis  vergrBssern  \xnr\   ein  vielbeschäftigter 
Speziellst  sein.  Ich  habe  Ferallle  und  Freunde  noch  in 

Hamburg  oder  ich  könnte  hierher  zurückkommen,  und  hier 

von  Neuem  verbuchen.  Dbs  alles  muss  überlegt  werden." 


Eine  Depesche,  die  Günther  bei  seiner  Rückkehr 
ins  Hotel  fand,  teilte  ihm  mit,  dasa  seine  Schwiegermutter, 
Gertrude  und  die  Zwillinge  7um   Begräbnis  In  Hom  sein  würden. 


•30- 


Es  war  einen  Aup'enbllck  lang,  ala  verstünde  er  den  Inhalt 
des  TeleprerameB  nicht,  ala  müsse  er  sich  aus  einem  Zustand 
losrolsaenp  in  dem  Gertrude  nicht  existiert  hotte,  und  als 
müsate  er  sich  nun  erat  wieder  einen  »V^ep  zu  dieser  anderen 
Existenz  bahnen.  Dann  überfiel  Ihn  aber  mit  gröaster  v/ucht 
die  Srlnnerunp  an  Japeraenns  schreckliche  /forte  über  seine 
Tochter.  Obpleloh  er  nicht  vorstand,  was  Japamann  gemeint 
hatte  und  nun  sich  einzureden  geneigt  war,  daaa  sein 
Schwiegervater  nicht  mehr  bei  31nnen  gewesen  war,  so  fühlte 
er  doch,  dass  Gedanken  angeregt  worden  waren,  die  er  zu 
denken  sich  grade  Jetzt  nicht  gestatten  durfte.  Er  musste 
verbergen,  was  er  selbst  fühlte,  und  Japemanns  Familie 
durfte  nicht  erfahren,  was  der  Sterbende  über  sie  gesagt 
hatte.  Er  fürchtete  sich  vor  der  langen  Nacht,  da  er 
überzeugt  war,  dass  er  nicht  schlafen  könnte;  aber  sowie 
er  sich  niedergelegt  hatte,  verfiel  er  in  einen  bleiernen 
Schlaf  der  r-rschöpfung. 

Am  Morgen  benachrichtigte  ihn  ein  zweites  Telegram, 
dass  seine  Schwiegermutter  auf  den  Schock  der  Todesnachricht 
hin  erkrankt  sei,  und  dass  sie  und  Gertrude  nicht  reisen 
könnten.  So  erwartete  er  also  nur  die  männlichen  Kitglieder 
der  Familie.  Zu  seiner  Beschämung  fühlte  er  sich  ungeheuer 
erleichtert.  Behrens  hatte  versprochen,  bis  zur  Beerdigung 
zu  bleiben.  Er  ging  seine  Verwandten  besuchen,  nachdem  er 


-31- 


Bloh  mit  Günther  verabredet  hatte,  beim  Sonnenunter^ong  Ihm 
die  Via  Apple  zu  zolfren* 

Günther  war  Bloh  selbst  überlaaserit  Er  wanderte 
duroh  kaa   die  römischen  Strassen  und  Plätze,  ohne  recht 
zu  bedenken,  wo  er  war.  Sr  betrat  viele  Kirchen,  wo  er 
nur  für  kurze  Zelt  verwellte.  Etwas  trieb  Ihn  fort  und  Immer 
von  Neuem  wieder  In  eine  andere  Kirche.  Vielleicht  war  es 
das  Halbdunkel  oder  die  Ifcllle,  die  Ihn  anzog  und  elelchzeltlg 
vertrieb.   Es  fiel  Ihm  auf,  dass  f^at  In  Jeder  Kirche  alte 
Leute  -•  manchmal  nur  einer,  manolimal  mehrere   —  schliefen. 
Es  schien  sie  nicht  7.u  stören,  wenn  Kenschen  an  der  Bank, 
auf  der  sie  schlafend  aassen,  vorbeigingen.  31e  waren  wie 
kleine  Kinder,  die,  nachdem  sie  sich  müde  gespielt,  In  den 
Armen  der  Mutter  zur  Pluhe  pepanp-en  sind  und  auf  Ihrem 
Sohoss  sitzend  fest  schlafen.  "Sie  scheinen  sich  hier 
so  sicher  zu  fühlen,''  dachte  Günther,  '^sicherer  wohl  als  zu 
Ilause  während  der  Nacht,*'  Es  war  Ihm  als  hörte  er  Japemann 
sagen,  ''sie  können  Ja  nachts  nicht  schlafen,  well  sie  sich 
fürchten.  31e  fürchten  sich,  dass  sie  alleine  des  Nachts 
sterben  werden."  i:-ln  Gefühl  tiefsten  Mitleids  erprlff  Ihn, 
wie  er  es  erlebt  hatte,  als  er  über  seines  Vaters  Al'^elnseln 
und  Tod  na chpeda cht  hatte.  In  Jener  Nacht,  auf  der  Reise 
nach  Amerika,  als  auch  er  nicht  schlafen  konnte.  Plötzlich, 
zum  ersten  Mal,  wurde  er  sich  bewusst,  wie  einsam  er  selbst 


II 


•32- 


war,  und  er  fühlte  alch  sehr  unplücklloh. 

Es  war  eine  neue  liintdeckunf  für  Ihn,  (Ibbb   er  einsam 
war«  Hotte  man  Ihm  noch  vor  elnlpen  Tapen  danach  gefragt, 
80  hätte  er, erstaunt  über  einen  solchen  Gedanken,  Ihn  als 
völlig  unwahr  zurückgewiesen.  Aber  nun  wusste  er  es;  und 
er  wusste  auch  etwas  anderes:  er  musste  sich  selbst  einer 

♦ 

Prüfung  unterziehen,  musste  untersuchen,  wie  seine  Beziehung 
zu  seiner  Frau  aussah  und  worauf  sie  gebaut  war.  Sr  wollte 
sich  nicht,  noch  nicht,  daran  wagen,  denn  er  ahnte,  dass 
viel  Leid  auf  Ihn  wartete,  und  dosa  er  an  einer  .Vendung 
In  seinem  Leben  stand. 

Während  er  von  einer  Kirche  In  die  andere  ging,  hatte 
Günther,  fast  ohne  es  zu  merken,  fast  mechanisch,  die 
vielen  Darstellungen  der  Martyrien  der  Heiligen  betrachtet, 
die  Grausamkeiten,  denen  sie  ausgesetzt  waren,  das  viele 
Blut,  das  sie  vergossen,  alle  die  -Entsetzlichkeiten,  die 
der  menschliche  31nn  ausdenken  konnte,  dargestellt  von 
Meisterhand  oder  von  primitiver  Gläubigkeit,  "Aber  das  ist 
Ja  Bett^ug,"  sagte  etwas  in  Günther,  "des  kenn  nicht  selnl 
Christus  allein  sollte  das  Leiden  der  Menschen  auf  sich 
nehmen;  dos  war  doch  der  Inhalt  des  neuen  Bundes;  er  war 
der  Sohn,  der  geopfert  wurde  von  seinem  Vater  —  damit 
die  Welt  vom  Leid  erlöst  würde —  Hier  aber  sind  sie  alle, 
die  vielen,  vielen  Männer  und  ?rauen,  die  umgekomn-ien  sind, 


I  I     II 


-33- 
well  sie  an  dieses  Verspreohen  peplaubt  haben.  Betrug," 
sagte  er  wieder,  "was  für  ein  Betrugl"  Er  konnte  den  Gedanken 
nloht  los  werden,  dass  alles  dooh  ein  Betrug  sei,  waa  er 
als  den  Intimsten  Inhalt  seiner  Religion  aufgefasst  hatte. 
Es  war  Ihm  vorher  nie  von  Bedeutung  erschienen,  dass  so  viele 
Menschen  dieselbe  Qual  erlitten  hotten  wie  Christus,  Warum 
war  das  nötig?  Wo  stand  es  geschrieben,  dass  das  eine  Opfer 
nloht  renug  war?  Was  denn  bedeutete  das  Lamm  Gottes  noch, 
wenn  es  so  viele  Lämmer  gab,  die  auf  die  Schlachtbank 
geführt  wurden, —  Ja  sich  willentlich  dorthin  begaben? 
*Vas  für  ein  schrecklicher  Betrug  —  was  für  ein  Wahnsinn," 
wiederholte  er  Immer  wieder,  und  plötzlich  erschien  ihm, 
als  sähe  nichts  mehr  als  Blut  und  Tod  Ihm  In  seiner  Religion 
entgegen*  Es  fröstelte  Ihn  und  er  trat  aus  dem  Halbdunkel 
der  Kirche  In  das  helle,  klare  Kachmlttagsllcht  Roms. 

An  der  Spanischen  Treppe  wartete  Behrens  auf  Ihn. 
Er  hatte  eine  junge  Dome  mit  sich,  die  er  Ihm  als  seine 
Cousine,  I^onora  Fernandl,  vorstellte. 


I  I 


-3''^- 


Zweites  Kapitel 


E3  dunkelte  schon,  und  Gertrude  aasa  noßh  Immer  in 
Ihrem  kleinen  Selon,  wo  ale  seit  Stunden  fast  unbeweelloh 
am  Fenater  geaeaaen  hotte.  31e  aohoute  auf  die  Straaae 
hinaus  ohne  wirklich  zu  sehen.  Von  Zeit  zu  Zeit  wiaohte  ale 
die  Tränen  fort,  die  immer  wieder  ihr  über  daa  /.ntlltz  liefen. 
Gestern  als  die  Nachricht  von  ihres  Vaters  Tod  kam,  war  ihr 
erster  Impuls  gewesen,  ihren  Koffer  zu  packen  und  nach  Rom  zu 
fahren,  als  ob  sie  nicht  zu  seinem  Grub  sondern  noch  zu  ihm, 
dem  Lebenden,  eilen  würde.  Erst  als  sie  bei  der  Mutter  war 
und  diese  in  einem  Zustand  grosser  Erregung  sah,  die  dann  zu 
Migräne  und  Bettlögerigkeit  führte,  brach  die  Wirklichkeit 
über  sie  herein.  Die  ganze  Nacht  hindurch  hatten  qualvolle 
Erinnerungen  sie  wach  gehalten  und  erst  gegen  Morgen  einen 

unruhigen  3ohlaf  erieubt. 

Heini  kam  in  der  Früh  herein  bevor  er  zur  3chule  ging; 
sie  konnte  ihm  wenipstens  vom  Tod  seines  ü^ossvstors  ruhig 
berichten,  auch  dsss  sie  nun  doch  beschlossen  hatte,  nicht 
zur  Beerdigung  zu  fahren,  da  sie  Jf.  gar  nichts  weiter  tun 
konnte  und  die  Groasmutter  sie  womöglich  brauchte.  Heini, 
der  wenig  Beziehung  zu  seinem  Groasvater  hatte,  erkundigte 
sich  nur  danach,  wann  der  Vater  zurückerwartet  wurde,  und 
da  daa  noch  nicht  genau  bestim^.t  war,  küsste  er  seine 
Mutter  und  glnr  wie  gewöhnlich  zur  3chule. 

Mit  dem  Frühstück  kamen  die  Zeltungen  und  die  ersten 


I  I 


•15- 


TellnehmebazeugrunP'en.  Die  Zeitungen  brochten  Todesanzeigen 
und  Innrere  Artikel  übar  den  Verlust  eines  so  bedeutenden 
und  wertvollen  Mannes,  der  bo  lanf^e  Jehre  hinduroh  sein 
Leben  In  den  Dienst  der  Allgemeinheit  (regten t  hatte, 
Gtert rüde  wurde  während  deB  Le^^ens  wieder  von  Ihren  Gefühlen 
üborwöltlpit,  31e  zwanp  eich  aber,  Ihre  jMutter  aufzusuchen, 
fand  aber  auch  hier,  dass  Ihre  SgÄH  Gegenwart  überflüssig 
war.  Zuhimflt*  wieder  angekommen  zog  sie  sich  In  ihren 
3älon  zurück,  Sie  hatte  sich  ::,ewel(;;ertt  j»-*lttöp  su  easen  oder 
auch  nur  etwas  Toe  zu  sich  zu  nehmen« 

Es  war  noch  lia::::ei-  nicht  richtig:  Frühling^  das  Zimmer 
war  kalt^  aber  sie  sohlen  es  nicht  xu  beaohtc^at  Sie  hfitte 
nicht  sa P-en  können,  was  an  Gedanken  durch  ihren  Kopf  gingaaij 
sie  verspürte  ein  dumpfes  Gefühl  des  Schmerzes,  das  ihr  die 
Tränen  In  die  Aup.en  trieb,  ähnlich  wie  in  der  Kindheit, 
wenn  der  Vater  sie  zurückpestossen  oder  gestraft  hatte, 
oder  Ihr  einen  ./unsoh  versa pt  hatte  und  sie  sich  so 
ohnmUchtlp  fühlte  und  nur  in  ihrer  Phantasie  sich  rSchte. 
Aber  an  wem  konnte  sie  Bioh  nun  rächen  —  er  war  Ja  nicht 
mehr  da  und  keine  J-inbildunp-skraft  konnte  ihn  wieder 
hervorzaubern*  Dachte  sie  an  ihn,  so  waren  es  nur 
schmerzhafte  iirinneninpen  peinlicher  oder  verletzender 
Natur.  Alle  ihre  i^rwartungren  und  Hoffnungen  doch  endlich 
seine  Bewunderung;,  vielleicht  sopar  seine  Liebe  zu 
gewinnen  waren  nun  zerschmettert  unri  sie  war  allein 
geblieben  mit  dieser  aufzehrenden  Sehnsucht  ihres  panzen 
Lebens • 


I  I 


-36- 


31e  hörte  die  Hausglocke  läuten,  und  bald  derauf  kam 
Helga,  ihr  Midchen,  herein  um  Wolfgang  Runge  zu  melden.  Aber 
Trude  wollte  sogar  Wolfgang  nicht  sehen  und  llesa  sich 
verleugnen,  Sie  wandte  sich  wieder  dem  Fenster  zu,  aus  dem  sie 
in  die  Dämmerung  schaute.  Die  Laternen  wurden  angezündet. 
Hinter  sich  fühlte  sie  die  Türe  gehen,  sie  wollte  mit  einem 
ungeduldigen  -Vort  Helga  wieder  hinausschloken,  sah  sich  aber 

Wolfgang  gegenüber, 

"Ich  höbe  mich  nicht  abweisen  lassen,"  sagte  er,  "Du 
musst  schon  entschuldigen}  aber  es  geht  nicht,  da^s  Du  hier 
alleine  sitzt  und,  wie  das  Mädchen  sagt,  niemanden  siehst 
und  nichts  isst.  Es  scheint,  dass  auch  niemand  hier  ist, 
um  sich  um  Dich  zu  kümmern.  Erik  ist  mit  Deinen  Brüdern 
nach  Rom  gefahren,  und  Irmgard  acheint  es  nicht  für  nötig 
zu  halten,  sich  um  Dich  zu  kümmern.  Darum  bin  ich  hier." 

Er  nahm  ihre  kalten  Hände  in  die  seinen,  beugte  sich 
über  sie  und  küsste  sie,  dabei  spürte  er  die  Tränen  auf 
ihren  .Zangen.  Oertrude  versuchte  sich  von  ihm  zu  befreien. 

"0  geh  fort,"  rief  sie,  "lass  mich  in  l^hel  Ich  will 
allein  sein.  Ich  kann  Dein  Mitleid  nicht  ertragen,  da  ist 
mir  Günthers  Abwesenheit  ein  Trostt" 

"Ich  wusBte  nicht,  hatte  keine  Ahnung,  dass  Du  so 
an  ihm  hängst  —  Du  hpst  nie  von  ihm  gesprochen,  oder  eher, 
als  ob  Dir  Dein  Veter  gleichgültig  oder  sogar  unangenehm  wäre." 


-"57- 


"0,  mein  Qott,  mein  Gott,"  rief  Gertrude  aus,  "was 
hilft  dys  alles  Jetzt,  da  olles  vorbei  Ist,  alles  ein 
Nichts  —Ich  kann  so  nicht  welter  lehenl"  Sie  verprub  Ihren 
Kopf  In  Ihren  Armen,  und  Ihr  ganzer  Körper  zitterte  von 
Schluchzen.  Wolf  lepte  seinen  Arm  um  Ihre  Schulter  und 
Hess  sie  weinen.  Allmählich  hörte  das  wilde  Schluchzen 
auf  und  sie  wurde  ruhig,  dann  richtete  sie  sich  auf  und 
blieb  nun  von  seinen  Armen  umfangen  an  ihn  g-elehnt  sitzen, 
"Das  Schreckliche,"  murmelte  sie,  "ist,  dasa  er  mich 
pehasst  hat  von  Anfang  an;  er  war,  wie  Mutter  mir  schon  ganz 
früh  sagte,  enttöuaoht,  dass  ich  ein  Mädchen  war.  Er  war 
nie  liebevoll  zu  mir  gewesen,  uni  besonders  nachdem  die 
Jungens  auf  die  »^elt  kamen,  war  ich  nichts  mehr;  nein, 
das  ist  nicht  ganz  wahr  —  ich  habe  immer  das  Gefühl 
gehabt,  dass  er  mich  beobachtete,  voller  Mlsatrsuen  und 
Ablehnung,  wie  etwas  Fremdes,  Ungewolltes,  von  dem  man 
nichts  Gutes  erwartet.  Und  nun  ist  alles  vorbei,  nichts 
mehr  im  Laben,  das  mir  wert  latl " 

"Wie  kannst  Du  das  sagen,  Trude,  wie  kannst  Du  mich 
vergessen  —  oder  sogar  Heini.  Du  bist  nur  Übermüdet 
und  siehst  alles  nur  Im  Gefühl  des  plötzlichen  Verlustes," 
versuchte  Wolf  gong  einzuwerfen;  aber  Trude  Hess  sich  noch 
nicht  ablenken,  immer  von  neuem  brachte  sie  die  Klage 
gegen  Jagemann  vor,  dass  er  sie  nie  geliebt.  Ja,  wohl  gehasst 
habe  und  dasa  er  der  Mittelpunkt  ihres  Lebens  gewesen  sei; 


-38- 


dessen  Schwerpunkt  —  und  deshalb  sei  Ihr  Lebon  nun  ohne 
Bedeutung. 

Wolfgang  versuchte  vergeblich  sie  zu  überreden, 
mit  Ihm  ein  wenig;  auszufahren,  um  sich  aus  der  Trostlosigkeit 
Ihrer  3tlmmung  zu  befreien.  Sohllesslloh  konnte  er  sie 
wenigstens  fitearr«*«  dazu  bewegen,  sich  Ins  Bett  zu  legen 
und  etwas  helsse  Brühe  zu  trinken.  Heini  war  längst  aus  der 
Schule  zurück,  hrtte  sein  Nachtmahl  in  seinem  Zimmer 
gehabt  und  kam  nun  Gert  rüde  gute  Nacht  sagen.  Er  schien 
nicht  besonders  erstaunt  Wolf gang  Runge  Im  elterlichen 
Schlafzimmer  zu  sehen;  aber  es  war  Ihm  etwas  unangenehm, 
da 93  seine  Mutter  Ihn  mit  einer  Heftigkeit  an  sich  zog, 
die  Ihrer  sonstigen  Beziehung  ganz  fremd  war.  3o  war  er 
recht  zufrieden,  dass  sie  Ihn  so  hastig  wieder  fortschickte. 
Wolfgang  blieb  an  Ihrem  Bett  sitzen,  bis  sie  einschlief. 


vvolfgangs  Beziehung  zu  Gertrudo  war  eine  recht 
Intime.  3r  war  Srlks  Sozius  und  hatte  die  Jagemanns  durch 
viele  Jahre  gekannt.  Er  h^tte  Erinnerungen  an  Gert rüde 
als  ein  langbeiniges, blondes,  sehr  hübsches  Kjdchen, 
das  fest  knabenhaft  mit  dem  Wa  vieles  älteren  Vetter 
Im  Segeln,  Schlittschuhlaufen  und  Tennis  wetteiferte. 
Später  sah  er  sie  als  Junge  elegante  Frau  auf  Höllen  und 
Gesellschaften  wieder.  Zur  Zelt  von  Günthers  erster  Reise 
nach  Amerika  umwarb  er  Gertrude,  In  die  er  sich  leiden« 
schaftlloh  verliebt  hatte.  Sie  hatte  Ihre  Verlobung  geheim 


-39- 


3fr" 


gehalten,  und  ea  aohlen  Ihm,  als  wäre  sie  in  einer  besondera 
sprühenden  und  glänzenden  Stimmung,  die  ale  zxim   Mittelpunkt 
Jeder  Gesellaohaft  raschte.  Seine  LlcbeaerklÖrunren,  begleitet 
von  Blumen  und  Süasigkelten,  wurden  von  ihr  recht  launenhaft 
behandelt,  aber  aie  geatottete  ihm  -eitweillg  Freiheiten,  die 
sie  ihm  zu  anderen  Gelepenhelten  wieder  versagte.  Er  hatte 
manchmal  allerdings  den  Eindruck,  daaa  aie  nicht  ihm  sondern 
sich  selbst  eigentlich  dieae  Freiheiten  erlaubte.  Je  nach 
Lust  und  Beclürfnis.   Da  Günther  län^rer  fortblieb  als  er 
anfangs  geplant  hatte  und  bei  seiner  Rückkehr  seine  Militärs 
Pflicht  absolvieren  musf'te,  und  da  Jagemann  nicht  so  rasch 
wieder  von  Afrika  zurückkommen  konnte,  verzögerte  sich  die 
Hochzelt  ein  weiteres  Jahr,   Fast  am  iCnde  dieser  Wertezeit 
gab  sich  Gertrude  einea  Tagea  dem  hochbeglückten  Volfgang 
hin/,  Donach  gestand  aie  ihm,  daas  sie  aeit  Jahren  mit 
Günther  verlobt  war  und  ihn  nun  bald  heiraten  würde,  Sie 
zeigte  keinerlei  Verständnis  für  .i/olfgangs  .Vut  und  Verzweiflung? 
sie  hatte  sich  ihm  hingegeben,  weil  er  ihr  sympathisch  war 
und  sie  von  aeiner  Liebhaberfähigkeit  überzeugt  war,  Sie 
wollte  nicht  von  einem  ungeschickten  Anfänger  wie  Günther 
übertölpelt  werden.  Sie  heiratete  Günther  aus  vielen  Gründen, 
wovon  einer  aicher  mit  seinem  groaaen  Vermögen  zuaamnenhing. 
Aber  don   war  nicht  alles.  Wenn  nur  daa  grosse  Vermögen  da 
gewesen  wäre  ohne  Günthers  vollkommene  Ergebenheit,  Ja 
Hörigkeit,  ao  hätte  ihr  das  wenig  bedeutet.  "3ie  wollte 
besitzen  —  Vermögen  und  Äann,  ./olfgang  konnte  man  nicht 


•40^ 


besltzerii   er  wer  nicht  mehr  vollkommeni   andere   Frauen  hatten 

Ihn  beseaaen,   da   er  allere   vor  Ihr  pellebt  hatte*   Wöre  er 

hätte 
noch  so  reich  — waa  er  nloht  wer—  sie  wttrdÄ/lhn  dennoch 

nicht  heiraten  wollen,  denn  wo  war  die  Sicherung;,  daas  er 
ihr  immer  gehören  würde?  Zv   hatte  sich  damals  von  ihr 
getrennt  in  leldengohaftliohor  Wut  über  ihre  Sachlichkeit, 
er  plaubte,  auf  imraer.  Nach  zwei  Jahren  sah  er  sie  wieder, 
3ie  war  verheiratet,  hntte  vor  nicht  per  Itmper  Zelt  ein 
Söhnchen  zur  Veit  gebracht.  Sie  war  noch  schöner  als  sie 
vor  Ihror  .ihe  gewesen  war;  noch  immer  mädchenhaft  schlank 
und  biersam,  aber  mit  rrös^erar  Varhaltonhett,  ruhlper, 
wie  mit  einem  ranz  feinen  Sohleier  verhüllt.  Sr  konnte  sich 
diese  Wirkung  nicht  erklöron.  Pa^t  Bchion  sie  eine  Tiefe 
zu  besitzen,  die  er  früher  vernls??t  hatte.  Er  näherte  Bioh 
ihr  wieder  und  wurde  als  alter  Freund  becrrüsst,  als  wäre 
nie  etwas  anieres  zwischen  ihnen  gewesen*  Sr  wurde  bald 
Hausfreund  bei  ihnen,  da  Günther  ihn  sehr  schätzte  und 
seinen  beruflichen  Rat  in  '^elnen  GeschO ftsunternehnunFen 
fast  dauernd  in  Anspruch  nahm.  Da  er  ihn  selbst  so  häufig 
mit  nach  Hause  brachte  oder  einlud,  so  entrlnp  ihm  völlig, 
da  SS  zwischen  seiner  Frau  und  seinem  Rechtsfreund  ein 
weit  intimeres  VerhSltnls  bestand,  als  durch  diese  von 
ihm  herbelreführten  Besuche  gerechtfertigt  schien.  Dem 
scharfen  i^upe  seines  Schwiefrervaters  entgingen  allerdings 
nicht  die  kleinsten  Zeichen,  die  auf  dieses  andere  geheime 
Verhältnis  seiner  Tochter  hinwiesen.  Und  Gertrude  wusste, 
dass  ihr  Vater  es  wusste« 


I  I 


n   i 


-41^ 


Hätte  men  sie  gefreut,   ob   sie   r/olffreng  liebte,   so 
hätte  sie  wohl  die   Frage  mit  Erstaunen  verneint •    Sie  wollte 
Jeperaann  zelpen,   daga   nicht  nur  ein  Günther  sondern  einer 

* 

der  begehrtesten,  ResohelteBten  und  amüanntesten  Junfrgeaellen 

der  Harnbur^er  Oeaelllachpft   Ihr  verfallen  war.   Er  hotte 

Ihr  den  einzigen  Mann,   den  sie   wirklich  zu  lieben  reploubt 

hatte,   entfremdet,    Je  hatte  Ihn  vor  Ihr  gewarnt,    31e  war 

sicher,   dasa   Max  nur  auf  Ihres   Vaters   ^^arnung  hin  sich 

von  Ihr  zurückgezogen  hatte,    Sie  hatte  I4ax  gellebt  und 

•  gewollt,   \inr\  nicht   seines   Geldes  we£-en  wie   Jap:emann  Ihr 

vorgeworfen  hatte.    Max  war  der  Beate  nach  Ihrem  Vater; 

wie   oft  hatte   sie   Jagemann  aag-en  hören,   dasa  er  wünschte, 

er  hotte   soloh   einen   Sohn.   Aber  Max  hatte  alle   Ihre 

behauptet 
Liebesbeweise   zurückp-eatossen,   hatte  fcakßcpkaJfe  eine  andere 

Frau  zu  lieben,   eine   Prau,   die   auoh  von  Ihrem  Vater 

gellebt  worden  war.    Gertrude  hatte  diese   Kränkung  nie 

überwinden  können,    31e   fühlte   sich  ausgeschlossen,    ja 

auspestossen  aus   der  rfelt  der  beiden,   die   Ihr  ein   Paradlee 

erschien.    Darum  hielt  sie  an  Günther  fest. 

sie  wachte  nachts  auf  aus   schrecklich  traurigen 

Träumen,   deren   Inhalt  unfassbar  war.    Sie  war  in  Trönen 

g/-^badet,    Sie  war   Im  Traum  am  Meer  gewesen,   aber  als   sie 

Ins  '//asser  hineinwaten  wollte,    zop  es   sich  Immer  mehr 

zurück,   bis  nur  ein  endloser  feuchter  Sand  sich  In  der 


I  I 


.4o- 


Abendsonne  kalt  leuchtend  dahlnstreckte  und  nur  ferne  am 
Horizont  ein  weisser  Schaumatrelfen  die  Wellen  anzeigte • 
Hin  und  wieder  glänzten  vereinzelte  Pelakllppen  euft 
Es  war  ein  unendlich  einander,  traurlper  Traum» 

Ihre  Gedanken  wanderten  zurück  zu  Ihren  Klndertapen^ 
zu  dem  Soramerij^p  die  sie  an  der  Nordsee  verbracht  hatte  und 
die  Ihr  nun  seltaam  verschleiert  erschienen,  besonders 
der  eine  3ommer,  In  dem  die  Zwillinge  fast  ertrunken  waren* 
Sie  hatte  Ihnen  gezelpt,  wo  die  schönsten  Muscheln  waren 
und  wo  sich  die  Seeattrme  und  die  Seepferdchen  aufhielten, 
Sie  waren  zu  den  Felsen  pelaufeni  da  es  Ebbe  war  und  die 
'bellen  nur  die  Klippen  umspielten.  Sie  selbst  hatte  sich 
Muscheln  suchend  Immer  mehr  von  Ihnen  entfernt.  Ss  war 
helss  r^e^esön   und  sie  plnp  zurück  zum  Haus.  Im  Gerten  stand 
ein  Baum,  an  dem  sie  einen  bequemen  Ast  entdeckt  hatte; 
dort  saas  sie  In  ein  Buch  vertieft,  als  die  e'ross®  Unruhe 
und  Aufrerune  entstand.  Die  Zwllllnpe  wären  fast  ertrunken, 
da  sie  von  der  Flut  überrascht  worden  waren.  Der  Vater  hatte 
sie  dann  so  merkwürdig  kalt  betrachtet,  als  wäre  sie  ein 
"V  übles  '^^Tesen,  als  hätte  er  sie  verantwortlich  gemacht  für 
die  Gefahr,  In  der  die  Brüder  waren.  i::r  hatte  viele  Tage 
nicht  mit  Ihr  rresprochen,  und  sie  war  hilflos  gewesen  und 
hatte  Ihre  Katze  In  den  3runnen  Im  Garten  geworfen,  um 
Ihr  Schwimmen  beizubringen.  Die  Katze  konnte  nicht  schwimmen 
und  wöre  fa^t  untergeganren,  hätte  Trude  sie  nicht  gerettet. 
Sie  hatte  sie  dann  In  Ihrer  »/ut  gekratzt  und  hatte  nie  mehr 


•A3- 


etwas  von  ihr  wissen  wollen,    —  Ihr  Vater  hatte   In  späteren 
Sommerferlen  die   Zwillinge  auf  Reisen  mitgenommen^  er  hatte 
Gertruds   der  Mutter  Überlassen,   die  sie  weiblicher  maohen 
sollte,    31e  hatte  wenljre  Freundinnen,   da   sie  keinen  Gesohmaok 
an  dem  Geplapper  der  kleinen  Mfldohen  finden  konnte;    In  die 
unvermeidlichen   ''Kränzchen"   trat   sie  nur  ein,  um  die  Geheim- 
nisse der  Natur  von  den  anderen  zu   lernen,   aber  nachdem  sie 
sich  Zufranp  zu  Ihres  Vaters   Bücherschrank  verschafft  hatte, 
brauchte   sie  die  unzulänglichen  Wissensbrocken  Ihrer 
Gespielinnen  nicht  mehr. 

Alles  was  der  Vater  tat,   was   Ihn  anfing,   war  für 
sie   von  £;rösatem  Interesse.    Sie  war  unheimlich  geschickt 
Im  Aufspüren  dessen,   was   Ihn  beschäftigte.    31e   spürte 
sofort,    ob  er   Jecianden  gerne  hatte   oder  ablehnte,    seibat 
wenn  er  keinerlei   Urteil  abgab.    3o  war  es  auch,   als  Max 
sein  Patient  wurde}   er  erwähnte   Ihn  beim  Mlttagstl^ch 
und   Gertrudes   -^Einbildungskraft  war  angeregt,   üs  dauerte 
nicht  Ipnge,  bis   sie  Max  kennen  lernte  und   In  seinem  Haue 
ein  willkommener  Gast  war.    31e  waren  so  nahe    Freunde   geworden 
~  und  denn  war  alles   zu  Ende,    ,   Günther  war  der  Ausweg 
gewesen,  ) 

Nun  war  alles   zu  linde,   ralt   Ihres  Vaters   Tod  mechte 
auch  Ihre   Ehe  und  die  Beziehung  zu  '»^olfgang  keinen   Sinn 
mehr. 


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And  our  yesterdays,   are   they  all   vanlahed? 
That   life    lg   ghort^  I   know,   but   memory   Is    long. 
The    daya   that   glld  away   cannot  be  banlahed: 
They   llnger  on  §m  and  on,    aweet-bltter  as   a    song. 


Remembrance' 3   purple   robe   la   often  faded, 

And   In   Ita   folda   Ghe   world  of  yore   lies    still. 

Yet   Its   Inhabltants,    however  shaded, 

Who  are  no  more,    live   on  beyond  the   Hill. 

Your  face,   beyond  the   Hill,    la   dlmly   llghted 

By   flicke ring  rays   of  now  uncertaln  paln: 

But  you  are   there,   not   totally  benlghted. 

And  my  heart's   eyea   dld  not   look  out    In  valn. 

And  grlef   Is   present,    as   on  a    summer  day/ 

Through  shlmm'rlng  heat   the   hum  of  chlldren's  play. 


HUiiok^  Od#tc/t  /HH 


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2.  IC^H<£ 

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/Vi*TvA|iij.f-*^-.  Ue><>j^>^ri 


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NATIONAL  ADVISORY  BOARD 

6ARl  G.  HARRISON,  CHairman 

Former  Diractor.  A!t«n  Reqisfration 

MARSHALL  E.  DiMOCK 

Associatt  Comrpisiionef ,  Immifjratlon 
and  Naturaltzation  Service 

HENRY  B   HAZARO 

Directof  of  Resea^cK  lnform»^ticn  and  Educa 
tlon,  Immigratiop  and  Naturrtlizatior  Service 

FLORENCE  KERR 

Atsistant  Commissioner. 

Work  Proi.cts  Administration  NATIONAL  CITIZENSHIP  EDUCATION   PROGRAM 

WALTER  M-.  KIPLINGER 

National  Director,  War  Services  Program  » 

Work  Projects  Administration 

JOHN  W.  STUDEBAKER 

Commissioner,  OfTice  of  Edücatlon 
Federal  Security  Agency 

LEWIS  R.  ALDERMAN 

S*n«or  Sp«cialist  in  Adult  Education 

O^fic«  oi  Education.  Federal  Sacunty  Aqency 


WILLIAM  f.  RUSSCLL 

Director 


WASMINGTON,  D.  C. 


TO  NONCITIZENS I 


You  have  made  America  your  home.  Do  you  intend  to 
become  a  Citizen  of  the  United  States? 

If  you  say  'Tes*'  then  you  must  meet  certain  teste. 
You  must  be  able  to  speak  English.  You  must  know  about 
the  Grovemment  and  Constitution  of  the  United  States« 


:7 


The  Government  wishes  to  help  you.   It  has  started 
tho  National  Citizenship  Education  Program.  You  can  go 
to  classes  offered  by  the  public  schools,  by  the  W.P.A., 
or  by  others.   If  you  have  applied  for  citizenship  and 
ahould  attend  a  public-school  or  W.P.A.  class,  you  may 
reoeive  a  textbook  provided  by  the  Immigration  and 
Naturalization  Service  of  the  United  States  Department 
of  Justice. 

It  is  not  easy  to  become  a  Citizen.   It  will  take 
worke  But  ive  are  at  war.  Enemies  are  trying  to  destroy 
use  We  must  pull  together.  We  must  ahow  our  love  for 
and  loyalty  to  our  country,  The  more  we  know— the  more 
we  shall  love  the  United  States »  the  more  we  shall 
treasixre  the  American  way  of  lif  e,  the  more  we  and  our 
ohildren  will  be  glad  to  make  the  sacrif ices  necessary 
to  victory. 


Cordially  yours 


William  Fe  Russell 
Director,  National  Citizenship  Education  Program 


1» 

[ 


MhV^«^M»*i«h^  tllW.' 


mtmmm» 


NORTHERN  DISTRICT  OF  ILLINOIS 

RCTURN  IN  FIVE  OAYS  TO 

OFFICE  OF 

UNITED  STATES  ATTORNEY 

CHICAGO,  ILLINOIS 


'"A 
'Ö'  JUN  9 

1942 


PENALTY  F«Rj;RIVATE>t*g.-»aQg^  _ 


Mrs.  Jenny  Selke, 
50^S  Woodlavn  Avenue, 
Ohloago,  Illinois. 


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*  «. 


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^      •    .  m-nSD  3TATE3  DEPARTMENT  OF  JUSTICE        ^„^^.    .     TTTTHOTfl 

OFFICE  UNITED  aTATBa-TSo^EY.   ROOM  Ä50.  U.3.  CÖURI  Hüt"-<tg,  CH^CAQOf   ILLINOIS 

.      ■        APPLICATION  POR  TRAVEL  OF  ALIEH3  OF  ENEMY  KATI0NALITIE8   •         ,  • 

■•;.■■■'"'  .  '  ■      '•       .       .    '   ■ 

An  allen  bf  eneny  natioriality  shall  not  travel  or  nake  trips  or  ff  ^fg» /^JJ,^ 
Tocality  to  another  except  aa  herein  provided.  The  allen  «h'^^f  i^^^.'^^JiXeX 
the  United  Statea  Attomey  of  the  dlatrlct  öf  »^«  ?:«|ij^n??'  fi  Jif  Jn  wm  ?^^ITEI 
the  particularB  hereiaafter  enu»erated,    WE=i°!^^^^^i^!'^^S7JS.S  J'T 


aTATES  ATTORNEY  AT  LEAST  SSVSN  (7) 
3ELF-ADDRE33ED,  STAlUPED  BU3IUB33-S 


PEPARTÜRE.     A 
ON., 


1.       NAiyiE 


NATIOtlALITl/    . 


First  Namey  '  Middle  Nane) 

.,  '     Print  nane  -  Use  typewriter  1 


PUOS  &  DATE  OF  BiRTH^ 


HCIdS  ADDRESS  &  TELEPHONE  NO. 


OCCUPATION  MJtijJ. 


BUSINESS  ADDRESS  &  TELEPHOIE  NO,   MHJ  ^  : 
E^^>LDIER'  S  NAMS  &'  AT5DRE3S 


2. 

3.. 

5. 

6, 

7; 

9. 

\        (AdditlonaGL  Statements  mayrbe'  attached  on  separate  sneet;     «^    -  -^ 

XOt     FINAL  DESTINATION  OF  TPTP^^/f  /IfjJJM^/ye/^ 

11,     3T0P-^OVERä/lF  ANT,    ON  WAYTQ^  FINAL  DESTINATION  AND  N.'WES  Aliü  ADDRESSES  OF 
PERSONS  WHERE  YOU  CAN  B5  REACHED^«.^  >^tf<4^/  ^^y'^gl^^  Wia^ 


•  AlJeR  REoWiUTIQN  N0.fi-?2i^  CERTIFICATE  OF  IDENTIFICATION  ^.^^ 

'  DEIAILED  STATEMOT  OF  THE  PÜRP.OSE  FQR  WHICH  THE  JMP;  IS  JO  BE^.M^OTMD  PEftSONS 
TO.BE  VISITED  WITH  TKEIR  ADDRESSESi 


i 


ftmtm* 


JS^^C. 


i::^ 


miS.  FRCM 


12.  ADDRESS  OR,>DDRESSES^AT  WHICH  ^ALI|N  MA?  BE^  FOTD 

13.  ROUTE  TO  BE  FOLLOTED  TOAND  FRCW  POINT  OF  DESTHIATION,  THE  COMMON 
•      OTHER  MEANS.  OF  TRANSPORT.ATION  TO  BE  USEIJ  (if  ^^^^"^J^  ^ive  maJce^« 


■■wo 


lER  OR 
no) 


\k.     INTENDED  DATB  OF  DEPARTÜRE. 


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'-AV^^,'^' 


SIGNATURE  OF  ipPL! 

*  ' 

PERMI3Ä0N   QRANTED  TÖ  TRAVEL  A3  INDICATED 

^RateV^^  United  States  Attomey  f  or  Wfe^tTDi^rTcT-^fnB^ols . 

,  Thla  perBtt  does  not  grant  the  allen  the  right  to  enter  upon  «ny  area  prohibit 


^*  T  ' 


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.^/Urmi 


h>^\^Ai 


Mrs.   Jenny  Selke 
4901  Drexel  Blvd. 
ChlcagD 


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HEBREW  IMMIGRANT  AID  SOCIETY 
130  NORTH  WELLS  STREET 
CHICAGO  6.  ILLINOIS 


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^Iröt    Vllleetln 


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oP  the   S!^i. 


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TIME: 


SATURDAY,  NOVEMBER  27,  1943,  8:00  P.M.  SHARP 

PLACE: 

ASSEMBLY  HALL  -  KOZMINSKY  SCHOOL 

54TH  STREET  AND  INGLESIDE  AVE. 


'**'"     11     "     n    '     '  -"r-      I   tfr'tr  ■\~         •  i  »    t  r  r 


»a]Bm»i^Mi    II  I        i|  n 


Artists: 


Helen  Golden 
Hans  Alten 
Mildred  Post 
Sretel  Hauclc 
Walter  Rudolph 
Hilde  Freund 


(Mezzosoprano) 
(Baritone) 
(Violoncello) 
(Dancing  group) 
(Speaker) 
(at  the  piano) 


Scenery: 

Frank  Durban  and  Ernest  Dreyfus 

/ 

The  great  history  of  our  people  .  .  .  a  hlstory  of  greatness  and  grlef,  splendor  and  sorrow 
.  .  .  the  great  geniuses  of  all  ages  wäre  aiiured  by  it  .  .  .  have  caught  Its  highllghts  in  poetry 
and  muslc.  In  fact,  befter  than  hlstory  books  can  describe  it,  art  is  able  to  bring  betöre 
your  eyes  what  happened  to  the  Jewish  people  during  the  centurles.  hlow  it  rejoiced,  how 
it  mourned  .  .  .  how  It  hoped,  how  It  despalred  .  .  .  how  it  falied  and  succeeded  ever  agaln 
...  all  this  will  be  presented  to  you  In  this  unique  show.  It  will  lead  you  from  the  early 
biblical  creatlons  to  the  helghts  of  classlcal  achlevement,  In  Mendelssohn-Bartholdy  and 
Heinrich  Heine  and  from  there  to  our  contemporary  scene  .  .  .  ! 

Music  bv  ^®''^  Mendelssohn-Bartholdy,  Georges  BIzet,  Jacques  Offenbach,    Ernest   Bloch,   Herbert  Fromm, 

Max  Kowalski,  Julius  Chajes. 

Poetry  bv        Heinrich  Heine,  Stefan  Zweig,  Bert  Brecht,  Franz  Werfet,  Julius  Bab,  Jacob  Beer-Hoffmann  and 

.   "The  song  of  songs". 

Dances  fronn  Modern  Palestine 

RITUALMUSIC.  PALESTINIAN   FOLKSONGS. 

CANTATA  for  Baritone  and  Choral  Speakers  "WHAT  IS  THORA" 

Choral  Speakers: 

Gretel   Haas,    LIlo  Haas,    Marianne   Haas,   Alice   Danziger,   Lee   Klein,   Kitty   Potter. 
DancerSS  Mlldred  Farkas,  Seanle  Michel,  Nettl  Rossman,  Selma  Singer. 

10  minutes  intermlssion  after  Part  2. 

PLACE:  Kozminsky  School,  54th  Street  and  Ingleside  Ave. 
TIME:  Saturday,  November  27,  1943  —  8:00sharp. 
ADMISSION:  55c.  Tax  included. 


HEBftEW  IHHIGRAUfT  im  SOCIETY 


130  NORTH  WELLS  STREET 

TELEPHONE:   FRANKLIN   9555 
CHICAGO 


Deoember  6,  1943. 


Dear  Frlend: 

r.lat??«°l:S  li^nlef'"*  "'™°  '°'"  "«Istratlon  for  your 

_    Please  fill  them  out  and  return  them  promptly  to  us 
If  you  have  any  difficulty  in  filling  out  thesTfo^rms.  come 
«n/firnn  •?  «®  ^*  any  time  between  the  hours  of  9:00  A.M. 
and  5.00  P.M.,  er  call  us  by  telephone  -  Franklin  9555 
We  are  closed  on  Saturday.  ^ramciin  yooo. 

Assuring  you  of  our  desire  to  be  of  help  to  you.  and 
asking  you  for  your  prompt  Cooperation,  we  are 

Cordially  yours, 
CHICAGO  HIAS 


Committee  for  Registration 
Arthur  Strauss,  Chairman 


^ 


J.  Tucker 
Executive  Dlrector 


Hebrew  Shelterinc  and  Immicraimt  Aid  Society  (IIIAS)  ^hlCap-Q    J-ffae 

INQUIRER  p         ^  "'s  St. 

HEGISTRATION  FOH  LOCATING  PEOPLE  <"  "^ftl    f 

s£aaA...£... : : Jsj/y<t^ 1 


Nenn« 


(Last  Name  —  Print) 


(First  Nom»  --^  Print) 


Kq%       Uff  JOf      Place  ol  birth 
Qtizen 


Fccupation.. 
.Bote  carriycd  U.  S. 


RelaÜonship  to  person  %oyif^\  /Sjt^ff^M^  When  heard  from  last? 'T.£^  *  /Jf  t^M 


Will  Sponsor  Immigrotion?    ..Jt^^.. .Will  send  financial  aid? ^^2i^Sf^ 

Namos«  addresses  and  relationship  ol  other  relatives  willing  to  help  persons  soughi 


Individual  sought 


(Name   and   Address) 


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Remorks:. 


490 


I   }    .    I    I  »  • 


Hebrew  Shelterinc  and  Immigrant  Aid  Society  (HIAS) 


INDIVIDUAL      SOUGHT 

REGISTRATION  FOR  LOCATING  PEOPLE 


Chicago  liias 

BO  N^  Wei:s  St 

Rooin  8i7 


Name 


(Last  Name  —  Print) 


(First  Name   —  Print) 


Lcnt  known  address 


(Print) 


Previous  address 


(Print) 


Age Marltal  Status Birthplaca Occupation. 


Father's  Name Mother's  Name. 


Other  immediote  members  oi  family: 

Name 


Address 


Age 


Relationship 


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Inqulrer 

Remarks: 


(Name   and   Address) 


«•o 


Hebrew  Shelterinc  and  Immigrant  Aid  Society  (IIIAS) 


Chicago  Hias 
130  jM.  V/eüs  St 


Neon« 


(Last  Name  —  Print) 


I N  9  U IRE  R 

REGISTRATION  FOR  LOCATING  PEOPLE 

JA^jO.^^ 

(First   Nom«   —  I%lnt)  C/<yC' 


'^•••••••••« 


Addr.M -#/#/.  ZI/t-«!f^ül^Z  ßLlüA/^tAÄL. 

(Prlnt)  ^  ^ 

Ag« £A Place  ofbirth /l^JKi^^^  J^t^^  A5f!#riÄ«>! 

Data  arrivalU.  S. %fYyl^lMf€jH.^^^Ä //..if..^.. 

Ralationship  to  person  ^oy^q^vJijUf/S/^  heard  £rom  last?  i^«4^^  ^^^ 


Will  send  finonciol  cdd? 


Tu 


Will  «ponsor  immigrotion? ..^ir<^. WUl  send  flnancial  aidf       ^.i 

Nconei«  addresseB  and  relatipnship  of  other  relatives  wiUing  to  help  persona  sought         ..^.^      ^....^Af4f^..y.^..Jr^.      / 

^^......../lUMr. JlUA^^^'t^fii^jCii^^^  J2f>jfj m 


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Individual  sought 


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(Name    and   Address) 


Remarks:. 


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Hebrew  Shelterinc  and  Immigrant  Aid  Society  (HIAS)  ChrC^o^O    I  liaS 

INDIVIDUAL      SOUGHT    130  H.  Wehs  St^ 


REGISTRATION  FOR  LOCATING  PEOPLE 


Name 


s/j^JJLS.. 


(Last  Name  —  Print) 


(First   Name   —  Print) 


toi  faKm.  ,ridWK!**«Ä»|f ß>i!l,t1!^:Ai.eA-J&^ '^CAtttdS^.. 

- - 

Pittvloiu  address r^^X^ff^-, 


Follisr's  Name 


Ag. AM !(^y4 ...Marital  slahis  *!«Ä««*A<«^        BWhplace^3^^**^:4(«i^:^.  ^  Occupatton 

Mother'.Nome -I^MÄi^.. id.. ^.<&f^k^**:*r.. 

Addres**^^ 


Other  immediate  members  o!  famüy: 

Name 

.„^4?Ä. ä^^^j^ 


Age 


Relationship 


Iitquirer/ 


^JiAMS 


L.  v>  ,  Remarks:.  .C^Ic^Äiyi^rf-^4^'*^. 


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Hebrew  Sheltering  and  Immigrant  Aid  Society  (HIAS) 


IN  Q  U  I  R  ER 

REGISTRATION  FOR  LOCATING  PEOPLE 


Chicago  Hias 

I3ÜN.  Wells  St 

Koom  8i7 


Nom«. 


(Last  Name  —  Prlnt) 


(First   Name  —  Prlnt) 


Address 


(Print) 


Place  oi  birih 


Ag« 

Qtizen  ol 

Relationship  to  person  souglit 


Occupation 

Dote  arrivcd  U.  S. 

When  heard  from  last?. 


.Will  send  finoncial  cdd? 


Will  Sponsor  Immigration? 

Nom...  «ddrewe»  cmd  relationship  of  olher  relative,  willing  to  help  persona  .o«,ht 

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Individuol  sought 


(Name   and   Address) 


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Remarks: 





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Hebrew  Sheltering  and  Immigrant  Aid  Society  (HIAS) 


INDIVIDUAL      SOUGHT 

BEGISTRATION  FOR  LOCATING  PEOPLE 


Chicago  Hias 

130  N.  Weiis  St 

Room  817 


Name 

(Last 

Name  - 

-  Print) 

(First 

Name 

—  Print) 

Lost  known  address. 

(Print) 

Previous  address 

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(Print) 

•  •••e. ••■•••••*••••• 

..........M - 

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Age 

Fother's  Name 


l^aritol  Status 


Birthplace Occupation 

.Mother's  Name 


Other  Immediate  members  ol  lamily: 

Name 


Address 


Age 


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Inquirer 

Remarks: 


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Relationship 


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(Name   and    Address) 


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IDENTIFICATION    CARD 


Name ^l^d^^  JL/.A^fa  ^ 


y. 


Tel.  No. 


In  case  of  accident  or  serious  illness,  please  notify 
Name 


Address. 


Double-Vision  Windows 
Show  two  identification  cärds 
in  one  holder.  Additionäl 
Windows  mäy  be  purchosed 
for  ten  cents  each. 

BUXTON,  INC. 

SPRINGFIELD,     MASS. 

^.011,846,   Des.  83.307;  Des.  90,956.  Del  9°S'!is."98  lÄXS"  ''°"  '•'^'"''«^ 


RICAN  NATIONAL 
ED  GROSS 


ig)4;S 


^J«   CERTIFIES  THAT 


m-^^M^  - 


American  J^ational 
Red  Gross  for  ig 42 


^m^ss^smm^^ 


Chairman 


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CALENDAR  1942 


JANUARY 

MAY 

SEPTEMBER 

S  M  T  W  T  F  S 

S  M  T  WT  F  S 

S  M  T  W  T  F  S 

12  3 

4  8  6  7  8  910 
11121314151617 
181920  212223  24 
2526  27  28  29  3031 

1    2 

....    1    2   3  4   5 
6  7  8   9101112 
13141516171819 
20  2122  23  24  25  26 
27  28  29  30 

3   4   5  6  7   8   9 
1011  1213141516 
171819  202122  23 
24  25  26  27  28  2930 
31 

FEBRUARY 

JUNE 

OCrOBER 

S  M  T  W  T  F  S 

S  M  T  W  T  F  S 

S  M  T  W  T  F  S 

12  3   4   5   6   7 

8   91011121314 

1516171819  20  21 

22  23  24  25  26  27  28 

.12   3  4   5   6 

7   8   910111213 

141516171819  20 

2122  23  2425  26  27 

28  29  30 

12   3 

4   5  6   7   8  910 
11121314151617 
1819  20  212223  24 
25  26  27  28  29  30  31 

MARCH 

JULY 

NOVEMBER 

S  M  T  W  T  F  S 

S  M  T  W  T  F  S 

S  M  T  W  T  F  S 

12  3   4   6   6   7 

8   91011  121314 

1516171819  20  21 

22  23  24  25  26  27  28 

29  3031 

12  3    4 

5   6   7   8  91011 
12131415161718 
19  20  212223  24  25 
26  27  28  2930  31  . 

12  3    4    5  6V 

8   91011121314 

1516171819  20  21 

22  23  24  25  26  27  28 

29  30 

APRIL 

AUGUST 

OECEMBER 

S  M  T  W  T  F  S 

S  M  T  W  T  F  S 

S  M  T  W  T  F  S 

12   3   4 

5   6  7   8   91011 
12131415161718 
19  202122  23  24  25 
26  2728  29  30..  .. 

1 

2   3   4   5  6   7   8 
9101112131415 

16171819  20  2122 

ZI  24  25  28  27  28  29 

30  31 

1    2   3  4b 

6  7  8   91011  12 

13141516171819 

20  2122  23  2425  26 

27  28  29  30  31  .    . 

Your    menibership    entitles   you   to   vote   at   Uie 
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\S\i  Ritogtamm 

gllHö  oom  lö.  7. 
bt0  U.  8-  ^ 


1    «Jcele  et«bt   \ 


3^  0otgt«ttg  attfbewaftrttt 

^rlorent  i^often  »erben 
beinern  dFaSe  erfeti 

giltia  oom  15. 8 


in 


IV4  iiaeotonnn 
5tttf<f 

öllttfi  «om  IS.  9. 

bl»  14.  10.  "^ 


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(®td6er  SKetoefciietn) 
^SC^  19^Jf... 


ftnb 


ri^k;L^4l^.^...*£.'^. 


152.  üdF  .  ItllK 

*     2   l.Fß1935 


4 


Ret)ier-(rage»ftempe(. 


Stra&c 


gfir.  ~. 


J?ret8    -^ Staat 


fttei« ~ jugesogen 


(Ort,  CrtJteil) 


I 


10 


11 


12 


13 


/amtltenname 

(6ei  |/rauen  au(§  (Beburts- 

nanti  uni)  gegcbcnenfallö 

Marne  au*  öer  legten 

früheren  (E^v) 


V 


Borna men 

(füTTtlliC^e, 

.'Kufname  \\i  ju 

unter[lret(!^en) 


/ami- 
licn- 
\im^ 
(leb  ig, 

rerip., 
gcfc^.) 


Beruf 

(genaue  Angabe, 
ob  fefdflänbtg 

ober  ilngcftellter, 
Jlrbciter  ufto.) 


\ 


©eburU 


a)  (J5eburt»or^ 

b)  ^reij5 


Mx 


Staatö- 

ange- 

^örig- 

kett 


Keli- 
gion 


^iöen§änbtge|llnter|(^rtji 
be»  HJo^nungein^abere  bei  Untermietern 


(Pb  fc^on  früher 

im  l^iefigen 

Ö)rt&poIijeibe3irfe 

gexDo^nt, 

toenn  ja, 

toann  yxnt  xdo 

((Drtöteil, 

Strafe,    - 
^auö-Hr.) 


Vi^tnxi  von  Keifen, 

Ißanberfcftaft   ober 

Sc^iffa^rt 

angemelbet; 

a)  le^ter 
bauernber 
Zßojnort 
(Strafe,  ^ouö-5^r.) 

b)  ^reis 

c)  Staat 

(tüenn  Sluölanö) 


H5o^nung 

(Ö)rt,  Strafe, 

$au0-Hr.) 

bei  ber 

it^itn 

perfoncn- 

fiojtbs- 

a7;jj|b:7ie 

(ifi^tober 

Jebk.n  3ö^««) 


eigene 

HJo^rtung 

ober  bei  toem 

ie|t  in 
Untermiete, 
5(f)IaöJene,j 


/j^^ 


«Prt) 


^         <Jigen|änbige  Unterf4rijt 
be»  ; Hauseigentümer»  ober  feine»  XJertretcr* 


ben 1J>-/^--..|^*Iä....  19 

((tag  bjltr  Jlbgabe  an  bie^j^olijei) 


CB( 


I 


:^  1- 

(1)    a)lelbcbei)örDt  ift  m  ötäbten  öic  Crtsi.oli;,<lbehörüe.  .n  bn  i.'oii.M' mfiiütn  ecir 
fTt!^äT'^-^^'l  "i^^'San  öer  OrtsjiüIijciheDörbe.  Oft  in  einer  eonftq^mtinfic  (Kmüf 

ftellen  (^olMetreoitrc),   |o  gilt  als  ä)tclbcbel)örbe  bie  öttlid)  Auftni.bige  OTelbeifHIe 

II.  SDlflbepflir^t  bei  JDolmfiß  ober  bouernbcm  aufentöoi:.  » 

§  2. 
)i„J^hni,'"'-^^'j''l!  /'"m    '-'•''«"i<:l'e'J*rö«.  (3JJciaeftelle)  itinc.  iBubnfi^  ober  D.uunoer. 
^ufcntbalt  nimmt,  t)Qt  lic^^unb  bic  ^u  |cincm  5)ausftanbc  acl)örenbcn  ^erfonen,  bu  mit 
;Öm  «UMcOen    bei  bteier  a«olbebcl)ötbr  (DJlclbcflellc)  unt«  ^Jlbgabc  bcs  ihm  n^n  \rimr 
bisberiflcn  aifeibebebörbc  (OTclbeftdlc)   erteilten  'Mbinelbcfcbcins  nnsumelben 

'W.S..il?^^'*f  ^^.°^K*l^  r,^i'''   Cjauccnöcn   ^iuieatl^ali   i:ii   ^^eaue    einer   DiclCeUel)örö»t 
iil)ldt)efclle)  aufgibt,  I)üt  f!d)  unb  bic  ,u  feinem  ^ouoftanbe  Js^örcnbcn  ^erfonen    bi 
jlcid)5citi.q   mit   iftm   il)rcn  ^ol]n)iö  ober   bauernben  ^ufcmi)a1t   aufaebcn    bei   ber  fü 
'eine    bislienpe    ^ol}nunfl    /luftnu^Mncn    OHcIbebcliörbc    (^Jölelbeftelle)    ab^^umelbcn. 

Wa    mnerjulb    Des    ^23e,yrUo    bor    ^Jö]cli)cbel)üröc    (tUielbefteile.    in    öem    or    lemer- 
iBol)nu6  ober  bauernbcii  ^2lufentlialt  Ijat.  feine  215olinunq  n)ecl)felt.  t)at  fidi  unb  bic  /ü^' 

•m^\T  ,p!l"ff^^"^c  flcI)o;enben   Tierfonen.  bic  mit  ihm   utmielien.   bei  ber  ^JDTelbobel).irL 
.a3i€ibe)telle)   un^uineiöen.  1^ 

(I)  3u  Den  ium  y)au5|UinD  im  ciinie  ber  §§  2  bis  4  ijeljorcnDen  >15erionen  ^lihl. .' 
leben  ben  5amilicniinge.I)drinen  auch  biejeniqcn  ^V^fonen.  bie  als  öoueanoeftcllte  oV- a 
.11   einem    lonfUßcr    ^lenftncrtjöltnio   (,^.   ^.   nio   @cfd)öft5pcrfonal,   ©efellen,   iJebrliiKy 
,u]a) ).  eber  auA^^ne  ein  faltftcs  'MrbeitsDerivütnis  in  bie  fini«c;itcf.c  Ocmciiiiihun  i^a^i^ 
AoJU^oiifgernrrfim^  i^.r.b.  ^y  ^*"^     *      v 

2i^cji(2)^_^j3crjo^^^^  anDeren /^3erjOIlen  m  '^cl}nungöiicmcin]cbart 


I    1  (i  i;ausftanb  ^n   gcl)örcn,  finb  felbftdnbiä   mclbeptlichtTo 
br  V  Unter  „bauembem  ^ufcntf)ült"   im  cinne  her  ^^  2  bis 
ils   amei   'iDIom^ten  ^u   Dcrftel)cn 


^^A '2lnmelbuni)  (§  '),  Die  ^ilbmelbung  (§3)  unD  Die 


eben,   oljnc  &i 
4  iH  ein  '^lutenthalt  uc2.v 


UmnieiDuny  (^4)  muB  ipötcfter,'). 


l^^'nt."h,fi.^'llH''.^'  Des  3us  ^ib.  unb  Um^mio  )d)riftlicf)  bei%eV3ndbebröörlC 
Li  ^fD\ie)  öurd)  ilboübc  eines  bem  i^  7  cntfpredjenben  tmelbe)d)cins  (^orbrud^e  a  b 
i         lifod)er.   im   Cfülle   bcs   S  l    '^bf. /2   in    breifad)cr   ^Musfcrliflunp  erfolgen. 


^)  V 


ef  J.RelDc)d)e:ii   (großer  JJiclbefd)ein.  ^i5t)rDruclu-   a    d 
unbjbcr  neuen  ^^Bo^nung  fülgenbe  ^inqabcn  entt)alten 
ümiüennomcn  (bei   brauen   aud)  *ien  (^eburtsnamen   unö 
r  Icijtcn  frül)cren   (J^e);  ) 

lornomen    (fömtlic^c,    Rufname    ift   ju    untcrjtreidien) 


1-)   mut3  außer   Der 
ggl   öcn  \T?omen 


biS' 


au.«» 


Sl  ^V  -  ^'^v/  'Ö'    ocrl)eiratet,  tcrmitmet.  5cjd)ieben; 


'üngobe.   ob  ylbftönbig   ober   '^Ingeftclit*..    -arbeitcr 
(menn  '^luslonb) 


uito. 


d)  SÖ\%uf   ncbft    gennuer 

e)  OelVrtöbatum; 

f)  (Scb\tsort,  S\rei5,  otoöi 
f)  ötoDiöang^obörigl^eit: 
h)  9^eligion; 

i)  ob  bie  ^u  metDenDcn  >|5erionen  id)on  frül}er  im  'öe^irU  Der  :IJIclbeüel)öroe  (^JJleiöe 
ftellf  gen  »Ijnt   l)üben,    rnenii  lo,   mann   unb  roo   (Drtsteil.   etrafee.  ^önusnummer/ 

^  ^mZl.lZ.^lT'  F^^^  ^*^ff«^^^  ongemelbet:   legten    "auerVbrr 

^2I5oönort   Mratje    ©ousnummev),   Ä'reis  unb  etaot   (menn  ^2iuöionb); 

S^Sbi?1ibe?'S^^^  ^''   '^'^   ^''^''"   ^^erfonenftonbeoufnaös^c 

ai)ob  bie  au  melbenben  "^Jerfonen  \m  neuen  ^XBoljnon   eigene  Woi^nuna  brVicücÄ 
•ber  bei  mem  f^^e  in  Untermiete,  te^lafftelle.  ^ienft  «ber  ^u  ^efU  mÄ 


1t 
li 


.^«M 


,   )»fern  U*   unoer« 
ift  für  lebe  '|5erf»ffi 


\ 


(2)  (^bdeute  unö  ibre  öen  gldd)en  \f(omen  fübrenöen  yptn 
iieiraiet  i;:iy,  finb  ouf  einem  yjlelbcfdieine  ä"  melöen.  3m  übrig 
eilt  befonberer  'JJ-elbefd)dn  ^u  oerroenben. 

CVür  Den  3nl)alr  Der  Ü}?elbu;:g  ift  jcber  iHdbcptltdjtige  (S§  1f  bis  5)  oeranimortUc^. 

5)cr  Jlldöcpflichtige  t)ot,  ToUs  er  nid)*  l^lbft  ^auseiaentimiei  ift,  Die  oon  it)m 
unterfd)ricbencn  9JIeibefd)eine  bem  ©ou^ngentümer  ober  Deffen  ^eauftrogten  ^ur  Unter*^ 
fc^rlft  öor;^ulc9en  unb  alsbonn  on  bie  'jJ1clbebel)örbe  (SÖTelbcftdlc)  ein^ureid^en.  3ft  bei 
lOauseigentümer  eine  juriftifc^e  \perfoii,  fo  finb  bic  2nelöcfd)dne  uer  ocrtretungsbered)^ 
tiflten^  nQtürIid)en    ^erfon    ober   beren   Sßeouftrögtcn    ^ur    Unterfdjrift    ooraulegen. 

§  10. 

Durdj  Ortspoliäeioerürönuuß  Uann   bejttmmt  roerben. 

1.  hai  für  bie  •^Mn-  unb  llmmelbung  ber  im  §  5  "ilbl.  2  genannten  -l^ertoncn  öe: 
5üU5t)altungöDor;tQnb    mitnerantmortlidi    ift, 

ÖöSi,   fa'I'j   lor  2)Ielbepfad)tigc  nic^t  'iHIolinungsinbober  (ir)auptmietcr)   t|t,    oieiei 
bie  2nclbefd)etne  untcrfd)reiben  mu6, 

tiai,  ber  5:)üUöeigentümer  ober  fein  '23eau|trui]tcr  Die  UJielbe|d)eme  un  otelle  De* 
231elbepilid)tigcn    Der    Sülclbebdjörbc    (JJlelötftdle)    ein^urddjen    \^at, 

4.  bofe,  folls  ber  ^ouseigentilmer  ober  fein  ^eauftrogtcr  bie  im  §9  oorgcfrt)rieben« 
Unterfd)rift  Dcriücigcrt,  ber  aJidbepflirf)tige  bgro.  ^:2Bol)nunq5öcbcr  ben  Si3ermerk 
Jlnterfcörlft  üermeigert"  mit  einer  ({ur^cn  ^egrünbung  urib  feinem  ^lamca  auf 
Die'  'Jltelbung  ^u  fetjen  unb  biefe  an  bi(  aT?dbcb€l)örbe  (ä)?e{bcftelle)  üb/^ugeben  M 

/  ^  M.  l 

Meber  Dte_a}ielbung   (ft  dnc  ;öe)d)dnigung  ^u   ertdlen.    '2115  |old)e  gilt  öie  ie 


ü. 


8. 


'V 


aicnfn^  nad)  "ißorbrudi^I.  falls  nifftt  ber /jj{dbc^fiici)tige  dn   brittcs.  im' Orolle  besi^  \ 


2    ein    uicrte? 
^berföfien  ift. 


Stüd^'bes    '>I)?eIbcfd)dn5    ^ur  ^^ibltempelunQ    norlejt,    Doe    it) 


e|rt).( 


in 


•metbeüflidit  bei    mel>rfad)cni    'J33ol|nfij^c. 

oljne   il)ren  üisl)crigen  ^215ol)niii^  aufzugeben.  uriWöedirR 
m  roeiteren   ^]Bof)nfiö  im   6inne   Des  §  7  <ö(ö^  bcgrü 


emei 
rünben 


'lOeref.- 
0/0  r   hVit 


^i^cr)ünen,  Dtc 
Dlclbebel)örbe  einen  roeircrcn  ^^oi)n)ig  im  omne  oes  ^  7  *ü(9^ia  bcgrünben  o/or  knn 
'lirbdtsaufna^me  5I3ol)nung  nel)men,  ^.  SB.  oaifonarbeiter,  unterlifeen  an  bief cmABoftn»  | 
ort  ebenfalls  ber  931elbepflid)t  nod)  §^5  2  bis  10  unb  Ijabcn  bd  ii/rer  OJIelbung /ine  vm> 
Der  ü}Ielbebel)örbe  öeo  alten  ^obnfifeee  und)  Sßorbrudi  li  gebübnuifrd  au  ertd|i(?nbe  SBe^j 
jdjcinigung  Darüber  aor^uleqen.  Daf^  fie  am  alten  Wohnort  ihren  ^IBobnfit;  nid)t  auf, 
qcqeben   bnbcn. 

/ 
5  IV. 

aebcrjteigi  öer    ,>iu|emt)alt   m  (ÖaUböufern  Ulm.  (^   13  '2Jb)    i)  Die  -öaurr  oon. 
Diouaten,  fo  ift  ber  ^23ol)nung5nel)mer  nad)  k^  2  bis  10  melbepflid)tig.   3n  ,bieji 
\)üt   ber    ^ohnun9snel)mer    binnen   einer   W\  d)e   noA   biefem   3dtpunUte   D\ie 
mit  bem  SD?elbefd)eine  nad)  "öorbrucb 
Der   DJIelbebebörbe  au   crftatten. 


J  (S  "'   unter  Angabe  bes  ^ages  bes 


h 


*öe|urt)9tremdc 

19. 


?^ 


U)    '^er    m    unDeren  als   Den   im   §  K^   'äb\.   i    Deaeict)neien,   Der 
>öct)erbcrgung   oon  ^remben   bienenben  @inrict)tun9cn   oorübergel)enb 
m  Unterkommen  beaiel)t,  t)at  fid)  bei  ber  ü)?elbebet)örbe  (2IlelbeftelK' 
auiunielben,  trenn   ber   93efud)5aufentt)alt   bie  IDauer  oon  2  aJIonote 
biefem  5alle  l)Qt  Der  ^iBol)nunöönd)mcr  binnen  einer  ^2Büd)e  noc^  bV 
anelbung   mit   bem   3ndbefd)dne  nod)  ^orbruck   4   (§  7)  unter  ^2In 
3u(iUös  bei   ber   a)Ielbebel)örbe  a"  erftatten. 

(2)  ^ot  ber   "ißcfudjsfrembe  bagegen   keinen'  :ü3oÖn)t|  ober   ^ 
(m  ^U3lanb,  fs  ift  bie  "Jlnmelbung  burd)  ben  ^2l5oftnunfl5ncömer 
Douer  bes  iJlufentftalts  )d)on  binnen  einer  ^Bo/che  nac^  bem  3:a 
»Bcnujjung  bes  a}Ielbe)d)ein5  nac^  ^orbrucb  a  /(§  7)  äu  erftatte 

(3)  Vit  ^bmelbung  ber  na(^  2ibfag  1  unb 
!ffiod)e  nad)   bc»   3=»rtaufl  unter  ^enalttny 
|tt  erfilgen. 


.1 


ctnaemelbeten 
e«  ^Uibefel^tfit 


fud)i,ame&en 
ti:'%T^^  Me 


unter 


)v. 


\ 


^ 


9mt0A  bf»  35.  «uAvft  1033. 


9lf9alf(De  Settmig 


Kr.  102 


m 


9entf(9(Qnb9  2ribntref(e. 

@cit  bem  ÖQufanner  9Ibfommen  Dom  Suli  1932 
^  bic  5Cributfrngc  borüBcrflclöenb  i^re  t)oIitif(^c 
64ärfe  berloten.  SWelc  önberc  »<rtfcf)attIirf)o  imb  ^o. 
Itlifcf)c  'I)infle  finb  in  bert  53orberGnmb  antreten  unb 
^oBen  beraeffen  In[fen,  bcfe  ^ie  Sfiewreöelunfl  bet  M. 
tute,  trie  fie  in  Jöaufannc  fcftflciHt  irorbcn  \\\,  norf) 
ttictt  bur(f)gcfiif)rt  tnerben  fonnte.  SBeber  rcrfitlicfi  norf) 
kHti*Iitb  trifft  olfo  bie  meit  öerbreitetc  ^rtfidbt  aw. 
ba|  btc  ^^ributfrage  für  1)eutf(f)rnnb  cnbflülttg  eric. 
Mo^  ift.  5)er  STu^njärtigc  5tufifd)uft  bc«  JReidi^tofleS  Iiat 
Wnfnng  b.  ^.  eine  leiber  metiia  bcorfitetc  nationolfo- 
fioliftifcfic  Gntfd)licfeuna  angcnomincn,  in  bor  mit 
ficcht  feftgeftcllt  mirb,  bnfj  fti«  öuf  meitereS  bto  ?^röge 
tto*  offen  ftefit,  ob  bn§  S?onfanncr  9(bfnmnicn  itbcr- 
imH)t  SBirffornfcit  erlangt.  "JDie  (5tlIIf,  bic  über  bem 
5!rtButfuni|)f  lagert,  barf  Qtff>'nicf)t  bnrüBer  l^innjcgtnu. 
f*e«.  bafe  aul  ifim  ftSnbig  giftige  Dampfe  mtffteigen. 
Engcft(f)t8  ber  .?iinou§fdhicbung  bor  .Qricfl•^fd)urben. 
fegplung  burrfi  b-f'  ^erciniaten  ©tcinton  unb  ber  bctii. 
fen^orilifdf)e«  ®rf)»teriafeiten  5)eutf*r(inb«  erf*eint  e« 
8»ecfmn^ig,  ficf)  micber  cinmol  böriibcr  flor  su  »et. 
be«,  »rclrf)e  ^ributlaftcn  aucf)  Ijcutc  nocfi  auf  Dcutfrb- 
bnb  liegen. 

STuf  örunb  ber  <n  Caufannc  aBgegebcnen  (frf(ä. 
nirgen  heuert  bio  Äanfcrenj  eigentlidf)  nod)  fort:  fie 
ifl  mit  einem  börrSufigen  GrgebniS  mir  hertogt  mor. 
ben.  ^ie  öu^crft  fcfimale  trirüirfic  33nfi§  für  bcn  ow- 
«nbrieffirfjen  »tanb  ber  StriMttt>ert)fIt(f)tuTiflen  T^eutfcf). 
ÜnthS  bilbet  bic  om  Scginn  ber  .^onfcrcna  abgegebene 
ftflorung,  tid^  bie  JRc^orationcn  unb  Äricgsfrfutiben, 
Me  ben  ^ilnebmetit  ber  Omifmincr  .Q^onffrenj  gefrfntl 
btt  njurbeit,  icölörenb  ber  Itouer  ber  Äonferenj  au*gc- 
f^  n^erben  folltcn.  ^iefe  ©rftärung  mürbe  burdi  bie 
6onber.5fi»mQ(ftung  ber  ©roubiger  crgiinat,  bofj  fie 
bo*  getroffene  STbfommen  erft  bann  al?  gültio  crfln. 
fcn  merben,  toenn  fie  felBft  eine  befricbigenbe  JJcge. 
fung  ibrer  ^IriegSfcfiuIben  on  Sfmerifa  erreirbcn.  9^afli 
bem  SBortTaut  \i^%  5rbfr>mmen§  tritt  c§  erft  bann  in 
Jhöft,  menn  olte  löetciligten  cl  ratifizieren;  e§  mirb 
aber  fofort  aufgcboben,  menn  eine  ber  beteiligten  lT?e» 
0ierungen  ben  onbcren  anzeigt,  bofi  fie  befdiloffen  bot, 
irtdfet  iVL  rotifijieren.  '©urcf)  eine  fotdje  Wnjeige  mürbe 
rein  reditlid)  bic  S^ributfragc  auf  ben  Huftanb  bot 
bem  ^^oober.SKoratorium  sttrTicfgeniorfen  merben, 
b,  b.,  bie  93ertQgung  ber  Öaufanner  .Qonferenä  m^ 
beenbct,  unb  neue  ^erbanbfungcn  müßten     einfe*f^n. 


IBie  bic  5Dinge  Ilcaen,  lebt  olfo  bie  Öaufanncr  5lonfe. 
rcna  meiter  fort,  unb  eS  ift  niinbeften«  mit  ber  Ü^Sg- 
rid)feit  au  red)nen,  bafj  ifjr  in  obfebbarer  Seit  neue 
STufgoben  gefteltt  merben,  \iOi  e«  ja  oudj  ber  betttfrfjen 
JWegienmg  böllig  freiftebt,  bie  Slatifiaierung  a"  boll- 
aic^en  ober  oBauleFmen. 

üöon  erbeblidf)  größerer  ^rnftifdier  iBebeutung  finb 
gcgenmärtig  bic  öerfc^iicbcneu  bcfonbercn  'iNcrliflid). 
tungen  ^eutfdbtönb^,  bie  meber  boni  ."CtooberKan  no(<) 
bom  Saufonner  3{bfomnicn  norfi  bon  ber  legten  3luf. 
fdmberflörung  bec  (^laubiger  unb  bem  befc^ränften 
^ran^fermorntorium  *5putf(filanb«  berftbrt  morben 
fiub  unb  c8  bcigbnlb  ow^y  beute  nodi  ftarf  belaftcn. 
Die  Stbfidit  ber  ^ributolnubiger,  bclitifdie  ®d)ulben 
in  internötionafe  ?fnleiben  unMumanbefn,  fie  au 
„fonimersialifieten",  ift  glürffidiermeife  nur  in  be- 
frfuriiufteu!  Umfange  gelungen.  Tniöbem  belaften  un<5 
beute  bie  Qu?acöcbcncn  „^fnreibeii"  fd]mcr  genug.  9^nd] 
bem  ^ome^bron  feilten  »ir  unS  ben  gröf^teu  teil  ber 
Xiibutaaöluug  b«i»  crfteu  '^so^\z^  1021/25.  ndmlid) 
ftOO  W?}nionpn  ÄJeid)imarf  bur«*»  Auflegung  einer 
jruSfonböQnfei^c  be|d)affen.  Xie  '^nmcS.'?(n leibe  ift 
fomit  eine  rein  bi>ritifrf)e  ®rf)ulb;  liroftifd)  fdiutbcn  mir 
oter  bie  f,in8.  unb  TiIgung«rotcn  ben  clnacrncn  bri- 
böten  ^eft^mt  ber  ^rnfei^cftürfr  ?fu8  biefeui  (^runbc 
mürben  bie  'öerbflidjtunöer  ou^  ber  T)nmeS.?fnleiöc 
bon  feinem  ber  fbötcren  «bfommen  beriiftrt.  ^uraeit 
miiffcn  »rir  84,1  SWirrionen  SWoi-f  inbrfirf)  bafür  ouf. 
bringen,  ^m  ?)pung'^Uan  mar  grunbfntjliffi  bie  M^^v 
fifienmg"  ber  beutfrf)cn  Sabtuiuien  borgcfeben.  (Je 
ficj^  fidi  ober  nur  bie  ?)ouiig.9rii(eibc  (^suternationarf 
%\\\^\\t  be5  ©eutfdien  .^Heidic«  JOfiO)  im  ilioniinalbe. 
trage  bon  :M0  Wiflionen  lionor«  aufncbmen,  mobon 
inbell  nur  a^nei  'Trittef  hen  (Gläubigern  augeffoffen 
finb.  ^er  für  Tribxtimerfe  beftitnmte  5'cil  ber  ?lnleibc 
erforbert  bi§  1065  einen  afeidibfoibenben  Tienit  bcn 
iäbriidi  fi4  'iPtiniiuien  'il'Jorf.  Tie  ^erbffiditnngen  ckw^ 
bem  Befgifcften  fWnrfobfomuten,  ^^^^  cbenfoll«  eine 
boubtfncfiTirfi  j»oritifd)c  ^abfung  barftcITt,  betragen 
juraeit  jäbr*t«b  2ß  Willionen  H^arf.  ©ir  muffen  alfo 
audi  beute  norfi  trofe  ber  ?fufbannuna  unferer  8ab- 
funn^birma  a(§  Tributrefte  171,1  Wilfionen  Warf 
jöbrlidi  in  Xebifen  an  \>a^  ^fu^fanb  abfübren,  bn  fie 
borfä'ifig  bom  Iran^ferauffcbub  berfdiont  gebfiebeii 
finb. 

8u  ben  ^ributreften  gebf^ren  ferner  norfi  bie  ^er- 
pffidituuflcn  nu$  bem  beutfdi.auicrifnnifdien     'Jlbfoni 
nien.  C^3  bnnbclt  fidi  bnbei  \\m  C?rfatjanfbrüd^c  anieri- 
fr-nifificr  ^ribatberfonen  auS  .^riegSfdiäben     unb  um 
bic  ÄToften  für  bie  amerifanifdien     ^J^efntjungätrubben, 


bie  bi«  1923  im  St^einlanbe  lagen,  ^ic  ®rfa^Qnft)rüdie 
erforbern  jäbrTirf)  40,R  <[)?irTionen,  bie  natiTungen  für 
bie  öefatjung^foften  18,«  a)?ir(ioneu  Warf.  Csm  3In. 
fd)tufj  an  bo8  .'ySoober-SWoratorium  finb  uuS  bie  ^s^%» 
reSrateu  für  bie  (Jrfa^teiftnngen  biö  lOJil,  für  bic 
ÜPefafenugSfofteu  bi*  1035  geftunbet  morben.  SÖirb  bic 
etunbung  nic^t  berlängcrt,  erbör)en  fid)  in  ben  nädiftcn 
beibcn  "^obren  bic  ßeiftungen  ber  SCributreftc  auf  über 
230  Wiffioncn  OTnrf. 

^n  ttx\.  Stributreften  babcn  mir  befonberc  33er. 
bfrirf)tungeu  au  fcEien,  bo  fie  in  bie  brci  aWilliarben  be« 
Caufnnner  ?fbfonunen§  nidit  eitibeaogen  morben  finb. 
Ü&er  "tsci^  ^d)icffal  bicfeS  ^rbfonmieiis!  braudien  mir 
un6  t>orräufig  materiell  feine  grof^cn  Sorgen  au  mg. 
dien,  benn  ber  'v^nternntionafen  33auf  in  ^-öafel  mirb 
e§  faum  gelingen,  in  "b^w  näd)ftcn  a^bn  ober  fünfaebn 
Csabren  neunen§merte  Sdnilbberfdireibungen  'Deutjd}. 
fcrnb«  auf  bem  tnteruationolen  f^innnamarft  unterau. 
bringen,  ^ie  .Q^rebitfrife  '^oX  ben  au8fänbifd)en  !!abi' 
toliftcn  eine  Öobre  erteilt,  bie  länger  al«  fünfaebn 
^abre  narfimirfen  mirb.  '^a  Sd)ulbberfd)rcibungen, 
bic  bis  1047  nidit  bermertet  merben  fönnen,  berfal» 
(en,  bfitte  bie  (?nbfunime  be3  Öaufnnner  9lbfonnncni 
mir  einen  frfieinbnren  3öert  für  bie  bolitifdien  C^fäu. 
biger  —  menn  e8  eben  fd)on  ratifiaiert  märe.  IJie 
WSglidhfeit,  baf^  irgcnbcine  '^c^.i)^  m%  bolitifdiett 
Bmerfgriniben  erftärt,  l^%  ^Tbfommen  nidit  ratifiaic 
ren  au  moricn,  beftebt  aber  meitfc,  unb  ber  ^fnftiftung 
neuer  tributbolitifdier  53eruiirruug  ift  nodi  fein  ^Wieget 
borgefrfioben.  vCnatt>if(f»en  nuif^  ^eutfrf)ranb  bie  Tribut- 
refte  meiter  Teiffen,  affo  bolitifdie  Babfnngen  au^fül^. 
ren,  obmobl  hie  ^'Jotmenbiafcit,  ben  Transfer  elnau- 
frfiränfen.  oudi  im  ^fut^fanbe  anerfannt  morben  ift. 
Tic  1711  'il'lirlioni'u  Wcxxi.  bie  mir  in  l^ebifen  oll 
tienft  für  bie  Tribntrofte  an  ba§  ^fnSTanb  abffibren 
muffen,  fonnten  norfi  im  ^oriabre  obne  grof'^e  Wu^e 
gcleiftct  uicrbcn.  beute  bilbcn  fie  eine  auf^erorbcntlicf) 
bobe  ^cToftiuig,  bic  in  abfebbarcr  p»eit  au  einer  9?a(b» 
brüfung  ber  T^erträac  über  bic  reftlirfien  Tributbcr» 
bflifbtnngen  fübren  muf?.  Tn?  gilt  befonber«  für  baB 
befnififie  Wnrfiibfouinien,  über  beffen  ^Neuregelung 
nun  bcrbüubclt  mirb,  unb  bor  aHem  für  bie  amerifa« 
tnfrf)on  ^^efnfenng^foften,  bie  anf  f^rnnb  einer  intcral» 
rücrtcn  .'v^aubfung  borgenommen  morben  finb  unb  auS 
N-^Tt  *T?r^nrntii'>!'?;abrunnen  au  berfen  maren. 

wmmmmamammmmmmmmmmmmmmmmmmimmmmmmmmmm 

BctrmttDortntfter  €djriftlcitcr:  «jcl  be  »rief. 

©erauSgcbcr:    !)icua(f(f>c    CcrlaoBflCHoffcivfifjOfl. 

?TÜr  bit  12ln<teiacn  (»erantmotüidb:  tt.  Üinifl. 


^mKffmm^mi 


Aniassllch  des  plötzllcHeti  Todes  des  Herrn  Dfrektors  der  !?evaler  Aktienbank 

LUDWIG  SELKE 

spricht  dar  Familie  das  tferscniedanan  ihr  tiefes  BEIL  ei  D  aus 

die  Verwaltung 
der  A.-G.  ^RAUANIIT" 


>  -v.  .S<»»h./-.4A  -v 


.•  •  e, 


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EstiL  meattr  „Estonln" 

In    Anlass    der    Revaler  Land- 

wtrt^ebaftllcha«  AuMteUnnt}. 

Freitag  den  1.   September 

(Der  Teafelsreiter) 
Oparttt«  in  3  Aktaa   von 

EmmMieb  Kaiman. 
Gewöhnliche  Preise. 

Bllleüe    von    Kr.  2  50— 30  Ct 
Aniang  S  Uhr  abaods. 

SaMtabaod    dtn  Z  Septcrabar 


(Bargeld) 

Komödi«    in     3    AktAu      van 

E.  Cbarmayer  u.  F.  Cammerlohr 

ÜewSbnltche  PretM. 
BlHette    ven    Kr.  1.50—20  CC 

Anfang  8  Uhr  abends. 

Sonntaa  den  3.  September 

iiValgeMba     vft#rttst«« 

mafas** 

(lia  Wtksata  Rtott) 

Operatta  in  3  Akten,     15  Bild 

¥^n  R.   Benattky. 

QenQhnflcbe  frelse, 

BlUeUc   vQo   Kl.  2.50-30  Ct. 
Anfang  8  Uto  aberMJs 

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WM 

I  5  I  6.43  I  ».30  I  M).H  I 

Uta  »cn^riuHnt» 
DOLLY     HAAS 

in  dem  niitieissenlen    Fiiin 

„DER  BALL" 

B»eh  der  Novaile  ti>8  Irnnc 
Ne»irowsKy.  —  AnMerdem 
Neueste  Wochenrundscüan. 


ZurÜcicgekehrt 

Prav  P.  Lircli!chevliz 

SRaffafle  —  ^Wanicur»  -  ISeÖl- 
eure  ~  I4)merjlc)|e  i>ü^ner- 
auatnentfernunj  lÖi^tUc!) 

empfoOren.      Tal.    469«  67. 

^wljrmonnectoffe  1.  V. 
(jc(f(  ^Jtattäui»piQ| 


Sitciitt    em   ki.    «nmtfbU 

ZIMMER 

fm    Zentrum    oder  nahen  Vor- 

s'adt.    Angebote    sub    ,F.  S," 

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eut3che,   russ  .  franz.  u     engl 

STUNDEN 

(Progr.  der  Mittelschule),  wer- 
^ait  von  etn«r  erl.  Lohierin  zu 
mässiciem  Preise  erteilt.  (Auf 
'^VuQSch  komme  ins  Haus.) 
Tatarensfr.  5,  W.  8  (im  Hof). 
Zu  spr    von  3 — 5. 


Bridsespleler 

»uC'lt  AnichlMaa  Im  iU'^ 

S«Rd!<re:s.     Offerten    sub 
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Oleome  jir  10-12  Rr.  monoft 
iQ^ne    itoU   aber  mit  )(Q(!^;ii< 

bemiftunfll  einen  ferbffnnbiflen 

Kiiabei  üls  BüDsgeiiossen 

du».  Off  erb  irrt  ^ixw\9  bes  o» p- 
tembfvs    sub    .Vnfprtidjslo»". 


von 


kindeilocftin    Ehepaar 
zum   1.  Sept  üttSlICtlt« 

Otfertan  &ub  „Sonnig''  an 
die  £x|k    d.  Bi.   trbettn. 


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berea  Dom,  ®«ii(ttftr.  12,   su 

erfragen  beim  ^utfnti^. 


sind  Einzelnummern 
der 

««Revalschen 
Zeituna'* 

in  d  Apotheke  RttQ|;« 

erhältlich. 


I      J 


9lr.  192 


KfDalKDe  T^ltnnq 


^mtttn  htn  25.  «nftnft  1033, 


km  24-  d.  M.  verschied  nach  kurzer  Krankheit 


Herr  Direktor  Ludwig  Selke 

Seine  arowe  Erfahrung  und  Energie  und  seine  wertvollen  menschlichen  Eigenschaften  sichern  Ihm  ein  bleibendes   ehrendes  Andenken. 

Vepwaltun^sraS  uni  Direktion 
der  RevaSer  Afctienbanic. 


]^'/^'^ 


■\.':v'' 


■:-;<»  •liJ'^' :>•*?"'■:'* 


•^v^C^^ 


Am  24.  August  1933  verschied  nach  schwerem  Leiden  mein  ge 
llebter  Mann,  unser  geliebter  Vater,  Schwiegervater  und  Grossvater 


Ludula 


im  59.  Lebensjahre. 

Im  Namen  der  Nlnterblietoenen 

Jenny  Selke, 


S,..^->,i*^i  '•c.^w;i»'.?,v>*'}^'^>'-.'1^  "-^fi 


Am  i4  d.  M.  verschied  umer  hochgeich«t»ier, 
stets  wptiiwollender  Vorcpesetzter 


Mm 


Wir  i>ewe«iteii  mm  ein  btei:>endes  Andenken. 

Die  Beamten 
cfer  Revaler  Aktienbank. 


tifl 


AnlAs«lich  des  Hinscheldens  des 


Her 


iil 

sprechen  der  Pamili«  iür  moi^itte«   B£ILIdlü  aus 


Ludwig  Selke 


E.  Lerenmann  und  Frau. 

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befindet  sich  bei  Herrn  ROm AN  jORQENS,  Langstr  II 
Dortselbst  aucti  Verkauf  von   Emzelnummern 


ndmäilbclt 


Äird)Iid)er  ^nacigcr. 


«m   11.  Sonntofl  ito«  Xxxn.  beu  27.  Stuflufl. 

©t.  Dt«i-««r*e.  Um  V2II  U^c  bünnittage:  ^oUe$^ 
Mcnft  ijSöitor  iK  S|>ccr.  Stille  .«ommimion.  .stoucUc  ,uiiu 
23cjtcn  bcr  rcflclmnfeißcn  Vlnneti^flcflc.  «crtcilunß  t>e^  »t. 
beUalcnbcrö  für  bnä  Ic^tc  25rittel  beä  '^(xiive^. 

"üecthiQi:  Wanc  Sictiemami,  ü8  ^.  alt,  oett.  oen 
18.  «.ufluft.  ^  „^         _,    ..      , 

aiti  Srcitafl,  bcn  1.  '2\>et.  um  5  Ul^r  iwdpnuttcß«  — 
©tBunn  bcr  amcnjjflege  im  ^totat  unten.  — 

25ic  St.  Okri^^kmetnbcnlicbcr  Jucrbcn  um  Gittiimtuiifl 
btt  rü(fft5nbi0«u   Wcmd^^cl)ClträQC  gebeten 

«t.  »ilolat  Siu*c.  Um  %11  U^r:  Oiotte«bicnft  (l.'uc. 
18  9—14).  ©tittc  j^ommuiiton.  ^iftor  91.  SBalter.  Stoaefte 

für  .?>tIf8bcbürfttGe.  „«  n         « 

W  ei  taut:  «nniti  SoUto»"  niit  Tlaxt)  «oioneffc 
Scbiüine.  SBoXfßanfl  MUmcntn  niü  t^rl.  SJwrt^a  «re^er. 
Sciit^oS  mhcxQ  mit  ?rX   nUm  (?Iifabctl)  ^^ufdjmunii. 

Xflmßctnctnhe   (in  bct  3t.  5«i'o^''\\i^*^''- ,«""|,  '1'^ 

Ufir:    Oiotte-:*Moiu't.  StiUe   Atonimniiioii.   "ipHjtorJK.    '^':Jtcr. 

©ctröut:   ^u^n   ^einirid)  ÄWpP  mit   tnl.   yiopltc 

Annette  Stutibcr.  ^  ,     ,       ,     «y     r 

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Leitung:  .^irt  St)omn«(.  «n  ber  Orgel:  K.  51ctiwr. 

«Knrüo  —  3t.  ::i!olianm«.  Um  10  Ul^r  (»otteöbiciiit.  SiuU 
Icftc  für  i>ci^  armeti^aii^. 

5vreitaa  ben  1  September  um  10  U^r  ®ottc§biciift  an' 
läfeUc^  bc.t  »cginnö  bc-3  Sd)uhmtcirici)t5  für  bie  Sdjulcr, 
bereu  Gttcrn  unb  bie  öcmeintc.  ^aftor  2B.  Shaad. 


Einzelnummern 
der   Monatsschrift 


sind  stets  vorrätig  beim  Verlag  der  „Revalschen  Zeitung** 
u.  in  den  Buchhal.  F.  Wassermann  u  Kluge  &.  Ströhm, 
Revai   u.   J.  G.  Krüger,    Dorpat. 


In  Nömme 


s  nd  Einzel nnminern  der    „ReTalichen  Z«itung**    erhälllloh 

im  Jtt<««r*<nr-.rt<  am  Bahnhoff,  m  der  Bäckerei 

laan    Kipper,    Apothekerstr.  2  und   im  KloSK     ^       "'" 

Apothakarstrasse. 


In   der 


aBcfcnbcrgct  Xeutf*c  ©emctnbe.    Um  12  IQr  Doomt* 

tagö  ©ottcSbienft.  

5|m  ?§uli  unb  9tuguft  mürben  getauft:     ®ert     'äxam 

SBei^m,  geb.  am  5.  ä«ai  1938.  •    ^    x    •^« 

®  c  t  r  a  u  t:  qs^otograp:^  ^cing  Wtcbel  mtt  <Scnta  Ihfi* 

Icr,  nm  12.  «uguft  1939.  ,    ,«  •. 

©eerbtgt:  Helene  ölubanifotü,  ge*.  Xflomel,  78  9., 

geftorbcn  am  8.  «uguft  1933.  ^^  ^^^ 


{R8mifd|-!ot6oHf*c  ^eter-^ttulsKrcfte.  Um  9  IQr  ^I. 
äJ^effe  um  11  Ul^r  Qoäfamt  unb  polnifd^  ^rebigt.  Um  7 
Ul^c  nnbaäit. 

Cftriftion  Sctenee  OtotteSblcnftc,  gnblaftrafec  Ar.  10, 
Sonntaguormittag  um  11  U^r.  «m  24.  ©eptcnrber  um  %1 
U^r  ®ottc.^btenjt  in  enelifd^r  Spratfy;.  8eugni8<*citb  am 
13.  September  um  7  Ul^r  afcenb§. 

TctttfAe  eiitiftUt^e  ©cmeinftfjoft,  ®to|e  «ßetnaufc^  «tt. 
iSlx.  19.  ©onutag  ben  27.  3liiguft  um  %4  U^t  »ibclftunb« 
bon^tebi9et®c^ncpt)er  unb  ^onnerätog  um  %7  Uljt 
abcnbi  öebctftunbc.   «Uc  jinb  ^crjUt^  ctngclabeit. 

Wuffifdie  e()tiftli(^c  (»cmelnf(^aft.  ©tofjc  «ßemaufc^  ®tt.  1». 
Sonntag  um  Vj6  U^r  abcnbä  (SüongcUfation.  SKitttoot^  ue 
»^7  U^t  «tbclftunbe.    Eintritt  frei.    tUe  ^etjlt^i  wiafomme«. 


IV«     yfllMBa         M^U.C,       i;ii.i»|'. 


\t\  •  uti>.     !u>aug    c« 


_      cobn     I«    iirtuai 

Vj.B   nuu'«n    ....     •»'-    '^'"VVÜI.ÜIISi    «Tk  An«   !Riaol4V  eirrak   ^7nli.'  «Jurtj^onMuno  Winj 


,  ^,rt.4,„^         ^,.(UMiiA(..     mmim     (n;fles«i     aunidnno      i^.efcboro«.      ftifllnjlo«    (SH-    »jpUMaftgt.   *% 

l«|«i«<imm<r«  octiaiifw  Mt  »(a,.iiof«(M.*<>on5Jun9«n  m  |>«l|inaiort  m.  »tn  greftmii  etAftUiu  A»l»it«»  rtwl» 
tnigeatn:  Conomolt^ti««  3lmottu«oimm»  O.  U  SU-iteoanu»  Ännoortv«  A.  a.  fütfaabnQfitan  40^^  M« 
iÜdM  ■  lU-  6.  «MUMbfltttan  10.    0«   «•nn«  *■•»•■•«  «t^m««  ABinfl««  «t««atn      tn  #<»»*«:    Wirt.  IMJi 

'{.  JUvNm :  fttTw.  ai.»fr  ft«mbu'o  »     •"  «t^«-  «»>•  V*VK>^  6«)«iin«n»taet  l».   0-  6(fti«»i<«.  HoUftr.   id. 


9^MM^  2>nKtKtl  H.^,  9toM|,  9UiMtr<«e  Sir.  10. 


/  u 


TalllDDa  Unna 
Perekoflnaseisaaniet. 


o^uUiJU. 


•/■••• 


Surmaregister  JVj  /t 


Ä  r  a  k  i  r  i. 


Lk. 


Tuhat  üheksasada  ^O^rr\tMUrnAA  hLC^^^^  

aastal     O-UXiU^^         )iiyx^^9^i<lAjl^^ nn >\j^ k^jQ^ q  t^^c/^^  päeval 


suri 


vanus    ^nyC^i'UJiJoC    ^    9\C'VJU\/U>^tAJZ>   /?/V^ 
elukutselino  tegevus    ^ClAAy^Ctctc'Xt^(^^ 


alaline  elukoht 


^r(X£jUnnjas      PoU^C\.     JV'i^-^ 


surma 


pöhjus    ^^^^^>U^A7/H/i7^^ 


perekondlik  seis     CX-^  tt^S 


rrrr^^r^^f^m^^r^^^^^^mm^^^ 


Maetakse    ...^.<<-^^Ci.(r}<P^^  

Käesolev  akt  on  tehtud  tuhat  i\heksusada   c/<^    

aastal    CUOkUJ-bC      kuu    '^  ^ 


i?^</2>t4C< Ji^^        %%!?£^}^^f^ 


päeval 


^,aeit:^..^Ä /^^h^:''^...:^A-A 


teadaande  pöhjal. 


A  1 1  k  i  r  j  a  d : 


laandja 


ja ;  ^^-"^^^^ 


Algki 


Tallinnas 


,li^Q-^ 


193  2. 


Perekonnaseisiiametnik. 


Perekonnaseisuametnik. 


m 


/:<^ 


tf 


« ♦> 


Übersetzung, 


Abschrift, 


(    Wapj)en 
der 
Stadt 
Tallinn.) 


Standesamt 
der  Stadt  Tallinn. 
Nr,688, 
S  e  1  k  e  , 

L  udv  i  g 


Sterberegister  Xr.l4. 


Seite  4, 


Im  Jahre  eintausend  neunhundert  droiunddreissig  am 


vierundzv/anxigsten  August 


verstarb  in  Tallinn,  Poska-Strasse  51-  -  2, 


S  e  1  k  e  ,  Ludvig, 


deutscher  Heichsangehöriger, 


Alter:  geboren  am  Q.Hovembor  1874, 


Berufstätigkeit  -  Bankdirektor 


ständig  wohnhaft  in  Tallinn,  Poska-Strasse  5l5  -  2, 


Todesursache  -  Lunt^enverhiärtiing 


Familienstand  -  verheiratet 


.i 


(Zwei  Kanzleigebüh 
der  Stadt  Tallinn 


Beerdigt  in  Deutschland^  Hamburg 


Vorliegender  Akt  ist  im  Jahre  eintausend  neunliund- 
dert  53  am  25.  August  auf  Grund  der  Anzeige  der  Tochter 
der  Verstorbenen,Kvelyne  Klimpt,  wohnhaft  in  Tallinn, 
Poska-S^rasse  51^  -  2,  aufgenoiamen  worden. 

Unters  chriftenx 
Die  Anzeige  hat  erstattet:  t^ez.  Kveline  Klimpt. 


:»enmarken 
entwertet. ) 


gez.  V.  Avesson, 

Standesbeamter. 
Pur  die  Richtigkeit  der  AV'schrift: 


Tallinn,  den  29. August  1935. 


gez.  V.  Avesson, 
Standesbeamter 


(Siegel:  Stadtverv;altung  Tallinn.  Standesamt,) 


Am«*^ 


f,'-:i 


itcn 


Hiermit  bescheinige  ich,  der 
vereidigte  Dolmetscher  und  Über- 
setzer Albert  Leopas,    die   tJber- 


^^££.^^     Yie^££^ j^^fu^ß^^^    ^^^^^^^._,  einstimrnung  vorstehender  tjber- 

/y<r.^ocoi .  dh/.  ^/^ay(^/UiA.   y}^y7^^^'f\        .  Setzung  mit  dem  estnischen  Origi- 

f^r-^      ^  ^^.  /    jq  J^^l   derselben,    welches   mir  von 

^4^*aA!,  / ClA^U^^^^.^^ ,  yi^uyLA/L  ^'-^^z  ""  Herrn   ver,    Rechtsanv/alt  Heinrich 


^  ^^^. 


2Jx 


t 


öivers,  Tallinn/Kstland,  Kinga  t. 
Nr.l,  W.o,  vorgestellt  v.ordön  ist.- 

Tallinn,  den  29. August  19ö5, 
Reg. Kr. 


^, 


Vereidigter  Dolmetscher  und  tjbersetzer. 


0«8el)ffD|lm  T>^tj5rhpn  Konsnlat  zu  Pev8l  xnr  B^'TlJiiihi^DQ:  vornt^hendei 


7T'i)t'^rc)iriftr^l'- 


■  ^"■'"  rs'tvriL    '^^\ 


[•  M  !l  .      ' 


'f^ 


^  Gesehen  im  Deutscheu  Konsulat  zn  Raval  xur  BaglaibiganK  ▼prAt^^t^ndei 

Uiitjrchrifl<n  des  vorridipten  rboivtz«n  A.  Leopas  und  des-7ti/^/ 

diu  7.VV  .^'  v,:i'i;i«n';  vurstobender  Urkondo  nMch   den  kie«if«(\^  ^adeigeieUfii 
legi.  T^og.  Ar  .J/.k^/iy  Dor  DeutB0h6  KiiBll 

,.y//.  ^.^  UM.  (ßetraj/  4. 


iWe 


la  iier 


«Qiünie)  erbaiWu. 


(iM/^ 


«  t 


-i. 


^^/icÄ< 


^0^4^^^^ 


M 


DEUTSCHES 
REICH 


REISEPASS 


V 


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1.    ,.  ■    f  V 


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m 


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DEUTSCHES  #E  1  CH 


.( 


|5 


^.-o 


REISEP 


Nr.  gBl^»tS,« 


:    n  F.  S    PASS  1  JS^ff  A  ß  E  R  s 


r  A  :>  ;^  1  ^b"  a  ß  r.  n 


BEGLEITET  VQf^  SEHIEK  lail'iriVAU 


CUa 


UND  VON  KINDERN  ..Vivif 

S  T  A  A  T  S  A  N  G  E  H  Ö  R  1  G  K  E  (^§t 
DEUTSCHES    R  E  I  C  ff^^^  \^, 


Dieser  PxÜ  enthält  32  Seiten 


Unterschrift  des  Paßini 
^     und  seiner  Ehefrau 


Es  wird  hiermit  bescheinigt,  daß  der  Inhaber  die  durch 
das  obenstehende  Lichtbild  dargestellte  Person  ist  und 
die  darunter  befindliche  Unterschrift  eigenhändig  voll- 
zogen hat. 

Hamburg,  den  ^l*i(drZl939 

Der  PolizeM)iäsidit*nl, 
Abi 


PERSONENBESCHREIBUNG 


Beruf 


Ehefrau 


Geburtsort  ^^ß4<i.J^^ 
Geburtstag     ><:^/v     "^r   J  V 
Wohnort  IJ^IIlblir 


S 


Gestalt 
Gesicht 


t/Cxtx  "^^<^^L^ 


Farbe  der  Ausen  r-r V^  f^'^':^:*^ 


6 


Farbe  des  Haares      Z^^^^^ 


Besond.  Kennzeichen 


KINDER 


Name 


Alter 


Geschlecht 


f 


^«i. 


GELTUNGSBEREICH   DES    PASSES 


In-  und  Ausland 


Der  Paß  wird  ungültig  am 


.2l..Mär2).94Q. 


Ausstellende  Behörde 


Hamburg,  den  2t .MÄTZ 1939 


Der-  Poli/oii) 
Al.t 


J 


fi^^-2^}<'  i^y^f^c       (W.u.  f-'^K. 

^  t  ■ 


VERL  Ä  N  (;  K  R  II  N  G  E  N 


1 


>i- 


/^  ^O 


V<'rl«in^(»rt  bis    ^    A 


Dienststej 

Deutsche  ßotschaff  Jttaenos 

Unterscj 


VcMiangcMl  bis 


3. 

V^erläiigtTt  bis 


,  den 
Dienststelle 


Unterschrift 


.  den 
Dienststelle 


Unterschrift 


nhaber 


81 


Ü>de9  6ig«nw8ri 
Devisenmerkblatt  ausgohandigt. 

0EUT6CHE  BAfULälL^ 

Sorte. 


6 


3X) 


Li  2: 


Ol 


{üriin^  WA  ndftabi^ltnmga  IM 
rt,..il..^fe!^..4?Ö'il49»tt  , 

3„  Ä;^ 


l:  Ä'3m%vy 


IJamt«vg,f?afcn. 
auscrevcift  am 

3 1.  MRZ.  1939 


Immiffratiou  Visa 


•  •  •  •  At  •  •  •  •  f\»  »^  k.«  •«•••••»  II»  «  k«fe 


III»'!' 


AmericYi^Consul  at 
Bui  huö*^ires,  Argentina 


9 


10 


j\l\    ]C>V^6  \J^j^        e'\.ppi^2\  ^   f '^<&s      t 


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Frau  Jenny  Selke 


Frau  Jenny  Selke 


Frau  Jenny  Selke 


Frau  Jenny  Selke 


Frau  Jenny  Selke 


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Frau  Jenny  Selke 


Frau  Jenny  Selke 


(  c«».«Wfc 


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RAF^^-^LJj 


'. 


IFICAOO 


<^ 


CuarJe  ear^ 

giina  reclarnaciüTTTptirsioui 
8e  riKc  excJusivaniente  pu, 
Anote  al  reverso  e]  aombre  y 


ursqdelasct'rtificadoa 
iijjero  (Je  impr»8ici<5n. 
ciun  dei  dedt 


^y^^ 


V— 


0ORREO8  Y  TELEQRAFOa 
IT    ARG&NTINA' 


RECIBO  DE  CERTIFICADO 

Rrm«  d«l  «mpUado  r«cIbldor 


^3/ 


0«ard*   ett«  eomurobante.  81b  tt  m 
g«aa  reclamad6n   pucBioqued  curvo  d«   lascrrlif 
■e    rise    rxclusirimente  por  d    nflm«;ro  d*  Inipi 
Anoir  al  rererao  d  nombre  j  dlreodön  del  4etti 


■i 


Form. 1450  A 


CORREOS    Y    TELfeGRAFOS 

SERVICIO   POSTAL    ^^/ 

R.  ARGENTINA 


W/ 


ECIBO  D^ 

rma  del  imple/dTficibidor 


N 


Hora /. — 


^iv$;^ 


Quarde   este   corriF^oban 

ninguna  reclamaciön,  puesto 
se    rige    excluaivamente    por 
Anote  al  reverso  el  nombre 


>in   61    no 
lue  el  cur  so 

iiümero 
"airecciön  del  destinalShri«,. 


de  IdißiM^gip  <*->  A 
de    imi5iHÖ#^.*  \J  VN 


OOHRE 


»  «KIT 

/r.    a 


;      R^CIBOiDlE 


Ooarde   äste  com 
f  una  redamaciön 
l|  9t    rige    ezduoiTa 

Anote  al  reverao 


--^■A 


-  / 


~  .  >    -•  »f-» 


I     ' " 


■-^  >^' 


ICA 


•mpl*«do  r*cibidor 


Uoarde  mtne  e'^aprolMinte    Stn  ^1  m> 
'  funa  recl'irr?tci6'i   pue«t<' QU«"  el  cur»«!  de 


I 


%f»r>t*'    ••    r««v»"w»   ^1  nombrr  r '^•»»»criAn  H^l   d 


AR 


)« 


A5  TVma^Aap«-     p  /^^. 

»o»o  ^0*TA4.  im 


OORHCO« 

R      ARä  £N  TIN  A 


^<^ 
/ 


RECIBO  DE  CERTIFiCAD<;X    ^  >><>  *^1^X  ,AR        ^ 


*'-. 


Ftr»«  d*l  «mpUAdo  r«cibl^«r 


GttATde  «fliß  «oflifrolNuit«.  Sia  ü  H» 

■c    rige     -JxJu'^TAmeaU  por  «1    nümero  d»  imQ^men^.  f, 


.  «.  -^    w.--*    »»•  ■* 


^  •^*'^»^^<*^/*»*^%^M»#»»\^»»V^<»<»»%»M»»*—*»  \#wvw»»^w>»  >#»r^ 


*\#      /«»«r^r^^w* •*%»«/"»<»#**  >#^r\#»#*<  %. 


CORREOS  Y  TELEGRAFOS 

SERVICIO    PÜSTAL 

a.      ARGEI^.TINA 


r 


RECIBO 


FIr 


Guar^^r^e^te  cimprobacie.  Sin  6\  rto  serÄ  pos 
Riina  rcclama<j5n.  puos^que  el  curs)  da  las  cerl..  ^^ 
(Josse  rige  e'cclu!*ivan»t3.il0  p)r  el  iiu  naro  de  irnp-osi 
oi6n,    Anote    al     reverao  el  noinhro  y  direccl6a  do! 
dostinatario. 


1 


c 


c 

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c 


-  ^  l^p-^  l^l«^^ 


No.  J-r-ijJL  JlZ. 

Postage j£j. cts. 

Insurance  ^^^ 
fee  paid^^icr:!__.cts. 

Fraiik .yL^ 


f.   PerisbaUe^ 


Eg{t 


RECEIPT  FOR  INfiURED  MAIL 

DOMESTIO  (Inoludin«  CmuwU  »nd  NawfoandUnd) 
FEEI  INDEMNITY 

Sc _. — _. __._ Value  up  to     $S 

lOc Valuaupto  S25 

ISc Valu«  up  to  iSO 

25c« Valu«  up  toSlOO 

30c - Value  up  to  S150 

35c V«Iueupto$200 

*  Maximum  eharsaabl«  to  Npwfouudland.  Apply 
»tpo«t  ofFic«  windovr  for  Informatioa  conoernlng  W«« 
Api>lio*bU  to  inaurad  mail  for  (oraica  oouatri««. 


OPO 


16—1328« 


Fee  paid  for  relum  recdpi . 

Resiricte4  deCrcry  fee dl. 

Special  deÜTcry  fe« ... d^ 

SpcdaJ  haMlIüit  äkUf cts. 

Aeeaptinc  amptoyM  wlU  pl*oa  bla  laitlala  in  •immmc  »p|>lla*bl«  to  tadloaU  andaraamaatc  aad 

Inwrt  tha  («at^paid. . 

*~lr)ta  aanda« ahoulcrwrit«  tba  näm« ortb«aclraäaaiMT>»öFiar«of  a« mn  idanUftoation.    ^nmrrt 
«ad  aubmit  tbJa  raaaipt  in  oaaa  of  iBqoiry  or aggliOfttloa  tat  iadionlty.    Xademoity  elftima  muat  b« 
'  — ttkia  0  Boatba  tnm  dat«  el  ir*"'"t- 


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POSTMASTER, 


By, 


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00RRE08  Y  TELEQRAF08 
tftMVlOlO  <>0»1AL 
'^s.      R.     ARQfeNTINA 


R 


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IFICADO. 


nfttnero  dt   impotrtd«. 
«  r  dlr«oci6n  dd  dettinatarto- 


AR 


€0RRE08  Y  TELEQRAF08 
ifcRVIOlO  i*OSTAl. 


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h.  'arg 


Hsr^ 


ICADO. 


DO  lerft  po«(ble  nln» 
MIM  r«damad^M(bflfti4(fra^ttrto  de  latCffrtifioado» 
§•  rice  ezdutiTamayu^vl'el  naniero  de  tmpo«ci6iL 
AmoU  al  ff«T«rao  d  nombr«  y  dlreoo6n  del  destinaUfio. 


^    ^ 


AR 


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C0RRE08  Y  TELEQRAF08 

/    f       S£RViClO  POSTAL 
*  R.     ARQENTIN 

RECIBO  D 

Firm«  d«l  «m 


R 


OvArde  este  com 
guna  redamaciön  pu 
•e    rige    exclusiTamcm 
mX  •«▼•rao  •! 


AR 


potfblc  nia* 
lateertifioado« 
,dc  itnpo«>d6a. 


*Vi 


{ 


(TO  BE  RETAINED  BY  PURCHASER) 

MEMORANDUM  OF  CHEQUE 

Issued  subject  to  Conditions  printed  on  back  hereof 

CAUTION— SEND  CHEQUE  BY  REGISTERED  MAIL 

We    have 

thi»  day      VT( 


Date 
Payee 
Drawn  on 


135151 


At  (Place) 
For  ( Amount) 


At  Rate  of  Exchange 

Charges  (if  any) 

Foreign  Air  Mail  Postage  (if  any) 

SEA  ^^^., 
TO    BE    ADVISED    BY    aIR  MAIL 

\Uarh  out  »ervice  I^OT  toJke  u»ed 


Sold  to 
Address 


^For 


Name  and  Ad(^es8  of  Issuer  aai  iir>  Ao< 

,,„ed  i^NIVERr^iT-  1-^. ■■■.:...-  b...-K.  CHICAG' 

At State 

(5016.  SERIES  F  )    PRINTED   in  U.  S.  A. 


AGREEMENT 


THE  CHEQUE  SPECIFIED  IN  THE  MEMORANDUM  ON  THE 
OTHER  SIDE  HEREOF  IS  ISSUED  SUBJECT  TO  THE  FOL- 

LOWING  CONDITIONS: 

It  is  understood  and  agreed  by  and  between  the  Iisucr  of  this 
Cheque  and  the  person  (herein  referred  to  as  the  Retnitter)  to 
whom  thit  Memorandum  and  the  Cheque  referred  to  herein  ace 
iuued,  that  the  trantaction  is  subject  to  the  foUowing  conditions : 

1. — If  the  Cheque  referred  to  herein  is  paid  in  accordance  with 
the  laws   and    usage  of    the   country   in    which   it  is    cashed,  guch 

f>ayment  shall   be  deemed   to  be  due  and  proper  for  all   purposes. 
In  certain  foreign  countriet  Identification  of  the  payee  or  holder 
of  a  Cheque  it  not  required  in  order  to  secure  payment.) 

2.—U  for  any  reason  said  Cheque  is  not  paid  by  drawee  and  i« 
presented  to  the  Issuer  for  refund,  the  Remitter  will  accept  refund 
on  the  basis  of  the  market  buying  rate,  at  place  of  issuance,  on  the 
date  o^  refund,  for  the  foreign  money  specified  on  the  Cheque, 
IcM  any  charges  and  expenses  incurred  on  behalf  of  the  Issuer. 

3«~"lni  tl*e  event  that  this  Cheque  is  lost,  stolen  or  destroyed,  no 
"refund  will  be  made  until  the  daimant  has  furnished  a  satisfactory 
bond  of  indemnity. 

4. — Any  alteration  or  mutilation  of  this  Memorandum  or  of  said 
Cheque  by  any  person  will  render  the  entire  transaction  void. 

5.— Nothing  contained  in  this  Memorandum  shal!  be  deemed  a 
waiver  of  the  Obligation  and  duty  of  the  holder  of  the  Cheque  to 
present  the  same  for  payment  promptly  to  the  drawee  and  to  Pro- 
test the  same  in  the  event  of  its  non-payment. 

6.— TKe  face  of  said  Cheque  and  the  conditions  printed  on  this 
Memorandum  State  the  exact  obligations  of  the  Issuer  and  shall 
not  be  altered  or  supplemented  in  any  manncr.  No  oral  or  col- 
lateral  agreement  shall  bind  the  Issuer. 


^' 


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\ 


Btienarenser  von  Eugenio  seike 

Manchmal  lesen  wir  hier  drüben,  was  in  Europa  ao  über  Argen- 
tinien gedruckt  wird.  Wenn  man  von  einiger  Speziallitcratur 
absieht,  bleibt  herz^lich  wenig  übrig,  was  erstens  Anspruch  aul 
Wahrheit  hat  und  römisch  II  ~  wie  Pallenberg  sagen  ^«ie  "- 
überhaupt  auch  nur  lesenswert  wäre.  Nicht  nur  die  ^genannten 
authentischen  Berichte  über  Argentinien,  sondern  auch  ziemlich  alle 
Filme  die  Argentinien  behandeln,  einschließlich  der  Superproduktion 
der  li.  S.  A.  („Der  Gaucho".  ..Seftorita;  et  cetera)  sind  nichts  als  ve^ 
schrobene,  unwahre  ZerrbÜder  eines  Landes  und  ein^s  Volkes,  wie 
CS  gar  nicht  existiert  und  auch  nicht  existiert  hat. 

Es  gibt  nichts  Nüchterneres,  nicht  Langweiligeres  als 
Buenos  Aires  Eine  Zweimillionenstadt,  die  in  kulturellen  Dingen 
kaum  Anspruch  hat.  mit  Königsberg.  Bukarest  oder  Reyal  in  emem 
Atem  genannt  zu  werden.  Die  Großstadt  dokumentiert  sich  natur- 
lich in  geschäftlicher  Beziehung,  in  dem  Riesenverkehr  aui  den 
Straßen,  in  dem  Hochbetrieb  der  Prostitution.  Letztere 
auf  ein  paar  hundert  Meter  Straßen  zusammengedrängt  und  ao 
den  Anschein  erweckend,  überall  vorherrschend  zu  sein.  Wenn  ea 
auch  wohl  dreihundert  öffentHche  Häuser  in  Buenos  Aires  gibt,  so 
muß  man  gleichzeitig  berücksichtigen,  daß  e«  also  auch  nur  drei- 
hundert Prostituierte  in  diesen  gibt,  da  nach  Stadtgesetz  immer  nur 
eine  Frau  in  jedem  Hause  diesen  Beruf  ausüben  kann.  Daß,  andrer- 
seits.  die  Polizei  hier  immer  offene  Hände  hat  und  von  Zuhalteni 
tmd  Dieben  gerne  und  oft  Schmiergelder  nimmt,  laßt  sich  nicht  ab- 
streiten, aber  dies  ist  ja  bekanntlich  auch  in  andern  Städten  so. 

Wera  ir^^nd  jenipnid  in  EiiTop$t  e«:  ab^r  wAgt,  einige.  Wahrhcitci: 
übet  Argentinien  im  allgemednen  und  über  die  deutsche  Koioni« 
in  Buenos  Aires  im  besondern  zu  schreiben,  wie  zum  Beispiel  1^  rau 
Alice  Schalck  in  ihren  Berichten,  so  erheben  die  armen,  sich  ge- 
troffen fühlenden  Landsleate  uniscLO  Protest.  Dann  stind  sich  sogar 
die  wie  Hund  und  Katze  lebenden  beiden  deutschen  Zeitungen  hier 
einiö  Wenn  die  etwa  dreißigtaus^ind  Deutschen  hier  auch  politisch 
differieren,  so  stehen  sie  doch  kultureU  auf  dem  gleichen  Niveati. 
Und  das  ist  dasjenige  von  19ia,  wenn  wir  nicht  noch  weiter  zurück- 
datieren wollen.  Die  geistige  Kraft  der  neueinwandernden  Intel- 
lektuellen zerbricht  an  dem  Spieliertum,  dem  Schema  F  und  dem 
Dummstolz  unsrer  Undsleute.  Die  deutsche  Kolonie  duldet  nichts, 
was    über   den    Rahmen   des    täglichen  Eseltrotts    hinausgeht 

Dem  einwandernden  Deutschen  wird  das  Leben  nicht  grade 
leicht  gemacht.  Im  Gegenteü  ...  Und  wenn  es  ihm  schließlich  ge- 
lingen sollte,  in  einer  der  deutschten  Großfirmen  unterzukommen,  so 
erhält  er  ein  Gehalt,  von  dem  er  kaum  leben  und  seme  Wasche- 
rechnung bezahlen  kann.  Dafür  abar  muß  er  auch  noch  auf  Schwarz- 
weiß-rot  schwören.  Einig,  einig,  einig  sind  hier  die  meisten  Deut- 
schen: im  Biertrinken,  im  Spießbürgertum,  im  Dummstolz.  Nur 
mit  dem  Unterschied,  daß  es  die  ^dchen  aus  Überzeugung  sind, 
während  ein  Prozentsatz  der  Abhät  gen,  der  Not  gehorchend,  mit- 
tun   muß    und  schließlich   damit   aiis   reiner   Gewohnheit  iortlahrt  • . . 

Fast  85  Prozent  der  hiesigen  Deutschen  sind  rechts  gerichtet, 
fast  noch  rechtser  als  rechts,  deun  selbst  die  hier  geborenen,  noch 
nicht  geschlechtsreif.*!  teutschen  J'inglinge,  renommieren  und  sauten 
für  Kaiser  und  Rei<^.  Daß  diese  Firma  längst  liquidiert  hat,  stor4 
sie  nicht  weiter.  Der  „StahlhUm"  blüEt  und  gedeiht  m  Buenos 
Aires,   man   weiß  nur  nicht  wofür  und  weshalb. 

295 


/ 


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Man  katin  nicht  b^hauptea,  daB  die  hiesigen  Deutschen  «ich  bei 

M^AtV^^'^AT  ^''^''t.  ^'^i>^^^^^'  ^^^retieZ  Eher  die  deXhen 
Madchen  und  Frauen.  Denn  die  Portefios  (Buenarenser)  haben  s^hr 
schnell  herausgefimden,  daß  sie  sicii  sehr  leicht  -  wie  ^^t  man  so 
schön  -  flirten  lassen  Der  Gent  von  Buenos  Aires  ist  von  mor- 
|ens  bis  morgens  darauf  bedacht,  auf  der  Straße,,  im  Bureau,  in  der 
Straßenbahn  dem  weiblichen  Geschlecht  Zoten  zuzuflüstern  oder  un- 
auffällig emen  gemeinen  Griff  zu  riskieren.  Der  Hunger  nach  dem 
Weib  steht  ihm  in  den  Augen,  und  er  versäumt  keine  Geleijenheit. 
Ihn  zu  s  illen  oder  aufzureizen.  Für  eine  Frau,  die  auf  sich  hält 
ist  es^  auf  den  beleble.>tcn  Straßen  unmöglich,  aUein  zu  gehen,  ohne 
-wörtlich!  -  auf  Schritt  und  Tritt  belästigt  zu  werden.  Gemein- 
öeiten   zu   hören,   Männerhände  an   ihrem   Körper   zu  fühlen 

EHe  Argentinierin  jedoch  hat  dies  Ansprechen  auf  der  Straße, 
die  offene  Begehrlichkeit  der  Männer  gern,  würde  erschreckt  s^in, 
wenn  an  einem  Tage  ihr  niemand  kleine  Cochonnerien  zuilüstern, 
niemand  vcrsuch^a  würde,  mit  ihrem  Fleisch  in  Berührung  zu  kom- 
men.    Das   hieße,   sie   wäre   redzloa,   häßlich... 

Über  die  argentinische  Frau  sind  viele  Märchen  im  Umlauf. 
Mag  sein,  daß  der  Kern  gut  ist,  aber  bei  der  heutigen  Erziehung 
—  soweit  man  überhaupt  von  Erziehung  sprechen  kann  —  wird  sie 
nur  zur  Puppe  und  meist  zur  käuflichen  Puppe  dressiert.  Geistige« 
hei   den   hiesigen    Frauen   zu   suchen,    wäre    genau   so   zwecklos   wie 

lon^.L    ••   l^  .P/'''P5^1^^f"'i  "^^"^  ^^^^'^  ^^*   ™it   materiellem    Vor- 
teil verknüpft  ist     Mitgiit  kennt   m^n   in  Argentinien   kaum,   deshalb 
bemuhen   sich  alle,   sich   so    günstig   wie    möglich    zu   verkaufen.     Es 
gibt  hier  |a  relativ  wenig  Frauen,  und  so  werden  die  Mädchen  vjdÄ 
Jugend  auf  zwangsweise   von  Männern  abgeschlossen,  und  nur   SiJn- 
tags  vor  der  Kirche  dürfen  diese  den  Mädchen  Zoten  zuflüstern,  olme 
daß  die  Eltörn  oder  Begleiterinnöta   daran  Anstoß  nehmen      So   wer- 
den die    jungen    Dinger  darauf   vorbereitet,   daß    sie    eine    wertvolle 
Ware    sind.      Das   Zusammenleben    ohne    staatliche    Konzession    ist 
noch  durch  keine    PoUzeivorschriften  beschränkt,   und   so   stehen  die 
brauen  vor  der  Wahl,   sich  entweder  gut  zu  verheiraten  oder  besser 
zu  verkaufen  und  vice  versa,  wobei  der  pekuniäre  Vorteil  immer  den 
Ausschlag  geben  wird      Da  ^iie  Argentinier  ja  von   Natur   aus   stark 
erotisch  veranlagt  »ind,  so  sucht  der  weibliche  Teil  das  Angenehme 
mit    dem    Nützlichen    zu    verbinden.      Staatlich    konzessionierte    Ab- 
steigequartiere (Casa  Amueblada),  die  öffentUch  ihre  moderne  hygie- 
nische  Apparatur   anpreisen,    erleichtem  das   ungemein.    Wenn   eine 
Argentinierin,   einerlei   welchen    Standes    oder    ob    verheiratet     oder 
nicht,    einem  ihrer    Kavaliere   ein   Rendezvous   bewilligt,    so  setzt  sie 
als  selbstverständlich  voraus,  daß  dies  eben  in  einer  Casa  amoieblada 
endet,  und  wenn  dies  nicht  der  Fall  sein  sollte,  wird  der  prüde  oder 
schüchterne   Galan   überall  lächerlich  gemacht.     Es   ist   nicht    übhch, 
sich    nur    zum  harmlosen    Flirt    zu   treffen,   denn   da    lohnt    sich    das 
Risiko    des    Fortschleichens,     der    Ausreden,     des     Gesehenwerdens 
nicht . .  . 

Für  kulturelle  Dinge  hat  der  Argentinier  keine  Zeit,  wenn  er 
auch  zu  jeder  Tageszeit  Straßen  und  Kaffeehäuser  füllt.  Die 
Theater  brmgcn  fast  ausschließlich  Revuen  oder  schlechte  Burlesken, 
m  denen  möglichst  viel  nacktes  Frauenfleisch  gezeigt  wird.  Dramen 
sind  Luxus,  Kunst  ist  für  die  Reichen,  Bücher,  die  wohl  nirgends 
so  billig  sind  wie  in  Argentinien,  werden  nur  gelesen,  wenn  sie 
derbe  Erotik  enthalten.  Es  gibt  natürlich  Auv.iahmen,  aber  in  der 
Regel  beschränkt  sich  das  Interesse  des  Buowarensers  auf  grobe 
Sexualität,  GlückspieL  Sport  und  Politik,  während  die  Damen  in 
Mode  und  Glückspielen  aufgehen  und  in  der  Liebe,  wenn  sie  blanke 
Münze   einbringt   und   ohne   Risiko   ist . . . 

296 


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RECIBO  DE  CERTIFICADO. 


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ei  caraod«   (atc«rtifioB4os 

d    nftrnero  de  \mp(jmt^4tL 

dlreoci6nd«l 


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*  R.   ARGENTINA 

RECIBO    DE   CERTIFICADO 

Firma  del  empleado  reci 


Guartle  e«te  vomprobante.  _, 

Runa  reclamaciön,  pui'sto  que  el 
se  rige  exclusivamente  por  el 
Anote  ^1  reveno  el  nombre  y  dir 


AR 


CORREOS  Y  TELrGHAFOS 

SERVICIO   POSTAL 

ARGßNTINAl?o^^ 

'ßO  DE  CERTIFICADO 

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aprcbaiito.  Sin  Hydo  umrA  nnalhl 

ciön,    KaotmAl    rrr«rao 
aMtjDatari< 


I. 


För.   1450  A 

CORft^EOS  Y  TELEGRAFOS 

^  SERVICIO    POSTAL 

ARGENTI/MA 


ECIBO  DE  EXPRESO^ 


Firma  del  empleado  recibidor 


ae  nge  exciu.ivxm-nte    do?  !i   LS  ^j    '?'  •*P'" 


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Prix  de  passage. 

Puisque  le  luxe  est  evite,  le  prix  Je  passage 
est  modere  dans  les  mesures  du  possible.  Un 
tarif  de  passage  est  envoye  sur  demande. 
Pour  de  plus  amples  renseignements  soit 
verbalement  ou  par  ecrit,  on  e^st  prie  de 
s'  adresser  a  \ 

VAN  NIEVELT,  GOUDRIAAN  &  CO'? 
STOOMVAART  MAATSCU1APPIJ 


VEERH AVEN     2 


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and  Bubfuit  thia  receipt  in  case  of  inquiry  (VÄ^pbonl-ion  for  indeinnity. 

RecLstry  Fees  and  Indeninity. — Doniestiorn'j^i.stry  fees  ränge  from  15  cents  for  indemnity  not 
oxceeding  $5  up  to  $1  for  indemnity  not  excAedluK  $1,000.  The  fee  on  dornestic  registered  inatter 
without  intriosic  valuo  and  for  which  indernmty  is  not  paid  ia  15  cents.  Consult  poHtmiister  us  to 
tbe  specific  dornestic  reKistry  fees  und  surchar^  and  aa  to  the  reKiatry  fees  charjceablo  on  ro';i8tercd 
parcel-post  packaKee  for  foreign  countries.  Feap  on  dornestic  regiatered  CO.  D.  iiiiiil  ränge  fron» 
26  centa  to  $1.20.  Indemnity  claims  rnust  be  filed  within  one  year  (C.  O.  D.  six  months)  from  dato 
of  mailing. 


U.S.  SOVERNMENT  PRINTING  OFFICE 


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PATE KIND  OF  SÄLE SECTION SALE8PERSON 

/s-f -^'vU  &im4  I //    3^^^  r:> 


AMOUNT  OF  SÄLE 


Wrmr^  62702-48 


CUSTÖWWS  RECEIPT  FOR  CASH  AND  EVEN  EXCHANGE  TRANSACTIONS 
IN  CASEt  OF  INQumY  PLEA8C  PRE8ENT  THIS  MEMORANDUM 


I 


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c    , 


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(TO  BE  RETAINED  BY  PURCHASER) 

MEMORANDUM  OF  CHEQUE 

Issued  subject  to  Conditions  printed  on  back  hereof 
CAUTION-SEND  rMPnME  bY  REGISTERFH  ma.. 

We    have  ~ 

Da.e.3y^ ,9i^;:{::  N^^   2J24286 

Payee . 


u 
ü 

Z 

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At  (Place) 

For  (Amount)__y^^ 
At  Rate  of  Exchange. 
Charges  (if  any) 


Foreign  Air  Mail  Postage  (if  any) 


—  $. 


Z^ 


TO    BE   ADVISED    BY  ^^^  MAIL 
[Mark  out  Service  ^0T  to  be  used.) 


Sold  to 
Address 


Total  $. 


A3. 


(5016.   SERIES  F)    prinho  IN  U,  s'a 


AGREEMENT 


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THE  CHEQUE  SPECIFIED  IN  THE  MEMORANDUM  ON  THE 
OTHER  SIDE  HEREOF  IS  ISSUED  SUBJECT  TO   THE  FOL. 

LOWING  CONDITIONS: 

It  is  understood  and  agreed  by  and  between  the  lasuer  of  this 
Cheque  and  the  person  (herein  referred  to  as  the  Remitter)  to 
whom  thit  Memorandum  and  the  Cheque  referred  to  herein  ate 
issued,  that  the  transaction  is  subject  to  the  foUowing  conditions: 

1. — If  the  Cheque  referred  to  herein  is  paid  in  accordance  with 
the  laws  and  usage  of  the  country  in  which  it  is  cashed,  such 
payment  shall  be  deemed  to  be  due  and  proper  for  all  purposes. 
(In  certain  foreign  countries  identification  of  the  payee  or  holder 
of  a  Cheque  is  not  required  in  order  to  secure  pa-yment.) 

2. — If  for  any  reason  said  Cheque  is  not  paid  by  drawee  and  is 
presented  to  the  Issuer  for  refund,  the  Remitter  will  accept  refund 
on  the  basis  of  the  market  buying  rate,  at  place  of  issuance,  on  the 
date  of  refund,  for  the  foreign  money  specified  on  the  Cheque, 
less  any  charges  and  expenses  incurred  on  behalf  of  the  Issuer. 

3. — In  the  event  that  this  Cheque  is  lost,  stolen  or  destroyed,  no 
refund  will  be  made  until  the  daimant  has  furnished  a  satisfactory 
bond  of  indemnity. 

4« — Any  alteration  or  mutilation  of  this  Memorandum  or  of  said 
Cheque  by  any  persoa  will  render  the  entire  transaction  void. 

5. — Nothing  contained  in  this  Memorandum  shall  be  deemed  a 
waiver  of  the  Obligation  and  duty  of  the  holder  of  the  Cheque  to 
present  the  same  for  payment  promptly  to  the  drawee  and  to  pro« 
test  the  same  in  the  event  of  its  non'payment. 

6. — The  face  of  aaid  Cheque  and  the  conditions  printed  on  this 
Memorandum  State  the  exact  obligations  of  the  Issuer  and  shall 
not  be  altered  or  supplen\ented  in  any  manner.  No  oral  or  col« 
lateral  agreement  shall  bind  the  Issuer. 


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BE  SURE  TO  WRITE  YOÜR  NAME  AMD>ODkcSS>U|MlY  UN  ihE  üNES  BELOW 

FROM 


Deposit  By  MalU  —  Vou  wUl  find  U  exceedingly 
easy  if  you  use  this  special  Deposit  Slip  Envelope 
provided  for  your  convenience  and  follow  these  simple 
instructioHS. 

1.  Pill  out  the  deposit  slip  at  the  left,  in  the 
usual  manner. 

2.  Endorse  checks  in  thIs  way: 

Pay  to  the  order  of 

South  Side  Bank  6f  Trust  Co, 

(Your  signature) 

3.  Encloee  checks,  etc.   in  pocket  of  envelope, 
seal,  stamp  and  mail. 

4.  When   you   iiave   currency  to  deposit,   pur- 
chase   Money   Order   payable  to   the   Bank. 

Y<mr  deposit  will  he  acknowledged  with  the  receipt 
below,  at  which  time  a  new  Deposit  Slip  Envelope  will 
be  sent  you. 


♦ 


MAIL  DEPOSIT   RECEIPT 

Depositor  Will  Please  Not  Use  This  Space 


Chicago,  Illinois,. 


We  credit  your  ^»»•^king  ^ccount  this 

'  Savings 

day,  as  per  name  and  address  on  reverse 


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side  of  this  receipt  with  $. 


Thank  you, 


South  Side  Bank  &  Trust  Co. 


Per. 


SSPSf  •ül^*'******  »•  ««dlt?d  opndl«on»IIy  and  not  finallr 
«•nce,  or  for  loaa  of  iUmm  in  the  "»»"  "»""«  "f  «•««• 


P«t.  1984,  Wm.  Cbemey  ft  Astoo.,  Inc..  Chgo. 


Robert  E.  Sweeney 


REPRESENTINO 

Chicago  Motor  Coach  Co. 


4221    DIVERSEY   AVE. 
CHICAGO.   ILL. 

SPAULDING    8860 


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PLACE 

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South  Side  Bank  &  Trust  Co. 


4659  COTTAGE   GROVE  AVENUE 


Chicago  15,  Illinois 


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Mall  Depoiit  Slip— Deposited  With 

SOUTH  SIDE  BANK  &  TRUST  CO. 


Name. 


Address. 


Chicago.  Illinoti,. 


194. 


IN  ■CCEIVINQ  ITEM8  rOR  OfPOSIT  OH  COLLtCTIOM,  TH18  iANK  ACTS  OHLY 
A«  DE rol^TORTcOLLECTiNO  AGENT  AND  ASSUME8  NO  RE9P0NSH1LITY  lEVONO 
tS»  EXERcfsE  OF  DUE  CA«.  ALL  ITEMS  ARE  CREOITED  CONO.T.ONALLY  AN» 
InLecTTO  FINAL  PAVMENT  IN  CA8H  OR  SOLVENT  CREDITS  IN  THE  EVENT  OF 
!ÖS1«aRd!nQOF  ITEMS  RECElVtO  FOR  COLLECTION  TO  C0RRESP0N0ENT8. 
TmS  >ANrA8SUM«  NO  RESPONSIBILITY  EXCEPT  FOR  OUE  CARE  IN  THE  SELEC- 
T^ON    OF    SUCH    CORRESPONDENTS    AND    WILL    "«T    «  ^^i*»'-^./^?    H*y    SEN» 


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usual  manner. 
2.  Endorse  checka  in  this  way: 
Pay  to  the  order  of 
Souih  Side  Bank  &  Trust  Co, 
(Tour  ßignature) 

3.  EncloBe  check«,  etc.  in  pocket  ol  envelope. 
seal.  Btamp  and  mall. 

4.  When  you  have  currency  to  Deposit    i^- 
chase  Money  Order  payable  to  the  Bank. 

Your  deDosit  will  be  acknowledged  with  the  receipt 
häZ.  at^whichhme  a  new  Deposit  Slip  Enväope  will 
be  sent  you.  ^ 

MAIL  DEPOSIT  RECEIPT 

D»poilter  Will  PI»««»  No»  U$»  TM»  Sp«c« 


Chicago,  Illinois,. 


We  credit  your  ^j'^/^jj'^  account  this 
day,  as  per  name  and  address  on  reverse 

side  of  this  receipt  with  $ • 


Use  Col.  (I)  for  Checking.  Use  Col.  (2)  for  Savings» 


Thank  you, 
South  Side  Bank  &  Trust  Co. 


Per. 


NOnCB.— Deposit»  are  credited  oondltionally  aod  »o*  ^g^S 

will   UM  due   diUsenoe  in   ita  endeavor   to  .select  ««"»»»""SP 
SentoTbut  will  ^t  be  liable  in  oa«e  of  their  fwlure  or  M«li- 
senoe.  or  £or  Iom  of  item«  in  the  maU, 
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Ftt.  W84.  Wm.  Chemaj  *  Asm©..  H»..  Chga, 


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SOUTH   BiDE   BANK  &  TRUBT  CD. 

46B9   ODTTAaE  DROVE   AVENUE 


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CHICAGO   15,  ILL. 


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(TO  BE  RETAINED  BY  PURCHASER) 

MEMORANDUM  OF  CHEQUE 

Issued  »ubject  to  Conditio!»  printed  on  bacli  her«.« 
eaUTION-SFND  CHEQUE  BV  HEGISTERED  MAIL 

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For  (Amount)  — 


At  Rate  of  Exchange 
Charles  (if  any) 

ForeUn  Air  Mail  Postage  (if  any) 

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TO   BE   ADVISED    BY    aIR  ^^^^^ 
(Mark  out  »crvice  JSOTjo  he  u»ed 


Sold  to-i. 
Address 


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(5016.  SERIES  F)    PRINTED  IN  U   S  A. 


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ALIEN   REGISTRATION 
ADDRESS  REPORTS 

The  Alien  Registration  Act, 
1940,  requires  all  resident  aliens 
to  report  each  change  of  address 
within  5  days  of  such  change. 
Other  aliens,  for  example :  Visi- 
tors,  students,  and  others  not 
admitted  for  permanent  resi- 
dence  in  the  United  States,  must 
report  their  address  every  three 
montha  whether  they  changre 
their  address  or  not.  A  penalty 
of  fine  and  imprisonment  is  pro- 
vided  by  law  for  failure  to  make 
the  required  reports.  When 
reportin g,  give  both  your  number 
and  name. 


PLACE 

1CENT 

STAMP 

HERE 


DEPARTMENT  OF  JUSTICE, 

IMMIGRATION  AND  NATURALIZATION  SERVICE, 
AUEN  REGISTRATION  DIVISION, 
WASHINGTON,  D.  C. 


16—10437 


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Form  AR-11 

ADDRESS  REPORT  CARD— ALIEN  REGISTRATION 
(This  Card  may  be  used  for  both  types  of  reports  mentioned  on  the  face  of  this  card) 


Name  (print  or  type) 


Registration  No ._ 

(COPY  FROM  REQIBTRATION  RBCEIPT) 


My  last  address  was 


(STREET  ADDRESS  OR  RÜRAL  ROUTE) 


(POST  orricE) 


(STATE) 


My  present  address  is 


(STREET  ADDRESS  OR  RURAL  ROUTE) 


(POST  OFFICE) 


(STATE) 


Date  .... 


Signature 


16 — 16437         OPO 


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NOTICE  TO  DEPOSITORS 

"In  receiving  items  for  deposit  or  collection, 
thia  Bank  acts  only  as  clepo«itor's  coUecting  agent 
and  assumes  no  responsibility  beyond  che  exercise 
of  due  care.  All  items  are  crediced  conditionally 
and  subjecc  to  final  payment  in  cash  or  solvent 
credits  in  the  event  of  forwarding  of  items  received 
for  collection  to  correspondents.  This  Bank  as- 
sumes no  responsibility  except  for  due  care  in  the 
selection  of  such  correspondents  and  will  not  be 
liable  for  losses  in  transit.  This  Bank  or  any  cor- 
respondent  selected  by  it  may  send  items  directly 
or  indirectly  to  any  Bank,  including  the  payor,  and 
accept  its  draft  or  credit  as  conditional  payment  in 
lieu  of  cash;  it  may  charge  back  any  item  at  any 
time  before  final  payment,  whether  returned  or  not, 
also  any  item  drawn  on  this  Bank  not  good  at 
the  close  of  business  on  the  day  deposited.'' 

All  items  drawn  on  Chicago  Banks  subject  to 
payment  through  Chicago  Clearing  House  accord- 
ing  to  its  rules.  AH  items  payable  through  any 
Fcderal  Reserve  Bank  or  Clearing  House  Associa- 
tion will  be  subject  to  payment  according  to  their 
rules.  Delivery  to  this  Bank  of  items  for  credit 
shall  constitute  acceptance  of  these  conditions. 


Checking  Accounts 


Savings  Accounts 


Time   Certificates 


Foreign  Exchange 
Drafts  issued  on  all   Countries 


Travelcrs  Checks 
Payable  in  any  part  of  the  world 


Safety  Deposit  Boxes 


Banking  By  Mail 

We  acknowledge  receipt   of  all 
deposits   received    by    mail 


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ALL     DEPOSITS     ARE,    MADE      SUBJECT      TO      THE      REOULATlONS     OOVERNINO 
DEPOSITS    AND    WITHDRAWAL8    IN    THE    SAVINOS    DEPARTMENT   OF  THIS    BANK 


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ALL     DEPOSITS     ARE      MADE      SUBJECT      TO      THE      REOULATlONS     GOVERNING  • 
DEPOSITS    AND    WITHDRAWALS    IN    THE    SAVINOS    DEPARTMENT    OF   THIS    BANK 


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South  Side  Bank  8c  Trust  Co. 
chicago.  ill. 

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ALL     DEPOSITS     ARE     MADE      SUBJECT      TO      THE      REOULATlONS     OOVERNINO 
DEPOSITS    AND    WITHDRAWALS    IN    THE    SAVIN08    DEPARTMENT   OF   THIS    BANK 


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NO. 


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ALL      DEPOSITS      ARE     MADE      SUBJECT      TO      THE      REOULATlONS     OOVERNINO 
DEPOSITS    AND    WITHDRAWALS    IN    THE    SAVINOS    DEPARTMENT   OF   THI8    BANK 


SOUTH  SIDE  BANK  8C  TRUST  CO. 


RULES    GOVERNING   SAYINGB 
DEPOSITS 


1.  OepMlt».  Savingi  depoiiti  of  one  dolUf  and  upwardi  may 
be   reoelved. 

All  depoaiti  shall  be  entered  in  the  booki  of  the  Bank,  and  alao 
in  a  book  given  to  each  depoaltor.  and  tbe  aame  itiaU  be  tlie 
voucher   and   evidence   of    auch   d«posita. 

2.  Withdrawalt.  Money  depoaited  for  lafingi,  and  the  int«r- 
eat  thereon  may  be  withdrawn  by  the  depoiitor  perionally,  or  by 
written  order,  if  the  Bank  have  the  signature  of  the  depositor  of 
record,  or  by  authority  of  a  power  of  attorney,  duly  authentlcated; 
but  no  Orders  for  money  shall  be  payable  on  account  of  auch  de- 
poiiti, unless  the  depoaitor's  bank  book  be  produced,  in  order 
that  auch  paymenta  may  be  entered  therein,  unleaa  the  depositor 
shall  prove  to  the  aatiafaction  of  the  offlcers  of  the  Bank  that 
auch  book  haa  been  lost,  atolen  or  deatroyed.  and  in  auch  caae 
a  written  discharge  with  indemnlty  to  ttie  Bank  againat  all  loaa 
or  damage  for  the  payment  made  without  the  production  of  auch 
bank  book.  shall  be  given  by  the  depositor  to  the  Bank.  Begin- 
ning  October  lat,  1944  Pour  (4)  savlnga  withdrawala  are  pennit- 
ted  each  month.  A  Charge  of  25c  will  be  made  for  each  wltb- 
drawal   in   ezcesa  of  the   4th   permitted. 

3.  Paasboeks.  Ab  the  offlcera  of  the  Bank  may  not  be  abl« 
to  Identify  every  depositor,  and  aa  the  possession  of  the  depoai- 
tor'a  book  may.  if  in  improper  handa,  tend  to  mialead  the  aaid 
offlcera  in  making  paymenta,  the  Bank  will  not  be  responsible  for 
paymenta  to  anyone  having  the  depoait  book  and  not  entitied 
thereto,  if  preaented,  after  being  loat.  mialaid  or  atolen.  unleaa 
wiltten  notice  thereof  ahall  have  been  promptly  given  to  the  Bank, 
by  or   on   behalf  of   the   depositor. 

4.  DepMitor's  Assent  te  Rufet.  AU  peraona  making  deposita 
for  savings  must,  at  the  time  of  making  the  flrst  deposit.  leave 
their  signatures  on  record  wlth  the  Bank,  and  they  must  also  take 
a  deposit  book  in  which  thelr  deposita  are  to  be  entered,  as  made, 
and  every  such  depositor  by  so  depoaiting  ahall  be  deemed  to 
gfve  unconditional  assent  to  the  terma  and  conditiona  ao  far  aa 
the  aame   shall   appeaf  or   are  prlnted   in   the   deposit   book. 

5.  Intereat.  On  the  flrat  daya  of  January  and  July  in  each 
year,  intereat  at  auch  rate  as  may  be  flxed  from  time  to  time  by 
the  Board  of  Dlrectora  will  be  computed  and  credited  on  the  booka 
of  the  bank  and  payable  to  the  depositor  or  entered  in  hls  pass- 
book    on   or   after    the    tenth    day    followlng    auch    credit. 

Intereat  Is  computed  by  calendar  months  and  no  intereat  shall 
be  payable  for  parts  of  a  month  or  parts  of  a  dollar.  or  for  any 
part  of   the   half  year   included  between   the   flrst    days    of   January 


and  July  or  July  and  January  on  sums  withdrawn  between  those 
periods.  Interest  shall  not  be  paid  on  average  or  minimum  bal- 
ances,  and  all  withdrawala  between  the  interest  days  shall  bo  de- 
ducted  from  the  flrst  deposit«.  Savings  deposits  made  within  the 
flrst  ten  (10)  calendar  days  of  January  and  July,  and  the  flrst 
flve  (5)  calendar  days  of  all  other  months  shall  bear  interest  from 
the  flrst  day  of  the  calendar  month  within  which  auch  depoaita 
are  made.  Deposits  made  after  the  5th  day  of  every  ottier  calen* 
dar  month,  shall  bear  interest  from  the  flrst  day  of  the  calendar 
month    within    which    such    deposits    are    respectively    made. 

No  interest  shall  be  allowed  on  any  savings  account  for  any 
Said  slz  months'  period  on  which  the  interest  for  the  period  shall 
be    lest    than    one    dollar. 

6.  Return  tf  Deposits.  The  offlcers  of  the  Bank  shall  be  at 
Ilberty  to  return  at  any  time,  to  any  depositor,  any  part  or  the 
whole  amount  deposited  in  the  Bank,  for  which  the  depositor  may 
have  credit,  and  may  at  any  time  decllne  to  receive  deposits,  or  may 
limit  the  amount  of  deposits  to  be  received  from  any  person;  and 
It  is  hereby  provided  that  where  any  account  is  closed,  the  books 
and    vouchers    pertaining    thereto    shall    be    returned    to   the   Bank. 

7.  Notiee  «f  Withdrawala.  The  Bank  may  allow  moneys  tö  be 
withdrawn  or  paid  on  account  of  savings  deposits  at  any  time 
during  its  business  hours.  But,  because  it  is  necessary  to  loan 
out  its  funds  to  enable  it  to  pay  interest,  and  as  time  to  get 
in  the  same  may  sometimes  be  desirable,  this  Bank  thefefore  re- 
serves  the  rlght,  and  makes  it  a  condition  of  all  savings  depoaita, 
to  demand  and  have  aixty  days'  previous  notice  in  writing  as  a 
condition  of  payment,  on  all  sums  whenever,  in  the  opinion  of  the 
Direktors  or  any  of  the  offlcers  of  the  Bank,  the  same  may  be 
deemed  advisable;  and  payment  by  this  Bank  without  a  previous 
written  notice.  as  aforesaid,  shall  not  be  considered  a  waiver  of 
rlght  to  demand  such  notice.  All  savings  deposits  shall  he  made 
and  received  subject  to  these  conditions.  The  amount  that  may 
be  due  upon  accounts  shall  be  payable  only  to  the  depositof,  his 
or  her  order,  or  his  or  her  ezecutors,  administrators,  heirs,  lega- 
tees    or    assigns. 

In  the  event  that  a  savings  depositor  shall  decease.  and  the 
Bank  is  notifled  that  his  or  her  estate  is  being  admlnistered  up- 
on. in  a  County,  Probate  cm*  other  Court  having  Jurisdiction  there- 
of, the  amount  that  may  be  due  upon  such  deceased  depoaitor's 
account  shall  be  paid  to  the  executor,  adminlstrator,  legatees  or 
helrs  of  such  deceased  depositor,  only  when  the  Bank  has  been 
furnlshed  with  a  certifled  copy  of  letters  testamentary  or  letters 
of  acHninistration  of  the  estate  of  such  deceased  depositor,  which 
ahall    be    retalned    by   the    Bank. 

Joint  accounta  may  be  opened  and  depoaita  made  in  the  names 
of  t,wo  of  more  persona,  payable  to  them  iolntly  or  aeverally. 
Ruch  depoaits  or  any  part  thereof  or  any  intereat  or  divldend 
thereon,    may    be    paid    to    any   one    of    said    persons.    whetber    the 


othcr  or  otheri  b«  llvlng  or  not;  proTided  an  Agreement  ilgned  by 
all  the  peraons  to  such  an  account,  permitting  auch  payment,  haa 
been  given  to  the  Bank.  The  receipt  or  acqulttame  of  the  peraon 
or  persona  so  pald  shall  be  valld  and  aufflclent  dlscharge  from  all 
parties   to  the   Bank,   for  any  paymentg   ao  made. 

When  two  or  more  periona  have  an  account,  not  aa  Joint  ownera. 
i.  e.  John  Smith  and  Frank  Jonei,  no  paymenti  shall  be  made 
by  the  Bank  therefrom  without  the  written  order  of  all  the  per- 
sona   of   such    an    account. 

Only  one  deposit  book  shall  be  Isaued  by  the  Bank  on  Joint 
accounts   oi*  on   accounts   of   two  or    more   persona. 

Chari«   f«r   Temporary   Aeeeunts. 

When  a  savings  account  Is  closed  within  one  year  after  the  date 
of  openlng  the  account  a  servlce  Charge  of  one  dollar  ($1.00)  will 
be  made  against  it  to  reimburse  the  bank  for  the  cost  of  opening 
the   account. 

8.  Min«rt  and  Married  WaiMen.  Whenever  any  woman,  marrled 
or  afterward  becoming  so.  shall,  while  married  or  Single,  oflTer 
to  mnke  any  deposit  in  her  own  name,  and  whenever  any  minor 
shall.  in  bis  or  her  own  name.  ofTer  to  make  any  deposit,  in 
every  such  case,  the  same,  if  received,  shall  be  deemed  to  be 
oflTered  and  taken  upon  these  amongst  other  conditions,  that  is  to 
say:  That  thlt  Bank  may  pay  out  the  amounts.  or  any  part  thereof, 
so  deposited,  upon  the  written  order'  solely  of  such  person  or  per<- 
sons  making  such  deposita;  and  such  order  oi*  orders  shall  be  a 
füll  acquittance  and  dlscharge  to  this  Bank  for  what  Is  thus 
paid.  And  further,  that  such  accounts  shall  in  all  other  respects 
be  subject  to  and  be  governed  by  the  provisions  of  these  By-Lawg 
in  llke  manner  as  the  accounts  of  other  persons.  ezcepting  in 
those   particulars  conceming  whlch   special  provisions  may  be   mad«. 

9.  Inaetive  Aeeountt.  All  accounts  on  which  no  deposit  or  draft 
shall  have  been  made  for  ten  years,  shall  ceaae  to  be  entitied  to  any 
further  Interest  after  the  ten  years  from  the  last  deposit  or  draft. 
except    by    special    written    agreement. 

10.  Ltfal  Expenset.  All  ezpenses  Incurred  by  thli  Bank  on 
account  of  garnishment  of  any  depositor's  account  or  other  pro- 
ceedings  afTecting  such  account,  includlng  court  clerk's  or  at- 
torney's  fees.   shall  be   charged   up   against  such   depositor. 

11.  Claims.  No  one  shall  be  entitied  to  make  any  claim  upon 
the  Bank  upon  any  contract  or  act  of  any  of  its  Offlcers.  Agents 
or    Servants    not    in    conformity    with    its    By-Laws. 

12.  Banking  Haurs.  The  Offlcers  of  this  Bank  shall  from  tlme 
to  time  make  regulations  for  the  banking  hours  of  the  Bank,  and 
notice    of    such    banking    hours    shall    be    posted    in   the    bank. 

13.  Amendments  ff  Rufet.  These  rules  may  be  altered,  amend- 
ed  or  rescinded,  or  new  rules  made  at  any  time  and  from  time  to 
time,    by   dlrection   of   the   Board   of   Dlrectort. 


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OPA  Form  No.  R-803 


HOW  TO  USE  YOUR  WAR  RATION  BOOK 


IMPORTANT— Before  the  stamps  of  the  War  Ration  Book  may  be 
used,  the  person  for  whom  it  was  issued  must  sign  it  as  indicated 
m  the  book.  The  name  of  a  person  under  18  years  of  age  may  be 
signed  either  by  such  person  or  by  his  f  ather,  mother,  or  guardian. 

For  future  reference,  make  and  keep  a  record  of  the  serial 
number  of  your  book  and  the  number  of  your  issuing  Ration  Board 
0    as  indicated  in  your  book.  ' 


1 


Rat  on  Stamps     Other  books  may  be  issued  at  later  dates.     The  foUowing  instructio" 

T^C^  ''Tj!if'^f'-  '^^  *'"  *PP'^  *°  ^^  l**««-  ^^^'  ""•«««  otherwife  ordered  by 
the  Office  of  Pnce  Administration.  In  order  to  obtain  a  later  book,  the  first  book  must 
be  tumed  in.    You  should  preserve  War  Ration  Books  with  the  greatest  possible  care. 

.»^  ^:  ^°T  *!"'*'  *»  .*™*  *^  ^^"^  °*  ^"^^  Administration  may  issue  Orders  rationing 
certain  products.  After  the  dates  indicated  by  such  Orders,  these  products  c.n  be  pu,^ 
chased  only  through  the  use  of  War  Ration  Books  containing  valid  War  Ration  Stamps. 

„«./;  '^l  ^^''^  "^  ""/  ^^''*  "'  ^''"^  Administration  will  designate  the  stamps  to  be 
used  for  the  purchase  of  a  particular  rationed  product,  the  period  during  which  each  of 
these  stamps  may  be  used,  and  the  amounts  which  may  be  bought  with  each  stamp. 

3.  Stamps  become  valid  for  use  only  when  and  as  directed  by  the  Orders  of  the  Office 
of  Pnce  Administration. 

*•.  Unless  otherwise  announced,  the  Ration  Week  is  from  Saturday  midnight  to  the 
following  Saturday  midnight.  «      ■*»  mto 

II   att»  1 


«.  War  Ration  Stemps  may  be  used  in  any  retail  störe  in  the  United  States. 

the  War'^RltfofBÖof  "'^  """'  "^  ""'  ""'^  "'  "'  '"'  '"'  ^^'^  --«^  -<1  <^-Hbed  i„ 
7.  Every  person  must  see  that  his  War  Ration  Book  h  Ic^nf  in  «  «of^  «i 

SÄc^'"'^  ''^^  '-°-'^'*  ^-  ^'^  — ^-  -^  -  o^  t^:il':;^^"Ä 

K  a  stamp  ,s  torn  out  of  the  War  Ration  Book  in  any  other  way  than  abXe  indicated  it 

Srr  K  T  ;  • "  '  r^"""?«'!  P"*'''  '»'^"  °'  '""'"»'«<^  *"<»  "<"«  than  one  half  offt  reLlln, 
m  the  book,  it  is  vahd.    Otherwise  it  becomes  void.  remains 

thatL^t'oXTo^aS  "wd '''^*'  ''-'"''''•  ''"''"'  -  '""'"''*«'^'  ^-  ^^-^'^  -Po^ 

10.  If  you  enter  a  hospital,  or  other  institution,  and  expect  to  be  there  for  more  than 
W  days  you  must  tum  your  War  Ration  Book  over  to  the  person  in  Charge  U  wil  b" 
retumed  to  you  upon.  your  request  when  you  leave. 

11.  When  a  person  dies,  his  War  Ration  Book  must  be  retumed  to  the  local  Ration 
Board,  m  accordance  with  the  Regulations.  Kauon 

12.  If  you  have  any  complaints,  questions,  or  difficulties  regarding  your  War  Ration 
Book,  consult  your  local  Ration  Board.  «ation 

NOTE 

wk  ""it*";!'  ^'*'"'". '"  ^^  '*'"""  ^"^  0"'  "•"  ''*  ^<^  f"'  the  purchase  of  suwr 
When  .h.8  book  was  .ssued.  the  regis.rar  asked  you,  or  the  person  who  apphed  for  you'* 
book.  how  much  sugar  you  owned  on  that  date.  If  you  had  any  sugar.  you  were  a  Iowed 
to  keep  .t.  but  stamps  representing  this  quantity  were  torn  from  your  \Lk  (excep  for  « 
small  amount  which  you  were  allowed  to  keep  without  losing  any  stamps).  If  your  War 
Ration  Book  One  was  issued  to  you  „n  application  by  a  memb^r  of  your  fam  ly.  the  „"mb^r 
of  stamps  torn  from  the  books  of  thefamily  was  based  on  the  amount  of  sug.r  ownJd  by 
the  family.  and  was  divided  as  equally  as  possible  among  .11  these  book».  ^ 

"Ä      V.  t.  •ovtnumKttr  raiNTiN«  orpicc      10 — 96«4ft-l 


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BOMÜSA 


ADD«ES3j 


WOMM'S  DEPEITSB  CORPS  OF  AMERICA 


MAC  ARTHUR  CHAPTER 


Dear  Prlend: 


We  wish  to  thaiik  you  for  your  very  generous 
oontrlbution. 

Donatione  such  as  yours  help  to  malntain  our 
Service  Men's  Center. 


Thank  you  agaln. 


Yours  truly 


-  - 


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DearSubscribcr: 

Due  to  War  Conditions  we  have  becn  put  undcr  rc- 
strictions  such  as  tirc  and  gas  rationing.  our  young  men 
collectors  being  drafted.  our  carrier  boys  finding  füll 
time  employmcnt.  etc..  but  wc  arc  happy  to  comply 
with  these  rcstrictions  to  help  win  the  war,  so  you  can 
help  to  overcome  coUection  difficulties  by  mailing  your 
check  or  money  ordcr. 

STATEMENT 

John  H.Newman  Newspaper  A^ency 

81S  E.  471h  Street  OAKland   1263 


Dclivcries  from  / c^ 


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Daily  and  Sunday  Sun 
Daily  News 


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Note:     All  accounts   are  due  and  payable 
AT  ONCE. 

TO   RECEIVE    PROPER    CREDIT 

Retarn  Thi«  Card  Wilh  Your  Bemittonoe. 


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JOHN  H.  NEWMAN 

NEWSPAPER    AGENCY 

Oifldcd  Cairiar  Fot  Chicago  N«wspap«n 
818  EAST  47th  STREET 


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B«for«  5:30 
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B«for«  10:00 
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Chicago  Salesbook  Co.,  Chicago,  Illinois  12-784 


JOHN  H.  NEWMAN 


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OMdol  CarHmt  For  Chicago  ll«wspap«n 
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Chicago  Salesbook  Co.,  Chicago,  Illinois  12-784 


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JOHN  H.  NEWMAN 

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11  Paper  Is  Missed  Please  Phone  Oakland  1263 


0407-43 


Befor*  8;30 
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B«foi«  10:00 
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Chicago  Salesbook  Co.,  Chicago,  Illinois  12-784 


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IF  PAPER  IS  MISSED,  PLEASE  PHONE  OAKLAND  1263 


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Before  6:00  I  Beiore  10:00 
Eveninq     |     Simdoy 


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Chicago  Salesbook  Co.,  Chicago,  Illinois  12-784 


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JOHN  H.  NEWMAN 

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0075-    6  I 


Before  9:00 
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Before  6:00 
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Before  10:00 
Sunday 


Chicago  Salesbool^  Co.,  Chicago,  Illinois  10-692 


JOHN  H.  NEWMAN 

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0335-18 


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Sun« 


Chicago  Salesbook  Co..  Chicago,  Illinois  12-784 


JOHN  H.  NEWMAN 


NEWSPAPER    AGENCY 

Official  Carrier  For  Chicago  Newspapert 


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818  EAST  47th  STREET 


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0139-45 


Before  9:00 
Morninq 


Before  6:00 
Eveninq 


Before  10:00 
Sunday 


ChIca<jo  Salesbook  Co.,   Chicago,  Illinois  10-692 


JOHN  H.  NEWMAN 

NEWSPAPER    AGENCY 

Olficial  Cdrrier  For  Chicago  Newspapera 

818  EAST  47th  SJREET/     .     .     . 


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Before  6:00 
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Befor«  10:00 
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Chicago  Salesbook  Co.,  Chicago,  Illinois  10-692 


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JOHN   H.  NEWMAN 

NEWSPAPER    AGENCY 

Oificial  Carrier  For  Chicago  Now«papora 

818  EA8T  47lh  STREET  y/2^ 


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Morninq 


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Chicago  Salesbook  Co.,  Chicago.  Illinois  10-692 


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JOHN  H.  NEWMAN 

NEWSPAPER     AGEMCY 

OUicial  Carrier  For  Chicago  Newspapers 
818  EAST  47th  STBEET 


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NQt  Responsible 

for  Ccmcellotions 

Given  to  Boys 

PAID  COLLECTOR 

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It  Is  Essential  That 

We  Be  Notified  of  a 

Cluziige  of  Address 


Jluziic 


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JOHN  H.  NEWMAN 

NEWSPAPER    AGENCY 

Oifidal  Carrl«r  For  Chicago  N»wipap«n 
811  EA8T  47tli  STBEET 


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If  Paper  Is  MissecL  Please  Phone  Oakland  1263 

0495-37 


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Before  5:30 
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Chicago  Salesbook  Co.,  Chicago,  Illinois  12-784 


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JOHN  H.  NEWMAN 

NEWSPAPER    AGENCY 

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0034-43 


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Morninq 


Before  8:00 
Eveninq 


Before  10:00 
Sunday 


Chicago  Salesbook  Co.,  Chicxxgo.  niinoi«  10-692 


JOHN  H.  NEWMAN 

NEWSPAPER    AGENCY 

Olflclal  Carrlw  For  Chicago  Nowipop«»  ^ 

818  EAST  47ÜI  STREET  ^   / 


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0761-18 


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B«for«  5:30 


Befor«  10:00 
SiindaT 


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Chicago  Salesbook  Co.,  Chicago,  Illinois  12-784 


ALMA  WOOL: 

DRESSES  and  HOSIERY  \ 

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1S34  Hyde  Park  Blvd.  Tel.  KENwood  4832       l 

^  Chicago,  I!l 3  '  ^  ^^   193L2    ] 

NameZilH      ^ 


PA»IAGON(TRADEMARK)~MFD.AM.SALES800KT"^INC      ELMI  RA  AND  NIAGARA  FALtJTfT.T 


^Rund  ums 
t/P'ischfilet 

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Filet  mit  Senf:  Ein  Fischfilet  wird 
mit  Salz  und  Pfeffer  bestreut  und  mit 

■  Senf  dünn  bestrichen.  Dann  rührt  man 
einen  dicken  Pfannkuchenteig  aus  125 

^  Gramm  Mehl,  einem  Zehntelliter 
Milch,  einem  Ei  und  etwas  Salz,  taucht 
das  Filet  hinein,  dreht  es  in  Bröseln 
und  bäckt  es  in  Oel  schwimmend  aus. 
Genau  so  kann  man  das  Filet  mit  To- 
matenmark, geriebenem  Käse  oder  mit 
Meerrettich  zubereiten. 

In  Weisswein:  2  Stunden  vor  Ver- 
wendung legt  man  das  FUet  in  WeisSf 
wein,  bestreut  es  dann  mit  Salz  und 
Pfeffer,  taucht  es  in  d)en  angegebe- 
nen Teig,  dem  man  etwas  Wein  bei- 
gemischt hat,  dreht  es  in  Bröseln  imd 
bäckt  In  Oel  schwimmend  gar. 

Im  Schlafrock:  Ein  mit  Senf  bestri- 
chenes Filet  wird  in  ein  grosses,  iii 
Salzwasser  abgebrühtes  Weisskraut- 
blatt  gewickelt,  mit  e^nem  Faden  zu- 
sammengebunden und  in  Oel  schwim- 
mend gebacken. 

In  Reisteig:  250  Gramm  Reis  werden 
in  Fleischbrühe  duck  ausgequollen  und 
zum  Erkalten  gestellt.  Hierauf  füge 
man  2  bis  3  Esslöffel  Mehl,  fein  ge- 
wiegte Petersilie,  etwa«  Muskatnuss 
und  1  Ei  .dazu,  umhüllt  ^amit  ein  To- 
maten- oder  PaprikafUet,  wendet  es  in 
Bröseln  und  bäckt  es  schwimmend  in 
Oel. 

Mit  Speck:  Die  Fileta  werden  mit 
Rauschfleisch  (durchwachsenem 

Speck)  gespickt.  In  Ausbackteig  ge- 
taucht, in  Bröseln  gewendet  und!  in 
Oel  ausgebacken. 


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OPA  Form  No.  R-dOS 


HOW  TO  USE  YOUR  WAR  RATION  BOOK 


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IMPORTANT — Before  the  stamps  of  the  War  Ration  Book  may  be 
used,  the  person  for  whom  it  was  issued  must  sign  it  as  indicated 
in  the  book.  The  name  of  a  person  under  18  years  of  age  may  be 
signed  either  by  such  person  or  by  his  f  ather,  mother,  or  guardian, 

For  f  uture  .ref erence,  make  and  keep  a  record  of  the  serial 
.     number  of  your  book  and  the  number  of  your  issuing  Ration  Board, 
as  indicated  in  your  book. 


Xour  first  War  Ration  Book  has  been  issued  to  you,  originally  conteining  28  War 
Kation  Stamps.  Other  books  may  be  issued  at  later  dates.  The  following  Instructions 
apply  to  your  first  book  and  will  apply  to  any  later  books,  unless  otherwise  ordered  by 
the  Office  of  Price  Administration.  In  order  to  obtain  a  later  book,  the  first  book  must 
be  turned  in.    You  should  preserve  War  Ration  Books  with  the  greatest  possible  care. 

1.  From  time  to  time  the  Offlee  of  Price  Administration  may  issue  Orders  rationing 
certam  products.  After  the  dates  indicated  by  such  Orders,  these  products  can  be  pur- 
chased  only  througlf  the  use  of  War  Ration  Books  containing  valid  War  Ration  Stamps. 

2.  The  Orders  of  the  Office  of  Price  Administration  will  designate  the  stamps  to  be 
used  for  the  purchase  of  a  particular  rationed  product,  the  period  during  which  each  of 
these  stamps  may  be  used,  and  the  amounts  which  may  be  bought  with  each  stamp. 

3.  Stamps  become  valid  for  use  only  when  and  as  directed  by  the  Orders  of  the  Office 
of  Price  Administration. 

4.  Unless  otherwise  announced,  the  Ration  Week  is  from  Saturday  midnight  to  the 
following  Saturday  midnight. 


5    War  Ration  Stamps  may  be  used  In  any  retai.  störe  in  the  United  States, 
e.  war  Ration  Stamps  may  be  used  only  by  or  £or  the  person  nan>ed  and  descnbed  « 
the  War  Ration  Book.  ^^^  ^^^  ^^^^ 

7.  Every  person  must  see  *»*  ^-/J^^^JXeping  and  use  of  their  cl,ild«n's  War 
trly  used.     Parents  are  responsible  for  tl»e  saleKeepi  g 

"""r  wC'you  buy  any  rationed  r>ro^^^\^^Vro^i:^^2^^^^^^  « 

presence  of  the  storekeeper.  h-  empJoyee^Vtn  aToTher  wa>'than  above  indicated.  it 

L-r^irTar^tp^r-o^^^^^^^^^ 

^Z  hook  it  is  valid.    Otherwise  it  becomes  void.  •  | 

4V«f  fftPt  to  the  local  Ration  Board. 

that  lact  lo  i.ne  luv»  ^  1.^  vo  flirre  for  more  than 

12    If  you  have  any  complaints,  questions,  or 
Book,  consult  your  local  Ration  BoarcL 

NOTE 

^e  «rst  st..ps  in  .Var  Bation  Book  O.  >„  .e  J^f  J^  J^  ^/J;-^^^^^^^^^^^ 
When  this  bock  was  issued,  the  regi.s  rar  asked  you  or  ^^^  p^^  ^^^^^^  ^^^  ^^^^  ^^^  ^^ 
Wk.  how  much  sugar  you  »''"^.«1  »"  *f^''* ''^„t'^ty  J^e  torn  from  your  book  (except  for  a 
t«  keep  it.  but  stamps  --«^P"««"  "^'J'  X"  ^ithout  losing  any  stamps).  U  your  War 
»mall  amount  which  you  were  »"»7;»;"  ^ J„  ^^  ^  „ember  of  your  family.  the  number 
Bation  Book  One  was  issued  to  you  o„  aPP  -'.Uon  by       ^^  ^^^  ^^^^^^  ^^  ^^^^^  „^„^^  ^^ 


'RIBÜNE I    NOVEMBEK    23,    1941. 


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PIG  RAISING  ON 
A  RECORD  SCALE 


Spring  Crop  May  Exceed 
55  Million  Head. 


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Encouraged  by  Secretary  of  Agrl- 
culture  Claude  Wlckard't  inslstenct 
that  there  li  llttle  Ukellhood  of  over- 
I  productlon  of  pork  and  lard  In  thli 
country  In  vlew  of  world  conditions, 
farmer«  are  laylng  plana  for  break- 
Ing:  all  records  In  pl«:  ralslng  next 
year,  Chicago  live  stock  Interests 
Said  yesterday. 

Market  «xperts  who  have  Inter- 
vlewed  hundreds  of  farmer»  durlng 
recent  weeks  cstlmate  that  10  to  15 
per  cent  more  sows  will  be  held  off 
the  market  for  spring  plg  ralslng 
than  were  kept  thls  year.  Such  an 
Increase  would  send  the  1942  spring 
pig  crop  to  55  to  57^  mllUon  head. 
The  rccord  to  date  is  54,502,000.  es- 
tablished  In  1927.  The  1941  spring 
crop  was  50  million  head. 

The  prelimlnary  government  est!- 
mate  of  thls  fall's  crop,  33  million,  is 
12  per  cent  above  1940. 

Big  Increase  in  Prospect. 

Thls  represents  a  potentlal  In- 
crease of  more  than  600  milUon 
pounds  of  pork  and  lard,  almost  equal 
to  the  quantlty  bought  by  tha  gov- 
ernment since  last  March. 

Private  surveys  Indlcate  a  wlde 
dlfference  In  increases  planned  on  In- 
dlvidual  farms  for  1942.  Many  hog 
raisers  who  fear  a  shortage  of  labor 
will  adhere  to  the  1941  program. 
Others  plan  Increases  as  large  as  25 
per  cent,  and  some  farmers  who  al- 
lowed  hog  productlon  to  drop  last 
year  because  of  low  prlces  will  keep 
up  to  50  per  cent  more  sows  than 
they  kept  thls  year. 

Wlckard's  encouragement  of  ca- 
pacity  productlon,  as  interpreted  by 
hog  raisers,  Is  bascd  on  the  belief 
that  England  and  other  nations  fight- 
ing the  axis  will  nced  vast  quantltles 
of  pork  and  lard  during  the  war,  and 
that  at  Its  conclusion  this  country 
will  be  callcd  upon  to  fecd  almost  all 
Europe  during  the  period  of  recon* 
struction. 

Taxes  Nation's  Capactty. 

Almost  all  farmers  Intervlewed 
agree  that  such  a  postwar  program 
would  tax  the  nation's  capaclty  for 
producing  pork. 

As  a  result  of  lend-lease  buying  for 
England,  pork  costs  to  consumcrs  are 
outstripplng  the  advance  of  the 
World  war.  Packers  paid  an  average 
of  $10.25  a  hundred  pounds  for  hogs 
during  the  flrst  22  days  of  this  month, 
the  highest  November  cost  in  15 
years.  The  price  was  $9.80  In  the 
27th  month  of  the  World  war. 

Sharp  advances  occurred  in  most 
branches  of  the  market  last  week. 
Gains  In  hogs  ranged  from  10  (o  40 
Cents.  Heavy  steers,  recently  neglect- 
ed  by  packers  at  the  lowest  prices 
of  the  season,  rose  50  cents  to  $1  dur- 
ing the  week.  Slaughter  lambs  were 
50  to  65  Cents  higher. 

use~of1lumber 
est  im  at  ed  at  ii 
pct.  above  1940 

Washington,  D.  C,  Nov.  22  OP).— 
The  department  of  commerce  estl- 
mates  that  lumber  consumpllon  thls 
year  will  total  32  billion  200  million 
board  feet,  11  per  cent  more  than  last 
year.  Domcslic  production  is  estimated 
at  30  bilUon  board  feet,  a  gain  of  13 
per  cent. 

The  National  Lumber  Manufactur- 
ers'  association  reported  today  that 
production  for  the  week  ended  Nov. 
15  stood  at  118  per  cent  of  the  aver- 
age of  the  corresponding  weck  in 
19;i5-'39  and  shipmonts  130  per  cent. 

Production  tolalod  229,131,000  feet, 
8  per  Cent  less  than  the  previous  week 
and  1  per  cent  greater  than  the  cor- 
responding 1940  week.  Shipments  ag- 
gregated  230,450,000  feet,  3  per  cent 
less  than  the  previous  week  and  3 
per  Cent  less  than  the  like  1940  week. 

Orders  booked  were  for  216,937,000 
feet,  1  per  cent  less  than  the  previous 
week  and  19  per  cent  less  than  the 
1940  week. 


iy  you  withl 
mtfift  or  inaut 
tnv€»tor$*  Ouli 
addretaed  env\ 
of  pubho  <nf«rj 
Quirer$*  namv« 
do  not  c$k  for] 
on»  Company 
inquiriei  are  b^ 
Th0  Tribun» 
unpreiudiced, 
mo  r»$pontmil 

[Copyrlrbtt  104] 
Sundaj 

BUSIN^ 
A  recent  st 
ords  dlsclose(! 
cent  of  busj 
fraud.  The  s| 
ords  for  50 
many  honest 
esty  and  hat 
enough  to  inj 

Tht  «tudy 
competent  mi 
capltal  must 
Is  to  have  a| 
of  succeedlng.i 

It  was  leajl 

of  all  annuall 
from    three 
lack  of  caplts 
competence. 
roughly    one-j 
crack-ups. 

Bankruptcy] 
the  survey, 
year  more  thi 
ures  are  thol 
capltal  under 
heavy  competll 
longer  establlj 
small  merchal 
many  probler 
Chance  of  oveii 
capped  by  Inad 

In    perlods 
prices  a  mercj 
capital  Investr 
inventory  he 
lower.     If  he- 
he   needs   resc 
collectlng— or 
customers'  accl 

Cambllng,  li 
other  personal] 
only  a  small 
ures,  the  studj 
these  faults  api 
many    Instanc 
either  are   una^ 
nesses  or  drop 
bankruptcy  coij 

It  was  foundl 
of  failures  coif 
to  the  faults  of ' 
failed.  They 
tims  of  outsidj 
as  flres,  floods, 

The  Investor' 
that  the  honest 
a  Promoter  of 
do    not    guarar 
should  not  be 
rlsks    of    the 
appraised.     It 
that  often  inves 
the  Promoter  hJ 


LIVE  STO 


Crude  Petroleum  Stockt 
Are  Reduced  During  Week 

Washington,  D.  C,  Nov.  22  (;p).— The 
burcau  of  mines  reported  today  Stocks 
of  domestic  and  foreign  c. 
leum 


AVERAGR  rj 

T,ast  wprk f lll 

Prev.    wpek....  lol 

1040  12.1 

10.10 Oj 

1938   .' lO' 

1037   10.1 

1036   .; 10.^ 

Aver.  1936-'40  10 

Compn« 

TToer«— TJiilk   of   HiilpJ 
One   month    «go. 
One  year  airn.... 
Top  yPKlprdnjr, 

Ca ttlo— nullt  <rf  pal| 
One  month  avo.j 
One  yrnr  nga 
Top   yeftcrda.T.  j 

Lnmb«— Rnllc^Ij 
Ono  mnntltA, 
One  yeHT  nitJ 
Ton   yeHtrrdal 
LIVE  MTOCkJ 


K»t.  Not.  22.. 

T.ant  week .^1 

I'rpv.   voek....4i 
Year    at:o.... 
2   ycari  «ro . . < 

Est.  Nor.  22. 
r<ast  werk.... 
Prov.   wc«k... 

Year   aro l' 

2   yrars   bro.  .l(i| 

•AU  reoeipfs  \\ 
other   polntx. 
22.   1041.  Clilri^^ 
«took    yard    diri^ 
47.742   hos»,    aml 
inriudcd  In  tho  \,\ 
weck. 

•RKCKIPT« 

Cnl 
r.aat  woek...     1^>| 
Prov.   weck.. 
Year   ajo.... 
2  years  aro.     II 
1041  to  date.O.K.f 
1940  0. 

Comhined  total«  1 
for  the  year  to  ((a| 
42,476,000, 

•AU 


CHICAGO     STJNDAY    TRIBÜNE: 


' 

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* 

'■:Ä-  *  Ms  ^  \  '■ »  ■ 

M^-«^>^?ji^3tt^iJI 

^^ng 

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lales  which 
.ive  Stock 


>TS 

IINGS 

lAMLET 


122  [Special]. 
)ed  the  busi- 
\y  town  of 
5t  of  Bloom- 
[escaped  with 
in  cash  and 
•tween  three 
Irs.  The  bur- 
[ry  away  the 
*m  up  to  the 
?re  robbed. 
10  buildings 
le  Secor  ele- 
'nning  a  safe 
L*  gas.  They 
ffter  the  gas 
the  safe. 
/as  rifled  of 
unestimated 
ise.  Heller's 
L.to  the  extent 
iderable  mer- 
Grocery  was 
an  undeter- 
landise.  Gar- 
$500  in  cash 
•y  and  mer- 
rbm  the  Secor 


dby 


me 


\ey. 

lov.  22  (IP). 

\A  of  beat- 
feath,  today 
[nd  asserted 

jtate  of  the 

[of  Kalama- 

ilf  today  he 
^ct  Attorney 

«nee,  Identl- 
lor  and  ex- 
Torrance 

Feiult  of  In* 
automobile 
near   here 


KEY,  TO  MYSTIC 
'ALPHABETIC'AL 
NEW  DEAL  MAZE 


What  Those  Str'mga  of 
Letters  Stand  For. 

IChIrmto  Tribnn*  Pr«H  n«rTle«.l 

Washington,.  D.  C.  Nov.  22.— So 
nriany  new  organizations  with  lengthy 
namei  have  been  created  in  recent 
years  that  thelr  Sponsors  and  the 
newspapers  have  found  It  convenlent 
to  Identlfy  them  whenever  possible 
by  Initials. 

The  general  public  knows  a  great 
many  of  the  abbreviations— WPA, 
TVA,  SEC,  and  OPM  among  them. 
But  any  one  might  reasonably  be  puz- 
zled  by  the  news  that  the  OFF  Is  ex- 
posing the  intricate  flnanclal  dealings 
of  the  DLC.  The  list  below  of  68 
such  agencies  is  a  glossary  that  may 
help  unravel  such  mysteries: 

AAA— Agrlcultural  Adjustment  adminls- 
tratlon. 

AFL— American  Federatlon  of  Labor. 

ASCAP— American  Society  of  Compos- 
eri.  Authors  and  Publlshers. 

CAA— Civil  Aeronautlc«  adminlstration. 

CAB— Civil  Aeronautics  board. 

CCC— Clvlllan   Conservatlon   corps. 

CCC— Commodlty  Credit  corporatlon. 

CEA— Commodlty  Exchange  admlnls« 
tratlon. 

CIO— Congress  of  Industrlal  Organiza- 
tions. 

CSC— Civil  Service  commlsslon. 

DHC— Defense   Home»    corporatlon. 

DIX^— Dlsaster  Loan  corporatlon. 

DPC— Defense   Plant  corporatlon. 

E)SC— Defense  Supplles  corporatlon. 

ECC— Employes  Compensatlon  commls- 
slon. 

EHFA— Eltctrlc  Home  and  Farm  au- 
thorlty. 

FCA— Farm  Credit  admlnlstratlon. 

FCC— Federal  Communications  commls- 
slon. 

FCIC— Federal  Crop  Insurance  corpora- 
tlon. 

FDA— Food  and  Drug  admlnlstratlon. 

FDIC— Federal  Deposit  Insurance  cor- 
poratlon. 

FFC— Federal   Flre  Council. 

FPMC— Federal  Farm  Mortgage  corpo- 
ratlon. 

FHA— Federal  Houslng  admlnlstratlon. 

FHLBB — Federal  Home  i-oan  Bank 
board. 

FLA— Federal  Loan  agency. 

FPC— Federal  Power  commlsslon. 

FREB— Federal  Real  Estate  board. 

FSA— Federal  Securlty   agency. 

FSA— Farm  Securlty  admlnlstratlon. 

FSLIC— Federal  Savlngs  and  Loan  In- 
surance corporatlon. 

FTC— Federal  Trade  commlsslon. 

FW A— Federal  Works  agency. 

GPO— Government  Prlntlng  offlce. 

HOLC— Home  Owneri'  Loan  corpora- 
tlon. 

ICC— Interstate  Commerce  commlsslon. 

MLB— Maritime  Labor   t>oard. 

MRC— Metal  Reserve  Company. 

NACA— National  Advlsory  Commlttee 
for  Aeronautlc«. 

NLRB— National  Labor  Relallons 
board. 

NMB— National  Mediation  board. 

NRA— National  Recovery  admlnlstra- 
tlon. 

NYA— National  Youth  admlnlstratlon. 

OCD— Offlce  of  Clvlllan  Defense. 

OEM— Offlce  for  Emergency  Manage- 
ment. 

OFF— Offlce  of  Fact  and  Flgures. 

OFLA— Offlce  of  Federal  Loan  admlnls- 
trator. 

OGR— Offlce  of  Government  Reports. 

OPACS— Offlce  of  Prlce  Administration 
and  Clvlllan  supply. 

OPM— Offlce  of  Productlon  Manage- 
ment. 

OQG— Offlce  of  Quartermaster  Ueneral. 

PRA— Public  Roads  admlnlstratlon. 

FW A— Public  Works  admlnlstratlon. 

REA— Rural  Electrlflcatlon  admlnlstra- 
tlon. 

USHA— United  States  Housing  author- 

Ity. 

USO— United  Service  organlzatloaa. 

RFC— Reconstructlon  Flnance  corpora- 
tlon. 

RRB— Rallroad  Retlrement  board. 

RRC— Rubber  Reserve  Company. 

SEC— Securities  and  Exchange  commls- 
slon. 

SMA— Surplus  Marketing  admlnlstra- 
tlon. 

SPAB— Supply.  Prlorltles  and  Alloca- 
tlons   board. 

SSB— Social   Securlty  board. 

SSS— Selectlve  Service  System. 

TVA— Tennessee  Valley  authorlty. 

VA — Veterans'  admlnlstratlon. 

WPA— Works   ProJecU  admlnlstratlon. 

All  but  a  few  of  the  agencies  named 
are  governmental,  and  many  have 
grown  up  during  the  armament  pro- 
gram.  Washington  observers  belleve 
there  will  be  more  as  burocracy  In- 
vents  more  forma  thru  which  to 
function. 


U 

ARCI 
HARl 
WOI 


OnerN 
Desi 


Private 
the    prlce 
"  defense 
business, 
practlcally 
with    the 
gram,  grad^ 
as  this  gr^ 
mentum 
1o.<!ing  theil 
ing  off  dra< 
ers,    contr^ 
ploy^s,   an^ 
are  beginnij 
ers. 

Growing! 
even    whei 
with  a  fedl 
main    reasol 
struction. 
armament 
supply   of 
ally  gettin^ 
Archltecl 

At     prese^ 
arrhltect  is) 
nation-wide 
headquarterj 
day  that  it 
staff    50    pe] 
months.    Inj 
its  pay  roll, 
probabllity 
be    droppedj 
slow  up. 

Another   bl 
it   had   curi 
work  that 
completed. 

But  the 
have  no  cus| 
fall    back 
slackens   ar^ 
well  known] 
that    altho 
homes  in  flril 
prospective 
by  SPAB  ar 
are  cancelinj 

rians  tc 

••  I've  alrei 
fold  up  my 
Jobs    are   dr 
somethlng  el 

Another   a( 
of   Chicago'! 
flrms,    said: 
manufacture< 
without  jobsj 
business." 

Several  are 
so  far  they  hi 
ed  crltical  ml 
this   situatiof 
longer. 

Feder! 

One  archh 
ington  to  See] 
being  taken 
found   that 
building  of 
eral    buildini 
such  structui 
the  Jobs  whic 
hoped  to  getj 

Three  of  Gl 
tural  flrms 
Jobs  on  armj 
Bermuda,  Fe 
Yet  all  of  th« 
ing  what  the> 
finished.  Ordij 
ness  construi 
stay,  has  disa 


2  TRUSTIES  FLEE 

T'  PAROLE 


B.  &  K\ 

3  MO 

G. 

G.   C.  S.   Cil 
chain  of  theaj 
day  leased  thi 
ban  &  Katz 
for  20  years 
D.  Goldberg, 
Corporation. 
The  three  thel 
ater,    4040    m( 
seats;  Drake, 
1,650   seats, 


Li 


ler 


Lyriker  dahin  gegangen.  Wie  wild  sich  sein  Herz  auch  in  mancher 
Stunde  gebärdete  —  es  schlug,  ^yenn  es  still  wurde,  in  den  mildesten 
und  reinsten  Tönen.  Es  horchte  schwermütig  in  diese  schlimme 
Welt  mit  einer  fast  überzarteii  Empfindlichkeit,  es  blutete  oft 
und  es  trug  viele  Narben. 

Riugelnatz  strebte  nicht  nach  feiner  besonderen  Form,  er  suchte 
nicht  nach  einer  schwebenden  Woi  tmelodie.  Sondern  er  packte  mit 
naiver  SelbkS.tyerfittiDdlicbl^eit  irgenftein  Alita^sding,  um  es  .nujEi  so 
zu  behandeln,  als  sei  es  für  ihn  und  nur  für  ihn  allein  vom  Mars 
herunter  gefallen.     Eine  Rose?  t:  gut  und  schön,  äusserst  be- 


innern. 

Indem  er  Abschied  nahm  —  er  tat  es  f/ohl  immer  in'  den 
letzten  Jahren  —  gewann  er  uns  ganz.  JeneJKrophetischen  Worte, 
die  er  einst  seiner  Frau  schrieb,  stolz  uny  bescheiden  zugleich, 
jetzt  werden  sie  in  Erfüllung  gehen: 

„Wenn  ich  tot  bin,  darfst  du  gar  nic/lt  trauern. 

Meine  Liebe  wird  mich  überdaueri/, 

Und  in  fremden  Kleidern  dir  begegnen 

Und  dich  segnen.**  H.  F — g. 


ZWEI  GEDICHTE  / 


Von  JOACHIM  RINGELNATZ 


so 
mti- 
Iviel 

roni 
^he- 
iter- 
icht 
Ibe- 

iolz 
ler 

ide 
en 


Schlechter  Tag 

Müde  streichen  meine  Finger 

Ueber  Runzeln,  über  Narben» 

Ueber  graue  Haare. 

Prost,  ihr  Freunde,  die  hx  diesem  Jahre 

Mir  entstarben!  —  Bunn!l 

Bums  und  kf-irr!!  —  Nun  hob  Ich  soztuagen 

Eine  Fliege  totgeschlagen. 

War  es  nicÄ/,  (As  ob  sie  Hilfe  rief?! 

Glos  l^aputt.  So!   Und  jetzt  lost  mein  vierier. 

Letzter  Knopf  sich  scheu  von  Hose  und  Faden. 

Muss  ich  alles,  alles  ausbaden!? 

Ach,  ich  werde  invner  deprmierter. 

Wenn  doch  eine  Motte  jetzt  geflogen  käme. 

Ach,  ich  n?ürde  sie  zu  Plüichsasdn  einladen. 

Und  noch  Samt  ihr  hinlegen, 

iVeil  ich  mich  doch  wegen 

Der  Fliege  so  schäme,  * 


Wie  machai  wir  uns  das  Leben  leichter) 


Wir  haben  zu  grossen  Respekt  vor  dem. 
Was  menschlich  über  uns  himmelt. 
Wir  und  zu  feig  oder  sind  zu  bequem. 
Zu  schauen,  was  unter  uns  wimmelt. 
Wir  trauen  zu  wenig  dem  Nebenuns. 
Wir  träumen  zu  wenig  im  Wachen, 
Und  könnten  so  leicht  das  Leben  uns 
Einander  leichter  machen. 
Wir  dürften  viel  egoistischer  sein 
Aus  tierisch  frommem  Cemüte.  — 
In  dem  pompösesten  Leichenstein 
Liegt  soviel  dauernde  Cüie. 
Ich  habe  nicht  die  ger'mgste  Lust, 
Dies  Thema  weiter  zu  breiten.  , 
Wh  tragen  alle  in  tmsrer  Brust 
Losung  und  Schwierigkeiten, 


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und  für  diese  Reise  Wird  er  nid>t  In  Zohlung 
gegeben,  so  ist  derselbe  n<xh  vor  dem 
Verlassen  des  Sdiiffes  dem  Zahlmeister  zu- 
rüdezugeben.  Noch  dem  Verlassen  dmt 
5c\if*-j|  wrliert  er  jede  Gültiglceit. 
"•^U  yUjijfer  Is  valid  (or  paymenti  only  o«i 
bourd  tne  steameron  the  presentvoyage  ^no( 
u.sed  it  should  be  relumed  to  the  Purser  bs« 
lor«  Uc^ving  the  steam«f  After  ihe  di»- 
»Tibarkcrlonno  refundwhatevercan  bemode. 
El  presenle  vale  es  völido  unicamente  en  est* 
vopor  y  para  este  via|e.  En  caso  de  no  ser 
utilizado  se  canjearä  al  Comisario  OfltSf 
de  desembarcor  Pierde  tu  valor  inmedlato- 
menie  daspuAs  de  haberse  abandonodo 
•i  vopor. 

O  presenle  vole  6  valido  unicamente  nette 
vopor  e  para  esta  viogenn.  No  caso  de  nio 
ter  utilizodo,  troco-se  com  o  Comissario 
Ontes  de  desembarcor.  Perde  o  seu  valor 
Imediatamente  dttpoit  do  desemborquo. 


V'v 


•  I 


,•••••'*' 


Verlassen  des  Srhifl«.  h-«.  7   u,  ^ 

rüdc^ugeben.     Noch    dem  V    r'"*'i^ 
S^..«V^er.ierterTedeGX'er"-"    ''* 

«sed  ,♦    hooid  be  returned  to  tSe  Purser  b^ 
X  ■  ?•  2^'"ö  ♦♦'•  steamef    Aftar  »k-  wi 
f'^o^.Vonno  ^-fund whoteverVarblmod: 
El  presente  vale  e,  vdlido  ünicomer,re  e„  ^,^ 
vapor  y  para  «„e  viaje    fn  ca*n  h- 

H«.  ^  i-    conieard  al  Comiforio  OntOl 

de  desembarcor    PierH«  ...       i  ••••fwe 

•I  vopor       '^  *^'  ^""^^"^  abandonodo 

O  presente  vole  4  volido  unicamente  nesf. 

?ntii  d«  h'  °"r^  ''"^  °  Comissario 
onTOt  de  desemborcar  Perde  o  ,eu  valor 
•n^ed.otomen.e  depol.  do  de.emt:;,;«^ 


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Important  Features 

1  War  workers  covered  on  or  off 
the  Job  regardless  of  occupation 
or  industry. 

2  Pays  up  to  $12,000.00  for  acci- 
dental  loss  of  life  under  certain 
conditions  specified  in  the  policy. 

3  Insures  against  all  accidents 
covered  in  the  ordinary  Travel 
accident  policies  and  all  the  other 
1001  ways  accidents  can  and  do 
happen. 

4  10%  increase  on  Principal 
Sums  every  year  for  5  years  ex- 
cept  under  the  $12.000.00  clause, 
which  remains  unchanged. 

5  Medical  fee  for  minor  injuries  is 
paid  up  to  $5.00. 

6  Total  disability  payments  begin 
with  üist  day  of  time  lost. 

7  Railroad  switchmen,  brakemen, 
yardmen  and  locomotive  engi- 
neers — street  car.  elevated,  bus 
employees,  policemen,  firemen, 
covered  on  duty  as  well  as  off. 

8  So-called  "impaired  risks"  are 
eUgible — people  lacking  one  arm 
or  leg,  one  eye,  or  deaf  are  eligi- 
ble  at  half  benefits. 

9  Wider  age  limits— 10  to  79 
years,  inclusive. 

10  No  physical  examination  re- 
quired. 

11  Hospital  benefits  added  to 
disability  payments  if  confined  to 
G  hospital.  ^ 

12  Pays  ambulance  fee  up  to 
$10.00. 


NOTE 

This  Policy  pays  you  in  addition 

to  any  other  Accident  Insurance 

you  may  hove. 

fOverJ 


COMPLETE  PROTECTION 

AT  HOME  — AT  WORK  —  AT  PLAY 

ON  THE  FARM  AND  WHILE  TRAVELING 
YOU  ARE  COVERED  24  HOURS  A  DAY 

INSURANCE  AT  LOW  COST 

This  Insurance  Plan — a  Chicago  Sun  reader's  service — 
offers  you  valuable  protection  practically  at  cost  and  pays 
you  cash  for  loss  of  life,  loss  of  limb,  and  even  for  loss  of  time 
due  to  an  accident. 


PAYS  UP  TO  $100.00  PER  MONTH  FOR  TOTAL  DISABILITY 

MAXIMUM  5  MONTHS 

DO  NOT  DELAY 

Become  a  regulär  Home  Delivery  Subscriber  to  the  CHICAGO  DAILY 
SUN  today — complete  the  application  blank  in  which  you  agree  to  poy 
the  corrier  at  the  established  Home  Delivery  rate  plus  7c  a  week  or  30c 
a  month  for  the  Insurance  premium. 

Additional  members  of  your  family  of  insurable  age  are  eligible  for 
this  protection,  providing  they  live  at  the  same  address.  Only  one  sub- 
scription  is  necessory. 

Policies  can  be  paid  for  in  advance — $1.75  for  6  months'  protection, 
or  $3.50  for  one  year,  plus  a  25c  registry  fee.  If  you  should  desire  to  see  a 
sample  policy  or  wish  to  secure  further  Information  conceming  this  Insur- 
ance, write  to  The  Chicago  Sun,  Circulation  Dept.,  400  W.  Madison  St, 
Chicago,  111. 

If  additional  application  blanks  are  needed,  clip  them  from  The 
Chicago  Sun. 


ACCIDENT  INSURANCE  APPUCATION 


Daily  Only  Q 

Daily  and  Sundoy  □ 


THE  CHICAGO  SUN,  Chicago.  111.  194 

Do  you  hereby  apply  for  the  "Accumulating"  All  Coverage  Accident  Insurance 
Policy  especially  designed  for  Readers  of  the  Daily  Chicago  Sun.  issued  by  the 
Washington  National  Insurance  Company?  YES.  Do  you  hereby  authorize  delivery  of 
The  Chicago  Daily  Sun?  YES.  If  carrier  collects  weekly,  I  agree  to  pay  7c  o  week; 
if  he  collects  monthly,  30c  a  month  in  addition  to  the  regulär  home  delivery  rate. 


Füll  Name?  ... 
Street  Address? 


Print 


City 2*°*®  • 

Date  of  Birth-  Day Month Year. 

Apt.  No.? Rear  or  Front? .Phone. 


Age. 


(10-79  incl.) 


Name  of  Beneficiary? Relationship . 

(Given  First  Name) 


Salesman 

M-1 


103 


Proof  of  the  Value  of  any  Accident  Policy  lies  in  the 
claims  it  pays.  Here  are  a  Few  Typical  Payments 

Check  them  . . .  Note  the  Unusual  Breadth  of  Coverage 


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NAME 


OCCUPATION 


PAID 


Rose  M.  Cesore 

1138  N.  Monticello  Av«. 
Chicago,  111. 

Lucy  Murphy 

4835  Polk  St. 
Chicago.  111. 

Anna  Lange 

2723  Prairie  Ave. 
Chicago,  111. 

lulie  Harley 

1749  W.  Adams  St. 
Chicago,  111. 

Stanley  Jablonski 

1353  N.  Ashland  Av«. 
Chicago.  111. 

Germine  Biegus 

2901  W.  Walnut  St. 
Chicago.  111. 


HousewÜe 

Fell  down  stcdrs  whil« 
housecleaning 

HouBewiie 

Fell  on  porch — 
injured  hip 

Housewife 

Fell  down  steps — 
injured  ankle 

Housewife 

Fell — bruised  knees 


$40^0 


$30.00 


$12.66 


$13.33 


Maintenance  Man  $250.00 

Killed  ialling  down  stairf 


Housekeeper 

Injured  knee  on  metal  bed 


$20.00 


^Aru  tomob  iie 


Jack  Lindlaw 

2036  N.  Hamlin  Ave. 
Chicago.  111. 

Michael  Escoi 

930  Rush  St. 
Chicago,  111. 

Leonard  Riccordo 

144  E.  117th  Place 
Chicago,  111. 

Felix  Drossel 

3248  Beach  St. 
Chicago.  111. 

lohn  Czech 

4329  S.  Wisconsin  St. 
Berwyn,  ÜL 


Crane  Operator 

Spinal  inJury 

Newspaper  Mailer 

Shoulder  injury 


$35.50 


$108.33 


Steelworker  $1,000.00 

Killed  in  auto  accident 


Machinist 

Injured  left  arm 

Steom  Hammer 

Operator 

Auto  death 

9\aitroacl 


$50.00 


$1,000.00 


lames  Irvin 

Switchman 

904  W.  Monroe  St. 

Struck  by  train — 

Chicago,  111. 

fatal 

HughHiggins 

Brakemon 

314  Barron  St. 

Injured  ankle  and  leg 

Logansport,  Ind. 

WilUam  Schmidt 

Conductor 

Killed  by  ireight  cor 

Thos.  Insley 

Freight  HustUr 

3752  W.  59th  St 

Fell  from  locomotive — 

Chicago,  Hl. 

injured  ribs  and  pelvit 

$250.00 


$26.00 


$2504)0 


$52.00 


^t   Wod 


NAME 

OCCUPATION 

PAID 

Alex  Fulastar 

Weider 

$21.66 

3428  173rd  St. 
Chicago.  111. 

Struck  by  flying  nüssile 

John  C.  Adams 

Foundryman 

$60.00 

927  N.  Main  St. 
Kokomo,  Ind. 

Burned  feet  with  bot  metal 

Joseph  Fry 

Carpenter 

$38.00 

1708  W.  Ohio  St. 
Chicago,  111. 

Slipped  -bruised  hip 

Thos.  Newton 

Chicken  Picker 

$29.33 

2237  Fuhon  St. 
Chicago,  111. 

Bone  penetrated  finger 

Clement  Zang 

Punch  Press  Operator 

$32.66 

714  Rose  St. 
Kewanee,  Hl. 

Cough!  fingers  in  punch  press 

Edwin  A.  Thomas 

Painter 

$58.66 

142»/^  Eiden  St. 
South  Bend,  Ind. 

Fell  from  scaflold 

Walter  Tysh 

Laborer 

$36.66 

4410  S.  Wood  St. 
Chicago,  111. 

Struck  loot  with  pick  while 
at  work 

Edward  Broom 

Laborer 

$23.33 

4028  South  Parkway 
Chicago,  111. 

Injured  by  falling  wheel 
barrow 

Harriet  Szymalka 

Housemaid 

$40.00 

3337  S.  Aberdeen  St. 
Chicago,  111. 

Fell  down  steps — 
injured  ankle 

l 

Peter  Lambson 

Truck  Driver 

$31.00 

3621  S.  Wolcott  Ave. 
Chicago.  111. 

Stepped  from  truck — 
twisted  ankle 

^tPL 


^ 


George  H.  Howard 

862  N.  Mozart  Ave. 
Chicago,  111. 

Betty  L.  Pfeiffer 

3007  Eshcol  Ave. 
Zion.  111. 

Frank  S.  Miller 

Wheeling.  111. 

Eimer  L.  Champlin 

204  Boulevard  St. 
Sandwich,  111. 


Golf  ball  hit  eye 


Injured  wrist  playing 
basketball 


Injured  playing  at  carnival- 
hand  crushed 


Sprained  ankle  playing 
leapfrog 


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$60.00 

i 

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$16.66 


$12.33 


$6.00 


PROMPT  ATTENTION  GIVEN  ON  ALL  CLAIMS 


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Correspondance 


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Russie. 


KoppecnoHAeHuiH  BoeHHonji^HHHix'B. 

Correspondance  des  prisonniers  de  guerre. 


+ 

Poccin. 


OTBtTi>.  —  Antwort.  —   Reponse. 


Portofrei. 
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MOCKOBCKOMY  Ot^IMEHIK)  OCOBAFO 
KOMHTETA  nOMOmH  BOEHHOnjl-BHHblMl) 


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Correspondan6e  de»  pHsonnicrs  de  guerre.  ^ 


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OTB-feTTb.  —  Antwort.  —  R6pon 


Correspondance  des  prisonniers  de  guerse^ 


Pocci 


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BOSABHHCeHKa  M  1. 


Das  umstehende  Moskauer  Hilfskomitee  wird  gebeten 
diese  lüirte  weiterzusenden  nach  Deutschland 


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KoppecnoHAeHuiH  BoeHHonntHHbixv 

Correspondance  des  prisonniers  de  guerre. 


Otb^tti.  —  Ant 


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3n;iaTHO. 


MocKotfiKOMy  OTAtJie 


mam  eoeHHonjiiHHbiMi 

^       "^^  MocKBa 


Das  umstehende  Moskauer  Hilfskomitee  wird  gebeten 
diese  Karte  weiterzusenden  nach  Deutschland 


diese  Karte  weiterzusenden  nach  u^utscniana 


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+ 


Russie 


4 

MoppecnoHAeHiim  BoeHHon/itHHbix'b. 

Correspondance  des  [irisonniers  de  guerr 


OTB-feTT».  —  Antwort.  —  R6po 


MocKOBCKoiniy  0T4|jieHiio  ocoöaro 

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MocKBa 


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u^nstehende  Moskauer  Hilfskomitee  wird  gebeten 


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Correspondance  de«  ppisonniers  de  guerre. 


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PoCCI« 


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HceHKa  M  1. 


Das  umstehende  Moskauer  Hilfskomitee  wird   gebeten 
diese  Karte  weilerzusenden  nach  Deutschland 

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Agence  des  prisonniers  de  guerre 

Copenhague. 


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Russin 


KoppecnQiiÄeHuiH  BOc:;Hon;itHHbixv 

Correspondance  des  ppisonniers  de  guerre. 

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Poccia 


OTB-feTt    -  Antwort. 


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MocKOBCKOMyjlTAtJieHiio  oconäro  KoMMTera 

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Russie 


An  den  Kriegsgefangenen 


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Franc  de  port. 

EesnjiaTHO. 


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KoppecnoHÄeHuifl  BoeHHonjitHHuxi 
Correspondance  des  prisonniers  de  guerre. 


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BesnjiaTBO. 


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KpecTt. 


Konenrareirb. 


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Reponse. 


Franc  de  port. 


Croix  Rouge  Danoise. 

Agence  des  prisonniers  de  guerre. 

Copenbagus. 

Danemark. 


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KoppecnoHÄenuifl  BoeHHonjitnHwx^ 
Gorrespondance  des  prisonniers  de  guerre. 


Copennague.  — — """ 


Reponse. 


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KonenrareHi. 


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Agence  des  prisonniers  de  guerre 

Copenhague 


Franc  de  port. 


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Od««8a  39. Juli  T9T8 


^^•In  litbt»  ,fcldlg«i  Kvtlt 


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Ptln  litttr  Brltf  vom  30. er  kam  htutt  In 
TTitintn  Bttltz  und  macht«  mir  g  r  o  •  »  t  ,  »thr 
gro^at  friud«,   Wi«  gtrn  •11t«  loh  «ofort  zu  Euoh  , 
mtlnt  Ll«T:«n  ,naoh  dtntn  Ich  mich  schon  all«  dl«  Jah 
rt  90  gtsthnt  h9Lt0    ,ganz  bteondtr»  attr  ,al«  für  mich 
dlt  rr«lh«ltsttund«  »chlug  und  mir  »chltn-  «Ine^zwil 
drtl-  und  Ich  wtrdt  b«l  Euch  itln.  T.u   l»t  ja  andtri 
gtkommtn  ,wlt  Du  wohl  w«l8i^t  ,m«ln  Goldmädml.  Dl« 
Rtlä«  hat  5  Wochtn  gtdautrt  bl*  Od«»»%  und  von  da 
lä»it  man  mich  nicht  fort.  Allt  Dtutschtn  müs^tn  bisj 
auf  wtlttr«  Verfügung  un»«r«r  Ragltrung  h  1  •  r  ^ 
bl«lb#n.  Wa«  daraus  wird  ,lst  noch  nicht  zu  »ag«n. 
Ich  bin  als  krlsgstaugllch  bsfundsn  wordsn  und  muss 
also  jWsnn  man  übsr  mslns  Disnsts  nicht  andsrs  vsr- 
fügt  ,gswärtlgsn  ,frühsr  odsr  spätsr  als  Soldat  sin- 
gszogsn  und  zur  Ausbildung  nach  draus^sri  ausschickt 
zu  wsrdsn.   Dann  würdsn  wir  uns  allerdings  wohl 
öshsn  ,da  loh  sicher  2  Monats  Urlaub  bskäwis  ,  aber 
sonst  flshs  Ich  noch  nicht  ,msln  Llsbss,  wann  Ich 
endlich  Dich  und  Dslne  Geschwlstsr  und  die  liebe  Ma- 
^nma  wieder  einmal  werde  umarmen  und  kUsdsn  können  »Ach 
wir  werden  noch  viel  Geduld  brauchen. 
Dass  Du  Dich  v^-rändsrt  hast  -sbenso  wie  Deine  Geschwl 
»ter  ,  -  das  Ist  mir  1a  sehr  verständlich, denn  Du  bis 
nun  ja  kein  kleine«  Find  mehr  ,eortdern  schon  eher  ein 
klein««  Fräulein.   Mama  lobt  Dich  sshr  ,sbenso  Ruth- 
chen  und  Angela  .  Das  Ist  lieb  und  brav, mein  Evchen, 
dass  Du  Im  Faushalte  Mama  so  zur  Hand  gehst  und  Ihr 
In  allem  zu  erleichtern  und  zu  lindern  suchst  ,  was 
besonders  bei  Mama'a  angegriffener  Clesundhelt  ihr  so 
aohwer  ankommen  muss.   icn  habs  nie  gezweifelt  ,dass 
.  Du  ein  so  gutes  und  herziges  Kind  bist  und  freue  mich 
doch  doppelt  ,es  von  ?^ama  b«atätlgt  zu  hören.  Dass  Du 
vsr setzt  worden  bist  , macht  mir  auch  Freude  ;  mehr 
aber  noch  ,um  Deine thalben  ,  daee  Du  Dich  mit  Rudjs 
so  gut  erholst  und  noch  so  lange  Ferien  vor  Dir  hast. 
Bitte  sage  Deinen  freundlichen  Wirthsleuten  auch, wie 
dankbar  ich  Ihnen  bin  dafür  ,dass  sie  «o  gut  mit  Dir 
sind.  Hoffentlich  kann  ich  ihnen  noch  einmal  spätsr 
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atlbit  danktn.   Auch  dase  Cu  in  dltstn  Woohtn  dtr 
Farltn  mit  Rudolf  noch  engliihh  und  französlaoh  Ut>8t 
l»t  »thr  richtig,  W«nn  Du  auch  übrlgtns  in  dtn  L#hr 
fäohtrn  nicht  »o  firm  dtin  »ollttst  .so  ist  das  w#i- 
ttr  noch  nicht  nchlimm,  winn  Du  nur  guthan  hawt  ,  was 
Du  lolltegt  und  konrtsst.   Lüoksn  im  Wisdsn  las«tn 
sich  Immsr  »pätsr  noch  ausfüllsn.  Fauptsaohs  ist  ,das 
dsr  Charaktsr  rsin  sich  sntwickslt  und  dsr  Msnsch 
Pfliohtbswusitssin  in  gsnügsndsm  Maas«  hat. 

Gsnitsßs  nur  noch  rsoht  mit  Ruia  di's 
frsisn  Stundsn  in  dsr  schRnsn  Mscklsnhurgsr  Schws^z 
und  nimm  dann  nach  dsr  Hsimkshr  wlsdsr  mit  frischsm^ 
Muts  und  dsm  Bswussssin  •  was  andsrs  könnsn  auch  zu 
könnsn  -  Dsins  Schularbsltsn  wlsdsr  auf.   Grüsss  _^ 
mir  d«n  Rudja  schön •  Ich  habs  ihm  gsschrisbsn  und  sr 
wird  msinsn  Brlsf  sichsr  bsrsits  srhaltsn  habsn. 
Kohans  lasasn  alls  grUs^sn  ^bssondsrs  absr  Gusta.Sls 
hat  Dich  nicht  vargsassn  ,ira  Gsgsntsil  immsr  nur  da- 
von gssproohsn  ,dass  so  sin  Mädchsn  wis  dis  Evs  gar 
nicht  mshr  von  ihr  gsfundsn  wird,    Sls  ist  gross 
gswordsn  ,gsht  Imrrsr  noch  nicht  zur  Schuls  ^sondsrn 
wird  im  Hautts  von  Anna  Markowna  und  slhsr  Französin 
untsrrichtst,   Sls  Intsrsssirt  si  ^h  am  mslstsn  für  Li-- 

tsratur  ^lisst  «shr  vlsl  und  dscla^-irt  ««hr  ft^-h«rj 
Auch  schrsibt  sls  sslbst  schon  manchss  in  Prosa  und  in 
Tlsimsn  und  man  musa  sagsn  ,daas  sis  für  ihr  Altsr 
ausasrordsntllch  sntwlckslt  ist. 

Ich  will  noch  Mama  sohrslbsn  und 

schli«s3s  deshalb  disssn  Brlsf. 

Tl«l«  Grüas«  und  KU»««  für  Rudja  und 
Dich  ,nnln  Blond«». 


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Rigas  Starptautiskä  Banka  A./S. 
(Rigaer  Internationale  Bank  A.-G.) 


Tel. -Adr.:    „STARBÄNK" 


Riga,  den  192 


M  89  5000  21  8  29 


Rigas  Starptautiskä  Banka  A./S. 
(Rigaer  Internationale  Bank  A.-G.) 


Tel. -Adr.:    „STARBANK" 


Riga,  den 


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miM  ii9b€  J^nmy  / 

itk  Hab«  Dir  gtatem  g990hrt€b€n»   In  4er  Ein- 
iofl«  fimämmt  Om  €im§n  Brief  für  Qumtav  Setmlsm  O^n  lamme  bitte  a«  9« 

me  AAresme  geiuag~a»  l9k  mili   1«  der  ammne  keine  weitere  Mchreiberei 
'im^'em  nnd  wmmn  die  Herrmoka/ten  mit  meinem  VersoMage  aiokt  eimmer^ 

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Jnt  m/ Plant  ^Stiejtl  zu  kaufen  au/  Mes^roe^ 


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ikPMi€   ich  au^h  mchi  sokm,  mm  ^ät.  0€r  ärcMt^üt  tet  /«r  McnM  5#te 


6#fell#  ^y«!  JlBir«  A^te  anlegen  mümsmiu 

^"^  theetUtr^bittat    ilk  Je4^m  Mriefe^dasa  die  Kimäer 

tfäofc  an  Ürol^MMt  Attmibmiä  sofireitmn  mffmkten^die  dann  bestimmt  un 


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r#«  Israeli.  afjf0iUMr  iBt  mdkiJkärUJ  fiioht  a  gtkommmm.   SPiUm  uia«^ 

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un^ertf'JTlndär  rKlII«  cfen  JU^un§  mäükmn  und  wenn  es  mit   Mniilmoh  nicht 
am  »iii»mm  aalMen  sie   ruhig  ä^uiack^okreien^   Tämedorm  Adremme  imte 
Jd«f  -M  «irr«««     Brookli0%  M»T*  Oir  liegt   iaran^daaa  cLim  Ktm^ 

4er  bmla  aohrei  en^  ifuh'ei  kgnmen  ate  Jm  Jedenfalla  eräannen^damm     die 
Jnivorl  ft«*««r  '^^rt  m/Mr^sse  hi-rhep  gehen.  smÜ^meiJ  sie  BuoH  in  Jlanig 


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mmki  mmftt  mehr  irii/gjbmsa  katte  Th  abgerattn^meine  Srspamiamm  A«r<- 

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SM  a ihimlimuTh' aah^ibi  dmn^uf  t  wenn  ein  Seike  ikm  rate  »m  mimme  er 

4fma^     *r  mi^h  biind  darauf  herlaamtm  kffnne^Jgbenae  »ie  er  tum  UmgeMehr 

tmm  übcwmemgi  miipwinn  min  JÜmven^O/ug   ihn  su   etvua  ratem     JOcr  gtnmcarei 

h4  r''ef  iai  Übrigens  mecn  mimM  da. 


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^ihne  mehr  für  nmut eisende   i  ih  Dir  licbm  Jcnm4f 


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Rigas  Starptautiskä  Banka  A./S. 
(Rigaer  Internationale  Bank  A.-G.) 

Tel. -Adr.:    „STARBANK« 


Riga,  den  ^0, jRnuor 192Q. 


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CodM: 
Peterson's  International  2nd  Edlt. 
A.   B.  C.  5th  &  6ÜI    . 

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Bentley's 
Rud.  Moat« 

Meine  liebe  Jenny  / 


loh  empflnp  Deine  I.Zellen  vom  28. er  und 
sehe,dass  Du  leider  dooh  nicht  Dloh  so  gnt   fühlst: diese  Schwäche- 
anfalle  gefallen  mir  gar  nloht.  Es  Ist  ja  ganz  schön, dass  Du  Dloh 
ausruhen  kannst  und  vielleicht  Ist  es  auch  nur  das  Bedürfnis  nach 
Ruhe  , verstärkt  durch  die  wohl  fällige  Monat sgeschlohte. Aber  weiss 
man  es  denn  ?   loh  hätte  dooh  gern,das8  Du  Dich  untersuchen  lässt 
wenn  nicht  bald  eine  Aenderung  In  Deinen  Befinden  eintritt. Es  kann 
sehr  wohl  bei  Dir  mit  einem  organischen  Le-'.den, vielleicht  mit  der 
Leber, zusammenhängen  und  durch  Behandlung  gehoben  werden, während 
bei  Vernachlässigung  das  dicke  Ende  nachher  nach  kommt. Die  Aerzt--_ 
rechnung  soll  Dich  nicht  kümmern; bis  die  kommt, Ist  alles  , nehme  Icn 
an,allrlght  mit  uns.    Die  Diathermie  hat  mir  sicher  genützt:  ob  da«| 
relativ  anhaltend  gute  Befinden  im  ganzen  nur  darauf  zurück  zu  füh 
ren  ist, kann  Ich  ja  nicht  wissen, aber  mitgewirkt  neben  anderen  Ur- 
Sachen  wird  Diathermie  schon  haben. Speziell  für  Deinen  Arm  wäre 
diese  Behandlung  notwendig  und  ich  möchte  Dich  deshalb  ganz  ernst- 
haft bitten, Dloh  behandeln  zu  lassen.  Ich  denke, dass  Du  mich  nicht 
nötigen  wirst, in  dieser  Sache  mit  Dir  eine  lange  Korrespondenz  zu 
führen, sondern  verstehst, dass  das  sein  muss  und  danach  Deine  Ein- 


wendungen aufgibst 


loh  werde  heute  abd  nach  Reval  fahren  u 


telegraflre  Dir  noch  das  mitteilen .Mögliche-^^weise  finde  Ich  es  nö- 
tig ,von  Reval  aus  noch  ein  paar  Plätze  zu  bereisen.Das  weiss  ich 
aber  natürlich  noch  nicht  im  voraus.  Meine  Adresse  hast  Du.  Wie 


M  89  5000  21  8  29 


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zu  schaffen. 


lange  loh  unterwegs  sein  werde, das  Ist  noch  nicht  zu  übersehen. Del- 
e  Briefe  werden  mir  aber  »wenn  ich  wieder  nach  Riga  fort  sein  soll 
te, nachgesandt, so  dass  Du  ruhig  schreiben  kannst.  Gestern  Abd  war 
ich  in  der  Oper  (Mephistopheles) .Der  beste  Platz  kostet  2  Lat, Schü- 
ler die  Hälfte.   Es  war  feanz  nett. 

Die  Affäre  Rahn  nimmt  üble  Formen  an, wie  es  aus- 
sieht. Ob  Rahn  nicht  sein  Mandat  niederlegt?  Dann  käme  Moderegger 
daran  und  der  bringt  es  fertig  ,sich  vor  Freude  und  Aufregung  tot 
,   zu  saufen, so  dass  ich  der  Nächste  wäre.  So  etwas  wie  Kronprinzentum 
also.  Es  ist  gut, wenn  Du  für  alle  Fälle  und  Jedem  gegenüber  nlchta 
über  meine  Stellung  und  Aussichten  hier  verlauten  lässt.  Also  auch 
Frau  Müller  gegenüber  nicht, um  nicht  ev  eine  spätere  Komplikation 

Die  Sache  interesslrt  mich; wenn  neue  Veröffentli- 
chungen sind,  schicke  sie  bit"e;auch  '.tenn   im  Volkstage  darüber  ge- 
sprochen wird. 

Von  Eve  habe  loh  seit  einiger  Zelt  nichts. Sie  ist 
hoffentlich  mar  beschäftigt  und  kann  deshalb  nicht  schreiben. 

^  Gestern  ist  hier  der  erste  Schuss  gefallen  d.h. 
ein  stellvertr. Direktor  ist  gekündigt  worden  -auf  m/Veranlassung. 
Das  ist  nun  der  erste  Schritt  zur  Säuberung.  Ihm  werden  noch  einige 
folgen  und  möglicher  ^^V,ise  wird  der  Betreffende  selbst  den  Anstoss 
geben  zu  der  Hauptaktion,da  er  wahrscheinlich  in  Berlin  vorstellig 
Wird  -vielleicht  selbst  hinfährt-  nm   die  Schuldfrage  zu  erörtern  ,diJ 
^fUr  sota.  „atUrlUh  katastrophal  liegt,   rera^e  um  dleae  Au3.vlrkung 
nloht  zu  hlndern.lst  os  ganz  gut,a.s3  l.h  etwas  von  hier  fort  gehe, 
-ch  veratehe.dasa  Du  «naohat.ea  mflohte  schneller  gehen; Ich  nicht 
^  minder  wünsche  das. Aber  man  muss  warten  können  und  kann  man  es  nicht 
y«  rauss  man  es  lernen. 


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RIGAS   STARPTAUTISKÄ    BANKA    A./S. 
(RIGAER  INTERNATIONALE  BANK  A.-G.) 


RIGA,  den 


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RIGAS    STARPTAUTISKÄ    BANKA    A./S. 
(RIGAER  INTERNATIONALE  BANK  A.-G.) 


RIGA,  den 


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Rigas  Starptautiskä  Banka  A./S. 
(Rigaer  Internationale  Bank  A.-G.) 

Tel.. Adr.:    .STARBANK" 


Riga,  den  I7..Januar. 


193Q. 


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Codes:  ^'«•'^ 

Ptttrton'8  Inttrnational  2nd  Bdlt. 
A.   B.  C.  5th  A  6th    . 
Bentity's 
Rud.  Motte 


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Liebe     Jenny  / 


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-V  .       , 


Im  Anschluss  an  meinen  gestrigen  Brief 
bitte  loh  Dich  ,ln  meinem  Schreibtisch  •  eine  der  links  be- 
flndllchen  Schubladen-  nach  einer  Akte  zu  suchen, welche  das 
Projekt  der  polnischen  Kxportbank  enthält  und  dieser  Akte 
das  Expose  ssu  entnehmen  (es  "ist  auf  gelbem  Durchschlagspa« 
pler)  .Dieses  Expose   schicke  mir  doch  bitte  hierher« 
Der  junge  Lelck  meint, französisches  Kapital  Interessiren  zu 
können; also  muss  man  das  mal  versuchen, 

Post  habe  Ich  heute  von  niemandem* 
Hier  hat  sich  auch  nichts  neues  zugetragen, Herr  Swltgal  Ist 
nach  Berlin  abgereist.  Die  Besprechung  In  Berlin  Interesslrt 
mich  aus  dem  Grunde, weil  Herr  L.ihm  telegraphlrte,dass  zwar 
zweifelhaft  sei, ob  Herr  Schultze  anwesend  wäre, aber  mit  der 
Anwesenheit  von  Direktor  Neuerbourg  gerechnet  werden  könnte. 
Man  könnte  daraus  fast  den  Schluss  ziehen, als  ob  nun  dieser 
-anstatt  Seh.-  entscheidenden  Elnfluss  auf  die  Rigaer  Sache 


t-r, -»- -1*- -t  r- 


t  fynf  ."vf  f)V 


^viul       nimmt  ,was  eine  complete  Umstellung  bedeuten  würde  .Herr  N« 

-   IT  . 

kennt  mich  und  ich  glaube, dass  er  auch  mich  schätzt; noch  eben 
:-^-d  1   kam  er  mir  in  B'^rlin  ganz  unerwartet  im  Foyer  der  Bank  entge- 
gen und  begrüsste  mich  ganz  von  sich  selbst  aus: ich  hätte  ihn 


t  r  r%  fr 


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gar  nicht  einmal  ohne  weiteres  wieder  erkannt. Aber  trotzdem 
wäre  mir  lieber, wenn  Herr  Seh. nach  wie  vor  die  Leitung  hätte. 


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^i  a    Na, das  wird  sich  ja  bald  finden. 


Die  Ralf f eisen -Affäre  in  Berlin  ist 


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ein  Skandal, das  ist  schon  richtig. Aber  wenn  Du  wüsstest,wie 


Ht  89  5000  il  8  29 


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Viele  derartige  Skandale  in  allen  Banken  sich  ap8plelen,ohne  dass 
alch  die  Oeffentllchkelt  damit  beschäftigt.  Die  Kindlichkeit, kann 
man  sagen, Ist  rührend, die  da  zu  Tage  tritt .Und  wenn  ernsthafte  Ge- 
schäfte vorgeschlagen  werden, verfallen  sie  regelmässig  und  ohne  wei- 
teres der  glatten  Ahlehhung.  Das  Ist  schon  mal  so  und  darüber  muss 
man  sich  nicht  welter  aufregen.  Die  fiauff  eisen -Bank  In  Danzlg  hat 
auch  ganz  schöne  Sachen  gemacht. Der  Prozess  kommt  noch  erst. Wenn  er 
nicht  In  letzter  Stunde  unterdrückt  wird. 

Den  Brief  von  Rudja  lege  Ich  wieder  bei,  da  Du 
Ihn  vielleicht  brauchst  zur  Beantwortung. 

Nun  einiges  zu  dem  Roman  der  Interessanten  Agn< 
Smedley.  Bis  zu  einem  gewissen  Punkte  gehe  ich  durchaus  mit  der  Ent-| 
Wickelung, die  sie  schildert, überein.  Dabei  darf  man  aber  nicht  über- 
sehen,dass  sie  bereits  in  dieser  Zeit  eine  Art  von  Bildungsniveau 
vortäuscht, das  sie  aber  gar  nicht  hat.Mr  sehen  sie  beispielsweise 
als  Studentin  mit  einer  Vorbildung, die  in  gar  keiner  Weise  ausreicht. 
Was  mich  nun  abstösst  ,lst  eine  mir  schwer  erklärliche  Einstellung 
der  Agnes  zu  ihren  Jüngeren  Brüdern. Gewisa, sie  sind  #ünger.Aber  Agnes 
selbst  hat  in  noch  viel  jüngerem  Alter  bereits  ihr  Brot  selbstständig 
verdient  und  trotzdem  für  ihre  geistige  Entwickelung  gearbeitet. Me- 
so  sieht  sie  nun  ihre  Brüder  für  Menschen  an, die  nicht  ebenso  gut 
sich  selbst  durchschlagen  können  »sondern  von  ihr  bemuttert  werden 
müssen?   Die  Jungens  sind  ja  keine  Kinder. Der  Jüngste  ist  18-19 
wenn  er  nach  Frankreich  geht.   Wenn  Agnes  als  Frau  (oder  Mädchen)& 
entgegen  der  allgemeinen  Sitte  sich  eine  Position  erkämpft  hat, wenn 
sie  in  diesem  Kampfe  gestählt  und  hinreichend  hart  wurde  gegen 
sentimentale  Rücksichten  auf  ihre  Familie  etc,  dann  erscheint  es 
unlogisch  und  inkonsequent, dass  sie  plötzlich  auf  ihre  Brüder  wie 


^• 


Rigas  Starptautiskä  Banka  A./S. 
(Rigaer  Internationale  Bank  A.-G.) 

Tel.. Adr.:    »STARBANK« 


Riga,  den 192 


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Codes: 

Pcteraon's  Inttrnatlonal  2nd  Edit. 

A.   B.  C.  5th  St  6th    . 

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-  r     auf  schutzlose  und  sohutÄbedürftlge  ,vor  allem  Ihres 
M  Geldes  bedürftige,  kleine  Kinder  blickt.   Ich  finde  auch  das  Ver- 
hältnis,das/  sie  zur  Indischen  Bewegung  hat  , abgesehen  von  den  da- 
raus entspringenden  erotischen  Bindungen,  etwas  verlogen, denn  man 
darf  wohl  voraus  setzen, dass  die  Führer  solcher  Bewegung  , besonders 
einer  Fremd stämmigen  gegenüber,  erheblich  urteilsfähiger  und  kriti- 
scher eingestellt  sind  —oder  sie  wären  eben  keine  Führer.  Hier 
xnlsoht  sich  bestimmt  Wahrheit  und.  Dichtung.  Und  nach  meiner  Empfin- 
dung mischt  Agnes  nicht  gut  und  das  verleidet  mir  das  Buch*  Aber 
da  es  Dir  trotzdem  gefällt, so  hat  vielleicht  Agnes  so  Unrecht  nicht 

und  es  ist  nur  Sache  des  Gefühls es  kann  Ja  so  gewesen  sein,  nu: 

glaube  ich  es  nicht  und  das  stört  mich* 

Jch  habe  hier  ein  Buch  ,in  Berlin  gekauft,  das  den 
ehemaligen  Kronprinzen  behandelt  und  ganz  amüsant  ist. Es  macht  S.M 
furchtbar  lächerlich  und  der  Kronprinz  selbst  empfindet  ebenso  und 
macht  aus  seiner  Ansicht  kein  Hehl. Er  selbst  ist  nicht  unsympathlsa 
geschildert  und  es  kann  sein, dass  man  seine  Fähigkeiten  und  Jntelli 
genz  unterschätzt  hat. 

Augenblicklich  bin  ich  etwas  freier  in  meiner  Zeit, 
da  die  Buchhaltung  noch  rückständig  ist  und  mir  das  Material  nicht 
geben  kann, das  ich  brauche, um  welter  zu  gehen*  Aber  ich  kann  mit 
meiner  Zelt  auch  nichts  rechtes  anfangen.  Alles, was  man  machen  kann 
kostet  Geld  und  Geld.  Sonntag  war  ich  mit  Leick  in  Mltau.VAr  fuhren 
ralt  der  Bahn  hin  , aasen  da  Mittag  eto  und  fuhren  gegen  Abd  mit  dem 
Autobus  wieder  nach  Danzlg  zurück.  Was  Ich  am  kommenden  Sonntag 


*  .  • 


Ut  89  5000  21  8  29 


unternehmen  werde, das  weiss  Ich  nooh  nicht,  Theater  Ist  hier  billig 
und  angeblich  gut  (Oper  : lettisch) .Aber  mich  zieht  nun  mal  nichts 
Ins  Theater*Dann  gibt  es  russ.und  deutsches  Theater. Die  reizen  mich 
ebenso  wenlg.Circms  hat  auch  wenig  Interesse.  Bleibt  ...Kino  &  Cafe* 
Q  Tov  Ausverkäufe  sind  hier  auch  überall. Aber  ohne  Preise  Im  Fenster .Und 
also  totsicher  Schwindel.   Nur  Pelz Joppen  ,slnd  billig  . Schade, dass 
Rudja  sich  seinen  Bedarf  n^cht  hier  eindecken  kann. Für  100  Lat  Ist 
schon  eine  nette  Joppe  zu  haben.  Das  ist  für  dortige  Begriffe   spott 


billig. 


Jrr^j:; 


Na, zunächst  wünsche  Ich  also  Euch  einen  angeneh- 
men Sonntag  mit  besserem  Wetter, als  anscheinend  augenblicklich  über 
Deutschland  steht.  \*a8  macht  Angela  denn?  Hat  sie  sich  nun  ausgeruht 
und  kommt  sie  In  der  Schule  mit  ?  Ich  schicke  ihr  Grüsse  und  Küsse. 

Und  ebenso  grüsse  und  küsse  Ich  Dich, liebe  Jen- 


ny und  verbleibe  ,Dloh  umarmend. 


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Dein  Dich  liebender 


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Rigas  Starptautiskä  Banka  A./S. 
(Rigaer  Internationale  Bank  A.-G.) 

Tel. -Adr.:    .STARBÄNK« 


16. Januar  1930 


Riga,  den  i?..-.'^..^^^^.^,...^^.'^.^ 192 


Codes: 

Peterton's  International  2nd  Edit. 

A.   B.  C.  5th  &  6th    . 

Bentiey's 

Rud.  Most« 


Meine  liebe  Jenny  / 


Deinen  lieben  örief  vom  13. finde  ich  in  der 


bank  vor  und  kann  also  in  einem  gleich  ihn  mit  erledigen. /.uerst 
was  hve  angeht, so  sehe  ich  keinen  Grund  zur  »r^eunruhigung  nach 
den  iViitt eilungen  von  Ruthchen,  ^ie  hatte  schon  in  ^^anzig  mir 
von  Darms törungen  gesprochen  und  ich  sagte  ihr^dass  sie  ernst- 
lieh  eine  Durchreinigung  machen  müsse .Dasselbe  wird  ihr  die  sie 
behandelnde  Aerztin  .^iKü:!- .g^^^ten  oder  sogar  besorgt  haben.  Wer 
ist  iiilena  ?  Von  dieser  mystischen  Person  höre  ich  meines  ;Vissens| 
zum  ersten  i..al.Da  der  Käme  im  Zusammenhange  mit  Hudja  erwähnt 
wird, so  mache  ich  mir  einen  i:eim  , vielleicht  ist  er  aber  unrich 
tlg?  Ich  geniesse  nicht  H-s  Gonfldenz  und  sehne  mich  auch  nicht 
danach;  seine  Bemerkung  über  iienny  lässt  aber  vermuten, dass  das 
i:.nde  dieser  lang  andauernden  Freundschaft  nicht  weit  ist  und 


n 


icht  harmonisch  ausfällt.    Was  Kudja  sonst  mitteilt /besonder 


wegen  der  hilfe  für  i:.ugen,i3t  nicht  erfreulich.  Ich  möchte  doch 
glauben, dass  R.sicb  bei  der  ijehandlung  .iieils  vielleicht  im  Ton 
oder  in  der  Kritik  et.vas  übernommen  hat  und  dieser  üerr  scheint 
empfindlich  zu  sein, wenn  es  ihn  selbst  betrifft  und  nur  bei  an- 
deren die  vyahrheit  zu  schätzen.  Ich  weiss  nicht, was   an  da  tun 
kann  und  es  bedrückt  mich  sehr  stark,i^ .nicht  Irgendwie  beisprin 
p-en  zu  können.-  .^as  Rud  ja  .vegen  Angela  ,als  seinen  ii^indruck 
schreibt, hat  etwas  für  sich  ,wenn  man  einen  bemerkbaren  Ueber- 
schwang  zu  Gute  hält .A. verspricht , etwas  zu  werden. Aber  es  ist 
nicht  sehr  gut, Ihr  das  zu  oft  und  z\i  dick  vor  Augen  zu  halten, 

da  sie  leicntlich  sonst  glauben  könnte, schon  jetzt  etwas  so 


Uk   89  5000  21  8  29 


au 


s  der  r-elhe  Fallendes  zu  sein*  -  Ich  kann  nur  wiederholen, dass  ich 


keinen  anderen  Ausweg  zur  Zeit  öehe,etv/as  Geld  flüssig  zu  machen,  als 
den,  etwas  zu  verkaufen. Ich  schlage  also  nochmals  die  öchreibmaschine 
als  Verkaufsobjekt  vor.  Du  kannst  ja  mit  tSchmidtke  (der  hat  sein  Ge- 
schärt  gegenüber  Potrikus  , neben  den  Automaten-rtestaiirant  auf  der  iitage 
klt  der  Automaten-oache  kann  ich  ralch  jetüt  nicht  befassen  ;ich  habe  den 
Glauben  an  die  Geschichte  verloren  und  jet/.t  ist  es  erst  recht  schwer, 
Leute  mit  Geld  zu  finden. Von  ßlumstein  haöe  ich  hier  noch  nichts  gesehen 
Jch  hatte  weder  Zeit  ,noch  besonderen  Drang  ,ihn  auf/.usuchen;ich  ineine, 
dass  vielleicht  die  ^.ntjvickelung  der  Dinge  hier  doch  einen  Gang  nimmt 
(jedenfalls  sieht  es  so  aus)  der  sorgsam  verfolgt  werden  inuss.i  eber  den 
anderen  Jnhalt  Deines  lieben  Briefes  werde  ich  bei  ehester  Gelegenheit 
Dlaudern. insbesondere  über  die  i^'rau  allein",  nei  der  mir  nicht  ein  happ; 
end  vorschwebt,  sondern  die  i:.ntwickelung  in  violer  Hinsicht  gekünstelt 
-um  nicht  zu  sagen; verlogen  -erscheint ;üDrigens  stimme  ich  da  ja  mit  den 

i.ädeln  überein. 

"Und  jetzt  muss  ich  mich  etwas  an  die  Arbeit  machen,  die 

in  diesem  Falle  das  bokar:nte  Sprichwort  Lügen  straft.  :iie  hängt  mir  näm- 
lich zum  lialse  hinaus. 

Also,  liebe  Jenny,  bleib  gesund  und  sei  Du,w.ie  auch  An- 
'gela  herzlich  gegrüsst.Ich  wünsche  Luch  einen  recht  frohen  Sonntag. Ges- 
tern warst  Du  wohl  mit  Frau  I. /aller  wieder  zusammen? 

Jch  umarme  Dich  und  bin  mit  einem  Kusse 


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Dein  Dich  liebender 


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INTERNATIONALE  BANK 

AKTIENeESEUSCHAFT 
AUFSICHTSRAT 


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FERNSPRECH^    726-^-68 
TEL.ADR.  INTBRBANK 


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RIGAS    STARPTAUTISKÄ    BANKA    A./S. 
(RIGAER  INTERNATIONALE  BANK  A.-G.) 

Tel. -Adr.:  „STARBANK" 


RIGA,  den 


CODES: 

Peteraon's  International  2nd  &  3rd  Edit 

A.  B.  C.  O  *  6th  Edlt. 

Bentley's 

Rud.  Mosse 


193^ 


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RIGAS    STARPTAUTISKÄ    BANKA    A./S. 
(RIGAER  INTERNATIONALE  BANK  A.-G.) 


RIGA,  de 


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193  ^<r 


Tel. -Adr.:  „STARBANK" 


CODES: 
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A.  B.  C.  5  &  6th  Edit.  Lr'^^yZ 

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Rud.  Mo88e^_ 


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A  4,  Zentrum  Nr.  9734 

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7.  den  ^///  ' 


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HOTEL  „REICHSKRONE 


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BERLIN  NW  7 


Neustädtische  Kirchstr.  11 


Arn  Bahnhof  Friedrichstraße 


Fernsprecher: 
A  4,  Zentrum  Nr.  9734 


Telegramm-Adresse  i 

REICHSKRONE  BERLIN 


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192 


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Ludwig  Selke. 


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RIGAS    STARPTAUTISKÄ    BANKA    A./S. 
(RIGAER  INTERNATIONALE  BANK  A.-G.) 

Tel. -Adr.:  „STARBANK" 


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Poteraon's  International  2nd  A  3rd  Edit. 

A.  B.  C.  ö  Ä  6th  EdIt. 

Bentley'8 

Rud.  Mosse 


28.   April 


0 


RIGA,  den 


193 


Meine  liebe  Jenny! 


Eben  erhielt  ich  Deinen  I.Brief  vom  24. 
der  also  wieder  sehr  lange  unterwegs  war.  Von  den  Berliner  Herren 
ist  weder  Herr  Leick  noch  Herr  Frank  bis  jetzt  eingetroffen  nnd  es 
fehlt  jede  Nachricht. Vielleicht  kommen  sie  nachm. mit  dem  Stettiner 
Dampfer  oder  abds  oder  erst  morgen  früh. Also  das  reine  Rätselraten.] 
Von  Dr  Grünspan  hatte  ich  Brief , der  ziemlich  verheissiingsvoll  ist 
•und  hoffentlich  später  das  hält,  was  er  im  Anfangs  Stadium  verspricht| 

,  Ich  sehe,dass  auch  Du  den  Eind2nick  hast, 
den  ich  in  meinem  Briefe  ja  schon  von  mir  selbst  aus  Dir  mitteilte 
dass  unser  Zusammensein  doch  noch  etwas  mehr  hätte  gehen  können. Icl: 
erkenne  durchaus  an, dass  die  häusliche  Beengung  Aussprachen  im  all- 
gemeinen  und  bei  uns  xm  so  mehr, nicht  günstig  ist«  Insbesondere  wai| 
mir  auffällig, dass  Du  auf  verschiedene  Angelegenheiten  nicht  zu- 
rück gekommen  bist ,  obgleich  Du  frülier  in  Briefen  gerade  selbst  ei- 
ne Aussprache  dainiber  wünschte  st.  Aber  vielleicht  war  das  jetzt  auckj 

nicht  mehr  nötig« 

Ich  würde  mich  sehr  freuen, wenn  Deine  Voil 

Stellung, dass  Du  mich  bald  hier  aufsuchen  wirst,  sich  verwirklicher| 
sollte, denn  ,von  allem  anderen  ganz  abgesehen, hängt  mir  der  gegen- 
wärtige Zustand  so  stark  aus  dem  Halse  heraus, dass  eben  nur  die 
Zwangsläufigkeit  ihn  erträglich  macht.  Ich  hoffe  also, dass  Du  mit 
Deinen  Ahnungen  da  recht  behältst. 

Ruthchens  Brief  war  mir  sehr  interessant.] 
Von  ihrer  Absicht, gleich  den  Doktor  im  Anschluss  an  das  Staatsexa- 
men zu  machen, war  mir  nichts  bekannt. Ich  weiss  auch  eigentlich 
nicht, ob  das  in  .jeder  Beziehimg  gerade  für  mich  gut  ist, denn  es 
muss  also  nicht  nur  bis  Ende  Juli  der  Monatswechsel  von  200  Emk 
weiter  von  mir  an  Deinen  Einnahmen  gekürzt  werden, sondern  darüber 
hinaus  auch  die  Prüfungsgebühr  (ich  glaube  das  sind  500  Rmk)  Druck 
legung  der  Doktorarbeit  etc  aufgebracht  werden.  Ich  sehe  nicht, 


k»  89  10000  28  1  3d 


wie  die  Dinge  heute  liegen, dass  ich  das  ohne  weiteres  schaffen 
kann  und  selbst  wenn,...  der  Umstand, dass  doch  auch  die  Entwicke- 
lung  bei  Evele  allerlei  Ausgaben  nötig  macht  ,wenn  nur  Mittel 
vorhanden  sind,   ist  diesem  Zusammenfallen  von  Verpflichtungen 
höchst  abträglich.   Ich  würde  auch  gar  nicht  wünschen, dass  Ruth 
noch  einmal  Herrn  Jmmerglück  in  Anspruch  nimmt, denn  seine  Einkünf 

te  sind  sehr  viel  kleiner  geworden  und  ich  glaube, nicht  erst  von 
jetzt.  Ich  werde  also  darüber  noch  mit  Ruthchen  mich  \mterhalten 
müssen.  Erfreut  bin  ich  über  das, was  sie  über  Klimbt  schreibt. 
Weniger  darüber, dass  sie  für  sich  auf  derart  geruhige  Bindung  of- 
fensichtlich noch  immer  nicht  reflektirt.  Natürlich, besser  nicht 
heiraten, als  ohne  beiderseitige  Ueberzeugung,dass  man  die  richti- 
ge Wahl  getroffen  zu  haben  meint.  Ruthchen  hat  nun, wie  ich  sie  ve 
stehe,  überhaupt  wenig  Neigung  eine  ernstliche  Wahl  für  dauernde 
Bindung  in  Erwägung  zu  ziehen; das  ist  ein  prinzipieller  Stand- 
punkt, den  ich  gerade  bei  einer  Frau  nicht  goutire,weilbei  ihr  die 
wechselnden  Beziehungen  ,wenn  man  nicht  gerade  eine  Colette  ist, 
doch  nur  bis  zu  einer  idcht  zu  grossen  Anzahl  zulässig  erscheinen 
ohne  dass  man  schlechte  Aus-oder  Neben  Wirkungen  befürchten 
muss.  .Vas  Du  mir  in  der  Beziehung  neulich  sagtest, trifft  nicht  de 
Kern  meiner  Besorgnisse  .   Ich  hoffe  immer  noch, dass  Ruthchen  Rai 
son  annimmt, wenn  nur  sie  sieht, dass  Evele  es  gut  getroffen  hat. 

Ich  höre  hoffentlich  mit  Deinem  nächsten  Briefe 
dass  Du  Dich  wohl  fühlst, liebe  Jenny  .Desgleichen, dass  Angela  in 
ihrer  neuen  Klasse  mit  Freude  arbeitet.  Wie  war  es  mit  Frau  Mülle 
In  der  Berliner  Zeitung  las  ich  eben, dass  nun  also  die  Büxger- 
regierung perfekt  ist  in  Danzig. Lange  wird  das  ja  nicht  dauern, 
da  man  so  verschiedene  Elemente  zusammen  gekoppelt  hat. Immerhin 
strahlt  Blavier  wohl  ;)etzt  Über  alle  vier  Backen. Pardon.  Komisch, 


was  so  alles  in  Danzig  vorkommt. 

Sei  bestens  gegrüsst 
terprimanerin  Angela.   Ich  umarme  Dich 


Herzlichen  Gruss  für  Un- 


n  Dich  lieben 


RIGAS    STARPTAUTISKR    BANKA    A./S. 
(RIGAER  INTERNATIONALE  BANK  A.-G.) 

Töl.-Adr:  „STARBANK" 


RIGA,  den   I6-Mi 193 


0. 


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A.  B.  C.  S  &  6th  Edit. 

Bentloy'8 

Rud.  Mosea 


Liebe   Jenny    ! 


No  17 


G-estern  schrieb  ich  und  sandte  ein  Muster 
von  G-rütze.  Heute  ist  nun  Dein  gestern  eingetroffener  Brief  (No  II)  zu: 

Beantwortung  fällig.  Du  brauchst  meinetwegen  nicht  besorgt  zu  sein: ob- 
gleich ich  natürlich  in  Olgas  Sache  sowohl  ihretwegen  wie  auch  Jcmer- 

glücgs  wegen  erregt  v/ar,so  wird  das  mich  nicht  umwerfen. Ich  habe  meine 
Nerven  zur  Zeit  doch  gut  in  der  Hand.  Vielleicht  v/eiss  Olga  wirklich 
etwas  Amuröse s  von  Jmmerglück.Ich  möchte  in  diesem  Falle  aber  um  so  me. 

wünschen, dass  sie  sich  nicht  hinreissen  lässt,in  unschöner  Weise  von 
ihren  Kenntnissen  Gebrauch  zu  machen, denn  ich  werde  natürlich  nicht 

schön  finden  bei  m/Schwester,was  ich  bei  Jedem  anderen  auf  das  Bestimm 
teste  verurteilen  müsste.  Olga  schickte  mir  eine  Karte  aus  Genf .Der 
Jnhalt  besagt  noch  nichts, höchstens  dass  ihre  Stimmung  keine  schlechte 
war, kann  man  heraus  hören.  Vielleicht  gelingt  ihr  doch, irgend  wie  anzu- 
kommen, entgegen  unseren  Befürchtungen. Das  wäre  natürlich  die  beste  Lö- 
sung. 

Ich  schicke  Dir  einliegend  einen  Briefent- 
wurf an  mich.  Ich  glaube, dass  ich  einen  solchen  Brief  ruhig  in  der  näc. 

sten  Zeit  mal  Herrn  L.  einsenden  könnte  mit  entsprechenden  Bemerkungen 
dazu  von  meiner  Seite.  Vielleicht  ist  das  auch  noch  nicht  nötig, später.] 
Jmmerhin, wenn  Du  selbst  keine  Bedenken  hast  gegen  den  Text, so  kannst 

mir  vielleicht  einen  solchen  Brief  zusenden. Ich  will  gleich  sagen, dass 
ich  doch  dabei/i  noch  den  Hintergedanken  habe, dass  einer  oder  der  ander( 

der  jetzigen  3  Direktoren  sich  -falls  Berlin  das  Ansinnen  an  sie  stell" 
-sich  nicht  einverstanden  erklärt  und  dann  vielleicht  die  Sauhe 

damit  in  Pluss  kommt.  Uebrigens  verhalten  sich  alle  3  jetzt  gegen  mich 
als  wenn  sie  mich  als  4tes  Direktionsmitglied  heute  schon  ansehen. Ich 

kann  in  der  Beziehung  mich  jetzt  nicht  beklagen. 

Ich  höre  zuerst  jetzt  von  Dir, liebe  Jenny, 
dass  bei  Klimbt  die  Stppendienfrage  in  -ungünstigem  Sinne  sich  entschie-l 
den  hat. Ich  weiss  also  noch  nicht, ob  das  nicht  aufschiebend  auf  die  Ehe| 

Pläne  wirken  muss.  Eve  wird  mir  wohl  im  nächsten  Briefe  darüber  mehr 


Ns  89  10000  28  1  30 


schreiben  können. 

Heute  also  steht  Ruth  wieder  im  Feuer. Sie  wird  auch 

in  Chirurgie  , denke  ich,  keinen  Versager  haben  und  dann  die  Müsse  bis 
zur  nächsten  Prüfung  sowohl  für  ihre  Erholung  wie  zur  Doktorarbeit  gut 
brauchen  können.  Ich  sehne  mich  sehr  nach  den  beiden  Mädeln  und  der  Ge 
danke, dass  vielleicht  nicht  so  schnell  ein  Wiedersehen  mit  ihnen  sich 
machen  lässt,hat  sehr  viel  Niederdrückendes.  Denn  wenn  Ruth  erst  ihr 
aktives  Jahr  ab so 1 vi rt, wird  sie  natürlich  im  Laufe  desselben  kaum  sich 
freimachen  können  und  was  weiss  man, wohin  schliesslichlich  Eve  verschla| 

gen  wird? 

Ich  hoffe, Du  hast  über  einen  gut  ausgelaufenen  Geburts] 

tag  zu  berichten  und  anschliessend  über  einen  schönen  Damenkaff e.^on 
Eugen  wirst  Du  rechtzeitig  Brief  bekommen  haben, nehme  ich  an.  Und  Ru- 
dolf wird  »entgegen  sonstiger  Gewohnheit,  Deinen  Geb\ixtstag  wohl  benutz 
haben, Dir  nun  endlich  etwas  Einblick  zu  geben  in  seine  Gedanken-  und 
Gefühlswelt, hoff entlich, ohne  damit  allzu  stark  an  Deinen  Nerven  zu  zer-| 
ren.  Dein  Unwohlsein  ntmmt  Dich  dieses  Mal  .besonders  wenn  Du  das  Mit- 
tel dagegen  verwendest,  hoffentlich  nicht  sonderlich  mit. Halte  aber  je- 
denfalls Bettruhe  und  lass  auch  die  Brief schreiberei  nur  sachte  angehenj 

Du  triffst  es  anscheinend  mit  Eino  nicht  besonders. 
Ich  habe  inzwischen  ein  paar  interessante  Filme  gesehen  d.h.interessantj 
wegen  der  Darstellung. Das  Sujet  ist  mehr  lustig, als  seriös  zu  nehmen. 
Ein  Film, den  ich  Dir  empfehlen  möchte  ,ist  „Lied  von  Liebe  und  Leid" 
aber  auch  Jhre  erste  Liebe  "  könnte  Dich  wegen  der  lustigen  Stellen 
darin  zerstreuen. 

Was  werdet  Ihr  am  Sonntag  t\m?  Ich  denke, wenn  das 
Wetter  nur  einigermaassen  ist,  mit  Sw.  auszugehen. Er  hat  etwas  auf  dem 
Herzen. Ich  weiss  nur, dass  er  nach  Berlin  geschrieben  hat (aber  ich  weiss| 
nicht  weshalb  und  nicht  was)  und  dass  die  Antwort  ihn  verstimmt. 
Schreibe  mir, ob  das  Mehl, die  Grütze  und  die  Erbsen  gut  waren. Grütze  un( 
Llehl  habe  ich  noch  Vorrat. Erbsen  müsste  ich  noch  besorgen. 

Für  heute  ist  es  mal  wieder  Zeit  ,Schluss  zu  machen. 
Morgen  ist  Dein  Geburtstag. Ich  werde  ihn  in  der  Oper  feiern, wo  ein  Bal-| 
let-  die  schlaff  ende  Prinzessin-  gegeben  wird  ,das  ist  unser  ^^Dornrös- 
chen" .  • 


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-*+rTi     f"»t     ■♦T'V»R-r«-»r1'^f  «J      ••Tl-^IjO'f     1«  ji  -»Xi  J  XWE  ftf^J  «I     X«* -» t -t  ?»i  *»  irf  ^  Pt  '  / 


.'T^'MrTSTÄ'exo/    -i-    ar^yi-^B-ri    'ixirr  ri VAaM>g^.:'*.'^?.?^.'If.^^^^^^ 


Codes:  Feter«on'8  Ist,  2nd  4  3ra  Kd.  ,        .        -  ,  .  (PRVALL    ,_      -/»«.«.äM      «.ta      ei^e^ 

Rudolf  Mosse 


•JÄ  ♦rr  xK       't 


-xit-^i^  1     '^*^i 


^  J       I  ^i.'  I  ff  '^iJ 


"♦^  'n!      TIO  /     '^^ 


^        "^  '  Df^in  Iriftf   lom   -^P.i^^it   mir   hierher 

nmchge 'schielet    worden«    Ich  freue  michidass   es    Dir    besser 

geht   mit    lein    \rme.\ber   selüst\er3tänllich  itrfat    T)u   ihn 

nicht   tlüermTi3trenger  mit    j^rief  schreiüen . 

Soeben    erhielt    ich   las   einliegende  '^elegramm.  Ich  fahre 
ffio^<   -iiilz'f^p-^    Vr'    •triwRi.FH    -x*^(  "^^l^oft    •t;hx  ♦f^'^XP'^J    s^i/'^'^o'^    •ü 

morgen   nacht    nach  Ili;2a  furöcx  und  finde    dann    dort    wohl 

^(T*S    ^>^i     /^xe    '>rtft4«i>i    -ii(     .rfm^r^P  it^  r   iJ^    t-'r  ♦rj/  ,     ^r'o-ri 

mit    dem   erwähnten   vertraulichen  Einschreibebriefe   ?ugleicA/ 
die    \ntwort , vielleicht    schon    die  ^nscheidung    ,auf    die   un« 
besonders   interessirenden  Fragen   Tor# 

^ir  kamen   gestern  mit    ca   *>   Stunden    verspfttung   an#Er«t    auj 
den    '^eitunge"?i"eYf unt"  lcTi'"Ten   arund:    durch  d^n   Sturm    waren 


opCf    te 


I^-"^/^.  tjfT 


O       fr 


'w  a^jj 


g^i"    rn«»l     lin   b 


( 


i  j5«^  twut. e    hier 


jund   rutre 


rr^Sfi^i  "•»äill«  *if   FWfJ^^f^äÖ^hlitfJh 


f^r    •rfT-'P^ 


„^■s  i->rPoiiv    8<lÄ»^r«ÄB3Jwipr*«mt^io*;r-i«»Jtflpr««5  3antes  ileinoirftnwftrk   \on   Pjrar>k 
o^    ftor^iPU-^J    il«^r4«OjM:rl^*^«L'*chJeT.   i^«rWflri^.»  V^^  dwopnid^tss    ich 


rtox    FPiew    i*ri'Äi'fo*f» 


•i^lJFl^Äirs   r»  leaeiof  — Iwjrn  i>ir  da^üüifch  dort 


rro/  rt>xp    elrrfir^  > HD Iw^ «ras« ^3lt>«6l^fr  erhalt  efr)^^  ""a^. 


rioxp    tr'oxefa    p^fi^pil^Upp^^  ^gkf^ 


■MMlUtlMlII  III 


A'/. 


:'l  yik    >i     .!  /   / 


<   I 


lerschiftdenater   leuenairicht  iger  TroX^l^m^    Leachterjawert    und   inte- 
X/fasarrti  ialirttiso   irürie    ich  mir  ungefähr  ^ine    Vorstellung  machen, 
4a33   ein   Mensch   wie   ^ugen    in    der    gleichen    Situation   sich  ebenso 
aof    die   i.eine    stellen     X  «    n   n   t    e    (oder   gekonnt      h  fi  t    t    e)  . 
3   0    wenigstens   fasse   ich   es    auf  i  wenn    jemand  die   i^rticlcen    hinter 


r  fw  ii  \ 


'^Ii 


sich   aüoricht   und   in   die    7elt    geht  , not  abene   wenn  er   g«ntlg«i^i    in- 

t-.elligent    iat.      i'^ir   hat    das  buch  einig»    ingenehme   Stunden   Leht-ür" 

geschenkt  »obwohl    ich  nicht    1 00'^  mit    allem  ti  ter einst imme. 
fyrti    uC    *ct'ifl    liojli  rii1teiP/lPj  I*P    i«j/  .eni'i/     nei     -»iti    -trleö 

Ich  halte   eine  tiietaerhfthung   bei   f;uch,urd   te -. 

sonders   in   lern    \a8Tnaa3,ftlr   gan«   ausgeschlossen.    Ist    dem^   to»    ^t 

die   Wohnung   besichtigt    worden*?        Der   Hauswirt    hat   natürlich  kein 
Irfow    tioi    -"'Pl     elTXl    /rfij   ^^ihti.'s   i^iil  riorr»    ,^r*Of    fre^itorn 

Hecht    ,\tstand   tm,  v-rlangen.    3ie  Mieten   sind   doch  gepfändet , erst, 
oxe  rax;"    «^«»iij ''JX*tf**')f"'X''    rteri^i  rx/ri"»'!"/    '♦•■tTriHwre    uiei     .-fim 

ton    der  Steuer  und   hinterher   Ton    jemand   anderem. Du  kannst    also 
•  "^i    eil    ^iJPi    s^i/I  ie.iip.-''^    »ii    '»ofloB    .+il  )i*riei /,  -»lowl"/     eü 

nichi-    einfach   etwa  nach   Verfügung  ton  Lf^wenthal    die  riete    irgend 

• — "     ii;  iif  II  I   I  I  >  li^i  "    ii|  I  i     r  r  ''  I  rr   I       I  I  


.xD^'^wn~*if"i 


•5 


jemandem    rahlen.    Du  musst   feststellen, wie   die   Sache   hängt  .^le^^tl 

mu33   die  Miete    bei   u er i cht    eingezahlt    werden  f-ör  Rechru^^g  wen   es 
•tetf'w    mti  *'     ''ei    {*.'itH     :t"n.x.7  TAT  rirr    xrfL-ti«    <'>»ji'^^  *•''""    '^^^ 

a'^geht  t 
mit    "••  ♦ii'^ar    t'^u  r^itinorf«!,   n«DWii«öht,»a»r'»lnwrwivwi«raP*»tf  L.ist  .Ich  hate 


sie   nur  ein  paar   Stunde  iffe'arwlrtm''  urrtl  ffl**^  WWh^futfem   Ja  noch   in   d. 

^„4sj^  i  nixatr,±±B'^  i'ta!Mtvit\ätBr^'\Z)  iv  (r*aratuf^  l)filt^'1i«aT^iT»M     mit    dem  Typ^ 

gemein   hat>der   Dir    ja   bekJm»»t  1»*;-Ü»i«^l|u*;;jf1ir  Ifl^elligenff tlgCfry^ 
rfTi.fnrM«ai.haü*iu  iflftvxröirt örxaltrtPirUe  fVhlTtfrj^ctrtftjÄii^ilrblftrtiiig.Ich   sandte 


•xf  »   g-^i;  llw*»tii  isliÄteff'.x  It^  fltffk»i  dlmF^ihi 'tmfi'Wiio^i^^  an 

.e-»-")p^d»«<e  *ifei^i'fi'Wi»te  l%u»Ä*litT,f**  >ra^f^4<rti>^l<<h4;' jil'njnal    sagen,    da 

- f  f  i-^j,  iishT  s^i  kÄl**' ^rt*r^ erufrg'  ttwy»  *1ci>tfl afctif  %««*  J»- '    x- « -x 
jf^nS    rrQf    :fiewrreiione:i  ce.-tr'«B'<itri)i>|m*i*ti»|j^l»aÄrr  Wil'^  i*©hmr%l'ea   grosser   »imp- 

rlox    erifiang:ÄeT  -lf>.t*«ti^i^  *i^««Jtflt  e,  ufi^"' i)»Ä«iiflf  ^fll;>*iix  •i»i^   deutscher  Fo- 


:^iol    rfliori»  Jw«i-<«n~iBi»i-^d'»m;t*^*«"  s9irit|fkl^fi^irhfer',^'b!Ht'0«^«cher   weiss    ich 
,^f.r-  la«,!  r>4<xW.T,itJy.>gi-%tttiw^mAc1r  tiAcht'';qriteT?tn^  sich  \on 

n,«5iPjriKi)/!54rl4g«^a'-i'?i4'it'^r«fU|f^ii+id'^^TT»tf-»ay%U|^  ^l>4ifeVi^"iras   gleicht    sich 


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BP  t     ,  ft.Tr>- Jft«?)BA^K?;i'-       ^  '  Sf  """'^r  ,  -A^-rcn  A  ^■tTS£uNN,  den  

Codes:  Petergoii's  Ist,  2nd  *  3rd  Ed.  .  .  .       ^ j  «.  i  V  U^EY/^Li  _   i       e<  e,  r  a» 

Rudolf  Mosse 

.Tf-tFi    rftCfOXV"!«  *rfl,    1f»i      'Ti     i-ii^XW    ritill    S*»trTOJ    OB  Cl»     '▼XO 

I 

wahr3cheinl*fc   aus) 

..ißr.i/is   '^/eh  aehe/itas    Ou  reicht    r-cht.    larar^   gl^ubsT^ 
^j*x.i      X    1J.J    i   V    '^.^^gg   ^^^   ^;^g   gpj^jj^   g^    ^,,14   3^h«r   werl«n.    Ich  bi-^I^i*,    d^s 

'^k*aV   s^n?   pl«trllch  komBien.   Selbsirelenl   hft^  +  «   ich   eler^s«. 


Lftiue»   Ti»ch   lar^rig  koffioeyi  k«nn»n-iT5    Jr?t-.  *»ri-rechurg  4ftr 
R«i3e   »^ach  i.^rlin-  wie   Dich  nach  i^ari-^nturg   titt«n.\ler 
erat-.lich  macht    las   ^epftck   «inige    umstände  und  dann   würde 
ich  Dich  in   Oanrig  doch  nicht    so    ausschliftsslich  hab^n 

irte   wenn   wir  uns  treffsn. 

Heine   Garderou©    verlangte   eigentlich   sehr 


dringend  ',rgän«ung.  \ber  was  ist    da  ?u  tun?     Man  muss   iie 
Dinge   \on    der  humoristischen   Seite   nehmen. Ich  habe   nur 
früher   nie   so    beobachtet »wie   die   Sachen   sich  \erschleis- 


sen* 


In   der   obersten  Schublade   ^linlcs)    im 


Ichreibtisch  liegt   meine   ST'k:UT?R- «C"!;   und   darin   findet  st 
Oa  ein   1:1  att   mit    Motifsn  tiber   das   Jahr/Wf    (unter   an- 
derem  Mummer   des    Steuertuches   etc   etc    )    Dieses   j:>latt 
hätte    ich  gern    .  ua   ich  nicht    gut    noch  einmal   um  '^rolonga 
tion    beim  Steueramt    einkommen  will    and  nicht    weiss, ob 
ich    bis   If/4    in    :)an?!ig  lasu  komme, so  mlisste   ich   also   d. 
•Deklaration  unter   umständen   in  Riga  fertig  stellen  ken- 
nen  und   dara  brauche   ich  das  jjlatt  .Willst    Du  bitte  mal 
sehen, ob  Du  •■  findest. 


i  I 


-AViiMV.'-'  11  Ak   M-ia/  VW  '. 


'  r' 


i       ,  ' .  .' 


^  ihh-iuma 

"^as    ich  morger^  i^or^rt:  ag;am    ''ag©   urt<»rn^hme,    d%8 


weiss    ich   r>och  micht  .uw   i^   aiöds   fahr»   ich  nach  Rigt  u^d 


1/       |[(M) 


tin    %lao  Montag  früh  wieler   in    der   Jnter^ationalen  i.anlc« 

Euch   wünsche    ich  viel    Vergnügen    uni  recht    gutes 
Wetter.      Seil    bestens   gegrtiast . 

«»jijc  [3     r^fxri     ^r'O'^T     tfloi'^   i;;(     RPfit*.'^«*r    .^c^t 

Ich  umarme  Dich, liebe  Jenny,  und  bin  in  Liebe 

Dein 


fT^Jrr'    rfii  iRf^xIriirrx/r    oc    l.lol'^   •lool    j^ir'^rc    rrx   :iiic    riDX 

•  nrelleit    crx/    Tiw    '▼täw    •J* 

tss'^    ejrrf   rl'>l .  rrearl^T    e.-tXAf     rrerfißx  tBxiOfcu/rl   -i«i     ro/    ej^^xC 


•  rree 


mx    (n-A^il)    ^tf  Isiuri^'t   rf*^iex«^Jo    i^i    '▼i 


Fgrrolof"   au;    CffC3'^i<»    rfoo'r    .füg    trloi'^   iloi    f (  .     rri^g    r^oi    et-^öff 

.  f)    oplr    ff^x    «^tppü-m  oRt  ^rfT'tio^f  ij^'f!   sx^rri     rrx    ^\11    bxo    ri^i 

rpTi   -^^tij    xC    tp  iXxr,  t-tr  IjL   ßrt   rtoi    •r'oxji^-xj    xtfI    Irrx    '^•^ 

..teeirril    •#   i/C   JOffterleB 


Commerz-  und  Privat-Bank 

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Aktienkapital  und  Reserven   M.  250  000  000.— 

T«l.-Adr.:   Commtrzbank 


Danzig,  den 
Breitgasse  111 


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Commerz-  und  Privat- Barrk 

Aktiengesellschaft 

Filiale  Danzig  . 

•Aktlenkapital  und  Reserven   M;  250000  000.— - 

T«l.-Adr. :  Commerzbank  ^ 


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Danzig,  den 
Breitgasse  111 


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\.  4 


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Pttcnon*!  Internittooal  2nd  &  Srd  Edit 

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B«ntl«y't 

Rud.  MoMt 


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^  Bcntlcy't 

^^  Rud.  MoiM 


/fi  .  19.^?^ 


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Bcntley*a 


Riga, 


19. 


^^ 


Ts^^a^^v- 


.       .f. 

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19. März 


lO.'^O 


Riga*  den  19 


CodM*. 

Ptt«non*t  lottnutlonal  2nd  A  3rd  Edit 

A.  B.  C.  5  A6th  Bdit 

BfntUy'f 

Rud.  McMM 


Liebe  Jenny. 


E^en   erhalte  ich  Deinen  l.Rrief  von  17. 

-  ■  f  m 


und  ersehe  aus  den  schwankenden  Schrift zilgen  sehr  deutlich, wie  viel 
Anstrengung  es  Dich  (gekostet  hat, den  Brief  zu  schreiben. Das  tut  mir 
sehr  leid  und  ich  wiederhole  meine  Bitte, dass  Du  ruhig  eine  Zeitlang 
das  Brief schreiben  lassen  möchtest, bis  die  Wirkung  der  Massagebehand 
lung  Dir  das  erlaubt. 

Sehr  froh  bin  ich  iiber  das  Ergebnis  der 
ärztl. Untersuchung  Angelas  und  darüber, dass  ihr  die  ärztliche  Hehand 
lung  so  gut  tut  und  so  gut  zu  bekommen  scheint. Man  wird  also  da  sich 
grosse  Sergen  vor. der  Hand  nicht  zu  machen  brauchen, scheint  mir. 
Ich  habe  aus  dem  Schulbrief  gerade  heraus  gelesen, dass  man  Angela  als 
angehende  Unterprimanerin  wegen  ihres  Penehmens  so  scharf  tadelte  • 
Ich  sehe  also  Deine  Befürchtung  wegen  Nichtversetzung  zu  Ostern  als 
ganz  unbegr*?ndet  an.  Durch  den  Tadel  wird  ja  nicht  die  Verseljzung 


aufgehalten« 


Evele  schrieb  mir  heute  wieder. Sie  ist 


in  sehr  froher  und  glücklicher  Stimmung: dazu  trägt  auch  wohl  bei, dass 
sie  nun  nit  Ihrem  Freunde  Werner  zusammen  ist. Sie  will  ihn  während 
der  Ostertage  nicht  allein  lassen  und  hat  deswegen  Ruths  Einladung 
nach  Freiburg  abgelehnt  und  ihrerseits  mit  Einladung  nach  Frankft  be 
antwortet. Ich  finde  das  sehr  richtig  und  sehr  nett.  Ein  paar  Tage 
später  ist  ja  Eves  Geburtstag —  26///. 

Heute  fahre  ich  auf  /Vunsch  der  hiesigen 
Herren  auf  ein  paar  Tage  nach  Reval  zur  Peststellung  einiger  wichti- 
ger Umstünde; 


Ht  %9  5000  16  11  29 


wenn 


*  Riga 

Ich  rechne, Montag/Dl onstag  wieder  In  ÄnxEi  zu  sein 

n  nicht  unvorhergesehener  Aufenthalt  nötig  wird. Schreibe  also 


ruhig  nach  Riga. 

Sonst  ist  nichts  Neues  zu  berichten. 


Die  Entscheidung 


Rückkunft  hierher. 


mindestens  die  Antwort  auf  meinen  Brief  wird  wfthl  nicht  lange 
auf  sich  warten  lassen.  Ich  erfahr©  sie  aber  kaum  vor  einer 

Uebrlgens  ist  es  nicht  komisch, dass  ich 
nun  tatsächlich  durch  Abreise  das  eben  empfangene  2  Monatsvisum 
für  Riga  zwecklos  mache. So  geht  es  mit?  Immer. 

bei  Müllers  hast  Du  Dich  hoffentl^ich  gut  unterhalten 
Du  erwähnst  davon  nichts. Ich  wünsche  Dir  und  Angela  für  den  kom- 
menden Sonntag  viel  Vergnügen  und  gutes  Wetter: es  Ist  ja  Fr^^h- 
lingsanfang  --nach  dem  Kalender. Hl  er-  Ist  es  warm, aber  grosses 

Sauwetter  sozusagen. 

Herzlioh  Grüsse  f'ir  Dloh  und  Angela. Ich  umarme  Dich 

und  bin  mit  Gruss  und  Kuas 


t-^ 


/K 


RIGAS    STARPTAUTISKÄ    BANKA   A./S. 
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Bontley'8 

Rud.  Mosee 


9 •Oktober  < 

RIGA,  den 193 


Meine  liebe  Jenny  ! 


Heute  hatte  ich  grosse  Privatpost, darunter 
auch  einen  Brief  von  J^ir.  Ich  verstehe  sehr  gut,das8  es  eine  starke  Nerven- 
probe  für  Dich  bedeutet , jetzt  wochenlang  in  dieser  Ungewissheit  zu  schweben. 
Du  sollst  aber  es  nicht  Dir  so  nahe  gehen  lassen.Wenn  bis  hJnde  des  Monats 
noch  keine  ^Entscheidung  da  sein  sollte, so  werde  ich  vermutlich  nach  Danzig 

fahren, um  billiger  auszukommen  -einerseits-  und  dann  überhaupt.  Herr  Krona- 
cher  ist  zur  Beerdigung  von  Herrn  Frank  nach  Berlin  gefahren. Vielleicht  bring 
er  schon  Neuigkeiten  mit.  Vorgestern  war  ich  abds  bei  Switgalls  und  traf 
dort  mit  Goldbergs  zusammen. Von  allen  soll  ich  Dir  Grüsse  ausrichten.  Heute 
werde  ich  wohl  abds  zu  Goldbergs  gehen.  Die  Bekv^stigung  in  der  Pension  ist 
doch, von  Einzelheiten, die  besser  sein  könnten  (zB  Kaffee  u. Butter)  abgesehen 
ganz  gut  und  reichlich.  Nur  an  und  für  sich  ist  es  in  der  Pension  nicht 


unterhaltsam.  Unter  den  Pensionären  ist  ein  Schauspieler  vom  hiesigen  Deut- 


schen Theater  und  der  Regisseur  Arenstein  vom  Jüdischen  Theater, den  man  den 
jüdischen  Reinh€u:dt  nennt.  Aber  interessant  sind  diese  zwei  Herren  nicht/ 


I 


^,- 


für  einen  Sechser, dafür, wenigstens  der  Arenstein,  hinreichend  arrogant. 

Angela  habe  ich  separat  geschrieben,  noch 

ehe  ich  Deinen  Brief  hatte. 

Ein  Steuerbuch  wirst  Du  nicht  bekommen; 

ein  solches  gibt  es  nur  für  Lohnempfänger.  Eine  Declaration  hast  Du  auch 
jetzt  nicht  nötig  abzugeben, das  geschieht  so  im  April  auf  besonderen  Exempla- 
ren.   Du  rausst  nur  ausfüllen  ,da88  Du  kein  Steuerbuch  hast  \ind  Einkommen 
beziehst  vom  Manne, der  im  Auslände  lebt. 


Ms  80  10.000  2  6  30 


/ 


y 


Euer  Hauswirt  scheint  starke  Phantasie  zu  haben. Die  Antwort 
welche  Ihr  ihm  auf  sein  Ersuchen  gegeben  habt, ist  richtig  gewesen.   Von  Cläre 
hatte  ich  eine  Karte -.sie  fährt  nach  Köln  zurück  .Ich  denke  nach  dem, was  ich  in 
der  Zeitxxng  gelesen  habe, gehen  ihre  Hoffnungen  in  Erfüllung.  Ich  wünschte  es 
sehr  für  sie  und  die  Kölner.  Emil  schrieb  mir.dass  er  es  nicht  übers  Herz  br» 
gen  könnte, stempeln  zu  gehen.Der  Gedanke  schon  brachte  ihn  um. Das  kann  ich  ihm 
ja  nachfühlen. Aber  lOOOOOe  dachten  ebenso  und  mussten  doch  diesen  Weg  gehen. 
Wenn  er  ihm  aber  erspart  werden  könnte  ,zB  durch  Cl  re  ,80  wäre  ich  sehr  glück 
lieh.     Ueber  Brzynski  braucht  man  sich  nicht  zu  wundem. Die  Versendung  von 
Rxind schreiben  geht  ja  automatisch  nach  der  Kundenliste  vor  sich.   Schitteks 
wollten  wohl  von  Dir  etwas  heraushören.  Die  Sache  ist  nicht  die,da8s  Seedorf 
Geschäfte  für  sich  gemacht  hat^  Das  hat  er  wohl  getan  und  ist  ja  schliesslich 
auch  abgehalftert  worden. Die  Erreg:ung  von  Seedorf  gegen  Sch.muss  einen  ganz 
andern  Grund  haben. S. sagte  u.a.„  was  Seh  gegen  ihn  verübt  hat, das  könne  man 
nicht  ander«  ale  schwärzesten  Verrat  gegen  einen  Freund  bezeichnen". 
Also  der  Wahlrumnel  ist  nun  schon  im  Gange  bei  Euch.  Die  Nazis  werden  sicher 
auch  bei  Euch  stärker  werden. Sie  hatten  ja  schon  früher  mal  so  ca  7  Abgeordne 
te  und  zuletzt  nur  einen.  Dummheiten  wirken  ansteckend. Und  so  werden 
wohl  6  Stück  Hanswürste  in  den  Volkstag  allein  von  den  Nazis  einziehen.  Dr 
Grünspan  ist  schon  amtsmüde, schreibt  er,  und  will  nach  den  Wahlen  zurück  tre 
ten.tYau  Dr  Gr  liess  mich  durch  Dr  G  mitgrüssen.Das  war  früher  nicht. Sollte 
ihr  Zorn  (ich  glaube  nämlich, dass  ein  solcher  immer  bei  ihr  bestand  und  mit 


Eugen  zusammenhing)  jetzt  verraucht  sein? 


Ruth  hat  allerlei  Pläne,  die 


re 


cht  wild  scheinen  :  sie  möchte  nach  dem  Pflichtjahr  ins  Ausland  und  anschei 


nend  je  weiter  je  lieber. Na, ich  denke  ,bis  es  soweit  hält,  wird  sie  schon 
wieder  anders  denken.   Die  alten  Herrschaften  Meiss  hat  sie  noch  immer  nicht 
kennen  gelernt.  Aber  im  Krankenhause  kommt  man  ihr  abseiten  des  Chefs  und  des 
Dr  Steininger  sehr  frexindlich  entgegen.  Sie  hat  also  wegen  des  Verhaltens  Ihre 
Vorgesetzten  kaum  Grund, die  Veränderxing  und  schnell  dazu  zu  wünschen. 


RIGAS    STARPTAUTISKÄ    BANKA    A./S. 
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RIGA,  den 193- 


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Bentiey'8 

Rud.  Mosse 


Unter  anderem  erwägt  sie  aber  doch  die  Möglichkiit 
wenn  sie  nicht  in  Frkft  zusammen  mit  dem  Dr  Meise  unterkammen  kann,  ob  sich 
nicht  solche  Möglichkeit  in  Hamburg  bietet, da  Dr  M.ja  gern  im  Tropeninstitut 
arbeiten  mochte.  Diese  Unruhe  gefällt  mir  nicht .Sie  passt  auch  gar  nicht 

zu  unserem  Ruthchen»  Eve's  Brief  waren  2  kl.Photos. beigelegt. Ich  nehme  an 
dass  sie  Dir  auch  diese  geschickt  hat .Wenn  nicht  ,dann  sende  ich  sie  Dir  eia 
Werner  hat  bei  Dr  Pollok  einen  geldlichen, aber  nicht  den  vollen  Erfolg  gehab 
Eve  will  jedenfalls, auch  wenn  Werner  nach  Berlin  geht  um  seine  Sachen  zu 

betreiben,  vorlc^ufig  ruhig  weiter  in  Frkft  bleiben.  Jhre  Tierliebhaberei  ist 
unverändert. Sie  hat  auf  der  Strasse  ein  halberfrorenes  kl  Kätzchen  aufgega- 
belt und  zu  sich  genommen.  Das  ist  wegen  der  Jnfektionsmöglichkeit  nicht  seb 


vernünftig  von  ihr 


So  viel  ich  mich  erinnere, hat  E.den  Radio  immer 


bei  uns  verlacht. Und  nun  haben  sie  doch  sich  als  Abonnenten  und  noch  dazu 
mit  Kopfhörern  angemeldet  und  sind  sehr  damit  zufrieden.    Apropos : kannst 
Du  nicht  sehen, die  2  Radioapparate  zu  verkaufen?  Später  wirst  Du  es  doch 
müssen. Was  Du  dafür  bekommst, ist  ja  egal.  Ueberhaupt  überlege  doch  mal, was 

« 

Du  abstossen  kannst  von  Deinen  Sachen. Du  erleichterst  Dir  das  für  später. 
Schade, dass  Du  den  Ofen  im  Speisezimmer  und  den  im  Schlafzimmer  nicht  jetzt 

verkaufen  kannst. Jetzt  wäre  die  rechte  Zeit  dafür  und  Du  bekämest  etwas 
Geld  in  die  H^nde. 

So  ,nun  habe  ich  genug  getippt  für  heute.  Ich  wünsc 
Euch  einen  recht  angenehmen  Sonntag  zu  verleben.  Sei  bestens  gegrüsst 


und  gekässt. 


Jch  verbleibe  in  Liebe 


Dein 


Wj  80  10.000  2  6  30 


Rigas  Starptautiskä  Banka  A./S. 
(Riga  International  Bank  Ltd.) 


Riga,  4^ 


\9Jy 


Telegrams:  „STARBANK« 

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Petcrson*!  Intenutlonal  2n(l  &  3rd  Edlt 

A.  B.  C.  5  &  6th  Edlt. 

Bcntlcy's 

Rud.  MoMt 


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Hotel   Metropol 

Teleffr.  Adr.:    METROPOLHOTEL 

Telephon : 
Portier  —  3511     Bareau  —  34870 


RIGA,  den 

Atpuia  Boalev.  IS 


193^ 


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Hotel  Metropol 

Telerr.  Adr.:    METROPOLHOTEL 

Telephon : 
Portier  —  3511    Bureau  -  34870 


RIGA,  den 193 


^. 


AepMia  Boolev.  IS 


Petersbourg 

Schlossplatz. 


RÄuent  A  Oc  A.  Q. ,  R)ga 


INTERNATIONALE    BANK 


KAPITAL  1.5  MILLIONEN  DANZIQER  QULDCN 


T«Ittgr.-Adr«ss«i  !nt«rb«n  K  Danslg 

T«!«phon  7204.   720a 

Postschttckkontoi  DAnsIg7e50 

Qlro- Konto  I    Bank  von   Dansig 


DANZIG.      28.I^ovbr    19^8 

Langgass«  67  (■•t»ieh*r  Klnsan«). 


^•taraons    lnt«rn«tlon«l    Banking    Coda   usad. 


Maine  lieben  Kinder  ! 
^  "     *'^   Haute  erhielten  wir  Ruths  Brief  v.25. 
Eves  Brief  vom  26. und  ein  Telegramm  von  Rudja.  Dagegen  v/er- 
det Ihr  aus  dem  ^estri^en  Eilbrief  wissen, dass  ohne  Opera- 
tion nicht  auszukommen  ist .Prof  Klose  sprach  sich  aber  sehr 
b-stiD;mt  dafdr  aus,dass  der  Krüf tezustand  -soweit  von  Gewähr 
gesprochen  werden  kann  ,  natiirlich-fiir  guten  Verlauf  der  ßpe- 
ration  ,wenn  sie  netzt  vorgenommen  wurde,  Gewähr  zu  bieten 
scheine. Ohne  Operation  ist  S.Ansicht  nach  ein  lataler  Aus- 
gang der  Krankheit  ziemilich  sicherund  ein  längeres  Zuwarten 


verschlechtere  die  Operationschanca,  i^£ama  hat  sich  also  zur 
Operation  entschlossen  und  siedelt  um  I  Uhr  ins  städt. Kran- 
kenhaus über. Augenblicklich  schläft  sie. Ihr  Zustand  ist  heu- 
te ,von  mir  aus  gesehen, entschieden  zuversichtlicher  zu  be- 
urteilen, als  es  gestern  war.  Ich  benutze  diese  Zwischenpau- 
se ,um  BvLCh   zu  schreiben  und  Ruthchen  einl.ihre  Rm.  200.- 


zu  senden  für  Decbr. 


Ich  telegrafire  später  noch,Rudjas 


Wunsch  entsprechend.  Ich  hatte  erst  mit  Eurem  Karkoiiimen  ge- 
rechnet,da  man  ja  nicht  wissen  kann  ,ob  Ihr  Eure  ivlutter  noch 


w 


ieder  zu  sehen  bekommt, Aber  ich  bin  jetzt  so  ausgepumpt 


dass  ich  nicht  in  der  Lage  war, Buch  Reisegeld  zu  überweisen. 
Sollte  ich  aber  ,wie  ich  hoffe, in  den  nächsten  Tagen, etwas 


ta-^CL, 


>SM  Aa    3  J  AM  O  ITA  H  5=13  T  1/11 

T^AHOBJ  J        il£>H3rr>*A 

G-ftld   flüssig  maclien  können  und   sollten  die  Ümstända   es   er- 
fordern,  SO  werde    ich  drahtlich  überweisen  und    Ihr  miisst   dann| 

■ 

verstehen,  dass  L\ier   beschleunigtes   flerkocimen   zum  Abschied 
notv/endig  wird.    Ich   hoffe    aber,dass    dieses  ivlal  Irof  Klose 
mehr    Recht   hat,  als  meine   xjrinzlijlelle    Einstellung  gegenüber 
dar   Operation.    Im  Uebrlgen  bemerke    ich  mir   Eure    Telefon  No 
und  kann   ja   auch  v/ohl   abds    jemanden   von   Such   antreffen. 

Eves   G-rippe    soll   sie  nicht   leicht   nehmen. 

* 

tasse  da  mal  energisch  auf, liebe  Ruth.  Wir  fürchten, dass  sie 
das  viel  zu  leicht  nimmt.  Die  Folgen  von  verschleppter  G-rip 


pe  sind  ganz  üble. Also  lieber  zu  Hause  und  zu  Eett  bleiben. 

hMii   Sohluss  für  heute.  Hoffentlich  kann  1  cl 


.  •> 


milt  weiteren  fri<*fen  ii:x.er  nur  üutes  melden. 

Grüsse  und  Küsse  für  Euch  Drei 


Euer  Euch  liebender 


Papa 


oo 


z 


■tvi--  1  ••  •--»  ' 


l^^r 


Rigas  Starptatttiskä  Banka  A./S. 
(Rigaer  Internationale  Bank  A.-G.) 

Tel. -Adr.;    »STARB AN K« 


Riga,  den ^:''!^^J^^° 192 


f' 


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Benticy's 

Rud.  MotM 


Liebe  Jenny  / 


;Wle  Ich  vermutete, so  war  es: ich  fand  heu- 
te In  der  Ban  k  Deinen  I.Brief  mit  Einlage  von  Angela  und  Im  sep. 
Kuvert  das  Expose  vor*  loh  antworte  also  gleich. 

Zunächst  lege  loh  40  Rmk  bei  und  hoffe, da- 
mit Dir  die  dringendete  Oeldsorge  vom  Halse  zu  nehmen. Ich  lasse 
Dir  z\m   ersten  , vielleicht  schon  zum  31.,  Pönk  400-450  aus  Ber- 
lin zugehen, so  dass  Dein  Bedarf  für  Februar  gesichert  Ist. Ruth    , 
bekommt  Ihr  Geld  separat  und  ebenfalls  aus  Berlin. 

.   ,     Gegen  den  Verkauf  des  Services  (Rosenthal 
«so  viel  loh  weiss;  es  rauss  ja  doch  die  Marke  zu  sehen  seln?)|>abe 
Ich  an  sich  nichts »loh  denke  jedoch, dass  Du  noch  nicht  den  Sten 
Teil  heraus  bekommst, von  dem, was  es  mich  gekostet  hat, nämlich  800 
Gulden.  Du  kannst  Ja  sehen. Vielleicht  findet  sich  doch  ein  Liebha- 
ber,der  Geld  für  ein  reiches  Service  über  hat. Es  kommt  auf  die  Pas 
sung  des  Jnserates  an. Du  wirst  dann  zuerst  wohl  Jemanden  vom  Steu-| 
erarat  sehen, noch  ehe  Du  einen  Käufer  siehst, der  sich  für  die  Um- 
satz-Steuer Interesslrt.Aber  das  Ist  nicht  welter  schrecklich. 

^^  Schmldtke  Ist  ein  Gauner, das  Ist  alles« 
In  dem  Augenblick, wo  er  etwas  angestellt  bekommt,! st  die  Sache  na- 
türlich nichts  wert j vorher  läuft  er  sich  Hacken  und  Zehe  danach  ab| 
Du. kannst  Ja  auch  wegen  der  Maschine  Dich  herum  hören  oder  annon- 
olren,wenn  Schmldtke  sie  nicht  will. Unter  200  G  verkaufe  sie  aber 
nicht. 

Elhe  Verzögerung  In  der  Verteilung  der 
Post  findet  hier  In  der  Bank  bestimmt  nicht  statt, da  loh  die  Brle-| 
fe  direkt  vom  Secretarlat  bekomme, also  ehe  die  Direktion  sie  gese- 
hen haben  kann.  Du  musst  Immer  rechnen, dass  die  Post  mit  dem  Zuge 
mitgeht, der  um  4  aus  Marlenburg  abgeht.Brlefe  ,dle  also  diesen 
Nachmittagszug  erreichen, kommen  schon  am  nächsten  Morgen  um  II  Uhr 
In  meine  Hände.       ^^  ''^* 

Ich  habe  keine  Ahnung, was  das  mit  Rahn  Ist 
Jch  glaube  aber  nicht, dass  e  r  damit  etwas  zu  tun  hat. Ob  seine 
Angestellten  mit  Zollbeamten  Durchsteojerelen  gemacht  haben  können 
erscheint  mir  auch  rätselhaft.  Aber  R.hat  Im  Danzlger  Hof  Immer 
mit  ein  paar  Zollbeamten  früher  gelumpt.  Trotzdem  glaube  loh, dass 
er  so  vorsichtig  Ist  (nicht  so  morallsch-das  Ist  ganz  etwas  ande- 
res-) und  seine  weisse  Weste  In  der  Welse  nicht  bekleckert. 

Frl  Sachse  Ist  und  bleibt  eine  Kuh. Von  ei- 
ner solchen  kann  man  natürlich  nicht  viel  Weisheit  erwarten. Gewiss 
haben  die  deutschen  Herren  (die  übrigens  Volkspartei  und  nicht  DN 
sind)  geholfen. Aber  doch  Ist  das  Verdienst  der  Delegation  aus  Dan- 
zig  gar  nicht  wegzuleugnen. 


M  89  5000  21  8  2d 


?  /  r.^JfrrS* 


*?f»^ftt«^^? 


f%  <••  j  i  A  A 


.  •►! 


V 


F.i 


r' 


Joh  freue  ral3h,dass  Du  es  mH^rllch  gemacht  hast^Ange- 
gela  trotz  Deiner  Bedrängnis  ein  Kleid  zu  schaffen. Hoff entlieh 
hat  sie  Freude  darin  und  darin.  ITnren  Brief  beantworte  Ich  Ihr 
demnächst. 

Herr  Jmmerglück  hat  am  24. Geburtstag. 

Me  lange  Ich  nooh  hier  bleibe  und  ob  ich  dann  nach 
Danzlg  oder  gleich  welter  nach  Reval  fahre, das  Ist  nooh  völlig 
unüberslchtllch.lch  denke, dass  loh  hier  noch  eine  gute  Welle  zu 
schaffen  habe; vorläufig  komme  ich  nur  schrittweise  welter  und  von 
den  eigentlichen  Aufgaben  habe  loh  noch  keine  gelttst.loh  erwarte 
Herrn  Lelck  erst  in  ca  2  Wochen, wenn  er  sich  nicht  verspätet. 
Uebrlgens  ist  Herr  Schultze  nur  auf  einer  geschäftlichen  Reise, 
also  nicht, wie  ich  fürchtete,  jetzt  gar  nicht  mehr  mit  unseren 
Angelegenheiten  befasst.  Es  scheint, als  ob  Herr  L#  es  für  ntttlg 
ansieht,  mit  ihm  gleich. nach  seiner  Rückkunft  über  die  hiesigen 

Vorkommnisse  zu  sprechen wenn  Herr  Swltgal  ihn  nicht  etwa 

umstimmt, der  gerade  in  Berlin  ist. 

4 

Natürlich  verstehe  loh  ,dass  Dich  ,auch  wenn  Du  sehr 
vernünftiger  Weise  in  Deinen  Briefen  nicht  darauf  eingehst, die 
Dinge  hier  und  meine  Mittellungen  darüber  sehr  interesslren.loh 
mlsverstehe  also  Dein  Schweigen  nicht.  Ich  freue  mich  über  Dei- 
ne Briefe, aber  Du  sollst  Rücksicht  auf  Deinen  Arm  nehmen  und  lie- 
ber nicht  so  ausführlich  schreiben. 

Frau  Rasmusaen  werde  Ich  gratullren.  Bitte  grüsse  Du 
sie  und  Frau  Müller. Brlnnere  diese  Damen  doch  mal  daran, dass  sie 
Frl  V.R.  etwas  Näh -oder  Schneiderarbeit  geben  wollten. 

■  IUI  «IM  II  I    i    I       I  !■      11  I      ■ 

Das  Ausbleiben  von  Briefen  aus  Buenos  Aires  kann  Ja 
mit  rein  postalischen  Verhältnissen  zusammen  hängen. Fällig  ist 
jedenfalls  ein  Brief  und  leider  ist  zu  erwarten, dass  er  nichts 
Erfreuliches  enthält.  IVenn  E. etwas  q;iehr  ijit  dem  Argentinischen 
Geschäft  und  Handel  zu  tun  gehabt  hätte, vielleicht  wäre  es  doch 
möglich  gewesen, dass  man  ihn  In  irgend  ein  europäisches  Export- 
geschäft untergebracht  hätte. Aber  so  sehe  ich  so  gut  wie  keine 
Chance. 

Für  heute  muss  ich  aber  schliess'en-   Nochmals  herz- 
liche Grüsse  für  Dich  und  Angela.  Und  alles  Gute. 


f . 


Dein>Blch  liebender 


r         • 


Rigas  Starptautiskä  Banka  A./S. 
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28. Januar                      30 
Riga,  den 192 


'TPt 


<> 


CoUei: 

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Bentlcy'8 

Rud.  MosM 


Kß      1 


Meine  liebe  Jenny 


/ 


Aus  m/Brlefe  vom  25.  weisst  Du  bereits 
wonach  Du  mich  in  Deinem  Briefe  vom  26. fragst.  Ich  war  Sonntag  bei 
dem  wunderbar  sonnigen  Wetter  morgens  nach  dem  Bade  ein  paar  Stunden 
spazieren  und  habe  dann  auf  Einladung  von  Herrn  Sw.bei  ihnen  zu  Mit- 
tag  gegessen. Nachmittags  war  ich  im  Hotel, hatte  gelesen  und  war  eln- 
gedruselt; dabei  passirte  mir  das  Komisohe,dass  ich  aufwachte  und 
auf  meine  Abendbrotbestellung  vom  Kellner  gefragt  wurde, ob  ich  noch 

'TOV  i 

I 

1*«  a  r  m  e  s  wünsche. Dadurch  wurde  ich  , durch  den  vorwurfsvollen  Un- 
terton  aufmerksam  gemacht, erst  gewahr,dass  es  bereits  yt   II  war.  Ja, 

da  staunst  Du, was  ?  Uebrl  ens  liebe  Jenny  hast  Du  nicht  den  richtl- 

%'  ■ 

gen  begriff  von  Rigaer  Hotels, wenn  Du  meinst, dass  es  da  eine  hall 
gäbe,rat?gli3herweise  noch  mit  Tanz  und  dergl.  Nein, es  gibt  nur  einen 
furchtbar  faden  gemeinsamen  Esssaal. Und  gar  nichts. sonst .  üeberhaupt 
ist  in  Hinsicht  auf  das  Fremdenpublikum  Riga  ein  Kaff. 

Danke  für  Nachsendung  des  Briefes  von 
Eugen. Ich  bin  ganz  Deiner  Meinung, dass  er  in  seinem  Schreiben  an 
Dr  Weil  nicht  die  Linie  hält, die  er  anständiger  Weise  auch  dann  in 
seinem  Briefe  halten  müsste,wenn  er  sogar  mit  Dr  W.sehr  vertraulich 

stünde, was  mir  auch  noch  zweifelhaft  ist.   loh  habe  E. heute  geschrie 

>       < 

ben.Viel  Tröstliches  kann  ich  ihm  ja  nicht  sagen. Ich  möchte,  dass  er 
sich  mal  um  das  Geschäftsleben  kUmraeBt  und  zusieht, ob  er  nicht  irgem 

I 

wie  'die  Möglichkeit  findet, für  hiesige  Firmen  zu  arbeiten,  die  z.B. 
solche  Artikel  exportiren, welche  die  russ. Juden  gewohnheitsmässig 
auch  in  der  Fremde  gern  konsumiren. Vielleicht  kann  i^h  ihm  da  doch 


Uk  89  5000  21  8  29 


.2  .A  i:L\::y-  ^rfr>ml;^^  ^v^ 

nützen.  Ich  hoffe,dass  Inzwischen  Rudolf  endlich  den  Vors.^.huss  los 
machen  kann  und  Ich  schreibe  heute  noch  nach  Frkft  auch  In  dieser  Sa- 


che. 


Die  Sache  Rahn  scheint  Ja  gehörig  zu  stinken. Fällt 


Dir  nicht  auf,dass  die  Ztg  nicht  ein  einzi^^es  Wort  gegen  R. persönlich 
sagt, sondern  Immer  nur  von  der  Firma  R.und  den  Angestellten  spricht? 
Die  Gomraerzbank  kommt  gar  nicht  in  Frage. Ausser  der  Dresdner  Bk  hat  R. 
meines  Wissens  mit  der  British  !><   Pollsh  Trade  und  vielleicht  auch  noch 
mit  der  Deutschen  Bank  gearbeitet.  Herr  IVeinkrantz  wird  sich  langsam 
überzeugt  haben  ,dass  auch  Bankdirektoren  Pech  haben  können, was  er 
einmal  vor  Jahren  in  Abrede  stellte. 


I      f 


'\ 


'■\'enn   ich  jetzt  erst  3  Wochen  weg  bin, dann  kann  Frau 
öalomon  doch  nicht  auch  s  ;hon  3  Wochen  krank  sein. Aber  wenn  es  auch 
nur  14  Tage  sind-  für  Dich  ist  das  eine  extra  schwere  Zeit  und  hof- 
fentlich hat  sie  nun  ein  Ende.  Deine  Hennun^en  gegenüber  fremder  Hil- 
fe und  auch  der  Portierfrau  gegenüber  verstehe  ich  vollkommen. Aber  was 
hilft  es  ?  Du  musst  eben  aus  dem  Hause  geben  und  liegen  lassen-andera 
gibt  es  doch  nichts  und  das  ist  nicht  schlimm. 

* 

Jch  schickte  Dir  ein  Buch   Der  Prinz  auf  Wireland" 

ff 

das  den  Kronprinzen  betrifft  und  ganz  amüsant  (übrigens  durchaus  gegen| 
S.M.  und  nicht  sehr  liebedienerisch)  geschrieben  ist; der  Autor  scheint 


'y    m    < 


sich  da  auszukennen. Hoffentlich  amüslrt  Dich  das  Buch. 

« 

Ich  nehme  Notiz  von  Angelas  Mitteilung, dass  sie 
['immer  noch  ni '.ht  verlobt  lst;na,dann  ist  es  Ja  gut.  Die  Krabbe  hat 
Hvimor;  ich  wollte,  sie  hätte  nur  auch  so  viel  Geld. 

Morgen  will  ich  vielleicht  in  die  Oper  und  Mephi 
stophilea  hören. Und  Donnerstag, wenn  Berlin  nicht  anders  bestimmt, fah- 
re ich  dann  nachts  nach  Retial. 


Rigas  Starptautiskä  Banka  Ä./S. 
(Rigaer  Internationale  Bank  A.-Q.) 

Tel -Adr.:  „STARBANK" 


Riga,  den  .I8...Ma.rz 19/^0 19 


Codes: 

Pettrson's  Interiutional  2 ad  &  3rd  Edit 

A.  B.  C.  5  A  6th  Bdlt 

B«ntlty's 

Rttd.  Motte 


f  • 


.t.t. 


"leine  liehe  Jenny 


Deine  TJRchachrlft  zu  Angelas  Brief 


besagt, dass  die  elektr.Massaße  Dir  gut   tut. Ich  freue  mich, 
und   Ich  bitte  Dich, nicht .durch  Schreiben  langer  Briefe  die 
gute  Wirkung  zu  gefährden.    Inzwischen  warst  Du  nun  bei 
dem  Schultyrannen, hoffentlich  ohne  Dich  aufzuregen: ausge- 
richtet wirst  Du  -davon  bin  ich  überzeugt -gegen  den  Stumpf- 
sinn in  der  Holzgasse  nicht  viel  haben.  Ich  hätte  es  mir 
nicht  nehmen  lassen, den  Herren  dort  einige  pädagogische 
Wahrheiten  zu  sagen  .Vielleicht  ist  es  besser  so. Denn  m'dg- 
licherweise  hätte  das  auf  das  Abgang szelgnis  abgefärbt  und 
es  kann  ja  sein, dass  solches  bald  in  Frage  kommt. 

Einliegend  sende  ich  Dir  den  Durch- 
schlag  meines  Briefes  an  Herrn  L-^lck  von  gestern:  ich  habe 
einen  Vorwand(deutsch-poln  Vertrag)  bei  den  Hcirnern  genom- 
men und  diu  Frage  wie  der  Russe  sagt  :rebrom  gestellt. Ich 
hoffe, Herr  L.wird  ebenso  unumwunden  antworten. Dann  sehen 
wir  klar.   Die  Folge  kann  aber  auch  sein, dass  man  mich 
nach  Berlin  ruft  zur  Aussprache. Ich  habe  gerade  hier  25  Lta| 
für  Verlängerung  meines  Visums  um  2   Monate  bezahlt--bel  de 
bekannten  Tücke  des  Schicksals  könnte  ich  eigentlich  darau: 
wetten.  In  dem  Falle  sehen  wir  uns  schon  bald  und  es  würde 
die  Frage  schneller  akut, ob  wir  uns  In  Marienburg  treffen 
wollen, als  'ch  annahm.  Ich  will  also  für  alle  Fälle  Dir 
folgendes  wogen  eines  Treffens  sagen:  wenn  Du  dort  mit  dem 

MORGENzuge  10  Uhr  5ü  nach  Marienbiirg  fährst,  so  würdest  viDu 


Ni  89  5000  16  11  29 


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gerade  zurecht  konmen^denn  d«r 


)lf?g<! 


1 


soß.ANSCHLUSSzug  nach  Berlinf vonKÖ- 


nlgsberg  kornmend)  ist   der  Zug  auch, mit  dem  Ich  eintreffe, wenn 
ich  hier  nachts  abfahre •Fahre  ich  aber  morgens  fr^h  ab, so  treffe 
ich  so  gegen  Mitternacht  in  Marienburg  ein  und  Du  könntest  belifeljt 
big  am  Nachmittag  oder  Abd  dort  abfahren,   Wann   ich  in  Marien 
bürg  sein  werde, mittags  oder  abds  , würde  ich  telegrafiren  und  zwa? 
nur   mittags"  -dann  würdest  i>.i  verstehen, dass  Du  um  lo.r^O  fahy^ 
ren  musst  am  Morgen-  oder  nachts" -dann  welsst  Du, dass  Du  nifc 
erst  gegen  Mitternacht  erwarten  kannst. Am  besten  erfährst  Du  dort 
wann  mein  Zug  in  dem  Falle  (der  von  Riga  morgens  abfahrt) in  M 
genau  eintrifft. Im  Lloyd  sagt  man  es  Dir  bestimmt  auf  telef.Anru£ 
Du  würdest  am  besten  mich  einfach  im  Wartezimmer  II. Gl  erwarten* 
Wir  brauchten  also  keine  besondere  Verabredung  mehr  und  es  genügte 
für  mich, Dir  entsprechend  zu  telegrafiren. Vorläufig  ist  es  aber 
noch  nicht  so  weit. Und  vielleicht  ist  es  überhaupt  leerer  Lärm. 

Eve  schrieb  mir, dass  ihre  jetzige  'Virtin  be- 
freundet ist  mit  der  Tochter  der  Frau  v.  Winkler, bei  der  ich  frühe? 
gewohnt  habe, die  in  Frkft  im  Krankenhause  -Schwester  ist.  Man  über 
zeugt  sich  immer  mehr  davon, dass  die  Krde  doch  eigentlich  nur  ein 
ganz  kleiner  Stern  sein  muss.  .       . 
^  •  Ohne  mehr  für  heute, w'msche  ich  Dir  weiter  gu- 

te Besserung  und  Erholung. Sobald  ich  was  weiss, hörst  Du  von  mir 
das  versteht  sich  von  selbst.  Hit  der  Lotterie  war  es  v/ohl  die- 
ses 1/lal  nichts.Allzuviel  auf  einmal  darf  man  ja  nicht  verlangen. 

Mit  bf^sten  Grüssen  und  Küssen  verbleibe  inh 


Dein  J)ich  liebe 


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Ludwig  Selke. 


TELEGRAMME:  „SELKIWAN"  HAMBURG 

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HAMOCH«    AURORA 

HALPBNINS 

WIBQIRS  (iQOe)  lUTK  .. 


anOSSf    REICHINSTRASSE    NO     17  *• 


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ALLE  PRODUCTE 
VON    UND    NACH    RUSSLANO 


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HASSOCM«    AURORA 

HALPERINS 

WIEQERS  (1906)  BLITZ   ,, 

ALLE  PRODUCTE 
VON  UNO  NACH  RUSSLANO. 


TELEGRAMME:    „SELKIWAN"   HAMBURG 


TELEPHON    I,    NO.  2505 
UNTER    IWAN   SCLKB. 


HAMB^fl«;  DEN 

OR098E    RElCHCNSTRASte    NO      17  •• 


Ludwig  Selke. 


TELEGRAMME:    „SELKIWAN"   HAMBURG 


LIEBtRS    STANDARD     CODE 
HA8S0CH«    AURORA         ,. 
HALPERINS  ,, 

WIE0ER8  (1006)  BLITZ   ,, 


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ALLE  PRODÜCTE     ^.*^ 
VON  UND  NACH  RUSSLARD. 

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TELEPHON    I,    NO.  2505 
UNTER    IWAN    SCLKE 


HAMBURG,  DEN 

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TELEGRAMME:    „SELKIWAN"  HAMBURG 


TELEPHON    I,    NO.   2505 
UNTEF    IWAN   SELKE. 


LIEBERS    STANDARD     CODE 
HASSOCH«    AURORA 
V*^      HALPFRINS  ,, 

WIEGERS  (1906)  BLITZ  ,, 


HAMBURG,   DEN 

GROSSE    RIlCHENSTRAtSE    NO.    17  •• 


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ALLE  PRODUCTE 
VON   UND  NACH  RUSSLAND 


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Rudolf  Mosse 


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Rudolf  Mosse 


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TALLINN,  den    ..?..^.SMie?l?I...I?29. 
(REVAL) 


P~ 


Meine  liebe  Jenny  '• 

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Besonderes  und  Neues  liegt  nicht  vor. Ich 
■bin  seit  gestern  in  m/  heuen  Zimmer.  Leider  hat  es  so  viele  Unbe- 
quemlichkeiten, das  s  ich  des  Umzuges  nicht  froh  bin  -  vorläufig! 
und  mich  auch  nicht  heimisch  fühle. Die  Wirtsleute  sind  hochanstän- 
dige Menschen  »aber  das  hilft  nicht  nur  nichts, sondern  ,da  man  ge- 
wisse Rücksichten  nehmen  muss,  ist  es  vielleicht  in  mancher  Hin- 
sicht etwas  vom  üebel.denn,  es  entwaffnet  mich  vollständig,   der 
nalten  Dame  etwas  zu  sagen  etc  .    Es  ist  ein  Gartenzimmer  mit 
allen  7or-und  Nachteilen  eines  solchen. Das  Möblement  ist  sehr  un- 
vollständig, das  W.O.  für  mich  so  gut  wie  nicht  vorhanden, weil  ich 
nur  am  Tage  es  benutzen  könnte  ,nach  Sachlage,  und  dann  durch  die 
Küche  hindurch  eine  kleine  Weltreise  dahin  erst  machen  müsste.Am 
Schlimmsten  war  die  Sache  mit  dem  Bett. Ich  hatte  gar  nicht  daran 
gedacht, dass  sich  da  aus  dem  Fehlen  von  Kissen  und  Decke  und  ei- 
genem Bettzeug  Schwierigkeiten  ergeben  würden.  Sie  sind  schliess- 
lich von  Frau  Peinstein  durch  Hergabe  von  Sachen  beseitigt,  aber 
nach  dem  schönen  Bett  im  Hotel  Rom  schlafe  ich  wohl  nicht  nur 
diese  erste  Nacht , sondern  noch  lange  /hoffentlich  nicht  immer!/ 
sehr  mies  in  diesem  Bette.  Und  bei  allem  Bemühen, es  mir  recht 
zu  machen  mit  der  Versorgung  mit  Tee  etc  , merkt  man  doch  das  Unbe 
holfene  der  alten  Dame  \md  natürlich  ist  es  bei  weitem  nicht  so, 
v.ie  man  es  möchte.  Aber  man  muss  schon  so  schlafen, wie  man  sich  g 
gebettet  hat.  Vielleicht  gewöhnt  man  sich  auch  schneller, als  ich 
jetzt  glaube. 

Gestern  Abd  war  ich  im  Russ. Drama.  Man 
gab  :  die  12  Stühle  "   Ich  fand  es  ziemlich  plump, Stück  u. Spiel 
gleichmässig.  Andere  schienen  begeisterter  zu  sein, denn  es  fehlte 
nicht  an  Hervorrufen.  Die  russische  Gesellschaft , die  man  im  Theate 
sah, war  bestimmt  nicht  die  feine  intelligente  ,die  hier  lebt.ü^s 


;i/A<4/..ii  .  Ak  m;-i  iavm" 


waren  siihr  viel  Mosaiker  da. 


««•»ibA- 


Das  Wetter  ist , nachdem  es  gestern  tagsülDer 
gehörig  geregnet  hatte,  heute  wieder  blendend.  Vielleicht  steht 
uns  ein  angenehmer  Herbst  bevor. 

j-xic  Herr  Switgall  nahm  heute  am  Telefon  namens 

seiner  Prau  Deine  Danziger  Adresse.  Prau  Sw  lässt  Dich  grüssen, 
sie  hatte  gehofft, Du  würdest  Dich  auf  der  Rückreise  noch  in  Riga 
aufhalten. 

Damit  ist  mein  Material  erschöpft  und  ich 
muss  mich  wieder  aufs  Fragen  legen:  Wie  es  Dir  geht  ?  Was  An- 
gela und  Olga  machen  ?  etc     Ich  hoffe,dass  es  Dir  und  den 
beiden  Genannten  in  jeder  Beziehung  gut  geht.  Morgen  bist  Du  wohl 
wieder  mit  Frau  Müller  zusammen? 


verbleibe  ich 


Beste  arüsse  für  Euch  Alle.  Mit  einem  Kusse 


ich  liebende. 


l 


i  itiMt     <f "'~  '       -   "'-■•'  -^-'■^■'-^ '■■-■ 


REVALER  AKTIENBANK 


Telegraiiim-Adreöse : 

.AKTOBANK" 

Codes:  Feterson's  Ist,  2nd  &  3rd.  Rd. 

Bentley's 

Rudolf  Messe 


TALLINN,  den  .6..»..S.e.p..t I.93.Q. 

(REVAiv) 


f»,    mt     m 


Meine  liebe  Jenny  ! 

Gestern  nach  Absendung  meines  Schreibens  an  Dich 
empfing  ich  zwei  Briefe  von  Dir, die  sehr  viel  Liebes  enthielten.  Ich 
möchte  Dir  gern  darauf  auch  Angenehmes  sagen. Aber  vorerst  muss  ich  das 
Laufende  erledigen  und  behalte  mir  deshalb  ein  Eingehen  auf  Deine  Aus- 
führungen für  eine  etwas  freiere  Zeit  vor. 

« 

Du  sandtest  verschiedene  Einlagen  mit. Die  Ange- 
legenheit betr. die  Frankfurter  Kinder  war  mir  schon  bekannt  und  ich 
habe  schon  selbst  Dir  darüber  geschrieb^^m.   Die  Rechnungen  von  Dr  Ja 
coby  laufen  eine  so  grosse  Summe  hinaus, dass  ich  sie  leider  nur  in  Tei 
len  bezahlen  kann.   Die  Rechnung  für  Rudja  war  mir  sehr  peinlich  zu 
emp  'angen,um  so  mehr, als  ich  bald  annehmen  muss, dass  es  sich  dabei  um 
die  Lieferung  der  Weltbühne  handelt.  Ich  habe  R.die  Rechnung  mit  Ko- 
pie meines  Briefes  an  den  Buchhändler  nach  Hamburg  gesandt. Hoff ent- 
lich bringt  er  die  Sache  in  Ordnung.  Formal  hat  natürl  ich  der  Buch- 
händler nicht  das  geringste  Recht  ,mit  Klage  mir  zu  drohen. 

Die  Ausrechnung, welche  Du  wegen  der  Möbelbezüge 
schickst, ist  erfreulicher  Weiss  bedeutend  niedriger  auslaufend,  als 
ich  im  stillen  annahm.  Aber  ....  der  Minister  hat  vorläufig  ablehnen- 
den Bescheid  erteilt  /ohne  näheren  G-rund  anzugeben/  und  ich  muss  nun 
natürlich  erst  mal  abv/arten,wie  sich  die  Sache  entwickelt. Riga  und 
Berlin  werden  jetzt  durch  den  deutschen  Gesandten  hier  oder  den  esthn. 
Gesandten  in  Berlin  Schritte  tun.   Ob  diesen  ,wenn  überhaupt >  schnel- 
ler Erfolg  beschieden  sein  wird....  wer  kann  das  wissen  ? 
Ich  habe  so  das  Gefühl  ,als  wenn  da  eine  Jntrigue  , vielleicht  von  der 
Dame  A.  ,  spielt.  Beziehungen  hat  sie  ja  allerlei.   Herr  A.ist  sicher 
daran  nicht  beteiligt  und  v^iellcicht  :\ab  die  Lame  etwas  Vorsehung 
spielen  woll  n.  Ich  begegne  ihr  bisweilen  auf  der  Treppe. Aber  meist 
ist  mit  einem  Handkuss  und  flüchtiger  Begrüssung  die„Konversation  " 
zwischen  uns  beendet. 

Möglich  dass  diese  Entwickelung  verstimmend 
auf  mich  wirkt , möglicher  Weise  sind  es  auch  die  veränderten  atmosphä 
rischen  Bedingungen  in  diesen  letzten  Tagen,  jedenfalls  fühle  ich  mich 
zur  Zeit  oft  von  den  Pressungen  belästigt.  Mein  Patentmittel, das  Nitrd) 
Glycerin  hat  mir  dabei  leider  nur  wenig  geholfen.   Die  Anfälligkeit 
geht  zwar  vorüber, aber  sie  ist  dafür  schnell  wieder  kehrend  und  die 
Schmerzen  im  linken  Arm  weisen  klar  auf  den  Ursprung  hin.  Ich  arbeite 
deshalb  nicht  viel  , sondern  liege  ,so  viel  wie  möglich, auf  der  Chaise- 
longue. Essen  tue  ich  ziemlich  unregelmässig, wie  es  gerade  kommt, mal 
früh  mal  spät, mal  hier  mal  da.  Meine  alte  Dame, eine  frühere  Musik- 
künstlerin ,ist  sehr  lieb  und  zuvor  kommend .Gestern  war  ich  bis  spät 
abds  bei  ihnen  .Die  ganze  Familie  ist  musikausübend  , lehrend  und  kon- 
zertirend. Heute  ist  ein  Quartettabd  bei  ihnen. Ich  habe  aber  dankend 
meine  Teilnahme  abgesagt, da  ich  für  Kammermusik  jetzt  nicht  gerade 
Bedarf  habe.   Die  Leute  sind  sehr  nett  und  der  Herr  Feinstein  ist  arin 
berühmter  Schachspieler. 


1 


>IZ/  H/ 'i  1  l/i  A    M:l 


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1>1 


Das  V/etter  ist  schon  , trotz  angenehmer  Wärme  am  Tage, 
abds  und  in  der  Frühe  recht  rauh-kalt.  Der  Herbst  steht  ante  portas. 
Jhr  habt  möglicher  Weise  schon  angefangen  ,zu  heizen?   Morgen  werde 
ich  wohl  etwas  in  die  Umgegend  schweifen. 

Du  hast  ganz  recht, wenn  es  nur  geht,  von  unserem  evtl 
Nachfolger  in  der  Wohnung  den  Umzug  heraus  zu  holen.  Aber  ich  glaube, 
da  die  Wohnung  so  sehr  remontebedürf tig  ist, wird  das  nur  guter  und 
frommer  Wunsch  bleiben.  Jch  erinnere  mich  übrigens, dass  sich  Prl  von 
Rosbitzki  mit  der  Vermietung  solcher  Wohnungen  beschäftigt  .Vielleicht 
rufst  Du  sie  mal, wenn  es  so  weit  hält.  Sie  kann  die  Sache, wenn  sie  Re^ 
flektanten  hat  besser  unterhandeln, als  wenn  Du  selbst  annoncirst  und 
man  kann  in  dem  Falle  auch  den  Umzugs termin  leichter  verabreden, weil 
es  nicht  gerade   ein  bestimmter  Stichtag  sein  muss. 

Ich  hoffe, dass  Jhr  morgen  einen  angenehmen  Tag  habt. 
Jch  grüsse  Olga  und  Angela  bestens.  Und  ich  sende  Dir, liebe  Jenny 
Grüsse  und  Küsse  und  verbleibe  in  Liebe 

Dein 


\r 


.**•  rf  »^  r 


7 


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Rudolf  Mosse 


TALLINN,  den 
(REVAL) 


.a...3ei)tember  1930 


Meine  lie'^e  Jenny  ! 

Ausser  2  Heften  der  Weltbühne  /34  und  36/ 
ist  heute  nichts  mit  der  Post  für  mich  gekommen.  Meine  Briefe 
werden  Dich  enttäuscht  haben, in  Bezug  auf  die  verweigerte  minis- 
terielle Genehmigung.  Berlin  und  Riga  arbeiten  nun, auf  diploma- 
tischem V/ege  eine  Abänderung  der  Verfügung  zu  erlangen  und  ich 
möchte  glauben, das s  sie  das  durchsetzen  werden.  Man  muss  nur  mal 

wieder  Warten. 

'ich  hoffe,dass  Du  Dich  wohl  fühlst  uni  diese 

dumme  Geschichte  Dich  nicht  zu  sehr  erregt,   las  gibt  es  sonst 
bei  Euch?  Konntet  Jhr  gestern  etwas  unternehmen  ?   Hier  war 
es  kühl  und   bewölkt, abds  wurde  es  direkt  kalt.   Ich  bin  trotz- 
dem auf  den  lachsberg  gezogen, den  Oberen  See  zu  sehen,  und  hatte 
den  7jährigen  Enkel  der  Peinbergs  /  Sohn  ihres  'in  Russland  von 
den  Bolschewiki  zurück  gehaltenen  Sohnes/  mit  mir  genommen.  Es 
ist  das  ein  sehr  aufgewecktes  Bürsch*   hen.   Später  wurden  wir 
von  einem  Privatauto  überholt, zufällig,  darin  sassen  Herr  Pein- 
berg und  eine  Tochter, sowie  der  Besitzer  des  Autos  Goldmann  mit 
Anhang. Die  schifften  uns  auch  noch  ein  und  so  endete  dieser  als 
Spazierp^üjl  gedachte  Ausflug  als  Autofahrt  .   Hachlier  spielte 
/und  verspielte  /  ich  etliche  Schachpartien  mit  Herrn  P.  und  im 
Anschlu  s  speiste  ich  ruit  Jhnen'^^für  meine  Rechnung  natürlich, 
en  famille  zu  Mittag.    Abds  fühlte  ich  mich  v/ieder  recht  mies. 
Und  auf  Abendbrot  verzichtend, legte  ich  mich  erst  auf  den  Diwan 
-  lesend  -  und  dann  ins  Bett  ,ujn  vielleicht  durch  Ausruhen  das 
Befinden  zu  bessern.  Ich  meine, dass  es  doch  mit  dem  atmosph. 
Druck  irgend  einen  Zusammenhang  hat, dass  mich  jetzt  so  oft  und 
wiederkehrend  die  Prossungen  plagen  und  der  Arm  sclimerzt.  Ma- 
chen kann  man  dabei  ja  nichts.   Als  ■  muss  man  hoffen, dass  es  hes- 
ser geht, wenn  die  Witterung  sich  stellt.  Heute  ist  es  wieder  son- 
nig,aber  nicht  warm. 


>]/.  A  HKH  II  /!A    MH.i///,IM 


V^irst  Du  auskoraraen  diesen  Monat  wenn  ich  Dir  noch 
200  Gulden  schicke  ? 

Ich  kaufte  mir  ein  Badelaken. Also  ist  schon  was  fü 
den  jungen  Haushalt  da. 

Ich  erwartete  Zusendung  der  eingelaufen  n  Post 
aher  Du  hast  v;ohl  daran  vergessen  ? 

Am  28. ist  Emils  Geburtstag. Ich  denke, ich  muss  ihm 
doch  etwas  ffeld  schicken, was  meinst  Du  ?   Ich  werde  dann  Herrn 
Jmmerglück  vorläufig  ausfallen  lassen. 

Hat  Olga  sich  schon  geäussert, was  sie  zu  tun  ge- 
denkt bezw  wie  und  wo  sie  sich  einrichten  will??  Da  hier  ,wie 
mein  eigenes  Rencontre  mit  dem  Minister  zeigt,  schwerlich  etwas 
füi:  sie  zu  hoffen  ist, so  tut  es  mir  furchtbar  leid,  dass  ich  in 
dieser  Form  leider  nichts  für  sie  werde  tun  können.  Aber  ich  den- 
ke,dass  sie  zunächst  6  Llonate  dh  bis  April  ihre  Bezüge  aus  der 
Srwerbslosenversicherung  nehmen  soll. Bis  dahin  kann  sich  vieles 
geändert  haben  in  der  Wirtschaf tsverfassung  Deutschlands,   Das 
Jnstitut  f .Konjunkturforschung  meint, dass  vielleicht  noch  nicht 
sofort  der  Aufstieg  einsetzt , aber  dass  Anzeichen  da  sind,   dass 
der  Tiefstand  ziemlich  erreicht  ist.   Es  kann  also  bis  April 
so  manches  zum  Bessern  sich  g  wendet  haben  und  vielleicht  finde 
ich  bis  dahin  einen  Ausweg  .Auf  alle  Fälle  aber  kann  Olga  darauf 
rechnen, dass  ich  sie  in  jeder  Hinsicht  unterstütze, damit  sie  durc^ 
halten  kann.   Bitte  sage  ihr  das, damit  sie  sich  nicht  immer  mehr 
verbittert  . 

Das  wäre  für  heute  wohl  wieder  alles.  Grüsse  Ange- 
la und  Olga  bestens.   Ich  hoffe  bald  gute  Nachrichten  von  Dir  zu 
bekommen.Bis  dahin  sende  ich  Dir  Grüsse  und  Küsse. 


Dein  Dich  lie^lc^nder 


-f  rJ". 


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Rudolf  Mosse  •)     £- 


TALLINN,  den  18. 3.e.p.teinhe.r....I.95Q- 

(REVAL) 


.  n ' 


•   G  C:. 


Liebe  Jenny  ! 

Jch  bin  heute  früh  von  Riga  zurück  und  fin 
de  Deine  lieben  Zeilen  vom  15. vor.  Was  mich  angeht, so  fühle  ich  mich  ge- 
rade gestern  und  heute  weniger  von  den  Herzschmerzen  beschwert. Es  scheint 
dass  tatsächlich  die  Witterungsverhältnisse  da  eine  Rolle  spielen. 
Bei  Switgalls  war  ich  zu  Tisch  eingeladen. Prau  Sw  erkundigte  sich  sehr 
nach  Dir.  Sie  hatte  in  der  Annahme, dass  Du  in  Rigaa  auf  der  Rückre  ise 
Dich  aufhalten  würdest, bei  allen  Hotels  nach  Dir  gefragt. Sehr  nett, aber 
sehr  komisch, finde  ich.   Uebrigens  hat  man  sie  auf  der  Datsche  am  letz- 
ten Tage  bestohlen  und  aus  der  geschlossenen  Kommode  600  Lats  bares  Geld 
entwendet.   Das  war  also  ein  trauriger  Abschluss  ihres  Landaufenthaltes. 
Sov/ohl  Prau  Switgall  wie  auch  Leicks  hoffen, Dich  bald  wieder  in  Riga  zu 
-»eheji.-4.h*  auf  dem  definitiven  ^ege  nach  hier^ 

In  dieser  Beziehung  complizirt  sich  die 
Geschichte  immer  mehr. Heute  war  2  mal  Polizei  in  der  Bankrman  hat  mich 
denunzirt,dass  ich  so  und  so  viel  Gehalt  bereits  bezogen  hätte, ohne  ange  . 
stellt  sein  zu  dürfen, und  in  der  Bank  auch  arbeite  trotz  der  ausstehen- 
den Genehmigung  des  Ministers.!!   Du  siehst, woher  die  Schwierigkeiten 
kommen. Aber  ich  zweifle  nicht  daran, dass  schliesslich  alles  in  Ordnung 
kommt." 

Die  Nachricht, dass  j^-ve  schon  zum  I.Oktober 
auf  halbe  Tätigkeit  übergeht , freut  mich  nicht, denn  ich  dachte  erst  vom 
Novbr  ab  den  Zuschuss  zu  leisten.  Und  dass  nun  auch  mit  der  Wohnung  eine 
gewisse  Enttäuschung  für  Eve  verbunden  ist, dazu  eine, die  ihnen  grössere 
Auslagen  auferlegt,  ist  gleichfalls  ein  Glied  der  unangenehmen  Kette  von 
Ueberraschungen,die  letztens  wieder  uns  umspannt.  Zu  machen  ist  da  nichts 
Unsem  Rücken  müssen  wir  schon  hinhalten, wenn  es  dem  Schicksal  so  gefällt 


>^^^  \  Von  Dir  selbst  hast  Du  wenig  geschrieben. 

Ich  hoffe, dass  Du  ganz  all  right  bist.  Ruth  hat  mir  auch  selbst  geschrie- 
ben , gerade  heute  kam  ihr  Brief, so  dass  die  eingelegte  Briefhälfte  mir 
dem  Jnhalte  nach  schon  bekannt  war.   Rudja  hat  über  sein  Verhältnis   zu 
^lenny  sich  in  dem  Dir  gesandten  Briefe  ja  hinreichend  deutlich  selbst 
ausgesprochen. Vorlauf ig  ist  dieser  Kelch  an  ihm  vorbei  gegangen...  aber 


>!  i/1  A  a Ka  I T  M  A   >I  H  J  A  VH  M 


ich  fürchte  Rückfälligkeit.  ;-<».-.-.bA-...r 

M/-Du  nirarast  Herrn  Müller  viel  zu  tragisch. Seme 
politische  Rolle  ist  ja  sowieso  ausgespielt, denn  dass  er  -selbst  wenn 
er  wieder  aufgestellt  wird-  in  der  Neuwahl  noch  einmal  als  Gefolgsmaa 
Blaviers  gewählt  werden  könnte, halte  ich  ganz  für  ausgeschlossen. 
Die  '7ahl  in  Deutschland  ist  betrübend. Aber  man  darf  nicht  vergessen, 
dass  wenn  Zentrum  und  SPD  sich  verständigen/und  sich  nicht  zu  verstän 
digen  wäre  einem  Verbrechen  gleich/  die  Nazis  auch  mit  107  Abgeordne 
ten  nichts  zu  bestellen  haben  und  nur  durch  ihre  Skandale  im  Reichs- 
tag das  Volk  auf klären, welche  Dummheit  es  begangen  hat, von  ihnen  das 
Heil  und  die  Rettung  zu  erwarten.  Wohl  aber  steht  zu  befürchten, dass 
es  ohne  konstantes  Blutvergiessen  jetzt  zum  Winter  nicht  abgehen  wird 
und  leichtlich  daraus  ein  richtiger  Bürgerkrieg  werden  Tann. 

Einen  Mietskontrakt  hat  es  nie  gegeben,  denn 
als  ich  einzog, zog  ich  in  mein  eigenes  Haus.   Später, als  ich  das  Hau 
verkauft  habe,  wurde  auch  kein  neuer  Vertrag  formell  gemacht, soviel 

ich  mich  erinnere, sondern  einfach  das  alte  Verhältnis  fortgesetzt  ,  

da  ich  It  Vertrag  noch  eine  Zeitlang  umsonst  wohnen  konnte/ich  den- 
ke 2  Jahre/  und  dann  die  Miete  wie  im  Verkaufskontrakt  vorgesehen 
war  zu  zahlen  war.         Was  kann  der  Hauswirt  hinsichtlich  der 
Miete  für  Schwierigkeit  machen?  Die  Miete  ist  doch  eben  erst  vom  5i- 
nigungsamt  festgelegt.  Und  nach  dem  Gesetz   sind  Wohnungen, für  die 
Miete  in  Monatsraten  gezahlt  wird,  nonatlich  kündbar, wenn  nicht  an- 
deres vertraglich  bestimmt'  ist. Da  kein  Vertrag  existirt,so  kann  al- 
so auch  die  monatliche  Kündigung  gar  nicht  bestritten  v/erden. 

'        Zu  Deinen  Plänen  vioßen   Auffrischung  der  Küch^^ 
und  der  Möbel  aus  Angelas  Zimmer  Irann  ich  vorläufig  aus  bekannten 
G-ründen  nicht  viel  sagen.   An  und  für  sich  hast  Du  natürlich   ganz 

recht. 

Es  soll  gleich  eine  Sitzung  sein. Ich  komme 

deshalb  jetzt*  nicht  dazu, weiter  zu  schreiben.   TT imm  begliche  Grüsse 

für  Dich, Angela  und  Olga. 

Dein  Dich  liebend^'?r 


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Rudolf  Mosse 


TALLINN,  den  .19  ,jei)t:)r...  1.95.^. 

(REVAL) 


Liebe  Jenny  ! 

Gestern  habe  ich  Dir  geschrieben, heute  empfing 
ich  da^ßegen  einen  Brief  von  Dir  mit  Einlage  von  Kohan.  Letzterer  schreibt 
nicht  viel  jMeues  von  sich. Er  und  Anna  M.und  Gutja  gratuliren  uns  und  Eve 
b  'ZW  Ruth  zur  Hochzeit  bezw  Beendigung  des  Studiums  .Jhnen  geht  es  unver- 
ändert.Anna  Markowna  arbeitet  nach  wie  vor, scheint  es, für  die  ganze  Fami- 
lie. Gut  ja  hatte  Eerien  ,\var  aber  vrährend  derselben  immer  von  ihrer  Bron- 
chialkrankheit geplagt, und  fängt  nun  v;ieder  an  die  Kurse  engl. Sprache  beim 
Technikum  zu  besuchen*  ^   - 

Du  möchtest  Rudjas  Uebersetz^xng  haben. Jch  sen- 
de sie  Dir  später  scp*   Ich  habe  sie  nämlich  nicht  in  der  Bank, sondern  bei 
mir  zLihause.  .    ' 

Leider  nimmt  hier  meine  Angelegenheit  durchaus 
noch  nicht  den  erwa  teten  Verlauf .Vielmehr  scheint  man  an  maassgeblicher 
Stelle  besonders  geärgert  zu  sein  durch  die  Jntervention  des  lettl. Gesand- 
ten und  sich  vorläufig  auf  den  Standpunkt  „nun  erst  recht  nicht  "  zu  stel- 
len.Gestern  war  X  mal  die  Polizei  in  der  Bank  ,um  "Feststellungen  zu  machen 
und  abds  war  die  Polizei  bei  Direktor  A.in  ut-*r  «yoimung  2  Stunden  , machte 
Protokolle  und  verhiess,alle  3  Direktoren  würden  vom  Minister  administra- 
tiv und  auch  gerichtlich  bestraft  werden, weil  sie  trotz  der  verweigerten 
Genehmigimg  gestatten, dass  ich  mich  betätige*  Heute  Hittag  muss  A.wieder 
zur  Polizei, die  wissen  will, wieviel  Geld  ich  bisher  entnommen  habe  u.s.v;* 
Du  begreif  st,  dass  solche  Dinge  mich  v/enig  empfänglich  machen, J^etzt  über 
alle  die  Prägen  und  verhältnismäsnigen  TTebensächlichkeiten  nachzudenken, 
die  mit  der  späteren, vorläufig  aber  in  Präge  gestellten, üeborsiedelung 
zusammen  hängen.Du  hast  natürlich  ganz  recht, dass  Du  Dich  darum  kümmerst 
aber  ich  v;eiss  nicht, was  ich  Dir  darauf  schon  jetzt  bei  dieser  verrückten 
Sachlage  antworten  soll.    Ich  habe  soeben  mit  Piga  gesprochen  und  Berlin 
angemeldet.   Nämlich  der  Hinister  droht, um  zu  zeigen, dass  .mit  ihm  nicht  zu 
spn.ssen  ist,  6  Jngenieure  ,die  Scheel  -das  grösste  Bankunternehmen  hier  - 
für  eine  eben  gegründete  Brennschief ergesellr^chaft  hat  kommen  lassen, heute 
per  Etappe  ausser  Landes  zu  schicken  ,um  zu  zeigen, dass  er  sich  von  den 
Deutschen  keine  Gesetze  vorschreiben  lasse.    Ich  ha})o  nun  gar  kein  Ver- 
langen danach, dieses  Schicksal  zu  teilen  und  möchte, dass  die  Banken  das 


A  Z  ;,  H  H  H  I  T  >i  A    M  A  A  / 


1  M 


.O  O 


Problem  so  lösen, v/ie  q,;?^  eigentlich  hier  zu  Lande  erlöst  worden  muj 

Herrn  Jianer£;lück  habe  ich  noch  nicht  wiedor  geschri 
"ben.Aber  ich  inurjs  nun  wohl  ihn  schreiben* 

Eye  geht  es  ,wie  ich  ihrem  heutigen  "Rriefe  entnahm, 
im  Jnstitut  verhältnismässis  -ut.Sie  wird  bis  I.April  ihr  volles  G-ehalt 
haben, obgleich  sie  demnächst  nur  halbtägig  beschäftigt  sein  v/ird  und 
dann  überhaupt  nicht  mehr.   Was  nach  dem  April  sein  wird,muss  man  abwar- 
ten#   Mit  ihrer  Wohnung  ist  sie  sehr  zuf rieder.   Jhre  T3ekannten  proph^^ 
zeien  ihr  Zwillinge , weil  sie  so  stark  geworden  iot. Hoff entlich  irren 
sie  sich.  • 

Wenn  Olga  nur  die  ca  150  Rmk  aus  der  Erwerbslosen 
und  Angestelltenorganisation  für  6  Monate  erst  mal  hat, so  muss  man  bei 
/ihr  dasselbe  ,v/ie  bei  Eve  ,  sagen  :  erst  mal  abwarten, was  wird,  ^chlim- 
mor  ist  die  Lage  bei  Jwan  ,dem  ich  leider  gar  nicht  helfen  kann  und  für 
den  -ich  auch  keinen  Trost  weiss.  Cläre  schrieb  mir,dass  es  auch  bei  Em- 
mi sehr  kritisch  stehe, weil  ihre  Forderungen  nicht  eingehen.  Oläre  hat 
mir  die  (Jesetze  über  Erwerbslosenvirrs.  eingesandt. "rründlich  sie  durchzu  ^ 
sehen  , hatte  ich  noch  keine  Zeit.Aber  doch  habe  ich  festgestellt,  dass 
Emil  , selbst  wenn  er  freiwillig  auf  seine  Stellung  verzichtet, Anspruch 
behält.  Die  Kölner  sind  also  nicht  ganz  richtig  informirt  und  ich  wer- 
de da  aufklären.   Am  28. hat  Emil  Geburtstag. Bitte  denkt  daran, ihm  eine 
G-ratulation  zu  senden. 

Liebe  Jenny, sehr  erfreulich  sind  die  TTachrichten 
ja  nicht, die  Du  heute  erhältst .Aber  nimm  sie  nur  sehr  kühl  und  errege 
Dich  n-'Cht.  Ich  habe  meinen  Vertrag  auf  3  Jahre  in  der  Tasche  und  die 
Banlvon  werden  schon  sorgen, dass  sie  nicht  das  G-eld  umsonst  zahlen. Das 
ist  mein  Standpunkt.  Etwas  anderes  ist  noch  da  :Abr.hat  eine  Gruppe, 
welche  die  Bank  abkaufen  will.  Jch  stehe  der  Sache  sympathisch  gegen- 
über. Verkauft'  die  Jntemationale  ihre  Revaler  Majorität, so  mag  sie  se- 
hen,wie  sie  den  Kontrakt  mit  mir  erledigen  kann.  Wurschtigkeit  ist 
also  Yor  der  Hand  das  Beste.  Jch  hoffe, dass  Du  Dich  also  nicht  so 
niedergeschlagen  fühlst.  Die  "Plamme  v/ürde  ich  vorläufig  ruhig  weiter 
zahlen. Es  ist  ja  keine  grosse  Ausgabe. 

Mit  herzlichen  Grüssen  für  Dich, Angela  und  Olga 
verbleibe  ich, Dich  küssend  als  Tröstung  für  die  Hinauszögerung  unsere^- 
Wünsche, 

Dein  Dich  liebender 


f 


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Rudolf  Messe 


I 

4 


TALLINN,  den  ....5..f..Septbx...I.9.3... ...ö.. 

(REVAL) 


-   r  ,. 


Liebe   Jer^ny    ! 


Gestern  habe  ich  Dir  geschrieben  und  heute  ka- 
men 2  Briefe  von  Dir  an, einer  mit  Einlage  der  Briefe  aus  Bue- 
nos Aires  und  einer  mit  der  Kopie  m/seinerzeitigen  Briefes  an 
das  Amtsgericht  in  Frkft.  Ich  danke  Dir  zunächst  für  Uebersen 

düng  der  Sachen.  Auf  sie  einzugehen, ist  keine  Ursache,  denn 

* 

was  Eugen  betrifft, so  hat  sich  kaum  etwas  verändert. letzt  ist 
drüben  Revolution  gespielt  worden. Hoffentlich  hat  weder  er 
noch  die  Bank  Schaden  gelitten.  Die  Verhältnisse  in  Argentini 
nien  können  kaum  schlechter, eher  nur  besser  werden  nach  dem 
Umsturz.  Ich  plane  verschiedenes  .Darüber  werden  wir  uns  spä- 
ter  unterhalten, wenn  die  Dinge  in  Buenos  Aires  erst  wied  r  no 
mal  sind. 

Dass  Du  Dich  erregt  und  nicht  wohl  fühlst, da- 
bei jetzt  wieder  nach  langer  Zeit  unwohl  geworden  bist,  ist 
vielleicht  nicht  eine  Häufung  , sondern  eins  vom  anderen  be- 
dingt?  Auf  alle  Fälle  wünsche  ich  Dir, dass  Du  recht  bald 
wieder  ganz  in  Ordnung  kommst  .Hoffentlich  hat  das  Kino  ,das 
Du  besuchen  wolltest, Dich  etwas  aus  der  Stimmung  heraus  ge- 
rissen.     Hinsichtlich  Ruth, so  würde  ich  doch  wünschen  , 
dass  aus  der  Sache  etv/as  wird, wenngleich  ich  eigentlich  noch 
immer  gewünscht  hätte, dasn  wir  bei  der  Verheiratung  schon 
in  der  Lage  gewesen  wärenJ  das  Mädel  etwas  wenigstens  aus- 
zusteuern.  Nach  der  Auskiinf t  ,die  Rudja  über  den  Kurt  gege- 
ben hat, denke  ich, dass  Ruth  schon  mit  ihm  glücklich  werden 
kann, auch  wenn  er  nicht  ga'^jiz  der  Kraftmensch  wäre-geistig  od 
körperlich-  den  Du  für  sie  als  nötig  ansiehst.   Ich  hatte  heu 
te  vo  n  Ruthchen  Brief .Darin  erwähnt  sie  nichts  von  schwieger 
väterlichem  Besuch  und  nichts  davon, dass  etwas  in  Vorbereitun 
sei.     Evele  hat  also  ab  16.  „Hüsung  ".Ich  freue  mich  sehr 
für  sie  und  '■^en&e   ihr  mürgen  die  versprochenen  Rmk  100.-  da- 
mit sie  nicht  allzu  sehr  in] Druck  kommt. 


>J>^AaKI  1  T.!  A    MH.IAV?!!-! 


f 


•r>*T 


n 


r^ 


Ich  fragte  Dich  gestern, ob  Du  mit  G  200.-  Zuzahlung 
reichen  würdest. Aus  Deinem  Briefe  entnehme  ich,dass  Du  wieder  vin- 
vorgesehene  Ausgaben  hast  und  schon  zum  I5.G-eld  brauchst.    Ich 
erhohe  also  den  Betrag  von  200  auf  G  230,-  It  elnl. Scheck. Damit 
rnusst  Du.   nun  allerdlnp:s  bis  Ultimo  auskommen. 

Gleichzeitig  lege  Ich  einen  Scheck  ü/  G  173.-  bei 
an  die  Ordre  von  Sanitätsrat  Jacoby  zur  Heglelcbimg  seiner  2  Rech 
nungen  für  meine  und  Deine  Behandlung. Es  bleibt  die  dritte  Rech- 
nung für  Behandlung  von  Angela  also  vorläufig  offen.  Jch  bitte  Die 
Ihm  Brief  und  Scheck  hinüber  zu  schicken. 

Nim  etwas  von  mir  ,ln  Antwort  auf  Deine  Besorglsse 
etc.    Ich  denke  nicht  auszuziehen.   Die  Leute  sind  sehr  nett  und 
gefällig  und  Ich  glaube  Prau  P.wlrd  Dir  vielleicht  Ersatz  für 
Prau  Müller  sein  können.   Die  Unbequemlichkeiten  werden  sich  wohl 
durch  Gewöhnung  weniger  fühlbar  machen.  Wechseln  hat  schon  darum 
keinen  Sinn, weil  alle  Vermieter, die  ich  bei  der  Zimmersuche  ge- 
sprochen habe,  feste  Bindung  für  IstxtÄXKx  längeres  Y/ohnen  forder 
ten  und  überdies  war  da  in  den  meisten  Fällen  auch  nicht  alles 
ideal.   Ich  könnte  schon  einiges  darüber  Bprzählen. Jch  bin  also 
ganz  zufrieden,  elnlgermaassen  untergebracht  zu  sein. 

Gesundheitlich  ,so  fühle  ich  mich  sehr  oft  von  den 
Herzpressungen  gequält, aber  schliesslich, wenn  es  manchmal  auch 
aussieht, als  wnrde  ein  schlimmerer  Anfall  daraus, so  Ist  doch  bis 
jetzt  noch  alles  so  leidlich  abgelaufen  und  vielleicht   ,mlt  ver- 
ändertem Luftdruck  v/lrd  vielleicht  auch  der  Blutdruck  besser. 

Morgen  wird  Herr  Swltgall  mit  einem  der  letti- 
schen Herrn  der  Rlgacr  Bank  hier  sein, um  den  lettischen  Gesandten 
aufzusuchen  und  zum  Einspruch  gegen  den  Ministerialentscheld  zu 
veranlassen.  Berlin  will  erst  auf treten, wenn  dieser  Schritt  ohne 
den  erwarteten  Erfolg  bleibt.   Für  morgen  abd  haben  mich  soeben 
telefonisch  Herr  und  Prau  Seedorf  zum  Abendbrot  gebeten.  Das  sind 
alte  Freunde  von  Schittecks ,mit  denen  ich  1922  Beziehung  hatte. 
Was  die  Leute  veranlasst, mich  einzuladen, weiss  ich  nicht. Ich  werde 
ja  sehen. 

Es  wird  Dich  interesslren,dass  ich  Herrn  Jacoby 
Zoppot  geschrieben  habe,dass  ich  für  ihn  hier  ein  Arbeltsfeld 
v/ohl  vorhanden  glaube, wenn  er  tatsächlich  von  dort  weg  will.  Das 
Holzgeschäft  ist  hie:C  noch  nicht   s  o  verdorben, wie  in  Riga  und 
Danzig 


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TALLINN»  den 
(REVAL) 


Der  beigelegte  Artikel  über  die  Nazis/ist  selir  nett 
geschrieben, er  wird  Dich  auch  interessiren.   Zum  30.Sept  hört 
ja  wohl  Zusendung  der  Weltbühne  auf  ?   Ich  wäre  sehr  dafür. Viel- 
leicht schreibst  Du  das  Rudja  mal  gelegentlich  direkt .Uebrigens 
wo  ist  die  No  35  hin  verschwunden  ? 

Zum  Verkaufe  des  Ofens  ist  ja  gerade  gute  Zeit.  Ich 
denke, vielleicht  übernimmt  der  Nachfolger  mit  der  Wohnung  auch 
den  Ofen, das  wäre  doch  das  Beste  .   Aber  ich  will  Dich  nicht  be- 
einflussen, vielleicht  tut  er  das  nachher  nicht. Den  damals  in  Pa- 
piermark gezahlten  Preis  weiss  ich  wirklich  nicht  mehr.   Du  kann 
aber  doch  einfach  bei  einer  Ofenhändler  pro  forma  Dir  so  einen 
transportablen  Ofen  ansehen  und  dabei  den  Preis  erfahren. Was  Du 
schliesslich  heraus  bekommst  ,ist  rein  verdient. 

Der  Werner  ist  rührend  aufmerksam  und  lieb  mit  Eve« 
Ich  hoffe  sehr,dass  es  gehen  wird,dass  wir  ihnen  ,wenn  sie  die 
Arbeit  aufgeben  muss.  einen  ausreichenden  Zuschuss  geben  können. 
Wegen  Emil  und  auch  wegen  Olga  haben  sich  unsere  Gedanken  begeg 
net,in  m/letzten  Briefe  habe  ich  bereits  zu  beiden  Fragen  Stel- 
lung genommen. 

Für  heute  genug  von  alle  dem.  Ich  sende  Olga, Angela 
und  Dir  herzliche  Grüsse.  Ich  hoffe,dass  Du  Dich  nun  gut  ausru- 
hen und  nach  Beendigung  des  Unwohlseins  auch  wieder  ins  Gleich- 
gewicht kommen  wirst.   Um  mich  sorge  Dich  nicht. Unkraut  vergeht 
nicht.   Ich  habe  Dich  lieb  und  verbleibe  mit  Küssen 


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TALLINN,  den 24..vSeptb.r..  1.9.50 

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Liebe  Jenny   ! 


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Ich  war  eben  draussen,den  Zeppelin  zu  sehen  .Es 
waren  viel  Leute  auf  der  Strasse  und  es  herrschte  auch  grosse  Be 
geisterung  im  Publikum. Aber  obgleich, auf  Anfrage, die  Polizari 
erlaubt  hatte, zu  flaggen/!!!!/  ,so  waren  doch  nur  im  gan- 
zen 2-3  eutsche  und  auch  nicht  mehr  estnische  Plaggen  ausgehängt 
Das  ist  symtomatisch  für  die  Beliebtheit  ,der  sich  hier  alles 
Deutsche  erfreut. 

Bei  m/llückkunft  fand  ich  Dein  I.Schreiben  vom  21 
vor  und  einen  Brief  von  der  Firma  WohlgemuthAegehr/,den  ich  Dir 
beilege. Er  enthält  nicht  viel  ,was  mich  direkt  interessiren  könn- 
te und  insbesondere  auch  nichts  über  den  Kos tenbetrag* Schliess- 
lich kann  ich  ihm  ja  abel*  die  Hauptfrage  /wann?/  nicht  beantwor- 
ten und  ich  bitte  Dich, ihn  vielleicht  telefonisch  aufzuklären 
über  die  entstandene  Schw  erigkeit. 

Bitte, versuche  ganz  ruhig  zu  bleiben, liebe  Jen- 
ny und  nimm  vorläufig  die  Dinge  nicht  tragisch.  Danzig  hatte  eine 
gewisse  ,hier  nicht  erörterbare, Maassnahme  getroffen, von  der  man 
erwartete, dass  sie  die  Sache  beilegen  würde  und  in  der  Tat  ist  es 
auch  wohl  nur  infolge  dieses  Schrittes  ,dass  man  mich  von  Montag- 
^^h.   heute  hier  in  Ruhe  gelassen  hat. Aber  in  Berlin  ist  man  mit  diesem 
.191  inoffiziellen  Vorgehen  nicht  einverstanden  und  hat  gestern  stren- 
gen Befehl  gegeben, ihn  rückgängig  zu  machen. Ob  das  überhaupt  noch 
geht, weiss  ich  nicht .Mir  v/äre  es  schon  lieber, wenn  nicht.  Aber 
Berlin  erklärt, sich  die  Behandlung  imter  gar  kein  n  Umständen 
gefallen  zu  lassen  und  will  ganz  offiziell  durch  das  Auswärtig.- 
Amt  vorgehen. Palls  man  mich  ausweist, was  ja  bestimmt  zumindest 
mit  Ablauf  des  Visums  am  I5/I0  kommt  ,wenn  nicht  bis  dahin  der 

Berliner  Schritt  sich  ausgewirkt  hat, so  mache  das  nichts 

ich  würde  dann  eben  in  Rigaabwarten  u.s.w. 

So  stehen  diese  Dinge  heute  .  Vielleicht  ist 
inzwischen  bereits  der  Schritt  von  Riga  "rückgängig"  gemacht  u. 


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ich  erfahre  bald  darüber  ,sei  es  telefonisch  von  Riga  oder 

durch  die  hiesige  Polizei.    Die  Sache  mit  den  Jngenieuren  hast 
Du  nicht  recht  verstandenrAufenthaltsrecht  für  2  Monate  haben  si 
als  Deutsche  ohne  weiteres. Aber  das  gibt  ihnen  kein  Recht  auf 
Annahme  einer  Anstellung.   Aufenthaltsrecht  und  Erwerbsrecht 
ist  nicht  dasselbe.   Natürlich  ist  Aufenthaltsberechtigung  im- 
mer die  Voraussetzung  für  das  andere.  Beispielsweise  gibt  hier 
der  Besuch  der  Musikschule  ....  Wohnrecht.  Meine  Wirtsleute  ha- 
ben mir  im  Ernst  /und  weil  sie  auch  die  Sache  verwechselten/vor- 
geschlagen, ich  sollte  als  Musikschüler  mich  aufnehmen  lassen  undk 
meinten, das  wäre  die  Lösung.  Selbst  wenn  ich  so  das  Wohnrecht  be 
käme, so  nützte  es  mir  v/egen  der  Anstellung  gar  nichts  und  übri- 
gens könnte  die  Behörde  jederzeit  der  Sache  ein  Ende  machen  im 
V/ege  der  Ausweisung. 

._  Eine  Folge  scheint  die  Geschichte  hier  in- 
sofern zu  haben, als  die  Herren  v. Seh. und  L.  plötzlich  etwas  den 
Kopf  heben  und  die  Gelegenheit  für  günstig  für  ein  Pronunciamen- 
to  in  dem  Sinne  halten, dass  sie  erklären:  wir  sind  alle  gleichbe- 
rechtigte Direktoren.  Ich  habe  aber  in  aller  Ruhe  ihnen  auseinan 
der  posamentirt,dass  mir  davon  nichts  bekannt  ist  und  dass  ich 
auf  einem  ganz  anderen  Standpunkte  stehe.  Soweit  ich  sehe,arbei 
tet  ziemlich  alles  gegen  und  so  gut  wie  niemand  ehrlich  für  mich 

Das  Wetter  ist  heute  recht  herbstlich-Kühl. 
Das  bringt  mich  auf  die  Garderobenfrage.  Mein  Pelz  muss  wohl  in 

Ordnung  gebracht  werden  und  ,da  nichts  anderes  da^st, Deiner 
auch. Aber  damit  habe  ich  den  Pelz  ja  noch  nicht  hier. 

Der  Hauswirt  scheint  komplet  v  rrückt  zu 
sein. Gib  ihm  nur  wegen  des  Badeofens  ordentlich  auf  den  Kopf, 
damit  er  gleich  die  Lust  verliert , noch  weiter  zu  quängeln.  Die 
Treppenreinigung  ist  It  den  alten  Kontrakten  ebenso  wie  Beleuch 
tung  in  der  Miete  enthalten. Den  Heizer  hat  der  Hauswirt  zu  stel 
len,das  ist  ,so  viel  ich  weiss,  geltendes  Recht  im  Einigungsamt 

Svele  schrieb, dass  sie  sich  sehr  über  Dei 
nen   Blumengixiss  gefreut  hat. 


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TALLINN,  den 

(REVAL) 


2. 

Morgen  schreibe  ich  Emil.  Ich  wollte  ihm  50  Rmk  ein 
legen, aber  es  werden  doch  nur  25  Rmk  he rauskommen, fürchte  ich. 

Den  Film  "die  zärtlichen  Verwandten" kenne  ich  nicht 
aber  ich  glaube  ,es  ist  doch  nur  eine  Umwandlung  des  Henny  Por- 
ten Films  Kohlhiesels  Töchter  ???  Ich  habe  hier  „Westfront 
I9I8  "  gesehen.  Der  Film  ist  gut  »aber  sehr  erschütternd. 

m  die  Angelegenheiten  von  Jwan  kann  man  sich 
nicht  hineinmischen. Es  wird  jetzt  klar,dass  sie  schon  lange 
still  ihre  Lage  getragen  haben. Rat  erbittet  Jwan  ja  nicht  und 
ich  werde  ihm  deshalb  auch  ke  nen   Rat  schreiben, obgleich  ich 
auch  für  vernünftig  halte, was  Du  in  Bezug  auf  die  Zusammenle  - 

gung  d  r  beiden  Haushalte  meinst. 

Heute  bist  Du  3  Wochen  wieder  zu  Hause.   Ist 
es  nicht  komisch, wie  in  so  kurzer  Zeit  alles  ein  anderes  Ge- 
sicht angenommen  hat  ?   Ich  hoffe  aber,dass  diese  jetzige  Wol- 
kenwand bald  sich  verzieht  und  wir  dann  ernstlich  an  die  ueber- 
siedelung  herangehen  können. 

'      Olga  wirü  also  morgen  iiuch  verlassen.  Was 
Du  früher  schriebst , wie  schwer  es  war, immer  in  Gutem  mit  ihr 
au  zukommen,  das  verstehe  ich  nur  zu  gut.  So  ist  schon  das  Le- 
ben: man  kommt  manches  mal  geraae  mit  Leuten, die  man  sehr  gern 
hat,  im  Briefverkehr  besser  aus  als  im  persönlichen, wenn  dieser 
eine  gewisse  Dauer  übersteigt.   Ich  hofie,ulga  ist  von  ihrem 
Gelde  doch  noch  etwas  übergeblieben? In  Dan^.ig  hat  sie   doch 
nicht  viel  gebraucht.   Herr  J.hat  schon  recht  gehabt  ,dass  es 
richtig  gewesen  wäre, wenn  sie  damals  gleich  ,als  sie  das  Geld 
noch  schön  zusaiiuiien  natte,  sich  um  einen  i.assxererinposten  be- 
worben hätte  oder  als  Filialleiterin  und  dann  notfalls  Katimix 

ivau-uion  zu  steigen  m  der  liage  war. 

xch  nabe  ü^ugen  geschrieben, dass  ich  natür- 
lich, so  lange  die  tiachen  nier  ungeklärt  sina.  Keine  Garantien 
iür  Ihn  übernenmen  kann. 


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Montag  wollte  Hemer  mit  Pollok  wegen  seines  B 
üucnes  spxecnen.xcn  wünscnte  aen  i^inaern  senr,uass  sie  damit  Er- 
folg haben  mochten.   Hat  Ruth  etwas  über  ihre  Begegnung  miv  uem 

alten  Herrn  Meiss  geschrieben  ? 

Was  macht  Angela  ?  i'rauert  sie  senr  aarüoer, 
uass  x.evax  xn  weitere  x-erne  für  sie  gerücict  istV  una  was  ex-wartei; 
Hie  voiu  ..ichaelis-Zeugnis  ?   Ruth  schreibt, das s  Renate  Müllers 
vater  uedalcteur  in  lüannüeiiü  ist  una  sie  inn  gel«gentxion  aufsu- 

cnexi  will. 

Sonst  vmss-ce  icn  für  neute  nichts  zu  schreibe 

Ich  hoffe,dass  Du  wirklich  Dich  berunigt  nast  una  senae  x.ir  bes- 
te vxrusse.eDenso  iingexa.   una  mit  einem  Kusse  verbleibe  ich 

Dein  Dichr  liebender 


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„AKTOBANK- 

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Bentley'8 

Rudolf  Mosse 


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Rigas  Starptautiskä  Banka  A/S. 

(mOAKR  INTERNATIONALK  BANK  a/g.) 

Direktion 


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Ausschuss  für 
Delit?^,^'^  Kriegsgefangene. 

Geschaflssteilc;  Fcrdiaandstr  75  111  StBCt 


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3  n     rusalBcher     GelxnBenöchaftl 


Oofangon   In  dorn  kalten  Bussenland 
Bist   Du I mein  Ludv/lg^nun  zwei  lange  Jahre i 
Und  bis  erschallt   die  Friedonsschlussfanfare 
Bist   Du  von   Deinen  Lieben  noch  verbannt« 


4 


Die  Briefe t die  Dir  Deine  Gattin  schrieb, 
Kan  unterschlug  sie  Dir  in  Deinen  N5ton| 
Die  Ungewissheit  kann  den  l£ann  wohl  t5ten, 
Wenn  er  nicht  v;eiss,wo  Frau  und  Kind  verblieb« 


Du  denkst  v;ohl  nicht, dass  einer  Dich  vergass, 
Und  Frau  und  Kinder  v/erden  Dich  umschv/eben, 
:^u  Jeder  Zeit  in  Deinem  Geiste  leben, 
Dass  Jeder  stets  bei  Dir  am  Tische  spsst 


Doch  v/elche  Qual  ist  Dir  nun  auferlegt, 

'  J  • 

Welch •grausam  Schicksal  hat  Dich  trennen  müssen  1 

Kur  in  Gedanken  kannst   Du  alle  küssen  ' 

Und  musst  verschv/eigen,was  Dein  Herz  be\fegt| 


Doch  auch  Gedanken   fliegen  durch  die  Welt! 
So  wirst   Du   stündlich  von  den   Deinen  wissen. 
Wie  alle  schmerzlich  Dich  zu  Haus^vermissen, 
Wie  Ihr  Q  e  b  e  t  um  Dich  sie  aufrecht  hSltl 


Emil     Seiice« 


Ludwig  Selke. 


LIIBIRt    tTANOARO    COOt 
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wieams  (1906)  BLITZ  ,.       ß 


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Ludwig  Selke. 


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LuDwiö  Selke. 


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TELEPHON    I,    No.   2505 
UNTER   IWAN   SILKE. 


HAMBURG.  DEN 19 


LICBINt    tTANDAfVO    CODE 
HASSOCH«    AURORA 
HALPCRIN« 
WIEaENS(t90«)  BLITZ  .. 


OROttl    RIlCMINSTRAttl    NO     17  •• 


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ALLE  PRODUCTE 
VON  UND  NACH  RUSSLAND 


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Telephon  2122  9. 

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Rigas  Starptautiskä  Banka  A./S. 
(Rigaer  Internationale  Bank  A.-G.) 

Tel.- Adr.:  „STARBANK" 


Ri^ra,  den  Q..,Miiv.z 19... 30 


I 


Codes: 

Pttenon's  International  2nd  &  drd  Edit 

A.  B.  C.  5  A  6th  Edlt 

Beotley's 

Rud.  MoMC 


Liebe  Jenny, 


Dein  Brief  vom  f'. «traf  heute  oln^Ich  emp 
f1,nde  dentlioh-unrt  verstehe  ja  auch  Gründe  und  Veranlassung  dazu- 
wle  sehr  Du  augenblicklich  Innerlich  Dich  ungeraütlioh  fühlst. Ich 
kann  vielleicht  -oder  bestimmt-mit  den  nachstehenden  Mittellungen 
Deine  Stimmung  verbessern  und  ich  boeile  mich, es  zu  tun. 

Gestern  abd  hatte  ich  nämlich  Gelegen- 
heit,den  jungen  Herrn  L.auf  eine  halbe  Stunde  in  ein  Cafe  zu  neh- 
men und  dabei  etwas  freier  mit  Ihm  zu  sprechen.  Er  war  es  übrigens 
selbst, der  dabei  zuerst   die  Frage  berührte, die  am  meisten  Jn- 
teresse  für  uns  hat. Er  entschuldigte  sich  zunächst, dass  er  über  et 
was  spräche, das  geheim  zu  halten  ihm  anbefohlen  sei, und  sagte: er 
freue  sich, gebeert  zu  haben  in  Berlin, dass  ich  in  Riga  bliebe, denn 
er  schätze  meine  Geschäftskenntnis  ,aber  darüber  hinaus  habe  er 
die  Empfindung, als  \^enn   dadurch  die  M'^glichkelt  für  einen  angeneh- 
men Verkehr  für  seine  Frau  entstände  .     Ich  antwortete  ihm, dass 
die  Notwendigkeit  mir  einleuchte, meine  Ernennung  nicht  vorzeitig 
bekannt  werden  zu  lassen, dass  aber  es  einige  Schwierigkeiten  damit 
hätte, wenn  andere   darüber  sprächen  und  damit  mich  oder 
Dich  in  eine  recht  schiefe  Lage  brächten.  Ich  zeigte  L.den  bewuss-| 
ten  Brief  von  Dir  und  sagte, dass  Du  doch  in  eine  grosse  Verlegen- 
heit gekommen  seist  . L. meinte, Schitteck  sei  ein  furchtbarer  Schwät 
zer  und  sicher  habe  sein  Bruder  ,wenn  er  ihm  derartiges  gesagt, es 
unter  ausdrücklicher  Forderung  der  Discretion  getan. 

Na, das  ist  ja  uns  ^^rst  .L. erläuterte, 
dass  die  C^^cP  sich  wegen  Schm.in  einer  grossen  Verlerenheit  befände 
Er  war  der  von  der  Bank  herausgestellte  Vertrauensmann  und  es  be- 
deutet jetzt  für  die  G^P  einen  grossen  Prestige-Verlust  gegenüber 
der  Dresdner, Wenn  nun  ausgerechnet  dieser  Herr  offiziell  wegen  der 
hier  erlittenen  Verluste  verantwortlich  gemacht  würde  mit  dem  Ef- 
fekt der  Absetzung. Es  sei  eine  sehr  geschickte  Hand  nötig, um  den 
dicken  Knoten  zu  lösen, so  dass  die  C&P  ohne  eine  direkte  Blamage 
heraus  komme. Das  ist  Ja  auch  verständlich. Ich  teile  Dir  das  so  aus 
führlich  mit, weil  Du  ja  nicht  so  im  Bilde  bist. Aber  selbstverständ 
lieh  sind  diese  Mitteilungen  ganz  ausschliesslich  für  Dich  bestimm" 

Jn  den  letzten  Tagen  kann  ich  nur  des 
Abends  in  der  Bank  etwas  tun  und  so  wird  es  immer  12  Uhr. Die  Gewohi 
heit  spät  abds  zu  arbeiten, ist  hier  in  der  Angestelltenschaft  auch 
stark  verbreitet,  ffierr  L. sitzt  auch  von  ^  10  morgens  bis  Mitter- 
nacht in  der  Bank  in  diesen  Tagen. Seine  Frau  bekommt  ihn  fast  gar 
nicht  zu  sehen  und  da  sie  noch  möblirt  leben, so  kann  man  sich  vor- 
stellen,wie  ungemütlich  es  ihr  in  diesen  ersten  Tagen  in  einer 
fremden  Stadt  mit  absolut  fremden  Sprachen  ist. Ich  habe  sie  noch 
nicht  gesehen, denke  aber  morgen  vielleicht  Gelegenheit  zu  haben. 
Vorläufig  regnet  es  heute  zwar. Aber  morgen  kann  es  doch  ganz  schön 
werden  und  dann  wollen  wir  mal  zusehen. 

Gestern  war  Aufregung  in  der  Bk:  der 
Sohn  von  Herrn  Switgall  fiel  hin  und  z.mr  muss  er  wohl  herzschwach 


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sein. Man  hatte  ihn/auf  einen  Stuhl  gesetzt ,a])er  vielleicht  war  er 
ohnmächtig:  er  fiel  vorn  Stuhl  und  voi^letzte  sioh  am  Auge  ,Er  ^vurde 
naoh  Kause  gebracht  und  der  Arzt  hat  ihm  dann  die  IVixnden  vernäht. 
Es  ist  ein  Junger  Mann  ,der  wie  ein  Mädchen  wirkt,  und  augenschein| 
lieh  nichts  abkann.Kerr  3w. meint, dass  ernste  Folgen  nicht  ku  er- 
warten sind* 

"ü^n   Rrief  von  Rudja  lege  ich  wieder  bei. loh  kenne  mich| 
nicht  aus  und  für  mich  haben  alle  seine  Erklärungen  keine  Ueber- 
zeugungskraft, vielleicht  deshalb  nicht, weil  sie  immer  im  Mder- 
spruoh  stehen  mit  seinen  früheren.  Schliesslich  aber  ist  er  alt  ge| 
nug,um  selbst  zu  wissen, was  ihm  not  tut. 

Ich  finde, Du  solltest  besser  nicht  die  Armschmerzen 
einrelssen  lassen, bis  sie  so  werden  wie  bei  Thekla. Vielleicht  be- 
darf es  keiner  langen  Pehandlung,wenn  Du  sie  Jetzt  durch  Diather- 
mie beseitigen  würdest.  Mein  Rat  wogen  des  ausser-dem-Hause-Essen 
geht  ja  auch  nur  dahin, dass  Du  Dir  auf  diese  Art  und  ohne  Dir  et- 
wa Vorwürfe  wegen  Verschwendung  zu  machen   wenn  und  s  o  oft 
es  Dir  passt  sowohl  die  unangenehme  Küchenarbeit  wie  auch  alles 
andere, damit  Zusammenhängende, vom  Halse  schaffen  kannst. Das  nimmt 
Dir  doch  den  Abwasch  z.B. ab  und  ich  glaube  ab  und  zu  wirst  Du  auch| 
die  Kost  vertragen.Bei  Freymann  oder  Sternfeld  soll  es  mittags 
ganz  gut  sein. Du  könntest  Dich  mit  Angela  treffen  und  Jhr  spe  is- 
tet  zusammen. Ueberlege  das  Dir  mal. Du  kommst  dann  auch  etwas  unter 
Leute. 


Jch  glaube  kaum, dass  ic-  vor  Ostern  zu  Hause  sein  wer 
de  und  dann  vielleicht  auch  nur  auf  kurze  Zeit. Air  müssen  schon 
uns  mit  dieser  Lage  abfinden,  inzwischen  richten  wir  unsere  Gedan- 
ken auf  die  Zukunft.  Wir  nähern  uns  Ja  nlt  Jedem  Tage  der  Entschei 
düng, die  uns  die  Zunge  löst  (einerseits )und  uns  ermöglicht , die 
notwendigen  Entschlüsse  zu  fas3en(andererseit3) .Jch  denke, dass 
meine  Mittel lungen  Dir  neuen  Lebensmut  geben  und  Dich  aufmuntern» 


und  küsse  Dich. 


Sei  bestens  gegrüsst, ebenso  Angela.   Ich  umarme  Dich 


Dein  JPlch  liebender 


Rigas  Starptautiskä  Banka  A./S. 
(Rigaer  Internationale  Bank  A.-Q.) 

Tel. -Adr.:  „STARBANK» 


Riga,  den  I.3...M.rz 19.5.0. 


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Bcotley't 

Rud.  Motte 


Meine  liebe  Jenny. 


,.  Ich  erapflnß  Deinen  l.Prlef  vom  9. und  die 
separat  gesandten  schreiben  von  Eugen. Die  beigepackten  Nitro 
glyoerin-Tabletten  baben  kein  Ueberporto  verursacht .  Ich  habe 
sowohl  an  Herrn  Velnkrantz,wle  an  Direktor  Frank  in  Berlin 
wegen  der  Auskünfte  für  Eugen  (bezw  über  inloh)  geschrieben. 
Kopien  sandte  Ich  Eugen  ein  und  ersuchte  ihn, dafür  aber  zu  soi 
gen,da3s  keinerlei  Klagen  über  seine  Führung  etc  kämen,  die 
für  mich  einen  schweren  Rückschlag  b^^deuten  würden.  Ich  denke 
sowohl  W.wle  F. werden  In  einem  Sinne  nach  Buenos  Aires  schrei 
ben,der  Eugen  nützlich  ist.Dass  es  ihm  auf  der  Bank  nicht  ge- 
füllt bis  Jetzt, ist  ja  unerfreulich. Aber  vielleicht  kommt  er 
in  eine  andere  Abteilung  und  dass  man  ihm  die  Abfassung  der 
'/Vlrt Schaft sberichte  anvertrauen  will, ist  ja  ein  gutes  Omen. 

loh  freue  mich, aus  dem  Zettel  zu  sehen, 
dass  mein  Brief  an  Dich  die  erwartete  gute  Wirkung  gehabt  hat. 
Gestern  war  ich  auf  Einladung  von  Herrn  Lelck  mit  ihm  und  sei 
ner  Frau  im  Cafe  zusammen.  Dabei  kam  von  Frau  Leick  Ue 
Verwunderung  zum  Ausdruck, dass  Iferr  Schmalefbei  dem  sie  tags 
zuvor  zum  Essen  eingeladen  war)  noch  ....eine  Sommer wohnun^l 
am  Strande  suche.  Sie  tauschte  einen  Blick  mit  ihrem  Manne  aus| 
-etwa  sich  entschuldigend, wenn  sie  :!U  viel  gesagt  hätte. Dann 
meinte  sie:  Ich  höre  ja, dass  Sie  auch  nach  Riga  ganz  übersie- 
deln. Sie  werden  ja  eine  famose  Wohnung  haben(dle  Schmale  ^sche  )| 
etc  Ich  erzähle  Dir  das, weil  es  als  weitere  Bestäti- 

gung für  die  Regelung  der  bewussten  Sache  dienen  kann.  Die 
Generalversammlung  findet  hier  am  29/4  statt .Gewöhnlich  pfleg 
ten  sowohl  Herr  Leick  wie  Verr   Frank  dazu  her  zu  kommen. In  ei 
nem  heute  bei  der  Bank  eingetroffenen  Briefe  schreibt  Herr  L. 
aber  gerade, dass  seine  Herkunft  fraglich  ist.  Vielleicht  hängt| 
das  mit  der  Sache  Schmale  zusammen.  Aber  gerade  bei  der  G/V 
müsste  eigentlich  die  Klarstellimg  erfolgt  sein. Ja, liebe  Jennif\ 
gewinne  nur  tüchtig  und  komme  dann  ellig  her, mit  oder  ohne 
Ueberraschung,lch  würde  mich  über  Gewinn  Txnd  Kommen  -also  über| 
beides -sehr  freuen. 

Ruthchen  schrieb  mir  bereits, dass  sie  ein 
Bild  von  Dir  erhalten  habe.  Den  Artikel  von  Ernst  lege  ich 
Dir  bei;  er  scheint  ,da  er  im  Correspondett"  schi-^if  tstellert , 
schon  nicht  mehr  Demokrat, aber  mindestens  D.Vp  zu  sein  .Der 
Young-Plan  ist  ja  übrigens  Inzwis^.hen  vom  Reichstag  angenommen 
worden;  <iamit  ist  man  über  die  Einwände  von  Ernst  ja  zur  Tages-] 
Ordnung  übergegangen. Es  handelt  sich  um  folgendes: Bis  Jetzt 
war  zur  Regelung  der  Reparationsforderungen  etc  der  sogenannte! 
Üawes-Plan  in  Kraft, der  aber  in  vieler  Hinsicht  für  Deixtsch- 
land  untragbare  Opfer  verlangt  und  nicht  mxr  der  Höhe  nach, 
sondern  auch  noch  unbegrenzt , falls  Deutschland  sich  als  sehr 
leistungsfähig  erweisen  sollte  im  Laufe  der  Jahre.  Das  heisst 
dann  sollte  das  Tribut-Maass  dieser  gesteigerten  Leistungs| 
fähigkelt  noch  angepasst  und  vergrössert  werden.  Es  erwies 


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sich  aber,dass  bereits  Jetzt  die  deutsohen  Finanzen  einfach  die 
immer  hclher  werdenden  Jahresbetrage  nloht  mehr  aufbringen  kann 
und  es  ergolgte  eine  Neuregelung  oben  durch  den  Young -Plan, der 
auch  schwere  Opfer  verlangt  auf  lange  Jahre  hinaus, aber  zunächst 
grosse  Erleichterungen  schafft (für  1930  über  400  Millionen  Mark) 
dann  Im  ganzen  nicht  entfernt  so  viel  beansprucht  wie  der  Dawes 
plan  und  schliesslich  das  Maximum  bedeutet , also  über  die  festge- 
setzten Beträge  in  gar  keinem  Falle  zu  leisten  ist.   Uass  demnach 
der  Youngplan  gegenüber  dem  Dawesplan  ganz  ungeheure  Vorzüge  hat, 
kann  niemand  übersehen. Gewiss, auch  nach  diesem  Plane  sind  Repara- 
tionen von  ungeheurem  Ausmaasse  zu  leisten .Aber  wenn  man  einen 
Krieg  von  solchem  Ausmaasse  verloren  hat,nuss  man  eben  a\ich  solche 
Riesensummen  im  Laufe  langer  Jahre  opfern.   Die  Frage  ist  nun, ob 
Deutschland  das  dauernd  kann. Diese  Frage  muss  offen  bleiben; man 
kann  sie  mit  ja  und  mit  nein  beantworten, denn  wer  kann  voraussagen 
wie  sich  die  deutschen  Finanzen  im  Laufe  der  Geltungsdauer  des  Ver 
träges  (über  50  Jahre/)  gestalten  wferden  ?   Man  weiss  nur:vorerst 
bedeutet  der  Youngplan  etwas  Besseres  und  Definitives, dann  sind  als| 
Auswirkung  in  politischer  Hinsicht  ausbedungen  Befreiung  von  der 
fremden  Besatzung  im  Rheinland, schliesslich  bleibt  im  Falle  der  An 
nähme, wenn  sich  die  Unhaltbarkelt  ausweist, laut  Vertrag  vorbehalten] 
in  neue  Verbandlungen  einzutreten.  Nimmt  man  ihn  nicht  an:bliebe 
nur  der  sofortige  Zusammenbruch, wenn  man  nicht  bei  dem  Dawesplan 
verbleiben  wollte, was  natürlich  Unsinn  wäre. Und  dann  bliebe  auch 
das  Rheinland  bis  IQ^.*^  besetzt.     So, jetzt  weisst  Du, um  was  es 
geht. Ernst  sieht  schwarz  in  die  Zukunft  und  hat  möglicherweise 
damit  Recht  .M^5glicherweise  kommen  aber  Faktoren,  Z.B.Zusammenbruch 
Sowj et russlands -womit  ich  ziemlich  sicher  rechne-  die  man  heute 
gar  nicht  in  die  Kalkulation  einsetzen  kann  und  die  das  Bild  von 
Grund  auf  verändern  würden.   In  jedem  Falle  bleibt -auch  bei  Annahme 
des  Plans-die  Möglichkeit  der  Revision  ,  falls  sich  die  Unerfiillbar 
keit  erweisen  sollte. 

Ich  wünsche  Dir  Sonnt a^r  viel  Vergnügen  bei 
Frau  Müller. Ich  sende  ihr  eine  Karte.  Fvele  ist  doch  ein  prachtiger 
Kerl. Was  sie  so  alles  noch  nebenher  schafft.   Mir  Ist  nicht  klar 
geworden,  warum  Du  Deinen  beabsichtigten  Daraen-Gafe  aufschie- 
ben willst?? 

Du, hast  schon  ganz  Recht  mit  der  Anspielung 
auf  den  Deutsch-polnischen  Handelsvertrag. Ob  er  sich  noch  irgend 
für  mich  auswirkt?Wer  kann  es  wissen.  Schliesslich  ist  es  ein  Elsen 
mehr  im  Feuer. 


Ich  muss  sagen, dass 
te  Veränderung  im  Wesen  von  Angela  doch  s 
muss  da  doch  vielleicht  etwas  gut  dahlnte 
zB  vorstellen, dass  sie  sexuell  nicht  mehr 
früher, und  da  Erscheinungen  zu  Tage  trete 
mit  Ihr  -so  ganz  nebenbei  natürlich-  unte 
helt,dle  man  ihr  nicht  abstreiten  kann,wl 
heraus  gehen  und  Dir  doch  Einblick  gewähr 
ne  '/"i/inkel  ihrer  Seele.  Ich  halte  das  doch 
man  nicht  falsch  experlmentlrt . 


mir  die  von  Dir  berlchte- 
ehr  zu  denken  gibt  .Man 
r  schauen.  Ich  kann  mir 

so  uninteressirt  ist, wie 
n.  Du  solltest  mal  Dich 
rhalten  und  bei  der  Offen- 
rd  sie  vielleicht  aus  sich 
en  in  gewisse  verschwiege 

für  sehr  wichtig, damit 


Rigas  Starptautiskä  Banka  A./S. 
(Rigaer  Internationale  Bank  A.-G.) 

Tel. -Adr.:  „STARBANK" 


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Rud.  M.OM« 


Dem  sogenannten  geistij^en  Leben  in  Higa  stehe 
ioh  natürlich  fern  und  die  Frage  ,ob  es  eine  passende  Schu- 
le gebe  für  Angela, habe  ich  mit  Absicht  nicht  welter  unter- 
sucht. Denn  das  hatte  natürlich  meine  Karten  aufgedeckt .Aber 
ausserdem  ist  es  allgemein  so  (auch  in  Heval  erfuhr  ich  das) 
dass  man  bei  Einschulung  doch  noch  3  Jahre  machen  miisste. 
ich  glaube, das  wird  hier  nicht  anders  sein, wie  in  Reval. 
Deshalb  frage  ich  mich, ob  gegebenen  Falls  es  nicht  besser 
wäre, Angela  draus sen  (in  Danzig  oder  in  Deutschland)  zu  Ende 
lernen  zu  lassen.In  Danzlg  hätte  sie  nur  2  Jahre  noch  und 
wenn  wir  uns  die  Sache  so  einrichteten, wie  bei  Ruth  s.Zt, 
so  könnte  Angela  sogar  noch  Zelt  gewinnen  zum  Abitur. 
Das  will  gründlich  überlegt  sein  und  ist  eine  derjenigen  Fra 
gen, mit  denen  ich  Dir  früher  nahelegte  Dich  schon  zeltig  zu 
i^eschäf  tigen. 

Die  Hochschule  ist  hier  lettisch. Kommt  also  für 
Angela  gar  nicht  In  Betracht .Auch  Dorpat  In  Esthland  ,das 
nahe  liegt  zu  Riga, ist  jetzt  , so  viel  Ich  hörte,  auf  esthn. 
Sprache  ganz  abgestellt  und  fiele  aus. 

Von  Kallanskv  habe  ich  nichts  gehört; ich  habe 
auch  keinen  Anlasfs,lhm  zu  schreiben. 

lieber  meinen  Sonntag  habe  ich  Dir  ja  schon  in 
zwischen  berichtet  .Gestern(Busr3tag)  war  heller  Sonnenschein 
aber  es  war  saukalt  .Nachmittags  war  ich  7i    Stunden  in  der 
bank  und  mirde   dann  von  Ke^^rn  Leick  und  Frau  abgeholt.  Wir 
waren  bis  gegen  g-8  zusammen. Dann  ging  ich  Abendbrot  essen 
und  im  Anschluss  nach  hause.  Heute  ist  es  noch  kälter  und 
es  weht  eisiger  Vdnd.Das  Barometer  kündigt  Sturm  an.  Das 
kann  also  gut  werden. 

Ja, liebe  Jenny, Ich  habe  schon  selbst  daran 
gedacht, ob  Du  nicht  etwa  für  kurze  Zelt  mal  hier  her  kommen 
könntest.  '!'Jenn   Du  gewännest,  so  wäre  das  die  einfachste  Lö- 
sung. Aber  zu  viel  darf  man  auf  einmal  nicht  verlangen. Ich 

zerbreche  mir  schon  etwas  den  Kopf, wie  man  die  verd 

Geldfrage  lösen  könnte, die  in  noch  viel  anÄerer  Hinsicht  mirl 
Schmerzen  macht.  T5s  geht  halt  imn.er  nur  schrittweis. Und  wenn| 
es  nicht  anders  geht, so  muss  man  sich  damit  abfinden.  Ich 
höre  von  t"  rlln  gar  nichts, ob  man  mit  meinen  Rntnahmen  von 
700  Rmk  monatlich  zufrieden  oder  unzufrieden  ist. Und  das  he 
deutet  Unsicherheit, ob  ich  in  Perlin  eine  Nachzahlung  er- 
warten kann, die  ich  ja  zum  Durchhalten  unbedingt  brauche. 


M  S9  5000  16  11  29 


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Ostersonntag  ist  der  20.Apr»ll  und  die  Generalver^sarmnlung 
Ist  am  29.   Da  wlr^ft  steh  auch  wieder  die  Frage  auf, ob  unter 
diesen  Umständen  ein  Hinausfahren  r];ic5glich  oder  angebracht  ist. 

Aber  werden  wir  l^^ben, werden  wir  sehen. Für  heute  mag 
ich  mir  darüber  nicht  den  Kopf  zerbrechen. 

Joh  sende  Dir  und  Angela  beste  Grüsse.  Und  loh  küsse 
Dich, liebe  Jenny  ,und  verbleibe  in  Liebe 


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Dein 


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RIGAS    STARPTAUTISKÄ    BANKA    A./S. 
(RIGAER  INTERNATIONALE  BANK  A.-G.) 

Tel.-Adr.:  „STARBANK" 


CODES! 

Potorson'8  International  2nd  A  3rd  Edit. 

A.  B.  C.  5  Ä  6th  Edit. 

Bentley's 

Rud.  Mosse 


RIGA,  den    .28  .Mär;5 193  0. 


Einschreiben. 


Liebe  Jennv    . 

Mein  üestrl^es  wirst  Du  erhalten  haben. 
Hier  Ist  niohts  Neues, ausser  dass  Berlin  sich  einverstanden  da- 
mit  erklärt, dass  loh  zur  Vertretung  des  Direktors  Abramskl  wäh- 
rend dessen  Urlaubs  nach  Reval  gehe.  IVann  das  sein  wird,  steht 
heute  noch  nicht  fest, well  dles'^r  Urlaub  dem  Ab-r. etwas  gegen 
seinen  Aillen  und  ohne  dass  er  bis  jetzt  davon  weiss  aufgedrun- 
gen wird; es  geschieVt  das  etwas  auf  m/Veranlassung,well  ich  der 
Meinung  bin, dass  sonst  in  kurzem  der  Mann  einen  totalen  Zusam- 
Kienbruch  seiner  Serven  erleidet.   Ich  nehme  an, dass  loh  in  der 
kommenden  Woche  nach  Reval  fahren  kann  und  bis  dahin  A.infor- 
mirt  sein  wird. 

Morgen- Sonnabend-  bin  ich  abds  bei  Herrn  und 
Frau  Leick  zum  Essen  eingeladen. Und  der  Sonntag  wird  hoffentlic 
Euch  und  mir  Möglichkeit  zu  einer  kl.  Wanderung  bieten. 

^/t^  r9^^'^'^^^&^^^   findest  Du  Scheck  a/Commerzbank 
in  Höhe  von  G 


und  ich  bedaure,dass  icli  den  Betrag 
nicht  vergrössern  kann, da  ich  doch  weiss, wie  eng  Du  mit  Geld 
bist. Aber  loh  kann  nicht  gut  mehr  in  Berlin  disponiren  als  700 
(500  für  Dich  und  200  f .Ruth)  ohne  befürchten  zu  müssen, dass 
man  dort  findet, Ich  sei  fürs  erste  lange  gemig  hier  unten  gewe- 
sen.Und  wann  ich  dann  wieder  los  geschickt  würde, ist  doch  sehr 
fraglich. Und  in  der  Zwischenzeit?  Ich  rauss  mich  also  bescheidenl 
und  Du  wirst  Dich  schon  einrichten, nicht  wahr? 


Hi  89  lOOOO  28  1  30 


Gestern  war  loh  auf  einer  interessanten  Versaranlung 
des  Verbandes  der  Holzhundler  in  dem  wunderbar  einfreriohteten  grosse' 
Börsensaale  (weiss  Marmor) ; loh  habe  zum  Schlüsse  als  Bankenvertreter 
auch  gesprochen  und  anscheinend  mit  kräftigem  Beifall  einige  ganz  ne\: 
Töne  in  die  Debatte  hereingebracht. 

Hoffentlich  trifft  Dich  der  Brief  bei  gutem  Vi/ohlbe- 
finden. Angela  berichtet  nichts  mehr  über  ihren  Zustand  und  ob  sie 
weiter  mit  Arsen  und  Bestrahlung  behandelt  wird. Ich  denke, sie  wird 
wieder  ganz  in  Ordnung  sein. 

Mit  herzlichen  Grüssen  für  Dich  und  Angela  verblei- 


be ich  in  Liebe 


Dein 


INTERNATIONALE    BANK 


AKTI  ENG  ES  ELLSCHAFT 


DEPOSITEN  KASSE   ZOPPOT 

SCKSTRASSE   62 


TELEQR.-ADR.:  INTERBANK,  DANZIQ 

TELEFON:   NO.  7264,   7266 
POSTSCHECK-KONTO  :    DANZIQ    7660 


DAN  ZIG, 

LANGGASSE    67    (SEITLICHER    EINGANG) 


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INTERNATIONALE  BANK*  ^- 

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INTERNATIONALE  BANK 

AKTIENGESELLSCHAFT 


AUFSICHTSRAT 


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FERNSPRECHER    726^-OS 
TEL.ADR.  INTERBANK 


Commerz -UND  Privat -Bank 

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FiiÄAUE,  Danzig      . 


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Internationale  Bank  A.-Q.) 


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Rigas  Starptautiskä  Banka  A./$. 
(Rigaer  Internationale  Bank  A.-G.) 


Riga,  den 19. 


Tel.- Adr.:  „STARBÄNK" 


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Codei: 

Petenon'f  International  2n(l  &  3rd  Edlt 

A.  B.  C.  5  A  6th  Edlt 

Bcntlty'« 

Rud.  Moasc 


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M  89  5000  \^\  7ä 


Rigas  Starptautiskä  Banka  A./S. 
(Rigaer  Internationale  Bank  A.-Q.) 

Tel  -Adr.:  „STARBANK" 


Riga,  den  19, 


CodM: 

Petersen*!  Interoetlonal  2nd  &  3rd  Edit 

A.  B.  C.  5  A  6th  Edit 

Bentley's 

Rud.  Motse 


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Rigas  Starptautiskä  Banka  A./S. 
(Rigaer  Internationale  Bank  A.-G.) 

Tel. -Adr.:  „STARB ANK" 


Kiga,  den 


24  .März 


19,1^ 


Codti: 

RtUrion's  Intcrnatioaal  2nd  A  3rd  Edlt 

A.  B.  C.  5  A  6th  Edit. 

Btotlty's 

Httd.  MoM« 


Mein'/  liebe  Jenny. 

Jöh  bin  heute  früh  wieder  hier  eingetroffen. Ob- 
S3hon  l3h  erster  Klasse  und  dazu  noch  allein  Im  Coupe  gefahren  blnl 
konnte  Ich  dooh  n^.cht  schlafen  und  fiJhle  mich  also  made.  Ich  f  andl 
hier  Deinen  I.Brief  vor  , desgleichen  von  Eve  und  Ruth  einen  und 
endlich  den  bevmssten  von  Herrn  Lelck.  Aus  der  einliegenden  Ab- 
schrift ersiehst  Du  alles  TJühere. '»Vas  Ist  da  viel  zu  sagen: man  muss 
halt  hoffen, dass  diese  zähe  Speise  doch  noch  gar  wird. 

Uebrlgens  Ist  es  möglich, dass  Ich  schon  bald  wiede 
und  auf  einige  Wochen  nach  Reval  gehe  ,um  den  einen  Direktor  dort 
zu  vertreten, der  stark  urlaubsbediirftlg  Ist.  Ich  werde  Dich  evtl 
rechtzeitig  verständigen. 

Nun  zur  Beantwortung  Deines  I.Briefes:  Nat'lrllch 
hättest  Du  dem  Löwenthal  Im  Februar  die  Miete  nicht  zahlen  dürfen. 
Du  hast  ülück  gehabt^idass  es  so  abgelaufen  ist. Ich  widerrate  Dir 
in  jedem  Falle, die  Märzmiete  nach  der  Verfügung  von  LÖv/enthal  zu 
zahlen. Nach  meiner  Meinung  ist  die  Pfändung  im  Januar  vollkommen 
rechtskräftig  gewesen, da  sie  meines  '1/lsseris  eine  richterliche  war. 
Du  musst  das  Schriftstück  in  der  Schreibmappe  finden.  Ich  sagte  Uli 

schon, dass  ich  an  Deiner  Stelle, wenn  die  oteuerbehörde  nichts  mehr 

« 

zu  bekommen  hat, den  Betrag  bei  der  Gerichtskasse  deponlren  würde. 


Dann  mögen  sich  die  Leute  darum  streiten. 


Ich  bin  neugierig. 


was  morgen  beim  Einigungsamt  heraus  kommt; da  sicher  ja  Braue khoff 
und  Willich  auch  vorgeladen  sind, so  werden  die  es  schon  schaffen, 
dass  unberechtigte  Forderungen  des  Lowenthal  abgewiesen  werden. 
Natürlich  war  in  der  Vorkriegszeit  der  llelzbetrag  in  der  Miete  ein 
geschlossen. 


M  89  5000  16  11  29 


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Ruthohen  hat  ihr  letztes  Exanen  mit  l"   bestanden:  na. 

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was  will  man  denn   mehr?   Das  wird  Ihren  Mut  wehren  ^^es  v/eiteren 
doch  stark  heben.  Ich  hätte  Dir  sehr  viel  zu  einzahlen.  Schreiben 
lässt  sich  ja  nicht  alles, oder  doch  nicht  sehr  gut.  Wann  aber  wer 
den  wir  uns  schon  sehen?   Gestern  war  das  Wetter  in  Reval  wieder 
scheussllch; an  einen  Spaziergang  war  nicht  zu  denken. Ich  ging  al- 
so um  I2  ins  Kino  (Palästina  und  die  ;indischen  Kolonlsirungen  etc) 
und  um  2  -im  Anschluss-  in  ein  anderes  Kino. Da  gab  es  u.a. eine 
amerikanische  Groteske: Trautes  Heim-Glück  allein. Und  ich  habe  vor 
Lachen  bald  TrLJhen  vergossen.  Um  6jj  bin  ich  abgefahren  und  im  Zügel 
habe  loh  gespeist.  In  Riga  war  gestern, wie  man  sagt , herrliches  Wet| 
ter  und  ich  habe  also  •  lal  Pech  gehabt. 

Die  Sache  mit  der  Frau  Momm  in  Potsdam  ist  nat*'rlioh  für| 
den  Mann, der  deshalb  seine  Stellung  quittiren  musste,ein  grosses 
Unglück. Es  gibt  halt  allerlei  Krankheiten  und  man  muss  sich  trös- 
tenrmanchesraal  wirken  sich  anormale  Veranlagungen  noch  viel  tra- 
gl  scher  ^aus. 

Herrn  Bernhard  Müller, Bildhauer  und  M.d.V.  scheinst  Du 

* 

1a  i';efressen^'zu  haben  .  Tust  Du  ihpi  nicht  etwas  Unrecht?Ich  glaubel 
II  ' 

er  kann  manchmal  nicht  dafür" -wie  der  Danziger  Ausdruck  so  schön 
lautet.  Kommst  Du  mit  dem  Arrowsmith  zurecht?   Die  Schornsteinfe- 
ger-'^chweinerel  ist  wirklich  zum  Auswachsen.  Und  man  kann  nichts 
dagegen  tun, höchstens  sich  bei  Löwenthal  beschweren  und  der  kann 
ihm  die  Hölle  helss  machen. 

Angela  geht  es  hoffentlich  weiter  gut, ebenso  Dir  mit 
Jeinem  Arm.  Ich  sende  Euch  beste  Grüsse.Jnteresslrt  Dich  der  etnl 


Marktbericht  von  Riga  ? 


Jch  mmarme  Dich  , Li  ehe,  und  bin 

Dein 


Küssen 


Rigas  Starptautiskä  Banka  A./S. 
(Rigaer  Internationale  Bank  A.-G.) 

Tel.- Adr.:  „STARBÄNK" 


CodM: 

Petenon*t  IntenuUonil  2nd  &  drd  Edlt 

A.  B.  C.  5  A  6tta  Edlt 

Btotl«y*s 

Rud.  Motte 


Riga,  den 


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m  89  5000  16  11  29 


Rigas  Starptautiskä  Banka  A./S. 
(Rigaer  Internationale  Bank  A.-(i.) 


Tel.- Adr.:  ..STARBANK" 


Riga,  den .: 19. 


k  89  5000  16  il  2i 


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REVALER  AKTIENBANK 

DIREKTION 


TALLINN. 
REVAL 


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REVALER  AKTIENBANK 


J^   tr      <f  elegr^mm-ÄcÄesjfe :    ^     ^ 
.AKTOBANK" 

Bentley's 


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.>-ira4    tu-    ■»•iWs'Sf*^««?   »«>?Ix^?tih?5   ^9ob5aS^lJ1i|SCjl?ffi^t^|r^rd   »s  doch 

rieht ig^|ff^^^l4.jio;;;fn^ijif^^h»^  ajf  mrt^^^;.  ^«^^^n« 

-^...,    ^.H,R      3O.^%:4f*ifir*tta|«.^0   öraouB   35  Pfg  und  fllr   jede   weiter*«   9c 
nSX,-{  "X   *ul«rj    rfo5^§^eeji   iü".!   iieH    rarix    tfri    tri oi«  11*1 /;  .Vxl    f-i 


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fpfurd  UoakmuÄr   Zacker^^rtaen    •        Di«   Drusen  m^  aaen    iC/I?   1t  d 
"^i^^cf"^'*** kochen    Aufgeweicht    werden   in  kaltem  WaaeextDas   weiaat 


■  riiKH 


Da   J%  tlDrig»na  und   so   hoff«   Ich  h»ot    Ihr   »in  -pinx    %r>g^n^Ymm 


lAahlz^it»«.    Sollt»  Kxr   Zoll   verlang««, so  kar^n    las    ja  r«ur   «in« 

Lag^tftll«   3»in  und  lÄsÄ«'^  alao'^^'k^  PäckchÄr   nicht    wieder   yurtick 
T-j    .  ri!vr250-^^jj^„>'r,^^^j^^^„^~^^^9^;;x4j_^j^;r^^(^^3^^    ^^^^   auch  nicht    billig 

rt-»x    ßR/i.oep^i4:rÖ^5%^tjrilS"^*it43''lJ^&i,^   railW^^a^a  ?Hni.Vter  mar   last 

,Vf    -i'-i  i-Jf.rl^Tt  iJ-   rtoo-    e*    ^Bi   n;;^V»g*iVfe^hf.    a5Li'o"^au?"lia3kentall    cd«r 
—  li   rtox    -ii^t^^^^gJ-fiH^f^ÄJitfiifftT^li^'^sli^^Äs^^^o^i^^ciibi^  mit   Kaj   hi«t-T 
««^^'•ü'^   ''Si^fe:^loff*ti.fli6fi^^'A*'f*l*i':K:Hht''l^li    4f.^k'iut   mach-u  k'^».er. 

Ir    i»r   H»t«#  passirfiS^ScÄ6ft'idai8t»l^Rt"41l^i"90   auskomrt  ,   wi# 
t^-r-i-a  •X'^fi^r.^;Jit|4^^fg^j^^gj,|j^4^^ji   'jp^i^  Provision  muas  mar  für  Iäh   V-r 

i/TFf     R<''»^$r^§yiflfe„^iaf''jSa#>.>Äil^i*4i?8*«&mlAiio~ÄkcÄ*.''so  ab-'b-^i  ^ec  Q- 

f..j.itr^.r^^  u4ri;;.^^,i4-^3'^Ä8lir  il8  ?>%fe'4f'^i5llf"iffa'':Äas   wird  g»t^ilt. 

riooi  P-  ■ft!$\s"^**fäSt?"d4?'^iSr"?»^6  S^ftMi^Mfe  g;^i'ii"g4ft8rt    zur  Hftlft«  u-d 

•JTo^>   wo/   -äio^   TBOTv     iTX«   --irfw   ^t' -  .  —  ^ g^^^ij! ^^|^  filth^'das«  in aT'   schon    i« 

Mär«   das  üeld  für  Kuth  braucht   umd  sitl«^''ir<$fii    auch  überhaupt 
rlox   -jrr'  flicht 'gl5ifcR'"äU-ölfi*i^^l#f  Hir   ihr»  üarlexoi»«   «tc  wird  si* 
x;r  — w,i-ji^ix4^^J'^j^^.^ge^llif   enucÄW.![fcr?S8ä;A   iffefc  dies«  lextras  mit 

r  r,*T-.n«w  *1«L  -i^t  ^-T^  £^^  =5^  '^aci{}  ^57«g5«^4»r*!§l?h'f^i^»clc'  sch^p  i;-»r#r- 
»■•.   ^-^r-if  ,f^Ä„|^>3-liiiir.^;8^s«liild^fei^4r-«3icV"g^"'«i'?iitf 'rieht ig  t^rstar- 

d«»B  hat  ;\i«ll»icht  hat  ihn  H»rr  L.nur  g»3ag#,ich  bleib«  in  Riga 
■^Tf"   "^^'^di8^Sfal^l''it^igSgw'^^^   o^c'fi     J^  Riga. Das   hängt    ganr   ^cn   d«r    \rt 

lea  ü^flinrBcha    ab  und   wie  uan   auf  mich   fu  sprechen   gekOKmen   iat  • 


REVALER  AKTIENBANK 


Telegramm-Adresse : 
.AKTOBANK" 

Codes:  Peterson's  Ist,  2nd  A  3rd.  Ed. 

Bentley'8 

Rudolf  Messe 


TALLINN,  den 
(REVAL) 


Du  hättest   tibrig»Ä8»weiiT»    Du  reicht    j#tBt    noch   «im 
mal   TAX  ^ch.hiwg«h#i«»  machet  ,;5 eh. g^r»»  mal   t#l»foiiisch   heraus- 
rufe« lt«r.n«i!,aBi  mal  genauer  \o«  ihm  «u  httre«,   was  na«  Uter 
mich  gesprochen    hat    d.h.ir!   welchem    zusammeTnhaTigw.Du  ka^^rst 


•    •• 


ihm    ;)a  sage«, ich   hätte  Dir   noch  richts   i<e8timiite«  mitgeteilt 
und   DU  machtest    loch  gerw   wissen   u.s.w.        Ich   lenke, las  Ica"»» 
Da  ruhig  mache«    unl  wem   lu  ihn   nicht    ir    der  i;ani    aT»rufew 
willst  ,30   hat    er   doch  auch  Primat -''el-fca   ru   Hause. Du  wtirdes 
ianr   schon   empfinden »et  «r   nicht    schwindelt   und   etwas   \orfS- 

grif f  er>   hat  • 

Na,mach    Las   wie   Du  «einst.    Ich  hoffe, dass   es   so 

kommt, aber  dem   Seh. glaube   ich  nicht   ganfe  ICO<. 


Was   habt    Jhr  gestern   gemacht?      Ich  war  morgens   i« 
einem  /ilm     Oas    deutsche   Lied»   and  sah   ia  so   ziemlich  die   ga 
ze   deut8che*Kolonie.Das  war   auch'itsT  7weclt   der   iJetung.Denn 
\on   dem  Film   haoe   ich  mit  Recht    ntf  .t    viel    erwartet.    i>ann 
ging   ich  nach   Hause, futtert»   an    Stelle   des  wegen   wetel    ausge 
fallenen  Mittagessens   Im   Hotel   3   fcnnanen   und   eine    \pfelsire 
und  hatte  keine  Lust, wieder   ausfogehsB.So  v-rging  der  Sc-n- 
tag  mit   L*3en   und   Schlafen« 

NUBil^t  wohl,    li^b^   J^nny  und 

m??gep#hnieT!   Stoff   für    Deine   i^rtefe.   vjr«3»^ 

Dir   seilest    h^rfüche   lirtlase  und  Küsse. 


3«BmEle   weiter  so 
ftir    ^rgel«.    Und 


Dein 


ch   liei^ni^r 


Ludwig  Selke. 


TELEGRAMM^:    „SELKIWAN"   HAIVIBUR 


TELEPHON   {,   Uo.  2506 
UNTER   tWAN   SELKE. 


LIEBent    STANDARO    CODE 
HASSOCHa    AURORA 
KALPCRINS  ,, 

WIE0ER8  (1906)  BLITZ  ,, 


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ICH^HSTRAtM 


RAtM   NO.    17  ••     ^     ^^        ^^  y ^^ 


ALLE  PRODUCTE 
VON  UND  NACH  RUSSLAND. 


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Ludwig  Selke. 


TELEGRAMME:    „SELKIWAN"   HAMBURG 


TELEPHON    I,   No.   2505 
UNTER    IWAN    SELKE. 


LieBSNS   STANDARD    CODE 
HASSOCN8    AURORA 
HALPKRINS 

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HAMBURG.  DEN 


OROasr    RIlCHINSTRAttK    NO.    17  •• 


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ALLE  PRODUCTE 
VON   UND  NACH  RUSSLAND 


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Ludwig  Selke. 


TELEGRAMME:    „SELKIWAN"  HAMBURG 


TELEPHON   I,   NO.  2505 
UNTER   IWAN   SELKI. 


HAMBURG.  DEN  19 


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OROttB  MIICHINtTRAtSC    NO.    17  •• 


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VON  UNO  NACH  RUSSLAN 


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Ludwig  Selke. 


TELEGRAMME:    „SELKIWAN"  HAMBURG 


LIEBCRt    STANDARO    COOK 
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VON   UND  NACH  RUSSLAND. 


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TELEPHON   I,   NO.   2505 
UNTER   IWAN    SELKE. 


HAMBURG.  DEN 19 


GROSSE    RCICHENSTRASSE    NO      17   •• 


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Diwau  ! 


Ludwig  Selke. 


TELEGRAMME:    „SELKIWAN"  HAMBURG 


TELEPHON    I,    NO.   2505 
UNTER   IWAN   SELKE. 


HAMBURG.  DEN  19 


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ALLE  PRODUCTE 
VON   UNO  NACH  RUSSLANC^ 


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INTERNATIONALE    BANK 


KAPITAL  1.6  MILLIONEN  DANZiaKR  OULDCN 


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T«ittphon  7aS4,  728S 

Postach •ckkon tot  Oanzlg  7680 

airo- Konto  I   Bank  von  oanxfg 


DANZIG,     iC.Juni    X929 

Lanoa*»^  €7  (••Itilohar  BIn«ang). 


Liebe  Jenny    ! 


*  In  ein  paar  Stunden  musst  Du  in  Hambg 
ankociinen^und  hoffentlich   s  o   gut  ausgeschlafen  und  frisch, 
wie  wir  es  Dir  v/dnschen. Das  ^«etter  ist  hier  heute  sonnig. 
Vielleicht  triff;Cst  Du  es  dort  bei  Deinem  Einzug  auch  gleich 

so  an, dann  sieht  sich  die  Vi/#»lt  noch  r.al  so  gut  an. 

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Von  hier  ist  natürlich  noch  nichts  Neu- 
es von  Jnteresse  zu  melden,  ich  erwarte  crit  grosser  Spann\xng 
Deine   Berichte  ,wie  es  Dir  dort  gefällt  und  wenn  Du  nur 
fest  daran  hältst  im  Glauben, dass  der  Aufenthalt  in  Hattiburg 
Dich  beruhigen  und   damit   auch  wieder  kraftigen  wird, 
dann  wird  es  auch  schon  so  sein.   Heute  hast  Du  gewiss  den 
grössten  Teil  der  Verv/andtschaf t  schon  zu  sehen  bekorrimen. 

Von  Iiive  kaei  eine  Karte  an  Angela  mit 
Anfrage, ob  sie  ihr  zixtx  Ü-eburtstag  eine  kl. Angorakatze  icitbri 
g-%n  solle.  Ich  habe  A^die  Karte  unterschlagen  und  Eva  gesohri 
ben,dass  von  solchem  Mitbringsel  gar  keine  Kede  sein  könne ^ 
\ind  dass  wir  übrigens  vor  Angela  noch  geheim  halten, dass  sie 
zu  deren  G-eburtstag  hier  sein  will.  Was  die  I^inder  sich  so 
alles  ausdenken! 

Ruthchen  sandte  auch  ein^n  Brief, den 
ich  beilege, besonders, weil  sie  an  Herrn  Jmmergldck  sich  ge- 
wendet hat  wegen  Edrgschaft.  wie  ich  J. beurteile, wird  er  die 
Bürgschaft  nicht  leisten, aber  das  Geld  anbieten, das  er  ver- 
bargen soll.  T'as  trifft  sich  nun  mal  wieder  eigenartig,  nicht 
wahr, gerade  wo  Du  Dich  anschickst, J. zu  sehen?   Aber, was  kann 
man  da  machen!  ich  habe  Ruth  geschrieben, dass  sie  ihren  Juli 
Wechsel  von  aiir  bekommt.  Das  Formular  habe  ich  gar  nicht  mehr 
und  ich  weiss  dbrigens  auch  nicht, ob  ich  es  ausfüllen  warde. 
Die  Leute  können  mehr  fragen,  als  10  Vveise  ihnen  beantworten 
können. 

Ich  will  Dir  mit  diesen  Dingen  nicht 
die  gute  Stimmung  verderben  .  im  Gegenteil: Du  sollst  so, wie 
Du  es  Dir  vorgenommen  hast.  Dich  mit  Deinen  Gedanken  vollkom 
men  los  losen  von  all  dem  Unangenehmen  und  Schweren   des 
Danziger  Alltags,  ich  werde  mich  sehr  freuen, wenn  das  Dir 
m.öglichst  vollkocr.men  gelingt. 


X  n  A  a    3  J  A  l/|  O  f  '^'  ^ 


HJIQJUO   HaOtXMAQ 


ürasse    bitte    all©   -Liaben   dort   von  nir   und   B^i   Du 


salbst   iiorzlioli   gegrusst  und   gakds 


iierzlichft    üräsr.ff    von   An;i:^l 


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Lieb© 


RIGAS    STARPTAUTISKÄ    BANKA    A./S. 
(RIGAER  INTERNATIONALE  BANK  A.-G.) 

Tel.- Adr.:  „STARBANK" 


CODES: 
Pöterson's  Intarnatlonal  2nd  <&  3rd  Edit.  /;,' 

A.  B.  C.  5  A  6th  Edlt  ."^Z 

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Rud.  Mosse 


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RIGAS    STARPTAUTISKÄ    BANKA    A./S. 
(RIGAER  INTERNATIONALE  BANK  A.-G.) 

Tol.-Adr:  „STARBANK" 


RIGA,  den    193 


CODES: 

Peterson's  International  2nd  &  3rcl  Edit. 

A.  B.  C.  5  &  6th  EdIt. 

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Rud.  Mosee 


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REVALER  AKTIENBANK 


Telegramm- Adresse : 

„AKTOBANK" 

Codes:  Petersou's  Ist,  2tid  &  3rd  Ivd 

Beiitley'B 

Rudolf  Mosse 


TALLINN',  de 
(KivVAL) 


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REVALER  AKTIENBANK 


Telegramm-Adresse : 

„AKTOBANK** 

Codes:  Peterson's  Ut,  2tid  &  3rd  Rd 

Beiitley's 

Rudolf  Mosse 


TAIJJNM,  den 

(KlvVAI.) 


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RIGAS    STARPTAUTISKÄ    BANKA    A./S. 
(RIGAER  INTERNATIONALE  BANK  A.-G.) 

Tel.. Adr.:   „STARBANK" 


CODES: 

Petereon'8  International  2nd  d  3rd  Edit. 

A.  B.  C.  5  &  Oth  Edit 

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Rud.  Mosse 


T.Oktober 


RIGA,  den 


0 

193- 


Meine  liebe  Jenny  ! 


Post  von  Dir  ist  nicht  gekommen • Auch  der  aviair 

te  Brief  von  Angela  fehlt  noch. Hoffentlich  hat  das  nichts  zu  bedeuten. 

t . 

Von  Rud ja  kam  eine  Karte, dass  er  nicht  nach  Paris  , sondern  nach  Berlin 
übersiedelt .Er  deutet  Gründe  an. Ich  verstehe  nur  die  Andeutung  nicht. Er 
schreibt  aber,das8  Wieland  Herzfelde  diesen  Entschluss,nach  Berlin  zu  ge- 
hen,  sehr  begrüsst.  Er  war  bei  Abgang  de»  Harte  noch  in  Hamburg  und  wollte 
am  8. abreisen.  Nebenbei  stellt  er  auch  ein  baldiges  Wiedersehen  in  Lanzig 
als  sicher  hin.  E  r  scheint  zumindest  mit   seinem  Hinkommen  ziem- 
lieh  sicher  zu  rechnen  danach.  Ich  soll  Dich  benachrichtigen  von  seiner 
veränderten  Disposition.Seine  Karte  ist  vom  2. und  erreichte  mich  via  Re- 
val.    Soll  man  nun  diese/  Berliner  Sache  als  etwas  Günstiges  werten? 
Vorläufig  möchte  ich  es  wohl.Warten  wir  ab, was  er  später  berichten  wird. 

Soeben  sagt  man  telefonisch  aus  Berlin  durch, dass 
Direktor  Prank  nachts  am  Herzschlag  gestorben  ist «Da  hast  Du!  Niemand  hat 
das  im  entferntesten  vermutet  und  gestern  abd  um  6  hat  er  noch  am  ^'ernspre 
eher  selbst  mit  hier  gesprochen.    Schade  um  den  Mann!  Wer  weiss,  wie  wir 
mit  seinem  Nachfolger  auskommen  werden. 

Die  Direktion  in  Reval  hat  jetzt  von  sich  aus  A. 
per  6/4«3I  gekündigt. Ich  habe  vorsichtiger  Weise  heute  nach  Reval  noch 
schreiben  lassen, dass  man  ausdrücklich  im  Anschluss  an  den  Kündigungsbrief 
auch  noch  die  Wohnung  kündigen  soll, damit  wenigstens  formal  alles 
in  Ordnung  ist.    Der  esthnische  Gesandte  war  gestern  in  der  Dresdner  Bk 
und  hat  versprochen, von  sich  aus  dam  esthn.Aussenminister  zu  schreiben. 
Sicherer  hilft  aber  meiner  Meinxxng  nach  ein  ganz  anderes  gewisses  Mittel. 


J*  89  lO.OOO  2  6  30 


Merkwürdiger  Weise  habe  ich  von  Sve  schon  seit  mehr  als  einer 
Woche  keine  Zeile .Merkwürdig  deshalb .weil  sie  sonst  wirklich  immer  sehr 
darauf  hält.dass  ich  alle  paar  Tage  von  ihr  höre. 

In  meiner  Pension  fühle  ich  mich  noch  nicht  sehr  zu  hause  und 
insbesondere  bin  ich  auch  mit  der  Kost  nicht  restlos  zufrieden:der  Kaffee 
zum  Beispiel  ist  furchtbar, so  dass  ich  nun  schon  ihn  durch  Thee  ersetze. 
Aber  für  hiesige  Verhältnisse  muss  man  doch  wohl  die  Verpflegung  trotz  al- 
lem für  gut  bezeichnen.  Die  Pensionäre  , 15-16  an  der  Zahl, flössen  mir 
vorläufig  noch  keinerlei  Jnteresse  ein.Meist  sind  sie  Juden  mit  allen  die 
sen  Rassegenossen  anhaftenden  negativen  Eigenschaften.  Mein  Zimmer  ist  seil 
gross  ,aber  dito  ungemütlich—alles  in  allem.  Die  Wirtin  ist  früher  in 
guten  Verhältnissen  gewesen  und  leidlich  liebenswürdig, weiss  aber  ihren  V»  t\ 
teil  sehr  gut  zu  wahren.       Gestern  abd  besuchte  ich  Herrn  Leick,   der 
wegen  Srkältung  fehlt. Ihn  reisst  so  etwas  immer  gleich  herum, eine  Folge 


des  im  Kriege  Dtirchgemachten 


Heute  abd  werde  ich  entweder  zu  Switg. 


oder  zu  Dr  Goldberg  gehen  ,um  meinem  Riesenzimmer  und  dem  Alleinsein  zu 
entgehen. Sonntag  nachm. war  ich  im  Kino  /Anny  vom  Rummelplatz/  und  habe 
mich  angenehm  unterhalten.Da  Abendbrot  um  8  h. ist, so  kommt  Teaterbesuch 
nicht  in  Frage, denn  schenken  will  ich  der  Madame  mein  Abendbrot  nicht. 

Ich  höre  nun  gern  von  Dir, liebe  Jenny  ,was  es  dort  gibt, 
wie  es  Dir  selbst  geht  und  was  für  Zeugnisse  Angela  nach  Haus  gebracht  hat 
Inzwischen  sende  ich  Euch  beste  Grüsse  und  ich  küsse  Dich 

n  Dich  liebender 


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RIGAS    STARPTAÜTISKÄ    BANKA    A/S. 
(RIOAER  INTERNATIONALE   BANK  A/G.) 


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Neustädtische  Klrchstr.  11 


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A  4,  Zentrum  Nr.  9734 


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REICHSKRONE  BERL 


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HOTEL  „REICHSKRONE" 


BERLIN  NW  7 


Neustädtische  Kirchstr.  11 


Am  Bahnhof  Friedrichstraße 


Fernsprecher: 
A  4.  Zentrum  Nr.  9734 


BERLIN   NW  7.  den   192 


Telegramm-Adresse  t 

REICHSKRONE  BERLIN 


Zentral-Helzung 


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RIGAS    STARPTAUTISKÄ    BANKA    A./S, 
(RIGAER  INTERNATIONALE  BANK  A.-G.) 

Tel. -Adr.:  „STARBANK" 


RIGA,  den 


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A.  B.  C.  5  &  Oth  Edit.  C^ 

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Rud.  Mosse 


RIGAS    STARPTAUTISKR    BANKA    A./S. 
(RIGAER  INTERNATIONALE  BANK  A.-G.) 


RIGA,  den 


193 


Tel. -Adr.:  „STARBANK" 

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A.  B.  C.  5  &  61h  Edlt. 


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RIGAS    STARPTAUTISKÄ    BANKA    A./S. 
(RIGAER  INTERNATIONALE  BANK  A.-G.) 


RIGA,  den  193 


Tel. -Adr.:  „STARBANK" 


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Peterson's  International  2nd  A  3rd  E 

A.  B.  C.  5  &  6th  Edit. 

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Rud.  Mosse 


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Ludwig  Selke. 


TELEGRAMME:    „SELKIWAN"  HAMBUR 


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HASSOCHt    AURORA 

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TELEPHON    I,   NO.  «505 
UNTER    IWAN   SELKE. 


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ALLE  PRODUCTE 
VON   UND  NACH  RUSSLANO. 


Ludwig  Selke. 


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HALPCRIN8 

WIEOERS  (1800)  SLITZ  ,. 


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TELEGRAMME:    „SfLKIWAN"  HAMBURi 

a40lM^jrifcHff#«TRA«»^  NO.  17  ••  ^  y  A^ 


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UNTER    IWAN   SELKE. 


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ALLE  PRODUCTE 
VON  UND  NACH  RÜSSLAND. 


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