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Full text of "Sitzungsberichte der königl. bayerischen Akademie der Wissenschaften"

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Sitzungsberichte 


der 


königl.  bayer.  Akademie  der  Wissenschaften 


zu  München. 


Jahrgang  1864.    Band  I. 


^VW^»^<w^W»^  ^^^^%*^^»*-      ^w» 


w  •'*-~#  -  J*M*tol.M'M^»WWWWW^^ 


München. 

Druck  von  F.  Straub  (Witfcelsbacherplatz  3). 

1864. 

In  CommlMion  bei  G.  Fr  am. 


ff 


Uebersicht  des  Inhaltes. 


Die  mit  *  bexcichnetea  Yortrftge  sind  ohne  Aussog. 

PhilosopJtisch-philol.  Glosse.     Sitzung  vom  2.  Januar  1864. 

Seite 
•Christ:  Beiträge  zur  Geschichte  der  Antiken-Sammlungen  in 

München 1 

Maihematisch-physihdl.  C lasse.    Sitzung  vom  9.  Jan.  1864. 

^  St  einheil:  Ueber  einen  neuen  Meridiankreis  seiner  Construc- 

tion  (mit  einer  Tafel)       1 

/Bischoff:  Ueber  das  Verhaltniss  des  Horizontalnmfanges  und 

des  Sehadel-Innenraumes  zum  Gehirngewichte  (mit 

zwei  gravirten  Tafeln) 13 

Buchner:  1)    Ueber    das  Turpethharz,   eine  Mittheüung  des 

Herrn  Ihr.  Spirgatis  in  Königsberg 68 

2)  Ueber  das  Berberin       61 

3)  Ueber  das  aetherische  Oel  aus  den  Fruchten  von 
Abies  reginae  Amaliae 67 

?.  Eobell:  Ueber  den  Aedelforsit  und  Sphenokks      ....      72 
Mohr:  Ueber  verbesserte  Methoden  in  der  Trennung  und  Be- 
stimmung des  Kupfers 79 


IV 


Seit« 

Historische  Glosse.    Sitzung  vom  16.  Januar  1864. 

*Giesebreoht:   Eine  Untersuchung   der  Fränkischen  Reichs- 

annalen  des  Karolingischen  Zeitalters        82 


Phüosophisch-philol.  Glosse.   Sitzung  vom  6.  Februar  1864. 

Sohlagintweit,  E.:  Ueber  den  Gottesbegriff  des  Buddhismus      83 
♦Plath:   Ueber  Verfassung  und  Verwaltung  des   chinesischen 

Reiches  unter  den  drei  ersten  Dynastieen    ....    102 


Mathematisch-physikal.  Classe.  Sitzung  vom  13.  Febr.  1864. 

Steinheil:    Der  Astrograph.     Ein  Apparat  zum  Zeichnen  des 

durch  Fernrohre  betrachteten  Sternhimmels     .    .     103 
Schönbein:  Chemische  Mittheilungen. 

1)  Einige  Angaben  über  den  Wasserstoffschwefel    107 

2)  Ueber  ein  neues  höchst  empfindliches  Reagens 
auf  das  Wasserstoffsuperoxyd  und  die  salpetrig- 
sauren Salze 113 

8)  Ein  Beitrag  zur  genauen  Kenntniss  des  mensch- 
lichen Harnes 115 

4)  Ueber  die  Bildung  einer  fluorescirenden  Materie 
beim  Faulen  des  menschlichen  Harnes    .    .    .    132 

5)  Ueber  das  Vorkommen  des  Wasserstoffsuper- 
oxydes  im  menschlichen  Körper 134 

Jolly:    1)  Ueber   die  Ausdehnung   des  Wassers  von  30<>C.  bis 

lOOo  C 141 

2)  Ueber  eine  Federwage  zu  exacten  Wägrungen     .     .     162 
Kolbe  (in   Marburg):    Ueber   eine   neue    Classe  organischer 

Schwefelverbindungen 167 


Seite 

Historische  Glosse.    Sitzung  vom  20.  Februar  1864. 

♦Roth:  Säcularisation  des  Kirchengutes  unter  den  Karolingern    170 


Einsendungen  von  Druckschriften 171 


Mathematisch-physiial.  Classe.  Sitzung  vom  12.  März  1864. 
Vogel  jun.:    Ueber  den  Einfhus  des  Frostes  auf  Kartoffeln         177 


Historische  Classe.    Sitzung  vom  18.  März  1864. 

•Döllinger:  Ueber  den  Untergang  des  Templer-Ordens,  dessen 

Ursachen,  die  Schuld  oder  Unschuld  des  Ordens     184 


Oeff.  Sitzung  zur  Feier  des  105.  Stiftungstages  v.  30.  März  1864. 

Vorstand  Baron  von  Liebig:  Einleitende  Worte 185 

Ansprache  und  Ueberreiohung  der 
goldenen  Medaille  an  den  Jubilar 

geheimen  Rath  von  Martius  186 

von  Martius:  Entgegnung 187 

Nekrologe:  1)  auf  Heinrich  Rose 192 

2)  auf  Andreas  von  Zipser      .     .     .  195 

3)  auf  Ferdinand  von  Schmöger  196 


Einsendungen  von  Druckschriften 197 


Philosophischrphilol.  Classe.    Sitzung  vom  7.  Mai  1864. 
♦Beckers:    Ueber  die   wahre  und  bleibende  Bedeutung  der 

Naturphilosophie  Schellings 207 


1 


\  . 


VI 


Seite 

Mathetnatisch-physikal.  Glosse.    Sitzung  vom  7.  Mai  1864. 

Pettenkofer:  Bemerkungen  über  die  chemischen  Untersuch- 
ungen von  M.  J.  Reiset  über  die  Respiration 
von  landwirtschaftlichen  Hausthieren     .    .    .    207 
Gümbel:  Ueber  das  Knochenbett  (Bonebed)  und  die  Pflanzen- 
schichten in  der  rhätischen  Stufe  Frankens      .    .    .    216 

Vogel  jun.:  Ueber  die  Torfkohle 279 

f  Nägeli:   Ueber  den  inneren  Bau  der  vegetabilischen  Zellen- 
membranen (mit  zwei  Tafeln) 282 


Historische  Glosse.    Sitzung  vom  28.  Mai  1864. 

♦Sighart:   Ueber  ein  aus  Waohstafeln  bestehendes  Buch  vom 

Jahre  1340 826 


Einsendungen  von  Druckschriften 827 


Sitzungsberichte 

der 

königl  bayer.  Akademie  der  Wissenschaften. 


Philosophisch -philologische  Classe* 

Sitzung  Tom  2.  Januar  1864 


Herr  Christ  hielt  einen  Vortrag: 

„Beträge  zur  Geschichte  der  Antiken-Samm 
langen  in  München". 

Derselbe  wurde  für  die  Denkschriften  bestimmt. 


Mathematisch -physikalische  Classe. 

Sitzung  vom  9.  Januar  1864. 


Herr  Steinheil  berichtete 

„Ueber    einen    nenen    Meridiankreis    seiner 
Construction". 

Es  ist  auffallend,    dass  die  Dechnationsbestimmangen 

der  Fundamental  -  Sterne  noch  immer  constante  Differenzen 
[1864.  L  l.]  1 


i 


2  Sitzung  der  math.-phys.  Gasse  vom  9.  Januar  1864. 

zeigen,  die  bis  zu  2  Bogensekunden  gehen,  wenn  man  die 
Ergebnisse  verschiedener  Sternwarten  mit  einander  vergleicht. 
Da  diese  Differenzen  bestehen,  obschon  allen  Beobachtungen 
dieselben  Reductionselemente  zu  Grund  gelegt  sind,  so  muss 
die  Ursache  darin  liegen,  dass  die  Werthe  der  kleinen  Re- 
ductionsgrössen  a,  b,  c  (die  bekannte  Reductionsformel  ist: 
t  —  (a  -f-  x)  ==  a.  Sin  (g> — d)  -f-  b.  cos  ($p — d)  -f  c.  See  <J) 

cos  d  cos  d 

unrichtig  angenommen  werden,  oder  mit  andern  Worten, 
dass  diejenigen  Correctionen ,  durch  welche  die  Bewegungen 
des  Instrumentes  auf  mathematisch  richtige  gebracht  werden 
sollen,  noch  behaftet  sind  mit  Constanten  Fehlern,  deren 
Quellen  sich  bis  jetzt  der  Erkenntniss  und  Berücksichtigung 
entzogen  haben. 

In  der  That  sind  auch  Ursachen,  die  störend  wirken 
müssen,  anzugeben,  die  sich  bei  dem  jetzt  üblichen  Meri- 
diankreise1) nicht  entfernen  lassen. 

Die  Hauptursache  der  Fehler  in  den  Declinationsangaben 
ist  wohl  in  der  Durchbiegung  des  Fernrohrs  zu  suchen. 

Soll  daher  ein  Instrument  gebaut  werden,  welches  zu 
der  Hoffnung  berechtigt,  die  constanten  Fehler  bis  auf  kleine 
Theile  einer  Bogensekunde  zu  entfernen,  so  muss  es  die 
Möglichkeit  geben,  die  Reductionsgrössen  bis  zu  dieser  Ord- 
nung sicher  vor  und  nach  der  Sternbeobachtung,  ohne  viel 
Zeitaufwand  zu  bestimmen,  und  es  muss  das  Instrument  so 
weit  vor  Temperaturveränderungen  gesichert  sein,  dass  die 
Annahme  der  Proportionalität  für  die  kurze  Zwischenzeit 
zwischen  diesen  Bestimmungen  durch  den  Erfolg  gerecht- 
fertigt wird.     Wir  müssen  also  die  Vorstellung  aufgeben, 


1)  Ich  meine  damit  nicht  bloss  den  ursprünglich  von  Bessel  an- 
gegebenen, von  Reichenbach  zuerst  ausgeführten  Kreis,  sondern  auch 
die  in  mancher  Beziehung  verbesserten  Meridiane  von  Bepsold,  von 
Pistor  xi,  A. 


Stdnheü:  Ein  neuer  Meridiankreif.  3 

dass  der  Meridiankreis  invariabel  aufgestellt  und  in  seinen 
Tbeilen  zu  einander  invariabel  bleibe.  Wir  müssen  im  Ge- 
gentheil  annehmen,  dass  alles  —  Instrument  und  Aufstel- 
lung —  in  beständigem  Aendem  begriffen  sei  und  jetzt  die 
Constanten  der  Reduktion  a,  b,  c  so  zu  bestimmen  suchen, 
wie  sie  im  Momente  der  Sternbeobachtung  wirklich  sind. 

Damit  diese  beständigen  Bewegungen  möglichst  langsam 
und  gleichmäßig  werden,  ist  est  nöthig,  das  Instrument  vor 
der  strahlenden  Wärme  des  Beobachters  und  der  der  Beleuch- 
tungsquellen zu  schützen  und  in  der  Art  zu  umhüllen,  dass 
Aenderungen  der  äusseren  Temperatur  nur  sehr  langsam 
bis  zum  Instrumente  dringen.  Es  wird  ferner  nöthig  sein, 
Untersuchungen  wie  die  über  die  Theilungsfehler  des  Krei- 
ses und  die  Gestalt  der  Drehungszapfen  für  zwei  sehr  ver- 
schiedene Temperaturen  anzustellen,  um  ihre  Werthe  als 
Function  der  letzteren  kennen  zu  lernen.  Vor  Allem  aber 
scheint  es  nöthig,  dem  Instrument  eine  solche  Gestalt  zu 
geben,  dass  eine  Durchbiegung  der  Absehenslinie  der  streng- 
sten und  beständigen  Gontrole  unterstellt  bleibt. 

Wir  wollen  nun  zeigen,  wie  diess  zu  erlangen  ist: 
Im  Allgemeinen  besteht  das  Instrument  aus  einem  Fern- 
rohre,2), welches  horizontal  von  Osten  nach  Westen  gelegt 
ist  und  vor  dem  Objectiv  ein  rechtwinkeligtes  Prisma  trägt, 
so  dass,  wenn  sich  das  Rohr  um  seine  Axe  dreht,  successive 
alle  Punkte  des  Meridians  durch  die  Mitte  des  Gesichtsfeldes 


2)  Das  Fernrohr  kann  nicht  füglich  mehr  als  4  Pariser  Zoll 
Oeffhung  erhalten  wegen  des  Prisma's  von  gleicher  Oeffhnng.  Doch 
werden  4  Zoll  bei  beleuchteten  Faden  and  völlig  dunklem  Gesichts- 
felde genfigen,  die  kleinen  Planeten  wohl  mit  sehr  wenig  Aasnah« 
men  beobachten  zu  können.  Wollte  man  bis  zu  6  Zoll  Oeffhung  an 
Objektiv  und  Prisma  gehen,  was  übrigens  erst  indicirt  wäre,  wenn 
die  Resultate  mit  4- zölligen  Instrumenten  vorlägen  und  es  wun« 
Khenswerth  machten,  so  wäre  das  nur  eine  Geldfrage  —  die  aber 
sonst  lösbar  wäre. 

1* 


4  Siteung  der  math.-phys.  Cime  vom  9.  Jcmuar  1864. 

gehen.  Ein  Kreis  am  Prisma-Ende  durch  lange  Mikroskope 
(a  a  Fig.  2)  abgelesen  in  Verbindung  mit  einem  Aufsuchungs- 
kreis  am  Ocular-Ende,  welcher  die  Grade  und  Minuten  an- 
giebt,  misst  die  Nadirabetände  der  Sterne. 

In  dieser  Gestalt  bietet  das  Instrument  wesentliche  Vor* 
theile.  Das  Auge  des  Beobachters  behält  stets  dieselbe  Lage 
und  Richtung.  Ohne  den  Sitz  zu  verlassen,  kann  der  Be- 
obachter die  Sterne  einstellen,  den  Höhenkreis  ablesen  und 
alle  Correctionen  ermitteln. 

Bei  diesem  Instrument  ist  der  Beobachter  durch  eine 
Scheidewand  (b.  b.  Fig.  1)  vollständig  von  dem  Baume  ab« 
geschieden,  in  welchem  der  Meridiankreis  steht.  Diese  Zwi- 
schenwand trägt  das  Mikroskopocular  (c.  Fig.  1)  des  Meri- 
diankreises, welches  mit  repetirendem  Filannikrometer  ver- 
sehen ist;  aus  der  Wand  treten  bloss  die  Oculare  der 
Ablesungsmikroßkope  und  die  Loupe  (d.  Fig.  1)  für  den 
Au&uchungskreis ,  endlich  der  Schlüssel  (e.  Fig.  1)  hervor, 
durch  dessen  Handhabung  das  Instrument  gedreht  und  ein- 
gestellt wird.  Die  Beleuchtung  der  Fäden  des  Meridiankrei- 
ses und  der  Fäden  des  Filarmikrometers  im  dunklen  Ge- 
sichtsfeld, dann  die  Beleuchtung  der  Stellen  an  den  Kreisen, 
die  abgelesen  werden,  und  der  Trommeln  der  Mikrometer, 
welche  die  Ablesung  bewirken,  geschieht  von  einer  einzigen 
Lichtquelle  aus  (Argand'sche  Lampe,  oder  Gasflamme),  welche 
sich  in  der  Nähe  des  Beobachters  befindet,  durch  Spiegelung 
und  Sammellinsen  in  solcher  Art,  dass  das  Bild  oder  ein 
Theil  des  Bildes  der  Lichtquelle  an  den  betreffenden  Stellen 
concentrirt  wird.  Man  sieht  hieraus,  dass  es  in  dieser 
Weise  ermöglicht  ist,  vom  bewohnbaren  Räume  aus  zu  be- 
obachten, ohne  dadurch  störend  auf  die  Beobachtung  ein- 
zuwirken. 

Bei  dieser  Anordnung  war  die  Absicht  leitend,  alle  Ab- 
weichungen des  Instrumentes  und  seiner  Aufstellung  leicht 
und  sicher  ermitteln  zu  können. 


Stemkiü:  Ein  neuer  Meridiankreis  6 

Obscbon  es  complicirter  scheint,  eine  durch  Spiegelung 
gebrochene  Absehenslinie  in  Anwendung  zu  bringen,  so  ge- 
bührt ihr  doch  der  Vorzug,  weil  sie  in  jeder  Lage  des 
Höhenkreises  vollständig  controlirt  ist,  was  bei  den  jetzigen 
Instrumenten  fehlt.  Bei  unserem  Instrumente  kann  die  Ab- 
sehenslinie fehlerhaft  sein: 

A.  in  Bezug  auf  ihre  Lage  zu  den  andern  Theilen  des 
Instrumentes. 

B.  in  Bezug  auf  die  Aufstellung  oder  die  Orientirung 
gegen  den  Nadirpunkt  und  Südpunkt. 

Wäre  das  Instrument  streng  richtig  für  sich,  so  hätte 
man  nur  die  Grössen  a,  b  zu  bestimmen.  Die  Abweichung 
im  Azimut  a  etwa  zwischen  einem  Collimator  in  Süd  und 
einem  entfernten  Signal  in  Nord,  den  Fehler  der  Neigung  b  durch 
eben  Quecksilberhorizont  unter  dem  Prisma  durch  das  im 
Quecksilberspiegel  sichtbar  gemachte  Bild  der  erleuchteten 
Fäden. 

Damit  aber  diese  Grössen  richtig  bestimmt  werden, 
muss  man  wissen,  wie  viel  die  optische  Aze  gegen  die  an- 
dern Theile  des  Instrumentes,  und  zwar  bei  allen  Lagen  des 
Kreises  unrichtig  ist. 

Aach  diese  Fehler  können  in  b'  c'  zerlegt  und  dann 
mit  den  a'  b  berücksichtigt  werden. 

Ist  die  Gerade,  die  durch  den  Mittelpunkt  des  Objek- 
tives and  den  des  Fadenkreuzes  gelegt  werden  kann,  nicht 
zugleich  Drehungsaxe  des  Instruments,  so  muss  dieser  Fehler 
verkleinert  und  bestimmt  werden.  Dazu  kann  das  Mikro- 
skopocular  dienen,  was  auf  das  Fadenkreuz  des  Rohres  ein- 
gestellt bleiben  muss  für  alle  Angaben  des  Höhenkreises. 
Ist  aber  einer  der  Drehungszapfen,  oder  sind  beide  nicht 
rund,  so  kann  diese  nicht  erlangt  werden  und  man  muss 
nach  Abnahme  des  Prisma's  und  durch  Vorsetzen  eines  Colli- 
matorfernrobrs,  in  der  Verlängerung  der  optischen  Aze,  in 


6  Sitzxmg  der  math.-phys.  CUme  vom  9.  Januar  1864. 

welches,  man  mit  dem  Meridianinstrumente  siebt,  die  Ab- 
weichungen bestimmen,  die  das  Fadenkreuz  deB  Collimators 
während  einer  Umdrehung  des  Meridians  macht.  Diese  Ab- 
weichungen lassen  sich  mit  dem  Filarmikrometer  des  Oculars 
für  verschiedene  Angaben  des  Kreises  bestimmen,  und  zer- 
legt in  Werthe  von  c'  und  b'  in  Tafel  bringen.  Die  Be- 
stimmungen müssen  für  zwei'  sehr  verschiedene  Tempera- 
turen wiederholt  werden,  um  sie  als  Funktion  der  Tempera- 
tur kennen  zu  lernen. 

Nehmen  wir  jetzt  an,  dass  sich  das  Rohr  zwischen  Ob- 
jektiv und  Kreuzfaden  durchbiege  oder  verspanne,  so  wird 
in  Folge  dessen  doch  keine  Biegung  im  jetzigen  Sinne  des 
Wortes  eintreten.  Denn  der  Mittelpunkt  des  Objektives  und 
des  Fadenkreuzes  werden  ihre  Höhe  nicht  ändern,  da  sie 
unmittelbar  von  den  Lagern  unterstützt  sind.  Wohl  aber 
wird  die  Ebene  des  Objektives  sich  ändern  gegen  die  optische 
Axe.  Wenn  wir  also  jetzt  das  Prisma  vor  das  Objektiv 
Iringen,  so  wird  dieses  den  ganzen  Einfluss  der  Biegung 
oder  Spannung  des  Rohres  erleiden. 

Allein  das  Prisma  bietet  selbst  die  Mittel  zur  Bestim- 
mung  dieser  Biegung  in  aller  Schärfe  und  für  jede  Angabe 
des  Kreises.  Denn  seine  Planfläche,  welche  direkt  vor  dem 
Objektive  steht,  und  normal  zur  optischen  Axe  stehen  sollte, 
bildet  einen  Planspiegel,  der  das  Bild  der  erleuchteten  Fäden 
im  Brennpunkte  des  Objektives  zeigt.  Dieses  Bild  der  Fä- 
den erscheint  völlig  scharf  und  ohne  Parallaxe  gegen  die 
wirklichen  Fäden.  Es  kann  somit  der  Abstand  dieses  Bil- 
des von  den  wirklichen  Fäden  für  jede  Kreisangabe  mit 
dem  Ocularfilarmikrometer  gemessen  werden.  Indessen  könnte 
doch  das  Prisma  in  dieser  Spiegelfläche  um  ihre  Axe  drehen, 
was  nicht  sichtbar  wäre  und  doch  einen  direkten  Einfluss 
auf  die  Declinationsbestimmung  ausübte.  Allein  die  dritte 
Planfläche  des  Prisma's  bildet  einen  Planspiegel  im  Innern 
des  Glases,  der  ebenso  ein  Bild  der  erleuchteten  Fäden  im 


Steinheil:  Ein  nßuer  Meridiankreis.  7 

Brennpunkte  erzeugt,  und  dieses  Bild  würde  sich  gegen  die 
wirklichen  Fäden  um  den  vierfachen  Winkel  bewegen,  wenn 
eine  Drehung  um  die  erste  Spiegelfläche  vorhanden  wäre.  Auch 
eine  Verstellung  des  Mittelpunktes  des  Objektives  gegen  die  Axe 
seines  Drehungszapfens  ist  durch  diese  Spiegelbilder  con- 
trolirt,  weil  diese  eben  so  wirkt,  als  wenn  die  Fäden  im 
Brennpunkte  sich  verstellten,  also  den  Abstand  der  Spiegel- 
hildfäden  um  den  doppelten  Winkel  ändert.  Wenn  also  die 
Lagen  der  Spiegelbilder  gegen  die  Fäden,  und  der  Mittel- 
punkt des  Fadenkreuzes  gegen  die  Axe  des  Zapfens  gemessen 
*ind,  ißt  die  Absehenslinie  controlirt  und  die  Gontrole  ist 
sonach  ganz  vollständig. 

Da  sich  nun  das  Prisma  bis  auf  wenige  Bogensekunden 
in  den  Winkeln  richtig  herstellen  lässt,  so  scheint  es  mir 
•am  zweckmässigsten ,  die  beiden  Spiegelbilder  den  Fäden 
symmetrisch  auf  beide  Seiten  der  wirklichen  Fäden  zu  legen, 
wobei  die  Verstellungen,  die  nur  Theile  einer  Sekunde  be- 
tragen ,  ohne  Messung  zu  erkennen  wären.  Man  darf  auch 
nicht  glauben,  dass  diese  Nebenbilder  die  Beobachtung  des 
Sternes  beirren,  da  sie  viel  schwächer  beleuchtet  sind,  als 
die  wirklichen  Fäden  und  den  Stern  durchsehen  lassen, 
während  die  wirklichen  Fäden  ihn  decken  oder  verschwin- 
den machen. 

Bei  der  obigen  Stellung  der  Reflexbilder  des  Faden- 
netzes wird  eine  kleine  Collimation  des  Mittelfadens  unver- 
meidlich; da  eine  solche  aber  doch  immer  in  Rechnung 
gebracht  werden  muss,  und  da  sie  höchstens  einige  Bogen- 
sekunden beträgt,  so  entsteht  daraus  kein  Uebelstand  für 
die  Beobachtungen. 

Ist  in  dieser  Weise  der  Einfluss  der  Gestalt  der  Dreh- 
ungszapfen und  der  etwa  mögliche  Einfluss  einer  Durch- 
biegung des  Prisma's  für  alle  Kreisangaben  bekannt,  so 
kann  die  Collimation  zwischen  zwei  Fernröhren,  angebracht 
im  Nord-  und  Südhorizont  und  auf  einander  gerichtet,  in 


8  BiUung  dar  math.-phy8.  Classe  vom  9.  Januar  1864. 

aller  Schärfe  bestimmt  werden,  und  erst  jetzt,  wenn  auch 
diese  bekannt  ist,  findet  sich  die  Neigung  (b)  der  Absehens* 
linie  durch  Anwendung  eines  Quecksilberhorizonts,  der  unter 
das  Objektiv  gestellt  ist,  und  in  welchem  man  das  Spiegel- 
bild der  beleuchteten  Fäden  zur  Colntidenz  bringt,  oder 
die  noch  restirenden  kleinen  Abstände  mit  dem  Filarmikro- 
meter  des  Oculares  misst. 

Nachdem  wir  so  gezeigt  haben9,  durch  welche  Anord- 
nung im  Bau  des  Instrumentes  die  Correctionen  a,  b,  dann, 
b'  und  c'  zu  jeder  Zeit  und  völlig  sicher  ermittelt  werden 
könnea,  sei  es  uns  gestattet,  zur  Beschreibung  des  Instru- 
mentes selbst  überzugehen.  Ich  habe  zwar  die  Idee  dieses 
Instrumentes  schon  im  Jahre  1850  in  den  A.  N.  veröffent- 
licht, komme  aber  jetzt  wieder  darauf  zurück,  nachdem  ich 
unterdessen  die  oben  angegebenen  Mittel  gefunden  habe, 
alle  Fehlerquellen  einer  strengen  und  beständigen  Gontrole 
zu  unterziehen. 

Das  Instrument  liegt  in  einem  gusseisernen  Lagerstück 
(A),  an  welchem  Höhen-  und  Azimutalcorrection  der  drei 
Fussschrauben  angebracht  sind;  diese  Schrauben  besitzen 
kugelförmige,  zur  Drehung  genau  centrische  Enden,  welche 
in  conische  Lagerpunkte  passen,  die  in  einem  eisernen 
T-förmigen  Stücke  (B)  angebracht  sind,  welches  unmittelbar 
in  die  Oberfläche  des  Meridianpfeilers  eingelassen  .und  ein- 
gegossen ist. 

Die  Lager  des  Rohres  bilden  einen  Winkel  von  90° 
und  zwar  durch  polirte  Steinplatten  (C.  C.  Fig.  2),  welche 
die  Zapfen  tangiren.  Zur  Verminderung  des  Druckes  sind 
Gegengewichte  mit  Frictionsrollen  (D.  D.  Fig.  1)  auf  der 
Tragplatte  angebracht,  welche  den  grössten  Theil  der  Schwere 
des  Instrumentes  heben. 

Das  Rohr  ist  aus  zwei  Conus  von  Eisenblech  zusammen- 
gesetzt, die  in  der  Mitte  zusammengeschraubt  und  mit  einem 
gezahnten  Kreise  (E.  Fig.  1  u.  2)  versehen  sind;  in  diese 


Stcmheü:  Ein  neuer  Meridiankreis.  9 

Verzahnung  greift  ein  seiflich  gestellte«  Zahnrad  (F.  Fig.  1 
und  2)  ein,  was  durch  einen  langen  Schlüssel  (e.  Fig.  1) 
bewegt  wird,  der  durch  die  Scheidewand  zum  Beobachter 
fuhrt  und  also  zur  Drehung  des  Instrumentes  genügt 

Das  Glasprisma  ist  mit  der  Hypotenusfläche  durch 
Bügel  und  zwei  seitliche  Schrauben  auf  einer  Metallplatte 
festgehalten.  Diese  Platte  mit  dem  Prisma  schiebt  sich  in 
eine  mit  dreieckigen  Vorsprängen  versehene  Metallscheibe, 
deren  Rand  in  den  Lagerzapfen  des  Objektives  etwas  ein- 
gedreht ist.  Durch  3  Zug-  und  3  Druckschrauben  ist  die 
Platte  mit  dem  Objektiflagerzapfen  verbunden  und  kann 
dadurch  gegen  die  Axe  des  Rohres  geneigt  werden. 

Ueber  dieses  Stack  hinweg  schiebt  sich  der  Glaskreis 
auf  schwachem  Conus,  durch  eine  Flanche  des  Objektivkopfes 
orientirt  und  mit  einem  Ringe  festgeklemmt.  Nun  kömmt 
am  Objektivzapfen  der  cylindrische  Theil ,  auf  welchem  das 
Instrument  im  Lager  dreht;  dann  bei  etwas  kleinerem 
Durchmesser  der  für  die  FrictionsroUen  bestimmte  Theil; 
endlich  ist  das  conische  Rohr  am  engen  mit  Flanche  ver- 
sehenen Theil  in  den  Zapfen  eingeschraubt.  In  diesen 
Zapfen  selbst  sind  die  Objektivlinsen  (i.  Fig.  1)  genau  ein- 
gedreht und  durch  einen  cylindrischen  Ring  (K.  Fig.  1) 
federnd  festgehalten  und  es  ist  der  Zapfen  hinter  der  Auf- 
lage des  Objektives  zur  Verminderung  der  Last  des  Zapfens 
weiter  ausgedreht. 

In  ahnlicher  Weise  ist  der  Zapfen  für  die  Aufnahme 
der  Fadenplatte  construirt.  Diese  ist  so  gestellt,  dass  die 
Fäden  genau  in  der  Brennweite  des  Objektives  liegen  und 
in  dieser  Ebene  durch  4  Schrauben  verstellt  und  angedrückt 
werden  können.  Am  Ende  dieses  Zapfens  sitzt  der  Auf- 
sochungskreis  (h.  Fig.  1)  conisch  aulgesteckt,  der  wieder 
durch  einen  Federring  festgeklemmt  wird. 

Der  Kreis,  eine  Spiegelglasplatte,  ist  durch  äusserst  feine, 
nur  mikroskopisch  sichtbare  Theilstriche  von  5  zu  5  Minu- 


10         Sitsung  der  math.-phy8.  Glosse  vom  9.  Januar  1864. 

ten  getheilt;  die  Mikrometer  Hier  Mikroskope  lassen  */*<> 
einer  Bogensekunde  und  noch  kleinere  Theile  erkennen. 
Dieser  Kreis  hat  keine  Zahlen,  da  der  Aufsuchungskreis 
(h.  Fig.  1)  an  der  Ocularseite  Grade*  und  Minuten  durch 
einen  Nonius  giebt.  Die  Fehler  der  Theilung  können  direkt 
nach  den  bekannten  Methoden  durch  3  Mikroskope  ein  für 
allemal  bestimmt  werden  für  zweierlei  sehr  verschiedene 
Temperaturen. 

In  einem  Abstände  von  etwa  4"  von  der  Fadenebene 
ist  die  Grenze  der  Scheidewand  (b.  Fig.  1),  welche  das 
Ocularmikroskop  (c.  Fig.  1)  zu  tragen  hat.  Der  Raum 
zwischen  den  Fäden  und  der  Wand  ist  zur  Beleuchtung  der 
Fäden  sowohl  im  Meridiankreis,  als  im  Filarmikrometer 
bestimmt. 

In  diesem  Raum  stehen  nämlich  zwei  Planspiegel  (1  u. 
m  Fig.  1)  gegen  einander  90  °  und  zur  Axe  45  °  geneigt, 
und  es  ist  deren  Mitte  in  der  Weite  des  Fadenraumes  aus- 
geschnitten. Diese  beiden  Spiegel  erhalten  Licht,  was  recht- 
winkelig zur  optischen  Axe  auf  dieselben  fällt.  Der  eine 
Spiegel  (1)  reflektirt  es  in  einem  Kranze  gegen  die  Faden- 
platte des  Instrumentes,  der  andere  (m)  gegen  die  Faden- 
platte des  Mikrometers.  Auf  beiden  Fadenplatten  sitzen 
aber  je  4  Spiegel  (o.  Fig.  2  Prismen)  in  der  Richtung  der 
Fadenkreuze,  welche  das  Licht  schräg  und  von  beiden  Seiten 
auf  die  Fäden  werfen  und  sie  von  beiden  Seiten  beleuchten. 
Diese  4  Spiegel  jeder  Platte  drehen  mit  den  Fäden  hemm, 
während  die  durchbrochenen  Spiegel  fest  stehen  bleiben. 
Die  Fäden  des  Meridianinstrumentes  und  des  Ocularmikro- 
meters  sind  somit  in  allen  Lagen  der  Fäden  unter  gleichem 
Winkel  erleuchtet  und  das  Gesichtsfeld,  was  in  die  ausge- 
brochene  Stelle  trifft,  bleibt  völlig  dunkel.  Zwischen  der 
Lichtquelle,  vor  welcher  eine  Blendung  steht,  die  nur  einen 
Lichtring  durchdringen  lässt,   und  der  Platte,   auf  der  die 


Btemheü:  Em  neuer  Meridiankreis.  11 


Fäden  befestigt  sind,  ist  eine  Sammellinse8)  angebracht, 
deren  Stellung  so  angenommen  wird,  dass  sie  das  Bild  des 
Lichtringes  der  Flamme,  in  der  Grosse  des  Ringes  in  dem 
die  4  Fadenspiegel  stehen,  auf  diese  Spiegel  wirft;  so  dass, 
wenn  die  Spiegel  mit  den  Fäden  drehen,  sie  immer  im 
Lichtringe  bleiben. 

Da  die  Lichtquelle  sich  im  selben  Raum  mit  dem  Be- 
obachter befinden  soll,  so  muss  in  der  Scheidewand  eine 
Oeflhung  (etwa  mit  Glimmerblatt  verschlossen)  und  ein 
Spiegel  unter  40  °  angebracht  sein ,  der  das  licht  recht- 
winkelig gegen  die  optische  Axe  auf  die  durchbrochenen 
Spiegel  hinwirft. 

Alle  anderen  Stellen,  welche  einer  Beleuchtung  bedür- 
fen, sind  nach  demselben  Princip  durch  eine  Sammellinse, 
die  das  Bild  der  entsprechenden  Lichtblendung  auf  die  zu 
beleuchtende  Stelle  wirft,  behandelt.  Die  Lichtquelle  muss 
sonach  höher  stehen,  als  der  Beobachter. 

Die  Mikroskope  (a  a  Fig.  2  Objektiv  u.  feststehender  Faden) 
"zur  Ablesung  des  Glaskreises  sind  direkt  auf  den  Lagern  des 
Instrumentes  befestigt.  In  der  Scheidewand  sind  auf  der 
Tragplatte  für  den  Filarmikrometer  auch  die  Mikroskopocu- 
lare  mit  den  Mikrometerschlitten  befestigt;  der  Ocularapparat 
ist  jedoch  getrennt  von  dem  Mikroskopkörper,  welcher  den 
feststehenden  Faden  trägt,  damit  sich  etwaige  kleine  Ver- 
stellungen durch  Bewegung  der  Mikrometerschraube  dem 
Mikroskope  selbst  nicht  mittheilen  können. 

Damit  Temperaturreränderungen  möglichst  langsam  und 
gleichmässig  auf  das  Instrument  wirken,  ist  dieses  mit  loser 


3)  Um  die  Helligkeit  der  Beleuchtung  beliebig  zu  vermindern, 
ist  nur  erforderlich,  die  Oeffnung  dieser  Linse  zu  beschränken,  wozu 
eine  Reihe  immer  kleiner  ausgedrehter  Blendungen  dient;  ebenso 
kann  durch  gefärbte  Gläser  vor  der  Lichtkreisblendung  die  Farbe 
der  Beleuchtung  beliebig  geändert  werden. 


12        Sitoung  dar  maife.-friy*.  Clane  nom  0.  Jmmar  1864* 

Baumwolle  umgeben,  und  es  ist  nur  freigelassen,  was  der 
optische  Theil  erfordert. 

Vor  das  Prisma  des  Objektives  ist  desshalb  eine  Röhre 
von  Pappe  gestellt,  die  ebenfalls  aussen  mit  Baumwolle  um- 
geben ist.  Zum  Schutze  vor  Staub  sind  die  Lager  mit  be- 
sonderen Kappen  überdeckt. 

Der  Ocularfilarmikrometer  hat  einen  Positionskreis  und 
zwei  Schuber  zur  Repetition  der  Messung.  Als  Ocular  dient 
ein  Ocularmikroskop.  Im  Brennpunkte  des  Mikroskopob- 
jektivs liegen  die  Fäden  des  Meridiankreises,  im  Brennpunkt 
des  Mikroßkopoculars  die  Fäden  des  Filarmikrometers.  Die- 
ses Filarmikrometer  und  die  Oculare  der  Mikroskope  sind 
in  der  Metallplatte  (p.  p.  Fig.  1)  eingeschraubt,  welche  sich  in 
der  Ebene  der  Scheidewand  parallel  zur  Fadenebene  ver- 
stellen läset  Die  Scheidewand  muss,  wie  der  Pfeiler  des 
Instrumentes,  vom  Fussboden  isolirt  sein. 

Es  steht  zu  erwarten,  dass  die  Gorrectionen  der  Ge- 
sichtslinie gegen  das  Instrument  sich  als  sehr  constant  er- 
weisen werden,  so  dass  ihre  Bestimmung  für  zweierlei  Tem- 
peraturen ein-  für  allemal  genügt  Dann  ist  die  Berichtigung 
durch  a  und  b  für  die  Aufstellung  allein  vor  und  nach  der 
Sternbeobachtung  genügend,  indem  die  Werthe  b'  und  c' 
aus  einer  kleinen  Tafel  so  beigefügt  werden,  wie  sie  der 
beobachteten  Temperatur  des  Instrumentes  entsprechen. 


Stetojf:  8ckütö*mfim§  md  G&kngewicht.  IS 

Herr  Bischoff  hielt  einen  Vortrag 

„Ueber  das  Verhältniss  des  Horizontal-Um* 
fanges  and  des  Innenraams  .des  Schädels 
zum  Gehirngewichte". 

In  seinem  verdienstvollen  Werke:  Ueber  Wachsthnm 
und  Bau  des  menschlichen  Schädels.  Leipzig  1862,  hat 
Herr  Professor  IL  Welker  p.  35  und  ff.  den  Gedanken 
entwickelt,  dass  es  möglich  sei,  ans  dem  Horiaontalumfang 
des  Schädels  einen,  wenn  auch  nur  ungefähren,  doch  inner- 
halb bestimmter  Gränzen  sicheren  Schluss  auf  das  zuge- 
hörige Hirngewicht  zu  ziehen.  Es  ergab  sich  ihm  dieser 
Satz  vorzüglich  aus  dem  von  ihm  beobachteten  gleichmä- 
ßigen Wachsen  des  Schädelinnenraumes  mit  dem  Horizontal* 
umfange  desselben,  und  andererseits  glaubt  er  auch  aus  den 
bekannten  Resultaten  über  Hirnwägungen  und  seinen  Mes- 
sungen des  Schädelinnenraumes  auf  ein  constantes  Verhält- 
niss dieser  beiden  rechnen  zu  können.  Er  erhielt  nämlich 
aus  seinen  Messungen  des  Schädelinnenraumes  von  30  Män- 
nern und  30  Weibern  für  jene  als  Mittel  1448  Cm.,  für 
diese  1300  Gm.,  welche  Zahlen  sich  wie  100  :  89,7  verbalten. 
Aus  einer  Zusammenstellung  der  bekannten  R.  Wagnerischen 
Tabelle  über  Hirngewichte  berechnet  er  aber  als  mittleres 
Hirngewicht  für  Männer  1389  Grm.,  für  Weiber  1249  Grm., 
welche  Zahlen  sich  wie  100 :  89,9  verhalten ,  also  ein  fast 
ganz  übereinstimmendes  Verhältniss. 

Welker  entwirft,  gestützt  auf  diese  Voraussetzungen, 
pag.  37  seines  Werkes  folgende  Tabelle  über  Horizontal- 
tchädelumfange,  Schädelinnenraum  und  die  dazu  gehörigen 
Gehirngewichte  von  100  von  ihm  auf  erstere  gemessenen 
8chädeln,  wobei  männliche  und  weibliche  Schädel  und  Ge- 
hirne nicht  geschieden  sind. 


14  Sitzung  der  nath.~phy9.  Cla&te  vom  9.  Januar  1864. 

Horizontalumfang  des  Mittel  des       Berechnetes  mittleres 

Schädels  in  Millim.  Schädelinnen-        Gehirngewicht  in 

raums  in  Gern .  Grammen. 

480  1180                         1127 

490  1245                          1189 

500  1310                         1251 

510  1370                          1308 

520  1435                          1370 

530  1500                         1432 

540  1560                         1490 

550  1630                         1557 

560  1690                         1614 

570  1750                         1671 

» 

Als  Verhältnisszahl  zwischen  Schädelinnenraum  und  Gehirn- 
gewicht ergiebt  sich  ihm  für  den  Mann  auf  100  Ccm.  Schädel- 
innenraum :  95,9  Grm.  Hirngewicht,  für  das  Weib  auf  100 
Ccm.  Schädelinnenraum  :  96,1  Grm.  Himgewidht.  Um  diese 
an  nicht  zusammengehörigen  Schädeln  und  Gehirnen  nur  durch 
Berechnung  gefundenen  Zahlen,  auch  durch  einige  direkte 
Beobachtungen  zu  prüfen,  stellte  Welker  dann  auch  noch 
an  einem  weiblichen  und  zwei  männlichen  Individuen  direkte 
Bestimmungen  aller  drei  Grössenverhältnisse  an,  welche  fol- 
gendes Resultat  ergaben: 

Horizontal-    Schädel-    Gewicht  des 
umfang,     innenraum.     Gehirns. 
Mädchen  v.  18  Jahren     .     480  1100  1093 

Mann        „   40       „  .     551  1610  1539 

Mann        „   40      „  .     553  1680  1617 

woraus  sich  als  mittlere  Verhältnisszahl  zwischen  Schädel- 
innenraum und  Hirngewicht  100 :  95,36  ergiebt. 

Dieser  in  Kürze  hier  wiedergegebene  Gedanke  Welkera 
schien  mir  bei  den  jetzt  mit  Recht  wieder  allgemein  aufge- 
nommenen Untersuchungen  über  das  Gehirn  und  sein  Ver- 


Bisehoff:  Sohädelumfang  und  OMmgewiekt.  15 

haltniss   zu  der  geistigen    Begabung  und   Entwicklung  von 
.  grosser  Bedeutung. 

P  Es  ist  nämlich   ohne  Zweifel  eine  selbst  nur  theilweise 

I  Losung  dieser  wichtigen  und  interessanten  Frage,  allein  auf 

dem  Wege  zahlreicher,  lange  Zeit  fortgesetzter  und  sorgfäl- 
tiger kritischer  Beobachtungen,  die  gewiss  noch  über  viele 
Generationen  ausgedehnt  werden  müssen,  zu  erwarten,  wenn 
sie  ein  einigermassen  zuverlässiges  Resultat  geben  sollen» 
Dazu  ist  aber  das  anatomische  und  auf  Sectionen  begrün- 
dete Material  zu  schwierig  zugänglich  und  zu  klein,  und  es 
wäre  von  ausserordentlicher  Bedeutung,  wenn  dieser  Weg 
umgangen  und  einfache  Messungen  an  Lebenden  zur  An- 
strebung dieses  Zieles  benutzt  werden  könnten.  Welche 
Masse  von  Beobachtungen  über  das  Gehirngewicht  und  sein 
Verhältniss  zur  günstigen  Befähigung  und  Leistung  würde 
man  mit  Leichtigkeit  sammeln  können,  wenn  dazu  nichts 
weiteres  als  die  Messnng  des  grössten  Schädelumfanges 
gehört  l 

Allein  dazu  scheint  mir  vor  Allem  nöthig,  dass  dieser 
Satz  über  ein  constantes  Verhältniss  zwischen  Schädelumfang 
und  Hirngewicht  erst  noch  sorgfältiger  geprüft  wird.  Vor 
Herrn  Welkers  eigenen  Beobachtungen,  Messungen  und 
Wägungen  habe  ich  alle  mögliche  Achtung,  da  ich  aus 
früherer  und  langjähriger  Bekanntschaft  weiss,  wie  sorgfältig 
er  verfahrt.  Allein  die  eine  Hälfte  der  Basis  seines  Satzes, 
diejenige,  welche  auf  Hirnwägungen  beruht,  ist  nicht  sein 
Eigen thum,  sondern  hat  einen  sehr  verschiedenartigen  Ur- 
sprung, der  schon  an  und  für  sich  nicht  immer  zuverlässig 
ist,  und  mit  vielerlei  Schwierigkeiten  zu  kämpfen  hatte  und 
hat.  Auch  die  zu  seiner  Aufstellung  angewendeten  Mittel- 
berechnungen haben,  wie  ich  glaube,  noch  sehr  viel  Bedenk- 
liches. An  und  für  sich  aber  kann  man  nicht  sagen,  dass 
Welkers  Satz  nur  Unbedenkliches  ausspräche.  Denn  wenn 
gleich  zwischen  Schädelumfang  und  Schädelinnenraum,  und 


16  8itmm§  der  math.-phy9.  Ckme  wm  9.  Januar  1864. 


auch  wieder  zwischen  Schädelinnenraum  und  Hirnvolumen 
und  Gewicht  anzweifelhaft  innerhalb  gewisser  Gränzen  ein 
übereinstimmendes  Verhältniss  vorhanden  ist,  and  man  seit 
undenklichen  Zeiten  ans  einem  grossen  Schädel,  wenn  er 
nidht  pathologisch  ist,  auf  ein  grosses  Hirn  and  sehr  gün- 
stige Begabung  geschlossen  hat  and  schliesst,  so  handelt  es 
sich  hier  doch  am  genauere  and  auf  bestimmte  Zahlen 
zurückführbare  Verhältnisse,  wenn  der  in  Frage  stehende 
Satz  eine  wissenschaftliche  Bedeutung  haben  und  gewinnen 
soll.  Da  tauchen  dann  aber  auch  noch  andere  Zweifel  auf, 
als  die,  welche  in  einer  verschiedenen  Schädeldicke,  in  einer 
Abnormen  Form,  oder  in  Ra$en-  Verschiedenheiten  des  Schä- 
dels sich  aussprechen,  welche  Welker  bereits  berührt  hat 
Eg  kommen  dabei  auch  die  Hirnhäute  und,  worauf  wahr- 
scheinlich in  allen  diesen  Fragen  ein  besonderes  Gewicht  zu 
legen  ist,  die  Textur-  und  Mischungsverhältnisse  und  das 
davon  abhängige  specifische  Gewicht  des  Gehirns  in  Be- 
tracht, welche  auf  das  absolute  Hirngewicht  und  Volumen 
und  ebenso  wieder  auf  die  Hirnthätigkeiten  einen  bedeuten- 
den Einfluss  ausüben  können. 

Alle  diese  Faktoren  sind  aber  so  unendlich  schwierig, 
ja  augenblicklich  noch  ohnmöglich  in  Rechnung  zu  ziehen, 
dass,  wie  mir  scheint,  vor  der  Hand  nichts  anderes  übrig 
ist,  als  alle  solche  Fragen  rein  empirisch  sorgfaltig  zu  prü- 
fen, die  Resultate  nur  vorsichtig  zu  Schlüssen  zu  benutzen, 
und  sie  der  Zukunft  zum  weiteren  Ausbau  zu  überliefern. 
Wer  auf  diesem  Gebiete  sogleich  glänzende  und  Aufsehen 
erregende  Früchte  zu  pflücken  denkt,  der  möge  besser  davon 
bleiben.  Hier  kann  nur  allein  die  Ansammlung  von  gutem 
Material  verdienstlich  sein ;  die  Ausbeute  desselben  gehört 
der  Zukunft;  denn  das  Bedürfhiss  an  jenem  zu  einer  ratio- 
nellen Beantwortung  der  gegebenen  Fragen  übersteigt  die 
Leistungsfähigkeit  und  Gelegenheitsmöglichkeit  des  Einzelnen 
und  selbst  der  einzelnen  Generation. 


Schädditmfcmg  und  Gthirngewicht.  17 

* 

Ans  diesen  Gründen  und  Gesichtspunkten  habe  ieh 
schon  seit  lange  angefangen,  das  mir  dargebotene  Material 
besonders  über  Hirngewichte  zn  sammeln,  und  sehe  mich 
jetzt  nur  desshalb  veranlasst,  einen  Theil  der  gewonnenen 
Resultate  zu  einer  Besprechung  der  von  Welker  aufgewor- 
fenen Frage  zu  veröffentlichen,  um  Andere  zur  Verfolgung 
des  gleichen  Weges  anzuregen ,  so  wie  ich  selbst  auf  dem* 
selben  fortschreiten  werde. 

Meine  Untersuchungen  erstrecken  sich  vorläufig  nur  auf 
150  Köpfe  und  zwar  100  männliche  und  50  weibliche.  Sie 
gehören  fast  alle  dem  bayerischen  Volksstamme  und  der- 
jenigen Menschenklasse  an ,  welche  in  Hospitälern  zu  ster- 
ben und  der  Anatomie  anheim  zu  fallen  pflegt.  Es  handelt 
sich  also  bei  ihnen  wohl  schwerlich  um  irgend  eine  höhere 
geistige  Entwicklung,  von  der  ich  aber  auch  bei  dieser 
Gelegenheit  die  Befähigung  und  Anlage  sehr  wohl  unter- 
schieden haben  will. 

Die  Messungen  geschahen  an  dem  ganzen  Körper 
mit  einem  nach  Art  eines  älteren  Schustermaasses  mit  einem 
Schieber  versehenen  Messstabe;  an  dem  Schädel  mit 
einem  Bande.  Ich  habe  mich  dazu  nach  Welkers  Beispiel 
zum  Theil  eines  gewöhnlichen  gedruckten  Centimeter-  Mess- 
bandes bedient,  auf  welchem  nur  noch  die  Millimeter  nach- 
getragen waren.  Allein  ich  fand  ein  solches  Band  auf  die 
Dauer  doch  nicht  brauchbar.  Bei  trockenen  Schädeln  geht 
es  recht  gut  damit;  allein  bei  den  nach  Abziehen  der  Kopi- 
schwarte feuchten  und  blutigen ,  frischen  Köpfen  sind  diese 
Bände?  bald  ruinirt  und  unbrauchbar;  sie  werden  nass, 
trocknen  ein  und  zerreissen.  Ich  habe  mir  desshalb  zuerst 
ein  Maass  von  Pergament  machen  lassen,  welches  erst  stark 
in  Wasser  und  dann  in  Fett  getränkt  war,  später  aber  auch 
dieses  wieder  mit  einem  lakirten,  in  Millimeter  getheilten 
Ledermessbande  vertauscht.  Es  besitzt  einen  kleinen  Metall- 
schieber mit  einer  Stellschraube,  so  dass  es,  um  den  Kopf 

[1863. 1.  1.]  a 


18  Sitzung  der  math.-phys.  Gaste  vom  9.  Januar  1864. 

gelegt,  festgestellt  und  dann  abgelesen  werden  kann.  Ich 
hätte  gerne  einen  metallenen  Messring  angewendet,  in  der  Art, 
wie  ihn  die  Hutmacher  zum  Messen  der  Köpfe  bei  Auswahl 
der  Hüte  benutzen.  Allein  der  Versuch  überzeugte  mich, 
dass  sich  ein  solcher  Messring,  wenn  er  auch  schmal  und  dünn 
ist,  nicht  hinlänglich  an  den  Schädel  anschliesst,  um  mit 
Zuverlässigkeit  benutzt  werden  zu  können.  Das  Maas  wurde 
nach  Welkers  Anleitung  über  die  tubera  frontalia  und  den 
tuber  occipitale,  d.  h.  also  über  den  grössten  Horizontal- 
umfang des  Kopfes  umgelegt,  wobei  ich  allerdings  öfter  ge- 
wünscht hätte,  dass  die  tubera  frontalia  deutlicher  ausgeprägt 
gewesen  wären,  als  dieses  der  Fall  war.  Ich  glaube  nicht, 
dass  es  dabei  auf  ein  paar  Millimeter  ankommt  und  an- 
kommen darf;  denn  die  übrigen  zur  Beachtung  kommenden 
Factoren  können  auch  keiner  entsprechenden  Genauigkeit 
unterworfen  werden,  und  es  würde  also  nur  Spiegelfechterei 
sein,  hier  eine  minutiöse  Genauigkeit  zu  affektiren. 

Die  Wägungen  geschahen  bei  dem  ganzen  Körper  mit 
einer  gewöhnlichen  Decimalwage,  welche  höchstens  auf 
2  =  20  Grm«  zieht;  die  Hirnwägungen  dagegen  auf  einer 
feineren  Wage,  welche  für  xlio  Grm.  noch  einen  deutlichen 
Ausschlag  giebt.  Ai^ch  hier  ist  grössere  Genauigkeit  Spie- 
gelfechterei; einige  Tropfen  Blut  oder  Wasser,  die  unver- 
meidlich verloren  gehen,  bedingen  weit  grössere  Fehler  und 
Unterschiede,   als  die  Genauigkeit  der  Wage  und  Wägung. 

Da  ich  mir  von  dem  zu  prüfenden  Satze  ganz  vorzüg- 
lich dann  einen  Erfolg  versprach,  wenn  derselbe  auf  den 
Lebenden  in  Anwendung  gesetzt  werden  könnte,  so  schien 
es  mir.  von  Bedeutung,  den  Einfluss  der  Haare  und  der 
Kopfschwarte  auf  den  Schädelumfang  mit  in  Rechnung  ziehen 
zu  können,  und  ich  habe  daher  von  einer  gewissen  Zeit  an 
den  Schädelumfang  mit  den  Haaren,  ohne  Haare,  und  dann 
ohne  Kopfechwarte  gemessen. 

Das  Ergebniss  stellt  sich  in  den  nachfolgenden  Tabellen 


Bischoff:  Schädelumfang  and  Gehirngewicht.  19 

dar,  bei  welchen  ich  zunächst  eine  Scheidung  der  Männer 
und  Weiber  habe  eintreten  lassen,  da  die  durchgreifenden 
Verschiedenheiten  bei  beiden  Geschlechtern  zu  gross  sind, 
und  auch  die  Zahl  der  Beobachtungen  zu  verschieden,  um 
aus  beiden  vereinigt  eine  Mittelzahl  zu  bilden.  ' 

Ich  habe  sodann  zwei  Tabellen  entworfen,  die  eine 
vollständigere,  bei  welcher  das  Hirngewicht  die  Reihenfolge 
bestimmte.  In  ihr  ist  das  Alter,  Körpergrösse,  Körperge- 
wicht, Sohädelumfang  nach  seinen  drei  Modificationen,  Hirn- 
gewicht, Schädeldicke  und  Todesart  nebst  etwaigen  Bemer- 
kungen verzeichnet.  Es  fehlt  zuweilen  ein  und  die  andere 
Angabe,  weil  ich  nicht  alle  Leichen  ganz  unberührt,  sondern 
zuweilen  schon  theilweise  secirt  erhielt.  Auf  Berücksich- 
tigung der  Schädeldicke  unter  den  drei  Rubriken  dick, 
dünn  und  normal,  machte  mich  erst  Herr  Professor  Welker 
aufmerksam,  und  sie  fehlt  also  für  die  früheren  Beobach- 
tungen, doch  ergab  sich  mir  bis  jetzt  kein  Grund  für  eine 
genauere  Beachtung  dieses  Verhältnisses;  es  verschwindet 
dieser  Einfluss  gegen  die  übrigen  Verschiedenheiten.  Mit 
der  Diagnose  der  Todesart  ist  es  wohl  auch  nicht  zu  genau 
zu  nehmen;  sie  ist  nur  der  Bezeichnung  auf  dem  Abliefer- 
schein  der  Leiche  entnommen;  doch  schien  sie  mir  nament- 
lich bei  grösseren  Gewichtsabweichungen,  in  Beziehung  auf 
grosse  Magerheit  oder  Fettreichthum ,  oder  Wasseransamm- 
lung beachtenswerth. 


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20 


Stttung  der  math.-phy8.  (Masse  vom  9.  Januar  1864. 


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22  Sitcung  der  maift.-pfcyn.  CUute  mm  9.  Jamtar  1864. 


BtMfaff:  Sch/ldelumfang  und  Gekimgetrickt. 


24  Sitttmg  der  malK-phu».  Ciatee  am  9.  Januar  166i. 


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EUchoff:  Schäddvmfsmg  und  GMrngmoicht. 


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30 


Sitmtng  dar  m<tih.-phys.  Ckuae  vom  9.  Januar  1864. 


Tabelle   II. 

über  die  Gehirngewichte  im  Vergleich  zum  Schädel- 
horizontalumfang,  geordnet  nach  dem  Schädel- 

horizontalumfang. 
I.  Männer. 


Peripherie  des 
Schädels. 

Hirngewicht. 

Peripherie  des 
Schädels. 

Hirngewicht. 

49,0 

1055 

52,0 

1464 

49,2 

1170 

52,3 

1340 

49,3 

1265 

52,3 

1475 

49,5 

1215 

52,4 

1425 

49,75 

1220 

52,5 

1452 

50,0 

1285 

52^5 

1392 

51,0 

1282 

52,5 

1268 

51,2 

1200 

52,5 

1372 

51,5 

1200 

52,6 

1287 

51,5 

1285 

52,75 

1301 

51,5 

1353 

52,8 

1305 

51,5 

1220 

53,0 

1162 

51,8 

1294 

53,0 

1236 

51,8 

1420 

53,0 

1305 

52,0 

1200 

53,0 

1320 

52,0 

1220 

53,0 

1330 

52,0 

1295 

53,0 

1352 

52,0 

1295 

53,0 

1352 

52,0 

1310 

53,0 

1382 

52,0 

1315 

53,0 

1384 

52,0 

1325 

53,0 

1385 

52,0 

1357 

53,0 

1385 

52,0 

1375 

53,0 

1395 

52,0 

1378 

53,0 

1400 

Büchoff:  Schädtlumfcmg  und  Otkirngeuicht. 


31 


Peripherie  des 
Schädels. 

Hirngewicht 

Peripherie  des 
Schädels. 

Hirngewicht. 

53,0 

1416 

54,2 

1370 

53,0 

1420 

54,3 

1400 

53,0 

1472 

54,5 

1515 

53,0 

1475 

54,5 

1521 

53,0 

1503 

54,5 

1770 

53,2 

1300 

55,0 

1405 

53,3 

1245 

55,0 

1552 

53,3 

1390 

55,0 

1642 

53,3 

1475      . 

55,0 

1660 

53,4 

1377 

55,3 

1500 

53,5 

1235 

55,5 

1430 

53,5 

1352 

55,5 

1433 

53,5 

1358 

55,5 

1498 

53,5 

1480 

55,5 

1620 

53,5 

1380 

55,6 

1490 

53,5 

1500 

55,75 

1432 

53,6 

1487 

56,25 

1520 

54,0 

1250 

56,3 

1565 

54,0 

1275 

66,5 

1480 

54,0 

1280 

57,5 

1540 

54,0 

1290 

58,0 

1602 

54,0 

1350 

59,25 

1585 

54,0 

1400 

54,0 

1430 

54,0 

1440 

54,0 

1445 

54,0 

1475 

54,0 

1495 

54,0 

1512 

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54,0 

1665 

32 


Sitzung  der  math.-pkys.  Masse  wm  9.  Januar  1864. 


IL  Weiber. 


Peripherie  des 
Schädels. 

Hirngewicht. 

Peripherie  des 
Schädels. 

Hirngewicht. 

47,5 

1105 

51,5 

1208 

47,8 

1232 

• 

51,5 

1280 

49,0 

1105 

51,5 

1280 

49,0 

1147 

51,5 

1355 

49,0 

1155 

51,5 

1360 

49,0 

1155 

51,6 

1400 

49,0 

1167 

52,0 

1205 

49,0 

1189 

52,0 

1215 

49,0 

1265 

52,3    . 

1204 

49,0 

1090 

52,5 

1297 

49,5 

1162 

52,5 

1525 

49,5 

1200 

52,8 

1305 

50,0 

1380 

53,0 

1235 

50,0 

1235 

53,0 

1319 

50,2 

1322 

53,0 

1375 

50,3 

1151 

53,0 

1390 

50,3 

1210 

53,2 

1452 

50,5 

1205 

53,5 

1222 

50,5 

1210 

53,5 

1236 

51,0 

1045 

54,0 

1370 

51,0 

1150 

54,7 

1530 

51,0 

1158 

51,0 

1177 

51,0 

1178 

51,0 

1180 

51,0 

1252 

51,0 

1392 

51,3 

1136 

51,5 

1195 

Bia&off:  ßehädehmfimg  md  Gthirngewicht.  33 

Ich  ziehe  aus  der  ersten  Tabelle  für  jetzt  keine 
weiteren  Resultate,  weil  ieh  mir  rorbehalte ,  bald  eine  weit 
grossere  Reihe  von  Hirn  wiegungen  mitzutheilen ,  die  durch 
ihre  Zahl  zu  allgemeinen  Folgerungen  eine  grossere  Berech* 
ägung  geben  wird.  Ich  habe  sie  hier  nur  in  Beziehung  auf 
die  drei  Rubriken  des  Schädelhorizontalum&nges  gegeben, 
und  um  dem  Leser  alles  ihm  etwa  wünschenswerthe  Material 
zur  Beurtheilung  der  zweiten  Tabelle  zu  liefern. 

Diese  zweite  Tabelle  enthält  nur  eine  Rubrik  über 
den  Schädelhorizontalumfang  und  eine  über  das  Hirngewicht ; 
sie  ist  nach  ersterem  geordnet  und  soll  also  dem  eigent- 
lichen Zwecke  dieser  Mittheilung,  der  Prüfung  des  Welker' - 
sehen  Satzes,  dienen. 

Es  ergiebt  sich  aus  ihr  zunächst  bei  dem  Manne  als 
Mittelzahl  für  den  Schädelhorizontalumfang  532  Mm.  und 
für  das  Hirngewicht  1387  Gm.;  bei  dem  Weibe  ein  Schä- 
delhorizontalumfang von  511  Mm.  und  ein  Hirngewicht  von 
1246  Grm.,  was  zwar  im  Allgemeinen,  wie  auch  nicht  an- 
ders zu  erwarten  war,  die  Beziehung  beider  Grössen  zu 
einander  bestätigt,  indessen  keine  genauere  Einsicht  in  die- 
selbe gestattet. 

Zu  diesem  Zwecke  wähle  ich  das  Welker'sche  Verfahren 
die  Schädelhorizoutalumfange  in  einer  von  10  zu  10  Mm. 
steigenden  Reihe  zu  ordnen,  und  dazu  das  zugehörige  Mit- 
telhirngewicht hinzuzusetzen;  ebenfalls  für  beide  Geschlech- 
ter getrennt.  *Wir  erhalten  dadurch  folgende  beide  Ta- 
bellen : 


(1864. 1. 1.]  3 


84 


Sitsmg  der  matK-phys.  Ghuae  vom  9.  Jamtar  1864. 


I.  Minner. 


Zahl  der 

Gehirne  und 

Schädel. 

Horizontal- 
■ch&delunfuig. 

Himgewioh 

6 

490—500 

1203 

8 

510—518 

1282 

21 

520—528 

1340 

30 

530—536 

1375 

18 

540—545 

1522 

11 

550—557 

1523 

3 

562—565 

1525 

1 

575 

1540 

1 

580 

1602 

1 

592 

1585 

100 

2 

10 
7 
16 
6 
7 
2 


60 


IL 

475 
490 
500 
510 
520 
530 
540 


•478 
495 
505 
516 
■528 
535 
■547 


1168 
1163 
1245 
1228 
1292 
1318 
1450 


Die  Ansicht  dieser  Tabellen  bestätigt,  wie  wohl  an 
kaum  anders  möglich,  zunächst  den  allgemeinen  Satz,  dai 
mit  Zunahme  des  Schädelhorizontalumfanges  auch  das  Hin 
gewicht  steigt. 

Im  Allgemeinen  könnte  man  alsdann  auch  wohl  saget 
dass  sie  im  Sinne  Welkers  eine  stätige  Zunahme  beide 
Verhältnisse  darthun.    Für  die  Männer  gilt  dieses  durchweg 


Bischoff:  Schäddumfang  und  QehirngcwuM.  35 

bis  auf  die  letzte  Reihe,  deren  Zahl  aber  auch  nur  auf  ein 
einziges  Gehirn  gegründet  ist.  Für  die  Weiber  finden  sich 
schon  grossere  Störungen,  zwischen  der  1.  und  2.  und  zwi- 
schen der  3.  und  4.  Reihe. 

Allein  die  von  mir  gewonnenen  Zahlen  weichen  von 
denen  Welkers  in  mehrfacher  Hinsicht  ab.  Sie  geben  zu- 
nächst durchaus  keine  so  gleichmässig  steigende  Reihe,  wie 
die  Welker' sehe,  die  sehr  gleichmäßig  ansteigt.  Der 
Sprung  von  der  4.  zur  5.  Reihe  ist  z.  B.  bei  mir  sehr 
gross;  die  5.  6.  und  7.  Reihe,  die  um  30  Mm.  Horizontal- 
umfang verschieden  sind,  differiren  im  Hirngewicht  fast 
gar  nicht. 

Sodann  sind  meine  Zahlen  fast  durchgängig  kleiner 
als  die  Welker'schen ,  worauf  mich  Herr  Professor  Welker, 
dem  ich  dieselben  mitgetheilt  habe,  selbst  aufmerksam  ge- 
macht hat.  Man  sieht  dieses  besonders  deutlich,  wenn  man 
unsere  beiderseitigen  Zahlen  graphisch  verzeichnet,  wie  die- 
ses auf  den  beiden  beiliegenden  Tabellen  HI.  und  IV.  ge- 
schehen ist,  auf  welchen  Welkers  Zahlen  mit  A,  die  mei- 
nigen mit  O  bezeichnet  sind.  Bei  mir  fallt  die  ansehnlich 
grossere  Menge  derselben  unter  die  mittlere  Gurve,  in  wel- 
cher die  Welker'schen  Zahlen  ansteigen.  Ich  möchte  auf 
diesen  Unterschied  kein  so  grosses  Gewicht  legen.  Er  kann 
möglicher  Weise  in  einer  kleinen  Verschiedenheit  des  ange- 
wendeten Maasses  und  der  Messmethode  liegen,  die  selten 
wohl  bei  zwei  Beobachtern  ganz  genau  übereinstimmen,  und 
deren  Fehler  ich  bei  der  äussersten  Genauigkeit  und  Sorg- 
falt des  Verfahrens  von  Herrn  Professor  Welker  ganz  zu 
meinen  Ungunsten  auslege.  Auf  das  etwaige  Vorherrschen 
dolichocephalischer  Schädel  bei  meinen  Messungen,  bei  wel- 
chen, wie  Herr  Professor  Welker  gezeigt  hat,  bei  einem 
verhältnissmassig  grösseren  Horizontalschädelumfang  ein  klei- 
neres Hirngewicht  sich  findet,  glaube  ich  dagegen  nicht 
rechnen  zu  können,   denn  die  hiesigen  Schädel  sind  fast 

3* 


36  Sitzt/mg  der  matK-phys.  CUmt  vom  9.  Jwmar  1864. 

ohne  Ausnahme  brachycephal ,  wenigstens  sind  entschieden 
dolichocephalische  sehr  selten. 

Allein  mehr  als  diese  Abweichungen  von  der  Welker'- 
schen  Reihe,  die  sich  vielleicht  bei  einer  noch  grösseren 
Zahl  von  Beobachtungen  und  grösserer  Sorgfalt  und  Ueber- 
emstiinmuug  im  Messen  und  Wiegen  möglicher  Weise  ver- 
mindern könnten,  stört  mich  ein  Umstand,  der  mir  die 
practische  Verwertbung  und  Anwendung  des  Welker'schen 
Satzes  und  die  Mittelberechnungen,  aus  denen  er  abgeleitet 
ist,  unanwendbar  zu  machen  scheint,  das  sind  die  ausserordent- 
lichen individuellen  Verschiedenheiten,  die  sich  bei  gleicher 
SchädelperipLerie  im  Hirngewicht,  oder  bei  gleichem  Hirn- 
gewicht in  der  Schädelperipherie  finden.  Diese  werden 
durch  die  Mittelberechnungen  verdeckt,  treten  aber  bei 
Durchsicht  der  ganzen  Tabellen  sehr  schlagend  hervor. 

So  finden  wir  bei  der  so  häufig  vorkommenden  Schä- 
delperipherie bei  Männern  von  520  Mm«  Unterschiede  von 
1200—1464  Grm.,  bei  530  Mm.  Unterschiede  von  1160— 
1500  Grm.,  bei  540  Mm.  Unterschiede  von  1250— 1665  Grm*, 
und  bei  Weibern  bei  einer  Schädelperipherie  von  510  Mm.  Un- 
terschiede von  1045 — 1590  Grm.,  bei  5 16Mm.  Unterschiede  von 
1090 — 1400  Gm.  etc.  Andererseits  finden  sich  auch  fast 
ganz  gleiche  Hirngewichte  bei  sehr  verschiedener  Schädel- 
peripherie. So  z.  B.  bei  einem  Schädel  von  492  Mm.  Um- 
fang ein  Gehirn  von  1170  Grm.  und  bei  einem  anderen 
von  530  Mm.  Umfang  ein  Hirn  von  1162  Grm.  Gewicht. 

Auch  für  diese  individuellen  Verschiedenheiten  scheint 
es  mir  kaum  möglich,  den  Einfiuss  der  Brachycephalie  und 
Dolichocephalie  als  genügende  Erklärung  zu  betrachten,  ob- 
gleich, wie  erwähnt,  beide  Schädelarten  bei  gleicher  Peri- 
pherie einen  verschiedenen  Innenraum  besitzen.  Denn  es 
kommen  derartige  Verschiedenheiten  hier  nicht  vor,  und  sie 
müssten  ausserordentlich  gross  sein,  um  für  die  erwähnten 
Unterschiede  des  Gelurngewichtes  eintreten  zu  können. 


Bischof:  SkMddumfimg  tmd  GeMrngewicH.  37 

Ebenso  habe  icb  vergebens  die  verschieden?  Schädel- 
dicke zu  einer  genügenden  Erklärung  zu  benutzen  versucht. 
Meine  Aufzeichnungen  in  dieser  Hinsicht  geben  hiezu  keinen 
hinreichenden  Anhalt,  und  möchte  ich  überhaupt  bezweifeln, 
dass  die  in  dieser  Hinsicht  vorkommenden  Unterschiede  für 
och  allem  genügend  sein  könnten.  Ausserdem  würde  diese 
Correctnr  natürlich  ihre  Anwendbarkeit  bei  Bestimmung  des 
Hirngewichte8  Lebender  ganz  verlieren. 

Wenn  aber  schon  Brachycephalie  und  Dolichocephalie 
einen  bestimmten  Einfluss  auf  das  Verhältniss  des  Schädel- 
innenraums zum  Horizontalumfang  ausüben,  so  sehe  ich 
nicht  wohl  ein,  wesshalb  nicht  auch  die  verschiedene  Schä- 
delhöhe hiebei  von  wesentlicher  Bedeutung  sein  sollte.  Bei 
dem  Extreme  des  Missverhältnisses  in  dieser  Hinsicht,  bei 
den  sogenannten  Thurmköpfen,  hat  Herr  Professor  Welker 
schon  erwiesen,  dass  trotz  sehr  kleiner  Peripherie  der  Schä- 
delinnenraum und  das  Hirngewicht  beträchtlich  sein  kann. 

Ich  kann  zwei  ähnliche  Fälle  beibringen,  welche  eben- 
fidle  darthun,  dass  bei  ungewöhnlich  hohem  Schädel  der 
Horizontalsohädelumfang  sehr  gering,  das  Hirngewicht  nichts- 
destoweniger ziemlich  hoch  sein  kann.  Beide  sind  von  Wei- 
bern. Die  eine  war  36  Jahre  alt  und  zeigte  einen  ziemlich 
hohen  Schädel  mit  auffallend  stark  abfallendem  Hinterhaupt. 
Der  Horizontalumfang  betrug  nur  485  Mm.,  der  Höhen- 
durchmesser 140  Mm.,  der  Schädelinhalt  1388  Gem.,  das 
Hirngewicht  1260  Grm.;  die  Pfeil*  und  Kranznath  sind  an 
diesem  Schädel  ganz  verschwunden.  Der  zweite  Fall  be- 
trifft ein  Mädchen  von  16  Jahren,  die  im  Wochenbett  ver- 
starb und  mir  durch  ihren  Schädelbau  sehr  auffiel.  Der 
Schädel  hatte  einen  Horizontalumfang  von  492  Mm.,  war 
135  Mm.  hoch,  hatte  einen  Gehalt  von  1342  Gem.  und  ein 
Hirngewicht  von  1300  Grm.;  die  Kranznath  ist  obliterirt. 
Person  wurde  mir  als  ganz  verständig  und  in  ihrer 


38  Sitsnmg  der  maih.'pky*.  Qnm  vom  9.  Jmmar  1861, 


Art  selbst  gebildet  geschildert  Beide  Hirngewichte  fidlen 
über  die  Mittelzahl. 

Diese  deutliche  Einwirkung  der  Schädelhöhe  auf  das 
Hirngewicbt  bei  gleichem  Schädelumfang  scheint  mir  nun 
aber  auch  bei  geringeren  Graden  der  Verschiedenheit  in  der 
Schädelhöhe  nicht  übergangen  werden  zu  können  und  wahr- 
scheinlich zu  den  erwähnten  individuellen  Abweichungen  von 
dem  Parallelismus  zwischen  Horizontalumfang  und  Hirnge- 
wicht beizutragen. 

Es  ist  zu  bedauern,  dass  solche  geringere  Verschieden- 
heiten wohl  schwerlich  leicht  beim  Lebenden  werden  festzu- 
stellen oder  gar  in  Rechnung  zu  ziehen  sein. 

Einen  nicht  zu  vernachlässigenden  Factor  kann  ferner, 
wie  mir  scheint,  auch  die  Verschiedenheit  des  specifischen  Hirn- 
gewichtes, als  Ausdruck  verschiedener  Structur-  und  Textar- 
verhältnisse,  ausmachen.  Herr  Professor  Welker  schreibt 
mir  zwar,  dass  nach  seinen  eigenen  und  fremden  Erfah- 
rungen in  dieser  Hinsicht  bei  gesunden  Individuen  und  auch 
bei  vielen  nicht  Gesuaden  nichts  zu  furchten  sei  Allein 
wenn  ich  die  bedeutenden  Verschiedenheiten  bedenke,  weichet 
die  Gehirnsubstanz  an  Krankheiten  Verstorbener  rücksicht- 
lich  ihrer  Härte  und  Weichheit  und  ihres  ganzen  Verhaltens 
zeigt,  so  möchte  ich  für  kranke  Gehirne  diesen  Satz  für 
keineswegs  hinreichend  befestigt  erachten;  ja  ich  glaube, 
dass  auf  diesen  Umstand  manche  der  abweichenden  Zahlen 
meiner  Tabelle  zu  schieben  ist,  da  er  natürlich  bei  Welkers 
Berechnungen  ganz  ausser  Acht  kam.  Wäre  hierauf  viel  zu 
rechnen,  so  würde  sich  die  Sache  für  die  Bestimmung  des 
Himgewichtes  Lebender  und  Gesunder  wieder  besser 
stellen;  denn  bei  Gesunden  dürfte  in  der  That  der  Unter- 
schied nicht  zu.  gross  sein. 

Endlich  glaube  ich  aber,  dass  bei  dieser  Parallele  zwi- 
schen Schädelhorizontalumfang  und  Hirngewicht  auch  die 
Hirnhäute,   und  namentlich  die  Dura  mater  mit  den  Sinus, 


£uck#:  Sekäidmfmg  und  GekkngmrtM.  39 

einen  Factor  abgeben,  de?  wahrscheinlich  zuweilen  sehr  wirk- 
sam, aber  leider  nicht  mit  in  Rechnung  zu  ziehen  ist  Sie 
tragen  zu  viel  zur  Erfüllung  des  SchädeHnnenraumes  bei 
und  influiren  durch  die  Verschiedenheit  ihrer  Entwicklung 
zu  sehr  auf  das  Himgewicht,  als  daas  man  aus  dem  Schä* 
delhorizQntalumfange>  auch  wenn  derselbe  mit  dem  Schädel' 
innenraum  einen  grösseren  Parallelismus  zeigen  sollte,  als 
wirklich  der  Fall  ist,  auf  daa  Himgewicht  schliessen  könnte. 

Ich  komme  daher  zu  dem  Resultate,  dass  das  Verfah- 
ren, allein  aus  dem  bekannten  Schädelhorizontalumfange 
einen  einigermaassen  sicheren  ßchluss  auf  das  Hiragewicbt 
zu  ziehen,  zu  meinem  Bedauern  kaum  anwendbar  und  ge- 
rechtfertigt sein  möchte.  Es  kommen  ausser  dem  Schädel- 
horizontalumfange, als  dem  allerdings  wichtigsten  Factor, 
doch  auch  noch  zu  viele  andere  auf  die  Grösse  und  Erfül- 
lung des  Schadelinnenraumes  einwirkende  und  leider  nicht 
einmal  an  dem  scelettirten  Schädel,  noch  viel  weniger  aber 
bei  dem  Lebenden,  bis  jetzt  möglicher  Weise  in  Rechnung 
zu  ziehende  Factoren  ins  Spiel,  welche  die  auf  dieses  Ver« 
fahren  gesetzte  Hoffnung  leider  nicht  berechtigen. 

Nach  diesem  Schlüsse  bat  die  Ermittelung  des  Ein* 
flnsses  des  Haarwuchses  und  der  Kopfschwarte  auf  den 
Horizontalumfang  des  Kopfes,  wenigstens  für  diesen  speciel* 
len  Fall,  vielleicht  kein  besonderes  Interesse  mehr.  Indessen 
sind  die  Zahlen  einmal  gewonnen,  und  können  vielleicht  für 
andere  Fälle  noch  einen  Wertb  erhalten.  Das  Ergebniss 
ist  übrigens  mir  wenigstens  ziemlich  überraschend.  Bei  dem 
Manne  beträgt  das  Mittel  des  Schädelborizontalumfanges  mit 
den  Haaren  555  Mm.,  ohne  Haare  546,  ohne  Kopfschwarte 
532  Mm.  Es  wäre  danach  bei  dem  Manne  im  Durchschnitt 
auf  die  Haare  9  Mm.,  auf  die  Kopfschwarte  14,  auf  beide 
23  Mm.  zu  rechnen.  Bei  dem  Weibe  beträgt  das  Mittel 
des  Schädelborizontalumfanges  mit  den  Haaren  536  Mm.» 
ohne  Haare  527,  ohne  Kopfschwarte  511;  also  kommen  auf 


40  Siteung  der  wath.-phy$.  Gasse  wm  9.  Jamar  1864. 

die  Haare  ebenfalls  9  Mm. ,  auf  die  Kopflchwarte  16 ,  auf 
beide  zusammen  25  Mm.  Dieses  Resultat  hat  mich  wenig- 
stens in  Beziehung  auf  die  gleiche  Dicke  der  Haare  bei 
beiden  Geschlechtern  und  auf  die  bedeutende  Dicke  der 
Kopfschwarte  überrascht.  Uebrigens  kommen  auch  hier  sehr 
grosse  individuelle  Verschiedenheiten  vor.  Garns  (Grund* 
züge  der  Kranioecopie ,  p.  38)  glaubt  für  die  Dicke  der 
Hautdecken  des  Schädels,  bei  Anwendung  des  Tasterzirkels 
2"'  Par.  in  Rechnung  bringen  zu  können. 

Ich  habe  übrigens  das  Verfahren  des  Herrn  Professor 
Welker  auf  dessen  eigenen  Wunsch  auch  noch  dadurch  zu 
prüfen  gesucht,  dass  ich  die  Verhältnisse  des  Schädelhori-- 
zontalumfanges ,  des  Schädelinnenraumes  und  des  Hirnge- 
wichtes an  einer,  wenn  auch  nur  kleineren  Zahl  von  Schä- 
deln und  Gehirnen  ermittelt  habe.  Ich  bediente  mich  dazu 
zunächst  einer  Anzahl  in  unserer  Sammlung  aufbewahrter 
Schädel,  die  aus  irgend  einem  besonderen  Grunde  scelettirt 
worden  waren ,  und  deren  zugehöriges  -  Gehirngewicht  ich 
aufgezeichnet  hatte ,  wie  z.  B.  Schädel  hingerichteter  Ver- 
brecher. 

Die  hiezu  angestellten  Messungen  sind  alle  von  mir 
selbst  möglichst  sorgfaltig  ausgeführt  worden;  theils  mit 
einem  in  Centimeter  und  Millimeter  eingetheilten  Bande, 
theils  mit  dem  Tasterzirkel.  In  der  Messmethode  habe  ich 
mich  ganz  Welker  angeschlossen,  weil  sie  mir  durchaus 
zweckmässig  zu  sein  scheint.  Die  Bestimmung  des  Schädel- 
innenraums geschah  mit  trockener  reiner  Hirse  und  Ab- 
messen der  zur  Erfüllung  des  Schädels  benutzten  Menge  in 
einem  genau  graduirten  Glascylinder,  wobei  während  des 
Füllens  Schädel  und  Glas  fleissig  geschüttelt  und  aufge- 
stossen  wurden. 

Die  nachfolgende  Tabelle  enthält  die  bei  12  männ- 
lichen und  6  weiblichen  scelettirten  Köpfen  erhaltenen  Re- 
sultate. 


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■    Aus  dieser  Tabelle  ergiebt  sich  als  Mittel  für  die  zwölf 
Mäanerschädel 

Für  den  Horizontalumfang  533  Mm. 
„  „  Schädelinnenraum  1558  Gem. 
„     das   Gehirngewicht  1386  Grm. 

Als   Verhältnisszahl   zwischen    letzteren   beiden   100 :  88,9» 

Die  Welker'schen  Zahlen  sind 

Für  den  Horizontahunfang  521  Mm. 
„  „  Schädelinnenraum  1448  Ccm. 
„     das  Gehimgewicht  1389  Gnn. 

Yerhältnis8zahl  der  beiden  letztern  100  :  95,9. 

Nur  das  Gehirngewicht  stimmt  hier  überein,  weil  in 
der  That  die  Tabelle  die  Extreme  der  männlichen  Hirnge- 
wichte enthält.  Die  Verhältnisszahl  zwischen  Schädelinnen» 
räum  und  Hirngewicht  ist  dagegen  sehr  abweichend. 

Für  die  sechs  weiblichen  Schädel  ergiebt  sich  als  Mittel 
Für  den  Horizontalumfang      514  Mm. 
„       „    Schädelinnenraum    1410  Ccm. 
„    das  Himgewicht  1356  Grm. 

Verhältnisszahl  zwischen  letzteren  100  :  96,1. 

Welker  hat  zu  Mittelzahlen 

Für  den  Horizontalumfang      504  Mm. 
„       „     Schädelinnenraum    1300  Ccm. 
„     das  Hirngewicht  1249  Grm. 

Verhältnisszahl  zwischen  letztern  100  :  96,1. 

Während  diese  letzte  Zahl  übereinstimmt,  sind  meine 
übrigen  Zahlen  alle  ansehnlich  grösser. 

Da  nun  meine  Tabelle  wirklich  sehr  verschiedene  Fälle 
enthält,  so  dürfte  es  zweckmässig  sein,  die  Extreme  auszu- 
scheiden, und  nnter  den  Männern  nur  die  9  Mörderschädel 
zu  nehmen,  deren  in  der  That  keiner  ganz  besondere  Ver- 
hältnisse zeigt,  und  die  ausserdem  als  ganz  gesund  zu  be- 
trachten sind;  und  von  den  weiblichen  nur  Nro.  I.  IV.  und 


Bitchoff:  Sthädekmfamg  und  GdUrngewid*.  45 

V.,    welche  ebenfalls  nichts  Besondere«  ausser  der  grossen 
Schwere  und  Dicke  des  letzteren  darbieten. 

Allein  auch  diese  Ausscheidung  liefert  wesentlich  ver- 
schiedene Zahlen  von  den  Welker'schen ,  nämlich  bei  den 
Mannern 

Für  den  Horizontalumfang  538  Mm. 
„  „  Schädelinneraum  1428  Com. 
„     das  Hirngewicht  1280  Grm. 

Verhältnisszahl  letzterer  100  :  86,4, 

wobei    besonders    das    geringe  Hirngewicht   und   auch  die 
niedrige  Verhaltnisszahl  auffallend  und  abweichend  ist. 

Bei  den  drei  Weibern  stellen  sich  die  Mittelzahlen 
Für  den  Horizontalumfang      509  Mm. 
„       „     Schädelinnenraum    1349  Ccm. 
„     das  Hirngewicht  1328  Grm. 

Verhältnisszahl  der  beiden  letzteren  100  :  98,4, 

die,   wenn  auch  besser,  doch  nicht  besonders   günstig  mit 
den  Welker'schen  stimmen. 

Allein  ich  bin  geneigt,  auf  alle  diese  Abweichungen  von 
den  Welker'schen  Zahlen  nicht  viel  zu  geben.  Meine  Schä- 
del sind,  wie  gesagt,  meist  eigenthümlicher  Art  und  ihre 
Zahl  noch  immer  zu  klein;  Welker' 8  Zahlen  könnten  an- 
dererseits, wenn  sie  auf  eine  grössere  Zahl  direkter  Beob- 
achtungen gegründet  wären,  auch  vielleicht  noch  eine  Ab- 
änderung erfahren;  der  Weg  könnte  vielleicht  der  rich- 
tige sein. 

Was  mich  aber  an  dieser  Hoffnung  zu  meinem  Bedauern 
wesentlich  verzweifeln  lässt,  das  sind  die  individuellen  Dif- 
ferenzen, die  ich  in  meiner  Liste  zunächst  zwischen  Schädel- 
innenraum und  Hirngewicht  auftreten  sehe,  welche,  wie  mir 
scheint,  den  Werth  einer  Mittelzahl  ganz  illusorisch  machen. 
Nro.  VHI.   differirt  von  Nro.  VH.   im  Hirngewicht  nur  um 


46  Sitetfng  der  maih.-phys.  Clcuse  vom  9.  Januar  1864. 

5  Gm.,  im  SchädelinhaH  am  220  Ccm.  Nro.  VIII.  von 
Nro.  VI.  im  Hirngewicht  nur  am  47  Grm.,  im  Schädel- 
innenraum  am  365  Ccm.  etc.  Umgekehrt  differiren  Nro.  II. 
and  V«  im  Schädelinnenraum  nur  um  40  Gem.,  im  Hirnge- 
wicht um  152  Grm.  Nro.  IV.  and  VII.  im  Schädelinnen- 
raum nur  um  10  Gem.,  im  Hirngewicht  um  118  Grm.  etc. 
Aehnliches  findet  sich  hei  den  weiblichen  Schädeln.  Auf- 
fallende Unterschiede  in  der  Schädelbildung  in  Beziehung 
auf  Dicke  oder  Brachy-  und  Dolichocephalie ,  obgleich  ich 
kaum  wüsste,  welchen  Einfluss  solche  auf  dieses  Verhältniss 
zwischen  Schädelinnenraum  und  Gehirngewicht  ausüben  könn- 
ten, finden  sich  in  diesen  Fällen  nicht. 

Aus  diesen  Zahlen  scheint  mir  daher  unwidersprechlich 
hervorzugehen,  dass  auf  die  Ausfüllung  der  Schädelhöhle 
noch  andere  Factoren  einen  ansehnlichen  Einfluss  ausüben, 
als  das  blosse  absolute  Hirngewicht.  Wahrscheinlich  kommt 
das  mit  dem  speeifischen  Gewichte  wechselnde  Hirnvolumen 
und  vielleicht  noch  mehr  das  Verhalten  der  Hirnhäute  und 
besonders  der  Dura  mater  und  ihrer  Sinus  in  Betracht, 
welche  durch  verschiedene  Dicke  und  Entwicklung  einen 
-sehr  verschiedenen  Raum  in  der  Schädelhöhle  einnehmen 
können.  In  der  That  glaube  ich,  bei  der  grossen  Zahl  von 
Schädeleröfihungen  und  Hirnherausnahmen,  die  ich  selbst 
-schon  vorgenommen  habe,  bedeutende  Verschiedenheiten  in 
dieser  Hinsicht  beobachtet  zu  haben.  Leider  werden  die- 
selben schwerlich  einer  genaueren  Messung  unterworfen  wer- 
den können. 

Um  zu  ermitteln,  wie  es  sich  in  Beziehung  des  Ver- 
hältnisses des  Schädelhorizontalumfanges  und  des  Hirnge- 
wichtes verhält,  habe  ich  die  zwölf  Männerschädel  in  der 
Welker'schen  Weise  von  10  zu  10  Millim.  geordnet,  was 
nachstehende  Tabelle  giebt: 


Zahl  der  Falle.    Horizontalumfang.    Hirngewicht. 

2  495  1095 

1  510  1215 

1  520  1332 

5  53Q— 538  H31 

1  546  1431 

2  550  1517 
1  570  1671 

Diese  Reihe  stimmt  leidlich  genug  mit  der  Welker'schen 
und  zeigt  fast  einen  oonstanten  Parallelismus  zwischen  beiden 
Grossen.  Bei  den  Weibern  ist  dieses  keineswegs  der  Fall, 
was  man  mit  Recht  auf  die  drei  sehr  abweichenden  For- 
men IL  HL  und  VI.  schieben  könnte. 

Allein  auch  hier  sind  wieder  die  individuellen  Differen- 
zen so  gross,  dass  sie  eine  Mittelberechnung  ohne  Anwend- 
barkeit erscheinen  lassen.  Nro.  II.  und  XII.  haben  einen 
ganz  gleichen  Horizontalschädelumfang  und  differiren  im 
Hirngewicht  um  590  Grm ;  dazu  ist  II,  noch  sehr  dick  trnd 
XII.  sehr  dünn,  keiner  von  beiden  aber  von  abweichender 
Form,  sondern  einander  sehr  ähnlich.  Ebenso  sind  III.  und 
Xu.  nur  um  5  Mm.  im  Umfang,  aber  um  571  Grm.  im 
Gehirngewicht  verschieden.  Das  sind  meines  Erachtens  Dif- 
ferenzen, die  offenbar  nicht  allein  in  der  Verschiedenheit  der 
beiden  berücksichtigten  Factoren  begründet  sind,  und  daher 
durch  grosse  Zahlen  keine  irgend  zweckmässige  Ausgleichung 
finden  können. 

Ich  habe  endlich,  um  auch  noch  diese  Probe  nicht  un- 
versucht zu  lassen,  bei  mehreren  frischen  Leichen  die  be- 
treffenden Messungen  und  Gewichtsbestimmungen  vorgenom- 
men, wobei  ich  nur  bemerke,  dass  ich  vor  Bestimmung  des 
Schädelinnenraumes  die  Dura  mater  vollständig  auch  von 
der  Basis  des  Schädels  entfernte ,  sowie  die ,  Hypopbysis 
cerebri,  die  beiden  Gangl.  semilunaria  des  Trigeminus  und 
die  Carotis  interna  hinwegnahm,  um  die  Verhältnisse  denen 
am  scelettirten,  Schädel  möglichst  gleich  zu  machen.  Die 
nachstehenden  Tabellen  ergeben  das  bei  10  Männer«-  und 
5  Weiber-Schädeln  erhaltene  Resultat. 


48 


Sitoung  der  maüi.-phys.  (Mam  wm  9.  Januar  1864. 


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50  Sitzung  der  matK-phys.  Glaste  wm  9.  Januar  1864. 

Der   mittlere  Schädelhorizoiitalumfang  bei  den 

Männern  ist  hier    524  Mm. 
Der  mittlere  Schädelinnenraum  1528  Ccm. 

Das  mittlere  Hirngewicht  1338  Grm. 

Das  Verhältniss  zwischen  beiden  letzteren  100  :  87,5. 
Bei  den  Weibern  beträgt  das  Mittel  dieser  Grosse 
Für  den  Schädelhorizontalumfang    513  Mm. 
„       „    Schädelinnenrauin  1431  Ccm. 

„    das  Hirngewicht  1290  Grm. 

Die  Verhältnisszahl  zwischen  beiden  letzteren  100  :  90,2. 
Sowohl  die  Mittelzahlen  als  auch  die  Reihe  der  Einzel- 
zahlen stimmen  hier  besser  mit  Welker' 8  Zahlen  überein, 
doch  kommen  immerhin  so  grosse  Abweichungen  yor,  dass 
die  Verhältnisszahl  zwischen  Schädelinnenraum  und  Hirn- 
gewicht  bei  mir  bei  den  Männern  um  8,4  Proc.,  bei  den 
Weibern  um  5,9  Proc.  geringer  ist,  als  bei  Welker.  Ausser- 
dem finden  sich  wieder  zu  grosse  individuelle  Verschieden- 
heiten in  dem  Verhältniss  des  Hirngewichtes  zu  dem  Schädel- 
innenraum, um  die  Mittelberechnung  zu  gestatten,  z.  B.  bei 
einer  Differenz  von  nur  2  Grm.  Hirngewicht  eine  Differenz 
von  110  Ccm.  im  Schädelinnenraum. 

Eine  Zusammenstellung  der  Schädelhorizontaltimfänge 
und  der  Hirngewichte  der  Männer  nach  der  Zunahme  ersterer 
von  10  :  10  Mm.  ergiebt  folgende  Reihe : 

Zahlen.     Horizontalumfang.    Hirngewicht. 
1  503  1077 

1  512  1222 

4  520  1404  * 

3  530  1400 

1  540  1275 

Hier  herrscht  wieder  wenig  Harmonie,  und  wenn  auch 
wegen  zu  geringer  Zahl  von  Beobachtungen  die  Mittelzahlen 
kein  Gewicht  haben,  so  sind  doch  individuelle  Differenzen, 
wie  sie  sich  wieder  z.  B.  bei  der  ersten  und  letzten  Reihe 


Bitthoff:  Schädelumfang  und  Gehimgewicht.  5 1 

finden,  zu  gross,  um  eine  anwendbare  Regel  aufstellen  zu 
können.  Allerdings  trägt  zur  Erklärung  dieses  letzten  auf- 
fallenden Verhältnisses  wesentlich  bei,  dass  der  Schädel 
Nro.  IQ.  mit  540  Mm.  Horizontalumfang  und  so  geringem 
Hirngewicht  abnorm  dick  war,  auf  dem  Scheitel  nämlich 
10  Mm.  und  in  der  Peripherie  6  Mm.  Sein  Innenraum 
war  nur  190  Gem.  grösser  als  bei  dem  Schädel  von  503  Mm. 
Horizontalumfang,  und  dem  entsprechend  auch  sein  Hirnge- 
wicht nur  198  Qrm.  grösser. 

Fasse  ich  das  Resultat  aller  vorstehenden  Erfahrungen 
zusammen,  so  komme  ich  zu  dem  Schlüsse,  dass,  wenn 
auch  selbstverständlich  der  Schädelhorizontalumfang  der 
wesentlichste  Factor  für  die  Grösse  des  Schädelinnenraumes 
und  des  Hirngewichtes  ist,  dennoch  auch  noch  andere  Fao 
toren  so4  sehr  auf  das  Verhältniss  sowohl  des  Horizontal- 
umfanges  zum  Innenraum,  als  dieses  zum  Hirngewicht,  und 
daher  auch  des  ersteren  zu  letzterem  bestimmend  einwirken, 
dass  für  den  individuellen  Fall  nicht  mit  genügender  Ge- 
nauigkeit aus  dem  Schädelhorizontalumfange  auf  das  Hirn- 
gewicht geschlossen  werden  kann.  Wo  es  sich  dagegen  um 
Vergleichung  grösserer  Reihen  von  Schädeln  und  Hirnen 
und  um  eine  ihr  Verhältniss  ausdrückende  Mittelzahl  han- 
delt ,  wie  z.  B.  bei  der  Vergleichung^  männlicher  und  weib- 
licher Schädel,  oder  der  Schädel  verschiedener  Ragen,  oder 
vielleicht  auch  nur  Stämmen  derselben  Rage,  da  glaube  ich 
allerdings,  dass  man  sich  vollkommen  mit  dem  einfachen 
Maasse  des  Schädelhorizontalumfanges  begnügen  kann. 


Anhangsweise  glaube  ich  hier  noch  einige  Worte  über 
das  Hirngewicht  von  Tiedemann  äussern  zu  sollen.  Ich 
habe  in  meiner  Gedächtnissrede  auf  denselben  mitgetheilt, 
dass  sein  Gehirn  bei  der  Section  nur  1254  Grm.  wog,  und 
R.  Wagner  hat  natürlich  nicht  unterlassen,  dieses  Ergebniss 

4* 


52  Sitzung  dar  maih.-phys.  Clane  vom  9.  Januar  1864. 

zu  Gunsten  seines  Widerspruches  gegen  den  Parallelismus 
von  Gehirngewicht  und  geistiger  Begabung  und  Entwicklung 
geltend  zu  machen. l)  Welker  hatte  hierauf  an  das  hohe 
Alter  Tiedemann'8  und  die  unzweifelhaften  Zeichen  der 
Atrophie  des  Hirns  erinnert ;  *)  auch  hatte  ich  selbst  brief- 
lich R.  Wagner  auf  dieses  Sectionsresultat  aufmerksam  ge- 
macht, Wagner  hat  darauf  in  den  Göttinger  gelehrten  An* 
zeigen,  1862  16.  April,  p.  604,  erwidert,  „dass  er  sicher 
glaube,  dass  eine  solche  senile  Atrophie  der  Hirnsubstanz 
wohl  höchstens  eine  Gewichtsveränderung  von  20 — 30  Grm. 
betrage.  Der  Gewichtsverlust  müsse  stets  annähernd  er* 
kannt  werden  können  durch  die  Menge  der  serösen  Flüssig- 
keit, welche  den  Raum  der  durch  Atrophie  geschwundenen 
Stellen  einnimmt.  Von  einer  solchen  sei  in  Tiedemann's 
Sectionsbericht  nicht  die  Rede."  In  einer  späteren  Mit- 
theilung in  den  Nachrichten  von  der  G.  A.  Universität  Göt- 
tingen, 1862  v.  12.  Nov.,  p.  480,  hat  sich  dann  Wagner 
erinnert,  dass  im  Sectionsbericht  allerdings  gesagt  ist:  „Die 
Arachnoidea  war  verdickt  und  getrübt  und  unter  ihr  befand 
sich  selbst  an  der  Überfläche  ziemlich  viel  Wasser u,  aber 
er  meint  dennoch,  dass  der  Gewichtsverlust  gewiss  nicht 
mehr  als  50—60  Grm.  betragen  haben  werde.  Die  ange- 
sammelte und  bei  der  Section  abfliessende  Menge  Wassers 
ist  allerdings  nicht  gemessen  worden;  doch  haben  mir  die 
die  Section  ausführenden  Herren  gesagt,  dass  dieselbe  im 
Ganzen  allerdings  bedeutend  gewesen  sei,  und  überhaupt 
war  der  Ausdruck  der  Atrophie  an  dem  Gehirn  deutlich 
genug  ausgesprochen.  Ferner  ist  in  dem  Sectionsbericht 
der  bedeutenden  Dicke  des  Schädels  Erwähnung  gethan, 
und  es  möchte  wohl  die  Frage  aufgeworfen  werden  können, 
ob  diese  nicht  auch  als  eine  Folge  der  schon  länger  einge- 


1)  Vorstudien,  2.  Abtheilung. 

2)  Wachsthum  und  Bau  des  menschlichen  Schädels,  p.  69. 


Buchner:  Das  IWpetMor*.  53 

loteten  Hirnatrophie  betrachtet  werden  könnte;  wenigstens 
war  Tiedemann  sonst  Ton  durchaus  nicht  starkem  Knochen- 
bau. Ein  analoges  Beispiel  scheint  mir  der  oben  in  der 
letzten  Tabelle  mitgetheilte  Fall  Nro.  III.  eines  73-jährigen 
Mannes  zu  sein.  Um  so  mehr  halte  ich  es  unter  diesen 
Umständen  gerechtfertigt,  die  Schädelperipherie  Tiedemann's 
in  Betracht  zu  ziehen.  Dieselbe  beträgt  aber  an  dem  nach 
seinem  Tode  von  dem  Kopf  genommenen  genauen  Abgnss 
545  Mm.,  und  da  er  fast  keine  Haare  mehr  hatte,  anch 
äusserst  abgemagert  und  die  Kopfschwarte  sehr  dünn 
war,  so  kann  für  letztern  allerhöchstem  obige  Mittelzahl 
von  14  Mm.  in  Abzug  gebracht  werden.  Die  Schädelperi- 
pherie betrug  also  531  Mm.  und  dazu  würde  nach  obiger 
Tabelle  als  Mittelgewicht  wenigstens  ein  Gehirn  von  1422  Grm. 
gehören.  Tiedemann's  Gehirn  hätte  sich  also  danach  schon 
etwas  über  das  Mittelgewicht  erhoben. 


Herr  Buchner  sprach: 

1)  Ueber  das  Turpethharz,  eine  Mittheilung  des 
Herrn  Professor  Dr.  Spirgatis  in  Königsberg. 

Bereits  vor  fünf  Jahren  hatte  ich  die  Ehre ,  der  Kgl. 
Akademie  der  Wissenschaften  die  vorläufigen  Resultate  einer 
Untersuchung  über  die  Constitution  des  Scammoniums  zu 
überreichen.1)  Dieselben  bewiesen,  dass  dieses  Harz  ebenso 
wie  zwei  andere  schon  früher  von  Kays  er  und  W.  Mayer 
untersuchte  und  gleichfalls  der  Familie  der  Gonvolvulaceen 
entstammende  Harze,  nämlich  das  Convohulin ,')  das  Harz 

1)  Gelehrte  Anzeigen  der  k.  bayer.  Akademie  der  Wissenschaf- 
ten.   1868.    Nr.  13. 

2)  Kayser,  Annalen  der  Chemie  und  Phannaeie  LI,  81.    Mayer, 
ebendaselbst  LXXXTTT,  121. 


54  Sitzung  der  math.-phySr  Gasse  vom  9.  Januar  1864. 

von  Ipornoea  Purga  Wender,  und  das  Jalapin,*)  das  Hais 
von  Ipornoea  Orizdbensis  Pelletan,  zur  Classe  der  Glucoside 
oder  gepaarten  Zuckerverbindungen  gehöre.  Auch  sprach 
ich  damals  die  durch  fortgesetzte  Versuche4)  fast  zur  Ge- 
wissheit gewordene  Verinutliung  aus,  dass  Scammonin  (ge- 
reinigtes Scammonium)  und  Jalapin  identisch  seien,  und 
fügte  ferner  jener  Mittheilung  die  Bemerkung  bei,  dass 
nach  meinen  Beobachtungen  noch  ein  viertes  drastisches 
Convolvulaceenharz,  nämlich  das  der  Wurzel  von  Ipornoea 
Turpethwn  R.  Br.,  der  Gruppe  der  Glucoside  angehöre. 

Möge  es  mir  nun  gestattet  sein,  der  Kgl.  Akademie  in 
Folgendem  ausfuhrlichere  Mittheilungen  über  letzteren  Gegen- 
stand zu  unterbreiten. 

Ich  bezog  die  Turpethwurzel  von  dem  Triester  Hause 
Behr  &  Comp. 

Die  Wurzel  lieferte  gegen  4  %  Harz,  von  dem  etwa 
Vso  in  Aether  löslich,  das  Uebrige  hingegen  darin  unlöslich 
ist.  Meine  Untersuchung  gilt  allein  dem  in  Aether  unlös- 
lichen Harz. 

Um  dasselbe  zu  gewinnen,  wurde  die  Wurzel  mit  kal- 
tem Wasser  möglichst  erschöpft,  hierauf  getrocknet,  grob 
geschnitten  und  mit  Alkohol  ausgezogen.  Von  den  bräun- 
lich gefärbten  alkoholischen  Auszügen,  welche  trotz  mehr- 
maliger Behandlung  mit  Knochenkohle  sich  nur  wenig  ent- 
färbten, zog  ich  den  Alkohol  ab  und  schied  das  Harz  mit- 
telst Wasser  aus.  Die  so  erhaltene  braungelbe  Masse  wurde 
wiederholt  mit  Wasser  ausgekocht,  getrocknet,  gepulvert  und 
zur  Entfernung  des  in  Aether  löslichen  Theils  vier-  bis 
fünfmal  mit  Aether  geschüttelt  und  eben  so  oft  aus  ihrer 
Lösung  in  absoluten  Alkohol  durch  Aether  gefällt. 

Das   auf   diese  Weise   dargestellte   Harz,    welches  ich 


3)  Mayer,  daselbst  XCV,  129. 

4)  Daselbst  CXVI,  289. 


Budmer:  Dom'  Turpethkars.  55 

Turpefhm  nennen  möchte,  bildet  eine  geruchlose,  anfangs 
indifferent,  später  scharf  and  bitterlich  schmeckende  bräun- 
lich-gelbe  Masse,  welche  ich  durch  kein  Mittel  weiter  zu 
entfärben  vermochte. 

Es  laset  sich  sehr  leicht  zu  einem  graulichen  Pulver 
zerreiben,  wobei  es  einen  fast  unerträglichen  Reiz  auf  die 
Schleimhaut  der  Nase  und  des  Mundes  ausübt.  In  Alkohol 
ist  es  ähnlich  wie  Jalapin  und  Scammonin  leicht  löslich ,  un- 
terscheidet sich  aber  von  diesen  beiden  Harzen  wesentlich 
durch  seine  Unlöslichkeit  in  Aether.  Das  Turpethin  schmilzt 
bei  ungefähr  183  °  C. 

Beim  Erhitzen  auf  Platinblech  färbt  es  sich  nach  dem 
Schmelzen  braun,  dann  schwarz  unter  Ausstossung  eines 
eigentümlichen  scharfen  Geruches,  entzündet  sich  endlich 
und  verbrennt  mit  heller,  niesender  Flamme,  unter  Zurück- 
lassung von  Kohle. 

Gegen  concentrirte  Schwefelsäure  zeigt  dasselbe  ein  ähn- 
liches Verhalten  wie  Convolvulin,  Jalapin  und  Scammonium- 
harz.  Das  Turpethin  löst  sich  nämlich  darin  langsam  zu 
einer  schön  rothen  Flüssigkeit ,  welche  beim  Verdünnen  mit 
Wasser  Anfangs  noch  hpher  röth,  dann  aber  braun  und 
endlich  schwarz  wird. 

Der  Elementaranalyse  unterworfen,  zeigte  das  Turpethin 
im  Mittel  von '  vier  sehr  genau  stimmenden  Verbrennungen 
folgende  Zusammensetzung: 

Kohlenstoff    56,60 
Wasserstoff      7,81 
Sauerstoff       35,59 
100,00. 

Diese  Zahlen  sind  auffallender  Weise  genau  dieselben, 
welche  Mayer  für  die  Zusammensetzung  des  Jalapin's,  und 
welche  ich  für  die  Zusammensetzung  de?  Scammonin's  erhielt. 


56  SiUtmg  der  t*ath.-phy8.  Masse  vom  9.  Januar  1864. 

Mayer  fand  nämlich  als  Mittel  yon  sieben  Verbrennungen 
des  Jalapin's  die  Zahl:6)  v 

Kohlenstoff    56,52 

Wasserstoff      8,18 

Sauerstoff      35,30 
100,00, 
während  ich  bei  der  Analyse  des  Scammonin's  als  Mittel  yon 
acht  Verbrennungen  folgende  Zahlen  erhielt :  •) 

Kohlenstoff    56,50 

Wasserstoff      7,97 

Sauerstoff      35,53 

100,00. 
Aus   diesen  Daten  -  berechneten  wir  fiir  Jalapin   und  Scam- 
monin  die  Formel  C«s  Bas  Ost,  welche  verlangt 

Kohlenstoff    56,66 

Wasserstoff      7,77 

Sauerstoff      35,57 

100,00 
und  ich  habe  keinen  Grund,  dem  Turpethin  eine  andere 
Formel  zu  geben. 

Auch  gegen  starke  Basen  verhalt  sich  das  Turpethin 
ganz  ähnlich  wie  Convolvulm,  Jalapin  und  Scammonin.  Es 
wird  durch  dieselben  unter  Wasseraufhahme  in  eine  in 
Wasser  leicht  lösliche  Säure,  welche  ich  Turpethsäure  zu 
nennen  vorschlage,  umgewandelt. 

Ich  habe  diese  Säure  wie  die  Scammonsäure  darge- 
stellt, indem  ich  das  Turpethin  unter  Beihilfe  von  Wärme 
in  Barytwasser  löste,  den  Baryt  durch  Schwefelsäure  und 
die  überschüssig  zugesetzte  Schwefelsäure  durch  Bleioxyd- 
hydrat entfernte,  hierauf  filtrirte,  aus  dem  Filtrat  das  gelöste 
Bleioxyd  mittelst  Schwefelwasserstoff  ausfällte   und  die  so 


5)  Annalen  der  Chemie  und  Phsrmacie.    XCV,  134. 

6)  Ebendaselbst  CXYI,  296. 


Buthner:  Das  Tvrfxthhar*.  57 

erhaltene  farblose  Massigkeit  zur  Trockene  eindampfte.  Die 
Turpethsaure  bildet  dann  eine  amorphe,  gelblich  gefärbte, 
glanzende,  durchscheinende,  sehr  stark  hygroskopische  Masse ; 
geruchlos  von  säuerlich  -  bitterlichem  Geschmacke  und  stark- 
saurer  Reaction,  beim  Erhitzen  auf  Platinblech  mit  heller 
rossender  Flamme  verbrennend. 

Ich  fand  diese  Säure  im  Mittel  von  drei  Verbrennungen 
zusammengesetzt  aus 

Kohlenstoff  53,88 
Wasserstoff  7,90 
Sauerstoff      38,22 

100,00. 

Ihre  Zusammensetzung  entspricht  mithin  der  Formel:  Ces 
HtoCsf,  aus  welcher  sich  berechnet 

Kohlenstoff  53,97 
Wasserstoff  7,94 
Sauerstoff      38,09 

100,00. 

Die  Turpethsäure  ist  hienach  aus  dem  Turpethin  durch 
Aufnahme  von  vier  Aequivalenten  Wasser  entstanden  und 
unterscheidet  sich  von  der  Jalapin-  und  Scammonsäure, 
welche  die  Formel  C«8  H*»  Oa*  besitzen,  durch  den  Mehr- 
gehalt von  einem  Aequivalent  Wasser. 

Von  zwei  Barytsalzen  dieser  Säure,  welche  ich  dar- 
stellte, ergab  das  erste  im  Mittel  von  mehreren  Versuchen 
die  Zahlen: 

Kohlenstoff  49,55 
Wasserstoff  7,22 
Sauerstoff  34,10 
Baryt  9,13 

100,00. 


58  Sitzung  der  math.'pkys.  Gatte  vom  9.  Januar  1864. 


Das  zweite: 

Kohlenstoff 
Wasserstoff 
Sauerstoff 

45,58 

6,63 

30,49 

Baryt 

17,30 
100,00. 

• 

Das   erste  dieser  Salze  ist 

mithin 

nach   der  Formel: 

Ces  Hs»  Oss, 

BaO  zusammengesetzt,  welche  verlangt 

Kohlenstoff 

49,54 

Wasserstoff 

7,16 

Sauerstoff 

34,00 

Baryt 

9,30 
100,00. 

Das  zweite  aber  entspricht  der  Formel: 

C*8  Hö8  0l4, 

2  BaO, 

denn  diese  verlangt 

Kohlenstoff 

45,78 

Wasserstoff 

6,51 

Sauerstoff 

30,52 

Baryt 

17,19 

100,00. 

Dieselbe  merkwürdige  Spaltung  nun, .  welche  Convolvulin 
und  Convolvulinsäure,  Jalapin  und  Jalapinsäure,  Scammonin 
und  Scammonsäure  bei  der  Behandlung  mit  Mineralsäuren 
erfahren,  erleiden  auch  Turpethin  und  Turpethsäure.  Auch 
sie  zerfallen  hiebei  in  eine  Säure  von  fettartiger  Gonsistenz, 
welcher  ich  den  Namen  Turpetholsäure  beigelegt  habe,  und 
in  Zucker. 

Die  Turpetholsäure  scheidet  sich  bei  der  Spaltung  in 
Form  eines  gelblich-weissen ,  körnigen  Conglomerats  aus. 
Man  reinigt  sie  durch  Auswaschen  und  Schmelzen  mit  Was- 
ser, Auflösen  in  wässrigem  Alkohol,  Entfärben  dieser  Lösung 
mit  Thierkohle  und  drei-  bis  viermaliges  Umkrystallisiren 
aus  verdünntem  Weingeist.  Sie  bildet  so  dargestellt  eine 
schneeweisse  Masse,  welche  bei  300facher  Vergrösserung  die 


Budmer:  Das  Twrpdhharg.  59 

Gestalt  feiner  Nadeln  und  Bündel  derselben  annimmt.  *  Die 
Nadeln  besitzen  etwa  eine  Länge  von  Vioo  bis  a/ioo  Linie. 
Genichlos,  von  kratzendem  Gesohmacke,  in  Alkohol  leicht, 
weit  schwerer  in  Aether  löslich.  Die  Lösungen  reagiren 
sauer.  Die  Turpetholsäure  schmilzt  bei  ungefähr  88°  G. 
Beim  stärkeren  Erhitzen  zersetzt  sie  sich  ähnlich  wie  Scam- 
monolsäure  unter  Verbreitung  eines  weissen,  Augen  und 
Nase  heftig  reizenden  Rauches,  während  Kohle  zurückbleibt, 
die  endlich  auch  vollständig  ohne  Hinterlassung  von  Asche 
verbrennt 

Die  Turpetholsäure  zeigte  im  Mittel  von  drei  Verbren- 
nungen folgende  Zusammensetzung: 

Kohlenstoff  66,53 
Wasserstoff  11,21 
Sauerstoff      22,26 

100,00. 
Diese  Daten  stimmen  mit  der  Formel  CstHtsOs,  denn 
daraus  lässt  sich  berechnen 

Kohlenstoff  66,66 
Wasserstoff  11,11 
Sauerstoff      22,23 

100,00. 
Von  der  Scammonolsäure,  welche  die  Formel  Ost  Hso  0« 
besitzt,   unterscheidet  sich   die  Turpetholsäure   hienach  da* 
durch,  dass  sie  zwei  Aequivalente  Wasser  mehr  enthält. 

Der  Zucker,  welcher  das  zweite  Spaltungsproduct  des 
Turpethins  und  der  Turpethsäure  bildet,  kann  in  der  Flüs- 
sigkeit, aus  welcher  sich  die  rohe  Turpetholsäure  ausge- 
schieden hat,  ohne  Weiteres  durch  die  bekannte  Reaction 
mit  Kali  und  schwefelsaurem  Kupferoxyd,  welche  sehr  schön 
ausfallt,  nachgewiesen  werden.  Behufs  seiner  genaueren 
Constatirung  entfernte  ich,  ähnlich  wie  es  bei  der  Unter- 
suchung des  Scammonium'8  für  den  gleichen  Zweck  ge- 
schehen ist,  die  in  der  Flüssigkeit  befindliche  Schwefelsäure 


60  Sitzimg  der  mafa-phyB.  Ckuse  vom  9.  Januar  1864. 

durch  Bleioxydhydrat,  das  gelöste  Blei  mittelst  Schwefel- 
wasserstoff, dampfte  dann  stark  ein  und  behandelte  den 
Abdampfufigsrückstand  mit  Aether,  am  die  kleine  Menge 
von  Turpetholsäure ,  welche  beim  Erkalten  dar  abgedampf- 
ten Flüssigkeit  sich  noch  ausgeschieden  hatte,  fortzunehmen. 

Die  so  erhaltene  gelbbräunliche  Flüssigkeit  zeigte  alle 
Eigenschaften  des  Zuckers  (Glucos).  Sie  besass  einen  süssen 
Geschmack,  entwickelte  auf  Platinblech  erhitzt  den  Geruch 
nach  Caramel  und  erlitt  durch  Hefe  die  geistige  Gährung. 

Ich  habe  bis  jetzt  zwei  Salze  der  Turpetholsäure  unter- 
sucht, nämlich  das  Natron-  und  das  Barytsalz. 

Das  Natronsalz  bildet  eine  blendend  weisse,  seidenartig 
glänzende  Masse,  welche  bei  300facher  Vergrößerung  die 
Form  von  scharf  ausgeprägten  rhombischen  Platten  mit 
Winkeln  von  etwa  55  und  125  °  annimmt. 

In  100  Theilen  desselben  wurden  gefunden: 

Kohlenstoff  61,90 
Wasserstoff  9,99 
Sauerstoff  18,03 
Natron  10,08 

100,00. 

Das  turpetholsäure  Natron  besitzt  hienach  die  Formel: 
Gss  Hm  07,  NaO,  woraus  sich  berechnen  lässt 

Kohlenstoff  61,94 
Wasserstoff  10,00 
Sauerstoff  18,06 
Natron  10,00 

100,00. 

Den  turpetholsauren  Baryt,  welchen  ich  bisher  nur  in  amor- 
phem Zustande  erhalten  konnte,  fand  ich  in  100  Theilen 
zusammengesetzt  aus 


Buthner:  Zur  Geschichte  des  Berberil.  61 


Kohlenstoff 

58,60 

Wasserstoff 

8,75 

Sauerstoff 

16,02 

Baryt 

21,68 

100,00. 

Die  Formel  CmHmOt,  BaO  verlangt 

Kohlenstoff 

58,99 

Wasserstoff 

8,72 

Sauerstoff 

15,75 

Baryt 

21,54 

100,00. 

Die    bisher   erhaltenen  Resultate   dieser  Untersuchung 
durften  hienach  auf  folgende  Thatsachen  deuten: 

Das  Turpethin  gehört,  wie  das  Convolvuljn,  Jalapin  und 
Scammonin  zu  den  gepaarten  Zuckerverbindungen,  ist  aber, 
obwohl  es  eine  dem  Jalapin  und  Scammonin  gleiche  Zusam- 
mensetzung besitzt,  mit  diesen  Harzen  nicht  identisch,  son- 
dern denselben  nur  isomer,  da  es  sich  von  ihnen,  abgesehen 
Ton  minder  erheblichen  Eigentümlichkeiten,  sowohl  durch 
seine  Unlöslichkeit  in  Aether,  wie  auch  durch  die  abwei- 
chende Zusammensetzung  seiner  Derivate  unterscheidet.  Der 
Spaltungsprocess  des  Turpethins  in  Turpetholsäure  und  in 
Zucker  lässt  sich  durch  folgende  Gleichung  ausdrücken: 
CcsHuOst  +  12  HO  =  CstHstOs  +  S(üisHitOit). 

Fernere  Versuche,  mit  deren  Anstellung  ich  zur  Zeit 
beschäftigt  bin,  werden  entscheiden,  ob  diese  Anschauungs- 
weise die  richtige  ist. 


Derselbe  gab 

2)   Beiträge  zur  Geschichte  des  Berberins. 

Herr  J.  Dyson  Perrins  hat  in  einer  im  Journal  of 
the  Chemical  Society,  XV,  339,  veröffentlichten  Abhandlung 
über  das  Berberin  auch  die  chemische  Untersuchung  dieses 


62  Sitzung  der  inath.-phys.  Masse  vom  9.  Januar  1864. 

wegen  seines  Vorkommens  in  verschiedenen  Pflanzenfamilien 
besonders  interessant  gewordenen  Körpers  zu  geben  versucht. 
Aber  ich  bedauere,  sagen  zu  müssen,  dass  sich  hierin  eine 
Unrichtigkeit  eingeschlichen  hat,  welche  in  Berzelius' 
Jahresbericht  ihren  Ursprung  hat,  und  welche  ich  mir  schon 
darum  zu  berichtigen  erlaube,  weil  sie  auch  von  deutschen 
Journalen,  welche  Perrins'  Abhandlung  aufgenommen  haben, 
unverändert  wiedergegeben  wurde.  Es  wird  nämlich  be- 
hauptet, dass  das  Berberin  im  Jahre  1835  von  Buchner 
und  Herberger  in  Berberis  vulgaris  entdeckt  worden  sei. 
Es  ist  allerdings  wahr,  dass  Buchner  (mein  Vater)  und 
Herberger,  und  zwar  schon  im  Jahre  1830,  in  einer  von 
ihnen  publicirten  Abhandlung ')  über  die  Berberizenwurzel 
den  gelben  Bitterstoff  dieser  Wurzel,  welchen  sie  Berberin 
nannten,  beschrieben,  allein  aus  dieser  Beschreibung  ersieht 
man  deutlich,  dass  ihnen  die  Darstellung  des  Berberins  im 
reinen  Zustande  nicht  viel  besser  gelungen  war,  als  Bran- 
des', welcher  im  Jahre  1825  eine  Analyse  derselben  Wur- 
zel unternommen  hatte.8)  Buchner  und  Herberger  beschrie- 
ben das  von  ihnen  dargestellte  Berberin  als  eine  extrakt- 
artige, hygroskopische  Masse,  sehr  leicht  löslich  in  Wasser 
und  Alkohol.  Aus  der  ganzen  Beschreibung  ist  ersichtlich, 
dass  sie  das  Berberin  noch  nicht  im  reinen  Zustande  erhal- 
ten hatten;  dieser  Stoff  von  damals  war  kaum  mehr  als 
ein  gereinigtes  weingeistiges  Extrakt,  welches  sich  zum  jetzi- 
gen Berberin  ungefähr  verhält,  wie  ein  gereinigtes  Bella* 
donnaextrakt  zum  krystallisirten  Atropin. 

Die  Darstellung  des  Berberins    im  krystallisirten  Zu- 
stande gelang  erst  drei  Jahre  später   meinem  Vater  allein, 


1)  Chemische  Abhandlang  aber  die  Berberizenwnnel;  von  Dr. 
J.  A.  Bachner  and  J.  E.  Herberger.  Repertoriam  für  die  Pharma- 
cie,  XXX VI,  1. 

2)  Archiv  der  Pharmacie,  XI,  29. 


Budmer:  Zw  Geschickte  des  Berberins.  63 

ab  er  eine  grössere  Menge  der  Wurzelrinde  von  Berberis 
vulgaris  mit  kochendem  Wasser  aaszog  and  das  wässrige 
Extrakt  mit  heissem  Alkohol  behandelte. 8)  Das  auf  diese 
Weise  erhaltene  and  gehörig  gereinigte  Berberin  wurde 
hierauf  von  meinem  Vater  and  mir  näher  stadirt  and  in 
einer  im  Jahre  1835  'veröffentlichten  Abhandlang  beschrie* 
ben.4)  Diese  Abhandlang  ist  mehr  oder  minder  vollständig 
«ich  in  mehrere  andere  Zeitschriften  übergegangen,  nament- 
lich in  Liebig's  Annalen  der  Pharmacie,  XXIV,  228.  Ber- 
lelius  berichtet  von  dieser  Arbeit  in  seinem  Jahresbericht 
von  1836  (XVI.  Jahrgang)  ebenfalls,  indem  er  daselbst 
(S.  288  der  deutschen  Aasgabe)  sonderbarer  Weise  sagt: 
,3nchner  und  Herberger  haben  das  von  ihnen  entdeckte 
Berberin  (Jahresb.  1833,  p.  275)  einer  neuen  und  vollstän- 
digeren Untersuchung  unterworfen,  wobei  es  ihnen  gluckte, 
dasselbe  rein  zu  erhalten."  Dieser  Irrthum  ist  denn  auch 
Ton  Herrn  Perrins  in  seine  sonst  ausgezeichnete  Abhandlung 
aufgenommen  worden;  er  ist  dadurch  in  denselben  Fehler 
verfidlen,  wie  mehrere  andere  Chemiker,  welche  die  Ge- 
schichte ihrer  Wissenschaft  nicht  aus  den  Quellen,  sondern 
ans  Jahresberichten  oder  anderen  mehr  oder  minder  ma- 
geren, das  Wesen  der  Sache  nicht  selten  entstellenden  Aus- 
zügen zu  schöpfen  pflegen. 

Aber  ich  muss  mich  hier  selbst  wegen  eines  Irrthumes 
anklagen,  welchen  ich  bei  meinem  Studium  des  Berberins 
begangen  habe,  nämlich  wegen  des  Irrthumes,  damals  die 
basische  Natur  des  Berberins  verkannt  zu  haben.  Der  Um- 
stand, dass  das  Berberin  ein  Farbstoff  ist,  wegen  dessen  das 


3)  8.  Repertorium  für  die  Pharmacie,  2.  Reihe,  II,  8. 

4)  Ueber  das  Berberin  in  chemischer,  medicinischer  und  tech- 
nischer Beziehung;  von  A.  Bachner,  Vater  und  Sohn.  Vorgelesen 
in  der  Sitzung  der  k.  Akademie  der  Wissenschaften  zu  München 
am  9.  Mai  1886.    Repertorium  für  die  Pharmacie,  2.  Reihe,  11,  1. 


64  Sitzung  der  math.-phys.  Ciasse  vom  9.  Januar  1864. 

Wurzelholz  des  Berberizenstrauches  sogar  zum  Gelbfärben 
des  Leders  benützt  wird,  liess  in  mir  nicht  den  Gedanken 
aufkommen,  dass  dieser  schöne  Farbstoff,  obgleich  stick- 
stoffhaltig, zu  den  Alkaloiden  gehöre,  weil  zu  jener  Zeit  ein 
farbiges,  zum  Färben  der  Gewebe  dienliches  Alkaloid  etwas 
ungewöhnliches  war.  Auch  die  Eigenschaft  des  Berberins, 
ähnlich  einigen  anderen  gelben  Farbstoffen,  durch  Alkalien 
dunkler  gefärbt  zu  werden,  und  dann  beim  Ansäuern  der 
alkalischen  Flüssigkeiten  seine  ursprüngliche  reingelbe  Farbe 
wieder  anzunehmen,  ferner  seine  Eigenschaft,  durch  einige 
Säuren,  anstatt  in  einen  löslicheren  Zustand  überzugehen, 
aus  seiner  Auflösung  gefällt  zu  werden  und  auch  mit  meh- 
reren Metallsalzen  Niederschläge  zu  bilden  —  alles  dieses 
lenkte  mich  leider  von  der  Idee  ab,  dass  das  Berberin  ein 
Alkaloid  sein  könnte. 

Es  wird  allgemein  behauptet,  dass  der  basische  Charak- 
ter des  Berberins  zuerst  von  Fleitmann  erkannt  worden 
sei,*  welcher  im  Jahre  1846  eine  ausführliche  Arbeit  über 
das  Berberin  und  seine  Salze  bekannt  gemacht  hat. ')  Ohne 
das  Verdienst  Fleitmann's,  die  Eigenschaften  und  die  Zu- 
sammensetzung des  Berberins  und  seiner  salzigen  Verbin* 
düngen  genauer  kennen  gelernt  zu  haben,  als  diess  früher 
geschehen  war,  nur  im  Geringsten  schmälern  zu  wollen, 
muss  ich  doch  erwähnen,  dass  Herr  Dr.  G.  Kemp  aus 
Cambridge  der  Erste  war,  welcher  die  Eigenschaft  des  Ber- 
berins, mit  Säuren  Verbindungen  einzugehen,  wahrgenom- 
men hat.  Herr  Kemp  hat  seine  Beobachtungen  hierüber  im 
Jahre  1841  gemacht  und  über  einige  dieser  krystallisirten 
Verbindungen  eine  kurze  Notiz  im  Repertorium  für  die 
Pharmacie,  2.  Reihe,  XXIH,  118  veröffentlicht.  Spater  wur- 
den von  diesem  Chemiker  das  Platindoppelsalz  und  andere 


6)  Annalen  der  Chemie  und  Pharmaoie.    L1X,  160. 


Büchner:  Zur  Geschichte  des  Berberins.  65 

Berberinsalze  analysirt ;  diese  Analysen  stehen,  wenn  ich  nicht 
irre,  in  der  Chemical  Gazette  V.  5,  S.  209. 

Meine  erste  Analyse  des  Berberins,  welche  ich  in  der 
gemeinschaftlich  mit  meinem  Vater  veröffentlichten  Abhand- 
lung mitgetheilt  habe,  weicht  bedeutend  von  den  Analysen 
Fleitmann's  und  anderer  Chemiker  ab.  Die  Ursache  dieser 
Differenz  liegt  zum  Theil  darin,  dass,  wie  Fleitmann  nach- 
gewiesen hat,  das  früher  für  rein  gehaltene  Berberin  kein 
freies,  sondern  salzsaures  Berberin  war.  Ich  habe  mich 
seitdem  auf  das  Bestimmteste  überzeugt,  dass  das  aus  der 
Berberizenwurzelrinde  durch  kochendes  Wasser  ausgezogene 
und  durch  Auflösen  in  kochendem  Alkohol  gereinigte  Ber- 
berin,  anch  wenn  zu  seiner  Reinigung  gar  keine  Salzsäure 
angewendet  wurde,  dennoch  eine  bedeutende  Menge  Salz« 
säure  enthält.  Allerdings  kam  bei  der  Darstellung  einer 
grösseren  Menge  Berberins  im  Laboratorium  meines  Vaters, 
ans  welchem  auch  das  Untersucliungsmaterial  Fleitmann's 
stammte,  Salzsäure  in  so  fem  in  das  Spiel,  als  man  damit 
das  Berberin  aus  den  letzten  Mutterlaugen  ausfällte,  allein 
da  ich  das  von  mir  auf  Salzsäure  untersuchte  Berberin  selbst 
dargestellt  hatte,  so  konnte  ich  sicher  sein,  dass  hierzu  keine 
Salzsäure  genommen  worden  war.  Gleichwohl  gab  es,  als 
es  mit  reinem  Kalk  geglüht  und  die  geglühte  Masse  in  ver- 
dünnter Salpetersäure  aufgelöst  worden  war,  mit  Silber- 
lösung einen  bedeutenden  Niederschlag  von  Chlorsilber.  Es 
ist  also  erwiesen,  dass  das  Berberin  unmittelbar  aus  der 
Berberizenwurzelrinde  mit  alleiniger  Anwendung  von  Wasser 
und  Alkohol  wenigstens  theilweise  als  salzsaure  Verbindung 
erhalten  wird;  entweder  ist  diese  Verbindung  in  der  Ber- 
berize  schon  gebildet  vorhanden,  oder  sie  bildet  sich,  wie 
Fleitmann  vermuthet,  durch  wechselseitige  Zersetzung  von  Chlor- 
kalium *)  oder  Chlornatrium  und  organisch-saurem  Berberin. 


6)  In  der  Asche  eines  kalt  bereiteten  wässrigen  Antrages  der 
[1864.L  1.]  5 


66  Sitzung  der  math.-phys.  Glosse  vom  9.  Januar  1864. 

Ich  habe  indessen  Ursache  zu  vermuthen,  dass  die  ans 
der  Berberizenwurzelrinde  erhaltenen  gelben  Krystalle  nicht, 
oder  wenigstens  nicht  immer  vollkommen  salzsaures  Ber- 
berin seien.  Ich  habe  vor  21  Jahren,  als  ich  mich  in  Iie- 
big's  Laboratorium  in  Giessen  mit  chemischen  Untersuchungen 
beschäftigte,  ein  durch  wiederholtes  Umkrystallisiren  aus 
kochendem  Alkohol  scheinbar  vollkommen  gereinigtes  Ber- 
berin mehrmals  analysirt  und  immer  mehr  Kohlenstoff,  als 
das  reine  salzsaure  Berberin  verlangt,  aber  weniger,  als  im 
freien  Berberin  enthalten  ist,  erhalten.  Eine  Chlorbestim- 
mung wurde  nicht  vorgenommen,  weil  ich  damals  einen 
Salzsäuregehalt  im  Präparat  nicht  ahnte.  Aber  selbst  die 
verschiedenen  Krystallisationen  eines  und  desselben  Präpa- 
rates waren  nicht  gleich  zusammengesetzt;  eine  KrystaLli- 
sation  gab  mir  63,11,  eine  zweite  64,29  und  64,33  und 
eine  dritte  sogar  65,55  und  65,68  pr.  C.  Kohlenstoff.  Das 
salzsaure  Berberin  verlangt  gegen  63  und  das  freie  Berberin 
ein  wenig  über  67  Proc.  Kohlenstoff.  Die  von  mir  beob- 
achteten Schwankungen  mögen  zum  Theil  daher  rühren, 
dass  das  salzsaure  Berberin,  wie  Herr  Perrins  gefunden  hat, 
bei  längerem  Erwärmen  auf  ungefähr  100°  C.  etwas  zer- 
setzt wird,  wesshalb  das  salzsaure  Salz  zur  Elementaranalyse 
nicht  geeignet  ist,  und  auch  daher,  dass  das  Beinigen  der 
Berberinsalze  durch  Umkrystallisiren  sehr  schwierig  ist. 
Allein  die  gefundenen  Zahlen  lassen  mich  auch  vermuthen, 
dass  ich  es  mit  einem  Gemenge  von  salzsaurem  und  freiem 
Berberin  zu  thun  hatte« 

Herr  Perrins  giebt  an,  dass  die  Herren  Chevallier 
und  Pelletan  das  Berberin  zuerst  beobachtet,  dass  sie  es 
schon  im  Jahre  1826  ans  Xanthoxylum  ciava  Herctdis  er- 
halten und  unter  der  Benennung  XanihopikrU  sehr  genau  (?) 


Berberäenwuraelrinde  fand  iob  eine  ziemlich  bedeutende  Menge  von 
Chlor! 


Budmer :  Das  äiher.  Od  a.  d.  Frikktfi*  v.  Abtes  Reg.  AmaUae.     67 

beschrieben  haben. 7)  Diess  ist  richtig ,  allein  dessenunge- 
achtet wnsßte  Niemand  etwas  von  dem  Vorkommen  des  Bei> 
berins  in  der  genannten  Pflanze,  so  lange  nicht  die  Identität 
des  Xanthopikrits  und  desBerberins  nachgewiesen  war,  was 
erst  in  neuester  Zeit  von  Herrn  Perrins  geschehen  ist.  Die 
Entdeckung,  dass  Xanthoxylum  Berberin  enthält,  ist  also 
eigentlich  von  Herrn  Perrins  und  nicht  von  den  Herren 
Chevallier  und  Pelletan  gemacht  worden.  Wie  dem  auch 
aei,  so  viel  ist  gewiss,  dass  das  Berberin  ans  der  Pflanze, 
von  welcher  es  seinen  Namen  hat,  im  krystallisirten  Zustande 
zuerst  von  meinem  verstorbenen  Vater  dargestellt  worden 
ist;  die  Ehre  der  Entdeckung  dieses  schönen  Stoffes  wird 
also  auch  fernerhin  diesem  zuerkannt  werden  müssen.  • 


7)  Journ.  de  Chimie  m&Licale.  11,  314  Im  Originale  steht  Zan~ 
fhoayhm  und  Zanfhopicrite  anstatt  Xanthoxylum  und  Xanthopicrite, 
welche  offenbar  die  richtigeren  Namen  sind. 


3)  Ueber  das  ätherische   Oel   aus   den   Früchten 

von  Abies  Beginae  AmaUae. 

Der  Güte  des  Herrn  Leibarztes  Dr.  Lindermayer  in 
Athen  verdanke  ich  eine  Sendung  von  Samen  oder  viel- 
mehr Früchten  jener  Tanne,  welche  man  vor  einigen  Jahren 
in  den  Wäldern  Arkadiens  auffand  und,  weil  man  sie  für 
eine  neue  Art  hielt,  der  Königin  von  Griechenland  zu  Ehren 
Abies  Beginae  Amaliae  benannte.  Es  kommt  mir  nicht  zu, 
darüber  zu  entscheiden,  ob  diese  Tanne  wirklich  eine  be- 
sondere neue  Species,  oder  ob  sie,  wie  Einige  glauben,  nur 
eine  Varietät  einer  der  schon  bekannten  Abiesarten  sei; 
ihre  Früchte  erregten  mein  Interesse  besonders  wegen  des 
sehr  angenehm  riechenden  ätherischen  Oeles,  welches  in  der 
Fruchtwand  in  so  reichlicher  Menge  enthalten  ist,  dass  ea 

6* 


68  Sitmng  der  maih.-phys.  Glosse  xxm  9.  Januar  1864. 

beim  Zerdrücken  derselben  ausfliesst.  Dieses  Oel  iässt  sich 
daher  sehr  leicht  durch  Destillation  der  zerquetschten  Früchte 
mit  Wasser  gewinnen;  ans  150  Grammen  Früchte  wurden 
auf  diese  Weise  etwas  über  26,25  Grm.  Oel  erhalten,  wel- 
ches auf  dem  überdestillirten  Wasser  schwamm;  da  aber 
ein  Theil  des  Oeles  im  Wasser  gelöst  blieb,  so  lässt  sich 
annehmen,  dass  die  genannten  Früchte  wenigstens  18  Pröc. 
flüchtiges  Oel  enthalten. 

Herr  Dr.  Eduard  Thiel  aus  Gassei  hat  dieses  Oel  in 
meinem  Laboratorium  einer  Untersuchung  unterworfen,  wo- 
raus sich  ergiebt,  dass  es  wie  die  übrigen  bekannten  flüch- 
tigen Oele  der  Coniferen  zur  Gruppe  der  Camphene  mit  der 
Formel  CaoHie  gehöre. 

Es  ist  frisch  destillirt  ganz  farblos  und  sehr  dünnflüssig. 
Sein  Geruch  ist  von  demjenigen  des  Terpenthinöles  ganz 
verschieden;  er  ist,  wie  schon  erwähnt,  sehr  angenehm  bal- 
samisch, citronenartig  und  noch  feiner  als  jener  des  ätheri- 
schen Oeles  aus  den  Zweigen  von  Pinus  Pumilio  H. ,  wel- 
ches vor  vier  Jahren  in  meinem  Laboratorium  von  Herrn 
Miko lasch  aus  Lemberg  untersucht  worden  ist.1) 

Das  specifische  Gewicht  des  entwässerten  Oeles  wunje 
bei  mittlerer  Temperatur  =  0,868  gefunden.  Es  zeigte  bei 
einer  Temperatur  von  -f  20,2  °  C.  und  einer  Länge  der 
Flüssigkeitssäule  von  25  Centimeter  eine  Ablenkung  der 
Ebene  des  polarisirten  Lichtes  von  bloss  5  °  nach  links. 
Unter  dem  gewöhnlichen  Luftdrucke  begann  es  bei  156°  C. 
zu  sieden;  der  Kochpunkt  stieg  aber  bald  auf  170°,  blieb 
dann  längere  Zeit  constant  und  erhöhte  sich  endlich  bis 
auf  192  °. 

Die  Elementaranalyse  des  mittelst  Ghlorcalciums  ent- 
wässerten und  rectificirten  Oeles  wurde  mit  Kupferoxyd  im 
Sauerstoffstrome  ausgeführt  und  gab  folgendes  Resultat: 

1)  S.  Annalen  d.  Chem.  u.  Pharm.  CXY1,  328;  auch  mein  Reper- 
toriuxn,  IX,  837. 


Buchner :  Das  äther.  Od  a.  &.  Früchten  t>.  Mim  Beg.  AmaUae.      69 

I.  0/200    Grm.   gaben    0,630   Kohlensäure   und  0,23 
Wasser. 

II.  0,300  Grm.  lieferten  0,946  Kohlensäure  und  0,342 
Wasser. 

HL     0,310  Grm.   gaben  0,977  Kohlensäure  und  0,355 
Wasser. 

Diess  macht  für  100  Theile: 

I.  U.         UI.        Mittel. 

Kohlenstoff    65,91     86,00     85,96       85,96 
Wasserstoff    12,77     12,67     12,73       12,72. 

Man  sieht  aus  diesen  Zahlen,  dass  das  Oel  in  dem  Zu* 
stände,  in  welchem  es  zur  Elementaranalyse  verwendet  wurde, 
gleich  mehreren  anderen  ätherischen  Oelen  aus  der  Reihe 
der  Camphene  nicht  vollkommen  sauerstofffrei  ist.  Gleich- 
wohl wirkt  es  auf  blankes  Kalium  oder  Natrium  nur  sehr 
wenig  ein;  es  entwickeln  sich  bloss  anfangs  einzelne  Gas- 
bläschen, wobei  sich  das  Oel  bräunlich  färbt,  dann  aber 
scheint  jede  Einwirkung  aufzuhören,  denn  das  Metall  bleibt 
in  der  Regel  vollkommen  blank;  nur  manchmal  umhüllt  es 
sich  mit  einer  gelb-rothen  gallertartigen  Masse.  Eine  Ver- 
änderung des  Geruches  findet  durch  diese  Veränderung  nicht 
statt.  Die  wenigen  Gasbläschen,  welche  sich  in  deji  ersten 
Momenten  der  Berührung  des  entwässerten  Oeles  mit  Kalium 
oder  Natrium  entwickeln ,  deuten  darauf  hin ,  dass  von  der 
geringen  Menge  Sauerstoff,  welche  in  dem  Oele  enthalten 
ist,  sich  wenigstens  ein  Theil  im  Hydratzustande  darin  be- 
findet. Uebrigens  zieht  dieses  Oel  sehr  rasch  Sauerstoff  aus 
der  Luft  an  und  verharzt  sich  dabei,  so  dass  es  schon  dess- 
balb  schwer  ist,  es  vollkommen  sauerstofffrei  zu  erhalten. 
Die8s  gelingt  am  besten,  wenfi  man  das  mit  Kalium  oder 
Natrium  behandelte  Oel  in  einem  mit  Kohlensäure  gefüllten 
Apparat  destillirt  und  sogleich  darauf  in  Glasröhren  bringt, 
deren  Spitzen  vor  der  Lampe  zugeschmolzen  werden. 

Die  Eigenschaft,  den  Sauerstoff  aus  der  Luft  anzuziehen 


70  Sifamg  der  mctfh.-phys.  Gasse  vom  9.  Januar  1864. 

und  zunächst  zu  ozonisiren,  besitzt  dieses  Oel  in  einem  viel 
höheren  Grade,  als  das  Terpenthinöl ,  denn  während  man 
eine  Mischung  von  letzterem  mit  Stärkekleister  und  Jod- 
kaliumlösung längere  Zeit  an  der  Luft  den  Sonnenstrahlen 
aussetzen  muss,  um  Jod  frei  zu  machen  und  die  blaue 
Reaction  von  Jodstärke  zu  beobachten,  geschieht  dieses  mit 
dem  Oele  aus  den  Früchten  der  neuen  Tanne  schon  nach 
wenigen  Minuten.  Ebenso  wird  mit  Schwefelblei  überzogenes 
Papier  nach  dem  Befeuchten  mit  letzterem  Oele  und  Aus- 
setzen an  das  Sonnenlicht  viel  schneller  entfärbt,  als  durch 
Terpenthinöl. 

Während  das  Oel  durch  Sauerstoffanziehung  sich  ver- 
dickt und  verharzt,  ändert  es  auch  seinen  angenehmen  Ge- 
ruch in  einen  viel  weniger  angenehmen.  Da  man  aber  die 
Früchte  der  genannten  Tanne  einige  Jahre  in  offenen  Ge- 
lassen aufbewahren  kann,  ohne  dass  das  ätherische  Oel 
darin  seinen  balsamischen  Gerach  oder  den  dünnflüssigen 
Zustand  verändert,  so  muss  angenommen  werden,  dass  es 
sich  hier  in  luftdichten  Behältern  eingeschlossen  befindet. 
Diese  ergiebt  sich  auch  daraus,  dass  diese  Früchte,  so  lange 
sie  unverletzt  sind,  ungeachtet  ihres  Reichthumes  an  ätheri- 
schem Oele  nicht  darnach  riechen. 

Gegen  Jod  verhält  sich  dieses  Oel  ganz  anders,  alsdaa 
Terpenthinöl;  es  löst  nämlich  das  Jod  vollkommen  ruhig 
ohne  Dampfbildung  und  ohne  sich  zu  erhitzen  auf.  Die 
Auflösung  ist  braunroth  gefärbt  und  besitzt  den  unveränder- 
ten Geruch  des  Oeles  und  des  Jodes  zugleich. 

Ein  Theil  des  Oeles  wurde  in  der  Kälte  der  Einwirkung 
Ton  entwässertem  Chlorwasserstoff  ausgesetzt,  wobei  es  sich 
gelb,  dann  braun  und  zuletft  violett  färbte.  Das  mit  salz- 
saurem Gase  gesättigte  Oel  wurde  durch  Waschen  mit  Was- 
ser und  einer  Lösung  von  doppeltkohlensaurem  Natron  von 
der  anhängenden  Salzsäure  befreit  und  durch  Chlorcalcium 
entwässert,   worauf  es   eine  gelbliche  Flüssigkeit  darstellte, 


AuJmer:  Das äiher. Od a.cL  Früchten*  Abics Reg.  Amaliae.     71 

Ton  einem  dem   des  ursprünglichen  Oeles  ähnlichen,  aber 
minder  angenehmen  Gerüche. 

Zar  Analyse  dieser  Verbindung  wurde  ihr  Dampf  über 
reinen,  in  einer  Glasröhre  zum  Glühen  erhitzten  Aetzkalk 
geleitet,  dieser  dann  in  verdünnter  Salpetersäure  gelöst  und 
die  Menge  des  Chlors  in  dieser  Lösung  durch  salpetersaures 
Silberoxyd  bestimmt.  0,330  Grm.  der  Verbindung  gaben 
0,280  Gm/  Chlorsilber,  was  20,98  Proc.  Chlor  oder  21,57 
Proc.  Chlorwasserstoff  entspricht.  Diese  Verbindung  ist  dem- 
nach wie  die  meisten  Verbindungen  der  Camphene  mit 
Chlorwasserstoff  nach  der  Formel  Cs»Hi<,  HCl,  welche 
20,58  Proc.  Chlor  verlangt,  zusammengesetzt.  Da  diese 
Verbindung  in  der  Kalte  nichts  Erystallinisches  ausschied 
und  da  sich  auch  beim  Erhitzen  mit  rauchender  Salpeter- 
säure nach  Berthelot's  Methode  nichts  Festes  daraus  subli- 
mirte,  so  darf  angenommen  werden,  dass  das  ätherische  Oel 
aus  den  Früchten  der  arkadischen  Tanne  nur  aus  einem 
einzigen  Individuum  bestehe,  und  nicht  wie  das  Terpenthinöl 
ein  Gemisch  von  zweierlei  Camphenen  sei. 

Als  Heilmittel  kann  das  neue  Oel,  wie  die  von  Herrn 
Professor  Seitz  in  hiesiger  Poliklinik  angestellten  Versuche 
beweisen,  in  allen  den  Fällen  benützt  werden,  in  welchen 
man  das  Terpenthinöl  anzuwenden  pflegt;  wegen  seines 
angenehmen  Geruches  verdient  es  diesem  vorgezogen  zu 
werden. 


T2  Sitoung  der  math^pkys.  dorne  wm  9.  Januar  1864. 


Herr  von  Kobell  trug  vor: 

„Ueber  den  Aedelforsit  and  Sphenoklas". 

1. 

Unter  dem  Namen  Aedelforsit  sind  zwei  Mineralien  be- 
kannt, welche  beide  zu  Aedelfors  in  Schweden  vorkommen 
und  von  Hisinger  und  Retzius  analysirt  wurden.     Retzius 

i 

selbst  hat  das  von  ihm  untersuchte  Mineral  zu  Hisinger's 

Mehlzeolith  gestellt.    Er  giebt  an,  dass  es  mit  Salpetersäure 

gelatinire  und  schreibt  für  die  Mischung  die  mineralogische 

Formel  CS8  +  3ASS  +  4Aq.     Die  Analyse  gab: 

Kieselerde  60,280 

Thonerde  15,416 

Kalkerde  8,180 

Eisenoxyd  4,160 
Talkerde  und 

Manganoxyd  0,420 

Wasser  11,070 

99,526. 

(Schweigger's  N.  Jahrbuch  f.  Chemie  und  Physik.     Bd.  27.    1819. 

p.  892.) 

Das  von  Hisinger  untersuchte  Mineral  habe  ich  meines 
Wissens  zuerst  nach  dem  Fundorte  Aedelfors  benannt  und 
will  es  hier  unter  diesem  Namen  weiter  besprechen.     Hisinger 

hat  es  nach  seiner  Analyse  wesentlich  als  GaSi  bestimmt 
mit  eingemengtem  Silicat  von  Thonerde,  Talkerde,  Eisenoxyd 
und  Manganoxyd.     Er  fand  nämlich : 


Kieselerde 

.57,75 

Kalkerde 

30,16 

Talkerde 

4,75 

Thonerde 

.3,75 

Eisenoxyd 

1,00 

Manganoxyd 

0,65 

98,06. 
(Kongl.  Vetenskaps-Academiens  Handlingaf,  För  AB  1888.) 


v.  KobtR:  Da»  Aeddforrit  und  Sphcnoklcu.  73 

Er  rechnete  damals  die  Sauerstoffmenge  der  Talkerdc 
nicht  zu  der  der  Kalkerde,  sondern  zu  der  der  Thonerde. 
Dass  icti  dasselbe  Mineral  vor  mir  hatte,  beweist  ausser  der 
übereinstimmenden  Beschreibung  auch  dessen  von  Hisinger 
angegebene  Eigenschaft,  beim  Erwärmen  mit  grünlichgelbem 
Lichte  stark  zu  phosphoresciren. 

Dieses  Mineral  kommt  in  derben  Massen  vor,  welche 
ausgezeichnet  kleinsplitterigen  Bruch  zeigen.  Unter  der  Lupe 
erkennt  man  kristallinische,  sehr  feinkörnige,  mitunter  auch 
in's  verworren  Faserige  übergehende  Structur.  Die  Farbe 
ist  gelblich-graulichweiss ,  es  ist  an  den  Kanten  durchschei- 
nend. Die  Härte  steht  der  des  Orthoklas  ziemlich  nahe  und 
das  6pecifische  Gewicht  fand  ich  =  3,0  (Hisinger  giebt  es 
nur  zu  2,584  an). 

Vor  dem  Löthrohre  schmelzen  feine  Splitter  =  4,  ein- 
zelne Blasen  entwickelnd  zu  einem  glänzenden  grünlichen, 
halbdurchsichtigen  Glase.  Beim  Erhitzen  eines  grösseren 
Stückes  kann  man  schon  am  Tageslicht  das  Phosphoresciren 
bemerken.  Von  Salzsäure  und  Schwefelsäure  wird  das  Mi* 
neral  nur  sehr  wenig  angegriffen.  Da  es  mit  Calcit  ver- 
wachsen ist,  so  wurde  das  zur  Analyse  verwendete  Pulver 
zuvor  durch  schwache  Salzsäure  von  diesem  gereinigt  und 
mit   Kalilauge    aufgeschlossen.     Die    Trennung    der   Basen 

R  und  R  geschah  durch  Neutralisiren  der  sauren  Auflösung 
mit  doppelt  kohlensaurem  Natron  und  wurde  am  Präcipitat, 
welches  wieder  in  Salzsäure  gelöst  wurde,  wiederholt  und 
dadurch  n.och  etwas  Kalk  und  eine  merkliche  Menge  Talk* 
erde  abgeschieden. 

Die  Analyse  gab: 


74  Stiftung  der  math-phys.  Clause  vom  9.  Januar  1864. 


>*~ 

Sauerstoff. 

Kieselerde 

61,36 

.     32,72 

Thonerde 

7,00 

.       3,27 

Kalkerde 

20,00 

.       5,71 

Talkerde 

8,63 

.       3,45 

.9 

Eisenoxydul 

2,70 

.       0,59 

Spar  v.  Man- 

ganoxydul 

9,75 


99,69 

Obwohl  der  Eisengehalt  sehr  gering  ist,  so  stellte  ich 
doch  einen  Versuch  an,  dessen  Oxydationszustand  zu  be- 
stimmen. Ich  erhitzte  etwa  2,5  Gm.  des  Mineralpulvers 
mit  dem  5-fachen  Gewicht  feingeriebenen  Boraxglases  gemengt 
in  einer  kleinen  gläsernen  Retorte,  deren  Rohr  in  eine  Flasche 
eingefügt  war,  in  welcher  Kohlensäure  entwickelt  wurde. 
Als  die  Retorte  nach  längerem  Glühen  durch  Verstärkung 
der  Gasflamme  zu  schmelzen  begann,  schlug  ich  den  Hals 
ab  und  liess  den  Kolben  in  einem  bedeckten  Gefässe  erkal- 
ten. Ich  zerrieb  dann  den  zum  Theil  nur  zusaminengesin* 
terten  Inhalt,  ohne  das  etwa  anhängende  Glas  zu  entfernen, 
und  kochte  das  Pulver  in  einem  Glaskolben  mit  verdünnter 
Salzsäure,  unter  Hinzufügen  einiger  kleinen  reinen  Calcit- 
krystalle.  Die  Flüssigkeit  wurde  filtrirt  und  ich  bewerk- 
stelligte dieses  in  einer  Atmosphäre  von  Kohlensäure  in  der 
Art,  dass  ich  in  das  Filtrum,  welches  gross  genug  war,  die 
Flüssigkeit  auf  einmal  zu  fassen,  einen  kleinen  Calcitkrystall 
warf  und  ebenso  Calcit  in  das  Cylinderglas  brachte,  welches 
das  Filtrat  aufnahm.  Die  sauere  Flüssigkeit  entwickelte  so 
im  Trichter,  welcher  mit  einer  Glasplatte  bedeckt  wurde, 
Kohlensäure  und  das  Filtrat  befand  sich  auch  in  einer  At- 
mosphäre von  Kohlensäure.  Natürlich  ist  dieses  einfache 
Verfahren  nur  anwendbar,  wo  es  sich  nicht  um  die  gesammte 
zu  filtrirende  Flüssigkeit,  sondern  nur  um  einen  beliebigen 
Theil  derselben  handelt,  denn  ausserdem  würde  das  Brausen 


v.  KobeH:  Das  Aeddforsit  und  Sphenoklas.  75 

und  Spritzen  im  Trichter,  ungeachtet  der  aufgelegten  Glas- 
platte, doch  einen  Verlust  herbeifuhren.  Nachdem  das  Fil- 
trat' erkaltet  war,  titrirte  ich  dasselbe  durch  eine  Lösung 
Ton  phosphorsaurem  Manganoxyd.  Nach  Beendigung  der 
Oxydation  kochte  ich  die  rosenrothe  Flüssigkeit  in  einem 
Kolben  mit  einem  Ueberschuss  von  reinem  Zink,  stellte 
dann  das  ursprüngliche  Volumen  durch  verdünnte  Salzsäure 
wieder  her  und  titrirte  abermals.  Der  Verbrauch  derMan- 
ganlösung  war  in  beiden  Versuchen  so  gleich,  dass  kein 
Zweifel  blieb,  das  Eisen  als  Oxydul  in  Rechnung  zu  bringen. 

Ich  ziehe  für  dergleichen  analytische  Untersuchungen 
eine  Lösung  von  phosphorsaurem  Manganoxyd  *)  der  ge- 
wöhnlichen Chamäleonlösung  vor,  weil  die  Rosenfarbe,  welche 
die  Probeflüssigkeit  nach  Beendigung  der  Operation  an- 
nimmt, sich  längere  Zeit  ganz  unverändert  erhält,  während 
sie  von  der  Chamäleonlösung  in  wenigen  Minuten  sich  bleicht 
and  verschwindet.  Wenn  man  ein  Volumen  concentrirter 
Salzsäure  mit  dem  fünf-  bis  sechsfachen  Volumen  Wasser 
verdünnt  und  einen  Theil  davon  durch  Zutropfen  von  Cha- 
mäleonlösung,  einen  andern  ebenso  durch  phosphorsaures 
Manganoxyd  deutlich  roth  färbt,  so  kann  man  sich  leicht 
▼on  dem  Unterschiede  in  der  Haltbarkeit  der  Farbe  über- 
zeugen; dass  man  aber  bei  der  constanten  Farbe  sicherer 
ist,  dass  die  verlangte  Oxydation1  gehörig  geschehen,  als  bei 
der  wieder  verschwindenden,  ist  für  sich  klar.  Nur  bei 
■tärkerer  Verdünnung  ist  auch  die  Farbe  der  Chamäleon- 
lösung länger  haltbar. 

Die  Sauerstoffmengen  der  angeführten  Analyse  des  Aedel- 

forsit  zeigen    das   Verhältniss   Si  :  R  :  R  =  30  :  3  :  9 ,    oder 
10  :  1  :  3. 


1)  Vergl.  meine  Abhandlung  hierüber  in  Gelehrten  Anzeigen  der 
t  bayr.  Akademie  d.  Wissenschaften.  1859.  Nro.  47  u.  48.  Jahrb. 
ftr  pract.  Chemie  LXXY1.  416. 


76         Sitzung  der  ma£h.-$hys.  Glosse  wm  9.  Januar  1864. 

Die  Formel  ist  daher: 

Ca 
ftSi  +  9lisi,  oderÄlSi  +  9Mg 

Ee 


•  •  • 

>Si. 


2. 

Das  Mineral,  welches  ich  Sphenoklas  nenne,  von  den 
keilförmigen  Bruchstücken,  welche  beim  Zerschlagen  häufig 
erhalten  werden  (ogrfv,  der  Keil,  und  xXdco,  zerbrechen), 
findet,  sich  zu  Gjellebäck  in  Norwegen.  Ich  erhielt  es  von 
Dr.  Krantz  in  Bonn  mit  der  Bezeichnung  Kalktrisilikat. 
Ein  solches  Silicat  von  dem  genannten  Fundorte  wird  von 
Hisinger  angegeben  (Jahresbericht  von  Berzelius  IV.  1825« 
p.  154).  Ich  muss  bezweifeln,  dass  das  von  mir  untersuchte 
Mineral  dasselbe  sei,  welches  Hisinger  analysirt  hat,  denn 
seine  Mischung  ist  von  einem  Kalktrisilikat  weit  entfernt 
4 und  kommt  mit  keinem  der  bekannten  Silicate  überein. 

Das  Mineral  bildet  parallele  dünnere  und  dickere  Lagen 
in  einem  bläulichen  körnigen  Calcit.  Die  Farbe  ist  blass- 
graulichgelb,  es  zeigt  splittrigen  Bruch  und  beim  Kerzenlicht 
einen  Schimmer,  welcher  auf  krystallinisch-blättrige  Structur 
hinweist,  es  ist  an  den  Kanten  durchscheinend  und  nahe 
von  der  Härte  des  Orthoklas. 

Das  specifische  Gewicht  einer  von  Calcit  und  etwas  ein* 
gemengtem  Pyrit  durch  Salpetersalzsäure  gereinigten  Probe 
(in  Pulverform)  ergab  sich  ==  3,2. 

Vor  dem  Löthrohr  schmilzt  das  Mineral  leicht  =  3 
und  vollkommen  ruhig  zn  einem  dichten,  glänzenden,  grün- 
lichen Glase,  im  Kolben  giebt  es  kein  oder  nur  eine  Spur 
von  Wasser.  Von  Salzsäure  und  Schwefelsäure  wird  es 
wenig  angegriffen,  nach  dem  Schmelzen  aber  wird  es  von 
Salzsäure  zersetzt  und  scheidet  die  Kieselerde  in  gallert- 
artigen Klumpen  ab.     Es  wurden  2,5  Grm.  des  gereinigten 


r 


t?.  Kobett:  Das  Aedelforsit  und  Sphendklas.  77 

Palvers  mit  kohlensaurem  Natron  aufgeschlossen,  nach  Ab- 
Scheidung  der  Kieselerde,  die  Thonerde  mit  dem  Eisenoxyd 
durch  Neutralisiren  der  salzsauren  Lösung  mit  doppelt  koh- 
lensaurem Natrum  gefallt,  das  Filtrat  eingeengt  und  mit 
einer  Lösung  von  chlorsaurem  Kali  in  heisser  concentrirter 
Salzsäure  versetzt  und  unmittelbar  durch  Aetzammoniak  das 
Hanganoxyd  präcipitirt,  weiter  der  Kalk  durch  kleesaures 
Ammoniak  und  die  Talkerde  durch  phosphorsaures  Natrum 
und  Ammonik. 

Das    Mittel   zweier   nahe   übereinstimmender   Analysen 
war: 

Sauerstoff. 
Kieselerde  46,08     .     24,57  ....     4 

Thonerde  13,04     .       6,10  ....     1 

Kalkerde  26,50     .       7,57 


Talkerde  6,25     .       2,50 

Eisenoxydul         4,77     .       1,06 
Manganoxydul     3,23     .       0,68 


11,81 


>  m  •  •  •  I 


99,87 

Das  Sauerstoffverhältniss  von  Si,  &  und  R  ist  offenbar 
4:1:2,    wonach    sich    die  Formeln   fe  Si-f  3R2Si,   oder 

auch  £'  Si*  +  2R*Si  bilden  lassen. 

Dass  das  Mangan  als  Oxydul  enthalten,  zeigte  sich 
deutlich  bei  der  Behandlung  einer  Probe  mit  Phosphorsäure» 
Die  zur  Syrupdicke  eingekochte  Masse  war  weuig  bräunlich 
gefärbt,  auf  Zusatz  einiger  Tropfen  concentrirter  Salpeter- 
säure kam  sogleich  die  rosenrothe  und  violette  Farbe  des 
phosphorsauren  Manganoxyds  zum  Vorschein.  Eine  Probe 
mit  Boraxglas  in  einer  Retorte  aufgeschlossen  und  wie  bei 
der  vorigen  Analyse  des  Aedelforsit  behandelt,  zeigte,  dass 
das  Eisen  als  Oxydul  in  dem  Mineral  enthalten  sei. 

Obige  Formeln  haben  gegen  die  gewöhnlichen  der  Sili- 
cate etwas  Auffallendes  und  Exceptionelles,    es  ist  dieses 


78  Sitzung  der  math.-phys.  Qasse  vom  9.  Januar  1864. 

aber  bei  allem  Neuen  und  zum  erstenmal  Beobachteten  der 
Fall  und  lassen  sich  ungezwungen  nicht  wohl  andere  Aus- 
drücke für  die  Mischung  geben,  man  müsste  denn,  wie  aber 
auch  nicht  annehmbarer,  ein  Aluminat  in  Rechnung  bringen» 
Der  bläuliche  Calcit,  welcher  den  Sphenoklaa  begleitet,  phos- 
phoresirt  beim  Erhitzen  mit  einem  auffallenden  röthlichgel- 
ben  Lichte.  Es  ist  ein  sehr  reiner  kohlensaurer  Kalk,  ohne 
Talkerde,  Thonerde,  Fluorcalium  oder  dergleichen.  Der  von 
diesem  Calcit  gereinigte  Sphenoklas  phosphorescirt  beim 
Erwärmen  nur  mit  schwach  gelblichem  Schein.  Ich  prüfte 
bei  dieser  Gelegenheit  mehrere  Calcite  und  Dolomite  auf 
Phosphorescenz  und  fand,  dass  auch  der  bläuliche  Calcit 
von  Cziklowa  im  Banat,  welcher  den  bekannten  Kalkgranat 
begleitet,  ähnlich  dem  oben  erwähnten,  stark  phosphores- 
cirt. Da  Grotthuss  gefunden,  dass  vom  Chlorophan,  wenn 
er  in  Salzsäure  gelöst  wird,  das  Präcipitat  mit  Aetzammoniak 
ebenfalls  phosphorescire,  so  untersuchte  ich,  ob  es  sich  mit 
den  genannten  Calciten  auch  so  verhalte.  Ich  löste  sie  in 
Salzsäure  und  fällte  mit  kohlensaurem  Ammoniak.  Das 
Präcipitat  zeigte  aber  keine  Spur  von  Phosphorescenz.  Die 
Eigenschaft  des  Phospborescirens  ist  also  nicht  unbedingt 
von  der  Art  der  Substanz  abhängig,  auch  nicht  von  der 
Krystallisation,  denn  das  Präcipitat  des  kohlensauren  Kalkes 
besteht  auch  aus  Kry  stallen,  von  denen  freilich  nicht  immer 
zu  sagen  ist,  ob  sie  hexagonal,  oder  von  der  Aragonitform 
sind.  Die  Aggregation  solcher  Krystallindiyiduen  und  die 
gegenseitige  Spannung,  welche  an  ihnen  durch  das  Erwär- 
men des  Aggregats  entsteht,  kann  die  Molecularschwingung, 
welche  Phosphorescenz  bedingt,  auch  nicht  hervorbringen, 
denn  fein  geriebenes  Pulver  des  norwegischen  Calcit's  phos- 
phorescirt fast  so  lebhaft,  wie  ein  grösseres  Stück,  nur  ist 
die  Farbe  des  lichtes  mehr  roth.  Diese  Calcite  verlieren 
durch  Erhitzen  ihre  bläuliche  Farbe,  ich  hatte  aber  nicht 


Mohr:  Trennung  und  Bestimmung  des  Kupfers.  79 

Material  genug,  um  zu  untersuchen,  woher  diese  Farbe  ihren 
Ursprung  habe. 

Mit  schönem  rosenfarbenem  Lichte  phosphorescirt  durch 
Erwärmen  auch  der  feinkörnige  Dolomit  vom  St.  Gotthard, 
in  welchem  die  grünen  Tremolitkrystalle  vorkommen,  der 
braunliche  Dolomit  aus  dem  Zillerthale  zeigt  aber  keine 
Phosphorescenz ,  eben  so  wenig  der  Magnesit  von  Hall  und 
ans  Mähren. 


Zur  Vorlage  kam  von  Herrn  Mohr  in  Coblenz  eine 
Abhandlung 

„Ueber  verbesserte  Methoden  in  der  Trennung 
und  Bestimmung  des  Kupfers". 

Das  Kupfer  steht  in  den  Lehrbüchern  der  analytischen 
Chemie  mit  dem  bösen  Rufe  eingeschrieben,  dass  seine 
frischgefällte  Schwefelverbindung  sich  an  der  Luft  oxydire, 
und  am  Ende  des  Auswaschens  wieder  sich  löse  und  in  das 
Filtrat  komme.  Ich  habe  gefunden,  dass  diese  üble  Eigen* 
schaft  des  Schwefelkupfers  ganz  beseitigt  werde,  wenn  man 
die  Fällung  in  der  Siedhitze  bewirkt.  Das  so  gefällte 
Schwefelkupfer  setzt  sich  in  der  Flüssigkeit,  die  wasserklar 
darüber  steht,  leicht  ab,  lässt  sich  durch  Filtration  leicht 
trennen  und  kann  Tage  lang  feucht  auf  dem  Filtrum  stehen, 
ohne  dass  sich  eine  Spur  desselben  oxydirt  und  wieder 
durchläuft.  Durch  diesen  Handgriff  wird  die  quantitative 
Bestimmung  des  Kupfers  ungemein  erleichtert,  und  die  An- 
wendungen liegen  auf  der  Hand. 

Zur  Bestimmung  des  Kupfers  und  Eisens  im  Kupferkiese 
dient  denn  folgendes  Verfahren. 


80  SitMung  der  math.-phys.  Clasae  vom  9.  Januar  1864. 

Man  schliesse  den  feingepulverten  Kupferkies  in  einer 
Porcellanscbale  mit  starker  Salpetersäure  und  etwas  Schwe- 
felsäure durch  Eindampfen  bis  zur  Trockenheit  auf.  Hier- 
bei verfliegt  alle  Salpetersäure,  der  ausgeschiedene  Schwefel 
verbrennt,  und  die  Metalle  bleiben  als  schwefelsaure  Sfdze 
übrig.  Man  wiederhole  diese  Operation  mit  weniger  Säure 
noch  einmal«  Darauf  löst  man  die  übrig  bleibende  Masse 
mit  verdünnter  Schwefelsäure,  um  jede  Spur  von  Blei  zu- 
rückzuhalten und  filtrirt.  Im  Filtrat  ist  alles  Kupfer  und 
ein  Theil  des  Eisens.  Man  erhitzt  zum  Kochen,  leitet 
Schwefelwasserstoffgas  hinein,  bis  alles  Kupfer  als  Schwefel- 
kupfer gefällt  ist  und  sich  ganz  scharf  abgesetzt  hat.  Nun 
fiiltrirt  man  und  wascht  mit  heissem  destillirten  Wasser 
aus.  Im  Filtrat  bestimmt  man  das  Eisenoxydul  mit  Cha- 
mäleon oder  doppelt  chromsaurem  Kali.  Das  Schwefelkupfer 
kann  man  nach  Rose  im  Wasserstoffstrom  stark  geglüht  als 
solches  bestimmen,  oder  nach  einer  unten  zu  beschrei- 
benden Methode. 

Das  Eisen,  was  (vielleicht  mit  Blei)  noch  im  Rückstande 
ist,  kann  mit  Salzsäure  gelöst  und  nach  einer  der  bekannten 
Methoden  bestimmt  werden. 

Ganz  besonders  schwierig  sind  sehr  kleine  Mengen  von 
Kupfer  und  Eisen  genau  zu  bestimmen.  Hat  man  ein  Fil- 
trum  angewendet,  so  ist  die  direkte  Wägung  schon  unmög- 
lich. Ein  Filtrum,  welches  2  bis  4  Milligramme  Asche  hin- 
terlässt,  kann  jede  Bestimmung  von  1  bis  2  Milligramm 
Substanz  ganz  falsch  machen.  Der  blosse  Wägungsfehler 
kann  100  °/o  der  Substanz  betragen.  In  diesem  Falle  ist 
die  Titrirmethode  ganz  besonders  angezeigt. 

Das  Werkblei  der  Hütten  enthält  in  der  Regel  sehr 
kleine  Mengen  Kupfer  und  Eisen.  Diese  lassen  sich  auf 
Filtren  gar  nicht,  selbst  nicht  annähernd,  bestimmen.  Bei 
einer  solchen  Untersuchung  fand  sich  die  folgende  Bestim- 
mungsmethode als  sehr  übereinstimmende  Resultate  gebend. 


Mehr:  Trmntmg  und  BuHwmmmg  <k$  Buffers.  81 

10  Grm.  Blei  werden  in  sehr  verdünnter  Salpetersäure 
gelöst,  mit  destillirter  Schwefelsäure  gefallt,  filtrirt  and  aus- 
gewaschen. Das  Filtrat  wird  einmal  zur  Trockne  verdampft, 
um  kleine  Reste  von  schwefelsaurem  Bleioxyd  unlöslich  zu 
machen  und  alle  Salpetersäure  zu  entfernen.  Der  Rest  mit 
verdünnter  Schwefelsäure  ausgezogen  enthält  nur  das  Kupfer 
und  Eisen. 

Es  wird  mit  Schwefelwasserstoff  heiss  gefallt,  die  kleine 
Menge  SchwefeHrapfer  durch  Filtriren  geschieden,  und  im 
Filtrat  ohne  Weiteres  das  Eisen  mit  sehr  verdünntem  Cha- 
mäleon bestimmt. 

Das  Schwefelkupfer  wird  in  eine  Platinschale  abgespritzt, 
mit  einigen  Tropfen  Salpetersäure  und  Schwefelsäure  zur 
Trockne  gebracht,  dann  in  Wasser  gelöst,  mit  Jodkalium 
versetzt  und  das  ausgeschiedene  Jod  mit  Hundertstelunter- 
schwefligsaurem  Natron  bestimmt  1  CG.  dieser  Flüssigkeit 
entspricht  0,0006336  Grm.  Kupfer,  und  liest  man  mit  Vio  GG. 
ab,  so  kann  man  noch  0,00006336  Grm.  Kupfer,  oder  */" 
Milligramm  mit  grosser  Sicherheit  bestimmen. 

Vergleichende  Versuche  mit  bekannten  Kupferlösungen 
gaben  mit  der  Hundertstelunterschweflichsauren  Natron- 
lösung absolut  richtige  Zahlen,  so  dass  die  Sicherheit  der 
Resultate  vollkommen  feststeht. 


[1864.  I.  1.]  6 


82 


Süeung  der  histor.  Glosse  vom  16.  Januar  1864. 


Historische  Glasse. 

Sitzung  vom  16.  Januar  1864. 


Herr  Professor  Giesebrecht  trag  vor 

„eine  Untersuchung  der  Fränkischen  R 
Annalen  des  Karolingischen  Zeitaltei 


r 


Sitzungsberichte 

der 

königl.  bayer.  Akademie  der  Wissenschaften. 


Philo Bophisch- philologische  Clasee. 

Sitzung  Tom  6.  Februar  1864. 


Zur  Vorlage  kam  von  Herrn  Dr.  Emil  Schlagintweit 
eine  Abhandlung 

„Ueber  den  Gottesbegriff  des  Buddhismus". 

Die  Grundlehren  des  Buddhismus.  —  Leerheit  von  Stoff  das  Höchste, 
das  Absolute.  —  Leerheit  die  Seele,  das  Alaya,  der  Dinge.  —  Die 
Buddhas,  ihre  Thätigkeit,  ihre  Vielheit,  ihr  Körper.  —  Buddhas  der 
Beschauung.  —  Systematische  Entwickelung  des  Gottesbegriffes.  — 
Inhalt  des  Gotteswesens.  —   Historische  Elemente  und  ihr  Einfluss. 

Befreiung  vom  Dasein  und  dessen  Jammer  durch  Zer- 
störung der  Ursachen  der  Wiedererzeugung  ist  das  Charak- 
teristische der  Lehre  des  Buddha.  Künftige  Existenz  wird 
verhindert  durch  Beherrschung  der  Leidenschaften,  die  Ver- 
gnügungen der  Welt  sollen  vermieden  werden,  weil  ihr  Ge- 
nuas leicht  zu  bösen  Handlungen  ausschreitet,  in  Tugend 
allein  soll  Befriedigung  gesucht  werden;  es  sei  zwar  nicht 
leicht,  nach  diesen  Principien  zu  handeln,  aber  der  Erfolg 
[1864. 1. 2.  ]  7 


84        Sitzung  der  phttos.-phüol.  Glosse  vom  6.  Februar  1864. 

entschädige  für  die  momentane  Entsagung.  Bald  wurden 
die  Erfordernisse  vermehrt,  und  je  später,  desto  zahlreicher 
werden  die  Vorschriften,  deren  Beachtung  die  vollkommene 
Vernichtung  der  Existenz  bedingt,  doch  wurden  jetzt  auch 
geringere  Stufen  der  Belohnung  eingeführt,  entsprechend  der 
Unterscheidung  verschiedener  Grade  in  den  geistigen  An- 
lagen. Nur  diejenigen,  welche  der  Welt  entsagt  haben,  die 
Cleriker,  werden  zur  höchsten  Weisheit  befähigt  erklärt; 
Meditation  ist  dazu  unumgänglich  nothwendig ,  Tugend  allein 
reicht  nicht  mehr  aus  zur  Erkenntniss.  Dann  wurde  ange- 
nommen, die  Meditation  erzeuge  besondere  übernatürliche 
Kräfte,  endlich  genügt  auch  Tugend  und  Meditation  nicht 
mehr,  wenn  nicht  mit  übernatürlicher  Kraft  begabte  Wesen 
ihre  Hilfe  gewähren,  indem  sie  belehren,  noch  bestehende 
Zweifel  entfernen,  und  die  Schwierigkeiten  beseitigen,  welche 
der  Erreichung  des  Zieles  von  bösen  Dämonen  drohen;  ihre 
Hilfe  wird  durch  Gebete,  Opfer  und  Geremonien  erlangt. 
Der  Buddha  hatte  nicht  verboten,  zu  den  alten  Volksgöttern 
als  höheren  Wesen  mit  Verehrung  und  Vertrauen  aufzu- 
blicken, aber  der  Mensch  ist  von  ihrer  Beihilfe  nicht  ab- 
hängig, er  kann  von  ihnen  lernen  und  sich  an  ihrem  Bei- 
spiele zu  guten  Thaten  begeistern,  es  ist  ihm  aber  unmöglich 
sie  zu  übertreffen  an  Einsicht  und  Macht,  da  auch  sie  die 
höchste  Weisheit  erst  noch  erringen  müssen.  Selbst  noch 
dann,  als  Meditation  ein  wesentliches  Erforderniss  wurde, 
nahm  man  Anfangs  an,  dass  Alles  «von  der  Energie  des 
Menschen  allein  abhänge;  nach  der  späteren  Lehre  wird 
Energie  ohne  Erfolg  bleiben,  wenn  sie  nicht  geleitet  wird 
von  einer  höheren  Intelligenz ,  der  Gottheit.  *)  So  verliess 
der  Buddhismus  den  ursprünglichen  Weg,  auf  welchem  die 

1)  Je  weiter  wir  zurückgehen,  desto  einfacher  ist  die  Lehre  und 
desto  weniger  Götter  finden  wir.  Im  Sütra  der  42  Satze,  Satz  10, 
wird  durch  die  Verehrung  der  Götter  und  Unholde  dieser  Welt  kein 
Verdienst  erworben,  wohl  aber  durch  die  Achtung  und  Verehrung 


ScNagintoeit:  Der  CMUsbegriff  des  Buddhismus.  85 

Menschen  durch  Selbstvervollkommnung  zum  Höchsten  sich 
erheben  sollten,  und  gelangte  zur  Annahme  eines  obersten 
göttlichen  Wesens.  Vom  Standpunkte  des  Stifters  betrach- 
tet ist  diess  eine  Verschlechterung  seines  Principe,  da  die 
Gottheit  nur  denen,  welche  die  oft  kleinlichen  Opfercere- 
monien  kennen  und  beachten,  ihre  Hilfe  gewährt,  ohne 
welche  es  unmöglich  ist,  dem  Dasein  zu  entschwinden;  wir 
dagegen  sehen  darin  eine  unbewusste,  ja  fast  unfreiwillige 
Erhebung  zu  höherer  Auffassung,  welche  jedoch  unter  dem 
Einflasse  von  Anschauungen,  entlehnt  dem  Gultus  der  Na- 
turkräfte,  noch  nicht  bis  zur  vollkommensten,  reinsten  Durch- 
bildung fortschreiten  konnte.  —  In  meinem  „Buddhism  in 
Tibet"  hatte  ich  Gelegenheit,  auf  den  Zusammenhang  hinzu* 
weisen,  welchen  die  Ansicht  von  der  Erwerbung  übernatürlicher 
Kräfte  durch  Beschauung  auf  die  Entwicklung  der  gegen- 
wartigen Form  des  Buddhismus  äusserte;  hier  werde  ich 
versuchen  darzustellen,  wie  das  Dogma,  dass  übernatürliche 
Fähigkeiten  für  die  endliche  Befreiung  nothwendig  seien,  in 
einer  theistischen  Richtung  fortdrängte,  und  wie  die  Mit- 
wirkung der  Gottheit  zur  Erreichung  des  Zieles  aus  den 
eigentümlichen  Lehrsätzen  des  Buddhismus  begründet  und 
damit  in  Einklang  gebracht  wurde.  Begünstigt  wurden  diese 
Bestrebungen  dadurch,  dass  die  Unterstützung  durch  die 
alten  Volksgötter  stets  für  möglich  gehalten  worden  war, 
eine  Anschauung,  weloher  die  buddhistischen  Führer  in 
aasgedehnter  Weise  damals  nachgaben,  als  der  steigenden 
Erstarkung  der  Brahmanen  entgegen  getreten  werden  musste; 
wichtig  war  auch  der  Einfluss,  den  centralasiatische  Gultus* 
forden  auf  das  Erscheinen  der  Tantras  und  der  mystischen 
Schule  in  Indien  äusserten. 


der  Eltern.  Schiefner,  im  Bullet,  hist.-phil.  de  PAcmd.  de  St.  Pet, 
VoL  IX,  S.  70.  Vgl.  Hardy,  Manual  of  Buddhism,  8.  42.  Was- 
tüjew,  der  Buddhismus,  8.  91,  101,  108. 

7* 


86        Sitzung  der  phüos.-phüol  Glosse  vom  6.  Februar  1864. 

Leerheit  von  Stoff  das  Höchste,  das  Absolute. 
Der  Buddha  hatte  erklärt,  dass  die  Begehrlichkeit,  welche 
zur  Sünde  fuhrt,  am  sichersten  in  Zurückgezogenlieit  an  ab* 
gelegene  Orte  überwunden  werde,  weil  das  Leben  in  der 
Welt  Wünsche  errege,  deren  Befriedigung  zwar  momentane 
Lust  gewähre,  allein  Veranlassung  werde  zu  sündhaften 
Handlungen.  Die  Führer  der  Hlnayäna-Schulen  behaupten, 
dass  die  volle  Erkenntniss  nur  in  Zurückgezogenheit  und 
Meditation  über  die  Gründe  des  Seins  und  der  Sünde  er- 
reicht werden  könne,  desswegen  werden  diejenigen,  welche 
dar  Welt  entsagen,  eine  grössere  Einsicht  erlangen,  als  die 
Laien.  Meditation  wird  noch  nicht  mit  übernatürlichen 
Fähigkeiten  belohnt ;  die  Arhats,  die  höchst  weisen  Menschen, 
überkommen  die  Abhijnäs  erst,  nachdem  sie  die  volle  Ein- 
sicht erlangt  haben.  Das  Nirväna- Werden,  das  Verlöscht- 
werden in  Nichts,  ist  der  Gegensatz  des  Existirens,  im  Ver- 
löschen besteht  die  höchste  Glückseligkeit.  Die  Mahäyäna-Schu- 
len,  die  Nachfolger  des  Hinayäna,  sagen,  ein  Nichtswerden  müsse 
desswegen  das  höchste  Ziel  sein,  weil  die  Welt,  das  Form 
habende,  keine  wahre  Befriedigung  biete,  sondern  nur  schein- 
bare. Alles  was  Namen  hat  oder  Gestalt,  ist  vergänglich, 
zerfällt,  Vergehen  ist  aber  mit  Jammer  verbunden,  im  Nirväna 
ist  kein  Jammer,  folglich  kein  Vergehen  mehr  und  auch 
keine  Form,  weil  sonst  doch  wieder  Zerstörung  und  Jam- 
mer sich  dort  finden  müsse;  daraus  ergebe  sich,  dass  der 
Zustand  derer,  welche  sich  Nirväna  verdient  haben,  vollkom- 
mene Befreiung  von  Stoff  und  Form  sei,  eine  absolute  Leer- 
heit, Sünya.  *)  Aber  es  ist  hervorzuheben ,  dass  hier ,  ver- 
schieden von  unserer  Definition  ^  der  Gestalt  in  den  mtthe- 
matischen   Figuren    und   Körpern,    der    blosse  Begriff  der 


2)  Der  Beweis,  dass  die  Bestandtheile  des  Körpers,  dieSkandhas, 
und  die  Bedingungen  der  Formerzeugung  zerstört  werden,  wenn 
Nirväna  erreicht  ist,  wird  auf  verschiedene  Weise  von  NSgarjuna, 


Schiagintwcit:  Der  Gottetbegriff  des  Buddhismus.  87 

Gestalt  als  unzertrennlich  von  der  materiellen  Existenz  auf- 
gefasst  wird.  Gestaltetes,  Existirendes,  sei  noch  nicht  wirk- 
liches Sein,  weil  noch  Stoff,  der  vergänglich  ist;  es  sei 
Täuschung,  sagen  sie,  wenn  man  es,  verfuhrt  durch  die 
sinnliche  Wahrnehmung,  als  wirkliches  Sein  betrachte.  4Exi* 
stirendes  wird  nicht  höher  geschätzt,  als  die  Schöpfungen 
der  Magier,  welche  der  Reihe  nach  verschiedene  Dingeher- 
vorbringen, in  denen  kein  Fortbestehen  ist.  Absolutes  Sein 
hat  nur  das  Leere,  dieses  allein  hat  das  Merkmal  der  Un- 
abhängigkeit, des  Einfachen  im  Gegensatze  gegen  Zusammen* 
gesetztes;  es  ist  unsichtbar  und  unfassbar,  es  hat  keine 
Bescliaffenheit  und  läset  sich  nicht  beschreiben,  es  kommt 
von  keinem  Orte  und  geht  nirgends  hin.  *)  Das  Forschen 
nach  den  Merkmalen  und  Kräften  einer  Sache  bewirke  nur 
relative  Wahrheit:  Erkennen  der  Merkmale  und  Kräfte;  das 
Zergliedern  der  Merkmale  und  Kräfte  führe  zu  absoluter 
Wahrheit:  es  werde  erkannt,  dass,  was  als  Kraft,  als  Merk- 
mal einer  Sache  gefunden  worden  war,  dieses  nur  sei  wegen 
des  Zusammenhanges  mit  Anderem,    nichts  Selbstständiges, 


dem  Stifter  der  Mahayana- Lehre,  in  den  Unterredungen  geführt, 
welche  er  mit  dem  Könige  Milinda  hatte.  Vgl.  die  Uebersetzungen 
des  Milinda  Prasna  in  Hardy's  Manual  of  Buddhism,  besonders  Seite 
424 — 59.  —  Ich  will  hier  noch  einer  kleinen  Abweichung  erwähnen, 
welche  ich  in  einer  Ausgabe  des  Beichtbuddhagebetes  in  der  Biblio- 
thek der  Royal  Asiatic  Society  in  London  fand.  Es  heisst  dort 
Fol.  1,  b:  „Ich  glaube,  dass  der  Leib  nicht  in  NirvSna  eingehe. M 
Das  Manuscript,  welches  mir  zu  der  Uebersetzung  dieses  Gebetes 
vorgelegen  hatte  rar  die  Abhandlung  in  den  Sitzungsberichten  186S, 
S.  81—99,  hatte  nach  Leib  den  Zusatz  „der  Buddhas";  dieselben 
Worte  fanden  sich  auch  in  dem  Pariser  Documente,  vgl.  Sitzungs- 
berichte, 1863,  S.  149. 

3)  Yon  der  Leerheit  handeln  ausführlich:  Das  Prajna  ParamitS 
(Schmidt,  in  denMem  derPet.  Acad.  Bd.  IV,  S.185),  Hardy,  Manual, 
Cap.  IX.;  Burnouf,  Introduction ,  8.  543.  Rgya  tch'er  rol  pa,  von 
Foucaux,  Bd.  1.,  8.  173,  324. 


88        Sitjmng  der  phüos.-phüol.  (Herne  vom  6.  Februar  1864. 

füivsich  Bestehendes.  Durch  solche  analysirende  Betrach- 
tungen werde  Weisheit  und  Ueberzeugung  von  der  Eitelkeit 
der  Dinge  erlangt.  Ferner  wird  gesagt:  in  jedem  Materiel- 
len sei  auch  Leeres,  Selbstständiges,  Dauerndes,  diess  sei 
das0Unabhäiigige,  der  Stoff  hänge  sich  daran  an,  löse  sich 
aber  wieder  ab  in  Folge  der  genauesten  Beachtung  aller 
Vorschriften;  grösste  Enthaltsamkeit  wird  verlangt  und  tiefste 
Abstraktion  von  der  Aussenwelt  in  Meditation,  überdiess 
sollen  auch  Opfer  und  selbst  momentaner  Schmerz  nicht 
gescheut  werden,  wenn  damit  das  eigene  Heil  und  das  An- 
derer gefördert  wird ;  in  diesem  Sinne  werden  die  schwersten 
Dinge  in  grösster  Zahl  von  den  Bödhisattvas  verrichtet,  oder 
von  denjenigen  Menschen,  welche  in  Folge  ihrer  eigenen 
Selbstbeherrschung  bereits  in  der  nächsten  Geburt  die  Bud- 
dhawürde erhalten  werden.  Ihre  Mildthätigkeit,  ihr  Mitleid 
mit  den  Menschen  ist  unbegrenzt;  um  sie  zu  befreien  und 
auf  den  wahren  Weg  zu  führen,  steigen  sie  nieder  zur  Erde, 
und  ermuntern  zu  rechter  Handlungsweise  durch  Wort  und 
Beispiel.  Ein  thätiges  Eingreifen  wird  von  ihnen  noch  nicht 
erwartet;  die  Gläubigen  blicken  zu  ihnen  als  dem  höchsten 
Vorbilde  auf,  sie  bitten,  sie  zu  bestärken  in  guten  Vor- 
sätzen und  zu  rechter  That  anzuleiten.  Hinsichtlich  der 
Veranlassung  zur  Vermischung  des  Leeren  mit  formbil- 
dendem Stoffe  stellt  auch  diese  Schule  keine  von  der  früheren 
abweichende  Erklärung  auf.  Die  Vermischung  wird  in  der 
Begehrlichkeit  gesucht,  welche  aber  jetzt  aus  Unwissenheit 
erklärt  wird;  sie  sei  die  Ursache  der  Weltenbildung  und 
der  Erzeugung,  so  sei  es  von  Anfang  her  gewesen  und 
werde  so  in  Ewigkeit  sein,  „es  giebt  keinen  Anfang  und 
kein  Ende".  __ 

Leerheit  die  Seele,  das  Alaya,  der  Dinge.  Die 
Yogächärya-Schule ,  welche  die  Lehre  des  Mahäyäna  in  der 
mystischen  Richtung  fortbildete,  betrachtete  das  Leere  als 
Seele,  als  Alaya,  und  gab  ihr  damit  bereits  einen  mehr 


SMofftoweit:  Der  GotUsbegriff  des  Buddhismus.  89 

persönlich    begrenzten   Begriff    als   sie  ursprünglich    hatte. 
Sie  bezeichnet  die  Vermischung  mit  Materie   als  Verdank- 
hing, als  Verunreinigung,  und  als  die  Aufgabe  des  Menschen 
die  Reinigung  der  Seele,  die  Ausscheidung  der  Materie;  sie 
ist  vollzogen  im  Nirväna,  dort  ist  keine  Materie  mehr,  blofts 
Leeres.  4)    Es  scheinen  noch  so  viele  einzelne  Alayas  ange- 
nommen zu  werden,   als  frühere  Individuen   waren.     Die 
Aneicht,   es  gebe  im  Grunde  nur  ein  Alaya,  von  welchem 
ein  Theilchen  in  jedem  Dinge  abgetrennt  sich  befinde,  finden 
wir   erst  in   der  mystischen  Lehre;   sie  geht  oonsequenter- 
weise  auch  so  weit,  zu  behaupten,  die  von  der  Materie  ge- 
reinigten Alayas    fliessen    alle   in   eine   Einheit  zusammen. 
Dieses  einheitliche  Alaya  ist  das  Absolute,    das  Höchste;  es 
ist  das  Ewige,    und  da  der  Buddhismus  keinen  Anfang  an- 
erkennt, weder  in  Bewegung,  noch  im  Absoluten,  auch  an- 
fanglos.   Mit  diesem  Begriffe  tritt  auch  der  Ausdruck  des 
Gottlichen  auf;   die  Absonderung  des  Materiellen  wird  als 
Wiedervereinigung  mit  der  Gottheit  dargestellt,   und  diese 
als  ganz  reines  Alaya  definirt.     Damit  wurde  jedoch  der 
Fundamentalsatz  des  Buddhismus  nicht  aufgehoben,  dass  die 
Zukunft  des  Menschen  durch  Schuld  und  Verdienst  geregelt 
werde ;  auch  jetzt  noch  bewirkt  der  Mensch  seine  Reinigung 
durch  seine   eigenen  Handlungen,   durch   den  Beistand  der 
Gottheit  wird  jedoch  der  sonst  langsame,  mit  Schmerzen 
verbundene  Process  der  Reinigung  durch  Existenz  abgekürzt, 
und  ihr  Einfluss  ist  so  gross,  dass  das  Ziel  in  überraschend 
kurzer  Zeit  erreicht  werden  kann;  es  wird  behauptet,   dass 
in  einer  einzigen  Geburt,  ja  selbst  mit  Einem  Schlage,  die 
Befreiung  und  Vereinigung  eintreten  könne. 

Die  Buddhas,  ihre  Thätigkeit,  ihre  Vielheit, 
ihr  Körper.  Ueber  das  Streben  nach  Vereinigung  mit  der 
Gottheit  wird  das  Ringen   nach  dem  Buddhapfade  gestellt 


4)  Wastiljaw,  Der  Buddhismus,  S.  148,  164,  174,  884—47. 


90        Sitsmxg  dar  philos.-pkilol  CUme  vom  €.  Februar  1864. 

Vereinigung  bewirkt  bloss  Selbstbefreiung,  die  Buddhathätig- 
keit  ermöglicht  auch  die  Befreiung  Anderer.  -  Das  reine 
Alaya  ist  zwar  keiner  Aktualität  mehr  falög;  die  Buddhas 
jedoch,  obwohl  ßchon  reines  Alaya,  müssen  erst  noch  ihren 
Beruf  vollkommen  erfüllen,  erst  nachdem  sie  als  Buddha- 
verkünder  aufgetreten  sind,  ziehen  sie  sich  von  der  Erde 
in  das  vollkommen  bewegungslose  Nichts  der  formlosen  Welt 
zurück.  Um  die  Wesen  auch  über  die  Dauer  ihres  Lebens 
als  menschlicher  Buddha  hinaus,  welches  nicht  länger  ist 
als  die  durchschnittliche  Lebenszeit  der  Menschen  in  der 
Periode  *  in  welcher  sie  auftreten,  zur  Reinigung  von  der 
Materie  anleiten  zu  können,  übertragen  sie.  bevor  sie  die 
Erde  verlassen,  ihre  Machtfülle  einem  Stellvertreter,  welcher 
statt  ihrer  bis  zum  Erscheinen  des  nächsten  Buddha  die 
Wesen  leitet  und  die  Schwierigkeiten  beseitigt,  welche  von 
der  menschlichen  Schwäche  und  den  Umtrieben  der  bösen 
Geister  drohen. 

Die  ursprüngliche  Lehre  weiss  nur  von  einem  Buddha, 
dem  historischen  Begründer  des  Buddhismus;  eine  Vielheit 
von  Buddhas  wird  zuerst  von  der  Sauträntika- Schule  ange- 
nommen. In  jeder  Weltumwälzung  erscheine  ein  Buddha, 
um  das  Gesetz  wieder  von  Neuem  zu  verkünden;  die  Welt- 
Umwälzungen  seien  nicht  zu  zählen,  zahllose  seien  vorher- 
gegangen, zahllose  werden  folgen,  ebenso  unbegrenzt  sei  die 
Zahl  der  bereits  erschienenen  und  der  noch  kommenden 
Heilsverkünder.  Damit  hängt  die  Lehre  zusammen,  dass 
diejenigen  Menschen,  welche  alle  Bedingungen  der  Vollkom- 
menheit erfüllt  haben,  jedoch  die  Buddhawürde  noch  nicht 
erreichen  konnten,  weil  die  Zeit  für  die  Erscheinung  eines 
Buddha  nicht  gekommen  ist  —  nie  kann  mehr  als  ein  Buddha 
in  derselben  Periode  erscheinen  — ,  ab  Bödhisattvas  die 
Menschen  belehren  und  unterweisen«  'Viele  Anäere,  wenn 
sie  schon  nahe  der  vollen  Erkenntniss  gekommen  sind,  wer* 
den  dadurch,  dass  sie  den  Versuchungen  böser  Geister  nicht 


8Magmtweit:  Der  Oettesbegriff  des  Buddhismus.  91 

widerstehen  and  eine  verbotene  That  vollfuhren,  jetzt  noch 
sieht  zur  Erkenntnis  gelangen.  Sie  bringen  es  bloss  bis 
mr  Stufe  göttlicher  Wesen,  ab  solche  sind  sie  mit  grösserer 
Kraft  als  die  Menschen  ausgestattet,  und  gerne  helfen  sie, 
nach  der  späteren  Lehre,  besonders  wenn  sie  angerufen 
werden,  gegen  die  bösen  Geister,  von  denen  behauptet  wird, 
daas  sie  -stets  trachten,  durch  ähnliche  Künste  die  Menschen 
vom  Wege  der  Tugend  abzulenken.6) 

Da  die  Buddhas,  ehe  sie  als  Lehrer  auftraten,  die  Be- 
freiung von  Wiedergeburt  bereits  erreicht  hatten,  so  werden 
sie  von  den  älteren  Schulen  als  völlig  formlos  dargestellt; 
das  MahaySna  unterscheidet  jedooh  bei  ihnen  drei  Körper, 
den  Körper  des  NirmänakSya ,  des  Sambhogakäya  und  des 
Dharmakäya. 6)  Im  Nirmänakäya  wandelt  der  Bödhisattva 
auf  Erden,  im  Sambhogakäya  ist  die  Intelligenz  der  Bödhi, 
der  höchsten  Weisheit,  verkörpert,  er  erhält  ihn  in  dem 
Augenblicke,  wo  er  alle  Bedingungen  der  Vollkommenheit 
erfüllt  hat;  der  Körper  des  Dharmakäya  ist  den  Buddhas 
eigentümlich  nach  ihrem  Weggange  aus  der  Welt  in  die 
reinen  Sphären  des  Nichts.  Da  die  ßödhisattvas  bereits 
nicht  mehr  der  Wiedergeburt  unterworfen  sind,  so  hatte 
schon  der  Nirmünakäya  Theil  an  Nirväna,  er  sei  jedoch  der 
Form  nach  noch  Körper,  ganz  gleich  dem  der  Menschen;* 
unter  welchen  er  lebt  und  wirkt.  Mit  feiner  Spaltung  des 
Begriffes  wird  fortgefahren,  die  Unwissenden  täuschen  sich, 
indem  sie  darin  einen  wirklichen  Körper  erblicken;  es  sei 
zwar  noch  äussere  Form  vorhanden,  und  deswegen  wird 
dieser  Körper  als  „Nirväna  mit  einem  Rest"  von  Form  be- 
zeichnet,  aber  es  darf  dieses  nicht  in  dem  Sinne  aufgefasst 


5)  WaasUjew,  1.  c,  S.  314.    Buddhism  in  Tibet,  S.  107  ff. 

6)  Ygl.  Foe  Koue  Ki,  S.  182  der  Calcutta  Ausgabe;  Schmidt, 
Mem.  de  l'Acad.  de  Pet.  Vol.  I.  S.  221—62;  Vol.  IV.  S.  187.  Wae- 
«ljew,  1.  c.  8.  187. 


92        SiUnmg  der  phikB.-phOoL  Ckme  vom  6.  Februar  1864. 

werden,  dass  noch  Wiedererzeugung  stattfinde.  Aetherischer, 
sublimer  ist  der  jäambhogakäya,  der  feinste  ist  der  Dharma- 
kffya,  in  beiden  ist  kein  Rest  mehr  von  Form. 

Buddhas  der  Beschauung.  An  die  Unterscheidung 
dreier  Körper  anknüpfend  entwickelte  sich  in  der  mystischen 
Lehre  das  Dogma  der  Dhyäni  Buddhas  und  Dhyäni  Bödhisat- 
tvas.  Es  erscheint  jeder  Buddha  zu  gleicher  Zeit  in  den 
drei  Welten,  welche  die  buddhistische  Cosmologie  annimmt. 
In  der  Welt  der  Gelüste,  zu  welcher  die  Erde  gehört,  er- 
scheint er  in  menschlicher  Form;  in  der  Welt  der  Formen 
in  der  verfeinerten  Gestalt  ihrer  Bewohner,  in  der  Welt  der 
unkörperlichen  Wesen  ohne  Form.  Die  Erscheinungen  m 
den  beiden  unteren  Welten  werden  als  Mgnushi  Buddhas, 
„menschliche  Buddhas",  und  als  Dhyäni  Buddhas,  „Buddhas 
der  Beschauung"  unterschieden,  jeder  derselben  wird  auch 
mit  einem  persönlichen  Namen  benannt.  Die  Manifestation 
in  der  dritten  Welt  ist  wie  formlos,  so  auch  namenlos.  Die 
Dhyfini  Buddhas  haben  die  Fähigkeit,  durch  die  Kraft  der 
Beschauung  aus  sich  ein  Abbild  hervorzubringen,  einen 
gnostischen  Sohn,  welcher  in  der  Fülle  der  Machtvollkom- 
menheit sofort  fertig  entsteht.  Das  Hervorbringen  eines 
Wesens  kraft  der  Beschauung  wird  in  den  heiligen  Schrif- 
ten Geburt  durch  Verwandlung,  Entstehung  aus  dem  Geiste 
(apparitional  birth  bei  Hardy)  genannt,  nur  solche,  welche 
bereits  die  Götterregionen  bewohnen,  werden  in  dieser  Weise 
geboren;  die  Erzeugung  wird  dargestellt  als  Ausströmen 
eines  Strahles  aus  den  Augen,  dem  Munde,  oder  dem  Her- 
zen. 7)    Das  so  entstandene  Abbild,  der  Dhyäni  Bodhisattva, 


7)  Hodgson,  Dluitrations,  S.  60,  77,  88,  86.  Schmidt,  Memoire, 
Bd.  I,  S.  106.  Schmidt,  Ssanang  Ssesten,  S.  828.  Schieftier,  die  Ver- 
soUechterungsperioden,  Bulletin  hist.-phil.  de  PAcad.  de  Pet.  Bd.  IX, 
S  &  Schmidt,  in  denMemoirs,  Bd.  IY,  S.  187.  Manikambum,  in  meinem 
Buddhism  in  Tibet,  S.  84.  Hardy,  Manual,  S.  40,  64,  441,  448,  456. 
Die  heiligen  Werke  unterscheiden,  ebenso  wie  die  alten  Indier  es 


SMagmtmcU:  Der  Gottetbtgriff  dm  Buddkitmw.  93 

hudelt  als  Stellvertreter  des  Buddha  mit  derselben  Macht- 
ffille,  welche  seinem  Urbilde  eigentümlich  igt. 

Systematische  Entwickelang  des  Gottesbegrif- 
fes. Wenn  ich  nun  versuchen  werde,  die  Begrenzung  des 
Gottesbegriffes  in  etwas  systematischer  Weise  zu  erläutern, 
so  darf  ich  wohl  zugleich  auf  die  so  charakteristischen  Mo- 
difikationen hinweisen,  welchen  man  in  den  ursprünglichen 
Anschauungen  dieser  Völker  sowohl,  als  auch  in  deren  spä- 
terer Entwicklung  begegnet.  Mystischer  Terminologie  ist 
um  so  schwerer  zu  folgen,  wenn  sie  in  zu  kühnen  /Schlüssen 
fortschreitet,  oder  wenn  sie,  wie  in  den  Tantras,  den  Pfad 
sinnlicher  Führung  rerlässt.  Hier  verbindet  sich  damit  noch 
der  Umstand,  dass  auch  die  Wahl  der  für  die  Begriffe  ge- 
brauchten Worte  nicht  selten  eine  etwas  unbestimmte  ist 

Wir  sahen,  dass  Zerfliessen  in  Nichts,  absolute  Buhe 
und  Leerheit  als  Höchstes  gedacht  wird;  schwer  ist  es, 
dahin  zu  gelangen,  aber  gross  sind  die  dadurch  geschaf- 
fenen Fähigkeiten;  diese  hinterlassen  die  Buddhas,  indem 
sie  aus  sich  ein  Abbild  als  Stellvertreter  entstehen  lassen 
mit  der  Aufgabe  der  Leitung,  der  Lenkung.  Anfangs  trat 
der  Bödhisattva  wohl  ganz  an  die  Stelle  des  Dhyäni  Buddha, 
spater  wurde  auch  der  Dhyäni  Buddha  noch  als  handelnd 
gedacht,8)  niemals  aber  wurde  auch  der  Buddha  in  der 
formlosen  Welt  noch  in  Thätigkeit  dargestellt.    So  entspricht 

thaten,  vier  Arten  der  Geburt:  die  Geburt  aus  dem  Mutterleibe,  die 
Geburt  aus  dem  Ei,  die  Geburt  aus  Wärme  und  Feuchtigkeit,  die 
Geburt  durch  Verwandlung.  Die  technischen  Ausdrücke  sehe  man 
in  Schiefher's  Buddhistischer  Triglotte,  BL  26,  s.  v.  *kye-£nas-&shi'i- 
ming-la. 

8)  Nach  der  Ansicht  der  Tibeter  nehmen  die  DhySni  Buddhas 
und  DhySni  BSdhisattvas  menschliche  Form  an,  um  sich  in  unmit- 
telbaren Verkehr  mit  den  Menschen  zu  setzen.  Der  DhySni  Buddha 
AmitSbha  verkörpert  sich  im  Panchen  Rinpochhe,  dem  geistlichen 
Würdenträger  welcher  zu  Tashilhunpo  residirt,  sein  DhySni  BSdhi- 
sftttra  Padmapini  im  Dalai  Lama  zu  Lhassa. 


94        Sfahmg  der  philos.-philol.  Gaste  vom  6.  Februar  1864. 

jedem  Mänushi  Buddha  sowohl  ein  DhySni  Buddha,  als  auch 
ein  Abglanz  ohne  Namen  in  der  formlosen  Welt,  überdiess 
jedem  Buddha  in  Rahe  ein  Buddha  in  Bewegung,  und  zwar 
ist  die  Begrifisverbindung  in  folgender  Weise  sich  vorzu- 
stellen. Der  Mänushi  Buddha  hatte  bloss  die  Au%abe  der 
Wiederverkündung  der  Lehre,  er  verschwindet;  der  Dhyäni 
Buddha  ist  der  Buddha  in  Bewegung,  der  Abglanz  in  der 
formlosen  Welt  ist  der  Buddha  in  Ruhe.  Beide,  der 
Dhyäni  Buddha  und  der  Abglanz,  Bind  dem  Wesen  nach 
nur  Eins,  nur  Leeres,  nur  gereinigte  Seele;  aus  Mit- 
leid mit  den  Menschen  ist  dieses  Leere,  ehe  es  ganz  in 
Ruhe  sich  versenkte,  einmal  /noch  in  der  Hervorbringung 
eines  Stellvertreters,  eines  DhySni  Buddha,  für  die  noch  mit 
Materie  verbundenen  Welten  thätig  geworden.  Und  in  jeder 
Weltperiode  wirkt  der  DhySni  Baddha  durch  seinen  Bödhisat- 
tva  bis  zum  Auftreten  eines  neuen  Buddha,  indem  dieser 
auch  einen  neuen  Bödhisattva  heivorbringt.  Der  Wechsel 
in  der  Persönlichkeit  des  Lenkenden  ist  nicht  durch  einen 
Wechsel  in  der  Kraft  veranlasst,  die  Kraft  bleibt  vielmehr 
dieselbe,  es  ist  stets  die  gereinigte  Seele,  und  diese  ist  Eins, 
in  ihr  werden  alle  von  der  Materie  befreiten  Alaya-Theilchen 
absorbirt. 

Das  Alaya  der  Buddhas,  der  reine,  wesenlose  Abglanz, 
welchen  sie  in  die  formlose  Welt  senden,  ist  das  Göttliche: 
die  Alayas  der  Menschen  sind  davon  ausgeschlossen,  sind 
als  niedriger  zu  denken,  weil  die  Nirväfla- Vollkommenheit 
geringer  ist,  als  die  Buddha-Vollkommenheit.  Die  Buddhas 
sind  einsichtsvoller,  machtvollkommener,  ihnen  allein,  nicht 
auch  den  bloss  NirvSna- Gewordenen,  wird  Verehrung  ge- 
zollt, weil  nur  sie  die  Befreiung  Anderer  sich  zur  Aufgabe 
setzen,  während  die  einfach  Nirväna- Gewordenen  bloss  ihre 
eigene  Befreiung  bewirkt  haben. 9)     Selbst  schon  reines  Alaya 

9)  Vergl.  das  Rgya  tch'er  rol  pa  von  Foucaux,  Bd.  I,  S.  258, 
wo  die  Buddha-Intelligenz  weit  über  Befreiung  von  Existenz  gestellt  wird. 


Sddagirtweit:  Ihr  Gottetbegriff  des  BuddhisTnue.  96 

geworden,  entfaltet  der  Buddha  doch  noch  seine  Machtfalle, 
indem  er  einen  Stellvertreter  erschafft,  ein  Akt,  wodurch  er 
den  gewöhnlichen  Nirväna- Vollkommenen  Veit  überragt.  Be- 
zeichnend ist  auch,  dass  in  den  heiligen  Schriften  nicht  von 
der  Gottheit  in  einem  objektiven  Sinne  gesprochen  wird, 
das  Höchste  wird  persönlich  gefasst,  als  der  oberste  Buddha. 
Auch  aus  der  Betrachtung  der  Vereinigung  als  eine  Ab- 
sorption ergiebt  sich  der  Vorzug  des  Buddha  -  Aläya,  da 
dasjenige,  welches  etwas  in  sich  aufnehmen  soll,  als  höher 
gedacht  werden  musste,  als  das  Aufzunehmende.  Zwischen 
den  Buddha -Älayas  besteht  kein  Unterschied  mehr,  denn 
ihnen  wohnt  nach  der  mystischen  Lehre  Vollkommenheit  von 
Ewigkeit  her  inne,  nicht  erst  seitdem  sie  Buddha  geworden 
waren;  auch  der  Shambhogakäya  ist  bereits  früher  vorhanden 
gewesen,  da  auch  in  den  Buddhas  nichts  Anfang  oder  Ende  hat. 
Die  Gesammtheit  der  Buddha-Älayas  stellt  die  Gottheit 
dar.  Den  -Inbegriff,  die  Einheit  der  Buddhas  in  der  form« 
losen  Welt  gegenüber  den  einzelnen,  die  erschienen  sind, 
bezeichnet  der  Name  Adi  Buddha,  tibetisch  wChhog-gi- 
dang-po'i-sang6-rgyas,  „der  erste,  erhabenste  Buddha44.  Als 
thätiger  Gott  entspricht  ihm  Vajradhara,  tibetisch  rDo-ije- 
'chhang,  auch  rDo-rje-'zin,  „der  Scepterhalter" ;  seine  Stel- 
lung bezeichnen  die  Prädikate,  „der  oberste  Buddha,  der 
oberste  Sieger,  der  Herr  der  Geheimnisse,  der  Vornehmste 
der  Tathägataa,  das  Wesen  ohne  Anfang  und  Ende".  Ihm 
legen  die  unterjochten  Geister  das  feierliche  Gelübde  ab, 
nichts  mehr  gegen  die  Menschen  und  die  Herrschaft  der 
Lehre  zu  unternehmen.  Er  handelt  durch  seinen  Stellver- 
treter, den  Bödhisattva  Vajrasattva,  im  Tibetischen  rDo-rje- 
sem5-rfpa',  „der  mit  einer  diamantenen  Seele  Begabte".  Er 
ist  „höchste  Intelligenz,  das  Haupt,  der  Führer  der  fünf 
Dhyäni  Buddhas". 10)    Er  beschützt  die  Menschen  in  jeder 

10)  Csoma,  Analysis  of  the  Kanjuv,  As.  Bes.  Bd.  XX,  S.  494, 
608,  505,  586,  550.    Das  Verhältnise  Yajradharas  zu  Vairasattva  habe 


96        SU*m§  der  pküos.-philol.  Classt  vom  6.  Februar  1664. 

Weise,  deeswegen  sollen  Gebete  an  ihn  zur  Bestärkung  der 
Anrufung  anderer  Götter  gerichtet  werden,  damit  Alles,  was 
den  Erfolg  hindern  könne,  sicher  beseitigt  werde.  Die  Ti- 
beter glauben  jedoch,  dass  man  sich  mit  derselben  Sicher- 
heit der  Erhörung  auch  stets  an  die  Vertreter  der  zuletzt 
erschienenen  Mänushi  Buddhas  wenden  könne,  aber  die  An- 
rufung sei  nothwendig,  sonst  versagen  die  Gebete  und  Opfer 
ihren  Dienst,  wie  dem  Vogel  die  Flügel,  wenn  sie  geschnit- 
ten sind. 

Neben  Vajradhara,  Vajrasattra,  den  Buddhas,  ihren 
Stellvertretern  und  den  Bödhisattvas  wird  noch  eine  unend- 
lich grosse  Menge  von  Gottheiten  niedrigeren  Ranges  ange- 
rufen. Auch  ihre  Macht  beruht  auf  den  Folgen  verdienst- 
licher Thaten.  Dem  Ursprünge  nach  besteht  also  kein  Un- 
terschied zwischen  ihrer  Macht  und  derjenigen  der  Buddhas, 
bloss  Steigerung,  keine  begriffsmässige  Verschiedenheit  findet 
statt.  Daraus  bildete  sich  dann  in  der  mystischen  Lehre 
die  Doktrin,  alle  Göttlichkeit  beruhe  auf  einem  Ausflusse 
aus  der  höchsten  Intelligenz  und  die  heutigen  Tibeter  be- 
haupten auf  Grund  davon,  alle  Götter  seien  Eines,  es  gebe 
nur  Einen  Gott,  er  zeige  sich  aber  den  Wesen  in  verschie- 
dener Gestalt.11)  Es  ist  dabei  noch  hervorzuheben,  dass 
sie  der  Ansicht  sind,  die  Gottheiten  erregen  sich  durch 
Thätigkeit;  es  wird  angenommen,  dass  dem  Zustande  der 
Buhe  eine  andere  Stellung,  ein  anderer  Ausdruck  entspreche, 


ich  bereits  in  Buddhism  in  Tibet,  Gap.  VI,  erläutert,  auf  ihre  Stel- 
lung zu  Adi  Buddha,  und  dessen  Aeusserungen  von  Macht  durch 
Ausflüsse,  wurde  ich  durch  Hodgson's  Sketch  of  Buddhism  (ülustra- 
tions,  S.  66),  und  Schmidts  Bemerkungen  zu  Ssanang  Ssetsen,  S.  SSO 
hingewiesen,  und  ganz  besonders  durch  den  glücklichen  Umstand 
wiederholter  persönlicher  Besprechung  der  wichtigsten  Tantras  mit 
meinem  verehrten  Lehrer,  Herrn  Prof.  Schtefner  in  Petersburg,  und 
Herrn  Prof.  Goldstücker  in  London. 
11)  Buddhism  in  Tibet,  S.  107. 


it:  Ihr  Gottcsbegriff  des  Buddhitmug.  97 


ab  in  Momenten  der  Thätigfceit  sich  zeige.  Auch  in  Ab- 
bildungen werden  die  Götter  in  verschiedener  Gestalt  dar* 
gestellt,  je  nachdem  sie  in  Ruhe  oder  in  Aktion  vorgestellt 
werden.  So  hat  Melha,  der  Gott  des  Feuers,  eine  er- 
schreckende Miene,  wenn  er  die  bösen  Geister  verscheucht, 
auch  reitet  er  dann  einen  Widder,  während  Bilder,  die  ihn 
in  Buhe  darstellen,  im  Ausdrucke  an  Buddhas  erinnern. 

Diess  ist  der  Begriff  des  Gottes  im  Buddhismus  in 
Tibet,  in  Indien  war  er  selbst  in  seiner  letzten  Ausbildung 
nicht  dazu  fortgeschritten,  sondern  dabei  stehen  geblieben, 
die  Volksgötter  stets  nach  Ursprung  und  Wesen  als  unver- 
eint mit  dem  Buddhagotte  darzustellen. 

Inhalt  des  Gotteswesens.  So  gross  der  Einfluss 
ist,  welchen  die  Gottheit  auf  das  Schicksal  der  Menschen 
übt,  so  wird  ihr  doch  auch  jetzt  nicht  die  Funktion  eines 
Lenkers  und  Schöpfers  der  Welt  gegeben.  Die  Ursache  der 
Schöpfung  ist  die  Schuld,  die  Sünden  begangen  aus  Begehr- 
lichkeit und  Unwissenheit.  Es  giebt  eine  Zeit,  und  diese 
Periode  kehrt  stets  wieder,  in  welcher  Alles  Chaos  ist.  Nach 
einer  langen  Zeit  der  Ruhe  kommt  das  ordnungslose  Chaos 
in  Bewegung.  Festes  trennt  sich  vom  Flüssigen,  einzelne 
Welten  entstehen,  Bewohner  höherer  Regionen,  welche  noch 
nicht  alle  früheren  Sünden  getilgt  haben,  erhalten  kraft  der 
Geburt  durch  Verwandlung  einen  menschlichen  Körper  und 
werden  auf  die  fest  gewordene  Erde  versetzt  Anfangs  ist 
nur  Freude,  Begierden  regen  sich  und  werden  befriedigt, 
es  entsteht  Streit,  geschlechtliche  Triebe  erwachen,  Gebur- 
ten finden  statt,  diese  erzeugen  frankheit  und  Tod,  die 
Gesinnungen  werden  auf  Sinnliches,  Irdisches  gerichtet,  und 
nach  einem  stetig  fortschreitenden  Verschlechterungsprocesse 
tritt  endlich  der  Zeitpunkt  des  Weltunterganges  ein;  die 
Welten  werden  wieder  in  Chaos  aufgelöst,  und  dann  beginnt 
wieder  vom  Neuem  derselbe  Process  des  Sonderns,  Wer- 
dens und  Vergehens  nach  dem  unwandelbaren  Gesetze,  dass 


98        Sitzung  der  phOos.-phüol  Game  wm  6.  Februar  1864. 

Verschuldung  Abbüssung  fordere. 12)  Durch  Reue  und  ge- 
naue Beachtung  der  Ritualvorschriften  kann  zwar  die  Gott- 
heit veranlasst  werden,  die  Folgen  der  bösen  Thaten  aufzu- 
heben, sie  wird  auch  ihre  Hilfe  nie  versagen,  aber  nicht 
Alle  geben  sich  die  Mühe,  die  Vorschriften  sich  anzueignen, 
und  wenden  sich  nicht  mit  Zerknirschung  an  sie,  Viele  kön- 
nen nur  durch  die  Uebel  der  Existenz  zur  Einsicht  gebracht 
werden,  und  so  lange  es  solche  Menschen  giebt,  so  lange 
auch  besteht  das  Universum,  zerfallt  und  reconstruirt  sich. 
Wenn  auch  der  Gott  der  Buddhisten  nach  Zweckbegriffen 
handelt,  in  der  Richtung  nämlich,  die  vollkommene  Entvöl- 
kerung des  Weltalls  herbeizuführen,  so  ist  seine  Thätigkeit 
doch  nicht  weder  eine  spontane,   freiwillige,   noch  eine  all- 


12)  Vgl.  Schiefner,  Bull.  hist.-philol. ,  Bd.  IX.  S.  1.  —  Mit  einer 
Darstellung  der  Verschlechterungsperioden  ist  auch  das  tibetische 
Geschichtsbuch  eingeleitet :  Tsar-du-dngar-baH-mkhyen-pa'i-ge-sar- 
.grzhon-nu'i-lang-tsTio'i-Zchags-ky u-yis ;  chhos-kun-ri-dag*-mig-  chan-ma- 
%  yi-«nying-la-tanun-pa'i-rang-(2vang-du ;  'du-'bral-zlos-gar-ri-mo'i-anang- 
frnyan-clihos-nyid-me-long-jrtsang-ma'i-ngos ;  rdzen-par-'chhar-ba*i- 
byed-po-zur-phud-Znga-pa-mgrin-pa,i-rgyan-du-&zhug$".  „Von  der  in 
bester  Ordnung  aufgestellten  Eenntniss  von  dem  Jüngling  Gesar,  in 
dessen  eigener  Gewalt  die  ganze  Lehre  (ist),  gesaugt  mit  dem  eisernen 
Hacken  der  Jugend  am  Herzen  der  Mutter,  „welche  die  Augen  der 
Gazelle  hat",  —  die  klare  Oberfläche  des  Spiegels  des  Gesetzes 
selbst,  das  Spiegelbild  der  Figuren  des  Tanzes,  welcher  annähert  und 
trennt,  iBt  aufgesetzt  als  Halsschmuck  desjenigen,  „welcher  5  Haar- 
aufsätze hatu  und  (das  Gesetz)  aufgehen  macht  ohne  Schleier  (wört- 
lich: in  nackter  Weise)".  „Die  Augen  der  Gazelle  habende44  ent- 
spricht dem  Sanskrit  Mrigakshi,  „die  fünf  Haaraufsätze  Habende14 
dem  Sanskrit  Panchasika;  beides  können  eigene  Namen  sein.  Gesarist* 
der  Held  der  berühmten  Sage  vom  Gesar  Khan.  —  Es  mögen  hier  noch 
einige  Details  über  den  Inhalt  dieses  Manuscriptes  angereiht  werden, 
mit  dessen  Uebersetzung  ich  jetzt  beschäftigt  bin.  Die  Handschrift 
ist  die  Abschrift  des  Exemplares,  welches  der  letzte  Descendent  der 
früher  in  Ladak  regierenden  Familie  besass;  er  erlaubte  meinem 
Bruder  Hermann,  Abschrift  davon  zu  nehmen.    Das  Manuscript  um- 


Schlag  intweit:  Der  Gotteabegriff  des  Buddhismus.  99 

umfassende.  Er  tritt  nur  in  Actiyität  unter  gewissen  Voraus- 
setzungen, das  Princip  des  ursprünglichen  Buddhismus,  der 
Mensch  kann  und  soll  das  Höchste  durch  sein  eigenes  Ver- 
halten erreichen,  ist  selbst  jetzt  noch  in  der  Zulassung  eines 
obersten  göttlichen  Wesens  festgehalten.  Die  Gottheit  stellt 
«ich  nur  unterstützend  an  seine  Seite,  sie  ist  gebunden  in 
Macht  durch  den  Willen  des  Menschen,  die  Abtrennung  der 
Materie  kann  nicht  vor  sich  gehen  kraft  einer  einseitigen 
Willensäu8serung  der  Gottheit.  Auf  der  anderen  Seite  jedoch 
ist  der  Mensch  abhängig  von  der  Gottheit:  während  früher 
ihm  Alles  möglich  war,  kann  er  jetzt  nur  zur  Vollendung 
gelangen  durch  Einwirkung  der  Gottheit.  Auch  jetzt  noch 
wird  eine  Vorsehung  nicht  anerkannt ;  selbst  diejenigen  Schu- 
len in  Nepal,  welche  den  Theismus  am  weitesten  ausgebildet 
haben  und  selbst  die  Schöpfung,  die  Erschaffung  der  Welt 
ab  sein  Werk  darstellen,  schliessen  sie  aus. 18) 

fasst  81  Blätter  mit  6  Zeilen  auf  jeder  Seite  and  etwa  80  Silben  in 
jeder  Zeile.    Fol.   2  wird  Ikshvaku  erwähnt,  der  Stammvater   des 
Sonnengeschlechtes,  von  welchem  sich  dieSikyas  ableiten;  Fol. 8 — 6 
enthalten  einen  Abriss  der  Verschlechterungsperioden;   Fol.  6 — 11 
handeln  Ton  dem  Geschlechte  der  SSkyas,  von  der  Geburt  SSkya- 
munis,  von  der  Erlangung  der  Buddhawürde,   und  von  der  Geburt 
aeines  Sohnes.    Einzelne  Sätze  sind  wörtlich  aus  dem  Laiita  vistara 
genommen,  z.  B.  Fol.  8,  b  ist  gleich  S.  86,  Z.  18  ff.  des  Fouoaux'sohen 
Textes;  Fol.  10  ist  aus  dem  Abhinishkramanasutra,  Foucaux's  Bd.  II, 
8.    889.      Die    Geschichte    von    Tibet    beginnt    Fol.    11;     soweit 
ich  bis  jetzt  gekommen  bin,  bezieht  sie  sich  auf  das  westliche  Tibet, 
die  Genealogie  der  Könige  und  die  wichtigsten  Ereignisse  werden  er- 
zählt.   UeberGesar  kommen  keine  Nachrichten  vor;  das  Nennen  seines 
Namens  auf  dem  sehr  mystischen  Titel  soll  wohl  glauben  machen,  dass 
die  Ladalri- Herrscher  von  ihm  abstammen.     Wegen   der   seltenen 
tibetischen  Bearbeitung  der  Sage  von  Gesar  Khan,  wovon  das  ein- 
zige    Exemplar,   welches  bisher   erhalten    werden  konnte,    in  den 
Sammlungen  meiner  Brüder  sich  befindet,  verweise  ich  einstweilen 
auf  den  Bericht  von  Schiefner  in  Bull,  hist.-phil.    der  Pet  Aoad. 
Bd.  VI,  S.  484. 

13)  Hodgson,  Illustration«,  S.  81. 
[1864.  L  2.]  8 


\Q0      Sitjsma  &r  philosi-pMol  CbasM  vom  *.  FAruar  1864. 

Historische  Elemente  and  ihr  Einflnss.  Was 
hier  vorgetragen  wurde,  ist  die  Ansicht  der  Buddhisten  in 
Tibet  and  Hochasien.  Die  Japanesen  erkennen  ebenfalls  ein 
oberstes  göttliches  Wesen  an, 14)  die  Buddhisten  auf  Ceylon 
und  auf  der  indo  -  chinesischen  Halbinsel  haben  aber  das 
jäy^tem  nicht  bis  zum  Begriffe  eines  obersten  Gottes  durch* 
gebildet, 1&)  Sie  blieben  bei  der  Leerheit  als  dem  eigent- 
lichen Wesqn  alles  Exiafcirenden ,  als  dem  Zustande  derer, 
welche  Nirvana  geworden,  und  als  dem  Ziele  menschlichen 
ßtrebens  stehen.  Ihnen  fehlte  der  äussere  Anstoss,  welcher  bei  den 
nördlichen  Buddhisten  zu  dieser  Ausbildung  der  Lehre  nöthigte. 
Im  nördlichen  Indien  hatten  die  Buddhisten  im  8.  und  9. 
Jahrhundert  fast  überall  den  früheren  Einfiuss  an  die  Brah- 
n>anen  verloren,  ihre  Klöster  wurden  zerstört,  die  Bewohner 
vertrieben,  ihr  Besitzthum  eingezogen,  und  die  Zahl  der 
Laien,  welche  sich  ihnen  abwendete,  musste  rasch  zunehmen. 
Sie  glaubten  ihren  Verfall  verhindern  zu  können  /indem  sie 
suchten,  die  Menge  durch  grössere  Vortheile  als  die  Brah- 
manen  ihr  boten,  an  sich  zu  ketten ;  das  beste  Mittel  schien 
ihnen,  (Jen  alte«  Volksgöttern,  von  welchen  sich  auch  die 
Buddhisten  nie  vollständig  abgewendet  hatten,  wieder  mehr  Ein- 
fiuss zuzugestehen,  als  es  bisher  der  Fall  war.  Sie  knüpf- 
ten hierin  an  die  Lehren  an,  welche  durch  Priester  aus 
Centralasien  in  Indien  bekannt  wurden,  die  vor  den  mussal- 
maaschen  Bedrückungen  Schutz  suchen  mochten.  Dort  waren 
abergläubische  Vorstellungen  schon  in  weit  höherem  Grade 
als  in  Indien  mit  den  buddhistischen  Anschauungen  verwebt 
worden.    Die  Götter,    übermenschliche  Wesen,  zahllos  an 


14)  Hoffinann,  in  v.  Siebold's  „Beschreibung  von  Japan1',  B.  VI, 
S,  67. 

15)  Es   wird   als  Irrlehre  bezeichnet  zu  glauben,   daes  einige 
Wesen  ewig  fortdauern.    Gogerty,  bei  Hardy,  Manual,  8.  888. 


•      ♦       *    »      « 


8MagmkDeit:  Der  Oottesbegriff  des  Buddhismus.  101 

Menge,  aller  Orten  den  Menschen  umgebend  und  stets  seiner 
Bitten  gewärtig,  sollen  durch  Gebete,  Opfer  und  die  genaueste 
Vollziehung  von  Ceremonien,  in  denen  Alles  der  Eigentüm- 
lichkeit der  anzurufenden  Gottheit  angepasst  ist,  zum  Dienste 
der  Menschen  gezwungen  werden  können;   es  wird  auf  sie 
dadurch  eine  magische  Gewalt  ausgeübt,  der  sie  nicht  wider- 
stehen können.     Ohne  ihren  Beistand  kann  nichts  gelingen, 
auch  die  Vereinigung  mit  der  Gottheit  wird  nur  mit  Hilfe 
ihrer    übernatürlichen   Fähigkeiten    erreicht  werden.     Diess 
and  die  Hauptzüge  ihrer  Lehre,  welche  nach  dem  wichtig- 
sten   Werke   darüber   Kala  Chakra,    „das  Rad  der  Zeit", 
tibetisch  Dus-kyi-'khor-lo,  genannt  wird. 16)    Durch  zahlreiche 
Commentare   von   Indiern    erläutert    und   in    das   indische 
System  des  Buddhismus  eingeführt,   ist  sie  in  der  Gestalt, 
wie   sie  uns  in  den  Tantrabüchern  entgegen  tritt,   als  ein 
Werk   indischen  Denkens   zu   betrachten.     Die  Götter  des 
Volksglaubens  werden  an   die   Stelle   der  centralasiatischen 
Gottheiten  gesetzt,  sie  werden  zum  Mittelpunkte  der  Cere- 
monien gemacht,  der  Kreis  der  Thätigkeit  eines  Jeden  wird 
genau  abgegrenzt,  jedoch  durch  die  allumfassende  und  doch 
sich   wieder  zertheilende  Weisheit  der  Buddhas,  welche  in 
Adi  Buddha  sich   gipfeln,  die  Gefahr  erfolgloser  Anrufung 
beseitigt. 

In  Indien  konnten  die  Führer  der  Buddhisten  ungeach- 
tet dieser  Zugeständnisse  dem  buddhistischen  Elemente  den 
Vorrang  vor  dem  Brahmanenthume  nicht  erringen,  spätestens 
im  13.  Jahrhundert  gab  es  auf  dem  Festlande  keine  Bud- 
dhisten mehr.  Aber  ihre  Bestrebungen  hatten  eine  völlige 
Umgestaltung  der  Lehre  des  Buddha  zur  Folge.    Ursprüng- 


16)  Csoma,  On  the  origin  of  the  Kala  Chakra  System.  Journ. 
Ab.  Sog.  Beng.  Bd.  II,  S.  57.  H.  H.  Wilson,  Sketch  of  the  relig. 
secto  of  the  Hindus,  As.  Res.  Bd.  XVII,  S.  216— 29.  Hodgson,  Illustr., 
S.  23.    Burnouf,  Introduction,  Section  V.    Wasgiljew,  1.  c.    S.  201. 

8* 


102      SiUnmg  der  phOoe.-phtlol.  Ciatsc  um  6.  Februar  1864. 

lieh  einfach,  auf  guten  moralischen  Grundsätzen  bauend, 
aber  doch  den  Menschen  auf  sich  anweisend,  mit  dem  Be- 
streben, ihn  ganz  unabhängig  zu  machen  von  einem  höheren 
Wesen,  entwickelte  sich  auf  Grund  der  mystischen  Lehre 
ein  verworrenes,  schwer  zu  erfassendes  und  noch  schwieriger 
in  allen  Details  zu  befolgendes  System  von  Regeln  und 
Ceremonien,  und  zugleich  die  Anerkennung  eines  höchsten, 
obersten  Wesens,  welches  das  Schicksal  des  Menschen  be- 
stimmt, an  dessen  Beistand  er  gebunden  ist,  wenn  er  auch 
nicht  ein  allmächtiger  Gott  ist,  ein  Alles  regelnder  Lenker 
in  unserem  Sinne. 


Herr  Plath  hielt  einen  Vortrag 

„Ueber  Verfassung  und  Verwaltung  des  chi- 
nesischen Reichs  unter  den  drei  ersten 
Dynastieen". 

Diese   Arbeit   wird   in    den   Denkschriften   ihre    Stelle 
finden. 


Stcinhcü:  Ueber  den  Ästrograph.  103 


Mathematisch -physikalische  Classe. 

Sitzung  vom  13.  Februar  1864. 


Herr  Steinheil  übersendet  folgenden  Aufsatz: 

„Der  Ästrograph".  *)  Ein  Apparat  zum  Zeich- 
nen des  durch  Femrohre  betrachteten  Sternhim- 
mels. 

DerWerth  der  graphischen  Methode  bei  astronomischen 
Bestimmungen  wird  im  Allgemeinen  unterschätzt.  Der  Grund 
liegt  wohl  darin,  dass  man  der  Aufstellung,  wenn  sie  der 
täglichen  Bewegung  folgen  soll,  oft  die  erforderliche  Festigkeit 
nicht  zu  geben  vermag,  um  zu  genügend  genauen  Bestim- 
mungen zu  gelangen.  Ich  werde  im  Nachfolgenden  zeigen, 
dass  graphisch  eine  weit  grössere  Genauigkeit  zu  erlangen 
ist,  als  selbst  die  Sternaufnahmen  von  Ar  gelander  in  Bonn 
durch  Beobachtung  ergeben  haben,  und  dass  dazu  nur  ein 
Beobachter  erfordert  wird,  während  in  Bonn  drei  Beobach- 
ter zugleich  beschäftigt  sind.  Endlich,  dass  dieser  eine  Be- 
obachter in  derselben  Zeit  wenigstens  eben  so  viele  Bestim- 
mungen macht  und  zwar  in  bequemster  Lage  ohne  alle  An- 
strengung. 

Ein  Fernrohr  von  wenigstens  4  Zoll  Oefihung  in  hori- 


1)  Schon  vor  mehr  als  80  Jahren  habe  ich  das  erste  Instrument 
zu  diesem  Zwecke  construirt,  und  in  Schumacher^  Jahrbuch  1838 
beschrieben.  Die  Charte  der  Gegend  des  Nordpoles,  welche  U.  Pohrt 
seiner  Zeit  damit  zeichnete,  zeigt,  dass  die  Positionen  der  Sterne 
etwa  auf  1'  richtig  sind.  Der  Grund,  wesshalb  die  Genauigkeit  nicht 
grosser  ist,  liegt  theils  in  dem  Massstab,  welcher  1°  =  6'"  gab,  theils 
aber  auch  darin,  dass  die  Zeichnungsflache  der  Bewegung  der  Sterne 
folgen  musste  und  daher  keine  genügende  Festigkeit  hatte. 


104      Sittung  der  moft.*pftt/*.  Clane  vom  13.  Februar  1864. 

zontaler  Lage  von  West  gegen  Ost  zeigt  durch  einen  unter  45° 
vor  dem  Objektive  angebrachten  Spiegel  bei  Drehung  um  seine 
Axe  successive  alle  Theile  des  Meridians.  Das  Tom  Objektiv 
entworfene  Bild  des  Sternhimmels  sei  durch  ein  Okularmikroskop 
betrachtet,  welches  durch  die  Mauer  des  Arbeitszimmers  des 
Astronomen  in  horizontaler  Lage  und  in  solcher  Höhe  ge- 
führt ist,  dass  der  davor  sitzende  Beobachter*  bequem  hinein 
sehen  kann.  Der  Augenort  des  Okulares  sei  wenigstens  in 
12  Zoll  Abstand  von  der  Mauer.  Das  Okular  vergrössere 
vorerst  nur  36mal,  so  dass  man  einen  Quadratgrad  am  Him- 
mel leicht  übersehen  kann.  *) 

Auf  das  Bild  des  Himmels  läset  sich  nun  das  Bild  der 
senkrecht  unter  dem  Okulare  befindlichen  Ebene  durch  einen 
Sömmering'schen  Zeichnungsspiegel  projiciren,  so  dass  das 
Auge  gleichzeitig  Licht  von  der  Ebene  und  von  dem  Stern- 
himmel erhält.  Das  Bild  des  Himmels  wird  auf  der  Ebene 
gemessen  um  so  grösser,  je  weiter  die  Ebene  vom  Augen- 
ort abrückt.  Wäre  der  Abstand  dieser  horizontalen  Ebene 
z.  B.  8  Zoll,  so  erschiene  ein  Quadratgrad  des  Himmels  als 
Quadrat  von  60  Linien,  oder  eine  Bogenminute  am  Himmel 
erschiene  eine  Linie  lang,  und  da  man  leicht  in  8  Zoll  Ab- 
stand Vio  Linie  sieht  und  einstellt,  würde  man  damit  6 
Bogensekunden  am  Himmel  haben. 

Bewirkt  man  jetzt  durch  ein  Gestell  von  Gusseisen  in 
Verbindung  mit  der  Mauer  oder  mit  dem  isolirten  Fuss- 
boden  eine  so  feste  Aufstellung  der  Horizontalfläche,  dass 
man  diese  auch  bei  Anwendung  von  einiger  Kraft  sicher 
nicht  um  Vio  Linie  verstellen  kann,  so  wird  der  Ort  eines 
Sternes  auch  mit  dieser  Genauigkeit  auf  der  Ebene  zu  be- 


2)  Diesen  Anforderungen  entspricht  mein  Meridiankreis,  siehe 
•diese  Berichte  1864,  I,  1.  Er  kann  also  zugleich  auch  dazu  benutet 
werden,  Sternzonen -Karten  zu  entwerfen,  um  sie  mit  den  vorhan- 
denen Karten  zu  vergleichen  und  etwaige  Aenderungen  zu  erkennen. 


Steinbeil:  Ueber  am  Artrograph.  l<tt 

zeichnen  sein.  Dabei  ist  natürlich  vorausgesetzt ,  dass  man 
das  Okular  so  gestellt  habe,  dass  die  Parallaxe  Zwischen 
Bild  des  Himmels  und  Bild  der  Ebene  verschwindet. 

Wenn  nun  die  Ebene  am  ihren  Mittelpunkt  drehbar, 
aber  in  jeder  Lage  zum  Feststellen  gemacht  und  mit  einein 
horizontal  und  geradlinig  gehenden  Schuber  versehen  wird, 
der  ein  weisses  Fadenkreuz  hat,  dessen  einer  Faden  parallel 
sar  Bewegung  des  Schubers  ist,  So  kann,  weil  das  helle 
Fadenkreuz  auf  dem  dunkeln  Schuber  über  dem  Sternhim- 
mel gesehen  wird,  das  Kreuz  auf  jeden  Stern  im  Meridian 
eingestellt  werden.  Man  drehe  dazu  nun  die  Ebene,  bis  die 
tägliche  Bewegung  der  Sterne  parallel  zu  dem  einen  Faden 
ist,  so  repräsentirt  der  andere  Faden  den  Meridian  und  es 
kann  durch  Bewegen  des  Schubers  im  Meridian  jeder  Stern 
auf  den  Declinationsfaden  eingestellt  und  beim  Durchgang 
durch  den  Meridianfaden  beobachtet  werden. 

Um  damit  eine  Sternzonenkarte  von  1  °  Breite  zu  ent- 
werfen, müssen  wir  mit  diesem  Apparat  einen  Begistrir- 
apparat  in  Verbindung  bringen  und  zwar  auf  folgende  Art: 
Erst  muss  ein  Papierstreifen  von  etwas  mehr  als  60  Linien 
Breite  in  der  Richtung  senkrecht  zum  Schuber  mit  einer 
Geschwindigkeit  bewegt  werden,  die  nahezu  dem  scheinbaren 
Fortrücken  der  Sterne  auf  der  Ebene  gleich  ist.  Diess  wird, 
wie  bekannt,  durch  zwei  Walzen  erlangt,  die  mit  einer  von 
Triebwerk  gegebenen  Geschwindigkeit  drehen  und  den  Pa- 
pierstreifen durchziehen.  Dieser  Apparat  ist  mit  dem  festen 
Theil  der  Ebene  in  Verbindung  und  es  registrirt  sich  von 
5"  zu  5"  der  Uhrgang  auf  beiden  Rändern  des  Streifen* 
durch  Elektromagnete. 

Unter  dein  Schuber  ist  aber  ferner  ein  Elektromagnet 
an  diesem  so  angebracht,  dass  er  sich  mit  dem  fechuber 
quer  übet  den  Papierstreifen  hin  bewegt.  Ein  galvanischer 
Taster  an  dem  feststehenden  Theil  des  Apparates  bewirkt, 
dass  der  Hebel   des  Elektromagnetes   einen  Punkt  in  den 


106       Sitzung  der  motk-jriby*.  Clause  vom  13.  Februar  1864, 

Papierstreifen  eindrückt,  sobald  der  Taster  niedergedrückt 
wird.  Wird  also  ein  Stern  durch  Bewegung  des  Schaber» 
auf  den  Declinationsfaden  oder  besser  zwischen  zwei  in  klei- 
nem Abstände  parallel  gezogene  Fäden  gebracht  und  der 
Taster  im  Augenblick  des  Sterndurchganges  niedergedrückt, 
so  ist  derselbe  in  der  Zonenkarte  eingetragen.  Die  Grössen- 
bezeichnung  kann  durch  die  Zeitdauer  des  Niederdrückens 
des  Tasters  geschehen,  wobei  ddr  grössere  Stern  durch  eine 
längere  Linie  bezeichnet  ist.  Die  Position  gilt  natürlich  für 
den  Anfang  des  Striches. 

Um  Sterne,  die  gleichzeitig  durch  den  Meridian  gehen, 
eintragen  zu  können,  ist  eine  Schuberbewegung  des  ganzen 
Apparates  senkrecht  zur  Bewegung  des  Schubers  nöthig. 
Dabei  überholt  der  Meridianfaden  die  Bewegung  der  Sterne 
und  es  kann  nun  ein  zweiter  oder  dritter  Durchgang  beob- 
achtet werden,  worauf  der  Apparat  wieder  in  die  erste  Lage 
zurückgeführt  wird. 

■ 

In  sehr  sternreichen  Gegenden  wird  man  stärkere 
Vergrößerungen  anwenden,  z.  B.  die  doppelte.  Dabei  wird 
man  jetzt  nur  V»  Quadratgrad  übersehen,  während  die  Zeich- 
nungsfläche gleich  gross  bleibt.  Es  muss  daher  die  Ge- 
schwindigkeit des  Streifens  die  doppelte  werden«  Man  er- 
langt aber  dann  auch  die  doppelte  Genauigkeit  bei  diesen 
Zonenaufnahmen  von  V*°  Breite.  Damit  der  Declinations- 
schuber  leicht  aus  freier  Hand  eingestellt  werden  kann,  ist 
es  nöthig,  ihn  auf  4  genau  gleichgrossen  Kugeln  zu  bew.egen. 
Die  Kugeln  gehen  im  untern  Theil  des  Apparates  in  2 
parallelen  Rinnen  gebildet  durch  2  unter  rechtem  Winkel 
zusammen  laufenden  Ebenen.  Ganz  ähnliche  Rinnen  in  glei- 
chem Abstände  sind  auf  der  untern  Seite  des  Schubers. 
Sie  passen  genau  auf  die  Kugeln.  Dabei  ist  gar  keine  glei- 
tende Friktion,  so  dass  sich  der  Schuber  mit  der  kleinsten 
Kraft  bewegen  lässt. 


Schönbtin:  Ueber  dm  Wa$$er$toffkhwefd.  107 

Das  Triebwerk  für  den  Papierstreifen  muss  einen  Re- 
gulator haben,  der  sehr  verschiedene  Geschwindigkeiten  zu 
geben  erlaubt  Die  richtige  Geschwindigkeit  zeigt  sich  am 
leichtesten  durch  Vergleich  der  berechneten  Fortrücknng  mit 
der,  welche  stattgehabt  hat.  Ein  kleiner  Unterschied  hat 
ms  nur  Einfluss  auf  nachträglich  im  verstellten  Meri- 
beobachtete  Durchgänge  und  ist  auch  da,  wenn  die 
Beobachtung  nahe  liegt,  noch  unmerklich.  Aber  im  Ganzen 
ist  die  Charte  unabhängig  von  der  Bewegung  des  Streifens, 
weil  die  Uhrzeit  am  Rande  registrirt  ist,  die  das  Entnehmen 
der  AR  mit  aller  Schärfe  gestattet. 

Sollte  man  durch  solche  Karten  nicht  bloss  Aenderungen 
am  Sternenhimmel  aufzufinden  beabsichtigen,  sondern  die 
Positionen  der  beobachteten  Sterne  ableiten  wollen,  so  wäre 
für  die  Declinationen  ein  Massstab  erforderlich,  welcher 
nach  den  Tangenten  der  scheinbaren  Winkel  von  der  Mitte 
der  Zone  aus  getheilt  wäre  (bis  +  18°).  Im  Uebrigen 
kämen  alle  Reductionselemente  wie  bei  directen  Beobach- 
tungen in  Anwendung. 


Herr  Pettenkofer  legt  einen  Aufsatz  von  Herrn 
Schönbein  in  Basel  vor,  welcher  unter  dem  Titel 

„Chemische   Mittheilungen" 

folgende  Artikel  begreift: 

1)  Einige  Angaben   über   den  WasserstoffschwefeL 

Schon  Thenard  machte  darauf  aufmerksam,  dass  manche 
derjenigen  Materien,  welche  das  Wasserstoffsuperoxyd  zer- 
setzen, auch  den  Wasserstoffschwefel  zu  zerlegen  vermögen, 
wie  z.  B.  das  Platin,  die  Kohle,  die  Superozyde  des  Man« 
gaas,  Bleies  u.  s.  w.    Ich  habe  unlängst  ebenfalls  Versuche 


108      Siteung  der  motk-pAyt.  Claeee  wm  IS.  Februar  1664. 

mit  der  besagten  Schwefelverbindnng  angestellt  in  der  Ab- 
sicht, die  Umstände  genauer  zu  ermitteln,  anter  welchen 
dieselbe  eine  Zersetzung  erleidet  und  zu  diesem  Behufe  ein 
Verfahren  beobachtet,  von  dem  ich  glaube,  dass  es  zweck* 
massiger  gewesen  sei  und  zu  sicherern  Ergebnissen  geführt 
habe,  als  der  von  dem  französischen  Chemiker  eingeschla- 
gene Weg. 

Nach  meinen  frühern  Versuchen  kommt  dem  Wasser» 
stoffschwefel  das  Vermögen  zu,  die  Indigotinktur  zu  ent* 
blauen,  welche  Wirkung  weder  auf  einer  Reduction  noch 
Zerstörung  des  Farbstoffes,  sondern  auf  dem  beruht,  was 
ich  Verhüllung  des  Indigos  nennen  möchte.  Die  durch  den 
Wasserstoffschwefel  entfärbte  Indigolösung  bläut  sich  näm- 
lich wieder  von  selbst,  auch  wenn  man  sie  von  der  Luft 
vollständigst  abschliesst,  und  zwar  um  so  rascher,  je  höher 
die  Temperatur  des  Gemisches  ist.  Der  Grund  dieser  frei- 
willigen Bläuung  liegt  einfach  darin,  dass  der  Wasserstoff- 
Schwefel  von  selbst  in  S  und  HS  zerfällt,  auch  wenn  er  mit 
der  Indigoblauschwefelsäure  vergesellschaftet  ist.  Nach 
Massgabe  dieser  spontanen  Zersetzung  tritt  daher  auch  die 
ursprünglich  blaue  Färbung  der  Indigolösung  wieder  auf, 
aus  welchem  Verhalten  abzunehmen  ist,  dass  jede  Substanz, 
welche  die  entfärbte  Indigotinktur  augenblicklich  zu  bläuen 
vermag,  auch  die  Fähigkeit  besitzt,  den  Wasserstoffschwefel 
rasch  zu  zersetzen. 

Derartige  Versuche  lassen  sich  am  bequemsten  in  fol- 
gender Weise  anstellen.  In  Wasser  durch  Indigotinktur  bis 
zur  Undurchsichtigkeit  tief  gebläut  und  mit  einiger  Salz- 
säure versetzt,  tröpfelt  man  unter  Umrühren  die  Lösung 
eines  mehrfach  geschwefelten  alkalischen  Metalles  ein,  bis 
das  Gemisch  völlig  entbläut  erscheint.  Dasselbe  filtrirt  lie- 
fert eine  vollkommen  klare  und  farblose  Flüssigkeit,  welche 
jedoch  bald  anfängt,  sich  zu  trüben  in  Folge  der  eintreten* 
den  Zersetzung  des  Wasserstoffscbwefels  und  hat  man  bei 


n:  Ucbar  den  Wtmerstoffichmfifd.  109 

der  Darstellung  dieser  Versuchsflüssigkeit  nicht  mehr  Schwe- 
feUebsrlösung  angewendet,  als  genau  zur  vollständigen  Ent- 
blänang  der  Indigotinktur  nöthig  war,  so  hält  auch  die 
Bläaung  der  Flüssigkeit  mit  ihrer  Trübung,  welche  selbst- 
verständlich von  ausgeschiedenem  Schwefel  herrührt,  gleichen 
Schritt  Ist  aber  in  der  entfärbten  Indigolösung  ein  Ueber- 
8chus8  von  WasBerstoffschwefel  vorhanden,  so  trübt  sich  an- 
fänglich die  Versuchsflüssigkeit,  ohne  zugleich  blau  zu  wer* 
den  und  tritt  selbstverständlich  deren  Färbung  um  so  später 
ein,  je  grösser  jener  Ueberschuss  gewesen. 

Nach  diesen  Angaben  dürfte  es  kaum  noch  der  aus- 
drucklieben Bemerkung  bedürfen,  dass  es  zweckdienlich  sei, 
zur  Anstellung  der  im  Nachstehenden  beschriebenen  Versuche 
einer  Flüssigkeit  sich  zu  bedienen,  die  entweder  nur  einen 
sehr  kleinen,  oder  noch  besser  gar  keinen  Ueberschuss  an 
Wasserstofischwefel  enthält. 

Das  Ozon  und  diejenigen  Sauerstoffverbindungen,  welche 
ich  Ozonide  nenne,  z.B.  die  Superoxyde  des  Mangans,  Bleies 
u.  s.  w.,  die  Uebermangan- ,  Chrom-,  unterchlorige  und 
salpetrige  Säure  und  deren  Salze,  wie  auch  das  Eisenoxyd 
oder  dessen  Lösungen  in  Säuren  bläuen  die  Versuchsflüssig- 
keit augenblicklich,  falls  diese  Substanzen  nicht  in  Ueber- 
schuss angewendet  werden.  Eben  so  verhalten  sich  Chlor, 
Brom  und  Jod. 

Sehr  stark  mit  HO  verdünntes  Wasserstoffsuperoxyd 
wirkt  nur  sehr  schwach  auf  die  Versuchsflüssigkeit  ein,  fügt 
man  aber  einem  solchen  Gemisch  nur  wenige  Tropfen  ver- 
dünnter Eisenvitriollösung  zu,  so  erfolgt  unverweilt  die  augen- 
fälligste Bläuung. 

Platinmohr  bläut  die  Versuchsflüssigkeit  augenblicklich, 
verliert  jedoch  seine  Wirksamkeit,  nachdem  er  einmal  diese 
Reaotion  hervorgebracht  hat;  durch  Behandlung  mit  Kali- 
lösung oder  Salpetersäure  in  der  Wärme  erhält  das  Metall 
jedoch  wieder  sein  ursprüngliches  Bläuungsvermögen.    Wie 


110      Sitzung  der  math.-phy8*  CZame  vom  13.  Februar  1864. 

das  Platin  t erhält  sich  auch  das  Iridium,  Palladium,  Rho- 
dium, Osmium  und  Ruthenium.  Fein  gepulverte  Holzkohle 
verursacht  sofort  die  Färbung  der  Versuchsflüssigkeit,  ohne 
wie  das  Platin  ihre  Wirksamkeit  zu  verlieren.  Gelöste  Phos- 
phor- und  Arsensäure,  selbst  im  verdünnten  Zustande,  bläuen 
die  entfärbte  Indigotinktur  sofort,  während  die  gleich  stark 
verdünnte  Salpeter-  oder  Schwefelsäure  (frei  von  NCU)  nur 
sehr  schwach  bläuend  und  die  Salzsäure  gar  nicht  einwir- 
ken, wie  diess  übrigens  schon  die  Bereitungsweise  der  Ver- 
suchsflüssigkeit zeigt,  in  welcher  ein  Ueberschuss  von  HCl 
vorhanden  ist.  Thenard  giebt  an,  dass  auch  die  Kieselsäure 
den  Wasserstoffschwefel  zerlege;  nach  meinen  Versuchen 
bläut  jedoch  dieselbe  nur  dann  unsere  Versuchsflüssigkeit, 
wenn  jene  noch  Spuren  von  Eisenoxyd  enthält;  ist  die  Säure 
hiervon  gänzlich  frei,  so  verhält  sie  sich  völlig  wirkungslos. 
Die  Lösungen  sämmtlicher  alkalischer  Oxyde  rufen  die  blaue 
Färbung  der  Versuchsflüssigkeit  augenblicklich  hervor  und 
ebenso  diejenigen  einer  Anzahl  von  Metallsalzen,  z.  B.  des 
Kupfer-,  Mangan-  und  Nickelsulfates  u.  s.  w. 

Was  die  spontane  Bläuung  der  entfärbten  Indigolösung 
betrifft,  so  beruht  sie  erwähntermassen  auf  der  freiwilligen 
Zersetzung  des  Wasserstoffschwefels,  welche  diese  Verbin- 
dung gerade  so  leicht  in  ihrem  (an  Indigoblauschwefelsäure) 
gebundenen,  als  im  freien  Zustand  erleidet.  Während  der 
gewöhnliche  Sauerstoff  so  gut  als  gleichgültig  gegen  die 
Versuchsflüssigkeit  sich  verhält,  wirkt  dagegen  wie  der  freie, 
so  auch  der  gebundene  ozonisirte  Sauerstoff  rasch  und  kräf- 
tigst auf  dieselbe  ein,  wie  diess  aus  ihrer  augenblicklichen 
Bläuung  erhellt,  welche  das  Ozon  und  die  Ozonide  verur- 
sachen, falls  sie  nicht  im  Ueberschuss  angewendet  werden, 
in  welchem  Falle  der  Indigo  wieder  zerstört  wird.  Die 
durch  die  genannten  Materien  bewerkstelligte  Zersetzung  des 
Wasserstoffsohwefels ,  d.  h.  Bläuung  der  Versuchsflüssigkeit 
beruht  ohne  Zweifel  auf  einer  oxydirenden  Wirkung,  welche 


Schönbein:  üeber  den  Wa8$ersto0*chwefd.  111 

sie  auf  den  einen  und  andern  Bestandteil  der  Schwefel- 
rerbindung  hervorbringen,  wodurch  diese  zerstört  und  die 
Indigoschwefelsäure  mit  ihren  ursprünglichen  optischen  Ei- 
genschaften in  Freiheit  gesetzt  wird.  Dass  in  gleicher  Weise 
auch  das  Chlor,  Brom,  Jod  und  das  gelöste  Eisenoxyd  wir- 
ken, ist  mehr  als  nur  wahrscheinlich. 

Was  die  rasche  Bläuung  der  Versuchsflüssigkeit  durch 
Wasserstoffsuperoxyd  unter  Mitwirkung  eines  gelösten  Eisen* 
oxydulsalzes  betrifft,  so  beruht  sie  auf  der  schon  längst  von 
mir  ermittelten  Thatsache,  dass  HOs  bei  Anwesenheit  eines 
solchen  Salzes  gleich  dem  Ozon  oder  einem  Ozonide  wirkt, 
wie  schon  daraus  erhellt,  dass  höchst  verdünntes  HOt,  wel- 
ches für  sich  allein  den  Jodkaliuinkleister  nicht  mehr  zu 
bläuen  vermag,  diess  augenblicklich  thut,  falls  man  einem 
solchen  Gemeng  nur  wenige  -  Tropfen  Eisenvitriollösung 
zufügt. 

•  Die  Wirksamkeit  der  Platinmetalle  leite  ich  aus  ihrem 
Vermögen  ab,  den  mit  ihnen  in  Berührung  stehenden  ge- 
wöhnlichen Sauerstoff  zur  chemischen  Thätigkeit  anzuregen 
oder  zu  ozonisiren  und  in  dem  vorliegenden  Falle  auf  den 
Wasserstoffschwefel  oxydirend  einzuwirken.  In  früheren  Mit- 
theilungen habe  ich  gezeigt,  dass  Platinschwamm,  mit  HS 
nur  einen  Augenblick  in  Berührung  gesetzt,  sein  Vermögen 
einbüsste,  das  Knallgas  zu  entzünden  und  ist  nachgewiesen 
worden,  dass  dieser  Verlust  von  der  Oxydation  des  Wasser- 
stoffes von  HS  herrühre,  in  deren  Folge  Schwefel  frei  wird, 
welcher  das  Metall  umhüllt.  Ein  gleicher  Vorgang  findet 
nun  höchst  wahrscheinlich  auch  bei  der  Berührung  der 
Metalle  mit  der  Versuchsflüssigkeit  statt,  bei  welcher  der 
an  ihnen  haftende  und  zur  chemischen  Thätigkeit  angeregte 
Sauerstoff  dem  Wasserstoffschwefel  H  entzieht  und  Schwefel 
ausgeschieden  wird,  welcher  um  die  Metalle  eine  Hülle  bil- 
dend, deren  ozonisirende  Wirkung  auf  0  aufheben  muss. 
Durch  Behandlung  mit  Kalilösung  u.  s.  w.  wird  der  um  sie 


1 12      Sitnmg  der  maßL-phys.  CUum  vom  13.  Februar  1864. 

gelagerte  Schwefel   entfernt  und   ihnen   dadurch   auch  ihre 
ursprüngliche  Wirksamkeit  wiedergegeben. 

Auf  welche  Weise  die  Phosphor-  und  Arsensäure  die 
rasche  Bläuung  der  entfärbten  Indigolösung  bewerkstelligen, 
weiss  ich  nicht  anzugeben  und  es  lässt  sich  einstweilen  hier- 
über nicht  viel  mehr  sagen,  als  dass  diese  Säuren  den  ver- 
hüllenden Einfluss  aufheben,  welchen  der  Wasserstoffschwe- 
fel auf  die  blaue  Färbung  der  Indigolösung  ausübt.  Die  in 
Rede  stehende  Bläuung  kann  keinen  Falles  auf  einer  Zer- 
störung des  Wasserstoffschwefels  beruhen,  wie  sie  durch 
Ozon,  Chlor  u.  b.  w.  bewerkstelligt  wird,  könnte  aber  mög- 
licher Weise  davon  herrühren,  dass  die  genannten  Säuren 
eine  vorübergehende  Verbindung  mit  dem  Wasserstoffschwe- 
fel eingiengen  und  dadurch  den  Einfluss  des  letztern  auf  die 
Indigotinktur  aufhöben  oder  doch  stark  schwächten.  l) 

Die  alkalischen  Oxyde  bläuen  die  Versuchsflüssigkeit 
einfach  desshalb,  weil  sie  mit  dem  Wasserstofißchwefel  in 
Wasser  und  Schwefelmetalle  sich  umsetzen;  auf  welche 
Weise  aber  die  Kohle  wirkt,   wüsste  ich  nicht  zu  sagen; 


1)  Dass  es  chemische  Verbindungen  solcher  Art  gebe,  dafür, 
glaube  ich,  liegen  nun  zahlreiche  Beweise  vor  und  ich  selbst  habe 
unlängst  mehr  als  eine  Thatsache  ermittelt,  welche  zu  Gunsten  die- 
ser Annahme  spricht.  So  z.  B.  verhüllen  nach  meinen  Versuchen 
die  Lösungen  der  Quecksilberoxydsalze  die  Färbung  und  den  Geruch 
des  wässrigen  Jodes,  Bromes  und  Chlores,  wie  sie  auch  ersteres  ver- 
hindern, den  Stärkekleister  zu  bläuen,  während  die  Haloidsalze  der 
genannten  Salzbildner,  wie  auch  die  Wasserstoffsäuren  derselben  diese 
Verhüllung  wieder  aufheben.  Die  verdünnte  Indigotinktur  wird  durch 
die  genannten  Quecksilbersalze  grün  gefärbt  und  mittelst  der  er- 
wähnten Haloidsalze  und  Säuren  wieder  gebläut  Solche  Veränderun- 
gen deuten  offenbar  auf  die  Bildung  und  Wiederzersetzung  chemi- 
scher Verbindungen  hin,  welche  uns  dermalen  noch  gänzlich  unbe- 
kannt sind  und  ebendesshalb  die  Aufmerksamkeit  der  Chemiker  ver- 
dienen. 


Schönheit*:  Ei»  Reagan  auf  da»  WoMewtoffguperomfd.      113 

so  viel  ist  gewiss,    dass  unter  ihrem  Einftuss  der  Wasser- 
sto&echwefel  in  S  und  HS  zerfallt 

Die  oben  angeführten  Thatsachen  scheinen  mir  nun  zu 
der  Annahme  zu  berechtigen,  dass,  wenn  nicht  in  allen, 
doch  in  den  meisten  der  erwähnten  Fälle  die  Zerlegung  der 
Wasserstofischwefels  durch  gewöhnliche  chemische  Wirksam- 
keiten bewerkstelligt  werde  und  die  Aehnlichkeit,  welche 
zwischen  den  Zersetznngserscheinungen  der  genannten  Schwe- 
felyerbindungen  und  des  Wasseistoffsuperoxydes  besteht,  nur 
eine  scheinbare  sei. 

2)  Ueber  ein  neues  höchst  empfindliches  Reagens 
auf  das  Wasserstoffsuperoxyd    und   die   salpetrig- 
sauren Salze. 

Vor  einiger  Zeit  habe  ich  gezeigt,  dass  unter  der  Mit- 
wirkung eines  Eisenoxydulsalzes  der  angesäuerte  Jodkalium- 
kleister  ein  so  empfindliches  Reagens  auf  HOt  sei,  dass  da- 
durch noch  verschwindend  kleine  Mengen  dieses  Superoxydes 
mit  Sicherheit  sich  erkennen  lassen.  Ein  anderes  Reagens, 
welches  dem  erwähnten  an  Empfindlichkeit  wo  nicht  völlig 
gleich,  doch  sehr  nahe  kommt  und  in  manchen  Fällen  an- 
gewendet werden  kann,  wo  gewisser  Umstände  halber  der 
Jodkaliumkleister  nicht  einmal  zu  gebrauchen  wäre,  ist  die 
durch  Wasserstoffschwefel  entfärbte  Indigotinktur,  von  der 
in  voranstehender  Mittheilung  die  Rede  gewesen.  Hat  man 
zur  Bereitung  dieses  Reagens  nicht  mehr  gelöste  Sehwefel- 
leber  angewendet,  als  genau  zur  Entbläuung  der  Indigotink- 
tur erforderlich  ist,  so  wird  diese  farblose  Flüssigkeit  durch 
Wasser,  welches  nur  Spuren  von  HOt  enthält,  noch  deut- 
lich und  augenblicklich  gebläut  werden,  sobald  man  dem 
Gemisch  einige  Tropfen  verdünnter  Eisenvitriollösung  zufügt, 
wobei  jedoch  zu  bemerken  ist,  dass  die  unter  diesen  Um- 
standen anfänglich  eongetretene  Bläuung  wieder  verschwin- 


114      Sitsung  der  math.-phys.  Clane  vom  13.  Februar  1864. 

det,  falls  das  Wasser  mehr  HOs  enthält,  als  zur  Zersetzung 
des  in  der  entfärbten  Indigolösung  vorhandenen  Wasserstoff» 
Schwefels  nöthig  ist  und  zwar  um  so  rascher,  je  grösser 
jener  Ueberschuss  an  Wasserstoffsuperoxyd  sein  sollte.  Wie 
empfindlich  unser  Reagens  auf  HO«  sei,  mögen  nachstehende 
Angaben  zeigen. 

Bekanntlich    entstehen   nach    meinen    Versuchen    beim 
Schütteln  einer  Anzahl  leicht  oxydirbarer  Metalle  mit  Wag* 
ser  und  gewöhnlichem  reinen  und  atmosphärischen  Sauerstoff 
nachweisbare  Mengen  Wasserstoffsuperoxydes,  unter  welchen 
das  Zink  ganz   besonders   sich  auszeichnet.    Schüttelt  man 
50  Gramme  amalgamirter  Zinkspäne  mit  etwa   ihrem  dop- 
pelten Gewichte  destillirten  Wassers  in  einem  etwas  geräu- 
migen  lufthaltigen    Gefässe    nur   wenige    Sekunden   lebhaft 
zusammen,  so  wird  das  Wasser  schon  so  viel  HO*  enthalten, 
um  den  nicht  angesäuerten  Jodkaliumkleister  beim  Zufügen 
einiger  Tropfen   verdünnter  Eisenvitriollösung  sofort  augen- 
fälligst zu  bläuen,    da*  gleiche  Wasser  vermag  aber  auch 
die  durch  Wasserstoffschwefel  entfärbte  Indigotinktur  unter 
Mitwirkung  der  genannten  Eisensalzlösung  rasch  und  deut- 
lich blau  zu  färben.    Aus  diesen  Angaben  ersieht  man,  dass 
zur  Ermittelung  kleinster  Mengen  von  HOs  die  besagte  In- 
digolösung  eben  so    gut  als   der  Jodkaliumkleister  dienen 
kann   und  wie  in  einer  nachstehenden  Mittheilung  gezeigt 
werden  wird,  lassen  sich  durch  jenes  Reagens  noch   eben 
so   kleine  Mengen  Wasserstoffsuperoxydes   in  Flüssigkeiten 
nachweisen,  die  Substanzen  enthalten,  welche  die  Bläuung 
des  Jodkaliumkleisters  verhindern,  wesshalb  derselbe  in  sol- 
chen Fällen  als  Reagens  gar  nicht  zu  gebrauchen  ist.    Das 
empfindlichste  mir  bekannte  Reagens  auf  die  Nitrite  ist  der 
mit   verdünnter    Schwefelsäure   versetzte  Jodkaliumkleister, 
welchen   schon  äusserst  kleine  Mengen  irgend  eines  jener 
Salze  auf  das  Tiefste  zu  bläuen  vermögen.    Von  gleicher 
Empfindlichkeit  für  die  Nitrite  ist  die  durch  Wasserstoff- 


Schambein-.  Zm  Kennsmss  des  men&cKL  Harnes.  115 

schwefel  (ohne  Ueberschuss)  entfärbte  Indigotinktur,  welche 
beim  Vermischen  mit  Wasser,  das  verschwindend  kleine 
Mengen  eines  salpetrigsauren  Salzes  enthält,  noch  augen- 
blicklich und  deutlichst  gebläut  wird.  Da  es  bisweilen  ge- 
schieht, dass  eper  schwach  nitrithaltigen  Flüssigkeit  noch 
anderweitige  (reducirende)  Materien  beigemischt  sind,  welche 
die  Bläuung  des  angesäuerten  Jodkaliumkleisters  verhindern, 
nicht  aber  diejenige  der  entfärbten  Indigotinktur,  so  ist  in 
einem  solchen  Falle  die  Anwesenheit  sehr  kleiner  Mengen 
eines  salpetrigsauren  Salzes  nur  durch  das  letzterwähnte 
Reagens  zu  erkennen,   wie  aus  den  Angaben  der  folgenden 

Mitteilungen  erhellen  wird. 

/ 

3)  Ein  Beitrag  zur  genauem  Eenntniss  des  mensch- 
lichen Harnes. 

Wie  noch  nichts  vollkommen  gekannt  ist,  so  auch  nicht 
der  viel  untersuchte  Harn,  an  dem  ich  unlängst  bei  Gelegen- 
heit meiner  Untersuchungen  über  die  Verbreitung  katalytisch 
wirksamer  Materien  in  thierisohen  Flüssigkeiten  eine  Reihe 
von  Thatsachen  ermittelte,  welche  mir  der  Beachtung  ßowohl 
der  Chemiker  als  Physiologen  -nicht  ganz  unwerth  zu  sein 
scheinen.  Herr  Pettenkofer  hat  zuerst  die  Beobachtung  ge- 
macht, dass  frischer  Harn  in  einem  auffallenden  Grade  das 
Vermögen  besitze,  die  wässrige  Jodstärke  zu  entbläuen,  ohne 
dass  meines  Wissens  der  ausgezeichnete  Münchner  Gelehrte 
die  Ursache  dieser  Wirkung  näher  angegeben  hätte.  Meine 
über  den  gleichen  Gegenstand  angestellten  Untersuchungen 
haben  zu  folgenden  Ergebnissen  geführt. 

Ein  Raumtheil  frisch  gelassenen,  deutlich  sauer  reagi- 
renden  und  honiggelb  gefärbten  Harnes  mit  vier  Raumthei- 
len  stark  rothbraunen  Jodwassers  versetzt,  lieferte  ein  Ge- 
misch, das  nach  wenigen  Minuten  den  Stärkekleister  nicht 
im    Mindesten   mehr  zu   bläuen  vermochte  und  nur  noch 

[1864.  L  2.]  9 


116      SiUung  der  math.-phys.  CUum  vom  IS.  Februar  1864. 

schwach  gelblich  gefärbt  war;  demselben  konnten  jedoch  im 
Laufe  einiger  Tage  noch  weitere  zehn  Raumtheile  der  be- 
sagten Jodlösung  zugefügt  werden,  ohne  dass  das  Gemisch 
den  Kleister  gebläut  hätte  und  kaum  ist  nothwendig  zu  be- 
merken, dass  unter  Mitwirkung  der  Wärme  diese  Jodbin- 
dung und  die  damit  verbundene  Entfärbung  des  Harnes 
ungleich  rascher  als  bei  gewöhnlicher  Temperatur  erfolgen. 
Nicht  unerwähnt  darf  aber  die  Thatsache  bleiben,  dass  ein 
z.  B.  aus  vier  Raumtheilen  Jodwassers  und  einem  Raumtheile 
Harnes  bestehendes  Gemisch,  welches  für  sich  allein  den 
Kleister  nicht  mehr  bläut,  diess  bei  Zusatz  verdünnter  Schwe- 
felsäure noch  augenfälligst  thut,  auf  welche  Reaction  ich 
weiter  unten  wieder  zurückkommen  werde. 

Mittelst  thierischer  Kohle  völlig  entfärbter  Harn  vermag 
zwar  auch  noch  Jod  zu  binden,  aber  merklich  weniger  als 
der  gleiche  nicht  entfärbte  Harn,  und  bei  einem  Versuche 
fand  ich,  dass  die  Menge  des  durch  ersteren  gebundenen 
Jodes  nur  zwei  Drittel  von  derjenigen  betrug,  welche  der 
nicht  entfärbte  Harn  zu  binden  vermochte,  wobei  es  kaum 
nöthig  ist  zu  bemerken,  dass  durch  Chlor  oder  Brom  dieses 
gebundene  Jod  wieder  frei  werde. 

Selbstverständlich  wird  «die  besagte  Jodbindung  durch 
oxydirbare  im  Harn  enthaltene  Materien  bewerkstelligt  und 
ans  der  Thatsache,  dass  der  Farbstoff  dieser  Flüssigkeit 
durch  das  Jod  zerstört  wird  und  der  entfärbte  Harn  weni- 
ger Jod  als  der  gefärbte  bindet,  geht  hervor,  dass  das  Harn- 
pigment eine  der  oxy  dir  baren  Materien  sei,  welche  an  be- 
sagter Jodbindung  Theil  nehmen.  Da  das  Jodwasser  oder 
die  wässrige  Jodstärke  durch  die  Harnsäure  und  deren  Salze 
entfärbt  wird  und  bekannt  ist,  dass  auf  diese  Substanzen 
bei  Anwesenheit  von  Wasser  die  Salzbildner  zersetzend  ein- 
wirken und  die  genannte  Säure  wie  auch  einige  ihrer  alka- 
lischen Salze  nie  fehlende  Bestandteile  des  Harnes  ausmachen, 
so  ist  nicht  daran  zu  zweifeln,    dass  das  Vermögen  dieser 


Sehönbän:  Zur  Kmntniss  de»  mentchl  Harnes.  117 

Flüssigkeit,  Jod  zu  binden,  also  das  Jodwasser  oder  die 
Jodstarke  zu  entfärben,  hauptsächlich  auf  ihrem  Gehalt  an 
Harnsäure  und  deren  Salzen  beruhe.  Was  die  letztern, 
namentlich  das  saure,  harnsaure  Kali,  Natron  und  Ammoniak 
betrifft,  so  wirken  sie  nach  meinen  Beobachtungen  noch 
rascher  als  die  Harnsäure  entfärbend  auf  das  Jodwasser 
iL  s.  w.  ein,  wobei  noch  zu  bemerken  ist,  dass  die  hier- 
durch erhaltene  und  den  Kleister  nicht  mehr  bläuende  Flüs- 
sigkeit beim  Zufügen  verdünnter  Schwefelsäure  denselben 
augenblicklich  und  noch  merklich  stark  bläut,  welche  Reac- 
tion  nach  meinem  Dafürhalten  von  kleinen  Mengen  eines 
unter  diesen  Umständen  gebildeten  jodsauren  Salzes  (Kali*, 
Natronjodates  u.  s«  w.)  herrührt.  Während  nämlich  ein 
Theil  Jodes  auf  die  Harnsäure  einwirkt,  setzt  sich  ein  an- 
derer Theil  dieses  Salzbildners  mit  der  alkalischen  Basis  des 
harnsauren  Salzes  in  Jodmetall  und  Jodat  um,  und  fugt 
man  nun  dem  gelösten  Gemisch  verdünnte  Schwefelsäure  zu," 
so  wird  die  hierdurch  frei  gewordene  Jodsäure  mit  der  vor- 
handenen Jodwasserstoffsäure  in  Jod  und  Wasser  sich  um- 
setzen. Da  nun  der  Harn  ausser  freier  Harnsäure  auch 
noch  harnsaure  Salze  mit  alkalischer  Basis  enthält,  so  er- 
klärt sich  hieraus  die  oben  erwähnte  Thatsache,  dass  ein 
Gemisch  frischen  Harnes  und  Jodwassers,  welches  für  sich. 
allein  den  Kleister  nicht  mehr  bläut,  diess  bei  Zusatz  ver- 
dünnter Schwefelsäure  thut. 

Nach  diesen  Angaben  versteht  es  sich  nun  von  selbst, 
dass  wie  der  Harn,  so  auch  die  harnsäurehaltigen  Sedimente 
dieser  Flüssigkeit  auf  das  Jodwasser  oder  die  wässrige  Jod- 
stärke entfärbend  einwirken  und  kaum  wird  noch  die  An- 
gabe nöthig  sein,  dass  der  Harnstoff  auf  die  beiden  letztern 
ohne  alle  Wirkung  ist. 

Noch  verdient  hier  die  Thatsache  der  Erwähnung,  dass 

die  Anwesenheit  kleiner  Mengen  einer  kräftigen  Säure  die 

Wirksamkeit  des  Jodes  gegenüber  den  oxydirbaren  Harn- 

9* 


118      Sitzung  der  math.-pkys.  Clas&e  vorn  IS.  Februar  1864. 

bestandtheilen  merklich  stark  abschwächt,  wie  daraus  erhellt, 
dass  mit  Schwefel-  oder  Salzsäure  versetzter  Harn  das  in 
Wasser  gelöste  Jod  ungleich  langsamer  bindet,  als  diess  der 
gleiche,  aber  unangesäuerte  Harn  thut.  100  Gramme  fri- 
schen Harnes,  denen  nur  fünf  Tropfen  Vitriolöl  zugefügt 
worden,  mit  der  gleichen  Menge  Jodwassers  versetzt,  liefern 
ein  Gemisch,  welches  bei  gewöhnlicher  Temperatur  15 — 20 
Minuten  stehen  muss,  bevor  es  aufhört,  den  Stärkekleister 
zu  bläuen,  wogegen  die  gleiche  Menge  des  unangesäuerten 
Harnes  400  Gramme  Jodwassers  beinahe  augenblicklich  der 
Fähigkeit  beraubt,  den  Kleister  zu  färben.  Ohne  Zweifel 
hängt  dieses  Verhalten  mit  der  von  mir  unlängst  bespro- 
chenen Thatsaohe  zusammen,  dass  schwefel-  oder  salzsäure- 
haltiges Jodwasser  die  Indigotinktur  nur  höchst  langsam 
zerstört,  die  säurefreie  Jodlösung  dagegen  die  abgestumpfte 
Indigotinktur  ziemlich  rasch  entbläue. 

Bekanntlich  zerstört  das  Ozon  alle  organischen  Farb- 
stoffe, wie  es  auch  nach  den  Versuchen  von  Gorup  oxydirend 
auf  die  Harnsäure  einwirkt,  wesshalb  es  nicht  auffallen  kann, 
dass  der  Harn  Ozon  aufnimmt  und  dadurch  sowohl  entfärbt, 
als  auch  noch  anderweitig  verändert  wird.  '  Hat  man  Harn 
hinreichend  lang  mit  Ozon  behandelt,  d.  h.  so  lange,  bis  er 
letzteres  nicht  mehr  merklich  zerstört,  so  hat  derselbe  auch 
das  Vermögen  verloren,  die  wässrige  Jodstärke  zu  entbläuen, 
und  schüttelt  man  solchen  Harn  mit  amalgamirten  Zink- 
spähnen  einige  Zeit  zusammen,  oder  lässt  man  Metall  und 
Flüssigkeit  mehrere  Tage  mit  einander  in  Berührung  stehen, 
so  wird  der  abfiltrirte  Harn  den  angesäuerten  Jodkalium- 
kleister bis  zur  Undurchsichtigkeit  tief  bläuen.  Solcher 
Harn,  der  selbstverständlich  vollkommen  farblos  ist,  mit  ein 
wenig  Pyrogallussäure  versetzt,  bräunt  sich  bei  Zusatz  ver- 
dünnter Schwefelsäure  sofort  auf  das  Augenfälligste  und 
hängt  man  in  einem  verschlossenen  Gefasse  über  diesem 
Gemisch  einen  feuchten  Streifen  Jodkaliumstärkepapier  oder 


Sekänbein;  Zur  Kenntnis*  des  memdU.  Hamm.  119 

ein  durch  Indigolösung  massig  stark  gefärbtes  Papierstück 
auf,  so  wird  jener  bald  tief  gebläut  und  letzteres  nach  eini- 
ger Zeit  vollständig  gebleicht  ei-scheinen.  Diese  Reactioneu 
röhren  von  einem  Nitritgehalte  des  Harnes  her  und  beruhen 
zunächst  auf  NOt ,  welches  sich  nach  meinen  Erfahrungen 
bei  Anwesenheit  von  Pyrogallussäure  und  SOt  selbst  aus 
äusserst  verdünnten  Lösungen  salpetrigsaurer  Sake  entbin- 
det, mit  dem  in  der  atmosphärischen  Luft  des  Gefasses  vor- 
handenen 0  Untersalpetersäure  bildend,  von  welcher  be- 
kanntlich schon  kleinste  Mengen  das  feuchte  Jodkaliumstärke* 
papier  zu  bläuen  und  durch  Indigolösung  gefärbtes  Papier 
zu  bleichen  vermögen  (man  sehe  in  Fresenius1  Zeitschrift 
meine  Angaben  über  die  empfindlichsten  Beagentien  auf  die 
Nitrite).  Kaum  werde  ich  zu  sagen  brauchen,  dass  der  in 
Rede  stehende  Harn  auch  die  durch  Wasserstoffschwefel 
entfärbte  Indigotinktur  augenblicklich  zu  bläuen  vermöge,  so 
dass  also  über  die  Nitrithaltigkeit  desselben  kein  Zweifel 
walten  kann. 

Es  fragt  sich  nun,  wie  dieses  salpetrigsaure  Salz  ent- 
standen sei.  Nimmt  man  an,  dass  schon  in  dem  frischen 
Harne  kleine  Mengen  eines  Nitrates  enthalten  seien,  so  ist 
es  leicht,  über  die  Bildung  des  fraglichen  Nitrites  sich 
Rechenschaft  zu  geben.  Bekanntlich  haben  meine  Versuche 
dargethan,  dass  das  Zink,  mit  gelösten  Nitraten  in  Berühr- 
ung gesetzt,  diese  Salze  schon  bei  gewöhnlicher  Temperatur 
zu  Nitriten  reducire;  ist  nun  meiner  Annahme  gemäss  ein 
salpetersaures  Salz  im  frischen  Harne  vorhanden,  so  muss 
dasselbe  durch  das  genannte  Metall  ebenfalls  in  Nitrit  ver- 
wandelt werden. 

Woher  aber  das  Nitrat  im  frischen  Harne?  Nach  mei- 
nen Untersuchungen  enthält  alles  Quell-,  Fluss-,  Seewasser 
u.  s.  w.,  wie  auch  viele  als  Speise  dienende  Pflanzen :  Kohl, 
Spinat,  Salat  u.  s.  w.  kleine  Mengen  salpetersaurer  Salze, 
welcher  Umstand  die  ausnahmslose  Nitrathaltigkeit  des  Har» 


120      tiitsung  der  math.-phy$.  Gasse  vom  13.  Februar  1861. 

nee  leicht  begreiflich  macht.  Ob  aber  alles  in  dieser  Flüs- 
sigkeit vorkommende  Nitrat  von  Speise  und  Trank  herrühre, 
dürfte  schwer  zu  entscheiden  sein,  da  möglicher-,  wenn  auch 
sehr  unwahrscheinlicher  Weise  ein  kleiner  Theil  dieses 
Salzes  innerhalb  des  Organismus  sich  gebildet  haben  könnte. 

Bekanntermassen  erleidet  der  bei  gewöhnlicher  Tem- 
peratur sich  selbst  überlassene  Harn  mannigfaltige  Verän- 
derungen, deren  Inbegriff  man  die  Harngährung  zu  nennen 
pflegt  und  von  welchen  stofflichen  Wandelungen  ich  vollen 
Grund  habe  anzunehmen,  dass  sie  bei  Weitem  noch  nicht 
alle  gekannt,  geschweige  verstanden  seien.  Meine  über  die- 
sen so  interessanten  Gegenstand  gemachten  Beobachtungen 
und  angestellten  Versuche  haben  zur  Ermittelung  folgender 
Thatsachen  gefuhrt. 

Vier  bis  sechs  Tage  lang  bei  6 — 10°  sich  selbst  über- 
lassener  Harn,  gleichgiltig  ob  offen  an  der  Luft  stehend, 
oder  von  ihr  abgeschlossen,  zeigt  die  Eigenschaft,  den  mit 
SOs  angesäuerten  Jodkaliumkleister  augenfälligst  zu  bläuen. 
Nach  acht-  bis  zwölftägigem  weitern  Stehen  bringt  er  diese 
Reaction  in  noch  viel  stärkerem  Grade  hervor,  um  jedoch 
dieses  Vermögen  nach  und  nach  wieder  gänzlich  zu  ver- 
lieren. Bei  etwas  höherer  Temperatur,  z.  B.  bei  16 — 20° 
finden  diese  Veränderungen  ungleich  rascher  statt,  so  dass 
bisweilen  schon  nach  acht-  bis  zwölfetündigem  Stehen  der 
Harn  den  angesäuerten  Jodkaliumkleister  deutlichst  zu  bläuen 
vermag,  bei  welchem  Anlass  ich  nicht  unbemerkt  lassen  will, 
dass  Harn  von  dem  gleichen  Individuum  zu  verschiedenen 
Zeiten  gelassen,  unter  sonst  völlig  gleichen  Umständen  ver- 
schieden lang  stehen  muss,  bevor  er  fähig  ist,  die  besagte 
Reaction  hervorzubringen.  Ich  habe  z.  B.  den  Fall  beob- 
achtet, dass  Harn,  um  10  Uhr  Vormittags  gelassen,  6chon 
nach  12  Stunden  den  Jodkaliumkleister  deutlichst  bläuete, 
während  der  zwei  Stunden  später  von  der  gleichen  Person 
gelassene  Harn  drei  volle  Tage  stehen  musste,  ehe  er  diese 


Zwr  Kenntnis*  des  tnen$M.  Harnes.  121 

■i 

Wirkung  zu  verursachen  vermochte,  obgleich  beide  Harn- 
portionen  neben  einander   in  dem  gleichen  Zimmer  standen. 

Ist  der  Harn  in  dasjenige  Stadium  seiner  freiwilligen 
Zersetzung  getreten,  in  welchem  er  den  angesäuerten  Jod- 
kaliumkleister am  Tiefsten  bläut,  so  vermag  er  auch,  wenn 
mit  ein  wenig  Pyrogallus-  und  verdünnter  Schwefelsäure  ver- 
mischt, einen  (in  einem  Oefass)  über  ihm  aufgehangenen 
feuchtesi  Streifen  Jodkaliumstärkepapieres  rasch  auf  das 
Tiefste  zu  bläuen,  wie  auch  ein  mit  Indigotinktur  gefärbtes 
Papierstück  in  nicht  gar  langer  Zeit  vollständigst  zu  bleichen. 
Dass  solcher  Harn  ebenfalls  die  durch  Wasserstoffschwefel 
entfärbte  Indigolösung  sofort  zu  bläuen  vermöge,  bedarf 
wohl  kaum  der  ausdrücklichen  Erwähnung. 

Natürlich  rühren  diese  Reactionen  gleichfalls  wieder  von 
einem  Gehalte  des  Harnes  an  Nitrit  her,  von  welchem  Salze 
obigen  Angaben  gemäss  anzunehmen  ist,  dass  es  aus  einem 
schon  im  frischen^  Harn  vorhandenen  Nitrat  entstanden  sei. 

Meine  frühern  Versuche  haben  gezeigt,  dass  alle  in 
Wasser  gelösten  salpetersauren  Salze,  diejenigen  mit  alkali- 
schen Basen  nicht  ausgenommen,  nicht  nur  durch  Wasser- 
stoff, Zink,  Kadmium  u.  8.  w.,  sondern  auch  durch  sehr  ver- 
schiedenartige organische  Substanzen:  Stärke,  Eiweiss,  Leim 
u.  8.  w.  allmälig  erst  zu  Nitriten  reducirt  und  diese  Salze 
selbst  wieder  bei  noch  längerer  Einwirkung  der  genannten 
reducirenden  Materien  des  Gänzlichen  zerstört  werden.  Man 
möchte  desshalb  geneigt  sein  zu  vermuthen,  dass  die  schon 
im  frischen  Harn  enthaltenen  oxydirbaren  Substanzen,  z.  B, 
die  Harnsäure  und  deren  Salze,  auf  das  in  ihm  vorhandene 
Nitrat  in  der  Weise  einwirkten,  dass  sie  es  erst  in  Nitrit 
verwandelten,  später  aber  auch  noch  dieses  Salz  zerstörten. 
Wie  man  sieht,  würde  durch  eine  solche  Annahme  dieThat- 
sache  erklärlich,  dass  der  sich  selbst  überlassene  Harn  erst 
die  Fähigkeit  erlangt,  den  angesäuerten  Jodkaliumkleister 
zu  bläuen  u.  s.  w.,  diese  Eigenschaft  aber  nach  einiger  Zeit 


122       Sitzung  dar  moih.-phys.  Oosse  vom  13.  Februar  1864. 

wieder  verliert.  Zu  Gunsten  einer  solchen  Erklärung  Hesse 
sich  auch  noch  die  Thatsache  anfuhren,  dass  gelöstes  Am* 
moniaknitrat  u.  8.  w.  mit  Harnsäure  oder  deren  Salzen  einige 
Zeit  in  Berührung  gesetzt,  nitrithaltig  wird. 

Es  liegen  jedoch  einige  Thatsachen  vor,  welche  der 
Vermuthung  vollen  Baum  geben,  dass  der  Hergang  der  Sache 
nicht  ganz  so  einfach  sei  und  zu  der  besprochenen  Nitrit- 
bildung andere  als  die  erwähnten  Materien  das  Wesentlichste 
beitragen.  Bevor  ich  aber  diese  tatsächlichen  Gründe  näher 
angebe,  muss  ich  noch  bemerken,  dass  der  Harn,  nachdem 
er  schon  so  nitrithaltig  geworden  ist,  um  den  angesäuerten 
Jodkaliumkleister  augenblicklich  auf  das  Tiefste  bläuen  zu 
können,  doch  noch  in  einem  ausgezeichneten  Grade  das  Ver- 
mögen besitzt,  das  Jodwasser  oder  die  Jodstärke  zu  ent- 
färben, Eigenschaften,  welche  sich  gegenseitig  auszuschliessen 
scheinen,  die  aber  beweisen,  dass  in  einem  solchen  Harne 
neben  einer  oxydirenden  Materie  (Nitrit)  auch  noch  oxydir- 
bare  oder  jodbindende  Substanzen  enthalten  seien.  Dieser 
scheinbare  Widerspruch  löst  sich  jedoch  ganz  einfach  durch 
die  oben  erwähnte  Thatsache  au£  dass  die  Gegenwart  einer 
kräftigen  Säure  die  Einwirkung  des  Jodes  auf  die  Harnsäure 
oder  deren  Salze  stark  hemmt,  wesshalb  in  dem  vorliegen- 
den Falle  daß  Jod  schneller  ausgeschieden,  als  durch  die 
zuletzt  genannten  Säuren  und  Salze  des  Harnes  wieder  ge- 
bunden wird,  welcher  Umstand,  wie  man  leicht  einsieht,  die 
Bläuung  des  Stärkekleisters  möglich  macht.  Noch  muss  ich 
beifügen,  dass  auch  der  Harn,  welcher  durch  hinreichend 
langes  Stehen  wieder  nitritlos  und  alkalisch  geworden  ist, 
immer  noch  in  einem  ausgezeichneten  Grade  das  Vermögen 
besitzt,  das  Jodwasser  oder  die  Jodstärke  zu  entfärben,  auch 
nachdem  die  Flüssigkeit  durch  eine  Säure  vollkommen  neu- 
tralisirt  worden  ist,  was  beweist,  dass  die  im  frischen  Harne 
schon  enthaltenen  reducirenden  Materien  auch  noch  im  alten 
vorhanden  sind. 


8chfinbd*:  Zur  Kemümiu  de*  men$dd.  Harnet.  128 

Meinen  Beobachtungen  gemäss,  und  ich  darf  wohl  sagen, 
aber  diesen  Gegenstand  Hunderte  gemacht  zu  haben,  zeigt 
der  Harn,  so  lange  er  noch  röllig  klar  ist,  niemals  die 
Nitritreactionen ;  fängt  er  aber  an,  sich  deutlich  zu  trüben, 
so  hat  er  auch  die  Fähigkeit  erlangt,  den  angesäuerten  Jod* 
kafiumkleister,  oder  die  durch  Wasserstofischwefel  entfärbte 
Indigotinktur  zu  blauen,  und  ich  will  hier  nicht  unbemerkt 
lassen,  dass  der  Harn  auf  letzteres  Reagens  schon  deutlichst 
bläuend  einwirkt,  wenn  er  das  erstere  noch  ungefärbt  lässt, 
woTon  der  Grund  darin  liegt,  dass  obigen  Angaben  gemäss 
auch  selbst  bei  Anwesenheit  von  Schwefelsäure  die  im  Harn 
enthaltenen  reducirenden  Materien  doch  immer  noch,  wenn 
auch  langsam  bindend,  auf  freies  Jod  einwirken.  Tritt  nun 
der  Fall  ein,  dass  nur  sehr  geringe  Mengen  Jodes  aus  dem 
Jodkalium  des  Klosters  entbunden  werden,  so  treten  die- 
selben im  Augenblicke  ihres  Freiwerdens  sofort  wieder  in 
den  gebundenen  Zustand,  wesshalb  sie  auch  den  Kleister 
nicht  zu  bläuen  vermögen.  Was  aber  die  durch  den  Was- 
serstofischwefel entfärbte  Indigolösung  betrifft,  so  bläut  sie 
sich  gleich  leicht,  ob  neben  einem  Nitrite  auch  noch  Harn« 
säure  u.  b.  w.  vorhanden  sei  oder  nicht,  wesshalb  sie  in 
gegebenen  Fällen  ein  noch  viel  empfindlicheres  Reagens  ist, 
als  selbst  der  Jodkaliumkleister. 

Bald  nachdem  die  Trübung  des  Harnes  und  die  ihr  auf 
dem  Fusse  folgende  Nitritbildung  eingetreten  ist,  kommen, 
falls  die  Flüssigkeit  an  der  offenen  Luft  steht,  auf  deren 
Oberfläche  kleine  Pünktchen  zum  Vorschein,  welche  allmälig 
zu  kreisrunden,  grünlich  aussehenden  Scheiben  anwachsend 
im  Laufe  einiger  Wochen  den  Urin  völlig  bedecken.  Bringt 
man  solche  nitritlose  Harnpilze  zu  frisch  gelassenem  Harne, 
so  wird  derselbe  viel  früher  die  Nitritreactionen  zeigen,  als 
diees  Portionen  des  gleichen  Harnes  thun,  welche  man  für 
sich  allein  unter  sonst  gleichen  Umständen  sich  selbst  über- 
lässt.     Mittelst    der    durch    Wasserstoffschwefel    entfärbten 


1 


124      Sitzung  der  maih.-p7*f$.  Gaue  vom  13.  Januar  1864. 

Indigotinktur  fand  ich,  dase  frischer  Harn,  nachdem  er  bei 
gewöhnlicher  Temperatur  kaum  eine  Stunde  lang  mit  Harn- 
pilz in  Berührung  gestanden  hatte,  bereits  deutliche  Spuren 
eines  Nitrites  enthielt,  während  der  gleiche  Harn  erst  nach 
mehrstündigem  Stehen  den  angesäuerten  Jodkaliumkleister 
zu  bläuen  vermochte.  Unter  dem  Einflüsse  besagter  Pilze 
wird  auch  das  im  Harn  entstandene  Nitrit  ziemlich  rasch 
zerstört,  wie  daraus  erhellt,  dass  verhältnissmässig  wenig 
frischer  Harn  mit  viel  Pilzmaterie  bei  16—20°  in  Berühr- 
ung gesetzt,,  schon  nach  36 — 48  Stunden  die  Nitritreaction 
nicht  mehr  zeigt,  während  der  sich  selbst  überlassene  Harn 
ungleich  längere  Zeit  stehen  muss,  bis  er  völlig  nitritlos 
geworden  ist. 

Was  die  Materie  betrifft,  durch  welche  die  freiwillige 
Trübung  sowohl  des  abgeschlossenen,  als  offen  an  der  Luft 
stehenden  Harnes  verursacht  wird,  so  erweist  sie  sich  unter 
dem  Mikroskop  ihrer  Hauptmasse  nach  als  eine  organisirte 
Materie,  d.  h.  als  ein  fadiger  Pilz,  häufig  gemengt  mit  Pilz* 
spuren  und  einigen  Krystallen.  Wie  den  auf  der  Oberfläche 
des  offen  stehenden  Harnes  sich  bildenden  Pilzen,  kommt 
auch  der  besagten  organisirten  Materie  in  einem  sehr  merk- 
lichen Grade  das  Vermögen  zu,  nach  Art  des  Platins  das 
Wasserstoffsuperoxyd  zu  katalysiren,  wie  ich  auch  finde, 
dass  sie,  dem  frischen  Harne  beigemengt,  die  Nitritbildung 
in  demselben  namhaft  beschleunigt.  Da  meinen  früheren 
Versuchen  gemäss  die  Fähigkeit,  das  Wasserstoffsuperoxyd 
in  Wasser  und  gewöhnlichen  Sauerstoff  umzusetzen,  bei  allen 
uns  bekannten  Fermenten  angetroffen  wird,  so  darf  man 
sagen,  dass  die  in  und  auf  dem  Harne  sich  bildenden  Pilze 
hefenartige  Materien  seien. 

Man  kann  nun  fragen,  wie  diese  Organismen  die  Er* 
zeugung  und  Zerstörung  eines  Nitrites  im  Harne  zu  bewerk- 
stelligen vermögen.  Es  könnte  diess  auf  zweierlei  Art  ge- 
schehen:   entweder   in   Folge   des  Vorganges   der   Bildung 


Schönbein:  Zur  Kermnms  des  mensehl.  Harnes.  126 

besagter  Organismen  selbst,  oder  aber  durch  eine  reducirende 
Wirkung,  welche  das  stoffliche  Material  der  schon  gebil- 
deten Pilze  auf  das  im  Harn  enthaltene  Nitrat  hervor* 
brachte. 

Da  gegenwärtig  viel  die  Rede  ist  von  chemischen  Wir- 
kungen, deren  nächste  Ursache  man  in  Bildungsvorgängen 
thierischer  oder  pflanzlicher  Organismen  sucht  und  man 
namentlich  Gährungserscheinungen  von  einer  solchen  Ursache 
ableitet,  so  kann  ich  nicht  umhin,  bei  diesem  Anlasse  die 
Bemerkung  zu  machen,  dass  mir  die  Richtigkeit  dieser  An- 
nahme noch  höchst  zweifelhaft  erscheint,  wenn  auch  nicht 
in  Abrede  zu  stellen  sein  dürfte,  dass  mit  manchen  Zer- 
setzungsvoigängen  immer  auch  die  Bildung  gewisser  Organis* 
men  zusammen  gehe.  Hieraus  aber  zu  schliessen,  dass  eine 
dieser  Erscheinungen  auch  die  unmittelbare  Ursache  der 
andern  sei,  möchte  doch  eine  allzu  gewagte  Folgerung  sein ; 
denn  gar  wohl  lässt  sich  die  Möglichkeit  denken,  dass  die 
einem  Organisationsvorgange  als  solchem  zugeschriebenen 
Wirkungen  von  der  diemischen  Beschaffenheit  des  stofflichen 
Materiales  thierischer  oder  pflanzlicher  Gebilde  hervorge- 
bracht werden  und  des  Gänzlichen  unabhängig  wären  von 
den  physiologischen  Vorgängen,  welche  bei  der  Bildung  sol- 
cher Organismen  stattfinden. 

Auf  den  ersten  Anblick  möchte  man  vielleicht  zu  der 
Annahme  geneigt  sein,  dass  auch  die  Bildung  der  besagten 
Harnpilze  als  solche  es  sei,  welche  die  Erzeugung  und  Zer- 
störung des  Nitrites  im  Harne  zur  unmittelbaren  Folge  habe 
und  dieselben  somit  die  Wirkungen  eines  organischen  Bil- 
dungsvorganges wären.  Es  liegen  jedoch  Thatsachen  vor, 
gemäss  welchen  die  fragliche  Nitritbildung  und  Zerstörung 
mit  physiologischen  Vorgängen  unmittelbar  nichts  zu  thun 
hätten,  d.  h.  als  gewöhnliche  chemische  Wirkungen  zu  be- 
trachten wären. 

Lässt   man    nämlich   verhältnissmässig    kleine.  Mengen 


126      Sitzung  der  ma£h.-phy$.  Ckme  vom  13.  Februar  1661. 

einer  verdünnten  Lösung  chemisch  reinen  Ammoniaknitrateg 
mit  Harnpilzen  nur  etwa  fünf  bis  sechs  Standen  lang  bei 
gewöhnlicher  Temperatur  zusammen  stehen,  so  wird  die 
Flüssigkeit  bereits  in  deutlichster  Weise  die  Nitritreactionen 
zeigen:  Bläuung  der  durch  Wasserstoffschwefei  entfärbten 
Indigotinktur  und  diejenige  3es  angesäuerten  Jodkaliumklei» 
sters,  und  ich  will  beifügen,  dass  unter  den  gleichen  Um- 
standen auch  die  übrigen  Nitrate  mit  alkalischer  Basis,  z.  B. 
der  Kalisalpeter,  nitrithaltig  werden.  Es  kann  aber  wohl 
kein  Zweifel  darüber  walten,  dass  in  dem  vorliegenden  Falle 
das  salpetrigsaure  Salz  aus  dem  vorhandenen  Nitrate  da» 
durch  entstehe,  dass  einem  Aequivalente  desselben  zwei 
Aequivalente  Sauerstoff  entzogen  werden,  was  nur  durch  die 
oxydirbare  Materie  des  Harnpilzes  bewerkstelligt  werden 
kann.  Auch  ist  offenbar,  dass  unter  den  erwähnten  Um- 
ständen nicht  nur  keine  Pilzbildung  stattfindet,  sondern  Pilz- 
materie nothwendig  zerstört  werden  muss. 

Wie  schon  erwähnt,  vermögen  nach  meinen  früheren 
Versuchen  sehr  verschiedenartige  organische  Materien  mehr 
oder  minder  rasch  reducirend  auf  die  Nitrate  einzuwirken, 
wesshalb  es  nicht  auffallen  kann,  dass  auch  der  Substanz 
der  Harnpilze  dieses  Vermögen  zukomme;  warum  dieselbe 
aber  gegenüber  den  Nitraten  kräftiger  reducirend  wirke,  als 
diess  viele  andere  und  namentlich  die  im  frischen  Harn 
enthaltenen  organischen  Materien  thun,  wüsste  ich  eben  so 
wenig  zu  sagen,  als  es  mir  möglich  ist,  den  Grund  anzu- 
geben, wesshalb  das  Zink  ein  oxy  ehrbareres  Metall  ist,  als 
das  Gold. 

Da  ich  annehme,  dass  im  frischen  Harn  ein  Nitrat  ent- 
halten sei,  so  muss  ich  auch  geneigt  sein,  dem  reduciren- 
den  Vermögen  der  besagten  Pilzmaterie  die  Umwandlung 
dieses  Salzes  in  Nitrit  und  die  Zerstörung  des  letztern  vor» 
zugsweise  zuzuschreiben,  an  welchen  Wirkungen  jedoch  auch 
noch  andere  im  frischen  Harne  schon  vorhandene  organische 


ScMkbtm:  Zur  Kenntms$  dm  men$M.  Hame$.  127 

Materien,  wie  z.  B.  die  harnsauren  Salze  einigen  Theil  haben 
konnten,  eine  Möglichkeit,  die  aus  der  bereits  erwähnten 
Thatsache  erhellt,  dass  gelöetes  Ammoniaknitrat,  nachdem 
es  einige  Zeit  mit  harnsaurem  Ammoniak  zusammen  gestan- 
den, als  nitrithaltig  sich  erweist. 

Ob  aber  alles  beim  Stehen  des  Halmes  zum  Vorschein 
kommende  Nitrit  aus  dem  ursprünglich  in  dieser  Flüssigkeit 
enthaltenen  Nitrate  hervorgehe,  ist  eine  Frage,  welche  ich 
weder  im  bejahenden,  noch  verneinenden  Sinne  zu  beant- 
worten wage;  denn  so  lange  wir  die  zahlreichen  und  allem 
Anschein  nach  höchst  verwickelten  Vorgänge,  welche  bei  der 
sogenannten  Harngährung  stattfinden,  noch  so  unvollkommen 
kennen,  als  es  dermalen  der  Fall  ist,  lässt  sich  Nichts  mit 
Sicherheit  hierüber  sagen  und  daher  auch  die  Möglichkeit 
sich  denken,  dass  im  Harn  noch  auf  eine  weitere,  als  die 
Ton  mir  angenommene  Weise  Nitrit  gebildet  werde,  was  ich 
jedoch  nicht  für  sehr  wahrscheinlich  halte. 

Ehe  ich  zur  Besprechung  anderer  den  Harn  betreffen* 
der  Thatsachen  übergehe,  muss  ich  noch  einiger  Beobach- 
tungen erwähnen,  welche  auf  die  spontane  Nitritbildung  die- 
ser Flüssigkeit  Bezug  haben  und  nicht  ohne  theoretische 
Bedeutung  sein  dürften.  Meine  oft  und  immer  mit  dem 
gleichen  Erfolge  wiederholten  Versuche  haben  dargethan, 
dass  in  frisch  gelassenem  Harne ,  den  man  nur  wenige  Mi- 
nuten hatte  aufsieden  lassen,  die  spontane  Nitritbildung  un- 
gleich später  eintritt,  als  in  dem  gleichen  Harne,  welcher 
nicht  erhitzt  worden.  Wenn  z.B.  vom  gleichen  Harne  eine 
Portion  ohne  vorausgegangene  Erhitzung  schon  nach  zwölf- 
stündigem  Stehen  in  einem  geheizten  Zimmer  die  Nitrit- 
reactionen  auf  das  Deutlichste  zeigte,  vermochte  unter  sonst 
gleichen  Umständen  eine  andere  vorher  bis  zum  Sieden 
erhitzte  Portion  erst  nach  fünf  oder  sechs  Tagen  den  ange- 
säuerten Jodkaliumkleister  zu  bläuen  u.  s.  w.  Erwähnens- 
werth  dürfte  hier  noch  der  Umstand  sein,  dass  durch  eine 


128      Sitzung  der  mafh.-phy$.  Ckme  wm  13.  Februar  1864. 

solche  kurze  Erhitzung  die  gelbe  Färbung  ctee  Harnes  etwas 
tiefer  wird,  als  sie  es  ursprünglich  gewesen,  was  beweist, 
dass  irgend  ein  Harnbestandtheil  eine  chemische  Veränderung 
in  der  Siedhitze  erleide. 

Einen  ähnlichen  Einfluss  übt  das  Wasserstoffsuperoxyd 
auf  den  Harn  aus,  dessen  freiwillige  Trübung  und  Nitrit- 
bildung  schon  durch  verhältnissmässig  kleine  Mengen  beige* 
mischten  HO«  namhaft  verlangsamt  wird,  wie  daraus  erhellt, 
dass  frisch  gelassener  Harn,  dem  nur  1  %  WasBerstoffsuper« 
oxydes  beigefugt  worden,  volle  zehn  Tage  stehen  musste, 
bevor  er  anfing,  sich  zu  trüben  und  die  Nitritreactionen  zu 
zeigen,  während  eine  Portion  desselben  Harnes  unter  den 
gleichen  Umständen  sich  selbst  überlassen,  schon  nach  15 
Stunden  trüb  und  nitrithaltig  wurde.  Ich  will  hier  noch 
beifügen9  dass  auch  die  Trübung  des  HOs-haltig  gemachten 
Harnes  von  einer  pilzartigen  Materie  herrührt,  wie  die  Un* 
tersuchung  derselben  unter  dem  Mikroskop  zeigt,  woraus 
erhellt,  dass  wie  bei  dem  gewöhnlichen,  so  auch  bei  dem 
mit  Wasserstoffsuperoxyd  vermischten  Harne  die  Bildung 
der  Pilze  mit  derjenigen  eines  Nitrites  in  engem  Zusammen* 
hange  stehe,  d.  h.  dass  die  Umstände,  welche  die  Entwick- 
lung der  Organismen  im  Harne  zurückhalten,  auch  die  Er- 
zeugung des  erwähnten  Salzes  verlangsamen.  Auf  welche 
Weise  das  Wasserstoffsuperoxyd  oder  die  Erhitzung  des 
Harnes  die  Pilzbildung  verzögert,  weiss  ich  für  jetzt  noch 
nicht  zu  sagen,  doch  ist  mir  schon  so  viel  bekannt,  dass 
der  Harn  und  das  genannte  Superoxyd  in  einer  merkwür- 
digen Beziehung  zu  einander  stehen,  wie  eine  nachstehende 
Mittheilung  diess  umständlicher  zeigen  wird. 

Noch  habe  ich  einige  den  Harn  betreffende  Thatsachen 
zu  besprechen,  welche  mir  ebenfalls  der  Beachtung  werth 
zu  sein  scheinen  und  auf  das  Verhalten  dieser  Flüssigkeit 
gegen  amalgamirte  Zinkspähne  und  den  atmosphärischen 
Sauerstoff  sich  beziehen.  Bekanntlich  entsteht  beim  Schütteln  der 


Schökbem:  Zm  Kenntms$  de»  memttM.  Barne».  129 

besagten  MetaUspahne  mit  reinem  Wasser  und  atmosphärischer 
Luft  rasch  und  in  noch  nachweisbaren  Mengen  Wasserstoff- 
superoxyd ,  unter  gleichzeitiger  Bildung  yon  Zinkoxyd.  Da 
ich  annehme,  dass  unter  diesen  Umständen  0  in  ©  und  d 
gleichsam  sich  spalte,  ersteres  mit  dem  Wasser  zu  HO  +  0 
sich  verbinde  und  0  das  Zink  oxydire,  so  musste  ich  es  für 
möglich  halten,  dass  dieses  6  zwischen  dem  Metalle  und 
einer  etwa  vorhandenen  oxydirbaren  Materie  sich  theile, 
d.  h.  die  letztere  zugleich  mit  dem  Zink  oxydirt  werde  in 
ähnlicher  Weise,  wie  diess  geschieht,  wenn  man  durch  In* 
dagotinktur  gefärbtes  Wasser  mit  fein  zertheiltem  oder  ge- 
schmolzenem Phosphor  und  atmosphärischem  Sauerstoff  zu- 
sammenschüttelt, unter  welchen  Umständen  durch  das  hier* 
bei  auftretende  Ozon  nicht  nur  der  Phosphor,  sondern  auch 
das  gelöste  Indigoblau  zu  Isatin  oxydirt  wird,  unter  gleich* 
zeitiger  Bildung  von  HOt.  Ich  hielt  es  daher  für  möglich, 
dass  beim  Schütteln  der  genannten  MetaUspahne  mit  atmos- 
phärischer Loft  und  Harn  Oxydationswirkungen  auf  den  einen 
oder  andern  organischen  Bestandteil  dieser  Flüssigkeit  her- 
vorgebracht und  dadurch  in  ihr  chemische  Veränderungen 
verursacht  werden. 

Frischer  Harn  von  honiggelber  Färbung,  mit  etwa  dem 
doppelten  Gewicht  amalgamirter  Zinkspähne  und  atmosphäri- 
scher Luft  zusammengeschüttelt,  entfärbte  sich  allmälig  und 
hatte  man  diese  Operation  längere  Zeit  fortgesetzt,  so  ver- 
mochte der  vom  gebildeten  Zinkoxyd  abfiltrirte  Harn  nicht 
mehr  so  viel  Jodwasser  zu  entfärben,  als  diess  der  gleiche 
Harn  in  seinem  natürlichen  Zustande  that.  Bei  einem  Ver- 
suche betrug  die  Menge  des  Jodes,  welche  durch  den  mit 
Zink  behandelten  Harn  gebunden  wurde,  nur  noch  2  Drittel 
von  derjenigen  Menge,  die  der  gleiche,  aber  unveränderte 
Harn  zum  Verschwinden  brachte,  woraus  erhellt,  dass  unter 
den  erwähnten  Umständen  ein  Theil  der  in  der  thierischen 
Flüssigkeit  vorhandenen  jodbindenden  Substanzen  durch  Oxy- 


130       Sitzung  der  maih.-phys.  Glosse  tom  13.  Februar  1S64. 

dation  zerstört  wurde.  Ob  durch  eine  derartige  hinreichend 
lang  fortgesetzte  Behandlung  des  Harnes  ausser  dem  Farb- 
stoff dieser  Flüssigkeit  auch  noch  die  übrigen  darin  enthal- 
tenen oxydirbaren  Materien  zerstört  werden  können,  habe 
ieh  noch  nicht  ermittelt,  eben  so  wenig  als  die  chemische 
Natur  der  aus  ihrer  Oxydation  hervorgehenden  Erzeugnisse; 
eine  Materie  tritt  jedoch  unter  den  erwähnten  Umständen 
auf,  über  welche  ich  einige  nähere  Angaben  machen  kann. 
Beim  Schütteln  frischen,  so  gut  als  geruchlosen  und 
etwas  sauer  reagireudeu  Harnes  mit  amalgamirten  Zmkspäh- 
nen  und  atmosphärischer  Luft  kommt  sofort  ein  eigentüm- 
licher und  für  mich  unangenehmer  Geruch  zum  Vorschein, 
an  denjenigen  erinnernd,  welchen  man  nicht  selten  in  schwa- 
chem Grade  am  frischen  normalen  Harn  wahrnimmt.  Merk« 
lieh  stärker  tritt  der  besagte  Geruch  auf,  wenn  der  Harn 
vor  dem  Schütteln  mit  dem  Metalle  durch  SOs  etwas  ange- 
säuert wird.  Die  unter  diesen  Umständen  zum  Vorschein 
kommende  riechende  Materie  besitzt  folgende  Eigenschaften* 

1)  Sie  wird  durch  ozonisirten  Sauerstoff,  die  Lösungen 
der  Permanganate  und  Hypochlorite,  wie  auch  durch  die  in 
Wasser  zertheilten  Superoxyde  des  Manganes,  Bleies  u.s.  w. 
augenblicklich  zerstört.  Ebenso  durch  Chlor,  Brom  und  Jod, 
welche  selbstverständlich  gebunden  werden,  wie  diess  z.  B. 
daraus  erhellt,  dass  durch  Jod  gefärbter  Stärkekleistor,  wenn 
der  Einwirkung  der  riechenden  Materie  ausgesetzt,  mehr 
oder  minder  rasch  entbläut  wird,  je  nachdem  dieselbe  mehr 
oder  minder  reichlich  vorhanden  ist. 

2)  Eine  Anzahl  farbloser  Metallsalze  wird  durch  die 
riechende  Materie  gefärbt,  so  oder  anders,  je  nach  der  Basis 
des  Salzes  und  der  Dauer  der  Einwirkung  des  Riechstoffes. 
Zu  den  empfindlichsten  Reagentien  dieser  Art  gehört  das 
Silbernitrat,  welches  im  festen  und  gelösten  Zustande  erst 
gebräunt  und  dann  geschwärzt  wird.  Ein  mit  verdünnter 
Silberlösung  auf  Papier  geschriebener  Buchstabe  zeigt  diese 


Schönbein:  Zur  Kenntnis*  des  menschl.  Harnes.  131 

Farbenveränderung  ziemlich  rasch  und  ebenso  die  mittelst 
Blei  Salzlösungen  hervorgebrachte  Schrift.  Die  Kadmium- 
und  Antimonoxydsulze  werden  durch  die  riechende  Materie, 
die  ersteren  gelb  und  die  letzteren  rothbraun  gefärbt,  welche 
Beactionen  am  Bequemsten  erhalten  werden  mittelst  Papier- 
streifen, die  mit  den  Lösungen  der  genannten  Salze  be- 
schrieben sind.  Damit  diese  Färbungen  jedoch  recht  augen- 
fällig und  etwas  rasch  auftreten,  ist  nöthig,  dass  die  rie- 
chende Materie  möglichst  reichlich  in  einem  Uefasse  entwickelt 
worden  sei,  was,  wie  weiter  unten  angegeben  wird,  leicht 
bewerkstelligt  werden  kann. 

3)  Alle  gelösten  Alkalien  bringen  die  riechende  Materie 
augenblicklich  zum  Verschwinden,  was  jedoch  nicht  auf  deren 
Zerstörung,  sondern  Bindung  beruht,  wie  daraus  hervorgeht, 
dass  sie  beim  Uebersäuern  dieser  Alkalien  wieder  zum  Vor- 
schein kommt.  Damit  hängt  auch  die  Thatsache  zusammen, 
dass  der  durch  £0,  NaO  u.  s.  w.  alkalisch  gemachte  Harn 
mit  amalgamirten  Zinkspähnen  geschüttelt,  den  fraglichen 
Geruch  nicht  einmal  spurweise  entwickelt ;  wird  aber  der  so 
behandelte  Harn  übersäuert,  so  tritt  die  riechende  Materie 
sofort  auf,  wie  diess  der  ihr  eigenthüinliche  Geruch  und  die 
erwähnten  empfindlichem  Reagenspapiere  zeigen. 

Aus  den  voranstehenden  Angaben  ersieht  man,  dass  die 
in  Bede  stehende  Materie  eine  flüchtige,  leicht  oxydirbare, 
mit  Alkalien  verbindbare,  somit  säureartige  Substanz  sei 
und  gegen  die  erwähnten  Metallsalze  wie  Schwefelwasserstoff 
sich  verhalte,  wesshalb  es  wohl  auch  keinem  Zweifel  unter- 
worfen sein  kann,  dass  die  riechende  Substanz  eine  schwe- 
felhaltige Verbindung  sei. 

Durch  rasches  Eindampfen  verliert  der  Harn  seine 
Fähigkeit  nicht,  unter  den  erwähnten  Umständen  die  rie- 
chende Materie  zu  erzeugen ;  er  entbindet  sie  im  Gegentheil 
.um  so  reichlicher,  je  stärker  er  auf  diese  Weise  concentrirt 

worden.    Harn  auf  den  zehnten  Theil  seines  ursprünglichen 
[1864.1.2.]  10 


132      Sitstmg  der  matk-phys.  C&assc  tum  1$.  Februar  1864. 

Raumes  eingedampft  und  mit  80i  angesäuert,  entwickelt 
beim  Schütteln  mit  amalgamirten  Zinbßpähnen  u.  s.  w.  so 
viel  der  riechenden  Materie,  dass  selbst  mit  Brechweinstem- 
oder  einer  Kadmiumsalzlösung  getränkte  Papierstreifen  ziem- 
lich rasch  dadurch  gefärbt  werden. 

Welcher  Harnbestandtheil  zur  Bildung  der  besprochenen 
Materie  beitrage,  weiss  ich  nicht  anzugeben,  jedenfalls  haben 
aber  die  im  Harn  enthaltenen  Sulfate  nichts  damit  zuthun, 
wie  sich  daraus  abnehmen  läset,  dass  derselbe,  auch  wenn 
er  völlig  von  den  besagten  Salzen  mittelst  Chlorbariums 
befreit  worden,  wie  gewöhnlicher  Harn  sich  verhält. 

Weitere  Untersuchungen  werden  sowohl  über  die  Zu- 
sammensetzung, als  auch  den  Ursprung  der  fragliehen  Schwe- 
felverbindung Aufschluss  geben ;  anderweitiger  Arbeiten  halber, 
tue  alle  meine  freie  Zeit  in  Anspruch  nehmen,  ist  es  aber 
mir  selbst  nicht  möglich,  den  Gegenstand  weiter  zu  verfol- 
gen, wesshalb  ich  wünschen  möchte,  dass  ihn  ein  anderer 
Chemiker  aufnähme,  der  damit  freilich  keine  sehr  leichte 
Untersuchung  tibernehmen  würde. 

Schliesslich  sei  noch  bemerkt,  dass  in  den  beiden  fol- 
genden Abschnitten  von  einigen  Bestandteilen  des  Harnes 
die  Bede  sein  wird,  welche  bis  jetzt  noch  nicht  erwähnt 
worden  sind« 

4)  Üeber  die  Bildung  einer  fluorescirenden  Materie 
beim  Faulen  des  menschlichen  Harnes. 

Lässt  man  Harn  offen  an  der  Luft  so  lange  stehen, 
bis  er  wieder  nitritlos  geworden  ist  und  auf  seiner  Ober- 
fläche eine  dicke  Pilzschichte  sich  gebildet  hat,  wozu  je  nach 
der  obwaltenden  Temperatur  kürzere  oder  längere  Zeiten, 
jedenfalls  Wochen  erforderlich  sind,  so  wird  die  abfiltrirte 
alkalisch  reagirende  Flüssigkeit  eine  merklich  starke  Fluores- 
cenz  von  smaragdgrünem  licht  zeigen,  ohne  dass  zur  Wahr- 


Bckömbefa:  Xtimmemm  A»  fmienitm  Hamm.  188 

aehmung  desselben  irgend  ein  künstliche»  Mittel  erforderlich 
wäre.  Da  meine  Aufmerksamkeit  noch  nicht  lange  auf  die* 
sen  Gegenstand  gerichtet  ist,  so  vermag  ich  jetzt  auch  noch 
nickt  su  sagen,  ob  jeder  Harn  durch  fcäulniss  fluorescirend 
werde  und  eben  so  wenig  ist  es  mir  möglich,  über  die  che- 
mische Natur  der  Materie  irgend  etwas  anzugeben ,  welcher 
diese  optische  Eigenschaft  zukommt.  Was  den  ersten  Punkt 
betrifft,  so  habe  ich  zu  wiederholten  Malen  einen  solchen 
Harn  erhalten,  wobei  ich  bemerken  will,  dass  derselbe 
immer  alkalisch  reagirte,  also  schon  ammoniakhaltig  gewor- 
den war. 

Geringe  Mengen  der  stärkeren  unorganischen  und  or- 
ganischen Säuren,  Schwefelsäure  u. s.w.,  Weinsäure  u.b. w., 
einem  derartigen  Harne  beigemischt,  heben  dessen  Fluores- 
cenz  sofort  auf,  welche  jedoch  durch  Alkalien  wieder  her- 
vorgerufen werden  kann,  woraus  erhellt,  dass  die  fluores- 
rirende  Harnmaterie  wie  das  Aescuün  sich  verhält  und 
desswegen  gleich  diesem  einen  Gegensatz  zu  dem  Ghininsul- 
fate  bildet,  dessen  Fluorescenz  bekanntlich  durch  die  gleichen 
Sauren  noch  gesteigert  wird,  von  denen  jedoch  die  Wasser» 
stofeäuren  des  Chlores,  Bromes  und  Jodes  eine  Ausnahme 
machen,  welche  das  Vermögen  des  gelösten  Chininsalses,  zu 
äuoresciren,  beinahe  bis  zur  Vernichtung  abschwächen.  Es 
wäre  wohl  der  Mühe  eines  Chemikers  werth>  die  beim  Fau- 
len des  Harnes  sich  bildende  fluoreseirende  Materie  wo 
möglich  rein  darzustellen  und  deren  Zusammensetzung  zu 
ermitteln,  wobei  es  sich  herausstellen  dürfte,  dass  sie  eine 
dem  Aesculin  ähnliche  Basis  sei1) 


2)  Mir  vorbehaltend,  später  wieder  auf  diesen  Gegenstand  zu- 
ruckzukommen,  will  ich  vorläufig  bemerken,  dass  schon  der  frische 
Harn  schwach  fluorescirt  und  eine  verdünnte  Eiweisslösung  durch 
Hageres  Stehen  an  der  Luft  diese  optische  Eigenschaft  in  ziemlich 
Zobern  Grade  erlangt 


134      SiUtmg  der  math.-phys.  Glosse  vom  IB.  Februar  1864. 

6)    Ueber    das   Vorkommen    des   Wasserstoffsaper* 
oxydes  im  menschlichen  Körper. 

Von  der  Annahme  ausgehend,  dass  die  durch  den  at- 
mosphärischen Sauerstoff  im  lebenden  Thierkörper  verur- 
sachten Oxydationswirkungen  ebenso  zu  Stande  kommen, 
wie  diejenigen,  welche  unter  Beihilfe  des  Wassers  der  gleiche 
Sauerstoff  ausserhalb  des  Organismus  bei  gewöhnlicher  Temr 
peratur  auf  unorganische  und  organische  Materien  hervor- 
bringt, habe  ich,  wie  diess  in  meiner  Abhandlung  „Ueber 
das  Verhalten  des  Blutes  zum  Sauerstoff '  unlängst  erwähnt 
worden,  schon  lange  mich  bemüht,  Ozon  und  Wasserstoff- 
superoxyd  im  menschlichen  Körper  aufzufinden,  ohne  dass 
jnir  diess  bis  jetzt  gelungen  wäre.  Es  sind  aber  auch  in 
der  erwähnten  Arbeit  die  Gründe  angegeben,  wesshalb  im 
Blute  weder  0  noch  HO»  als  solche  bestehen  können,  selbst 
wenn  sie  in  dieser  thierischen  Flüssigkeit  wirklich  auftreten 
sollten.  y 

m 

Da  es  eine  Anzähl  sonst  leicht  oxydirbarer  Substanzen 
triebt,  neben  welchen  das  Wasserstoffsuperoxyd  längere  Zeit 
nnzersetzt  zu  bestehen  vermag,  wie  uns  hievon  die  Pyro- 
gallussäure  ein  auffallendes  Beispiel  liefert,  so  hoffte  ich,  in 
solchen  thierischen  Flüssigkeiten,  deren  sämmtliche  organische 
Bestandteile  gegen  HOs  so  gut  als  völlig  gleichgiltig  sich 
▼erhalten,  das  besagte  Superoxyd  auffinden  zu  können. 
Würde  nämlich  diese  Sauerstoffverbindung  auch  nur  in  sehr 
geringen  Mengen  irgendwo  im  Thierkörper  angetroffen  wer- 
den, so  lieferte  nach  meinem  Dafürhalten  ein  solches  Vor- 
kommen den  tatsächlichen  Beweis,  dass  meiner  Annahme 
gemäss  die  durch  den  atmosphärischen  Sauerstoff  im  leben- 
den Organismus  hervorgebrachten  Oxydationswirkungen  ge- 
nau so  wie  diejenigen  ausserhalb  des  Körpers  stattfinden, 
d.  h.  dass  jenen  wie  diesen  diejenige  Zustandsveränderung 
des  neutralen  Sauerstoffes  vorausgienge,  welche  ich  die  che- 


Sckönbein:  Wa&erstoffsuperoccyd  im>  mentchl  Körper.        185 

röche  Polarisation  dieses  Elementes. zu  nennen  pflege.  Es 
würde  mit  ändern  Worten  aus  einem  solchen  Vorkommen 
des  Wasserstoffsuperoxydes  geschlossen  werden  dürfen,  das* 
die  im  Organismus  stattfindenden  Oxydationsvorgänge  an 
dieselben  Bedingungen  geknüpft  seien,  unter  welchen  die  als 
typisch  zu  betrachtende  langsame  Verbrennung  des  Phos« 
phors  in  wasserhaltiger  Luft  schon  bei  gewöhnlicher  Tem- 
peratur zn  Stande  kommt,  bei  welcher'  bekanntlich  neben 
dem  Ozon  auch  immer  das  ihm  complementäre  ©  im  Was« 
serstoffsuperoxyd  auftritt. 

Wenn  nun  nach  meinen  früheren  Versuchen  das  Blut 
Materien  enthält,  neben  welchen  weder  das  Ozon,  noch 
auch  das  Wasserstoffsuperoxyd  bestehen  kann,  so  ist  diese 
anders  mit  dem  menschlichen  Harne,  dessen  hauptsächlichste 
organische  Bestandteile:  der  Harnstoff  und  die  Harnsäure 
oder  der  Salze  gegen  HOi  gleiohgiltig  sich  verhalten,  wie 
ich  mich  hiervon  durch  Versuche  mit  diesen  Substanzen  zur 
Genüge  überzeugt  habe.  Gelangten  daher  von  irgend  wohetf 
m  den  Harn  auch  nur  kleine  Mengen  von  Wasserstoffsuper- 
oxyd, so  würde  diese  Verbindung  nicht  wie  im  Blute  (durch 
die  Blutkörperchen)  sofort  wieder  zerstört ,  sondern  neben 
den  organischen  Harnbestandtheilen  fortbestehen  und  somit 
auch  durch  die  geeigneten  Mittel  nachgewiesen  werden 
können.  < 

Eines  der  allerempfindlichsten  Reagentien  auf  HOt  ist 
sicherlich  der  Jodkaliumkleister  in  Verbindung  mit  einem 
gedösten  Eisenoxy  dulsalze ,  wodurch  sich  noch  ein  Milliontel 
Buperoxydes  im  reinen  Wasser  mit  Sicherheit  erkennen  lässt^ 
wie  man  aber  leicht  einsieht,  kann  es  trotz  dieser  sogrossen 
Empfindlichkeit  doch  nicht  dazu  dienen,  die  Anwesenheit 
van  HOt  auch  im  Harne  nachzuweisen,  falls  in  demselben 
nur  kleine  Mengen  Superozydes  vorkommen  sollten.  Ei 
würde  die  kleine  durch  HOt  ausgeschiedene  Menge  Jodes 
durch    die   gleichseitig  im   Harne   vorhandene    Harnsäure, 


186     SUmmg  der  mrtkrpkgg.  Ckmmm  IS.  Februar  189L 

deren  Salze  und  das  Hampigment  sofort  wieder  gebunden 
«od  daher  der  Kleister  nicht  gebläut  werden  können.  Max 
kann  sogar  dem  frischem  Harne  noch  merkliehe  Mengen 
verdünnten  Wasserataffisuperoxydes  beifügen,  ohne  daas  ein 
solches  mit  Jodkalnunkleister  vermengtes  Gemisch  beim  Zu- 
fügen verdünnter  Eisenvitriollösung  im  Mindesten  sich  bläuete, 
wobei  es  jedoch  von  selbst  sich  versteht,  dass  eine  Bläuung 
eintritt,  felis  dem  Harn  ehe  hinreichend  grosse  Menge  Was» 
serstoffsuperoxyd  beigemischt  worden. 

Vor  einiger  Zeit  habe  ich  ausser  dem  Jodkaliumkleister 
noch  einige  andere  höchst  empfindliche  Reagentien  auf  HOt 
keimen  gelernt ,  welche  theils  auf  reducirenden ,  theils  aaf 
ezydirenden  Wirkungen  dieses  Superoxydes  beruhen  and 
wobei  intensive  Farben  entweder  auftreten  oder  verschwin- 
den. Ein  Reagens  der  letzteren  Art  ist  die  Indigotinktur, 
auf  welche  stark  verdünntes  Wasserstoffsuperoxyd  höchst 
langsam  entblfiuend  einwirkt,  diess  aber  unter  Mitwirkung 
kleiner  Mengen  einer  Eisenoxydulsalzlösung  ziemlich  rasch 
thut.  Enthält  Wasser  z.B.  nur  ein  Hnnderttausendtel  HO* 
und  wird  diese  Flüssigkeit  durch  die  besagte  Tinktur  deut- 
lichst gebläut,  so  erscheint  noch  nach  Stunden  die  Färbung 
des  Gemisches  unverändert;  fügt  man  ihm  aber  nur  wenige 
Tropfen  verdünnter  Eisenvitriollösung  zu,  so  entbläut  es 
sich  in  kurzer  Zeit  vollständigst  und  auf  diese  Weise  läset 
sich  im  Wasser  noch  ein  Halbmilliontel  HOt  entdecken. 

Wie  schon  in  einer  voranstehenden  Mittheilung  ange« 
geben  worden,  ist  die  durch  Wasserstoflschwefel  enthäute 
Indigatinktur  in  Verbindung  mit  einer  Eisenoxydulsabdösung 
ein  anderes  höchst  empfindliches  Reagens  auf  das  Wasser- 
stoffsuperoxyd und  eben  die  beiden  letztgenannten  Mittel 
sind  es,  deren  ich  mich  bei  meinen  Untersuchungen  des 
Harnes  auf  einen  etwaigen  behalt  desselben  an  HO«  be- 
diente, nachdem  ich  mich  vorher  durch  zahlreiche  Versuche 
vergewissert  hatte,  dass  mit  den  besagten  Reagentien  seihet 


Sckönbein:  W<u$enkff$uptroayd  im  m$n$cKL  Körper.        137 

iosBerst  kleine,  dem  Ham  absichtlich  beigemischte  Mengen 
Ton  HOt  noch  deutlichst  sich  nachweisen  liessen  und  somit 
erwiesen  war,  dass  die  im  Harne  vorhandenen  oxydirbaren 
Bestandtheile  keinen  hemmenden  Einfluss  auf  diese  so  cha- 
raofceristischen  Reactionen  des  Wasserstof&uperoxydes  aus* 
üben. 

Tröpfelt  man  zu  etwa  200  Grammen  frisch  gelassenem 
Harnes  so  viel  Indigolösung,  dass  das  Gemisch  eine  deutlich 
grüne  Färbung  zeigt  und  theilt  man  nun  dasselbe  in  zwei 
gleiche  Hälften,  zu  einer  derselben  15 — 20  Tropfen  verdünn- 
ter Eisenvitriollösung  fügend,  so  wird  diese  Harnportion 
bald  heller  grün  oder  bräunlichgelb  erscheinen ,  welche  Far» 
benveränderung  selbstverständlich  von  einer  theilweisen  oder 
gänzlichen  Zerstörung  der  Indigotinktur  herrührt,  während 
dagegen  die  eisensalzfreie  Hälfte  ihre  anfangliche  grüne  Fär* 
bong  noch  immer  zeigt.  Lässt  man  in  30 — 40  Gramme 
frischen  Harnes  8—12  Tropfen  durch  Wasserstoffschwefel 
genau  entfärbter  Indigetinktur  fallen,  so  wird  das  Gemisch 
anfangs  sich  nicht  bläuen,  diess  aber  beim  Zufügen  einiger 
Tropfen  Eisenvitriollösung  sofort  thun. 

Aus  den  voranstehenden  Angaben  ersieht  man,  dasa 
diese  beiden  Reactionen  des  Harnes:  Zerstörung  der  Indigo* 
tmktur  und  Bläuung  der  gleichen  durch  Wasserstoffschwefel 
entfärbten  Lösung  unter  Mitwirkung  eines  Eisenoxydulsalzea 
bewerkstelligt,  Oxydationswirkungen  sind,  welche  das  Wasser* 
stofsuperoxyd  kennzeichnen,  wesshalb  ich  auch  geneigt  bin 
anzunehmen,  dasa  im  Harne,  wenn  auch  nur  äusserst  kleine» 
doch  noch  nachweisbare  Mengen  dieses  Superoxydes  ent- 
halten seien.  Um  jedoch  über  die  Richtigkeit  dieser  An* 
nähme  keinen  Zweifel  übrig  zu  lassen,  habe  ich  mich  be- 
müht, noch  weitere  thatsächliche  Gründe  dafür  aufzufinden 
und  wie  ich  glanbe,  sind  nachstehende  Angaben  als  solche 
zu  betrachten. 

Bekanntlich  wird  HO«   durch  $Ot   sofort  zu  Wasser 


1 38       Sittung  der  math.-phys.  Clane  wm  13.  Februar  16641 

reducirt  und  wenn  nun  die  rorhin  erwähnten  Reactionen  de» 
Harnes  von  kleinen  in  ihm  enthaltenen  Mengen  Wasserstoff- 
superoxydes  herrühren,  so  wird  derselbe,  mit  entsprechend 
kleinen  Quantitäten  SO«  vermischt,  besagte  Wirkungen  nicht 
mehr  hervorbringen  können,  was  in  der  That  auch  der  Fall 
ist.    Zu  einem  gleichen  Behufe  habe  ich  mir  eine  Flüssig« 
keit  künstlich  bereitet,   welche  die  vorhin  genannten  Harn- 
reactionen  auf  das  Genaueste  nachahmt   und  in    der  nur 
äusserst   geringe   Mengen  Wasserstoffsuperoxydes   enthalten 
sind.    Hat  man  reinstes  Wasser  auch  nur  wenige  Sekunden 
lang  mit  amalgamirten  Zinkspahnen  und  atmosphärischer  Luft 
zusammengeschüttelt,  so  enthält  dasselbe  schon  so  viel  HOt, 
um  entweder  den  Jodkaliumkleister,  oder  die  durch  Wasser- 
stoffschwefel    entfärbte  Indigotinktur  beim   Zufügen   einiger 
Tropfen  Eisenvitriollosung  augenblicklich  auf  das  Deutlichste 
bläuen  zu  können.     Ebenso  wird  ein  in  der  erwähnten  Weifte 
erhaltenes  HOt -haltiges   und  durch  Indigolösung  noch  deut- 
lich  gebläutes  Wasser   unter  Mitwirkung   der   Eisenvitriol- 
lösung in  kurzer  Zeit  entfärbt.     Vermengt  man  so  oder  auf 
irgend  eine  andere  Weise  bereitetes  höchst  verdünntes  Was* 
aerstoffsuperoxyd  mit  einer  hinreichend  grossen  Menge  ge- 
lösten hamsauren  Kali's  oder  Natron's,  so  ist  das  Gemisch 
nicht  mehr  fähig,  unter  Beihilfe  eines  Eisenoxydulsalzes  den 
Jodkaliumkleister  zu  bläuen  (der  Anwesenheit  des  harnsauren 
Salzes  halber),  wohl  aber  zeigt  dasselbe  das  Vermögen,  wie 
der   Harn   Jodstärke   oder  Jodwasser   zu   entfärben.     Das 
gleiche  Gemisch  vermag  jedoch  unter  Mitwirkung  der  Eisen- 
vitriollösung sowohl  das  gelöste  Indigoblau  zu  zerstören,  als 
auch   die   durch  den   Wasserstoffschwefel  entfärbte  Indigo- 
tinktur zu  bläuen  und  kaum  wird  es  der  Angabe  bedürfen, 
dass  die    schweflige    Säure  besagtem  künstlichem  Gemisch 
die  Fähigkeit  entziehe,    die  besagten  Reactionen  zu  verur- 
sachen. 

Diese   vollkommene   Uebereinstimmung  der  Wirkungs- 


ScMntef*:  WamergtofflBHperoayd  im  mmuM.  Körper.        l'M 

weise  des  Harnes  mit  derjenigen  des  künstlichen  Gemisches 
beruht  nach  meinem  Dafürhalten  auf  der  gleichen  UrBache 
and  da  es  keinem  Zweifel  unterworfen  sein  kann,  dass  es 
das  Wasserstoffsuperoxyd  des  besagten  Gemisches  sei,  durch 
welches  die  beiden  Arten  von  Indigotinktur,  die  eine  enfr* 
bläst,  die  andere  gebläut  wird,  so  lässt  sich  wohl  nicht 
daran  zweifeln,  dass  auch  der  frische  Harn  die  gleichen 
Beactionen  vermöge  seines  HOi-Gehaltes  hervorbringe. 

Der  Umstand,  dass  dieser  Gehalt  nur  ein  sehr  kleiner 
ist,  benimmt,  wie  mir  scheint,  der  Thatsache  nichts  von 
ihrer  theoretischen  Bedeutung ;  denn  offenbar  handelt  es  sich 
hier  mehr  um  das  „Wasu,  als  um  das  „Wieviel",  weil  das 
Vorkommen  des  Wasserstoffsuperoxydes  im  Thierkörper  für 
sich  allem  schon  den  tbatsachlichen  Beweis  liefern  würde, 
dass  den  im  Organismus  stattfindenden  und  scheinbar  durch 
den  neutralen  atmosphärischen  Sauerstoff  bewerkstelligten 
Oxydationen  Zustandsverändftrungen  vorausgehen,  vollkom-r 
men  gleich  denen,  welche  wir  in  so  vielen  andern  Fällen 
langsamer  Verbrennung  an  dem  gleichen  Elemente  Plaüf 
greifen  sehen.  Es  darf  daher,  wie  ich  glaube,  das  erwähnte 
Vorkommen  des  Wasserstoffsuperoxydes  als  eine  Thatsache 
betrachtet  werden,  welche  für  die  Theorie  der  thierischefy 
Respiration  von  Bedeutung  ist  und  die  ich  desshalb  auch 
der  besondern  Aufmerksamkeit  der  Physiologen  empfehlen 
möchte. 

In  einer  der  voranstehenden  Abhandlungen  „Ein  Bei- 
trag zur  nähern  Kenntniss  des  Harnes"  ist  die  Thatsache 
erwähnt ,  dass  HOi ,  frisch  gelassenem  Haine  beigemischt, 
die  Trübung  und  die  immer- damit  beginnende  Nitritbildung 
dieser  Flüssigkeit  verzögere  und  ich  will  nachträglich  noch 
beifügen,  dass  nach  meinen  Versuchen  diese  Veränderungen 
des  Harnes  um  so  später  eintreten,  je  mehr  ihm  anfänglich 
Wasserstoffsuperoxyd  beigemischt  worden.  Ebenso  wurde 
in  der  besagten  Mittheilung  bemerkt,   dass  Harn,   von  der 


140      Siünmg  der  natk.-fky*.  Omm  wom  13.  FArwur  18U. 

gleichen  Person  zu  verschiedeneu  Zeiten  gelassen,  unter  sonst 
gleichen  Umstanden  verschieden  lange  Zeiten  erfordere,  am 
trabe  and  nitrithaltig  zu  werden.  Da  nun  meinen  Beobach- 
tungen zufolge  der  zu  verschiedenen  Zeiten  gelassene  Harn 
die  oben  erwähnten,  das  Wasserstoffsuperoxyd  kennzeich« 
senden  Reacfcionen  nicht  immer  gleich  stark  hervorbringt, 
so  darf  man  wohl  hieraas  schliessen,  dass  auch  der  Gehalt 
dieser  Flüssigkeit  an  HO*  veränderlich,  bald  grösser,  bald 
kleiner  sei*  Auf  welche  Weise  besagtes  Superoxjd  die  Trü- 
bung und  Nitritbildung  auch  immer  verzögern  mag,  so  er- 
klart sich  jedenfalls  aus  einem  solchen  Einflasse  ziemlich 
einfach  die  Thatsache,  dass  der  zu  verschiedenen  Zeiten 
abgesonderte  Harn  unter  sonst  gleichen  Umständen  verschie- 
den lange  Zeiten  zu  seiner  Trübung  und  spontanen  Nitrit* 
bildung  braucht. 

Meine  Untersuchungen  haben  ferner  gezeigt,  dass  das 
dem  Harne  absichtlich  beigemischte  HOs  alltnälig  sich  ver- 
mindert und  völlig  verschwunden  ist,  sobald  die  Flüssigkeit 
anfingt  sich  zu  trüben  und  nitrithaltig  zu  werden,  welches 
Verhalten  auch  der  natürliche  Harn  zeigt. 

Aus  den  Angaben  dieser  und  einer  voranstehenden  Ab- 
handlung erhellt  nun,  dass  die  hauptsächlichsten  bis  jetzt 
erkannten  Veränderungen,  welche  der  Harn  während  seiner 
sogenannten  Gährung  erleidet,  die  folgenden  sind: 

1)  Verschwinden  seines  Gehaltes  an  Wasserstoffsuper- 
oxyd, was  ohne  Zweifel  die  Oxydation  irgend  eines  andern 
Harnbestandtheiles  zur  Folge  hat. 

2)  Auftreten  pilzartiger  Materien,  welche  sofort  redu- 
cirend  auf  das  im  Harn  enthaltene  Nitrat  einwirken,  das* 
selbe  erst  in  Nitrit  verwandelnd  und  dann  auch  dieses  Salz 
völlig  zerstörend,  wodurch  selbstverständlich  auch  die  redu- 
cirenden  Pilzmaterien  eine  chemische  Veränderung  erleiden 


Jbty.'  Ueber  Awdshmwj  4*  TTeMer*.  141 

S)  Umsetzung  des  Harnstotfes  in  kohlensaures  Am* 
moni&k  unter  Aufnahme  von  Wasser  und  Bildung  einer 
ftsoreseirenden  Materie. 

Es  ist  für  midi  jedoch  keinem  Zweifel  unterworfen, 
dass  wahrend  der  Harngährung  noch  viele  andere  chemische 
Vorgänge  stattfinden,    von    welchen   wir  bis   jetzt   Nichts 


Zum  Schlüsse  dieser  Mittheihing  nur  noch  eine  kurze 
Bemerkung,  die  ich  nicht  unterdrücken  möchte.  Man  wird 
ee  vielleicht  für  eine  Uebertreibung  halten,  wenn  ich  vom 
Harne  zu  behaupten  wage,  dass  in  ihm  eine  ganze  chemische 
Welt  eingeschlossen  sei.  Unorganische  und  organische  Ma- 
terien sind  darin  in  der  mannigfaltigsten  Wechselwirkung 
begriffen,  finden  Bildungen  und  Wiederzerstörungen  organi- 
scher Wesen  statt  und  spielen  überhaupt  in  dieser  wunder- 
baren Flüssigkeit  chemische,  physikalische  und  physiologische 
Thätigkeiten  so  bunt  durcheinander,  dass  es  nach  meinem 
Dafürhalten  kaum  ein  anderes  thierisches  Secret  geben  dürfte, 
welches  einen  so  reichen  Stoff  der  Forschung  darböte,  als 
diesB  der  menschliche  Harn  thut»  Schon  seit  geraumer  Zeit 
mit  diesem,  Gegenstand  beinahe  täglich  beschäftigt,  dürfte 
ich  wohl  berechtigt  sein,  dessen  Bedeutung  aufs  Neue  her* 
Torauheben  und  der  Ansicht  Ausdruck  zu  geben,  dass  wir 
?on  einer  erschöpfenden  Kenntniss  des  Harnes  und  seiner 
freiwilligen  Veränderungen  noch  weit  entfernt  seien. 


Herr  Jolly  hält  einen  Vortrag: 

1)  Ueber  die    Ausdehnung    des    Wassers  von 
30°  C.  bis  100°  C. 

Die  Volumanaaderungen  des  Wassers  durch  die  Warme 
sind  seit  Hallström  wiederholt  Gegenstand  exacter  einen* 


142       Sitzung  der  math.-phgs.  CUme  vom  13.  Februar  1864. 

meoteller  Untersachimg  geworden.  Innerhalb  der  Tetnpera- 
tursoh  wankungen,  wie  sie  unsere  Atmosphäre  bietet,  sind  die 
Resultate,  welche  verschiedene  Forseher  erhalten  haben,  so 
genau  übereinstimmend,  dass  voraussichtlich  durch  eine  Wieder- 
holung der  Messungen,  auch  unter  Benützung  all  der  Hilfe« 
mittel,  welche  heutigen  Tages  die  Technik  bietet,  eine  wei- 
ter reichende  Genauigkeit  nicht  zu  erreichen  ist.  Die  Dif- 
ferenzen fallen  in  die  5.  Decimale,  und  die  noch  auftreten- 
den Differenzen  sind  durch  unvermeidliche  Fehlerquellen 
bedingt.  Sollten  Probleme  auftauchen,  zu  deren  Lösung 
eine  noch  weiter  reichende  Genauigkeit  erforderlich  wäre, 
so  würde  nur  durch  Vervielfältigung  der.  Messungen  der 
richtigere  Mittelwerth  zu  gewinnen  sein.  Indess  liegt  hier« 
nach  dermalen  ein  Bedürfhiss  nicht  vor* 

Für  Temperaturen  über  30°  C.  werden  die  Abwei* 
drangen  schon  beträchtlicher,  und  für  Temperaturen  über 
50°  G.  gehen  die  Abweichungen  nahe  bis  auf  eine  Einheit 
in  der  3.  Decimale.  Specifisohe  Gewichte  von  Flüssigkeiten, 
bezogen  auf  Wasser  von  gleicher  Temperatur,  können  daher 
m  diesen  höheren  Temperaturen  noch  nicht  in  4er  3.  Dect« 
male  als  verlässig  betrachtet  werden.  Eine  Experimental* 
Untersuchung  über  einige  physikalische  Eigenschaften  der 
Salzlösungen  in  höheren  Temperaturen  erforderte  eine  weiter 
reichende  Genauigkeit  in  der  Bestimmung  der  speciöschen 
Gewichte,  und  wurde  hiermit  Veranlassung  zur  Wiederholung 
der  Messungen  über  die  Volumenänderungen  des  Wassers 
in  eben  diesen  höheren  Temperaturen. 

Zwei  Wege  bieten  sich  zu  solchen  Messungen  dar.  Man 
kann  die  Aenderungen  der  Volumina  aus  den  Gewichten 
ableiten,  welche  Glaafläschchen  von  bekanntem  Inhalt,  ge- 
füllt mit  Wasser  verschiedener  Temperaturen,  fassen,  wie 
Gay-Lussac  es  vorschlug  und  zur  Bestimmung  des  specifischen 
Gewichtes  des  Weingeistes  anwendete ,  oder  man  kann  un- 
mittelbar voluminometrisch,  messen,   d.  h.  die  scheinbaren 


/aöy:  Ueber  Ausdehnung  des  Wtners.  148 

Volumenänderungen  au  Grund  legen,  welche  an  einem  ther- 
mometerähnlichen  Instrumente,  nach  Kopp  einem  Dilator- 
meter,  beobachtet  weiden.  Beide  Wege  wurden  einge- 
schlagen. 

Die  Messungen  mit  Glasfläschchen  wurden  schon  im 
vergangenen  Winter  durch  Herrn  Henrici  aus  Eberbach 
(Mitglied  des  math.  -phys.  Seminars)  mit  grösster  Umsicht 
durchgeführt.  Es  wurden  Gläser  angewendet  von  beiläufig 
30  CG.  Inhalt.  Der  Hals  der  Gläser  war  in  eine  feine 
Spitze  ausgezogen.  Auf  den.  Hals  war  eine  Glaskappe  auf- 
geschliffen, und  ebenso  passte  auf  den  Hals  eine  aufgeschlif- 
fene, oben  offene,  weitere  Glasröhre.  *)  Die  Gläschen  wur- 
den mit  destillirtem  Wasser  gelullt,  die  aufgeschliffenen 
Glasröhren  wurden  aufgesetzt,  ebenfalls  mit  Wasser  gefüllt, 
und  durch  anhaltendes  Kochen,  schliesslich  unter  der  Glocke  der 
Luftpumpe,  wurde  das  Wasser  luftfrei  erhalten.  Die  Gläs- 
chen wurden  hierauf  zunächst  in  gestossenes  Eis  gestellt. 
War  nach  etwa  zweistündigem  Stehen  die  Temperatur  0° 
mit  Sicherheit  erzielt,  so  wurden  die  Bohren  abgezogen,  der 
Hals  getrocknet  und  die  Glaskappen  aufgesetzt  Die  Wä- 
gnngen  ergaben  das  Gewicht  des  Wassers,  welches  die 
Fläechchen,  bis  zur  Spitze  gefüllt,  bei  Null  fassen.  Das 
Verfahren  blieb  das  ähnliche  für  Füllungen  bei  anderen 
Temperaturen.  Die  Glasröhren  wurden  wieder  aufgesetzt, 
mit  ausgekochtem  Wasser  gefüllt,  und  sämmtliche  Gläschen 
wurden  in  ein  grösseres  Wasserbad,  bestehend  aus  zwei 
concentrischen  Gelassen ,  von  denen  das  äussere  beiläufig 
zwei,  das  innere  einen  Kubikfuss  Wasser  fasste,  gebracht. 
Durch  Bewegung    eines  Bührers   war  für  Gleichförmigkeit 


1)  Der  gleiche  Apparat  wurde  von  Herrn  C.  v.  Neumann  zur 
Bestimmung  des  Maximums  der  Dichtigkeit  des  Meerwassers  benützt,. 
und  in  seiner  Inauguraldissertation,  München  1861,  beschrieben  und 
abgebildet 


144      SiUung  der  math.~phy*.  Ckteee  vom  13.  Februar  1864. 

der  Temperatur  in  allen  Schichten  gesorgt.  Die  Tempera- 
turerhöhungen wurden  durch  Anwendung  von  Gasflammen 
bewirkt  Je  nach  der  Zahl  und  Grösse  der  Flammen  konn- 
ten höhere  Temperaturen  unveränderlich  auf  die  Dauer  von 
10  bis  15  Minuten  erhalten  werden.  Mit  einem  Stechheber 
wurde  das  über  den  Spitzen  der  Fläschohen  stehende  Was- 
ser weggenommen ,  und  hierauf  wurden  gemeinsam  und 
gleichzeitig  alle  Flaschchen«  aus  dem  Bad  genommen.  Es 
war  nun  nur  noch  übrig,  die  Bohren  abzuziehen,  den  Hals 
zu  trocknen  und  die  Glaskappen  aufzusetzen.  Die  Wägungen 
ergaben  dann  das  Gewicht,  welches  die  Flaschchen,  gefällt 
mit  Wasser  Von  bekannter  Temperatur,  fassen. 

Unter  Anwendung  dieses  Verfahrens  hängt  die  erreich- 
bare Genauigkeit  von  dreierlei  ab.  Nämlich  von  der  Schärfe, 
mit  welcher  Gewichtsbestimmungen  gemacht  werden  können, 
dann  von  der  Schärfe  der  thermometrischen  Bestimmungen 
und  endlich  von  der  Genauigkeit,  mit  welcher  der  Ausdeh* 
nungßcoefficient  der  zu  den  Flaschchen  benutzten  Glassorten 
ermittelt  wurde.  Gewiss  ist  auch  die  Technik  des  Verfah- 
rens von  Einfluss;  da  aber  die  Füllung  bis  zur  Spitze  mit 
grosser  Sicherheit  erreicht  wird  und  da  ein  Verlust  durch 
Verdampfen  nicht  eintreten  kann,  so  treten  die  Fehlerquel- 
len, welche  mit  der  Technik  des  Verfahrens  verbunden 
sind ,  weit  gegen  die  Fehlerquellen  der  Wägungen  und  na- 
mentlich der  thermometrischen  Bestimmungen  zurück. 

Die  Wage  war  vielfach  geprüft;  sie  hat  eine  Empfind- 
lichkeit der  Art,  dass  sie  noch  bei  100  Grm.  Belastung  und 
einem  Uebergewicht  von  */*<>  Mgnn.  einen  deutlichen  Aus- 
schlag giebt.  Die  grösste  Sorgfalt  ist  bekanntlich  bei  Wä- 
gungen auf  die  Gleichheit  der  Temperatur  des  zu  wägenden 
Körpers  mit  der  Temperatur  der  Wage  zu  richten.  Ein 
Unterschied  von  nur  wenigen  Graden  macht  sich  bemerk- 
bar. Die  Temperaturerhöhung,  welche  Glas  durch  Ab* 
scheuern  mit  trockenem  Fliesspapier  erreicht,  genügt, 


JöBy:  üsber  Äusdehmmg  des  Wassers.  146 

scheinbare  Gewichtsänderung  von  ein  oder  mehreren 
Müligrainmen  zu  erzeugen.  Immer  bemerkt  man,  dass  der 
wärmere  Körper  scheinbar  leichter,  and  der  kältere  Körper 
tdieinbar  schwerer  ist  Erst  wenn  der  Körper  zur  Tem- 
peratur der  Wage  zurückgekehrt  ist,  erhält  man  das  ur- 
■primgliche  Gewicht  wieder.  Eine  Elektricitätserregung  durch 
Reibung  ist  —  wie  man  diess  vermuthungsweise  aussprach 
—  sicher  nicht  die  Ursache  dieser  Erscheinung.  Denn  er- 
wärmte Metalle  zeigen  ganz  dieselbe  Erscheinung.  Die,  je 
nach  dem  Sinne  der  Temperaturdifferenz,  auf-  oder  abwärts 
eintretenden  Lnftströme  scheinen  dagegen  bei  empfindlicheren 
Wagen  genügend  die  scheinbaren  Gewichtsdifferenzen  zu 
erzeugen. 

Die  Reduction  der  Gewichte  auf  den  luftleeren  Raum 
wurde  in  bekannter  Weise  ausgeführt.  Doch  ist  ausdrück- 
lich hinzuzufügen,  dass  nicht  allein  die  durch  den  zu  wägen- 
den Körper  verdrängte  Luft,  sondern  auch  die  durch  die 
Gewichtsstücke  verdrängte  Luft  ztr  berücksichtigen  ist«  Das 
specifische  Gewicht  der  Gewichtsstücke  war  8,4.  Der  Ge- 
wichtsverlust von  p.  Grm.  Wasser  ist  daher  nach  der 
Formel 

p.  0,001293  .  ^    •  2  +  0^8666    t  (l  -  £) 

zu  berechnen,  in  welcher  b  den  Barometerstand  und  t  die 
Temperatur  der  Wage  bezeichnet.  Da  die  Temperatur  des 
Wagenzünmers  während  aller  Wägungen  nahe  bei  Null  oder 
nur  wenige  Grade  über  Null  stand,  und  da  überdiess  das 
Zimmer  trocken  gelegen,  auch  die  Luft  in  der  Wage  künst- 
lich trocken  erhalten  wurde,  so  konnte  der  Einfluss  der 
Wasserdämpfe  auf  den  Barometerstand  unbeachtet  bleiben« 
Unter  Beachtung  der  bezeichneten  Vorsichtsmassregeln 
finde  ich,  dass  die  unvermeidlichen  Fehlerquellen  bei  Wä- 
gungen von  Glaqgeßssan  den  Betrag  von  ±  0,0002  Grm. 
nicht  überschreiten. 


146       Sittmg  der  math.-phya.  CUuse  vom  13.  Februar  1864. 

• 

Die  thermometrischen  Bestimmungen  bieten  grössere 
Schwierigkeiten  dar.  Ich  hatte  Thermometer  von  Geis$ler 
in  Bonn,  von  Fastre  in  Paris,  und  hatte  Thermometer  mit 
willkürlicher  Theilung,  die  ich  hier  von  Greiner  anfertigen 
liess,  und  zu  welchen  ich  Bohren  aussuchte,  welche  auf  ge- 
nügende Länge  sich  von  gleichförmigem  Kaliber  zeigten. 
Sämmtliche  Instrumente  gaben  Zehntel  Gelsius'scher  Grade 
in  solcher  Grösse,  dass  mit  einem  Steinheil'schen  Ableser 
noch  ganz  scharf  Vioo  °  beobachtet  weisen  konnte.  Aber 
in  den  Temperaturen  über  50  °  beschränkt  sich  die  Ueber- 
einstimmung  der  Instrumente  nur  auf  Zehntel  der  Grade. 

loh  will  hier  nicht  darauf  eingehen,  in  wie  weit  die 
beobachteten  Abweichungen  von  kleinen  Ungleichheiten  im 
Kaliber  der  Röhren  oder  von  der  Gestaltänderung  der  dünn- 
wandigen Gefässe  unter  dem  Druck  einer  langen  Quecksil- 
bersäule in  höheren  Temperaturen  bedingt  sind,  ich  führe 
nur  an,  dass  ich  den  Gang  der  Quecksilberthermometer  mit 
den  Angaben  eines  Luftthermometers *)  verglich,  in  einer 
Tabelle  die  erhaltenen:  Resultate  festhielt,  und  die  Beobach- 
tungen nach  den  Angaben  der  Tabelle  corrigirte.  Da  auch 
das  Luftthermometer  höchstens  auf  1jio  °  G.  die  Tempera- 
turen genau  bezeichnet,  so  nehme  ich  an,  dass  in  den.ther- 
mometrißchen  Bestimmungen  dies«  die  Grenze  der  erreichten 
Genauigkeit  war. 

Der  Ausdehnungscoefficient  der  angewendeten  Glassorteß 
wurde  direkt  und  wiederholt  bestimmt.  Die  Fläschchen 
wurden  zu  diesem  Zwecke  mit  Quecksilber  gefüllt,  die  auf- 
-geschliffenen  Glasröhren  wurden  aufgesetzt,  Quecksilber  wurde 
bis  zur  Bedeckung  der  Spitze  der  Fläschchen  eingegossen, 
und  schliesslich  das  Ganze  so  vollständig  wie  ein  Thermo* 


2)  Es  war  dasselbe  Instrument,  welches  in  der  Inauguraldisser- 
tation des  Herrn  Dr.  Recknagel  „Thermometrisohe  Untersuchungen", 
Hünchen,  1868,  beschrieben  und  abgebildet  ist* 


/©%:  Utbar  Amtddmung  des  Wassers.  147 

ueter   ausgekocht.    Die   Besorgniss,   ob  die  dünnwandigen 
Glasfläschchen ,  die  ober  500  Grai.  Quecksilber  £assten,  ge- 
.  fahr  los    ein  Auskochen   des  Quecksilbers    ertragen   könnten, 
zeigte  eich  unbegründet.    Das  Auskochen  geschah  unter  An- 
wendung Bunsen'scher  Brenner,   und  die  Fläschchen  waren 
in    eisernen  Schalen,   deren  Boden   mit  Sand  bedeckt  war, 
aufgestellt.    Je  nach  der  Dicke  der  Glaswandungen  und  der 
Grosse   der  Fläschchen  sind  zwei   oder  drei  Brenner   erfor- 
derlich.    Die  ausgekochten  Apparate  wurden  in  gestossenem 
Eis  aaf  die  Temperatur  Null  gebracht,   die  Röhren  wurden 
hierauf  abgezogen,  die  Kappen  aufgesetzt,   und  durch  Wä- 
gmtgen  wurde  das  Gewicht  des  Quecksilbers  bestimmt,  wel- 
ches  die  Fläschchen   in    der  Temperatur  Null  fassen.     In 
einer  zweiten  Operation  wurden   die  Gläschen  mit  abgezo- 
genen Glaskappen  in  einen  Kochapparat  gebracht;  das  Queck- 
silber konnte  entsprechend  seiner  grösseren  Ausdehnung  aus 
der  Spitze  der  Gläschen  austreten ;  darauf  folgende  Wägungen 
ergaben  die  Gewichte,  welche  die  Gläschen  in  der  Tempera- 
tur   des  kochenden   Wassers    von  Quecksilber   eben   dieser 
Temperatur  fassen.    Begreiflich  sind  die  Gewichtsreductionen 
auf  den  leeren  Raum  auszufuhren;  und  die  Kochwärme  des 
Wassers  ist  nach  dem  jeweiligen  Barometerstand  zu  bestim- 
men.   Bezeichnen  p0  und  pt  die  Gewichte  Quecksilber,  welche 
die  Fläschchen  in  den  Temperaturen  0°  und  t°  fassen,  und 
sind  a  und  ß  die  Ausdehnungscoefficienten   des  Glases  und 
des  Quecksilbers,  so  hat  man 

ft  —  p°  1  +  ß  V 
welche  Gleichung  zur  Berechnung  des  Werthes  von  a  be- 
nutzt wurde. 

Zu  den  Versuchen  wurden  im  Ganzen  7  Glasfläschchen 
benutzt.    Nr.  1  und  2  waren  aus  einer  älteren  zufallig  vor- 
handenen Glasröhre  geblasen,  die  übrigen  aus  Röhren,   die 
aus  der  Glashütte  bei  Deggendorf  bezogen  waren.    Für  den 
[1864.  L  2.]  11 


148       Sitsung  der  matK-fhgt,  Cümee  vom  13.  Februar  1864. 

Ausdehnungscoefficienten   der  ersten  Glasgort*  wurde  gedul- 
den 0,0000261,  und  für  den  der  andern  0,0000271. 

Nach  diesen  Vorbemerkungen  lasse  ich  die  Zahlen  fei« 
gen,  welche  Herr  Henrici  in  den  Messungen  erhalten  hat. 

Temperatur  des  Wassers  0°. 


Num- 

Scheinbares 

Baro- 

Tem-          Gewiohts- 

Wahres 

mer  des 

Gewicht  des 

meter 

perator           vertust. 

Gewicht. 

Gläs- 

Wassers. 

in 

der 

chens. 

Millim. 

Wage. 

1 

67,1408 

712 

3  *  C.          0,0479 

67,1887 

2 

41,0524 

» 

»               0,0344 

41,0868 

3 

37,6619 

» 

»               0,0316 

37,6935 

4 

87,6175 

» 

»               0,0316 

37,6491 

5 

38,6400 

» 

»               0,0324 

38,6724 

6 

88,4108 

716 

3,5              0,0281 

33,4889 

7 

36,9421 

718 

3,0              0,0312 

86,9733 

Temperatur  des  Wassers  28,3'  C. 

1 

56,9768 

716 

2,0              0,0482 

57,0250 

2 

40,9349 

» 

»               0,0347 

40,9696 

3 

37,5549 

» 

»               0,0318 

37,5867 

4 

37,5096 

» 

»               0,0317 

37,5413 

5 

38,5287 

» 

»               0,0326 

38,5613 

Temperatur  des 

Wassers  36,5°  C. 

1 

56,8366 

722 

1,5             0,0486 

56,8852 

2 

40,8347 

» 

»              0,0349 

40,8696 

3 

"  37,4660 

» 

»               0,0320 

37,4980 

4 

37,4210 

» 

»               0,0320 

37,4530 

5 

38,4458 

» 

»               0,0329 

38,4787 

Temperatur  des  Wassers  40°  C. 

1 

56,7683 

724 

2,0             0,0486 

.56,8169 

2 

40,7852 

» 

>               0,0849 

40,8201 

3 

37,4172 

» 

>               0,0320 

87,4492 

5 

38,3869 

» 

>               0,0329 

88,4218 

^F^^^^J  *     %^^^^^9     s^sVW^^pW^^r^^^WM»    vV^^      ^W  ii^^fv*  ■»  ^V 


Nun-     Scheinbare«        Baro»      Tem-  Gewichte*  Wahn* 

merdes    Gewicht  des       meter     peratur  verlost.  Gewicht. 

Glas-         Wassers.  in  der 

chens.  Mülim.     Wage. 

Temperatur  des  Wasser«  50,6  °  C. 

1  56,5265  716       4,0  0,0475  56,5740 

2  40,6111  »  »  0,0341  40,6452 

3  37,2585             •           »               0,0313  37,2898 
5          38,2254            »           •               0,0321  38,2575 

Temperatur  des  Wassers  58,3°  C. 

1  56,3220  726       5,2  0,0478  56,3698 

2  40,4644  »  »  0,0344  40,4988 

3  37,6409             »           »               0,0316  37,6725 
5          38,0873            »           »               0,0324  38,1197 

Temperatur  des  Wassers  75,0°  G. 

1  55,8290    722   6,1      0,0470  55,8760 

2  40,1170     »     »      0,0337  40,1444 

3  36,7999     »     »      0,0309  36,8308 

5  37,7553     •     »      0,0317  37,7807 

Temperatur  des  Wassers  82,7°  ü. 

1  55,5568  720      6,0  0,0466  55,6034 

2  39,9172  »  »  0,0333  39,9505 

6  32,4889  »  »  0,0273  32,5162 

7  35,9192  »  •  0,0301  35,9493 

Temperatur  des.  Wassers  89,6  °  C. 

1  55,3109  712       6,5  0,0458  55,3567 

2  ÄBI,73Ä1             »           »               0,0325  39,7706 
6          32,3447             »           »               0,0265  32,3447 

Temperatur  des  Wassers  98,78  °  C. 

1  54,9688  714      6,5  0,0457  55,0145 

Temperatur  des  Wassers  98,87 1  C. 

2  39,4866  717       7,0  0,0329  39,5195 
Nimmt  man   das  Volumen   des  Wassers   ton  0°   zur 

Einheit,  und  bezeichnet  V«  das  Volumen  bei  t°,  bezeichnen 

11* 


150      Sitzung  der  nttth-ptys.  Ctasm  vom  13.  FArmr  1861. 


ferner  q#undqt  die  Gewichte  des  Wassers. 

,  welches  die  Fläsch- 

eben  in  den  Temperaturen 

0°  und  t*  fassen,  so  hat  man  zur 

Bestimmung  von  Vt 

V;  = 

:3s(l+at). 
a. 

«• 

Ans  den  Messungen  des  Herrn  Henrici  erhält  man  hiernach 

Temperatur. 

Volumen. 

Mittel. 

or 

■ 

1,00000 

28,3 

1,00361 
1,00360 
1,00361 
1,00364 
1,00365 

1,003622 

36,5 

1,00629 

1,006252 

1,00627 

► 

* 

1,00621 
1,00623 

* 

1,00626 

• 

40,0 

1,00759 

1,007597 

1,00758 
1,00761 
1,00761 

50,6 

1,01220 

1,002220 

1,01220 

1 

1,01221 

• 

1,01223 

• 

58,3 

1,01607 
1,01606 

1,016077 

• 

1,01608 

i 

1,01610 

75,0 

1,02549 
1,02547 

1,025492 

i 

1,02550 

• 

1,02551 

Jäfljy:  ütber  Au9ie9mtm0  des  W*8$ers.  151 


Temperatur. 

Volumen.  .       Mittel. 

82,7 

1,03073         1,030677 

1,03066 

- 

1,03068           4 

1,03064 

89,6 

1,03551          1,035508 

1,03551 

1,03549 

98,78 

1,04219 

98,87 

1,04234 

Gestützt  auf  diese  Ergebnisse  lassen  sich  folgende  In 

terpolationsfonneln  bilden. 

Interpolationsformel  für  Temperataren  von  28°  bis  50  •: 

V  =  1  +  0,00006659 1  -  0,000002277 t* 

+  0,00000021264  t»  —  0,0000000019644  t4. 
Für  Temperaturen  von  50°  bis  80°: 

V  =  1  ~  0,00080419 1  +  0,0000194546  t* 

—  0,00000022645  t8  +  0,00000000108731t4. 
Für  Temperaturen  von  80°  bis  100°  C: 
V  =  1  —  0,00006468 t + 0,0000067561 1  —  0,000000017994 1*. 
Man  erkennt  leicht  die  Vorzöge  und  die  Schwierigkeiten 
des  eingeschlagenen  Verfahrens.  Die  Grösse,  die  gemessen 
werden  soll,  ein  genau  abgegrenztes  Volumen  Wasser,  wird 
durch  die  in  eine  feine  Spitze  endigenden  Glasflaschchen  mit 
grosser  Scharfe  erhalten,  und  die  Technik  des  Verfahreng 
ist  sehr  einfech.  Nach  der  Oapacität  der  Gefässe  wird} 
durch  eine  sechszifferige  Zahl  das.  Gewicht  des  Wassers 
ausgedrückt,  und  erst  die  6.  Ziffer  wird  unter  Anwendung 
einer  guten  Wage  bei  Wägungen  von  Glaskörpern  unsicher« 
Da  bei  jedem  Versuche  mehrere  Gläser  zugleich  in  das  Bad 
eingesetzt  sind.,  die  hiermit  alle  in  absolut  gleicher  Tem- 
peratur sich  befinden,  so  ist  Gelegenheit  gegeben,  durch  das 
arithmetische  Mittel  der  für  gleiche  Temperaturen  berech* 
neten  Volumina:  mit  um  so  grösserer  Annäherung  die  wahren 


iöd      BUmmg  Ar  mäh.-pky*.  ötam  t*nr  49.  Ftbmar  1864. 

Volumina  z«  erhalten.  Dagegen  ist  die  gross*  Zahl  der 
exact  auszuflihreiaden  Wagungen  lästig  und  zeitraubend. 
Man  sieht  sich  hiernach  Teranfasst,  nur  für  grössere  Tem- 
peraturabstände die  Messungen  auszufahren.  Die  Interpolar 
tionsformeln  sind  also  auch  nur  auf  eine  relativ  geringe 
Zahl  der  Messungen  gestützt. 

Das  Yoluminometrische  Verfahren  erfordert  nur  eine 
oder  wenige  exacte  Wägungen,  im  Uebrigen  beschränkt  sich 
die  Messung  auf  die  Ablesung  der  Stellung  des  Fadens  in 
der  kalibrirten  Röhre.  Die  Mühe  des  Amssudiens  der  Röh- 
ren von  gleichmäs&igei»  Kaliber  wird  reichlich  aufgewogen 
durch  die  einfachere  Berechnung  der  Beobachtungen.  Doch 
ist  die  Benützung  der  Röhren,  die  einfach  konisch  verlau- 
fen, nicht  gerade  von  besonderer  Schwierigkeit.  Man  kann  in 
diesem  Falle  durch  Tabellen,  in  welchen  die  Aenderungen  des  Ka- 
libers etwa  von  10  zu  IG  Theilstrichen  niedergelegt  sind,  sich 
die  Rechnung  sehr  erleichtern.  Begreiflich  wählt  man  dann 
nur  solche  Röhren  aus,  welche  eine  gleichförmige  und  sehr 
geringe  Aenderung  im  Kaliber  zeigen.  Unter  den  Röhren, 
die  mir  zu  Gebot  standen,  waren  nur  zwei  auf  eirie  Länge 
ton  etwas  über  4  Decimeter  von  durchaus  gleichmässigem 
Kaliber. 

Eine  kleine  Abänderung  der  gebräuchlichen  Dilatometer 
hat  sich  praktisch  sehr  bewährt.  Kugel  und  Röhre  Hess 
ich  trennen.  Die  Kugel  wurde  mit  einem  weiteren  Halse« 
tersehen,  und  die  kalibrirte  Röhre  wurde  mit  ihrem  unteren, 
etwas  aufgetriebenen  Ende  in  den  Hals  der  Kugel  einge»- 
8chliffen.  Für  das  Einschleifen  ist  daß  Verfahren  auf  den 
Glashütten,  nämlich  das  Vorschleifen  init  kupfernem  Konus 
und  kupferner  Büchse  sehr  empfehlenswerth.  Erst  am 
Schlüsse  wird  mit  feinem  Schmirgel  Gifts  in  Glas  einge- 
öchliffen.  Im  Anfange  machte  mir  die  Trennung  der  einge- 
schliffenen Theile  zuweilen  Schwierigkeiten.  Fettet  man  das 
Ende  der  Röhre  mit  Luftpumpenfett  schwach  ein,  bo  schwach, 


/*%;  Ulster  Audd^mmg  de$  Wmum 


163 


cbss  die  Gewichtszunahme  des  Instrumente  noch 
kaum  0,0003  Gxm.  beträgt,  und  verbindet  man 
Kugel  and  Rohre  unter  schwachem  Druck  und 
mit  sanftem  Drehen,  so  bietet  die  spätere  Tren- 
nung der  Theile,  selbst  wenn  sie  lange  verbun- 
den waren,  keine  Schwierigkeiten.  An  dem 
oberen  Ende  der  kalibrirten  Röhre  ist  eine  oben 
offene  Engel  angeblasen.  Die  neben  stehende 
Zeichnung  erläutert  die  gebrauchte  Anordnung. 

Durch  die  Trennung  der  Kugel  und  der 
Rohre  ißt  Reinigen,  Füllen  und  Auskochen  wesent- 
lich erleichtert.  Ist  die  Kugel  durch  Ausspülen 
mit  Salpetersäure  und  hierauf  durch  wiederholtes 
Ausspülen  mit  Wasser  gereinigt,  und  ebenso  die 
Röhre,  so  wird  das  Austrocknen  beider  Stücke 
statt  unter  Anwendung  der  Wärme  weit  rascher 
und  bequemer  dadurch  erreicht,  dass  man  nach  der  Reihe 
mit  Weingeist  und  mit  Schwefeläther  ausspült,  und  mit 
Hilfe  des  Blasetisches  einen  Strom  trockener  Luft  durch  die 
Apparate  leitet.  Wasser,  und  ebenso  jede  andere  Flüssig« 
keit,  deren  Volumenänderung  in  höheren  Temperaturen  be- 
stimmt werden  soll,  müssen  vollkommen  luftfrei  angewendet 
werden,  indem  sonst  in  eben  diesen  Temperaturen  eine  Ent- 
wicklung von  Luftbläschen  eintritt,  die  die  Messung  illu- 
sorisch machen.  Durch  anhaltendes  Kochen  kann  die  am 
Glas  haftende  und  die  von  der  Flüssigkeit  absorbirte  Luft 
vollständig  entfernt  werden.  Man  kürzt  diese  Operation  ab, 
wenn  man  die  Dilatometer,  nachdem  sie  im  Kochapparat 
einige  Zeit  verweilt  sind,  unter  die  Glocke  der  Luftpumpe 
bringt,  und  das  Kochen  im  luftverdünnten  Räume  fortsetzt. 
Flüssigkeiten,  deren  Zusammensetzung  in  der  Kochwärme 
sich  ändern  könnte,  wie  Weingeist,  Salzlösungen  u.  s.  w. 
müssen  unter  einer  kleinen  Abänderung  des  Apparates,  einer 
solchen,  unter  welcher  die  Verdampfung  der  Flüssigkeit  ver- 


154      Sitzung  dar  «Mtk-pfty*.  dorne  vom  IS.  Februm  1864. 

mieden  wird,  ausgekocht  werden.  Man  erreicht  diess,  wenn 
man  die  obere  Kugel  des  Dilatometers  mit  einer  Kälte- 
mischung  umgiebt  Zu  dem  Ende  befestigt  man  unter  An- 
wendung eines  gespaltenen  Korkes  ein  Blechgefäss,  welches 
die  Eältemisehnng  aufnimmt,  am  oberen  Ende  des  Dilato~ 
meters.  Die  Flüssigkeit  in  der  unteren  Kugel  kann  anhal- 
tend im  Kochen  erhalten  werden,  wahrend  die  in  der  oberen 
Kugel  unter  Null  stehen  bleibt. 

Nach  dem  Auskochen  bringt  man  in  einem  Bad  die 
Temperatur  rasch  zurück.  *  Meist  bleibt  ein  Luftbläschen  an 
der  Verbindungsstelle  von  Kugel  und  Röhre  hängen»  Um 
diess  zu  entfernen,  wird  Röhre  und  Kugel  getrennt,  was 
schon  aus  dem  Grunde  erforderlich  ist,  um  die  benutzte 
Röhre  ausspülen  und  austrocknen  zu  können.  Der  einge» 
schliffene  Theil  der  Röhre  wird  nun  schwach  eingefettet  und' 
vorsichtig  in  den  Hals  der  Kugel  eingesteckt.  Das  Mess- 
instrument ist  hiermit  hergestellt  Es  bedarf  weiter  nichts, 
als  ein  Einsetzen  des  Dilatometers  in  ein  Bad,  welches 
successiv  in  höhere  und  immer  genügend  lange  dauernde 
Temperaturen  versetzt  wird.  Ich  habe  bei  den  folgenden 
Y ersuchen  zwei  Dilatometer  angewendet,  die  Temperatur 
wurde  mit  einem  Thermometer  von  Geissler,  welches  nach 
den  Angaben  eines  Luftthermometers  geeicht  war,  bestimmt. 
In  dem  Bad  war  beständig  ein  Rührer  in  Bewegung.  Dm 
ungetheilt  die  Aufmerksamkeit  den  Dilatometem  und  dem 
Thermometer  zuwenden  zu  können,  wurde  der  Rührer  des 
Bades  durch  eine  kleine  Dampfmaschine8)  in  Bewegung  er- 
halten. 

Von  hier  an  war  die  Ausführung  der  Beobachtungen 


S)  Die  Dampfmaschine  ist  eine  kleine  Hochdruckmaschine,  die, 
geheizt  mit  zwei  Bunsen'schen  Brennern,  eine  Arbeit  von  2  Klgm. 
Verrichtet.  Ich  habe  die  Maschine  nicht  wegen  der  paar  Versuche, 
die  ich  mit  Wasser  ausfahrte,  Bondern  wegen  einer  ausgedehnteren 
Versuchsreihe  mit  Saklöeungen  construiren  lassen. 


J*%:  ücbcr.AuadchHunfl  de?  Werner**  15& 

so  äusserst  einfach, .  dass  ich  sie  meist  detu  Dianer  des  Insti- 
tuts übertragen  konnte.  In  allen  Fällen  wurde  zur  Ver- 
meidung der  Parallaxe  mit  einem  Steinheil'schen  Ableser, 
der  ungefähr  eine  lO&che  Vergrösserung  bot,  das  Ablesen 
der  Instrumente  ausgeführt.  Um  die  Verdunstung  des  Was- 
sers abzuhalten,  die  in  höheren  Temperaturen  selbst  durch 
die  engen  Bohren  der  Dilatometer  hätte  erfolgen  können, 
wurden  die  Bohren  durch  einen  Quecksilber&den  von  un- 
gefähr 30  Mülim.  Länge  geschlossen. .  Zwischen  dem  Queck- 
silber und  dem  Wasser  war  qine  Luftblase ,  so  dass  also 
der  Quecksilberfaden  nicht  unmittelbar  auf  dem  Wasser 
anfsass. 

Zunächst  wurde  für  beide  Dilatometer  das  wahre  Ge- 
wicht des  Wassers,  welches  sie  fassen,  und  der  Stand  des 
Wassers  in  den  Dilatometerröhren  in  der  Temperatur  Null 
bestimmt.    Es  wurde  gefunden: 

Nummer  des  Wahres  Gewicht  Wasserstand  bei 
Dilatometers.            des  Wassers.  der  Temp.  0°. 

1  31,6661  Grm.  110,5 

2  18,1240      »  114,2 

Beide  Instrumente  wurden  auf  eine  Temperatur  von 
etwas  über  30  °  C.  gebracht.  In  dieser  Temperatur  wurden 
Röhren  und  Kugeln  getrennt,  die  Bohren  wurden  ausge- 
trocknet und  hierauf  wieder  mit  den  Kugeln  verbunden. 
Das  vorbereitete,  auf  mehr  als  30  •  G.  verdünnte  Bad  nahm 
beide  Dilatometer  auf  und  die  Beobachtung  begann.  Es 
wäre  sehr  zeitraubend,  wenn  man  mit  dem  Bad  genau  vor- 
aus bezeichnete,  etwa  von  5  zu  5  Grad  steigende  Tempera- 
turen successiv  erreichen  wollte.  Dagegen  hat  -es  keine 
Schwierigkeit,  Temperaturen  herzustellen,  die  nur  um  wenige 
Zehntel  von  jenen  abweichen,  die  man  zu  erreichen  wünscht* 
Die  Interpolation,  durch  welche  der.  Stand  des  Wassers  ia* 
Dilatometer,  entsprechend  einer  bestimmten  Temperatur  des 


i6ff      SiUung  i*r  «o*fc.-j*yr.  dorne  «**  13*.  Febmar  1864. 


Bades,  gefunden  wird,  ißt  höchst  einfedh.    War  etwa  beob* 

achtet 

Thermometer         Dilatometer 
29,92  41,6 

30,24  44,6 

so  entspricht  einer  Temperaturdifferenz  von  0,32  eine  Aen- 
dernng  des  Dilatometers  von  2,9,  also  einer  Temperatur*' 
differenz  von  0,08  entspredben  0,7248  Theilstriche  deö  Dila- 
tometers, tmd  iur  die  Temperatur  30  •  0.  ist  der  Stand  des 
Wassers  im  Dilatometer  42,3. 

Die  Beobachtungen  ergaben: 

Temperatur.  Dilatometer  Nr.  1.    Dilatometer  Nr.  2. 

30  •  42,3  34,5 

35°  96,4  87,3 

40°  158,8  148,6 

45  °  228,8  217,8 

50°  306.0  294,6 

55  °  392,2  378,6 

60°  484,7  469,3 

Wahres  Gewicht  des  in  den  Dilatometern  enthaltenen  Wassers 

in  Nr.   1     31,5023, 
in  Nr.  2     18,0264. 

Die  Kalibrirung  ergab  den  Logarithmen  des  cubischen  In- 
halts zwischen  zwei  Theilstrichen 

in  Nr.  1  zu  0,9263822  —  4, 

in  Nr.  2  zu  0,6916360  —  4. 

Zur  Einheit  ist  hierbei  wie  in  allen  folgenden  Fällen  der 
Raum  angenommen,  den  ein  Gramm  Wasser  in  der  Tem- 
peratur Null  einnimmt. 

Das  Dilatometer  Nr.  1  fasßt,  bis  zum  Th eilstrich  110,5 
mit  Wasser  von  0*  gefüllt,  31,6661  Grm.  Würde  es  nur 
bis  zum  Theilstrich  42,3  gefüllt,  so  würde  es  fassen 
81,6085  Grm.    Bezeichnet  Vt  das  Volumen  des  Wassers  bei 


/«%:  Uebtr  AtuiUhtmnf  in  Watten. 


157 


t*,  wenn  das  Volumen  bei  0  °  zur  Einheit  angenommen  wird, 

so  hat  man 

(l+«t) 

P»  =  P«  y > 

wo  Po  Pt  die  Gewichte  des  Wassers  bei  0°  und  t°,  und 
«  den  Ausdehnungscoöfficienten  des  Glases  bezeichnet  Da 
p0)  ^  aas  den  Beobachtungen  bekannt  sind,  und  a  zu 
0,0000271  für  1°  C.  gefunden  ist,  so  giebt  die  oben  ange- 
führte Gleichung  das  Mittel  zur  Berechnung  des  numeri- 
schen WertheB  von  Vt. 

Die  Berechnung  der  mit   den  Dilatometern  gemachten. 
Beobachtungen  ergiebt: 


Temperat.     Vol.  des  Wassers 

nach  Dilat.  Nr.  1 
1,000000 


0« 
30° 
35» 
40° 
45° 
50° 
55° 
60° 


1,0041 26 
1,005714 
1,007522 
1,009536 
1,011745 
1,014193 
1,016813 


Vol.  des  Wassers 
nach  Dilat.  Nr.  2, 
1,000000 
1,004111 
1,005684 
1,007498 
1,009523 
1,011753 
1,014191 
1,016801 


Mittel 


1,004118 
1,005699 
1,007510 
1,009529 
1,011749 
1,014197 
1,016807 


Ein  zweite  Reihe  von  Beobachtungen  ergab: 


Temperatur    Dilatometer  Nr. 
60°  48,5 

65°  145,6 

70°  248,5 

75°  357,3 

80°  470,5 

Wahres  Gewicht  des  Wassers 

-    im  Dilatometer  Nr.  1 


L  Dilatometer  Nr.  2 
50,5 
146,2 
247,4 
354,3 
465,6 

31,1380, 
17,8218. 


im  Dilatometer  Nr.  2 
Das  Instrument  Nr.  1,  gefällt  bis  zum  Theilstrich  48,5  mit 
Wasser  von  0°,  fasst  31,6108  Grm.,  und  das  Nr.  2,  gefüllt 


15$      tiitsung  der  math.-pky$.  Gam  vom  IS.  Februat  1864. 


bis  zum  Theilstrich  50,5,  fasst  18,0927  Gra.  Gestützt  auf 
diese  Zahlen  und  auf  die  an  den  Dilatometern  gedachten 
Beobachtungen,  erhält  man  ffir  die  Volumina  des  Wassers 
in  den  Temperaturen  yon  60°  bis  80 6: 


Teraperat.     Vol.  des  Wassers 

nach  Dilat.  Nr.  1 
1,016834 

.1,019608 

1,022542 

1,025626 

1,028850 


60° 
65° 
70° 
75° 
80° 


Vol.  des  Wassers 

nach  Dilat  Nr.  2 

1,016854 

1,019638 

1,022573 

1,025656 

1,028880 


Mittel 

1,016844 
1,019623 
1,022557 
1,025641 
1,028865 


Eine  dritte  Reihe  von  Beobachtungen  ergab: 


Dilatometer  Nr.  2 
38,4 

153,4 

272,9 

396,0 

522,7 


Temperatur    Dilatometer  Nr. 
80°  28,2 

85°  145,6 

90°  267,4 

95°  393,3 

100°  522,7 

Wahres  Gewicht  des  Wassers 

im  Dilatometer  Nr.  1 
im  Dilatometer  Nr.  2 

Das  Dilatometer  Nr.  1 ,  mit  Wasser  von  0  °  bis  zum 
Theilstrich  28,7  gefüllt,  fasst  31,5966  Grm.,  und  das  Nr.  2, 
bis  zum  Theilstrich  58,4  mit  Wasser  von  0°  gefüllt,  fasst 
18,0877  Grm. 

Die  mit  den  Dilatometern  in  den  bezeichneten  Tem- 
peraturen gemachten  Beobachtungen  führen  hiernach  zu  fol- 
genden Resultaten: 


30,7763, 
17,6190. 


Temperat. 

Vol.  des  Wassers 

Vol.  des  Wassers 

Mittel 

nach  Dilat  Nr.  1 

nach  Dilat.  Nr.  2 

80° 

1,028881 

1,028830 

1,028855 

85° 

1,032248 

1,032184 

1,032219 

90° 

1,035787 

1,035660 

1,035698 

95° 

1,089337 

1,039248 

1,039342 

100° 

1,043034 

1,042934 

1,042984 

Joüy:  Ueber  Ausdehnung  4es  Wassers.  169 

Man  bemerkt,  dass  die  mit  den  beiden  Dilatometern 
erhaltenen  Resultate  sehr  gut  übereinstimmen,  und  dass  über- 
haupt Differenzen  erst  in  der  5.  Decimale  oder  in  der  6. 
Ziffer  der  Zahlen,  welche  die  Volumina  ausdrücken,  bemerk- 
bar werden.  Die  Abweichungen  traten  also  genau  erst  in 
derselben  Ziffer  ein,  in  welcher  auch  die  Gewichtsbestim- 
mungen des  in  den  Dilatometern  enthaltenen  Wassers  be- 
ginnen ,  unsicher  zu  werden.  Die  Abweichungen ,  welche 
Herr  Henrici  nach  dem  oben  beschriebenen  Verfahren  er* 
hielt,  sind  noch  geringer,  als  die  unter  Anwendung  der 
Dilatometer,  dagegen  ist  die  Anzahl  der  beobachteten  Tem- 
peraturen die  doppelte  von  jener  des  Herrn  Henrici,  und  es 
ist  nicht  wie  dort  eine  Interpolation  zwischen  weit  abstehen- 
den Gliedern  erforderlich. 

Berechnet  man  nach  den  Interpolationsformeln  die 
Volumina  für  die  gleichen  Temperaturen,  welche  direkt  bei 
den  Dilatometern  beobachtet  wurden,  so  ergeben  sich  Dif- 
ferenzen, welche  weder  aus  den  unvermeidlichen  Fehler- 
quellen der  Wägungen,  noch  aus  der  Technik  des  jeweils 
eingeschlagenen  Verfahrens  sich  erklären,  welche  also  ohne 
Zweifel  in  den  Fehlerquellen  der  thermometrischen  Bestim- 
mungen begründet  sind.  Die  Differenzen  betreffen  meist 
erst  die  5.  Decimale,  und  treten  in  einer  Grösse  auf,  dass 
'sie  einem  Fehler  in  der  Temperaturbestimmung  0,1°  bis 
0,2°  G.  entsprechen,  nur  in  den  Temperaturen  von  40°  bis 
50°  sind  sie  noch  bedeutender  und  entsprechen  im  ausser- 
sten  Falle  einem  Fehler  in  der  Temperaturbestimmung  von 
0,4*  G 

Ich  halte  die  dijatometrisch  gefundenen  Zahlen  für  die 
richtigeren,  und  zwar  nicht  des  Verfahrens  halber,  sondern 
weil  ich  mich  bei  diesen  Versuchen  eines  Thermometers 
bediente,  dessen  Angaben  mit  denen  eines  Luftthermometers 
unmittelbar  zuvor  verglichen  waren. 

Von  den  vielfachen  Messungen  über  die  Aendetung  dea 


160      Sitzung  4er  math**$hy*.  Glam  vom  13,  Fdmar  1864. 


Volumens  des  Wassers  in  höheren  Temperaturen  nahm  ich 
hier  zur  Vergleichung  nur  die  Resultate  der  Arbeit  des 
Herrn  Pierre4)  und  der  des  Herrn  Kopp5)  auf,  weil  beide 
Arbeiten  mit  allen  Hilfsmitteln  der  Technik  des  heutigen 
Tages  und  von  den  bewährtesten  und  umsichtigsten  For- 
schern ausgeführt  sind. 


Teatp. 

Volumen. 

Temp. 

Volumen.  I 

T«mp. 

Volumen.  . 

0° 

1,000000 

■ 

30? 

* 

1,004071  P. 

55° 

1,014359  P. 

80° 

1,029360  P. 

4064  K. 

4100  E. 

8581  E. 

4098  H. 

4393  H. 

• 

8767  H. 

4118  J. 

4192  J. 

8873  J. 

35° 

1,005677  P. 

60° 

1,017118  P. 

85° 

1,032769  P. 

5697  E. 

6590  E. 

1894  K. 

5710  H. 

6963  H. 

i 

2377  H. 

5699  J. 

6825  J. 

2216  J. 

40° 

1,007512  P. 

65° 

1,019946  P. 

90° 

1,036294  P. 

7531  K. 

9302  E. 

5397  E. 

7601  H. 

9643  H. 

5786  H. 

7510  J. 

9623  J. 

5698  J. 

45° 

1,009562  P. 

70° 

1,022937  P. 

95» 

1,039924  P. 

9541  K. 

.2246  E. 

' 

9094  E. 

9705  H. 

2468  H. 

94Q2  H. 

9529  J. 

2255  J. 

9342  X 

50° 

1,011815  P. 

75°  .' 

1,026078  P. 

100° 

1,043649  P. 

- 

1747  K. 

5440  E. 

* 

2986  E. 

1940  H. 

5487  H. 

3099  H. 

1749  J. 

5641  J. 

2984  J. 

Die  grössten  Differenzen  der  Resultate  des  Herrn  Pierre 
und  des  Herrn  Kopp   gehen  bis  auf  neun  Einheiten  in  der 


4)  Ann.  Ch.  Ph.  XV.    184». 
4)  Pogg.  J&nii.  LKXn.    1647. 


JvUyx  Uebmr  Amddmmg  de$  IFoatar*. 


m 


4.   Decimale,   sie  entsprechen  einer  Temperaturdifferenz  von 
1,2°  C.    Dagegen  sind  die  Differenzen  der  Resultate  des 
Herrn  Kopp  und  des  Herrn  Henrici  weit  geringer  und  zei- 
gen überhaupt  kaum  grossere  Abweichungen,  als  die,  welche 
zwischen  den  von  Herrn  Henrici  erhaltenen  und  den  dilato- 
metrisch  gefundenen  auftreten.    Im  Ganzen  halte  ich  es  für 
entschieden,  dass  die  von  Herrn  Pierre  erhaltene©  Zahlen 
von  50  °  C.  an  aufwarte  sämmtlich,  und  nicht  unbeträchtlich, 
su  gross  sind. 

Da  die  Messungen  mit  den  beschriebenen  zerlegbaren 
Dilatometern  wenig  Mühe  machen,  und  die  erreichbare  Ge- 
nauigkeit wesentlich  von  der  sorgfältigen  Vorbereitung  der 
Instrumente,  der  esacten  Wägung,  der  Kalibrirung  u.  s.  w. 
abhängt,  so  bereitete  ich  drei  solcher  Instrumente  vor  und 
Hess  mit  denselben  von  0  °  bis  45  °,  und  zwar  von  Grad  su 
Grad,  die  Volumenänderungen  verfolgen.  Ich  begnüge  mich, 
in  der  folgenden  Tabelle  die  erhaltenen  Resultate  zusammen- 
zustellen« 


Temp. 

Volumen. 

Temp. 

Volumen. 

Temp. 

Volumen. 

0° 

1,000000 

16« 

1,000868 

32° 

1,004728 

1« 

0,999972 

17° 

1,001030 

33° 

8052 

2° 

0,999904 

18« 

1209 

34° 

5376 

3» 

0,999884 

19° 

1399 

35° 

5700 

4° 

0,999874 

20° 

1605 

36° 

6050 

5° 

0,999880 

21° 

1812 

37° 

6405 

6° 

0,999902 

22° 

2026 

38« 

6766 

7° 

0,999933 

23« 

2253 

89° 

7131 

8« 

0,999988 

24° 

2487 

40° 

7600 

9° 

1,000046 

25° 

2729 

41° 

7880 

10° 

1,000128 

26° 

2969 

42» 

8271 

11° 

1,000210 

27° 

3229 

43? 

8673 

12° 

1,000323 

28° 

3506 

44* 

9094 

13» 

1,000431 

29° 

3802 

45° 

9514 

14» 

1,000569 

30° 

4107 

158 

1,000720 

3t° 

4412 

1 62      Sitzung  der  math.-fhfs.  GUmt  vom  13.  Februar  1864. 

> 
Herr  Jolly  trägt  vor: 

2)  Eine  Federwage  zu  exacten  Wägungen. 

Manche  Untersuchungen  werden  nur  desshalb  nicht  in 
Angriff  genommen ,  weil  die  Technik  der  Versuche  zu  um- 
ständlich ist.  Vielleicht  erscheint  hiernach  folgende  Notiz 
über  die  Einrichtung  einer  Federwage,  welche  bei  einer  Be- 
lastung von  einem  oder  nur  wenigen  Grammen  noch  Milli- 
gramme genau  ablesen  läset,  gerechtfertigt. 

Ein  Versuch,  unter  Anwendung  einer  Federwage  die 
Aenderungen  im  Gewichtsverlust  eines  in  Luft  verschiedener 
Dichtigkeit  aufgehangenen  Körpers  abzulesen,  und  hiernach 
einen  Apparat  zu  erhalten,  der  das  Barometer  ersetzen 
könne,  gab  Veranlassung,  Federwagen  verschiedener  Form 
zu  prüfen.  Das  Ziel,  das  ich  erreichen  wollte,  scheint  nicht 
erreichbar,  weil  einerseits  der  EinfluBS  der  Temperatur  auf 
die  Federkraft  nicht  auf  einen  einfachen  Ausdruck  zurück- 
zubringen  ist,  und  weil  andererseits  Alles,  was  die  Empfind- 
lichkeit der  Wage  vermehrt',  ihre  Gompendiosität  vermin- 
dert, wodurch  der  Apparat  nur  in  Laboratorien  verwendbar 
erscheint.  Handelt  es  sich  dagegen  nur  um  solche  Anwen- 
dungen der  Wage,  in  welchen  kleine  Gewichtsgrössen  noch 
mit  grosser  Genauigkeit  bestimmt  werden  sollen,  so  leistet 
sie  genau  das  Gleiche,  was  die  feinsten  Wagen  leisten,  und 
hat  den  Vortheil  einer  unvergleichlichen  Wohlfeilheit  und 
einer,  grösseren  Bequemlichkeit  voraus.  Sie  kann  zu  abso- 
luten Gewichtsbestimmungen,  sowie  zu  specifischen Gewichts- 
bestimmungen fester  und  flüssiger  Körper  benutzt  werden, 
und  wird  namentlich  in  Fällen,  in  welchen  es  sich  um  spe- 
cifische  Gewichte  sehr  kleiner  Körper,  von  etwa  nur  weni- 
gen Decigrammen  Gewicht,  handelt,  oder  um  die  specifischen 
Gewichte  flüssiger  Körper ,  die  nur ,  in  kleinen  Quantitäten 
zur  Verfügung  stehen,  die  besten  Dienste  leisten. 


163 

Die  bestehende  Figur  erläutert  die 

b  Anordnung.     Ein  spiralförmig 

deuer  Draht  ist  in  a  aufgehangen 

■ad    trägt   an    seinem   unteren   Ende  b 

«rei     Wagachalen   c  nnd   d.     Die  Wag- 

aebale   d  ist  beständig  in  Wasser  einge- 
Das  Glas,  in  welchem  sich  die 
i  Schale   befindet,   steht   auf 

einem  Träger,   der  am  Stativ  der  Wage 

auf    und   nieder   verschiebbar  ist.     Eine 

Marke  bei  m  dient,   um  mit  einem  Ab- 

teser   (einem  an  einer  vertikalen  Stange 

verschiebbaren  Fernröhrchen  von  6-  bis 
8-facber  Vergröesurung)  die  Dehnung  der 
Spiralfäden  an  der  an  dem  Stativ  ange- 
brachten Scale  abzulesen.  Um  das  Fern- 
rohr zn  ersparen,  habe  ich  an  andern 
Wagen  die  Theilung  unmittelbar  auf 
einem  Spiegelstreifen,  der  «in  Stativ  be- 
festigt wurde ,  aufgetragen.  Es  wird 
dann  mit  unbewaffnetem  Auge  in  der 
Art  abgelesen,  dass  man  Marke  und 
Spiegelbild  zur  Deckung  bringt.  Diese 
letztere  Art  der  Ablesung  setzt  etwas 
mehr  Uebung  voraus,  aber  doch  nicht 
mehr,  als  zu  genauer  Ablesung  eines 
Barometers-  ebenfalb  erforderlich  ist. 

Belastet  man  die  in  der  Luft  be- 
findliche Schale  successiv  mit  grösser 
werdenden  Gewichten,  etwa  steigend  »on  '/io  zu  '/i#  Grm., 
so  zeigt  die  Erfahrung,  dass  die  Zunahme  der  Dehnung  der 
Spirale  proportional  den  aufgelegten  Gewichten  ist.  So  fand 
ich  z.  B.,  dass  eine  spiralförmig  gewundene  Klaviersaite  (im 
Handel  mit  Nr.  6  bezeichnet)  bei  36 'Windungen,  unter 
[1864.  L  2.]  13 


164      Sitzung  der  maik-phya.  Clane  vom  IB.  Februar  1864. 

Anwendung  einer  Belastung  van  0,1  Grm.  eine  Dehnung  von 
45,2  Theilstrichen  einer  Scale  willkürlicher  Theilung  erfuhr« 
Dieselbe  Spirale  zeigte  bei  einer  Belastung  von  1  Grm.  eine 
Dehnung  von  452  TheUstrichen ,  und  bei  einer  Belastung 
Ton  0,001  Grm.  eine  Dehnung  ron  0,452  Theilstrichen. 
Dickere  Drähte  zeigen  bei  gleicher  Zahl  der  Windungen 
und  gleicher  Belastung  kleinere  Dehnungen,  aber  immer 
sind  in  ziemlich  weiten  Grenzen  die  Dehnungen  den  aufge- 
legten Gewichten  proportional. 

Der  Gebrauch  der  Wage  ist  höchst  einfach.  Man  liest 
bei  unbelasteter  Wage  die  Stellung  der  Marke  an  der  Scale 
ab ,  man  belastet  hierauf  die  obere  Schale  mit  einem  Ge- 
wicht bekannter  Grösse  und  liest  wieder  ab.  Die  Differenz 
der  abgelesenen  Zahlen  giebt  die  Anzahl  der  Scalentheile 
an,  welche  der  Grösse  des  aufgelegten  Gewichtes  entspre- 
chen. So  fand  ich  z.  B.,  dass  eine  Spirale  von  30  Win- 
dungen durch  eine  Belastung  von  1  Grm.  eine  Dehnung  von 
372,2  Theilstrichen  erfuhr«  Bewirkt  ein  aufgelegter  Körper, 
ein  Mineralsplitter,  ein  kleiner  Krystall  u.  dgL  eine  Dehnung 
von    211,1    Theilstrichen,    so    ist    sein    absolutes   Gewicht 

211  1 

„  '     =  0,5611  Grm.,    und  zwar  ist  von  dieser  Zahl  erst 

372,2  ' 

die  4.  Decimale,  d.  h.  die  Zehntel  der  Milligramme,  un- 
sicher. 

Handelt  es  sich  nicht  um  absolute,  sondern  um  speci- 
fißche  Gewichte,  so  ist  es  gar  nicht  nöthig,  den  Werth  des 
absoluten  Gewichtes  in  Grammen  auszudrücken.  Man  hat 
nur  nach  der  Reihe  drei  Ablesungen  zu  machen.  Die  erste 
bei  unbelasteter  Wage,  die  zweite  nach  Auflegung  des  Kör- 
pers in  der  oberen  Schale,  und  die  dritte  nach  Auflegung 
des  gleichen  Körpers  in  der  unter  Wasser  befindlichen  Schale. 
Die  Differenz  der  beiden  ersten  Zahlen  giebt,  in  Scalenthei- 
len  ausgedrückt,  das  absolute  Gewicht,  und  die  Differenz 
der  zweiten  und  dritten  Zahl  giebt,  nach  der  gleichen  Ein- 


JoBy:  Eine  Federwage.  165 

bot  ausgedrückt,  das  Gewicht  des  verdrängten  Wasser». 
Der  Quotient  dieser  Differenzen  ist  also  das  specifische  Ge- 
wicht    So  fand  ich  z.  B.  für  die  Stellung  der  Marke 

bei  unbelasteter  Wage      ....      64,2 

belastet  die  obere  Schale  mit  einem 

kleinen  Mineralsplitter .     .     .     .     275,3 

derselbe  Mineralsplitter  in  der  un- 
teren Schale 220,8. 

Das  absolute  Gewicht  des  Körpers  ist  demnach  ausgedrückt 
durch  275,3—64/2  =  211,1  Scalentheile,  und  der  Gewichts- 
verlust in  Wasser  ist  ausgedrückt  durch  275,3 — 220,8  =  54,8 

211  1 
Scalentheile.    Also  ist  das  specifische  Gewicht     e  '     =  3,85» 

D4,o 

Die  dritte  Ziffer  dieser  Zahl,  oder  die  zweite  Decimale,  ist 
hier  unsicher.  Es  ist  diess  genau  die  gleiche  Grenze  der 
Genauigkeit,  welche  mit  der  hydrostatischen  Wage  erreicht 
werden  kann,  deren  Unsicherheit  bekanntlich  bei  Wagungen 
so  kleiner  Körper  unter  Wasser  die  Zehntel  der  Milligramme 
ergreift.  Ein  Spiraldraht  von  grösserer  Zahl  der  Windungen, 
oder  auch  ein  dünnerer  Draht  von  gleicher  Zahl  der  Win- 
dungen, würde,  wenn  diess  nöthig  sein  sollte,  die  Genauig- 
keit vermehren  und  die  Empfindlichkeit  über  die  der  hydro- 
statischen Wage  bringen  lassen. 

Körper  von  einem  Gewicht  von  mehreren  Grammen 
erzeugen  eine  so  beträchtliche  Dehnung,  dass  die  Scale 
unbequem  lang  werden  müsste,  und  endlich  würde  bei  noch 
grösserer  Belastung  die  Elasticitätsgrenze  der  Spirale  über- 
schritten, oder  doch  die  Proportionalität  zwischen  Belastung 
und  Dehnung  nicht  mehr  vorhanden  sein.  Also  ist  es  für 
solche  Fälle  angezeigt,  stärkere  Drähte  anzuwenden. 

Soll  das  specifische  Gewicht .  eines  flüssigen  Körpers 
bestimmt  werden,  so  wird  die  untere  Schale  entfernt  und 
statt  derselben  wird  an  einem  dünnen  Platindraht  ein  Glas- 
körper von   beiläufig   1  CG.  Inhalt  aufgehangen.    Die  Ge- 

12* 


166      Sitzung  der  math.*j>ky&  Glosse  vom  13.  Februar  1864. 

wichtsverluste  in  Wasser  und  in  anderen  Flüssigkeiten  wer* 
den  dann,  wie  in  dem  früheren  Falle,  in  Scalentheilen  aus- 
gedrückt. 

Klaviersaiten,  wie  sie  im  Handel  allerwärts  zu  erhalten 
sind,  bieten  das  zweckmässige  Material  zu  Spiralfedern. 
Man  erhält  sie  bekanntlich  aufgespult  auf  kleinen  hölzernen 
Rollen,  und  darf  nur  Windung  um  Windung  abspringen 
lassen,  um  unmittelbar  brauchbare  Spiralen  zu  besitzen. 

Die  Zeichnung  erläutert  alles  Uebrige.  Am  Stabe  A 
ist  der  Träger  B  verschiebbar  angebracht.  Die  Stange  G 
hat  die  gleiche  Länge  wie  A,  sie  kann  auf  und  nieder  ver- 
schoben und  in  jeder  Lage  festgehalten  werden.  Je  nach 
der  Länge  der  Spirale,  mit  der  man  arbeitet,  zieht  man  G 
so  weit  heraus,  dass  die  Marke  bei  unbelasteter  Wage  an 
einen  der  oberen  Punkte  der  Scale  zu  stehen  kömmt»  wo- 
nach man  also  für  die  ganze  Ausdehnung  der  Scale,  die 
eine  Länge  von  600  Mm.  hat,  die  Dehnung  der  Spirale 
verfolgen  kann. 

Jede  Spirale  zeigt  im  Anfang  kleine  elastische  Nach- 
wirkungen, die  aber  von  Tag  zu  Tag  geringer  werden  und 
die  für  die  Dauer  einer  Messung  geradezu  Null  sind.  Ist 
durch  Unvorsichtigkeit  eine  Spirale  beschädigt,  so  ist  der 
Schaden  mit  einem  Aufwand  von  zwei  Kreuzern  ersetzt. 
Diese  ist  wenigstens  hier  der  Preis  einer  Drahtrolle. l) 


1)  Mechanikus  Stollenreuther  in  München  verfertigt  Wagen  mit 
Spiegelablesungen  zum  Preis  von  8  fl. 


KMe:  Organische  Sckuxfeherbmckmgen.  16T 


Herr  Baron  v.  Liebig   übergiebt  einen    an  ihn  von 
Herrn  Kolbe  in  Marburg  eingesendeten  Aufsatz: 

„Ueber  eine  neue  Glasse  organischer  Schwefel- 
verbindungen". 

Das  einfache  Schwefeläthyl :    ~       J  Ss     verspricht     die 

Quelle  mehrerer  interessanter  neuer  Verbindungen  zu  wer- 
den. Herr  von  Oefele  hat  eine  derselben  bereits  im  Sep- 
temberhefte der  Annalen  der  Chemie  vom  vorigen  Jahre  als 
Diäthylsulfon  kurz  beschrieben.  Diese  ausgezeichnet  schön 
krystallisirende ,   sehr  stabile,  indifferente  Substanz  von  der 

Ca  Hb) 
Zusammensetzung :    r  „  I  [Si  0*] ,  welche  man  durch  Be- 
handlung von  einfach  Schwefeläthyl   mit  rauchender  Salpe- 
tersäure in  reichlicher  Menge  erhält,   ist  dem  Sulfobenzid: 

c    rr  I  [Ss  0*]  analog  zusammengesetzt ,  und  steht  zur  Zu- 
sammensetzung der  Schwefelsäure:  [SiOfJOi   in  ähnlicher 

C4H5) 
Beziehung,  wie  das  Areton  der  Propionsäure:  p  „   [CsO»] 

zur  Kohlensäure:  [CsOtjOt. 

Bei  Fortsetzung  seiner  Versuche  hat  Herr  von  Oefele 
unter  Anderem  weiter  gefunden,  dass  das  einfache  Schwefel- 
äthyl sich  mit  Jodäthyl  direkt  zu  einer  schön  krystallisiren- 
den  Verbindung  vereinigt,  welche  in  Wasser  und  in  Alkohol 
leicht  löslidb  ist,  und  aus  diesen  Losungen  beim  Abdampfen 
wieder  auskrystallisirt,  ohne  sich  mit  den  Wasser-  oder  Al- 
koholdämpfen zu  verflüchtigen. 

Diese  Verbindung   ist  ein   wahres  Salz,    nämlich  das 

Jodür  des  Radikals:  C*  Hs  \  [Si]    und    hat    die    Zusammen* 

UHöJ 


108      Siteung  4er  «utfA.-f%«.  Classe  von  13.  Februar  1864. 

C4H5) 
Setzung:  CaHöHSjJ^J.    Ihre  Bildung  erhellt  aus  folgender 

C4H5J 
Gleichung : 

C4H6I  C4H5)   "" 

n5    Si  +  C*HsJ=   (J4H6   [&],J; 
C4H5J      ^ — —        p.ttJ 

»inferfi  8clwre-  v  s,  ■  ■* 

folithyl  Tri&thylsulfyljodftr 

de  ist  zu  vergleichen  mit  der  Bildung  des  Tetraäthylam- 
moniumjodürs  aus  Triäthylanin  und  Jodäthyl. 

Wird  die  wassrige  Lösung  des  Triäthylsulfyljodurs  mit 
salpetersaurem  Silberoxyd  vermischt,  so  fällt  sofort  Jodsil- 
ber nieder,  und  die  Lösung  enthält  salpetersaures  Triäthyl- 
si&lfyloxyd. 

Durch  Digeriren  der  wässrigen  Lösung  des  Jodürs  mit 
frisch  gefälltem  Silberoxyd  entsteht  Jodsilber  und  Triäthyl- 

CiHö] 
wdfyloxydhydrat :  G4  Hs  |  [Sa]  0.  HO,  welches  beim  Abdampfen 

C4  BW 

zuletzt  im   Exsiccator  leicht  in   klaren,    an   der  Luft  zer- 
fliessenden  Erystallen  anschiesst. 

Das  Triäthylsulfyloxydhydrat  ist  eine  nicht  flüchtige, 
bgün  stärkeren  Erhitzen  Schwefeläthyl  ausgebende,  orga- 
nische Base!  deren  wassrige  Lösung  stark  alkalisch  reagirt» 
welche  die  Metalloxydhydrate  aus  ihren  Salzlösungen  wie 
Kalilauge  fällt  und  sich  mit  Säuren  zu  neutralen  Salzen 
vereinigt.  .  Das  schwefelsaure  und  salzsaure  Sah  sind  kry- 
stallinisch,  aber  sehr  zerfliesslich.    Das  Platindoppelsalz  de» 

C4H5] 
CWorB»:"C«HsHS»]Cl  +  PtCb  krystallisirt  nach  dewVer- 

GiHs) 

dampfen  der  wässrigen  Lösung  leicht  in  prächtigen  grossen, 
wie  es  scheint,  quadratischen  Säulen.     . 


Kdfhe:  OwgtmMhe  9dmrfdomi>mdm*§e*  169 

Jene  Base,   welche  als  Grandradikal   den  vieratomigen 


ttft 


Schwefel:  [St]  enthält,  wird  vermuthlich  durch  Oxydation 
mit  Salpetersäure  oder  Quecksilberoxyd  in  eine  Verbindung 
des  sechsatomigen  Schwefels  übergehen  von  der  Zusammen- 

C4Hs| 
setzung:  CU  Ha}  [Ss  Os]  O.HO,die  vielleicht  auch  noch  schwach 

basische  Eigenschaften  hat. 

Gleichfalls  lässt  sich  erwarten,  dass  etwa  durch  Be- 
handlung von  einfach  Schwefelmethyl  mit  Jodäthyl  das  Jodür 

von  Dimethyläthylsulfyl:   CiHt|[S*]J  entsteht,  Und  dass  in 

C4H5J 

ähnlicher  Weise  noch  eine  Menge  analog  constituirter  Ver- 
bindungen mit  diversen  Alkoholradikalen  sich  erzeugen  lassen. 

Auch  unterliegt  es  wohl  keinem  Zweifel,  dass  das  ein- 
fache Schwefeläthyl  sich  wie  mit  Jodäthyl,  so  auch  mit  Jod- 
wasserstoff oder  Chlorwasserstoff  direkt  verbindet.  Mit  die- 
sen und  anderen  Versuchen  ist  Herr  von  Oefele  in  meinem 
Laboratorium  eben  beschäftigt. 


170         Sitsung  der  Meter.  Classe  vom  *Ö.  Februar  1864. 


Historische  Classe. 

Sitzung  vom  20.  Februar  1864. 


Herr  Roth  hielt  einen  Vortrag: 

„Die   Säcularieation   des  Kirchengutes  unter 
den  Karolingern". 


Einsendungen  von  Druckschriften,  171 


0 

Einsendungen  von  Druckschriften. 


Von  der  Boy  dl  Society  in  Edinburg: 

«)  Transactions.    Yol.  23.    Part.  2.    For  the  Session  1862—63. 
b)  Proceedings.    Session  1862—63.    Yol.  5.    Nr.  59.    8. 

Von  der  Chemical  Society  in  London: 
Journal.    Ser.  2.    Yol.  1.    Oot.  Novbr.  Decbr.  1863.    8. 

Vom  historischen  Verein  in  St.  GaÜen: 

a)  Mittheilungen  zur  vaterländischen  Geschichte,     1. 2.    1862.  1864.   8. 

b)  Urkundenbnch  der  Abtei  St.  Gallen.    Auf  Veranstaltung  der  anti- 

quarischen Gesellschaft  in  Zürich;  bearbeitet  von  Herrn.  Wart- 
mann.    Thl.  1     Jahr  700—640.    Zürich  1863.    4. 

Von  der  SocUti  imperiale  des  naturalistes  in  Moskau: 
Bulletin.    Armee  1868.    Nr.  1.  2.    8. 

Von  der  Jfc.  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Göttingen: 

a)  Gelehrte  Anzeigen.    1  Stück.    Januar  1864.    8. 

b)  Abhandlungen.    Eilfter  Band.    Yon  den  Jahren  1862  und  1868. 

1864.    4. 

Von  dem  zoologisch-mineralogischen  Verein  in  Regensburg  *> 
Correspondenzblatt.    17.  Jahrgang.    1868.    8. 

Von  der  Academie  des  sciences  in  Paris: 

Comptes  rendus  hebdomadaires  des  seances. 

Tom.  57.    Nr.  22—26.    Novbr.-Decbr.  1868. 
„     58.    Nr.  1—4.    Janvier  1864.    4. 


172  Einsendungen  von  Druckschriften. 

Von  der  k.  Universität  in  Christiania: 

a)  Det  kongelige  norske  Frederiks«  Universitets  Aarsberetning  for 

Aaret  1861.     1862.    8. 

b)  Norske  vaegtlodder  fra  § ortende  aarhundrede,  beskrevne  af  C.  A. 

Holmboe.     Universitetsprogram  for  andet  halvaar  1863.    4. 

o)  Det  kongelige  Frederiks  Universitets  Halvhundredaars  Fest  Sep- 
tember  1861.    1862.    8. 

d)  Indledning  til  Statsvidenskabernes  Studium   den  historiske  Deel 

Ted  J.  F.  Monrad.    1.  u.  2.  Heft.     1854.    1860.    8. 

e)  Snpplementer  til  Dovres  Flora  af  F.  Hoch.    1863.    8. 

t)  Om  en  i  Sommeren  1861  foretagen  entomologisk  Reise  af  H.  Siebke* 
1868.    8. 

g)  Om  en  i  Sommeren  1862  foretagen   zoologisk  Reise  i  Christiania* 
og  Trondhjems  Stifter  af  Sars.    1863.    8. 

b)  Geologiske  og  zoologiske  Jagttagelser  anstillede  paa  en  Reise  i 
en  Deel  af  Trondhjems  Stift  i  Sommeren  1862.    1863.    8. 

Von  der  h.  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Chrietiania: 

a)  Aegyptische  Chronologie.    Ein  kritischer  Versuch  von  J.  Lieblein. 

1863.    8. 

b)  Forhandlinger  i  Videnskabs-Selskabet  i  Ghristiania  Aar  1862.     8. 


Von  der  physikalischrmedicinischen  Gesellschaft  in  Würzburg: 

a)  Würzburger  naturwissenschaftliche  Zeitschrift.    4.  Band.    1.  Heft 

1863.    8. 

b)  Würzburger  medicinische  Zeitschrift.    4.  Band.    3.  und  4.  Heft. 

1863.    8. 


Vom  historischen  Füidl-  Verein  in  Neuburg  o.  Dr. 

Collectaneen-Blatt  für  die  Geschichte  Bayerns,  insbesondere  für  die 
Geschichte  der  Stadt  Neuburg  a.  D.  und  der  ehemaligen  Graf- 
schaft Graisbach.    29.  Jahrg.     1863.    8. 


Einsendungen  von  Druckschriften.  173 


Vom    Verein  nur  Erforschimg  der  rheinische*  Geschichte  und  Aber- 

tfhümer  in  Mainz: 

Führer  in  dem  Museum  des  Vereins  zur  Erforschung  der  rheinischen 
Geschichte  und  Alterthümer  in  Mainz  und  dem  römisch-germa- 
nischen Central-Museum  daselbst.     1863.    6. 

Von  der  Je.  physikalisch-ökonomischen  Gesellschaft  in  Königsberg: 
Schriften.    4.  Jahrg.  1863.     1.  Abtheilung.    4. 

Von  der  Bedaction  des  Correspondemblattes  für  die  gelehrten  und 

Bealschvien  in  Stuttgart: 

Correspondenzblati.    10.  Jahrg.    Decbr.  Nr.  12.     1863.    8. 

Von  der  Academia  real  das  sciencias  in  Lissabon: 
Memorias.    Nova  Serie  Tomo  3.    Parte  1.     1868.    4. 

Vom  historischen  Verein  für  Steiermark  in.Gratz: 
Mitteilungen.     12.  Heft.    1863.    8. 

Vom  Real  Observatorio  in  Madrid: 
Anuario.    Quinto  Anno.    1863.    8. 

Vom  Verein  zur  Beförderung  des  Gartenbaues  in  den  k.  preussischen 

Staaten  in  Berlin: 

Wochenschrift  für  Gärtnerei  und  Pflanzenkunde.  Nr.  1 — 4.  1864. 
Januar.    4. 

Von  der  Umversitäts-Bibliothek  in  Leipzig: 

Archiy  rar  die  sächsische  Geschichte.  Herausgegeben  von  Dr.  Wilh. 
Wachsmuth  und  Dr.  Karl  Weber.  2.  Band.  2.  Heft.  Berlin* 
1863.    8. 

Von  der  pfälzischen  Gesellschaft  für  Fharmacie  in  Speier  i 

Nene«  Jahrbuch  für  Pharmaoie  und  verwandte  Fächer.  Band  21. 
Heft  2.    Februar.    1864.    8. 


•  ■  ;-     ; 


174  Einsendungen  von  Druckschriften. 

Vom  Verein  für  mecklenburgische  Geschichte  und  JUerthumskunde  in 

Schwerin: 

Mecklenburgisches  Urkundenbuch.    1.  Band.    786—1259.     1863.    4 


Vom  Herrn  Gustav  Schneider  in  Frankfurt: 

Geschichte  der  englischen  Sprache,  dargestellt  in  ihrem  Verhältnisse 
zur  deutschen  und  französischen.    Freiburg  im  Breisgau.  1863.  8. 


Von  den  Herren  Georges  Perrot,  Edmond  Guillaume  et  Jules  DeJbet 

in  Paris: 

Exploration  Archeologique  de  la  Galatie  et  de  la  Bithynie  d'une 
partie  de  laMysie,  de  la  Phrygie,  de  la  Cappadoce  et  du  Pont 
executee  en  1861  et  publiee  sous  les  auspices  du  ministere  d'ätat. 
6   et  6.  livraisons.    Titre  du  tome  2.    1862.    Fol. 

Vom  Herrn  J.  T.  Walker  in  Calcutta: 

Tables  of  heights  in  Sind,  the  Punjab,  N  W.  Provinces,  and  Central 
India,  determined  by  the  great  trigonomical  Survey  of  India, 
trigonometrically  and  by  spirit  leveling  Operations  to  May  1862. 
1863.     8. 

Von  den  Herren  Hermann,  Adolph  und  Bobert  v.  ScJUagintweit, 

8.  Z.  hier: 

Results  of  a  scientific  mission  to  India  and  High  Asia.  Boute-Book 
of  the  Western  parts  of  the  Himalaya,  Tibet,  and  Central  Asia 
and  geographical  Glossary  from  the  languages  of  India  and 
Tibet,  inoluding  the  phonetio  transoription  and  interpretation. 
Vol.  3.    Mit  Atlas.    London,  Leipzig.     1863.    gr.  4. 


Einsendungen  von  Druckschriften.  175 

Vom  Herrn  JESmü  v.  Schlagintweit,  s.  Z.  hier: 

Buddhism  in  Tibet  illnstrated  by  literary  doonments  and  objecto  of 
religions  worship.    Mit  Atlas.    London,  Leipzig.    1868.    8. 

Vom  Herrn  Fenicia  in  Neapel: 
Della  Politica.    1868.    8. 

Vom  Herrn  Paul  Botten  Hansen  in  Christiania: 
Peter  Andreas  Manch.    1863.    8. 

Vom  Herrn  Johann  Fritzner  in  Christ  iania: 
Ordbog  over  det  gamle  norske  Sprog.    1—4.  Heft    1862.  1868.    8. 

Vom  Herrn  Christ,  C.  A.  Lange  in  Christiania: 

Norsk  Forfatter-Lexikon.    1814—1856,  of  Jens  E.  Kraft.    1—6.  Heft 
1857—1863.    8. 

Vom  Herrn  Bruch  in  Frankfurt  a.  M.: 

Der  zoologische  Garten.    Nr.  7 — 12.    4.  Jahrg. 

„    1.  5.      „        1861.    1863.    8. 

Vom  Herrn  M.  Ad.  Hatzfeld  in  Paris: 
Revue  critique  et  bibliographie.    1.  Livr.    Janv.  1864.    8. 

Vom  Herrn  Dudik,  resp.  mährischen  Landesausschuss  in  Brunn: 

Mahren's  allgemeine  Geschichte.    S.Band.    Vom  Jahre  1125  bis  zum 
Jahre  1173.    1864.    8. 

Vom  Herrn  U.  J.  Le  Vertier  in  Paris: 

Annales  de  Fobservatoire  imperiale  de  Paris. 

Observations:  Tomes  1 — 8  nnd  12 — 18. 
Memoires:  Tomes  1—7.    1861.  1863.    4. 


176  Einsendung**  von  Druckschriften. 

Vom  Herrn  M>  Gochord  in  Britati: 
Don  Carlo»  et  Philipe  II.    Tom.  1  u.  2.    1863.    8. 

Vom  Herrn  Siegw.  Petersen  in  ChrisUama: 

Nonke  Rigsregistranter  tildeeis  i  uddrag.  TJdgive  efter  offentlig 
foranstaltning  udgivet  ved  Otto  Gr.  Lumdh.  1861—1863.  1.  Bd. 
1623—1571.    2.  Bd.  1.  Heft  1672—1579.    2.  Heft  1579— 168a 


Sitzungsberichte 

der  • 

königl.  bayer.  Akademie  der  Wissenschaften. 


Philosophisch-philologische  Gasse, 

Sitzung  vom  12.  März  1864. 


Diese  Sitzung  fiel  aus. 


Mathematisch -physikalische  Classe. 

Sitzung  vom  12.  März  1864 


Herr  Dr.  Vogel  jun.  hielt  einen  Vortrag : 

„über    den  Einfluss   des  Frostes  auf  Kar- 
toffeln." 

Dass  die  Kartoffeln  durch  Frost  eine  Veränderung  er- 
fahren, unterliegt  keinem  Zweifel,  indem  schon  das  äussere 
Ansehen  einen  wesentlichen  Unterschied  ergiebt.  Eine  stein- 
hart gefrorene  Kartoffel  wird  beim  Aufihauen  weich,  stellt 
eine  welke,  fast  knetbare  Masse  dar,  aus  welcher  sich  eine 
braune  Flüssigkeit  abscheidet  und  geht  nach  wenigen  Tagen 

[1864.  L  8.1  18 


178         Sitmmg  der  math.-pkys.  Gasse  vom  12.  Mars  1864. 

in  Fäulniss  über.  Dagegen  ist  die  Natur  dieser  Veränder- 
ung, ob  eine  mechanische  oder  chemische,  wiederholt  Ge- 
genstand der  Controverse  geworden. 

Entgegengesetzt  der  verbreiteten  Ansicht,  nach  welcher 
gefrorene  Kartoffeln  als  unbrauchbar  verworfen  werden, 
empfiehlt  Lampadius  *)  nicht  nur  die  zufallig  gefrorenen 
Kartoffeln  zur  Stärkmehlfabrikation  zu  benützen,  sondern 
sogar  die  Kartoffeln,  aus  welchen  man  Stärkmehl  bereiten 
will,  absichtlich  vorher  frieren  zu  lassen,  indem  man  sich 
dadurch  das  Zerreiben  erleichtere  und  einige  Procente 
Stärkmehl  mehr  erhalte,  als  aus  den  frischen. 

Später  hat  Girardin*)  im  Auftrage  der  Ackerbaugesell- 
schaft des  unteren  Seinedepartements  den  Gegenstand  wieder 
aufgenommen  und  eine  umfassende  Versuchsreihe  angestellt, 
um  die  Art  der  Veränderung  kennen  zu  lernen,  welche  die 
Kartoffeln  durch  Frost  erleiden.  Das  Resultat  war,  dass 
der  Frost  keine  chemische,  sondern  nur  eine  mechanische 
Veränderung  durch  Zerstörung  der  vegetabilischen  Organisa- 
tion bewirke  und  dass  namentlich  der  Stärkmehlgehalt  der 
gefrorenen  Kartoffeln  im  Vergleiche  mit  den  frischen  nicht 
vermindert  sei.  Scheinbar  abweichend  von  diesen  Resultaten 
ist  die  Beobachtung  Payen's8),  welcher  angiebt,  dass  man 
aus  den  gefrorenen  Kartoffeln  nach  dem  Aufthauen  kaum 
V*  des  Stärkmehles  erhalte,  als  vor  dem  Frieren,  —  schein- 
bar insofern,  als  man  die  gefrorenen  und  wieder  aufge- 
thauten  Kartoffeln,  wie  Payen  schon  sehr  richtig  bemerkt, 
wogen  ihrer  teigartigen  Consistenz  nicht  so  vollständig  zu 
zerreiben  und  auszuwaschen  im  Stande  ist,  wie  im  frischen 
Zustande. 


1)  Mittheilungen  des  Industrievereins  für  das  Königreich  Sachsen. 
5.  Lief.  S.  256.  1833. 

2)  Journal  de  Pharmacie.  Juin  1838. 

3)  Comptes  rend.  19.  Mars  1839. 


Vogd:  Einfimu  de$  FrotU$  **f  Kartoffel  179 

Die  folgenden  Versuche  mögen  nr  Bestätigung  der 
Payen'schen  Beobachtungen  einen  Beitrag  liefern.  Die  Ein- 
wirkung des  Frostes  geschah,  indem  eine  Anzahl  Kartoffeln 
währad  ener  Nacht  bei  —  16  •  C.  der  freien  Luft  ausge- 
setzt blieb.  Nachdem  einige  derselben  an  einem  warmen 
Orte  in  kurzer  Zeit  wieder  aufgethaut  waren,  wurden  2 
Stacke  gewogen,  in  feine  Scheiben  zerschnitten  und  getrock- 
net, bis  dass  keine  Gewichtsabnahme  mehr  bemerkbar  war. 
Es  ergab  sich  hiernach  in  der  Berechnung  des  Wasserge- 
haltes nach  Procenten  kein  Unterschied  zwischen  den  ge- 
frorenen und  frischen  Kartoffeln. 

Zur  Stärkmehlbestimmung  wurden  frische  und  gefrorene 
Kartoffeln,  nachdem  letztere  wieder  aufgethaut  waren,  auf 
dem  Reibeisen  gerieben  und  das  Stärkmehl  unter  einem 
langsamen  Wasserstrahle  auf  einem  Haarsiebe  möglichst 
vollständig  ausgewaschen.  Zur  quantitativen  Bestimmung 
des  Stärkmehles  bediente  ich  mich  durchgängig  des  vor 
einiger  Zeit  beschriebenen  Amylometers.  *)  Der  Stärkmehl- 
gehalt der  untersuchten  Kartoffelsorten  im  frischen  Zustande 
ergab  sich  nach  mehrfach  wiederholten  Versuchen  constant 
zwischen  18  und  19  Proc.  Dagegen  zeigte  sich  die  Amy« 
lonmenge  in  den  gefrorenen  Kartoffeln  sehr  wechselnd  und 
zwar  bei  ganz  gleicher  Vornahme  der  Manipulationen  in  5 
verschiedenen  Versuchen  zu  9,2,  10,01,  11,6,  13,4,  12,6  Proc. 
Wollte  man  aus  diesen  5  Versuchszahlen  das  Mittel  nehmen, 
was  indess  bei  ihrer  grossen  Abweichung  nicht  statthaft  sein 
kann,  so  würde  sich  allerdings  eine  bedeutende  Verminder- 
ung des  Stärkmehlgehaltes  durch  den  Frost  ergeben  und 
zwar  erschiene  hiernach  das  Stärkmehl  um  mehr  als  ein 
Dritttheil  des  ursprünglichen  Gehaltes  vermindert.  Gerade 
aber  diese  geringe  Uebereinstimmung  zwischen  den  ein- 
zelnen Beobachtungen  zeigt  auf  das  Deutlichste,    dass  die 


4)  Polyteokn.  Centralhalle.    13.  Jahrgang.    B.  122. 

13* 


180         SUnmg  dar  math^pty.  Gkmm  vom  IX  Mir*  1864. 

mechanische  Methode  der  Amylonbestimmung ,  wie  sie  hier 
gewöhnlich  durch  einfaches  Zerreiben  der  Kartoffel  ausge- 
geffihrt  wird,  nicht  ausreichend  ist.  Beim  Reiben  der  ge- 
frorenen und  wieder  aufgethauten  Kartoffeln  bemerkte  man 
schon  entschieden  einen  eigenthumlkhen  Widerstand  and 
ungeachtet  sie  eben  so  fein  zerrieben  wurden,  als  die 
frischen  Kartoffeln,  so  hatte  doch  der  auf  dem  Siebe  zurück- 
bleibende Best  ein  ganz  anderes  Ansehen  und  eine  andere 
Art  der  Consistenz.  Payen  ist  daher  offenbar  völlig  im 
Rechte,  wenn  er  den  Verlust  daraus  zu  erklären  versucht, 
dass  die  durch  das  Gefrieren  von  einander  getrennten  und 
gegenseitig  keinen  Druck  mehr  auf  einander  ausübenden 
Zellen  rundliche  Gestalt  annehmen,  und  wenn  die  Zähne 
des  Reibeisens  sie  treffen,  sich  einzeln  oder  zu  mehreren 
vereinigt  losreissen,  ohne  jedoch  Widerstand  genug  zu 
leisten,  um  zerrissen  zu  werden. 

Um  zu  entscheiden,  ob  in  der  That  auf  diese  Weise 
der  Stärkmehlgehalt  nicht  völlig  aus  den  gefrorenen  Kar- 
toffeln ausgeschieden  war,  wurde  in  mehreren  Versuchen 
der  auf  dem  Siebe  nach  dem  Auswaschen  der  Stärke  ge- 
bliebene Rückstand,  von  welchem  das  Wasser  ganz  klar 
abgeflossen  war,  in  einem  Porceüanmörser  zerstampft,  dann 
unter  allmähligem  Zusätze  erneuter  Quantitäten-  Wassers 
zerrieben  und  endlich  wieder  auf  dem  Siebe  mittelst  flies-» 
senden  Wassere  ausgewaschen.  Aus  der  so  behandelten 
Masse  setzte  sich  noch  eine  beträchtliche  Menge  Stärkmehl 
ab,  welche  nach  dem  Trocknen  und  Wägen  durchschnittlich 
4  Proc.  ausmachte,  so  dass  der  Stärkmehlgehalt  dem  der 
frischen  Kartoffeln  zwar  sehr  nahe  kam,  ohne  denselben 
jedoch  jemals  vollkommen  zu  erreichen. 

In  einer  weiteren  Versuchsreihe  habe  ich  von  der 
mechanischen  Methode  der  Stärkmehlbestimmung  gänzlich 
Umgang  genommen  und  die  chemische  Methode  durch  Ueber- 
führung  des  Amylon's  in  Stärkezucker  zur  Anwendung  ge- 


Vogd :  Bkiflmm  cks Frost*  <nf  Kartoffel  181 

bracht.  In  ähnlicher  Weise  hat  schon  früher  Krocker5) 
den  Stärkmehlgehalt  in  vegetabilischen  Nahrangsmitteln  be» 
stimmt,  indem  das  Amylon  in  Zacker  übergeführt  und  mit 
Hefe  versetet  der  Gährung  überlassen  worden  war,  10  Gnn. 
geriebene  Kartoffeln  wurden  mit  Wasser  gekocht  und 
das  Amylon  durch  Schwefelsäure  in  Zocker  übergeführt* 
Nach  Neutralisation  der  freien  Säure  geschah  die  Stärkebe- 
rämmung  nach  der  bekannten  Fehling'schen  Zockerprobe. 
10  C.  C.  der  Probeknpferlösuog  entsprachen  0,045  Gnn. 
Amylon.  Es  ergab  sich  aus  diesen  wiederholt  ausgeführte» 
fieetimmungen  zwischen  dem  Amylongehalt  der  frischen  und 
gefrorenen  Kartoffeln  durchaus  kein  bemerkbarer  Unter- 
schied. 

Diese  chemische  Methode  der  Axnylonbestimmung  gibt 
mdess  gerade  in  diesem  Falle  insofern  kein  entscheidendes 
Besultat,  als  nach  derselben  eine  geringe  auf  Kosten  de* 
Stärkmehles  durch  den  Frost  bedingte  Zuokerbildang  nicht 
bemerkt  werden  kann« 

Es  ifrt  hier  vor  Allem  zu  berücksichtigen,  dass  zu  diesen 
vergleichenden  Versuchen  Kartoffeln  von  ganz  gleicher  ar- 
sprünglicher  Beschaffenheit,  d.  h.  von  der  nämlichen  Art 
und  Zeit  der  Aufbewahrung  anzuwenden  sind»  Wenn  eine 
Kartoffel  nur  wenige  Tage  im  warmen  Zimmer  liegt,  so  ist 
im  Zuckergehalte  wahrscheinlich  durch  die  Anbahnung  des 
Keimprocesses ,  ungeachtet  während  einer  so  kurzen  Zeit 
naturlich  keine  äusseren  Zeichen  des  Keimvorganges  sichtbar 
geworden,  doch  schon  eine  Veränderung  eingetreten,  so  dass 
ohne  Berücksichtigung  dieses  Verhältnisses  bei  so  geringen 
Differenzen  im  Zuckergehalte  wesentliche  Irrthümer  statt- 
finden können.  Ich  habe  daher,  um  ein  möglichst  vergleich- 
bares Untersuchungsobjekt  zu  erhalten,  eine  Kartoffel  in 
zwei  Theile  zerschnitten  und  die  eine  Hälfte  während  einer 


6)  Annal.  der  Chem.  uad  Pkaim.  B.  06.  8.  312. 


182        SUnmg  der  ma^hys.  dorn  vom  22.  Main  1864. 


Nacht  dem  Fro6te  aasgesetzt.6)  Als  Endresultat  meiner 
Versuche  in  dieser  Beziehung,  deren  Einzelnheiten  ich  hier 
übergehe,  ist  zu  erwähnen,  dass  ich  durchgängig  eine  Ver- 
mehrung des  Zuckergehaltes  durch  den  Frost,  wenn  auch  in 
wechselndem  und  geringem  Maasse  beobachtet  habe.  Kochte 
man  die  Kartoffeln  vor  der  Zuckerbestimmung,  so  stellte 
sich  das  Verhältniss  etwas  grösser,  als  bei  den  frischen 
heraus.  Es  scheint  somit  nicht  unmöglich,  dass  durch  den 
Frost  ein  der  Diastase  ähnlicher  Körper  erzeugt  werde, 
dessen  Wirkung  auf  die  Zuckerbildung  durch  Kochen  ver- 
mehrt wird.  Die  teigartige  Beschaffenheit  der  gefrorenen 
Kartoffeln,  welche  dem  vollständigen  Auswaschen  des  Amy- 
loids hindernd  entgegentritt,  kann  bei  der  leichten  Löslich- 
keit des  Stärkeznokers  wohl  nicht  in  Betracht  kommen. 

Neben  der  Fehling'schen  Zuckerprobe,  welche  bei 
diesen  Versuchen  angewendet  worden  war,  wurden  auch 
direkte  Zuckerbestimmungen  ausgeführt.  Zu  dem  Ende  be- 
handelte ich  in  dünne  Scheiben  geschnittene  und  scharf  ge- 
trocknete Kartoffeln,  nachdem  sie  fein  gepulvert  waren,  im 
gefrorenen  und  frischen  Zustande  mit  kochendem  Alkohol. 
Auch  nach  dieser  Methode  ergaben  sich  Resultate,  welche 
eine  Vermehrung  des  Zuckergehaltes  durch  den  Frost  be- 
stätigten. Bestimmt  man  in  dem  durch  Weingeist  vom 
Zuckergehalte  befreiten  Rückstande  den  Starkmehlgehalt  nach 
der  chemischen  Methode,   so  ergibt  sich  in  der  gefrorenen 


6)  Nach  Beobachtungen  des  Herrn  Prof.  Nägeli,  welche  mir 
leider  erst  naoh  Abschluss  dieser  Arbeit  bekannt  worden,  ist  es 
nicht  ohneEinfluss  auf  die  Zuokerbestimmung,  ob  man  die  su  unter- 
suchende Kartoffel  nach  der  Länge  oder  der  Quere  durchschneidet, 
indem  die  Zuckervertheilung  in  dem  oberen  und  unteren  Theil  der 
Kartoffel  verschieden  sein  kann.  In  wiefern  dieser  Umstand  auf  die 
Resultate  hier  eingewirkt  haben  dürfte,  muss  einer  spater  wieder 
aufzunehmenden  Versuchsreihe  xu  entscheiden  vorbehalten  bleiben. 


Vogel:  Mnfims  des  Frostes  auf  Kartoffeln.  183 

Kartoffel    eine    geringe    dem    Zuckergehalte    entsprechende 
Verminderung  des  Amylon's. 

Beim  Aufthauen  der  gefrorenen  Kartoffel  fliegst  be- 
kanntlich eine  Flüssigkeit  aus,  deren  Menge  durch  leichtes 
Drucken  noch  bedeutend  vermehrt  werden  kann.  Dieselbe 
wird  durch  Jodwasser  nur  schwach  hellblau  gefärbt,  ent- 
hält daher  kaum  Spuren  von  Stärkmehl.  Dagegen  ist  sie 
sehr  reich  an  Pflanzenei weiss ,  indem  sie  beim  Aufkochen 
stark  coagulirt  und  einen  voluminösen  Niederschlag  absetzt, 
in  weit  grösserer  Menge,  als  die  aus  frischen  Kartoffeln  aus- 
gepresste  Flüssigkeit  Die  gefrorene  und  wieder  aufgethaute 
Kartoffel  ist  daher  offenbar  ärmer  an  Stickstoffhaltigem 
Nahrungsstoff  geworden.  Den  vollen  Nahrungswerth  wür- 
den die  gefrorenen  Kartoffeln  nur  in  dem  Falle  bewahren, 
wenn  man  sie  noch  im  hartgefrorenen  Zustande  sogleich  in 
kochendes  Wasser  legte,  wobei  das  gerinnende  Eiweiss, 
ähnlich  wie  das  Albumin  des  Fleisches,  welches  man  in 
kochendes  Wasser  bringt,  nach  dem  bereits  allgemein  in 
die  Praxis  übergegangenen  Vorschlag  des  Herrn  Baron  von 
Liebig,  nicht  verloren  gehen  kann.  Ueberhaupt  wäre  es 
vielleicht  zweckmässig,  die  Liebig'sche  Methode  des  Fleisch* 
kochens  auch  auf  die  Kartoffeln  auszudehnen.  Bringt  man 
Kartoffeln,  namentlich  geschälte,  in  kaltes  Wasser  und  er- 
hitzt langsam  zum  Sieden,  so  bemerkt  man  stets  eine 
Schaumbildung,  theilweise  von  Spuren  geronnenen  Pflanzen- 
albumins herrührend.  Wird  dagegen  von  vornherein  kochen- 
des Wasser  angewendet,  so  kann  natürlich  durch  das  plötz- 
liche Gerinnen  des  Eiweisses  an  der  Oberfläche  dieser  Ver- 
lust nicht  eintreten.  Vergleichende  Stickstoffbestimmungen 
in  Kartoffeln,  welche  mit  kaltem  und  kochendem  Wasser 
behandelt  worden  waren,  ergaben  bei  der  vom  Anfang 
herein  mit  kaltem  Wasser  behandelten  Kartoffel  eine  be- 
merkbare Stickstoffverminderung.  Wenn  dieselbe  auch  nicht 
als  eine  wesentliche  betrachtet  werden  kann,   so  dürfte  sie 


184        Sitxung  der  matk-phy*.  Clause  xxm  IM.  Man  1864. 

doch  immerhin  bei  einem  Nahrungsmittel,  welches  an  und 
für  sieh  arm  genug  an  blutbildenden  Stoffen  ist,  einiger* 
maassen  berücksichtigt  werden.  Ich  behalte  mir  vor,  meine 
bisherigen  Versuche  in  dieser  Beziehung,  deren  Mittheilung 
hier  nur  eine  vorläufige  ist,  weiter  fortzusetzen  und  sie 
namentlich  auf  die  Bestimmung  des  Stickstoffgahaltee  ver- 
schiedener Gemüse  je  nach  .der  Art  ihrer  Behandlung  zo 
erstrecken* 

Da  die  Kartoffeln,  wie  aus  früheren  und  meinen  eigenen 
hier  erwähnten  Versuchen  hervorgeht,  keinen  wesentlichen 
Verlust  an  Amylon  durch  Frost  erleiden,  frische  Kartoffeln 
dagegen  bei  der  gewöhnlichen  Methode  der  Aufbewahrung 
vermöge  des  voransehreitenden  Keimproeeeses  sehr  bald  eine 
Veränderung  erfahren,  so  könnte  das  absichtliche  Frier«- 
lassen  vielleicht  als  ein  geeignetes  Mittel  zur  Gonservimng 
der  Kartoffeln,  welche  zur  Stärkmehlfabrikation  gebraucht 
werden  sollen,  dienen.  Dieser  Vorschlag  ist  auch  schon  in 
grösserem  Maasstabe  zur  Ausführung  gekommen,  indem  in 
Peru 7)  bereits  Kartoffeln  auf  diese  Weise  conservirt  werden. 
Man  lässt  die  Kartoffeln  im  Winter  auf  hohen  Bergen  frieren 
und  trocknet  sie  dann  rasch  in  den  warmen  Thälern  des 
Landes,  wodurch  sie  ihren  Stärkmehlgehalt  unverändert  bab- 
behalten. 


7)  Airaalen  der  Pharmacie.    B.  27.  S,  343. 


Historische  Classe. 

Sitzung  vom  18.  März  1864. 

Herr  Stiftsprobst  Dr.  v.  Döllinger  hielt  einen  Vortrag: 

„Ueber  den  Untergang  desTempler-Ordens, 
dessen  Ursachen,  die  Schuld  oder  Un- 
schuld des  Ordens." 


Oeffentliche  Sitzung  der  k.  Akademie  der  Wissen- 
schaften 

zur  Feier  ihres  105.  Stiftungetage« 
am  SO.  Mars  1864. 

Einleitende  Worte 

des  Vorstandet 

Dr.  Justus  Freiherrn  von  Liebig: 

„Die  Erinnerungsfeier  des  Tages,  an  welchem  vor  105 
Jahren  unsere  Akademie  der  Wissenschaften  gestiftet  wurde, 
fiHt  in  die  Zeit  der  tiefen  Trauer  um  den  theuren,  unver- 
geßlichen Fürsten,  den  ein  unerforschlicher  höherer  Wille 
dem  Lande  und  der  Welt  so  ganz  unerwartet  und  erschüt- 
ternd  rasch  entriss.  In  seiner  Klage  und  seinem  Schmerze 
erkennt  das  treue  Volk,  welch  einen  treuen  Hüter  seines 
Wohles  es  in  dem  König  Max  verlor,  und  nie  hat  fürwahr 
ein  reineres  Streben  für  das  Glück  seines  Volkes  das  Herz 
eines  Fürsten  erfüllt.  Er  war  ein  warmer  Freund  der 
Wissenschaften,  nicht  wie  ein  Monarch,  der  ihnen  als  äus- 
seren Schmuck  seines  Thrones  seine  Gunst  zuwendet,  son- 
dern er  liebte  sie,  weil  sie  ein  Bedürfniss  seines  Geistes 
waren;  die  Beschäftigung  mit  der  Wissenschaft  gehörte  zu 
seinen  unentbehrlichen,  liebsten  Genüssen,  zu  ihr  flüchtete 
Sein  Geist,  wenn  er  erregt  und  ermüdet  war  von  den 
Kämpfen  und  Störungen  des  äusseren  Lebens.  Seinem 
Wollen  und  Entschliessen  ging  wie  bei  dem  Manne  der 
Wissenschaft  in  der  Lösung  schwieriger  Probleme  ein  nur 
allmäüg  sich  tollendender  geistiger  Process,  ein  angestrengt 
tes  Bingen  nach  Klarheit  und  Ueberzeugung  voraus  und  aus 
seinem  Drange,  sich  Rechenschaft  zu  geben  über  sein  Thun, 
entsprang    seine    grosse    Gewissenhaftigkeit.     Der    äussere 


186       SiUung  der  Gesammt-JJbademie  wm  30.  Märe  1864. 

Friede,  den  er  mit  seinem  Volke  haben  wollte,  war  der 
innere  Friede  mit  seinem  Gewissen.  Das  Rechte  zu  wollen, 
war  er  stets  sich  bewnsst;  die  Seele  war  gesund,  und  wir 
wissen  jetzt,  dass  sein  körperliches  Leben  ein  langes  schweres 
Leiden  war.  Die  Förderung  und  Pflege  der  Wissenschaften 
in  allen  ihren  Richtungen  betrachtete  er  als  eine  seiner 
würdigsten  Aufgaben  und  nach  seinen  Absichten  sollten 
allen  Kreisen  der  Bevölkerung  die  Güter  und  Gaben  theil- 
haftig  und  Nutzen  bringend  sein,  welche  die  Cultur  der 
geistigen  Gebiete  dem  Menschen  verleihen." 

Der  Vorstand  schloss  seinen  Vortrag  mit  der  Bemerk- 
ung, dass  die  Verdienste  des  S,  M.  Königs  Maximilian  um  die 
Förderung  der  Wissenschaften  weit  über  die  Zeit  hinaus« 
reichen,  seit  welcher  er  dem  Lande  angehöre,  und  dass  er, 
weil  er  nur  ein  unvollkommenes  Bild  davon  entwerfen  könne, 
seinen  Collegen,  den  Herrn  Stiftsprobst  von  Döllinger,  er- 
sucht habe,  diese  Schilderung  zu  übernehmen« 

Nach  Beendigung  des  Vortrags  des  Herrn  von  Döl- 
linger*) wurde  von  dem  Glassensekretär  Herrn  von  Martins 
ein  kurzer  Bericht  mit  Ehrenerwähnung  einiger  seit  November 
vorigen  Jahres  durch  den  Tod  abgegangenen  Mitglieder  der 
Akademie  abgestattet. 

Hierauf  überreichte  der  Vorstand  dem  Herrn  Geheimrath 
von  Martins  die  goldene  Medaille,  welche  die  k.  Akademie  auf 
sein  öOjähriges  Doctorjubiläum  prägen  Hess,  mit  folgenden 
Worten:  „Unsere  heutige  Sitzung  fällt  mit  dem  Tage  zuv 
sammen,  an  welchem  vor  einem  halben  Jahrhundert  eines 
der  ausgezeichnetsten  Mitglieder  unserer  Akademie  zum 
Doctor  medicinae  promovirt  wurde;  heute  vor  50  Jahren 
begann  unser  College,  als  vielversprechender,  talentreicher 
Jüngling,  seine  glänzende  wissenschaftliche  Laufbahn  —  sie 


*)  König  Maximilian  II.  und  die  Wissenschaft,  von  J.  v.  Döllinger, 
d.  Z.  Sekretär  der  historischen  Classe.  München,  Verlag  d.  k.  Aka- 
demie 1864.    8°. 


Mmtim:  Jhtgtgmmg  de$  Jubilars.  187 

entrollt  sich  uns  als  eine  Periode  der  erfolgreichsten  Thätig- 
keit  und  der  bewundernswürdigsten  wissenschaftlichen  Leist- 
ungen; mit  gerechtem  Stolz  darf  unser  Jubilar  auf  sie  zu- 
rückblicken. Was  die  Welt  an  Anerkennung  einem  Manne 
bieten  kann,  ist  ihm  geworden;  nicht  nur  in  Europa,  son- 
dern überall,  in  allen  Kreisen,  in  welchen  die  Wissen- 
schaften gepflegt  werden,  wird  der  Name  des  brasilianischen 
Reisenden,  des  berühmten  Botanikers  Martins  mit  Hoch- 
achtung und  Verehrung  genannt.  Zum  dauernden  Gedacht- 
nis8  dieses  Tages,  den  unser  College  heute  feiert,  hat  die 
Akademie  eine  goldene  Medaille  prägen  lassen,  und  mir  ist 
die  Freude  vergönnt,  sie  meinem  Freunde  zu  überreichen. 
Empfangen  Sie  denn,  Herr  Geheimerath  von  Martius,  diese 
Medaille  ak  ein  sichtbares  Zeugniss  unserer  Anerkennung 
der  bedien  Verdienste,  die  Sie  sich  um  die  Wissenschaft  und 
um  die  Akademie  erworben  haben.  Möge  Gott  Sie  noch 
lange  erhalten,  uns  und  der  Wissenschaft,  geistig  frisch  und 
jung,  wie  heute/4 


Entgegnung  des  Jubilars  (Ex  texnp.): 

Hochgeehrtester  Herr  Vorstand! 
Meine   theueren  Herren  Collegen! 

Die  Ehre,  welche  Sie  mir  heute,  vor  den  erleuchteten 
Käthen  der  Krone,  vor  dieser  hochansehnlichen  Versamm- 
lung erweisen,  ist  so  gross,  dass  ich  nicht  Worte  finde,  ge- 
bührend dafür  zu  danken.  Bestürmt  von  den  mannigfach- 
sten  Gefühlen  stammle  ich  nur.  Gestatten  Sie  mir  also 
nur,  dass  ich  aus  tiefbewegtem  Herzen  stammle:  ich  danke 
Ihnen  für  diesen  Beweis  von  collegialischer  Freundschaft 
und  Nachsicht  Ich  empfinde  eine  stolze  Freude,  denn, 
„was  in  dem  Herzen  Anderer  von  uns  lebt,  ist  unser 
tiefstes,  bestes  .Sein!"  Ihre  Theilnahme  ist  nicht  blos  eine 
reinmenschliche,    wie   wir    sie   dem  Alternden   zu   widmen 


188       Sitzung  der  Gesamr+Akademic  wm  SO.  Man  1864. 

pflegen,  der  seine  Laufbahn  fast  vollendet  hat,  sondern  sie 
beglückt  einen  Mann,  der  weit  aber  eis  Mensehenalter  hinaus 
dieser  praswfirdigen  Körperschaft  angehört.  Ja,  ich  bin 
ein  Pflegesohn  dieser  Akademie;  ich  empfinde  mich  als 
solcher.  Wenn  ich  daher  ihr  nach  meinen  besten  Kräften, 
mit  den  reinsten  Absichten  zu  dienen  bemüht  war,  an  ihren 
Schicksalen  und  Erfolgen,  an  ihrer  zunehmenden  Wurzelung 
in  das  patriotische  Gemeingefuhl  der  Bayern  den  innigsten 
Antheil  genommen  habe,  so  darf  ich  wohl  unbedenklich 
wenigstens  das  Lob,  von  dem  mir  so  gütig  zuerkannten 
annehmen,  ich  sei  „fide  probatus".  Und  hätte  ich  diese 
Treue  nicht  stets  bewahrt,  wie  stünde  ieh  heute  an  diesem 
Orte?  Mächtig  mahnt  er  mich  an  meine  akademische  Ver- 
gangenheit. Es  ziemt  sich  nicht,  viel  von  mir  selbst  zu 
reden;  doch  hoffe  ich,  diese  hohe  Versammlung  werde  mit 
Kachsicht  anhören,  wenn  ich  erzähle,  dass  ich  in  diesem 
Saale  im  Dezember  1813  zum  Eintritt  unter  die  Eleven  der 
Akademie  bin  geprüft  worden.  Unter  diesem  Namen  wur- 
den damals  junge  Gelehrte  aufgenommen,  um  sich,  der 
Leitung  eines  Mitgliedes  untergeben,  in  einer  Wissenschaft 
auszubilden;  so  Steffanelli  für  Astronomie,  Meyer  für  Physik 
und  Chemie,  Ruland  für  Physik.  Ich,  für  Botanik,  der 
Führung  des  ehrwürdigen,  mir  im  dankbarsten  Gedächtniss 
stehenden  v.  Schrank  zugewiesen,  war  der  jüngste  und 
letzte.  Sie  alle  sind  schon  längst  heimgegangen.  — In  diesem 
Saale  empfieng  ich  im  October  1816  das  k.  Decret  als  Ad- 
junct  und  damit  als  Staatsdiener,  bald  darauf  auch  die  In- 
structionen der  Akademie  für  eine  wissenschaftliche  Reise 
nach  Brasilien  mit  meinem ,  schon  1826  (24.  Mai)  gestor- 
benen Freunde  Spix.  Diese  Reiseunternehmung,  auf  welche 
wir,  nur  eilig  und  ungenügend  vorbereitet,  uns  schon  am 
6.  Februar  1817  begaben,  hat  meiner  ganzen- literarischen 
Thätigkeit  eine  bestimmte  Richtung  gegeben.  —  Nach  der 
Rückkehr  aus  der  neuen  Welt   ward  iah   in   der  Januar* 


Martins:  Entfernung  de*  Ju&km.  180 

Sitzung  1821  als  ordentliches  Mitglied  der  Akademie  in 
diesem  Saale  eingeführt;  —  liier  ward  ich  gewürdigt,  bei 
dar  akademischen  Feier  zum  25jährigen  Jubiläum  der  Re- 
gierung Seiner  Majestät  des  höchstseligen  Königs  Max 
Joseph  I.  ab  einer  der  drei  Redner  aufzutreten,  —  und 
hier  habe  ich  am  28.  März  1848,  da-  die  akademische  Ju- 
gend das  Haas  von  Waffen  erdröhnen  machte,  statt  deB 
verhinderten  Vorstandes,  zum  Erstenmale  König  Maximilian  II* 
als  Bort  und  Beschützer  unserer  Akademie  begrüsst,  den 
edlen  Monarchen ,  dessen  unvermuteter  Tod  einen  dunklen 
Schatten  wirft  auf  das  ganze  Bayerland. 

Heute  stehe  ich  an  demselben  Platze ,  aber  nicht  mehr 
umgeben  von  denselben  Männern«  Welche  Veränderungen 
habe  ich  in  diesen  50  Jahren  erlebt  1  Noch  waltet  in 
meiner  Erinnerung  die  Gestalt  des  ehrwürdigen  Präsidenten 
Friedr.  Heinr.  Jacobi,  wie  ein  Weltweiser  des  classischen 
Alterthnms  im  modernen  Gewände;  —  dann  als  Vorstand 
das  Triumvirat  von  Schlichtegroll,  Moll  und  Westenrieder, 
darauf  der  catonieoh- ernste  Weiller,  —  der  vielgelehrte 
Schrank,  dun,  die  uns  schon  näher  stehen,  der  mächtig- 
bewegende  Philosoph  Schelling,  —  Freiberg  und  Thiereoh. 
Und  welcher  Umschwung  in  dem  Personale  der  Ciaseen  l 
Die  ganze  erste  und  dritte  Glasse  aus  jener  Zeit  sind  aus- 
gestorben und  in  neuen  Geistern  verjüngt  In  der  zweiten 
Classe  ist  nur  der  ehrwürdige  Nestor  unserer  Körperschaft, 
Herr  Hofrath  von  Vogel  noch  übrig.  Welche  ausserordent- 
liche Entwiekelung  haben  die  Wissenschaften  in  diesem  Zeit» 
räume  erfahren  I  Aber  gerade  diese  Erwägung  hebt  uns 
hinweg  über  die  wehmitthigen  Empfindungen,  die  uns  heim- 
suchen in  der  Erinnerung  an  so  viele  edle,  hervorragende 
Geister,  mit  denen  wir  gelebt  haben  1  Die  Einzelnen  sind 
hinfällige  Blätter  am  Baume  der  Wissenschaft;  dieser  selbst 
aber,  von  göttlichem  Hauche  durchdrungen,  treibt  rastlos 
immer  neue  Wurzeln,  neue  Aaste,  die  sich  aus  allen  Akar 


190        Sitzung  der  Gesammt-AJcadmie  vom  SO.  März  1864. 

demien  mächtig  in  einander  verschränken.  Eine  innige 
Solidarität  verbindet  alle  diese  Heerde  der  Forschung  nnd 
sie  feiern  mit  einander  den  ewigen  Fortschritt  in  den  Er- 
folgen ihrer  Mitglieder,  wohl  getröstet  aber  des  Einzelnen 
Sterblichkeit:  denn  Vivitur  ingenio,  cetera  mortis  erontl 

Dem  Greise,  dessen  Sarg  nicht  mehr  grünbeblättert  im 
lebendigen  Walde  steht,  sondern  schon  gefällt  und  angeschnit- 
ten ihn  erwartet,  dürfte  es  wohl  gestattet  sein,  an  diesem 
Orte  die  Ueberzeugung  ab  die  seinige  auszusprechen,  dass 
wir  im  Geiste  leben. 

Auch  wäre  es  wohl  gerechtfertigt,  wenn  man  mich 
fragte,  was  ich  denn  als  die  Frucht  eines  so  langen,  der 
Naturforschung  geweihten  Lebens  mir  eingethan,  mir  für 
das  letzte  Experimentum  crucis  erworben  habe? 

Unsere  Zeit  ist  gar  zu  bereit  anzunehmen,  dass  jene 
Männer,  welche  sich  der  Pflege  der  Naturwissenschaften 
ergeben,  den  Materialismus  bekennen,  abgewendet  seien 
vom  Glauben  an  das,  was  Jenseits  der  sinnlichen  Wahr- 
nehmung liegt,  dass  sie  kein  Gehör  geben  den  Mahnungen 
an  die  geistige  Unterlage  der  Dinge.  Und  doch;  wer  könnte 
nnd  müsste  sie  deutlicher  vernehmen,  als'  der  Naturforscher, 
der  nicht  am  Rande  der  Erscheinungen  steht,  sondern  mitten 
im  Strome  des  Lebens?  Das  erkennt  er  allerdings  wohl, 
dass  „dieses  grosse  Ganze  nur  für  einen  Gott  gemacht  ist;" 
aber  damit  erkennt  er  auch,  dass  darin  noch  etwas  An- 
deres walte,  als  die  Gesetze  der  Erscheinungswelt. 
Diese  sucht  und  findet  er  mehr  oder  weniger  und  sein 
Verstand  begreift  ihr  harmonisches  Zusammenwirken  als  den 
Ausdruck  einer  höchsten,  einer  göttlichen  Zweckmässig- 
keit. Aber  zur  Ursache  vermag  er  nicht  durchzudringen, 
nnd  in  vollster  Anerkenntniss  menschlicher  Unzulänglichkeit 
wird  er  demüthig.  Dbrum  hat  unsere  Akademie  den  Wahl- 
spruch gewählt :  rerum  oognoscere  causas ;  —  sie  sagt  nicht 
causam.     Wunder  umgeben  den  Naturforscher  überall.  Der 


Martina:  EiUgtgmmg  d»  Jubüan.  191 


des  einfachen  Lichtes  zum  bunten  Farben- 
spiel des  Spectrams,  die  Unendlichkeit  in  den  Verbindungen 
und  Scheidungen  des  Stoffes,  die  Entstehung  und  Entwick- 
lung des  einfachsten  Lebenspunctes,  wie  die  Entfaltung  und 
Gliederung  in  immer  höher  gesteigerten  Organismen  bis 
herauf  zum  Menschen :  wir  sehen ,  wir  beobachten  sie*  wir 
fuhren  ihre  Erscheinungen  auf  gesetzmässige  Reihen  und 
Bedingungen  zurück,  —  aber  wir  begreifen  sie  nicht  in 
ihrem  Wesen,  —  fern,  in  incommensurabler  Weite  liegt  ihr 
Urgrund  —  und  das  &avpdtew  des  Plato,  das  sich  Ver- 
wundern, ist  nicht  blos  der  Eingang,  es  ist  auch  der  Aus- 
gang unserer  Forschung.  Wer  aber  findet,  dass  Anfang 
und  Ende  dar  Erscheinung  ausser  seinem  Gesichtsfelde  liegt, 
der  wird  hingetrieben  auf  ein  geistiges  Wirken  in  dieser 
erhabenen  Weltordnung,  wo  Leben  Tod  und  Tod  Leben 
bedeutet,  wo  in  dem  ewigen  Schöpfungsstrome  Wellen 
steigen  und  fallen  und  sich  verschlingen  zu  Einer  unend- 
lichen Kraft,  nicht  wie  todte  Spindeln  laufen  in  einem 
Menschenwerke. 

Zufall  gibt  es  wohl  in  der  materiellen  Welt,  nicht  aber 
in  jener  höhern  Region  der  Intelligenzen,  die  Gottes  Vater- 
äuge  auf  ihren  parabolischen  Bahnen  begleitet.  Das  war  der 
Glaube  grosser  Meister  der  Wissenschaft,  eines  Linne,  Eid- 
meyer, Cuvier,  Humphry  Davy,  meines  unvergesslichen  Lehrers 
Schrank  u.  A.;  es  ist  auch  der  meinige.  Auf  sehr  ver- 
schiedenen Wegen  kommt  der  Forscher  zu  diesen  lieber- 
zeugungen.  Was  mich  betrifft,  so  habe  ich  nicht  wie  ein 
Bergmann,  die  Lampe  des  Genius  auf  der  Brust,  analytisch 
forschend  in  die  Tiefe  gegraben.  Ich'  war  vielmehr  ein 
Bergsteiger,  der  am  Abhänge  der  Wissenschaft  emporklet- 
tert, möglichst  hoch  oben  die  Sonne  der  Wahrheit  aufgehen 
zu  sehen  und  seinen  Horizont  zu  erweitern;  wohl  bewusst, 
dass  er  den  Gipfel  nicht  erreicht.  Auf  dem  langen  Wege, 
der  mir  vergönnt  war,  habe  ich  zunächst  meine  Unzuläng- 


192       Sitzung  der  Oaetmimt  Aiadmie  tom  SO.  Märe  1864. 

4ichkeit  kennen  geleint,  damit  Aber  auch  dm  ewigen  Beruf 
einer  Intelligenz,  deren  Wesenheit  denken  ist  Und  weil, 
•wie  schon  S.  Augustinus  sagt,  das  Wesen  von  sieh  selbst 
eich  nicht  trennen  kann,  so  ist  mir'a  Gewisaheit  geworden, 
dass  ich  unsterblich  bin.  Das  ist  die  Frucht  meiner  Arbeit 
als  Naturforscher. 

Bei  solcher  Ueberzeugung  verfolgt  der  Alternde  mit 
heiterer  Gelassenheit  das  Stück  Weges,  daß  ihm  etwa  noch 
übrig  sein  möchte,  und  er  wiederholt  sich  »täglich ,  was  ein 
grosser  Dichter  einen  König  sagen  lässt:  „Bereitschaft  igt 
Alles."  Hierin  haben  wir  die  Euthanasia,  davon  uns  in 
diesen  Tagen  der  Trauer  um  den  aUgeliebten  König  und 
Landeevater,  sein  hehres  Beispiel  tröstet.  Ja,  König  Maxi- 
milian war  bereitl  Mit  rollern  Bewuss  teein,  iberraacht 
aber  nicht  erschrocken,  mit  tapferar  Gelassenheit  hat  er 
dem  Tode  in's  Auge  gesehen.  Er  ist  gestorben  königlich. 
Er  hat,  dessen  sind  wir  gewiss,  seinem  Sohne,  König  Lud- 
wig IL,  der  so  frühe  die  Börde  des  königlichen  Amtes 
überkommen,  den  Segen  hinterlassen,  der  Friede  und  Freude 
ist  Mit  Zuversicht  blickt  unsere  Akademie,  blickt  das 
ganze  Volk  der  Bayern  auf  den  jugendlichen  Herrscher. 
Möge  Friede  und  Freude  ihn  umgeben!    Das  walte  Gottl 


Nekrolog  auf  Heinrich  Böse.  193 

Erinnerung 
an  die   neuerlich  gestorbenen  Mitglieder  der  mathematisch« 
physikalischen  Classe  vom  Classensecretär  Herrn  v.  Martius: 

Heinrich  Rose, 
den  seine  Fachgenossen  den  grössten  praktischen  Analytiker 
sät  Berzelioß  nennen,    ist  am  5.  August  1795  geboren  und 
am  27.  Januar  d.  J.  gestorben.    Unserer  Akademie  gehörte 
er  seit  1835  an. 

Schon  sein  Grossvater  (Valentin,  Vater,  geb.  zu  Neu- 
ruppin  1735,  gest.  1771)  und  sein  Vater  (Valentin,  Sohn, 
geb.  zu  Berlin  1762,  gest.  1807),  beide  Apotheker  und 
Assessoren  des  Medicinal-Collegii  in  Berlin,  waren  Chemiker, 
haben  ihrer  Zeit  nicht  unwichtige  Beiträge  für  die  Wissen- 
schaft geliefert  und  sind  insbesondere  für  die  geistige  Ent- 
wickelung  und  Hebung  des  Apothekerstandes  thätig  gewesen. 

Auch  Heinrich  widmete  sich  diesem  Stande,  doch 
nicht  bei  dem  Vater,  der  bald  nach  dem  unglücklichen 
Frieden  von  Tilsit  gestorben  war  und  seine  Wittwe  in  trüber 
Zeit  mit  vier  unerwachsenen  Söhnen  zurückgelassen  hatte, 
sondern  in  Danzig.  In  dieser,  damals  „freien"  Stadt,  unter 
ihrem  Gouverneur,  dem  General  Bapp,  erlebte  er  am  An- 
fange des  Jahres  1813  die  furchtbare  Belagerung.  Im 
Jahre  1815  zog  er,  wie  seine  drei  Brüder,  mit  in  den 
Krieg.  Ais  Friede  wurde,  nahm  er  in  Berlin  seine  Studien 
wieder  auf  und  1819  setzte  er  sie  in  Stockholm  unter  Ber- 
zelius  zwei  Jahre  lang  fort.  In  der  Schule  des  grossen 
Meisters ,  dem  er  stets  mit  Pietät  anhieng ,  erhielt  sein 
emsiger  Geist  die  Richtung  für  die  analytische  Chemie,  zu- 
mal der  unorganischen  Körper,  welche  er  seitdem  mit  der 
ihm  eigenen  Arbeitsfreudigkeit  und  der  vollen  Thatkraft 
eines  gediegenen,  ernsten  Charakters  verfolgt  hat.  Er  pro- 
movirte  1821  unter  Pfaff  in  Kiel  und  habilitirte  sich  1822 
an  der  Universität  zu  Berlin,  wo  er  schon  1823  ausser- 
ordentlicher, 1835  ordentlicher  Professor  wurde. 
[1864.  L  8.]  14 


194        Sitmmg  der  Quam**- Akademie  t*m  90.  Märe  1861, 

Als  Lehrer  bösaas  er  ein  eigentümliches  Talent,  die 
Wissenschaft  populär  zu  machen.  Auf  dem  Katheder  war 
es  die  einfache,  prunklose,  wissenschaftlich  -  ernste  Darstel- 
lung; im  Laboratorium  die  umsichtige,  milde,  dem  Schüler 
entgegenkommende  Unterweisung,  wodurch  er  Liebe  zur 
Doctrin  weckte  und  tüchtige  Kenntnisse  aussäete.  Er  hat 
das  erste  Privatlaboratorium  in  Deutschland  hergestellt,  sich 
jedoch  hier  niemals  mit  vielen* Schülern  zugleich  umgeben; 
aber  diese  wusste  er  theoretisch  wie  praktisch  in  die  Tiefen 
der  Wissenschaft  zu  geleiten.  So  bildete  er  eine,  zwar 
nicht  zahlreiche,  aber  gründliche  Schule,  welche  vorzugs- 
weise die  reine  Analyse  und  insbesondere  die  Mineralanalyse 
vertritt» 

Die  erste  grössere  Arbeit  H.  Rose's  war  die  Untersuch- 
ung der  Mineralien,  welche  die  Krystallform  des  Augits  auf- 
weisen. Sie  wurde  in  dem  Laboratorium  von  Berzelius 
ausgeführt  und  bildet  (mit  SponsdoriFs  Arbeit  über  die 
Hornblende  und  jener  des  Grafen  Trolle  Wachtmeister  über 
die  Granaten)  die  Grundlage  für  die  Kenntniss  der  Iso- 
morphie  im  Mineralreiche.  Sie  war  im  Geiste  von  Berzelius 
unternommen,  des  Lehrers,  welchen  gleichsam  fortzusetzen 
Rose  sich  in  zahlreichen  Untersuchungen  zur  Aufgabe  ge- 
macht hat  Der  Ernst,  die  Treue  und  Wahrheitsliebe  eines 
edlen  Charakters  spiegeln  sich  in  diesen  wie  in  allen  spatem 
Arbeiten  H.  Rose's  ab,  die  so  zahlreich  sind,  dass  ihre 
Aufzählung  hier  nicht  am  Platze  wäre.  Immer  zeichnen  sie 
sich  durch  die  Methode  aus,  welcher  die  Chemiker  das  Lob 
des  Scharfsinns  uaI  der  Einfachheit  zollen  und  um  deren 
Vervollkommnung  er  sich  rastlos  bemühte.  Es  kam  ihm 
niemals  darauf  an,  einen  glänzenden  Erfolg  zu  erhaschen, 
oder  duroh  Neues  und  Unerwartetes  zu  blenden,  londern 
lediglich  auf  die  Sicherheit  und  Unumstösslichkeit  seiner 
Resultate,  auf  die  möglichste  Ergründung  der  Wahrheit 

Der  Chemiker,  welcher  einer  unübersehbaren  Zahl  von 


JMtvb*  mrf  Heimrich  Mm.  196 

Stoffen  i  von  deren  Verbindungen  and  gegenseitigen  Bezieh* 
sogen,  einer  ganzen  Well  von  Einzelheiten  gegenübersteht) 
erfährt  eine  mächtige  Verlockung,  eich  richtenfslog  nach 
allen  Seiten  auszubreiten.  Obgleich  nun  Rose  in  diese  Man* 
nigfaltigkeiten  eindrang,  wie  Wenige,  so  haben  doch  seine 
Arbeiten  keinen  desultorisohen  Charakter,  sondern  sie  hangen 
innerlich  organisch  zusammen«  Es  war  die  Idee  einer  sorg- 
faltigen, den  Zweifel  ausschlieesenden,  gründlich  abschliessen- 
den Methode,  welche  Wahl  und  Richtung  seiner  Arbeiten 
leitete«  So  sind  denn  die  Probleme,  welche  er  sich  aufgab 
und  die  Mittel,  mit  denen  er  sie  zu  lösen  suchte,  in  der 
Klarheit  seines,  die  reichsten  Erfahrungen  beherrschenden 
Geistes  verbunden.  Diese  innerliche  Einheit  des  Gedanken- 
ganges tritt  auch  in  seinem  grössten  literarischen  Werke, 
dem  Handbuche  der  analytischen  Chemie  (I.  Ausgabe  1851. 
2  Bde.),  welches  mehrfach  aufgelegt,  und  erweitert  in's  Eng- 
lische und  Französische  fibersetzt  worden  ist,  hervor.  Die 
Fachgen ossen  verehren  es,  wie  eine  untrügliche  Leuchte 
auf  dem  Wege  experimentaler  Forschung.  In  nüchterner, 
die  qualitativen  und  quantitativen  Untersuchungen  der  Stoffe 
streng  von  einander  haltender  Fassung  gewährt  es  subjeo- 
tfoen  theoretischen  Speculationen  keinen  Raum. 

In  seinen  theoretischen  Ansichten  schloss  sich  EL  Rose 
denen  seines  Meisters  Berzelius  an.  Er  verwarf  die  Ideuti- 
ficirung  der  Atomgewichte  und  der  Aequivalente  und  hielt 
daran  fest,  dass  die  Gewichte  gleicher  Volumina  einfacher 
Gase  das  Verhaltniss  der  Atomgewichte  ausdrücken. 

So  stellt  sich  uns  in  diesem  hervorragenden  Manne 
das  Bild  eines  Scheidekünstlers  im  wahrsten  Sinne  des 
Wortes  dar  und,  zwar  arbeitete  in  ihm  der  Gedanke  nach 
Efgrfindung  richtiger  Einzelnverhältnisse  so  unablässig,  dass 
er  die  vorhabende  Aufeabe  ruhelos  verfolgte,  und  sich  oft 
dem  Kreise  der  Freunde  oder  dem  Schoosse  der  Familie 
sogar  in  Stunden  der  Nacht  entzog,  um  die  in  ihm  plötz- 


196        QUmmg  der  Qetammt  Akademie  xxm  90.  Man  1864. 

lieh  aufsteigenden  Conceptionen  praktisch  zu  prüfen.  In  der 
Geschichte  der  Wissenschaften  wird  diese  Gestalt  durch 
sittlichen  Ernst,  Wahrheitsliebe  und  bis  an's  Ende  unge- 
brochene Arbeitskraft  stets  als   ein  edles  Vorbild  leuchten. 


Christian  Andreas  ron  Zipser, 

Doctor  der  Philosophie  und  Professor  der  Naturgeschichte, 
zuerst  in  Brunn,  dann  zu  Neusohl  in  Ungarn,  geb.  zu  Raab 
am  25.  Not.  1783,  seit  1848  corresp.  Mitglied  unserer 
Akademie,  ist  am  20.  Februar  1864  gestorben.  Er  hat  sich 
besonders  um  die  geognostische  und  oryktoguostische  Erfor- 
schung seines  Vaterlandes  sowohl  durch  selbstständige  Schrif- 
ten (topographisch-mineralogisches  Handwörterbuch  und  oryk- 
tognostisches  Handbuch  von  Ungarn)  und  mehrere  einzelne 
zerstreute  Abhandlungen  als  durch  Verbreitung  der  ungarischen 
Mineralien  hochverdient  gemacht. 


Ferdinand  von  Schmöger, 

Professor  der  Physik  am  Lyceum  zu  Regensburg,  geboren 
zu  München  am  8.  Januar  1792,  ist  am  4.  Man  d.  J.  ge- 
storben. Es  folgt  ihm  das  Lob  eines  wohlwollenden,  nüch- 
ternen, bescheidenen  Charakters,  eines  sorgfältigen  Lehrers 
nach.  Ganz  besonders  thätig  war  er  auf  dem  Gebiete  der 
Witterungskunde  und  die  durch  ihn  bekannt  gemachten  viel- 
jährigen  Beobachtungen  (von  1774  bis  1834)  haben  im  An« 
Schlüsse  an  die  von  Placidus  Heinrich  die  Meteorologie 
von  Begensburg  wesentlich  bereichert.  Wir  besitzen  von 
ihm  eine  Kosmographie  (1817,  zweite  Aufl.  1820),  Elemente 
der  Astronomie  und  Chronologie  (1830)  und  mehrere  kleinere 
Schriften. 


I 


Eineendungen  von  Druckschriften.  197 


Einsendungen  von  Druckschriften. 


Von  der  SocUU  pour  la  recherche  et  la  conservation  de*  monumente 
historiquee  dorne  le  Grand-  Ducht  de  Luxembourg  in  Luxemburg: 

Pablicationz.  Annee  1862.  18.  Luxemburg  1868.  4. 

Von  der  k.  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  GöWngen: 

Göttingisohe  gelehrte  Anzeigen.  5—21  Stfiok.  Febr.— Mai  1864.  Göt- 
tingen 1864.  8. 

Vom  landwirthschaftlichen  Verein  hier: 

Zeitschrift.  54.  Jahrgang.  März  8.  April  4.  Mai  5.  1864.    Münohen 
1864.  8. 

Von  der  Sodetä  Scale  in  NapoU: 

a)  Rendiconto  dell'  Accademia  della  scienze  fisiche  e  matematiche. 

Fascic.  1—8.  Maggio— Dicembre  1862.    Anno  2.   Fascio.   1 — 10. 
Gennajo -Ottobre  1863.  Napoli  1862.   1863.  4. 

b)  Rendiconto  delle  tornate  e  dei  lavori  delP  accademia  di  scienze 

morali  e  politiche.  Anno  1862.  Anno  Seoondo.  Gennajo — Ottobre 
1868.  Napoli  1868.  4. 

Von  der  Accademia  deUe  Sciense  dcW  Istituto  in  Bologna: 

a)  Memorie.  Tomo  11.  Fase.  8 — 4. 

n       "•       n       1-4. 

8erie  2.      „       1.     „      1 — 4. 
„     2.      „       2.      H      1.        Bolog.  1861—68.  4. 

b)  Rendiconto    delle    sesaioni    dell'   accademia.    Anno 

1861—1862.    Bologna  1861.  8. 


19o  jBhnäendMßQcn  toll  Dmokstjhftifitn, 

Vom  Reale  Istituto  Lombardo  di  seien**,  leUere  ed  arH  in  Milano* 

a)  Memorie.  Vol.  8.  2.  della  .Serie  2.  Faso.  7. 

„     9.  8.      „        „     2.      „      1.  8.  4. 
Milano  1862   1868.  4. 

b)  Atti.  Vol.  3.  Fase  1—4. 

n      9—18.  Milano  1862-68.  4. 

o)  Rendiconti.  Ciasee  di  scienze  matematiche  e  natural!  Yol.  1.  Faso. 
1.  e.  2.  Gennajo — Febrajo.  Milano  1864.  8. 

Von  der  Imperiale  Regia  Aceademia  di  scienze,  lettere  ed  arH  in 

Padua: 

a)  Nuovi  saggi.  Yol.  6. 

„    7.  Parte  1.  Padua  1847—57.  4. 

b)  Rivista  periodic*.  Yol  12.  (Semestre  primo  e  secondo  del  1862 — 

1868)  Padua  1863.  8. 

Von  der  Societä  italiana  di  scienu  natural*  in  Milano: 

Atti.  Yol.  1.  2.  3.  Anno  1855—1861. 
i,    4.  Faso.  1—4. 
„    5.     „      1—5.    Milano  1859.  1861—63.  8. 

Von  der  Royal  Institution  of  Oreat  Britain  in  London: 

a)  Prooeedings.  Yol.  4.  Part.  1.  2.  Nr   37.  38.  London  1863.  8. 

b)  List  of  the  Membres,    Officers    and   Professors    1863.    London 

1863.  8. 

Von  der  SociSU  Asiatique  in  Paris: 
Journal  Asiatique.    Sizieme  Serie.    Tom.  8.  Paris  1864.  8. 

Von  der  Aeademie  des  seiendes  in  Paris: 

Gomptes  fendut  hebdomadaires  des  seances.    Tom.  08.  N*.  5—15. 
Ferner— Avrü  1864.    Paris  1864.  4. 


Einsendungen  von  Druckschriften.  199 

Van  der  haiserl.  LeopcWno-Cardinischen  deutschen  Akademie  der 

Naturforscher  in  Dresden: 

VerhandlungeiL  80.  Band.  Dresden  1864.  4. 

Vom  historischen  Verein  in  Osnabrück: 
Mittheihmgen  7  Bd.  1864.    Osnabrück  1864.  8. 

Von  der  Socittt  royale  des  sdences  in  Lüge: 
Memoire*.  Tom.  18.  Liege  1868.  8. 


Von  der  Directum  Gen.  de  V Institut  des  provinces  de  France  in 

Paris: 

Annnaire   des   societea  savantee  et    des  oongres  seientinques    1864. 
Paris  1864.  8. 


Von  der  SociHi  dy  Anthropologie  in  Paris: 

Bulletin«.    Tom.    4.    Fase.    4.    Septembre—  Deeembre    1868.    Paris 
1868.  8. 


Von  der  SociHi  de  phgsique  et  d'histoire  naturelle  in  Geneve: 
Memoire*.    Tom.  17.  1.  Partie.  Oeneve  1868.  4. 

Vom  Museum  Francisco-Carolinum  in  Line: 

a)  Dreinndswancigster  Berieht.    Nebst  der   18.   Lieferung   der  Bei- 

trage aar  Landeskunde  von   Oesterreich  ob    der  Enns.    Lins. 
1868.  8. 

b)  Urkundenbuch  des  Landes  ob  der  Enns.    8.  Bd.  Wien  1862.  8. 


Von  der  senkenbergischen  naturforschenden  Gesellschaft  in  Frankfurt 

am  Main: 

Abhandlungen,  6.  Bd.  1.  Heft.  Frankfurt  a.  M.  1864.  4. 


200  Einsendungen  von  Druckschriften. 

Vom  Verein  eur  Beförderung  des  Gartenbaues  w  den  h.  preussischen 
Staaten  für  Gärtnerei  und  Pflanzenkunde  in  Berlin : 

Wochensohrift.  Nr.  6—16.  Febr.— April  1864.    Berlin  4. 

Vom  Verein  für  Geschichte  und  Älterthumskunde  in  Frankfurt  a.  M.: 

a)  Oertliche  Beschreibung  der  Stadt  Frankfurt  a.  M.  von  J.  G.  Bat- 

tonn. 2.  Heft.  Frankfurt  a.  M.  1863.  8. 

b)  Aerzte,  Heilanstalten,  Geisteskranke  im  mitteralterliehen  Frank- 

furt a.  M.    Yon  Dr.  Ludwig  Kriegt  Frankf.  a.  M.  1863*  4. 

o)  Mittheilungen  an  die  Mitglieder  des  Vereins.  2.  Bd.  Nr.  3.  Frank- 
furt a.  M.  1863.  8. 

Vom  historischen   Verein  für  Niederbayern  in  Landshut: 
Verhandlungen.  10.  Bd.  1.  Heft.  Landshut  1864.  8. 

Von  der  SociHi  dfagriculture  et  d' Industrie  agricole  du  departement 

in  Dijon: 

Journal  d'Agriculture  de  la  Cöte-d'Or.    Annee  1862.  24.  Vol.  Dijon 
1862.  8. 

Von  der  natural-history  Society  in  Montreal: 

The  Canadian  Naturalist  and  Geologist.  Vol.  8.   Nr.  6.  Decbr.  1863. 
Montreal.  1863.  8. 


Von  der  Academie  imperiale  des  sciences,  arts  et  beües  lettres  in 

Dijon: 

Memoires.  2  Serie.  Tom.  10.  annee  1862.  Dijon  1863.  8. 


Von  der  Phüomatischen  Gesellschaft  in  Neisse: 
Denkschrift  zur  Feier  ihres  25jährigen  Bestehens.    Neisse.  1863.  8. 


I 


Einsendungen  van  Druckschriften*  201 

Von  der  Üniversitäto-Bibliothek  in  Leipsig: 

a)  Archiv  für  die  sachsische  Geschichte.    Herausgegeben  von  Dr.  M. 

Wsvchsmuth  und  Dr.  Karl  Weber.  2.  Bd,   8.  4.   Heft    Leipzig 
1864.  8. 

b)  Codex    diplomaticus   Saxoniae  regiae.    Von  6.  E.   Gersdorf.    2. 

Hanpttheil.  Urkundenbuoh  des  Hochstiftes  Meissen.  1.  Bd.  Leipzig 
1864.  4. 

Von  der  Universität  in  Heidelberg: 

Heidelberger  Jahrbücher  der  Literatur  unter  Mitwirkung  der  vier 
Fakultäten. 

56.  Jahrgang  12.  Heft.  Dezember  1863. 

57.  „  1.     „      Januar  1864. 
Heidelberg  1863.  1864.  8. 

Von  der  BedakUon  des  Correspandem  -  Blattes  für  die  gelehrten  und 

Real- Schulen  in  Stuttgart: 

Correspondenzblatt  für  die  gelehrten  und  Real- Schulen.    Januar  1. 
1864.  Stuttgart  1864.  8. 

Von  der  Lesehalle  der  deutschen  Studenten  in  Prag: 
Jahresbericht.  1.  Juli  1862  —  Ende  Dezember  1863.  Prag  1863.  8. 

Von  der  h.  k.  Sternwarte  in  Wien: 

a)  Annalen.  3.  Folge.  12.  Bd.  Jahrgang  1862.  'Wien  1863.  8. 

b)  Meteorologische  Beobachtungen    an  der  Wiener  Sternwarte   von 

1775  bis  1865.  4  Bd.  1823—1838.  Wien  1863.  8. 

Van  der  pfälzischen  Gesellschaft  für  Fharmacie  in  Speier: 

Neues  Jahrbuch   für  Pharmacie  und  verwandte  Fächer.   Zeitschrift. 
Bd.  21.  Heft  3—5.  März—Mai  1864  Speier  1864.  8. 


Von  der  Aeademie  rayaU  de  Mideeim  de  Belgiqne  in  Brüssel: 

Bulletin.  Annee  1863.  Deuxieme  8erie.  Tom.  6.  Nr.  10.  11. 
„       1864.  „  „  y,      7.  Nro.  1.  2« 

Brüssel  1863.  1864.  8. 


3MW  Einsendungen  von  Drueiceehriften\ 

Von  der  American  Acaismy  ef  Jit»  and  Ataie*  <»  ^awiM^: 

Lift  of  new  nebalae  und  star-eiusters  eeem  at  th«  obserratory  ol 
Html*  College  1847—18*8.  Cambridge  1888.  & 

Vom  IsHtuto  Veneto  di  scienu,  Untere  ed  <mü  im  Veneria: 

Atti.  Tomo  nono.  Serie  terra.    Dispens*  seconda,   tena,   quarta,  dal 
Novembre  1868  all'  Ottobre  1864.  Venedig  8. 

Von  der  SocUU  des  sdences  naturelles  in  Neufchatd: 
Bulletin.  Tom.  6.  Second  eahier.    Neufchatel  1868.  8. 

Vom  naturhistorischen  Verein  in  Hannover: 


Dreizehnter  Jahresbericht  von  Michaelis  1862  bis  dahin  1868.    Han- 
nover 1864.  fol. 


Von  der  koninklijfBe  natuurkundige  Vereeniging  in  Nederkmdeoh 

Indii  in  Batavia: 

Natuurkundig  Tijdschrift  voor  Nederlandsch  Indiß. 
Deel  24  Vijfde  Serie  Deel  4  Afl.  5.  en  6. 
»t     *&•      „         „       „     o.    ,,     l. 

„     26.  Zesde      „        „     1.    „     1.  en  2. 
Batavia  1862.  1868.  8. 

Von  der  Royal  Society  in  Dublin: 
Journal.  Nr.  80.  July  1868.  Dublin  1868.  8. 

Von  der  Jb.  preußischen  Akademie  der  Wissenschaften  in  Berlin: 

Monatsberichte.  August  bis  Desember  1863.  Januar,  Februar  1864 
Berlin.  8. 

Von  der  JB.  Äcmimia  de  nobles  owtes  de  San  Fernando  in  Madrid: 

Los  desastres  dela  guerra.  Coleeeion  de  ochenta  laminas  inventadai 
y  grabadas  al  agua  fuerte  por  Don  Francisco  Coya.  1 — 8. 
Madrid  1863.  4. 


Einsendungen  ton  Druckschrift**.  JOS 

Von  der  phy^ltMs^^Mdiiinischen  Qe#Ms<9*ft  in  Wurzburg : 

Wtabvr'ger  medizinische  Zeitschrift.     6.   Bd.    1.  Heft    Wtrsborg 
1864.  a 

Von  der  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Frag: 


a)  SUeungiberiohta.  Jana*  —  Juni 

Juli  —  Dezember.    JeJargang  1868. 
Prag  1864.  8. 

b)  Die  pharmacognostisehe  Sammlung  des  Apothekers  Joseph  Dittrich 

in  Prag.  Ausgestellt  zur  Feier  der  dritten  General-Versammlung 
des  allgem.  Österreich.  Apotheker- Vereins  am  1.  und  2.  Septbr. 
1868  in  Prag.    Prag  1868.  8. 

Vom  Geschichte- Verein  für  Kärnten  in  Klagenfurt: 

Archiv  für  vaterländische  Geschichte  und  Topographie.  8.  Jahrgang. 
Kirnten  1868.  8. 

Vom  statistischrtopographischen  Bureau  in  Stuttgart: 

Württembergische  Jahrbücher  für  vaterlandische  Geschichte,  Geo- 
graphie, Statistik  nnd  Topographie.  Jahrgang  1862.  1.  und 
2.  Heft 

Tom  historischen  Verein  van  ünterfranken  und  Aschaffenburg  in 

Wurzburg-. 

a)  Archiv.  17.  Bd.  1.  Heft   Wurzburg  1864  8. 

b)  Die  Sammlangen   des   historischen  Vereins,  herausgegeben  von 

Prot  Dr.  Contzen.  1.  AbthL  Bacher ,  Handschriften,  Urkunden 
Wunburg.  1866.  & 

c)  Die  Sammlungen  des  historischen  Vereins ,  herausgegeben  von  C. 

Heffher.    2.  Abthl.  Gemälde,   Sculpturen,   Gypsabgusse,  Waffen, 
Glaser  etc.  Ger&the,  Mobilien,  Siegel  etc.  Ausgrabungen. 
Wurzburg  1860.  8. 

Von  der  naturfonchenden  Gesellschaft  in  Zürich: 

Viertejjahrsheit  6.  7.  8.  Jahrgang,  je  1—4.  Heft  1861—1868. 
Zürich  a 


204  Einsendungen  von  Druckschriften. 

Vom  physikalischen  Verein  in  Frankfurt  a.  M.: 
Jahresbericht  1862.  1863.  Frankfurt  a.  M.  8. 

Von  der  deutschen  morgenländischen  Gesellschaft  in  Leipzig : 

a)  Zeitschrift.  18.  Bd.  1.  und  2.  Heft.  Leipzig  1864.  8. 

b)  Indische   Stadien.   Beitrage  für  die  Kunde  des   indischen  Alter- 

thums,  von  Dr.  Albrecht  Weber.  8.  Bd.    Leipzig  1868.  8. 


Vom  Herrn  M.mB.  Studer  in  Bern: 
De  Porigine  des  lacs  Suisses.    Bern  8. 

Vom  Herrn  Henle  in  Braunschweig: 

Handbuch  der  systematischen  Anatomie    des  Menschen.   2.  Bd.  Ein- 
geweidelehre  2.  Lieferung,  Harn-  und  Geschlechtsapparat. 
Braunschweig  1864.  8. 

Vom  Herrn  Franzesco  Zantcdeschi  in  Padua: 

Intorno  alla  spettrometria  e  chimica  astroatmosferica;  all9  oaono 
studiato  ne'  suoi  rapporti  colla  elettricita  atmosferica  e  La  foto- 
grafia;  e  con  un  cenno  degli  avanzamenti  della  meteorologica 
in  Italia.    Padua.  8. 

Vom  Herrn  James  D.  Dana  in  New-Haven: 

1.  The  Classification  of  anünals  based   on  the  principle  of  cephaliza- 

tion.  Nr.  3.  Classification  of  herbivores. 

2.  Note  on  the  position  of  amphibians  among  the  classes   of  verte- 

brates.    New-Haven.  8.  » 

Vom  Herrn  J.  A.  Grunert  in  Greifswald: 

Archiv  der  Mathematik  und  Physik.  41.  Tbl.  3.  Heft  Greifswald 
1864.  8. 


Einsendungen  von  Druelrechriften.  205 


Vom  Herrn  G.  P.  Bond  in  Cambridge: 

On   the   new  form   of  the  achromatic  object-glass  introdaced  by 
Steinbeil.    Cambridge  1868.  8. 


Vom  Herrn  Emü  Oeyrnidnski  m  Krakau: 

Nene   chemische  Theorie,    durchgeführt  durch  alle  unorganischen 
Verbindungen  in  allgemeinen  Formeln.  Krakau  1864.  8. 


Vom  Herrn  Alfred  Volkmann  in  Haue: 

Physiologische  Untersuchungen  im  Gebiete  der  Optik.    2.  Heft. 
Leipzig  1864.  8. 


Vom  Herrn  Albert  Oppel  hier: 

Pal&ontologische  Mittheilungen.   Text  und  Atlas.  Fortsetzung. 
Stattgart  1863.  8. 


Vom  Herrn  Friedrich  W.  Schultz  in  Wemenburg  a.  d.  Lauter: 

Grundzuge    zur  Phytostatik  der  Pfalz.    Weissenburg   a.    d.  Lautei 
1863.  a 


Vom  Herrn  Attilio  Tassi  in  Siena: 

a)  Sulla  flora  della  provincia  Senese    e  Maremma  Toscana.    Siena 
^      1862.  8. 

b)  Esame  d'una  singolarita  di  struttura  del  flore  dell1  aquilegia  vul- 

garis.   Siena  1862.  8. 

Vom  Herrn  De  Colonet  -  D'Huart  in  Luxembourg: 

Nouvelle  theorie   mathexnatique  de  la  chaleur  et  de  l'electricitä.    1. 

Partie. 
Determination  de  la  relation  qui  existe  entre  la  chaleur  rayonnante, 

la  chaleur  de  conductibilite  et  l'eleotricite.  Luxembourg  1864.  8. 


206  Eimmdmngen  von  Druebcnriftm. 

Vom  Herrn  QueencriUe  in  &m$: 

he  moniteor  soientifiqne  da  ofcimiste  et  du  manulwturier. 
Tom.  1—6.  Annee  1857—1869. 
„     6.  „       1864    (1—7  livraison)  Paria  4. 


Vom  Herrn  F.  wm  der  8traten-Pbnth>£  4*  Pan: 


Les  nenf  pvenx,  gravnre  sur  bois  dm  oomauneement  du  qoinaiene 
sieole,  fragments  de  Phdtel  de  Villa  de  Mets  Pau.  IfisU.  6. 

Vom  Herrn  L.  Vaueher  in  Genf: 

In  M.  Tullii  Ciceronis  libroa  philoaophicoa  curae  criticae.  Fase.  1. 
Lauaanne  1864.  8. 

Vom  Herrn  Alexander  Ecker  in  Freiburg: 

Die  Anatomie  des  Frosches.  1.  Abthl.  Knochen-  und  Muskel-Lehre. 
Brannschweig  1864  8. 

Vom  Herrn  A.  Köüiker  in  Würgburg: 

Weitere  Beobachtungen  über  die  Wirbel  der  Selachier,  insbesondere 
über  die  Wirbel  der  Lamnoidei,  nebst  allgemeinen  Bemerkungen 
über  die  Bildung  der  Wirbel  der  Plagiostoman.  Frankfort  *.  M. 
1864.  4. 


Sitzungsberichte 

der 

königl.  bayer.  Akademie  der  Wissenschaften, 


Philosophisch  -  philologische  Classe. 

Sitzung  vom  7.  Mai  1864 


Herr  Beckers  hielt  einen  Vortrag: 

„Ueber    die  wahre    und  bleibende  Bedeut- 
ung der  Naturphilosophie  Schellings". 

Derselbe  wurde  für  die  Denkschriften  bestimmt. 


Mathematisch-physikalische  Classe. 

Sitzung  vom  7.  Mai  1864. 


Herr  Pettenkofer  trug  vor: 

„Bemerkungen  über  die  chemischen  Unter- 
suchungen ron  M.  J.  Reiset  über  die 
Respiration  von  landwirth schaftlichen 
Hausthieren". 

Reiset  hat  in  den  Annales  de  Chimie  et  de  Physique 
(dritte  Serie  Bd.   69.  Oktober  1863)   eine  Fortsetzung  der 

[1864.1.4.]  15 


208  Sitnmg  der  maft.-ftyt.  CHam  vom  7.  Mai  1864. 

früher  (1849)  gemeinschaftlich  mit  Reg  na  alt  angestellten 
Untersuchungen  geliefert.  Da  seit  dieser  Zeit  der  thierische 
Stoffwechsel  theils  in  seinen  festen  und  flüssigen,  theils  auch 
in  seinen  gasförmigen  Endgliedern  Gegenstand  umfangreicher 
und  genauer  Untersuchungen  in  Deutschland  gewesen  ist,  so 
war  die  Hoffnung  gewiss  nicht  unberechtigt,  Beiset  werde 
die  bisherigen  Resultate  in  den  Kreis  seiner  neuen  Unter- 
suchungen ziehen.  Der  Verfasser  hat  diese  Hoffnung  ge- 
tauscht und  seinen  alten  Standpunkt  von  1849  unverändert 
beibehalten;  anstatt  sich  eine  neue  Aufgabe  zu  stellen,  bat 
er  die  alten  Versuche  unter  denselben  wesentlichen  Um- 
standen wie  früher  wiederholt.  Die  Fortsetzung  der  Ar- 
beiten hat  uns  desshalb  auch  keinen  Fortschritt  in  unserm 
Wissen  gebracht»  Die  früheren  Versuche  von  Regnault  und 
Reiset  verdienten  zu  ihrer  Zeit  die  grösste  Beachtung  und 
Anerkennung,  die  sie  auch  gefunden  haben,  namentlich  weil 
sie  an  verschiedenen  Thierklassen  angestellt  waren;  aber 
nur  die  grösste  Kurcsichtigkert  konnte  sich  einreden,  dass 
.sie  mehr  ata  ein  guter  Anfang,  dass  der  Gegenstand  im 
Wesentlichen  hiemit  erlediget  wäre.  Die  Versuche  von  Reg- 
nault und  Reiset  haben  in  Bezug  auf  den  Stoffwechsel  nur 
den  Werth  von  qualitativen,  aber  nicht  von  quantitativen 
Untersuchungen,  weil  die  Quantität  der  im  Körper  sich  um- 
setzenden Stoffe  gar  nicht  berücksichtiget  worden  ist  Der 
ganze  Gasaustausch  ttebt  als  eine  ieolirte  Grösse  für  sich 
da,  und  kann  ohne  die  willkürlichsten  Hypothesen  nicht 
mit  dem  gesammten  Stoffwechsel  in  Beziehung  gebracht 
werden.  Die  Untersuchungen  von  Regnault  und  Reiset 
-haben  gelehrt; 

1)  dass  die  Produkte  der  Perspiration  bei  verschiedenen 
Thierklassen  wesenflick  die  gleichen  sind; 

2)  dass  der  athmende  Körper   aus   der  Luft  wesentlich 
nur  Sauerstoff  aufnimmt  und  Kohlensaure  abgibt; 

3)  dass  er  unter  Umständen  auch  zwar  geringe,    aber 


P*tte*hof*r:  Respiration  t*m  lamdww<fa<*af&  HtnuiMarcn.    209 

m 

doch    mesBbare  Mengen  Wasserstoff   und    Grubengas    aas- 
scheidet ; 

4)  das«  zwischen  der  Quantität  und  Qualität  der  Nahr- 
ung und  der  Perspiration  ein  noch  zu  erforschender  Zu- 
sammenhang sich  verräth; 

5)  dass    weder    Ammoniak    noch    Schwefelwasserstoff 

in  bestimmbarer  Menge  ausgeschieden  werden  und  endlich 
fanden  sie 

6)  daas  der  Stickatoßgefaalt  der  in  ihrem  Apparat  ein- 
geschlossenen Atmosphäre  sich  wahrend  eines  Versuches  bald 
etwas  vermehrt,  bald  etwas  vermindert,  wo  sie  dann  an- 
nahmen, das  Thier  habe  Stickstoff  ausgegeben  oder  einge- 
nommen. Das  abgedunstete  Wasser  ist  ebenso,  wie  die 
Nahrung  und  die  Ausscheidungen  durch  Darm  und  Nieren 
unberÄckaichtiget  geblieben. 

Das  Verdienst  der  Untersuchungen  von  Begnauli  und 
Beiset  liegt  somit  weniger  in  der  Neuheit  der  Resultate, 
denn  alles  Wesentliche  war  eigentlich  schon  durch  Forsch- 
ungen Anderer  einzeln  da,  als  vielmehr  in  der  unzweifel- 
haften Bestätigung  und  theilweisen  Begränzung  der  vor- 
handenen Vorstellungen,  z.  B.  welche  Gase  und  in  welchen 
Mengen  bei  verschiedenen  Thieren  und  verschiedenen  Zw- 
ständen  derselben  auftreten,  worauf  mithin  bei  künftigen 
Versuchen  zu  achten  ist,  und  worauf  nicht  Dass  der 
Körper  bald  Stickgas  abgeben,  bald  aufnehmen  sollte, 
war  das  Unerwartetste.  Begnault  und  Beiset  scheinen 
bisher  eine  Beziehung  zwischen  dem  ans  der  Luft  aufge- 
nommenen Sauerstoff  und  dem  entwickelten  oder  verschwun- 
denen Stickstoff  gesucht  zu  haben,  wenigstens  führen  sie  für 
das  Gewicht  der  beiden  Stoffe  ein  proportionales  Verhältnis* 
an,  das  aber  auch  in  Beiset 's  neuesten  Untersuchungen  so 
wenig  constant  ist,  dass  das  entwickelte  Stickgas  einmal  24, 
das  andermal  8760  Hunderttausendstel  vom  Gewicht  des 
verzehrten  Sauerstoffes  betragt,    während  ein  anderes  Mal 

15* 


210  Sitzung  dar  math.-pky$.  Clause  vom  7.  Mai  1S&L 

Stickstoff  verschwindet,  ohne  dass  .man  nur  entfernt  einen 
chemischen  oder  physiologischen  Grund,  ein  Gesetz  für 
dieses  Hin-  und  flerspazierea  des  Stickstoffes  zu  ahnen  ver- 
möchte. Für  einen  Chemiker,  der  mit  der  Zersetzung  der 
eiweissartigen  Körper  näher  bekannt  ist,  gehört  diese  Aa- 
*nabme  gewiss  zu  den  unerwartetsten'  und  erheischt  desshalb 
4ie  strengste  PrQfung« 

Die  inzwischen  in  Deutschland  gemachten  Untersuch- 
ungen über  den  Kreislauf  des  Stickstoffes  der  Nahrung  beim 
Stoffwechsel  im  Thierfcörper  waren  der  Annahme  von  Reg- 
<nauk  und  Reiset  nicht  günstig.  Bidder  und  Schmidt  hatten 
•bei  der  Katze,  Bischoff  und  Voit  beim  Hunde,  Henneberg 
beim  Wiederkäuer,  J.  Lehmann  beim  Schweine,  J.  Ranke 
beim  Menschen  gefunden,  dass  aller  Stickstoff  der  Nahrung 
—  nicht  mehr  und  nicht  weniger  —  durch  Nieren  und 
Darm  aasgeschieden  wird»  Voit,  der  sich  um  die  Lösung 
dieser  Etage  unstreitig  das  Hauptverdienst  errungen,  hat  in 
neuester  Zeit  nachgewiesen,  dass  eine  Taube,  welche  Monate 
lang  mit  einer  gewogenen  Menge  Erbsen  gefuttert  wurde, 
allen  Stickstoff  des  Futters  —  nicht  mehr  und  nicht  weniger 
•— -  in  den  Excrementen  der  Niere  und  des  Darmes  wieder 
-ausgeschieden  hat.  Bei  diesem  so  lange  fortgesetzten  Ver- 
suche von  Voit  hätte  es  unfehlbar  zu  Tage  kommen  müssen, 
wenn  das  Thier  täglich  auch  nur  eine  höchst  unbedeutende 
Menge  dieses  Stickstoffes  an  die  Luft  verloren  oder  aus  ihr 
aufgenommen  hätte; 

Solche  Thatsachen  haben  ein  unbestreitbares  Recht, 
Beachtung  zu  verlangen,  und  können  nicht  mehr  durch 
Stillschweigen  beseitiget  werden.  Reiset  hätte  die  Pflicht 
gehabt,  seine  behauptete  Stickstoffiausscheidung  damit  in 
Einklang  zu  bringen.  Anstatt  dessen  aber  hat  er  uns  ohne  jede 
weitere  Prüfung  der  deutschen  Arbeiten  seine  alte  Methode 
mit  ihren  bekannten  Resultaten  Wieder  vorgeführt.  In- 
zwischen hatte  ich  auch  gezeigt,  wie  man  einen  grossen  und 


Ptttcnkofer :  Respiration  wm  landwirthschafll.  Housthüren.      21 1 


complicirten  Respirationsäßparat  auf  die  Genauigkeit  seine* 
Angaben  durch  üontrolversuche  sicher  prüfen  kann.  Hätte! 
Beiset  anstatt  Kälber,  Schafe  und  ßofaweine  eine  brennende 
Stearinkerze  in  seinen  Apparat  gebracht,  so  hätte  er  ebenso 
wie  ich  in  Erfahrung  bringen  können,  mit  welcher  Genauig- 
keit er  arbeite;  und  er  hätte  sicherlich  gefunden,  dass  er 
auch  beim  Verbrennen  eines  ganz  stickstofffreien  Körpers 
kald  Zuwachs,  bald  Verlust  von  Stickstoff  in  der  Luft  seine» 
Bespirationsraumes  erhalte,  sobald  der  Versuch  12  bis  24 
Stunden  andauerte. 

Der  Apparat  und  die  Methode  Reiset's  sohliessen  erst- 
Uch  den  Einfluss  der  Diffusion  der  Gase  nicht  aus,  welche 
trotz  Kitt  und  Kautschuk  an  allen  Verbindungsstellen  statt* 
findet,  und  um  so  merklieber  im  Resultate  hervortritt,  je 
länger  der  Versuch  dauert,  und  je  kleiner  das  im  Apparat 
stagnirende  Luftvolumen  ist. 

Wie  leicht  kann  die  Bereitung  und  Aufbewahrung  des 
erforderlichen  Sauerstoffes  von  einer  Verunreinigung  durch 
Stickstoff  begleitet  sein  1  An  einer  genommenen  Probe  kann 
diess  sehr  wenig  oder  kaum  erkennbar  sein,  aber  der  Stick-» 
stofftRöckstand  von  hunderten  von  Litern,  die  in  der  Re- 
spirationsglocke verzehrt  worden,  kann  zuletzt  doch  sehr 
bemerkbar  sein. 

Eine  noch  so  geringe  Undichtigkeit  im  Respirations« 
Räume,  welche  an  einem  Queoksilbermanometer  durch  einige 
Minuten  lange  Beobachtung  gar  nicht  wahrgenommen  wird, 
kann  binnen  20  und  24  Stunden  immerhin  eine  beträchtliche 
Menge  Stickstoff  aus  der  Glocke  heraus  oder  hinein  beför- 
dern, je  nachdem  der  Druck  innen  oder  aussen  grösser  ist. 

Ebenso  kann  das  Versuchstier  selbst  Veranlassung  zu 
Störungen  im  Stiokstoffvolum  der  eingeschlossenen  Luft  geben. 
Wenn  ein  Wiederkäuer  eben  gefressen  hat,  ehe  er  in  den 
Apparat  kommt,  so  hat  er  mit  seinem  Futter  mindestens 
so  viele  Liter  Luft  verschluckt,  als  das  Futter  Kilogramme 


212  SUmmg  der  mafl-jrty*,  Oam  *m  7.  Mai  1*64. 

wiegt.  Wenn  nun  bei  dtr  Verdauung  reichlich  Kohlensäure, 
Grubengas  und  Wasserstoffgas  entwickelt  werden,  so  wird 
der  au  Anfang  dies  Versuches  in  Magen  und  Gedärmen 
vorhandene  Stickstoff  am  Ende  des  Versuches  ausgetrieben 
sein,  und  sich  nun  in  der  Luft  des  Apparates  befinden.  In 
dem  Versuche  3.  fand  Reiset  bei  einem  Schafe,  das  wahrend 
des  Versuches  bedeutenden  Meteorismus  bekam,  die  höchste 
Menge  ton  ausgeschiedenem  Stickstoff  (33  Liter),  während 
sonst  das  Maximum  bei  Schafen  6  Liter  war.  Dieses  Gru- 
bengas hat  offenbar  zur  Vermehrung  des  Stickstoffes  beige- 
tragen ,  indem  es  allen  Stickstoff  der  beim  Fressen  ver- 
schluckten Luft  aus  dem  Körper  ausgetrieben  hat  Dieser 
Versuch  leidet  übrigens  auch  noch  an  einem  anderen  grossen 
Gebrechen,  was  ihn  geradezu  als  unbrauchbar  erscheinen  lässt* 
Der  gasförmig  ausgeschiedene  Stickstoff  beträgt  nahezu  42 
Gramme.  Wollte  man  nun  annehmen,  dass  sich  diese 
grosse  Menge  Stickstofigas  aus  den  Bestandteilen  des  Kör- 
pers binnen  14  Stunden  entwickelt  hätte,  so  könnte  das 
Thier  in  dieser  Zeit  Stickstoff  weder  im  Harne,  noch  im 
Kothe  ausgeschieden  haben  y  was  doch  gegen  alle  physiolo* 
gische  und  chemische  Wahrscheinlichkeit  ist.  Ein  Schaf  sehet 
nämlich  in  24  Stunden  nicht  40  Gramme  Stickstoff  um,  und 
in  diesem  Falle  sollten  binnen  14  Stunden  bloss  in  den 
gasförmigen  Ausscheidungen  42  Gramme  enthalten  sein! 
Dieses  Experiment  Nr.  3  beweist  nur,  dass  im  Apparate 
oder  in  der  Methode  irgend  wo  eine  beträchtliche  Fehler* 
quelle  ist,  und  wenn  der  Fehler  einmal  30  Liter  betragen 
kann,  so  ist  auf  die  Resultate,  wo  sich  2  ttnd  3  Liter  er« 
geben,  wohl  auch  kein  Vertrauen  mehr  zu  setaen. 

Bei  den  Versuchen  6»  7  und  8,  die  Reiset  mit  Kälbern 
anstellte,  steigt  und  fallt  die  Menge  des  entwickelten  Stick- 
stoffes mit  der  Menge  des  entwickelten  Grubengases: 

Versuch  6)  14,5  Liter  Grubengas  2,8  Liter  Stickstoff 
„       7)  16,4       „  „  3,1       „  „ 


FeUmtofer:  EespiraUm  «m  UmSwkthtcKaftL  Hausühiarm.    213 

Versuch  8)  20,4  Liter  Grabengas  3,4  Liter  Stickstoff. 

Ein  weiterer  Grund  zur  Aenderung  des  Stickstoffge- 
haltes der  inneren  Lnft  während  des  Versuches  ist  die 
Differenz  in  der  Zusammensetzung  zwischen  der  Luft,  in 
welcher  das  Thier  unmittelbar  vor  dem  Versuche  gelebt  hat, 
■nd  der  Luft  im  Apparate  beim  Schluss  des  Experimentes. 
Die  Luft,  welche  das  Thier  nicht  nur  im  Ernährungskanal, 
sondern  auch  in  den  Zwischenräumen  der  Haare  und  Federn, 
in  der  Lunge  in  den  Apparat  mitbringt,  setzt  sich  mit  der 
Luft  im  Apparate  allmälig  in's  Gleichgewicht.  Die  Luft  des 
Beiset'schen  Apparates  ist  nun  meistens  viel  kohlensaure* 
reicher,  als  die  äussere  Luft.  Bei  den  Versuchen  6  bis  8 
mit  Kälbern  beträgt  der  Kohlensäuregehalt  8  bis  13  Volum 
pro  mille.  So  viel  Kohlensäure  trifft  man  in  den  echlechteet 
TentiKrten  Ställen  nicht  an.  Henneberg  und  ich  untersuch- 
ten im  Winter  die  Luft  eines  sehr  dicht  belegten  Kuhstalles 
auf  Kohlensäure,  nachdem  Fenster  und  Thuren  eine  Zeit 
lang  geschlossen  gehalten  waren,  und  fanden  nur  2V«  pro 
mille  Kohlensäure  als  Maximum.  Dieses  Uebermass  von 
Kohlensäure  in  der  Luft  des  Apparates  ist  jedenfalls  ein 
unnatürliches  Verhältniss. 

Schon  die  früheren  Versuche  von  Dulong  und  Des- 
pretz  zur  Bestimmung  der  thierischen  Wärme  litten  an  dem 
Gebrechen;  dass  sie  eine  ganz  unrerhältnissmässige  Vermehrung 
des  Stickstoffes  im  Apparate  ergaben,  die  in  nicht  zu  recht* 
fertigender  Weise  als  Stickstoffausscheidung  desThieres  ton 
Vielen  angenommen  wurde;  von  Lieb  ig  hat  bereits  im 
Jahre  1845  (Annalen  der  Chemie  Bd.  53.  S.  76)  nachge- 
wiesen, dass  eine  solche  Annahme  geradezu  absurd  und  un- 
möglich ist. 

Nach  diesen  Thatsachen  ist  sicherlich  nichts  weniger 
bewiesen,  als  dass  der  Stickstoff  der  Luft  am  Stoffwechsel 
auch  nur  den  geringsten  Antheil  habe.  Unter  diesen  Um- 
ständen   bleibt  Herrn  Reiset   wohl  nichts    übrig,   als   mit 


214         ßiUtw?  der  math^pkys.  Otau*  vor»  7.  Jfa»  18*4. 


seinem  Apparate  gleichfalls  Controlversuche  zu  machen.  Erst 
dann,  wenn  er  beim  Verbrennen  von  mehr  und  weniger 
Stearin,  bei  grösserer  oder  geringerer  Thätigkeit  der  Kali- 
Pipetten,  welche  die  Kohlensäure  absorbiren  u.  8.  w.  genau 
so  viel  Kohlensäure  erhält  und  Sauerstoff  verbraucht,  als 
die  Elementaranalyse  des  Stearins  verlangt,  und  erst  wenn 
sich  dabei  daa  Stickstoffvolum  in  seinem  Apparate  unter 
verschiedenen  Umständen  während  einer  Yersnchsdauer  von 
12  bis  24  Stunden  gleich  bleibt,  können  seine  Angaben  über 
die  Ausgabe  und  Einnahme  von  gasförmigem  Stickstoff  wieder 
in  Betracht  gezogen  werden,  bis  dahin  muss  man  sie  zu 
den  Dingen  zählen,  welche  ebenso  grundlos  behauptet  wer- 
den, als  sie  unwahrscheinlich  sind. 

Und  wenn  sich  auch  diese  Ausscheidung  gasförmigen 
Stickstoffes  wider  alle  Wahrscheinlichkeit  nicht  ganz  als 
Täuschung  erweisen  würde,  so  wäre  dennoch  die  bisherige 
Methode  von  Begnault  und  Reiset  für  den  Beweis  unzu- 
reichend. Wer  behaupten  will,  dass  Stickstoff  sich  zeitweise 
auch  gasförmig  aus  den  Bestandteilen  der  Nahrung  und 
des  Körpers  entwickeln  könne,  muss  auch  nachweisen,  dass 
dieser  Stickstoff  der  treffende  Bruchtheil  des  gesammten 
StickBtoffumsatzes  im  Körper  ist.  Er  muss  ebenso,  wie  es 
Voit,  Bischoff,  Henneberg,  Lehmann  und  Ranke  gethan 
haben,  durch  eine  bestimmte  Quantität  Nahrung  einen 
Gleichgewichtszustand  des  Körpers  herstellen,  bis  sich  Um- 
satz und  Ersatz  genau  entsprechen,  und  dann  muss  nachge- 
wiesen werden,  wie  viel  von  dem  Stickstoffgehalt  der  täglich 
umgesetzte^  Nahrung  in  den  gasförmigen,  und  wie  viel  in 
den  flüssigen  und  festen  Excreten  erscheint.  So  lange  diese 
Bilanz  nicht  klappt,  so  lange  sind  Fehler  an  den  Apparaten 
oder  Methoden  zu  verbessern. 


Gümbd:  Knochenbett  und  Pflantensehickten  Franken*.  215 

Herr  G  um  bei  hielt  einen  Vortrag: 

„Ueber  das  Knochenbett  (Bonebed)  und  die 
Pflanzen  -  Schichten  in  der  rhätischen 
Stufe  Frankens." 

Die  Untersuchungen  über  die  Grenzgebilde  zwischen 
Trias  und  Lias,  mit  welchen  sich  in  jüngster  Zeit  so  viele 
Geognosten  in  so  vielfacher  Weise  beschäftiget  haben, 
geben  uns  in  dem  ausseralpinen  Gebiete  Bayerns  —  in 
Franken  —  Veranlassung  zur  Erörterung  einer  besonders 
interessanten  Frage. 

Die  Gebilde  der  triasischen  und  jurassischen  Forma- 
tionen, welche  sich  in  dem  grossen  Dreieck  zwischen  der 
r echt sr h einischen  Urgebirgskette (Schwarzwald  und  Oden- 
Wald),  dem  hereynischen  GebirgBsystem  (Thüringer- 
Wald,  Fichtelgebirge  und  ostbayer.  Grenzgebirge)  ausbreiten, 
gehören  unzweifelhaft  ein  und  demselben  Entwicklungagebiete 
an  und  lassen  demgemäss  eine  grosse  Uebereinstiramung  in 
Bezug  auf  Gesteinsbeschaffenheit,  Gliederung  und  auf  die 
Art  ihrer  organischen  Einschlüsse  erwarten. 

Dieses  Gebiet  ist  für  die  jurassischen  Formationen, 
für  Lias,  Dogger  und  Jura  (weissen  Jura)  fast  allseitig 
strenge  abgeschlossen  und  steht  nur  unter  Vermittlung  ge- 
wisser Schichten,  welche  bei  Schaff  hausen  über  deb 
Rhein  treten  und  südlich  fortsetzen,  in  entfernterer  Verbindung 
mit  den  gleichaltrigen  Ablagerungen  in  dem  eigentlichen 
Juragebirge  und  in  den  Alpen.  Daher  schliessen  sich 
die  in  diesem  engeren  Distrikte  verbreiteten  jurassischen 
Ablagerungen  für  sich  zu  einer  besonderen  Provinz  —  dem 
schwäbisch-fränkischen  Kreise  —  ab,  welche  durch 
gewisse  Eigentümlichkeiten  in  der  Beschaffenheit  der  Stein* 
masse  der  verschiedenen  Stockwerke,  Stufen  und  Schichten, 
durch  reichere  oder  ärmere  Entwicklung   gewisser  Lagen, 


216         Sitotmg  dir  math.-phy*  dam  vom  7.  Mai  1864. 

endlich  auch  in  Bezog  auf  Fülle  und  Art  der  Versteiner- 
ungen ebenso  sehr  mit  den  Gebilden  innerhalb  ihres  Gebietes 
Uebereinstimmungen,  als  sie  von  den  benachbarten  jurassischen 
Provinzen,  —  den  alpinen,  Jura-nordfranzesischen 
und  englischnorddeutschen  —  deutliche  Verschieden- 
heiten zeigt. 

Mit  der  Trias  erweitert  sich  die  Grenze  dieses  Ge- 
bietes selbst  weit  über  die  Linien  des  vorhin  gezogenen 
Dreiecks,  so  dass  wir  eigentlich  bei  diesen  alteren  Sedi- 
mentgebilden nur  von  einem  grösseren  Unterschied  zwischen 
alpiner  und  ausseralpiner  TriaB  zu  sprechen  pflegen. 
Doch  verleugnet  sich  auch  bei  den  Ablagerungen  dieser 
geogno8tischen  Periode  die  grössere  Verwandtschaft  in  der 
Entwicklung  der  Schichten  an  benachbarten  Punkten  gegenüber 
jener  in  weit  auseinander  Hegenden  Gegenden  nicht.  Die 
Beschaffenheit  gewisser  Glieder  der  jüngsten  Trias,  des 
Keupers,  in  Schwaben  und  in  dem  unmittelbar  ange- 
schlossenen Franken  wird  hierfür  die  Belege  liefern. 

In  Schwaben  schliesst  der  Keuper  nach  oben  gegen 
den  Lia8,  wenigstens  stellenweise,  mit  einem  Schichtencom- 
plexe  ab,  welcher  in  der  neuesten  Zeit  als  einer  der  wich- 
tigsten und  weit  verbreitetsteai  Gebirgsglieder  der  Sekundär- 
periode erkannt  wurde.  Es  sind  diese  die  Schichten,  auf 
welche  hier  zuerst  Bergrath  Alberti  (Beitrage  zu  einer 
Monogr.  d.  bunt.  Sandst.  Muschelk.  und  Keupers,  Stuttgart 
1834)  die  Aufmerksamkeit  gelenkt  hat,  indem  er  in  diesem 
von  ihm  „versteinerungsreichen  Sandstein  von 
Tübingen"  genannten  Schichten  organische  Ueberreste 
eigentümlicher  Art  nachwies.  Dieser  praktische  Gebirge- 
Forscher  setzte  den  feinkörnigen,  harten,  gelblichen  Sand« 
stein  voll  von  Zähnchen,  Knochen  und  Muscheln  bereits 
ganz  richtig  in  das  Niveau  des  obersten  Keupers. 

Audi  Quenstedt  beschreibt  diese  Grenzbildung  gegen 
den   höherfolgenden  Lias  bereits    in    seinem  „Flöttgebirge 


OümM:  Ekoehekbm  w*ä  Fflm*$m*chichtm  Fnmkms.      217 

Württembergs  1843  S.  110  sehr  ausführlich  als  gelben 
Sandstein,  der  ganz  oben  den  rothen  Thonletten  des  Keepers 
bedecke  und  aas  einer  Reihe  äusserst  feinkörniger,  barter, 
oftmals  gesitteter  |  in  mannigfaltigem  Wechsel  durch  gelb« 
graue,  aber  niemals  rothe  Lettenlagen  von  einander  geschie- 
dener Sandsteinbänke  bestehe,  in  den  untersten  Bänken  finden 
sich  nach  seinen  Beobachtungen  niemals  Petrefakten,  in  den 
oberen  Lagen  zeichnen  sieh  aber  schwarze  fitssrige  Kohlen» 
reate,  welche  in  kleinen  eckigen  Brocken  im  Sandstein  ser*» 
streut  liegen,  sehr  ans,  und  endlich  stellen  sich  in  den 
aUerobersten  Partieen  auch  einige  Muscheln  ein:  Modiola, 
Arieula,  Mjraciten,  dickschalig,  wie  die  durch  Dr.  Ber- 
ger aas  der  Koburger  Gegend  bekannt  gewordenen  Thalas- 
siten  (Gardinia),  ferner  Knochen,  Zähne,  Schuppen  und 
Koprolithen.  Diese  Schiebten  stellte  Quenstedt  schon 
damals,  obwohl  sie  sehr  rerwandt  mit  dem  Knochenbett  der 
Lettenkohlenbildung  seien,  gleichwohl  bestimmt  den  in 
Sftdengkaid  schon  1824  durch  Buckland  und  Cony- 
beare  (Transact.  geol.  Soc.  2  Ser.  toI  I.  p.  301)  nachge- 
wiesenen, knochenreichen  Schichten  gleich,  welche  man  in 
England  Bone-bed  nannte. 

Dieses  richtige  Erkennen  der  Parallelstellung  einer 
eontinentalen  und  englischen  Schicht  durch  Quenstedt 
und  die  Gewinnung  eines  so  bestimmt  orientirenden  Ho- 
rizontes müssen  als  ein  bedeutender  Fortschritt  in  der 
Kimntniss  des  Sekundargebirges  bezeichnet  werden.  Denn 
ausser  in  Schwaben  wurde  die  gleiche  Schichtenlage  noch 
an  zahlreichen  Punkten  Englands  (Strickland,  Proc.  of 
Ol  geol.  Soc.  Vol.  HL  p.  585  und  732,  Vol.  IV.  p.  17; 
Murchison,  Geol.  of  Cheltenham  1845  p.  54),  in  Irland 
(Port Und  in  GeoL  rep.  on  Londonderry  p.  80)  und  in 
Frankreich  zu  Valognes  in  der  Normandie  (Defrance,  Ann. 
d.  L  soc.  Linn.  d.  1.  Normandie),  auch  bei  Lyon  (Leymerie 
in  M6m.  d.  L  soa  geol.  de  Fr.  Vol.  III.)  nachgewiesen. 


219  Sitowty  der  math.*ph*$.  QUmt  4**  7.  Mai  18G4. 

In  ein  ganz  neues  Stadium  trat  die  Bedeutung 
Schichtencomplexes  durch  die  wahrhaft  epochemachenden 
Resultate,  zu  welchen  1856  Prof.  Oppel  und  Süss,  ge- 
stützt auf  die  Vorarbeiten  der  österreichischen  Reiohsgeo* 
logen,  namentlich  die  Frz.  v.  Hauer's,  dann  auf  jene 
der  Schweizer  Gebirgsforscher  Escher's  v.  d.  Linth 
i#id  Pet  Merian's,  durch  Untersuchungen  und  Vergleich- 
ungen  alpiner  und  ansseralpiner  Versteinerungen,  gelangten, 
indem,  sie  dasBonebed  und  die  begleitenden  Muschel- 
bänke  Schwabens,  Englands  und  Frankreichs 
für  die  Aequivalente  der  in  den  Alpen  an  so  zahl- 
reichen Punkten  nachgewiesenen  und  wegen  ihres  Reich-, 
thums  an  charakteristischen  Versteinerungen  für  die  Orien* 
tirung  höchst  wichtigen,  sogenannten  Kö ssener  Schich- 
ten erklärten  (Sitz.  d.  kais.  AkacL  d.  Wiss.  in  Wien  Bd. 
XXL  S.  535.  Juli  1856).  Damit  war  einer  der  besten,  bis 
dahin  nur  erst  ganz  spärlich  festgestellten  Horizonte  für  die 
Parallelisirung  alpiner  und  ausseralpiner  Ablagerungen  ge- 
wonnen, dessen  Erkennen  der  geognostischen  Erforschung, 
namentlich  der  Alpen,  die  schönsten  Erfolge  sicherte,  und 
allerorts  zu  sorgfaltigeren  Nachforschungen  nach  diesen  Ge-> 
hirgßgliedern  aufmunterte. 

So  kam  es,  dass  innerhalb  weniger  Jahre  diese  Grens* 
schicht  nicht  bloss  ausserhalb  der  Alpen,  in  dem  Gebiete 
der  Entwicklung  von  vorherrschend  sandigen  Ablagerungan 
oder  in  dem  extralpinen  rhätischen  Reiche,  wie 
man  dieses  Verbreitungsbezirk  gegenüber  dem  alpinen 
rhätischen  Reiche  mit  vorherrschend  kalkiger  Natur 
seiner  Gesteine  nennen  könnte,  an  unzähligen,  bisher  unbe* 
kannten  Orten,  selbst  in  Norddeutschland  gefunden  wurde, 
sondern  auch,  dass  dieser  Horizont  innerhalb  der  Alpen  auf 
beiden  Gehängen  derselben  und  in  dem  grossen  Alpenge«* 
birgssystem  überhaupt  von  der  Schweiz .  bis  nach  Ungarn  und 
Galizien,  neuerlichst  selbst  bis  zum  Himalaya  sich  erweitertet 


Q*mM:  JBtoefttufetf  und  PßmutmsekkMm  Frankens.      219 

In  den  Alpen  wächst  die  Mächtigkeit  der  zu  dieser 
Stufe  zu  rechnenden  Gestemsbänke  häufig  bis  zu  mehreren 
Hunderten,  ja  Tausenden  von  Füssen.  So  gewinnt  dieses 
Schichtensystem  nicht  nur  vermöge  seiner  eigentümlichen, 
sehr  bestimmt  gesonderten  Fauna,  sondern  auch  durch  seine 
sehr  grosse  Verbreitung  ausser-  und  innerhalb  des  alpinen 
Gebiigssjstemes  und  ansehnliche  Mächtigkeit  die  Bedeutung 
eines  in  sich  abgeschlossenen  geognostischen  Ganzen.  Aus 
diesem  Grunde  habe  ich  1858  (Amtl.  Bericht  a.  d.  XXXIV. 
Versammlung  d.  Naturf.  1859  8.  84.)  den  Vorschlag  ge- 
macht, diese  eigentümliche  Zwischenbildung  zwischen  Keuper- 
mergel  und  unterstem  Lias  mit  der  Bezeichnung  rha  e tische 
Stufe,  —  weil  diese  Schichten  in  den  rhaetischen 
Alpen  am  grossartigsten  entwickelt  sind,  —  zu  belegen 
und  als  ein  gesondertes  Glied  den  triasischen  Formationen 
-anzuschlie88en.  Diese  Bezeiehnungsweise  hat  sich  bereits 
mehrfach  der  Zustimmung  österreichischer  und  englischer 
Geologen,  welche  sich  derselben  bedienen,  zu  erfreuen. 

Je  ausgedehnter  der  Nachweis  der  Verbreitung  dieser 
interessanten  Bchichtenstufe  in  den  triasischen  Bezirken  in- 
nerhalb und  ausserhalb  der  Alpen  ist,  desto  auffallender 
müsste  es  scheinen,  wenn  in  dem  engeren  und  offenbar  zusam- 
menhangenden, schwäbisch-fränkischen  Distrikte,  obwohl  in 
dessen  sudlichem  oder  schwäbischem  Antheil  das  Bonebed 
und  seine  Muschellage  so  reichlich  verbreitet  sind,  die 
nördlichen  Gegenden,  d.  h.  Franken  sich  dieser  Bildung 
nicht  zu  erfreuen  hätten« 

Zwar  sind  auch  in  Württemberg  nicht  allerorts  die 
•Verhältnisse  dieser  Schichten  die  gleichen.  Quenstedt 
hebt  in  seinem  „Jura';  8.  25  bereits  die  üngleichartigkeit 
der  Entwicklung  hervor,  indem  er  anführt,  dass  der  charak- 
teristische gelbe  Sandstein  nur  auf  den  Bergen,  die  mög- 
lichst ferne  vom  Rande  der  Alpe  liegen  und  auch  hier  nur 
in  der  Sff.  Hälfte,  nicht  auf  der  NO.  vorkomme.    Dem- 


220         Btonmg  der  mertb.-gfrt,  Clam  «wt  7.  Jfii»  J0ftt 


nach  würde  nach  NOM  d.  h.  gegfen  den  fränkischen  Bezirk 
*u  schon  in  Schwaben  eine  sichtliche  Verminderung  oder 
ein  gänzliches  Erlöschen  der  Zwischenhildung  eintreten* 

In  Frauken  und  in  dem  angeschlossenen  coborgisohen 
Gebiete  sind  seit  sehr  langer  Zeit  schon  Ablagerungen  be- 
kannt y  welche  ebenfalls  zwischen  den  oberen  Lagen  des 
Reupera  and  den  tiefeten  des  hier  entwickelt«!  Lias  gestellt 
«Od.  Sie  enthalten  einige  wenige  Steinkarne  von  Muscheln, 
vorzüglich  aber  sehr  zahlreiche  und  prachtvolle  Pflanzen- 
reste, welche  ihnen  zwar  eine  grosse  Berühmtheit  verschafft 
haben,  jedoch  nicht  geeignet  schienen,  über  ihre  Einreihung 
in  diese  oder  jene  Formation  vollgültig  zn  eotcheiden. 

Berger  war  wohl  der  erste,  welcher  (Versteht,  der 
fische  und  Pflanzen  im  Sandsteine  der  Coburger  Gegend 
1832)  die  hierher  gehörigen  Vorkommnisse  wissenschaftlich, 
aber  ohne  gehörige  Sonderung  der  verschiedenen,  über  einr 
•ander  liegenden  Sandsteinbänke  beschrieb.  Er  exUirte 
die  betreffenden  Schichten  für  unteren  Lias  und  hob  be- 
sonders das  Vorkommen  der  von  ihm  Thalassides  ge- 
nannten Gardinien  hervor.  (N.  Jahrb.  von  v.  Leonh.  u. 
Bronn  1833.  S.  70.) 

Zunächst  später  wurden  die  Pflanxenreste  ans  der  Ge- 
gend von  Bamberg  in  dem  unter  dem  Einflüsse  Graf  von 
Münster 's  entstandenen  „Verzeichnisse  der  Versteiner- 
ungen in  der  Kreisnaturalien -Sammlung  zu  Bayreuth"  m> 
wähnt  und  das  sie  umschliessende  Gestein  der  K  eup er- 
Formation zu  gerechnet  (Vergl  1.  e.  S.  86—88),  wohl 
mit  Einschluss  einiger  unmittelbar  ausgelagerten  Sandstein- 
Platten,  welche  die  liasischen  Asterias  lumbrioalis  be- 
herbergen, aber  im  Ganzen  doch  richtig  aufgefasst.  Diese 
Bamberger  Fundstätte  bezog  sieh  hauptsächlich  auf  die 
Steinbrüche  von  Strullendorf,  aus  welchen  der  bam- 
berger Gelehrte  Dr.  Kirchner  die  prachtvollen  Pflanzen- 
reste eifrigst  sammelte. 


GOmtol:  KnochmbeU  mä  PfimumtduMim  Frunkms.       221 

Bis  dahin  scheinen  bloss  die  Steinbruche  bei  Bamberg 
mit  ihren  Pflanzen-führenden  Lagen  in  Franken  bekannt  ge- 
wesen zu  sein.  Den  vereinten  Bemühungen  dee  Grafen  von 
Munster  und  Prof«  C.  Fr.  W.  Braun  in  Bayreuth  hat  man 
es  sn  danken,  dass  wenige  Jahre  später  dieselben  und  wohl 
noch  reichere  Lagerstätten  an  mehreren  Punkten  in  dar 
nächsten  Nahe  ron  Bayreuth  entdeckt  wurden«  Schon  1886 
schreibt  Gr.  v.  Münster  (N.  Jahrb.  von  y.  Leonh.  «. 
Bronn  1886  S.  509)  von  diesen  neuen  Fundstellen,  und 
ihren  schönen  Pflanzenresten,  von  denen  ein  Thefl  in  Stern- 
borg9  a  Flora  der  Vorwelt  beschrieben  wurde,  ohne  dass  aber 
der  Ort  genannt  wurde.  Es  war  diese  neue  Fundstelle  bei 
dem  Orte  Theta  NO.  von  Bayreuth,  Münster  nennt 
auch  hier  noch  die  einschliestenden  Schichten  geradem 
„Ken  per". 

Audi  Theodori  erwähnte  1840  in  seiner  für  den 
damaligen  Stand  der  Wissenschaften  wahrhaft  bewunderungs- 
würdigen *  durch  lithologische  Genauigkeit  ausgezeichneten 
geognostisch-potrefaktologischen  Uebereicbt  aller  Abteil- 
ungen der  liasformation  von  Sans  (gedruckt  bei  M.  fteindl 
in  Bamberg  1840)  unter  der  Abtheilung  Eeuper  1,  2 
und  3  denselben  Schichtencomplex ,  fugt  jedoch  unter  der 
Bezeichnung  4,  Qoercites-Sandstein,  eine  Schichtenlage 
dem  unteren  Liassandstein  hinzu,  welche  ich  nach  Unter- 
suchung der  Original-Stellen  wohl  nur  für  eine  Modification 
seiner  dem  Keuper  beigezählten  3.  oder  Equiseten  -  Sand- 
stein-Schicht halten  kann. 

Dr.  G.  Fr.  W.  Braun  in  Bayreuth  gebührt  das  Ver- 
dienst zuerst  in  v.  Münsters  Beiträgen  (Heft  VI.  S.  1  1843) 
den  Versuch  einer  möglichst  vollständigen  und  systematischen 
Beschreibung  dieser  Pflanzeareete  versucht  und  zugleich 
viele  neue,  sehr  ergiebige  Fundstellen  in  der  Nähe  von 
Bayreuth  ausfindig  gemacht  zu  haben.  Er  erklärte  damals  die 
Schichten,  welche  jene  Pflanzen-führenden  Thonlsgen  in  kleinen, 


222         Stomg  der  ma&.-phys.  Classc  wm  7.  Mai  1661. 


muldenförmigen ,  und  daher  von  ihm  „Oasen"  genannten 
Vertiefungen  einschHessen,  für  unteren  Liassandstein. 

Auch  in  dem  nördlichen  Franken  wurde  eine*  sehr  er- 
giebige Lagerstätte  in  den  Steinbrüchen  am  Lindig  bei 
Veitlahm  unfern  Culmbach  entdeckt.  Der  Rentbeamte 
Weltrich  in  Culmbach  brachte  aus  diesem  Lager  eine 
prachtvolle  Sammlung  der  interessantesten  Pflanzenüberreste 
zusammen,  von  denen  auch  v.  Schauroth  (Zeitsch;  d.  d. 
Geol.  Ges.  1852.  Bd.  IV.  S.  542)  spricht.  Indem  dieser 
Forscher  das  Veitlahmer  Pflanzenlager  und  seine  geog- 
nostischen  Verhältnisse  genau  beschreibt,  bleibt  er  unschlüs- 
sig, ob  dasselbe  eher  dem  Keuper  als  dem  Lias  einzuver- 
leiben sei,  obwohl  er  es  für  genau  identisch  mit  dem  von 
Strombeck  (Zeitsch.  d.  d.  geol.  Ges.  IV.  S.  54)  als  ober- 
stenKeupersandstein  bezeichneten  Gebilde  Norddeutsch- 
lands erklärt. 

Ausführlicher  spricht  sich  derselbe  Geognost  über  diese 
Gegenstände  185»  (Zeitsch.  d.  d.  geol.  Ges.  V.  S.  734) 
aus.  Er  hält  hierbei  für  diese  Pflanzen-führenden  Schichten 
(Veitlahm-Theta)  an  dem  Niveau  des  „gelben  Sandsteins 
Quenstedt's  in  Würtemberg"  und  des  „obersten  Keuper- 
Sandstein8  v.  Strom beck's  im  Braunschweigischen1',  also 
an  dem  Niveau  der  Bonebedschichten  fest,  glaubt  jedoch 
"wegen  der  mehr  der  Liasgrenze  folgenden  Verbreitung  des 
'Gesteins,  gemäss  seiner  petrographischen  Beschaffenheit  und 
endlich  nach  seinen  organischen  Einschlüssen  dasselbe  zum 
Lias  ziehen  zu  müssen. 

Die  Mittheilungen  Pfaffs  (N.  Jahrb.  1857;  S.  4) 
beziehen  sieh  niebr  auf  die  mittleren  fränkischen  Bezirke 
und  bezeichnen  den  weissen,  dort  in  zahlreichen  Steinbrüchen 
aufgeschlossenen  Bausandstein,  auch  jenen  mit  pflanzen- 
führenden Zwischenlagen  an  der  Jägersburg,  als  oberstes 
Glied  des  Keupers. 

Im  Jahre  1858  glückte  es  mir,  die  ersten  Spuren  von 


GHmbel:  Knochenbett  und  Pflantenschichten  Frankens.        223 

dem  Vorhandensein  auch  das  Bonebed  als  solches  durch 
den  Fand  eines  Sargodon  tomicus  und  zwar  gerade  in 
den  auch  durch  Pflanzen-Einschlüsse  so  reichen  Steinbrüchen 
Ton  Strullendorf  bei  Bamberg  über  diesen  Pflanzenschichten 
und  unterhalb  des  Lias  zu  constatiren  (N.  Jahrb.  von  v. 
Leonh.  u.  Bronn  1858  S.  550) *).  Ich  erklärte  demnach 
diesen  ganzen  Schichten  com  plex  als  ein  A  äquiva- 
lent der  das  Bonebed  einschliessenden  Sandstein- 
Gebilde.  AuchCredner  bezeichnet (N.  Jahrb.  1860  S.  314) 
eine  Reihe  der  pflanzenfuhrenden  Schichten  bei  Koburg  und 
im  nördlichsten  Franken  über  dem  bunten  Eeupermergel 
und  unter  dem  Sandschiefer,  Schieferthon  und  Sandstein,  in 
welchem  er  bei  Oberfüllbach  einen  Ammonites  planor- 
bis  (A.  psilonotus  Qu.)  entdeckte,  als  Bonebed- 
Schichten  und  giebt  folgendes  Generalprofil  der  Aufeinan- 
derfolge dieser  Gesteinsreihe  in  Nordfranken. 


£. 

Mittlerer  Lias 

Ammonites  costatus 

D. 

Obere  Gruppe  des 
unteren  Lias 

« 

dunkelgraue  Kalksteine  und 

Mergel 

(ß  und  y  Quenstedt's) 

C. 

gegen   30' 
mächtig 

Sandschiefer,   Schiefer- 
Thon   und  Sandstein 
(a  nach  Quenstedt.) 

Cardinia  trigona  (die  sog, 

Coburg.  Muschelbank 

bildend) 

Ammonites  psilonotus  ^IAma 

Hammanni,  Asterias  lum- 

bHcaliSjPentacrmus,  Ostrea 

spec. 

B. 
10' „ 

Grauer  Thon  und 

Schieferthon 

—  Bonebed  -  Thon  — 

Cycadeen    (am    häufigsten 

Zamites  brevifolius)  Sphe- 

nopteris. 

Clathropteris 

A. 

40'  ,, 

Gelber  Sandstein 
— Bonebed-Sandstein — 

bisweilen  mit  Pflanzenresten 
Anodonta  postera  ■) 

1)  Die  Angabe  Dr.  Schrüfer's  in  „Ueber  Juraform,  in  Franken 
1861"  S.  8  ist  diesem  nach  zu  berichtigen. 

2)  Mit  diesen  Anodonta  postera  ist  es  eine verhangnissYolle 
[1864. 1.  4.]  16 


224  Sitzung  der  tnath.-phys.  Clam  vom  7.  Mai  1864. 

Keupermergel. 

Dieses  Profil  ist  für  unsere  späteren  Vergleichungen 
von  grösster  Wichtigkeit. 

Dr.  C.  Fr.  Wilh.  Braun  in  Bayreuth  hat  nach  mehreren 
älteren,  die  Pflanzenreste  dieser  Stufe  betreffenden  Arbeiten 
diese  neuerlichst  wieder  aufgenommen.  (Die  Thiere  in  den 
Pflanzenschiefern  der  Gegend  von  Bayreuth,  Schulprogramm 
1859/60  und  Sitzungsb.  d.  k.  geol.  Reichsanstalt  7.  Januar 
1862  Bd.  XU.  S.  144)  Er  hält  die  Stellung  des  betreffen- 
den Schichtensystemes  noch  für  unentschieden  und  giebt 
dieser  Ansicht  dadurch  Ausdruck,  dass  er  die  Bildung 
Liaskeuper  nennt;  wenigstens  wählt  er  zur  Artenbezeichnung 
das  Beiwort  „liaso-keuperinus"  sehr  häufig.  Bezüglich  der 
Bildung  selbst  glaubt  er  annehmen  zu  müssen:  „dass  die 
Glieder  dieser  oberfränkischen  Bonebed-Gruppe  nicht 
aus  Schichten  von  weiter  Verbreitung  bestehen,  sondern 
mehr  örtlicher  Natur,  auf  kleineren  Raum  beschränkte  Er- 
zeugnisse sind,  welche  nach  der  Periode  des  Keuperabsatzes 
und  zu  gleicher  Zeit,  als  die  Bildung  der  unteren  Lias- 
Schichten  aus  dem  nahe  gelegenen  Meere  erfolgte,  ent- 
standen." Noch  deutlicher  spricht  sich  derselbe  Forscher 
über  diese  vermeintliche  Faciesbildung  aus:  „Der  Bonebed- 
Sandstein  ohne  Bonebed  und  ohne  jede  andere  Iiasmuschel 
tritt  nicht  unter  dem  Lias,  sondern  neben  demselben 
auf.    Er  ist  das  Landerzeugniss  zur  Zeit  des  Absatzes  des 


Geschichte.  Credner  erwähnt  sie  (L  c.  S.  312),  wahrscheinlich 
nach  mündlichen  Angaben  v.  Schauroth's,  als  Einschluss  der 
sogenannten  Gurgenkern- Schichten.  Mein  sehr  verehrter 
Freund  erklärte  nun  aber  bei  meinem  Besuche  in  Coburg,  dass  Nie- 
mand eigentlich  recht  wisse,  was  die  ächten  Gurgenkern •  Schichten 
eeien  und  dass  jener  Fund  einer  unzweifelhaften  Anodonta 
postera  nicht  sicher  gestellt  sei.  Darnach  fallt  Schrüfer's  An- 
gabe (1.  e.  S.  6)  von  selbst  weg. 


Gümbd:  Knochenbett  und  PflcmeemcUcUen  Frankens.       225 


marinischen  Lias  vom  untersten  Gliede  bis  hinauf  zu  dem 
Poadonien-Schiefer.  Die  Vegetation  der  thonigen  Einlager- 
ungen in  demselben  ist  jene  der  Gestade  der  liasmeere, 
die  Fortsetzung  jener  des  Eeupers.  Das  Pflanzen- 
lager von  Theta  horizontirt  mit  dem  unteren,  jenes  von 
Veitlahm   bei   Kulmbach    fällt    mit    oberem    Lias    zu- 


sammen." 


Mein  verehrter  Bayreuther  Freund  denkt  sich  mithin 
den  Bonebed-Sandstein  ohne  Bonebed,  wie  er  meint  —  den 
er  lieber  Palissyen-Sandstein  (wegen  der  häufigen 
Einlagerung  der  Palissya  Brauni  Endl.)  nennen  möchte  — 
als  eine  blosse  Facies  des  gesammten  Lias.  Ich  bedauere 
dieser  geistreichen,  aber  nicht  auf  direkte  Beobachtungen 
gegründeten  Theorie  nicht  zustimmen  zu  können,  weil,  wie 
ich  in  den  folgenden  zahlreichen  Profileü  unzweideutig  nach- 
weisen werde,  überall  durch  ganz  Franken  der  Lias  in 
seiner  Ganzheit,  in  welcher  er  überhaupt  hier  entwickelt  ist, 
normal  über  und  nur  in  Folge  von  Dislokationen  und 
Schichtenneigungen  neben  dem  sog.  Palissyen -Sandstein 
lagert.  Die  Braun'sche  Ansicht  sehen  wir  von  einem  dank- 
baren Schüler  Braun's  Herrn  Dr.  Popp  fast  wörtlich 
wiederholt. 

Ich  wende  mich  nun  zur  näheren  Erörtenpg  der  Dop- 
pelfrage: 1)  giebt  es  in  Franken  wirklich  eine 
Schicht,  welche  das  Bonebed  vertritt,  und  2) 
dürfen  die  pflanzenführenden  Gebilde  über  dem 
buntfarbigen  Eeuperlettenschiefer  Frankens  als  Aequiva- 
lente  der  das  Bonebed  begleitenden  Gesteins- 
Lagen  angesehen  werden. 

Wenn  wir  absehen  von  dem  keineswegs  unzweifelhaft 
verbürgten  Vorkommen  der  für  das  Bonebed  sehr  charak- 
teristischen Anodonta  postera,  welches  Credner,  wie  früher 
angeführt  wurde,  erwähnt,  so  ist  bis  jetzt  in  dem  ganzen 
Schien tencompl exe,    welchen    man   fast    einstimmig   wegen 

16» 


226  Sitnmg  der  math.-phys.  Clane  wm  7.  Mai  1864. 

seiner  dem  Bonebed  gleichen  Lagerung  zwischen  dem  ober- 
fiten bunten  Eeuper  und  den  tiefsten  Liasgliedern  als  dessen 
Vertreter  annimmt,  kein  einziger  Ein-  oder  Zweischalerein- 
schluss  nachgewiesen.  Anders  verhält  es  sich  mit  Knochen- 
oder Zahnresten.  Es  ist  bereits  auf  den  Fund  eines  Sar- 
godon  tomicus  in  dem  Steinbruche  von  Strullendorf  hinge- 
wiesen worden.  Bei  einem  Besuche  derselben  Steinbrüche 
im  Sommer  1863  kam  ich  gerade  zur  Zeit  dahin,  wo  durch 
Abräumung  behufs  Gewinnung  des  tiefer  liegenden  Bausand- 
steines die  Schichtfläche  auf  einen  bedeutenden  Raum  bloss- 
gelegt  und  durch  Regengüsse  rein  gewaschen  war.  Bei  dieser 
günstigen  Gelegenheit  entdeckte  ich  nun  in  der  gleichen 
Lage,  aus  der  Sargodon  tomicus  Flien.  stammt,  noch  zwei 
sehr  bezeichnende  Bonebedspecies : 

Ceratodus  cloadnus  Qu. 
Eyhodus  cloacvnus  Qu. 
in  einer  von  Eisenoxyd  durchdrungenen  Sandsteinlage  zu- 
gleich mit  einer  Cardinia  als  Steinkern,  die  zwar  kaum 
eine  ganz  sichere  Bestimmung  zulässt,  jedoch  nach  dem 
Steinkorn  und  seinem  Abdruck  beurtheilt  der  von  Martin 
beschriebenen  Cardinia  actminata  am  nächsten  zu  stehen 
Bcheint.  Sie  wird  als  Cardinia  cf.  acuminata  in  der  Folge 
bezeichnet  werden. 

Ganz  gleiche  Cardinien  hatte  ich  früher  schon  an  vielen 
Punkten  unmittelbar  über  dem  Bausandstein  —  immer  ver- 
einzelt und  nicht  dicht  aufeinander  gehäuft,  wie  in  der 
höher  liegenden  sogenannten  Goburger  Muschelbank  — 
getroffen  und  als  ein  Zeichen  angesehen,  dass  diese  Schicht 
bereits  dem  eigentlichen  Lias  angehöre.  Dieser  Fund  mit 
unzweifelhaften  Bonebed -Knochen  und  ein  zweiter  in  dem 
Steinbruche  bei  Witzmannsberg  zwischen  Sesslach  und 
Coburg,  wo  ganz  dieselbe  Form  der  Cardinia  cf.  acumi- 
nata mit  einem  ebenfalls  sehr  charakteristischen  Bonebed- 
Zahn  (Termatosaurus  ASberiii  Flien.)  zusammen  sich  findet, 


Oümbd:  Knochenbctt  und  Pflamenschichten  Frankens.      227 

und  endlich  die  Mittheilung  meines  Freundes  Prof.  Oppel, 
d&ss  ganz  ähnliche  Cardinien  auch  dem  schwäbischen  Bone- 
bed  nicht  fremd  seien,  lässt  diese  Form  der  Cardinia,  die 
allerdings  von  den  höheren,  folgenden  des  eigentlichen  Liaa 
abweicht,  als  charakteristische  Begleiterin  der  Bonebedschicht 
in  Franken  erscheinen. 

Durch  diese  Sicherstellung  des  Bonebed-Niveau's  in  den 
Steinbrüchen  bei  Strullendorf  gewinnen  die  dort  aufgeschlos- 
senen Profile  erhöhte  Bedeutung,  wesshalb  ich  sie  hier  mit- 
theilte und  zwar,  um  das  Schwankende  der  Grenzgebilde 
selbst  in  den  unmittelbar  aneinander  stossenden  Lagen  zu 
zeigen,  in  drei  in  dem  Thiergartenholz  daselbst  beisammen- 
liegenden Steinbrüchen: 

Profil  A. 

I.  Steinbruch  d.  Wedel.]IL  Steinbruch  d.  Bader. \III.  Steinbruch  d.  Sauer. 


Oberfläche.    |     Oberfläche. 

1) 

3'm:  gelber,  ockriger,  sehr  feiner,  dünn- 
bankig  geschichteter,  selten  dickbankiger 
weisser  Sandstein  mit  Ostrea  sublamel- 
losa,  Panopaea  cf.  Dunker i,    Cardinia 
laevis,  Tancredia  securifonnis,  Cardium 
Philippianum   und    in    ziemlich   reich- 
licher Menge  kleinen  Fischzähnchen  von 
Hyhodus,  wie  auf  der  westlichen  Thal- 
Seite  Bamberg's  an  der  Altenburg  und 
auf  dem  Michelsberge   ober  dem  Roth- 
hofe. 

2) 

3'm :  graublauer  Let- 
tenschiefer mit  weis- 
sen, festen  Sandstein- 
Platten  mit  Cardinia 
laevis 

5'm:      blaugrauer, 
gelbgestreifter    Let- 
tenschiefer, oftmar- 
morirt. 

3) 

2'm:  grauer,  eisen- 
schüssiger    Letten- 
Schiefer  mit  Eisen- 
Schwarten-  u.  -Geo- 
den    und    sandigen 
Zwischenlagen. 

6'm:  gelbgrauer  Let- 
tenschiefer  mit  san- 
digen Thonzwischen- 
lagen      und     zahl- 
reichenEisengeoden. 

228  SUnrng  der  math.-phy$.  Ckutte  vom  7.  Mai  1364. 


4) 


Vm :  Eisenschwarte 
and    gelber    Sand- 
stein. 


1  V*'m  •  Gelber  dünn- 
schichtiger  Sand- 
stein ,  unten  voll 
kugliger  Concretio- 
nen  mit  Gardinia. 


Oberfläche. 
5)  3'm :  grobkörniger, 
gelblicher  Sandstein, 
meist  locker  gebun- 
den    mit    einzelnen 

Pflanzenstengeln   = 
Bonebedt 


Bonebed. 

1— l^tm:  Eisen- 
schüssige, oliven- 
grüne  bis  gelbe,  ge- 
fleckte, thonigeLage 
voll  grober  Sand- 
Körner  mit  Sargo- 
don  tomicus  Flien. 
Ceratodu8  cloacinus  neben 
Qu.  Hybodus  cloac- 
cinus  Qu.  und  Gar- 
dinia cf.  acuminata 
Mart. 


Bonebed« 

3 — 4"m :  rauhe 
Sandstein-Schwarte , 
durGhZersetzung  von 
Schwefelkies  eisen- 
schüssig und  mit 
weissen  Geoden  und 

Fisch-Zähnchen 
Gardinia  cf. 

acuminata  Mart 


6)2*/*— 10'm:  oben 
grünlich  grauer  Let- 
tenschiefer ,  nach 
unten  übergehend  in 
grauen,oftröthlichen, 
zuweilen  intensivroth 
und  grüngestreiften 
Lettenschiefer,  sehr 
wechselnd  mächtig , 
die  Unebenheiten  der 
Unterlage  ausfüllend. 


Unebener  Wellen- 
Boden  mit  grauem 
Thonüberzug. 


Welliger    unebener 
Boden  mitUeberzug 
%  grauen  Thon's. 


7)  V* — 3'm:  meist 
dünnschiefriger,  stel- 
lenweise geschlossen- 
bankiger  (zu  Baustei- 
nertbrauchb.), gelber, 
in's  Olivenfarb.  über- 
spielender ,  stellen- 
weise sich  ganz  aus- 
keilender Sandstein 
mit  einzelnen  rohen 
Pflanzen  Stengeln. 


2'm:     rauher  eisen- 
schüssiger Sandstein 
mit  weissen,  harten 
Geoden,  Schwefel- 
Eiesputzen,einzelnen 

Pflanzenstengeln 
und  grossen  Saurier- 
knochen« 


V — 8'm :  intensiv 
gelber,  auch  weisser, 
blasiger,     schwefel- 

kieshaltiger   Bau- 
sandstein   mit  ein- 
zelnen grossen,  meist 
quer  durchziehenden 

rohen  Pflanzen- 
stengeln. 


Gümbd:  Knochenbett  und  PfkmeenscMchtm  Frankens.      229 


8)  l'm:  stellenweise 
sich  ganz  auskeilende 
Bank  fetten,  grauen 
Lettenschiefers  mit 
den  bekannten  Strul- 
lendorfer     Pflanzen- 


6'm :  grauer,  oft  in's 
Röthliche  spielender 
Lettenschiefer  voll 
Pflanzenreste;  stel- 
lenweise sich  aus- 
keilend. 


6'm:  fetter,  grauer 
oder  röthlicher  Let- 
tenschiefer mit 
schwarzen  Zwischen- 
lagen von  Pflanzen- 
resten. 


resten. 

Haupt -Horizont  des  fränkischen  Pflanzenlagers. 


9)  15— 20'm:  oben 
in  gelbe  Sandstein- 
Schiefer  übergehen- 
der, nach  unten  sehr 
fester,  meist  weisser, 
stellenweise  auch 
gelblicher,  feinkör- 
niger   Bausandstein. 


18'm:  oben:  Sand- 
Stein  mit  thonigen 
Streifen,  nach  unten 
weisslicher  Bausand- 
stein ,  in   der  Mitte 

mit  einer  durch 
eisenhaltige    Putzen 

getigerten  Bank. 


18'— 20'm:   oben 
unregelmässig      ge- 
lagerter, unten 
schöner,feiner,  weiss- 
licher Bausandstein. 


10)  Gemeinschaftliche  Unterlage:  Grauer  und  intensivrother 

Keuperlettenschiefer. 

Zu  diesem  Profile  ist  nur  Weniges  als  Erläuterung 
hinzuzufügen.  Die  Schichten  mit  der  Panqpaea  cf.  Dunkeri 
und  den  sonstigen,  dieser  Stufe  angehörigen  Versteinerungen 
Orientiren  uns,  wie  später  gezeigt  wird,  über  den  Horizont 
des  tiefsten  Lias.  Ich  muss  gleich  hier  Veranlassung  nehmen, 
auf  einen  Umstand  aufmerksam  zu  machen,  der  zu  Miss- 
verständnissen fuhren  könnte.  Es  finden  sich  nämlich  in 
den  Angulatenschichten  und  tiefer  im  ganzen  nördlichen 
Franken  sehr  häufig  Fisch-  und  Saurier-Zähne, 
welche  allerdings  mit  jener  des  ächten  Bonebed  verwandt, 
jedoch  nicht  identisch  sind.  Ich  halte  es  nicht  für  über- 
flüssig zu  bemerken,  dass  ich  ihre  Lage  und  Schichten 
sehr  wohl  von  tiefer  liegenden  (Bonebed)  unterscheide 
und  eine  Verwechselung  beider  um  so  weniger  zu  be- 
fürchten ist,  als  nach  umfassenden  Vergleichungen  beide 
Faunen  strenge  geschieden  sind.  Durch  die  Güte  des 
Herrn  Vorstandes  der  naturforschenden  Gesellschaft  in  Bam- 
berg Dr.  Küster,  für  dessen  freundliche  Unterstützung  ick 


230  Sitzung  der  math.-phys.  (Hasse  vom  7.  Mai  1864. 

hier  meinen  herzlichen  Dank  auszusprechen,  gerne  Veranlas- 
sung nehme,  sowie  durch  eigene,  zahlreiche  Aufsammlungen 
war  ich  in  den  Stand  gesetzt,  mir  diese  Ueberzeugung  zu 
verschaffen. 

Sehr  bemerkenswerth  ist  die  Schicht  6.  Diese  Schicht 
ist  durch  die  intensive  rothe,  dem  Eeuperletten  höchst  ähn- 
liche Färbung,  welche  sie  allerdings  nur  stellenweise  an- 
nimmt —  denn  meist  ist  der  Lettenschiefer  grau  oder  gelb- 
lichgrau —  ausgezeichnet  und  spricht,  da  sie  oberhalb  des 
weissen  Bausandsteins  und  der  pflanzenführenden  Schiefer 
liegt,  durch  diese  Analogie  mit  dem  bunten  Eeuper  zu 
Gunsten  der  Zurechnung  der  letzteren  zu  den  triasischen 
Formationen. 

Ein  zweiter  Steinbruch,  in  welchem  die  Bonebed-Schicht 
direkt  nachgewiesen  werden  konnte,  findet  sich  weiter  N. 
von  Bamberg  zunächst  bei  Witz  man  nsberg  zwischen 
Sesslach  und  Coburg.  Das  dort  in  dem  Steinbruche  ent- 
blösste 

Profil  B.  (Witzmannsberg.) 

zeigt  folgende  Einzelschichten: 

Oberfläche:  Krume. 

1)  Grobkörniger,  sehr  stark  eisenschüssiger, 
etwas  kalkiger  Sandstein,  nach  dem  benach- 
bart beobachteten,  völlig  gleichen  Gestein 
mit  Arteten  und  Gryphaea  arouata  orientirt, 

=  Arietensandstein  3'm: 

2)  Gelber  Lettenschiefer,  stark  zersetzt  2'm: 

3)  Gelber,  oft  ockriger,  lockerer,  oft  fester 
feinkörniger  Sandstein  in  dünnen  Bänken 
geschichtet  mit  Ammonites  angulatus,  Lima 
pectinoides,  Astarte  pustlla,  Pentacrinus  an- 
gulatus,  Ghemniteia  Zirikeni,  Anatnya  peU 

lucida.  7'm : 


Gimbd:  Knochenbett  und  PflansenscMchten  Frankens.       231 

4)  Grauer  and  gelblicher  Sandsteinschiefer  mit 
FncoideiL  5'm : 

5)  Oben  intensiv  gelber  Lettenstreifen,  darunter 
grauer  Lettenschiefer  mit  Zwischenlagen  von 
Eisengeoden  und  eisenreichen,  wohlgeschich- 
teten Banken  mit  Cardinia  laevis  15'm: 

6)  Feiner,  gelber,  sehr  dichter  Sandstein  in 
grossen  Gesteinslinsen  mit  Panopaea  cf. 
Bunkert  0—  lVm: 

7)  Gelber  Lettenschiefer  mit  weissen,  harten 
Geoden,  und  Schwefelkiesputzen  '/i'm : 

8)  Grobkörniger,  sehr  kieseliger  Sandstein  mit 
zahlreichen,  durch  Auswitterung  kaolinhal- 
tiger  Substanz  und  des  Schwefelkieses  ent- 
standenen blasenähnlichen  Höhlungen,  mit 
kohligen,  grossen  Pflanzen-Stengeln,  vielen 
Steinkernen  der  Cardinia  cf.  acuminata  Mart. 
von  der  charakteristischen  Form  und  mit 
zahlreichen,  meist  ausgewitterten  Knochen- 
Theilchen,  deutlich  erkennbar  Termatosaurus 
Jlbertii  Plien:  —  Bonebedschicht.  —  */• — ll*'m: 

9)  Graue  thonige  und  thonigsandige  Schichten 
von  ungleicher  Mächtigkeit,  putzenartig  aus- 
gebildet voll  Pflanzenreste.  —  Fränk- 
isches Pflanzenlager  —  0 — 3'm: 

10)  Fester  weisslicher,  oft  gelblicher  Bausand- 
stein 20'm : 

11)  Bunter  Kenperletten:  Liegendes. 

Ein  Blick  auf  das  früher  gegebene  Profil  lehrt  die 
grosse.  Uebereinstimmung  in  der  Aufeinanderfolge  der  ver- 
schiedenen Schichten.  Von  ganz  merkwürdiger  Gleichförmig- 


282  Sittung  der  math^hya.  Classc  vom  7.  Mai  1864. 

keit  nnd  Eigentümlichkeit  ist  die  Schicht  8,  so  dass  e& 
unter  sonst  übereinstimmenden  Umständen  nirgends  im 
nördlichen  Franken  schwer  wird,  diesen  Horizont  aufzu- 
finden. 

Den  zwei  voranstehenden  Profilen  soll  hier  ein  dritte* 
angefügt  werden,  welches  uns  mit  der  relativen  Lage  einea 
interessanten  Ammoniten  des  Ammonites  Johnstoni  (Stellver- 
treter des  Amm.  planorbis)  bekannt  macht.  Es  ist  der 
Durchschnitt,  den  die  Steinbrüche  auf  dem  Erappenberg 
bei  Lichtenfels  liefern. 

Profil  C.  (Erappenberg.) 
Waldboden  —  Oberfläche. 

1)  Grauer  Schieferthon  mit  Sandsteinzwischen- 
Lagen  voll  Ostrea  sublamellosa ,  Tancredia 
securiformis,  Lima  pectinoides  Area  hettan- 

giensis  und  Ammonites  angulatus  3'm: 

2)  Welliggebogener,  feiner,  gelblicher,  quarziger, 
sehr  fester  Sandstein  mit  Chemnitzia  Zvnkeni, 
Area  Terquemi,  Astarte  spec.,  Mytilus  mir 

nutus  Panopaea  spec.  xjs'm: 

3)  Grauer  Lettenschiefer,  unten  mit  einer  starken 
Brauneisensteinlage  ~  V*  'm : 

4)  Ockriger,  gelber  feiner  Sand  und  Schiefer, 
oft  sich  aufkeilend,  sehr  fein,  oft  quarzig  mit 
Tancredia  securiformis  in  Unzahl,  Hybodus 

sp.  Ostrea  sublamellosa,   Gardina  laevis  0 — l'm: 

5)  Gelber  feiner ,  manchmal  weisslicher  Sand- 
stein, oft  anschwellend,  oft  an  Mächtigkeit 
sich  vereinigend  mit  Ammonites  Johnstoni, 
Ostrea  sublamellosa  DunJc.,  Oardinia  IAsteri, 
Cardium  Philippianum,  Lima  cf.  tecticosta 
Rolle,  Lepidotus  spec.  in  grösster  Häufigkeit 


QümMz  Knochmbett  md  Pflcmsenechichtm  Frankens.       23$ 

aber  eine  höchst  charakteristische  Panopaea 
ähnlich  Dtmkeri  Terg.  und  ein  Pleurophorus 
ähnlich  elongatus  Moore  und  Inoceramus 
Weissmanni  Opp.  0 — 2'm: 

6)  Graner  Schieferthon  3'm: 

7)  Eisenschwarte  nnd  feiner  weisser  Sandstein 
voll   kleiner  Steinkerne,    die  unbestimmbar 

sind,  unten  mit  einer  Thonlage  abschliessend,  4"m : 

8)  Durch  Zersetzung  von  Schwefelkies  rostfar- 
biger, sonst  weisser,  grobkörniger,  sehr 
kieseliger  Sandstein  voll  Höhlungen  z.  Th. 
von  Knochentheilen  herrührend  =  Schicht 

A,  5)  nnd  B,  8)  nnd  mit  Kohlenputzen  l'm: 

9)  Graner  Lettenschiefer  voll  Pflanzenreste,  oft 
sandig,  in  einen  sdhiefrigen  Sandstein  über- 
gehend, auch  röthlich  gefärbt.  (Flora  der 
Palissyen- Schichten.)  0 — 3'm: 

10)  Weiss,  gelbstreifiger,  ziemlich  feinkörniger, 
zuweilen  grobkörniger  Bausandstein  12'm: 

11)  Rother  Eeuperlettenschiefer 

Daran  reiht  sich  unmittelbar  das  Profil  bei  0.  Füll- 
bach, unfern  Eoburg,  aus  welchem  Gredner  (c.  c.  S.  313) 
das  Vorkommen  eines  Ammonites  psüonotus  =  A.  planor- 
b%8  anführt.  Ich  war  nicht  so  glücklich,  hier  die  charak- 
teristischen Ammoniten,  die  überhaupt  äusserst  selten  sind, 
wieder  zu  finden,  konnte  jedoch  durch  die  begleitenden, 
organischen  Einschlüsse  deren  Horizont  feststellen.  Ich  fand 
(Sommer  1853)  daselbst  folgendes  Profil  aufgeschlossen. 

Profil  D.  bei  0.  Füllbach. 
Oberfläche  —  Ackerkrume. 
1)  Sehr  eisenschüssiger,  grobkörniger  Sandstein, 


234  Süsung  der  math.-phys.  Classe  vom  7.  Mai  1864. 

oft  kalkig  anzersetzt  grau,  oberhalb  des 
Ortes  in  gleichem  Horizonte  mit  Gryphaea 
arcuata  =  Arieienbank  lV*'m: 

2)  Gelber  lettiger  Schiefer  mit  sandigen  und 
eisenreichen  Zwischenlagen  7'm: 

3)  Eisenreiche,  kalkige  Sandsteinbank,  durch 
Mangan  blauschwarz  und  ockergelb,  voll 
Ammonites  angulatus,  Ostrea  irregularis,  0. 
sublamellosa,  Lima  punctata,  L.  pectinoides 

Area  pulla,  Pentacrinus  angulatus  2  Va'm : 

4)  Sehr  gelber,  eisenschüssiger,  lettiger  Schiefer 
auf  den  Schichtflächen  voll  zopfähnlicher 
Zeichnungen  und  mit  Fucoiden  2'm: 

5)  Graugelber,  lettiger  Schiefer  mit  Eisenstein- 
Geoden  und  knolligen  Lagen  mit  Fucoiden 

und  Asterias  lumbricaUs  Gdf.  10'm: 

6)  In  zwei  Bänken  eisenhaltiger,  gelblicher, 
harter  Sandstein  mit :  Panopaea  cf.  Dunkeri 
(sehr  charakt.  cf.  Prof.  C;  S.)  Cardinia 
Listeri,  Cardinia  laevis.,  Pleurophorus  cf. 
elongatus,  Ostrea  sublamellosa ,  also  Bett 
des  Ammonites  Johnstoni  oder  planorbis! 

7)  Graugelber  Lettenschiefer  2"m: 

8)  Grobkörniger  eisenreicher  Sandstein,  ähn- 
lich wie  Schicht  6)  Va'm: 

9)  Dünnschichtiger,  thonig  glimmeriger,  grau- 
gelber Sandstein  mit  thonigem,  Eisengeoden 
umschlie88endem  Lettenschiefer  öVs'm: 

10)  Graues  dünnschichtiges,   sandiges  Thonlager 

mit  groben  Sandkörnern  und  Schwefelkies  '/i'm: 


OümM:  Knochenbett  und  Pflantensehiehten  Frankens.     235 

11)  TVeissKcher,  grauer,  stellenweise  intensiv 
rother  'oder  rothgeflammter  Lettenschiefer 
mit  Zwischenlagen  von  eingesprengten,  groben 
Sandkörnern  und  mit  vielen  durch  Zersetzung 
porösen  Thonlagen;  durch  Verwitterung 
plastisch  =  A  6),  B  9)  und  C  9);  mit 
spärlichen  Pflanzenresten  8'm: 

12)  Weisser  Thonsandstein  in  dünnen  Bänken, 
oben  mit  einer  Eisenschwarte,  nach  unten 
übergehend  in  ll%'m: 

13)  Grossbankigen,  weisslichen  und  gelblichen 
Bausandstein  45'm : 

14)  Rothe  und  buntscheckige  Eeuperletten. 

Im  Dorfe  0.  Füllbach  stehen  dieselben  Schichten  an, 
namentlich  ist  die  Arietensandsteinbank  sehr  charakteristisch 
ausgebildet.  Darüben  folgen  an  der  Strasse  nach  Klein- 
Garnstadt  in  unzweifelhafter  Uebereinanderlage  die  sämmt- 
lichen  Liasstufen,  zuerst  die  hellgrauen  Mergel  des  mittleren 
Lias  mit  ihren  flachen  Kalkbänken  voll  Belemnites  paxiU 
losus  und  mit  Ammonites  Davoei  über  35'm,  dann  der 
Amalthee.nthon,  nach  oben  grau  mit  geodenartigen, 
grauen,  in's  Röthliehe  spielenden  Trümmerkalken  voll  Am- 
monites spinatus  in  einem  über  120'  mächtigen  Schichten- 
Complexe.  Die  drauffolgenden  Posidonomyenschichten  sind 
hier  vorzüglich  durch  Monotisplatten  vertreten  mit  auf- 
fallend grosser  Monotis.  Die  noch  höher  liegenden  22a- 
diansschichten  zeigen  sich  merkwürdig  reich  an  Belemnites  irre- 
gtUaris,  Ammonites  Aalensis  und  A.  radians.  Am  Kreuz- 
wege auf  der  Höhe  sind  sie  noch  schliesslich  von  Qpa- 
linusthon  bedeckt,  dessen  weisse  Schalenreste  sogleich 
in's  Auge  fallen.  Höher  ist  der  Dogger  hier  nicht  entwickelt, 
nur  etwas  weiter  0.  fand  ich  auf  dem  Eichberg  zwischen 
M.  Waaungen  und  Plesten  auch  den  Eisensandstein  (Stufe 


236         Bitomg  der  «afk-pfty*.  CUuae  vom  7.  Mai  1864. 

■des  Ammonites  MurcUsonae)  darüber  ausgebreitet.  Einen 
günstigen  Platz  zum  Sammeln  der  hier  prächtigen  Ver- 
steinerungen bieten  bei  Wasungen  in  den  Wasserrissen  die 
€o8tatenschichten. 

Schon    dieses   einzige    Profil    genügt,    die    Unhaltbar- 
Tteit  der  Theorie    unzweifelhaft  darzulegen,    nach  welcher 
dife    pflanzenführenden    Schichten    Frankens     eine   Bildung 
neben,   nicht  unter    dem    Lias   wären.    Aber   hunderte 
yon   Profilen  beweisen    die  unzweideutige   Aufeinanderfolge 
sämmtlicher  Liasstufen  über   der  triasischen  Grenzbildung. 
Die  einzelnen  Steinbrüche  schliessen  diess  freilich  nicht  voll- 
ständig auf,  aber  eine  geognostische  Begehung  der  nächsten 
Umgebung  giebt  uns  in  der  Regel  volle  Aufklärung.    Ich 
will  nur  noch  ein  Profil  erwähnen,  das,  durch  seine  schönen 
Aufschlüsse  und  durch  die  rasche  Aufeinanderfolge  der  ver- 
schiedenen Stufen  ausgezeichnet,   fast  mit  einem  Blicke  den 
.ganzen  über  einander  geordneten  Aufbau  erkennen  lässt.  Es 
findet  sich  dieser  Anfschluss  bei  dem  Orte  Eirchlein  von 
der  Thalsohle    bis    zur  Höhe    des   Reinbergs    (NO.  von 
JBurgkunstadt  und  NW.  von  Culmbach). 

Profil  E.  (Kirchlein-Reinberg.), 
Höhe  des  Reinbergs :  Eisensandstein« 

1)  Opalinusthon  180'm: 

2)  Radiansmergel  15'm: 

3)  Posidonomyenschiefer    mit   vielen    Monotia- 

Platten  60'm: 

4)  Blaugraue  Mergel  und  Trümmergeodenkalk 

voll  Ammonites  spinatus  105'm: 

-5) '  Lichtgraue  Mergel   mit  Ammonites  mar  gar 

ritatus  10'm : 

«6)  Graue    und  gelbliche  Mergel,    unten  meist 
blaugrau  mit  Eisengeoden,  in  der  Mitte  mit 


Chümbel:  Knochenbett  und  PflanzcnsckickUn  Frankens.      237 

kleinen  Kalkknöllchen,  oben  lichtgrau  mit 
einzelnen  Bänken  fleckigen  Mergelkalkes  mit 
Ammonites  fimbriatus,  Plicattda  spinosa, 
Terebratula  nwnismalis,  Spirifer  verrucosus 
etc.  =  Numismälis  Stufe  47'm: 

7)  Arieten&andstein  mit  Gryphaea  arcuata  3'm: 

8)  Ziemlich  grobkörnig  gelber  Sandstein  4'm: 

9)  Feinster,  dünnschichtiger,  gelber,  eisenschüs- 

siger Sandstein  mit  Ammonites  angulatus  3'm: 

10)  Feiner  hellfarbiger ,  dünnplattiger  Sandstein 

mit  Cardinia  laevis  lVm: 

11)  Gelber  lettiger  Thon  8/4ym: 

12)  Eisenschüssiger  gelber  Sandstein  */4'm: 

13)  Eisenschwarte  als  Decke  l"m: 

14)  Dünnschichtiger  Sandstein,  gelblich  weiss  mit 
lichtgranem  Lettenschiefer  voll  Pflanzen- 
reste 4'm : 

15)  Knolligklotziger,  gelber,  grobkörniger,  luckiger 
Sandstein  mit  Pflanzenstengeln  (Bonebedlage)  2'm: 

16)  Grauer  Lettenschiefer  voll  sehr  guterhaltener 
Pflanzen  des  fränkischen  Pflanzenlager's  3'm: 

17)  Bausandstein  bis  zur  Thalsohle  anstehend. 

Aber  selbst  in  den  allermeisten  Steinbrüchen  am  N. 
und  W.  Band  der  fränkischen  Alb  (nicht  so  am  östlichen), 
gehen  die  Aufschlüsse  im  Abraum  mindestens  bis  in  die 
Angulatusschichten,  mehrfach  bis  in  die  Arieten- 
Sandbank.  Wohl  sind  die  Zwischenschichten  zwischen 
den  Angulatenbänken  und  dem  Bausandstein  sehr  wechselnd 


238  8üzung  der  math.-phys.  Olasse  vom  7,  Mai  1864. 

zusammengesetzt,  verschieden  mächtig  und  unbeständig  in 
der  horizontalen  Ausbreitung,  selbst  in  ein  und  demselben 
Steinbruch.  Dadurch  verwischt  sich  das  einheitliche  Bild, 
das  man  sich  für  eine  bestimmte  Gesteinsstufe  zu  machen 
pflegt,  allerdings  leicht.  Aber  diese  Stufen  sind  doch  immer 
vorhanden,  wenigstens  angedeutet. 

Aus  den  zahlreichen  Aufschlüssen,  die  ich  in  den  Stein- 
brüchen des  nördlichen  Frankens  untersucht  habe,  will  ich 
nur  noch  zwei  hervor  heben,  welche  sich  durch  den  Reich- 
thum  der  Schichtenentwicklung  oder  ihrer  organischen  Ein- 
schlüsse vor  den  übrigen  auszeichnen. 

Das  eine  Profil  schliesst  ein  Steinbruch  am  Mainthal- 
rande zwischen  Ober-  und  Unterbrunn,  Ebensfeld  gegen- 
über auf. 

Profil  F.  (Oberbrunn.) 
Oberfläche:  Ackererde. 

1)  Grünlicher  lettiger  Schieferthon  ohne  Ver- 
steinerungen 10'm: 

2)  Ar  ietensandsteinbank,  oben  mit  5 "m: 
Lage  leberbraun  oder  graulich  grünen 
Thones  voll  grosser  Quarzkörner,  darunter 
2  '/»'m :  dünngeschichteter,  blaugrauer,  durch 
Verwitterung  ockerfarbiger  Sandkalk  mit 
Gryphaea  arcmta,  getrennt  durch  eine  2"m : 
gelbe  Thonlage  von  der  s/4'm:  unteren 
Bank  eines  gelben,  ockerfarbigen,  unver- 
wittert dunkelblaugrauen  Kalkes  voll  grober 
Sandkörner  mit  Arieten  31/» — 4'm: 

3)  Versteinerungsleerer,  grauer  Schieferthon  3'm: 

4)  Sandsteinbank  mit  unterlagerndem  gelblich- 
grauem Schieferthon  und  braungelbgefärbten, 
ockrigen,    sandigen  Zwischenbänken    erfüllt 


GümM:  KnochenbeU  md  Fßm*m$ck6dUm  Ftomto**.      239 

▼on  den  Versteinerungen  der  Ang u latus- 
Schichten  Ammonites  angtdahw,  Lima 
pectinoides,  Area  Hettangiensis ,  Gardüm 
FhUippianum  2V»'uk 


5)  Eisenschüssige,  dicht  mit  Oardima  laevis  er- 
füllte Muschelbank  Vm: 

6)  Gelher  Schieferthon  mit  sandigen  Zwischen« 

Lagen  3'm: 

7)  Weisslich  gelber,  feiner,  gelbpunktirter,  fester 
Sandstein  mit  einer  Lettenzwischenlage  in 
zwei  Bänken  mit  Ostrea  sublamettosa,  My- 
tüus  Morrisi,    Lima   cf.  pectinoides,  Ger- 

veüia  cf.  Hagenowei,  Panopaea  cf.  Dtmkeri  2'm: 

8)  Grünlichgrauer  Schieferthon  8'm: 

9)  Grünlich  grauer  Schieferthon  und  Letten  mit 
eisenhaltigen  Zwischenlagen  und  Eisenstein- 
Geoden,  voll  von  Fucoiden,   Ostrea  subla- 

mettosa  und  Cardinia  laevis  12'm : 

10)  Grünlich  grauer,  schiefriger,  sandiger  Thon 
mit  glimmerigen  Sandstein-Zwischenschichten 

voll  Fucoiden  •>  lVi'm: 

11)  Grauer,   sandiger  Schieferthon  s/4ym: 

12)  Gelber,  eisenschüssiger  grobkörniger  Sand- 
stein, luckig,  porös  mit  zahlreichen  Hohl- 
räumen Ton  ausgewitterten  kleinen  Muscheln 

und  Schneckchen  herrührend  —  Bonebed  —  ty'm : 

13)  Hellgrauer,  fetter,  durch  Zersetzung  pla- 
stischer Thon  voll  Pflanzentheilchen  4'm: 

14)  Grobkörniger  Sandstein  mit  querdurchzie- 
henden Pflanzenstengeln  16'm: 

[1864.  L  L]  17 


340       ,  Sitmßi  &*  «mftdflü»  Game  «m  7.  Jfo»  t8G4. 

15)  Weissliqh  VWfr*  etwas  röthlksbor,  aoltqp 
schwär^tebfr  ^ohwfertlwn  mit  dar  Flor*  4«r 
fränkisohei}  P^issjrö^chicht 

16)  Weißsiicher  and  gelblicher  Bausandstein  ^m: 

17)  Schwändicker,  darunter  gelber  und  rotber 
Keuperletten. 


\  i 


Der  andere  Steinbruch,  weWher  besonders  reiche  Aü- 
golatenschichten  über  dem  Baasandstein  aufechliesst,  liegt 
an  dem  Thalgehänge  zwischen  L^uf  und  Sassendorf  im 
sogenannten,  Buohhplz  N.  von  Bamfcqrg. 

Profil  6.  (Lauf- Sassendorf.) 
Oberfläche:  W^ldbq4ep* 

1)  Grobkörniger  Arietensandstein  lll*'m: 

2)  Graugelber  bis  grünlichgrauer  Lettenschiefer 
mit  eisenschüssigen  and  ockrigen  Zwischen- 
lagen voU  von  Anmonites  angtdatus,  Amm. 
spvratissimus ,  Pentacrintis  angtdatu*,  Gar- 
dinia  laevis,  C.  exigua,  Anomya  peUucida, 
Astartepu8illafA.6bsoldatArcdpidla1Ludna  .  •  ■  i 
problemaüca,  Panopaea  Gkdatkea,  P.  Du*-   . 

fori,  Ostrea  sublamellosa,    0.  ungida,  PU*  • 
eattda   Hettangiensis ,    TurriteUa   Punkeri, 
Acteonina  fragilis,  Cerithium  grattm,  Pleu- 
rotomaria  poliia,   Neriüna  candbis,  Denta- 
lium  Andleri,  Ichthyosauruszahnen  3'm: 

* 

3) .  Gelblicher  ,  sehr  fester  qproogcr ,  dünn- . 
schichtiger  Sandstein  mit  Lima  gigantea, 
Avictda  Deshoyesi,  Cardima  exigua,  Ostrea 
sublameUosa,  Leda  Rmmeri,  Taneredia 
securiformis ,  Pliwttda  Hetfangiönw,  Tur- 
vitetta  Dunkeri,  Cftemmfetq  Zenkmi  2'm: 


CHkmbd:  MkochenUtt  u*d  PflwiMtnttMditeH  Ftomkens.       241 

4)  Dünnschichtiger,  sehr  ferner,  gelblicher,  nicht 
sehr  harter  Sandstein  mit  Pampaea  cf> 
Dunkeri  '5'm: 

5)  Grauer,  wohlgeschichtetur  Lettenschiefer  mit 
Zwischenlagen  von  Eisengeoden  und  eisen- 
reichen Lagen  15'm: 

6)  Grünlich  grauer,  fleckiger  Thon  mit  groben 
Sandsteinlagerungen  und  mit  weissen  Geoden 
voll  Schwefelkies-  und  Kohlenputzen,  unten 
sehr  grobkörnig    und  luckig  —  Bonebed- 

Lage  — .  -  l'M'm: 

7)  Gelblich    weisser  Bausandstein   voll    schief 

und  aufrecht  stehender  Pflanzenstengel  4'm : 

8)  Diinnschichtiger  Sandstein  mit  thonigen 
Zwischenlagen  und  grauem  bis  röthlichem 
Lettenschiefbr  voll  von  Pflanzenresten  — 
Oberfränkisches  Pflanzenlager  —  rVi'u: 

9)  Fester  weisslicheir,  oft  gelblicher  Sandstein 
nur  6'  aufgeschlossen,  soll  im  Ganzen  20'm 
mächtig  sein. 

Durch  vorstehende  Profile  glaube  ich,  wenn  auch  nur 
für  einen  kleineren  Bezirk  bei  und  zunächst  N.  von  Barn* 
berg,  nachgewiesen  zu  haben: 

1)  Dass  auch  in  Franken  eine  wirkliche  Bonebed- 
Schicht  vorhanden  ist. 

2)  Dass  die  mit  und  hauptsächlich  unmittelbar  unter 
diesem  orientirenden  Horizonte  gelagerten,  weissen  und 
gelben  Sandsteine  stets  über  buntem  Kenperletten,  aho 
in  absolut  gleichem,  geognostischen  Niveau  mit  den 
schwäbischen  Bonebed-Schichten,  ihre  Stelle  ein- 
nehmen. 

3)  Dass  die  innerhalb  dieses  Schichtencomplexes  auf  einem 

17* 


242  Sitnmg  der  math.-phys.  CUme  vom  7.  Mm  IBM. 

oder  zwei  thonigen  Zwischenlagen  vorkommenden 
Pflanzen-führenden  Schiefer  mithin  als  ein  Zeitäqui- 
valent der  in  den  Bonebedschichten  entwickelten 
Ablagerungen  betrachtet  werden  müssen. 
4)  Durch  die  unmittelbare  Ueberlagerung  der  Bone- 
bed-  und  Pflanzen-führenden  Schichten  durch 
die  Gebilde  der  drei  untersten  Liasstufen, 
nämlich  der  Stufe  des  Arnmonites  Johnstoni  (oder  A. 
planorbis),  des  Ammonites  angulatus  und  der  Arielen- 
ammoniten,  welche  selbst  in  ein  und  demselben  Stein- 
bruche über  einander  entblösst  sind,  ist  festgestellt, 
dass  die  oberfränkischen  Pflanzenschiefer  nicht 
als  eine  Faciesentwicklung  des  Gesammten- 
lias  in  einer  Lagerung  neben  denselben  be- 
trachtet werden  können. 

Um  nun  für  diese  Folgerungen  die  allgemeine  Gültig- 
keit innerhalb  des  ganzen  nordbayerischen  Keuperbezirkß 
zu  gewinnen,  wird  es  nöthig  sein,  dieselben  Grenzschichten 
längs  ihrer  Gesammtausbreitung  zu  verfolgen. 

Ich  beginne  meine  Erörterung  über  diesen  Gegenstand 
mit  der  Schilderung  der  Verhältnisse  im  äussersten  SW. 
da,  wo  die  Grenzgebilde  aus  Schwaben  in  ihrem  NO.  Ver- 
laufe zunächst  nach  Bayern  herüberstreichen  und  werde  ver- 
suchen, sie  von  da  an  am  Fusse  des  fränkischen,  Albgebirgs 
im  W.,  N.  und  0.  bis  in  die  Gegend  von  Regensburg  ver- 
folgend, ihre  Eigentümlichkeiten  zu  beschreiben. 

Im  äussersten  Südwest  begegnet  man  zuerst  den  Grenz- 
gebilden zwischen  Keuper  undlias  diesseits  der  bayerischen 
Grenze  an  und  um  den  Hesseiberg  bei  Wassertrüdingen. 
Natürliche  Aufschlüsse  auf  dieser  Grenze  trifft  man  in  dem 
Orte  Opfenried  (Hohlweg  im  Orte  bis  zu  den  Stein- 
brüchen an  dem  Wege  nach  Böckingen),  unterhalb  des 
Ortes  Dambach  und  in  Beyerberg.  Viel  vollständigere 
Aufschlüsse  jedoch  gewährte  der  Versuchsbergbau,  weicher 


G*mM:  Knodienbett  md  PßamtumMMm  Ftomkew.     248 


in  den  letzten  Jahren  hier  zum  Zwecke  der  Gewinnung  von 
Schwefelkies  geführt  wurde. 

Zunächst  bei  dem  Dorfe  Dambach  wurden  2  Schächte 
auf  das  Schwefelkieslager  abgeteuft.  Mit  diesen  wurden 
durchsunken : 

Profil  IL  Dambach, 
im  Schacht  Nr.  L  im  Schacht  Nr.  II. 

1)  Lehm  5'm:|  Rauher  Sand  3Vm: 

2)  Arietensandstein  5'm:|  Arietensandstein  6ll*m: 


Gelbe  sandige  Schichten  ohne 
Versteinerungen  ll"m: 

Brauner  Sandstein  wechselnd 
mit  gelbem  Lettenschiefer  und 
manganreichen  Lagen  3ll*'m: 

mit  Ammonites  angtdatus,   Chemnitria  Zenkeni,  Lima  pec- 

tmoides. 


3)  Kalkige  und  thonige  Schich- 
ten ohne  Versteinerungen  l'm : 

4)  Gelber,  oft  intensiv  brau- 
ner, sandiger  Schiefer  und 
Sandstein  6'm : 


5)  Brauner  Plattensandstein 
und  blauer,  lettiger  Schiefer 
mit  Asterias  lumbriccdis. 

2'2"m: 

6)  Dünnschiefriger,  sehr  fester 
Sandstein  in  Platten  voll  Cor- 
dinia  laevis. 


Brauner  Sandstein,  gelber  Let- 
tenschiefer und  thoniger,  dünn* 
schiefriger  Sandstein  voll 
Ostrea  sublamellosa     l*/s'm: 

Dünne ,  kieselige  Sandstein* 
platten    voll    Cardinia  laevis 

l'4"m : 


*nu 


7)  Blaugrauer  Lettenschiefer  Blaugrauer  Lettenschiefer 
und  Sandsteinplatten        l'm:,  0'7 

8)  Schwefelkiesschicht  in  beiden  Schächten  mit 
Pflanzenresten,  Kohlenputzen  und  weissen 
Brocken,  breccienartig  mit  Mytilus  minutus, 
Cardinia  cf.  acuminata,  Ostrea  irregularis, 
Lima  cf.  praecursor,  punctata.  ll%"m: 


844  SUmmg  der  «ofe-pfy*.  Oa$ee  vom  7.  Mai  1864. 

9)  Weisser  Thon  ein«  Breocie  mit  Hornstein 
und  Schieferbrocken  bildend  in  beiden 
Schächten  gleich  lVi'm: 

10)  Bother  und  bunter  Keuperletten. 

Profil  I.  (Beyerberg.) 

Am   Versuchsstollen    dabei. 

i 

1)  Rauhkörniger,  kalkiger  Arieterisandstein  in 
mächtiger  Bank  anstehend  mit  Arieten-Am- 
moniten  10— 15'm: 

8)  Gelber,  mergeliger,  dünnscfcichtiger  Letten- 
Schiefer    ohne   Thier  -  Versteigerungen    mit   . 
schönen  Fucoiden  10'm: 

* 

3)  Braungelber ,   feinkörniger,    ockriger  Sand-  , 
stein  mit  Manganputzen  und  kugeligen  Con- 

.  cretionen,  gelbe  sandige  Mergel  und  Mergel- 
Sandstein,  erfüllt  von  Versteinerungen  der 
Angulatusschichten:  Ammonitesangulatus 
häufig,  dazu:  Cardinia  concinna,  Tancredia 
securiformis.  Ästarte  pusiüa,  Ostrea  stibla- 
mellosa,  Dentalium  Andleri  6'm: 

4)  Sehr  fester,  kieseliger,  dünnschfchtiger  Sand- 
stein   und    Sandsteinplatten    voll    Cardinia 
Listeri   mit  Lettenzwischenlagen  und  Wül-   . 
sten  auf  den  Schichtflächen  wie  die  Asterias- 
platten 5'm : 

5)  Blaugrauer,  poröser,  blasiger  Lettenschiefer 
oder  thoniger  Sandstein  mit  Pflanzenspuren 
und  voll  sehr  schlecht  erhaltener,  nicht  genau 
bestimmbarer  Conchylien  P/i'm: 

6)  Schwefelkies   mit    groben  Sandkörnern  und 


Qvmbd:  Knodtctibett  md  P/tomBtruHMthte*  Frauken*.      £45 

Kohkrtbmken  gemengt,   brectienartig  voll  - 

Ostrea  irregularis,  Mytilus  minufas  1 — 3"mi 

r  ' 

■  •  ■  'i 

7)  Grünlicher  Letten  mit  Hornsteinbrocken  die 
unebene  Oberfläche  des  unterlagernden  rothen 
Kenperlettens  auffüllend  0 — ll/*'ni: 

8)  RotheJr  and  griiAer  Keaperletten  BO'm: 

* 
i  i 

9)  Röthlicher  grobkörniger,  lockerer  Keuper* 
Sand  —  Streusand  liefernd. 

Aus  diesen  Profilen  geht  hervor,,  dass  ähnlich,  wie 
dießs  im  nordöstlichen  Schwaben  der  Fall  ist,  der  Gigant» 
liehe  Bonebed-Sandstein  fehlt,  dafür  unmittelbar  üb*r.  dem 
rothen  Keuperietten  eine  grünliche.  Breccienbildung  mit 
Horoptern,  Kohlen  und  Schwefelkies  genau  so,  wie  Qu  en- 
gte dt. diess  (Jura  S»  25)  von  Mitt$lbronn  erwähnt,  y$i> 
kommt.  Auch  bei  Beyerberg  wurde  früher  detr  Schwefel* 
kiee  zur  .Vitriolbereitung  verwendet 

Es  unterliegt  demnach  kaum  einem  Zweifel ,  dase  in* 
SW.  Keuperliasdisftrikte  ~*  um  den  Hesseiberg  <•—  die 
Bonebedschicht  dbzig  und  allein  durch  die  1—1  */i  "mächtige 
schwefelkiesreiche  Breccie  vertreten  werde. 

Während  auf  diesen  Schichten  oberhalb  der  Arieten- 
Saadsteinbankj  welche  rings  um  den  Hesseiberg  ia  zahlreichen 
Brüchen  (bei  Opfenried,  Echingen  etc.)  gewonnen  wird,  durch 
die  unmittelbare  angeschlossene  Tuberculatusschicht 
(mit  Pentacrinus  tuberculatus)  den  mittleren  und  oWen 
Lias,  dann  durch  den  ganzen  Dogger  und  Jura  bis  zum 
Scyphienkalk  ftber  dem  mergeligen  Kalke  mit  Ammcmites 
tenuilobatus ,  welcher  die  höchste  Bergkuppe  ausmacht,  sich 
das  Gebirge  zum  hohen  Hesselberge  insularisch  aufthürmt, 
zieht  die  Grenze  zwischen  Keuper  und  Lias  ostwärts  Weiter 
am  Fusse  der  Alb«  Bei  Oronheim  und  Gnotzheim  sind 
noch   dieselben    Schwefelkieslagen    ohne   weissen   Sandstein 


34t         8*mmg  der  mtfh.-jph*$.  Ckme  vom  7.  MtU  1864. 

unmittelbar  über   dem  grellfarbig  rothen  Keuperlet)teo  aus* 
gebreitet,  wie  um  den  Hesseiberg. 

Doch  schon  jenseits  des  Altmühlthales  an  der  Wasser- 
scheide gegen  die  schwäbische  Rezat  beginnt  erat  in  geringer 
Mächtigkeit  bei  Dornhansen  sich  eine  weisse  Sandsteinlage 
auf  den  rothen  Kenperletten  aufzulegen,  welche  so  rasch  an 
Mächtigkeit  wächst,  dass  schon  /bei  Dörschbrunn,  SW. 
von  Pleinfeld  ein  Steinbruch  behufs  Gewinnung  von  Bau- 
steinen betrieben  werden  kann. 

Bei  Ellingen  und  Weissenburg  hat  dieser  zwischen 
rothem  Eeuper  und  Liae  eingeschaltete,  weisse  oder  gelbliche 
Sandstein  schon  seine  für  Franken  normale  Mächtigkeit  und 
Entwicklung  erreicht,  wie  die  schönen  Steinbräche  bei  Wei- 
boldshansen,  Hattingen  und  Ottmannsfelden  lehren. 

Ich  wähle  aus  dieser  Gegend  drei  interessante  Grenz- 
profile y  welche  das  Unbeständige  der  Schichtenbildongen 
hier  sehr  klar  machen  und  zeigen,  dass  selbst  stellenweise 
mittlerer  Lias  unmittelbar  auf  dem  oft  gelblichen,  dem  An- 
golatensandstein  sehr  ähnlichen  Bausandstein  aufliegt,  so 
dass  es  scheinen  könnte,  als  ob  dieser  möglicher  Webe 
selbst  diesen  Angulatensandstein  vertreten  könnte.  Diess  ist 
jedoch  bestimmt  nicht  der  Fall. 

Profil K. 

an  der  Weiboldshauser  Mühle  bei  Weissenburg. 

Oberfläche:  Schwarze  Ackererde. 

1)  Dünnschichtiger,  wellig  flasrigbrechender, 
kalkiger,  durch  Verwitterung  brauner,  grob- 
körniger, fast  breccien-artiger  Sandstein  mit 
Gryphoea  cymbium,  Bdemmtes  brevis,  Pento- 

crmus  tub&culatus  3'm: 

2)  Kieeeliger,  blaugrauer,  bei  Verwitterung  roth- 
brauner, grobkörniger  Gryphaea  arcuaia 
enthaltender  Anetensandstetn  5'** 


GtomM:  EnochenbeU  *md  P/kmMemddektm  Fronten*.      247 

3)  Gelber  Lettanechiefer  mit  einer  Eisenschwarte 
und  nur  stellenweise  entwickelt,  selbst  in 
demselben  Steinbruch  theilweise  ganz  fehlend 
intensiv  gelber,  brannstreifiger,  ockriger 
Sandstein    mit  Ammonites    angulatus   nnd 

vielen  Gagteropodan  0 — 2^/i'm: 

4)  Grünlich  graue,  thonige  Lage  mit  harten 
Knollen,  Brocken  und  voll  ron  Schwefelkies 
mit     Kohlenputzen    und    Mytilus    inimtus, 

Ostrea  irregtüans;  ungleichmächtig  0 — l'm: 

5)  Grünlich  graue,  gestreifte  und  gefleckte,  oft 
kleinblasige  Lettenschiefer,  zuweilen  bunt 
gestreift»    selbst   stellenweise   intensiv  roth 

mit  Spuren  von  Pflanzenresten  8'm: 

6)  Weisser,  unebengeschichteter  fester,  grob- 
körniger Sandstein  mit  grünlichem  Thon  als 
Zwischenlagen  und  Spuren  von  Pflanzen- 
stengeln 1  V*'n : 

7)  Mulden  ausfüllender,  daher  ungleich- mäch- 
tiger, gelblicher,  braunstreifiger  Sandstein, 
zuweilen  linsenförmige  Partieen  bildend  3— 5ym: 

8)  Feiner,  weisser  oder  gelblicher,  braun  ge- 
fleckter oder  getigerter,  sehr  brauchbarer 
Bausandstein  1 5 — 20/m : 

9)  Rother  Keuperletten. 

Profil  L. 

Aus  einem  Theile  der  grossen  Steinbrüche  bei  Höt- 

tingen  unfern  Weissenburg. 

Oberflache:  Ackererde. 

1)  Grauer  weicher  Mergel    mit  grauen  Kalk- 
bänken voll  grosser  Quarzkörner,  enthaltend: 


248         8ttmm§  der  motik-pA?*.  {8mm  oh*.  7.  Jfo»  JSftL 

Belemnites   ppaülö&us,   JBlicattda   spinosa, 
Terebrafulb  immismaliss    Asnmoniies    fimr.  > 
briatus 

-—  Mittlerer  Lias..  •*— 

2)  an    dem  nördlichen   Theil 

des  Steinbruchs  fehlend 


*•    * 


.' .   * 


3) 
-f      '  =  Arietensandsteinbank 


Grobkörniger,  eisenschüssiger 
Sandstein  oben  mit  Belem- 
nites  brems    .  lv/«'m: 

unten,  mit  Gryphaeä  arcuata 

*'      3Vm: 


4)  Im  nördlichen  Thefle  des  Steinbruch»  imftifr- 
telbar  -unter  dem  grauen "  Mergel  dee  mitt- 
leren Lias^  im  südlichen  unter  dem  Arteten- 

'Sandstein:  Eisensteintiohwarte  2"m: 

5)  Grünliche  Letten   mit  harten  Geoden   und  ' 
Schwefelkiesknollen                                                */4'm: 

61  Grauer,    grünlicher,     stellenweise    intensiv 
"  rother  Lettenschiefer  von  wechselnder  Mäch- 
tigkeit   '  2-7<m: 

7)    Wgisslicher  und  gelblicher,  meist  braun  ge-    . 
*'      tigerter  Bausandstein  20'm: 

Profil  M.  bei  Ottmannsfelden 

SO.  von  Pleinfeld. 

Oberfläche:  Wiesenboden. 

1)  Wellig  gebogener,  dünngeschichteter,  grob- 
körniger,   braungelber    Sandstein    wie    die 

<Arietenbauk  3'm: 

-j ■  •  i  '  •  ■ 

2)  Rother    und    grüngestreifter  Lettenschiefer 

mit  etwas  Schwefelkies  6'm: 

3)  Gelber  Letten  und  gelber  thoniger  Sand- 
stein 8M'm : 


GümUh  Smchenbett  und  PflaneennüdUe*  Frwkms.       M9 


4)  In  zwei  Bänken    sehr  fester, 
artig-harter  Sandthon  .    .   lfm: 

5)  Dünnschichtiger,  hellgrünlicher  Thonstein- 
ähnlicher  Sandstein  mit  gelben  Flecken 

6)  Hellgrauer  Sandsteinschiefer  mit'  Wülsten 
auf  den  Schichtfläcben  wechselnd  mit  hell- 
grauem Tbon  2*/s'm: 

7)  Grobkörniger,  fein  gelbgetigerter,  sehr  fester 
unten  mürber  Sandstein,  z.  Tb.  in  3~>-4 
Binke  getheilt,  z.  Th.  mit  den  darauf  lie- 
genden sandig  entwickelten  Schichten  bis 
zur  Steinmergellage  4)  ia  ein  Ganzes  ver- 
schmolzen 10'm: 

8)  Rother  Kquperlettea. 

Die  Profile  zeigen  die  Doppelnatur  des  N.  und  8.  In 
den  Schwefelkieslagen  ist  die  Entwicklung  im  Südeby  durch 
das  Vorkommen  des  weisslichen  Bausandsteins  und  der  Pflan- 
zeureste  der  Norden  repräsentirt.  In  der  successiven  Ver- 
folgung dieser  Schichtenentwicklung  liegt  die  Bürgschaft, 
dass  ich  mich  wohl  nicht  täusche,  wenn  ich  die  Schichten 
K4;  L5  und  M 2  für  die  Zeitäquivalente  der  obersten 
Bonebedlage  halte. 

Eine  sehr  ähnliche  Beschaffenheit  behält  dieser  Schich- 
tencomplex  von  dieser  Gegend  an  weiter  in  N.  und  NO. 
Richtung  gegen  Neumarkt  und  Altdorf  zu.  An  der  Strafc&e 
von  Nürnberg  nach  Neumarkt  macht  sich  diese  Grenzregion 
schon  durch  die  plötzliche  Steigung  hinter  Pensetahofen 
deutlich  bemerkbar. 

In  dieser  Gegend  stossen  wir  auf  einen  vorzüglichen 
Aufschluss  in  dem  Steinbruche  zuBurgthann  b$i  Schwarzach 
in  der  Nähe  des  hier  vorüberziehenden  Kanals.  Dieser  Auf- 
schluss   ist  um  so  belehjföftfcr,   als    er    die  Schichtenfolge 


250  Sitzung  der  mafh.-phys.  Glosse  wm  7,  Mai  1864. 

vom  Bausandstein  aufwärts   bis  zum  Mergel  mit  Ammonites 
margaritatus  im  mittleren  Lias  unmittelbar  blosslegt. 

* 

Profil  N.  bei  Burgthann  unfern  Neu  markt. 

Oberfläche:  Krame. 

1)  Blaugrauer  Mergel  und  Thon  mit  Ammo- 
nites margaritatus  und  seinen  Begleitern  10'm: 

2)  Brauner,  eisenschüssiger  Mergel  mit  Eisen* 
haltigen  Geoden  und  voll  Belemnites  paxil- 

losus  IV»  "m: 

3)  Weisslich  grauer,  etwas  fleckiger  Kalk  mit 
Belemnites  paxillosus  und  Ammonites  mar» 
garitartus  Vm* 

4)  Gelblich  weisser,  schichtenweise  blauer 
Schiefermergel,  oft  fleckig  mit  einseinen, 
nicht  harten  Kalklagen  in  linsenförmigen 
Massen  mit  zahlreichen  Belemnites  paxil- 
losus 5'm : 

5)  Blaugrauer  Mergelschiefer  ,  1  Vm: 

6)  Blaugrauer  Kalk,  Flecken  mit  geodenartigen 
weissen  Concretionen  und  Ammonites  Davoei, 
A.  fimbriatus,  Bhynchonella  rimosa,  Tere- 
bratula  numismaiis  und  Pecten  aequivalius. 

7)  Blaugrauer,  etwas  sandiger  Mergelschiefer 
mit    weissen     Kalkknollen    und    Plicatida 

spinosa  1  Vm ; 

8)  Gelber,  kalkig  eisenhaltiger  Mergel  mit  groben 
Sandkörnern  voll  Belemnites  elongatus  2'm: 

9)  Blaugrauer,  weicher  Kalk  mit  weissen  Kalk- 
Knollen  und  zahlreichen  Versteinerungen; 
Ammonites  ibex,  A.  fimbriatus,  Belemnites 


Oümbd:  KnochenbeM  und  PflantenaekickU*  Fnmkms.       251 

elongatus,  Spirif  er  verrucosus  Bhynchoneüa 
rimosa,  Pentaormus  subangularis,  Phola- 
domya  decorata  ll*'m: 

10)  Grauer,  harter  Kalk  mit  vielen  Quarzkörn- 
chen voll  Gryphaea  Gigas  (von  Amberg) 
und  Ammonites  Masseanus,  Ehynchonellen, 
Terebratetn,  Pecten-strionatis  und  Fleuroto- 
maria  expansa  l'm: 

* 

11)  Blaugrauer   Sandmergel    mit   Gryphaea  ob' 

liqua  V»'m : 

12)  Eisenhaltiger,  sandiger,  durbh  Verwitterung 
brauner,  rauher  Kalk  mit  Ammonites  cf.  rari- 
costatus  ll*4m: 

13)  Dichter,  harter,  stark  eisenschüssiger  Kalk- 
Sandstein  mit  groben  Quarzkörnchen  und 
mit  Pentacrinus  tubercvlatus,  Gryphaea  obli- 

qua,  Belemnites  spec.  5"m: 

14)  Gelber,  grobkörniger  Sandstein  mit  Arieten 
(undeutlich)  i  Vi'm : 

15)  Gelber  lettiger  Schiefer,  oft  weiselich  l'mi 

16)  Gelblich  weisser,  braun  geflammter,  feiner 
Sandstein  in  dünnen  Bänken  mit  Lima  pec- 

tinoides  (Angulatenqchjcht)  ,5'm: 

17)  Sehr  eisenschüssiger  Sandstein  (Eisenputzen)  2'm: 

18)  Gelblichweisser,  getigerter,  feiner  Sandstein  lll%'m: 

19)  Eine  muldenförmige  Vertiefung  im  Bausand- 
stein ausfüllend,  oben  vtm  der  Schicht  18) 
abweichend  bedeckt,  rother  Letten,  grauer, 
thoniger  Sandsteinschiefer,  weisser,  sandiger  / 
Schiefer,  Pflanzenlager,  grajierlfßttenschiefer     0 — 3'm : 


252        -  Sitzung  der  math.-phys.  €%t**e  vom  7.  Mai  1694. 

20)  Weisser,  schöner  Bfeusandstein,  oben  stellen-* 
weise  mit  einer  zweiten  Lage  von  Thon  nnd '         v 
Pflanzenresten  18— 20'm: 

21)  Rother  Keuperkrtten.  ■>    »,,: 

Obwohl  wir  in  diesem  Profile  die  direkte  Grenzscheide 
zwischen  Lias  and  seiner  Unterlage  an  der  SchwefeUriesschicht 
piofayt  erkennen  können,  so  giebt  doch  hier  die  Lagerung 
einen  Anhaltspunct  zur  Bezeichnung  dieser  Grenze.  Es  liegt 
nämlich  die  Schicht  18  abweichend  oder  —  auch  flach  auf 
den-  Gebilden  der  Schicht  19,  welche  in  bogigen  Lagen  eine 
Vertiefung  im  weissen  Sandstein  ausfüllen.  In  dieser  Ana- 
füllmasse  liegt  4as  obere  Pflanzenbett,  iu  weissem  Saadstein 
etwas  tiefer  ein  zweites. 

Aehnlich  sind  die  Verhältnisse  in  einem  zweiten,  durch 
natürliche  Entblössung  aufgeschlossenen  Profile  am  Dorfe 
Rasch  zunächst  südlich  voa  Altdori 

Profil  0.  bei  Rasch  unfern  Altdorf. 

» 

Oberfläche:  Ackerboden. 

* 

1)  Blaugrauer,  lettiger  Mergel  mit  Einlagerungen 
von  knolligen,  gelblichen  Kalken  mit  grossen 
AmmonUes  margaritatus,  Belemnites  paxilr  \ 
losus                                                                       5'm: 

2)  Kalkbank,  fest,  gelbgrau  voll  Belemnites 
paxillosus  und  mit  Ammomtes  fimbriatua 
Pavoeikalkbank  lll%'m: 

3)  Lichtgelblich  grauer  Mergel  mit  Eisenstein- 
schalen und  kalkigen  Zwischenlagen  voll 
Plicatula  spinosa  und  Sdemnites  elongatus         Wm: 

4)  Gelbgrauer  Kalk  in  unregelmässiger,  linsen* 
fönhig  verengter  und  erweiterter  Bank  mit 


Oümbd:  Bkochenbett  mi  &fiwmwMMMm  fVontai*.       fe5ft 

weissen,    kieseligen   Concräionen.    (Niveau 

dee  Amm.  ibez)  i  •       »      $'mt 

i 

5)  Schiefermergel  und  grauer  Kalk  mit  grossen 
Qnarzkörnern  voll  von  Oryphaea  gigas  (von 
Amberg)  Vs'nu 

6).    Grobkörniger,  ßi^enscbüssiger  Sandstein  (4rö* 

tensandsteinb^nk)    t..  5'm; 

7)  G*iber  Lettenschdrfer  mit  Zwfeehenlagen 
gelben  feinen,  oft  ockerfarbigen  Sandsteins 
and  kieseliger  Sandsteinplatten  (nicht  deut- 
lich zu  speciälisiren)  '   15'm: 

8)  Grobkörniger,  gelber  Sandstein,  nach  unten 
unregelmässig  geschichtet,    thonig  und  mit    . 
Pflanzenresten  3'm : 

9)  Grobkörniger,  weisser,  gelbgestreifter  Sand- 
stein mit  Kohlenputzen  '  7'm: 

10)  Stellenweise  sich  auskeilender,  grauer  Letten- 
schiefer mit  schonei)  Pflänzenresten  der 
fränkischen  Pflanzenschicht  0 — lVs'm: 

11)  Feinkörniger  Bausandstein,  oben  mit  An- 
wachsstiteifen  15'm: 

Von  Ältdorf  zieht  sich  die  untere  Grenze  des 
Lias  durch  den  Nürnberger  Lorenzii-  und  Sebaldiwald 
und  am  Fasse  der  Vorhügel  des  jurassischen  Gebirgs 
oknq  b^om^ei»  bwerjwiswerthe  JSigenttouwlichkeiten  fort. 
Uw  findet  zwar  uberaü  die  Spuren  der  pflanaenfahrenden 
Schicht  übar  dem  weissen  Sandstein  und  dem  grobkörnigen 
eisenschüssigen  Sandstein  —  im  Niveau  der  Arietensanfl- 
st ein b an k  — ,  aber  die  Gesammtentwicklung  ist  so  gering 
mächtig  und  in  Folge  fovon  sind  die  einzelner}  Schichtet» 
so  w&üg  bcitunsit  abgogrea&t,  daaa,  da  auch  fast  alle  Von» 


254         Stom*§  der  motk*?**».  Ctam  vom  7.  Jfiti  18*4. 

Steinerungen  hier  fehlen,  eine  eingehendere  Darstellung  un- 
XW&tig  erscheint.  Es  gentigt  die  Bemerkung,  daae  diese 
Grenzgebilde  mit  Einschluss  des  unteren  Lias  in  der  Ge- 
gend 0,  von  Nürnberg  im  Vergleiche  mit  den  entsprechenden 
Schichten  des  ganzen  westlichen  Albrandes  wohl  am  dUrftig- 
Sten  ausgebildet  sind. 

Fast  das  Gleiche  gilt  auch  von  der  nächsten  Umgebung 
Von  Erlangen,  wie  das  schon  Pfaff  hervorgehoben  hat. 
Zum  Beiego  führe  ich  das  Profil  an,  das  gleich  unterhalb 
Marlofstein  in  einem  Steinbruche  aufgedeckt  ist 

.  Profil  0«  bei  Marlofstein  bei  Erlangen« 

Oberfläche:  Krume. 

1)  Gelbgrauer,  lichter  Mergel  des  mittleren  Lias 

.  mit  Kalkbänken  10'm: 

2)  Gelber,  grobkörniger,  eisenschüssiger,  kalkiger  J 
Sandstein    —    Niveau    der    Arietensand- 

*      * 

steinbank  —  2'm: 

•     ..  .  . 

3)  Gelblicher,  grobkörniger  Sandstein  mit  Eisen- 
Schwarten  und  thonigen  Zwischenlagen  7'm: 

4  . 

4)  Nagelkalklage  .      3"m; 

5)  Gelber,  eisenschüssiger,  grobkörniger  Sand-  . 
.    stein  mit  Schwefelkies    und  weissen   halten 

,       Knollen?  —  Bonebed  — 8)  lVm; 


•»  • 


3)  So  eben  bei  Correktur  dieser  Zeüen  kommt  mir  von  Herrn 
Caplan  Dr.  SobTüfer  'in  Rattelsdorf  ein  Separatabdruek  •  seiner 
neuesten  Arbeit  über  den  ob.  Keuper  und  ob*  Jura  in  Frankejr 
zu,  (Jahrb.  der  naturf.  GeseUech.  in  Bamberg  1864  SL  1),  wprin  sich 
der.  Verfasser  S.  2  in  folgender  Weise  gegen  eine  meiner  froheren 
Beobachtungen  ausspricht:  „Dass  bei  Strullendorf,  SO.  von  Bamberg 
das  Bonebed  vorkomme,  wie  diess  Gümbel  —  angiebt  — ,  muss  in 
Abrede  gestellt  werden.    Bei  Strullendorf  findet  sich  kein  Bonebed. 


Gümbd:  Knochenbett  und  Pflamenschichtm  Frankens.       255 

6)  Weiblicher,  durch  Verwitterung  zersetzter, 
plastischer  Thon  mit  Pflanzenresten  2"m: 

7)  lichtgrauer,  knollig  uneben,  wellig  dränge- 
Bchichteter,  glimmeriger  Thonsandstein  und 
Lettenschiefer  mit  den  Pflanzen  der  fränk- 
ischen Pflanzenschicht  0 — 2'm: 

8)  Weisser  Bausandstein  mit  Anwachsstreifen  10'm: 


wenigen  Fischreste,    die  Hr.  Bergrath  Gümbel  von  da  besitzt, 
stammen  loahneheinUch  ans  dem  untersten  Lias."  Diese  Behauptung 
ist  mit  so  grosser  Bestimmtheit  und  in  so  absprechendem  Tone  der 
Unfehlbarkeit  aufgestellt,   dass   man  nicht  glauben  sollte,   dass  sie 
von   Jemanden  herrühren   könnte,   welcher  in   der  Geognosie   nur 
so  nebenbei  sich  zu  versuchen  eben  erst  angefangen  hat,  und  es  ge- 
winnt fast  den  Ansehein,  als  ob  der  junge  Anfanger  hier  den  Zweck 
gehabt  habe,  statt  durch  Gründe  durch  die  kategorische  Art  und 
"Weise   seiner  Darstellung   den   fehlenden  Beweis   zu  fuhren.    Denn 
fragt  man  nach  dem  Grunde  für  seine  Ansicht,  so  liegt  dieser  allein 
in   der  vermeintlichen  „Wahrscheinlichkeit",   dass  ich  gewisse 
Schichten  verwechselt  habe.  Herr  Schrüfer  scheint  sich  wohl  nicht 
denken  zu  können,  dass  etwas  Geognostisches  in  Franken  vorhanden 
sei,    was  seinem  Blicke  bisher  entgangen  ist.    Indess    ist  diese 
„Wahrscheinlichkeit"  völlig  unbegründet  und  bloss  eine  kühne 
Conjektur,  um  eine  unbekannt  gebliebene  Thatsaohe  in  Abrede  stellen 
zu  können.   Herr  Schrüfer  kennt  eben  einfach  die  Schicht 
noch  nicht,  aus  der  die  Bonebed- Versteinerungen  stammen,  aber 
desshalb  existirt  sie  doch,   obgleich  und  wenn  sie   auch  bis  jetzt 
demselben  unbekannt  geblieben  ist.    Denn  es  bestehen   in  Franken 
wohl  noch  manche  geognostische  Verhältnisse,  trotzdem  sie  bis  jetzt 
von  diesem  fränkischen  Landeskinde  noch  nicht   entdeckt  oder  er- 
kannt wurden,    wie  z.  B.   die  Existenz   der  Ammonites   planorbis- 
Schichten,  das  Vorkommen  basaltischer  Gesteine  im  Bamberger  Jura, 
die   Streitberger  Schwammlagen    bei  Würgau    und  vieles  Andere. 
Ich  habe  nie  ein  Staatogeheimniss  daraus  gemacht,  wo  dieses  frank- 
ische Bonebed  zu  finden  sei;  Hr.  Schrüfer  selbst  hat  Stücke  davon 
bei  mir  gesehen,   aber  gleichwohl,  wie  es  scheint,  bei  Strullendorf 
das  Gestein   nicht  wieder  erkannt.    Die  ausfuhrliche  Schilderung  in 
den  vorausgegangenen  Blattern   lasst    mich    hier    davon  Umgang 
nehmen,  noch  einmal  auf  die  Beweise  für  das  Vorhandensein  der 
Bonebedschiohten  in  Franken  zurück  zu  kommen. 

[1864  1.4.]  18 


256         Sitzung  der  tnath.-phys.  Gasse  vom  7.  Mai  1864, 


Prächtige  Aufschlüsse  gewähren  wieder  die  zahlreichen 
Steinbrüche  0.  von  Forchheim  am  Rande  des  Wiesentthales 
bei  Wiesenthau,  Reuth1  Weilersberg,  ganz  insbesondere 
jene  bei  der  Jägersburg,  welch'  letztere  überdiess  durch 
den  Reichthum  ihrer  Pflanzeneinschlüsse  wichtig  gewor- 
den sind. 

Bezüglich  des  Aufschlusses  der  aufgelagerten  Lias- 
schichten  gibt  der  südliche  Theil  des  grossen  Steinbruchs 
bei  Reuth  die  besten  Aufschlüsse. 

Profil  P.  bei  Reuth  unfern  Forchheim. 
Oberfläche:  Waldboden. 

1)  Gelber,  zersetzter,  lehmiger  Mergel  mit  aus- 
gewitterten Belemnites  paxülosus  und  Eiaen- 
schwarten  (Margaritatenmergel)  10'm: 

2)  Grauer,  durch  Verwitterung  gelbgrauer  Mer- 
gelkalk voll  Fucoiden,  dann  mit  Terebrafada 
mmnsmalis,  Ehynchonella  rimosa  und  Be- 
lemnites dwvatvs  llt'm: 

3)  Wohlgeschichteter,  grauer,  durch  Verwitter- 
ung gelber  Mergelschiefer  mit  4 — 5  Zwischen- 
lagen von  meist  in  Linsen  zertheiltem  Kalk, 
mit  Quarzkörnchen :  Belemnites  elongatus, 
Plicatula  spinosa,  Gryphaea  obliqua.  (Mittlerer 

Lias)  10'm : 

4)  Oben  grüngrauer,  unzersetzt  schwarzerSchiefer- 
thon  mit  Schwefelkiesputzen,  unten  etwas 
sandig  mit  Ealkknöllchen  voller  Ammonites 
rarecostatus  (Obere  Lage  des  unteren  Lias)  13'ni: 

5)  Gelber,  dolomitischer  Kalk  (Tuberculatusbank) 
und  eisenschüssiger,  grobkörniger  Sandstein 

—  Niveau  der  Arietensandsteinbank  —  ll*'m: 

6)  Weisslicher  und  grauer  weicher  Mergel  und 


Gümbel:  KnochenbcH  und  Pßan$ensehiehten  Fronten*.      257 

gelbliche  Sandsteinplatte  —  Vertreter  der 
tiefsten  Liasschichten  —  1/4/m: 

■ 

7)  Stellenweise  rother,  meist  nur  rothgefleckter, 
gelblich  grauer  Lettenschiefer  und  Thon 
durch  weissliche,  leicht  auswitternde  rund- 
liche Körnchen  ausgezeichnet,  die  auswitternd 

der  Masse  ein  poröses  Aussehen  verleihen  3'm: 

8)  Rother  und  grünlicher  Thon  mit  Schwefel- 
kies und  Sandeisenstein  7"m: 

9)  Weisser  gelbgestreifter,  grobkörniger  Bau- 
sandstein 15'm: 
Daraus  kann  man  die  geringe  Entwicklung  der  unter- 
sten Lagen  des  unteren  Lias,  selbst  die  der  sonst  doch 
einige  Fuss  mächtigen  Arietensandsteinbank  klar  ersehen.  Dass 
die  Schicht  6)  die  Angulaten-  und  noch  tiefere  Schichten 
vertrete  oder  ersetze,  lässt  sich  bestimmter  in  dem  Hohl- 
wege gleich  oberhalb  des  Dorfes  Reuth  ersehen,  wo  über 
dem  weissen  Thonstreifen  wirklich  eine  schwache  Lage 
feinen  gelben  Sandsteins  vorkommt.  Ganz  ähnlich  ist  der 
Aufschluss  in  dem  Steinbruche  bei  Weilersbach  und  Wie- 
senthau. 

Ich  fuge  nun  zunächst  das  Profil  eines  Steinbruches  bei, 
der  im  F orchheim er  Bürger wald  im  sogenanntenLeierkram  liegt. 

Profil  Q.  im  Bürgerholz  bei  Forchheim. 
Oberfläche:  Waldboden. 

1)  Grauer  Mergel  mit  eisenhaltigen  Kalkmergel- 
Zwischenlagen  1  l'm : 

2)  Starkeisenschüssiger,  grobkörniger  —  (Arie- 

ten-)  Sandstein  21/»/m: 

3)  Gelber  und  grauer  Mergelschiefer  mit  Eisen- 
geoden und  sandigen  Zwischenlagen  oft  mit 
einzelnen  in   vollkommen  gelben  Sandstein 

18* 


258  Sitmmg  der  tnath.-phys.  Ckme  vom  7.  Mai  1864. 

übergehenden  Schichten  —  Stellvertreter 

des  tiefsten  Lias  —  6'm: 

4)  Gelber  Thon  mit  rothgelbem  Sandeisenstein 
voll  grober  Quarzkörner  und  Schwefelkies- 
theilchen,  fein  porös  wie  P  Nr.  7  (Keuper)  •/t'm: 

5)  Grauer  Lettenschiefer  mit  zahlreichen  sehr 
schönen  Pflanzenresten,  besonders  Equisetiten, 
nach  unten  mit  einer  Eisenschwarte  abschlies- 
send (II)  2Vm: 

6)  Grobkörniger  fester  Bausandstein  in  20'  von 
oben  mit  einer  lettigen  Zwischenlage  eben- 
falls voll  Pflanzenreste  (I)  84'm: 

Die  Steinbrüche  an  der  Jägersburg  liegen  N.  von  diesem. 
Um  die  Uebereinstimmung  und  Verschiedenheit  der  Grenz- 
gebilde zu  zeigen,  theile  ich  zwei  Profile  mit,  das  eine  aus 
dem  östlichen  Theile,  dem  sogenannten  Königsbruche,  das 
andere  aus  dem  westlichsten  Theile  unmittelbar  neben  der 
Strasse  —  dem  Heldbruche. 

Profil  R.  Königsbrach  an  der  Jägersburg. 

Oberfläche:  Waldboden.      v 

1)  Gelbgrauer  schiefriger  Mergel  des  mittleren 

und  unteren  Lias  15'm: 

2)  Eisenschüssiger,  grobkörniger  —  Arieten- 
sandstein  —  stellenweise  6'm:  durchsch.  l'm: 

3)  Grauer  und  gelber  Mergelschiefer  und  Schiefer- 

Thon  mit  sandigen  Zwischenlagen  (Lias)  l8/4'm: 

:4)  Grobkörniger  Sandstein  durch  eine  thonige 
Zwischenschicht  in  zwei  Bänken  getheilt, 
mit  grossen  Pflanzenstengeln  (III)  (Keuper)  6'm: 

5)  Oben  weisslicher,  unten  schwarzgrauer  Let- 


G*mbd:  Knochenbett  und  Pflan$en»chichtm  Frankens.      259 


▼oll  der  schönsten  Pflanzenreste 
des  frankischen  Pflanzenlagers  (—  Q.  Nr.  5) 
(II)  2Vm: 

6)  Oft  etwas  röthlicher,  sonst  gelber,  ziemlich 
feinkörniger   Sandstein    in    dünnen   Lagen, 

unten  mit  einer  Thonschichte  (I)  3'm: 

7)  Grobkörniger  Baasandstein  30'm: 

Profil  8*  Heldbruch  an  der  Jägersburg. 

1)  Grobkörniger  —  Arietensandstein  —  l'm: 

2)  Gelber,    unten  stark  eisenschüssiger  Mergel 

und  Schieferletten  —  Lias  —  5'm: 

3)  Grobkörniger,  gelblicher  Sandstein  mit  blasen- 
ahnlichen  Bäumen  —  Keuper  —  7'm: 

4)  Gelber,  oft  röthlicher  Schieferthon  mit  kleinen 
Knöllchen,  durch  deren  Auswitterung  die 
Masse  porös  wird,    mit  wenigen  Pflanzen* 

resten  (IE)  0— 2'm: 

5)  Grobkörniger  Sandstein  wie  Nr.  3  lV*'m; 

6)  Feiner  grauer,  nach  unten  oft  etwas  röth- 
licher   Lettenschiefer    voll     Pflanzenreste 

(=  B.  5  und  Q.  5)  (II)  2'm: 

7)  Feinkörniger,  gelblich  weisser  Bausandstein  10'm: 

8)  Grauer  und  röthlicher  sandiger  Schiefer  voll 
Pflanzenreste  wie  Nr.  6  von  wechselnder 
Mächtigkeit,  oft  ganz  verschwunden  (I)         0 — 1  Vm: 

9)  Grobkörniger,  weisslicher  Bausandstein  16'm : 

10)  Blauer  und  rother  Keuperletten. 

Aus  diesen  Profilen   geht  insbesondere   hervor,    dass 
innerhalb  des  unzweifelhaft  einheitlichen  Schiehtencomplexes 


260         Sümmg  der  maft.-pfy*.  Ckuse  vom  7.  Mai  1864. 

3  pflanzenfuhrende  Lagen  vorkommen  (bezeichnet  I,  II,  III) 
die  jedoch  bald  verschwinden,  bald  sich  aufthun;  ob  sie  einen 
.Unterschied  in  Bezug  auf  die  Art  ihrer  Pflanzeneinschlüsse 
darbieten,  ist  schwierig  zu  ermitteln.  Die  Differenzen,  die 
etwa  bemerkt  werden,  können  ebensogut  denen  der  Stand- 
örtlichkeit,  als  eines  bestimmt  abgegrenzten  Niveaus  entsprechen. 
Da  übrigenB  diese  Lagen  so  sehr  wechseln,  stellenweise  vor- 
kommen und  verschwinden,  so  wurde  bis  jetzt  beim  Sammeln 
ausser  Acht  gelassen,  diese  Pflanzenlager  auseinander  zu  halten. 

An  diese  Profile  von  der  Jägersburg  reiht  sich  zu- 
nächst jenes  von  Strullendorf  bei  Bamberg  und  dann  so- 
fort diejenigen,  die  unter  B,  C,  D,  E.  F,  und  6  früher 
mitgetheilt  worden  sind,  wenn  wir  die  Grenzgebilde  am 
Fusse  der  Alb  in  der  eingeschlagenen  N.  Richtung  immer 
weiter  verfolgen. 

Es  ist  nur  bezüglich  der  pflanzenfuhrenden  Schichten, 
die  fast  in  keinem  der  zahllosen  Steinbrüche  dieser  N. 
fränkischen  Gegend  fehlen,  noch  die  allgemeine  Bemerkung 
hinzuzufügen,  dass  es  immer  mehrere  Lagen  sind,  die  man 
beobachtet,  und  dass  bald  das  tiefere,  bald  das  höhere  sich 
an  Pflanzen  ergiebiger  zeigt.  Für  Sammler  sind  die  Stein- 
brüche bei  Reut  unfern  Kirchlein  NO.  von  Burgkunstadt, 
dann  jene  an  der  Teufelsbrücke  bei  Küps  und  die  Tegel- 
grube bei  Burgersdorf,  in  welcher  der  feine  plastische  Thon 
(voll  Pflanzenreste)  des  tieferen  Lagers  (für  Kapseln  und 
Glashäfen  brauchbar)  gewonnen  wird,  während  im  NW. 
Theile  Ober-  und  im  0.  Theile  Unterfrankens,  also  in  der 
Gegend  von  Baunach  (Gethönig  auf  dem  Stiefenberg,  Thon- 
löcher  auf  dem  Lussberg),  Ebern  (schwarze  Thongrube 
auf  der  Ebent  im  Ebener  Hasswalde)  und  bei  Sesslach  so- 
wie an  vielen  Orten  im  Koburgischen  das  obere  Thonlager, 
das  fast  ohne  Pflanzeneinschlüsse  ist,  für  gleiche  Zwecke  * 
ausgebeutet  wird. 

Jenseits  der  beschriebenen  Profile  gelangen  wir,    der 


Qümibd:  Knochenbett  und  Pflan*en$ehichten  Frankens.  261 

Grenze  des  Lias  weiter  nach  N.  folgend,  in  die  Gegend  von 
Kulm ba eh.  Hier  ist  das  Pflanzenlager  am  Lindig  bei 
Veitlahm,  vorzüglich  zur  Zeit  des  Hrn.  Rentbeamten  Welt- 
lich in  Culmbach  ausgebeutet,  von  hohem  Interesse.  Ich 
fand  daselbst  folgenden  Gebirgsaufechluss  mit  Beiziehung 
des  Hohlwegs  am  Lindigbach  bei  Veitlahm: 

Profil  T.  am  Lindig  bei  Veitlahm. 

1)  Mittlerer  Lias:  Margaritaten-  und  Numis- 
malis-Mergel  am  Fusse  des  Patersberges. 

2)  Band  des  Hohlwegs:  Grobkörniger,  eisen- 
schüssiger  Arietensandstein    mit    Gryphaea 

arcuata  3'm : 

3)  Dünnschichtiger,  feinkörniger,  ockeriger, 
braunfleckiger  Sandstein  (Angulatensch.)  5'm: 

4)  Mergeliger  Sandsteinschiefer,  lichtgelb  lV*'m: 

5)  Dünne  Bänke  harten,  kieseligen  Sandsteins 

in  Platten  voll  Ostrea  sublamellosa  *  2'm: 

6)  Grauer  Thon  und  Sandsteinschiefer  mit 
Wülsten  auf  der  Schichtfläche  —  Lias  —  2  Vm : 

7)  Grobkörniger,  gelber  eisenschüssiger  Sand- 
stein von  der  Beschaffenheit   des  Bonebed- 

lagers  bei  Witzmannsdorf  —  Keuper  —  Vi'ni: 

8)  Rand  des  Steinbruchs:  Grauer,  durch 
Verwitterung  weisslicher,  plastischer  Thon 
mit  Sandsteinschieferzwischenlagen  und  ein- 
zelnen undeutlichen  Pflanzenresten  lVi'm: 

9)  Lockerer,  grobkörniger,  etwas  röthlicher, 
eisenschüssiger,  dünnbankiger  Sandstein  3'm: 

10)  Hellgrauer  Lettenschiefer  mit  Pflanzen  Vm: 


262         Süeung  der  maih.-phys.  Ciasee  vom  7.  Mai  1864. 

11)  Grobkörniger Baasandstein —  Obere  Bank — 
weisslich  gelbstreifig  SO'm: 

12)  Roth  und  graulicher  feiner  Letten  mit 
Pflanzen  V* — l'm* 

13)  Rauhe  Sandsteinbank  lVm: 

14)  Hauptpflanzenlager  in  grauem,  oft  röth- 
lichem  und  rothfleckigem  Thon  von  verschie- 
dener Mächtigkeit  in  Mulden  des  Sandsteines 
eingelagert  1 V» — 3'm : 

15)  Grobkörniger  streifig  gelber,   vorherrschend 

weisser  Bausandstein  —  Untere  Bank  —  40^: 

16)  Bunter  Eeuperletten. 

Aus  diesem  Profil  geht  die  vollständige  Uebereinstim- 
mung  mit  Strullendorf  und  den  Steinbrüchen  an  der  Jägers- 
burg bei  Forchheim  hervor. 

Von  diesem  weit  N.  vorgeschobenen  Punkte  wendet 
sich  nun  die  Grenze  zwischen  Keuper  und  Lias  wieder 
lückläufig  fn  SO.  Richtung  längs  des  Ostrandes  der  Alb 
über  Peesten,  Thurnau,  Pleofen,  Neustädtlein, 
Forstlahm  nach  Eckers dorf,  Fantasie,  Donndorf  und 
Hardt  in  der  unmittelbaren  Nähe  von  Bayreuth.  An  allen 
Orten,  wo  hier  die  Schichten  durch  Steinbrüche  aufgeschlos- 
sen sind,  zeigen  sie  sich  reich  an  Pflanzeneinschlüssen.  Es 
sind  diess  die  Fundstellen,  welche  durch  Braun' 8  phyto- 
paläontologische  Arbeiten  eine  klassische  Berühmtheit  unter 
den  Geognosten  erlangt  haben. 

Unter  den  vielen  Profilen  aus  diesen  nördlichsten  Di- 
strikten des  0.  Albrandes ,  welche  eine  ungemein  grosse 
UebereinBtimmung  zeigen,  wähle  ich  zu  Mittheilungen  die- 
jenigen aus,  welche  wegen  des  Anschlusses  an  die  Lias- 
gebilde  erhöhtes  Interesse  gewinnen.  Denn  meist  ist  hier 
der    tiefste  Lias  so  schwach  ausgebildet,    dass,    da  in  der 


CHkmbd:  Knochenbett  und  Pflansenschichten  Frankens.       263 

Regel  zugleich  das  Terrain  über  der  Terrasse,  welche  durch 
den  Balisandstein  erzeugt  wird,  ganz  flach  ansteigt,  kaum 
die  letzten  Spuren  der  Liasformation  noch  im  obersten 
Abraum  der  Steinbrüche  sichtbar  sind.  Diess  zeigt  sich  so* 
gleich  in  den  Steinbrüchen  bei  Thurnau.  Hier  sind  nur 
wenige  Schichten  aufgeschlossen. 

Profil  U. 

im  Steinbruche  des  H.  Münch  bei  Thurnau. 

1)  Grobkörniger  Sandstein  (?)  Arietensandstein  3'm: 

2)  Eisenschale  und  gelber  Lettenschiefer  mit 
Cardinia  laevis  2'm: 

3)  Blauer  Mergelschiefer  mit  Zwischenlagen  sand- 
igen Schiefers  und  undeutlichen  Versteiner- 
ungen von  Cardinien,  Mytilus  etc.  —  Lias  —  5'm : 

4)  Gelblich  weisser  Lettenschiefer  —  Eeuper  —        1  Vm : 

5)  Grobkörniger  Sandstein,  oben  durch  eine 
Eisenschale  abgeschlossen,  blasig,  Schwefel- 
kieshaltig,  die  Unebenheiten  seiner  Unterlage 
ausfüllend  mit  Pflanzenspuren  V*— 3'm: 

6)  Feinster,  weisser,  glimmeriger  Sandstein  mit 

weissen  Punkten  zu  Schleifsteinen  benätzt  10'm: 

7)  Grauer,  sandiger  Letten  und  Lettenschiefer 

voll  schöner  Pflanzenabdrücke  Vs'm: 

8)  Gelblich  weisser  Bausandstein. 

Von  den  Profilen  naher  bei  Bayreuth  kann  jenes  am 
Forst  bei  Neustädtlein  für  den  ganzen  Verbreitungsbezirk 
von  Dörnhof,  Forstlahm,  Teufelsgraben,  Donn- 
dorf, Fantasie,  Eckersdorf,  Hardt  und  Mistelbach 
gelten,  welche  sämmtlich  wesentlich  gleiche  Lagerung  zeigen. 


264         Süäung  der  mafh.-phg8.  Gaste  wm  7.  Mai  1861. 

Profil  V.  am  Forst. 

1)  Fester,  eisenschüssiger,  grobkörniger  Sand- 
stein (Arietensandsteinbank)  lll%'mz 

2)  Dunkelgrauer  eisenhaltiger,  durch  Verwitter- 
ung intensiv  gelber  Schieferthon  lji'm: 

3)  Grauer,  durch  Verwitterung  gelber  Letten- 
schiefer mit  gelbem  Sandstein  in  Zwischen- 
lagen, oben  mit  schwarzen  Putzen  (dem 
Angul^tensandstein  gleich)  unten  fein,  kalkig 

mit  einem  Amtnonites  cf.  planorbis  (Lias)  5'm: 

4)  Rauher  Sandstein  mit  Brauneisensteinputzen  l\t'm  : 

5)  Dunkelgrauer  Thon  mit  Pflanzenresten,  oft 

fehlend  —  Köuper  —  l'm: 

6)  Weisser,  feinkörniger,  glimmerführender, 
dünnschiefriger  Sandstein  5 — 10'm: 

7)  Grauer  bis  schwarzer  Schieferthon  und  san- 
diger Schiefer,  oft  glimmerreich  auch  ins 
Röthliche  spielend  mit  Kohlen,  Schwefelkies 
und  zahlreichen  Pflanzen  —  Hauptlager  des 
fränkischen  Pflanzenschiefers  V* — 3'm: 

8)  Weisser  und  gelber  Bausandstein  bis  30'm: 

9)  Rother  Eeuperletten. 

Verfolgt  man  das  ansteigende  Hügelland  gegen  den 
Fus8  der  Juraberge,  so  überzeugt  man  sich  leicht,  dass  in 
regelmässiger  Folge  auch  hier  über  dem  Arietensandstein, 
aus  dessen  Lage  ein  sehr  schöner  Ariet:  Amtnonites  Bodlei 
vom  Heisenstein  stammt,  der  mittlere  und  obere  Lias  u.  s.  w. 
aufgethürmt  ist,  dass  mithin  auch  in  dieser  Gegend  von 
einem  Ersetztsein  des  Lias  durch  die  pflanzenfuhrenden 
Schichten  nicht  die  Rede  sein  kann. 


GümM:  Knochenbett  und  Pflanämsckichtm  Frankens.       265 

Am  deutlichsten  zeigt  uns  diess  das  Schachtprofil 
des  vielberühmten  Fundortes  bei  dem  Dorfe  Theta  auf 
jener  Liasinsel,  die  fern  ab  vom  eigentlichen  Jurakörper 
nach  NO.  vorgeschoben  ist.  Dieser  neuerlich  behufs  Ge- 
winnung des  hier  in  diesen  Schichten  vorkommenden 
Kohlenflötzes  und  Schwefelkieses  abgeteufte  Schacht  legt  den 
Schichtenbau  vollkommen  klar  dar. 

Profil  W. 

des  Schachtes  bei  Theta  N.  von  Bayreuth. 

1)  Oberfläche:  Gelblicher  Lehm  entstanden  aus 
dem,  Mergel  des  mittleren  Lias  voll  Gry- 
phaea  obliqua,  Plicattda  spinosa,  Belemnites 
elongatus  2 — 3'm : 

2)  Grober,  sehr  eisenschüssiger  Sandstein  durch 
den  Fund  eines  Arieten:  Ammonites  Bodlei 
in  nächster  Nähe  des  Schachtes  und  in  voll- 
ständig gleichem  Gestein  und  gleichem  Ho- 
rizonte bei  Heisenstein  als  Arietensand- 

stein  festgestellt  l*/i'm: 

3)  Blaugrauer  Letten-  und  Mergelschiefer  mit 
Zwischenlagen  dünner  Bänke  schiefrigen 
festen  Sandsteins  und  mit  eisenreichem  Kalk- 
mergel (Lias)  6'm: 

4)  Eisenschüssiger,  grober  Sandstein  mit  weissen 
Thongallen  3'm : 

5)  Hellgrauer,  feiner,  fettig  anzufühlender 
Schieferletten  und  Sandsteinschiefer  mit 
spärlichen  Pflanzenresten  2'm: 

6)  Oben  schiefriger  feiner,  unten  etwas  grob- 
körniger, dickbankiger  Sandstein  mit  Thon- 
gallen und  Kohlenputzen  (Eeuper)  lö'm: 


266  8ü0mg  der  math.-phys.  CUme  vom  7.  Mai  1864. 

7)  Dünnschichtiger,  thoniger  Sandstein  mit 
Pflanzenstengeln,  stellenweise  darunter  ein 
Pechkohlenflötz  von  */i— l1/«'  Mächtigkeit 
und  unter  diesen  eine  1"  starke  Schwefel- 
kieslage,  oft  in  Schwefelkies  umgesetzte 
Holzstücke  umschliessend  3'm: 

8)  Blaugrauer  bis  schwarzer,  glimmeriger,  oft 
sehr  kohliger  oder  die  Kohle  ersetzender, 
zuweilen  bloss  grauer  Lettenschiefer  voll 
der  prachtvollsten  Pflanzenreste —  Haupt- 
lager der  Thetapflanzen  bis  21/»'m: 

9)  Grobkörniger  Sandstein,  dünnbankig  mit 
Schwefelkies  auf  der  Schichtfläche  2  Vm: 

10)  Weisslicher     Bausandstein     (Tiefstes      des 
Schachtes).    Nach   dem  Aufgeschlüsse   über 

Tag  ist  diese  Bausandsteinbank  30'm: 

11)  und  wird    unterteuft   von  rothem  Keuper- 
letten. 

Auch  im  benachbarten  Pechgraben  liegt  die  pflan- 
zenfiihrende  Schicht  zwischen  den  Sandsteinbänken  Nr.  6 
und  10. 

Das  Eohlenflötz,  wegen  geringer  und  sehr  unbestän- 
diger Lagerung  und  seinem  Beichthume  an  Schwefelkies 
wohl  unter  keinen  Verhältnissen  bauwürdig,  findet  sich  ähn- 
lich auch  bei  Schloss  Fantasie.  Auch  hier  wurde  ein 
Versuchsbau  darauf  getrieben. 

Südwärts  von  Bayreuth  beschränkt  sich  die  Entwick- 
lung des  Lia8  noch  mehr  auf  die  oberen  Stufen  (Posidono- 
myen-  und  Radiansmergel),  so  dass  selbst  der  mittlere  Lias 
selten  mehr  sichtbar  wird.  Dagegen  behält  der  weisse  Bau- 
sandstein oberhalb  der  rothen  Keuperletten  nicht  nur  seine 
Mächtigkeit    bei,    sondern  tritt  auch  dadurch,    dass   seine 


€Hkmbd:  KnochtnbHt  und  PflmßmschidUm  Framkms.       267 

festen  Gesteinmasseo  eine  steile  Terrasse  zwischen  dem 
ilachen  Keuperland  und  der  sanftansteigenden  Liasfläche 
bilden,  sehr  bestimmt  in  der  Oberflächengestaltung  hervor. 
Die  Liasschichten  sind  hier  kaum  zu  erkennen,  wie  das 
Profil  an  der  Strasse  zwischen  Schnabelweid  und  Creussen 
an  der  hohen  Warte  lehrt 

Profil  X*  an  der  h.  Warte  bei  Creussen. 

1)  Grünlicher  Mergel  und  Letten,  unten  voll 
grober  Sandkörner  und  weisser  Mergeigeoden 
mit  spärlichen  Belemniten  (?  B.  elongatus) 
Mittlerer  Lias  Vm: 

2)  Sehr  eisenreiche,  feste  Kalksandbank,  grob- 
körnig mit  weissen  Quarzkörnern  oben  mit 
einer  Eisenoxydrinde  (wohl  sicher  Arieten- 
sandbank)  Vm: 

3)  Grobkörniger,  eisengelber  Sandstein,  locker- 
sandig, nach  oben  von  weisslichen  Adern 
durchzogen  —  lias  —  15'm: 

4)  Weisslicher  Letten  und  grober  eisenschüssi- 
ger Sandstein  3'm: 

5)  Weissgelber  Sandstein  mit  Blasengruben 
und  schiefdurchziehenden  Pflanzenstengeln  — 

Keuper  —  10'm: 

6)  Schwarzer  und  röthlicher  lettiger  Schiefer 
mit  einzelnen,  schwarzen  Pflanzentrümmern, 

sonst  glimmerreich  und  voll  Sandputzen  ty4'm: 

7)  Grober  weisser  und  gelblicher  Sandstein, 
dessen  Liegendes  hier  nicht  ausgeschlossen 
ist.  Bei  der  Neumühle  liegt  aber  der  rothe 
Eeuperletten  deutlich  darunter,  während  im 
Dorfe  Schnabelweid  die  Poaidonomyenschiefer 
darüber  ausstreichen. 


268  Süjmng  der  wAh.-phgs.  Classe  vom  7.  Mai  1864. 


-  Die  Schichten  neigen  sich  flach  widersinnig  nach  SW. 
Je  weiter  wir  aber  nun  die  Grenzgebilde  nach  S.  zu  am 
Ostrande  der  fränkischen  Alb  verfolgen,  um  so  mehr  ver- 
stärkt sich  diese  Schichtenaufrichtung  und  bald  geräth  diese 
Grenzbildung  in  die  Richtung  jener  grossartigen  DislokationV 
spalte,  welche  von  Greussen  über  Kirchen thumbach, 
Pappenberg,  Freihung  bis  ins  Hirschauerthal  bei 
Schnaittenbach  fortsetzt.  Längs  dieser  Linie  lässt  sich 
nichts  zuverlässiges  über  die  Zusammensetzung  der  GebirgB- 
schichten  ermitteln. 

Erst  in  der  Hirschau-Amberger  Gegend  beginnt  wieder 
ein  regelmässiger  Aufbau,  indem  die  Liasgebilde  buchten- 
förmig  in  die  Vilsthalung  weiter  westlich  vordringen  und 
dann,  über  Amberg  fortsetzend,  einen  Zweig  in  die 
grosse  Urgebirgsweitung  des  Bodenwöhrer  Beckens 
längs  des  Urgebirgsrandes  entsenden,  einen  anderen  aber  in 
normaler  Lagerung  am  Fusse  des  jüngeren  und  aufgelager- 
ten Kalkgebirges  ausbreiten.  In  diesem  ganzen  südöstlichen 
Juradistrikte  ist  der  Lias  höchst  kümmerlich  entwickelt, 
nur  die  oberen  Schichten  der  mittleren  Stufe  und  die  obere 
Stufe  sind  einiger  Massen  vertreten;  das  Ganze  nimmt 
ausserdem  einen  petrographisch  abweichenden  Charakter  an. 
Denn  die  oberen  Schichten  des  mittleren  Lias  sind  in  der 
Form  von  oolithischem,  eisenreichem  Gestein  (Eisenerz  von 
der  Bucher-Zeche  bei  Bodenwöhr  und  oolithischem 
Rotheisenstein  vom  Keilberg  bei  Regensburg)  ausge- 
bildet und  die  Posidonomyenschiefer ,  obwohl  bei  Amberg 
noch  typisch,  gehen  bei  Regensburg  in  einen  gelben,  blätt- 
rigen Lettens  chiefer  über.  Es  ist  daher  um  so  schwieriger, 
die  Grenzgebilde  hier  sicher  aus  einander  zu  halten.  Nur 
der  mächtig  entwickelte  weisse  Bausandstein,  welcher  auch 
in  diesem  Landstriche  nicht  fehlt  und  durch  seine  Terras- 
senbildung sofort  schon  äusserlich  ins  Auge  fällt,  erleichtert 
die  Aufgabe  der  Grenzbestimmung  in  hohem  Grade. 


GUmbd:  KmckenbcU  md  PflmmmmbUMm  Frauke**.       269 

Nördlich  Ton  Amberg  und  westlich  von  Hirschan  ist 
wohl  kein  Aufschlags  schöner  und  vollständiger  als  der  bei 
Gr.  Albertshof,  wesshalb  hier  dieses  Profil,  welches  den 
Character  des  ganzen  südlichen  Distriktes  reprasentirt,  nicht 
übergangen  werden  darf. 

Profil  T.  bei  Gr.  Albertshof. 
Oberfläche:  Krume. 

1)  Gelbgrauer,  eisenhaltiger  Mergelkalk  toU 
Quarzkörnchen  mit  Qrgphaea  gigas,  Jsnmo- 

nites  Masseanus  etc.  2Vm: 

2)  Braimgclber,  sandiger  Kalk  mit  thonigen 
Zwischenlagen  in  dünne  Bänke  geschieden 

mit  Pentacrinus  tuberculatus  2'm: 

3)  Branngelber,  kalkiger  Sandstein  mit  grossen 
Quarzkörnern  (Arietensandstein)  3'm: 

4)  Gelber,  brauner  und  graner  Letten-  oder 
Mergelschiefer  mit  Zwischenlagen  gelben 
Sandsteins  —  Lias  —  4'm: 

5)  Grobkörniger  Sandstein  mit  Brauneisenstein- 
schalen,  porös  —  Keuper  —  3'm: 

6)  Gelber  Sandstein  12'm: 

7)  Thonige  Zwischenlage  mit  Spuren  von 
Pflanzenresten  Vm : 

8)  Weisslicher  Bausandstein  43'm: 

In  den  beiden  durch  den  versteinerungsreichen  Wach- 
telgraben bei  Raigering  und  den  Hohlweg  oberhalb 
Panlersricht  entblössten  Profilen  genügt  es  zur  Orientir- 
nng  mit  den  tiefsten  Lagen  des  mittleren  Lias,  mit  dem 
durch   seine  gigantische  Oryphaea  (gigas)  ausgezeichneten 


270  Sümmg  der  math.-phf6.  Glosse  wm  7., Mai  1864. 

Quarzkalke  oben   zu  beginnen.    So  erhält  man  beide  zu- 
sammenfassend folgende  Schichtenreihenfolge: 

Profil  Z. 

Wachtelgraben  —  Paulersricht  NO.  von  Amberg. 

1)  Oryphaea  gigas-Bank,  grauer  Quarzkalk  mit 
Ammonites  brevispina  2Vm: 

2)  Fester,  grauer,  durch  Verwitterung  brauner 
Mergelkalk  mit  grossen  rohen  Fettquarz- 
körnern ohne  Oryphaea  gigas  (?  Tuberculatus- 
Schichte)  lVm: 

3)  Braungelber  bis  schwarzbrauner  Hergel  mit 
groben  Quarzkörnern  und  festen  Hergel- 
knollen —  Arietensandstein  —  3'm: 

4)  Grauschwarzer,  sehr  fester  Schieferthon  mit 

Pecten  Hehli  *l*'m: 

5)  Qelber,  sehr  harter  kieseliger  Schiefer  2'm: 

6)  Gelber  Letteuschiefer  —  Iias  —  lVt'm: 

7)  Gelber  grobkörniger  Sandeisenstein  und 
Eisenschwarten,  unzersetzt  mit  Schwefelkies- 
putzen, unten  von  weisslichen  Letten  be- 
grenzt —  Eeuper  —  $/4'm: 

8)  Grauer,  oben  schwärzlicher,  feiner  Letten- 
schiefer, zu  oberst  glimmerreich,  kohlig  und 

voll  Blasenräume  l'm: 

9)  Lebergelber  Lettenschiefer  s/i'm: 

10)  Eisenschüssiger,  gelber,  grobkörniger  Sand- 
stein, nach  unten  übergehend  in  weissen 
Bausandstein  54'm : 

* 

11)  Unterlage  unmittelbar  unter  dem  Sandstein : 


gelber  Letten,  Eisenschwarte,  gelber  Letten- 

sdiiefer  zusammen  V*'m: 

12)    Rother  Keuperletten. 

Innerhalb  des  grossen  Bodenwöhrer  Beckens  sind  die 
Aufschlüsse  auf  der  Grenze  zwischen  Lias  and  Eeaper  sehr 
dürftig,  da  hier  in  dem  weissen  Kenpersandstein  keine 
Steinbrüche  angelegt  sind. 

Die  schönste  Entblössung  fand  ich  am  Wege  von 
Brack  nach  0.  Rausberg  und  an  dem  Bergwege  nach  Ein- 
siede 1.  Um  zu  zeigen,  dass  auch  in  dieser  weit  in's 
Urgebirge  eingreifenden  Bucht  keine  wesentliche  Aenderung 
in  der  Zusammensetzung  der  Grenzgebilde  eingetreten  ist, 
folge  hier  das  combinirte 

Profil  ZI  bei  Brück  im  Bodenwöhrer  Becken. 

1)  Gelber  Kalk  ¥911  Ammonites  crassus  und 
Belenmites  irregularis  3'm : 

2)  Gelber,  dünngeschichteter  Hergelschiefer  mit 
Ammonites  communis,  oben  kalkig  und  eben- 
schichtig,   unten  dolomitisch,   braungefleckt, 

in  knolligen  Lagen  mit  Monotis  substriata        16V''m: 

3)  Weisser  aufgelockerter  Lettenschiefer  3'm: 

4)  Gelber,  unzersetzt  blaugrauer  Posidonomyen- 
Schiefer  mit  Pflanzenresten  5'm: 

5)  Oben  in  Nagelkalk-ähnlichen  Massen  ausge- 
bildeter Brauneisenstein  (Kräußelerz) ,  unten 
grüngrauer  Mergel  mit  Brauneisenoolith- 
körnchen  (Sohlerz)  mit  Ammonites  spitiatus, 
Bhynchonella  acuta  etc.:  Bergbauschicht.  lVm; 

6)  Eisenschüssiger ,  grobkörniger  Sandkalk  voll 
Crinoideen  mit  Pecten  liasinus,  Spirifer 
Münsteri  und  Qryphaea  obliqua  3'm; 

[1864. 1.  4]  19 


272  Biimmg  der  math.-phys.  Oa$m  wm  7.  Mai  1864. 

7)  Sehr  grobkörniger,  eisenschüssiger  Sandstein 
mit  Pecten  Hehlt,  P.  texturatus,  BdenmUes 

acutus  —  Arietensandstein  —  2'm: 

8)  Weisser  grobkörniger  Sandstein  ll/»'ni: 

9)  Gelblich  weisser,  feinster  gelbstreifiger  unten 
dünnschichtiger  Sandstein  —  Keuper  —  8'm: 

10)  Weisser  Baasandstein  20'm: 

11)  Rother  Keuperletten. 

In  der  direkten  Verbindung  zwischen  Amberg  und 
Regensburg  berührt  die  Naabthalung  den  Schichtencomplex 
des  tiefsten  Lias  und  obersten  Keupers,  dieselben  quer  durch- 
brechend, oberhalb  Burglengenfeld.  Hier  kann  man  ihre 
Zusammensetzung  am  vollständigsten  in  dem  Hohlwege  ?on 
Dorf  Bub  ach  gegen  den  Buchheimer  Forst  beobachten.  Be- 
schränken wir  das  Profil  auf  die  Schichtenreihe  yon  der 
ersten  bestimmt  orientirten  Liasbank,  so  erhalten  wir  das- 
selbe in  folgender  Weise. 

Profil  ZL  bei  Bub  ach. 

1)  Eisenbraune,  dünnbankige  Schichte  mit  grossen 
Quarz-,  auch  Feldspathkörnchen  mit  Gryphaea 

obliqua  und  Pentacrinus  tuberculatus  V*'m: 

2)  Grobkörniger,  eisenschüssiger  braungelber 
Sandstein  (Arietensandstein)  3'm: 

3)  Weisser  und  gelber  locker  gebundener  Sand- 
stein,  nach  unten  feinkörnig  bis  dicht   in 

dünnen  Bänken  getrennt  7'm: 

4)  Feinster  gelbweisslich  gefärbter  Sandstein  in 
dünne  Bänke  geschichtet,  auf  den  Schicht- 
ungsflächen wellig  uneben,  mit  Wellenschlägen 
und   rothgefärbten  Wülsten   (zopfartig),  in 


Gümbd:  KnochenbeU  tmd  Pfla$vemckichtm  Frankens.      273 

der  Masse  mit  rothen,  quer  durchsetzenden, 
Algen-ähnlichen  Zeichnungen  —  Lias  —  10'm: 

5)  Thonig  sandige  Lage,  buntfarbig,  weiss, 
blauroth  und  gelb;  weich  5'm: 

6)  Sandsteinbildung  genau  wie  Schicht  Nr.  4  10'm: 

7)  Grobkörniger  Sandstein  mit  Rotheisenstein- 
putzen,  in  der  Mitte  mit  einer  an  Rotheisen- 
stein reichen  Lage  18'm : 

8)  Mittelkörniger  Sandstein  nach  Art  des  Bau- 
sandsteins —  Keuper  —  9'm: 

9)  Weisse,  sandig  thonige  Lage  mit  Pflanzen- 
abdrücken 3'm : 

10)  Grobkörniger,    weisser  Sandstein   mit  röth- 

lichen  Feldspathkörnchen,  arkoseartig  '    25'm: 

11)  Rother,  grüngefleckter  Keuperletten. 

Zum  Schlüsse  der  Darstellung  in  den  einzelnen  Pro- 
filen setze  ich  noch  den  Durchschnitt  im  äussersten  SO. 
des  ganzen  Verbreitungsgebietes,  nämlich  auf  dem  Keil- 
berg bei  Regensburg  hier  bei,  wie  ihn  ein  Schacht 
früher  hat  beobachten  lassen. 

Profil  ZA  auf  dem  Eeilberg  bei  Regensburg. 

1)  Gelber  lettiger  aufgewitterter  Boden  mit 
geodenartigem  blauem  Kalk  in  Brocken  mit 
Ammonites  radialis  6s/4'm: 

2)  Blaugrauer  Mergelschiefer,  nach  unten  gelb 
dünnblättrig  mit  Posidonomya  Bronni  und 
sonstigen  Versteinerungen  der  Posidonomyen- 

Schicht  23,/t'm: 

* 

3)  Gelber  Mergel  mit  Brauneisenerz  1  Vm : 

4)  Oolithischer  Rotheisensein  mit  EhynchoneUa 

19* 


274  Stiftung  der  math.-phya.  Clont  wm  7.  Mai  1864. 

acuta,  Pecten  priscus,  P.  aeq&walvis,  Myti- 
lus  subpulcher,  Beletnmtcs  breviformis, 
(Margaritatus  und  Spinatus- Schichten  oder 
Niveau  des  Bodenwöhrer  Sohlerzes)  \ll%'mi 

5)  Eisenhaltiger,    fast    kiystallinisch    körniger 

Kalk  mit  Quarzkörnern  und  Gryphaea  obliqua        1  */*'!" : 

6)  Grobkörniger,    sehr    fester    Quarzsandstein 

—  Arietensandsteinbank  —  l*/t'm: 

7)  Ganz  feinkörniger,  oft  hornsteinartiger  gelb- 
licher Sandstein  mit  Ammonites  cf.  John- 
stoni —  Lias  —  3'm  : 

8)  Feinkörniger,  gelblicher,  röthlicher  und  weiss- 

licher  Sandstein  (Bausandstein)  —  Keuper  —  27'm: 

9)  Rother  Keuperletten  31 'in: 

10)  Keupersandstein    von    mittlerem    Korn     in 

Lagen  wechselnd  mit  buntem  Keuperletten  32'm: 

11)  Weisser,  mittelkörniger  Keupersandstein, 
dessen  feldspathige  Beimengung  in  Por- 
zellanerde umgewandelt  ist,  daher  behufs 
der  Gewinnung  der  Porzellanerde  berg- 
männisch ausgebeutet  (Stubensandstein)  6s/*'m: 

12)  Sand  und  bunter  Keuperletten.  41'm: 

Urgebirgs  schichten. 

Aus  dieser  Reihe  von  mitgetheilten  Profilen,  die  im 
äussersten  SW.  am  Westflusse  des  bayerischen  Antheils 
am  fränkisch-schwäbischen  Juragebirge  beginnen  und  längs 
des  ganzen  Randes  bis  zum  letzten  nördlichen  Ausläufer 
bei  Koburg  und  dann  auf  dem  0.  Rande  der  Alb  durch  die 
Oberpfalz  bis  zum  letzten  südöstlichen  Punkte  dicht  an  der 
Donau  bei  Regensburg  von  Stelle  zu  Stelle  die  Beschaffenheit 
der  Grenzgebilde  zwischen  Keuper  und  Lias  darstellen,  möchte 
unzweifelhaft  hervorgehen,  dass  die  durch  ihre  weisse  und 


Gümbel.  Bhodtmbett  und  Pflantenschichten  Franker*.      275 

gelbliche  Färbung    und  meist  feste   Beschaffenheit 
—    daher  zu  Bauzwecken  brauchbare  Sandsteinbildung, 
stets  aber  dem  rothen,  oberen  Keuperletten  und 
unter    den   tiefsten   Liasschichten   lagernd,    ein 
zusammenhängendes    Ganzes,    eine    bestimmt    ab- 
gegrenzte Stufe  ausmacht;    dass  ferner    die  berühmte 
oberfränkische    Pflanzenschicht     (von     Strullendorf, 
Jägersburg,    Veitlahm,  Theta  und  Fantasie  etc.),  in   1,   2 
oder  3  dicht  an  einander  hegenden  Schichten  vertheilt,  in- 
nerhalb dieser  Stufe  des  Bausandstein's  lagert,  fast 
gleichem  geognost^schem  Horizonte  angehört  und 
unter   der    eigentlichen   Bonebedschicht    liegend    mit 
diesen    entweder    nach   den    triasischen    Formationen 
als    oberste  Abtheilung    angeschlossen,    oder    als    eine 
Vorbildung   der   jurassischen  Formation   zu  diesen 
hinaufgezogen   werden     muss.     Man    kann    mithin    diesen 
Schichtencomplex    der    die   ptianzenführenden  Schiefer  ein- 
schliessenden  Gebilde    mit  Recht    entweder    als   Bonebed- 
Schichten  oder  wie  ich  vorgeschlagen    habe,    als   Rhae- 
tische  Stufe  bezeichnen. 

Hierfür  sprechen  noch  die  Analogien  anderer  Lokali- 
täten. Denn  nicht  bloss  in  Franken  liegen  pflanzenführende 
Schichten  innerhalb  der  Bonebedstufe,  sondern  auch 
unter  ganz  entsprechenden  Verhältnissen  an  Orten,  wo  auch 
wirkliches  Bonebed  entwickelt  ist,  in  Schwaben. 

Quenstedt  fuhrt  ausdrücklich  in  seinem  „Jura4, 
(S.  25)  diese  Pflanzenablagerungen  an  und  scheidet  sie  sehr 
bestimmt  von  der  kleinen  Kohlenbildung,  die  tiefer  im  Stu- 
bensandstein stellenweise  sich  zeigt.  Auch  Oppel  (Sitzb.  d. 
k.  Ak.  d.  Wiss.  in  Wien  XXI.  S.  539)  erwähnt  in  dem 
Esslinger  Profile  in  den  Grenzschichten  hellgrauen,  glimmer- 
.reichen  Thon  mit  Kohlenresten.  Wären  in  Schwaben 
gerade  in  dieser  Hohe  zahlreichere  Steinbrüche,  hätte  man 
wahrscheinlich   auch    dort   dieselbe  Flora,  wie  in  Franken. 


276  8tonmg  der  tnath.-phy$.  Chase  wm  7.  Mai  1SS4. 


Die  Analogie  ist  wenigstens  eine  vollständige.  Auch  in  dem 
nächsten  der  schwäbischen  angeschlossenen  Bonebedbezirke 
kommen  in  derselben  Lage  Pflanzenreste  vor,  nämlich  bei 
Langenbrücken  am  Rheinthale  (Deffner  and  Fraas.  d.  Jura- 
versenk. N.  Jahrb.  1859.  S.  8). 

Im  norddeutschen  Gebiete  werden  solche  Pflanzenlager 
in  gleichem  Niveau  ebensowenig  vermiest.  Schlönebach 
bezeichnet  sie  in  seinen  äusserst  lehrreichen  Profilen  mehr* 
fach  (N.  Jahrb.  1860  S.  520;  523;  525;  1862  S.  150; 
163;  175)  und  Gredner  (N.  Jahrb.  1860  S.  298)  spricht 
gleichfalls  davon. 

Auch  aus  England  erwähnt  Moore  (Quart.  Journ.  of 
the  geol.  Soc.  Nov.  1861  S.  512),  das  Vorkommen  von 
Pflanzen  in  den  Bonebedschichten. 

Es  ist  demnach  die  Einlagerung  pflanzenführender 
Schichten  in  der  dem  Bonebed  entsprechenden  Stufe  Fran- 
kens keine  aussergewöhnliche  Erscheinung. 

Was  nun  die  Natur  dieser  Pflanzen  anbelangt,  so  darf 
ich  mich  hier  auf  einige  allgemeine  Bemerkungen  beschrän- 
ken, weil  wir  in  Bälde  eine  ausführliche  Arbeit  über  diesen 
Gegenstand  von  Hrn.  Prof.  Schenk  in  Würzburg  zu  er- 
warten haben. 

Bei  Untersuchimg  der  verschiedenen  Lagerstätten  im 
SW. ,  N.  und  NO.  konnte  ich  einen  wesentlichen  Unter- 
schied in  ihrer  Flora  nicht  erkennen.  Es  kommen  zwar 
viele  Arten  nur  an  einzelnen  Fundorten  vor,  aber  diess 
sind  meist  überhaupt  Seltenheiten.  Die  charakteristischen 
Species  finden  sich  gleichmässig  fast  an  allen  Hauptfundorten, 
an  welchen  mit  Energie  gesammelt  wurde.  Diess  geht  auch 
unzweideutig  aus  einer  Zusammenstellung  aller  bisher  im 
nördlichen  Franken  in  diesen  Schichten  gefundenen  Arten 
hervor,  welches  Verzeichniss  ich  der  besonderen  Güte  des. 
Hrn.  Prof.  Braun  in  Bayreuth  verdanke.  Ich  nehme  hier 
gerne  Veranlassung,  für  diese  uneigennützige  Unterstützung 


Gümbd:  EnochenbeU  und  PflantentckidUm  Frankens.       277 


sehr  verehrten  Freundes  meinen  besten  Dank  aus- 
zusprechen. 

Unter  den  gewöhnlichsten  d.  h.  häufigsten  Arten  finden 

sich  nach  dieser  Zusammenstellung  beispielsweise: 

Eguisetües    Münster*    Sternb.    zu    Strullendorf,    Reindorf, 

Höfen,  Veitlahm,   Hardt,  Saaserberg,   Jägersburg  und 

Reuth,    ich    kann    hinzufügen    auch    bei  lloth    unfern 

Schesslitz    und  im  Bürgerwalde  bei  Forchheim. 

Tcumiopteris  Münsteri  Oöpp.  zu  Theta.    im  Teufelsgraben, 

bei  Forst. 
Astdriania  baruthina  Fr.  Braun  zu  Theta,  Veitlahm,  Forst 

und  am  Saaserberg. 
l&rchneria  ovata  Fr.  Braun  zu  Theta  und  im  Teufelsgraben. 

Camptopteris  Münsteriana  Presl.  zu  Strullendorf,  Fantasie, 
Theta,  Veitlahm,  Saaserberg  und  Atzeisberg  bei  Erlangen. 

Camptopteris  crenata  Presl.  zu  Fantasie,  Veitlahm,  Hardt 
und  im  Teufelsgraben. 

Pecopteris  Uaso-heuperim  Fr.  Braun  zu  Veitlahm,  Theta, 
Forst  und  Saaserberg. 

Pterozamites  Münsteri  Presl.  zu  Strullendorf,  Fantasie, 
Veit  lahm,  Saaserberg  und  Reuth. 

Podosamites  distans  Presl.  zu  Strullendorf,  Fantasie,  Veit- 
lahm, Saaserberg  und  Reuth,  auch  bei  Oberleiterbach 
fand  ich  diese  Art. 

PaUssya  Brauni  Endl,  zu  Strullendorf,  Veitlahm,  Hardt, 
ausserdem  fand  ich  sie  an  der  Birkenleite  unfern 
Rentweinsdorf,  am  Gentberge  und  in  den  meisten 
Steinbrüchen  bei  Sesslach,  Ebern  und  Schesslitz,  in 
welchen  die  Pfianzenschiefer  entblösst  waren. 
Was    nun    die  Natur    der  Gattungen   und  Arten   von 

Pflanzen,    welche    in    diesen  Schichten  eingeschlossen  sind, 

anbelangt,   so  scheinen  auch  die  Pflanzenreste,    analog   der 

Fauna,  eine  doppelte  Richtung  nach  rückwärts  und  nach 

vorwärts   zu  vertreten;    einige  Arten    sind  Abkömmlinge 


278  Sitgung  der  math.-phys.  Ck*se  wm  7.  Mai  1894. 

der  triasischen  Flora,  andere  Prototypen  der  nachfolgen- 
den jurassischen  Formen.  Im  Allgemeinen  läset  sich  ein 
enger  Anschluss  an  die  Liasflora  nicht  verkennen.  Doch 
soll,  wie  mir  Hr.  Prof.  Schenk  mitzutheilen  die  Güte  hatte, 
soweit  seine  Untersuchungen  reichen,  keine  Art  mit 
einer  Liasspeciee  identisch  sein.  Dass  starke  An* 
klänge  an  die  jurassische  Flora  zu  bemerken  sind,  ist 
übrigens  nicht  anders  zu  erwarten,  da  ja,  auch  wenn  wir 
von  der  Flora  des  Kanonenbergs  bei  Halberstadt,  deren 
ganz  genauer  Horizont  nach  den  neuesten  Mittheilungen 
Schlönebach's  (1.  c.  1860  S.  319  und  1862  S.  146  u.folg.) 
immer  noch  in  tiefes  Dunkel  gehüllt  bleibt,  absehen,  vergleich- 
bare Pflanzenreste  mehr  in  höher  liegenden  Liasbildungen  be- 
kannt sind,  welche  diesen  Grenzgebilden  nach  der 
Zeit  ihrer  Entstehung  weit  näher  stehen,  als  die  vor- 
ausgehenden der  Lettenkohlenstufe  oder  gar  des  bunten 
Sandsteins.  Ich  glaube,  bei  dem  gegenwärtigen  Standpunkte 
der  Kenntniss  der  Fauna  und  Flora  dieser  Grenzschichten 
und  in  Berücksichtigung  der  Lagerung  und  Verbreitung 
derselben  hat  die  Streitfrage,  ob  diese  Grenzgebilde  zur 
Keuper-  oder  Liasformation  zu  rechnen  seien,  kaum  mehr 
eine  grössere  Bedeutung,  als  die  eines  Wortstreites.  In 
geognostischer  Beziehung  ist  die  Hauptsache,  festgestellt 
zu  haben,  dass  diese  Schichten  ausnahmslos  zwischen  den 
oberen  Keuperlagen  und  den  bisher  als  tiefste  Liasbildung 
angenommenen  Schichten  ihre  Stelle  finden  und  vermöge 
ihrer  sehr  ansehnlichen,  horizontalen  und  vertikalen  Aus- 
breitung die  Bedeutung  einer  selbstständigen  Abtheilung  zu 
beanspruchen  berechtigt  sind.  Ich  nehme  desshalb  hier 
Veranlassung,  meinen  Vorschlag,  diesen  Schichtencomplex 
als  rhaetische  Formation  auszuscheiden,  zu  wieder- 
holen. 


Vogdjun.:  Ueber  Torftohte.  579 

Herr  Vogel  jun.  hielt  einen  Vortrag: 
„Ueber  die  Torfkohle." 

Die  zahlreichen  Versuche,  welche  in  neuerer  Zeit  mit 
Verkohlung  und  Destillation  organischer  Körper  angestellt 
worden  sind,  haben  verschiedene  zum  Theil  ganz  neue 
Verkohlungs-  und  Destillationamethoden  za  Tage  gefördert) 
von  denen  einige,  wie  z.  B.  die  Verwendung  von. überhitzten 
Waaserdämpfen ,  sich  zwar  als  wissenschaftlich  höchst  in» 
teressant,  gleichwohl  in  der  Praxis  ziemlich  schwierig  er- 
wiesen and  wenigstens  bis  jetzt  nicht  die  Hoffnungen  er- 
füllt haben,  die  man  anfangs  davon  hegte.  Unter  diesen 
Methoden  ist  eine,  welche  sich  ganz  besonders  dnrch  die 
überraschende  Qualität  ihrer  Produkte  auszeichnet,  indem 
sie  selbst  solche  organische  Körper, ;  welche  in  der;  Regel 
bei  erhöhter  Temperatur  ihre  Form  verlieren,  wie  z.  B. 
Haare,  Federn,  ja  selbst  ganze  Thierkörper,  feine  Pflanzen* 
theile,  Aehren,  Blumen  u.  dgl.  ohne  Veränderung  ihrer 
ursprünglichen  Form  vollständig  zu.  verkohlen  gestattet. 
Die  Methode  besteht  darin,  dass  man  ein  durch  Ver* 
brennung  trockner  Bubstanzen  erzeugtes,  hcdsses,  Sauerstoff- 
freies  Gasgemeage  mittelst  eines  ganz  einfachen  Ventilat 
tionsapparates  über  den  in  einem  verschlossenen  Räume 
befindlichen  zu  verkohlenden  Körper  leitet.  Es  schien  mir 
diese  Verkohlungsmethode,  die  eben  so '  wohl  zur  blossen 
Röstimg,  wie  zur  vollständigen  Einäscherung  modifkxbt 
werden  und  deshalb  eine  sehr  vielseitige  Anwendung  er • 
halten  kann,  hier  insofern  besonders  erwähnenswert!^  weil 
sie  zuerst  in  Bayern  eine  praktische  Verwendung  im  Grdsseft 
und  zwar  zur  Verkohlung  von  Torf  erhalten  hat.  *    . 

Die  Beschaffenheit  der  Torfkohle  hängt,  wie  man  weiss, 
von  der  Beschaffenheit  des  zur  Verkohlung  verwendeten 
Torfes  ab;  eine  harte  consistente  Torfsorte,  wie  die  durch 


280  Sitzung  der  **&.-f>ftfs.  Ctqs*  wm  7i  Mai  1864. 

Maschinenbearbeitung  erhalten  wird,  gibt  selbstverständlich 
eine  härtere  Kohle,  als,  eine  lockere  Tprfsorte,  wie  diees 
ja  auch  mit  den  verschiedenen  zur  Verkohlung  verwendeten 
Holzarten  der  Fall  ist.  Bei  der  Verkohlung  des  Maschinen- 
torfes  tritt  «ach  der  wohl  zu  berücksichtigende  (Instand 
ein,  dass  zur  Herstellung  einer  als  Heizmaterial  brauch- 
baren Torfkohle  es  sieht  hinreichend  erscheint,  einen  mög- 
lichst harten  und  oofeipakten  Torf  anzuwenden,  sondern 
dass  es  ausserdem  noth wendig  ist,  nur  solche  Torfeorten 
zu  wählen,  welehe  sieh  beim  Erhitzen  nicht  in  Schichtet* 
abblättern;  durch  dieses  blättrige  Gefuge  ist  z.  R  mancher 
im  üebrigen  ganz  branchbare  Presstorf  zur  Verkohlung 
ganz  und  gar  ungeeignet. 

Wenn  es  nun  für  Heizzwecke  vorteilhaft  sein  mnsa, 
möghehst  harte  and  nicht  abblätternde  Torfkohle  herzu- 
stellen, so  wird  es  zu  einer  anderen  Reihe  technischer  An* 
Wendungen  rationell  sein,  möglichst  lockere  Torfkohle  zu 
gewinnen.  Bisher  hat  man  indess  nur  selten  und  ober- 
flächlich den  Werth  und  die  Brauchbarkeit  der  lockeren 
Torfkohle  beachtet.  In  England  resp.  Irland  entstand  zu- 
erst zu  Derrymullen  ein  grösseres  Werk,  das  sich  mit  der 
Herstellung  von  lockerer  Torfkohle  als  Düng-  und  Des- 
infektionsmittel beschäftigte;  die  Verfahrungsweise  ist  aber 
noch  sehr  roh  und  ungenügend. 

Einige  auf  den  bekannten  Torfwerken  Staltach  bei 
Starniberg  und  Moosschwaige  bei  Schleisheim  ausgeführte 
Versuche  stellen  jedoch  für  diese  Art  Kohle  eine  so  ausge- 
dehnte und  wichtige  Art  der  Verwendung  in  Aussicht,  dass 
ich  nicht  umhin  kann,  hier  das  Ergebniss  meiner  eigenen 
Beobachtungen  zu  erwähnen.  Es  ist  nämlich  auf  den  ge- 
nannten Torfwerken  gelungen ,  aus  einem  als  Heismaterial 
fast  unbrauchbaren,  leichten  Torfe  eine  Kohle  darzustellen, 
die  an  Porosität  alle  anderen  Kohlensorten ,  mit  Ausnahme 
der  ganz  reinen  Blutkohle,  weit  übertrifft.  Die-  Absorption** 


Vogü  rm.i  üebtr  TdrflMe.  481 

filiigkeit  der  auf  solche  Weise  erhaltenen  Kohle  ist,  *i* 
direkte  Versuche  gezeigt  haben,  überaas  gross.  Zu  den 
Versuchen  wurde  zunächst  künstlich  bereitete*  Sohvefal+ 
rasserstoffwasser  verwendet  Dasselbe  enthielt  nach  der 
bekannten  mit  Normalarsenlösung  und  Jod  ausgeführten 
Titrirmethode  0,14  Grmm.  Schwefelwasserstoff  in  100  G.G. 

360  G.G.  dieses  Schwefelwasserstoffwassers  wurden  in 
einer  Flasche  mit  40  Grmm.  Torfkohle  in  Pulverform  ge- 
schüttelt; das  nach  kurzer  Zeit  von  der  Torfkohle  abfiltrirte 
Wasser  hatte  den  Geruch  nach  Schwefelwasserstoff  gänzlich 
verloren  und  zeigte  auch  nicht  die  mindeste  schwarze  Fär- 
bung mit  einer  Lösung  yon  essigsaurem  Bleioxyd.  Erst  bei 
der  Anwendung  tob  660  C.C.  des  Schwefelwassersteff- 
wassers  auf  40  Grmm.  Torfkohle  zeigte  die  durchgelaufene 
Flüssigkeit  noch  schwachen  Geruch  nach  Schwefelwasserstoff 
und  eine  geringe  Färbung  mit  dem  Bieisalze.  Weitere 
quantitative  Absorptionsversuche  ergaben  das  Resultat,  dass 
100  Grmm.  Torfkohle  2,1  Grmm.  Schwefelwasserstoff  m 
absorbiren,  mithin  1622  C.C.  eines  Schwefelwasserstoff- 
wassers  yon  0,18  Proo.  Gehalt  zu  desiräciren  vermochten, 
ßie  steht  somit  in  dieser  Beziehung,  wie  Yergleieheinde  Be» 
obacbtangsn  nachgewiesen  haben,  der  thierischen  Kohle 
nahezu  gleich,  obsehon  sie  letzterer  als  Entfäubungamaterial 
nachsteht. 

Faule  und  übelriechende  Körper  Jnit  dieser  Kohle  be- 
streut, verlieren  fast  augenblicklich  jeden  Geruch.  In  ihr 
dürfte  wohl  das  beste  Mittel  gefunden  sein,  um  Cloaken  in 
grösseren  Städten  zu  desinficirea ,  auch  für  Krankenzimmer 
wird  sie  sehr  geeignet  sein ,  um  den  üblen  Gertich  der  De* 
jektionen  zu  beseitigen.  In  Verbindung  mit  tbierischett 
Exnremfcnten,  mit  Bhit,  Abfällen  u.  dgl.  bildet  sie  eines  der 
wirksamsten  Düngemittel,  welches  wegen  seiner  völlkonh 
Bienen  Geruchlöeigkeit  einen  unbeanstandeten  Transport  ge- 
stattet   Da   diese   Torfkohle    zu    einem    VeAältoissraSstig 


262  Süamg  der  matospkjp.  (Harne  vom  7.  Mai  1864. 


sehr  niedrigen  Preis  gestellt  werden  kann ,  so  steht  ohne 
Zweifel*  ein«  bedeutende  Anwendung  dieses  Materials«  im 
GrtMenzu  erwarten. 


4 

Herr  ftägeli  hielt  einen  Vortrag: 

„Ueber   den  innern  Bau  der  vegetabilischen 
Zelle  nmembranen((. 

CMi t  Ewei  Tafeln ) 

Es  ist  schon  lange  bekannt,  dass  die  pflanzlichen  Zell- 
membranen nidht  bloss  geschichtet  sind,  sondern  dass  sie, 
auch  von  der  Flache  angesehen,  eine  zarte  Zeichnung  «eigen, 
unabhängig  von  der  grobem  Zeichnung,  welche  Folge  un- 
gleicher Verdickung  ist  und  in  Form  von  Fasern  und  Poren 
auftritt.  Die  ersten  genauen  und  sichern  Angaben  hierüber 
rühren  von  Mo  hl  her  (Erläuterung  und  Verteidigung 
meiner  Ansicht  von  der  Structur  der  Pflanzensubstanz  1836). 
Derselbe  beobachtete  an  den  Wandungen  vorzüglich  von 
Baetzellen  eine  netzförmige  Structur  und  leitete  dieselbe 
von  spiralförmig  gewundenen,  steil  aufsteigenden  Fasern 
her,  welche  in  den  verschiedenen  Membranschichten  sieb 
kreuzten  und  daher  die  Fläche  der  Zelle  in  rhomben- 
förmige  Felder  zu  theilen  schienen. 

Valentin  machte  gleichzeitig  ähnliche  Beobachtungen, 
glaubte  aber  irrthümlicher  Weise,  dass  die  spiralförmigen 
Fasern  an  einer  Zelle  in  gleicher  Richtung  verlaufen  und 
iass  die  Kreuzung  derselben  von  dem  Durchscheinen  der 
hintern  Zellwand  herrühre  und  daher  wie  bei  den  eigent- 
lichen Spiralfasern  nur  scheinbar  sei  (Valentins  Reperto« 
raun  für  Anat.  und  Phyaiol.  I,  88).  Derselbe  fand  ferner^ 
dass  nicht  die  äusserste  Schicht  der  Membran  (die  sog. 
ursprüngliche  Membran),  sondern  nur  die  übrigen  Schichten 
(di*  sog.  VerdtokungB-  oder  Verholzungsschichten)  die  spirali- 


Nägdi:  Innerer  Bau  vegetobüüeher  ZtRmmmbrantn.       28$ 

geB  Streifen  erkennen  lassen;  und  es  sottten  dieselben  aus 
Körnchen  hervorgehen,  welche  auf  der- innen*  Fläche  der 
Membran  sich  anlagern,  zuerst  ohne  bestimmte  Anordnung, 
bald  aber  mhenförniig  geordnet  erscheinen  und  achliesaüeh 
m  die  fasern  übergehen. 

Zu  der  nämlichen  Zeit  beschäftigte  sich  auch  Meyen 
mit  der  spiraligen  Zeichnung  der  Zellennaembranen  r  ver- 
öffentlichte seine  Untersuchungen  aber  etwas  später  (Pflanz 
zenphysiologie  1837,  I,  18,  45,  108).  Durch  Vermengung 
von  wirklichen  SpiraUksencellen,  welche  sehr  feine  und  eng« 
gewundene  Spiralfasern  besitzen,  mit  den  spiralförmig  ge- 
streiften Membranen  wurde  derselbe  zu  dem  Ausspruche 
veranlasst,-  die  Schichten  der  Zettwandung,  auch  die 
ännserste  nicht  ausgenommen,  bestehen  aus  trennbaren 
Fasern* 

Fortan  tritt  nun  die  Frage,  ob  die  Membranen  aus 
sogenannten  Primitivfasera  zusammengesetzt  seien,  in  den 
Vordergrund.  Mohl  widmete  ihr  eine  Abhandlung  (über 
den  Bau  (kr  vegetabilischen  Zellmembran  1837)  und  ver- 
neinte sie.  Indem  er  die  Irrthümer  Meyen's  nachwies, 
legte  er  besonderes  Gewicht  auf  die  beiden  Thatsachen, 
erstlich,  da»  bei  den  Bastzellen  der  Apocyneen  die  Fasern 
häufig  einen  netzförmigen  Verlauf  haben,  und  dass  die 
Lücken  zwischen  denselben  mit  einer  glatten  Membran  aus- 
gefüllt seien,  ferner  dass  die  jugendlichen  Zellhäute  immer 
homogen  erscheinen  und  erst  später  gestreift  werden;  die 
Faserung  oder  Streifung  im  einen  und  andern  Fall  erklärte 
er  durch  ungleiche  Verdickung  der  Membranschichten. 

Für  die  Zusammensetzung  der  Zellmembranen  aus 
Primitivfasern  trat  hinwieder  J.  Agardh  in  die  Schranken 
(De  cellula  vegetabili  fibrillis  tenuissimis  contexta  1852). 
Er  untersuchte  ausschliesslich  einige  grosszellige  Meeralgeo 
und  glaubte  hier  aufs  deutlichste  die  Selbstständigkeit  der 
Fibrillen  erweisen  zu  können,   welche  gleichsam  wie  in  der 


284  Mtom§  der  «utk-pfy».  OUme  etat  7.  Mai  1864. 

Leinwand  mit  einander  verwoben  und  gekreuzt  seien  und 
wdbt  nur  von  einer  Membranschicht  in  die  andere,  sondern 
nfeh  von  einer  Zelle  in  die  andere  übertreten.  Diese 
Fibrillen  werden  durch  eine  Gallerte  bedeckt  und  vereinigt 
und  lassen  sich  nur  selten  vollkommen  Ton  einander 
trennen« 

Dagegen  erwiederte  Mohl  (Bot.  Zeit  1853  p.  75$), 
dass  der  Uebergang  einer  Faser  ans  einer  Membraosohidri 
in  die  andere  an  den  von  Agardh  untersuchten  Pflanzen 
nicht  zu  beobachten  sei,  dass  im  Gegentheü  die  Selbst» 
ständigkait  der  Schichten  hier  besonders  deutlich  und  lehr» 
reich  entgegentrete.  Die  einzelnen  Schichten  seien  aber 
mit  sehr  feinen,  parallellaufenden,  einander  sehr -genäherten 
Linien  besetzt,  welche  sich  ungefähr  unter  einem  rechten 
Winkel  kreuzen  und  welche  in  der  gleichen  Fläche  zu  liegen 
scheinen.  Eine  Trennung  dieser  Streifen  oder  Fäserchen 
lasse  sich  weder  durch  mechanische  noch  durch  chemische 
Mittel  vollziehen;  diese  gelte  auch  von  den  Spiralstreifen 
der  Bastzellen,  welche  entweder  in  gleicher  Richtung  ver- 
laufen oder  gleichzeitig  rechts  und  links  gewundene  Spiralen 
darstellen,  wobei  es  unentschieden  gelassen  wurde,  ob  die 
sich  kreuzenden  Linien  der  nämlichen  oder  verschiedenen 
Membranschichten  angehören.  Ebenso  lässt  es  Mohl  schliess- 
lich unentschieden,  ob  die  Membran  aus  Elementarfasern 
von  bestimmter  Form  und  Organisation  zusammengesetzt, 
oder  ob  jene  Streifen  nur  die  Andeutung  einer  ungleich- 
förmigen,  nach  der  Richtung  einer  Spirale  geordneten  An- 
ordnung der  Molecüle  seien. 

Durch  eine  Reihe  von  Untersuchungen  an  den  ver- 
schiedenen pflanzlichen  Geweben  wollte  H.  Grüger  (Bot« 
Zeit.  1854  p.  57  und  833)  nachweisen,  dass  die  Schichten 
ans  nebeneinander  liegenden  und  leicht  trennbaren  Primitiv* 
fesern  bestehen.  Beobachtung  und  Urtheil  lassen  aber  all- 
zusehr den  Mangel    an  Critik   fühlen.     Mit    der  Streiftang 


Nägeli:  Innerer  Barn  wgetabüücher  ßtMmmembrcmen.        285 

wird  nicht  nur  die  Faltung  der  Membranen ,  sondern  gelbst 
die  Schichtung  vielfach  verwechselt.  Die  Angaben  betreffend 
das  zweite  Liniensystem,  welohes  auf  den  Bastzellen  der 
Apocyneen  und  Asclepiadeen  sich  mit?  den  aufsteigenden 
Spiralstreifen  kreuzt  und  eine  netzförmige  Zeichnung  hervor- 
bringt, werden  missverstanden  und  dasselbe  für  eine  auf 
Interferenz  beruhende  optische  Tsusohung  erklärt.-  Die 
Messungen ,  welche  Crü  ge  r  über  die  Zunahme  der  Zellen« 
durahmesser  und  die  Richtungsänderungen  der  Streifen  bei 
der  Quellung  anstellte,  entscheiden  nicht,  wie  er  meinte, 
über  die  Existenz  der  Primitivfasern,  sondern  nur  über 
deren  Imbibitionsfahigkeit ;  sie  geben  übrigens,  wenn  die 
Rechnung  richtig  ausgeführt  wird,  das  entgegengesetzte 
Resultat  von  dem,  das  der  Verfasser  ableitet,  indem  sie 
nämlich  eine  beträchtliche  Wasseraufnahme  in  der  Längs- 
richtung der  Streifen  darthun. 

Crüger  ging  noch  weiter  und  wollte  die  Primitiv** 
fiaeern  der  Zellmembranen  mit  den  ProtoplasmasfaSmcben 
des  Inhaltes  in  Verbindung  bringen  (Bot.  Zeit.  1855  p.  601). 
Es  ist  überflüssig,  auf  diese  Phantasie  einzutreten,  da  jeder, 
der  die  Strömchen  des  Inhaltes  und  die  Streifen  der  Mem- 
bran beobachtet  hat,  ihre  Verschiedenheit  mit  Bezug  auf 
die  Grösseverhältnisse ,  die  Anordnung  und  die  Richtung 
kennt. 

Rücksichtlich  der  tatsächlichen  Beobachtungen  stellt 
sich  Schacht  (Beiträge  zur  Anat.  und  PhysioL  der  Ge- 
wächse 1854  p.  221)  auf  Seite  Agardh's,  indem  er  an* 
giebt,  dass  in  vielen  Fällen  die  Membranschichten  durch 
diemische  und  mechanische  Mittel  sich  zerfasern  lasseu« 
Er  bestreitet  aber,  dass  dieselben  desswqgen  aus  Fasern 
beständen,  behauptet  vielmehr,  dass  die  faserahnlichen 
Streifen  nichts  anderes  als  verdickte  Stellen  der  Mem- 
branschichten seien,  wenn  ich  anders  den  Sinn  richtig  auf- 
fasse;  denn   im  Verlaufe   der  Abhandlung  wird  dann  die 


28*  S&mng  der  matk-phy$.  dam  wm  7.  Mai  1864. 

Verdickung  mit  Verdichtung  und  schliesslich  selbtf  die  an* 
gleiche  Verdichtung  der  verschiedenen  MembrnnsteUen  mit 
der  in  verschiedenen  Richtungen  angleichen  optischen  Dich- 
tigkeit, welche  die  Polarisationserscheinungen  bewirkt,    ver- 

mengt. 

W  ig  and  (Ueber  die  feinste  Structur  der  vegetabilischen 
ZeHenmeutbranen,  in  den  Schriften  der  Gesellschaft  zur 
Beförderung  der  gesammten  Naturwissenschaften  au  Mar* 
butg  1856)  folgte  im  Allgemeinen  der  Darstellung  Mohl's. 
Ueberdem  hält  er  dafür,  das»  die  sich  kreacenden  Streifen 
verschiedenen  Membranschiebten  angehören  und  leitet  die 
Streifung,  in  den  einen  Fällen  von  einer  Faltung  oder 
wellenförmigen  Biegung  der  Membran,  in  den  anderen 
Fällen  von  einer  chemischen  Differenz  des  Zellstoffes  ab. 

Ich  habe  mich  veranlasst  gesehen,  das  Resultat  meiner 
eigenen  Untersuchungen  bereits  bei  einer  früheren  Gelegen- 
heit kurz  darzulegen.  Hier  will  ich,  einlässlicher  darauf 
eingehend,  zunächst  einige  allgemeine  Fragen  behandeln 
und  dann  das  Verhalten  der  verschiedenen  Zellenformen 
Wörtern, 

Die  erste  und  wichtigste  Frage  ist  die,  wodurch  das 
feingestreifte  Aussehen  der  Membranen  veranlasst  werde. 
Es  giebt  drei  mögliche  Ursachen ,  die  auch  alle  bereits  in 
Anspruch  genommen  wurden:  1)  wellenförmige  Biegung, 
2)  ungleiche  Dicke,  3)  ungleiche  Substanz  der  Schichten. 
Vorerst  sind  natürlich  alle  diejenigen  Falte  auszusehliessen, 
wo  ein  gefeiertes  Aussehen  durch  zarte  Falten  bewirkt  wird, 
welche  sich  in  Folge  der  mechanischen  Behandlung  (Zerren 
mit  Nadeln  ete.)  an  den  dünnen  Membranen  bilden.  Es  ist 
das .  Verdienst  Mohl's  in  diesem  Umstände  eine  Quelle  des 
ItTthilms  nachgewiesen  zu  haben. 

Dass  auch  die  wirkliche  Streifung  ganz  oder  zum  TheU 
auf  einer  wellenförmigen  Biegung  beruhe,  wurde  von  Wi- 
gftnd  für  Cönferva  Melagonium,  Polysiphonia  com«« 


Nägdi:  Innerer  Bau  vegetabilischer  Zeüenmembranen.       287 

planata,  Halurus  equisetifolius  und  für  Bastzellen 
angenommen.  Es  scheint  mir  aber,  dass  er  in  dieser  Be- 
ziehung nicht  genau  genug  beobachtet  und  nicht  scharf  ge- 
unterschieden  habe. 

Wellenförmige  Biegung  oder  Fältelung  lässt  sich  nämlich 
sehr  vielen  Zellen  beobachten;  und  sie  kann  als  ge- 
wöhnliche Erscheinung  betrachtet  werden  an  weichen  gallert- 
artigen Membranen  (Algen),  welche  getrocknet  waren  und 
wieder  aufgeweicht  werden  oder  die  in  Weingeist  und 
andern  Mitteln  aufbewahrt  wurden,  sowie  an  festem  Mem- 
branen (Bastzellen,  Holzfasern),  welche  durch  ein  quellendes 
Medium  aufgelockert  werden.  Da  die  Menge  der  abgegebenen 
oder  aufgenommenen  Imbibitionsflüssigkeit  nicht  in  allen 
Schichten  die  nämliche  ist,  so  erfolgt  natürlich  eine  Fälte- 
lang einzelner  Schichten  oder  Schichtencomplexe.  Man 
kann  dieselbe  bald  auf  dem  Querschnitt,  bald  auf  dem 
Längsschnitt,  bald  auch  auf  beiden  sehen. 

Eine  gleiche  Fältelung  sieht  man  zuweilen  auch  an 
Präparaten,  die  frisch  von  einem  lebenden  Pflanzentheil 
angefertigt  werden  (z.  B.  an  den  Epidermiszellen  von 
Blättern).  Ich  lasse  es  unentschieden,  ob  diese  Erscheinung 
wirklich  der  lebenden  Zelle  angehöre  und  eine  Folge 
angleichen  Wachsthums  der  verschiedenen  Membrantheile  sei, 
oder  ob  sie  erst  durch  die  Präparation  hervorgebracht 
werde.  Letzteres  wäre  insofern  möglich,  als,  wie  ich  an 
einem  andern  Ort  gezeigt  habe,  lebende  Zellmembranen, 
welche  durchschnitten  werden,  eine  beträchtliche  Menge 
von  Imbibitionsflüssigkeit  aufnehmen. 

Alle  diese  Fältelnngen  erscheinen,  wenn  man  die  Mem- 
bran von  der  Fläche  betrachtet,  als  parallele  Streifungen. 
Neben  diesen  Faltungsstreifen  kommen  aber  noch  andere 
vor,  die  ich  wegen  ihrer  später  zu  erörternden  Natur  als 
Dichtigkeitsstreifen  bezeichnen  will.  Die  Faltungsstreifen 
sind  im  Allgemeinen  breiter  (lty— 5mal  so  breit),  stärker 
[1864. 1.  4.]  20 


268         Sitmmg  der  mafh.-phy*.  Clause  wm7.  Mai  1884. 

und  viel  unregelmässiger  als  die  Dichtigkeitsstreifen,  welche 
letztere  sich  durch  ihre  Zartheit  und  Gleichmäßigkeit  aas- 
zeichnen. Oft  werden  die  letzteren  durch  die  erstem  gans 
verdeckt  oder  undeutlich  gemacht,  so  dass  man  sie  nur  bei 
längerem  und  genauem  Zusehen  erkennt  Dass  beide  aber 
von  einander  unabhängige  und  selbstständige  Bildungen 
sind,  ergiebt  sich  klar  aus  dem  Umstände,  dass  man  sie 
sowohl  auf  der  Flachen-  als  auf  der  Durchsdhnittsansicht 
neben  einander  sieht,  und  dass  die  Dichtigkeitestreifen  ge- 
rade da  am  deutlichsten  sind,  wo  die  Faltungsstreifen  durch- 
aus mangeln1). 

Nachdem  die  Dichtigkeitsstreifen  ak  eine  Eigentüm- 
lichkeit der  ungefalteten  Membranschiebt  nachgewiesen  sind, 
handelt   es  sich  ferner  um  die  Frage,   welchem  Umstände 


1)  Bei  Untersuchungen  über  die  Streifung  der  Zellwände  giebt 
es  noch  andere  Erscheinungen,  welche  den  Beobachter  zu  täuschen 
suchen,  die  aber  bei  einiger  Aufmerksamkeit  leicht  erkannt  werden. 
Auf  den  Durchschnitten  erscheinen  einmal  gewöhnlich  Streifen,  die 
von  der  ausgezackten  Messerklinge  herrühren.  Sie  sind  oft  sehr 
deutlich,  bald  in  gleichen,  bald  in  ungleichen  Abständen  abwechselnd 
hell  und  dunkel.  Sie  geben  sich  leicht  dadurch  zu  erkennen,  dass 
sie  über  den  ganzen  Schnitt  parallel  verlaufen. 

Auf  Durchschnitten  durch  hornartige  Gewebe  bilden  sich  ausser- 
dem zarte  Bisse.  Dieselben  sind  streifenartig,  abwechselnd  hell  und 
dunkel,  etwas  hin  und  hergebogen,  oft  verzweigt.  Sie  werden  durch 
die  Messerstreifen  unterbrochen  und  bilden  mit  diesen  spitze  Winkel. 
Eine  mit  solchen  Bissen  besetzte  Fläche  des  hornartigen  Albumens 
erscheint  oft  wie  wellig-gestreiftes  Papier. 

Die  eigentlichen  Messerstreifen  und  die  Rissstreifen  werden  um 
bo  eher  vermieden,  je  besser  das  Messer  polirt  ist.  Beide  unter- 
scheiden sieh,  ausser  ihrer  constanten  Richtung,  namentlich  auch 
dadurch,  dass  sie  sich  nur  an  der  Oberfläche  des  nicht  zu  dünnen 
Schnittes  befinden,  während  die  eigentlichen,  durch  die  innere 
Structur  bewirkten  Streifen  sich  durch  die  ganze  Dicke  des  Schnittes 
verfolgen  lassen  und  in  ihrer  Richtung  von  der  Membranfläche  ab- 
hängig sind. 


Nägdi:  Innerer  Bern  vegetabiUedur  Zdlenmembrwnn.       289 

dieselben  ihre  Sichtbarkeit  verdanken.  Es  wurden  ver- 
achiedene  Ursachen,  jedoch  ohne  weitere  Begründung,  ab 
erklärende  Hypothese  angenommen,  bald  eine  ungleichför- 
mige Anordnung  der  Molecüle,  bald  eine  chemische  Ver- 
schiedenheit, bald  eine  ungleichmäßige  Verdickung  nach 
Art  der  Spiralfaserzellen,  bald  eine  wirkliche  Zusammen- 
setzung aus  Fasern.  Diese  Möglichkeiten  gehören  zwei 
Kategorien  an:  entweder  wechseln  in  der  Hembranschioht 
bei  gleicher  Dicke  Substanzen  von  angleichem  Lichtbrech- 
ungsvermögen,  oder  bei  gleichem  Lichtbrechungsvermögen 
der  Substanz  Stellen  von  ungleicher  Mächtigkeit ;  es  können 
auch  beide  Verhältnisse  zusammenwirken. 

Die  Entscheidung  dieser  Frage  durch  direkte  Beobach- 
tung stösst  bei  der  ausserordentlichen  Zartheit  der  Strafen 
auf  unüberwindliche  Schwierigkeiten.  Doch  giebt  es,  wie 
mir  scheint,  einige  Thatsachen  and  einige  Berücksichtig- 
ungen, welche  eine  Beantwortung  mit  ziemlicher  Wahrschein- 
lichkeit erlauben.  Zuerst  bemerke  ich,  dass,  wie  schon  von 
verschiedenen  Beobachtern  hervorgehoben  wurde,  die  Streifen 
nicht  etwa  bloss  an  der  Oberfläche  der  Membran,  sondern 
in  deren  ganzer  Dicke  vorkommen,  ferner  dass,  wie  ich 
später  zeigen  werde,  dieselben  in  den  verschiedenen  La- 
mellen einer  Wandung  sich  genau  entsprechen.  Wenn  nun 
die  Streifen  Folge  ungleicher  Verdickung  wären,  so  müssten, 
weil  die  verdickten  Stellen  einerseits,  die  verdünnten  ander- 
seits auf  einander  treffen,  leere  Lücken  zwischen  den  Mem- 
branschichten sich  finden.  Diese  Lücken  wären  im  be- 
feuchteten Zustande  mit  Flüssigkeit,  im  trockenen  mit  Luft 
gefüllt,  und  es  müssten  daher  im  letzteren  die  Streifen  viel 
deutlicher  hervortreten;  denn  in  der  trockenen  Membran 
würden  sie  durch  den  Gegensatz  von  Substanz  und  Luft, 
in  der  befeuchteten  durch  den  Gegensatz  von  Substanz  (die 
überdem  mit  Wasser  imbibirt  ist)  und  Wasser  sichtbar.  Es 
ist  nun  aber  gerade  das  Umgekehrte   der  Fall;    beim  Ein- 

20* 


290  Sitomg  der  matk-pfty*.  Clane  vom  V.  Mai  1864. 

trocknen  verschwinden  die  Dichtigkeitsstreifen  mehr  oder 
weniger,  während  die  Faltungsstreifen  in  der  Regel  deut- 
licher werden.  —  Abgesehen  hievon  trifft  die  Annahme  eines 
solchen  inneren  Baues  der  Membran  noch  auf  mehrfache 
Schwierigkeiten  bei  der  Erklärung  der  Erscheinungen,  welche 
das  Aufquellen,  das  Austrocknen  und  das  Wachsthum  der 
Membran  darbieten.  Ich  kann  auf  diese  Erörterungen  hier 
nicht  eintreten,  und  bemerke  nur,  dass  in  allen  diesen  Be- 
ziehungen die  Membranen  sich  ganz  analog  den  Stärke* 
körnem  verhalten. 

Wir  werden  demnach  auf  die  andere  Erklärung  geführt, 
dass  nämlich  die  Streuung  durch  Substanzen  von  ungleichem 
Lichtbrechung8vermögen  hervorgebracht  werde.  Es  kann 
sich  hier  offenbar  weder  bloss  um  eine  verschiedene  An- 
ordnung der  Molecüle,  noch  um  chemische  Verschiedenheit 
handeln,  sondern  lediglich  oder  vorzugsweise  um  verschie- 
dene Dichtigkeit,  d.  h.  um  verschiedene  Mengen  des  einge- 
lagerten Wassers,  denn  nur  dadurch  sind  die  bedeutenden 
optischen  Differenzen  erklärbar.  Somit  ergiebt  sich  eine 
genaue  Analogie  zwischen  Streifung  und  Schichtung;  wie 
die  Schichten  einer  Membran  im  befeuchteten  Zustande 
aLternirend  dicht  und  weich  sind,  so  bestehen  die  Streifen 
einer  Schicht  abwechselnd  aus  wasserarmer  und  wasser- 
reicher Substanz.  In  der  That  verhält  sich  die  Streifung 
in  verschiedener  Beziehung  wie  die  Schichtung.  Wie  diese 
beim  Eintrocknen  ganz  oder  grösstenteils  verschwindet,  so 
wird  auch  jene  in  der  Regel  viel  undeutlicher;  dass  sie  oft 
in  geringem  Grade  sichtbar  bleibt,  wird  gerade  durch  die 
Vertheilung  des  Wassers  in  der  frischen  Membran  bedingt, 
wie  ich  später  zeigen  werde.  Wie  die  Schichtung,  so  wird 
an  festen  Membranen  auch  die  Streifung  erst  durch  quellende 
Mittel  bemerkbar.  Wie  endlich  die  Schichten  an  stark  auf- 
quellenden Membranen  wieder  unsichtbar  werden,  so  ver- 
schwinden auch  die  Streifen. 


NägeU:  Innerer  Bau  wgetabiUscher  ZeUenmembranen.       291 


Rücksichtlich  der  Anordnung  der  Streifen  ist  zuerst 
festzustellen,  dass  sie  in  allen  Lamellen  einer  Membran 
einander  entsprechen.  Wenn  sie  daher  auf  Durchschnitten 
der  Zellwandung  sichtbar  sind,  so  stellen  sie  sich  ebenfalls 
als  ununterbrochene  Streifen  von  alternirend  dichter  und 
weicher  Substanz  dar.  Der  dichte  Streifen  des  Durch- 
schnittes wird  durch  wasserärmere  Stellen  aller  Schichten, 
der  weiche  Streifen  durch  wasserreichere  Stellen  gebildet. 
Ist  die  Structur  besonders  deutlich  und  unterscheidet  man 
an  den  einzelnen  Schichten  der  durchschnittenen  Membran 
die  alternirenden  Stellen  von  ungleichem  Wassergehalt  als 
helle  und  dunkle  Punkte,  so  erkennt  man  auch  direkt,  dass 
in  zwei  benachbarten  Schichten  einerseits  die  hellen  Punkte, 
anderseits  die  dunkeln  opponirt  sind.  —  Die  Streifen,  welche 
der  Durchschnitt  der  Zellmembranen  zeigt ,  sind  übrigens 
meistens  gerade,  zuweilen  jedoch  gebogen;  es  hängt  diess 
mit  dem  Verlauf  und  der  Verdickung  der  Schichten  zu- 
sammen. 

Eine  schon  mehrfach  behandelte  Frage  ist  ferner  die, 
ob  die  Streifen  in  der  nämlichen  Schicht  nur  nach  einer 
▼erlaufen,  oder  ob  sie  nach  zwei  Richtungen 
sich  kreuzen.  Gewöhnlich  fiel  die  Antwort  in 
ersterem  Sinne  aus,  und  es  wurde  angenommen,  dass  die 
Kreuzung  durch  die  in  den  sucoessiven  Lamellen  mit 
ungleicher  Neigung  aufsteigenden  Fasern  bewirkt  werde. 
Die  Beobachtung  ist  hier  ausserordentlich  schwierig,  so  dass 
z.  B.  Mohl  nach  sorgfältiger  Untersuchung  eine  bestimmte 
Ansicht  nicht  auszusprechen  im  Stande  ist.  Nach  Andern 
wäre  freilich  die  Sache  leicht  zu  entscheiden.  So  sagt 
Schacht  (Beiträge  zur  Anat.  und  Physiol.  <L  6.  p.  228), 
alle  die  von  ihm  aufgeführten  Bastzellen  lassen  sich  nach 
der  Maceration  mit  chlorsaurem  Kali  und  Salpetersäure 
mehr  oder  minder  leicht  in  ihre  einzelnen  Verdickungs- 
schichten  zerlegen,    und  jede  Schicht  lasse    sich  alsdann, 


292  Stomg  der  matK-phy*.  Olasse  «oft  7.  M*  19*4. 

aber  immer  nur  in  einer  Richtung  zerfasern;  er  fügt  bei, 
daßs  er  unter  Oelsüss  Präparate  der  Bastzellen  von  Vinca 
minor  und  von  Aselepias  curassavica  bewahre,  wo  er 
jede  Schicht  für  sich  abgelöst  habe  und  wo  jede  derselben 
ihre  eigene  einfache  Streifungsrichtung  zeige.  Auch  Wigand 
will  an  einem  Membranstück  von  Gonferva  Melagonium, 
welches  sich  in  der  Weise  geblättert  hatte,  dass  am  Rande 
drei  Schichten,  die  eine  über  die  andere,  hervorragten,  in 
der  obersten  dieser  Schichten  bloss  Querstreifung ,  in  der 
folgenden  bloss  Längsstreifiing  und  in  der  untersten  gar 
keine  Streifung  gefunden  haben. 

Mit  Rücksicht  auf  die  beiden  eben  erwähnten  Angaben 
muss  ich  vorerst  bezweifeln,  dass  Schacht  und  Wigand 
wirklich  einfache  Schichten  beobachteten.  Es  ist  ungemein 
schwer,  von  einer  Membran  so  äusserst  dünne  Lamellen  ab* 
zublättern,  und  gelingt  es  ausnahmsweise,  so  ist  daran 
platterdings  nichts  mehr  zu  sehen»  Diess  ist  auch  bereits 
von  Mohl  angegeben  worden.  Daher  möchte  ich  vennuthen, 
dass  die  genannten  Beobachter  Schichtencomplexe  vor  sich 
hatten,  —  und  in  diesem  Falle  würde  ihre  Aussage  nichts  be- 
weisen. Es  ist  nämlich,  wie  ich  später  zeigen  werde,  eine 
häufige  Erscheinung,  dass,  von  der  Membranfläahe  ange- 
sehen, die  Streifen  in  verschiedenen  Schichtencomplexen 
einen  ungleichen  Verlauf  haben.  So  sieht  man  namentlich 
an  Bastzellen  oft,  dass  die  Streifen  in  der  äussern  Hälfte 
der  Membran  eine  linkswendige,  in  der  innern  Hälfte  eine 
rechtswendige  Spirale  beschreiben,  oder  umgekehrt;  und 
insofern  kann  man  uneigentlich  von  einer  Kreuzung  sprechen. 
Darum  handelt  es  sich  aber  nicht.  Neben  diesen  starkem 
Streifen  kommen  in  den  nämlichen  Schichtencomplexen  noch 
zartere  vor,  welche  in  entgegengesetzter  Richtung  verlaufen, 
und  die,  wie  ich  vermuthe,  von  Schacht  übersehen  wurden. 
An  einer  solchen  Bastzelle  hat  man  also  aussen  z.  B.  links- 


Nägeli:  Immer  Barn  vegetabüitcher  Ztßmmembranen.       293 

wendige    stärkere    und   rechtewendige    schwächere,     innen 
rechtswendige  stärkere  und  linkswendige  schwächere  Streifen. 
Von    diesen   ungleich  verlaufenden,    in  dem  nämlichen 
Schichtencomplex  befindlichen  Streifen   ist  es   im  höchsten 
Grade  wahrscheinlich,  dass  sie  auch  beide  in  jeder  einzelnen 
Schicht  vorkommen.    Bald  sind    sie  nämlich  gleich    stark, 
und  dann   behalten  beide    eine  gleiche  Stärke,   wenn   man 
die  Fooalebene  langsam  verändert.    Bald  sind  sie  ungleich 
stark,  und  dann  bleibt  das  Verhältniss   ihrer  Deutlichkeit 
bei  FocuBveränderungen    ebenfalls    das   nämliche.    Würden 
die   ungleich   gerichteten   Streifen  verschiedenen   Schichten 
angehören,  so  müssten  bei  unmerklicher  Höher-  und  Tiefer- 
stellung  des  Focus    die  einen  an  Schärfe   gewinnen,    die 
andern  verlieren.   —   Ueberdem  sind  in  einzelnen  Fällen, 
wo  die  Streifen  besonders  breit  und  deutlioh  hervortreten, 
die  hellen  Quadrate,  Rechtecke  oder  Rhomben,  welche  durch 
die  sich  kreuzenden  Streifen  bewirkt  werden,  auf  allen  vier 
Seiten  so  scharf  gezeichnet  und  gleich  stark  oonturirt,  dass 
man  die  Ursache  der  ungleichen  Lichtbrechung  in  der  näm- 
lichen Schicht  zu  suchen  geneigt  ist.  Die  Streifung  ist  näm- 
lich, wie  besonders  auch  die  Durchschnitte  der  Membranen 
zeigen,    oft  nur  an  den  dichten    Schichten   sichtbar;    die 
weichen  können  in  diesem  Falle  wegen  ihrer  geringen  Sub- 
etanzverschiedenheit  ganz  vernachlässigt  werden.    Wenn  nun 
in  einer  Schicht  bloss   Streifen   nach  einer  Richtung   vor- 
kämen,   so  müsste   das  parketähnliche  Aussehen  der  Mem- 
branfläche   durch    Kreuzung    in    den    successiven    dichten 
Schichten  erzeugt  werden,    und   könnte   demnach,    da  die 
einen  Linien  von  dem  Durchscheinen  einer  zuweilen  merklich 
tieferliegenden  Schicht  herrührten,  kaum  die  gleichmäßige 
Scharfe  zeigen,  wie  es  wirklich  der  Fall  ist. 

Ein  möglichst  dünner  Complex  von  Schichten  zeigt 
also,  von  der  Fläche  betrachtet,  folgende  Structur,  und 
ohne  Zweifel  gilt  diees  auch  für  jede  einzelne  der  dichten 


294  Süe^mg  der  matk-phys.  OUuse  wm  7.  Mai  1864. 


Schichten  (Fig.  3 — 7).  Nach  irgend  einer  Richtung  streicht 
ein  System  yon  dichtgedrängten  parallelen  Streifen,  welche 
abwechselnd  aus  dichter  und  weicher  Substanz  bestehen 
und  daher  abwechselnd  hell  und  dunkel  erscheinen.  Damit 
kreuzt  sich  unter  einem  rechten  oder  schiefen  Winkel  ein 
zweites  System  von  ähnlichen  Streifen.  Jedes  dieser  beiden 
Streifensysteme  umfasst  die  ganze  Substanzmasse  des  Schieb- 
tencomplexes.  Dieses  ist  daher  parkefcartig  gefeldert  mit 
quadratisch-rechteckigen  (Fig.  3—5)  oder  mit  rhombischen 
Feldern  (Fig.  6,  7).  Wenn  die  beiden  sich  kreuzenden 
Streifensysteme  einander  ganz  gleich  sind,  so  zeigen  die 
Felder chen  ein  dreifach  verschiedenes  Aussehen;  sie  be- 
stehen nämlich  aus  dichter,  weicher  und  mittlerer  Substanz, 
je  nachdem  sie  der  Kreuzungsstelle  zweier  dichter,  zweier 
weicher  oder  eines  dichten  und  eines  weichen  Streifens  ent- 
sprechen (Fig.  3,  6,  7;  d,  und  d„  die  dichten,  w,  und  w„ 
die  weichen  Streifen).  Es  besteht  also  ein  Streifen  nicht 
aus  einer  homogenen  Masse,  sondern  aus  kleinen  aneinander 
gereihten  Felderchen,  die  alternirend  ungleich  dicht  sind. 
In  dem  dichten  Streifen  wechseln  dichte  und  mittlere,  in 
dem  weichen  Streifen  weiche  und  mittlere  Areolen. 

Zeigen  die  beiden  sich  kreuzenden  Streifensysteme  nicht 
die  nämlichen  Dichtigkeitsverschiedenheiten,  so  besteht  die 
Membranschicht  aus  4  verschiedenen  Arten  von  Felderchen. 
Die  dichten  Streifen  des  einen  Systems  bestehen  aus  dichten 
und  halbdichten,  die  weichen  Streifen  aus  weichen  und 
halbweichen  Areolen,  und  dem  entsprechend  die  dichten 
Streifen  des  andern  Systems  aus  dichten  und  halbweichen, 
die  weichen  Streifen  aus  halbdichten  und  weichen  Areolen 
(Fig.  4).  Daraus  folgt,  dass  das  erste  System  (d,  und  w,) 
als  das  stärkere  erscheint  und  deutlicher  gesehen  wird,  das 
das  zweite  (d„  und  w„)  schwächer  ist  und  bis  zum  Ver- 
schwinden zurücktreten  kann.  Die  beiden  Streifensysteme 
sind  aber  auch  von  ungleicher  Deutlichkeit,    wenn  sie  bei 


Nagelt:  Innerer  Bm  vegetabtfocher  Zeüenmembranm.       295 

gleichen  Dichtigkeitsverschiedenheiten  aus  ungleich  breiten 
Streifen  bestehen  (Fig.  5). 

Wenn  die  Areolen  einer  Fläohe  nach  zwei  Richtungen 
in  Reihen  geordnet  sind,  so  müssen  auch  noch  in  andern 
Richtungen  Reihen,  aber  undeutlicher,  sichtbar  werden. 
Kreuzen  sich  die  primären  Reihen  unter  einem  rechten 
Winkel,  so  giebt  es  zwei  gleiche  Systeme  von  secundaren 
Reihen,  die  bezüglich  jener  eine  symmetrische  Lage  haben. 
Wenn  die  primären  Reihen  sich  dagegen  anter  schiefen 
Winkeln  schneiden,  so  sind  die  beiden  secundaren  Reihen 
ungleich;  diejenigen,  welche  den  stumpfen  Winkel  der  pri- 
mären Streifen  theilen  (Fig.  6  und  7,  8 — s,  t— t),  sind 
immer  deutlicher  als  diejenigen,  welche  in  den  spitzen 
Winkel  derselben  fallen.  Wenn  die  primären  Reihen  einen 
sehr  spitzen  und  einen  sehr  stumpfen  Winkel  bilden  r  so 
treten  diejenigen  secundaren  Reihen,  welche  dem  letztem 
angehören,  selbst  mehr  hervor  als  die  beiden  primären 
Reihen. 

Diese  theoretische  Forderung  wird  durch  die  Beob- 
achtung vollkommen  bestätigt  Wo  eine  Membranfläche 
zwei  sehr  deutliche  sich  kreuzende  Streifensysteme  zeigt,  so 
gelingt  es  in  der  Regel,  auch  ein  drittes  oder  viertes  System 
von  Streifen  wahrzunehmen.  Ich  habe  es  namentlich  bei 
verschiedenen  Algenzellen  gesehen.  Die  drei  oder  vier 
Streifensysteme  haben  anscheinend  den  gleichen  Charakter, 
nur  dass  sie  in  der  Deutlichkeit  von  einander  abweichen. 
Es  läset  sich  desshalb  nicht  immer  entscheiden,  welches  die 
primären  und  welches  die  secundaren  Systeme  seien. 

Das  Vorhandensein  von  drei  oder  vier  sich  schneidenden 
Streifensystemen  auf  einer  Membranfläche  ist  von  der 
grössten  Wichtigkeit;  denn  es  liefert  so  zu  sagen  den  mathe- 
matischen Beweis  für  die  Theorie  von  der  Natur  der  Streif- 
ung, wie  ich  sie  entwickelt  habe.    Es   lassen  sich  nämlich, 


296         Sitmmg  der  math.-phys.  Chm  vom  7.  MM  1864. 


da  die  Winkel  zwischen  den  Streifen  oft  sehr  genau  ge- 
messen werden  können,  die  relativen  Abstände  in  Jedem 
System  berechnen.  Die  so  berechnete  Breite  der  verschie- 
denen Streifen  stimmt  genau  mit  der  wirklichen  aberein. 
Diese  Uebereinstimmung  macht  es  aber  unmöglich,  dass  die 
Streifensysteme  in  verschiedenen  Membranschichten  liegen, 
und  fordert  eine  areolirte  Zeichnung  der  einzelnen  Schicht. 
Ich  verweise  hierüber  auf  die  später  folgenden  Untersuchun- 
gen an  Algenzellen. 

An  den  mit  drei  oder  vier  Streifensystemen  gezeichneten 
Membranen  lasst  sich  noch  eine  andere  Wahrnehmung 
machen,  welche  ebenfalls  mit  aller  Schärfe  den  Beweis  da- 
für liefert ,  dass  dieselben  der  gleichen  Schiebt  angehören. 
Es  kommt  nämlich  öfter  vor,  dass  das  eine  System  höher 
zu  liegen  scheint  als  tfie  anderen;  ebenso  ist  es  häufig  der 
Fall,  dass  bei  einer  gewissen  Stellung  des  Spiegels  nur  das 
eine  System  deutlich  gesehen  wird  oder  stärker  hervortritt 
als  die  übrigen.  Diese  Beobachtungen,  aus  denen  man  den 
Schluss  gezogen  hat,  dass  die  in  verschiedenen  Richtungen 
verlaufenden  Streifen  nicht  derselben  Ebene  angehören,  be- 
ruhen auf  optischer  Täuschung.  Dreht  man  nämlich  das 
Mikroskop  um  seine  vertikale  Axe,  so  fallen  andere  Systeme 
mehr  in  die  Augen;  und  was  die  Niveauverschiedenheiten 
betrifft,  so  kann  man  sicher  sein,  dass  das  höhere  System 
nach  einer  halben  Umdrehung  in  gleichem  Verhältniss  tiefer 
zu  liegen  scheint  als  die  andern,  während  eine  mittlere 
Stellung  es  in  gleicher  Höhe  mit  denselben  zeigt.  Diese 
ungleichen  Bilder  sind  eine  Folge  der  schiefdurchgehenden 
Lichtstrahlen,  die  nicht  rings  um  die  Axe  gleichmässig  ver- 
theilt  sind  und  daher  bald  das  eine,  bald  das  andere 
Streifensystem  deutlicher  hervortreten  lassen.  Dass  man 
aber,  ohne  die  Focaleinstellung  zu  ändern,  beliebig  dem 
einen  oder  dem  andern  eine  scheinbar  höhere  Lage  geben 


Näfdi:  Itmerer  Barn  wpttoMfafor  Zdfomembranm.       997 

kann,  beweist  gerade,  dass  sie  in  der  gleichen  Ebene  sich 
befinden  *). 

Auf  Durchschnitten  durch  die  Zellmembran  sieht  man 
zuweilen  ebenfalls  zwei  Streifensysteme ,  die  eich  kreuzen, 
and  welche  in  einzelnen  Fällen  ein  ganz  ähnliches  Aussehen 
darbieten,  wie  die  gefelderte  Zeichnung  der  Membranfläche. 
Das  eine  der  beiden  Systeme  wird  nun  aber  durch  die 
Schichten  der  Zeihrand  dargestellt.  Die  dichten  Schichten 
erscheinen  als  eine  Reihe  von  getrennten  dichten  Punkten, 
d.  h«  als  eine  Reihe  von  abwechselnd  dichtem  und  weichern 
Areolen,  ganz  wie  ein  dichter  Streifen  der  Flächenaneicht. 
—  Der  Querschnitt  stimmt  auch  darin  mit  der  Membran- 
fläche überein,  dass  ausser  den  primären  zuweilen  noch 
secundäre  Streifen  sichtbar  werden.  Diess  ist  namentlich 
dann  der  Fall,  wenn  die  primäre  Streifung  die  Schichtung 
nicht  unter  einem  rechten  Winkel,  sondern  schiefwinklig 
durchsetzt. 

Eine  Membran  lässt  sich  also  in  3  Richtungen  in  La* 
mellen  zerlegen,  die.  alternirend  aus  wasserreicherer  und 
wasserarmerer  Substanz  bestdien,  und  die  sich  in  ähnlicher 
Weise  wie  die  Blätterdurchgänge  eines  Giystalls  kreuzen. 
Die  Lamellen  der  einen  Richtung  sind  die  Schichten,  die 
der  beiden  andern  die  zwei  Streifensysteme.  Die  letztem 
können  sich  fast  unter  jedem  Winkel  schneiden;  beide 
stehen  auf  den  Schichtenlamellen,  wie  es  scheint,  in  den 
meisten  Fällen  rechtwinklig. 

Bücksichtlich  der  Neigungen  der  drei  Lamellensysteme 
zu   einander   giebt   es    folgende   drei    mögliche    und  auch 


2)  Ganz  ebenso  verhält  es  sich  mit  den  Streifensystemen  der 
Navicula,  von  denen  auch  Schacht  (Beiträge  p.  268)  sagt,  dass  sie 
in  verschiedenen  Schichten  liegen.  Man  kann  beim  Drehen  des 
Mikroskops  abwechselnd  jedes  der  drei  Systeme  als  das  höhere 
■eben. 


208  SUmmg  der  math.-phys.  Ome  vom  7.  Mai  1864. 


wirklich  vorkommende  Falle,  wenn  man  ein  kleines  Mem* 
branstück,  in  welchem  die  Schichten  als  eben  betrachtet 
werden  können,  berücksichtigt  1)  Die  Schichtung  und  die 
beiden  Streifungen  schneiden  sich  unter  rechten  Winkeln; 
ihre  Normalen  verhalten  sich  wie  die  Crystallaxen  im  quad- 
ratischen and  orthorhombischen  System.  2)  Die  Schichtung 
kreuzt  die  beiden  Streifungen  rechtwinklig,  indess  diese 
sich  schiefwinklig  schneiden,  oder  es  kann  auch  die  Schieb» 
tnng  su  einer  der  beiden  Streifungen  schiefwinklig  geneigt 
sein,  indess  die  andere  Streifung  eich  rechtwinklig  ansetzt; 
die  Normalen  verhalten  sich  wie  die  Crystallaxen  im  klino- 
rhombischen  System.  3)  Die  Schichtung  und  die  beiden 
Streifungen  schneiden  sich  unter  schiefen  Winkeln;  ihre 
Normalen  haben  die  Lage  der  Crystallaxen  im  klinorhom- 
boidischen  System. 

Fig.  8  giebt  eine  schematische  Darstellung  dieser  Ver- 
hältnisse an  einem  kleinen  würfelformigen  Stack,  das  in 
Gedanken  aus  einer  Zellmembran  herausgeschnitten  wurde. 
Die  drei  Lamellensysteme  kreuzen  sich  unter  rechten  Win- 
keln. Sie  wurden  ferner  rücksichtlich  der  Dimensionen 
und  Dichtigkeitsverschiedenheiten  einander  gleichgesetzt 
Unter  dieser  Voraussetzung  giebt  es  Areolen  von  vier  Dich« 
tigkeitsgraden,  je  nachdem  sich  drei  weiche  Lamellen,  oder 
zwei  weiche  und  eine  dichte,  oder  eine  weiche  und  zwei 
dichte,  oder  endlich  drei  dichte  kreuzen.  In  der  Zeichnung 
sind  die  weichsten  weiss  gelassen;  die  dichtesten  sind  mit 
dreifacher  Schraffirung  versehen;  die  zwei  mittleren  Grade 
sind  mit  einfachem  und  mit  doppeltem  Liniensystem  ge- 
zeichnet. 

Unter  dieser  Voraussetzung  sind  die  drei  Lamellen- 
systeme gleich  deutlich.  Sie  werden  ungleich  deutlich,  wenn 
ihre  Grössenverhältnisse  oder  ihre  Dichtigkeitsverschieden- 
heiten ungleich  sind.  Stimmen  zwei  Lamellensysteme  rück- 
sichtlich   der  Dichtigkeitsverhältnisse    überein,    indess    das 


Nägdi:  Immr  Bau  ve§etabüis<bcr  ZeUenmembnmen.       290 

dritte  Abweicht,  so  hat  man  sechs,  wenn  alle  drei  Lamellen- 
systeme  von  einander  abweichen,  8  verschiedene  Dichtig- 
keitagrade  für  die  Areolen. 

Ich  habe  bereits  oben  gesagt,    dass  beim  Eintrocknen 
die  Streifung  mehr  oder  weniger  verloren  geht.    Nach  der 
eben   stattgehabten  Erörterung    der  innen  Structur  ist  es 
begreiflich,    dass  trocknende  Membranen  sich  sehr  ungleich 
verhalten  können.    In    einem  Falle  verschwindet  die  Zeich- 
nung vollständig,    nämlich  dann,   wenn   in  dem  einen  der 
zwei  Lamellensysteme,  welche  unter  dem  Mikroskop  sich  in 
senkrechter  Lage  befinden,  die  Dichtigkritsverschiedenheiten 
gegenüber   dem  andern  System  unbemerklich  sind,    so  dass 
man   also  im   feuchten  Znstande  nur    das  letztere  deutlich 
sieht.    Diess  beobachtet  man    nicht  sehr  selten  auf  Durch- 
schnitten,   welche  befeuchtet  nur  die  Schichtung  zeigen  und 
trocken  homogen  ersehenen.    Solche  Membranen  verhalten 
sich  wie  die  Stärkekörner.    Wenn  dagegen   in  den   beiden 
senkrecht  vor  dem  Beobachter  stehenden  Lamellensystemen 
Substanzen  von  beträchtlich  verschiedener  Dichtigkeit  weeh- 
Beh,  so  bleibt  die  Zeichnung  auch  bei  vollständiger  Wasser- 
entziehung noch  sichtbar,    obgleich    sie   undeutlicher  wird. 
Die  dichten  Lamellen,  welche  sich  kreuzen  und  gleichsam 
ein   Gebälke   darstellen,    halten   einander   gegenseitig    und 
springen   daher   rippenartig  an    der  Oberfläche  vor.    Bei- 
spiele hiefur  giebt  sowohl   die  Flächenansicht    der    Mem- 
branen,   wo  die  beiden  Streif ensyBteme ,    als  Durchschnitte, 
wo   die  Schichtung  und  das  eine  Streifensystem   zuweilen 
auch  im  trockenen  Zustande  noch  bemerkbar  sind. 

Die  Schichtung  und  die  beiden  Streifensysteme  sind 
rucksichtlich  ihrer  Mächtigkeit  und  Deutlichkeit  ausserordent- 
lich verschieden.  Es  giebt  weiche  Membranen,  welche  mit 
Wasser  befeuchtet  die  innere  Structur  sehr  schön  hervor- 
treten lassen.  Andere  dagegen  zeigen  dieselbe  erst,  nach- 
dem sie  eine  mechanische  oder  chemische  Einwirkung  er- 


800  8ümm§  der  mmik-phgi.  dam  vom  7.  MW  1964. 

fahren  haben;  zuweilen  reicht  einfaches  Quetschen  ans; 
häufig  bedarf  es  der  Auflockerung  durch  Quellangsmittel 
(Schwefelsäure,  Aetzkali,  Salpetersäure  mit  chlorsaurem 
Kali  etc.).  —  Streifen  und  Schiebten  bewegen  sich,  sobald 
sie  sichtbar  geworden,  innerhalb  der  nämlichen  absoluten 
Grössenverhältnisae.  Es  gehen  10  Streifen  (eigentlich 
Streifenpaare,  jedes  ans  einem  dichten  nnd  einem  weichen 
Streifen  bestehend)  auf  8  —  30  Mik.,  so  dass  also  j< 
einzelnen  eine  Dicke  von  0,8  —  1,5  Mik.  zukommt. 
Ausdehnung  haben  sie  aber  bei  nelen  Membranen  erat 
durch  beträchtliches  Aufquellen  erhalten.  Aus  der  Zunahme 
beim  Aufquellen  läset  sich  in  einzelnen  Fällen  berechnen, 
dass  in  der  unveränderten  Membran  10  Schichten  oder 
Streifen  nicht  mehr  als  0,14  und  0,13  Mik.  einnehmen. 
(Beispiele  geben  Bastzellen  und  aufquellende  Epidermiszellen 
von  Samen  und  Früchten.) 

Eß  giebt  auch  Membranen  und  Membrantheile ,  an 
denen  auf  keine  Weise  eine  innere  Struotur  sichtbar  ge» 
macht  werden  kann.  Schon  Valentin  hat  die  Zellen  und 
Gefasee  mit  treppenförmig-  und  porös-verdickten  Wandungen 
als  solche  bezeichnet,  an  denen  die  Spiralstreifen  schwierig 
wahrzunehmen  seien,  und  Mo  hl  konnte  sie  an  vielen  Paren* 
chymzellen  nicht  nachweisen.  Wie  mir  scheint,  liegt  der 
Grund  davon  in  zwei  Verhältnissen,  in  der  Dicke  der 
Wandung  und  in  dem  Verlauf  der  Schichten.  Nur  wenn 
der  Schichtencomplex  eine  gewisse  Mächtigkeit  hat,  sieht 
man  die  Streifung  deutlich.  Desswegen  mangelt  sie  an 
allen  jungen  Zellen  und  an  dünnwandigem  Parenchym.  Die 
Streuung  ist  ferner  um  so  deutlicher,  je  mehr  die  Schichten 
unter  einander  parallel  nnd  je  ebener  sie  sind.  Dieser 
regelmässige  Schichtenverlauf  findet  aber  die  grössten  Star* 
ungen  an  Zellen  mit  zahlreichen  Poren,  so  wie  an  solchen 
mit  Bing-,  Spiral-  und  Netsfasern. 

Von  den  bisherigen  Beobachtern  wurde  femer  vorzüglich 


Näfdii  Imerer  Bau  vegttdb&icher  Z4Rm*mt*mm.        301 

die  Frage  erörtert,  ob  auch  die  äusserste  Schicht  der  ZeU- 
wand  (sog.  primäre  Membran)  gestreift  sei,  und  diess  ge- 
wöhnlich verneint  Nach  Schacht  soll  auch  die  innerste 
Membranschicht  nngestreift  sein.  Ich  moss  in  beiden  Be- 
ziehungen eine  andere  Meinung  verfechten.  Allerdings  sieht 
man  diese  Schichten,  wenn  man  sie  von  der  Fläche  be- 
trachtet, ohne  Zeichnung;  auch  die  Durchschnittsansioht 
zeigt  sich  meistens  homogen,  was  ich  in  manchen  Fällen 
ihrer  beträchtlichen  Dichtigkeit  zuschreibe.  In  andern  Fällen 
dagegen  erscheinen  sie  auf  dem  Durchschnitte  sehr  deutlich 
gestreift  An  dickwandigen  Parenchymzellen  besteht  dann 
die  innerste,  auch  wohl  die  mittlere  Schicht  der  Wandung 
zwischen  zwei  Zellen  abwechselnd  aus  dichten  und  weichen 
Areolen,  und  an  dünnwandigem  Parenchym  löst  sich  die 
ganze  durchschnittene  Wand  in  eine  Reihe  von  Knötchen  auf. 

Schichtung  und  Streifung  sind  nicht  nur  an  verschie- 
denen Membranen  und  Membrantheilen  sehr  ungleich;  sie 
bieten  auch,  wenn  wir  sie  in  dem  nämlichen  Membrantheü 
mit  einander  vergleichen,  höchst  mannigfaltige  Verhältnisse 
dar.  Was  zuerst  die  beiden  Streifensysteme  betrifft,  so 
sind  dieselben  zuweilen  von  gleicher  Stärke;  es  scheint  diess 
namentlich  dann  vorzukommen,  wenn  sie  mit  der  Zellenaxe 
gleiche  Winkel  bilden.  Bei  der  Spiralstreifung,  wo  die  sich 
kreuzenden  Streifen  zu  der  Aze  ungleich  geneigt  sind,  be- 
obachtet man  in  der  Regel  auch  eine  mehr  oder  weniger 
ungleiche  Ausbildung  derselben;  die  einen  können  selbst 
bis  zur  Undeutlichkeit  verschwinden,  indess  die  anderen 
sehr  entschieden  hervortreten. 

Vergleichen  wir  femer  Streifung  und  Schichtung  mit 
einander,  so  giebt  es  Zellen,  an  denen  beide  eine  gleiche 
Entwickelung  zeigen,  sei  es,  dass  sie  beide  sehr  augenfällig 
sind,  sei  es,  dass  sie  sich  gleich  sehr  der  Wahrnehmung 
entziehen.  Bei  der  grossen  Mehrzahl  der  Zellen  aber  tritt 
die  Schichtung  viel  deutlicher  hervor  als  die  Streifung,  und 


302         Stimmt  *r  mafa-phys.  ÖUme  vom  7.  Mai  1894. 

auf  Durchschnitten  ist  es  namentlich  die  scharfe  Zeichnung 
der  Schichten,  welche  die  zarten  Streifen  locht  übersehen 
lässt  Doch  kommt  auch  das  Umgekehrte  vor.  Es  giebt 
Zellen,  an  denen  die  Streifung  sehr  deutlich  gesehen  wird, 
während  die  Schichtung  entweder  nur  schwach  angedeutet 
ist,  oder  auch  ganz  mangelt  Dieses  auffallende  Factum 
findet  sich  zuweilen  an  alten  Holzzellen,  und  zwar  sowohl 
bei  der  Längsanaicht  derselben  als  auf  Querschnitten. 

Für  die  Anordnung  der  Streifen  kenne  ich  bis  jetzt 
mit  Sicherheit  3  verschiedene  Typen:  1)  die  gerade,  2)  die 
Spiralstreifung  und  3)  die  schiefe  Ringstreifang.  Bei  der 
geraden  Streifung,  die  man  an  einfach  gebauten  Algen  be- 
obachtet, läuft  das  eine  Streifensystem  mit  der  Zellenaxe 
parallel,  das  andere  quer  zu  derselben.  Bei  der  Spiral- 
streifung  beschreiben  beide  Systeme  Schraubenlinien,  ge- 
wöhnlich mit  entgegengesetzter  Wendung  und  in  der  Regel 
schiefwinklig  zu  einander  geneigt.  Gerade  und  spiralige 
Streuung  sind  übrigens  nicht  prinzipiell  verschieden,  indem 
sie  unmerklich  in  einander  übergehen. 

Von  diesen  beiden  Typen  ist  die  schiefe  Bingstreifung, 
die  von  den  bisherigen  Beobachtern  übersehen  wurde,  wesent- 
lich verschieden.  Sie  bildet,  wenn  wir  eine  einfache  Mem- 
branschicht berücksichtigen,  schiefe  Ringe,  welche  nach  zwei 
Richtungen  geneigt  sind  und  sich  somit  kreuzen.  An  dem 
ganzen  Schichtencomplex  einer  cylindrischen  oder  pris- 
matischen Zelle  stellt  der  einfache  Spiralstreifen  eine  Wen- 
deltreppe dar,  der  Ringstreifen  dagegen  eine  in  der  Mitte 
durchbrochene,  geneigte  Scheibe,  die  genau  einem  schief 
geführten  Querschnitt  entspricht.  Alle  Streifen  des  einen 
Systems  bilden  einen  Satz  von  solchen  schiefen,  unter  ein- 
ander parallelen  Scheiben,  die  Streifen  des  andern  Systems 
einen  Satz  von  ebenfalls  schiefen  und  unter  sich  parallelen 
Scheiben,  welche  aber  die  des  ersten  Systems  unter  einem 
schiefen  Winkel  schneiden. 


Nätcii '_  Tüüoitt  .Bot»  umifsftiliirftfr  j*dkmmtmliimm_       308 

Mohl  (Bot  Zeit  185»  p.  769)  giebt  an,  dass  die  an 
der  Oberfläche  der  Frons  von  Dictyosphaeria  favulosa 
freiliegenden  Zellmembranen  mit  zwei  Systemen  von  Streifen 
besetzt  seien,  von  denen  die  einen  radienförmig  vom  Gent- 
ium der  Zellwand  zu  ihrem  Bande  verlaufen,  während  die 
Andern  oonoentrische  Kreise  um  den  Mittelpunkt  beschreiben. 
Es  scheint  mir,  dass  diese  Anordnung  keinen  neuen  Typus 
begründet,  sondern  der  geraden  Streuung  beizuzählen  ist; 
denn  das  freie  Ende  einer  mit  Längs-  and  Querstreifen  be- 
gabten Zelle  muss,  wenn  es  von  oben  betrachtet  wird,  die 
beschriebene  radial-conoentrische  Zeichnung  zeigen.  —  Auch 
Epidermiazellen  von  Blättern  lassen  an  der  freien  Wand 
zuweilen  radiale,  vom  Gentrum  ausgehende,  starke  Streifen 
wahrnehmen.  Ich  habe  aber  die  dazu  gehörigen  oonoen- 
trischen  Linien  nicht  sehen  können. 

Bei  allen  Typen  laufen  die  Streifen  des  nämlichen 
Systems  unter  einander  parallel  Geringe  Abweichungen 
von  dem  strengen  Parallelismus  kommen  indessen  nicht 
selten  vor,  und  bestehen  vorzüglich  darin,  dass  ein  Streifen 
sich  in  zwei  theilt,  oder,  was  das  Nämliche  ist,  dass 
zwei  zu  einem  sich  vereinigen.  Auf  der  Flächenansicht 
ist  es  im  Kleinen  die  gleiche  Erscheinung  wie  die  Ver- 
zweigung der  Spiralfasern  im  Grössern.  Der  Querschnitt 
der  Zellen  zeigt  an  den  stärkern  Biegungsstellen  der  Mem- 
bran, namentlich  wenn  die  letztere  eine  grössere  Mächtigkeit 
besitzt,  mehrfache  Theilung  der  Streifen,  welche  hier  natür- 
lich eine  radiale  Richtung  haben.  Ein  einzelner  derselben 
kann  sich  von  innen  nach  aussen  je  nach  Umständen 
in  2,  3,  4  und  mehrere  spalten.  Die  Streifen  erinnern 
dann  rücksichtlich  ihrer  Lage  und  Anordnung  an  die  ver- 
zweigten Porenkanäle  dickwandiger  Zellen,  für  welche  sie 
auch  irrthümlicher  Weise  gehalten  wurden;  nur  sind  sie 
viel  feiner  und  gedrängter.  Dadurch  wird  erreicht,  dass 
an  dem  äussern  und  an  dem  innern  Band  der  Zellmembran 
[1864  1. 4]  21 


dunfcsohnittlich  gleich  ml  Strafen  auf  die  Längeneinheit 
kommen. 

Wie  die  verasteiten  Spiralfedern,  wenn  die  Verästelung 
häufiger  eintritt,  in  Netzfasera  tibergehen,  so  scheinen  auch 
die  zwei  «h  kreuzenden  Systeme  paralleler  Streifes  in  4er 
Flfefeenansicht  der  Membran  in  manchen  Fällen  durah  ein 
Mete  ersetzt  za  werde».  Die  Streiftmg  nimmt  dann  das  an 
den  netzförmigen  Gefitssen  bekannte  Aueseben  an.  Die  ver- 
längerten rhombischen  Maschen  ermnern  an  zwei  Systeme 
von  Linien,  die  sich  anter  einem  kleinen  Winkel  kreuzen. 
Die  Zeichnung  ist  aber  so  zart  and  undeutlich,  dass  ich 
nicht  zu  entscheiden  wage,  ob  sie  bloss  durch  einen  un- 
regelmässigen Verlauf  der  sich  kreuzenden  Spiral*  und  Ring- 
-streiftmg  hervorgebracht  werde ,  oder  ob  es  ein  eigener  Typus 
mit  wirklicher  netzförmiger  Vereinigung  der  Streifen  sei. 

Die  Streuung  kann  an  einer  Zelle  überall  den  gleichen 
Charakter  zeigen;  sie  kann  aber  auch  in  bestimmten  Re- 
gieren einen  andern  Charakter  annehmen.  So  kommt  es 
namentlich  an  Bastzellen  vor,  dass  in  bestimmten  Intervallen 
schiefe  Ringstreifaag  and  Spiralstreifting  mit  einander  alter- 
airea.  —  Selbst  in  den  verschiedenen  Schichtencomplexen, 
welche  in  dickwandigen  Zellen  übereinander  liegend  die 
ganze  Wanddicke  bilden,  beobachtet  man  nicht  selten  eine 
mehr  oder  minder  bedeutende  Aenderung  in  der  Richtung 
und  Anordnung  der  Streifen.  Bei  Holz-  und  Bastzellen  sind 
häufig  die  staiitern  oder  allein  sichtbaren  Streifen  in  der 
äussern  Hälfte  der  Membran  andersweadig  als  in  der  In- 
nern. Es  können  selbst  die  gleichwendigen  Streifen  in  ver- 
schiedener Tiefe  eine  ungleiche  Neigung  zur  Zellenaxe 
«eigen.  Zuweilen  besitzen  auch  die  äussersten  Schichten 
netzförmige,  die  übrigen  Spiralstreifting. 

Mit  Rückeicht  auf  die  Entwicklungsgeschichte  der 
Streifungen  ist  kaum  etwas  Sicheres  bekannt.  Sie  scheint 
indess  interessante  Ergebnisse  zu  versprechen.  Einige  That- 


r 


NäfftU:  Innerer  Bau  ve§€tabili*cher  Zdlmmmbrmen.        805 

tttfhen  deuten  darauf  hin,  dass  in  dm  iiMmliohen  Schick. 
toucoraplex  der  Charakter  der  Streiftuig  sich  verändern 
kann,  dass  namentlich  die  Spirafetreifung  verschwinden  und 
durch  schiefe  Ringströifung  ersetzt  werden  kann,  Denn  es 
kommt  tot,  dass  an  Jüngern  Bastzeilen  undeutliche  Spiral-, 
an  älteren  aber  undeutliche  RilgstreifeB  gesehen  werten. 
Ea  würde  also  in  verschiedenen  Perioden  das  Wachgthum 
mit  Räcksicht  auf  die  Einlagerungen  in  ungleichen  Kch- 
tangsverhältniesen  thätig  sein.  Andeutungen  dieses  ver- 
schiedenartigen Wachsthums  dürften  sich  in  solchen  ausge- 
bildeten Bastzellen  finden,  welche  je  nach  der  Einwirkung 
des  Quellungsmittels  die  eine  oder  andere  Streuung  (sptralige 
oder  ringförmige)  hervortreten  lassen.  Dagegen  ist  es  mir 
bis  jetzt  nicht  gelungen,  an  dem  nämlichen  Scbichtencom- 
plex  gleichzeitig  die  beiden  Streifungen  zu  sehen. 

-Es  liess  sich  erwarten,  dass  die  Oonfiguration  der  Ober- 
fläche in  gewisser  Beziehung  zu  dem  innern  Bau  der  Mem- 
bran stehe,  dass  also  die  durch  ungleiche  Verdickung  der- 
selben erzeugten  Fasern  und  Poren  von  dem  Verlaufe  der 
Streifen  bedingt  werden.  Am  schönsten  sieht  man  diese  an 
den  Spiralfasern  der  Holzzellen  und  an  den  Poren  der 
Bast-  und  HdizseBen.  Der  Querschnitt  zeigt  zuweilen, 
dass  jedem  dichten  Streifen  ein  schwacher  Vorsprung 
auf  der  innern  Fläche  entspricht;  zuweilen  trifft  auf  je  den 
4.  bis  7.  Streifen  eine  stärkere  Verdickung.  Deberemstim- 
mend  mit  der  letztem  Beobachtung  sieht  man  auf  der 
Flächenansicht  zwischen  je  zwei  Spiralfasern  8  bis  6  damit 
parallel  laufende  dichte  Streifen.  Für  diese  Falle  ist  es 
sicher,  dass  die  feine  Spiralfaser  einem  Spiralstreifen  ent- 
spricht Stärkere  Spiralfasern  seheinen  mehreren  (2—4) 
Spiralstreifen  zu  entsprechen. 

Wenn  die  Poren,  von  der  Membranfläche  angesehen, 
elliptisch  oder  linear  verlängert  sind,  so  stimmt  dieser 
Längsdurchmesser   genau   mit   der  Richtung   der   starkem 

21  • 


306         Stünmg  der  math-phys<  Cfom  vom  7.  Mai  1864. 

Spiralstreifung  überein.  Ich  habe  sogar  an  Bastzellen  be- 
obachtet, dass  die  Richtung  des  Porös  in  den  verschiedenen 
Membranechichten  mit  den  Streifen  sieh  ändert,  dass  der* 
selbe  z.  B.  in  der  äussern  Hälfte  der  Zellmembran  einer 
links-,  in  der  innern  Hälfte  einer  rechtsgewundenen  Schrau- 
benlinie folgt  In  solchen  Fällen  ist  also  der  flachgedrückte 
Porenkanal,  wenn  wir  ihn  von  der  innern  bis  zur  äussern 
Grenze  der  Membran  verfolgen,  wie  eine  Wendeltreppe  gedreht 

In  der  gegenwärtigen  Abhandlung  habe  ich  die  Zeich- 
nung auf  den  Zellen  der  Diatomeen  nicht  berücksichtigt 
Obgleich  dieselbe  eine  grosse  Analogie  mit  der  gekreuzten 
Streuung  der  übrigen  Pflanzenzellmembranen  hat,  so  scheinen 
mir  doch  einige  Verschiedenheiten  es  rathsain  zu  machen, 
die  beiden  Erscheinungen  vorerst  nicht  mit  einander  zu 
vermengen. 

Ich  bin  auch  nicht  auf  das  Problem  eingetreten,  ob  die 
Membran  ans  Primitivfasern  zusammengesetzt  sei  oder  nicht. 
Offenbar  hat  diese  formelle  Frage,  welche  mit  Unrecht  die 
Erforschung  der  factischen  Verhältnisse  in  den  Hintergrund 
drängte,  bei  den  Beobachtern  um  so  mehr  an  Werth  ver- 
loren, je  mehr  dieselben  sich  mit  dem  wirklichen  Bau  der 
Membran  beschäftigten.  Sie  muss  gänzlich  obsolet  werden, 
sowie  das  Wesen  der  Streifen  richtig  erkannt  ist.  Es  zeigt 
sich  dabei,  dass  denselben  von  den  Einen  ein  zu  grosses, 
von  den  Andern  ein  zu  geringes  Maass  der  Selbständigkeit 
eingeräumt  wurde.  Der  Fehler  war,  dass  nur  die  dichten 
Streifen  der  dichten  Schichten  berücksichtigt,  und  die  weichen 
Streifen  derselben  sammt  den  weichen  Schichten  ganz  über- 
sehen oder  als  homogene  Bindesubstanz  in  Anspruch  ge- 
nommen, dass  ferner  ein  anatomisches  Verhältnis  für  den 
Beweis  einer  bestimmten  Entstehungsweise  genommen,  und 
dass  demnach  die  unrichtige  Alternative  „Mambranschicht 
oder  Faser"  gestellt  wurde.  Der  Streifen  ist  so  gut  vor- 
handen und    hat  ebensoviel  und  ebensowenig  Berechtigung 


NägeU:  Inmrer  Bau  vegetabüücher  Zdlenmembranen.        307 

auf  Selbständigkeit  als  die  einzelne  Membranschicht;  beide 
sind  ein  scharf  geschiedener  Theü  der  ganzen  Zellwand, 
aber  weder  der  eine  noch  die  andere  tritt  je  selbständig 
für  sich  und  unabhängig  von  den  andern  Schichten  und 
Streifen  auf.  Ob  die  dichten  Streifen,  .worauf  so  viel  Ge- 
wicht gelegt  wurde,  durch  mechanische  oder  chemische 
Mittel  isolirt  werden  können  oder  nicht,  ist  eben  so  gleich- 
göltig  ,  als  es  für  die  Existenz  der  Schichten  unerheblich 
ist,  ob  sich  die  dichten  Schichten  von  einander  trennen 
lassen.  Beides  ist  mit  grossen  praktischen  Schwierigkeiten 
verbunden,  gelingt  aber  ohne  Zweifel,  wenn  man  die  ver- 
bindende  weiche  Substanz  auflösen  oder  gehörig  auflockern 
kann,  ohne  die  dichten  Streifen  oder  Schichten  allzusehr 
anzugreifen. 

Nachdem  ich  das  Verhalten  der  Streifen  im  Allge- 
meinen erörtert  habe,  will  ich  die  an  den  einzelnen  Zellen- 
formen  gemachten  Beobachtungen  besonders  darlegen.  Ich 
beginne  mit  den  Verhältnissen  der  innern  Structur,  welche 
uns  die  Parenchymzellen  darbieten. 

1.  Zellencryptogamen. 

Uücksichtlich  des  Baues  der  Membran  von  Ghaeto- 
morpha,  welcher  von  J.  Agardh,  H.  v.  Mohl  und 
W  ig  and  untersucht  wurde,  verweise  ich  besonders  auf  die 
gründliche  Darstellung  Mohl's.  Die  Streifung  geht  parallel 
der  Zellenaxe  und  rechtwinklig  zu  derselben.  Bei  wenig 
andern  Zellen  ist  deutlicher  zu  sehen,  dass  der  Streifen 
nichts  anderes  als  ein  Theil  der  Membranschicht  ist,  und 
dass  von  einem  Uebertreten  eines  dichten  Streifens  (Primitiv- 
faser) aus  einer  Schicht  in  die  andere  und  aus  einer  Zelle 
in  die  andere  keine  Rede  sein  kann. 

Sehr  schön  sieht  man  die  Streifung  auf  der  Membran- 
'  fläche    von  Cladophora  hospita  Kg.    Die  Längsstreifen 


308 


SUnmg  der  maih.-phys.  CUme  wm  7.  Mm  1864, 


beschreiben  eine  linkswendige  (südöstliche),  die  Querstreife» 
eine   entgegengesetzte   Spirale.     Ich    fand   s.  B.   folgende 


1 

2 

8 

4 

l*° 

16° 

17« 

«r 

89# 

79° 

Wf%% 

68° 

78° 

86° 

86Vt° 

84* 

Winkel  zwischen  den  Längastreifen   und 
4ut  Zellenaxe 

Winkel  zwischen  den  Querstreifen  und  der 
Zellenaxe 

Winkel  zwischen  Längs-  und  Querstreifen 

Ein  drittes  System  von  Spiralstreifen  wird  sowohl  bei 
Chaetomorpha  als  bei  Cladophora  hin  und  wieder  ge- 
sehen. Doch  ist  dasselbe  nur  stellenweise  erkennbar  und 
meistens  äusserst  zart.  —  Die  Längsstreifen  sind  etwas 
starker  und  etwas  unregelmässiger;  zuweilen  scheinen  sie 
nicht  genau  parallel  zu  sein,  sondern  ein  Geflecht  mit  sehr 
verlängerten  Maschen  zu  bilden.  Die  Querstreifen  sind  zarter, 
regelmässiger,  genau  parallel  und  gleich  weit  von  einander 
entfernt.  Von  jenen  gehen  12—18,  von  diesen  16  auf  25Mik., 
so  dass  also  der  einzelne  Längsstreifen  2  Mik. ,  der  Quer- 
streifen 1,56  Mik.  breit  ist8). 

Die  Membran  der  grossen  Seilen,  ans  denen  Valonia 
utricularis  Ag.  besteht,  lässt  fast  überall  drei  Streifen- 
Systeme  erkennen.  Die  stärksten  schneiden  die  Zejlenaxe 
fast  rechtwinklig,  dieselben  sind  häufig  etwas  unregelmässig; 
die  mittlem  laufen  mit  derselben  faßt  parallel ;  die  schwäch- 
sten haben  eine  schiefe  Richtung.  Nur  die  Querstreifen 
konnten,  sicher  gemessen  werden;    es  gehen  deren  meist  8 


9)  Wenn  ich  von  der  pieke  einer  Membransohicht  oder-  von  dcv 
Breite  eines  Streifens  sprechet  so  verstehe  ich  darunter  den  Abstand 
zwischen  der  Mitte  zweier  dichter  oder  zweier  weicher  Lamellen, 
also  eigentlich  die  Dicke  eines  Paars  bestehend  ans  einer  dichten 
und  der  zugehörigen  weichen  Lamelle. 


iftSaefti:  .ZiMirar  Süu  flAMCobtliidhir  £sBsiisms*smmmm.         8Q9 

wrt  12  Nik,    Die  Breite  der  andern  Streifen  liest  sich  aus 
dieser  Grosse  und  aus  den  Winkelmessnngen  berechnen. 

In  Fig.  1  geben  die  Linien  A,  B  and  C  die  Richtungen 
der  drei  StresfenejBtame.  a,  b  und  o  sind  die  senkrechten, 
Abstände  zweier  benachbarter  Streifen  der  Systeme  A,  B 
und  C.  a  ist  der  Winkel  zwischen  A  and  B,  ß  zwischen 
B  und  C,  f  zwischen  A  and  G.  Wenn  91m  das  Stück  der 
Linie  B,  welches  zwischen  zwei  benachbarten  Linien  des 
Systems  A  (oder  C)  liegt,  gleich  1  gesetzt  wird,  so  sind 
die  drei  gesuchten  Werthe 

a  =  Sin  a 

c  =  Sin  ß 

.         Sin  «.  Sin  ß 

t>    35    — 

Sin  y 
denn  b  =  C,  Sin  ß,  wenn  Ct   das  Stück  der  Linie  C  be- 
zeichnet,   welches   zwischen  zwei  benachbarten  Linien  des 

a     4) 
Systems  B  sich  befindet,  und  CÄ  =  =j— —     • 


4)  Man  kann  alz  Einheit  auch  das  Stück  der  Linie  A,  weichet 
zwischen  zwei  benachbarten  Linien  des  Systems  B,  odaj?  das  Stück 
der  Linie  C,  welches  zwischen  zwei  benachbarten  Linien  des  Systems 
A  liegt,  annehmen. 

Im  etstotu  Fall  hat  man  die  Formeln 

c  ==  Sin  y 
b  =  Sin  * 


im  zweiten  Falle 


J=  Sin  «.  Sin  y 
Sin  ß 


b  =  Sin  fi 
a  =  Sin  y 

Sin  fi.  Sin  y 

Sin  « 


Es  versteht  sich,  dass  das  Yerhaltniss  zwischen  a,  b  und  o  das 
nämliche  bleibt,  man  mag  die  Berechnung  nach  der  einen  oder 
andern  Formel  ausführen. 


310 


8itmm§  der  tnotk-pftys.  CUme  vcm  7.  Mai  1864, 


An  drei  Zellen  worden  folgende  Winkelgrössen  gefunden ; 
a  ist  der  Winkel  zwischen  den  Quer-  und  Längsetreifen, 
ß  derjenige  zwischen  den  Quer-  und  den  schiefen  Streifen, 
f  zwischen  den  Längs-  und  den  schiefen  Streifen. 

|     1     !     2    |     3 


a 

83° 

80» 

78° 

ß 

53° 

57« 

58° 

r 

44° 

48° 

44° 

Daxaus  wurden  nach  den  obigen  Formeln  für  die 
Breite  der  verschiedenen  Streifen  die  relativen  Werthe  und 
ferner  vermittelst  derselben  aus  der  gemessenen  Breite  der 
Querstreifen  die  absolute  Breite  der  beiden  andern  Streifen 
berechnet;  a  ist  die  Breite  der  Längsstreifen,  b  der  Quer- 
streifen und  c  der  schiefen  Streifen. 

1  I  2  I  3 


raUtir«  W. 

ftteoluteW. 

reUtiy«  W. 

akaoluteW. 

relatire  W. 

itaotateW. 

b 

1,1411 

1,6  Mik. 

1,2110 

1,5  Mik. 

1,1941 

1,6  Mik. 

a 

0,99256 

M  - 

0,98481 

1,2  — 

0,97815 

1,8   - 

0 

0,79863 

M  - 

0,88867 

1,0   - 

0,84805 

M   - 

Ich  habe  diese  Berechnungen  nicht  angestellt,  um  die 
Breite  der  Streifen  an  und  für  sich  zu  erfahren,  sondern 
um  zu  prüfen,  wie  die  gefundenen  Werthe  sich  zu  der  An- 
nahme verhalten,  dass  die  drei  Streifensysteme  durch  die 
Areolen  der  nämlichen  Schicht  dargestellt  werden.  Das 
Resultat  stimmt  genau  mit  dieser  Annahme  überein.  Die 
Längsstreifen  sind  in  dem  Maasse  zarter  und  gedrängter, 
als  es  die  berechnete  Breite  verlangt.  Die  Deutlichkeit  der 
schiefen  Streifen  ist  noch  etwas  geringer,  als  es  ihre  Dimen- 
sionen erfordern,  was  sich  leicht  daraus  erklärt,  dass  es 
secundäre  Streifen  sind,  die  bei  gleicher  Breite  weniger  in 
die  Augen  fallen  als  die.  primären.  —  Es  wäre  nun  gewiss 
undenkbar,  dass  die  Streifen  verschiedenen  Schichten  ange- 
hörten und  dabei  genau  dieselben  Verhältnisse  der  Stärke 
und  Richtung  zeigten,  wie  die  sich  kreuzenden  Areolen  einer 


Nägdi:  Innerer  Barn  vtgetabüMur  ZeUetmembnutoH. 


311 


Flache.  Ich  werde  ähnliche  Berechnungen  noch  für  Micro- 
dictyon  und  Chamaedoris  mittheilen,  und  bei  letzterer 
auch  einen  Fall  von  Valonia  anfuhren,  wo  4  Streifen- 
Systeme  sichtbar  waren. 

Die  Membran  der  Zellen  von  Microdictyon  Agard- 
hiannm  Dcsne.  zeigt,  von  der  Fläche  angesehen,  deutliche 
Langsstreifen.  Von  andern  Streifen  sieht  man  zuweilen 
nichts,  doch  giebt  sich  deren  Anwesenheit  schon  aus  dem 
Umstände  kund,  dass  die  Längsstreifen  zart  gegliedert  sind. 
Manchmal  erkennt  man  zarte  Querstreifen  und  noch  zartere 
schiefe  Streifen,  jene  mit  den  Längsstreifen  einen  Winkel 
von  80 — 85°,  diese  mit  den  nämlichen  einen  Winkel  von 
51 — 63°  bildend.  In  zwei  Fällen  wurden  folgende  Winkel- 
meesnngen  gemacht,  aus  denselben  die  relativen  Werthe  für 
die  Breite  der  Streifen  berechnet,  und  aus  der  gemessenen 
Breite  der  Längsstreifen  die  absolute  Breite  der  beiden 
andern  Streifen  gefunden. 

«  (zwischen  den  Längs-  und  Querstreifen) 
ß  (zwischen  den  Quer-  und  schiefen  Streifen) 
y  (zwischen  den  Längs-  und  schiefen  Streifen) 


1  1 

2 

80° 

86° 

47° 

35* 

58° 

60° 

I 


I 


2 


relative  W. 

0,98481 

0,90184 

»bsoluteW. 

1,4  Mik. 

1,3   - 

relative  W. 

0,9962 

0,65979 

»bsolnteW. 

1,6  Mik. 
1,06  — 

0,73136 

1,0   - 

0,57358 

0,9   — 

a  Breite  der  Lftngsstreifen 
b  Breite  der  Querstreifen 
c  Breite  der  schiefen 
Streifen 

Auch  hier  stimmt  die  aus  den  Winkeln  berechnete 
Breite  der  Streifen  mit  dem  Grade  ihrer  Deutlichkeit.  Es 
ist  übrigens  noch  zu  bemerken,  dass  diese  Structur  nur  in 
der  geschichteten  eigentlichen  Zellmembran  sichtbar  ist.  Die 
dicke,  ungeschichtete  Hüllmembran  (Extracellularsubstanz) 
erscheint  ungestraft. 

Fast  am  schönsten  unter  den  Zeüencryptogainen  zeigte 


312         Sitmtng  der  mathrphy*.  Otam  mm  7.  Ufa*  1864. 


mir  die  Streifuag  an  Cbamaedoris  anaulata  Mm- 
tagne  (Fig.  9). 

Die  Längastreifen  laufen  ziemlich  genau  parallel  der 
Zellenaxe;  die  Querstreifen  schneiden  dieselbe  ziemlich  anter 
einem  rechten  Winkel.  Die  Breite  der  einen  und  der  andern 
variirt  nicht  unbedeutend.  Zuweilen  sind  die  Längsstreifen 
merklich  stärker  als  die  Querstreifen;  von  jenen  gehen 
%.  B.  10—13,  von  diesen  16—19  auf  25  Mik.;  jene  sind 
also  2,5—1,9  Mit,  diese  1,8—1,3  Mik.  breit  Manchmal 
zeigen  beide  Systeme  eine  gleiche  Stärke;  der  einzelne 
Streifen  hat  eine  Breite  von  1,6 — 2  Mik.  Nicht  selten  treten 
auch  die  Querstreifen  etwas  deutlicher  hervor;  sie  sind 
1,8—2,1  Mik.  breit,  indess  die  Längsstreifen  1,4—1,7  Mik. 
betragen.  —  Die  Querstreifen  verlaufen  gerade  und  äusserst 
regelmässig;  die  Längsstreifen  haben  zuweilen  eine  gleiche 
regelmassige  Anordnung,  und  die  Membranfläche  gleicht 
dem  feinsten  Battistgewebe.  Manchmal  jedoch  sind  di$ 
Längsstreifen  etwas  hin  und  her  gebogen,  zuweilen  etwas 
verzweigt,  und  ausnahmsweise  scheinen  sie  selbst  ein  Netz 
mit  sehr  langgezogenen,  linealrhomhisohen  Maschen  zu 
bilden. 

Wenn  die  Structur  der  Membran  von  Chamaedoris 
besonders  deutlich  ist,  so  erkennt  man  ausser  den  Längs- 
und Querstreifen  noch  zwei  Systeme  von  schiefen  Streifen, 
von  denen  das  eine  nach  rechts,  das  andere  nach  links  ge- 
neigt ist  Dieselben  sind  so  zart,  dass  es  mir  nicht  möglich 
war,  die  Breite  zu  messen.  Sie  lässt  sich  aber  wieder 
durch  Rechnung  aus  den  Winkeln  finden.  Die  Linien  A,  B, 
C,  D  in  Fig.  2  geben  die  Richtungen  der  4  Streifensysteme ; 
a,  b,  c,  d  die  verticalen  Abstände  zweier  benachbarter 
Streifen  des  gleichen  Systems;  a,  ß}  y,  &  die  Winkel  und 
zwar  et  zwischen  A  und  B,  ß  zwischen  B  und  G,  y  zwischen 
A  und  G,  i  zwischen  B  und  D.  Nehmen  wir  das  Stuck 
der  Linien  B,    welches  von   zwei  auf  einander  folgenden 


NäpK:  Lmtrer  Barn  «systaftflitdbe*  &Rmmmbra*$n. 


318 


linen  der  andern  Systeme  eingeschlossen  wird,    gleich  1, 
ao  sind  die  4  gesuchten  Abstände  *) 

a  =  Sin  « 
c  =  Sin  /fr 
d  =  Sitt* 
,   _  8ia  a.  Sin  /? 
Sin  y 
Es  worden  nun  im  den  Streifensystemesi  ron  Chamae* 
doria  annulata  folgende  Winkelbertimmungen  gemacht: 

]     1     1     2     |      »|     4     j     5     |     6     |     7 
«  (gemessen) 

ß        — 

<r      — 

<F  (berechnet) 

a  ist  der  Winkel  zwischen  den  Querstreifen  (B)  und 
Längsstreifen  (A) ;  0  derjenige  zwischen  den  Querstreifen  (B) 
und  den  ersten  schiefen  Streifen  (C)  d.  k  dem  etwas  star- 
kem System  ron  schiefen  Streifen,  welches  in  dem  stampfen 
Winkel  (von  91 — 93°)  zwischen  Längs-  und  Querstreifen 
sieh  befindet,  y  ist  der  Winkel  zwischen  den  Längsstraftn 
(A)  und  den  ersten  schiefen  Streifen  (C),  und  i  derjenige 
zwischen  den  Querstreifen  (B)  und  den  zweiten  schiefen 
Streifen  (D),  d.  h.  dem  etwas  schwächern  System  von  schiefen 
Streifen,    welches    in   dem   spitzen  Winkel   (von  87—89°) 


88° 

87° 

«8° 

$7° 

L  88° 

90° 

90° 

88° 

42° 

44° 

48° 

82° 

w   « 

40° 

87° 

54° 

61° 

47° 

46° 

40° 

60° 

68° 

34° 

40° 

48° 

47° 

47* 

41° 

86° 

36° 

89» 

48° 

46p 

49» 

40° 

87° 

6)  Nimmt  man  eine  andere  Einheit  an,  so  erhält  man  die  näm- 
lichen Verhältnisse  in  anderer  Form.  Wenn  s.  B.  das  8tüok  der 
Linie  A ,  welches  zwischen  je  ewei  benachbarten  Linien  der  andern 
Systeme  sich  befindet,  =  1  gesetzt  wird,  so  ist 

*>  =  Sin  y 
b  =  Sin  a 

Sin  y.  Sin  a 
*  ~~    Sin  ß 
8in  y.  Sin  & 
Sin  ß 


d  = 


814 


SUmm§  der  math.-phy$.  &a$ee  vom  7.  Mai  1844. 


zwischen  Längs-  und  Qnerstreifen  liegt.  Für  i  sind  je  zwei 
Werthe  angegeben;  in  der  ersten  Horizontalzeile  sind  die 
Resultate  der  Messungen  enthalten,  in  der  zweiten  dagegen 
die  Winkelgrössen ,  welche  sich  dureh  Berechnung  aus  den 
andern  Winkeln  (a,  ß,  y)  ergeben. 

Aus  den  eben  mitgetheilten  Winkelmessungen  erhalt 
man  nach  den  obigen  Formeln  für  die  verticalen  Abstände 
a,  b,  c,  d  (wenn  a  die  Breite  eines  Längsstreifens,  b  die- 
jenige eines  Querstreifens,  c  die  Breite  eines  ersten  schiefen 
Streifens  und  d  die  eines  zweiten  schiefen  Streifens  be- 
zeichnet) folgende  relative  Werthe,  und  ferner  aus  der  ge- 
messenen Breite  von  a  folgende  absolute  Werthe: 
|  1  I  2  |  3 


relative  W. 

absolntaW. 

reUtivoW. 

ftbflolvteW. 

relatireW. 

abwlateW. 

a 

0,99939 

2,2  Mik. 

0,99863 

1,7  Mik. 

0,99986 

1,9  Mik 

b 

0,76053 

1,7   - 

0,85983 

1,6   - 

0,94968 

1,8   - 

c 

0,61666 

1,36  — 

0,66913 

1,1    - 

0,69466 

1,8   - 

d 

0,56019 

Iß  - 

0,64279 

1,1    - 

0,68200 

1,3   - 

1 

4 

1             5            | 

6 

1 

7 

b 
c 
d 


reUtW. 

absoL  W. 

relat  W. 

absoL  W. 

relatW. 

abaoL  W. 

relat  W. 

0,99868 

1,5  M. 

0,99989 

1,7  M. 

1,0000 

2,0  M. 

1,0000 

1,0495 

1,6- 

1,2252 

2,1  - 

0,83910 

1,7  - 

0,75355 

0,74314 

1,1- 

0,78801 

1,3  - 

0,64279 

1,3- 

0,60182 

0,73136 

1,1  - 

0,73185 

1,2- 

0,65606 

1,3  - 

0,58778 

ftbsot  W. 

2,4  M. 

1,8- 
1,4- 


Ich  lüge  hier  noch  einen  Fall  bei,  wo  bei  Valonia 
utricularis  ebenfalls  4  Streifensysteme  sichtbar  waren  und 
folgende  Messungen  gestatteten: 


relative  W. 

absolute  W. 

a  (gemessen)   85o 

a 

0,9962 

gemessen        1,2  Mik. 

ß          —          64o 

b 

1,2284 

gemessen  und 

y          —          41o 

berechnet      1,5  — 

«r       —       öoo 

0 

0,80902 

berechnet       1,0  — 

<f  (berechnet)  48o 

d 

0,76604 

—           0,9  — 

Von  den  4  Streifensjstemen,  welche  bei  Ghamaedoris 
gewöhnlich,  bei  Valonia  ausnahmsweise  sichtbar  werden, 
sind  offenbar  die  Längs*  und  Querstreifen  als  die  primären, 


Nägdi:  Inmcrtr  Am  vegrtabüiicher  Zettmmembr&nen*       815 

die  schiefen  nach  rechts  and  links  geneigten  als  die  secun* 
dären  zu  bezeichnen.  Die  erstem  treten  im  Verhältnis  zm 
ihrer  Brate  immer  etwas  deutlicher  hervor  als  die  letztern« 
Wenn  Längs-  und  Queretreifen  sich  unter  einem  rechten 
Winkel  schneiden,  so  sind  die  beiden  schiefen  Systeme  von 
gleicher  Stärke.  Sie  werden  um  so  ungleicher,  je  mehr 
jener  Winkel  sich  von  90°  entfernt.  Es  sind  diess  alles 
Thatsachen,  welche  aufs  Schönste  mit  der  Annahme  über- 
einstimmen, dass  die  Streifen  nichts  anderes  sind  als  die 
Areolenreihen  der  Membranschichten.  Eine  weitere  Be- 
stätigung wird  auch  durch  den  Umstand  geboten,  dass  die 
Winkel,  welche  das  vierte  Streifensystem  mit  den  drei 
übrigen  bildet,  nach  der  Messung  und  der  Berechnung  ziem- 
lich genau  übereinstimmen,  wie  sich  aus  den  Werthen  für 
&  in  den  mitgetheilten  Beispielen  ergiebt. 

Die  Querschnitte  durch  die  Membran  zeigen  die  Längs* 
streifen  mehr  oder  weniger  deutlich  als  Linien,  welche 
rechtwinklig  oder  schiefwinklig  die  Schichten  schneiden 
(Fig.  10).  In  letzterm  Falle  sieht  man  noch  ein  zweiteß 
System  von  schiefen  Streifen,  welches  nach  der  andern 
Seite  geneigt  ist  und  sich  mit  jenen  kreuzt,  mehr  oder 
weniger  deutlich.  In  beiden  Fällen  ist  jede  einzelne  dichte 
Schicht  in  regelmässigen  Intervallen  von  einer  weichen 
Masse  durchbrochen  und  besteht  somit  aus  einer  Reihe 
dichter  Areolen  von  fast  quadratischer  oder  etwas  rhom- 
bischer Gestalt.  Die  Dicke  der  Schichten  beträgt  im  Mittel 
der  ganzen  Wanddicke  meist  etwa  2,7  Mik. ,  also  wenig 
mehr  als  die  Breite  der  stärksten  Streifen;  zuweilen  ist 
dieselbe  auch  merklich  geringer. 

Um  das  Verhalten  der  beiden  primären  Streifensysteme 
beim  Aufquellen  der  Membran  zu  beobachten,  wurden  aus 
den  grossen  Zellen  kleine  viereckige  Membranstücke  heraus- 
geschnitten und  diese  im  trockenen  Zustande,  darauf  in 
Wasser  und  schliesslich  in  Säuren  gemessen.  Das  Ergebniss 


816 


1M1 


der   Läng»* 


«nr,  dam  die  Membran,  tob  der  fliehe 
■ehr  Flüssigkeit  in  der  Qoerrichtang  ab  in 
richtnng  einlagert,  da»  also  die  Langsstreifex 

mehr  winehmfn  ab  die  Qnerttrafen,   wie  folgende 
(in  Millimetern)  beweisen: 

in  Wi 


1' 


100,00 

Freite  1,09 

100,00 

Lange  1,06 

*-  100,00 

Brette  1,47 

—  100,00 

Die  Scheiden  ron 


Ml 

102,78 

1,13 

103,67 

Ml 
104,71 

1,56 

10442 


M2 
103,70 

1,16 
106,42 

1,13 
106,60 

1,69 
108,16 


gekocht 
1,13 

104,63 
1,18 

100,26 

1,15 
108,49 

1,62 
110,21 


Petalonema  alatum  Qrev.*)  be- 
stehen aus  zwei  Partieen.  Die  innere  ist  schmäler,  dichter 
und,  wie  die  Scheiden  der  verwandten  Gattungen,  parallel 
der  Axe  geschichtet.  Die  äussere  ist  viel  breiter,  tfdfcher 
tmd  scheinbar  gegliedert,  indem  hier  die  Schichten  mehr 
oder  weniger  rechtwinklig  nach  aussen  biegen.  Dieser 
Süssere  Theil  der  Scheide  besitzt  zwei  Streifensysteme.  Im 
Längenprofil  sieht  man  deutliche  Streifen,  welche  die  Schich- 
ten rechtwinklig  durchbrechen   und  somit  ziemlich  parallel 


6)  Kütsing  hat  den  von  Berkeley  gegebenen  Gattungsnamen 
Petalonema  und  den  von  Greville  gegebenen  Artnamen  alatam 
ohne  Noth  and  ohne  Recht  in  Arthrosiphon  Grevillii  verän- 
dert Er  fuhrt  als  Grund  an.  dass  dieselben  auf  einem  offenbaren 
Irrthum  beruhen.  Wenn  dieser  Grund  ausreichend- wäre,  so  müssten 
noch  manche  Gattungsnamen  und  namentlich  mehrere  von  Kütsing 
selbst  aufgestellte  preisgegeben  werden.  Arthrosiphon  selbst 
wäre  nicht  sehr  glücklich  gewählt  Petalonema  alatum  bedeutet 
einen  Faden,  der  ein  geflügeltes  blumenblattartiges  Aussehen  ge- 
wahrt. Diese  Bezeichnung  ist  sehr  charakteristisch,  wenn  sie  aueh 
nur  bildlieh  ist  und  den  Schein  statt  des  Wesens  wieder  gibt 


JfiMK:  Jfamjmr  £w  mortuftfliicfor  £*flm*MM&nM«ft.        817 

mit  der  Fadenaxe  verlaufen.  Wir  können  sie  mit  Rüeksioht 
anf  ihre  Sichtung  als  Längsetreifen  bezeichnen.  Diese 
Längsstreifen  stellen  sich  anf  Querschnitten  als  concentrigche 
Binge  dar.  Ausserdem  sieht  man  auf  den  Querschnitten 
eine  zarte  radiale  Streifung. 

Bei  dieser  Pflanze  finden  wir  also  in  der  äussern 
Soheide,  wie  bei  andern  Pflansenzellen,  drei  sich  kreuzende 
Lamellensysteme.  Aber  in  Folge  eigentümlicher  Ent- 
wickelnng  sind  ihre  räumlichen  Verhältnisse  vertauscht.  Die 
Schichtung  hat  die  Lage  und  Form  der  Querstreifung,  die 
Querstreifung  dagegen  die  der  Schichtung  angenommen. 

Die  Schläuche  der  Flechten,  z.  B.  von  Hagenia  cili- 
aris,  lassen  auf  Querschnitten  zuweilen  eine  zarte  radiale 
Streifung  wahrnehmen;  dieselbe  tritt  besondere  hervor, 
wenn  man  die  Schläuche  schwach  durch  Jod  färbt.  Die 
Flächenansieht  zeigt  sie  nur  höchst  undeutlich. 

Auf  den  grossen  Sporen  einer  Pertusaria  sieht  man 
sehr  deutliche  Querstreifen,  welche  wie  in  einem  netzförmigen 
«Gefasse  unter  einander  anastomosiren  und  verlängerte  rhom- 
bische Maschen  bilden.  Sie  gehören,  wie  es  scheint,  bald 
den  äussern,  bald  den  ümern  Membranschichten,  nicht  aber 
der  ganzen  Wanddicke  an. 

2.  Parenchymzellen  der  Phanerogamen. 

Wenn  die  Parenchymzellen  hinreichend  dickwandig  sind, 
so  beobachtet  man  an  ihnen  nicht  selten  die  Anwesenheit 
von  Streifen.  Aber  es  ist  oft  schwer,  den  Verlauf  derselben 
im  Uatune  genau  auszumitteln.  So  sah  ich  die  durch- 
schnittenen Wände  des  Blattparenchyms  von  Hyacinthus 
orientalis  Lmn  Agave  americana,  Hake«  pectinata 
Dum.  Com*,  hin  und  wieder  von  zarter  Querstreifung 
rechtwinklig  durchsetzt.  Fig.  12  zeigt  dieselbe  an  einer 
Epidermiszelle  der  letztern  Pflanze.  Ist  die  Wandung  dänner, 
so  besteht    sie   durch  und  durch  aus  dichter  Substanz  und 


318  SUrnrng  der  matk.-phy$.  Ckuse  00»  7.  Mai  IBM. 

die  Streifen  sind  in  der  ganzen  Dicke  ziemlich  scharf  ge- 
zeichnet (a).  An  den  dickem  Stellen  dagegen  befindet 
sich  zwischen  den  zwei  dichtem  AuMenachichten  eine  weiche 
Mittelsubetanz;  die  letztere  ist  äusserst  zart  gestreift,  während 
jene  deutlich  unterbrochen  und  in  eine  Reihe  von  Punkten 
aufgelöst  sind. 

Die  eben  erwähnten  Streifen  sieht  man  zuweilen  auch, 
wenn  man  die  Zellmembran  von  der  Fläche  betrachtet. 
Bald  sind  es  zarte  Linien,  bald  Reihen  von  Punkten,  welche 
auf  gekreuzte  Linien  deuten,  bald  auch  zarte  Punkte  schein- 
bar ohne  Ordnung. 

Sehr  deutliche  Querstreifung  würde  femer  auf  den 
durchschnittenen  Wänden  der  innern  Samenhaut  von  Plar 
typodium  speo.  beobachtet.  (Fig.  21).  Diese  Streifen  gehen 
bald  rechtwinklig,  bald  schiefwinklig  durch  die  Wandung. 
Im  letztern  Falle  kreuzen  sich  zwei  Systeme  mit  entgegen- 
gesetzter Neigung,  und  es  treten  die  für  diesen  Fall  charak- 
teristischen Zeichen  V  X  Y  auf.  Einzelne  dieser  Querstreifen 
sind  von  beträchtlicher  Stärke  und  gleichen  feinen  Poren» 
kanälen.  Dass  es  keine  Poren  sind,  sieht  man  daraus,  dass 
sie  sich  bis  zu  der  zartesten  Streifung  abstufen,  femer 
daraus,  dass  neben  ihnen  noch  wirkliche  Porenkanäle  vor- 
kommen, und  endlich  besonders  aus  der  Flächenansicht  der 
Zellwandung.  Diese  zeigt  theils  unregelmässig  parallele, 
leicht  hin  und  her  gebogene,  theils  verzweigte  und  netz- 
förmig anastomoairende  Streifen,  letztere  mit  langgezogenen 
schmalen  Maschen. 

Die  räumliche  Construction  dieser  Streifen  würde  aus 
den  Beobachtungen  an  den  Zellen  von  Platypodium  kaum 
möglich  sein.  Die  Analogie  der  beiden  Ansichten  mit  den 
Holzzellen  der  Coniferen  zeigt  deutlich,  dass  es  Ringstreifen 
sind.  Ich  verweise  auf  die  später  folgende  Analyse  dieser 
Formation. 
Die   innere  Samenhaut  von   Entada  Gigalobium  DO. 


Nägdi:  Innerer  Bau  vegetabilischer  Zellenmembranen.       319 

verhak  sich  ganz  wie  diejenige  ron  Platypodium.  Die 
Streifen  auf  den  Durchschnitten  der  Wandungen  sind  bald 
sehr  stark  und  deutlich,  bald'  äusserst  zart  und  gedrängt. 
Wenn  die  Schnitte  den  Rand  der  Zellenhöhlungen  treffen, 
so  sieht  man  die  Streifen  dos  Profils  in  die  der  Flächen- 
ansieht  übergehen.  Auch  hier  kommen  neben  denselben 
einzelne  Poren  vor. 

Die  Zellen  des  Fruchtfleisches  von  Hymenaea  Oour- 
baril  Sin.  sind  lauglich  und  zusammengefallen.  Man  nimmt 
auf  deren  Fläche  3  oder  4  Streifensysteme  wahr,  zwei 
Systeme  ron  Querstreifen  und  1  oder  2  von  Längsstreifen. 
Es  giebt  Zellen  mit  glatter  Wandung,  andere,  auf  denen 
nur  die  Querstreifen  sichtbar  sind,  ferner  solche,  welche 
Quer-  and  Längsstreifen  zogen ,  endlich  solche ,  auf  denen 
die  Längsstreifen  stark  hervortreten,  die  Querstreifen  aber 
mehr  oder  weniger  andeutlich  sind.  Da  die  erstgenannte 
Kategorie  von  Zellen  im  Allgemeinen  die  zartesten,  die  letzte 
die  derbsten  Membranen  hat,  so  vermuthe  ich,  dass  die  4 
verschiedenen  Bildungen  zugleich  die  Entwicklungsstadien 
der  nämlichen  Zellen  darstellen,  dass  nämlich  zuerst  die 
Querstreifen  auftreten  und  nachher  von  den  Längsstreifen 
verdrängt  werden.  £s  giebt  auch  Zellen,  die  auf  verschie- 
denen Stellen  ungleich  ausgebildet  sind  und  somit  zwei 
verschiedene  Zustände  vereinigen. 

Die  beiden  Querstreifensysteme  sind  sehr  zart  und  ziem- 
lich symmetrisch;  jedes  ist  zur  Zellenaxe  unter  einem 
Winkel  von  65° — 75°  geneigt.  Die  Breite  eines  Streifens 
beträgt  0,7 — 1,2  Mik.  —  Die  Längsstreifen  sind  zuweilen 
ebenso  zart  und  fein  wie  die  Querstreifen;  andere  Male 
übertreffen  sie  dieselben  um  das  Zwei*  und  Dreifache  an 
Stärke.  Die  zarten  Längsstreifen  stellen  zwei  regelmässig 
sich  kreuzende  und  ziemlich  symmetrische  Systeme  dar, 
von  denen  jedes  mit  der  Zellenaxe  einen  Winkel  von  10° 
bis  20°  bildet.    Die  stärkern  Längsstreifen   dagegen   sind 

[1864.  I.  4]  22 


320  SUemg  der  math.-phy$.  (Masse  vom  7.  Mai  1864. 

stellenweise  parallel,  wohl  auch  nach  einer  Seite  fächer- 
förmig ans  einander  weichend  und  dabei  sich  verzweigend; 
meistens  aber  sind  sie  etwas  hin  and  her  gebogen,  hin  and 
wieder  verzweigt  und  mit  einander  anastomosirend.  Es  hat 
zuweilen  den  Anschein,  als  Qb  die  unregelmässigen  stärkern 
aus  den  zarten  gekreuzten  Längsstreifen  so  entständen,  dass 
die  einen  Linien  des  Netzes  in  anregelmässiger  Zickzack- 
folge sich  weiter  entwickelten,  die  andern  unterdrückt  wür- 
den. —  Die  starken  Längsstreifen  sind  abwechselnd  die 
einen  breit  und  weisslich,  die  andern  schmal  und  spalten- 
ähnlich. Die  erstem  erscheinen  meist  unregelmässig-ge- 
gliedert,  aus  dichten  und  weichern  Stellen  bestehend.  Zu- 
weilen ist  die  Gliederung  regelmässig  und  deutlich,  und  in 
einzelnen  Fällen  erkennt  man  bestimmt,  dass  dieselbe  durch 
zwei  sich  kreuzende  Systeme  von  Querstreifen  erzeugt  wird 
(Fig.  18).  Ob  die  stärkern  Längsstreifen  bloss  durch  un- 
gleiche Dichtigkeit  hervorgebracht  werden,  oder  ob  dabei 
auch  eine  ungleiche  Verdickung  oder  selbst  Biegung  und 
Faltung  der  Membran  in's  Spiel  komme,  muss  ich  dahin 
gestellt  sein  lassen. 

Das  farblose  Rindenparenchym,  welches  in  Zweigen  der 
Rothtanne  (Abi es  excelsa)  innerhalb  der  Epidermis  und 
ausserhalb  des  grünen  Parenchyms  sich  befindet,  lässt  netz- 
förmige Streifung  erkennen.  Das  Netz  besteht  aus  schmalen 
rhombischen  Maschen  und  wird  in  einzelnen  Fällen  ziemlich 
deutlich  aus  zwei  Systemen  paralleler  Streifen  gebildet, 
welche  sich  unter  einem  Winkel  von  10 — 20°  kreuzen.  Das 
Netz  hat  fast  jede  mögliche  Neigung  zur  Zellenaxe,  indem 
es  bald  steilspiralig,  bald  flachspiralig,  bald  horizontal  ge- 
richtet ist.  Die  Richtung  übt  aber  keinen  Einfluss  auf  die 
Ausbildung  des  Netzes;  dasselbe  kann  bei  jeder  Neigung 
sowohl  regelmässig  als  unregelmässig  sein.  Bald  erscheint 
es  äusserst  zart,  bald  ziemlich  stark,  als  ob  es  aus  wirk- 
lichen engen  Netzfasern  gebildet  würde. 


Nägdi:  Innerer  Bau  wgetabiUeeher  ZeHenmembranen.       321 

Die  beiden  Streifensysteme,  deren  Kreuzung  das  Netz 
hervorbringt,  scheinen  in  der  gleichen  Fläche  zu  liegen.  In 
der  Regel  bilden  sie  die  einzige  Zeichnung  der  dünnen 
Wandung  zwischen  zwei  Zellen,  so  dass  wahrscheinlicher 
Weise  nur  in  der  einen  der  beiden  mit  einander  vereinigten 
Membranen  die  Streifung  ausgebildet  ist.  —  Diese. Ansicht 
wird  dadurch  plausibel  gemacht,  dass  zuweilen  ausser  der 
genannten  netzförmigen  Streifung  noch  eine  zweite  zartere 
Streuung ,  die  in  entgegengesetzter  Richtung  verläuft ,  be- 
obachtet wird.  Von  derselben  blieb  es  zweifelhaft,  ob  sie 
ebenfalls  netzförmig  und  aus  zwei  sich  kreuzenden  Systemen 
gebildet  sei  oder  nicht. 

Ganz  ähnliche  netzförmige  Streifung  kommt  auf  der 
Wandung  der  Gefasse  im  Holze  der  Pappelwurzel  vor.  Ich 
werde  später  dieselbe  naher  beschreiben. 

m 

3.  Epidermlszellen  der  Phanerogamen. 

Ich  spreche  hier  nur  von  der  Aussenwand  der  Epider- 
miszellen,  welche  *zum  Theil  sich  analog  wie  die  übrigen 
Membranen  des  Parenohyms,  zum  Theil  etwas  abweichend 
verhält.  Ihre  Seitenwandungen  unterscheiden  sich  nicht  von 
den  im  Innern  des  Gewebes  liegenden  Zellen. 

Der  Längsschnitt  durch  das  Blatt  von  Hyacinthus 
orientalis  Lin.  zeigt  auf  der  äussern  Wand  der  Oberhaut- 
zellen sehr  zarte  und  äusserst  regelmässige,  genau  parallele 
und  häufig  gleichweit  von  einander  entfernte  Querstreifen, 
welche  die  Membran  rechtwinklig  durchbrechen  (Fig.  16). 
Wenn  sie  am  stärksten  ausgebildet  sind,  so  ist  der  einzelne 
nicht  über  1,2  Mik.  breit;  häufig  sind  sie  beträchtlich 
schmäler.  Diese  Querstreifen  reichen  nach  aussen  bis  zu 
der  innersten  Schicht,  welche  viel  dichter  als  die  übrige 
Zellwand  ist,  und  wegen  der  sie  kreuzenden  Querstreifen  oft 
einer  Reihe  von  Knötchen  gleicht.  In  der  übrigen  Membran 
sind  sie  zwar  schwächer  ausgebildet,    aber  doöh  treten  sie 

22* 


322  Stonmg  der  maih.-phys.  (Kernt  vom  7.  Mai  1664. 

oft  noch  deutlicher  hervor  als  die  äusserst  zarten  Schichten, 
welche  man  in  der  Zahl  von  2  bis  5  zwischen  der  innersten 
and  der  Guticula  beobachtet. 

Auf  frischen  Längsschnitten  ist  die  innerste  dichte 
Schicht  meist  etwas  gekerbt  (Fig.  16).  Die  Kerben  sind 
zuweilen  sehr  schmal  und  gedrängt,  zuweilen  breiter.  Im 
entern  Falle  trifft  jeder  weiche  Querstrafen,  im  zweiten 
je  der  zweite,  dritte,  vierte  n.  s.  w.  auf  eine  Einkerbung. 
Läset  man  die  Schnitte  austrocknen,  so  wird  die  Kerbung 
viel  stärker.  Entfernt  man  die  übrigen  Membranen,  so 
dass  die  Aussenwand  der  Epidermis  isolirt  ist,  so  krümmt 
sie  sich,  mit  Wasser  befeuchtet,  stark  nach  aussen  und 
die  Kerben  der  innersten  Schicht  verschwinden  gänzlich 
oder  doch  grösstenteils. 

Betrachtet  man  die  Oberhautzellen  von  der  Fläche 
(Fig.  17),  so  erscheinen  etwas  gebogene,  hin  und  wieder 
verzweigte  Querstreifen,  welche  den  Kerben  des  Profils  ent- 
sprechen. Die  einen  sind  breiter  und  bläulich  weiss,  die 
andern  schmal,  spaltenförmig  und  röthlich;  jene  stellen  die 
Erhabenheiten,  diese  die  Einschnitte  der  Kerbung  dar. 
Trocken  ist  diese  Streifung  ebenfalls  viel  stärker  und  deut- 
licher als  im  befeuchteten  Zustande.  Ausserdem  kommen 
auch  zarte  Längsstreifen  vor  (Fig.  17). 

Die  innere  Wand  der  Epidermiszellen,  sowie  noch  tiefer 
liegende  Wände  des  Gewebes  zeigen  zuweilen,  wie  ich  be- 
reits oben  bemerkt  habe,  ganz  ähnliche  Querstreifung  so- 
wohl im  Profil  als  in  der  Flächenansicht. 

Die  Epidermiszellen  der  trockenen,  reifen  Fruchtwandung 
von  Fedia  Gornucopiae  Vdhl.  erheben  sich  nach  aussen 
mehr  oder  weniger  kegelförmig.  Von  der  Fläche  betrachtet, 
lässt  die  Aussenwand  zarte  radiale  Streifen  wahrnehmen, 
welche  sich  nach  aussen  verzweigen.  Der  Querschnitt  durch 
die  Aussenwand  zeigt  Streifung,  welche  rechtwinklig  durch 
die  Membran  geht    und   an    der    dünnen  Guticula  aufhört 


NägeU:  Immer  Bam  vtgetab&tcker  ZeOermembrantn,       323 

Sie  ist  die  Profilansicht  der  auf  der  Flächenansicht  undeut- 
lichen concentrischen  Streifen. 

An  der  Epidermis  des  Blattes  von  Agave  americana 
IA*.  (Fig.  11)  bildet  die  Cuticola  (die  sog«  Cuticularschich- 
ten)  eine  dicke  Membran  (c),  welche  nach  innen  starke 
Fortsätze  zwischen  den  äussern  Theil  der  Epidermiszellen 
ausschickt.  Innerhalb  der  Guticula  und  zwischen  jenen  Fort- 
sitzen derselben  befindet  sich  der  unveränderte  Theil  der 
Aussenwand,  in  welchen  das  kegelförmige  Lumen  hineinragt. 
Die  innerste  Schicht  der  Guticula  und  ihrer  Fortsätze  ist 
dichter,  zuweilen  etwas  wellenförmig  oder  gekerbt;  die  letz* 
tern  bestehen  manchmal  Jbloss  aus  zwei  Blättern  dieser 
dichten  Schicht.  Sie  sind  auf  Durchschnitten  quergestreift 
und  zwar  besonders  deutlich  an  der  dichten  Grenzschicht, 
während  in  der  mittleren  weichern  Masse  die  Streuung 
mehr  oder  weniger  zurücktritt.  Von  der  übrigen  Guticula 
ist  nur  die  innere  Grenzschicht  zuweilen  quergestreift  (a). 

Der  nicht  cuticularisirte  innere  Theil  der  Wandung 
ist  oft  deutlich  geschichtet  und  die  Schichten  rechtwinklig 
von  Streifen  durchsetzt,  welche  sich  an  die  Querstreifen  der 
Cuticulafortsätze  anschliessen  und  als  deren  Fortsetzungen 
zu  betrachten  sind.  Diese  Querstreifung  fallt  besonders  an 
der  innersten  dichtem  Schicht  in  die  Augen,  welche  in  eine 
Reihe  von  Knötchen  aufgelöst  ist  (b).  Es  kann  auch  eine 
einzelne  Schicht  zwischen  den  übrigen  durch  Dichtigkeit  sich 
auszeichnen  und  die  nämliche  schöne  Querstreifung  zeigen. 
—  Die  kegelförmige  Verlängerung  der  Zellhöhlung  ist  auf 
der  Flächenansicht  mit  Streifen  gezeichnet,  welche  von  den 
im  Profil  sichtbaren  Knötchen  der  innersten  Schicht  aus- 
gehen und  denselben  entsprechen  (d).  —  Die  dünnen  Seiten- 
wände der  Epidermiszellen  lassen  im  Profil  die  Querstreifiing 
oft  eben  so  schön  sehen,  wie  die  innerste  Lamelle  der 
Aussen  wand,  als  deren  Fortsetzung  sie  sich  kundgeben. 

Es  giebt  verschiedene  Epidermiszellen ,    die  in  dem  in- 


324  aammg  der  moih.-phps.  Ootse  vom  7.  Mai  1864. 

nern  Theile  ihrer  Aussenwand  Linien  erkennen  lassen,  welche 
die  Schichten  quer  durchsetzen.  Sie  sind  von  Mo  hl  an 
Hakea  abgebildet  (Vermischte  Schriften  Taf.  X.  Fig.  18) 
und  als  Tüpfelkanäle  erklärt,  auch  dazu  benutzt  worden, 
um  weitere  Schlüsse  für  die  morphologische  Deutung  des 
betreffenden  Membrantheiles  zu  ziehen.  Schacht  zeichnet 
sie  ebenfalls  an  verschiedenen  Pflanzen  (II ex,  Gaster ia, 
Hakea,  Hechtia,  vgl.  Anat.  Phys.  Taf.  III)  und  nennt 
sie  Tüpfelkanäle. 

Ich  habe  diese  Erscheinung  nur  an  den  Blättern  von 
Hakea  untersucht,  hier  aber  mich  von  der  Unrichtigkeit 
der  bisherigen  Deutung  überzeugt  Bei  Hakea  pectinata 
Dum.  sind  die  Epidermiszellen  in  der  Axenrichtung  der 
Blattlappen  verlängert,  und  es  zeigen  Quer-  und  Längs- 
schnitt in  besondern  Fällen  ein  ungleiches  Verhalten  der 
porenähnlichen  Querstreifen.  Auf  Querschnitten  ist  der  in* 
nere  gestreifte  Theil  der  Aussenwand  gewölbt  und  die 
Streifen  in  der  Mitte  am  stärksten  und  längsten  (Fig.  14). 
Auf  Längsschnitten  zeigt  sich  der  innere  Theil  der  Wandung 
an  den  beiden  Enden  am  mächtigsten  und  mit  Streifen 
versehen;  in  der  Mitte  ist  derselbe  dünner  und  nicht  oder 
kaum  gestreift  (Fig.  15). 

Auf  der  Flächenansicht  (Fig.  13)  bieten  diese  Streifen 
eine  sehr  mannigfaltige  Zeichnung  dar.  Im  Allgemeinen  sind 
es  verzweigte  und  anastomosirende  Linien  von  etwas  ge- 
schlängeltem  Verlaufe  und  mehr  oder  weniger  radienformiger 
Anordnung.  Oft  gehen  sie  von  einem  centralen  oderexcen- 
trischen  Mittelpunkte  aus.  In  sehr  langgestreckten  schmalen 
Zellen  können  die  Strafen  um  zwei  Mittelpunkte  gruppirt 
sein,  welche  sich  nahe  den  Zellenenden  befinden  und  durch 
parallele  Längsstreifen  verbunden  sind,  an  die  sich  zuweilen 
noch  zarte  Querstreifen  seitlich  anschliessen.  Solche  Zellen 
entsprechen  der  in  Fig.  15  gegebenen  Abbildung. 

Bei   Hakea  Baxteri   JB.  Br.    sind    die  Streifen    des 


Nagelt:  Innerer  Bau  vegetabilischer  Z&enmembranen.        325 

Querschnittes  besonders  stark,'  mangeln  aber  dem  innersten 
nicht  cuticularisirten  Theile  der  Zellmembran  (Fig.  20).  Die 
Flächenansicht  ist  ähnlich  wie  bei  H.  pectinata,  und  sind 
die  Zeichnungen  womöglich  noch  mannigfaltiger  und  unregel- 
mässiger  (Fig.  19).  Gewöhnlich  sind  es  die  schmälern, 
8paltenähnlichen  Streifen  von  rechlicher  Farbe,  welche  sich 
verzweigen  und  mit  einander  anastomosiren ,  seltener  die 
breitern  weisslichen  Streifen. 

Dass  diese  Streifen  in  der  Aussenwand  der  Epidermis 
bei  Hakea,  und  ohne  Zweifel  auch  bei  andern  Pflanzen, 
keine  Porenkanäle  sind,  ergiebt  sich  unzweifelhaft  aus  der 
Flächenansicht.  Dagegen  muss  ich  unentschieden  lassen,  ob 
es  Lamellen  aus  weicherer  Substanz  oder  wirkliche  Bisse 
seien,  welche  durch  ungleiches  Wachsthum  oder  durch  das 
Austrocknen  veranlasst  wären. 

Erklärung  der  Tafeln. 

Die  in  (  )  eingeschlossenen  Ziffern  geben  die  Vergrößerung  an. 

1,  2.  Constrnotionen ,  um  ans  dem  Abstand  und  der  Neigung 
der  primären  Streifen  gegen  einander  den  Abstand  und  die  Neigung 
der  seeundären  Streifen  zu  bestimmen  (Pag.  S09). 

3 — 7.  Schematische  Darstellung  von  gestreiften  Flächen  (Pag.  294). 

8  Schematische  Darstellung  eines  kleinen  aus  einer  Zellmem- 
bran in  Gedanken  herausgeschnittenen  Stückes  (Pag.  296). 

9  (900).  Zellmembran  von  Chamaedoris  annulata  Montaigne 
Ton  der  Fläche  gesehen  (Pag.  312). 

10  (900).  Dieselbe  im  Querschnitt  (Pag.  315). 

11  (1200).  Querschnitt  durch  die  Aussenwand  der  Epidermis- 
sellen  des  Blattes  von  Agave  amerioana  Lin.  (Pag  823.)  c  Cuti- 
oula;  a  innerste  Schicht  derselben;  b  die  innerste  Schicht  des  nicht 
cuticularisirten  Theils  der  Membran;  d  Streifung  dieser  Schicht  von 
der  Flache  gesehen,  auf  der  hintern  Seite  der  kegelförmigen  Aus- 
buchtung der  Zellhöhlung;  e  seitliche  Wand  zwischen  zwei  Epider- 
mi8zellen. 

12  (760).  Epidermi8zelle  des  Blattes  von  Hakea  pectinata 
Dt/m.  Cowrs.  parallel  der  Oberfläche  durchschnitten  (Pag.  324)  p 
Porenkanäle. 


326         Sitzung  der  math.-pkys  dorn  vom  7.  Mai  1864. 

18  (500).  Zwei  EpidermisseUen  der  gleichen  Pflanze,  von  aussen 
gesehen  (Pag.  824). 

14  (600).  Querschnitt  durch  solche  Epidermiszellen  mit  den 
porenähnlichen  Streifen  (Pag.  324). 

16  (600).  Läng8sohnitt  durch  dieselben  (Pag.  824). 

16  (1000).  Aossenwand  der  Oberhautzellen  im  Längsschnitt  des 
Blattes  Ton  Hyacinthua  orientalis  Lin.  (Pag.  321). 

17  (1000).  Die  nämliche  Zellmembran  im  trockenen  Zustand  von 
der  Fläche  gesehen  (Pag.  322). 

18  (1400).  Zellmembran  aus  dem  Fruchtfleische  von  Hymenaea 
Courbaril  Lin.  von  der  Fläche  (Pag.  319). 

19  (1000).  Epidermiszellen  des  Blattes  von  Hakea  Baxt er i 
&  Br.,  von  aussen  gesehen  (Pag.  324). 

20  (700).  Dieselben  im  Querschnitt  mit  den  porenähnlichen 
Streifen  (Pag.  824). 

21  (1000).  Innere  Samenhaut  von  Platypodium  spec;  man 
sieht  eine  Zellmembran  von  der  Fläche,  die  übrigen  im  Durchschnitt 
(Pag.  816). 


Historische  Clässe. 

Sitzung  vom  28.  Mai  1864. 


Herr  Föringer  theilte  eine  Notiz  über  zwei  Abhand- 
lungen des  Herrn  von  Koch-Sternfeld  and  eine  von  Herrn 
Professor  Sighart,  corresp.  Mitglied,  eingesendete  Abhand- 
lung mit: 

„(Jeber    ein    aus    Wachstafeln    bestehendes 
Buch  v.  J.  1340". 
Das  Buch  stammt    aus   dem    Kloster   Polling,   enthält 
Bandbemerkungen  in   deutscher  Sprache  und  betrifft  Leist- 
ungen von  Victualien. 

Dieselbe  wurde  für  die  Denkschriften  bestimmt. 


Einsendungen  von  Druckschriften.  827 


Einsendungen  von  Druckschriften. 


Vom  Verein  sur  Beförderimg  de§  Gartenbaues  m  de»  h.  preussisehen 

Staaten  m  Berlin: 

Wochenschrift  für  Gärtnerei  und  Pflanzenkunde.  Nr.  17 — 24.  April- 
Juni  1864.  4. 

Vom  landwirtschaftlichen  Verein  in  München: 
Zeitschrift.  Juni.  Juli  6.  7.  1864.  8. 

Von  der  Acadbnie  des  eciencee  in  Paris: 

Comptes  rendufl  hebdomadaires  des  seances.  t.  58.  N.  16.  17.  18.  19. 
Avril,  Mai  1864.  4. 

Von  der  SocUti  tfRistoire  de  la  Suisse  Bomane  in  Lausanne : 
Memoire»  et  Documenta  t.  18.  19.  1868.  1864.  8. 

Von  der  pfälzischen  Gesellschaft  für  Fharmacie  in  Speyer: 
Neues  Jahrbach.  Bd.  21.  Heft,  Juni.  1864.  8. 

Von  der  Academia  real  das  sciencias  in  Lissabon: 

a)  Historia  e  Memorias.    Classe  de  Bciencias  moraes ,    politicas   e 

bellas-lettras.    Nova  Serie,  t  8.  Parte  1.  1868.  4. 

b)  Memorias.  Classe  de  sciencias  mathematicas,  physicas  et  naturaes. 

Nova  Serie,  t.  2.  p.  1.  2.  t.  8.  p.  1.  1861.  1868.  4. 

Von  der  SocUU  d' Anthropologie  in  Paris: 
Bulletins,  t.  5.  1.  Fase.  Janvier  —  Mars  1864.  8. 


S28  Einsendungen  von 


Von  der  Geschichte'  und  AUerthumsforschenden  Gesellschaft  des  Oster- 

lande*  in  JUenburg: 

Mittheilungen.  6  Bd.  1.  Hft.  1863.  8. 

Vom  historischen  Verein  des  Kantone  Bern: 

a)  Archiv.  5.  Bd.  1—6.  Heft.  1862.  1863.  8. 

b)  Neujahrsblatt  für  die  bernische  Jugend   1862.     Die  Berner  in 

Veltlin  unter  ihrem  Heerführer  Nikolaus  von  Mülinen.    1862.  4. 

c)  Der  Friedenscongress  von  Frankreich  und  dem  deutschen  Reiche 

zu  Baden  im  Aargau  im  Sommer  1714;  nach  K.  J.  Dorer's  Tage- 
buch herausgegeben  von  Ludwig  Lauterburg,  Grossrath.  1864.  8. 
ä)  Die  feierliche  Erneuerung  des  Bürgerrechtes   der  Münsterthaler 
mit  Bern  den  24  Septbr.  1743.  Von  Franz  Ludw.  Haas.  1863. 8. 

Von  der  deutschen  geologischen  Gesellschaft  in  Berlin: 
Zeitschrift  15.  Bd.  4.  Hft.  16.  Bd.  1.  Hft.  1864.  8. 

Von  der  SoeiHi  Linneenne  de  Normandie  in  Com: 

a)  Memoire*.  Annees  1862—63.  1864.  4. 

b)  Bulletin.  8.  Yolume.  Annee  1862—63.  1864.  8. 

Von  der  physikalisch-ökonomischen  Gesellschaft  in  Königsberg: 
Schriften.  4.  Jahrg.  1863.  2.  Abthlg.  1863.  4. 

Vom  Istituto  Veneto  di  scienze,  teuere  ed  arti  in  Venedig: 

a)  Memorie.  Vol.  11.  Part.  2.  1863.  4. 

b)  AttL  t.  8.  9.  Serie  8.  Dispensa  11.  1862.  63.  8. 

Von  der  k.  ft.  geologischen  ReichsansjaU  in  Wien: 
Jahrbuch  1863.  18.  Bd.  Nr.  4.  Oktbr.  Novbr.  Dezbr.  8. 

Von  der  k.  k.  geographischen  Gesellschaft  in  Wien : 
Mittheilungen.  6.  Jahrg.  1862.  8. 


Einsendungen  von  Druckschriften.  329 


Von  der  k.  k.  Akademie  der  Wissenschaften  in  Wien: 

a)  Denkschriften.  Mathematisch-naturwissenschaftliche  Classe.  22.  Bd. 

1864.  4. 

b)  Sitzungsberichte.  Philosophisch-historische  Gasse. 

Jahrg.  1863.  März— Juli.  Oktbr.  8. 
42.  Bd.  Hft.  1.  2.  8. 

*••    ii      »     L  2. 
44.     n       n      1. 
o)  Sitzungsberichte.   Mathematisch-naturwissenschaftliche  Classe. 
47.  Bd.  Hft.  4.  6.  Schluss. 

Erste  Abthl.  48.  Bd.  Hft.  1—3.  Juli— Oktbr.  1863. 
Zweite    „       48.    „      „     1—4  Mai— Novbr.  1863.  8. 

d)  Archiv   für  Kunde  österreichischer   Geschieh ts- Quellen.    30.  Bd. 

1.  und  2.  Hälfte.    1863.  8. 

e)  Fontes  rerum  austriaoarum.    Oesterreichische  Geschiohts-Quellen. 

1.  Abth.  Scriptores.  4.  Bd. 

Siebenbürgische  Chronik  des  Schässburger  Stadtschreibers  Georg 

Kraus«.  2.  Theil  1864.  6. 

f)  Almanach.  13.  Jahrgang.  1863.  8. 

Von  der  Commission  imperiale  Archeohgique  in  St.  Petersburg: 
Compte  -  Rendu  ponr  Pannee  1862.  (Avec  un  Atlas)  1863.  4. 

Vom  Verein  für  Kunst  und  JUerthum  in  Ulm : 
15.  Veröffentlichung.    1664.  gr.  fol. 

Von  der  geofogieal  Survey  of  Indio.  Oeological  Museum  in  Calcutta : 

a)  Memoire.  Palaeontologia  Indica.  Vol.  6.  Ser.  2.  Vol.  1.  Ser.  3.   4. 

b)  Annual  Report  for  the  year  1862.  63.  8. 

Von  der  Linnean  Society  in  London: 

a)  Transacüons.  Vol.  24.  Part.  2.  1863.  4 

b)  Journal   of  the  Proceedings.   Vol.    7.  Botany  Nr.  27.    Zoology 

Nr.  27.  Oktbr.  1863.  8. 

c)  Address  of  George  Bentham,  Esq.  F.  R.  S.   Read  at  the  anniver- 

sary  meeting  on  Monday,  May  25.  1863.  8. 

d)  List  of  the  Linnean  Society.  1868.  8. 


330  Einsendungen  von  Druckschriften. 

Vom  naturhistorischen  Verein  der  preuss.  Bheinlande  und  Westphalens 

in  Bonn: 

Verhandlungen,  20.  Jahrg.  1.  und  2.  Hälfte.  1863.  8. 

Von  derAcademe  imperiale  dcssciences,  beUes4ettres  et  arte  in  Bauen: 
Prelis  analytique  des  travaux,  pendant  l'annee  1862—1863.  8. 

Von   der   St.   GaUischm  naturwissenschaftlichen  Gesellschaft  in  St. 

Gauen: 

Bericht  über   die  Thätigkeit  derselben  während  des  Vereinsjahres 
1862—68.  8. 

Vom  Committee  of  ine  overseere  of  Harvard  College  in  Boston: 

Report  appointed  to  visit  the  observatory  in  the  year  1863.  Submit- 
ted  January  28.  1864.  8. 

Vom  historischen  Verein  von  und  für  Oberbayern  in  München: 
Oberbayerisches  Archiv.  23.  Bd.  1863.  8. 

Von  der  Asiatic  Society  of  Bengal  in  Calcutta: 

a)  Bibliotheca  Indica  a  Collection  of  Oriental  Works.   Nr.  196—200. 

New  Series  Nr.  88-41.  1863.  8. 
b)  Journal.  Nr.  292.  Nr.  4.  1863.  New  Series.  Nr.  118.  & 

Vom  historischen  Verein  fürOberpfaU  und  Begensburg  inBegensburg: 

Verhandlungen.  22.  Bd.  der  gesammten  Verhandlungen  und  14.  Bd. 
der  neuen  Folge.  1864.  8. 

Vom  naturhistorisch-medisinischen  Verein  in  Heidelberg: 
Verhandlungen  Bd.  8.  8.  1863/64.  8. 

Vom  Verein  für  hessische  Geschichte  und  Landeskunde  im  Kassel: 
a)  Zeitschrift.  Bd.  10.  Hfl.  1  und  2.  1868.  8. 


Einsendungen  von  Druckschriften.  331 

b)  Ifittheilungen  an  die  Mitglieder  des  Vereins.  Nr.  9 — 11.  April, 

Juli,  Oktbr.  1863.  8. 

c)  Mittheilungen  des  Hanauer  Bezirkrereins.  Nr.  8.   Historische  Bei- 

träge zur  Geschichte  der  Schlacht  bei  Hanau  am  80.  und  81. 
Oktbr.  1818.  Bearbeitet  und  zusammengestellt  von  G.  W.  Roeder. 
1868.  8. 

Von  der  k.  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Göttingen: 


a)  Gelehrte  Anzeigen.  22—26  Stück.  Juni  1864.  8. 

b)  Nachrichten  von  der  k.  Gesellschaft  der  W.  und  der  G.  A.  Uni« 

versitat.    Nr.  9.  10.  Juni  1864.  8. 

Von  der  natural  History  Society  of  Dublin: 
Proceedings  for  the  session  1862—1863.  Vol.  4.  Part.  1.  1864.  8. 

Von  der  Entomological  Society  in  London: 
Transactions.  Third  Series.  Vol.  1.  Part.  8.  1863.  8. 

Von  der  Royal  Asiatic  Society  in  London: 
Journal.  Vol.  20.  Parts.  3  und  4  1868.  8. 

Von  der  Royal  geographica!  Society  in  London: 

a)  Journal.  Vol.  32.  1862.  8. 

b)  Proceedings.  Vol.  8.  Nr.  2.  February  1864.  8. 

Von  der  Society  of  Antiguaries  of  ScoÜand  in  Edinburgh: 
Proceedings.  Vol.  4.  Part.  2.  1863.  8. 

Von  der  Qeological  Society  in  London: 
Quarterly  Journal.  Vol.  20.  Part.  1.  Nr.  77.  February  1864.  8. 

Von  der  Chemical  Society  in  London: 
Journal.  Serie  2.  Vol.  1.  2.  Decbr.  1863— March  1864.  8. 


332  Einsendungen  «oft  Druckschriften. 

Von  der  Redaktion  des  CorreepondenMattes  für  die  gelehrten  und 

Realschulen  in  Stuttgart: 

Blatt.  Nr.  2—5.  Febr.-May  1864.  8. 

Von  der  Universität  in  Heidelberg: 

Jahrbücher  der  Literatur.  57.  Jahrg.  2—4  Heft.  Febr.  März.  ApriL 
1864.  8. 

Vom  U.  8.  Nacal  Obecrvatory  in  Washington: 

Astronomical  and  Meteorological  Observations.  The  year  1862. 
1863.  4. 

Von  der  h.  bayer.  Central- Thierarmeischule  in  München: 
Thierärztliche  Mittheilungen  4.  Heft.  1863/64.  8. 

Von  der  Historisch  Genootschap  in  Utrecht: 

a)  Werken.  Kronijk  1862.  Blad  22—33. 

„        1863.      „      1-18.    1863.  8. 

b)  Werken.  Berichten.  7  DeeL  2.  Stuk.  Blad  22—83.  8. 

c)  Werken.  Nieuwe  Serie.  Nr.  2.  Verbaal  von  de  Buitengewone  Am- 

bassade  van  Jacob  van  Wassenaar-Duivenvoorde,  Arnout  van 
Gitters  en  Everard  van  Weede  van  Dykveld  naar  Engeland  in 
1685.  1863.  8. 

Vom  Institut  Royal  MSUorologique  de  Pays-Bas  in  Utrecht: 

Meteorologische  Waarnemingen  in  Nederland  en  zijne  Bezittingen 
en  Afwijkingen  van  Temperatunr  en  Barometerstand  op  Tele 
plaatsen  in  Europa.  1862.  1863.  8. 

Von  der  k.  Akademie  der  Wissenschaften  in  Amsterdam: 

a)  Jaarboek  1862.  1863.  8. 

b)  Verhandelingen.  Afdeeling  Letterkunde.  Deel  II.  1863.  4. 

c)  Verslagen  en  Mededeelingen.     Afdeeling   Letterkunde.    Deel.   7. 

1863.  8. 

d)  Verslagen  en  Mededeelingen.    Afdeeling  Natuurkunde.    Deel  15. 

und  16.  1863.  64.  8.  * 


Einsendungen  von  Druckschriften.  333 

e)  De  lebetis  materie  et  forma  ejusque  tutela  in  macliinifl  yaporis  yi 

agentibus.  1868.  8. 

f)  Catalogue  du  cabinet  de  monnaies  et  m6daiües.  1868.  8. 

g)  Hutoire   des   Pnmnces-Unies    des  Pais-Bas,   depuis   le  parfait 

Etablissement  de  cet  etat  par  la  paix  de  Munster  par  M.  Ab- 
raham de  Wicquefork  Publice  par  M.  L.  Ed.  Lenting.  t.  1. 
1861.  8. 

Van  der  allgemeinen  geschiehtsforsehenden  Gesellschaft  der  Schweig  in 

Bern: 

Schweizerisches  Urkunden-Register.  1.  Bd.  1.  Hft.  1868.  8. 

Vom  Institut  historique  in  Paris: 

L'investigateur  Journal.  Trente-Unieme  Annee.  t  4.    4.  Serie. 
864  livraison.  Hai  1864.  6. 


Von  der  SoctiU  des  Antiquaires  de  Pieardie  in  Paris: 
Memoire«.  Deuxieme  Serie,  t  9.  1863.  8. 

Van  der  Helllandsehen  Maatsehappij  der  Wetensehappen  in  Hartem: 

Natuurkundige  Verhandelingen.    18.    Deel.    (Tweede   Veraameling.) 
1863.  4. 

Vom  Comüe  der  Versammlung  van  Berg-  und  Hüttenmännern  eu 

Mdhrisch-Ostrau : 

Bericht  über  die  dritte  allgemeine  Versammlung.  14 — 18.  Sept.  1868. 
Wien  1864.  8. 


Von  den  Herrn  Jos.  Böhm  und  Maris  JJU  in  Prag : 

Magnetische  und  meteorologische  Beobachtungen  zu  Prag.  24  Jahrg. 
Vom  1.  Jan.  —  31.  Dezbr.  1863.  1864.  4. 

Vom  Herrn  Friedrieh  van  Alberti  in  Stuttgart: 

Ueberblick  über  die  Trias  mit  Berücksichtigung  ihres  Vorkommens 
in  den  Alpen.  1864.  8. 


334  Eineendungen  von  Druckschriften. 

Vom  Herrn  Th.  Scheerer  in  Berlin: 

a)  Ueber  den  Astrophyllit  und  sein  Verhältnis«  zu  Angit  und  Glim- 

mer im  Zirkonsyenit,  nebst  Bemerkungen  aber  die  platonische 
Entstehung  solcher  Gebilde.  1864.  8. 

b)  Vorläufiger  Bericht  über  krystallinische  Süikatgesteine  desFassa- 

thales  and  benachbarter  Gegenden  Südtyrols.   1864.  8. 

Vom  Herrn  Ferdinand  Mütter  in  Melbourne: 
Fragmenta  Phytographiae  Aostraliae.  VoL  8.  1862.  1868.  8. 

Vom  Herrn  Adolph  Friedr.  Riedel  in  Berlin: 

Koyus  codex  diplomatioos  Brandenburgensis.  Erster  Haupttheil  oder 
Urknndensammlang  zur  Geschichte  der  geistlichen  Stiftungen, 
der  adeligen  Familien,  sowie  der  Städte  und  Burgen  der  Mark 
Brandenburg.  24.  26.  Bd.  4 

Vom  Herrn  W.  Dollen  in  St.  Petersburg: 

Die  Zeitbestimmung  vermittelst  des  tragbaren  Durchgangsinstruments 
im  Verücale  des  Polarsterns.   1868.  4. 

Vom  Herrn  Joh.   Vesgue  von  PutÜingen  in  Wien: 

Das  musikalische  Autorrecht.  Eine  juristisch -musikalische  Abhand- 
lung.  1864  8. 

Vom  Herrn  Bdbert  Main  in  Oxford: 

m 

Astronomical  and  meteorological  observations  made  at  the  Radcliffe 
observatory  Oxford,  in  the  year  1861.  Vol.  21.  1864.  8. 

Vom  Herrn  Alfred  Beumont  in  Born: 

Cause  diplomatiche  italiane  a  proposito  delF  opera  „oauses  celebres 
du  droit  des  gens  del  Barone  di  Martens",  memoria.  1864  8. 

Vom  Herrn  A.  Grunert  in  Greif ewald: 
Archiv  für  Mathematik  und  Physik,  41.  Thefl.  4.  Hft.  1864.  8. 


Einsendungen  von  Druckschriften.  335 

Vom  Herrn  Christian  August  Brandts  in  Berlin: 

Geschichte  der  Entwicklung  der  griechischen  Philosophie  und  ihrer 
Nachwirkungen  im  römischen  Reiche.  2.  Hälfte.  1864.  8. 

Vom  Herrn  QuesneviUe  in  Paris:  - 

Le  moniteur  scientifiqne  du  chimiste  et  du  manufaoturier.  t.  6.  179. 
180.  181.  Livraison.  Armee  1864  8 

Vom  Herrn  Julius  Braun  in  München: 
Naturgeschichte  der  Sage.  1864.  8. 

Vom  Herrn  V.  Bitter  von  Zepharovich  in  Wien: 

a)  Erystallographische  Studien  über  den  Idokras.  1864.  8. 

b)  DieEry8tallformen  des  unterschwefligsauren  Kalkes.  CaO,  Sf0t-+-6Aq. 

1862.  8. 

c)  Erystallographische   Mittheilungen    aus    dem    Laboratorium    der 

Universität  zu  Graz.  1863.  8. 

d)  Berichtigung  und  Ergänzung   meiner  Abhandlung  über  die  Kry- 

stallformen  des  Epidot  in  dem  34.  Bd.,   Jahrg.  1859  der  Sitz* 
ungsberichte  d.  k.  Akad.  d.  W.  in  Wien.  1862.  8. 

e)  Ueber  die  Krystallformen  des  zweifach  ameisensauren  Kupferoxydes 

und  des  ameisensauren  Kupferoxyd-Strontian.    1861.  8. 

Vom  Herrn  B.  Hidiber  in  Bern: 
Gesammelte  kleinere  historische  Aufsätze.  1864.  8. 

Vom  Herrn  F.  GoUardeau  in  Baris: 

Origine  d'un  deficit  annuel  de  plusieurs  millions  pour  l'ätat  et  pour 
une  classe  de  oommercants.  Urgence  d'un  controle  des  areo- 
metres.  1864.  8. 

Vom  Herrn  G.  Bruch  in  Frankfurt  a.  M.: 

Der  zoologische  Garten,  Zeitschrift  für  Beobachtung,  Pflege  und 
Zucht  der  Thiere.  Kr.  2—6.  5.  Jahrg.  Febr.— Juni  1864.  8. 


[1864. 1.  4.]  23 


Sach  -  Register. 


Aedelfonit  72. 

Alaya  68. 

Algen  287. 

Antdkerisammlungen  in  München,  Beiträge  zu  deren  Geschiente  1. 

Aatrograph  103. 


Berberin  61. 

Buddhismus,  dessen  Gottesbegriff  88. 

Buddhas,  die  89. 

Buddhas,  die  der  Beschauung  92. 


Chemie  58.  79.  107.  167.  207.  (ökonomische)  279. 
China  unter  den  drei  ersten  Dynastieen  102. 


Desinfection  281. 
Dilatometer  158.  * 

28* 


338  Sach-Btgister. 

Federwage  zu  exacten  Wägungen  162. 

Fränkische  Reichsannalen  des  Karolingißchen  Zeitalters  82. 

Frost,  dessen  Einfluss  auf  Kartoffeln  177. 

Fluorescenz  des  menschlichen  Harnes  182. 


Geologie-Palaeontologie  215. 
Geschichte: 

chinesische  102. 

deutsche  82.  170. 

geistl.  Ritterorden  184. 


Harn,  menschlicher  115. 

dessen  Nitrithaltigkeit  119. 

dessen  Veränderungen  wahrend  seiner  G&hrung  140. 
Harnpilze  123. 
Heizungsmaterial  280. 


Indigotinctur,    durch  Wasserstoffschwefel  entfärbt,   ein  Reagens  auf 

Wasserstoffsuperoxyd  118.  136. 
Interpolationsformeln    für  Wasservoliunina    bei  Temperaturen    von 

28—50o  und  von  60— 80oC.  151. 


Kartoffeln  177. 

Knochenbett  (Bonebed)  und  Pflanzenschichten  Frankens  216. 
Kupfer,   verbesserte  Methoden  in  dar  Trennung   und  Bestimmung 
desselben  79. 


Meridiankreis  1. 
Mineralogie  72. 
München  1. 


Sach-Begister.  389 


Haturphilosophie  Schellings,  ihre  Bedeutung  207. 


Oei,  ätherisches  von  Abies  Reginae  Amaliae  67. 


Pflanzenphysiologie  282. 


Reagens  höchst  empfindliches  auf  das  Wasserstoffsuperoxyd  und  die 

salpetrigsauren  Salze  118. 
Respiration  von  landwirtschaftlichen  Hausthieren  207. 
Rhaetische  Stufe  219. 


Säcularisation  des  Kirchengutes  unter  den  Karolingern  170. 
Schädelumfang  und  Gehirngewicht  13. 

von  Männern  19. 

von  Weibern  26. 

an  frischen  Leichen  von  Männern  48. 
Schädelinnenraum  und  Gehirngewicht 

von  Männern  41. 

von  Weibern  43. 
Sphenoklas  76. 

Schwefelverbindungen  organische,  eine  neue  Classe  derselben  167. 
Stickstoff  der  Nahrung  durch  Nieren  und  Darm  ausgeschieden  210. 


Templerorden  184. 
Torfkohle  279. 
Turpethharz  53. 
Turpethin  56. 
Turpetholsäure  58. 


340  Sach-Repister. 

Turpetholsaures  Natron  60. 
Turpetholsaurer  Baryt  60. 
Turpethsäure  56. 


Wachstafeln  von  Polling  aus  dem  14.  Jahrhundert  826. 
Wasser,  dessen  Ausdehnung  von  30 — lOOoC.  141. 
Wasserstoffschwefel  107. 
seine  Zerlegung  108. 
Wasserstoffsuperoxyd  im  menschlichen  Körper  134 


Zellenmembranen  vegetabilische,  ihr  innerer  Bau  282. 

1.  Zellencryptogamen  307. 

2.  Parenchymzellen  der  Phanerogamen  317. 

3.  Epidermiazellen  der  Phanerogamen  821. 


Namen-Register, 


Becken  207. 
Berger  220. 
Bidder  210. 
Bischoff  13.  210. 
Braun  221.  224. 
Buchner  63.  61.  67. 

Carus  40. 
Christ  1. 
Credner  223. 

Döllinger  184.  186. 

Föringer  326. 

Giesebrecht  82. 
Gümbel  215. 

Henneberg  210. 

Jolly  141.  162. 

Kirchner  220 

Kobell,  von  72. 

Koch -Sternfeld,  von  326. 

Kolbe  (in  Marburg)  167. 

Kopp  160. 

Küster  229. 


342  NamenrRcgisUr. 

Lehmann  210. 

Liebig,  von  167.  186.  213. 

Martius,  von  187.  193. 

Mohl  282. 

Mohr  79. 

Münster,  Graf  von  220.  221. 

Nägeli  282. 

Oppel  218. 

Ferring  61. 

Pettenkofer  107.  115.  207. 
Pierre  160. 
Plath  102. 

Ranke  210. 

Regnault  208. 

Reiset  207. 

Rose,  Heinrich  (Nekrolog)  192. 

Roth  170. 

Schenk  276. 

Schlagintweit,  E.  von  83. 

Schmidt  210. 

Schmöger,  von  (Nekrolog)  196. 

Schönbein  (in  Basel)  107.  113    115.  182.  134 

Sighart  326. 

Spirgatis  (in  Königsberg)  53. 

Steinheil  von  1.  103. 

Süss  218. 

Togel  jun.  177.  279. 
Voit  210. 

Wagner  51. 

Zipser  von  (Nekrolog)  195. 


1 

\ 


d^¥ 


Sitzungsberichte 


der 


königl.  hayer.  Akademie  der  Wissenschaften 


zu  München. 


Jahrgang  1864.    Band  II. 


München. 

Druok  toh  F.  Straub  (WittelibacherpUt*  S). 

1864. 

In  CommiMion  bei  6.  Frans. 


Uebersicht  des  Inhaltes. 


DU  Bit  *  WitiefcMtoB  Vortrlf  •  si»4  o*u  Aula*. 


Hol.  Glosse.    Sittung  vom  4.  Juni  1864. 

Halm:  Ueber  einige  controverse  Stellen  in  der  Germania  des 

Tacitus 1 


vom  2.  Juli  1864. 

Steub :  Zar  Erklärung  etnukischer  Inschriften 42 

Prantl:    Ueber   den  Unirersalianstreit  im  18.  und  14.  Jahr- 
hundert       58 

Thomas:  Ueber  handschriftliche  renerianisohe  Chroniken  und 

den  Lateinenug  nach  einer  solchen 67 


Einsendungen  ron  Drucksohriflen       81 


m* 


IV 


Seite 

Mathematisch-physikalischeClasse.  Sitzung  vom  28.  Mail864. 
♦Pettenkofer:  Ueber  Fleisch-  und  Fettnahrung  beim  Hunde       91 


Sitzung  vom  9.  Juli  1864. 

f  Lamont:  1)  Ueber  den  Einfluss  des  Mondes  auf  die  Magnet- 
nadel (mit  3  lithograph.  Tafeln) 91 

2)  Ueber  die  jährliche  Periode  des  Barometers  97 

3)  Ueber  die  zehnjährige  Periode  der  magnetischen 
Variationen  und  der  Sonnenflecken 109 

{Nägeli:  Ueber  den  innern  Bau   vegetabilischer  Zellenmem- 
branen (mit  3  Tafeln) 114 


Historische  Classe.  Sitzung  vom  16.  Juli  1864. 

*Valentinelli:  Regesten  zur  deutschen  Geschichte  ans  den 

Handschriften  der  S.  Marcus-Bibliothek  171 

*Riehl:   Ueber    das  Verhältniss  der    Geschichtsquellen    zur 

mittelalterlichen  Architeotur       171 

*v.  Hefner-  Alten  eck:  Ueber  Auffindung  der  Originalent- 
wurfe zn  den  Prachtrüstungen  der 
Könige  Franz  I.  und  Heinrich  H. 
von  Frankreich 171 


Seite 

Oeffenüiche  Sitzung  zur  Vorfeier  des  Allerhöchsten 
Geburts-  und  %Namensfestes  Seiner  Majestät  des 
Königs  Ludwig  IL  am  25.  Juli  1864       ...     173 


Neuwahlen 176 


Fküosophisch^phüologische  Classe.  Sitzung  vom  5.  Nov.  1864. 
Hofmann:     Ueber  den  Meier  Helmbrecht 181 


Mathematisch-physikalische  Glosse.  Sitzung  vom  12.  Nov.  1864. 

v.  Martins:  Ueber  phosphorsaure  Thonknollen  (Koprolithen?) 

von  Leimendorf 191 

Wagner:    Ueber  die  anthropologischen  Entdeckungen  im  ge- 
schichteten Diluvium  bei  Abbeville 19S 

Vogel:   a)  Ueber  die  Umwandlung  der  Vegetation  durch  Ent- 
wässerung   200 

b)  Ueber    die  Umwandlung  des  Starkmehls    durch 

den  Keimprozess 206 

H.  v.  Sehlagintweit-Sakünlünsky:   Beobachtungen  über 

den  Einflaes  der  Feuchtigkeit  auf  die 
Insolation,  in  Indien  und  Hochasien    .      216 

Buhl:    Ueber  die  Aetiologie  des  Typhus 247 

Sohönbein:    Weitere  Beiträge    zur   nähern  Kenntnis«    des 

Sauerstoffe 249 


VI 


feite 

Classe.    Sitzung  vom  19.  November  1864. 

•v.  Döllinger:    Ueber  die  Beweggründe  und  Urheber  der 

Ermordung  des  Henogs  Ludwig  von  Bayern 

Jahre  1281 290 


Einsendungen  von  Draoksehriften 291 


Philosophisch-philologische  Classe.  Sitzung  vom  3.  Ben.  1864. 

Haneberg:  Ueber  Panische  Inschriften 299 

/E.  Sohlagintweit:    Tibetische  Inschrift  ans  dem   Kloster 

Heinis  in  Ladak.    (Mit  1  Textes-Bei- 
läge.)  806 


Mathematisch-physikalische  Classe.  Sitzung  vom  10.  Dez.  1864. 

v.  Siebold:  Ueber  die  im  Auftrage  der  königlichen  Akademie 

der  Wissenschaften  vorgenommenen  vorläufigen 
Nachforschungen,  um  das  Vorkommen  von  Pfahl- 
bauten in  Bayern  festiustellen      818 

Qümbel:  Ueber  ein  neu  entdecktes  Vorkommen  von  phos- 
phorsaurem Kalke  in  den  jurassischen  Ablagerungen 
von  Franken 826 


vn 


Seite 

Bis  oh  off :  Ueber  das  Verhältnis*  des  absoluten  und  specifi- 
sehen  Hirngewiohts,  sowie  des  Hirnvolumens  zum 
Schftdelümenraum 847 

t.  Besold:  Zur  Lehre  vom  binocularen  Sehen 872 


Historische  Glosse.    Sitsung  vom  &.  Dezember  1864. 

Kunstmann:  Ueber  einen  i.  J.  1794  in  München  entwor- 
fenen Plan,  Bayern  mit  Hilfe  Frankreichs  in 
eine  Bepublik  zu  verwandeln 881 


Einsendungen  von  Druckschriften 882 


Sitzungsberichte 

der 

königl  bayer.  Akademie  der  Wissenschaften. 


Philosophisch  -  philologische  Classe. 

Sitzung  vom  4.  Juni  1864. 


Herr  Halm  hielt  einen  Vortrag: 

„Ueber  einige  controverse  Stellen  in  der 
Germania  des  Tacitus". 

Es  kann  nicht  Wunder  nehmen,  wenn  in  einer  so 
schwierigen  Schrift,  als  die  Germania  des  Tacitus  ist, 
über  Erklärung  und  Schreibung  einer  Anzahl  von  Stellen 
noch  immer  sehr  abweichende  Meinungen  herrschen,  nur 
glauben  wir,  dass  sich  mehrere  controverse  Punkte  mit 
ziemlicher  Sicherheit  feststellen  lassen,  wenn  man  nur  auf 
das  achtet,  was  Tacitus  wirklich  gesagt  hat  und  nicht  einem 
Systeme  zu  lieb  seinen  Worten  einen  Sinn  unterschiebt,  der 
mit  dem  Geiste  der  Sprache  in  offenbarem  Widerspruche 
steht.  Das  ist  nach  meinem  Dafürhalten  an  mehreren  der 
so  viel  besprochenen  Stellen  über  die  principes  geschehen, 
über  welche  Stellen  es  nicht  in  meiner  Absicht  liegt  ganz 
neue  Ansichten  vorzutragen,  sondern  nur  die  Unhaltbarkeit 
einiger  vielverbreiteten  Erklärungen  vom  sprachlichen  Stand- 
[1864.  U 1.]  1 


2  Sitzung  der  phOos^hüci.  CUuse  vom  4.  Juri  1864. 

punkt  aus  nachzuweisen.  Wir  berühren  zuerst  das  berühmte 
Kapitel  13,  dessen  Erörterung  zu  einer  förmlichen  Literatur 
angewachsen  ist.  Tacitus  sagt:  Nihil  cmtem  neque  publicae 
neque  privatae  rei  nisi  armati  agunt:  sed  arma  sumere 
non  ante  cuiquam  moris  quam  civifas  suffecturum  proba- 
verit.    Tum  in  ipso  concilio  vel  prineipum  cUiquis  vel  pater 

* 

vel  propinqui  scuto  frameaque  iuvenem  ornant;  haec  apud 
Mos  toga,  hie  primus  iuventoe  honos;  ante  hoc  domus  pars 
videntur,  tnox  rei  publicae.  Insignis  nobüitas  aut  magna 
patrum  merita  prineipis  dignatimem  etiam  adulescentulis 
adsignant:  ceteris  robustioribus  ac  iom  pridem  probatis  ad- 
gregantur,  nee  rubor  inter  comites  adspici.  Ueber  die  sehr 
bestrittenen  Worte  prineipis  dignationem  adsignant  gibt  es 
abgesehen  von  vielen  Modifikationen  im  Einzelnen  zwei 
Hauptauffassungen.  Die  einen  erklären  prineipis  dignationem 
im  Sinne  von  Geltung  (Rangstellung)  eines  Häuptlings,  fürst- 
liche Würde  (Ansehen),  andere  im  activen  Sinne  „Würdig- 
ung eines  Fürsten,  Erklärung  der  Würdigkeit" ;  die  dignatio 
prineipis,  sagt  man,  habe  darin  bestanden,  dass  bei  den 
Eigenschaften,  die  Tacitus  nennt,  schon  vor  einer  W ehr- 
haft macliung  der  Fürst  die  Jünglinge  auszeichnete,  sie  den 
Erprobten,  Wehrhaftgemachten  gleichstellte,  d.  h.  sie  in 
sein  Gefolge  aufnahm.  Dabei  wird  besonders  betont,  dass 
die  Stelle  im  engen  Zusammenhange  mit  dem  stehe,  was  am 
Eingang  des  Kapitels  von  der  Wehrhaftmachung  gesagt 
sei,  während  andere,  welche  der  ersteren  Auffassung  folgen, 
ganz  entgegengesetzt  annehmen,  dass  mit  den  Worten  tn- 
signis  nobüitas ,  mit  denen  Tacitus  auf  die  Schilderung  der 
comitatus  übergeht,  ein  grösserer  Abschnitt  beginne.  Eine 
kritische  Uebersicht  über  die  verschiedenen  Erklämngen  der 
Stelle  gibt  Waitz  in  seiner  deutschen  Verfassungsgeschichte 
I,  149  ff.  und  in  seinem  Aufsatze  über  die  Principes  in 
den  Forschungen  zur  deutschen  Geschichte  II,  392  ff.  Er 
selbst  entscheidet   sich  für  die  active  Auffassung  von  dig- 


Hak*:  Controverse  8teUen  in  der  Germama  des  Tacüus.         3 

natio,  die  von  der  Mehrzahl  der  Historiker  and  Juristen 
adoptiert  wird,  bo  grosse  sprachliche  Bedenken  ihr  auch  ent- 
gegenstehen. Entlieh  wird  bei  dieser  Annahme  die  Lesart 
der  besten  Handschrift,  des  codex  Pontani,  dignitatem 
völlig  ignoriert,  so  geringes  Gewicht  auch  die  übrigen  Hand- 
schriften dieser  gegenüber  besitzen;  2)  wird  dem  Worte 
dignatio  ein  Sinn  unterlegt,  den  es  sonst  nirgends  bei 
Tacitus  hat1),  und  für  den  auch  die  wenigen  Stellen,  in 
denen  dignatio  bei  anderen  Schriftstellern  im  activen  Sinne 
vorkommt,  nicht  als  adäquat  erscheinen ;  denn  in  diesen  hat 
dignatio  mehr  die  Bedeutung  „Gnade,  Gunst"  als  „Würdig- 
ung. Anerkennung,  Beachtung"1);  8)  ist  der  beliebten  Auf- 


1)  8.  Ann.  2,  63.  Excepere  Qraeci  quaesitissimis  honoribus,  vekra 
suorum  facta  dietaque  praeferentes ,  quo  plus  dignatumis  adulatio  ha* 
beret.  4,  16  utque  glisceret  dignatio  meerdotum  .  .  decretum  etc. 
£,  34  8ed  ut,  sicut  locis  ordinibus  dignationibus  antistent,  ita  iis 
quae  ad  requiem  animi  parentur.  3,  75  consulatum  ei  adceleraverat 
Augustus,  ut  Läbeonem  Antistium  isdem  arübus  praeceüentem  digna- 
fkme  eius  magistratus  (durch  die  mit  diesem  Staatsamt  verbundene 
Rangstellung)  anteiret.  4,  52  is  recens  praetura,  modicus  dignatumis 
et  quoquo  facinore  properus  clarescere.  6,  27  non  permissa  provincia 
dignationem  (ei)  addiderat.  13,  20  ope  Senecae  dignationem  Burro 
retentam.  13,  42  omnia  potius  toleraturum  quam  veterem  agendo  (der 
cod.  Med.  ae  dd)  partam  dignationem  subitae  felieitati  submitteret. 
Hist.  I,  19  agitatum  aecreto  num  et  Piso  proficisceretur,  maiore  prat- 
textu,  Uli  auetoritatem  senatus,  hie  dignationem  Caesaris  laturus  (un- 
richtig urtheilt  über  diese  Stelle  Gent  he  in  den  Jahrb.  f.  Philol. 
1864  Heft  1,  S.  79),  I,  52  (s.  obenS  4)  3,  80  auxit  inrndiam . .  proprio, 
dignatio  viri.  Germ.  26  quos  (agros)  mox  inter  se  seeundum  digna- 
tionem partimtur.  Vergl.  noch  Liv.  II,  16,  5 :  Appius  inter  patres 
Uctus  haud  ita  muUo  post  in  prineipum  dignationem  pervenit. 

2)  Suet.  Calig.  24  reliquas  sorores  nee  cupidüate  tanta  nee  digna- 
tume  (d.  L  Werthhaltung)  dilexit,  ut  quae  saepe  exoletis  suis  prostra- 
verit.  Just.  28,  4,  10  a  quo  honorifice  suseeptus  diu  in  summa  dig* 
natione  regis  vixit.  Paneg.  I,  1,  2  voceram  potissimum,  ut  me  dig- 
nati&ne,  qua  pridem  audieras,  rursus  audires.  ibid.  VI ,  23,  1  quoniam 

1* 


4  Sitsung  der  phüos.-pMtol.  Clane  vom  4  Juni  1864. 

faesung  die  Stellung  von  principis  als  erstes  bedeutsames 
Wort  nach  dem  Subjecte  nichts  weniger  als  günstig,  welches 
gewichtige  Bedenken  T  hu  dich  um  (der  altdeutsche  Staat 
S.  13  A.  3)  durch  die  schale  Bemerkung  zu  beseitigen 
meinte,  principis  habe  deshalb  den  Nachdruck  und  stehe 
voran,  weil  jetzt  der  Fall  erwähnt  werde,  wo  ein  prinoeps 
und  nicht  der  Vater  oder  Verwandte  die  Wehrhaftmachung 
vornehmen.  Man  vergleiche  dagegen  die  auch  in  anderer 
Beziehung  sehr  ähnliche  Stelle  bei  Tac.  Hist.  I,  52:  Ft- 
tdlio  tres  patris  constdcUus  .  .  imponere  tarn  pridem  im- 
peratoris  dignationem  et  auferre  privati  securitatem.  4)  passt 
zu  dignatio  im  activen  Sinne  das  Verbum  adsignant  nicht, 
das  sich  wohl  im  Deutschen  in  gewissen  Wendungen  mit 
„verschaffen"  übersetzen  lässt,  aber  niemals  seine  Grund- 
bedeutung „zuweisen,  anweisen,  zuordnen,  zuertheilenu  auf- 
gibt In  dem  angenommenen  Sinne  muss  die  Wendung 
magna  patrum  merita  principis  dignationem  etiam  adtdes- 
centtdis  adsignant  im  Lateinischen  ebenso  als  ein  Unding 
erscheinen,  als  wenn  man  im  Deutschen  sagen  wollte: 
„grosse  Verdienste  der  Väter  weisen  auch  ganz  jungen 
Männern  eines  Fürsten  Würdigung  zu".  Auch  dem  folgen- 
den adgregantur  wird  eine  kleine  Zwangsjacke  angelegt 
und  der  Begriff  „zugesellt"  in  den  von  „untergeordnet"  er- 
weitert. Endlich  stehen  der  besprochenen  Auffassung  auch 
die  Worte  nee  rubor  inter  comites  adspici  entchieden  ent- 


ad  sunmum  votorum  meorum  tua  dignatione  perveni.  Cod.  Theod. 
VI.,  85,  15  quae  (peculia)  out  labore  proprio  aut  dignatione  nostra 
quaesioerint  Firmious  Maternus  de  err.  prof.  relig.  c.  12  Fuit  enim 
et  apud  veteres,  licet  nondum  terram  inluminasset  domini  nostri  Christi 
veneranda  dignatio,  in  epernendis  superstitumibus  rdigiosa  eonstantia. 
Auf  Missverstandniss  beruht  es,  wenn  Orelli  glaubt,  dass  auch 
Liv.  X,  7,  12  (eos  nos  tarn  populi  R.  beneficio  esse  spero,  qui  sacer- 
dotiis  non  minus  reddemus  dignatione  nostra  honoris  quam  aeeepe- 
rimus)  dignatio  im  activen  Sinne  zu  verstehen  sei 


Holm:  Coutravene  Bußen  tn  der  Germania  des  Tacitus.        5 

gegen,  die  als  befremdend  erscheinen  müssen,  nachdem 
eben  znvor  von  einer  Ehre,  welche  den  adulescentuli  er- 
wiesen ward,  die  Bede  gewesen  sein  solL  Diese  lassen 
vielmehr,  wenn  die  Darstellung  einen  richtigen  Fortgang 
haben  soll,  erwarten,  dass  vorher  irgend  eine  auffällige 
Handlang  erwähnt  war,  aber  nicht  ein  Act  von  was  immer 
für  einer  Auszeichnung.  Da  man  keine  Ursache  hat  anzu- 
nehmen, dass  in  der  Ueberlieferung  ein  Fehler  vorliege, 
so  bleibt  nichts  übrig  als  die  beliebt  gewordene  Auffassung 
aufzugeben  und  auf  die  ältere  wieder  zurückzukommen,  nach 
welcher  Tacitus  sagt:  Hervorragender  Adel  (d.  i.  Angehörig- 
keit zu  einem  berühmten  Geschlecht)  oder  grosse  Verdienste 
der  Väter  verleihen  eines  Fürsten  (Häuptlings)  Geltung  und 
Würde  auch  noch  ganz  jungen  Männern  (auch  solchen,  die 
noch  unmündige  Jünglinge  sind).  Solche  schliessen  sich 
(gesellen  sich  bei)9)  anderen  Fürsten  an,  die  kräftigeren 
Alters  und  schon  als  solche  (als  principes)  bewährt  sind, 
und  es  ist  keine  Schande  unter  dem  Gefolge  (den  Gefolg- 
leuten eines  schon  bewährten  princeps)  zu  erscheinen.  Da 
Tacitus  hierauf  unmittelbar  die  Erwähnung  der  gradus 
eomitatus  anschliesst  (gradus  quin  etiam  ipse  comitatus 
habet,  iudieio  eius  quem  sectantur),  so  wird  man  annehmen 
dürfen,  dass  solche  adulescentuli  als  gleichsam  geborne 
principes  in  der  Regel  auch  eine  hervorragende  Stellung 
im  comitatus  eingenommen  haben.  Zu  beachten  ist  auch, 
dass  Tac.  weiter  sagt:  magno  semper  electorum  iuvenum 
globo  circumdari  in  pace  decus,  in  letto  praesidiumf  woraus 
zu  schliessen  ist,  dass  die  nobiles  adulescentuli  auch  numerisch 
eine  wichtige  Stelle    im    comitatus  eingenommen   haben4), 


8)  adgregantor  ist  hier  dasselbe,  was  unten  quem  sedantur  heisst. 
üeber  den  medialen  Sinn  vgl.  Tac.  Ann.  15,  59  si  conatibus  eius 
conecii  adgregarentur,  secuturos  etiam  integros  etc. 

4)  Auch  cap.  14  werden  wieder  ausdrücklich  plerique  noUUum 
admle$cenUum  hervorgehoben. 


6  SüJttmg  der  pk&x.-phüd.  dam  vom  i.  Jmi  186L 

bis  sie  selbst  cor  Stellung  wirklicher  principes  sich  empor- 
schwangen. Ein  Haupteinwurf,  den  Waitz  gegen  diese 
Fassung  erhebt,  als  sei  der,  Ausdruck  robustioribus  et  iam 
pridetn  probatis  auf  die  übrigen  (oder  wohl  richtiger  „auf 
andere')  principes  bezogen  ein  ganz  unzulässiger,  erscheint 
schwerlich  als  stichhaltig ;  denn  robustiores  „Männer  reiferen 
Alters"  5)  bildet  einen  ganz  richtigen  Gegensatz  zu  aduUs- 
centuU,  eben  so  iam  pridetn  probati  „die  als  principes  schon 
längst  bewährt  und  anerkannt  sind",  zu  der  vorerst  nur 
durch  väterliches  Geschlecht  oder  Verdienst  zu  Theil  ge- 
wordenen dignitas  principalis.  Um  noch  einen  positiven 
Beweis  für  die  Richtigkeit  der  von  nns  gebilligten  Auffas- 
sung der  ganzen  Stelle  zn  geben,  so  erscheint  blos  bei 
dieser  die  sonst  unbegreifliche  plötzliche  Erwähnung  der 
comites  richtig  motiviert,  indem  das  freiwillige  Eintreten  in 
dieses  Verhältniss  bereits  in  den  unmittelbar  vorausgehenden 
Worten  ceteris  robustioribus  .  .  adgregantur  angedeutet 
Hegt.«) 

In  enger  Beziehung  mit  dieser  Stelle  steht  eine  andere 
über  die  comites  cap.  14,  wo  es  heisst:  Si  rivitas  in  qua 
orti  sunt  longa  pace  et  otio  torpeat,  plerique  nobüium  adu~ 
lescentnm  petunt  nitro  eas  nationes,  quae  tum  bellum  alt- 
quod  gerunt,  quia  et  ingrata  genti  quies  et  facihus  inter 
ancipitia  clarescunt  magnumque  eamitatum  non  nisi  vi  belr 


6)  Vgl.  Tac.  Ann.  13,  29  deerat  robur  aetotis;  14,  63  sed  iUis 
röbur  aetatis  adfuerat.  Nep.  Alcib.  2  ineunte  adulescentia  amatus  est 
a  muUis  .  .  postquam  robustior  est  f actus,  non  minus  muUos  amavit 

6)  Das  scheinen  auch  die  Vertreter  der  entgegengesetzten  Auf- 
fassung gefühlt  zu  haben,  weshalb  es  in  der  oben  S.  2  mitgetheil- 
ten  Erklärung  heisst:  „der  Fürst  stellte  sie  den  Wehrhaftgemachten 
gleich,  d.  h.  er  nahm  sie  in  sein  Gefolge  auf',  als  ob  diese  Gleich- 
stellung schon  nothwendig  eine  Aufnahme  in  das  Gefolge  bedingt 
hätte,  oder  als  ob  durch  einen  solohen  Actus  schon  die  sogleich 
folgende  Erwähnung  der  comites  irgendwie  als  vorbereitet  erschiene. 


r 


Halm:  Cmiüvvene  Stiüm  in  der  Germania  des  Tacitus.         7 

loque  tuentur;  exigtmt  mim  principis  sui  liberalitate 1) 
iUum  bellatorem  equum,  illam  cruentam  victricemque  frameam. 
Auch  in  dieser  Stelle  theilen  sich  die  Erklärer  in  zwei 
Heerlager,  indem  die  einen  anter  den  .,gar  manchen  jungen 
nobiles"  sich  Gefolgeführer,  andere  richtiger  comites 
denken.  Wenn  aber  unter  den  plerique  nobilium  adules* 
centium,  was  eine  ganz  unpassende  Bezeichnung  von  Gefolge- 
fuhrern  wäre ,  comites  zu  verstehen  sind ,  so  machen  die 
Worte  magmmque  comitatum  tum  nisi  vi  belloque  tuentur 
grosse  Schwierigkeit  Dieses  scheinen  schon  die  alten  Ab- 
schreiber gefühlt  und  deshalb  tueare  geändert  zu  haben, 
eine  Lesart,  die  sich  schon  aus  dem  Grunde  als  eine  ge- 
machte erweist,  weil  durch  sie  ein  in  diesem  Zusammen- 
hange ganz  unpassender  allgemeiner  Satz  hereingebracht 
wird.  Waitz  verwarf  früher  die  Redart  tuentur  entschieden, 
jetzt  läset  er  sie  (in  dem  Aufsatze  über  die  Principes 
S.  391)  bedingungsweise  gelten,  wenn  man  mit  Jessen 
(Zeitechr.  f.  d.  Gymnasialw.  1862,  72)  das  Subject  aus 
gen*  entnehmen  will.  Die  Erklärung  scheint  gesucht;  auch 
erhält  man  so  doch  wieder,  wenn  auch  auf  einem  Umweg, 
das  Subject  principes  als  Gefolgeführer,  während  bisher  nur 
von  nobiles  adulescentes  die  Rede  war.  Aber  bleibt  denn 
keine  Möglichkeit,  geradezu  einen  Wechsel  des  Subjects  an- 
zunehmen? Die  Stelle  steht  in  enger  Beziehung  mit  der 
eben  aus  cap.  13  erörterten.  Wie  es  dort  von  jungen 
Adelichen,  quibus  insignis  nobilUas  aut  magna  patrum 
merita  principis  dignitatem  adsignabant,  heisst,  dass  sie  in 
jungen  Jahren  in  das  Gefolge  eines  princeps  traten,  um  die 
der  Anwartschaft  ihrer  Geburt  entsprechende  Stellung  zeitig 
zu  erlangen,  so  erfahren  wir  hier,  dass  sie  der  Durst  nach 
Thaten  und  der  aus  gefahrvollen  Kämpfen  erhoffte  Ruhm 
in  die  Fremde  führt,  indem  sie  ihren  Wunsch,   selbst  der- 


7)  Richtiger  scheint:  exigtmt  mim  a  principis  «im  UberäUtate  etc. 


8  Sitzung  der  phüos.-phüol.  CUuse  vom  4.  Juni  1864. 

einst  ein  Gefolge  zu  bilden,  am  leichtesten  durch  einen  be- 
rühmten Namen  erreichen  können.  Wie  es  nun  Tacitus 
liebt,  eine  Nebenbemerkung  in  leichter  und  loser  Weise  an- 
zufügen, so  schiebt  er  an  den  Satz  f acutus  inier  ancipitia 
clare8cunt  den  Gedanken  an:  magmmque  comitatum  non 
nisi  vi  belloque  tuentur:  wozu  noch  kommt,  dass  zur  Halt- 
ung eines  grossen  Gefolges  reiche  durch  Gewalt8)  und  Krieg 
erworbene  Beute  erforderlich  ist1*.  Ist  diese  angefügte  Be- 
merkung auch  zunächst  von  den  Gefolgeführern  ausgespro-^ 
oben,  so  erscheint  ein  solches  Ueberspringen  von  den  nobile« 
adulescentes,  die  principes  werden  wollten,  auf  die  principes 
selbst,  wenn  auch  kühn  und  hart  (oder,  wenn  man  will,  als 
eine  starke  stilistische  Nachlässigkeit),  aber  doch  insoferne 
etwas  motiviert,  als  die  Quintessenz  des  Satzes,  das  vi  bello- 
que praedam  capere,  auch  für  die  jungen  Adelichen  ihre 
volle  Anwendung  hatte.  Uebrigens  lehrt  die  Stelle  im  Ver- 
gleich mit  cap.  13,  dass  nach  Tacitus  Darstellung  die  co- 
mites  vorzugsweise  aus  jüngeren  Mannern  von  edlerer  Ab- 
kunft bestanden  haben,  und  dass  in  dem  ganzen  Institut 
der  principes  mit  ihren  Gefolgschaften  schon  die  Grundzüge 
der  späteren  deutschen  Adelsverhaltnisse  unverkennbar  vor- 
liegen. Mit  den  Worten  exigunt  enim  etc.  tritt  ein  drittes 
Subject  ein,  indem  aus  dem  vorausgehenden  comitatum  der 
allgemeine  Begriff  comites  (nicht  mehr  der  engere  plerique 
nobüium  adul.)  zu  entnehmen  ist.  Ein  rascher  Wechsel  der 
Subjeote  liegt  auch  in  der  Stelle  c.  19  vor:  Paurissuna  in 
tarn  mmerosa  gente  adutteria,  quorum  poena  praesens  et 
tnaritis  permissa :  •  accisis ö)  crinibus,  nudatam,  coram  pro- 


8)  d.  h.  durch  Raab,  wie  es  unten  heisst:  materia  mumfieenUae 
per  betta  et  raptus. 

9)  Das  Wort  accisis,  das  man  in  neuerer  Zeit  fast  allgemein 
gegen  äbscisis  aufgegeben  hat,  ist  vielleicht  doch  richtig  im  Sinne 
von  „beschnitten,  kurz  geschnitten";   denn  gerade   die  Stelle,   die 


Halm:  Comtroverse  SteUm  in  der  Germania  de»  Tacüus         9 


pthquis  expeUit  domo  maritus  ae  per  omnem  vicum  verbere 
agit;  pubUeatae emm pudicHiae  nuüa  venia:  non  forma,  non 
aetate,  non  apibus  maritim  invenerit,  wo  zu  invenerit  nicht 
mehr  uxor  als  Subject  zu  denken  ist,  sondern  quadibet 
tritiata  (also  im  Qegensatee  von  Frauen  Unverheiratete), 
welcher  Subjectsbegriff  ans  publieata  pudioMa  zu  entnehmen 
ist,  nemlich  aliqua  quae  pudicitiam  pubUcaverit.  In  dieser 
Stelle  hat  man  an  enim  nach  pubKcatae  Anstoss  genommen, 
and  Nippe rdey  geht  so  weit  (N.  Rhein.  Mas.  f.  PhiloL 
XVIII,  844)  es  streichen  2u  wollen,  welcher  Vermuthung 
Dr.  Th.  Wiedemann  (e.  Forschungen  zu-  deutschen  Ge- 
schichte IV,  1,  176)  seinen  vollen  Beifall  schenkt.  Uns 
scheint  mini  für  die  Verbindung  der  Sitae  unentbehrlich 
und  leicht  durch  die  Ergänzung  eines  Satzgliedes  zu  er- 
klären: „Kein  Wunder  I  10)  (d.  i.  eine  so  harte  Strafe  des 
Ehebruchs  darf  nicht  Wunder  nehmen)  findet  ja  doch  Pro* 
stitution  überhaupt  keinerlei  Nachsicht",  Hatte  Tac.  die 
Sitae  ohne  Verbindung  als  einzelne  Thatsachen  an  einander 
gereiht,  so  hätte  er  wohl  mit  dem  geringeren  und  allge- 
meinen (dar  publieata  pudicitia)  begonnen  und  nicht  umge^ 
kehrt.  Mit  der  Besprechung  dieser  Stellen  verbinden  wir 
noch  einen  anderen  Fall  sehr  kühner  Karte  c.  17  a.  E.  (18): 
nam  prope  soli  barbarorum  singulis  uzoribus  contenti  sunt 
exceptis  admodum  paucis,  qui  non  Ubidine,  sed  ob  nobili- 
takm  pheribno  nuptiis  ambhmfar,   wo  ku  non  Ubidine  aus 


Schweizer-Sidler  (Anm.  au  Tac.  Germ.  II,  20)  ans  dem  Seligen- 
stadter  Sendrecht  (Grimms  Rechtealt.  711)  anfahrt:  „Und  die  frawe 
(die  ein  unehliche«  Kind  geboren)  sal  den  sun  umb  die  Kirchen 
tragen,  wollen  und  barfass,  und  sal  man  ir  bar  binden  an  dem 
haubet  abesniden  eto."  spricht  eher  für  als  gegen  diese  Les- 
art. Wie  heutigen  Tags  der  Kranz  das  Zeichen  der  jungfräulichen 
Braut  ist,  so  war  es  noch  lange  im  deutschen  Mittelalter  das  lange 
lose  Haar;  8.  Meinhold,  die  deutschen  Frauen  im  Mittelalter.  S.  25S. 
10)  Aehnliche  fiteilen  s.  bei  Oeswer  au  Quintflian  II,  11,  7. 

la 


10  SUnmg  der  phSk».-pkOol.  CUme  vom  4.  Jmi  1864. 

dem  Gegensätze  phtres  nuptias  quaerunt  m  ergänzen  ist u). 
Aach  diese  Kürze  beruht  eigentlich  auf  dem  raschen  Ueber- 
epringen  zu  einem  anderen  Subject:  nicht  sie  suchen  aus 
Lüsternheit  mehrfache  Ehen,  sondern  andere  suchen  sie 
dazu  wegen  ihres  vornehmen  Geschlechtes  zu  gewinnen. 
Noch  an  einer  anderen  Stelle,  wo  principes  erwähnt 
werden,  hat  man  den  Wortlaut  des  Tacitus  missachtet,  um 
seine  Darstellung  mit  vorgefassten  Meinungen  in  Einklang 
zu  bringen.  Im  cap.  11,  wo  Tac.  von  den  Volksversamm- 
lung«! der  Germanen  handelt,  heißet  es:  Mox  rex  vel  prin- 
ceps,  prout  aetas  cuique,  prout  nobiliias,  prout  decus  bei* 
forum,  prout  facundia  est,  audümtur,  auctoritote  suadendi 
magis  quam  iubendi  potestate.  Si  displicuit  sententia,  /re- 
mUu  aspernantur:  sin  placuit,  frameas  concutnmt:  kmora» 
Hssitnum  adsensus  genas  est  armis  laudare.  Die  Worte 
mox  rex  vel  princeps  .  .  audiuntur  sind  kurz  gesagt  für: 
„sodann  ergreift  der  König  oder  ein  Princeps  das  Wort  und 
findet  Gehör  nach  Massgabe  des  Alters  oder  Adels  oder 
des  Kriegsruhms  oder  der  Redegabe,  die  ein  jeder  hat". 
Cuique  bezieht  sich  sowohl  auf  rex  wie  auf  princeps,  nicht 
wie  man  gewöhnlich  mit  Rücksicht  auf  den  Anfang  des 
Capitels  annimmt,  blos  auf  princeps.    Cuique  im  Sinne  von 


11)  Als  Curiosum  erwähnen  wir  die  neueste  Erklärung  von 
Baumstark  (Jahrb.  f.Philol.  1868  Bd.  66,  778):  „man  macht  ihnen 
viele  Heirathsanträge,  jedoch  nicht  cum  Zwecke,  d.  h.  zur  Be- 
friedigung ihrer  Wollust,  sondern  um  ihrem  Adel  zu  huldigen".  Eben 
so  geistreich  weiss  derselbe  Gelehrte,  der  die  Kritiker  und  Erklärer 
des  Tacitus  in  so  hochmüthiger  Weise  schulmeistert,  den  unhalt- 
baren Superlativ  pUurimis  nuptiis  zu  deuten  (s.  die  Zeitsohr.  Eos 
1864,  53):  „sie  werden  zu  vielen  (vielmehr  „zu  sehr  vielen")  Hei- 
rathen  eingeladen,  wovon  die  Folge  ist,  dass  sie  wenigstens  manch- 
mal mehr  als  eine  Frau  nehmen".  Man  sollte  denken,  dass  wenn 
Tac.  einmal  von  plurimae  nuptiae  gesprochen  hat,  auch  wirklich 
Fälle  solcher  plurimae  vorgekommen  sind,  oder  dass  wenigstens  der 
Historiker  ein  solches  Vorkommen  vorausgesetzt  hat. 


Halm:  Oontroeerse  Stdlm  in  der  Germania  des  Tacitus.       1 1 

iatiqovv  zu  fassen  (s.  Eöpke,  Deutsche  Forschungen  S.  9, 
A»  3)  ist,  wie  der  Ausdruck  vorliegt,  sprachlich  nicht  zu- 
lässig. Denn  hätte  Tacitus  sagen  wollen,  dass  ausser  dem 
König  oder  einem  princeps  noch  andere  gesprochen  haben, 
so  musste  es  nothwendig  heissen :  mox  rex  vel  princeps, 
tum  prout  aetas  cuique  etc.  Auch  hätte  dann  sicherlich 
Tacitus  nicht  den  bezeichnenden  Ausdruck  audiuntur,  den 
man  bisher  wenig  beachtet  zu  haben  scheint,  gewählt,  der 
nur  in  Verbindung  mit  prout  aetas  cuique  etc.  als  passend 
erscheint,  nicht  aber  wenn  mit  prout  aetas  cuique  .  .  est 
ein  neues  Subject  eingeführt  wurde.  Wenn  diese  Darstellung, 
der  zufolge  der  Volksmenge  nur  die  Annahme  oder  Ver- 
werfung der  jedesmaligen  Vorlage  zustand ,  wie  auch  aus 
den  folgenden  Worten  si  dispUcuit  etc.  mit  Bestimmtheit 
zu  entnehmen  ist,  mit  späteren  Zeugnissen  in  Widerspruch 
steht,  so  ist  man  darum  noch  nicht  berechtigt,  einem  Sy- 
steme zu  lieb  dem  Tacitus  einen  Gedanken  unterzuschieben, 
der  seinen  Worten  gänzlich  ferne  steht.  Er  kann  sich  ge- 
irrt haben,  aber  von  der  Berechtigung  eines  dritten,  ausser 
dem  König  oder  einem  princeps,  in  der  Volksversammlung 
zu  sprechen,  steht  bei  ihm  auch  nicht  eineSylbe.  Vor  einer 
solchen  Annahme  musste  schon  der  Zusatz  auctarüate  sua- 
dendi  magis  quam  iubendi  potestate  warnen,  welche  Worte 
man  unmöglich  auf  einen  beliebigen  Redner  aus  der  Menge 
beziehen  kann.  Sie  besagen  nur  soviel,  dass  bei  den  freieren 
Germanen  auch  der  König  eine  bedeutende  Persönlichkeit 
sein  musste,  um  seinem  Willen  dem  Volk  gegenüber  eine 
Geltung  zu  verschaffen. 

Man  hat  längst  die  Bemerkung  gemacht,  dass  sich  im 
Dialogus  de  oratoribus  viele  pleonastische  Wendungen  finden, 
die  nur  dazu  dienen,  der  Rede  einen  volleren  Klang  zu  ver- 
leihen, wie  in  allen  Sprachen  vorkommt,  besonders  in  der 
pathetischen  Rede,  aber  kaum  in  so  ausgedehnter  Weise, 
als  wir  es   in  den  früheren  Schriften  des  Tacitus  vorfinden. 


13  Sütwtg  der  phüo$.-phtiol.  CUsse  vom  4.  Jmti  1864. 

Denn  auch  in  der  Germanin  hat  er  von  diesem  Mittel  de» 
rhetorischen  Aufputzes  sehr  reichlichen  Gebrauch  gemacht, 
and  zwar  nicht  blos  in  der  Weise,  daas  einzelne  Begriffe 
durch  mehrere  Synonymen  ausgedrückt,  sondern  ganze 
Phrasen  in  anderer  Form  wiederholt  werden.  Eine  kurze 
Uebersioht  dieser  Stellen  wird  in  dem  Umstand  eine  Ent- 
schuldigung finden,  weil  #inige  der  Art  streitiger  Natur  sind 
oder  solche,  bei  denen  es  sich  fragt,  ob  man  die  Überliefer- 
ung mit  Recht  angefochten  hat.  Man  vergleiche  2  Gen- 
manos  minime  aUartm  gentium  adventibus  et  hospitiis 
mixtos,  wie  40  loca  quaecumque  adventu  koapitioque  (dea) 
dignatur.  2  quod  unum  apud  ittos  memeriae  et  anno- 
lium  genas  est  4  Gertnaniae  populos  proprium  et  sinr 
ceram  et  tan  tum  sui  similem  19)  gentem  e&Misse. 
5  posßessione  et  usu  (argenti  et  auri)  haud  perinde  adn 
fieUmtur.  7  non  casus  neque  fortuita  cenglebatio  tun- 
mam  aut  cuneurn  facti.  9  lueos  ac  nemora  ccmseoromt 
(wie  auch  c,  10,  Dial.  de  Orat.  9  und  12).  10  eosque 
(surculos)  super  candidam  vettern  temere  ac  fortuito 
spargunt.  ib.  equorum  praesagia  ac  monitus  experiri. 
11  sie  constituunt,  sie  condieunt  12  aecusare  et  dis- 
crimen  capitis  intendere.  13  id  nomen,  ea  gleria  est. 

14  infame  ac  probrosum  —  def endete  tueri  (wie  Dial. 
de  orat.  7  tueri  et  defendere)  —  pace  et  otio  —  pigrum 
et  iners  —  nee  arare  terram  aut  expeetare  annum 
tarn  facile  persuaseris  quam  vocare  hostem  et  vutnera 
mereri  (vgl.  Agr.  31  ager  atque  atmus).  15  fortissimus 
quisque  ac  bellicosissimus  ib.  domus  et  penatium  .  . 
cura.  16  conexis  et  cohaerentibus  aedifieüs 18)-  18  inter- 


12)  Aehnlich  ist  die  Fülle  im  Dial.  de  orat.  26:  ut  sincera  ei 
integra  et  nullis  pravitatibus  detorta  unius  cuiusque  natura 
toto  statin*  pectore  arriperet  artes  honesta*  etc. 

13)  Eine  Art  von  Harämg  liegt  in  demselben  Capitel  auch  in 


Halmi  Controvene  Suüm  in  der  Gbrmmia  des  Ttctots.       IS 

sunt  parentes  ac  propdnqui  ac  prebant  munera,  non  ad  de* 
licias  muliebres  quaesita  nee  quibus  nova  nupta  co- 
matur;  denn  unter  den  deUciae  muliebres  wird  man  sich 
doch  wohl  hauptsächlich  Putzgegenstände  zu  denken  haben« 
19  sie  unum  aeeipiunt  ntaritum,  quomodo  unum  corpus 
unamque  vitam,  ne  ulla  eogitatio  ultra,  ne  longior 
eupiditas  etc.  20  heredes  tarnen  successoresque  sui 
euique  liberi.  22  deteeta  et  nuda  mens.  23  sine  appa- 
ratuy  sine  bland imentis  eapettmt  fernem.  24  ut  . .  ex- 
tremo  ac  novissimo  iactu  de  libertate  ae  de  corpore 
contendant;  denn  die  oontentio  de  corpore  ist  eben  keine 
andere  als  de  libertate,  indem  der  im  Spiel  verlierende  zum 
Knechte  ward.  25  suam  quisque  sedemf  suos  penatee 
(servuß)  regit,  ibid.  non  diseiplina  et  severitate  (rgl. 
DiaL  28),  sed  impetu  et  ira.  26  faenus  agitate  et  in 
usuras  e xt ender e  ignotum,  an  welcher  Stelle  man  aus 
Verkennung  der  rhetorischen  Amplification  so  ungeschickt 
gewesen  ist,  an  Zinseszinsen  zu  denken.  27  lamenta  et 
lacrimas  cito,  dolorem  et  tristitiam  tarde  ponunt. 
28  tamquam  per  hanc  gloriam  sanguinis  a  similitudine 
et  inert ia  GaUorutn  separentur,  an  welcher  Stelle  man 
a  similitudine  et  inertia  =  a  similitudine  inertiae  erklärt) 
während  richtiger  in  -dieser  Verbindung  nur  eine  rhetorische 
Häufung  oder  Erweiterung  zu  erkennen  war.  30  ita  sede 
finibusque  in  nostra  ripaf  mente  animoque  nobiscum 
agunt  (nfattiaoi),  wie  46  sermone  eultu,  sede  ac  domi- 
cilii* ut  Gennam  agunt.  31  omnium  penes  hos  initia 
pugnarum,  haec  prima  semper  acies.  33  oblecta- 
tioni  oculisque  ceciderunt,   d.  l  zu  unserer  Ergeteung 


der  Wendung  materia  ad  omnia  uttmtur  mformi  et  eitra  epeciem 
aut  delectationem  vor:  denn  wm  auf  Schönheit  beim  Bauen  be- 
rechnet ut,  dient  eben  aaoh  zur  Krgetslichkeit. 


14         SUmmg  der  phüoe<-pk%M.  CUu$e  vom  4.  Jum  1864. 

und  Augenweide  ").  34  sanctius  ac  reverentius  visum 
de  actis  deorum  credere  quam  scire;  vgL  dial.  de  oimt  10 
omnes  eins  (eloquentiae)  partes  sacras  et  venerabües  puto, 
and  über  sanctus  im  Sinne  von  „ehrfurchtvoll"  Germ.  8: 
messe  quin  etiam  sanctum  aliquid  (in  feminis)  et  providum 
putant.  37  veterisque  famae  (Gimbronun)  lata  vestigia 
manent,  utraque  ripa  castra  ac  spatia,  quorum  ambitu 
nunc  quoque  metiaris  molem  manusque  gentis.  ibid.  oc- 
easione  discordiae  nosträe  et  oivilium  afrmorum.  38  map* 
orem  Germaniae  partem  obtinent  (Suebi),  propriis  adhuc 
nationibus  nominibusque  discreti.  39  cetera  subiecta 
et  parentia.  41  cum  ceteris  geniibus  arma  modo  castra- 
que  nostra  ostendamus  (vgl.  Agr.  33  finem  Britanniae  .  . 
castris  et  armis  tenemus).  42  vis  et  potentia.  46  Hettur 
sios  et  Oxionas  (Etionas  Müllenhoff)  ora  hominum  vuh 
tusque,  corpora  atque  artus  ferarum  gerere.  Eben 
dahin  gehört  ohne  Zweifel  auch  die  Stelle  cap.  5:  Argen- 
tum  quoque  magis  quam  aurum  sequuntur . .,  quia  numerus 
argenteorum  facäior  usui  est  promisca  ac  vilia  mer- 
cantibus,  wo  die  Uebersetzung  „allerlei"  für  promiscus  nicht 
passt,  sondern  nur  „gewöhnliche  (ordinäre)  und  geringe 
(wohlfeile)  Gegenstande".  Auch  cap.  17  „eUgunt  feras  et 
detracta  vdamina  spargunt  m  a  cutis 'pellibusque  bdua- 
rum,  quas  exterior  Oceanus  atque  ignotum  mare  gignitf* 
scheint  in  den  Worten  maeulis  peiUbusque  nur  eine  rhe- 
torische Häufung  vorzuliegen:  „sie  sprenkeln  {machen  bunt) 
die  abgezogenen  Häute  (worunter  man  sich  wohl  dunkle, 
wie  z.  B.  braune  zu  denken  haben  wird)  mit  Flecken 
(Stücken)  und  Pelzen  von  Seethieren'' ,  als  Robben  etc.,  so 
dass  der  Begriff  „Besatz",   womit  die  Wildschur  bunt  ge- 


14)  Ganz  ähnlich  ist  die  Verbindung  Dial.  20  tortfm  auribus 
et  iudieiis  obtemperans  nostrorum  oratortun  aektB  ptdchrior  et  or- 
natior  extitit. 


Hahn:  Controvene  8töm  in  der  Qerwmia  de*  Tacitus.       15 

macht  wurde,  in  zwei  Worten  ausgedrückt  erscheint.  Falsch 
ist  die  gewöhnliche  Uebersetzung  „mit  gefleckten  Pelzen" 
statt  „mit  Pelzflecken",  was  nach  unserer  Ausdrucksweise 
das  richtige  wäre.  Wir  sehen  auch  nicht  ein,  wie  die  Ton 
Schweizer-Sidler  (nach  Wackernagel,  s.  Z.  f.  d.  Alterth. 
IX,  563  Anm.  192)  beigezogene  Bemerkung  Lachmanns  zur 
Aufklärung  dienen  soll,  der  zu  Nibel.  354,  1  sagt:  „Das 
Unterfutter  der  seidenen  Küssen  oder  hier  und  in  fiiterolf 
1156  der  seidenen  Kleider  ist  von  Fischhäuten»  Im  Wigalois 
8.  33  hat  ein  Mantel  mit  Cyolad  tiberzogen  zum  Unter* 
fbtter  Hermelin  mit  eingelegten  Bildern  Ton  Mond  und 
Sternen  aus  blauer  Fischhaut".  Dam  wurden  Fischhäute 
als  Unterfutter  verwendet,  so  ist  damit  doch  noch  nicht 
bewiesen,  dass  diese  solchen  Germanen  „qui  feranm  pdles 
exquiritius  gerebant"  auch  als  verschönernder  Besatz  ihrer 
Pelzüberwürfe  gedient  haben. 

In  kritischer  Beziehung  kommen  drei  Stellen  in  Frage. 
Die  unsicherste  ist  cap.  43:  omnesque  hi  papuU  pauea  cam- 
pestrium,  ceterum  saUus  et  vertices  montium  iugumr 
que  msederunt;  dirimit  enim  scinditque  Suebiam  contmuum 
montium  iugum  etc.  Denn  da  montium  iugum  sogleich 
wieder  folgt  und  Tacitus  die  ungefällige  Wiederkehr  gleicher 
Worte  nach  kurzen  Zwischenräumen  sonst  ängstlich  ver- 
meidet, so  hat  die  Vermuthung  des  feinen  und  geistreichen 
Aeidalius,  dass  iugumque  zu  streichen  sei,  allerdings  viele 
Wahrscheinlichkeit 

Grössere  Schwierigkeit  macht  die  Stelle  c.  16 :  Quaedam 
loca  diUgentius  ülinunt  terra  ita  pura  ac  splendente,  ui 
pieturam  ae  Uniamenta  colorum  imüetur,  an  der  Haupt 
die  sehr  leichte  Aenderung  Nipperdey's  locorum  st  co- 
lorum aufgenommen  hat.  Wenn  ich  diese  Conjectur  in 
meiner  Textesausgabe  abgelehnt  und  der  von  Köchly  cor- 
porum  einen  Vorzug  eingeräumt  habe,  so  geschah  es,  wie 
ich  ganz  aufrichtig  bekenne,  aus  dem  Grunde,  weil  mir  der 


It  ßiUnmg  der  pNta-pMtoL  tJktm  vom.  4.  Jfmi  1964. 


Sinn  der  N.  Conjectur  nie  klar  gewesen  ist  and  weil  es 
mir  überhaupt  unmöglich  schien,  dass  loca,  das  schon  im 
Hauptsätze  vorkommt,  aach  wieder  im  abhängigen  Satze 
erscheinen  konnte.  Unser  Gefühl,  dass  durch  diese  Conjeo- 
tur  das  Vezständniss  der  Stelle  nicht  klarer  geworden  sei, 
ist  durch  die  Erklärung,  die  jetzt  Nipperdey  selbst  (Rhein. 
Mus.  für  Philol.  XVIII.  842)  gibt,  nicht  beschwichtigt,  soo» 
dem  eher  verstärkt  worden.  Er  sagt  nemlich:  „die  reine 
und  glänzende  Erde  dient  als  Spiegel:  und  so  trägt  der 
Ueberzug  scheinbar  ein  Gemälde,  cL  h.  die  Farben  und 
die  Umrisse  der  Umgebungen.  Denn  nur  auf  ein  Spiegel* 
bild  können  Reinheit  und  Glanz  des  Ueberzugee  hinweisen, 
wie  Plinius  histor.  nat.  XXXI,  7,  86  von  einer  Salzart  sagt : 
eirca  Oekm  in  eadem  Sicüia  tanti  aptendoriS)  ut  imaginem 
recipiat".  Weiter  unten  wird  die  Umgebung  noch  bestimm- 
ter als  die  Landschaft  bezeichnet,  welche  bei  der  nöthigen 
Beleuchtung  nie  aus  dem  Spiegel  verschwunden  seL  Gegen 
diese  Deutung  der  Stelle  erheben  eich  sehr  gewichtige  Be- 
denken. Sie  setzt  erstlich  voraus,  dass  der  Anstrich,  durch 
den  sich  eine  ganze  Landschaft  wiederspiegeln  sollte,  vo» 
aussen  stattgefunden  habe,  während  man  eher  annehmen 
mus8,  dass,  nachdem  Tac.  vorher  die  unschöne  Form  der 
Häuser  geschildert  hat,  mit  quaedam  loca  einzelne  Räume 
im  Innern  bezeichnet  seien.  Sodann  hat  es  keine  Wahr- 
scheinlichkeit ,  dass  loca,  wenn  es  überhaupt  in  so  kurzer 
Folge  wieder  eingebracht  werden  konnte,  an  der  zweiten 
Stelle  in  ganz  anderem  Sinne  gesagt  sei,  abgesehen  davon, 
dass  Umamenta  locontm  als  eine  sehr  unklare  Bezeichnung 
fiir  „Umrisse  der  Umgebungen"  erscheinen  muss>  Vollende 
pictwra  passt  in  diesem  Zusammenhang  noch  weniger  als 
«ach  der  gewöhnlichen  Auffassung  der  Stelle,  was  Nipper- 
dey selbst  gefühlt  zu  haben  scheint,  weshalb  er  ohne  alle 
Berechtigung  „Farben"  erklärt:  aber  auch  zugegeben,  dass 
pictura  diese  Bedeutung  haben  kenne,   wo  hat  man  je  von 


Halm:  Oontroverse  St&en  in  der  Germania  des  Tacitus.       17 

einem  Schattenbild  an  einer  Wand  gehört,  das  auch  die 
Farbenunterschiede  wiedergab?  Das  zeigt  am  besten 
die  ans  Punkts  beigezogene  Stelle,  wo  nicht  von  einer  pic- 
turay  sondern  von  einer  imago  die  Rede  ist ;  wir  haben  dort 
auch  das  bezeichnende  Wort  für  Wiederspiegeln,  während 
imitari  von  Gegenständen  gesagt,  sich  zum  Begriffe  „ähn- 
lich sein,  ähnlich  aussehen"  erweitert,  wie  Plin.  N.  H.  XU, 
6,  12:  foUum  alas  avium  imitatwr  „das  Blatt  sieht  wie 
Flügel  von  Vögeln  ansu.  Unter  diesen  Umständen  müssten 
wir  auch  jetzt  noch  der  Vermuthnng  Eöchly's  den  Vorzug 
einräumen,  wenn  überhaupt  eine  Aenderung  unabweislich 
wäre.  Es  scheint  jedoch  eine  solche  nicht  nothwendig  zu 
sein,  sondern  auch  hier  eine  rhetorische  Häufung  vorzu- 
liegen, wenn  sich  auch  Tac.  undeutlich  ausgedrückt  und 
vielleicht  selbst  keine  klare  Vorstellung  von  dem,  was  er 
geschrieben,  sich  gemacht  hat.  Subject  zu  imitetur  ist 
nicht  terra,  sondern  terra  inlita.  Dieser  Anstrich  (oder 
Ueberzug),  sagt  er,  sieht  wie  eine  Bemalung  aus;  weil  ihm 
aber  dieser  Ausdruck  vielleicht  als  ein  zu  starker  erschien, 
fugt  er  hinzu  ae  Uniamenta  colorwm  „er  sieht  aus  wie 
Farbenrisse  oder  färbige  Linien",  d.  h.  als  wäre  quibus- 
dam  locis  das  Holzgetäfel,  nicht  mit  einem  Erdbewurf,  son- 
dern mit  förmlichen  Farben  überzogen.  Zur  Sache  macht 
Weinhold  (die  deutschen  Frauen  im  Mittelalter  S.  328)  die 
passende  Bemerkung,  dass  noch  heute  in  vielen  deutschen 
Gegenden  der  Holzanstrich  mit  einem  feinen  weissen  und 
glänzenden  Thon  bekannt  Bei. 

Es  liegt  noch  eine  dritte  Stelle  vor,  bei  der  sich  unser 
Historiker  offenbar  einer  Häufung  synonymer  Begriffe  be- 
dient hat,  aber  das  als  zweifelhaft  erscheint,  ob  die  Stelle 
richtig  überliefert  ist.  Tacitus  berichtet  c.  40  von  der 
Zeit,  zu  der  die  Terra  mater  ihren  Umzug  bei  mehreren 
Völkerschaften  hielt,  folgendes:  tum  bella  meunt,  non  arma 
summt;  clausum  omne  ferrum;  pax  et  quies  tunc  tantum 

[1864.  IL  1.]  2 


18  Süzuty  der  phOoa.-phOol.  Claese  vom  4L  Jmi  1864. 

nota,  tunc  tantum  amata.  Lachmann  hat  die  letzten 
Worte  so  umgestellt:  tunc  tantum  amata  Urne  tantum  nota, 
worüber  Nipperdey  (Rhein.  Mos.  f.  Phil.  XVIII,  346)  be- 
merkt: „insofern  richtig,  als  die  gänzliche  Unkenntnis  des 
Friedens  ausser  dieser  Zeit  ein  umfassenderer  Begriff  ist  als 
die  fehlende  Neigung  dazu:  ausser  dieser  Zeit  lieben  sie 
den  Frieden  nicht,  ja  sie  kennen  ihn  nicht  einmal,  denken 
sich  nicht  seine  Möglichkeit;  und  Kritz  hat  sich  die  Be- 
deutung des  tantum  nicht  klar  gemacht,  wenn  er  die  Vul- 
gata  durch  die  Bemerkung  zu  rechtfertigen  meint,  die 
Eenntniss  müsse  der  Liebe  vorausgehen,  was  hier  gerade 
für  Lachmann  spricht".  Nipperdey  selbst  sucht  der  Schwierig- 
keit dadurch  abzuhelfen,  dass  er  eine  andere  Umstellung 
vorschlägt:  pax  et  gutes  tantum  tunc  notaf  tunc  tantum 
amata  „nur  Frieden  und  Buhe  kennen  sie  dann,  nur  dann 
lieben  sie  dieselben".  Allein  abgesehen  davon,  dass  es 
keine  Wahrscheinlichkeit  hat,  dass  sich  Tacitus  in  einem 
ganz  rhetorisch  angelegten  Gemälde  einer  so  unrhetorischen 
Form  soll  bedient  haben,  so  hat  der  ganze  Gedanke  eine 
so  spitzfindige  Wendung  erhalten,  dass  die  Conjectur  schon 
deshalb  für  Tacitus  abzulehnen  ist.  Dass  der  Ausdruck,  wie 
die  Stelle  überliefert  ist,  etwas  Schiefes,  ja  Unlogisches 
habe,  ist  kaum  zu  verkennen,  aber  in  den  bisherigen  Ver- 
besserungsversuchen scheint  man  den  wahren  Sitz  des 
Fehlers  noch  nicht  erkannt  zu  haben.  Er  liegt  sicherlich  in 
dem  matten  Worte  nota,  wofür  man  lieber  ein  grata  oder 
einen  ähnlichen  Begriff  sähe;  allein  das  Richtige  hat  ohne 
Zweifel  Hr.  Prof.  Freudenberg  in  Bonn  gefunden,  der 
nach  privater  Mittheilung  die  Stelle  sehr  schön  so  ver- 
bessert: pax  et  quies  tunc  tantum  inmota9  tunc  tantum 
amata. 

Es  fehlt  auch  nicht  an  Stellen,  wo  das  Streben  nach 
rhetorischer  Amplification ,  zu  der  man  auch  das  durch- 
gängige Anspielen   auf  römische  Sitte  wird  rechnen  dürfen, 


Hahn:  Contrwerse  Stellen  in  der  Germania  dee  Tacüus.        19 


zn  unlogischem  Ausdruck  oder  zu  schiefen  und  wider- 
sprechenden Urtheilen  geführt  hat  16).  Einer  unlogischen 
Erweiterung  begegnen  wir  c.  5  in  den  Worten:  numero 
(armentorum)  gaudent,  eaeque  solae  et  gratissimae  opes 
sunt.  Wiewohl  Tac.  hier  sich  so  ausdrückt  und  noch  be- 
sonders hervorhebt,  dass  bloss  die  germanischen  Anwohner 
des  Rheins  auf  Gold  und  Silber  Werth  gelegt  und  Geld 
gekannt  hätten,  heisst  es  doch  c.  26:  Faenus  agitare  et  in 
usuras  extendere  ignotum,  ideoque  magis  servatur  quam  si 
vetitum  esset,  eine  Stelle,  bei  der  durch  das  leidige  Ehe- 
torisiren  die  Darstellung  in  mehrfacher  Beziehung  schief 
und  fehlerhaft  geworden  ist.  Abgesehen  davon,  dass  bei 
Völkern,  die  noch  kein  Geld  kennen,  von  einem  faenus 
agitare  überhaupt  keine  Bede  sein  kann,  erscheint  es  als 
grosse  Härte,  dass  zu  magis  servatur  als  Subject  nicht 
faenus  agitare,  sondern  faenus  non  agitare  zu  ergänzen  ist 
(vermittelt  durch  die  Wendung  ignotum  est  =  faenus  non 
agüant  oder  non  agitare  moris  est\  während  zu  vetitum 
esset  wieder  das  positive  f  agitare  als  Subject  erscheint. 
Die  unlogische  Sentenz,  bei  der  es  auf  eine  pikante  Anti- 
these abgesehen  war  „ideo  (quia  aliquid  ignotum  est)  ma- 
gis servatur,  quam  si  vetitum  esset",  ist  schon  längst  ge- 
rügt worden.  Es  schwebte  dem  Schriftsteller  hier  wohl  der 
Gedanke  c.  19  plus  ibi  boni  mores  valent  quam  älibi  bonae 
leges  vor;  wie  aber  der  Wortlaut  vorliegt,  so  lässt  sich 
nicht  anders  urtheilen,  als  dass  die  rhetorisirende  Dar- 
stellung zu  einer  unverständigen  geworden  ist.  In  die  gleiche 
Kategorie  gehört  was  c.  19  von  den  litterarum  secreta  be- 
merkt ist,    wo  wieder  eine  Kehrseite  des  römischen  Lebens 


15)  Mehrerea,  was  in  diesem  und  im  nächsten  Abschnitte  be- 
rührt werden  sollte,  hat  inzwischen  sohon  Baumstark  in  dem 
Aufsätze  über  das  Romanhafte  in  der  Germania  des  Tac.  (in  der 
Zeitechr.  Eos  I,  89  ff.)  hervorgehoben. 

2* 


20         Sitzmg  der  phüos.-phUoi:  Clasae  vom  4.  Juni  1864. 

hervorgehoben  'wird,  aber  die  Nichtkenntniss  solcher  Heim- 
lichkeiten deshalb  den  Germanen  nicht  zum  Verdienste  ge- 
reichen konnte,  weil  eine  Eenntniss  der  Schrift  für  diese 
Zeit  bei  ihnen  überhaupt  noch  nicht  vorauszusetzen  ist. 
Auch  die  Form  des  Satzes  Utterarutn  secreta  triri  parüer 
ac  feminae  ignonmt  erscheint  als  eine  schiefe;  derselbe  hat 
durch  den  Zusatz  des  Subjectes  triri  parüer  ac  feminae 
Wohl  an  Klang  gewonnen,  aber  wo  ein  brieflicher  Verkehr 
zwischen  beiden  Geschlechtern  angenommen  wird,  da  rnoss 
ja  selbstverständlich  auch  eine  Kenntniss  der  Schrift  auf 
beiden  Seiten  vorausgesetzt  werden.  Cap.  20  heisst  es: 
Sororum  filüs  idem  apud  avunculwn  qui  ad  patrem  honor. 
Quidam  sanctiorem  artiaremgue  hunc  nexum  sanguinis  ar- 
bitrantur  et  in  accipiendis-  obsidibus  magis  exigunt,  tam- 
quam  ii  et  a/nimum  firmius  et  domutn  latius  teneant. 
Das  animum  firmius  tenere  ist  verständlich,  aber  nicht  ab- 
zusehen, wie  ein  grösserer  Theil  der  Familie  sich  gebunden 
fühlen  konnte,  wenn  nicht  der  Sohn,  sondern  der  Neffe  als 
Geissei  gestellt  ward,  s.  J.  v.  Gruber  zur  Stelle.  Ueber  die 
Worte  cap.  12 :  igwwos  et  inbdles  et  corpore  infames  caeno 
ac  paiude  iniecta  msuper1*)  erate  mergunt  bemerkt  Wilda 
(Strafrecht  der  Germanen  S.  153  Anm.  3):  „eorpore  in- 
fames beziehen  die  Erklärer,  weil  sich  allerdings  mit  den 
Worten  kaum  ein  anderer  Sinn  verbinden  fitsst,  auf  un- 
natürliche Unzucht,  die  die  Germanen  von  den  Galliern  gelernt 


16)  Die  Uebersetzung  „obendrein"  ist  ungeschickt  und  unrichtig; 
der  Zweck  des  Bedeckens  mit  Flechtwerk  erhellt  aus  Livius  I,  51, 9 : 
ibi  tum  atrox  irmdia  orta  est  gladiis  in  medio  positis,  ut  indicta 
causa  novo  genere  leti  deiectus  (Turnus)  ad  caput  aquae  Ferentmae 
crate  superne  iniecta  saxisque  congestis  mergeretur.  Aus  dieser 
Stelle  ergibt  sich  auch,  dass  die  Umstellung,  die  Döderleiu  in 
seiner  Uebersetzung  gibt  „sie  werden  mit  Flechtwerk  bedeckt  und 
in  Schlamm  und  Sumpf  versenkt"  auf  einer  schiefen  Auffassung  von 
crate  iniecta  beruht. 


Halm:  Contrevars*  Stdk»  in  der  Gtrmcmia  des  Taeitus.       21 

haben  aollen.  Aber  ich  habe  in  allen  Reohtsquellen  fast 
nicht  eine  Stelle  gefunden,  die  auf  Paederastie  hindeutet". 
Wie  derselbe  Gelehrte  S.  498  bemerkt,  so  darf  man  ans 
der  Stelle  des  Tac.  so  wenig  annehmen,  dass  Aufhängen 
und  Versenken  in  Moor  und  Sumpf  die  einzigen  üblichen- 
Todesarten  gewesen,  als  dass  nur  allein  Landcsverräfcher, 
Ueberläufer  und  Heeresflüchtige  mit  denselben  belegt  worden 
seien.  Hat  man  so  die  Erwähnung  der  ignavi  et  inbelles 17) 
nur  als  beispielweise  zu  betrachten,  so  liegt  es  nah  bei  den 
corpore  infames  einen  selbstgeschaffenen  Znsatz  zu  ver- 
muthen,  welchen  dar  Hinblick  auf  ein  in  Rom  so  häufig 
vorkommendes  flagitium  leicht  eingeben  konnte.  Dieser 
Annahme  dürfte  kaum  entgegenstehen,  dass  sich,  was  Wüda 
übersehen  hat,  doch  eine  Spur  eines  derartigen  Verbrechens 
in  den  altdeutschen  Gesetzen  findet  Wie  nemKch  Wilda 
selbst,  S.  789  mittheilt,  so  kommt  im  salfränkischen  Recht 
unter  den  Bussen  für  Schmähungen  auoh  ein&  von  15 
Schillingen  vor,  wenn  man  einen  einaedum  schimpfte,  eis 
Schimpf,  der  voraussetzen  läset,  dass  auch  die  Sache  selbst 
wenigstens  in  jener  späteren  Zeit  nicht  mehr  unbekannt 
gewesen  ist. 

Dem  Haschen  nach  rhetorischem  Effect  ist  es  auch 
zuzuschreiben,  dass  an  mehreren  Stellen  auch  die  Klarheit 
der  Darstellung  gelitten  hat.  In  der  sehr  übertriebenen 
Schilderung  von  dem  schwarzen  Heere  der  Harier  c.  43 
heisst  es:  insitae  feritati  arte  ae  tempore  lenocinantur: 
nigra  scuta,  üncta  corpora:  atras  ad  proeUa  noctes  legunt, 
ipsaque  formidme  atque  umbra  feralis  exercitus  terrorem 
mferunt,  nuUo  hostium  sustmente  novum  ae  velut  infernum 
adspectttm ;  nam  primi  m  onmibus  prodiis  octdi  vincuntur. 
Hier  macht  umbra  noch  mehr  Schwierigkeit  als  feralis  exer- 
citus,   was  im   Sinne  von  infernus  exercitus  „ein  Heer  aus 


17)  Dieselbe  Verbindung  in  Tao.  Agrie.  c.  15  und  34. 


22  SiUnmg  der  pkOos,-pkaol.  Gaue  vom  4.  Jum  1864. 

dem  Todtenreiohe"  gesagt  scheint  Die  Erklärung  von 
umbra,  die  noch  Kritz  gibt  „i.  e.  obscuritate  noctis"  ist 
ganz  verkehrt  und  hebt  alle  Gonstruddon  der  Stelle  auf. 
Dass  dem  feralis  exercitus  wie  formido  (furchterweckende 
Erscheinung),  so  auch  umbra  beigelegt  wird,  ist  klar,  aber 
das  nicht  deutlich,  ob  mit  umbra  das  dunkle  Aussehen  oder 
das  Schattenhafte  des  Heeres  bezeichnet  sein  soll.  Wenn 
übrigens  Baumstark  (Eos  I,  47)  die  ganze  Schilderung 
als  eine  abenteuerlich  romanhafte  verspottet,  weil  die 
Harier  ihren  jeweiligen  Feinden  doch  nicht  hätten  befehlen 
können,  sich  mit  ihnen  nur  zur  Nachtzeit  zu  schlagen,  und 
weil  in  einer  finster  schwarzen  Nacht  jeder  aspectus  un- 
möglich gewesen  sei,  so  ist  bei  dem  letzteren  Einwurf  über- 
sehen, dass  Tacitus  mit  ater  nur  ein  starkes  Wort  gesetzt 
hat,  um  den  Gegensatz  einer  mond-  und  sternhellen  Nacht 
zu  bezeichnen ;  was  aber  den  ersten  Einwurf  betrifft,  so  hat 
er  es  dem  eigenen  Verständniss  seiner  Leser  überlassen, 
dass  nur  von  Angriffskämpfen  die  Bede  sei,  oder  von  solchen, 
bei  denen  den  Hariem  das  legere  proeUi  tetnpus  zustand. 
Ein  unklarer  Auedruck  liegt  auch  in  obiectus  pec- 
torutn  an  der  bekannten  Stelle  c.  8  vor:  Memoriae  pro- 
ditur  quasdam  aeies,  inclinatas  iam  et  labantes,  a  feminis 
restitutas  constantia  precum  et  obiectu  pectorum  et  mon- 
strata  Continus  captivitate  7  quam  lange  impatientius  femi- 
narum  suarutn  nomine  timent.  Die  einen  erklären  obiectu 
pectorum  im  Sinne  von  hostibus  se  obiciendo,  indem  sie  sich 
selbst  dem  Kampfe  aussetzten,  was  in  Verbindung  mit  conr 
siantia  precum  et  monstrata  c.  captivitate  ganz  unpassend 
erscheint;  andere  erklären  pectora  suis  obiciendo,  als  Mahn- 
ung lieber  ihre  Brust  zu  durchstossen  als  sie  der  Gewalt 
der  Feinde  preiszugeben.  Da  der  obiectus  pectorum  als  ein 
incitamentum  pugnae  erscheint ,  so  ist  vielleicht  noch  eine 
dritte  Deutung,  die  uns  auch  poetischer  dünkt,  möglich, 
dass  die  Mütter  und  Gattinnen  ihre  offene  Brust  hinhielten, 


Halm:  Controverse  SUBm  in  der  Germania  des  Tacitus.       23 

gleichsam  fragend,  ob  sie  die,  die  sie  gesäugt,  die  ihre 
Kinder  aufgenährt  hätten,  der  Knechtschaft  preisgeben 
wollten.  Indem  sie  so  Söhne  und  Männer  an  das  erinner- 
ten, was  sie  von  ihnen  empfangen,  erwarteten  sie  Vergelt- 
img in  der  Stande  der  höchsten  Gefahr. 

Die  zwei  letzteren  Auffassungen  gehen  von  der  Ansicht 
aus ,  dass  pectorum  im  buchstäblichen  Sinne  zu  fassen  jund 
nicht  etwa  poetischer  Ausdruck  für  corporutn  sei.  Wäre 
diese  Annahme  zulässig,  so  würde  die  einfachste  Erklärung 
sein,  dass  sich  die  Frauen  mit  ihren  Leibern  den  wanken* 
den  und  zurückweichenden  Reihen  entgegengeworfen  und 
so  versucht  haben,  ihrer  Flucht  ein  Ziel  zu  setzen. 

Dass  einiges  was  Tacitus  berichtet  oder  aus  einzelnen 
Umständen  folgert 18)  auf  Missverständniss  beruht,  hat  man 
bereits  früher  bemerkt;  die  stärkste  Stelle  der  Art  ist  der 
bekannte  von  der  dos  c.  18  19)  und  das  Capitel  25  von 
den  Sklaven.  Aus  einem  solchen  Missverständniss  scheint 
auch  der  offenbare  Widerspruch  hervorgegangen  zu  sein, 
der  in  der  Stelle  c.  31  vorliegt:  Et  aliis  Germanorum  po- 
puUs  usurpatum  raro  et  privata  cuiusque  audentia  apud 
Chattos  in  consensum  vertit,  ut  pritnutn  adoleverint,  crinem 


18)  Dahin  gehört  c  21  die  8telle:  cum  defecere  (epulae),  qui 
modo  hospes  fuerat,  momtrator  hospitii  et  oomes,  bei  der  man  schon 
längst  auf  die  altgermanische  Sitte,  das  Gastrecht  nicht  über  drei 
Tage  auszudehnen,  hingewiesen  hat;  ferner  die  Bemerkung  c.  12 
über  die  Basse  equorum  pecorumque  numero,  als  ob  diese  nur  für 
leviora  delicta  gegolten  hätte,  während,  solange  als  die  Germanen 
noch  kein  Geld  kannten,  eine  andere  Art  von  mulcta  überhaupt 
nicht  vorkommen  konnte. 

19)  Besonders  bezeichnend  ist,  was  in  dieser  Stelle  von  den 
boves  gesagt  ist;  zuerst  heisst  es,  dass  die  Braut  als  munera  boves 
et  frenatum  equum  et  scutum  cum  framea  gladioque  empfange.  Sodann, 
wo  die  Innigkeit  der  ehelichen  Verhältnisse  in  ganz  sentimentaler 
Weise  geschildert  wird,  werden  die  boves  plötzlich  iuncti  boves  und 
müssen  auch  ihrerseits  zum  Sinnbild  ehlichen  Bandes  dienen. 


24  Sitzung  der  pkfo$.-phtiol.  Ckme  vm  4.  Juni  1864. 

barbamque  submittere  nee  nisi  haste  caeso  exuere  votivum 
obligatumque  virtuti  oris  habikm.  super  smguwetn  et  spolia 
revelant  frontem  segue  tum  detnum  pretia  nascendi  rettu- 
lisse  dignosque  patria  ac  parentibus  ferunt:  ignavis  et  im- 
bdlibus  mattet  squalor.  Fortissimus  quisque  ferreum  in~ 
super  anulum  —  ignominiosum  id  genti  -—  velut  vinculum 
gestat,  dorne  se  caede  hostis  absohüt.  Plurimis  Chattorum 
Me  placet  habüus,  iamque  eanent10)  insignes  et  hostibus 
simd  suisque  monstrati.  Omnium  penes  hos  initia  pug- 
narum  etc.  Nipperdey,  der  zuletzt  diese  Stelle  eingehend 
(Rh.  Mus.  XVIII,  344  f.)  besprochen  hat,  bemerkt:  „das 
Vorhergehende  zeigt  deutlich,  dass  diese  Chatten,  welche 
freiwillig  bis  ins  hohe  Alter,  so  lange  ihre  Kraft  ausreicht, 
das  ungeschorne  Haupt-  und  Barthaar  und  den  eisernen 
Ring  tragen,  nur  ein  Theil  der  unmittelbar  vorher  erwähn- 
ten Tapfersten  sind.  Denn  selbst  die  Tapfersten  legen  Haar, 
Bart  und  eisernen  Ring  nach  Erlegung  eines  Feindes  ab. 
Diesen  dagegen  gefällt  die  Tracht,  was  doch  an  und  für 
sich  und  in  Verbindung  mit  dem  folgenden  nur  heissen 
kann:  sie  behalten  die  Tracht  bei.  Wie  können  es  also 
die  meisten  der  Chatten  sein?  Eben  so  und  noch  deutlicher 
zeigt  das  folgende,  dass  es  nur  wenige  waren  .  .  .  Doch 
finde  ich  nur  bei  Ritter  eine  hierauf  bezügliche  Bemerk- 
ung, welcher  sagt  plurimi  seien  hier  permulti,  nicht  der 
grössere  Theil  des  Volkes.  Aber  so  steht  wohl  plerique 
bei  Tacitus  und  anderen,  aber  nicht  plurimi;  und  selbst 
permultis,  wenn  es  hier  stände,  könnte  nur  durch  einen 
ungebührlichen   Missbrauch   der   in    ihm    liegenden    Unbe- 


20)  iamque  eanent  scheint  kurz  gesagt  für:  suntque  qui  tarn  cor 
neant.  Logisch  richtiger  wäre  die  Umstellung  der  Glieder  gewesen: 
suntque  (ita)  insignes  iam  canentes,  die  Tac.  wohl  aus  dem  Grande 
nicht  gewählt  hat,  weil  er  noch  ein  zweites  Praedicat  et  hostibus.  • 
monstrati  beifügt. 


Halmx  Controvene  Stellen  m  der  Germama  des  Taeitm.       25 

stimmtheit  gerechtfertigt  werden  .  .  .  Plurinris  inuss  ein 
Schreibfehler  sein.  Was  der  Zusammenhang  verlangt,  ist 
klar:  es  muss  hier  eine  Steigerung  des  vorhergehenden 
fortissimus  quisque  gestanden  haben;  ich  finde  nichts  pas- 
senderes als  ferocissimis  Chattorum."  Man  wird  zunächst 
fragen :  worin  liegt  denn  die  Notwendigkeit  plurimis  Chat- 
torum im  Sinne  von  „dem  grösseren  Theile  des  Volkes  der 
Chatten' *  zu  fassen?  oder  soll  die  Bedeutung  „sehr  viele 
von  den  Ch/'  für  Tacitus  ausgeschlossen  sein,  weil  er  in 
diesem  Sinne  gewöhnlich  plerique  sagt?  Es  genügt  auf 
c.  40  hinzuweisen:  Contra  Langobardos  paucitas  nobiUtat; 
plurimis  et  valentissmis  nationibus  einet*  non  per  obse- 
quium,  sed  proeliis  et  periclitando  tuti  sunt:  vgl  auch  43 
ultra  quod  (montium  iugum)  plurimae  gentes  aguni;  u.  35 
prompta  tarnen  omnibus  artna  ac,  si  res  poscat,  plu/rumm 
virorum  equorumque*1).  Die  grössere  Schwierigkeit,  die 
man  in  dem  Widerspruche,  der  zwischen  den  Worten  ig- 
navis  et  inbettibus  manet  squalor  und  der  darauffolgenden 
Schilderung  von  den  plurimi  Chattorum  mit  Recht  gefunden, 
hat,  glaubt  Nipperdey  durch  die  Bemerkung  zu  erledigen: 
„Die  Feigen  und  Unkriegerischen  müssen  ihr  Lebelang  die 
entstellende  Tracht  tragen,  die  Unbändigsten  thuen  es  frei* 
willig;  sie  legen  sich  aus  freier  Wahl  die  äusseren  Zeichen 
einer  Schande  auf,  welche  aber,  da  sie  jeder  kennt,  bei 
ihnen  nur  Symbol  ist,  ein  Zeichen,  dass  ßie  sich  zu  ewiger 
Tapferkeit  verpflichtet  haben".  Man  wird  billiger  Weise 
fragen,  woher  sie  denn  jedermann  gekannt  habe,  wenn  ein 


21)  Sollte  man  den  Gebranch  des  Genetivs  betonen  wollen,  so 
verweisen  wir  auf  Stellen  wie  Genn.  43  nullo  hoetium  sustinente 
novum  .  .  adspectum,  ib.  44  sclvtum,  ut  in  quibusdam  fluminum 
.  .  remigium.  Ann.  8,  10  penteis  famüiarium  adhibitis.  Hist.  2,  1 
paueia  amicorum  adhibiüs.  A.  XI,  22  cuncHsque  civium  .  .  liciUm 
petere  magietratus  u.  a.  a.  0. 


26         SiUung  der  phOos.-phüol.  Glosse  vom  4.  Juni  1864. 

und  dasselbe  Symbol  als  Zeichen  der  Schmach  und  als  das 
ganz  besonderer  Tapferkeit  gegolten  hat.  Was  die  plurimi 
Ghattorum  betrifft,  betrifft,  so  hat  schon  Müllenhof f  Z.  f. 
d.  Alterth.  X.  561  bemerkt,  dass  der  Nachdruck  auf  placet 
beruhe  und  dass,  wie  das  weitere  lehrt,  nur  von  einzelnen 
die  Rede  sei,  die  zusammen  eine  erlesene  Kriegsschaar  oder 
eine  Art  stehendes  Heer  bildeten,  weil  jeder  die  Tracht 
beibehielt  und  dadurch  nun,  dass  er  weder  Haar  und  Bart 
noch  den  Ring  ablegte,  sich  für  immer  in,  der  Pflicht  und 
den  Dienst  des  Kriegsgottes  begab ;  denn  nur  das  könne 
die  Bedeutung  des  Ringes  als  eines  vinculum  sein.  Je 
richtiger  diese  Auffassung  erscheint,  desto  mehr  hätten  wir 
gewünscht,  Müllenhoffs  Ansicht  auch  über  den  Widerspruch 
in  den  Worten  ignavis  et  inbdlibus  mcmet  squalor  zu  er* 
fahren.  Es  wird  nicht  hinreichen,  so  richtig  auch  die  Be- 
merkung an  sich  ist,  wenn  man  sagt,  dass  Tac.  in  den 
Worten  wohl  nur  eine  selbstgezogene  Folgerung  hingestellt 
habe,  durch  die  er,  während  er  einen  Zug  rhetorisch  aus- 
zumalen suchte,  in  »Widerspruch  mit  seiner  eigenen  weiteren 
Darstellung  gerathen  sei:  man  wird  vielmehr  wohl  noch 
einen  Schritt  weiter  gehen  müssen.  Wir  denken  uns  nem- 
lich  das  Verhältniss  in  folgender  Weise.  Tacitus  hat  von 
der  eigentümlichen  Tracht  bei  dem  Volke  der  Chatten  ge- 
hört, und  zwar  dass  sie  in  zweifacher  Weise  bestand,  theils 
ak  ständige  Tracht  auf  Seite  der  fortissimi,  deren  Schilder- 
ung nach  Tacitus  ganz  an  die  späteren  deutschen  Lands- 
knechte erinnert,  theils  als  zeitweilige.  Worin  aber  bestand 
eine  solche  zeitweilige  devotio?  Nach  unserer  Vermuthung 
nicht  darin ,  dass  jeder  einzelne  seinen  Feind  erschlagen 
muss,  um  Haar  und  Bart  ablegen  zu  dürfen,  sondern  darin 
dass  das  ganze  Volksheer  gelobt  nicht  eher  des  struppigen 
Wustes  sich  zu  entkleiden,  als  bis  der  Feind,  der  ihm  ge- 
genüber steht,  geschlagen  ist.  Auf  diese  Auffassung  fuhrt 
eine  ganz  übereinstimmende  Schilderung,    die  aus  späterer 


ßahn:  Comtroveree  SteUen  in  der  Germama  des  Taoitus.       27 

Zeit  überliefert  ist.  Vgl.  Gregor.  Turon.  V,  15:  HU  quo- 
que, qui  ex  Saxombus  remamerant,  detestati  sunt  nuüum 
se  (sibi?)  earum  barbam  neque  capillos  incisurum,  nisi 
priu8  de  adversariis  ulciscerentur  (aus  Gregorius  auch  bei 
Paulus  Diac.  de  rebus  Langob.  3,  7).  Was  bei  anderen 
Stämmen  der  Fährer  für  sich  that  (s.  Tac.  Hist.  4,  61: 
Civilis  barbaro  voto  post  coepta  adversus  Romanos  artna 
propexum  rutüatumque  crinem  patrata  demum  caede  legio- 
num  deposuitit)1  das  gelobte  bei  den  Chatten  gewöhnlich 
das  ganze  Volksheer,  wenn  es  zum  Schlagen  kommen  sollte. 
Tac.  hatte  vielleicht  ganz  richtig  von  dem  Branche  gehört 
nm  caeso  hoste  non  exuere  votivum  oris  habitum,  aber  sich 
nur  eine  irrige  Vorstellung  von  dem  caedere  hosten*  ge- 
macht. Sollte  diese  Auffassung  des  Verhältnisses  als  richtig 
oder  wahrscheinlich  erkannt  werden,  so  bedarf  es  kaum  der 
Bemerkung,  dass  was  Tac.  nach  den  Worten  super  sangui- 
nem  et  spolia  revelant  frontem,  die  erst  bei  unserer  An- 
nahme in  das  rechte  Licht  treten,  noch  hinzu  fügt  (bis 
manet  squalor),  ganz  auf  Rechnung  der  rhetorischen  Aus- 
malerei zu  schreiben  sei. 

Wir  fügen  zum  Schlüsse  noch  einige  kritische  Bemerk- 
ungen hinzu. 

In  den  Worten  c.  3  „sunt  Ulis  haee  quoque  car- 
mina,  quorum  relatu,  quem  barditum  vocant,  accendunt 
cmimos  futuraeque  pugnae  fortunatn  ipso  cantu  augurantur" 
habe  ich,  soweit  mir  die  Sache  bekannt  ist,  zuerst  an  haec 
Anstoss  genommen13)  und  bin   auch  jetzt   noch   von    der 


22)  Passend  vergleicht  J.  v.  Graber  auch  was  Suetonius  von 
Julius  Caesar  c.  67  erzählt:  Düigebat  quoque  ueque  eo  (Caesar  mili- 
tes),  ut  audita  dade  Tituriana  (durch  Ambiorix,  s.  Caes.  b.  g.  5,  37) 
barbam  capiUumque  eummiserit  nee  ante  dempserit  quam  vindicasset. 

23)  Was  sich  Reisig  (Yorles.  üb.  lat.  Sprachw.  359)  über  die 
Stelle  gedacht  hat,  geht  aus  seinen  Worten  nicht  deutlich  hervor: 
„bei  Tac.  kann  haec  carmina  nicht  für  ea  carmina  stehen,  als  wenn 


28        •  Sitzung  der  phiio$~-ph#6l.  Clane  vom  4.  Juni  1864. 

Verderbiusa  des  Wortes  überzeugt.  Da  die  Woite  den  Ge* 
gensatz  xu  jenen  in  c.  2  „Celebrant  carmimbt48  antiquis, 
quod  tmum  apud  Mos  memoria*  ei  anmUum  genus  est, 
Tuistonem  deum"  etc.  bilden,  so  ist  es  klar,  daes  hier  ein 
Pronomen  nicht  passt,  solidem  statt  dessen  alia  oder  ein 
Adjectivbegriff  wie  z.  B.  heroica  oder  bellica  erwartet  wird. 
Vollends  gegen  haee  spricht  nicht  blos  der  Sinn,  sondern 
auch  der  Sprachgebrauch;  denn  die  Erklärung  „talia,  ejus*» 
modi",  ist  eben  so  sprachwidrig  als  die  Uebersetzung  ,  jene 
bekannten",  oder  gar  wie  Schweizer-Sidler  will  „die 
bekannten  und  furchtbaren  Klänge".  Die  Phrase,  es 
bedürfe  keiner  Conjectaren ,  ist  in  aolchen  Fällen  eine  ganz 
wohlfeile ;  man  braucht  ja  nur  einem  Worte  einen  beliebigen 
Sinn  unterzuschieben  und  kann  dann  getrost  die  Hände  in 
den  ächooss  legen.  Die  einzige  mir  aus  Tac.  bekannte 
Stelle,  die  man  allenfalls  mit  der  vorliegenden  vergleichen 
könnte,  findet  sich  Ger m.  20:  In  omni  domo  nudi  ac  sor* 
didi  in  hos  artus,  in  haec  corpora,  quae  miramurt,  excres- 
ctmt*  Hier  aber  hat  Ate  seine  richtige  Beziehimg  auf  das 
Nahe  und  Gegenwärtige ;  es  ist  gesagt  in  Rücksicht  auf  die 
zahlreichen  germanischen  Soldaten  und  Sklaven,  welche  die 
Bewohner  Roms  täglich  vor  Augen  hatten.  Auch  wenn  Tac 
c.  10  sagt:  et  ülud  quidem  etiatn  hie  notum,  avium  voces 
volatusque  interrogare  oder  c.  3  ceterum  et  TJUxem  quidam 
opinemtur  longo  Mo  et  fabtdoso  errore  in  kirne  Oceamtm 
delatum  adisst  Germaniae  terras,  kann  der  Gebrauch  von 
hie  nicht  als  eine  Abweichung  von  dem  gewöhnlichen  er- 
scheinen;  denn  hier  ist  hie  von  dem  Lande  gesagt,  dessen 
Schilderung  gerade  den  Schriftsteller  beschäftigt,  in  ähnlicher 
Weise  wie  Cornelius  Nepos  so  häufig  hie  von  dem  Feldherm 


durch  das  folgende  quorwn  mit  seinem  Satze  erst  die  nächste  Kennt- 
niss  davon  gegeben  würde,  da  doch  quorum  nur  eine  weitere  Be- 
schreibung des  jüngst  Vorausgegangenen  gibt11. 


Bahn:  Controeerse  Stoßen  in  der  Germania  des  Tacitus.       29 

gebraucht,  dessen  Leben  er  so  eben  beschreibt.  Um  auch 
das  noch  hinzuzufügen,  so  findet  die  überlieferte  Lesart 
kaec  quoque  carmina  auch  in  dem,  was  Tac.  sogleich  weiter 
sagt  „terrent  enim  trepidantoe,  prout  sonuü  acies,  nee  tarn 
weis  ille  quam  virtutis  concentus  wäetur**)  keine  Unter- 
stützung. 

C.  10.  Auspicia  sortesque  ut  qui  maxime  observ&nt: 
sortium  consuetudo  simplex.  Vivgam  frugiferae  arbori  de- 
cisam  in  suretdos  amputant  eosque  notis  qwbusdam  die- 
eretos  super  candidain  vestem  fernere  ae  forfarito  spargunt. 
moxy  si  publice  consuletur,  saeerdos  civitatis,  sin  pri- 
vatim, ipse  pater  famüias  precatus  deos  caelumque  suspi- 
ciens  ter  singulos  tolUt  etc.  Dass  das  futurum  si  cansuletur 
nicht  richtig  ist,  beweisen  am  besten  die  verkehrten  Erklär- 
ungsversuche. Ritter  wärmt  wieder  die  Erklärung  von 
Passow  auf:  „wenn  von  Staatswegen  die  heiligen  Loose 
befragt  werden  sollen" ,  wobei  das  bequeme  deutsche 
„sollen"  zur  Bemäntelung  dient,  dass  man  mit  raschem 
Sprunge  aus  consuletur  ein  consulendum  est  gemacht  hat; 
noch  verzweifelter  erscheint  die  Erklärung  von  Kritz: 
Futurum  pendet  ex  praegressa  sortium  praeparatione,  quam 
sequitur  ipsa  consultatio.  Von  den  verschiedenen  Conjec- 
turen,  die  man  beigebracht  hat,  consulatur,  constdtatur, 
consulitur,  verdient  die  des  alten  Beatus  Rhenanus,  consu- 
latur, aus  dem  Grunde  den  Vorzug,  weil  sie  auf  der 
riohtigen  Erkenntniss  eines  eigentümlichen  Sprachgebrauches 
des  Tacitus  beruht;  nur  ist  es  noch  leichter,  wie  ich  vor- 
geschlagen habe,  consultetur  zu  lesen.  Tacitus  hat  nemlich 
den  bekannten  Gebrauch  des  Conjunctivs  bei  wiederholten 


24)  Diese  Lesart  ist  bekanntlich  Conjectur  von  Rhenanus  statt 
der  handschriftlichen  Lesart  nee  tarn  voces  ittae  quam  vwtutis  cm- 
centue  videnbur,  die  so  bestechend  sie  auch  ist,  doch  wegen  des  Sin- 
gulars weis  nioht  als  völlig  überzeugend  erscheinen  kann. 


30  Sitmmg  der  pMos.-pkOol.  Clane  vom  4.  Juni  18S4. 

Handlungen  in  vergangenen  Zeiten  in  der  Germania  in  Ver- 
bindung mit  si  auch  auf  das  Präsens  ausgedehnt,  so  dass 
si  mit  Conjuncti?  ganz  einem  griechischen  idv  oder  ©Wer? 
entspricht;  s.  c.  7  et  duces  exemplo  potius  quam  imperio, 
si  prompti,  si  conspicui,  si  ernte  aciem  ogemt,  admiratiane 
praesunt.  c.  13  nee  solutn  in  sua  gente  cuique,  sed  apud 
finitimas  quoque  civitates  id  nomen,  ea  gloria  est,  si  numero 
ac  wirtute  eomitatus  ernineat.  c.  14  si  ewitas  in  qua  orti 
sunt  longa  paee  et  otio  torpeat ,  plerique  nobMum  adules- 
centkm  petunt  vitro  eas  civitates,  quae  tum  bellum  aüquod 
gerunt.  c.  17  Tegumen  omnibus  sagum  fibtda  aut  si  desit 
spina  consertum.  c.  35  prompta  tarnen  omnibus  arma  et, 
si   res  poseat%%  plurimum  virorum  equorumque**).    Die 


25)  Ganz  entsprechend  heisst  es  im  Praeteritum  Tac.  Hist.  2,  5 
si  res  posceret,  H.  1,  79  übt  res  poeceret.  Agr.  9  übt  conoentus  et  iudi- 
cia  poscerent  etc. 

26)  Die  Handschriften  haben  si  res  poeeat  exerdttu  plurimum 
virorum  etc.  Wir  billigen  jetzt  an  dieser  Stelle  die  Streichung  von 
exercitus  mit  Walch  (emendatt.  Liv.  p.  273)  und  Haase,  wiewohl 
sonst  nur  wenige  Spuren  von  Glossemen  in  der  Germania  vorkommen, 
vielleicht  nur  c.  9  et  Hereulem  (schon  durch  die  Wortstellung  nach 
der  Lesart  der  besseren  Handschriften  verdachtig),  und  c  28  Oer* 
manorum  naiione;  das  vielbesprochene  victus  inter  hospites  comie 
scheint  aus  einer  Inhaltsangabe  des  Capitels  vom  Band  in  den  Text 
gerathen  zu  sein;  die  Lesart  c.  4  Germaniae  populos  nuüis  [aiiis] 
aliarum  nationum  conubiis  infectos,  die  man  auch  jetzt  noch  so  ver- 
kehrt ist  dem  Tacitus  in  die  Schuhe  zu  schieben,  ist  wahrscheinlich, 

wie  die  Schreibung  im  cod.  Pontani  (nuüis  aiiis  aliarum  nationibus) 
zeigt,  aus  einem  alten  Assimilationsfehler  der  Urhandschrift  nvUis 
aliis  nationibus  hervorgegangen.  Hingegen  dürfte  das  doppelte  iam 
e.  83  (quando  urgentibus  iam  imperii  fatis  ttihü  iam  praestare  forhma 
maius  potest  quam  hostium  discordiam)  bei  der  verschiedenen  Be- 
deutung der  beiden  iam  nicht  als  anstössig  erscheinen.  Eben  so 
selten  ist  der  entgegengesetzte  Fehler,  dass  etwas  zu  fehlen  scheint, 
vielleicht  nur  o.  10  (nee  uüi  auspicio  maior  fides,  non  sohtm  apud 
plebem,  apud  proceres,  apud  sacerdotes:  se  enim  mimstros  deorum, 


Halm:  Gontroverse  Stellen  in  der  Germania  des  TaeUus.       31 

einzige  Stelle,  wo  der  gewöhnliche  Sprachgebrauch  einge- 
halten ist,  findet  sich  c.  20:  si  liberi  non  sunt,  proximus 
gradus  in  possessione  fratres   etc.  *7)    Für   die  Herstellung 


iüos  conscios  putant),  wo  sed  nicht  n&ch  plebetn,  sondern  mit  Thomas 
nach  proceres  einzusetzen  ist,  und  c.  34,  wo  in  den  Worten  nee  de- 
fuit  audentia  Druso  Germanico,  wie  J.  v.  Grub  er  vermuthet,  wohl 
Neroni  zwischen  den  beiden  Namen  ausgefallen  ist,  s.  oap.  37  Drusus 
ae  Nero  et  Germanicus  (vgL  Mommsen's  röm.  Forsch.  I,  S.  86 
Anm.  61);  denn  Drueo  Germanico  zusammengelesen  scheint  eben  so 
bedenklich  als  die  Annahme  eines  zweigliedrigen  Asyndeton  Druso, 
Germanico.  Hingegen  erscheint  es  fraglich,  ob  c.  3  in  den  Worten 
Asciburgiumque,  quod  in  ripa  Rheni  süum  hodieque  incolitur,  ab  iüo 
(XFlize)  constitutum  nominatumque  eine  Lücke  anzunehmen  sei.  Denn 
wenn  auch  der  Name  Asciburgium  sicherlich  ein  acht  germanischer 
gewesen  ist,  warum  sollte  es -als  unmöglich  erscheinen,  dass  ein 
griechischer  oder  römischer  Antiquar  oder  Etymolog,  der  von  einem 
germanischen  Odysseus  gehört  hatte,  in  dem  Namen  bei  dem  An- 
klang an  dex6g  und  nvoyog  einen  griechischen  gewittert  und  darauf 
weitere  Gombinationen  gebaut  habe?  Dass  im  cod.  Pont,  am  Rande 
von  anderer  Hand  ein  Zeichen  eines  Verderbnisses  oder  einer  Lücke 
steht,  oder  dass  in  geringeren  Handschriften  nach  nominatumque 
eine  Lücke  gelassen  oder  ein  griechischer  Name  eingesetzt  ist,  hat 
keine  Bedeutung;  denn  es  beweist  nur,  dass  man  nominatum  im 
Sinne  „benannt,  so  genannt  worden"  nicht  verstanden  hat. 

27)  Wenn  Beispiele  dieses  Sprachgebrauchs  in  andern  Schriften 
des  Tac.  nicht  vorkommen  (nicht  ganz  sicher  ist  Agr.  13  Britarmi . . 
iniuncta  imperii  munera  impigre  obeunt,  si  iniuriae  absint),  so  erklärt 
sich  das  aus  dem  Umstände,  dass  in  historischen  Schriften  sich  über- 
haupt wenig  Gelegenheit  zum  Vorkommen  des  Falles  im  Zeitver- 
h&ltniss  des  Praesens  ergibt.  Der  Sprachgebrauch  findet  sich  be- 
kanntlich auch  nach  dem  rein  zeitlichen  cum  im  Präteritum  (vgl. 
Madvig'8  Bemerkt  zur  lat.  Sprachl.  S.  61,  A.  2),  wie  z.  B.  Tac.  Hist. 
1,  10  nimiae  voluptates,  cum  vacaret,  Dial  37  quae  mala  .  .  cum 
acciderent,  ingentem  doquentiae  materiam  subministrabant.  Ein  Bei- 
spiel mit  Praesens  scheint  vorzuliegen  Dial.  41:  quid  enim  opus  est 
longis  in  senatu  sententiis,  cum  optimi  cito  consent iant?  quid  multis 
apud  populum  contiombus ,  cum  de  re  publica  non  imperiti  et  muUi 
deUberent,  sed  sapienHssimus  et  unus?  etc. 


32  Sitzung  der  phüos.-phikt.  Gasse  vom  4.  Juni  1964. 

von  consulteiur  spricht  auch  der  Umstand,  dass  Ruodolfus. 
der  bekanntlich  die  Stelle  benatzt  hat,  sich  folgender  Wend- 
ung bedient  (s.  Monum.  hißt.  Genn.  II,  675):  Mox,  si 
publica  consultatio  fuit,  sacerdos  populi,  si  privata, 
ipse  paterfamüias  precatus  deos  caelumque  suspiciens  ter 
singulos  tulit  etc.  Dabei  darf  man  als  sicher  voraussetzen, 
dass  er  st  publica  consultatio  fuit  im  Sinne  von  „wenn 
eine  Berathung  in  öffentlichen  Angelegenheiten  stattfand" 
gefasst  hat,  wie  auch  die  meisten  Debersetzer  des  Tacitus 
in  der  weiter  unten  vorkommenden  Stelle  (si  prohibuerunt, 
nulla  de  eadem  re  in  eundem  diern  consultatio)  consultatio 
unrichtig  mit  „Berathung"  statt  mit  „Befragung"  übersetzt 
haben.  Der  Irrthum  des  Chronisten  ist  begreiflich,  wie  er 
consultare,  nicht  aber,  wenn  er  cotisulere  in  seinem  Exem- 
plare vorgefunden  hat.  .In  der  seltenen  Bedeutung  von 
cotisulere  findet  sich  consultare  auch  in  Tac.  Ann.  II,  54: 
sacerdos  numerum  modo  consultantium  et  nomina  audit, 
ib.  II,  29  u/  consuttaverit  Libo  (mathematicos),  an  habi- 
turus  foret  opes,  quis  triam  Appiam  Brundishm  usque  pe- 
cunia  operiret  bei  Plin.  Paneg.  76  um  erat  in  limine  mora 
(Traiano),  consultare  aves  revererique  numinum  monitus. 

Gap.  30.  Ultra  hos  Chatti  initium  sedis  ah  Hercynio 
saltu  inchoant,  man  ita  effusis  ac  palustribus  loeis,  ut  ce- 
terae  civitatis,  in  quas  Germania  patesdfy  durant  siquidem 
colles,  paülatim  rarescunt,  et  Chattos  mos  salius  Hercynius 
prosequitur  simul  atque  deponit.  So  wird  die  Stelle  ge- 
wöhnlich gelesen  und  interpungirt,  wie  es  noch  in  den 
Ausgaben  von  Orelli  und  Haase  der  Fall  ist.  Soll  Tacitus 
wirklich  so  geschrieben  haben,  so  hätte  man  allen  Grund 
die  Stelle  als  eine  der  härtesten  in  seinen  Schriften  und 
geradezu  als  stilistisch  fehlerhaft  zu  bezeichnen.  Schon  der 
erste  Satz  erregt  gerechtes  Bedenken  „die  Chatten  beginnen 
den  Anfang  ihrer  Wohnsitze  mit  dem  herc.  Walde",  welche 
Ausdrucksweise  um    so  seltsamer  erscheint,   wenn  man  den 


Beim:  Gsutrovem  Stettm  wt  der  Germania  äet  TaciUu.       33 

Aaschhtss  non  ita  effusis  ae  palustribus  loeis  erwägt.  Denn 
fisat  man  bei  diesen  Worten  auch  den  Gedanken  an  das 
mitium  sedis  fallen  und  denkt  nur  noch  an  die  sedes,  so 
muss  es  doch  Hast  als  unmöglich  erscheinen,  dass  ein  solches 
Prädicat,  das  nur  eine  rein  locale  Schilderung  enthalt,  von  dem 
Subject  Chatti  ausgesagt  werden  könnte.  Sodann  ist  die 
Stellung  durant  vor  si  quidem  geradezu  unlateinisch,  und 
wäre  es  auch  möglich  ein  Verbum  vor  ein  si  quidem  zu 
stellen,  so  wäre  es  doch  an  vorliegender  Stelle  unzulässig, 
weil  auf  durant  si  quidem  cottes  noch  ein  zweites  Prädicat 
paulatim  rareseunt  folgt.  Den  nicht  verkannten  grossen 
Schwierigkeiten  der  Stelle  hat  man  durch  Aenderungen  in 
der  Interpunction  abzuhelfen  gesucht,  wie  z.  B.  Ultra  hos 
Chatti  initium  sedis  ab  H.  saltu  inchoant:  non  ita  effusis 
ac  paiustribus  loeis  . .  durant,  si  quidem  etc.  Damit  ist 
aber  wenig  ausgerichtet,  weil  sie,  abgesehen  davon,  dass 
die  anstössige  Phrase  Chatti  initium  sedis  inchoant  unver- 
rückt bleibt,  die  von  dem  Subject  Chatti  gegebene  locale 
Schilderung  noch  schroffer  hervortritt:  „die  Chatten  dauern 
(gehen)  fort  in  nicht  so  ausgedehnten  Ebenen  und  sumpfigen 
Gegenden",  wie  gewiss  unmöglich  war  zu  sagen,  wie  weit 
man  sich  auch  die  Grenzen  des  Sprachgebrauchs  in  Ver- 
tauschung eines  Landesnamens  mit  dem  Volksnamen  ausr 
gedehnt  denken  mag.  Alle  diese  Schwierigkeiten  beseitigt 
die  Herstellung  der  Lesart  des  cod.  Pontani  von  erster 
Hand  unter  Verbesserung  der  Interpunction:*8)  Ultra  hos 
Chatti:**)  initium  sedis  ab  Hercynio  saltu  inchoatur9*°) 

28)  Die  Verbesserung  steht  schon  in  meiner  zweiten  Ausgabe 
des  Taoitus,  aber  durch  Versehen  ist  in  dem  in  die  Druckerei  ge- 
gebenen Exemplar  das  Komma  der  alten  Lesart  nach  cottes  stehen 
geblieben,  wodurch  die  Stelle  unklar  geworden  ist. 

29)  Man  vgl  die  ähnlichen  Anfange  und  Uebergange  c.  41  Pro» 
pior  .  .  Hermundurorum  ctoitoe;  c.  43  Protinus  deinde  ab  Oceano 
Rugiiet  Lemovii. 

30)  Zu  der  Häufung  initium   $edis  inchoatur  bieten  passende 
[1864.IL  1.]  3 


34  Sümmg  der  pktkm.-phibl.  CM*  wm  4  Jfctti  19fa 

non  ita  effksie  ac91)  palustribus  loci*,  ut  c.  t.  in  quas  tt 
patescit,  durans,  si  quidem  ccttes  paukdim  rarescunt  etc. 
Die  einzige  Kühnheit,  welche  jetzt  noch  im  Ausdrucke  a«f- 
gtösst,  die  übrigens  auch  nach  den  bisherigen  Fassongen 
vorliegt,  besteht  darin,  dass  mit  durans  so  fortgefahren  ist, 
als  gienge  nicht  inUium  sedis,  sondern  wies  voraus;  alles 
übrige  erscheint  in  bester  Ordnung.  Ueber  das  letzte  Satz- 
glied der  vorliegenden  Stelle  hat  sich  Bergk  (Philologita 
XVI,  627)  eine  unnöthige  Schwierigkeit  gemacht:  er  meint 
nemlich,  es  könne,  weil  sich  deponit  und  prosequitur  ge- 
radezu aasschliessen,  Ton  einem  simid  hier  keine  Rede  sein, 
und  will  daher,  da  er  sieh  auch  an  dem  allerdings  etwas 
gezierten  Chattos  suos  stosst,  die  Stelle  so  lesen:  et  Gatfoi 
suus  saltus  prosequitur,  simid  atque  deponit  Hcrcynius: 
„wo  die  letzten  Vorberge  des  hercynischen  Waldes  auf« 
hören,  da  beginnt  sofort  das  cattische  Gebirge".  Das  über 
simul  erhobene  Bedenken  beruht  auf  einer  Verkennnng  des 
Sprachgebrauchs  des  Tacitas,  der  in  seiner  gehobenen  Dar- 
stellung statt  eines  einfachen  et-et  sich  mit  Vorliebe  beson- 
ders in  seinen  früheren  Schriften  der  Wendung  simul  et9 
simul  ac  (atque)  bedient;    vgL    Germ.   31    iamquc  canent 


Parallelen  die  Stellen  Hist.  H,  79  Initium  ferendi  ad  Vespasianum 
imperii  Alexandriae  coeptum;  Ann.  13,  10  quamquam  censuissent 
patres  ut  principium  anni  inciperct  «tatst  Deccmbri;  Germ.  18 
ipsis  incipientis  muArimcmi  auspiciis  admonetmt  (mulier)  temr* 
se  laborum  periculorwmpue  sociam. 

31)  Wenn  es  bei  Tross  heisst:  „in  codice  nostro  primitus 
scriptum  fuerat  inchoatur,  sed  hoc  erasa  syllaba  «r,  in  inehod't  mu- 
tatom  est  Porro  non  durant  scriptum  est,  sed  dmrans,  ut  totas 
locus  sie  constitutus  sit:  inchoat  non  ita  efinsis  pahutribms  loci*:  Ut 
coderae  ciuitaUs  in  qua*  Germania  patescit  durans,  siquidem  etc.,  so 
ist  die  Auslassung  von  ac,  die  eine  passende  Sinnesänderung  her- 
beifuhren würde,  wohl  nur  einem  Schreib-  oder  Druckversehen  bei- 
zumessen,  indem  die  späteren  Benutzer  des  Codex  nichts  von  einer 
solchen  Variante  anfuhren. 


lädst:  Cawtrosmse  SUHm  1m  «br  Oemmia  de$  Tadtu*.      J5 

m$ifnß8  et  hostibus  simul  suieque  tnonstratu  ib.  34  seä 
ebetitit  Oceanm  in  se  simul  atque  in  Bereutem  inquiri. 
Agjn.  6  in  subsidium  simul  et  sdacimu  7  successor  simul 
et  ultor.  35  t*  speciem  simul  ae  terrorem.  ib.  ne  in  fron- 
ten smul  et  latera  worum  pugnaretur.  Ann.  13,  40  ut, 
ei  hasUs  intravisset,  fronte  simul  et  ein»  exciperetur,  Aehn- 
lich  ist  der  Gebrauch  von  pariter  et,  wie  Ann.  13,  30  non 
ignaro  duce  nestroy  qui  via*  pariter  et  pugme  composuerat 
exercitum.  Germ.  46  idemque  venatus  vires  pariter  ae 
feminas  dlit. ") 

Ü.  37.  M  Oermani  Carbone  et  Oaseio  et  Scauro 
Aemüio  et  Servilio  Caepione,  Marco  quoque  Manlio 
fusis  vd  captie  quinque  simul  consularis  exercUus  popule 
Romano . .  abstulerumt.  An  dieser  Stelle  hat  man  wohl  den 
Fehler  in  dem  Pränomen  Marcus  erkannt,  das  bei  allen 
Schriftstellern,  die  diesen  Consnl  Manlius  (oder  richtiger 
tfallius)  erwähnen  (s.  Sali.  log.  114,  Cüo.  p.  Mar.  §.  36. 
p.  Plane.  §.  12.  de  Orat.  II.  §.  125,  Liv.  Perioch.  67, 
Granins  Licin.  p.  10,  VaL  Max.  II,  3,  1,  Oros.  V,  16, 
Eutr.  V,  1)  Onaeus  heisst,  aber  über  die  Verbindung  ist 
man  stillschweigend  hinweggegangen,  so  geringe  Wahr- 
scheinlichkeit es  auch  hat ,  dass  das  letzte  Glied  nach  dem 
Polysyndeton  Carbone  et  Gassio  et  Scauro  A.  et  Servilio 
Caep.  mit  quoque  eingeführt  worden  sei.  Wir  vermuthen, 
dass  Tac.  Qnaeoque  Manlio  geschrieben  und  dass  man 
nach  eingetretenem  Verderbniss  die  scheinbare  Lücke  durch 
den  Zusatz  Marco  ausgefüllt  habe.  Der  Uebergang  in  der 
Verbindung  von  et  in  que  ist  dadurch  motivirt8'),    weil 


32)  Die  spatere  rhetorische  Sprache  verbindet  sogar  beide 
Formen,  wie  Firmicus  Mat.  de  err.  prof.  relig.  c.  7  p.  11,  21  Bura. 
proreue  aptun  locus,  qui  gratia  sua  pueüares  animoa  et  invitaret  pariter 
et  tautet  o.  p.  12,  10  et  ecpuUa  in  looo  est  parüer  et  ooneecrata 
{Corte)  et  divmo  cum  flia  appeUata  nomine. 

38)  Vgl.  Agr.  41  tot  exercitua  in  Moesia  Daeiaque  et  Germania 


8t         Bümmg  der  pMoe-phQoL  Okme  vom  4.  Juni  1864. 

dieser  letzte  Schlag  der  Cimbern  ein  combmirtes  Armee» 
corps,  das  unter  zwietracfatigen  Führern  stand,  getroffen 
hat;  wie  bekannt,  wurde  zuerst  das  Heer  des  unter  dem 
Consul  Malliuß  stehenden  Prooonsul  Oaepio,  und  unmittelbar 
darauf  die  zweite  römische  Armee  unter  dem  Consul  selbst 
vernichtet.  Ein  fehlendes  que  glaube  ich  auch  richtig  c.  27 
(Nunc  singtUarum  gentium  insütuta  rüueque,  quatenus 
differant,  quae  nationes  e  Germoma  in  Gattias  commi- 
gr averint,  expediam)  hergestellt  zu  haben,  zu  welcher 
Stelle  J.  y.  Grub  er  nicht  ohne  Grund  bemerkt  hat,  dass 
auch  das  sonderbar  erscheine,  dass  Tac  das  zuerst  abzu- 
handelnde nachstelle.  Schreibt  man  quaeque  nationes,  so 
beseitigt  sich  ausser  dem  störenden  Asyndeton  auch  dieser 
Umstand,  indem  schon  durch  die  Verbindungspartikel  das 
zweite  Glied  als  ein  minder  wichtiger  Nebentheil  der  fol- 
genden Darstellung  bezeichnet  wird.  Hingegen  wird  c.  11 
in  den  Worten  ütud  ex  libertate  Vitium,  quod  non  simd 
nee  ut  iussi  canveniunt,  sed  et  alter  et  tertius  dies  cwncta* 
Hone  coeuntium  absumitur  das  erste  et  als  Dittographie  von 
sei  zu  streichen  sein,  da  bei  einem  derartigen  Gedanken, 
„sondern  es  geht  ein  zweiter  und  (manchmal  auch)  noch 
ein  dritter  Tag  durch  das  säumige  Eintreffen  verloren"  eine 
Partition  mit  et-et  als  ungehörig  erscheint. 

Cap.  38.  Insigne  gentis  (Sueborum)  obUquare  crinem 
nodoque  subsiringere ;  sie  Suebi  a  ceteris  Germanorum,  sie 
Sueborum  ingermi  a  servis  separantur.  In  aliis  gentibus 
seu  cognatione  aliqua  Sueborum  seu,  quod  saepe  accidit, 
imüatione,  rarum  et  intra  iuventae  spatiwn,  apud  Suebos 
usque  ad  canitiem  horrentem  capillum  retro  sequuntur,  ae 
saepe   in  ipso   vertice  religatur.    Ueber    diese  Stelle   hat 


et  Pamumia  temeritate  out  per  ignaaiam  ducum  amim,  wo  in  gleicher 
Weise  Mösien  and  Dacien  alt  zusammengehörige  Länder  vertraur 
den  sind. 


Halm:  Omiwwem  Mn  t»  Ar  Chmmia  4m  Tactos.      W 

jüngst  Baumstark  sein  licht  in  der  Eos  (I,  61  ff.)  leuch- 
tan  lassen  und  sieh  über  das  viele  Kreuz  Instig  gemacht, 
das  die  Stelle  den  Kritikern  und  Erklären!  verursacht 
habe.  Freilich-  wenn  man  die  Behauptungen  liest,  die  dort 
aufgestellt  werden,  dass  obliquare  crinem  nodoque  subsirin- 
gert*4)  dasselbe  sei,  wie  capiüum  retro  sequi  atque  in  iter» 
Hee  reUgare,  dass  in  sequor  das  Unmittelbare,  Feste 
ein  Hauptbegriff  sei,  dass  selbst  die  Lesart  in  ipso  sah 
veriice**)  den  gelehrten  Herren  kein  Kreuz  machen  sollte^ 
da  ja  diese  Lesart  bei  der  Erklärung  „knapp  auf  dem 
Punkte  der  Scheitel,  d.  h.  auf  dem  sogenannten  Haar- 
wirbel und  sonst  nirgend  (soio)u  ganz  leicht  verständ- 
lich erscheine,  dann  giebt  es  keine  Kreuze  mehr  und  man 
braucht  in  Nothfallen  nur  das  Orakel  der  Eos  zu  befragen. 
Anderen,  die  durch  blosse  Machtsprüche  nicht  so  leicht  au 
befriedigen  sind,  werden  die  Schwierigkeiten  der  Stelle  noch 
nicht  beseitigt  erscheinen.  Was  zuerst  die  Worte  insigne 
gentis  obliquare  crinetn  nodoque  substringere  betrifft,  so 
scheint  damit  die  am  häufigsten  übliche  Art  der  Haartracht 


34)  Baumstark  sagt:  .,1m  Allgemeinen  ist  obliquare  =  tu  latus 
fieetere,  also:  auf  die  Seite  streichen.  Ist  das  Haar  erst  auf  die 
zwei  Seiten  gestrichen,  dann  wird  es  an  seinem  Ende  erfasst,  und 
da»  unterste  mit  dem  obersten  zugleich  gegen  die  Seheitel  erhoben 
und  zusammengenommen  nnd  der  so  fest  gehaltene  und  mit  der 
Hand  angezogene  (stringere)  Wulst  ganz  unten  (sub),  unmittelbar  und 
knapp  auf  dem  Kopfe  selbst,  geknotet  oder  geknüpft  (nodo),  so  dass 
der  Haarbusch  über  der  Knüpfung  mehr  oder  weniger  in  die  Höhe 
und  auseinanderwallt".  Und  das  alles  soll  TaoHas  mit  seinem  kurzen 
nodo  mbstrmgere  gesagt  haben! 

86)  Was  die  Handschriften  betrifft,  so  scheint  Baumstark  dem 
Grundsatz  zu  huldigen,  dass  jene  Lesarten  die  besten  sind,  welche 
die  Mehrzahl  der  Handschriften  für  sich  haben;  dass  der  cod.  Pont, 
t»  ipso  hat  mit  der  von  anderer  Hand  überschrieben  en  Glosse  oder 
Variante  solo,  ist  für  ihn  völlig  gleiohgiltig. 


90         tffepy  <**  j*öw.*WW.  Clam  vom  4  Im*  i#W. 

bezeichne  zu  sein,  ftacfc  dar  das  Haar  seitwärts  gestrichen M) 
lind  am  Hinterkopf  mit  einem  Knoten  unterbunden,  d.,  h. 
in  einen  Zopf  gofeast  wurde.  Dass  diese  Schilderung  im 
folgenden  von  Tachos  nicht  nochmals  wiederholt,  sondern 
jettf  eine  Abart;  von  der  allgemeineren  Haartracht  geschil- 
dert werde,  ist  abgesehen  davon,  das*  der  wortkarge  Autor 
sich  nicht  in  solcher  Weise  zu  wiederholen  pflegt,  aus  den 
Worten  ac  saepe  ganz  deutlich  zu  entnehmen»  Dass  aber 
diese  zweite  Schilderung  niobt  richtig  überliefert  ist,  dafür 
liegen  ziemlich  deutliche  Spuren  vor.  Denn  dass  Tacitus 
nicht  einen  solchen  Satz  „in  aliis  gentibus  —  rar  um  et 
pUra  iuventae  spatium  ajmd  Suebos  —  reUro  sequuntur" 
gebaut  hat,  zeigt  die  ParalleUtelle  cap.  31:  Et  alixs  Qer» 
numorum  populis  usurpatutn  rara  et  privata  cuiusque 
audenüa  apud  Chattos  in  censensum  vertilg  ut  primun 
adoleverint,  crinem  barbamque  submitter*.  Man  erwartet 
wie  in  dieser  Stelle  nach  retm  einen  Infinitiv,  und  diesen 
von  einer  im  personellen  Redensart  (wie  im  eonsensum  vertif) 
abhängig,  wie  schon  durch  die  Wendung  ajpwd  Suebos  an» 
gedeutet  liegt.  Dass  in  sequuntur  ein  Fehler  steckt,  zeigt 
ferner  die  Unverständlichkeit  der  Phrase  retro  sequi  an 
sich,  über  die  auch  die  Eos  kein  helleres  licht  verbreitet 
hat;  denn  wie  ein  Rückwärtsstreichen  des  Haares  gegen 
dessen  natürliche  Richtung  des  Herabwaliene  in  lateinischer 
Sprache  ausgedrückt  wurde,  erfahren  wir  aus  der  bekannten 
Stelle  bei  Quintilian  XI,  3,  160:  Vitiosa  enim  sunt  Uta  .  . 
capillos  a  fronte  contra  naturam  retro  agere,  ut  sit 
korror  ille  terribüis.  Ein  weiterer  Beleg  für  die  Ver- 
derbtheit von  sequuntur  liegt  in  der  von  den  besseren  Hand* 
Schriften  glücklicher  Weise  erh&lteüen  Lesart  religatur,  ans 


86)  Dagegen  tragen,  wia  Paulas  Diao.  4,  33  erzahlt,  die  Lange- 
barden  capiüos  a  fade  usque  ad  os  dimissos,  quos  in  utramqut  par- 
tim tu  finmtü  discrimine  dividebant,  $.  Grimm'«  d.  Bechttalterth.  205. 


xZoPPft.*  C&ß9fQV&8€  'WtetMH  tfl  WT  vdPSUWlMK  (K#  xek!tftC0.         99 


4er  ta  Anschhiss  an  das  verderbte  sequuntur  durch  Inter- 
polation relxgant  ge&lscht  worden  ist.  Wie  nun  das  so 
starke  Verderbniss  2a  heilen  sei,  ist  allerdings  schwer  zu 
sagen ;  doch  möge  wenigstens  ein  Versuch  mitgetheilt  werden : 
im  aliis  gentibus  —  rarum  et  Antra  iuventae  spatium  apud 
Suebos  —  horrentem  capülum  retro  agere  suetum,  ac 
saepe  in  ipso  vertice  retigatur,  wenn  man  nioht  die  Ein- 
Setzung  Von  Suetum  naoh  Suebos  Toraeben,  und  dann  lieber 
nach  Haupte  Vorgang  retrorsum  agere  schreiben  will. 

C.  46.  Peucinorum  Venetorumque  etFennorum  natkmesf 
Germanis  an  Sarmatis  adscribam  dubito,  quamquam  Pen» 
eini,  quos  quidam  Bastamas  vocant , . sermone ,  cuttu,  sede 
ac  domicüiis  ut  Oermani  agunt.  Sordes  otnmum  ac  terpor  f 
precemm  conubiis  miztis  nonnikü  in  Barmatarum  habitum 
foedantur.  Veneti  tnultum  ex  moribus  traxerunt;  nam  quid* 
quid  inier  Peucinos  Fenmsque  siharum  ae  montium  efigir 
tut,  latrociniis  pcrerrant  Hi  tarnen  intet  Oermanos  potiuS 
referuntur,  quia  et  domos  figunt  et  scuta  gestaut  et  pedufn 
u$u  ae  pemicitate  gaudent,  quae  omnia  diversa  Sarmatis 
sunt  in  plaustro  equoque  viventibus.  Fennis  mira  feritas, 
foeda  paupertas  etc.  In  dieser  Stelle  hat  zuerst  Muetzell 
richtig  erkannt,  dass  in  dem  corrnpten  procerum  der  Name 
Peucinorum  steckt,  und  die  ganze  Stelle  so  geschrieben: 
Sordes  omnium:  at  corpora  Peucinorum  conubiis  tnixiorum 
nonnihü  in  Sarmatarum  habitum  foedantur.  Näher  der 
UeberllefeniDg  schhesst  sieh  die  auf  Mvetzell's  Vorgang  von 
nrir  versuchte  Verbesserang  an:  Sordes  omnium  ac  torpor: 
ora  Peucinorum  (oder  Peucinorum  ora)  conubiis  mixtis  .  . 
foedantur.  Es  schien,  als  ob  man  mit  dieser  Herstellung 
einer  schwer  zerrütteten  Stelle  sich  genügen  konnte,  indem 
jetzt  alle  Theile  der  ganzen  Schilderang  in  einem  hannon». 
ischen  Zusammenhange  stehen.  Nachdem  Tacitos  den  nur 
in  Besag  atf  die  Peucinen  Kmitirten  Zweifel  ausgesprochen 
hat,   ob  die  genannten  drei  Völker  zam  Stamm  der  Oer* 


4i         8*mm$  der  pMm.pMil.  Oäm  *o»  4.  Juni  1BU. 

maneo  oder  Sarmaien  zu  rechnen  seien,  sagt  er  zuerst 
etwas  aus,  was  den  drei  Völkern  gemeinsam  zukommt, 
dann  von  jedem  einzelnen  Volke  etwas  besonderes.  Dabei 
schien  auch  der  Gegensatz  zwischen  ora  Peueinorum  .  . 
foedantur  und  Veneti  muttum  ex  moribus  traxerunt  em 
sehr  entsprechender  und  ganz  im  Geiste  des  Tacitus.  Nip- 
perdey  ist  jedoch  mit  dieser  Anordnung  der  Stelle  noch 
nicht  zufrieden  und  hat  den  neuen  Vorschlag  beigebracht 
(a.  a.  0.  S.  350):  Sordes  omnium  ae  torpor;  corporum 
procerum  .  .  foedatur.  Wir  möchten  fast  befürchten,  dass 
der  Gedanke,  procerum  mit  langer  Mittelsylbe,  statt  mit 
kurzer  zu  lesen,  ihn  bestochen  und  gegen  die  sonstigen 
Bedenken  seines  Vorschlags  blind  gemacht  habe.  Er  fühlt 
selbst,  dass  nach  der  ganzen  Anlage  der  Schilderung  auf 
das  allgemeine  das  besondere  folgen  müsse,  meint  jedoch, 
dass  das  besondere  von  den  Peucinen  schon  sogleich  am 
Eingange  angehängt  sei,  während  doch  dieses  besondere 
blos  auf  der  Beschrankung  des  Satzes  Oermanis  an  Sar* 
matte  adscribam  dubito  beruht.  Wer  von  unserem  Schrift* 
steller  eine  nicht  gar  zu  geringe  Meinung  hegt,  wird  nicht 
anders  urtheilen  können,  als  dass  auch  nach  diesem  be- 
schränkenden Zusätze  noch  eine  besondere  Aussage  von  den 
Peucinen  folgen  müsse.  Soll  sodann  corporum  procerum 
foedatur  sich  auf  alle  drei  Volkerschaften  beziehen,  so  ver- 
langt eine  sachgemässe  Darstellung  im  folgenden  wenigstens 
Veneti  muUum  ex  moribus  quoque  traxerunt,  nicht  ein 
einfaches  ex  moribus,  nachdem  so  eben  von  allen  eine 
körperliche  foedatio  ausgesagt  war.  Dass  endlich  bei  Misch- 
ungen verschiedener  Völkertypen  gerade  die  proceritas  in 
erster  Linie  in  Frage  komme,  wird  sich  vom  ethnographi- 
schen Standpunkt  schwerlich  beweisen  lassen,  während  ora 
foedantur  so  ganz  am  Orte  steht,  wobei  man  an  die  breiten 
Gesichter  der  asiatischen  Völker  um  so  mehr  wird  denken 
dürfen,  als  bekanntlich  dieser  Typus  schon  bei  einer  Anzahl 


Hahn:  Controvene  Stellen  in  der  Germania  des  Tacitus.       41 

russischer  Völker  abwischen  Stammes  ganz  sichtbar  hervor- 
tritt "). 


87)  Vgl.  Latham's  native  Races  of  the  russian  Empire  S.  22: 
In  all  respects  the  Sarmatian  is  more  European  than  Asiatic;  more 
German,  Keltic,  Latin,  or  Greek,  than  Mongolian,  Tibetan,  or 
Chinese.  The  straight  black  hair,  and  black  or  hazel  irides,  charac- 
teri8tios  of  the  Turks,  Mongole,  and  almost  the  other  Asiatics,  are 
largely  replaced  axnongst  the  Sarmatians  by  grey  eyee  and  brown 
hair  —  brown  in  its  lighter  as  well  as  its  darker  shades ;  brown,  in- 
clnding  flaxen.  Tet  the  face  is  flatter,  and  the  head  broa- 
der,  than  is  the  case  with  the  more  extreme  European  types  — 
e.  g.,  the  Italian,  the  Spanien,  and  some  varieties  of  the  German. 


In  den  während  der  Abwesenheit  des  Verf.  gedruckten  Seiten 
17  ff.  sind  folgende  Verbesserungen  vorzunehmen: 

S.  17  Z.  16  ist  >sich<  zu  streichen 

S.  17  Z.  22  lies  farbige 

S.  22  Z.  11  v.  u.  1.  cvmtninua 

S.  23  Z.  15  1.  ist  die  bekannte 

S.  23  Z.  8  v.  n.  1.  multa 

S.  26  Z.  9  1.  in  die  Pflicht 

S.  31  Anm.  Z.  6  1.  zusammenzulesen 

S.  32  Z  13  1.  wenn  er 

S.  33  Z.  16  1.  weil  so, 

S.38  Z.2  y.  u.  L  demissos. 


3a 


Sitzungsberichte 

der 

königl  bayer.  Akademie  der  Wissenschaften. 


Philosophisch  -  philologische  Classe. 

Sitzung  vom  2.  Juli  1864. 


Zur  Vorlage  kam  ein  Aufsatz  von  Herrn  Dr.  Ludwig 
Steub: 

„Zur  Erklärung  etruskischer  Inschriften." 

Auf  die  Erklärung  etruskischer  Inschriften  wird  in 
Deutschland  heut  zu  Tage  wenig  Mühe  verwendet  und  wohl 
auch  mit  Recht,  da  die  vorhandenen  Kräfte  gar  leicht  ein 
fruchtbareres  Feld  sich  wählen  können.  Wenn  nun  gleich- 
wohl einer,  den  sein  Beruf  von  derartigen  Forschungen 
ferner  halten  sollte  als  manchen  andern,  auch  als  Deuter 
jener  räthselhaften  Sprachdenkmäler  auftritt,  so  will  er's 
nicht  thun  ohne  einige  Beschreibung  des  Weges,  auf  welchem 
er  zu  diesen  Aufgaben  gekommen. 

Es  war  vor  zwanzig  Jahren,  als  ihm  bei  verschiedenen 
Wanderungen  in  Tirol  mehr  ab  je  vorher  jene  seltsamen 
undeutschen  Namen  auffielen,  welche  selbst  in  ganz  deut- 
schen Gegenden  und  bis  an  die  nördliche  Gränze  der  Alpen 
hin  zu  finden  sind.    (Namen  wie:   Tulfes,  Axatms,  TUisuna, 


Steub:  Erüänmg  etruekuchor  Inschriften.  43 

Qvfidmm,  Laterns,  Schludems,  Velthwns  u.  s.  w.)  Diese 
Namen  schienen  einer  Untersuchung  werth  zu  sein  und 
nachdem  diese  angestellt,  ergab  sich,  dass  in  Deutsohtirol 
wie  in  Graubünden  eine  dreifache  Schicht  von  Namen  auf- 
einander liege;  eine  deutsche,  natürlich  die  jüngste,  eine 
romanische  und  eine  vorromanische,  die  man  wohl  rhätisch 
heissen  darf.  Es  handelte  sich  nun  darum,  diese  letztere  an 
irgend  eine  der  adjacenten  Sprachen  anzuknüpfen  und  auch 
diess  scheint  gelungen  zu  sein,  da  die  rhätischen  Namen 
ganz  und  gar  dieselbe  Structur  zeigen,  wie  die  etruskischen 
Orts-  und  Personennamen,  woraus  dann  allerdings  zu  schliessen 
war,  dass  die  Rhätier  nicht,  wie  gerne  behauptet  wird,  zu 
den  keltischen  Völkern  gehörten,  sondern  ihre  nächsten 
Verwandten,  wie  schon  Livius,  Plinius,  Justinus  berichten, 
am  Padus,  am  Arnus,  an  der  Tiber  hatten.  Wer  darüber 
näheres  nachlesen  will,  den  verweisen  wir  auf  die  beiden 
Schriftchen:  „Ueber  die  Urbewohner  Rhätiens  und  ihren 
Zusammenhang  mit  den  Etruskern"  (München  1843)  und 
„Zur  rhätischen  Ethnologie"  (Stuttgart,  1854). 

Jene  Studien  hatten  nun  zwar  zunächst  nicht  die  Auf- 
gabe, Beiträge  zur  Erklärung  etruskischer  Inschriften  zu 
liefern,  allein  hin  und  wieder  stellte  sich  doch  eine  Wahr- 
nehmung ein,  welche  in  jener  Sichtung  verwendet  werden 
konnte.  Das  Wenige,  was  sich  auf  diese  Weise  im  Laufe 
der  Arbeit  gesammelt,  findet  sich  am  Schlüsse  der  letzt 
genannten  Schrift  (S.  222—230)  zusammengestellt.  Es  lag 
dort  bisher  in  tiefer  Vergessenheit  und  ich  würde  es  in 
dieser  wohl  auch  noch  ferner  liegen  lassen,  wenn  nicht 
eben  in  dem  letzten  Hefte  der  Zeitschrift  für  vergleichende 
Sprachforschung  (IV.  1.)  eine  Abhandlung  von  Dr.  Lorenz :  „Zur 
Erklärung  etruskischer  Inschriften"  —  erschienen  wäre  und 
mich  gereizt  hätte,  meine  Deutungen  neben  die  seinigen  zu 
stellen.  Unsere  beiderseitigen  Versuche  haben  sich  meisten- 
theils  dieselben  Inschriften  zur  Erklärung  vorgesetzt,  doch 


44  Süzung  der  phüos.-phüol.  Glosse  vom  2.  Juli  1864. 

stimmen  wir  eigentlich  nur  einmal  zusammen,  nämlich,  wie 
sich  unten  zeigen  wird,  in  der  Erklärung  eines  Zahlwortes. 
Dass  Dr.  Lorenz  mein  letztgenanntes  Schriftchen  nicht  gekannt 
hat,  versteht  sich  von  selbst.  Ebendesswegen  aber,  weil  ich 
nämlich  sehe,  dass  es  selbst  denen  unbekannt  zu  bleiben 
pflegt,  die  auf  demselben  Felde  arbeiten,  nehme  ich  es  sehr 
dankbar  an,  wenn  mir  gestattet  wird,  hier  das  vor  zehn 
Jahren  Gefundene  noch  einmal  vorüberzufuhren  und  zwar 
mit  einigen  Erläuterungen  und  Zusätzen,  wie  sie  mir  eben  die 
durch  die  Abhandlung  des  Herrn  Dr.  Lorenz  neu  angeregte 
Beschäftigung  mit  diesem  Gegenstand  an  die  Hand  gegeben. 

Ehe  wir  beginnen,  wollen  wir  aber  noch  aufmerksam 
machen,  dass  die  etruskische  Epigraphik  überhaupt  sehr  im 
Argen  liegt. 

Viele  Inschriften  sind  durch  die  Unbild  der  Zeit  mehr 
oder  weniger  angegriffen,  lückenhaft,  kaum  leserlich.  Manche 
Mittheilungen  sind  daher  sehr  unzuverlässig  und  so  kommt 
es  häufig  vor,  dass  einzelne  Texte,  die  längst  festzustehen 
schienen,  bei  einer  neuen  Revision  wieder  in  ganz  anderer 
Leseart  auftreten.  Femer  hat  die  Sprache  ein  sehr  rasches 
Leben  gefuhrt,  und  ist  in  den  wenigen  Jahrhunderten,  die 
unsrer  Beobachtung  zugänglich  sind,  von  Vülauna,  Velsuna 
auf  Veisina,  von  Vulia,  Velia  auf  Veia,  Via,  von  Anassa, 
Larthiassa,  Atiana  auf  Anesa,  Larihisa,  Arno,  herabgegangen. 
Ueberdiess  zeigt  sich,  namentlich  in  den  Jüngern  Denkmälern 
neben  einer  auffallenden  Art,  die  Wörter  abzukürzen,  auch 
eine  grosse  Nachlässigkeit  in  der  Orthographie.  So  wechseln 
z.  B.  v,  p  und  f,  t  und  fh,  c  und  ch  im  Stamm  und  in  den 
Ansätzen  regellos  durcheinander,  so  dass  „die  philologische 
Akribie41  auf  diesem  Felde  kaum  eine  Stelle  finden  kann. 
Mehr  als  dieses  steht  aber  der  Deutung  der  Inschriften  der 
Mangel  an  Texten  entgegen.  Was  uns  nämlich  übergeblieben, 
sind  meistens  Grabinschriften,  die  aber  nur  den  Namen  des 
Verewigten  enthalten. 


Steub:  Erklärung  etruskischer  Inschriften.  45 

Gegen  eine  zahllose  Menge  solcher  Namen,  ans  denen 
sich  höchstens  die  Geschichte  der  Laute  constroiren  lässt, 
steht  nur  eine  sehr  geringe  Anzahl  von  eigentlichen  Texten 
—  darunter  namentlich  die  perusinische  Inschrift,  die 
längste,  von  etwa  sechzig  Zeilen,  und  etliche  zwanzig  oder 
dreissig  andere  von  einer  oder  zwei,  höchstens  vier  oder 
fünf  Zeilen.  Erwägt  man  nun  ferner,  dass  bisher  keine 
Sprache  gefunden  werden  konnte,  die  der  Etruskischen 
so  nahe  läge,  als  etwa  das  Lateinische  dem  Umbrischen 
und  sohin  als  verlässiger  Schlüssel  zur  Erklärung  dienen 
möchte,  so  wird  es  nicht  auffallen,  dass  die  Interpretation 
über  die  drei  oder  vier  Wörter,  deren  Bedeutung  schon 
Lanzi  festgesetzt  hat,  bisher  eigentlich  noch  nicht  hinaus* 
gegangen  ist. 

Da  nun  eine  solche,  als  Schlüssel  dienende  Sprache 
nicht  gegeben  ist,  so  bleibt  unseres  Erachtens  nichts  über, 
als  die  Inschriften  sich  selbst  erklären  zu  lassen,  d.  h.  nach 
Ort  und  Stellung  derselben  und  etwa  auch  nach  der  Physio- 
gnomie der  Worte  ihren  Zweck  und  ihre  Bedeutung  zu  er- 
rathen  und  darnach  den  Sinn  der  Vocabeln  festzustellen  — 
ein  Verfahren,  das  aber,  wie  sich  leicht  begreift,  nur  bei 
den  kürzeren  Inschriften  angewendet  werden  kann.  Die 
Probe  der  auf  solche  Weise  gefundenen  Bedeutung  der 
Wörter  ist  aber  selbstverständlich  dann  für  gelungen  anzu- 
sehen, wenn  sie  an  anderen  Stellen,  wo  sie  wieder  vorkom- 
men, den  gleichen  Sinn  zulassen.  Dass  man  übrigens  bei 
vorliegenden  Anklängen  immerhin  auf  andere  Sprachen  hin- 
weisen darf,  versteht  sich  wohl  auch  von  selbst. 

Nach  diesem  beginnen  wir  denn  unsere  Versuche. 

Eine  der  sprechendsten  Inschriften  scheint  mir  die  auf 
einem  Stein  gefundene: 

MI  SUTHI  LARTHIAL  MÜTHIKUS 
(Otfrd.  Maller.  Etrasker.  I.  140 ) 

Die  beiden  letzten  Worte  sind  offenbar  Namen  {Larihial 


46  Sitzung  dar  pMos.-phäol.  dam  wm  2.  JmU  1864. 

ist  ab  solcher  sehr  häufig)  und  die  ganze  Inschrift  kann 
kaum  etwas  anderes  besagen  als:  Mich  setzte  Lartkial 
Muthihus,  was  für  einen  redenden  Stein  eine  ganz  adäquate 
Sprache  ist.  Bei  mi  darf  man  wohl  an  lat  me,  bei  suthi 
an  goth.  satjan,  lat.  sidoy  deutsch  setzen  denken. 

Uebrigens  beginnt  eine  ziemliche  Anzahl  etruslrischer 
Inschriften,  namentlich  älterer,  mit  jenem  mi.  So  noch  zwei 
andere : 

(0.  M.  IL  852.) 

MI  AYILES  TTTES  MULENIKE 

MI  LARÜS  THENIMES  TTTES  MULENIKE 

Hier  ist  nur  mi-mulenike  zu  erklären,  denn  die  übrigen 
Worte  sind  Namen  —  mulmihe  aber  ist  sicher  ein  Verbum, 
wie  ich  denn  auch  schon  früher  die  homogenen  Formen 
turece,  taisece,  peruce,  caleseoe,  mianece,  miace  als  Verba 
(und  zwar  als  dritte  Person  eines  Präteritums)  bezeichnet 
habe,  was  auch  Dr.  Lorenz  annimmt.  Die  Bedeutung  von 
mtdenike  möchte  aber  fecit  sein.  Also:  me  Avüus  Titas 
fecit  u.  s.  w. 

Dr.  Lorenz  nimmt  mit  allen  Vorgängern  mi  für  dpi, 
wogegen  aber  die  Linguisten  wohl  erinnern  möchten,  dass 
auch  von  der  ersten  Sylbe  billiger  Weise  etwas  übrig  ge- 
blieben sein  sollte.  Nach  dieser  bisherigen  Annahme  musste 
man  allerdings  behaupten,  dass  die  folgenden  Namen  im 
Genitiv  stehen,  wie  z.  B.  mi  Lotus  =  sum  Lari  u.  s.  w. 
Wenn  aber  mi  mich  bedeutet,  so  muss  man  annehmen,  dass 
das  Verbum,  so  ferne  es  fehlt,  was  allerdings  oft  der  Fall 
ist,  nur  weggelassen  wurde,  weil  die  Formeln  mi-turce, 
mi-mtdenike  u.  8.  w.  —  den  griechischen  pinoirjOs,  p'Ärofo 
vergleichbar  —  so  landläufig  und  bekannt  waren,  dass  jenes 
leicht  ergänzt  werden  konnte. 

Es  ergibt  sich  dann  ferner,  dass  die  nach  mi  folgenden 
Namen,  wie  Latus,  Arnthialus,  Muthicus,  Venerus  Nomina- 
tive sind  und  also  ganz  gleich  den  lateinischen.    Dieses  us 


Steub:  Erklärung  etruskUcher  Inschriften.  47 

sich  dann  zu  es  ab,  wie  in  Aviles  Utes,  und  in 
der  spätesten  Zeit  blieb  auch  hievon  nur  noch  ein  e  übrig, 
wie  in  Aule,  Tite,  Vete  u.  s.  w. 

Aach  die  von  Lepsius  (Tyrrhenische  Pelasger,  S.  42) 
mitgetheilte,  auf  einem  kleinen  Töpfergefässe  befindliche 
Inschrift:  MI  NI  MULVENE  KEVELTHÜ  IB  PÜPLIANA  ist 
nach  diesem  leicht  erklärbar,  wenn  man  statt  tr,  was  wohl 
falsch  gelesen  ist,  setzen  darf:  in.  Da  im  Original  die 
Worte  nicht  getrennt  sind,  so  stellen  wir  folgende  Leseart 
auf:  mini  mulveneke  Vdthu  in  Pupliana.  Nun  scheint  mul- 
veneke  vollständigere  oder  ältere  Form  für  das  oben  be- 
sprochene mulenilce.  Velihu  ist  Nomen  proprium,  welches 
die  Römer,  die  das  etrusk.  VeUu  mit  Vtdso  wiedergaben 
(vergl.  Livius  33,  42  und  Urbew.  Rh.  S.  18),  sicherlich 
Vtdtko  aussprachen.  Die  Präposition  in  können  wir  als 
etnißkisch  aus  einer  Inschrift  belegen,  welche  im  Bullettino 
1833  (S.  55,  jetzt  auch  von  Dr.  L.  S.  26)  mitgetheilt  ist. 
Dort  kommt  vor  in  Wienern  und  etliche  Zeilen  weiter 
Flenanate. 

Nun  bezeichnet  ate  bekanntlich,  wie  in  den  übrigen 
italischen  Dialekten,  wenn  es  den  Städtenamen  angehängt 
wird,  den  Einwohner  der  Stadt.  Flensma  ist  daher  Stadt- 
name und  in  die  Präposition.  Pupliana  ist  eine  dritte  Form 
von  Pupluna,  Puplana,  den  etrusk.  Namen  von  Populonium. 
So  bleibt  noch  ni  zu  erklären  übrig  und  da  nehmen  wir 
denn  an,  dass  für  mini  zu  lesen  ist  mim,  wie  den  NI  und 
M  in  der  Epigraphik  sich  sehr  ähnlich  sind  und  sehr  oft 
verwechselt  werden.  (0.  M.  I.  423). 

Diess  mim  wäre  so  viel  als  me,  die  vollständige  Form 
des  späteren  mi.  Es  erinnert  an  sansk.  matn.  Sonach 
übersetzen  wir:  Me  fecit  Vultho  in  Populonia. 

Dr.  L.  hat  diese  Inschrift  nicht  berücksichtigt.  Dr. 
Karl  Meyer  übersetzte  sie  früher  in  den  Münchner  Gelehr- 
ten Anzeigen  mit:  Ich  salbe  mich  mit  Od  von  Pupliana. 


48  Sitzung  der  phOos.-philol.  Glosse  vom  2.  Juli  1864. 

MI  SUTHI  L.  VELTHÜRI  THÜRA  TURCE  Aü.  YELTHÜRI 

FNISRAL  (0.  M.  452). 

L.  und  Au.  Velthuri  Fnisral  sind  Namen  und  der  An- 
fang erklärt  sich  daher: 

Me  posuit  L.  Velthurius. 

Lanzi  hat  turce  mit  dedit  erklärt,  indem  er  ein  griech- 
isches Sedoiqrjxs  heranzog.  Diese  Anlehnung  hat  wohl  keinen 
Werth,  aber  der  Sinn  des  Wortes  ist  nach  allgemeiner  An« 
nähme  richtig  gefunden.  Wenn  nun  turce  dedit  ist,  so 
kann  thura  (trotz  seines  th)  leicht  donum  sein  und  wir 
hätten  also  die  bekannte  lateinische  Formel  donum  dedit. 
Demnach  hätte  die  ganze  Inschrift  den  Sinn: 
me  posuit  L.  Velthurius,  donum  dedit  Aulus  Velthurius 
F.  —  wobei  man  dann  etwa  annehmen  müsste,  dass  zwei 
Verwandte  ein  Denkmal  errichten,  so  dass  der  eine  die 
Basis,  der  andere  das  Weihgeschenk  bestreitet. 

Eca  suthi,    was  als  öfter  wiederkehrende  Formel  über 

Grabgewölben   steht,    kann  doch  wohl  nichts  anderes  sein 

als     hoc    posuit.     ECA  SUTHI  LATHIAL  CILNIA    auf    einem 

Grabe  bei  Soyana    (Denis  I.  500)  wäre  also:    Hoc  posuit 

Lathial  Cilnia.  Hier  noch  drei  andere  ähnliche  Inschriften: 

ECA  SUTHI  NESL  T1TNIE  — 

ECA  SUTHI  NEISL  — 

EPA  SUTHI  NESL  PAN  (0.  M.  452) 

Hier  scheint  die  zweite  unvollständig,  in  der  dritten 
ist  für  epa  sicherlich  eca  zu  lesen.  Was  ist  aber  nesl? 
Vielleicht  noster  oder  noviter;  vielleicht  sind  die  Worte 
unrichtig  abgesetzt,  so  dass  suthines  zu  lesen  wäre,  etwa 
PL  y.  suthina,  Verbalsubstantiv  von  suthi,  in  der  Bedeutung 
sedes,  aedes.  L  wäre  dann  eine  Abkürzung  von  Lar  und 
die  erste  Inschrift  würde  etwa  bedeuten:  Diess  sind  Grün- 
dungen des  L.  Titiniu8.  Dr.  L.  übersetzt  (N.  27)  Eca  suihi 
nesl  tetnie  mit  hoc  munus  offerebat  Titinius.    Da  ich  suthi 


SUmb:  Erklärung  etrushiseher  Inschriften.  49 

für  das  Verbum  nehme,  kann  mir  natürlich  diese  Deutung 
von  nesl  nicht  gefallen. 

Im  Builettino  von  1857  S.  36  liest  man:  „Ein  beson- 
derer Vorzog  dieser  Sammlung  von  Broncen  aus  dem  alten 
Volsinii  ist  es,  dass  fast  alle  bedeutenderen  Stücke  eine 
etruskische  Legende  tragen,  welche  bei  einigen  in  dem  ein- 
zigen Worte  Suthina  besteht,  das  man  bisher  noch  nicht 
genügend  zu  erklären  weiss."  —  Wenn  sich  nun  suthi  mit 
dvixhrjxe  vergleichen  lässt,  so  darf  man  suthina  wohl  für 
avct&rjpa  nehmen.  In  einer  neuerlich  gefundenen  Inschrift 
(Builettino  1860.  148.)  findet  ach  sogar  ein  ansuthi  —  soll 
diess  ein  Zeichen  sein,  dass  auch  das  Etruskische  Yerba  und 
Präpositionen  zusammensezte? 

Sehr  häufig  findet  sich  als  Zusatz  zu  Personennamen 
das  Wort  cfow,  dessen  Gegensatz  ein  allerdings  selteneres 
eiera  «ein  muss.  Man  hat  bisher  keine  sichere  Erklärung 
dafür  gefunden;  ich  versuche  sie  in  Folgendem  zu  geben: 

Da  die  Etrusker  nur  acht  oder  neun  geläufige  Vor- 
namen hatten  und  der  Sohn  gerne  nach  dem  Vater  genannt 
wurde  (0.  M.  I.  411.  436.),  so  musste  eine  masslose  Ein- 
förmigkeit der  Personennamen  entstehen  und  also  das  Be- 
dürfnis von  Unterscheidungszeichen  schon  sehr  früh  fühlbar 
werden.  Als  solche  betrachte  ich  nun  die  vielbesprochenen 
eiera  und  clan  (0.  M.  I.  446);  etera  (lat  vetus?)  gilt  mir 
ab  senior,  clan  dagegen  als  junior.  Für  letzteres  nehme 
ich  aber  auch  die  Bedeutung  Sohn  in  Anspruch  —  zwei  Be- 
griffe, die  sich  wohl  leicht  unter  einen  Hut  bringen  lassen. 
Dr.  L.  setzt  für  etera  zweifelnd  sacra%  für  clan  aber  votum. 

MI  LAfiUS  ARIANAS  ANASSES  CLAN 
(eine  der  ältesten  bekannten  Inschriften) 

übersetzt  Dr.  L.  (N.  22)  mit:  8um  Lari  Arianae  principis 

votum.    Mir  bedeutet  es:  me  Larus  Arianae  Anassae  ßius 

(sc.  posuif).  Bei  Anasses  darf  man  doch  kaum  an's  Griechische 

denken.  Es  ist,  wie  schon  oben  bemerkt,  die  frühere  vollere 
[1864.  IL  1.]  4 


50  Sütung  der  philo* -philol.  Oasse  vom  2.  Juli  1864. 

Form  des  späteren  Anesa.  Das  Bullettino  1850  (S.  92)  bringt 
in  einer  Inschrift:  eterav  (viell.  eterar)  clenarci;  könnte  dies 
nicht  senes  juvenesque  bedeuten? 

Ziehen  wir  auch  lautni  hieher,  über  welches  Dr.  L. 
S.  37  spricht*  Dies  Wort  ist  zwar  zu  Eigennamen  ver- 
wendet worden  (0.  M.  I.  424),  aber  es  kömmt  auch  als 
Appellativum  vor.  Es  findet  sich  stets  vor  oder  hinter 
Personennamen.  Steht  es  voran,  so  darf  es,  da  lautni  kein 
etruskischer  Vcfmame  ist,  immer  als  Appellativum  gelten 
und  dann  schlägt  am  besten  die  Bedeutung  gens,  Familie,  an. 

So  z.  B.  in  der  Inschrift :  EITH  FANU  SATHEG  LAUTN. 
PUMPU8  (Bullettino  1838.  S.  55),  welche  auf  einer  Gruft 
sich  findet.  Eith  fanu  hat  man,  wenn  ich  mich  recht  er- 
innere, schon  mit  id  famm  gedeutet ;  saihec,  saihece  scheint 
ein  schwaches  Präteritum  desselben  Verbums,  welches  oben 
als  stähi  vorkam  (wenn  nicht  etwa  dieses  als  Präsens  zu 
fassen  ist?)  und  man  darf  daher  wohl  übersetzen:  Dieses 
fanum  errichtete  die  Familie  Pumpu.  So  auch  wieder  in 
der  Inschrift  Nr.  73  ETH  FANU  LAUTN.  PRECÜ8= Familie 
Precu.  Ebenso  in  der  Perusinischen  Inschrift  LAUTN  VEL- 
THINAS,  das  Geschlecht  des  Velthina.  Und  das  öfter  wieder- 
kehrende Lautnetere  (s.  auch  0.  M.  I.  424),  was  kann 
es  anderes  bedeuten,  als  die  ältere  Familie  oder  die 
ältere  Linie?  ARNTH  ATINI  LAUTN.  ETEM  (Dr.  L.  N.  52) 
ist  mir  daher  ein  Aruns  Atinius  „vom  älteren  Geschlecht 
der  Atinier".  (Ebenso  N.  53.)  Dr.  L.  übersetzt  es  mit 
memoriae  sacrurn,  was  mich  nicht  üßerzeugt.  Die  Inschrift 
N.  60  TA  (wofür  oben  eca)  SUTI  MUCETIS  CNEUNAS  LlU- 
TUNIS  übersetze  ich:  Dies  setzte  Muoetius,  des  Geschlechts 
der  Cneye  (lat.  Gnaeus).  Für  das  Derivat  lautnita  würde 
ich  die  Bedeutung  nobüis  vorschlagen,  wie  man  früher  in 
den  süddeutschen  Reichsstädten  den  Patricier  einen  „Ge- 
schlechter" nannte.  Die  Inschriften,  welche  Dr.  L.  S.  37 
zusammengestellt,    erlaube  ich  mir  daher  so  zu  übersetzen: 


Steub:  Erklärung  etrutkiseher  Inschriften.  51 

LABTHI  LDTNI  CEISIß  =  Larthia  vom  Geschlecht  der  Ceise. 
LARTHI  L  AUTNITHA  PRE8NTS  =  Larthia  nobilis  Perusina* 
(Dass  presnt  nicht  Praesentius,  sondern  Perusinus,  soll 
unten  gezeigt  werden). 

In  den  beiden  andern  dort  aufgeführten  Inschriften 
wäre  dann  lautnita  auch  nichts  anderes,  als  der  Beisatz 
nobüis. 

Das   Gegenstück    zu    lautnetera   kommt    etliche   Male 

(z.  B.  Dr.  L.  N.  73)  als  lautnesde  vor,  wo  denn  allerdings 

dan  in  einer  auffallenden  Verkümmerung  erscheint. 

MI    FLERES    EPÜL  .  .  .  FEARITIMI  FASTI  RÜFRUA  TURCE 

CLEN  CECHA. 

0.  Müller  übersetzt  mit  Lanzi:  Sum  donarium  Apollini 
et  Artemidi  (?),  Fastia  Rufrunia  posuit  —  wobei  ich  nur 
ßum  in  me  ändern  würde.  Die  beiden  letzten  Wörter  sind 
noch  nicht  erklärt  Nun  ist  aber  ziemlich  allgemein  aner- 
kannt, dass  clensi  ein  Casus  von  dan  ist  (s.  0.  M.  445) 
und  zwar  wahrscheinlich  der  Genitiv.  Ich  nehme  nun  den 
als  eine  Abkürzung  von  clensi  und  nach  diesem  kann  cecha 
kaum  etwas  anderes  sein,  als  causa.  Nach  einer  neueren 
Revision  des  Textes  (Bullettino  1862,  p.  73)  ist  zwar  für 
epul  .  .  fearitimi  zu  lesen  svuiare  aritimi,  allein  diese 
Aendernng  hebt  nur  die  Anlehnung  an  Apollo,  vielleicht 
auch  an  Artemis  auf,  während  der  Sinn  der  übrigen  Worte 

fest  bleibt,  nämlich:  me  donarium Fastia  Btufrua 

dedii  fitöi  causa. 

Auf  der  Statue  eines  Knaben  findet  sich  die  Inschrift: 

VELIAS.  FANACNAL.  THÜFLETHAS.  ALPAN.  LENACHE.  CLEN. 
CECHA  TUTHINßS.  TLENACHEIS  (Lanzi  IL  638). 

Hier  schreiben  wir  die  fünf  letzten  Worte  ergänzend: 
lenaches  clensi  cecha  tuthines  tes  lenacheias  und  bemerken 
nur  zu  dem  letzten,  dass,  wie  schon  0.  M.  (S.  419)  her- 
vorhebt, in  der  späteren  Epigraphik  gewöhnlich  ei  und  i 
steht  für  eia  und  ia,  wonach  ich  denn  ein  lemchei  als  den 

4» 


62         BUemg  der  phüos.-phOol.  Classe  vom  2.  Juli  1864, 

Nominativ  eines  Subst.  fem.  für  lenacheia  voraussetze  und 
lenacheis  als  den  Genitiv  desselben  —  für  lenacheias  — 
ansehe.  Das  vorgesetzte  t  kann  nichts  anderes  sein  als  der 
Artikel. 

loh  nehme  nun  den  cecha  wieder,  wie  oben,  für  fUii 
causa,  lenaches  ist  ein  Adjectiv,  das  an  den  gehört  und 
eine  Bedeutung  in  Anspruch  nimmt ,  die  auch  wieder  für 
das  Substantiv  lenacheia  passen  muss.  Ich  halte  jenes  für 
aeger,  dieses  für  aegritudo.  Dabei  springt  dann  auch  von 
selbst  der  Sinn  von  tuthines  hervor  und  ich  übersetze  also 
diese  fünf  letzten  Worte: 

aegri  fiM  causa  Sonata  aegritudine. 

tuthines  tes  lenacheias  wäre  also  ein  Oenitivus  ab- 
solutes. 

Was  nun  die  vier  ersten  Worte  betrifft,  so  muss  in 
ihnen  der  Nominativ  des  Satzes  zu  finden  sein  und  da  Ve- 
lias  Fanacnal  thuflethas  augenscheinlich  Genitive  sind,  so 
bleibt  nichts  übrig  als  jenen  in  alpan  zu  suchen,  dem  wir 
nun  allerdings  auch  wieder  keine  andere  Bedeutung  beilegen 
können,  als  Gabe,  Geschenk,  Votivbild. 

VeUas  Fanacnal  sind  Namen  und  bedürfen  also  keiner 
Erklärung.  Thuflethas  kömmt  öfter  vor  und  steht  z.  B.  bei 
Dr.  Lorenz  vier  Male  (15,  16,  18,  19)  unmittelbar  nach 
Namen.  Es  zeigt  dieselbe  Bildung  wie  lautnitha  und 
scheint  ein  Amt,  eine  Würde  oder  sonstige  persönliche 
Eigenschaft  zu  bedeuten,  etwa  eques,  civis,  sacerdos,  vidua 
u.  dgL  Stellen  wir,  um  den  Platz  nicht  leer  zu  lassen, 
letzteres  ein,  so  besagt  die  Inschrift  also: 

Vcliae  F.  (viduae)  donum  aegri  filii  causa  Sonata  aegri- 


FLERES.  TLENACES.  SÜER.  kömmt  auch  bei  Ver- 
migUoli,  Inscript.  Perusinae,  p.  44  und  58  vor,  wo  also 
donum  aegri,  Geschenk  des  Kranken  zu  interpretiren  wäre. 
Das  dritte  Wort  ist  mir  nicht  verständlich. 


Bteub:  Erklärung  etrtukischer  Inschriften.  53 

AULE8I.  METELI8  VE.  YE8IAL.  GLENSIGEN.  FLEBES. 
TEGE.  SAKSL.  TENINE.  TUTHINES.  CHISÜLICS.  (Lanzi  II. 
547.)  Die  Inschrift  steht  auf  einer  Statue,  dem  Ärrin- 
gatore  von  Pisa,  welche  eine  fascia  nel  tneeeo  detta  gamba 
hat.  Eine  solche  Binde  trug  auch  Poin pejus,  um  eine 
Narbe  zu  verdecken.  Tuthines  chietdics  könnte  daher  heissen 
scmato  vtdnere.  Nach  Lanzi  ist  nämlich  die  Statue  für  eine 
Gabe  ex  voto  zu  halten. 

AtUesi  Metelis  clensi  (Ve.  Vesiäl  sind  Beinamen)  ist 
ein  Genitiv;  clensicen  scheint  aber  auch  nichts  anderes  zu 
sein,  als  clensi  cecha,  und  fieres  tece  ist  dem  Sinne  nach 
sicherlich  gleich  mit  fleres  turce.  Den  Nominativ,  die  Be- 
zeichnung des  Stifters,  muss  sansl  tenine  enthalten.  Eigen- 
namen Bind  diese  beiden  Worte  nicht  und  man  verfällt 
daher  leicht  auf  den  Gedanken,  es  möchte  etwa  ein  „glück- 
licher Vat&r"  darunter  verborgen  sein.  Wenn  wir  nun  hie- 
für —  freilich  ohne  jeden  Anhaltspunkt  und  nur  auf  Ge- 
rathewohl  —  felix  pater  setzen,  so  rundet  sich  die  Phrase 
allerdings  folgender  Massen  ab : 

Auli  MetelU  V.  V.  filii  causa  donutn  dedü  felix  pater 
scmato  vtdnere. 

Anders  Dr.  L.  Nr.  20. 

„THANCHVILÜ  AVILS  CIS  CEALCHS  (Bullettino  1836. 
S.  147).  Avil,  aivü  bedeutet,  wie  anerkannt  ist,  aetas, 
vielmehr  aetatis.  Vielfach  fehlt  das  Zeichen  des  Genitive,  hier 
aber  ist  es  gegeben.  Nach  avü  folgen  gewöhnlich  Ziffer, 
hier  dagegen  Worte,  welche  Zahlen  bedeuten. 

Auf  einem  Wärfei,  den  man  neuerlich  gefunden,  steht 
CHI  für  fünf.  Cealchs,  vielleicht  cealichas  zu  lesen,  scheint 
die  Decade  davon  zu  sein;  also  Tanaquil  (mortua  est) 
ae&atis  LV  (omorum).  Cealichas  darf  man  vielleicht  mit 
üthauischen  Formen  vergleichen,  in  denen  UJca  zehn  be- 
deutet.   S.  Grimm,  Gesch.  d.  d.  Spr.  246. 

Hiemit   fibereinstimmend  Dr.  L.,  der  noch  drei  neuere 


54  Sittung  der  phüo8.-phüol.  Masse  vom  2.  Juli  1864. 

Funde  gleicher  Gattung  beibringt.  S.  32.  Ciemc  thrms 
würjde  ich  ebenfalls  mit  fünf  und  dreissig  übersetzen.  — 
Zu  avils  macks  semfaUMs  sei  bemerkt,  dass  auf  dem  eben 
erwähnten  Würfel  Eins  mit  mach  wiedergegeben  ist.  Da 
die  Zeichen  für  f  und  th  oft  verwechselt  werden,  so  darf 
man  wohl  auch  semthalchls  y  vielleicht  sogar  seihmalcKls 
schreiben  und  mit  Sicherheit  Em  und  siebzig  übersetzen. 
Bis  hieher  könnte  man  die  arische  Verwandtschaft  gleichwohl 
noch  herausfühlen,  aber  was  bedeuten  die  Zahlwörter  (tn)  achs 
mekhlsc?  —  Oefter  findet  sich  nach  avils  und  den  Zahlwörtern 
das  Verbum  lupuce,  was  dann  wohl  nichts  anderes  bedeuten 
kann,  als  mortuus  est. 

Im  Bullettino  von  1860  S.  148  finden  sich  zwei  In- 
schriften mitgetheilt,  in  welchen  ein  Zahlwort  muvalchl  vor- 
kommt, als 

AVILS  THÜNESI  MÜVALCHLS  LUPÜ  und  AVILS  CK  MUVALCHL. 

Wenn  man  hier  nuvakhl  schreiben  dürfte,  so  läge  die 
Deutung  aus  lat.  novem  sehr  nahe,  allein  diese  Aenderung 
ist  kaum  gestattet;    thunesi   möchte  duo  vertreten. 

Eine  leichte  und  doch  nicht  ganz  unergiebige  Arbeit  wäre 
eine  Zusammenstellung  aller  etruskischen  Personennamen, 
welche  von  Städtenamen  herkommen  oder  herzukommen 
scheinen.  Ottfr.  Müller  hat  bereits  (455)  CASPRE  (auch 
vollständiger  CASPERIENA)  mit  Casperia,  SÜTHRINA  mit 
Sutrium  zusammengestellt.  CÜSINE  wird  von  Cosa  (Cusa), 
VELTHURNE  von  Volaterra  (Velatkuria) ,  CAMARINA, 
vielleicht  auch  CUMERÜNI  von  Camars,  CALUSNA  von  Ghh 
sium,  ARTINS  von  Aretiutn,  CAPEVANIAL  von  Capua 
abzuleiten  sein.  Der  häufigste  Ansatz  dieser  Art  ist  aber 
ATE,  wie  im  Lateinischen,  Umbrischen  und  Oskischen.  So 
FRENTINATE  von  Ferentimm,  8ENTINATE  von  SewHnum, 
ÜRIKATE  von  Aurinia  oder  einem  unbekannten  Urina, 
ARPNATIAL  von  Arpinum.  Ferner  SENA'HA  von  Sena  (Siena), 


Steub:  Erklärung  etruskiseher  Inschriften.  55 

dann  eine  Anzahl  anderer,  welche  meist  auf  uns  unbekannte 
Städte  gehen.  So  PETINATE,  LARTNATE,  TRENTINATE,  VECI- 
NATE,  HELYINATE  von  Petina,  Lartina,  Trentina,  Vecina, 
Helvina  (vergL  HehiHumf  wahrscheinlich  Helvintdum  in 
ümbrien),  UNATASA,  THUNATNAL,  VENATNAL  von  Una, 
Thuna,  Vena.  Ferner  mit  ATHA,  was  eben  so  viel  als 
ATA,  da  in  den  Ansätzen,  wie  schon  oben  bemerkt, 
T  and  TH  beständig  mit  einander  wechseln:  MARCNA- 
THA,  TETIN  ATHA  von  Marcina,  Tetina.  Man  sieht  aus 
diesen  Beispielen,  dass  sich  ATE  nur  an  Namen  hängt, 
welche  in  NA  auslauten,  doch  kömmt  einmal  auch  TRE- 
PATUAL  vor.  Uebrigens  finden  sich  in  den  andern 
italischen  Ländern  auch  Ethnica  auf  inate.  wie  lat.  Pa- 
dinates,  Lirinates,  Aletrinates,  Aesinates,  Iguvinates  von  Pa- 
dus,  Litis,  Aletrium,  Aesium,  Iguvitm.  Sicherlich  darf  diese 
Erscheinung  auch  in  Etrurien  gesucht  werden,  und  ich 
nehme  daher  an,  dass  das  oft  vorkommende  PRESNTI 
nicht  lateinisch  Praesentius,  sondern  Perusinate  sei,  nach 
späterer  Aussprache,  wo  man,  wie  Velesa  für  Velusa,  so 
wohl  Peresa  für  Perusa  sagte.  Auch  von  Velia,  Veiia, 
Veii  scheint  Velinate,  Veiinate  gebildet  worden  und  daraus 
mit  verrücktem  Accent  —  Veiinate  —  das  lateinische  Veiens, 
Veientis  entstanden  zu  sein.  So  möchte  auch  FELGINATE 
(Bullettino  1849,  52)  ein  Volciens  von  Volci  sein,  vielleicht 
aber  auch  ein  Einwohner  von  Fulginium. 

Ausserdem  wäre  auch  noch  eine  ziemliche  Anzahl  bis- 
her unbekannter  Ortsnamen  auf  $a,  welche,  dem  lateinischen 
Beispiele  folgend,  Ethnica  auf  sinus  bilden  (vgl.  Glusium: 
Clusinus,  Perusia:  Perusinus),  aufzuzeigen.  Wie  aber  in 
dem  oben  Stehenden  Caiusna  oder  in  Presnti  der  Vokal 
nicht  geschrieben  wird,  so  auch  regelmässig  in  allen  übrigen. 
Ich  will  hier  nur  die  neuerlich  von  Gonestabile  veröffent- 
lichten Namen  beiziehen,  so  Ap$naiy  Csalisna,  Cursnis, 
Ctmsnea,  Capisnei,  Pertumsnei,  Samsnial,  StatSnei,  Velusna 


56  Sittimg  der  phOos.-phOol.  (Hasse  vm  2.  Juli  1864, 

und  viele  andre.  Nach  meiner  Ansicht  sind  dies  lauter 
Ethnica  von  den  Ortsnamen  Apsa,  Curesa,  Statusa,  Velusa 
u.  dgl.,  einer  Gattung,  welche  demnach  (gerade  wie  in  Rhä- 
tien)  sehr  häufig  gewesen.  (Audi  Presne  kommt  vor  und 
ist  wohl  Peresine  zu  vocalisiren,  eine  Nebenform  des  oben 
erwähnten  Presnti-Peresinate.) 

Jene  Ethnica  zeigen  uns  nun,  dass  es  Gewohnheit  war, 
auch  den  Ort  der  Geburt  oder  Herkunft  den  Personen- 
namen beizufügen.  Diese  Wahrnehmung  fuhrt  uns  zwar 
nicht  sehr  weit,  aber  sie  gewährt  doch  zwei  kleine  Vor- 
theile.  Erstens  bereichern  wir  unsere  Kenntnisse  mit  einer 
Anzahl  etruskischer  Ortsnamen,  denen  wir  allerdings  auf 
der  Landkarte  keinen  Platz  anzuweisen  wissen,  zweitens 
wird  es  bei  der  Erklärung  etruskischer  Grabinschriften  doch 
auch  forderlich  sein,  wenn  aus  dem  Einerlei  monotoner 
Eigennamen  wieder  ein  Element  ausgeschieden  und  als  Be- 
zeichnung der  Herkunft  erkannt  werden  kann. 

Nach  allem  diesem  ist  nicht  zu  leugnen ,  dass  die 
etrußlrische  Nomenclatur  einen  ganz  mittelitalischen  (latinisch- 
umbrisch-oskischen)  Charakter  habe.  Die  Personennamen 
zeigen  nämlich  das  gleiche  Gepräge,  die  etruskischen  Orts* 
namen  sind  so  beschaffen,  dass  sie  ohne  aufzufallen,  eben- 
so gut  in  Latium  stehen  könnten  und  selbst  die  Derivate 
sind  die  gleichen.  —  Neben  dieser  Identität  ist  aber  die 
sonstige  Kluft  zwischen  den  beiderseitigen  Idiomen  nur  um 
so  räthselhafter  und  bisher  hat  Niemand  den  Versuch  ge- 
wagt, dieses  Räthsel  aufzulösen. 

Nunmehr  erlaube  ich  mir,  die  erklärten  Inschriften  — 
wenigstens  die  erheblicheren  —  der  besseren  Uebersicht 
wegen  hier  noch  einmal  zusammen  zu  stellen,   wie  folgt: 

1)  Mi  Lotus  Ariemas  Anasses  clem. 

Me  Lotus  Arianae  Anassae  fttius  (sc.  posuit). 

2)  Mi  suthi  Larthial  Muihikus. 
Me  posuit  Larthial  Muthicus. 


8Umb\  Brtoänmg  ebuskisther  Insänriftm.  57 

S)  Mi  Avües  Tites  mulenihe. 

4)  Me  Avüus  Titus  fecit. 

5)  Mim  mtdveneke  VeKhu  in  Pupliana. 
Me  fecit  Vultho  in  Populonia. 

6)  Mi  suthi  L.  VelthuH  thura  turce  Au.  VelÜmri. 

Me  posuit  L.  Velthurius,  donum  dedit  A.  Velthurius. 

7)  Eca  suthi  Lathial  Cilhia. 
Hoc  posuit  L.  Cilnia. 

8)  Velias   Fanacnäl    thuflethas   aJpan    lenache   den   cecha 
tuthines  tlenacheis. 

VeliaeF.  (viduae)donum  aegripueri  causa  sanatä  aegritudine. 

9)  Aulesi  Metelis   Ve.    Vesicü    densicen  fleres   tece   sansl 
tenine  tuthines  chisulics. 

Atdi  Metetti  F.  V.  ßii  causa  donum  dedit  (felix  pater) 

sanato  mlnere. 
Und  zum  Schlosse  sei  mir  gestattet,  zum  etruskischen 
Pikenik,  das  bisher  so  viele  ungenießbare  Beiträge  erhalten, 
auch  meine  kleinen  Spenden,  doch  nur  jene,  welche  mir  mehr 
oder  weniger  verlässig  scheinen,  an  einander  zu  reihen,  wie  folgt: 
m  —  in  lenache  —  aeger 

cecha  — -  causa  lenacheia  —  aegritudo 

mim,  mi  —  me  chisuUc  —  vtdnus 

eca  —  hoc  lautni  —  gens,  familia 

alpan  —  donum  suthi,  sathece  —  posuit 

thura  —  donum  lupuce  —  mortuus  est 

dem  —  filius,  junior  mulveneke,  mulenike  —  fecit 

densicen  —  ßii  causa  tuthine  —  sanata 

etera  —  vetus  cedlchs  —  quvnquaginta. 

Allerdings  eine  dürftige  Ausbeutel  aber  wenn  die  Auf- 
stellungen alle  richtig  wären,  doch  mehr  als  der  fleissigste 
Mitarbeiter  bisher  geboten.  Man  sieht,  wie  weit  wir  noch 
zurück  sind,  wie  vieles  noch  zu  thun  wäre!  Dass  wir  die 
perusinische  Inschrift  —  diese  Hauptaufgabe  der  Etru- 
scisten  —  noch  nicht  verstehen,  sagte  einst  Jacob  Grimm, 


58  Sitzung  der  phOoe.-phOd.  Clam  vom  9.  JWK  1864. 

sei  ein  Schandfleck  der  neueren  Philologie  —  aber  es  ist 
leider  zu  furchten,  dass  noch  viele  Zeit  vergehen  möchte, 
ehe  dieser  Schandfleck  von  uns  genommen  wird.  Wer  weiss, 
ob  die  Menschheit  überhaupt  noch  dieses  Ziel  erreicht? 
Vielleicht  ist  es  ein  Trost,  dass  manche  der  Ansicht  sind, 
es  sei  gar  nicht  so  viel  daran  gelegen. 


Herr  Prantl  hielt  einen  Vortrag: 

„Ueber  den  Universalienstreit  im  13.  und  14. 
Jahrhundert/' 

Diese  Forschungen  bilden  einen  integrirenden  Theil 
des  3.  Bandes  seiner  Geschichte  der  Logik. 

Nach  dem  Eindringen  des  neuen  arabisch-aristotelischen 
Stoffes,  welches  bekanntlichst  im  13.  Jahrhundert  stattfand, 
gestalten  sich  die  logischen  Gontroversen  in  einer  ganz 
anderen  Weise,  als  diess  vorher  der  Fall  gewesen  war,  und 
es  steht  geradezu  im  Widerspruche  mit  der  Geschichte, 
wenn  man  die  Parteistellung  mit  den  üblichen  Schlagworten 
„Nominalismus"  und  „Realismus"  ausdrücken  zu  können 
und  die  zahlreichen  Autoren  unter  diese  beiden  Scha- 
blonen rubriciren  zu  dürfen  glaubt.  Dass  auch  vordem,  d.  h. 
im  12.  Jahrhundert,  zwischen  jenen  genannten  zwei  Auf* 
fassungen  noch  eine  erkleckliche  Menge  von  Mittelgliedern 
auftauchte,  habe  ich  wohl  hinreichend  im  2.  Bd.  der  Gesch. 
d.  Logik  nachgewiesen.  Aber  in  jenem  Jahrhundert  lag 
ausschliesslich  nur  logisches  Material,  und  zwar  auch  dieses 
nur  in  sehr  beschränkter  Ausdehnung,  zur  Benützung  vor, 
daher  die  reichlich  geführten  Gontroversen  jener  Zeit  be- 
treffs der  Universalien  sich  überwiegend  nur  auf  dem  Ge- 
biete der  Logik  bewegen  konnten.  Welche  Wirkung  es  etwa 
gehabt  haben  könnte,  dass  zur  Zeit  des  Johannes  von  Sa* 
lesbury  allmälig  auch  die  Haupttheile  des  Organons  (Ana- 
lytiken und  Topik)    bekannt  geworden  waren,    können  wir 


PrcmU:  Der  UnfoeraaKautreU  im  IS.  und  14.  Jdhrhmdert.       59 

nicht  mehr  beurtheilen ,  da  alsbald  hernach  das  lateinische 
Abendland  eine  reiche  Zufuhr  neuen  Stoffes  empfing,  welcher 
nun  alle  Schriftsteller  in  dem  Gebiete  der  Philosophie  in 
Anspruch  zu  nehmen  begann. 

Der  Nachweis,  wie  sehr  das  ganze  Mittelalter  in  in- 
nerer UnselbstBtändigkeit  lediglich  voh  dem  äusserlich  zuge- 
föhrten  Materiale  abhängig  gewesen  sei,  musste  ein  haupt- 
sächlicher Zweck  der  Geschichte  der  Logik  sein,  welche 
eben  hiednrch  über  den  engeren  Kreis  der  eigentlichen 
Logik  hinausgreifen  nnd  in  manchen  Punkten  den  richtigen 
Schlüssel  für  Geschichte  der  mittelalterlichen  sogenannten 
Philosophie  überhaupt  darbieten  kann. 

Die  Araber,  welche  durch  denPorphyrius  gleichfalls  auf  die 
nem  liehen  Fragen  über  die  Universalien  geführt  wurden,  wie  das 
Mittelalter  seit  Boethius,  hatten  zur  Beantwortung,  der  selben 
von  Anbeginn  ein  weit  reicheres  Material  zur  Hand,  indem  sie 
sammtliche  Werke  des  Aristoteles  nebst  den  Gommentatoren 
derselben  besassen;  und  so  war  in  der  arabischen  Literatur 
seit  Alfarabi  und  insbesondere   durch  Avicenna   die   Sache 

* 

reichlich  durchgesprochen  und  vielseitig  erörtert  worden,  so 
dass  in*  dieser  Beziehung  das  lateinische  Abendland  nach 
dem  Eindringen  der  arabischen  Erzeugnisse  eigentlich  Nichts 
mehr  zu  thun  fand. 

Von  Avicenna  war  (wie  ich  bereits  im  2.  Bd.  nachge- 
wiesen) die  Unterscheidung  ausgegangen,  dass  die  Univer- 
salien zugleich  erstens  in  Gottes  Denken  den  Dingen  vorher- 
gehen und  zweitens  in  der  Materie  vervielfältigt  den  Ein* 
zeln-Dingen  einwohnen  und  drittens  hernach  vom  abstrahi- 
renden  Denken  des  Menschen  erfasst  werden.  Und  wenn 
nun  auch  diese  arabische  Doctrin,  welche  sich  in  die  be- 
kannten Stichworte  „ante  rem,  in  re,  post  rem"  zuspitzt, 
eine  ebenso  bequeme  als  nichtssagende  Verquickung  des 
aristotelischen  und  des  platonischen  Standpunktes  ist,  so 
war  sie  wohl   eben   darum  recht  geeignet,    in  Folge   der 


60  Svtrtmg  de*  phOm.phitol  Clane  wm  2.  Juli  1864. 

m 

philosophischen  Kurzsichtigkeit  des  Mittelalters  eine  allge- 
meine Aufnahme  bei  den  Lateinern  zu  finden.  Sie  bildet 
im  13.  und  14.  Jahrhundert  den  einstimmigen  Grundzug 
bei  allen  Autoren,  und  mit  ihr  geht  zugleich  die  arabische 
Bezeichnung,  dass  die  im  menschlichen  Denken  erfassten 
Universalien  die  secunda  inteotio  (im  Gegensatze  gegen  das 
primäre  Sein  der  Dinge  selbst)  seien,  durchgängig  in  das 
Abendland  über. 

Sämmtliche  sogenannten  Philosophen  der  zweiten  Hälfte 
des  Mittelalters  bis  zum  15.  Jahrhundert  sind  ron  der  neu 
aufgetauchten  arabischen  Auctorität  gefangen  genommen, 
und  in  den  Universalien  ante  rem,  in  re,  post  rem  liegt  an 
sich  gar  nicht  das  Motiv  einer  Parteispaltung;  denn  Keiner 
verneint  es,  dass  die  Universalien  im  göttlichen  denken 
liegen,  und  Keiner  verneint  es,  dass  sie  in  den  Dingen 
individualisirt  werden  und  Keiner,  dass  sie  vom  mensch- 
lichen Denken  aus  den  Dingen  zu  entnehmen  sind.  Auch 
stimmen  Alle  darin  überein,  dass  die  Universalien  nicht  als 
platonische  „Ideen"  eine  losgetrennte  Existenz  zwischen 
Gott  und  Welt  besitzen  können,  und  sowie  es  überhaupt 
ein  Aristotelismus  war,  welcher  durch  die  Araber  im  Abend* 
lande  zur  Herrschaft  gelangte,  so  gibt  es  in  jener  Zeit  in 
der  That  keinen  Platoniker ,  während  das  12.  Jahrhundert 
bei  einem  weit  beschränkteren  Materiale  unter  den  ver- 
schiedenen Parteigängern  auch  Platoniker  (Bernhard  von 
Chartree,  Wilhelm  von  Gonches)  aufzuweisen  hat  Erst  seit 
dem  Widererwachen  des  Alterthums  tritt  der  Piatonismus 
wieder  auf  und  findet  bekanntlich  durch  die  Medioeer  in 
der  platonischen  Schule  zu  Florenz  seine  Unterstützung  und 
seine  Veranlassung  zum  Kampfe  gegen  die  Aristoteliker. 

Spüren  wir  aber  den  Gründen  einer  entstehenden 
Meinungsverschiedenheit  und  einer  bunten  Controversen- 
Literatur  des  13.  und  14.  Jahrhunderts  nach,  so  finden  wir 
dieselben  auch  nicht  in  den  Begriffen  ante  rem,  in  re,  post 


PranÜ:  Der  ünwermüienrtreii  im  IS.  und  U.  Jahrhundert.       61 

rem,  sondern  in  ganz  anderen  Momenten,  welche  sich  in 
sehr  eigentümlicher  Weise  verketten.  v 

Da68  Albertus  Magnus  der  grösste  Stofflieferant 
seiner  Zeit  war,  ist  ebenso  verdienstlich  als  allgemein  be- 
kannt; aber  man  hüte  sich  nur,  ihn  für  etwas  Anderes  als 
für  den  Unternehmer  eines  ausgedehnten  Fuhrwerkgeschäftes 
zu  halten ;  denn  sowie  Nichts  von  Allem,  was  er  geschrieben 
hat,  sein  eigenes  geistiges  Besitzthum,  sondern  Sämmtliches 
nur  fremdes  Out  ist,  so  zeigt  er  auch  seinen  Mabgel  an 
Verstand  in  hunderten  innerer  Widerspräche.  Nur  an  Viel- 
schreiberei übertrifft  er  seine  Zeitgenossen  Wilhelm  von 
Auvergne  (Parisiensis)  und  Robert  Capito  (Lincol- 
niensis),  und  sowie  schon  diese  die  verschiedenen  Geltungen 
der  Universalien  neben  einander  hingepflanzt  und  gegen 
Plato  polemisirt  hatten,  so  schreibt  auch  er  seinerseits  in 
der  bei  ihm  üblichen  Verworrenheit  die  Lehre  desAvicenna 
(ante  rem,  in  re,  post  rem)  an  vielen  Stellen  ab,  um  zuletzt 
doch  in  dem  mystischen  Fahrwasser  des  laber  de  causis 
sich  zu  schaukeln.  Wieder  von  ihm  bedingt  und  abhängig 
ist  sein  Schüler  Thomas  von  Aquino,  welcher  das  sehr 
zweifelhafte  Verdienst  beanspruchen  kann,  durch  unklares 
Denken  den  Aristotelismus  und  das  Ghristenthum  mit 
einander  verquickt  zu  haben;  denn  wer  es  vermag,  den 
aristotelischen  Begriff  der  individuellen  Substanz  anzuerken- 
nen und  daneben  trinitätsgläubig  zu  sein,  oder  die  anthropo- 
logische Ethik  des  Aristoteles  mit  der  christlichen  Moral- 
theologie (mit  der  „Tugend  um  Gottes  willen")  zu  amal* 
gamiren,  kann  in  philosophischem  Denken  unmöglich  beim 
ABC  angekommen  sein  (wie  viel  klarer  dachte  hierüber  im 
Anfang  des  16.  Jahrhundert  Petrus  Pomponatius!).  Die 
Theorie  über  die  Universalien  entnimmt  Thomas  einfach 
von  seinem  Lehrer. 

War  man  somit  um  das  Jahr  1270  betreffs  der  Drei- 
geltung der  Universalien   nicht  über  die  arabische  Doctrin 


62  SU*mg  der  phOo§.-phüoL  GZmm  vom  2.  Juli  1864. 

hinausgekommen,  und  verblieb  man  in  dieser  Beziehung 
auch  fortan  bei  derselben,  so  erwuchs  nun  alsbald  von 
einem  ontologischen  Momente  her  eine  Parteispaltung  und 
zwar  war  es  die  Theologie,  durch  welche  dasselbe  in  den 
Vordergrund  gestellt  wurde. 

Wenn  Demiich  Avicenna  den  Grund  der  Individualisirung 
der  Universalien  ( —  principium  individuationis  — )  in  der 
Materie  erblickte,  und  ihm  auch  in  diesem  Punkte  Albert 
und  Thomas  gefolgt  waren,  so  begann  man  schon  um  das 
Jahr  1276  die  theologischen  Bedenken  laut  werden  zu  lassen, 
dass  ja  dann  sowohl  die  persönliche  Unsterblichkeit  unhalt- 
bar sei  als  auch  die  individuelle  Persönlichkeit  der  Engel 
gefährdet  wäre  (denn  in  diesen  beiden  Beziehungen  spricht 
die  Orthodoxie  ja  eben  von  immateriellen  Individuen).  Ver- 
wandt aber  mit  dem  Principe  der  Individualisirung  war 
ferner  bei  Avicenna  und  seinen  genannten  zwei  Nachtreten 
auch  die  Auflassung  der  bei  Entstehung  der  Individuen 
wirksamen  Form,  indem  man  jedenfalls  daran  festhielt,  dass 
Ein  einheitliches  Universale  das  Formgebende  sei,  also  2.  B. 
homo  eben  nur  durch  humanitas  dasjenige  werde  und  sei, 
was  es  ist.  Indem  jedoch  hiedurch  bezüglich  der  Trinität 
eine  allzu  starke  Individualisirung  der  drei  Personen  drohte, 
so  tauchte  in  jener  nemlichen  Zeit  die  gegnerische  Behaup- 
tung auf,  dass  z.  B.  in  homo  die  Formen  der  oorporalitas, 
der  animalitas  und  der  rationalitas  wirksam  seien.  —  Kurz, 
die  unitas  formae  oder  andrerseits  die  pluralitas  formaram 
und  das  principium  individuationis  wurden  nun  zu  Contro- 
versartikeln. 

So  war  schon  am  Ende  des  13.  Jahrhunderts  ein 
kleiner  Krieg  gegen  die  thomistische  Lehre  eröffnet  worden, 
an  welchem  sich  Stephan  Tempier,  Robert  Kilwardby, 
Godofredus  de  Fontibus,  Henricus  de  Gandavo 
(Göthals)  und  insbesondere  Wilhelm  Lamarre  in  manig- 
faltiger  Weise  betheiligten,  und  die  Schildknappen  des  Thomas, 


Pranti:  Der  ünivenalienstreit  im  13.  md  U.  Jahrhundert.      63 

Aegidius  de  Lessines,  Bernardus  de  Trilia  und 
hauptsächlich  Johannes  Parisiensis  (insoferne  er  als 
der  Verfasser  des  dem  Aegidius  Romanus  zugeschriebenen 
Defensorium  zu  betrachten  ist),  suchten  auf  verschiedene 
Art  die  Vertheidigung  ihres  Meisters  zu  führen,  wobei 
namentlich  die  Unterscheidung  zwischen  „sinnlichen  Formen" 
und  „geistigen  Formen"  für  die  spätere  Parteispaltung  und 
zumal  für  vermittelnde  Stellungen  einflussreich  wurde. 

Indem  aber  nun  der  Franziskaner  Duns  Scotus, 
welcher  ebenso  wie  alle  Uebrigen  die  Dreigeltung  der  Uni- 
Versalien  ausdrücklich  anerkennt  (ja  wie  Wilhelm  von 
Auvergne  erschliesst  er  sogar  die  reelle  Existenz  derselben 
aus  dem  Reize,  welchen  sie  auf  unser  Denken  ausüben!), 
bezüglich  des  principium  individuationis  den  Thomisten  eine 
positive  Ansicht  gegenüberstellte,  erhielt  der  ganze  Streit 
einen  bestimmteren  Charakter,  welcher  sich  nun  eigentlich 
um  die  universalia  in  re  drehte.  Scotus  nemlich  fingirte 
für  die  Individualisirung  selbst  wieder  gewissermassen  ein 
Universale,  indem  er  die  „entitas  positiva"  als  das  allein 
Wirkliche  bezeichnete  und  somit  in  der  „haecoeitas"  (d.  h. 
der  individuellen  Substantialität)  das  Prinzip  der  Individua- 
tion  erblickte.  So  waren  die  universalia  in  re  und  die 
universalia  post  rem  schon  ziemlich  nahe  an  einander  ge- 
ruckt, denn  nach  Scotus  soll  nun  eben  jene  haecceitas  durch 
die  ratio  universalitatis  (d.  h.  durch  die  intentio  secunda 
der  Araber)  im  Denken  erfasst  und  so  zur  ratio  quidditativa 
gestaltet  werden.  Aber  dieses  Verfahren  gelte  nur  für  die 
Welt  des  sinnlich  wahrnehmbaren  Einzelnen  und  führe  so 
zum  menschlichen  Wissen,  soweit  dasselbe  reiche;  hingegen 
im  Uebersinnlichen  werde  der .  substantielle  Begriff  eben  nur 
durch  Offenbarung  gewonnen. 

War  es  so  ermöglicht,  dass  man  bezüglich  der  in 
Gottes  Denken  liegenden  universalia  ante  rem  einem  eksta- 
tischen Realismus  nahe  kam   und  zugleich  betreffs  der  uni- 


64  aummg  der  phiioi.-phiiol.  GUme  vom  2.  S«K  1864. 

salia  in  re  und  post  rem  einem  nominalistischen  Empiris- 
mus folgte,  so  ist  es  nicht  auffallend,  wenn  schon  Petrus 
Aureolus  auf  das  Objective  verzichtend  die  Universalien 
für  das  subjective  Wissen  als  ratio  fabricata  per  inteUeetmn 
bezeichnete,  und  selbst  Wilhelm  Durand  vom  Thomismus 
aus  ebendahin  gelangte,  oder  z.  ß.  Walther  Burleigh  in 
der  That  zugleich  als  Realist  und  als  Nominalist  arscheint. 
Eben  aus  Letzterem  aber  ist  ja  gerade  ersichtlich,  das* 
Realismus  und  Nominalismus  nicht  das  Wesen  der  Partei* 
Stellung  ausmachten  und  nicht  Gegenstand  der  Controverse 
waren,  und  gleichsam  zum  Beweise  hievon  wiederholen  uns 
die  Autoren  aller  Farben  zum  Ueberdrusse,  daas  ausser- 
halb der  Seele  die  Universalien  nur  in  den  Einzelndingen 
ezistiren. 

Wohl  hingegen  trat  mit  und  durch  Scotus  eine  ander* 
weitige  Parteistellung  hervor,  nemlich  der  zwischen  dem 
Dominikanerorden  und  dem  Franziskanerorden  bestehende 
Gegensatz.  Während  nemlich  der  Dominikaner  Thomas  den 
transcendenteu  Glaubensgehalt  in  Formen  des  Wissens  fassen 
zu  können  verweinte  und  überhaupt  principiell  auch  das 
Practische  dem  Theoretischen  unterordnete,  so  dass  die 
thomistiscben  Dominikaner  als  Kathederhelden  die  theologische 
Gelehrsamkeit  repräsentirten ,  blieben  die  Franziskaner  dem 
unmittelbar  gläubigen  Bewusstsein  getreuer  und  standen  der 
Unmittelbarkeit  des  sogenannten  niederen  Volkes  in  Seel- 
sorge u.  dgl.  näher,  daher  ihnen  gerade  die  praktische 
Aufgabe  der  Theologie,  welche  eine  Seelenarznei  sein  solle, 
als  die  eigentliche  galt.  So  auch  dürfen  wir  im  Zusammen- 
halt mit  dem  vorhin  Bemerkten  in  den  Franziskanern  die- 
jenigen erblicken ,  welche  den  geschichtlichen  Auslauf  des 
scholastischen  Mittelalters,  welcher  einerseits  zu  Mysticismus 
und  andrerseits  zu  Empirismus  führte,  bereits  mehr  als  dem 
blossen  Keime  nach  in  sich  trugen. 

Durch    Occam   aber   trat   die  Sache   in   eine   neue 


PrcmÜ:  Der  ünherxdienstreit  im  IS.  und  14.  Jahrhundert.      65 

Wendung.  Dieser  nemlich  verflocht  die  byzantinische  Logik 
des  Psellus,  welche  schon  seit  dem  Anfange  des  13.  Jahr- 
hunderts im  Abendlande  recipirt  worden  war  (Wilhelm 
Shyreswood,  Lambert  v.  Anzerre,  —  s.  m.  2.  Bd.  — ,  erst 
spater  Petras  Hispanns),  aber  bis  dahin  immerhin  nur 
parallel  nebenher  lief,  nun  innig  mit  der  aristotelisch- 
arabischen Theorie.  Und  sowie  es  sich  hier  abermals  be- 
währt, dass  das  Mittelalter  nur  durch  Material-Zufuhr  be- 
dingt ist,  so  kann  in  diesem  Falle  die  Geschichte  der  Logik 
jener  UnTerständlichkeit  des  Occam,  über  welche  bisher  mit 
Recht  vielfach  geklagt  wurde,  genügend  zu  Hülfe  kommen: 
denn  sobald  man  entdeckt  hat,  dass  das  Unverständliche 
nur  auf  byzantinischer  Terminologie  beruht,  ist  die  Brücke 
zur  Erklärung  gegeben.  Es  ist  nemlich  der  langathmige 
und  in  viele  Unterabiheilungen  zerfallende  Abschnitt  De 
terminorum  proprietatibus,  welcher  aus  der  Logik  des  Petrus 
Hispanus  bei  Occam  in  die  ganze  Lehre  von  den  Univer- 
salien verwoben  ist  Da  in  Folge  der  haecceitas  des  Scotns 
dem  Menschen  alles  Erfahrungsmäesige  nur  in  singulfiren 
Individuen  erscheinen  kann,  gelangt  auch  Occam  wie  Petrus 
Aureolus  zu  der  Ansicht,  dass  die  Universalien  nur  ein 
Actum  quoddam  ezistens  obiective  in  mente  sind  (dass  im 
Mittelalter  durchgängig  „obiective"  dasjenige  bedeutet,  was 
später  seit  Baumgarten  „subjectiv"  heisst,  und  umgekehrt, 
ist  bekannt).  Aber  eben  dieses  von  der  Menschenseele  er- 
zeugte Universale  konnte  Occam  in  dem  byzantinischen  Be- 
griffe „terminus"  wiedererkennen,  welcher  als  Allgemein- 
begriff das  Einzelne  in  sich  voraussetzt  (supponit)  und  in 
gewissen  Modalitäten  auf  das  Einzelne  vertheilt  wird  (distri- 
butio,  und  was  sonst  noch  Alles  in  der  abstrusen  Logik  des 
Psellus  vorkam).  So  bewegt  sich  dann,  —  um  nur  bei  der 
Kernfrage  zn  bleiben  — -,  auch  bei  Occam  das  Gebiet  der 
menschlichen  Logik  und  der  hierauf  begründeten  Wissen- 
schaft in  den  universalia  in  re  und  post  rem,  und  auch  er 
[1864  Hl.]  6 


66  Stonmg  der  phOos.-philol.  Glosse  wm  2.  Jtdi  1864. 


konnte  (nur  schärfer,  als  schon  durch  Andere  geschehen  war) 
das  ante  rem  auf  Gott  Bezügliche  und  so  überhaupt  das 
transscendent  Dogmatische  als  ein  jenseits  der  Logik  liegen- 
des bezeichnen.  (Für  die  Theologen  mag  der  Aufschlug 
von  Interesse  sein,  dass  auch  das  vielbesprochene  Centi- 
logium  des  Oocam  nur  eine  Uebertragung  byzantinischer 
Sophismen  auf  das  Dogma  enthält  und  hiedurch  die  Incom- 
mensurabilität  syllogistischer  Formulirung  und  gläubiger  Hin- 
gabe darthun  will.) 

Und  nun  gestaltet  sich  die  Parteistellung  derartig,  dass 
diejenigen,  welche  mit  Occam  die  Universalien  in  die  viel- 
seitig anwendbaren  „termini"  verlegen  und  dort  die  Wechsel- 
beziehungen zwischen  Allgemeinem  und  Singulärem  unter- 
suchen, erklärlicher  Weise  „terministae"  genannt  werden, 
hingegen  Jene,  welche  sich  auf  die  universalia  in  re  werfen 
und  dort  die  Frage  über  Individuation  und  Formgestaltung 
des  Singulären  discutiren,  als  „formalistae"  bezeichnet 
werden,  so  dass  hiebei  immer  noch  die  doppelte  Möglichkeit 
offen  bleibt,  entweder  ein  thomistischer  oder  ein  scotistischer 
Formalist  zu  sein.  Und  nachdem  die  Kirche  sich  gegen  den 
OccamiBmus  erklärte,  bleibt  für  die  Folgezeit  nur  eine  thomi- 
stische  oder  eine  scotistische  Logik  im  Reste.  In  der 
Zwischenzeit  aber  kreuzen  sich  die  Parteistellungen  auch 
innerhalb  der  Orden,  d.  h.  in  der  zweiten  Hälfte  des  14. 
Jahrhunderts  finden  wir  thomistische  Franziskaner  und  ooeami- 
stische  Dominikaner  und  Augustiner,  ein  Verhältniss,  welches 
sich  dadurch  erklärt,  dass  der  Parteistandpunkt  nur  von  dein 
Grade  der  Macht  abhieng,  welche  der  byzantinische  Lehr- 
stoff auf  die  Einzelnen  ausübte.  Glaubt  man  aber  die  Ter- 
ministen  als  Nominalisten  und  die  Formalisten  als  Realisten 
bezeichnen  zu  können,  so  irrt  man  nach  beiden  Seiten,  und 
zumal  nach  der  letzteren,  sowie  auch  bei  ersterer  der  ge- 
schichtliche Sachverhalt  durch  solche  Ausdrucksweise  eher 
verschoben  als  dargestellt  wird. 


Thomas:  Der  Laieinerzug  nach  einer  venez.  Chronik.  67 

Wenn  endlich  am  Auslaufe  des  Mittelalters  eine  Per- 
sönlichkeit wie  Gerson  in  sich  Mysticismus  und  sogen. 
Nominaüsmu&  paart,  so  dürfen  wir  hierin,  wie  oben  bemerkt 
wurde,  gleichsam  das  abschliessende  Corollarium  einer  ganzen 
Zeit  erblicken,  welche  auf  diesen  Doppelweg  hinausgetrieben 
werden  musste  und  es  der  nächsten  Folgezeit  als  Erbe 
hinterliess,  sich  in  Mystik  und  Empirismus  zu  theilen. 


Herr  Thomas  sprach: 

Ueber  die  handschriftlichen  venezianischen 
Chroniken,  die  er  während  seiner  jüngsten  wissen- 
schaftlichen Reise  zu  examiniren  Gelegenheit  gehabt 
hat,  und  legte  der  Glasse  das  „Fragment  einer 
solchen  aus  dem  15.  Jahrhundert  vor,  das 
den  Lateinerzug  nach  Constantinopel  be- 
handelt." 

Cronaca  di  Yenezia,  autore  Zorei  Dolfin.  Codex 
Italicus  Appendix  Classe  VII.  Nr.  DCCXCIV  (qu.  Girol. 
Contarini  Nr.  96),  cart.  in  folio  Saec.  XVI.  auf  der  Marcus- 
Bibliothek  in  Venedig. 

Fol.  74\]    Cotne  una  gran  compagnia  de  signori  oltramon- 

tani  manch  a  domandar  soccorso  a  Venetiani  per  andar  a 

recuperar  le  terre  sante  e  per  hauet  il  re  Balduin  re  de 

Jerusalem  el  quäl  era  prezo  m  man  de  Saracini. 

In  tempo  di  questo  doxe  [sc.  Rigo  Dandolo]  per  uolonta 

de  dio  una  grande  et  alta  compagnia  si  assunorono  insieme 

de  principi  et  signori  oltramontani  et  fra  loro  fu  deliberato 

de  andar  a  seruir  miser  domenedio  oltra  el  mar  et  andar 

a  conquistar  le  terre  sante  et  fu  el  primo 

5* 


68  Sitemg  der  phHoB.-pkOdl.  dorne  vom  3.  JuU  1864. 

El  Conte  Timbaldo  de  CSompagoia  com  El  Conte  Bal- 
duino  de  Fiandra.  El  Conte  Aluixe  Debes.  El  Conte  de 
Si88on.  El  Vescouo  de  Stisire.  El  Conte  de  Sanpolo  ot 
molti  altri  signori  nobilissimi  et  chaoalieri  oltramontani.  Et 
come  el  piaxete  a  dio  el  mancho  el  conte  de  San  Polo.  El 
quäl  lasso  in  suo  testamento  che  la  sua  uegte  darme  com 
la  croxe  fasse  portada  al  Marchexe  Bonifacio  de  Monfera, 
et  cußi  tutto  lo  suo  hauer  che  lui  hauea  parechiato  per 
portar  oltra  el  mar,  et  cusi  il  ditto  marchexe  rezeuete  quelle 
cosse  aliegramente.  Queste  compagnie  de  signori  pellegrini 
uogliando  mandar  ad  exeqution  quella  cosa,  mandorono 
ambasciada  per  tractar  cum  Venetiani  che  li  desseno  passazo 
cum  li  8ui  nauilij  per  450  chaualieri,  900  schudieri  armadi, 

'XX'  homini  armati  cariazi  et  uictuarie  et  tutte  sue  altre 
cosse  et  aparechiamenti.  Item  uoleano  galie  .L?  armade 
e  ben  in  ponto  et  fusseno  per  uno  anno  poste  in  ordene  et 
promesseno  per  la  spexa  de  armar  LXXXV  millia  marche 
de  arzento  fin  al  peso  de  Chologna  cum  pacto  de  uoler  dar 
la  mita  de  tutto  quello  se  conquistasse  ali  Venetiani.  Et 
piaxando  questi  patti  a  miser  lo  doxe  et  ala  signaria,  fdrono 
F.  75.]  confirmati  li  patti  |  tra  ambe  due  le  parte  et  cusi 
li  ditti  ambasciatori  cum  questo  se  ne  parti. 

Dapoi  pocho  tempo  ritornorono  li  ditti  ambasciatori  o 
signori  a  Veneria  digando  non  esser  possibile  ad  attender 
ali  primi  pacti,  et  feceno  menor  patti  et  Obligation  una 
parte  et  laltra. 

Dapoi  questo  fu  chiamato  publicho  arrengo  de  tutto  il 
populo  assunati  in  la  chiexia  de  miser  San  Marcho  et  per 
miser  lo  patriarcha  fu  cantado  la  messa  del  spirito  santo 
cum  la  oration  del  euangelista  miser  San  Marcho.  Dapoi 
ditta  la  messa  fu  pronnnciadi  et  publichadi  i  pacti  et  con- 
dition  era  concluxi  tra  el  doxe  et  la  signoria  da  una  parte, 
et  li  signori  pellegrini  cum  el  m&rchexe  de  Monfera» 


Thomat:  Der  LateinerMug  nach  einer  tenes.  Chronik.  69 

£1  doxe  die  hatteua  curta  uista  et  li  occhij  sui  erano 
bellissiuri  monto  sopra  il  capitelo  et  diese 

Signori  Venetiani,  le  uero  che  nui  siamo  acordati  et 
contiegnudi  con  questi  signori  oltramontani  per  andar  al 
aeruitio  de  dio  oltra  el  mar  per  conquistar  le  terre  sante 
doue  lui  fu  morto  per  nai  et  ben  che  io  mi  ueda  uechio  et 
dispossente  non  di  meno  questo  pocheto  di  teinpo  che  resta 
de  la  mia  uita  lo  uoglio  metter  uolontiera  nel  seruitio  de 
dio,  et  prender  lo  segno  de  la  santa  croce  et  andar  cum 
questi  signori  in  coinpagnia  et  com  uoi  altri  siando  nostra 
uera  uoluntade  che  altramente  non  intendo  de  far  perche  io 
son  uostro  doxe. 

Alhora  cominciorono  a  cridar  che  erano  content!  Et 
subito  ü  ditto  doxe  ando  al  altar  et  tolse  la  croce  in  man 
che  hauea  el  patriarcha  et  per  simile  li  altri  zintilhomini 
et  boni  Venetiani  cum  bon  animo  et  cum  lachryme  piangendo 
cum  li  dilti  signori  pellegrini  cum  grandissima  allegreza  et 
charita  abrazandosi  luno  et  laltro,  et  cusi  in  quella  deliberono 
et  ordinono  che  miser  lo  doxe  de  Venetia  sopraditto  douesse 
esser  suo  chapo,  et  li  ditti  steteno  in  Venetia  per  fina  che 
furono  aparechiade  le  naue  et  gallie  per  la  ditta  armada. 

Cotne  lo  itnperador  JEmanuel  mori  in  questo  tempo. 

In  quello  tempo  mori  Emanuel  de  Gonstantinopoli  del 
quäl  era  rimasto  uno  garzon  suo  fiolo  habuto  da  una  dona 
del  re  de  Franza  lo  quäl  lui  lasso  in  guardia  de  uno  suo 
cuxin  per  nome  Andronicho  el  quäl  strangolo  el  ditto  garzon 
et  fecesse  imperator  et  fu  uno  crudelissimo  aignor  et  hauea 
piacer  de  lezer  uno  libro  de  le  profecie  de  Gonstantinopoli 
de  le  coese  che  doueano  uignir.  El  quäl  se  diceua  esser 
facto  per  miser  San  Daniel  profetta,  et  in  quello  trouo  come 
uno  per  nome  Jursa l)  lo  douea  cazar  de  lo  imperio,  et  cusi 


1)  i.  e.  Kyr  Sac;  Isaac. 


70  Sümmg  der  phüos.-phüol.  Oas$e  vom  2.  Juli  1864. 

lui  per  dubito  comando  che  tutti  quelli  che  hauesseno  nome 
F.  75v.]  Jursa  fosseno  morti,  et  cusi  fu  facto,  exetto  |  tmo 
pouero  nobillissimo  del  parenta  del  ditto  Emanuel  el  quäl 
per  la  sua  pouerta  era  disperato  chiamato  Jursa,  et  quello 
douendo  essere  morto  da  uno  messo  de  lo  imperator  amazo 
el  ditto  messo  et  ando  cridando  per  tutta  la  terra  in  modo 
che  tutto  il  populo  el  sequiua  et  si  se  saluo  in  Santa  Sofia 
in  luocho  de  franchixia,  et  facto  li  grande  assunanza  del 
populo  mando  per  el  patriarcha  et  fu  coronato  imperator 
contra  la  sua  uolunta  et  menollo  al  pallazo  doue  era  An* 
dronicho  imperator  el  quäl  fuzando  fu  prexo  et  messo  in 
man  de  Jursa  imperator  nouo. 

Et  Jursa  imperator  nouo  habiando  nele  man  Andronicho 
imperator  cazado  per  lui  per  le  crudelitade  facte  al  tempo 
del  suo  imperio  lo  aprexento  al  populo  a  zudegarlo,  onde 
el  fu  determinato  chel  douesse  morir  et  cusi  fo  strasinado 
per  tutta  la  citade  pelandoli  la  barba  in  modo  che  per  li 
gran  tormenti  fu  morto  et  butado  ad  uno  certo  loco  ali 
cani,  et  lo  ditto  Jursa  rimaxe  liberamente  imperator.  Et  a 
questo  modo  perse  li  grifoni2)  lo  imperio  de  Romania  el 
quäl  loro  tene  molti  anni  per  forza. 


2)  Weiter  unten  f.  85b,  86  heiaat  (a.  1230)  Uataeo '  imperator 
de  grifoni.  Diese  Bezeichnung  der  Byzantiner,  wahrscheinlich  ein 
Spottname  religiöser  Zwietracht,  scheint  im  Occident  ziemlich  ge- 
läufig und  im  Gegensatz  zwischen  Lateinern  und  Griechen  gebräuch- 
lich gewesen  zu  sein.  So  z.  B.  ist  in  der  französischen  Fortsetzung 
des  Wilhelm  von  Tyrus  immer  der  Gegensatz  —  Grifom  —  LaUns, 
wo  die  Handschriften  statt  des  ersteren  auch  Orex  bieten,  wie  in 
der  hieher  bezüglichen  Stelle  der  sogenannten  'Estoire  de  Eraoles 
Empereur',  Recueil  des  historiens  des  croisades,  Historiens  occidentauz 
t.  II,  p.  268 ff.  Vgl  sonst  Ducange  im  Glossar  zu  Villhardnin  a.  v.  CHriffbns, 
und  das  Glossarium  mediae  et  infimae  Latinitatis  t.  3,  567  sub 
Griffones. 


Thomas:  Der  Latemereug  nach  einer  venes.  Ghronik.  71 

Come  el  ditto  imperator  Jursa  habiando  recuperato  il  suo 
fratello  el  ditto  li  fece  chauar  li  ochij. 

Questo  imperator  haueua  uno  suo  fratello  in  prexon  in 
in  man  de  Saracini,  et  delibero  de  hauerlo,  et  cum  XL  Villi 
perperi  lui  lo  haue,  et  zonto  lui  in  Constantinopoli  le  fece 
granmaistro  et  bauea  nome  Alexio.  onde  per  spatio  de  tempo 
el  ditto  Alexio  prexe  uno  zorno  el  ditto  Jursa  imperator  et 
cauolli  li  ochij  et  per  forzalui  si  fece  imperator,  ingrato  del 
seruitio  a  lui  facto  per  el  ditto  suo  fratello  che  lo  hauea 
rechauato  fora  di  prexon.  El  ditto  Jursa  si  haueua  uno 
suo  fiolo  con  lo  imperator  de  Alemagnä  el  quäl  sapiando  de 
quello  hauea  fatto  il  barba8)  a  suo  padre,  uene  a  la  pre- 
xentia  del  papa  de  Roma  lamentandosse  del  ditto  suo  barba 
che  hauea  cauato  li  ochij  a  suo  padre  et  toltoli  lo  imperio 
per  forza.  la  quäl  cossa  molto  dispiacette  al  papa  et  niando 
el  ditto  garzon  a  Venetia  molto  aricomandandolo  al  doxe 
et  a  la  signoria  di  Venetia  et  a  quelli  signori  pellegrini  che 
lo  douesseno  aiutar  et  soccorer  a  questa  sua  andada  cum 
larmada  dagandoli  perdon  de  colpa  et  de  pena  et  cusi  il 
ditto  garzon  Alexio  fiolo  de  Jursa  zonto  a  Veijetia  fece  molti 
pacti  cum  el  doxe  et  la  signoria  et  cum  quelli  signori 
pellegrini. 

Come  Alexio  imperator  dubitando  de  suo  neuodo  mando  a 

dommidar  soccorso. 

F.  76.}  |  Alexio  imperator  dubitando  del  neuodo  fuzido 
mando  a  la  signoria  di  Venetia  obligandosse  uolerli  deffender 
da  tutto  il  mondo,  onde  miser  lo  doxe  li  rispoxe  ringrati- 
andolo  de  la  sua  bona  offerta  et  dispositione.  Et  quando 
li  ambasciatori  de  lo  imperator  uetteno  tanta  baronia  et 


3)  Venezianisoh  =  sio,  Onkel. 


72  SUmmg  der  phihi.-phQol.  dam  vom  3.  MU  1S64. 


et  aparechiamento  de  naue  et  gaDie,  se  deno  grau 
marauiglia  et  subito  ritornorono  in  Constantinopoli,  et  do- 
mandadi  da  lo  imperator  de  la  risposta  haueano  habuta, 
disseno,  chaualaria  chara  uia  chatregapolla 4),  che  uenne  a 
dire  'caualli  et  gallie  et  naue  assai'.  Et  questo  Alexio  penso 
chel  fusse  per  la  prexa  lui  hauea  fatto  di  suo  fratello  al 
quäl  lui  hauea  tolto  la  signoria ,  et  dubitando  se  messe  in 
ordene  de  tutte  cosse  per  non  esser  scazado  dal  imperio  dal  ditto 
suo  nieuo  per  ladiutorie  lui  hauea  obtenuto  de  la  signoria. 

Come  se  partim  U   Venetiani  per  andar  a  conquistar  le 

terre  sante. 

Ritorniamo  allo  exercito  et  armada  se  aparichiaua  in 
Venetia  per  andar  oltra  il  mar.  Quando  tutto  fu  apa- 
rechiato  et  in  ordene,  cum  el  nome  del  spirito  santo  et  del 
euangelista  miser  San  Marcho  se  dispartino  de  suzo  il  porto 
de  Venetia  et  feceno  uella  et  questo  fu  neLM.  cc.  ij.  et 
tutte  le  done  di  Venetia  piangeua  pregando  idio  li  desse 
uictoria  sperando  in  lui  die  per  tanto  seruitio  et  honor  di 
quello  iudioauano  et  pensauano  che  lui  saria  suo  diffensor 
et  in  aiuto. 

Come  la  ditta  armada  ando  a  Zara  a  combaterla  et  re- 

quistarla  laquai  hauea  rebeUato. 

Et  zonta  che  fu  la  ditta  armada  a  Zara  i  determino 
de  combaterla  per  forza  darme  et  li  tramontani  forono  con- 
tent! perche  li  Venetiani  li  promesseno  de  darli  la  mita 
del  butino  che  li  uadagnasse  et  subito  miser  lo  doxe  fece 
aparechiar  suo  ediffitij  et  schale  a  combatter,  et  quelli  de 
Zara  uedando  tanta  nobil  baronia  et  tanta  moltitadine  de 


4)  Das  ist  grieohisoh:  xaßaXXdQta,  xaQußw>  xatqpa  nott*. 


Thomas:  Der  Lcdeinermtg  ntuh  einer  ****.  Chnmik.         73 

zente  i  serendeteno  a  miser  lo  dose  iassando  in  liberta  lo 

• 

hauer  purche  le  persone  fosseno  salue  et  cos  haueno  la 
citade  et  lo  dominio  de  Zara.  et  auarrti  la  sua  partida  zonse 
li  Alexio  fiol  de  Jursa  imperator  de  Constantinopoli,  el  quäl 
uigniua  da  Roma  com  lettere  et  raformo  sui  patti  com  el 
doxe  et  altri  signori  de  lannada  die  ee  i  lo  metteuano  in 

signoria  lui  daria  aloro  *  CC  *  marche  daizento  et  tutta 
uictuaria  che  li  bisognasse.    Et  furono  stabiliti  li  lor  patti. 

Com  la  ditta  armata  zonse  a  Constantinopoli. 

F.  76T.]  ( Dapo  habuta  Zara  se  dispertino  et  nauigando  zonseno 
a  Constantinopoli  et  subito  larmada  rompe  nna  chathena 
che  era  da  Pera  a  Constantinopoli.  subito  la  ditta  armata 
entro  dentro  el  porto  et  prexeno  nno  castello  apresso  la 
terra  che  se  chiamaua  Belmonte  et  acampose  tutto  lo  exer- 
cito,  da  nna  parte  li  oltramontani  da  laltra  miser  lo  doxe 
et  Venetiani,  et  da  mar  et  da  terra  duro  la  battaglia  parechij 
zorni,  finalmente  per  Venetiani  fu  prexa  la  ditta  cita  de 
Constantinopoli,  et  li  Greci  uedando  lo  imperator  Alexio  era 
scampato,  non  habiando  animo  de  star  a  defexa  de  la  cita 
contra  la  possanza  dltaliani,  andando  da  lo  imperator  Jursa 
el  quäle  era  in  uno  monastier  de  calojeri  et  disseli  (nui 
uolemo  che  tuo  fiol  Alexio  zouene  sia  nostro  imperator'  et 
poi  li  ando  da  miser  lo  doxe  et  dal  marchexe  et  dal  conte 
deFiandra  et  cum  quelli  rimaxeno  dacordo  chel  fusse  tolto 
il  ditto  Alexio  fiol  de  Jursa  per  imperator  suo  et  quello  fo 
menado  in  la  chiexia  de  Santa  Sofia  et  li  fu  incoronato 
imperator.  el  quäl  sapiando  de  uno  suo  parente  molto 
sapientissimo  homo  el  quäl  era  in  prexon  chiamato  Mar-  x 
silio6),  lui  el  fece  cauar  de  prexon  et  fecelo  suo  baron  et 
gran  maistro  mazor  che  lui  hauesse  apresso  de  si. 


5)  Das  ist  Mursuphtiu. 


74  SUnmg  der  pMUm.-phOoi  Chm  vom  2  JwU  IBM. 


Dapoi  facto  questo  miser  lo  dose  et  li  ditti  signori  oltra- 
montani  domando  a  questo  Alexio  zoueae  facto  imperator 
che  li  «douesse  attender  a  le  promesse  facte  perche  essi  erano 
per  andar  a  far  mazor  facende,  si  che  li  pregauano  che  lui 
douesse  dar  spazamento  acio  potesseno  andar  a  far  li  facti 
80i  et  exequir  lo  suo  uiazo.  lui  ueramente  pensaua  darli 
una  parte  et  del  resto  darli  ganze6)  in  pagamento  non 
corando  del  sagramento  lui  haueua  fatto  al  doxe  et  ali 
principi,  et  de  questo  era  caxon  quello  Marsilio  lui  hauea 
cauato  de  prexon  et  facto  modo  del  suo  hosteile  et  durando 

la  ditta  contexa  per  uoler  quelli  signori  lo  *  200 '  marche 
darzento,  Marsilio  amazo  occultamente  Alexio  nouo  imperator 
et  tegnudo  occulto  dagando  ad  intender  a  tutti  chil  fasse 
agrauado  da  male  perho  non  potenano  hauer  sua  Intention. 
Ma  miser  lo  doxe  cum  quelli  altri  principi  se  ne  acorse,  et 
cusi  uedando  esser  inganadi  da  questo  Marsilio,  deliberono 
da  rechao7)  dar  battaglia  ala  cita  et  de  combatterla  et 
quello  mando  sui  ambasciatori  a  miser  lo  doxe  et  a  quelli 
signori  domandando  uoler  esser  a  parlamento  cum  essi  et 
cusi  uene  il  ditto  Marsilio  fuora  a  parlamento  cum  miser 
lo  doxe  et  seguite  molte  parolle  et  partido  da  lui  ritorno 
a  Gon8tantinopoli  regnando  in  lo  imperio  apertamente.  Et 
una  nocte  mando  occultamente  *  XVI  *  naue  carge  de  bruscha 
F.  77*.]  cum  vento  da  buora  sopra  larmada  di  Venetiani  | 
per  bruxarla.  onde  per  questo  non  potte  far  danno  niuno 
a  quella  et  subito  fu  deliberato  dar  battaglia  ala  terra  et 
ditta  la  messe  del  spirito  santo  for  Ordinate  le  battaglie  da 
mar  et  da  terra  a  le  sue  poste  cum  gran  numere  de  schale. 


6)  Entspricht  dem  Italienischen  eiance,  in  der  Bedeutung  von 
parole,  pura  puta  verba. 

7)  da  rechao:  dereekef,  dinuovo.  S  Boerio  Dizionario  del  dialetto 
veneziano  sab  da  recä. 


Thomas:  Der  Lateirwtug  nach  einer  venez.  Chromk,  75 

Et  subito  per  Venetiani  fu  sehalado  la  terra,  el  primo  che 
monto  fu  uno  chiamato  Pietro  Alberto,  et  per  lui  fu  messa 
la  insegna  de  miser  San  Marcho  suxo  la  prima  torre.*  e  poi 
tutti  seguendo  cum  le  schale  tutti  quelli  oltramontani  ualoro- 
xamente  portandosse.  et  tutto  lo  exercito  de  Italiani  prexeno 
et  introno  in  Constantinopoli ,  et  fa  prexo  et  morto  per 
Italiani  quel  Marsilio  inperacjor  traditor.  £1  doxe,  el  mar- 
chexe de  Monfera,  el  conte  de  Fiandra  contra  laltra  hoste 
entro  in  la  citade  et  quella  haue  liberamente.  Et  lo  mar- 
chexe de  Monfera  mando  in  prexon  a  Monfera  Alexio  che 
hauea  fatto  chauar  li  occhij  al  suo  fratel  Jursa. 

La  zente  de  larmada  del  serenissimo  miser  lo  doxe  al 
tempo  de  quelli  signori  guadagno  una  gran  quantita  de  oro 
et  de  arzento  mettando  tutta  la  cita  de  Constantinopoli  a 
sachomano.    Et  questa  uictoria  fu  corando  li  anni  del  signor 

.m.  cc.  nn. 

Come  dapoi  la  prexa  de  Constantinopoli  fo  deliberato  per 
il  conseglio  de  quelli  baroni  '  XII •  eUectori  che  hauesseno 
ad  ettezer  lo  Imperator  de  Constantinopoli.    De^i  quali  fu 

6  oltramontani  et  6  Venetiani. 

Prexa  la  ditta  cita  fii  deliberato  per  miser  lo  doxe  et 
quelli  signori  de  far  per  il  suo  zeneral  conseglio  *  XII a 
eUectori  i  quali  douesseno  ellezer  uno  nouo  imperator  de 
Constantinopoli  de  i  quäl  eUectori  fusseno  sei  Venetiani  et 
sei  oltramontani  et  Lombardi.  alcuni  uoleuano  il  conte  de 
Fiandra,  alcuni  el  doxe  de  Venetia  et  alcuni  el  marchexe 
de  Monfera ,  et  fatta  gran  contexa  et  parlamento  tra  essi 
ditte  et  allegate  molte  raxon.  de  queste  raxon  finalmente 
uno  miser  Panthalon  Barbo  disse  a  conforto  per  ogni  bon 
respecto  et  per  lo  meglio  de  lo  imperio  chel  fosse  elletto 
el  conte  de  Fiandra,  el  quäl  era  uno  grandissimo  signor  et 
richo,  et  li  oltramontani  sariano  piu  contenti  de  lui  che  de 


76  aummg  der  pKkm.-phOol.  ÖUtm  vom  2.  MU  1*#*. 

altro  ßignor  et  essi  Venetiani  com  li  ottramontani  se  acor- 
dorono  insieme  tutti  questi  ellectori  et  com  el  nome  del 
spirito  sancto  deliberorono  de  ellezer  imperator  de  Romaoia 
et  de  Constantinopoli  el  conte  de  Fiandra. 


Come  el  magnificho  conte  de  Fiandra  fo  incoronato  imperator 

de  lo  itnperio  de  Constantinopoli. 

El  magnificho  et  potente  conte  ßignor  de  Fiandra  ditto 
imperator  de  lo  imperio  de  Constantinopoli  el  fh  con  gran- 
dissimo  honor  acompagnatö  ala  chiexia  de  Santa  Sofia  doue 
F.  77b.]  honoreuel  |  mente  incoronato  com  grandissime 
solemnitade  et  cerimonie  Imperator  de  Constantinopoli  et 
de  tutto  lo  imperio,  doue  el  fece  dapoi  assaissimi  chaualieri 
tutti  homini  notabilisaimi  et  degni  et  feceli  suzetti  et  offitiali 
segondo  la  dignita  de  lo  imperio.  Dapoi  de  li  se  parti  et 
andono  al  pallazo  a  chauallo  et  lo  imperator  et  miser  lo 
doxe  per  le  quäl  dignita  portauano  bachette  in  man  cum 
le  spade  auanti  de  loro  et  nel  pallazo  forono  facte  gran- 
dissime feste  et  triumphi  si  come  se  conuigniua  a  tanto 
imperio  et  signoria  de  far  per  dignita. 

De  U  prwüegij  et  prementie  che  sono  facte  ali  Venetiani 

in  ConstantinopoU. 

Dapoi  la  ditta  incoronation  el  serenissimo  doxe  miser 
Rigo  Dandolo,  et  marchexe  de  Monfera  cum  quelli  oltra- 
montani  ordinorono  che  tutto  quello  exercito  douesse  ro- 
magnir  a  Constantinopoli  per  uno  anno  per  refor  et  stabilir 
lo  imperio,  et  che  miser  ie  doxe  et  li  Venetiani  per  lui  et 
sui  successori  hauesseno  mero  et  iusto  imperio  de  Constan- 
tinopoli zoe  in  la  cita  et  fasaeno  asciolti  de  ogni  datio  ne 
fuseeno  astretti  de  far  akun  zuramento  et  che  nela  iustiäa 


Thomas:  Der  LaMmreng  nach  einer  venee.  Chronik.         77 

et  raxon  ne  foese  tre  Venetiaoi  et  tre  oltramontani  et  per 
totte  le  parte  fo  zurado  de  otaeruar  i  pacti  et  romagnir 
oootento  de  quella  sua  parte  li  tochasse. 


De  le  partixon  che  furono  facte  de  lo  imperio  de  Con- 

stanUnopoli. 

Fo  facte  le  parte  de  lo  imperio  de  tutta  la  Romania 
tra  el  conte  de  Fiandra  Imperator  elleoto  et  Venetiani  et 
lo  marchexe  de  Monfera  in  queeto  modo: 

A  li  oltramontani  tocho  cinque  octaui  de  la  cita  de 
Constantinopoli  et  de  molte  altre  bone  cita. 

A  tniser  Eigo  Dandolo  doze  per  el  comiin  di  Venetia 
tre  octaui  de  la  dicta  cita  de  Constantinopoli  et  molti 
altri  lochi. 

AI  marchexe  de  Monfera  la  cita  de  Salonicho  com  tutte 
le  sue  pertinentie. 

Lo  reßto  ueramente  de  tutto  lo  imperio  rimaxe  sotto 
lo  imperio  del  nouo  imperator  de  liquali  seria  longo  scriuere 
tutti  nominada  mente  per  ordine. 

Come  la  signoria  de  Venetia  compro  lixola  de  Candia  et 
come  el  ei  haue  el  dämme  de  quella. 

In  tempo  di  miser  Rigo  Dandolo  doxe  di  Venetia  el 
marchexe  de  Monfera  chiamato  Bonifacio  el  quäl  era  insido 
de  una  fiola  de  lo  imperator  Alexio  de  CJonstantinopoli  ma- 
ritada  nel  padre  de  questo  Bonifacio  marchexe  de  Monfera 
al  quäl  fii  dato  in  dota  lixola  di  Gandia,  laqual  era  diuixa 
F.  78.]  |  et  separata  da  lo  imperio,  al  tempo  del  conquisto 
de  quello,  come  di  sopra  e  dicto,  el  ditto  la  aende  come  di- 
80tto  se  narra  com  el  modo  infrascripto. 


i7S  Sünmg  der  phüos.-phOol.  Clane  wm  3.  Juli  1864. 

Cotne  Bonifacio  marchexe  de  Monfera  lasso  tutta  la  sua 
parte  de  lixola  de  Candia  a  la  signoria.*) 

Del  anno  del  nostro  signor  Jhesu  Christo  •M'CC'IHI' 
al  tempo  de  papa  Inocentio  Io  Bonifacio  marchexe  de  Mon- 
fera libera  mente  lasso  et  refudo  quanto  a  lui  apartenigniua 
et  che  mai  li  podesse  apartegnir  a  lui  et  sui  heriedi  et 
successori  a  tempo  alcuno  a  miser  Marco  Sanudo  et  miser 
Bauan  *)  da  Verona  per  nome  de  miser  Bigo  Dandolo  doxe 
di  Venetia  et  de  quella  comunitade  la  sua  ixola  de  Gandia 
con  tutte  le  sue  pertinentie  et  coherentie  la  quäl  fu  concessa 
per  suo  auo  Alexio  imperator  al  suo  padre  e  signor  marchexe 
de  Monfera  per  la  sua  dotta  de  sua  madre  et  questo  per 
pretio  de  marche  *M*  de  arzento  fin  de  le  quäl  se  chiamo 
ben  contento,  et  per  simile  cum  tutte  raxon  et  doni  de 
perperi  centomillia  che  dono  lo  imperator  Emanuel  al  ditto 
signor  marchexe  et  a  fede  et  memoria  di  questö  fo  facto 
publico  incanto  et  instrumento  per  bon  et  pacificho  stado. 

Cotne  fu  azonto  a  Venetiani  questo  titolo  dux  Venetiarum 
et  dominus  quarte  partis 10)  dimidie  totius  imperii  Bomanie. 

Missier  Bigo  Dandolo  doxe  illustrissimo  de  Venetia 
auanti  la  sua  morte  in  Constantinopoli  fece  azonzer  per 
titolo  al  dogado  queste  parole  cDux  Venetiarum  et  dux  (l. 
dominus)  quarte  paiüs  (et)  dimidie  totius  imperii  Romanie',  et 
fece  transmutar  la  sua  arma.  perche  la  era  simile  a  quella 
de  marchexe  de  Monfera  et  fecela  biancha  et  azura  cum  li 
zigli  transmutadi  de  colori  onde   la  era  prima  biancha  et 


6)  Vgl.  die  vollständige  Urkunde  im  'Urknndenbuch  der  Republik 
Venedig'  Fontes  rerum  Austriacarum  XII,  512  ff. 

9)  Lies  Bauan. 

10)  add.  et. 


Thomas:  Der  Lateinerjntg  nach  einer  vme*.  Chronik.  79 

meza  rossa  come  al  prexente  porta  li  altri u)  et  la  differontia 
che  era  di  queeta  arma  da  quella  de  Moafera  si  era  che 
quella  de  Monfera  porta  il  uermeglio  di  sopra  et  quella  da 
cha  Dandola  porta  il  biancho  di  ßopra  et  molte  uolte  uig- 
niua  tolto  in  scambio  luna  per  laltra  et  per  questa  caxon 
etiam  per  allegreza  di  grande  uictoria  el  serenissimo  miser 
Rigo  Dandölo  scambio  la  sua  arma.  et  etiam  auanti  la  sua 
morte  messe  a  la  guardia  de  la  sua  parte  de  la  cita  de 
Constantinopoli  homini  per  guardia  de  quella  et  cusi  in  tutti 
li  altri  luochi  che  li  tochorono  per  parte  sua. 

* 

Come  la  cita  de  Raguxi  rebello  a  la  signoria  de  Venetiani 
F.  78".]     |  et  fu  facta  una  armada  per  requistarla. 

La  cita  de  Raguxi  in  questo  tempo  rebello  a  Venetiani 
et  per  questo  li  fo  mandado  uno  notabilissimo  exercito  de 
armata  del  quäl  ne  fu  capitanio  miser  Thomaxo  Morexini, 
patriarcha  de  Grado,  el  quäl  zonse  a  Raguxi  con  la  sua 
armada  et  cum  la  sua  prudentia  tanto  sape  far  che  senza 
darli  battaglia  lui  redusse  la  terra  a  la  prima  obedientia 
de  la  signoria  di  Venetia  et  feceli  zurar  fedeltade.  et  questo 
fo  del  1205. 

Come  i  aquista  Durazo  e  Gorfu. 

In  quel  tempo  era  sta  facto  una  grossa  armada  in 
Venetia  de  la  quäl  fu  facto  capitanio  miser  Jac° ")  Morexini 
et  si  uigniua  mandado  al  patriarcha  de  Constantinopoli  et 
in  questa  sua  andada  li  fu  promesso  a  lui  la  prexa  de  la 
cita  de  Durazo  et  lixola  de  Gorfu  et  lui  ualoroxamente  ando 


11)  sc.  Dandoli. 

12)  Tomaso  im  cod.  1274. 


80  aiimtng  der  phikx.-phikl.  Oku*  vom  2.  JuU  1864. 

a  H  dicä  luoohi  et  presch  totto  mettandoli  a  la  signoria  di 
Venetia. 

Come  et  serenisswio  doxe  morite  et  dapoi  la  sua  märte  fu 

fatto  suo  fiol  in  suo  logo. 

Auanti  chel  doxe  di  Venetia  miser  Rigo  Dandolo  fasse 
per  partir  da  Constantinopoli  se  infermo  de  una  graue  ma- 
latia  onde  el  rexe  il  spirito  a  dio,  et  pocho  auanti  che  in 
Venetia  se  hauesse  habuto  noticia  de  la  morte  del  sopraditto 
doxe  quem  de  Venetia  haueano  facto  miser  Setutij  Dandolo 
fiol  del  ditto  doxe  a  gouerno  del  dogado  domentre  diel  padre 
tomasse  da  Constantinopoli.  onde  habiando  dogado  el  ditto 
miser  Rigo  in  summa  anni  (add.  X)  *  Uli '  el  passo  di  questa 
Tita  in  Constantinopoli  et  in  quel  lnogo  el  fu  sepellito  cum 
grandi  honori.  et  quando  in  Venetia  el  fu  addutta  questa 
nouella  la  constrense  molto  tutti  li  Venetiani  grandi  et 
picholi  a  far  molti  pianti  et  molti  lamenti  de  la  morte  de 
quel  ualoroxo  principe. 


Obiges  Stück  wurde  namentlich  mit  desswegen  ausge- 
wählt, weil  es  eine  schickliche  Ergänzung  jener  historischen 
Zeugnisse  bietet,  welche  das  „Urkundenbuch  der  Republik 
Venedig"  1, 286 — 358  zusammengestellt  hat.  Es  muss  folge- 
recht mit  den  dortigen  Erzählungen  inhaltlich  verglichen 
werden. 

Die  Chronik  ist  auch  aus  dem  Grunde  von  besonderem 
Werth,  weil  sie  zugleich  neben  anderen  Quellen  aus  Ur- 
kunden geschöpft  ist,  wie  auch  eine  andere,  sehr  umfang- 
reiche, die  sogenannte  Cronaca  Zancaruola.  So  bestätigt 
unsere  Chronik  (f.  59),  was  das  Urkundenbuch  (I.  N.  XXX,  66) 
durch  Conjectur  vorausgesetzt  hat,  nämlich  ein  wirk- 
liches Handelsprivilegium  der  Venezianer  mit  Balduin  L, 
König  von  Jerusalem. 


Bin9endMn§en.von  Drueketkrifien.  81 


Einsendungen  von  Druckschriften. 


Von  dar  Beal  Acaiemia  de  Gencuu  in  Madrid: 

a)  Libros  del  saber  de  Astronomia  dal  rey  D.  Alfonso  10  de  Castilla. 

Tomo  1.  2.  1863.  gr.  Fol. 

b)  Memoria».  Tom.   3.  2.  Serie.  Giencias  fisioas.  Tomo  1.  Parte  8. 

„       4.   2.       „  n  „  „        2.       |,       1* 

1863.  1864.  4. 

c)  Resumen  de  las  aotas  en  el  ano  academioo  de  1861  ä  1862,  por 

el  secretario  perpetao  Dr.  D.  Antonio  Aguilar  y  Vela  1863.  8. 

Von  dar  AcadSmie  da  sciencee  in  Baris: 

a)  Comptes  rendus  hebdomadaires  des  seanees  Tome  68.  Nr.  20 — 26. 

Mai— Juin  1864. 

Tome  59.  Nr.  1—4  Jaillet  1864.  4. 

b)  Table«  des  comptes  rendus  des  seanees.  Deturieme  8emestre  1863. 

Tom   57.  1864  4. 

Von  der  OesdUchaft  für  vaterländische  AUerthümer  tu  Zürid*: 

a)  Mittheilungen  der  antiquarischen  Gesellschaft  Bd.  14.   Halt  6.  6. 

Bd.  15.  Heft  1.  2.  1863.  1864.  4. 

b)  Achtzehnter  und  neunzehnter  Bericht  über  die  Verrichtungen  der 

antiquarischen  Gesellschaft.    Vom  1.  Novbr.  1861— Decbr.  1868. 

1864.  4. 

o)  Anseiger    für  schweizerische    Geschichte   und  AHerthumskunde. 
10.  Jahrg.  Nr.  1.    Januar  1864.  8. 

Von  der  Boyal  Irieh  Academy  m  Dublin: 

a)  Transaotions.  Vol.  24.  Antiquities.  Part.  1.  Polite  literatnre  Part.  1. 

Science.  Part.  3.  1864.  4. 

b)  Prooeedings.  Vol.  8.  Part  1—6.  1861—64.  8. 

[1864.  n.  1.]  6 


Fon  der  *.  k.  geologiechen  BeichsanstaU  m  Wien : 
Jahrbuch  1664.  14.  Band.  Nr.  1.  Januar,  Februar,  Mars.  & 

Von  der  senkenbergischen  naturforschenden  (Gesellschaft  ** 

Frankfurt  a.  M.: 

Abhandlungen.  5  Bd.  2  Hft.  1864.  4. 

Von  der  Acadhme  totale  de  M&decme  de  Beigigue  in  Brüssel: 
Bulletin.  Annee  1864.  Deusieme  Serie.  Tom.  7.  Nr.  3.  4.  8. 

Von  der  Redaktion  des  Correspondenzblattes  für  die  gelehrten  und 

Realschulen  in  Stuttgart: 

Correcpoüdenzblatt.  Juni  Nr.  6.  Juli  Nr.  7.  1864.  & 


Von  der  Asiatic  Society  of  Bengal  in  Calcutta: 

a)  Bibliotheea  Indica;  a  oollection  of  oriental  works.   Nr.  201.  202. 

Fase.  13.  14  New  Series  Nr.  42.  43.  Fase.  1.  2.  1863.  8. 

b)  Journal.  Nr.  293.  Nr.  1.  1864.  New  Series.  Nr.  119.  1864.  8. 


Vom  Verein  von  AUerthumsfreunden  der  Rheinlands  in  Bonn: 
JahrbÄcher.  86.  18.  Jahrgang  2.  1864.  8. 

Vom  historischen  Verein  der  fünf  Orte  Luxem,  Uri,  8ehwys€   unter- 

uxüden  und  Zug  in  Einsicddm: 

Der  Geschiehtcfreund.  Mittheilungen.  20.  Bd. 

Von  der  naturforschenden  Gesellschaft  Qrambündens  in  Chur: 
Jahresbericht.  Neue  Folge.  19.  Jahrg.  1862—63.  1864.  8. 

Vom  Kunst-  und  Handwerksverein  und  der  naturforschenden  Gesellschaft 

in  Altenburg  \ 

Mittheüungen  aus  dem  Osterlande.  16.  Bd.  4.  Hft.  1864  8. 


Emsendungsn  von  Thutfsschtiflün  88 

Von  dar  8ocUte  fAntMrofciefiie  in  Parti: 
Bulletin*.  Tom.  6.  2.  und  3.  Farn.  Mars— Juillet  1864  8. 

Von  dm  k.  prsusi.  Akademie  dm  Wissenschaften  in  Berlin: 
März,  April,  Mai  1864  a 


Von  der  deutsche*  morgetüändischen  Gesellschaft  in  Leipsig: 
Zeitschrift.  18.  Bd.  Hft  3.  1864  8. 

Vom  historischen  Verein  von  Unterfrtmken  und  ÄBchaffenbmg  in 

Wartburg: 

Sammlungen  des  bist.  Vereins.  Erste  Abtheilung.  Bücher.  Hand- 
schriften. Urkunden  von  Professor  Contzen.  1856.  8.  Zweite  Ab- 
theilung. Gemälde.  Sculpturen.  Gypsabdrüoke.  Waffen,  Gläser.  Kruge 
u.  dgl.  Geräthe.  Mobilien  etc.  von  C.  Heimer.  1860.  8.  Dritte  Ab- 
theilung. Gravirte  Kupferplatten.  Münzen.  Kupferstiche.  Handzeich- 
nungen. Lithographien,  Holzschnitte  etc.  von  C.  Helfher.  1864  8. 

Von  der  Universität  in  Upsaia: 
Upeala  Uniyenitets  Arsakrift  1868.  8. 

Von  der  Oeological  Society  in  London: 

a)  Quarterly  Journal  Yol.  20.  Part.  2.  May  1.  1864  Nr.  78.  8. 

b)  Address  deliyered  at  the  anniversary  meeting  of  the  Society,  on 

the  19th  of  February  1864  By  Prof.  Gl.  C  Ramsay.  8. 


Von  der  Universität  in 
jiteratur.  57.  Jahrgang 


1864.  8. 


Von  dm  Äoadhnie  royate  des  sciences,  des  lettres  et  des  beaux-arts  de 

Bslgiqus  in  Brussd: 


Bulletin.  83.  annee.  2  Serie;  tarne  18.  Kr.  7. 1864  & 

6» 


64  Einsendungen  von  Druekschriften. 

Von  der  nasmhistorischm  Gesellschaft  in  Nürnberg: 
Abhandlungen.  8.  Bd.  1.  Hälfte  1864.  8. 

V 

Von  der  Gesellschaft  für  vatoUmdische  Geschichte  in  Kid: 

Jahrbücher    für    die  Landeskunde    der  Heraogthümer    Schleswig- 
Holstein  und  Lauenburg.  Bd.  7.  Heft  1.  1864  8. 

Vom  k.  sächsischen  Verein  für  Erforschung  und  Erhöhung  der  vater- 
ländischen JUerihümer  in  Dresden: 

Mittheüungen.  18.  Heft.  1868.  8. 

Von  der  pfäUtischen  Gesellschaft  für  Fharmacie  in  Speyer: 

Neues  Jahrbuch    für  Pharmacie    und  verwandte  Fächer.    Bd.   22. 
Heft  1.  und  2.  Juli  und  August.  1864.  & 

Von  der  schksischen  Gesellschaft  für  vaterländische  Cultur  in  Breslau: 

a)  Abhandlungen.    Abtheilung  für  Naturwissenschaften  und  Medicin 

1862.     Heft  &     Philosophisch- historische    Abtheilung.     1864 
Heft  1.  8. 

b)  41.  Jahresbericht.    Enthalt  den  Generalbericht  über  die  Arbeiten 

und  Veränderungen  der  Gesellschaft  i.  J.  1868.  1864.  8. 

Von  der  k.  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Qättingen: 

a)  Gelehrte  Anzeigen.  27—85  Stück.    Juli,  August  1864.  & 

b)  Nachrichten  der  kgL  Gesellschaft  und  der   G.  A.  Universität 

Nr.  11—18.  Juli  und  August  1864.  8. 

Von  der  gelehrten  estnischen  Gesellschaft  in  Dorpat: 

a)  Schriften  der  Gesellschaft.  1.  2.  8.  1868.  8. 
DJ  cntisungsDericnte.  iooo.  o. 


Vom  landwirthsihaftliehen  Verein  in  München 
Zeitschrift  8.  9.  August  September  1864.  8. 


85 


Vom  Verein  zur  Beförderung  des  Gartenbaues  in  den  k.  pre\ 
Staaten  für  Gärtnerei  und  Pflanzenkunde  in  Berlin: 

Wochenschrift  Nr.  25—32.  Juni.  August.  1864.  4. 


Van  der  Commiseion  KydromHrique  in  Lyon: 

des  observations  recueillies  dans  les  bassins  de  la 
Saöne,  du  Rhone  et  quelques  autres  regions,  aooompagne'  de 
notices  diverses.  1863.  8. 

Vom  Verein  für  eieberibürgidche  Landeskunde  in  Hermannstadt: 

a)  Jahresbericht  für  das  Jahr  1862—63;  vom  1.  Juli  1862  —  Juni 

1868.  a 

b)  Archiv.  Neue  Folge.    6.  Band.  1.  und  2.  Heft.  Kronstadt  1864.  8. 

c)  Enumeratio  stirpium  magno  Transsilvaniae  principatui  praeprimis 

indigenarum  in  usum  nostratum  botano-philorum  conscripta 
inque  ordinem  sexuali-naturalem  ooncinnata  auotore  Joh.  Christ. 
Gottlob  Baumgarten.  Tom.  4.  Cibinii  1846.  8. 

d)  Fontes  rerum  Austriacarum.  Oesterreiohisehe  Geschiohtsquellen. 

1.  Abthl.  Scriptores.  4.  Bd.  Siebenbürgische  Chronik  des  Schass- 
burger Stadtschreibers  Georg  Kraus.  2.  Thl.  Wien.  1864.  8. 

e)  Deutsche  Sprachdenkmäler  aus  Siebenbürgen.    Aus   schriftlichen 

Quellen  des  12.— 16.  Jahrhunderts.  Von  Ferd.  Müller  1864.  8. 

f)  Geologie  Siebenbürgens.    Von  Franz  v.  Hauer  und  Dr.   Quido 

Stäche.  Wien  1863.  8. 

Van  der  Boyal  Society  in  London: 

a)  Phüosophical  Transactions.   Vol.  163.  Part.   1.  2.  For  the  year 

1863.  1864.  4. 

b)  Proceedings.  Vol.  12.  13.  Nr.  S7--64.  8. 
o)  Fellows  of  the  Society.  Nov.  1863.  4. 

d)  Observations  of  the  spots  on  the  sun  from  November  9.  1863  to 
march  24.  1861 ;  made  at  Redhill  by  Richard  Christopher  Car- 
rmgton.  1863.  4. 

Von  der  Äcademia  ddU  scimte  deW  letituto  in  Bologna: 


a)  Memorie.  Ser.  2.  Tom.  2.  Fase.  2.  8.  4 

-    2.      „     8.      „     1.  2.  8.    1863.  64.  4. 


b)  Rendiconto  delle  sessioni  dell'Istituto,  anno  accadcanioo  1862 — 63. 
63—64.  8. 

Vom  Istitvto  di  Correspondenea  Archcdhgica  in  Rom: 

a)  Bulletino.  Per  l'anno  1863.  8. 

b)  Annali.  Volum.  35.  1868.  & 

c)  Monumenü  inediti.  Vol.  6  a  7.  1867—63.  gr.  fol. 

Von  der  Society  of  Antiquaries  in  London: 

Proceodings.  Second  Series.  Vol.  1.  Nr.  8.  Vol.  2.  Nr.  1—4. 
1861.  63.  8. 

Von  der  sehweieerischen  naturforschenden  Gesellschaft  in  Bern: 

a)  Nene  Denkschriften  der  allgem.  Schweiz.  Gesellschaft  für  die  ge- 

sammten  Naturwissenschaften.  Bd.  20.  Zürich  1864.  4. 

b)  Mittheilungen  ans  dem  Jahre  1868.  Nr.  531—552.  1863»  & 

o)  Verhandlungen  der  Gesellschaft  bei  ihrer  Versammlung  zu  Sa- 
maden  den  24.25.  und  26.  August  1863.  47.  Versammlung.  Ghur 
1864.  8. 

Von  der  Äcademc  imperiale des  sdences,  beUeslettres  et  arte  inBouen: 
Precis  analytique  des  travaux  pendant  l'annee  1862.  6&,  8. 

Vom  historischen  Verein  für  das  OrosshereogÜwm  Hessen  in 

Darmstadt: 

a)  Archiv   für  hessische  Geschichte  und  Alterthumskunde.    10.  Bd. 

3.  Hft.  1864.  8. 

b)  Hessische  Urkunden«  Aus  dem  grossherzogi  hessischen  Haus*  und 

Staatsarchive.  3.  Bd.  1863.  8. 

Von  der  Chemical  Society  in  London: 
Journal  Ser.  2.  VoL  2.  Nr.  16.  17.  18.  April,  May,  June  1864.  8. 

Von  der  EnUmdiogical  Society  in  London: 
Transactions.  Third  Series.  Vol.  1.  Part  the  ninth,  1864.  8. 


Bmsendmgen  von  Druckschriften.  87 

Vom  Institut  Mstorique  in  Forts: 

Llnrestigateur,  Journal.    Trente-unieme  annee.    Tom.  4.  4e    Serie. 
866  litraison.  Juillet  1864.  8. 

Fon  der  SocUti  de  Geographie  in  Paris: 
Bulletin.  Aoftt  1864.  8. 

Von  der  k.  k.  OeseUsehaft  der  Aerste  in  Wien: 

a)  Medizinische  Jahrbücher.    Zeitschrift.   Jahrgänge   1861 — 1863  je 

1—6  Heft.  1864.  1—4.  Heft.  1861—64.  8. 

b)  Wochenblatt  der  Zeitschrift  der  k.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte  in 

Wien:  17.— 19.  Jahrgang  je  Nr.  1—52.  Janaar  1861— December 
1868.  20.  Jahrg.  Nr.  1—80.  Januar— Juli  1864.  8. 

Von  der  SocüU  des  sciences  naturelles  du  Grand-Duchi  in 

Luxemburg: 

Rapport.  Tom.  7.  Annee  1864.  8. 

Vom  historischen  Verein  für  Niederbayern  in  Landshut: 
Verhandlungen.    10.  Bd.  2.  und  3.  Hft.  1864.  8. 


Vom  Herrn  Oiancarlo  Conestabüe  in  Perugia: 

a)  DeUa  vita,  degli  ttndi,  e  delle  opere  di  Giambattista  Vermiglioli; 

discorso  con  note,  illnstrazioni  e  documenti.  1855.  4. 

b)  II  sepolcro  dei  Volunni  per  Giambattista  Vermiglioli,  nuovamente 

edito  con  note,  aggiunte,  e  16  tavole  in  rame.  1855.  4. 
o)  Monomenti  etruschi  e  romani  della  necropolr  del  pallazzone   in 

Perugia  oiroostanti  al  sepolcro  dei  YolnnnL  1856.  4. 
d)  Iscräioni  etrnsohe  e  etrnsoo-latine  in  monomenti  che  si  oonser- 

yano  nelT  J.  E.  B.  Galleria  degli  nffiai  di  Firenxe.  1858.  4. 


Vom  Herrn  Eduard  Gerhard  in  Berlin: 
üeber  den  Bildkreis  von  Eleusis.  2.  AbhandL  1864  4 


88  Eineendungen  von  Drueto&rifien. 

Vom  Herrn  J.  Hoffmcmn  in  Amsterdam: 

Ghinesohe  Druekletters  vervaardigd  in  Nederland.  Nfouw  overcigt 
met  opgave  van  de  nieuw  bijgekomen  karakters.  1864  4. 

Vom  Herrn  Frone  Legdig  in  Tübingen: 

a)  Vom  Bau  des  thierischen  Körpen.  Handbuch  der  vergleichenden 

Anatomie.  1.  Bd.  1864.  8. 

b)  Tafeln  zur  vergleichenden  Anatomie.   1.  Heft.  Zorn  Nervensystem 

und  den  Sinnesorganen  der  Würmer  und  Gliederfuwler.  1864.  Fol. 

Vom  Herrn  Fh.  F.  von  Siebold  in  Würzburg: 

a)  Open  Brieven  utt  Japan.  Desima  1861.  8. 

b)  Lettre  sur  Putilite  des  musees  ethnographiques  et  sur  Pimpor* 

tance  de  leur  creation  dans  les  etats  Europeens  qui  possedent 
des  oolonies  ou  qui  entretiennent  des  relations  commerciales 
avec  les  autres  parties  du  monde  A.  M.  Edme-Francois  Jomard. 
Paris  1848.  8. 

Vom  Herrn  Georg  von  Jäger  in  Stuttgart : 
Ueber  die  Wirkungen  des  Arseniks  auf  Pflanzen.  1864.  8. 

Vom  Herrn  FiUeward  Hau  in  Cakutta: 

A  contribution  towards  an  index  to  the  bibliography  of  the  Indian 
philo8ophical  Systems.  1859.  8. 

Vom  Herrn  Alfred  Beumont  in  Born: 
Necrologia  di  Giovanni  Federigo  Böhmer.  8. 

Vom  Herrn  MaresciaUo  Duca  di  Saldanha  in  Born: 

Conoordanza  delle  scienze  naturali  e  prinoipalmente  della  geologia 
oon  la  genesi  fondata  sopra  le  opinioni  dei  santi  padri  e  di 
altri  distinti  teologi.  1863.  & 


Vom  Herrn  Ferdinand  MSßer  in  Melbourne: 
Fragmenta  Phytographiae  Australiae  Vol.  1.  2.  3.  1868—63.  8. 


Einsendungen  von  Druckschriften.  89 

Vom  Herrn  Frans  Fiedler  in  Sonn: 

Die  Geipewalder  Matronen-  und  Mercuriussteine.  Festprogramm  zu 
Winkelmanns  Geburtstage  am  9.  Deobr.  1863.  4. 

Vom  Herrn  Pedro  Francisco  da  Costa  Alvarcnga  in  Lissabon: 

a)  Pareoer  de  alguns  medioos  nacionaes  e  estnngeiros  aoeroa  da 

memoria  sobre  a  insoffieieneia  das  valvulas  aorticas.  1866.  8. 

b)  Anatomie  pathologiqne  et  Symptomatologie  de  la  fievre  jaune  qui 

a  regn6  a  Lisbonne  en  1867.  Paris  1861.  8. 
o)  Noticia  sobre  a  these  e  ooncurso  na  escola  medioo-cirurgioa  de 

Lisboa  em  1862.  1863.  8. 
d)  Estado  da  qnestao  acerca  do  duplo  sopro  ornral  na  insuffieienoia 

das  valvulaa  aorticas.  1868.  8. 

Vom  Herrn  Francesco  ZantedescM  in  Fadua: 

a)  Lettera  a'  suoi  colleghi  amiei,  intorno  alle  forae  che  solleoitano 

le  moleeole  dei  corpi,  la  loro  risoluzione,  il  loro  aggregamento  ed 
ai  momenti  meccanioi  delle  irradiazioni.  8. 

b)  Lettere.   AI  dotto  Gamillo  Flammarion,  professore  di  astronomia 

in  Parigi,  intorno  all1  origine  della  rogiada  e  della  brina.  8. 

Vom  Herrn  F.  Schultz  in  Weissenburg: 

Archivee  de  Flore,  recueil  botanique.  Mars  1864.  Wissemboorg  (Bas- 
Bhin-Franoe)  8. 

Vom  Herrn  A.  Qrunert  in  Greifswaid: 

a)  Archiv  der  Mathematik  und  Physik.  42.  Thl.  1.  2.  Heft  1864.  8. 

b)  Archiv  der  Mathematik  und  Physik.   Inhaltsverzeichnis»  zu  Theil 

26  bis  40.  1864.  8. 


Vom  Herrn  QuesnecüU  in  Paris: 

Le  moniteor  ecientifique  da  chimiste  et  da  manafacturier.  Tom.  6. 
Anne«  1864.  182—186  livraison  Juillet— Septembre.  1864.  8. 


90  Einsendungen  von  Druckschriften. 

Vom  Harn  Giovanni  fiuschktti  in  Fartafruaro: 

Della  illustrazione  di   vetusta  lapida   Romano  -  Concordiese  „lettera 
inedita  del  conte  Bartolomeo  Borghesi".  1864.  8. 

Vom  Herrn  Albert  Wild  in  München: 

Geschichte   und   Staatenbildung,   Verfassung,    sociale  und  politische 
Htätietik  der  Niederlande  and  ihrer  Ooloniea.  Leiptig  1804  B. 


Sitzungsberichte 

der 

königl  bayer.  Akademie  der  Wissenschaften. 

Mathematisch-physikalische  Classe. 

8itEong  vom  2a  Mai  1864. 

Herr  Pettenkofer  hielt  einen  Vortrag: 
„Ueber  Fleisch-  und  Fettnahrang  beim  Hände". 


Sitzung  vom  9.  Juli  1864. 

Herr  L  am  ont  brachte  folgende  Abhandlungen  in  Vorlage: 
1)  „Ueber  den  Einfluss  des  Mondes  auf  die 
Magnetnadel". 

(Mit  3  lithogr.  Tafeln.) 

Der  Einfluss  des  Mondes  auf  die  Magnetnadel,  zuerst 
von  Ereil  aus  den  Mailänder  Beobachtungen  im  Jahre  1839 
abgeleitet  *),  und  später  zur  Widerlegung  der  dagegen  erho- 
benen Zweifel  durch  Benutzung  eines  viel  umfassenderen 
Materials  bestätiget  *),  ist  in  neuerer  Zeit  durch  die  Arbeiten 
des  Herrn  Sabine8)  zu  einer  der  wichtigsten  wissenschaft- 
lichen Fragen  ausgebildet  worden. 

Wenn  gleich  gegen  das  von  diesen  verdienstvollen  Ge» 


1)  Osservazioni  soll'  intensita  e  sulla  direaione  della  forsa  mag* 
nefcica.  Milano  1839  p.  171—188;  —  Magnetische  and  Meteorolo- 
gische Beobachtungen  in  Prag.  Bd.  1;  —  Fünfte  Folge  der  Abhand- 
hingen der  k.  böhmischen  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Frag. 
Band  2. 

2)  Denkschriften  der  math.-natarwissenschaftlichen  Ciasse  der 
Wiener  Akademie  3.  und  5.  Band. 

8)  Die  hierauf  bezüglichen  Arbeiten  des  Hrn.  Sabine  finden  sieh 
theils  in  den  Philo*.  Transactions ,  theils  in  den  Magnetical  and 
Meteorological  Observations  at  Toronto,  St  Helena,  Hobarton  u.  s.  w. 
[1864.  IL  2J  7 


92  Sitzung  der  math.-$hy8.  Classe  vom  9.  Juli  1864. 

lehrten  angewendete  Verfahren  Bedenken,  die  jedenfalls  Be- 
achtung verdienen,  vorgebracht  worden  sind4)  und  bei  der 
Grösse  dar  zufälligen  Abweichungen  eine  Beobachtungsreihe 
von  wenigen  Jahren  kaum  ausreichend  erscheinen  dürfte, 
um  den  kleinen  Einfluss  des  Mondes  unzweideutig  hervor- 
treten zu  lassen,  so  zeigen  doch  auf  der  anderen  Seite  die 
Resultate,  welche  Herr  Sabine  aus  Beobachtungen  der  nörd- 
lichen, wie  der  südlichen  Hemisphäre  gewonnen  hat,  und 
welche  man  zugleich  mit  den  von  Hrn.  Bache  aus  den 
Beobachtungen  von  Philadelphia  abgeleiteten  Resultaten  in 
folgender  Tabelle  zusammengestellt  findet,  eine  so  auffallende 
Uebereinstimmung ,  dass  das  Vorhandensein  einer  mit  der 
taglichen  Bewegung  des  Mondes  um  die  Erde  zusammen- 
hängenden Bewegung  der  Nadel  nicht  wohl  in  Abrede  ge- 
stellt werden  kann. 


Citate  und  eine  allgemeine  Zusammenstellung  kommen  vor  in  Mag- 
netical  and  Meteorological  Observation  at  St.  Helena.  Vol.  2  p.  146. 
4)  Broun,  Proceedings  of  the  Royal  Society  Vol.  9  p.  298.  Ich 
habe  in  dem  gegenwärtigen  Aufsatze  bloss  die  von  Hrn.  Sabine  und 
nach  ganz  gleicher  Methode  von  Hrn.  Bache  erhaltenen  Resultate 
berücksichtiget,  muss  aber  bemerken,  dass  sie  mit  den  Resultaten, 
welche  Ereil  ans  den  Prager  und  Münchener  Beobachtungen  abge- 
leitet hat,  sowie  mit  den  von  Hrn.  Broun  gegebenen  Zahlen  weit 
weniger  Uebereinstimmung  zeigen  als  zu  erwarten  gewesen  wäre. 
Bezüglich  der  Berechnung  des  Mondeinflusses  giebt  es  überhaupt 
noch  manche  Umstände,  die  Aufklarung  erfordern:  so  z.  B.  zeigen 
die  dreijährigen  Beobachtungen  von  Eew,  nach  Hrn.  Sabine's  Me- 
thode, grössere  Regelmassigkeit  als  die  zehnjährigen  Beobachtungen 
von  Prag  nach  Ereils  Methode;  so  hat  Ereil  aus  den  Prager  und 
Münchener  Beobachtungen  übereinstimmende,  Haintz  dagegen  nach 
einer  andern  Methode  nicht  übereinstimmende  Zahlen  gefunden;  so 
geben  die  Intensitäts-Beobachtungen  von  Philadelphia,  gegen  welche 
(Fortschr.  der  Physik  von  der  Berliner  phyB.  Gesellten.  1849  S.  854) 
sehr  gewichtige  Einwendungen  vorgebracht  werden  können,  für  den 
Mondeinfluss,  ähnliche  Resultate,  wie  die  Beobachtungen  von 
Toronto.  Wie  übrigens  die  Berechnungsmethode  hiefur  eine  Er- 
klärung liefern  soll,  ist  mir  nicht  einleuchtend. 


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Lammt:  Einflute  des  Mondes  auf  die  Magnetnadel.  93 

Wir  wollen  zunächst  die  durch  den  Mond  erzeugte  Be- 
wegung der  Declination,  welche  man  auf  der  Tafel  I. 
graphisch  dargestellt  findet,  näher  betrachten,  und  versuchen 
einen  präcisen  Begriff  Ton  dem  Vorgange  selbst  und  von 
den  Modifikationen,  welche  durch  die  geographische  Lage 
bedingt  werden,  zu  geben.  Für's  erste  ist  es  aus  den 
Zahlen,  wie  aus  der  graphischen  Darstellung  klar,  dass  im 
Laufe  eines  Mondtages  zwei  Maxima  und  zwei  Minima  in 
nahe  gleichen-  Zeitintervallen  auf  einander  folgen,  also  der 
hier  beobachtete  Vorgang  die  vollkommenste  Aehnlichkeit 
mit  der  Ebbe  und  Fluth  des  Meeres  hat  und  wohl  nicht 
anders  als  durch  eine  in  ihrer  Wirkung  analoge  Kraft  her- 
vorgebracht werden  kann. 

Was  die  örtlichen  Modificationen  betrifft,  so  bestehen 
sie  darin,  dass  die  Grösse  und  Richtung  der  Bewegung  so- 
wohl ,  als  die  Zeiten  der  Maxima  und  Minima  verschieden 
sind.  Um  einen  Zusammenhang  herzustellen,  habe  ich  durch 
ein  Sternchen  (*),  durch  zwei  Sterndien  (**)  und  durch 
drei  Sternchen  (***)  die  Wendepunkte  bezeichnet,  welche 
ich  als  die  correspondirenden  annehme  und  diess  als  be- 
gründet vorausgesetzt,  würde  die  Regel  so  lauten:  Der 
Mondeinfluss  lenkt  die  Magnetnadel  in  der  nörd- 
lichen und  südlichen  Erdhalbkugel  in  entgegenge- 
setztem Sinne  ab,  und  die  Wirkung  tritt  um  so 
später  ein,  je  weiter  man  von  dem  Aequator  sich 
entfernt. 

Ist  diese  Auslegung  der  vorhandenen  Beobachtungs- 
resultate  die  richtige,  so  ergiebt  sich  als  nothwendige  Folge- 
rung, dass  am  Aequator  selbst  der  Mondeinfluss  bei  der 
Declination  gänzlich  verschwinden  wird.  Hinsichtlich  der 
Grösse  der  Bewegung  bemerkt  man,  dass  sie  an  verschie- 
denen Orten  sehr  verschieden  ist,  und  a  priori  war  dies« 
auch  zu  erwarten  wegen  der  Ungleichheit  der  Kraft,  wo- 
durch die  Nadel  in  ihrer  Richtung  gehalten  wird.  Je  grösser 

7* 


94  Sititmg  der  matK-pbgs.  Oku$e  vom  9.  JvU  1864. 

die  horizontale  Intensität  an  einem  Orte  ist,  desto  weniger 
wird  die  Nadel  durch  eine  gegebene  Kraft  abgelenkt  werden, 
nnd  deeshalb  muss  man  als  Maass  des  Mondeinflusses  nicht 
die  Ablenkung,  sondern  das  Produkt  der  Ablenkung  und 
der  HorizontaUntensitat  gebrauchen.  Den  Betrag  der  Ab* 
lenkungen,  (Unterschied  zwischen  dem  Mittel  der  östlichen 
und  dem  Mittel  der  westlichen  Extreme)  dann  die  Hori- 
zontalintensität (in  brittisohen  Einheiten)  findet  man  in 
folgender  Tabelle ;  daneben  steht  das  Produkt  dieser  Grössen 
und  zuletzt  ist  noch  die  geographische  Breite  beigefügt: 

Ablenkung     Horiz.  Int.     Produkt       Geogr.  Breite 


M 

0      ' 

Kew 

17,7 

3,7 

65,5 

5129 

Toronto 

39,7 

*ß 

133,9 

43  39 

Fhüadelphia 

27,9 

4,0 

117,2  . 

39  57 

Pehin 

9,0 

6,0 

54,0 

39  54 

8t.  Edma 

10,6 

5,6 

59,4 

16  67 

Cap 

19,5 

4,5 

87,8 

38  56 

Ebbarton 

17,0 

4,5 

76,5 

42  52 

Wenn  man  aus  dieser  Tabelle  irgend  eine  Schluss* 
folgerung  ziehen  will,  so  darf  man  nicht  vergessen,  daes, 
um  den  Mondeinfluss  zu  erhalten,  in  den  Beobachtungsreihen 
zufallige  Abweichungen  eliminirt  werden  müssen,  die  um 
das  Zwanzigfache  grösser  sind,  als  der  Mondeinfluss,  und 
demnach  den  erhaltenen  Bestimmungen  nur  ein  geringer 
Grad  von  Sicherheit  zugeschrieben  werden  darf.  Mit  Rück- 
sicht auf  diesen  Umstand  kann  man  sagen,  dass  die  in  der 
Tabelle  enthaltenen  Zahlen  mit  den  oben  aufgestellten  Sätzen 
insoferne  übereinstimmen,  als  sie  den  Mondeinfluss  kleiner 
in  der  Nähe  des  Aequators  und  grösser  in  höheren  nörd- 
lichen und  südlichen  Breiten  geben.  Sogar  ist  der  Unter* 
schied  zwischen  den  Punkten,  die  dem  Aequator  naher,  und 
denen  die  entfernter  liegen,  hinreichend  gross,  um  die  An- 


Lamont:  Einfluss  des  Mondes  auf  die  Magnetnadel.  95 

nähme  einigermaßen  zu  rechtfertigen,  dass  am  Aequator 
selbst  der  Mondeinfluss  gänzlich  verschwinde5). 

Wir  haben  bisher  nur  den  Einfluss  des  Mondes  auf  die 
Declination  berücksichtiget;  genau  dieselben  Sätze  aber 
passen  eben  so  gnt  auf  die  Inclination,  denn  anch  hier 
treffen  wir  zwei  Mazima  und  zwei  Minima,  dann  eine  ent- 
gegengesetzte Sichtung  der  Bewegung  in  der  nördlichen 
and  südlichen  Halbkugel  an,  und  auch  die  übrigen  Modifioa- 
tionen  würden  ohne  Zweifel  hervortreten,  wenn  das  Material 
vollständiger  wäre.  Was  die  Intensität  betrifft,  so  scheinen 
die  zwei  Mazima  und  zwei  Minima  überall  zu  der  gleichen 
Ortszeit  und  überall  (wie  diess  in  der  Natur  der  Sache 
Hegt)    in  gleichem  Sinne    stattzufinden. 

Noch  bleibt  die  Hauptfrage  zu  beantworten  übrig,  in 
welcher  Weise  der  Mond  auf  die  Magnetnadel  einen 
Einfluss  ausübt. 


5)  Wahrscheinlich  wird  sich  aber  die  Sache  in  der  Wirklichkeit 
anders  verhalten.  Bei  dem  täglichen  Gange  der  Declination,  wo 
▼on  Morgens  bis  ungefähr  eine  Stunde  nach  der  Culmination  der 
Sonne  in  der  nördlichen  Erdhalbkugel  die  Bewegung  nach  Westen, 
in  der  südlichen  Halbkugel  nach  Osten  geht ,  hatte  man  ebenfalls 
geschlossen,  dass  am  Aequator  die  Bewegung  gänzlich  verschwinden 
müsse;  die  Beobachtung  hat  aber  gezeigt,  dass  sie  nicht  verschwindet, 
sondern  einen  Verlauf  nimmt,  der,  wenn  die  Sonne  nördlich  steht, 
mit  der  Bewegung  der  nördlichen  Halbkugel,  und  wenn  sie  südlich 
steht,  mit  der  Bewegung  der  südlichen  Halbkugel,  Analogie  hat.  So 
wird  es  auch  wohl  bei  dem  Mondeinflusse  der  Fall  sein  und  damit 
stimmt  die  Angabe  des  Hrn.  Broun  überein,  wornach  in  Trevandrum 
(8°  nördlich  vom  Aequator)  der  Mondeinfluss  bei  nördlicher  und 
südlicher  Declination  des  Mondes  verschieden  wäre.  Dass  Hr.  Sabine 
Ar  Toronto  (Philos.  Trans.  1847.  Art.  6  p.  6)  und  Hr.  Bache  für 
Philadelphia  (Discussion  of  the  Philadelphia  magnetic  Observation» 
P.  HI  p.  14.  Smithsonian  Contributions  1860)  keinen  entschiedenen 
Einfluss  der  Monddeclination  gefunden  haben,  erklärt  sich  leicht 
daraus,  dass  jene  Stationen  schon  zu  weit  vom  Aequator  entfernt 
sind. 


96  Sitzung  der  mafh.-phys.  Gasse  vom  9.  Juli  1864. 

Es  ist  zwar  von  einer  direkten  magnetischen  Einwir- 
kung des  Mondes,  dessgleichen  von  einer  elektrischen  Ein- 
wirkung gesprochen  worden;  aber  alles,  was  bisher  zur 
Lösung  des  Problems  geschehen  ist,  bleibt  doch  im  Grande 
auf  blosse  Vermuthungen  beschränkt.  Unter  diesen  Um- 
ständen glaubte  ich,  dass  es  von  Nutzen  sein  könnte,  aus 
den  vorhandenen  Beobachtungsresultaten  vorläufige  Anden- 
tungen  zu  suchen  und  so  bot  sich  unter  anderen  die  Frage 
dar,  ob  nicht  zwischen  dem  Mondeinflusse  und  der  täglichen 
Bewegung,  welche  als  Wirkung  der  Sonne  zu  betrachten  ist, 
irgend  eine  Analogie  aufzufinden  sei.  Ich  verzeichnete  dem- 
nach, wie  in  Tab.  II  Fig.  1  zu  ersehen  ist,  den  in  Toronto 
beobachteten  Einfluss  des  Mondes  auf  die  Declination, 
multiplicirte  dann  die  tägliche  Bewegung  der  Declination 
mit  Vi**  rückte  die  Zeit  um  zwei  Stunden  zurück  und  er- 
hielt die  punktirte  Gurve,  deren  Aehnlichkeit  mit  dem  Mond- 
einflusse augenscheinlich  ist.  Ich  multiplicirte  dann  die  täg- 
liche Bewegung  derlnclination  und  Intensität  mit  demselben 
Faktor,  setzte  die  Zeit  wie  oben  um  zwei  Stunden  zurück 
und  erhielt  die  Curven  Taf.  III.  Fig.  6  und  8,  wobei  man 
die  gleiche  Uebereinstimmung  in  der  Form  und  Grösse 
wie  bei  der  Declination  bemerken  wird.  Bei  weiterer  Fort- 
setzung der  Untersuchung  fand  ich,  dass  der  Faktor  */i* 
nicht  für  alle  Orte  angewendet  Werden  kann,  sondern  Werthe 
angenommen  werden  müssen,  welche  zwischen  */**  und  V** 
schwanken.  Dieser  letztere  Grenzwerth  kommt  bei  Hobarton 
vor,  wofür  die  Declinations-  und  Inclinations-Curven  in  Taf.  II. 
Fig.  5  und  Taf.  III.  Fig.  7  dargestellt  sind;  auch  bei  diesen  findet 
man  übrigens  bezüglich  auf  Form  und  Grösse  dieselbe  Ueber- 
einstimmung wie  bei  Toronto.  Noch  kommen  auf  Tafel  II. 
und  III.  vier  Figuren  vor,  welche  das  bezüglich  auf  Toronto 
und  Hobarton  Gesagte  weiter  bestätigen;  jedoch  muss  be- 
merkt werden,  dass  wenn  man  für  St.  Helena,  dann  für 
die  Inclination  und  Intensität  am  Gap  die  Zeichnungen  her* 


Lamont:  Einfluss  des  Mondes  auf  die  Magnetnadel.  97 

stellt,  eine  gleiche  Uebereinstimmung  wie  bei  den  übrigen 
Stationen  nicht  wahrgenommen  wird,  was  theils  in  den  In- 
strumenten, theils  darin,  dass  in  der  Aeqnatorialzone  der 
Mondeinfluss  klein  und  vielleicht  von  der  Declination  des 
Mondes  abhängig  ist,  seinen  Grund  haben  könnte. 

Bisher  ist  von  einer  Uebereinstimmung  der  Curven 
überhaupt  gesprochen  worden,  es  muss  jedoch  die  wesent- 
liche Beschränkung  beigefügt  werden,  dass  die  Ueberein- 
stimmung eigentlich  nur  auf  den  Theil  der  täglichen  Be- 
wegung, der  den  Stunden  6h  Morgens  bis  6b  Abends  ent- 
spricht, sich  bezieht  und  während  der  Nacht  fast  alle  Ueber- 
einstimmung verschwindet.  Als  Grund  davon  möchte  viel- 
leicht die  Temperatur  zu  betrachten  sein,  wodurch  eine 
Vermehrung  des  magnetischen  Einflusses  der  Sonne  bei  Tage 
und  eine  Verminderung  bei  der  Nacht  erfolgen  könnte: 
es  wäre  jedoch  ganz  zwecklos,  jetzt  eine  Hypothese  in  dieser 
Beziehung  aufzustellen,  und  ich  begnüge  mich  vorläufig  da- 
mit, die  Aufmerksamkeit  derjenigen,  welche  mit  magnetischen 
Forschungen  sich  beschäftigen,  auf  die  Thatsache  zu  lenken, 
dass  zwischen  der  Einwirkung  der  Sonne  und  des 
Mondes  auf  die  Magnetnadel  eine  unleugbare  Ana- 
logie  stattfindet,  welche  bei  der  weiteren  Untersuchung 
möglicher  Weise  einen  nützlichen  Anhaltspunkt  darbieten 
könnte. 

2)  Ueber  die  jährliche  Periode  des  Barometers. 

(Mit  einem  Holzschnitte.) 

Der  Druck  der  Atmosphäre  hängt  in  zweifacher  Be- 
ziehung von  der  Wärme  ab,  einmal  in  so  ferne,  als  das 
specifische  Gewicht  der  Luft  durch  die  Wärme  vermindert 
wird,  dann  auch,  weil  die  Wärme  Wasserdampf  erzeugt, 
der  das  Volumen  der  Luft  vermehrt,  aber  von  geringenn 
specifischem  Gewichte  ist.  Da  die  Luftwärme  eine  jährliehe 
Periode  hat,  so  muss  auch  im  Stande  des  Barometers  eine 


»8 


dütnmg  der  matk-pky*.  Gaue  vom  9.  Juü  1864. 


ie  Periode  vorhanden  sein,  wenn  gleich  dabei  von 
vorn  herein  unentschieden  bleibt,  ob  diese  Periode  nicht 
durch  die  vielen  indirekten  Einflüsse  der  Wärme  und  die 
vielen  vorkommenden  Zufälligkeiten  unkenntlich  gemacht 
wird. 

Bei  meteorologischen  Untersuchungen  dieser  Art  kann 
man  entweder  die  Beobachtungen  mit  ihren  Zufälligkeiten 
and  ihrer  Unsicherheit  als  Grundlage  nehmen,  und  daraus 
Lehrsätze  abzuleiten  suchen,  oder  man  kann  von  den  Be- 
dingungen, welche  in  der  Atmosphäre  bestehen,  ausgehend, 
den  Erfolg  theoretisch  bestimmen,  and  das  Ergebnis« 
mit  der  Erfahrung  vergleichen.  Ich  halte  den  letztem  Weg 
für  den  einzig  richtigen,  und  werde  zuerst  (und  zwar  ohne 
Bäcksicht  auf  die  Strömungen,  welche  durch  die  Wärme 
entstehen)  untersuchen,  welche  Wirkung  die  Sonnenwärme 

würde,    wenn    die   Erde    eine   vollkommen 


kugelförmige  und  gleichmässig  beschaffene  Oberfläche  hätte. 
Es    sei  ANES    der   Durchschnitt    der   Erdkugel,    an  es 


Lamont:  Die  jährliche  Periode  des  Barometers.  99 

die  obere  Grenze  der  Atmosphäre  und  die  Sonne  scheine 
senkrecht  auf  den  Punkt  b,  so  wird  in  b  die  Wirkung  der 
Sonnenstrahlen  am  grössten  sein  und  allmählig  abnehmen, 
bis  c  in  Norden  und  d  in  Süden,  so  dass  ein  Baum  cbdgfc 
entsteht,  wo  das  sperifisohe  Gewicht  der  darin  enthaltenen 
expansiblen  Masse  durch  die  Wärme  und  den  im  Verhält- 
nisse zur  Wärme  sich  entwickelnden  Wasserdampf  vermindert 
wird,  während  die  Spannkraft  dieselbe  bleibt,  wie  sie  tot 
dem  Hinzutreten  der  Wärme  gewesen  ist. 

Der  Baum  cbdgfc  stellt  sich  als  eine  wellenähn- 
liche Erhöhung  dar,  wesshalb  wir  diesen  Baum  die  tropische 
Temperaturwelle  nennen  wollen. 

Die  Temperaturwelle  zieht  sich  in  gleicher  Form  und 
in  einem  Parallelkreise  um  die  Erde  herum,  und  erscheint 
im  Durchschnitte  auf  der  andern  Seite  in  cf  b'  d'  g*  &.  Der 
Punkt  b,  d.  h.  die  Mitte  der  Temperaturwelle  befindet  sich 
im  Wintersolstftium  23*/*°  südlich  vom  Aequator  und  im 
Sommersolstitium  um  ebensoviel  nördlich  vom  Aequator: 
zwischen  diesen  beiden  Punkten  wandert  die  Temperatur- 
welle in  halbjähriger  Periode  hin  und  her.  Die  Höhe 
bg  der  Temperaturwelle  lässt  sich  aus  den  bisherigen  Be- 
obachtungen nicht  bestimmen;  wir  wollen  sie  übrigens  vor- 
läufig zu  30000  Fuss  annehmen;  so  weit  soll  sich  zwischen 
den  Tropen  die  durch  die  Sonne  an  der  Erdoberfläche  er- 
zeugte Wärme  vertical  aufwärts  fortpflanzen,  abnehmend 
ungefähr  in  arithmetischer  Progression. 

Was  die  über  der  Temperaturwelle  befindliche  Luft 
betrifft  i  so  behält  sie  gleiche  Temperatur  und  gleiches 
spezifisches  Gewicht  das  ganze  Jahr  hindurch;  auch  die 
Höhe  der  Atmosphäre  Aa,  Nn,  Ee,  Ss  würde  das  ganze 
Jahr  sich  gleichbleiben,  wenn  die  Atmosphäre  eine  absolut 
flüssige  Masse  wäre. 

Die  Atmosphäre  hat  aber  einen  bedeutenden  Grad  von 
Zähigkeit  (Viscosität),    wodurch  die  Herstellung  des  Gleich- 


100  Sitzung  der  math.-phys.  Clwse  vom  9.  Juli  1864. 

gewichts  verzögert  wird  und  so  geschieht  es,  dass,  wenn  die 
Temperaturwelle  auf  die  nördliche  Halbkugel  kommt  und 
die  Atmosphäre  über  die  eigentliche  Niveaulinie  emporhebt) 
nur  ein  Theil  der  emporgehobenen  Luftmasse  auf  die  süd- 
liche Hemisphäre  abzufressen  Zeit  hat,  und  eine  Erhebung 
paq  vom.  Pole  aus  nach  beiden  Seiten  abnehmend,  zurück« 
bleibt.  Gleiches  gilt  für  den  Südpol.  Da.  die  hier  bezeich- 
nete Erhebung  der  Luft  sowohl  hinsichtlich  der  Form  als 
der  Veränderlichkeit  der  Höhe  mit  einer  Welle  sich  ver- 
gleichen lässt,  so  werden  wir  sie  als  Polarwelle  be- 
zeichnen. 

Soll  der  Einfluss,  den  diese  Vorgänge  auf  das  Baro- 
meter ausüben,  bestimmt  werden,  so  kommt  zu  berücksich- 
tigen, dass  die  über  einem  beliebigen  Punkte  k  befindliche 
Luftsäule  aus  zwei  Thetlen  besteht ;  aus  einem  untern  Theile 
k  f ,  welcher  der  tropischen  Temperaturwelle  angehört  und 
dessen  Gewicht  durch  Expansion  und  Wasserdampf  ver- 
mindert ist,  und  einem  oberen  TheUe  von  constanter  Be- 
schaffenheit, dessen  Gewicht  durch  die  Polarwelle  eine  Ver- 
mehrung erhält. 

Die  Aenderung  des  Barometerstandes  ist  demnach  der 
Unterschied  zwischen  der  Verminderung  durch  die  tropische 
Temperaturwelle  und  der  Vermehrung  durch  die  Polarwelle, 
und  da  die  erstere  gegen  den  Pol  hin  kleiner,  die  zweite 
grösser  wird,  so  muss  in  der  warmen  Jahreszeit  an  allen 
Punkten  vom  Aequator  an  bis  zu  einer  gewissen  Breite  der 
Luftdruck  abnehmen,  von  da  bis  zum  Pole  aber  zunehmen. 
Diess  gilt  für  den  imaginären  Fall,  dass  die  Erdoberfläche 
vollkommen  kugelförmig  und  gleichmässig  beschaffen  sei 
und  die  Wirkung  der  Wärme  überall  hin  regelmässig  sich 
verbreite.  In  wie  weit  letzterer  Bedingung  in  der  Wirklich- 
keit genügt  wird,  lässt  sich  durch  Vergleichung  von  ein 
paar  Punkten   leicht   entscheiden.    Die  dreizehnjährige  Be- 


Lamcnt:  Die  jährliche  Periode  des  Barometers.  101 

obachtungsreihe  1851  —  1863  liefert  für  München  und  Hohen- 
peissenberg folgende  Bestimmungen: 


Lu 

ftdruck 

Temperatur 

München 

Hohen- 

München 

Hohen- 

iH 

peissenberg 
tu 

0 

peissenberg 

0 

Januar 

817,87 

299,71 

—1,78 

—0,99 

Februar 

317,24 

299,56 

-1,21 

—1,46 

März 

316,64 

299,17 

1,78 

0,58 

April 

316,66 

299,43 

5,99 

4,74 

Mai 

316,56 

299,58 

9,88 

7,82 

Juni 

317,41 

300,64 

13,15 

11,03 

Juli 

317,80 

801,06 

14,14 

12,27 

August 

817,78 

301,06 

13,85 

12,33 

September 

317,93 

300,97 

10,36 

9,13 

Oktober 

317,56 

300,43 

7,08 

6,81 

November 

316,91 

299,38 

1,08 

0,86 

Dezember 

317,69 

300,01 

—1,19 

—0,68 

Man  sieht  sogleich,  dass  der  jährliche  Gang  des  Luft- 
druckes in  München  ein  anderer  ist,  als  auf  dem  1400' 
höher  gelegenen  Hohenpeissenberg,  wofür  als  nächster  Grund 
der  Umstand  sich  darbietet,  dass  das  Gewicht  der  1400' 
hohen  Luftschichte,  welches  durch  den  Barometerunterschied 
ausgedrückt  wird,  von  den  Aenderungen  der  Temperatur, 
sowie  von  denen  des  absoluten  Druckes  abhängt,  und  die 
Rechnung  zeigt,  dass,  wenn  man  die  Temperatur  (Mittel 
von  München  und  Hohenpeissenberg)  =  T,  und  den  Luft- 
druck  auf  dem  Hohenpeissenberg  =  300"'  ■+.  ß  setzt ,  zu 
der  Differenz  der  Barometerstände  die  Correction 

0"',0438  (T— 6°)  +  0"',0584  ß 
hinzugefügt  werden  muss,  um  das  Gewicht  zu  erhalten, 
welches  die  obige  Luftschichte  bei  einem  Drucke  von  300"' 
und  einer  Temperatur  von  +5°  ausüben  würde.  Noch  ein 
weiterer  Umstand  kommt  zu  berücksichtigen,  nämlich  die 
Menge  des  in  jener  Luftschichte  enthaltenen  Waeserdunstes, 
worüber  eine  sichere  Bestimmung  nicht  zu  erlangen  ist  und 


102  Sitsung  der  mafk-pkys.  Glosse  90m  9.  Juli  1864, 

nur  so  viel  als  nahe  Approximation  angenommen  werden 
kann,  dass  der  Wasserdunst  der  Temperatur  T  proportional 
sein  wird.  Sucht  man  unter  dieser  Voraussetzung  den  Beobach- 
tungen zu  genügen,  so  ergiebt  sich,  dass  zu  der  obigen 
Correctionsformel   wegen    der  Feuchtigkeit   der  Luft    noch 

ein  Glied 

+  0"',0162  (T-5°) 

hinzugefügt  werden  muss. 

Die  Barometerdifferenzen  unmittelbar    beobachtet  und 

corrigirt,  gestalten  sich  nun  wie  folgt: 

Barometerdifferenz 

beobachtet      corrigirt 


444  444 


Januar 

17,66 

17,26 

Februar 

17,58 

17,28 

März 

17,47 

17,18 

April 

17,23 

17,21 

Mai 

16,9$ 

17,16 

Juni 

16,77 

17,20 

Juli 

16,74 

17,26 

August 

16,72 

17,25 

September 

16,96 

17,29 

Oktober 

17,18 

17,26 

November 

17,53 

17,25 

Dezember 

17,68 

17,32 

Der  Unterschied  des  jährlichen  Ganges  des  Barometers 
in  München  und  auf  dem  Hohenpeissenberg  lässt  sich  also 
vollständig  erklären  und  es  ist  überhaupt  leicht  einzusehen, 
dass  an  jedem  höher  gelegenen  Punkte  die  im  Sommer  ein* 
tretende  Verminderung  des  Luftdruckes  geringer  ausfallen 
wird,  als  an  den  in  der  Nähe  befindlichen  tiefer  gelegenen 
Punkten.  Diess  geht  auch  aus  der  Betrachtung  der  Figur 
hervor:  sogar  ist  es  einleuchtend,  dass,  -wenn  eine  Berg* 
spitze  bis  zur  oberen  Grenze  der  Temperaturwelle  in  f  hinauf- 
reichen würde,  die  im  Sommer  eintretende  Verminderung 
des  Luftdruckes  ganz  wegfiele. 


Ltmumt:  Die  jährliche  Periode  See  Barometer*.  10t 

Vergleichen  wir  nun  ferner  den  jährlichen  Gang  dm 
Barometers  in  München  und  Brüssel;  Das  Mittel  der  Jahre 
1848—52  giebt: 


Luftdru 

ick 

Tempera 

,tur 

München 

Brüssel 

444 

München 

A 

Brüssel 

Januar 

817,49 

336,02 

—2,52 

1,17 

Februar 

817,99 

335,55 

0,80 

8,82 

März 

317,02 

335,16 

-1,12 

3,90 

April 

315,76 

883,59 

5,86 

7,10 

Mai 

817,17 

336,07 

9,14 

12,19 

Juni 

817,67 

384,95 

13,02 

13,26 

Juli 

317,72 

335,13 

18,48 

14*63 

August 

817,83 

335,00 

12,92 

13,60 

September 

817,97 

335,60 

9,31 

10,96 

Oktober 

316,96 

334,22 

6,17 

.7,89 

November 

816,72 

334,23 

1,90 

6,01 

Dezember 

318,70 

836,13 

—0,88 

3,37 

Hier  schwanken  die  Barometerunterschiede  zwischen 
17"',17  und  18"',  14,  also  fast  um  eine  ganze  Linie  aber 
ohne  Zusammenhang  mit  der  Temperatur  oder  dem  abso- 
luten Luftdrucke  oder  dem  Wasserdunste,  und  eine  Correo 
tionsformel  nach  den  obigen  Regeln  entwickelt,  würde  eine 
Uebereinstimmung  der  Barometerdifferenzen  nicht  herstellen. 
Die  Thatsache  ist,  dass  die  Luftmasse,  welche  über  Belgien 
lagert,  und  die  Luftmasse,  welche  über  Mitteldeutschland 
lagert,  von  ganz  anderer  Beschaffenheit  sind,  und  während 
sie  sich  im  Mittel  das  Gleichgewicht  halten,  keinesweges  die 
Wärme  und  die  Dunstmenge  haben,  welche  sie  bei  normaler 
Verbreitung  der  Temperatur  und  des  Wasserdunstes  haben 
sollten. 

Diese  Verhältnisse  habe  ich  an  einem  andern  Orte  be- 
reits näher  entwickelt6);  das  Ergebniss  im  Allgemeinen  ist, 


6)  Sitzungsberichte  der  k.  Akad.  d.  Wisflensch.  1862  H.  I.  S.  14. 


104  Süsung  der  #«rfft.-pÄy*.  Claese  vom  9.  Juli  1864. 

dass  man  die  Luft  als  eise  zähe  Flüssigkeit  betrachten 
müsse ,  in  welcher  eine  vollständige  Ausgleichung  nie  zu 
Stande  kommt,  und  die  Atmosphäre  aus  wärmeren  und 
kälteren,  feuchteren  und  trockneren  Luftmassen  besteht, 
welche  sich  das  Gleichgewicht  halten,  ohne  ihrer  Beschaffen- 
heit nach  den  mathematischen  Bedingungen  des  Gleichge- 
wichtes zu  entsprechen. 

Die  Meeresoberfläche  absorbirt  die  auffallenden  Sonnen- 
strahlen, so  dass  wenig  davon  zur  unmittelbaren  Erwärmung 
der  Luft  verwendet  wird;  auf  der  Landoberfläche  dagegen 
entwickelt  sich  die  Wärme  der  auffallenden  Sonnenstrahlen 
sogleich  und  geht  in  die  Luft  über,  dagegen  ist  die  Dunst- 
entwickelung auf  dem  Meere  weit  stärker,  als  auf  dem  festen 
Lande.  Auf  dem  festen  Lande  ist  wiederum  bezüglich  auf 
Temperatur  und  Feuchtigkeit  ein  grosser  Unterschied  da- 
zwischen, ob  der  Boden  sandig  und  kahl,  oder  ob  er  mit 
Wald  bewachsen  ist,  ob  er  wenig  oder  viel  über  die  Meeres- 
fläche sich  erhebt. 

Bei  gleicher  geographischer  Breite  wird  also  die  Tem- 
peraturwelle über  dem  Meere  und  über  dem  Lande,  über 
hohen  und  tiefen  Landstrichen  anders  sich  gestalten,  ohne  dass 
ein  mathematischer  Zusammenhang  bei  der  Regellosigkeit 
der  bedingenden  Ursachen  hergestellt  werden  könnte:  dabei 
wird  aber  immer  der  Charakter  der  Temperaturwelle  gleich- 
sam als  Grund  hervortreten. 

Diesem  gemäss  kann  die  jährliche  Periode  des  Baro- 
meters im  Allgemeinen  charakterisirt  werden,  wie  folgt: 

1)  Die  jährliche  Periode  besteht  darin,  dass  im  Sommer 
am  Aequator  eine  Depression  des  Barometers,  an  den  Polen 
eine  Erhebung  des  Barometers  sich  zeigt,  wobei  von  dem 
einen  System  zum  andern  ein  allmahliger  Uebergang  statt- 
findet; 

2)  das  Vorhandensein  eines  grossen  Unterschiedes 
zwischen  Winter-    und  Sommertemperatur    begünstigt    das 


Lamont:  Die  Jährliche  Periode  des  Barometers. 


105 


Aequatorialsystem ,  d.  h.  vermehrt  die  Depression  oder  ver- 
mindert die  Erhebung  im  Sommer; 

3)  grössere  Höbe  über  dem  Meere  begünstigt  das  Polar- 
system, d.  h.  vermehrt  die  Erhebung  oder  vermindert  die 
Depression  im  Sommer; 

4)  die  Nahe  des  Meeres  mildert  die  Hitze  und  be- 
günstigt die  Dunstbildung,  zwei  Wirkungen,  die  entgegen- 
gesetzten Erfolg  haben,  so  dass  nach  Umständen  eine  Be- 
günstigung des  Aequatorial-  oder  des  Polarsystems  als  Re- 
sultat hervorgehen  kann. 

Zur  Erläuterung  der  bisher  dargelegten  Prinzipien  lasse 
ich  hier  ein  Verzeichnis«  derjenigen  Orte  folgen,  für  welche 
der  Unterschied  des  Luftdruckes  im  Sommer  (Juni,  Juli, 
August  für  die  nördliche,  December,  Januar,  Februar  für 
die  südliche  Hemisphäre)  und  im  Winter  (December,  Januar, 
Februar  für  die  nördliche,  Juni,  Juli,  August  für  die  süd- 
liche Hemisphäre)  durch  Beobachtung  bestimmt  worden  ist. 


Name 

Geograph. 
Breite 

Barometer- 
stand 

& 
t 

§ 

Barometer 

Sommer  — 

Winter 

Temperatur 

Sommer  — 

Winter 

0 

tu 

0 

tu 

« 

Hobarton 

—48 

836,32 

9,6 

-0,03 

+7,3 

Melbourne 

—38 

886,70 

IM 

+0,37 

+7,1 

Auckland 

—36 

837,65 

11,8* 

+0,53 

+«,» 

Port  Jackson 

—84 

832,32 

16,0 

—2,84 

+8,4 

Gapstadt 

—83 

338,27 

15,8 

—1,99 

+6,9 

Grahamstown 

—83 

888,08 

16,0 

—1,87 

+5,6 

8t.  Jago 

—33 

319,90 

—1,04 

Rio  Janeiro 

—22 

836,02 

18,6 

—2,80 

+4,6 

St  Denis 

—21 

386,63 

20,0 

—2,43 

+8,2 

Honolulu 

—21 

832,72 

19,3 

—0,74 

-2,6 

Port  L  onis 

—20 

837,96 

20,7 

—2,61 

+8,0 

Mauritius 

—20 

888,82 

20,4 

—2,68 

+8,9 

8t  Helena 

—16 

818,40 

16,6* 

-1,22 

+2,6 

106 


SUnmg  der  math.-fkg$.  Clam  vom  9.  JuU  18«*. 


Name 

Geograph. 
Breite 

Barometer- 
stand 

Temperatur 

Barometer 

Sommer  — 

Winter 

Temperatur 

Sommer  — 

Winter 

Buitenzorg 

0 

—6 

ttt 

826,04 

0 

19,8 

ttt 

+0,15 

0 

—0,3 

Christiansborg 

+* 

33M9 

21,5 

+0,95 

-1,6 

Gayenne 

+e 

836,93 

+0,58 

— 0,2 

Georgetown 

+6 

837,10 

21,1 

+0,24 

+0,3 

Colombo  Ceylon 

1    +7 

336,36 

22,2 

—0,70 

+0,3 

Trevandrum 

i    +8 

334,30 

21,0 

-^0,69 

—0,1 

Dodabetta 

14-11 

247,72 

-1,07 

+0,6 

Octacamund 

+11 

259,54 

11,4 

—2,98 

+2,2 

Mercara 

+12 

293,57 

16,2 

—1,29 

0,0 

Barbadoes 

+13 

334,66* 

22,2 

+0,06 

+1,2 

Madras 

+13 

336,28 

22,6 

—3,17 

+«,7 

Jamaica 

+18 

337,71 

—0,43 

+1,8 

Galcutta 

+22 

334,56 

22,4 

—6,26 

+4,1 

Hongkong 

+22 

337,23 

18,9 

—4,90 

+9,8 

Ganton 

+23 

886,60 

16,8 

—5,08 

+12,0 

Bahamas 

+25 

338,50 

20,6 

-0,57 

+5,5 

Natchez 

+81 

334,36 

—1,69 

+12,8 

Bermuda 

+82 

338,71 

17,2 

—0,02 

+7,3 

Funchal 

+32 

337,96 

15,8 

-0,86    +8,6 

Gibraltar 

+86 

388,61 

15,7* 

—0,94 '  +9,1 

Malta 

+36 

837,6ff 

16,0 

+0,56  +10,0 

St.  Michael 

+88 

339,16 

13,5 

+0,46 

-Hfi 

Alicante 

+38 

-1,07  +10,8 

Corfu 

+89 

337,82 

15,4 

—0,96 

+11,3 

Philadelphia 

+40 

337,02 

—0,29 

+17,9 

Pekin 

+40 

386,59 

10,1 

—7,78 

+24*2 

Cambridge  U.S. 

+42 

337,75 

7,4 

+0,38 

+19,1 

Neapel 

+42 

832,47 

+0,78 

Rom 

+42 

335,88 

12,7 

+1,24 

+12,8 

Toronto 

+48 

333,87 

5,4 

+0,67 

+16,3 

Kingston 

+44. 

887,77 

—0,89 

+20,9 

Mailand 

+45 

332,88 

10,8 

—0,88 

+16,4 

St.  Bernhard 

+46 

249,72 

—0,8 

+2,96 

+11,1 

St.  Gotthard 

+46 

261,66 

-0,8 

+3,80 

+12,1 

Lamont:  Di*  jikrluhe 


des  B*rometer$. 


107 


Name 

i 

»4 

Sa 

peratur 

Mi 

8« 

2^6 

e8 

§ 

§1* 

lg* 

o 

« 

H 

PQgq 

Hl» 

0 

Hl 

0 

tu 

0 

Kioolajew 

+47 

336,30 

7,7 

-2,11 

+19,7 

tfewfundland 

447 

836,78 

6,2 

+1,81 

+16,2 

8t.  Johns 

+47 

334,82 

2,8 

+1,89 

+18,7 

Wien 

+48 

330,36 

8,6 

—0,89 

+16,6 

Peissenberg 

+48 

299,37 

4>7 

+1,63 

+12,6 

Manchen 

+48 

817,78 

5,9 

+0,38 

+14,6 

Begensburg 

+49 

324,07 

6,9 

+0,24 

+16,6 

Paris 

+49 

386,05 

8,6 

-0,22 

+11,9 

Leinberg 

+4» 

826,78 

-0,98 

Guernsey 

+49 

837,68 

10,8 

+0,76 

+M 

Breslau 

+51 

331,92 

6,6 

—0,12 

+16,6 

London 

+61 

336,20 

8,4 

+0,12 

+10,4 

Brüssel 

+61 

334,98 

8,3 

-0,05 

+11,6 

Nertschinsk 

+61 

812,04 

-3,4 

—3,66 

+84,4 

Berlin 

+62 

885,62 

7,2 

+0,74 

+14,7 

Brocken 

+02 

293,34 

0,7 

+2,09 

+18,6 

Warschan 

+62 

332,44 

5,9 

—0,93 

+16,8 

Irkutzk 

+62 

321,91 

—0,4 

—5,49 

+27,9 

Manchester 

+63 

336,52 

7,5 

+1,74 

+9,6 

Danaig 

+64 

336,80 

6,1 

+0,18 

+1^2 

Königsberg 

+66 

836,36 

-0,22 

+16,8 

Moskau 

+66 

330,27 

3,4 

—2,02 

+**fi 

Edinburg 

+66 

886,51 

6,7* 

+0,46 

+9,1 

Kasan 

+56 

834,56 

2,2 

—2,80 

+24,8 

Katherinenburg 

+67 

827,17 

0,4 

—2,68 

+24,4 

Bogoslawsk 

+«9 

327,14 

—0,9 

Petersburg 

+60 

337,16 

>  8,0 

—1,16 

+18,8 

Christiania 

+60 

386,83 

*,2 

—0,09 

+16,8 

Bergen 

+60 

835,25 

6,6 

-K80 

+9,9 

Beikiavig 

+64 

382,63 

3,3 

+8,81 

+10,8 

Archangel 

+64 

334,80 

0,6 

—0,47 

+21,5 

[1864.  H.  2.] 


8 


108  Sitemg  der  maü%.-phys.  Classe  vom  9.  Juli  1864. 

Da  die  meisten  in  der  Tabelle  enthaltenen  Zahlen  ans 
wenigen  Jahren  abgeleitet  sind,  während  kaum  eine  fünfzig- 
jährige Beobachtungsreihe  sichere  Bestimmungen 7)  liefert, 
so  ist  man  nicht  berechtiget,  eine  genaue  Uebereinstimmung 
der  Beobachtungsresultate  mit  den  theoretischen  Lehrsätzen 
zu  fordern;  vielmehr  dürfte  es  vorläufig  ausreichen,  wenn 
im  Allgemeinen  eine  Uebereinstimmung  sich  nachweisen 
lässt  und  diess  ist  auch  der  Fall.  So  offenbart  sich  in  allen 
Breitegraden  der  Einfluss  der  Höhe  durch  eine  dem  Aequa- 
torialsystem  entgegenwirkende  Tendenz;  desgleichen  tritt 
das  Aequatorialsystem  von  35°  südlicher  bis  35°  nördlicher 
Breite  ausschliesslich  auf,  mit  Ausnahme  von  Buitenzorg, 
Christiansborg,  Cayenne  und  Georgetown,  wo  die  Sommer- 
temperatur kleiner  ausfällt,  als  die  Wintertemperatur,  oder 
wo  ein  merklicher  Unterschied  dazwischen  nicht  vorhanden 
ist.  Zugleich  bemerkt  man,  dass  das  Barometer  im  Sommer 
um  so  tiefer  steht,  je  grösser  der  Temperaturunterschied 
zwischen  Sommer  und  Winter  ist.  Von  35°  nördlicher 
Breite  anfangend,  wird  das  Auftreten  des  Polarsystems 
immer  häufiger,  aber  auch  hier  macht  sich  der  Einfluss  der 
Temperatur  geltend,  und  überall,  wo  die  Sommertemperatur 
um  20°  bis  30°  oder  noch  mehr  über  die  Wintertemperatur 
sich  erhebt,  (in  Nicolajew,  Nertschinsk,  Jrkutzk,  Moskau 
u.  s.  w.)  findet  eine  Depression  des  Barometers  im  Sommer 
statt. 

Wenn  übrigens  gleich  kein  Zweifel  darüber  bestehen 
kann,  da6S  der  Unterschied  der  Sommer-  und  Wintertempe- 
ratur, die  Meereshöhe  und  die  geographische  Breite  die 
Hauptfaktoren  bilden,  von  welchen  der  Unterschied  des 
Barometerstandes  im  Sommer  und  Winter  abhängt,  so  reicht 
doch    ein  allgemeiner  Ueberblick  der  obigen  Tabelle  voll* 


7)  Sitzungsberichte  der  k.  Akad.  der  Wissenschaften  1862.  L  5. 


Lamont:  Die  lCjäkr.  Periode  der  magnet.  Variationen  etc.    109 

kommen  bin,  um  die  Ueberzeugung  zu  begründen,  dass  bei 
dem  jetzigen  Stande  der  Beobachtungsdata  jeder  Versuch, 
der  zum  Zwecke  hätte,  die  oben  angedeutete  Abhängigkeit 
durch  eine  mathematische  Formel  darzustellen,  noth wendig 
misslingen  muss. 

3)  Einige  Bemerkungen  über  die  zehnjährige  Periode 
der  magnetischen  Variationen  und  der  Sonnen- 
flecken. 

Wenn  die  tägliche  Bewegung  der  Magnetnadel  ihren 
Grund  in  einer  direkten  Einwirkung  der  Sonne  etwa  in 
einer  durch  die  Sonne  hervorgerufenen  elektrischen  Ebbe 
und  Fluth  hat,  und  die  zehnjährige  Periode  dadurch  zu 
Stande  kommt,  dass  die  Einwirkung  der  Sonne  allmählig 
grösser  und  kleiner  wird,  so  muss  für  alle  Punkte  der  Erd- 
oberfläche die  Grösse  der  täglichen  Bewegung  nach  gleichem 
Verhältnisse  sich  ändern,  d.  h.  wenn  die  tägliche  Be- 
wegung in  dem  nt<n  Jahre  an  einem  Orte  durch  a„ ,  an 
einem  andern  Orte  durch  a/  ausgedrückt  wird,  so  hat  man 

a»'      ^ 
=  Constante 

und  wird  die  Aenderung  der  Bewegung  durch  eine  für  sich 
bestehende  cosmische  Kraft  und  nicht  durch  eine  Modifi- 
cation  des  Sonneneinflusses  hervorgebracht,  so  hat  man 

an'  — a' 

=  Constante 

an    — a 

wo  a'  und   a   die   mittlere  Bewegung   bedeuten:     entsteht 
aber  die  zehnjährige  Periode  durch  Modification  von  Kräften, 
die  im  Innern    der  Erde  ihren  Sitz  haben,    so  wird  ein 
constantes   Verhältniss   der  erwähnten   Art  nicht  wohl   be-' 
stehen    können. 

Ich  habe  die  wenigen  bisher  vorhandenen  und  zur 
Entscheidung  der  angeregten  Frage  geeigneten  Bestim- 
mungen   der    täglichen   Bewegung  zusammengetragen,    und 

8* 


110 


Sünmg  der  maih.-phys.  Clane  vom  9.  Juli  1861. 


folgende  zwei  Tabellen  erhalten,  denen  ich  zur  Vergleichung 
die  correspondirenden  Jahre  für  München  beigefügt  habe. 

Tabelle  I. 


Rassische  Observatorien 

Jahr 

Petersburg 

.  Kather- 
inenburg 

Nert- 
schinsk 

Barnaal 

München 

1848 
1849 
1850 
1851 
1852 
1853 
1854 
1855 
1856 
1857 

4 

9.90 

9.36 

9.82 

7.88 

7.86 

7.62* 

6.55 

6.15 

5.50 

6.19* 

8.95 

9.16* 

8.70 

8.08 

7.53* 

7.79* 

6.45 

6.40 

5.80 

6.80 

4 

7.86 
7.16 
7.32 
6.06 
5.66 
6.30 
4.50 
6.35 
4.50 
5.23 

4 

8.13 

7.66 

6.08 

6.26 

5.95 

6.03* 

4.86 

6.23 

4.63 

6.12 

4 

11.20 
10.64 
10.42 
8.71 
9.00 
8.63 
7.56 
7.38 
7.08 
7.64 

Die  mit  *  bezeichneten  Zahlen  sind  nach  den  Monatmitteln  neu 
berechnet. 

Tabelle  II. 


Jahr 

Brittische  Observatorien. 

München 

Hobarton 

Toronto 

St.  Helena 

1841 

4 

6.12 

S 

7.74 

j 

4 

2.64 

7.86 

1842 

5.43 

6.61 

2.74 

6.78 

1843 

6.17 

6.25 

2.55 

6.86 

1844 

5.39 

6.67 

2.81 

6.34 

1846 

5.72 

6.66 

3.08 

7.39 

1846 

6.00 

7.11 

2.78 

861 

1847 

6.34 

7.61 

8.37 

9.38 

1848 

7.60 

8.05 

8.48 

11.20 

1849 

7.20 

8.49 

8.68  (6M.) 

10.64 

1850 

7.39 

7.90 

10.42 

1851 

6.13 

7.62 

8.71 

1862 

6.74 

9.00 

1868 

6.22 

8.63 

1854 

6.71 

7.66 

Lamont:  Die  lQjöhr.  Periode  der  wagtet.  Variationen  etc.    111 

Da  die  Grösse  der  täglichen  Bewegung  nur  ans  zwei 
Standen  abgeleitet  wird,  so  haben  notbwendig  die  Störungen 
beträchtlichen  Einfluss,  und  die  obigen  Zahlen  sind  nur  als 
eine  vorläufige  Approximation  zu  betrachten:  gleichwohl 
nähern  sie  sich  soweit  dem  oben  bezeichneten  constanten 
Verhältnisse,  dass  wie  mir  scheint,  hinreichender  Grund  vor- 
handen ist,  die  Ursache  der  zehnjährigen  Periode  in  der 
Sonne  oder  überhaupt  in  einer  aus  grosser  Ferne  wirkenden 
'cosmischen  Kraft  zu  suchen. 

In  meinem  Aufsätze  im  II.  Bande  der  Sitzungsberichte 
1862  habe  ich  vergessen,  eine  zur  genaueren  Bestimmung 
der  Länge  der  Periode  wichtige  Beobachtungsreihe  zu  er- 
wähnen, welche  Arago  in  Paris  von  1821 — 1830  angestellt 
hat,  und  womach  ein  Minimum  auf  1823, 3  und  ein  Mammmw 
auf  1829,0  gefallen  ist  Die  sicher  bestimmten  Wende- 
punkte sind  jetzt  wie  folgt: 

Maxima:  1786,5,  1817,0,  1829,0,  1837,5,  1848,8,  1859,5. 
Minima:  1823,3,  1843,0,  1855,0, 

und  wenn   man  die  Länge  der  Periode,    wie    ich    sie   be- 
stimmt habe,  zu  10,43  Jahre  annimmt,    und   von   1786,5 
als  Anfangspunkt  ausgeht,  so  bleiben  folgende  Fehler  übrig: 
Maxima:  0.0    +0.4    +1.6    +1.1     —0.3    0.0 
Minima:  —0.3    +0.8     —0.7. 

Herr  Wolf  hat  in  Pogg.  Annahm  (Mai  1863)  wiederholt 
die  Behauptung  aufgestellt,  die  Periode  müsse  zu  11,11  ange- 
nommen werden,  was  folgende  Fehler  übrig  lassen  würde. 
Maxima:  0.0    +2.8  +1.9     +4.5     —4.4    —4.8 
Minima:  —2.0     —4.6     —3.7. 

Man  sieht,  dass  es  ganz  unmöglich  ist,  den  Beobach- 
tungen durch  eine  Periode  von  11,11  zu  genügen,  und  diess 
ist  auch  der  Schluss,  zu  welchem  die  sorgfältige  Unter- 
suchung des  Herrn  Sabine  (Magn.  and  met  Observ.  of  8t 
Helena.  II  p.  126)  geführt  hat. 

Um  die  magnetische  Periode  von  10,43  als  unzulässig 


112  SiUung  der  math~-phy$.  doste  vom  9.  Juli  1864. 

nachzuweisen,  beruft  sich  Herr  Wolf  darauf,  dass  nach  den 
Beobachtungen  von  London  im  Jahre  1796  ein  Minimum 
stattgefunden  habe,  während  nach  jener  Periode  ein  Maximum 
ha^te  eintreten  sollen. 

Die  Beobachtungen  von  Gilpin  geben  nun  für  die  11 
Jahre  1795—1805  folgende  Zahlen 

7',6,  8',0,  7',9,  7',6,  7',3,  7',1,  8',0,  8',2,  8',2,  U'Ä 
8',5,  8',6. 

Wie  aus  diesen  Zahlen  ein  Maximum  im  Jahre  1796 
herauszubringen  sein  möchte,  kann  ich  mir  nicht  vorstellen ; 
in  der  That  zeigen  sie  gar  keine  Periode,  was  ganz  be- 
greiflich ist,  wenn  man  bedenkt,  dass  dabei  eine  auf  einer 
Spitze  aufgestellte  Nadel  benützt  wurde,  die  so  unempfind- 
lich war,  dass  nach  der  ausdrücklichen  Erklärung  Gilpin's 
die  zufälligen  Abweichungen  „8  bis  10  Minuten  oder  wohl 
noch  mehru  betragen  konnten. 

Interessant  ist  es,  die  Grundbestimmungen  kennen  zu 
lernen,  aus  welchen  Herr  Wolf  eine  einjährige  Sonnen- 
fleckenperiode  abgeleitet  hat.  Das  erste  „sichere"  Maximum, 
sagt  Herr  Wolf,  ist  jenes  von  1750  (Staudacher)  und  das 
erste  „sichere"  Minimum  jenes  von  1755,  (Staudacher  und 
Zucconi)  und  wenn  man  diese  mit  dem  Maximum  von  1860 
und  dem  Minimum  von  1855  vergleicht,  so  ergiebt  sich 
sehr  übereinstimmend  eine  Periode  von  11,11  Jahren.  Die 
Rechnung  ist  ganz  richtig;  sieht  man  aber  in  Staudachers 
Beobachtungen  nach,  so  findet  man,  dass  er  im  Jahre  1750 
nur  an  31  Tagen,  im  Jahre  1755  aber  nur  an  einem 
Tage  die  Sonne  beobachtet  hat  und  überhaupt  in  der 
Periode  1750 — 1755  nicht  ganz  25  Beobachtungen  im  Mittel 
auf  das  Jahr  treffen,  und  was  die  Beobachtungen  von  Zuc- 
coni betrifft,  so  umfassen  sie  nur  3  Jahre  (im  4.  Jahre 
fehlen  6  Monate  ganz)  und  geben  weder  für  sich  ein  ent- 
schiedenes Minimum,    noch  können   sie  als  Ergänzung  der 


Lamont:  Die  lOjähr.  Periode  der  magnet  Variationen  etc.   113 

Staudacher'schen  Beobachtungen  benützt  werden  8).    Das  ist 
ee  nun,  was  Herr  Wolf  „sichere*'  Bestimmungen  nennt. 

Da  es  auch  mit  den  sonstigen  „sicheren"  Anhaltspunk- 
ten der  verflossenen  zwei  Jahrhunderte  ähnliche  Bewandt- 
niss  hat,  so  lässt  sich  leicht  voraussehen,  dass  Hr.  Wolf 
trotz  derber  Polemik  und  trotz  zuversichtlicher  und  oft 
wiederholter  Verkündigung  seiner  Resultate  geringen  Erfolg 
haben  wird«  Von  den  wenigen  Schriftstellern,  welche  die. 
„einjährige"  Sonnenfleckenperiode  erwähnen,  hat  sicherlich 
keiner  die  Publikationen  des  Herrn  Wolf  mit  Aufmerksam- 
keit gelesen. 

Was  in  dieser  Beziehung  weiter  gesqgt  werden  könnte» 
übergehe  ich  vorläufig  und  will  zum  Schlüsse  über  den 
Standpunkt,  welchen  jetzt  die  Untersuchung  der  Sonnen- 
flecken einnimmt,  ein  Paar  Bemerkungen  beifugen. 

Nimmt  man  die  Tabellen  des  Herrn  Schwabe  zur  Hand, 
so  drückt  sich  darin  überall  das  Regelmässigperiodische 
der  Sonnenflecken  in  der  bestimmtesten  Weise  aus.  Ganz 
anders  verhält  sich  die  Sache,  wenn  man  die  jährlichen 
Resultate  der  Beobachtungen  von  Staudacher,  Zuoconi, 
Flaugergues  betrachtet ;  denn  hier  treten  auch  in  den  Jahren, 
wo  die  Beobachtungen  zahlreich  waren,  so  auffallende 
Spränge  hervor,  dass  man  versucht  sein  könnte,  eine  gänz- 
liche Aenderung  in  den  Verhältnissen  der  Sonnenatmosphäre 
vorauszusetzen,  wenn  man  nicht  beachten  würde,  dass  die 
genannten  Beobachter  weder  eine  bestimmte  Methode  im 
Auge  hatten,  noch  eines  bestimmten  Zweckes  sich  bewusst 


8)  Dass  die  Zählung  verschiedener  Beobachter  sogar  auf  das 
Zehnfache  von  einander  abweichen  kann,  lässt  sich  durch  neuere 
Belege  nachweisen.  Aeltere  Beobachter  scheinen  ihre  Aufmerksam- 
keit hauptsächlich  auf  grosse  Sonnenflecken  gewendet  zu  haben  und 
daraus  dürfte  unter  Anderm  zu  erklären  sein,  warum  Flaugergues 
im  Widerspruch  mit  andern  Beobachtern  die  Sonne  gar  so  häufig 
ohne  Flecken  fand. 


114  Sttmmg  dsr  mafk>*phgs.  Glosse  vom  0.  Juli  1864. 

waren,  noch-  hinreichende,  optische  Hilfsmittel  besassen. 
Erst  wenn  die  nächsten  zwei  Deeennien  die  vorhandenen 
Grundlagen  befestiget  and  erweitert  haben  werden,  wenn 
über  mögliche  Grösse  der  Aendenmgen  von  einem  Tag  zum 
andern,  über  das  Verhältnis  der  Aendenmgen  auf  der  uns 
zugewendeten  und  abgewendetta  Seite  der  Sonne  u.  s.  w. 
Näheres  confetatirt  ist,  und  Anhaltspunkte  für  eine 
Kritik  der  altern  Beobachtungen  gewonnen  sind,  mag 
eine  umsichtige  Benützung  derselben  für  die  Theorie  von 
einigem  Vortheile  sich  erweisen,  wogegen  die  unmittel* 
bare  Vereinigung  des  alten  und  neuen  Materials  ohne 
alle  Kritik  nur  zu  haltlosen  Zahlenbestimmungen  fuhren 
kann. 


Herr  Nägeli  macht  weitere  Mittheilungen 

„Ueber  den  innern  Bau  vegetabilischer  Zellen* 
membranen"  K). 

(Mit  3  Tafeln.) 

4.  Aufquellende  Epidermiszeüen  von  Samen  und 

Früchten. 

Das  merkwürdige  Verhalten  der  zu  Gallertschläuchen 
aufquellenden  Oberhautzellen,  wenn  dieselben  mit  Wasser 
in  Berührung  kommen,  ist  besonders  durch  die  Untersuch- 
ungen Schleiden's  und  Hofmeister's  bekannt.  Ich  be- 
absichtige nur  insofern  darauf  einzugehen,  als  an  der  her- 
vortretenden Gallerte  Streifung  sichtbar  ist. 

Wenn  die  Fruchtschale  von  Ocimum  basilicum  Lin. 
befeuchtet  wird,  so  kommen  aus  den  Epidermiszellen  lange 
Gallertschläuche    heraus.     Dieselben    sind    zartgeschichtet 


1)  Vgl.  diese  Berichte  1864.  I.  282  ff. 


Innerer  Btm  vegetobütocher  Zdlammbrcmen.       1 IS 

(Fig.  12,  13);  zuweilen  erscheint  die  äusserste  und  die  in* 
nerste  Schicht  etwas  dichter.  Auf  dem  Querschnitt  zeigen 
sieh  die  Schichten  viel  deutlicher;  die  innersten  sind  stark 
verbogen  (Fig.  12),  indem  sie  in  tangentialer  Richtung  mehr 
aufquellen  als  die  äussern.  Die  Verbiegungen  werden  nach 
aussen  allmählich-  schwächer.  —  Von  der  Fläche  angesehen 
(Fig.  13),  erscheint  der  Gallertschlauch  gestreift.  Die 
Streifen  sind  parallel,  hin  und  wieder  mit  einer  Verzweigung, 
spiralförmig,  meistens  südostdrehend  (linkswendig);  aber  sie 
haben  in  verschiedener  Tiefe  eine  etwas  verschiedene  Lage. 
An  der  Oberfläche  sind  sie  sehr  wenig  ansteigend,  oft  bei- 
nahe horizontal  und  dabei  ziemlich  gerade  oder  nur  schwach 
geschlängelt;  der  Band  des  Gallertschlauches  erscheint  zu- 
weilen fein  gekerbt:  die  Kerben  entsprechen  den  ausseiften 
Streifen.  Die  Streifen  der  mittleren  Schichten  sind  steiler 
und  massig  hin  und  hergebogen.  Die  der  innersten  Schieb* 
ten  zeigen  oft  sehr  starke  zickzackförmige  Biegungen  und 
besehreiben  in  der  Regel  auch  die  steilste  Spirale.  Der 
Winkel,  den  diese  Spirale  mit  der  Axe  bildet,  beträgt  45° 
und  weniger.  Der  zickzackförmige  Verlauf  der  Streifen  auf 
der  Flächenansicht  (er  ist  in  Fig.  13  durch  die  punktirten 
Linien  angedeutet)  hängt  mit  den  Verbiegungen  der  innern 
Schichten  im  Querschnitt  zusammen« 

Die  Breite  eines  Spiralstreifens  variirt  von  0,6  bis  1,2 
Mit;  sie  beträgt  im  Durchschnitt  0,9  Mik.  Die  Gallert* 
Schläuche  haben  eine  Länge  von  700  Mik.;  vor  dem  Auf- 
quellen war  die  trockene  Substanz  derselben  in  den  Epi- 
dermiszellen  110  Mik.  lang.  Daraus  folgt,  dass  die  Streifen 
vor  dem  Aufquellen  eine  durchschnittliche  Breite  von 
0,14  Mik.  einnahmen. 

Die  Oberhautzellen  der  Früchte  von  Lallemantia 
peltata  Fisch,  ei  Mey.  und  von  Dracocephalum  Mol* 
davica  Lin.  verhalten  sich  wie  bei  Ocimum.  Wenn  die 
Schichten  besonders  entwickelt  sind,  wie  es  bei  Lallemantia 


116       ,    Sitzung  der  matfr.-pfty*.  CUsat  vom  0.  Juli  1864. 

beobachtet  wurde,  so  werden  sie  von  den  sie  kreuzendem 
Spiralstreifen  in  eine  Reihe  getrennter  Knötchen  zerlegt. 

Es  ist  bekannt,  dass  die  Epidermiszeüen  der  Frucht- 
wandung  von  Salvia,  mit  Wasser  befeuchtet,  Gallertschläuche 
heraustreten  lassen,  in  denen  ein  oder  mehrere  Spiralbänder 
eingeschlossen  sind.  Bei  Salvia  Aethiopis  Ztn.  lässt  der 
Schlauch  sehr  zarte  Schichten  und  in  der  Flächenansicht 
äusserst  zarte  Querstreifen  wahrnehmen,  welche  wahrschein- 
lich flach  ansteigende  Spiralen  sind  (Fig.  10).  Das  einge- 
schlossene Spiralband  windet  sich  südöstlich  (links);  es  ist 
breit  und  spaltet  sich  stellenweise  in  zwei,  die  sich  weiter- 
hin wieder  in  eines  vereinigen  (Fig.  10).  Oft  auch  ist  das 
breite  Spiralband  bloss  mit  einer  Mittellinie,  welche  einer 
weichen  Schicht  gleicht,  versehen,  als  ob  es  sich  zur  Spaltung 
anschickte.  Es  kann  ferner,  wenn  die  beiden  Hälften  ungleich 
sind,  die  breitere,  oder  es  können  auch  beide  Hälften  von 
ähnlichen  aber  etwas  schwächeren  halbirenden  Längslinien 
durchzogen  werden.  Im*  letztern  Falle  beobachtet  man  also 
drei  streifenartige  Längslinien  auf  dem  Bande,  welche  eine 
Spaltung  desselben  in  vier  Bänder  andeuten. 

Im  trockenen  Zustande  liegen  die  Windungen  der 
Spiralfaser  dicht  aneinander  und  bilden  eine  scheinbar  un- 
unterbrochene Schicht  der  Zellwandung.  Es  ist  diese  Bild- 
ung auch  wirklich  als  Lamelle  der  Membran,  welche  nach- 
her spiralförmig  zerreisst,  und  nicht  etwa  als  enggewundene 
Spiralfaser  zu  deuten,  wie  das  bereits  von  Hofmeister  ge- 
schehen ist  (Berichte  der  k.  sächs.  Gesch.  d.  Wiss.  20.  Febr. 
1858).  Diese  Lamelle  ist  mit  sehr  niedergedrückten 'Spiral- 
streifen versehen,  und  wird,  da  sie  nur  wenig  aufquillt,  von 
dem  umgebenden  Gallertschlauch  auseinander  gezogen,  wo- 
bei die  Trennung  an  den  weichen  Streifen  erfolgt.  Die  Ab- 
rollung des  Spiralbandes  ist  daher  immer  sehr  unregel- 
mässig, indem  die  einen  Partieen  weniger,  die  andern  mehr 
sich  abrollen.    Gewöhnlich  bleibt  eine  Stelle   des  Bandes, 


Nagelt:  Innerer  Barn  vegetabilischer  Zettemnembranen.        117 

welche  etwa  der  ursprünglichen  Länge  der  Zelle  entspricht 
und  den  Primordialschlauch  sammt  dem  Inhalt  umschliesst, 
ziemlich  enggewunden,  indess  das  Band  daneben  fast  ge- 
rade ausgesogen  ist.  Diese  wenig  abgerollte  Partie  befindet 
sich  häufig  in  der  Mitte,  zuweilen  auch  nahe  dem  Grunde 
oder  nahe  der  Spitze  des  ganzen  Bandes. 

Die  innere  Lamelle  der  Epidermiszellen,  welche  in  das 
Spiralband  zerrissen  wird,  ist  unregelmässig-prismatisch  mit 
Torspringenden  Kanten  und  einspringenden  Seiten,  wie  die 
Flächenansicht  der  abgelösten  Epidermiszellen  zeigt  (Fig.  11). 
Diese  prismatische  Gestalt  hat  auch  das  abgelöste  Spiral- 
band mehr  oder  weniger  beibehalten  und  zeigt  ausser 
den  Knötchen  am  Rande  noch  solche  innerhalb  desselben 
<Fig.  10). 

Die  Fruchtschale  von  Salvia  Horminum  Lin*  ver- 
hält sich  ähnlich  wie  bei  S.  Aethiopis,  weicjbt  jedoch  in 
einzelnen  Partieen  ab.  Der  Gallertschlauch  (Fig.  1)  ist 
weniger  dickwandig,  dabei  deutlicher  geschichtet  und  deut- 
licher gestreift.  Die  Spiralstreifen  sind  flachansteigend  und 
wenden  sich  wie  die  eingeschlossenen  zwei  Spiralbänder  südöst- 
lich (links).  Diese  bleiben  anfanglich  beisammen  und  rollen 
sich  mit  einander  ab;  nachher  aber  trennen  sie  sich  von 
einander. 

Die  Spiralbänder  von  Salvia  Horminum  zeichnen 
sich  durch  ihre  beträchtliche  Dicke  (Tiefe)  aus.  Sie  bilden, 
solange  die  Windungen  sich  noch  berühren,  eine  Lamelle 
von  ziemlicher  Mächtigkeit,  an  der  man  selbst  bis  auf  vier 
Schichten  erkennt  Diese  Lamelle  zerreisst  in  ihrer  ganzen 
Dicke  und  stellt  die  beiden  Spiralbänder  dar,  welche  drei- 
bis  fünfmal  so  dick  als  breit  sind  und  daher  die  Form 
einer  wendeltreppenartigen,  in  die  Höhlung  hineinragenden 
Platte  haben.  Das  Profil  der  Längsansicht  zeigt  sie  ab 
nach  innen  gerichtete  Stäbchen  (Fig.  1),  welche  in  einzelnen 
deutlichen  Fällen  zartgegliedert  erscheinen  und  aus  drei  bis 


118  SUsung  der  math.-phy*  Oa$x  wm  9.  JuU  1864. 

» 

vier  dichtem  Knötchen,  die  durch  weiche  Substanz  getrennt 
sind,  bestehen  (bei  a).  Diese  Gliederung  ist  nichts  anderes 
als  die  Schichtung  der  sich  in  die  Spiralbänder  spaltenden 
Lamelle,  deren  ich  bereits  erwähnt  habe.  Von  diesen 
Schichten  ist  die  äu6serste  die  dichteste;  oft  ist  sie  im  auf- 
gequollenen Zustande  allein  deutlich.  Die  Bänder  zeigen 
dann  im  Profil  nur  ein  dichtes  rundliches  Knötchen  auf  der 
äussern  Seite,  indess  die  übrige  Masse  als  ein  zarter  weicher 
Anhang  erscheint«  —  Wenn  die  Bänder  sich  ganz  abrollen, 
so  kann  man  sie  flach  legen  und  dann  ihre  äusserst  zarte 
Schichtung  als  abwechselnd  dichtere  und  weichere  Längs* 
streifen  beobachten  (Fig.  1  bei  b). 

Nach  Hofmeister  (1.  c.  p.  28)  soll  es  in  manchen 
Fällen  „überaus  deutlich  sein,  dass  innerhalb  des  Schrauben- 
bandes  noch  eine  Schicht  zu  Gallerte  aufgequollener  Mem- 
bransubstanz liegeu.  Diess  stimmt  durchaus  nicht  mit  meinen 
Beobachtungen  überein,  so  dass  ich  im  Zweifel  bin,  ob 
wir  beide  das  gleiche  Objekt  hatten.  Die  Zeichnung  Hof» 
meisters  giebt  seine  Anschauung  sehr  bestimmt  wieder, 
ist  aber  wenig  genau  und  charakteristisch,  wenn  sie  die 
Zellen  meiner  Früchte  darstellen  sollte.  Ich  kann  den 
Widerspruch  nicht  lösen,  will  aber  doch  auf  zwei  Er- 
scheinungen hinweisen,  welche  möglicher  Weise  zu  einem 
Irrthum  führen  können. 

Die  eine  Veranlassung  zur  Täuschung  liegt  in  dem 
Umstände,  dass,  wie  ich  schon  sagte,  das  plattenartig  nach 
innen  vertiefte  Schraubenband  zuweilen  nur  in  seinen  ausser» 
sten  Theilen  aus  dichter  Substanz  besteht,  nach  innen  aber 
weich  und  undeutlich  begrenzt  ist  Es  kann  selbst  diese 
innere  Partie  bloss  als  ein  schwacher  Schimmer  sichtbar 
werden.  —  Die  andere  Veranlassung  zur  Täuschung  besteht 
darin,  dass  die  Zellen  und  ebenso  die  Spiralbänder  eine 
prismatische,  meistens  sechsseitige  Gestalt  haben.  Die  Kan- 
ten des  Prismas  zeigen  desswegen,  wie  das  auch  an  andern 


NägeU:  Innerer  Bau  veeetabüiecher  ZeUenmembranen.       119 

prismatischen  Zellen  und  Gefassen  oft  sehr  deutlich  ißt, 
noch  innere  Conturen  und  in  einzelnen  Fällen  können  diese 
Gontnren  ganz  den  Anschein  gewähren,  als  ob  eine  weiche 
gallertartige  Verdickung  sich  im  Innern  befände. 

Um  die  Zellen  langsam  aufquellen  zu  lassen,  was  für 
die  genaue  und  sorgfältige  Untersuchung  nothwendig  ist, 
und  um  zugleich  die  einzelnen  Theile  deutlicher  zu  sehen, 
thut  man  gut,  wenn  man  das  trockene  Präparat  in  wasser* 
arme  Jodtinktur  bringt  und  dann  Jodwasserstoffsäure  zu« 
setzt.  Dabei  färben  sich  die  Gallerte  und  die  Bänder  Tiolett; 
sicherer  tritt  die  Färbung  ein ,  wenn  man  das  Präparat  zu* 
erst  mit  alter  Jodtinktur  eintrocknen  lässt  und  dann  mit 
Jodwasserstoffsäare  befeuchtet. 

Der  Gallertcylinder,  welcher  aus  den  Zellen  der  Samen- 
oberhaut von  Gollomia  (G.  heterophylla  Hook.,  G.  coo» 
oinea  Lehm.,  C.  linearis  Ntät.  verhielten  sich  ganz  gleich) 
heraustritt,  enthält  ein  südwestlich  (rechts)  gewundenes 
Spiralband.  Dasselbe  wird  stellenweise  breiter  und  spaltet 
sich  dann  in  zwei;  stellenweise  wechselt  es  auch  mit  Ring- 
bändern  ab.  Manchmal  zweigen  sich  von  dem  Spiralband 
einzelne  dünnere  Fäserchen  ab,  welche  eine  Strecke  weit 
getrennt  verlaufen  und  dann  wieder  sich  mit  demselben 
vereinigen,  oder  welche  auch,  wenn  zwei  Bänder  vorhanden 
sind,  zwischen  denselben  hinziehen  und  sich  mit  den  Enden 
an  das  eine  und  andere  ansetzen.  Diese  Fäserchen  sind 
bisweilen  so  zart,  dass  man  sie  kaum  sichtbar  machen 
kann.  In  einzelnen  Fällen  war  es  sicher,  dass  sie  sich 
seitlich  mit  dem  Hauptband  vereinigten.  Ob  sie  auch, 
wie  es  andere  Male  schien,  von  der  inneren  Fläche  des- 
selben abgehen  können,  muss  ich  zweifelhaft  lassen. 

Die  Substanz  des  Gallertschlauches  ist  sehr  weich  und 
lässt  nicht  immer  und  nur  äusserst  zarte  Streuung  erken- 
nen. —  Wenn  das  Spiralband  durch  Schwefelsäure  oder 
Kupferoxydammoniak  aufquillt,  so  zeigt  es  sich  der  Länge 


120  Sibnmg  der  matk.-pkys.  OUum  vom  $.  Juli  19$4* 

nach  d.  h.  parallel  den  Rändern  gestreift  Die  Streifen  er- 
scheinen, wie  gewöhnlich,  abwechselnd  dichter  und  weicher. 
Man  zählt  an  einem  Band  innerhalb  der  dichten  Ränder 
drei  bis  sechs  dichte  Streifen.  Ausserdem  sieht  man  hin 
und  wieder  sehr  zarte  schiefe  Streifung,  zuweilen  selbst 
zwei  sich  kreuzende  Systeme  von  schiefen  Streifen  (Fig.  2)« 

Die  Haare  auf  den  Samen  einiger  Acanthaceen 
zeichnen  sich  bekanntlich  dadurch  aus,  daas  die  Bong*-  und 
Spiralbänder  des  aufquellenden  Gallertcylinder  umschliesaen 
und  nicht  abgerollt  werden.  Ich  untersuchte  vorzüglich 
Dipteracanthus  ciliatus  Nees.  Auffallender  Weise  sagt 
Hofmeister  (1.  c.  p.  27)  von  Ruellia  ciliata  (ohne 
Autor),  dass  deren  Samenhaare  keine  aulquellenden  Schich- 
ten enthalten.  Dipteracanthus  Schauerianus  Nees. 
verhält  sich  ganz  wie  D.  ciliatus.  Zweckmässig  ist  es  auch 
hier,  das  trockene  Präparatynit  Jodtinktur  zu  übergiessen 
und  dann  sogleich  oder  nach  vorgängigem  Eintrocknen  Jod* 
wasserstoflsäure  zuzusetzen,  wobei  sich  die  Scheide  mit  den 
Ringbändern  gelb,  die  Gallerte  violett  färbt. 

Die  einzelligen  Haare  sinc^  cylindrischfedenförmig,  nach 
der  Spitze  verschmälert.  Eine  äussere  dünne  Membran- 
schicht oder  Scheide  besteht  aus  dichter,  nicht  aufquellender 
Substanz;  sie  ist  in  regelmässigen  Entfernungen  mit  stark 
nach  innen  vorspringenden  Ringfasern  derselben  Beschaffen- 
heit besetzt,  welche  stellenweise  in  kurze  Spiralen  über- 
gehen oder  durch  Spiralbänder  verbunden  sind.  Diese 
Spiralen  sind  bald  rechts,  bald  links  gewunden.  Die  Bänder 
haben  ein  beinahe  kreisrundes  Profil  mit  einem  Punkt  im 
Gentrum.  Die  Höhlung  innerhalb  dieser  äusseren  mit  Ring- 
fasern besetzten  Scheide  ist  beinahe  vollständig  mit  einer 
quellungsfahigen  Substanz  ausgefüllt.  Bei  Berührung  mit 
Wasser  reisst  die  Scheide  und  der  Gallertschlauch  tritt 
heraus  (Fig.  3).  Derselbe  hat  ein  sehr  enges,  fadenförmiges 
Lumen,  das  einen  dünnen  Plasmastrang  umschliesst. 


Nägüi:  Innerer  Bau  vegetabifocher  Zcttewmembrcmen.        121 

4 

Der  Gallertschlaach  ist  zartgeschichtet,  was  man  be- 
sonders in  der  Queransicht  sieht.  Die  äusserste  Schicht  ist 
meistens  viel  dichter  and  doppelt  coeturirt,  während  die 
innern  Schichten  äusserst  fein  und  bloss  als  einfache  Linien 
sichtbar  sind.  Zuweilen  jedoch  treten  auch  einzelne  innere 
Schichten  (in  der  Zahl  von  1  bis  4)  stärker  hervor ,  ohne 
jedoch  die  Dichtigkeit  und  Dicke  der  umschliessenden  Schicht 
zu  erreichen  (Fig.  4).  Zuweilen  auch  erscheint  die  ganze 
innere  Masse  homogen  und  strukturlos,  so  dass  man  nur 
die  äusserste  Schicht  unterscheiden  kann  (Fig.  5). 

Die  Längsansicht  des  Schlauches  zeigt  spiralige  Streif- 
ung, welche  sich  gewöhnlich  auf  die  äusserste  dichte  Schicht 
beschränkt.  In  einzelnen  Fällen  beobachtet  man  auch 
äusserst  zarte  Spiralstreifen  im  Innern,  und  zwar  dann, 
wenn  hier  einzelne  Schichten  besonders  mächtig  und  dicht 
geworden  sind.  Aber  von  diesen  innern  Streifen  kann  ich 
weiter  nichts  als  deren  Vorhandensein  aussagen,  da  es  mir 
nicht  möglich  war,  etwas  über  deren  Verhalten  weiter  zu 
ermitteln. 

Was  nun  die  Streifen  der  äussern  Schicht  betrifft,  so 
beschreiben  dieselben  äusserst  flache  südwestliche  (rechts- 
wendige) Spiralen.  Der  Winkel,  den  dieselben  mit  der 
Horizontalen  bilden,  beträgt  nicht  mehr  als  3  bis  6°  (mit 
der  Axe  87  bis  84°).  Nur  selten  sind  sie  ziemlich  gerade, 
.meistens  mehr  oder  weniger  geschlängelt,  und  oft  selbst 
sehr  stark  verbogen  (Fig.  3,  6,  7).  Diese  Verlegungen  der 
Streifen  auf  der  Längsansicht  werden  durch  die  Einfaltungen 
der  Schichten  hervorgebracht,  die  man  auf  vielen  Quer- 
schnitten sieht.  Bald  sind  es  nur  die  innern  Schichten, 
welche  hin-  und  hergebogen  sind  (Fig.  4)b  bald  zeigt  aber 
auch  die  äusserste  Schicht  diese  Erscheinung  (Fig.  5),  und 
im  letztern  Falle  beobachtet  man  den  unregelmässigen  Ver- 
lauf- der  Streifen  auf  der  Längsansicht  —  Oft  können  diese 


122  8Unmg  der  matk-pbye.  dam  vom  9.  J*U  2064. 

Spiralen  in  ein  ans  4 — 6  Streifen  bestellendes  Band  abge- 
rollt werden  (Fig.  6  and  7  bei  a). 

Die  Verlegungen  der  Spiralstreifen  machen  es  sehr 
schwer,  ihren  wahren  Verlauf  au  erkennen.  Hanfig  gewähren 
sie  den  Anschein  von  übereinander  geschichteten  glocken- 
förmigen Kappen  (Kg.  7);  eine  genaue  Untersuchung  zeigt 
aber,  dass  diese  Kappen  die  verbogenen  Windungen  der 
zugekehrten  Fläche  sind  und  in  die  Windungen  der  abge- 
kehrten Seite  übergehen.  Die  sichere  Bestätigung  dieser 
Anschauung  ergiebt  sich  sogleich,  wenn  es  gelingt,  die 
Spiralstreifen  abzurollen  (Fig.  7,  a).  Wenn  ich  nicht  irre, 
ist  diess  die  gleiche  Erscheinung,  die  Hofmeister  an 
andern  zu  Gallerte  aufquellenden  Zellen  beschreibt,  für  die 
er  aber  eine  unrichtige  Deutung  beibringt 

Ich  bemerke  noch,  dass  der  aus  der  Scheide  heraus- 
tretende Gallertschlauch  zuweilen  enger  ist  als  jene,  und 
soweit  er  in  ihr  steckt,  sie  nicht  ganz  ausfüllt.  Aus  der 
Thatsache,  dass  der  Schlauch  häufig  gerade  den  Duroh- 
messer der  Scheide  hat  (wie  in  Fig.  3),  könnte  man  leicht 
zu  dem  Schlosse  sich  verleiten  lassen,  die  eingeschlossene 
Substanz  quelle  nur  in  der  Längsrichtung,  nicht  auch  in  die 
Dicke  auf.  Es  wäre  diess  bei  einer  so  enormen  Wasser* 
einlagerung  höchst  auffallend.  Bei  dieser  Deutung  würde 
aber  eine  Erklärung  für  diejenigen  Fälle  mangeln,  wo  die 
aufgequollene  Substanz  die  Scheide  nicht  mehr  ausfüllt, 
wahrend  sie  im  trockenen  Zustande  den  ganzen  Baum  ein* 
nahm.  Diese  Fälle  lassen  sich  nur  durch  die  Annahme  er- 
klären, es  sei  die  Einlagerung  der  Wassertheilchen  in  der 
Art  erfolgt,  dass  durch  dieselbe  eine  stärkere  Krümmung 
der  Spiralstreifen  bewirkt  wurde.  Mit  dieser  stärkern  Kriün* 
mung  ist  selbstverständlich  eine  Verkürzung  des  Krümmungs- 
halbmessers,  also  eine  Abnahme  des  Cylinderdurchmessers 
verbunden.  Letztere  ist  so  gross,  dass  sie  in  den  meisten 
Fällen  der  Quellung  in  den  transversalen  Richtungen   das 


NägeU:  Innerer  Bau  vegetabilischer  Zellenmembranen.        123 

Gleichgewicht  hält,  zuweilen  aber  dieselbe  noch  übertrifft. 
In  Zahlen  lassen  sich  diese  Verhältnisse  jedoch  nicht  aus* 
drücken,  solange  nicht  die  Neigung  der  Spiralstreifen  und 
ihre  Breite  vor  und  nach  der  Quellung  genau  bekannt  ie€- 
Die  Samen  von  Ruellia  strepens  Lin.  und  K.  for- 
mosa  Andr.  verhalten  sich  im  Wesentlichen  wie  Diptera- 
canthus.  Nur  ist  die  Wandung  der  Gallertschläuche  be- 
trächtlich dünner  und  deren  Lumen  weiter.  —  Die  Scheide 
zeigt  sich,  wenn  sie  noch  nicht  ganz  aufgequollen  ist,  in 
der  Längsansicht  zwischen  den  Ringbändern  gefaltet,  ein 
Beweis,  dass  sie  nur  sehr  wenig  Wasser  einzulagern  ver- 
mag. Scheide  und  Bänder  lösen  sich  nicht  in  Kupferoxyd- 
ammoniak, quellen  auch  nicht  einmal  sichtbar  darin  auf. 

5.  Baumwollenfasern. 

Lässt  man  die  Baumwollenfasern  aufquellen,  z.  B. 
durch  Schwefelsäure,  so  tritt  an  denselben  Spiralstreifung 
hervor.  Die  Wendung  ist  bald  rechts  bald  links;  es  kommt 
selbst  nicht  selten  vor,  dass  sie  an  der  nämlichen  Faser 
wechselt  (Fig.  8).  —  Die  Spiralstreifen  der  äussern  Mem- 
branschichten steigen  im  Allgemeinen  weniger  steil  empor 
als  die  der  tiefern  Schichten,  jene  bilden  z.  B.  mit  der 
Zellenaxe  einen  Winkel  von  55°,  diese  von  25°.  Die  Rich- 
tung der  Streifen  kann  aber  in  der  nämlichen  Schicht  auf 
kurze  Strecken  ziemlich  beträchtlich  variiren.  So  sah  ich 
an  der  Oberfläche  der  Zelle  eine  Neigung  von  40°  zur 
Aze  sehr  rasch  in  eine  Neigung  von  65°  übergehen,  wobei 
eine  reichliche  Verzweigung  der  Streifen  nach  einer  Seite 
hin  stattfand.  —  Die  Streuung  ist  zart  aber  deutlich.  An 
der  Oberfläche  befinden  sich  breitere  Bänder,  denen  schwache 
Hervorragungen  am  Rande  entsprechen.  Unmittelbar  in- 
nerhalb derselben  sieht  man  aber  die  gewöhnliche  Streifung 
mit  der  ganz  gleichen  Richtung. 

Bisweilen   beobachtet   man    an  einer  Baumwollenfaser 

[186411.2.]  9 


124  Sitnmg  der  «tafe-pAy*.  Clane  wm  9.  JuU  1864. 

nur  Streifen  der  nämlichen  Wendung.  Häufiger  jedoch  wird 
noch  ein  zweites,  meist  etwas  schwächeres  System  sichtbar, 
welches  sich  mit  jenem  kreuzt  und  oft  eine  etwas  andere 
Neigung  zur  Zellenaze  hat.  Beide  Systeme  können  auch 
gleich  deutlich  sein,  oder  es  kann  selbst  bei  verschiedenen 
Einstellungen  bald  das  eine,  bald  das  andere  starker  her* 
vortreten.  Es  giebt  Baum  wollfasern,  deren  Aussehen  dafür 
zu  sprechen  scheint,  dass  in  den  äussern  und  in  den  innern 
Schichten  die  Streifen  eine  entgegengesetzte  Wendung  haben. 
An  andern  sieht  man  dagegen,  wenn  man  mit  dem  Focus 
langsam  von  der  Oberfläche  bis  zur  Axenfläche  vordringt, 
die  Wendung  mehrmals  wechseln.  Endlich  beobachtet  man 
Fasern,  an  denen  jede  der  beiden  Streifungen  bei  Veränder- 
ungen des  Focus  ihre  Deutlichkeit  und  Schärfe  behält  oder 
in  gleichem  Grade  verändert.  Diess  spricht  dafür,  dass  die 
Streifen  in  jeder  einzelnen  Schicht  sich  kreuzen  und  dass 
die  Rhomben,  welche  man  sieht,  nicht  nur  scheinbar,  son- 
dern wirklich  vorhanden  sind. 

Wenn  man  die  Baumwollenfasern  in  Schwefelsäure  auf- 
quellen lägst,  so  werden  dieselben  gedreht.  Da  die  Faser 
flachgedrückt  ist,  so  gleicht  sie  bei  starker  Drehung  einem 
aus  zwei  Stricken,  die  sich  umeinander  winden,  bestehenden 
Seil.  Dabei  beobachtet  man,  dass  die  Drehung  an  ver- 
schiedenen Fasern  ungleich  gewendet  ist,  oder  dass  sie  an 
der  nämlichen  Faser  wechselt.  Sie  ist  constant  der  Wendung 
der  stärkern  Spiralstreifen,  welche  auch  schon  in  Wasser 
sichtbar  werden,  entgegengesetzt  (Fig.  9). 

6.  Holzzellen  der  Coniferen. 

Ich  habe  meine  Untersuchungen  vorzugsweise  an  Abi  es 
excelsa  Poir.  angestellt,  bemerke  aber,  dass  Pinus  syl- 
vestris Lin.  sich  ganz  ebenso  verhält.  Im  Allgemeinen  ist 
im  unveränderten  Zustande  nicht  viel  über  die  innere  Struo- 
tur  der  Holzzellen  zu  sehen.     Mit  Ausnahme  von  besonders 


Nägdi:  Itmerer  Barn  wpMctbümher  ZdUnmembrcmen.        125 

günstigen  Partieen  werden  in  Wasser  gewöhnlich  nur  ein- 
zelne stärkere  Streifen  sichtbar.  Die  geringe  Quellung, 
welche  die  Holzzellen  bei  der  Maceration  in  Salpetersäure 
oder  Salpetersäure  und  chlorsaurem  Kali  erfahren,  schliefst 
weitere  Verhältnisse  auf,  und  dieses  Verfahren  gewährt  über* 
dem  den  Vortheil,  dass  die  Zellen  isolirt  werden  und  daher 
von  verschiedenen  Seiten  beobachtet  werden  können.  Zar 
vollständigen  Erkenntniss  des  innern  Bau's  ist  es  aber 
nöthig,  die  Membranen  noch  durch  stärkere  Mittel  aufquellen 
zu  lassen.  Hiezu  eignet  sich  Schwefelsäure  am  besten;  dabei 
ist  es  zweckmässig,  die  optische  Wirkung  dadurch  zu  er- 
höhen, dass  man  die  Holzzellen  zuerst  mit  Jodtinktur  behan- 
delt, indem  durch  die  ungleiche  Einlagerung  der  Jodtheil- 
chen  eine  ungleiche  Widerstandsfähigkeit  der  verschieden«! 
Streifen  gegen  die  Schwefelsäure  und  eine  ungleiche  Inten- 
sität der  Färbung  bewirkt  und  dadurch  der  Contrast  ge- 
steigert wird. 

Die  Erscheinung,  die  dem  Beobachter  an  altem  Fich- 
tenholz am  häufigsten  entgegentritt  und  die  auch  hier  sich 
am  besten  studiren  lässt,  sind  die  Ringstreifen.  Man 
sieht  sie  sowohl  an  Holzzellen,  die  im  Wasser  liegen,  als 
an  solchen,  die  etwas  aufquellen.  Besonders  deutlich  sah 
ich  sie  oft  bei  Behandlung  mit  wenig  concentrirter  Schwefel* 
säure  hervortreten,  ehe  ein  eigentliches  Aufquellen  stattfand. 
Sie  sind  wohl  von  allen  Beobachtern  wahrgenommen,  aber 
irrthümlicher  Weise  für  Spiralstreifen  oder  Spiralfasern  ge- 
halten worden.  Es  sind  Querstreifen,  die  meist  mehr  oder 
weniger  schief,  seltener  rechtwinklig  über  die  horizontal- 
liegende Holzfaser  verlaufen  (Fig.  14,  15,  17).  Man  sieht 
dieselben  bei  jeder  Einstellung  des  Focus  von  der  zugekehr- 
ten bis  zur  abgekehrten  Fläche,  sowohl  in  der  Mitte  als  zu 
beiden  Seiten. 

Dass  es  keine  Spiralstreifen  sein  können,    wofür  man 

sie  bei  oberflächlicher  Beobachtung  wohl  halten  kann,    er- 

9*    - 


126  Sititmg  der  matk-pAy«.  Clane  wm  9.  Juli  1864. 

giebt  sich  ganz  sicher  aus  der  Thatsache,  dass  dieselben, 
wenn  nur  ein  System  ausgebildet  ist,  sowohl  rechts  als 
links,  so  wohl  auf  der  zugekehrten  als  auf  der  abgekehrten 
Fläche  nach  der  gleichen  Seite  geneigt  sind.  Es  kommt 
hin  und  wieder  vor,  dass  an  einer  sonst  glatten  Stelle  der 
Holzfaser  nur  ein  einzelner  Streifen  vorhanden  und  beson- 
ders deutlich  entwickelt  ist.  Derselbe  stellt  sich  als  eine 
schief  über  die  ganze  Breite  der  Zelle  verlaufende  gerade 
Linie  dar,  welche  bei  jeder  Einstellung  die  nämliche  Lage 
und  Richtung  behält.  Diese  Linie  ist  also  nichts  anderes 
als  die  Profilansicht  eines  schiefen  Durchschnittes  durch  die 
cylindrische  oder  prismatische  Faser.  Fig.  15  zeigt  im 
obem  Theile  eine,  im  untern  zwei  solcher  Linien,  die  gegen 
einander  geneigt  sind.  Somit  ist  der  Ringstreifen,  körper- 
lich aufgefasst,  eine  äusserst  dünne,  ebene  Scheibe,  welche 
die  Wand  der  ganzen  Zelle  durchsetzt. 

Diese  Scheibe  ist  immer  mehr  oder  weniger  zur  Zellen- 
aze  geneigt;  die  Neigung  variirt  von  60°  bis  zu  85°,  und 
beträgt  meistens  circa  70°.  Dreht  man  die  liegende  Holz- 
faser um  ihre  Axe,  so  kommt  sie  einmal  in  die  Lage,  wo 
der  Ringstreifen  am  deutlichsten  gesehen  wird,  und  wo  er 
mit  der  Zellenaxe  den  kleinsten  Winkel  bildet  (Fig.  14,  15). 
Bei  weiterem  Drehen  wird  er  allmählich  undeutlicher  und 
nähert  sich  der  horizontalen  Lage.  Nach  V*  Umdrehung 
ist  er  rechtwinklig  zur  Zellenaxe  und  am  schwächsten  ge- 
zeichnet. 

Die  Ringstreifen  zeigen  übrigens,  wenn  sie  durch 
quellende  Mittel  hinreichend  deutlich  gemacht  wurden,  darin 
eine  genaue  Analogie  mit  den  Spiralstreifen,  dass  sie  zwei 
sich  kreuzende  Systeme  darstellen  und  dass  die  Streifen 
jedes  Systems  unter  einander  genau  parallel  und  dicht  ge- 
drängt sind  (Fig.  19).  Von  diesen  beiden  Systemen  ist 
häufig  das  eine  etwas  stärker  ausgebildet  als  das  andere. 
Ein  Streifen    des  schwächern    hat   z.   B.    eine  Breite   von 


Nagelt:  Innerer  Bau  vegetabilischer  ZeUenmembranen.        127 

1 — 1,3  Mik.;  einer  des  starkem  Systems  ist  1,6—2,7  Mik.  breit. 
Dabei  bemerkt  man  aber  zuweilen  ziemlich  deutlich,  dass 
die  breitesten  Streifen  von  einer  äusserst  zarten  röthliohen 
Mittellinie  durchzogen  werden.  Dieselbe  deutet,  wie  ich 
glaube,  die  beginnende  Theilung  des  breiten  in  zwei  schmale 
Streifen  an.  In  andern  Fällen  sind  die  beiden  Systeme 
vollkommen  gleich  deutlich.  Zuweilen  entzieht  sich  das 
eine  gänzlich  dem  Blicke  des  Beobachters  (Fig.  17,  20). 

Von  den  Streifen  des  nämlichen  Systems  sind  oft  die 
einen  stark,  die  andern  wenig  entwickelt.  An  schwach  ge- 
quollenen Membranen  sieht  man  daher  einzelne  schon  sehr 
deutlich,  indess  die  andern  sich  noch  dem  Blicke  entziehen 
(Hg.  14).  Die  stark  ausgebildeten  Streifen  gehören  ent- 
weder nur  einem  oder  beiden  Systemen  an  und  die  liegende 
Holzzelle  zeigt  im  Profil  bald  vereinzelte  Linien,  die  nach 
der  nämlichen  Seite  geneigt  sind,  bald  solche,  die  in  ent- 
gegengesetzter Richtung  sich  neigen  und  sich  zu  den  für  die 
Ringstreifung  charakteristischen  Figuren  V  Y  X  verbinden 
(Fig.  18).  Bei  stärkerer  Einwirkung  des  Quellungsmittels 
werden  alle  Streifen  eines  Systems  deutlich  und  von  gleicher 
Stärke. 

Die  beiden  Streifensysteme  kreuzen  sich  gewöhnlich 
symmetrisch,  d.  h.  die  Linie,  auf  welcher  sich  zwei  Scheiben 
schneiden,  steht  auf  der  Aze  der  Zelle  rechtwinklig.  Seltener 
ist  ein  System  gegen  das  andere  etwas  verschoben,  doch 
ist  die  Abweichung  von  der  symmetrischen  Lage  nie  sehr 
bedeutend.  Bei  normalem  Verhalten  kann  man  die  liegende 
Holzzelle  in  eine  Stellung  bringen,  in  welcher  beide  Streifen- 
Systeme  mit  ihren  Ebenen  senkrecht  stehen  und  daher  die 
grösste  Deutlichkeit  besitzen.  Nach  einer  Viertelsumdrehung 
sind  beide  horizontal.  Bei  unsymmetrischer  Anordnung  lässt 
sich  auf  einmal  nur  ein  Streifensystem  ganz  deutlich  im 
Profil  sehen;  die  Zelle  muss,  um  das  andere  ebenfalls  in 
die  verticale  Lage    und    zur    grössten  Evidenz  zu  bringen, 


128  Siteung  der  math.-phys.  dorne  rem  9.  Juli  1864. 

etwas  gedreht  werden.  Ferner  kann  man  die  Zelle  nicht 
in  eine  Stellung  bringen,  wo  beide  Streifensysteme  horizontal 
und  somit  parallel  wären;  sie  kreuzen  sich  immer  noch 
unter  einem  kleinen  WinkeL  Eine  solche  Kreuzung  beob- 
achtet man  auch  bei  symmetrischer  Anordnung  der  beiden 
Systeme,  wenn  dieselben  nicht  genau  horizontal  liegen.  Sie 
gewähren  dann  den  Anschein  eines  undeutlich  gezeichneten, 
oft  unregelmässigen  Netees  mit  verlängerten  rhombenförmigen 
Maschen  (Fig.  21).  —  Die  Ringstreifen  haben  zwar  keine 
ganz  constante  Richtung;  dennoch  geheint  im  Allgemeinen 
als  Regel  zu  gelten,  dass  man  sie  auf  radialen  Längs* 
schnitten  durch  das  Holz  schiefgekreuzt,  auf  tangentialen 
dagegen  horizontal  über  die  Zellen  verlaufen  sieht.  Sie  sind 
daher  meistens  so  gestellt,  dass  das  eine  System  sich  nach 
aussen  im  Stamme,  das  andere  nach  innen  neigt. 

Um  sich  von  der  Beschaffenheit  des  einzelnen  Ring- 
streifens sowie  von  der  Anordnung  der  beiden  Systeme  zu 
überzeugen,  muss  man  die  dickwandigen  Holzzellen  an  der 
Grenze  der  Jahrringe  zur  Untersuchung  wählen.  Man  kann 
die  angegebenen  Verhältnisse  mit  Sicherheit  an  der  unver- 
letzten, wenig  aufquellenden  Faser  beobachten.  Doch  ist  es 
zweckmässig,  auch  die  Auflösungserscheinungen  zu  berück- 
sichtigen. Wenn  man  die  durch  Maceration  in  Salpeter* 
säure  freigemachten  Holzzellen  mit  concentrirter  Schwefel- 
säure behandelt ,  so  werden  sie  angegriffen  und  nach  und 
nach  aufgelöst.  Da  die  äusserste  Schicht  (sog.  primäre 
Membran)  stärker  widersteht,  so  geschieht  die  Auflösung 
von  den  Enden  ans  und  da  die  Festigkeit  der  übrigen  Sub- 
stanz von  aussen  nach  innen  hin  zunimmt,  so  sind  diese 
Enden  conisch  zugespitzt  (Fig.  17).  An  der  Basis  dieses 
Kegels  bildet  die  „primäre  Membranu  einen  schwach  vor- 
stehenden und  (wegen  der  aufquellenden  Substanz)  nach 
aussen  gebogenen  Rand.  Wenn  die  „primäre  Membran4' 
irgendwo    an    der  Faser  eingerissen    oder   verletzt   ist,    so 


r 


Nägdi:  Innerer  Bau  vegetabilischer  ZeUenmmbranen.        129 

dringt  die  Schwefelsäure  daselbst  ein  und  die  Faser  zerfällt 
in  zwei  Stücke,  deren  Enden  bald  wieder  die  charakter- 
istische Pyramidenform  annehmen.  Bis  an  die  Spitze  dieser 
Enden  nun  sieht  man  die  Ringstreifen  als  schiefe  Linien, 
der  beste  Beweis  dafür,  dass  sie  die  angegebene  Form  und 
Lage  besitzen.  In  Fig.  17  ist  eine  in  Auflösung  begriffene 
Holzzelle  abgebildet,  an  welcher  nur  ein  Streifensystem 
sichtbar  war. 

Ich  habe  bis  jetzt  die  Ringstreifen  mit  Rücksicht  auf 
ihr  Verhalten  zur  ganzen  Zelle  betrachtet.  Sehr  oft  sieht 
man  dieselben  nicht  in  ihrem  ganzen  Verlaufe  sondern  nur 
bruchstückweise.  Namentlich  ist  es  das  Profil  der  liegenden 
Zelle,  wo  sie  manchmal  allein  sichtbar  werden.  Sie  stellen 
hier  je  nach  der  Lage  der  Zelle  entweder  schiefe  Linien 
dar  (Fig.  20,  wo  man  nur  ein  System,  Fig.  19,  wo  man 
beide  Systeme  beobachtet),  oder  sie  treten  als  gerade  Quer« 
linien  auf  (Fig.  28).  Bei  günstiger  Einwirkung  des  Quellirogs- 
mittels  kann  man  in  einzelnen  Fällen  die  dichten  Areolen 
sich  allmählich  von  einander  trennen  und  dann  in  einer 
wasserhellen  Gallerte  verschwinden  sehen  (Fig.  22). 

Ausser  den  normalen  Ringstreifen,  wie  ich  sie  beschrie* 
ben  habe,  scheint  noch  eine  andere  Form  vorzukommen) 
über  deren  Verhalten  ich  jedoch  sehr  wenig  weiss.  Ich  sah 
einige  Male  auf  jeder  der  beiden  Seiten  einer  Holzzelle 
zwei  Streifen,  die  zu  einem  nach  innen  geöffneten  Winkel 
▼ereinigt  waren  (Fig.  16);  sie  wurden  nur  bei  mittlerer 
Einstellung  ganz  deutlich  gesehen,  wobei  zugleich  die  innern 
Enden  durch  zarte  über  das  Zellenlumen  hingehende  Quer« 
linien  verbunden  waren.  Bei  höchster  sowie  bei  tiefster 
Einstellung  beobachtete  man  eine  mittlere  quer  über  die 
ganze  Zelle  verlaufende  Linie.  Die  ganze  Figur  wurde  also 
durch  zwei  mit  ihren  weiten  Mündungen  einander  berührende 
Trichter  gebildet.  Ich  kann  vorerst  nichts  weiter,  als  diese 
einfache  Beobachtung  mittheilen. 


1 30  Sitzung  der  matfc-pty*-  <3****  von  9.  Juh  1864. 

Die  Holzzellen  der  Fichte  and  Föhre  zeigen  nicht  nur 
die  beschriebenen  schiefen  Ringstreifen,  sondern  auch  spiralige 
Streuung;  es  sind  namentlich  die  innersten  6  bis  12  Jahr- 
ringe, an  denen  sie  deutlich  ist,  sowohl  im  jagendlichen 
Zustande  an  kleinen  Zweigen  als  auch  im  Alter  an  grossen 
Stämmen.  Die  Spiralstreifen  bilden  mit  der  Zellenaxe  einen 
Winkel  von  55°  und  weniger  und  sind  südöstlich  (links) 
gewunden.  Sie  haben  genau  die  gleiche  Neigung,  wie  die 
spaltenförmigen  Porenkanäle  (Fig.  23,  24).  Dabei  gehen 
die  Streifen  selten  in  gleicher  Stärke  mit  den  übrigen  über 
die  Porenhöfe  hinweg,  so  dass  die  Porenspalte  unmittelbar 
von  starken  Spiralstreifen  eingefasst  ist.  Gewöhnlich  sind 
dieselben  auf  den  Höfen  zarter,  wobei  sie  entweder,  sowie 
sie  den  Hof  verlassen  habqn,  die  Stärke  der  übrigen  er* 
langen  (Fig.  24),  oder  aber  in  gleicher  Zartheit  sich  weiter- 
hin über  die  Zelle  fortsetzen.  Die  Spiralstreifen  können 
auch  auf  dem  ganzen  Porenhof  oder  dem  innern  Theil  des- 
selben, sowie  auf  der  dieser  glatten  Stelle  entsprechenden 
Spiralzone  vollständig  mangeln  (Fig.  23).  —  Die  genannte 
Spiralstreifung  ist  nicht  nur  an  den  Seiten  der  Holzzellen 
su  sehen,  wo  diese  an  andere  Holzzellen  angrenzen,  sondern 
auch  an  den  die  Markstrahlenzellen  berührenden  Stellen.  Sie 
sind  hier  im  Allgemeinen  etwas  weniger  steil  ansteigend 
und  werden  oft  besonders  deutlich  da  gesehen,  wo  sie  über 
die  Porenhöfe  weggehen. 

Die  Spiralstreifen  sind  oft  sehr  schmal  und  haben 
kaum  eine  Breite  von  0,7 — 1  Mik.  Zuweilen  sind  sie  viel 
breiter;  namentlich  zeigen  die  weichen  spaltenförmigen 
Streifen  ungleiche  Stärke.  Manchmal  sind  die  letztern  ab* 
wechselnd  stärker  und  schwächer,  so  dass  die  dichten 
Streifen  paarweise  genähert  sind  und  den  fandruck  machen, 
als  ob  sie  durch  Zerfallen  eines  breitern  in  zwei  schmale 
entstanden  wären.  —  An  den  Spiralstreifen  beobachtet  man 
ferner  nicht  selten  Verzweigung,    indem   einer  sich  in  zwei 


NägeU:  Innerer  Bau  vegeUtiüischer  Zeüenmembranen.        131 

Gabeläste  theilt  und  anderwärts  zwei  Zweige  sich  zu  einem 
Stamm  vereinigen  (Fig.  25,  a). 

Man  könnte  die  Spiralstreifen  des  Fichten*  und  Föhren- 
holzes leicht  für  zarte  Spiralfasern  ansehen  und  sie  z.  B. 
mit  den  Holzzellen  von  Taxus  vergleichen  wollen,  wo  be- 
kanntlich neben  den  Poren  gleichzeitig  auch  Bing*  und 
Spiralfasern  vorkommen.  Es  giebt  aber  zwei  Thatsachen, 
welche  einer  solchen  Deutung  sich  entgegenstellen.  Auf  dem 
Querschnitte  zeigt  sich  einmal  die  innere  Membranfläche 
jneistens  ganz  glatt,  namentlich  wenn  keine  merkliche  Quell- 
img eingetreten  ist.  In  diesem  Falle  befinden  sich  also  die 
Streifen  innerhalb  der  Substanz,  und  es  werden  die  Spiralen 
nicht  etwa  durch  verdickte  Linien  gebildet.  Andere  Male 
beobachtet  man  zwar  schwache  knötchenförmige  Hervor- 
ragungen; es  ist  diess  aber  eine  Erscheinung,  welche  auch 
sonst  häufig  mit  der  Streifenbildung  und  zwar  nicht  nur 
mit  den  Spiral-  sondern  auch  mit  den  Ringstreifen  ver- 
bunden ist. 

Die  andere  Thatsache,  welche  die  Identifizirung  der 
Spiralstreifen  des  Fichten-  und  Föhrenholzes  mit«  den  Spiral- 
fasern des  Taxusholzes  verbietet,  ergiebt  sich  bei  der  Ver- 
gleichung  selbst.  Wenn  man  Holzzellen  von  Taxus  bac- 
cata  durch  Schwefelsäure  stark  aufquellen  lässt,  bleibt  die 
innerste  Schicht  ziemlich  dicht  und  zeigt  zwischen  den 
Spiralfasern,  die  man  deutlich  als  Verdickung,  oft  beinahe 
als  Faltenvorspränge  erkennt,  je  4  bis  6  gleichlaufende 
Spiralstreifen  (Fig.  29).  Man  erhält  den  Eindruck,  als  ob 
einzelne  der  Spiralstreifen  sich  zu  Fasern  ausgebildet  hätten. 
Diese  Beobachtung  lässt  sich  sehr  schön  an  solchen  Stellen 
machen,  wo  keine  Poren  vorhanden  sind.  An  denjenigen 
Stellen  dagegen,  wo  zwischen  den  Spiralfasern  sich  Poren 
befinden,  beobachtet  man  häufig  während  des  Aufquellens 
eine  zarte  Streifung,  welche,  wie  bei  Abies  und  Pinus, 
mit  den  schmalen  Porenkanälen   parallel  läuft,    aber   sich 


132  Sitzung  der  math.-phys.  Masse  vom  9.  Juli  1864. 

* 

mit  den  Spiralfasern  kreuzt.  Diese  Spiralstreifdng  hat  wie 
bei  der  Fichte  und  Föhre  südöstliche,  die  Spiralfasern  haben 
südwestliche  Drehung,  nur  sehr  selten  kommt  das  Umge- 
kehrte vor.  Man  hat  also  bei  Taxus  zweierlei  Spiralstrei- 
fiing  zu  unterscheiden,  eine  die  mit  den  Spiralfasern  und 
eine  andere  die  mit  dem  Poren  correspondirt.  Wenn  ich 
nicht  irre,  gehört  die  entere  nur  der  innersten,  die  zweite 
den  übrigen  Schichten  an1). 

An  den  Spiralstreifen  des  Fichten-  und  Föhrenholzes 
lässt  sich  manchmal  keine  weitere  Struotur  nachweisen. 
'  Manchmal  indessen  sieht  man  sie  beim  Aufquellen  gegliedert, 
sie  gleichen  dann  einer  Reihe  von  getrennten  dichten  Knöt- 
chen (Fig.  25).  In  besonders  günstigen  Fällen  wird  auch 
das  zweite  System  von  Spiralstreifen  sichtbar,  welches  eben 
jenes  gegliederte  Aussehen  verursacht.    Es  hat  ziemlich  die 


2)  Vor  dem  Druck  des  Manuscripts  wurden  die  Elementarorgane 
des  macerirten  Taxusholzes  zu  andern  Zweeken  untersucht.  Die 
oben  ausgesprochene  Ansicht  bestätigte  sich  dabei  durch  eine  weitere 
Thatsache.  Die  Holzzellen  von  Taxus  sind  doppelter  Art.  Die 
einen  haben  deutliche  am  Rande  knötchenartig  vorspringende  Fasern, 
entweder  Ringfasern  oder  1 — 2  Spiralfasern,  die  unter  einem  Winkel 
von  15 — 80°  mit  der  Horizontalen  ansteigen,  und  bald  südöstlich, 
bald  südwestlich  gewendet  sind.  Ausserdem  besitzen  sie  verlängerte 
Poren,  welche  sich  oonstant  südostlich  (links)  drehen  und  mit  der 
Horizontalen  einen  Winkel  von  ungefähr  60°  bilden.  Die  andern 
Holzzellen  haben  zarte  Spiralstreifen  in  der  Zahl  von  3—8,  welche 
in  Richtung  und  Neigung  genau  mit  den  spaltenformigen  Poren 
übereinstimmen  und  im  Profil  nicht  als  Vorsprünge  wahrzunehmen 
sind;  die  Wendung  ist  beständig  südöstlich.  Zwischen  beiden  Arten 
von  Holzzellen  giebt  es  Uebergänge.  Wir  können  also  sagen,  dass 
alle  mit  steil  ansteigenden  südöstlich  gewendeten  Poren  versehen 
sind  und  ausserdem  mit  Fasern  oder  Streifen,  welche  von  30°  süd- 
westlicher bis  ungefähr  70°  südöstlicher  Neigung  variiren,  im  letz- 
tern Falle  mit  den  Poren  parallel  laufen  und  am  schwächsten  aus- 
gebildet sind. 


Nägtli:  Innerer  Bau  mgetabiUscfier  Zellenmembranen.        138 

gleiohe  Neigung  zur  Zettenaxe  wie  das  andere  System, 
wendet  Jtch  aber  nach  der  entgegengesetzten  Seite  und  ist 
meistens  ziemlich  feiner  (Fig.  26). 

Ich  habe  bereits  bemerkt,  dass  die  Spiralstreifen  vor- 
zugsweise in  den  innersten  Jahrringen  sichtbar  sind.  In- 
dessen sieht  man  sie  hier  durchaus  nicht  an  allen  Zellen. 
Anderseits  zeigen  zuweilen  auch  die  Zellen  der  spätem 
Jahrringe,  namentlich  diejenigen  des  jüngsten,  undeutliche 
spiralige  Streifung.  Was  die  Ringstreifen  betrifft,  so  findet 
man  sie  am  leichtesten  in  denjenigen  TheiJen  des  Holzes, 
denen  die  Spiralstreifen  mangeln.  Doch  kommen  sie  auch 
gemeinschaftlich  mit  den  letztern  vor.  Es  giebt  Holzzellen, 
an  denen  man  stellenweise  die  Spiralstreifen,  stellenweise 
die  Ringstreifen  deutlich  sieht.  Es  giebt  selbst  solche,  an 
welchen  beide  Streifenarten  auf  kürzere  oder  längere  Strecken 
mit  einander  vereint  auftreten.  Die  Spiralstreifen  sind  dann 
auf  der  zugekehrten  Fläche  als  zwei  schief  sich  kreuzende 
Liniensysteme,  die  Ringstreifen  dagegen  vorzugsweise  am 
Rande  und  zwar  je  nach  der  Lage  der  Zelle  entweder  als 
ein  System  von  horizontalen,  oder  als  zwei  Systeme  von 
sich  kreuzenden  schiefen  Linien  sichtbar. 

Der  Querschnitt  aller  Holzzellen,  es  mögen  dieselben 
in  der  Längsansicht  Ringstreifen  oder  Spiralstreifen  oder 
beide  vereint  zeigen,  erscheint,  wenn  die  Substanz  gehörig 
aufgequollen  ist,  radial  gestreift.  Bald  bedarf  es  einer  nur 
geringen,  bald  einer  beträchtlichen  Auflockerung,  um  diese 
Streifung  zu  zeigen.  Auf  Zellen  mit  fester  Substanz  muss 
man  eine  ziemlich  concentrirte  Schwefelsäure  einwirken 
lassen.  Die  äusserste  Schicht  („primäre  Membran")  quillt 
dabei  nicht  auf,  wohl  aber  wird  sie  öfters  von  der  innern 
sich  ausdehnenden  Masse  zersprengt.  Von  der  letztem 
dehnt  sich  die  innerste  Sohicht  stärker  in  die  Fläche  ans 
als  die  übrigen,  und  legt  sich,  besonders  wenn  die  primäre 
Membran  unverletzt  bleibt  und  die  freie  Ausdehnung  hemmt, 


134  Sitzung  der  maih.-phy8.  Clane  vom  9.  Juli  1864. 


in  Falten.  Dabei  werden  radiale  Streifen  achtbar,  welche 
bald  äusserst  fein  und  zart,  bald  ziemlich  stark  und  breit 
sind  (Fig.  27).  Dieselben  verlaufen  an  den  ebenen  Seiten 
der  Zelle  meistens  parallel.  An  den  Ecken  und  gebogenen 
Seiten  divergiren  sie  und  werden  nach  aussen  zahlreicher 
und  wenn  man  sie  ganz  deutlich  sieht,  so  verzweigen  sie 
weh,  wobei  ein  Streifen  nach  aussen  sich  in  2 — 5  theilt 
Sie  erscheinen  altemirend  hell  und  dunkel,  indem  sie  aas 
dichter  und  aus  weicher  Masse  bestehen.  Die  innerste 
Schicht,  welche  etwas  dichter  ist,  als  die  übrige  aufge- 
quollene Masse,  zeigt  sich  zuweilen  gegliedert  und  besteht 
aus  einer  Reihe  von  getrennten  dichten  Knötchen.  Diese 
Knötchen  springen  zuweilen  etwas  vor,  so  dass  der  Band 
feingekerbt  erscheint  Von  den  Vorsprüngen  setzen  sich 
die  dichten,  von  den  Einkerbungen  die  weichern  Streifen 
nach  aussen  fort  Beide  sind  im  wenig  veränderten  Zu* 
stände  fast  von  gleicher  Breite,  oder  die  dichten  sind  wenig 
breiter.  Je  mehr  aber  die  Substanz  die  Wirkung  des 
Quellungsmittels  erfahren  hat,  um  so  breiter  werden  ver- 
hältnissmässig  die  dichten  Streifen,  indess  die  weichen  zu 
feinen  Spalten  sich  verschmälern.  Die  äusserste,  nicht  auf* 
quellende  Schicht  der  Wandung  (primäre  Membran)  läset 
in  günstigen  Fällen  ebenfalls  zarte  Gliederung  erkennen. 
Die  Knötchen,  in  welche  sie  sich  auflöst,  sind  aber  kleiner 
und  gedrängter  als  diejenigen  der  innersten  Membranschicht 
An  dieser  zählte  ich  18— -32  Knötchen  auf  dem  ganzen 
Umfange.  —  Es  geschieht  zuweilen,  dass  die  „primäre 
Membran"  an  einem  freiliegenden  Querschnitt  einer  Zelle 
zerreisst  und  dass  sich  derselbe  umstülpt  Dabei  quellen 
die  dichten  Streifen  noch  mehr  auf  und  dehnen  sich  unge- 
hindert in  die  Breite;  sie  trennen  sich  auch  hin  und  wieder 
von  einander.  Die  weichen  Streifen  dagegen  theils  in  Folge 
von  mechanischer  Trennung,  theils  von  chemischer  Auf- 
lösung  erscheinen   nun   oft    als  wirkliche  Spalten.   —  Die 


Nägdi:  Innerer  Sau  vegetabilischer  Zeüenmembranen.        135 


radialen  Streifen  der  Querschnitte  haben  grosse  Aehnlichkeit 
mit  feinen  Poren;  sie  wurden  auch  von  Schacht  irrthüm- 
licher  Weise  als  solche  erklart  (Anat.  Physiol.  Taf.  2 
Fig.  19). 

7.  Holzzellen  der  Laubhölzer. 

Die  Erscheinungen,  die  man  an  den  Laubhölzern  wahr- 
nimmt, sind  im  Wesentlichen  dieselben  wie  bei  den  Nadel- 
hölzern. Doch  findet  man  dort  nicht  so  leicht  wie  hier 
Allee  bei  einer  Art  vereinigt.  Man  muss,  um  zur  Voll«» 
ständigkeit  zu  gelangen,  ein  grösseres  Material  durchmustern. 
Die  Untersuchungen  an  verschiedenen  Arten  ergaben  1)  Quer- 
streifen ganz  in  gleicher  Weise  wie  beim  Fichtenholz, 
2)  Spiralfasern  und  damit  parallele  Spiralstreifen,  3)  ausser 
diesen  Spiralfasern  mit  denselben  sich  kreuzende  Spiral- 
streifen und  Poren,  die  in  der  Richtung  mit  den  Spiral- 
Streifen  übereinstimmen,  4)  Querstreifen  und  Ein  System 
von  Spiralstreifen,  5)  Querstreifen  und  zwei  sich  kreuzende 
Systeme  von  Spiralstreifen. 

Daraus  folgt,  dass  bei  den  Laubhölzern  wie  bei  den 
Nadelhölzern  in  der  nämlichen  Membran  Ring-  und  Spiral- 
streifen vereint  auftreten,  dass  die  Spiralstreifen  in  den 
nämlichen  Schichtenoomplexen  zwei  sich  kreuzende  Systeme 
bilden,  von  denen  das  eine  in  der  Regel  deutlicher  ausge- 
bildet ist,  endlich,  dass  die  stärker  entwickelten  Spiral- 
streifen im  äussern  und  innern  Theil  einer  Membran  un- 
gleiche Wendung  zeigen  können,  wobei  die  eine  mit  den 
Porenkanälen,  die  andere  mit  den  Spiralfaeern  überein- 
stimmt. 

Die  Holzzellen  von  Kerria  japonica  DG,  verhalten 
sich  alle  gleich.  Sie  zeigen  Poren  (ohne  Höfe),  Spiral- 
fetsern  und  Ringstreifen  (Fig.  40)..  Die  hin  und  wieder  ver- 
zweigten Spiralfasern  haben  südwestliche  Wendung;  die 
Porenkanäle    liegen    in    sehr    steilen  südöstlichen  Spiralen. 


13Ö         Sitzung  der  math.-phys.  CUme  v*m  9.  Juli  1664. 

Die  Ringstreifen  treten  in  den  mit  Salpetersäure  maoeriiten 
und  mit  Schwefelsäure  aufquellenden  Membranen  stellen- 
weise sehr  zahlreich  und  gedrängt  auf.  Sie  sind  besonders 
im .  Profil  der  liegenden  Zelle  deutlich ,  meistens  nur  in 
einer  schiefen  Richtung  (wie  Fig.  40),  zuweilen  in  zwei  sich 
kreuzenden  Richtungen.  Bei  anderer  Lage  der  Zelle  sind 
die  Streifen  horizontal.  Der  Winkel,  den  die  Ringstreifen 
mit  der  Horizontalen  bilden,  beträgt  12—20°. 

Im  Holze  von  Fagus  sylvatica  Lin.  giebt  es  zweierlei 
Zellen.  Die  kleinere  Zahl  ist  weit  und  wenig  dickwandig, 
mit  ab  und  zu  verzweigten  Spiralfasern  und  mit  Poren 
zwischen  denselben,  welche  in  entgegengesetzter  Richtung 
geneigt  sind.  Ueberdem  beobachtet  man  undeutliche  Spiral- 
streifung.  —  Die  meisten  Holzzellen  sind  dickwandig  und 
mit  deutlicher  Ringstreifung  versehen.  Oft  sieht  man  auf 
den  beiden  Seiten  der  Zelle  zahlreiche  schiefe  Streifen,  die 
sich  nach  der  nämlichen  Richtung  kehren  und  spärliche 
Streifen,  die  in  entgegengesetzter  Richtung  verlaufen  und 
sich  mit  den  erstem  kreuzen.  Andere  Zellen  zeigen  hori- 
zontale oder  fast  horizontale  Streifung.  Ausserdem  kommen 
an  diesen  dickwandigen  Holzzellen  Porenkanäle  vor,  welche 
in  der  Flächenansicht  sehr  schmal  erscheinen  und  sehr  steil 
ansteigen,  und  mit  diesen  Poren  parallel  laufende  zarte 
Spiralstreifen. 

Eine  im  Wasser  gewachsene  Wurzel  von  Populus 
di  latata  Ait.  zeigte  auf  allen  Holzzellen  spiralige  Streifung 
in  doppelter  Richtung.  Das  eine  System  war  stärker  und 
zuweilen  allein  deutlich;  es.  bildete  mit  der  Zellenaxe  einen 
Winkel  von  mehr  als  45°.  Das  andere  System  bestand  aus 
viel  zartem,  zuweilen  ganz  undeutlichen  Streifen,  welche 
merklich  steiler  anstiegen  und  mit  der  Zellenaxe  einen 
Winkel  von  weniger  als  45°  ausmachten.  Die  schmalen 
Poren  stimmten  in  der  Richtung  genau  mit  den  stärkern 
Streifen  überein.    Die  Wendung  beider  war    in   der  Regel 


Nagelt:  Innerer  Bau  vegetabilischer  ZeUenmembronen.        137 

südöstlich  (links);  sie  wurde  bei  Holzzellen,  die  nur  an 
andere  Holzzellen  grenzten,  nie  anders  gefunden.  Eine  Wand 
zwischen  zwei  Holzzellen  zeigte  somit  4  Systeme  von  Streifen, 
zwei  stärkere  weniger  steile  und  zwei  schwächere  steilere, 
von  denen  jene  beiden,  ebenso  diese  unter  sich  entgegen- 
gesetzte Neigung  hatten,  und  von  denen  je  ein  stärkeres 
and  ein  schwächeres  der  einen  Zelle  angehörten. 

Unter  den  Holzzellen,  welche  die  Gefasse  berührten, 
gab  es  indess  manche,  welche  in  der  Wendung  von  den 
übrigen  abwichen,  bei  denen  somit  die  stärkern  Streifen 
sammt  den  Poren  eine  südwestliche  (rechtswendige)  Spirale 
bildeten.  Die  Wand,  wo  zwei  antidrome  Holzzellen  sich 
berührten,  zeigten  ebenfalls  4  Streifensysteme;  es  waren 
hier  aber  die  zwei  stärkeren  sammt  den  Poren  einerseits, 
anderseits  die  zwei  schwächeren  nach  der  nämlichen  Seite 
geneigt  Nur  war  der  Winkel  der  Neigung  etwas  verschie- 
den und  erlaubte  es,  die  Streifen  der  beiden  Zellen  zu 
unterscheiden. 

An  manchen  Holzzellen  wurde  ferner  Ringstreifung  be- 
obachtet. Dieselbe  zeigte  sich  beiderseits  auf  dem  Profil 
der  liegenden  Zelle  als  schiefe  Streifung  bald  nur  nach 
einer  Richtung,  bald  nach  zwei  Richtungen. 

Die  Holzzellen  von  Lonicera  sind  mit  Poren  und 
Spiralfasern  versehen,  diese  mit  südwestlicher,  jene  mit  süd- 
östlicher Wendung.  Es  giebt  auch  Zellen,  in  denen  bei 
gleicher  Richtung  der  Poren  die  Fasern  horizontal  oder  nur 
wenig  geneigt  sind,  und  solche,  wo  die  Fasern  und  die 
Poren  ziemlich  rechtwinklig  zur  Zellenaxe  verlaufen  und 
somit  fast  parallel  geworden  sind.  Die  Fasern  gehen  üb- 
rigens, ihre  Neigung  zu  den  Poren  mag  die  eine  oder  andere 
sein,  wohl  über  die  Höfe,  nicht  aber  über  die  Poren  selbst 
weg.  Ausserdem  ist  die  Zellwand  mit  zarten  Spiralstreifen 
versehen,    welche  in   der  Richtung  mit  den  Poren  überein- 


188  Statung  der  math.-phys.  Clause  vom  9.  Juli  1864. 

stimmen,    zuweilen  indessen  deutlich  etwas  steiler  sind  als 
diese  (Fig.  30). 

Ich  könnte  diese  Beispiele  noch  vermehren,  sie  würden 
nichts  Neues  enthalten.  Bald  sind  es  Holzzellen  mit  Spiral« 
fasern  und  mit  Poren,  die  eine  entgegengesetzte  Wendung 
zeigen,  wie  z.  B.  bei  Aesculus  Hippocastanum  und  Ro- 
binia  Pseudacacia;  wenn  Streifang  sichtbar  wird,  so 
folgt  sie  der  Richtung  der  Poren.  Bald  sind  es  Holzzellen 
bloss  mit  Poren  und  mit  spiraliger  Streiflmg.  Bald  endlich 
sind  es  dickwandige  Zellen  mit  ringförmiger  Streifung,  wie 
z.  B.  bei  Hakea  pectinata. 

8.  Holzgefisse  und  Siebröhren. 

Auf  den  Gefässen  ist  die  Streifung  selten  deutlich  zu 
sehen.  Was  zuerst  diejenigen  mit  abrollbaren  Fasern  be- 
trifft, so  haben  dieselben  eine  allzudünne  Wandung,  um 
daran  eine  Structur  zu  erkennen.  Die  Fasern  ßdbst  er- 
scheinen gewöhnlich  homogen.  Doch  beobachtete  ich  an 
den  Spiralgefassen  im  Blüthenschafte  von  Hyacinthus 
Orient alis  üw.,  als  dieselben  mit  Schwefelsäure  behandelt 
wurden,  deutliche  Streifung.  Jede  Faser  bestand  aus  vier 
dichten  weisslichen  und  drei  dazwischen  liegenden  dunkeln 
Streifen  (Fig.  32 ,  wo  die  dichten  hellen  Partieen  schattirt, . 
die  weichen  weiss  gelassen  sind).  Das  Profil  der  Spiral- 
faser zeigte  ringsum  eine  dichtere  Rindensubstanz  und  eine 
weichere  innere  Masse.  Jene  war  an  der  innern  convexen 
Seite  scheinbar  homogen;  an  der  äussern  ebenen  Flache 
dagegen  war  sie  unterbrochen  und  liess  vier  dichte  Partieen 
oder  Knötchen  wahrnehmen.  Es  sind  dieselben,  welche  auf 
der  Flächenansicht  die  Streifung  bewirken. 

Diese  Thatsache  erinnert  an  die  Holzzellen  mit  Spiral- 
fasern und  Spiralstreifen.  Bei  den  Holzzellen  ist  es  meistens 
nur  ein  Streifen,  welcher  sich  verdickt  und  die  Faser  bildet, 
während  mehrere  dazwischen  unverdickt    bleiben.    Bei  den 


r 


Nägeli:  Innerer  Bau  vegeidMUseher  Zellenmembranen.        139 

Spiralgefäseen  von  Hyacinthus  scheint  die  Faser  je  am  4 
dichten  Streifen  der  Wand  entstanden  zu  sein,  während  nur 
je  einer  dazwischen  ausfiel. 

Die  TreppengefasBe  von  Cyathea  dealbata  Stv.  lassen 
auf  der  Flächenansicht  ihrer  Membran  zwischen  den  Poren 
zuweilen  schiefe  Streifang  erkennen.  Bald  ist  es  nur  ein 
System,  bald  sind  es  zwei  Systeme,  die  sich  kreuzen.  Die 
Streifen  and  sehr  zart  und  dicht  gedrängt,  abwechselnd  hell 
und  dunkel  und  gleichen  genau  den  gekreuzten  Spiralstreifen, 
die  man  auf  Pareachymzellen,  Holz-  und  Bastzellen  beob- 
achtet. Zuweilen  sind  auch  nur  einzelne  Streifen  beider 
Systeme  deutlich  und  diese  stärker  entwickelt;  sie  bilden 
zwischen  den  leiterfönnigen  Poren  entweder  einzelne  schiefe 
Linien  oder  sie  verbinden  sich  zu  V-  und  Xformigen  Zeichen. 
Die  Neigung  der  Streifen  zur  Axe  des  Gefmsses  beträgt  45° 
oder  etwas  weniger.  —  Auf  den  Poren  selbst  zeigt  sich  nur 
selten  und  äusserst  zarte  Streifang.  Es  sind,  wie  es  scheint, 
schiefe  Linien,  die  bald  nur  nach  einer  Seite  geneigt  sind, 
bald  sich  kreuzen  und  in  der  Richtung  mit  den  Streifen 
auf  den  verdickten  Membranstellen  übereinstimmen.  In 
andern  Fällen  zeigen  die  Poren  eine  feinponktirte  Zeichnung, 
welche  an  die  Siebporen  erinnert. 

Aehnlich  wie  die  Treppengefiisse  von  Cyathea  ver- 
halten sich  die  netzförmigen  und  netzförmig-porösen  Gefässe 
von  Viburnum  Lantana  Lin.  Sie  sind  mit  zarten  Streifen, 
welche  zu  den  Fasern  quer  verlaufen,  gezeichnet.  Diese 
Streifen  bilden  oft  ein  undeutliches  Netz  weit;  nur  selten 
sieht  man  deutlich,  das»  zwei  Systeme  paralleler  Linien  vor- 
kommen, die  sich  unter  einem  spitzen  Winkel  kreuzen  und 
die,  wie  es  scheint,  unter  annähernd  gleichen  Winkeln  zu 
den  Fasern  geneigt  sind. 

In  der  Wurzel   von    Populus   dilatata  Ait.,    deren 
Holzzellen  früher  erwähnt  wurden,  zeigten  auch  die  porösen 
Gefässe  deutliche  Spiralstreifung.     Ihre  Poren    beschreiben 
[1864.  IL  2.]  10 


140  SUmmg  dar  matkrphjft.  Cku$e  wm  9.  Juli  1864. 

eine  flach  ansteigende  südöstliche  Spirale;  der  Winkel,  den 
dieselbe  mit  der  Zellenaxe  bildet,  beträgt  wenigstens  70°. 
Oft  auch  sind  die  Poren  beinahe  oder  wirklich  horizontal, 
und  können  sich  im  letztem  Falle  an  der  Wand  zwischen 
zwei  Gefassen  genau  decken.  In  der  Richtung  der  Poren 
▼erlaufen  zarte  Streifen;  zuweilen  kommt  nur  ein  System 
vor  und  die  zwei  sich  kreuzenden  Sreifenrichtungen,  welche 
an  der  Wand  zwischen  zwei  Gefassen  sichtbar  sind  und  den 
gekreuzten  Poren  entsprechen,  gehören  verschiedenen  Mem- 
branen an  (Fig.  39).  Meistens  jedoch  befinden  sich  in  der 
nämlichen  Membran  zwei  Systeme,  welche  sich  unter  einem 
sehr  spitzen  Winkel  sehneiden  und  ein  Netz  mit  quer  ge- 
streckten rhombischen  Maschen  darstellen.  Dieses  Netz  ist 
oft  mehr  oder  weniger  unregelmässig;  stellenweise  macht  es 
den  Eindruck,  als  ob  die  Streifen  sich  verzweigten  und  mit 
einander  anastomosirten.  —  Dass  die  sich  kreuzenden  und 
das  eben  besagte  Netz  bildenden  Streifen  wirklich  im  glei- 
chen Niveau  liegen,  sieht  man  stellenweise  an  der  Wand 
zwischen  zwei  Gefassen  deutlich.  Während  nämlich  häufig 
das  Netz  einer  Gefässmembran  ziemlich  horizontal  verläuft 
und  dasjenige  der  anliegenden  Membran  deckt,  lassen  sich 
in  andern  Fällen  zwei  Netze  unterscheiden,  also  4  Systeme 
von  Streifen ;  das  Netz,  welches  der  Membran  des  zugekehr- 
ten Gefasses  angehört,  steigt  nach  rechts,  dasjenige  in  der 
Membran  des  abgekehrten  Gefasses  nach  links  auf.  Ferner 
zeigt  die  Wand  zwischen  einem  Gefass  und  einer  Holzzelle 
das  fast  horizontale  Netz  des  erstem  und  die  steiler  an* 
steigenden  Spiralstreifen  der  letztern. 

Auch  auf  den  porösen  Gefassen  des  Holzes  von  Hakea 
pectinata  Dum.  Cours.  wurde  zarte  Spiralstreifung  in 
doppelter  Sichtung  beobachtet. 


NägeH:  Innerer  Bau  vegetabilischer  ZdleNmemibrmen.       141 

9.  Porenhöfe  und  Porenkantte. 

Die  Porenhöfe  sind  sehr  oft,  wenn  die  Membran  ringB 
um  dieselben  mit  deutlichen  Spiralstreifen  gezeichnet  ist, 
entweder  gar  nicht  oder  nur  undeutlich  gestreift.  Da  die 
Streifung  sicher  der  Aasdruck  von  innern  Vorgängen  in  dar 
Zellwandung  ist,  so  beweist  deren  Mangel  in  derjenigen 
Partie,  welche  die  Porenhöfe  bedeckt,  dass  hier  die  gewöhn- 
lichen räumlichen  Verhältnisse  der  Ernährung  gestört  waren. 
In  einzelnen  Fällen  wird  aber  eine  eigentümliche  Streifung 
auf  den  Höfen  und  auf  den  Porenkanälen  beobachtet,  und 
wenn  diese  Erscheinung  nicht  häufiger  und  nicht  stärker 
aasgebildet  auftritt,  so  liegt  die  Ursache  theils  an  der 
Kleinheit  dieser  Gebilde,  theils  möglicher  Weise  auch  daran, 
dass  die  Ursachen,  welche  die  Streifungsriohtung  der  übrigen 
Membran  bedingen,  hier  ebenfalls  noch  in  etwelchem  Maasse 
thätig  sind  und  daher  die  eigentümliche  Entwicklung  zu 
hemmen  streben. 

Die  Streifung  des  Porenhofes  wurde  am  deutlichstell 
auf  den  Holzzellen  der  Fichte  und  Föhre  gesehen.  Die  ge- 
wöhnlichste Erscheinung  ist  ein  weisslicher  Bing,  welcher 
den  Porenkanal  zunächst  umgiebt,  und  radiale  Streifen, 
welche  von  da  bis  an  den  Band  des  Porenhofes  gehen 
(Fig.  31).  Bing  und  Streifung  sind  übrigens  unabhängig 
von  einander;  zuweilen  kommt  auch  das  Eine  ohne  das 
Andere  vor.  Was  zuerst  den  weisslichen  Ring  betrifft,  so 
ist  derselbe  meistens  überall  von  gleicher  Breite  und  daher 
wie  die  äussere  (kleinere)  Mündung  des  Porenkanals  von 
rundlichovaler  oder  ovaler  Form.  Zuweilen  ist  er  auf  der 
einen  Seite  breiter  als  auf  der  andern.  Seine  Deutlichkeit 
ist  sehr  verschieden.  Bald  tritt  er  sehr  entschieden  hervor; 
bald  wird  er  kaum  beobachtet^  bald  ist  er  nur  auf  der 
einen  Seite   sichtbar,    auf  der  andern  nicht.    Dieser  Bing 

rührt  vorzüglich  davon  her,    dass    die  Decke  des  Hofes  in 

10» 


142         dtehmg  der  matK-phy$.  C&uw  vorn  9.  JuU  1904. 

der  Nähe  des  Kanals  eine  Biegung  nach  innen  macht;  er 
igt  also  die  Flichenansicht  einer  warzenförmigen  Erhaben- 
heit Ausserdem  kommt  zuweilen  noch  eine  etwelche  Ver- 
dickung der  Membran  hinzu.  Um  skh  hievon  zu  fiberzeugen, 
ist  es  am  zweckmässigsten ,  dflnne  Längsschnitte  durch  das 
Holz  anzufertigen,  dieselben  in  Gummi  einzutrocknen  und 
dann  noch  einmal  in  anderer  Sichtung  zu  durchschneiden. 
Man  erhalt  dadurch  kleine  Stücke,  die  man  unter  dem 
Mikroskop  drehen  und  von  jeder  Seite  ansehen  kann. 

Mit  diesem  Ring  haben  die  radialen  Linien  auf  dem 
Ttipfelhofe  nichts  zu  thun,  und  es  ist  zufällig,  wenn  die- 
selben sich  an  ihn  anzusetzen  und  von  ihm  auszugehen 
scheinen.  Sie  können,  wenn  er  mangelt,  bis  zu  dem  Poren* 
kanale  reichen.  Rücksichtlich  ihrer  Stärke,  Deutlichkeit  und 
Regelmässigkeit  herrscht  grosse  Verschiedenheit.  Die  radialen 
Ötreifen  sind  bald  äusserst  fein  und  zahlreich  wie  die  fein- 
sten Spiralstreifen,  bald  weniger  zahlreich  und  stärker.  Sie 
können  überall  gleich  entwickelt  sein,  oder  auf  der  einen 
Seite  mangeln.  Meistens  sind  sie  regelmässig  angeordnet, 
?otn  Gentruin  gerade  ausstrahlend  und  häufig  nach  aussen 
mh  in  zwei  Schenkel  spaltend.  Säten  sieht  man  sie  auch 
gebogen  und  mehr  oder  weniger  unregelmässig.  —  Ich  be- 
merke noch,  dass  die  radialen  Streifen  auf  dem  Porenhofe 
deutlich  nur  auf  solchen  Holzzellen  gesehen  wurden,  welche 
bloss  Ringstrafen  und  keine  Spiralstreifen  zeigten. 

Diese  Beobachtungen  lassen  an  und  für  sich  verschie- 
dene Erklärungen  zu.  Wenn  indess  das  Verhalten  der  Qe- 
fitaswandungen  von  Robinia,  von  dem  ich  sogleich  sprechen 
werde,  berücksichtigt  wird,  so  ist  die  Deutung  kaum  zweifei* 
haft.  Die  den  Porenhof  auskleidende  Membranschicht  ist 
gestreift,  mit  radieniormiger  Anordnung  der  Streifen.  Diese 
bestehen  entweder  bloss  aus  abwechselnd  dichter  und  weicher 
Substanz,  oder  die  dichten  Streifen  springen  überdem  noch 
leistenförmig  über  die  Fläche  vor.     Im  letztern  Falle  hätte 


Nägdi:  Itmorer  Bau  vtfctabiUteker  Zeltomewtbrmm.       143 

die  Oberfläche  des  Porenhofes  das  Ansehen  des  Dache* 
einer  runden  Halle,  welches  auf  radienförmig  geordnete» 
Sparren  ruht 

Die  deutlichste  Streifung  der  Porenkanäle  wurde  an  der 
Wandung  der  Gefässe  im  Holz  von  Robinia  Pseuda« 
eacia  beobachtet.  Wenn  die  Wandung  dieser  Porenkanäle 
genau  senkrecht  steht,  so  ist  die  sie  auskleidende  Membran 
aartgegliedert,  indem  die  hellem  Stellen  eine  Reibe  von  ge- 
trennten Knötchen  bilden,  ganz  in  gleicher  Weise  wie  auf 
Querschnitten  durch  Zellwandungen  zuweilen  einzelne  Schich- 
ten zarte  Gliederung  zeigen«  Dabei  kann  die  Wandung  des 
Porenkanals  entweder  glatt  sein  (Fig.  85),  oder  es  ragen 
die  Knötchen  etwas  vor.  Steht  aber  die  Wand  schief,  so 
scheinen  die  ganzen  Knötchen  über  die  Fläche  vorzuragen 
und  sehen  selbst  wie  isolirte  Körnern  aus.  Diess  ist  wegen 
der  trichterförmigen  Gestalt  des  Kanals  oft  auf  beiden 
Seiten  desselben  der  Fall  (Fig.  36).  Zuweilen  erscheinen 
die  sahmalen  Poren  auch  als  zickzackförmige  und  unreget* 
massig  gebogene  Spalten  (Fig.  84). 

Die  Beobachtung  des  Porenkanals  in  der  Fiächenansioht 
der  Zellwand  spricht  also  dafür,  dass  die  ihn  auskleidende 
Membranschicht  mit  Streifen  gezeichnet  ist,  welche  mit  der 
Axe  des  Kanals  parallel  laufen.  Dieselben  beruhen  bald 
bloss  in  einer  Dichtigkeitsverschiedenheit  der  Substanz,  bald 
aber  bilden  sie  sich  an  den  dichten  Stellen  zu  leistenartigen 
Vorsprüngen  aus.  Mit  dieser  Deutung  stimmt  auch  die  An- 
sicht des  Porenkanals  auf  Wanddurohschnitten;  sie  zeigt 
aber  zugleich,  dass  die  Streifen  vorzugsweise  an  dem  äussern 
Ende  des  Kanals,  da  wo  derselbe  in  den  Hof  mündet,  aus* 
geprägt  sind* 

Betrachtet  man  nämlich  die  Poren  auf  dünnen  Durch- 
schnitten durch  die  Zellmembran,  so  zeigt  sich  zwischen 
dem  Kanal  und  dem  Hof  eine  Reihe  von  3—5  dichten 
Knötchen  (Fig.  33,a).    Zuweilen  gewährt    sie  den  Anschein 


144  Sitnmg  der  maÜL-phys.  CUme  vom  9.  Jüh  1864. 

einer  dünnen  Wand,  die  ans  dichtern  and  weichern  Partieen 
bestehe  oder  die  siebartig  durchbrochen  sei.  Bei  vorsieh* 
tiger  Verschiebung  des  Focus  gewinnt  man  aber  die  Ueber- 
zeugung,  dass  in  diesem  Stadium  die  Wand  zwischen  Poren- 
kanal  und  Porenhof  meistens  mangelt.  Denn  bei  genau 
mittlerer  Einstellung  sieht  man  die  beiden  Ecken  sammt 
den  Rändern  des  Porus  ganz  scharf,  die  vermeintliche  Wand 
aber  undeutlich;  letztere  wird  deutlicher,  wenn  man  etwas 
höher  oder  tiefer  einstellt.  Die  Knötchen  befinden  sich  also 
rings  um  den  Rand  der  Porenkanahnündung.  Zuweilen  sieht 
man,  namentlich  bei  etwas  schiefer  Lage,  dass  dieselben  sich 
als  Streifen  mehr  oder  weniger  weit,  in  den  Kanal  hinein, 
selbst  aber  den  ganzen  Kanal  verlängern  (Fig.  33,b).  Sel- 
tener setzen  sich,  ebenfalls  bei  schiefer  Lage,  die  Knötchen 
als  sehr  zarte  Streifen  aber  den  Porenhof  fort.  Sie  haben 
hier  eine  radienförmige  Anordnung  ähnlich  wie  auf  den 
Holzzellen  der  Coniferen.  Fig.  38  giebt  eine  schematiche 
Darstellung  der  Streifung  auf  einem  Porenkanal  und  dem 
anliegenden  Porenhofe.  Auf  der  Flächenansicht  der  Zell- 
wandung bemerkt  man  zuweilen  am  Umfange  des  Poren- 
hofes einen  Kreis  von  Knötchen  (Fig.  37);  es  sind  die 
Enden  der  dichten  radialen  Streifen,  die  aber  in  dieser 
Lage  kaum  sichtbar  werden. 

10.  Streifung  der  Bastzellen. 

Die  Untersuchungen  wurden  vorzüglich  an  den  Bast- 
zellen der  Chinarinde  angestellt.  Wenn  dieselben  durch 
Maceration  in  verdünnter  Salpetersäure  isolirt  worden,  so 
bringt  die  Behandlung  mit  verdünnter  Schwefelsäure  den 
innern  Bau  meist  sehr  deutlich  zur  Anschauung.  Je  nach 
der  stattgehabten  Einwirkung  der  Schwefelsäure  werden 
bald  die  Spiralstreifen,  bald  die  Rangstreifen  sichtbar.  Ich 
will  zuerst  von  jenen  sprechen. 

Von  Spiralstreifen  sieht  man  häufig   in  einem  Schieb- 


Nagelt:  Innerer  Bau  vegetabüiscker  ZeUenmembrcmen.       145 

tencomplex  nur  ein  System.  Bei  günstigem  Aufquellen  wird 
jedoch  noch  ein  zweites  schwächeres  System  bemerkbar, 
entweder  nur  unvollständig  und  durch  einzelne  Linien  an- 
gedeutet oder  vollständig  und  mit  dem  andern  System  ein 
regelmässiges  Netz  mit  rhombischen  Maschen  bildend  (in 
Fig.  42  sieht  man  die  Oberfläche  einer  Bastzelle).  Die 
stärkern  Streifen  haben  z.  B.  eine  Breite  von  1,8 — 1,5  Mik«* 
die  schwächern  von  0,8 — 1  Mik.  In  jedem  System  sind  die 
weichen  (dunkeln)  und  die  dichten  (hellen)  Streifen  unge» 
fahr  von  gleicher  Mächtigkeit. 

Berücksichtigen  wir  bloss  die  starkem  Streifen,  die 
meistens  auch  allein  sichtbar  sind,  so  bietet  sich  sogleich 
die  Wahrnehmung  dar,  dass  sie  in  den  verschiedenen  Schich- 
ten einer  Membran  einen  ungleichen  Verlauf  nehmen.  Ge- 
wöhnlich scheidet  sich  die  Membran  in  zwei  ungefähr  gleich 
dicke  Hälften,  welche  die  entgegengesetzte  Wendung  der 
Spiralstreifen  aufweisen.  Diejenigen  der  äussern  Hälfte 
steigen  gewöhnlich  südwestlich  (rechts),  die  der  innern  süd- 
östlich auf;  ausnahmsweise  kommt  auch  der  umgekehrte 
Fall  vor.  In  Fig.  41  sieht  man  die  dichtgedrängten  Streifen 
des  äussern  Schichtenoomplexes  (a— a);  von  den  Streifen 
des  innern  Complexes  (b — b)  sind  nur  einzelne  stärkere  an 
dessen  Oberfläche  deutlich.  Die  Strafen  der  äussern  Hälfte 
sind  rücksichtlich  ihrer  Neigung  sehr  verschieden ;  der  Winkel, 
den  sie  mit  der  Zellenaxe  bilden,  variirt  von  25—75°,  so 
dass  sie  also  bald  sehr  steil,  bald  beinahe  horizontal  sind. 
Die  innern  Streifen  dagegen  steigen  immer  sehr  steil  empor; 
sie  schneiden  die  Zellenaxe  gewöhnlich  unter  einem  Winkel 
von  15 — 25°.  Nur  selten  beobachtet  man,  dass  die  äussern 
und  die  innern  Streifen  einer  Membran  die  gleiche  Neigung 
von  25°  (aber  in  entgegengesetzter  Richtung)  besitzen.  Aus* 
nahmsweiee  vermindert  sich  die  Steigung  der  innern  Streifen 
noch  mehr,  so  dass  sie  weniger  steil  als  die  äussern  sind. 

Einzelne    besonders    günstig    aufgequollene    Bastzellen 


146  &tfim?  dar  math.-phy$.  Oot«  w»  9.  JuU  1S64. 

lassen  selbst  3  und  4  Streif ensjeteme  in  verschiedenen 
Schichtencemplexen  der  gleichen  Wand  erkennen.  Dabei 
scheint  es  aber,  dass  der  Wechsel  in  der  Wendung  nur  ein- 
mal eintritt,  und  dass  einerseits  die  verschiedenen  Schiebten* 
complexe  der  äussern,  anderseits  die  der  inaern  Hälfte, 
unter  sich  homodrom,  nur  durch  einen  angleichen  Neigungs- 
winkel von  einander  abweichen. 

Mit  der  Richtung  der  starkem  Spivalstreifen  stimmt 
die  Richtung  der  Porenkanäle  überein;  dieselben  sind  zu- 
sammengedrückt und  erscheinen  in  der  Flächenansioht  der 
Zellwand  als  schmale  Ellipsen.  Häufig  sind  sie  aber  nur 
in  der  innern  Hälfte  der  Zellwand  deutlich  und  folgen  dann 
meist  einer  südöstlichen  (linkswendigen),  zuweilen  aber  auch, 
einer  südwestlichen  Spirale.  Wenn  die  Porenkanäle  auch 
in  der  äussern  Partie  der  Membran  gesehen  werden,  so 
haben  sie  hier  die  entgegengesetzte  Neigung.  An  besonders 
günstigen  Objekten  kann  man,  bei  vorsichtiger  und  lang* 
samer  Veränderung  des  Foeus  die  verschiedenen  Lagen  des 
Porenkanales  allmählich  in  einander  übergehen  sehen.  So 
zeigte  an  einer  Bastzelle  mit  exoeptioneller  Wendung  der 
Spiralstreifen  der  Porenkanal  bei  Einstellung  auf  die  äussere 
Oberfläche  die  Richtung  einer  südöstlichen  Spirale ;  bei  etwas 
tieferer  Einstellung  wurde  er  mit  der  Zellenaxe  parallel ;  bei 
noch  tieferer  Einstellung  neigte  er  sich  nach  der  entgegen« 
gesetzten  Seite  zu  einer  südwestlichen  Spirale;  und  als  der 
Focus  in  der  Nähe  der  Zellhöhlung  anlangte,  nahm  der 
Porenkanal  wieder  die  Richtung  der  Zellenaxe  an.  Die  zu- 
sammengedrückten Porenkanäle  dieser  Bastzellen  sind  also 
um  ihre  eigene  Aze  gedreht;  die  Drehung  beträgt  etwa 
60 — 90°.  Fig.  45  giebt  eine  schematische  Ansicht  eines 
solchen  Porenkanals. 

Die  Ringfasern  werden  zuweilen  schon  an  unveränder- 
ten Bastzellen  gesehen;  doch  treten  sie  dann  meist  nur 
vereinzelt  auf.    Um  die  ganze  Substanz   in  Querctreifen  auf 


NägeU:  Innerer  Bau  vegetabilischer  Z&enmembrcmen.        14T 

fttlösen,  bedarf  es  in  der  Regel  eines  bestimmten  Quellungs- 
grades. Nicht  selten  beobachtet  man  an  der  nämlichen 
Bastzelle  stellenweise  spiralige  und  stellenweise  ringförmige 
Streifung.  Da  dabei  gewöhnlich  die  verschiedenen  Stellen 
ungleich  gequollen  sind,  so  macht  es  den  Eindruck,  als  ob 
verschiedene  Quellungagrade  die  Substans  der  Zelle  in  Ring- 
oder Spiralstreifen  zerlegen  könnten.  Doch  ist  es  auch 
möglich  und  zugleich  wahrscheinlicher,  das»  die  beiden 
Streifenarten  auf  verschiedene  Partieea  einer  Zelle  ver* 
theilt  sind. 

Die  Natur  der  Bingstreifen  läset  sich  an  den  Bastzeüea 
der  Chinarinde  fast  ebenso  gut  studiren,  wie  an  den  Hol* 
seilen  der  Coniferen.  Sie  haben  auch  die  nämliche  Anord- 
nung wie  dort  und  zeigen  die  gleichen  Eigentümlichkeiten 
des  Vorkommens.  Bald  sind  sie  stärker  und  wenig  zahl* 
reich,  bald  sehr  zahlreich  und  dichtgedrängt.  Die  beiden 
Systeme  bilden  mit  der  Zellenaxe  den  nämlichen  Winkel, 
welcher  meistens  zwischen  65  und  70°  beträgt,  und  schnei- 
den sich  symmetrisch.  Wenn  sie  an  der  liegenden  Bast* 
seile  sich  in  senkrechter  Stellung  befinden,  so  sind  sie  jede 
unter  einem  Winkel  von  70  bis  65°  zur  Zellenaxe  und  so* 
mit  unter  einem  Winkel  von  40  bis  50°  zu  einander  ge- 
neigt, während  sie  bei  jeder  andern  Stellung  einen  kleineren 
Winkel  bilden  und  bei  einer  bestimmten  Lage  horizontal 
und  parallel  werden.  Fig.  48  zeigt  das  Ende  einer  Bast* 
seile,  welche  durch  concentrirte  Schwefelsäure  von  der 
Oberfläche  aus  angegriffen  und  gelöst  wird.  Man  sieht  nur 
•das  eine  System  von  Querstreifen  in  wenig  schiefer  Lage. 

Die  gekreuzte  Spiralstreifong  sowie  die  gekreuzte  Bing- 
etreifung  ist  jede  für  sich  in  einzelnen  Fällen  sicher  und 
deutlich  nachzuweisen.  Es  giebt  indess  eine  Erscheinung, 
die  man  hin  und  wieder  an  den  gequollenen  Bastzellen  der 
Chinarinde  beobachtet,  und  über  deren  Deutung  ich  im 
Zweifel    bin.    Diess    ist    eine    Querstreifung    zwischen    den 


148  Siteimg  der  math>-phys.  Claste  um  9.  Jtdi  1864. 

Spiralstreifen.  Sie  besteht  in  feinen,  scharfen,  oft  zarten 
Rissen  ähnlichen  Querlinien,  die  meistens  unterbrochen  sind, 
und  bald  nur  bei  bestimmten  Einstellungen,  bald  aber  bei 
jeder  Einstellung  gesehen  werden.  Ich  bemerke  noch,  das* 
ich  sie  gewöhnlich  dann  beobachtete,  wenn  nur  das  eine 
System  von  Spiralstreifen  sichtbar  war.  Es  bleibt  nun  frag- 
lich, ob,  wie  es  allerdings  wahrscheinlicher  ist,  diese  Quer» 
linien  den  gleichen  Schichten  angehören,  welche  die  Spiral- 
streifen enthalten,  und  ob  sie  in  diesem  Falle  vielleicht  das 
zweite  System  von  Spiralstreifen  mit  sehr  flacher  Steigung 
darstellen,  —  oder  ob  einzelne  Schichtencomplexe  zwischen 
den  übrigen  eine  besondere  Structur  besitzen.  Uebrigens 
ist  auch  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen,  dass  es  nicht 
Streifen,  sondern  zarte  Querrisse  sind;  denn  es  ist  That- 
sache,  dass  die  Substanz  der  verschiedenen  Schichten  un- 
gleich aufquillt  und  dass  sie  in  Folge  dessen  vielfache  Ver- 
schiebungen erfahrt.  In  Fig.  44  ist  ein  Stück  einer  solchen 
Zelle  dargestellt,  wo  man  an  der  Oberflache  Spiralstreifen 
und  wenig  schiefe  Querstreifen  beobachtet. 

Die  Bastzellen  von  Linum  usitatissimum  Li*.,  für 
deren  Untersuchung  man  alte  Leinwand  benutzen  kann, 
zeigen  im  unveränderten  Zustande  Querlinien,  welche  ent- 
weder rechtwinklig  oder  schiefwinklig  über  die  Zellen  ver- 
laufen und  im  letztern  Falle  oft  sich  kreuzen  (Fig.  46). 
Beim  Rollen  des  Fadens  erscheinen  sie  bald  schief,  bald 
gerade;  der  Wechsel  tritt  je  nach  einer  Viertelsumdrehung 
ein.  Zuweilen  sind  sie  auch  etwas  gebogen  oder  sonst  an- 
regelmässig und  häufig  bleiben  sie  beim  Rollen  dss  Fadens 
nicht  in  allen  Lagen  deutlich.  Meistens  sind  sie  durch 
glatte  kurze  Intemodien  getrennt,  so  dass  ein  Knoten  zwischen 
je  zwei  Internodien  mit  mehreren  gekreuzten,,  oder  auch 
parallelen,  seltener  mit  einer  einzigen  oder  mit  zahlreichen 
Querlinien  gezeichnet  ist. 

Diese  Querlinien  werden  nicht  durch  die  verschiedene 


Nägeli:  Innerer  Bau  vegetabilischer  ZeUenmembranen.         149 

Dichtigkeit  der  Substanz  hervorgebracht,  sondern  sind  wirk- 
liche Risse.  Diess  ergiebt  sich  klar  aus  dem  Umstände, 
dass  sie  an  trockenen  in  Oel  liegenden  Fäden  noch  deut- 
licher sichtbar  sind  als  im  Wasser.  Die  Zeichnung,  welche 
der  ungleiche  Wassergehalt  in  befeuchteten  Körpern  hervor- 
treten läset,  verschwindet  im  trockenen  Zustande,  so  die 
Schichtung  und  Streifung.  Die  beschriebenen  Risse  stehen 
aber  mit  der  verschiedenen  Dichtigkeit  der  Substanz  in  ge- 
wissem Zusammenhang,  und  sind  wohl  nichts  anderes  als 
weiche  Ringstreifenlamellen,  welche  sich  in  wirkliche  Spal- 
ten verwandelt  haben,  sei  es  in  Folge  des  Wachsthums,  sei 
es  in  Folge  des  Austrocknens  oder  einer  andern  mecha- 
nischen Ursache.  Lässt  man  die  Leinwandfasern  durch 
Schwefelsaure  aufquellen,  so  treten  oft  zahlreiche  und  zarte 
Ringstreifen  auf,  welche  mit  den  schon  früher  sichtbaren 
Rissen  parallel  laufen  und  sich  ebenfalls  schief  durch- 
kreuzen. 

Den  stärkern  Querlinien  entspricht  meistens  eine  Bie- 
gung des  Randes;  häufig  zeigen  sich  auch  die  innern  Schich- 
ten, insofern  man  dieselben  erkennt,  an  dieser  Stelle  ver- 
bogen. Dass  eine  solche  Verfaiegung  der  Schichten  an  allen 
Querlinien  der  trockenen  Leinwandfasern  vorhanden  sei, 
auch  wo  man  dieselbe  nicht  wahrnimmt,  ergiebt  sich  aus 
der  Beobachtung  mit  polarisirtem  Lichte.  Wenn  die  Zellen 
sich  zu  den  Prismen  in  orthogonaler  Stellung  befinden  und 
somit  auf  dem  dunkeln  Gesichtsfelde  ebenfalls  dunkel  er- 
scheinen, so  sind  alle  Querlinien  von  Interferenzfarben  er* 
hellt.  Da  die  Substanzmoleciile  so  orientirt  sind,  dass  eine 
Elastizitätsaxe  auf  der  Fläche  der  Schichten  senkrecht  steht, 
so  ist  es  noth wendig,  dass  die  Schichten  in  der  erhellten 
Linie  von  dem  geraden  Verlaufe  abweichen. 

Die  zahlreichen  Ringstreifen,  welche  beim  Aufquellen 
vermittelst  Schwefelsaure  sichtbar  werden,  sind  gewöhnlich 
auf  die  Stellen  der  Leinwandfasern  beschränkt,   die  ich  als 


150  SiUung  der  matK-phy$.  Ckme  vom  9.  Juli  1861. 

Knoten  bezeichnet  habe.  An  den  Internodien  beobachtet 
man  zuweilen  zarte  Spiralstreifen,  bald  nur  ein  System, 
bald  zwei  sieh  kreuzende  und  zur  Zellenaxe  ziemlich  gleich, 
geneigte  Systeme. 

An  den  Bastfasern  von  Cannabis  sativa  Lin* ,  auf 
welche  Schwefelsäure  einwirkt,  beobachtet  man  ebenfalls 
theils  Ringstreifen,  theils  Spuralstreifen.  Die  entern  sind 
schon  im  wenig  veränderten  Zustande  deutlich. 

Die  Bastzellen  im  Blatte  von  Agave  americana  Litu 
haben  wenig  verdickte  Wände.  Dieselben  sind  spiralig-ge- 
streift mit  südostlicher  Wendung.  Die  dichten  Streifen  er- 
schienen in  günstigen  Fällen  zartgegliedert ,  ab  ob  sie  aus 
einer  Reihe  von  Knötchen  beständen.  Diese  Erscheinung 
war  aber  nicht  in  der  Art  ausgebildet,  dass  sie  den  An- 
schein eines  zweiten  Streifensystems  und  somit  einer  eigent- 
lichen Kreuzung  hervorgerufen  hätte. 

Die  Bastzellen  von  Vinca  minor  Lin.  und  Y.  major 
Lin.  haben,  wie  diejenigen  der  Chinarinde,  in  der  äussern 
und  innern  Membranhälfte  antitrope  Spiralstreifen.  Die 
äussern  sind  südöstlich-  (links),  die  innern  südwestlich-ge- 
wunden; doch  kommt  auch  das  Umgekehrte  vor.  Die  Nei- 
gung beider  zur  Zellenaxe  ist  beinahe  die  nämliche.  Die 
Streifen  sind  ungleich  stark;  namentlich  zeigen  sich  ein- 
zelne weiche  Streifen  breiter  und  spaltenförmig.  Desswegen 
erscheint  häufig  die  Masse  in  Bänder  abgetheilt,  welche  je 
aus  2  bis  4  dichten  Streifen  bestdien,  und  welche  den  Ein- 
druck machen,  als  ob  sie  durch  Theilung  eines  einfachen 
Streifens  entstanden  wären.  Auch  Verzweigung  der  Streifen 
kommt  hin  und  wieder  vor.  —  Das  zweite  System,  welches 
sich  mit  den.  stärkern  Spiralstreifen  kreuzt,  wurde  nur 
selten  und  undeutlich  gesehen.  Dagegen  trat  auch  hier 
einige  Mal  die  Erscheinung  auf,  welche  an  den  Bastzellen 
der  Chinarinde  beobachtet  wurde.  Mitten  in  der  Substanz 
und  zwar,    wie  es  schien,    ziemlich  zwischen  den  antitrop 


NägeJi:  Inner»  Bau  vegetabilischer  Zetletmembranen.       151 

9  9 


gestreiften  Schichtencomplexen  zeigten  sich  zarte,  unter- 
brochene Querstrtifen ,  welche  feinen  Rissen  sehr  ähnlich 
waren  und  zuweilen  ein  Netz  zu  bilden  schienen. 

11.  Quellungsergcheftinngen  der  Bastfasern. 

Die  Queßungserschekiungen  können  uns  darüber  Auf- 
schlüge geben,  welche  Verschiedenheit  zwischen  den  Flüssig* 
keitsmengen  besteht,  die  der  nämliche  räumliche  Punkt  in 
den  verschiedenen  Richtungen  einlagert  und  wie  sich  die 
verschiedenen  Partieen  einer  Membran  in  dieser  Beziehung 
zu  einander  verhalten.  Es  handelt  sich  dabei,  wie  ein« 
leuchtet,  namentlich  um  den  Gegensatz  einerseits  zwischen 
weichen  und  dichten  Lamellen  (Schichten,  Streifen),  ander* 
seHs  zwischen  Schichtung  und  den  beiden  Streifungen.  An* 
dere  Anforderungen  kann  man  an  die  Quellungserscheinungea 
an  und  für  sich  nicht  stellen. 

Ich  habe  schon  Eingangs  von  einem  Versuche  Cr  (ig  er*  s 
gesprochen,  durch  Messungen  an  aufquellenden  Membranen 
m  entscheiden,  qb  dieselben  aus  Primitivfasern  bestehen 
oder  nicht.  Derselbe  sagt  (Bot.  Zeit.  1854  p.  853),  es 
gebe  drei  Möglichkeiten  für  die  Einlagerung  der  Feuchtig- 
keit: A  zwischen  die  Primitivfasern,  B  zwischen  die  Schich- 
ten, G  zwischen  die  Molecüle.  Ist  schon  dieser  Gegensatz 
auffällig,  so  zeigen  die  Betrachtungen,  die  daran  geknüpft 
werden,  wie  wenig  klar  der  Verfasser  über  seine  Aufgabe 
ist.  Es  musste  sich  für  seine  Auffassung  vor  Allem  darum 
handeln,  ob  die  sogenannten  Fasern  bei  der  Quellung 
der  Membran  ebenfalls  quellen,  somit  sich  verlängern  oder 
nicht.  Diess  irar  leicht  durch  Messung  festzustellen.  Wenn 
die  Länge  der  Zelle  durch  1  und  der  Winkel,  den  die  Faser 
mit  der  Axe  bildet,  durch  «  aasgedrückt  wird,  so  ist  die 
mit  x  bezeichnete  Länge  der  Faser 

=       l 
Cos  « 


152  SiUmg  der  maih.-phys.  dam  vom  9.  Juli  1864. 

und  es  verhält  sich,  wenn  die  analogen  Grössen  in  der  ge- 
quollenen Zelle  T  und  af  sind,  die  Länge  der  Faser  vor 
und  nach  der  Quellung  wie 

1  1' 

Cos  et     Cos  et 

Zunächst  ist  festzustellen,  dass,  wie  sich  zum  Voraus 
annehmen  Hess,  die  Spiralstreifen  beim  Aufquellen  der 
Membran  sich  verlängern.  Diess  ergiebt  sich  sowohl  aus 
vielen  Messungen  Crüger's,  als  aus  meinen  eigenen  Be- 
obachtungen. —  Ferner  konnte  auf  ähnliche  Weise  ermit- 
telt werden,*'  wie  gross  die  Ausdehnung  in  einer  zu  den 
Fasern  rechtwinkligen  Richtung  ist.  Daraus  Hessen  sich 
für  das  Verhalten  der  Membranen  nicht  uninteressante 
Thatsachen  gewinnen.  Für  den  Zweck  aber,  für  den  Crü- 
ger  seine  Beobachtungen  anstellte,  nämlich  für  die  Ent- 
scheidung der  Primitivfaserfrage,  konnten  sie  selbstverständ- 
lich nicht  verwerthet  werden.  Denn  erstens  hat  die  Exi- 
stenz der  Primitivfaser  nichts  damit  zu  thun,  ob  sie  Quell- 
ungsfähigkeit besitze  oder  nicht,  und  zweitens  lässt  sich 
durch  Messung  nur  ermitteln,  ob  ein  Aufquellen  in  der 
Längsrichtung  der  Faser,  nicht  aber  ob  ein  solches  in  ihrer 
Querrichtung  stattgefunden  habe« 

Zur  Erledigung  der  Fragen,  welche  sich  bezüglich  der 
Quellungserscheinungen  darbieten,  bedarf  es  umsichtiger 
Behandlung  und  grosser  Genauigkeit  im  Messen.  Derjenige, 
der  sich  mit  solchen  Untersuchungen  beschäftigt  hat,  und 
weiss,  wie  viel  Zeit,  Mühe  und  misslungene  Versuche  dazu 
gehören,  um  nur  eine  einzige  sichere  Angabe  machen  zu 
können,  erstaunt  daher  billig  über  den  Wald  von  Zahlen, 
welche  der  Verfasser  vorführt.  In  der  That  erweisen  sich 
dieselben  als  im  höchsten  Grade  unzuverlässig. 

Als  Beleg  genügt  die  Thatsache,  dass  in  einer  ganzen 
Reihe  von  Fällen  die  Messungen  Crüger's  eine  beträcht- 
liche Verkürzung   des  Spiralstreifens  während  des  Quellens 


NägeU:  Innerer  Bau  vegetabilischer  Zdknmembranen.        153 

ergeben,  denn  es  ist  nach  sein«:  Angabe  einerseits  die  Zelle 
kürzer,  anderseits  die  Steigung  der  Streifen  steiler  geworden. 
Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  diess  eine  Unmöglichkeit 
ist.  Im  günstigsten  Falle  könnte  der  Spiralstreifen  seine 
ursprüngliche  Länge  behalten,  wenn  nämlich  die  Einlager- 
ung der  WasBertheilchen  und  die  Ausdehnung  ausschliess* 
lieh  rechtwinklig  zu  demselben  erfolgte.  Unter  jeder  andern 
Voraussetzung  muss  er  an  Länge  zunehmen.  Wo  so  grobe 
Irrthümer  vorkommen,  ist  der  Ausspruch  gerechtfertigt, 
dass  die  Messungen  Crüger's  vollständig  unbrauchbar  sind. 

Was  meine  eigenen  Untersuchungen  betrifft,  so  war  es 
mir  zwar  nicht  möglich,  das  Maass  der  Aufquellung  in  den 
Richtungen  defr  beiden  Streifensysteme  zu  bestimmen.  Die 
Unsichtbarkeit  der  Streifen  in  den  geringern  Quellungsgraden 
und  der  Umstand,  dass  dieselben  in  den  verschiedenen  Schich- 
ten ungleich  zur  Zellenaxe  geneigt  sind,  vereiteln  bis  jetzt 
alle  Versuche,  zu  sichern  Messungen  zu  gelangen.  Doch 
gewähren  die  gewonnenen  Resultate  immerhin  einiges  In* 
teresse,  und  geben  -  Fingerzeige  für  fernere  Untersuchungen. 

Als  Quellungsflüssigkeiten  wurde  Schwefelsäure  und 
Kupferoxydammoniak  angewendet,  erstere  mit  und  ohne 
Jod.  An  der  dickwandigen  Bastzelle  unterscheidet  man 
beim  Aufquellen  drei  verschiedene  Theile,  die  gewöhnlichen 
Wandschichten,  die  äussente  Schicht  und  den  Inhalt.  Der 
Inhalt  erscheint  als  ein  dünner,  fadenförmiger,  meist  hin 
und  her  gebogener  Strang,  der  durch  Jod  und  Schwefel- 
säure sich  gelb  färbt  (Fig.  55,a — a;  54,a). 

Die  äusserste  Membranschicht  (primäre  Membran, 
Oberhäutchen)  widersteht  den  Quellungsmitteln  manchmal 
energisch,  wie  diess  bereits  von  Cr  am  er  (Vierteljahrsschrift 
der  naturforschenden  Gesellschaft  in  Zürich  1857)  beob- 
achtet wurde  und  färbt  sich  durcli  Jod  und  Schwefelsäure 
gelb  bis  braun,  während  die  stark  aufquellenden  übrigen 
Membranschichten  schön  gebläut  werden.     Sie  wird  durch 


164  8tonmg  der  mafk-pkyg.  CU*$e  vom  9.  JnH  1864. 

die  letztern  meist  unrqgelmässig  zerrissen  und  bedeckt  die 
Gallerte  als  Flocken  und  Fasern.  Diess  beobachte  man 
2.  B.  bei  den  Basteellen  der  Chinarinde. 

Zuweilen  vermag  das  Oberhäutchen  den  ganzen  Quell* 
tmgaprozess  so  zu  8 tönen,  dass  man  keine  Messungen  an* 
stellen  kann.  Diees  ist  besonders  bei  den  Basfasellen  des 
Hanfes  der  Fall.  Das  nicht  aufquellende  Oberhautdien 
wird  auch  hier  zerrissen.  Da  es  aber  eine  bedeutende 
Zähigkeit  besitzt,  so  schnürt  es  die  Ton  ihm  umschlossene, 
sich  ausdehnende  Substanz  stellenweise  zusammen.  Gewöhn* 
lieh  bildet  sich  in  demselben  eine  schraubenförmige  Spalte, 
durch  welche  die  innere  Substanz  heraustritt.  An  der  stark 
aufgequollenen  Bastfaser  stellt  dann  das  Oberhäutchen  ein 
schmales  Spiralband  dar,  welches  sie  mehr  oder  weniger 
stark  einschnürt  (Fig.  54,b).  Stellenweise,  oft  in  regel- 
mässigen Intervallen,  geht  das  Sohraubenband  in  Ringe 
über  (Fig.  55,b;  die  Windung  c  liegt  auf  der  zugekehrten, 
d  auf  der  abgekehrten  Seite),  so  dass  die  Zelle  rosenkranz- 
förmig erscheint.  Zuweilen  sind,  statt  eines,  zwei  Spiral* 
bänder  vorhanden.  Die  Wendung  derselben  ist  immer  süd- 
östlich (links). 

Wenn  eine  Bastfaser  deutlich  ausgebildete  Ringstreifen 
hat,  so  werden  dieselben  zuerst  von  dem  Quellungsraittel 
angegriffen.  An  den  Bastzellen  des  Hanfee  blauen  sich  bei 
Einwirkung  von  Jod  und  Schwefelsäure  einzelne  besonders 
entwickelte  weiche  Ringstreifen  und  bilden  gefärbte  Quer« 
linien,  während  die  übrige  Substanz  noch  farblos  ist.  Be- 
sonders aber  sind  es  die  Lemfasern ,  an  denen  sehr  be- 
merkenswerte Erscheinungen  auftreten.  An  diesen  Zellen 
wechseln,  wie  ich  schon  früher  erwähnt  habe,  Ringstreifen 
und  Spiralstreifen  oft  in  regelmässiger  Weise,  so  dass  sie 
wie  gegliedert  erscheinen.  Die  Gelenke  sind  durch  einige 
Ringstreifen  bezeichnet,  an  den  Internodien  wird  beim  Auf- 
quellen Spiralstreiftmg  sichtbar. 


NägeU:  Innerer  Bau  vegetabilischer  Zdlenmembranen.        155 

Die  Wirkung  der  Schwefelsäure  giebt  sich  zuerst  an 
den  durch  Ringstreifen  charakterisirten  Gelenken  kund.  Die- 
selben werden  knotenförmig  aufgetrieben.  Die  aufgequollene 
Masse  blättert  sich  von  aussen  nach  innen  gleichsam  in 
Schichten  ab  (Fig.  47),  zerfallt  dann  in  Körnchen  und  ver- 
schwindet  bald  dem  Auge  gänzlich.  Die  Bastfasern  zeigen 
nun  das  entgegengesetzte  Verhalten  von  früher:  während 
bei  der  ersten  Einwirkung  der  Säure  die  Gelenke  durch 
die  aufquellende  Substanz  verdickt  waren ,  sind  sie  jetzt, 
weil  diese  Substanz  gelöst  wurde,  verdünnt  (Fig.  48).  — 
Später  zerfällt  d\e  Bastfaser  in  isolirte  spindelförmige 
Stücke.  Fig.  49  zeigt  ein  solches  Stück  mit  den  äussern 
stark  aufgequollenen  und  im  Verschwinden  begriffenen 
Schichten.  Zuweilen  beobachtet  man  Spindeln  jederseits 
mit  einem  pyramidenförmigen  Aufsatz  von  weicher,  zart 
geschichteter  Substanz,  der  die  Dicke  der  Faser  um  das 
Sechsfache  übertreffen  kann. 

Dieses  eigentümliche  Verhalten  der  Bastzellen  von 
Linum  wird  durchaus  nicht  immer  beobachtet,  wenn  man 
Schwefelsäure  mit  denselben  zusammenbringt.  Es  scheint 
vielmehr  auf  eine  ganz  bestimmte  Goncentration  derselben 
oder  auf  einen  bestimmten  Grad  ihrer  Einwirkung  beschränkt 
zu  sein.  Es  ist  nicht  selten  der  Fall,  dass  von  einem 
grössern  Präparat  nur  auf  einer  kleinen  Stelle  die  Fäden 
in  der  angegebenen  Weise  in  Stücke  zerfallen,  während  alle 
übrigen  andere  Quellungserscheinungen  zeigen.  Uebrigens 
hängt  es  auch  davon  ab,  wie  der  Schwefelsäurestrom  mit 
den  Zellen  in  Berührung  kommt.  Trifft  er  auf  das  Ende, 
so  erweitert  sich  dasselbe  trompetenförmig.  Trifft  er  aber 
auf  die  Seite  und  umspült  somit  gleichzeitig  die  ganze 
Zelle,  so  treten  die  knotenförmigen  Anschwellungen  auf. 
Endlich  hat  auch  die  vorgängige  Behandlung  der  Leinfaser 
einigen   Einfluss.    Die  Abblätterung    der   Schichten    wurde 

[1864.  ü.  2.]  11 


156  BiUvmg  Aar  math.-phys.  Classe  vom  9.  Juli  1864. 

namentlich  schön  an  solchen  gesehen,    die  in  Salpetersäure 
macerirt  worden  waren. 

Ein  concentrirteres  Lösungs-  oder  Queüungsmittel  greift 
die  Substanz  von  der  Fläche  aus  an  und  schreitet  allmäh- 
lich nach  innen  vor,  wie  es  in  dem  vorhin  beschriebenen 
Versuche  der  Fall  war.  Ist  dasselbe  sehr  verdünnt,  so 
durchdringt  es  sogleich  die  ganze  Substanz  und  übt  die 
quellende  Wirkung  in  allen  Punkten  gleichzeitig.  Ein  Mittel 
von  mittlerer  Concentration  dringt  mit  massiger  Schnellig- 
keit ein;  die  ganze  Substanz  dehnt  sich  aus,  aber  die 
äussern  Partieen  eilen  den  innern  voran  und  sind  stärker 
aufgequollen  als  diese«  Dadurch  werden  bemerkenswerthe 
Veränderungen  an  den  Präparaten  bewirkt. 

Vorerst  muss  ich  bemerken,  dass  in  Folge  der  Quellung 
die  Bastzellen  dicker  und  kürzer  werden.  Nachher  werde 
ich  näher  darlegen,  in  welchen  Verhältnissen  diess  der  Fall 
ist.  Die  von  aussen  nach  innen  fortschreitende  Wirkung 
eines  Quellungsmittels  von  mittlerer  Concentration  macht 
sich  nicht  bloss  dadurch  geltend,  dass  die  Enden  sich  er- 
weitern und  mehr  oder  weniger  trompetenförmig  werden, 
sondern  auch  dadurch,  dass  ein  äusserer  Schichtencomplex 
sich  stärker  verkürzt  als  der  innere.  Eine  Zelle  in  diesem 
Stadium  macht  den  Eindruck,  als  ob  die  innern  Schichten 
stärker  in  die  Länge  gewachsen  wären,  als  die  äussern. 

Es  lässt  sich  diess  sehr  schön  an  den  Bastzellen  des 
Leins  nachweisen.  Wenn  man  dieselben  in  verdünnter 
Schwefelsäure  oder  in  Kupferoxydammoniak  aufquellen  lässt, 
so  treten  häufig  an  dem  Ende  des  Fadens  die  innern 
Schichten  heraus.  Schneidet  man  die  Fäden  in  kurze  Stücke, 
so  treten  sie  an  beiden  Enden  heraus  (Fig.  52).  Zuweilen 
scheidet  sich  die  ganze  Wanddicke  in  drei  Partieen,  welche 
an  den  Enden  ebensoviel  Absätze  bilden  (Fig.  53). 

In  längern  Fäden,  wo  die  innern  Schichten  nicht  her- 
austreten können,  biegen  sich  dieselben  wellenförmig  (Fig.  51). 


Nägdi:  Itmeter  Bau  vegetabilischer  ZeÜenmembranen.        157 

Mao  bemerkt  auch  oft,  dass  an  den  sich  auf  einander  ver- 
schiebenden Schhshtencomplexeo  je  die  innerste  Schicht 
wellenförmig  geworden  ist  (Fig.  50).  Es  beweist  diese,  dass 
die  Schichten  nicht  etwa  nach  Complexen  sich  gleich  ver- 
halten, sondern ,  dass  jede  äussere  das  Bestreben  hat ,  sich 
stärker  zu  verkürzen,  als  die  nächst  innere.  Die  dadurch 
bewirkte  Spannung  vermag  aber  nur  an  einer  oder  zwei 
Stellen  die  Schichten  von  einander  zu  (rennen  und  auf 
einander  zu  verschieben.  An  diesen  Stellen  bilden  sich 
wirkliche  Spalten,  wie  sowohl  die  Seitenansicht  als  der 
Querschnitt  zeigt. 

Um  einen  Begriff  von  den  obwaltenden  Differenzen  zu 
geben,  theile  ich  folgende  Messungen  mit.  In  dem  kurzen 
Fadenstück,  welches  in  Fig.  59  von  der  Seite  und  in  der 
Queransicht  dargestellt  ist,  waren  die  äussern  Schichten 
15,  die  innern  19  Mik.  lang.  In  drei  andern  Stücken,  ähn- 
lich wie  Fig.  52,  wurden  folgende  Längen  gefunden,  wobei 
natürlich  nicht  die  geraden  Entfernungen  zwischen  den  End- 
punkten, sondern  die  Krümmungen  gemessen  wurden. 


Aeosserer  Band  desäuasemSchichtencomplexes 

Innerer        „        „        „  „ 

Aeasserer  Rand  des  innera  Schichtencomplexes 
Innerer         „        „        „  „ 

Die  stärkere  Verkürzung  der  äussern  Schiebten  ist 
zwar  zunächst  eine  Folge  der  von  aussen  nach  innen  fort- 
schreitenden Wirkung  des  Quellungsmittels.  Indessen  bleibt 
auch  nach  längerer  Einwirkung  noch  ein  Unterschied  in  der 
Länge  der  Schichten  zurück,  so  dass  die  inneren  fortwäh- 
rend die  äusseren  überragen.  Diess  beweist,  dass  die  äussern 
Schichten  an  sich  die  Fähigkeit  besitzen,  sich  stärker  zu 
verkürzen,  als  die  innern;  eine  Fähigkeit,  die  aber  nur 
dann  sich.realisirt,    wenn  durch  ungleichzeitiges  Aufquellen 

11* 


Mik. 

Mik. 

Mik. 

66 

n 

70 

71 

88 

82 

92 

104 

111 

100 

119 

120 

158 


SitMung  der  math.-phys.  (Rasse  vom  9.  Juli  1864. 


die  Spannung  zwischen  den  Lamellen  der  Membran  so  gross 
wird,  dass  eine  Trennung  und  Verschiebung  erfolgt. 

Die  Bastzellen  des  Leins  eignen  sich  ganz  gut,  um 
daran  die  während  des  Aufquellens  erfolgende  Verkürzung 
und  Verdickung  zu  mesden.  Sie  werden  zu  diesem  Ende 
in  kurze  Stücke  geschnitten,  damit  das  Quellungsmittel 
möglichst  gleichmässig  einwirke.  Neben  Stücken,  deren  innere 
Schichten,  wie  vorhin  beschrieben  wurde,  sich  herausschie- 
ben, und  andern,  die  ohne  gerade  diese  Erscheinung  zu 
zeigen,  doch  an  den  Enden  stärker  aufquellen,  giebt  es 
auch  solche,  die  cylindriscb  bleiben.  An  den  letztem  wur- 
den folgende  Zahlen,  welche  die  Dimensionen  in  Mikro- 
milümetera  ausdrücken,  gewonnen: 


1 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

Länge  in  Wasser 
Länge  in 

85 

78 

73 

71 

51 

53 

50 

Kupferoxydammoniak 

42 

47 

33 

55 

15 

33 

34 

Breite  in  Wasser 

17 

18 

20 

15 

19 

16 

19 

Breite  in 

Kupferoxydammoniak 
Öylinderfläche  in 

86 

89 

121 

47 

93 

61 

46 

Wasser 

4541 

4413 

4589 

3347 

3045 

2665 

2986 

Cylinderflache  in 

Kupferoxydammoniak 

11352 

13147 

12549 

8124 

4384 

6327 

4915 

Querschnitt  in 

Wasser 

227 

255 

314 

177 

284 

201 

284 

Querschnitt  in 

Kupferoxydammoniak 

6811 

6224 

11504 

1736 

6796 

2924 

1662 

Kubikinhalt  in 

'        Wasser 

19295 

19890 

22922 

12567 

14484 

10658 

14200 

Kubikinhalt  in 

Kupferoxydammoniak 

244062 

292528 

379632 

95480 

101940 

96492 

56508 

Bei   folgenden    zwei   Beispielen   wurden   während    des 
langsamen  Aufquellens  mehrere  Messungen  vorgenommen: 


Nagelt:  Innerer  Bau  vegetabilischer  Zettenmembranen.        159 


8 

in  Wasser 

in  Kupferoxydammoniak 

Länge 

38 

83 

25 

21 

Breite 

17 

30 

42 

55 

Cylinderfläche 

2030 

3111 

3300 

3630 

Querschnitt 

227 

707 

1386 

2877 

Kubikinhalt 

9 
Länge 

8626 

• 

23332 

34650 

49917 

44 

35 

31 

24 

Breite 

18 

31 

38 

63 

Cylinderfläche 

2489 

3410 

3702 

4762 

Querschnitt 

256 

755 

1135 

3118 

Kubikinhalt 

11220 

1 

26425 

35185 

74882 

Wie  aus  diesen  Messungen  ersichtlich  ist,  kann  sich 
ein  länglicher  Cylinder  durch  das  Aufquellen  in  eine  flache 
Scheibe  verwandeln.  Derselbe  kann  sich  nämlich  auf  */*i 
selbst  auf  V*  und  V*  seiner  ursprünglichen  Länge  ver- 
kürzen, während  sein  Durchmesser  bis  auf  das  4*,  selbst 
bis  auf  das  5-  und  6fache  sich  ausdehnen  kann.  Damit  ist 
natürlich  immer  eine  beträchtliche  Volumenzunahme  ver- 
bunden. 

Ich  habe  den  Messungen  die  Berechnung  der  Seiten- 
fläche, des  Querschnittes  und  des  Volumens  des  Cylinders 
beigefügt.  Auf  allzugrosse  Genauigkeit  dürfen  diese  Zahlen 
nicht  Anspruch  machen,  indem  nicht  selten  während  des 
Aufquellens  die  regelmässige  Form  etwas  alterirt  wird. 
Doch  ist  diess  von  keinem  Belang,  da  es  sich  immer  um 
sehr  grosse  Differenzen  handelt.  Der  Querschnitt  ver- 
grössert  sich  auf  das  10-,  20-  und  30fache,  während  die 
Cylinderfläche  nur  auf  das  l1/« — 3fache  zunimmt.  Wie 
die  Seitenfläche  des  Cylinders  verhalten  sich  die  einzelnen 
Schichten  desselben. 

Mas  könnte  also  auch  sagen,  eine  die  Axe  unter  einem 
rechten  Winkel  schneidende  Molecularschicht  wachse  durch- 
schnittlich  lOnial  mehr    in   die  Fläche,    als   eine    solche, 


160  Sitsung  der  math.-phys.  CUme  vom  9.  Juli  1864. 

welche  in  Form  eines  Cylindermantels  die  Axe  concentrisch 
umschliesst.  Doch  wäre  es  jedenfalls  eine  ganz  irrthüm- 
liche  Vorstellung,  wenn  man  annehmen  wollte,  es  rücken 
beim  Aufquellen  in  der  erstgenannten  Fläche  die  Molecüle 
10  Mal  weiter  aus  einander  als  in  der  zweiten.  Die  Ein- 
wirkung der  Quellungsmittel  hat  nämlich  ohne  Zweifel  ein 
Zerfallen  der  Molecüle  in  kleinere  und  zugleioh  eine  theil- 
weise  Verschiebung  der  letztern  zur  Folge. 

Noch  viel  irriger  wäre  es,  wenn  man  aus  der  That- 
sache,  dass  die  aufquellenden  Cylinder  sich  verkürzen,  den 
Schluss  ziehen  wollte,  es  rücken  die  Molecüle  in  der  Längs- 
richtung zusammen.  Denn  mit  dem  Kürzerwerden  findet  eine 
Drehung  des  Cylinders  statt,  was  man  an  den  Spiralstreifen 
deutlich  sieht.  Ihre  Windungen  werden  niedergedrückt, 
so  dass  sie  weniger  steil  ansteigen  und  mit  der  Axe  einen 
grössern  Winkel  bilden.  Dabei  wird  jeder  einzelne  Streifen 
absolut  Fänger,  und  ohne  Zweifel  gilt  dasselbe  für  die 
Molecularreihen,  die  wohl  mit  den  Streifen  in  der  Richtung 
zusammenfallen.  Da  beim  Aufquellen  die  Cylinderfläohe 
und  ebenso  jede  einzelne  mit  ihr  concentrische  Molecular- 
8chicht  auf  eine  grössere  Fläche  sich  ausdehnt,  so  ist  die 
Möglichkeit  vorhanden,  dass,  vermöge  einer  für  die  gegebene 
Molecularanordnung  gunstigen  Drehung  je  die  benachbarten 
räumlichen  Punkte  in  allen  Richtungen  sich  von  einander 
entfernen. 

Die  mitgetheilten  Messungen  sind  an  Fadenstücken  an- 
gestellt, welche  durch  Kupferoxydammoniak  aufquellen.  In 
Berührung  mit  Schwefelsäure  verhalten  sie  sich  gleich.  Die 
Einwirkung  beginnt  ebenfalls  an  den  Enden  der  Stücke 
und  schreitet  von  da  nach  der  Mitte  fort  An  den  sich 
verkürzenden  und  verdickenden  Fasern  werden  die  Spiral- 
windungen der  Streifen  ebenfalls  niedriger.  So  betrug  der 
Winkel  zwischen   denselben    und    der   Zellenaxe    an   einer 


Nagelt:  Innerer  Barn  vegetabilischer  ZdUmnembramm.        161 

wenig  gequollenen,  21  Müc.  dicken  Faser  14°,  an  derselbe» 
Faser  aber,  als  sie  42  Mik.  dick  geworden,  36  •. 

Die  Verkürzung  der  aufquellenden  Bastzellen  wurde  be- 
obachtet, wenn  dieselben  im  Wasser  lagen,  und  darauf  mit 
Kupferoxydammoniak  oder  Schwefelsäure  behandelt  wurden» 
Es  fragt  sich,  ob  dieselbe  auch  schon  erfolge ,  wenn  die 
trockenen  Bastfasern  sich  mit  Wasser  imbibiren.  Dies« 
Frage  wurde  bereits  vor  geraumer  Zeit  von  Schieiden 
besprochen.  Veranlassung  dazu  fand  er  in  Aeusserungeft 
von  Link  und  Meyen.  Erster«-  sagt  (Elem.  phiL  bot. 
Edit  1.  p.  366),  die  trockene  und  todte  Pfaasenfaser  siehe 
die  Feuchtigkeit  an  und  verkürze  sich  dabei.  Er  führt  keine 
Thatsacben  an  und  wurde,  wie  Schieiden  wohl  richtig 
vermuthet,  durch  das  Factum,  dass  ein  Seil  beim  Benetzen 
straff  wird,  zu  seinem  Ausspruche  veranlasst.  Meyen 
(Pflanzenphysiol.  I.  30)  gebt  von  dem  Ausspruche  Link's 
als  von  einer  sichern  Thatsache  aus  und  sucht  diese  durch 
seine  Theorie  zu  erklären,  dass  die  Membran  aus  Spiral« 
fesern  bestehe;  dieselben  seien  hygroscopisch  und  ziehen 
sich  bei  der  Befeuchtung  in  ihre  Windungen  zusammen. 

Schieiden  (Wiegmann's  Archiv  1839  Bd.  I.  274)  er- 
klärt die  Annahme  einer  Verkürzung  für  widersinnig  und 
die  Thatsache  für  falsch,  indem  beim  Befeuchten  immer 
Ausdehnung  erfolge.  Am  geringsten  sei  dieselbe  bei  den 
Bastfasern;  bei  denjenigen  von  Linum  usitatissimum 
schätze  erv  sie  auf  0/0005  und  weniger. 

Ich  konnte  bei  verschiedenen  Bastzellen  keine  Differeos 
in  der  Länge  wahrnehmen,  wenn  sie  aus  dem  trockenen  in 
den  befeuchteten  Zustand  übergiengen.  Eine  trockene,  ge- 
rade Leinfaser  von  0/349  M.  M.  Länge  schien,  als  sie  sich 
mit  Wasser  imbibirte,  genau  die  gleichen  Dimensionen  zu 
behalten.  Doch  wäre  es  voreilig,  daraus  einen  Schkrse 
sieben  zu  wollen.    Die  Bastfasern  nehmen  so  wenig  Wasser 


162  Stotmg  der  math.-phy8.  Garn  vorn  9.  JmU  1864. 

auf,  dass  die  Veränderung  ihrer  Länge  unbemerkbar  klein 
ausfallen  muss. 

Die  Angabe  Schleidens  verdient  keine  Berücksichtig- 
ung. Denn  eine  so  äusserst  geringe  Zunahme  von  0,0005 
kann  gar  nicht  beobachtet  werden.  An  einem  Faserstück 
von  100  Mik  Länge  müsste  eine  Verlängerung  um  0,05  MikT 
an  einem  solchen  von  400  Mik.,  eine  Verlängerung  von 
0,2  Mik.  gemessen  werden  können.  Die  Zumuthung  ist  der 
Art,  dass  es  fast  auf  eine  Mystification  abgesehen  scheint. 

Es  ist  also  unmöglich,  durch  direkte  Messung  festzu- 
stellen, ob  die  Bastfasern  bei  der  Befeuchtung  mit  Wasser 
die  nämliche  Länge  behalten,  ob  sie  länger  oder  kurzer 
werden.  Die  Frage  bleibt  ungelöst.  Wenn  freilich  die 
Analogie  ein  Recht  hätte,  so  würde  sie  es  wahrscheinlich 
machen,  dass  die  benetzten  Bastfasern  sich  äusserst  wenig 
verkürzen.  Denn,  wie  es  scheint,  gilt  sonst  für  alle  andern 
Fälle  die  Regel,  dass  ein  weiteres  Aufquellen  durch  Säuren 
oder  Alkalien  in  gleichem  Sinne  thätig  ist,  wie  die  Imbi- 
bition mit  Wasser,  dass  also  beim  Benetzen  mit  Wasser 
und  bei  der  Einwirkung  stärkerer  Quellungsmittel  im  All- 
gemeinen analoge  Formveränderungen  erfolgen. 

Die  bisher  mitgetheilten  Beobachtungen  beziehen  sich 
auf  Dimensionsveränderungen,  welche  die  liegenden  Bast- 
zellen wahrnehmen  lassen,  also  auf  die  Verhältnisse,  welche 
zwischen  der  Länge  und  dem  Durchmesser  oder  dem  Um- 
fange, ferner  zwischen  der  Cylinderfläche  und  dem  Quer- 
schnitt bestehen.  Die  Beobachtung  von  Querschnitten  giebt 
uns  Aufschlags  über  die  Verhältnisse  zwischen  den  Dirnen* 
sionsveränderungen  des  Radius  oder  der  Dicke  und  des 
Umfanges. 

Für  diese  Untersuchungen  eignen  sich  die  Leinfasern 
weniger  gut.  Doch  lassen  sich  an  denselben  einige  be- 
merkenswerthe  Thatsachen  nachweisen.  Die  aufquellende 
Zelle  zeigt  gewöhnlich  in  der  Querschnittsansicht  die  innern 


NägeU:  Innerer  Bau  vegetabilischer  ZeUemnembranen.        163 

Schichten  mehr  oder  weniger  verbogen  (Fig.  57).  Daraus 
folgt,  dass  dieselben  in  tangentialer  Richtung  stärker  auf- 
quellen, als  in  radialer.  —  Die  innern  Schichten  dehnen 
sich  ferner  in  tangentialer  Richtung  stärker  aus,  als  die 
äussern  Schichten.  Diess  verursacht  zuweilen  ein  Platzen 
der  äussern  (Fig.  58).  Die  entzwei  geborstene  äussere 
Hälfte  der  Wandung  löst  sich  manchmal  theilweise  von  der 
innern  Hälfte  ab  und  streckt  sich  mehr  oder  weniger  ge- 
rade. Diess  beweist,  dass  an  ihr  ebenfalls  die  innern 
Schichten  in  tangentialer  Richtung  stärker  sich  ausdehnen 
als  die  äussern. 

Für  diese  Untersuchungen  bieten  die  Bastzellen  der 
Chinarinde  ein  vorzügliches  Objekt.  Dieselben  quellen  in 
Kupferoxydammoniak  wenig  auf;  in  concentrirter  Schwefel- 
säure dagegen  mit  oder  ohne  Jod  quellen  sie  sehr  stark 
auf  und  lassen  eine  Unzahl  von  zarten  Schichten  zum  Vor« 
schein  kommen.  An  Querschnitten  beobachtet  man  gewöhn- 
lich während  des  Aufquellens ,  dass  zuerst  die  äussersten 
Schichten  einreissen,  und  dass  der  radiale  Riss  sich  von 
Schicht  zu  Schicht  nach  innen  fortpflanzt.  Ein  innerster 
Schichtencomplex  von  verschiedener  Grösse  bleibt  ganz 
(Fig.  56). 

Rücksichtlich  der  Ausdehnung  wurden  folgende  Mess- 
ungen angestellt;  sie  werden  dadurch  erleichtert,  dass  sehr 
oft  eine  markirte  Grenze  zwischen  einer  äussern  und  innern 
Wandhälfte  sichtbar  ist.  In  einer  solchen  Zelle  war  der 
innere  Schichtencomplex  oval,  der  äussere  rundlich-oval. 
Der  letztere  platzte  und  bildete  ein  nach  und  nach  sich 
fast  gerade  streckendes  Band.  Die  innere  Partie  bekam 
bloss  einen  kleinen  radialen  Riss,  der  kaum  zur  Hälfte  gegen 
das  Centrum  sich  erstreckte. 


104 


SitMung  der  math.-phyt.  (Mate  vom  9.  Juli  1864. 


I. 

Lineare  Dimensionen. 

Quadrat- 

inhalt. 

a.  Innere  Partie  in 

Wasser 

Radien  =  9,5 

und 

16,5  Mik. 

462  M 

b.  Innere  Partie  in 

Schwefelsaure 

i.     =  23 

ii 

30,5    „ 

2205  „ 

c  Innere  Partie  in 

Schwefelsäure  spater 

„      =8ß 

ti 

40    „ 

4023  „ 

<L  Aeussere  Partie  in 

Wasser 

Dicke  =  12 

bis 

16    „ 

1617  „ 

e.  Aeussere  Partie  in 

Schwefelsäure 

n     =  46  M.  Breite : 

=  168    „ 

7498  „ 

f.  Aeussere  Partie  in 

Schwefelsaure  später 

)»     Ä  *"  » 

7»         : 

=sl70    „ 

JLOOW   ,, 

Von  der  innern  Partie  wurden  die  grosse  und  kleine 
Aze  gemessen  und  daraus  der  Quadratinhalt  berechnet 
(a,  b,  c).  Für  die  äussere  Partie  des  im  Wasser  liegenden 
Präparats  (d)  wurde  der  ganze  Querschnitt  aus  den  beiden 
Axen  berechnet  und  davon  der  Inhalt  der  innern  Partie  (a) 
abgezogen.  Die  durch  die  erste  Einwirkung  der  Schwefel- 
säure entzwei  gerrissene  äussere  Partie  rollte  sich  soweit 
ab,  doss  sie  einen  Kreisquadranten  darstellte;  ihr  äusserer 
Umfang  hatte,  als  Kreisbogen  gemessen,  eine  Länge  von 
176,  der  innere  von  150  Mik.,  was  eine  mittlere  Breite  von 
168  ergiebt  (e).  Die  letzte  Messung  wurde  vorgenommen, 
nachdem  durch  neuen  Zusatz  von  Schwefelsäure  ein  stär> 
keres  Aufquellen  erfolgt  war  (f). 

Eine  zweite  Zelle,  die  an  der  ersten  anklebte  und  die 
gleiche  Einwirkung  des  Quellungsmittels  erfuhr,  ergab 
folgende  Messungen: 


Nägdi:  Innerer  Bau  vegetalütochtr  Zeßmmmbranm.        165 


II. 

Lineare  Dimensionen. 

Quadrat- 

: 

inhalt 

a.  Inner«  Partie  in 

Wasser 

Radien  =  12        und 

9  Mit 

839  M. 

b«  taaerd  Partie  in 

Schwefelsäure 

»     =  24 

19    „ 

1433  „ 

c.  Innere  Partie  in 

ftchwefelsftare  später 

,,     =  36          „ 

3»    « 

8281  „ 

d.  Aeossere  Partie  in 

Wasser 

Dicke  =  24Mik. 

2829  „ 

a.  Aeustftre  Partie  in 

Schwefeloftare 

„     =  64  „  Breite  == 

166    „ 

10560  ,y 

t.  Aeassere  Partie  in 

ww 

8dkff%f«lsättre  später 

„      =r!28  „        f,      =s 

17S    n 

22144  „ 

Die  innere  Partie  spaltete  sich  auch  hier  in  ihrer 
äussern  Hälfte  durch  einen  radialen  Riss.  Die  äussere 
Partie  rollte  sich  bei  der  ersten  Einwirkung  der  Schwefel- 
säure ebenfalls  so  weit  ab,  dass  der  äussere  umfang  einen 
Kreisquadranten  bildete;  derselbe  hatte,  als  Bogen  ge- 
messen, eine  Länge  von  202  Mik.,  der  innere  Umfang  da- 
gegen 128  Mik.,  also  im  Mittel  165  Mik. 

An  zwei  andern  Durchschnitten  wurden  folgende  Mess- 
ungen gemacht: 


IXI. 

Innere  Partie. 

Aeassere  Partie. 

a.  In  Wasser 

Radius  =  15,5  Mik. 

Radius  =    16  Mik. 

b.  la  Schwefelsäure 

c.  In  Schwefelsaure 

später 

d.  In  Schwefelsäure 

noch  später 

IV. 

i,      =42        „ 
„      =  54        ,, 

ii      ==    80    „ 
»»      =    88    „ 
„      =  112    „ 

a.  In  Wasser 

Radien  =  12  und  14  M. 

Radien = 14  u.  16  M. 

b.  In  Schwefelsämre 

„      =44     „    50   „ 

w     =^ö»»  HO  » 

Aus  den  eben  mitgetheilten  Beobachtungen  ergeben  sich 
folgende  Resultate  für  die  Bastzellen  der  Chinarinde,  die 
in  Schwefelsäure  aufquollen. 


166  Sitzung  der  math.-phy$.  Classe  vom  9.  Juli  1664. 

1.  Die  äusserste  Schicht  dehnte  sich  in  tangentialer 
Richtung  beinahe  gar  nicht  aus.  In  den  Durchschnitten  I. 
und  II.  war  der  Umfang  der  Zelle  in  Wasser  (d)  fast 
ebenso  gross  wie  der  äussere  Rand  der  durch  Schwefel- 
säure gequollenen  und  zersprengten  äussern  Partie  (e);  an 
der  Zelle  I  mass  jener  165  Mik.,  dieser  176  Mik.,  an  der 
Zelle  II  jeder  202  Mik. 

2.  Die  innerste  Schicht  der  äussern  Partie  dehnte  sich 
in  tangentialer  Richtung  an  den  beiden  Durchschnitten  I 
und  II  ungefähr  auf  die  doppelte  Breite  aus,  au  I  von  82 
auf  150  Mik.,  an  II  von  66  auf  126  Mik.  nach  der  ersten 
Einwirkung  der  Schwefelsäure;  nach  neuem  Zusatz  von 
Säure  war  die  Ausdehnung  auf  etwas  mehr  als  das  doppelte 
gestiegen. 

3.  Die  ganze  äussere  Partie  wuchs  in  radialer  Richtung 
auf  das  5 — 7fache  der  ursprünglichen  Grösse. 

4.  Die  innere  Partie  mass  nach  der  Quellung  im 
Durchmesser  21/«— -3V«mal  soviel,  als  vor  derselben.  In- 
sofern sie  nicht  von  aussen  her  einriss,  dehnten  sich  ihre 
einzelnen  Schichten  ebenso  stark  in  tangentialer  Richtung 
ans,  als  in  radialer. 

5.  Vergleicht  man  die  äussere  und  die  innere  Partie 
von  I  und  II  mit  einander,  so  nahm  der  Flächeninhalt 
beider  Partieen  fast  in  gleichem  Masse  zu;  aber  die  innere 
wuchs  in  allen  Richtungen  gleichmässig,  die  äussere  vor- 
zugsweise in  radialer  Richtung. 

Vergleichen  wir  die  Ergebnisse  der  Untersuchungen 
über  die  Quellungserscheinungen,  welche  an  den  Bastzellen 
der  Chinarinde,  des  Leins  und  des  Hanfes  durch  Eupfer- 
özydammoniak  oder  Schwefelsäure  hervorgebracht  werden, 
so  lassen  sich  folgende  allgemeine  Sätze  aufstellen. 

I.  Das  Oberhäutchen  („primäre  Membran")  widersteht  den 
Quellungsmitteln  energisch,  und  dehnt  sich  in  den  Flächen- 


Nägeli:  Innerer  Bau  vegetabilischer  ZeUenmembranen.        167 

dimensionen  nicht  ans.  Es  wird  entweder  in  Flocken  oder 
Bänder  zerrissen. 

II.  Wenn  an  den  Bastzellen  die  Ring-  und  Spiralstreifen 
zonenweise  abwechseln,  so  sind  es  die  Ringstreifenzonen, 
welche  zuerst  aufquellen.  Sie  lösen  sich  auch  zuerst  auf 
und  verursachen  das  Zerfallen  der  Bastfasern  m  kurze 
Stücke. 

IQ.  Beim  Aufquellen  wird  die  Bastfaser  und  ebenso 
jede  einzelne  Schicht  derselben  kürzer  und  dicker,  wobei 
eine  Drehung  um  die  Axe  erfolgt  und  die  Windungen  der 
Spiralstreifen  niedergedrückt  werden. 

IV.  Die  Volumenzunahme  der  einzelnen  concentrischen 
Lamellen  ist  ungefähr  gleich  gross,  oder  nur  wenig  beträcht- 
licher bei  den  innern.  Alle  Lamellen  haben  ferner  das  Be- 
streben, stärker  in  die  Dicke  als  in  die  Fläche  aufzuquellen; 
aber  rüchsichtlich  der  Quantität  besteht  eine  bedeutende 
Differenz  zwischen  aussen  und  innen.  Die  äussersten  Schich- 
ten haben  nämlich  verhältnissmassig  die  grösste  Neigung  zur 
Verdickung  und  die  grösste  Abneigung  in  die  Fläche  zu 
wachsen.  Dieser  Gegensatz  zwischen  Dicken-  und  Flächen- 
wachsthum  wird  allmählich  schwächer,  je  mehr  die  Lamellen 
nach  innen  liegen. 


Erklärung  der  Tafeln, 

Tafel  I. 

1  (1000).  Stück  eines  aus  den  Epidermiszellen  der  Frachtwand- 
ung  von  Salvia  Horminum  Im.  herausgetretenen  Gallertschlau- 
ches. Aus  dem  oben  zerrissenen  Schlauche  sind  die  beiden  Spiral- 
bänder, deren  Streifen  man  bei  a  in  der  Durchschnittsansicht,  bei  b 
in  der  Flächenansicht  sieht,  herausgezogen. 

2  (1000).  Kleines  Stück  des  Spiralbandes  aus  dem  Gallert- 
cy linder  der  Samenoberhautzellen  von  Gollomia  coccinea  Lehm, 
in  Kupferoxydammoniak,  von  der  Flache  gesehen.  Man  beobachtet 
ausser  der  stärkern  Längsstreifung  zwei  sehr  zarte  sich  kreuzende 
Spiralstreifungen. 


168  SUtung  der  maih.-phya.  Ciasee  vom  9.  Juli  1864. 

3  (1000).  Stück  eines  im  Wasser  liegenden  Samenhaares  von 
Dipteracanthus  ciliatus  Nees,  a  äussere  Membranschicht  mit 
den  Ring-  und  Spiralfasern,  b  herausgetretener  Gallertschlauch. 

4  (1000).  Querschnitt  durch  einen  solchen  Gallertschlauch,  an 
welehem  man  zwischen  der  äussern  dichten  Schicht  und  dem  dunkeln 
Lumen  4  stärkere  dichte  Schichten  wahrnimmt. 

5  (500).  Em  derartiger  Querschnitt,  welcher  zwischen  der  äussern 
dichten  Schicht  und  dem  dunkeln  Lumen  bloss  eine  strukturlose 
Gallerte  erkennen  Uess. 

6  (1000).  Gallertschlauch  von  Dipteracanthus  mit  verbogener 
Spiralstreifang,  welche  sich  bei  a  in  ein  6streifiges  Band  abrollt. 

7  (1000).  Ebenso;  das  sich  abrollende  Band  besteht  aus  vier 
Streifen. 

8  (200).  Eine  Baumwollenfaser  in  sehr  verdünnter  Schwefel- 
säure, bei  a  mit  südöstlicher,  bei  b  mit  südwestlicher  Wendung. 

9  (200).  Eine  ebensolche,  in  etwas  concentrirterer  Säure,  bei  a 
mit  südöstlicher  Wendung  der  Spiralstreifen  und  südwestlicher  Dreh- 
ung der  ganzen  Zelle;  bei  b  umgekehrt. 

10  (1000).  Stück  eines  aus  den  Epidermiszellen  der  Fruchtwand- 
ung von  Sal  via  Aethiopis  Lin.  herausgetretenen  Gallertschlauches. 

11  (1000).  Querschnitt  durch  die  trockene  Epidermis  derselben 
Pflanze,  in  Glycerin  beobachtet.  Die  innere  Lamelle  der  Membran 
(welche  beim  Aufquellen  eich  als  Spiralband  abrollt)  ist  dichter  und 
prismatisch. 

12  (1000).  Querschnitt  durch  einen  aus  den  Epidermiszellen  der 
Fruchtschale  von  Ocimum  basilicum  Lin.  herausgetretenen 
Gallertschlauch.  In  der  Zellhöhlung  liegen  durch  Jod  gefärbte 
Stärkekörner. 

13  (1000).  Kleines  Stück  eines  solchen  Schlauches,  an  der  Fläche 
gesehen.  Die  Zeichnung  zeigt  die  oberflächlichen  Streifen;  die  in- 
nersten sind  durch  die  punktirten  Linien  angedeutet.  1  Zellhöhlung. 

Tafeln. 

14  (500).  Dickwandige  Holzzelle  der  Fichte  (Abi es  excelsa 
JVrir.)  in  verdünnter  Schwefelsäure,  mit  Ringstreifen. 

15  (500).  Ebenso,  mit  wenigen  sehr  deutlichen  Ringstreifen. 

16  (500).  Ebenso,  mit  eigentümlichem  Verhalten  der  Streifen 
(Pag.  129). 

17  (500).  Eine  dickwandige  Holzzelle  der  Fichte,  welche  durch 
concentrirte  Schwefelsäure  von  dem  einen  Ende  aus  aufgelöst  wird. 


Nägdi:  Innerer  Bau  vegetabilischer  ZeUemnembranen.        169 

18  (850).  Dünnwandige  Holzzelle  der  Fichte  in  verdünnter 
Schwefelsaure;  von  den  Ringstreifen  treten  einzelne  starker  hervor. 

19  (600).  Membran  einer  dickwandigen  Holzzelle  der  Fichte, 
welche  die  gleiche  Lage  wie  Fig.  18  hat,  in  stärkerer  Säure. 

20  (600).  Membran  einer  dünnwandigen  Holzzelle  in  gleicher 
Lage  wie  Fig.  18  und  19,  ebenfalls  in  stärkerer  Säure. 

21  (850).  Dünnwandige  Holzzelle  wie  Fig.  18,  aber  in  der  Lage, 
dass  die  beiden  Streifensysteme  fast  horizontal  verlaufen,  also  etwa  tun 
90°  ans  der  Stellung  von  Fig.  18  gedreht*  in  verdünnter  Schwefelsäure. 

22  (750).  Membran  einer  dickwandigen  Holzzelle  im  Profil  ge- 
sehen. In  concentrirter  Schwefelsäure  haben  sich  die  dichten  Areolen 
deutlich  von  einander  getrennt,  nach  unten  hin  sind  dieselben  bis 
zur  TJndeutlichkeit  aufgequollen. 

28  (700).  Dünnwandige  Holzzelle  der  Fichte,  mit  Spiralstreifen 
zwischen  den  Porenhöfen. 

24  (700).  Ebenso,  an  der  ganzen  Fläche  mit  Spiralstreifen  besetzt. 

25  (1200).  Spiralstreifung  an  der  porenlosen  Stelle  einer  dünn- 
wandigen Holzzelle.  Durch  Einwirkung  von  concentrirter  Schwefel- 
bäum  vnd  Jod  haben  die  Streifen  ein  gegliedertes  Ansehen  erlangt ; 
der  Streifen  a  theilt  sich  in  zwei. 

26  (700).  Gekreuzte  Spiralstreifen  an  der  porenlosen  Stelle  einer 
dünnwandigen  Holzzelle,  bei  Einwirkung  von  Jod  und  Schwefelsäure. 

87  (1000).  Zwei  Querschnitte  durch  dickwandige  Holzzellen  der 
Fichte,  mit  Jod  und  concentrirter  Schwefelsäure  behandelt. 

28  (600).  Membran  einer  dickwandigen  Holzzelle,  welche  die 
gleiche  Lage  wie  Fig.  21  hat,  in  stärkerer  Schwefelsäure. 

29  (600).  Holazelle  von  Taxns  baccata  Lin.,  mit  concentrirter 
Schwefelsäure  behandelt  (Pag.  181). 

80  (1000).  Holzzelle  von  Lonicera  spec,  mit  Spiralfasern, 
Poren  und  Spiralstreifen. 

81  (1000)  Porenhof  auf  den  Holzzellen  der  Fichte. 

82  (500).  Spiralgef&es  ans  dem  Blüthenschafte  von  Hyacinthns 
orientalis  Lin.,  mit  conoentrirterer  Schwefelsäure  behandelt 
(Pag.  138). 

83  (2000).  Längsschnitt  durch  eine  Gefässwandung  mit  einem 
Poras  im  Holze  von  Robinia  Psendacacia  Lin.  (Pag.  143). 

34,  85,  86  (1500).  Solche  Poren,  auf  der  Membranfläche  der  Ge- 
fäsae  gesehen. 

87  (1500).  Porös  mit  Porenhof,  ebemdwelbet. 

88.  Schematische  Darstellung  der  Streifung  auf  dem  Porenkanal 
(a)  und  dem  Porenhof  (b). 


170  Sitsung  der  math.-phys.  Glosse  vom  9.  JuU  1864. 

89  (600).  Poröses  Gefass  aus  der  Wurzel  von  Populus  d ila- 
tat a  Ait. 

40  (1000).  Holzzelle  von  Kerria  japonica  DO.  nach  Macera- 
tion  in  Salpetersäure,  mit  Spiralfasern,  Poren  und  Ringstreifen. 

Tafel  in. 

41  (300).  Stück  einer  Bastzelle  der  Chinarinde;  man  sieht 
die  Spiral8treifen  des  äussern  (a — a)  und  des  infljgn  (b~-b)  Schich- 
ten complexes,  welche  unter  sich  in  entgegengesetzter  Richtung  ge- 
dreht sind. 

42  (1000)  Die  Oberfläche  einer  solchen  Zelle,  welche  durch 
Schwefelsäure  etwas  stark  aufgequollen  ist,  mit  «wei  sich  kreuzenden 
Systemen  von  Spiralstreifen. 

43  (330).  Ende  einer  Chinarindenbas  tzelle,  welche  durch  con- 
centrirte  Schwefelsäure  aufgelöst  wird,  mit  einem  System  von  Ring- 
streifen. 

44  (300).  Stück  "einer  Bastzelle  der  Chinarinde;  die  oberfläch- 
liche Ansicht  zeigt  Spiralstreifen  und  wenig  schiefe  Querstreifen. 

45.  Schematische  Darstellung  eines  gedrehten  Porenkanals  in 
den  Chinarindenbastzellen. 

46  (500).  Leinwandfaser  in  Wasser. 

47  (500).  Eine  Leinwandfaser,  von  concentrirter  Schwefelsäure 
angegriffen;  die  Abblätterung  beginnt  an  den  durch  Ringstreifen 
bezeichneten  Gelenken. 

48  (500)  Eine  solche  Faser,  bei  welcher  die  Auflösung  an  den 
Gelenken  so  weit  fortgeschritten  ist,  dass  sie  aus  spindelförmigen 
Gliedern  besteht. 

49  (1000).  Ein  spindelförmiges  Glied  einer  in  Auflösung  be- 
griffenen Faser  (Fig.  48)  iaolirt;  die  äussern  Schichten  stark  auf- 
gequollen und  im  Verschwinden  begriffen. 

50  (400).  Ende  einer  längern  in  Kupferoxydammoniak  liegenden 
Faser. 

51  (400).  Kleine  Partie  aus  der  Mitte  einer  solchen  Faser. 

52  (250).  Kurzes  Stück  einer  zerschnittenen  Leinwandfaser  mit 
beginnender  Einwirkung  des  Kupferoxydammoniaks. 

53  (250).  Ebenso,  mit  etwas  stärkerer  Einwirkung  des  Reagens. 

54  (200).  Kleine  Partie  einer  mit  Schwefelsäure  und  Jod  be- 
handelten Hanffaser,  a  dünner  durch  den  Inhalt  gebildeter  Faden, 
b  Spiralband  durch  das  zerrissene  Oberhäutchen  gebildet. 

55  (300).  Ebenso.  Das  Band  des  Oberhäutchens  (b«b)  ist  theils 
ring-,  theils  spiralförmig;  c  zugekehrte,  d  abgekehrte  Windung. 

56  (200).  Querschnitt  einer  Bastfaser  der  Chinarinde  mit  Schwefel- 
säure und  Jod  behandelt. 

57  (500).  Kurzes  Stück  einer  zerschnittenen  Leinwandfaser, 
durch  Kupferoxydammoniak  aufgequollen,  im  Qnersohnitt  gesehen« 

58  (500).  Ebenso. 

59  (500).  Sehr  kurzes  Stück  einer  Leinwandfaser  bei  beginnender 
Einwirkung  des  Kupferoxydammoniaks,  a  Querschnittsansicht,  b  Seiten- 
ansicht. 


Sttemq  der  toter,  dam  vom  16.  Juli  1864.  171 


Historische  Classe. 

Sitzung  vom  16.  Juli  1864. 


Herr  Giesebreoht  theilte  mit,  dass  ihm  ein  Manuscript 
des  Bibliothekars  Herrn  Valentinelli  in  Venedig,  Mitgliedes 
der  Akademie: 

„Regesten  zur  deutschen  Geschichte  aus  den 
Handschriften  der  Marcus-Bibliothek" 

eingehändigt  worden. 

Die  Classe  beschlösse  dass  diese  umfangreiche,  wichtige 
und  für  die  deutsche  Geschichte  werthyolle  Arbeit  in  den 
Denkschriften  abgedruckt  werden  solle. 


Herr  Riehl  machte    eine  vorläufige  Mittheilung  über 
eine  Untersuchung: 

„das    Verhältniss    der    Geschichtsquellen    zu 
der  mittelalterlichen  Architektur" 

betreffend« 


Herr  v.  Hefner- Alteneck  hielt  einen  Vortrag: 

„Ueber  Auffindung  der  Originalentwürfe  zu 
den  Prachtrüstungen  der  Könige  Franz  I. 
und  Heinrich  II.  von  Frankreich"  * 

aus  der  noch  ungeordneten  Masse    des  k.  Handzeichnungs- 

[1864  H.  2.]  12 


172  Stamng  der  Katar,  Glosse  vom  lß.JvM  18&L 

Kabinets  in  München,  —  Werke  von  der  Hand  deutscher 
Künstler  am  Hofe  der  Herzoge  Wilhelm  IV.  und  Albrecht  V. 
von  Bayern. 

Dabei  suchte  er  nachzuweisen,  dass  die  Blüthe  jener 
Kunstrichtung,  welche  bis  jetzt  von  den  Franzosen  und  auch 
fast  allen  deutschen  Kunsthistorikern  ausschliesslich  Frank- 
reich und  theilweise  Italien  zugeschrieben  und  nur  als 
italienische  und  französische  Renaissance  bezeichnet  wurde, 
deutschen  und  vorzugsweise  bayerischen  Ursprungs  sei. 
Proben  in  Originalien  und  photographischen  Nachbildungen, 
sowie  ein  höchst  günstiges  Gutachten  der  Akademie  der 
bildenden  Künste  wurden  vorgelegt. 

Die  Ausführong  der  Entwürfe  wird  zu  Paris  im  Loutto 
und  Musee  d'artillerie  als  die  Blüthe  französischer  und 
italienischer  Renaissance  gezeigt. 


MfOtor:  Nekrolog  auf  Leo  von  Kknce.  173 


Oeffentliche  Sitzung  der  k.  Akademie  der  Wissen- 
schaften 

i 

zur  Vorfeier  des  Allerhöchsten  Geburts-  and 
Namensfestes  Sr.  Majestät  des  Königs  Ludwig  II. 

am  25.  Juli  1864. 


Nach  den  einleitenden  Worten  des  Vorstandes  Herrn 
Baron  von  Liebig  widmete  der  Secretär  der  philosophisch- 
philologischen Classe  Herr  Marcus  Jos.  Müller  den  jüngst 
verstorbenen  Mitgliedern  dieser  Classe  folgenden  Nachruf. 

Leo  von  Klenze. 

Es  ist  eine  nicht  sehr  häufige  Erscheinung,  dass  eine 
grosse  Künstlernatur  zugleich  den  Trieb  Und  die  Fähigkeit 
in  sich  fühlt,  die  Schöpfungen  seines  bildenden  Genius 
durch  literarisches  Wirken  zu  unterbrechen.  Es  ist  aller- 
dings natürlich,  dass  ein  Geist  wie  Michel  Angelo  ausser 

12* 


174  OeffmtU&e  Süamg  vom  MS.  JmU  1864. 

der  Malerei,  Sculptur  und  Architectur  sich  auch  in  der 
Poesie  aaszeichnete;  denn  die  Gunst  der  Musen  ist  dem 
Talent  für  bildende  Künste  analog.  Selten  aber  ist  es,  wenn 
ein  Genius  aus  dem  Kreise  des  Anschauens  und  Produ- 
cirens  heraustritt  und  die  spontane  Thätigkeit  durch  dis- 
curaives  Denken  ergänzt  und  fordert,  wie  ein  Leonardo  da 
Vinci  und  unser  deutscher  Albrecht  Dürer.  Ein  solcher 
Geist  war  auch  unser  tiefbetrauerter  College  Leo  von 
Klenze,  der  neben  den  staunenswerten  Herorbringungen 
in  der  Architektur  noch  Zeit  fand,  in  gelehrte  Erläuterungen 
dieser  seiner  Kunst  und  in  archäologische  Forschungen  sich 
zu  vertiefen.  Wie  er  als  Heros  in  der  bildenden  Kunst 
dastand,  so  konnte  auch  unsere  Anstalt  in  ihren  speciellen 
Bestrebungen  ihm  als  Archäologen  schon  sehr  früh  ihre 
Huldigungen  darbringen.  Der  Gang  und  die  Resultate  seiner 
Untersuchungen  sind  von  durchsichtiger  Klarheit  und  edler 
Einfachheit  und  die  Ideen,  zu  denen  er  gelangte,  stehen 
im  nächsten  Zusammenhang  mit  der  Entwicklung  der  andern 
geistigen  Thätigkeiten;  zeichnen  sich  somit  auch  durch 
philosophische  Tragweite  für  die  Aufhellung  der  Geschichte 
des  menschlichen  Geistes  aus.  Wie  er  die  hellenische 
Schönheit  in  seinen  Werken  wiederzugeben  verstand,  so 
zeigt  sich  auch  der  Abglanz  dieses  himmlischen  Lichtes  in 
seinen  wissenschaftlichen  Betrachtungen.  Dieser  achte  Schön- 
heitssinn war  in  diesem  reichen  Geiste  mit  einem  klaren 
und  umfassenden  Verstände  verbunden,  der  sich  in  den 
mannigfaltigsten  Fächern  einer  ausgebreiteten  Bildung  leicht 
und  sicher  bewegte.  Ich  erinnere  mich  mit  Vergnügen  an 
eine  höchst  lebhafte  Discussion,  welche  ich  mit  ihm  ein 
Jahr  vor  seinem  Tode  hatte,  und  welche  durch  eine  Reihe 
von  Fragen  veranlasst  war,  die  er  schriftlich  redigirt  hatte. 
Sie  bezogen  sich  auf  die  rätselhaftesten  Probleme  der 
alten  Völker*  und  Religionsgeschichte.  Er  zeigte  sich  darin 
nicht    nur   als    vollkommen    bewandert    in    den   neuesten 


Mnüer:  Nekrolog  auf  Leo  von  Kimme.  175 

Forschungen,  wie  man  es  nur  von  einem  Fachmanne  er- 
warten konnte,  sondern  er  behandelte  auch  diese  abstrusen 
Gegenstände  mit  einem  unübertrefflichen  Scharfsinn  und 
einer  nie  fehlenden  Umsicht.  Allerdings  sind  seine  wissen- 
schaftlichen Arbeiten,  so  hohen  Bang  sie  auch  in  der  Ge- 
schichte der  Literatur  behaupten  mögen,  nicht  so  zahlreich, 
wie  Beine  vielbewunderten  architektonischen  Meisterwerke, 
mit  denen  er  nicht  nur  unsere  Stadt,  sondern  auch  andere, 
selbst  entfernte  Gegenden  unseres  Erdtheils  geschmückt  hat. 
Ein  eingehendes  Urtheil  über  diese  abzugeben,  ist  weder 
meines  Amtes,  noch  diesem  Räume  angemessen.  Genüge  es 
zu  sagen,  dass  er  neben  Schinkel  der  Gründer  einer  neuen 
lebensvollen  Renaissance  wurde  und  dass  Ideenreichthum 
mit  Schönheit  und  Mass  sich  zu  einem  das  Gemüth  be- 
geisternden Ganzen  in  seinen  Schöpfungen  vereinigte,  welche 
vollkommen  dazu  angethan  sind,  diese  das  höhere  geistige 
Leben  bedingenden  Potenzen  im  Sinne  des  Beschauers  wach 
zu  rufen  und  den  Geist  damit  sättigen,  und  also  den  er* 
habenen  Zweck  der  Kunst,  wodurch  sie  alle  feinfühlenden 
Geschlechter  zum  grössten  Dank  verpflichtet,  in  höchstem 
Masse  erfüllen. 


Carl  Benedict  Hase 

wirkte  seit  dem  Anfang  dieses  Jahrhunderts  in  Paris, 
wohin  er  ans  seinem  Heimathslande  Thüringen  sich  begab, 
nachdem  er  seine  Universitätsstudien  zu  Helmstedt  und  Jena 
zugebracht  hatte,  in  einer  Epoche,  wo  die  classische  Philo- 
logie in  Deutschland  eine  der  hervorragendsten  Entwick- 
lungen erreicht  hatte,  um  in  den  nächsten  Zeiten  die  höch- 
sten Stufen  des  Glanzes  zu  erklimmen.  In  Frankreich,  wo 
früher  Philologen  des  ersten  Ranges  blühten,  waren  damals 
zum    Theil    in   Folge    der   politischen  Verhältnisse   diese 


176  OeffmOkhe  SÜsung  vom  26.  JuU  1864. 

Studien  in  ziemlichem  Verfall;  aber  bald  erhoben  sich  aus- 
gezeichnete Forscher  und  ein  neuer  Aufschwung  in  den 
Untersuchungen  über  das  römische  und  hellenische  Alter- 
thum  machte  sich  geltend,  wozu  unser  Hase  vor  allen 
durch  sein  Beispiel  aneifernd,  ausserordentliches  beitrug  und 
einen  mächtigen  Einfluss  ausübte.  Seine  Gelehrsamkeit,  seine 
Arbeitskraft,  sein  Scharfsinn,  welchen  Eigenschaften  sich 
bald  französische  Eleganz  beigesellte,  erwarben  ihm  in 
kurzer  Zeit  in  jener  gastlichen  Stadt,  wo  jedes  Talent  das 
ihm  angemessene  Feld  der  Thätigkeit  leicht  findet  und  wo 
demselben  den  Eifer  mächtig  anspornende  Belohnungen 
winken,  eine  ehrenvolle  Stellung.  Mit  einer  vollendeten 
Kenntniss  des  römischen  und  griechischen  Alterthums  ver- 
band er,  wie  wenige,  auch  eine  ausgebreitete  Einsicht  des 
spätem  Graecismus.  Was  byzantinische  Literatur  und  Ge- 
schichte betrifft,  so  hatte  er  bald  eine  solche  Beherrschung 
des  Stoffes,  der  an  sich  nicht  durchaus 'einladend,  aber 
von  der  höchsten  Wichtigkeit  ist  und  viele  ausserordentliche 
Schwierigkeiten  darbietet,  erreicht,  dass  ihm  unwidersprech* 
lieh  die  höchste  Auctorität  in  dieser  Sparte  allgemein  zu- 
erkannt wurde.  Ein  Glanzwerk  in  dieser  Richtung  ist  die 
von  ihm  zuerst  herausgegebene  Geschichte  des  Leo  Diaconus 
von  Caloe,  woran  ebenfalls  editiones  prineipes  des  Tractates 
de  velitatione  bellica  des  Nicephorus  Phocas,  des  Frag- 
mentes einer  Geschichte  von  Johannes  Epiphaniensis  und  der 
Brief  des  Mönchs  Theodosius  über  die  Eroberung  von 
Syracus  sich  schliessen.  Dieselben  Verdienste  weisen  seine 
Beschäftigungen  mit  Johannes  Laurentius  Lydus  Philadel- 
phiensis  auf.  Vorarbeiten  über  diesen  Schriftsteller  finden 
sich  in  den  Notices  et  Extraits  und  in  der  Fuss'ischen  Aus- 
gabe des  Tractatus  de  magistratibus  reipublicae  romanae, 
wo  er  ausfuhrliche  Untersuchungen  über  das  Leben  und  die 
Schriften  des  Lydus  anstellt.  Bald  folgte  die  editio  prin- 
ceps  des  Werkes  de  ostentis,  nebst  einem  Fragment  des- 


Mtifcr:  Nekrolog  auf  Benedict  Hase.  177 

selben  de  mensibus  ,  sowie  der  Abhandlang  des  Anicras 
Manlias  Severinus  Boethius  de  diis  et  praesensionibus, 
Ausser  der  oben  genannten  Schrift  über  Lydus  finden  sich 
noch  höchst  schätzbare  Arbeiten  in  den  Notices  et  Extraits, 
über  das  Werk  des  Draco  von  Stratonicea  über  die  Vers- 
masse, ferner  über  byzantinisch -theologische  Controverse 
und  Polemik  gegen  den  Islam,  weiter  über  einige  der  by- 
zantinischen schönen  Literatur  angehörige,  der  Art  des 
Lucian  nachgebildete  satyrische  Gespräche,  endlich  über  eine 
Geschichte  der  Moldau,  welche  in  dacoromanischer  Sprache 
von  Nicolaos  Costin  verfesst  und  von  Alexander  Amiras  ins 
Neugriechische  übersetzt  worden  ist.  Höchst  beachtenswerth 
sind  auch  seine  Ausgaben  des  Suetonius  und  Valerius  für 
die  Lemaire'sche  Sammlung.  Einen  grossen  Theil  seiner 
Thätigkeit  nahm  seit  beinahe  30  Jahren  die  Oberaufsicht 
über  die  Herausgabe  des  Thesaurus  linguae  graecae  von 
Henricus  Stephanus  in  Anspruch.  Dieses  kolossale  Werk, 
ursprünglich  von  L.  v.  Sinner  und  Th.  Fix  in  Angriff 
genommen,  wurde  bald  den  kräftigen  Händen  L.  und  W. 
Dindorfe  anvertraut  und  naht  jetzt  seiner  Vollendung.  Wie 
seine  Zusätze  zu  diesem  einen  Glanzpunkt  des  Unternehmens 
bilden,  so  verdienen  auch  seine  Beiträge  zu  der  Sammlung 
der  Schriftsteller  über  die  Kreuzzüge,  welche  die  franzö- 
sische Acad&nie  des  inscriptions  et  belles  lettres  heraus- 
gibt, sowie  seine  gediegenen  Aufsätze  im  Journal  des  Savans 
hervorgehoben  zu  werden.  Wenn  diese  gedruckten  Arbeiten 
vollkommen  hinreichend  wären,  um  den  Ruhm  eines  vir 
Primarius  in  der  Philologie  zu  begründen,  so  muss  noch 
ein  ungedrucktes  Werk  als  Denkmal  seines  unendlichen 
Fleisses  und  seiner  bewunderungswürdigen  Gelehrsamkeit 
erwähnt  werden,  die  Catalogisirung  der  griechischen  Hand- 
schriften der  kaiserlichen  Bibliothek  zu  Paris.  Jeder,  der 
ßich  mit  diesem  Fach  beschäftigte  und  Gelegenheit  hatte, 


178  Oeffmdiche  BUmm§  vom  M.  Juli  1964. 

jene  ausserordentlichen  Schätze  zu  benützen,  hat  mit  Dank 
ans  den  feinen  und  gediegenen  Bemerkungen  Hase' 8  Be- 
lehrung gezogen  oder  sich  die  Richtung  seiner  Forschungen 
bestimmen  lassen:  viele  derselben  haben  Anstoss  zu  neuen, 
weiter  gehenden  Untersuchungen  gegeben  oder  sind  ge- 
radezu Grandlage  von  solchen  geworden. 


Hierauf  wurden    die  Wahlen  der  neuen  Mitglieder  in 
den  drei  Gassen  verkündet. 


1.  Philosophisch-philologische  Glasse. 

A.  Als  ordentliches  Mitglied: 

Philologische  Classe: 

Dr.  Wilhelm  Christ,  Professor  der  classischen  Philologie  an 
der  Hochschule  München  und  Conservator  des  kgL  Anti- 
quariums. 

B.  Als  auswärtige  Mitglieder: 

1)  Dr.  Karl  Philipp  Fischer,    t.  qu.  Professor  an  der  Uni- 
versität Erlangen. 

2)  Dr.  Heinrich  Keil,   Professor  an  der  k.  Universität  Er- 
langen. 

3)  Dr.  Friedrich   Theodor  Vischer,  Professor  an  der  Uni- 
versität Zürich. 

4)  Dr.  Gustav  Flügel,  Professor  in  Dresden. 


NemccMm.  179 

G.  Als  correspondirendes  Mitglied: 
Dr.  Emil  Schlagintweit  in  Würzburg. 

2.  Mathematisch-physikalische  Ciasse- 
A.  Als  auswärtige  Mitglieder: 

1)  Peter  Merian,  Professor  und  Rathfeberr  in  Basel. 

2)  Armand  de  Quatrefages,  Pigfateor  ain  natouftistorischen 
Museum  zu  Paris  und  Mitglied  des  Instituts. 

B.  Als  correspittodirende  Mitglieder: 

1)  Dr.  Wilhelm  Henneberg,    Vorstand  der  landwirtschaft- 
lichen Versuchsanstalt  in  Weende  bei  Göttingen. 

2)  Dr.  Gustav  Wiedemann,  Professor  der  Physik  in  Braun- 
schweig. 

3.  Historische  Glasse. 

A.  Als  ordentliches  Mitglied: 

Friedrich  Hektor  Graf  von  Hundt,  k.  Kämmerer  und  Mini- 
sterialrath  im  k.  Staatsministerium  des  Innern. 

B.  Als  auswärtige  Mitglieder: 

1)  Eugen    de    Roziere,    Generalinspektor    der  Archive   zu 
Paris, 

2)  Dr.  Philipp  Jaffe,  Professor  an  der  Universität  in  Berlin. 

C.  Als  correspondirende  Mitglieder: 

1)  Joseph  Würdinger,   Hauptmann  im  k.   b.   3.  Infanterie- 
Regimente  Prinz  Karl. 


180  Öffentliche  Sümmg  vom  25.  Juli  1864. 

2)  Dr.  Rudolph  Köpke,    Professor   an  der  Militärakademie 
und  an  der  Universität  zu  Berlin. 

3)  Dr.  Ernst  Dümmler,  Professor  an  der  Universität  Halle« 


Die  Festrede  hielt  Herr  Thomas: 

„Ueber    die  Stellung  Venedigs    in   der  Welt- 
geschichte". 

Dieselbe  ist  im  Verlag  der  Akademie  erschienen. 


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Fij.  7.   Hobarfcon,  Jnclination. 


Fif.  9.  Philadolphia, 
Horizontal  -Jnttniitit. 


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Sitzungsberichte 

der 

königl.  bayer.  Akademie  der  Wissenschaften. 


Philosophisch  -  philologische  Classe. 

Sitzung  vom  5.  November  1861. 


Herr  G.  Hof  mann  hielt  einen  Vortrag: 

„Ueber  den  Meier  Helmbrecht". 

(Mit  einem  Kärtchen.) 

Die  tragische  Dorfgeschichte  vom  Meier  Helmbrecht 
nimmt  bekanntlich  in  der  mittelhochdeutschen  Literatur 
eine  so  bedeutende  und  einzige  Stellung  ein,  dass  jeder 
Beitrag  zum  genaueren  Verständniss  des  Gedichtes  will- 
kommen sein  muss. 

Ich  lege  der  philosophisch-philologischen  Classe  hiemit 
den  Plan  und  ersten  Druckbogen  eines  nächstens  erscheinen- 
den Werkchens  von  Herrn  Friedrich  Keinz  vor,  welches 
die  Beachtung  der  Classe,  abgesehen  von  seinen  sonstigen 
Ergebnissen,  auch  schon  darum  in  Anspruch  nehmen  darf, 
weil  aus  unserer  Mitte  die  erste  Anregung  zu  dieser  Arbeit 
ausgegangen  ist  und  wir  sie  daher  als  in  den  Kreis  unserer 
Thätigkeit  gehörend  betrachten  dürfen. 

Der  Stand  der  Frage  ist  in  Kürze  dieser.  Der  Meier 
Helmbrecht ,  in  zwei  jüngeren  Handschrillen  aus  dem  Ende 
[1864  a  3.]  13 


182     Siitnmg  der  pkOos.-phOol.  CUuae  vom  5.  November  1861. 

des  15.  und  Anfange  des  16.  Jahrhundertes  (der  Ambraser 
und  Berliner)  erhalten,  wurde  zuerst  von  Bergmann  im  85. 
Bande  der  Wiener  Jahrbücher  der  Literatur  (1839)  nach  der 
Ambraser  jüngeren  aber  besseren  Handschrift  abgedruckt,  dann 
von  Haupt  im  4.  Bande  der  Zeitschrift  für  deutsches 
Alterthum  (1844)  nach  beiden  Texten,  aber  mit  Zugrunde- 
legung des  Ambraser,  kritisch  bearbeitet. 

Haupt  (mit  Hülfe  Earajans)  beschäftigte  sich  natürlich 
auch  mit  den  im  Gedichte  vorkommenden  Ortsnamen,  deren 
Deutung  allein  über  seine  Heimath  Licht  verbreiten  konnte, 
und  fand  für  Hohenstein  und  Haldenberg,  welche  nebst 
dem  sicheren  Wanghausen  damals  als  die  einzigen  Orts- 
angaben erschienen,  zwei  Schlosser,  deren  eines  nordostlich  von 
Nürnberg,  das  andere  südlich  von  Augsburg  lag.  Eine  früher 
von  Lachmann  (Singen  und  Sagen  s.  12)  aufgestellte  An« 
sieht,  wonach  unter  Haldenberg  ein  Hakenberg  an  der 
mahrischen  Grenze  gemeint  sein  sollte,  war  damit  auf- 
gegeben. 

V.  d.  Hagen  liess  in  seinen  Gesammtabentheuern 
(3.  Bd.)  das  Gedicht  nach  der  Berliner  Handschr.  abdrucken 
und  hielt  gegen  Haupt  und  Karajan  auch  den  Vorzug  des 
Berliner  Textes  in  Bezug  auf  die  Ortsnamen  aufrecht,  welche 
dort  statt  Hohenstein,  Haldenberc,  Wankhusen  so 
lauten:  Wels,  Trunberc,  Leubenbach  (Wels,  Traun* 
stein,  Berg  am  Traunsee  und  Leonbach,  eine  Stunde  von 
Wels).  Da  man  auf  die  Ansichten  von  der  Hagens  nie 
grosses  Gewicht  zu  legen  gewohnt  war,  so  blieb  die  von 
Haupt  und  Karajan  aufgestellte  Ortserklärung  die  geltende, 
bis  im  Jahre  1863  Franz  Pfeiffer  in:  Forschung  und 
Kritik  auf  dem  Gebiete  des  deutschen  Alterthums 
1.  Heft,  die  Frage  von  Neuem  aufnahm  und  den  Beweis 
antrat,  dass  erstens  die  Ortsnamen  der  Berliner  Handschrift 
die  ursprünglichen,  folglich  auch  zweitens  der  Werth  dieses 
Testes  viel  höher  anzuschlagen  sein,    als  bisher  geschehen, 


Hofmam:  üeber  den  Meier  HdmbretM.  183 

demgemäss  Pfeiffer  auch  eine  Anzahl  Stellen  nach  der 
Berliner  Handschrift  emendirte,  wozu  noch  manche  Ver- 
besserungen aas  eigenen  Mitteln  kamen. 

Da  diese  Abhandlung  Pfeiffers  in  den  Händen  aller 
Fachgenossen  sein  wird,  so  brauche  ich  hier  ud^  so  weniger 
darauf  einzugehen,  als  Polemik  überall  ausser  meiner  Ab- 
sicht liegt  und  das  neugewonnene  Resultat  ohnehin  nicht 
auf  polemischem  Wege,  sondern  durch  sich  selbst  seine 
Rechtfertigung  finden  muss. 

Gegen  Pfeiffers  Auffassung  erhob  sich  zunächst  Herr 
Archivrath  Karl  Muffat,  bekanntlich  einer  der  besten 
Kenner  der  älteren  bayerischen  Geographie.  Er  legte  seine 
Resultate  im  Morgenblatt  zur  Bayerischen  Zeitung 
Tom  8.  Oktober  1863  nieder.  Er  fand  einen  urkundlichen 
Helmbrechtshof  in  der  Obmannschaft  Gilgenberg.  Ein 
Helmbrechtshof  allein  hätte  natürlich  wenig  zu  bedeuten  ge- 
habt; da  aber  Gilgenberg  in  sehr  geringer  östsüdöstlicfaer 
Entfernung  von  Wanghausen  liegt,  also  von  dem  einzigen 
Punkte,  welcher  unter  den  Ortsangaben  der  Ambraser  Hand- 
schrift eine  relativ  grosse  Sicherheit  bot,  so  war  die  Ent- 
deckung höchst  wichtig  und  sie  hat  auch  in  der  That  zu 
allen  folgenden  Funden  den  Weg  gewiesen.  Für  Hohenstein 
und  Haldenberg  stellte  Muffat  zwei  Namenpaare  auf  1.  Hohen- 
burg  und  Hantenberg,  .die  ungefähr  in  östlicher  und  west- 
licher Richtung  gleichweit  entfernt  von  Gilgenberg  liegen, 
so  dass  die  drei  eine  fast  gerade  Linie  bilden.  Da  nun  aber 
diese  zwei  Namen  von  den  überlieferten  in  der  Form  ziem- 
lich abweichend  erschienen,  so  stellte  Muffat  noch  ein  zweites 
Paar  auf,  nämlich  Halmberg  (auf  der  Finkischen  Karte 
Hallenburg)  und  Hohenstein,  beide  von  Gilgenberg  in  süd- 
westlicher Richtung  gegen  den  Chiemsee  hin  gelegen,  so 
also,  dass  Gilgenberg  nicht  zwischen  den  beiden  andern, 
sondern  in  nordostlicher  Richtung  über  ihnen  liegt  Es  ist 
klar,    dass  von  diesen   beiden  Namenpaaren  das  erstere  in 

18* 


184     Sitzung  der  phüos.-phüol.  Glosse  vom  5.  November  1864. 

geographischer,  das  zweite  in  graphischer  Beziehung  den 
Vorzug  verdiente  and  umgekehrt;  ganz  genügend  war  daher 
keines  von  beiden.  Auf  den  Karten  fand  sich  der  Helm- 
brechtshof nicht  vor. 

Unter  solchen  Umständen  urtheilte  ich ,  dass  jetzt  die 
Untersuchung  ungefähr  so  weit  gedeihen  sei,  als  sie  durch 
blosse  Benützung  von  Gedrucktem  ohne  Autopsie  gebracht 
werden  könnte.  Sie  weiter  zu  fördern,  dazu  bot  sich  mir 
vor  etwa  */i  Jahren  Gelegenheit,  als  der  Privatgelehrte 
Herr  Friedrich  Keinz  zum  Behufe  einer  Arbeit  über  die 
niederbayerische  Mundart  seiner  Heimathstadt  Passau  von 
der  Akademie  zur  Begutachtung  an  mich  gewiesen  wurde. 
Da  Herr  Keinz  in  Folge  meines  Gutachtens  ein  kleines 
Reisestipendium  zur  erneuten  Untersuchung  der  Mundart  in 
und  um  Passau  erhielt,  so  setzte  ich  ihn  vor  seiner  Abreise 
von  dem  Stande  der  ganzen  Frage  in  Kenntniss  und  er- 
suchte ihn,  von  Passau  aus,  sei  es  schriftlich  oder  mündlich 
den  Legalitäten  und  den  bisher  unerklärbaren  Wörtern  und 
Redensarten  im  Meier  Helmbrecht  weiter  nachzuforschen.  Dabei 
war  dann  vor  Allem  zu  untersuchen,  ob  im  heutigen  Wang- 
hausen sich  etwa  noch  der  berühmte  Brunnen  finde,  den 
der  alte  Meier  Helmbrecht  in  seinem  Wankhüsen  kennt; 
dann  war  der  urkundliche  Helmbrechtbhof  und  von  ihm 
aus,  wenn  er  sich  finden  sollte,  der  Hohenstein  und 
Haldenberg  zu  suchen.  Herr  Keinz  untersuchte  nun  in 
dieser  Richtung.  Durch  Freunde  in  Pa^sau  und  Burghausen 
(dem  gegenüber  auf  dem  rechten  Salzachufer  Ach  und  als 
dessen  fast  unmittelbare  Fortsetzung  Schloss  und  Dorf 
Wanghausen  liegt)  wurde  er  mit  einem  gelehrten  und  orts- 
kundigen Eingebornen  des  Inn vierteis,  Herrn  Pfarrer  Sa- 
xeneder  in  Ueberackern  bekannt,  und  hauptsächlich 
diesem  trefflichen  Manne  verdanken  wir  alle  neue  Kunde, 
die  das  vorliegende  kleine  Buch  des  Herrn  Keinz  den  Freue- 


Hofmann:  üeber  den  Meier  Helmbrecht.  185 

den  unserer    alten  vaterländischen   Literatur-   und   Cultur- 
gescbichte  gewähren  kann. 

Der  leichtern  Uebersichtlichkeit  wegen  hat  Herr  Eeinz 
auf  meinen  Rath  seinem  Büchlein  eine  Karte  beigegeben, 
eine  zweite ,  diesem  Berichte  beiliegend ,  die  er  ebenfalls 
auf  mein  Verlangen  ausgearbeitet  hat,  macht  die  verschiedenen 
Hypothesen  über  die  Heimath  des  Gedichtes  anschaulich. 
Das  Itinerarium  ist  nun  einfach  dieses: 
Aus  der  bayerischen  Grenzstadt  Burghausen  gelangt 
man  über  die  Salzachbrücke  in  das  Innviertel,  jetzt  Innkreis 
zunächst  nach  Ach  und  Wanghausen.  Der  Kirche  gegenüber, 
unmittelbar  an  der  Strasse  steht  das  „goldene  Brünnlein", 
ohne  Zweifel  dasselbe ,  welches  der  alte  Helmbrecht  in  den 
Versen  893—98  nennt: 

lieber  sun  min,  nü  trinc 

den  aller  besten  ursprinc 

der  üz  erdem  ie  gefloz; 

ich  weiz  niht  brunnen  sin  genöz, 

wan  ze  Wankhüsen  der: 

den  tregt  et  uns  nu-nieman  her. 
Dem  „goldenen  Brünnlein"  schreibt  der  Volksglaube 
Heilkraft,  besonders  für  die  Augen  zu  und  ein  mittelalter- 
liches lateinisches  Gedicht  im  Kapuzinerkloster  zu  Burg- 
hausen  soll  die  Tugend  der  Quelle  preisen.  Von  Wang- 
hausen fuhrt  der  Weg  durch  den  bis  an  den.Inn  ausge- 
dehnten Forst  Weilhart  nach  dem  Pfarrdorfe  Gilgenberg,  und 
in  geringer  Entfernung  nördlich  davon  zu  zwei  Bauernhöfen, 
die  jetzt  die  Namen  Lenzengut  zu  Reit  und  Nazigut  zu 
Reit  fuhren,  deren  ersterer  aber  alten  Leuten  noch  unter 
dem  Namen  Helmbrechtshof  bekannt  ist.  Diess  sind  die 
zwei  Halbhöfe,  „in  welche  nach  der  Steuerbeschreibung  des 
Gerichtes  Braunau  vom  Jahre  1721  der  Helmprechtshof 
in  der  Obmannschaft  Gilgenberg  getheilt  war".  (Muffat.) 
Auf  dem   Lenzen  gut  wird    noch    eine   Pergamenturkunde 


186     Siimmg  der  pftäofc-pftOoZ.  Clane  vorn  5.  November  1664. 

aus  dem  Jahre  1656  aufbewahrt,   die  unter  andern  Höfen 
den  Helmbrechtshof  auffahrt. 

Eine  Stunde  südsüdöstlich  von  Gilgenberg  liegt  der 
Berg  Hohenstein,  auf  dem  jetzt  eine  Wallfahrtskapelle  des 
heiligen  Coloman  steht.  Eine  halbe  Stande  von  Gilgenberg 
in  nördlicher,  vom  Helmbrechtshofe  aas  in  mehr  östlicher 
Richtung  liegt  der  höchste  Berg  der  Umgegend,  der  auf  der 
Gilgenbergerseite  gewöhnlich  Adenberg,  auf  der  nördlichen 
(Ranshofener)  Seite  Aldenberg  (nach  altbayerischer  Aus- 
sprache Ajdenberg)  genannt  wird.  Beide  Berge  sind  die 
höchsten  Punkte  der  Gilgenberger  Gegend.  Vom  Aldenberg 
aus  kann  man  bei  sehr  reinem  Wetter  sogar  die  Frauen* 
thürme  in  Manchen  unterscheiden. 

Eine  kleine  Viertelstunde  vom  Helmbrechtshofe  begin- 
nend, zieht  eich  in  nordöstlicher  Richtung  gegen  den  Alden- 
berg ein  steiler  Waldabhang,  beim  Volke  noch  heute  die 
Eienleite  genannt,  in  deren  Mitte  ein  schmaler  Steig 
auf  die  hinter  ihr  liegende  Hochebene  führt.  Im  Gedichte 
wird  nun  dieser  schmale  Steig  an  der  Eienleite  als 
dem  Helmbrechtshofe  zunächst  gelegen  ausdrücklich  von  der 
Tochter  Gotelint  genannt  v.  1426 — 27. 

ich  trite  mit  dir  den  smalen  sttc 
an  die  Eienliten. 

Man  sieht,  die  einzige  Differenz  zwischen  den  Angaben 
des  Gedichtes  und  den  heutigen  Namen  liegt  in  Halden- 
berc  und  Aldenberg.  Ich  glaube  die  Grenzen  der  näch- 
ternsten Kritik  nicht  zu  überschreiten,  wenn  ich  behaupte, 
dass  diese  Differenz  nicht  bedeutend  genug  ist,  um  die 
Sicherheit  der  sämmtlichen  übrigen  Identitäten  in  Fragö  zu 
stellen.  Der  Aldenberg  kann  früher  Haldenberc  geheissen 
haben,  oder,  was  das  Wahrscheinlichste  ist,  der  Schreiber 
der  Ambraser  Handschrift  oder  einer  seiner  Vorgänger  kann 
Haldenberc  gesetzt  haben  für  Aldenbero,  etwa  wegen  des 
gleichen  Anlautes  mit  Hohenstein. 


Hofmam:  Ueber  dm  Meier  Hdmbrtcht.  187 

Doch  die  Reihe  der  neuen  Ergebnisse  ist  hiemit  noch 
Jkeine8weg8  erschöpft.  Herr  Pfarrer  S.,  der  sich  nie  in 
seinem  Leben  mit  mittelhochdeutscher  Sprache  und  Literatur 
beschäftigt  hat,  war  im  Stande,  eine  so  erhebliche  Anzahl 
von  bisher  unerklärten  Wörtern,  Redensarten  und  Gebräuchen 
ans  seiner  angebornen  Kenntniss  der  Mundart  und  Sitte  zu 
erklären,  dass  diese  Aufschlüsse  kaum  minder  ins  Gewicht 
fallen  dürften,  als  die  geographischen  Uebereinstimmungen. 

Ich  will  der  Kürze  wegen  nur  auf  folgende  Wörter  und 
Ausdrücke  eingehen.  Das  vielbesprochene,  unerklärliche 
clamirre  ist  ein  veraltender,  aber  noch  bekannter  Aus- 
druck für  die  Speise,  welche  man  bei  uns  in  Altbayern 
Paresen  nennt,  zwei  schildförmige  Semmelschnitten  mit 
dazwischenliegendem  Kalbshirn  oder  Zwetscbgenmuss,  daher 
Hirnpavesen,  Zwetschgenpavesen,  vom  romanischen  pavese, 
pavois  =  Schild  (s.  Schindler  B.  W.  L  278).  Herr  Keinz 
hat  selbst  diese  „Klammer  oder  Klemmer"  an  der  Tafel 
des  Herrn  Pfarrers  S.  gegessen. 

lün  (v.  35)  bedeutet  noch  jetzt  den  aufsteigenden  Rand 
der  Haube; 

spargolzen  v.  223  bedeutet  einen  inneren  an  der 
Hose  befestigten  Hohlgurt  zur  Aufnahme  von  Geld. 

stürz  v.  390  bedeutet  die  Falten,  in  welche  ein  Stück 
Tuch  oder  irgendwelches  Zeug  gelegt  wird« 

maser  v.  1003  ist  noch  ganz  gebräuchlich  und  bedeutet 
einen  Pokal  von  einer  Ahornart. 

isenhalt  v.  1205  ist  ein  eisernes  Kästchen  zur  Auf- 
bewahrung von  Geld  und  Geldeswerth,  welches  in  die  Wand 
eingesetzt  wird,  zu  welchem  Behufe  man  schon  beim  Baue 
des  Hauses  einen  Balken  um  etwas  kürzer  läset.  Herr 
Pfarrer  S.  zeigte  Herrn  K.  einen  solchen  tsolt  in  seinem 
Pfarrhofe. 

Ouwer,  der  Ochsenname  in  v.  819  ist  identisch  mit 
Au  er.    So  nennt  man  dort  einen  Stier,    der  zwei  bis  drei 


188     SUmmg  der  phOoi.-phMl.  dam  vorn  §.  November  1864. 

Jahre  lang  Sommer  and  Winter  auf  den  Inseln  (Auen)  der 
Salzach  zur  Weide  gelassen  worden  ist.  Sie  sollen  dann 
besonders  kräftige  Kälber  erzengen. 

Eine  kuo  von  siben  binden  v.  1831  ist  eine  Kuh, 
die  siebenmal  gekälbert  hat.  Bei  jeder  Geburt  setzt  sich 
nuten  an  den  Hörnern  ein  Ring  oder  eine  Binde  (bandl) 
an,  nach  deren  Zahl  man  die  gebrachten  Kälber  berechnet. 

flf  den  fnoz  er  ir  trat  v.  1534,  bezieht  sich  auf  eine 
in  der  dortigen  Gegend  noch  heutzutage  herrschende  Sitte 
oder  vielmehr  Unsitte,  die  Herr  Pfarrer  S.  sogar  schon 
mehrmals  von  der  Kanzel  herab  gerügt  hat.  Wenn  Braut- 
leute vor  dem  Altar  stehen,  sucht  eines  dem  andern,  sobald 
die  Traunngsformel  gesprochen  ist,  so  schnell  als  möglich 
auf  den  Fnss  zu  treten.  Wer  dem  andern  zuvorkömmt, 
kriegt  das  Regiment  im  Hanse  und  bringt  den  andern  Theil 
unter  den  Pantoffel. 

Eine  Erklärung,  die  Herr  Pfarrer  S.  zu  V.  783  (haet 
ich  dann  alle  vische)  gegeben  hat,  dass  nämlich:  Fische 
haben,  soviel  bedeutet,  wie  Unglück  haben,  ist  zwar  in 
sofern  dankenswerth,  als  sie  uns  eine  (meines  Wissens)  neue 
Redensart  kennen  lehrt;  aber  an  der  betreffenden  Stelle  ist 
diese  Erklärung  unnöthig,  wie  ich  durch  Auslegung  einer 
bis  jetzt  unverstandenen  Stelle  Wolframs  nachweisen  zu 
können  glaube.  Ich  meine  die  bekannten  Verse,  Parzival 
487,  1—4 

Swaz  da  was  spise  für  getragen, 
beliben  si  da  nach  ungetwagen, 
daz  enschadet  in  an  den  ougen  niht, 
als  man  fischegen  handen  giht. 

Im  Orient,  wo  man  mit  den  Fingern  isst,  gehört  das 
Händewaschen  bei  Tische  zu  einer  der  ersten  socialen 
Pflichten.  In  1001  Nacht  lässt  bekanntlich  eine  Dame  ihrem 
Geliebten  die  Hände  abhauen,  weil  er  ihr  mit  ungewaschenen 
Fingern  zu  nahen  wagt.    Im  Petrus  Alfonsus,  Dieciplina 


Hofmann:  üeber  den  Meier  Heknbrecht.  189 

clericalis  (ed.  F.  W.  V.  Schmidt  1827)  findet  sich  nun 
folgende  Hauptbeweisstelle  Gap.  28.  S.  75.  Der  Vater  sagt 
zum  Sohne:  Post  prandium  manus  ablue,  quia  physicum 
est  et  curabile.  Ob  hoo  enim  multorum  oculi  deterioran- 
tur,  quoniam  post  prandium  manibus  non  ablutis  terguntur. 
Die  Orientalen,  die  alle  Speisen  mit  den  Fingern  essen, 
mussten  sich  natürlich  nach  jeder  waschen,  die  Europaer 
nach  solchen,  die  sie  mit  den  Fingern  essen,  also  haupt- 
sächlich nach  Fischen.  Fischege  hände  sind  also  nach  dem 
Fischessen  nicht  gewaschene  Hände,  wodurch  oculi  deterio- 
rantur.  Im  Meier  Helmbrecht  bedeutet  somit:  Hände 
waschen,  so  viel  als  Fische  essen. 

Solche  Erklärungen  dürfen  wohl  auch  als  direkte  Be- 
weise dafür  gelten,  dass  wir  in  der  Gegend  von  Gilgenberg 
nicht  bloss  den  Schauplatz,  sondern  auch  Sprache  und 
Sitten  des  Gedichtes  vom  Meier  Helmbrecht  wiederfinden. 
Wie  käme  sonst  ein  mit  allem  Mittelhochdeutschen  bis  da- 
hin gänzlich  unbekannter  Landpfarrer  dazu,  auf  den  ersten 
Blick  Dinge  zu  verstehen,  an  denen  sich  bis  jetzt  alle  Ger- 
manisten vergeblich  abgemüht  haben? 

Zu  diesen  positiven  Beweisen  kommen  nun  noch  An- 
deutungen über  den  historischen  Gehalt  der  Helmbrecht- 
dichtung und  über  den  Dichter  selbst,  die  freilich  nur  Mög- 
lichkeiten geben,  aber  so  ansprechend  sind,  dass  man  sie 
ungerne  missen  würde.  In  der  Gegend  lebt  die  Sage  vom 
verlornen  Sohne  Helmbrechtel  noch  fort  und  hat  sich  haupt- 
sächlich geknüpft  an  einen  Schacher  (so  heisst  dort  ein 
Votivkapellchep  am  Wege)  der  fast  mitten  im  Walde  (dem 
Weilhart)  in  nordwestlicher  Richtung  vom  Helmbrechtshof 
und  in  gerader  Linie  zwischen  diesem  und  dem  Dorfe 
Ueberackern  steht,  wo  Herr  Pfarrer  S.  geboren  ist  und 
lebt.  Das  Volk  erzählt,  hier  sei  ein  schlimmer  Geselle,  der 
seinen  Eltern  davongelaufen  und  Soldat  geworden,  zur 
Strafe  für  seine  Uebelthaten  gehängt  worden.    Zutreffender 


190     Sitnmg  der  phikH.-phOoL  dam  vom  5.  November  1864. 

könnte  die  Volkssage  den  Inhalt  des  Meier  Helmbrecht 
kaum  zusammenfassen.  Da  nun  in  jener  Gegend  tun  die 
Mitte  des  13.  Jahrhunderts  wirklieh  ein  arges  Raubritter- 
wesen  herrschte  und  Ratishofen  eines  der  berüchtigsten  Raub- 
nester in  nordlicher  Richtung  nicht  weit  Tom  Helmbrechtshofe 
auf  dem  rechten  Innufer  lag,  so  entsteht  direkt  die  Frage, 
ob  nicht  unserer  berühmten  Dorfgeschichte  eine  wirkliche 
Geschichte  zu  Grande  liegt. 

Die  zweite  Andeutung  betrifft  den  Dichter,  Weinher 
den  Gartenaere.  Das  uralte  und  berühmte  Kloster  Bans- 
hofen  liegt  einige  Stunden  nordnordöetlich  vom  Schauplatze 
der  Dichtung,  auf  dem  Wege  nach  Braunau.  Wie  fast  alle 
mittelalterlichen  Klöster  in  Deutschland  pflegte  es  den  Garten- 
bau nicht  bloss  selbst,  sondern  verbreitete  und  unterstützte 
ihn  auch  in  seiner  Umgegend.  So  erinnert  man  sich  denn 
in  der  Gilgenberger  Gemarkung,  dass  zu  Klosterzeiten  immer 

I  ein  Ranshofener  Pater  mit  diesem  Geschäfte  beauftragt  war 

und  weiss  von  mehreren  Patres  zu  erzählen,  die  in  erspriess- 
licher  und  zuweilen  launiger  Weise  dem  Amte  oblagen.  Ein 

[  solcher  monachaler  Hortikulturtechniker  hiess  Pater  Gärtner 

und  so  bietet  sich  denn  die  Vermuthung  dar,    dass    unser 

|  Wernher  der  Gartenaere,  der   auf  der  einen  Seite  ein  gar 

j  nicht  ungelehrter  Mann,    auf  der   andern  ein  meisterhafter 

Kenner  und  Schilderer  des  Volks-  wie  des  Junkerlebens  ist, 

I  etwa  ein  solcher  Pater  Gärtner  yonRanshofen  gewesen  sein 

könnte. 

Diess  sind  die  Hauptresultate,  die  Herr  Keinz  mit 
Hülfe  des  Herrn  Pfarrers  Saxeneder  gefunden  hat,  und  es 
wäre  wohl  übertriebene  Bescheidenheit,  wenn  ich  mich  nicht 
freute  und  mir  zu  einigem  Verdienste  anrechnete,  diese 
Lokalforschung  zuerst  und  methodisch  angeregt  zu 
haben. 

Hiemit  ist  der  Theil  des    Büchleins  besprochen,   der 
sich   an  die  Forscher  wendet.     Herr  Keinz  hat  ausserdem 


v.  Marüus :  KopreUthm  von  Leimendorf.  191 

noch  für  Ungelehrte  den  ganzen  Test  des  Meier  Helmbrecht 
abdrucken  lassen  und  mit  einem  Wörterbüchlein  und  mit 
solchen  Anmerkungen  begleitet,  wie  sie  für  unsere  Zeit 
passen,  wo  man  nach  halbhundertjährigem  Betriebe  der 
deutschen  Sprach-  and  Alterthumskunde  von  Jedem,  der 
nicht  den  strictesten  Gegenbeweis  bereits  geliefert  hat,  per 
se  annehmen  mnss,  dass  er  vom  Altdeutschen  gar  keine, 
oder  was  fest  schlimmer,  eine  bloss  belletristische  Kenntniss 
besitzt.  Der  Text  ist  nach  Haupt  mit  Benutzung  von 
Pfeiffers  Verbesserungsvorschlägen,  wobei  Fehlgriffe  in  der 
Auswahl  mir  allein  zur  Last  fallen.  Eine  eigentlich  kritische 
Bearbeitung  wurde  durchaus  nicht  beabsichtigt,  da  der  Text 
mit  seinen  Zuthaten  ja  nur  für  solche  bestimmt  ist,  die  das 
Mittelhochdeutsche  gar  nicht  kennen  und  doch  das  berühmte 
and  treffliche  Gedicht  vom  Meier  Helmbrecht  gerne  einmal 
lesen  möchten. 


Mathematisch -physikalische  Classe. 

Sitzung  vom  12.  November  1864. 


Herr  von  Martins  hielt  einen  Vortrag: 

„Ueber  phosphorsaure  Thonknollen  (Kopro- 
lithen?) von  Leimershof,  unter  Vorlage 
der  Mineralien/' 

Auf  den  Aeckern  seines  Landgutes  Leimershof,  ändert* 
halb  Stunden  von  Breiten-Güssbach  im  Landgerichte  Schess- 
litz,  hat  mein  Neffe,  Herr  Wilhelm  Martins  eigentümlich 
gestaltete  Thonknollen  gefunden,  die  er  für  Koprolithen 
hielt,  was  sich  auch  durch  die  chemische  Reaction  auf 
Phosphorsaure  durch  molybdänsaures  Ammoniak  zu  bestätigen 


192      Sitzung  der  maih.-pktfs.  Classe  vom  12.  November  1864, 

schien.  Diese  Knollen  von  der  Grösse  eines  Taubeneies, 
auch  grösser  and  kleiner,  welche  ich  hier  vorzulegen  mich, 
beehre,  enthalten,  nach   einer  von  Herrn  Prof.  Kaiser  ver- 

0 

anstalteten  Analyse: 

Wasser  mit  Spuren  stickstoffhaltiger  Materien    .     .      5,77 

Thon  (in  Salzsäure  unlöslich) 22,86 

Phosphorsauren  Kalk 68,72 

Kohlensauren  Kalk      .     .   • 2,65 

Die  von  graugelblioher  Farbe  scheinen  mehr  Phosphor- 
säure zu  enthalten,  als  die  grüngraulichen.  Beide  Sorten, 
findet  man  einzeln  zerstreut  auf  den  Feldern  (in  einem, 
ziemlich  schweren  Alluvialboden),  die  gegen  Süden  vom 
einem  Hügel  eines  sehr  reinen  plastischen  Thones  begrenzt 
werden.  Ihre  Verbreitung  erstreckt  sich  über  viele  Tag- 
werke des  Grundes  und  wird  sich  erst  bei  öfterem  Umackern 
genauer  bestimmen  lassen. 

Der  Grösse  nach  stehen  diese  vermeintlichen  Kopro- 
lithen denen  aus  der  Kirkdaler  Höhle  und  anderen  eng- 
lischen, die  ich  gesehen  habe,  nach;  und  auch  ihre  Form 
ißt  abweichend.  Ich  muss  es  den  Paläontologen  über- 
lassen, ob  sie  von  Ichthyosauriern  herrühren  möchten,  die 
in  der  Nähe,  bei  Kloster  Banz,  sind  aufgefunden  worden. 
Die  schneckenförmig  gewundene  Gestalt,  von  welcher  man 
auf  eine  spiralige  Falte  im  Darme  jener  Thiere  hat  schliessea 
wollen,  ist  hier  nicht  zu  bemerken.  Eben  so  wenig  habe 
ich  in  einigen  aufgeschlagenen  Exemplaren  Spuren  von 
Fischschuppen  oder  Gräten  bemerken  können.  Was  ich 
aber  als  besonders  auffallend  von  Einem  Stücke  bemerken 
möchte,  ist  der  Umstand,  dass  es  den  deutliche^  Abdruck 
eines  mit  Höckern  oder  Stacheln  versehenen  Ammoniten 
zeigt,  welcher  sich  als  Ammonites  margaritatus  bestimmen 
Hess.  Darnach  zu  schliessen  müsste  die  Schicht,  in  welcher 
diese  Koprolithen-artigen  Körper  gefunden  wurden,  dem 
mittleren  Lias  angehören. 


Wagner:  Anthtopologisehe  Entdeckungen  im  Diluvium.      193 

* 

Herr  M.  Wagner  hielt  einen  Vortrag: 

„Ueber  die  anthropologischen  Entdeckungen 
im  geschichteten  Diluvium   bei  Äbbeville". 

Die  Untersuchungen,  welche  Herr  Boucher  de  Per« 
thes  in  den  Diluvialgebilden  der  Picardie  seit  27  Jahren 
mit  rastlosem  Eifer  fortsetzt,  haben  zu  Ergebnissen  geführt! 
welche  für  die  Geologie  ebenso,  wie  für  die  Anthropologie 
und  Ethnographie,  von  hoher  Wichtigkeit  sind.  Erhebliche 
Zweifel,  welche  von  verschiedenen  Seiten  gegen  die  Richtig- 
keit der  dortigen  Funde  und  Beobachtungen  hervortraten, 
wurden  in  jüngster  Zeit  durch  die  genaueste  Prüfung  eines 
wissenschaftlichen  Scliiedsgerichts  von  namhaften  Natur- 
forschern Frankreichs  und  Englands  widerlegt.  Ich  glaube, 
dass  die  Forschungen  des  Herrn  Boucher  de  Perthes, 
welche  über  die  frühesten  Spuren  des  Menschen  in  Mittel- 
europa manche  neue,  merkwürdige  Thatsachen  bringen  und 
deren  Resultate  derselbe  unserer  Akademie  regelmässig  mit- 
theilt, auch  hier  eine  ehrende  Erwähnung  verdienen. 

Im  Jahr  1837  hat  Herr  Boucher  de  Perthes  eine  erste 
Schrift  publicirt,  in  welcher  er  eine  Anzahl  von  roh  zuge- 
hauenen Feuersteinen,  an  denen  deutlich  erkennbar,  dass 
man  ihnen  durch  Zuschlagen  einen  scharfen  Rand  zu  geben 
versuchte,  als  künstliche  Werkzeuge  von  ^Menschenhand  aus 
der  Diluvialperiode  beschrieb.  Die  paläontologische  und  die 
ethnographische  Sammlung  des  Staates  sind  im  Besitze 
einiger  dieser  sogenannten  Steinäxte  und  eine  grössere  An- 
zahl echter  Fundstücke  ist  uns  von  Herrn  Boucher  de  Per- 
thes in  Aussicht  gestellt. 

Die  sicher  uralten  ethnographischen  Gegenstände  werden 
ziemlich  zahlreich  im  Sommethal  bei  Abbeville,  Auiiens,  St. 
Acheul  u.  s.  w.  8  bis  12  Fuss  unter  der  Dammerde  in 
Schichten  von  Sand  und  Gerolle  gefunden,  welche  die  meisten 


194     Sitmmg  der  «aft.-pAyt.  OUme  vom  12.  November  1864. 

Geologen,  mit  fast  einziger  Ausnahme  des  Herrn  Elie  de 
Beanmont,  als  dem  Düuvium  zugehörig  betrachten.  Neben 
diesen  Steinwerkzeugen  worden  in  den  gleichen  Schichten, 
unmittelbar  über  der  Kreide  liegend,  Knochen  von  Elephas 
primigenins,  von  Bhinooeros  tichorhinus  und  andere  Ueber- 
reste  aasgestorbener  Säugethiere  der  quaternären  Periode 
nachgewiesen. 

Diese  Entdeckung  konnte  jedoch  lange  keine  rechte 
Beachtung  und  Anerkennung  finden,  selbst  nicht  in  Frank- 
reich, wo  der  Ausspruch  Cuvier's,  dass  der  Mensch  nicht 
gleichzeitig  mit  dem  Mammuth  und  andern  ausgestorbenen 
Thieren  der  Diluvialzeit  gelebt  habe,  zwar  durch  die  Kno- 
chenfunde in  den  Hohlen  bei  Lüttich  und  später  im  süd- 
lichen und  westlichen  Frankreich  etwas  erschüttert  war, 
doch  aber  im  Ganzen  noch  die  herrschende  Ansicht  vertrat. 

An  den  Zweifeln,  welche  die  steinernen  Artefacte  von 
Abbeville  erregten,  mochte  die  etwas  zu  phantasiereiche 
Auslegung,  die  der  Entdecker  den  verschiedenen  oft  sehr 
unregelmässigen  Formen  der  gefundenen  Gegenstände  gab, 
einigermassen  beigetragen  haben.  Nach  verschiedenen  klei- 
neren Abhandlungen  hatte  derselbe  ein  grosses  zweibändiges 
Werk  unter  dem  Titel  „Antiquites  celtiques  et  antediluvien* 
nes"  publicirt.  Ausser  denjenigen  Artefecten,  die  er  nach 
ihrer  annähernden  Form  als  Beile,  Hämmer,  Keile,  Messer, 
Waffen  etc.  beschrieb  und  abbildete,  gab  er  darin  auch  die 
Beschreibung  von  vielen  grösseren  und  kleineren  unregel- 
mässigen Feuersteinstücken,  in  denen  er  Nachbildungen  von 
Organismen  mit  symbolischen  Bedeutungen  zu  erkennen 
glaubte.  Ein  unbefangener  und  gründlicher  Beobachter, 
Herr  v.  Bär,  der  diese  ethnographischen  Gegenstände  selbst 
in  Abbeville  sah,  hält  dieselben  wohl  mit  Recht  nur  für 
Späne  öder  Splitter,  welche  beim  Zuschlagen  der  Stein- 
werkzeuge abgefallen  waren. 

Auch   die  übrigen  Feuersteinobjekte    wurden  anfangB 


Wagner:  Anthropologische  Iktdechmgen  4m  Düuoiwn.       195 

ron  einigen  Forschern  für  betrügerische  Fabrikate  der  bei 
den  Steinbrüchen  beschäftigten  Arbeiter  gehalten.  Ein» 
ziemliche  Anzahl  von  diesen  rohen  Artefacten  mag  auch 
wirklich  nachgemacht  worden  sein.  Ueberall,'  wo  solch» 
Funde  gemacht  und  Ton  sammelnden  Liebhabern  gekauft 
werden,  wird  auch  eine  betrügerische  Industrie  entstehen, 
die  sie  zu  falschen  sucht.  Diess  beweist  indessen  nichts 
gegen  die  Echtheit  der  wirklichen  Fundstücke. 

Einige  meinten  sogar,  die  Natur  könne  diese  Feuer» 
steinabsplitterungen  selbst  bewirkt  haben,  ohne  allen  An« 
theil  yon  Menschen.  Sie  hielten  die  Objekte  von  Abbeville ' 
für  zufallige  Formen,  sogenannte  Naturspiele.  Diese  Forscher 
haben  die  Artefacte  der  Picardie  wohl  nur  aus  Abbildungen 
gekannt.  Wer  mit  dem  natürlichen  Vorkommen  des  Feuer- 
steins in  der  Kreide  nur  einigermassen  vertraut,  die  Original- 
exemplare dieser  Steinäxte  unbefangen  betrachtete,  konnte 
keinen  Augenblick  darüber  in  Zweifel  sein,  dass  die  Form 
derselben  eine  künstliche  ist.  Doch  erst  im  Jahre  1859 
als  der  britische  Geolog  Lyell  nach  Abbeville  kam  und  nach 
einer  genauen  Untersuchung  der  dortigen  Diluvialgebilde  die 
bestimmte  Erklärung  gab:  er  könne  die  Feuersteinobjekte 
nur  als  absichtlich  von  Menschen  geformt  betrachten,  und 
er  habe  deren  selbst  in  ihrer  ursprünglichen  Lage  in  den 
unteren  Diluvialschichten  gefunden,  nahm  die  Streitfrage 
eine  für  den  Entdecker  etwas  günstigere  Wendung. 

Unerklärbar  blieb  jedoch  immer  die  grosse  Zahl  der  . 
gefundenen  Artefacte  und  dabei  doch  der  Mangel  aller 
menschlichen  Knochen.  Merkwürdig  war  auch  die  überaus 
rohe  Form  dieser  alten  menschlichen  Kunstprodukte.  An 
Plumpheit  der  Arbeit  stehen  dieselben  weit  unter  andern 
ähnlichen  Steinwerkzeugen,  welche  man  in  den  alten  Höhlen 
des  westlichen  und  südlichen  Frankreich,  namentlich  in  den 
Departements  de  la  Oaronne,  de  V  Artege  und  de  la  Dop- 
dogne  gefunden  hat  und  die  von  den  Herren  Lartet  und 


196      Sitomg  der  matk-phys.  Gam  wm  12.  Nwmber  1864. 


Christy  beschrieben  worden.  Aach  die  verschiedenen  Werk* 
senge  aus  der  sogenannten  Steinzeit  in  Dänemark  und 
Meldenbarg,  sowie  aas  den  ältesten  Pfahlbauten  am  Boden- 
see and  in  der  Schweiz  zeagen  von  einer  weit  hohem 
Stufe  der  Handfertigkeit  and  Kunst.  Bei  diesen  bat  man 
immer  versucht,  den  scharfen  Band  der  Werkzeuge  and 
Waffen  gleiohmässig  zuzuhauen  oder  zuzuschleifen,  während 
bei  den  Feuersteinobjekten  in  der  Picardie  dieser  Band 
anregelmässig  ausgebuchtet  geblieben  und  nie  zugeschliffen  ist. 

Herr  Boucher  de  Perthes  setzte  inzwischen  seine  Nach- 
forschungen in  den  quaternären  Gebilden  der  Umgegend  von 
Abbeville  unermüdlich  fort.  Am  28.  März  1863  wurden 
von  ihm  in  der  Nähe  der  Steinbrüche  von  Moulin-Quignon 
ein  halbes  menschliches  Unterkieferbein,  in  welchem  noch 
der  vorletzte  Backenzahn  sass  und  ausserdem  noch  mehrere 
einzelne  Zähne  gefunden  und  mit  eigner  Hand  herausgenom- 
men. Die  Schicht,  in  welcher  diese  Fundstücke  neben  alten 
Steinästen  lagen,  ist  die  unterste  von  den  6  Schichten,  die 
dort  das  Diluvium  bis  zu  einer  Mächtigkeit  von  4  Meter 
unter  der  Dammerde  zeigt.  Dieselbe  besteht  aus  einem 
schwarzbraunen,  ziemlich  festen  Sande»  der  mit  eisenhaltigem 
Thone  gemischt  ist  und  unmittelbar  auf  der  Kreide  liegt. 

Dieser  Fund  erregte  allenthalben  grosses  Interesse. 
Herr  Quatrefages,  Professor  der  Anthropologie  in  Paris  und 
Herr  Falconer,  ein  ausgezeichneter  Paläontolog  von  London, 
begaben  sich  selbst  nach  Abbeville.  Beide  schienen  nach 
einer  genauen  Besichtigung  der  Fundstätte  von  der  Echtheit 
des  Fundes  überzeugt.  Falconer  erhielt  einen  der  Zähne, 
und  Quatrefages  den  Unterkiefer,  den  er  seitdem  in  meh- 
reren Abhandlungen  beschrieben  hat.  Die  Form  dieses 
Unterkieferbeines  hat  manches  Ungewöhnliche.  Der  Gelenk« 
ast  ist  auffallend  breit,  niedrig  und  etwas  schief  gestellt, 
der  Gelenkkopf  ist  ungewöhnlich  rund  und  der  hintere 
Band  etwas  nach  Innen  gebogen.    Diese  auffallenden  Merk- 


Wagner:  J*fhropolo§i$dm  BmdedNmg**  «si  Dilmim*.      197 

male  finden  siah  vereinet  «och  bei  Unterkiefern  der  jetagen 
Menschearacen,  aber  nirgends  zusammen  vereinigt. 

Herr  Quatrefages,  der  sich  hinsichtlich  dir  anthropolo- 
gischen Sehlussf olgerungen ,  welche  ihm  den  Vergleich  der 
Kinnlade  mit  anderen  Raceschädeln  der  Jetztzeit  darbot, 
mit  einiger  Zurückhaltung  äussert,  glaubt  gleichwohl  mit 
Nachdruck  hervorbeben  in  müssen,  da»  der  primitive 
Mensch,  von  dem  diese  Kinnlade  herstammt,  nicht  zu  den 
negerartigen  Schaefzähnern  an  rechnen  sei.  Zwar  fehlten 
dem  Unterkieferbein ,  von  dem  nur  die  rechte  Hälfte  er- 
balten ist,  die  Schneidezähne,  aber  schon  nach  der  fast 
senkrechten  Stellang  der  Alveolen  glaubt  Herr  Quatrefages 
sich  zn  dieser  Behauptung  berechtigt:  dass  jene  ältesten 
Bewohner  der  Picardie,  die  Zeitgenossen  des  Mammuth, 
doch  jedsofslls  einer  arthognaten  Race  angehört  haben 
müssten.  Herr  v.  Bär  ist  darüber  anderer  Ansicht.  Nach 
einer  Vergleichung  der  Kinnlade  von  Moulin-Qnignon  mit 
denen  der  reichen  anthropologischen  Sammlung  in  St. 
Petersburg  meint  er,  dass  nach  der  schiefen  Stellung  des 
aufsteigenden  Gelenkaetes  der  Unterkiefer  am  nächsten  bei 
den  Papuas  und  bei  ähnlichen  Völkern  mit  sehr  Yorsprin« 
gendem  Gesicht  stehe  und  er  glaubt  daher,  dass  jene  primi- 
tive Bevölkerung  von  Nord -Frankreich  einer  ähnlichen 
niedern  Race  angehört  habe.  Herr  Falconer  hatte  indessen 
den  mitgenommenen  Zahn  aufgesägt  und  gefunden,  dass  die 
schwarze  Färbung,  die  er  äusserlich  zeigte,  ihn  nicht  ganz 
durchdrungen*  Die  chemische  Analyse  ergab,  .dass  im  Zahne 
noch  viel  thierische  Substanz  enthalten  war,  die  sonst  bei 
längerem  Aufenthalt  in  der  Erde  gewöhnlich  verloren  geht. 
Herr  Falconer  schöpfte  aus  diesen  Thatsaohen  den  Verdacht: 
die  Arbeiter  bei  den  Steinbrüchen  von  Moniin- Qnignon 
hätten  den  Zahn  und  ebenso  den  Unterkiefer  aus  irgend 
einem  alten  Grabe  genommen,  ihn  mit  dem  thonhaltigen 
Sande  der  Schicht  bekleidet  und  so  eingegraben«    Auch  an 

[1864  IL  3.]  14 


198      SitMtmg  der  puäk-pty*.  Clas*  vom  12.  November  18U. 

einigen  der  Feueretainwerkzeuge  glaubte  er  die  Beweise 
sa  finden,  dass  sie  nicht  sehr  alt  sein  könnten.  In  einem 
offenen  Schreiben  an  die  Times  erklärte  er  hierauf  diese 
und  alle  ahnlichen  Funde  im  Diluvium  bei  Abbeville  für 
Betrug  der  Arbeiter. 

.  Nach  einer  Aufforderung  des  Herrn  Quatre&ges,  die 
Sache  nochmals  an  Ort  und  Stelle  mit  ihm  genau  zu  unter- 
suchen, kam  Herr  Falconor  in  Begleitung  von  drei  andern 
geachteten  britischen  Paläontologen ,  den  Herren  Prestwicb, 
Buk,  Carpenter,  eammtlich  Mitglieder  der  Royal  Society, 
nach  Paris.  Von  französischer  Seite  nahmen  die  Herren 
Lartet,  Desnoyers,  Delesse  Theil  an  der  Verhandlung.  Die 
französischen  Paläontologen  suchten  den  Beweis  zu  liefern, 
dass  auch  in  sehr  alten  Zähnen  und  Knochen  von  unzweifel- 
haft ausgestorbenen  Thierarten  der  quatemären  Periode 
noch  eine  ansehnliche  Menge  tbierischer  Substanz  enthalten 
sein  könne,  sobald  der  Zutritt  der  Luft  in  die  Schichten 
sehr  erschwert  ist. 

Da  die  Ansichten  hinsichtlich  der  Echtheit  des  Unter« 
kieferbeins  sich  nicht  einigen  konnten,  auch  nachdem  das* 
salbe  in  Gegenwart  Aller  entzweigesägt  worden,  wurde 
nochmals  ein  gemeinsamer  Besuch  der  Fundstätte  bei 
Moulin-Quignon  beschlossen.  Alle  Verhältnisse  sollten  dort 
mit  der  grössten  Vorsicht  geprüft  werden. 

Unter  der  Leitung  des  Herrn  Milne-Edwards  kam  die 
aus  20  Naturforschern  bestehende  Gesellschaft  in  Abbeville 
an,  ohne  Herrn  Boucher  de  Perthes  zu?or  in  Kenntniss  ge- 
setzt zu  haben.  Die  gemietheten  Arbeiter  wurden  nach 
dem  Taglohne,  nicht  nach  den  Fundstücken  bezahlt  und 
überdiess  zuverlässige  Aufseher  bestellt,  um  jeden  Betrug 
unmöglich  zu  machen.  An  verschiedenen  Stellen  der  auf* 
geschlossenen  Schichten  wurden,  nachdem  man  sich  genau 
überzeugt  hatte,  dass  daselbst  früher  weder  eingegraben 
noch  gebohrt  worden   war,    mehrere  senkrechte  Schachte 


Wagner:  Aatonpohgiaehe  Bttdrihrngm  im  Diktvium.      19$ 

gegraben.  Die  anwesenden  Naturforscher  übernahmen  selbst 
die  genaueste  Beaufsichtigung  der  Arbeiten.  In  Gegenwart 
Aller  wurden  im  Laufe  des  Tags  5  Feueroteinbeile  ganz  in 
ihren  ursprünglichen  Lagen,  welche  vorher  verdeckt  gewesen, 
gefunden.  Vier  davon  hatten  alle  diejenigen  Merkmale, 
nach  denen  man  in  England  ihre  Echtheit  bezweifelt  hatte. 
Darauf  stimmten  auch  die  britischen  Paläontologen  mit  der 
Erklärung  bei,  dass  auch  sie  nun  die  Fundstücke  und 
namentlich  auch  das  Unterkieferbein  für  echt  hielten. 

Herr  Mibe  -  Edwards  erstattete  als  Präsident  dieses 
wissenschaftlichen  Schiedsgerichtes  der  Pariser  Akademie 
darüber  einen  ausführlichen  Bericht  ab.  Die  so  lange  be- 
zweifelte, bedeutsame  Entdeckung  des  Herrn  Boucher  de 
Perthes  war  durch  den  einstimmigen  Ausspruch  desselben 
glänzend  gerechtfertigt. 

Die  Resultate  der  fortgesetzten  Ausgrabungen  dieses 
eifrigen  Forschen  waren  im  Laufe  dieses  Jahres  noch  loh- 
nender. Wir  finden  darüber  eine  vorläufige  Mittheilung  in 
der  Nummer  des  Journal  1'AbbevilloiB  vom  17.  Juli,  das 
Herr  Boucher  de  Perthes  an  unsere  Akademie  gesandt  hat. 

Vom  Mai  bis  Juli  1864  wurden  bei  Moulin  -  Quignon 
unweit  derselben  Stelle,  wo  die  Kinnlade  gefunden  worden, 
40  Ausgrabungen  vorgenommen.  Man  wählte  immer  Stellen, 
wo  der  ungestörte  Schichtenbau  zeigte,  dass  da  nie  zuvor 
gegraben  worden  war.  Bei  den  grossem  Ausgrabungen  waren 
ausser  Herrn  Boucher  de  Perthes  auch  andere  wissenschaft- 
lich gebildete  Männer,  welche  an  diesen  Untersuchungen 
Interesse  nahmen,  wie  Dr.  Dubois,  Arzt  des  Hospitals  von 
Abbeville,  und  zwei  Geistliche,  der  Abbe  Dergny  und  der 
Pfarrer  Martin  anwesend. 

Ausser  mehreren  fossilen  Thierknochen ,  zugehauenen 
Feuersteinwerkzeugen  und  einer  Anzahl  von  Seemuscheln, 
die  wahrscheinlich  zu  den  Küchenüberresten  der  alten  Be- 
wohner gehörten,    wurde   auch   eine  ziemliche  Anzahl  von 

14* 


200.     SüMm§  <fer  mathsf***.  Gkm*  «am  £?,  Nrntcmb*  1864. 

menschlichen  Knochen,  leider  meist,  nur  in  kleinen  Bruch- 
stücken gefunden.  Doch  be&nden  sich  darunter  auch  ein 
wohlbehaltenes  Kreuzbein,  ein  üst  ganzer  Unterkiefer, 
mehrere  Z*hne  und  awei  Stücke  des  Oberkiefers.  Der  be- 
deutendste Fund  aber  war  ein  Schädel,  welchen  Herr  Bon« 
eher  de  Perthes  am  17*  Mai  d.  J.  aus  der  untersten  Schicht 
mit  eigner  Haad  heranßgrub.  Der  äussere  Band  der  Schädel* 
knochen  war  etwas  durch  Verwitterung  angegriffen.  Ueber 
die  Form  des  Schädels  ist  in  dieser  vorläufigen  Mittheilung 
nur  erwähnt,  dass  er  die  Anwesenden  durch  die  sonderbare 
Abplattung  seines  „obern  Theiles",  womit  wohl  das  Stirn- 
bein gemeint  sein  dürfte,  in  Erstaunen  setzte.  Mit  der  ge- 
nauem wissenschaftlichen  Untersuchung  der  gefunden«! 
Knochen  beschäftigt  sich  gegenwärtig  Dr.  Jules  Dubois. 

Diese  verschiedenen  anthropologischen  Entdeckungen 
des  Herrn  Boucher  de  Perthes,  die  sich  an  ähnliche  Re- 
sultate von  theihreise  älteren  Untersuchungen  der  Herren 
Schmerling,  Spring,  Tournal,  Lartet,  Vibraye,  Rames  in  den 
Knochenhöhlen  von  Belgien,  West«  und  Südfrankreich  an- 
sehliessen,  verdienen  gewiss  allgemeines  Interesse.  Dia 
Fundstüche  bei  Abbeville  bilden  bis  jetzt  die  einsogen  mensch- 
lichen Ueberreste,  welche  im  geschichteten  Diluvium 
nachgewiesen  sind. 


Herr  Vogel  hielt  einen  Vortrag: 

„1)    Ueber   die  Umwandlung   der  Vegetation 
durch  Entwässerung". 

Bekanntlich  ist  man  im  Stande,  durch  abgeänderte  Be- 
handlung einer  Wiese  eine  geänderte,  von  der  ursprünglichen 
ganz  verschiedene  Vegetation  auf  derselben  hervorzubringen. 
So.  z.  B.  ruft  Aschendüngung  aus  der  Grasnarbe  die  klee- 


Vogel:  Vmoamdkmg  dir  Vegetation  dmäi  B*tmäa$erung.    201 

artigen  Gewächse ,    eine  Düngung  mit  saurem ,    phosphor- 
sanrem  Kalk  dagegen  die  Entwicklung  von  Raigras  hervor *). 

Der  charakteristische  Einfluss  der  unorganischen  Be- 
standteile des  Bodens  anf  die  Natur  der  Vegetation,  wel- 
chen zuerst  Herr  Baron  von  Liebig  festgestellt  und  ausge- 
sprochen hat,  eine  Thatsache,  für  deren  richtige  Erkenntnis 
auch  Sendtner  in  seine»  berühmten  Werke  „die  Vegetations* 
Verhältnisse  Südbayerns"  die  entschiedensten  Beweise  nieder- 
gelegt hat,  bedarf  selbstverständlich  keiner  erneuten  Be- 
stätigung von  meiner  Seite;  da  ich  aber  Gelegenheit  hatte, 
«eit  einer  Reihe  von  Jahren  die  VegetationsverhSltnisse  auf 
verschiedenen  Torfmooren  und  deren  allmälige  Veränderung 
daroh  fortschreitende  Oultnr  wiederholt  zu  beobachten,  so 
labe  ich  einige  Erfahrungen  gesammelt,  welche  die  oben- 
erwähnte Thatsache  noch  mehr  anschaulich  zu  machen  im 
Stande  sein  dürften,  weshalb  ich  mich  beehre,  einige  meiner 
Beobachtungen  als  Beispiele  hier  vorläufig  mitzutheilen. 

Das  Torfmoor,  von  welchem  hier  zunächst  vorzugsweise 
die  Bede  ist,  bildet  einen  Theil  des  zwischen  Schieissheim 
und  Dachau  sich  ausdehnenden  Torflagers  und  gehört  in 
die  Classe  der  Wiesenmoore.  Die  Mächtigkeit  des  Torfes 
beträgt  2'  bis  8';  der  Torf  ist  durchgängig  mit  einer  */•' 
lohen  Schichte  schwarzer,  feuchter  Erde  bedeckt.  Das  Moor 
bietet  von  der  Ferne  aus  gesehen  den  Anblick  einer  Wiese, 
indem  es  dicht  mit  sogenanntem  saurem  Grase  bedeckt  ist, 
welches  hauptsächlich  zur  Stiren,  mitunter  auch  zur  Fütter- 
«ng  verwendet  wird. 

Die  Gultur  dieses  Torfmoores  begann  nach  Anlage  der 
Haupt- Abzugs-Graben  damit,  dass  das  zu  ctdtivirende  Torf- 
feld mit  V  bis  2'  tiefen  Gräben  durchzogen  wurde.  Die 
erste  Folge  dieser  Trockenlegung  ist  eine  sehr  bemerkbare 
Veränderung  der  Vegetation.    Das  saure  Gras  verschwindet 


1)  v.  Liebig,  Annalen  der  Chemie  B.  121.  S.  169. 


302       ffifjfMwn  der  «Mtb-dba.  Qmme  mm  13.  Mtmmber  1864. 

und  es  treten  tbeiis  neue  Grasarten,  theils  dykotyledonische 
Gewächse  hervor»  welche  dem  Torffelde  ein  total  Törändertes 
Ansehen  verleihen.  Während  es  im  nioht  entwässerten  Zu- 
stande eine  ganz  glefchmässige  grangrüne  Decke  zeigte, 
gleicht  es  nun  schon  einem  von  zahlreichen  Blutfaen  durch- 
zogenem bunten  Teppich. 

Ich  habe  diese  gänzliche  und  auch  bei  oberflächlicher 
Betrachtung  schon  sehr  in's  Auge  fallende  Umwandlung  der 
Vegetation  an  zwei  unmittelbar  aneinanderliegenden  Feldern 
beobachtet ;  das  eine  etwas  hoher  liegende  entwässerte  zeigte 
bereits  eine  üppige  normale  Grasvegetation,  das  zweite  von 
ersterem  nur  durch  einen  1'  breiten  Graben  getrennte  nioht 
entwässerte  Feld  dagegen  das  gewöhnliche  saure  Gras  der 
Torfmoore.  Wir  haben  hier  ajso  nebeneinander,  nur  1' 
breit  getrennt,  Futtergras  und  Streugas  und  somit  einen 
mächtigen  Unterschied  in  der  Vegetation  ohne  weitere 
Cultur,  ohne  irgend  eine  Düngung,  ausschliesslich  durch  die 
Entziehung  des  stehenden  Wassers. 

Eine  lediglich  durch  Entwässerung  eines  Moores  her- 
vorgerufene Vegetation  wird  indess  in  der  Folge  immer  nur 
eine  sehr  magere  Wiese  darstellen,  indem  bei  nicht  weiter 
•getriebener  Cultur  des  Bodens  durch  Auftehütten  von 
Strassenkoth,  durch  Düngung  u.  s.  w.  der  in  den  ursprüng- 
lichen bis  dahin  ruhenden  Wurzeln  aufgespeicherte  Nahrunga- 
stoff nioht  lange  auszureichen  vermöchte,  namentlich  dann, 
.wenn  er  durch  eine  Heuernte  dem  Boden  entzogen  wird. 
Jedenfalls  würde  die  spontane  Verbesserung  einer  solchen 
Wiese  nur  äusserst  langsam  voranschreiten  können. 

Eine  ähnliche  Umwandlungserscheinung  zeigt  sich  auf 
den  Hochmooren.  Diese  bieten  bekanntlich  meistens  den 
Anblick  eines  niederen  Waldes,  sie  sind  von  der  Krüppel- 
föhre bedeckt;  alsbald  nach  der  Entwässerung  verschwindet 
diese,  die  Birke  tritt  auf  und  bei  weiter  fortgesetzter  Cultur 


Vogel:  Umwandlung  der  Vegetation  durch  Ekhoüteerung.    203 

die  Fichte*  und  Eiche,  ohne  dass  eine  künstliche  Besamumg 
stattgefunden  hätte. 

Es  giebt  indess  auch  Hochmoore,  welche  keine  Neigung 
snr  Waidvegetation  besitzen;  bei  dieser  verschwindet  nach 
der  Entwässerung  zuerst  das  Sphagnvm,  dann  das  Geschlecht 
der  Vaocinien,  die  Eriken  dauern  am  längsten.  Die  frei 
gewordenen  Stellen  nehmen  zuerst  einige  hochwüchsige 
Grasarten,  dann  Arten  von  Syngenasisten  ein.  Zwischen 
ihnen  treten  gewöhnlich  noch  einige  Straucharten,  Weiden 
and  einzelne  Sämlinge  von  Baumarten,  wie  Pappeln,  Sorbus 
n.  dgl.  auf.  Wird  die  Oberfläche  dieser  Moore  nach  der 
Entwässerung  von  den  strauchartigen  Vaccinien  und  Eriken 
etwas  gereinigt  und  dann  gedüngt,  so  tritt  sogleich  eine 
oompakte  Vegetation  von  süssen  Gräsern  und  Compositen 
an  die  Stelle  der  Moorvegetation  •). 

Eine  sehr  in  die  Augen  fallende  Beobachtung  über  die 
Wirkung  einer  anscheinend  unbedeutenden  Entwässerung 
auf  Baumvegetation  machte  ich  auf  einem  kleinen  Moore 
in  der  Nahe  des  Gebirges.  Dasselbe  bildete  einen 
vollständigen  fast  unzugänglichen  Sumpf.  Nach  der  Ent- 
wässerung durch  einen  Graben  wurde  «ein  Tbeil  ausgehoben, 
so  dass  sich  ein  kleiner  Weiher  bildete,  in  welchem  man 
eine  kleine  Insel  von  etwa  10'  Durehmesser  desshalb  anf 
meine  Veranlassung  stehen  liess,  weil  sich  nahezu  in  der 
Mitte  derselben  seit  Jahren  ein  kleiner  verkrüppelter  Birken- 
stamm befand,  aus  einem  Stämmchen  von  l1/»"  Durchmesser 
und  einigen  fast  blätterlosen  Reisern  bestehend.  Obwohl 
durch  die  unvollständig  vorgenommene  Entwässerung  das 
Wasserniveau  nur  um  1  */*'  ungefähr  erniedrigt  worden  war, 
und   das  Bäumohen    noch  immer   mit  seinen  Wurzeln  im 


2)  Sendtner  hat  auf  einem  beschlämmten  Moorgrande  von  seibat 
einen  Anflug  von  30  Speeien  tauglicher  Futterpflanzen  angetroffen. 
Vegetationflverh&ltniese  Südbayerns.  1854.  S.  676. 


204     Mmmg  dar  matk.+pky*.  Clmme  mm  12.  Nmumbtr  1064. 

Wasser  fhsste,  so  wirkte  deoh  diese  geringe  Veräaderang  so 
mächtig,  dass  aus  jener  ärmlichen  Ruthe  nach  8  Jahrai  ein 
prachtvoller  Bann  mit  einem  Stamme  m  4"  Durchmesser 
und  mit  einer  dicht»  die  kleine  Onfte  weit  überragenden 
Laobkron*  von  12'  Durchmesser  geworden  war,  Aehnliche 
Beispiele  werden  bei  der  immer  fortschreitenden  Entrisse** 
tmg  der  bayerischen  Moore  natürlich  umähHge  zufällig  an 
beobachten  nein,  wenn  auch  nur  aosnahmswefse  in  so  auf» 
fallender  Art,  wie  das  hier  erwähnte. 

Was  nun  zunächst  die  ginaliehe  VogetationsumwaMt* 
lung  auf  Wieeenmooren  durch  Entwässerung  betrifft,  so  er- 
giebt  sich  die  Erklärung  dieser  eigenthimlichen  Thatsaohe» 
wie  schon  Herr  Baren  von  Liebig  geneigt  hat,  daraus*), 
dass  die  im  Boden  ruhende  Grasnarbe  längst  schon  eine 
Menge  unentwickelter  oder  auf  einer  niederen  Stufe  der 
Entwicklung  stehender .  Wurzeln  oder  Pflanzenkeime  birgt, 
welche  erst  dann  aus  ihrem  unterirdischen  Dasein  an  Tage 
treten  können ,  wenn  sich  ihnen  die  «-Bedingungen  eines 
höheren  vegetabilen  Lebens  erschlossen  haben.  Hiezu  kömmt 
noch,  dass  alljährlich  eine  reiche  Menge  von  Samen  duck 
den  Wind  und  die  Exoremente  der  Vögel  dem  Boden  Ab- 
geführt werden.  In  Hochmooren  findet  man  nicht  selten 
in  der  Tiefe  liegend  üchtenstämme ,  dicht  umschlossen  von 
eompakter  Torfinasse;  auch  in  einem  Wiesenmoore  der 
Sohleissheim-Dachauer  Ebene  habe  ich  Fiehftenstämme  mH 
dem  ganzen  Wurzelstocke  angetroffen.  Einige  derselben 
mögen  wohl  in  alter  Zeit  durch  grosse  Wasserfltothen  dahin 
gelangt  und  dann  von  der  wuchernden  Torfvegetation  über» 
deckt  worden  sein,  die  meisten  aber,  namentlich  alle  die- 
jenigen, deren  Wunsektock  eine  ganz  normale  aufrechte 
Stellung  zeigt,  sind  sicherlich  an  Ort  und  Stelle  entstanden. 
Also  mus8  eine  solche  Stelle,    ehe  die  Torfvegetation  alles 

8)  a.  a.  0. 


Yegeli  Utmaamdltmg  der  Vegetation  durch  EntoxUeertmg.    206 

Uebrige  verdrängt  hatte,  in  friherai  Zeiten  einer  Waldb» 
nntaur  fähig  gewesen  «ein,  welche  aber  m  bestehen  aatfhöito 
akit  dem  Verschwinden  der  hiem  nothwendigen  Bedingungofc 
des  Beden«,  nach  deren  erbeuter  Gewährung  die  Vegetation 
allinälig  zu  ihrer  ursprünglichen  Natur  zurückzukehren  in 
Stande  ist 

Ein  «ehr  einfacher  Verweh,  welchen  ich  ober  die  Ui> 
aacfaa.  des  Vegetntkmsweohseb  durch  wanderte  Bodenier* 
hältaisse  angestellt  habet  dürfte  vielleicht  in  dieser  Beziehung 
nicht  ohne  lataresse  sein.  Es-  war  nämlich  ans  «inem  noch 
nicht  in  Angriff  genommenen  Torffelde  ein  Stück  Waten 
mit  den  Wuraek  ausgehoben  und  von  letzteren  die  auf- 
hängende feadbte  Moorerde  möglichst  vollständig  abgewaschen 
worden*  Die  Pflanaen  wurden  hierauf  mit  dem  ganzen  dicht 
verworrenem  Wurselgeflechte  —  einzelne  Wurzeln  zeigten 
-eine  Länge  von  18"  und  darüber  —  in  gedüngter  Erde 
eingesetzt.  Nachdem  die  Pflaneen  vorübergehend  gekränkelt 
hatten»  erholten  sie  sich  augenscheinlich  und  schritten  im 
Waohsthume  vor.  Doch  dauerte  diese  nur  kurie  Zeit  — 
Bald  entwickelte  sich  ans  dem  Boden  eine  neue  Vegetation, 
während  die  Halme  des  Strengrases  sn  verwelken  begannen» 
Offenbar  war  hier  die  durch  besseren  Boden  erst  zu  Tage 
geförderte  Vegetation  schon  im  nicht  onltmrten  Torflande 
unterirdisch  vorhanden,  wo  sie  aber  nicht  zur  Entwicklung 
gelangen  konnte.  Zugleich  könnte  man  aus  diesem  ersten 
Versuche  vielleicht  den  Schlnss  sieben,  dass  eine  auf  nn- 
fruchtbaren  Boden  mögliche  Vegetation  auf  fruchtbarem 
wohl  auch  gedeihen  würde,  wenn  sie  nidht  m  der  Felge  der 
üppigeren  und  kräftigeren  nachfolgenden  Vegetation,  wie  sie, 
erst  durch  Cultur  eintreten  kann,  erliegen  müsste.  Jedoch 
ergaben  sich  bei  öfterer  Wiederholung  des  Versuches  mit 
anderen  Torfrasenstücken  mehrmals  von  dem  erwähnten 
abweichende  Resultate.  Bisweilen  gingen  die  Pflanzen  des 
in  fruchtbaren  Boden  versetzten  Torfrasens  sogleich  sämmt- 


206      8tomg  der  tuatk-pfty«.  Was*  wm  12.  November  1664. 

lieh  zu  Grande,  obgleich  sich  mir  eine  sehr  spärliche  Menge 
Ton  neuen  Gräsern  entwickelt  hatte.  In  einem  ander« 
Falle  verschwand  die  ursprüngliche  Vegetation  nur  thcil- 
wefee  und  amalgamirte  sich  mit  der  neu  hervorgerufenen 
zu  einer  ziemlich  gleichmäßigen  Decke. 

Die  Verschiedenheit  der  erzielten  Resultate  erklärt  sich 
wohl  daraus ,  dass  einige  8pecies  der  sogenannten  sauren 
Gräser  keine  Veränderung  des  Standortes  ertragen  *),  andere 
dagegen  durch  die  Versetzung  m  einen  besseren  Boden  sogar 
gewinnen.  Es  scheint  hier  der  umgekehrte  Fall  einzutreten, 
wie  bei  so  manchem  chemischen  Experimente,  welches  im 
Kleinen  gelingt,  in  grösserem  Maasstabe  aber  nicht  knmer 
ausfahrbar  ist.  Der  erwähnte  Vegetationsversucfc  gelingt,  im 
Grossen  ausgeführt,  immer.  Wenn  wir  die  grössere  Fläche 
eines  Torffeldes  entwässern  und  düngen,  so  entsteht  gase 
sicher  eine  neue  Vegetation  von  Futterkräutern ,  wobei  die 
Torfgräser  entweder  ganz  oder  theflweise  verschwinden ;  — 
der  Versuch  im  Kleinen  dagegen  misslingt  öfters,  da  maa 
hiebei  doch  nur  einen  verhältnissmässig  verschwindend 
kleinen  Theil  des  ganzen  Torffeldes  in  Betracht  ziehen  kann, 
durch  dessen  zufälligen  Reichtbum  oder  Mangel  an  Pflanzen- 
keimen  niederer  Entwicklung  das  Resultat  des  Versuchs 
modificirt  werden  muss. 

Es  erübrigt  noch  den  Unterschied  des  Nahrungswerttas 
zwischen  den  auf  cultivirtem  und  uncultivirtem  Boden 
gewachsenen  Gräsern,  wie  sich  derselbe  aus  meinen  in 
dieser  Beziehung  angestellten  Versuchen  ergiebt,  kurz  zu 
erörtern.  Der  chemische  Unterschied  zwischen  diesen  beiden 
Grassorten  ist ,  da  sie  ganz  verschiedenen  Pflanzenspecißn 
angehören,  wie  voraus  zu  sehen  war,  ein  sehr  grosser. 
Da  das  Streugras  nur  50  Proc.  Wasser,  das  Futtergras 
aber  78  Proc.  enthält,    so  wird  natürlich  durch 


-^«ta__a... 


4)  Sendtner,  a.  a.  0.  S.  702. 


Fjpd:  ümwmdkmg  der  Vbgtiatim  dmrth  BKhoütstrmg.    207 

von  gleichen  Mengen  beider  Grassorten  durch  erstere 
eine  grossere  Summe  Trockensubstanz  dem  thierischen 
Organismus  rugeföhrt.  Dieses  Verhältniss  wird  aber  mehr 
als  ausgeglichen,  wenn  man  den  Gehalt  an  stickstoffhaltigen 
Bestandteilen  der  bisher  von  mir  untersuchten  beiden 
Grassorten  berücksichtigt.  Nach  meinen  Versuchen  verhält 
sich  die  Menge  der  stickstoffhaltigen  Bestandthetle  des 
Streugrases  zum  Futtergrase  wie  50 :  71.  Der  Instinkt  dtfr 
Grasfresser  ist  daher  ein  sehr  begründeter,  wenn  sie  jede 
andere  Fütterung  dem  sauren  Grase  vorzuziehen  pflegen. 
Dass  die  Pferde  von  dieser  fiemlioh  allgemeinen  Regel  eine 
Ausnahme  zu  machen  scheinen,  hängt  vielleicht  mit  dem 
Umstände  zusammen,  dass  bei  däm  Pferde  eine  ausschliess- 
liche Heufütterung  doch  nur  ausnahmsweise  stattfindet. 

Hiezu  kömmt  noch,  dass  das  Streugras  bedeutend 
weniger  durch  Aether  extrahhrbare  Fettsubstanz  enthält,  als 
das  Futtergras,  womit  auch  die  Rauhigkeit  und  Härte  des 
Torfgrases  zusammenhängen  dürfte.  Wegen  des  gänzlichen 
Mangels  an  ätherischen  Oelen  entwickelt  sich  beim  Trocknen 
des  Streugrases  nicht  der  mindeste  Heugeruch. 

Endlieh  besteht  auch  im  Aschengehalte  beider  Gras* 
sorten  ein  wesentlicher  Unterschied,  indem  das  Streugras 
beinahe  um  die  Hälfte  weniger  Asche  enthält,  als  das  Futter- 
Gras,  —  beide  im  absolut  trocknen  Zustande  verglichen  — 
ein  Unterschied,  der  allerdings  für  die  frischen  Gräser  be- 
rechnet, auf  das  Verhältniss  von  10  :  13  herabsinkt.  Die 
Asche  des  Torigrases  ist  übrigens  auch  um  die  Hälfte  reicher  an 
Kieselerde,  dagegen  um  mehr  als  das  Dreifache  ärmer  an  Phos- 
phaten, als  die  Asche  des  Grases  eines  entwässerten  Bodens. 

Zur  Beurtheilung  des  Einflusses  der  Entwässerung  und 
Düngung  auf  den  Ertrag   der  Ernte  dürfte  folgendes  Re- 
sultat einiger  Versuchsreihen  einen  Anhaltspunkt  gewähren. 
Zu  diesen  Versuchen  dienten : 
I.  Ein  noch  nicht  in  Angriff  genommenes  Wiesenmoor. 


908      Sitoung  4&r  *fatffcf»ftgp.  dm*  vom  12.  Ntmmber  1864. 

IL  Eine  entwässerte  Strecke  desselben  Wiesenmoores. 
HL  Sine  entwässerte   und  auf  die  gewöhnliche  Weise  mit 

animalischem    Dünger    behandelte   Strecke    desselben 

Wtesenmoores» 

Auf  jeden  der  drei  Felder  war  der  Ertrag  von  4Q0D', 
d.  i.  llu*  bayer.  Morgen,  sorgfältigst  für  mk  gesammelt, 
getrocknet  and  gewogen  werden.    Die  Ertrage  auf  1  bayer. 
Morgen  (40,00000  berechnet,  ergaben  folgende  Zahlen. 
I.  Wiesenmoor  im  Natareuetande. 

Ernte  per  Morgen:  7' Zentner  saures  Heu,  fast  nur  als 

Stret  verwendbar,  unverkäuflich. 
II.  Wiesenmoor  entwässert. 

Ernte  per  Morgen:  11  Zentner  Fwtterhea. 
III.  Wiesemnoor  entwässert  und  gedüngt. 

Ernte  per  Morgen:  26  Zentner  Futterhen  von  derselben 
Qualität,  wie  auf  dem  entwässerten  Moore. 

Diese  Versuche  geben  insofern  ein  anschauliches  Bild 
von  dem  Einflasse  des  Entwässern  und  Düngen*  auf  die 
Natur  and  Menge  des  Ertrages,  als  dar  dam  benätzte  Boden 
weder  jemals  vorher  gedüngt ,  noch  auch  von  demselben 
jemals  eine  Ernte  gewannen  worden  war.  Ueber  die  Er- 
tregsverhältnisse  der  Wiesen  dieses  Moores  bei  einer  Be» 
handlang  mit  verschiedenen  Sorten  Ton  Mineraldüngwng 
sind  soeben  Versuche  eingeleitet  worden,  aber  deren  Erfolge 
ich  seiner  Zeit  Bericht  zu  erstatten,  mich  beehren  werde. 


2)   „Ueber    die   Umwandlung    des    Stärkmehls 
durch  den  Keiinprozess". 

Die  Umwandlung  des  Stärkmehls  während  des  Keimeng 
ist  insofern  eine  Frage  von  nicht  unbedeutendem  Interesse, 
<als  sich,  wie  man  weiss,  gerade  an  diese  Veränderungen 
des  Amylon'8,  dessen  Auflösung  und  Umwandlung  in  Zucker, 
wichtige  technische  Prozesse,  —  die  Bier-  und  Branntwein- 
bereitung knüpfen.   Dessenungeachtet  ist  die  Art  und 


Vogd:  Umm*ndlu»g  des  St&kmäiU  dunh  Keimmg.       209 

dieser  Veränderungen  des  Amyloids  durch  den  Keimprozess, 
d.  h.  die  eigentliche  Ursache,  welche  das  Stärkmehl  in  den 
keimenden  Samen  rar  Lösung  bringt;  eine  noch  wenig  auf- 
geklärte Erscheinung  geblieben.  Einige  Keimungsversucbe, 
welche  ich  im  Verlaufe  des  vorigen  Sommersemesters  zum 
Theil  in  kleinerem  MaasBtabe  in  Kästen,  zum  Thefl  auf 
Versuchsfeldern  bei  Schieissheim  angestellt  habe,  dürften 
vielleicht,  obgleich  weit  entfernt,  die  Frage  zu  losen,  zur 
Aufklärung  des  Gegenstandes  einen  kleinen  Beitrag  Hefern. 
weshalb  ich  deren  Resultate  hier  schon  zur  vorläufigen 
Mittheilung  bringe.  Die  angestellten  Versuche  beziehen  sich 
zunächst  auf  die  Umwandlung  des  Kartoffelstärkmehls  in 
der  keimenden  Kartoffel. 

Die  Umwandlung  des  Amylon's  in  der  Kartoffel  be- 
ginnt an  den  Stellen,  an  welchen  die  Keimung  zuerst  statt- 
findet, also  zunächst  an  den  Augen  und  deren  nächster 
Umgebung.  Schneidet  man  einer  Kartoffel,  welche  einige 
Zeit  bei  gewöhnlicher  Temperatur  an  der  Luft  gelegen  und 
Keime  zu  entwickeln  begonnen  hat,  letztere  aus,  so  bemerkt 
man,  dass  die  dem  Keime  zunächst  anhängenden  Stellen 
des  Parenchyms  der  Kartoffel  weit  weniger  blau  gefärbt 
werden  durch  Benetzen  mit  Jodtinktur,  als  die  aus  der 
Mitfee  genommenen  Stücke ,  welche  noch  in  unveränderter 
Weise  tief  dunkelblau  durch  Jodtinktur  gefärbt  erscheinen. 
Von  den  Keimpunkten,  d.  h.  von  der  Peripherie  aus  schreitet 
die  Zersetzung  des  Amylon's  nach  und  nach  gegen  das  In- 
nere der  Kartoffel  zu  fort;  schneidet  man  eine  Kartoffel, 
die  einige  Zeit  in  feuchter  Erde  gelegen  und  daher  schon 
durch  die  Entwicklung  zahlreicher  Keime  eine  ganz  rauhe 
Oberfläche  erhalten  hat,  in  zwei  Hälften,  so  kann  man 
durch  vorsichtiges  Betupfen  mit  Jodtinktur  ganz  deutlich 
bemerken,  dass  das  Amylon  an  den  äusseren  Schichten  vor- 
zugsweise verschwunden  ist,  gegen  die  Mitte  zu  aber  je  nach 


210      SUrnm?  Ar  ■!■*  fjfcyt.  Ckme  vom  1*.  M**mber  1S$4. 

der  Zeit  der  Keimung  eine  grössere  oder  kleinere  Stelle 
sich  befindet,  welche  noch  sehr  deutlich  Amylonhaltig  ist. 

Ueber  die  Zeit,  in  welcher  sämmtliches  Stärkmehl  in 
einem  Samen  durch  Keimen  völlig  zerstört  ist,  scheinen  nur 
sehr  vereinzelte  Beobachtungen  vorzuliegen.  Nach  einer  im 
physiologischen  Institut  in  Jena  ausgeführten  Versuchsreihe 
enthielt  eine  am  1.  Juni  gelegte  Kartoffel  schon  am  5.  Juli 
keine  Spur  Stärkmehl  mehr6).  Ich  erwähne  daher  hier 
die  Resultate  meiner  in  dieser  Beziehung  angestellten  Ver- 
suche. Die  Stärkmehlbestimmungen  konnten  der  Natur  der 
Sache  nach  nur  nach  der  bekannten  mechanischen  Methode 
vorgenommen  werden,  wesshalb  sie  auf  absolute  Genauigkeit 
keinen  Anspruch  machen  dürfen.  Da  es  sich  indess  hier 
stets  nur  um  vergleichende  Beobachtungen  handelt  und  die 
Unterschiede  in  den  Amylonmengen  bei  diesen  Versuchen  als 
sehr  bedeutend  sich  ergaben,  so  ist  auch  diese  Methode  hier 
als  ausreichend  zu  betrachten.  Ueberhaupt  dürfte  ein  ganz 
vollständiges  Verschwinden  des  Amylon's  wohl  nur  ausnahms- 
weise eintreten.  Kartoffeln,  welche  Monate  lang  in  Acker- 
erde gelegen  und  bereits  ein  ganz  verschrumpftes  Ansehen 
zeigten,  ergaben  allerdings  beim  Reiben  und  Auswaschen 
durchaus  keinen  Absatz  von  Stärkmehl,  indem  auch  die 
gekochte  und  in  Scheiben  geschnittene  Kartoffel  sich  mit 
Jodtinktur  nicht  im  Allgemeinen  blau  färbte.  Jedoch  zeigte 
der  Faserstoff  beim  Benetzen  mit  Jodtinktur  einzelne  ganz 
kleine  blaue  Punkte,  so  dass  also  der  Amylongehalt  wohl 
für  die  quantitative  Bestimmung  verschwunden,  aber  doch 
noch  in  äusserst  geringen  Spuren  nachweisbar  vorhanden  war. 
Es  scheint  somit,  dass  stets  kleine  Reste  von  Stärkmehl  sich 
der  Einwirkung  des  Keimvorganges  und  daher  der  Zucker- 
bildung unter  Umständen  zu  entziehen  im  Stande  sind. 

Auf  einem  Ackerfelde  wurde  die  eine  Hälfte  der  zur 


5)  Sohleiden,  Theorie  der  Pflansenoultur.  B.  3.  8.  104. 


Vopd:  Umwa*(ü**g  du  ftdrJbnciUf  dmek  Keim*»?,        211 

Aussaat  bestimmten  Kartoffeln  am  6.  April,  die  andere 
Hälfte  am  6.  Mai  gelegt*  Am  30.  Mai  war  die  Keiment- 
wicklung  an  den  zu  den  bezeichneten  verschiedenen  Zeit- 
abschnitten gelegten  Kartoffeln  ziemlich  gleich  voran  ge- 
schritten. Die  quantitative  Untersuchung  auf  Amylon  zeigte 
bei  den  im  April  und  Mai  gelegten  Kartoffeln  keinen  we- 
sentlichen Unterschied  der  Ainylonverminderung.  Es  dürfte 
somit  durch  ein  verfrühtes  Logen  der  Kartoffeln  in  unseren 
Gegenden  wenigstens  eine  besondere  Beschleunigung  der 
Ernte  nicht  wohl  erzielt  werden,  indem  die  um  3  Wochen 
später  gelegten  Kartoffeln  die  früher  gelegten  noch  in  Be- 
treff der  Zuckerbildung  eingeholt  hatten.  Indess  könnte 
vielleicht  durch  ungewöhnlich  frühen  Eintritt  eines  milden 
Frühjahres,  wie  diess  aber  im  verflossenen  Jahre  nicht  der 
Fall  war,  eine  Aenderung  in  dem  beobachteten  Verhältnis* 
bewirkt  werden. 

Ueber  das  allmälige  Verschwinden  des  Amylon's  der 
im  Keimvorgange  sich  befindenden  Kartoffel  dürften  folgende 
Versuche  einigen  Ausschluss  gewähren. 

Am  2.  Mai  1864  wurden  ausgewählte  Kartoffeln  einer  und 
derselben  Sorte  in  geräumige  Holzkästen  gelegt  und  zwar: 

A.  in  Gartenerde, 

B.  in  Quarzsand. 

In  den  beiden  Versuchen  fand  gleichmässiges  Begiessen 
mit  destillirtem  Wasser  statt,  ebenso  war  hiebei  eine  gleiche 
Einwirkung  der  Temperatur  und  des  Sonnenlichtes  einge- 
halten worden.  Der  Amylongehalt  der  hier  zur  Aussatt 
verwendeten  Kartoffeln  betrug  nach  dem  Durchschnitte 
mehrerer  unter  sich  sehr  nahe  übereinstimmenden  Versuche 
13,14  Proc.  Die  einzelnen  Kartoffeln  waren  vor  dem  Legen 
in  die  verschiedenen  Bodenarten  gewogen  worden.  Am  1.  Juni, 
1.  Juli  und  15.  Juli  wurden  Kartoffeln  aus  den  beiden  Holz- 
kästen herausgenommen,  gewogen  und  deren  Stärkmehlgehalt 
bestimmt.    Es  ergaben  sich  folgende  Zahlenresultate: 


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Vogel:  Umwandlung  des  dtärkmehls  durch  Keimung.       213 


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[1864.  U.  3.] 


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15 


2\4t      SitMung  der  math.-pfys.  Clane  vom  12.  November  1864. 

Diese  zweite  Versachsreihe  konnte  wegen  Mangels  an 
gehörig  entwickelten  Materiale  nicht  so  weit  ausgedehnt 
werden,  als  die  erste. 

Zur  vergleichenden  Uebersicht  sind  die  aus  vorstehen- 
den Versuchen,  in  Gartenerde  und  Quarzsand,  gewonnenen 
Zahlenresultate  der  Wasseraufnahme  und  der  Amylonab- 
nahme  in  Procenten,  letztere  nach  dem  ursprünglichen  Stärk* 
mehlgehalt  der  frischen  Kartoffel  berechnet,  neben  einander 
gestellt. 

I. 
Wasseraufnahme  der  Kartoffel  in  Procenten. 


Nach  4  Wochen. 

1.  In  Gartenerde.  14,8 

2.  In  Quarzsand.  18,5 


Nach  9  Wochen. 
16fl 
19,1 


Nach  10  Wochen. 
23,3 


IL 


Amylon&bnahme  der  Kartoffel  in  Procenten. 


Nach  4  Wochen. 

Nach  8  Wochen. 

Nach  10  Wochen. 

1.  In  Gartenerde.         61,29 

90,25 

100 

2.  In  Quarzsand.          30,7 

47,4 

56,8 

Es  ergiebt  sich  zunächst  als  Resultat  aus  diesen  Be- 
obachtungen, dass  wie  es  scheint,  die  Wasserauihahme  zu 
der  Amylonverminderung  in  einem  gewissen  Verhältniss 
steht.  Sobald  das  Amylon  verschwunden  ist,  zeigt  sich  auch 
eine  nahezu  um  das  Vierfach  verringerte  Wasseraufnahme. 
Femer  stellt  es  sich  heraus,  dass  die  Natur  des  Bodens 
auf  die  Zersetzung  des  Amylon's,  resp.  auf  die  Zuckerbild- 
ung in  der  Kartoffel ,  von  grossem  Einflüsse  sei.  Während 
in  fruchtbarem  Boden  der  Stärkmehlgehalt  innerhalb  9  bis 
10  Wochen  schon  verschwunden  war,  zeigte  sich  derselbe 
in  reinem  Quarzboden  in  der  nämlichen  Zeit  erst  etwas 
über  die  Hälfte  vermindert.  Allerdings  sind  hier  die  beiden 
Extreme  der  Bodenarten,    fruchtbare  Gartenerde  und  ganz- 


Vogel:  Umwandhmg  des  8Mrkmdds  dmen  Keimung.       215 

lieh  unfruchtbarer  Quarzsand,  gewählt  worden,  so  dass  hier 
wohl  der  möglichst  grösste  Unterschied  in  der  Starkinehl- 
verminderung  erwartet  werden  durfte.  Es  wäre  nicht  ohne 
Interesse,  den  Einfluss  der  verschiedensten  Bodenarten,  ge- 
düngter und  ungedfingter,  —  mit  Mineral*  oder  natürlichem 
Dünger  behandelter  Felder  u.  s.  w.  auf  diese  Verhältnisse 
kennen  zu  lernen.  Auf  einem  Landgute  bei  Schleiesheim, 
welches  sich  wegen  der  grossen  Mannichfaltigkeit  des  Bodens 
zu  derartigen  Versuchen  ganz  besonders  eignet,  ist  die  Ein- 
leitung getroffen,  demnächst  in  dieser  Beziehung  ausgedehnte 
Beobachtungen  anstellen  zu  können  und  ich  behalte  mir  vor, 
hierüber  seiner  Zeit  Bericht  zu  erstatten. 

Zur  Nachweisung  des  aus  dem  Amylon  durch  Keimung 
der  Kartoffel  entstandenen  Zuckergehaltes  wurden  direkte 
Zuckerbestimmungen  nach  der  bekannten  Fehling'schen  Me- 
thode vorgenommen.  Eine  Anfangs  Mai  auf  freiem  Felde 
gelegte  Kartoffel,  im  Gewichte  von  75,1  Grmm.,  wog  am 
1.  Juli  87,2  Grmm.  und  enthielt  0,757  Grmm.  Amylon, 
während  sie  auf  den  Procentgehalt  der  Kartoffelsorte  (13,14) 
berechnet,  9,86  Grmm.  Amylon  hätte  enthalten  müssen. 
Es  waren  somit  9,86—0,757  =  9,103  Grmm.  Stärkmehl  ver- 
schwunden, welche  9,6  Grmm.  Zucker  entsprechen.  In  der 
vom  abgesetzten  Amylon  abgegossenen  Flüssigkeit  ergaben 
sich  2,32  Grmm.  Zuckergehalt.  Somit  waren  7,28  Grmm. 
Zucker  zur  Ernährung  der  Pflanze  verwendet  worden.  Die 
getriebenen  Ausläufer  bestanden  in  6  Stengeln  mit  Kraut 
ä  l1/*'  lang  im  Gewichte  von  72  Grmm. 

In  einem  zweiten  Versuche  ergab  eine  Kartoffel,  welche 
vor  dem  Legen  Anfangs  Mai  88,1  Grmm.  gewogen  hatte, 
am  15.  Juli  ein  Gewicht  von  92,71  Grmm.  Der  Amylon- 
gehalt  war  verschwunden.  Die  vom  Faserstoff  abgegossene 
klare  Flüssigkeit  trübte  sich  mit  Alkohol  auch  im  concen- 
trirten  Zustande  nicht,  setzte  aber  beim  längeren  Kochen 
braune  Flocken  ab.  Die  Zuckerbestimmung  ergab  1,05  Grmm. 

15* 


216     Sügung  der  Maft.-f%t.  Claeee  vom  12.  November  1664. 

Der  ursprüngliche  Amylongehalt  dieser  Kartoffel  {hatte 
11,57  Grmm.  betragen;  von  der  diesem  Amylongehalt  ent- 
sprechenden Zackermenge  war  demnach  dem  angestellten 
Versuche  zu  Folge  nur  noch  1  Zehntheil  vorhanden.  Die 
von  der  Kartoffel  getriebenen  l1/*'  langen  Ausläufer  nebet 
Kraut  wogen  im  frischen  Zustande  63,7  Grmm.  Zahlreiche 
fernere  Zuckerbestimmungen  in  gekeimten  Kartoffeln  haben 
ganz  übereinstimmende  Resultate  ergeben.  Im  Allgemeinen 
folgert  sich  hieraus,  dass  der  durch  Keimung  verschwundene 
Starkmehlgehalt  einer  längere  Zeit  in  Ackererde  gelegenen 
Kartoffel  als  Zucker  nicht  nachgewiesen  werden  konnte. 


Herr  Hermann    von    Schlagintweit- Sakünlünski 
übergab 

„Beobachtungen  über  den  Einfluss  der  Feuch- 
tigkeit auf  die  Insolation,  in  Indien  und 
Hochasien".  ') 

Wahl  und  Aufstellung  der  Instrumente.  —  Besonnung  und  Strah- 
lung; Modifikation  der  Wärmeerzeugung  durch  Terrainverhältnisse; 
Erhöhung  durch  gasförmige  Feuchtigkeit  —  Beohachtungsreihen  aus 
Indien.  —  Vergleichende  Analysen  des  beschatteten  und  besonnten 
Thermometers.  —  Absolute  Extreme.  —  Insolation  in  Sikkim  im  Ver- 
gleiche zu  Ladak.  —  Einfluss  der  Entfernung  der  Erde  von  der 
Sonna  —  Tyndalls  Versuche. 

Wahl  und  Aufstellung  der  Instrumente. 

In  den  Tropen,    wo  die  Wirkung  der  Besonnung  am 
intensivsten  ist,   lassen  sich  auch  die  Umstände  am  besten 


1)  Temperaturgrade:  Fahrenheit.  Höhen:  engL  Fuss.  Transcrip- 
tion (gleich  jener  in  meinen  früheren  Abhandlungen):  Die  Vocale 
und  Diphthongen  lauten  wie  im  Deutschen.  Consonanten  wie  im 
Deutschen  mit  folgenden  Modificationen :  ch  =  Uch  im  Deutschen 
=  ch  im  Englischen;  j  =  dach  im  Deutschen  =  j  im  Englischen;  sh  = 
«CA  im  Deutschen;  «  =  iü  im  Deutschen,  'bezeichnet  die  Silbe,  welche 
den  Ton  hat. 


v.  ScMagintweit:  Einflute  der  Feuchtigkeit  auf  die  Insolation.    217 

erkennen,  weiche  nächst  der  Sonnenhöhe  dieselbe  modi- 
üriren,  und  eines  der  Resultate,  das  sich  sehr  bald  während 
unserer  Reisen  erkennen  liess,  verdiente  ganz  besondere 
Aufmerksamkeit ,  da  man ,  soviel  mir  bekannt ,  auf  diese 
eigentümliche  Erscheinung  in  der  Analyse  meteorologischer 
Beobachtungen  noch  nicht  Rücksicht  genommen  hatte:  es 
ist  diess  der  Einfluss  der  atmosphärischen  Feuchtigkeit  auch 
im  gasförmigen  Zustande* 

Um  ganz  vergleichbare  Werthe  zu  erhalten,  ist  es 
nothwendig,  den  Einfluss  der  nächsten  Umgebung  des 
Thermometers  möglichst  gleichartig  zu  gestalten.  Eine  der 
einfachsten  Vorrichtungen  ist  es,  ein  Thermometer  mit  ge- 
schwärzter Kugel  in  der  Mitte  einer  hinlänglich  grossen 
Fläche  schwarzer  Wolle  der  Besonnung  auszusetzen*);  Ap- 
parate, wie  jene  von  Saussure  8),  Herschel 4),  Pouillet 5),  er- 
lauben zugleich,  Besonnung  und  Strahlung  bis  zu  einem  ge- 
wissen Grade  getrennt  zu  beobachten,  und  aus  den  Dimen- 
sionen und  den  physikalischen  Eigenschaften  der  verschie- 
denen Theile  des  Apparates  Folgerungen  in  Betreff  der 
Wirkung  auf  eine  Fläche  von  den  Dimensionen  der 
ganzen  Erde  zu  ziehen.  Aber  für  verschiedene  allge- 
meine Fragen  ist  auch  das  Ablesen  eines  frei  der 
Sonne  ausgesetzten  Thermometers,  fest  (nicht  im  Winde 
schwankend)  und  in  gehöriger  Entfernung  von  den  Ge- 
genständen seiner  Umgebung  aufgestellt,  ein  sehr  wichtiges 
Material      Es    lassen    sich    solche    Beobachtungen    „der 


2)  Das  Detail  dieser  Vorrichtung  habe  ich  im  „Third  Report 
lipon  the  Progress  of  the  Magnetic  Sorvey"  angegeben;  auch  abge- 
druckt im  Journ.  Ac.  Soo.  of  Bengal,  1866. 

8)  Heliothermometer  in  „Yoyages  dans  les  Alpes  1786—1796 
§.  932. 

4)  Actinometer  in  „Report  of  the  8rd  meeting  ot  the  British 
Assoc"  Cambridge  1888. 

5)  Pyrheliometer  in  „Pogg.  Ann."  90,  p.  544 


218      Sitt%m§  der  math-phy*.  GUm*  vom  12.  November  1894. 

Insolation"6)  um  so  besser  in  jenen'  Regionen  be- 
nützen, wo  überhaupt  die  Veränderlichkeit  der  meteoro- 
logischen Verhältnisse  eine  weniger  grosse  und  anregel- 
mässige ist. 

Bereits  als  ich  nach  Indien  kam,  fand  ich  an  einer 
grossen  Anzahl  von  Stationen,  und  an  einigen  wahrend 
mehrerer  Jahre  fortgesetzt,  Beobachtungen  eines  besonnten 
Thermometers  vor;  die  wesentliche  Ursache,  dass  diese 
Materialien  bis  dahin  nicht  untersucht  und  verglichen  waren, 
war  zunächst,  dass  allerdings,  wie  mir  die  Analyse  der- 
selben zeigte,  eine  grosse  Anzahl  solcher  Beobachtungen  als 
werthlos,  willkührlich  bezeichnet  werden  mussten;  manche 
dieser  Instrumente  waren  mit  zu  wenig  Bücksicht  auf  die 
Umgebungen  aufgestellt,  bald  befanden  sie  sieh  in  der  Nähe 
einer  Mauer,  bald  in  sehr  geringer  Entfernung  über  dem 
Boden,  der  letztere  war  am  häufigsten  trockner  rother 
Thon  oder  schwarze  Erde,  Schichten,  die  sich  während 
eines  Theiles  des  Jahres  mehr  als  eine  freie  Thermometer- 
kugel  in  der  Sonne  erwärmten,  aber  auch  während  des 
Ueberganges  von  den  nassen  in  die  trockenen  Perioden  durch 
Verdunstung  wieder  um  so  länger  sich  zu  kühl  erhielten. 
Lebhafte  Winde  könnten  das  besonnte  Thermometer  abkühlen 
und  zwar  in  verschiedenem  Grade  je  nach  ihrer  Heftigkeit ; 
doch  etwas  Schutz  gegen  den  Wind,  in  einiger  Entfernung  an- 
gebracht, genügt,  da  überdiess  die  Luftströmung,  welche 
in  der  unmittelbarsten  Nähe  der  Kugel  durch  die  Erhöhung 
ihrer  Temperatur  entsteht,  die  Berührung  mit  der  freien 
Atmosphäre  wesentlich  verzögert. 

Auch    die  Construction    des  Thermometers,    die  Dicke 
und  Farbe   des  Glases  kann  von  Einfluss  werden;    unem- 


6)  Es  sei  hier  unter  Insolation  das  Resultat  ans  der  Erwärmung 
durch  die  Sonne  und  dem  gleichzeitigen  Verluste  durch  Strahlung 
verstanden. 


v.  8Ma§intweit:  Einflun  der  Feuchtigkeit  mf  die  InxXation.    219 

pfindliche  Instrumente  zeigen  nie  das  wahre  Maximum,  ein 
Fehler,  der  bei  der  Bestimmung  von  mittlerer  Temperatur- 
bestimmimg im  Schatten  zum  Theile  durch  den  Fehler  des 
Minimums,  im  entgegengesetztem  Sinne,  ausgeglichen  wird; 
bei  Beobachtungen  der  Besonnung  jedoch,  wo  zunächst  die 
Maxima  des  Tages  verglichen  werden  müssen,  ist  die  Wahl 
und  die  Aufstellung  der  Instrumente  von  besonderer 
Wichtigkeit. 

Der  persönliche  Besuch  der  meisten  Beobachtnngsstatio- 
nen,  wozu  mir  nebst  meinen  Brüdern  und  meinem  Assistenten, 
Lieutenant  (jetzt  Gapitain)  Adams,  während  unserer  Reisen 
Gelegenheit  geboten  war,  verschaffte  mir  zugleich  eine  sehr 
bedeutende  Anzahl  von  Beobachtungen  besonnter  Thermo- 
meter, die  unter  sich  mit  hinlänglicher  Genauigkeit  ver- 
glichen werden  konnten ;  in  meiner  Meteorology  of  India 
(4.  und  5.  Band  der  ,,Results(l)  werde  ich  für  jede  der  grössern 
Gruppen,  deren  mittlere  Lufttemperaturen  im  Schatten, 
nebst  Isothermen,  ich  bereits  früher  der  kgl.  Akademie  vor- 
gelegt7), auch  eine  Reihe  von  Ablesungen  besonnter  Ther- 
mometer zusammenstellen.  Sehr  günstig  war  es  mir  zur 
Vervollständigung  derselben,  dass  auch  nach  meiner  Abreise 
aus  Indien  an  vielen  Stationen  die  Ablesungen  in  der  von 
mir  angegebenen  Aufstellung  fortgesetzt  wurden  *). 


7)  Sitzungsberichte  der  k.  b.  Akad.  1868,  I.  Specielleres  Über 
Monatsmittel  und  Isothermenkarten:  Monatsberichte  der  Berl.  AML 
1863,  April  27;  und  Transactions  of  the  Boyal  ßoc.  London 
May  21,  1863. 

8)  Die  neuesten  Resultate  finden  sich  bei  den  verschiedenen 
Stationen  in  den  Parlamentsberichten  über  den  Gesundheitszustand 
der  Armee  in  Indien:  „Royal  Commission  on  the  Sanitary  State  of 
the  Anny  in  India:  London  1863,  vols.  1  nnd  2. 


220      8tomg  <fer  matK-fhgs.  Clane  vom  12.  November  1864. 


Besonnung    und    Strahlung;    Modification    der 

Wärmeerzeugung    durch     die    Terrainverhältnisse; 

Erhöhung  durch  gasförmige  Feuchtigkeit. 

Die  resultirende  Erwärmung  der  Bodenoberfläche  sowie 
der  Einfluss  auf  Pflanzen-  und  Thierwelt  ist  (analog  dem 
Stande  des  Thermometers)  als.  Unterschied  zwischen  der 
Wärmeerzeugung  durch  Besonnung  und  dem  gleichzeitigen 
Wärmeverluste  durch  Strahlung  zu  betrachten ;  an  der  letzteren 
hat  die  Temperatur  der  Umgebungen  einen  so  grossen  An- 
theil,  dass  an  jedem  regelmässig  wolkenfreien  Tage  zu  sehen 
ist,  wie  die  Stunden  vor  der  Gulmination  weniger  hohen 
Stand  des  besonnten  Thermometers  zeigen,  als  die  Stunden 
gleicher  Sonnenhöhe  am  Nachmittage;  noch  weit  deutlicher 
zeigt  sich  ein  ähnlicher  Unterschied  darin,  dass  in  grösseren 
Breiten,  wegen  der  geringeren  Lufttemperatur,  bei  gleichen 
Sonnenhöhen  sowohl  der  absolute  Stand  des  besonnten 
Thermometers  als  die  Grösse  seiner  Differenz  von  der  Luft- 
temperatur so  bedeutend  abnimmt.  Und  doch  erreicht  die 
Sonne  noch  in  Breiten  von  nahe  70°  im  Sommer  eine  Cul- 
mination,  wie  in  den  östlichen  und  centralen  Theilen  Indiens 
zur  Zeit  des  Wintersolstitiums,  gegen  40°. 

Für  die  Beurtheilung  meteorologischer  Verhältnisse  im 
Allgemeinen  in  Verbindung  mit  den  Beobachtungen  der 
Insolation,  deren  Resultate  stets  etwas  abhängig  bleiben 
von  der  Methode,  nach  welcher  sie  bestimmt  wurde 
und  von  der  Häufigkeit  bewölkter  Tage,  möchte  ich 
besonders  des  nicht  unwichtigen  Umstandes  noch  erwähnen, 
dass  überhaupt  in  verschiedenen  Gegenden  der 
Effect  auf  die  Wärme  des  Bodens  und  der  Luft  nickt 
unmittelbar  der  Stärke  der  Besonnung  proportional  ist, 
und    dass    die    Beobachtungen    besonnter    Thermometer 


v.  ScHagimtweit:  Ektfluee  der  Feuchtigkeit  auf  die  Insolation.   221 

nicht  in  derselben  Weise  vergleichbar  sind,  wie  man  jene 
im  Schatten  zur  Construction  der  Isothermen  und  zur  Er- 
läuterung des  Barometerganges,  der  Windesrichtung,  ver- 
binden kann ;  der  Effect  der  Besonnung  auf  grössere  Strecken 
ist  wesentlich  von  der  Bodengestaltung  abhängig.  Schon 
der  Umstand,  in  welchem  Verhältnisse  bebaute  und  unbe- 
baute Strecken,  Sand,  schwarze  Erde,  Thon,  Felsen,  Wasser 
über  eine  gegebene  Fläche  vertheilt  sind,  muss  die  lokale 
Erwärmung  durch  die  Sonnenstrahlen  bedeutend  verändern; 
nicht  weniger  gross  ist  der  Unterschied,  der  sich  zwischen 
hügligen  und  flachen  Gegenden  zeigt,  und  mit  der  Form 
der  Bodenoberfläche  zusammenhängt;  das  grössere  oder  ge- 
ringere Vorherrschen  von  Winden,  selbst  in  der  weniger 
heftigen  Form  der  periodischen  Land-  und  See -Winde  ist 
unter  den  meteorologischen  Ursachen  von  lokalen Modifica- 
tionen  zu  berücksichtigen. 

Dagegen  bietet  die  Vergleiohung  des  besonnten  Ther- 
mometers unter  sich  Resultate,  die,  wenn  nicht  als  Masse, 
doch  als  typische  Formen,  auch  auf  die  Beurtheilung  der  allge- 
meinen thermischen  Verhältnisse  der  Erdoberfläche  sich  an- 
wenden lassen.  Hier  werde  ich  allein  den  Einfluss  der 
atmosphärischen  Feuchtigkeit  auf  die  Insolation  zu  erläutern 
versuchen. 

Bereits  die  ersten  Beobachtungen  während  unserer 
Reise  durch  das  südliche  Indien,  1864/m,  zeigten,  dass  nicht 
nur  durch  das  Entstehen  von  Nebelbläschen  und  Wolken 
Wärmestrahlen  der  Sonne  von  der  Oberfläche  der  Erde 
abgehalten  werden,  sondern  zugleich,  dass  der  Wassergehalt 
der  Atmosphäre  im  gasförmigen  Zustande  die  Insolation  — 
die  Differenz  zwischen  Besonnung  und  Strahlung  —  sehr 
bedeutend  erhöht;  diese  bestätigten  die  fortgesetzten  Beob- 
achtungen in  den  Tropen,  und  auch  in  den  verschiedenen 
Regionen  Hochasiens  liess  sich  dieselbe  Modifikation  der 
Insolation  erkennen. 


322      Sitomg  der  math.-phyß.  Glaste  vorn  12.  Kovember  1864. 

Es  ergab  sich,  allgemein  übereinstimmend 

„dass  den  Seeküsten  entlang  sowie  im  östlichen  Himalaja 
„die  Insolation  sioh  grösser  zeigte,  dass  die  Sonne  das  Thermo- 
„meter  höher  steigen  machte  als  im  Innern  der  Halbinsel,  oder 
„in  Tibet  verglichen  mit  dem  Himalaya ;  ferner  ergab  sich,  in 
„analoger  Weise,  dass  die  absoluten  Maxiina  der  Insolation 
„mit  Tagen  sehr  grosser  Feuchtigkeit  zusammenfielen.  Tage 
„in  der  Regenzeit,  an  welchen,  wenn  auch  nur  wahrend 
„einer  kurzen  Periode,  die  Wolken  sich  auflösen  und,  im 
„Allgemeinen,  jene  Monate,  welche  unmittelbar  auf  die 
„Regenzeit  folgen,  diese  sind  die  Perioden,  innerhalb  welcher 
„die  absoluten  Extreme  der  besonnten  Thermometer  sich 
„zeigten/1 

Zunächst  hatte  ich  die  Ursache  in  einem  durch  Feuchtigkeit 
verminderten  Wärmeverluste  der  erwärmten  Körper  zu 
suchen,  indem  für  die  direct  von  der  Sonne  ausstrahlende 
Wärmemenge  keine  Vermehrung  durch  die  Feuchtigkeit 
der  Luft  angenommen  werden  konnte. 

Diees  bestätigte  sich  unmittelbar  durch  directe  Beobach- 
tung über  die  Abkühlung  erwärmter  Körper  im  Schatten  *),  die 
Zeit  des  Erkaltens  der  Bodenoberfläche,  die  nächtliche 
Strahlung,  an  Stationen  solcher  Climate,  die  nur  durch  Feuch- 
tigkeitsverhältnisse  allein    sich  wesentlich  unterschieden  i0). 

Wenn  es  so  grosser  Verschiedenheit  der  Climate  bedurfte, 
um  dieses  Gesetz  auch  an  dem  Stande  des  besonnten  Ther- 
mometers an  verschiedenen  Stationen  erkennen    zu    lassen, 


9)  Die  Einzelnheiten  der  Experimente  mit  den  Pyrheliometer,  Beob- 
achtungen nächtlicher  Strahlung  an  Thermometrographen ,  im  nord- 
westlichen Indien  während  der  12  Monate  an  einem  Thermometro- 
graphen im  Focus  eines  Brennspiegels,  sieh  „Results,  VoL  V.u 

10)  Die  Leitungsfähigkeit  der  Atmosphäre,  die  überhaupt  hier 
nur  von  sehr  geringem  Einflüsse  ist,  kann  durch  das  Vorhandensein 
von  Feuchtigkeit  als  etwas  erhöht  betrachtet  werden. 


v.  SM*§in**it:  Einflute  der  Feuchtigkeit  aMf  die  h*6U*Um.   223 

so  muss  diess  wesentlich  dem  Umstände  rageschrieben 
werden,  dass  es  so  schwer  zu  beurtheilen  ist,  wie  viel  der 
atmosphärischen  Feuchtigkeit  etwa  durch  Luftströmungen 
ungleicher  Temperatur  in  der  Form  von  trübender  Nebel« 
bläschen  vorhanden  ist.  Selbst  Experimente  mit  dem 
Diaphanometer  geben  nur  genäherte  Resultate,  wenn  wir 
bedenken,  dass  im  günstigsten  Falle  von  den  Schichten  von 
kaum  8000  Fuss  Mächtigkeit  auf  die  ganze  Atmosphäre 
geschlossen  werden  muss. 

Der  Umstand,  dass  die  absolute  Menge  der  Feuchtig- 
keit bei  gleichen  relativen  Werthen  so  rasch  mit  der  Tem- 
peratur zunimmt,  mag  ebenfalls  einen  wesentlichen  Autheil 
daran  haben,  dass  vorzüglich  in  den  Tropen  die 
derselben  zu  erkennen  war. 


Beobachtungsreihen  aus  Indien. 


Beobachtungen  während  der  ganzen  Jahresperiode 
in  den  folgenden  Tabellen  für  Ceylon,  Bengalen,  Hindost&n 
und  das  Pänj&b  zusammengestellt :  es  ist  auch  eine  Tafel 
beigefügt,  um  die  Vergleichung  der  verschiedenen  Typen  in 
ihren  graphischen  Formen  zu  bieten. 

Die  Stationen  wählte  ich  so  für  jede  der  4  Regionen 
ans,  wie  sie  den  mittleren  Verhältnissen  der  Provinz  am 
besten  entsprachen.  Für  Ceylon  und  Bengalen  blieb  es 
Kolombo  und  Calcutta  für  alle  3  der  hier  zu  vergleichenden 
Elemente;  für  Hindostan  und  das  PÄnjab  musste  ich  für 
die  Extreme  und  für  die  Besonnung  aus  einer  Gruppe  von 
Stationen  in  geringer  Entfernung  und  in  einer  auch  in 
topographischer  Beziehung  gleichartigen  Lage  die  höchsten 
Werthe  zusammenfassen,  um  mich  so  möglichst  Resultaten 
zu  nähern,  welche  ein  Zeitraum  von  bedeutend  grösserer 
Dauer   ergeben   hätte.    Für    die   mittlere   Temperatur   im 


224      8ünmg  der  Mtk?*yt.  Omee  mm  12.  November  1864. 


i 


Schatten  sind  die  hier  angegebenen  Werthe  für  Hmdoetan 
jene  von  Fatigarh,  für  das  Pänjab  jene  von  Vaniabad. 

Von  den  Beobachtungen  über  Insolation  dürften  zunächst 
die  absoluten  Maxima")  als  die  am  meisten  vergleichbaren 
zu  betrachten  sein,  denn  sie  sind  jene,  wobei  die  Umstände 
am  wenigsten  Einfluss  hatten,  die  den  Effect  der  Sonne  ver- 
ringern, und  mit  Ausnahme  der  leicht  zu  bestimmenden  Tem- 
peratur der  Umgebungen  und  der  Feuchtigkeit  sind  eben 
alle  Störungen  nur  solche,  die  den  Stand  des  besonnten 
Thermometers  mit  Bestimmtheit  niedrer  machen.  Doch  zog 
ich  es  vor,  die  mittlere  Insolation  den  folgenden  Gurven  zu 
Grunde  zu  legen,  zunächst  weil  die  Beobachtungsreihen 
nicht  lange  genug  fortgesetzt  sind,  um  nicht  in  dem  Werthe 
einzelner  Mazima  noch  wesentliche  Veränderungen  erwarten 
zu  lassen.  Zugleich  durften  Resultate,  wie  sie  selbst  aus 
Beobachtungen  sich  ergaben,  bei  denen  noch  nicht  die  Um- 
stände in  den  günstigsten  Verhältnissen  sich  verbinden,  auch 
mit  grösserer  Wahrscheinlichkeit  wenigstens  als  die  allgemeinen 
und  überall  sich  wiederholenden  Charaktere  betrachtet  werden. 

Der  mittlem  Temperatur  im  Schatten  hätten  auch  noch 
die-  mittlem  Maxima  und  Minima  folgen  können;  doch 
wie  bereits  die  Untersuchung  über  den  täglichen  Gang  und 
die  Berechnung  des  Mittels  ")  aus  den  24  Stunden  gezeigt 
hat,  weicht  die  Curve  des  Tagesmittels  nicht  so  bedeutend 
von  jener  des  arithmetischen  Mittels  der  Extreme  ab,  um 
in  der  graphischen  Darstellung  durch  ihre  Formen  sich  zu 
unterscheiden,  während  überdiess  durch  das  Hinzufugen 
neuer  Gurven 18)  die  Einfachheit  der  zu  vergleichenden 
Bilder  wesentlich  leiden  müsste. 


11)  Die  Angaben  auch  einzelner  Maxima  sowie  der  Ablesungen 
während  Perioden  kürzerer  Dauer  in  Hochasien  werden  im  vol.  T. 


I  der  „Results"  enthalten  sein. 


12)  Sitzungsberichte  der  k.  b.  Akad.  1863  I.  p.  335. 

13)  Die  Linien   für  Ceylon  sind  durch  den  dünnen  Strich  dar- 


I 


v.  SMagintwmt:  Smfitm  der  Feuchtigkeit  auf  die  Insolation. .  225 

Auch  unmittelbare  graphische  Darstellungen  für  die  Dif- 
ferenz zwischen  beschattetem  und  besonntem  Thermometer 
hätten  hier  noch  beigefugt  werden  können,  doch  liess  sich 
sogleich  erkennen,  dass  eine  so  einfache  VergleichuDg  nicht 
hinlänglich  den  Veränderungen  entspräche.  Das  beschattete 
Thermometer  ist  der  Ausdruck  allmählig  sich  verändernder 
thermischer  Verhältnisse  der  Tages-  und  der  Jahresperiode, 
wesentlich  auch  von  Breite,  der  Vertheilung  von  Land  und 
Meer  und  den  Höhenverhältnissen  bedingt.  Das  besonnte 
Thermometer  wird  unmittelbar  von  der  Sonnenhöhe  beein- 
fhtsst  und  überdiess  ist  es  von  der  gleichzeitigen  Temperatur 
der  Umgebungen  je  nach  der  Stärke  der  Besonnung  in  un- 
gleichem Maasse  verändert,  ferner  wird  es  von  der  atmos- 
phärischen Feuchtigkeit  afficirt,  die  bald  erhöhend  bald  er- 
niedrigend wirkt;  es  würde  daher  die  Differenz  allein,  ohne 
dass  gleichzeitig  die  Ursachen  ihrer  Veränderung  berück- 
sichtigt werden  könnten,  für  die  verschiedenen  Theile  einer 
Gurve  oder  für  Gurven  verschiedener  Stationen  nicht  wohl 
vergleichbar  sein. 

Das  Ourvennetz  um&sst  90  F.,  von  140  bis  50, 
(oder  50°  C,  von  60  bis  10)  und  wurde  vfm  den  Werthen 
der  Monatsmittel  bereits  beinahe  ganz  ausgefüllt,  während 
absolute  Extreme  der  nächtlichen  Minima,  so  wie  der  Maxima 
der  Insolation  diese  Grenzen  noch 'überschreiten  würden. 


gestellt,  Bengalen  durch  den  Doppelstrich :  der  volle  schwarze  Strich  ist 
für  Hindostän  und  die  stärkste  Linie  für  das  Pänjab  gewählt,  indem  sich 
dadurch  in  den  verschiedenen  Gegenständen  leicht  die  einzelnen  Provin- 
zen wieder  erkennen  lassen,  und  weil  zugleich  die  Wahl  der  Darstellung 
der  Grosse  der  Variation  der  täglichen  Periode  annähernd  entspricht. 
Die  absoluten  Maxima  der  Lufttemperatur  sind  durch  Punkte  als 
isolirte  Beobachtungen  gehalten,  die  durch  gerade  Striche  unter  sich 
verbunden  sind.  Um  die  Stellung  der  verschiedenen  Gurven  in  der 
thermischen  Scala  bequemer  vergleichen  zu  können,  ist  die  horizon- 
tale Linie,  welche  dem  Werthe  von  100°  Fahr,  entspricht,  durch 
kleine  Marken  unterschieden. 


226      Sibnmg  der  matk,  p»ff .  (Um  vom  IM.  November  1864. 


L  Kittlere  Temperatur  der  Luft. 
Indischer  Ooean,   Ost-Küste  von  Ceylon. 

Breite  N.  6°  56";  Länge  00t.  Gr.  79°  M  (Kolömbo). 

Jan.  78,7  April  82,4  Juli  80,7  Oct.  79,1 
Febr.  79,5  Mai  81,8  Aug.  80,6  Nov.  78,8 
Man    81,2       Juni     81,8       Sept.    80,3       Dea.     78,1 


Ganges* Delta  an  der  Bay  von  Bengalen. 

Breite  N.  22«  33';  Lange  öst.  Gr.  88*21'  (Calcutta). 

Jan.  66,60  April  88,87  Juli  82,69  Oct,  81,85 
Febr.  71,06  Mai  85,87  Aug.  88,05  Nov.  74,68 
März    77,99      Juni     84,18      Sept.    83,06      Des.      67,70 


Hindostan,  am  linken  Ufer  des  Ganges. 

Breite  N.  277t*;  Länge  öst  Gr.  79 Vt;  Höhe  660  engLFoas. 

Jan.  67,9  April  82,4  Juli  86,2  Oct.  76,9 
Febr.  65,8  Mai  91,2  Aug.  88,7  Nov.  67,8 
März    74,1        Juni     90,7       Sept.     83,4       Dez      59,0 


.<*. 


Pänjäb  zwischen  Satlej  und  Indus. 
Breite  N.  82Yi°;  Länge  öst.  Gr.  74°;  Höhe  900  engLFuaa. 

Jan.  52,0  April  77,8  Juli  89,1  Oct  77,7 
Febr.  61,9  Mai  86,1  Aug.  88,0  Nov.  66,1 
Mars    67,8       Juni     93,3       Sept.    87,3       Dez.      57,3 


v.  Schl*gwto*it:  Einflum  dm  Flüchtigkeit  a*f  die  Insolation.   227 


II.  Absolute  Maxima  der  Lufttemperatur  (im  Schatten), 

Indischer  Ocean,  Ost -Küste  von  Ceylon« 
Breite  N.  6°  56';  Lange  ort.  Gr.  79°  W  (Kolömbo). 

Jan.       85         April     89  V»      M       86         Oct.       84 
Febr.     88l/i      Mai       88         Aug.      86l/t      Nov.      861/« 
Mir*     88         Juni      87         Sept.     85         Des.      85 


Ganges- Delta  an  der  Bay  von  Bengalen. 
Breite  N.  22°  83*;  Linge  öst.  Gr.  88°  21'  (Calcntta). 

Jan.       78         April     95  Juli       98         Oct.       90 

Febr.     81         Mai      106         Aug.      92         Kot.      78 
März     90         Juni     105  Sept.      92         Dez.      80 


Hindostan,  am  linken  Ufer  des  Ganges. 

Breite  N.  27l/t°;  Länge  öst  Gr.  79s/t°;  Höhe  650  engl.  Fuss. 

Jan.       85         April   1041/«      Juli      102         Oct.       96l/t 
Febr.     90  7  t      Mai      108  Aug.      941/*      Nov.      90l/i 

Märe     93  Juni     HO1/*      Sept.      96  Vi      Dez.       76 


Pänjab  zwischen  Satlej  und  Indus. 
Breite  N.  381/»;  Länge  öst.  Gr.  74°;  Höhe  900  engl-Fusa. 

Jan.       69         April     96         Juli       97  Oct.       95 

Febr.     81  Mai      105  Aug.    100         Nov.      84 

März     82  Juni     120         Sept.      98  Dez.       70 


228      Stommg  der  math-phys.  Claim  vom  1%.  November  1864. 

TEL.  Mittler«  Insolation. 

Mittel  aus    den   Ablesungen   des    besonnten   Thermometers 

zur  Zeit  des  höchsten  Standes   nahe    der  Gulmination  der 

Sonne  (Trübe  Tage  sind  ausgeschlossen). 

Indischer  Ocean,  Ost -Küste  von  Ceylon. 

Breite  N.  6°  66';  Lange  öst  Gr.  79°  60'  (Kolombo). 

Jan.  109  April  105  Juli  98  Oct.  103 
Febr.  111  Mai  96  Aug.  108  Nov.  107 
Mars     111        Juni        99        8ept.      102       Des.       106 

Ganges -Delta  an  der  Bay  von  Bengalen. 

Breite  N.  22°  33';  Länge  öst.  Gr.  88°  21'  (Calcntta). 

Jan.  180  April  135  Juli  133  Oct.  136 
Febr.  132  Mai  134  Aug.  126  Nov.  129 
März      135        Jnni       133        Sept.      136        Des.       124 

Hindostan,  am  linken  Ufer  des  Ganges. 

Breite  N.  271/*0;  Länge  öst  Gr.  791/*;  Höhe  660  engl.  Fuae. 

Jan.  90,5  April  121,5  Juli  111,6  Oct  109,2 
Febr.  98,5  Mai  125,4  Aug.  107,9  Nov.  101,8 
März  111,8        Juni    119,0        Sept.   111,1        Des.      89,9 


,j>. 


Pänjab  zwischen  Satlej  und  Indus. 

Breite  N.  331/*0;  Länge  öst.  Gr.  74°;  Höhe  900  engl.  Fosa. 

Jan.  95  April  115  Juli  180  Oct.  118 
Febr.  98  Mai  130  Ang.  115  Nov.  96 
März     103        Jnni       125        Sept.      108        Dez.         79 


V. 


Binflmse  der  Feuchtigkeit  auf  die  Ineolatum.  229 


Vergleichende   Analyse    des   beschatteten    and  be- 
sonnten Thermometers. 

In  Beziehung  auf  die  atmosphärische  Feuchtigkeit, 
die  ich  wiederholt  mit  der  Insolation  und  der  Lufttemperatur 
erwähnen  muss,  ohne  in  die  Einzelnheiten  hier  eingehen 
zu  können,  genüge  es,  Folgendes  über  die  Vertheilung  and 
den  Gang  derselben  zu  bemerken. 

In  Ceylon  schwankt  die  relative  Feuchtigkeit  am  wenig« 
sten;  an  der  Südküste  fallen  die  Monatspaittel  zwischen 
90  und  80,  das  Jahresmittel  ist  84.  In  Madras  sind  die 
grössten  und  kleinsten  Monatsmittel  76  und -64,  Jahres- 
mittel 73.  Weiter  gegen  Norden  und  zugleich  gegen  das 
Innere  des  Landes  in  westlicher  Richtung  ist  die  Regenzeit 
besser  begrenzt,  auch  ist  die  heisse  Jahreszeit,  die  ihr  vorher- 
geht, trocken.  Im  Gangesdelta,  am  Nordende  der  Bay  von 
Bengalen,  ist. das  Jahresmittel  der  relativen  Feuchtigkeit 
noch  75,  aber  sie  schwankt  bereits  zwischen  den  Monats« 
mittein  87  und  69;  in  Hindostan  ist  das  Jahresmittel  67, 
die  feuchten  Monate  der  Regenzeit  sind  86  im  Mittel,  die 
trockensten  Monate  50,  an  einzelnen  Orten  selbst  nahe  45. 
Im  Pänjäb  kann  60  als  das  Mittel  des  Jahres  angenommen 
werden,  die  Mittel  der  feuchtesten  und  der  trockensten 
Monate  liegen  nahe  bei  75  und  45. 

Zugleich  ist  zu  berücksichtigen,  dass  in  den  feuchtesten 
Monaten,  so  lange  sie  mit  der  Regenzeit  zusammenfallen, 
auch  während  der  Tage  ohne  Regen  Trübungen  der  Atmo- 
sphäre durch  Nebelbläschen  das  vorherrschende  sind,  was 
also  das  Mittel  der  Insolation  dieser  Monate  verhältniss- 
inässig  so  nieder  machen  muss. 

Die  mittlere  Lufttemperatur  zeigt  für  die  vier  aus- 
gewählten Stationen,   von  Ceylon    über  Bengalen    bis  nach 

dem    Pänjab,    das   Eintreten   des    wärmsten    Monats    ent- 
[1864  IL  3.]  16 


230     Sitsmg  dir  math.*p*g$.  Gltme  um  V*.  Jfewwfer  1864. 

schieden  früher  als  es  in  höheren  Breiten  der  nördlichen  Hemi- 
sphäre der  Fall  ist  Es  hängt  dies«  wesentlich  mit  dem 
Brechen  der  Hitze  durch  die  Regenzeit  zusammen,  die  im 
Allgemeinen  im  Juni,  Juli  und  August  vorherrscht.  Das  Ein- 
wirken der  Regen  macht  sich  an  den  Küsten  früher  bemerk- 
bar als  im  Innern,  und  selbst  im  P&njib,  wo  bereits  auch 
unsere  Sommerperiode,  Juni,  JuK  und  August,  die  heisse 
Jahreszeit  geworden  ist  (nicht  mehr  wie  in  den  mehr  süd- 
lichen Theilen  von  Indien,  März,  April  und  Mai,  unser 
Frühling)  ist  wenigstens  unter  den  3  Monaten  fest  überall 
Juni  der  heisseste  geblieben. 

Im  Herbste  wird  im  Innern  die  Verminderung  der 
tropischen  Hitze  bereits  im  Octobermittel  sehr  fühlbar,  im 
Pänjäb  beträgt  die  Temperaturdifferenz  zwischen  Juni  und 
Januar  nicht  selten  40  bis  45°  Fahrh.;  in  Bengalen  aber 
beginnt  die  Temperatur  des  Herbstes  erst  gegen  Anfang 
November  sich  etwas  zu  kühlen,  an  den  Küsten  von  Ceylon 
beträgt  die  höchste  Temperaturdifferenz  der^  Monatemittel 
noch  nicht  ganz  4*/*°  Fahrh.,  also  ein  Zehntel  der  Schwan- 
kung im  Panjab. 

Die  absoluten  Maxima  bieten  ziemlich  regelmässige 
und  gleichartige  Curven,  obwohl  mehr  Abweichungen  viel- 
leicht sich  hätten  erwarten  lassen,  wenn  man  bedenkt,  wie 
vieler  Jahre  es  wenigstens  in  der  gemässigten  Zone  bedarf, 
um  annähernd  vergleichbare  Werthe  zu  erhalten.  Audi 
hier  finden  wir  an  den  Küsten  eine  von  dem  Eintreten  der 
heissen  Jahreszeit  abhängige  Beschleunigung  im  Eintreten 
der  Maxima.  Doch  Hindostan,  wo  ungeachtet  der  Regen- 
zeit, zusammenfallend  mit  dem  hohen  Sonnenstande  nicht 
selten  Unterbrechungen  mehrerer  Tage  eintreten,  zeigt  eben- 
falls wie  das  Pänjab")   die  absoluten  Maxima  im  Juni 


14)  Als  die  absoluten  Extreme  können  im  Panjab  für  die  Maxima 
120  bis  1 25*  Fahr,  genannt  werden,  die  auch  bisweilen  südlich  davon 


«.  ScMagintoeü:  Einfluss  der  Feuchtigkeit  auf  die  Insolation.  231 

Das  Sinken  in  der  Mitte  der  Regenzeit  macht  sich 
in  diesen  Curren  ganz  besonders  bemerkbar;  es  ist  um 
so  überraschender  in  der  Pänj&bcurve ,  da  hier  die  Regen* 
menge  verhältnissmässig  gering  ist;  aber  die  Hitze  der 
Luft  und  der  Staubstürme  ist  jetzt  gebrochen,  und  die  Tem- 
peratur ist  besonders  im  Juli  durch  die  nun  eintretende, 
wenn  auch  oft  regenlose,  Bewölkung  in  Beziehung  auf 
die  M&rima  wesentlich  gemildert.  Sie  sinkt  sogar,  wie  im 
vorliegenden  Falle,  an  vielen  Stationen  unter  die  isolirten 
Maxima  von  Bengalen;  aber  nach  wenigen  Wochen,  gewöhn- 
lich im  August,  hebt  sie  sich  wieder  bedeutend  über  die 
Extreme  der  andern  Provinzen  empor;  auch  in  Hindostan 
sehen  wir  ein  ähnliches  zweites  Ansteigen  der  Curve  der 
absoluten  Extreme  nach  dem  Aufhören  der  Regenzeit,  im 
Oetober. 

Die   mittlere   Insolation15)    weicht  in  ihrem  jahr- 


in den  Wüsten  von  Rajvära  and  in  Sindh  vorgekommen  sein  sollen; 
im  Pänjäb  sind  die  extremen  Minima,  ohne  Erniedrigung  dureh  Strah- 
lung des  Thermometers  gegen  den  nächtlichen  Himmel,  etwa  25  bis 
20°  Fahr.  Eisbildung  in  Wassergefassen,  die  auf  schlecht  leitender 
Unterlage  der  nächtlichen  Strahlung  ausgesetzt  werden,  ist  auch 
in  vielen  Theilen  von  Hindostan  noch  ausführbar. 

15)  Die  Höhe  der  Sonne  am  Mittag =H,  ist  unmittelbar  aus  der 
einfachen  Formel  H  =  90  —  q>  -+-  cf  abzuleiten,  wobei  tp  die  Breite, 
<f  die  Declination  ist;  für  die  letztere  folgen  hier  genäherte  Angaben 
für  die  15*»  der  Monate  (für  1865,  Gr.  Mttg.)  J.  —  21°  11'  F  —  12°  46' 
M  —  2°  141/«'  (0  vom  20  auf  21«^)  A.  +  9°  40'  M.  +  18°  48'  J.  +  23o  19* 
(+28°  277t'  Max.  am  28*»0  J.+210  36'  A.-f- 14°  101/»'  S.  +8°9'  (0  am  23*-) 
O.  —  8°  26'  N.  — 18°  26'  D.  —  28°  161/*  (—  23°  277t'  am  22-*»)  Dagegen 
verändern  sich  gerade  in  den  Tropen  die  Höhen  von  einer  Stunde 
des  Tages  zur  andern  nicht  unbedeutend,  während  dessenungeachtet 
in  Folge  der  Temperatur  örtlicher  Umgebungen  und  ihres  Einflusses 
auf  die  Strahlung  das  besonnte  Thermometer  in  den  Tropen  gewöhn- 
lieh bis  2  Uhr,   selbst  bis  3  Uhr  Nachmittags  steigt.    In  Galentta 

16* 


232     Sitzung  der  m<tih.-phys.  Ciasse  wm  12.  November  1864. 

liehen  Gange  wesentlich  von  den  beiden  anderen  Gurren- 
Systemen  ab,  fast  könnte  man  sich  in  einzelnen  Perioden  in 
der  südlichen  Hemisphäre  denken  und  doch  liegt  selbst 
Kolombo  noch  7°  nördlich.  Diese  Abweichung  muss  um  so 
mehr  überraschen,  wenn  man  die  Aehnlichkeit  in  den  perio- 
dischen Veränderungen  zwischen  der  mittlerem  Lufttemperatur 
und  den  einzelnen  Extremen  damit  vergleicht. 

In  Ceylon  sehen  wir  die  Besonnung,  ungeachtet  der 
wenigstens  etwas  geringeren  Monatsmittel  im  Schatten  von 
Oktober  bis  Februar,  gerade  in  dieser  Periode  am  höchsten 
steigen;  in  den  übrigen  Monaten  ist  allerdings  von  April 
bis  August  die  Insolation  durch  das  Vorherrschen  von  Regen 
in  direkter  Weise  beschränkt;  aber  auch  das  Steigen  von 
August  bis  Mitte  November  ist  keineswegs  den  nun  ein- 
getretenen Veränderungen  in  der  Durchsichtigkeit  der  Atmo- 
sphäre vollkommen  entsprechend,  sondern  ist  verhältniss- 
mässig  grösser.  Die  Durchsichtigkeit  lässt  sffch  fast  während 
des  ganzen  Jahres  als  durch  Suspension  von  Nebelbläs- 
chen getrübt  erkennen,  wie  der  warme  duftige  Hauch  aller 
landschaftlichen  Bilder  nicht  weniger  deutlich  als  die  direkte 
Beobachtung  mit  diaphano metrischen  Apparaten  es  zeigt; 
auch  die  nicht  extreme  Grösse  der  einzelnen  Insolationen 
stimmt  damit  überein. 


a.  B.  verändert  sich  die  Sonnenhöhe  zur  Zeit,  wo  ef  am  gröesten, 
in  8  Stunden  um  42 7* :  Mittags  ist  H  gleich 90°,  um 3b p.m.  4 7 Vi0.  Im 
Winter,  wenn  cf  =  —23°  271/»  wird  H  am  Mittag  43°  68',  um  8h  26°  9*. 
(Nach  der  Formel :  sin  H  =  sin  tp  sind  <f  •+■  cos  <p  cos  <f  cos  r). 

Sowohl  in  der  täglichen  Periode  bei  dem  Vergleiche  des  besonn- 
ten Thermometers  zn  verschiedenen  Stunden  als  auch,  ganz  beson- 
ders, während  der  jährlichen  Periode  bei  dem  Vergleiche  verschie- 
dener Breiten  bei  ungleicher  Lufttemperatur  aber  gleichen  Sonnen- 
höhen zeigt  sich,  wie  bedeutend  der  Einfluss  der  Temperatur  des 
beschatteten  Thermometers  auf  den  resultirenden  Grad  der  Insola- 
tion ist. 


*.  SMaginkoeU:  Einftwn  der  Feuchtigkeit  auf  du  Insolation.   233 

Am  meisten  überrascht  Bengalen.  In  den  beiden  anderen 
Beobachtungsreihen  tiberall  zunächst  auf  Ceylon  folgend,  er- 
hebt es  sich  nun  über  alle  andern  Zonen,  die  wir  hier  zu 
Tergleichen  Gelegenheit  haben.  Wenn  wir  zugleich  die  ab- 
solute und  relative  Feuchtigkeit  und  die  Durchsichtigkeit 
in  den  verschiedenen  Monaten  betrachten,  so  sehen  wir 
zunächst,  dass  die  atmosphärische  Feuchtigkeit  sehr  be- 
deutend ist,  aber  es  ist  doch  die  Temperatur  so  hoch, 
dass  während  der  Stunden  der  grössten  Tageswärme  die 
Durchsichtigkeit  der  Atmosphäre  auch  in  der  kühlen  Jahres- 
zeit, ungeachtet  häufiger  Morgennebel,  nur  selten  in  mess- 
barem Grade  getrübt  ist.  —  Auch  hier  finden  wir,  wie  in 
Ceylon  und,  ich  füge  es  zur  Vergleichung  vorgreifend  hinzu, 
wie  in  den  übrigen  Theilen  von  Indien,  ein  beginnendes 
Steigen  der  absoluten  Werthe  der  Insolation  im  Späthherbste, 
ungeachtet  der  bereits  fühlbar  gesunkenen  Temperatur  der 
freien  Atmosphäre  im  Schatten. 

In  B%ndo8tdny  das  hier  annähernd  auch  als  der  Typus 
für  Centralindien  im  Allgemeinen  gelten  kann,  zeigt  sich 
nur  das  Steigen  der  Temperatur  der  umgebenden  Atmo- 
sphäre während  der  heissen  Jahreszeit  als  von  bedeutendem 
Einflüsse  auf  das  Mittel  der  Insolation;  Extreme  einzelner 
Tage  jedoch  finden  sich  auch  hier  gerade  in  Unterbrechungen 
der  Regenzeit  ganz  besonders  hoch. 

Das  Pänjäb,  wo  der  Wärmezustand  der  freien  Atmo- 
sphäre wenigstens  eine  Höhe  des  besonnten  Thermometers 
hätte  erwarten  lassen,  welche  jener  in  den  wärmBten  Regionen 
Indiens  nicht  nachgestanden  hätte,  bietet  eine  überraschend 
geringe  Differenz  zwischen  dem  besonnten  und  beschatteten 
Thermometer,  die  z.  B.  ungeachtet  der  so  bedeutend  ver- 
schiedenen Sonnenhohen  nur  sehr  wenig  während  der 
heissesten  (aber  auch  der  trockensten  Monate)  und  der  Winter- 
monate sich  unterscheiden.  Hier  im  Pänjab,  dem  nordwestlich- 
sten Theile  von  Indien,  hatte  sich  für  die  isothermen  Linien 


234      Sümmg  der  math.~fky*.  OUme  vom  IM.  November  1864. 

eine  isolirte  Marimumsone  ergeben,  deren  Temperatur  im 
Schatten  jeden  andern  Theil  von  Indien  weit  übertrifft 
Dessenungeachtet  sind  auch  in  diesen  Monaten  die  einzelnen 
Ablesungen  sowohl  als  die  mittlem  Resultate  der  Insolar 
tionsbeobachtungen  wesentlich  niederer  als  jene  von  Bengalen. 

Die  Depression  im  Monat  Juni,  die  fast  in  allen  Stationen 
des  Pänjab  sich  wiederholt,  hat  hier  eine  ganz  besonders 
anomale  Ursache:  es  ist  diess  die  Anhäufung  suspendirter 
fester  Körper  in  der  Atmosphäre,  welche  auch  während  der 
Pausen  der  herrschenden  Staubstürme  nur  theilweise  sich 
au  senken  vermögen ;  die  Temperatur  der  Luft  im  Schatten, 
wie  wir  sahen,  erreicht  gerade  in  dieser  Periode  ihr  Maximum ; 
die  nächtliche  Strahlung  wird  ungemein  vermindert,  aber 
die  Besonnung  wird  bei  Tage  ebenfalls  bedeutend  geschwächt 
Feuchtigkeitsveränderungen  haben  hierauf  wohl  keinen  bemerk- 
baren Einfiuss,  da  die  Unterschiede  zwischen  den  einzelnen 
Monaten  ebenso  wie  die  Werthe  der  Feuchtigkeit  sehr 
gering  sind.  In  Peshaur  z.  B.  steigt  sie  vom  Mai  bis  Juli 
von  50  bis  56,  im  August  dagegen  gewöhnlich  bis  60;  das 
Mittel  für  die  Monate  Dezember  bis  April  ist  im  Durch« 
schnitte  etwas  über  70  (die  Sättigung  =  100  gesetzt.) ie) 

Im  vorletzten  Sommer,  1863,  als  überdiess  zahlreiche 
Tage  ungewöhnlicher  Wärme  dazu  beitrugen,  auch  in  den 
klimatischen  Verhältnissen  Europas  Nebenumstände  leichter 
erkennen  zu  lassen,  zeigte  sich  besonders  häufig  die  bei 
gleicher  Lufttemperatur  grössere  Wärme  des  besonnten 
Thermometers  in  England,  wenn  man  damit  die  entspre- 
chenden   Beobachtungen    in  Frankreich   verglich.     Da    ich 


16)  Auch  in  Europa  lassen  sich  Tage,  an  denen  die  Eütse, 
man  den  Schatten  verlaset ,  in  so  ungleich  grösserem  Masse  gefühlt 
wird,  auf  solche  zurückfuhren,  an  denen,  ebenfalls  mit  grösseren 
Feuchtigkeitsverhältnissen  verbunden,  das  besonnte  Thermometer 
höher  steht. 


v.  SMagtohmt:  Binflues  d$r  FeuditigJxit  tmf  die  Insolation.  286 

den  Sommer  bis  Bu  Anfang  August  in  London  und  die 
nächöte  Zeit  in  Frankreich  zubrachte,  hatte  ich  wiederholt 
Gelegenheit,  analoge  Verhältnisse  auch  durch  persönliche 
Beobachtung  zu  vergleichen. 

Als  Beispiele  aus  dem  Inneren  des  südlichen  Indien, ' 
wofür  die  mir  vorliegenden  officiellen  Beobachtungsmaterialien 
keine  so  ausführlichen  Reihen  boten,  füge  ich  noch  einige 
einzelne  Angaben  aus  unseren  Beobachtungen  im  White* 
1854/m  bei;  die  Trockenheit,  verglichen  mit  Bombay  und 
Madras  war  hier  im  Inneren,  bei  Entfernungen  von  120  bfe 
180  englischen  Meilen  von  den  Kästen  der  Halbinsel,  sehr 
bedeutend;  die  Nächte  waren,  seit  wir  die  Ghfite  der  wert1» 
liehen  Küste  überschritten  hatten,  ohne  Thau,  der  sich  zum 
ersten  Mal  bei  Davanhalli  (13°  15'  nördL  Breite  77°  43' 
öst.  Lange  von  Green.,  2910  engl.  Fuss  Höhe)  in  der  Nacht 
vom  6.  auf  7.  Februar  einstellte.  Das  Minimum  des  Morgens 
war  damals  59°  F.,  doch  waren  an  den  vorhergegangenen 
Tagen. ohne  Thau  bereits  viel  niederere  Minima  beobachtet 
worden;  als  besonders  unerwartet  nenne  ich,  dass  wir  im 
Krishnathale  zwischen  A'napur  (NördL  Breite  16°  41';  Oestl. 
Länge  Or.  74°  54';  Höhe  des  Krishnaspiegels  1673  E.  F.) 
und  TercUfl  am  Morgen  des  16.  Januars  1855  ein  Minimum 
von  48°  F.  beobachteten. 

Die  geringe  Insolation  in  Breiten  von  wenig  übet 
15°  N.  war  mir  um  so  überraschender,  weü  sie  uns  hier  zum 
ersten  Male  in  Verbindung  mit  verminderter  relativer 
Feuchtigkeit  vorkam,  wobei  man,  der  gewöhnlichen  Annahme 
folgend,  den  entgegengesetzten  Effect  erwarten  konnte ;  es  ver- 
anlasste mich  diess  zugleich  hier  desto  vorsichtiger  in  der 
Wahl  der  Beobachtungsmomente  zu  sein,  und  hier  die  erste 
ausführliche  Reihe  auch  von  Experimenten  in  Südindien  an- 
zustellen. 

Es  würde  zu  sehr  in  das  Detail  der  Versuche  fuhren, 
wenn   ich  hier   bereits  auch  die  optischen  Nebenumstände 


236     Sämmg  der  maitL-phys.  dam  um  ia„  JXowmbcr  1864. 

angeben  würde;  nur  diesa  eine  sei  noch  erwähnt,  dass 
ich,  veranlasst  durch  den  so  niederen  Stand  des  besonnten 
Thermometers,  hier  wie  auch  später  ein  Thermometer  mit 
geschwärzter  Kugel  der  Insolation  aussetzte,  dessen  Stand 
in  Folge  der  Veränderung  der  Kugel  erhöht  war,  und  über- 
dies», wie  die  fortgesetzten  Beobachtungen  zeigten,  in  vielen 
Regionen  der  indischen  Tropen  fast  immer  um  die  gleiche 
Zahl  von  Graden  höher  stand. 17) 

In  der  folgenden  Zusammenstellung  fugte  ich  noch  die 
Werthe  von  Calcutta  und  Kolömbo  bei,  und  zwar  die  Mittel 
aus  10  Tagen,  um  von  zufalligen  Modificationen  an  dem 
einen  der  identischen  Tage  weniger  abhängig  zu  sein. 


17)  Zur  etwaiges  Vergleiohung  mit  anderen  Beobachtern,  die 
sich  der  geschwärzten  Kugeln  allein  bedienten,  sei  hier  erwähnt, 
dass  in  Indien  gewöhnlich  10  bis  11°  Fahr,  den  Unterschied  zwischen 
besonnten  Thermometern  mit  blanker  und  mit  geschwärzter  Engel 
bildeten;  es  ist  auch  durch  Beobachtungen  mit  Thermometern  von 
englischer  Form,  die  sich  z.  B.  durch  Metallscalen  und  freie  Gapillar* 
röhren  von  unseren  Thermometern  mit  äusseren  Glascylindern  als 
Hüllen  unterscheiden,  die  Erhöhung  meistens  gleich  10  Graden  ge- 
funden worden  (Hook.  Hirn.  Journ.  vol.  II.,  p.  409.) 

Doch  wenn  die  Bedingungen  des  Luftdruckes,  der  Temperatur 
und  der  Feuchtigkeit  sich  bedeutend  änderten,  wie  z.  B.  zwischen 
fien  Küstenregionen  und  den  Provinzen  im  Nordwesten,  war  auch 
die  Abweichung  nicht  mehr  dieselbe  geblieben;  wo  die  Strahlung 
lebhafter,  wurde  diess '  am  geschwärzten  Thermometer  etwas  mehr 
bemerkt  als  an  jenem  mit  blanker  Kugel. 


v.  ScUmgintwmt:  Einfluss  der 


amf  Juj  Imofatum.    237 


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238     8Umm§  der  «Mtk-fftyt.  Ohme  warn  IS.  November  1B64. 

Dass  die  beiden  Beobachtungsorte  in  Maisgar  über 
1500  Fuss  hoch  sind,  kann  an  sieb  nur  die  Wirkung  der  directea 
Besonnung  vermehren,  da,  wenn  alle  übrigen  Umstände 
gleich,  in  grossen  Höhen  die  besonnten  Thermometer, 
über  die  Lufttemperatur  sich  mehr  erheben  als  in  niederen. 
Dagegen,  so  wie  die  Resultate  hier  sich  zeigen,  macht  ei 
den  Verlust  durch  Strahlung  in  Folge  der  Trockenheit  nur 
noch  deutlicher. 

Auch  diess  läset  sich  wohl  in  Verbindung  mit  der  leb* 
hafteren  Strahlung  bei  trockner  Atmosphäre  als  bei  feuchter 
sehr  genügend  erklären,  dass  sowohl  im  Pänjab  während 
der  Sommerhitze  als  in  Maissür  während  des  in  Folge  der 
geringen  Breite  noch  stets  sehr  warmen  Winters  (77*  F.  im 
Mittel)  die  Hitze  weit  weniger  dem  Menschen  fühlbar,  auch 
der  Gesundheit  weniger  nachtheilig  sich  zeigt,  als  diess  im 
Sommer  von  Hindostan  oder  im  Winter  an  den  Küsten 
von  Ceylon  der  Fall  ist. 

Um  auch  ein  Beispiel  ron  Insolation  in  einiger  Höhe 
in  den  Tropen  zu  geben,  fuge  ich  noch  eine  zwar  verein« 
zelte,  aber  doch  der  topographischen  Verhältnisse  wegen 
interessante  Beobachtung  von  Diirrschmitt 18)  aus  Calcutta 
am  Parisnath  ")  bei.  Es  sind  die  geographischen  Coordinaten 
dieses  Gipfels,  in  Bahar:  Nördl.  Br.  23°57'8  Oestl.  Länge 
Ton  Greenwich  86°  6',9,  Höhe  (engl.  Fuss)  4469 ;  er  ist  zugleich 
der  höchste  Punkt  im  centralen  Indien  zwischen  dem  öst- 
lichen Himalaya  und  den  Nilgiris.90)    Die  Beobachtungen 


18)  loh  verdanke  die  Mittheilung  derselben  Herrn  Dürrsohmitt 
in  München,  dem  Bruder  des  Ventorbenen;  als  ich  im  März  1867 
den  Gipfel  besuchte,  war  die  Atmosphäre  nicht  rein  genug,  um 
Beobachtungen  über  die  Besonnung  zu  machen. 

19)  Vergl.  Atlas  der  „Reaults",  Sten  Theil,  Tafel  XIX. 

20)  In  den  Nilgiris  erreicht  der  höchste  Gipfel,  Dodab&ta 
8640  F.:  der  Pedüru  tille  gille  in  Ceylon  8805;  Pic.  Kalsubtt  im 
D&han  5410  Fuss. 


».  8<*Ugin*»U:  Einfitu*  Ar  FmMightU  mf  die  ImoUMm.  289 

waren  in  der  Nahe  des  Jain-Tempels ,  bei  4039  Fuss  Hohe 
gemacht  und  ergaben: 

1846,  Mai  16.  und  17.  Besonntes  Thermometer:  112*  F. 
Gleichzeitiges  Maximum  der  Lufttemperatur  zwischen  lh  und 
2h  p.  m.:  81°.  Mittlere  Tagestemperator  (Mittel  der  Extreme): 
74°  F.") 


Absolute  Extreme. 

Die  absoluten  Extreme  der  Insolation  fand  ich  in  den 
meteorologischen  Beobachtungen  zu  Galcutta;  die  höchste,  zu- 
verlässige91) Ablesung,  die  mir  bis  jetzt  bekannt  geworden, 
erhielt  ich  nach  meiner  Rückkehr  durch  General  Thuiller 
wn  dem  Observatorium  des  Generalstabes  mitgetheilt. 

Es  war  diess  147°  Fahr.  (51,4°  C.),  am  29.  October  186S; 
absolutes  Maximum  der  Lufttemperatur  im  Schatten  90° F.; 


21)  Sehr  interessante  Beobachtungen  über  Barometergang,  mitt- 
lere Lufttemperatur  und  Feuchtigkeit,  aber  ohne  Daten  über  Be- 
Bonnnng,  enthalt  Dr.  G.  v.  Liebigs  „Discussion  of  some  meteorolo- 
gioal  Observation«  made  on  Parisnath  Hill.44,  J.  As.  Soo.  Beng.  1667, 
p.  1—46. 

22)  In  den  „Parliamentary  Beportsu  finden  sich  in  Glaishers  Zu* 
•ammenstellung  vol.  I.  p.  919  von  einer  Station  „Dudoopore" 
(Breite  N.  80°  12",  also  etwa  10  Meilen  südlicher  als  Ambäla,  Länge 
und  Höhe  „unbekannt41)  Beobachtungen  des  einen  Jahres  1848  mit 
einem  Mittel  von  138°  F.,  zwischen  Monatsmitteln  von  111  im  Dezember 
und  161  im  April  eingeschlossen,  wahrend  in  Ambälla  89  das  ge- 
ringste Monatsmittel,  122  das  grösste  und  108  das  Jahresmittel  ist 
Es  dürfte  wohl,  wie  so  hanfig  an  kleinen  Seitenstationen ,  ein  Ein- 
geborner  allein  diese  Beobachtung  besorgt  haben;  diese  Reihe  ohne 
alles  Analoge  kann  nicht  weiter  berücksichtigt  werden,  da  überdies», 
wie  ich  oft  gefunden,  in  solchen  Fällen  auch  die  Fehler  der  Auf« 
Stellung  und  Ablesung,  da  sie  ganz  willkührlioh  sind,  keine  Gor* 
rection  mit  Wahrscheinlichkeit  vorzuschlagen  erlauben. 


\ 


240      dümmjf  der  wmth.-pkys.  Gaset  vem  12.  November  1964. 

zu  gleicher  Zeit  war  die  relative  Feuchtigkeit  69,  aber  die 
Luft  war  klar  und  durchsichtig,  die  Bewölkung  beschrankte 
Äch  auf  grosse,  gut  begrenzte  Haufenwolken.  Im  Mai  Bind 
Ablesungen  von  140 — 142° Fahr,  nicht  ungewöhnlich;  die 
mittlere  Lufttemperatur  des  Monat  Mai  im  Schatten  ist 
85,4°  F.  In  Jhänsi,  in  Centralindien,  das  bedeutend  südlicher 
liegt  und  eine  viel  höhere  mittlere  Lufttemperatur  hat,  93, 7°F. 
im  Monat  Mai,  fand  ich  ein  einziges  Mal  140°  Fahr,  in  den 
BeobachtuDgslisten ,  kurz  vor  dem  Eintritte  der  Regenzeit. 
Es  ist  daher  nicht  ein  Effekt  der  Besonnung  auf  unsera 
Oiganismus  allein,  wenn  wir  dieselbe  bei  feuchter  Luft 
„stechender" ,  fügen  wir  bei  in  den  Tropen  „beengender, 
gefährlicher44  fühlen,  da  auch  der  Stand  des  Thermometers 
in  der  Sonne  stets  unter  gleichen  Umständen  seine  Maxima 
erreicht.  Für  den  Organismus  ist  allerdings  die  Verminder- 
ung der  Verdunstung  in  einem  feuchten  Klima  auch  noch  eine 
wesentliche  Ursache,  die  Hitze  fühlbarer  zu  machen. 


Insolation  in  Sikkim  im  Vergleiche  zu  Ladak. 

Der  Gegensatz  zwischen  den  klimatischen  Verhältnissen  in 
den  südöstlichen  und  nordwestlichen  Theilen  Hochasiens, 
zwischen  Ländern  wie  Sikkim  und  Ladak,  bot  Gelegenheit, 
auch  in  grösseren,  aber  unter  sich  gleichen  Höhen  Insolations- 
Beobachtungen  zu  sammeln  und  sie  in  Beziehung  auf  das 
Zusammenfallen  ihrer  Modificationen  mit  jenen  der  atmo- 
sphärischen Feuchtigkeit  zu  prüfen.  Mit  der  Höhe  des 
Standpunktes  steigert  sich  die  Wirkung  der  Sonne  in  Folge 
der  Verdünnung  der  Atmosphäre,  aber  die  absolute  Wärme« 
t  erhöhung,    die  das   besonnte  Thermometer    erreicht,    wird 

I  geringer,    da  die  Wärme   der  Umgebungen  abnimmt.     Zu- 

I  gleich,  wie  alle  Versuche  mit  Berücksichtigung  der  Feuchtig- 

keitsverhältnisse übereinstimmend  ergeben,  hatte  auch  hier 


v.  SdOagmkoeü:  Smfium  der  Femd*i§keU  axf  die  IneoLttom.  241 

das  Vorhandensein  feuchter  Atmosphäre  ohne  Trübung  durch 
Nebel  einen  geringeren  Wärmeverlust  des  besonnten  Ther* 
mometers  zur  Folge.  Dabei  verdienten,  wie  ich  glaube, 
gerade  jene  mit  Ausnahme  der  Feuchtigkeit  ähnlichen  Ver- 
hältnisse, welche  die  Regionen  Hochasiens  boten,  besondere 
Aufmerksamkeit 

Auf  der  Singhaiila  Kette,  wo  ich  nördlich  von  Darjiling 
den  Sommer  1855  zubrachte,  bot  sich  mir  in  den  Höhen 
von  10000  bis  12000  Fuss  keine  Gelegenheit  zu  Beobach- 
tungen bei  ganz  ungetrübter  Atmosphäre.  Es  hatte  die 
Regenzeit  des  östlichen  Himalaya  begonnen  mit  Nebeln, 
die  ich  oft,  bange  für  meine  landschaftlichen  Bilder,  nach 
wenigen  hellen  Morgenstunden  Tage  lang  mit  fast  unver- 
änderter Dichtigkeit  mich  umgeben  sah.  Zuweilen  trat  auch 
gegen  Mittag  ein  unerwartetes  Zertheilen  der  Hülle  ein, 
mächtig,  aber  nie  von  langer  Dauer  und  genügender  Klarheit« 

Für  Ladak  bei  Höhen  von  11000  Fuss  kann  ich  zu- 
nächst die  Beobachtungen  während  des  längeren  Aufenthaltes 
in  Leh  nennen;  sie  ergaben  zu  Leh  für  Mitte  Juli  und 
Mitte  September  1856: 

Leh,  Nördl.  Breite 34°  8' 

Oestl.  Länge  von  Greenwich      .     77°  15 

Höhe,  engl.  F 11532 

Juli  Sept. 
Sonnenhöhe 

am  Mittage    ....     77^  59° 
Besonntes  Thermometer 

um  lh  p.  m.       .     .     .     92       88°F. 
Lufttemperatur  im  Schatten 

Tagesmittel     ....     66       56°  F. 
Tagesmaximum  ...     79       68°  F. 
Relative  Feuchtigkeit  um  lk    47       30 


242     SUmmg  der  mrih.-phyB.  Omm  wm  IM.  November  1864, 

Dagegen  erwähnt  Hooker ,  allerdings  ohne  auf  die 
Bäheren  Details  der  Umstände  einzugehen,  ans  Sikkim  in 
fast  gleichen  Höhen  folgende  Beobachtungen:  im  December 
(wahrscheinliche  Breite  nahe  28°  N.,  also  Sonnenhöhe  circa 
40°)  bei  10,000  Fuss  ran  91  a.  m.  besonntes  Thermometer 
mit  geschwärzter  Kugel:  132° F.,  Luft  im  Schatten:  38° F.; 
an  einem  anderen  Tage  bei  11,500  Fuss  um  llh  a.  m.  be- 
sonntes Thermometer:  122°  F.,  beschattetes  40:  Es  betrugen 
also  hier  die  Unterschiede  94  und  82* F.,  oder  wenigsten» 
75  bis  60° F.  für  das  gewöhnliche  Thermometer,  bei  gerin- 
gerer Sonnenhöhe  als  in  Leh,  während  dort  die  Differenz 
nur  20°  F.  betrug. ")  Feuchtigkeit  war  bei  Hooker  nicht 
angegeben,  aber  es  lässt  sich  wohl  beurtheilen,  dass  sie 
jene  in  Leh  bedeutend  übertroffen  habe,  wenn  man  bedenkt, 
dass  in  Darjiling,  (mag  es  auch  viel  feuchter  sein  als  das 
Innere  von  Sikkim)  das  Mittel  der  relativen  Feuchtigkeit  for 
den  December  81  ist,  (das  Jahresmittel  ist  84). 

Unter  den  Eingebornen  kommen  Leiden  in  Folge  der 
Besonnung,  wegen  ihrer  überall  sehr  grossen  Widerstands- 
fähigkeit durch  Gewohnheit,  auflallend  selten  vor:  Europaer 
haben  auch  hier  durch  Kopfbedeckung  sich  zu  schützen; 
doch  gilt  auch  bei  jenen  Bewohnern  tibetischer  Race,  die 
sich  im  östlichen  Himalaya  finden,  die  Wirkung  der 
Sonne  in  den  nebelfreien  Monaten,  obwohl  sie  vorzüglich 
der  kühlen  Jahreszeit  angehören,  als  gefährlicher  als  für  die 
innern  Regionen  Hochasiens  im  Sommer. 

Zu  Darjiling  erlaubten  es  die  Umstände  während  meines 
Aufenthaltes  in  Sikkim  im  Jahre  1855  an  einigen  Tagen 
Beobachtungen  bei  einer  von  Wolken-  und  Nebelbildung 
unbeschränkten  Besonnung  am  Mittage  zu  machen,  die  mir 
von  Dr.  Withecombe  mitgetheilt  wurden. 


23)  Hooker  „Himalayan  Journals"  vol.  2,  p.  410. 


SMaginUoeü:  Einfluss  der  Feuchtigkeit  a*f  die  Insolation.  243 


Das  Maximum  im  Juli  1855  war  129,9°  F.  bei  einer 
gleichzeitigen   Temperatur   von    70,4° F.   im    Schatten;   die 
mittleren  Verhältnisse  für  dieses  Jahr  waren  im  Monat  Juli: 
Besonntes  Thermometer  99°  F. 
Lufttemperatur  im  Schatten, 
Tagesmittel  62,2 
Tagesmaximum  66,8 
Auch   die  Monatsmittel    in  Darjüing  zeigen   eine  auf- 
fallend grosse  Differenz  zwischen  beschattetem  und  besonn- 
ten Thermometer,  dagegen  ist  selbst  in  der  fast  regenfreien 
Periode  von  November,  December,  Januar  und  Februar  die 
Zahl  der  Tage,    an  welchen  Beobachtungen  am  besonnten 
Thermometer   gemacht   werden    konnten,    eine   nicht  sehr 
grosse. 

Die  folgende  Tabelle  enthält  die  Mittel  von   3  Jahren 
nach  meinem  Aufenthalte  in  Sikkim  (1857  bis  1859). I4) 

Dmijüing  N.  B.  27°  S',0    Oest.  L.  Greenw.  88°16',8    Höhe  7168  Furo. 


Mittel  der  Besonnniig 

Tagesmittel 

Mittleres  Max. 

Temp.  F. 

Zahl  der  Tage. 

der  LofL 

der  Luft. 

Jan. 

91 

20 

43,9 

50 

Febr. 

92 

17 

44,8 

51 

Mars 

101,4 

22 

51,0 

67 

April 

101 

15 

53,9 

60 

Mai 

102 

14 

58,2 

63 

Juni 

103 

8 

60,8 

64Vt 

Juli 

104 

6 

61,5 

647t 

Awg. 

99 

10 

61,5 

65 

Sept. 

101,9 

12 

60,2 

641/» 

Okt. 

96,1 

17 

56,6 

61 

Nov. 

95,8 

16 

50,5 

67 

Dec 

89,9 

10 

44,1 

61 

24)  Auoh    mitgetheilt  in    den  „PsrliamenUberiohten    „On   the 
Sanitär?  State  of  India",  vol.  2,  p.  141. 


244      Sitzung  der  math.-phy*.  Cfejate  vom  12.  November  1664. 

Gewöhnlich  vermindern  sich  mit  der  Abnahme  der 
Lufttemperatur  auch  die  Differenzen  zwischen  besonntem 
und  beschatteten  Thermometer ;  hier  sehen  wir  den  extremen 
Unterschied  fast  60°  F.  betragen,  während  er  in  Calcutta 
bisher  nur  etwas  über  57° F.  gestiegen  war.*6) 


Einflnss  der  Entfernung  der  Erde  von  der  Sonne. 

Koch  scheint  auch  die  Veränderung  der  Entfernung  der 
Erde  von  der  Sonne  während  ihrer  Umlaufszeit  nicht  ganz 
ohne  Einfluss  zu  sein. 


25)  £s  würde  zu  sehr  in  die  Besprechung  von  Einzelnheiten 
führen,  Daten  aas  den  nordischen  Regionen  und  der  Alpen  hier 
anzureihen.  Zusammenstellungen  davon  gab  ich  zunächst  für  Ge- 
birgsregionen  in  den  Untersuchungen  über  die  phys.  Geogr.  der 
Alpen,  Band  1.,  p.  429.  Der  gegenseitige  Einfluss  in  der  Verbindung  der 
verschiedenen  modificirenden  Elemente,  der  sich  jetzt  noch  nicht 
nach  bestimmten  Maassen  schätzen  lässt,  wird  aber  durch  die  Ver- 
gleichung  der  Jahreszeiten,  Breiten  und  Höhen  definirt  werden,  wenn 
die  Zahl  genauer  Daten  sich  vermehrt. 

In  den  Alpen  lässt  sich  der  Einfluss  der  Feuchtigkeit  auf  Strahlung 
wohl  nie  mit  gleicher  Deutlichkeit  beobachten  als  in  Hochasien,  weil  die 
Sonnenhöhe  und  die  Temperaturverhältnisse  keinen  so  grossen  resul- 
tirenden  Effect  der  Besonnung  erlauben  —  daher  auch  nur  geringe 
Schwankungen  in  den  Extremen  —  und,  was  noch  wesentlicher  sein 
dürfte,  weil  die  Feuchtigkeit  nie  so  grosse  Unterschiede  zeigt,  indem 
die  Trockenheit  auch  auf  den  höchsten  Alpengipfeln  wegen  der  nicht 
hinreichenden  Entfernung    von   der  verdunstenden    Oberfläche    der 
Erde  nicht  jenen  Grad  erreicht,  der  in  den  centralen  Theilen  Hoch- 
asiens durch  seine  continentale  Lage,  ebenso  wie  durch  seine  Höhe  be- 
günstigt wird.    In  Höhen  über  20,000  Fuss  fand  Glaisher  auch  über 
Europa  bei  Beinen  so  sorgfaltig  ausgeführten  Ballon-Beobachtungen 
eine  Trockenheit  der  Luft,  die  an  absoluten  Mangel  an  Feuchtigkeit 
grenzte.    Aehnliches  hatten  wir  in  Tibet  und  Turkistan  wiederholt 
in  Höhen  bis  herab  zu  12,000  Fubb,  und  nicht  in  freier  Atmosphäre, 
sondern  längs  der  Oberfläche,  während  der  Reisen  beobachtet,  ohne 
jedoch  auch  während  längeren  Andauerns  solcher  Trockenheit  irgend 
fühlbar  dadurch  zu  leiden. 


'  v.  ScUagintwtiU  Einftuss  der  Feuchtigkeit  auf  die  IneoUttüm.  246 

Zunächst  ist  es  die  bedeutend  hohe  Insolation  in  Ceylon 
bei  7°  nördlicher  Breite  während  des  Winters,  welche  diess 
vermnthen  lässt.    Die  scheinbare  Grösse  der  Sonnenscheibe 
ist  Anfangs  Januar  161/*  Minuten,  Anfangs  Juli  15'/*',  sie 
ändert  sich  also  im  Durchmesser  um    V'o,    in  der  Fläche 
um  1/ib.    In  unseren  Breiten  kann  sich  der  Einfluss  dieser 
Veränderung    kaum   bemerkbar    machen;    in   den    Tropen 
aber  ist  diess  nicht  ausgeschlossen,  da  dort  noch  immer  die 
Richtung  der  Sonnenstrahlen  auch  in  einiger  Entfernung  vom 
Aequator,    eine  sehr  steile  ist.     In  Hindostän ,    bisweilen 
selbst  im  Pänjäb,  begegnen  wir  noch  einem  ungewöhnlich 
hohen  absoluten  Steigen  im  Späthherbste  (noch  auffallender, 
wenp  wir  damit  den  Stand  des  beschatteten  Thermometers 
vergleichen),   was  ebenfalls  mit  der  veränderten  Entfernung 
der  Erde  von  der  Sonne  nicht  ohne  Zusammenhang  sein 
durfte.  Während  des  Winters  wird  allerdings  in  den  nordwest- 
lichen Provinzen    Indiens    und   im  Pänjäb    die    l^raft    der 
directen  Besonnung  durch  die  Breite  wesentlich  verringert; 
in  Bengalen    aber    ist  die  Differenz  zwischen  besonntem 
und   beschatteten  Thermometer  während  der  ganzen  kühlen 
Jahreszeit  grösser  als  während  der  heissen  Monate;  sie  ver- 
hält sich  so  ganz  analog    zu  den  Veränderungen,    die  wir, 
in  extremeren  Formen,  in  den  Curven  von  Ceylon  sehen. 


Tyndall's  Versuche. 

Ganz  besonders  wichtig  wurde  mir  auch  jüngst  die 
anerwartete  Bestätigung,  welche  die  Ergebnisse  dieser  Be- 
obachtungen   durch     die    Arbeiten    von    Tyndall")    über 


26)  Tyndall,  1868.  „Transact  Royal  8oc.u,  „Philo«.  Magazine",  etc. 
Die  Ergebnisse  der  Experimente,   die  Prof.  Magnus  anstellte  (Pogg. 
Ann.  1864)  und   die  von  Tyndall's  Resultaten  abwichen,  seien  zu- 
[1864  IL  8.]  17 


246     Siimng  der  moft.»i%#.  Clont  um  12.  November  1864. 

den  Widerstand    verschiedener  Körper    gegen    den  Durch- 
gang strahlender  Wärme",   gefunden  haben.    Ohne  hier  in 
das    Detail    dieser   schönen    Untersuchungen    eingehen   zu 
können,    sei    mir   erlaubt,    zum  Schlüsse    nur   Folgendes 
noch  in  Kürze  zn  erwähnen.    Er   fand,    dass  Wasserstoff! 
Sauerstoff,    Stickstoff,    auch    trockene    Luft,    für   Warme, 
von  irgend  einer  Quelle  ausgehend,  in  gleicher  Weise  durch- 
lassend sind,  während  Glas  und  viele  feste  Körper,   welche 
für  die  Sonnenwärme    in  hohem   Grade  diatherman  sind, 
dunkle  Wärme  in  weit  geringerem  Grade  durchlassen.   Audi 
für  viele  Gasarten  und  Dämpfe  ergaben  seine  vergleichenden 
Untersuchungen  sehr  bald  analoge,  nicht  unbedeutende  Ver- 
schiedenheiten.   In  Beziehung    auf  die  Hitze,    welche    die 
Erde   periodisch  durch  Strahlung  verliert,   kann  man  nach 
Tyndall's  Versuchen  annehmen ,  dass  16  Prozent  durch  den 
Feuchtigkeitsgehalt    der     Athmosphäre    in    der    untersten 
Schichte  von  10  Fuss  Höhe  absorbirt  werden. 

Für  das  Klima  im  Allgemeinen  lässt  sich  der  Schutz, 
den  die  atmosphärische  Feuchtigkeit  gegen  rasche  Erkaltung 
durch  Strahlung  bietet,37)  mit  der  schätzenden  Glasdecke 
eines  Gartenbeetes  vergleichen.  Ohne  der  Einwirkung  der 
directen  Sonnenstrahlen  auf  die  Erdoberfläche  Widerstand 
entgegenzusetzen,  verursaoht  die  Feuchtigkeit  zugleich  eine 
temporäre  Accumulation  von  Wärme,  auf  welcher  eine  nur 
allmählige  Abkühlung  durch  Strahlung  folgt. 


gleich  noch  angeführt,  obwohl  ich  hier  nicht  specielle  Angaben  über 
Versuche  und  die  Beobachtungsmethoden  beifügen  kann. 

27)  Aach  bei  der  Beurtheilung  klimatischer  Verhältnisse  i» 
früheren  geologischen  Perioden  dürfte  dieser  Umstand  Berücksichtig- 
ung verdienen;  ebenso  fcann  die  Verschiedenheit  in  dem  Kohlen- 
Säuregehalte  der  Atmosphäre  in  manchen  Perioden  etwas  von  Einftast 
auf  die  thermischen  Verhältnisse  der  Erdoberfläche  gewesen 


Jfc&J:  ÄeHologie  des  Typku$.  247 


Herr  Buhl  giebt  die  Resultate  seiner  Untersuchungen 
•bekannt 

„Ueber  die  Aetiologie  des  Typhus". 

Er  stellte  nämlich  in  statistischer  Weise  das  ihm  zu 
Gebote  stehende  Material  von  den  letzten  10  Jahren  zu- 
sammen, nämlich  die  von  ihm  in  diesem  Zeiträume  secirten 
900  Typhusleichen  und  setzte  sich  3  Fragen  zur  Beantwort- 
ung Vor:  welchen  Einfluss  die  Jahreszeiten ,  welchen  die 
meteorischen  Niederschläge  und  welchen  das  Grundwasser 
auf  In-  und  Extensität  des  Typhus  in  München  haben. 

Es  ergaben  sich  folgende  Schlusssätze,  deren  nähere 
Begründung  demnächst  anderwärts  zur  Veröffentlichung  ge- 
langen 80 11. 

1.  Die  Extensität  des  Typhus  in  München  ist  nach 
Jahrgängen  sehr  verschieden,  zeigt  ein  abwechselndes  Steigen 
und  Abnehmen.  Von  1855—1858  Steigerung,  von  1859  ein 
starker  Abfall,  von  1861  an  wieder  eine  Steigerung  bis  in 
den  heurigen  Sommer.  (Maximum  177,  Minimum  31  Typhus- 
todte  im  Schuljahre.) 

2.  Die  Extensität  des  Typhus  ist  auch  verschieden  nach 
Monaten.  Die  grösste  Häufigkeit  wird  im  Dezember,  Januar, 
Februar  und  März  (91— -104  Fälle)  beobachtet,  die  geringste 
im  Mai,  August  und  Oktober  (34—38  Fälle). 

3.  Diese  Schwankungen  müssen  von  einer  bestimmten 
Ursache  abhängen,  welche  analoge  Fluktuationen  macht 

4.  Obwohl  der  Typhus  im  Winter  am  häufigsten,  im 
Sommer  am  seltensten  ist,  so  kann  die  Ursache  doch  nicht 
in  den  Jahreszeiten,  resp.  den  Temperaturverhältnissen  ge- 
legen sein.  Denn  es  giebt  z.  B.  Winter,  in  denen  der  Typhus 

sein  Minimum  zeigt  (1860/61). 

17* 


248     Sitzung  der  maih.-phys.  Ciatee  «om  12.  November  1864. 

5.  In  dem  Quantum  der  meteorischen  Niederschläge 
kann  diese  Ursache  auch  nicht  gelegen  sein,  denn  ihre 
Linien  bilden  in  keiner  Weise  eine  Gongruenz  mit  den 
Linien  der  Typhusfrequenz. 

6.  Dagegen  ergiebt  sich  ein  unverkennbares  Zusammen- 
gehen der  Typhusmortalität  mit  den  Grundwasserstanden 
und  zwar  in  umgekehrter  Weise;  Steigen  der  einen  geht 
mit  Sinken  des  anderen,  Sinken  der  einen  mit  Steigen  der 
anderen  Hand  in  Hand.  Diese  zeigt  sich  nicht  nur  im  Be- 
reiche dieses  oder  jenes  Einzeljahres,  sondern  auch  im  Ver- 
laufe aller  beobachteten  Jahre.  (S.  die  beigegebene  Tab.  IL) 

7.  Der  Typhus  steht  dabei  eigentlich  nicht  im  Verhalt- 
nisse zum  jeweiligen  Niveau  des  Grundwassers,  sondern  nur 
zur  jeweiligen  Bewegung  desselben. 

8.  Die  Dauer  und  Raschheit  der  einen  oder  anderen 
Grundwasserbewegung  enthält  das  Maass  für  die  In-  und 
Extensität  des  Typhus. 

9.  Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  befindet  sich  dalier 
die  specifiache  Ursache  des  Typhus  im  Boden,  wird  mit  dem 
Sinken  des  Grundwasses  blossgelegt,  mit  dem  Steigen  des- 
selben überdeckt. 

10.  Bis  eine  eigentliche  Typhusepidemie  ausbrechen 
kann,  muss  das  Grundwasser  schon  4 — 5  Monate  lang  vor- 
her sich  gesenkt  haben. 

11.  Die  Ursache  des  Aufhörens  einer  Epidemie  liegt 
nicht  in  einer  Durchseuchung  der  Bevölkerung,  sondern  im 
Wiederanschwellen  und  Steigen  des  Grundwassers« 

12.  Dem  Trinkwasser,  obwohl  grösstenteils  vom  Grund* 
wasser  stammend,  kann  die  Ursache  der  verschiedenen 
Typhusmortalität  nicht  zugeschrieben  werden« 


Schönbein:  Zur  näheren  Kenntnis»  du  8auentoffm.  249 


Herr  Baron  v.  Liebig  legt  vor: 

„Weitere  Beiträge   zur  nähern  Kenntniss   des 
Sauerstoffes  von  C.  F.  Schönbein/' 

1)  Nach  welchem  Verhältniss  verbindet  sich 
bei  der  langsamen  Oxidation,  welche  unter  der 
Mitwirkung  des  Wassers  stattfindet,  der  Sauerstoff 
mit  der  oxidirbaren  Materie  und  dem  Wasser? 

Wie  man  leicht  einsieht,  hat  die  experimentelle  Beant- 
wortung dieser  Frage  eine  nicht  ganz  kleine  Bedeutung  für 
die  Theorie  aller  langsamen  Oxidationen,  welche  so  viele 
organischen  und  unorganischen  Materien  unter  der  Mitwir- 
kung des  Wassers  durch  den  freien  gewöhnlichen  Sauerstoff 
schon  bei  gewöhnlicher  Temperatur  erleiden  und  wobei 
meinen  frühern  Versuchen  gemäss  immer  auch  das  Wasser 
oxidirt,   d.  h.  Wasserstoflsuperoxid  gebildet  wird. 

Die  Thatsache,  dass  die  Ozonide  und  Antozonide  unter 
geeigneten  Umständen  nach  einfachen  Aequivalentverhält- 
nissen  gegenseitig  sich  desoxidiren,  d.  h.  hierbei  gleiche 
Mengen  von  @  und  0  erforderlich  sind,  damit  dieselben  zu 
freiwerdendem  0  sich  ausgleichen,  z.  B.  HO+®,  MnO+O 
und  SO»  um  in  HO,MnO,SOs  und  20  sich  umzusetzen,  liess 
mich  6chon  längst  vermuthen,  dass  bei  demjenigen  Vorgange, 
welchen  ich  mit  dem  Worte  „chemische  Polarisation  des 
Sauerstoffes"  zu  bezeichnen  pflege  und  von  dem  ich  an- 
nehme, dass  er  bei  der  langsamen  Oxidation  des  Phosphors, 
vieler  Metalle,  der  Pyrogallussäure  und  anderer  organischen 
Materien  stattfinde,  der  neutrale  Sauerstoff  (O)  zu  gleichen 

_  0 

Theilen  in  ©  (Antozon)    und  0   (Ozon)  übergeführt   werde 
und  ©  mit  HO   zu  Wasserstoffsuperoxid'  und  Q   mit    dem 


250     Sitwng  der  math.-phye.  Gaste  vom  12.  November  2604. 


Phosphor,  den  Metallen  u.  s.  w.  zu  Phosphorsäure,    Oxiden 
u.  8.  w.  sich  verbinde. 

Aus  der  Richtigkeit  dieser  Annahme  würde  folgen,  dass 
z.  B.  beim  Schütteln  SO 8 -haltigen  Wassers  mit  Bleiamalgam 
und  Sauerstoff  auf  ein  Aequivalent  Bleisulfates  beziehungs- 
weise Bleioxides  auch  ein  Aequivalent  Wasserstoffsuper- 
oxides sich  bilden  müsste.  Nichts  scheint  nun  leichter  zu 
sein,  als  die  Ermittelung  der  Mengen  Bleioxides  und  Wasser- 
Stoffsuperoxides ,  welche  unter  den  erwähnten  Umständen 
gleichzeitig  neben  einander  gebildet  werden;  denn  wendet 
man  eine  bestimmte  Menge  Wassers  mit  einem  bekannten 
Schwefelsäuregehalt  an,  so  lässt  sich  mit  einer  titrirten 
Kalilösung  die  Menge  der  zum  gebildeten  Bleioxide  getre- 
tenen Schwefelsäure,  somit  die  Menge  des  Oxides  seihat 
bestimmen,  und  ebenso  leicht  kann  auch  der  Betrag  des  in 
dem  geschüttelten  sauren  Wasser  vorhandenen  Wasserstoff- 
superoxides mit  Hülfe  einer  titrirten  KalipermanganaÜöauog 
(K0,Mns  Ot  06  =  5H0©)  gefunden  werden. 

Andererseits  ist  aber  auch  die  leichte  Zersetzbarkeit 
von  HOt  und  namentlich  die  Thatsache  wohl  bekannt,  dass 
dieses  Superoxid  durch  viele  Metalle,  unter  welchen  das 
Blei  selbst  zu  nennen  ist,  zerlegt  wird,  wesshalb  ein  Theil 
desselben  während  des  Schütteins  des  Bleiamalgames  mit 
dem  gesäuerten  HO  und  O  wieder  zerstört  werden  muss, 
so  dass  es  also  eine  diemische  Unmöglichkeit  ist,  selbst 
unter  den  günstigsten  Umständen  auf  ein  Aequivalent  Blei- 
Sulfates  ein  volles  Aequivalent  Wasserstoffsuperoxides  zu 
erhalten. 

Einen  sehr  merklichen  Einfluss  auf  die  Menge  des 
wieder  zerstörten  HOt  übt  selbstverständlich  die  Dauer  des 
Schütteins,  das  Verhältniss  des  hierbei  angewendeten  SOs- 
haltigen  Wassers  zu  derjenigen  des  Bleiamalgames,  gans 
besonders  aber  das  Verhältniss  des  Bleies  zum  Quecksilber 
im  angewendeten  Amalgam  aus,    wie    auch  der  Grad 


Schönbein:  Zur  näheren  Kenntoie*  de*  Sauerstoffes,        251 

Säuerung  des  Wassers  und  die  Temperatur  nicht  ohne 
einigen  Einfluß»  sind.  Im  Allgemeinen  laset  sich  sagen,  dass 
je  langer  die  Dauer  des  Schütteins,  je  grösser  die  Menge 
des  Amalgam  es  im  Verhältniss  zu  derjenigen  des  Wassers 
und  je  reicher  das  Amalgam  an  Blei ,  alles  Uebrige  sonst 
gleich,  um  so  kleiner  fallt  im  Verhältniss  zum  gebildeten 
Bleisulfate  die  Menge  von  Wasserstoffsuperoxid  aus,  welche 
man  im  gesäuerten  Wasser  noch  vorfindet.  Unter  sonst 
gleichen  Umständen  erhält  man  daher  bei  kurzem  Schütteln 
verhältnissmässig  mehr  HOt,  als  diess  bei  längerm  Schütteln 
der  Fall  ist;  immer  aber  wird  auf  ein  Aequivalent  gebilde» 
ten  Bleisulfates  weniger  als  ein  Aequivalent  Wasserstoff» 
Superoxides  zum  Vorschein  kommen. 

Da  mir  unter  all  den  langsamen  Oxidationen,  bei 
welchen  die  Bildung  von  HOt  sich  nachweisen  lässt,  für  die 
experimentelle  Beantwortung  der  oben  gestellten  Frage  di* 
jenige  am  Geeignetsten  erschien,  welche  das  mit  Quecksilber 
verquickte  Blei  beim  Schütteln  mit  SO» -haltigem  Wasser 
und  reinem  oder  atmosphärischen  Sauerstoff  erleidet,  so 
habe  ich  bis  jetzt  auch  nur  mit  diesem  Metalle  Versuche 
angestellt,  deren  Ergebnisse  mir  ausser  Zweifel  zu  stellen 
scheinen,  dass  der  bei  der  langsamen  Oxidation  des  Bleie* 
thätige  Sauerstoff  sich  halbire,  d.  h.  hievon  ebensoviel  von 
dem  Metalle  als  vom  Wasser  aufgenommen  werde. 

Bevor  ich  im  Einzelnen  diese  Ergebnisse  mittheile,  wird 
es  am  Orte  sein,  die  Anstellungsweise  meiner  Versuche  näher 
anzugeben.  Was  das  bei  denselben  gebrauchte  Amalgam 
betrifft,  so  enthielt  dasselbe  auf  200  Theile  Quecksilbers 
mir  einen  Theil  Bleies,  welches  Verhältniss  ich  nach  zahl* 
reichen  Versuchen  als  dasjenige  gefunden,  bei  dem  matt 
rücksichtlich  des  erhaltenen  HOt  das  günstigste  Ergebniss 
erhält;  denn  wendet  man  Amalgame  an,  die  merklich  reicher 
an  Blei  sind,  so  fallen  in  erwähnter  Hinsicht  die  Ergebnisse 
um  so  ungünstiger  aus,  je  mehr  darin  das  genannte  Metall 


252      SUmmg  der  «wiÄ.-p*y*.  (fasse  90m  X3.  November  1864. 

vorwaltet.  Ein  Amalgam  z.  B.  mit  5°/o  Bleigehalt  gibt  im 
Verhältnis  zum  gleichzeitig  gebildeten  Bleisulfat,  nicht  viel 
mehr  als  die  Hälfte  HOt  von  derjenigen  Menge,  welche 
man  anter  sonst  völlig  gleichen  Umständen  mit  einem  nur 
0,ö0/o haltigen  Amalgam  erhalt. 

Das  zu  meinen  Versuchen  dienende  Wasser  enthielt 
*/*oo  SOs,HO,  von  welchem  auf  200  Gramme  des  erwähnten 
Amalgames  je  auf  einmal  100  Gramme  angewendet  und 
beide  Flüssigkeiten  in  einer  Zweilitergrossen  Flasche  mit 
reinem  Sauerstoffgas  zusammengeschüttet  wurden.  Nachdem 
auf  diese  Weise  nacheinander  300  Gramme  des  besagten 
Wassers  gleichlang  mit  dem  Amalgam  und  Sauerstoff  be- 
handelt und  durch  Filtration  von  dem  gebildeten  Bleisulfate 
getrennt  waren,  dienten  100  Gramme  dieser  Flüssigkeit  zur 
Bestimmung  der  noch  darin  enthaltenen  freien  Schwefelsäure! 
was  mittelst  Sättigung  durch  eine  verdünnte  Kalilösung  ge- 
schah, welche  so  titrirt  war,  dass  ein  Gramm  derselben  ein. 
Milligramm  des  ersten  Schwefelsäurehydrates  neutralisirte. 
Da  100  Gramme  des  sauren  Wassers  ursprünglich  200  Milligr. 
SO s, HO  enthalten,  also  zu  ihrer  Sättigung  200  Gramme  der 
titrirten  Kalilösung  erheischen,  bei  dem  Schütteln  der  Flüssig- 
keit mit  dem  Amalgam  und  Sauerstoff  aber  ein  Theil  der 
Säure  mit  dem  unter  diesen  Umständen  sich  bildenden  Blei- 
oxide zu  einem  unlöslichen  Salze  zusammentritt,  so  werden 
100  Gramme  des  geschüttelten  sauren  Wassers  zur  Sättigung 
nicht  mehr  200  Gramme  der  besagten  Kalilösung  erfordern 
und  wird  aus  dem  übrig  bleibenden  Reste  derselben  die 
Menge  der  beim  Versuche  gebundenen  Schwefelsäure,  somit 
auch  diejenige  des  gebildeten  Bleisulfates  oder  die  Menge 
des  vom  Blei  aufgenommenen  Sauerstoffes  sich  ergeben. 
Wären  also  z.  B.  zur  Sättigung  der  100  Gramme  des  ge- 
schüttelten sauren  Wassers  nur  noch  151  Gramme  der 
titrirten  Kalilösung  erforderlich,  so  entsprechen  die  übrig 
bleibenden  49  Gramme  eben  so  vielen  Milligrammen  SO«, HO 


Sekönbem:  Zur  näheren  Kenntnise  des  Sauerstoffes.         253 

welche  sich  mit  Bleioxid  verbunden  und  woraus  folgte,  dass 
während  des  Schütteins  103/7  Milligramme  Bleies  mit 
8  Milligrammen  Sauerstoffes  sich  vereiniget  hätten. 

Andere  100  Gramme  desgleichen  mit  dem  Amalgame 
geschüttelten  Wassers  wurden  zur  Bestimmung  der  Menge 
des  darin  vorhandenen  Wasserstoffsuperoxides  verwendet, 
also  zur  Ermittelung  des  Sauerstoffes,  welche  während  der 
Oxidation  des  Bleies  mit  dem  Wasser  in  chemische  Ver- 
bindung getreten,  zu  welchem  Behufe  ich  mich  einer  Kaliper- 
manganatlösung  bediente,  die  so  titrirt  war,  dass  ein  Gramm 
derselben  ein  Milligramm  6  enthielt,  d.  h.  durch  ein  Milli- 
gramm ©  entfärbt  wurde,  oder  was  das  Gleiche  ist,  dass 
8  Gramme  der  entfärbten  Permanganatlösung  17  Milligrammen 
Wasserstoffsuperoxides  entsprachen,  in  welchen  8  Milli- 
gramme ©  enthalten  sind.  *)  Würden  nun  in  einem  Ver- 
suche durch  100  Gramme  des  mit  Bleiamalgam  und  0  ge- 
schüttelten sauren  Wassers  8  Gramme  der  titrirten  Per- 
manganatlösung vollständig  entfärbt,  so  ergäbe  sich  hieraus, 
dass  in  diesem  Wasser  17  Milligramme  HO«  oder  8  Milli- 
gramme ©  enthalten  gewesen  wären,  folglich  gleich  viel 
Sauerstoff  mit  dem  Blei  und  Wasser  sich  vereiniget  hätte. 
Beifugen  will  ich  noch,  dass  dem  besagten  Wasser,  bevor 
ich  es  mittelst  der  Permanganatlösung  auf  seinen  HOt  -Ge- 
halt prüfte,  noch  einige  Tropfen  Schwefelsäure  zugegossen 
wurden,  weil  dadurch  die  Reduction  der  Uebermangansäure 
zu  Oxidul  rasch  und  vollständigst  bewerkstelliget  wird. 

Kaum  wird  es  noch  der  Bemerkung  bedürfen,  dass  die 
bei    meinen  Versuchen    gebrauchten   Probeflüssigkeiten  mit 


1)  Ist  chemisch  reines  Kalipermanganat  zur  Hand,  so  erhalt 
man  eine  solche  titrirte  Flüssigkeit  am  Einfachsten  durch  Auflösen 
von  1,682  Grammen  dieses  Salzes  (0,400  Gramm  0  enthaltend)  in 
398,418  Grammen  Wassers,  in  welcher  Weise  ich  mir  meine  titrirte 
Lösung  bereitete. 


254     Sit0*ng  der  nafk-phyi.  Ctone  vom  12.  Not*mber  1864. 

möglichst  grosser  Genauigkeit  titrirt  waren  und  auch 
Sättigung  des  geschütttelten  sauren  Wassers  durch  Kali» 
lösung  mit  äusserster  Sorgfalt  ausgeführt  wurde.  Erst  nach* 
dem  eine  Viertelstunde  lang  gelbes  Curcuma-  und  blaues 
Lakmuspapier  in  der  Flüssigkeit  unverändert  gelegen  hatten, 
wurde  dieselbe  als  neutralisirt  betrachtet. 

Es  ist  bereits  bemerkt  worden,  dass  das  Verhältnias 
der  Menge  des  gebildeten  Bleisulfates  zu  derjenigen  des 
Wasaerstoffsuperoxides  unter  sonst  gleichen  Umständen  ver- 
schieden ausfalle,  je  nachdem  das  SO  s -haltige  Wasser  kürzere 
oder  längere  Zeit  mit  Bleiamalgam  und  Sauerstoff  zusam- 
mengeschüttelt  werde  und  zwar  so,  dass  dieses  Verhältnias 
zu  Gunsten  des  Bleisalzes  mit  der  Dauer  des  Schütteln» 
wachse.  Will  man  daher  im  Verhältniss  zum  gleichzeitig 
gebildeten  Sulfate  möglichst  viel  Wasserstoffsuperozid  er* 
halten,  so  darf  das  Schütteln  nicht  länger  dauern,  als  bis 
so  viel  PbO,SOs  und  HOt  gebildet  ist,  damit  die  Mengen 
dieser  Verbindungen  mit  den  vorhin  erwähnten  Mitteln  noch 
genau  sich  bestimmen  lassen. 

Als  Mittel  aus  einer  grossen  Anzahl  von  Versuchen,  bei 
welchen  lebhaftes  Schütteln  10  Sekunden  lang  dauerte,  ergab 
sich,  dass  die  Menge  des  vom  Blei  aufgenommenen  Sauer- 
stoffes   zu  der    mit  dem  Wasser   verbundenen  Menge    wie 
100:95  sich  verhielt,  ja  in  einzelnen  Fällen  stellte  sich  da» 
Verhältniss  wie  100:98.    Ob    bei  diesen  Versuchen    reiner 
oder    atmosphärischer  Sauerstoff   angewendet  wurde,   übte 
auf  das    erwähnte  Verhältniss   keinen    merklichen  Einfluss 
aus,  wobei  es  sich  jedoch  von  selbst  versteht,    dass,    alles 
Uebrige  sonst  gleich,  mit  reinem  Sauerstoff  mehr  Bleisulfai 
und  Wasserstoffsuperozid  erhalten  wurde  als  bei  Anwendung 
atmosphärischer  Luft,  wie  diess  aus  nachstehenden  Angaben 
erhellen  wird.     Versuche,  bei  welchen  das  Schütteln  20   Se- 
kunden lang  dauerte,  gaben  im  Mittel  das  Verhältniss  von 
100 :  80 ,   bei   30  Sekunden  langem  Schütteln  dasjenige  von 


8dtfnbein:  Zur  näheren  Kenntniss  des  Sauerstoffes.         255 

100:69  und  bei  100  Sekunden  lang  dauerndem  Schütteln 
des  Verhältnißs  von  100:54.  Einige  der  Daten,  aus  welchen 
diese  Verhältnisse  berechnet  wurden,  sind  folgende.  Bei  der 
ersten  Versuchsreihe  und  Anwendung  atmosphärischen  Sauer« 
Stoffes  erforderten  100  Grammen  des  geschüttelten  sauren 
Wassers  (ursprünglich  200  Milligramme  SOs,HO  enthaltend) 
191  Gramme  der  titrirten  Kalilösung  zur  Sättigung,  woraus 
erhellt,  dass  während  des  Schütteins  9  Milligramme  Schwefel- 
säurehydrates verschwanden,  d.  h.  an  das  unter  diesen  Um- 
ständen gebildete  Bleioxid  getreten  waren,  welche  Säure* 
menge  1,46  Milligramme  Sauerstoffes  voraussetzt,  die  sich 
mit  dem  Blei  verbunden;  denn  49  (SOs,HO):  8(0)  = 
9  (S08,H0):  1,46  (0).  100  Gramme  desgleichen  Wassers  ver- 
mochten 1,39  Gramme  der  titrirten  Kalipermanganatlösung 
zu  entfärben  1,39  Milligrammen  Sauerstoffes  entsprechend, 
welche  mit  Wasser  zu  HOt  verbunden  waren.  Es  verhielt 
sich  somit  die  Menge  des  mit  dem  Blei  zusammengetretenen 
Sauerstoffes  zu  derjenigen  des  gleichen  Elementes,  welche 
mit  dem  Wasser  vergesellschaftet  war,  wie  146:139  oder 
wie  100:95,2. 

Wurde  anstatt  atmosphärischer  Luft  reines  Sauerstoflgas 
angewendet,  alles  Uebrige  sonst  gleich,  so  erforderten  100 
Gramme  des  sauren  geschüttelten  Wassers  nur  169  Gramme 
der  titrirten  Kalilösung  zur  Sättigung,  woraus  abzunehmen, 
dass  besagte  100  Gramm  Wassers  31  Milligramme  SOs,HO 
verloren  hatten,  welche  vollen  5  Milligrammen  Sauerstoffes 
entsprechen,  die  sich  mit  Blei  zu  Oxid  verbunden.  100  Gramme 
des  gleichen  Wassers  vermochten  4,76  Gramme  der  Per- 
manganatlösung  zu  entfärben,  woraus  erhellt,  dass  4,76  Milli- 
gramme Sauerstoffes  zum  Wasser  getreten  waren  und  somit 
die  Menge  des  bei  diesen  Versuchen  mit  dem  Blei  verbundenen 
Sauerstoffes  zu  derjenigen,  welche  sich  mit  Wasser  vereiniget 
vorfand,  wie  50:47  oder  wie  100:94  sich  verhielt  und  ich 


256      Stonmg  der  matK-phy*.  Classe  vom  12.  November  1664. 

will  nicht  unerwähnt  lassen,  dass  auch  bei  mehreren  dieser 
Versuche  ein  Verhältniss  von  100 :  97 — 98  sich  ergab. 

Schüttelt  man  mit  Bleiamalgam  und  Sauerstoff  das  ge- 
säuerte Wasser  so  lange  zusammen,  bis  dasselbe  das  blaue 
Lakmuspapier  nur  noch  schwach  zu  röthen  vermag,  so  wird 
in  dieser  Flüssigkeit  zwar  eine  sehr  merkliche  Menge  von 
HOt  enthalten,  selbstverständlich  aber  im  Verhältniss  zu 
derjenigen  des  gleichzeitig  gebildeten  Bleisulfates  eine  kleine 
sein  und  wird  mit  dem  Schütteln  bis  zum  völligen  Ver- 
schwinden der  freien  Schwefelsäure  fortgefahren,  so  finden 
sich  in  dem  Wasser  kaum  noch  nachweisbare  Spuren  von 
Wasserstoffsuperoxid  vor,  so  schnell  wird  dasselbe  zerstört, 
wenn  es  nicht  mehr  unter  dem  schützenden  Einflüsse  freier 
Schwefelsäure  steht  Und  beifügen  will  ich  hier  noch  die 
Bemerkung)  dass  in  dem  Augenblicke,  wo  die  letzte  Spur 
freier  Säure  verschwindet,  das  bishin  milchig  gebliebene 
Aussehen  des  Wassers  m  ein  Aschgraues  übergeht. 

Wenn  nun  aus  obigen  Thatsachen  erhellt,  dass  bei 
10  Sekunden  langem  Schütteln  die  vom  Blei  und  Wasser 
gleichzeitig  aufgenommenen  Sauerstoffmengen  wie  100:95 
sich  verhalten,  ja  nicht  selten  ein  Verhältniss  von  100:97 
erzielt  wird,  diese  Mengen  somit  nicht  weit  von  der  Gleich- 
heit sich  entfernen,  und  wenn  es  femer  Thatsache  ist,  dass 
dieses  Verhältniss  für  das  Wasserstoffsuperoxid  um  so  un- 
günstiger ausfällt,  je  länger  das  Schütteln  gedauert,  so 
glaube  ich  hieraus  schliessen  zu  dürfen,  dass  in  dem  Augen- 
blicke der  Oxidation  der  an  ihr  betheiligte  Sauerstoff  genau 
sich  halbire,  d.  h.  die  eine  Hälfte  desselben  mit  dem  Blei 
zu  Oxid,  die  andere  Hälfte  mit  dem  Wasser  zu  Superoxid 
sich  verbinde,  so  dass  auf  ein  Aequivalent  der  einen  Ver- 
bindung auch  ein  Aequivalent  der  andern  gebildet  würde.  *) 


2)  In  einer  der  nachstehenden  Mittheilungen  „Ueber  das  Ver- 
halten des  Sauerstoffes  zum  Blei"  werde  ich  zu  zeigen  suchen,   dass 


:  Zw  näheren  Kmwtniss  des  Sauentoffe*.         257 

Bei  der  leichten  Zersetzbarkeit  des  Wassersto&uperoxides 
kann  es  aber  nicht  Anders  sein,  als  dass  ein  Theil  desselben 
bei  fortgesetztem  Schütteln  wieder  zerstört  werde  und  zwar 
hievon  verhältnissmässig  um  so  mehr,  je  reicher  das  ge- 
säuerte Wasser  an  HOt  wird  and  das  Amalgam  an  Blei 
ist  Desshalb  ist  es,  wie  schon  bemerkt,  eine  chemische 
Unmöglichkeit,  anf  ein  Aequivalent  Bleisuliates  ein  volles 
Aequivalent  Wasserstoffsuperoxides  zu  erhalten,  wie  günstig 
sonst  auch  die  Umstände  sein  mögen,  unter  welchen  diese 
Verbindungen  gebildet  werden.  Wäre  es  möglich,  die  kleine 
Menge  von  Schwefelsäure  genau  zu  bestimmen,  welche  in 
der  ersten  Sekunde  des  Schütteins  gebunden  wird,  und 
ebenso  die  Menge  des  gleichzeitig  gebildeten  Wasserstoff- 
superoxides, so  würde  sich  ohne  Zweifel  eine  so  vollkom- 
mene Aequivalenz  herausstellen,  als  eine  solche  auf  dem 
Wege  des  Versuches  nur  immer  ermittelt  werden  kann.  Darf 
aber  angenommen  werden,  dass  bei  der  beschriebenen  Oxi- 
dation  des  Bleies  der  Sauerstoff  zwischen  dem  Metall  und 
Wasser  sich  gleich  theile,  so  sind  wir  wohl  zu  der  Ver> 
muthung  berechtiget,  dass  eine  solche  Halbirung  des  Sauer- 
stoffes auch  bei  allen  übrigen  langsamen  Oxidationen  Platz 
greife,  deren  Stattfinden  von  der  Anwesenheit  des  Wassers  be- 
dingt ist,  und  dass  es  immer  nur  Nebenumstände  seien,  auf  der 
leichten  Zersetzbarkeit  des  Wasserstoffsuperoxides  beruhend, 
wesshalb  eine  solche  Halbirung  nicht  stattzufinden  scheint. 
Wenn  wir  z.  B.  im  Blute,  wo  doch  sicherlich  Oxidationen  der 
erwähnten  Art  vor  sich  gehen,  kein  Wasserstoflsuperoxid  nach- 
zuweisen vermögen,  so  folgt  hieraus  noch  nicht,  dass  dort 
Keines  gebildet  werde;  denn  wir  wissen  jetzt,  dass  die 
Blutkörperchen  in   einem  ausgezeichneten  Grade  das  Ver- 


vor  der  Bildung  des  Bleisulfates  oder  Bleioxides  noch  ein  anderer 
chemischer  Vorgang  stattfinde,  dessen  Besprechung  jedoch  hier  noch 
nicht  am  Orte  wäre. 


258     Stonmg  der  wrth.-phy$.  Okme  vom  12.  November  1864. 


mögen  besitzen,  schon  fertig  gebildetes  HOt  zu  zerstören, 
welche  Wirkung  sie  selbstverständlich  auch  auf  das  wahrend 
der  Respiration  erzeugte  Wasserstofisuperoxid  hervorbringen 
mfissten. 

Welchen  Einfluss  Nebenumstände  auf  das  in  Rede 
stehende  Verhältniss  ausüben,  mag  man  ans  folgenden  An- 
gaben ersehen.  Wie  oben  erwähnt  f  verhielt  sich  bei  30  Se- 
kunden langem  Schütteln  des  SOt-haltigen  Wassers  mit 
Bleiamalgam  u.  s.  w.  der  mit  dem  Blei  verbundene  Sauer- 
stoff zu  demjenigen,  welcher  an  Wasser  gebunden  ange- 
troffen wurde,  wie  100 :  69.  Fügte  man  nun  dem  gesäuerten 
Wasser  vor  dem  Schütteln  (mit  dem  Amalgam  u.  s.  w. 
einiges  Kohlenpulver  zu,  alles  Uebrige  sonst  gleich,  so  ergab 
sich  ein  Verhältniss  wie  100:29,  obwohl  in  beiden  Fällen 
die  Mengen  der  verschwundenen  Schwefelsaure  merklich 
gleich  waren.  Bei  Anwendung  einer  etwas  grössern  Menge 
von  Kohle,  alles  Uebrige  ebenfalls  wieder  gleich,  enthielt 
das  geschüttelte  und  abfiltrirte  saure  Wasser  gar  kein 
Wasserstoffsuperozid  mehr.  Es  kann  wohl  keinem  Zweifel 
unterworfen  sein,  dass  bei  Gegenwart  von  Kohle  ebenso 
wie  bei  Abwesenheit  dieser  Materie  HOt  gebildet  wurde;  da 
aber  bekanntlich  die  Kohle  diese  Verbindung  in  Waseer 
und  gewöhnlichen  Sauerstoff  umsetzt,  so  muss  dieselbe  eine 
solche  zersetzende  Wirkung  auch  auf  das  unter  den  letzt- 
erwähnten Umständen  sich  bildende  Wasserstoffsuperozid 
hervorbringen,  und  insofern  das  Platin  noch  kräftiger  als 
die  Kohle  zerlegend  auf  HOt  einwirkt,  versteht  es  sich  von 
selbst,  dass  die  Anwesenheit  einer  verhältnissmässig  sehr 
kleinen  Menge  Platinmohres  in  dem  SOt-haltigen  Wasser 
das  Auftreten  von  HOt  ebenfalls  gänzlich  verhindern  würde. 

Ein  Beispiel  ähnlicher  Art  ist  Folgendes.  Bekanntlich 
bilden  sich  nach  meinen  Versuchen  beim  Schütteln  einer 
alkalisirten  Lösung  von  Pjrrogallussäure  mit  Sauerstoffgas 
oder  atmosphärischer  Luft  merkliche  Mengen   von  Wasser- 


8chönbe4n:  Zur  näheren  Kemebtrie*  den  Sauerstoffes.         259 

Btofisuperoxid.  Löst  man  z.  B.  nur  25  Milligramme  der 
genannten  Säure  in  50  Grammen  Wassers  auf,  denen  etwa 
ein  Gramm  massig  starker  Ealilösang  zugefugt  wird  and 
schüttelt  man  das  Gemisch  eine  Minute  lang  mit  atmo- 
sphärischen Sauerstoff  zusammen,  so  wird  dasselbe,  nachdem 
es  mit  verdünnter  SOs  übersäuert  und  dann  mit  einem 
gleichen  Raumtheil  Aethers  nebst  einigen  Tropfen  verdünnter 
Chromsäurelösung  zusammengeschüttete  worden,  diesen 
Aether  merklich  stark  lasurblau  färben,  welche  Reaction  die 
Anwesenheit  einer  schon  merklichen  Menge  von  HOt  an* 
zeigt.  Dieselbe  Menge  von  Pyrogallussäure  in  50  Grammen 
kalihaltigen  Wassers  gelöst,  welches  vorher  durch  entfasertes 
Blut  stark  gerottet  worden,  liefert  bei  sonst  gleicher  Be- 
handlung eine  Flüssigkeit,  in  welcher  sich  mittelst  Aethers 
und  Chromsäure  kein  HOt  mehr  nachweisen  lässt,  obwohl 
nicht  im  Mindesten  daran  zu  zweifeln  ist,  dass  auch  unter 
diesen  Umständen  die  Pyrogallussäure  gerade  so  rasch  wie 
ohne  die  Blutkörperchen  durch  den  atmosphärischen  Sauer- 
stoff oxidirt  und  dabei  HOt  gebildet  werde.  Wie  man  aber 
leicht  einsieht,  kann  bei  diesem  Vorgang  aus  dem  gleichen 
Grunde  kein  Wasserstoffsuperoxid  auftreten,  wesshalb  diese 
Verbindung  beim  Schütteln  des  SOt-haltigen  Wassers  mit 
Bleiamalgam  und  Kohle  oder  Platinmohr  nicht  zum  Vor* 
scheine  kommt  und  da  nach  meinen  Beobachtungen  das  in 
dem  entfaserten  Blut  enthaltene  Eiweiss  nicht  katalysirend 
auf  HOt  einwirkt,  so  sind  es  die  Blutkörperchen,  welche 
das  unter  den  erwähnten  Umständen  entstehende  Wasser* 
stoffsuperoxid  nach  Massgabe  seiner  Bildung  auch  wieder 
zerstören.  Unlängst  ist  von  mir  gezeigt  worden,  dass  durch 
die  ganze  Pflanzen*  und  Thierwelt  Materien  verbreitet  seien, 
welchen  gleich  dem  Platin,  der  Kohle  und  den  Blutkörper- 
chen das  Vermögen  zukommt,  das  Wasserstoffsuperoxid  zu 
zerlegen.  Wenn  nun  organische  Substanzen  bei  Gegenwart 
derartiger    Materien    in    Berührung    mit    atmosphärischem 


260      Bitomng  der  maffc-fifty«.  Glosse  vom  12.  November  1864. 

Sauerstoff  and  Wasser  die  langsame  Oxidation  erleiden  und 
unter  diesen  Umständen  auch  HO»  gebildet  wird,  so  be- 
greift sich  leicht,  dass  dieses  Superoxid  je  nach  Umständen 
sofort  entweder  gänzlich  oder  doch  theilweise  wieder  zer- 
stört werden  muss,  gerade  so,  wie  Diess  mit  dem  Wasser- 
stofisuperoxide  geschieht,  welches,  beim  Schütteln  SOs-halt- 
igen  Wassers  mit  Bleiamalgam  und  Sauerstoff  bei  Anwesen- 
heit von  Kohle  oder  der  Blut-  und  Kalk-haltigen  Pyro- 
gallu8säure  mit  atmosphärischer  Luft  gebildet  wird.  Scheint 
nun  auch  bei  der  Respiration  des  Blutes,  der  Verwesung 
vieler  organischen  Materien  und  den  in  feuchter  Luft  statt- 
findenden Oxidation  unorganischer  Substanzen  kein  Wasser- 
stoffsuperoxid erzeugt  zu  werden,  so  kommt  diess  nicht 
davon  her,  dass  bei  den  erwähnten  Vorgängen  überhaupt 
kein  Solches  entstehe,  sondern  hat  nach  meinem  Dafürhalten 
seinen  Grund  in  Nebenumständen,  ähnlich  Denen,  welche 
vorhin  bezeichnet  wurden. 

Nach  diesen  Erörterungen  wird  es  wohl  kaum  noch 
der  Bemerkung  bedürfen,  dass  ich  die  oben  besprochenen 
Thatsachen  zu  Gunsten  der  von  mir  wiederholt  geäusserten 
Ansicht  zu  deuten  geneigt  bin,  gemäss  welcher  der 
Sauerstoff  in  zwei  einander  entgegengesetzt  thätigen  Zu- 
ständen und  in  einem  Neutralen  zu  bestehen  vermag  und 
diese  Zustände  in  einander  sich  überfuhren  lassen,  obwohl 
ich  immer  noch  nicht  wage,  irgend  welche  Vermuthung 
über  den  nächsten  Grund  dieser  Zustände  und  ihrer  Ver- 
änderung auszusprechen.  Worauf  dieselben  aber  auch  immer 
beruhen  mögen,  so  viel  scheint  mir  doch  jetzt  schon  gewiss 
zu  sein,  dass  sie  bei  allen,  scheinbar  durch  den  gewöhn- 
lichen Sauerstoff  bewerkstelligten  Oxidationen  und  namentlich 
bei  denjenigen  eine  massgebende  Rolle  spielen,  welche  so 
viele  Materien  unorganischer  und  organischer  Art  in  Be- 
rührung mit  atmosphärischer  Luft  und  Wasser  schon  bei 
gewöhnlicher  Temperatur  erleiden,  wie  uns  hievon  die  Vor- 


ScMtibein:  Zur  näharm  Kumtate  dm  Sauerstoffe*         261 

weeung  omanischer  Stoffe  und  die  Respiration  der  Thiere 
die  grossartigsten  Beispiele  liefern,  gegen  welche  alle 
übrigen  auf  der  Erde  stattfindenden  Oxidationsvorgänge  als 
klein  und  unbedeutend  erscheinen.  Ehe  man  die  verschie- 
denen Zustände  des  Sauerstoffes  kannte,  musste  man  an- 
nehmen, dass  dieser  Grundstoff  so  wie  er  in  der  Atmos- 
phäre vorhanden  ist,  auf  die  oxidirbaren  Materien  sich 
werfe,  ohne  vorher  selbst  irgend  welche  Veränderung  er- 
leiden zu  müssen.  Die  in  neuerer  und  neuester  Zeit  ermit- 
telten Thatsachen  scheinen  mir  aber  zu  der  Annahme  zu 
berechtigen,  dass  dieser  Sauerstoff  als  solcher  keine  Oxida- 
tionswirkungen  hervorzubringen  vermöge  und  bevor  er  diesa 
zu  thun  befähiget  ist,  erst  diejenige  Veränderung  erleiden 
müsse,  in  Folge  deren  er  in  zwei  einander  entgegengesetzt 
thätige  Hälften  gleichsam  sich  spaltet,  oder,  wie  ich  mich 
gern  weniger  hypothetisch  ausdrücke,  chemisch  polarisirt  wird« 
Beziehen  wir  nun  diese  Annahme  zunächst  auf  die  Er- 
scheinungen der  Verwesung  und  thierischen  Respiration,  so 
lässt  sie  uns  als  nächste  Ursache  dieser  weitgreifenden 
chemischen  Vorgänge  eben  die  Spaltung  oder  Polarisation 
des  atmosphärischen  Sauerstoffes  erscheinen,  eingeleitet 
einerseits  durch  das  vorhandene  Wasser,  andererseits  durch 
das  oxidirbare  Material  unorganischer  und  organischer  Sub- 
stanzen, zwischen  welchen  Materien  im  Augenblicke  der  ein- 
tretenden Oxidation  der  polarisirte  Sauerstoff  sich  theilt,  in 
gleicher  Weise  wie  Diess  obigen  Angaben  gemäss  beim  Zu- 
sammenwirken von  Bleiamalgam,  SO* -haltigem  Wasser  und 
atmosphärischem  Sauerstoff,  oder  um  ein  noch  einfacheren 
Beispiel  zu  wählen,  bei  der  langsamen  Verbrennung  des 
Phosphors  geschieht. 


(1864.  IL  3.)  18 


262      Sitwmg  im  urtk-ffty».  OI/uh  vom  1*.  Nowtmb&r  1964. 


2)  Ueber  das  Verhalten  des  Sauerstoffes  zum 
Thallium. 

Das  Thallium,  obwohl  erst  seit  Kurzem  aufgefunden 
und  spärlichst  in  der  Natur  angetroffen,  ist  von  den  Ent- 
deckern desselben  und  einigen  andern  Chemikern  doch  schoa 
ziemlich  genau  erforscht  und  das,  was  wir  bereits  von  ihm 
wissen,  laset  es  uns  als  einen  der  merkwürdigsten  metal- 
lischen Körper  erscheinen. 

Gewisse  Eigenschaften,  welche  das  Thallium  einerseits 
mit  dem  Blei,  andererseits  mit  den  alkalischen  Metallen 
gemein  hat,  liessen  mich  vermuthen,  dass  auch  sein  Ver- 
halten zum  Sauerstoff  manches  Eigentümliche  zeigen  dürfte 
und  desshalb  wünschen,  einige  Oxidationsverhältnisse  dieses 
Metalles  durch  eigene  Versuche  kennen  zu  lernen.  Hot 
Kuhlmann  aus  Lille  hat  mich  durch  die  Uebersendung 
einigen  Thalliums  in  den  Stand  gesetzt,  die  gewünschten 
Untersuchungen  auszuführen  und  ich  benütze  diesen  Anlast 
gerne,  demselben  für  seine  so  verbindliche  Freigebigkeit 
meinen  besten  Dank  öffentlich  zu  bezeugen. 

Die  Ergebnisse  meiner  Versuche ,  welche  den  Gegen- 
stand dieser  Mittheilung  ausmachen,  sind  so  ausgefallen, 
dass  sie  wohl  von  Seite  der  Chemiker  einige  Beachtung 
verdienen  dürften,  insofern  sie  uns  mit  Thatsachen  bekannt 
machen,  welche,  wie  ich  glaube,  nicht  ohne  allgemeinerei 
Interesse  und  desshalb  auch  geeignet  sind,  manche  andere 
schon  bekannte,  den  Sauerstoff  betreffende  Vorgänge  fer 
uns  verständlicher  zu  machen,  als  sie  es  bisher  gewesen. 

Wie  bei  gewöhnlicher  Temperatur  der  wasserfreie  neu- 
trale Sauerstoff  kein  Metall  zu  oxidiren  vermag,  so  auch 
nicht  das  Thallium,  welches,  wie  lange  man  es  unter  den 
erwähnten  Umständen  in  gewöhnlichem  Sauerstoff  verweilen 
lässt,    des  Gänzlichen   unverändert  bleibt.    Anders  verhält 


ScMMetn:  Zur  näheren  Kenntnim  des  Scmentofee.         263 

sich  der  ozonisirte  Sauerstoff  (6)  gegen  das  Metall,  welches 
er  rasch  zu  braunem  Oxid  (TlOs)  oxidirt,  wie  daraus  er- 
hellt, dass  ein  glänzendes  Thalliumstäbohen,  in  stark  ozoni- 
sirte Luft  eingeführt,  unverweilt  mit  einer  tiefbraunen  Hütte 
sich  überzieht.  Fährt  man  mit  einem  Thalliumstück  drückend 
über  weisses  Papier  hin,  so  dass  daran  einiges  Metall  haften 
bleibt,  so  bräunt  sich  die  beschriebene  Stelle  in  ozonisirter 
Luft  beinahe  augenblicklich,  aus  welchen  Angaben  erhellt! 
dass  dem  Ozon  gegenüber  das  Thallium  als  höchst  oxidir- 
bares  Metall  sich  verhält  Ich  darf  hier  jedoch  nicht  uner- 
wähnt lassen,  dass  selbst  der  ozonisirte  Sauerstoff,  falls  er 
vollkommen  wasserfrei  ist,  kaum  merklich  oxidirend  auf 
das  Thallium  einwirkt,  wie  ich  diess  früher  auch  schon  vom 
Silber  und  Blei  gezeigt  habe  und  noch  Weiteres  über  den 
Einfluss  des  Wassers  auf  die  chemische  Wirksamkeit  des 
Ozons  in  einer  eigenen  Abhandlung  späterhin  mittheilen 
werde. 

Eben  so  leicht  wie  mit  dem  Thallium  selbst  verbindet 
sich  der  ozonisirte  Sauerstoff  mit  dessen  Oxidul  (TIO)  zu 
dem  braunen  Oxide  (TlOi),  wie  daraus  hervorgeht,  dass 
beim  Durchleiten  eines  Stromes  stark  ozonisirter  Luft  durch 
eine  wässrige  Losung  des  Oxidules  Letztere  sofort  stark 
sich  bräunend  trübt  in  Folge  der  Bildung  und  Ausscheidung 
von  TlOt  und  kaum  ist  nöthig  noch  beizufügen,  dass  unter 
diesen  Umständen  das  Ozon  gänzlich  verschwindet.  Die  ein- 
fachste Art  der  Anstellung  dieses  Versuches  besteht  darin, 
Streifen  weissen  Filtrirpapieres,  mit  gelöstem  Thallinmoxidul 
getränkt,  in  eine  Ozonatmosphäre  einzufuhren,  in  welcher 
dieselben  augenblicklich  auf  das  Augenfälligste  gebräunt 
werden,  wesshalb  auch  mit  TlO-behaftetes  Papier  ab  sehr 
empfindliches  Reagens  auf  Ozon  und  die  Lösung  dieses 
Oxidules    als  sogenannte  sympathetische  Dinte  dienen  kamt. 

Gleich  dem  freien  —  wird  auch  das  an  Kohlensäure 
gebundene  Thallinmoxidul  durch  den  ozonisirten  Sauerstoff 

18* 


364      Sitemg  der  math.-phy*.  Clane  vom  12.  November  1864. 

zu  TlOs  oxidirt,  obwohl  merklich  langsamer  als  die  reine 
Basis,  wie  man  diess  schon  aus  dem  Umstände  abnehmen 
kann,  dass  ein  mit  der  Lösung  des  Carbonates  getränkter 
Papierstreifen  in  einer  Ozonatmosphäre  nur  sehr  langsam 
sich  bräunt.  Auf  das  an  kräftigere  Säuren  gebundene  Oxidul 
scheint  das  Ozon  nicht  ozidirend  einzuwirken. 

Auch  der  gebundene  ozonisirte  Sauerstoff,  wie  er  z.  B. 
in  der  Uebermangansäure  enthalten  ist,  vermag  sowohl  das 
Thallium,  als  dessen  Oxidul  zu  TlOs  zu  oxidiren,  woher  es 
kommt,  dass  die  wässrigen  Lösungen  dieser  Säure  oder 
ihrer  Salze  durch  Metall  und  Oxidul  entfärbt  werden  unter 
Bildung  von  MnO»  und  TlOs.  Da  schon  kleine  Mengen  be- 
sagter Säure  oder  ihrer  Salze  verhaltnissmässig  sehr  grosse 
Quantitäten  Wassers  noch  merklich  stark  röthen,  so  werden 
solche  verdünnte  Lösungen  auch  durch  äusserst  kleine  Men- 
gen Thalliumoxidules  unter  bräunlicher  Trübung  augenblick- 
lich entfärbt  und  kaum  ist  nöthig  beizufügen,  dass  seiner 
Unlöslichkeit  halber  das  Metall  langsamer  als  sein  Oxidul 
diese  Wirkung  hervorbringe.  Wie  die  Uebermangansäure 
oxidiren  auch  die  gelösten  Hypochlorite  Metall  und  Oxidul 
zu  TlOs  mit  dem  Unterschiede  jedoch,  dass  sie  etwas  lang- 
samer wirken,  als  diess  die  genannte  Säure  thut.  Wenn 
erwähntermaassen  der  freie  ozonisirte  Sauerstoff  nur  das  an 
CO»,  nicht  aber  das  an  stärkere  Säuren  z.  B.  SOs  gebun- 
dene TIO  zu  TlOs  oxidirt,  vermögen  dagegen  aus  allen  Thal- 
liümsalzen  die  Permanganate  das  braune  Oxid  zu  fallen, 
dem  natürlich  immer  das  durch  die  Reduction  der  Ueber- 
mangansäure entstandene  MnOs  beigemengt  ist.  Die  Super- 
oxide des  Thalliums  (TlOs)  und  Wasserstoffes  reduciren 
sich  gegenseitig  unter  Entwickelung  gewöhnlichen  Sauer- 
stoffgases, welche  Thatsache  zeigt,  dass  das  Erstere  ein 
Ozonid  ist 8) ;  ich  darf  jedoch  nicht  unerwähnt  lassen ,  dass 


3)  Bekanntlich  vermag  auch  das  in  mancher  andern  Beziehung 


8ekönbein:  Zur  näheren  Kenntnis*  dee  Sauerstoffes.         266 

hierbei  ausser  T10  auch  noch  in  geringer  Menge  ein  Oxid 
zum  Vorschein  kommt,  welches  wie  das  TlOs  in  Wasser 
unlöslich  ist,  gelb  aussieht,  gegen  HOs  für  sich  allein  gleich- 
gültig sich  verhält  und  den  angesäuerten  Jodkaliumkleister 
augenblicklich  tief  bläut,  welche  das  basische  (hridul  nicht 
hervorbringt  und  die  deutlichst  zeigt,  dass  das  fragliche 
Oxid  mehr  Sauerstoff  enthält  als  TIO.  Wie  dasselbe  zu«» 
sammengesetzt  ist,  habe  ich  wegen  der  Kleinheit  des  mir 
zu  Gebot  stehenden  Materiales  noch  nicht  ermitteln  können, 
möglicher  Weise  könnte  es  TlsCls  entsprechen,  also  Tis  Ob 
sein.  Am  Einfachsten  läset  sich  dieses  Verhalten  von 
TlOs  zu  HOs  in  folgender  Weise  zeigen.  Man  lässt  einen 
mit  Thalliumoxidullösung  getränkten  Streifen  weissen  Filtrir- 
papieres  erst  in  einer  starken  Ozonatmosphäre  sich  stark 
bräunen  und  übergiesst  ihn  dann  mit  Wasserstoffisuperoxid, 
durch  welches  er  unter  noch  sichtlicher  Gasentwickelung 
ziemlich«  rasch  gebleicht  wird.  Führt  man  das  so  beschaffene 
und  mit  Wasser  ausgewaschene  Papier  in  ungesäuerten  Jod» 
kaliumkleister  ein,  so  färbt  sich  dasselbe  sofort  blau  in 
Folge  der  kleinen  Menge  des  noch  in  ihm  enthaltenen 
gelben  Thalliumoxid,  von  dem  vorhin  die  Rede  gewesen. 

Ein  ganz  eigentümliches  Interesse  bietet  das  Verhalten 
des  Thalliums  zum  Wasserstofisuperoxid  dar,  wie  aus  nach* 
stehenden  Angaben  erhellen  wird.  Ein  Stuckdien  des  Me- 
talles von  glänzender  Oberfläche  in  HOs  eingeführt,  behält 
auf  einige  Augenblicke  sein  metallisches  Aussehen  bei,  wie 
es  anfänglich  auch  nicht  im  Mindesten  zersetzend  auf  das 
Superoxid  einwirkt;  bald  bedeckt  sich  jedoch  das  Metall 


dem  Thallium  ähnliche  Kalium  mit  S  Aequivalent  Bauerstoffes  au 
einem  Superoxid  sich  zu  verbinden,  welche«  jedoch  durch  seinen 
antozonidischen  Charakter  stark  von  TlOs  abweicht,  was  auf  eine 
grosse  zwischen  beiden  Metallen  bestehende  Verschiedenheit  hinzu- 
deuten scheint. 


2*6      Süftny  der  «atfc.-jpfy«.  GImn  vom  12.  ifooemter  J8*4. 

Mit  einer  tiefbraunen  Halle  und  ist  letztere  bemerklich  ge- 
worden, 80  treten  an  ihr  Gasbläschen  auf,  welche  bei  der 
geringsten  Bewegung  sich  losreissen  und  braune  Flocken  in 
die  Höhe  fahren,  wodurch  die  Gasentbindung  durch  die 
ganze  Flüssigkeit  verbreitet  wird.  Das  entbundene  Gas,  die 
braune  Holle  und  die  aufsteigenden  Flocken  sind  nichts 
Anderes  als  gewöhnlicher  Sauerstoff  und  Thalliumoxid,  durch 
welches  Letitere  allein  und  nicht  durch  das  Metall  selbst 
die  Zersetzung  des  Wassersto&uperozides  bewerkstelliget 
wird.  Da  mit  dieser  Zersetzung  auch  diejenige  des  ent- 
standenen TlOt  Hand  in  Hand  geht,  d-  h.  dieses  Oxid  bei 
Anwesenheit  einer  hinreichenden  Menge  von  HOi  dem 
grössten  Theile  nach  zu  HO  reducirt  wird,  so  löst  sich 
Letzteres  in  dem  vorhandenen  Wasser  auf,  ihm  desshalb 
die  Eigenschaft  ertheilend,  das  Curcumapapier  zu  bräunen, 
aus  gelöstem  Jodkalium  gelbes  Jodthallium  zu  fallen  u.  s.  w. 
Versteht  sich  von  selbst,  dass  auch  unter  diesen  Umstanden 
in  kleiner  Menge  das  schon  erwähnte  unlösliche  gelbe  Oxid 
entsteht,  welches  den  angesäuerten  Kleister  zu  blauen 
vermag. 

Was  das  gelöste  Thalliumoxidul  betrifft,  so  Esst  es 
sich  mit  Wasserstolfeuperoxid  vermischen,  ohne  dass  das 
braune  Oxid  entstünde  oder  Sauerstoffgas  entbunden  würde. 
Ich  bewahre  eine  solche  Mischung  schon  mehrere  Wochen 
lang  auf  und  finde,  dass  dieselbe  immer  noch  auf  T10  und 
HOs  reagirt.  Es  ist  desshalb  aller  Grund  zu  der  Annahme 
vorhanden,  dass  das  metallische  Thallium  vom  Wasserstoff- 
superoxid unmittelbar  zu  TlOs  oxidirt  und  das  unter  diesen 
Umständen  zum  Vorschein  kommende  T10  auf  mittelbarem 
Wege,  d.  h.  erst  dadurch  gebildet  werde,  dass  die  Super- 
ende des  Thalliums  und  Wasserstoffes  gegenseitig  sieh 
reduciren ;  denn  da  T10  gegen  HOs  erwähntermassen  gleich- 
gültig sich  verhält,  so  kann  das  im  Wasserstoffsuperoxid 
aus  metallischem  Thallium  entstehende  TlOs  nicht  durch  die 


Sekönbfm:  Zur  nähen»  Kemtmss  des  Sauerstoffes.         267 

Bildung  von  TU)  hindurch  gegangen,  d.  h.  auf  eine  sekun- 
däre Weise  entstanden,  sondern  muss  auf  einmal  gebildet 
worden  sein. 

Da  das  Thallium  wie  auch  dessen  Oxidul  vom  ozoni- 
siften  Sauerstoff  rasch  su  TlOs  oxidirt  wird,  das  zweite 
Sauerstoffaquivalent  des  Wasserstoffsuperoxidee  dagegen  voll- 
kommen unthätig  gegen  TIO  sich  verhält,  so  erfährt  man 
hieraus,  dass  besagter  Sauerstoff  nicht  in  demjenigen  Zu* 
Stande  sich  befindet,  in  dem  er  sein  mnss,  damit  er  mit  TIO 
zu  TIO»  sich  zu  verbinden  vermöge.  Nach  meiner  Annahme 
ist  HOt  =  HO  +  ©  und  TlOs  =  TIO  +  20  und  da  erfohrungs- 
gemäss  das  Thallium  und  dessen  Oxidul  nur  durch  6  zu 
TlOs  oxidirt  werden  kann,  so  muss  ich  annehmen,  dass 
dem  Metalle,  nicht  aber  dem  Oxidule  das  Vermögen  zu* 
komme,  das  ©  des  Wasserstoffsuperoxides  in  0  umzukehren 
und  eben  dadurch  seine  eigene  Oxidation  einzuleiten.  Auf 
eine  Anzahl  ahnlicher  Thatsachen  mich  stützend,  habe  ich 
schon  früher  darzuthun  versucht,  dass  unter  dem  Beriihrungs- 
cinflusse  gewisser  Materien  die  eine  Sauerstoffmodification 
in  eine  andere  und  namentlich  das  ©  des  Wasserstofisuper- 
oxidee  in  6  übergeführt  werden  könne,  wesshalb  ich,  um 
Wiederholungen  zu  vermeiden,  auf  die  betreffenden  Abhand- 
lungen verweisen  will.  Wird  ein  Amalgam,  welches  0,5  °/o  Thal- 
liums enthält,  mit  SOs -haltigem  Wasser  und  gewöhnlichem 
Sauerstoff  nur  wenige  Minuten  lang  zusammen  geschüttelt, 
so  erweist  sich  die  saure  Flüssigkeit  schon  so  HOt  -haltig* 
dass  dieselbe  mit  dem  gleichen  Baumtheile  Aethers  und 
einigen  Tropfen  verdünnter  Chromsäurelösung  geschüttelt, 
den  Aether  deutlichst  lasurblau  färbt,  welche  Reaction  das 
Vorhandensein  einer  schon  merklichen  Menge  Wasserstoff* 
Superoxides  anzeigt,  die  unter  den  erwähnten  Umständen 
gebildet  worden.  Selbstverständlich  entsteht  aber  auch  zu- 
gleich schwefelsaures  Thalliumoxidul ,  welches  sich  in  dem 
vorhandenen  Wasser  löst,  wie  diess  der  gelbe  Niederschlag 


268     Sitnmg  der  math.-phys.  CUme  mm  12.  November  1864. 

von  Jodthallium  beweist,  welcher  beim  Zufügen  gelösten 
Jodkaliums  erhalten  wird.  Hieraus  erhellt,  dass  der  ge- 
wöhnliche Sauerstoff  zum  Thallium  gerade  so  wie  zum  Blei 
sich  verhält,  wie  es  auch  höchst  wahrscheinlich  ist,  dass 
unter  den  erwähnten  Umständen  auf  ein  Aequivalent  Thal- 
liumsulfates ein  Aequivalent  Wasseretoffsuperoxides  auftrete, 
also  auch  in  diesem  Falle  der  oxidirende  Sauerstoff  zwischen 
dem  Metall  und  Wasser  sich  gleich  theile. 

Beim  Schütteln  des  erwähnten  Amalgam  es  mit  reinem 
Wasser  und  gewöhnlichem  Sauerstofijgas  wird  kein  Wasser- 
stoffsuperoxid, sondern  nur  Thalliumoxidul  erhalten,  welches 
in  dem  vorhandenen  Wasser  sich  löst;  lässt  man  dagegen 
das  Amalgam,  mit  einer  sehr  dünnen  Schichte  Wassers  be- 
deckt, längere  Zeit  mit  0  ruhig  zusammen  stehen,  so  bildet 
sich  zwar  auch  TIO,  es  treten  jedoch  auch  braune  Schüpp- 
chen auf,  welche  im  Wasser  unlöslich  sind,  durch  HOt 
unter  Entbindung  von  Sauerstoffgas  zu  löslichem  (hrfdul 
und  dem  oben  erwähnten  gelben  Oxid  reducirt  werden,  den 
angesäuerten  Jodkaliumkleister  auf  das  Tiefste  bläuen  und 
in  jeder  weitern  Beziehung  wie  TlOt  sich  verhalten.  Da 
der  gewöhnliche  Sauerstoff  gleichgültig  gegen  das  gelöste 
Thalliumoxidul  sich  verhält,  d.  h.  unfähig  ist,  dasselbe  zu 
TlOt  zu  oxidiren,  so  kann  auch  das  Thalliumoxid,  welches 
bei  der  Einwirkung  des  wasserhaltigen  0  auf  das  Thallium 
allmählig  sich  bildet,  nicht  so  entstehen,  dass  das  Metall 
erst  zu  TIO  und  dieses  durch  weitere  Sauerstoffaufnahme 
zu  TlOt  oxidirt  würde. 

Wie  ich  glaube,  lassen  sich  alle  die  erwähnten,  durch 
den  gewöhnlichen  Sauerstoff  auf  das  Thallium  hervorgebrach- 
ten Oxidationswirkungen  kaum  Anders  als  durch  folgende 
Annahmen  erklären. 

Kömmt  Thallium  und  Wasser  in  Berührung  mit  neu« 
tralem  Sauerstoff  zu  stehen,  so  werden  auf  ein  Aequivalent 
Metalles  und  drei  Aequivalente  Wassers    sechs  Aequivalente 


Schönbem :  Zur  näharm  Kitmimiu  da  ßmmtkgu.         269 

0  zu  drei  ©  und  drei  ö  diemisch  polarisirt,  welche  Enteren 
mit  Wasser  zu  3  HOs ,  die  Letztem  mit  Tl  zu  TlOs  sich 
verbinden.  Bei  der  oben  erwähnten  Gegensätzlichkeit  dieser 
Oxide  wirken  sie  aber  anmittelbar  nach  ihrer  Bildung  ge- 
genseitig desoxidirend  auf  einander  ein  und  da  zur  Reduction 
des  TlOs  zu  T10  zwei  Aequivalente  Wasserstoffsuperoxides 
erforderlich  sind,  so  bleibt  von  den  drei  Aequivalenten  des 
gebildeten  HO»  noch  Eines  übrig  und  es  müssen  somit  auf 
fünf  Aequivalente  des  in  dieser  Weise  oxidirten  Metalles 
eben  so  viele  Aequivalente  HOs  übrig  bleiben.  Da  nun 
obigen  Angaben  gemäss  beim  Zusammentreffen  des  Thal* 
liums  mit  Wassersto&uperoxid  rasch  TlOs  sich  bildet,  so 
wird  noch  ein  sechstes  Aequivalent  dieses  Metalles  durch 
drei  Aequivalente  HOs  oxidirt,  Letzteres  jedoch  sofort  wieder 
durch  die  noch  übrigen  zwei  Aequivalente  Wasserstoffsuper- 
oxides zu  TIO  reducirt  werden,  so  dass  also  kein  HOs 
übrig  bleiben  kann  und  es  das  Aussehen  haben  muss,  als 
ob  unter  den  erwähnten  Umständen  nichts  Anderes  ge- 
schehen wäre,  als  dass  gleiche  Aequivalente  von  Metall  und 
Sauerstoff  sich  unmittelbar  zu  Thalliumoxidul  verbunden 
hätten. 

Diesen  Annahmen  gemäss  würden  somit  durch  fünf 
Aequivalente  Thalliums  und  fünfzehn  Aequivalente  Wassers 
dreissig  Aequivalente  neutralen  Sauerstoffes  in  Anspruch  ge- 
nommen, obgleich  von  dieser  Sauerstoffmenge  schliesslich 
nur  sechs  Aequivalente  mit  dem  Metalle  vereiniget  bleiben, 
während  die  übrigen  24  in  Mitleidenschaft  gezogenen  Sauer* 
stoffaequivalente  abwechselnd  als  ©  und  0  gebunden  und 
im  O-Zustande  wieder  in  Freiheit  gesetzt  würden.  Es  wer- 
den indessen  diese  Vorgänge  nur  dann  völlig  so  stattfinden 
können,  wenn  das  amalgamirte  Thallium  mit  reinem  Wasser 
und  0  geschüttelt  wird,  weil  das  unter  solchen  Umständen 
sich  bildende  Thalliumoxid  im  Augenblicke  seiner  Entsteh« 
tmg  mit  der  zu  seiner  Reduction  notwendigen  Menge  von 


390      SUmmg  im  matkrfh**.  Claim  vm  12.  Nowembcr  1964 


Wasserstoffsuperoxid  in  Wechselwirkung  gesellt  wird.  Lädst 
man  dagegen  das  besagte  Amalgam  mit  Wasser  und  neut- 
ralem Sauerstoffe  ruhig  mit  einander  in  Berührung  stehen, 
so  sind,  wie  man  leicht  einsieht,  diese  Umstände  so,  daas 
kleine  Mengen  des  ursprünglich  gebildeten  Thalliumoxidea 
der  reducirenden  Einwirkimg  des  gleichzeitig  entstandenen 
Wasserstoffsuperoxides  entgehen  können. 

Wird  das  Amalgam  mit  SO» -haltigem  Wasser  und  0 
geschüttelt,  so  finden  natürlich  auch  unter  diesen  Umstän- 
den die  gleichen  Vorgänge  statt,  wie  in  den  beiden  andern 
Fällen,  mit  dem  Unterschiede  jedoch,  dass  das  hierbei  se- 
kundär entstandene  Thalliumozidul  mit  der  vorhandenen 
Schwefelsäure  ein  Sulfat  bildet  und  überdiess  noch  Wasser- 
stoffsuperoxid zum  Vorschein  kommt.  Es  werden  nemlich 
auch  in  dem  vorliegenden  Fall  auf  ein  Aequivalent  Metalles 
und  drei  Aequivalente  Wassers  sechs  Aequivalente  neutralen 
Sauerstoffes  in  drei  ©  und  drei  6  übergeführt,  d.  h.  3  HO» 
und  TlOs  gebildet  und  zur  Reduction  des  Letztern  2  HO* 
▼erbraucht,  während  das  übrig  bleibende  dritte  Aequivalent 
Wasserstoffsuperoxidee  (wenigstens  ein  Tkeil  desselben)  aus 
dem  gleichen  Grunde  der  Zersetzung  entgeht,  wesshalb  ein 
Gleiches  beim  Schütteln  SOt- haltigen  Wassers  mit  Blei* 
amalgam  und  Sauerstoff  geschieht. 

Derartige  Vorstellungen  über  den  Hergang  der  Sache 
mögen  manchem  Chemiker  auf  den  ersten  Blick  sonderbar 
und  künstlich  genug  vorkommen  gegenüber  den  Ansichten, 
welche  man  bisher  über  derartige  Oxidationsvorgänge  hatte, 
und  gemäss  welchen  man  z.  B.  die  Bildung  des  Thallium* 
oxidules  in  wasserhaltigem  Sauerstoff  als  eine  ganz  einfache 
und  ursprüngliche  Verbindung  dieses  Elementes  mit  dem 
Metalle  betrachtet.  Meinem  Dafürhalten  nach  liegt  aber 
bereits  mehr  als  nur  eine  Thatsache  vor,  welche  zu  dem 
Schlüsse  berechtiget,  dass  das  Endergebniss  der  Einwirkung 
des  Sauerstoffes  auf  eine  oxidirbare  Materie  nicht  der  einzige 


Schönbein:  Zw  näheren  Kenntnis*  de»  Sauerstojfts.         271 

Vorgang  sei,  welcher  zwischen  beiden  Körpern  stattgefunden, 
sondern  dass  demselben  noch  anderweitige  stoffliche  Ver- 
änderungen vorausgegangen  and  die  Bildung  der  zuletzt  er- 
haltenen Sauerstoffverbindung,  um  bildlich  zu  reden,  nur 
der  Abschluss  eines  aus  mehreren  Acten  bestehenden  chemi- 
schen Dramas  sei,  welche  Acte  bisher  nur  desshalb  unbe- 
achtet geblieben  sind,  weil  dieselben  in  der  Regel  so  rasch 
aufeinander  folgen,  dass  sie  der  Zeit  nach  in  einen  Einzigen 
zusammen  zu  fallen  scheinen.  Wie  man  sehen  wird,  be- 
spricht die  nachstehende  Mittheilung  „Ueber  das  Verhalten 
des  Sauerstoffes  zum  Blei"  eine  Reihe  von  Thatsachen, 
denen  völlig  ähnlich,  von  welchen  soeben  die  Rede  gewesen, 
wesshalb  ich  auch  nicht  umhin  kann,  sie  in  gleicher  Weise 
zu  deuten.  Die  Annahme,  dass  jede  chemische  Verbindung 
oder  Trennung  zweier  oder  mehrerer  Stoffe  mit-  oder  von- 
einander in  Wirklichkeit  ein  „Processus"  und  nicht  ein 
blosses  urplötzliches  Aneinanderlagern  oder  Auseinander- 
reissen  ihrer  kleinsten  Theilchen  sei,  sondern  die  an  diesen 
Vorgängen  betheiligten  Urstoffe  selbst  gewisse  Zustandsver- 
änderungen  erleiden,  bevor  ihre  Verbindung  oder  Trennung 
vollendet  ist,  hat  mich  namentlich  bei  meinen  Untersuch- 
ungen über  die  Oxidations-  und  Desoxidationsvorgänge  ge- 
leitet und  ich  bereue  es  nicht,  dabei  von  einer  solchen  un- 
gewöhnlichen Voraussetzung  ausgegangen  zu  sein,  da  ich  ihr 
die  Ermittelung  von  Thatsachen  verdanke,  welche  ich  ohne 
sie  sicherlich  nicht  gefunden  hätte  und  denen  wohl  auch 
nicht  alle  theoretische  Bedeutung ,  abgesprochen  werden 
dürfte.  Ich  gedenke  daher  auch  fernerhin  meine  chemischen 
Forschungen  von  diesem  Standpunkte  aus  fortzusetzen,  nicht 
ohne  die  Hoffnung,  noch  den  einen  und  andern  Fund  zu 
thun  zur  Vermehrung  des  thatsächlichen  Materiales  der 
Wissenschaft  sowohl  als  auch  zur  Erweiterung  unserer  der- 
malen noch  so  geringen  Einsicht  in  den  Zusammenhang  der 


272      SiUrtmg  im  math.-pkys.  OUmee  vom  12.  November  1864. 

chemischen  Erscheinungen,  insbesondere  Derer,  welche  sieh 
auf  den  Centralkörper  der  Chemie  beziehen. 

Nachtrag  zur  voranstehenden  Mittheilang. 

Leitet  man  Chlorgas  in  eine  wässrige  Lösung  von  Thal- 
liumoxidul,  so  bildet  sich  sofort  braunes  Thalliumoxid ,  in 
Folge  dessen  die  Flüssigkeit  stark  getrübt  wird,  bei  weiterer 
Einführung  von  Chlor  verschwindet  jedoch  das  Oxid  wieder 
und  wird  die  Lösung  wieder  vollkommen  klar  und  farblos, 
woher  es  auch  kommt,  dass  mit  gelöstem  TIO  getränkte 
Papierstreifen  in  einer  Chloratmosphäre  sich  erst  bräunen 
und  dann  wieder  weiss  werden.  Da  aus  der  wieder  farblos 
gewordenen  Lösung  die  Alkalien  braunes  Thalliumoxid  nieder- 
schlagen, so  ist  wahrscheinlich,  dass  unter  den  erwähnten 
Umständen  3  TIO  und  2  Cl  zunächst  in  2  T1C1  und  TlOs 
sich  umsetzen  und  bei  weiterer  Einwirkung  von  Chlor  diese 
beiden  Thallium  Verbindungen  in  Thalliumchlorid  übergeführt 
werden.  Aehnlich  dem  Chlor  wirkt  auch  das  Brom  auf  die 
Thalliumoxidullö8ung  ein. 

Die  Lösungen  der  Thalliurnoxidsalze  z.  B.  des  Sulfates 
wie  auch  diejenigen  des  Chlorides  und  Bromides  bläuen 
selbst  in  höchst  verdünntem  Zustande  den  Jodkaliumkleister 
auf  das  Tiefste,  scheiden  also  Jod  aus  dem  Jodkalium  aus 
ohne  Zweifel  so,  dass  z.  B.  TlOs,  3  SOs  und  3  KJ  in  TU  + 
3  KO,SOs  +  2  J  oder  T1CU  und  3  KJ  in  TU  +  3  KCl  +  2  J 
sich  umsetzen. 

Zu  erwähnen  ist  noch,  dass  das  Thalliumoxid  SOs  rasch 
zu  SOs  oxidirt,  wie  diess  schon  aus  der  Thatsache  abzu- 
nehmen ist,  dass  durch  Ozon  gebräunte  TlO-haltige  Papier- 
streifen in  SOs -Gas  eingeführt,  beinahe  augenblicklich  weiss 
werden. 


Schfinbein:  Zur  nähert*  Kenntom  de»  Sauerstoffes.         278 


3)   Deber  das  Verhalten  des  Sauerstoffes  zum  Blei. 

Bekanntlich  verbindet  sich  nach  meinen  Versuchen  der 
ozonisirte  Sauerstoff  mit  dem  Blei  unmittelbar  zum  braunen 
Superoxid,  obwohl  merklich  langsamer  als  mit  dem  Thal- 
lium und  zwar  thut  er  diess  in  seinem  gebundenen  wie  im 
freien  Zustande,  wie  er  z.  B.  in  den  Permanganaten  und 
Hypochloriten  enthalten  ist,  in  welchen  6 -haltigen  gelösten 
Salzen  polirtes  Blei  allmählig  gerade  so  mit  einer  Hülle 
von  PbO»  sich  überzieht,  wie  diess  mit  dem  gleichen  Metall 
in  einer  Ozonatmosphäre  geschieht. 

Aehnlich  dem  metallischen  Blei  wird  auch  dessen  basiv 
sches  Oxid  durch  freien  ozonisirten  Sauerstoff  nach  und 
nach  zu  PbOs  oxidirt,  welche  Oxidation  selbst  ein  Theil 
der  Basis  des  Bleiessigs  erleidet,  wie  ich  diess  schon  vor 
Jahren  gezeigt  habe.  Eine  solche  Wirkung  bringt  auch  der 
in  den  Permanganaten  und  Hypochloriten  gebundene  ozoni- 
sirte Sauerstoff  auf  freies  und  gebundenes  Bleioxid  hervor, 
wesshalb  die  Lösungen  der  ersten  Salze  mit  Bleioxidhydrat 
geschüttelt  oder  beim  Vermischen  derselben  mit  gelöstem 
neutralen  oder  basisch-essigsauren  Bleioxid  entfärbt  werden. 

Was  das  Verhalten  des  Bleies  zum  Wasserstoffsuper- 
oxid betrifft,  so  wird  angenommen,  dass  dieses  Metall  in 
seh  wachem  Grade  das  Vermögen  besitze,  HOi  zu  kataly 
siren,  ohne  dabei  selbst  oxidirt  zu  werden.  Meine  über 
diesen  Gegenstand  angestellten  Versuche  haben  Folgendes 
gezeigt  Polirtes  Bleiblech  mit  HO«  in  Berührung  gesetzt, 
wirkt  anfanglich  nicht  merklich  auf  das  Superoxid  ein,  nach 
kurzer  Zeit  sieht  man  jedoch  die  Oberfläche  des  Metalles 
sich  schwach  bräunen  und  dann  mit  Gasbläschen  sich  be- 
decken. Nach  längerem  Zusammenstehen  des  Bleies  mit 
HOt  hört  die  Zersetzung  des  Letztern  gänzlich  auf  und  ist 
nun  die  Oberfläche  des  Metalles  mit  einer  dünnen  gelblichen 


274      Summa  der  fwrtfc.  jpfty.  Clane  vom  1*.  November  1S64. 

Oxidhülle  überzogen,  welche,  obwohl  gleichgültig  gegen  HOt 
sich  verhaltend,  dennoch  den  angesäuerten  Jodkaliumkleister 
zu  bläuen  vermag.  Da  bekanntlich  das  basische  Oxid  diese 
Wirkung  nicht  hervorbringt,  so  muss  das  fragliche  Oxid 
mehr  Sauerstoff  als  PbO  enthalten,  welche  Thatsache  es 
mir  wahrscheinlich  macht,  dass  wie  dem  Thallium  so  aaeh 
dem  Blei  das  Vermögen  zukomme,  das  0  des  Wasserstoff» 
Superoxides  erst  in  6  umzukehren,  um  sich  mit  Diesem  zu 
Bleisuperoxid  zu  verbinden,  welches  dann  ähnlich  dem  Thal- 
liumoxid durch  weiteres  HOs  unter  Entbindung  gewöhn- 
lichen Sauerstoffes  zu  dem  vorhin  erwähnten,  dem  ange- 
säuerten Jodkaliuinkleister  bläuenden  Oxide  reducirt  wird. 
Hieraus  würde  somit  folgen,  dass  das  Blei  als  solches  das 
Wasserstoffsuperoxid  nicht  zu  katalysiren  vermochte,  sondern 
dass  diese  Zersetzung  durch  das  ozonidische  Bleisuperoxid 
bewerkstelliget  wurde,  welches  anfänglich  das  Metall  mit 
HOs  erzeugt.  Ich  will  bei  diesem  Anlasse  nicht  unbemerkt 
lassen,  dass  nach  meinen  Erfahrungen  die  Annahme  irrig 
ist,  nach  welcher  PbOs  durch  HOs  vollständig  zu  PbO  redu- 
cirt würde,  was  nur  unter  der  Mitwirkung  einer  Saure  ge- 
schieht, welche  mit  dem  Bleioxid  ein  lösliches  Salz  bildet, 
denn  wirkt  HOs  für  sich  allein  auf  PbOs  ein,  so  erhält 
man  immer  ein  Oxid,  welches  den  angesäuerten  Jodkalium- 
kleister augenblicklich  noch  auf  das  Tiefste  bläut,  wie 
lange  man  die  genannten  Superoxide  aufeinander  wirken 
lassen  mag. 

Wenn  obigen  Angaben  gemäss  das  Thalliumoxidul  un- 
verändert neben  HOs  bestehen  kann,  so  verhält  sich  m 
dieser  Beziehung  das  entsprechende  Bleioxid  wesentlich 
anders.  Wird  nemlioh  das  Hydrat  desselben  mit  HOs  über- 
gössen, so  färbt  es  sich  bald  bräunlich  in  Folge  gebildeten 
BleisuperoxideB  und  augenblicklich  entsteht  PbOs,  wenn  man 
in  das  Gemisch  einer  Bleisalzlösung  und  Wasserstofisuper- 
oxid  gelöstes  Kali  tröpfelt,   wie  aus  der  sofort  eintretende« 


der  Flüssigkeit  erhellt  Eben  so  wandelt  nach 
meinen  frühem  Versuchen  HOi  einen  Theil  der  Basig  des 
Bleiessigs  augenblicklich  in  Bleisaperoxid  um  und  in  allen 
diesen  Fällen  fängt,,  falls  ein  Ueberschuss  von  HO*  vorhan- 
den ist,  das  gebildete  PbOs  sofort  an,  zersetzend  auf  das 
Wasserstoffsuperoxid  einzuwirken,  wobei  selbstverständlich 
beide  Superoxide  einen  Theil  ihres  Sauerstoffes  verlieren, 
ohne  dass  aber  PbOs  wieder  gänzlich  zu  PbO  reducirt 
würde,  wie  daraus  erhellt,  dass  das  entstandene  und  gegen 
HO*  vollkommen  gleichgültig  sich  verhaltende  Bleioxid  im- 
mer noch  die  Eigenschaft  besitzt,  den  angesäuerten  Jod- 
kaliumkleister zu  bläuen,  was  beweist,  dass  es  mehr  Sauer- 
stoff als  PbO  enthalte.  Kaum  wird  es  nöthig  sein,  noch 
ausdrücklich  zu  bemerken,  dass  alle  Beisalze,  die  unlös- 
lichen nicht  ausgenommen,  augenblicklich  sich  bräunen 
wenn  sie  erst  mit  HOt  und  dann  mit  Kalilösung  übergössen 
werden,  ein  Verhalten,  an  dem  sich  noch  sehr  kleine  Men- 
gen eines  Bleisalzes  erkennen  lassen. 

Thenard  gibt  an,  dass  auch  das  wasserfreie  Bleioxid 
(Massicot)  das  Wasserstoffsuperoxid  zerlege,  war  aber  der 
irrigen  Ansicht,  dass  hierbei  PbO  unverändert  bleibe.  Nach 
meinen  Beobachtungen  wirkt  allerdings  dieses  Oxid  anfäng- 
lich ziemlich  lebhaft  zersetzend  auf  HOs  ein,  es  hört  jedoch 
diese  Wirksamkeit  nach  einiger  Zeit  gänzlich  auf,  wie  viel 
uiizersetztes  HO*  auch  noch  vorhanden  sein  mag,  welche 
Unthätigkeit  beweist,  dass  die  Oberfläche  desMassicots  eine 
Veränderung  erlitten  habe.  Legt  man  ein  so  verändertes 
und  vorher  mit  Wasser  abgespültes  Stuck  Bleioxides  in  an« 
gesäuerten  Jodkaliumkleister,  so  färbt  sich  dieser  tiefblau, 
woraus  erhellt,  dass  unter  den  erwähnten  Umständen  ein 
Oxid  gebildet  wird,  welches  bei  Mitwirkung  einer  San» 
Sauerstoff  an  das  Kalium  des  Jodsalzes  abgeben  und  dess- 
halb  Jod  ausscheiden  kann.  Ich  ziehe  desshalb  aus  diesen 
Thatsachen  den  ScUuss,    dass  auch  das  wasserfreie  PbO 


276      SitMtmg  der  mdhrpkyt  CUas*  vom  12.  November  1864. 

durch  HO  erst  zu  PbOi  werde  und  dieses  Superoxid  es  sei, 
welches  das  Wasserstofisuperoxid  zerlegt,  dass  also  das 
wasserfreie  Bleioxid  gleich  seinem  Hydrate  zu  HOs  sich 
verhalte. 

Was  das  Verhalten  des  gewöhnlichen  Sauerstoffes  zum 
Blei  bei  Anwesenheit  Ton  Wasser  betrifft  (trockener  ist 
vollkommen  gleichgültig  gegen  das  Metall),  so  werden  nach- 
stehende Angaben  zeigen,  dass  dasselbe  bis  jetzt  nicht  ganz 
richtig  aufgefasst  worden  ist  Bekanntlich  wird  angenom- 
nammen,  dass  bei  Abwesenheit  von  Kohlensäure  unter  den 
erwähnten  Umständen  reines  Bleioxidhydrat  gebildet  werde; 
da  ich  aber  aus  mehr  als  einem  Grunde  an  der  Richtigkeit 
einer  solchen  Annahme  zweifeln  musste,  so  sah  ich  mich 
veranlasst  über  diesen  Gegenstand  eine  Reihe  von  Versuchen 
anzustellen,  deren  Ergebnisse  meine  Zweifel  vollkommen 
rechtfertigten  und  bemerkt  sei  hier  noch,  dass  das  zu  diesen 
Versuchen  dienende  Blei  aus  einer  Bleizuckerlösung  durch 
Zink  abgeschieden  und  vor  dem  Gebrauche  sorgfältigst  mit 
destillirtem  Wasser  ausgewaschen  wurde. 

Wird  in  diesem  Zustande  das  Metall  mit  reinem  Sauer- 
stoffgas und  Wasser  in  einer  verschlossenen  Flasche  ^so  lange 
zusammengeschüttelt,  bis  die  Flüssigkeit  milchig  geworden, 
was  schon  nach  wenigen  Minuten  der  Fall  ist,  so  vermag 
dieselbe  den  mit  Essigsäure  oder  SO»  angesäuerten  Jod« 
kaliumkleister  in  kurzer  Zeit  zu  bläuen,  welche  Reaction 
um  so  augenfälliger  und  rascher  auftritt,  je  länger  die  be- 
sagten Materien  zusammengeschüttelt  worden  und  ich  darf 
nicht  unterlassen,  hier  noch  ausdrücklich  zu  bemerken,  dass 
nur  im  Anfange  des  Schütteins  das  hierbei  gebildete  Oxid 
ran  weiss  erscheint,  bei  langem  Schütteln  aber  merklich 
stark  gelb  wird,  in  welchem  Zustande  es  den  angesäuerten 
Jodkaliumkleister  augenblicklich  auf  das  Tiefste  bläut.  Da 
diese  Färbung  von  dem  reinen  basisdien  Oxide  nicht  her» 
vorgebracht  wird,  so  kann  auch  die  fragliche  Materie  nicht 


Schönhein:  Zur  näheren  Kenntniss  des  Sauerstoffes.         277 

reines  Bleioxidhydrat  sein,  sondern  muss  mehr  Sauerstoff 
ab  PbO  enthalten.  Wie  man  sieht,  verhalt  sich  dieses  Oxid 
gleich  demjenigen,  welches  bei  der  Einwirkung  einer  hin- 
reichenden Menge  Wasserstoffsuperoxides  auf  das  freie 
basische  Oxid  oder  auf  einen  Theil  der  im  Bleiessig  ent- 
haltenen Basis,  oder  beim  Zusammenstehen  des  metallischen 
Bleies  mit  HO*  entsteht,  welche  sämmtliche  Oxide  man 
wohl  als  PbO  mit  kleinen  Mengen  Bleisuperoxides  verbun- 
den betrachten  darf. 

Es  fragt  sich  nun,  wie  bei  der  gleichzeitigen  Einwirk- 
ung des  gewöhnlichen  Sauerstoffes  und  Wassers  auf  metal- 
lisches Blei  das  fragliche  PbOs -haltige  Oxid  sich  bilde.  Auf 
den  ersten  Blick  möchte  man  zu  der  Annahme  geneigt  sein, 
dass  zuerst  Bleioxidhydrat  entstehe  und  dann  ein  kleiner 
Theil  desselben  durch  weitere  Sauerstoffaufnahme  zu  PbO» 
oxidirt  werde.  Dass  die  Sache  nicht  so  sich  verhalte,  geht 
schon  aus  der  einfachen  Thatsache  hervor,  dass  das  Blei- 
oxidhydrat, wie  es  z.  B.  aus  einer  Bleizuckerlösung  mittelst 
Kali  u.  8.  w.  erhalten  wird,  weder  sich  gelb  färbt,  noch 
die  Eigenschaft  erlangt,  den  angesäuerten  Jodkaliumkleister 
zu  bläuen,  wie  lange  man  auch  das  feuchte  Hydrat  mit  ge- 
wöhnlichem Sauerstoff  zusammen  stehen  lassen  mag. 

Nachdem  ioh  bei  einem  Versuche  in  zwei  litergrossen 
Flaschen  einen  ganzen  Monat  lang:  in  dem  einen  Oefäss 
kleine  Mengen  Bleioxidhydrates,  in  dem  Andern  fein  zer- 
theiltes  Blei  in  Berührung  mit  Sauerstoffgas  und  Wasser 
hatte  stehen  lassen  unter  jeweiligem  Schütteln,  fand  ich  das 
Hydrat  noch  weiss  und  unfähig,  den  angesäuerten  Jodkalium- 
kleister zu  bläuen,  wogegen  das  wahrend  dieser  Zeit  aus 
dem  metallischen  Blei  gebildete  Oxid  ziemlich  stark  gelb 
gefärbt  war,  den  besagten  Kleister  auf  das  Tiefste  bläuete 
und  mit  Essigsäure  behandelt,  wenn  auch  eine  verhältnis6- 
mässig  sehr  kleine  doch  noch  merkliche  Menge  von  PbOi 
zurück  liess.    Ich  muss  jedoch  bemerken,   dass  nur  der  im 

[1864.  IL  3.]  19 


278      Sitzung  der  math.-phys.  Gaste  vom  12.  November  1864. 

Dunkeln  gehaltene  Sauerstoff  diese  chemische  Gleichgültig- 
keit gegen  das  Bleioxidhydrat  zeigt,  der  besonnete  dagegen 
dasselbe  schon  im  Laufe  weniger  Tage  deutlich  gelb  färbt, 
in  welchem  Zustande  das  Oxid  selbstverständlich  auch  das 
Vermögen  besitzt,  den  angesäuerten  Jodkaliumkleister  sofort 
auf  das  Tiefste  zu  bläuen  u.  s.  w.  Es  ist  diess  eine  der 
vielen  Thatsachen,  welche  zeigen,  dass  das  licht  chemisch 
bethätigend  auf  den  gewöhnlichen  Sauerstoff  einwirkt,  d.  h. 
ihm  eine  ozonartige  Wirksamkeit  verleiht.  Kaum  ist  not- 
wendig, noch  ausdrücklichst  zu  bemerken,  dass  bei  der 
Einwirkung  des  wasserhaltigen  Sauerstoffes  auf  metallisches 
Blei  auch  in  gänzlicher  Dunkelheit  ein  PbOt-haltiges  Oxid 
gebildet  wird,  wovon  ich  mich  durch  vielfache  Versuche  zur 
Genüge  überzeugt  sab*. 

Wollen  wir  von  der  Bildungsweise  dieses  Oxides  eine 
richtige  Vorstellung  gewinnen,  so  müssen  nach  meinem  Da- 
fürhalten folgende  Thatsachen  in  Betracht  gezogen  werden: 
1)  dass  das  Blei  und  dessen  basisches  Oxid  nur  durch  den 
ozonisirten  Sauerstoff  zu  PbOs  oxidirt  werden;  2)  dass 
obigen  Angaben  gemäss  das  ©  des  Wasserstoffsuperoxides 
unter  dem  Berührungseinflusse  des  Bleies  und  seines  basi- 
schen Oxides  in  0  übergeführt  und  desshalb  das  Eine  und 
das  Andere  erst  zu  PbOi  oxidirt,  dieses  Superoxid  jedoch 
in  Folge  der  Einwirkung  weiteren  Wasserstoffsuperoxides  zu 
PbOs -haltigem  Oxide  reducirt  werde;  3)  dass  blosses  Wasser 
mit  reinem  oder  amalgamirtem  Blei  und  Sauerstoffgas  ge- 
schüttelt, keine  nachweisbare  Menge  von  HOi  enthalte  und 
4L)  dass  beim  Schütteln  SOs-haltigen  Wassers  mit  Bleiamal- 
gam und  Sauerstoffgas  merkliche  Mengen  von  Wasserstoff- 
superoxid auftreten,  welche  frühern  Angaben  zufolge  dem 
gleichzeitig  gebildeten  Bleisulfate  d.  h.  Bleioxide  als  Aequi- 
valent  betrachtet  werden  dürfen« 

Es  kann  wohl  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  die  in 
allen  diesen  Fällen  erfolgende  Oxidation  des  Bleies  auf  die 


Seköiibem :  Zwr  näheren  Kennfnin  dee  Sauentoffee,         279 

gleiche  Weise  statt  finde  und  dabei  Wasserstoffsuperoxid 
gebildet  werde,  wesshalb  sich  fragen  läset,  wie  es  komme, 
dass  in  dem  einen  Falle  HOs  auftrete  und  im  Andern  nicht. 
Wie  ich  glaube,  verhält  sich  die  Sache  folgendennassen. 
Bei  der  gleichzeitigen  Einwirkung  des  Bleies  und  Wassers 
auf  den  neutralen  Sauerstoff  wird,  wie  diess  bei  Anwendung 
des  Thalliums  geschieht,  0  zu  ©  und  6  polarisirt  und  wie 
das  isolirte  0  (Ozon)  mit  dem  Blei  unmittelbar  zu  PbOt 
sich  verbindet,  so  wird  auch  das  unter  diesen  Umstanden 
auftretende  0  mit  dem  Metalle  zu  ozonidischem  Bleisuper- 
oxid und  das  complementare  ©  (Antozon)  mit  Wasser  zu 
antozonidischem  Wasserstofisuperoxid  zusammen  treten.  Und 
da  die  Bildung  von  PbOs  zwei  Aequivalente  6  erfordert, 
so  mu8s  man  annehmen,  dass  unter  den  erwähnten  Um- 
standen vier  Aequivalente  neutralen  Sauerstoffes  zu  2®  und 
2  0  polarisirt  und  daher  auf  ein  Aequivalent  PbOt  zwei 
Aequivalente  HOs  gebildet  werden.  Weil  nun  aber  PbOs 
als  Ozonid  neben  dem  antozonidischen  HOs  nicht  zu  be- 
stehen vermag,  so  wird  Ersteres  durch  ein  Aequivalent  des 
Letztern  (bis  auf  wenige  Spuren)  zu  PbO  reducirt  und  bleibt 
desshalb  (nahezu)  ein  Aequivalent  HOs  übrig.  Auf  drei 
Aequivalente  Bleies,  in  angegebener  Weise  oxidirt,  blieben 
somit  drei  Aequivalente  HOs  übrig,  da  aber,  wie  vorhin 
erwähnt,  das  metallische  Blei  das  Vermögen  besitzt,  das  © 
des  HOs  in  0  umzukehren,  um  mit  demselben  zu  PbOs 
sich  zu  verbinden,  so  oxidirt  sich  noch  ein  viertes  Aequi- 
valent Bleies  durch  2  Aequivalente  HOs  erst  zu  PbOs, 
welches  durch  das  dritte  noch  vorhandene  HOs  wieder  (dem 
grössten  Theile  nach)  zu  PbO  reducirt  wird,  wesshalb  unter 
diesen  Umständen  auch  keine  merkliche  Menge  von  Wasser- 
stoffsuperoxid zum  Vorschein  kommen  kann. 

Die  Spuren  von  PbOs ,  welche  sich  in  den  auf  diese 
Weise  gebildeten  vier  Aequivalenten  Bleioxides  noch  vor- 
finden,  sind  es  nun  eben,    welche   mir  nicht  blos  darauf 

19* 


280     Sänrng  der  «M*.-f*y».  Ckme  vom  12.  November  1864. 

hinzu  deuten,  sondern  genügend  zu  beweisen  scheinen,  dass 
das  fragliche  Oxid  auf  eine  sekundäre  Weise,  d.  h.  ans 
dem  ursprünglich  entstandenen  Bleisuperoxid  unter  dem 
reducdrenden  Einflüsse  des  gleichzeitig  gebildeten  Wasser- 
stoflsupercorides  hervorgegangen  sei. 

Selbstverständlich  finden  die  gleichen  Vorgange  auch 
bei  Anwendung  SOt -haltigen  Wassers  und  amalgamirten 
Bleies  statt,  mit  dem  grossen  Unterschiede  jedoch,  dass 
unter  diesen  Umständen  auf  ein  Aequivalent  gebildeten 
Bleioxides  auch  ein  Aequiralent  Wasserstoffsuperoxides  auf- 
tritt, wie  dies8  in  einer  voranstehenden  Mittheilung  ange- 
geben ist,  wenn  nach  meiner  Annahme  auch  ein  Aequiralent 
Bleies  und  zwei  Aequivalente  Wassers  vier  Aequivalente 
neutralen  Sauerstoffes  sich  chemisch  polarisiren,  so  werden 
die  in  Folge  hievon  auftretenden  2  0  ebenfalls  erst  mit  Pb 
zu  PbOs  sich  verbinden,  welches  Superoxid  jedoch  durch 
ein  Aequivalent  HOs  zu  PbO  reducirt  wird,  mit  der  vor- 
handenen Schwefelsäure  ein  Sulfat  bildend.  Was  das  übrig 
bleibende  zweite  Aequivalent  von  HO«  betrifft,  so  wird  das- 
selbe gegen  die  zersetzende  Einwirkung  des  noch  vorhan- 
denen metallischen  Bleies  theils  durch  das  mit  ihm  ver- 
gesellschaftete Quecksilber,  theils  durch  die  noch  vorhan- 
dene freie  Schwefelsäure  bis  auf  einen  gewissen  Grad  ge- 
schützt, wie  ein  solcher  schützender  Einfluss  aus  der  That- 
sache  erhellt,  dass  HOs-  und  SOs-haltiges  Wasser  mit  Blei- 
amalgam längere  Zeit  zusammengeschüttelt  werden  muss, 
bis  alles  Wasserstoffsuperoxid  völlig  verschwunden  ist,  unter 
welchen  Umständen  sich  natürlich  ebenfalls  Bleisulfat  bildet. 
Wurden  z.  B.  150  Gramme  SO» -haltigen  Wassers,  denen 
nur  12  Milligr.  HOs  beigemischt  waren,  unter  völligem  Aus- 
schlüsse der  atmosphärischen  Luft  mit  200  Grammen  Blei- 
amalgames,  das  5°/oPb  enthielt,  eine  halbe  Stunde  lang 
zusammengeschüttelt,  so  fanden  sich  doch  noch  7  Milligr. 
HOs  in   dem  so  behandelten  Wasser   vor    und    es    musste 


Schönbein:  Zw  nähert*  SemUmm  des  Sauerstoffes.         281 

dasselbe  mehrere  Tage  hindurch  mit  dem  Amalgam  in  Be- 
rührung bleiben,  bevor  die  letzte  noch  nachweisbare  Spur 
von  Wasserstoffsuperoxid  verschwunden  war,  wahrend  bei 
Abwesenheit  von  Schwefelsäure  diese  kleine  Menge  von  HO» 
rasch  zersetzt  wurde. 

Die  Annahme,  dass  selbst  bei  Anwesenheit  von  SOs 
daß  Blei  erst  zu  PbOt  oxidirt  werde,  das  h eiset,  die 
Bildung  dieses  Superoxides  derjenigen  des  Sulfates  be- 
ziehungsweise Bleioxides  vorausgehe,  erhält  nach  meinem 
Ermessen  ihre  Bestätigung  durch  die  Thatsache,  dass  auch 
in  dem  unter  diesen  Umständen  gebildeten  Bleisulfate  noch 
Spuren  von  PbOi  sich  vorfinden,  wie  daraus  hervorgeht, 
dass  besagtes  Bleisalz  den  angesäuerten  Jodkaliumkleister 
zwar  etwas  langsam  aber  doch  noch  merklich  stark  zu 
bläuen  vermag,  was  natürlich  das  reine  Sulfat  nicht  zu 
thun  im  Stande  ist.  Audi  will  ich  hier  nicht  unerwähnt 
lassen,  dass  metallisches  Blei,  in  SOs-  und  HO» -haltiges 
Wasser  gelegt  und  von  der  atmosphärischen  Luft  völlig  ab- 
geschlossen, nach  und  nach  mit  einer  Hülle  von  Bleisulfat 
sich  überzieht,  welche  ebenfalls  noch  den  angesäuerten  Jod- 
kaliumkleister bläut,  eine  Wirkung,  die  nur  von  Spuren 
noch  vorhandenen  Bleisuperoxides  herrühren  kann.  Diese 
Thatsache  scheint  mir  zu  beweisen,  dass  selbst  bei  Gegen- 
wart freier  Schwefelsäure  das  Blei  auch  durch  das  Wasser- 
stoffsuperoxid erst  zu  PbO*  oxidirt  und  dann  durch  weiteres 
HO*  zu  PbO  reducirt  werde,  um  mit  SOs  zu  Sulfat  sich 
zu  verbinden,  welches  seiner  Unlöslichkeit  halber  kleine' 
Mengen  von  PbO»  einzuhüllen  und  desshalb  vor  der  redu- 
ehrenden  Einwirkung  des  noch  vorhandenen  Wasserstoff- 
superoxides zu  schützen  vermag.  Vergleicht  man  nun  das 
Verhalten  des  Sauerstoffes  zum  Thallium  mit  demjenigen 
zum  Blei,  so  kann  man  nicht  umhin,  zwischen  beiden  Me- 
tallen eine  grosse  Aehnlichkeit  zu  bemerken  und  ich  hoffe, 


282      S&nmg  der  mafk.  jriby*.  Garn  vorn  IM.  November  1864. 

bald  zeigen  zu  können,   dass  auch  noch  andere  Metalle  m 
ganz  ähnlichen  Beziehungen  zu  jenem  Elemente  stehen. 


4)'  Ueber  das  Verhalten  des  Sauerstoffes  zum  NickeL 

Der  freie  ozonisirte  Sauerstoff  wirkt  zwar  langsam 
oxidirend  auf  das  metallische  Nickel  ein,  bildet  jedoch  mit 
demselben  unmittelbar  Nickelsuperoxid ',  wie  daraus  erhellt, 
dass  ein  Stück  dieses  Metalles  in  stark  ozonisirter  Luft 
aufgehangen,  allmahlig  mit  einem  schwarzen  Ueberzug  sich 
bedeckt,  welcher  mit  HCl  übergössen,  unter  Bildung  von 
Chlorniokel  Chlor  entbindet,  den  angesäuerten  Jodkalium- 
kleister  augenblicklich  auf  das  Tiefste  bläut,  mit  Wasser- 
stoffsuperoxid  «ine  lebhafte  Sauerstoffgasentwickelung  verur- 
sacht, indem  es  aus  Schwarz  sofort  in  Lichtgrün  und  mit 
£0»,  ebenfalls  unter  rascher  Entfärbung,  im  Nickelsulfat 
übergeht« 

In  gleicher  Weise  verhält  sich  auch  der  in  den  Hypo- 
chloriten  gebundene  ozonisirte  Sauerstoff  zum  Nickel,  welches 
in  der  wässrigen  Lösung  eines  solchen  Salzes  rasch  mit  einer 
schwarzen  Hülle  von  Superoxid  sich  überzieht  Wie  das 
Metall  selbst  wird  auch  dessen  basisches  Oxid  durch  den 
freien  ozonisirten  Sauerstoff  in  NitOs  übergeführt,  was 
schon  daraus  abzunehmen  ist,  dass  das  grüne  feuchte  Nicket- 
oxidulhydrat  auf  einen  Streifen  weissen  Papieres  aufgetragen, 
in  stark  ozonisirter  Luft  rasch  schwarz  wird,  in  welchem 
Zustande  es  alle  Reactionen  des  Superoxides  hervorbringt. 
Dass  die  gelösten  Hypochlorits  das  Nickeloxidulhydrat  zu 
NiaOs  oxidiren,  ist  eine  längst  bekannte  Thatsache. 

Schon  Thenard  beobachtete,  dass  das  Wasserstoffeuper- 
oxid  vom  Nickel  langBam  zerlegt  werde  und  nahm  an,  dasB 
hierbei  das  Metall  keine  Oxidation  erleide,  worin  er  &oh 
jedoch   täuschte,    wie  diess   nachstehende  Angaben   zeigen 


Schönbtin:  Zur  näheren  Kenntnis*  des  Sauerstoffes.         283 

werden.  Beim  Einführen  glänzender  Nickelstticke  (ich  wen- 
dete bei  meinen  Versuchen  Würfel  von  4'"  Seite  mit  polir- 
ten  Flächen  an)  in  Wasserstoffsuperoxid  kommen  nach 
einigen  Minuten  Sauerstoffbläschen  an  der  Oberfläche  des 
Metalle8  zum  Vorschein,  welche  jedoch  nur  spärlich  auf- 
treten und  nach  längerer  Zeit  gänzlich  aufhören  zu  er- 
scheinen, auch  wenn  noch  nneersetztes  HOt  vorhanden  ist. 
Die  Beschaffenheit  der  Oberfläche  der  gegen  dieses  Super- 
oxid nnthätig  gewordenen  Metallwürfel  scheint  zwar  kaum 
▼erändert  zu  sein,  welcher  Umstand  wohl  Thenard  zu  der 
erwähnten  Annahme  veranlasst  hat;  nichts  destoweniger 
sind  aber  dieselben  mit  einer  äusserst  dünnen  Hülle  eines 
Oxides  überzogen,  welches  den  angesäuerten  Jodkalium- 
kleister noch  deutlichst  zu  blänen  vermag;  denn  legt  man 
die  besagten  Würfel  in  den  erwähnten  Kleister,  so  färben 
sie  sich  sofort  blau,  was  beweist,  dass  das  fragliche  Oxid 
mehr  Sauerstoff  als  das  Nickeloxidul  enthält. 

Dass  das  Wasserstoffsuperoxid  auch  vom  Nickeloxidul- 
hydrat  zersetzt  werde,  ist  ebenfalls  schon  von  Thenard  be- 
merkt worden  und  eben  so  die  Thatsache,  'dass  Letzteres 
hierbei  sich  lichter  grün  färbe,  wesshalb  der  französische 
Chemiker  vermuthete,  dass  besagtes  Hydrat  unter  diesen 
Umständen  eine  chemische  Veränderung  erleide,  d.  h.  einigen 
Sauerstoff  aufnehme.  Die  Ergebnisse  meiner  darüber  an- 
gestellten Versuohe  lassen  die  Verauthung  Thenard's  als 
vollkommen  begründet  erscheinen;  denn  behandelt  man  das 
apfelgrüne  Hydrat  hinreichend  lange  mit  HOt,  so  wird  das- 
selbe nicht  nur  sofort  viel  blasser,  als  es  ursprünglich  ge- 
wesen, sondern  büsst  auch  des  Gänzlichen  sein  Vermögen 
ein,  zersetzend  auf  das  Wasserstoffisuperoxid  einzuwirken, 
obwohl  es  noch  den  angesäuerten  Jodkaliumkleister  auf  das 
Tiefste  zu  bläuen  vermag,  welche  Reaction  das  reine  Oxidnl 
selbstverständlich  nicht  hervorbringen  kann.  Das  fragliche 
Oxid  enthält  demnach  mehr  Sauerstoff  als  das  Nickeloxidul 


284      Sitzung  der  math.-phy*.  Classe  vom  12.  November  1864. 

Wird  feuchtes  Nickelsuperoxid ,  wie  es  z.  B.  bei  der 
Wirkung  gelöster  Hypochlorite  oder  ozonisirter  Luft  auf  das 
metallische  Nickel  sich  bildet,  mit  Wasserstoffsuperoxid  über- 
gössen, so  tritt  in  Folge  der  gegenseitigen  Zersetzung  beider 
Superoxide  eine  stürmische  Entbindung  von  Sauerstoffgas 
ein  und  wird  bei  Anwesenheit  einer  hinreichenden  Menge 
von  HO»  das  schwarze  NisOs  beinahe  augenblicklich  zu 
einem  lichtgrünen  Oxide  reducirt,  welches  gegen  HO»  völlig 
gleichgültig  sich  verhält,  aber  auch  noch  den  angesäuerten  Jod- 
kaliumkleister augenblicklich  auf  das  Tiefste  zu  bläuen  vermag, 
was  beweist,  dass  es  sauerstoffreicher  als  das  Nickeloxidul  ist 
und  höchst  wahrscheinlich  macht,  dass  das  fragliche  Oxid 
das  gleiche  sei,  welches  bei  der  Einwirkung  des  Wasser- 
Stoffsuperoxides  auf  das  Nickeloxidulhydrat  gebildet  wird, 
das  Eine  durch  Verlust  das  Andere  durch  Aufnahme  von 
Sauerstoff.  Vom  Nickel  wird  angenommen,  dass  es  bei  ge- 
wöhnlicher Temperatur  durch  gewöhnlichen  Sauerstoff  nicht 
einmal  bei  Anwesenheit  von  Wasser  oxidirt  werde,  eine  An- 
nahme, die  ich  für  unbegründet  halten  muss.  Bringt  man 
Nickelwürfel  von  rein  metallischer  Oberflache  in  gleichzeitige 
Berührung  mit  Wasser  und  Sauerstoffgas  oder  atmosphäri- 
scher Luft,  so  überziehen  sie  sich  sehr  langsam  mit  einer 
äusserst  dünnen  grünlichen  Hülle  und  übergiesst  man  so 
beschaffene  Würfel  mit  etwas  angesäuerten  Jodkaliumkleister, 
so  färbt  sich  deren  Oberfläche  sofort  blau,  woraus  erhellt, 
dass  das  Metall  von  einem  Oxid  umhüllt  ist,  welches  sich 
gerade  so  verhält,  wie  die  Oxide,  welche  bei  der  Einwirkung 
des  Wasserstoffsuperoxides  auf  NiO  und  NisOs  entstehen. 
Aus  dieser  Thatsache  erhellt  somit,  dass  entgegen  der  all- 
gemeinen Annahme  das  Nickel  unter  den  erwähnten  Um- 
ständen oxidirt  wird,  wenn  diess  auch  sehr  langsam 
geschieht. 

Rascher  erfolgt   die  Bildung    eines  solchen  Oxides  bei 
Anwendung  SOs-haltigen  anstatt  reinen  Wassers,    wie  aus 


Schönbein:  Zwr  näheren  Kenntnis*  du  Sauerstoffes.         285 

der  Thatsache  zu  ersehen  ist,  dass  dünner  und  schwach 
durch  SOt  angesäuerter  Jodkaliumkleister  mit  Nickelwürfeln 
und  atmosphärischer  Luft  in  Berührung  gesetzt,  in  kurzer 
Zeit  auf  das  Augenfälligste  sich  bläut,  welche  Reaction 
kaum  anders  als  durch  die  Annahme  zu  erklären  ist,  dass 
unter  den  erwähnten  Umständen  ein  Oxid  gebildet  werde, 
welches  bei  Anwesenheit  einer  Säure  an  das  Kalium  des 
Jodsalzes  Sauerstoff  abgibt  und  desshalb  Jod  ausscheidet. 
Beifügen  will  ich  noch,  dass  auch  das  feuchte  Nickeloxid- 
hydrat, wenn  mit  gewöhnlichem  Sauerstoff  oder  atmosphäri- 
scher Luft  in  Berührung  gesetzt,  bald  die  Eigenschaft  er- 
langt, den  angesäuerten  JodkaliumkleJster  zu  bläuen,  was 
zu  beweisen  scheint,  dass  unter  diesen  Umständen  kleine 
Mengen  von  NiiOs  gebildet  werden. 

Aus  allen  diesen  Thatsachen  geht  hervor,  dass  das 
Verhalten  des  Sauerstoffes  zum  Nickel  demjenigen  zum 
Blei  sehr  ähnlich  ist,  wesshalb  ich  auch  geneigt  sein  muss, 
die  am  erstem  Metalle  stattfindenden  Oxidationsvorgänge 
eben  so  wie  diejenigen  zu  deuten,  welche  sich  auf  das  Blei 
beziehen.  Ich  nehme  daher  an,  dass  beim  Zusammentreffen 
des  Nickels  oder  seines  basischen  Oxides  mit  Wasserstoff- 
superoxid  das  ©  dieser  Verbindung  in  0  übergeführt  werde 
und  desshalb  beide  Substanzen  zu  NisOs  sich  oxidiren.  Da 
Letzteres  ein  Ozonid  ist,  so  wirkt  es  unmittelbar  nach  seiner 
Bildung  auf  das  noch  vorhandene  antozonidische  HO»  zer- 
setzend ein,  wobei  es  selbst  Sauerstoff  verliert,  ohne  jedoch 
gänzlich  zu  Oxidul  reducirt  zu  werden,  wie  ein  ähnliches 
Verhalten  auch  das  Thalliumoxid  oder  Bleisuperoxid  gegen 
HOs  zeigt. 

Bei  der  gleichzeitigen  Einwirkung  des  Metalles  uad 
Wassers  auf  den  neutralen  Sauerstoff  findet  Polarisation 
dieses  Elementes  statt,  in  Folge  deren  die  Superoxide  des 
Nickels  und  Wasserstoffes  gebildet  werden,  welche  aber  in 
der  vorhin  erwähnten  Weise  gegenseitig    sich   wieder  des- 


286      SUnmg  der  mmäk-pkigs*  Gkum  vom  1*.  November  1664. 

oxidiren.  Bei  diesem  Anlasse  darf  ich  nicht  unterlassen,  an 
die  schon  früher  Ton  mir  ermittelte  Thatsache  zu  erinnern, 
dass  beim  Schütteln  von  Nickelamalgam  und  Wasser  mit 
gewöhnlichem  Sauerstoflgas  noch  nachweisbare  Mengen  ron 
Wasserstoflbaperoxid  erhalten  werden,  was  die  anter  den 
erwähnten  Umstanden  erfolgende  Polarisation  des  Sauer- 
stoffes und  somit  auch  die  Oxidation  des  Nickels  ausser 
Zweifel  stellt 

Kaum  wird  es  noch  der  ausdrücklichen  Bemerkung  be- 
würfen, dass  ich  weder  dem  Nickel  noch  seinem  Cbridul  als 
solchen  die  Fähigkeit  beimesse,  das  WasserstoJfenperoxid  m 
katalysiren;  sie  bringen  diese  Wirkung  nur  mittelbar  her* 
vor,  insofern  sie  mit  HOt  das  ozonicüsche  Nickelsuperoxid 
erzeugen,  welches  allein  die  in  Bede  stehende  Zersetzung 
bewerkstelliget. 


5)  Ueber  das  Verhalten  des  Sauerstoffes  zum 

Kobalt. 

Ich  will  diese  Mittheilung  gleich  mit  der  allgemeinen 
Angabe  beginnen,  dass  der  Sauerstoff  zum  Kobalt  wie  snm 
Nickel  sich  verhält.  Freier  ozonisirter  Sauerstoff  oxkfirt 
das  Metall  unmittelbar  zu  Superoxid,  was  ebenfalls  langsam 
geschieht.  Ungleich  rascher  erfolgt  diese  Oxidation  durch 
das  in  den  Hypochloriten  gebundene  6,  wie  daraus  erhellt, 
dass  ein  in  die  wässrige  Lösung  eines  solchen  Salzes  ge- 
legtes Stück  Kobaltes  in  kurzer  Zeit  mit  einer  schwarzen 
Hülle  sich  überzieht,  welche  nichts  Anderes  als  CosOs  ist. 
Wie  das  metallische  Kobalt  wird  auch  dessen  Oxidulhydrat 
durch  den  freien  ozonisirten  Sauerstoff  zu  Superoxid  oxidirt, 
durch  Oxid-Oxidul  hindurchgehend,  wie  daraus  zu  ersehen 
ist,  dass  das  rosenrothe  Hydrat  erst  gebräunt  und  dann 
schwarz  wird,    und  längst  bekannt  ist,    dass   die  gelösten 


Schdnbem:  Zur  näheren  Kewntnm  des  Sauerstoffes.         287 

Hypochlorite  das  gleiche  Oxidul  rasch  in  Superoxid  über- 
führen. 

Das  Wasserstoffsuperoxid  wird  durch  das  Kobalt  um 
ein  Merkliches  lebhafter  als  durch  das  Nickel  zersetzt  und 
Thenard  hielt  dafür,  dass  jenes  Metall  hierbei  nicht  oxidirt 
werde,  was  ich  ebenfalls  in  Abrede  stellen  muss;  denn  legt 
man  ein  glänzendes  Stück  Kobaltes  in  HO» ,  so  wird  das- 
selbe nach  einiger  Zeit  matt  erscheinen  und  mit  einer  bräun- 
lichen Hülle  umgeben  sein,  welche  gegen  HOs  gleichgültig 
sich  verhalt  und  den  angesäuerten  Jodkaliumkleister  auf 
das  Tiefste  zu  bläuen  vermag. 

Feuchtes  Kobaltsuperoxid,  wie  es  bei  der  Einwirkung 
der  gelösten  Hypochlorite  auf  metallisches  Kobalt  erhalten 
wird,  mit  einer  gehörigen  Menge  Wasseratoffsnperoxides 
übergössen,  reducirt  sich  rasch  zu  einem  braunen  Oxide, 
welches  ohne  Wirkung  auf  HO»  ist,  aber  ebenfalls  den  an- 
gesäuerten Jodkaliumkleister  sofort  auf  das  Stärkste  bläut. 
Auch  das  rothe  Kobaltoxidulhydrat  zerlegt  das  Wasserstoff- 
superoxid unter  ziemlich  lebhafter  Entwickelung  von  Sauer- 
stoffgas, wobei  es  sehr  rasch  in  ein  gelbbraunes  Oxid  über- 
geführt wird,  welches  HO»  unzeraetzt  lässt  und  den  ange- 
säuerten Jodkaliumkleister  auf  das  Tiefste  zu  bläuen  vermag. 

Wie  vom  Nickel  wird  auch  vom  Kobalt  behauptet,  dass 
es  bei  gewöhnlicher  Temperatur  vom  gewöhnlichen  Sauer- 
stoff auch  bei  Anwesenheit  von  Wasser  nicht  im  Mindesten 
oxidirt  werde,  welche  Annahme  ebenfalls  irrig  ist,  wie 
daraus  erhellt,  dass  das  Metall,  längere  Zeit  mit  neutralem 
Sauerstoff  in  Berührung  gestanden,  in  angesäuertem  Jod- 
kaliumkleister sich  tief  bläut,  welche  Reaction  zeigt,  dass 
das  Kobalt  von  einem  Oxid  umhüllt  ist,  das  unter  Mitwir- 
kung einer  Säure  Jod  aus  dem  Jodkalium  abzuscheiden 
vermag.  Feuchtes  Kobaltoxidulhydrat,  mit  gewöhnlichem 
Sauerstoff  in  Berührung  gesetzt,  erlangt  sehr  rasch  das  Ver- 
mögen,  den  angesäuerten  Jodkaliumkleister  zu  bläuen  und 


288     Sitsnmg  dar  math.-phg*.  Cbuse  vom  12,  November  1664. 

bekannt  ist,  dass  unter  den  erwähnten  Umstanden  die  rathe 
Farbe  des  Hydrates  allmählig  in  eine  gelbbraune  übergeht 
Es  lässt  sich  wohl  kaum  daran  zweifeln,  dass  trotz  ihrer  so 
verschiedenen  Bildungsweise  alle  die  erwähnten  bräunlichen 
Oxide  nichts  anders  sind,  als  Verbindungen  von  CoO  mit 
CotOs. 

Dass  ich  mir  die  in  voranstehender  Mittheilung  be- 
sprochenen Oxidations-  und  Desoxidations  Vorgänge  eben  so 
erkläre  wie  diejenigen,  welche  sich  auf  das  Thallium,  Blei 
und  Nickel  beziehen,  brauche  ich  kaum  ausdrücklich  zu  be- 
merken, daran  muss  ich  aber  noch  erinnern,  dass  auch  beim 
Schütteln  des  Kobaltamalgames  mit  Wasser  und  gewöhn- 
lichem Sauerstoff  Wasserstoffsuperoxid  gebildet,  also  0 
chemisch  polarisirt  wird. 


6)  Ueber  das  Verhalten  des  Sauerstoffes  zum 

Wismuth. 

Wie  zum  Blei,  Nickel  u.  s.  w.,  so  verhält  sich  der 
Sauerstoff  auch  zu  dem  Wismuth,  mit  dem  Unterschiede 
jedoch,  dass  er  dasselbe  ungleich  langsamer,  als  die  vorhin 
erwähnten  Metalle  oxidirt.  Blankes  Wismuth  muss  längere 
Zeit  der  Einwirkung  des  freien  ozonisirten  Sauerstoffes  aus- 
gesetzt sein,  bevor  dessen  Oberfläche  deutlich  gebräunt 
(durch  BiOö)  erscheint  und  beinahe  eben  so  langsam  wirken 
die  Lösungen  der  Hypochlorite  auf  das  Metall  ein,  unter 
welchen  Umständen  jedoch  das  Wismuthoxidhydrat  etwas 
rascher  oxidirt  wird. 

Wie  schon  Thenard  beobachtet  hat,  wird  das  Wasser- 
stoffsuperoxid vom  Metall  nur  äusserst  langsam  unter  Sauer- 
stoffentbindung zerlegt,  wobei  es  sich  mit  einer  sehr  dünnen 
etwas  bräunlichen  Hülle  bedeckt,  welche  gegen  HOs  wirk- 
ungslos ist  und  aus  einem  Oxide  besteht,    das  den   ange- 


Schönbein:  Zur  näheren  Kenntnis*  des  Sauerstoffes.         289 

säuerten  Jodkaliumkleister  noch  deutlichst  zu  bläuen  ver- 
mag. Auch  wird  HOt  durch  das  Wismuthoxidhydrat  zer- 
setzt unter  merklicher  Entwickelung  von  Sauerstoffgas  und 
Bildung  eines  gelblichen  Oxides,  welches  keine  zersetzende 
Wirkung  auf  HO»  hervorbringt,  jedoch  den  angesäuerten 
Jodkaliumkleister  ebenfalls*  bläut. 

Das  Wismuthsuperoxid  wirkt  anfanglich  ziemlich  lebhaft 
zersetzend  auf  das  Wasserstoffeuperoxid  ein ,  verliert  aber 
nach  und  nach  diese  Wirksamkeit  und  lässt  ein  Oxid  zu- 
rück, welches  wie  das  vorige  den  angesäuerten  Jodkalium- 
kleister rasch  und  tief  bläut.  Alle  diese  gegen  HO2  un- 
thätigen  und  mehr  oder  minder  gefärbten  Oxide  können 
als  Verbindungen  von  fiiOs  mit  BiOs  betrachtet  werden. 
Es  ist  wohl  kaum  daran  zu  zweifeln,  dass  auch  das  Wis- 
muth  in  Berührung  mit  Wasser  und  gewöhnlichem  Sauer- 
stoff sehr  langsam  oxidirt  und  hierbei  ebenfalls  ein  Oxid 
gebildet  werde  gleichgültig  gegen  HO»,  und  fähig,  den  ange- 
säuerten Jodkaliumkleister  zu  blauen. 


7)  Ueber  einige    neue  höchst  empfindliche  Reagen« 
tien  auf  das  Wasserstoffsuperoxid. 

Schon  vor  Jahren  zeigte  ich,  dass  zu  den  empfindlich- 
sten Reagentien  auf  das  Wasserstoffeuperoxid  die  gelösten 
Eisenoxidulsalze  und  der  Bleiessig  in  Verbindung  mit  dem 
Jodkaliumkleister  gehören,  welcher  bei  Anwesenheit  kleiner 
Mengen  der  genannten  Salze  durch  Wasser,  das  nur  ein 
Milliontel  HO*  enthält,  noch  auf  das  Deutlichste  gebläut 
wird.  Seither  habe  ich  gefunden,  dass  die  Hydrate  der 
basischen  Oxide  des  Nickels,  Kobaltes,  Wismuthes  und 
Bleies,  nachdem  sie  einige  Augenblicke  mit  solchem  HOt- 
haltigen  Wasser  in  Berührung  gestanden,  das  Vermögen 
zeigen,    den    angesäuerten   Jodkaliumkleister    noch    äugen* 


290      Sitzung  der  math.-phg*.  Glosse  vom  12.  November  1864. 

fälligst  zu  bläuen.  Wie  aus  den  voranstellenden  Mittheil« 
ungen  erhellt,  liegt  der  Grund  dieser  Reaction  in  dar 
Eigenschaft  der  vorhin  genannten  Oxide,  das  0  des  Wasser* 
stofisuperoxides  in  0  umzukehren,  um  damit  Verbindungen 
zu  bilden,  welche  unter  der  Mitwirkung  einer  Säure  Sauer- 
stoff an  das  Metall  des  Jodsalzes  abgeben  und  dadurch 
Jod  frei  machen. 

Um  in  bequemster  Weise  mittelst  der  erwähnten  Reagan- 
tien  kleine  Mengen  von  HO*  im  Wasser  nachzuweisen,  ver- 
fahre ich  so,  dass  ich  einen  oder  zwei  Tropfen  der  Lösung 
eines  Nickel-,  Kobalt-,  Blei-  oder  Wismuthsalzes  in  die  auf 
HOs  zu  prüfende  Flüssigkeit  einführe,  dann  zur  Fällung 
der  Salzbasis  einige  Tropfen  Kalilösung  zufüge,  hierauf 
einigen  verdünnten  JodkaliumJdeister  beimische  und  zuletzt 
Essigsäure  oder  verdünnte  Schwefelsäure  zusetze,  unter 
welchen  Umständen  sofort  eine  augenfällige  Blauung  des 
Gemisches  eintritt,  wenn  in  demselben  auch  nur  Spuren 
von  Wasserstoffsuperoxid  vorhanden  sind.  Schüttelt  man 
z.  B.  100  Gramme  destillirten  Wassers  mit  200  Grammen 
amalgamirter  Zinkspähne  nur  einige  Sekunden  lang  mit 
Sauerstoffgas  oder  atmosphärischer  Luft  lebhaft  zusammen, 
so  werden  die  genannten  Reagentien  in  dem  abfiltrirten 
Wasser  das  unter  diesen  Umständen  in  so  kleiner  Menge 
gebildete  Wasserstoffsuperoxid  doch  noch  auf  das  Deutlichste 
durch  die  eintretende  Bläuung  anzeigen. 


Historische  Classe. 

Sitzung  vom  19.  November  1864. 


Herr  Stütsprobßt  v.  Döllinger  gab  die  Resultate  einer 
neuen  Untersuchung 

„Ueber  die  Beweggründe  und  Urheber  der 
Ermordung  des  Herzogs  Ludwig  von  Bayern 
i.  J,   1231". 


Einsendungen  von  Druckschriften.  291 


Einsendungen  von  Druckschriften. 


Von  der  Aeademie  des  seiendes  in  Borns*. 

Comptes  rendus  hebdomadaires  des  seanoes  Tom.  69.    Nr.  6— 11. 
Aout.  Septbr.  1864.  4.  s 

Vom  Istituto  Veneto  di  scienee,  lettere  ed  arii  in  Venedig: 
Atti,  Tomo  nono,  Serie  terza,  Dispensa  quinta.  1868.  64.  8. 

Von  der  pfdlaischm  Gesellschaft  für  Fharmacie  in  Speyer: 

Neues  Jahrbuch  für  Pharmacie  und  verwandte  Fächer.    Zeitschrift. 
Bd.  22.  Hfl.  8.  Septbr.  1864.  8. 

Vom  naturhistorischen  Verein  in  Augsburg: 
Siebenzehnter  Bericht.  Veröffentlicht  im  Jahre  1864.  8. 

Vom  Verein  für  Geschichte  der  Deutschen  in  Böhmen  in  Prag: 

a)  Beitrage  zur  Geschichte  Böhmens.  Abtheilung  1.  Bd.  2.  Johanne» 

dictus  Porta  de  Avonniaco  de  coronatione  Caroli  IV.  Born.  1m- 
peratoris  1S55.  1864.  4. 

b)  Mittheilungen.   2.  Jahrgang.   Nr.   4.   5.   6.    8.  Jahrgang.    Nr  1. 

1864.  8. 

c)  Andeutungen  zur  Stofoammlung   in   den  deutsehen  Mundarten 

Böhmens.    Von  Ignaz  Petten  in  LeitmeriU.  1864.  8. 


Vom  Verein  mir  Beförderung  des  Gartenbaues  in  den  Je.  preussischen 

Staaten  in  Berlin: 

Wochenschrift.  33—86.  Aug.  Septbr.  1864.  4. 


292  Einsendungen  von  Druckschriften. 

Von  der  k.  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Göttingcn: 

a)  Göttingiflche  gelehrte  Anzeigen.  36—39  Stück.  Septbr.  1864.  8, 

b)  Nachricht  von   der  k.  Gesellschaft  der  Wissenschaften   und  der 

k.  A.  Universität  zu  Göttingen.  Septbr.  7.  Nr.  14.  1864.  8. 

Vom  historischen  Verein  für  Niedersachsen  in  Hannover: 

a)  Zeitschrift.  Jahrgang  1863.  1864  8. 

b)  Siebenundzwanzigste  Nachricht  über  den  Verein.  1864.  8. 


Vom  landwirthschafiUchen  Verein  in  Mimchen: 
Zeitschrift.  Oktober  10.  1864.  8. 

Von  der  Je.  k.  patriotisch-ökonomischen  Gesellschaft  im  Königreich 

Böhmen  in  Prag: 

a)  Centralblatt    für   die  gesammte  Landeskultur.    Jahrgang   1864. 

Nr.  86—39.  1864.  4. 

b)  Wochenblatt    der  Land-,  Forst-  und  Hauswirthschaft   für  den 

Bürger  und  Landmann.  15.  Jahrg.  1864.  Nr.  86—39.  4. 
o)  Verhandlungen  und  Mittheilungen  für  das  Jahr  1864.  Nr.  22—27.  4b 

Von  der  h.  k.  Gesellschaft  der  Aerste  in  Wien: 
Wochenblatt  Nr.  34,  85.    20.  Jahrg.  Ang.  1864.  a 


Von  der  Universität  in 
Archiv  für  die  sächsische  Geschichte.  8.  Bd.  1.  Hft  1864.  8. 

Von  der  Smithsonian  Institution  in  Washington: 

a)  Annual  Report  for  1862.  63.  8. 

b)  Smithsonian  Contributions  to  knowledge.    The  gray  substanoe  of 

the  medulla  oblongata  and  trapezium.   by  John  Dean    (Photo- 
graphs)  1864  4. 

c)  Smithsonian  Miacellaneous  Colleotions.   löst  of  foreign  oorreepon- 

dents.  January  1862.  8. 

d)  Smithsonian  Gatalogue  of  Publications  of  the  Smithsonian  Institu- 

tion June.  1862.  8. 


Einsendungen  von  Druckschriften.  293 

e)  Smithsonian  A  dictionary  of  the  Chinook  Jargon  or  trade  language 

of  Oregon.    By  George  Gibbs.  1863.  8. 

f)  Patent  offioe  reporte  1861.  Vol.  1.  2.  1863.  8. 

g)  Report    of  the    Superintendent  of    the  coast  survey  for  1861. 

1862.  4. 
h)  Introductory  report  of  the  commissioner  of  Patents  for  1863.  8. 
i)  Fourteenth  annnal  report  of  the  Trustees  of  the  Wisconsin  In- 
stitute for  the  eduoation   of   the  Blind  for  the  year  ending 

Septbr.  30,  th.  1863.  Madison  1863.  8. 
k)  Nineteenth  annual  report  of  the  Trustees  and  Superintendent  of 

the  Indiana  Institution  for  educating  the  deaf  and  dumb.  India- 

nopolis  1864.  8. 
1)  Sickness  and  mortality  of  the  army  during  the  first  year  of  the 

war.  8. 
m)  Address  of  hi*  Ezcellency  John  A.  Andrew  to  the  legislature  of 

Massachusetts  togetherwith  accompanying  documents  January  8, 

1864.  Boston  1864.  8. 

Von  der  American  Fharmaceatical  Association  in  Philadelphia: 

Proceedings,    at  its  eleventh  annual  meetixig,   held  in  Baltimore, 
Septbr.  1863.  8. 

Von  der  California  Academy  of  natural  sciences  in  San  Francisco: 
Proceedings.  Vol.  2.  1858—1862.  63.  8. 

Vom  Museum  of  eomparaUoe  zotilogy  in  Boston: 
Annual  Report  of  the  Trustees   1862.  63.  64.  8. 

Von  der  Society  of  Natural  Eistory  in  Boston: 

a)  Boston  Journal.  Vol.  7.  Nr.  4.  1863.  8. 

b)  Proceedings.  Vol  9.  April  1863— Maroh  1864.  8. 

Von  der  American  Academy  of  arts  and  sciences  in  Boston: 

a)  American  Journal  Vol.  36.  Kr.  106—108   1863. 

„    37.    „    109—110.  1864. 
New-Hayen.  1863.  64.  8. 
[1864.  IL  3.]  20 


294  Einsendungen  von  Druckschriften. 

b)  Proceedings.    January— -November  1868.   Vol.  6.  Bogen   11 — 22. 

New-Haven.  8. 

Von  der  Academy  cf  Science  in  St,  Louis: 
Transaktione.  8. 

Von  der  American  Phüosophicae  Society  in  Philadelphia: 

Proceedings.  Vol.  9.  Nr.  70.  Jane  1863.  8. 

Vom  Lyceum  of  Natural  Sistory  in  New-Torh: 
Annais,  Yol.  8.  May— Oktober  1863.  Nr.  1.  8. 

Von  der  Academie  of  natural  sciences  in  Philadelphia: 

a)  Journal.  New  Serie.  Yol.  5.  Part.  4.  1863.  4. 

b)  ProceedingB.  Nr.  1—7.  Jan.— Decbr.  1863.  64.  8. 

Von  der  Staats- Ackerbau-Behörde  in  Ohio: 

Siebenzehnter  Jahresbericht  der  Staats-Ackerbau-Behörde  von  Ohio 
mit  einem  Auszug  der  Verhandlungen  der  County- Ackerbau- 
Gesellschaften  an  die  Generalversammlung  von  Ohio  für  das 
Jahr  1862.  Golumbus  Ohio  1863.  8. 

Von  der  Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Leipsig: 

a)  Berichte  über  die  Verhandlungen.  Philos.  hiator.  Classe  1.  2.  8. 

1863.  1.  1864.  8. 

b)  Berichte  über  die  Verhandlungen.  Mathem.  physikal.  Classe  1.  2. 

1863.  64.  8. 

o)  Abhandlungen.  Elektrodynamische  Massbestimmungen  insbeson- 
dere   über  elektrische   Schwingungen.     Von    Wilhelm    Weber 

1864.  kl.  Fol. 

d)  Darlegung  der  theoretischen  Berechnung  der  in  den  Mondtafeln 
angewandten  Störungen.  2.  Abtheilung.  Von  P.  A.  Hansen. 
1864.  kl.  Fol. 

Von  der  Royal  Society  in  London: 
Proceedings.  Vol.  13.  Nr.  65.  66.  8. 


Einsendungen  von  Druckschriften.  295 

Von  der  Linttean  Society  in  London: 

a)  Journal  of  the   prooeedings.    Vol.   8.   Botany.    Nr.   28.  29.   30. 

1864.  8. 

b)  Journal  of  the  proceedings.    Yol.   7.  Zoology.    Nr.  28.    29.    30. 

London  1864.  8. 

c)  List  of  Fellows.  1863.  1864.  8. 

d)  Address  of  George  Bentfaam  Esq.  F.  R.  S.  etc.  The  President  cm 

Monday,  May  25.  1863.  Taesday  May  24.  1864.    1863.  64.  8. 

Von  der  Academie  royale  de  Midedne  de  Belgique  in  Brüssel: 
Bulletin.  Annee  1864.  Deuxieme  Serie.  Tom.  7.  Nr.  5.  6.  7.    8. 

Von  der  naturforschenden  Gesellschaft  in  Emden: 

a)  Neunundvierzigster   Jahresbericht   (der   naturforschenden  Gesell- 

schaft) 1863.  64.  8. 

b)  Kleine  Schriften  der  Gesellschaft.  11.  Ergebnisse  der  Witterung s- 

beobaohtungen  zu  Emden  1862.   1863,  sowie  Andeutungen  über 
die   Beziehung   der  Witterung    zur  Seefahrt.   Landwirtschaft 
Gesundheitszustand  etc.  Von  Dr.  Prestel  1864.  4. 

Von  der  Academie  Boyale  de  Belgique  in  Brüssel: 
Bulletin.  32.  annee.  2.  Serie,  tome.  18.  Nr.  8.  1864.  8. 

Vom  Koninhliik  Nederlandsch  Meteorologisch  Instituut  in  Utrecht: 

Meteorologische  Waarnemingen  in  Nederlanden  zijne  bezittingen  en 
afwijkingen  van  temperatuur  en  barometerstand  opvele  plaatsen 
in  Europa.  1868.  1864.  4. 

Von  der  h.  preuss.  Akademie  der  Wissenschaften  in  Berlin: 
Monatsberichte.  Juni,  Juli,  August.  1864.  8. 

Von  der  k.  b.  Centrc^Thierarsneischule  in  München: 

Tierärztliche  Mittheilungen.  9.  Heft.  1863.  64.  8. 

20* 


296  Einsendungen  von  Druckschriften. 


Von  der  Natural  History  Society  in  Montreal: 

The  Canadian  Naturalist  and  Geologist.  NewSeries.  Vol.  1.  Nr.  1 — 4. 
Febr.  April.  Juni.  August  1.  1864.  8. 


Vom  historischen  Verein  von  Oberfranken  in  Bayreuth: 

a)  Archiv   für   Geschichte   und  Alterthumskunde  von  Oberfranken. 

9.  Bd.  2.  Hft.  1864.  8. 

b)  Geschichte  der  Studienanstalt  in  Bayreuth.   Festschrift  zur  200- 

jahrigen  Stiftungsfeier  des  kgl.  Gymnasiums.    Verfasst  von  Karl 
Friess.  1864.  4. 


Von  der  Societä  Reale  in  Neapel: 

a)  Atti  delP  Accademia  delle  scienze  fisiche  e  matematiche.   YoL  1. 

186S.  4. 

b)  Rendiconto  dell'  Accademia  deDe  scienze  fisiche  e  matematiche. 

Anno  2.  Fase.  11.  12.  Novbr.  Decbr.  1868.  64.    4. 
Anno  S.  Faso.  1.  2.  Gennajo.  Febr.  1864.    4. 


Von  der  Seal  Äcademia  de  ciencias  exaetas,  fisicas  y  naturales  in 

Madrid: 

Memorias.    Tom.  2.    1.  Serie.  Ciencias  exaetas,    Tom.   1.  Part  2. 
1863.  8. 


Von  der  Oeological  Society  in  London: 
Quaterly  Journal.  Vol.  20.  Part.  8.  Aug.  1864.  Nr.  79.    8. 

Von  der  Societä  Italiana  di  scienze  naturali  in  Mailand 
Atti.  Vol.  5.  Fase.  6   Vol.  6.  Fase.  1.  2.  1864.  8. 


Vom  Verein  nur  Erforschung  der  Rheinischen  Geschichte  und 

ÄUerthümer  in  Mains: 

Zeitschrift.  2.  Bd.  4.  Hft.  1864.  8. 


en  von  Druckschriften.  297 


Von  der  Redaktion  des  Correspondensblattes  für  die  gelehrten  und 

Realschulen  in  Stuttgart: 

Correspondensblatt.  August.  Nr.  8.  1864.  8. 

Vom  Moologisch-tnineralogischen  Verein  in  Regensburg: 
Abhandlungen.  9.  Heft  1864.  8. 

Vom  kgl  statistischen  Bureau  in  Berlin: 

Preussische  Statistik.    6.  Witterungserscheinungen    des    nördlichen 
Deutschland«  von  1868—1863.  y.  Dove.  1864.  4. 

Von  der  Sociät  imperiale  des  Naturalistes  in  Moskau: 

Bulletin.  Annee  1868.  Nr.  8.  4. 
„      1864,  Nr.  1. 
1863.  8. 

Vom  Institut  historique  in  Paris: 

L'investigateur  Journal,    Trente-Unieme  Annee.   Tom.  4.    4.  Serie. 
867.  Livrais.  Aout.  1864.  8. 


Vom  Herrn  C.  Plantamour  in  Genf: 

a)  Determination  Tälegraphique  de  la  difference  de  longitude  entre 

les  obtervatoires  de  Geneve  et  de  Neuchatel.    1864.  4. 

b)  Resume1  me'teorologique  de  l'annee  1862.  1868.  pour  Geneve- et  la 

Grand  St.  Bernard.  1864.  8. 

Vom  Herrn  GugUehno  Gasparini  in  Neapel: 

a)  Memorie  Botaniohe.    Embriogenia  della  Canape.    Malattie  degli 

Agrumi.  Modificasioni  di  Cellule  Yegetali.   1868.  4. 

b)  Sopra  la  melata  o  trasudamento  di  aspetto  gommoso  dalle  foglie 

di  aleuni  alberi  avvenuto  nell'  estate  passata  e  vitenuto  general- 
mente  quäl  Pioggia  di  Manna.   1863.  4. 

c)  Rioerche  sulla  embriogenia  della  canape.    4. 

d)  Sulla  maturazione  e  la  qualita  dei  fichi  dei  oontorni  di  Napoli   4. 


298  Einsendungen  von  Druckschriften. 

e)  Osservasioni  sopra  talune  modifioadoni  organiche  in  alcune  oeDnle 

vegetalL  4. 

f)  Prelezione  all'  insegnamento  della  botanioa  nella  R.  Univeraita  di 

Napoli  letta  a  di  9.  Deoembr.  1861.  8. 

Vom  Herrn  Napoleon  NichUs  in  Benfdd: 

Helvetus  et   ses  environs   (Ehl  Pres  Benfeld)  au  cinquieme  •  iecle. 
Paris.  1864.  8. 

Vom  Herrn  Quesnevüle  in  Pari*: 

Le  monitenr  seientifique  da  chimiste  et  da  mann&otarier.    Tom.  6. 
Annee  1864.  186—188  livraison.  8. 

Vom  Herrn  J.  Datcson  in  Montreal: 

a)  Air-Breathers  of  the  Coal-Period  of  Nova  Scotia.    1863.  8. 

b)  Synopsis    of    the    flora  of  the  carboniferoas    period    in    Nova 

Scotia.    8. 

Vom  Herrn  Thomas  Bland  in  New- York: 
ßemarks  on  classifications  of  North  American  Helices.  8. 

Vom  Herrn  F.  Grohc  in  Greifswald: 

Der  Chylos  ein  Ferment.    Ein  Sendschreiben  an  Herrn  Justus   von 
Liebig  in  München.    Dansig  1864.  8. 

Vom  Herrn  Alfred  Gilbert  in  Grimme: 
Deutsche  Geschichte  in  Form  von  Tabellen.  1.  Abthl.  1864.  8. 

Vom  Herrn  Friedrich  Hessenberg  in  Frankfurt  a.  Jf.: 
Mineralogische  Notizen  Nr.  6.  1864.  4. 

Vom  Herrn  Marichal  Comic  Randon  in  Paris: 


Notice   sur  la  Carte   de  PAfrique  sous  la  domination   des 

dregßee  au  depot  de  la  guerre  d'apres  les  travaux  de  M.  Lacroix. 
Par  M.  Nau  de  Champlouis  (Mit  2  Karten).  1864.  4. 


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1863 

1864 

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Sitzungsberichte 

der 

königl.  bayer.  Akademie  der  Wissenschaften. 


Philosophisch  -  philologische  Classe. 

Sitzung  vom  3.  Dezember  1864 


Herr  Haneberg  legt  vor: 

„Punische  Inschriften/' 

Wir  haben  im  verflossenen  Jahre  durch  die  Verwaltung 
des  brittißchen  Museums  in  London  das  Facsimile  sammt  einer 
hebräischen  Transscription  und  lateinischen  Uebersetzung  von 
90  punischen  Inschriften  erhaltän.  (Inscriptions  in  the  Pheni- 
cian  Character,  now  deposited  in  the  British  Museum,  dis- 
covered  on  the  Site  ofCarthage,  by  Nathan  Davis.  Printed 
by  Order  of  the  Trustees  1863.)  Die  letzte  ist  jene  Opfer- 
tafel, welche  bereits  Davis  selbst  publicirt  hatte  und  über 
welche  wir  mit  Bezugnahme  auf  H.  Heidenheims  Erklärung 
früher  in  diesen  Blättern  Bericht  erstattet  haben.  Diese 
wurde  von  H.  Ewald  in  einer  verdienstlichen  Abhandlung 
(Göttingen,  Bd.  XII.  der  Abh.  d.  K.  Gesellschaft  der  Wissen- 
schaften) durch  Zusammenstellung  mit  der  Opfertafel  von 
Marseille  ergänzt  und  erklärt. 

[1864.  H.  4]  21 


300      Sitzung  der  pkihe.-phOcl  Classe  vom  3.  Dezember  1864. 

Wir  sind  in  der  Lage,  den  reichen  Fund  von  Davis 
durch  zwei  neue  Inschriften  zu  vermehren,  welche  hier  in 
Facsimile  und  mit  hebräischer  Transscription  gegeben  werden. 
Sie  wurden  verflossenen  Sommer  durch  den  Benediktiner 
P.  Petrus  Hamp  bei  Gelegenheit  seiner  Rückreise  von  der 
Mißsionsstation  Porto  Farina  hieher  gebracht.  Die  erste, 
ziemlich  vollständig  erhaltene  wurde  unter  den  Ruinen  von 
Karthago  aufgehoben.  Von  der  zweiten  wird  der  Fundort 
nicht  ausdrücklich  angegeben.  Beide  fanden  sich  in  den 
Händen  eines  Privatmannes  in  La  Goletta. 

Sie  gehören  wie  fast  alle  Inschriften  der  britüschen 
Sammlung  der  Gattung  von  Votivtafeln  an;  deren  Interesse 
zunächst  darin  besteht,  dass  auf  ihnen  eine  grosse  Anzahl 
karthagischer  Eigennamen  in  ihrer  ursprünglichen  Form 
erhalten  ist.  So  in  der  britischen  Sammlung  Meherbal 
^pmnD  N.  36.  47.  57.  89.,  Hannibal  hv^n  N.  11.  20.  26.  87. 
wahrscheinlich  identisch  mit  Baal  Hanno  ftonbjD  Nr.  59.  65. 
wie  Baal  halass  ybnbv2  N.  86  mit  Halass  baal  N.  18,  — 
dann  Asdrubal  ^ymiy  N.  1.  36.  37.  58.  Hanno  *on  N.  3. 
4.  6.  10  und  öfter;  Mago  po  N.  4.  12.  Hamilcar  ist  wohl 
Abkürzung  für  Abdmelkarth  mp^DIDP  N.  3.  21.  60.,  auch 
abgekürzt  mp^D12  N.  10.  12  u.  8.  w. 

Fin  Theil  dieser  Namen  bietet  insofern  ein  besonderes 
Interesse  dar,  als  darin  Götternamen  erscheinen,  z.  B. 
Abdeschmün,DienerdesE8chmÄnod.  Äsculapius;  Abdashthoret, 
Diener  der  Astarte;  Abdmelkarth,  Diener  des  Melkarth,  oder 
Herakles« 

Von  diesem  Gesichtspunkte  aus  würde  unsere  zweite 
Inschrift  eine  bisher  unbekannte  Gottheit  darbieten  wenn 
gelesen  würde 

(TW)K 

idid  p  rao  nbjrt 

„welches  geweiht  hat  Abd-sabas  Abd  sebus  Sohn  des  parso." 
Sabas  müsste  die  Gottheit  sein  von  deren  Verehrung 


Haineberg:  Panische  Inschriften.  301 

der  Name  des  Weihenden   herzuleiten  wäre.     Man  müsste 
an  eine  Flussgottheit  denken  mit  Vergieichung  des  Namens 
Seibüse,  des  Flusses,  der  sich  bei  Hippo  findet. 
Indessen  lässt  sich  auch  lesen: 

1D1D  p  MD  1 
„welches  geweiht  hat  Sabas  oder  Sibas,   Sohn  des  Parsö." 

Ein  DSD  erscheint  auf  den  Tafeln  des  brittischen  Mu- 
seums nicht;  an  Parso  kann  imD  N.  7.  erinnern. 

Auf  der  ersten  Tafel  erscheinen  die  bedeutendsten  Namen 
der  Familie  Hannibals,  wenn  Baal  hannö  als  identisch  mit 
Hannibal  genommen  und  in  Abdmelkarth  Hamilcar  er- 
kannt wird. 

In  der  ersten  Zeile,  welche  die  Widmung  enthält,  findet 
sich  hier,  wie  auf  mehreren  früher  edirten  Votivtafeln,  neben 
dem  Namen  der  Göttin  Tanith  ein  Beisatz,  dessen  Deutung 
Schwierigkeit  macht;  es  ist  jener  Ausdruck,  den  wir  mit: 
„Genossin  Baals"  geben. 

Die  Weiheformel  beginnt  regelmässig 

bm  ]D  run^  rarb 

Ganz  genau,  wie  auf  unserer  Tafel,  auf  den  Inschriften  des 
Br.  Mus.  N.  1.  4.  3.  4.  Mit  der  Variante  ^JDJJJD  N.  2.  u. 
^JDfcOD    N.  82.    Audi  ^jD*op&  ist  gefunden  worden. 

Herr  Vaux  hält  mit  frühern  Erklärern  daran  fest,  dass 
dieses  j£)  vor  by2  mit  dem  hebräischen  >3D  Angesicht 
übereinstimme  und  übersetzt  daher  die  Weiheformel :  „Dominae 
Tanith  faciei-Baal." 

Mit  Recht  hat  kürzlich  H.  Ewald  gegen  diese  Auffassung 
Einsprache  erhoben;  man  könne  sich  unter  „Angesicht  Baals" 
nichts  denken.  Es  sei  etwas  ganz  anderes,  wenn  ein  Ort, 
wie  das  bekannte  Vorgebirg  in  Syrien  &*ov  n^QOwnov  ge- 
nannt werden. 

Er  zieht  das  arabische  fenn,  welches:  „Fach'1,  „Ab- 
theilung'4 heissen  kann,  herbei  und  entwickelt  daraus  den 

21* 


s 


802      Sitzung  der  phOos.'phüdl.  Clont  vom  3.  Duember  1864. 

Sinn  von  „Stand"  und  „Würde14.  Die  ganze  Formel  hat  nach 
ihm  den  Sinn:  Der  Herrin  Tanith  höchst  göttlicher  Würde. 

Es  sei  uns  gestattet,  gegen  die  Richtigkeit  dieser  Deutung 
nnser  Bedenken  zu  äussern.  Ist  auch  das  arabische  Fenn 
in's  Panische  einzutragen,  so  möchte  es  doch  Bedenken 
erregen,  von  der  spätem  Bedeutung  „Fach"  Gebrauch  zu 
machen  und  daraus  „Würde'S  „Dignität"  zu  entwickeln.  Es 
bleibt  das  Einfachste  und  Sicherste,  wie  uns  scheint,  mit 
Bücksicht  auf  die  Varianten  *oe),  Xtyü  die  Wurzel  rOD  „sich 
wenden,  kehren"  zu  Qrunde  zu  legen,  von  welcher  die  in  den 
Opfertafeln  von  Marseille  und  Karthago  annerkannte  Prä- 
position rüö  (andere  Schreibart  r02)  „gegen,  für,  neben" 
herzuleiten  ist.  Daran  reiht  sich  das  syrische  ^D  ,  KnOS 
„Seite",  woraus  wir  „Genossin"  .ableiten;  die  Formel  heisst 
also  eigentlich:  „Der  Herrin  der  Tanith  zur  Seite  Baals.'* 

Der  nicht  sehr  erhebliche  mythologische  Gewinn,  welcher 
in  dieser  Formel  liegt,  wird  durch  symbolische  Zeichen  ver- 
mehrt, über  welche  wir  uns  einige  Andeutungen  erlauben. 
Auf  unseren  beiden  Tafeln  findet  sich  am  untern  Rande  eine 
complicirte  Figur,  die  man  für  eine  Art  von  Arabesken  halten 
könnte,  wenn  nicht  durch  Vergleichung  mit  andern  Exem- 
plaren das  Bedeutsame  sich  darstellen  würde. 

Ueber  unserer  ersten  Inschrift  zeigen  sich  ausser  den 
beiden  Vertiefungen,  welche  wohl  von  Eisenklammern  her- 
rühren mögen,  zwei  fast  parallel  laufende  Striche,  welche 
man  für  ein  grosses  Thet  ansehen  könnte,  wenn  uns 
nicht  die  Vergleichung  mit  andern  Inschriften  eines  bessern 
belehrten«  In  der  brittischen  Sammlung  schliesst  sich  Nr.  55 
fast  ganz  an  unsere  Figur  an.  Diese  entwickelt  sich  in 
N.  13«  22.  34.  50.  78.  zu  einer  emporgehobenen  Hand  mit 
ausgestreckten,  eng  zusammengehaltenen  Fingern.  Auf  N.  26. 
zeigt  sich  diese  Hand  zwischen  den  Bildern  von  Sonne  und 
Mond  und  einem  Sterne  (?).  Zwei  Hände  N.  75. 

Würde  dieses  Symbol  für  sich  allein  vorkommen,    so 


Hanebcrg:  PvniscM  Inschriften.  803 

mü88te  man  geneigt  sein,  darin  wie  eine  plastische  Dar- 
stellung des  Schwures,  oder  der  Widmung  und  Huldigung 
des  Veranlassers  der  Votivtafel  zu  erkennen.  (Man  ver- 
gleiche die  Betheuerung  Jobs  31,  26.  „Wenn  ich  nach  dem 
Lichte  schaute,  da  es  glänzte  und  auf  den  Mond,  wenn  er 
prächtig  wandelt  und  heimlich  ward  mein  Herz  bethört  und 
meine  Hand  hätte  von  meinem  Mund  den  Kuss"  genommen.) 
Bei  genauerer  Erwägung  wird  diese  Hand  jedoch  nicht  die 
des  Weihenden,  sondern  die  der  Göttin  Thanith  sein. 

Auf  diese  bezieht  sich  die  am  untern  Rande  vorkom- 
mende  Figur;  die  bald  mehr,  bald  minder  roh  gezeichneten 
Linien  mit  zwei  Blumenkelchen  zur  Seite  erscheinen  ähnlich, 
wie  auf  unserer  ersten  Tafel  auf  den  brittischen  Inschriften 
N.  29.  39.  75.  76.;  während  die  Figur  auf  unserer  zweiten 
Tafel  mit  N.  3  übereinstimmt.  Andererseits  trifft  hiemit 
die  merkwürdige  Figur  zusammen,  welche  H.  Beule  bei  seinen 
Ausgrabungen  gefunden  hat,  nur  dass  hier  die  Blumenkelche 
mit  der  Hauptfigur  vereinigt  sind.  Bei  Beule  Tafel  IV.  Fig.  6, 
ygl.  mit  Fig.  7.  (deutsche  Ausgabe.)  Er  sagt  (S.  83):  „Ich 
gebe  auf  T.  IV.  F.  6.  7.  zwei  Stelen,  die  der  Aufmerksam- 
keit mehr  werth  zu  sein  scheinen,  obgleich  sie  den  Lieblings- 
gegenstand der  karthagischen  Basreliefs  darstellen.  Auf  der 
ersten  ist  Astarte  (Thanith)  mit  Lotusblumen  anstatt  der 
Hände  abgebildet  und  ihr  Kopf  ist  eine  Scheibe  mit  einer 
Art  Halbmond  darüber,  was  an  die  Ornamente  der  Isis 
erinnert." 

An  einer  andern  Stelle  bezeichnete  H.  Beule  Statuen 
mit  einer  emporgehobenen  Hand,  als  ausgeführte  Bilder  der 
Juno  Coelestis  (Tanith).  „Ich  traf  auf  plumpes  Mauerwerk 
aus  altern  Materialien,  auf  Bruchstücke  römischer  Bauart, 
auf  Steinplatten,  die  dem  Tempelbezirk  der  Juno  Coelestis 
entnommen  waren  und  Bas- Relief- Votiv tafeln,  welche  die 
Göttin  selbst,  die  eine  Hand  gehoben,  mit  der  linken  das 


304      Sitewxg  der  phtioe.-phOol.  Clont  vom  3.  Betonter  1864. 

Gewand  zusammenfassend  vorstellten."    (S.  SO  der  deutschen 
Uebersetzung.) 

In  Marseille  wurden  kürzlich  unfern  dem  Fundorte  der 
grossen  punischen  Inschrift  verschiedene  Figuren,  darunter 
eine  gefunden,  welche  beide  Hände  aufwärts  hebt  und  sonst 
an  die  von  Shaw  an  der  Brücke  von  Cirtha  gefundene  er* 
innert.  (Shaw;  Reisen  Leipzig  1765  S.  57.)  Die  Notiz 
vom  neuen  Marseiller  Fund  verdanke  ich  Herrn  Alvares  mit 
Copien  von  mehreren  dieser  Bilder.  Vielleicht  gelingt  es 
durch  fernere  Entdeckungen,  weiter  in  das  Innere  der 
astartischen  Symbolik  einzudringen.  * 

Unsere  beiden  Inschriften  lauten  transscribirt  und  über- 
setzt so. 

I. 

bi  byz  |B  rün^>  nmb 

■n:  wn  |Dn  bvA  p« 

aü)n  bvn  p  nybn  izy 

po  p  ropte  nay  p 

Der  grossen  Herrin  der  Thanith,  Genossin  des  Baal  und 
dem  Gebieter  dem  Baal  Hamman,  was  gewidmet  (gelobt) 
hat  Abdmelkarth  Sohn  des  Baal-Hanno,  Sohn  Abdmelkarths, 
Sohnes  von  Magon. 

H. 

6ini)  nb  rorh 
(w)«  cn  ^  pn 

^  -1D1D  p  DDD  1 

Der  grossen  Herrin  der  Thanith  (und  dem)  Gebieter 
dem  Bal'cham,  was  geweiht  (gelobt)  hat  Sabas  (od.  Sibas) 
Sohn  des  Parso. 

Dass  in  dieser  zweiten  Inschrift  Baal  by2  in  ta  zu- 
sammengezogen und  pn  chamman  in  cham  cn  verkürzt 
ist,  sieht  Jedermann.  Ueber  die  Lesung  kann  in  dieser  Hin- 
sicht kein  Zweifel  obwalten. 


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K  Schlagintweit:  Eine  Tibetische  Inschrift.  305 

Herr  Müller  legt  eine  Abhandlang  des  Herrn  Emil 
Schlagintweit  vor: 

„Tibetische  Inschrift  ans  dem  Kloster  Hemis 
in  Ladäk". 

(Mit  1  Textes-Beilage.) 

Während  seines  Besuches  im  Kloster  Hemis,  zwei  Tag- 
reisen von  Le  entfernt,  der  Hauptstadt  von  Ladäk,  liess 
mein  Bruder  Hermann  von  Schlagintweit  -Sakünlünski  eine 
Copie  anfertigen  von  einer  grossen  in  Stein  gehauenen  In- 
schrift, welche  in  tibetischer  Capitalschrift  hinter  dem 
Haupteingange  in  der  Wand  befestigt  war.  Nach  dieser 
Abschrift  besorgte  ich  den  Druck  des  Textes  für  Tafel  IX. 
meines  „Buddhism  in  Tibet";  bei  der  Erläuterung  dieses 
Documentes  hatte  ich  mich  jedoch  damals  auf  einige  allge- 
meine Bemerkungen  über  dessen  wesentlichsten  Inhalt  be- 
schränken müssen.  Viele  Sätze  gaben  bei  wörtlicher  Ueber- 
setzung  keinen  Sinn;  die  Ursache  war  zunächst  diese,  dass 
die  darin  vorkommenden  Eigennamen  und  Ereignisse  bei 
dem  Mangel  anderer  Details  unverständlich  blieben,  oder 
sich  nicht  mit  Bestimmtheit  erkennen  Hessen;  dazu  kam 
noch,  dass  die  Abschrift  manche  sonst  nicht  vorkommende 
Abweichungen  von  der  Schreibart  der  Wörterbücher  bietet, 
und  überdiess  mitunter  undeutlich  ist,  indem  die  Tusche 
auf  dem  stark  gefetteten  Papiere  nicht  gleichmässig  anging. 

Wichtiges  neues  Material  erhielt  ich  durch  die  Ueber- 
setzung  des  Geschichtswerkes  „Von  der  in  bester  Ordnung 
aufgestellten  Kenntniss  von  dem  Jünglinge  Gesar"1). 


1)  Der  ganze  sehr  lange  und  mystische  Titel  ist  bereits  in  den 
Sitzungsberichten  1864  S.  98  mitgetheilt;  der  Text  und  die  Ueber- 
setzung  dieses  MS.  von  31  Blättern  wird  in  Bd.  X,  Abth.  3  der 
„Denkschriften"  der  k.  Akademie  mitgetheilt  werden.  Ich  werde  es 
der  Kürze  wegen  Gyelrap  (rGyal-rab*)  nennen  „Genealogie"  (der 
Könige  von  Tibet),  eine  Bezeichnung,  welche  auch  der  rGyal-po  von 
Ladak  gebrauchte,  als  er  meinem  Bruder  eine  Abschrift  davon  gab. 


306     Sitzung  der  phOos.-phüol.  CUuse  vom  3,  Dezember  1864. 

Ich  hatte  erwartet,  darin  einen  kurzen  Abriss  der  Sage 
von  Gesar  rGyal-po  zu  finden,  allein  nur  einmal,  fol.  23a, 
kommt  sein  Name  vor,  den  Gegenstand  des  Manuscriptes 
bildet  eine  Genealogie  der  Könige  von  Tibet.  Es  ist  diess 
dasselbe  Manuscript,  von  dessen  Existenz  Gsoma  Korasi  in 
Zankhar  gehört  hatte,  ohne  es  sich  jedoch  verschaffen  zu 
können;  Gonningham  forschte  1846  in  Le  vergebens  nach 
demselben  und  hielt  die  Nachricht,  welche  Gsoma  erhalten 
hatte,  fdr  ungenau,1)  allein  die  königliche  Familie  mochte 
damals,  so  kurze  Zeit  nach  der  vollständigen  Unterwerfung 
durch  den  Maharaja  von  Kashmir,  noch  sich  scheuen,  Frem- 
den in  ihre  dynastischen  Verhältnisse  Einblick  zu  gestatten. 

Eine  besondere  Veranlassung,  die  Uebersetzung  der 
Inschrift  wieder  aufzunehmen,  fand  ich  in  dem  Umstände, 
dass  wir  darin  zum  erstenmale  Jahresangaben  für  Er- 
eignisse in  der  Geschichte  des  westlichen  Tibets  begegnen. 
Cunningham's  Schätzungen  beruhen  auf  den  mündlichen  Mit- 
theilungen seiner  Pandits,  sie  werden  jedoch  durch  die 
Hemis  Inschrift  bestättigt;  das  Gyelrap  gibt  die  Dauer  der 
Regierungszeit  der  einzelnen  Regenten  nicht  an.  Es  ent- 
hält die  Namen  der  Gyalpos,  die  Zahl  und  Namen  ihrer 
männlichen  Descendenten ,  und  welcher  derselben  zur  Re- 
gierung kam,  bis  in  die  mit  Fabeln  reich  ausgefüllte  Zeit 
zurück,  als  im  3.  Jahrhundert  vor  Christi  Geburt  König 
^Nya'-khri-fttsan-po  die  zwölf  kleinen  Fürstentümer  des 
südlichen  Tibets  (Yarlung)  unter  seinem  Scepter  vereinigte. 
Die  Ländertheilungen,  die  Dynastien,  welche  in  den  Theilen 
westlich  vom  Lhassagebiete  bis  gegen  Kashmir,  Nübra,  und 
Balti  zu  gegründet  wurden,  dann  die  Einfälle  der  Hors,  der 
türkischen  Stämme  nördlich  von  Ng&ri  und  in  Sk&rdo,  sind 
registrirt;  die  Namen  der  berühmtesten  Lamas  und  der  nen 

erbauten  Klöster  sind  als  die  denkwürdigsten  Ereignisse  be- 

^ ^ — — — — ^mm^^ 

2)  Gsoma,  in  Prinsep  „Useml  Tables",  ed.  Thomas,  p.  291.  Ctm- 
ningham  „Ladak"  817. 


S.  SMagintweü:  Eine  Tibetische  Inschrift.  807 

trachtet;  sie  sind  es,  welche  bei  den  einzelnen  Regenten  er- 
wähnt werden. 

Besonders  ausführlich  sind  von  Fol.  27  bis  30  b  die 
Ereignisse  geschildert  unter  den  Gyalpos  'Jam-dvyang* 
„süsse  Harmonie"  und  Seng-ge,  „der  Löwe".  Diese  beiden 
Herrscher  sind  aber  in  der  Heinis  Inschrift  als  die  Erbauer 
des  Klosters  genannt;  'Jam-dvyang*  hatte  den  Grundstein 
gelegt,  der  Bau  erlitt  durch  seinen  Tod  eine  längere  Unter- 
brechung, erst  in  der  späteren  Zeit  der  Regierung  von 
Seng-ge,  seinem  Nachfolger,  wurde  das  Fest  der  Vollendung 
gefeiert.  Die  Zustände  von  Lad&k  unter  diesen  Fürsten 
werden  in  nachfolgender  Weise  geschildert : 8) 

'Jam-dvyang*'  älterer  Bruder  Ts'he-dvang ,  „der  Zeit 
Gebieter* '  (bei  Cunningham  Cho-vang  genannt),  welcher 
ihm  in  der  Regierung  vorangegangen  war,  hatte  dem  Reiche 
nach  allen  Seiten  hin  neue  Provinzen  erobert,  und  benach- 
barte Fürsten  zu  Tributleistung  gezwungen ;  die  Hors,  welche 
Einfälle  bis  nach  Le4)  gemacht  hatten,  sollten  gezüchtigt 
werden;  allein  auf  Bitten  der  Bewohner  der  nördlichen 
Provinzen,  durch  welche  das  Heer  hätte  ziehen  müssen, 
unterblieb  der  Feldzug.  An  den  Stätten  der  Siege,  sowie 
an  anderen  Orten  wurden  Klöster  erbaut,  auch  Citadellen 
wurden  errichtet  zum  Schutze  gegen  die  nördlichen  Nach- 
barn; unter  diesen  Burgen  wird  auch  die  Feste  auf  dem 
Berge  rTse-mo  „der  Spitze u  zu  Le  genannt. 

Gegen  das  Ende  der  Regierung  von  Tslie-dEvang  muss 
die  Macht  des  Gyalpos  zu  Le  abgenommen  haben;  denn 
als  'Jam-dvyang*  den  Thron  bestieg,  wurde  er  in  einen 
Krieg  mit   den  Herrschern  von  Pürig  verwickelt,   von  wel- 


S)  Die  wörtliche  Ueberseteung  wird  mit  den  übrigen  Theilen  des 
Ifanuscriptes  gegeben  werden. 

4)  Le  wird  im  Gyelrap  «Le  geschrieben ;  es  bedeutet4,  „der  Korb1 
ein  Name,  weloher  sich  auf  die  Lage  von  Le  in  einem  Kessel  von 
Bergen  besieht 


808     Stomg  der  jAOofc-pAOot.  Ckme  vom  3.  Dttmber  1864. 

chen  der  eine  „vom  oberen  Theile"  dem  neuen  König  nicht 
huldigen  wollte.  Ali  Mir,  der  mussalmanische  Herrscßer 
vom  hinteren  Balti,  d.  i.  Skardo,  unterstützte  den  sich  auf- 
lehnenden  Fürsten;  die  Ladiki -Armee ,  die  gegen  Ali  Mir 
heranzog,  litt  stark  durch  einen  heftigen  Schneesturm  und 
wurde  von  den  Verbündeten  gänzlich  geschlagen,  der  Gyalpo 
und  der  Rest  des  Heeres  nach  Balti  in  die  Gefangenschaft 
geführt.  LadÄk  fiel  den  Siegern  zur  Beute,  welche  in 
religiösem  Glaubenseifer,  der  die  Heerzüge  der  Mussalmans 
überall  charakterisirt,  die  Klöster  zerstörten,  die  heiligen 
Bücher  verbrannten,  oder  im  Wasser  zerstreuten.  Spater 
jedoch  gab  Ali  Mir  dem  Gyalpo  das  Reich  wieder  zurück, 
und  gab  ihm  sogar  seine  Tochter  zur  Gemahlin;  mit  dem 
Herrscher  von  Purig  versöhnte  sich  'Jam-dvyangs  ebenfalls, 
eine  Heirath  mit  dessen  Tochter  befestigte  das  neue  Bund- 
niss  und  erweiterte  die  Herrschaft  auch  über  Pürig.  Grosse 
Freude  war  im  ganzen  Lande;  die  Klöster  wurden  wieder 
aufgerichtet,  neue  Bücher  aus  dem  östlichen  Tibet  geholt, 
doch  mitten  unter  den  Arbeiten  für  die  Wiederbefestigung 
der  Buddhalehre  ereilte  'Jam-dvyang*  der  Tod. 

Ihm  folgte  Seng-ge,  ein  Sohn  von  der  Tochter  von 
Ali  Mir.  Schon  in  seiner  Jugend  zeigte  er  die  Zeichen 
des  grossen  Mannes;  im  Fechten,  Schnelllaufen,  Springen 
und  Bogenschiessen ,  dann  im  Lesen  und  in  den  Wissen- 
schaften war  er  bereits  als  Jüngling  vollendet.  In  der  ersten 
Zeit  seiner  Regierung  führte  sein  kriegerischer  Sinn  zu 
Kämpfen  „mit  dem  jugendlichen  Lama  von  Gage"  d.  i.  dem 
Dalai  Lama  des  östlichen  Tibets;5)  reiche  Beute  an  Vieh 
wurde   nach  Lad&k  gebracht,    „so    dass    es  voll  ward  von 


5)  Eb  ist  diess  der  öte  Dalai  Lama  mit  Namen  Ngag-dvang-felo- 
fczang-rgya-mts'ho,  der  nach  Csoma  im  Jahre  1615  als  Kind  auf  den 
Stuhl  von  Lliassa  erhoben  wurde.  Auch  sein  Vorgänger  war  schon  im 
Alter  von  28  Jahren  gestorben;  Ts'he-dvang  hatte  seine  Jugend  und 
die  wenig  energische  Regierung    der  Regentschaft  zu  Einfallen    in 


E.  ScMagintweit:  Eine  Tibetische  Inschrift.  809 


Yaks  und  Schafen".  Später  jedoch  wandte  er  sich  der 
Buddhalehre  zu;  bei  der  Geburt  seiner  Söhne  sandte  er 
sogar  reiche  Geschenke  an  die  beiden  erhabenen  Herren 
yon  U  und  Tsang,  d.  i.  den  Dalai  Lama  zu  Lhassa  und  den 
Panchen  rinpoche  zu  Tashilhünpo.  Der  höchst  vollkommene 
aTag-tsTiaDg-ras-chhen,.  welcher  Indien,  China,  Udyana  (Kafiri- 
stan)  und  Kashmir  bereist  hatte,  kam  nach  Ladäk,  und  lehrte 
im  Sinne  der  „5  Bücher  des  Maitreya"  '),  auch  errichtete  er 
dem  Maitreya  ein  grosses  kostbares  Bild.  Viele  neue  Werke 
werden  in's  Tibetische  übersetzt,  neue  Klöster  errichtet, 
vollendet  wurden  „des  Vaters  Gedanken  ausführend"  folgende 
3  Klöster:  Hemi-byang-chhub-isam-^ling  „(zu)  Hemi,  das 
Eiland  der  Betrachtung  für  Vollendete1' 7) ;    ZChe-ftde-theg- 

Güge  und  zur  Erhebung  von  Tribut  benutzt.  Gyelrap  fol.  27  a; 
vergl.  über  die  Kämpfe  dieser  Fürsten  mit  den  Dalai  Lamas  die 
Notizen  bei  Koppen  „die  Religion  des  Buddha11.  Bd.  II.,  p.  146. 

6)  Die  5  Bücher  des  Maitreya  will  ArySsanga,  der  Stifter  der 
YogSchärya-Schule,  aus  dem  Himmel  Tushita  geholt  haben.  Diese 
Schule  ist  die  Vorläuferin  des  Tantra  Systems;  sie  r&umt  der  Yoga, 
der  tiefen  Beschauung,  viel  grosseren  Einfluss  ein  auf  die  endliche 
Erlösung,  als  es  die  anderen  Schulen  thun  und  liest  bereits  über- 
natürliche Energie  durch  Beschauung  erlangen  Vgl.  Wassiljew  „der 
Buddhismus'4  p.  141. 

7)  Byang~chhub-faam-$rling  ist  der  Name  des  Klosters,  Hemi,  in 
der  Aussprache  mit  einem  s  am  Schlüsse,  häufig  auchHimis  lautend, 
ist  der  Name  des  kleinen  Dorfes  neben  demjfloster.  Die  Lage 
von  Hemis  ist  von  meinem  Bruder  Hermann  zu  33*59'  nördlicher 
Breite  und  77°  16'  östlicher  Länge  von  Green,  bestimmt,  die  Höhe 
des  Eingangs  zum  Tempel  12,324  engl.  Fuss.;  die  Lage  der  beiden 
Klöster  Che  und  Yamle  weiss  ich  nicht  anzugeben,  sie  müssen  aber 
grossere  Orte  sein,  da  sie  Zeile  13  der  Inschrift  als  „Residenzen41 
bezeichnet  werden.  Im  Gyel-rap  fol.  24b  kommt  auzh  ein  Name 
Van-le  vor,  als  der  Name  der  Residenz  von  König  Lha  chhen  gnag 
lug;  es  ist  dieses  das  Hanle  der  Karten.  —  In  der  Hemis  Inschrift, 
Zeile  13,  wird  diesen  Dreien  das  Epitheton  gegeben  Sangye-ohi-ku- 
sung-thug-chi-ten ,  „der  Buddha -Vorschriften  Sinnes-8tützeu ;  im 
„Buddhism  in  Tibet*'  hatte  ich  dieses  Epitheton  für  den  Namen  des 
Klosters  gehalten. 


810     Siteung  der  philoa.-phüoL  Qassc  vom  3.  Dextmher  1864. 

mchhog  „(zu)  Che,  das  vorzüglichste  Vehikel  der  Glückselig- 
keit4' ;  Vamle-fcde-chhen  „(zu)  Vainle,  die  grosse  Glückseligkeit". 
Diese  3  Klöster  werden  die  Häupter,  die  Vorzüglichsten  genannt. 
Es  wird  erwähnt,  dass  die  Eingangsthüren,  die  Dächer,  die 
Gebetcylinder  mit  vergoldetem  Kupfer  bekleidet  wurden; 
von  den  Büchern  seien  viele  mit  roth,  Silber  un,d  Gold  ge- 
schrieben worden8),  „so  wurde  allen  Menschen  gebracht 
die  kostbare  Buddhalehre,  dem  Sonnenaufgang  gleich". 

So  berichtet  das  Gyelrap.  Die  Jahreszahlen,  welche 
das  Hemis  Document  gibt,  sind: 

1)  Der  Monat  dVo-zla  (Voda  gesprochen)  des  männ- 
lichen Wasser-Tiger  Jahres  als  das  Jahr,  „in  welchem  des 
Anfangs  Grund"  gelegt  wurde. 

2.  Das  männliche  Wasser-Pferde  Jahr  als  dasjenige, .„in 
welchem  der  bestens  vollendeter  Errichtung  grosses  Freuden* 
fest"  gefeiert  wurde. 

3.  Das  männliche  Eisen- Hunde  Jahr  als  dasjenige,  in 
welchem  „300,000  Gebetcylinder  unten  an  den  verschiedenen 
Seiten,  an  der  Umfassungsmauer "  hinzugefügt  wurden.  Die 
ungewöhnlich  grosse  Menge  kleiner,  leicht  drehbarer  Gebet- 
cylinder ist  eine  Hemis  eigentümliche  Zierde,  nur  wenige 
Klöster  erfreuen  sich  derselben9).  Die  Zahl  von  300,000 
ist  zwar  sehr  übertrieben;  denn  da  die  Cylinder  einen 
Durchmesser  von  6  engl  Zoll  haben  und  nach  je  8  oder  auch 
10  ein  grösserer  Abstand  von  einigen  Zollen  ist,  würden 
sie  eine  Mauerlänge  von  über  30  engl.  Meilen  beanspruchen, 

8)  Ein  heiliger  Sprach  mit  rother  Farbe  geschrieben,  hatl08mal 
mehr  Kraft,  als  in  Schwarz;  Silberfarbe  ist  wieder  kräftiger  als 
Roth,  Goldfarbe  erhöht  seine  Wirkung  noch  mehr.  Vgl.  Schilling 
von  Cannstladt,  Bull,  hist-phil.  de  l'Acad.  de  Petersb,  VoL  IV., 
p.  331,  333. 

9)  Torrens  „Travels  in  Ladak,  Tartary  et  Kashmir",  p.  177  be- 
richtet von  einem  Kloster,  3  engl.  Meilen  von  Le  entfernt:  „pray- 
ing  cylinders  were  placed  in  shelves  along  the  wall*  about  the 
height  of  a  man's  waist". 


E.  Scklagintweit:  Ein*  Tibetische  Inschrift.  311 

während  in  etwa  */t  Stande  die  Umfassungsmauer  abge- 
schritten ist.  Sie  sind  an  den  Wänden  des  Haupthanses  nnd  an 
den  bedeckten  Gängen,  welche  die  Seiten  des  Gartens  begren- 
zen, in  einer  Vertiefung  der  Mauer,  5 — 6'  über  dem  Boden  auf- 
gestellt; der  durch  den  Cylinder  gehende  Eisenstab  ruht 
oben  und  unten  in  einer  Pfanne,  nnd  die  Andächtigen 
machen  diese  Cylinder  unter  Gebeten  drehen,  indem  sie 
während  des  Gehens  mit  der  Hand  sie  berühren ;  die  sämmt- 
lichen  in  diesen  GyUndern  eingeschlossenen  „Om  mani 
padme  hum's"  0,  das  Kleinod  im  Lotus,  Amen!,  gelten 
dadurch  als  mit  den  Lippen  gebetet10). 

Für  die  Uebertragung  der  tibetischen  Jahresbezeich- 
nungen in  die  entsprechenden  Jahre  der  christlichen  Aera 
sei  erwähnt,  dass  diese  Bezeichnungen  Jahre  des  Sexage- 
eimalcyklus  sind,  welcher  in  Tibet  zum  ersten  male  im 
Jahre  1026  unserer  Zeitrechnung  in  Gebrauch  kam.  Das 
Wasser-Tiger  Jahr  ist  das  39ste  des  Gyklus;  das  Wasser- 
Pferde  Jahr  das  19te,  das  Eisen-Hunde  Jahr  das  47te.  Die 
Zahl  der  abgelaufenen  Gyklen  wird  den  Jahren  nicht  bei- 
gesetzt, in  historischen  Documenten  werden  zu  ihrer  näheren 
Bestimmung  berühmte  Personen  erwähnt,  ?on  welohen  die 
Zeit  ihres  Wirkens  als  bekannt  vorausgesetzt  wird  n). 

In    der    Hemis  Inschrift   bestimmen    die   Namen    des 


10)  Vgl.  über  die  Gebetcylinder  „Buddhism  in  Tibet",  p.  229; 
über  Hemis  die  Ansicht  Hermann's  in  Nr.  16  des  Atlas  zu  den  „Re- 
sults  of  a  scientific  Mission  to  India  und  High  Asia".  —  Gapitain 
Knight  fand  in  einem  der  Cylinder,  den  er  von  Hemis  mitnahm, 
51/»  engl.  Zoll  hohe  Papiere  von  zusammen  60  Yards  Länge;  die 
6  Sylben  nehmen  jedesmal  eine  Länge  von  l1/*  Zoll  ein  und  sind 
auf  einer  Seite  in  je  10  Linien  gedruckt.  Der  Inhalt  dieses  einen 
Cylinders  reichte  hin,  um  der  ganzen  Auflage  seines  Buches  ein 
Stück  in  der  ganzen  Höhe  der  Original-Rolle  beigeben  zu  können, 
„Diary  of  a  Pedestrian  in  Cashmere  und  Thibet",  p.  200. 

11)  Details  über  die  tibetische  Zeitrechnung  sind  in  Cap.  XVI. 
meines  Buddhism  in  Tibet  gegeben. 


812     Sitzung  der  phüos.-phOol  Glasae  vom  3.  Dezember  1864. 

Lama  sTag-ts'hang-ras-chhen,  und  der  Könige  'Jam-  cZvyangs 
und  Seng-ge  die  Cyklen,  denen  die  obigen  Jahresbeseich- 
nungen  angehören.  Nach  Gunningham  starb  'Jam-dvyangs 
am  1620;  da  ein  neuer,  der  Ute  Cyklus,  in  1626  begann, 
ist  das  Wasser-Tiger  Jahr  ein  Jahr  des  10t en  Cyklus,  der 
1566  begann;  es  entspricht  dem  Jahre  1604  unserer  Zeit* 
rechnung.  Das  tibetische  Jahr  beginnt  im  Februar,  Voda, 
im  Sanskrit  Uttaraphälguni ,  ist  der  2te  Monat,  demnach 
fällt  die  Grundsteinlegung  in  den  Monat  März  des  Jahres 
1604.  Das  Wasser-Pferde  Jahr,  das  19te  der  Cyklus  Reihe, 
ist  das  Jahr  der  Vollendung  des  Baues,  und  gehört  somit 
dem  11.  Cyklus  an;  ihm  entspricht  das  Jahr  1644.  Im 
Eisen-Hunde  Jahre  wurden  die  300,000  Qebeteylinder  auf- 
gestellt ;  dieses  Jahr  ist  das  47ste  des  Cyklus  und  entspricht 
dem  Jahre  1672  der  christlichen  Aera1*).  Die  Gebetcylin- 
der sind  wohl  auf  Befehl  von  Seng-ge's  Nachfolger 
ZDe-ldan  hinzugefugt  worden,  der  nach  Cunningham  1670 
zur  Regierung  kam,  und  durch  Bereicherung  des  hochge- 
achteten Klosters  mit  der  so  ungewöhnlichen  Zahl  von  Gre- 
betcylindern  seine  Anhänglichkeit  an  die  Buddhalehre  zeigen 
mochte. 

Ich  lasse  die  wörtliche  Uebersetzung  der  Urkunde 
selbst  folgen;  die  Marginalzahlen  beziehen  sich  auf  die 
Zeilen  der  Textes-Beilage  "). 

Heil   und  Segen  1    Verehrung   den  Lehrern  I     Dem 

durch   seine  Zeichen    und  Proportionen   vollkommenen 

12)  Im  Buddhism  in  Tibet,  p.  186  hatte  ich  das  Wasaer- 
Pferd  Jahr  als  das  Jahr  der  Grundsteinlegung,  und  das  Wasser- 
Tiger  Jahr  als  dasjenige  der  Vollendung  angegeben;  erst  die  be- 
stimmte Erwähnung  im  Gyelrap,  dass  'Jam-dvyangt  den  Bau  be- 
gonnen habe,  und  Seng-ge  ihn  vollendete,  liess  mich  den  Sinn  der 
Worte  erkennen,  welche  in  der  Inschrift  den  Jahresangaben  vor- 
hergehen. 

13)  Für  freundliche  Mittheilungen  über  eigentümliche  Ausdrucke 
bin  ich  Herrn  A.  Schiefher  in  Petersburg  verbunden. 


K  Schlaginüveü:  Eine  Tibetische  Inschrift  313 

Buddha;  dem  die  restlose  (d.  i.  ganze)  Wahrheit  ver- 
kündendem Gesetze;  dem  versammeltem  Collegium  der 
Schaar  der  Ehrwürdigen,  welche  sich  der  Erlösung 
befleissigen,  —  diesen  drei  Vortrefflichsten14)  sei  An- 
betung nach  Verneigung  zu  den  Füssen  der  Oberen  1 

Dieses,  femer,  ist  der  Ort,  wo  erscheint  der  völlig 
Siegreiche  der  drei  Geheimnisse,  der  von  allen  Sieg- 
reichen mit  Machtvollkommenheit  versehene,  /durch 
alle  vier  Welten  15)  verehrte,  verehrungswürdige,  grosse 
Herr  rfPal-mnyam-med-'brug-pa  „des  unvergleichlichen 
* *.  Glückes  Donner" ie).  (Dieser)  vollkommene  Beine, 
ringsum  berühmt,  der  das  Kleid  des  Aethers  hat,  den 
Kern  der  Buddhalehre  weithin  umfasst  habend,  war 
insbesondere  in  die  Gegenden  von  Jambudvipa  (d.  i. 
Indien)  gekommen,  und  hatte  (die  Lehre)  dort  weit 
und  breit  verbreitet.  Da  viele  noch  zu  Bezähmende 
das  Geschäft  der  begründenden  Werke17)  für  den 
Wog  der  Reife  und  der  Erlösung  (zu  verrichten 
hatten),  —  erfasst  habend  die  Lehre  in  den  drei  uner- 
messlichen  Regionen,  erhob  er  in  alles  überragender 
Gnade18)   um  der  heiligen  grossen  Männer  willen  die 


14)  VergL  über  die  Vortheile,  welche  die  Anrufung  der  3  Kost- 
barkeiten bringt,  d.  i.  Buddha,  Dharma  und  Samgha,  Hardy,  „Eastern 
Monachism",  p.  209. 

15)  Tibetisch  arid;  hier  wohl  so  viel  wie  Dvipa,  welches  sonst 
mit  gling  wiedergegeben  wird. 

16)  Die  Brugpa  Sekte,  eine  der  9  orthodoxen  Sekten  in  Tibet, 
neigt  sich  dem  Tantrika-Mysticismus  besonders  stark  zu.  Nach  dem 
Gyelrap  foL  24  b,  25  a,  27  a,  war  im  westlichen  Tibet  „die  Lehre  der 
Tantra  Vollendung1*  schon  unter  'Jam-<2vyang*  Vorfahren  eingeführt 
worden. 

17)  Bezähmung  der  Leidenschaften,  Uebung  der  Tugenden  ist 
gemeint,  welche  Erlösung  von  Wiedergeburt  begründen. 

18)  Im  Texte  steht  hier  und  sonst  bkrin;  wohl  eine  Abkürzung 
von  frka'-drin. 


314      Sitzung  der  pküoe^pkOol.  Glatte  vom  8.  Detemb&r  1864. 


Stimme  der  Lobpreisung  in  unübertrefflicher 
Hieher  auch  wechselte  .(den  Wohnort)  der  Herzens- 
sohn, der  siegreiche  *God-tschang-pa  ").  Durch  des 
Vaters  und  Sohnes *•)  Gabenspendung  war  vollendete 
tiefste  Medetation  geworden.  Zeitlos  (d.  i.  in  kurzer 
Zeit)  versammeln  sich,  der  DskinI*1)  Wolkenschaar 
s.  10.  gleich,  bringen  Opfer,  und  preisen  das  treffliche  S'ri 
Gharitra-Bad  (das  Rad  des  sittlichen  Verhaltens) 
24  Geistliche,  and  gleichfalls  auch  etliche  des  Ranges 
Zeichen  habende  Gross-Lamas,  die  gekommen  waren 
dem  vollendetet-mächtigen  (—  zaubermächtigen),  vorzüg- 
lichst geehrten  (?)")  sTag-ts'hang-ras-pa-chhen  „dem 
grossen  Bhikshu  des  Tigernesteeu  zu  Füssen. 

Der  Dharmaräja  Seng-ge  rNam-par-rgyal-va,  des 
Vaters  Sohn,  der  Herr,  dann  die  Minister  und  die  Unter- 
thanen,  in  unverminderter  Andacht  mit  dem  Haupte  *s) 
Verehrung  zollend,  schliessen  sich  an,  und  halten  in  höchst 
vollkommener  Weise  den  edlen  Schatz  der  zwei  Claasen 
(d.  i.  der  Priesterciasse  und  der  Laien).  In  des  Königs 
Residenzen  wurden  drei  Stützen  des  Sinnes  der  Buddha- 
Vorschriften ,  der  Residenzen  Mutter  und  Kinder,  die 
Vihäras  des  kostbaren  Edelsteins,  von  innen  und  aussen 
in  ausgedehnter  Weise  vollendet94),  wodurch  der  Lehre 
Sonnenaufgang  gleichsam  entsand. 

19)  Bewohner  der  Höhlen  der  Wildniee;  er  kam  wohl  aus  dem 
Kloster  rGod-tsliang  im  östlichen  Tibet. 

20)  Nemlich  'Jam-rfvyang*  und  Seng-ge. 

21)  Weibliche  Genien,  Bewohner  der  Wolkenranme,  zahllos  an 
Menge  und  Beschützerinnen  der  Menschen;  vgl.  „Buddhism  in  Tibet** 
p.  248. 

22)  Das  Tibetische  tonyes  des  Textes  findet  sich  in  den  Wörter- 
büchern nicht;  vielleicht  ist  es  eine  Abkürzung  für  myed-fckor  „Ver- 
ehrung". 

23)  Das  sbyi  des  Textes  steht  wohl  statt  spyi  „Scheitel". 

24}  Der  Text  hat  Krun,  welches  ich  nicht  zu  erklären  weiss, 
Herr  Schiefher  schlag  vor,  grab  ,  vollendet"  za  lesen. 


E.  ScMaginttoeit:  Eine  Tibetische  Imdmft.  315 

'Jam-dpal  „der  erhabene  Milde",  des  Schutzherrn 
Vater,  war  nicht  unterlegen26).  Unter  der  Regierung 
*. «.  dieses  von  diamantener  Stärke  und  Macht  war  der 
Wissensherr  dPal-wnyam-med-qe-'brug-pa  „des  unver- 
gleichlichen Glückes  Donner",  der  Alles  wissende  Grosse 
selbst  gekommen;  anhängend  dem  trefflichen  Gesetze 
der  Reife  und  der  Vollendung  (spendete  er)  Segen.  Der 
unvergleichliche  Herr,  der  Herr  des  Wandels  und  der 
Lehre,  der  Schützer  alle  Zeit,  der  treffliche  Herr,  das 
Wissen  erfassend,  —  dadurch  dass  durch  (diesen)  Gross- 
mächtigen, das  Haupt  des  Wandels  und  der  nicht  in  Par- 
theien zerspaltenen  Lehre,  auch  in  diesem  Lande  von  Sand 
und  Felsen lf)  der  Buddhalehre  und  der  Wohlfahrt  der 
Wesen  gedacht  wurde,  ist  nachher  die  Vorschrift 
und  ihr  Sinn  $uch  von  mir,  dem  beglückten  Manne 
(d.  i.  Seng-ge)  erfasst  worden.  Nicht  ging  unter 
das  Zeichen;  Ts^he-dvang-'phrin-lae-J^tan-'dzin-mi-rgyur- 
rdorje  „der  Zeit-Gebieter,  erfassend  die  Lehre  und 
die  Geschäfte  (cL  i.  die  Werke),  ein  unwandelbarer 
Scepter"17)  mit  Namen,    Macht   verleihend18)  segnet, 

25)  'Jam-dpal  ist  identisch  mit  'Jam-dvyang«,  „süsse  Harmonie", 
welches  zugleich  Name  des  Gottes  Manjusrl  ist,  und  auch  bei  anderen 
Eigennamen  alternirend  gebraucht  wird.  Cf.  Gsoma  „Grammar",p.l98.— 
Die  Worte  „nicht  unterlegen11  (auch:  nicht  geschlagen)  scheinen  sich 
darauf  zu  beziehen,  dass  'Jam-dvyaags  spater  sein  Reich  von  Ali 
Mir  wieder  zurückerhielt;  die  Inschrift  stellt  aber  den  Ladak-Gyalpo 
als  Sieger  hin,  weil  er  schliesslich  doch  wieder  die  Regierung  erhielt. 

26)  Der  Flugsand,  der  aus  den  grossen  Wüsten  im  Norden  von 
Tibet  herüberkommt,  füllt  schon  bei  Le  alle  Vertiefungen  der  Berg- 
abhänge aus.  Vgl.  die  Ansichten  von  Le,  und  des  Kiük  Eiöl  im 
Atlas  zu  den  „Results  of  a  scientific  Mission  to  India  and  High  Asia". 

27)  Das  Epitheton  „unwandelbarer  Scepter"  lässt  annehmen, 
dass  auch  dieser  Lama  ein  Anhänger  der  Brugpa  Sekte  war,  welche 
dem  Dorje  eine  besondere  Verehrung  erweist. 

28)  Für  das  im  Texte  folgende  gamnyas  (ohne  Silbenpunkt 
gesehrieben)  weiss   ich  keine  Erklärung. 

[1864  IL  4.]  22 


316      Sitzung  der  philos.-phOol.  doste  vom  3.  Dezember  1864. 

die    von    der  Buddhalehre  und  der  Geistlichkeit   ab- 
hängige Erwerbung. 

*.  *  Der  hochehrwürdige  dPal-Zdan  (d.  i.  tfPal-mnyam,  etc.) 
rtea-ya'i-Ma-ma  „der  erhabene  Wurzel-Lama  lö)u,  verweilt 
habend  in  den  Pflichtgesetzen  der  drei  Statuten  in  den 
Abtheilungen  der  hier  und  dort  angesammelten  (d.  i.  befind- 
lichen) Klöster,  (und)  von  den  10  Tugenden  das  zu  Lassende 
und  zu  Verrichtende  iriihumslos  gethanso)  habend,  ge- 
schickt in  der  mit  dem  grossen  Siegel  versehenen 
Gnade ;  —  darauf  gestützt,  und  des  Vaters  und  Sohnes 
Gnade  im  Gemüthe  behalten  habend,  um  zu  vollenden 
den  Gedanken,  vollzog  er  aus  eigenem  Antriebe,  nach- 
dem früher,  beginnend  im  Monat  dVo-zla  (d.  L  März) 
des  männlichen  Wasser-Tiger  Jahres  (d.  i.  1604)  des 
Anfangs  Grund  gelegt  worden  war,  im  männlichen 
Wasser-Pferde  Jahre  (d.  i.  1644)  des  Vihära's  bestens 
vollendeter  Errichtung  grosses  Freudenfest  des  Segens 
als  Gipfel  der  Vollendung.  Im  männlichen  Eisen- 
Hunde  Jahre  (d.  i.  1672)  wurden  ausserhalb  des  Löwen- 
einganges, gegenüber  an  den  verschiedenen  Seiten  unten 
an  der  Umfassungsmauer  300,000  Manis  (Gebetcylinder) 
errichtet,  sowie  eine  Hecke  vom  Spenstrauche.  (Dann), 
der  gänzlich  errichtet  Habende  von  innen  und  aussen, 
Achtung  erwiesen  habend  den  drei  durch  Segen  Vorzugs 

*. *.  liebsten  Oberen  (der  3  Klöster),  bat  um  das  wunderbare 
Hervorkommen  der  mehr  als  weissen  Dienstleistung  5a), 
die  gleich  ist  einem  Monate  der  vorzüglichsten  Ge- 
dankensammlung.   Dem   Werkvereiniger    gleich    Shes- 


29)  Wurzel-Lama*   werden  die  Begründer  besonderer   Schulen 
genannt.    Vgl.  „Buddhism  in  Tibet1',  p.  186,  141,  186. 

30)  Tib.  «pyod;  es  kehrt   diese«  Wort  noch   öfter   wieder;    in 
Z.  81  könnte  es  auch  «kyod  „wandeln"  gelesen  werden. 

81)  rTog  des  Textes  wohl  gleich  dem  tog  der  Wörterbücher- 


E.  SMagintocit:  Birne  Tibetische  Inschrift.  317 

rab-ts'he-dvang,  „des  Wissens  und  der  Zeit  Gebieter ", 
die  Werkleute,  die  Zimmermeister,  die  Werkmeister 
an  Mauern  und  die  an's  Ziel  Lasten  Tragenden,  — 
alle  diese  Arbeiteleute,  nachdem  sie  gläubig  vollendet 
worden  waren,  in  der  völlig  reinen  Natur  der  grossen 
Glaubensmeditation,  stützen  sich  durch  die  sündlose 
Vermögenskraft  der  weit  reichenden  Tugend  auf  die 
Füsse  der  Oberen,  welche  völligen  Schutz  angesammelt 
haben.  Der  Regen  der  Reife  und  Vollendung,  indem 
er  Jambudvipa  umfasst,  macht  gemessen  dem  Gaben- 
spender der  Lehre,  dem  Gesetzeskönige  (d.  i.  Dhar- 
marSja  Sengge),  dem  Herrn  sammt  den  Unterthanen, 
die  besondere  Grösse  der  Glückseligkeit,  während  zu- 
gleich die  Heeresmacht  der  Mitte  und  der  Grenze8*), 
eine  schlimme  Schaar  von  Gedankensammlung,  ohne 
Rest  gänzlich  wird  beruhigt.  (So)  hier  und  dort  Freude 
und  Glück  (Gedeihen). 

Gemäss  des  mit  dem  Wunsche  übereinstimmenden 
Gesetzes  wurde  sich  der  Vollendung  befleissigt,  gehalten 
wurde  der  Zusammenhang  der  Ursachen  der  Samm- 
lung und  der  Gaben  (=  Vergeltung) "),  auch  durch  die 
fiefleissigung  Aller  in  den  10  Benützungen  des  Ge- 
setzes84). Zur  rechten  Zeit  fällt  herab  das  Regen- 
wasser   der    Gnade    in    den    10    Weltgegenden.    Das 


82)  Eine  Anspielung  auf  die  Zage  von  Ts*he-<Zvang  and  Seng- 
ge**  nach  Guge,  dem  Territoritun  des  Dalai-Lama;  von  den  späteren 
Gyalpos  berichtet  das  Gyelrap  keine  Einfalle  mehr  in  sein  Gebiet. 

88)  Im  Tibetischen  rgyu-sbyor-yon-gyi-'brel.  Es  sind  hierunter 
wohl  die  12  Nidanas  zu  verstehen,  welche  sonst  mit  rten-twel  über- 
setzt werden. 

84)  Oder,  wenn  wir  «kyod  lesen  (v.  Anm.  29)  „dem  lOfachen 
Geaetseswandel";  vergl.  Aber  die  10  Tagenden  Hsrdy,  „Manaal  of 
Baddhismu  p.  460. 

22» 


318       Sitzung  der  natK-phys.  Clont  wm  10.  Dezember  1864. 

Jahres  -  Vieh  (?)  86)  dem  beständig  trefflichen,  glück- 
lichen Zeitalter  (=  Satya  Yoga)  gemäss  genossen 
werdend,  mögen  der  Buddhawürde  Thürflägel  schnell 
erlangt  werden  I 

Alles  Glück;  Siege,  siege,  siege! 


Mathematisch-physikalische  Clasae. 

Sitzung  vom  10.  Desember  1864 

Herr  C.  Th.  von  Siebold  legt  einen  Bericht  vor: 

„Ueber  die  im  Auftrage  der  königlichen 
Akademie  der  Wissenschaften  vorgenom- 
menen vorläufigen  Nachforschungen,  am 
das  Vorkommen  von  Pfahlbauten  in  Bayern 
festzustellen". 

Nachdem     ich    die    Pfingsttage    dieses    Jahres     dazu 
benutzt  hatte,    um    mir    über    die   Beschaffenheit    der    in 
dem    Neuchateier    See    so    häufig    vorkommenden    Pfahl- 
bauten   an  Ort   und  Stelle  Einsicht  zu  verschaffen  und  mit 
der  Ueberzeugung  nach  München  zurückgekehrt  war,   dass 
auch    in    Bayern    diese    ältesten    Denkmäler    menschlicher 
Thätigkeit  vorhanden  sein  müssten,   führte  ich  am  13.  Juni 
Herrn  Desor,    welcher  als  erfahrener  Kenner    der    Pfahl- 
bauten   nach    getroffener  Verabredung    von  Neuchatel  hie- 
her  gekommen  war,  nach  dem  Starenberger  See,    wo   sich 
ein  Auffinden  von  Pfahlbauten  am  sichersten  erwarten  liess. 
Es    ist   bereits  durch  Zeitungsberichte  vielfach   besprochen 
worden,  dass  es  die  Ufer  der  Rosen-Insel  waren,    an  wel- 
chen  die  Ueberreste    früherer  Pfahlbauten    auf  das    Deut- 
lichste von  Desor  erkannt  worden  sind.    Dieses  Auffinden 


36)  Dieser  sonderbare  Ausdruck  ist  wohl  so  zu  verstehen,    dass 
Jahr  für  Jahr  ein  günstiges  sein  möge;  denn  die  Jahre  werden 
Thieren  benannt;  vgl.  Anm.  11. 


* .  Siebeid :  Pfahlbauten  in  Bayern.  319 

eines  beträchtlichen  Pfahlbaues  im  Starenberger  See  gab 
Veranlassung,  dass  Hr.  Professor  Moritz  Wagner  und  ich 
den  Auftrag  erhielten,  diese  Untersuchungen  noch  auf  andere 
Lokalitäten  Bayerns  auszudehnen.  Es  wurden  diese  Nach- 
forschungen nach  Pfahlbauten  in  der  ersten  Zeit  unter 
der  Begleitung  des  Schiffers  Benedict  Kopp  vorgenommen, 
welchen  Hr.  Desor  bei  seinen  Untersuchungen  an  den  Seen 
der  Schweiz  vielfach  benutzt,  und  welchen  derselbe  uns  als 
Beihülfe  überlassen  hatte. 

Hr.  Professor  Wagner  stellte  seine  Untersuchungen 
auf  dem  Starenberger  See,  Ammersee ,  Wörthsee ,  Ringsee 
und  Ostersee  an,  den  Staffelsee  untersuchten  wir  gemein- 
schaftlich, und  von  mir  wurden  in  gleicher  Absicht  der 
Tegemsee,  Schliersee,  Chiemsee  und  Seeon-See  besucht. 

Nach  den  mir  von  Herrn  Professor  Wagner  ge- 
machten Mittheilungen  kommen  im  Starenberger  See  nahe 
den  westlichen  Ufern  an  drei  verschiedenen  Punkten  Spuren 
von  Pfahlbauten  vor.  Am  deutlichsten  und  ausgezeich- 
netsten sind  dieselben  an  der  Südseite  der  Roseninsel  zu 
erkennen.  Dort  stehen  die  Pfahle  um  einen  sogenannten 
„Steinberg"  gruppirt,  einen  künstlich  aufgeschütteten  Hügel 
im  See,  der  jetzt  im  Sommer  l1/*  Fuss  unter  dem 
Wasser  sich  befindet,  früher  aber  wahrscheinlich  über  dem 
Seespiegel  hervorragte.  Solche  „Steinberge"  oder  künst- 
liche Inseln  wurden  von  den  alten  Seebewohnern  in  der 
Schweiz  offenbar  zu  dem  Zwecke  errichtet,  um  ihren  Wasser- 
dörfern einen  trockenen  Boden  oder  den  eingeschlagenen 
Pfählen  eine  festere  Grundlage  zu  geben.  Dieser  aus  zer- 
schlagenen Steinen  und  Gerolle  aufgeschüttete  Hügel,  wel- 
cher denen  des  Neuenburger  und  Bieler  Sees,  namentlich 
dem  Steinberge  von  Nidau  bei  Biel  ganz  ähnlich  ist,  zieht 
sich  südlich  von  der  Roseninsel  noch  über  300  Fuss  in  den 
See  hinein  und  bildet  dort  eine  Untiefe.    Die  ganze  Rosen- 


320     Sitsung  der  m*tk.-phy$.  Gaue  vom  10.  Dumbet  1864. 

insel   scheint   aus  der  nördlichen  Fortsetzung  dieses 
bergs  zu  bestehen    (ähnlich  der  von  Hm.  Desor  beschrie- 
benen Pfahlbauinsel  im  Lago  di  Varese)   und  wurde  wahr- 
scheinlich erst  in  der  Römerzeit,   aus  welcher  Zeit  dort  so 
schöne    Alterthümer    gefunden    wurden,     erhöht    und    ver- 
grössert.    Zu  beiden  Seiten  dieses   „St  ein  bergs"    gehen  die 
alten  Pfahlbauten    bis    über  300  Fuss  in  den  See  hinein. 
An  den  tieferen  Stellen  stehen  die  Pfähle    10  bis  12  Fuss, 
an  den  seichteren    1  bis  3  Fuss    unter  dem  Wasser.     Die 
meisten   Pfahle   haben  4  bis   6  Zoll  im  Durchmesser    und 
ragen  nur  einen  halben  Zoll,    höchstens   2  bis  3  Zoll  über 
der    obersten    Schlammschichte    des    Bodens    hervor.     Die 
meisten  Pfahle  sind  als  kleine  kuppenförmige  vom  Schlamm 
bedeckte  Erhöhungen  auf  dem  Seeboden  bemerkbar,    doch 
bedarf  es  eines  geübten  Auges,  um  sie  bei  klarem  Himmel 
und  ruhigem  See  als  Pfahlköpfe  zu  erkennen.     In  grösserer 
Entfernung  und  bedeutenderer  Tiefe  (in  etwa  16  bis  22  Fuss 
Tiefe)  ragen   andere  stärkere  Pfahle  in  südwestlicher  Fort- 
setzung noch    bis  6  Fuss  über  dem  Seeboden  empor.     Die 
Sage  schreibt  dieselben    einem  früher  vorhanden  gewesenen 
Brückensteg  zu,  obwohl  keine  älteren  geschriebenen  Urkun- 
den zur  Bekräftigung  dieser  Sage  angeführt  werden  können. 
Eine  wiederholte  Untersuchung  dieser  Pfahle  nach  der  Rück- 
kehr aus  der  Schweiz,  wohin  Hr.  Wagner  um  Pfahlbauten 
zu  studieren,  gereist  war,    hat  denselben  zu  der  Ueberzeng- 
ung  gebracht,    dass    diese  Pfahle  in  ihrer  Vertheilung  und 
Form  die  grösste  Aehnlichkeit  mit  einigen  Pfahlbau-Stationen 
der  Broncezeit  im  Bielersee,    besonders  aber  mit  denen  bei 
Morges  im  Genfersee  haben.  Eine  Brücken- Verbindung  zwi- 
schen  der  Rosemnsel    und   dem  Lande  haben  diese  Pfähle 
gewiss  nie  gebildet,  denn  es  ist  nicht  anzunehmen,  dass  die 
alten   Bewohner    des   Sees    einen   Brückenbau    in    dieser 
Sichtung  versuchen  konnten,  wo  derselbe   bei   der  gleichen 
Tiefe  die  doppelte  Länge  gehabt  hätte,  wie  in  der  westlichen 


«.  Siebold'.  Pfahlbauten  *»  Bayern.  821 

Richtung.  Auch  verschwinden  diese  Pfahle  schon  in  einer 
Entfernung  Ton  200  Fuss  vom  Lande.  Hr.  Wagner  glaubt, 
dass  diese  Pfahle,  die  eine  dreifache  Reihe  bilden,  zu  den 
Pfahlbauten  der  Broncezeit  selbst  gehörten  und  dass  Bag- 
ger-Versuche gerade  in  dieser  Tiefe,  wo  die  zufallig  in  das 
Wasser  gefallenen  Gegenstände  von  den  alten  Bewohnern 
nicht  so  leicht  herausgezogen,  werden  konnten ,  am  meisten 
Erfolg  versprächen.  An  der  Ostseite  entfernen  sich  die 
Pfahle  nicht  so  weit  von  der  Insel.  An  der  Nordseite  der- 
selben fehlen  sie  ganz.  Professor  Wagner  liess  an  zwei 
Stellen  der  Südseite  der  Roseninsel  und  an  einer  Stelle  der 
Ostseite  in  den  Boden  des  Sees  Löcher  von  etwa  10  Fuss 
Länge,  6  Fuss  Breite  und  4  Fuss  Tiefe  graben.  Ein  Fuss 
unter  der  oberen  Schlammschicht  des  Sees  kam  an  der 
Südseite  der  Insel  die  „Culturschicht"  zum  Vorschein,  welche 
aus  einer  gelblich-schwärzlichen  Masse  von  meist  verfaultem 
Holze  mit  kleinen  beigemengten  Enochentheilen  vermischt 
bestand  und  einen  unangenehmen  scharfen  Geruch  von  sich 
gab.  In  dieser  Masse  fanden  sich  hunderte  von  zertrüm- 
merten alten  Thonscherben  und  zerschlagenen  Thierknochen 
vor,  die  sogenannten  „Küchenabfalle"  nebst  verschiedenen 
Artefakten  von  Knochen  und  Bronze.  Diese  Culturschicht 
ist  l'/>  Euss  mächtig.  Unter  dieser  Culturschicht  liegt  hell- 
grauer  Letten,  der  ursprüngliche  alte  Seeboden,  in  welchem 
die  Pfähle  stecken.  Sobald  dieser  Letten  beim  Graben  zum 
Vorschein  kömmt,  verschwinden  die  Küchenabfalle  mit  den 
Knochen,  Scherben  und  Artefakten.  Dass  unter  diesem 
Letten  ältere  Pfahlbauten  der  Steinzeit  zum  Vorschein 
kommen  könnten,  wie  Hr.  Desor  vermuthet,  glaubt  Wagner 
nicht,  da  derselbe  an  einigen  Stellen  bis  5  Fuss  eingraben 
liess,  ohne  auf  eine  Spur  von  einer  zweiten  tiefer  gelegenen 
Culturschicht  gestossen  zu  sein. 

Eine  andere  Gruppe   von  alten  Pfählen,   aber   in  be- 
deutend grösserer  Tiefe  befindet   sich    in  dem   sogenannten 


$22      Sitzung  der  matk-pky$.  CUme  vom  10.  Dezember  1864. 

Karpfen winkel,  einer  gegen  Wind  und  Wellenschlag  woW 
geschützten  Bucht  des  Starenberger  Sees  zwischen  Totring 
und  Bernried.  Die  Pfahle  stehen  über  400  Fuss  vom  Ufer 
südöstlich  von  dem  Ausflüsse  des  Bemrieder  Mühlenbacheg 
in  einer  Tiefe  von  12  bis  14  Fuss  und  ragen  einen  halben 
Fuss  ans  dem  Seeboden  hervor.  Es  sind  starke  Pfahle  von 
mindestens  8  Zoll  im  Durchmesser,  welche  Wagner  aber  nur 
bei  ganz  hellem  Himmel  und  besonders  bei  der  Morgen» 
sonne  deutlich  erkennen  konnte. 

Eine  dritte  Stelle,  die  sich  ihrer  geringen  Tiefe  wegen 
zu  Ausgrabungsversuchen  besonders  empfiehlt,  liegt  zwischen 
der  Villa  Knorr  und  der  herzoglichen  Villa  von  Poasenhofen, 
etwa  300  Fiiss  von  dem  westlichen  Seeufer  entfernt.  Ee 
ist  ein  sogenannter  „Steinberg",  als  welchen  ihn  Hr.  Desor 
sogleich  erkannte.  Dieser  aufgeschüttete  künstliche  Hügel 
zeigt  auch  im  Sommer  bei  gewöhnlichem  Wasserstande  nur 
1  Fuss  Tiefe  und  dürfte  in  den  Wintermonaten  wohl  theil- 
weiße  ganz  trocken  liegen.  Hr.  Bergrath  Gümbel  fand  bei 
seinem  Besuche  dieses  Steinbergs  ein  Stückchen  Hornstein, 
der  sonst  unter  den  Rollsteinen  des  Seebodens  von  Staren* 
berg  nicht  vorkömmt.  Die  alten  Pfähle  dürften  hier,  wie 
theilweise  im  Bielersee  wahrscheinlich  unter  der  obersten 
Lage  des  Steinberges  verborgen  stecken.  Leider  gestatteten 
die  geringen  Geldmittel,  die  uns  für  diese  Untersuchungen 
zur  Verfügung  standen,  keine  Nachgrabungen  dieser  Stelle. 

Im  Ammersee  fand  Hr.  Professor  Wagner  eine  merk- 
würdige Gruppe  von  Pfählen  zwischen  Holzhausen  und 
Utting  etwa  200  Fuss  vom  westlichen  Ufer.  Es  sind  starke 
noch  ziemlich  gut  erhaltene  Pfahle,  welche  6  bis  7  Zoll  im 
Durchmesser  haben  und  anderthalb  Fuss  über  dem  See- 
boden emporragen.  Die  Tiefe  des  Sees  war  an  dieser  Stelle 
im  Monat  Juni  7  Vi  Fuss.  Diese  Pfahlgruppe  war  den 
älteren  Fischern  des  Ammersees  längst  bekannt,  sie  ausser* 
ten  sich  darüber,  dass   dort  einmal  ein  Haus  im  Wasser 


v.  Siebdd:  PfMbautm  in  Bayern.  323 

gestanden  haben  müsse,  denn  darüber  waren  sie  einig,  dass 
diese  dicken  starken  Pfähle  nicht  zum  Zwecke  des  Fisch- 
fangs in  solcher  Tiefe  eingeschlagen  worden  sein  konnten. 
Auch  diese  Stelle  wäre  im  Winter,  wo  das  Seewasser  klarer 
wird,  zu  Baggerversuchen  sehr  zu  empfehlen. 

Im  kleinen  Wörthsee,  den  Hr.  Professor  Wagner  im 
Monat  Juni  besuchte,  fand  derselbe  nahe  der  Insel,  welche 
Eigenthum  des  Grafen  von  Seefeld  ist,  bei  dem  Graben  mit 
der  Baggerschaufel  1  Fuss  tief  unter  dem  Seeboden  an  4 
zwei  Stellen  Trümmer  von  alten  ungebrannten  Thongeschirr 
und  die  charakteristischen  schwarzen  und  aufgeschlagenen 
Thierknochen.    Pfahle  waren  nicht  bemerkbar. 

Der  Staffelsee,  Ringsee  und  Ostersee  zeigten  keine 
Spur  von  Pfahlbauten,  ebenso  wenig  konnte  ich  im 
Tegernsee,  wo  besonders  die  bei  Abwinkel  gelegene  Insel 
ins  Auge  gefasst  worden  war,  irgend  eine  Spur  von 
Pfahlbauten  auffinden. 

Dagegen  bot  mir  die  an  der  Südseite  der  Insel  des 
Schlierseee  vorhandene  seichte  und  schlammige  Stelle  eine 
ziemlich  reiche  Ausbeute  von  ungebrannten  Thonscherben 
und  verschiedenen  gespaltenen  Thierknochen  dar,  welche 
mit  der  Baggerschaufel  leicht  hervorgehoben  werden  konnten. 

Auf  dem  Ghiemsee  suchte  ich  an  der  Fraueninsel 
Torgebens  nach  Pfahlbauten,  während  ich  ebenda  an  der 
nordwestlichen  Seite  der  Herrninsel  mehrere  Fuss  vom 
Ufer  entfernt  und  mehrere  Fuss  tief  eine  Gruppe  von 
uralten  Pfählen  aus  dem  Seeboden  hervorragend  er* 
kennen  konnte,  welche  weder  als  Uferbau  noch  zu  Zwecken 
der  Fischerei  gedient  haben  konnten.  Eine  nähere  Unter- 
suchung dieser  Stelle  konnte  wegen  des  hohen  und  trüben 
Wassers,  in  Folge  anhaltender  Regengüsse,  nicht  vorgenom- 
men werden.  Ebenso  musste  eine  genauere  Durchforschung 
des  Seeoner  Sees,    dessen   Boden  an  verschiedenen  Stellen 


324      Sitzung  der  WMth.-phy$.  GZom*  vom  10.  Detember  1864. 

die  Anwesenheit  von  Pfahlbauten  verrieth,   wegen  Ungunst 
der  Witterung  unterlassen  werden. 

Was  nnn  die  von  uns  gesammelten  Thierknochen  be- 
trifft, so  wurden  dieselben  von  mir  einer  genaueren  Unter- 
suchung unterworfen.  Sie  rührten  von  dem  Starenberger 
See,  dem  Wörthsee  und  dem  Schliersee  her,  und  boten  in 
ihrer  Beschaffenheit,  Form  und  Färbung  ganz  dasselbe  An- 
sehen dar,  wie  die  bisher  in  den  Pfahlbauten  der  Schweiz 
aufgefundenen  Thierknochen. 

Alle  Knochen  waren  der  Länge  nach  gespalten,  nur  die 
kleineren  und  kürzeren  Knochen,  namentlich  die  Zehenglieder 
und  Fus8wurzelknochen  waren  unzerbrochen  geblieben.  Man 
sah  es  der  Form  der  Knochenfragmente  an,  dass  sie  ab- 
sichtlich yon  Menschenhänden  zerschlagen  waren,  theils  um 
durch  solches  Zerschlagen  bestimmte  zur  Verarbeitung  für 
Gerätschaften  und  Waffen  geeignete  Splitterformen  zu  er- 
halten, theils  um  dem  Marke  der  Röhrenknochen  beizukom- 
men. Am  auffallendsten  nehmen  sich  die  der  Länge  nach 
aufgespaltenen  Unterkieferknochen  jüngerer  Wiederkäuer 
aus,  deren  nachwachsende  und  noch  unvollkommen  ent- 
wickelte Backenzähne  angenehme  Leckerbissen  geboten  haben 
mögen.  Solche  Zerspanungen  der  Knochen  können  nie  durch 
zufällige  Zertrümmerungen  zu  Stande  gekommen  sein. 

Ich  konnte  ans  den  verschiedenen  Knochentrümmem, 
welche  aus  dem  Schlamme  des  Starenberger  See,  des  Wörth- 
see und  des  Schliersee  hervorgezogen  waren,  folgende 
9  Säugethier- Arten  mit  Bestimmtheit  herausfinden: 

1)  Bär.  6)  Reh. 

2)  Hund.  7)  Gemse. 

3)  Wildschwein.  8)  Torfkuh. 

4)  Sumpfechwein.  9)  Pferd. 

5)  Hirsch. 

Da  vom  Rind  keine  Schädelstücke  von  grösserem  Um- 
fange  aufgefunden   wurden,    so  konnte  die  Race    des    vor- 


Oümbel:  Fbosphorsaurer  Kalk  im  fura  ton  Franken.       826 

gefundenen  Rindes  nicht  näher  bestimmt  werden.  Noch  ist 
zu  bemerken,  dass  auch  hier  in  Bayern,  wie  es  schon  Rütt- 
ln ey  er  für  die  Pfahlbauten  der  Schweiz  hervorgehoben  hat, 
die  Mehrzahl  der  Knochentrümmer  der  Torfkuh,  dem  Hirsch 
und  dem  Sumpfschwein  angehörten. 

Jedenfalls  haben  unsere  Nachforschungen  ergeben,  dass 
die  Pfahlbauten  auch  den  bayrischen  Seen  nicht  fehlen  und 
dass  die  Küchenabfalle  dieser  urältesten  menschlichen  Woh- 
nungen auch  in  Bayern  auf  dasselbe  Material  hinweisen, 
mit  welchem  jene  ältesten  Menschen-Racen  der  Schweiz 
gewirthschaftet  haben.  Es  dürfte  sich  daher  verlohnen,  in 
Bayern  Nachgrabungen  nach  diesen  ältesten  menschlichen 
Denkmälern  in  einem  grösseren  Maassstabe  vorzunehmen,  als 
es  uns  mit  den  wenigen  zur  Disposition  gestellten  Geldmit- 
teln erlaubt  war. 


Herr  G  um  bei  hielt  einen  Vortrag: 

„Ueber  ein  neu  entdecktes  Vorkommen  von 
phosphorsaurem  Kalke  in  den  jurassischen 
Ablagerungen  von  Franken5'. 

Die  grosse  Rolle,  welche  die  Phosphorsäure  in  dem 
Gesammthaushalte  der  Natur  spielt  und  die  Bedeutung, 
welche  sie  insbesondere  für  den  rationellen  Fortbetrieb 
unserer  Landwirtschaft  erlangt  hat,  machen  es  zu  einer 
wichtigen  Aufgabe  der  geognostischen  Forschungen,  nach 
natürlichen  Niederlagen  zu  suchen,  an  welchen,  ähnlich  wie 
bei  den  Kohlenlagern,  frühere  Perioden  der  Erdbildung  von 
ihrem  aus  dem  Kreislaufe .  durch  das  Organische  ausgeschie- 
denen Vorräthen  an  bestimmten  Orten  grössere  Massen  auf« 


326      Siteimg  der  motfc.-j>ftys.  Ckuae  am  10.  Dezember  1864.  - 

gespeichert  hat.  Solche  natürliche  Ablagerungen  Phosphor* 
«äure-haltiger  Mineralien  oder  Gesteinsbildungen  sind,  wenn 
vir  den  nicht  hierher  zu  ziehenden  Guano  und  das  Som- 
brero-Phosphat *)  abrechnen,  im  Ganzen  zur  Zeit  nur 
wenige  in  solchen  Quantitäten  bekannt,  dass  sie  einen  er- 
giebigen und  dauernden  Bezug  von  Phoephorsäure*  haltigen 
Stoffen  in  Aussicht  stellen. 

Wir  wissen,  dass  die  Phosphorsaure  in  der  Natur  in 
vielerlei  Mineralien  als  constituir ender  Bestandteil  auftritt; 
im  Apatit  und  seinen  Abänderungen  (Phosphorit  und  Osteo- 
lith),  im  Zwieselit,  Wagnerit,  dann  im  Coeruleecit  *) ,  Vi* 
rianit,  Triphylin,  Triplit,  Monazit,  Kryptolith,  Xeootim, 
Wawellit,  Kakoxen,  Kalait,  Gibbsit,  Childrenit,  Amblygonit, 
Svanbergit,  Uranit,  GhalkoUth,  Pseudotriplit,  Heterosit,  Hu* 
reaulit,  Melanchlor,  Grüneisenstein,  Diadochit,  in  den  ver- 
schiedenen Kupferoxydphosphaten  9  Bleioxydphosphaten  und 
Beudantit,  abgesehen  von  kleinen  Quantitäten  Phosphorsanre, 
welche  sich  noch  in  einigen  andern  Mineralien  vorfinden. 
Die  allermeisten  dieser  Minerahen  gehören  zu  den  Seltenheiten 
und  die  wenigen,  die  häufiger  vorkommen,  wie  etwa  Apatit, 
Vivianit  und  Wawellit,  finden  sich  gleichwohl  nicht  in  solchen 
Anhäufungen,  dass  man  sie  für  Agrikulturzwecke  benützen 
könnte.  Mithin  bleiben  hierfür  nur  die  dichten  und  erdigen 
phosphorsauren  Kalk-haltigen  Mineralien  übrig,  der  Phos- 
phorit und  Osteolith ,    welche    an    einzelnen  Stellen    in 


1)  Fr.  Sandberger;  das  Sombrero-Phosphat,   Verh.   d.  phys. 
med.  Ges.  in  Würzburg  1864.    S.  158. 

2)  Schon  1853  habe  ich  bei  Aufzählung  der  in  der  Oberpfal» 
vorkommenden  Mineralien  (Eorresp.  d.  zooLmin.  Vereins  in  Regens- 
bürg  1853,  7.  S.  143  u.  ff.)  den  Vorschlag  gemacht,  das  ursprüng- 
liche weisse,  erst  unter  dem  Einflüsse  der  Luft  sich  bläuende 
Eisen oxydulphosphat (aFeO,P05  -f-  8  Aq ),  aus  welchen  der  Vivianit 
entsteht,  als  Goerulescit  zu  bezeichnen. 


Gtonbd:  Fhosphorscmra-  KdUc  im  Jura  von  Framkm.        827 

bedeutenden  Quantitäten  vorkommen,  so  namentlich  bei  dem 
Dorfe  Logrosan  südöstlich  von  Truxillo  in  Estremadura 
und  bei  Amberg  in  Bayern.  An  dem  ersten  Fundorte 
bildet  der  Phosphorit  *)  auf  Apatit-haltigem  Granit  aufliegend 
in  den  tiefsten  Lagen  des  versteinerungführenden  Thon- 
schiefers  gegen  zwei  Meter  mächtige  Bänke,  in  welcher  je- 
doch nur  die  mittlere  gegen  9ji  Meter  mächtigen  Lagen 
stellenweise  einen  Gehalt  von  81°/o  phosphorsauren  Kalk 
besitzen,  so  dass  der  Versuch,  die  ganze  Masse  für  die 
Zwecke  der  Landwirthschaft  abzubauen,  als  nicht  rentabel 
wieder  aufgegeben  wurde. 

Ein  ähnliches  Resultat  hatte  auch  der  Versuch,  das 
Lager  von  Phosphorit  bei  Amberg  auszubeuten,  weil  es 
bei  beschränkter  Ausdehnung  für  eine  einiger  Maassen 
grossartige  Produktion  zureichendes  Material  nicht  nach- 
haltig liefern  konnte.  Der  Amberger  Phosphorit,  wel- 
cher nach  Mayer' s4)  Analyse  besteht  aus: 

Fluor 2,00 

Jod kleine  Menge 

Phosphorsäure       .     .     .  43,53 

Kalk 53,55 

Magnesia 0,10 

Eisenoxid 0,90 

Kali  und  Natron   .     .     .  0,73 

100,81 

liegt  unterhalb  des  Pulvermagazins  am  Erzberge  in  der 
nächsten  Nähe  des  mächtigen  Brauneisensteinflötzes  von 
Amberg  und  senkt  sich  unter  ungefähr  45°  nach  SW.  ein, 
ohne  aber  nach  der  Tiefe  zu  auszuhalten.  Stellenweise 
IV  stark  wächst   es  bis  über  8'  Mächtigkeit  an    und  er- 


3)  Geol.  Quart.  Jonrn.  1845.  N.  1,  p.  52— 55j 

4)  Rammeisberg  Handb.  der  Mineralchemie,  S.  353. 


328      Sitamg  der  maih.-phy$.  Ckuse  vom  10.  Ducmber  1864. 

streckt  sich  in  putzenförmigen  Absätzen  auf  eine  Länge  von 
etwa  170',  wobei  die  bekannt  gewordene  Breitensusdehnnng 
zwischen  SVs'  und  36'  wechselt.  Von  nur  2'— 3'  hohen 
Ackererde  bedeckt  bricht  der  Phosphorit  deutlich  als  Ge- 
steinsmasse  (nicht  beigeschwemmt)  und  besteht  aus  theils 
derben,  theils  bröcklichen,  wie  durch  Austrockung  zerrissenen 
Parthieen,  in  welchen  Knollen  bis  zu  Kopigrösse  eingebettet 
liegen.  Brauner  und  gelber  Letten  füllen  häufig  die  Spalten* 
risse  in  Phosphorit  aus.  Auch  das  Liegende  wird  ohne 
scharfe  Abgrenzung  von  weisslichem,  gelblichem,  grüngelbem 
und  zu  unterst  rothbraunem  Letten  mit  Mangan*  und  Braun- 
eisenstreifchen  in  eine  Gesammtmächtigkeit  von  ungefähr 
2 — 3'  gebildet  Die  Grünoolithkalke  des  Jura  und  die  hän- 
gendsten Schichten  des  Dogger  können  als  das  ältere 
Liegende  der  ganzen  Phosphoritlagerstätte  angesehen  werden. 
Ihre  Schichten  schiessen  in  der  Nähe  (am  Bergrucken) 
unter  68°  in  St  3  nach  SW.  ein. 

Wir  haben  es  zweifelohne  hier  mit  einem  grossen,  bloss 
oberflächlichen  Putzenwerk  zu  thun,  dessen  Entstehungszeit 
nahe  mit  der  des  benachbarten  Brauneisenerzes  zusammen- 
zufallen scheint;  wahrscheinlich  sind  beide  alttertiäre  Ab- 
lagerungen. Diese  ganz  besondere  concentrirte  Anhäufung  so 
grosser  Menge  von  phosphorsaurem  Kalk  an  einem  so  beschränk- 
ten Orte  kann  nur  durch  das  Zusammentreffen  ganz  ausser- 
gewöhnlicher  Verhältnisse  erklärt  werden,  z.  B.  als  Folge 
der  Anhäufung  ungeheurer  Mengen  von  Knochen,  welche  be- 
kanntlich nach  und  nach  bei  Verlust  jeder  Spur  organischer 
Struktur  in  unförmlich  klumpige  Massen  sich  verwandeln 
oder  von  Thierezkrementen,  aus  denen  vielleicht  das 
Phosphat  sich  allmählig  concentrirte  und  im  Liegenden  ab- 
setzte in  ähnlicher  Weise,  wie  das  schon  erwähnte  Sombrero- 
Phosphat  in  der  Jetztzeit  Wir  werden  später  noch  eine 
Quelle  kennen  lernen,  aus  welcher  der  Phosphorit  von 
Amberg  möglicher  Weise  stammen  kann. 


QümM:  Phosphorsamer  KM  im  Jura  von  Franken.       329 

Die  auf  der  Eisenerzlagerstätte  von  Amberg  vorkom- 
menden Phosphorsäure-haltigen  Mineralien,  Vivianit  und 
Kakoxen,  scheinen  noch  bestimmter  die  innigen  Be- 
ziehungen anzudeuten,  welche  zwischen  der  Ablagerung 
des  Phosphorits  und  der  Bildung  des  Brauneisenerzflötzes 
stattfinden.  Der  Vivianit  kommt  nach  den  bisherigen 
Beobachtungen  hier  nur  inAltungen  der  Grubenbaue,  häufig 
auf  faulendem  Grubenholze  vor,  ist  also  zwar  sekundärer 
Entstehung,  in  Folge  wechselseitiger  Zersetzung  von  Eisen* 
salzen  und  phosphorsaurem  Kalke  entstanden,  aber  der 
letztere  scheint  doch  innerhalb  der  Eisenerzlagerstätte  selbst 
mit  und  neben  dem  Kakoxen  oder  in  seiner  nächsten  Nähe 
vorzukommen.  Man  müsste  sonst  annehmen,  die  Phosphor- 
säure stamme  aus  den  organischen  Massen,  die  allerdings 
in  Altungen  sich  oft  sehr  anhäufen,  wie  denn  auch  die 
Phosphorsäure  des  Vivianits  in  den  Schwefelkiesbauen  zu 
Bodenmais  wohl  keinen  andern  Ursprung  haben  kann. 

Ausser  dem  Vorkommen  von  Phosphorit  bei  Am- 
berg sind  in  Bayern  noch  einige  Orte  bekannt,  an  welchen 
sich  dieses  Mineral  in  mehr  oder  weniger  grossen  Nestern 
vorfindet  und  zwar  in  der  Nähe  jener  Braunkohlenablager- 
ungen, welche  in  dem  basaltischen  Gebirge  zwischen  Fichtel- 
gebirge und  Oberpfälzerwalde  und  in  der  Rhön  verbreitet 
sind.  Man  hat  dergleichen  Putzenwerke  von  Phosphorit 
auf  der  Braunkohlengrube  „Sattlerin"  bei  Fuchsmuhl 
unfern  Kemnath  beim  Betrieb  der  Stollen  aufgefunden  und 
zwar  immer  nur  in  zerstreuten  Nestern  auf  der  Grenze  der 
Tertiärschichten  und  der  basaltischen  Gesteine.  Aehnlich 
verhält  es  sich  mit  dem  Phosphoritvorkommen  auf  der 
Braunkohlengrube  „Schindellohe"  bei  Redwitz5)  und  mit 
jenem  des  Rhöngebirgs.    Nirgends  ist  die  Masse  des  Phos- 


6)  Nauck  in  Zeitsch.  <L  deutsch,  geol.  Ges.  2.  1850  S.  39  ff. 


330      Siteumg  der  math.-phg*.  Glosse  vom  10.  Desembtr  1861. 


phorites  auch  an  diesen  Fundstellen  eine  so  bedeutende, 
dasB  an  eine  lohnende  Gewinnung  für  Agrikulturzwecke  ge- 
dacht werden  könnte. 

Man  hat  nun  ausser  in  den  eigentlichen,  reineren 
Mineralausscheidungen  des  Phosphorits  noch  in  verschie- 
denen Gesteinsbildungen  einen  ziemlich  grossen  Gehalt  an 
phosphorsaurem  Kalke  nachgewiesen,  in  erster  Linie  stehen 
hier  die  Koprolithen,  insbesondere  die  der  Liasschichtai 
Englands,  welche  in  gewissen  Lagen  so  häufig  abgelagert 
sind,  dass  dieses  an  Koprolithen  reiche  Gestein  zur  Her- 
stellung von  künstlichem  Dänger  benutzt  wird,  da  manche 
derselben,  wie  jene  von  Bourdiehause  nach  Connel  83,3 
bis  85,1  °/o  phosphorsanren  Kalk  enthalten.  Durchschnittlich 
jedoch  wechselt  ihr  Gehalt  zwischen  20  und  60°/o.  Solche 
Koprolithen  finden  sich  zwar  an  vielen  Orten  und  in  den 
verschiedensten  Formationen6)  auch  in  Bayern,  wie  ich  in 
meiner  geognostischen  Beschreibung  des  bayerischen  Alpen* 
gebirgs  nachgewiesen  habe 7);  aber  sie  liegen  hier  meist  so  ver- 
einzelt und  zerstreut  in  den  Gesteinsschichten,  dass  es  sich 
nicht  lohnt,  behufs  ihrer  Gewinnung  ganze  Gesteinamassen 
herauszunehmen  und  zu  zerschlagen. 

Ausser  in  den  Koprolithen  findet  sich  weiter  noch  phos- 
phorsaurer Kalk  untermengt  mit  Thon  und  sonstigen  erdigen 
Theilen  und  daher  äusserlich  (ohne  chemische  Analyse)  voll- 
ständig unkenntlich  in  knolligen  Goncretionen  verschiedener 
Gesteinsschichten.  Solche  Nieren  mit  einem  Gehalt  an  sCaO,POs 
zwischen  40 — 67,5  */o  wurden   in   den   sibirischen 


6)  Z.  B.  trifft  man  in  den  Höhlen  die  Exkremente  der  diluvialen 
Bewohner  derselben;  von  Bären  und  Hyänen,  Koprolithen  im  Roth« 
liegenden  Böhmens  nach  Reuss,  in  der  Kreideformation,  im  Roth- 
liegenden  des  Landsbergs  in  der  Rheinpfalz,  sehr  selten  in 
Posidonomyenschiefer  Schwabens  u.  s.  w. 

7)  Geog.  Beschreib,  d.  bay.  Alpengebirgs  1861.  S.  557. 


Chümbel:  Phosphorsaurer  Kätk  im  Jura  von  Franken.       881 

am  Lac  des  Alumetes,  am  Ouello  R.  und  an  anderen  Orten 
in  Canada8)  entdeckt,  werden  aber  von  Einigen  für  Kopro- 
lithen angesehen.  Dagegen  enthalten  die  in  grossen  Geoden 
ausgeschiedenen,  thonigen  Sphärosiderite  des  Kohlengebiigs 
und  der  postcarbonischen  Schichten,  welche  Englands  Eisen- 
reichthum  begründen  und  anch  bei  uns,  aber  weit  spärlicher 
sich  vorfinden,  wenigstens  geringe  Mengen  von  Phosphor- 
saure.  Sie  findet  sich  wieder  in  den  knolligen  Absonder- 
ungen des  böhmischen  Planers ,  wie  in  jenen  der  englischen 
Kreide  und  des  Grünsandes  •  ) ;  in  den  knolligen  Massen  der 
alttertiären  Ockerablagerung  am  Battenberg  in  der  Rhein- 
pfalz, wie  in  dem  Bindemittel  eines  braunen  Sandsteins  von 
Kursk  im  mittleren  Russland10),  um  von  geringen  Mengen  an 
Phosphorsäure  ganz  zu  schweigen,  welche  nach  den  Unter- 
suchungen Fowne's11),  Sullivan's")  und  Thomson's"), 
in  den  meisten  Gebirgsarten  u.  s.  w.  auch  in  Liaskalk, 
Amaltheenthon  und  oberen  Posidonomyenschiefer  nach  Faist14) 
anzutreffen  sind.  Ja  selbst  in  dem  Quellwasser  fehlt  sie 
nicht,  wie  Berzelius  in  den  heissen  Quellen  von  Carls* 
bad15)  (mit  l/4«ooooo  phosph.  Kalk)  zuerst  und  nach  ihn 
Viele  in  anderen  Quellen  nachgewiesen  haben. 

So  verbreitet  die  Phosphorsäure  demnach  in  der  Natur 
ist,  so  selten  dagegen  trifft  man  sie,  wie  wir  gesehen  haben, 
in  grösserer  Menge  angehäuft,  um  sie  für  Zwecke  der  Land* 
wirthschaft  gewinnen  zu  können«    Die  wenigen  Koprolithen* 


8)  Logan,  geol.  Sürvey  for.  1861—62. 

9)  Herapath,  Jahresbar.  1849.  S.  828. 

10)  N.  Jahrb.  für  Min.  etc.  1863.  S.  464. 

11)  Edinb.  new  philoe.  Journ.  1844.  S.  294. 

12)  Journ.  für  prakt.  Ch.  36.  S.  261. 
18)  Philos.  Mag.  27.  S.  310. 

14)  Württ.  natorw.  Jahresb.  1860.  8.  76. 
16)  Gilberts  Ann.  Bd   76  S.  136. 
[1864.11.4.1  28 


332      Siteung  der  math.-phy$.  (Rasse  vom  10.  Dezember  1864. 

lager16)  verschwinden  in  der  Grösse  des  allgemeinen  Be- 
dürfnisses. Gleichwohl  ist  es  für  jede  Gegend  wichtig,  wenig- 
stens für  sich  einer  solchen,  wenn  auch  schwachen  Quelle 
des  Phosphorsäurebezugs  sich  erfreuen  zu  können.  Intelli- 
gente Landwirthe  haben  daher  längst  ihr  Augenmerk  auf 
das  Vorkommen  von  Koprolithen  gerichtet,  welche  gemäss 
der  Analogie  in  den  Gebirgsverhältniäsen  mit  jenen  Englands 
auch  in  den  Liassohichben  unseres  Landes  vermuthet  werden 
durften.  In  der  That  liegen  sie  auch,  aber  höchst  spärlich  im 
sogenannten  Posidonomyenschiefer  des  oberen  Liaa  einge- 
bettet. Auch  in  den  Schichten  des  Iäas,  welche  den  eben 
erwähnten  zunächst  unterbreitet  sind,  stösst  man  auf  knollige 
Concretionen  von  Ei-  und  Walzen-förmiger  Gestalt,  welche 
durch  die  Verwitterung  des  sie  umhüllenden  Mergels  häufig 
über  die  Oberfläche  ausgestreut,  ihrer  Form  nach  einiger 
Maassen  an  Koprolithen  erinnern,  aber  sonst  auch  nicht 
entfernt  vermuthen  lassen,  dass  sie  an  phosphorsaurem  Kalk 
reich  sein  könnten.  Es  war  ein  glücklicher  Griff  des  Hrn. 
Oekonotmen  Martins  auf  dem  Leimershof  bei  Bamberg, 
diese  Knollen  wegen  ihrer  Aehnlichkeit  mit  Koprolithen  einer 
chemischen  Analyse  unterwerfen  zu  lassen,  bei  welcher  so- 
fort ein  erstaunlich  grosser  Gehalt  an  phosphorsaurem 
Kalke  6ich  herausstellte17). 

Bei  dem  so  bedeutenden  Gehalte  dieser  Knöllchen  an 
phosphorsaurem  Kalke,  der  mehr  als  60°/o  beträgt,  gewinnt 
die  Frage  nach  der  Natur  und  dem  geognostiechen  Vor- 
kommen derselben  eine  um  so  grössere  Bedeutung,  ak 
je  nach  der  Art  und  Häufigkeit  ihrer  Einlagerung  an  die 
Möglichkeit  gedacht  werden  könnte,  sie  für  Zwecke  der 
Landwirtschaft  zu  verwenden. 


16)  Quenstedt's  Jura  S.  221. 

17)  Sitzungab.   der  k.  Akad.  d.   Wi*a..   math.-phys.   Cl&ase  yom 
12.  Nov.  1864. 


Qümbd:  Fhosphorsaurtr  Kalk  im  Jura  von  Franken.        333 

Die  mir  zur  Untersuchung  vom  Hrn.  Geheimrath  Dr. 
y.  Martius  anvertrauten  Originalstücke  vom  Leimershof 
stimmen  vollständig  mit  gewissen  knolligen  Absonderungen, 
welche  ich  vielfach  in  Franken  bis  in  der  Gegend  von  Bay- 
reuth in  gewissen  Schichten  des  Lias  zu  beobachten  Ge- 
legenheit hatte.  Eine  chemisch  quantitative  Analyse  solcher 
Endlichen  aus  dem  Bayreuth'schen,  welche  von  Hm.  Dr. 
Wittstein  vorgenommen  wurde,  weist  einen  fast  gleichen 
Gehalt  von  nahe  60°/o  3CaO,P05  mit27,50°/oP05  nach,  so  dass 
auch  chemisch  die  Identität  der  Substanz  von  beiden  Fund- 
stellen festgestellt  ist.  Bei  einer  grösseren  Anzahl  Stuck- 
chen aus  verschiedenen  Gegenden  Frankens  habe  ich  den 
Gehalt  an  Phosphossäure  qualitativ  gleichfalls  erkannt,  so 
dass  diese  an  3CaO,P06  reichen  Knollen  eine  sehr  grosse 
Verbreitung  zu  besitzen  scheinen. 

Es  handelt  sich  zunächst  um  die  Frage,  ob  wir  diese  an 
3CaO.POö  so  reichen  knolligen  Ausscheidungen  als  Kopro- 
lithen oder  als  Geoden  anzusehen  haben.  Ihre  äussere 
Form  ist  zwar  im  Ganzen  ziemlich  übereinstimmend  läng- 
lich rund,  am  nächsten  mit  der  Form  der  Lösskindchen 
vergleichbar  oder  gewissen  Varietäten  von  Kartoffeln  ähn- 
lich, welche  sich  durch  ihre  walzenförmige  Gestalt  aus- 
zeichnen. Doch  nähert  sich  die  Form  unserer  Knollen  mehr 
der  linsenförmigen.  Ihre  Grösse  dagegen  ist  eine  sehr 
verschiedene  und  wechselt  von  10S  Länge  und  4=  Dicke 
bis  zu  70=  Länge  und  30™  Dicke;  dabei  kommen  sehr  viel- 
fache Unregelmässigkeiten,  lokale  warzenartige  Anschwell- 
ungen oder  Einbuchtungen  vor,  und  dieser  Wechsel  in  der 
Grösse  und  Form  allein  reicht  schon  hin,  aufs  bestimmteste 
zu  erkennen,  dass  sie  sich  nicht  den  Koprolithen  zuzählen 
lassen,  welche  immer  eine  gewisse  Formgleichheit  besitzen. 
Auch  fehlt  unseren  Knollen  jede  Spur  jener  ring-  oder 
spiraligen  Aufschuppungen   der  ächten  Koprolithen,    welche 

als   Eindrücke    der    Afterklappen   gelten   müssten;    unsere 

23* 


334      Siteuiig  der  math.-phys.  Glosse  vom  10.  Dezember  1864. 

Knöllchen  sind  glatt  und  müssten,  wären  es  Koprolithen, 
als  abgerollt  betrachtet  werden.  Dass  sie  aber  nicht  durch 
Abrollung  ihre  glatte  Oberfläche  erhalten  haben,  geht  aus 
dem  Umstände  hervor,  dass  zuweilen  in  denselben  Ammoniten 
eingebacken  vorkommen,  welche  über  die  Oberfläche  mit 
einem  Theil  der  Schale  hervorragen  und  keine  Spur  einer 
erlittenen  Abreibung  an  sich  tragen.  Diese  oft  sehr  grossen 
Exemplare  von  Ammoniies  margaritatus  können  zugleich  ah 
ein  schlagender  Beweis  für  die  Nichtkoprolithennatur  ange- 
führt werden,  weil  solche  Schalen  unmöglich  in  der  Grösse, 
und  in  dem  hohen  Grad  von  guter  Erhaltung,  in  der  sie 
vorkommen,  durch  den  Organismus  von  Saunen  oder  dergL, 
welchen  diese  Koprolithen  zugeschrieben  werden  müssten, 
unzerbrochen  hindurchgegangen  sein  können.  Auch  besitzen 
unsere  Knollen  im  Innern  eine  solche  gleichartige  Masse  ohne 
Spur  einer  Beimengung  von  Knochen-  oder  Schuppentheilchen, 
dass  diese  Beschaffenheit  gleichfalls  verbietet,  sie  den  Kopro- 
lithen zuzuzählen.  Fügt  man  endlich  hinzu,  dass  ähnliche 
Gestaltungen  bis  zu  Kopfgrösse  in  diesen  und  andern  Schieb- 
ten des  Lias  zu  den  gewöhnlichen  Erscheinungen  der  Geoden 
oder  Concretionenbildung  unzweifelhaft  gerechnet  werden 
müssen,  so  bleibt  mir  nicht  das  geringste  Bedenken,  diese 
Knollen  für  blosse  Concretionen  zu  erklären. 

Ihre  Entstehung  muss  der  Bildung  aller  Geoden-artigea 
Ausscheidungen  analog  gedacht  werden.  Es  ist  eine  Art 
der  Goncentrirung  gleicher  Stoffe  um  gewisse  Gentren,  wie 
wir  sie  in  den  Geoden  der  thonigen  Sphärosideriten ,  der 
Kreide-  oder  Jura-Homsteinknollen ,  bei  den  Lösskindchen 
oder  den  Schwefelkiesknollen  sich  wiederholen  sehen.  Dabei 
wirkt  gleichzeitig  ein  Auslaugungs-  und  Concentrations- 
Prozess  zur  Erzeugung  solcher  Concretionen  zusammen. 
Denkt  man  sich  nämlich  eine  weiche,  schlammartige  Thon- 
masse,  ein  Zustand,  in  welchem  der  die  Knollen  einhüllende 
Mergel    nach  der  Sedimentation  zweifelsohne    sich  befand, 


Qümbd:  Phosphortaurer  Kalk  im  Jura  von  Franken.        335 

und  in  demselben  die  sich  spater  concentrirende  Substanz 
ziemlich,  gleichmässig  yertheilt,  80  werden  sich  bei  der  all- 
mähligen  Verfestigung  der  Massen  da  und  dort  zuerst  feste 
Theilchen  ausgeschieden  haben,  vielleicht  um  einen  organischen 
Körper,  und  diese  bildeten  nun  den  Mittelpunkt,  um  welchen 
sich,  analog  wie  bei  der  Krystallisation  in  Flüssigkeiten 
die  gelösten  Stoffe  zu  dem  erstgebildeten  Krystalltheil  aus 
der  ganzen  Flüssigkeitsmasse  sich  nach  und  nach  heran* 
ziehen,  die  homogenen  Massen  theilchen  aus  der  nächsten 
Nachbarschaft  der  erhärtenden  Schlammlage  ansammelten  und 
sich  zwischen  die  Thon-  oder  Mergelpartikelchen  festsetzten,  bis 
der  Stoff  in  der  Nähe  der  Gentren  erschöpft  war  und  ein  neuer 
Zuzug  nicht  mehr  stattfinden  konnte.  Daher  rührt  auch  die 
allmählige  Verringerung  der  sich  ansammelnden  Stoffe  vom 
Centrum  der  Geoden  gegen  ihre  Peripherie  und  der  all- 
mählige  Uebergang  in  die  Utnhüllungsmasse  her,  welche 
man  wahrnimmt,  da  wo  die  Geoden  noch  auf  ihrer  ursprüng- 
lichen Lagerstätte  zu  beobachten  sind.  Bei  der  Verwitter- 
ung widerstehen  dann  nur  die  festeren  Kerntheile  der  Zer- 
störung und  so  gewinnen  die  abgewitterten  Stücke  das  An- 
sehen ziemlich  gleichartig  gemischter  Massen. 

Schwieriger,  als  die  Entstehung  und  Form  unserer 
Knollen  ist  ihr  grosser  Gehalt  an  phosphorsaurem  Kalke  zu 
erklären.  Diese  Geoden  liegen  allerdings  in  Schichten,  welche 
an  organischen  Substanzen  ziemlich  reich  sind,  aber  bei 
Weitem  nicht  in  gleichem  Maasse,  wie  viele  andere  Lagen  der- 
selben Formation,  z.  fi.  die  höher  liegenden  sogenannten 
Posidonomyenschichten.  Dass  der  phosphorsaure  Kalk 
von  den  organischen  Einschlüssen  herrühren  müsse,  bedarf 
wohl  nicht  erst  eines  Beweises.  Wir  wissen,  dass  alles 
Organische,  Pflanzen  wie  Thiere,  phosphorsauren  Kalk  ent- 
hält, und  dass  dieses  Salz  im  Wasser,  welches  Kohlensaure- 
haltig  ist,  sich  auflöst,  wodurch  es  geschieht,  dass  Knochen 


3S6      Süswy  der  maih.-phys.  CUute  vom  10.  DtMmbet  1864. 

und  Schalen,  welche  lange  im  Boden  liegen,  zuweilen  alleg 
phosphorsauren  Kalkes  beraubt  werden  **).  Aber  es  sind 
nicht  bloss  die  Knollen,  sondern  auch  die  Steinkerne  der 
in  gleichen  Schichten  vorkommenden  Thierreste,  welche  einen 
selbst  bis  auf  40°/o  steigenden  Gehalt  an  Phosphor- 
saure  besitzen. 

Die  Schichten,  in  welchen  die  Knollen  und  die  Steinkern© 
mit  so  hohem  Gehalt  an  3CaO,P06  eingebettet  sind,  gehören 
zu  der  Stufe  des  mittleren  Iias,  welche  durch  das  Vorkommen 
des  Ammonites  margaritatus  charakterisirt  ist  Diess  wird 
ausser  Zweifel  gestellt  durch  einzelne  Exemplare  der  Knöllchen 
selbst  von  der  typischen  Fundstelle  bei  dem  Leimershof, 
welche  diesen  Ammoniten  in  deutlich  erkennbaren  Stücken 
eingeschlossen  erkennen  lassen.  Diese  Schichten  enthalten 
bekanntlich  zahlreiche  Versteinerungen;  man  überzeugt  sich 
aber  erst  recht  von  der  ungeheuren  Menge  thierischer  und 
pflanzlicher  Körper,  welche  bei  der  Entstehung  dieser  Ab- 
lagerungen von  der  Schlammmasse  eingehüllt  wurden,  wenn 
man  noch  nicht  zersetztes  Gestein  näher  untersucht,  bei 
dessen  Verwitterung  der  grössere  Theil  der  organischen 
Einschlüsse  zerfallt  und  unkenntlich  wird.  Schon  der  grosse 
Gehalt  des  Gesteins  an  Bitumen  deutet  die  Fülle  einge- 
schlossener Thier-  und  Pflanzenreste  an,  wie  diesa  auch 
durch  die  mikroscopische  Untersuchung  der  Rückstände  nach 
Wegschlämmen  des  Thons  und  Mergels  direkt  nachgewiesen 
wird.  Es  kommen  hierbei  nicht  nur  zahlreiche  Foramini* 
feren,  Ostrokopoden  etc.  zum  Vorschein,  sondern  auch  eine 
sehr  grosse  Menge  zerfallener,  organischer  Theilchen,  die 
man  in  dieser  Trümmerform  freilich  auf  bestimmte  Arten 
vom  Organismus  nicht  mehr  zu  beziehen  vermag. 

Durch  solche  Untersuchungen   wird  es  mehr  als  wahr* 


18)  Compt.  rendu.  1846.   p.   1060  und  Jonrn.  für  praot.  Chemie 
XII,  S.  172. 


CHhnbel:  Phoqphorsawrcr  KaXk  im  Jura  von  Franke».        337 

scheinlich,  dass  die  in  den  Niederschlägen  ursprünglich  ein* 
gehüllten  organischen  Stoffe  ihrer  Menge  nach  wohl  genügen, 
um  der  hohen  Gestalt  an  3CaO,POs  zu  erklären,  der  sich 
jetzt  in  den  einzelnen  Knollen  concentrirt  findet. 

Die  Veränderungen,  welche  die  thierischen  und  pflanz- 
lichen Stoffe  auf  dieser  Lagerstätte  erlitten  haben,  muss  dem 
Prozess  analog  sein,  welche  heut  zu  Tage  noch  vor  sich  geht, 
wo  organische  Reste  im  Schlamm  vergraben  eine  Art  von 
Versteinerung  erleiden.  Dieser  besteht  hauptsächlich  darin, 
dass  die  organische  Materie  abnimmt  und  der  phosphorsaure 
Kalk  daraus  verschwindet,  indem  CaCO»  an  seine  Stelle  tritt. 
Die  sich  zugleich  entwickelnde  CO«  vermittelt  offenbar  die  Auf- 
lösung des  3€aO,P05.  Ein  ähnlicher  Vorgang  wird  auch  nach 
der  Umhüllung  der  organischen  Beste  in  dem  Schlamm  der 
Atnmonites  margaritatus-Stufe  die  Loslösung  des  3CaO,PQ* 
aus  der  Verknüpfimg  mit  dem  Organischen  bewirkt  und  so 
möglich  gemacht  haben,  dass  der  gelöste  3CaO,POs  dem  Zug 
nach  gewissen  Concentrationspunkten  folgen  konnte. 

Wir  haben  hier  noch  einige  Bemerkungen  anzufügen, 
welche  sich  auf  die  Art  der  Verbreitung  dieser  interessan- 
ten Knöllchen  und  dann  auf  die  Frage  beziehen,  ob  wohl  in 
ähnlichen  Concretionen  versteinerungsreicher  Mergel  und 
Thonlagen  eine  ähnliche  Anhäufung  von  3CaO,POs  vermuthet 
werden  darf. 

Es  ist  zunächst  zu  bemerken,  dass  diese  Art  der  Geo- 
den  sich  nicht  bloss  auf  den  ursprünglichen  Fundort  am 
Leimershof  beschränkt,  sondern  dass  gleichgehaltreiche 
Knollen  ziemlich  durch  ganz  Franken  verbreitet  zu  sein 
scheinen.  Wenigstens  lieferte  eine  aas  gleichem  Horizonte 
stammende  Knolle  aus  der  Gegend  von  Bayreuth,  wie  schon 
erwähnt,  nahezu  gleiche  Menge  an  3CaO,POt,  wie  die  Original* 
stücke  aus  der  Gegend  von  Bamberg.  Auch  ergab  sich  bei 
einer  vorläufigen  chemischen  Untersuchung  verschiedener 
Stücke  von  verschiedenen  Fundorten  in  Franken  immer  ein 


388      Sitoung  der  matik-phys.  GUme  vom  10.  Desember  1864. 

namhafter  Gehalt  an  Phoephorsäure,  so  dass  ein  ähnliches 
Verhalten  bei  allen  Knollen  ans  geognostisch-glei- 
eher  Lage  durch  ganz  Franken  fast  mit  Bestimmtheit 
angenommen  werden  darf,  um  so  mehr,  als  auch  ein  Stück- 
chen aus  der  Gegend  von  Boll  in  Württemberg  eine  sehr 
bestimmte  Reaktion  auf  grössere  Mengen  von  Phosphorsänre 
gab.  Ob  aber  alle  Stücke  auch  nahezu  gleiche  Mengen  von 
8Ca0,P0s  enthalten,  wie  nicht  wahrscheinlich  ist,  dass  kann 
nur  durch  quantitative  Analysen,  welche  bei  der  Wichtigkeit 
des  Gegenstandes  möglichst  vielseitig  gewünscht  werden 
müssen,  festgestellt  werden.  Hier  begnüge  ich  midi  vorerst 
mit  dem  Nachweis  des  bestimmten  geognostischen  Hori- 
zontes, auf  welchen  sich  solche  Knollen  finden  und  mit  der 
Andeutung  der  Verbreitung  durch  das  ganze  nordbayerische 
Liaagebiet. 

Diese  Knollenbildung  beschränkt  sich  aber  nicht  auf  die 
engen  Grenzen  der  sogenannten  Ammonites  mc&garitatu*- 
Stufen,  sondern  sie  beginnt  schon  in  tiefern  Lagen  des  Lias 
und  setzt  bis  in  die  unteren  Stufen  des  Jura  (sogenannten 
weissen  Jura)  fort. 

Bereits  die  ersten  und  tiefsten  Schichten  dee  Lias, 
welche  den  Horizont  des  Atntnonites  pUmorbie  und  (mgulaius 
repräsentiren ,  sind  stellenweise  mit  weissen  Enöllchen  and 
Thongeoden  erfüllt,  wie  z.  B.  in  den  Steinbrüchen  bei 
Unterbrunn  unfern  Ebensfeld.  Doch  herrschen  hier  die  eisen- 
haltigen Conoretionen  vor«  In  höhern  Lagen  sind  es  die 
meist  versteineruDgsleeren  Mergel  über  dem  grobkörnigen 
Arietensandstein ,  welche  zahlreiche  kleine  Enöllchen  um* 
schliefen,  wie  in  Schwaben  die  Numismalismergel.  Dann  folgt 
erst  der  Haupthorizont  der  phosphoraauren  Kalkhaltigen 
Geoden  in  den  Ammonites  mar garitatus  Schichten.  Hier  bleiben 
die  Geoden  durchschnittlich  sehr  klein.  Zu  fast  riesiger 
Grösse  dagegen  schwellen  sie  in  den  zunächst  angelagerten 
Lagen  des  Ammonites  spinatus  an.    Hier  sind  es  jene   oft 


GümM;  Iho&phonamrer  Kalk  im  Jura  von  Franken.        339 

kopfgrossen  nid  noch  umfangereicheren  knolligen  Aus* 
Scheidungen,  welche  sehr  häufig  im  Innern  von  Rissen  durch* 
sogen  (dem  sogenannten  lusus  Helmontii  gleich)  und  auf 
diesen  Zerspanungen  mit  weissem  Kalkspath  bedeckt  oder 
mit  Schwefelkies,  Zinkblende  und  Schwerspath  erfüllt,  ganz 
besonders  unsere  Aufmerksamkeit  fesseln.  Zahlreiche  Am- 
moniten,  welche  in  diesen  Geoden  gleichsam  zusammen* 
gehäuft  vorkommen,  vermehren  dieses  Interesse.  Zugleich 
und  diese  Riesengeoden  in  manchen  Gegenden  so  häufig, 
dass  sie  in  grossen  Quantitäten  gewonnen  werden  könnten. 
Viele  dieser  Concretionen ,  welche  herausgewittert  an  der 
Oberfläche  liegen,  zeichnen  sich  durch  ihre  Schwere  und 
braune  Färbung  aus.  Man  kann  es  nicht  erkennen,  dass 
sie  reich  an  kohlensaurem  Eisenoxydul  sind  und  einen  ge- 
ringhaltigen, thonigen  Sphärosiderit  darstellen,  dessen  theil- 
weise  Zersetzung  an  der  Luft  ihre  braune  Färbung  erzeugt. 
Andere  bleiben  grau  und  nehmen  an  der  Luft  eher  eine 
hellere  Farbe  an.  Ich  habe  zwar  in  verschiedenen  Proben 
Sparen  von  Phosphorsäure  gefunden,  nach  den  Untersuch- 
ungen jedoch,  welche  Herr  Geheimrath  Baron  v.  Liebig 
vornehmen  liess,  sind  zwei  Proben  als  sehr  arm  an  Phos- 
phorsäure zu  bezeichnen.  Indessen  halte  ich  es  für  wünschens- 
werth,  noch  weiter  möglichst  viele  Proben  von  verschiedenen 
Fundorten  zu  prüfen,  da  gerade  diese  Art  Concretionen  am 
häufigsten  und  massenhaftesten  in  der  Natur  vorkommt  und 
am  ehesten  eine  Benützung  Ar  Agrikulturzwecke  in  Aus- 
sicht stellen  würde. 

In  der  nächst  höheren  Stufe  desLias  folgen  nun  die  so- 
genannten Posidonomyenschiohten,  welche  in  manchen 
Lagen  von  organischen  Ueberresten  strotzen,  wie  namentlich  in 
den  bituminösen  Fisch-  und  Saurienknochen-reichen  Stinkkalk- 
schichten, dem  Hauptlias-Koprolithenlager.  In  diesen 
meist  wohlgeschichteten  und  dünngeschieferten  Mergeln  fehlen 
eigentliche  Geodenbildungen  fast  ganz   und   es  liegen    nur 


840      Siteung  der  maih.-pKy*.  OUum  vom  10.  Datember  1864. 

hier  und  da  bis  zu  riesiger  Grösse  anwachsende  Kalkklötse 
im  Schiefer,  welche  gewöhnlich  Theile  eines  Saunen, 
Fisches  etc.  umgeben.  Audi  hierin  zeigen  sich,  wie  in  fast 
allen  Gesteinsschichten  des  oberen  Lias,  allerdings  nur  sehr 
geringe  Spuren  von  Phosphorsäure,  wie  später  an  mehreren 
Proben  nachgewiesen  werden  wird.  Indessen  verdienen 
diese  Schichten  gleichwohl  alle  Aufmerksamkeit,  weil  ich 
nicht  zweifle,  dass  sich  darin  einzelne  Lagen  anafindig 
machen  lassen,  welche  wegen  ihres  Gesammt-Kalk*  und 
Phosphorsäure-Gehaltes  wenigstens  in  der  Nähe  ihres  Vor- 
kommens zur  Aufbesserung  kalkarmen  Sandbodens  eine 
vielleicht  lohnende  Verwendung  finden  könnten. 

Knollige  Concreüonen  bemerkt  man  nun  weiter  wieder, 
sobald  in  dem  Aufbau  der  Liassohichten  aufe  Neue  Thon 
und  Mergel  eintreten,  nämlich  in  dem  sogenannten  Jurensis- 
mergel,  welcher  die  Schiefer  des  oberen  Lias  bedeckt  und 
den  Schluss  der  Liaeformatdon  ausmacht.  Es  zeigt  sich 
dabei  recht  deutlich,  dass  die  Bedingung,  unter  welcher 
beschriebenen  knolligen  Geoden  sich  auszuscheiden 
mochten,  in  der  thonigen  Beschaffenheit  der  Gesteinsmasse 
begründet  ist,  welche  dieselbe  in  sich  schliessen  und  dass 
die  Goncretionen  nur  in  einer  anfänglich  weichen,  schlami 
artigen  Thon-  oder  Mergelmasse  sich  bilden  konnten, 
aber  in  den  kalkig-geschieferten  der  Posidonomyenschichten. 

Die  Knollen  in  den  Jurensismergel  enthalten  nach  einem 
qualitativen  Versuche,  gleichfalls,  wie  ich  vermuthe,  sogar 
ziemlich  reichlich  Phosphorsäure.  Doch  sind  sie  zu  selten 
und  klein,  um  besondere  praktische  Bedeutung  zu  gewinnen. 
Die  Knollenbildung  setzt  sich  aber  auch  über  die  obere 
Grenze  des  Lias  fort  und  ist  ganz  besonders  reich  in  der 
sogenannten  Opalinusstufe  des  Doggers  entwickelt.  Hier 
liegen  grosse  linsenförmige  Geoden  bis  hinauf  zu  dem  Eisen- 
sandstein (Schichten  des  Asnmonites  Murckisonae).  Viele 
dieser  Geoden    des  Opalinusthons  künden    sich   durch   ihre 


öümM:  Phoiphorsamrcr  Kalk  im  Jura  von  Franke*.        841 

braune  Verwitterungsrinde  als  eisenhaltig  an,  namentlich 
jene  an  der  Grenze  gegen  den  anfliegenden  Sandstein.  An- 
dere dagegen  bleichen  an  der  Oberfläche  ans  und  gerade 
diese  sind  es,  bei  welchen  ein  Gehalt  an  phosphorsaurem 
Kalk  vermuthet  werden  dürfte.  Leider  scheinen  auch  sie 
sehr  arm  an  Phosphorsäure  zu  sein.  Dagegen  fand  sich  in 
den  Knollen  der  Ornatenthonschichten  wieder  eine  so 
reiche  Menge  von  phosphorsaurem  Kalke,  dass  dieser  Hori- 
zont mindestens  als  ebenso  reich,  als  jener  des  mittleren  Lias 
bezeichnet  werden  darf.  Diese  Knollen  liegen  dicht  unter 
der  Grenze  des  Jurakalkes  in  überaus  grosser  Häufigkeit, 
und  zeichnen  sich  ebensowohl  durch  ihre  Härte,  wie  durch  ihre 
schwarze  Färbung  aus«  Zahlreiche  Ammoniten  (A.  atkleta), 
Posidonomya  ornata,  und  weisse  Flecke,  welche  von  einer 
Alge  herzurühren  scheinen ,  lassen  diese  Knollen  leicht  er- 
kennen. 

Die  bisher  näher  untersuchten  Proben  aus  den  verschie- 
denen, soeben  erwähnten  Lagen  des  Lias  und  Jura  lassen  be- 
reits jetzt  schon  einen  bestimmtem  Ueberblick  gewinnen.  Hier- 
bei verdanke  ich  der  gütigen  Mittheilung  des  Herrn  Geheimrath 
Baron  von  Liebig  das  vorläufige Ergebniss  der  chemischen 
Untersuchung  einiger  von  mir  vorgelegten  Proben,  bei  welchen 
ich  bereits  einen  Gehalt  von  Phosphorsäure  erkannt  oder 
vermuthet  hatte.  Nach  der  Menge  der  in  denselben  ent- 
haltenen Phosphorsäure  geordnet  schliessen  sie  6ich  in  folgen- 
der Weise  an  einander: 

A.   Sehr  arm  an  Phosphorsäure: 

1)  Grosse  Kalkconcretionen  in  dem  Blätterschiefer  des 
liasischen  Posidonomyenschiefers,  welche  sehr  häufig 
Ichthyosauren-Reste  in  sich  schliessen  von  Mimbach 
zwischen  Amberg  und  Hirschan. 


843      Sitzung  der  matk-phys.  CUuse  vom  10.  Dezember  1864. 

2)  Brodlaib-ähnliche  Concretionen  aas  dem  Blätterschiefer 
des  liasischen  Posidonomyenschiefers  Ton  Steinlinglohe 
an  der  Strasse  von  Amberg  nach  Hirschau. 

3)  Knollige  Concretionen  ans  dem  Opalinusthon  des  unteren 
Dogger  an  dem  Berge  zwischen  Hirschan  und  Gross- 
schönbrunn in  der  Oberpfalz. 

4)  Grosse  Oeoden  im  Innern  mit  Biesen,  welche  durch 
1  Kalkspath  wieder  ausgefällt  sind,  und  voll  von  Ver- 
steinerungen: Ammonites  spinatus  (mittlerer  Lias). 
Es  zeigen  sich  Einsprengungen  von  Schwefelkies  und 
an  der  Oberfläche  giebt  sich  durch  eine  braune  Ver- 
witterungsrinde ein  Gehalt  an  kohlensaurem  Eisenoxydul 
zu  erkennen.    Fundort:  Höttingen  bei  Weissenburg. 

5)  Aehnliche  Geoden  wie  jene  von  Nr.  4,  deren  Austrock- 
ungsrisse  im  Innern  mit  Schwefelkies,  Zinkblende  und 
Schwerspath  ausgefüllt  sind,  gleichfalls  aus  den  Am- 
monites spinatus-Schichten  des  mittleren  Lias  von 
Kraimoos  bei  Schnabelwaid  südlich  von  Bayreuth. 


B.  Mit  sehr  geringem  Gehalte  an  Phosphorsäure: 

6)  Knollenförmige  Concretionen  mit  weissschaligen  Am- 
monites margaritatus  (in  grosser  Menge)  aus  den  unteren 
Lagen  der  oberen  Stufe  des  mittleren  Lias  von 
Klein-Herreth  bei  Lichtenfels. 


7)  Knollenförmige  Concretionen  mit  schweissschaligen 

monites  spinatus,  ohne  jene  Zerreissungsrisse  der  Proben 
Nr.  4  und  5,  aus  den  oberen  Lagen  der  oberen  Stufe 
des  mittleren  Lias  von  Oberwaiz  westlich  von 
Bayreuth. 


Gümbd:  Phosphorsaurer  Eätk  im  Jura  von  Ftamken.        148 

C.  Mit    namhaftem   Gehalte    an  Phosphorsäure    and 
zwar  geordnet  nach  der  zunehmenden  Menge  derselben. 

8)  Kleine  Geoden  und  aus  Mergel  herausgewitterte  Stein- 
kerne von  Amtnonites  spinatus  aus  den  oberen  Lagen 
der  oberen  Stufe  des  mittleren  Lias  vom  Kanal  bei 
Neumarkt. 

9)  Kleine  Knollen  z.  Tb.  mit  Schwefelkies  und  kleinen 
Exemplaren  von  Amtnonites  margaritatus  aus  dem 
untersten  Lagen  der  oberen  Stufe  des  mittleren 
Lias,  dem  geognostisch  gleichen  Schichten,  aus  welchen 
die  Martins' sehen  Proben  stammen,  von  Schesslitz  öst- 
lich von  Bamberg. 

10)  Schwarze,  weisslich  auswitternde  Knollen  aus  der  Am- 
tnonites athleta- Schichten  des  Ornatenthons  aus  der 
Gegend  bei  Boll  in  Württemberg. 

11)  Ganz  ähnliche  Knollen  aus  geognostisch  gleicher  Schicht 
oberhalb  Geyern  bei  Weissenburg  an  der  fränkischen  Alb. 

12)  Kleine  Knollen  aus  den  Radiansmergeln  der  ober- 
sten Lagen  des  Lias  von  Tiefenroth  bei  Lichtenfels. 

13)  Knollige  Concretionen  aus  der  Stufe  des  Amtnonites 
macrocephalus  mit  einzelnen  Brauneisenoolithkörnchen 
von  Püchenbach  unfern  Pegnitz,  S.  von  Bayreuth. 

14)  Schwarze  und  durch  Auswitterung  lichtergefärbte  Knollen 
von  weissen,  algenähnlichen  Flecken  durchzogen,  wie 
die  Knollen  unserer  Proben  Nr.  10  und  11  von  Laptel 
in  Gnari-Khorsum  Tibets  aus  Schichten,  welche  wohl 
dem  obersten  Dogger  entsprechen  dürften  (v.  Schlagint- 
weit'sche  Sammlung). 

15)  Kleine  Knollen  aus  den  Schichten  des  Amtnonites  mar- 
garitatus mit  eingeschlossenen,  weissschaligen  Exem- 
plaren dieses  Ammoniten,  ähnlich  wie  Probe  Nr.  9  und 
aus  geogno8tischgleichem  Horizonte  von  Merkendorf 
östlich  von  Bamberg. 


344      Sitomg  der  matii.-phys.  Clane  vorn  10.  Dezember  1864. 

16)  Schwarze,  sehr  harte,  aussen  in  eine  lichtfarbige  Ver- 
witterungsrinde übergehende,  von  zahlreichen,  weissen 
Algen-artigen  Flecken  durchzogene  Knollen  aas  den 
obersten  Lagen  des  Ornatenthons  wie  die  Proben  10, 
11  and  14  (?)  von  dem  Gehänge  anfern  der  Schweins- 
mtihle  zwischen  Rabenstein  and  Waischenfeld  mit  der 
erstaunlichen  Menge  von: 

86,1  °/o  Phosphorsäure. 

17)  Steinkerne  ron  Ammonites  margariiatus  und  Pleuro- 
tomaria  anglica,  welche  aus  dem  umhüllenden  Mergel 
ausgewittert  sind  (nicht  Knollen),  von  gleicher  Schicht 
wie  die  Proben  Nr.  9  und  15.  Die  Stücke  stammen 
aus  der  Umgegend  von  Boll  in  Württemberg  und  ent- 
halten 

40,0%  Phosphorsäure, 
ein  Gehalt,    welcher   dem    des  Phosphorits  ganz  nahe 
kommt. 

18)  Schwarze,  heller  auswitternde  Knollen  erfüllt  mit  Posi- 
donomya  ornata  aus  den  obersten  Lagen  des  Dogger 
wie  die  Proben  10,  11,  14  (?)  und  16  vom  Zogen- 
reutherberg  bei  Auerbach  in  der  Oberpfalz. 

Aus  dieser  Untersuchungsreihe  lässt  sich  bereits  un- 
zweideutig erkennen,  dass  es  in  den  jurassischen  Forma- 
tionen zwei  Haupthorizonte  giebt,  auf  welchen  an  Phos- 
phorsäure sehr  reiche  Massen,  —  der  thonige  Phos- 
phorit —  vorkommen,  nämlich  die  unteren  Lagen  der 
obern  Stufe  des  mittleren  Lias  (Margaritatus-Schichten) 
und  die  obersten  Lagen  der  obersten  Stufe  des 
Dogger  (Ornaten- Schichten).  Wo  immer  diese  Schichten 
entwickelt  sind,  dürfen  wir  vermuthen,  dass  'sie  auch 
thonige  Phosphorite  beherbergen.  Denn  nicht  nur  Proben 
von  verschiedenen  Punkten  Frankens  ergaben  einen  analogen 
Gehalt  an  Phosphorsäure,   sondern  derselbe  lässt  sich  auch 


(Jümbd:  Fhosphorsawrer  Kalk  im  Jura  von  Franken,        345 

an  Massen  aus  den  gleichen  Schichten  Schwabens ,  ja  sogar 
Tibets  wieder  nachweisen. 

Da  nun  das  Phosphoritlager  von  Amberg  theilweise 
wenigstens  unmittelbar  auf  dem  Ornatenthon,  dessen  Knollen 
so  reich  an  3CaO,POft  sind,  aufliegt,  so  ergiebt  sich  aus 
dieser  Lagerungsweise  eine  sehr  natürliche  Erklärung  für 
diese  massenhafte  Anhäufung  von  3CaO,POs.  £3  ist  sehr  wahr- 
scheinlich, dass  der  3CaO,P06  aus  den  Knollen  des  Ornaten- 
thons  stamme,  aus  diesen  durch  CO*  aufgelöst  und  auf 
sekundärer  Lagerstätte  in  dem  dichten  Zustande  wieder  ab- 
gesetzt wurde,  in  welchem  wir  jetzt  den  Phosphorit  bei 
Amberg  finden. 

Was  nun  die  praktische  Bedeutung  dieses  Nachweises 
so  weit  verbreiteter  und  an  3CaO,POs  ausserordentlich 
reicher  Gesteinsmassen,  welche  wohl  nicht  bloss  auf  die 
Hauptlager  in  dem  mittleren  Lias  und  in  dem  Ornaten- 
thon beschränkt  sind,  sondern  in  verschiedenen  Lagen 
sich  zu  wiederholen  scheinen,  anbelangt,  so  erklärt  dieses 
Vorkommen  zunächst  jene  wirklich  erstaunliche  Fruchtbar- 
keit der  Aecker,  welche  Schichten  des  mittleren  und 
oberen  Lias  zu  ihrem  Untergrunde  haben.  Die  an  3CaO,PO* 
so  reiche  Gesteinsmasse  bildet  nämlich  in  dem  aus  diesen 
Schichten  entstandenen  Boden  eine  grossartige  Vorrats- 
kammer, aus  welcher  durch  langsame  Zersetzung  der  dem 
Boden  beigemengten  Phosphoritstückchen  stets  neue  Mengen 
von  Phosphorsäure  der  Vegetationserde  zufliessen.  Dass  unter 
diesen  Bedingungen  die  Pflanzen  vortrefflich  gedeihen,  ist  von 
sich  selbst  verständlich.  Eine  weitere  Frage  aber  knüpft  sich 
hier  an,  ob  es  nicht  ökonomisch  möglich  ist,  aus  diesen 
zum  Theil  unbenutzten  Vorratskammern  den  Ueberfluss 
für  andere,  ärmere  Gegenden  zu  verwenden.  Die  Beant- 
wortung dieser  Frage  hängt  ab  von  der  Häufigkeit  des 
Vorkommens  der  3CaO,P06-reichen  Knollen  und  von  der 
Kostspieligkeit  ihrer  Gewinnung  im  Grossen.  Soweit  ich  bis. 


846      Sürung  der  math.-pky±  CUtate  vom  10.  Detmber  1864. 

jetzt  die  Verhältnisse  nach  meinen  Beobachtungen  so  be- 
urtheilen  im  Stande  bin,  würde  es  sich  nicht  rentiren,  diese 
kleinen  Knollen,  wie  sie  bei  Bayreuth  und  Bamberg  in  dem 
Margaritatns-Thon  des  mittleren  Lias  vorkommen, 
auf  ihrer  ursprünglichen  Lagerstätte  aus  der  grossen  Masse 
des  sie  einhüllenden  Mergels  durch  Abdeckarbeit  zu  gewin- 
nen, weil  sie  viel  zu  vereinzelt  und  in  zu  kleinen  Parthieen 
zerstreut  sind.  Vorerst  müsste  man  sich  begnügen,  die 
bereits  schon  herausgewitterten,  auf  der  Oberfläche  liegenden 

Stücke  aufzulesen  und  zu  benützen. 

Indess  scheint  es  mir,   dass  in  den  höhern  Lagen  des 

Ornatenthons  (Dogger),  in  welchen  grossartigere  Ausscheid- 
ungen ähnlicher  Art  sich  wiederholen,  da  oder  dort  günstige 
Verhältnisse  zusammentreffen  könnten,  welche  es  möglich 
machen  würden,  grössere  Menge  des  brauchbaren  Roh- 
materials zu  gewinnen.  Vorerst  aber  muss  es  durch  quanti- 
tative chemische  Versuche  festgestellt  werden,  in  welchem 
Grade  diese  in  grösseren  Massen  vorhandenen  Geoden  tob 
den  verschiedensten  Fundorten  an  3CaO,P05  reich  sind, 
um  dann  in  Erwägung  zu  ziehen ,  ob  das  Vorkommen  tf 
dieser  oder  jener  Stelle  mächtig  genug  sei,  um  in  Verhalt* 
niss  zu  dem  Gehalte  eine  Massengewinnung  ökonomisch  zo- 
.zulassen.  Wenn  auch  nicht  zu  erwarten  steht,  dass  durck 
diese  neu  entdeckten ,  an  POs  -reichen  Gesteinsmassen  die 
Nachfrage  nach  dem  so  werthvollen  Dungstoff  auch  nur 
für  grössere  Distrikte  befriedigt  werden  kann,  so  darf  man 
gleichwohl  die  Bedeutung  nicht  unterschätzen,  welche  dieser 
Fund  fiir  die  Landwirtschaft  wenigstens  der  nächsten  Um- 
gegend ihrer  Fundstellen  gewinnt,  da  dieses  Rohmaterial 
durch  ganze  Länder  hindurch  sich  verbreitet  findet 


Bischoff:  Absohdes  und  tpeci/behes  Hirngewidd.  847 


Herr  Bischoff  hielt  einen  Vortrag 

„Ueber  das  Verhältniss  des  absoluten  und 
specifischen  Hirngewichtes  sowie  des  Hirn- 
volumens zum  Schädelinnenraum". 

Im  Anschlüsse  an  meine  frühere  Mittheilung  über  das 
Verhältniss  des  Schädel-Umfanges  und  Schadelinnenraumes 
zum  absoluten  Hirngewicht,  erlaube  ich  mir,  der  geehrten 
Classe  nachfolgende  Resultate  einiger  Beobachtungen  über 
das  Hirnvolumen  und  das  specifische  Hirngewicht  vor- 
zulegen. 

Ich  hatte  es  in  meinem  früheren  Vortrage  bezweifelt, 
dass  man  aus  dem  bekannten  Schadelinnenraum  einen  hin- 
reichend sicheren  Schluss  auf  das  Hirnvolumen  und  das 
damit  wohl  am  meisten  übereinstimmende  Hirngewicht  ziehen 
könne,  und  diesen  Zweifel  auf  den  mangelnden  Parallelis- 
mus zwischen  dem  wirklich  beobachteten  Hirngewicht  und 
Schädelinnenraum  bei  denselben  Individuen  begründet.  Ich 
glaubte  diesen  mangelnden  Parallelismus  durch  Verschieden- 
heiten des  specifischen  Hirngewichtes  und  des  damit  in  Ver- 
bindung stehenden  Hirnvolumens,  sowie  durch  die  Ver- 
schiedenheit der  Erfüllung  des  Schädels,  ausser  dem  Hirn, 
durch  die  Hirnhäute,  deren  Sinus  und  das  in  denselben 
enthaltene  Blqfc  erklären  zu  können. 

Es  erschien  indessen  nothwendig  und  zweckmässig, 
diese  Meinung  durch  direkte  Beobachtungen  zu  prüfen,  und 
ich  habe  desshalb  im  vergangenen  Sommer  einige  Beob- 
achtungen über  Hirnvolumen  und  specifisches  Hirngewicht  so- 
wie über  den  zugehörigen  Schädelinnenraum  und  wenigstens 
die  Gewichtsverhältnisse  der  Dura  mater  angestellt. 

Es  ist  bemerkenswerte ,  dass,  soweit  meine  Literatur» 
Kenntniss  reicht,  bisher  sehr  wenige  Bestimmungen  des 
specifischen  Gewichtes  des  Gehirnes  angestellt  worden  sind. 

[1864.  a  4.]  24 


348     Sitzung  der  tnath.~phy*.  Clasae  vom  10.  Dezember  1864. 

Der  Erste,  welcher  solche  Bestimmungen  unternommen, 
scheint  Muschenbroak  gewesen  zu  sein.  Er  bestimmte  in 
seinen  Introductiones  ad  philosophiam  naturalem,  Lugd. 
Batav.  1762  IL  p.  556  das  specifische  Gewicht  des  Gehirns 
zu  1031,  indem  er  dasselbe  einfach  in  der  Luft  und  dann 
im  Wasser  abgewogen  und  danach  das  specifische  Gewicht 
berechnet  zu  haben  scheint  Die  Mehrzahl  aller  Nachfolger 
hat  diese  Zähl  ohne  Weiteres  angenommen. 

Wahrscheinlich  ist  Krause  der  Erste  gewesen,  der  dann 
wieder  eine  selbstständige  Bestimmung  des  specifischen 
Hirngewichtes  unternahm.  Er  giebt  dasselbe  in  seinem  1838 
erschieneneni  Handbuche  der  menschlichen  Anatomie  Bd.  IL 
p.  850  für  das  grosse  Gehirn  zu  10361  und  p.  841  für 
das  kleine  Gehirn'  zu  10415  an,  ohne  zu  erwähnen,  welcher 
Methode  er  sich  bei  seinen  Untersuchungen  bedient  hat. 

Dann  veranlasste  Nasse  d.  Ae.  1843  einen  seiner  As* 
sistenten  Halles  zu  solchen  Untersuchungen,  welche  im 
Khein.-W68tphäl.  Correspondenz  -  Blatt  1843.  I.  mitgetheüt 
wurden.  Ich  konnte  dieses  Blatt  nicht  zu  Gesicht  bekom- 
men, ersehe  aber  in  Canstatts  Jahresbericht  Bd.  I.  p.  59 
aus  Dr.  Wallachs  Referat,  dass  derselbe  zu  keinem  Resultat 
gelangte,  weil  die  Hirnsubstanz  verschiedene  Mengen  der 
Flüssigkeit,  in  welcher  die  Wägungen  vorgenommen  werde, 
einsauge. 

Daher  sind  denn  die  Zahlen  Krauses  in  fa§t  alle  neueren 
Hand-  und  Lehrbücher  übergegangen,  welche  überhaupt  des 
specifischen  Hirngewichtes  Erwähnung  thun.  Bei  Sömme- 
ring  (Vom  Baue  des  menschl.  Körpers  Bd.  V.  p.  18)  finde 
ich  nur  noch  die  Angabe,  dass  das  specifische  Gewicht  im 
Alter  geringer  werde,  ohne  dass  derselbe  sich  in  dieser 
Hinsicht  auf  besondere  Untersuchungen  beruft.  Dieselbe  An» 
gäbe  wird  von  Tanon  gemacht,  (Recherches  sur  le  Crane 
humain.  Memoires  de  l'Institut  sc.  phys.  et  mathem.  I.)  and 
sodann  auch  von  Desmoulin  bestätigt,    welcher  bei  Greisen 


Bischoff:  Absolutes  und  specifisehes  Hirngewicht.  349 

über  60  Jahre  die  Dichtigkeit  des  Gehirns  um  V1*  —  '/•• 
geringer  gefanden  haben  will,  als  bei  Jüngern  Personen, 
während  bei  durch  viele  Krankheiten  herabgebrachten  und 
abgemagerten  Menschen  keine  Verschiedenheit  von  dem 
specifischen  Gewichte  wohlgenährter  bestehe.  (Journ.  de 
physique  1820  Juni  und  Anatomie  du  Systeme  nerveux 
T.  II.  p.  216 — 218.)  Auch  bei  einem  Idioten  wollte  er  das 
specifische  Gewicht  einer  Hämisphäre  um  6 — 7  Procent 
grösser,  als  das  der  anderen  gefunden  haben,  und  J.  F. 
Meckel  d.  Ae.  (Abhandlungen  der  Berliner  Akademie  der 
Wissenschafben  1764)  giebt  an,  dass  das  specifische  Gewicht 
des  Gehirns  Geisteskranker  geringer  sei,  als  das  geistig  Ge- 
sunder. Doch  haben  Leuret  und  Mitivie  diese  Angabe 
zweifelhaft  gemacht  und  wollen  zugleich  bedeutende  Unter- 
schiede in  dem  specifischen  Gewicht  des  Hirnes  verschiedener 
Geisteskranker  gefunden  haben.  Diese  Angaben,  welche  sich  in 
einer  Schrift  Parchappe's:  Sur  l'encephale  Mem.  I.  p.  66 
finden  sollen,  habe  ich  nicht  zu  Gesicht  bekommen  können. 
Eiliigermassen  umfassende  Untersuchungen  über  das 
specifische  Hirngewicht  finde  ich  nur  von  einem  Engländer 
Dr.  Sankey,  Arzt  an  dem  Fieberspital  in  London  ausge- 
führt, welche  derselbe  in  der  British  and  foreign  med« 
Review  1853.  Vol.  11.  p.  240  mitgetheilt  hat.  Leider  ist 
sein  Zweck  vorzüglich  nur  darauf  ausgegangen,  den  Unter- 
schied des  specifischen  Gewichtes  zwischen  grauer  und  weisser 
Substanz  und  dessen  etwaige  Abänderung  in  Krankheiten 
zu  bestimmen.  Eine  Bestimmung  des  specifischen  Gewichtes 
des  ganzen  Hirns  findet  sich  in  seiner  Arbeit  nicht.  Die 
Methode,  deren  sich  Sankey  bediente,  bestand  darin,  dass 
er  eine  Anzahl  Gläser,  jedes  mit  einer  Kochsalzlösung  von 
einem  bestimmten  specifischen  Gewichte  aufstellte,  in  welche 
er  die  Stücke  des  Gehirnes  hineinfallen  liess,  bis  er  die- 
jenige herausfand,  in  welcher  das  Stück  grade  schwimmend 

erhalten  wurde.  Er  fand  so  als  specifisches  Gewicht  für  die 

24* 


850      SiUnmg  der  mtth-phy*.  Ciaset  vom  10.  Dezember  1864. 

graue  Substanz  10346,  das  Mittel  zwischen  den  Grenzen 
von  1028  und  1046  und  für  die  weisse  Substanz  10412  ab 
Mittel  1032  und  1048.  Ein  Unterschied  rücksichtlich  beider 
Geschlechter  fand  nach  Untersuchung  von  73  Gehirnen 
sich  nicht,  denn  das  Mittel  für  die  graue  Substanz  war  bei 
Männern  10353  bei  Weibern  10349;  und  für  die  weisse 
Substanz  bei  Männern  10410  und  bei  Weibern  10414; 
Unterschiede,  die  bei  der  angewendeten  Methode  ohne  Be- 
deutung sind.  Rücksichtlich  des  Alters  liess  sich  auch 
kaum  behaupten,  dass  die  Dichtigkeit  beider  Substanzen  in 
früheren  Lebensperioden  grösser  war  als  in  späteren. 
Zwischen  dem  absoluten  und  specifischen  Hirngewicht 
beider  Substanzen  liess  sich  keine  Parallele  finden.  In  Be- 
ziehung auf  den  Einfluss  yon  Krankheiten  auf  das  specifische 
Hiinge wicht  hatte  Sankey  nur  eine  Gelegenheit,  das  Gehirn 
eines  sonst  gesunden,  durch  den  Biss  einer  Cobra  in  zwei 
Stunden  getödteten,  dabei  aber  auch  noch  betrunkenen 
Menschen  zu  untersuchen,  wonach  die  Ansicht,  dass  Krank- 
heiten im  Allgemeinen  das  specifische  Hirngewicht  vermin- 
dern, wohl  noch  nicht  hinlänglich  gesichert  erscheint.  In 
Beziehung  auf  Gehirnkrankheiten  scheinen  Sankey's  Zahlen 
zu  beweisen,  dass  wenn  das  specifische  Gewicht  der  grauen 
Substanz  ansehnlich  unter  das  Mittel  sinkt,  immer  irgend 
eine  Krankheit  des  Hirns  vorhanden  ist,  nicht  aber  wenn 
dasselbe  sich  über  das  Mittel  erhebt  Bei  der  weissen  Sub- 
stanz ist  aber  ein  ansehnliches  Abweichen  des  specifischen 
Gewichtes  nach  beiden  Richtungen  über  das  Mittel  immer 
mit  Krankheiten  des  Gehirnes  verbunden. 

Da  sich  nun  so  nur  sehr  wenige  und  für  das  ganze 
Gehirn,  wie  es  scheint  mit  Ausnahme  Muschenbroek's,  gar 
keine  specifischen  Gewichtsbestimmungen  finden ,  so  war  es 
tun  so  nöthiger,  dieselben  selbst  zu  unternehmen. 

Zur  Bestimmung  des  specifischen  Gewichtes  des  Ge- 
hirnes bediente    ich    mich   um   so  lieber  der  Methode  der 


Biächoff:  Absolutes  und  specifiachcs  Hirngetcicht.  851 

Berechnung  derselben  aas  dem  beobachteten  Hirnvolumen 
und  dem  absoluten  Hirngewichte,  weil  diese  beiden  Faktoren 
jedenfalls  auch  an  and  für  sich  für  mich  unentbehrlich 
waren.  Das  angewendete  Verfahren  zur  Bestimmung  des 
Hirnvolumens  ist  speciell  voji  Herrn  Professor  Pettenkofer 
vorgeschlagen  worden. 

Wir  besitzen  eine  kräftig  gebaute  Tellerwage,  welche 
bei  30  Pfund  und  darüber  Belastung  noch  für  ein  Deci- 
gramm  einen  sehr  deutlichen  Ausschlag  giebt;  eine  Em- 
pfindlichkeit, welche  die  hier  anderweitig  gesogenen  Grenzen 
längst  übersteigt.  Auf  dieser  Wage  wird  zuerst  das  abso- 
lute Gewicht  des  Gehirnes  bestimmt.  Hierauf  bringt  man 
auf  die  eine  Wagschale  ein  hinreichend  grosses  Gefass  mit 
Wasser,  in  welches  eine  Glasschale  eingesenkt  ist,  die  mit- 
telst dreier  feinen  Drähte  an  einem  von  dem  Stative  der 
Wage  ausgehenden  festen  Querarm  herabhängt  und  stellt 
durch  Tariren  Gleichgewicht  her.  Legt  man  jetzt  das  Ge» 
hirn  auf  die  Glasschale  ins  Wasser,  so  fügt  man  dadurch 
der  bisherigen  Belastung  der  Wage  ein  dem  Volumen  des 
Gehirns  gleiches  Volumen  Wasser  hinzu,  während  der  Ueber- 
schuss  des  Himgewiohtes  von,  dem  festen  Querarme,  an 
welchem  die  Glasschale  hängt ,  getragen  wird. .  Wird  jetzt 
das  Gewicht  dieses  Volumen  Wassers  durch  Auflegen  eines 
gleichen  Gewichtes  auf  die  andere  Wagschale  bestimmt,  so 
erhalt  man  das  spedfische  Gewicht  des  Gehirns  durch  ein« 
fache  Division  des  absoluten  Hirngewichtes  durch  das  Ge- 
wicht dieses  Volumen  Wassers. 

Man  sollte  denken,  dass  dieses  ebenso  einfache  als 
sinnreiche  Verfahren,  sehr  brauchbare  und  genaue  Resultate 
ergeben  müsste.  Allein  leider  ist  dieses  nur  in  Beziehung 
auf  die  Bestimmung  des  Volumens,  weniger  in  Beziehung 
auf  das  specifische  Hirngewicht  der  Fall ;  denn  hier  ergeben 
sich  wieder  die  grossen  Schwierigkeiten  in  der  Behandlung 
organischer  Objekte,    welche   eine  hinreichende  Genauigkeit 


352      Sitzung  der  math.-phys.  Olam  vom  10.  Dezember  1864. 

fast  ohnmöglich  machen.  Es  handelt  sich  nämlich  bei  diesem 
Verfahren  leicht  begreiflich  um  eine  genaue  Bestimmung  des 
absoluten  Hirngewichtes,  da  einige  Grammen  mehr  oder 
weniger  auf  die  Bestimmung  des  specifischen  Hirngewichtes 
einen  Einfluss  ausüben,  welcher  dem  zu  erwartenden  Unter- 
schiede in  den  specifischen  Hirngewichten  gleichkommt,  oder 
ihn  gar  übersteigt.  Allein  es  ist  fast  ohnmöglich  eine  so 
genaue  Bestimmung  des  absoluten  Hirngewichtes  zu  erlangen. 
Das  grösste  Hinderniss  bildet  hiebei  die  Subarachnoideal- 
FlÜ8sigkeit,  die,  wie  ich  grade  bei  dieser  Veranlassung  mehr 
als  jemals  früher  bei  so  vielen  Hirnwiegungen  bemerkt  habe, 
meistens  in  grösserer  Menge  vorhanden  ist,  als  man  glauben 
sollte.  Sie  gehört  nicht  mit  zum  Hirngewicht,  fliesst  aber 
nur  allmählig  und  nach  und  nach  ab,  so  dass  es  für  eine 
grössere  Zahl  und  nicht  nur  für  eine  einzige  Wiegung 
kaum  möglich  erscheint,  dieses  AbSiessen,  selbst  unter  Schutz 
vor  Verlust  durch  Verdunstung,  abzuwarten.  Nach  der  ersten 
Wiegung  ist  immer  eine  grössere  oder  kleinere  Menge  auf 
die  Wage  abgeflossen;  dasselbe  ist  der  Fall,  wenn  man 
darauf  das  Gehirn  wieder  von  dem  Teller  aufhebt,  auf 
welchem  es  während  der  Tarirung  des  Gefässes  mit  Wasser 
und  der  Schale  gelegen  hat.  Ich  habe  diese  abgeflossene 
Menge  Subarachnoideal-Flüssigkeit  meistens  immer  gewogen 
und  in  Abzug  gebracht;  allein  man  sieht  leicht  ein,  wie 
unvollkommen  dieses  Verfahren  ist.  Es  ist  dem  Zufall  unter* 
worfen,  wie  viel  Flüssigkeit  ab  und  aus  den  Ventriklen  aus- 
fliesst;  man  behält  an  den  Händen  bei  Anfassen  des  Ge- 
hirns und  auf  dem  Teller  beträchtliche  Mengen;  es  ver- 
dampft bei  der  ansehnlichen  Oberfläche  rasch  eine  sehr  be- 
merkbare Quantität. 

Welchen  ausserordentlichen  Einfluss  die  Subarachnoideal- 
nnd  Spinal-Flüssigkeit  und  der  Augenblick  und  die  Art  der 
Wiegung  des  Gehirns  auf  das  Gewicht  ausübt,  geht  aus 
folgendem  Beispiel  hervor: 


Bischoff:  Absolutes  und  spccijisebes  Hirngewicht.  853 

Das  Gehirn  eines  an  akuter  Miliartuberculose  der 
Longen  verstorbenen  Mannes,  bei  dessen  Herausnahme  ans 
dem  Schädel  schon  ziemlich  viel  Flüssigkeit  abfloss,  wurde 
gewogen  und  ergab  1522,6  Grm.  Hierauf  wurde  das  Ge- 
hirn in  mehrere,  aber  nur  grosse,  die  Hirn  Ventrikel  öffnende 
Stücke  geschnitten  und  dann  nach  einiger  Zeit,  während  es 
zugedeckt  gestanden  hatte,  wieder  gewogen.  Jetzt  wog  das 
Gehirn  nur  1470,6  Grm.,  hatte  also  52  Grm.  an  Gewicht 
verloren.  Das  Volumen  des  zerschnittenen  Hirns  betrug 
1420,5  Gtm.  Nach  dem  ersten  Gewichte  wäre  das  specifische 
Gewicht  10718  nach  dem  zweiten  10359  gewesen.  Ein 
anderes  Gehirn  wog  gleich  nach  der  Herausnahme  aus  der 
Schädelhöhle  1144  Grm.;  5  Minuten  darauf,  nachdem  es 
in  sechs  Stücke  zerschnitten  war  1132,2  Grm.  Das  Volumen 
dieser  Stücke  betrug  1095,1;  also  das  specifische  Gewicht 
nach  ersterem  Gewicht  1053,7,  nach  letzterem  1033,8. 

Ausser  derSubarachnoideal-Flüssigkeit  kommt  nun  auch 
noch  das  Blut  in  Betracht,  welches  in  sehr  verschiedenen 
Mengen  in  den  Gefässen  der  Pia  mater  sich  findet,  und  in 
verschiedener  Menge  abfliesst  Es  ist  nicht  möglich,  diesen 
Uebelständen  durch  Abziehen  der  Araohnoidea  und  Pia 
mater  des  Gehirns  vorzubeugen*  Denn  obwohl  man  da« 
durch  die  Substanz  des  Gehirns  eigentlich  allein  rein  zu 
Gewicht  bringen  würde,  so  ist  dies  Abziehen  doch  sehr  oft, 
und  wenn  die  Häute  dünn  sind,  an  vielen  Stellen  schwierig, 
sehr  zeitraubend  und  nicht  ohne  Substanz*  und  jedenfalls 
nicht  ohne  beträchtlichen  Wasserverlust  durch  Verdunstung 
ausführbar. 

So  ist  es  denn  kaum  möglich,  eine  ganz  genaue  abso- 
lute Hirnwiegung  zu  Stande  zu  bringen,  und  zweimal  hinter 
einander  z.  B.  vorgenommen,  finden  sich  häufig  beträcht-' 
liehe  Unterschiede  von  mehreren  Grammen. 

Das  Verfahren  ist  ferner  auch  unzweifelhaft  darin 
mangelhaft,    dass    bei  dem  Eintauchen  des  Gehirns  in  das 


854      Sitttmg  der  «utk-pAy*.  Chum  mm  10.  Dttmber  186t. 

Wiutr,  »gleich  Bubaradinoideal-Flüasiglceit  und  Blut  ab- 
gespült, das  Wasser  dadurch  verunreinigt,  sogleich  aber 
auch  Wasser  Ton  dem  Gehirn  und  ■einen  Häuten  aufgesogen 
wird.  Es  ist  desshalb  auch  zwecklos  etwa  deetillirtes  Wattn 
zu  nehmen,  and  habe  ich  mich  immer  nur  Regenwusen 
bedient  Der  Machtheil,  welcher  durch  diese  WasaerdiSawn 
herbeigeführt  wird,  beruht  nicht  sowohl  darin,  das  gerade 
erlangte  Resultat  zweifelhaft  zu  machen.  Denn  ea  handelt 
sich  bei  der  erwähnten  Methode  nur  nm  Ermittelang  da 
Volumens  des  Gehirns ,  welches  während  des  kurzen  Auf- 
enthaltes des  Gehirns  von  wenigen  Minuten  der  Wägung  in 
Wasser  auf  keinen  Fall  eine  wesentliche  Änderung  erfahrt 
Dagegen  ist  die  Wasseraufnahme  oder  Abgabe  allerding» 
gross  genug ,  um  in  dem  absoluten  Hirngewicht  eine  solche 
Aenderong  hervorzubringen,  dass  eine  Wiederholung  a* 
Wägung  und  der  ganzen  Operation  ohnmoglich  wird,  «■* 
doch  nicht  selten  recht  wünschenswerth  wäre. 

Ich  habe  mich  übrigens  zur  Bestimmung  des  Bpedfischan 
Gewichtes  auch  der  gewöhnlichen  sogenannten  hydrostati- 
schen Wage  bedient,  d.  tu  des  einfachen  Abwiegens  d» 
Gehirns  in  der  Luft  und  im  Wasser,  worauf  das  apecinsche 
Gewicht  gleich  ist  dem  Gewichte  in  der  Luft  dividirt  durch 
den  Gewichtsverlust,  den  es  im  Wasser  erlitten.  Das  Be- 
snltat  war  nicht  verschieden  von  dem  durch  das  oben  an- 
gegebene Verfahren  erhaltenen,  d.  h.  ich  erhielt  ähnliche 
Zahlen.  Mit  demselben  Gehirn  konnte  ich  freilich  nicht 
nach  beiden  Methoden  verfahren,  da  durch  den  erstmaligen 
Aufenthalt  im  Wasser  schon  zn  grosse  Veränderungen  Ter- 
'isst  wurden. 

Um  diese  zn  vermeiden,  habe  ich  mich  dann  auch  statt 
Wassers  des  Petroleums  bedient ,  und  unter  Berück- 
itigang  Ton  dessen  specinschem  Gewicht  und  seines  sehr 
nächtlichen  Ausdehnungs-Coefficienten,  nach  der  ersten 
hode  verfahren.    Die  Fehlerquellen  bei  der  Bestimmung 


Bischoff:  Absolutes  und  speeifisches  Hirngewicht  355 

des  absoluten  Gewichtes  konnten  natürlich  auch  hier  nicht 
vermieden  werden,  und  da  waren  denn  die  Resultate  von 
denen  bei  der  Benützung  des  Wassers  erhaltenen  nicht  in 
der  Art  verschieden,  dass  es  sich  der  Mühe  verlohnt  hätte, 
das  Arbeiten  mit  der  unangenehmen  Flüssigkeit  dem  mit 
dem  Wasser  vorzuziehen. 

Für  diesesmal  glaube  ich  mich  indessen  bei  den  nach 
der  zuerst  erwähnten  Methode  erhaltenen  Resultaten  voll- 
kommen beruhigen  zu  können.  Dieses  geht,  wie  mir  scheint, 
aus  der  Betrachtung  nachstehender  Tabelle  hervor,  in  wel- 
cher die  Beobachtungen  von  40  Männer  Gehirnen  und  20 
Weiber  Gehirnen  verzeichnet  und  dieselben  nach  dem  ab- 
soluten Hirngewicht  geordnet  sind. 


356       SitMimg  dar  Math.-phy».  Oane  vom  10.  Vttemher  186*. 


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3(2       Sitzung  der  moth.-phys.  Claste  vom  10.  Dezember  1864. 

Aus  dieser  Tabelle  ergiebt  sich: 

1)  Das  absolute  Gewicht  des  ganzen  Hirns  ist  bei 
beiden  Geschlechtern  wie  immer  ansehnlichen  Schwankungen 
unterworfen,  die  bei  diesen  40  Männergehirnen  534  Grm. 
und  bei  den  20  Weibergehirnen  424  Grm.  einschliessen. 
Das  mittlere  Männerhirngewicht  ist  1363,6  Grm.,  das  mitt- 
lere Weiberhirngewicht  1244,5,  also  eine  Differenz  ran 
117  Grm.,  das  ist,  letzteres  ist  im  Durchschnitt  über  ljxi 
leichter  ab  das  Männergehirn.  In  meiner  frühem  Tabelle 
betrug  das  mittlere  Männerhirngewicht  1387  Grm.,  das  da1 
Weiber  1246  Grm.,  also  ein  Unterschied  von  141  Grm. 
oder  etwas  mehr  als  */•• 

Das  kleine  Gehirn  wurde  so  von  dem  grossen  ge- 
trennt, das8  vorne  und  unten  die  Hirnschenkel  dicht  tot 
dem  vorderen  Rande  der  Brücke;  hinten  die  Crura  cere- 
belli  ad  Corpora  quadrigemina  dicht  hinter  dem  hinteren 
Vierhügelpaar  und  dem  Ursprung  der  N.  N.  trochleares 
abgeschnitten  wurden.  Die  Medulla  oblongata  wurde  ohn- 
gefähr  1  Zoll  lang  gehalten.  Das  absolute  Kleinhirngewickt 
bei  den  Männern  schwankt  zwischen  138,6  und  210,3,  d.h. 
um  71  Grm.,  bei  den  Weibern  zwischen  139,8  und  175,5  Grm. 
d.  h.  um  35,7  Grm.  Das  mittlere  Kleinhirngewicht  der 
Männer  ist  168,1  Grm. ,  das  der  Weiber  155,9  Grm. ,  also 
nur  eine  Differenz  von  12,2  Grm.  oder  etwas  weniger  als 
*/i  *,  so  dass,  wenn  auch  das  kleine  Gehirn  der  Weiber  ab- 
solut etwas  leichter  als  das  der  Männer  ist,  dieses  doch 
weit  weniger  als  bei  dem  grossen  Gehirn  der  Fall  ist,  und 
deshalb  das  kleine  Gehirn  der  Weiber  relativ  zu  dem  grossen 
Gehirn  schwerer  ist  als  das  der  Männer ;  der  Hauptgewichts- 
unterschied zwischen  beiden  Geschlechtern  aber  auf  das 
grosse  Gehirn  fallt.  Das  Gewicht  des  kleinen  Gehirns  steigt 
zwar  im  Allgemeinen  mit  dem  des  ganzen  Gehirns,  aber 
doch  durchaus  nicht  gleichmässig,  z.B.  sind  Nr.  28  und  30 
der  Männer    um  8  Grm.    im   Gewichte  des  ganzen  Hirns, 


Bischoff \  Absolutes  und  specifischcs  Hirngewicht.  363 

dagegen  am  71  Grm.  des  kleinen  Gehirns  and  zwar  noch 
dazu  umgekehrt  verschieden. 

2)  Das  Bpecifische  Gewicht  des  ganzen  Gehirns  ist 
keinen  sehr  grossen  Schwankungen  unterworfen;  es  wechselt 
bei  den  Männern  ?on  1030  (Nr.  2»)  bis  1043,7  (Nr.  40), 
bei  den  Weibern  von  1030,5  (Nr.  7)  bis  1047,8  (Nr.  15); 
doch  ißt  das  mittlere  Bpecifische  Himgewicht  bei  beiden 
Geschlechtern  so  gut  wie  gleich,  bei  den  Männern  1038,3, 
bei  den  Weibern  1038,6.  Das  specifische  Hirngewicht  steht 
in  gar  keinem  bestimmten  Verhältniss  mit  dem  absoluten 
Hirngewicht,  obgleich  zufällig  bei  den  Männern  das  absolut 
schwerste  Gehirn  (Nr.  40)  auch  4as  relativ  schwerste  ist. 
Dagegen  gehört  auch  das  specifisch  leichteste  (Nr.  29)  schon 
unter  die  das  absolute  Mittelgewicht  überschreitenden  Ge- 
hirne und  mehrere  der  absolut  leichtesten  (Nr.  3.  5.  6) 
näheren  sich  dem  Maximum  des  specifischen  Hirngewichtes. 
Es  ist  ebenso  unter  den  Weibern,  wo  das  absolut  (Nr.  1) 
leichteste  Gehirn  zu  den  specifisch  schwersten  gehört. 

Das  specifische  Gewicht  des  kleinen  Hirns  zeigt  viel 
grössere  Schwankungen  als  das  des  ganzen  Hirns;  es  ist 
ferner  bald  ansehnlich  höher  bald  ansehnlich  kleiner  als 
das  des  ganzen  Hirnes;  es  ist  im  Mittel  bei  den  Männern 
etwas  kleiner  1037,2,  bei  den  Weibern  ansehnlich  grösser 
1043,9,  als  das  des  Ganzen;  Alles  dieses  sind  Verschieden- 
heiten und  Verhältnisse,  die  ich  mir  nicht  wohl  zu  erklären 
weiss,  und  die  ich  desshalb  auf  die  Fehler  der  Methode  zu 
schieben  geneigt  bin,  welche  um  so  grösser  werden,  je 
kleiner  die  zu  bestimmenden  Massen  sind.  Uebrigens  will 
ich  bemerken,  dass  das  Volumen  des  kleinen  Gehirns  immer 
zuerst  und  dann  erst  das  des  ganzen  HirneB  bestimmt  wurde, 
weil  nur  auf  diese  Weise  das  einmal  im  Wasser  befindliche 
kleine  Hirn  nicht  wieder  herausgenommen  und  das  einmal 
tarirte  Wasser  nicht  wieder  aufs  Neue  tarirt  zu  werden 
brauchte. 

[1864.  IL  4  ]  25 


364      Sünmg  der  «k»tfc.-pAy«.  Ctone  vom  10.  Datember  1864. 

Im  Ganzen  ergiebt  eich  indessen,  worauf  es  mir  diesa- 
mal  bei  der  specifischen  Gewichtsbestimmang  vorzuglich  an- 
kam) dasB  die  Verschiedenheiten  des  spezifischen  Gewichtes 
der  Gehirne  auf  ihr  Volumen  und  ihre  Erfüllung  der  Schadel- 
höhle keinen  bemerkenswerten  Einfluss  ausüben,  und  so  zur 
Erklärung    der   Nichtübereinstimmung   zwischen    absolutem 
Hirngewicht    und    Schädelinnenratm    nicht    viel   beitragen. 
Dazu  ist  einmal  überhaupt   die  Verschiedenheit  des   spec 
Gewichtes  verschiedener  Gehirne  nicht  gross  genug;  denn  diese 
Verschiedenheit  beträgt  im  höchsten  Falle  1,37—1/73  Proc., 
was   also  bei  einem  Hirnvolumen  von   1200  Ctm.    16 — 20, 
bei  einem  von  1600  Ctm.  22—27  ausmachen   würde,    also 
bei  Differenzen  von  200—400  Ctm.  zwischen  Hirnvolumen 
und  Schädelinnenraum  kaum  von  irgend  einer  Bedeutung  er- 
scheint. Alsdann  findet  sich  auch  gar  kein  Beleg  dafür,  dass 
etwa  da,  wo  Hirnvolumen,  absolutes  Hirngewicht  und  Schadel- 
innenraum   besonders  von  einnander  verschieden  sind,    das 
speeifische  Hirngewicht  dafür  mit  besonderen  Abweichungen 
einträte.    Man  müsste  nämlich  da,   wo  sich  ein  besonders 
grosser  Unterschied    zwischen  absolutem  Hirngewicht,    und 
Volumen  einer  Seite  und  Schädelinnenraum  anderer  Seite  fände, 
ein  verhältnissmässig  grosses  specifisches  Hirngewicht,  and  da 
wo  diese  beiden  Grössen  mehr  übereinstimmen,  das  letztere 
geringer  finden.  Dieses  ist  aber  durchaus  nicht  der  Fall ;  denn 
z.  B.  bei  Nr.  1  ist  der  Unterschied  zwischen  absolutem  Gewicht 
und  Volumen  des  Gehirns  einer  Seits  und  dem  SchädelinneD- 
raum  anderer  Seits  ansehnlich  gross,  283  Ctm. ;  dennoch  war 
das  speeifische  Hirngewicht  sehr  gering  1033,2.    In  Nr.   14 
beträgt  der  genannte  Unterschied  466   Gm.  das  speeifische 
Hirngewicht    1038,9    also    keineswegs    ein    Maximum.     In 
Nr.   22    und  besonders   23    ist  der   Unterschied    zwischen 
Hirnvolumen  und  Schädelinnenraum  nur  139  und  90  Grm.; 
doch  ist  das  speeifische  Hirngewicht  gross  1039,2  und  1042,1. 

3)  Das  Hirnvolumen    steigt,    wie   auch  im    Ganzen 


Bischoff:  Absolutes  und  specifischcs  Eingewicht.  865 

wohl  nicht  Anders  zu  erwarten  war,  gleichmässig  mit  dem 
absoluten  Hirngewicht  Das  Hirnvolamen  ist  immer  etwas 
geringer  als  das  Hirngewicht  Der  Unterschied  zwischen 
beiden  beträgt  im  Mittel  bei  den  Männern  56,5;  bei  den 
Weibern  44,8.  Dieser  Parallelismus  zwischen  absolutem 
Hirngewicht  und  Hirnvolumen  stimmt  mit  den  im  Ganzen 
unbedeutenden  Verschiedenheiten  des  specifischen  Gewichtes 
überein.  Die  einzige  y  einigermassen  bemerkenswerthe  Aus- 
nahme macht  unter  den  Männergehirnen  Nr.  17 ,  wo  das 
absolute  Hirngewicht  fast  um  100  grosser  ist,  als  das  Hirn- 
volumen, wofür  denn  auch  das  höchste  specifische  Hirn* 
gewicht  eintritt 

4)  Der  Schädelinnenraum  wächst  zwar  im  Ganzen 
und  Grossen  begreiflich  ebenfalls  mit  dem  absoluten 
Hirngewicht  und  Hirnyolumen,  allein  es  fehlt  ausser- 
ordentlich viel  an  einem  Parallelismus  in  dieser  Hinsicht, 
es  finden  sich  vielmehr  wie  bei  meinen  früheren  Unter- 
suchungen, die  bedeutensten  individuellen  Verschieden- 
heiten. Unter  den  Männern  findet  sich  der  geringste  Unter- 
schied zwischen  Hirnvolumen  und  Schädelinnenraum  bei 
Nr.  23,  wo  er  nur  90  Ctm.  beträgt.  Unter  den  Weibern 
beträgt  er  bei  Nr.  4  nur  68.  Unter  den  pag.  29  meiner 
früheren  Abhandlung  verzeichneten  Schädeln  findet  sich  der 
Nr.  IV.  des  Mörders  Graf,  wo  der  Unterschied  zwischen 
absolutem  Hirngewicht  und  also  wahrscheinlich  auch  Vo- 
lumen und  dem  Schädelinnenraum  nur  wenige  Grm.  und 
Ctm.  beträgt.  Dagegen  beträgt  dieser  Unterschied  in  Nr.  14 
466  Grm.,  in  Nr.  32  403  Grm.,  in  Nr.  29  399  Grm.,  in 
Nr.  26  330  Grm.  etc.,  also  Unterschiede  von  3—400  Ctm. 
Dieser  Unterschied  differirt  bei  demselben  Hirnvolumen  oft 
mehr  als  200  Ctm.  z.  B.  Nr.  7  und  Nr.  9;  und  ist  bei 
einem  sehr  verschiedeneu  Hirnvolumen  fast  gleich,  z.  B. 
Nr.  9  und  Nr.  28.    Im  Mittel  aus  allen  40  Beobachtungen 

beträgt  der  Unterschied  227  Ctm.    Bei  den  Weibern  finden 

25* 


366       SiUung  der  tnath.-phys.  Classe  vom  10.  Dezember  1864. 

sich  ähnliche  Beispiele,  z.  B.  differiren  Nr.  2  und  Nr.  15 
in  Schädelinnenraum  nur  um  70,  während  die  Hirnvolumina 
um  143  Ctm.  von  einander  differiren;  Nr.  3  and  4,  sowie 
9  und  10  Bind  die  Hirnvolumina  fast  gleich,  der  Unterschied 
zwischen  den  Schädelinnenräumen  aber  150  Ctm.  lieber- 
haupt  aber  ist  der  Unterschied  bei  den  Weibern  geringer 
and  beträgt  im  Mittel  aas  den  19  Beobachtungen  nur  175  Ctm. 

Es  fragt  sich  nun,  wodurch  wird  dieser  Unterschied 
zwischen  Hirnvolumen  und  Schädelinnenraum  überhaupt  be- 
dingt und  der  Zwischenraum  zwischen  Schädel  und  Gehirn 
erfüllt,  and  wodurch  werden  die  bedeutenden  individuellen 
Verschiedenheiten  herbeigeführt  ? 

Die  Verschiedenheit  des  specifi6chen  Hirngewichtes  tritt 
dafür,  wie  wir  oben  bereits  gesehen,  nicht  ein.  Dieses  ist 
nun  aber  auch  nicht  mit  der  Dura  mater  der  Fall,  so  weit 
sich  dieses  aas  ihren  Gewichtsverhältnissen  beurtheilen  lässt 
Das  Mittelgewicht  der  Dura  mater  nebst  der  Hypophysb 
Cerebri  dem  Ganglion  Gasseri  und  der  Carotis  interna  so 
weit  sie  in  dem  Stdcus  caroticus  verläuft,  beträgt  bei  Män- 
nern 61,6,  bei  Weibern  58,5  Grm.,  eine  Zahl,  die  so  ziem- 
lieh  mit  der  einzigen  mir  über  das  Gewicht  der  Dura  m&t* 
bekannten  Angabe  von  Huschke  (Schädel ,  Hirn  und  Seele 
p.  56)  übereinstimmt,  welcher  dasselbe  auf  70  Grm.  angiebt 

Dir  Gewicht  zeigt  nun  zwar ,  wie  aus  der  Tabelle  her- 
vorgeht, Verschiedenheiten,  die  bei  den  Männern  zwischen 
51  und  81  Grm.,  bei  den  Weibern  zwischen  45  und  77  Grm. 
schwanken ,  was  daher  auch  gleichen  Schwankungen  in  der 
Raumerfüllung  der  Schädelhöhle  nach  Ctm.  entsprechen 
wird.  Allein  diese  30—34  Ctm.  sind  ebenfalls  nicht  an* 
reichend,  um  die  angeführten  und  ermittelten  grossen 
Differenzen  zwischen  Hirnvolumen  und  Schädelinnenraum 
von  200—400  Ctm.  zu  erklären.  Allerdings  kann  davo* 
noch  ein  Antheil  auf  eine  verschiedene  Entwicklung  der  Sin* 
der  Dura  mater  und  ihre  Erfüllung  mit  Blut  kommen,  ab* 


Bischoff:  Absolutes  und  qpccifoches  Himgewickt.  887 

jeden  Falk  wird  auch  dieser  Umstand  nicht  ausreichend 
erachtet  werden  können. 

Unter  diesen  Verhältnissen  bin  ich  durch  die  Beobach- 
tung, dass  die  Meoge  der  ansfliessenden  Liquor  cerebro 
spinalis  und  subarachnoidealis  auch  ohne  dass  schon  deut- 
lich Oedem  oder  gar  Hydrops  und  dadurch  bedingte  Atrophie 
des  Gehirns  vorhanden  ist,  sehr  ansehnlich  und  sehr  wech- 
selnd sein  kann,  zu  der  Ueberzeugung  gelangt,  dass  es  diese 
wechselnde  Menge  der  genannten  Flüssigkeit  ist,  durch 
welche  der  so  wechselnde  Zwischenraum  zwischen  Gehirn 
und  Schädel  erfüllt,  und  die  Differenz  zwischen  Hirnvolum, 
Hirngewicht  und  Schädelinnenraum  ihre  Erklärung  finden. 

Ich  glaube,  dass  viel  häufiger,  als  man  es  bisher  ver- 
muthet,  oder  wenigstens  von  der  pathologischen  Anatomie 
ausgesprochen  worden  ist,  das  Gehirn  sich  an  dem  tödt- 
lichen  Ausgange  vieler  Krankheiten  dadurch  mit  betheiligt, 
dass  es  mehr  oder  weniger  lange  Zeit  vor  dem  Tode  zu 
einer  beträchtlich  starken  Exsudation  des  Liquor  cerebro 
spinalis  und  subarachnoidealis  und  einem  dadurch  bedingten 
Schwinden  der  Gehirnsubstanz  kommt,  und  dadurch  die 
Incongruenz  zwischen  Schädelinnenraum  und  Hirnvolumen 
wie  Hirn  gewicht  herbeigeführt  wird.  Da  diese  Theilnahme 
des  Gehirns  in  den  verschiedenen  Krankheiten  eine  sehr 
verschiedene  und  sehr  wechselnde  sein  kann  und  sein  wird, 
so  rührt  daher  die  ausserordentliche  Verschiedenheit  des 
Verhältnisses  zwischen  Schädelinnenraum  und  Hirnvolumen 
wie  Hirngewicht,  wie  solche  von  mir  beobachtet  wurde. 

Um  diese  Ansicht  zu  prüfen,  wird  von  besonderem  In- 
teresse sein,  zu  sehen,  wie  sich  das  Verhältniss  von  Hirn- 
volumen und  Schädelinnenraum  bei  Personen  verhalt,  welche 
im  vollkommenen  Gesundheitszustand  verstorben  sind. 

Man  kann  dazu  zunächst  vielleicht  die  in  meiner  früh- 
eren Abhandlung  mitgetheilte  Reihe  von  hingerichteten  Ver- 
brechern benutzen,  welche  ab  gesunde  Menschen  zu  betrach* 


368      Süjnmg  der  maih.-phyi.  Ckusc  vom  10.  Dezember  1864. 

ton  waren.  Zu  diesem  Zwecke  müsste  man  indessen  zuerst 
ans  den  beobachteten  und  mitgetheilten  Hirngewichten  das 
Hirnvolumen  ableiten,  indem  man  von  jenen  die  ans  der 
jetzigen  Tabelle  hervorgehende  mittlere  Differenzzahl  56  in 
Abzug  brachte.  Anderer  Seits  wäre  von  den  Zahlen  über 
den  Schädelinnenraum  die  Zahl  61  als  Mittelzahl  für  die 
Raumerfüllung  durch  die  Dura  mater  abzuziehen,  und  end- 
lich auch  noch  eine  durch  das  Austrocknen  der  Schädel  her- 
vorgebrachte Differenzzahl  *)  in  Anrechnung  zu  bringen.  Ich 
habe  dieses  ausgeführt,  allein  man  erhält  auch  da  für  die 
verschiedenen  Schädel  sehr  verschiedene  Resultate.  So  z.  B. 


1)  Nach  Versuchen  und  Messungen  von  Welker  (Wachstbmn 
und  Bau  des  menschlichen  Schädels  p.  28)  erfahren  die  Knochen 
namentlich  auch  die  Schadelknochen  durch  Austrocknen  eine  Ver- 
kürzung ihrer  Haase.  Durch  Anfeuchten  eines  vorher  trockenen 
Schädels  wurden  sämmtliche  Hauptdurohmesser  desselben  verändert 
Die  Veränderung,  welche  ein  frischer  Schädel  durch  Austrocknen 
erfährt,  hat  er  nicht  direkt  bestimmt;  doch  vermuthet  er,  dass  ein 
solcher  frischer  Schädel  durch  Austrocknung  seine  Gestalt  um  ein 
Geringes  nach  der  dolichooephalen  Seite  hin  abändern  werde,  glaubt 
indessen»  dass  die  Austrocknungserscheinungen  des  erwachsenen 
Schädels  für  die  Zwecke  der  Schädelmessung  fuglich  ausser  Betracht 
bleiben. 

Ich  habe  die  Gelegenheit  benutzt,  bei  drei  Männerschädeln  die 
Veränderung  des  Schädelinnenraumes  durch  die  Austrocknnng  tu 
messen.  Eis  ist  dieses  freilich,  da  es  sich  immer  nur  um  wenige 
Gtm.  handeln  wird,  eine  missliche  Sache ,  da  leicht  einige  solche  je 
nach  der  Art  der  Messung  hinzukommen  oder  ausfallen  können. 
Doch  scheint  es  mir  bemerkenswerth,  dass  ich  bei  allen  drei  Schädeln 
und  bei  einem  möglichst  gleichartigen  Verfahren  eine  Abnahme  des 
8chädelinnenraums  wahrgenommen  habe.    Derselbe  betrug 

I.         n.         in. 

Im  frischen  Zustande  1775        1680        1780 

Im  trockenen  Zustande       1780        1625        1760 
Unterschied  45  55  20 

was  doch  schon  immer  zu  berücksichtigen  sein  mochte. 


Bischoff:  Absolutes  und  spccifisches  Hirngewicht.  369 

bei  N**  VI,  dem  Mörder  Graf,  entsprechen  eich,  wie  oben 
schon  erwähnt,  Hirnvolumen  and  Schädelinnenraum  fast 
genau,  was  mir  so  auffallend  erscheint,  dass  ich  an  der 
Richtigkeit  der  angegebenen  Zahlen  zweifeln  würde,  wenn 
nicht  dieser  Mörder  gerade  sehr  genau  behandelt  worden 
wäre,  da  er  das  zweite  Individuum  war,  an  welchem  ich 
die  in  v.  Siebold's  und  Kölliker's  Zeitschrift  Bd.  IX.  pag.  65 
mitgetheilte  Blutmengen  Bestimmung  unternahm.  Dagegen 
finden  sich  andere  unter  jenen  Mördern,  z.  B.  VIII  und  IX, 
bei  welchen  ein  Unterschied  zwischen  Hirnvolumen  und 
Schädelinnenraum  von  279 — 300  Gtm.  besteht.  Ausserdem 
ist  bei  diesen  Hingerichteten  auch  noch  zu  bedenken,  dass 
sie  enthauptet  wurden,  also  auch  fast  alles  Blut  aus  dem 
Gehirn  ausfloss,  dessen  Einfluss  auf  Hirngewicht  und  Hirn* 
volumen  schwer  anzugeben  ist. 

Es  scheint  mir  daher  sicherer,  zu  dem  genannten  Zweck 
zwei  Fälle  von  Selbstmördern,  von  denen  sich  einer  in  der 
mitgetheilten  Tabelle  (Nr.  8)  befindet,*  und  einen  von  einem 
Erstochenen  zu  benätzen.  Alle  drei  waren  junge  kräftige 
Männer  von  25 — 36  Jahren,  in  deren  Leichen  sich  bei  der 
Sektion  keinerlei  Abweichungen  fanden.  Die  beiden  Erhäng« 
ten  waren  Sträflinge,  denen  ihre  Gefangenschaft  unerträg- 
lich geworden  zu  sein  scheint.  Sie  zeigten  einen  Unter* 
schied  zwischen  Hirnvolumen  und  Schädelinnenraum  von 
155  und  100  Gtm.  und  wenn  ich  das  Gewicht  der  Dura 
mater  mit  52  und  59  Grm.  von  dem  Schädelinnenraum 
abziehe,  103  und  41  Gtm.  Der  Erstochene,  ein  ganz  ge- 
sunder, in  wenigen  Minuten  gestorbener  Mensch  zeigte  einen 
Unterschied  zwischen  Hirnvolumen  und  Schädelinnenraum 
von  136  Ctm.,  von  denen  52  auf  die  Dura  mater  gekom- 
men sein  mögen,  also  effectiv  *on  84  Gtm. 

Bei  einer  vor  Kurzem  dahier  durch  Leuchtgas  erstick- 
ten, übrigen*  gesunden  jungen  Person  von  23  Jahren  betrug 
der  Unterschied    zwischen  Hirnvolumen    und  Schädelinnen- 


870       Sitamg  der  math.-phy*.  Clan*  vom  10.  Ducmbcr  18C4. 

räum  nach  Abzug  der  Dura  mater  mit  61  =  68  Ctm  Das 
Gehirn  war  ansehnlich  gross  and  schwer,  1496  Grm.  und 
sogleich  sehr  mit  Blut  überfüllt.  Bei  einer  zweiten  etwa 
40  Jahre  alten  zugleich  mit  jener  durch  das  Gas  betäubten, 
ebenfalls  sonst  ganz  gesunden  Person,  die  aber  noch 
24  Stunden  ohne  Bückkehr  des  Bewusstaeins  lebte  9  betrug 
der  Unterschied  zwischen  Hirnvolumen  und  Schadelinnen- 
raum nach  Abzug  von  64  für  die  Dura  mater  53  Ctm. 
Auch  dieses  Gehirn  war  ansehnlich  schwer  1438  Grm. 
ebenfalls  blutreich,  doch  war  es  schon  zu  einem  Austritt 
von  Serum  in  den  Subarachnoidealraum  gekommen. 

Aus  diesen  5  Fällen  geht  hervor,  dass  der  Unterschied 
zwischen  Hirnvolumen  und  Sohädelinnenraum  oder  mit 
anderen  Worten  die  Menge  der  den  Zwischenraum  zwischen 
Hirn  und  Schädel  vollständig  erfüllenden  Flüssigkeit  swar 
auch  bei  ganz  gesunden  Menschen  ein  verschiedener  und 
selbst  um  das  dreifach  wechselnder  sein  kann:  41:53:68: 
84 :  103.  Allein  diese  Zahlen  (deren  Mittel  64  beträgt)  er- 
reichen doch  bei  weitem  nicht  die  Grösse  jener  Differenzen, 
welche  sich  sowohl  in  meiner  früheren  als  jetzigen  Tabelle 
verzeichnet  finden.  Diese  grösseren  Zahlen  dürfen  daher 
wohl  als  Folgen  pathologischer  Zustände,  als  hervorgebracht 
durch  eine  dem  Tode  vorausgegangene  lebhaftere  Abscheid- 
ung von  Liquor  cerebro  spinalis  und  subarachaoidealis  und 
Abnahme  des  Hirnvolumens  und  Hirngewichtes,  betrachtet 
werden. 

Verhält  es  sich  aber  so,  so  komme  ich  zu  dem  Schlüsse! 
dass  der  Welker'sche  Satz  von  dem  annäherungsweise  hin- 
reichenden Parallelismus  zwischen  Schädelperipherie,  Schädel* 
ionenraum  und  Hirngewicht  bei  ganz  gesunden  Menschen 
dennoch  richtiger  ist,  als  e»bei  der  empirischen  Ermittel* 
ung  dieser  einzelnen  Factoren  bei  den  gewöhnlichen  Sek* 
tionen  meist  an  Krankheiten  verstorbener  Menschen  den 
Anschein  hatte.    Im  ganz    gesunden  Zustande   füllt  daa 


Biackoff:  Abmüutm  und  spccifisehes  Hirngetoicht.  871 

Gehirn  mit  seinem  Volumen  und  absoluten  Gewichte  ausser 
der  Dura  mater,  der  Blutmenge  und  einer  gewissen  Menge 
des  Liquor  cerebro  spinalis,  welche  sowie  auch  das  specific 
sehe  Gewicht  des  Gehirns  keinen  so  grossen  Verschieden- 
heiten unterworfen  sind,  die  Schädelhöhle  so  Tollständig 
aus,  dass  man  von  der  Schädelperipherie  und  dem  Schädel- 
innenraum einen  hinreichend  annähernden  Schluss  auf  Hirn- 
volumen und  Gewicht  ziehen  kann.  Will  man  möglichst  genau 
verfahren,  so  müsste  man  zuerst  von  dem  gefundenen 
Schädelinnenraum  bei  Männern  61,6,  bei  Weibern  58,5  Ctm. 
für  die  Dura  mater  in  Abzug  bringen.  Von  dieser  Zahl 
wären  dann  weiter  um  das  Hirnvolumen  zu  erhalten,  etwa 
64  Ctm.  für  den  Liquor  cerebro  spinalis  abzurechnen,  und 
von  der  dadurch  erlangten  Zahl  wieder  bei  Männern  56,5, 
bei  Weibern  44,8  als  DifFerenzzahl  zwischen  Hirnvolumen 
und  Hirngewicht  abzuziehen,  um  Letzteres  möglichst  genau 
zu  erhalten«  Allein  den  bei  weiten  meiaten  Todesarten, 
geht  eine  solche  Veränderung  in  dem  Hirngewicht  und  Him- 
volumen  unter  Abecheidung  einer  grösseren  oder  geringeren 
Menge  Liquor  oerebro  spinalis  vorher,  daas  man  diesen 
Parallelismus  in  den  Leichen  vorher  erkrankter  Personell 
nioht  mehr  nachweisen  kann. 

Ich  hoffe,  dass  dieses  per  varia  disorittuna  erreichte 
Resultat  sich  auch  anderweitig  bestätigen  und  nicht  ohne 
praktisches  Interesse  für  Schidelüjessungen  und  physiolo- 
gische wie  pathologische  Hirnuntersuchungen  sein  wird. 


872      Sitzung  der  matK-fhy*.  Oasee  vom  10.  Dezember  1864. 

Herr  Joily  legt  eine  Abhandlang  des  Herrn  W.  von 
Bezold  vor; 

„Zar  Lehre  vom  binocularcn  Sehen." 

Die  folgenden  Zeilen  enthalten  kurze  Mittheilungen  über 
zwei  Untersuchungen,  welche  dem  Gebiete  des  binocularen 
Sehens  angehören,  ohne  deshalb  in  einem  engeren  Zusam- 
menhange zu  ßtehen.  Die  erste  soll  einen  Beitrag  liefern 
zur  Lehre  von  der  Identität  der  Netzhäute;  die  zweite  ent- 
hält eine  Behandlang  des  Horopterproblemes  unter  Berück- 
sichtigung des  Umstandes,  dass  nicht  nur  correspondirende 
Punkte  im  engsten  Sinne  des  Wortes,  sondern  innerhalb 
gewisser  Grenzen  auch  hievon  abweichende  Netzhautpunkte 
zur  Vermittlung  einer  einfachen  Wahrnehmung  geeignet  sind. 

I. 

Während  eines  langen  Zeitraumes  bildete  das  von 
J.  Müller  aufgestellte  Princip  der  Identität  der  Netzhäute 
den  einzigen  Ausgangspunkt  für  alle  Untersuchungen  über 
das  Zusammenwirken  der  beiden  Augen  beim  Sehakte.  Diess 
Princip  besteht  wesentlich  aas  folgenden  zwei  Theilen: 
erstens,  Reize  identischer  Netzhautstellen  bedingen  immer 
eine  einfache  Wahrnehmung,  und  zweitens,  nur  bei  Reizung 
von  identischen  Stellen  ißt  eine  solche  möglich. 

Nachdem  durch  die  Entdeckung  Wheatstone's  der 
zweite  Theil  des  Principe  in  voller  Schärfe  unhaltbar  ge- 
worden war,  und  auch  der  Versuch  Brücke's  die  neu  ent- 
deckten Thatsachen  mit  demselben  in  Einklang  zu  bringen 
durch  Volkmann  and  Dove  widerlegt  worden  war,  suchte 
man  auch  den  ersten  Theil  zu  entkräften,  und  somit  das 
ganze  Princip  zu  stürzen.  Der  Streit  darüber  ist  heutigen 
Tages  noch  nicht  geschlossen. 

Gegen  den  Satz,  dass  Reizung  identischer  Stellen  nie- 
mals Doppelbilder  veranlassen  könne,  fuhren  die  Gegner  der 


«.  Btsold:  Binoctdares  Sehen.  878 

Identitätslehre  besonders  drei  Versuche  an,  welche  von 
Wheatstone *),  Nagel8)  und  Wundt8)  herrühren.  Jeder  der* 
selben  zeigt  ein  anderes  Figurenpaar,  das  durch  die  Mög- 
lichkeit, stereoscopisch  verschmolzen  zu  werden,  den  frag- 
lichen Beweis  liefern  soll.  Diese  Beweise  sind  jedoch  sämmt- 
lich  nur  gültig,  wenn  erstens  gewisse  Linien  in  den  beiden 
entsprechenden  Figuren  sich  wirklich  genau  auf  correspon* 
direnden  Netzhautpunkten  abbilden,  und  wenn  zweitens  kein 
Theil  der  Zeichnungen  im  Wettstreite  der  Sehfelder  dauernd 
untergehen  kann. 

Schon  Ewald  Hering  hat  in  seinen  ausserordentlich 
verdienstvollen  „Beiträgen  zur  Physiologie"  nachgewiesen, 
dass  unter  Beobachtung  gewisser  Vorsichtsmassregeln,  welche 
die  Erfüllung  der  ersten  der  genannten  Voraussetzungen 
wahrscheinlich  machen,  niemals  eine  Verschmelzung  der 
fraglichen  Figuren  zu  einem  stereoscopischen  Sammelbilde 
gelinge. 

Im  Folgenden  soll  eine  Methode  beschrieben  werden, 
welche  einerseits  den  strengen  Nachweis  liefert,  dass  in  den 
fraglichen  Fällen,  die  beiden  Voraussetzungen  niemals  zu- 
gleich  erfüllt  sind,  und  anderseits  gestattet,  die  Abweich- 
ungen von  denselben  genau  zu  studieren. 

Führt  man  die  Zeichnungen  mit  Tusche  auf  einer 
Glasplatte  aus,  und  betrachtet  man  sie  alsdann  mit  dem 
Rücken  gegen  ein  Fenster  gekehrt,  so  kann  man  leicht  eine 
Stellung  der  Platte  ermitteln,  bei  welcher  die  eine  der 
Figuren  durch  den  Kopf  beschattet  ist,  während  die  andere 
schwach  glänzend  erscheint.  Man  entzieht  nun  auch  dieser 
Figur  durch  einen  neben   den  Kopf  gehaltenen  Schirm  das 


1)  Poggdff.  Ann.  Ergbd.  1842  S.  SO. 

2)  A.  Nagel.    Das  Sehen  mit  zwei  Augen.  S.  81. 

3)  Henle  und  Pfeufer  Zeitschr.  f.   rat.  Med.  m.  Reihe.    Bd.  12 
S.  249. 


874      SiUung  der  math.-phys.  Ciasee  vom  10.  Dezember  1864. 

licht,  und  verschmilzt  beide  Zeichnungen  durch  Schielen. 
Sobald  man  nun  durch  Wegnehmen  des  Schirmes  dem 
Lichte  wieder  den  Zugang  gestattet,  sieht  man  die  glänzen- 
den Thedle  der  einen  Figur  neben  den  dunklen  der  anderen 
aus  dem  Gesichtsfelde  auftauchen.  Dabei  bleiben  einzelne 
Stücke  noch  immer  verschmolzen,  und  dieser  Umstand  er* 
laubt  es  bis  in's  Detail  nachzuweisen,  wie  die  stereoscopische 
Wahrnehmung  zu  Stande  kam.  Dieses  Auftreten  der  Theüe 
der  einen  Zeichnung  neben  denen  der  anderen  hat  durch- 
aus keine  Aehnlichkeit  mit  dem  Auseinanderfallen  des 
stereoscopischen  Bildes,  wie  man  es  bei  Schwankungen  der 
Augen  beobachtet» 

Leichter  und  schöner  kann  man  die  Versuche  in  einem 
gewöhnlichen  Unsenstereoscop  machen,  wenn  man  sich  die 
Figuren  auf  folgende  Weise  herstellt.  Man  klebt  Stanniol 
auf  Glasplatten,  und  schneidet,  sobald  diess  fest  haftet,  die 
Figuren  in  der  Art  aus,  dass  die  Linien  durch  feine  Stanniol* 
streifchen  gebildet  werden.  Betrachtet  man  nun  diese  Figuren 
bei  horizontaler  Lage  der  Platte  im  durchfallenden  Lichte, 
ao  sieht  man  sie  schwarz  auf  hellem  Grunde,  hebt  man 
alsdann  die  Klappe,  welche  dem  auffallenden  lichte  den  Zu- 
gang gestattet,  nachdem  man  die  hiefür  bestimmte  Oeffirang 
zur  Hälfte  bedeckt  hat,  so  erscheint  die  eine  der  Figuren 
glänzend  und  man  sieht  sie  dann  in  der  oben  beschriebenen 
Weise  neben  der  anderen  aus  dem  Sehfelde  auftauchen. 

Man  kann  den  Vexsuch  auch  dahin  abändern,  dass  man  die 
Glasplatten  ganz  mit  Stanniol  überzieht,  und  dann  die  Figuren 
so  herausschneidet,  dass  sie  im  durchfallenden  lichte  hell  anf 
dunklem  Grunde  erscheinen.  Bringt  man  alsdann  nach  gelun- 
gener stereoscopischer  Verschmelzung  hinter  die  eine  der  Figu- 
ren eine  farbige  Glastafel,  so  findet  dasselbe  Auseinanderfallen 
statt,  wie  oben.  Selbstverständlich  lässt  sich  der  Versuch 
auf  diese  Art  sowohl  mit  als  ohne  Stereoscop  ausführen. 
Die  Resultate  stimmen  vollständig  mit  den  auf  den  anderen 


9,  Bezold:  Binoctdares  Sehen.  375 

Wegen  erhaltenen  überein,  sie  sind  jedoch  weniger  präg- 
nant, da  sich  in  diesem  Falle  in  den  verschmolzenen  Theilen 
der  Wettstreit  der  Sehfelder  lebhaft  geltend  macht. 

Eine  eingehendere  Beschreibung  der  Erscheinungen, 
deren  Studium  zu  manch'  neuem  Gesichtspunkte  über  das 
Zustandekommen  der  stereoscopischen  Vereinigung  führen 
dürfte,  so  wie  eine  Berücksichtigung  der  grossen  individuellen 
Verschiedenheiten,  welche  sich  bei  diesen  Versuchen  offen- 
baren, verspart  sich  der  Verfasser  iür  einen  anderen  Ort. 
Das  Resultat  ist: 

„Wenn  eine  stereoscopisohe  Vereinigung  der 
fraglichen  Figuren  gelingt,  so  sind  dabei  niemals 
die  beiden  Voraussetzungen  erfüllt,  unter  denen 
der  Versuch  allein  beweiskräftig  ist,  sondern  es 
fallen  entweder  die  Stücke,  von  denen  man  diess 
annahm,  nicht  genau  auf  identische  Stellen,  oder  es 
tritt  nur  eine  theilweise  Verschmelzung  ein,  welche 
alsdann  zur  Bildung  einer  stereoscopischen  Wahr- 
nehmung Veranlassung  giebt,  während  die  übrigen 
nicht  in  das  Sammelbild  passenden  Theile  über- 
sehen werden. 

U. 
Das    Horopterproblem    lässt    sich    bekanntlich    auf 

zweierlei  Art  auffassen,  je  nachdem  man  unter  dem  Horopter  den 
Ort  aller  derjenigen  Punkte  versteht,  welche  sich  genau  auf 
correspondirenden  Netzhautpunktea  abbilden,  oder  den  In- 
begriff aller  Punkte,  welche  wir  bei  einer  bestimmten  Augen- 
stellung binoculär  einfach  sehen.  Im  erst  erwähnten  Sinne 
st  das  Problem  ein  rein  mathematisches  und  einer  scharfen 
Lösung  fähig,  welche  ihm  in  jüngster  Zeit  durch  Helmholtz  *), 
Ewald  Hering 6)  und  Hankel 6)  zu  Theil  wurde ;  die  erhaltene 

4)  Arch.  f.  Opthalmol.  Bd.  X.  und  Poggdff.  Ann.  Bd.  123.  S.  158. 

5)  A.  a.  0.  Heft  3  und  4. 

6)  Poggdff.  Ann.  Bd.  122.  S.  576. 


376       Sitzung  der  maih.-phy$.  CUmt  vom  10.  Dezember  1864. 

Linie  nennt  man  den  mathematischen  Horopter.  Die  Auf- 
fassung des  Problemes  im  zweiten  Sinne,  d.  h.  die  Frage 
nach  dem  empirischen  Horopter,  mnss  ein  ganz  anderes  Re- 
sultat geben,  da  die  sterescopischen  Erscheinungen  zeigen, 
dass  auch  Bilder ,  welche  nicht  ganz  genau  auf  correspon- 
dirende  Punkte  fallen,  einfache  Wahrnehmungen  vermitteln 
können,  so  lange  nur  die  Entfernung  von  solchen  Punkten 
gewisse  Grenzwerthe  nicht  übersteigt. 

Schon  Panum  7)  bemerkte ,  dass  man  von  diesem  Ge- 
sichtspunkte aus  als  Horopter  einen  von  bestimmten  Flächen 
begrenzten  Raum  erhatten  müsse.  Doch  wurde  meines 
Wissens  noch  niemals  der  Versuch  gemacht,  die  Gestalt  der 
begrenzenden  Flächen  auch  nur  annähernd  zu  bestimmen, 
noch  die  Grösse  des  Einflusses  zu  schätzen ,  den  das  Vor- 
handensein gewisser  Grenzdistanzen  auf  die  Ausdehnung 
des    empirischen  Horopters   äussern    muss.    Im  Folgenden 

soll  gezeigt  werden,  wie  ungemein  gross  der  Einfluss  dieses 

« 

Umstandes  ist,  und  wie  dessen  Beachtung  geeignet  scheint, 
einerseits  die  auffallenden  Widersprüche  zu  erklären,  in 
welchen  die  Versuche  einer  experimentellen  Lösung  des 
Horopterproblemes  mit  der  Theorie  stehen,  sowie  ander- 
seits ein  eigentümliches  Licht  auf  das  Wesen  der  soge- 
nannten Identität  der  Netzhäute  zu  werfen. 

Da  die  Messungen  Volksmann's8)  über  die  Grenz* 
distanzen  zeigen,  dass  man  es  auf  diesem  Gebiete  mit 
ausserordentlich  grossen  individuellen  Verschiedenheiten  zu 
thun  hat,  und  dass  überdiess  eine  Menge  von  Nebenumstan- 
den auf  das  Einfach-  oder  Doppeltsehen  influiren  und  des- 
halb eine  eingehendere  mathematische  Behandlung  des  Prob- 
lemes, doch  immer  nur  eine  rein  theoretische  Speculation 
bleiben  würde,  so  wollen  wir  uns  hier  nur  auf  den  ein&ch- 


7)  Das  Sehen  mit  zwei  Augen.    Kiel  1858.  8.  62. 

8)  Arch.  f.  Ophthalmol.    Bd.  V.  Abth.  II.  S.  1  ff 


0.  Beztld:  BimocvAarta  Sehen*.  377 

sten  Fall  beschränken,  wo  bei  horizontaler  Blickebene  die 
Gesichtelinien  sich  in  der  Medianebene  schneiden.  Wir 
•suchen  vorerst  nur  den  Durchschnitt  des  empirischen  Horop- 
ters mit  der  Blickebene  und  wählen  den  Kreuzungspunkt 
der  Richtungslinien  k  des  linken  Auges  als  Ursprung  eines 
Systeme«  von  Polarcoordinaten ,  dessen  Aze  die  durch  den 
Fixationspunkt  f  gehende  Richtungslinie,  d.  h.  die  Gesichts- 
linie  dieses  Auges  ist,  und  wobei  die  Winkel,  welche  durch 
Drehung  im  Sinne  eines  Uhrzeigers  beschrieben  werden, 
positiv  gerechnet  werden  sollen. 

Nun  giebt  es  aber  auf  jeder  durch  k  gezogenen  Ge- 
raden, die  etwa  mit  k  f  den  Winkel  a  bilden  möge ,  einen 
Punkt  p,  dessen  Bild  genau  auf  dem  correspondirenden 
Punkte  der  anderen  Netzhaut  entworfen  wird.  Die  von 
p  nach  k',  d.  i.  nach  dem  Kreuzungspunkte  der  Richtungs* 
linien  im  rechten  Auge  gezogene  Gerade,  bildet  alsdann  mit 
k'  f  ebenfalls  den  Winkel  a.  Jedoch  nicht  nur  der  Punkt  p 
der  Geraden  p  k  wird  einfach  wahrgenommen,  sondern  auch 
noch  alle  ihm  benachbarten,  bei  denen  die  Winkel,  welche 
die  durch  sie  und  k'  gezogenen  Geraden  mit  p  k'  einschliessen, 
unterhalb  gewisser  Grenzwerthe  bleiben,  die  wir  durch  ya 
und  xpa  bezeichnen  wollen,  da  beide  Funktionen  von  a  sind, 
und  wobei  tpa  der  Grenzwinkel  auf  der  positiven  Seite  von 
pk',  tffa  der  auf  der  negativen  sein  soll.  Durch  den  ersteren 
ist  mithin  ein  Punkt  der  äusseren,  durch  den  letzteren  ein 
Punkt  der  inneren  Begrenzungscurve  gegeben.  Nennt  man 
die  entsprechenden  Radienvectoren  rt  und  rs,  während  man 
die  Grundlinie  kk'  durch  o  und  den  Winkel  kfk'  durch  2y 
bezeichnet,  so  werden  die  Gleichungen: 

a)  für  die  äussere  Curve 

ri  =    *    o    I  °°s  (*— >0  +  «tt8  (*+*)    •  8)a  y*    \  I 
1       sm  2y  L       N      "   r         v  T "  sin  (2y— g>a)J 


378      Sitzung  der  math.-phys.  Cfoese  vom  10.  Dezember  1864. 


b)  für  die  innere  Curve 

T%  =  - —   1  COB   (<*— y)  —  C08   («4- f)    -. /0         ,     .    I 

1       Bin  2y  L       v      "  x  ^  '  sin  (2y+*fßu)J 

Zwischen    den  Funktionen    gm    and    t//a    besteht   die 
Relation 

während 

^p  (— a)  =  V«  ist, 
ao  dass  die  Kenntnis*  von  jpa  für  wachsende  a  von  o=  — yO  an 
hinreicht,   um  sowohl  diese  Funktion  für  alle  negativen,  als 
auch  xpa  für  beliebige  Argumente  zu  bestimmen. 

Anstatt  einer  eingehenderen  Discuasion,  welche  hier 
zuviel  Raum  beanspruchen  würde ,-  und  welche  ich  überdies* 
erst  dann  geben  will,  wenn  ich  im  Stande  bin,  durch  eigene 
Messungen  die  Funktion  <pa  genauer  zu  bestimmen,  als  diess 
nach  den  sonst  so  vortrefflichen  aber  hiefür  unzureichenden 
Angaben  Volkmann's  möglich  ist,  gebe  ich  hier  eine  Zeich- 
nung eines  Stückes  der  beiden  Curven,  wie  sie  sich  nach 
den  erwähnten  Daten  ungefähr  darstellen  würden. 

A  ist  die  äussere,  B  die  innere 
'A  Grenzcurve  für  eine  Augendistanz  von 
64    Mm.    und    eine  Entfernung    des 
Fixationspunktes  von  400  Mm.    von 
der  Grundlinie,  in  V»  der  natürlichen 
Grösse.    F    ist    der    Fixationspunkt, 
F  E  und  F  K'  sind  die  Gesichtslinien. 
Man  sieht,    dass  selbst  bei    so 
nahe  gelegenem  Fizationspunkte  nur 
ein  kleiner  Raum  übrig  bleibt,  in  dem 
Doppelbilder  wahrgenommen  werden, 
nämlich  der  zwischen  den   Gesichts- 
linien liegende,  und  die  benachbarten  TheOe. 

Von   besonderem  Interesse  ist  es,   die  Gleichung    der 
inneren  Curve  für  den  Fall  zu  untersuchen,   wo  2y  =  0  ist, 


v.  BezM:  Binoculares  Sdusn.  379 

d  h.  für  parallele  Gesichtslinien.  Man  erhält,  unter  An- 
wendung der  bekannten  Regeln  für  die  Bestimmung  von 
Funktionen,  welche  unter  der  Form  -$>  erseheinen, 

rs  =  2c  (sin  o-fcos  a  cot  tpa) 

Da  nun  tya  selbst  f Br  a  =  0  immer  noch  eine  ziem- 
lich beträchtliche  Grösse  ist,  so  wird  rs  immer  unterhalb 
einer  bestimmten  massigen  Grenze  bleiben.  Durch  eine  In- 
terpolation, die  freilich  gerade  für  diesen  Fall  kaum  statt- 
haft sein  dürfte,  ergäbe  sich  aus  den  Angaben  Volkmann's 
9  (0)  =  20* ,  es  wäre  demnach  der  Maximalwerte  von  r, 
ungefähr  11  Meter.  Aber  selbst  wenn  die  Empfindlichkeit 
für  Doppelbilder  in  der  Netzhautgrube  viel  weiter  gienge, 
so  wird  sie  doch  kaum  die  Grenze  erreichen,  welche  in 
einem  Auge  für  die  Wahrnehmung  distinkter  Eindrücke 
existirt,  und  selbst  dann  würden  Punkte,  die  über  ein  paar 
hundert  Meter  entfernt  wären,  keine  Doppelbilder  mehr 
liefern  können. 

Betrachtet  man  die  erste  der  Gleichungen,  so  sieht 
man,  dass  für  einigermassen  kleine  Werthe  von  y,  wie  sie 
in  Wirklichkeit  allein  vorkommen,  sin  (2y—$pa)  für  ein  be- 
stimmtes a  gleich  0  werden  muss,  d.  h.  dass  für  diesen 
und  alle  grösseren  Werthe  von  a  gar  keine  äussere  Be- 
grenzungscurve  mehr  existirt. 

Wenn  y  immer  kleiner  wird,  so  muss  es  einmal  den 
Ideinsten  Werth  erreichen,  den  q>*  annehmen  kann,  von  da 
ab  wird  alsdann  gar  kein  ausserhalb  des  Fixationspunktes 
gelegener  Punkt  mehr  Doppelbilder  liefern  können,  während 
auch  noch  eine  beträchtliche  Anzahl  der  näher  gelegenen 
Punkte  einfach  erscheinen  muss.  Wäre  20'  der  Minimal- 
werth  ton  9a,  so  würde  diese  bereits  bei  einer  Entfernung 
des  Fixationspunktes  von  22  Meter  eintreten. 

Da  die  vorliegenden  Messungßdaten  für  die  Untersuch' 
ting  der  Durchsohnittscurven  der  Begrenzungsflächen  des 
empirischen  Horopters  mit  der  Medianebene  noch  viel  unzur 

[1864  a  4.]  26 


380     Sitzung  der  math.-phys.  Oam  vom  10.  Dezember  1864. 

reichender  sind,  wie  für  die  ebengefiihrte ,  so  genüge  es  zu 
bemerken,  dass  sie  ebenfalls  ans  zwei  symmetrischen  Hälften 
bestehen,  die  ihre  Concavität  der  Horizontalen  zuwenden, 
und  dass  ihre  Gestalt,  so  weit  sich  diess  übersehen  lässt, 
jenen  der  vorhin  gefundenen  Gurven  ziemlich  ähnlich 
sein  wird. 

Daraus  ergiebt  sich,  dass  die  Begrenzungsflächen  des 
empirischen  Horopters  etwa  die  Gestalt  der  Mantelflächen 
von  Hyperboloiden  haben  werden. 

Fasst  man  Alles  zusammen,  so  hat  man  das  Resultat: 

Bei  einer  massigen  Convergenz  der  Gesichta- 
linien  bilden  sich  die  meisten  Punkte  der  Aussen- 
weit  auf  so  wenig  differenten  Stellen  beider  Netz- 
häute ab,  dass  sie  einfach  wahrgenommen  werden 
können. 

Wir  empfangen  also  nicht,  wie  man  sonst  allenthalben 
ausgesprochen  findet,  im  gewöhnlichen  Leben  immer  eine 
Menge  von  Doppelbildern,  die  wir  nur  übersehen,  sondern 
es  ist.  uns  im  Gegentheile  nur  in  exceptionellen  Fällen  Ge- 
legenheit geboten,  solche  wahrzunehmen. 

Es  werden  mithin  unter  den  gewöhnlichen  Verhältnissen 
immer  correspondirende  „Stellen"  (nicht  Punkte)  gleich- 
zeitig durch  die  gleichen  Ursachen  gereizt. 

Dieser  immerwährende  gleichzeitige  Gebrauch  zu  gleichem 
Zwecke  macht  es  höchst  wahrscheinlich,  dass  das  eigen- 
tümliche Verhalten  dieser  Stellen  ein  rein  aquirirtes  sei, 
ganz  ebenso  wie  nur  die  Theile  unserer  Finger  uns  durah 
Tasten  eine  einfache  Wahrnehmung  vermitteln,  welche  ge- 
wöhnlich gleichzeitig  zu  diesem  Behufe  angewendet  werden, 
während  andere  hiezu  vollkommen  unfähig  sind,  wie  der 
bekannte  Versuch  mit  dem  Kügelchen  zwischen  verschränk- 
ten Fingern  beweist. 

Bedenkt  man  über  diese,  dass,  wie  schon  Volkmann 
a.  a.  0.  S.  70  nachwies,  das  Gesetz,  nach  welchem  sich  die 


*.  BuMi  Btnocxdares  Sehen,  381 

Grenzdistanzen  mit  der  Neigung  gegen  den  Horizont  ändern, 
vollkommen  dieser  Anschauung  entspricht,  und  dass  endlich 
auch  die  eigentümliche  Assymetrie  der  Netzhäute,  welche 
uns,  wie  Helmholtz  gezeigt  hat,  bei  horizontalen  parallelen 
Gesichtslinien  die  ganze  Bodenfläche  zur  mathematischen 
Horopterfläche  macht,  von  unserem  Standpunkte  aus  not- 
wendig vorhanden  sein  muss,  so  dürfte  es  schwer  sein,  diese 
Anschauungsweise  durch  eine  bessere  zu  ersetzen. 

Die  Entwicklung  dieser  Beziehungen  war  der  Haupt- 
grund v  der  die  vorliegende  Untersuchung  über  die  Gestalt 
des  empirischen  Horopters  veranlasste,  die  sonst  bei  den 
grossen  individuellen  Verschiedenheiten,  die  sie  jedenfalls 
zeigen  wird,  und  bei  der  geringen  mathematischen  Eleganz, 
deren  die  Lösung  des  Problemes  fähig  ist,  nur  untergeord- 
netes Interesse  bieten  würde. 


Historische  Classe. 

Sitiung  vom  17.  Dezember  1864. 


Herr  Dr.  Kunstmann  hielt  einen  Vortrag: 

„Ueber  einen  i.  J.  1794  in  München  entworfenen 
Plan,  Bayern  mit  Hilfe  Frankreichs  in  eine 
Republik  zu  verwandeln/4 


26* 


382  Einsendungen  vm  Druckschriften. 


Einsendungen  von  Druckschriften. 


Von  der  Soctitt  royaie  des  edencts  m  Upsala: 

Nora  acta  regia©    societatis  soientiaram  Upsalensis  3.  Ser.  Vol.  5. 
Fase.  1.  1864.  4. 


Von  der  Societä  italiana  deUe  stieme  in  Modena: 
Memorie  di  Matematioa  e  di  Fisica.  Serie  Seconda.  Tomo  1.  1862.  4. 

Vom  Observatoire  in  Utrecht: 

Recherohes  astronomiques.    Publiees  par  Hock.  Denxieme  Livraison. 
La  Haye  1864  4. 

■ 
Vom  naturiHsssnsehafUichen  Verein  für  Sachsen  tmd  Thüringen  in 

Haue: 

Zeitschrift  für  die  gesammten  Naturwissenschaften. 

Jahrgang  1863.  Juli— Dezember.  Band  22.  Heft  7—12. 
„         1864.  Band  23.     Berlin  1863.  64.  8. 

Von  der  Societä  Italiana  di  scienze  naturali  in  Mauernd: 
Atti.  Vol.  6.  Fase.  3.  1864.  8. 

Vom  historischen  Verein  von  Mittelfranken  in  Ansbach: 
32.  Jahresbericht.  1864. 


JwiMMiiMyffi  von  x^rmjriwififiWi«  ooo 


Vom  nc**tostori9C*-meMtnnuchc*  Verein  in  Heidelberg  : 
Yerhandhwge*.  Band  8«;  Nr.  4.  1864  8. 

Fo»  der  pfälzischen  Gesellschaft  für  Pharmacie  in  Speyer: 

Neues  Jahrbuch  für  Pharmacie  und  verwandte  Fächer.    Zeitschrift 
Bd.  22.  Heft  4—6.  Oktober— Dezember  1864.  8. 

Vom  landwirtschaftlichen  Verein  in  München: 
Zeitschrift.  November  11.  1864.  8. 

Vom  Verein  für  Geschichte  der  Deutschen  in  Böhmen  in  Prag: 

a)  Beitrag  zur  Geschichte  Böhmen«.  Abthl.  1.   Bd.  1.    Das  Homilar 

des  Bischof  von  Prag.  Saeo.  12.  1863.  4. 

b)  Mittheilungen.  Nr.  1—4.  2.  Jahrg.  Nr.  1—3.  1863.  64.  8. 

c)  Die  Laute  der  Tepler  Mundart.  Von  Joh.  Nassl.  1863.  8. 


Von  der  Oedogieal  Survey  of  India  in  Gakutta: 
Memoire.  Palaeontologia  Indica.  8.  2 — 5.  4. 

Von  der  SocUU  Linnienne  in  Lyon: 
Annale«.  Annee  1862.  Tom.  9.  Lyon.  Paris  1863.  8. 

Von  der  Chemical  Society  in  London: 
Journal  Juiy,  August,  September.    1864.   Ser.  2.  Vol.  2.  8. 

Von  der  Entomological  Society  in  London: 
Transaktion«.  8  Serie.  Yol.  2.  Part  the  first.  1864.  8. 

Von  der  Asiatic  Society  of  Bengal  in  Calcutta : 
Journal.  New  Series.  Nr.  120.  Nr.  294.  Nr.  2.  1864.  8. 

Vom  entomologischen  Verein  in  Stettin: 
Entomologische  Zeitung.  25.  Jahrg.  1864.  8. 


384  Emsendmgen  von  Druek$chriftm\ 


Von  der  k.  dänischen  QeseUschaft  der  Wissenschaften  in  Kopenhagen: 

Oversigt  over  det  Forhandlinger   og  dete  medlemmert  arbeider   i 
Aaret  1862.  68.  8. 


Von  der  Universität  in  Heidelberg  i 

Heidelberger  Jahrbücher   der  Literatur  unter  Mitwirkung  der  vier 
Fakultäten.    67.  Jahrg.  8.  9.  Heft.  August.  Septbr.  1864  8. 

Von  der  Beddktion  des  Ctorrespondcnzblattes  für  die  gelehrten  und 

Realschulen  in  Stuttgart: 

Gorrespondensblatt.  Nr.  9.  10.  Septbr.  Oktbr.  1864.  8. 

Von  der  SociiU  imperiale  des  seiences  naturelles  in  Oherbourg: 
Memoires.  Tom.  9.  1863.  8. 

Von  der  Social  franeaise  cP  Archäologie  in  Caen: 
Congres  aroheologique  de  France.  80.  Session.  Paris  1864.  8. 


Vom  Institut  des  prcvinces  des  socUtSs  sa/eantes  et  des  congres 

scientifiques  in  Caen: 

Annuaire.  Seoonde  Serie.  6  Vol.  16«  1864.  Paris  1864.  8. 


Von  der  Association  Normande  in  Caen: 
Annuaire  des  cinq  departements  de  la  Normandie.  SOAnnee  1864.  8. 

Von  der  Academie  royalt  des  sciences  des  lettres  et  des  beaux  arte  äs 

Beigigue  in  Brüssel: 

Bulletin.  88«  annee.  2  serie.  Tome  18.  Nr.  9—11.  1864.  8. 

Vom  Bureau  de  la  Becherehe  de  Geologique  de  la  Suede  in 

Stockholm: 

Sveriges  geologiska  undersökning,  pa  offentlig  bekostnad  utford 
ander  ledning  af  A.  Erdmann.  Livraisons  6 — 18  de  la  Garte 
geologique  de  la  Suede.  1868.  61. 


Emsendmgen  von  Druckschriften.  S85 

Vom  Institut  National  Genevois  in  Geneve: 

a)  Bulletin.  Tom  11.  Seances  et  travaux  des  oinq  sections.  1864.  8. 

b)  Bulletin.  Seanoe  generale  du  28.  Mai  1868.  8. 

Vom  Boy  dl  Observatory  in  Edinburgh: 
Astronomical  Observations.  YoL  12.  for  1866 — 69.  1868.  4. 

Von  der  Royal  Irisch  Academy  in  Dublin: 
Transactions.  Volumen  24.  Antiquities.  Part.  2.  1864.  4. 

Vom  Ministerium  der  kaiserlichen  Güter  in  St.  Petersburg: 

Osostojanii  etc.  Untersuchungen  über  den  Zustand  des  Fischfangs 
in  Russland.  ThI  1.  2.  3.  4.  Mit  1  Atlas  in  Folio.  Zeichnungen 
zu  den  Untersuchungen  des  Fischfangs  im  kaspischen  Meere. 
1861.  4. 

Vom  Observatoire  physigue  central  de  Bussie  in  SL  Petersburg: 

Annales.  Annee  1860.  Nr.  1.  2.  1868.  64.  4. 
„       1861.  Nr.  1.  2.  1868.  64.  4. 

Vom  naturwissenschaftlichen  Verein  der  BheinpfäU  in  Neu- 

Stadt  a.  d.  H.: 

2a  und  21.  Jahresbericht  der  Pollichia  1868.  8. 

Von  der  Gesellschaft  für  Aufsuchung  und  Erhaltung  der  geschicht- 
lichen Denkmäler  im  Grossherzogthum  Luxemburg: 

Publications.  Annee  1863.  19.  1864.  4. 

Von  der  Academie  des  sciences  in  Paris: 

Comptes  rendus  hebdomadairea  des  seances.  Tom.  69.  Nr.    12 — 17» 

Sept.— Oktbr.  1864  4. 

Von  der  physikatisch-medismischen  Gesellschaft  in  Würsburg: 

a)  Würzburger  medizinische  Zeitschrift.    6.  Band.    2.  und  8.  Heft. 

1864.  8. 


386  Smsendungen  von  Dmckechriften. 

b)  Würzburger  naturwissenschaftliche  Zeitschrift. 
4.  Band  2.  und  8.  Heft. 
6.      „     1.    „     2.      „      1863.  64.  8. 

Vom  Verein  für  Hamburgische  Geschichte  in  Hamburg: 
Zeitschrift.  Neue  Folge.  2.  Bd.  2.  Hft.  1864.  8. 

Von  der  Gesellschaft  für  Fommerieche  Geschichte  und  AJUerthumskunde 

in  Stettin; 

Baltische  Studien.  20.  Jahrg.  1.  Hft.  1864.  8. 

Von  der  deutschen  geologischen  Gesellschaft  in  Berlin: 
Zeitschrift.  16.  Bd.  2.  Hft.  Febr.  Man.  April.  1864.  8. 


Vom  Institut  historique  in  Paris: 

L'Investigateur  Journal.  Trente — Unieme.  Annee.  Tom.  4.  4*  Serie. 
858.  859*  Livraison.  Septbr.  Oktbr.  1864.  a 


Von  den  Herren  Höh  et  A.  C.  Oudemans  in  Utrecht: 

Recherches  sur  la  quantite"  d'öther  contenue  dans  lea  liquides.    La 
,  Haye  1861.  4. 


Vom  Herrn  Cristoforo  Negri  in 
Memorie  ßtorico-politiohe  sugli  antiohi  greoi  e  romani.  1864.  8. 

Vom  Herrn  C  Marignac  in  Paris: 


Recherches  sur  les  arides  silioo  tungstiques  et  note  sur  la  Constitu- 
tion de  Pacide  tungstique.  1864.  8. 


Vom  Herrn  C.  Bemigius  Fresenius  in  Wiesbaden: 

Anleitung    sur    quantitativen    chemischen    Analyse.    Braunschweig 
1864.  8. 


JUwmUmg**  von  Drudctikrtfbe*  SS7 


Vom  Herrn  &  90»  Matorüe  in  Hmmmer: 

Beiträge  «ur  Geschichte   des   Braunschweig-LüneburgiBchen  Hauses 
and  Hofes.  4.  Heft.  1864.  8, 


Vom  Herrn  J.  A.  Qrunert  in  Greifnoalde: 
Archiv  der  Mathematik  und  Physik.  42  Thl.  9.  Hft.  1864.  8. 

Vom  Herrn  E.  Muleant  in  Lyon: 
Souvenirs  d'un  voyage  en  Allemagne.  Paris  1862.  8. 


Von  den  Herren  C.  A.  Dorn  und  Behm  in  Stettin: 

Amtlicher  Bericht  über  die  38.  Versammlung  deutscher  Naturforscher 
und  Aerzte  in  Stettin  im  Septbr.  1809.  Herausgegeben  von  den 
Geschäftsführern  derselben.    1864.  4. 


Vom  Herrn  Engelbert  Matsenauer  in  Wien: 

Kometen  und  Sonnenlicht,    eine  Wirkung  der  Attraktion  aus  Prof. 
P.  T.  Meissners  Wärmelehre  1845.  8. 


Vom  Herrn  Francesco  ZantedescM  in  Fadua: 

a)  Documenti  risguardanti  la  oattedra  di  Galileo  Galilei.  1864.  8. 

b)  Appendice  alla  spettrometria    e  chimica    astroatmosferioa;    all 

ozono  studiatone*  suoi  rapporti  colla  elettricita  atmosferioa  e 
la  fotografia;  e  con  un  oenno  degli  avaasamentl  della  Meteoro- 
logia  in  Italia.  1664.  8. 

Vom  Herrn  Otmo  Klopp  in  Hannover: 

Leibnitii  de  expeditione  Aegyptiaca  Ludovico  XIV.  Franciae   regi 
proponenda    scripta  quae   supersunt  omnia  adjecta  praefatione 

historico-critica.   1864.  8. 

•» 

Vom  Herrn  Samuel  Haughton  in  Dublin: 
a)  On  the  Tides  of  the  Arctic  Seas  4. 


388  Einsendungen  von  Druckschriften. 

b)  On  tbe  Reflexion  of  pokris^  lighi  from  poHshed  sarfaoes,  trans- 

parent and  metallio.  1862.  4 

c)  Erperimental  researches  on  the  granites  of  Ireland.   Part.  3.   On 

the  granites  of  DonegaL  Part  4.  On  the  Granites  and  Syenites 
of  DonegaL    London  1862.  a 


Vom  Herrn  Ferdinand  Piper  in  Berlin: 
Dante  und  seine  Theologie.  1865.  8. 

Vom  Herrn  A.  T.  Eupffer  in  St  Petersburg: 
Compte-rendu  annnel.   Annee  1861.  62.  68.  4. 

Vom  Herrn  Ferdinand  Müller  in  St.  Petersburg: 

Ueber  die  Vorherbestimmung  der  Stürme  und  insbesondere  über  die 
Stürme  vom  1.— 4  Dezbr.  1863.  64.  4. 


Vom  Herrn  B.  Clausius  in  Braunschweig: 
Abhandlangen  über  die  mechanische  Wärmetheorie.  1.  Abthl.  1864. 8. 

Vom  Herrn  Friedrich  Hultsch  in  Berlin: 

Heronis  Alexandrini  geometricorum  et  stereometricorum  reliqoiae, 
accedunt  Didymi  Alexandrini  mensurae  marmorum  et  anonymi 
variae  collectiones  ex  herone  Euclide  gemino  Proclo  Anatolio 
aliisque.  1864.  8. 

Vom  Herrn  Garem  de  Tassy  in  Paris: 

Conrs  D'  Hindoustanä  a  l'ecole  imperiale  et  speciale  des  langnes 
orientales  Vivantes,  pres  la  bibliotheque  imperiale  1864.  8. 


Sach-Kegister. 


Abies  excelsa  124. 
Aesculus  Hippocastanum  188. 
Agave  americana  (Bastfaser)  150. 
Albertus  magnus  61. 
Avicenna  59. 


Barometer,   seine  jährliche  Periode  97. 

Baumwollenfasern  128. 

Blei,  Verhalten  sum  Sauerstoff  278. 


Cannabis  sativa  (Bastfaser)  150.  154. 

Geltisohes  42. 

Chemie  (der  Hausthiere)  91. 

Chinarinde  (Bastsellen)  144.  147.  168. 

Chroniken  (venezianische)  67. 

Collomia  119. 

Cyathea  dealbata  189 


Diluvium  bei  Abbeville  198. 
Dipteracanthus  ciliatus  120. 
Dipteracanthus  Schauerianus  120. 
Dracocephalum  Moldavioa  115. 
Duns  Scotus  68. 


390  Sadi-Begisfr. 

Epigraphik  (etruskische)  42. 


Fagus  eylvatica  186. 

Fleisch-  und  Fettnahrung  beim  Hunde  91 

Formalistae  66. 


Germania  (Tacitus)  1. 
Germania  (Principe«)  1. 
Geschichte  (Kreuzzüge)  67. 

zur  deutschen  G.  Regesten  aus  den  Handschriften  der  8.  Marcus- 

bibliothek  171. 
Geschiohtsquellen,  ihr  Verhältnis*  zur  mittelalterlichen  Architektur  171, 


Hakea  pectinata  188.  140. 
Hirngewicht  847. 
Hirnvolumen  847. 
Hyacinthus  orientalis  188. 


Inschriften,  etruskische  42. 

die  perusinische  45.  47. 

punische  299. 

tibetische  805. 
Insolation  216. 


Keimprocess  208. 

Kerria  japonica  185. 

Kobalt,  Verhalten  zum  Sauerstoff  286. 

Koprolithen  191. 

Kunstgeschichte  (mittelalterliche)  171. 


Lallemantia  peltata  115. 
Lateinerzug  nach  Constantinopel  67. 
Leinwandfasern  149.  154. 
Linum  usitatissimum  (Bastzellen)  148. 
Loucoera  187. 


Bach-Register.  391 

Magnetnadel  91. 

Magnetische  Variationen,  ihre  zehnjährige  Periode  109. 

Meier  Helmbrecht  181. 

Meteorologie  91.  97. 

Mond,  sein  Einflnss  auf  die  Magnetnadel  91. 


Nickel,  Verhalten  zum  Sauerstoff  282. 


Oocam  64. 

Ocimnm  basilicum  114. 


Philologie  1. 

Phosphorit,  Vorkommen  325. 

Philosophie  58. 

Pfahlbauten  in  Bayern  818. 

Pflanzenphysiologie  114. 

Pinus  silvestris  124. 

Polarwelle  100. 

Popnlus  dilatata  186.  139. 


Begesten  ans  der  St.  Marensbibliothek  171 
Robinia  pseudacacia  138.  143. 
Ruellia  strepens  123. 
Rnellia  fgrmosa  123. 


Salvia  Aethiopis  116. 

Salvia  Horminom  117. 

Schadelinnenraum  874. 

Sehen,  binoculares  372. 

Sonnenflecken,  ihre  zehnjährigen  Perioden  109. 

Stärkmehl,  Umwandlung  206 


1 


392  Sad*&gi$ser. 

Taxus  baocata  131. 

Terministae  66. 

Tacitas  (Germania)  1. 

Thallium,  Verhalten  zum  Sauentoff  262. 

Thomas  von  Aquino  61. 

Thonknollen,  phosphorsaure  191. 

Torfmoorkultur  201. 

Tropische  Temperaturwelle  99. 

Typhus,  Aetiologie  247. 


Universalienstreit  im  13  und  14.  Jahrhundert  58. 


Yenedig,  seine  Stellung  in  der  Weltgeschichte  180. 

Viburnum  Lantana  139. 

Vinca  minor,  major  (Bastzellen)  160. 


Wasserstoffsuperozid,  empfindliches  Reagens  289. 
Wismuth,  Verhalten  cum  Sauerstoff  288. 


Zellenmembranen  (vegetabilische)  ihr  innerer  Bau  114 

1.  Epidermiszellen  von  Samen  und  Früchten  114 

2.  Holzzellen  der  Coniferen  124. 

3.  Holzzellen  der  LaubhÖlzer  136. 

4.  Holzgefasse  und  Siebrohren  138. 
6.  Porenhöfe  und  Porenkanäle  141. 

6.  Bastzellen,  ihre  Streifung  144. 

7.  Bastfasern,  ihre  Quellungserscheinungen  151. 


Namen  -Kegister. 


Bezold,  von  372. 
Bischoff  347. 
Bohl  247. 

Crüger  151. 
Cramer  153. 
Christ  (Wahl)  178. 

Döllinger,  von  290. 

Dammler  in  Halle  (Wahl)  180. 

Fischer  in  Erlangen  (Wahl)  178. 
Flügel  in  Dresden  (Wahl)  178. 

Qiesebrecht  171. 
Gümbel  325. 

Halm  1. 

Haneberg  300. 

Hefner- Alteneck,  von  171. 

Hase,  Carl  Benedikt  (Nekrolog)  175. 

Heneberg  in  Merode  (Wahl)  179. 

Hofmann  181. 

Hundt,  Graf  von  (Wahl)  179. 

Jaffe  in  Berlin  (Wahl)  179. 
Joily  372. 


394  NamenrRegister. 

Keil  in  Erlangen  (Wahl)  178. 
Keinz  181. 

Klenze,  Leo  von  (Nekrolog)  179. 
Köpke  in  Berlin  (Wahl)  18a 
Kunstmann  881. 

Lamont  91.  97.  109. 
Liebig,  von  249. 
Lorenz  48.  46. 

Martins,  von  191. 

Merlan  in  Basel  (Wahl)  179. 

Müller,  Marcus  Josef.  178.  176. 

Nageli  114 

Pettenkofer  91. 
Prantl  58. 

Quatrefagee  in  Paris  (Wahl)  179. 

Biehl  171. 

Roriere  in  Paris  (Wahl)  179. 

Schlagintweit,  Emil  (Wahl)  179. 

Hermann,  Ton  216. 
Schönbein  249. 
Siebold,  von  818. 
Steub  42. 

« 

Thomas  67.  180. 

Talentinelli  in  Venedig  171. 
Vißcher  in  Zürich  (Wahl)  178. 
Vogel  jnn.  200.  208. 

Wagner  198. 

Wiedemann  in  Brannsohweig  (Wahl)  179. 

Würdinger  (Wahl)  179.