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Full text of "Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften"

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S^d  ,  ^^ 


HARVARD  COLLEGE 
LIBRARY 


FROM  THE 

FARRAR  FUND 

Tk*  htquMi  cf  Mr».  EUaa  Farrar  tu 
•WMOry  efh*r  ktubmtd,  John  Farrar, 
SbOü  Pnif»$ior  tf  MatitmaUei, 
Attnmomn  and  Natural  Pkäotopkn, 
1807-1889 


r 


SITZUNGSBERICHTE 


DEB 


PHILOSOPHISCH-HISTOßISCHEN  KLASSE 


DBB  KAI8BBLICHBN 


AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


HUNDERTSIEBENUNDVIERZI6STER  BAND. 


(VIT  1  TAl^L  UND  15  TEXTABBILDDNOEN.) 


WIEN,  1904. 


IN   KOMMISSION   BEI   CARL  GEROLD'S  SOHN 

BDCHIIÄWDLIB  DDL  EAI8.  AKADBMTI  DKR  WlfiSBKSOnAmif. 


£s<rt^  3cr^.  J' 


'^'iViyt.  ctA-~  j-<<~<'<'cf 


Druck  von  Adolf  Holzbansen, 
k.  UBd  k.  Hof-  und  UaiT«nitite-Baehdniek«r  in  Wies. 


INHALT. 


I.  Abhftndlang.    Masil:    Sieben    samaritaniBche    Inschriften    aus    Da- 
maskus. (Mit  7  Abbildungen  im  Texte.) 

II.  Abhandlung*  Seemüller:  Zur  Kritik  der  KOnigsfelder  Chronik. 

XII.  Abhandlung.  Gbajes:  Jüdische  und  jüdisch-indische  Grabinschriften 
aus  Aden.  Mit  einer  Besprechung  der  indischen  Texte  Ton  J.  Kirste. 
(Mit  1  Tafel  und  8  Abbildungen  im  Texte.) 

IT.  Abhandlung.    Bhodokanakis:    Al-Hans&'    und   ihre    Trauerlieder. 
Ein  literar-historischer  Essay  mit  textkritischen  Exkursen. 

Y*  Abhandlung.  Schonbach:  Studien  zur  Geschichte  der  altdeutschen 
Predigt.  Drittes  Stück:  Das  Wirken  Bertholds  von  Regensburg 
gegen  die  Ketzer. 

Tl.  Abhandlung,    v.  Sufflay:  Die  dalmatinische  Privaturkunde. 

TU.  Abhandlung,    v.  Schulte:  Marius  Mercator  und  Pseudo-Isidor. 


a* 


Vm.  SITZUNG  VOM  11.  MÄRZ  1903. 


Der  Vorsitzende  macht  Mitteilung  von  dem  am  5.  März 
I.  J.  zn  Cannes  erfolgten  Ableben  des  korrespondierenden  Mit- 
gliedes im  Auslände^  Herrn  Dr.  Qaston  Paris^  Professors  am 
Collie  de  France. 

Die  Mitglieder  erheben  sich  znm  Zeichen  des  Beileides 
von  ihren  Sitzen. 


Der  Sekretär   verliest  ein   Dankschreiben   der   London 
Library  für  die  Überlassung  akademischer  Publikationen. 
Zur  Kenntnis. 


Der  Sekretär  legt  folgende  Druckwerke  vor: 

1 .  y An  Introduction  to  the  Orammar  of  the  Kui  or  Kandh 
Language  by  Lingum  Letchmajee.  2.  edition.  Calcutta  1902'; 

2.  ^Geschichte  einer  ostalemannischen  Qemeinlandsver- 
fassung  unter  Berücksichtigung  bajuvarischer  Weisttlmer  Tirols^ 
Oberbayems  und  Salzburgs  von  K.  Haff.  Augsburg  o.  J.S 
vom  Verfasser  tlbersandt; 

3.  yinventaire  descriptif  des  monuments  du  Cambodge 
par  E.  Lunet  de  Lajonqui^re  (Publications  de  Täcole  fran- 
9aise  d'extröme-orient,  Vol.  IV),  Paris  1902'; 

4.  yStudies  in  the  Idyl  in  German  Literature  by  Gustav 
Albert  Andreen,  published  by  authority  of  the  board  of  direc- 
tors  of  Augustana  College  and  theological  seminary,  Rock  Is- 
land, 111.  1902'; 

ö.  ,Deut8che  Poesie  vom  Ende  des  12.  bis  in  den  Beginn 
des  16.  Jahrhunderts  von  Josef  SeemttUer  (S.-A.  aus  dem 


VI 

III.  Bande  der  „Geschichte  der  Stadt  Wien",  herausgegeben 
vom  Altertums  vereine  in  Wien).  Wien  1903*,  vom  Verfasser 
übersendet. 

Es  wird  für  diese  Publikationen  der  Dank  der  Klasse 
ausgesprochen. 

Der  Sekretär  legt  eine  vom  k.  M.  Herrn  Professor  Dr. 
Karl  Wessely  in  Wien  übersandte  Abhandlung  vor,  betitelt: 
jTopographie  des  Faijüm  (Arsinoites  Nomus)  in  griechischer  Zeit^ 

Die  Abhandlung  wird  in  die  Denkschriften  aufgenommen. 


Der  Sekretär  verliest  eine  Zuschrift  der  Zentraldirektion 
der  Monumenta  Germaniae  historica  in  Berlin  betreffs  der 
Entsendung  der  w.  M.  Herren  Professor  Dr.  Engelbert  Mühl- 
bacher und  Dr.  Arnold  Ritter  Luschin  von  Ebengreuth 
in  die  Zentraldirektion. 

Zur  Kenntnis. 

Endlich  überreicht  das  w.  M.  Herr  Hofrat  Müller  eine 
Abhandlung  des  Herrn  Professors  Dr.  Alois  Musil  in  Olmütz, 
betitelt:  ,Sieben  samaritanische  Inschriften  aus  Damaskus'  und 
beantragt  die  Aufnahme  derselben  in  die  Sitzungsberichte. 

Die  Abhandlung  wird  in  die  Sitzungsberichte  der  Klasse 
aufgenommen. 


IX.  SITZUNG  VOM  18.  MÄRZ  1903. 


Der  Sekretär  legt  die  folgenden  an  die  Klasse  gelangten 
Druckwerke  vor,  und  zwar: 

1.  Ulysse  Robert,  ,Philibert  de  Chalon,  prince  d'Orange, 
vice-roi  de  Naples  (18  mars  1502  —  3  aoüt  1530).  Ouvrage 
accompagnö  de  cinq  gravures.  Paris  1902',  vom  Autor  über- 
sendet; 

2.  ,Chinas  Religionen.  Zweiter  Teil:  Lao-ts'i  und  seine 
Lehre.     Von   Dr.   Rudolf  Dvofik    (Darstellungen   aus    dem 


VII 

Gebiete  der  nichtchristlichen  Religionsgeschichte^  XV.  Band). 
Münster  1903',  vom  Verfasser  überreicht; 

3.  jTercentenary  of  the  Bodleian  Library  (Oxford), 
Oktober  1902.  Record  of  Proeeedings',  vom  Sekretariate  über- 
sendet. 

Es  wird  für  diese  Einsendungen  der  Dank  aasgesprochen. 


Der  Sekretär  verliest  eine  Zuschrift  der  königl.  bayer. 
Akademie  der  Wissenschaften  in  München,  worin  dieselbe 
für  die  diesjährigen  Verhandlungen  des  Kartells  der  Akademien 
and  gelehrten  Gesellschaften  den  5.  und  6.  Juni  1.  J.  in  Vor- 
schlag bringt. 

Zur  Kenntnis. 

Der  Sekretär  überreicht  eine  Abhandlung  des  Herrn  Dr. 
Nikolaus  Rhodokanakis  in  Wien,  betitelt:  ,Al-lIansft'  und 
ihre  Trauerlieder.  Ein  literar-historischer  Essay  mit  textkriti- 
sehen  Exkursen^ 

Der  Autor  bittet  um  Aufnahme  dieser  Arbeit  in  die  aka- 
demischen Schriften. 

Die  Abhandlung  wird  einer  Kommission  zur  Begutachtung 
zugewiesen. 

Weiters  legt  der  Sekretär  eine  vom  k.  M.  Herrn  Professor 
Dr.  J.  Seemüller  in  Innsbruck  übersandte  Abhandlung  vor^ 
welche  betitelt  ist:  ,Zur  Kritik  der  Königsfelder  Chronik^ 

Der  Verfasser  ersucht  um  Aufnahme  derselben  in  die 
Sitzungsberichte. 

Die  Abhandlung  wird  in  die  Sitzungsberichte  der  Klasse 
aufgenommen. 

Das  w.  M.  Herr  Hofrat  Jagi6  überreicht  eine  für  die 
Denkschriften  bestimmte  Abhandlung,  betitelt:  ,Kirchenslavisch- 
böhmische  Qlossen  des  11.  bis  12.  Jahrhunderts^ 

Die  Abhandlung  wird  in  die  Denkschriften  aufgenommen. 


vni 


X.  SITZUNG  VOM  1.  APRIL  1903. 


Der  Sekretär  legt  die  eingelaufenen  Druckwerke  vor, 
und  zwar: 

1.  ,Der  Verein  Heilanstalt  All  and.  Ein  Wort  zur  Auf- 
klärung. Wien  1903'; 

2.  yRevue  des  monuments  arch^ologiques  de  la  religion 
primitive'  von  Dr.  Michael  Zmigrodzki,  Krakau  1902  (polnisch, 
mit  französischer  Übersetzung),  vom  Verfasser  übersendet; 

3.  ^Revue  gön^rale  de  Bibliographie  Fran9aise  paraissant 
tous  les  trois  mois.  Paris  1903'; 

4.  , Antike  Schlachtfelder  in  Griechenland.  Bausteine  zu 
einer  antiken  Kriegsgeschichte  von  Johannes  Kromayer. 
I.  Band:  Von  Epaminondas  bis  zum  Eingreifen  der  Römer. 
Berlin  1903',  vom  Autor  übersendet; 

5.  ,Das  Riesentor  zu  St.  Stephan  in  Wien  und  Fr.  von 
Schmidts  Projekt  für  dessen  Wiederherstellung.  Von  Dr.  J. 
Mantuani.  Wien  1903',  überreicht  vom  Verfasser. 

Es  wird  für  diese  Publikationen  der  Dank  ausgesprochen. 


Der  Sekretär  legt  die  Pflichtexemplare  des  mit  Unter- 
stützung der  kais.  Akademie  herausgegebenen  Werkes  vor: 
,Steirischer  Wortschatz  als  Ergänzung  zu  Schmellers  Bayeri- 
schem Wörterbuch  gesammelt  von  Theodor  Unger,  für  den 
Druck  bearbeitet  und  herausgegeben  von  Dr.  Ferdinand  Khull. 
Graz  1903.' 

Zur  Kenntnis. 

Der  Sekretär  legt  einen  vom  k.  M.  Herrn  Hof  rat  Franz 
Wickhoff  eingesandten  Bericht  ,über  die  Anordnung  von 
RafFaels  Handzeichnungen'  vor,  um  dessen  Abdruck  im  ^An- 
zeiger'  der  Verfasser  ersucht. 


Endlich    überreicht   der  Sekretär   ein  mit   der  Bitte  um 
Aufbewahrung  behufs  Sicherstellung  der  Priorität  übersandtes 


IX 


versiegeltes  Schreiben;   betitelt:   ^Elementa   protomantica^   von 
J.  Lanz-Liebenfels  in  Rodann  bei  Wien. 

Dasselbe  wird  in  Verwahrung  übernommen. 


XL  SITZXJNG  VOM  6.  MAI  1903. 


Der  Sekretär  legt  folgende  eingesendete  Druckschriften  vor: 

1.  La  Chroniqne  de  France,  publice  sous  la  direction  de 
Pierre  de  Coubertin,  3*  ann^e,  1902; 

2.  Gamet   bibliographique ,    äditä   par   la  Chroniqne   de 
France.     Les  grands  ^ditears  fran9ais  en  1903; 

3.  Läon  Lejeal,   L'arch^ologie  amäricaine  et  les  Stades 
am^ricanistes  en  France.    Paris  1903; 

4.  Contemplatio  apocalyptica.     Ant  meditatio  interreligio- 
naris  et  religio  fntari.  Scripsit  Dionysius  Pascntius,  Szolnok. 

Den  Übersendern  wird  der  Dank  aasgesprochen. 


Ferner  legt  der  Sekretär  über  Ersuchen  des  in  der 
heutigen  Sitzung  am  Erscheinen  verhinderten  w.  M.  Herrn  Hof- 
rates Th.  Gomperz  einen  demselben  von  dem  k.  M.  Herrn 
Professor  Mahaffy  in  Dublin  übersendeten  Abklatsch  von  einer 
im  Hinterlande  von  Aden  aufgefundenen  sabäischen  Inschrifk  mit 
der  Bitte  vor,  dieselbe  von  einem  Fachmanne  prüfen  zu  lassen 
und  sie  in  entsprechender  Weise  zu  publizieren. 


Weiters  legt  der  Sekretär  den  4.  Bericht  von  Herrn  Pro- 
fessor  Dr.  E.  Seil  in  ,Uber  die  Ausgrabung  von  Ta'annach'  vor. 


Der  Sekretär  legt  eine  von  Herrn  Schriftsteller  Guido  v. 
List  in  Wien  übersendete  Abhandlung  vor  mit  dem  Titel:  ,Die 
Ursprache  der  Arier  und  ihre  Heilszeichen',  indem  derselbe  um 
die  Aufnahme  der  Arbeit  in  die  Sitzungsberichte  bittet. 

Die  Abhandlung  wird  einer  Kommission  zur  Begutachtung 
zugewiesen. 


Der  Sekretär  legt  eine  von  Herrn  Professor  Dr.  M.  Bittner 
in  Wien  übersendete  Abhandlung  vor,  mit  dem  Titel:  ,Der 
vom  Himmel  gefallene  Brief  Christi  in  seinen  morgenländischen 
Versionen  und  Rezensionen  —  griechisch,  armenisch,  syrisch, 
karschunisch,  arabisch  und  äthiopisch  —  nach  Handschriften 
veröflFentlicht,  text-  und  sprachvergleichend-kritisch  untersucht 
und  ins  Deutsche  übersetzt,  nebst  einem  hebräischen  Sabbats- 
briefe^ 


XII.  SITZUNG  VOM  13.  MAI  1903. 

Der  Sekretär  verliest  eine  Zuschrift  der  Royal  Society 
in  London,  worin  bekanntgegeben  wird,  daß  die  nächste 
Zusammenkunft  des  Ausschusses  der  Internationalen  Assoziation 
Donnerstag  den  4.  Juni  1.  J.  in  London  stattfinden  wird. 

Zur  Kenntnis. 

Der  Sekretär  überreicht  eine  Einladung  der  königlich 
niederländischen  Akademie  der  Wissenschaften  in  Amsterdam 
zur  Beteiligung  an  einem  ,Certamen  poeticum  ex  legato  Hoeuff- 
tiano^,  welcher  für  das  Jahr  1904  ausgeschrieben  ist  (Preis: 
Goldene  Medaille  im  Werte  von  400  holländischen  Groldgulden). 

Zur  Kenntnis. 

Das  w.  M.  Herr  Hofrat  Leo  Reinisch  überreicht  den 
eben  erschienenen  HL  Teil  seiner  ,Somali-Sprache',  enthaltend 
,Die  Grammatik  der  Somali -Sprache'  (Band  V,  Teil  1  der 
Schriften  der  Südarabischen  Expedition  der  kais.  Akademie  der 
Wissenschaften).    Wien  1903. 

Zur  Kenntnis. 

Der  Sekretär  legt  eine  Abhandlung  des  Herrn  Erwin  Ritter 
von  Zach,  k.  und  k.  Vizekonsuls  und  Dolmetschers  der  chine- 
sischen Sprache  bei  der  k.  und  k.  Gesandtschaft  in  Peking  vor, 
betitelt  , Astronomisch-Chinesisches',  um  deren  Aufnahme  in  die 
Sitzungsberichte  der  Autor  ersucht. 


XI 


XIII.  SITZUNG  VOM  20.  MAI  1903. 


Der  Sekretär  legt  die  eingelaufenen  Druckwerke  vor, 
und  zwar: 

1.  ,Die  Rechtsverhältnisse  am  Grundeigentum  in  China 
von  Dr.  O.  Francke.  Leipzig  1903'; 

2.  ^Geschichte  der  k.  und  k.  Wehrmacht.  Die  Regimenter, 
Korps,  Branchen  und  Anstalten  von  1618  bis  Ende  des  19.  Jahr- 
hunderts. Herausgegeben  von  der  Direktion  des  k.  und  k. 
Kriegs- Archivs.  Bearbeitet  von  Alphons  Freiherrn  von  Wrede. 
V.  Band.  Wien  1903',  von  der  Direktion  des  k.  und  k.  Kriegs- 
Archivs  übersendet; 

3.  jJahreshauptbericht  über  den  Zustand  der  galizischen 
Mittel-,  Staatsgewerbe-,  Handels-  und  Volksschulen,  sowie  der 
Lehrerbildungsanstalten  im  Schuljahre  1901/2'  (letzterer  Bericht 
aach  in  deutscher  Sprache),  übermittelt  von  der  k.  k.  Statt- 
halterei  in  Lemberg. 

Es  wird  hierfUr  der  Dank  der  Klasse  ausgesprochen. 


Der  Sekretär  legt  weiter  die  erschienenen  akademischen 
Druckschriften  vor,  und  zwar: 

1.  ,Sitzungsberichte  der  kais.  Akademie  der  Wissen- 
schaften, phil.-hist.  Klasse,  Band  CXLV,  Jahrgang  1902.  (Mit 
drei  Tafeln.)  Wien  1903'; 

2.  ,Archiv  für  österreichische  Geschichte',  XCI.  Band, 
2.  Hälfte  und  XCH.  Band,  1.  Hälfte.  Wien  1902;  und 

3.  , Fontes  rerum  austriacarum.  —  Osterr.  Geschichts- 
quellen. 2.  Abteilung.  Diplomataria  et  acta.  LV.  Band'  (ent- 
haltend: ,Urkunden  und  Regesten  zur  Geschichte  des  Bene- 
diktinerstiftes Göttweig.  III.  Teil:  1468—1500.  Bearbeitet  von 
P.  Adalbert  Fr.  Fuchs').  Wien  1902. 

Zur  Kenntnis. 

Der  Sekretär  verliest  eine  Zuschrift  der  königl.  bayer. 
Akademie  der  Wissenschaften  in  München  bezüglich  der 
bevorstehenden  Kartellkonferenzen . 

Zur  Kenntnis. 


XII 

Der  Sekretär  legt  eine  von  der  kais.  Wiener  Zeitung 
übersandte  Snbskriptionseinladang  auf  das  zur  Feier  des 
200jährigen  Bestandes  dieser  Zeitung  erscheinende  Festblatt  vor. 

Zur  Kenntnis. 

Der  Sekretär  überreicht  eine  Abhandlung  des  Herrn  Dr. 
Milan  v.  Sufflay  in  Wien,  betitelt:  ,Die  dalmatinische  Privat- 
urkunde*. 

Der  Verfasser  ersucht  um  die  Aufnahme  seiner  Arbeit  in 
die  Sitzungsberichte  der  Klasse. 

Die  Abhandlung  wird  einer  Kommission  zur  Begutachtung 
und,  Antragstellung  zugewiesen. 


XIV.  SITZUNG  VOM  3.  JUNI  1903. 


Der  Sekretär  legt  die  folgenden,  an  die  Klasse  gesen- 
deten Druckwerke  vor,  und  zwar: 

1.  ,The  Sujna  Gokulji  ZäU  Vedänt  Prize  Essay,  1894. 
Vedänta  Siddhänta  Bheda:  Or  an  account  of  the  doctrinal 
differences  among  the  various  foUowers  of  ^amkardchärya  by 
Narmadishankar  Devshankar  Mehti,  B.A.Bombay  1903'; 

2.  ,Bibliographie  de  Thistoire  des  classes  ouvri^res  en 
France  jusqu'en  1789  par  E.  Levasseur.  Annexe  k  Thistoire 
des  classes  auvriferes  et  de  Tindustrie  en  France  avant  1789. 
2®  Edition.  Paris  1903',  vom  Verfasser  übersendet; 

3.  ,Bibliographie  der  vergleichenden  Literaturgeschichte, 
herausgegeben  von  Arthur  L.  Jellinek  (Wien).  I.  Band,  Heft  1. 
Berlin  1903',  vom  Autor  überreicht; 

4.  ,Origine  Asianique  des  inscriptions  pr^hell^niques  de 
Tile  de  Lemnos.  Memoire  lu  ä  Tlnstitut  Egyptien  etc. . . .  par 
le  docteur  Apostolides.  Le  Caire  1903',  gleichfalls  vom  Ver- 
fasser überreicht; 

5.  ,A  Godefroid  Kurth,  Professeur  k  T  Uni  versitz  de 
Liige  k  Toccasion  du  XXV™*  Anniversaire  de  la  Fondation  de 
son  Cours  pratique  d'Histoire'  (Festschrift,  Lüttich  o.  J.); 


XIII 

6.  ^Situation  de  l'Enseignement  sup^riear  donnä  anx  frais 
de  r^tat.  Rapport  triennal  präsente  aux  chambres  legislatives 
le  10  dteembre  1901  par  M.  J.  de  Trooz^  ministre  de  Tintä- 
rietir  et  de  rinstmction  publique.  Ann^es  1898^  1899  et  1900, 
Broxelles  1902'. 

Es  wird  ftlr  diese  Einsendungen  der  Dank  ausgesprochen. 


Der  Sekretär  legt  ein  Exemplar  des  vom  Verfasser,  Herrn 
P.  Lambert  Karner,  Pfarrverweser  in  St.  Veit  an  der  Gölsen, 
übersandten  Werkes  vor:  ^Künstliche  Höhlen  aus  alter  Zeit. 
Mit  einem  Vorworte  von  Dr.  M.  Mnch,  k.  k.  Regierungsrat, 
Konservator  der  k.  k.  Zentralkommission  für  Erforschung  und 
Erhaltung  der  kunst-  und  historischen  Denkmale.  Wien  1903^, 
zu  dessen  Vorarbeiten  die  kais.  Akademie  seinerzeit  eine  Sub- 
vention bewilligte. 

Das  Werk  wird  der  akademischen  Bibliothek  einverleibt. 


Der  Sekretär  überreicht  das  ^Bulletin  Nr.  1  de  FAsso- 
ciation  Internationale  pour  TExploration  historique,  arch^o- 
logique,  linguistique  et  ethnographique  de  FAsie  Centrale  et  de 
TEztrSme  Orient,  publik  par  le  Comit^  Russe^  welches  vom 
Vorsitzenden  dieses  Komitees,  Exzellenz  W.  Radi  off  in  St. 
Petersburg,  übersandt  wurde. 

Zur  Kenntnis.  

Der  Sekretär  legt  einen  Nachtrag  zu  seinem  in  der  Sitzung 
vom  11.  Juni,  beziehungsweise  15.  Oktober  1902  erstatteten 
Bericht  vor  über  den  Stand  der  Verhandlungen,  betreffend  die 
von  der  internationalen  Assoziation  der  Akademien  beschlossene 
internationale  Handschriften-Verleihung. 

Es  wird  beschlossen,  den  ,Nachtrag'  auch  separat  abzu- 
drucken und  an  die  beteiligten  Institute  zu  senden. 


Der  Sekretär  legt  eine  mit  der  Bitte  um  Aufnahme  in 
die  akademischen  Schriften  übersandte  Abhandlung  des  Privat- 
dozenten  und  Skriptors  an  der  k.  k.  Hofbibliothek  in  Wien, 


XIV 

Herrn  Dr.  Rudolf  Geyer,  vor,  welche  betitelt  ißt:  ,Zwei  Ge- 
dichte von  Al-'A*Sä,  herausgegeben,  übersetzt  und  erläutert. 
I.  Mä  buka  u^ 

Die  Abhandlung   wird   einer  Kommission   zur   Berichter- 
stattung und  Antragstellung  zugewiesen. 


Das  w.  M.  Herr  Hofrat  D.  H.  Müller  macht  eine  zum 
Abdruck  im  ,Anzeiger^  bestimmte  Mitteilung  ,Uber  die  Ge- 
setze des  Qammurabi^ 

Das  w.  M.  Herr  Hofrat  V.  J  a  g  i  6  überreicht  namens 
der  Balkan-Kommission  einen  Vorläufigen  Bericht  des  Herrn 
Dr.  Karl  Di  et  er  ich  in  Berlin  über  eine  mit  Unterstützung  der 
Balkan-Kommission  zum  Studium  des  Dialektes  der  südlichen 
Sporaden  im  Herbst  und  Winter  1902  ausgeführte  Reise. 


XV.  SITZUNG  VOM  10.  JUNI  1903. 


Der  Sekretär  legt  die  an  die  Klasse  eingelaufenen  Druck- 
schriften vor,  und  zwar: 

1.  ^Beschreibung  des  Oberamts  Heilbronn.  Heraus- 
gegeben von  dem  königl.  Statistischen  Landesamte.  H.  Teil. 
Stuttgart  1903^,  übersendet  vom  königlich  Württembergischen 
Statistischen  Landesamte  in  Stuttgart; 

2.  F.  Gimler:  ,Die  logische  Grundlage  der  E^scheinungs- 
lehre  des  Bewußtseins.  Lissa  1903'; 

3.  ,Otia  Merseiana.  The  Publication  of  the  Arts  Faculty 
of  University   College  Liverpool.   Vol.  III.    Liverpool  1903*; 

4.  ,Rodopski  napredtk  (Fortschritt  der  Rhodope).  M^seöno 
spisanie  za  nauka,  obätestveni  znanija  i  narodni  umotvorenija. 
Öepelare  (Bulgarien).   Jahrgang  I,  Heft  1 — 4*; 

5.  ,1872—1902.  Tridzatilfetie  spezialnych  klassov  Lazarev- 
skago  Instituta  vostoönychjassykov.  (Festschrift  zum  30jährigen 
Bestände  der  Spezialklassen  des  Lazarewschen  orientalischen 
Institutes  in  Moskau.)  Moskau  1903^;  und 


XV 


6.  ^Deutsche  Volkskunde  ans  dem  östlichen  Böhmen  von 
Dr.  Eduard  Langer.  III.  Band,  1.  Heft.  Braunau  i.  B.  1903'. 

Es  wird  ftlr  diese  Einsendungen  der  Dank  der  Klasse 
ausgesprochen. 


XVL  SITZUNG  VOM  17.  JUNI  1903. 


Der  Sekretär  legt  eine  Einladung  zu  der  Montag  den 
22.  Juni  1.  J.  stattündenden  feierlichen  öffentlichen  Sitzung  der 
österreichischen  Leo-Gesellschaft  vor,  welche  vom  Präsi- 
denten derselben,  Sr.  Exzellenz  Jos.  Freiherrn  von  H eifert, 
übermittelt  wurde. 

Zur  Kenntnis. 

Der  Sekretär  legt  weiter  die  vom  Rektorat  der  Universität 
J urJeff  (Dorpat)  übersandten  Schriften  vor,  und  zwar: 

1.  ylmperatorskij  Jurjevskij,  byvfiij  Derptskij  Universitet 
za  sto  Ijet  jego  suS6estvovanija  (1802 — 1902).  Tom.  I:  Pervyj 
i  vtoroj  periody  (1802—1865).  Jurjeff  1902'; 

2.  ,Biografi£e8kij  slovar  professorov  i  prepodavatelej  Im- 
peratorskago  Jurjevskago,  byvfiago  Derptskago  Universiteta 
za  sto  Ijet  jego  suäöestvovanija  (1802 — 1902).  Tora.  I.  Jurjeff 
1902';  und 

3.  ,Statisti6eskija  tablizy  i  li£nye  spiski  po  Imperator- 
skomu  Jurjevskomu,  byväemu  Derptskomu  Universitetu  1802 
bis  1902.  Jurjeff  1902'. 

Es  wird  hierfür  der  Dank  ausgesprochen. 


Der  Sekretär  legt  das  vom  k.  M.  Herrn  Hofrate  Prof. 
Dr.  Anton  E.  Schönbach  in  Graz  übersandte  dritte  Stück 
seiner  ^Studien  zur  Geschichte  der  altdeutschen  Predigt:  Das 
Wirken  Bertholds  von  Begensburg  gegen  die  Ketzer'  vor,  um 
dessen  Aufnahme  in  die  Sitzungsberichte  der  Verfasser  ersucht. 

Die  Abhandlung  wird  in  die  Sitzungsberichte  der  Klasse 
aufgenommen. 


XVI 

Der  Sekretär  überreicht  weiters  eine  Abhandlung  des 
Herrn  Professors  Dr.  Ernst  Seil  in  in  Wien,  betitelt:  ,Tell 
Ta'annek.  Bericht  über  eine  mit  Unterstützung  der  kaiserlichen 
Akademie  der  Wissenschaften  und  des  k.  k.  Ministeriums  f&r 
Kultus  und  Unterricht  unternommene  österreichische  Ausgrabung 
in  Palästina.  Nebst  einem  Anhange  von  Dr.  Friedrich  Hrozn^: 
Die  Eeilschrifttexte  von  Ta^annök*. 

Der  Verfasser  ersucht  um  Aufnahme  seiner  Abhandlung 
in  die  Denkschriften. 

Die  Abhandlung  wird  zunächst  einer  Kommission  zuge- 
wiesen. 

Das  w.  M.  Herr  Hofrat  Jagi6  überreicht  das  eben  er- 
schienene 3.  Heft  der  Schriften  der  Balkan-Kommission,  lin- 
guistische Abteilung,  enthaltend  ,Die  Dialekte  des  südlichsten 
Serbiens'  von  Olaf  Broch.  Wien  1903.* 

Zur  Kenntnis. 

Das  w.  M.  Herr  Hofrat  Müller  überreicht  das  Manuskript 
für  den  VH.  Band  der  Schriften  der  Südarabischen  Expedition, 
enthaltend  ^Archäologische  und  epigraphische  Denkmäler  aus 
Südarabien^ 


XVn.  SITZUNG  VOM  1.  JULI  1903. 


Der  Vorsitzende  macht  Mitteilung  von  dem  Verluste,  den 
die  Klasse  durch  das  am  20.  Juni  1.  J.  in  Innsbruck  erfolgte 
Ableben  des  k.  M.  Herrn  Regierungsrates  Professors  Dr.  Josef 
Egg  er  erlitten  hat. 

Die  Mitglieder  geben  ihrem  Beileide  durch  Erheben  von 
den  Sitzen  Ausdruck. 

Der  Sekretär  legt  den  eben  erschienenen  2.  Faszikel  des 
H.  Bandes  des  Thesaurus  linguae  latinae,  Leipzig,  bei 
Teubner,  1903,  vor. 

Zur  Kenntnis. 


XVII 

Der  Sekretär  legt  weiters  folgende  an  die  Klasse  ge- 
langte Druckwerke  vor,  und  zwar: 

1.  jÖeskoslovansk^  Letopisy  Musejni.  Redaktor  a  vyda- 
vatel  Väcsl.  VI.  Jenlöek.   Jahrgang  I,   Heft  9  und   10.  1903'; 

2.  ^Russisch-hebräisches  Archiv,  Dokumente  und  Materialien 
zu  der  Geschichte  der  Hebräer  in  Rußland.  Tom.  III:  Doku- 
mente zur  Geschichte  der  polnischen  und  litauischen  Hebräer 
(1364—1569).  St.  Petersburg  1903^; 

3.  jAnfzeichnungen  aus  dem  Leben  und  SchaflFen  des 
Architekten  Professor  J.  C.  Raschdorff,  königl.  geheimer 
Regierungsrat,  Dombaumeister  in  Berlin.  Berlin  1903*. 


Der  Sekretär  verliest  eine  Zuschrift  des  emerit.  Direktors 
des  königl.  dänischen  statistischen  Bureaus  in  Kopenhagen, 
Herrn  Markus  Rubin,  worin  er  ersucht,  bei  Expeditionen 
nach  unzivilisierten  oder  halbziviUsierten  Ländern  Volkszählungs- 
formulare zu  benützen,  deren  er  eine  Anzahl  beilegt. 

Zur  Kenntnis. 

Das  w.  M.  Herr  Hofrat  Kenner  überreicht  als  Obmann 
der  Limeskommission  das  eben  erschienene  IV.  Heft  des  ,römi- 
sehen  Limes  in  Osterreich.  Wien  1903^ 

Zur  Kenntnis. 


XVIIL  SITZUNG  VOM  8.  JUU  1903. 


Der  Sekretär  legt  das  an  die  Klasse  gelangte  Werk  vor: 
,The  University  of  Missouri  Studios  edited  by  Frank  Thilly, 
Professor  of  Philosophy.  Vol.  I,  Number  5:  The  Right  of 
Sanctuary  in  England,  A  Study  in  Institutional  History  by 
Norman  Maclaren  Trenholme,  Assistant  Professor  of  History. 
Missouri  1903'. 

Es  wird  hierfür  der  Dank  ausgesprochen. 

Sitaungsber.  d.  phiL-bist.  K).  OXLVn.  lid.  b 


XVIII 

Der  Sekretär  verliest  ein  Dankschreiben  der  Bibliothek 
des  Istitato  austriaco  di  studii  storici  in  Rom  fdr  die  geschenk- 
weise Überlassung  akademischer  Publikationen. 

Zur  Kenntnis.  

Der  Sekretär  überreicht  eine  mit  der  Bitte  um  Aufnahme 
in  die  ,Fontes  rerum  austriacarum'  übermittelte  Abhandlung 
des  Herrn  Professors  Dr.  Walter  Friedensburg  in  Stettin, 
welche  betitelt  ist:  ,Die  Chronik  des  Cerbonio  Besozzi  1548 
bis  1563.' 

Die  Abhandlung  geht  an  die  historische  Kommission. 


Endlich  überreicht  der  Sekretär  eine  mit  der  Bitte  um 
Aufnahme  in  die  Sitzungsberichte  übersandte  Abhandlung  des 
Herrn  Josef  Kopf  in  München,  betitelt:  ,Expositio  fratris  David 
super  regulam  fratrum  minor  um  (Erklärung  der  Regel  der 
minderen  Brüder  von  David  von  Augsburg)^ 


Das  w.  M.  Herr  Hofrat  D.  H.  Müller  berichtet  als  Ob- 
mann der  Nordarabischen  Kommission  über  den  Stand  der 
Arbeiten  betreffs  der  Herausgabe  des  Werkes  über  K.  Amra 

Zur  Kenntnis. 


XIX.  SITZUNG  VOM  14.  OKTOBER  1903. 


Seine  Exzellenz  der  versitzende  Vizepräsident  begrüßt 
die  Mitglieder  bei  der  Wiederaufnahme  ihrer  Tätigkeit  nach 
den  akademischen  Ferien  und  heißt  die  erschienenen  neuge- 
wählten wirklichen  Mitglieder,  Herren  Professor  Dr.  Wilhelm 
Meyer-Lübke  und  Hofrat  Professor  Dr.  Franz  Wickhoff, 
willkommen. 

Derselbe  gedenkt  hierauf  der  Verluste,  die  die  kais. 
Akademie  im  Laufe  der  akademischen  Ferien  durch  Todesfälle 
erlitten  hat;  und  zwar  die  philosophisch-historische  Klasse  durch 
das  am  13.  Juli  1.  J.  erfolgte  Ableben  ihres  ausländischen  Ehren- 


XIX 

niitgliedes^  Sr.  Exzellenz  des  Herrn  EeicbsfiDanzministers  Ben- 
jamin Killay  de  Nagy-Edllö^  sowie  durch  das  am  17.  Juli 
1.  J.  erfolgte  Ableben  ihres  wirklichen  Mitgliedes  Herrn  Pro- 
fessors Dr.  Eingelbert  Mühlbacher;  ferner  die  mathematisch- 
natnrwissenschaftliche  Klasse  durch  das  am  1.  Oktober  1.  J. 
erfolgte  Ableben  ihres  wirklichen  Mitgliedes  Herrn  Hofrates 
Professors  Dr.  Alexander  Rollett  in  Graz. 

Die  Mitglieder  erheben  sich  zum  Zeichen  des  Beileides 
von  ihren  Sitzen. 

Der  Sekretär  verliest  die  folgende  die  Allerhöchste  Er- 
nennung^ beziehungsweise  Bestätigung  der  von  der  kais.  Aka- 
demie vollzogenen  Neuwahlen  betreffende  Zuschrift  des  hohen 
Kuratoriums: 

Seine  k.  und  k.  Apostolische  Majestät  haben  mit  Aller- 
höchster Entschließung  vom  3.  August  1903  die  Wiederwahl 
des  ordentlichen  Professors  der  Physik  an  der  Universität  in 
Wien,  Hofrates  Dr.  Viktor  Edlen  von  Lang,  zum  General- 
sekretär, zugleich  Sekretär  der  mathematisch-naturwissenschaft- 
lichen Klasse  der  kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften 
in  Wien,  sowie  des  ordentlichen  Professors  der  Geschichte  des 
Orients  und  ihrer  Hilfswissenschaften  an  der  Universität  in 
Wien,  Direktors  der  Hofbibliothek,  Hofrates  Dr.  Josef  Kara- 
bacek,  zum  Sekretär  der  philosophisch -historischen  Klasse 
dieser  Akademie  Air  die  statutenmäßige  Fanktionsdauer  von 
vier  Jahren  allergnädigst  zu  bestätigen  und  zu  wirklichen  Mit- 
gliedern der  Akademie  in  der  philosophisch-historischen  Klasse 
den  ordentlichen  Professor  der  deutschen  Spraclie  und  Literatur 
an  der  Universität  in  Graz,  Hofrat  Dr.  Anton  E.  Schönbach, 
den  ordentlichen  Professor  der  romanischen  Philologie  an  der 
Universität  in  Wien,  Dr.  Wilhelm  Meyer-Lübke,  und  den 
ordentlichen  Professor  der  neueren  Kunstgeschichte  an  der 
Universität  in  Wien,  Hofrat  Dr.  Franz  W  ick  hoff,  huldvollst 
zu  ernennen  geruht. 

Weiters  haben  Seine  k.  und  k.  Apostolische  Majestät  die 

Wahl  des  ordentlichen  Professors  der  Rechtsgeschichte  an  der 

Universität    in    Berlin,     Geheimen    Justizrates   Dr.    Heinrich 

Brunner,   zum  Ehrenmitgliede    der   philosophisch-historischen 

Klasse   im   Auslande,    sowie   des  ordentlichen    Professors   der 

b* 


XX 

allgemeinen  Chemie  an  der  Universität  in  Berlin,  Dr.  Jakob 
Heinrich  van  t'Hoff  und  des  ordentlichen  Professors  der 
Hygiene  an  der  Universität  und  Direktors  des  Institutes  für 
Infektionskrankheiten  in  Berlin ,  Geheimen  Medizinalrates 
Dr.  Robert  Koch,  zu  Ehrenmitgliedern  der  mathematisch- 
naturwissenschaftlichen  Klasse  dieser  Akademie  im  Auslande 
allergnädigst  zu  genehmigen  und  die  weiteren  von  dieser  Aka- 
demie vollzogenen  Wahlen  von  korrespondierenden  Mitgliedern 
im  In-  und  Auslande  huldvollst  zu  bestätigen  geruht,  und  zwar 

in  der  philosophisch-historischen  Klasse: 

die  Wahl  des  ordentlichen  Professors  der  allgemeinen 
und  österreichischen  Geschichte  an  der  Universität  in  Wien, 
Dr.  Alfons  Dop  seh,  des  ordentlichen  Professors  der  klas- 
sischen Philologie  an  derselben  Universität,  Dr.  Hans  von 
Arnim,  des  ordentlichen  Professors  der  österreichischen  Ge- 
schichte an  der  Universität  in  Innsbruck,  Dr.  Hans  von  Volte- 
lini,  des  ordentlichen  Professors  der  deutschen  Sprache  und 
Literatur  an  der  deutschen  Universität  in  Prag,  Dr.  August 
Sauer,  des  emeritierten  ordentlichen  Professors  der  politischen 
Ökonomie  an  der  Universität  in  Wien,  Hofrates  Dr.  Karl 
Menger,  und  des  titulierten  ordentlichen  Professors  der  klas- 
sischen Archäologie  und  Direktors  der  Antikensammlung  des 
Allerhöchsten  Kaiserhauses  in  Wien,  Dr.  Robert  Ritter  von 
Schneider,  zu  korrespondierenden  Mitgliedern  im  Inlande 
und  die  Wahl  des  Professors  des  Sanskrit  und  der  ver- 
gleichenden Sprachforschung  an  der  Universität  in  Utrecht, 
Dr.  Heinrich  Kern,  des  Professors  der  Rechte  an  der  Uni- 
versität in  Bonn,  Geheimen  Justizrates  Dr.  Hermann  Hü  ff  er, 
des  emeritierten  Professors  der  klassischen  Altertumswissen- 
schaft an  der  Universität  in  Königsberg,  Geheimen  Regierungs- 
rates Dr.  Ludwig  Friedländer,  und  des  Titularprofessors 
Dr.  Moritz  Steinschneider  in  Berlin,  zu  korrespondierenden 
Mitgliedern  im  Auslande; 

in    der  mathematisch-naturwissenschaftlichen   Klasse: 

die  Wahl  des  ordentlichen  Professors  der  mathematischen 
Physik  an  der  Universität  in  Graz,  Dr.  Anton  Wassmuth,  des 


XXI 

titalierten  ordentlichen  Professors  der  Physiologie  und  Patho- 
logie des  Zentralnervensystems  an  der  Universität  in  Wien^ 
Dr.  Heinrich  Obersteiner^  des  außerordentlichen  Professors 
der  Photochemie  an  der  technischen  Hochschnle  und  Direktors 
der  graphischen  Lehr-  und  Versuchsanstalt  in  Wien,  Hofrates 
Dr.  Josef  Maria  Eder,  zu  korrespondierenden  Mitgliedern  im 
Inlande,  endlich  die  Wahl  des  Professors  der  Chemie  an  der 
Universität  in  London,  Sir  William  Ramsay,  des  emeritierten 
Direktors  der  deutschen  Seewarte  und  der  Observatorien  in 
Hamburg,  wirklichen  Geheimen  Kates  Prof  Dr.  Georg  Balthasar 
von  Neumayer,  des  Professors  an  der  Facultö  des  Sciences 
in  Paris,  Henri  Poincarö,  des  Professors  am  Collfegc  de  France 
in  Paris,  Etienne  Jules  Marey,  und  des  Professors  der  all- 
gemeinen Pathologie  an  der  Universität  in  Pavia,  Dr.  Camillo 
Golgi,  zu  korrespondierenden  Mitgliedern  im  Auslande. 
Zur  Kenntnis. 


Im  Anschlüsse  daran  teilt  der  Sekretär  den  Wortlaut  der 
eingelaufenen  Dankschreiben  der  neugewählten  Mitglieder  mit, 
und  zwar  von  dem  wirkl.  Mitgliede  Herrn  Hofrat  Professor 
Dr.  Anton  E.  Schönbach  in  Graz,  femer  von  den  korresp. 
Mitgliedern  im  Inlande,  Herren  Professor  Dr.  Alfons  Dop  seh 
in  Wien,  Professor  Dr.  August  Sauer  in  Prag,  Professor  Dr. 
Robert  Ritter  von  Schneider  in  Wien,  Professor  Dr.  Hans 
von  Voltelini  in  Innsbruck,  weiters  von  dem  Ehrenmitgliede 
im  Auslande  Herrn  geh.  Justizrat  Professor  Dr.  Heinrich 
Brunner  in  Berlin  und  den  korresp.  Mitgliedern  im  Auslande, 
Herren  geh.  Regierungsrat  Professor  Dr.  Ludwig  Friedländer 
in  Straßburg,  geh.  Justizrat  Professor  Dr.  Hermann  Hilf f er 
in  Bonn,  Professor  Dr.  Heinrich  Kern  in  Utrecht  und  Pro- 
fessor Dr.  Moritz  Steinschneider  in  Berlin. 

Zur  Kenntnis. 


Der  Sekretär  verliest  eine  an  das  k.  und  k.  Ministerium 

*•  

des  k.  und  k.  Hauses  und  des  Äußern  in  Wien  gerichtete  und 
von  diesem  der  kais.  Akademie  zur  Einsichtnahme  übermittelte 
Zuschrift  der  k.  und  k.  österreichisch -ungarischen  Gesandt- 
schaft  in  Stockholm,   worin   der  kais.  Akademie   der  Dank 


XXII 

Sr.  Majestät  des  Königs  von  Schweden  and  Norwegen  Air  die 
Übermittlung  des  V.  Bandes,  Teil  1  der  Schriften  der  sttd- 
arabischen  Expedition  (, Die  Somalisprache  von  Leo  Reinisch, 
III.  Grammatik,  Wien  1903*)  ausgesprochen  wird. 

Zur  Kenntnis. 


Der  Sekretär  verliest  ferner  ein  Dankschreiben  des  Biblio- 
thekars des  Stiftes  Melk,  Herrn  Dr.  Rudolf  Schachin ger, 
f)1r  die  Überlassung  der  Bände  VIII,  IX  und  X  der  Tabulae 
codicum  manuscriptorum  in  bibliotheca  palatina  Vindobonensi 
asservatorum  y  desgleichen  ein  Dankschreiben  des  Herrn  Dr. 
Rudolf  Wölk  an,  Privatdozenten  an  der  Universität  und  k.  k. 
Skriptors  an  der  Universitätsbibliothek  in  Wien,  für  die  ihm 
bewilligte  Subvention  von  4000  Kronen  zu  einer  Reise  nach 
Italien  zum  Zwecke  der  Vollendung  von  Vorstudien  für  eine 
Neuausgabe  der  Briefe  des  Aeneas  Sylvius  (unter  gleichzeitiger 
Vorlage  seines  soeben  erschienenen  Werkes  ,Die  Lieder  der 
Wiedertäufer.  Ein  Beitrag  zur  deutseben  und  niederländischen 
Literatur-  und  Kirchengeschichte,  Berlin  1903'). 

Die  Dankschreiben  werden  zur  Kenntnis  genommen,  für 
die  Einsendung  des  Werkes  wird  Herrn  Dr.  Wolkan  der  Dank 
der  Klasse  ausgesprochen. 


Der  Sekretär  verliest  eine  Zuschrift  des  k.  und  k.  Reichs- 
kriegsministeriums, Marinesektion,  worin  der  kais.  Aka- 
demie Mitteilung  gemacht  wird,  daß  S.  M.  Schiff  ,Kaiserin 
Elisabeth'  Ende  Oktober  1.  J.  eine  Missionsreise  nach  der  Ost- 
und  Westküste  von  Südamerika,  der  Westküste  von  Mittel- 
und  Nordamerika  bis  S.  Francisco,  Hawai,  nach  einigen  Süd- 
seeinseln, den  Küsten  von  Australien,  Indien,  ferner  nach  dem 
persischen  Golfe  und  Arabien  antreten  werde,  und  die  kais. 
Akademie  einlädt,  allfUUige  Wünsche  betreffs  anzustellender 
wissenschaftlicher  Beobachtungen  bekanntzugeben. 

Wird  mit  dem  Ausdrucke  des  Dankes  zur  Kenntnis  ge- 
nommen. 


XXIII 

Der  Sekretär  legt  drei  an  die  kais.  Akademie  gelangte 
Einladungen  vor,  nnd  zwar: 

1.  vom  Ausschüsse  des  Vereines  für  Geschichte  der  Stadt 
Nürnberg  zu  der  am  1.  und  2.  Oktober  1.  J.  begangenen 
Feier  des  25jährigen  Bestandes, 

2.  von  der  Fedöration  arch^ologique  et  historique  de  Bel- 
gique  zu  der  vom  9.  bis  13.  August  1.  J.  in  Dinand  abgehal- 
tenen XVII.  Session, 

3.  vom  Präsidium  der  Schlesischen  Gesellschaft  für  vater- 
ländische Kultur  in  Breslau  zur  Teilnahme  an  der  am  17.  De- 
zember 1.  J.  stattfindenden  Feier  des  100jährigen  Bestandes. 

Zur  Kenntnis. 


Der  Sekretär  legt  die  Pflichtexemplare  des  mit  Subvention 
der  Klasse  gedruckten  Werkes  vor:  ^Mah&bhUrata.  Inhalts- 
angabe, Index  und  Konkordanz  der  Calkuttaer  und  Bombayer 
Ausgaben  von  Hermann  Jacobi.  Bonn  1903/ 

Zur  Kenntnis. 

Der  Sekretär  tiberreicht  das  von  der  Redaktion  der 
kais.  Wiener  Zeitung  übersandte  Exemplar  der  Festschrift 
zum  Jubiläum  des  200jährigen  Bestandes,  betitelt:  ;Zur  Ge- 
schichte der  kais.  Wiener  Zeitung.  8.  August  1703  — 1903. 
Wien  1903/ 

Es  wird  hierftlr  der  Dank  ausgesprochen  und  das  Werk 
der  akademischen  Bibliothek  einverleibt  werden. 


Der  Sekretär  legt  ein  mit  der  Bitte  um  Aufbewahrung 
zur  Wahrung  der  Priorität  Ubersandtes  versiegeltes  Schreiben 
vor,  betitelt:  ,Biblia  protomantica^  von  Herrn  J.  Lanz- Lieben- 
fels in  Rodaun  bei  Wien. 

Dasselbe  wird  in  Verwahrung  genommen. 


Der  Sekretär  legt  eine  vom  k.  M.  im  Auslande,   Herrn 
geheimen  Justizrat  Professor  Dr.  Johann  Friedrich  Ritter  von 


XXfV 

Schulte  in  Bonn  für  die  Sitzungsberichte  eingesendete  Ab- 
handlung vor,  welche  betitelt  ist:  ,Marius  Mercator  und  Pseudo- 
Isidor/ 

Die  Abhandlung  wird  in  die  Sitzungsberichte  aufgenommen. 


Ferner  überreicht  der  Sekretär  eine  Abhandlung  des  Herrn 
Georg  Gatt  in  Gaza  (Palästina),  betitelt:  ,Topographie  des 
alten  Jerusalem^,  welche  mit  der  Bitte  um  Publizierung  über- 
sandt  wurde. 

Seine  Exzellenz  der  Vorsitzende  legt  namens  der  akademi- 
schen Kirchenväterkommission  eine  Abhandlung  des  Herrn  Uni- 
versitätsprofessors Dr.  E.  Bratke  in  Breslau  vor,  betitelt:  Epile- 
gomena  zur  Wiener  Ausgabe  der  Altercatio  legis  inter  Simonem 
Judaeum  et  Theophilum  Christianum'  für  die  Sitzungsberichte. 

Die  Abhandlung  wird  in  die  Sitzungsberichte  aufgenommen. 


Endlich  teilt  Seine  Exzellenz  der  Vorsitzende  mit,  daß 
durch  den  Tod  des  w.  M.  Mühlbacher  eine  der  beiden  Stellen 
von  Delegierten  der  kais.  Akademie  in  die  Zentraldirektion  der 
Monumenta  Germaniae  in  Berlin  vakant  geworden  ist. 

Es  wird  das  w.  M.  Herr  Professor  Redlich  per  accla- 
mationem  an  diese  Stelle  berufen. 


I.  Abbandlnng :    MniiL  8i«b«i  ssmariteniselie  Inachriften  ans  Damaskus. 


L 

Sieben  samaritanische  Inschriften  aus  Damaskus. 

Von 

Dr.  Alois  Musil. 

(Mit  7  Abbildnngen  im  Text.) 


Das  Präsidium  des  k.  k.  Ministeriams  für  Kultus  und 
Unterricht  übersendet  mir  ein  demselben  aus  Damaskus  zu- 
gegangenes Schreiben  in  französischer  Sprache ,  dem  Kopien, 
respektive  Pausen  nach  7  samaritanischen  Inschriften  beige- 
schlossen waren.     Der  Wortlaut  des  Schreibens  ist  folgender: 

^Y.  316.  Damas,  le  12  Mai  1902. 

Syrie 

Monsieur  le  Professeur! 

J'ai  I'honneur  de  Vous  transmettre  ci-inclus  sept  inscrip- 
tions  en  caractftres  samaritains  d^couvertes  dans  une  vieille 
maison  de  Damas. 

Les  pierreS;  qui  portent  ces  inscriptions,  ont  iti  d^tach^es 
du  mur  de  Tancienne  maison,  dont  il  s'agit,  et  achet^es  par 
le  Dr.  Thiag^ne  Bej,  mädecin  militaire  ottoman. 

Selon  tonte  probabilitä  ces  pierres  appartiennent  au  Temple 
samaritain  situ^  entre  deux  coUines  Eval  et  Garizim  k  Naplous 
en  Palestine  (ancienne  N6apolis). 

Dans  l'espoir^    que  les   inscriptions    ci-incluses   pourront 

pr^enter  quelque  int^rAt  au  point  de  vue  de  la  science  et  de 

la  religion  mosai'que,  je  m'empresse  de  les  soumettre  k  Votre 

haute  comp^nce  et  Vous  exprimer  Vassurance  de  ma  consi- 

döration  distingu^. 

A.  Xanthopulos 

Yice-Consiü  d'Autriche-Hongrie.* 
SitnagtlMr.  d.  phiL-Ust.  XI.  CXLTU.  Bd.  1.  Abb.  1 


2  I.  Ablumdliug:    Mai  iL 

Daraus  geht  hervor  und  dürfte  als  feststehend  anzunehmen 
sein,  daß  die  Originale  der  Inschriften  derzeit  im  Besitze  des 
türkischen  Militärarztes  Dr.  Thäagäne  Bej  sind. 

Herr  Vizekonsul  Xanthopulos  ist  mir  persönlich  als  ernster, 
zuverlässiger  Mann  bekannt;  ob  aber  er  selber  das  erwähnte 
Haus  besucht  und  den  ursprünglichen  Befindnngsort  der  In- 
schriften gesehen,  respektive  untersucht  hat,  ist  nicht  zu  ent- 
nehmen —  wogegen  die  Angabe,  die  Inschriften  stammen  aus 
dem  Garizimtempel  falsch  sein  muß,  weil  eine  solche  Annahme 
nicht  zutrifft  und  nicht  begründet  werden  kann. 

Zum  Zwecke  besserer  und  eingehenderer  Informationen 
habe  ich  bereits  an  Freunde  geschrieben  und  werde  außerdem 
möglicherweise  bald  in  der  Lage  sein,  an  Ort  und  Stelle  per- 
sönlich Untersuchungen  anstellen  zu  können,  —  denn,  offen 
gestanden,  mit  Rücksicht  auf  die  mir  wohlbekannte,  fabriks- 
mäßige Herstellung  von  Antiquitäten  in  Syrien,  konnte  ich 
beim  ersten  Anblick  der  Kopien  ein  starkes  Mißtrauen  nicht 
unterdrücken. 

Die  Inschriften  wurden  mittels  blauer,  grünlicher  und 
schwarzer  Kreide  auf  Pauspapier  abgedruckt,  wobei  die  mit 
schwarzer  Kreide  angefertigten  Kopien  undeutlich  wurden,  weil 
dieses  Material  zu  wenig  anhaftet  und  sehr  leicht  abgerieben 
wird.  Aus  den  übrigen  Abdrücken  ist  ziemlich  genau  auf  den 
Zustand  und  die  Beschaffenheit  der  Originale  zu  schließen. 
Darnach  heben  sich  die  Inschriften  nur  wenig  über  einen 
sorgfältigst  geglätteten  Untergrund  reliefartig  hervor  und 
sind  von  einem  breiten,  mit  Arabesken  verzierten  Rahmen 
eingefaßt.  Die  einzelnen  Buchstaben  sind  sehr  schön  aus- 
geführt, vollkommen  erhalten  und  nach  den  Abdrücken  ist 
weder  Verwitterung  noch  ein  anderer  Defekt  wahrzunehmen. 
Der  Form  nach  erscheint  die  Schrift  jüngeren  Ursprungs  als 
jene  der  samaritanischen  Inschriften  von  Amw4s,  dürfte 
aber  in  einzelnen  Teilen  älter  sein  als  die  aus  dem  11.  Jahr- 
hunderte. 

Flößen  nun  Erhaltung  und  Äußeres  dieser  Inschriften 
Verdacht  ein,  so  wird  er  durch  den  Inhalt  derselben  wesentlich 
behoben,  denn  dieser  entspricht  vollkommen  dem  samaritanischen 
Texte  des  Pentateuch,  enthält  Stellen,  welche  durch  andere 
als  vollkommen  echt  anerkannte  Inschriften  und  Gebete  sicher- 


SielMik  saairituiiMh«  InMhriftoii  vu  Damaskiu. 


gestellt  werden   können  nnd  gebraucht  Phrasen,    welche  gut 
samaritanisch  lauten* 

Fünf  Inschriften  sind  von  viereckigen  Rahmen  umgeben 
und  zwei  in  dreieckigen  Zwickelfeldem  eingefaßt. 


L 


Hohe:  15*5 cm;  Breite:  45ci7i;  BucbstabenhOhe :  ^  8*5 em;  dreizeilig. 

Im  Namen  Jahwes,  der  da  sprach:  Ich  will  schonend  an  euch 
vorfibergehen  und  es  soll  euch  kein  Leid  treffen  —  und  Jahwe  wird 
schonend  an  der  Türe  vorübergehen  und  dem  Verderben  nicht  gestatten, 
euere  Wohnungen  zu  betreten,  um  jemand  heimzusuchen. 

Der  erste  Satz  BaSem  ^laßi  d'amar  ist  die  samaritanische 
Einleitungsformel^  welche  dem  arabischen  ^\  ^»^uo  entspricht.^ 
Das  folgende  bis  rj^j  stammt  aus  Ex.  12 ^'^  der  Rest  aus  Ex.  12 '^ 
Der  hebraeo-samaritanische  Text  schreibt  Ex.  12*'  M^x,  der 

'  Vgl.  8.  Rappoport,  La  liturgie  samaritaine,  Paris  1900,  S.  14,  17,  18  etc.; 
M.  Heidenheim,  Die  samaritaninohe  Liturgie,  Leipzig  1885,  S.  68,  57, 
100,   120   etc..   Die    famaritanifche   PentateuchTersion ,    Leipzig  1884, 

s.  xvn. 

SÜRBfibff.  4.  pUl.-lilrt.  XI.  CXLYn.  Bd.  1.  Abh.  2 


4  LAbhAndlug:   XmiL 

masBoretiBche  Hsh;  Ex.  12^'  hebr.-samarit.  tsiiMxv  —  masser. 
Dsbp;  nach  der  ersten  Regel:  ^ut^  ubicunque  vel  minima  oiiri 
possit  difficoltasy  litterae  qniescentes  inferrantnr'  ist  nämlich 
vollkommen  auszuschreiben.^  Der  Anfang  der  zweiten  Hälfte 
(Ex.  12*^)  von  npbl  bis  tdaf?  findet  sich  ebenfalls  auf  einer 
samaritanischen  Inschrift  von  Amwäs,'  wo  aber  n^v&n  und  hmS 
geschrieben  steht. 

n. 


Hohe:  16  cm;  Breite:  44  em;  Buchstaben  höhe:  ±  2'8cfii;  dreizeilig. 

:  .T :  •• :  ttn :  rp  *  Sana" 
:  K :  3B :  rp  t '' :  ""i :  Sh  : » 

Y^  VÄ  tnirr;  :k??  il\}r^  t^*?»  ♦i"» 

Jahwe  segne  dich  und  behüte  dich!  Jahwe  lasse  sein  Angesicht 
über  dich  leuchten  und  sei  dir  gnädig ,  Jahwe  erhebe  sein  Angesicht  auf 
dich  und  schaffe  dir  Friede! 

Die  Inschrift  ist  die  Wiedergabe  des  priesterlichen  Segens 
Num.  6"'  '*•  *^  mit  einem  voll  ausgeschriebenen  jdk  am  Ende.' 

^  G.  Gesenius,    De  Pentateachi  samaritani  origine  et  anctoritate,   Halae 
1816,  S.  26. 

*  Me.  de  Yogüd,  Nouvelle  inscription  samaiitaine  d'Amw&s,  Beyne  biblique, 
Paris  1896,  S.  433. 

*  Vgl.  Rappopori;,  La  litargie  samariUlne,  Paris  1900,   S.  16;  M.  Heiden- 
helm, Die  samaritanische  Liturgie  1.  c.  S.  120,  130,  192. 


8iab«n  BanurilMiiaolie  Inidirifteik  »u  DAmMkiu.  O 

Die  zwei  folgenden  Worte  sind  wohl  hunvr  Vü0  zu  lesen  und 
erinnern  an  Deut.  27  ^.  Unter  btnv«  sind  nnr  die  Samaritaner 
zu  verstehen  y  da  die  Jaden  von  ihnen  p*i«^  genannt  werden. 
^*MV  dürfte  die  verkürzte  in  der  samaritanischen  and  karaiti- 
schen  Liturgie  wiederkehrende  Phrase  im«  mrr  'ürhtk  mm  b^irw^  po«^ 
sein.^    Num.  6'^  schreibt  der  hebr.-samar.  Text  voll  '^atlfat  aus. 


m. 


Hohe:  16cm;  Breite:  45cm;  BnchstabenbOhe :  3*5;  dreizeilig. 

•«rinn 'Kl  :'?''y  trr 


Jahwe  wird  für  euch  streiten,  ihr  aber  sollt  euch  still  verhalten; 
meine  Stärke  und  mein  Lobgesang  (ist  Jah) ;  denn  er  war  mein  Erretter. 
Er  ist  mein  Gott;  darum  will  ich  ihn  preisen  —  mein  väterlicher  Gott, 
darum  will  ich  ihn  hoch  rfihmen. 

Die  erste  Zeile  entspricht  Ex.  14^^,  die  übrigen  Ex.  15  ^ 
In  Ex.  14  **  hat  unser  Text  ptE^nnn  vollkommen  ausgeschrieben^' 


'  S.  Rappoport,  1.  c.  8.  48. 

*  Nach   der   ersten  Regel  (Jesenius,   1.  c.  S.  26;    genau  so  bei   Margah; 

M.  Heidenheim,   Der  Kommentar  Margahs  des   Samaritaners,   Weimar 

1896,  S.  80  (p.  170"). 

2» 


I.  Abhandlung:    Mnsil. 


wogegen  im  massoretischen  das  ^  fehlt.  In  Ex.  15  *  steht  in  der 
Polyglotta  Londonensis  ^at  •  A^^^t  wie  im  massoretischen  Texte^ 
wogegen  Petermann^  ♦rr*'»nnbn  lesen  will  mid  Margah  ♦m^TTTöT  hat.* 


IV. 


H()he:  16cm;  Breite:  42cm;  BnchstabenhOhe :  3cm;  dreizeilig. 

•  lew :  rr  :  03  :  a:  j  IT 

:  -ipiö  *  31» :  .T  •  "j-iK 

:  p*? :  "in  ♦  "^p  *  önjm  :  k 

•  iett> :  mrr. :  nünhi^^ :  nis^ :  nirr 
fli-irip*3^tt>:nirr*^;'T>$ 

Jahwe  ist  ein  Eriegsheld;  Jahwe  ist  sein  Name.  0  Herr,  Jahwe, 
laß  ab  von  deinem  heftigen  Zorne  und  laß  dich  das  Unheil  deines  Volkes 
gereuen  I 

Die  erste  Zeile  stammt  ans  dem  hebräisch-samaritanischen 
Texte  Ex.  15 ',  wo  der  massoretische  Text  nt^rht^  «>■'«  liest.  Die 
Samaritaner  nahmen  Anstoß  an  dem  i^*M  ,qaod  de  summo  na- 
mine  non  satis  ösoxpexüx;   dictum  videbatur*,*  und  vertauschten 

^  H.  Petermann,  Versuch  einer  hebräischen  Formenlehre  nach  der  Aus- 
sprache der  heutigen  Samaritaner,  Abhandlungen  fQr  die  Kunde  des 
Morgenlandes,  V.  Band,  Nr.  1,  Leipzig  1868,  S.  25. 

■  L.  c.  8.38,63  (p.  53«,  74«). 

'  G.  Gesenius,  1.  c.  S.  59;  S.  Kohn,  Die  samaritanische  Pentatenchttber- 
setzung  nach  der  Ausgabe  von  Petermann  und  Völlers,  ZDMG,  47.  B., 
Leipzig  1893,  S.  661. 


Stoben  BABiarituiitelie  iDsehriftoi  »ns  Damasku. 


es  mit  *ni3^.^  Margah  fUhrt  diese  Stelle  ebenso  an.'  Hiermit 
stimmt  übrigens  überein  sowohl  Raschi  (yo3h  vrnh  n^i),  als 
auch  Eben  Ezra,  welcher  biro3  zum  Vergleiche  heranzieht. 
Die  Psittä  hat  auch  )f^^  und  die  Versio  Samaritana  der 
Londoner  Polyglotte  ebenfalls.  In  der  Petermannschen  Aus* 
gäbe*  steht  dagegen  cnvt-cn)  und  nur  C  hat  (1.  -atamic).  Das- 
selbe stamic  mit  ">  hinter  y  lesen  wir  auch  auf  einer  samarita- 
nischen  Inschrift  aus  Amw&s/  wo  diese  ganze  Phrase  wieder- 
kehrt. Die  ersten  zwei  Worte  der  zweiten  Zeile  wurden  frei 
eingereiht;  die  übrigen ^  aus  Ex.  32^*  entnommen,  kommen 
sowohl  in  der  samaritanischen  als  auch  in  der  karaitischen 
Liturgie  vor.^ 


V. 


Höbe:  18cm;  Breite:  43 cm;  BachstabenhOhe :  2*5 cm;  dreizeilig. 

n : 3 : 3  : a  : 33 : 3  : 3  : an*  1 : a"? 
31 :  p :  3 :  bS  :  1 :  ••  *  ^p :  •? :  pi 
:  p :  ö  *  Bpirn :  3i :  n3 :  ö  *  "jp 

:  n:a3 :  'T^^^^ :  a?  ♦  finsT!  t  T^^*? 


^  H.  Petermann,  1.  c,  8.  252  •fla'a. 

»  L.  c,  8.  38,  44,  53  (p  63«,  62«,  74«). 

'  H.  Petermann,  Pentatenchos  Samaritanas,  Berolini  1872  sq. 

*  M.  J.  Lagrange,  Inscription  Samaritaine  d'Amwas,  Revue  biblique.  Paris 
1893,  8.  144  ff. 

*  Vgl.  Rappoport,  1.  c,  8.  49. 


8  I.  AklHDdlaac:    Mniil. 

[Auch  sollst  du  sie  einschärfen]  deinen  Kindern  und  von  ihnen 
reden,  wenn  du  im  Hanse  weilst,  wenn  du  dich  auf  Beisen  befindest, 
wenn  du  dich  niederlegst  und  wieder  aufstehst.  Du  sollst  sie  als  ein 
Zeichen  auf  deine  Hände  binden  und  als  Stirnbänder  zwischen  den  Augen 
haben  und  sollst  sie  auf  die  Pfosten  deiner  Häuser  und  an  deine  Tore 
binden. 

Blicke  herab  von  deiner  heiligen  Wohnung  . . . 

Nach  der  ersten  Abkürzung  :nb  hat  der  Steinmetz  einen 
Fehler  begangen.  Hinter  dem  X  ^  ^  hat  er  ganz  genau  ein 
£^  =  ^  begonnen ,  fUhrte  den  Kopf  vollkommen  aus ,  da  er 
aber  den  Raum  schlecht  berechnet  hatte^  blieb  für  den  vertikalen 
Schaft  kein  Platz  und  er  brachte  aus  dem  horizontalen  Schafte 
nur  den  dickeren  (Schaft)  Abschluß  in  der  Form  eines  Punktes 
fertig. 

Dieser  Inschrift  scheint  eine  andere  vorausgegangen  zu 
sein,  welche  das  Gebot  der  Liebe  enthielt  und  wohl  mit  dem 
Worte  Dri9|Vh  schloß.  Die  Abkürzungen,  die  letzten  drei  aus- 
genommeu;  entsprechen  vollkommen  dem  hebräisch-samaritani- 
sehen  Texte  Deut.  6  ^*  ^-  ^.  Das  erkennen  wir  aus  dem  Mangel 
des  1  vor  ^nsbn  und  *]a3vn,  so  daß  wir  dann  dementsprechend 
Deut.  6  ^  n'^an  (LXX  iv  oixo))  schreiben  und  nicht  nach  dem 
massoretischen  Texte  ^n'•M;  6®  plur.  ^n"»  anstatt  'yv  (LXX  t^? 
X6tp6(;  <7ou),  mtoob  anstatt  der  defektiven  Schreibung  ntotelob; 
6*  gegen  die  allgemeine  RegeP  nnrö  flir  mnö  und  plur.  yt)^ 
anstatt  sing.  •]n''a  mit  der  versio  samaritana  JtmAa,  PSiJtä  t^^^ 
und  LXX  T(5v  otxicdv  ufAcov. 

Die  letzten  drei  Worte  stammen  aus  Deut.  26  **  und 
zwar  wieder  aus  dem  hebräisch -samaritanischen  Texte,  wo 
gegen  die  allgemeine  Regel,  ebenso  wie  in  unserer  Inschrift 
^pwn  anstatt  nfc^pm  steht. 


^  G.  Gesenius,  1.  c,  S.  26. 


Sieben  suuriteniiolie  Infehrifleii  mb  Daauwkiis. 


VI. 


:i«:rp*m3P 

:^:ni,T/ni;¥^ 

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lan  •  nij 

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♦  nbtt^o 

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♦-13 

*^13 

3 

9 

K 

ry$ 

b  £>^,4 


Hechtwinkligefl  Dreieck;  Hohe:  36 em;  Breite:  29 cm;  BnchstabenhOhe : 

±  2em'j  achtzeilig. 

Möge  Jahwe  dich  von  Segen  begleiten  lassen  in  deinen  Speichern 
and  bei  allem,  was  deine  Hand  unternimmt,  und  dich  segnen  in  dem 
Lande  •  •  • 

EIntnommen  ans  dem  hebräisch -samaritanischen  Texte 
Deut.  28  ^j  wie  uns  gleich  das  erste  vollkommen  ausgeschriebene 


10 


I.  Abhandlang:    Katil. 


Wort  '^i'Caat  bezeugt.  Die  Massoreten  schreiben  lar,  wogegen 
die  Samaritaner  bei  den  T\"h  durchwegs  die  scriptio  plena  an- 
wenden.^ Darnach  steht  ^&'*Dlo  gegen  das  richtige  massoretische 
T'öDlo  und  plur.  yn^  gegen  ^t  (LXX  ttjv  x^ipd  cjou). 


vn. 


-  '^  T  T  I 


:  p3 :  ,T 

«  •  t 

:3 

im 

K 

Q?^ 

Rechtwinkliges  Dreieck;  Höhe:  36cm;  Breite:  29cm;  Bachstabenhöhe: 

:!:  2  cm;  achtzeilig. 


^  G.  Qesenins,  1.  o.,  S.  27. 


Sieben  Munaritenieche  loBohriftea  »os  DamMkat.  11 

Damit  alle  Völker  der  Erde  seben,  daß  du  nach  dem  Namen  Jahwes 
genannt  bist,  und  sich  vor  dir  fürchten  alle  Menschen. 

Bildet  wohl  die  Fortsetzung  der  vorhin  angeführten  In- 
schrift Nr.  6,  stammt  y  die  letzten  zwei  Woiie  ausgenommen, 
aus  Deut.  28  ^^  und  zwar  wieder  genau  nach  dem  hebräisch- 
samaritanischen  Texte,  wie  die  fünfte  Zeile  zeigt.  Die  Abkürzung 
aian:  entspricht  nämlich  vollkommen  der  Schreibung  tA^^ormt,^ 
für  welche  die  Massoreten  imti  setzen. 

Dem  Inhalte  nach  dürfen  wir  wohl  sagen,  daß  unsere 
Inschriften  samaritanischen  Perikopen  v^iDpbM  =  <^>kA3\  ent- 
sprechen. 

Einzelne,  aus  verschiedenen  Stellen  des  Pentateuch  zu- 
sammengesetzte l^atafs  wurden  vorgelesen,  und  die  Vorlesung 
durch  einzelne  Strophen  liturgischer  Gedichte  unterbrochen.* 
Wir  können  annehmen,  daß  die  gebräuchlichsten  I^atafs  ab- 
gekürzt an  den  Wänden  der  Bethäuser  angebracht  waren,  um 
von  den  Gläubigen  leicht  rezitiert  werden  zu  können.  Dann 
dürfte  das  alte  Haus,  in  welchem  unsere  Inschriften  gefunden 
wurden,  entweder  ein  altes  samaritanisches  Bethaus  oder  aus 
dessen  Baumaterial  aufgeführt  sein.  Dieser  Schluß  wird  ge- 
rechtfertigt sowohl  durch  die  anderweitig  historisch  bezeugte 
E^stenz  einer  samaritanischen  Gemeinde  in  Damaskus,  welche 
noch  im  12.  Jahrhunderte  litterarisch  tätig  war,^  als  auch  durch 
die  lokale,  wenn  auch  verfUrbte  Überlieferung,  wie  sie  in  dem 
Briefe  des  Herrn  Xanthopulos  zum  Vorschein  kommt. 

*  Margah,  1.  c,  8.  87  (p.  183»). 

'  Vgl.  S.  Eohn,  Zur  Sprache,  Literatur  und  Dogmatik  der  Samaritaner, 
Leipzig  1876,  6.  93. 

'  Vgl.  M.  Heidenheim,  Deutsche  Yierteljahrschrlft  für  englisch-theologische 
Forschung  und  Kritik,  Gotha  1860,  S.  87:  ,(In  Damaskus  im  Jahre  1516) 
ebenso  war  ihre  Sjnagoge  sehr  schOn  und  mit  vielen  vergoldeten  Buch- 
staben verziert,  was  wahrscheinlich  Gebetstücke  waren  .  .  .*/  S.  417 
wird  im  Ordo  precum  pro  mortuis  Samaritanis  die  samarltanische  Ge- 
meinde in  9*^1Si^  erwähnt;  S.  Kohn,  Die  samaritanlsche  Pentateuch- 
übersetzung  ZDMG,  Leipzig  1893,  S.  635;  A.  Neubauer,  Chronique  Sa- 
mariUine,  JA.  Paris  1869,  S.  411,  417,  420. 

Ol  mutz,  am  13.  Juni  1902. 


11.  AbhandloBg:    SaemftlUr.  Zw  Kritik  der  KftnigBfelder  Chronik. 


II. 


Zur  Kritik  der  Königsfelder  Chronik. 


Von 

Josef  Seemüller. 


lext-  und  QaellenuntersuchuDgen^  die  ich  fiir  die  so- 
genannte Hagensche  Chronik  anstellte ,  nötigten  mich,  die  Be- 
schaffenheit der  von  Martin  Gerbert  1772  and  1785  (s.  Lorenz, 
Geschichtsqnellen'  I,  268)  veröffentlichten,  mit  den  Worten 
Von  dem  Ursprung  der  du/rlüchtigen  fürsten  von  österrich 
vahet  die  an  beginnenden  deutschen  Chronik  einer  selbständigen 
Prüfung  zu  unterziehen.  Ich  lege  ihre  Ergebnisse  vor,  weil 
Überlieferung  und  Geschichte  dieser  Quelle,  so  oft  sie  in  der 
Frage  nach  der  ,Habsburger  Chronik  Heinrichs  von  Klingen- 
berg^  herangezogen  worden  ist,  systematisch  noch  nicht  ins 
Auge  gefaßt  wurden  und  die  vom  Standpunkte  des  Philologen 
gefiihrte  Untersuchung  auch  dem  Historiker  willkommen  sein 
dürfte. 

I. 

Das  Werkchen  geht  unter  dem  Namen  Eönigsfelder 
Chronik  oder  Chronik  des  Clewi  Fryger.  Schon  dieser  zweite, 
häufiger  gebrauchte  Titel  hat  keine  rechte  Gewähr. 

Wir  wissen  über  die  Handschrift,  aus  der  wir  den  Text 
kennen,*  nicht  mehr  als  das  Wenige,  das  Gerbert  im  Vorwort 
zum  Abdrucke  mitteilt.  Sie  trug  (Gerbert  112f.)  am  Schlüsse 
den  Vermerk:   Item  dis  huoch  von  der  herschaft  von  Oesterich 


^  Ich  zitiere  im  folgenden   nach  dem  Abdruck    von    1786:    Crypta   San- 
Blasiana  nova  S.  87  ff. 
Sitsnngsber.  d.  p]iU.-büt.  Kl.  CXLYII.  Bd.  S.  Abh.  1 


2  11'  Abliaii41img:    SaemftlUr. 

Vrsprung  wart  geschriben  an  der  necheten  mitwochen  vor  dem 
sunnentag  in  der  Vasten  als  man  singt  in  der  heiligen  Kristenheit 
Oculiy  ah  man  zalt  von  Cristus  gepurt  M^CCCC^XXXXII  Jar^ 
darunter:  Clewi  Fryger  von  Waltzhuot  Lermeyster,  An  nnd 
für  sich  schon  ist  daraus  nur  zu  schließen,  daß  die  Handschrift 
am  28.  Februar  1442  vollendet  wurde,  vielleicht  noch,  daß  sie 
von  dem  Schulmeister  Clewi  Fryger  v.  W.  geschrieben  ist  (die 
Unterschrift  könnte  aber  auch  nur  auf  den  Besitzer  gehen). 
Derjenige,  der  das  Schlußdatum  schrieb,  hat  den  Text  keines- 
wegs verfaßt:  er  nennt  das  Werk  dis  buoch  von  der  herschaft 
von  Oesterich  vrsprung,  triflft  damit  nur  einen  Teil  des  Inhaltes 
und  hat  den  Titel  jedesfalls  nur  aus  der  Überschrift  zu  Beginn 
des  Textes  geschöpft,  die  ihrerseits  wieder  nach  den  darauf- 
folgenden Eingangsworten  gestaltet  ist  und  nichts  anderes  als 
den  Inhalt  des  Anfangsteiles  bedeutet.  Die  jüngsten  Nach- 
richten ferner,  die  der  Text  bringt,  reichen  bis  141 1  (und  diese 
selbst  sind  jüngerer  Zusatz),  so  kann  denn  auch  in  dieser  Hin- 
sicht schon  die  Unterschrift  von  1442  nichts  mit  der  Abfassung 
des  Textes  zu  tun  haben.  So  hielt  denn  mit  Recht  der  erste 
Herausgeber  den  Clewi  Fryger  nicht  fUr  den  Verfasser,  er  sah 
in  ihm  den  Abschreiber  und  wollte  ihm  nur  die  Einfügung 
der  (den  Nachtrag  einleitenden)  Notiz  über  die  Gründung  von 
Waldshut  zusprechen  —  aber  auch  diese  kann  nicht  ihm  an- 
gehören, weil  ein  Stück  in  ihr  mit  dem  Vorhergehenden  (S.  90, 
Z.  lOff.)  sich  direkt  berührt. 

Die  Neueren  (vgl.  Lorenz  a.  a.  O.,  Vildhaut,  Handb.  d. 
Quellenkunde  II,  268)  betrachten  Clewi  Fryger  allerdings  nur 
als  den  Verfasser  des  uns  bei  Gerbert  überlieferten  Textes  und 
sehen  diesen  als  von  ihm  verfertigten  Auszug  aus  einem  ver- 
lorenen Original  an.  Die  Fragen,  ob  Gerberts  Text  ein  Auszug 
sei  und  ob  Clewi  Fryger  diesen  gemacht  habe,  sind  aber  ganz 
unabhängig  von  einander  und  eine  bejahende  Beantwortung 
der  zweiten  kann  sich  auf  nichts  anderes  als  jene  Unterschrift 
stützen.  Will  man  denn  seinen  Namen  für  die  Bezeichnung 
des  Werkes  beibehalten,  so  vergesse  man  nicht,  daß  mit  einiger 
Wahrscheinlichkeit  nur  das  Verdienst  der  Überlieferung  damit 
gewürdigt  wird.  WissenschaftHch  allein  berechtigt  und  keinerlei 
Mißverständnis  ausgesetzt  ist  nur  der  aus  Entstehung  und 
Inhalt  des  Werkes  geschöpfte  Name  Königsfelder  Chronik. 


Zar  Kritik  d«r  Kftnigvtaldar  Chronik.  3 

Daß  der  Qerbertsche  Text  Aaszug  aus  einem  umfang- 
reicheren Ganzen  sei,  nimmt  man  auf  Grund  der  Einleitung 
an:  dort  heißt  es,  daß  das  Buch  zwei  Teile  habe,  der  erste 
reiche  vom  Beginn,  das  ist  dem  Jahre  1251,  bis  zur  Gründung 
von  Eönigsfelden  und  zähle  30  Kapitel,  der  zweite  handle 
von  Frau  Agnes  und  habe  31  Kapitel.  Man  rechnete  nun  die 
Kapitel  nach  den  vorhandenen  Überschriften  und  konnte,  wenn 
man  bis  zur  dreißigsten  zählte,  immerhin  (da  ja  weder  im  Text 
noch  durch  eine  Äußerlichkeit  scharfe  Abgrenzung  der  zwei 
Teile  gegeben  ist)  sich  zu  Anfang  des  zweiten  Teiles  wähnen; 
in  dem,  was  noch  blieb,  waren  aber  bei  weitem  nicht  mehr 
31  Überschriften  und  auch  im  ersten  Teile  war  der  Inhalt 
mancher  ,Kapitel'  ,bis  auf  wenige  Worte  zusammengedrängt' 
(Lorenz  I,  268,  Anm.  1). 

Aus  den  Überschriften  in  unserem  Text  läßt  sich  aber 
nichts  schließen.  Von  den  40  vorhandenen  sind  wenigstens 
18  aus  den  Anfangsworten  des  Abschnittes  mechanisch  ab- 
strahiert, ohne  Rücksicht  darauf,  ob  sie  zum  ganzen  Inhalt 
des  folgenden,  ja  ob  sie  überhaupt  passen.  So  beginnt  der 
Abschnitt,  der  auf  den  Titel  Nr.  6  (S.  90):  Wie  kung  RtLodolff 
erweit  wart  folgt,  mit  den  Worten  Do  kilng  Ruodolff  erweit 
wart  .  .  .,  handelt  aber  von  seiner  Krönung;  oder  Titel  Nr.  29 
(S.  100)  Frow  Elizabeth  was  kiingin  stammt  ans  dem  Kapitel- 
anfang: Frow  Elysabeth  Römsche  küngin  was  do  ,  .  .  ze  Rin- 
velden^  der  Abschnitt  selbst  handelt  aber  größtenteils  vom 
Schicksal  Walthers  von  Wart;  oder:  der  Titel  Nr.  2  heißt 
schlankweg  Ein  Bischoff  was  (S.  88,  zum  Kapitelanfang:  Ze 
den  selben  ziten  was  ein  bischoff  ze  Basel),  u.  s.  w.  In  drei 
Fällen  erkennt  man  dabei,  daß  der  Kapitelanfang,  aus  dem 
der  Schreiber  seine  neue  Überschrift  nahm,  selbst  ein  älterer 
Titel  war  (Nr.  35,  S.  106,  neuer  Titel:  Wie  die  küngin  gen 
Küngsvelden  kam,  Anfang:  Wie  die  küngin  von  Vngem  gen 
Küngsvelden  kam.  Do  nu  frow  Angnes  . . .;  ähnlich  Nr.  1,  S.  87; 
Nr.  5,  S.  90:  Von  VI.  Töchtern,  Anfang:  Das  vierde  Cappitel 
seit  von  VI.  Töchtern,  die  gebar  im  sin  Gemahel.  Die  erst 
hiess . . ,).  Nr.  28^  S.  99:  Aber  von  kiingin  und  küng  Albrecht 
paßt  nur  halb,  da  dort  bloß  von  Albrecht  geredet  wird. 
Auch  die  Mehrzahl  der  übrigen  ist  so,   daß  sie  von  derselben 

mechanisch  arbeitenden  Hand  hergestellt  sein  können. 

1» 


4  n.  Abbaadlmig:    8««mülUr. 

Der  heutige  Tatbestand  an  Überschriften  lehrt  also,  daß 
die  Mehrzahl  unecht  und  jungen  Ursprungs  ist,  daß  aber  in 
der  Vorlage  unserer  Kopie  einige  Überschriften  vorhanden 
waren ,  die  sich  noch  erkennen  lassen.  Nr.  5  unter  den  drei 
oben  genannten  Fällen  ist  besonders  lehrreich :  man  muß  daraus 
vermuten,  daß  schon  die  Vorlage  in  der  Einleitung  auf  die 
Zahl  der  ,Kapitel^  für  jeden  der  beiden  Teile  hinwies,  denn 
die  Bezeichnung  des  Abschnittes  Von  VI.  Töchtern  als  Das 
vierde  Cappitel  stimmt  nicht  mit  der  heute  überlieferten  Ein- 
teilung,  in  welcher  er  die  fünfte  Überschrift  trägt,  und  erweist 
sich  durch  die  Vereinzelung  dieses  Eingangs  als  älter. 

Wenn  aber  die  heute  noch  erkennbaren  Spuren  nur  auf 
das  Vorhandensein  einzelner  Überschriften  in  der  Vorlage 
hinweisen,  ja  deren  Allgemeinheit  ausschließen,  so  wird  ferner 
wahrscheinlich,  daß  die  Gliederung  der  zwei  Teile  in  eine  be- 
stimmte Anzahl  von  Kapiteln  nur  der  Willkür  eines  Jüngeren 
entsprang,  der  in  seiner  Vorlage  Überschriften  der  Hauptteile 
und  innerhalb  derselben  etwa  rubrizierte  Absätze  vorfand  und 
nach  diesen  seine  Kapitelzahlen  konstruierte,  Überschriften  für 
jedes  , Kapitel  beabsichtigte,  aber  nur  einige  ausführte.  Vgl. 
dazu  unten  S.  47  f. 

Ist  dem  so,  so  kann  jene  Kapiteleinteilung,  kann  auch 
der  Umstand,  daß  einzelne  ,Kapitel^  (besser  Absätze)  nur  wenige 
Zeilen  umfassen,  nichts  für  die  Annahme  beweisen,  daß  der 
uns  vorliegende  Text  ein  Auszug  aus  einem  vollständigeren 
Werke  sei. 

Seit  aber  F.  Mayer  (Archiv  f.  öst.  Gesch.  LX,  316)  Be- 
nützung der  Königsfelder  Chronik,  beziehungsweise  ihrer  Quelle, 
im  sogenannten  Hagen  nachgewiesen  hat,  schien  die  Annahme, 
daß  unser  Text  aus  einem  größeren  Ganzen  stamme,  durch 
innere  Gründe  gestützt.  Was  er  und  der  ,Hagen'  gemeinsam 
haben,  zeigt  aber  ein  wechselndes  Bild:  hier  ist  der  Ebtgen 
ausführlicher  (Anekdote  vom  Priester  mit  dem  Sakrament,  dem 
der  Graf  von  Habsburg  sein  Pferd  leiht;  Abschnitt  von  König 
Friedrich  dem  Schönen  und  Ludwig  dem  Bayer;  Erwerbung 
Tirols  durch  Herzog  Rudolf;  Abschnitt  über  Albrechts  Tochter 
Elisabeth  u.  s.  w.),  dort  hat  die  Königsfelder  Chronik  mehr 
(in  der  Einleitung  zum  Abschnitt  von  König  Friedrich  dem 
Schönen  [über  seine  Wahl],  im  Abschnitt  über  Leopold  [Kämpfe 


Zu  Kritik  der  KttnigsfeldM  Chronik.  5 

gegen  Ludwig  den  Bayer],  über  Albrecht  den  Lahmen  [Zürich], 
n.  8.  w.,  besonders  an  vielen  Orten  der  speziellen  Königsfelder 
Geschichten);  in  anderen  Stellen  stimmen  sie  wieder  fast  wört- 
lich überein  (Taten  Radolfs,  die  an  die  Aufzählung  seiner 
Töchter  angehängt  sind,  Eingang  zum  zweiten  Absatz  im  Ab- 
schnitt von  König  Adolf,  öfters  in  den  genealogischen  Nach- 
richten über  die  Nachkommen  König  Albrechts).  An  Stellen, 
die  an  und  für  sich  gewiß  verwandt  sind,  gehen  sie  in  Einzel- 
heiten charakteristisch  aaseinander;  ein  bezeichnendes  Beispiel 
ist  Königsfeld,  S.  102,  so,  Hagen  Pez,  Script.  I,  1136,  öo.i 


K 

Do  man  wart  graben,  do 
v^and  man  wunderlich  gestein 
von  varben  und  von  gehöwem 
estrich  von  frömdem  werk,  das 


n 

Damach  wurden  in  der  grunt- 
feste  fundcn  manigerlay  staine 
und  stükche  zu  ainem  zaichen, 
das  daselbst  vor  was  gestanden 


man    in    der    Cristenheit    nit  |  gar  ain  herleiches  paw,  des  nie- 


spulget  ze  machen,  guldin  und 
silbrin  pfening,  die  do  höpter 
hattent  mit  binden  als  heyden 
tragent. 


man  gedenkchet,und  wurden  da 
auch  guidein  phenning  funden, 
die  mit  Neronis  und  Constanti 
obschrift  waren  bezaichent. 


All  das  verbietet,  die  Beziehungen  des  Gerbertscben 
Textes  (K)  zu  der  Vorlage,  die  das  ihm  und  dem  Hagen  Ge- 
meinsame enthielt  (*K),  durch  die  Formel,  er  sei  ein  Auszug 
aus  ihr,  für  erschöpft  oder  auch  nur  teilweise  richtig  bezeichnet 
zu  halten.  Beobachtet  man  außerdem,  daß  K  viele  selbständige 
und  abgerundete  Motive  enthält,  die  H  nicht  hat  (Heinrich 
von  Isnys  Beichttochter,  Ottokar  von  Böhmen  und  der  Klarissen- 
orden, das  Reliquien  wunder  S.  91,  Herzog  Albrecht  der  Lahme 
und  der  Wiener  Bürger,  St.  Ludwigs-Reliquien,  zahlreiche 
Personalien  und  Sachlichkeiten  aus  Königsfeld,  weltliche  und 
geistliche),  ferner  daß  K  zuweilen  ein  Mehr  von  rein  stilistischen, 
schildernden  Elementen  zeigt  (S.  88,  nff.;  S.  105 f),  so  wird 
man  den  Gerbertschen  Text  als  selbständigen  Ausläufer  der 
gemeinsamen  Vorlage  ansehen  müssen,  wird  ihn  nicht  von 
vorneherein  als  systematischen  Auszug  aus  ihr  betrachten  dürfen 


^  Ich  gebe   den  Wortlaut  der   Hagenzitate   nach   meinen    Vorarbeiten   zur 
Aasgabe. 


6  U.  Abhudlmig:    S«eniflller. 

und  ohne  eine  solche  einschränkende  Voraussetzung  an  seine 
Kritik  gehen. 

Schon  Gerbert  hat  richtig  erkannt,  daß  mit  dem  Schloß 
der  Erzählung  von  Königin  Agnes  und  seinem  Amen  S.  110 
das  Ende  des  vorhergehenden  Ganzen  bezeichnet  ist  und  daß 
die  noch  folgenden  annalistischen  Notizen  jüngerer  Zusatz  sind. 
Sie  betreflfen:  I.  Die  Gründung  von  Waldshut,  an  die  eine 
Übersicht  über  Rudolfs  I.  Regierung  geschlossen  ist,  zuerst 
lateinisch,  dann  deutsch.  Eine  Stelle  darin  berührt  sich  wört- 
lich mit  der  vorher  S.  90  an  die  Nennung  der  Töchter  Rudolfs 
gefügten  Aufzählung  von  Taten  des  Grafen  und  Königs.  Sie 
kann  aber  nicht  aus  dieser  selbst  geschöpft  sein,  weil  sie  mehr 
enthält  und  von  den  Taten,  die  Rudolf  als  König  vollführte, 
gerade  das  nicht  bringt,  was  im  Vorhergehenden  in  der  Nennung 
von  Bisuntz  S.  91  gegeben  war.  2. — 6.  Notizen  über  die  Tei- 
lung zwischen  Albrecht  und  Leopold  ,1378',  Leopolds  Tod  1386 
und  den  Kampf  in  Glarus  (Näfels)  im  ,nächsten  Jahre',  Albrechts 
Tod  1395^  Leopolds  III.  Söhne,  insbesondere  Leopold,  aus  dessen 
Leben  auch  datierte  Einzelheiten  zu  1395,  1400,  1411  gebracht 
werden.  7.  Gefangennehmung  des  ,Herzogs  von  Burgund'  (Jo- 
hanns von  Nevers)  1396,  in  der  heydenschaft  (Schlacht  bei 
Schiltarn).  8.  Vom  kalten  Winter  1408  (Gegend  von  Rhein 
und  Aar).  9.  Von  der  Niederlage  der  Lütticher  gegen  Johann 
von  Burgund   1408  (gemeint  ist  die  Schlacht  bei  Oth^e). 

In  diesem  Gemenge  tragen  die  Noten  2 — 6  einheitlichen 
Charakter  und  sehen  wie  eine  Fortsetzung  der  im  ersten  Teile 
des  vorhergehenden  Ganzen  enthaltenen  genealogischen  Mit- 
teilungen aus.  Aber  wir  merken  an,  daß  der  Annalist,  der 
den  Tod  Leopolds  IIL  eintrug,  von  seinem  Begräbnis  in  Königs- 
felden  nichts  sagt.  Der  Ursprung  der  Aufzeichnung  wird 
also  wohl  an  einem  anderen  Orte  zu  denken  sein,  keinesfalls 
aber  weit  davon,  wie  Notiz  8  lehrt,  vielleicht  in  Waldshut, 
wegen  der  Notiz  Nr.  1  und  weil  der  Waldshuter  Clewi  Fryger 
1442  eine  Abschrift  herstellte  oder  herstellen  ließ  oder  im 
Besitze  einer  solchen  war. 

Auf  das,  was  diesem  Anhange  vorausgeht,  paßt  nun  der 
in  den  ersten  Textzeilen  (S.  87)  enthaltene  Titel:  dds  huck 
von  dem  Ursprung  der  durlilchten  fürsten  von  OesteTrich  und 
von  der  gestifte  ze  Küngsvelden  .  .  .     Und  zu   diesem  Titel  wie 


Zu  Kritik  d«r  K«iii«tf«ldtt  Chronik.  7 

zum  tatsächlichen  Inhalt  stimmen  auch  die  nachfolgenden  Worte: 
und  de(8)    buchs    sint  zwey  teil.     Der  Unterschied   der   zwei 
Teile  ist  angenfkUig:   der  zweite  hat  nur  zwei  Hauptpersonen, 
Albrechts  Witwe  Elisabeth  and  seine  Tochter  Agnes,  die  ver- 
witwete Königin  von  Ungarn.     Jene  tritt  hervor  als  die  Grün- 
derin des  Klosters,  von  anderen  Erlebnissen   oder  Handlangen 
der  Fürstin   wird   nur  wenig  erzählt;   diese  erhält  eine  eigent- 
liche   Biographie,    von    ihrer    zu    persönlichster    Frömmigkeit 
neigenden  Jagend  ab,   über  ihre  Ehe  mit  König  Andreas  and 
ihre  Witwenschaft  hin  bis  za  ihrem  Leben  inmitten  der  Brüder 
and    Schwestern    von    Königsfeld    and    ihrem    Tode    daselbst. 
Diese  chronologische  Grandlage  der  Erzählang  ist  vollkommen 
klar.     Der   Verfasser  will   zasammenhängend  und  abgerundet 
darstellen;   dabei   leitete  ihn   der  Stoff  selbst,   anfangs  und  am 
Ende,  bequem  und  sicher  genug.    Mehr  aus  Eigenem  hatte  er 
aber  im  Hauptteile  —  vom  fromm-seligen  Leben   der  Königin 
in  Königsfeld  —  hinzuzutun.     Er  beginnt  mit   ihrer  Ankunft, 
dem  kleinen  Bau,  den  sie  sich  aufführt,   der  Aufzählung  ihrer 
Beichtväter.     Hierauf  ihre  Kleidung,   ihre  Tagesordnung,   ihre 
Lebensweise.     Hier   unterbricht   —  ohne   engeren  Zusammen- 
hang  mit   dem  Vorhergehenden  oder  Folgenden   —  eine  Pro- 
phezeiung, die  sie  zu  ihres  Vaters  Lebzeiten  über  ihre  künftige 
Wohnstätte  erhielt,  den  geraden  Fortgang  der  Erzählung.    Es 
folgen  ihre  Werke  der  Barmherzigkeit,  Sittliches  und  Mystisches 
in  ihrem  Verhältnis  zu  Christus.     Bis  hierher  ist  der  Stoff  des 
Hauptteiles  ziemlich  gut  gegliedert  und  übersichtlich,  die  zahl- 
reichen  Einzelheiten   sind   geordnet,  ja   man   kann   von   einer 
Steigerung  in  der  Folge  der  Gnippen  reden,   indem   der  Ver- 
fasser  zuletzt  ins  innerste   religiöse  Gemütsleben    der  Frau  zu 
schauen   suchte.     Von   da  ab   (S.  109)   zerfällt  sein  Bericht  in 
Details,  Nachträge,   bis  er  in  der  Erzählung  von  Agnes'  Tode 
wieder  zu  rundem  Abschluß  gelangt. 

Diesem  zweiten  Teile  mit  seinen  zwar  bescheidenen,  aber 
immerhin  vorhandenen  schriftstellerisch  darstellenden  Eigen- 
schaften und  seinen  Anklängen  an  die  Phraseologie  der  Mystik 
{bilder  —  , Vorbild'  —  der  tieffen  luterkeit  107,  1;  geworten 
—  ,in  Worte  fassen'  —  108,  30;  die  fründ  gottee  HO,  l) 
steht  der  erste  gegenüber,  der  vorwiegend  genealogischen  Inhalt 
hat  und   allerdings   dadurch  schon  auf  andere  Stilmittel  ange- 


8  U.  AbhudloDg!   SeemftlUr. 

wiesen  war.  Aber  auch  hier  werden  Charakteristiken  einzelner 
Personen  versucht  and  erzählende  Bestandteile  eingemischt, 
doch  weder  in  jenen  noch  in  diesen  tritt  nähere  Verwandtschaft 
mit  vergleichbaren  Partien  des  zweiten  Teiles  hervor. 

Wie  dieser  zweite  Teil  seine  Einheit  in  der  Beziehung 
der  zwei  Hauptpersonen,  Elisabeth  und  Agnes,  auf  Rönigsfeld 
hat,  so  hat  sie  der  erste  durch  den  Gedanken  der  Geschichte 
des  Hauses  Osterreich:  er  ist  vorwiegend  eine  Genealogie  der 
Habsburger  von  Rudolf  ab.  Er  setzt  mit  Eonrad  IV.  ein, 
geht  über  Heinrich  Raspe  und  Wilhelm  von  Holland  zur  Wahl 
Rudolfs,  verweilt  bei  ihm,  erzählt  seinen  Tod,  hierauf  die  Wahl 
und  Regierung  Adolfs  bis  zu  seinem  Tod  im  Kampfe  mit  Al- 
brecht, der  nunmehr  König  wird.  Dieses  Stück  ist  vielfach 
von  Stoffen  anekdotenhaften  und  anderen  Inhalts  durchbrochen, 
die  mit  ihrer  Umgebung  nur  in  losem  Zusammenhang  stehen. 
Erst  von  Albrecht  ab  tritt  in  den  ersten  Teil  eine  streng 
planmäßige  Komposition.  Nach  einer  Charakterisierung  der 
Herrschaft  Albrechts  und  seines  Verhältnisses  zum  Papste 
Bonifaz  VIII.  werden  seine  Kinder  aufgezählt,  zuerst  die 
Söhne,  dann  die  Töchter,  bei  jedem  Kinde  sogleich  dessen 
Nachkommenschaft  (falls  eine  solche  zu  erwähnen  war),  das 
Ganze  beschlossen  durch  Wiederaufnahme  der  Erzählung  von 
der  Regierung  Albrechts  und  den  Bericht  von  seiner  Ermor- 
dung und  ihrer  Sühne.  Sowie  die  Genealogie  der  Nachkommen- 
schaft Albrechts  durch  das  sein  Leben  erzählende  Eingangs- 
und Endstück  umschlossen  wird,  so  wird  regelmäßig  auch 
dort,  wo  Nachkommen  seiner  Söhne  zu  nennen  waren,  das 
Stück,  das  von  der  Deszendenz  spricht,  von  zwei  Stücken, 
die  dem  Aszendenten  gewidmet  sind,  umklammert.  So  wird 
Friedrich,  der  zweite  Sohn  Albrechts  genannt,  seine  Gattin, 
von  seiner  Wahl  zum  König  und  von  seinem  Charakter  wird 
geredet,  dann  folgt  die  Nennung  seines  Sohnes  und  seiner 
Töchter,  darauf  wieder  ein  Stück  von  seinen  Taten  und  seinem 
Tod;  ebenso  bei  Leopoldll.,  Albrecht  IL,  Otto.  Der  Bericht 
über  die  Väter  umfängt  also  den  über  die  Söhne.  Ein  Schach- 
telungssystem wird  befolgt,  das  nicht  nach  der  Zeitfolge  der 
Ereignisse,  sondern  nach  diesem  genealogischen  Gesichtspunkt 
sich  richtet.  So  war  S.  92  von  Albrechts  Regierung  die  Rede, 
erst   S.  99   folgt  sein  Tod  1308,   dazwischen  liegen  Ereignisse, 


Zu  Kritik  d«r  Kftnigsfelder  Chronik.  9 

die  yiel  später  vorfielen.  Oder  Albrecht  II.  ist  zuerst  S.  95 
genannt  y  yon  seiner  Regierang  and  seinem  Tod  (1358)  ist 
S.  96.  97  die  Rede^  dazwischen  liegt  die  Regierang  and  der 
Tod  seines  Sohnes  Radolf  IV.  (1365)  and  die  Erwerbang 
Tirols,  a.  s.  w. 

Die  Abstammangsverhältnisse  darzastellen  ist  der  Haapt- 
zweck  dieses  Stückes  von  König  Albrecht  and  seinen  Nach- 
kommen, dabei  sollten  aach  karze  Charakteristiken^  Regierangs- 
handlangen  and  Taten  eingefügt  werden.  Dinge,  die  anßerhalb 
dieser  Gesichtspankte  liegen,  kommen  nar  selten  vor:  bei  Er- 
wähnang  der  Taafe  der  Tochter  Leopolds  IL,  Katharina,  wird 
angemerkt,  daß  am  selben  Tag  and  vom  selben  Bischof  Chor 
und  Kirche  von  Königsfeld  geweiht  warden  (S.  94),  an  den 
Tod  Friedrichs  des  Schönen  wird  ein  knrzer  Abschnitt  über 
Ladwigs  des  Bayers  Streitigkeiten  mit  Rom,  seinen  Tod  und 
seinen  Gegenkönig  Karl  gefligt  (S.  94),  an  die  Heirat  der 
Tochter  König  Albrechts,  Katharina,  mit  dem  Herzog  von 
Kalabrien  ist  eine  Notiz  über  dessen  Vater  Robert  and  Reliquien 
des  heil.  Ludwig  von  Toulouse  (seines  Oheims),  an  die  Regierung 
Albrechts  II.  eine  Elrwähnung  der  zwei  Erdbeben  1348  und  1356 
angeschlossen;  vielleicht  ist  auch  die  auf  den  Tod  derselben 
Katharina  folgende  Notiz  über  Schenkungen,  die  sie  dem 
Kloster  Königsfelden  machte^  hierher  zu  rechnen.  Im  übrigen 
ist  die  Einheit  des  Stoffes  und  seiner  Anordnung  durchaus 
gewahrt. 

Das  Schachtelungssystem  war  von  ganz  besonderem  Vor- 
teil für  den  Anschluß  des  ersten  Teiles  an  den  zweiten :  dadurch, 
daß  auf  die  lange  Reihe  der  Kinder  und  Kindeskinder  Albrechts 
erst  die  Erzählung  von  seinem  Tode  folgte,  konnte  leicht  und 
natürlich  auf  seine  Witwe  und  die  durch  sie  erfolgte  Gründung 
von  Königsfelden  übergegangen  werden.  Die  Wahl  dieser 
Darstellungsform  für  die  zweite  Hälfte  des  ersten  Teiles  ist 
also  wohl  in  direktem  Hinblick  auf  den  zweiten  geschehen. 

Dadurch  ist  aber  noch  nicht  Verschiedenheit  der  Verfasser 
der  zwei  Stücke  ausgeschlossen.  Es  sind  vielmehr  Anzeichen 
vorhanden,  daß  die  Geschichte  von  Albrechts  Stamm  und  die 
speziellen  Königsfelder  Geschichten  nicht  vom  selben  Verfasser 
herrühren.  Wir  sahen,  daß  diesen  —  wenn  auch  in  beschei- 
denem Grade   —  schriftstellerische  Qualitäten  zukommen:  zur 


10  U-  Ablundlwig:    8««mflll«r. 

Gliederung  und  Abrundung  im  Aufbau  tritt  Breite,  Rundung 
und  Wechsel  im  Satzbau.  Dem  steht  im  anderen  StQcke^  und 
zwar  besonders  in  seinen  genealogischen  Hauptbestandteilen, 
aber  auch  in  erzählenden ,  zerhackter  Satzbau  in  Aneinander- 
reihung kurzer,  meist  parataktischer  Glieder  gegenüber  (vgl. 
S.  93,  20  ff.,  S.  94,  10  ff.,  S.  95,  loff.  u.  s.  w.).  Dem  freien  und 
glatten  Gebrauch  des  Personalpronomens  dort  steht  hier  die 
schwerfälligere  und  härtere  Ersetzung  oder  Bestimmung  des 
Nomens  durch  der,  der  selbe,  dirre  gegenüber  (vgl.  S.  92,  28; 
93,  1,  2,  6,  10;  94,  4;  95,  16,  24,  26,  30  u.  ö.).  Der  Verfasser  der 
Königsfelder  Geschichten  gebraucht  die  Respektsformel  /rote 
Elysabeth  römschi  kilngin,  küng  Albrecht  Römscher  küng,  ir 
vatter  römscher  küng,  frow  Angnes  küngin  wilent  ze  Ungern 
(den  appositiven  Titel  also  ohne  Artikel),  in  der  Stammge- 
schichte steht  beim  Titel  in  der  Regel  das  Pronomen. 

Sachliche  Anhaltspunkte  kommen  dazu:  In  der  Stamm- 
geschichte wird  S.  94  an  die  Taufe  Katharinas  (der  Tochter 
Leopolds  IL)  durch  den  Bischof  Johann  von  Straßburg  an- 
gefügt: Der  selb  herr  vff  denselben  tag  wicht  er  kor  und  kilchen 
ze  Kiingsvelden,  do  man  zalt  von  Christus  gepurt  1320  Jar 
Idus  VII.  Februarii.  Do  was  grofs  herschaft  gegenwirtig.  Von 
derselben  Weihe  ist  im  zweiten  Teile  S.  109  die  Rede:  .  .  und 
wart  gewicht  die  kilch  ze  Kilngsvelden ,  do  man  zalt  von  g,  g. 
1820  jar  VII.  Ydus  Februarij  in  unser  frowen  ere  und  aller 
heiligen  von  Byschoff  Johans  von  Strasburg,  da  waz  sy  (Königin 
Agnes)  gegenwärtig  und  hertzog  Lupoid  ir  bruder.  Des  selben 
tages  wurden  öch  gewicht  von  demselben  herren  die  vier  altär 
in  der  kilchen.  Also  nichts  von  der  Taufe  Katharinas,  keine 
Rückverweisung  auf  die  frühere  Stelle,  trotzdem  Leopolds  II. 
Anwesenheit  erwähnt  wird;  und  die  zweite  ist  um  so  sicherer 
von  anderer  Hand  und  aus  anderer  Quelle,  als  gleich  darauf 
von  der  Weihe  des  Chors  am  12.  September  1330  durch 
Bischof  Rudolf  von  Montfort  (und  ,der  zwei  Altäre'  durch 
ebendenselben  am  29.  September)  gesprochen  wird. 

S.  103  werden  die  Streitigkeiten  zwischen  Friedrich  und 
Ludwig  dem  Bayer  als  Ursache  erwähnt,  warum  Elisabeths 
Wunsch,  in  Königsfelden  begraben  zu  werden,  nicht  sogleich 
erfüllt  werden  konnte:  auch  hier  fehlt  Rückverweisung  auf  die 
frühere  Stelle  von  den  zwei  Gegenkönigen.    Überhaupt  werden 


Zw  Kritik  der  Kftoigifelder  Chronik.  1 1 

Personen,  die  schon  in  der  Stammreihe  genannt  waren  ^  wenn 
sie  im  zweiten  Teile  wieder  erscheinen,  wie  neue  eingeführt 
(vgl.  99,  32flF.;  101,  2;  102,  26 ff.;  103,  ii,  26;  104,  8;  108,  24 
n.  8.)  nnd  ohne  Rückverweisang  (108,  4i  weist  nicht  auf  95, 16, 
sondern  auf  108,  24  zurück  nnd  über  104,  20  vgl.  unten  S.  17). 

Für  die  Abfassungszeit  des  zweiten  Teiles  steht  nur  das 
Datum  des  Todes  der  Königin  Agnes,  der  den  Schluß  bildet, 
zu  Gebote:  Juni  1364.  Nur  wenig  darüber  hinaus  weist  S.  106 
die  Stelle  von  Agnes'  Beichtvätern:  der  letzte  war  Bruder 
Ludwig  Yon  Oberdorff,  der  starb  des  selben  jars  do  öch  die 
küngin  starb ,  und  das  seit  im  die  kiingin  vor,  das  er  nach 
ihr  des  selben  jares  sterben  solt.  Der  zweite  Teil  —  dessen 
Hauptmasse  die  Biographie  der  Agnes  ausmacht,  in  der  hin- 
wieder der  Hauptton  auf  ihrer  Frömmigkeit  liegt,  während  ihre 
Tätigkeit  fbr  das  wirtschaftliche  Aufblühen  der  Stiftung  ab 
und  zu  nur  berührt  wird,  nicht  aber  von  vorneherein  Qegen- 
stand  der  Aufmerksamkeit  flir  den  Verfasser  war  —  wird 
bald  nach  ihrem  Ableben,  aber  nicht  vor  1365,  als  persönliches 
Denkmal  ftir  sie  geschrieben  worden  sein.  Der  Verfasser 
war  Franziskaner  (er  nennt  den  Orden  101,  15  unsem  orden; 
103,  4  hielten  wir  ein  cappitel  ze  Lindow) ,  er  war  Mitglied 
des  Männerklosters  in  Königsfelden  (106,  24  unser  closter\ 
and  schrieb  dort  sein  Werkchen  (101,  25  hie  ze  Küngsvelden), 
Allerdings  ist  nirgends  angedeutet,  daß  der  Verfasser  selbst 
die  Königin  noch  gesehen  habe  oder  irgendwie  Zeuge  des  Er- 
zählten gewesen  sei.  Aber  sowie  er  sich  nicht  nennt,  tritt  er 
überhaupt  nirgends  persönlich  hervor;  daß  er  aber  den  Ereig- 
nissen und  Personen  seiner  Geschichte  zeitlich  und  örtlich 
nahestand,  zeigt  nicht  bloß  seine  Kenntnis  kleiner  Detailzüge 
(wie  107, 12),  sondern  lassen  auch  seine  Worte  110,  20  vermuten, 
wo  er  von  den  Wohltätigkeitsakten  der  Sterbenden  spricht: 
das  man  wol  weiss,  das  wer  ze  lang  ze  schriben. 

Bestimmter  läßt  sich  die  Zeit  der  Abfassung  der  Stamm- 
geschichte (von  Albrecht  ab),  also  jenes  zweiten  Stückes  des 
ersten  Teiles,  das  seine  größere  Hälfte  bildet,  erkennen.  S.  96 
—  nachdem  Rudolfs  IV.  Tod  (27.  Juli  1365)  vermerkt  war  — 
wird  die  Reihe  der  Söhne  Albrechts  U.  mit  Nennung  der  zwei 
jüngeren  Albrecht  und  Leopold  vollendet:  Hie  sint  nu  hertzog 
Albrecht  und  hertzog  Lupoid  zwen  herren  zuo  den  ziten  .  .  (der 


12  II.  Abhuidlang:    SeemftlUr. 

folgende  Teil  des  Satzes  ist  verderbt  and  schon  die  Zugehörig- 
keit des  zuo  den  ziten  zum  Vorhergehenden  nicht  sicher),  hierauf 
wird  dieses  Leopold  Frau  genannt,  von  Albrecht  aber  (AJ- 
brecht  III.)  nichts  weiter  erwähnt.  Die  Stelle  lehrt,  daß  beide 
bei  ihrer  Abfassung  noch  lebten^  daß  Leopold  schon  verheiratet 
war  —  er  heiratet  Februar  1365  — ,  Albrecht  noch  nicht:  dieser 
schloß  seine  erste  Ehe  am  19.  März  1366.  Die  Oenealogie 
weiß  ferner,  daß  Albrechts  II.  Tochter  Margareta  (von  ihr 
Elisabeth  genannt)  in  zweiter  Ehe  den  Markgrafen  von  Mähren 
hatte:  diese  Heirat  geschah  1364.  Margareta  starb  Jänner  1366 
—  davon  weiß  die  Chronik  noch  nichts. 

Die  Abfassung  der  Stammreihe  Albrechts  geschah  also 
zwischen  Juli  1365  und  Anfang  1366.  Auf  das  Jahr  1365 
sahen  wir  uns  auch  bei  dem  zweiten  Teile  verwiesen.  Der 
Vorgang  wird  der  gewesen  sein,  daß  das  Kloster,  das  die 
Geschichten  seiner  ersten  und  zweiten  Stifterin  hatte  abfassen 
lassen,  sich  naturgemäß  gedrängt  fühlte,  auch  die  übrigen 
Glieder  der  Familie  zu  verzeichnen,  der  die  beiden  Stifterinnen, 
die  eine  durch  Heirat,  die  andere  von  Geburt  angehörten,  der 
Familie,  aus  der  noch  andere  Angehörige  bereits  ihre  Ruhe- 
statt im  Kloster  gewählt  hatten,  deren  Häupter  endlich  durch 
wiederholte  Gunstbezeigungen  sich  als  Gönner  der  Gedächtnis- 
stätte erwiesen  hatten  und  noch  erwiesen.  So  wurde  denn 
mit  der  Gründungsgeschichte  die  Stammreihe  verbunden  und 
deren  Komposition  so  gestaltet,  daß  von  ihr  ein  natürlicher 
Übergang  zu  jener  sich  ergab. 

An  diesem  Punkte  der  Untersuchung  angelangt,  begreifen 
wir  erst  recht  die  eigentümliche  Komposition  der  zweiten  Hälfte 
des  ersten  Teiles:  sie  ist  geradezu  auf  den  zweiten  hin  zuge- 
schnitten und  setzt  ihn  als  vorhanden  und  fertig  voraus. 

Die  Grenze  zwischen  den  beiden  Teilen  ist  nicht  ganz 
scharf  zu  ziehen.  Sie  liegt  zwischen  der  Erzählung  von  Al- 
brechts Tod  und  von  der  Gründung  des  Klosters.  An  sich 
ist  wahrscheinlich,  daß  das  Ereignis,  das  zur  Gründung  von 
Königsfelden  führte ,  in  einer  Gründungsgeschichte  erwähnt 
werden  mußte:  anderseits  lag  es  im  Plan  des  Verfassers  der 
Stammreihe,  die  Nachkommenschaft  Albrechts  durch  das  An- 
fangs- und  Endstück  der  Erzählung  seines  Lebens  (s.  oben) 
zu  umschließen.     Demnach  fiel  der  Stoff  des  Endstückes  mit 


Zor  Kritik  der  K6Big«f«lder  Chionik.  13 

dem  Anfang  des  zweiten  Teiles  zasammen  —  um  eben  dessen 
willen  hatte  er  ja  seine  Komposition  so  gestaltet.  So  ist  denn 
zu  erwarten,  daß  in  diesem  beiden  Teilen  gemeinsamen  Stück 
sich  auch  Formeigentümlichkeiten  der  beiden  Verfasser  ver- 
mischen  werden.  Der  Satzbau  ist  dem  des  zweiten  Teiles  ver- 
wandt,  aber  der  Gebrauch  von  diser,  wie  er  in  der  Stamm- 
reihe beliebt  ist,  findet  sich  auch  99^  33^  100,  21.  Neben  der 
Formel  diu  küngin  frow  Elizabeth  tritt  die  im  zweiten  Teile 
herrschende:  100,  16  frow  Elysabeih  Römsehe  küngin  (ähnlich 
von  Agnes  101,  2)  auf.  Auf  Mischung  von  Überlieferungen 
deutet  auch  der  zweimalige  Ansatz  zur  Erzählung  vom  Schicksal 
der  Mörder  100,  loff.  und  100,  I7ff. 

S.  101,  9  geht  die  Erzählung  direkt  zur  Gründung 
des  Klosters  über  —  hier  sind  wir  jedesfalls  schon  voll  im 
zweiten  Teile. 

n. 

Von  ersten  Teile  ist  aber  nunmehr  das  Stück,  das  der 
Stammreihe  Albrechts  vorausgeht,  S.  87 — 92,  näher  ins  Auge 
zu  fassen. 

Es  unterscheidet  sich  in  mehreren  Beziehungen  von  jener. 
Allerdings  ist  auch  hier  die  Aufzählung  der  Kinder  Rudolfs 
von  zwei  Stücken,  die  seine  Regierung  darstellen,  umrahmt, 
aber  von  der  Nachkommenschaft  dieser  Kinder  ist  nur  Herzog 
Johann,  der  spätere  Königsmörder,  und  Herzog  Ludwig,  der 
spätere  Gegner  Friedrichs  des  Schönen,  erwähnt,  bei  Albrecht, 
dem  dritten  Sohne  Rudolfs,  dessen  Stamm  die  zweite  Hälfte 
des  ersten  Teiles  beherrscht,  wird  nur  gesagt,  daß  er  römischer 
König  ward,  auf  seine  Kinder  wird  nicht  einmal  verwiesen. 
Immerhin  könnte  man  vermuten,  daß,  wer  der  Königsfelder 
Gründungsgeschichte  die  Genealogie  der  GründerfamiUe  voraus- 
schicken  und  den  glatten  Übergang  von  der  Erzählung  der 
Ermordung  Albrechts  aus  gewinnen  wollte,  nicht  gut  anders 
vorgehen  konnte,  als  daß  er  Albrecht  und  seinen  Stamm  heraus- 
löste, daher  auch  aus  Rudolf  und  seinen  unmittelbaren  Nach- 
kommen ein  eigenes  kleines  Ganze  machte.  Und  so  wäre  ja 
die  uns  vorliegende  Überlieferung  des  ganzen  ersten  Teiles  als 
einheitliches  Ganze  verständlich.  Ebenso  wohl  könnte  aber 
auch    die   Stammreihe    und    die   Gründungsgeschichte   als    ein 


14  II.  Ablundlmig:    Seemftller. 

Ganzes  einem  Späteren  vorgelegen  haben,  der  es  nach  rück- 
wärts durch  Vorschiebung  der  Genealogie  Rudolfs  erweitert 
hätte,  dieses  erste  Stück  des  ersten  Teiles  also  dem  Folgenden 
von  Haus  aus  fremd  und  jünger  sein. 

Und  dafür  spricht  nicht  bloß  der  erwähnte  auffallende 
Mangel  einer  Verweisung  auf  die  später  zu  nennenden  Kinder 
Albrechts.  Unser  erstes  Stück  steht  vielmehr  überhaupt  unter 
einem  anderen  als  dem  genealogischen  Gesichtspunkt.  Es  be- 
ginnt mit  Eonrad  IV.,  Heinrich  von  Thüringen  und  Wilhelm 
von  Holland,  redet  ausführlicher  von  Rudolf,  dann  relativ  aus- 
führlich von  Adolf:  die  Reihe  der  deutschen  Könige  ist  f^ 
seinen  Verfasser  der  leitende  Faden.  Die  Stammreihe  Albrechts 
setzt  zwar  auch  mit  seinem  Königtum  ein,  auch  Friedrichs  des 
Schönen  Königswürde  wird  betont  und  nach  seinem  Tode  erhält 
Ludwig  der  Bayer  als  deutscher  König  einige  Zeilen,  die  mit 
kurzem  Hinweis  auf  Karls  IV.  Kaisertum  beschlossen  werden; 
Kaiser  Heinrich  VII.  aber  wird  nur  anachronistisch  und  ge- 
legentlich, nach  jenen  anderen,  dort,  wo  Herzog  Leopolds  IL 
Gattin  genannt  ist,  erwähnt  (S.  94)  und  ebenso  anachronistisch 
und  gelegentlich  nochmals  später  (S.  99),  wo  von  Albrechts 
Tochter  Katharina  geredet  ist,  die  ihm  verlobt  wurde.  Die 
Nennung  der  deutschen  Könige  ist  in  dem  zweiten  Stück  des 
ersten  Teiles  also  ganz  dem  genealogischen  Gesichtspunkt  unter- 
geordnet. Das  erste  ist  eine  Königsreihe  mit  starker  Hervor- 
hebung Rudolfs,  das  zweite  eine  Genealogie  der  Habsburger 
seit  Albrecht  mit  gelegentlicher  Nennung  der  deutschen  Könige. 

Während  ferner  die  Stammreihe  Albrechts  trotz  Fehlern 
in  Einzelheiten  im  Aufbau  und  Plan  dennoch  einheitlich  und 
klar  ist,  zeigt  das  erste  Stück  merkwürdige  Brüche  und  Un- 
ebenheiten : 

Nach  Wilhelms  von  Holland  Tod  gab  es  lange  keinen 
Kaiser.  Um  das  Reich  stand  es  schlecht,  die  Wahlfürsten 
denken  daran,  einen  tüchtigen  König  zu  suchen.  Der  Bischof 
von  Basel  rät  ihnen  zu  Rudolf  von  Habsburg,  als  einem,  der 
des  Königtums  würdig  sei.  (Darauf  folgt  eine  Anekdote  über 
Heinrich  von  Isny,  die  mit  dem  herrschenden  Thema  nichts 
zu  tun  hat.)  Hierauf  setzt  der  Autor  wieder  ein  (S.  89):  Da- 
mals gab  es,  ,wie  gesagt^,  keinen  König.  Daher  werden  die 
Kurfürsten   einig,   einen  zu  wählen.     ,Das  hörte  der  früherge- 


Zor  Kritik  der  KftnigsfeldAr  Chronik.  15 

nannte  Bischof  Heinrich  von  Basel  und  wandte  sich  an  Graf 
Kadolf  von  Habsburg  mit  dem  Rate,  etwas  Hervorragendes 
zu  tun,  damit  seine  Tüchtigkeit  den  Kurfürsten  bekannt  und 
damit  sie  desto  geneigter  würden,  ihn  zu  wählen/  Zweimal 
wird  also  zur  Erzählung  der  nämlichen  Sache  angesetzt  und 
die  Härte  beim  zweitenmal  rein  äußerlich  durch  die  Einschie- 
bung  des  ,wie  gesagt'  zu  glätten  versucht,  zweimal  tritt  ebenso 
Heinrich  von  Isny  in  Aktion,  und  die  Handlung,  die  natur- 
gemäß die  frühere  sein  müßte,  wird  als  zweite  erzählt,  ohne 
jede  innere  Verknüpfung  mit  der  andern,  und  wieder  führt 
der  Anstoß  mechanisch  zu  einem  ,der  frühergenannte'. 

Auf  die  Erzählung  von  der  Wahl  selbst  folgen  zwei 
Anekdoten  aus  Rudolfs  Grafenjahren,  eine  Notiz  über  seinen 
Beichtvater,  die  Aufzählung  seiner  Kinder^  eine  Übersicht  über 
seine  Eriegstaten  vor  seiner  Wahl  und  die  Unterwerfung  des 
Landgrafen  von  Thüringen,  die  er  schon  als  König  durchführte. 
Der  Text  kehrt  dann  zur  Krönung  in  Aachen  und  zu  der 
durch  den  Papst  Gregor  IX.  (!)  in  Lyon  (!)  zurück,  mit  einer 
Schilderung  des  Konzils  und  einer  Notiz  über  die  Päpste,  unter 
denen  der  heil.  Franziskus  blühte  und  heiliggesprochen  wurde. 
Ihre  Anknüpfung  ist  dadurch  herbeigeführt,  daß  Gregor  X., 
der  das  Lyoner  Konzil  abhielt,  mit  Gregor  IX.  verwechselt 
wurde.  Darauf  folgt  ganz  kurz  die  Belagerung  von  Bisunz 
und  dann  erst  die  Unterwerfung  Ottokars.  Seine  Nennung 
gibt  Anlaß  zu  einem  Bericht  über  die  Stiftung  des  Klarissen- 
klosters in  Prag  durch  ihn,  über  den  Finger  des  heil.  Nikolaus, 
der  dort  aufbewahrt  ist,  und  ein  Wunder,  das  sich  an  ihm  zu 
Kaiser  Karls  IV.  Zeiten  begab.  Erst  darauf  folgt  Rudolfs  Tod, 
eine  Notiz  von  einer  Sonnenfinsternis  im  März  desselben 
Jahres,  endlich  in  richtiger  Zeitfolge  die  Wahl  Adolfs  —  mit 
einer  Notiz  über  seinen  geistlichen  Bruder  und  seine  Tochter, 
die  Klarissin  —  seine  Regierung,  sein  Kampf  mit  Albrech t^ 
dessen  Wahl. 

Die  Unordnung  in  diesem  ganzen  Stück,  namentlich  im 
Gegensatz  zur  Planmäßigkeit  der  folgenden  Stammreihe,  liegt 
auf  der  Hand.  Versuchen,  durch  Rück  Verweisungen  Härten  des 
Zusammenhanges  zu  mildern,  begegneten  wir  schon  zweimal  in 
seinem  Anfangsteile;  sie  kehren  in  seinem  weiteren  Verlaufe 
wieder:  der  Abschnitt,  in  dessen  Mittelpunkt  das  Lyoner  Konzil 


16  U.  Abhandlnng;    B««mftlUr. 

steht  (S.  90)y  knüpft  mit  seinem  Eingang  Do  küng  Ruodolff 
erweit  wart ...  an  die  weit  zurück  schon  liegende  Erzählung 
von  der  Wahl  an,  und  der  nächste  Absatz  trägt  der  Unter- 
brechung durch  die  Notiz  über  den  heil.  Franz  (90,  3i)  dadurch 
wieder  Rechnung,  daß  seine  Einleitung  (91,  6)  Do  nu  Ruodolff 
der  erst  gekrönt  wart  direkt  auf  den  vorhergehenden  Krönungs- 
bericht  zurückweist. 

Eine  besonders  auffallende  Unebenheit  ist  die  zweimalige 
identische  Nennung  der  Anzahl  der  Kaiser  von  Octavian  bis 
auf  Friedrich  II.,  beim  zweiten  Mal  mit  der  Zahl  der  Päpste 
von  Sankt  Peter  bis  auf  ,disen  Gregorium'  (Gregor  ,IX.')  ver- 
bunden: wir  begegnen  ihr  zuerst  in  der  Einleitung  87,  26^  an 
einer  textlich  verderbten  Stelle,  der  nicht  zu  entnehmen  ist, 
warum  der  Verfasser  dort  die  Zahl  der  Kaiser  anführt;  dann 
wieder  im  Anschluß  an  die  Stelle  von  dem  Verdienst  Gregors  IX. 
um  den  heil.  Franz,  hier  in  der  vollständigeren  Fassung.  So 
wie  hier  Gregor  IX.  das  Schlagwort  flir  die  Zählung  der 
Päpste,  so  mag  dort  Friedrich  IL,  von  dessen  Sohne  ab  die 
Königsreihe  beginnt,  der  Anlaß  für  die  Zählung  der  Kaiser 
gewesen  sein.  Der  Verfasser  fühlte  das  Auffallende  der  Wieder- 
holung und  sucht  sie  wieder  durch  ein  Nu  iet  vor  geseit  ab- 
zuschwächen (es  steht  achtlos  vor  dem  ersten,  die  Päpste  be 
treffenden  Glied  der  Doppelzählung,  statt  vor  dem  zweiten). 

Nur  in  diesem  ersten  Stück  des  ersten  Teiles  finden  sich 
Berufungen  auf  eine  schriftliche  Quelle:  S.  89,  lO  AU  man  in 
andern  croniken  vindet^  89, 19  Man  liet  von  im]  hier  tritt  auch 
der  Schreibende  persönlich  hervor:  Werner  von  Brugg,  Rudolfs 
Beichtvater,  vermacht  sein  Priestergewand  den  Franziskanern 
in  Konstanz,  ein  Meßgewand  und  zwei  Chorröcke:  das  noch 
hat  da  ist,  das  haben  wir  alle  gesehen  (89,32).  In  der 
Stammreihe  ist  nichts  damit  vergleichbar,  in  der  Gründungs- 
geschichte nur:  hielten  wir  ein  cappitel  103,  4. 

Dazu  kommen  stilistische  Eigentümlichkeiten :  die  Stamm- 
reihe gibt  öfters  kurze  Charakteristiken  ihrer  Fürsten,  ver- 
wendet dabei  aber  niemals  veste  oder  vestikeit  —  das  erste 
Stück  hat  gerade  dafür  besondere  Vorliebe:  88,  24  einen  fromen 
wisen  vesten  herren  (von  Rudolf),  92,  17  der  do  zemäl  ein  vemant 
herre  was  von  vestigkeit  und  grosmütikeit  (von  Albrecht)  und 
gar  88,  17   die  kurfürsten    schickten    sich    an    zu    suchen    mit 


Zar  Kritik  der  Kftnigifelder  Chronik.  17 

sinnen  und  mit  vesten  hertzen  .  .  einen  veaten  herren  mit  einem 
veeten  ritterlichen  gemüty  der  küng  möcht  gesin  und  .  .  .  mit 
gemütes  vestikeit  möcht  volbringen  und  tun. 

In  keinem  anderen  Stück  erscheinen  so  viele  Verweisungen 
nach  vor-  und  nach  rückwärts:  89^  i  ah  vor  geseit  ist  nnd 
89,  4  von  dem  vor  geseit  ist^  90,  34  nu  ist  vor  geseit  —  es  sind 
die  drei  Stellen,  wo  Unebenheiten  der  Komposition  verdeckt 
werden  sollten;  außerdem,  nach  vorwärts:  90,  8,  wo  von  der 
Gegnerschaft  Ludwigs  des  Bayers  und  Friedrichs  des  Schönen 
geredet  ist:  als  hie  nach  sol  geseit  werden  (auf  die  Stammreihe 
93,  25  verweisend),  und  zwei  Zeilen  später,  nach  der  Nennung 
der  Gatten  der  zwei  letzten  Töchter  Rudolfs:  als  davon  (so  ist 
zu  lesen,  statt:  davor)  öch  ein  teil  geseit  ist  (von  dem  Gegen- 
stand ist  aber  im  folgenden  nichts  mehr  zu  finden^  s.  darüber 
unten  S.  23).  Die  viel  längere  Stammreihe  hat  nur  von  der  vor 
geseit  ist  93,  13,  und  als  von  (im)  stät  geschrieben  99, 15,  womit 
sie  auf  unmittelbar  vorher  Gesagtes  verweist,  und  zwei  Hin- 
weisungen auf  die  Gründungsgeschichte  93,  i,  wo  sie  von  der 
ersten  Gründerin  Elisabeth,  und  98,  22,  wo  sie  von  Agnes  spricht. 
In  dem  Grenzgebiet  zwischen  Staramreihe  und  Gründungs- 
geschichte ist  eine  zu  finden  S.  100,  33,  in  der  Gründungs- 
geschichte selbst  zwei:  104,  20  und  108,  41  (denn  101,  27  und 
31  sind  anderer  Art). 

Weder  die  Stammreihe  noch  die  Gründungsgeschichte 
deuten  auch  nur  mit  einer  ihrer  Verweisungen  auf  das  erste 
Stück  des  ersten  Teiles  zurück,  und  in  der  Stammreihe  war 
Gelegenheit  dazu  dort,  wo  von  Ludwig  dem  Bayer  93,  25  und 
von  dem  Königsmörder  Johann  99,  82  f.  die  Rede  ist,  in  der 
Gründungsgeschichte  dort,  wo  auf  die  Krönung  Rudolfs  101, 17 
angespielt  wird.  In  dem  Satz  104,  20  dem  (Andreas  von  Un- 
garn) solt  geben  sin  ein  frow  von  Behem,  von  der  hie  vor  gesait 
istj  die  hertzog  Hans  muoter  was  liegt,  wie  der  Wortlaut  ver- 
muten läßt,  nicht  eine  Beziehung  auf  90,  i  (dem  wart  geben 
des  kungfs  tochter  von  Behem^  die  gebar  herzog  Hansen),  son- 
dern  auf  die  Stelle  im  Ubergangsteile  99, 32  (herzog  Hans,  sins 
bruoder  sun,  der  hie/s  Kuodolff,  und  von  der  muoter  ein 
Behem)  vor. 

Die  Stelle  101,  17  ist  lehrreich  nicht  nur,  weil  ihr  die 
Verweisung  auf  die  Königsreihe  fehlt,  sondern  noch  mehr  weil 

Sitsiingsber.  d.  phU.-biBt.  Kl.  CXLYII.  Bd.  2.  khh.  2 


18  n<  AbluttdlnBg:    8««niftll«r. 

sie  in  direktem  Widerspruch  zu  ihr  steht.  Sie  spricht  vom 
Franziskaner-Laienbrnder  Strobel,  der  einst  König  Rudolfs 
Diener  war  und  zur  Zeit;  als  der  König  ,bei  Lausanne  war 
und  vom  Papst  Gregor  X.  gekrönt  werden  sollte',  in 
einem  ritterlichen  Zweikampf  sich  auszeichnete.  Hier  ist  wenig- 
stens richtig  von  Lausanne  und  von  Gregor  dem  Zehnten 
die  Rede,  im  Gegensatz  zur  Königsreihe,  die  von  Lyon  und 
von  Gregor  IX.  spricht  (S.  90). 

So  sind  denn  die  Verdachtsgriinde  gegen  das  erste  Stück 
zahlreich  genug.  Sie  erhalten  direkte  Bestätigung  durch  die 
Rück  Verweisung  im  Ubergangsteile  S.  100,  32:  Dise  edel  filrHin 
(Elisabeth,  Gattin  König  Albrechts)  was  von  dem  hus  der 
hertzogen  von  Kernden  geborn,  aber  ir  muoter  von  dem  hus  der 
fürsten  von  Peygem,  von  dem  (1.  der)  die  Herren  und  frowen 
alle  geboren  sint^  als  hie  vorgeschriben  ist  Das  weist 
ausschließlich  auf  die  Nachkommenschaft  König  Albrechts,  und 
als  diese  Stelle  (von  dem,  der  die  Stammreihe  Albrechts  mit 
der  Gründungsgeschichte  verband)  geschrieben  wurde,  war  die 
Königsreihe  Konrad  IV.  —  Adolf  noch  nicht  vorgeschoben. 

m. 

Seit  Franz  Mayers  Untersuchung  (vgl.  oben  S.  4)  gilt  die 
dem  ,Auszug  Clewi  Frygers'  zu  Grunde  liegende  Königsfelder 
Chronik  als  Quelle  des  sogenannten  Hagen.  Wenn  wir  von 
Frygers  Autorrechten  nach  dem  oben  Dargelegten  absehen,  so 
ist  Mayers  Ergebnis,  was  die  Stammreihe  und  die  Gründungs- 
geschichte betriflFt,  richtig:  die  Vorlage  des  von  Gerbert  uns 
überlieferten  Textes  jener  zwei  Stücke  ist  vom  Verfasser  der 
Hagenschen  Chronik  ausgeschrieben  worden.  Das  geht  völlig 
sicher  aus  der  Abfassungszeit  der  Gründungsgeschichte  und  der 
Stammreihe  und  aus  ihrer  1365/6  erfolgten  Verbindung  hervor 
und  es  erklärt  sich  daraus  unter  anderem  die  Bemerkung,  durch 
die  Hagen  Pez  I,  1131  eine  Umstellung  rechtfertigt,  die  er  am 
StoflFe  seiner  Quelle  vornahm.  Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  ein- 
gehend von  dem  Verfahren  zu  reden,  das  H  dieser  Quelle 
gegenüber  einhält  —  es  genügt  darauf  hinzuweisen,  daß  er 
von  ihrem  Schachtelungssystem  einerseits  vielfach  abgeht,  um 
der  Zeitfolge  des  Stoffes  Rechnung  zu  tragen,  anderseits  nach 


Zur  Kritik  d«r  Kftnigsfelder  Chronik.  19 

seiner  Art  sich  ihm  anbequemt,  indem  er  in  größeren  Strecken 
die  Komposition  der  Vorlage  einfach  übernimmt;  so  bringt 
er  denn  1129  ff.  an  einer  in  seinem  Znsammenhang  ziemlich 
willkürlich  gewählten  Stelle  die  Reihe  aller  Söhne  Albrechts 
(mit  Ausschaltung  von  Einzelheiten,  die  er  später  an  ihrem 
chronologischen  Platze  einfügt),  bemerkt  aber  am  Schluß  der 
Liste  1131,  11:  Nu  aolt  ich  hie  auch  schreiben  von  herczog 
Albrechts  töchtem;  aber  darumb  daz  die  selig  fraw  Agnes  sein 
tochter  nach  seinem  tod  hat  vil  heiliger  werch  begangen  und 
daz  chloster  ze  Chünigsveld  gestiftet,  darumb  teil  ich  hinnach 
hesunderleich  von  in  schreiben.  Er  fand  eben  in  der  Vorlage 
die  Reihe  der  Töchter  unmittelbar  an  die  der  Söhne  geschlossen, 
darum  ,sollte'  er  ebenfalls  sie  jetzt  bringen;  er  tut  es  nicht, 
weil  eine  von  ihnen  Königsfeld  gestiftet  hat,  d.  h.  weil  seine 
Königsfelder  Quelle  von  dieser  besonders  viel  zu  erzählen  weiß^ 
das  an  diesem  Ort  anachronistisch  wäre.  Darum  ahmt  er 
zwar  wieder  die  Quelle  nach,  indem  er  die  Töchter  wie  die 
Söhne  in  geschlossener  Reihe  bringt^  jedoch  später,  1137  ff.; 
aber  alles,  was  die  Stifterin  Agnes  angeht,  schiebt  er  wieder 
an  seinen  Platz  in  dieser  Reihe,  weil  er  innerhalb  seines  eigenen 
Werkes  der  Stiftung  von  Königsfeld  nicht  den  hervorragenden 
Rang  anweisen  konnte,  den  sie  natürlich  in  seiner  Quelle  hatte. 
So  verrät  sich  die  Quelle  direkt  auch  in  einer  Entschuldigung, 
die  er  dort  anbringt,  wo  er  von  Leopold  II.  redet  und  der  Vor- 
lage (K  94,  12)  gemäß  auch  Kaiser  Heinrich  VII.  einmengt 
(H  1130;  2):  seine  Erzählung  war  vorher  nicht  einmal  noch  zu 
Albrechts  Königtum  gelangt,  er  rechtfertigt  daher  den  Anachro- 
nismus ausdrücklich  und  erklärt,  später  auf  diese  Dinge  noch 
zurückzukommen:  1130,  7  wan  nach  dem  tod  kiinig  Albrechts^ 
von  des  kinden  ich  hie  schreib,  ward  kaiser  Hainreich  schir 
gefördert  zu  der  höhe  des  reiches ....  von  dem  und  von  kiinig 
Albrechten  wird  ich  niden  besunderleich  fioch  schreibent. 

Die  Vergleichung  des  Wortlautes  K  und  H  kann  nur 
relativ  wahrscheinUche  Ergebnisse  liefern,  weil  die  Überlieferung 
von  K  jung  ist.  So  yiel  sehen  wir,  daß  H  nach  seiner  sonstigen 
Art  bald  näher,  bald  freier  an  die  Quelle  sich  anlehnt,  von 
wörtlichem  Ausschreiben  —  wie  es  besonders  gerne  an  der 
Stammreihe  geübt  wird  —  bis  zu  freier  Bearbeitung,  wie  sie 
in  dem  Abschnitt  über  Agnes  sich  zeigt.     Nirgends  gewinnen 

2» 


20  n.  Abhandlaiig:    S«emftlUr. 

wir  einen  sicheren  Anhaltspunkt ,  daß  die  Grundlage  von 
K  (=  *K),  die  im  Hagen  benützt  wurde,  wesentlich  von 
dem  tiberlieferten  Texte  K  verschieden  gewesen  wäre,  so  weit, 
daß  K  ein  Auszug  aus  ihr  genannt  werden  dürfte.  Den 
Ausgangspunkt  nimmt  man  am  besten  von  der  Gründungs- 
geschichte, weil  die  Hagensche  Chronik  hier  nicht  wie  in  der 
Stammreihe  den  Stoff  der  Vorlage  aus  chronologischen  Rück- 
sichten zerstückt,  sondern  in  zwei  geschlossenen  Hauptmassen 
Pezll36,  24ff.  und  1137,  48 ff.  bringt.  H  folgt  in  beiden  dem 
Verlauf  der  Erzählung  in  K,  überspringt  unterwegs  vieles, 
namentlich  Nennung  untergeordneter  Personen  und  lokales 
Königsfelder  Detail,  kürzt  oder  übergeht  Anekdoten,  erweitert 
gelegentlich  die  Ausdrucksform  der  Vorlage,  im  ersten  Stück 
gewöhnlich  so,  daß  durch  einen  wörtlichen  Anklang  die  Stelle 
von  K,  der  er  den  Hauptgedanken  entnahm,  erkennbar  bleibt, 
im  zweiten  freier,  wie  er  überhaupt  die  für  seine  Zwecke  zu 
lange  Biographie  der  Königin  Agnes  eher  reproduziert  als  aus- 
schreibt —  aber  am  Gang  seiner  Darstellung  bleibt  auch  hier 
die  Quelle  deutlich  erkennbar.  Seltener  fügt  er  sachlich  Neues 
ein,  so  im  Abschnitt  von  Agnes  die  Darstellung  ihres  Lebens  und 
ihrer  Wirksamkeit  in  Ungarn:  das  darf  um  so  mehr  als  Nach- 
richt aus  anderer  Quelle  angesprochen  werden,  weil  H  sonst 
gerade  die  ungarischen  Absätze  von  K  (S.  104f.)  sehr  stark 
kürzt  und  insbesondere  von  der  Erzählung,  wie  die  Heirat  zu- 
stande kam,  keine  Notiz  nimmt.  Weder  von  der  Darstellung 
in  H,  noch  weniger  aber  von  der  im  ganzen  abgerundeten 
Gründungsgeschichte  in  K  aus  ergeben  sich  festere  Anhalts- 
punkte zur  Auffassung  der  Darstellung  K  als  eines  Auszugs. 
Und  darnach  ist  auch  das  Verhältnis  der  Texte  bei  den  Stoffen 
der  Stammreihe  zu  beurteilen.  Hier  ist  H  reicher  —  es  will 
ja  auch  durchaus  nicht  in  erster  Linie  Genealogie  sein,  aber 
sein  Mehr  ist  nicht  zugleich  ein  Minus  von  K,  in  dem  Sinne, 
als  ob  K  es  aus  seiner  Vorlage  ausgelassen  hätte.  ''^K  hat 
diese  Dinge  —  sofeme  nicht  etwa  Abschreibfeh  1er  von  K  vor- 
liegen —  überhaupt  nicht  gehabt.  H  hat  z.  B.  den  kurzen 
Abschnitt  über  die  Regierung  Ludwigs  des  Bayers  in  der  Haupt- 
sache aus  K;  hier  folgt  unmittelbar  94,  7  Die  toxi  denoch  Ladwig 
lebet  und  richsetj  do  stund  wider  in  uff  Karolus  der  ander ^ 
der  öch  keyser  ward  —    mehr  hatte   der  Verfasser   1366  von 


Zur  Kritik  der  Ktaigifild«r  Gbronik. 


21 


Karl  IV.y  der  noch  lebte ,  nicht  zu  melden.  Aach  in  H  folgt 
onmittelbar  die  Hegiernng  Karls.  Der  Absatz  beginnt  (Sp.  1142): 
Karolus  der  vierd^  künig  ze  Pehaim^  ward  noch  bey  chaiser 
Ludweigs  leben  zu  dem  reich  erhöhet  Das  ist  der  nämliche 
Gedanke  am  nämlichen  Platz  wie  in  K.  Aber  H  geht  sofort 
zur  weiteren  Darstellung  der  Herrschaft  Karls,  für  die  ihm 
weder  K^  noch  weniger  natürlich  '''K  etwas  bieten  konnte. 
So  ist  denn  auch  anderswo,  z.  B.  H  1141,  42,  wo  von  König 
Friedrich  und  der  Schlacht  bei  Mühldorf  geredet  wird,  die 
Ursache  der  inhaltlichen  Verschiedenheit  zwischen  H  und  K 
(93,  26 ff.),  die  gerade  hier  auftritt,  während  die  nächste  Um- 
gebung der  Stellen  übereinstimmt,  nicht  in  einer  Verderbnis 
von  K,  sondern  in  der  Benützung  anderer  Quelle  in  H  zu 
suchen. 

Man  hat  die  Benützung  der  Königsfelder  Chronik  im 
Hagen  aber  auch  auf  das  Stück  ausgedehnt,  das  ich  früher 
als  jüngere  Unterbauung  eines  älteren  Ganzen  ausscheiden 
mußte,  die  Königsreihe  von  Konrad  bis  Albrecht.  Man  mußte 
es  freilich,  so  lange  man  K  als  einheitliches  Ganzes  betrachtete; 
man  mußte  sogar  einen  sehr  auffallenden  Fehler,  den  hier  K 
mit  H  teilte  —  die  bekannte  Auslassung  in  der  Liste  der 
Töchter  Rudolfs  —  nach  Mayers  Vorgang,  der  zuerst  auf  ihn 
aufmerksam  machte,  für  einen  Fehler  der  Vorlage  *  K  erklären, 
der  natürlich  nach  K,  aber  auch  nach  H  übergegangen  sei. 

Es  empfiehlt  sich,  die  Stellen  zunächst  an  und  für  sich, 
ohne  Rücksicht  auf  anderweitige  Quellenfragen  nebeneinander 
zu  halten: 


K  90,5. 

Das  vierde  Cappitel  seit  von 
VI  tochtern,  die  gebar  im  sin 
gemahel.  Die  erst  hieß  Clement. 
Die  wart  einem  küng  von  Be- 
hem  gemähelt.  Die  ander  zwo 
wurdent  geben  den  forsten  von 
Peygem,  von  einer  wart  geborn 
herzog  Ludwig,  der  darnach 
wart  wider  küng  Fridrich,  als 
hie    nach    sol   geseit    werden. 


H  1084,50. 

Sechs  töchter  sein  graf  Ru- 
dolfen auch  geporen.  Die  erste 
hies  Clementa,  die  in  irr  jugent 
bei  vierczehen  jaren  ward  zu- 
gelegt dem  chünig  von  Pehaim. 
Zwo  ander  wurden  gemehelt 
den  herczogen  des  gestechtes 
von  Payern,  der  aine  Ludweigs 
muter  was,  der  am  lösten  ward 
erwelet  wider  chünig  Fridrei- 


22 


IL  Abbandlang:    Seemftller. 


wart  (L  erweit).  Hie  sint  nn 
flinff.  Eine  ward  geben  einem 
fllrsten  von  Sachsen.  Item  eine 
wart  geben  dem  margranen  von 
Brandenburg,  als  davor  (Z.  da- 
von) öch  ein  teil  geseit  ist.  E 
kting  Ruodolff  kting  wurde,  do 
hat  er  erstritten  Elssass,  Bris- 
gow  .  .  . 


chen,  alz  ich  das  niden  an  dem 
fümften  puch  diser  kroniken 
aigenleich  han  geschriben.  Die 
fiimfte  ward  gegeben  aim  her- 
czogen  von  Sachsen.  Die  sechste 
ward  zugefügt  dem  marggrafen 
von  Brandenburg.  Von  den  allen 
wirt  hernach  sunderleicb  baz 
geschriben.  Da  her  Rudolf  dan- 
noch  lantgraf  waz,  do  waz  er 
ain  strenger  überwinder  der 
herren  und  der  lande,  die  bei 
im  waren  gelegen,  alz  Elsazz, 
Preisgaw  .  .  . 


Beiderseits  werden  sechs  Töchter  angekündigt,  aber  nur 
fünf  aufgezählt;  beiderseits  wird  dementia,  die  Karl  Martell 
heiratete,  mit  Wenzel  von  Böhmen  vermählt  und  Guota,  die 
den  Böhmen  heiratete,  ausgelassen.  Es  ist  daher  vollkommen 
klar,  daß  zwischen  dem  Worte  Clementa  und  dem  folgenden 
die  die  Nennung  des  Gatten  der  dementia  und  hierauf  die 
Nennung  der  Guota  ausgefallen  ist,  und  zwar  auf  mechanischem 
Wege,  durch  Abspringen  des  Auges  (von  *die  auf  die?).  Zur 
Erklärung  dieses  gemeinsamen  Fehlers  von  K  und  H  steht 
uns  Annahme  von  Zufall  zu  Gebote,  oder  wir  vermuten,  daß 
er  schon  in  *K  gestanden  und  von  dort  einerseits  nach  K, 
anderseits  nach  H  geraten  sei,  oder  endlich,  wir  sehen  in  ihm 
den  Beweis  direkter  Beziehungen  zwischen  K  und  H.  Die 
erste  Annahme  wäre  ein  Notbehelf,  der  nur  in  Betracht  käme, 
wenn  die  anderen  Erklärungen  versagten;  die  zweite  ist  nicht 
viel  einfacher,  weil  sie  voraussetzt,  daß  zwei  voneinander  un- 
abhängige Verfasser  über  die  fehlerhafte  Stelle  achtlos  hinweg- 
gelesen hätten.  Jedenfalls  liegt  die  dritte  methodisch  zuerst 
zur  Hand  und  ist  von  denen,  die  mit  der  Stelle  sich  beschäf- 
tigten, nur  deswegen  außer  acht  gelassen  worden,  weil  sie  den 
Gerbertschen  Text  flir  einheitlich  hielten  und  denn  auch  die 
Berührungen  zwischen  Königsreihe  K  und  zwischen  H  nur  aus 
*K  erklären  konnten.  Für  uns  fällt  dieser  Grund  weg  und  es 
fragt  sich  zunächst  daher  nur,  hat  K  aus  H   oder  H   aus  K 


Zvr  Kritik  der  K6nig8feld«r  Chronik.  23 

(bez.  seiner  Vorlage)  den  Fehler  übernommen  ?  Für  die  Priorität 
von  H  spricht  der  Umstand  ^  daß  es  die  fünfte  nnd  sechste 
Tochter  mit  ihren  Ordnungszahlen  aufzählt^  daß  ihm  also  die 
Unvollstftndigkeit  der  Liste  —  wenn  es  sie  in  der  Quelle  schon 
vorgefunden  hätte  —  eher  auffallen  mußte,  insbesondere  aber, 
daß  die  in  E  und  H  Torkommende  Hinweisung  auf  Späteres, 
die  wir  am  Schluß  der  Liste  lesen,  nur  in  H  Sinn  hat,  weil 
hier  allerdings  von  dementia,  Guota,  Mathilde  und  Agnes  später 
noch  mehrmals  die  Rede  ist,  in  K  aber  nicht  mehr.  Sie  wurde 
hier  ebenso  mechanisch  wie  die  Lücke  nach  dem  Worte  Cle- 
menta  aus  H  übernommen.  Möglicherweise  haben  wir  überdies 
in  E  noch  ein  direktes  Zeugnis  für  Kopierung  aus  H:  Das 
Sätzchen  K  Hie  Hnt  nu  fünff  ist  in  seinem  Wortlaut  und  an 
seiner  überlieferten  Stelle  unverständlich  —  ich  vermute  darin 
eine  Randglosse  Hie  sint  nur  fünff ^  die  durch  den  Abschreiber 
sinnlos  in  den  Text  genommen  wurde.  Rührte  sie  vom  Ver- 
fasser der  Königsreihe  K,  so  ist  dieser  nachträglich  selbst  auf 
die  UnvoUständigkeit  der  Liste  aufmerksam  geworden,  hat  sie 
also  nicht  selbst  verursacht,  sondern  in  seiner  Vorlage  vorge- 
funden.   Allerdings  kann  sie  auch  von  einem  Leser  herrühren.^ 

'  Aach  Heinrich  von  Gandelfing^n  Ist  hier,  wie  Thiel,  Mitteil,  des  Inst, 
f&r  Gsterr.  Geschichtsf.  XX,  699  richtige  gegen  Wenck,  Neues  Archiv 
IX,  66  f.  hervorgehoben  hat ,  von  Hagen  abhängig.  Doch  ruht  die  Ab- 
hängigkeit tiefer  als  bloß  in  dem  von  ihm  nnd  Wenck  betonten  Um- 
stand, daß  Heinrich  die  dementia  an  erster  Stelle  uenne.  Heinrich 
zählt,  wie  K  nnd  H,  überhaupt  nur  ftlnf  TOchter  Rudolfs  anf  und  die 
Erstgenannte,  dementia,  verheiratet  er  unter  Auslassung  der  Guta 
ebenso  wie  K  und  H  mit  Wenzel,  dem  Sohne  Ottokars.  Auch  bei  ihm 
also  dieselbe  Lücke  wie  in  jenen  beiden.  Und  in  seine  Liste  ist  sie 
aus  H  gelangt.  Gleich  an  die  Spitze  seiner  Aufzählung  setzt  er  (Cod. 
pal.  vind.  516,  bl.  31**)  Rudol/ua  rex  quiruiue  habuit  ßlias,  gegen  Matthias* 
von  Neuenbürg  (Studer)  S.  180  hahuU  «ex  ßluu  und  Hagen,  setzt  aber 
dann  fort:  prima  ClemerUa,  wieder  gegen  Matthias,  aber  mit  H,  dessen 
nur  fünf  Personen  enthaltende  Liste  für  ihn  leitend  war,  dessen  cha- 
rakteristische Lücke  er  auch  teilt,  dem  er  auch  in  der  Anordnung  der 
übrigen  TOchter  folgt.  Auf  sein  Zeugnis  kann  die  Hypothese,  daß  der 
Kopistenfehler,  aus  dem  die  Auslassung  der  Guta  hervorging,  schon  in 
einer  verlornen  Quelle  *K  stand,  aus  der  unabhängig  von  einander  K 
nnd  H  stammen,  nicht  gebaut  werden,  weil  direkte  Benützung  der 
Hagenschen  dironik  durch  Heinrich  von  Gundelfingen  ja  sonst  sattsam 
bekannt  ist.  Diese  allein  erklärt  —  auch  wenn  der  Nachweis,  daß  das 
erste  Stück  des  ersten  Buches  von  K  jünger  ist  und  aus  dem  Hagen 


24 


II.  AUiAndlong:    8««iDftlUr. 


In  dieselbe  Spar,  auf  der  wir   uns  hier   befinden,  flibrt 
uns  auch  die  Betrachtung  einer  zweiten  Parallele: 


H  1086,  38. 

(Die  zeit  cham,  daz  der  pabst 
hincz  gen  Lugdung  daz  con- 
cilium  het  genomen,) 


K  90,  81. 

(Do  man  zalt  von  gottes  ge- 
purt  1275  jar,  hatt  der  babst 
ein  concilium  ze  Lugg  in  dem 
ersten  herbstmonat.  Do  krönt 
Gregorius  der  nünd  den  kling 
und  frow  Annen  sin  gemahel 
und  zeichent  si  beide  da  mit 
dem  heiligen  crütz). 

In  demselben  concilio^  do  der 
babst  Gregorius  der  nünd  selber 
in  person  was,  do  waren t  500 
bischoflf  und  60  äpt  und  by  tu- 
sent  andere  prelaten.  Do  wart 
brüft  bruoder  Albrecht  predyer 
Orden,  ein  grosser  meyster  der 
heiligen  geschrift  und  was  öch 
bischoff  ze  Regenspurg,  das  er 
solt  ein  bredye  tuen  vor  allen 
prelaten  und  vor  aller  der  pfaff- 
heit  von  dem  gekrönten  keyser. 
Do  vieng  er  an  mit  disem  wort: 
Nement  war,  ich  send  in  ein  ftir- 
striter  und  ein  behalter.  Dirre 
ist  gewesen  Gregorius  de  nUnde, 
der  da  sunderbar  eret  und  zuo 
der  heiligen  zal  tet  schriben 
sanctum  Franciscura ,  derselb 
Gregorius  krönt  och  kling  Ruo- 
dolff. 

Nu  vieng  an  sanctus  Fran- 
ciscns  under  Inocencio  und  kam 


geschöpft  hat,  nicht  da  wäre  —  ausreicheud  und  ohne  Rest  das  Doppel- 
verhältnis zu  Hagen  und  zu  Matthias  von  Neuenburg,  das  in  jenen 
genealogischen  Noten  Heinrichs  sich  zeigt.  —  Herrn  Rudolf  von  Payer, 
der  die  Parallelstelle  im  Cod.  vind.  616  für  mich  einzusehen  die  Güte 
hatte,  danke  ich  auch  hier  verbindlichst. 


da  der  pabst  Gregorius  der  ze- 
hend  selber  was  mit  flimfhun- 
dert  bischoffen  und  sechzig 
äbten  und  bei  tausent  anderr 
prelaten.  Do  stund  auf  bruder 
Albrecht,  der  was  ain  hoher 
maister  der  götleichen  schrift 
und  was  vormals  ze  Regens- 
purg bischof  gewesen,  und  tet 
daz  wort  von  chünig  Rudolffen 
und  (und]  wann  Podg.y  l.  umb) 
daz  der  gaistleich  vatter  mit 
im  schuff",  und  nam  ftir  sich  daz 
wort  ze  anevang  der  predig: 
Ecce  ego  raittam  eis  propugna- 
torem  et  salvatorem,  daz  ist  alz 
vil  gesprochen  ze  deutsche : 
Secht,  ich  wird  in  senden  ein 
ftirvechter  und  hailant. 


Znr  Kritik  der  KÖDigsfeldtr  Chronik. 


25 


bis  an  Honorium;  also  kam  der 
dritt,  von  dem  wir  hie  achriben, 
der  hiess  Gregorins.  Nu  ist  vor 
geseity  das  von  sant  Peter  bis 
an  disen  Gregorium  waren  192 
bäbst  gewesen  und  von  dem 
ersten  keyser^  der  Augnstas 
hiefs;  bis  an  keyser  Fridrich 
den  andern  warent  95  kejser 
gewesen. 


Anch  ist  ze  wissen^  daz  von 
dem  stol  sand  Peters  uncz  zu 
pabst  Gregorio  dem  zehenden 
sind  192  pebst  verflossen;  und 
von  dem  ersten  chaiser  Augusto 
uncz  an  Fridreichen  den  an- 
dern sind  95  chaiser  vergangen. 


Ganz  abgesehen  davon^  daß  H  den  Fehler  von  der  Krönung 
Rudolfs  in  Lyon  nicht  hat,   vielmehr   im  folgenden   (nach  der 
österr.  Reimchronik)  richtig  Papst  und  König  erst  in  Lausanne 
zusammentreffen    läßt,    daß    ferner    in    H    der    Papst    richtig 
Gregor  X.  heißt,  verrät  sich  die  größere  Ursprünglichkeit  der 
Parallele  in  H  dadurch,    daß  nur   dort  die  Betonung  der  per- 
sönlichen Anwesenheit   des  Papstes  beim  Konzil  einigen  Sinn 
hat:  in  K  aber  hinkt  sie  der  vorausgehenden  Stelle,  durch  die 
sie  schon  von  selbst  sich  verstand,  nach.    Ebenda  beginnt  aber 
in  K  die  Parallele  zu  H  (denn   das  Vorhergehende  ist  unver- 
wandt und  stammt  in  H  aus  der  Reimchronik)  und  K  hat  die 
in  H  passende  und  durch  den  speziellen  Zusammenhang  in  H 
erzeugte  Betonung  der  Anwesenheit  des  Papstes  unverständig 
herübergenommen.    Die  Entlehnung  aus  H  muß  denn  natürlich 
auch  auf   die  Notiz   von  der  Zahl   der  Päpste  und  Kaiser  er- 
streckt werden  und  hier  verrät  sie  sich  durch  ein  sprachliches 
Merkmal,    die  Partizipialform  gewesen   —  die  Stammreihe  wie 
die   Grttndungsgeschichte    verwenden    nur   gesin    (bis  auf   die 
interpolierte  Stelle  95,  16,  von  der  noch   die  Rede  sein  wird). 
Man  braucht  sie  aber  nicht  als  Spur  österreichischer  Mundart, 
die  aus  H  nach  K  hinübergegangen  sei,  anzusehen :  denn  auch 
gewesen  ist  alemannisch  (ich  finde  es  z.  B.  in  den  ersten  42  Ka- 
piteln Kuchimeisters  fünfmal  und  ausschließlich  gebraucht).   Für 
unser  Denkmal  bestätigt  seine  nur  in  sonst  schon  verdächtigen 
Stellen  vorkommende  Verwendung   die   Fremdheit   der  Hand, 
die  hier  arbeitete.    Auch  schon  bei  der  ersten  Erwähnung  der 
Zahl  der  Kaiser  (vgl.  oben  S.  16)  87,  26  erscheint  dies  gewesen 
and  bekräftigt  die  früher  ausgesprochenen  Bedenken. 


26 


II.  Abhuidliuig :    SeemftUtr. 


Halten  wir  dazu  eine  dritte  Parallele.  An  die  Erzählung 
von  Konrad  IV.  ist  in  K  und  H  die  Anekdote  vom  propheti- 
schen Buch  und  seiner  merkwürdigen  Auffindung  angeschlossen: 


K  87  f. 

Ze  den  selben  ziten  geschach 
ein  grofs  wunder  in  dem  riche 
Castelle.  Do  richset  ein  kling, 
der  hiefs  Vernandus  und  wart 
funden  bi  Tolet  ein  stein,  was 
gespalten;  in  dem  spalt  vant 
man  ein  buch,  das  waz  ge- 
schriben  mit  drygerley  ge- 
schrift,  hebraysch,  krigsch  und 
latine.  Die  bletter  warent  grofs 
und  hert  als  holz,  das  buch 
waz  grofs  als  ein  psalter.  Die 
matery  waz  von  dryley  weit, 
von  Adam  untz  an  den  Endkrist. 
Der  anfang  des  dritten  buchs 
was  also:  In  der  dritten  weit 
wirt  geborn  gottes  sun  von  der 
magt  Marien,  der  wirt  sterben 
um  heil  der  menschen.  Das 
buch  {erg.  sach)  und  hört  lesen 
ein  Jud  und  er  hiesch  den  hei- 
ligen toff  mit  allem  dem  so  ein 
Christen  menschen  zugehört. 


H  1071,40. 

Zu  des  Zeiten  zu  Castelle  in 
dem  chünigreichy  daz  ist  bei 
Yspanien,  reichte  künig  Ver- 
nand,  und  pei  der  stat  Toletum 
chlob  sich  ain  flins  in  ainem 
perge,  in  des  chliiften  ward 
ain  püchlein  funden,  mit  jtLdi- 
schen,  chrieischen  und  lateini- 
schen puchstaben  schon  ge- 
schriben.  Die  pleter  waren,  alz 
ob  si  hülczein  wern,  und  hielt 
alz  vil  alz  ain  salter  und  sagte 
von  drivaltiger  werlte,  von 
Adam  uncz  an  dez  Jhesus  Chri- 
stes  zuochumft.  Und  der  ane- 
vang  der  dritten  werlte  was 
also  geschriben:  In  der  dritten 
werlt  wirt  geporen  der  sun  gottes 
von  der  magt  Marien  und  wirt 
umb  daz  hail  der  lewte  getötet. 
Das  selb  puch  sach  und  hört 
ain  Jud  und  ward  getauft  mit 
allem  seim  gesinde. 


Die  Quelle  dieser  Nachricht  ist  Mart.  Oppav.  (SS.  XXII; 
472,  17):  Eo  tempore  etiam,  tempore  regis  Ferrandi,  in  Toleto 
Hispaniae  quidam  Judeus  conminuendo  unam  rupem  pro  vinea 
amplianda  in  medio  lapidis  (A:  in  rupe)  invenit  concavitatem 
unam,  nullam  penitus  divisionem  habentem  neque  scissuram^ 
et  in  concavitate  illa  reperit  unum  librum  quasi  foUa  lignea 
habentem.  Qui  liber  tribus  Unguis  scriptus,  videlicet  hebraice, 
grece  et  latine,  tantum  de  littera  habebat  quantum  unum  psal- 
terium  et  loquebatur  de  triplici  mundo  ab  Adam  usque  ad 
antichristum,  proprietates  hominum  cuiusque  mundi  ezprimendo. 
Principium  vero   tercii  mundi  posuit  in  Christo  sie:  In  tercio 


Zar  Kritik  der  KtaipflBldar  Ommik.  27 

mando  filins  dei  nascetnr  ex  virgine  Maria  et  pro  salate  ho- 
minum  pacietnr.  Qaod  legens  Judeus  statim  cam  tota  domo 
sua  baptizatas  est.  Erat  etiam  in  libro  scriptum^  quod  tem- 
pore Ferrandi  regia  Castelle  debebat  über  inveniri.^ 

Vorerst  ist  ein  Fehler  der  Überlieferung  H  zu  emendieren: 
des  Jhesus  Chr,  ist  in  H  unmöglich,  weil  es  sonst  nie  den  Artikel 
vor  «71  Chr.  setzt;  das  des  ist  Rest  der  ursprünglichen  Lesart 
des  EntechristeSf  über  die  ein  Abschreiber  oder  Leser  wegen 
des  gleich  folgenden  Anfanges  des  ^dritten  Zeitalters^  die  falsche 
Konjektur  Jhesus  geschrieben  haben  wird,  die  dann  in  die 
gesamte  Hagenüberlieferung  überging. 

Daß  zwischen  den  Texten  H  und  K  innere  Beziehung 
herrscht;  wird  durch  die  gemeinsamen  Abweichungen  von  der 
Quelle  erwiesen:  daß  ein  Jude  den  Stein  und  das  Buch  gefanden, 
ist  ausgelassen;  daher  wird  auch  nicht  ersichtlich,  daß  es  der- 
selbe Jude  war,  der  sich  taufen  ließ;  es  fehlt,  daß  im  Buche 
selbst  die  Zeit  seiner  Auffindung  vorausgesagt  war;  proprietates 
bis  exprimendo  ist  übergangen,  padetur  wird  als  ,sterben'  auf- 
gefaßt, die  Ordnung  der  Motive  ,Blätter  wie  Holz'  und  ,in  drei 
Sprachen  geschrieben'  wird  verkehrt,  Q^od  legens  ist  in  gleicher 
Weise  erweiternd  übersetzt  (denn  es  ist  klar,  daß  der  Über- 
lieferungsfehler  in  K  auf  die  Lesart  sack  und  hört  lesen  weist). 

Die  Priorität  von  H  kann  nun  nicht  zweifelhaft  sein, 
wenn  man  beobachtet,  daß  es  dem  Wortlaut  der  Quelle  in  der 
Übersetzung  viel  näher  blieb:  vgl.  die  Stellen  H  in  ainem  perge; 
die  pleter  waren j  alz  ob  si  hülczein  wem;  hielt  alz  vil;  sagte 
von  drivaltiger  werlte;  anevang  der  dr,  werlte ;  wart  getauft  mit 
allem  seim  gesinde;  H  weiß  endlich  vom  Königreich  Castelle, 
K  nicht.  Dem  steht  nur  gegenüber  K  wart  funden  und  mit 
drygerley  gesehrift :  der  erste  Fall  wiegt  an  sich  leicht  und  der 
zweite  kann  nicht  nur  nicht  genauere  primäre  Übersetzung  des 
tribus  Unguis  sein,  sondern  konnte  nur  aus  den  puchstaben  in 
H  durch  eine  freie  Erweiterung  entstehen,  die  sich  an  das 
folgende  von  drivaltiger  werlte  anlehnte. 

So   weist  auch  hier  alles  auf  direkte  Entlehnung  aus  H. 


*  Die  anderen  Varianten  dieses  Stoffes  in  Mart.  Pol.  Contin.  Eccard, 
Corpus  I,  1418,  Mart.  Fuld.  ebenda  1708,  Mart.  Minor,  ebenda  1626, 
insbesondere  Johann  von  Winterthur  (Wjss)  4  stehen  textlich  entfernter. 


28 


n.  AbliMidlQiig:    8«eiiiftll6r. 


Und  diese  dritte  Parallele  ist  lehrreich,  weil  sie  uns  einen 
Maßstab  zur  Beurteilung  der  Art  gibt,  wie  K  in  diesem  ersten 
Stück  des  ersten  Teiles  mit  der  Vorlage  H  verfuhr. 

Auch  die  Parallele  K  92,  14  und  H  1132,  17  hilft  uns 
dabei:  K  erzählt  die  Wahl  Adolfs  von  Nassau  92^  7 ff.  zunächst 
unabhängig  von  H,  nennt  seinen  geistlichen  Bruder  und  seine 
geistliche  Tochter;  darein  ist  aber  schon  eine  kurze  Charak- 
teristik des  Königs  geschoben  (dirre  was  ein  sunder  fründ 
aller  geistlicher  liiten)^  die  wörtlich  aus  dem  Hagenzusammen- 
hang vorweggenommen  ist,  mit  dem  erst  das  Folgende  sich  in 
toto  berührt: 


K 

Eüng  Adolff  richset  siben  jar. 
Der  nam  guot  von  dem  küng 
von  engelland  und  ward  sin 
Söldner  wider  den  küng  in 
Frankrich.  Das  nam(en)  die 
kurftirsten  für  übel  und  zugen 
von  im  mit  hilff,  mit  rät  und 
mit  gunst  und  santent  ir  er- 
lichen  bottschafft  zuo  hertzog 
Albrecht  von  Oesterich,  der  do 
zemäl  ein  vernant  herre  was 
von  vestigkeit  und  grosmütikeit 
und  aller  fromkeit,  so  einem 
herren  zuogehört.  Der  hat  zu- 
samen  geleit  einen  grossen 
schätz  und  brucht  den  frilich  ze 
geben  herren,  rittern  und  knech- 
ten, und  folget  der  fürsten  raten 
und  kam  mit  grossem  volk 
durch  Peygern 


H 

Der  selb  künig  Adolf  reicht 
siben  jar  und  waz  ain  freunt 
geistleicher  leute.  Er  ward  am 
leczten  vercheret  von  dem  chü- 
nig  von  Engelland  mit  Pfennin- 
gen und  ward  also  sein  soldner 
wider  den  künig  und  daz  kü- 
nichreich  von  Frankchreich. 
Daz  heten  im  ftlr  übel  die 
churfürsten  und  versmechten 
in  alz  palde  und  verliessen  in 
an  rat,  hilfe  und  gunste  und 
santen  darumb  erber  potschaft 
zu  herczog  Albrechten  gen 
Österreich  und  rieten  dem,  daz 
er  sich  des  römischen  reichs 
underwunde  und  sich  sterkchte 
mit  irem  willen  und  gunste 
und  wurf  chünig  Adolfen  von 
dem  throne  des  reiches  darumb 
daz  er  sich  nicht  biet  geschamet 
in  unere  ze  siezen.  Und  si  teten 
daz  darumb,  daz  herczog  Al- 
brecht was  für  ander  fürsten 
reicher  geachtet  und  was  ain 
strenger     nachvolger     vetter- 


Zu  Kritik  der  K6iiigifeld«r  Chionik.  29 

leicher  grozmütichait ,  wan  er 
het  mit  weishait  und  gelimphe 
nnmessleich  schecze  gesammet, 
die  er  gebleich  nüczte  mit  ge- 
walt  zu  den  ern.  Herczog  Al- 
brecht Yolgte  den  reten  der 
fUrsten  und  zoch  mit  seinem  her 
gewaltichleich  durch  Bayern. 

Bis  hierher  ist,  wenn  K  auch  kürzer  ist,  durch  die  zahl- 
reichen wörtlichen  Gleichheiten  die  direkte  Beziehung  beider 
Texte  sicher.  Von  hier  ab  setzt  aber  K,  in  unmittelbarem 
syntaktischen  Anschluß,  folgendermaßen  fort: 

,und  durch  Schwaben  gen  sitz  (l.  jensits)  des  Rines  und 
leit  sich  mit  sinem  her  ze  der  statt  Spir.  Do  kam  küng  Adolff 
öch  mit  sinem  her  und  da  bald  ordnet  man  die  spitz  wider 
einander  an  der  statt,  die  man  heisset  der  Hasenbiihel.  Ze 
stund  wart  kUng  Adolff  siglos  mit  sinem  her  und  wart  er- 
schlagen. Aber  hertzog  Albrecht  empfieng  die  wirdikeit  des 
heiligen  römschen  richs  mit  eren.^ 

Zwar  kann  man  hier  noch  einen  Anklang  an  den  Aus- 
druck bei  Hagen  erkennen  (1132, 42  Die  ztoen  fiirsten  legten  sich 
gen  ainander  nahent  bey  Speir  und  striten  ain  veldstreit  auf 
dem  velde^  daz  noch  heut  der  Hasenpühel  ist  genennet.  In  dem 
spicz  des  heres  künig  Adolfs  waren  die  von  Bayren  .  .  .J,  aber 
H  ist  in  dem  ganzen  Rest  der  Parallele,  der  jenem  Schlußstück 
K  entspricht,  ungleich  ausfüLhrlicher,  sachlich  reicher  und,  was 
das  Wichtigste  ist,  die  Quelle  des  Schlußstückes  H  liegt  in 
der  Cent.  Ratisb.  vor  oder  stand  dieser  wenigstens  ganz  nahe 
(vgl.  Cont.  Ratisb.  SS.  XVII,  418,  37—419,  16).  Die  plötzlich 
eintretende  stärkere  Kürzung  und  Abweichung  in  K  ist  also 
auf  Rechnung  desjenigen  zu  setzen,  der  aus  H  kompilierte. 

Man  bemerke  auch,  daß  K  den  Regierungsantritt  Albrechts 
in  dem  letzten  Sfttzchen  in  auffallender  Form  —  ohne  die 
typische  Formel  der  Erwählung,  ohne  Jahreszahl  —  bringt. 
Da  sogleich  die  Darstellung  der  Regierung  selbst  folgt,  die 
bereits  in  das  zweite  Stück  des  ersten  Teiles,  die  Stammreihe, 
gehört,  so  verrät  sich  hierin  die  Fuge  zwischen  beiden  ur- 
sprünglich einander  fremden  Stücken. 


30  n.  Abhandlnng:    SaemAller. 

Bei  all  der  weitgehenden  Kürzung,  die  E  hier  yornimmt; 
hat  es  doch  auch  wieder  in  einem  Punkt  die  Vorlage  erweitert: 
durch  Schwaben  und  jensits  des  Rines  ist  eine  Konjektur,  die 
sich  ihm  aus  dem  Ausgangs-  und  Endpunkt  des  Zuges  ergab. 

Darnach  sind  die  noch  übrigen  Parallelen  zu  beurteilen: 
K  88,  21—25  (Heinrich  von  Isny  empfiehlt  den  Grafen  Rudolf), 
<  H  1083,  2  V.  u.  bis  1084,  8;  K  89,  5-io  (Heinrich  von  Isny 
gibt  dem  Grafen  einen  Rat)  <  H  1084,  8-13;  K  89,  18-29 
(Anekdote  vom  Sakrament,  Prophezeiung)  <  H  1084,  13—33; 
K  89,  35  bis  90,  3  (Gattin  und  Söhne  Rudolfs)  <  H  1084,  33-49; 
K  90,  10-14  (Kriegstaten  Rudolfs)  <  H  1084,  7  v.  u.  bis  1085,  3. 
Auch  sie  werden  insgesamt  aus  H  stammen.  K  hat  nirgends 
ein  sachliches  Mehr.  Ausdrucksverschiedenheiten  können  nach 
dem  früher  Beobachteten  nicht  mehr  ins  Gewicht  fallen.  K  zer- 
reißt die  in  H  in  einem  Zuge  gebrachten  einzelnen  Nachrichten; 
daß  die  Spur  der  ungeordneten  Einfügung  in  der  Rtickver- 
weisung  89,  6  vorliegt,  ist  bereits  ausgeführt.  Eben  die  zwei 
Nachrichten  88,  21  und  89,  6,  die  K  trennt,  hat  H  nicht  bloß 
in  unmittelbarer  Folge,  sondern  innerlich  besser  verbunden, 
indem  es  den  Rat  Heinrichs  nicht  durch  den  Bischof,  sondern 
den  Lesemeister  erteilen  läßt,  zeitlich  also  vor  das  Empfehlungs- 
motiv setzt.  Und  auch  im  Verhältnis  der  Nachrichten  K  90,  10 
<;  H  1084,  7  V.  u.  Hegt  eine  innere  Andeutung  der  Priorität 
von  H:  wir  wissen,  daß  im  jüngeren  Anhange  zu  K  eine  bio- 
graphische Notiz  über  Rudolf  (zuerst  lateinisch,  dann  deutsch) 
steht,  in  der  das,  was  K  90,  lO  bietet,  enthalten  ist:  mit  dieser 
stimmt  H  in  einem  Punkte,  der  Nennung  des  Grafen  Peter 
von  Savoyen,  näher  als  mit  K  90,  lOflF.  Jene  angehängte  Notiz 
wird  also  auf  dieselbe  Quelle  zurückgehen,  die  H  benützte, 
und  es  liegt  der  Fall  einer  jüngeren  Heranziehung  von  Quellen 
vor,  die  auf  die  älteren  Werke  schon  Einfluß  genommen  hatten. 
Wir  werden  einer  ähnlichen  Erscheinung  noch  begegnen. 

Im  Sakramentswunder  (das  noch  Thiel,  Mitteil,  des  Inst, 
für  österr.  Geschichtsf.  XX,  593  f.,  als  unabhängig  von  H  an- 
gesehen und  neben  H  auf  die  ,verlorne'  Chronik  von  Königs- 
felden  zurückgeführt  hat)  zeigt  sich  am  besten  das  rein  stili- 
stische Element  der  Umformungen,  die  K  an  H  vornahm. 

Überschauen  wir  die  Summe  dessen,  was  K  der  Hagenschen 
Chronik  entnahm,  so  fUllt  in  hohem  Grade  auf,   daß  es  durch 


Zur  Kritik  d«r  KtaicBfeldM*  Chronik. 


31 


wegs  Bestandteile  sind,  die  H  nicht  ans  der  österreichiscben 
Reimcbronik  hat,  nnd  die  Beobaehtnng  wird  nm  so  bedentsamer, 
als  die  betreffenden  Parallelstücke  in  H  teils  zwar  durch  Sinnes- 
absatz sich  scharf  von  den  aus  der  Reimchronik  genommenen 
Nachbarstellen  abgrenzen,  teils  aber  auch  innerhalb  einer  Satz- 
einheit auftreten,  in  der  sie  einen  der  Reimchronik  angehörigen 
Wortlaut  syntaktisch  vollenden.  Beides  zusammen  könnte  auf 
den  ersten  Anschein  ein  schwerwiegendes  Bedenken  gegen  das 
ans  den  Text-  und  Inhaltsverhältnissen  gewonnene  Ergebnis, 
daß  die  Königsreihe  in  K  dem  aus  Stammreihe  und  Grilndungs- 
geschichte  bestehenden  Ganzen  ursprünglich  fremd  war  und 
daß  in  ihr  die  Parallelen  zu  H  aus  direkter  Benützung  von  H 
stammen,  erzeugen. 

Allerdings  stehen  die  in  R  88,  89,  90  (bis  90,  u)  sich 
wiederspiegelnden  Hagenstellen  in  H  als  Ganzes  beisammen^ 
das  zwischen  die  der  Reimchronik  entnommenen  Erzählungen 
von  der  Prophezeiung,  den  Ansätzen  zu  einer  Königswahl,  den 
Herrschaften  des  Landgrafen  von  Thüringen  und  Wilhelms  von 
Holland  einerseits  (H  1083  C)  und  die  wieder  der  Reimchronik 
folgenden  Berichte  über  die  neuen  Wahlversuche  (Richard  von 
England,  Alphons  von  Kastilien)  und  die  endliche  Wahl  Ru- 
dolfs (H  1085  A)  hineingestellt  ist.  Und  allerdings  beginnt 
(vgl.  oben  S.  24)  der  die  Parallele  vom  Lyoner  Konzil  in  H 
eröfinende  Satz  mit  Worten  aus  der  Reimchronik,  die  in  K 
fehlen.  Aber  wie  diese  seltsame  Ausschließung  von  reimchro- 
nistischen Anklängen  in  K  zu  verstehen  sei,  lehrt  das,  was  der 
Parallele  vom  wunderbaren  Buch  im  Felsen  (s.  oben  S.  26) 
vorausgeht: 


K  87,  27. 

Darnach  do  man  zalt  von 
gottes  gepurt  1251  jar,  do  richset 
Cunradus  der  dritt  römsch 
kunig,  der  was  keyser  Frid- 
richs  sun.  Do  nu  sin  vatter  ge- 
storben was,  do  zoh  er  gen 
Napulz  und  gewan  die  statt 
und  zerstört  sy  und  demütiget 
damit  alles  BüUe.  Der  wart  in 


H  1071,  81. 

Do  fuor  chünig  Chunrat  der 
drit,  chaiser  Fridreichs  sun,  gen 
Lambarden.  Er  schift  an  ze 
Agle  und  fuor  gen  Püln.  Im 
halfen  Gibling  und  Qelfen.  Do 
ward  gestriten  und  der  Cha- 
relot  sigloz.  Do  gewan  auch 
chünig  Chunrad  die  stat  Napels 
und  prach  da  nider  die  maur. 


32 


n.  Abhaiidliiiig:    S««mftlUr. 


dem  Dächgenden  jare  siech.  Do 
wart  im  geben  ein  cristir  ver- 
mischet mit  gift.  Des  starb  er. 
Ze  den  selben  ziten  geschach 
ein  grofs  wunder  in  dem  riebe 
Castelle  .  .  . 


Er  besazz  auch  daz  chünigreich 
ze  Cecili.  Chünig  Chunrat  ward 
darnach  siech:  dem  vergab  ain 
arczt  mit  ainem  Christen^  daz 
mit  gift  wunderleich  was  ge- 
mischt. Zu  des  Zeiten  zu  Ca- 
stelle in  dem  chünigreich  .  .  . 


Die  Verwandtschaft  beider  Berichte  ist  deutlich.  Dennoch 
besteht  zwischen  ihnen  keine  direkte  Beziehung.  R  hat  den 
seinigen  (wie  in  dem  nächgenden  jare  <  sequenti  anno  beweist) 
aus  Mart.  Oppav.  ad  a.  1251  (SS.  XXII,  472,  4i),i  H  aber,  wie 
die  evidenten  wörtlichen  Übereinstimmungen  zeigen,  aus  der 
Reimchronik  148 — 222.  Die  Ähnlichkeit  von  K  und  H  beruht 
darauf,  daß  auch  die  Reimchronik  an  dieser  Stelle  hauptsächlich 
den  Mart.  Oppav.  benlitzt  hat. 

Auf  diese  in  K  und  H  aus  verschiedenen  Quellen  und 
unabhängig  gestaltete  Erzählung  von  Konrad  folgt  unmittelbar 
in  beiden  die  Auffindung  des  wunderbaren  Buches,  unter 
direkten  Anzeichen,  daß  K  aus  H  schöpfte. 

K  begann  also  seine  Königsreihe  mit  einer  Notiz  aus 
Mart.  Oppav.  Derselben  Quelle  entstammen  die  auf  das  Buch- 
wunder folgenden  Notizen  über  Heinrich  und  Wilhelm: 


K  88,  7. 

Darnach  wart  lantgräf  Hein- 
rich erweit,  ein  lantgräf  ze 
Türingen.  Darnach  graf  Wil- 
helm, graflf  von  Hollande.  Der 
wart  von  den  Friesen  erslagen. 
Die  bestunden ,  das  entweder 
keyser  wart. 


Mart.  Oppav.  471,  89. 

.  .  principes  elegerunt  contra 
ipsum  lancravium  Turingie. 
Quo  post  parvum  tempus  mortuo 
Guillelmus  comes  Hollandie  de- 
nuo  contra  ipsum  a  principibus 
eligitur.  Sed  post  parvum  tem- 
pus a  fVisonibus  occiditur  et  sie 
uterqne  electus  caruit  benedic- 
tione  imperiali. 

Dem   Hagentext   fremd   ist    dann   wieder   die  Notiz  über 
Rudolfs  Wahl  89,  12,  über  seine  Krönung  in  Aachen  und  dann 

*  Thiel  a.  a.  O.  603  zitiert  die  Stelle  ebenfalls,  hielt  sie  aber,  irregeführt 
durch  Böhmers  Druck  (li'onteä  II,  110;  doch  vgl.  dagegen  schon  B<$hiner8 
Einleitung  S.  XV)  für  EUenhardisch. 


Zur  Kritik  der  Ktoigslbldar  Chronik.  33 

durch  den  Papst  beim  Konzil  in  Lyon  90, 16~24,  über  seinen 
Zng  nach  Bisnnz  und  gegen  Ottokar  91,  5,  Rudolfs  Tod  92,  2 
und  Adolfs  Wahl  92,  7. 

AUe  diese  Hagenfremden  Notizen  zusammen  ergeben  die 
Reihe  der  Könige  von  Konrad  IV.  bis  Adolf  —  das,  was 
schon  oben  S.  14  als  Grundlage  der  ersten  Hälfte  des  ersten 
Teiles  erkannt  war.  Dieses  Gerippe  wurde  durch  Entlehnungen 
aus  dem  Hagen  ausgefüllt.  Die  erste  traf  das  Buchwunder,  das 
in  H  ebenso  an  die  Regierung  Konrads  IV.  angeschlossen  ist, 
wie  in  K.  Am  meisten  lag  dem  Kompilator  der  Königsreihe  für 
seinen  Zweck  nattlrlich  daran,  die  Regierung  Rudolfs  auszu- 
statten: da  er  selbst  Franziskaner  war,  interessierte  ihn  be- 
sonders das  Hagenstück,  das  den  Heinrich  von  Isny  mit  der 
Wahl  Rudolfs  in  Verbindung  bringt:  damit  war  die  Aufnahme 
des  ganzen  zusammenhängenden  Teiles  H  1083,2  v.u.  —  1085,  3 
eingeleitet.  Was  in  H  folgt  —  die  Wahlintriguen  um  Richard 
und  Alphons  —  konnte  er,  da  er  von  Haus  aus  diese  über- 
gangen hatte,  ebensowenig  brauchen  wie  die  Abschnitte  über 
Manfred,  die  österreichischen  Verhältnisse  nach  Friedrichs  des 
Streitbaren  Tod  u.  s.  w.,  die  in  H  an  das  Buchwunder  sich 
schlössen.  Daß  er  jene  zusammenhängende  Nachrichtengruppe 
trennte,  hat  darin  seinen  Grund,  daß  er  den  Rat,  den  Heinrich 
von  Isny  dem  Grafen  erteilt  und  der  in  eine  Belagerung  Basels 
ausgeht,  vor  die  in  seinem  Gerippe  schon  vorhandene  Wahl- 
notiz setzen  wollte,  weil  dem  Gewählten  die  Kunde  seiner  Er- 
wählung vor  Basel  gebracht  wird. 

An  die  Krönungsnotizen  schlössen  sich  wieder  bequem 
die  Konzilsanekdoten,  die  dem  Verfasser  deswegen  interessant 
waren,  weil  sich  ihm  an  den  Namen  des  Papstes  Gregor  — 
den  er  mit  dem  9.  Gregor  verwechselte  —  die  Franziskus- 
Reminiszenzen  knüpften  (90,  si).  Die  Einleitung  zur  Stelle 
vom  Konzil  in  H  {die  zeit  cham  —  genomen^  s.  oben)  konnte 
er  nicht  brauchen,  weil  er  eben  vorher  schon  in  seiner  Grund- 
notiz vom  Konzil  ja  geredet  hatte.  Und  was  in  H  1086,  8  v.  u. 
wieder  auf  die  entlehnte  Stelle  folgte  (Zusammenkunft  in  Lau- 
sanne), war  für  ihn  un verwendbar,  weil  er  Papst  und  König 
schon  auf  dem  Konzil  zu  einander  gebracht  hatte. 

Für  die  Regierungshandlungen  Rudolfs  glaubte  er  an  der 
Stelle   von   der  Wahl  an  dem  (aus  H  entlehnten)  Anhang  zur 

SitxnngBber.  d.  phiL-hitt.  Gl.  CXLVII.  Bd.  S.  Abb.  8 


34  II.  Abluuidliiag :    SatmftUtr. 

Liste  der  Nachkommenschaft  und  an  seiner  Gmndnotiz  91,  6 
genug  zu  haben. 

Damit  sind  die  Partien  erschöpft,  zu  denen  seine  Vorlage  H 
auch  reiche  Nachrichten  aus  der  Reimchronik  hatte.  Ea  ließ 
sich  ohne  Zwang  verstehen ,  warum  gerade  aus  diesen  nichts 
nach  K  hinüberging. 

Aus  der  kompilatorischen  Natur  der  Königsreibe  versteht 
man  nunmehr,  wie  ihrem  Verfasser  89,  lo  der  auffallende  Hin- 
weis auf  die  andern  croniken,  die  von  der  herschaft  von  Oester- 
rieh  gemacht  sind,  in  die  Feder  sich  drängen  konnte.  Thiel 
hat  sich  mit  ihm  a.  a.  O.  598, 602  beschäftigt  und  darunter 
EUenhard,  Matthias  von  Neuenburg  und  Johann  von  Winterthur 
verstanden.  Für  unseren  Zusammenhang  kommen  natürlich 
nur  die  Stellen  in  Betracht,  die  in  die  Königsreihe  fallen.  Die 
Parallele  aus  EUenhard  (zu  87,  27)  ist  nach  dem  oben  S.  32 
Gesagten  durch  Mart.  Oppav.  zu  ersetzen.  Für  Matthias  von 
Neuenburg  ftihrt  Thiel  S.  599  an,  daß  K  89,  13  in  Überein- 
stimmung mit  ihm  die  Wahl  Rudolfs  auf  den  Tag  nach  Michael 
setze:  uff  den  nechsten  tag  nach  Sani  Michels  tag  <Z  Matth. 
(Studer)  11,  24:  II  Kalendas  Octobris  —  aber  das  sagt  auch, 
und  in  einem  Wortlaut,  dem  K  näher  steht,  das  Chron.  Colm. 
SS.  XVII,  243,  34:  in  crastino  Michaelis  ]  ferner  stimme  K  89,  lö 
brächt  man  das  urkund  der  wal  erlich  für  Basel  in  das  her 
mit  Matth.  12,4  Burggravius  autem  receptis  de  electione  prin- 
cipum  literis  utens  duplomate  Basileam  ad  Ruodolfi  exercitum 
.  .  .  venit,  wobei  auf  urkund  <c  duplomate  der  Hauptton  gelegt 
wird  —  aber  das  urkund  heißt  hier  nichts  anderes  als  ,die 
Nachricht^,  sowie  eine  Zeile  später  ze  urkund  des,  das  ,um  an 
den  Tag  zu  legen,  zu  verkünden^  bedeutet;  die  nächste  Über- 
einstimmung findet  er  K  92, 2  Kilng  Rudolff .  .  starb  da  man 
zalt  V,  Chr.  g.  1291  jar  Idus  Julii  und  war  73  jar  alt  und 
hat  18  jar  sines  riches  und  wart  erlichen  begraben  zuo  dem 
tum  zu  Spyr  bi  andern  klingen  <;  Matth.  27,  21  .  .  moriens 
Spire  in  sepulcro  regali  honorifice  est  sepultus  anno  regni 
ejus  XVIII  —  aber  gleich  darauf  bringt  Matthias  (nach  der 
Grabschrift)  den  //  Kalendas  Octobris  als  Todestag  —  gegen 
die  richtigen  Idus  Julii  K  —  und  die  ,18  Jahre*  sowie  die 
Beisetzung  in  der  Königsgruft  finden  sich  bekanntlich  auch 
sonst.     In  K  folgt  femer  die  Notiz:   Des  selben  jars  Kalendas 


Zur  Kritik  der  K6fticif«ld«r  Ckronik.  35 

Martij  do  erlcuch  die  sunn^  die  offenbar  ein  Reflex  der  von 
EUenhard  SS.  XVII,  134,  84  und  Ann.  Colm.  maj.  SS.  XVü, 
218,  10  (hier  mit  dem  Datum  15,  Kalendas  Martii)  notierten 
Himmelszeichen  ist  and  die  Mondes-  mit  einer  Sonnenfinsternis 
verwechselt  hat.  Da  Ellenhard  von  einer  circularis  custodia 
der  Sonne  and  einer  ,großen  und  sichtbaren^  Mondesfinsternis 
redet,  die  Ann.  Colm.  bloß  von  dieser,  so  steht  K,  auch  wegen 
des  Datums,  den  Annales  näher.  Die  letzten  Parallelen  Thiels 
endlich  beziehen  sich  auf  K  92,  13—16.  Die  Stelle  gehört  be- 
reits zu  den  aus  H  stammenden.  Dennoch  sei  bemerkt^  daß 
die  Sätze  des  Matthias,  von  denen  K  ausgegangen  sein  soll, 
an  sich  schon  ohne  Beweiskraft  sind  (M  28,  23 ff.;  30,  9—14; 
32,  16—18):  an  wörtlichen  Anklängen  ist  nur  söldner  -<  stipen- 
diarius  und  santent  ir  .  .  hotschaft  <C  nuncios  et  literas  de- 
stinarunt  vorhanden  —  beide  maßten  sich  einstellen  wegen 
der  Verwandtschaft  der  Gedanken,  und  diese  Gedanken  stehen 
auch  z.  B.  bei  Ellenhard  135,  17,  37.  Und  für  die  übrigen  in- 
haltlichen Ähnlichkeiten  wiegt  genau  so  schwer  (oder  leicht) 
Ellenhard  135,  12—15;  135,  17,  18,  wo  überdies  der  Ausgang 
Adolfs  mit  seiner  Entwürdigung  durch  die  englischen  Gelder 
direkt  in  Zusammenhang  gebracht  ist,  was  der  Kompilator  bei 
Matthias  von  Neuenburg  30, 12  zwischen  den  Zeilen  hätte  lesen 
müssen;  die  letzte  Stelle  endlich:  Aber  hertzog  Albrecht  empßeng 
die  wirdikeit  des  heiligen  Römschen  richs  mit  eren  (von  Thiel 
mit  M  32,  16  verglichen),  ist  so  allgemein  gehalten,  daß  sie 
überallher  stammen  kann  und  verdient  Aufmerksamkeit  nur 
nach  der  früher  betonten  Richtung  (vgl.  oben  S.  29). 

Für  Benützung  Johanns  von  Winterthur  führt  Thiel  S.  603 
die  Parallelen  in  der  Erzählung  der  Beichtanekdote  K  88,  26 
<  Job.  V.  W.  (Wyss)  27  an.  Tatsächlich  steht  ihre  Fassung 
in  K  der  bei  Johannes  weitaus  am  nächsten.  Ob  Johannes 
dennoch  direkte  Vorlage  war,  ist  unsicher:  die  Art  der  Bannung 
des  Dämons,  die  Worte,  die  er  spricht,  stimmen  auch  hier  nicht, 
und  Johannes  nennt  (innerhalb  der  Beichtanekdote)  auch  nicht 
bestimmt,  wie  K,  die  späteren  bischöflichen  Würden  Heinrichs. 
Das  Chronicon  Colmariense  zeigt  in  seinem  parallelen  Bericht 
doch  deutlich,  daß  um  Heinrich  sich  —  wahrscheinlich  in  geist- 
lichen Kreisen  —  ein  Ring  von  Sagen  gebildet  hatte.  Sicherer 

aber  scheint  ebenfalls  auf  Johannes  hinzuweisen 

3* 


36 


II.  Abhandlung :    0eemftller. 


K  90,  80. 

Dirre  ist  gewesen  Qregorius 
de  nünde^  der  da  sunderbar 
eret  und  zuo  der  heiligen  zal 
tet  schriben  sanctum  Francis- 
cum.  Der  selb  Gregorius  krönt 
och  kling  Ruodolff.  Nu  vieng 
an  sanctus  Franciscus  ander 
Inocencio  und  kam  bis  an  Ho- 
norium.  Also  kam  der  dritt^  an 
dem  wir  hie  schriben,  der  hiefs 
Qregorius. 


Johann  v.  W.  (Wyas)  S.  3  f. 

Hic  (Qregorius  IX.)  canoni- 
zavit  Bononie  beatum  Domini- 
cum,  item  beatum  Franciscum, 
qui  ordinem  suum  incepit  sub 
Innocencio  cursumque  sub  Ho- 
norio  perfecit  gloriosum.  Succe- 
dens  hiis  Gregorius  magnifi- 
cavit  anplius  miraculis  famo- 
sum. 


War  Johann  von  Winterthur  tatsächlich  eine  direkte 
Quelle,  so  würde  die  Hinweisung  auf  ihn  und  auf  die  Hagensche 
Chronik  vollständig  genügen,  um  den  Plural  K  89, 10  als  man 
in  andern  croniken  vindet  zu  erklären,  vorausgesetzt,  daß  man 
den  meritorischen  Inhalt  der  Verweisung  auf  die  bloße  Tat- 
sache der  Belagerung  Basels  bezieht  (deren  Ursache :  tvider  die 
er  redlich  sack  hatty  inbegriflFen).  Der  Kompilator  würde 
dann  bloß  andeuten,  daß  er  diese  seine  Angaben  in  anderen 
Chroniken,  die  von  der  Geschichte  des  Hauses  Osterreich  reden, 
gefunden  habe.  Versteht  man  den  Inhalt  der  Verweisung  aber 
so,  daß  er  ausfuhrlichere  Auslassung  über  die  Gründe  der 
Feindschaft  zwischen  Basel  und  dem  Landgrafen  ablehnt,  weil 
man  sie  in  anderen  Chroniken  finde,  so  blieben  die  Quellen,  die 
er  meinte,  dunkel:  man  hätte  zunächst  an  die  Herkunft  seiner 
Grundnotizen  zu  denken^  für  deren  zwei  Mart.  Opp.  —  den 
man  aber  kaum  unter  croniken  von  der  herschaft  von  Oesterrich 
einbegreifen  könnte  —  Quelle  war,  während  für  die  übrigen 
nur  entferntere  Beziehungen  aufzuweisen  sind.  Aber  auch  in 
diesem  Falle,  wie  im  ersten,  läge  als  der  Gegensatz  zu  den 
anderen  Chroniken  über  Oesterreich  der  Gedanke  an  die  un- 
mittelbare Quelle,  die  er  gerade  im  vorhergehenden  ausschrieb, 
die  Hagensche  Chronik,  zugrunde.^ 


*  Es  ist  aber  überhaupt  nicht  nötig,  die  Pluralform  in  andern  croniken 
ausschließlich  auf  eine  logische  Mehrzahl  zu  deuten:  die  Berner 
Hagenhandschrift  nennt  das  Werk  —  den  Hagen  —  disse  croniken  (die 
in  difsen  croniken  lesentj,  ebenso  redet  die  unten  S.  40  genannte  Hand- 


Zv  Kritik  der  Königrfelder  Chronik.  37 

Die  Reihe  anklingender  Qnellenberiehte ,  die  Thiel  be- 
gann^  die  oben  fortgesetzt  wnrde^  läßt  sich  ohne  besondere 
Mühe  noch  verlängern:  in  der  Stelle  von  Rudolfs  Wahl  steht 
dem  und  wart  gräff  Ruodolff  erweit  von  allen  kurfüraten  an 
von  dem  Küng  von  Behemj  der  was  nit  bi  der  wähl  (K  89,  14) 

znr  Seite   Quem  omnes  principes consensum  suum  beni- 

volum  adhibentes  (vgl.  89,  4  warent  die  kurfürsten  einberlich 
ze  rät  worden)  elegerunty  ipsum  dominum  Ruodolffum  in  regem 
Romanorumj  excepto  solo  rege  Bohemie,  qui  absens  erat,  qui  in 
eum  tanquam  in  regem  noluit  consentire ,  Ellenhard  122,  60. 
In  der  breiten  nnd  stilistisch  die  eigenste  Art  des  Kompilators 
verratenden  Stelle  von  den  Zuständen  des  Zwischenreiches  ver- 
gleicht sich  dem  Do  stund  in  tiitschen  landen  grofs  übel  uff^ 
kryeg  und  morderyge,  das  nieman  sicher  war  kofman  noch 
human  (88,  ii)  am  nächsten  die  breite  Auslassung  des  Monachus 
Ftlrstenfeld.  (Böhmer  I,  2),  in  der  der  viator  und  agricola 
auftritt;  und  auch  die  starke  Betonung  des  Friedens,  den  Rudolf 
der  Stadt  Basel  gab,  ze  urkund  deSy  das  künftig  was,  das  er 
gemeinen  frid  der  heiligen  Christenheit  uberal  kurtzlich  geben 
und  machen  solt  (89,  16),  fände  dort  oder  im  Chron.  Colm. 
SS.  XVII,  243, 11,  36  ihre  Parallele.  Und  zur  Notiz  über  Rudolfs 
Beichtvater  89, 29  stünden  aus  Johann  von  Winterthur ,  für 
dessen  nähere  Verwandtschaft  mit  K  schon  anderes  sprach, 
gleich  zwei  Stellen,  21  unten  und  26,7  v.u.,  zur  Hand,  die 
aber  deswegen,  weil  K  den  Namen  des  Beichtvaters  weiß  und 
überhaupt  hier  in  persönlicher  Weise  (s.  oben  S.  16)  seinen 
Bericht  färbt,  ganz  zurücktreten  müssen. 

IV. 

Die  Handschrift,  die  Qerbert  vorlag  (und  die  er,  wie  es 
scheint,  buchstabengetreu  abdruckte)  war  eine  mechanisch  her- 
gestellte Abschrift  ihrer  Vorlage.  Sie  enthält  (außer  den  falschen 
Jahreszahlen,  Namen  und  anderen  Sachirrtümern)  eine  ziemlich 
große  Zahl  von  Fehlern.  Sie  bestehen  aber  in  der  überwie- 
genden Mehrheit  der  Fälle  in  Auslassung  einzelner  Wörter  (a) 


Schrift  Ton  der  einen   KOnigsfelder  Chronik  als    von  andern  hiatorien 
und  Oonmieken, 


38  n.  Abhuidlnng :    8e9mÜUtr. 

und  Verßchreibungen  (h)y   die   ich,  soweit  es   zur  Beurteilung 
der  Abschrift  nötig  ist,  im  folgenden  aufzähle. 

a)  (das  in  runden  Klammern  Stehende  ist  ergänzt):  88,  6 
Das  buch  (aach)  und  hört  lesen  ein  Jud  88,  16  u/s  gab  und 
hiilff  (gottes)  vereinten  si  sich  88,  18  de  küng  möcht  gesin  und 
als  (das)  einem  küng  (zugehört)  möcht , .  volbringen  88,  23  der 
riet  den  kurfärsten  .  .  .  (an)  gräff  Rudolff  .  .  als  an  einen 
fromen  .  .  herren  89,  7  das  er  etlicher  manhafter  redlicher  (tat 
sich)  underwunde  ze  tunde  89,  22  (Also)  bald  als  Buodolff  das 
sach  [vgl.  94,  15]  91, 16  und  darin  tet  (er)  93,  21  in  (der)  fürsi^n 
grab  94,  10  Leopoldus  was  . .  Albrechtz  drittgebom  (sun)  97,  18 
viel  Villach  und  (vil)  ander  bürg  und  turnen  und  buwes  97,  21 
vil  velsen  spielten  (sich)  97,  29  und  mxinot  und  (bat)  oft  sine 
kinnt  97,  34  starb  .  .  .  (und  ist)  begraben  98,  lO  nach  XII,  ka- 
lendas  fehlt  der  Monatsname  und  98,  36  vor  XV^  kalendas 
Junii  die  Jahreszahl.  99,  3  die  was  einem  gr äffen  von  Oeting&n 
(gemähelt)  99,  15  als  von  (im)  stät  geschriben  99,  24  und  wart 
kleidet  ein  klärerin  und  starb  in  dem  (orden)  und  wart  be- 
graben .  .  100, 11  Der  beleib  kein  in  dem  land,  denn  gar  wenig 
zites  Hb  und  guot  was  vervallen]  .  .  land;  den  in  gar  wenig 
zites  ...  101,11  als  es  hütt  den  tag  nach  dem  ögen  wist]  als 
es  hütt  des  tags  [vgl.  102,30]  sich  [vgl.  97, 22]  noch  den  ögen 
wist  103, 12  und  irs  bruoder  tochter  (des)  hertzogen  103,34  und 
was  von  jugent  uff  flissig  tiff  liebes  und  hertze(n)  reinikeit  und 
luterkeit  und  behuot  (si)  als  ein  sunder  schätz  mit  ernst  107,  4 
und  wo  einer  mägtin  (tag)  /oder:  hochzitlicher  tag]  waSj  uff 
den  tag  gab  sy  (den)  frowen  und  den  bruodern  ein  erlich  mahl 
107, 12  und  (nam)  ein  klein  zwehelen  [von  Gerbert  ergänzt]. 
110,  1  Also  (man  von)  Schwester  Helg(arden)  von  Wolhusen  seit. 

b)  a)  Verschreibungen  durch  Vorausnahme  von  Lauten 
des  folgenden  Wortes:  87,  28  des  ivas  keyser  Fridrichs  sun] 
der  was  . . .  89, 29  Er  hatt  .  .  ein  bichter  in  sinem  hoff  und 
war  er  für  das,  was  sant  Franciscus  orden] . . .  war  er  für, 
der  xoas  . .  .  92,  8  an  der  statt  dan  man  küng  wellen  sol] . .  da 
man  .  . ,  97,  6  da  was  eingemält  ein  ,  J  , .  an  gemalt , .  104, 1 1 
die  sich  nach  Zartheit  der  kintheit  nit  volbringen  möchten]  die 
si ,  ,  .  105,  9  ze  bichten  de  den  bruodern]  . .  bi  den  . .  106,  7 
und  veriach  öch  da  bis  das  sie  nie  so  grossen  lti,st  gewan]  . .  da 
bi,  das,,  ß)  Wort- und  BegriflFs Wiederholungen:     94,17  hertzog 


Z«r  Kritik  dar  Ktaictfaldar  Chronik.  39 

Lupoiden]  za  streichen.  102^  16  Do  tet  er  öch  sin  muoter  und 
sin  tochter  tn,  [gott]  ewenklieh  got  ze  dienent  104,  7  die  gesezte 
der  natur . . .  die  da  [nach]  etwas  nach  gunst  als  nach  üher- 
muot  schmakt  105,  11  [do  er]  die  wil  er  aber  an  endes  not 
lag,  f)  Andere  Verschreibungen:  88, 9  von  den  frieslagen] 
von  den  Friesen  erslagen  90,  8  nu]  nur  (s.  oben  S.  23)  90,  10 
davor]  davon  (e.  oben  S.  22).  90,  23  Do  krönt  Gregorius . . . 
den    küng    und  frow   Annen   einem   gemahl]  .  .  .    sin   gemahel 

91,  14  genütz]  gemütz     91,  19  ruchsent]  richsent     92,  27  der]  des 

92,  34  halt]  hielt  93,  30  sol]  solt  96,  27  (das  zweite)  man]  kein 
(oder:  ein)  97,  4  Der  herre  sicherlichen  hie/s  dar  tragen]  D.  A. 
sich  erlichen  h.  d.  tr,  98, 33  behebt  und  nsbegraben]  , . .  usge- 
graben  99, 10  langent]  lagent  (vgl.  Hagen  1140D)  100,  12  bruch] 
iracÄ,  ähnlich  101,  Sb  lüten]  Uten  100,2^  Parys]  Pis  101,19 
tet  einritten]  tet  ein  ritten  (a.  ä.  m.)  102,  6  vürenberg]  Niiren- 
berg  102, 20  des  minne  .  .  .  sach  sant  Claran]  .  .  .  sant  Clar  an 
102, 21  si]  sich  103,  15  von  gesucht  . .  siechen]  von  gegicht . . . 
(vgl.  Hagen  1137,  2)  104,  ll  übunge  .  .  .  nit  venien]  .  .  .  mit 
venien  108,  i  es]  er  108,  6  undeguldig  könnte  leicht  Druck- 
fehler sein,  and  so  ähnliches  mehr,  besonders  106,  32  getorft] 
getorst       109,  34  irs]  ir. 

c)  Dazn  kommen  syntaktische  Fehler:  Singular  statt 
Plurals  89,  9  wurd]  vowrden  92, 16  nam]  namen  99, 12  sant] 
santen  102,  3  zwygete]  -en;  außerdem:  90,  8  wart  wider  kilnig 
Fridrich  .  .  .  wart]  wart .  .  .  erweit  93,  27  küng  Fridrich(s) 
herschaft  (u.  ä.  m.)  98, 31  erweit  im]  e.  ir  100, 32  von  dem]  von 
der  (vgl.  oben  S.  18)  101,  2  also  hie/s  frow  Elizabeth  . . .  küng 
Albrecht  [wart]  . . .  ufsgraben  und  , . . .  ze  füren. 

Nur  in  wenigen  Fällen  sind  die  Entstellungen  stärker: 
87, 24  der  Vordersatz  vor  Das  ist  fehlt,  88, 16  wo  schon  Qerbert 
äußere  Zeichen  der  Lücke  vorgefunden  zu  haben  scheint,  88, 29 
ziLo  der  kam  öch  Oft  de  böfs  geist  anders  dan  in  siner  eignen  gestalt, 
das  er  nu  ein  engel  lichtes  schin,  nu  sich  Christen  nampt  und 
also  mit  manigvaltig  wi  dieselben  person  wölte  andachtz  irren 
—  steckt  in  wi  der  Anfang  eines  Wortes,  das  nicht  zu  Ende 
geschrieben  wurde  (widereffunge ,  wirrunge)f  89,  9  Bald  do 
helag  Ruodolff  Basel  die  Herren  statt  —  die  herren  in  der 
stat  ze  Basel?  91^  7  und  besä/s  mechteklich  Bisumtz  und  be- 
zwange,  das  sy  von  not  kraft  des  herren  müsten  sich  an  des 


40  n.  Abbtadlmig :    Beemftller. 

kiings  gnäd  ergeben  — ?  91,  17  .  .  nam  ain  tochter  junkfrouw 
Angnes  in  allen  gotlichen  gnaden  und  lugenden  zuo  und  beschlo/s 
es  mit  einen  guoten  seligen  end  —  das  Objekt  es  deutet  wohl 
darauf  hin^  daß  vor  und  beschloß  es  ein  Sätzchen  ausgefallen 
ist,  in  welchem  von  ihrem  Leben  die  Rede  war.  92,21  gen 
sitz  des  Rines]  wohl:  jensits  des  E.  96,  5  Hie  sint  nu  hertzog 
Albrecht  und  hertzog  Lupoid  zwen  herren  zuo  den  ziten  zuo  ir 
her  Schaft  grofs  zuoversicht  und  Öch  die  iren  haitont  —  nach  ziten 
ist  wohl  zu  interpungieren  und  nach  und  öch  ist  wohl  ein  Wort 
(truwe?  vertruwen?)  ausgefallen.  108,  8  nu  ist  der  last  mins 
wewes  (spricht  ein  Aussätziger)  so  grojs  und  so  vily  das  ich 
sulen  von  tve  das  ich  oft  gedult  verlür  — ? 

Die  verschiedenen  Arten  von  Fehlern  erstrecken  sich  zwar 
nicht  ganz  gleichmäßig  über  das  Ganze:  aber  sie  lassen  sich 
ohneweiters  aus  der  wechselnden  Aufmerksamkeit  eines  und 
desselben  Abschreibers  erklären.  Schlüsse  auf  Textgestalt  der 
Vorlage  (der  nächsten  oder  einer  entfernteren)  erlaubt  nur  90,  8 
Hie  sint  nu  funff^  über  dessen  Entstehung  aus  einer  Glosse 
oben  S.  23  die  Rede  war;  93,  20  Dem  wart  ein  sun  von  der 
Katherinen  von  Arragoni^  der  bloße  Artikel  vor  dem  Namen 
ist  verdächtig;  von  der  von  Arragoni  wird  das  Ursprüngliche 
und  Katherinen  aus  einer  Glosse  entstanden  sein  —  umsomehr 
weil  kurz  vorher  93,  li  und  13  Friedrichs  des  Schönen  Frau 
richtig  Elsbeth  genannt  war;  vielleicht  ist  auch  das  einzige  ald 
106,  32  ein  Rest  aus  der  Vorlage,  weil  sonst  der  BegriflF  ,oder' 
durch  als  ausgedrückt  wird.^ 

Eine  Parallelüberlieferung  zu  K,  die  in  der  Handschrift 
des    britischen   Museums    Add.  ms.  16579  (K')   enthalten    ist,* 


^  Die  Form  ist  sprachlich  anffallig.  Sollte  konsequentes  Verlesen  durch 
Gerbert  zugrunde  liegen?  Aber  im  Schweizer.  Idiotikon  I,  198  finde  ich 
unter  den  Beispielen  für  als,  freilich  unter  der  Bedeutung  ,wie,  gleicliwie": 
,Wenn  es  zitlich  alss  [zeitgemäß  sowie  (und)]  möglich  ist%  ,Und  sol  denn 
gon  wader  [auf  welche  Seite]  er  wil,  nidsich  als  obsich*  (beide  aus  dem 
15.  Jahrhundert),  Eis  as  [so  gut  als]  zwei  (aus  jüngerer  Zeit)  ,ohne  Zweifel 
für  ungefähre  Zahlbestimmung*  —  der  Begriff  ,oder*  liegt  hier  ganz  nahe. 
Zur  Vergleichung  nenne  ich  aus  K:  101,  7.  28;  104,  7.  ii.  U;  106,  5  (das 
zweite  als).  8  (das  erste  als).  19  21.  85  (was  man  mit  gcld  als  mit  edlem  ge- 
stein  machen  soltj;  107,  35.  36;  109,  13  (da  man  kilchen  als  priester  wihetj. 

'  Hier  beschreibe  ich  K'  nur  soweit  es  in  diesem  Zusammenhange  not- 
wendig ist. 


Zur  Kritik  d«r  Königsfeldw  Chr«nik.  41 

führt  uns  leider  nicht  weiter.  K'  war  im  16.  Jahrhundert  in 
tirolischem  Besitz^  1558  Hans  Christians  von  Serntein^  dann 
Christoph  Friedrichs  Fieger  von  Fridberg,  ztdetzt  1588  Chri- 
stophs Freiherrn  za  Wolkenstein.  Sie  wurde  im  15.  Jahrhundert 
in  alemannischer  Gegend  geschrieben.  Hauptbestandteil  der 
Handschrift  ist  die  Hagensche  Chronik.  Unmittelbar  an  sie 
hat  der  Schreiber  Bl.  180^  unter  dem  Gesamttitel:  Es^  ist  ze 
wüssendy  das  Hiernach  volgent  ettliche  stuck  wirdig  zs  schriberij 
gezogen  vß  andern  Historien  und  Coronicken  der  edlen  herschaft 
Osterrich,  die  da  vor  nit  beschrihen  stand  einzelne  Stücke  der 
Königsfelder  Chronik,  jedes  mit  besonderem  Titel  versehend, 
angefUgt.  Er  ist  dabei  so  vorgegangen,  daß  er  K  mit  dem 
von  ihm  kopierten  Hagentext  verglich  und  jene  ihm  bemerkens- 
werten Nachrichten  von  K,  die  er  nicht  schon  im  Hagen  vor- 
fand, nachträglich  hier  brachte. 

So  steht  1.  BL  181**»  unter  dem  Titel:  Von  küng  Ottaker 
Tochter j  genant  Agnes,  ein  stilcklin  wirdig  ze  wüssen  das  Stück 
Ottakorus  —  als  ain  Sidin  fädemlin  =i  K  91,  13—84.  Hierauf: 
Von  küng  Ottakers  leben  und  striten  und  anderm,  wie  er  von 
küng  Rudolfen  Römischen  küng  erschlagen  ward,  an  dem  Ixxxxij, 
Ixxxxo.  Ixxxxix,  und  cj.  blettem.  Damit  ist  auf  die  Hagen- 
erzählung zurückverwiesen,  die  Blattzahlen  stimmen  durchaus 
zur  vorhergehenden  Niederschrift. 

2.  Bl.  18P,  182»  unter  dem  Titel:  Von  hertzog  Albrecht 
des  Römischen  küngs  Albrechts  fünfter  Sün,  wie  es  Im  uf  ain 
mdl  ergieng  von  ainem  untrüwen  Burger  ze  Wien,  der  in  bofi- 
lieh  wolt  eriMten^  das  Stück  Herczog  Albrecht  von  Österich, 
küng  Albrechts  fünffter  Sun,  hatt  in  siner  Statt  ze  Wien  —  In 
Sand  Ciaren  orden  =  K  96,  30  bis  97,  16.  Am  Schluß  wieder 
Verweisung  auf  die  Stellen  des  vorhergehenden  Hagentextes, 
die  von  Albrecht  II.  reden. 

3.  Bl.  182^  183».  Titel:  Von  der  kungin  Elizabethen,  küng 
Albr  des  römischen  küngs  eliche  tvittwe,  und  den  swestern  von 
seflingen  und  von  dem  closter  Küngfifeld,  Beginn:  By  des  vor- 
geschriben  Herczog  Albrecht  zyten,  In  und  vor  dem  das  Closter 


'  Ich  zitiere  aas  K'  buchstabengetreu,  jedoch  mit  Auflösung  der  Abkür- 
zungen, wo  sie  sicher  ist,  und  mit  Vernachlässigung  der  handschrift- 
lichen Interpunktion. 


42  II.  A^handlong:    StemtlUr. 

Kungsfeld  gebuwent  ward  ah  obstat^  warend  ze  Seflingen  wdr 
Goltz  dieneriu]  Ende:  do  man  zalt  nach  Christi  gebart  zwölf- 
hundert  und  drüundfünfzig  Järe  =  K  101,  32  bis  102,  2» ; 
wieder  mit  Schlußverweisung  auf  Hagen. 

4.  Bl.  183%  183^.  Titel:  Hie  nach  volget  aber  etwas  von 
dem  buw  daselbs,  Beginn:  Es  ist  auch  ze  wüssen^  Do  man  das 
Closter  Küngsfelden  buwen  solty  do  müßt  man  —  zu  Ir  nodturft 
=  K  102,  33— 3G.  Rück  Verweisung. 

5.  Bl.  183*» — 188*.  Titel:  Von  küngin  Agnesen  von  ungern. 
Hie  nachvolgent  ettliche  schöne  stück  von  der  Seligen  und  gaist- 
liehen  frowen  frow  Agnesen  wilent  küngin  ze  ungern,  von  Irem 
hailigen  leben  und  guttat,  die  von  Ir  nit  beschriben  ständy  als 
ob  stät.  Beginn:  Frow  agnes  küng  Andres  von  ungern  gemahel; 
Ende :  daz  die  küngin  zu  dem  Sacrament  waz  gangen  =  K  103, 33 
bis  110,  9.  Rtlckverweisung.  Doch  hat  K'  nicht  das  ganze 
zwischen  103,  34  und  1 10, 9  K  liegende  Stück  abgeschrieben,  son- 
dern nur  einzelnes  daraus,  indem  es  immer  wieder  abbrach, 
wenn  es  auf  die  bereits  im  vorhergegangenen  Hagentext  ent- 
haltenen Einzelheiten  stieß.  K'  hat  demnach  in  dieser  Strecke 
aufgenommen :  103,  33  bis  104,  lo  was  sich  traf  uff  andächt. 
Hier  endigt  Bl.  184^,  nach  diesem  ist  ein  Blatt  ausgefallen  und 
der  Text  setzt  auf  Bl.  185*  erst  wieder  ein  mit  105,  12  vogel, 
da  by  der  küng  verstund  und  reicht  bis  105,  17  XVIII  kal. 
Februarij.  Dann  folgt  105,  24  Item  über  difi  alles  bis  105,  31 
hatt  achzig  mark.  Der  in  K  nun  folgende  ganze  Abschnitt 
105,  32  bis  106,  9,  der  das  Witwenleben  subjectiv,  breit  und  in 
schwer  verständlicher  Satzftigung  (vgl.  106,  5—7)  schildert,  ist, 
obwohl  er  in  H  nur  den  Anklang  1138,  26-28  hinterlassen  hat, 
kurz  zusammengezogen  in  den  Worten:  Ir  vatter  küng  Albrecht 
lebt  dennocht  noch,  do  Ir  gemahel  küng  Andres  gestarb y  und 
vieng  ain  hert  streng  leben  an.  Es  folgt  106,  17  Also  nachdem 
und  Si  gen  Küngsfelden  kam^  büwt  Si  Ir  ain  klain  demütig 
hus  —  106,  28  desselben  Järs  sterben  solt  Hierauf  106,  31  Das 
ampt  hört  Si  —  106  34  uf  gottes  dienst;  107,  ii  Item  So  Si 
etwan  müßt  —  107,  21  als  ain  Ritter;  107,  26  Item  als  die  hoff- 
statt  —  108,  19  bi  Irs  vaters  tod  warend  gesin;  108,  29  Item 
ivas  Si  fröiden  —  108,  37  die  zit  ze  lang  ward]  108,  40  Item 
do  Ir  Rudolf  herczog,  herczog  Albr  Irs  Bruders  Sun,  den  tom 
von  der  Cronen  Jesu  Christi  brächt  und  gab^  als  dann  ob  ge- 


Zor  Kritik  der  KAaigsfeld«r  Chronik.  43 

Bchriben  siAty  sprach  8%  zu  Ir  selber:  0  agnes  (verkürzt,  weil 
zum  Teil  schon  Hagen  1139,  16  enthalten)  —  109,  il  an  sinnen 
und  an  wißhait]  109,  27  Item  Si  was  auch  also  milt  —  110,  9  zu 
dem  Sacrament  toaz  gangen.  Diese  umfängliche  Partie  stellt 
die  fast  philologische  Sorgfalt  des  Mannes  besonders  ins  Licht: 
Er  ändert  selbst  wenn  er  mitten  in  einer  kopierten  Stelle  steht, 
ihren  Wortlaut  (dem  er  sonst  treu  folgt),  dann^  wenn  er  auf 
Hagenreminiszenzen  stößt:  zu  105,  32  ff.  ist  das  schon  bemerkt, 
es  zeigt  sich  auch  im  Eingang  zu  103,  B3,  den  er  in  Rücksicht 
auf  Hagen  1137,46—53  verkürzt,  so  daß  er  erst  104,  8  mit  Si 
icas  kurtz  an  person  in  den  Wortlaut  von  K  genau  einlenkt; 
es  zeigt  sich  in  den  cds  ob  stät  u.  ä.,  die  er  in  die  Kopie  aus 
K  einschiebt,  wenn  er  auf  früher  bereits  Erwähntes  trifft,  den- 
noch aber  um  der  tiberwiegenden  Neuheit  des  Zusammenhanges 
willen  nicht  kürzt.  Von  dem  Mehr  der  Königsfelder  Quelle 
hat  er  nur  wenig  übergangen:  die  2*/,  Zeilen  107,  22—24,  von 
Agnes'  Werk  der  Barmherzigkeit  an  Sterbenden  —  wohl  weil 
er  es  in  den  sechs  Werken  der  Barmherzigkeit  H  1139,  42  ent- 
halten dachte;  ferner  die  speziellen  Lokaleinzelheiten  109, 12—22. 
So  geht  K'  auch  in  den  letzten  Stücken  aus  K  (An- 
hang) vor: 

6.  Bl.  188^.  Titel:  Wenn  die  stat  waldshüt  gebüwen  syg. 
Beginn:  Item  in  dem  Jar\  Ende:  all  widerspenig  und  unge- 
horsam zömpt  «r  =  K  111,  14-26.  Dabei  läßt  er  Kill,  2if 
Damach  Oesterich  —  erschlagen  weg  und  ersetzt  es  richtig 
durch  sein  als  obstat  und  verweist  auch  zum  Schlüsse  (wo  er 
die  Notiz  von  K  über  Rudolfs  Tod  übergeht)  ausdrücklich  auf 
das  Vorhergehende.  Allerdings  ist  ihm  diesmal  ein  Übersehen 
passiert:  ein  Teil  des  in  K  111,  uff.  Enthaltenen  —  die  Kriegs- 
taten Rudolfs  Z.  17.  18  und  24  (Thüringen),  vgl.  oben  S.  6  — 
war  schon  im  Hagentext  1084  f.  geboten. 

7.  Bl.  188^.  Von  ainem  kalten  winter.  Beginn:  Item  anno; 
Ende:  und  uf  der  Aren  =  K  112,  23  bis  112,  26. 

8.  Bl.  189'.  Von  ainem  grossen  stryt  des  selben  Jars,  Be- 
ginn :  Item  zu  demselben  Jär ;  Ende :  daselbs  erschlagen  tcurdent 
=  K  112,  27-^32. 

Die  sorgfältige  Arbeit  des  Sammlers  hat  für  uns  geringen 
Wert,  weil  er  für  sie  keine  andere  Vorlage  gehabt  hat  als 
eben  denselben  Text,  den  später  Gerbert  uns  überliefert.  Nicht 


44  II.  A^handlang:    SeemtUer. 

bloß  der  Umstand ,  daß  die  Vorlage  von  K'  dieselben  bunten 
Notizen  des  Anhangs  enthielt,  deutet  darauf  hin,  sondern  die 
Textverhältnisse  beweisen  es  vollends. 

K'  zeigt  keine  anderen  sachlichen  Abweichungen  von  K 
als  solche,  deren  individaeller  Grund  jedesmal  klar  liegt:  er 
schreibt  106,  24  daz  Closter  ze  Küngsfelden  (statt:  unser  closter), 
läßt  102,  5  hie  weg  und  verändert  es  102,  7  in  ze  Küngsfelden^ 
weil  er  selbst  kein  Königsfelder  ist;^  er  läßt  aus,  weil  er  schon 
Mitgeteiltes  nicht  wiederholen  will;  wo  er  kürzt  (vgl.  Nr.  5), 
ist  der  Grand  jedesmal  zu  erkennen.  Er  ändert  formell,  um 
einzelnen  Stücken,  die  er  aus  dem  Ganzen  herausnimmt,  passen- 
den Eingang  zu  geben  (s.  die  Belege  in  den  Zitaten  der  Ein- 
gänge), ganz  selten,  um  eine  syntaktische  Form  seiner  Vorlage 
zu.  ändern :  97,  4  Kument .  .  .  und  sehent  das  K]  .  .  .  das  ze 
Sechen  K',  105,  13  hiesch  das  die  küngin  käme  und  ein  krütz 
mit  ilr  brehte]  fordert  die  küngin  ze  komen  mit  ir  bringende 
ain  kriitZy  112,25  do  wurdent  die  wasser  als  grofs  und  des  ises 
vil  bruggen  hin  giengent]  .  .  .  also  groß  das  dadurch  und  des 
yß  vil  .  .  . 

Die  meisten  anderen  Abweichungen  bewegen  sich  in  den 
engsten  Grenzen  gewöhnlicher  Schreiberänderungen ,  willkür- 
licher und  unwillkürlicher.  Ich  zähle  sie  —  abgesehen  von 
rein  sprachlichen  Varianten  und  Verbesserungen  sichtlicher 
Fehler  der  Vorlage,  von  denen  nachher  zu  reden  ist  —  für 
Nr.  1—3  vollständig  auf:  91,  22  siech  tagen  K]  siechtum  K'^ 
91,  23  ihn  s'ölte  salben]  Jnn  damit  sölte  salben  y  91,  30  ist  öch 
das  guot  ze  hören]  ist  gut  das  ze  hörend,  96,  31  gar  und  gar] 
gar  und  vast,  97, 14  kam  er]  kam  er  ze  ainem  mal,  97, 14  nach 
Küngsveld]  gen  K,  102,  3  nam  ,  .  .  pflantzerin]  nam  daruß 
pßantzerin,  102,  7  hie/s  eine  Guota  und  ander  hie/s  Begnigna] 
.  .  ,  G.  die  ander  JB.,  102,  8  Die  beyd]  Die  ouch  baid,  102,  lO 
nach  den  kam]  nach  den  kam  do,  102,  21  iren  wil  und  das  seil] 
. . .  und  sailj  102,  22  von  Chr.  gj  nach  Chr.  j.,  102,  33  schwer] 
vast  schwär y  102,  36  dis  tags]  des  tags.  Es  sind  in  der  Regel 
kleine  abrundende  Zusätze,  leise  syntaktische  Änderungen,  selten 
Auslassungen.  Diese  Kategorien  wiederholen  sich  im  folgenden; 


^  Wenn  er  daher  102,  15  in  unsern  orden  beläßt,    so  darf  man  schließen, 
daß  er  Franziskaner  war. 


Zur  Kritik  der  Königsfelder  Chronik.  45 

die  stärkste  Abweichung  dieser  Art  ist  109,  7  da9  du  mich 
ncLch  diner  aele  begirde  besessen  käst]  .  .  .  beschlossen  h.  und 
etwa  112,  25  anno  predicto]  am  vorgedächten  Jar. 

Daß  der  geistliche  Herr,  der  mühsam  das  Mehr  einer 
zweiten  Quelle  heraussuchte,  auch  leichte  Fehler  zu  verbessern 
geneigt  war,  ist  wohl  begreiflich;  in  der  Tat  hat  er  von  den 
S.  38 ff.  aufgezählten  Fehlern  verbessert:  in  der  Gruppe  a): 
91,16;  107,12;  ba):  97,  6;  bß):  102,16;  104,  7  (wobei  K'  zu 
die  da  nach  gunst  ald  .  .  .  korrigiert);  by):  91,  14.19;  102, 
6.20.21;    106,32;     107,86;    108,1.5;    109,34;    c):    102,  3.   ün- 

verbessert  blieben  —  (natürlich  abgesehen  von  104,  il  ba) 
und  by),  105,11  bß),  die  in  Lücken  von  K'  fallen,  und  von 
103,34  o),  wo  K'  den  fehlerhaften  Satz  bei  der  Zusammen- 
ziehung des  Textes  der  Vorlage  überhaupt  ausließ)  —  nur  a) 
110,  1,  by)  97,  4,  ferner  91, 17  und  108,  8  [wo  K'  fulen  (statt 
sulen  K)  liest],  vgl.  oben  S.  40;  hier  lag  der  Fehler  etwas 
tiefer  und  K'   nahm   keinen  Anstoß  am  Texte  seiner  Vorlage. 

Schon  die  Art,  wie  er  die  Wiederholung  von  nach  in  K 
104, 7  (bß)  korrigierte  —  indem  er  dabei  auch  ein  wahrscheinlich 
echtes  Wort  (etwas)  ausließ  —  legt  nahe,  daß  R  seine  direkte 
Vorlage  war.  Ahnliches  lehrt  1 10,  i  (iz),  wo  K'  den  Fehler  nicht 
bemerkte,  aber  Hilgarden  liest:  Also  Swester  hilgarden  von 
Wolhusen  sait:  daß  er  selbst  aus  Unachtsamkeit  den  Dativ 
hilgarden  in  den  Text  gebracht  hätte,  ist  bei  seiner  sonstigen 
Art  unwahrscheinlich;  K  hatte  also  an  dieser  Stelle  wohl  nicht 
Helgy  wie  Gerbert  druckt,  sondern  Helg  mit  einem  Abkürzungs- 
zeichen. 

Vollends  erweist  sich  K  als  unmittelbare  Vorlage,  indem 
der  sorgfältige  Schreiber  von  K'  die  wohl  durch  eine  Glosse 
entstandene  Dittologie  111,  23  Sabaudie  Safoy  getreulich  über- 
nimmt (Sabaudie  Saffoy),  und  111,21  den  lantgrafen  ze  Zürich 
liest:  K  hat  hier  den  lantgrafen  ze  Turigie  (er  meint  Turingie) 
—  eben  diesen  Fehler  muß  der  —  wie  112,26  zeigt  —  latein- 
kundige Verfertiger  von  K'  vor  sich  gehabt  haben,  wenn  er 
das  hier  höchst  auffallende  Zürich  niederschrieb. 

Wenn  wir  denn  auch  aus  der  Überlieferung  K'  keinen 
Ertrag  für  die  Geschichte  der  Entwicklung  des  Textes  K 
schöpfen,  so  ist  uns  die  Tatsache  doch  lehrreich,  daß  die 
Hagensche  Chronik,   die   in   einzelnen  Partien   auf  ^K  beruht. 


46  II.  AbhuuUuig :    Stemtlltr. 

einen  Kopisten  fand,  der  Ergänzungen  zu  ihr,  und  zwar  zu 
eben  jenen  Partien,  die  von  Haus  aus  dem  Texte  *R  ent- 
stammen,  einem  Ausläufer  von  "^K,  unserem  K,  entnommen 
bat:  eine  und  dieselbe  Handschrift  bietet  uns  neben  einander 
Kopien  des  von  H  bereits  bearbeiteten  und  des  selbständigen 
Königsfelder  Textes.  Die  Analogie  ist  uns  von  Wert  fiir  das 
Ergebnis,  das  sich  uns  bezüglich  der  Beschaffenheit  von  K 
ergab:  K  ist  Ausläufer  aus  *K,  das  eine  Quelle  von  H  war, 
und  sein  Eingangsteil  ist  hinwieder  aus  H  ergänzt. 

Die  Handschrift  des  britischen  Museums  ist,  so  lange  sie 
noch  in  Tirol  war,  abgeschrieben  worden:  die  Kopie  liegt  im 
Kod.  905  der  Innsbrucker  Universitätsbibliothek  vor.  Und 
aus  dieser  Handschrift  floß  der  jetzt  im  Innsbrucker  Landes- 
archiv  aufbewahrte  Kod.  Nr.  190.  In  beiden  ünden  sich  auch 
jene  Stücke  aus  K,  die  K'  enthält.  Auch  sie  sind  denn  ohne 
Wert  ftir  die  Kritik  von  K.  Ausführlicheres  über  den  Cod. 
mus.  brit.  und  seine  Ausläufer  wird  die  Beschreibung  der 
Hagenhandschriften  bringen. 

Die  Art  und  der  einheitliche  Charakter  der  Fehler  des 
Gerbertschen  Textes  lassen  schließen,  daß  die  nächste  Voriage 
von  K  im  wesentlichen  bereits  die  Gestalt  der  Kopie  hatte. 

Hinter  dieser  nächsten  Vorlage  liegt  ein  Stadium  des 
Textes,  in  welchem  eine  und  dieselbe  Hand  Kennzeichen  ihrer 
Eigenart  in  den  Wortlaut  des  Ganzen  gebracht  hat.  In  der 
Königsreihe  taucht  91,14  in  dem  Exkurs  über  das  Prager 
Klarissenkloster  das  lobende  Epitheton  vemant  (berühmt?)  auf: 
Derselb  Ottakorus  was  gar  ein  vemant  man  libs  und  gemütZy 
es  erscheint  in  ihr  nochmals  92, 17  Hertzog  Albrecht  von  Oeste- 
richj  der  do  zemäl  ein  vemant  herre  was  von  vestigkeit  und 
grosmütikeit,  steht  in  der  ganzen  Stammreihe,  trotzdem  gerade 
dort  mehrmals  Gelegenheit  war,  es  zu  verwenden,  nur  einmal: 
96, 18  Albrechtus  hertzog  was  ein  vemant  fürst  der  unsheit  und 
aller  fromkeit,  kehrt  dann  in  der  Gründungsgeschichte  wieder, 
in  einer  Anekdote,  die  vom  Laienbruder  Strobel  101,  i7flF. 
erzählt  wird:  Do  tet  dirre  Strobel  ein  ritten  mit  spis  und  mit 
Schild  mit  dem  aller  vernantesten  man  libs,  sterke  und  gemütes, 
der  do  was  under  allen  herren.  Dieselbe  Notiz,  die  durch  das 
erste  vernant  gekennzeichnet  ist,  beendet  die  Erzählung  von 
Ottokars  Tochter   mit  der  Formel  91,  IS:   und  beschloß  es  mit 


Zur  Kritik  d«r  KAoigifeldAr  Chronik.  47 

einen  guotef$  seligen  end  mit  gott  richeent  ewenklichen-^  so  endigt 
auch  der  Bericht  über  der  Königin  Agnes  Tod:  tvart  darnach 
.  .  begraben  .  .  richeevU  mit  gott  Vater  sun  und  heiliger  geiet 
ewenglichen  un  ende.  Amen  1 10,  85. 

Diese  Hand  war  aber  nicht  dieselbe,  die  die  Entlehnungen 
aas  Hagen  in  die  der  Stammreihe  nnd  Gründungsgeschichte 
vorgeschobene  Eönigsreihe  einfügte:  denn  diese  gebraucht  als 
part.  praet.  des  verbum  substantiviim  die  Form  gewesen  (vgl. 
oben  S.  25),  jener  Interpolator  aber  gesin.  Es  ist  ja  auch 
sachlich  nicht  wahrscheinlich,  daß  derjenige,  der  89,  18  ff.  den 
König  Radolf  durch  den  Papst  in  Lyon  krönen  Ueß  und  von 
Gregor  IX.  redet,  in  der  vermutlich  interpolierten  Anekdote 
vom  Bruder  Strobel  101,  IB  Lausanne  und  Gregor  X.,  ohne  den 
Gegensatz  zu  merken,  niedergeschrieben  haben  sollte. 

Ob  ein  und  dieselbe  Hand  die  Grundnotizen  zur  Königs- 
reihe angelegt  und  dann  ihre  Erweiterung  durch  die  Hagen- 
stellen besorgt  hat,  bleibt  dunkel.  Nichts  spricht  entschieden 
dafür,  aber  auch  nichts  dagegen,  darum  mag  es  gestattet  sein, 
sie  hypothetisch  einem  Verfasser  zuzuschreiben.  Von  ihm  ist 
denn  der  Interpolator  zu  unterscheiden,  der  in  das  ihm  vor 
liegende,  bereits  aus  Königsreihe  +  Stammreihe  +  Gründungs- 
geschichte bestehende  Ganze  die  Notiz  vom  Prager  ELlarissen- 
kloster  und  die  eng  damit  verbundenen  Geschichten  vom  Finger 
des  heil.  Nikolaus  geschoben  und  wohl  auch  an  die  Nennung 
des  Bruders  Strobel  die  Notiz  von  seiner  Waffentat  in  Lausanne 
angef&gt  hat. 

Wem  das  in  der  Königsreihe  noch  Erübrigende,  die 
Beichtanekdote  und  die  Notiz  über  Rudolfs  Beichtvater  an- 
gehört, steht  dahin.  Das  auch  hier  zutage  tretende  Interesse 
am  Franziskanerorden  beweist  nichts,  denn  es  zeigt  sich  ebenso 
beim  Verfasser  der  Königsreihe,  beim  Interpolator,  in  der 
Stammreihe  und  in  der  Gründungsgeschichte  —  das  Werkchen 
ist  in  allen  Hauptphasen  seiner  Entwicklung  an  die  Ordens- 
kreise gebunden  gewesen,  ja  noch  der  Exzerptor  in  der  Hand- 
schrift des  britischen  Museums  war  Franziskaner. 

Jedenfalls  geschah  erst  mit  Vorschiebung  der  Königsreihe 
die  Einteilung  der  ursprünglichen  und  nunmehr  erweiterten 
zwei  Bücher  in  die  SO,  beziehungsweise  31  Kapitel.  Eine 
formale  Spar  ihres  jüngeren  Ursprunges  liegt  darin,   daß  auf 


48  II.  AbliADdlang:    SteiiiftlL«r. 

das  neutral  gebrauchte  teil  in  87,19:  Und  des  buchs  sint  zwey 
teilj  unmittelbar  folgt  Der  erst  teil  hat  30  cappitel.  Der  ander 
teil . . .  Jene  Einteilung  ist  in  der  uns  vorliegenden  Über- 
lieferung wohl  nur  äußerlich  verwischt. 

Die  Form  gewesen,  die  dem  Verfasser  der  Königsreihe  — 
genauer  gesagt  den  Entlehnungen  aus  Hagen  —  angehört,  er- 
scheint wieder  in  der  Stammreihe  96,16:  ..der  was  keyser 
Karolus  bmoder,  der  öch  kling  ze  Behem  was  gewesen,  und 
dieser  Relativsatz  verrät  sich  auch  inhaltlich  durch  den  Ana- 
chronismus, den  er  enthält,  als  jünger:  als  die  Stammreihe  ver- 
faßt und  mit  der  Qrtindungsgeschichte  verbunden  wurde,  lebte 
Karl  IV.  noch  (vgl.  94,  8  und  oben  S.  12),  für  den  Verfasser  des 
Zusatzes  (gerade  so  wie  für  den  Interpolator  der  St.  Nikolaus- 
wunder 91,24)  war  er  schon  tot. 

Noch  ein  anderer  jüngerer  Zusatz  ist  in  die  Stammreihe 
gedrungen :  94,  22  ist  von  Agnes,  der  Tochter  Leopolds  IL,  die 
Rede:  Die  ander  tochter  wart  einem  hertzogen  von  Polanden, 
darauf  folgt  ein  Zusatz  die  hette  bi  kurzen  ziten  noch  gelept, 
den  schon  Gerbert  als  jünger  erkannte  (Agnes  f  1392).  Rührt 
auch  er  von  dem,  der  für  die  Königsreihe  aus  Hagen  entlehnte, 
so  muß  er  bald  nach  Vollendung  (der  ersten  Fassung)  des 
Hagen  (1394)  gearbeitet  haben. 

Möglich  wäre,  daß  in  der  Stammreihe  auch  die  Anekdote 
von  Albrechts  IL  Erlebnis  mit  dem  Wiener  Bürger  96,30 
jüngere  Einfügung  ist:  es  ist  die  einzige  breitere  und  lebhaft 
durchgeführte  Erzählung  in  der  Stammreihe,  und  die  Hagensche 
Chronik,  die  dergleichen  liebt,  hätte  sie  wohl  nicht  übergegangen, 
wenn  sie  sie  schon  vorgefunden  hätte. 

Die  in  den  Abschnitt  über  Albrechts  Tochter  Katharina 
99,  uff.  eingeschobene  Reliqniengeschichte  mit  ihren  die  Fa- 
milie Anjou-Neapel  betreffenden  Einzelheiten  ist  ebenso  bei- 
läufig —  auf  Namensnennungen  hin  —  eingefügt  wie  die  Inter- 
polation 91,  14  ff.  und  stofflich  sogar  mit  ihr  verwandt.  Über 
die  bloße  Möglichkeit  ihres  jüngeren  Ursprungs  —  etwa  von 
der  Hand  des  Interpolators  —  ist  aber  nicht  hinauszukommen. 

Am  wenigsten  ist  die  Gründungsgeschichte  angetastet 
worden:  außer  der  bereits  erwähnten  kurzen  Interpolation  (und 
der  Schlußphrase?)  wird  sie  ziemlich  getreu  überliefert  sein. 


Zur  Kritik  d«r  Königsfelder  Chronik.  49 

Wir  überschauen  nimmehr  die  Entwicklang  des  kleinen 
Denkmals.  Zu  Grande  liegt  eine  1365  verfaßte  Geschichte 
der  Gründang  Eönigsfeldens  durch  Elisabeth  und  des  Lebens 
der  zweiten  Stifterin  Agnes.  Ihr  wurde  1365/66  eine  Genealogie 
der  Babsburger  von  Albrecht  I.  ab  vorgeschoben  und  mit 
Herstellung  eines  Überganges  zu  einem  Ganzen  mit  ihr  ver- 
bunden. Um  die  Mitte  der  90"  Jahre  wurde  die  Genealogie 
bis  auf  Rudolf  zurückgeführt:  der  Teil,  der  damals  vorgeschoben 
wurde,  hatte  eine  Reihe  der  deutschen  Könige  von  Eonrad  IV. 
bis  Adolf  (eingeschlossen),  wobei  Rudolf  besonders  berück- 
sichtigt war,  zum  Kerne  und  dieser  wurde  durch  Entlehnungen 
aus  der  Hagenschen  Chronik  erweitert.  Die  alte  Einteilung 
in  zwei  Bücher  wurde  beibehalten  und  nur  das  erste  vergrößert. 
Dabei  dürften  unbedeutende  Zusätze  auch  in  die  ältere  Stamm- 
reihe von  Albrecht  ab  eingedrungen  sein.  Mit  der  Vergrößerung 
des  Ganzen  wurde  wohl  auch  eine  neue  Untereinteilung  der 
zwei  Bücher  in  30,  beziehungsweise  31  E^pitel  verbunden, 
die  aber  nur  unvollständig  durchgeführt  ist. 

Dieses  neue  Ganze  wurde  später  interpoliert,  ohne  daß 
aber  dabei  der  sonstige  Wortlaut  des  Überlieferten  anders  als  in 
leichten  stilistischen  Änderungen  angetastet  worden  wäre. 

Es  erhielt  auch  annalistische  Anhänge,  die  bis  1411 
reichen. 

In  der  weiteren  Überlieferung  traten  nur  die  gewöhnlichen 
Schreiberverderbnisse  ein.  Aus  ihr  ist  uns  bloß  eine  Kopie,  die 
im  Jahre  1442,  vielleicht  durch  Clewi  Fryger,  hergestellt  wurde, 
dadurch  erhalten,  daß  einerseits  Martin  Gerbert  sie  benützt 
und  abgedruckt  hat,  anderseits  Stücke  aus  ihr  in  die  Hand- 
schrift des  britischen  Museums  (und  deren  Ausläufer)  über- 
gegangen sind. 

Die  Kopie  von  1442,  die  Grundlage  unserer  Kenntnis 
des  Werkchens,  ist  daher  nicht  als  Auszug,  sondern  als  mehr- 
fach erweiterte  junge  Überlieferung  des  Originals  anzusehen. 
Clewi  Fryger  hat  mit  der  Abfassung  des  Ganzen  oder  einzelner 
Teile  nichts  zu  tun.  Der  Ursprung  des  Werkes  sowohl  als 
seiner  hauptsächlichen  Erweiterungen  ist  in  den  Kreisen  der 
Königsfelder  Franziskaner  zu  suchen. 


Sitznngsber.  d.  phil.-httt.  Kl.  GXLYII.  Bd.  S.  Abh. 


CHAJES-KIBSTE.   JOdische  und  jQdisch-mdiBcbe  Orabrnscbriftan  ans  Aden. 


Ansicht  der  ?üdarabiEch«D  Stftdt  Adeu  tod  einer  der  nordweEÜicbea 


III.  Ähh.:    Chajet-Kirtto.  Jüdiaolie  nnd  jftdisch-indisehe  Onbiuschriften  0tc.         1 


m. 

Jüdische  und  jüdisch-indische  Grabinschriften 

aus  Aden 


EL  F.  Ohajes. 
Mit  einer  Besprechung  der  indischen  Texte 


TOB 

J.  Kirste. 


(Bfit  1  Tafel  and  8  Abbildangen  im  Texte.) 


Einleitung. 

Jüie  Juden  Südarabiens  waren  von  nicht  geringem  Ein- 
flasse auf  die  Geschicke  Jemens.  Es  genügt^  an  das  jüdisch-bim- 
jarische  Reich  zu  erinnern,  dessen  Bedeutung  nicht  unterschätzt 
werden  darf,  wenn  auch  noch  Einzelheiten  der  letzten  Aufklärung 
karren.^  Schon  in  den  ersten  christlichen  Jahrhunderten  war 
die  Zahl  der  Juden  Jemens  so  erheblich,  daß  sie  durch  Ein- 
wanderung auch  in  Nordarabien  die  religiösen  Anschauungen 
beeinflußten  und  in  den  Denkmälern  Spuren  hinterließen.* 

Es  ist  deshalb  nicht  wenig  auffallend,  daß  uns  die  jüdischen 
Quellen  vollständig  im  Stiche  lassen  und  nichts  über  die  Ge- 
schichte der  Juden  in  jenen  Gegenden  zu  berichten  wissen. 


^  Zar  jOngsten  lateratar   vgl.  B.  David   »Hirtoire  de  la  litt^r.  syriaqae' 
1899;  Hiaöyy  ,BeTae  sömitiqae'  Vm,  p.  88  s. 

'  Za  Tgl.  Glaser  »Skiase  aar  Qeechichte  und  Geographie  Arabiens'  H, 
p.  123 ff.;  Revae  des  Stades  joiyes,  t.  ZXIJI;  WZKM  Xin,  8.  363 f., 
aach  ib.  X,  S.  285  f.,  jüdische  Begriffe  in  lifeijanischen  Inschriften  bei 
D.  H.  Malier  JBpigraphische  Denkmftler  aas  Arabien^  Wien  1889, 
8.  70.  71  (hieran  Tgl.  noch  Glaser  ,8kisae  zur  Geschichte  Arabiens'  I, 
8.  12).  Vgl.  Epstein  ^Bldad  ha-dani',  p.  XYIIf. 
SitrangflMr.  d.  plal.*hut.  Kl.  GXLYII.  Bd.  8.  Abh.  1 


2  laAMaadlwig:    Cbsjei-Kirtte. 

Ans  der  Geönimzeit  besitzen  wir  kaum  spärliche  Notizen^^ 
auch  Benjamin  of  Tadela  in  seinen  Reiseberichten  (vgl.  englische 
Ausgabe  ed.  Asher  p.  113  s.)  bietet  nichts  Erwähnenswertes. 
Das  Sendschreiben  Maimonides'  (12.  Jahrhundert)  an  die  Ge- 
meinden Jemens  (|&'n  tihy^)  kann  uns  höchstens  über  einige 
Punkte  kulturhistorischen  Inhalts  aufklären.  Die  dortige  Lite- 
ratur, über  die  Neubauer  in  seinem  Artikel  ^The  literature  of 
the  Jews  in  Temen'  (Jew.  Quart  Review  III,  p.  604  s.),  handelt^ 
verrät  keineswegs  eine  hervorragende  Produktivität.  Bibel- 
manuskripte,  Targumtexte   (vgl.   Prätorius   ,Targum  zu  Josua' 

1899,  bes.  p.  VIII,'  Dalman  ,Grammatik  des  paläst.  Aramäisch' 
p.  V)  hebr.-arab.  Grammatik  QPetite  grammaire  h^br.'  ed. 
Neubauer,  Leipzig  1891),  Sjnagogenlieder  und  Hymnen  (hebr. 
und  arab.  vgl.  das  Sammelwerk  hww^  rriT&T,  Aden  1897,  an- 
gezeigt von  Steinschneider  ,Zeitschrift  für  hebr.  Bibliographie' 

1900,  S.  125 f.)*  und  Talmuderklärungen*  bilden  so  ziemlich 
das  Um  und  Auf  dieses  Schrifttumes.  Bleiben  schließlich  die 
unkontrollierbaren  Traditionen,  die  der  ehrliche,  aber  kritiklose 
Jakob  Saphir  aus  Jerusalem  (um  das  Jahr  1860)  sammelte  (s.  pk( 
TM  Teil  I  Lyck  1866,  Teil  U  Mainz  1874). 

Die  Juden  Adens  im  speziellen  wissen  —  den  Angaben 
Saphirs  (1.  c.  II,  p.  1  ff.)  zufolge  —  zu  berichten,  daß  sie  seit 
dem  grauen  Altertume  in  Südarabien  wohnen  und  daß  ihre 
Stadt  mit  dem  biblischen  nn:  paev  (Deut.  XX.  8  u.  s.)  identisch  sei. 
Diese  abenteuerlich-willkürliche  Mitteilung  reiht  sich  würdig  an 
jene  R.  Obadjas,  daß  in  Aden  ,bekanntlich'  das  Eden  zu  suchen 
sei  (vgl.  die  ernstgemeinte  Widerlegung  bei  Saphir  p.  3  f.). 
Erwähnenswert  ist  im  übrigen,  daß  äthiopische  Quellen  (bei  Fell, 
ZDMG  XXXV,  S.  49)  folgendes  haben:  ,Die  Juden  waren  im 
Lande  Sab&  sehr  zahlreich.  Sie  waren  nämlich  geflohen  vor 
den  römischen  Königen,  den  Königen  Vespasianus  und  Titus.' 


^  Vgl.  den  8.  2  genannten  AnÜMts  Nenbanen,  p.  606,  n.  8  «probably  on 

the  eleventh  centnrj'. 
'  Vgl.  noch  Prätorius  »Das  Targnm  snm  Bach  der  Richter  in  yem.  Über- 

lieferang*,  Berlin  1900.    Anch  AI.  Kohats  ,8tadie«  in  Yemen-Hebrew 

Literature*. 
'  s.  Bacher  IQR  April  1902,  auch  in  Berliner-Feitschrift  (1908),  P.  Heinrich 

,Fragmente'  etc.  (Komm.  Gerold  1902). 
^  8.  Neubauer,  ib.  8.  v.  Talmud. 


Jüdisch«  aad  j1ldia«h*udise1i«  OnlniiMhiifttn  mis  Aden.  3 

I. 

Bei  dieser  Dürftigkeit  an  Angaben  müssen  wir  jene  be- 
scheidenen Beiträge,  die  uns  Grabinschriften  bieten  können, 
mit  Dankbarkeit  begrüßen.  In  der  Tat  wurden  die  bislang 
publizierten,  Gegenstand  eingehender  Erörterungen. 

Die  ersten  zehn  Inschriften  aus  Aden  veröffentlichte  der 
mehrfach  genannte  Jakob  Sapfair  in  der  hebräischen  Zeitschrift 
,p»bn'  (J.  III.  H.  4,  wieder  abgedruckt  in  seinem  Werke  II, 
p.  10).  Sie  sind  datiert  1 — 61  tmawh  =  seleucidische  Ära, 
demnach  311 — 2öO  ante  Chr.  Trotz  arabischer  Eigennamen, 
mittelalterlicher  Eulogieen  und  späten  Stiles  hatte  Saphir  ur- 
sprünglich die  beneidenswerte  Naivität,  sie  der  vorchristlichen 
Zeit  zuzuschreiben  und  richtete  gegen  die  ,bösen  Kritiker'  einen 
langen  Exkurs  (ib.  p.  11 — 29). 

Eine  ähnliche  Inschrift  (aus  dem  British  Museum)  publi- 
zierte M.  A.  Levy  in  ZDMG  (Bd.  XXI,  S.  158  f.),  die  er  in  der 
Meinung,  daß  'm  =  1000  zu  ergänzen  sei,  in  das  8.  Jahr- 
hundert  p.  Chr.  setzte.  Ahnlich  Madden  (^istory  of  Jewish 
Coinage',  1864),  der  folgendes  (p.  318,  B)  mitteilt:  ,The  inscrip- 
tions  on  the  sepulchral  stones  from  Aden,  now  in  the  British 
Museum.^  These  are  four  in  number,  of  which  two  are  dated, 
one  A.  D.  717—718  and  the  other  A.  D.  916—917.  It  is  re- 
markable  that  the  forms  of  |  (i)  *§•  (t)  T  (0  ^nd  ;#•  (3)  corre- 
spond  closelj  with  those  on  the  earthen  bowls  found  at  Babylon. 
The  . . .  f^  . .  for  Aleph  . .  seems  to  be  of  Himyaritic  or  Ethiopic 
origin.'  Ein  flüchtiger  Blick  auf  die  beigegebene  ,plate  of 
alphabets'  zeigt  jedoch,  daß  die  Schriftzeichen  der  Inschrift 
aus  dem  Jahre  916  entschieden  älter  sind  als  jene  der  an- 
geblich aus  dem  Jahre  717  herrührenden  (in  der  ersteren 
r*i?  +9  ;*•>  ü>  ^^r  letzteren  k.  t.  a).  In  der  Tat  schreibt  auch 
Ascoli  in  seiner  Schrift  ,Iscrizioni  di  antichi  sepolcri  giudaici' 
(p.  32  Anm.)  folgendes:  ,Un  amico  mio  procura  il  fac-simile  del- 
Talfabeto  che  si  ricava  da  altra  epigrafe  adenese,  la  quäl  sarebbe 
del  916  d.  C.  Son  lottere  che  mi  pajono  sicuramente  piü  an- 
tiche  di  quelle  dell'  epigrafe  che  s'^  voluta  del  718  d.  C 


^  Aach  Saphir  (1.  c.)  berichtet,  daß  nach  der  Okkapation  dnrch  England 
alte  Steine  nach  London  gebracht  wurden. 

1* 


4  in.  AMumdliiiic:    Gbajoi-KirBt«. 

Zunz  (in  Geigers  ^Jüdische  Zeitschrift*  Jahrg.  VI,  1868, 
S.  76)  schreibt:  ,Vermatlich  fehlen  der  dortigen  Inschrift  16 
oder  17  Jahrhunderte,  vielleicht  noch  mehr;  der  Stil  verweist 
dieselbe  in  das  lö.  oder  16.  Säknlom;  vielleicht  ist  rov  in  rrw 
=  900  zu  emendieren*.  Auch  Geiger  (ib.  Bd.  XI,  1874,  S.  266) 
meint,  daß  neben  dem  'm  auch  Hunderte  weggelassen  wurden, 
und  kommt  zum  Resultate  (S.  266),  daß  die  Inschriften  ,ft'ü- 
hestens  dem  12.  Jahrhundert  angehörend  Wright  in  ,Oriental 
series*  (der  Paleogr.  Society)  II,  p.  XXIX  sagt:  ,the  thousand 
is  omitted;  but  that  a  hundred,  or  hundreds  should  also  be 
left  out  is  very  unlikely^  Doch  muß  er  in  den  ,additions  and 
corrections'  zugeben:  ,several  scholars,  including  Prof.  Euting 
of  Strassburg,  think  that  this  inscription  is  of  a  later  period  .  . 
818  . .  918^  Außer  Lenormant  ,E8sai  sur  la  propagation  de 
Talphab.  phenicien'  I,  p.  275,^  hält  auch  Chwolson  in  seinem 
,Corpus  inscriptionum  Hebraicarum'  Nr.  66,  p.  125 ff.  am  Datum 
718  fest,  indem  er  annimmt,  2000  Jahre  [s]  dürfen  nicht  er~ 
gänzt  werden,  weil  die  Inschriften  keinesfalls  dem  18.  Jahr- 
hunderte angehören  können.  Doch  hätten  ihm  die  Schriftzeichen 
der  von  ihm  publizierten  Inschrift  aus  dem  Jahre  n"3nrK  =  1317 
p.  Chr.  (vgl.  diese  Rubrik  in  der  dem  Corpus  beigegebenen 
Schrifttafel  Eutings)  tiberzeugen  können,  daß  unsere  Inschrift 
entschieden  jüngere  Charaktere  aufweist.  Zu  erwähnen  ist 
schließlich,  daß  Neubauer  (J.  Q.  R.  III,  p.  622)  gegen  Saphir 
polemisiert  und  bemerkt:  )0f  the  eighth  Century  A.  D.^' 

IL 

Im  Jahre  1899  hat  Prof.  D.  H.  Müller  von  seiner  süd- 
arabischen Expedition  mehr  als  hundert  Abklatsche  vom  Adener 
Friedhofe  (vgl.  die  beiliegende  Skizze)  mitgebracht  und  die- 
selben mir  freundlichst  zur  Verfügung  gestellt.  Unter  diesen 
Inschriften  finden  sich  recht  viele  mit  den  Daten  20 — 54  der 
seleucidischen  Ära  und  es  läßt  sich  mit  aller  Sicherheit 
nachweisen,  daß  wir  tatsächlich  'd  =  2000  zu  ergänzen 
haben,  sie  demnach  dem  18.  Jahrhunderte  angehören. 

^  ,deux  portent  des  dates,    sur  TuDe  correspondant  k  708 — 709  de  Tore 

chrätienne,  aar  Tautre  k  916—917*  nach  Madden  1.  e. 
>  Auch  A.  Epstein  ,Eldad  ha-dani*  p.  XVIU  akzeptiert  das  Datum  717/18. 


Jflduebe  imd  jftdisdi-indiBohe  €htmMnsehrift«n  ans  Aden.  5 

Sie  schließen  sich  nämlich  der  Form,  Sprache,  dem  Stile  und  den 
Eigennamen  nach  innig  solchen  an,  die  nm  ythu  nn  ^hn^  p^bk  'n 
respektive  n3"a»  iD^'a  etc.  aufweisen.  Beachtenswert  ist  noch  fol- 
gendes: Während  die  ältesten,  mir  vorliegenden  Inschriften,  aus 
dem  16.  und  17.  Jahrhunderte,  noch  nicht  den  Vermerk:  niievS 
zeigen,  weil  eben  damals  die  Zählung  nach  der  seleu- 
eidischen  Ära  selbstverständlich  war,  haben  die  späteren, 
vom  Schlüsse  des  17.  Jahrhunderts  ab,  darunter  durchwegs 
die  mit  den  Daten   /a  in"3  .T'^  etc.  die  Angabe:   mnov^. 

unter  A  findet  man  16  Inschriften  kopiert,  aus  dem  16., 
17.,  18.  und  19.  Jahrhunderte.  Im  nachfolgenden  sei  mir  ge- 
stattet, einige  Punkte  zusammenfassend  zu  behandeln. 

§  1.  Wie  bereits  erwähnt,  zählen  die  Juden  Adens  (nach  ^  j  ^^^ 
Saphir  I.  c.  auch  gegenwärtig)  nach  der  seleucidischen  Ära 
[nrnsüb]  und  der  Weltschöpfungsära  [nTrb].  Interessant  ist, 
daß  wir  auf  einer  Inschrift  aus  dem  Jahre  1697  (A  Nr.  5) 
beide  Aren  vertreten  finden:  rrrarb  fann  Kirw  nntDW*?  n"nnnK  nar. 
Um  jene  Zeit  scheint  die  SchOpfungsära  in  Gebrauch  gekommen 
zu  sein.  Die  Angabe  AzulaYs  ['»  r'n  niK  .D^bnan  or],  daß  David 
b.  Simra  (16.  Jahrhundert)  die  Zählung  nach  der  seleucidischen 
Ära  abgeschafit  habe  [dittjosk  fotb  piö  rrw  nnetrn  pi^  btto  Rin  ^h] 
dürfte  auf  Ägypten  zu  beschränken  sein. 

§2.  Sehr  häufig  findet  sich  n"n  =  urr'sn  •"'' mn ,  nach  §8EQiogieeD 
Jes.  LXin.  14,  im  Orient  und  bei  den  Karäem  gebräuchlich; 
schon  im  Josippon  (vgl.  Zunz  ,Zur  Geschichte  und  Literatur, 
1845,  S.  335  Anm.  c).  Saphirs  ,MitteiIung'  (p.  10  Anm.  1)  p 
ronwnn  nars  onaiin  o^anw  so  auch  Wright  (1.  c.)  ,one  year  afther 
death^  scheint  nicht  ganz  zu  stimmen,  da  sich  n"n  mehrfach 
auch  beim  Großvater  des  Verstorbenen  findet  (vgl.  z.  B.  A 
Nr.  l,  12, 16).  Außerdem  hat  fast  jede  Inschrift  y*p^  =  [3  pv  inöws 
[resp.  imj]  (vgl.  Ezechiel  XXVIII.  13  ö^nSKppj^),  das  sich  in 
dieser  Form  bei  Zunz  (1.  c.  S.  342)  nicht  findet.  Eine  in  Jemen 
19.  September  1484  geschriebene  Haphtara  (Oriental  series 
pl.  XCI)  zeigt  neben  yaj  =  pp  p  '3  auch  n"n  und  ;"j^3.  Zu  er- 
wähnen ist  noch  a"*?T  =  nsnab  nro?  und  r\"h\  «  rmrh  131131  (die 
übrigen  Eulogieen   vgl.   bei   den   einzelnen  Inschriften  sub  A). 

§  3.    Bei  den  älteren  Inschriften  kann  von  Stil  nicht  gut      §  3  stii 
die  Rede  sein.    Titel,  die  regelmäßig  wiederkehren,  Namen  des 


m.  AbhMidlimgr:    Ghsjet-Kirste. 


§4 

Sprachliohes 


§5 

Orthogn- 

phischoB 


§e 

Fal&ogra- 
phisches 


87 
Bernfsarten 


Verstorbenen  und  der  Vorfahren,  Datum,  sonst  nichts.  Wissen 
wir  doch  auch  aus  den  Responsen  David  b.  Simras  (II,  §  741, 
Zunz  1.  c.  S.  395  Anm.  c),  daß  um  jene  Zeit  im  Oriente  bloß 
die  Namen  angegeben  zu  werden  pflegten.  Erst  auf  einer  In- 
schrift aus  dem  Jahre  1700  (A  Nr.  6)  finden  wir  recht  holprige 
Reime  [irbp  üttt  -  mK  nnnt  v3M  •  ♦  —  ntmpn  minn  nv  -  mwnn  pH 
^mfü  "ör  pw].  Lebhafter  wird  der  Stil  im  19.  Jahrhunderte 
(vgl.  A  Nr.  15,  16,  auch  schon  Nr.  7  aus  dem  Jahre  1707). 

§  4.  Beliebt  ist  der  Ausdruck  ,nttnKön',  der  wohl  ,ausge- 
zeichnet*  bedeutet  (vgl.  z.  B.  Talm.  b.  Sanhedr.  p.  22»  nriKö 
♦  ♦  ansar  ).*  Das  häufige  jpn  kann  auch  (wie  im  Talmud  z.  B. 
jer.  Horajoth  p.  48®)  die  Nebenbedeutung  ,gelehrt'  gehabt  haben 
(so  schon  Orient,  ser.  1.  c.  ,aged  or  learned*).  Daneben  findet 
sich  auch  ,Töbnn'  wohl  verkürztes  osn  Tö*?n  (auf  jüd.-griech. 
Inschriften  |ji.aÖT)T^|C  co^wv  Ascoli  ,Iscrizioni'  p.  104).  Mehrfach 
trefi^en  wir  ,ir3n8'  vielleicht  Bezeichnung  des  Gemeindevor- 
stehers, ein  Amt,  das  sich  in  der  Familie  vererbt  zu  haben 
scheint  (vgl.  A  Nr.  7,  8,  u.  s.).  Zweifelhaft  ist  ein  "»na  =  Herr 
(ANr.  4);  nach  Saphir  (II,  p.  8  u.  s.)  noch  jetzt  nKö  gebräuchlich. 

§  5.   Es  fällt  auf  iH^H   (auch  bei    Saphir   p.  10  Nr.  6),» 

Hi^rt  (A  Nr.  4)  np"'a"n*  rHöTin  (für  nbnn),  ^p  o'^nor  rnaiB  (f.  na» 
A  Nr.  10),  naiptn  (vgl.  auch  Chwolson  1.  c). 

§  6.  Was  das  Alter  der  Schrift  betrifft,  ist  zu  verweisen 
auf  die  den  Werken  von  Madden  (1.  c),  Chwolson  (1.  c), 
Lenormant(l.  c.  pl.  XV)  beigegebenen  Schrifttafeln.  Einige  Ab- 
weichungen  sind  ganz   unwesentlicher  Natur. 

§  7.  Berufsarten  sind  nur  erwähnt,  insoweit  sie  rituell- 
synagogalen  Charakters  waren,  also  j'^'^in  insiDn  (A  Nr.  4,  6)  avw 
(=  p1^y)  tDHw)  X"r  (n^ax  rrbr;  mehrfach  ein  jna  als  Vorbeter 
angegeben;  auf  einer  Inschrift  [A  Nr.  13]  Vater  und  Sohn  Kan- 
toren priesterlicher  Abkunft)  jtnn  (in  alter  Zeit  Sjnagogenvor- 
steher,  respektive  Aufseher  [yj^pivri  Lukas  IV.  20],  vgl.  z.  B. 
b.  Joma  p.  68^  riDaan  ]\n  später  Vorsänger). 


^  Nicht  ganz  sicher;  hat  wohl  Job  XXVI.  18  .tibv  q*ov  im-iS  im  Auge  gehabt. 
*  Auf  einem   spanischen   Bibelmannskript    (vgl.  Literaturbl.    des   Orients 

1841,  Sp.  667)  findet  sich:  (l.  vi*ip)  nr'P  Vsa  wiwn. 
"  Auch  Orient  (ib.  Sp.  692)  •  •  "««♦k  tnnb, 
^  Es  ist  wohl  an  die  Aussprache:  Rebekka  zu  denken. 


Jftdiielia  ood  jüdlscli-iiidinh»  Qnbinachriftea  vom  Ad«n.  7 

§  8.  Von  größerem  Interesse  sind  schließlich  manche  auf-  Eigennftmen 
fallende  Eigennamen,  zumeist  arabischer  Herkunft ,  die  eine 
willkommene  Ergänzung  zu  Zunz  ^Namen  der  Juden'  (=  Ges. 
Schriften  11,  1876,  p.  1  ff.)  und  der  weit  vollständigeren  Liste 
arabisch-jüdischer  Namen  in  Steinschneiders  ,Introduction  to  the 
Arabic  Literature  of  the  Jews'  (Jew.  Quart.  Rev.  IX,  p.  224  ff.) 
bieten.     Ich  gebe  sie  in  alphabetischer  Reihenfolge.^ 

^'  bKpJ^K  ^S^'  ^^^'  i^'  °^-  2)  h^:hH  fpv  na  —  vgl. 
ad-dhahabi  (al-moschtabih  ed.  Jong  1881,  p.  oi)  ^^  ^  i^j^\ 

JlLü\  u.  s. 

2.  nj^Öi^  n.  f.;  aus  jüdisch-arabischer  Literatur  vgl.  bei 
Steinschneider  1.  c.  X,  p.  135  n.  23;  auch  m.  ^x^^  ==  Ver- 
trauter, auch  Vorsteher. 

3.  ^OKDS  °-  ^'f  mehrfach;  weitere  Belege  vgl.  Stein- 
schneider p.  136  n.  78;  0U3  pL  von  Tochter. 

4.  innS  ^-  ^'i  mehrfach,  ar.  o^j^  (Moschtabih  l.  c.  p.  rv), 
Responsen  Simon  Duran  II,  §  96/7  (Zunz  1.  c.  S.  28).  Stein- 
schneider p.  138,  n.  91/2  und  XII,  p.  121  ,perhaps  for  oma 
Fürst,  Führer*. 

5.  n?TK3  ^^cJ^  '^'^''^  ^-  ^-j  ^S^'  Zunz  ib.  S.  43;  Stein- 
schneider X,  p.  515,  n.  117  [iTia].  Perle,  schon  biblisch  nj» 
I.Sam.  L  2;  arab.  j^^^  aus  dem  Persischen. 

6.  ^y  n.  f.,  wohl  zusammenzustellen  mit  rhl^  Gasela;  Zunz 
S.  57  ,die  Form  bira  hauptsächlich  im  Magreb  üblich*;  Stein- 
schneider hat  n.  118  n.  m.  \vh^^^]  vgl.  noch  n.  f.  ^ktj  in  einer  Jemen. 
Eethuba  aus  dem  Jahre  1821  (Zeitschr.  ftir  hebr.  Bibliographie 
V,  1,  S.  29)  =  arab.  J>,  Moschtabih  p.  tao  J>3\). 

7.  Jim  (auch  am  möglich)  cogn.  vir.,  wohl  nicht  zu  ver- 
binden mit  Moschtabih  ib.  p.  203  ^.^^jJ^  3^^  cxi  V>*^>  — 
u^\^  bedeutet  bekanntlich  ,£insiedler,  Mönche 

8.  ^J^^^  cogn.  vir.;  vielleicht  ^j^"!,  womit  zusammenzu- 
stellen wäre  nom.  loci  ^j  Insel  (Hamdäni  ed.  D.  H.  Müller 
52,  19).  —  5^ j  =  verbrennen,  gJj  Wunde. 

9.  n^JH  n.  f  biblisch  (Num.  XXVI.  33)  talmudisch  (jer. 
Sota  p.  19^),  im  übrigen  selten. 

^  Für  freundliche  Unterstützung  sage  ich  Herrn  Dr.  Rhodokanakis  besten 
Dank. 


10  111.  AbtaandliLDg:    Chsjes-Kirtte. 

Israel^ ^  weswegen  denn  manche  annehmen;  daß  sie  Überreste 
der  zehn  Stämme  seien.  Charakteristisch  ist^  daß  sie  auch  den 
Eigennamen  Jehüda  nicht  führen.  Die  indischen  Texte  ^  die 
von  Prof.  Dr.  Kirste  (Graz)  entziffert  und  kommentiert  wurden, 
ergänzen  in  einigen  Punkten  die  hebräischen.  Die  Juden  scheinen 
in  Indien  in  eigenen  Dörfern  gewohnt  zu  haben,  unter  jüdischen 
Behörden  (vgl.  B  2  n2i:nD  ind.  slr  gäv  kara  =  B  1  gäv  karame 
8ir  =  Dorfklterster).  Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  ist  auch 
ein  Rabbiner  erwähnt  (B  6  nsn  =  ind.:  dlve-kar)  und  ein  Lehr- 
haus (B  5  mednaa).  B  4  (S.  26)  findet  sich  noch  eine  ,Matter 
der  Dorfbewohner';  an  etwas  ähnliches  wie  ,Mutter  der  Syna- 
goge' auf  den  altjüdischen  (gr.-röm.)  Inschriften  darf  man  frei- 
lich nicht  denken. 

Die  Inschriften  stammen  aus  den  Jahren  1858  (B  1),  1849 
(B  2),  1852  (B  3),  1855  (B  4),  1856  (B  5),  1857  (B  6).  Sie  unter- 
scheiden sich  stilistisch  von  den  gleichzeitigen  Adener  Inschriften 
(A  Nr.  15,  16);  Adener  Beeinflussung  zeigt  sich  in  den  Phrasen 
der  Nr.  B  1  und  B  4.  Bezeichnend  ist  der  Ausdruck  p^scn^  wie 
auch  np^no);  was  sich  auf  den  einheimischen  nicht  findet;  in 
der  Regel  ist  auch  das  genaue  Alter  des  Verstorbenen  an- 
gegeben. Von  indischen  Steinmetzen  scheinen  die  Inschriften 
B  1  und  2  herzurühren^  da  sie  mangelhafte  Beherrschung  der 
hebräischen  Schriftzeichen  verraten.  B  4  hat  eigentümlicher- 
weise auch  Punktation;  wahrscheinlich  fiir  die  Familie  des 
Verblichenen,  die  wohl  im  Lesen  unpunktierter  Texte  ungeübt 
war.  Pathab  wird  auch  durch  »  wiedergegeben  (vgl.  T^n.  p^an, 
wie  ja  auch  in  das  Massora  nnt  sowohl .  als  auch  *  bedeutet).' 

Wie  Oppert  (1.  c.)  erwähnt,  pflegen  die  Ben6  Israel  ihren 
Kindern  am  achten  Tage  einen  hebräischen  und  nachträglich 
einen  landesüblichen  Namen  beizulegen.  Auf  unseren  Texten 
hat  nur  B  3  indisches  n.  f.  n"n3''''n  |&xa  =  Häman  Räyekarä. 
Die  indischen  Worte  auf  B  5  sind  aus  dem  arischen  Texte 
nicht  eruierbar. 

Epigraphisch  ist  wenig  nachzutragen;  etwaige  Abwei- 
chungen sind  wohl  durch  geringe  Kenntnis  der  hebräischen 
Schrift  zu  erklären. 


^  Sie  geben  gegenwärtig  ein  Journal  unter  diesem  Titel  (ind.)  heraus. 
*  Vgl.  auch  Bacher  in  der  Berliner-Festochrift  (1903). 


JftdiMbe  and  jftdisoli-uiditebe  Ortbiiuehriftoii  »ob  Aden.  11 

GezäUt  wurde  nach  der  Weltachöpfnng  rrvTh  (auch  riK'na'? 
D^  B  5);  auf  den  indischen  Texten  neben  der  christlichen 
Ära  auch  die  Maräthl-Rechnung  (B  2  und  4). 

An  hebräischen  Eigennamen  finden  wir: 

1.  ^Kpin'»  n.  m.  (vgl.  B  1,  B  5). 

2.  birpnat  n.  m.  (B  6  =  bibl.  irrpnx).* 

3.  miBX  n.  f.  (auch  nnfiX  B  1,  so  biblisch  immer). 

4.  hm  n.  f.  (B  4). 

5.  ^Ktor  n.  m.  (B  6). 

6.  rrw  n.  f.  (ib.). 

B  6  findet  sich  der  Doppelname:  btrpnae  biaav  =  ind. 
Samftjel  Satakel. 

A. 

aus  Aden. 


1. 

nö'?ip  rv^h  nerao 

npixn  nwxn 

yvi  Tin  na  rrpv^ 

i"DnnK  p"'3 

Zeile  3:  •mi  scriptio  plena  auch  biblisch  vgl.  s.  B.  'Arnos  VI.  6  1866 
der  sei.  Ära. 

2. 

\\'2:n  TöSnn  v^i  lebip  mh  fpua 
hvtpihin  »]DV  "13  rvi  apjr  wöv  ktti 

Zeile  S  zu  tnv  trm  Tgl.  Wright  (Or.  ser  p.  XXIX) :  ,t«king  ew  as  an 
accnsative*.  —  1873  der  sei.  Ära  auch  mOglich  n"pmft. 

3. 

nJa  Si  D"^e  npnstn  rvovo  naSir  n-'a'?  Dsaa 
nlae  wnna  a-pa  "anö  iwiiesn  naiaan  ptfn 

«•"prinx  naw 

Zeile  1;  Vi  ^  m-ohnrrot,   Tgl.   Znnz  ^nr  Geschichte  and  Literatur* 
8.  321  f.  —  1911  der  sd.  ira. 


*  Beachtenswert  ist,  daß  sich  htifnt  auf  einer  sfidsemltischen  Inschrift  findet. 
Tgl.  HaMvy  193;  nach  Saphir  soll  Jemen  die  Heimat  der  Bene  IsraSl  sein. 


12  IIL  AbkMidliiiif !    Chaj^s-Klrst«. 

4. 

«^•»Kn  lebip  rr^ab  ^idw 

omsK  TDnn  jTnxn  jpn 

i^^xn  Dann  ptn  na  3"ön 

na  rp3  app^  Tonn  paan 

pnxn  fia^n  Dann  ptn 

(?)  nö  D-'ött^  K^K-n  Tonn 

T-^K  TnSt  nenn  naS .  ♦ 

iD»'pnnK  wtt^ 

Zeile  3:  »"n  =  ins  vvtuo  »nn  vgl.  Jes.  XI.  10. 

Zeile  4:  srpp*  auch  biblisch  z.  B    Jerem.  XXXIII.  26. 

Zeile  7:  vielleicht  nol^v  zu  ergänzen. 

ib.:  n"r6T  =  Ksn  oSyn  »»r^  ui"öt,  vgl.  b.  Kiddu&in  p.  31*»,  Zunz  1.  c.  S.  328 f. 
Darnach  ist  natürlich  auch  Merx  (,Docament8  de  pal^ogr.  hebr.  et  arabe' 
1894,  p.  29)  zu  korrigieren,  der  zu  a'Trj^n  'r6  '9?  bemerkt  (n.  1)  ,le  sens  de 
cette  abr^viation  semble  dtre:  amjm  onsrh  mar!  —  1949  der  sei.  Ära. 

5. 

pTH  -ittTTTi  aion  vna  löSip  n-ab  «idkj 

p^ixn  13  n"n  nwa  vapn  Tonn  nann 

fpn  "la  attn  pnr  trar  k-i\i  Tann 

ara  Tvrhi  rriaw  Tann  nnitan  laiaan 

m-s*"?  i"3nn  «inw  nnewS  nnrin« 

2008  der  sei.  Ära,  6467  d.  W. 


6. 

(fT'a^  f]OM 

rrnnn  np  -  rrmnn  p«  lö^ip 

-  mim  hvrwr  hii  -  rw)'T^n 

)yhv  auT  -  mi«  nmt  vaea 

rapn  aann  -  niBw  -aw  |aw 

B'äw  in^■^  jprn  ^txn  Tarn 

.Taaun  "iBian  aio  u-jitk 

B-'ew  ln^■^  jpn  Tann  na 


JfldJMlie  «Mi  jAÜioh-iodiMhe  OmMBtchriflMi  »nt  Aden.  13 

nnw»'?  "iwp  TPiKi  ffiSK 

Zeile  6:  ns»3r\  =  o*<nn  "vrcck  Ttrat  vm  ^rvi»  nach  I.  Sam.  XXV.  89;   vgl. 
Zans  1.  c.  S.  351  ff.  ~  2011  der  sei.  Ära. 


7. 

löbip  ffsb  p)DK3i  apjr  in«  po-n 

njn  Tonn  pnxn  Dann  ptn  «^'•Kn 

KTn  ahven  an  nariKön  laisön 

iptn  13  n-n  app'»  tj^'^tk  onsr 

iniaon  wpn  Tonn  pnxn  Dann 

D'^e«?  m'Tr  ■^«7^•T^  ami  itt^iKön 

Bonn  ipn  ia  n'rt  rwo  iriiTK 

T3i3on  npn  Tonn  pnxn 

irjpw  onsw  1n^^  nnwDn 

PPT3  DT»  W  3'13  13tr  DT  3"p3  pHi"» 

6467  der  WeltichOpfang. 

Zeile  1:  ora  syt.  —  talmad.  bestimmen,  veranlassen,  vpan^  talmnd. 
nicht  selten  =  abberufen,  vgl.  b.  me^ta  p.  86*  nVsm  Vv  na«v*a  vparu. 

Zeile  11:  uv  sicI 

ib.:  3"i3  Ygl.  Nr.  14,  Zeile  8,  Yielleicht  3"3«  da  in  diesem  Jahre  der 
23.  ein  Montag  war. 

8. 

["Bj-o  Dir  ratet  f^  Tna 
10^  mh  rpßan  irnoip 
Tom  p-nxn  oann  stict 

■wnwDn  naiaon  nm 

cnso  uriTi  *ittrni  awn 
Ipn  "o  n"n  b6w  imTK 

yrm  rjjn  Tonn  paan 

2020  der  sei.  Jkn. 


14  m.  Abhuidlug:    Chajes-Kirtte. 


9. 


njmxn  nawnri  njipn 

■3  ro  3"ön  rhjn  rp'^^ 

n-'öw  in\n  pnxn  nann 

n"n  laiB  nwö  iwitk 

rrs  ruw  ffo  «nna 

nntDwS 

2028  der  sei.  Ära. 

Aach  bei  Saphir  tm  (an  n,  p.  10,  n.  8. 

Zeile  S:  's  =  ti33,  Titel,  seine  Ehren. 

10. 

mwci  rrohrsf  mh  neoi« 

nenn  npixn  njrujn  nawnn 

nia  3"ön  hk^ö  nronn  mr"."! 

rwi  Tonn  fiaan  aitsn  "Pö^nn 

Tö^nn  13  n'"-!  jjnr  n-«»  levn 

nttrn  nriKön  n3i30n  rapn  Tonn 

nn«  ""aw  dt»  3"p3  pr»  o-'ötp  K'^^'^ 

TTTTb  rann 

6484  d.  W.;  Dienstag  (?)  17.  L  1724. 


JAdiseh«  «mI  jfldisoh-üidisehe  Onbuuehriflen  aas  Aden.  15 


11. 

ir^T  nhjyTii'V  n  n  o  ::>  n  n 

Tonn  lö'yip  n<sh  «^ao 

TDp  üiäv  «-rn  vjpn 

pajn  npn  Tonn  "la  n-n 

"13  h"\  apjr  D-tttp  mTi 

ipin  1":^  Tonn  Dann 

5"P3  DTPiaK  D-tt»  K"l^■^ 

a«33  ruw  p-'D  wina 

-  «"iT'r'? 

Daa  Datum  iit  entschieden  kormpt;  wahrscheinlich  ist  nner^  (f.  xt'xh) 
xa  lesen  (vgl.  folgende  Inichrift)  =  1741  p.  Chr.  —  Vielleicht  aber  anch 
i"»,  wo  dann  wir  trrx^  beibehalten  konnten  =:  1692  p.  Chr. 


12. 

Tö"?«?  n-a*?  ep»: 

aien  D-^art  Te'?nn  »["Kn 

5"W  |ma  fföw  m-n 

Kinfl  vjpn  Tonn  -la 

na  a*^  ^vm  d-öw 

irv-n  rjpn  toph 

wn]na  n"n  jma  lyow 

rüntDwS  ma  nsw  i*i« 

2058  der  sei  Ära. 


16  lU.  Abkudlaof:    ChajM-Klrtt*. 

13. 

nann  noTii  nöSpn 
mri"'  njruxn  mBrn 
aittn  Dsrei  na  ona 

ia  TV  jnan  pnar 

jnan  aj5r  paan  wpn 

»aw  «nn  '"<  n  nr  rip 

nin"'»"''?  o"pn  rav 

6609  d.  W.;  1.  März  1749. 
Zeile  1 :  n"T3  =  naitn  j^  •fra. 

14. 

nna 
löSip  n-'ab  rpKJi 
"^  oipn  auon 

wpn  "ia  rrn  pan 

S'i  fron  'aiB  vrt 

•apr  wn  "pom  na 

a'i  0  DV  3"p3  jnan 

ww  Tian  wnnb 

6602  d.  W.;  6.  VII.  1842. 

Zeile  3:  wps\  angenscheinlich  ein  Upgos  cal.  fUr  b'PX\,  da  es  sich  anf 
BVivw  reimt. 

Zeile  4:  nach  ssv  ein  Strich, 

Zeile  6:  v"n  =  tme  trm,  ib.:  der  Strich  nach  yit  wird  wohl  nicht 
ein  <  sein  (Tielleicht  verkflrztes  i3ii9-,t31I9?). 

Zeile  7:  auch  'aap*. 

15. 

nna 

nBDJoi  nep  Spa  nnpbj 

rnrnn  na'yip  iT'a'? 

mvrt  nann  nawnn 

1KB3  -  rrrm  ttniap  n'a« 

TmbipB  «••  na  n^pa 

bS-inn  jcn  -n  nrf  nwK 


Jftditohe  vnd  jAdiseh-indisehe  OnbiDtohriAen  »u  Aden.  1 7 

hhm  rrr  nBö  rh  in 


rrpTt  mppo  Dnr»a 
na  rw'?  maasn  rmaan 


m  pnr  »ti  rapn  oann 
JTJ  JTöbw  w-n  prn  "la 

■1TK  WTn*?  IT  •«  Dl" 

m'jr'?  mm  tvv  m 

6606  d.  W.;  84.  H.  1846,  freilich  nicht  Sonata;. 

Zeile  1  ins)  (Dan.  VUl.  14)  and  iv,  unwahncheinlich  mp  and  ir<. 

Zeile  6  ist  entschieden  kormmpiert,  doch  kann  ich  nicht  das  UrsprOng^- 
liche  wiederherstellen.    Ffir  wu  ist  wohl  ii6b3  su  lesen,  das  su  rrnrn  paßt. 

Zeile  11:  iraaxi,  wohl  Terschrieben  ans  iraain,  das  allerdings  neben 
rrtaan  soffallen  maß. 

16. 

neiti  pi  711a 

lobv  n-a*?  rpan  lop  bpa  np'?3 

npn  nrni  aien  jpin  rwr 

ne  D-'öw  «n^n  Tonn  pnxn 

jpin  13  n""n  nen  o^Sib^n  vnp 

TDnn  iwiHon  laiaan  oann 

"la  "j'i  apr  WJVTK  vjpn  p^ixn 

iriKön  laiaan  Dann  fptn 

pm  na  aTJ  nwa  waiTK  Tonn 

D"öw  yrm  T-apn  Dann  Tonn 

fDtp  pwnne  wnna  1 1  dv  rr-n  pnr 

Zeile  4,  6:  a'S^'n  vif  na  Lct.  XIX.  24  tr'rhn  np  ins  ^s . .  Datam  nicht 
gans  sicher;  wahrscheinlich  «"WT  =*  1760  p,  Chr.,  da  nur  in  diesem  Jahre 
der  7.  CheSwftn  Freitag  war. 

B. 
Jüdisch-indische  Orabinschriften. 

Hebrittsehe  Texte. 

Nr.  1. 
1868  p.  Chr. 

nöK  p  "fiia 
{•«e)  naS  nBDKJ  "hvt 

Sitnnpktc.  te  pUl.-hiit.  KL  CZLTIt.  B4.  S.  Abh.  S 


18  ni.  AkUndlont:    Chajti-Kirit«. 

nöSjn  nsfyw 

•n  DT"  nBDio  bna/ffp 
nv  \wn  «mnb  n 
^31  rrrxh  vnm 

.  .  ffttrm 

Zeile  2:  Vgl.  A  16. 
Zeile  6:  Tielleicht  ni'tHW. 

Nr.  2. 
1840  p.  Chr. 

rmBxrwKn 
nstno  nwK 

nwön  'H  Dl'  nöSir 

nv  h]bH  vnrh 

nm  rrrTh  vnra 

anrv  nnrn 

.T3  nn  .13» 

Zeile  1:  fOr  1^  1.  t^. 

Zeile  9:  lies  n"ax»i.  Der  •ovno  (Z.  S)  ist  wohl  der  B.  1  genannte  Je- 
heskel,  der  im  indischen  Texte  (S.  21)  ,Oberhaupt  der  Dorfbewohner*  heißt. 
—  Soll  ea  die  gleichnamige  Matter  der  ^ipora  (B.  1)  sein,  die  also  einige 
Monate  vor  dem  Tode  der  Matter,  in  deren  69.  (I)  Lebenqabre  aar  Welt 
gekommen  w&re? 

Nr.  3. 
1862. 

ri'ia 

naw  hv  ihn  p"«n 

nipbriDj  ma^rn  joks 

"iwjn  P3"i«  DT  rrah^v  n^nh 

ynn  rov  nan  vrw6  ec 

rwün  nniTt  wn  rrvrh 

Nr.  4. 
1856. 

rna 
rrma  nöW3  bp  tSn  rnin 


Jftdiaek«  «nd  jftdudi-indiiche  CbmbiiMdiriflea  mu  Aden.  19 

bm  masjrri  njrojtn 
n^ao  Ks^  1103  THa 

Tl  »•  TT  «^-1  •-» 

Zeile  4  entspricht  wohl  dem  ind.  v&  mä  g&lkv  .  .  (S.  26,  Z.  8). 

Nr.  5. 
1866. 


♦ .  n\ti3  B3WÖ  rraya 

vmim  "irai  ov  wparj 

p]wn  wina  iwp  rw'?» 

vn  cTfi^  nvsn  nso 

rotr  nwj?  pann  niKö 

•nw»  dSip  ninaS 

mwp  naiötr  ifi 

irascjn  naw 

Zeile  3  nach  ind.  S.  28  w&re  sn  Termaten:  ime  ma  flbr  ssrts  ms  ■  ■? 

Zeile  4:  «para,  Tgl.  A.  7,  Zeile  1. 

Zeile  6:  yielleicht  auch  [nhm  >tt  ergXnsen. 

Nr.  6. 

1867. 


Sip  iT'3'?  nßao 
HSV  ra  mw  r» 

ruw  nan  wina 
rrrvh  mn 


2» 


20  lU.  Abhandliinc:    Chajes-Kirtte. 


Der  indische  Text  der  Inschriften 
B  1,  B  2,  B  3,  B  4,  B  5,  B  6 

Ton 

J.  Kirste. 

Vorbemerkung. 

Daß  der  indische  Text  dieser  Inschriften  Maräthl  sei, 
ergab  sich  mir  schon  bei  der  ersten  Durchsicht  derselben; 
darauf  weist  außer  der  zweimaligen  Erwähnung  des  Wortes 
Maräthl  in  B  2^  Z.  2  und  B  4^  Z.  4  deutlich  genug  der  Genitiv 
yä-cl  in  B  1;  Z.  2  und  B  6^  Z.  2  hin.  Andererseits  kommen 
aber  eine  Menge  barbarischer  oder  dialektischer  Formen  vor 
und  da  ich  mich  von  neuindischen  Dialekten  nur  mit  dem 
allerdings  nahe  verwandten  Gujaräti  beschäftigt  habe  —  inso- 
weit dasselbe  von  den  Färsen  in  ihrer  heiligen  Literatur  ver- 
wendet wird  —  so  blieben  mir  viele  Zweifel  und  ich  sandte 
deshalb  meine  Entzifferung  an  Herrn  Professor  Hoernle  nach 
Oxford.  Derselbe  bestätigte  zwar  im  großen  und  ganzen  meine 
Lesungen,  rektifizierte  sie  aber  im  einzelnen  und  erlaubte  mir 
in  liebenswürdigster  Weise  ^  von  seinem  Elaborat  Gebrauch 
zu  machen.  Er  teilte  außerdem  die  Inschriften  den  Herren 
Dr.  Grierson  und  Dr.  Sten  Konow  mit,  von  denen  der  erstere 
allerdings  nur  ein  paar  flüchtige  Bemerkungen  über  B  2  machte^ 
während  der  letztere  sämtliche  durchsah.    Außerdem  stand  mir 

I 

für  B  4  und  B  6  noch  eine  vorläufige  Entzifferung  Professor  von 
Schroeders  zur  Verfügung.  Ich  kann  deshalb  die  nachfolgenden 
Erklärungen  nur  in  sehr  beschränktem  Maße  als  mein  geistiges 
Eigentum  reklamieren  und  hoffe,  daß  entweder  andere  besser 
Ausgerüstete  das  mir  noch  unverständliche  erklären  werden 
oder  neues  Material  mich  selbst  dazu  in  den  Stand  setzt. 

Über  die  grammatischen  Eigentümlichkeiten  des  ^üdisch- 
Maräthl',  wie  man  den  Dialekt  der  Inschriften  nennen  könnte, 
zu  sprechen,  ist  wohl  noch  verfrüht. 

Auffallend  ist  die  oft  mangelnde  Übereinstimmung  zwischen 
dem  hebräischen  und  indischen  Text. 


J&diMh«  «nd  jAaiMb-iiidiKhe  Grabinaduiftsn  ras  Ad«D.  21 

B  1. 

(1)  [^f  'Äw  ^  ^t9  wn-ir^  ^- 

(2)  ^  ^-^  ^rt^'O  *mK\  mk.  ff  ^- 

(3)  wii  «nfnfV  ^v^T^  iBwraB-^ 

(4)  ^^mr-TT  I  m  I  ^"o  w«Rtwt;  t 

(5)  qcMC  if^  ^  qo  I 

Transkription. 

(1)  [yaj  »akd  ß  cOih^  gäv-karame  H- 

(2)  ri  yä-cl  sokat^  saparä  biK  hah  pho- 

(3)  vat  jahall  budkavän  $dkäla-c 

(4)  vajatn-na  ta.  27  äkc^bararh  na 

(5)  1858  vaye  varfe  10. 

I 

Übersetzung. 

Herr  [Ya]sakel,  Oberhaupt  der  Dorfbewohner  von  Cäih^y 
dessen  Tochter  Frau  SaparA  ist  gestorben  Mittwoch,  gerade 
als  die  Frühstunde  schlug,  Datum  27.  Oktober,  [Jahr]  1858, 
im  10.  Lebensjahre. 

Anmerkungen. 

(1)  caih4  halte  ich  fUr  einen  Eigennamen ;  Hoernle  denkt 
an  mar.  cä^f  Liebe.  In  «Iri  sehe  ich  eine  dialektische  Weiter- 
bildung des  persischen  aar,  oder  es  hat  das  persische  i  der 
Einheit  am  Ende.  Hoernle  sucht  darin  skr.  Süa,  Charakter; 
aber  vgl.  B  2,  Z.  4  Hr. 


^  undeutliche  BacbBtaben  stehen  in  Klammern. 


22  in.  Abhuidlaiif:    Chajei-Kirite. 

(2)  Bokari,  ebenso  B  6^  Z.  2  steht  ftir  gewöhnliches  ehokarl^ 
was  nebenbei  gesagt  ein  interessanter  Beitrag  zu  der  Aussprache 
des  indischen  ch^  ist.  hob  entspricht  hlb  B  2,  Z.  5;  häb  B  3, 
Z.  1;  hlThb  B4,  Z.3;  AeJ  B5,  Z.3;  hlb  B6,  Z.3;  es  ist  mar. 
hirhv,  Kälte,  phovat  entspricht  j^dva^  B  2^  Z.  5;  B  3^  Z.  2;  phäoat 
B4,  Z.  3;  B5y  Z.  3;  B6,  Z.  3;  es  kommt  von  mar.  pävafwih, 
erreichen;  ^die  Kälte  erreichen'  =  sterben.  | 

(3)  jähall  entspricht  jhali  B  2,  Z.  5;  jhäll  B  3,  Z.  2;  jär 
hall  B  4,  Z.  3;  jhale  B  5,  Z.  3  and  jahäU  B  6,  Z.  3;  es  ist  das 
mar.  Participinm  jhäll  vom  Hilfsverbum  honeih,  skr.  bhü. 
Nach  Beames  (Comp,  grammar,  vol.  III^  p.  202)  gibt  es  davon 
eine  poetische  Nebenform  jähälä.  sakäly  früher  Morgen ,  mit 
dem  Suffix  c  der  Emphase. 

(4)  vajatä,  part.  präs.  von  mar.  väjaneihy  tönen,  mit  der 
Zusatzpartikel  nä]  vgl.  B  5,  Z.  8.  tä.,  gewöhnliche  Abkürzung 
für  tärtJehy  Datum,  na  hält  Hoemle  wohl  mit  Recht  für  einen 
Schreibfehler  statt  sana^  Jahr. 


B  2. 


^  Ich  hoffe  demnächst  eine  Studie  über  den  Lantwert  und  die  Geschichte 
dieses  Konsonanten  im  Sanskrit  en  veröffentlichen,  worin  ich  die  schon 
von  Ossowski  ,Über  den  Lautwert  einiger  Palatale  im  Sanskrit'  (Königs- 
berg, 1880)  verteidigte  Aussprache  als  poln.-kroat.  c  näher  begründen 
werde.  Man  beachte  vor  allem  die  prakritische  Entwicklung  aus  skr.  t». 


JftdiMb«  nnd  jAdisch-iDdisebe  GnbinMdmften  au  Aden.  23 

(1)  Ä  ^^^M  ^Pm^-TT  ^  ^lj^M<  ^  ^ 

(2)  ft^^  41tfli^i<  MK\d\  ^w-  ^rm  ^^8Q 

(3)  ^  ^ir^[z]  mrr^  r?  ^t«re  ^rraft- 

(4)  TTTT  5?  ^^^rat  WTK^  mt.  ^rtx  wm- 

(5)  HTT  ^  vj^n  iiwV  ^  T%  f  [if] 

(6)         [X ^ V^i\ 

Transkription. 

(1)  acJce  1775  somaye-nä  ma  bhädrapad  sud  2 

(2)  dlvaa  blatiravär  marä{ä  sdkhdf^  sanä  1849 

(3)  mähe  ägasffj  täräkh  23  dlvas  hosth 

(4)  ravcbr  te  difHUäih  saparä  v^  Blr  gäv* 

(5)  karä  hlh  pävat  jhall  vaye  rtue  sufma] 

(6)  [r       g  rapaf^J 

Übersetzung. 

Im  Jahre  1775^  Montage  Monat  Bhädrapad,  lichte  Hälfte 
2.  Tag,  Tag  Donnerstag  nach  Maräthl- Rechnung,  Jahr  1849, 
Monat  August,  Datum  23,  Tag  Donnerstag,  an  diesem  Tage 
Saparft,  Frau  des  Oberhauptes  der  Dorfbewohner,  ist  gestorben 
im  Alter 

Anmerkungen. 

(1)  Statt  1775  sollte  1771  stehen,  da  nur  dieses  Jahr  dem 
christlichen  1849  entspricht,  in  welchem  der  23.  August  ein 
Donnerstag  war.    nä  Präzisionspartikel,  ma  =  mähe  7a.  3. 

(2)  hu^ravöTj  vgl.  Z.  3  häsUravö/Ty  ist  eine  Korruption 
fhr  hfhcLBpativära.  Die  Orthographie  ä  statt  l  begegnet  hier 
öfter  und  ist  entweder  graphisches  Versehen  oder  dialektische 
Eigentümlichkeit;  wir  haben  sie  schon  in  häb  =:  hib  kennen 
gelernt  und  in  der  nächsten  Zeile  steht  umgekehrt  tärakh 
=  tärlkh.     sakhai,  =  aarhkhyä. 

(3)  Das  t  Ton  äga$t  scheint  ein  cerebrales  zu  sein  ent- 
sprechend der  gewöhnlichen  Umschrift  europäischer  Dentale 
im  Indischen;  vgl.  B  6,  Z.  5. 

(5)  Nach  vaye  erwartet  man  eine  Zahl  und  Yielleicht 
folgte    dieselbe    auf    das    allerdings    sehr    unsichere    sumur 


24  UI.  Abhudluiff:    Chajes-Kirtta. 

=3  Sumär,  Zahl.  Mit  rase  weiß  ich  nichts  anzufangen;  sollte 
es  für  cUua,  10,  stehen?  Dies  würde  aber  nicht  mit  der  he- 
bräischen Angabe  stimmen. 

B  3. 

«?i^  T^?r  cH  t'ä  V^  n-Q  ^ 


(1)  [fw]T  [int  TTJt  [wKi]  nw 

(2)  HT^TT  irnift  m  I 

(3)  [iri^]  >[  [^  «i]  <1^  ^- 

(4)  mVK  'TO  §4 

(5)  iR  ^cq^ 

Transkription. 

(1)  [hämajn  [bSi  räjyepcarä]  hob 

(2)  pavat  jhäh  tä. 

(3)  [pärejgufn  9]  divas  ä- 

(4)  tavär    vaya  65 

(5)  «ana  1852 

Übersetzung. 

Frau  [Hftma]n  [Rä]7e[kara]   ist  gestorben  Datum  pPh&I]- 
gu[n  9]  Tag  Sonntag,  Alter  65,  Jahr  1852. 


J&diMbe  und  jftdiach-indiseli«  Qrabiiuehriflea  wu  Aden.  3Ö 

Anmerkungen. 

(1)  Die  Lesung  des  Eigennamens  wie  überhaupt  der 
ganzen  Insehrift  ist  sehr  unsicher. 

(3)  Da  die  Silbe  gu  ziemlich  deutlich  ist;  so  kann  nur 
der  Monat  Phälgun  gemeint  sein,  obgleich  eine  Form  päregun, 
die  anscheinend  dort  steht^  mir  nicht  bekannt  ist. 

(4)  Die  6  von  65  scheint  sehr  deutlich  zu  sein^  während 
der  hebräische  Text  45  hat. 

B  4. 

(1)  ir]«iT-^  ^tm  ^Ji^  ^ 

(2)  TTt"  Trt^  TT  Tt^-^RTf 

(3)  ^W  TRTT  WriTlft  if^'TO 

(4)  ^Pt^nnT  «nKiVt  wttnj 


26  lU-  Abkaadlw«:    Ckcjei-Kirit«. 

(5)    Mli^m  ^^    %   1^  ^'O'O'O 

(7)  T  TTrft^  ^  ^W  ^««M 

(8)  ^  ^^  ^ 

Transkription. 

(1)  [Sa]  jyä-cl  klmat  rüpaye  26 

(2)  rähel  väl  mä  gämv-karärh 

(3)  hlrhb  phävat  jähäll  divw 

(4)  somavär  mahäräfi  mahinä  I 

(5)  bfiädrapad  vadaye  6  Sake  1777  | 

(6)  irhgrejl  mahinä  äkafoba- 

(7)  r     tärikh  1  «anna  1855 

(8)  vaya  22  t;ar?e 

Übersetzung. 

Der  Ruhestätte  Preis  ist  26  Rupien.  Frau  R&hel,  die 
Mutter  der  Dorfbewohner,  ist  gestorben  Tag  Montag,  Maräfhi- 
Monat  Bhädrapad,  am  6.  der  dunkeln  Hälfte,  Jahr  1777,  eng- 
lischer Monat  Oktober,   Datum  1,  Jahr  1855,  Alter  22  Jahre. 

Anmerkungen. 

(1)  iajyä  setze  ich  =  skr.  iayyä. 

(2)  Vielleicht  bedeutet  ,Mutter  der  Dorfbewohner'  soviel 
als  ,Frau  des  Dorfoberhauptes';  vgl.  B  2,  Z.  4. 


B  5. 

1)  I  imnrnt  ^  i 

2)  [4^^]^  im  ^  ^^' 

3)  ^  ^  ^iPHI  1J%  ift- 

5)  ztWT  "^  V^%  ^ro 

6)  <»-c  ^TT«T-^  [W'TJt 

7)  [?[  ^  ^8^T  ^]  ^T^m  ^- 

8)  t  ^  ^R  TW7n-TT  [f  ] 


Jüdiselie  und  jftdiaek-iiiditehe  QnbinMbriftaD  au  Aden.  27 

(9)  wfi  W^  ^  ^  n- 

(10)  ^BT  :^  m  ^  ;^  f  WT  ^i^- 

(11)  I  ^  vmx  ^rrfi  i 


j 


28  in.  Abhandlung:    Chaj^a-Kirste. 

Transkription. 

(1)  sälamänam  j% 

(2)  [plsale]  sa  gata  ä  medrh 

(3)  sa  heb  phävat  jhale  dt- 

(4)  vas  btidhavär  29  äka- 
(ö)  tobar  sana  1856  vaya 

(6)  18  varasd'Ci  [ä  .  ä]  ra 

(7)  [da  sa  vyä  cej  dävasä  dlva- 

(8)  se  ce  12  väjatä-nä  [vu] 

(9)  la0  jhäll  ä  pi  ta- 

(10)  sä  ca  tä  pa  ca  ha  lä  parata- 

(11)  ni  jhälä  närl 

Übersetzung. 

Herr  Sälamän  —  —  —  (gegangen  zur)  Schule  ist  ge- 
storben am  Tage  Mittwoch,  29.  Oktober,  Jahr  1856,  18  Jahre 
des  Alters  —  ~  —  gerade  als  es  zwölf  schlug,  ist  zurück- 
gekehrt   so zurückgekehrt  ist  die  Frau.  * 

Anmerkungen. 

(2)  medrlsa  wohl  =  medreseh  zu  setzen. 

(6)  Zwischen  1  und  8  steht  ein  Strich,  der  doch  aber 
wohl  nicht  Null,  0,  bedeuten  kann,  da  wir  dann  108  erhielten. 

(7)  Bei  dasavyä  denkt  Sten  Konow  zweifelnd  an  eine 
Ableitung  von  skr.  daSa^  zehn. 

(8)  vulaß  für  ulafi. 

(10)  Sollte  täpa  -c  halä  ^Zustand  (ar.  pers.  hdT)  der  Trauer^ 
bedeuten  und  der  Schluß  der  Inschrift  also  besagen,  daß  die 
Frau  in  Trauer  versetzt  wurde? 

B  6. 

(1)  mn^  m^  ^  ^- 

(2)  1^  ^-^  ^BPrtr^  ^BTTTT  ^- 

(3)  t;  ip^  vnnT  ^ft^  ^- 

(4)  ^  T'c^  ^ft'ir  ?  'nfl  ^- 

(5)  ^[^]  ?rrO^  <^M 

(6)  ^R  S^M^O 


Jidiaeh«  «ad  jtdkeMnditebe  GnUnMliriflMi  ans  Adan.  29 

Transkription. 

(1)  samäyel  saiakel  ji  dive- 

(2)  kar  yä-c^  aokarl  aärä  här 

(3)  I  hib  phävat  jähäli  Vr 

(4)  bar  varase  Un  3  mähe  a- 

(5)  ga[8t]  tärikh  15 

(6)  aana  1857 

Übersetzung. 

Herr  Samäyel  Satakel  Dlve-kar,  dessen  Tochter  Frau 
Sarä  ist  gestorben  [über]  drei,  3,  Jahre  (alt),  Monat  August, 
Datum  15,  Jahr  1857. 

Anmerkungen. 

(1)  DiTe-kar  bedeutet  vielleicht  Rabbiner. 
(3)  ubar,  skr.  upari,  mar.  var(?) 

(5)  8t  ist  nicht  deutlich,  Tgl.  aber  B  2,  Z.  3. 

(6)  Die  Jahrzahl  stimmt  wieder  nicht  zur  hebräischen, 
abgesehen  davon,  daß  das  Zeichen  ftir  5  ebensogut  als  8  oder 
6  gelesen  werden  könnte. 


30        ni.  Abh.:  Ghajea-Kirat«.  JüliMlie  und  Jüdiaeb-iadiaeke  acabinaehriflen  «te. 


Berlohtlgang. 


8.   8,  Z.  6  Ton  anten,  lies:  mi  Btett:  mio 


6, 


,27 
,  10,  ,    7 


n 


oben, 


n 

n 


Ägyptei 
«fter 


„  10,  ,1    7     „        „  n    ^öo  karä  —  gäv  karame 

M  11,  letzte  Zeile,  lies:  Bend. 


IT.  Abbudlaof :    Bbodokanakis.  AloSaBoA*  Vid  ihre  Trraerlieder. 


IV. 


Al-Uansä   und  ihre  Trauerlieder. 

Ein  literar-historisüher  Essaj  mit  textkritischen  Exkursen 

TOD 

Dr.  TSf,  Bhodokanakifl. 


Vorwort. 

In  der  vorliegenden  Schrift  mache  ich  den  Versuch^  auf 
Grund  der  erhaltenen  und  von  Cheikho  herausgegebenen  Trauer- 
lieder al-Qansft's  die  poetische  Individualität  dieser  Dichterin 
festzustellen,  d.  h.  einerseits  die  Technik  ihres  künstlerischen 
Schaffens  9  andererseits  ihren  psychischen  Charakter  zu  analy- 
sieren. Es  war  ursprünglich  geplant  —  und  der  Plan  zu  dieser 
Arbeit  reicht  fünf  Jahre  zurück  —  auch  dem  äußeren  Lebens- 
gange al-Qansä's  nachzuspüren  und  aus  den  Quellen  ein 
kritisch  möglichst  gesichertes  Lebensbild  zu  entwerfen.  Dieser 
Teil  der  Arbeit  wurde  durch  Gabrielis  Schrift^  zum  guten 
Teil  überflüssig  gemacht. 

Es > ist  wohl  selbstverständlich,  so  sehr  ich  bestrebt  war, 
in  den  Resultaten  nur  von  al-i^ansä  zu  sprechen,  daß  ich  auch 
Streifzüge  in  Nachbargebiete  unternahm,  daß  nach  und  nach  die 
ganze  arabische  Trauerpoesie  für  mich  Gegenstand  des  Interesses 
wurde;  ist  doch  gerade  im  Rita'  das  Formale,  welches  auch 
in  den   anderen  Dichtungsarten   das   Individuelle   so   wenig 


^  8.  das  läteratoryeneichnU. 
Sttiugsber.  d.  phil..hl«t.  KL  CXLVIJ.  Bd.  4.  Abh. 


2  IV.  Abluuidliinf :   Bbodokanakis. 

hervortreten  läßt,  ganz  außerordentlich  entwickelt.    Es  kommt 
der  Augenblick,  da  man  sich  fragen  muß,  ob  unter  solchen  Um- 
ständen eine  Spezialuntersuchung  gelingen  könne,  ob  sie  über- 
haupt berechtigt  sei.    Ich  war,  wie  gesagt,  aus  dem  Speziellen 
über  al  Qansä'  ganz  langsam  ins  Allgemeine  über  Trauerpoesie 
überhaupt  geraten;    aber   indem   ich   auch   da   vorsätzlich   fär 
diese  oder  jene  allgemeine  Form  des  Gedankens  nur  bei  dieser 
Dichterin    Belege    suchte    und   fand,    geriet   ich    unwillkürlich 
zurück   ins  Einzelne   und   konnte  gerade  der  Erage,    ob   und 
wie   sich   die   Form   bei   einem   Einzeldichter  individualisiere, 
das   Interesse   keineswegs   absprechen.     Ich    wurde   zu    dieser 
Betrachtung    des    Gegenstandes    umsomehr    gedrängt,    als    in- 
zwischen —  das  Manuskript  meiner  Arbeit  war  bereits  fertig- 
gestellt —  J.  Goldzihers*  konziser,   aber  erschöpfender  Auf- 
satz ,Bemerkungen  zur  arabischen  Trauerpoesie'  erschien.    Ich 
konnte   nunmehr    eine   Reihe   allgemeiner  Erörterungen    fallen 
lassen,*    da    ich    auf   schon    festgestellte    Tatsachen   hinweisen 
durfte,    dafür    aber    mit    der    Fortführung   und   Spezifizierung 
des   dort   allgemein   Erkannten   und   seiner   Demonstration   an 
einem  Einzelfalle  mich   begnügen;   ob  mit,   ob  ohne   positiven 
Erfolg,  darüber  steht  das  Urteil  nicht  mir  zu;  ich  möchte  aber 
hoffen,    daß  mir  der  Nachweis  gelang:    es  sei  trotz  alledem 
möglich,  wollte  man  nur  geduldig  und  lange  bei  einem  Dichter 
ausharren   und   ihn   bis  ins  Einzelnste  kennen  lernen,   für  ihn 
wenn   auch   kein  Schlagwort  zu  finden,   das   sein  Wesen  ganz 
und  restlos  bezeichnete,  so  doch  einen  Umriß  dessen  zu  geben, 
was  beiläufig  seiner  wirklichen  Individualität  mag  entsprochen 
haben. 

Viel  verdankt  die  Entstehung  und  Vollendung  dieser  Arbeit 
meinem  hochverehrten  Lehrer  Herrn  Hofrat  D.  H.  Müller,  der 


*  WZKM.  XVI.  807  ff.  (1902). 

'  So  über  das  negative  Lob,   die  Masammatzeilen,    die  Wiederbolangen, 
Namensannifdngen  etc. 


Al-8iiiiB&*  und  ihre  TranerUeder.  3 

mir  zaerst  die  Anregung  zu  ihr  gab  und  mehr  denn  einmal  mir 
zuredete  und  mich  ermunterte,  als  ich  nahe  daran  war,  das 
Oanze  als  aussichtslos  aufzugeben.  Wem  ich  gerade  die  nach- 
drückliche Betonung  des  formalen  Moments  verdanke,  wird 
niemandem  ein  Qeheimnis  bleiben,  der  den  Gedankengang  in 
Kapitel  III,  Abschnitts.  7 — 10  und  Kapitel  VI.  nebst  der  dort 
gebrauchten  Terminologie  beachtet.  Meinem  Lehrer  und  Chef 
Herrn  Hoirat  Karabacek  als  Leiter  der  k.  k.  Hofbibliothek 
und  Sekretär  der  kais.  Akademie  der  Wissenschaften  bin  ich 
flir  das  dieser  wie  meinen  früheren  Arbeiten  bekundete  Wohl- 
wollen und  Interesse  dankbar.  Meines  werten  Freundes  und 
Kollegen,  des  Herrn  Dr.  R.  Geyer,  brauche  ich  nicht  weiter 
zu  gedenken;  seine  selbstlose  Hilfsbereitschaft  ist  uns  Arabisten 
schon  eine  Institution  geworden.  Mit  Herrn  Hofrat  Müller 
hat  er  überdies  die  undankbare  Arbeit  auf  sich  genommen, 
mich  in  der  Korrektur  der  Druckbogen  zu  unterstützen. 


Wien,  März  1903. 


N.  B. 


IT.  Abhandlung:    Bhodokanakia. 


Literatur. 


(Dtw.^)  'JlbSb  al-^la8&*  fS  diw&n  al-Hansft\  Beyrut  1889. 

Le  Diwan  d*  al-S'^^^*  traduit  par  le  P.  de  Coppier  et  saiTl  des  fragments 
inödits  d'  al-Hlrniq.  Beyronth  1889. 

(Diw.*)  Commentaires  sur  le  Diwan  d*  al-Han8&  d*apr^  les  Mss.  d*Alep,  da 
Caire  et  de  Berlin,  6dit^s  ponr  la  premiöre  fois  et  complöt^  par  le 
P.  L.  Cheikho  S.  J.  Bejrroath  1896.^ 

(Gabrieli)  I  templ  la  yita  e  il  canzoniere  della  poetessa  araba  al-HansA* 
.  .  .  (di)  Giuseppe  Gabrieli.  Firenze  1899  (Pubblicazioni  del  R. 
Istituto  di  studi  snperiori  pratici  e  di  perfezionamento  in  Firenze. 
Sezione  di  filosofia  e  filologia.  Vol.  II.  81). 

Beiträge  zur  Kenntnis  der  Poesie  der  alten  Araber  von  Theodor  NSldeke. 
Hannover  1864. 

(Mar&ti)  Rijd.4  al-'adab  fi  mar&ti  5awä*ir  al-*arab  ...  ed.  L.  Cheikho.  Bd.  I 
iaw&Hr  al-^hilijja.  Beyrnt  1897. 

{kg.)    Kitftb  al-Ag&ni.  Bnlaq  1286. 

(Tab.)  Tabari  annales.  Leyden  1879  ff. 

(Sprenger)  Das  Leben  und  die  Lehre  des  Mohammad  .  . .  von  A.  Sprenger« 
Berlin  1869. 

(K&m.)  The  KSmil  of  El-Mubarrad  .  .  .  by  W.  Wright.  Leipzig  1864—1892. 

(Harn.)  Hamasae  carmina  ...  ed.  G.  G.  Freytag.  Bonn  1828 — 1847. 

(Hiz.)    Hiz&nat  al-adab.  Bnlaq  1291. 

(Wright  op.)  Opuscula  arabica  ...  ed.  ...  by  W.  Wright.  Leyden  1869. 

(NOld.  Del.)  Th.  Nöldeke  und  A.  Müller.  Delectns  veterum  carminum  arabi- 
cornm  (Porta  ling.  or.) 

(IRR)  Der  Dtw&n  des  'Ubaid-Aliah  b.  Kais  ar-Rukajj&t  etc.  Sitzungsberichte 
der  kais.  Akademie  der  Wissenschaften  in  Wien,  phil.-hist.  Klasse, 
CXLIV.  X.  1902. 

(P.D.)  Palästinischer  Diwan  .  .  .  von  G.  H.  Dalman.  Leipzig  1901. 


»  Suppl.  =  Supplement  et  Tables  (1896).  —  Mit  Dlw.*  Einl.  wird 
Cheikhos  Biographische  Einleitung  zum  Diw&n,  2.  Ausg.  (p.  1 — 25) 
bezeichnet.  —  Für  die  Handschriften  wird  die  von  Cheikho  angenommene 
Bezeichnung  (cf.  Präf.  I  ff.)  beibehalten.  Die  Gedichte  sind  nach  dieser 
Ausgabe  zitiert  u.  zw.  bedeutet  z.  B.  R  X  das  zehnte  Stück  im  Reim- 
buchstaben R.    Die  Seitenzahlen  Cheikho*8  sind  in  Klammem  beigesetzt. 


Al-9ftD8&«  und  ihre  Tnnerlied^r. 


Das  Leben  al-Hansas. 

Zar  Orientiernng  des  Lesers  in  den  folgenden  Abschnitten 
diene  eine  kurze  Einführung  in  die  Lebensschicksale  der 
Dichterin  y  deren  Lieder  und  Fragmente  später  untersucht 
werden  sollen. 

Tumi4ir  bint  'Amr  b.  aS*§arid  al-Qansft'  as-SuIamtja  tritt 
in  den  Brennpunkt  unserer  Betrachtung  mit  der  Werbung 
des  greisen  Duraid  b.  a^-^imma  um  ihre  Hand.^  Auf  dieses 
Elreignis  bezieht  sich  eines  der  ältesten  erhaltenen  Stücke  ihrer 
Gedichtsammlung.'  Der  greise  Duraid  hatte  mit  al-^ans&'s 
Bruder  Mu^ftwija  einen  innigen  Freundschaftsbund  geschlossen,' 
der  seinen  äußeren  Ausdruck  darin  fand^  daß  jeder  der  zwei 
Partner  sich  verpflichtete,  falls  er  den  anderen  überleben  sollte, 
ihn  mit  einem  Trauerliede  zu  feiern.^  Nun  wollte  Mu'äwija 
diesen  Bund  noch  enger  kitten;  ob  er  selbst  die  Schwester 
dem  Freunde  als  Braut  Torgeschlagen  oder  seine  Werbung 
bloß  unterstützt  hat,  mag  dahingestellt  bleiben;  eine  Rolle 
spielte  er  in  dieser  Angelegenheit  jedenfalls;  ebenso  gewiß  ist 
es  aber,  daß  al-lgiansä'  sich  nicht  überrumpeln  ließ.  Für 
die  fi^ie  Stellung  der  damaligen  Frau  nicht  minder,  wie  fUr 
die  Au£Fassung,  die  sie  von  der  Ehe  hatte,  ist  es  charakte- 
ristisch, daß  al-^ansä'  den  Bewerber  erst  einer  ganz  eigen- 
artigen Prüfung  unterzog,*  bevor  sie  ihren  Entschluß  faßte. 
Dieser  fiel  nicht  zu  seinen  Gunsten  aus. 

Die  Verwahrung,  die  al-Qansä'  dagegen  einlegte,  mit 
Aufgebung  ihrer  persönlichen  Freiheit  dem  Bruder  einen 
Freundschaftsdienst  leisten  zu  helfen,  finden  wir  im  Fragmente 
R  X  (m  ff.)  niedergelegt: 

1.  Wenn  ich  an  meiner  Selbstbestimmung  keinen  Anteil 
bekomme,  dann  hat  die  Zeit  §abr  schon  hinweggerafft ;  ^ 


^  Oabrieli  96-^102.        *  R  X  (i  i^— t  n)  Gabrieli  99. 
»  Aj^UJ  U.!  ^^\S  Dtw.«  Einl.  8.  18  f.  21  f. 
«  J^Ooldsiber  in  WZKM.  XYI.  308. 
«  Gabrieli  p.  99,  Note  2. 

*  D.  h.  dann  ist  es,  als  lebte  er  nicht  mehr.  Sie  spielt  den  einen  Bruder 
(Sahr)    gegen   den    anderen    (Ma'ftwija)    ans.      Ein   Mißverst&ndnis   des 


0  IV.  Abhanainng:    BbodokanakU. 

2.  Treibst  du  mich  (o  Mu'äwija)  —  sterben  mögest  du  — 
gegen  meinen  Willen  zu  Duraid  hin,  nachdem  ich  den  Sajjid 
der  Familie  Badr  abgewiesen  habe?^ 

3.  Droht  mir  Guhajja^  täglich  mit  dem,  was  Mu^&wija  b. 
'Amr  (ihm  zu)geschworen  hat?' 

4.  Da  doch  jene  (die  Badr)  uns  ebenbürtig  sind  in  aUem 
Outen  und  ebenbürtig  in  allem  Bösen/ 

5.  Da  schütze  AUäh  mich  davor,  daß  ein  Mißgestaltiger  an 
mir  sauge,  ein  Zwerg,  ein  Abkömmling  von  Gufiam  b.  Bekr,^ 

6.  Der  es  als  Ruhmestat  und  von  ihm  geübte  Großmut 
ansieht,  wann  er  die  (Gast)versammlung  mit  trockenen  Datteln 
bewirtet. 

7.  Wenn  ich  als  Braut  zu  den  Gudam  komme^  dann  sinke 
ich  in  Erniedrigung  und  Elend. 

8.  (Sie  sind)  ein  netter  Stamm:  spüren  sie  Gefahr,  dann 
verkriechen  sie  alle  sich  in  jedes  Erdloch. 

Den  Platz  des  so  schmählich  abgewiesenen  Werbers 
nahmen  später  zwei  Männer  ein:  Mird&s  b.  *Abl  'Ämir  b.  5är 
rita   as-Sulami^    und    'Abd    al-'Uzzä   von    den    Banü   Qufäf.^ 

zweiten  Halbverses  hat  die  falsche  Ansicht  (A^.  XUI.  186,  Diw.'  in, 
Note  b)  ermöglicht,  die  vorliegenden  Verse  seien  aus  einem  Trauer* 
Hede  auf  i^a^r;  ebenso  könnte  die  Bemerkung  Dtw.*  i  \y  unten  ^15« 
dJ  Ü\ifi  ^  LJU  jjc'^  Ia^\  willkürlich  aus  diesem  Verse  abgeleitet  sein. 

*  Wer  diese  Badr  seien,  wissen  wir  nicht.  In  der  Prosaersählang  DSw.' 
Einl.  8  heißt  es:  ^UjJ\  ^\yB.  JJU  ^^,^  ^  iSj\S  ^\jSl 

*  Guhajja  ist  nach  der  Vermutung  des  Herausgebers  Diw.'  i  r  • :  c)  ein 
Spitzname,  mit  dem  al-HansA*  den  Duraid  verspottet. 

'  Diese  Worte  beziehen  sich  eben  auf  oder  vielmehr  sie  richten  sich  gegen 
Mu'ftwijas  Vermittlerrolle. 

^  Die  Erklärung  des  Hrsg.  1.  n.  d)  ist  unklar.  Da  doch  al-Hansft  den 
Duraid  zurückweist  und  in  den  Versen  5  ff.  samt  seinem  Stamme  rer- 
spottet,  können  ,sie*  unmöglich  ,uns%  d.  h.  dem  Stamm  al-Hans&'s  ,ln 
allem  Guten  und  Bösen,  d.  i.  in  den  Tugenden  und  den  sie  begleitenden, 
aus  ihnen  fließenden  Fehlern  ebenbürtig  sein':  mutig  bis  zur  Toll- 
kühnheit, freigebig  bis  zur  Verschwendung.  Die  natürliche  Stellung  des 
Verses  4  ist  darum  nach  Vers  2:  ...  da  ich  den  Sajjid  der  *A1  Badr  zurück- 
gewiesen habe,  die  uns  in  allem  ebenbürtig  sind,  werde  ich  doch 
nicht  ,mich  gegen  meinen  Willen  zu  Duraid  hin  treiben  lassen',  der  so 
elend  ist,  wie  ich  ihn  euch  samt  den  Seinen  im  folgenden  schildern  will. 

*  Der  Spott  ist  sehr  fein:  Was  mag  ron  einem  solchen  Vater  für  ein 
Sprößling  kommen  I  Duraid  b.  a9-Simma  war  ein  GuSamit. 

*  Gabrieli  103—106.  '  GabrielilOS. 


Al-0aBs&*  und  ihn  TmawUeder.  i 

Letzterer  ist  der  Vater  *Amrs  b.  *Abd  al-'üzzk  mit  dem  Bei- 
namen 'Abu  Samara  ;^  außer  dieser  Vaterschaft  weiß  die  Ge- 
schichte von  ihm  nichts  zu  melden.  Ans  den  Erzählungen  im 
Kitäb  al-'Agäni  wohlbekannt  ist  aber  der  erste,  Mird&s,  mit 
dem  Beinamen  al-F4'i4  ,der  Freigebige'.*  Ihm  gebar  al-^ansä 
die  Tochter  'Amra,  die  selbst  als  Dichterin  eine  Rolle  spielte.^ 

Vom  unglücklichen  Eheleben  al-^ans&^s  weiß  die  Tradition 
mehreres  zu  berichten.  Doch  davon  wird  später  die  Rede  sein. 
JedenfaUs  scheint  Mird&s  ein  unternehmungslustiger  Mann  ge- 
wesen zu  sein:  mit  zwei  Genossen  machte  er  sich  einst  an  die 
Urbarmachung  einer  reichbewässerten  Schilfgegend  in  der  Nähe 
einer  Quelle.  Die  aus  ihrem  Versteck  vertriebenen  Ginnen 
straften  das  Unternehmen  Mirdäs  an  seinem  Leben:  die  phan- 
tastische Erzählung  weist  auf  Sumpffieber  hin.^ 

Eine  tragische  Wendung  brachte  der  Tod  Mu'äwijas 
und  seines  Bruders  $abr  in  das  Leben  der  Schwester,  die  eben 
durch  ihre  Trauerlieder  auf  das  Brüderpaar  unter  dem  Kamen 
al-Qansä*  in  der  arabischen  Literatur  berühmt  wurde. 

Mit  Hädim  b.  Qarmala^  zog  sich  zunächst  Mn^&wija  auf 
einer  Messe  zu  'Uk&?  einen  Raufhandel  zu.^  Erst  über  Jahr  und 
Tag  wurde  er  ausgetragen;  denn  als  Mu^ftwija  zum  erstenmal 
gegen  den  Murriten  zog,  gebot  ihm  ein  böses  Omen  Halt  und 
Rückkehr. 

Mit  seinen  19  Rittern  wurde  aber  Mu  ftwija,  als  er  ein 
zweitesmal  in  murritisches  Gebiet  eindrang,  in  der  Nähe  eines 
Brunnens,  wo  die  Rosse  getränkt  werden  sollten,  überfallen. 
HMim  b.  ^armala  und  Duraid,  dessen  Bruder,  nahmen  ihn 
kämpfend  in  die  Mitte:  während  er  sich  Hädims  erwehrte, 
überfiel   ihn  rücklings  Duraid  und  streckte  ihn  tot  zu  Boden. 

Die  Rache  für  den  Gefallenen  nahm  ^a^r  auf  sich;^ 
Hüdim  sowohl  als  Duraid  wurden  in  des  Wortes  eigentlichster 

^  Gabriel!  107,  Note  1. 

*  Gabriel!  104,  Note  1. 

*  In  der  I.  Ausgrabe  des  Dtwftns  al-Han8&  (Bebrüt  1888)  findet  sich  als 
Anhang  eine  Auswahl  von  Mar&ti  dichtender  Franen ;  als  erste  (p.  ^  £  ff.) 
wird  'Amra  blnt  al-HanB&'  angeführt. 

*  Gabrieli  105  f. 

*  Von  den  Banü  Mnrra  (Gatafftn). 

*  Gabrieli  108  ff. 

'  Gabrieli  111—126. 


s 

bIwfCB  ermordet;  erst  Daraid  durch  $abr,  der 

BedeutttDg  m       ^^^^^qJ^q^^  überraschte,    da  er  Ton   einem 

den    ^^"^^^^  jijfl,  Mu'äwija  im  letzten  Kampfe  beigebracht, 

'^h         b  üicht  erholt  hatte.     Ebenso  schmählich  fiel  H4dim, 

in  Bruder   doch  nicht  durch  die  Hand  eines  Sulaimiten;  ein 

^adamit,  ^aiß  b.  'Amir,  machte  seinem  Leben  ein  Ende. 

$ai^r  setzte  seine  Rachezüge  trotzdem  fort,  bis  er  selbst 
erlag.  Den  B.  Dubj&n,  also  auch  den  Murriten  verbündet 
waren  die  'Asad  b.  Quzaima;  gegen  sie  zog  $abr  mit  'Anas 
b.  'Abb&s  an  der  Spitze  der  'Aufiten  und  Qufäfiten^  aus. 
Babia  vom  Stamme  Fa^as  hatte  den  Ruhm,  am  ,Tage'  von 
P&t  'Atl  dem  sulaimitischen  Helden  einen  Lanzenstoß  zu  ver- 
setzen, an  dem  er  nach  langem  Dahinsiechen  zugrunde  ging. 
Die  lieblose  Behandlung,  die  der  todeskranke  Held  von 
seiner  Gattin  erfahren  haben  soll,  das  scharf  damit  kontra- 
stierende liebevolle  Benehmen  der  Schwester  hat  die  Tradition 
mit  allerlei  Sagen  ausgeschmückt.'  Für  den  Qang  der  Hand- 
lung sind  sie  völlig  belanglos. 

$abr  starb  an  seiner  Wunde.  Was  der  Bruder  nicht 
mehr  erleben  sollte,  den  Isl&m,  erfuhr  äußerlich  die  Schwester; 
äußerlich  und  oberflächlich:  denn  wenn  auch  die  Sulaimiten 
und  mit  ihnen  al-^ansä'  der  neuen  Bewegung,  die  über  Ara- 
bien kam,  sich  anschlössen,^  so  zeigte  später  doch  die  Rid da, 
an  der  gerade  die  Sulaimiten  keinen  geringen  Anteil  hatten, 
wie  wenig  ernst  sie  die  neue  Wendung  der  Dinge  nahmen. 
Gerade  was  die  Frau  anlangt,  die  hier  unser  Interesse  besonders 
in  Anspruch  nimmt,  wird  uns  verschiedentlich  überliefert,  wie 
selbst  ihr  äußeres  Gebären  mit  den  neuen  Satzungen  des 
Islam  in  Konflikt  geriet. 

Der  Chalif  ^Umar^  soll  ihr  zweimal  das  Trauern  um  die 
gefallenen  heidnischen  Brüder  verboten  haben,  die  doch  ein 
Fraß  der  Hölle  geworden;^  einmal,  als  sie  nach  altheidnischem 
Brauch,  mit  dem  §idär  angetan  und  in  voller  Traueradjustierung 
die  Rundgänge  um  die  Ka'ba  machte;  ein  zweitesmal,  als  sie 

^  Zwei  Unteratämme  Sulaims. 

*  Gabrieli  123. 

>  GabrieU  140—152. 

*  Gabrieli  149—161. 

»  Vgl.  Goldziher  in  WZKM.  XVI.  321  flf. 


AI-SmmA*  uDd  ihre  TrmiiflrUeder.  9 

mit  den  Ihren  an  Medina  vorbeireisend  von  diesen  ob  ihrer 
maßlosen  Traner  dem  Chalifen  förmlich  angezeigt  wurde.  Sie 
soU  dem  zweiten  Nachfolger  des  Propheten,  der  ihr  das  im 
Sinne  des  IslAm  sündhafte  übertriebene  Klagen  nm  Tote^  und 
um  heidnische  obendrein,  vorhielt,  geantwortet  haben:  ,Ich 
beweinte  sie  früher  wegen  der  Blutrache  (at-ta'r),  nun  beweine 
ich  sie  wegen  des  Höllenfeuers  (an-n&r)/^ 

Ahnliche  Vorwürfe  soll  ihr  'A^ida  einst  gemacht  haben; 
die  Anekdote  charakterisiert  hier  die  tadelnde  Prophetenfrau 
ganz  anders  als  den  strengen  ^Omar.  'A'i&a  erkundigte  sich 
teilnehmend  nach  den  Gründen,  welche  den  toten  Bruder  der 
alten  Schwester  so  lieb  und  wert  gemacht  hätten,  daß  sie  trotz 
IslÄm  und  ^o/ftn  ihn  noch  beweine.  Da  erzählte  ihr  die 
Dichterin,  wie  ,ihr  Mann''  einst  all  das  Seine  verspielt,  daß  sie 
an  den  stets  hil&bereiten  $abr  sich  um  Bettung  wenden  mußte, 
und  als  dieser  ihr  die  Hälfte  des  Seinen  gegeben,  da  fing  der 
Verschwender  (ihr  Gatte)  vom  neuen  zu  vergeuden  an,  bis 
wieder  Sabr  eingreifen  mußte;  und  so  ging's  ein  zweites  und 
ein  drittes  Mal,  trotz  der  Vorwürfe,  die  nun  l^abr  ob  seiner 
allzugroßen  Güte  von  seiner  eigenen  Frau  zu  hören  bekamr' 
,Wie  mein  Bruder  dies  tat',  lautet  der  Schlußgedanke  der 
Leidensgeschichte,  ,in  der  Erwartung,  daß  ich  nach  seinem 
Tode  ihn  stets  betrauern  werde,  so  will  auch  ich  dem  Toten 
Wort  halten.'* 

Diese  Anekdote  charakterisiert  nach  drei  Seiten  hin:  zu- 
nächst die  Beziehungen  al-Qans&'s  zu  ihrem  Bruder  $abr  und 
umgekehrt,  dann  ihr  Eheleben  und  schließlich  den  passiven 
Widerstand,  den  sie  dem  neuen  Glauben  entgegensetzte. 

L  Biographlsehe  Notizen  In  kritischer  Beleuchtung. 

Eine  ausführlichere  Lebensschilderung  al-Qansä's  zu  geben, 
ist  nach  der  weit  ausgreifenden  und  groß  angelegten  Arbeit 
G.  Gabrielis  überflüssig  geworden.     In   dem    zweiten,    eben 

^  Eine   Hnßent   charakteristische    Anekdote,   über   deren    historische 

Wahrheit  man  aber  weiter  kein  Wort  su  verlieren  brancht 
'  Er  wird  nicht  genannt! 
'  Gans  wie  in  einer  altarabischen  Kafidet 
*  GabrieU  104. 


10  IV.  AbhandlQDg:     Rbodokanakia. 

diesem  Gegenstände  gewidmeten  Abschnitte  seines  Buches  (p.  61 
bis  159)  hat  Gabrieli  alle  jene  Stellen  aus  dem  Diwan,  welche 
persönliche  Anspielungen  oder  lebensgeschichtliche  Daten  ent- 
halten oder  zu  enthalten  schienen,  u.  zw.  sowohl  über  die 
Dichterin  selbst,  als  auch  über  ihre  Brüder,  herausgegriffen  and 
samt  jenen  Erzählungen,  welche  uns  die  altarabische  Prosa- 
literatur über  al-^ansd.'  gerettet  hat,  verwertet. 

Es  ist  selbstverständlich,  daß  jene  auf  diese  eingewirkt 
haben.  Zwei  der  in  solcher  Hinsicht  wichtigsten  Stücke  al- 
gans&'s  sind  Diw.*  RX  (p.  iM—jri)  und  D  VII  (p.  oi— oa); 
jenes  liegt  am  Eingang,  dieses  am  Ausgang  ihres  Lebens. 
Was  ersteres  anlangt,  so  will  ich  hier  nur  auf  Gabrieli  p.  96  ff. 
verwiesen  haben;'  D  VII  lautet  folgendermaßen:' 

1.  , Wohlan!  ^Umaira  sagte,  als  sie  mich  sah  und  stolzen 
Ganges  ihren  Hintern  wiegte:  (wie)  eine  spitze  Schneide  (treten 
ihre  Knochen  vor)l' 

2.  Ich  aber  merke^  daß  jedesmal,  wann  ich  Besitz  ge- 
sammelt hatte,  Raw&l^a  und  Sartd  ihn  unter  sich  teilten  (daß 
mir  nichts  übrig  blieb). 

3.  Bin  ich  also  dick,  so  habe  ich  meine  Ehre  bewahrt, 
bin  ich  aber  mager  —  nun,  so  ist's  der  leichteste  Verlust*. 

Zu  diesen  drei  Versen  wird  eine  ätiologische  Anekdote 
in  zwei  Varianten  überliefert:* 

(Diw.*  p.  oTf.)  /Amra,  die  Tochter  des  Mird^s  b. 
'Abi  *Amir,  war  der  Qans&'  letztes  Kind.  Als  al-Qans&' 
schon  alt  und  welk  war,  da  wandte  sie  sich  eines  Tages  um 
und  ^Amra  sah  ihr  Fleisch,  wie  es  (nicht  mehr  prall  war,) 
sondern  zitterte.  Da  sagte  sie:  ,bei  Gott,  du  bist,  o  Quntlst 
ein  Weib  mit  schwammigem  Fleisch  geworden';  jene  gab 
zurück:  ,Einmal  wegen  der  Banü  ^&rita^  ein  andermal  wegen 
der  Banü  Rawllba^"^ 


*  Vgl.  auch  oben  p.  6. 

'  Gabrielis  Übersetzung  auf  p.  157  seiner  Schrift. 

'  Ibn   al-*A'rabi  nach  einigen  (Kommentatoren):  JOJ^^.  J!^.  sei  eine  das 

böse  Omen  abwehrende  Beschwörung    «.a^J«    d.  h.  möge  mir  ähnliches 

erspart  bleiben I  Der  Sinn  kommt  auf  eines  heraus. 

*  Die  eine  bei  Gabrieli  p.  157. 

'^  Der  Kommentar  erklärt:  ich  habe  das   einemal  von  diesen,    das  andere 
Yon  jenen  einen  zum  Mann  gehabt. 


Al-Qftns&'  und  ihre  Tna«rU«der.  11 

Diese  Anekdote  will  uns  wohl  das  unverstandene  und 
kaum  mehr  verständliche  j^j^\^  ^^9j  ,Raw4tia  und  aä* 
Sarid'  des  zweiten  Verses  erklären.  Es  macht  aber  al-^ansä 
hier  wohl  nur  zwei  Stämmen^  den  Vorwurf,  sie  trügen  an 
ihrem  (materiellen?)  Elend  alle  Schuld.  Der  Prosaist  denkt 
vielleicht  an  die  etwa  aus  diesem  Verse  erst  abgeleitete,  jeden- 
falls oft  wiederkehrende  Nachricht^  al-Qansft's  Gatte'  sei  ein 
Taiigenichts  und  Spieler  gewesen,  der  all  das  Seine  mehr  denn 
einmal  durchgebracht,  weicht  aber,  wenigstens  scheinbar,  vom 
überlieferten  Verstext  in  seiner  Erzählung  ab,  wenn  er  al- 
Qansä'  sagen  läßt:  S^^j  ^^^1^  sjU^  Äo^U^  ^^^^  SJ^:  einmal  wegen 
der  B.  Q&rita  und  ein  andermal  wegen  der  B.  Rawäb^;  eine 
Diskrepanz,  die  sich  wohl  begreifen  läßt,  wenn  wir  eben  an 
Hans&'s  Gatten  Mirdäs  denken^  der  über  'Abu  'Amir  von 
Qärita  abstammte;'  doch  läßt  uns  dann  die  Erzählung  über 
die  nun  überschüssig  gewordenen  ad-§arid  *  des  zweiten  Verses 
ganz  im  Unklaren. 

Diese  Anekdote  schmiegt  sich  also  zwar  minder  eng  als 
die  folgende  dem  vorliegenden  Verstext  an  und  erklärt  wenig 
oder  gar  nichts ;  denn  sie  selbst  ist  erst  dem  Versinhalte  und 
der  Situation  von  D  VII  nachgedichtet;  noch  deutlicher  läßt 
sich  dies  aber  an  ihrer  zweiten  Fassung  zeigen.^ 

;Die  Solaimiten  sagten  zu  *Umaira:^  ,, befühle  al-^ansä' 
und  schau,  wie's  bei  ihr  steht ^.  Da  ging  sie  hin  (zu  ihr)  und 
legte  ihre  Hände  auf  jener  Schultern  und  sagte  dann:  „Eine 
scharfe  Schneide^!  Dann  wandte  sie  sich  zu  gehen;  doch  al- 
Qansä'  improvisierte  diese  Verse'. 


^  Dies  fühlt  aach  der  Protist,  wenn  er  sa^t:  ^\  «^yb  «^  SI«  «JU^IjJ 
bei  ai-d«rtd  in  einem  Verse  al-Hansft's  kann  man  aber  nur  an  ihren 
Vaterstamm  (^L»^  ^^^  ^-y  ^r^)  denken  und  so  wird  auch  Ra- 
wftha  kaum  eine  Person  bezeichnen. 

'  Er  wird  bezeichnenderweise  in  der  Anekdote  mit  *A'i((a  anonym  ein- 
peföhrt: "oT  UVU*  ^j  ^2^\S  T^Z^  J,\  (Einl.  Dfw.*  p.  20  pen.  Gabrieli 

104  und  149). 

*  Ag.  XIII.  64. 

*  Über  Mubtakirs  Gefasel  im  Kommentar  s.  später. 

*  D!w.'  p.  ov  oben. 

*  Man  beachte,  wie,  statt  des  gewöhnlichen  'Amra,  selbst  die  dimi- 
nntire  Namensform  (aus  Vers  1)  beibehalten  wird. 


12  IV.  Abhaadliiikg:    BboAokaaakis. 

Das  Handauflegeii;  um  die  Knochen  zn  betasten^  die  An- 
führang  der  Worte:  ju^j^^  «x^  aas  V  1,  der  Abgang  'Amra's 
(llfjLtah  c:^\}'i)  sind  weiter  nichts  denn  eine  prosaische  Para- 
phrase des  zn  erläuternden  Fragmentes. 

Ich  habe  mich  bei  diesen  Versen  aas  zwei  Gründen  etwas 
länger  aufgehalten,  als  sie  es  eigentlich  verdienten.  Sie  sind 
erstens  noch  weiterhin  zu  biographischen  Motiven  ausgebeutet 
worden  und  gaben  die  Quelle  mindestens  zu  einem  Teil  jener 
unsinnigen  Liste  der  Ehegatten  al-Qansä's  ab,  die  Mubtakir^ 
im  Kommentar  zu  D  VU  3  folgendermaßen  aufstellt: 

1.  ar-Rawä^ii 

2.  aS-garidi  ('Ahmad  b.  Mälik) 

3.  al-Mirdäsi  (Mirdäs)'  etc. 

Aus  historischen  Berichten  sind  uns  nur  zwei  Oatten 
al-^ansä's  bekannt^  und  zwar: 

1.  Mirdäs  b.  'Abi  *Amir^ 

2.  *Abd  al-'Uzzk*  von  den  Banü  5ufÄf,  Vater  'Amrs 
mit  dem  Beinamen  'Abu  Samara.  Ar-Rawäbi  and  aä-§aridi 
sind  aber  willkürliche  Ableitungen  aus  D  VII.  2.  Dies  zeigt 
schon  die  gentile  Namensform ,  die  an  den  Vers  anknüpfend 
ihnen  gegeben  wird,  wobei  ar-Rawähi  sonst  ganz  unbenannt 
bleibt,  aä-Saridi  jedoch  den  jedenfalls  merkwürdigen  Namen 
Al^^mad  b.  Mälik  bekommt.  Zwar  wird  Diw.*  Einl.  p.  10 
Mitte  aus  dem  Berliner  Manuskript  (v^)  18  allein^  noch  ein 
Gatte  al-^ansä's  genannt,  und  zwar  mit  Namen  Rawäli^a;  aber 


*  Vgl.  Suppl.  nv. 

*  Ans  'Umaira  (=  'Amra)  macht  er  eine  Schwester  des  (sab  3.  ange- 
führten?) Mirdäs  b.  al-'Ad'ar  b.  *Ij&s  b.  Muraita  b.  Sirma  b.  Sinna  (sie) 
b.  Murra  (p.  oa  ob.). 

*  Ag.  IV.  142,  VI.  92,  X.  43  ff.,  XHI.  64  ff.,  XX.  135,  Vater  des  als  Dichter 
und  ,herzbesänftigter'  Muslim  bekannten  *Abb&s  b.  Mird&s  (Ag.  wie 
oben.  Sprenger  III.  287  f.),  der  jedoch  nicht  von  al-HansÄ*  war. 

«  Tab.  I.  1905.  Bal&düri  futüh  al-buld&n  97.  19;  E&ra.  220  f.,  wo  220, 
Z.  9  •Um.«A.\  in  '^iin  ''^\  zu  korrigieren  ist.  —  *Abd  al-*UzzJi  ist  die 
richtige  Namensform,  nicht  *Abd-All&h  b.  'Abd  al-'uzzi;  cf.  Diw.*  Einl.  12 
und  16  Mitte  gegen  10  Mitte  und  Diw.  oa  oben.  Ferner  Suppl.  ri% 
gegen  rvr  and  Oabrieli  106. 

*  Trotz  der  unklaren  Fassung  von  Diw.*  Einl.  10  Mitte;  denn  Ibn  Ku- 
taiba  und  Ag.  an  den  dort  angeführten  Stellen  kennen,  wie  überhaupt, 
keinen  Gatten  al-HansA's  mit  diesem  Namen. 


Al-9aD8&*  and  ihre  TnMi«rU«der.  13 

seine  Proyenienz  eben  ans  D  VII  bleibt  ^  solange  dies  Frag- 
ment nicht  besser  erklärt  ist,  mindestens  sehr  wahrscheinlich. 
Übrigens  läßt  Mubtakir  a.  a.  O.  all  diese  Gatten  al-Qansä's 
verwegene  Spieler  sein  und  zeigt  so  auch  in  diesem  Pankte 
seine  Abhängigkeit  von  D  VII,  das,  wie  wir  sahen,  auch  von 
anderer  Seite  mit  der  Tradition  von  al-Qans&^s  unglücklichem 
Eheleben  in  Verbindung  gebracht  wurde. 

Trotz  dieser  Ubelstände  klingt  aber  aus  den  drei  Versen 
dieses  Fragments  ein  psychologisches  Motiv  heraus.  Ist  näm- 
lich die  in  V.  1  angeredete  'Umaira  wirklich  al-Qansä's  Tochter 
*Amra,  die  Dichterin,^  so  könnten  wir  von  da  aus  auf  die  Unver- 
träglichkeit der  greisen  Mutter  mit  ihr,  besser  vielleicht  und  all- 
gemeiner auf  ihre  übrigens  auch  aus  anderen  Motiven  begreif- 
liche Gereiztheit  gegen  die  Jugend  und  ihre  Mitmenschen  über- 
haupt schließen.  Zum  Glück  besitzen  wir  neben  diesen  zwei, 
zum  Teile  widersprechenden  und  für  biographische  Zwecke 
wenig  brauchbaren  Anekdoten  und  den  Versen,  die  sie  erläu- 
tern soUten,  noch  eine  kurze  Erzählung,  von  der  Gabriel i' 
vermuthet  hat,  es  sei  die  bisher  mitgeteilte  bloß  ihre  Variante; 
oder  wie  ich  frei  mich  ausdrücken  möchte:  die  mit  jener  zu 
Einer  Mythengruppe  gehört.' 

Vor  dem  Chalifen  Mu*äwija,  der  für  altarabische  Poesie 
und  altarabisches  Wesen  ein  reges  Interesse  zeigte,  erzählte 
einst  'Al^ma  b.  Garir  folgendes:  ,Bevor  ich  zu  dir  ausging, 
schritt  ich  des  Weges  her,  eine  altersschwache  Kamelstute 
vor  mir  treibend,  die  ich  beim  Stamme  wollte  schlachten  lassen; 
da  ereilte  mich  die  Nacht  bei  den  Zelten  der  Banü  Sarid.  Dort 
war  'Amra,  die  Tochter  des  Mirdäs,  im  Brautstande  und 
ihre  Mutter  al-Qansä',  die  Tochter  des  'Amr.  Ich  sprach  zu 
ihnen:  „Schlachtet  mir  dieses  Tier  und  tut  euch  gütlich  daran !^ 


^  KAm.  vrA,  wo  die  oben  beleuchtete  fttiologische  Anekdote  in  ihrer 
«weiten  Fassang  erzählt  wird,  sagt  allerdings:  ^^^  •LmJ  ^Jaio 
^JLw.  —  Gabrieli  157  schließt  hinwieder  ans  den  Worten  Mnbtakirs 
(s.  oben  p.  12,  Note  2),  daß  es  sich  nicht  um  *Amra  bint  al-Hansä*,  son- 
dern tun  *Umaira  Schwester  des  Mirdäs  b.  al-'As'ar  etc.  handle.  —  Vgl. 
dagegen  Dlw.*  ov,  Z.  3:  ^\  b  dJ!3\  jfs>JtSv 

«  p.  167. 

*  Gabrieli  156.  £Mw.*  Einl.  p.  23.  Ich  hebe  ausdrücklich  hervor,  daß 
diese  ErsXhlnng  mit  D  YII  in  keinerlei  Zosammenhang  gebracht  wird. 


14  IV.  Abbuidlang:    Bhodokanakis. 

und  setzte  mich  hin  zu  ihnen.  Nachdem  aber  das  Tier  zu- 
bereitet war,  wurden  wir  (ins  Brautgemach)  eingelassen,  und 
da  war  sie  —  'Amra  —  ein  sauberes  Mädchen  und  da  saß 
auch  in  einen  roten  Mantel  gehüllt  ihre  Mutter  al-QansA*  — 
die  schon  alt  war  —  und  blickte  das  Mädchen  mit  glühen- 
den Blicken^  an.  Die  Leute  aber  sagten:  „Bei  Gott,  o  'Amra, 
reize  sie  doch  (daß  sie  spreche);  denn  sie  versteht  jetzt  gar 
manches  von  deinem  heutigen  Zustand.^  Nun  erhob  sich  das 
Mädchen,  als  wollte  sie  etwas,  und  trat  auf  ihren  Fuß,  daß 
er  sie  schmerzte.  Doch  jene  rief  grollend:  n^^g*  es  dir  gut 
geh'n,'  du  Törin!  Bei  Gott,  (du  tust),  als  ob  du  bloß  eine 
dumme  Magd  trätest;  doch  bin  ich,  bei  Gott,  gefeierter  denn 
du  gewesen  als  Braut  und  hatte  noch  bessere  Salben;  und  das 
war  eine  Zeit,  als  ich  ein  Mädchen  war,  das  die  Jünglinge 
entzückte^  das  kein  Fett  (beim  Feuer)  zerließ,  noch  das  Vieh 
hütete;  (sondern)  wie  ein  gut  gepflegtes  Pferdefohlen  (war); 
nicht  vernachlässigt,  noch  jemand  anheimgegeben,  der  mich 
vernachlässigt  hätte. ^  Da  staunten  die  Leute,  wie  sie  ihrer 
Tochter  grollte.* 

Es  muß  nach  dem  Vorangehenden  zugegeben  werden, 
daß  über  das  gespannte  Verhältnis  al-]^ans4's  zu  *Amra  ein 
kleiner  Legendenzyklus  kursierte,  und  noch  ein  Punkt  ver- 
dient aus  der  letzterwähnten  Anekdote  hervorgehoben  zu 
werden:  es  heißt,  da  'Al|}:ama  mit  seiner  Erzählung  fertig  war: 
da  lachte  Mu'äwija  unmäßig.^  Die  Erzählung  muß  also  eine 
Pointe  haben,  und  diese  kann  ich  sonst  nirgends  finden  als 
in  der  barschen  Art,  wie  al-|Iansä'  ihr  junges,  naseweises  Kind 
abfertigt,  im  Mißverhältnis  zwischen  Angriff  und  Abwehr.  Man 
machte  sich  über  die  alte  Dichterin  lastig;  sie  wurde  einmal 
der  Mittelpunkt  einer  humoristischen  Anekdote.  Solche  waren 
aber  leicht  zu  finden  und  ebenso  leicht  zu  erfinden;  der  Un- 
stern, den  das  Schicksal  über  ihr  Leben  geführt  hatte,  der 
Umschwung  alles  Denkens,  der  rings  um  sie  sich  vollzog, 
hatten  aus  der  feurigen  Dichterin  eine  grämliche  Alte  gemacht. 
Das  ist,   denke  ich,   das   historisch  und  psychologisch  richtige 


*  r-/ 


▲l-0ani4>  und  ihre  Tnverliader.  15 

Motiv  dieser  Anekdoten  und  der  zweite  Grund,  wamm  ich 
ihnen  und  dem  kurzen  Fragment  D  VII  soviel  Bedeutung 
beilegte. 

Aber  auch  gegen  die  Mächtigen  dieser  Welt  konnte  al- 
Qansä^  halsstarrig  sein  und  nackensteif  auftreten.  Wir  finden  in 
ihrem  Diwan  nirgends  einen  Anhaltspunkt  dafür^  daß  sie  dem 
Islam,  der  ihre  oft  beweinten  Brüder  dem  Höllenfeuer  preisgab, 
irgendwelche  Konzessionen  gemacht  hätte.  Zwar  soll  sie  mit 
den  übrigen  Sulaimiten  die  neue  Beligion  angenommen  haben  ;^ 
doch  konnte  dem  heidnischen  Geist,  in  dem  sie  aufgewachsen 
war,  diese  ebensowenig  anhaben,  wie  jenem,  den  die  Omaj- 
jaden  der  späteren  Zeit  sich  bewahrt  hatten.  Diesem  Geist 
entsprechen  auch  vollkommen  alle  jene  Anekdoten,  die  uns 
Ton  ihrem  Zusammentreffen  und  Auftreten  gegen  'Omar  und 
A'iöa  berichtet  werden^  und  sich  im  Kern  so  ähnlich  sehn, 
daß  ich  für  sie  als  Gruppe  dasselbe  Recht  geltend  machen 
möchte  wie  für  jene  früheren,  die  als  analoger  Typus  al-Qansa' 
gegen  ^Amra  heißen  könnten:  ob  sie  historisch  oder  unhistorisch 
sind,'  ob  nicht  Ein  Ereignis  hier  in  verschiedener  Weise  uns 
erzählt  wird,  ist  nebensächlich;  sie  sind  psychologisch  wahr; 
dafür  bringt  uns  der  Diwan  den  negativen  Beweis.^ 

n.  Al-|[ansft's  Bichterruhm  nach  altarabischem 

Urteil. 

Ein  Teil  des  hier  zu  behandelnden  Stoffes  hätte  noch  im 
vorangehenden  Kapitel  einen  Platz  finden  können,  insoferne 
als  nicht  bloß  kritische  Urteile  über  die  tote  Dichterin  hier 
angeführt  werden,  sondern  auch  solche,  die  zu  ihren  Lebzeiten 
und  in  ihrer  Gegenwart  (bei  den  üblichen  ,Sängerkriegen')  sollen 
gefallen  sein,  wo  ja  die  Dichterin  in  die  Debatte  eingriff,  sich 
verteidigte    und   an    den   Mitbewerbern    ihre    kritische   Laune 


»  Diw.«  Einl.  20.  1. 

■  Dlw.«  Einl.  Bern,  sa  L  XIV  (m).    Einl.   p.  20  und  Suppl.   rvo:  9  ff. 

Gabrieli  104  f.  149  ff. 
'  Vgl.  bes.  Diw.*  lf.1  ( I  vr)  und  im  Anhang  den  Exkurs  über  diese  Ka- 

^de;  femer  den  schon  zitierten  Passus  bei  Goldziher  WZKM.  321  ff. 
«  Vgl.  das  IX.  Kapitel  dieser  Untersuchung  und  Gabrieli  149,  Z.  9  ff.  im 

Gegensatz  zu  152  ff.  ebenda. 


16  IV.  AbhAndlang:    Bhodokanakis. 

ausließ,  so  daß  man  diesen  Abschnitt  Alglich  überschreiben 
könnte:  al-^ansä'  critique  et  critiqude. 

Ich  habe  hauptsächlich  jenen  Wettstreit  im  Ange,  der 
zwischen  al-'A^dk  Maimün  b.  J^ais;  Hassan  b.  Täbit  und  al-^ansä* 
vor  an-N4biga  als  Schiedsrichter  stattfand,  und  den  nns  Ibn  l^u- 
taiba/  Agänt  und  Qizänah  mit  Abweichungen  überliefert  haben.' 

Wenn  es  sicher  wäre,  daß  diese  Anekdoten  wirklich  auf 
die  Zeit  zurückgehen,  auf  welche  die  Tradition  sie  zurückführt, 
so  hätten  sie,  diese  ihre  Authentie  vorausgesetzt,  fbr  die  Be- 
urteilung der  altarabischen  Poesie  den  größten  Wert.  Wir 
hätten  hier'  den  wohl  in  keiner  Literatur  sehr  häufigen  Fall 
vor  uns,  daß  ein  Großer  über  die  Hervorbringungen  seines 
nicht  minder  großen  Bruders  in  Apoll  ein  Werturteil  abgibt. 
Aber  selbst  vorausgesetzt,  daß  diese  Anekdoten  von  den 
Grammatikern  und  Überlieferern  einer  späteren  Epoche  fabri- 
ziert worden  sind,  vielleicht  um  ihre  Klassifikation  der  Dichter- 
klassen  zu  begründen,^   so  verlieren  sie  nur  wenig  an  Wert: 

wir  haben  dann  die  Kriteria  vor  uns,   nach  denen  sie  in  der 

_^  —^  ^_  •• 

Beurteilung  der  Poesie  und  der  Poeten  vorgingen.  Ahnliche 
kritische  Ausfälle  wie  der  hier  zu  erwähnende,  gerechte 
und  ungerechte,  ernste,  witzige  und  persönlich  subjektive,  sind 
uns  auch  aus  viel  späterer  Zeit,  so  zu  manchen  Versen  des 
IJuraiäitischen  Dichters  'Ubaid- Allah  b.  J^ais  ar-Rul^ajjHt,  über- 
liefert.^ An  einige  derselben  erinnert  die  scharfe  Kritik,  die 
an-Näbiga  bei  dieser  Gelegenheit  an  den  zwei  Versen  9assän's  * 

^\  to  ,/\^  ^JUL  Lo  ^/li    •    j]^  ^\^  -ULU3\  ^  UjJ^ 


geübt  haben  soll.   Aber  abgesehen  davon,  daß  bald  al-9ans&',^ 

1  Cod.  Vindob.  (Si'r  wa  Suar&*  im  Kapitel  .U*;i.\)  Fol.  64^flf. 

•  An-Näbiga  weist  al-Hansä*  auf  Grund  ihrer  R&*ija  R II  (Diw.*  vr  ff.)  gleich 
nach  al-'A'§A  den  zweiten  Rang  an  und  fertigt  den  Hassftn  sehr  unfreund- 
lich ab.  —  Dlw.«  Einl.  23  f.  Gabrieli  138  f.  Ag.  VIII.  194  f.  und  IX.  163  f. 
Hiz.  III.  432  f. 

*  Von  kollegialisch- neiderfüllten  Seitenhieben,  die  auch  sonst  wo  vor- 
kommen, natürlich  abgesehen.   Vgl.  dazu  Ibn  Kais  ar-Bukajj&t  58  ff. 

*  Ag.  VIII.  194  geht  auf  Ibn  Kntaiba  zurück.         »  IKR  p.  66  ff. 

•  JHiz  1.  n.  Diw.«  Einl.  p.  24.  Ag.  VIU.  194  f. 

'  So  wenigstens  Gabrieli  139,  N.  1  nach  Cheikho  in  Dtw.*  Einl.  p.  24.  An 
der  von  Gabrieli  angeführten  Stelle  Hiz.  III.  432  f.  ist   aber  beidemale 


A)-9itiiBft«  vnd  Oir«  Tr»iierli«der.  17 

bald  hinwiedemm  an-N&biga  selbst  der  Kritiker  dieser  Verse 
gewesen  sein  soll,  ist  schon  die  ganze  grammatisch  und  lexiko- 
graphisch  spitzfindige  Fassung  der  Kritik,  die  beinahe  von 
einem  pluralis  paucitatis  spricht/  ein  Beweis,  wie  er  deutlicher 
nicht  gewünscht  werden  könnte,  daß  ein  Beduine  zwar  so  ge- 
SÜbltf  aber  unmöglich  mit  solchen  Argumenten  gedacht  oder 
geurteilt  haben  kann.  Details,  wie  der  lexikographische  Unter- 
schied zwischen  den  Worten  Ji  (mit  weißem  Fleck  auf  der 
Stime)  und  Jß^i  (ganz  weiß),  cy»^  (blitzen)  und  oV^St 
(leuchten),  c>j^^  (tröpfeln)  und  ^A^  (triefen) :  die  unrecht  ange- 
wandt zu  haben,'  an-Näbiga  dem  Qassän  vorwirft,  können  nur  von 
Leuten  herrühren^  die  professionsmäßig  sich  mit  derlei  beschäf- 
tigten, von  der  gewünschten  Ersetzung  von  ^.^^^  durch  l5*^^ 
abgesehen,  die  ganz  wie  eine  Uberlieferungsvariante  aussieht. 
Etwas  mehr  ist  natürlich  auf  die  Urteilsüberlieferang  von 
BadSär'  zu  geben,  der  alle  Frauenverse  bis  auf  die  al-Qansä's 
schwach  fand;  auf  jene  al-!A§ma'i's,^  der  Lailk  zwar  fbr 
kräftiger  und  vielseitiger  hielt,  in  al-]^ansä'  aber  die  bessere 
Ritä'-Dichterin  anerkannte;^  oder  auf  al-Mubarrad,   der  mit 

an-N&biga  der  peinliche  Kritikus;  ebenso  A^.  11.  nn.  und  Ibn  Kutaiba  im 
Cod.  Vind.  (ef.  Ag.  YIII.  194).  Die  Ton  Cheikho  Diw.'  Einl.  p.  23  und 
nach  ihm  Ton  Gabrieli  137  ssitierte  Stelle:  i  »o  j^*  . l  «^ U  ^  JL^^^JS  ^\ 
ist  vielleicht  ein  falsches  Zitat. 

*  Vom  Wortlaut  der  Überlieferung  darf  man  natürlich  nicht  yiel  halten; 
Diw.«  Einl.  p.  24  ^^(!)>j.äJ\  dJÜüJi  yftuJ\  ^^>  U  OUil.\^ 
J\  ijJt^\  ^2^>  LiUM)^J\^...y^\  ^15Ü  ^Ui.\  dJL*.  Nach  einer 
anderen  Version  (Qiz.  1.  n.)  soll  aber  an-N&biga  gesagt  haben:  CUUSI 
eX3U^\  iJUaJ^  ^UJ[  oder:  ^lyuA^  ^U^  CUUsi  (Ähnlich  Ag. 
Vni.  195).  —  Man  lese  eben  bei  Hiz.  HI.  430  ff.  die  ganse  Debatte 
über  diese  Verse  Hassftns  nach  —  die  auch  ihre  Verteidiger  fanden  — 
um  sieh  von  der  schulmeisterhaft  pedantischen  Armut  des  Themas  zu 
übersengen,  das  man  aber  froh  war,  an  den  klangvollen  Namen  an- 
Nibigas  anknttpfen  su  kennen. 

*  Daß  J^  weniger  als  «J»^»  ^*t^^  weniger  als  ^  Aj^,  ^jLjü  weniger 
als  ^-JLuO  bedeutet,  ist  zwar  philologisch  richtig  aber  poetisch  hOchst 
abgeschmackt. 

*  Sart^is  Kommentar  zu  den  Makftmen:  II.  233. 

*  Nach  al-Hufrt:  Zuhr  al-*ld&b  HI.  243  f. 

*  Einen  Ähnlichen  Unterschied  statuierte  man  zwischen  *Umar  b.  'Abt 
Rabt'a  und  IKB;  vgl.  ebenda  Einl.  56—58.  Wenn  es  Ag.  IV.  16. 
13  f.  in  einer  Tradition ,  die  auf  Hassftn  selbst  zurfickgeführt  wird, 
heißt:  an-Nibiga  habe  in  ihm  den  Dichter  ttberhaupt,  in  al-Hansft*  aber 

SitzangsWr.  d.  pUL-UsL  a  CXLYII.  Bd.  4.  A1»h.  2 


18  IV.  A1»h«ndliing :    Bbodok«n»kit. 

Bezug  auf  al-Hansä'  jene  Elegien  als  die  schönsten  bezeichnete, 
in  denen  neben  dem  Schmerz  über  des  Toten  Verlast  aach 
sein  Lob  am  kräftigsten  znm  Ausdruck  käme:^  Urteile,  die 
ich  deshalb  noch  eigens  anführe,^  da  sie  uns  ein  Beweis  sind, 
daß  schon  die  alten  Kunstästheten  nicht  bloß,  wie  man  ge- 
wöhnlich anzunehmen  pflegt,  nach  einem  oder  zwei  geglückten 
Versen  einen  Dichter  beurteilten,'  sondern  auch  auf  das  Ganze 
seiner  Leistung  sahen;  ein  Standpunkt,  der  unserem  Gef&hl 
weit  sympathischer  ist. 

III.  Die  Technik  des  Klageliedes  bei  aI-HansA\ 

1.  Stimmung.  Katurbelebung.  Bildervorrat. 

Alles  künstlerische  Schaffen  setzt  sich  aus  drei  Grund- 
elementen zusammen:  auf  ihnen  ruht  es  und  aus  ihnen  geht 
es  hervor;  sie  heißen:  Rhythmus,  Harmonie,  Stimmung.  In 
dieser  Reihenfolge  traten  sie  wohl  auch  in  der  Entwicklung 
der  Kunst  auf;^  die  Stimmung  als  letzte:  denn  sie  setzt  beim 
Zuschauer  oder  Zuhörer  die  größte  Aktivität  neben  der  uner- 
läßlichen passiven  Rezeptivität  voraus:  es  soll  jeder  Genießende 
zur  Anschauung  eines  Kunstwerkes  ebensoviel  Stimmung  mit- 
bringen,  als  der  Schaffende  in  seine  Schöpfung  versenkt   hat. 

Wenn  wir  unter  Rhythmus  die  regelmäßige  Wiederkehr 
einer  einfachen  oder  zusammengesetzten  Einheit  in  bestimmten 
Intervallen  verstehen,  unter  Harmonie  das  nach  physiologischen 
und  psychologischen  Gesetzen  geregelte  Verhältnis  der  Teile 
einer  solchen  Einheit  oder  mehrerer  Einheiten  zu  einander  —  so 
ist  die  Stimmung  wohl  erfaßbar  wie  jene,   doch  undefinierbar, 

bloß  die  Rit&Michterin  speziell  und  auBSchließlich  anerkannt  (d53\ 
li*l5L^  /K^^^  C5^  CU:hi.\  ^\^  j^LäJ),  80  glaube  ich  an  die  Antbentie 
der  Anekdote  keineswegs,  aber  gern  daran,  daß  diese  Worte  dem  alten 
Poetaster  aus  dem  Herzen  gesprochen  sind. 

^  Darüber  siehe  in  den  folgenden  Kapiteln. 

'  Gabrieli  220  ff.  and  Diw.'  Einl.  24  f. 

'  al-Garir  hingegen  weist  al-Hansft  auf  Grnnd  der  drei  Verse  8  IV. 
(D!w.'  100,  Note  f)  gleich  nach  sich  selbst  (1)  den  zweiten  Rang  zu. 
Al-^ansA  selbst  soll  Vers  L  XIV.  3  (rrv)  für  ihren  besten  gehalten 
haben  (Suppl.  rro). 

*  Über  die  ersten  zwei  vgl.  Ernst  Grosse,  Die  Anfänge  der  Kunst.  Frei- 
barg und  Leipzig  1894,  p.  142  f.  und  271  ff. 


Al-0uwi*  uid  ilin  TnmrlMar.  19 

ebensowenig  mit  Worten  zu  schildern  wie  ein  grelles  Rot  oder 
ein  sattes  Grttn,  ebenso  schwer  festzuhalten  wie  der  Licht- 
strahl, der  sich  dnrch  zitterndes  Laub  stiehlt,  oder  wie  ein 
Wolkenschatten,  der  über  den  Himmel  hascht. 

Gerade  bei  den  Arabern,  die  anf  dem  Gebiet  der  de- 
skriptiven Natnrmalerei  soviel  geleistet  haben,  finden  wir  wenig 
StimmnngsYoUes.  Sie  verhalten  sich  der  Natur  gegenüber 
meist  kühl  und  objektiv;  eher  lassen  sie  sich  von  ihr  stimmen, 
als  daß  sie  eigene  Stimmungen  subjektiv  in  sie  hinein  verlegten: 
sehen  wir  doch  dasselbe  Stück  Natur  bei  gleicher  Beleuchtung 
stets  mit  anderen  Augen  an:  je  nach  unserer  Gemütsvorfassung. 

Es  wäre  daher  ein  Irrtum,  wollte  man  sagen :  da  in  ]^ans&'s 
Liedern  der  Nordwind  so  oft  regenloses  Gewölk  über  den  Himmel 
peitscht,  die  Zeltstricke  zerreißt  und  den  Wüstensand  aufwirbelt, 
vor  seinen  Stößen  das  alte  Kamel  milchlos  und  krumm,  mit  ein- 
gesunkenen Weichen  einhergeht,  die  arme  Witwe  am  gastlichen 
Feuer  Nahrung  und  Wärme  sucht :  dies  sei  Stimmungsmalerei. 
Einem  künstlerischen  Prinzip  dient  dies  alles  wohl,  aber  dem  der 
Gegensätzlichkeit,  das  sich  in  der  Fiktion  erst  einen  Hintergrund 
malen  mußte,  vor  dem  sich  die  Haupteigenschaft  des  Gepriesenen, 
die  Freigebigkeit,  abhöbe,  ohne  den  sie  weder  Sinn  noch  Wert 
gehabt  hätte;  wie  ja  der  Held  selbst  in  der  Wirklichkeit  jener 
Kalamitäten  bedurfte,  eines  elenden  Milieus  und  eines  harten 
Winters,  um  seine  edlen  Eigenschaften  leuchten  zu  lassen. 

Einen  Parallelismus  zwischen  Natur  und  Seele  im 
oben  vorschwebenden  Sinne  finden  wir  auch  bei  al-Qansä'  sehr 
selten.  Auffallend  einmal  in  J).  I.  8  (ioa)^  das  eine  Grau-in-grau- 
Stimmung  treffend  wiedergibt: 

,Ich  gedenke  seiner  (des  Toten),  wenn  die  Erde  abends 
in  einförmiger  Ebene  ausgestreckt  von  keinem  Lichtreflex  be- 
leuchtet wird.' 

Worauf  es  hier  hauptsächlich  ankommt,  merkt  man  an 
einer  scheinbar  ähnlichen  Stelle  sofort,  die  aber  bloß  das  stete 
Gedenken  umschreibt^  (S.  H.  10.  loi): 

^  Mit  Herrorhebang  der  zwei  ftlr  den  Helden  wichtigsten  Tageszeiten,  der 
des  Anszngs  and  der  Rflckkehr;  nicht  etwa  seine  Eleganz  und  Gastlichkeit 
wie  im  Kommentar  p.  t  o  r  oben  [v_Juw^\  ^«^  ^  ^^  (^^^^^ä^-U  ^^j^) 

^^  C^  ^^  o***^^  £>J^^J'  "■  ^«^-  ■'***  Wright  op.  1 1  f ,'  Z.  4 
▼on  nnten. 

2» 


20  IV.  Ablumdlvog:    Bbodokaoakii. 

,Der  Sonnenaufgang  bringt  mir  $abr  ins  Gedächtnis, 
bei  jedem  Sonnenuntergang  gedenk'  ich  seiner/ 

wozu  folgender  Vers  Ferazdai^s  erst  eine  Abzweigung 
bietet,  aber  mit  dem  eingeschobenen  Vergleich  des  Helden  mit 
dem  Tag-  und  Nachtgestirn: 


,(Meinen  Schmerz)  geduldig  zu  ertragen,  wehrt  mir,  daß 
ich  den  Mond  nicht  aufgehen  sehe,  noch  die  Sonne,  ohne  daß 
sie  Gälib  mir  ins  Gedächnis  riefen; 

,Dem  Ihn  Lailk  glichen  sie:  wer  aber  ihm  gleicht,  der 
verdunkelt  der  Sterne  Licht.* 

Die  Neigung  zu  Anthropomorphismen  ist  aus  der 
menschlichen  Natur  nicht  auszurotten;  was  beim  Kinde,  das  den 
Tisch  schlägt,  an  den  es  sich  gestoßen  hat;  beim  Wilden,  der 
einem  Fetisch  Wunderkräfte  zutraut,  noch  bitterer  Ernst  ist, 
hält  sich  auf  den  oberen  Alters-  und  Kulturstufen  als  Spiel  der 
Phantasie  fest  und  läuft  als  Woge  fort,  die  ein  erregtes  Geftihl 
auf  wirft;  es  führt  dann  vom  naiven  Glauben,  mit  dem  ein  be- 
engtes Gemüt  Himmel  und  Sterne  zu  Zeugen  seines  Unglücks 
anruft,  zu  der  ergreifendsten  und  kunstvollsten  Naturbeseelung 
und  Naturbelebung  in  der  Dichtung  über. 

Wenn  der  bekümmerten  al-^ansft,  die  vor  Leid  erstickt, 
,die  Erde  zu  eng  wird^,*  so  ist  es  von  dieser  physiologisch 
richtigen  und  naturwahren  Äußerung  des  Schmerzes  nur  ein 
Schritt  zur  Fiktion:  die  Natur  selbst  an  ihrem  Leid  teilnehmen 
zu  lassen,  bis  die  Berge,  die  ihren  Atem  hemmten,  wirklich 
einstürzen,  bis  die  Höhen  und  die  Steppen  zu  gleicher  Tiefe 
sinken.'  Es  ist  also  auch  bei  al-^ansft  durchaus  nichts  Auf- 
fälliges, wenn  Erde,  Sonne,  Mond  und  Sterne  am  Leid  der 
Menschheit  über  den  Tod  ihrer  Helden  teilnehmen.  ,E8  klagt 
der  Berg  Sawän,  sein  stein-  und  sandhaltiger  Lehmboden 
und    seine   Rinnsale'   über    den  Tod    ihres    Gatten    Mirdäs,^ 

*  Wright  op.  p.  M  I : 

•  J>ß\  ^^  CUSU  D  VI.  1  (qo). 

•  J^^^  fi^^^  Coc5»U:*  ^jX^  ^^^^^  v.:U-oio\5  (ebenda). 

*  L  V.  4  (IIA)  iULu^  JJ^  Jiy^  ^j\. 


AI-0U1I&*  und  ibra  Tranwliader.  21 

,68  stürzen  die  Berggipfel  ein  wegen  des  Verlustes'  (ihres 
Bruders);  ^  nach  einer  Variante  dieser  Stelle  sind  es  wieder  die 
Sterne y  die  darob  zu  Falle  kommen;'  die  Erde  erbebt  und 
die  Sonne  verfinstert  sich,'  die  Erde  wirbelt  im  Kreise  herum 
mit  den  schwindligen  Menschen;^  der  Mond  verfinstert  sich^ 
und  nochmals  die  Sonne.^ 

An  derartig  übertriebenem  Leidesausdruck  ist  besonders 
das  Fragment  R.  XIII  reich  (irc): 


,Die  Sonne  verfinstert  sich  wegen  seines  Todes  und  der 
Mond  zeigt  nicht  sein  volles  Licht; 

ydie  Menschen  weinen  betrübt,  und  die  Qinnen  stehen 
denen  bei,  die  (zur  Totenklage)  wachen; 

,und  die  wilden  Tiere  klagen  ihr  Leid  .  .  / 

Daß  die  Sonne  beim  Tode  eines  Menschen  sich  verfinstern 
kOnne,  scheint  überhaupt  ein  alter  Volksglaube  gewesen  zu 
sein,  gegen  den  bei  den  Arabern  bekanntlich  schon  Muf^ammad 
ankämpfte;^  aber  nicht  etwa  nur  bei  den  Arabern  allein  finden 
wir  diese  poetische  Vorstellung;  ähnliches  wird  uns  ja -in  den 
Evangelien  aus  der  Leidensgeschichte  Christi  berichtet,^  und 
D.  Fr.  Strauß  hat  viel  Analoga  dazu  gesammelt;^  das  gleiche 
gilt  von  den  Erderschütterungen  ^  und  ähnliche  Vorstellungen 
kehren  auch  in  der  Trauerpoesie  wieder. 

Das  in  Rede  stehende  Fragment  (R.  XIII)  ist  aber  noch 
in  anderer  Hinsicht  charakteristisch;   es  spinnt  den  Gedanken 


»  L  VL  SS  (riA)  bei  KÄm.  740:  «jJU  ^^  u^yt}\  ^. 

*  «jJli  ^^  c-^yü\  J\ji  (Textlesart  ebenda). 

*  Ebenda:  l^'^\  ^^»A)\  CJlLw^  be»w.  l^\j^j  J>ß\  ^^j^j^  (^ei 
K&m.  1.  n.  —  Diese  Variante  ist  darch  Kor'ftn  99.  1  entstanden).  —  Vgl. 
anch  NOldeke,  Delectos  93.  11  ff.  (al-F&ri'at  bint  Tarif)- 

*  D.  XI.  3  (if)  U>  ^^jJ  C^^S  y  J^J!^\  to  0,li. 

*  R.  XIII.  8  (i  rf).        *  Ebenda.        *  Sprenger  m.  86. 

*  Matth.  27,  51,  BCarkns  15,  83,  Lnkas  23,  44  f.  Vgl  anch  Snppl.  r«A,  Z.  9: 

j^\  yo\^  ^s^iU  JAS\5  jj^\  ^l 

*  Leben  Jesu  IL  Buch,  HL  Kap.,  §  94. 


22  !▼.  Abhuidlunf:    Bhodok«n«kis. 

von  einer  Sympathie,  welche  Lebloses  und  Halbbelebtes  zu  den 
Menschen  ziehe,  weiter  aas  und  könnte  nur  noch  mit  Q.  IV 
(«•)  4 — 7  derselben  Dichterin  verglichen  werden: 

4.  yDram  weine ,  o  mein  Ang',  über  den  Mann,  dessen 
Ruhm  weithin  verbreitet  ist;  seinetwegen  weint  das  Auge  der 
Kenner,  die  im  gestreckten  Galopp  die  Lnft  durchschwimmen, 

ö.  ,und  jede  (Lanze),  lang  von  Schaft,  braun  und  schlank 
und  jedes  edle  (Schwert)  von  den  trefflichen  mit  breiter 
Klinge, 

6.  ,und  jeder  Panzer  mit  langer  Schleppe,  wie  ein  Tümpel 
(glänzend)  und  jedes  schnelle,  ausgewachsene  Roß,  das  seine 
edle  Abstammung  offenbart, 

7.  ,und  jede  sanft  ausschreitende  Kamelin,  wie  ein 
Hengst  (stark  und)  schnell,  und  jeder  Renner,  der  mit  Ende 
der  Nacht  sich  verspätet^ 

Dem  wilden  Getier,  ,^-5^-^,  das  dort  (R.  XHL  5)  über 
§abr  weint,  entspricht  in  5  IV  die  Aufzählung  der  eilenden 
Renner,  Rosse  und  Kamele,*  ja  sogar  der  Lanzen,  Schwerter 
und  Panzer,  die  desgleichen  tun  (V.  5  f.).  Nun  aber  sind  der- 
artige Übertreibungen,  in  solcher  Weise  gehäuft,  sonst  nirgends 
bei  al-^ansä'  zu  finden;  und  daß  sie  unpoetisch  sind,  haben 
schon  die  alten  Philologen  gespürt.  Aus  dem  Buche  Nul^ad 
aS-§i'r  des  I^udäma  b.  (Jafar  führt  Cheikho  (Suppl.  rr-)  zum 
Hemistich  H.  L21a  (roo): 

,(Dein  Roß)  TaII^a   bat   dich  vermißt  und  ist  endlich  zur 
Ruhe  gekommen' 
folgendes  an:' 

,Von  den  Dichtern  pflegen  einige  das  Ri|ä'  durch  die 
Erwähnung  der  Dinge  zu  beleben,  die  der  Tote  verlassen  hat 

und  die  um  ihn  weinen nur  darf  nicht  von  allen  Dingen, 

die   der  Tote   nicht  mehr  benützt,   solches  ausgesagt  werden;^ 

*  Vgl.  Wrigfht,  op.  117,  8  unten  und  PD  340  ff. 

*  In  stark  gekürzter  Übersetzung. 

'  Z.  B.  nicht  vom  Leibroß  s.  u.  Die  weitere  Ausführung:  Aj\a  JUS  ^ 
Uki^  ^\S  s5)ÜLt*  l*o^\i  y  JcK?  ^  3\  J^\  sfi>U5o  LIU^  ^y  gilt 
nur  dort,  wo    V^«^  nicht  die  Bitter  bezeichnet,  wie  B.  I.  3  (r)  beweist: 

I — i\^\;  uJ,  ^^  U!  cj'*^  *  ^-f^  ^^^  uki-  "^^^  ^h 

,da  sie  nach  seinem  Tode  Geschenke  und  Beuteanteile  vermißt  haben*. 


A1-9U18&*  lud  ihre  TnnerUeder.  23 

denn  was  bei  Lebzeiten  des  Helden  zu  seinem  Lobe  derart 
geschildert  wurde,  daß  er  es  abhetzte  und  abnützte,  mußte 
sich  nach  seinem  Tode  sehnen,  und  umgekehrt  kann  nur  das- 
jenige über  seinen  Tod  bekümmert  sein,  dem  er  wohltat;  des- 
halb hätte  al-Qans4'  hier  gefehlt,  wenn  sie  von  $abr's  Rosse 
statt:  cUsk-V^^Miii  „es  fand  Ruhe^  «j:^X^  „es  weinte^  gesagt^;  denn 
sie  hätte  ihn  zu  einem  Feigling  gestempelt,  der  nie  sein  Roß 
zur  Razzia  bestieg.^ 

Wie  es  im  Klageliede  Davids  IL  Sam.  1,  21  heißt: 

,Berge  Gilboa's,  kein  Tau  soll  auf  euch  fallen,  noch 
Regen  . . .,  denn  dort  ward  fortgeworfen  der  Schild  der  Helden, 
der  Schild  Sauls,  als  wäre  er  nicht  gesalbt  mit  dem  Öle^  so 
spricht  auch  al-Qansä'  die  Erde  an,  ob  sie  sich  des  Wertes 
bewußt  sei,  den  sie  in  ihrem  Inneren  berge  :^ 

^O  Erde,  wie  hast  du  die  Freigebigkeit  mit  $ahr  b.  ^Amr 
hinweg  gerafft  und  mit  welchen  (anderen  Helden)  bewahrst 
du  (sie)! 

,Du  bewahrst  von  der  Häuptlingschaft  das  Auserwählte 
und  den  Aufbau  von  Edeltaten,  wüßtest  du  das  dochl' 

Und  ähnlich  dachte  sie,  wie  es  scheint,  in  L.  VI.  Iff.  (r*  i): 


So  wenigstens  interpretieren  'Abu  ^Amr,  die  sulaimitischen 
Kommentatoren  und  Kämil  741'  den  2.  Vers,  als  ob  die  ,Erde 
mit  (Mu'äwijas)  Leiche  ihre  Lasten  (d.  h.  Gräber)  geschmückt' 
hätte.^  Aber  abgesehen  davon,  daß  diese  Interpretation  von 
'atl^äl  durch  J^or^'än  99.  2  beeinflußt  zu  sein  scheint,  sprechen 
auch  innere  Gründe  gegen  diese  Auffassung.  L.  VI  Anfang 
ist  wie  der  Beginn  so  vieler  Trauerlieder  in  Dialogform  ein- 
gekleidet. Auf  die  Frage  (in  V.  1)  nach  der  Ursache  ihrer 
unbändigen  Trauer  antwortet  die  Dichterin  erst  in  V.  3  ,kein 


^  Dayon   sind   natürlich  Verse    wie   Wright   op.  120,  7   unten   (v^Cy5oLw) 
jT  ^U»J\  ^^^b)  und  Marftt!  f v :  6 — 2  unten  zu  trennen. 

>  N.  n.  12  f.  (rir). 

*  Siehe  den  Kommentar  zu  diesem  Verse  in  Dtw.'  1.  n. 

*  Von  der  Radix  ^^^Xa«. 


24  IV.  AbhaQdliuig:    Rbodok»n«kis. 

Sterbender  mehr  werde  ihr  der  Klage  wert,  keine  Leidtragende 
der  Teilnahme  würdig  sein'.  Vers  2,  der  ebenfalls  eine  Frage 
stellt,  muß  notwendig  eine  Spezifizierung  und  Steigerung 
der  in  Vers  1  aufgeworfenen  enthalten,  die  al-Qans&'s  be- 
jahende Antwort  in  Vers  3  begründet:  um  sie  derartig  gegen 
alles  Mitleid  abzustumpfen,  muß  fllr  sie  alles  vorüber  sein. 
Unwillkürlich  neigt  man  sich  einer  zweiten  Erklärung  zu,  die 
al-*Umawi,  al-'A§ma^i  und  'Ajjää  as-Sulamt,  einer  von  den  Banü 
'Abbäs  b.  Mirdäs,^  dem  Verse  geben;  sie  ist  hochpoetisch  und 
doch  nicht  ganz  befriedigend ;  ihr  zufolge  wird  al-^ansä  befragt, 
ob  denn  die  Erde  mit  (Mu^äwijas)  Tode  nicht  auch  ihre  Lasten, 
d.  h.  die  sie  bedrängenden,  stampfenden  Sazziatrupps  abge- 
schüttelt hätte.'  Um  richtig  gestellt  und  auf  den  Ton  des  Rit&' 
gestimmt  zu  werden,  bedarf  diese  Interpretation  nur  einer 
Verallgemeinerung:  ,l8t  denn,  da  bloß  Mu^äwija  gestorben  ist, 
alles  dahin,  was  die  Erde  trägt?  alles  mit  ihm  gestürzt  und 
zusammengebrochen?'  Darauf  kann  al-^ansä  antworten:  ,Wohl, 
für  mich  wenigstens  kann  es  nach  meinem  kein  Leid  mehr 
geben*.  —  So  weit  die  Fiktion. 

Und  daß  es  eine  Fiktion  ist,  kann  noch  innerhalb  der 
Grenzen  der  Poesie  zum  Bewußtsein  und  Ausdruck  kommen. 
Das  Gefühl,  daß  er  den  Mittelpunkt  nicht  der  Erde  allein, 
sondern  des  sichtbaren  Universums  bilde,  verläßt  den  naiven 
Menschen  schwer.  Wenn  aber  ein  unvermuteter  Schicksals- 
schlag kommt,  ihn  eines  besseren  zu  belehren^  dann  schaut  er 
erstaunt  zum  Himmel  auf,  ob  nicht  die  Welt  schon  in  ihren 
Grundfesten  erschüttert  sei,  ob  noch  die  Natur  ihren  Fortgang 
habe;  um  sich  zu  überzeugen,  daß  sie  starr  und  undurchdring- 
lich wie  ein  Rätsel  ihn  im  altgewohnten  Lauf  umgibt,  daß  in 
ihrer  Tretmühle  ein  Menschenleben  ebensowenig  Wert  hat 
wie  das  Leben  einer  Mücke,  die  eine  Schwalbe  im  Fluge  er- 
hascht.    Dann  aber  sagt  der  Dichter 

(S.  IV.  »00): 

,Sieh'  die  Zeit,  die  nie  aufhört,  ist  voller  Wunderlich- 
keiten; sie  ließ  uns  zurück  einen  Schweif,  während  das  Haupt 
entwurzelt  ward. 


*  8.  Diw.  1.  n. 
'  Von  J^*  lOsen. 


Al-9aim>  und  ihr»  TnuitfUader.  35 

,Sie  ließ  uns  lauter  Toren  zurück  und  raubte  uns  die 
Verständigen;   die  aber  sind  jetzt  Leichen  und  Grabesstaub. 

^Sieh'y  TagundNachty  ewig  einander  ablösend  ver- 
gehen nie;  doch  die  Menschen  vergehen    (k3  Tm  ^^n  in). 

(J.  I.  6.  ro^)  ,Wir  vergehen,  doch  der  Berg  Ti^är 
vergeht  nicht^  und  dem  Wechsel  der  Tage  zum  Trotz 
wird  er  nie  anders  gesehen^    denn    wie   er  war^   (pKm 

Seinen  Bildervorrat  entnimmt  der  naive  Dichter  der 
Natur;  mit  ihr  vergleicht  er  sich  gern,  sein  physisches  und 
sein  psychisches  Leben.  Erst  auf  einer  weit  höheren  Stufe 
kann  auch  der  umgekehrte  Weg  eingeschlagen,  können  Natur- 
vorgänge mit  menschlichen  Psychosen  verglichen  werden:  da- 
durch wird  der  ererbte  Anthropomorphismus  unserer  Natur- 
anschauung erst  vollendet  und  die  in  jedem  vollkommenen 
Kunstwerk  angestrebte  Durchdringung  von  Welt  und  Seele 
erreicht,  die  es  verlangt,  daß  in  jeder  Seelenschilderung  ein 
Stück  Natur,  in  jeder  Naturschilderung  ein  Stück  Seele  stecke. 
Wo  aber  die  Natur  eintönig  ist,  wäre  es  unstatthaft,  aus  dem 
Grunde  allein,  daß  auch  der  Bilder  verrat  da  einförmig  ist, 
auf  Armut  oder  gänzlichen  Mangel  der  Phantasie,  oder  auf 
Unfähigkeit  der  Anschauung  schließen  zu  wollen.  Da  kommt 
es  weniger  auf  die  Wiederholung  des  gleichen  Vergleichs- 
themas^  welches  ja  schon  zur  Manier  geworden  sein  kann,  als 
auf  seine  Variierung  an.  Ein  solches  zar  Manier  gewordenes 
Bild  ist  bei  den  Arabern  der  Vergleich  des  Krieges  mit  einer 
Kamelin  und  ein  Beweis  dessen  die  Verquickang  von  Aus- 
drücken im  Vergleich,  die  bald  auf  den  Vergleichsgegenstand, 
bald  auf  das  Verglichene  gehen,  was  eine  Vertrautheit  des 
Hörers  mit  dem  Bilde  voraussetzt. 

So  bei  al-5ans4'  in  T.  L  3ff  (lAff.) 

3.  ,Du  zogst  die  Seile  des  Krieges  an,  (wie  man  die  Hüften 
oder  die  Nase  einer  Kamelin  mit  einem  Strick  fest  umschlingt), 
wann  sie  (ihre  Milch,  d.  i.  der  Krieg  sein  Blut)  verweigert  und 
er  (der  Krieg!)  spreizte  da  willig  seine  Beine  als  eine  Milch- 
kamelin,  die  nun  Milch  gibt. 

4.  jWann  aber  früher  ein  Melker  sie  begehrte  (ein  Held 
sein  Glück  versuchte),  da  scheute  sie  vor  ihm,  indem  sie  nur 
stoßweise  Blut  von  sich  gab,  und  zog  den  Schwanz  in  die  Höhe. 


26  IV.  A1»liandliing:    BbodokftDftkis. 

5.  ,Doch  es  stürmte  'Abu  ^aB8&Il  l^abr  gegen  sie  an  und 
bändigte  sie  mit  seinen  Reitern^  bis  sie  kirre  ward.' 

Ahnlich;  aber  originell  ist  die  Auffassung  in  R.  VIII.  12 
(iir)y  wonach  der  Krieg,  d.  h.  hier  die  Kriegführenden  auf 
einer  unbequemen  Reitkameliu;  eben  dem  Kriege,  sitzend  Fähr- 
lichkeiten  ausgesetzt  sind: 

,Der  Krieg  hat  aber  eine  aussätzige,  (das  Unheil  wie 
eine  Ansteckungskrankheit  fortpflanzende)  verderbliche  Kamelin 
bestiegen:   er  weilt  auf  einem  nackten  Wirbel  ihres  Rückens.' 

Den  Wolken,  die  gewitterdrohend  sich  zusammenballen, 
ist  aber  folgendes  Bild  entnommen  (L.  VI.  25  f.   rir): 

,Gegen  manch  ein  stürmendes  (Heer)  zogen  wir,  auf  dem 
seine  Helme  und  die  Doppelpanzer  (glänzten), 

,Wie  eine  weiße  Regenwolke,  die  sich  mit  anderen  zu 
einer  Masse  zusammenballt.'^ 

Die  eigentümliche  Verschmelzung  des  Realen  und  Bild- 
lichen in  der  arabischen  Poesie^  macht  oft  den  sonderbarsten 
Übergängen  von  einem  Bilde  zum  anderen  Platz,  indem  der 
zum  Vergleich  herangezogene  Gegenstand  noch  seinerseits  mit 
einem  zweiten  verglichen  wird,  bis  endlich  die  Rückkehr  zur 
Realität  erfolgt:  am  häufigsten  begegnet  in  der  bildlichen  Rede- 
weise das  arabische  Lieblingstier,  das  Kamel. 

Ein  Beispiel  aus  dem  Diwan  al-Qans4'  wird  diese  Er- 
scheinung am  besten  erläutern: 

L.VI.  18-22  (n-:ff.) 

18.  ,Manchen  harten  Kummerfels  hast  du  bestiegen  und 
seine  Überwindung  schnell  erzielt, 

19.  ,(wie  die  eines  Reittiers)  mit  überhängender  Lippe, 
aug-  und  mundlos. 


^  Wortlich:  mit  ihrer  Masse  die  Wolken  bewirft  and  von  ihnen  ebenso 
beworfen  wird. 

«  Vgl.  z.  B.  in  F.  L  3  (nv)  ^\  JJUas*  J^^Jb  J>^U  ^  ^\^  ,Weine 
über  eine  (am  Horizont)  aoftanchende  (Wolke),  eine  regenschwangere, 
eine  donnernde*,  d.  h.  über  einen  Freigebigen.  Im  eingeschobenen 
Zwischensatz:  v^Ui^^l  iJuS^ip'  \>\  fällt  die  Dichterin  ans  dem  Bilde 
in  die  Wirklichkeit;  dem  Bilde  getreu  müßte  es  statt:  wann  für  gering 
geachtet  werden  die  verdienstlichen  Eigenschaften,  heißen:  wann  Dürre 
das  Land  unfruchtbar  macht  o.  ä. 


Al-6uiai>  und  ihre  Tnaerliedtr.  27 

20.  ^Manch  eine  zusammengedrängte  (Heeresmasse  auf 
der  Flacht)  hast  da  vor  dir  hergetrieben  (auf  deinem  Rosse) 
sitzend;  (wie  eine  Herde  Kamele);  du  aber  brandmarktest  mit 
der  Lanze ;  die  von  ihr  mit  keiner  Marke  (Wunde)  versehen 
waren;* 

21.  yVon  manch  einer  eilenden  Eamelsstute^  mit  abge* 
nützten  Hufen ,  ließest  du  die  Gelenke  (Knochen)  zurück  auf 
dem  Wege, 

22.  ^(indem  du)  zu  einem  König  (eiltest)^  nicht  zu  einem 
Pöbely  und  das  war's,  was  jenem  Tier  zu  schaffen  machte.^ 

Das   ^  il^   des   arabischen  Textes,    welches    ich    mit 


^KummerfelV  übersetzte,  erklärt  der  Kommentar  mit  i^'^y^ 
v^>Ja.  yHeerestrupp';  dies  ist  falsch.  Berücksichtigt  man  näm- 
lich den  folgenden  19.  Vers,  so  geht  zur  Evidenz  hervor,  daß 
mit  ij^  nur  ein  Kamel  gemeint  sein  kann,  welches  seiner 
Stärke  und  seines  kompakten  Baues  wegen  wieder  mit  einem 
Felsblock  verglichen  wird.  Mit  einem  störrigen  Kamel  *  (^J^3\ 
[j-y^  wird  aber  Kummer  (J^)  und  Mißgeschick,  Schicksals- 
und Menschenunbill  oft  verglichen ; '  ^>1»  ^Ui>  ^i^iäw«  l^  ist  also 
keinesfalls,  wie  der  Kommentar  verlangt,  auf  die  mit  einem 
Felsen  verglichene  Heeresmasse  zu  beziehen,^  sondern  es 
sollen  diese  Worte  das  Monströse  und  Schreckenerregende  jenes 
Tierungetümes  ausmalen,  das,  mürrisch  und  blind,  Unheil 
verkündet.    Dazu  paßt  die  weitere  Ausmalung:  ^^  ^^t»  cr:^  ^ 


^  Man  lese  p.  r  1 1 «  Z.  5  ff.  des  Kommentars  zn  diesem  Verse,  am  sich  von 
der  Fülle  des  Unsinns  zu  überzeugen,  den  die  alten  Erklärer  sich  leisten 
darften. 

*  Zwar  wird  ein  Heer  oft  mit  einem  unbändigen  Reittier  yerglichen;  doch 
des  kompakten  Heeres  (welche  Bezeichnung  der  Kommentar  in  den 
Worten  i.s^  und  ^J  li  ^*  l^^  ^^y^  ^  erblickt)  geschieht  erst  in  V.  20 
J\  A^t'^^  (r  1 1  Z.  1)  Erwähnung.  Wir  hätten  dann  bloß  eine  läppi- 
sche Wiederholung,  um  so  läppischer,  als  auch  in  V.  20  das  mit  A*»**^ 
bezeichnete  Heer  in  den  Ausdrücken  Ig^TKii»  und  L^liul  als  Kamel- 
herde gedacht  ist,  im  Gegensatz  zu  V.  26f.,  wo  es  mit  einer  Sturm- 
wolke yerglichen  wird. 

*  IKR  XX  und  Qiz.  L  279  s.  unten. 

*  £s  soll  Jut^  den  großen  Vortrab  und  L^  U  ^9  L^,^  •^  ^  die  Kom- 
paktheit (JL«5^JL«  ijif^)  bezeichnen;  wohl  ein  abstruses  Bild,  besonders 
wenn  bei  Sjdi^,  wie  der  Kommentar  es  ja  verlangt,  nicht  eine  Kamelin 
vorschweben  soll. 


♦      O^^*   L^b^  <J^  ^^^3 


26  IV.  Abhudliug!    Sliodokftnfticit. 

5.  ,Doch  es  stürmte  'Abö  QassAn  ^t  und  trifift  ohne  Wahl, 
bändigte  sie  mit  seinen  Reitern,  bis  ?'  4ein  nicht   beizukommen 

Ähnlich,  aber  originell  ist  d"/ügel  ihm  angelegt  werden 
{\\r\  wonach  der  Krieg,  d.  h.  \Lif^  (^>^  feU.  ^i-ä«.)  und  die 
einer  unbequemen  Reitkameli'  ,ß  aber  nur  scheinbar  eine  contra- 
lichkeiten  ausgesetzt  sind :    j  ist  verschlossen  und  verbissen  und 

Der  Krieg  hat  a^  .hpP^  verdeckt.  Damit  hat  al-9ans&' 
eine  Ansteckungskranl  -  ß'chter  'Ämir  b.  Öu  ain  gegebenen  Ge- 
bestiegen:  er  weilt      -^'nßd  ausgebüdet.    In  einem  Gedicht,  das 

Den  Wolke'  ^v*/«^^^®  Verse  verloren  zu  sein  scheint, 
ist  aber  folgen*'   ,;;,/ /dichter: 

,Gegen 
seine  Heln^      ^  .  .,  .   ^        . 

einer  ^  ,  einem    Todesunheil,    an    dem    die    Menschen 

'^^nd  sahen  (woran  der  bändigende  Zügel  anzulegen 

lic'        •."'^toicb,  wann  es  sich  zeigte,  den  lodernden  Blitzstrahl 

V        •^^ M  ^°^   ^*''    *°^   Ernstfalle    derjenige,   der    es    trug.'* 

i<^..^^-gti8ch  ist  bei  al-Qansä'  die  Verquickung  dreier  Vor- 

^  gen  i^  Bilde,    von   denen   zwei   explicite  genannt   sind 

j  eifl«  angedeutet  wird: 

^    I.  der  schwere  Kummer  in  V.  18  (J^),  der  mit 

2,  einer  störrigen  Kamelin,  ebenda  durch  L^X-JJ^',  \^^>\ 
j  I^^Mi*^,  in  Vers  19  durch  yutw«  angedeutet,  verglichen  wird; 

3.  diese   ihrerseits    gleicht    einem    mächtigen   Felsblock 
^^  in  V.  18). 

1  Hi«.  I.  rv^. 

>  Zwei  Verse  dieses  Fragments  'Amirs  stehen  auch  bei  al*@ans&'  (L.  VI. 

25  f.)  y   was  schon  Hiz.  1.  n.  betont  wird.     Zum    ersten  der  zwei    oben 

zitierten  Verse  vgl.  Hansft*  L.  VI.  11 

*Amir  b.  Qn'ain  war  ein  Zeitgenosse  des  Imm-nl-Kais  (cf.  Ag.  Index). 
—  Gleiches  Metrum  und  gleicher  Beim  kOnnen  auf  Entstehung  und 
Überlieferung  von  HansA*  L.  VI  wohl  eingewirkt  haben.  Da  aber 
derselbe  Gedanke  analog  ausgeführt  in  beiden  Gedichten  Yorkommt, 
ist  gerade  bei  den  in  Bede  stehenden  Versen  al-Hansft's  die  Möglich- 
keit ausgeschlossen,  daß  sie  durch  falsche  Überlieferung  aas  'Amir  b. 
Gu*ain  hereingekommen  wftren.  Weiteres  siehe  im  Exkurs  Aber  L.  VI 
(Anhang). 


t 


Ai-8ftiiai'  «nd  ihre  Tnuurlieder.  29 

wird  das  Kamel  zu  einem  weiteren  Vergleich 

Herde  solcher  gleicht  das  fliehende^  feind- 

^en^  die  der  verfolgende  Held  mit  seiner 

^^  Weichenden   beibringt,   werden    dem 

L'  Marke  verglichen ,   die  das   Brenneisen 

.okt.     Endlich  in  Vers  21   kommt  das  Kamel 

mehr  als  Vergleichsgegenstand,    an    die   Reihe: 

dinken  Kamelsstate  eilt  der  Held  zu   Königszelten. 

.dt  ein  Beispiel  von  streng   durchgeführtem  Parallelismns 

.r  fortschreitenden  und  aufsteigenden  Komposition,  der  gewiß 

nicht  zufällig  ist. 

An  Bildern^  die  man  nach  modernen  Begriffen  realistisch 
nennen  würde,  finde  ich  bei  al-{j[ans4'  folgendes: 

R.  VHI.  24  ( 1 1  v)  ,(Waschet  ab)  von  euch  eine  Schande, 
die  euch  bedeckt,  wie  die  Menstruierenden  die  Menstrua 
abwaschen,  nachdem  der  Zustand  der  Reinheit  wieder  einge- 
treten ist.' 

L.  VI.  11  (r.v)  ,Manch  ein  Unglück,  das  ein  Schuld- 
beladener herbeiführte,  (so  arg)  ,daß  es  die  keuschen  (Frauen 
aus  Schreck)  vorzeitig  gebären  läßt/ 

Nach  dem,  was  man  aus  neueren  Berichten  über  die 
Häufigkeit  bösartiger  Geschwüre  im  heutigen  Arabien  hört, 
dürfte  auch  in  alten  Zeiten  ein  Bild  wie  das  folgende  allen 
Hörern  drastisch  und  plastisch  geklungen  haben: 

Q.  U.  2.  {rr):  ,(Ruhe)  vor  meinem  Qedanken  an  den  herz- 
zerreißenden Kummer,  bis  der  Kummer  in  meinem  Herzen 
aufbrach  und  eiterte/' 

Mit  dem  Feuer  wird  hingegen  der  Schmerz  an  folgenden 
Stellen  verglichen: 

R.  XVII.  23.  (in)  ,0  über  ein  Leid,  dessen  Brand  in 
meinem  Herzen  einen  Kummer  auflodern  ließ  wie  Funken;^ 
und  ähnlich  (mit  der  wahrscheinlich  besseren  Variante: 
statt  yLtJ)  in  R.  I.  3  (iv). 


>  Die  ErkUrang,  die  S».  I.  25  (D2w.>  ri  •,  Note  o)  gibt:  £jc«l^ 
^\  -UmJ  U^  ^^^  U\  l^is-M»  jS  ly^  Nb\   (80  liest  Hii.)  t*ugt 

nichts,  da  die  Pointe  des  Bildes,   die  in  l^Uu\  ^^^  C^^UU  liegt» 
nnverwertet  bleibt. 
'  Vgl.  B.  IV.  2i>  (ir)   ,in  meinem  Herzen   aber  ein  Riß,   der  nicht  mehr 
Bnheilt' 


28  IV.  AbhaBdlutg:    SbodokAnftkit. 

^J  U  trefflich:  denn  das  Unglück  schlftgt  und  trifft  ohne  Wahl, 
es  ist  ein  schwer  gebändigtes  Tier,  dem  nicht  beizakommen 
ist,  and  mundlos,  so  daß  kein  Zügel  ihm  angelegt  werden 
kann.  Die  lang  überhängende  Lippe  (^y^  ^tui  yu&^^)  und  die 
Mnndlosigkeit  (^  ^  ^)  bilden  aber  nur  scheinbar  eine  contrsr 
dictio  in  adjecto;  der  Mund  ist  verschlossen  und  verbissen  and 
durch  die  überhängende  Lippe  verdeckt.  Damit  hat  al-](Jan8Ä' 
einen  vom  t^jjitischen  Dichter  'Ämir  b.  öu'ain  gegebenen  Ge- 
danken fortgesponnen  und  ausgebildet.  In  einem  Gedicht,  das 
bis  auf  wenige  versprengte  Verse  verloren  zu  sein  scheint, 
sagt  nämlich  dieser  Dichter: 


yManch  einem  Todesunheil,  an  dem  die  Menschen 
keinen  Mund  sahen  (woran  der  bändigende  Zügel  anzulegen 
wäre),  habe  ich,  wann  es  sich  zeigte,  den  lodernden  Blitzstrahl 
entwendet  und  war  im  Ernstfalle  derjenige,  der  es  trug.** 
Charakteristisch  ist  bei  al-Qans^'  die  Verquickung  dreier  Vor- 
stellungen im  Bilde,  von  denen  zwei  explicite  genannt  sind 
und  eine  angedeutet  wird: 

1.  der  schwere  Kummer  in  V.  18  (J^),  der  mit 

2.  einer  störrigen  Kamelin,  ebenda  durch  LfX-Jf;Äj,  IfJ'JM 
und  l/Ä****,  in  Vers  19  durch  yutw«  angedeutet,  verglichen  wird; 

3.  diese  ihrerseits  gleicht  einem  mächtigen  Felsblock 
{sj^  in  V.  18). 


»  Hiz.  I.  rv^. 

*  Zwei  Verse  dieses  Fragments  'Amirs  stehen  auch  bei  al-Hans&*  (L.  VI. 

25  f.),   was  schon  Hiz.  1.  n.  betont  wird.    Zum    ersten  der  zwei    oben 

zitierten  Verse  vgl.  Hansft*  L.  VL  11 

*Ämir  b.  6a'ain  war  ein  Zeitgenosse  des  Imm-nl-Kais  (cf.  Ag.  Index). 
—  Gleiches  Metrum  und  gleicher  Reim  kOnnen  auf  Entstehung  und 
Überlieferung  von  HansA*  L.  VI  wohl  eingewirkt  haben.  Da  aber 
derselbe  Gedanke  analog  ausgeführt  in  beiden  Gedichten  Torkommt, 
ist  gerade  bei  den  in  Bede  stehenden  Versen  al-Hansft's  die  Möglich- 
keit ausgeschlossen,  daß  sie  durch  falsche  Überlieferung  aus  'Amir  b. 
Gu*ain  hereingekommen  wftren.  Weiteres  siehe  im  Exkurs  über  L.  VI 
(Anhang). 


Al-8ftiiai>  «nd  ihre  Tmatrlieder.  29 

In  Vers  20  wird  das  Kamel  zu  einem  weiteren  Vergleich 
herangezogen;  einer  Herde  solcher  gleicht  das  fliehende,  feind- 
liche Heer;^  die  Wanden,  die  der  verfolgende  Held  mit  seiner 
Lanze  dem  Rücken  der  Weichenden  beibringt,  werden  dem 
Bilde  getrea  mit  der  Marke  verglichen,  die  das  Brenneisen 
auf  die  Tiere  drückt.  Endlich  in  Vers  21  kommt  das  Kamel 
selbst,  nicht  mehr  als  Vergleichsgegenstand,  an  die  Reihe: 
auf  einer  flinken  Kamelsstate  eilt  der  Held  za  Königszelten. 
Dies  ist  ein  Beispiel  von  streng  darchgefUhrtem  Parallelismas 
der  fortschreitenden  and  aufsteigenden  Komposition,  der  gewiß 
nicht  zafallig  ist. 

An  Bildern,  die  man  nach  modernen  Begriffen  realistisch 
nennen  würde,  finde  ich  bei  al-J[^ansä'  folgendes: 

R.  Vni.  24  (iiv)  ,( Waschet  ab)  von  euch  eine  Schande, 
die  euch  bedeckt,  wie  die  Menstruierenden  die  Menstrua 
abwaschen,  nachdem  der  Zustand  der  Reinheit  wieder  einge- 
treten ist.' 

L.  VI.  11  (r.v)  ,Manch  ein  Unglück,  das  ein  Schuld- 
beladener herbeiführte,  (so  arg)  ,daß  es  die  keuschen  (Frauen 
ans  Schreck)  vorzeitig  gebären  läßt.^ 

Nach  dem,  was  man  aus  neueren  Berichten  über  die 
Häufigkeit  bösartiger  Geschwüre  im  heutigen  Arabien  hört, 
dürfte  auch  in  alten  Zeiten  ein  Bild  wie  das  folgende  allen 
Hörern  drastisch  und  plastisch  geklungen  haben: 

9.  n.  2.  {rr):  ,(Ruhe)  vor  meinem  Gedanken  an  den  herz- 
zerreißenden Kummer,  bis  der  Kummer  in  meinem  Herzen 
aufbrach  und  eiterte.^' 

Mit  dem  Feuer  wird  hingegen  der  Schmerz  an  folgenden 
Stellen  verglichen: 

R.  XVn.  23.  ((ri)  ,0  über  ein  Leid^  dessen  Brand  in 
meinem  Herzen  einen  Kummer  auflodern  ließ  wie  Funken;' 
und  ähnlich  (mit  der  wahrscheinlich ' besseren  Variante: 
statt  yLtJ)  in  R.  I.  3  (iv). 


1  Die  Erklärong,  die  S»- 1-  25  (Diw.*  r  l  • »  Note  c)  gibt:  JLic«l^  ^^^JJo 
^\  -UmJ  U^  ^^  U\  l^is-M»  jS  ij^  vb\   (80  liest  Hii.)  t*ugt 

nichts,  da  die  Pointe  des  Bildes,   die  in  l^ULft\  ^«3b  iJU^JL^U  Hegt, 
nnverwertet  bleibt. 
'  Vgl.  B.  IV.  2^  (ir)  ,in  meinem  Herzen   aber  ein  Riß,   der  nicht  mehr 
zuheilt' 


28  IV.  A¥buidlutg:    BbodokAnftkit. 

^J  U  trefflich:  denn  das  Unglück  schiftgt  and  trifft  ohne  Wahl^ 
es  ist  ein  schwer  gebändigtes  Tier,  dem  nicht  beizukommen 
ist,  und  mundloSy  so  daß  kein  Zügel  ihm  angelegt  werden 
kann.  Die  lang  überhängende  Lippe  (^^  ^tui  yuä^)  nnd  die 
Mandlosigkeit  (^  ^  ^)  bilden  aber  nur  scheinbar  eine  contra- 
dictio  in  adjecto;  der  Mund  ist  yerschlossen  und  verbissen  und 
durch  die  überhängende  Lippe  verdeckt.  Damit  hat  al-J^ansä' 
einen  vom  tAJjitischen  Dichter  'Ämir  b.  öa'ain  gegebenen  Ge- 
danken fortgesponnen  und  ausgebildet.  In  einem  Gedicht,  das 
bis  auf  wenige  versprengte  Verse  verloren  zu  sein  scheint, 
sagt  nämlich  dieser  Dichter: 


^Manch  einem  Todesunheil,  an  dem  die  Menschen 
keinen  Mund  sahen  (woran  der  bändigende  Zügel  anzulegen 
wäre),  habe  ich,  wann  es  sich  zeigte,  den  lodernden  Blitzstrahl 
entwendet  und  war  im  Ernstfalle  derjenige,  der  es  trug.** 
Charakteristisch  ist  bei  al-][Iansfl'  die  Verquickung  dreier  Vor- 
stellungen im  Bilde,  von  denen  zwei  explicite  genannt  sind 
und  eine  angedeutet  wird: 

1.  der  schwere  Kummer  in  V.  18  (J^),  der  mit 

2.  einer  störrigen  Kamelin,  ebenda  durch  L^X-j^^äj,  L^'^3\ 
und  \k^****,  in  Vers  19  durch  yuiw«  angedeutet,  verglichen  wird; 

3.  diese  ihrerseits  gleicht  einem  mächtigen  Felsblock 
(}j^  in  V.  18), 


»  Hi«.  I.  rv^. 

*  Zwei  Verse  dieses  Fragments  'Amirs  stehen  auch  bei  al-Hansft*  (L.  VI. 
25  f.),  was  schon  Hiz.  1.  n.  betont  wird.  Zum  ersten  der  zwei  oben 
zitierten  Verse  vgl.  Hansft*  L.  VI.  11 

*Ainir  b.  Gn'ain  war  ein  Zeitgenosse  des  Imrn-ul>Kais  (cf.  Ag.  Index). 
—  Gleiches  Metnim  und  gleicher  Reim  kOnnen  auf  Entstehung  und 
Überlieferung  tou  Hans&'  L.  VI  wohl  eingewirkt  haben.  Da  aber 
derselbe  Gedanke  analog  ausgeführt  in  beiden  Gedichten  vorkommt, 
ist  gerade  bei  den  in  Bede  stehenden  Versen  al-Hansft's  die  Möglich- 
keit ausgeschlossen,  daß  sie  durch  falsche  ÜberUeferung  aus  'Amir  b. 
Gu*ain  hereingekommen  wftren.  Weiteres  siehe  im  Exkurs  über  L.  VI 
(Anhang). 


Ai-Qftiiai»  «nd  ibre  Tnum-lieder.  29 

In  Vers  20  wird  das  Kamel  zu  einem  weiteren  Vergleich 
herangezogen;  einer  Herde  solcher  gleicht  das  fliehende,  feind- 
liche Heer;^  die  Wanden,  die  der  verfolgende  Held  mit  seiner 
Lanze  dem  Rücken  der  Weichenden  beibringt,  werden  dem 
Bilde  getrea  mit  der  Marke  verglichen,  die  das  Brenneisen 
auf  die  Tiere  drückt.  Endlich  in  Vers  21  kommt  das  Kamel 
selbst,  nicht  mehr  als  Vergleichsgegenstand,  an  die  Reihe: 
anf  einer  flinken  Kamelsstate  eilt  der  Held  za  Königszelten. 
Dies  ist  ein  Beispiel  von  streng  darchgefUbrtem  Parallelismas 
der  fortschreitenden  and  aafsteigenden  Komposition,  der  gewiß 
nicht  zofkUig  ist. 

An  Bildern,  die  man  nach  modernen  Begriffen  realistisch 
nennen  würde,  finde  ich  bei  al-{j[ansä'  folgendes: 

R.  Vni.  24  (iiv)  ,( Waschet  ab)  von  euch  eine  Schande, 
die  euch  bedeckt,  wie  die  Menstruierenden  die  Menstrua 
abwaschen,  nachdem  der  Zustand  der  Reinheit  wieder  einge- 
treten ist.' 

L.  VI.  11  (r.v)  ,Manch  ein  Unglück,  das  ein  Schuld- 
beladener herbeiführte,  (so  arg)  ,daß  es  die  keuschen  (Frauen 
ans  Schreck)  vorzeitig  gebären  läßt/ 

Nach  dem,  was  man  aus  neueren  Berichten  über  die 
Häufigkeit  bösartiger  Geschwüre  im  heutigen  Arabien  hört, 
dürfte  auch  in  alten  Zeiten  ein  Bild  wie  das  folgende  allen 
Hörern  drastisch  und  plastisch  geklungen  haben: 

Q.  U.  2.  {rr):  ,(Ruhe)  vor  meinem  Gedanken  an  den  herz- 
zerreißenden Kummer,  bis  der  Kummer  in  meinem  Herzen 
aufbrach  und  eiterte.^' 

Mit  dem  Feuer  wird  hingegen  der  Schmerz  an  folgenden 
Stellen  verglichen: 

R.  XVII.  23.  (in)  ,0  über  ein  Leid,  dessen  Brand  in 
meinem  Herzen  einen  Kammer  auflodern  ließ  wie  Funken;' 
nnd  ähnlich  (mit  der  wahrscheinlich  besseren  Variante: 
statt  yLtJ)  in  R.  I.  3  (iv). 


1  Die  ErkUrong,  die  B».  I.  26  (D!w.*  n  *,  Note  c)  gibt:  ijc«l^ 
^\  -UuJ  U^  ^^  U\  l^is-M»  jS  ij^  vb\   (80  liest  Hii.)   taugt 

nichts,  dft  die  Pointe  des  Bildes,   die  in  l^Uul  ^t3^  C^^-UU  liegt, 
nnverwertet  bleibt. 
'  Vgl.  B.  IV.  2*>  (ir)   yin  meinem  Herzen   aber  ein  Riß,   der  nicht  mehr 
Buheilt' 


28  IV.  AbhaBdlvBg!    ShodokftnskU. 

^J  U  trefflich:  denn  das  Unglück  schlftgt  and  trifft  ohne  Wahl, 
es  ist  ein  schwer  gebändigtes  Tier,  dem  nicht  beiznkommen 
ist,  und  mnndlosy  so  daß  kein  Zügel  ihm  angelegt  werden 
kann.  Die  lang  überhängende  Lippe  (^^  ^U^  yuäw«)  und  die 
Mundlosigkeit  (t^  l*  ^)  bilden  aber  nur  scheinbar  eine  contrsr 
dictio  in  adjecto;  der  Mund  ist  verschlossen  und  verbissen  and 
darch  die  überhängende  Lippe  verdeckt.  Damit  hat  al-J^ansä' 
einen  vom  t^jjitischen  Dichter  'Amir  b.  Ga'ain  gegebenen  Ge- 
danken fortgesponnen  und  aasgebildet.  In  einem  Gedicht,  das 
bis  auf  wenige  versprengte  Verse  verloren  zu  sein  scheint, 
sagt  nämlich  dieser  Dichter: 


,Manch  einem  Todesunheil,  an  dem  die  Menschen 
keinen  Mund  sahen  (woran  der  bändigende  Zügel  anzulegen 
wäre),  habe  ich,  wann  es  sich  zeigte,  den  lodernden  Blitzstrahl 
entwendet  und  war  im  Ernstfälle  derjenige,  der  es  trug.'* 
Charakteristisch  ist  bei  al-][Iansfl'  die  Verquickung  dreier  Vor- 
stellungen im  Bilde,  von  denen  zwei  explicite  genannt  sind 
und  eine  angedeutet  wird: 

1.  der  schwere  Kummer  in  V.  18  (J^),  der  mit 

2.  einer  störrigen  Kamelin,  ebenda  durch  L^X-jJ^äj,  LjJ'JM 
und  \r^y-**,  in  Vers  19  durch  yu£w«  angedeutet,  verglichen  wird; 

3.  diese  ihrerseits  gleicht  einem  mächtigen  Felsbiock 
(i^  in  V.  18). 


»  Hi«.  I.  rv^. 

*  Zwei  Verse  dieses  Fragments  'Amirs  stehen  auch  bei  al*Hans&*  (L.  VI. 
25 f.),  was  schon  Hiz.  1.  n.  betont  wird.  Zum  ersten  der  zwei  oben 
zitierten  Verse  vgl.  Hans&*  L.  VI.  11 


*Amir  b.  Gu'ain  war  ein  Zeitgenosse  des  Imm-ul-Kais  (cf.  Ag.  Index). 
—  Oleiches  Metrum  und  gleicher  Reim  kOnnen  auf  Entstehung  nnd 
Überlieferung  von  Hansft*  L.  VI  wohl  eingewirkt  haben.  Da  aber 
derselbe  Gedanke  analog  ausgeführt  in  beiden  Gedichten  yorkommt, 
ist  gerade  bei  den  in  Bede  stehenden  Versen  al-Hansft*«  die  Möglich- 
keit ausgeschlossen,  daß  sie  durch  falsche  Überlieferung  aus  'Amir  b. 
Gn  ain  hereingekommen  wftren.  Weiteres  siehe  im  Exkurs  über  L.  VI 
(Anhang). 


Al-Qftiiai»  «nd  ibre  TnuMrlieder.  29 

In  Vers  20  wird  das  Kamel  zu  einem  weiteren  Vergleich 
herangezogen;  einer  Herde  solcher  gleicht  das  fliehende^  feind- 
liche Heer;^  die  Wanden^  die  der  verfolgende  Held  mit  seiner 
Lanze  dem  Rücken  der  Weichenden  beibringt,  werden  dem 
Bilde  getrea  mit  der  Marke  verglichen,  die  das  Brenneisen 
auf  die  Tiere  drückt.  Endlich  in  Vers  21  kommt  das  Kamel 
selbst,  nicht  mehr  als  Vergleichsgegenstand,  an  die  Reihe: 
anf  einer  flinken  Kamelsstate  eilt  der  Held  zu  Königszelten. 
Dies  ist  ein  Beispiel  von  streng  durchgeführtem  Parallelismns 
der  fortschreitenden  und  aufsteigenden  Komposition,  der  gewiß 
nicht  zufällig  ist. 

An  Bildern,  die  man  nach  modernen  Begriffen  realistisch 
nennen  würde,  finde  ich  bei  al-{j[ans4'  folgendes: 

R.  Vni.  24  (iiv)  ,( Waschet  ab)  von  euch  eine  Schande, 
die  euch  bedeckt,  wie  die  Menstruierenden  die  Menstrua 
abwaschen,  nachdem  der  Zustand  der  Reinheit  wieder  einge- 
treten ist.' 

L.  VI.  11  (r.v)  ,Manch  ein  Unglück,  das  ein  Schuld- 
beladener herbeiführte,  (so  arg)  ,daß  es  die  keuschen  (Frauen 
ans  Schreck)  vorzeitig  gebären  läßt.^ 

Nach  dem,  was  man  aus  neueren  Berichten  über  die 
Häufigkeit  bösartiger  Geschwüre  im  heutigen  Arabien  hört, 
dürfte  auch  in  alten  Zeiten  ein  Bild  wie  das  folgende  allen 
Hörern  drastisch  und  plastisch  geklungen  haben: 

0.  H.  2.  {rr) :  ,(Ruhe)  vor  meinem  Gedanken  an  den  herz- 
zerreißenden Kummer,  bis  der  Kummer  in  meinem  Herzen 
aufbrach  und  eiterte/' 

Mit  dem  Feuer  wird  hingegen  der  Schmerz  an  folgenden 
Stellen  verglichen: 

R.  XVn.  23.  (in)  ,0  über  ein  Leid,  dessen  Brand  in 
meinem  Herzen  einen  Kummer  auflodern  ließ  wie  Funken;^ 
und  ähnlich  (mit  der  wahrscheinlich  besseren  Variante: 
statt  yLtJ)  in  R.  I.  3  (iv). 


^  Die  Erklärung,  die  B».  I.  26  (Dfw.>  ri  •,  Note  c)  gibt:  i^Jaf. 
J\  -UmJ  U^  ^^  U\  l^is-M»  jS  ij^  vb\    (»o  liest  Hii.)   t*ugt 

nichts,  da  die  Pointe  des  Bildes,  die  in  l^Uu\  ^Jb  iJU^JL^U  Hegt» 
nnverwertet  bleibt. 
'  Vgl.  B.  IV.  2^  (ir)   ,in  meinem  Herzen   aber  ein  Biß,   der  nicht  mehr 
Buheilt.' 


28  IV.  Abhandlvag:    Bhodok^nftkU. 

l«J  ^  trefflich:  denn  das  Unglück  schlftgt  and  trifft  ohne  Wahl, 
es  ist  ein  schwer  gebändigtes  Tier,  dem  nicht  beizakommen 
ist,  und  mundloSy  so  daß  kein  Zügel  ihm  angelegt  werden 
kann.  Die  lang  überhängende  Lippe  (^^  ^^  ^ >■**»-)  und  die 
Mundlosigkeit  (t^  l*  ^)  bilden  aber  nur  scheinbar  eine  contra- 
dictio  in  adjecto;  der  Mund  ist  verschlossen  und  verbissen  und 
durch  die  überhängende  Lippe  verdeckt.  Damit  hat  al-QansÄ' 
einen  vom  t&jjitischen  Dichter  'Ämir  b.  öu'ain  gegebenen  Ge- 
danken fortgesponnen  und  ausgebildet.  In  einem  Qedicht,  das 
bis  auf  wenige  versprengte  Verse  verloren  zu  sein  scheint, 
sagt  nämlich  dieser  Dichter: 


*  l_frJl^  J^\  ^  C.UJ^    •    Oj^  >\  L^v?  <>^  ^^  > 


^Manch  einem  Todesunheil,  an  dem  die  Menschen 
keinen  Mund  sahen  (woran  der  bändigende  Zügel  anzulegen 
wäre),  habe  ich,  wann  es  sich  zeigte,  den  lodernden  Blitzstrahl 
entwendet  und  war  im  Ernstfalle  derjenige,  der  es  trug.'* 
Charakteristisch  ist  bei  al-5j[ansä,*  die  Verquickung  dreier  Vor- 
stellungen im  Bilde,  von  denen  zwei  explicite  genannt  sind 
und  eine  angedeutet  wird: 

1.  der  schwere  Kummer  in  V.  18  (Jb),  der  mit 

2.  einer  störrigen  Kamelin,  ebenda  durch  L^X-jJ^äj,  \^^>\ 
und  \rt^****>  in  Vers  19  durch  yuS^  angedeutet,  verglichen  wird; 

3.  diese  ihrerseits  gleicht  einem  mächtigen  Felsblock 
(S^^  in  V.  18). 


*  Hiz.  I.  rv^. 

*  Zwei  Verse  dieses  Fragments  'Amirs  stehen  auch  bei  al-gansft*  (L.  VI. 
26 f.),  was  schon  Hiz.  1.  n.  betont  wird.  Zum  ersten  der  zwei  oben 
zitierten  Verse  vgl.  Hans&*  L.  VI.  li 

*Amir  b.  Gn'ain  war  ein  Zeitgenosse  des  Imm-nl-Kais  (cf.  Ag.  Index). 
—  Oleiches  Metram  und  gleicher  Reim  kOnnen  auf  Entstehung  und 
Überlieferung  von  Hansa*  L.  VI  wohl  eingewirkt  haben.  Da  aber 
derselbe  Oedanke  analog  ausgeführt  in  beiden  Gedichten  Yorkommt, 
ist  gerade  bei  den  in  Rede  stehenden  Versen  al-Hansft's  die  Möglich- 
keit ausgeschlossen,  daß  sie  durch  falsche  Überlieferung  aus  'Amir  b. 
Ou  ain  hereingekommen  wftren.  Weiteres  siehe  im  Exkurs  über  L.  VI 
(Anhang). 


Al-8ftiiai>  «nd  ihre  Tnn«rlied«r.  29 

In  Vers  20  wird  das  Kamel  zu  einem  weiteren  Vergleich 
herangezogen;  einer  Herde  solcher  gleicht  das  fliehende^  feind- 
liche Heer;^  die  Wunden,  die  der  verfolgende  Held  mit  seiner 
Lanze  dem  Rücken  der  Weichenden  beibringt,  werden  dem 
Bilde  getren  mit  der  Marke  verglichen,  die  das  Brenneisen 
auf  die  Tiere  drückt.  Endlich  in  Vers  21  kommt  das  Kamel 
selbst,  nicht  mehr  als  Vergleichsgegenstand,  an  die  Reihe: 
auf  einer  flinken  Kamelsstate  eilt  der  Held  zu  Königszelten. 
Dies  ist  ein  Beispiel  von  streng  darchgefUhrtem  Parallelismns 
der  fortschreitenden  and  aufsteigenden  Komposition,  der  gewiß 
nicht  zufkllig  ist. 

An  Bildern,  die  man  nach  modernen  Begriffen  realistisch 
nennen  würde,  finde  ich  bei  al-{j[ansä'  folgendes: 

R.  Vni.  24  (iiv)  ,(Waschet  ab)  von  euch  eine  Schande, 
die  euch  bedeckt,  wie  die  Menstruierenden  die  Menstrua 
abwaschen,  nachdem  der  Zustand  der  Reinheit  wieder  einge- 
treten ist.' 

L.  VI.  11  (r.v)  ,Manch  ein  Unglück,  das  ein  Schuld- 
beladener herbeiführte,  (so  arg)  ,daß  es  die  keuschen  (Frauen 
aus  Schreck)  vorzeitig  gebären  läßt/ 

Nach  dem,  was  man  aus  neueren  Berichten  über  die 
Häufigkeit  bösartiger  Geschwüre  im  heutigen  Arabien  hört, 
dürfte  auch  in  alten  Zeiten  ein  Bild  wie  das  folgende  allen 
Hörern  drastisch  und  plastisch  geklungen  haben: 

0.  H.  2.  {rr) :  ,(Ruhe)  vor  meinem  Gedanken  an  den  herz- 
zerreißenden Kummer,  bis  der  Kummer  in  meinem  Herzen 
aufbrach  und  eiterte.^' 

Mit  dem  Feuer  wird  hingegen  der  Schmerz  an  folgenden 
Stellen  verglichen: 

R.  XVII.  23.  (in)  ,0  über  ein  Leid,  dessen  Brand  in 
meinem  Herren  einen  Kummer  auflodern  ließ  wie  Funken;' 
und  ähnlich  (mit  der  wahrscheinlich  *  besseren  Variante: 
statt  J^uS)  in  R.  I.  3  (iv). 


^  Die  Krkläning,  die  B»- 1-  2d  (DSw.*  n  •,  Note  o)  gibt:  ^kjc«l^ 

0\  -UuJ  U^  ^^  U\  l^ii-M»  jS  Sj^  vb\    (80  liest  Hii.)   t*ugt 

nichts  y  da  die  Pointe  des  Bildes,   die  in  l^ULft\  ^v^b  C^^UU  Hegt» 
nnyerwertet  bleibt. 
'  Vgl.  B.  IV.  2^  (\r)  »in  meinem  Herzen   aber  ein  Riß,   der  nicht  mehr 
zuheilt.^ 


30  lY.  Abhwdlimg:    Bbodoksiiftkis. 

y Wegen  eines  Verlustes ,  als  ob  der  Leib  davon  knns 
nach  dem  Eintritt  des  Schlafes  mit  glühender  Kohle  versengt 
würde/    Endlich  in  B.  VI.  1.  (i«) 

Jch  wachte,  als  ob  an  meinem  Gewände  Feuer  brannte, 
aber  um  mein  Wachen  unbekümmert  schliefen  meine  Genossen.'^ 

Überhaupt  scheint  es,  als  ob  al-^anaft  ,  dasselbe  Bild 
mehrfach  wiederholend,  es  gleichsam  ausgestaltet  und  feiner 
ziseliert  hätte;  so  ist  der  schon  von  den  Alten  mit  Recht  be- 
wunderte Vers  (R.  IL  17.  a»).« 

,Mit  (weißem  Stirnäeck,  d.  h.)  glänzender  Stirn,  getrennten 
Brau'n;  nach  ihm  richten  sich  die  Wegflihrer,  als  war'  er  ein 
Berg,  auf  dessen  Gipfel  noch  ein  Feuer  lodert' 

in  D.  VI.  5f.  (oi)    gewiß  nicht  verwässert  wieder  zu   finden: 

,In  die  Tiefe  eines  gefürchteten  Engpasses  tauchtest  du 
oft  mit  Stuten,  die  nah  beim  Zelt  gehalten  worden  waren: 
stolze  Männer  auf  ihnen; 

,Dort  pflanztest  du  (dich  selbst)  den  Leuten,  ein  Ziel  ftir 
ihre  Augen  auf,  wie  eine  Flamme  (oder  ein  Stern):  sie  aber 
waren  versprengt  und  verstreut.' 

So  kehrt  dasselbe  Bild,  einmal  ausgeführt,  ein  andermal 
bloß  angedeutet  wieder: 

D.  V.  3  (oi)  ,Er  kennt  die  Not,  aber  auch  das  Hungeijahr 
kennt  ihn;  wenn  es  einen  Stamm  ereilt  und  einen  Aufenthalt 
(findet):  welch  treflFlichen  Aufenthaiti'* 

Dieser  Vers  wird  am  besten  durch  D.  IX.  3  (t.)  kom- 
mentiert: ,den  man  in  bösen  Jahren  aufsucht,  wann  ihre  Regen- 
losigkeit  zu  tragen  den  Armen  schwer  fkUt.^ 

Auf  das  schöne  Bild  in  J.  I.  2  (roA): 

,Ein  Unheil,  dessen  leiser  Ton  die  Hunde  bellen  machte, 
und  welches  aus  dem  Geheimnis  der  stillen  Beratung  in  die 
Öffentlichkeit   drang' 

hat  schon   Nöldeke^  hingewiesen:   Es  ist  ein  Unglück,   das 


^  Vgl.  ganz  ähnlich  bei  Qnf&f  b.  Nndba  in  Ag.  Xm.  139  anf  Sa^r  und 
Mn'ftwija: 

'  Da  Sal^r  helfen  wird. 
>  Beiträge  168,  Note  8. 


A1-8M1I&*  und  ihre  TmnerUeder.  31 

sachte  und  schleichend  wie  ein  Dieb  naht;  seine  Kunde  sickert 
aber   schon   ans  den  geheimsten  Unterredungen  durch.^ 

Der  Allegorie  nähert  sich  die  bildliche  Darstellung  im 
Diw&n  al-Qans4'  an  zwei  Stellen^  von  denen  aber  die  eine  gewiß 
irrtümlich   unserer  Dichterin  beigelegt ,   die  zweite  strittig  ist. 

Ich  bespreche  zunächst  die  zwei  zusammengehörenden 
Fragmente  R.  XX  und  XXI.  (»r«  f.) 

Ham&8a(ed.  Freytag)  p.  £r. :  liest  R.  XXI.  1—3  und  R.  XX.  1 
als  ein  Stück  der  $afijat-ul-Bähilija.  Dieselbe  Verschmel- 
zung beider  Nummern  und  Versanordnung  noch  in  Qam.  Bubt. 
und  Qam.  Ba§r.*  Ferner  in  Maräti  Sawä^ir  al-Wab  (»rvf.),  wo 
die  Verse  angeordnet  sind:  R.  XXI.  1 — 3,  XX.  1 — 3.  Die  letzten 
zwei  Verse:  5,  6  bei  Mar&t!  (\r^)  =  ^ansÄ'  R.  XX.  2 f.  finden 
sich  nur  im  Diw.  Qansl^'  und  ^am.  Buht,  vor  Vers  6  außerdem 
in  Qam.  Ba^r.'  Im  Diwan  l^ansä  werden  beide  Stücke  nur 
von  zwei  Handschriften  gelesen  ^  ^  und  cu^  nach  Cheikhos 
Bezeichnung. 

Übersetzt  lauten  diese  Verse  folgendermaßen: 

R.  XX.  1.  ,Wir  waren  wie  Sterne  einer  Nacht,  in 
deren  Mitte  ein  Mond  glänzte,  der  die  Finsternis  erhellte;  da 
aber  fiel  aus  unserer  Mitte  der  Mond. 

2.  ,0  $abrl  Nie  weilte  ich  bei  Leuten,  mich  an  ihnen 
freuend,  ohne  daß  du  unter  diesen  gerühmt  wärest. 

3.  ,So  zieh'  denn  hin,  als  ein  Preiswürdiger,  trotz  eines 
Schicksals,  das  traf:  du  bist  aber  einen  Weg  gegangen, 
in  dem  ein  Beispiel  ist.^ 

R.  XXI.  1.  ,Wir  waren  wie  zwei  Aste,  die  an  einer 
Wurzel  sich  dehnten  eine  Zeitlang  im  schönsten  Wachstum, 
mit  dem  ein  Baum  gedeiht; 

2.  ,bis,  da  es  hieß:  ihre  Wurzel  ward  lang  und  ihr  Setzling 
gedieh  und  ihre  Frucht  ist  gereift; 

3.  ,den  Einen  der  Schrecken  der  Zeit  umhieb;  sie 
läßt  ja  nichts  bestehen  und  verschont  nichts.' 

^  Zam  Bild  in  F.  IV.  Uff.  (i vi  ff.)  vgl.  Gabrieli  p.  210.    Nur  möchte  ich 
in  y.  17  sUtt  dJ  (sc.  jSf^):  L^  (sc.  SJUikL)  lesen. 

*  Vgl.  die  Noten  p.   i  rc  f.  des  Diwftns. 

*  HdurfttS  p.  ITA,  Note  S. 

^  D,  h.  den  alle  gehen  werden,  den  Todesweg;  nicht  wie  Gabrieli  194 
es  an&ufassen  scheint:  einen  nachahmnngswttrdigen  Lebensweg. 


32  IV.  AbUndlvog:    Bhodoksnakis. 

Es  ist  kein  Zweifel,  daß  diese  zwei  Fragmente  zusammen- 
gehören; wie  dies  neben  dem  gleichen  Metram  (^««^}  und  Reim 
der  Parallelismus  und  die  Analogie  von  XX.  1  mit  XXI.  1 
J^  ^\S  US  und  (^^^UasaS  \SSy  ferner  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  auch  die  von  XX.  3  mit  XXI.  3  zeigen ,  wo  von  den 
Fügungen  des  Schicksals  und  der  Zeit  die  Rede  ist.  Dann 
hat  vielleicht  das  ganze  Fragment  nicht  mit  R.  XXL  1  be- 
gönnen^  wie  bei  I;^am.  etc.,  da  wir  in  R.  XX.  1  einen  Binnen- 
reim haben.     An  R.  XX.  2: 


kann  man  ersehen,  wie  leicht  Verse  durch  eine  geringfügige 
Variante  den  Verhältnissen  einer  anderen  Umgebung  angepaßt 
werden.  Er  lautet  bei  Qam.  Bu^t  allgemein :  J\  f^  <^  vsX^V,  U^ 

R.  XX.  1  wird  auch  der  Marjam  bint  T&i'i^  (auf  ihren 
Bruder)^  zugeschrieben;  überhaupt  ist  die  Autorschaft  dieser 
Verse  höchst  unsicher.  Die  Verfasserin  heißt  bei  al-Buttur!: 
Tai  bat  al-Bähilija,  wahrscheinlich  eine  Verschreibung  für  a?- 
§afijat;  aber  nach  'Äbu-l-'Abb4s  (MagmÄ*  al-MarÄti)*  ist  ,ein 
Wüstenaraber  auf  seinen  Bruder';  nach  dem  'Il^d  al-farid  ^eine 
Araberin  auf  ihren  Gatten^  Urheber,  beziehungsweise  Urheberin 
dieser  Verse.'  Am  besten  ist  durch  Abu  Tammäm  a^-l^afijat 
als  Verfasserin  bezeugt.^  Sie  gehören  ganz  einer  romantisch- 
sentimentalen Richtung  an,^  als  deren  Vertreterin  sich  al-Qans4' 
in  den  l^a^iden  ihres  Diwans  sonst  nirgends  offenbart. 

*  Diw.'  ir£,  Note  a. 

'  Vgl.  Wright  op.  p.  101  und  126,  wo  diese  Verse  aus  dem  ^*L.^\  ^^y^ 

(=  gansÄ'  R.  XXI.  1—3  +  XX.  1)  »itiert  werden. 
>  Mar&ii  Saw&'ir  al-'arab:   irv. 

*  Vgl.  noch  Mar&ti  Saw&'ir  irv,  Z.  3f.  der  einleitenden  Bemerkung.  Auch 
al-Waztr  *Abü-l-K&sim  al-Magribi  (Wright  l.  n.  und  ^a)  schreibt  sie  der 
jüübb  ^^  ^^J^V^  >r^  ^-^^^  dL^JLo3\  zu. 

'  Sie  erinnern,  was  Natarbeseelung  anlangt,  an  das  berühmte  Oedicht  des 
Mu^*  b.  *Aj&s  auf  die  zwei  Palmen  von  Hulwftn  (Ag.  XII.  107)  und  in 
weitester  Entfernung  an  Heines  Gedicht  vom  Fichtenbaum  und  der 
Palme.  Der  Unterschied  in  der  Behandlung  der  unbeseelten  Natur  als 
eines  Beseelten  liegt  in  beiden  darin,  daß  diese  und  hiermit  der  Sinn 
des  Gleichnisses  bei  a9-Saf  ijat  gleich  anfangs  angedeutet  und  der  Paralle- 
lismus zwischen  Beseeltem  und  Unbeseeltem  dann  bis  ans  Ende  fort- 
geführt wird,  ,da  die  Wurzeln  stark  und  das  Wachstum  gediehen  war 


Al-0ftB8ft*  and  ihre  TnnerUeder.  33 

An  zweiter  Stelle  möchte  ich  auf  die  allegorischen  Verse 
R.  XXni  hinweisen: 

1.  yEr  lief  mit  seinem  Vater  nm  die  Wette;  da  kamen 
beide  heran,  den  Mantel  des  Wettrennens  einander  abnehmend,^ 

2.  yBis  als  die  Herzen  (aller)  zugleich  (erwartungsvoll) 
pochten,  sie  diesmal  den  Sieg  (des  einen)  mit  dem  des  andern 
verbanden,* 

3.  ,Und  es  erhob  sich  der  Ruf  der  Zuschauer:  Wer  von 
beiden  (ist  Sieger)?  Es  antwortete  einer:  hier  weiß  ich's  nicht. 

4.  yEs  zeigte  sich  das  Antlitz  seines  Vaters  und  er  eilte 
fort,  um  das  Ziel  zu  erreichen. 

5.  ,Würdig  ist  er  und  wUrdig  wäre  (der  Sohn)  ihm  gleich- 
zukommen, wenn  nicht  das  Ansehen  wäre,  das  das  Alter  und 
die  Jahre  geben.' 

6.  ,Si*e  beide  aber  gleichen,  nachdem  sie  erschienen  sind, 
zwei  Falken,  die  herab  zum  Neste  fliegen/ 

Die  Quellen^  dieser  Verse  sind  folgende: 
Hss.:  c  'ui^i  f^  (s*  Suppl.  ro). 
QamAsat  al-Ba^rtja  L  149. 

Ibn  Nubäta  (Sari;  al- ujOn  fi  äart  ris&lat  Ibn  Zaidön)  p.  238. 
Mas^üdt  MurAg  ad-dahab   (ed.  Parisiensis)  VI.  349  (nach 
al-^A^ma'i). 


und  die  Frflcfate  reiften,  das  Schicksal  aber  sich  einen  Ast  brach.'  Bei 
Heine  hingegen  bleibt  die  Beseelung  des  Leblosen  fttr  den  Schloß  auf- 
bewahrt. Nachdem  mit  der  nnverfänglichen  Schilderung  des  einsamen 
Fichtenbaumes  ^m  Norden,  auf  kahler  Höh*'  die  Stimmung  vorbereitet 
und  gegeben  ist,  bricht  in  der  zweiten  Strophe  ,Er  träumt  von  einer 
Palme*  etc.  erst  des  Bildes  Sinn  und  Bedeutung  durch.  Übrigens  ist 
auch  Heines  Gedicht  aus  einem  orientalischen  Mythus  hervorgegangen; 
vgl.  .Gesammelte  Anftätse  sur  Sprach-  und  Sagenknnde'  von  Max  Grün- 
banm  (Berlin  1901),  p.  202f.  (Nach  einer  freundlichen  Mitteilung  ihres 
Herausgebers  Dr.  F.  Perl  es.) 

*  Var.  joi*^^  ,des  Ruhmes*. 

'  Entweder:  beide  kamen  zugleich  ans  Ziel,  oder  wegen  V.  4  wahrschein- 
licher: bald  hatte  der  eine,  bald  der  andere  den  ersten  Rang  inne.  Cf.  V.  3. 

'  Aus  Ehrfurcht  vor  dem  Alter  scheut  sich  der  Sohn,  den  Vater  zu  über- 
flQgeln.  Dieser  Vers  beweist,  wenn  es  eines  Beweises  bedarf,  daß  das 
Wettrennen  hier  symbolisch  aufzufassen  ist  und  einen  Wettkampf  um 
den  Vorrang  in  rühmlichen  Taten  und  Eigenschaften  bedeutet.  (Gegen 
Gabriel!,  p.  87.) 

*  Cf.  die  Noten  im  Diwftn  zu  diesen  Versen. 

SitsoBgsWr.  d.  pluL-kwC.  Kl.  CXLYII.  Bd.  4.  Abh.  3 


84  lY.  Abbandivng:  BhodolcftOftltlt. 

al-S&riäi  äarb  al-ma]{:&mftt  I.  424. 

al-öu§rl  Zuhr  al-'adäb  III.  239  (a.  R.  des  *Ikd). 

Jatüt  III.  34. 

an-Näbulüsi  Nafabftt  al-'azh&r  225  f. 

Sie  alle  schreiben  die  Verse  R.  XXIII.  al-9an8&^  zn  and 
erwähnen  sie  wohl  meistens  wegen  des  ßildes  ^\j»^l«^  U^^ 
J\  i'-^  in  V.  1.*  Den  Anlaß  zu  diesen  Versen  gab  der  Dichterin 
—  so  wird  im  Znhr  al-'ädäb  gefabelt  - —  der  ihr  gemachte 
Vorwurf,  sie  hätte  ihren  ,Bruder*  zwar  gelobt,  doch  ihren 
Vater  verspottet.'  Gewiß  ist  dieser  Anlaß  erdichtet,  d.  h.  aas 
den  zu  erklärenden  Versen  erst  abgeleitet.  Von  Spottversen 
auf  ihren  Vater  wissen  wir  ja  nichts  und  D.  VII.  2*  wird  man 
nicht  daher  rechnen  wollen,  schon  deshalb  nicht,  weil  Sartd 
ihr  Urgroßvater  war.  Umgekehrt  kann  sie  aber  sehr  wohl, 
ohne  durch  den  Vorwarf,  es  bisher  unterlassen  zu  haben,  daza 
erst  angespornt  worden  zu  sein,  in  das  Loblied  auf  ihren  Bruder 
auch  seinen  Vater  (<«x3\^  V.  4)  mit  einbezogen  haben,  wie  ja 
dies  im  Rita'  nicht  bloß,  sondern  auch  in  der  Mid^a  üblich 
ist.  Wir  können  also  hier  auch  das  Fragment  einer  Elegie 
vor  uns  haben.  Wäre  Vers  5  nicht:  ^^^  o-*^*  J^  V>  ^^ 
könnte  man  wohl  denken ;  alle  sechs  Verse  gingen  auf  zwei 
Rosse,  wie  denn  auch  al-'A^ma'i  zum  Chalifen  RaSid  sagte,  als 
er  zu  Ral^^a  ein  Pferderennen  veranstaltete  und  sein  Roß  als 
erstes,  das  seines  Sohnes  Ma'mün  aber  als  zweites  ans  Ziel  kam : 

,Eure  Pferde  laufen  heute  so,  wie  es  al-B[ansft*  schildert '* 

Übrigens  war  die  Frage,  ob  dieses  Fragment  von  unserer 
Dichterin  stamme  oder  nicht,  schon  zu  jenen  Zeiten  strittig; 
denn  dem  'Abu  ^Ubaida  hielt  man  vor,  es  sei  der  Sammlung 
der  Lieder  al-^ansft's  nicht  einverleibt  gewesen,^  worauf  aber 
jener  antwortete:   ,Die  Gesamtheit   (der  Überlieferer)   sei   viel 


*  Vgl.  Dlw."  p.  in,  Note  f. 

■  iSTbl  Cj^  Jiti  J?ST  CUa^j^  j^.  —  Bei^  N&bulüs!  (p.  i  pA,  Z.  10 
unten  desDJw.»)  L^^S  iJj\^U^  k1»\j\  ^^jS^  V^^t  ^^  —  Natürlich 
konnte  man  anter  ,ilirem  Brader*  nur  Bahr  verstehen,  dem  die  meisten 
ihrer  Elegien  gelten. 

■  Vgl.  Kap.  I,  p.  10  und  Kap.  III,  10.  Abschnitt. 
«  Mas'üdi  1.  c. 

»  -UUiL\  ycÄ»  J^  "^y^  \^  ^j^  piw.«  in,  Note  f,  Z.  3).  Cf. 
Pröface  im  Suppl.  p.  VI  f. 


AI-9MU&*  und  ihM  TnHi«rU«d«r.  35 

ZU  kiachläBsig^^  als  daß  man  ihr  durch  (Anerkennung)  eines 
solchen  Arguments  (das  auf  ihrem  Ernst  beruht)  zu  viel  Ehre 
erweisen  sollte/  —  Immerhin  haben  wir  also  für  die  Autor- 
schaft al-9ans4's  hier  das  doppelte  Zeugnis  des  'Abu  *Ubaida 
sowohl  wie  al-^A^ma^ts.* 

Al-]Q[an84'  will  demnach  ihren  Bruder  und  dessen  Vater 
als  zwei  gleichwertige^  einander  ebenbürtige  Helden  darstellen; 
sie  greift  zum  Bilde  des  Wettrennens ^  in  dem  bald  dieser^ 
bald  jener  Läufer  voran  ist  (V.  1.  2)',  so  daß  der  Sieg  unent- 
schieden bleibt  (V.  3).  Daß  es  sich  um  eine  Allegorie  handelt; 
die  durch  alle  sechs  Verse  durchgeführt  ist,  beweist  Vers  5: 
bei  sonst  gleichen  Verdiensten  gebührt  der  Vortritt  dem  Ansehen 
verleihenden  Alter.  Die  Nachahmung  dieser  Verse  durch  al- 
Buhturi'  zeigt  uns  den  gleichen  Gedanken  in  einem  Verse 
ausgedrückt: 


;Wann   er   (dein   Ahn)    nach   einem   Ziele  läuft  und   du 
nach  einem  anderen  eilst,  trtffl;  euer  beider  Lauf  in  der  Mitte 


zusammen/ 


Mit  dem  Ziele  ist  hier  natürlich  der  Ruhm  gemeint,  wie 
auch  eine  Var.  zum  ersten  Verse  al-Qans&'s  ^ak*^*  für  j^i»L\ 
liest.  Am  ersten  Verse  ist  die  Brachylogie  auffallend,  durch 
welche  ein  der  arabischen  Poesie  geläufiges  Bild  angedeutet 
wird.  Wenn  es  da  nämlich  von  den  zwei  Kontenden ten  heißt: 
,sie  leihen  einander  den  Mantel  des  Laufs^,  so  ist  damit  wohl 
die  Staubwolke  gemeint,  welche  die  beiden  Läufer  auf- 
wirbeln und  die  sie  abwechselnd  umhüllt/^  Um  dies  prä- 
gnant ausgedrückte  Bild  zu  verstehen,  mußte  der  Hörer  ge- 
wiß schon  Analoga  im  Ohr  haben.  Wenn  aber  ein  unge- 
nannter ^hilitischer  Dichter  von  den  Banü  'Uj^ail  mit  seinem 
Verse : 


f    -•. 


^  Oder  passiv:   alhsa  wertlos   (qaantitö  n^gligeable):   ^^  LjLm>\    Jc«Ia)\ 

MjJb  JJU>  W^  >\^  o^. 

*  8.  oben  (bei  Mas'üdi).* 
»  Dtw."  I  rv,  Z.  2. 

*  Piw.*  ITA,  Note  a;  nur  fölU  hier  der  Heraasgebei-  darch  die  Worte 
\^ji'\  ij^  A^  dem  Bilde.  Vgl.  ferner  p.  irA,  Note  f,  Z.  13  der  Anm. 
aas  J&küt 


36  lY.  AbliMiaiQiiff :  BhodokftBftkli. 

als  der  erste  angeführt  wird,  der  dies  Bild  überhaupt  ge- 
brauchte,' 80  wird  dies  wohl  nur  cum  grano  salis  zu  verstehen 
sein.*  Auch  die  Behauptung,  daß  al^^ansä'  gerade  von  ihm 
das  Bild  genommen  hätte,  läßt  sich  nicht  beweisen/  Nach- 
weisbar ist  nur,  daß  sie  auf  rasches  Verständnis  ihrer  Hörer 
zählt  und  einen  Gedanken,  der  gleichsam  in  der  Luft  lag, 
also  schon  von  mehreren  ausgesprochen  war,  nur  andeutet 
Allenfalls  hätte  sie  dem  alten  Bilde  eine  neue  Form  gegeben; 
denn  während  jener  'Uf^ailite  bloß  von  einem  Säumen  und 
Weben  je  eines  J^ami?  und  Rid4^  spricht,^  ist  bei  al-Qansft  der 
Nachdruck  auf  ^^\j^\^Jii  *  gelegen :  eine  Spezifizierung,  die 
für  die  Schilderung  eines  unentschiedenen  Wett  kämpf  es 
gut  paßte. 

Eher  ließe  sich  die  Abhängigkeit  des  ähnlichen  Verses 
Ihn  ar-Ri^^s^  von  al-Qans&'  und  jenem  anonymen  ^U^iliten 
nachweisen : 


^  ,(Der  Wildesel  UDci  sein  Weibchen)  versehen  zwei  abgetragene  Hemden 
von  Geweben  des  Staubes,  der  auf  ihnen  schwebt,  mit  einem  Saum  and 
hüllen  sich  wie  in  einen  Mantel  ein/  J&k.  III.  34.  Hiz.  IH.  276  f. 

>  Diw.»   irv,  Z.  16. 

'  Bei  al-Hans&*  kommt  das  Bild  von  einer  Staubwolke,  die  s.  B.  den 
Reiter  wie  ein  Mantel  umhüllt,  noch  in  R  XII.  2  (irr)  vor: 

Eine  weitere  Ausführung  desselben  beim  späteren  (von  al-Qans6^  abhän- 
gigen) *Adi  b.  ar-Rika   (Diw.«  irv,  Z.  6): 


# 


,Sie  beide  (Wildesel  und  Weibchen)  entlehnen  einander  vom  Staub 
einen  Mantel,  einen  weißen,  festen,  den  sie  selbst  gewoben  haben.'  Auf 
dieses  Vorbild  spielt  Buhtuii  konzis  an  (IMw.*  irv,  Z.  14): 

,Er  wirbelt  tagtäglich  einen  Staub  auf,    mit   dem  'Adt  b.  ar-Rik&'  sich 
EU  schaffen  macht.' 
*  JAk.  III.  34. 

'  Für  i^^^%^^^  konnte  auch:  ^UjLL^  stehen;  beide  Ausdrücke  sind 
gang  und  gäbe  flir  ,nacheinander  hernehmen',  ,einander  geben  und 
abnehmen*.  Vgl.  *Antara  Mu'all.  44  iiUiü\  <j^^'  ^X^i  ^Uu»  imd 
^J(:^J^\  U-.--0»  f,-^}^  (*A*Äi  bei  Ihn  es-Sikktt  ed.   Cheikho,  p.  rrv). 


'  8.  oben  Note  3. 


AI-SmisI*  und  ihre  TnntrlMer.  37 


al-Qansft':^^^«»^^  «'^  ob^^**Ä  (}^  der  Schilderung  zweier  Läufer) 
N.N.(B/UfciU):  ^\^\  ^c^irj     „  „  „    Wüdesel) 

Ihn  ar-Ri^4*:  uS^  —  i-vu  j\^\  J^  0^5^.  (auf  zwei     „       ) 

Neben  jXa.\  ist  aber  zu  V.  1  die  Var.  Js^^  überliefert: 
der  Sinn  ist  dann  einfach  und  klar  und  mit  Coppier^  zu 
übersetzen:  ,se  pr6tant  Tun  k  Tautre  le  manteau  de  la  gloire^ 
Ich  ziehe  die  Lesart  j^aL\  vor  und  halte  sie  für  die  ur- 
sprüngliche; denn  während  ^^^  ,des  Ruhmes'  die  Lösung 
und  Bedeutung  der  Allegorie  gleich  anfangs  gibt  und  matt 
wirkty  bleibt  j^c»L\  ,des  Rennens'  der  Allegorie  treu  und  im 
Rahmen  des  Bildes  vom  unentschiedenen  Wettlauf. 

Wo  das  Bild  durch  allzuhäufige  Verwendung  seinen  cha- 
rakteristischen Wert  und  Sinn  verloren  hat,  wie  eine  Münze, 
deren  Reliefprägung  die  Zeit  verwischt ,  da  wird  das  Bild  zur 
Phrase.  Dies  gilt  von  den  ^Atlftl','  die  sogar  in  den  Klageliedern 
dichtender  Frauen  vorkommen  R.  II.  1  (vr) 

,Was  hat  deinen  Kummer  angefacht?  Ist's  im  Aug'  ein 
Splitter,  oder  läßt  es  (weinend)  seine  Tränen  fließen?  oder 
ist  das  Lager  von  seinen  Bewohnern  leer?' 

d.  h.  letzteres  ist  ebensogut  wie  der  Splitter  ein  gewöhnlicher 
und  physischer,  ein  psychischer  und  als  solcher  bekannter,  oft 
angeführter  Qrund  des  Tränenergusses.  Dieser  Zusammenhang 
und  die  Aneinanderreihung  beider  konventionellen  Vorstellungen 
weist  darauf  hin,  daß  schon  damals  auch  von  den  Dichtem  das 
sozusagen  Phraseologische  der 'Atläl  gefühlt  wurde,  daß  sie  wie 
der  ,Splitter'  zur  sprichwörtlichen  Redensart  geworden  waren. 

2.  Äußerer  Bhythinus  der  Form:  Beim  und  Tarsi\ 

Zum  Endreim  bei  al-ü^ansä'  habe  ich  nur  folgendes  zu 
bemerken:  An  drei  Stellen  findet  er  sich  mit  lazüm  mä  lä 
jalzam^  und  zwar  arrati  durchwegs  in  T.  I  (tawil  p.  ivff.); 
allati  in  T.  II  (tawil  p.  r\  f.)  mit  Ausnalime  von  Vers  9  und 
10,  die  arrati  haben,  durchgängig;  endlich  in  T.  III  (w4fir 
p.  rrf.)  allat  mit  Ausnahme  von  Vers  4  ^ammat. 

»  p.  111. 

'  Ygl.   Goldssiher:    Bemerkungen    sur   arab.    Trauerpoesie   in    WZKM. 
XVI.  328. 


38  ly.  AbhandlnDg:    RhodoltftnakiB. 

In  T.  II.  fehlen  Vers  9 — 12  in  sämtlichen  Handschriften. 
Sie  sind  vom  Herausgeber  nach  Ag.  VI.  79  und  I^am.  Ba§r. 
I.  lAri  ergänzt;  Ag.  1.  n.  liest  die  Verse  9.  10.  12;  Vers  9.  10.  11 
steht  Ag.  VI.  83.  —  Ag.  XV.  119,  die  zweite  von  Cheikho 
ad  locum  Note  a)  zitierte  Belegstelle,  dürfte  ein  ungenaues 
Zitat  sein;  ich  finde  bloß  Ag.  XV.  116  zwei  auf  allati  reimende 
fremde  Verse  mit  dem  Metrum  von  T.  IL 

Wiederholung  des  gleichen  Reimwortes  in  kurzen  Ab- 
ständen finden  wir  in  L  IL  10  C'^'O  J3y^  ^^^  1^  (nr) 
J^^-io3\,  wo  aber  zwei  Manuskripte  (c»  f^^)  anders,  nämlich: 
J>^  lesen;  Übrigens  spielt  al  ^ans&'  in  Vers  10  mit  jenem 
Worte : 

Dieses  und  einiges  Ahnliche  gehört  aber  in  ein  später  zu 
behandelndes  Kapitel;  so  L  IL  14  und  21  (n*:  und  nr),  wo 
sich  nach  den  Manuskripten  c  und  ^  das  Reimwort  J..U,t&.-i^.\ 
wiederholt,^  während  Manuskript  f  den  21.  Vers  als  Variante 
des  14.  auffaßt. 

Neben  dem  Endreim  und  dem  Binnenreim  der  Matla^* Verse 
kommt  aber  bei  al-Qansd.'  noch  ein  innerer  Reim^  vor:  eine 
Erscheinung,  die  schon  den  Alten  bekannt  war  und  von 
ihnen  at-tar§i*  (5.^^^yü\)  genannt  wurde;  am  besten,  wenn  auch 
mindestens  für  die  alte  Zeit,  wie  aus  dem  Diwan  al-^^nsä' 
hervorgeht,  allzu  eng,  wird  sie  im  Kommentar  zu  ^artri's 
Ma^ämen^  folgenderweise  definiert: 

e-^  c>  ^i  c^5j  o^  J^^'J^  ^^^^^^  oV^^  ^.y^^^  ^^^^  ^^^  O» 

Es  besteht  diese  Kunstform  also  darin,  daß  in  zwei 
aufeinanderfolgenden  und  einander  entsprechenden  Qliedem 
eines  Verses,  die  nicht  mit  den  Halbversen  zusammenzufallen 
brauchen,    aber  gewöhnlich   eine   gedanklich  und    syntaktisch 

*  Diw."  rr,  Note  a.  ^ 
'  Vgl.  des  D2w.  I.  Ausg.  p.  v  • : 

'  Inzwischen  hat  auf  das  häufige  Vorkommen  solcher  Mosammat-Verse  im 
Ri|&'  Qoldziher  in  WZKM.  XVI.  313  hingewiesen.  Vgl.  auch  PD  320. 
325.  332. 

*  Ed."  de  Sacy's  I.  ^  : 


▲1.0Mirt'  ud  ihM  TisQerU«d«r.  89 

abgeschlossene  Einheit  bilden,  mindestens  zwei  Worte  derartig 
sich  abheben  und  charakterisiert  sind,  daß  sie  mit  den  ihnen 
in  der  Reihenfolge  des  nächsten  Qliedes  entsprechenden  Teilen, 
i.  e.  Worten:  1.  gleiches  Metrum,  d.  h.  numerisch  und  quantitativ 
gleich  viel  Silben,  2.  den  gleichen  Endradikal  und  Flexions- 
auslaut aufweisen. 

Aus  dem  ]$lor'&n  88.  25  f.    wird  ^arirt    1.  n.   folgendes 
Beispiel  angefhhrt: 

Es  sind:  ^^^  ^\  o^  ^i^d  (^^-***ä-  ^-^A*  o^  ^i©  zwei  Glieder; 
femer  c^y  UJ\  und  f^^  drei  Teile  des  I.  Gliedes,  die  me- 
trisch und  im  Endradikal  (beziehungsweise  der  das  Wort  ab- 
schließenden Lautgruppe)  mit  den  entsprechenden  drei  Teilen 
des  II.  Gliedes  c>\  ^-*ti^  '^^^  (•^^-•****  übereinstimmen. 
In  dem  ebenda  angeführten  Verse  des  'Abü-l-Fir&s: 

bilden  die  zwei  Hemistiche  je  ein  Glied;  Teil  1  von  Glied  1 
und  2  sind  iJUst^  beziehungsweise  ^\y\^;  Teil  2:  ^^^^v^iUJJ 
beziehungsweise  ^^r^^^lr^^  Quantität  und  Endung  sind  durch- 
weg identisch,  ebenso  die  syntaktische  Beziehung  der  Worte 
gleich.  —  Diese  Eunstform  finden  wir  auch  bei  al-J^ansä  wieder': 

B  I.  8»  (bastt  «)•' 
Zwei  Glieder  mit  zwei  Teilen: 

1.    S^\3    +    >yL\^ 

2.    iJü^  +  JLxL 
(je  ein  Subjekt  mit  Prädikat). 

D  V.  5»  (basit  Ol) 

Zwei  Glieder  mit  je  zwei  homogenen  Teilen: 

1.  USj\  +  ^^\ 

2.  .„x**^  +  iy*x^ 

Am  häufigsten  finde  ich  jedoch  bei  al-Qans&'  den  Fall, 
daß  innerhalb  zweier  (oder  mehrerer)  Glieder  bloß  je  ein 
Teil    (der  je  1.  oder  2.)   metrisch  und  lautlich  adäquat  ist; 


40  IV.  AbbAndlang:    Bbodokauftkii. 

der  andere  hingegen    bloß    die    metrische   Ubereinstimmang 
aufweist:  ^ 

BL  10  (o): 


dreigliedrig,  einteilig ; 


in  11»  aber:  iLU3\  v^l5^^  |  li\j^\  ^ 
fehlt  im  1.  Teil  auch  die  metrische  Übereinstimmung. 
Hingegen  ist  in  D  V.  6  (oo) 

das  Tar^f  dreigliederig  und  zweiteilig,' 
in  DXI.4  (1«) 


*  In  einem  bloß  von  Ms.  <JU3  Sappl.  r^  I  überlieferten  Gedicht  auf  D  ist 
das  ^^woJ»  stets  einfach;  es  entsteht  durch  die  kunstlose  Aneinander- 
reihung von  adjectivis  ornantibus  ohne  Determlnans,  sei  dieses  genetivi- 
scher  oder  akkusativischer  Natur.  Zunächst  haben  sie  (in  V.  6)  bloß 
die  gleichen  Silbenzahl-  und  Quantitätsverh&ltnisse :  «LI*  i\^^  neben 
s>J\>  ^yyijLyo  Und  g^ls^^  '^^^;  doch  gleich  im  folgenden  mit  gleichem 
Endradikal:  ^r*«v  |J<^^  I  vJ^^  «J^^f  ^^  sieht  es  sich  durch  acht 
Verse  hin.  Das  Tar^t'  ist  hier  stets  zweigliedrig  und  einteilig:  Glied 
und  Teil  fallen  zusammen;  nicht  mehr  als  zwei  Worte  im  Verse  haben 
gleiches  Metrum  und  gleiche  Endung;  jedes  Wort  bildet  ein  Glied  für 
sich.  Je  zwei  solcher  Glieder  haben  aber  oft  mit  den  je  zwei  folgenden 
gleiche  Endung   der  Teile,    doch    verschiedene  Quantität;    so  Vers   12 

(_  s^  -)  /ä^  ^^«lIm  gegen  (v-f )  ^^ü  ^rw  ebenso  Vers  7  ^U  Jjl* 

gegen  Jn'V^h  ^^^    Gehäuft  sind  in  einem  Verse  bis  drei  solcher  Doppel- 
glieder mit  verschiedener  Endung  und  Quantität  ihrer  Teile;  Vers  8: 


Der  Binnenreim  greift  ebenda  auf  die  zweite  Vershälfte  über  in  Vers  18: 

Schon  aus  den  angefahrten  Stichproben  geht  die  hier  angestrebte  kunst- 
lose Häufung  der  Tar^fform  hervor,  die  wohl,  namentlich  durch  den 
grammatisch  einfachen  Bau  den  Anschein  der  Altertümlichkeit  erwecken 
sollte,  eben  deshalb  aber  verdächtig  erscheint.  —  Vgl.  Goldziher  1.  n. 
p.  316—318. 

c 

'  In  .  JLiu  ist  der  Endvokal  anders  als  in  .  ^srii  und   .  Joii ;    doch  in 
,JjüL\  wie  in  J-JLL\  etc. 


A1-0MM&>  und  Uire  TnuMrUeder.  41 


zweigliederig  und  einteilig,  mit  bloß  metrischer  Übereinstimmung 
des  anderen  Teiles.^ 

Eün  lehrreiches  Beispiel  Yon  Musammat-Versen  will  ich 
an  N  I.  7  ff.  (n*),  obgleich  die  Stelle  pseadepigraph  ist  and 
nicht  al-QansA'  gehört,'  doch  demonstrieren. 

(Bas!t): 


J\  il^  t^  II  il^  j\^  II  i^\  ^i^  10 

Zu  Vers  10  ist  die  wegen  Wegfalls  des  störenden  g^lL* 
(V.  9)  bessere  Variante  * 


Wir  haben  hier  hauptsächlich  dreigliedriges,  einteiliges 
Tar?!',  so  in  Vers  7  (auf  f),  8  (auf  J),  9  (auf  ^  und  £), 
10  (auf  ^3);  in  Vers  9  kreuzen  sich  die  im  I.  Gliede  ^j^  t^ 
angegebenen  Teile  so,  daß  ^ui>  zwar  im  folgenden  Gliede  mit 
^lL«  ,reimt^,  ^^j^  jedoch  erst  mit  ii^j^A^  des  nächstfolgenden. 
^Vk5  am  Ende  nimmt  den  ersten  Teil  t^  wieder  auf. 

Um  zu  al-Qansä'  zurückzukehren,  möchte  ich  noch  auf 
N  II.  5—8  (rf  r)  hinweisen,  wo  sich  diese  Kunstform  in  jedem 
Vers  stetig  fortentwickelt: 

(Mutal^rib) : 
5   ,3J^\  t->>Xi  ^  II  li***^^  ^3  (zweigliedrig,  einteilig). 


*  Vgl.  noch  Z  I.  6»  (MaUkftrib  iff) 


f^>'!^\  i\j^  I  ^.*xXJ^  u»  ^  (aweigliedrig  einteilig) 


9*  (Ifo)  ^U;3\  jX^y   I    C^i^^    V>--^   (  n  n         ) 


N  IV.4  (riv)  -CUU  J>^  I  ajus:-»  ^  (  „  „       ) 

■  A^.  XX.  21. 

*  Dfw.'  rsi,  Note  a,  wo  für  ^j3t  an  der  ersten  Stelle  iki>^\  zu  lesen 
ist,  wie  A^.  L  c.  Utsächlich  hat. 

*  Vgl.  B.  L  10  oben  p.  40. 


42  lY.  Abhandlniv:    Kkodokanftkit. 

6  JU.^\  jyu  II  >UiiJ)  ^^    (bloß    gleiche    Quantitäten    in 
beiden  Teilen). 

7  jUJJ\  vj-^\5  It  J^  f>-^  II  j^l»^^  !>?"•     (dreigliedrig,     ein- 
teilig, doch  mit  verschiedenem  Endvokal).^ 

8  «-»^^V  l5^^  II  *-*>^^  kA^3  (zweigliedrig,  zweiteilig). 

Die  Betrachtang  des  Tar§t*  führt  uns  endlich  zur  Ver- 
gleichung  dreier  Parallelstellen  im  Dlwän,  von  denen  eine 
schon  oben  berührt  wurde;  es  sind  dies:  B  I.  7ff.  R  11.  18  f. 
R  XXII.  4  ff.  Weist  schon  R  IL  18  f.  Ähnlichkeiten  mit  B  L  7  ff. 
auf,  so  ist  R  XXII.  4  ff.  nur  ein  Abklatsch  jener. 

B.  I  (rff.): 

8  UU  d3j3  ^^\  doj^  JJ^\^  •  A xl*  >yL\^  ^OXi.  JL^U 

9  bb  L^  ^'\  Aiihfc>g   t Ajb   ^\  »  f^         9^^^  ^^  JÜboJLi^  t^lkäi. 

10    ^ >U1>  y^U  li>^\  t^l»*  •  ^ c^\  >W-Ä  h^^  JW- 

11  l-^ua  ^2,^  ^^^  \i^\  ^y^j  ♦  \i\  iL-^\  ^3f\ss^  Sjsjüi ;:-« 

RH  (AI  und  Note  *): 

18a  j\^ i^  £Ui5  iJb^\  JvX*-«^  iA^\  >3.^^  ^^A-Xi-^  cj^^ 

18ß  j\ iLm)\  ^^^^aa3  ^i^b  J-^f^  *  2L-^_-^U>  >\J^  jL^Lm»  Jbi* 

19  (C'  H  j^j ^  ^y^  ii^^  ^^-^  *  ^ i^/^  i>^A  ^5^^  JW- 

Var.  >\  ■  «w   A'Js^   i>Jl   ^UU  *  i«_^oipb   :\ta.  dLwoVS  t^l**. 

19a  } j^  ^».kjJJ  dJ^\^  JiU  *  ^^ x)üLc  J.-a»  aJjVU.  5I». 

Var.  \ ^  ...kjJJ    dLoU  vsTlXi  *  X ^U>  -l:«^  l^\.  A^ 

RXXII  (in)  bloß  in  Ms.  c: 

5  jl «aA  ^ytXJ  J^b  ^»A^^    «     i^ ^U    d^lkft   ^>U   >^>j 

6  ^l ÜU  ^  >\y^   ^.j^\  g^    •    i 1^\  Jl^  i3>^t  s^\^ 

7  jl *Ä.  ^».kjJJ   ijJU  e^-lXi    *    Ä jvftlt  -U^  i^l,  ^W 

^  Vgl.  einen  Masamma^-yers  mit  verschiedenem  Endvokal  bei  Ibn  Hi£&m 
Leben  Ma^ammada  632.  18  von  'Umajja  b.  *Abt-$-Salt: 

'^^  «Jl  /)*- 1>  *  V 

ebenda  631  gleiche  Endnng  bei  teilweise  verschiedenem  Endradikal: 
mit  Ibdftl  Ton  Lftm  za  B&'. 


AI-Bftadb  und  ihre  Tnnerlftdar.  43 

Zu  B  I.  7  ist  wieder  auf  J^^\  J-^*x3^  und  J.^,.^-uJ\  mit 
variierender  Endung  bei  gleichem  Endradikal  hinzuweisen.  Zu 
B  I.  8  und   10  siehe  oben  p.  39  f. 

In  R.  II.  bietet  unser  Text  bloß  Vers  19^  und  zwar  nur 
in  den  Handschriften  ^  und  ^: 

*iajol  >\:^  II  ii>^\  i>i>  II  i.^1  ji^ 

der  mit  B  I.  10,  R  XXII.  6  und  außerdem  L  III.  5  (ni) 

i^\  >l^  ^^^  i^lkai. 

und  N  1.10  (PI  I) 

il>^\  ^\Jb3  So^\  Jl^.  Iij3\  ^l^ 

parallel  ist.  Vor  R  IL  19  liest  aber  al-'I^d  al-Fartd  IL  22  und 
Ibn  al-'Atir  al-matal  as-sä'ir  163  den  umstehend  mit  18  a^  'Askari^ 
133  den  mit  18  ß  bezeichneten  Vers  mit  der  Bemerkung:  )j^^ 
«Jmu  ^  dJiUJl  Juu  ly}  ^>j  cu^\.  Ebenso  führt  zu  Vers  19 
Cheikho  (1.  n.  Note  b)  aus  'Askari^  die  umstehend  aufgenommene 
Variante  an  mit  dem  Plusvers  19a  und  seiner  Variante:  j^ 
&  J\  A^\j  letztere  ohne  Quellenangabe.  Diese  Variante  stimmt 
aber    wörtlich  mit  R  XXIL  7    ttberein;    andererseits  erinnert 

R  XXn.  5  A^U  eTb^i  ii>U  >\>j 

an  B  L  11  iU*3\  vs^Ui^  i\oaJ\  ^ 

f^  kann  wohl  möglich  sein^  daß  al-]9ans4'  einmal  das 
gleiche  Thema  variierte;^  eins  ist  aber  doch  sicher:  unter  den 
hier  in  den  Quellen  als  selbständig  angeführten  Versen  steckt 
manches^  das  bloß  Uberlieferungsvariante  ist;  so  haben  wir 
in  R  XXII  nach  obigen  drei  Doubletten : 


1  Vgl.  Marftti  p.  99,  Z.  3  (al-Fftri'at  bint  gadd&d). 
s  Mb.  der  Jesuiten  in  Bejrüt,  vgl.  Diw.'  Einl.  5. 

*  Cbeikho  AI,  Note  a. 

*  (irr)  mit  der  Bemerkung:  V^\  aJLJ»  U  sm  .<v^  ^  CXoJ\  \jsA  ^aJ 

*  Vgl.  Mar&t!  99.  4  (al-Fftri'at  bint  Saddftd): 

^U5\  e^lXi  i^\j  ji^    *    i-<i^^  J^  i^^j  j^ 

*  Vgl.  abrigens  die  ans  Marij^  99  zitierten  zwei  ParallelsteUen ;  manches 
war  wohl  formelhaft. 


44  IV.  AbhADdlniig!    BkodokftOftkis. 

R  XXII.  5  =  B  I.  11. 
„       „      6  =  B  I.  10  =  R.  IL  19  etc. 
„       „      7  =  RIL  19«  Var.i 

Femer  ist  es  auffallend,  daß  in  R  II.  18  ß,  19  und  seiner 
Var.  und  19  a  Var.,  in  R  XXII.  6,  6,  7  das  Tar^i*  durchweg  auf 
Grund  des  3.  Radikals  Ja  erfolgt.' 

Schließlich  sei  noch  auf  die  natürliche  Erscheinung  hin- 
gewiesen, daß  sich  das  Tar§f  nie  bis  zum  Versende  erstreckt. 
Dieses  faßt  gleichsam  die  vorangehenden  Glieder,  als  End- 
summe sich  7on  ihnen  abhebend,  zusammen.  Es  kann  aber, 
während  dem  Tar^f  die  horizontalen  Analogien  zukommen, 
natürlich  unter  dem  Einfluß  des  Reimes  vertikale  aufzeigen;  so: 


»» • 


•  • 


R  U.  19         j\j^  ^ 
.    „   19a       jUw^^WJ» 
B  I.    7  ^\Sj  j.^^\  o^  •  •  • 

„   „  10         \^^* 

„   „    8         bu  Aj^s  ^;,\ 

„   „  11  ^^*  aj*^  o^  <J*  •  •• 

N  I.    9  o'/^  t^ 

„   »  10  o^*^  o^r^  •  •    • 

R  XXII.  5  jLi*  oy^ 

»       «      7     M^^^ 

Daß  aber  diese  Eunstform  so  gerne  gerade  im  Metrum 
Basit  auftritt,^  bedarf  keiner  weiteren  Erklärung;  keines  eignet 
sich  wie  dieses  mit  seinen  scharfen  Einschnitten  so  gut  dazu.^ 


^  Aaf  einiges   davon,   R.  II.  19    und   Var.  s=  B.  XXII.  7   haben   schon 
Cheikho   \ri,  Note  e),  und  Coppier  p.  110  hingewiesen. 

*  Dasu  vgl.  jetzt  Goldziher  in  WZKM.  XVI.  328  unten  und  Note  6. 

'  Gleiche  grammatische  Verbindung:  Fa"ftl  mit  vorangestelltem    \-Objekt; 
auch  innerhalb  des  Tar^f  häufig  (Goldziher  1.  n.  313,  Z.  4). 

^  Gegensätze. 

»  Auch  außerhalb  des  RitÄ*.  Vgl.  'Abu  Safer:  Hud.  Nr.  264,  Vv.  10—19. 

^  Im  Muta^ftrib  neben  den  aus    al-Hans&'  zitierten  Stellen  noch  Marftti 
84  ult.  86. 1  f. 


Al-9uiBft*  «ttd  ihre  TrM«rlM«r.  45 


8.  Innerer  Bhythmas  und  Harmonie  der  Gtodanken. 

E^  ist  eine  bekannte  Tatsache,  daß  wörtlich  gleichlautende 
Refrains  umso  seltener  vorkommen;  auf  je  höherer  Kulturstufe 
Künstler  und  Kunstprodukt  stehen.^  Lieder  zivilisierter  Völker, 
die  sEUgleich  Kunstprodukte  sein  wollen ,  charakterisieren  sich 
durch  etwaig  vorkommende  Ritornelle  als  einem  leichteren, 
singbaren  Oenre  angehörig;  eine  Erscheinung,  die  uns  auch 
auf  die  richtige  Erklärung  jener  anderen  Tatsache  ftlhrt,  die 
ich  an  die  Spitze  dieses  Kapitels  stelle:  wahre,  wörtlich  über- 
einstimmende Refrains  dienen  zwar  nicht  stets  in  unserem, 
aber  doch  immer  in  historischem  Sinne  musikalischen,  niemals 
rhetorischen  Zwecken,  nämlich  der  Markierung  des  Beginnes 
oder  Schlusses  einer  größeren  rhythmischen  Einheit;  und  nur 
auf  den  unteren  und  untersten  Kulturstufen  darf  die  Musik 
als  von  der  Poesie,  wenn  auch  differenziert,  so  doch  noch  nicht 
geschieden  angenommen  werden.  Auf  höheren  Kulturstufen 
kann  aber  ein  Refrain  nebst  rhythmischen  auch  rhetorischen 
Zwecken  erst  dienstbar  gemacht  werden,  nachdem  er  eine 
Wandlung  aus  einem  bloß  lautlich  formellen,  rhythmischen, 
zu  einem  innere  Wechselbeziehungen  ausdrückenden  har- 
monischen, also  in  der  Poesie  gedanklichen  Element  höherer 
Ordnung  durchgemacht  hat.  J.  Goldziher  hat  in  seinem 
schon  zitierten  Aufsatz  ,Bemerkungen  zur  arabischen  Trauer- 
poesie'' auf  die  Häufigkeit  der  Wiederholungen  im  Rita' 
hingewiesen;  sie  erstrecken  sich  nach  ihm  hauptsächlich  auf  die 
Anfangsworte  aufeinander  ursprünglich  unmittelbar,  später  ge- 
trennt in  Abständen  folgender  Verse;  ja  sogar  ganze  Uemistiche, 
stets   die  ersten,   können   ad  litteram  (vertikal)  identisch  sein. 

Solcher  kunstlosen  Wiederholungen  bietet  uns  der  Diwan 
al-^ansä'  wenige;  ich  weise  hin  auf  T  III.  1 — 4 

(p.  r^  Q  


*  über  die  Häufigkeit  selbst  sinnloser  Refrains,  d.  b.  sich  am  Stropben- 
ende  gleich  wiederholender  sinnloser  Laatgmppen  in  den  Liedern  der 
V^ilden  s.  Grosse  ,Die  Anfänge  der  Kunst'  im  Kapitel  Poesie. 

•  WZKM.  XVI.  307  ff.  Vgl.  auch  PD  »20  Nr.  8.  »34  ff. 


46  IV*  AbtaMidliiiif :    Bhodokftoakia. 


Schon  hier  läßt  sich  aber  eine  gewisse  Variiening  des 
Prinzips  ersichtlich  machen:  In  Vers  1  werden  zwei  Worte 
angeschlagen^  von  denen  eines  bloß  im  zweiten ^  das  andere 
erst  im  dritten  Vers  aufgenommen  wird,  und  zwar  nur  das 
erste  am  Anfang  der  Zeile  (1  und  3  ^^  b  '^\)  während  iSj^ 
den  Anfang  je  eines  zweiten  und  ersten  Halbverses  markiert, 
^>^^^-y<>^  aber  am  Ende  und  Anfang  je  des  dritten  und  vierten 
Verses  steht. 

Ganz  kunstlos  ist  hingegen  die  Häufung  der  Worte 
e,5oU  viermal  in  B  I.  2ff.  (r);  dTU^i  ^\^  viermal  in  R  XXII. 
2  f.  («ri);i  dreimal  in  F  III.  2flF.  (n^),  stets  am  Versanfang. 
H  I.  14—16  (ror)  si^  -  väX^.^-  \^5Lj^.  Ferner  R  I.  4a  und 
5  a  (tv  f.)  ^jge^  ^^^  ^\^  jifo  ^^^  wo  zwei  ganze  Hemistiche 
wörtlich  übereinstimmen;  R  II.  3—5  (vo):  ^J^  —  ji^  ij^ 
8^Ui.  ,>o  ~  ^Ui..     Ebenda  15  f.  (v^): 


j\^- yid^\>\  \ji^  a\3   *    ^^^^W!r^ol5    15 


Bedenkt  man  aber,  daß  V.  16  außer  von  Manuskript  c 
von  keiner  anderen  Handschrift  überliefert  ist,  so  darf  man 
wohl  auch  die  Möglichkeit  in  Betracht  ziehen,  daß  hier  zwei 
Varianten  oder  Doubletten  der  gleichen  Einheit  vorliegen,  be- 
sonders wenn  man  neben  der  horizontalen  Kongruenz  von  15a 
mit  15  b  auch  die  vertikale  von  15  a  mit  16  a  und  die  innere 
Gleichheit  von  15  b  mit  16  b  berücksichtigt. 

Im  Versanlaut  findet  man  als  Abschwächung  der  wörtlichen 
Wiederholung  die  gleiche  grammatische  Konstruktion 
iteriert  in  L  VI.  10  f.  16  — 18.  20  f.  24  f.  29  ( Jj^\  ^\^ 
p.  ''•iff.)>  ^^®^  ^"  ^®^  pseudepigraphen  Versen  L  IV.  2ff.* 
die  gleiche  Form  der  Frage  und  Antwort  mit  variierendem 
Inhalt: 


*  Je  am  Anfang  jeder  Halbzeile. 

'  Admirativer  Ausruf.  Vgl.  Goldziher  1.  n.  310  oben. 

'  Am  Anfang.  Allerdings  werde»  B.  U.  4  f.  von  swei  Handschriften  (^  und 

s^  nicht  gelesen. 
^  l^of.    Die  Verse  sind  von  KabSa  bint  a^-Sajtftn,  cf.  8nppl.  rM  f- 


Al-0«Ut^  und  ihn  Tnuierli«d«r.  47 


Bevor  ich  yon  diesen  Beispielen  einfacher  and  kunstloser 
Wiederholung^  zu  den  bei  al-i^ansA'  mindestens  ebenso  häufigen 
Fällen  übergehe^  in  denen  aus  der  bloßen  Wortwiederholung 
eine  gedankliche  Responsion  höherer  Art  sich  entwickelt 
hat^  will  ich  auf  die  schon  oben  berührte  Tatsache  hinweisen, 
daß  sich  bei  al-][Iansä'  neben  den  horizontalen  und  vertikalen 
Wiederholungen  (von  Halbvers  zu  Halbvers  in  einem  Verse 
oder  von  gleichstelligen  Halbversen  in  aufeinanderfolgenden 
Versen)  auch  gekreuzte  Wiederholungen  finden.* 

Es  ist  zunächst .  als  sehr  gewöhnlich  der  Fall  zu  ver- 
zeichnen,  daß  der  folgende  Vers  durch  eine  Art  Konkate- 
nation  das  letzte  Wort  des  unmittelbar  vorangehenden  wieder 
aufnimmt;  z.  B.: 

PL2f.  (lov) 


NIL  2f.  (rii) 


••  1 


ouyulj  ^^  U.1  ujj^ 


HI.  4 f.  (r«) 

«\jw.    \yiXi   U  O^^^    «^ 

J  I.  1  f.  (roA) 


JU»\m  ^UJ»  ,s^\  ,s^ji>  \>\ 


>v)iü1  .  JLb>  JUjkljo 


*  Tgl.  noch  J  I.  1  und  8  (roA): 

*  Vollständig  ao^ehoben  erscheint  die  rhythmische  Regelmäßigkeit  der 
Wiederholung  in  N  D.  U— 16  (rir)  ^XSJ  (Ua),  dJLXJ  (Üb),  ^\ 
('^*}>  U5^^  (16  b)»  iJ^  (^^*)  ^o  ^^®*®  Worte  mitten  im  Verse  stehen. 


48  IV*  Abhandlung:    Bhodoknnnkis. 

J  III.  1  f.  (rn) 

t 


'   -- 


Sich  kreuzende  Wiederholung  neben  der  Konkate- 
nation in  den  kunstvollen  Versen  N  11.  11 — 13  (r^r): 


LL^j  dJC^».^  JsJ   \j^ y^^   Cj^     *      ^  ^ j  g ^* -     %y^    ct{ 


11 


Beachte:  11*  =  12^;  IP  =  12»;  12^  =  13» 

Nicht  minder  gekünstelt  sind  die  Verse  L  VI.  12  f.  (r-A): 


-^  cy^^  <r^  O^  >^^    *    v>*^.  ^^  5r^  c^^  ^^  ^^ 


l ^U  U  iL^M^uJl  ^^^jüOuM»   •    A         ;,<)^  ^^1  ^vs  U^  13 


12».  Es  genügte  dafür*  der  Sohn  des  *Amr,  ohne  (einen 
Anderen)  um  Hilfe  gebeten  zu  haben;' 

12^  Selbst  wenn  ein  anderer  als  er*  dem  näher  ge- 
standen hätte.^ 

13».  So  stand  er  zwar  (ihm^)  nicht  am  nächsten, 

13^  Und  doch  genügte  er  dem  Stamme  in  dem,  was 
ihn  bedrückte. 

Beachte:  12»  =  13^;  12^  =  13»;  und  die  gedankliche 
Gegensätzlichkeit  dieser  zwei  Halbverse  neben  der  wört- 
lichen Responsion.^ 

Deutlicher  ausgeprägt  findet  sich  eine  Gedankenkon- 
katenation in  L  V.  1 — 3  (i^vf.): 


^  lib  =  ÜL^Ab  (V.  11),  d.  h.  ,Zur  Abwehr  des  Unglücks'  etc. 

'  Der  Kommen tür  verlangt  Jy^.J'^S  aktiv;  aach  die  passive  Lesung  wäre 

möglich:  ,ohne  erst  um  Hilfe  gebeten  worden  zu  sein*. 
*  Wortlich:  als  Du  (in  der  Apostrophe). 
^  D.  h.  die  größere  Verpflichtung  hatte,  gegen  diesen  Schaden  etc.  (üb  = 

dLAA\^)  einzugreifen. 
^  Natürlich  ist  also  die  oben  gegebene  Lesart  von  Vers  18  der  Ja'kübs 

und  von  Ms.  ^   (s.  den  Komm,  ad  1.):    fJUo  ^y^%   vorzuziehen; 

ebenso  diese  der  Versfolge  und  Lesart  nach  ^.^  und  ^^  die  Vers  13 

von  Vers  12  trennen,  da  sie  13  nach  14  stellen  und  ^^b  ^y^^  lesen. 


Al-0aMi«  und  ihn  TnMMrli6d«r.  49 


1»  Ende  =  2*  Ende  {^^)\  2^  =  3»  mit  Variiernng 
des  den   Tod  umschreibenden   Aasdrackes:    ^JJii  yJi  ^  und 

In  größeren  Versabständen  finden  wir  ausgeprägte 
Oedankenresponsion  an  zwei  Stellen:  L.  VI.  14.  16  (c*^) 
und  L.  V.  1.  6  (nv:  n^);  [fraglich  L.  VI.  9.  32  (r-i:  nv)]; 
nicht  unbeachtet  darf  bleiben,  daß  es  in  L.  VI.  14.  16  (und 
L.  VI.  9.  32)  die  je  zweiten  Hemistiche  sind,  die  inhaltliche 
Analogien  aufweisen;  des  Reimes  wegen  neigt  sich  der  Schwer- 
punkt nach  dem  zweiten  Halbvers. 


L.  VI.  14.  ,Auf  einem  (den  Scharen)  engen  (id  est 
drangvollen)  Schlachtfeldc;  dort  wo  der  Tod  seine  Schleppen 
schleift, 

15.  ygriflbt  du  mit  der  Lanze  an  die  (feindliche  Reiter- 
schar) und  wann  sie  nach  rückwärts  sich  wandte  ^  benetztest 
du  ihrer  (Rosse)  Hinterteile  mit  Blut. 

16.  ,Und  edle  (Frauen)  beschütztest  du  am  Morgen  des 
Schlachtrufes';  (Frauen)  die  aus  Angst  ihre  Schleppen  auf- 
geschürzt hatten/ 

Die  Wiederholung  des  gleichen  Reimwortes  im  Abstand 
Eines  Verses  ist  weder  zufUlig,^  noch  nachlässig;  sie  bezweckt 
vielmehr  die  Markierung  zweier  verschiedenen,  aber  kausal  zu- 


^  Dem  ParallelunHU  snfolge  muß  AJüiU  ^  ^ja  in  Vert  S  Sabj  ekt  sein  wie 
die  Analoge  Phrase  in  3;  weahalb  die  bei  Cheikbo  ad  1.  vorgeschlagene 

Konatmktion :  U->  ,^^  ^^  «üLmJI  ^ä^  (Obj.)  minderwertig  ist; 
»verwehrt  hat  die  Genesung,  wer  da  totet  (der  Tod)  vgl.  V.  1* 
,verwehrt  hat  die  Genesung,  wer  die  Seile  festbindet  (das  Schicksal). 

*  Wohl  die  bessere  Lesart  statt  ^^>*^\  ^^^  Textes. 

*  Auch  ^  A^  (cf.  des  Diwftns  I.  Ausg.  v*l)   stehen  diese  drei  Verse  in  der 
gleiehen  Reihenfolge  vereint.  —  Vgl.  Jes.  47.  2. 

Siteaags^r.  4.  pk^-Ust.  OL  CXLYU.  Bd.  4.  Abli.  4 


50  IV.  Abhandlung:    Bliodokanftkis. 

sammenhäDgenden  unter  demselben  Bilde  gedachten  Vorstel- 
lungen: Auf  der  Flucht  vor  dem  Tode,  der  seine  Schleppen 
über  das  Schlachtfeld  zieht,  heben  die  Frauen,  um  unbehindert 
ihm  entrinnen  zu  können,  die  ihren  empor. 

In   L.  V.  1.    hingegen    beginnt    die   I^ide    mit    einem 
MatlaVerse:      

er  starb  von  den  Seinen  fern;  doch  auch  ihre  Nähe  wäre 
nutzlos  gewesen  (V.  1—3),  da  das  Schicksal  unerbittlich  ist; 
an  der  Klage  um  ihn  nahm  aber  in  Abwesenheit  der  Frauen 
(^vj^^  d3\JS  V.  1)  die  unbelebte  Natur  teil  (V.  4  f.).  Vers 
6 — 11  singen  das  Lob  des  Dahingegangenen  und  es  beginnt 
Vers  6  (cf.  V.  1): 


Der  Parallelismus  ist  nicht  bloß  ein  äußerer  lautlicher, 
sondern  und  zwar  vorwiegend  ein  inhaltlich  gedanklicher; 
denn  ein  von  al-Hansä^  wie  im  Rit4*  überhaupt  oft  ausge- 
sprochener Gedanke  ist  es,  daß  der  Tod  gerade  die  Besten 
sich  zum  Opfer  nimmt.     So  hat  er  auch  hier 

,den  Mirdas  auserwählt  vor  den  Menschen; 

,ihn,  den  seine  Freigebigkeit  vor  den  Menschen  aus- 
zeichnete.' 

Auch  in  L.  VI. 


\ jj\y.\  J^Uu   J  CU^I    ♦     J >Jo  ^  io\3JJ\   3S3  32 


könnte  man  ein  Wort-  und  Gedanken  spiel  vermuten  zwischen 
,der  Seele,  die's  verschmäht,  von  ihrer  Klage  abzustehen'  und 
,der  Bergspitze,  die  sich  weigert  von  ihren  Steinböcken  zu 
lassen.'  Doch  ist  dies  wegen  der  großen  Entfernung  beider 
Verse,  mindestens  in  der  erhaltenen  Rezension,  immerhin  frag- 
lich; übrigens  liest  den  9.  Vers  bloß  Eine  Handschrift  (f).  Es 
ist  also  nicht  auszumachen,  wie  viel  vom  Parallelismus  in  diesen 
zwei  Versen  auf  Rechnung  einer  Verwirrung  in  der  Über- 
lieferung kommt. 

Gleiche     grammatische    und     syntaktische     Verhältnisse 
kommen  bei  al-Qansä'   ebenfalls  nicht  immer  in  der  oben  an- 


ll-9ami^  vnd  ilin  TranMÜMler.  51 

geführten  einfacben  Aasfbhrang  als  regelmäßige  Wiederholnngen 
Yor;^  wir  haben  vielmehr  Beispiele^  wo  die  gleiche  syntaktische 
Grappe  (z.  B.  zweigliedrige  Parataxis  mit  3  oder  Disjunktion 
durch  ^\)  am  Ende  des  Verses  durch  mehrere  Zeilen  hindurch 
geht;  und  ebenso  einen  charakteristischen  Fall  von  Wieder- 
holung am  y ersauf ang  mit  einem  gedanklichen  Element ,  der 
Klimax,  verbunden. 

Es  ist  dies  jenes  auch  im  ^or'^n  häufige  3\^  vor  dem 
nach  der  gewöhnlichen  Auffassung  jS>\  ,gedenke  (der  Zeit,  da)' 
subintelligiert  werden  soll;  eine  Verbindung  also,  die  für  das 
in  Reminiszenzen  schwelgende,  meist  ganz  der  besseren  Ver- 
gangenheit gewidmete  Rit4'  wie  geschaffen  ist.  Sie  kommt 
auch  in  5^.  I.  8 — 11  (ivv)  dreimal  nacheinander  vor;  einmal 
(V.  10)  durch  ^1  unterbrochen.* 

8.  ,und  da  bei  uns  (d.  h.  vor  uns  als  Schiedsrichtern) 
die  Häuptlinge  und  die  Rechtsuchenden  ihre  Rechtsstreite 
ftlhrten,  bei  unseren  Zelten; 

9.  ,und  da  unter  uns  Ritter  waren,  die  an  jedem  Kampf- 
getümmel teilnehmen,  wann  (die  anderen)  erschrecken,  und 
Männer  (Durchzielier)  der  Wüsten; 

[10.  ^Wann  der  Krieg  mit  seinen  zwei  Backenzähnen 
knirscht,  die  ganz  Gerüsteten  aber  ihm,  da  die  Schwerter 
blitzen,  begegnen;] 

11.  ,und  da  unter  uns  war  Mu'äwija  b.  'Amr  auf  einer 
rötlichen  Kamelstute,  wie  der  edle  Zuchthengst.' 

Die  architektonische  Steigerung  vom  friedlichen  Rechts- 
streit über  den  mit  bewaffneter  Hand  geführten  Prozeß  auf 
der  Wahlstatt  —  beides  durch  Mitwirkung  oder  Vermittlung 
von  Stammesangehörigen  des  ^'^  und  der  ^*^j  geschehend 
—  bis  zur  Akme,  der  Anwesenheit  des  nun  toten  Helden  beim 
Stamme  selbst,  wird  durch  den  Vers  9a  weiter  ausmalenden 
10.  Vers  unterbrochen,  der  übrigens  auch  die  'id-Reihe  durch 
sein  'idA  durchbricht.    Er  wird  im  Text  bloß  von  Einer  Hand- 


»  Vgl.  in  Ham.  ed  Freyiag  366  f.  ^J\  ^  —  dJ!  ^  —  a5\  ^. 

'  Die  im  folgenden  mitgeteilten  Verse  schließen  sich  an  UJ  ..,a^J?  .  üb  ^\ 
^IaJJ\  nnd  1X3  ^y^^  J^»  also  wiedemm  an  Reminiszeneen  an.  — 
Der  arabische  Text  der  Verse  beginnt  mit:  LUs  5U. 

4* 


52  IV.  Abbaadluig:    Bhodokftaakis. 

Schrift  (^)  gelesen^   von   einer   zweiten  (^)  am  Rande  ergänzt 
und  kann  leicht  eingeschoben  sein.^ 

Syntaktischer  Paralielismas  am  Versende  begegnet 
uns  an  drei  Stellen: 

I.  R.  II.  6.  10.  11.  12.  13.  14.  (35)  p.  voff.« 

6.  ,Vor  dem  Tode  gibt  es  keinen  Ans  weg;  in  seinem 
wechselnden  Eintreffen  liegen  die  Wechselfälle  des  Schicksals; 
and  das  Schicksal  selbst  —  in  seinem  Rollen  ist  Wechsel 
und  Unbestand 

10.  ,Wie  das  kühne  Panthertier  schritt  er  zu  einem  hitzigen 
Kampfgemenge,  bewaffnet  mit  Reißzähnen  und  Krallen. 

II.  ^Nicht  ist  eine  (Milch)kamelin,  ihres  Jungen  beraubt, 
bei  der  ausgestopften  Haut  ihres  toten  Fohlens,  über  die  sich 
die  (Betrogene)  liebevoll  neigt  mit  zwei  Klagetönen:  einem 
leisen  und  einem  lauten; 

12.  ,die  wohl  Nahrung  zu  sich  nimmt  eine  Zeit  lang,  bis 
sie  sich  seiner  erinnert;  dann  (kennt  sie)  nur  (zwei  Dinge: 
verzweifeltes)  Auf-  und  Niedergehen; 

13.  ,die  nie  fett  mehr  wird  auf  Erden ,  mag  diese  auch 
vom  Frühlingsregen  befruchtet  werden;  dann  (kennt  sie)  nur 
Klage  und  gedehnten  Sehnsuchtsschrei  — 

14.  ,nicht  ist  sie  trauriger,  als  ich  es  war  am  Tage,  da 
$abr  von  mir  schied,  aber  das  Schicksal  bietet  uns  Süsse 
und  Bitternis  .  .  . 


^  Zu  einem  zweiten  aus  der  BeAchtang  dieser  Kunstform  sich  ergebenden 
kritischen  Resultat  vgl.  den  Exkurs  über  T^.  I. 

*  Im  Urtext  lauten  die  je  letzten  zwei  Worte  der  Verse: 

j\^\ySL     (6) 

jiiii_,^Ui\  (10) 

jU^jjUil    (11) 

jb'il^JlJl     (12) 

j\^^a^     (18) 

^\^\^.Vl:Ll     (14) 

j\J^\  5  ^US\     (36) 

In  Vers  11 — 14  beachte  die  Gegens&tze.  Form  und  Inhalt  der  konsisen 
Parataxis  und  Antithese  lassen  sich  in  der  Übersetzung  nur  entfernt 
wiedergeben. 


Al*Oaiis&*  nnd  ihre  TnnerlMdar.  53 

35.  yStark   von    Armen ,   man    fürchtet  seinen   plötzlichen 
Überfall;  zwei  Waffen  hat  er:  Reißzähne  and  Krallen/ 

Znm  langen  Intervall  6 — 10  beachte  ^  daß  die  Verse  7 
und  8  bloß  zwei  Handschriften  lesen  (^  nnd  ^)y  so  daß  sich 
nach  den  übrigen  Redaktionen  das  Intervall  anf  Einen  Vers  (9) 
beschränkt.^ 

Ein  Analogen  znr  eben  besprochenen  Hänfnng  zweiglied- 
riger^ parataktischer  Synthesen  am  Versende  finden  wir  zweitens 
in  R.  VI.  3—9*  (i««ff.),  wo  aber  die  Parataxis,  die  schon  in 
R.  II.  11.  12.  14  Gegensätze  verband,  mit  der  disjunktiven 
Entgegenstellung  durch  ^I  iu) wechselt,  letztere  in  Vers  3.  9 
(5:  %). 

3.  ,Die  Leute  wissen,  daß  seine  Schüssel  (zu  ihnen)  kommt 
am  windkalten  Morgen  oder  des  Abends; 

4.  ,Wann  aber  sein  Kochtopf  vormittags  siedet,  welch' 
trefflicher  Herr  ist  er  dann  des  Feuers  und  des  Topfes. 


*  Vers  36  (vgl.  iia,  Z.  4): 

konnte  wohl  eine  Doublette  von  Vers  10  sein  (vgU  i  i  v  pen.): 

Doch  scheint  es,    als  ob  gegen  Ende   des  Gedichtes  die    zweigliedrige 
Parataxis  mit  i  wieder  aufgenommen  würde. 

V.  31  jUr^l^  O^JUX«;  33  ^U5\^  ^'^;  35  jUül^  4»^^* 
Die  Zwischenyerse  32  nnd  34  haben  am  Ende  je  ein  Garr  wama^ür 
mit  folgendem  Nominativ:  jd  0^*^t>  und  !\jl)\  JL^aiP^'  ^^.  Ebenso 
Vers  36  (^)  'ji^  J^^  «nd  30  (r)  j\3^  a^\  J^.  Doch  kann  letz- 
teres auch  zufällig  sein.  Zum  Ausdruck  *an}db  wa-azfdr  vgl.  Goldziher, 
Abh.  zur  arab.  Phil.  I.  101.  ^  Bei  al-Hans&  noch  B.  YUI.  25  (i  i  v  ult). 

*  Mit  Ausschluß  von  Vers  7.  —  Vers  6  und  7  bloß  bei  ^. 

^jJL3\^  ^U3\    4 


54  IV.  Abbaadliing:    Bhodokftnakis. 

5.  ;Bring  seinen  Schützlingen  Kunde:  sie  hätten  einen 
Beschützer  verloren;  der  sie  mit  Federn  schmückte  aber 
nicht  rupfte.^ 

6.  ;Er  wog  ihre  Beschützer  auf  nnd  schenkte  ihnen 
hundertmal  zwanzig  und  zehn 

8.  ySeine  Geschenke  trafen  ihre  Pflegebefohlenen  und 
kamen  zugut  dem  Reichen  und  dem  Armen. 

9.  ,Er  war  die  Zuflucht  jeder  Witwe  und  jedes  (von 
anderen)  zurückgewiesenen^  ob  er  ihn  kannte,  oder  nicht/ 

In  diesem  Zusammenhange  möchte  ich  auch  drittens  auf 
den  besonders  kunstvollen  Bau  von  Z.  I.  hinweisen,  von  dem  es 
schon  in  den  Quellen  heißt  (»«»•):  U^Aii»  ^  •b^^\  dLU^bat^^****  CU; 
ich  gebe  von  den  da  vorkommenden  Parallelismen  eine  Über- 
sicht und  Übersetzung  der  Verse,  obgleich  diese,  wie  schon 
aus  den  mitgeteilten  Proben  hervorgeht,  die  Gleichheiten  und 
Gegensätze  eher  verwischt,  denn  hervortreten  läßt. 

Vers  1  ist  MatlaVers  und  daher  schon  das  erste  Hemistich 
dem  zweiten  analog: 


\j^^  y^jß  ybjJ\    ^^^JLk^^I^    •    \J a.^  UL^  ybjJ\  ^^^Ja5    1 


1.  ,Das  Schicksal  hat  mich  (wie  einen  Knochen)  abgenagt, 
mit  einem  Nagen  und  Schaben;  und  das  Schicksal  hat 
mich  verwundet  mit  einem  Schlagen  und  Zwicken. 


3.  ,Wegen  der  Erinnerung  an  die  (Toten),  die  dem  Schutz- 
suchenden im  Getümmel  solche  waren,  die  mächtig  sind  (und 
helfen),  wann  er  sich  fürchtet; 

4.  ,Als  wären  sie  nicht  Unantastbare  gewesen,  die  man 
scheut,  wann  die  Menschen  zu  solcher  Zeit  nach  dem  Spruch 
vorgehen:  wer  siegt,  hat  die  Beute.' 


^y3  ^^  ^r:A^^  cjlj  5    *    c^-Jt.  ^^  t\jA^  \^\S^ 


5 


1  Zur  Phrase  vgl.  MArfttt  37.  1. 

*  Beachte  in  3  und  4  die  syntaktische  Eigenheit,    daß  ein  ganzes  Satx- 
geflQge  (mit  \>^  beziehungsweise  ^J^)  das  Prädikat  am  £nde  bildet. 


Al-9Mui^  «od  ihn  Tnnerliedflr.  5Ö 

5.  ^auch  waren  sie   die  anserlesensten  Herrensöline  und 
der  Schmuck  des  Stamms  an  Lob  and  Macht^  .... 


\J J  ^  ^\  ^^^  \^\Sy    *    \ ^U,^  ^\y  Uj^  11 


\^  £^  jjü  c-->u»3  ^  cM  *  Vi>^^  cy^  u^  o^  cx^  12 

11.  ,wir  schnitten  ab  die  Stirnlocken  ihrer  Ritter; 
(IIb)  sie  aber  glaubten^    sie    würden   nicht    abge- 
schnitten werden; 

12.  ,wer  aber  glaubt  von  denen,   die  an  den  Kämpfen 
teilnehmen, 

(12b)  er  würde  nicht  getroffen  werden,  irrt;  (wört- 
lich: glaubt  irre).* 


14.  ,Wir  sind  enthaltsam  und  kennen  das  Recht  der  Gast- 
lichkeit und  nehmen  das  Lob  zum  Ruhm  und  Schatz. 

15.  ,Wir  ziehen  an  im  Kriege  Eisenge  web,  und  ziehen 
an  im  Frieden  Seide  und  Flockseide.' 

Es  macht  sich  also  in  der  Klagepoesie  al-l^ans^'s  eine 
Art  parallelismi  membrorum  in  horizontalem,  vertikalem  und 
diagonalem  Sinne  geltend,  der  als  eine  Weiterbildung  der 
kunstlosen  Wiederholung  unverändert  bleibender  Glieder,  vom 
bloß  äußerlich-lautlichen  und  rhythmischen  auf  das  innerlich 
gedankliche  Element  übergreift  und  da  notwendig  auch  Gegen- 
sätze in  sein  Bereich  zieht  als  scharf  zugespitzte  Antithesen. 
So  lesen  wir  schon  IL  Sam.  I.  23  in  Davids  Trauerlied 

^  Zweigliedrige  ParAtaxis;    vgl.   1a   nnd  b,  14.   15.    Zn  Yen  6:  ^  ^ 


▼gl.  oben  41  N.  1  and  beAchte  in  9^  die  AnflOsung  der  in  9*  zosammen- 
gestellten  Glieder  im  Gegensatz  zu  Yen  15. 
«  11*  nnd  \\^  (Uya.  —  \y^y,  11»»  und  12«;   18*  nnd  12»»  (^  +  11«» 

'  Beachte  in  Yers  14  die   Häufung   gleicher  Laute:   ^  c3  ^  in 


56  IV.  AbbftndUnir :    Rbodokftnftkis. 

und  bei  al-öans&'  R.  I.  10  (v-). 

,keu8cher  als  ein  Mädchen  —  tapferer  denn  ein  Löwe'^ 
L.  L  13  (>aa) 

^unzugänglich  bei  unsanfter  —  zugänglich  bei  zuvorkommender 
Behandlung.* 

4.  Die  Fiktion  des  Na'ijj. 

Goldziher  hat  in  jenen  Eigenheiten  und  Kunstformen 
des  Rita'stiles,  die  unter  den  zwei  vorangehenden  Abschnitten 
behandelt  und  auf  ihre  Entwicklung  geprüft  wurden,  Überreste 
des  kunstlosen  Trauersa^^  erkannt,  die  noch  in  der  Elegie 
sich  aus  jenem  erhalten  haben.  Diesen  Beweisen  fUr  die  Ent- 
wicklung des  Rit^^  aus  dem  Trauersag'  wäre  meines  Erachtens 
noch  eine  Gruppe  anzuschließen. 

Es  ist  bekannt,  daß  die  Totenklage  gleich  auf  die  Todes- 
kunde hin  erfolgte  oder,  wenn  der  Beweinte  in  der  Fremde 
gestorben  war,  mit  Eintreffen  der  Trauerbotschaft  begann. 
Ein  Überrest  davon  ist  wohl  die  so  Läufige  Anführung  des 
^\j  d.  h.  Überbringers  der  Todesbotschaft  in  der  Elegie,  an 
dessen  im  Lied  geschilderte  Ankunft  und  Verkündung  sich 
gleich  wilde  Schmerzensäußerungen  anschließen.'  Aber,  wie- 
sehr diese  Form  eben  zur  —  Form  geworden  war,  zum  tech- 
nischen Hilfsmittel  der  Martija,  das  jeden  Anschluß  an  die 
Wirklichkeit  und  jedes  reale  Substrat  schon  verloren  hatte, 
kann  man  gerade  aus  dem  Diwan  al-^ans&'  ersehen,  deren 
Bruder  §abr,  wenn  die  Quellen  nicht  trügen,  daheim  und  nach 
langem  Siechtum  gestorben  war,  die  aber  trotzdem  ihre  Elegien 
auf  ihn  durch  Einführung  des  Nd.'t,  ja  durch  ganze  mit  ihm 
geführte  Dialoge  belebt,  wie  dies  auch  Ibn  ^ais  ar-Ru^ajjät 
noch  tut,^  der  die  Todeskunde  Mus'abs,  der  mit  ihm  kämpfend 

'  Vgl.  Mutammim  auf  M&lik  b.  Nnwaira  in  Nöldekes  BeitrSgen,  p.  100, 
Note  4;  ferner  Wright  op.  99,  Z.  8  ^\  ^^  ,,j^^  j^\  ^^^  jjla^l 

*  Wright,  op.  101,  Z.  2  nnd  6  y.  u.,  Mar&tt  19  alt.  52.  4,  unten;  p.  118 
bis  120  und  120  Note  2.  Ham.  ed.  Freytag  369  V.  2  f.,  386  V.  1, 
388  alt.,  393  Y.  3,  395  alt.  vers.  443  yersas  primas. 

»  Diw&n  Nr.  LIX. 


Al-9Mui*  «Dd  ihre  Tnnerliedar.  57 

bei  Maskin  gefallen  war,  in  seiner  Elegie  auf  ihn  (LI.  Vers  1) 
in  Jasir  empflingt 

So  heißt  es  anch  bei  al-gans4*  R  VIII.  4 f.  (n.)  mit 
spannender  Schildernng  der  erst  unsicher  auftretenden,  aber 
stets  anwachsenden  Gerüchte,  bis  schließlich  die  bestimmte 
Kunde  nicht  bloß  vom  Tode,  sondern  von  der  schon  erfolgten 
Bestattung  $abrs  eintrifft: 

4.  ,ich  aber  hatte  gehört  —  und  wahrlich  darüber  habe 
ich  keine  Freud'  empfunden  —  eine  Botschaft,  die  da  Neues 
brachte:  anschwellend  kam  sie  mit  dem  Hin-  und  Hergehen  der 
Gerüchte: 

5.  ,(Sin^  Botschaft,)  die  da  sagte:  $abr  liegt  im  Grabe 
gebettet  bei  einer  Grube  hingestreckt  zwischen  Steinen.' 

In  J  IL  3 f.  (fi')  ist  es  aber  ein  Weib,^  von  dem  die 
Dichterin  die  Trauermähr  erfährt: 

3.  ,Weh'  mir!  kein  Mitleid  hat  man  mit  mirl  weh'  mir! 
ak  die  Verkünderin  die  Stimme  erhob:  ,an-nadk;'^ 

4.  ,ich  strafte  die  Wahrheit  Lügen,  nachdem  sie  mich 
erschreckt  hatte,  bis  sich  über  unseren  Zelten  erhob  das 
(Klage)geschrei.'' 

*Ain  L  1 — 3  (»0^):  1.  , Ausgerufen  hat  der  Nä'l  den  Ver- 
lust des  Freigebigen  mit  einem  Ruf,  der  bei  Gott!  wird  (weithin) 
vernommen  werden; 

2.  ,Da  stand  ich  auf  —  aber  über  dem  Sehrecken  und 
der  Härte  seines  Verlustes  konnte  vor  Trauer  meine  Seele  nicht 
folgen  (reichte  meine  Kraft  nicht  hin),  — 

3.  ,zu  ihm  zu  gehen;  als  wäre  ich  vor  demütigendem 
Schmerz  ein  Trunkener,  der  einmal  um's  andere  sich  erhebt 
und  niederstürzt.'* 

H  I.  11  (roi)  ,Nicht  hab'  ich  am  Morgen,  da  Sabr's 
Todesbotschaft  kam,  hervorstürzenden  Tränen  geboten,  deren 
stockender  Rest  ausgepreßt  (oder  angesammelt)  worden.^ 


^  Vielleicht  we^en  des  Reime«  dii     ? 

'  Darüber  siehe  im  folgenden  Abschnitt  ,die  Namensanrnfang*. 

*  DwB  keinem  Zweifel  mehr  Ranm  ließ.  Vgl.  J  III.  3  (nv). 

*  Vgl.  noch  B  XVn.  3,  (i  rA). 


Ö8  IV.  Abbaadlvog:    Bhodokanftkis. 

Eine  FortfÜhrnng  der  Fiktion  ist  es  aber  kaum,  wenn 
al-Btansft'  erst  beim  Wehgeheul  der  Klageweiber  (oIä*U)* 
die  ganze  Wucht  ihres  Schicksalsschlags  empfindet: 

J  III.  3  (riv)  ,Nachdem  ich  die  Klageweiber  ihn  be- 
jammern gehört,  duldet'  ich's  ruhig  und  es  ward  mir  gewiß^ 
daß  ich  keinen  Bruder  mehr  hatte^ 

Ihr  Klagegeschrei  macht  allem  Bangen  und  Zweifeln  ein 
Ende  (vgl.  oben  R  VIII.  4 f.);  oder  es  gemahnt  sie  nach  längerer 
Zeit  wieder  an  all  das,  was  sie  verloren. 

um  die  Stimmung  trüber  und  den  Eindruck  düsterer  zu 
gestalten,  läßt  al-l^ansä'  den  Trauerruf  in  finsterer  Nacht 
ertönen  ('Ain  V.  2  p.  n«): 

,Mitten  in  der  Nacht  kam  Sabrs  Todeskunde,  daß  er 
ermordet  sei*  .  .  . 

R  VI.  1  (i-r)  ,Bei  Nacht  klopfte  der  Trauerbote  in 
i^ufaina  an,  mit  der  Kunde  von  den  Söhnen  ^Amrs,  die  alle 
betraf.^ 

Dialogisiert  ist  endlich  das  Stück  L  X.  3f.  (rrr): 

3.  ,Am  Morgen,  da  ein  Trauerbote  von  $abr  kam  und 
mich  aufschreckte  und  als  Erbe  mir  ließ  Trauer  mit  langen 
Sorgen ; 

4.  ,ich  aber  sprach  zu  ihm:  ,Wa8  sagst  du  da?'  Er 
antwortete  mir:  ,Des  'Amrsohnes  Todeskunde  hat  er  gebracht.' 
—  ,Die  ihrer  Kinder  beraubten  mögen  ihn  verlieren!*' 

6.  Die  Namensanrufong. 

Ein  Rest  des  undisziplinierten  Trauersa^'  ist  die  im  Rita' 
so  häufige  Namensanrufung  des  Verstorbenen.  Sie  geht  in 
der  Natur  zunächst  von  der  als  gewiß  angenommenen  Voraus- 
setzung aus,   daß  der  Tote  lebe,^  sei  es  im  Schlafe  oder  in 

^  Es  schloß  sich  eben  gleich  an  die  Todesbotschaft  an;  s.  o.  J  IL  3  f.  nnd 
Tgl.  Wright  op.  102,  Z.  11  f. 

*  ^b^JC*  nach  langer  Krankheit! 

*  Den  Todesboten,  dem  hier  von  al-Han8&*  geflacht  wird  =  er  mOge 
sterben! 

*  Hat  man  jemanden  verloren,  so  raft  man  ihn.  Der  Tote  gilt  als  ab- 
wesend und  wird  zarückgemfen;  vgl.  das  Jiju>k3  ^  im  folgenden  Ab- 
schnitt. —  Über  die  Wiederholung  des  Namens  des  Betrauerten  im 
Tranersa^*  etc.  s.  Goldziher  1.  n.  313. 


A1-0MI8&*  vod  ihr«  TnowlMer.  59 

der  Feme;  und  sie  endet  in  der  Kunst  als  euphemistischer 
Selbsttmgi  der  eine  Möglichkeit  vorspiegelt,  an  die  der  Künstler 
nicht  mehr  glaubt:  es  könnte  der  Ruf  noch  eine  Wirkung 
erzielen. 

Diese  Entwicklung  wird  an  solchen  Fällen  klar,  welche 
die  inkonditionell  gesetzte  Anrufung  des  Toten  ^  mit  der  kon- 
ditional gesetzten  Fiktion  der  Anrufung  vertauschen,  wenn  das 
Bewußtsein,  daß  der  Tote  nicht  mehr  hört,  über  die  Leiden- 
schaft gesiegt  hat.^  Bei  al-^ansft'  findet  sich  kein  Beispiel 
dieses  Ersatzes';  ich  führe  daher  aus  Diw.^  Einl.  ]4f.  zwei 
Verse  des  Duraid  b.  a^-^imma  auf  Mu*&wija  b.  'Amr,  den 
Bruder  unserer  Dichterin,  an:^ 

(V.  5)  ,Sieh'  der  Verlust  traf  am  Tage,  da  ich  rufend 
stand,  aber  nichts  zu  Gehör  brachte  dem  Mu^ftwija  b. 
Amr . . . 

(V.  9)  ,hätt'  ich  aber  von  ihm  mich  vernehmen 
lassen,  so. war'  er  rasch  herbeigeeilt^../ 

Die  Anrufung  ist  zwar  in  Vers  5  gesetzt,  aber  auch  ihre 
Fruchtlosigkeit  zugegeben;   deshalb  in  Vers  9   die  irreale  Be- 


^  Bei  al-QansA'  yt^  b  dreimal  in  L  III.  t— 3  (inr)  am  Versanfang  etc. 
Vgl.  Ham.  ed.  Freytag  402  f. 

*  YgL  die  Charakterisierung  der  Toten  bei  'Amr  b.  Jazid  in  Wright 
op.  102,  Z.  3  f. 

*  R  XIX.  1  f.  (irr)  ylbr  habt  *Amir  gerufen,  aber  ihn  wieder  entfernt; 
den  Mu'ftwija  b.  *Amr  aber  habt  ihr  nicht  gerufen.  Doch  h&ttest  du 
ihn  gerufen,  so  wftr*  er  eilends  zu  dir  gekommen,  schnell  reitend  oder 
laufend  war*  er  lu  dir  gekommen*  gehOrt  nicht  daher.  Worum  es  sich 
da  handelt  und  ob  die  Verse,  die  nur  Manuskript  ^  liest,  al-Uansft*  ge- 
hören, wissen  wir  nicht.  Aber  es  kommt  hauptsächlich  auf  die  Worte: 
^r^  Cx^  ^3^-*^^  )^JoP  a3«  des  ersten  Verses  an,  die  nur  von  einem 
Lebenden  gelten  kOnnen.  (Überschrift  der  Verse:  l^^^l  «^W  «^J^ 
i_*.-^V  ^  Aj^Ijc«.  Es  scheint  sich  um  eine  hier  gerügte  ZurQck- 
setsong  des  [eines?]  M.  b.  'A.  zu  handeln.) 

«  Vgl.  Ham.  ed.  Freyt.  409  den  dritten  Vers: 


■^«MA 


j  ^  U>Ui  -vUJ\  e\     •     4>o  cul».  ,3jJ\  vJL)ji\  ^  jj^\ 


*  Dieser  Vers  erinnert  an  Hans&'  R  XIX.  2.  (S.  o.) 


60  lY.  Abhaodlimg:    Bhodokftnakis. 

dingnng:  wenn  nur  der  Tote  hörte!  Daß  *er  aber  dann  ancb 
sofort  herbeigeeilt  wäre^  mag  noch  seine  stete  Httifsbereitschaft 
im  Leben  lobend  hervorheben.' 

Als  in  einer  anderen  Beziehung  eigentümlich^  muß;  was 
die  Namensanmfdng  des  Beklagten  im  Rit&  anlangt^  der  schon 
oben  mitgeteilte  Vers  J  II.  3  (^t^:)  hervorgehoben  werden:  ^als 
die  Verkünderin  (Ä^UJ\)  die  Stimme  erhob:  ^an-Nada^  (die 
Freigebigkeit).  Der  Kommentar  in  Manuskript  c  erklärt  letz- 
teres: \^sf^  v^wK-LJ^  cj-*^')  vielleicht  meint  al -^ansä^  die  Toten- 
klägerin brachte  nur  den  einen  Ruf  heraus:  ^an-nadk'^  als  sie 
an  die  Runde  von  §abrs  Tode  die  Klage  um  ihn  anschloß. 
Daß  sie  so  tat  und  alle  sie  verstanden  ^  mag  als  die  beste 
Bürgschaft  fUr  seine  Freigebigkeit  gelten.  Wir  könnten 
dazu  *Ain  L  1.  vergleichen:  (»o^) 

und  ebenda  9 f.  (m.:) 

.  .  .  fj^  L3\>j\  c-Ju;.  U  \51  v£u^^ 


So  kann  an  der  Stelle  J  IL  3  annadk  direkt  flir  den  Namen 
^a^r  stehen  und  die  Nä'ija   zugleich  als  N^'i^a  .gedacht  sein.' 

6.  L&  tab'ad. 

Auf  derselben  Stufe  wie  die  iterirte  Namensanrufung  im 
Bitä'  steht  auch  der  in  Klageliedern  so  häufig  verwendete 
Ruf:  wXA^'  ^  mit  seinen  Varianten;  er  dient  meines  Erachtens 
ursprünglich  demselben  Zweck  wie  jene,  sei  es  daß  er  da  bloß 
auf  ^leidenschaftliche  Bräuche'  bei  der  Totenfeier  zurückgeht, 
wie  Goldziher,'  oder  daß  er,  wie  weitergehend  Geyer*  ver- 
mutet, einen  tieferen,  okkult-zauberhaften  Sinn  hatte.  Übrigens 
macht    auch    der    ^x»^  ^-ruf   die    gleiche    Entwicklung    aus 


^  Vgl.  bei  al-Hans&*  'Ain  I.  9 f.  (ti*)*  »^^  ^^  ^^^  ^^  Eintreffen  eines 
Unglücks  befürchtete,  .  .  .  da  rief  ich  gegen  es  den  freigebigen  Sa^r 
und  fand  ihn  . .  .*  (^^^j^\   J^  l^  O^a^). 

*  Vgl.  oben  p.  68  zu  J  HI.  3. 

«  1.  n.  312,  N.  1. 

^  Nach  einer  mündlichen  Mitteilung. 


A1.0«iia&^  und  ihn  TnnerliMl«r.  61 

einem  bloß  leidenschaftlichen  Wunsch  ^  oder  einer  geweihten 
Zauberformel  zn  einer  euphemistischen  Redensart  durch,  eine 
Entwicklung,  die  wir  an  einer  Stelle  unseres  Diwans  werden 
kennen  lernen. 

Er  kommt  zunächst  in  seiner  einfachsten  Form  in  ^Ain  VI 
nlt.  (tu),  Ij;  IL  4  («A.),  N  IL  4  (rii),  J  IV.  3f.  (nv),  (dreimal 
wiederholt)  vor;  in  R  IIL  18  (^r)  finden  wir  das  analoge: 

A  ^  X  6 

\^  /  -  •  •• 

und  daran  den  Wunsch  nach  Benetzung  seines  Grabes  durch 
den  allbelebenden  Regen  geknüpft.^ 

Daneben  finden  wir  bei  al-9ans4'  ebenso  häufig  die 
Verbindung:  (iL)  jcico  ^J^  v.^3U  in  D  XIL  5  (n)  R  VIII.  6 
(» I  • :).  Diese  ist  wörtlich  genommen  eine  contradictio  in  ad- 
jecto,  ebenso  der  im  Suppl.  r^i  Z  15  mitgeteilte  Halbvers 
>Iä>  ^^  ij\>  Ia-miLS»  ^indem  seine  Wohnung  ohne  Entfernung 
fern  ist^  nur  yerständlich,  wenn  wir  an  das  Grab  denken,  das 
in  der  Nähe  liegt,  wenn  auch  der  Begrabene  nicht  mehr  unter 
den  Lebenden ,  das  heißt  in  der  Ferne  weilt.  Diese  contradictio 
in  adjecto  bildet  den  Übergang  zu  einer  dritten  Auffassung, 
die  ich  bei  al-^ansä'  J  IL  24  (m)  finde,  wo  die  Bedeutungs- 
abschwächung-  des  «x^  ^  und  der  Übergang  der  ursprünglich 
Optativen  Enunziation  in  eine  analoge  rein  indikativeund 
bloß  euphemistische  Aussage  erst  vollendet  erscheinen. 

24.  ,ich  schwöre:  nicht  weilt  er  in  einem  fernen 
Lande,  weit  von  den  Seinen; 

25.  ,Aber  seiner  Reise  gab  er  sein  Ziel:^  nicht  hielt 
ihn  zurück  Mann  noch  Frau.' 


»  Vgl.  L  Vn  alt.  (n^),  N  n.  18  {nr)  und  R  XVU.  13  f.  (ir.),  wo  dieaer 
Wunsch  an  die  Erinnernng  der  Freigebigkeit  des  Verstorbenen  an- 
geknüpft wird,  der  nach  dem  geltenden  Bilde  für  die  Armen  selbst  ein 
Frühlingsregen,  d.  h.  Spender  alles  Guten  war: 

12.  ,(Er  war)  Frühlingsregen  den  (in  Armut)  darbenden  und 
ein  Quartier  der  Freigebigkeit  (zugleich:  Ansammlungsort  des  Taues), 
wann  die  Menschen  das  Ausbleiben  des  Regens  fürchteten.' 

13.  ,T ranken  möge  die  Länder,  denen  sein  Grab  anvertraut 
wurde,  der  Frfihlingsguß  der  nächtlichen  Regenwolken.' 

Man  sieht,  wie  den  Toten  dasselbe  gewünscht  wurde,   was  den 
Lebenden  sustatten  kam. 
'  juoSU   liest  die  Handschrift  und  so  ist  gegen  Cheikhos  Korrektur:  U 
feS  EU  behalten. 


62  I^-  Abhandliwir:    Bhodokanftkii. 

Das  ganze  ist  eine  euphemistische  Umschreibung  des  Todes; 
aus  dem  Wunsch:  J],wXÄt?.  ^  wurde  die  Aussage:  ^  J^ub  ^ 
dLJU  ?jJL>;  das  Unabänderliche  der  Schicksalsmächte  kommt 
in  den  Worten  zum  Ausdruck:  X-iAU)\  ^^  ,jaU3\  a^-o  ^.i 

7.  Das  negative  Lob. 

Auch  das  negative  Lob^  dessen  charakteristische  Wich- 
tigkeit flir  das  Trauersa^^  Goldziher  a.  a.  O.  betont  hat,  ist 
bei  al-9ans4'  eine  häufige  Erscheinung;  doch  auch  sie  weist 
schon  eine  beträchtliche  Änderung  und  Abweichung  von  ihrer 
ursprünglichen  einfachen  Physiognomie  auf:*  die  Beliebtheit 
gewisser  gerne  zu  Wiederholungen  gebrauchter  und  nicht 
im  strengsten  ursprünglichen  Sinne  negativer  Lobesphrasen  im 
Rit4'  läßt  sich  nicht  anders  erklären,  denn  als  Fortbildung 
des  rein  negativen  Lobes. 

Dazu  gehören  zunächst  die  nicht  nur  bei  al-Qansä' 
häufigen  o^-Verse  mit  folgender  Negation  (^1);  d.h.  die  hy- 
pothetische Negierung  jener  Verdienste,  die  der  Beklagte 
sich  tatsächlich  erworben,  oder  die  ihm  wenigstens  zugeschrieben 
werden;  ferner  die  Negierung,  jemand  anderer  hätte  auf 
welchem  Gebiet  immer  sich  verdient  gemacht,  ohne  daß 
der  eben  Beklagte  noch  höheres  erreicht  hätte. 

So  haben  wir  zum  Ersten  in  R  IIL  7 — 9  (av  ff.)  drei  oU- 
Verse  mit  Negation: 

7.  ,Als  hätte  er  Keinem,  der  Erfüllung  eines  Bedürf- 
nisses heischte^  , Willkommen'  gesagt  mit  einem  Gesicht,  das 
günstigen  Bescheid  verkündete,  und  mit  offenem  Herzen; 

^  Eine  Reaktion  gegen  das  optat.  j^at^j  ^  in  dem  Sinne,  daß  das  Be- 
wußtsein Yom  bloß  euphemistisch-formalen  Wert  desselben  als  eines 
bedeutungslosen  mit  keinem  tieferen  Zweckgedanken  verknüpften  Segens 
für  den  Toten  sich  durchringt,  bilden  die  Verse  Wright  op.  102  unten: 


Mar&ti  68 


Op.  Wright  109  ult. 


» .  ♦• 


'  Der  zufolge  schlechte  Eigenschaften  verneint  werden. 


Al-0Aiiai*  und  ihre  Tr»Q«rlieder.  63 

8.  ^als  Wäre  er  nie  des  Morgens  mit  Rittern,  die  ihre 
Lanzenschäfte  seitwärts  halten,  ausgezogen,  um  die  Spitzen 
der  braunen  Rndaina-Lanzen  mit  Blut  zu  tränken; 

9.  ,als  hätte  kein  Oast  um  Mitternacht  sich  seinem 
Feuer  genähert,  (das)  auf  Bergesspitze  (leuchtete,)  den  Reisen- 
den unverborgen/    Ebenso  R  XII.  1—3  (irr f.). 

1.  ,Al8  ob  nicht  des  'Amr  Sohn  frühmorgens  aufge- 
brechen  wäre  zu  einer  Razzia  mit  Reitern,  noch  zur  Eile  an- 
getrieben hätte  edle,  schmächtige  (Stuten), 

2.  noch  für  treue  Freunde  sich  eingesetzt,  noch  einen 
Staubesmantel  sich  umgelegt,  den  trüb  die  Pferdehufe  aufge- 
wirbelt hatten, 

3.  noch  in  der  Hitze  der  Mittage  seinen  Helden  zum 
beschattenden  Dach  einen  gestreiften  Mantel  je  gebreitet  hätte/ 
EndUch  ZI.  4  (iic) 

,Als  wären  sie  nicht  unnahbare  gewesen,  die  man 
scheut,  wenn  die  Menschen  rauben,  wo  sie  gesiegt  haben.' ^ 

Diesen  Fällen  brauchen  wir  nur  mehr  jene  einfachen 
entgegenzuhalten,  wo  das  Trauersa^'  z.  B.  einfach  schlechte 
Eigenschaften  negierend  sagt:  *J<uüJ  v!9^  *  J-ri-^H  o*^  ^^-y 
damit  uns  klar  werde,  was  der  Sinn  des  negativen  Lobes  im 
Rit4'  ursprünglich  war.  Meines  Erachtens  bloß  ein  Rechten 
mit  dem  Tode,'  besser  gesagt  mit  jenem  Schicksal  (j^>)t  das 
gerade  im  Ritä'^  eine  so  große  Rolle  spielt  und  dem  in  der 
Elegie  so  oft  geflucht  wird,  gerade  deshalb,  da  es  die  Besten 
fortraffe. 

Obgleich  die  Stelle  F  IL  3  f.  (n^)  nicht  streng  hieher 
gehört,  will  ich  die  Übersetzung  der  in  diesem  Sinne  höchst 
charakteristischen  Verse  doch  hersetzen: 

3.  ,Wenn  der  Tod  mit  uns  gerecht  verführe  und  den 
Edlen   wie   den  Unedlen  fortraffte,   (nicht  bloß  die  Edlen), 

4.  ,Wär'  es  Recht,  daß  der  Tod  uns  immer  wieder  auf- 
suchte und  daß  wir  ihm  nicht  zumuteten,  Schonzeit  zu  halten.' 


^  Zu   diesen  ^l^-Verbindoiigen  weitere  Belege  in  Nöldeke  del.  98.  6  ff. 
Mar&|i  19.  8  l  Harn.  ed.  Freytag  403. 

*  €h>ldaiber  L  n.  809. 

*  VgL  Wright  op.  118,  7  und  6  unten.  PD  820  Nr.  6. 
^  Belege  siehe  im  folgenden  Kapitel  IV. 


V 

Li 


64  lY.  Abhandluif:    Bbodokanakit. 

Dies  bedeatet  auf  die  früher  besprochenen  Stellen  an- 
gewendet,  entweder:  der  Tote  war  weder  feig,  noch  geizig 
u.  8.  w.,-  wamm  raabt  ihn  ans  der  Tod?  Oder:  der  Tod  hat 
ihn  geraabt,  als  war'  er  weder  tapfer  noch  freigebig 
gewesen.^ 

Ebenso  wird  die  oben  an  zweiter  Stelle  angeführte  Variie- 
mng  des  negativen  Lobes,  in  anfeinander  folgenden  Versen 
zn  Wort-  und  Sinnresponsionen  angewendet,  bei  al-Qansä'  L  I. 
4 — 7  (»Aiflf.)  angetroffen.  Die  Alten  nannten  diese  Figur: 
Salb  wa  ^li^kh  (Bejahung  und  Verneinung).' 


J^_l,\  CUJL3  U  s^.^  ^1  j^^  L^  ♦  J^\ IX^  J^I  J^  cuiJb  Ui 


J ^^^^    Ji^^^    ^  3^    *    L5iP\  ^^>^^^  J^-^  ^  vi-^»  U 


4.  ,Denn  nicht  hat  eines  Mannes  Hand  nach  dem  Rahme 
langend,  (ihn)  erreicht,  ohne  daß  höher  gewesen  wäre  der 
von  dir  erreichte  Rahmespreis, 

5.  ,Noch  haben  die  Lobpreisenden  in  ihrer  Rede  einen 
Hymnus  oder  eine  lobende  Beschreibung  erbracht,  ohne  daß 
in  dir  noch  rühmlichere  Eigenschaften  wären,^ 

6.  jNoch  ist  der  Regen,  der  auf  feuchtkompakten,  weichen 
Hügelboden  platzt  mit  triefendem  Guß, 

7.  ,Freigebiger  und  umfassender  im  Wohltun  denn  deine 
Hände;  sondern  deiner  Hände  Gabe  ist  noch  reicher/^ 

Nach  der  Stillisierung  der  Yorangehenden  Verse  4  und  5 
müßte  der  zuletzt  angefahrte  Gedanke  in  vollkommenem  Paral- 
lelismus etwa  lauten: 


*  Vgl.  Harn.  ed.  Freytag  403  den  zweiten  und  dritten  Vers: 


/.       .    .         ......  .-.• 


wo  sich  der  Dichter  gegen  die  Trennung  ihrer  Reisegemeinschaft  durch 
den  Tod  auflehnt,  als  wäre  diese  eine  vom  Tod  eu  respektierende  Not- 
wendigkeit gewesen. 

"  Diw.'  p.  IA£,  Note  d.   Vgl.  Ma'n  h.  *Au8  (ed.  Schwarz)  p.  10. 

*  Beachte  den  Übergang  vom  rühmlich  Handelnden  auf  seinen  Lob- 
sänger mit  Beibehaltung  der  in  Vers  4  gegebenen  Form. 

*■  Er  ist  selbst  der  Natur  an  Freigebigkeit  Überlegen. 


Alp0iiiBft^  und  ihre  TnnwUeder.  65 


Jj^»  ,*^^^^^  ^1  «5^^  ,^y  *  ^x^  jA^  ^^-^^  e^  ^3 

Der  Parallelismas  der  Form  ist  aber  zum  Teil  anfgegeben^ 
der  des  Gedankens  gewahrt;  dieser  selbst,  der  ein  Natur- 
phänomen zum  Vergleich  heranzieht,  in  weiterer  Schilderung 
über  zwei  Verse  ausgesponnen. 

Reines  negatives  Lob,  d.  h.  Verneinung  schlechter  Eigen- 
schaften finden  wir  bei  al-Qansä'  oft  am  Versende,  gerne 
nach  parallelen  Tar§i'gliedem,  die  in  positiver  Weise  Lobens- 
wertes aussagen,  aber  außerhalb  der  Tar^iVeihe,  demnach  als 
innerlich  und  äußerlich  nicht  analoges  Dail  (Anhängsel,  Schleppe) 
des  Verses.^    So  in 

BLll  (i)bVLt  oy^  ^;j 

R  XXIL  6  («ri)    ^UjU  ^  (nach  Tar^f  und  positivem  Lob)    • 

Lm.5(.M)  'v>35(     n  .  .  „  „    ) 

V      n     ^       li  JJ^  %  (    »  n  n  w  w    ) 

„  Xn.  4  (rri)  j^j  55  (nach  positivem  Lob) 

NIV.2(r«)  o^^(    r,  r,  „) 

fi      7)    ^     71  <p^^^  rü*  (    »  n  T)  ) 

n     «    ^(«'«v)  o^;i.;;^(    „  „  „     undTar^O 

Es  ist  eine  Eigenheit  des  'Iftibär,  das  Selbstlob  mit  der 
Negation  schlechter  Eigenschaften,  die  man  nicht  besitze,  ein- 
zuleiten;' es  kann  sogar  der  Hauptteil  des  Gedichtes  jener  ver- 
neinenden Schilderung  eingeräumt  werden  und  nur  ein  kurzer 
Teil  auf  das  positive  Lob  entfallen.*  Bei  Ihn  l^ais  ar-Rul^jjät 
(Nr.  XXXVL  6 — 10)  wird  dieses  negative  Lob  zu  einem  ganzen 
Genrebild  ausgesponnen;  der  Zweck  ist  klar:  Licht  und  Schatten 

^  Vgl.  Kap.  m,  Abschnitt  2  und  3. 

'  Vgl.  noch  die  psendepigraphen   (A^.  XX.  21)  Verse  N  1.6 — 8  (p.  ri«)' 

-  Vi^-*  lifi  —  ^U  5i  —  o^'Ä^  T^  (^  "^^  ®  nach  positivem  Lob  und 
Taitf*);  ebenda  Vers  6:  ^liS?^  -^  ^^. 

»  Cf.  IKR  XXXVI.  6—10,  XXXvril.  18. 

^  Vgl.  bei  al-Hans&*  L  III.  5b  (i^l)  mit  zwei  und  6b  mit  vier  ne- 
gierten schlechten  Eigenschaften  im  Gegensatz  zu  5  a  und  6  a,  welche 
positives  Lob  aasdrücken;  ebenso  L  XII.  4  (m).  In  M  VII.  5  (rrA) 
enthält  der  ganze  Vers  einfach  schlechte  Eigenheiton  negierendes  Lob. 
Sttrangsber.  d.  pbU.-hiai.  Kl.  CXLYII.  Bd.  4.  Abb.  5 


66  !▼.  AbhaBdlwic:    Bhodokanftkit. 

müssen  aaf  dem  Gemälde  verteilt  sein  und  auf  dunklem  EUnter- 
grund  nehmen  sich  lichte  Farben  umso  heller  aus.  Ich  glaube, 
dasselbe  Prinzip  liegt  bei  al-Qansä  J  ü.  6—9  (ni)  zugrunde: 

5.  ,[(es  hatte  mich  das  Schicksal  getroffen  mit  dem  Tod 
des)  süßen,  treuen  Häuptlings,  der  uns  im  regenlosen  Jahre  half; 

6.  ,Aber  es  sind  einige  Leute  feig,  (und  so,  daß)  die 
Beduinen  sie  nicht  im  Stamme  (als  Mitglieder)  wünschen.* 

7.  ,Sie  anerkennen  nicht  die  erwiesene  Wohltat,  ver- 
stehen nicht  das  Raunen  (der  Ginn)  und  rücken  mit  der  Razzia 
nicht  vor. 

8.  ,Wird  der  Kochtopf  beim  Zelt  (eines  solchen)  aufge- 
pflanzt, so  sucht  die  Bittstellerin  einen  anderen  auf.]' 

9.  ,Sieh',  mein  Bruder  war  kein  tölpelhafter  Hirte, 
leeren  Herzens,  kein  (Wächter)  von  Kamelen; 

10.  ,Sondern  er  war  ein  imponierender  Held,  kraftvoll; 
von  seinesgleichen  wollte  die  Heiratslustige  begattet  sein.' 

[11.  ,Nicht  sprach  er  bei  einer  Freien  Tadelnswertes, 
wenn  er  sie  erprobte;  sorglos  war  er  hingegen  mit  der  Feh- 
lenden* — .]* 

Diese  Verse  auf  die  Sulaimiten,  welche  $ahr  nicht  vor 
dem  Tode  retten  konnten  oder  später  ihn  nicht  rächen  wollten, 


^  Entweder  ist  do>LJ\  kollektiv  oder  =  ,die  Bedainin'  (Cheikho  ad  locam 
Note  b).  Vgl.  za  Yen  10. 

'  Es  handelt  sich  also  nicht  bloß  am  Tadel  der  Feigheit  and 
Kampfunlast,  wie  nach  Gabrielis  (p.  134)  und  Cheikhos  (ri  l  Note  b) 
Besiehang  der  Verse  za  erwarten  wäre.     S.  weiter  anten. 

'  ^^o^JLt«J>  wird  vom  Kommentar  =  (g^ö^\)  AXjL^Ly  '_-i^y  erkl&rt; 
A^LJ\  =  Iä-jJ  ^^^äJSLo  f^j^\  oder  drastischer  =  ^^^iLJ\.  Diese  Er- 
kllrang  wirft  aaf  Vers  6  b  und  1 1  ein  Licht.  Es  hieße  unsere  kultu- 
rellen Vorstellangen  in  eine  ganz  anpassende  Zeit  verlegen,  wenn  wir 
diese  Verse  einer  Schwester  auf  ihren  Bruder  unzart  fänden.  Man  ver- 
gesse nicht,  daß  in  der  Epoche  der  ewigen  Stammfehden  alles  auf  die 
Zuchtwahl  ankam. 

^  Ich  glaube  in  Anbetracht  des  vorangehenden  Verses,  XxA  =  , -^«^l 
(vgl.  .yi  I  und  VIII)  habe  hier  eine  sexuelle  Nebenbedeutung.  Beachte 
auch  den  Gegensatz  zwischen  ili»  and  dOAlÄl\.  —  L^\  iJl^  üt 
Prädikat  eines  unausgesprochen  bleibenden  Subjekts.  Der  Kommentar 
unseres  Textes  za  diesem  Verse  erkl&rt,  wie  schon  Cheikho  Note  a  be- 
merkt, nichts.  —  Zum  kalturellen  Moment  vergleiche  die  Ursache  von 
Mu'&wijas  Tode  bei  Gabrieli  109  (ubi  fontes).  Vei«  7—11  machen  einen 
sehr  altertümlichen  Eindruck. 


Al-ganiBfc*  und  ihre  Tnutrltoder.  67 

ZU  beziehen,  wie  es  Gabrieli  p.  134  und  Cheikho  ni  Note  b 
tan^  ist  eine  allzn  gewagte  Spezifizierung.  In  den  Versen  1 — 5 
schildert  die  Dichterin  ihren  schweren  Verlust;  9  ff.  enthalten 
das  Lob  Sabrs,  und  zwar  beginnt  Vers  9:  ^y^  ,^1  ^\  und 
Vers  10:  ^^\  ^.  —  Was  ist  natürlicher  als  die  vorange- 
henden Verse,  die  alle  erdenklichen  Mängel  und  Charakter- 
miseren aufzählen,  als  da  sind  Feigheit,  Undank  und  Geiz,^  als 
das  KoroUar  der  folgenden  anzusehen,  denen  sie  durch  den 
Gegensatz  erst  Wert  und  Gewicht  verleihen?  ,Zwar  sind  viele 
Beduinen  so  und  so ... ;  aber  ihnen  gleicht  mein  Bruder  nicht.' 
Dann  würde  in  Vers  10  ^j\  i^\  ,^  ein  positiver  Lobspruch 
folgen,  der  in  Vers  11  wieder  der  Negierung  einer  schlechten 
Eigenheit  wiche:  j^^\  «5^.  ^9  dabei  wäre  auf  den  Parallelismus 
im  Ausdruck  und  Gegensatz  des  Gedankens  zu  Vers  7  (j^^.  ^ 
c3^l)  hinzuweisen,  in  dem  eine  gute  Eigenschaft  (Anerkennung 
der  ihm  erwiesenen  Wohltat)'  dem  Verächtlichen  abgesprochen 
wird,  während  von  seinem  Gegenbild  $abr  in  Vers  11^  eine 
ebenso  schlechte  (Tadelnswertes  reden)  negiert  wird.  Einen 
weiteren  gegensätzlichen  Parallelismus  würde  ich  in  Vers  10 
und  6  erkennen,  falls  man  in  diesem  Verse  ^.>^J^  nicht  kollektiv, 
sondern  individuell  auffassen  wollte.^ 


8.  Der  Trost. 

Für  die  Psychologie  des  arabischen  Trauerliedes,  mithin 
auch  für  den  psychischen  Gehalt  der  altarabischen  Poesie  über- 
haupt sind  die  Trostgründe  sehr  charakteristisch,  die  im  Rita' 
natürlicherweise  eine  Rolle  spielen.  Am  meisten  charakteristisch 
für  den  arabischen  Geist  überhaupt  dürfte  das  J^Ü  sein.^  Ein 
Beispiel  davon  bei  al-^ansä*  S  IL  11—14  (»orf.). 


>  Vgl.  oben  p.  66,  N.  2. 

'  «^_ß  dankend  anerkennen.  Oder:  , Sie  sprechen  nichts  Anerkennenswertes*. 

'  In  Manuskript  ^  und  v.^,  wo  Vei-se-  1—8,  also  auch  7  fehlen,  fehlt  auch 
Vers  11. 

♦  Vgl.  oben  p.  66,  N.  2  und  N.  4. 

^  Der  Trost    durch  Anblick  fremden  Jammers.    Vgl.  Kftm.   p.  9.   —  Vgl. 
Harn.  ed.  Freytag  389  den  vierten  Vers: 


6» 


68  IV.  AbhADdloDg:    Hhodokanakis. 

11.  ,Wäre  nicht  die  Menge  derer  ^  die  rings  am  mich 
über  ihre  Brüder  weinen ,   so  hätt'  ich  mir  ein  Leid   angetan: 

12.  jDoch  immerhin  seh'  ich  eine  ihrer  Kinder  beraubte 
(Matter)  and  eine  Klagende,  die  wegen  eines  Unglückstages  klagt; 

13.  ySie  beide  weinen  am  ihren  Bruder  am  (selben)  Abend 
seines  Todes,  oder  am  darauf  folgenden. 

14.  yZwar  beweinen  sie  keinen ,  der  meinem  Bruder 
gliche,  doch  tröste  ich  mein  Seelenleid  über  ihn  durch  die 
Rücksichtnahme  (auf  das  Leid  jener).' 

Dieser  primitive,  psychologisch  wohlbegründete  und  nur 
ethisch  anfechtbare  Trostgedanke  beruht  auf  dem  hodie  mihi, 
cras  tibi  mit  praktisch-schadenfroher  Nutzanwendung.  Es  ist 
überhaupt  merkwürdig,  wie  sehr  auch  sonst  im  Rita'  die 
Schadenfreude  eine  Rolle  spielte,  die  der  Stellung  entsprochen 
haben  muß,  die  ihr  im  natürlichen  Seelenleben  der  Araber 
zukam.  Auch  II.  Sam.  I,  20,  im  Davidischen  KlageUed  finden 
wir  einen  ähnlichen  Gedanken  ausgesprochen: 


pbpTO  nnna  nti?an-^K 
OTü^jB  man  nsn&vn  |fi 

die  Angst  vor  der  Schadenfreude  des  Feindes,  ein  Thema,  wie 
es  ähnlich  auch  im  arabischen  Rita'  wiederkehrt.  Bevor  ich 
an  die  echten  Ritä'stellen  gehe  und  sie  nach  diesem  Gesichts- 
punkte gruppiere,  will  ich  aus  einem  Liede  §abrs,  des  Bruders 
unserer  Dichterin,  einen  Vers  zitieren,  der  wie  manch  anderer 
desselten  Fragments*,  dieses  in  die  Kategorie  der  ,Selbstklage* 
einreiht,  mit  der  die  alten  Araber  oft  von  dem  Leben  Abschied 
nahmen.*     (Suppl.  rvi  3  unten:) 


■ir*  -^.y  >M  v:X^-äw^    ♦    ÄjI^  ,J  ^/  Ja  J>  ^^> 


*  Vgl.  PD  337  f.  und  Harn.  ed.  Freytag,  p.  440,  zweiter  Vew: 

j\  uu^  \^^ii  ^>u^j\ ;:;,  ^vj  ^^ 

*  Suppl.  rvi   unten   bes.    Vers  1  und  2,  Z.  10.  8  von   unten;    cf.  Diw.*, 
Einl.  p.  19. 

*  Vgl.  Harn.   ed.   Freytag  453  f.    Güldziber   1.   u.   314  oben  316,    Note  1. 
Wrigbt  op.  115  letzter  Absatz.    Mutalammis,  ed.  Völlers  XVII. 


Al-0uui^  und  ibre  Tnnerlisder.  69 

,Wer  hilft  mir  gegen  mich  selbst?*  Soll  meinetwegen 
ein  Leid  gesehen  werden,  an  dem  ein  Feind  seine  Schaden- 
freude oder  durch  das  ein  Verwandter  einen  Schaden  hat?^* 
Deshalb  braucht  man  auch  keineswegs ,  wo  al-Qansä'  in  ihren 
Elegien  von  ^Schadenfrohen'  spricht  und  ^Schadenfrohe'  ab- 
fertigt,' überall  an  historische  Motive  oder  Fakta,  noch 
an  bestimmte  Individuen  zu  denken.  Es  handelt  sich  da 
meistens  um  ein  Eunstmotiv,  das  einerseits  den  Ausdruck 
'  des  eigenen  Schmerzes  steigern  hilft,  indem  ,zum  Schaden  noch 
der  Spott'  kommt;  andererseits  aber  präservierend  den  Schaden- 
frohen ihre  gute  Laune  nehmen  soll  eben  durch  den  mitein- 
geflochtenen  Gedanken  des  Selbsttrostes,  es  werde  jenen  einst 
ähnlich  ergehen.*  So  finden  wir  in  R  XVII.  15  f.  (ir.)  beide 
Gedanken:  die  unbestimmte  Allgemeinheit  der  Schadenfrohen 
und  das  Trostmotiv:* 

15.  ,Sag'  dem,  der  über  seinen  (Tod)  Schadenfreude 
empfindet:  du  und  der  Tod  steckt  in  Einem  Hemde.^ 

16.  ,Es  lindert  meinen  Schmerz  (die  Gewißheit),  daß 
den  (toten  9ahr)  zweifelsohne  einholen  wird  der,  den  sein 
Fall  sollte  erfreut  haben.' 

Ahnlich,  nur  abgeschwächt,  kehrt  in  M  I.  7  (rr^)  der 
gleiche  Gedanke  wieder: 

,Ist  $abr  gestorben,  nun  so  bleibe  die  Schadenfreude  euch! 
Doch  sollte  keine  Schadenfreude  empfinden,  wem  der 
Tod  bestimmt  ist." 

Deshalb  möchte  ich  auch  R  XXVII.  l^(i«r)  gegen  Cop- 
pier  113  und  Gabrieli  130  Note  8,  die  ihm  eine  historische 


*  D.  h.  wer  rettet  mich  vor  dem  Tode? 

'  Vor  dem  Tode,  durch  den  ich  meinen  Gegnern  Schadenfreude,   meinen 

Freunden  Leid  bereiten  werde. 

Gegen  Gabrieli  133. 

Siehe  diesen  Abschnitt  eingangs. 

Das  selbst  wieder  Schadenfreude  ist;  der  gleiche  Impuls  löst  einen 

ähnlichen  Reflex  aus  und  der  Kreis  ist  geschlossen. 

Du  bist  ihm  gewiß  verfallen. 

Der  Kommentar  hat  hier  Unsinn:   »JU^  ^^^S  ja^   ^  ^b    y^^ 
AJ^^.     Hingegen  TA  (VIU.  883.  D!w.*  rr^  b)   jsjw^J  Jard  ^  Äi\  ^oy 


70  IV.  AbhADdlan«:    Bhodokanalcli. 

Bedentang  unterlegen^^  als  Analogen  zn  den  oben  beleuchteten 
Stellen,  als  gegen  die  Schadenfrohen  gerichtet,  aufgefaßt 
sehen : 


Nur  muß  Ob  optativen  Sinn  haben: 

,0  $abr!  nach  dir  hat  mein  Weinen  mich  aufgeregt; 
dein  Hasser^  (aber)  möge  in  Erniedrigung  und  Ver- 
ächtlichkeit leben!' 

Minder  charakteristisch  als  der  bisher  erwähnte  ist  der 
auch  als  Trostgrund  fungierende  locus  communis  von  der  all- 
gemeinen Hinfälligkeit  alles  Menschlichen.  So  in  R  XVII.  25  f. 
(in  f.) 

yWenn  dieses  Schicksal  ihn  fortgerafft  hat,  und 
(sein  Grab)  die  Regenbäche  verwischen, 

,so  wird  jeder  Lebende  verwesen  und  jedes  Seil  —  noch 
so  fest  gesponnen  —  sich  abwetzen' 
analog  im  Bau  den  Versen  4  f.  in  der  gleichen  fjjiQide  (irAf.) 

,Brüderlein,  wenn  du  uns  auch  verlassen  hast,  und 
der  Besuchsort  weit  entfernt  ist  bis  zu  dir; 

^Wie  viel  Wohltaten  hast  da  doch  gespendet  (als  du 
lebtest),  Armen  und  kleinen  Waisen.' 

Es  mag  dieses  Verspaar  auch  als  spezifisches  Beispiel 
für  das  dritte  Trostmotiv  gelten:  das  dem  Toten  gespendete 
Lob  und  das  für  die  Hinterbliebenen  tröstliche  Bewußtsein, 
daß  er  in  seinem  Leben  stets  wohl  getan ;  da  es  sich  aber  hier 
um  einen  Lobspruch  als  Trostgrund  in  der  Klage  handelt, 
so  werden  wir  die  oben  charakterisierte  Eigenart  des  negativen 
Lobes  im  Rita'  ebenda  als  Negation  des  Trostes  fungierend 
in  folgendem  Vers  erkennen  I^  I.  5  (»vi): 


J^    y^    vi^..«jLß    ^wj^wswüb      *      f^yy^Sj  cUJUo   U  ^\^  ^U 


^  Beide  fassen  ihn  als  Abwehr  gegen  die  ,Tadler'  al-Hansft*s  aaf,  die  der 
Dichterin  ihre  maßlose  Trauer  yorwarfen.  Doch  für  diese  wSre  der 
Ausdruck  ^»^CoLm»  zu  stark.  Bei  den  ,Tadlern*  an  bestimmte  Per- 
sonen zu  denken,  geht  übrigens  auch  nicht  an.  Sie  sind  auch  in  an- 
deren Dichtungsarten  beliebte  Komparsen.  Coppier  denkt  an  al-Hansft*8 
Qatten  Mirda8(?). 

'  Dem  dein  Tod  gelegen  kam. 


AU0aii8&>  and  ihn  Tnntrliader.  71 

fiel  Gott!  nicht  bab'  ich  meine  Seele  getröstet  (mit 
dem  GManken)  an  eine  Untat,  von  der  ich  wüßte,   oder 
eine  Widerspenstigkeit,  (die  er  gegen  die  Seinen  begangen 
hätte);'* 
analog  dem  Verse  l^abrs  auf  Ma^ftwija:' 

,Es  hat  meinen  Schmerz  gelindert'  (der  umstand), 

daß  ich  zu  ihm  nie  gesagt:  Du  hast  gelogen^ ' 

der  aber  durch  negatives  Lob  tröstet. 

9.  Die  Matla*- Verse  und  ihre  Motive. 

Von  51  Stucken  mit  Binnenreim  im  ersten  Verse  unter 
den  111  i^a^tden  und  Fragmenten  im  Dlw&n  al-!^ans&'  (darunter 
die  Einzelverse  mitgerechnet)  tragen  etwas  weniger  denn  die 
H&lfte  (ca.  22)  die  übliche  Selbstaufforderung  der  Dichterin 
zur  Klage  und  ihre  Ansprache  an  das  eigene  Augenpaar 
oder  Auge,  mit  seinen  Tränen  nicht  zu  geizen,  als  einleitendes 
Motiv  an  der  Spitze.  Das  gleiche  Motiv  leitet  aber  auch  ^a- 
slden  ein,  denen  der  Matla*-VerB  abgeht,  so  T  I.  (iv)  D  IX.  (r») 
R  Xm.  (\rry  5  1.  (ro)6  M  VI.  (rrv)»  S  IH.  (loi)  p  I.  (lov)  etc. 
In  Matla*- Versen  finden  wir  daneben  Variationen  zu  diesem 
Thema:  teils  Aussagen  vom  Auge/   teils  aber  läßt  sich  die 

^  Er   hftt  nie    eine   solche    begangen.     Cf.    den  Kommentar   zum    Verse 

Diw.'  ivi. 
>  Aach  Dtw.*  nA  fälschlich  von  al-HansA\  —  Einl.  Diw.*  p.  14,  Z.  2 


Vgl.  Harn.  ed.  Frey  tag  380  den  vierten  Vers  (von  Daraid  b.  af-Simma): 

'  Vgl.  die  Phrase  ^j^»^^  o>^  anch  im  Vers  gegen    die  Schadenfrohen 

R  XVn.  16  (vgl.  oben  p.  69). 
^  D.  h.  du  hast  nie  gelogen;  oder  weiter:  da  hast  nie  einen  Vorwurf 

▼  erdient. 
'  Durchwegs  gleichlautend: 

E  XIII.  jk^\  fjiS\  ^\  ^  t>-jJ4  <$>9^  C^  ^ 

M       VI.   ^iJ^I^mmJ)  n 

'  Daß  es  weint.   So  z.  B.  L  IX.  1  (m): 
Tgl.  D  IV.  1  (Ol  ult):  J\  »3\  jä^  ^\. 


n  n  n 


72  IT.  Abhandlang:    Bhodokanakis. 

Dichterin  der  Vorliebe  für  Dialoge  zu  Beginn  der  ^asiden 
entsprechend  (wohl  von  Elagehelferinnen)  ^  anreden  and  etwa 
nach  der  Ursache  ihrer  Tränen  fragen.     So  z.  B.  in 


L  VI.  1  (r.  I) ^  ^  ^  vi^^-^  ^  ^t 

'Ain  IL  1  (ni)    ^  ^^  .iXJU«3  lT^ 

^  III.  1  (lA.)  .  .  ^\j^  -UJ\  W>U  dCLj*  J^[U 
L  I.  1  (lAr)  ....  J.^-  dCL^  ^GNJ\  vi)jc*.^1 

welches  sämtlich  Matla*- Verse  sind.  Doch  auch  anderen  Ge- 
danken^ wenn  auch  nicht  so  häufig,  gibt  der  gereimte  Anfangs- 
yers  bei  al-Qansä'  Ausdruck,  so  dem  oben  angeführten'  zu- 
nächst liegend  dem  schon  aus  Käbigas  ^  ^9^^^^  wohlbekannten 
Wache-  und  Schlaflosigkeitsmotiv,  das  in  der  altarabischen 
Poesie,  besonders  im  Nasib,  der  erotischen  Einleitung,  sich  der 
größten  Beliebtheit  erfreute.  Da  es  aber  ein  solches  Nasib 
auch  bei  den  männlichen  Dichtern  im  Rit&'  nur  unter  gewissen 
Bedingungen,^  bei  Frauen  jedoch  niemals  gab,  ist  es  begreiflich, 
daß  von  den  altarabischen  Dichtem  und  Dichterinnen  wenigstens 
ihr  Einleitungsmotiv  ins  Rita'  gerettet  wurde,  um  die  Tradition 
und  Gleichartigkeit  zu  wahren.  Ebenso  klar  ist  es  auch,  wenn 
man  den  knappen  Vorrat  poesiefähiger  Gedanken  bei  den 
Arabern  überschlägt,  daß  an  solche  Verse  gern  das  bei  Nomaden 
schon  durch  natürliche  Ideenassoziation  mit  jenem  verknüpfte 
Bild  der  langsam  vorrückenden  Sterne  angeschlossen  wurde. 
All  dieses  findet  sich  auch  bei  al-Hansä';  so  B  VI.  1  (i^) 

,Ich   habe   gewacht,   aber  es  schliefen   um   mein  Wachen 
unbekümmert  meine  Genossen  . .  .** 

Einander  ganz  ähnlich  beginnen  D  IL  1  (««)  und  HI.  1  (r«A): 

)Mein  Aug'  hat  sich  geweigert  (zu  schlafen)  und  zu  seiner 

Ruhelosigkeit    ist   es   (nach  kurzer  Rast)    zurückgekehrt,    und 

ich   brachte   die  Nacht   zu   bekümmert  und  mit   einer  Wunde 

im  Herzen.' 


»  Dartiber  vgl.  das  VI.  Kapitel. 

"  Vgl.   Threni  HI.  51:    ^ttte:*?  r6'?T»  ^rr.   —  Die  Ansprache    an   die  Augen 

finden  wir  natürlich  auch  mitten  im  Gedicht:   H  IV.  4    (i*),   D  XI.  4 

(ii)  analog  dem  ersten  Verse.    Vgl.  PD  316  f.  322. 
»  Vgl.  Goldziher  1.  n.  328  f. 
*  In  R  VIII.  2  (l  •^)  nach  einem  an  die  Augen  gerichteten  Matla'- Verse : 

Jch  wachte  und  schlaflos  bracht'  ich  die  Nacht  zu  .  .  .'. 


AUQ^nsft*  und  ihre  Trmnerlieder.  73 

;Mein  Aüg'  hat  sich  geweigert  za  schlafen  und  sein 
er  hat  es  wieder  heimgesucht  mit  einem  Stäubchen :  drum 
idet  es  nicht  seinen  Schlaf/^ 

An  den  oben  angeführten  ersten  Vers  in  B  VI.  schließt 
aber  als  zweiter  an: 


^Wann   ein  Stern  untergeht  ^   da  beängstigen   mich   ewig 
ehende^  die  zu  ihrem  Ruheort  nicht  heimkehren." 
R  VIII.  1 — 3  (•  •^)  endlich  vereinigt  alle  bisher  erwähnten 
Menden  Motive;  auf  Vers  1  mit  Matla^: 

*  ^CU  5^j^  jdi^  ^\3    *   j\j^  .sfJ^  5^0^  ss^^  cj^  b 


in   Vers   2    das    Wachemotiv:    J^\  3w-i  wüljl  ^\ 

und  Vers  3   lautet:   ^indem   ich  die   Sterne    weidete, 
daß  ich  beauftragt  wäre,  sie  zu  weiden  . . .' 
Das  Altersmotiv/  auch  sonst  aus  l^astdenanßlngen  außer- 
ies  Rit4'   wohlbekannt,*  wird  bei  al-^Jansä'  in  B  VIII.  1 
isiert:^  («o) 

Es  sprachen  Frauen  zu  mir:  «du  bist  grau  geworden  nicht 
Uter!»  «Schon  Leichteres,  denn  was  ich  erlitten  habe, 
as  Haar  ergrau'n.»^ 

Dem  Gruß  an  die  Toten  begegnen  wir  in  B  III.  V'  (»•): 
O  Ibn  afi-Sarid,  trotz  unserer  Entfernung  sei  gegrtlßt  als 

der  nie  ein  elender  Jämmerling  gewesen!^'' 

Der   Taube    verglichen   sich   die   Klagenden   gern®   und 

5t  ihr  Girren  die  Verse  D  IV.  1  (01)  und  *Ain  III.  1  {"^^^^^ 


[•  1  (rcA)  lA\Ji  üb>^U^  „         „ 

.   R  n.  22  (AI),  VIII.  3  (i.^. 

\-^X^j  CJU5  U^  ^^"^  ^^l   Vgl.  oben  B.  VI.  2. 

.  Mar&ti  47.  1  im  Mafia'- Vers  und  mit  dem  Wachemotiv  verbanden: 

•^    ^^   f5Ä  L5--l>  ^-r^.?     •    J ^^5^-^  f>^^  CJ^  J^^' 

dziber,  Kitftb  al-Ma'ammarin :  Einleitung. 

le  Matla*. 

.  Dfw.*  Einl.  14,  Z.  1  (Bahr  an  Mu'&wija). 

.  Goldsiher  WZKM.  1.  n.  p.  333  unten  und  Note  6.    PD.  329,  Nr.  11. 


74  IV.  Abhaodlung:    BhodokanakU. 

beide  ohne  Binnenreim  ein;  ferner  D  XII.  2  (io);  in  5  H.  2 
(»v^),  auf  die  Ansprache  an  die  Augen  im  Majla^- Verse  folgend. 

Schließlich  sei  noch  auf  das  dialogisierte  Motiv  des  Tadels 
und  seiner  Abwehr  hingewiesen  an  den  Stellen  1$.!,  If.  (*v);* 
dem  entsprechend  antwortet  IJ  II.  1  (mit  Matla*)ff.  (p- "") 
einem  fingierten  Tadler,*  wie  D  VI.  2  (oo)  mit  cxc^^^  auch 
auf  solche^  und  zwar  männlichen  Geschlechts  anspielt.' 

Wie  die  bisher  besprochenen  einleitenden  Motive  auch 
an  Stellen  und  in  Versen  vorkommen  ^  die  des  Binnenreims 
entbehren,  so  führen  uns  bei  al-Qans4*  auch  Matla'-Verse  um- 
gekehrt ohne  jede  Einleitung  in  medias  res.  So  D  V.  1  (or), 
das  mit  dem  Lobe  des  Dahingegangenen  und  seiner  Freigebig- 
keit in  origineller  Weise  beginnt,  indem  es  die  geschlachteten 
Tiere  mit  den  gleichen  Wendungen  beklagt  wie  sonst  die  ge- 
fallenen Helden: 

,Weh  dem  Muttertiere  von  ^afers  erwachsenen  Kamelen; 
welch  erwachsenen  Kamelen!  (die  er)  dem  Gaste  und  dem 
Bittsteller  und  dem  bei  Nacht  Ankommenden  (schlachtete),  der 
auf  seine  Bewirtung  hoflfte.' 

Z  I.  (i«r)  hebt  ferner  mit  einer  Klage  gegen  des  Schicksals 
Tücke  an;  L  V.  (i^v)  fttllt  im  wahren  Sinne  des  Wortes  mit 
der  Tür  ins  Haus: 

;Den  Mirdäs  hätte  sein  Mörder  (der  Tod)  vor  allen 
Menschen  auserwählt,  selbst  wenn  seine  Brudersfrauen  und 
Gattinnen  ihn  besucht  hätten  (während  der  Krankheit)' 

und  ähnlich  J  I.:  (roA)  ,Wahrlich  ich  sehe  unter  den 
Menschen  keinen  wie  Mu^äwija  . . . ' 


10.  Berührungspunkte  des  Bitä'  mit  der  Midha.  —  Die 
Zeiten  und  Beweggründe  der  Klage. 

Wenn  al-'A^ma^i  von  der  elegischen  Dichtungsart  ver- 
langt;  daß  sie  mit  dem  Ausdruck  der  Trauer  um  den  Dahin- 
geschiedenen   auch    sein  Lob    verbinde,    so    müssen    sich   bei 


^  Vgl.  den  Exkurs  über  K  I. 

'  Vgl.  Diw.'  Einl.  14.  8  ff.;  von  Duraid  b.  a^-Simma  und  13,  4  unten  Ton 

Sa^r  (an  weibliche  Tadlerinnen). 
>  Vgl.  darüber  Kap.  VI  und  Noldekes  Beiträge  118,  Note  1. 


Al-^uu^^  nnd  ihn  Tranerlieder.  75 

längeren  Nibiien  notwendigerweiBs  auch  Berührangspnnkte  mit 
der  panegyrischen  Dichtung  ergeben.^ 

Eine  der  bezeichnendsten  unter  diesen  ist  das  Lob 
der  Ahnen,  das  hier  stets  in  engster  Verbindung  mit  dem 
des  Beklagten,  meist  durch  Anknüpfung  an  ihn  durch  ^\  (ein 
Sohn  von . .  .)  angebracht,  oft  nur  angedeutet  wird.  Auf  die 
Vorliebe  des  Rit4'  fUr  die  Kunjanamen  hat  schon  Goldziher' 
hingewiesen.  Besonders  häufig  ist  gerade  der  mit  Ibn  gebildete/ 
und  so  mag  sich  aus  dieser  Vorliebe  auch  die  Form  dieser 
Lobesart  herschreiben. 

Beispiele  dafür  lassen  sich  aus  al-^ansä'  beibringen:  D 
IX.  15  (ir)  ^5yü\  ^^\  b  und  16  yt^\  ^\^,  wo  also  des 
Helden  edle  Abstammung  und  sein  doppelter  Adel  väterlicher- 
wie  mütterlicherseits  gepriesen  wird.     Femer 

5  I,  6  (n)  


R  Vni.  8    (m)  J<jJi  ^\^  y^,  M  VI.  3  {rrv)  i^J^JaL\  ^\^, 


Etwas  weiter  ausgesponnen  wird  das  Lob  der  Ahnen 
in  R  II.  28 — 30  (Ar),  doch  auch  hier  bleibt  es  im  engsten 
genealogischen  Anschluß  an  den  eigentlich  zu  Lobenden  selbst: 

28.  .  .  .  ,seine  Väter  waren  Freie  von  gestrecktem 
Körperwuchs. 

29.  ,(£r)  ein  Erbe  des  Ruhms  ... 

30.  ,Ein  Reis  von  edlem  Stamm,  frei  von  jeglichem 
anedlen  Einschlag  .  .  .' 


^  Ifti^Hr  im  Rit&'  in  Z  I.  14 ff.  (tfi  f.),   wo    aber  eine  Handschrift 
(Snppl.  r*^)  statt  der  1.  Pers.  Plar.  überall  die  3.  Sing,  liest. 

'  L.  n.  314  oben  nnd  Note  2. 

•  HansÄ'  D  Xn.  1,  H  IV.  1,  K  I.  4.  L  VI.  2.  12.  31,  N  I.  6.  -  Wright 
op.  109.  2.  Marftti  8.  2  nnd  2  nnt.,  36,  3.  54  nit.,  67  pen.,  02.  2  f.,  97.  3 
und  1,  106.  1.  133  alt.  Harn.  ed.  Freytag  408  ult.,  462  (der  zweite  Vers). 
Lob  der  Ahnen  mit  ^\  angeschlossen  in  Marfttt  20  pen. ^^.15^ \  ^\  b 
(69.  2)  110.  2.  * 

^  Beachte  in  H  I.  6  nnd  R  VIII.  8  die  Anwendung  der  gleichen  Aus- 
drücke Yon  Vater  und  Sohn;  ähnlich  in  N  I.  4. 


76  IV.  AbhftDdlang:    RhodokanakiB. 

Wie  es  hier  ^^  tj^  tj^^  heißt,  so  auch  in  ähnlichem 
Zusammenhang  R  XVII.  2  («rA): 

,Ein  Abkömmling  Yom  Stamm,  der  im  Schenken  edel- 
mütig ist;  es  hoben  ihn  empor  von  den  (Ahnen)  lauter  (Vor- 
fahren) von  reiner  Abstammung/ 

In  eigentümlich  bildlicher  Weise  angedeutet  finden  wir 
das  Lob  der  Ahnen  in  R  VIII.  7  (n  i): 

,Da  trugst  ein  Herz,  das  nichts  sich  bieten  ließ,  ge- 
festigt an  einem  Stammbaum,   der  nicht  gebrechlich  war.'* 

Nebenbei  möchte  ich  noch  auf  eine  andere  Berührung  der 
elegischen  mit  einer  heterogenen,  und  zwar  mit  der  erotischen 
Lyrik   hinweisen;    ich  denke  an  Stellen   wie   R  XVII  4  ('f'^): 


und  'Ain  III.  3  (nr): 

*g_Jlb  .\.X^^  J^^^  ^^     •     ^3>  J^   ^^  \/*^  1-^/^' 

gegen  den  bloß   örtliche  Trennung   von  der  Geliebten   andeu- 
tenden Vers  aä-Samm&bs  (K4m.  6): 

Auf  eine  weitere  im  Rita'  übliche  Form,  das  Lob  des  Toten 
einzuleiten,  hat  schon  Köldeke  in  seinen  Beiträgen  zur  Kenntnis 
der  Poesie  der  alten  Araber  p.  105,  N.  2  und  152  kurz  hin- 
gewiesen. Es  sind  dies  die  besonders  am  Versanfang  übliche 
Phrase :  (•  •  •  \  31)  vj^j^  •  •  J  er*  nnd  die  analogen  Verbindungen 
. . .  J  UNJi  ,^T  und  •  •  •  \31  UNJi  i^\  durch  welche  das  Lob  des 
Dahingeschiedenen  und  der  Ausdruck  der  Trauer  um  ihn  anfb 
engste  verknüpft  werden.    Jenes  ^  bedeutet  dann  abwechselnd 

*  Die  Verbindang  mit  p^  ist  auch  im  Mad^  beim  Lobe  der  Ahnen  sehr 
häafig.  Eine  Zasammenstellung  solcher  Midl^astellen  ist  von  R.  Geyer 
in  seiner  demnächst  erscheinenden  Arbeit  über  *A'äii  eu  erwarten. 

'  Wie  die  Pfeilspitze  am  Schaft.  Vgl.  den  Kommentar  zu  diesem  Verse 
und  den  Exkurs  über  R  VIII  in  Kap.  V.     Zu  beachten  ist  die  negative 

Art  des  Lobes  in  ^Ja^L^  y^  LJi3  und  ^^s^  y*^  < »LoS. 

'  Vgl.  Chalef  al-ahmar  ed.  Ahlwardt  p.  39  ff. 

*  Vgl.  Maräti  131: 


r^^  ^^\  J^ta.  JJU  Ui    •   <ü^^^  ,^^^  ^\  ^^3  ^j^  CUa^U 


AU0aos&*  and  ihre  Tnuierlieder.  77 

r'  bald  ^gegen'  and  wiederholt  sich^  dem  monotonen 
n  des  Rita'  folgend,  gern  durch  eine  längere  Versreihe. 
I  (r): 

,Dnim  beweine  deinen  Bruder  wegen  der  Waisen 
Witwen^  (die  nun  hilflos  dastehn)  .  .  / 
,and  beweine  deinen  Bruder  wegen  der  Reiterschar 
n  Anführer  verloren  hat),  Scharen  wie  WtLstenhUhner . .  / 
,nnd  beweine  ihn  wegen  des  Ritters,  der  sein  Teuer- 
Itzen  soll,  und  des  Bedürftigen  wegen,  so  oft  er  (mit 
nUegen)  wiederholt  kommt/ 
nlich  L  VII  (n^): 

,Und  beweine  ihn  wegen  des  bei  Nacht  Einlaß 
3n,  der  seine  Gabe  heischt  (und  nichts  mehr  findet)^.. } 
,Und  beweine  ihn  wegen  der  Rosse  (und  ihrer  Ritter), 
-  dem  Staub  ein  mürrisch  Gesicht  zeigen  .  .  / 
ließe  sich  dieses  ^^  oft  so  paraphrasieren:  Wenn  du 
3  Darbende  denkst  oder  solche  siehst^  denen  nie- 
3hr  beispringt,  dann  beweine  den  Retter,  den  sie  Ver- 
den. Ein  Vers,  der  wie  B  I.  3  gebaut  ist  und  im 
albvers  mit  ihm  wörtlich  übereinstimmt  B  IV.  7  (ir): 

jU)\^  y3^\^  U^^^    ♦    g_L»  IkSJl^  J.^  ^li.\  ^\a 

.  und  wegen  der  Großmut  und  Freigebigkeit  und  des 
Jchlachtens  der  alten  Kamele' 

zweiten  Hemistich  abstrakte  Eigenschaften  und  eine 
Handlung  an,   durch  3  ftn   das  in  prägnanter  Weise 
te  J  des  ersten  Halbverses  direkt  angeschlossen.' 

Einführung  des  Lobes  in  solcher  Weise,  daß  durch 
onen  und  Erinnerungen  heraufbeschworen  werden, 
en  Stachel  der  fruchtlosen  Sehnsucht  nach  dem  für 
srlorenen  tiefer  senken  sollen:  durch  Aufzählung  von 
,   denen   oder  gegen   die  er  half,  und  von  Zuständen, 

man   sonst  seines  hilfbereiten   Schutzes   sicher   sein 

XXn.  8  (in). 
CB  Nr.  LXXII  (p.  276),  wahrscheinlich  das  Fragment  eines  Rit&'. 

'vu.  6(n^). 

r  die  bessere  Lesart:  dÜk<uLflr^3  lautet. 


78  IV.  Abhudlnng:    ShodokanakiB. 

konnte^  tritt  gerne  in  Verbindung  mit  einer  weiteren  dem 
Rit4^  üblichen  Lobesformel  auf:  dem  admirativ  fragenden: 
lif  . . .  ^\^ 

So  bei  al-^ansä'  an  den  einander  ähnlichen  Stellen  R 
I.  4flf.  (ivflf.)  und  S  IL  2  f.  (io.): 

R  L  4.  ,(Weine)  über  ^^bi*;  ^^^  wo  ist  ein  Mann 
wie  $abr  für  den  armen  Bedrängten,  der  den  ihm  ge- 
schuldeten Blntpreis  nicht  selbst  eintreiben  kann? 

5.  ,Uber  $abi*;  nnd  wo  ist  ein  Mann  wie  9abr  für 
den  Tag  einer  gefürchteten  (Schlacht)  und  die  Besetzung 
eines  (gegen  den  Feind  offenen)  Passes? 

6.  ,und  gegen  den  hartnäckigen  Gegner,  wenn  er 
das  Recht  überschreitet,  um  mit  Gewalt  des  Unterdrückten 
Recht  zu  entreißen? 

7.  ,und  für  die  Gäste,  wenn  sie  nach  der  ersten  Nacht- 
ruhe sich  melden  und  für  den  Nachbar,  dessen  Reittier  er- 
müdet ist,  und  für  alle  Reisenden?' 

S  II.  2.  ,(Weine)  über  i;^abr;  und  welcher  Mann  ist 
wie  l^abr  für  den  Tag  des  gefürchteten  (Treffens)  und  des 
plötzlichen  Lanzenstoßes? 

3.  ,und  gegen  den  hartnäckigen  Gegner,  wann  er 
Unrecht  tut,  um  mit  Gewalt  dem  Vergewaltigten  sein  Recht 
zu  rauben?' 

Den  Sinn  einer  negativ  lobenden  Aussage,  die  in 
solchen  Fragen  liegt,^  kleidet  auch  die  rhetorische  Frage  ein: 
J  xsfj^ij  ^  ,Wer  (gilt)  nach  dir  für  dies  und  jenes,  wer  ist 
einer  Großtat  noch  fähig,  wenn  . . .  ?'  Am  einfachsten  tritt  uns 
ihr  Typus  bei  al-5ansa'  in  *Ain  VI.  4  (m)  entgegen:  ol  ^  cr^ 
«USjJ  ,wer  für  uns,  wenn  ihn  wir  verlieren?'  und  durch  drei 
Verse  fortgeführt  in  'Ain  L  4— 7  (lo^f.). 

4.  ,Wer  (sorgt)  nach  dir  für  der  Gäste  Bewirtung, 
wenn  sie  in  deinem  Hause  sich  niederlassen,  dann  laut  rufen? 

6.  ,Wie  es  ihre  Gewohnheit  war,  als  du  lebtest,  und  da 
ihnen  Gaben  zuteil  wurden,  und  Tränkung  und  Sättigung? 

6.  ,Wer  (hilft)  gegen  die  schwere  Bedrängnis,  die  den 
Nachbar    angefallen   hat,    und    (wer   tritt    ein)    für  eine  ver- 


^  Vgl.  das  ähnliche  L«  Goldziher  1.  n.  p.  310  oben. 

'  D.  h.  keiner  ist  wie  er.  Vgl.  oben  den  7.  Abschnitt,  p.  64. 


AI-9m>^'  und  ihn  Tru6rlied«r.  79 

ste  Angelegenheit  eines  Genossen ,    die  nicht  mehr  ge- 
wird? 

.  ,und  wer  (weist)  einen  Gesellschafter  znrecht,*  der 
seinen  Partner  in  schamlosen  Reden   sich   ergeht,    vor- 

in  Roheit  gegen  ihn  sich  ereifernd?' 

XV.  3flF.  (in): 

,0  §ahr!  wer  (sorgt)  für  den  Angriff  der  Reiterschar, 
sie  angeeifert  wird,  und  für  die  Tiere,  wenn  sie  mit 
teln  gegürtet  werden? 

,und  für  die  Waisen  und  für  die  Gäste,  wenn  sie  bei 
SU  unseren  Zelten  kommen  wegen  eines  Edeltuns,   das 

rühmlich  bekannt  ist? 

,und  wer  (verscheucht)  den  Kummer'  eines  Gefan- 
n  Fesseln,  und  wer  gibt  die  reiche  Gabe  in  schwerer 
ter  Zeit? 

,und  wer  (sorgt)  für  (die  Abwehr)  des  unerwarteten 
Stoßes  und  (wer  springt)  einer  Rufenden^  bei  am  Tag 
eschreis;  mit  razziaerprobten  Rittern?' 
m  sieht,    es  sind   die   gewöhnlichen    Lobesmotive ,    die 

in  wörtlicher  Wiederholung  in   diesen  Versen  wieder- 

oft  sind  sie  nur  ganz  kurz  angedeutet,   so  in  H  I.  7 

)\  Ol  cJuUJÜ  ^,    R  XVIIL  1    (irr)  ybjJ\  ^^\^  ^, 


ioa)   vJ\  o^u»  >\  ^jJ^  ^  und  L  Xin.  3  (rn),   wo 
hnik   dieser  Lobesart  aufgelöst  vor  uns  liegt: 


i\  .^j^\  ei^,  u  ^    •  ^^cu3\5  J^\  ex^o 


t   deiner  Hilfe  wies  ich  die  Härten  (des  Lebens)  zu- 
.  du  (noch)  lebtest;  wer  aber  weist  (jetzt)  das  harte 
ab?* 

i  Zeiten  der  Klage  sind  also  die  Zeiten  der  Not,  wenn 
Verlast   des    Helfers   am    bittersten    fühlbar    macht, 
leißt  es  T  I  (iv): 


I  ^\   d.  h.   einer  nm  Hilfe  rufenden   Frau.     Oder  einer  rufenden 
am  Tage  des  KampfgetOses. 


80  IV.  Abhandlung:    Bbodokanakis. 

1.  ,0  mein  Ang'  wohlan,  weine  am  $abr  mit  reichlichem 
Tränenstrom 7  wann  die  Rosse  von  der  Daner  des  Galopps 
verwahrlost  und  in  schlechtem  Zustand  sind/ 

Oder  L  VII.  4  (m): 

,Weh'  meiner  Seele  um  Safer,  weh*  ihr,  wann  Helden 
mit  Helden  sich  (im  Kampf)  vermengend 

Ahnlich   R   XV.  11    (irv)    ,.   .   .   wann    ein    Reitertrupp 
gegen  einen  anderen  galoppiert  (schnell)  wie  Berggemsen';* 
oder  H  I.  16  (ror): 

, Weinen  mögen  sie,  wann*  die  Lanzen  sich  verwickeln, 
am  Schreckensmorgen  zur  Zeit  des  (Kampf)brandes/ 

Eine  natürliche  Steigerung  dieses  Gedankens  ist  es^  wenn 
eine  solche  Zeitbestimmung  den  Gegensatz  zwischen  Gegenwart 
und  Vergangenheit  oder  zwischen  dem  Betrauerten  und  minder- 
wertigen Charakteren  hervorhebt  und  so  den  Anlaß  zur  Klage 
gibt,  daß  nun  die,  von  denen  man  gleich  Gutes  erwartete^  es 
verderben : 

N  n.  16  (r£r): 

,Drum  beweine  deinen  Bruder,  wegen  seiner  Wohltaten, 
wann  den  Ruhm  vertun,  die  ihn  verwalten  sollten^ 

N  IV.  6  (r£v): 

,.  .  .  der  einen  hohen  Bau  aufführt,  wann  der  Erbauer 
zurückbleibt.'* 


IT.  Pesslmistisclie  Weltanschauung  und  Fatallsmns. 

Je  mehr  die  Philosophie,  vom  bodenlosen  Wolkenbau  ab- 
strakter Spekulationen  sich  abwendend  auf  die  reale  Basis 
naturwissenschaftlicher   Empyrie,   physiologischer  und  psycho- 


»  =B  vn.3(i£)  

R  XV.  11  ^UJ\    JUL«1^  j^         n         •        n  n        n  n  n 

L  VIL4    Jlk^b  JLA  U^\  \3\  ^^,-uJÜ  *  CUi^  jJJ^  „        „        „ 

vgl.  noch  R  IX.  1  (l  Ia)  nach  Manns^ript  ^  und  ^. 
«   ,^^^  für  \  M. 
8  Vgl.  JKR  IV.  6,  8  (87),  V.  3  (91).  Auch  im  Mad^  ist  diese  Antithese 

h&ufig;  nur  muß  sie  dort  auf  den  persönlichen  Gegensatz  beschränkt 

werden. 


Al-9*)u^'  vnd  ihre  Tnnerlieder.  81 

ler  Forschung  sieh  stellt,  desto  mehr  verblaßt  der  Ein- 
;  der  ans  den  trüben  Tiefen  des  menschlichen  Gemüts 
reinste  aller  Geisteswissenschaften  sich  fortspann;  desto 
T  wird,  um  mit  Hieronjmas  Lorm  zn  reden,  der  höfli- 
Vage  nach  des  Nebenmenschen  Wohlbefinden:  Wie  geht's? 
and  Stellnng  einer  Weltfrage  zuerkannt. 
Venu  aber  alles  künstlerische  Schaffen  höherer  Ord- 
lie  Emanation  eines  peripherisch  und  zentral  erregten 
szentrums  ist^  das  neben  einer  angeborenen  Uberempfind- 
t  auch  die  Fähigkeit  besitzt^  das  Übermaß  des  Empfun- 
nach  außen  zu  projizieren  in  der  Art,  daß  von  ihm  auch 
mdes,  nicht  in  der  gleichen  Weise  getroffenes  Bewußt- 
^streift  wird:  etwa  so,  wie  vom  Mittelpunkt  aus,  wo  der 
ns  Wasser  fiel,  die  fortlaufende  Welle  auch  den  abseits 
imenden  Strohhalm  hebt  und  senkt;  so  ist  es  klar,  daß 
Is  mehr  als  in  der  Kunst  pessimistische  oder  optimisti- 
/'eltanschauung,  d.  h.  in  letzter  Linie:  das  Leben  und 
1  entsprungene  Grundstimmung  des  Schaffenden  selbst 
aner  Schöpfung  aufprägen  muß  und  durch  diese  sich 
mpfänger  mitteilen  kann  oft  für  immer,  ihn  aber  stets 
tens  so  lang  beherrschen  wird,  als  er  im  Banne  echter 
steht. 

Is  ist  aber  scharf  zu  scheiden  zwischen  dem  Weltschmerz, 
j  einer  Fülle  bitterer  Lebenserfahrungen  geboren,  oder 
ibgrundtiefen  Gemüt  entstiegen,  aus  überschwänglichem, 
inntem,  sich  überstürzendem  Idealismus  besteht  —  oft 
itzenjammer  ist  und  stets  im  pathologischen  Zeichen 
irer  Belastung  ruht;  es  gähnt,  um  dem  Gebiete. poeti- 
Schaffens  ein  Beispiel  zu  entnehmen,  eine  weite  Kluft 
;n  dem  Weltschmerz  Leopardis,  Byrons  und  Lenaus 
)lbst  der  pessimistischen  Stimmung  der  Reden  Hiobs 
liger  Worte  des  Predigers  und  dem  naturnotwendigen 
3nheitspessimismus  der  Trauerpoesie  aller  Länder, 
und  Völker. 

Isia  dort  deduktiv^  gleichsam  von  einem  Obersatz,  oder 
orgefaßten  Meinung  ausgehend  auf  alle  Einzelheiten  des 
htlichen  und  individuellen  Werdens  übertragen  wird, 
itlich  durch  den  Schleier  einer  Weltanschauun|f  gesehen 
,  das  führt  hier  induktiv  von  Einem  Faktum  zur  pessi- 

piber.  d.  phU.-hist.  Cl.  CXLVII.  Bd.  4.  Abh.  6 


82  IV.  AbhAndlnng:    Rhodokanakia. 

mistischen   Weltanschauung   über,    die    sich   über  jenem   erst 
verdichtet. 

Es  scheint  übrigens,  als  ob  der  Fluch,  der  auf  jeder 
poetischen  Schöpfung  des  altarabischen  Geistes  lastete,  auch 
an  der  dichterischen  Gestaltung  solcher  weltschmerzlichen  Ge- 
danken in  Erfüllung  gegangen  wäre,  die  nun  zum  festen,  not- 
wendigen Bestandteil  der  Trauerpoesie  wurden.  Sie  wären  wie 
sonst  kein  Motiv  geeignet  gewesen  der  individuellen  Auffassung 
des  einzelnen  und  der  selbsttätigen  Gestaltung  seines  Gedankens 
gegenüber  dem  jedesmal  differenzierten  Einzelfall  des  Lebens 
freien  Spielraum  zu  gewähren ;  sie  sind  aber  wie  alle  poetischen 
Motive  der  Araber  in  eine  herkömmliche  Form  gezwängt  und 
gepreßt  worden. 

Es  sind  auch  da  der  Zahl  und  dem  Inhalt  nach  begrenzte 
Erfahrungssätze,  die  stets  in  gleicher  Einkleidung  wiederkehren 
als  nivellierter  Ausdruck  einer  verschieden  erregten  Gemüts- 
Stimmung:  die  Überzeugung  von  der  Nichtigkeit  des  Lebens,^ 
von  der  Fruchtlosigkeit  jedes  Aufschreies  gegen  das  über- 
mächtige Schicksal,^  von  der  Eitelkeit  alles  Hoffens,  der  stets 
genarrten  Erwartung,  die  vom  morgigen  Tage  das  Ende  des 
heutigen  Wehs  gewärtigt,*  und  der  Gedanke,  daß  der  Tod 
zwar  niemanden  verschont*  hoch  und  nieder  ftlUend,^  aber  mit 
Vorliebe  die  Besten  sich  als  Opfer  holt.^ 

Die  uns  umgebende  Realität,  dann  ein  Hirngespinst, 
über  die  Unergründlichkeit  des  letzten,  nie  erforschten  Grundes 
gebreitet,  und  schließlich  eine  Vorstellungsform,  die  von  uns 
selbst  geschaffen  dem  naiven  Bewußtsein  nicht  bloß  für  ewig 
gilt,  sondern  die  Ewigkeit  selbst  bedeutet,  d.  h.  der  Reihe 
nach:  Natur,  Schicksal  und  Zeit  sind  die  waltenden  Mächte, 
die  das  Einzelleben  beherrschen  und  zermalmen. 

Im  Gegensatz  zur  modernen  pessimistischen  Auffassung 
der  Natur  als  der  leblosen  Feindin  alles  Lebenden,   des  ewig 


*  B  Vm.  2  (n),  J  n.  14 f.  (ri£).  Vgl.  Goldziher  1.  n.  383  oben. 
»  R  IL  20  (aj).  Vgl.  Diw.»  Einl.  15.  5.  Harn.  ed.  Freytag  406. 

'  Sappl.  rvo,  Z.  1  in  der  Selbstklage  Sahrs. 

♦  R  XVII.  26   (irr).     Das  einmal    verfehlte  Ziel    trifft  er  später    um  so 
sicherer:  'Ain  in.  5  (\^r)'  Kam.  747. 

»  M  I.  2.  8  (rrA:  rr*-]. 

•  S  I.  2-5  (i£Af.),  IV.  1  (loo),  F  n.  2  (jia),  L  V.  1  (nv). 


Al-9ao8i*  und  ihr«  TranerUedw.  83 

verschlingenden,  ewig  wiederkäuenden  Ungeheners^  wie  sie 
am  klarsten  sich  in  Leopardis  Ginestra  offenbart ,  verlegt 
aber  der  Pessimismus  des  altarabischen  Rita'  den  Schwerpunkt 
seiner  Katurbetrachtung  auf  den  Kontrast  zwischen  der  schein- 
bar beständigen,  ewigen  und  unveränderlichen/  aber  passiven 
Natur  und  der  Hin&lligkeit  und  Vergänglichkeit  des  qualvoll 
bewegten  menschlichen  Lebens;  selbst  dort,  wo  die  Natur  einen 
Wechsel  zeigt,  sind  es  doch  die  gleichen  Formen,  die  in 
regelmäßigem  Wechsel  stets  wiederkehren,  Tag  folgt 
auf  Nacht,*  während  der  Tote  nie  wiederkehrt,' 

Unbekümmert  um  unsere  Sorge  und  Qual  hat  die  Natur 
ihren  Fortgang:  es  ist  ganz  der  Standpunkt  von  ^oheleth  I.  4  ff. 

Das  Schicksal  hingegen  greift  aktiv  ins  Menschenleben 
ein,  bald  zum  Guten,  bald  zum  Bösen,^  doch  am  öftesten  Un- 
heil stiftend;  es  ist  die  pioTpa,  der  nichts  entgeht '^  außer  Gott; ^ 
selbst  das  stärkste  Seil  ist  ja  bestimmt  sich  abzuwetzen  und 
zu  reißen,^  wie  jeder  Sterbliche  dem  Tod  geboren  ist.  Es  ist 
der  Schädling,  der  die  Menschen  durch  sein  plötzliches  Herein- 
brechen erschreckt  und  heißt  deshalb  Parr&r  und  Rajjab^ 
,der  Schädling  und  Erschrecker'.  Es  zernagt  sein  Opfer  wie 
einen  Knochen.^  Darum  wird  zum  höchsten  Lobe  der  Be- 
trauerten behauptet:  wenn  das  Schicksal  je  einen  festen  Besitz 
sich  wählte,  d.  h.  in  seinem  innersten  Wesen  nicht  die  Ver- 
nichtung das  Grundprinzip  wäre,  so  würde  es  gerade  ihn  sich 
zum  Schatz  auf  ewige  Zeiten  aufbewahrt  haben : 


1  Bei  Lebtd  außerhalb  des  Rit^  J\^j3b  ^Sj^  U  jJ\y^  (Nöldeke,  Dei. 
100,  V.  2).  Vgl.  J  I.  6  (ro^)  und  Nöldeke,  Beiträge  etc.  158,  Note  5. 

•  8.  IV.  3  (lao). 

•  'Ain  III.  6  (\^r)  gj^^  yfcjJ\  dJU  jJJ  ^^^  ^y^y 

•  R  IL  14  (v^)  j\j^\'^  •NU.\  ybjJÜ ^. 

•  M.  I.  3  (rrA)  ^^^  J-o^\  i^\j^  aJ^\  ^1-  öor  Vers  bloß  in  Einer 
Handschrift  ^.  —  Ich  kann  die  Vermntnng  nicht  unterdrücken,  daß 
diese  Worte  korrupt  sind  und  mit  .  .  .  ,J^\  (^^^^^  ursprünglich  ein 
Berg  gemeint  war.  Vgl.  J  I.  6  (ro^). 

'  R  XVn.  26  (irr)- 

•  B  I.  1  (i),  R  n.  5  (vo),  J  II.  4  (n  0  j^\j  von  der  das  Schicksal  ver- 
kündenden wahren  Botschaft. 

•  Z  I.  1  (i£r),  p  I.  5  (lov). 

6* 


84  1V>  Abhmdlunf :    Bhodokanakia. 


oder: 


Es  erinnert  diese  Vorstellnng  an  den  maslimischen  Aus- 
druck: *  ^\  Jyuij  jjI  j^I  jdi.  ;l. 

Das  Schicksal  wechselt  in  ewigem  Unbestand,'  darum 
ist  der  Tod  sein  treuer  Bundesgenosse: 

Dieser,  ein  Koeffizient  der  Unbeständigkeit  der  mensch- 
lichen Lose,  muß  ebenso  sicher  eintreffen,  als  jenes  ewig  wech- 
selt; er  kann  ebenso  wenig  gemieden  werden,  als  der  Zustand 
der  Sterblichen  ewig  der  gleiche  bleiben  kann.^ 

Dem  Schicksal  gleichgestellt  wird  die  Zeit  o^i?  ^^  ^^^ 
Auffassung  charakteristisch  ist  das  oben  p.  24f.  mitgeteilte  Frag- 
ment; ich  weise  gleichzeitig  auf  das  zur  Stimmung  solcher 
Stellen  ebendort  gesagte  hin.    In  P  I.  1  (lov) 


wird  sie  dem  Schicksal  ebenbürtig  gleichgestellt^  in  R  XIV.  2  (i  ro) 


und  N  I.  3  (rrs)  ,^Up\  s^,j  vertritt  sie  seine  Stelle.' 


V.  Tahrid. 

Wenn  wir  die  ganze  Poesie  der  alten  Araber  in  zwei 
große  Gruppen  teilen  wollten;  in  eine  positive  und  eine  nega- 
tive, wobei  als  der  letzteren  Haaptrepräsentant  das  Higä',  als 
der  ersteren  das  Madh  anzusehen  wäre,  oder  in  eine  segnende 


»  K&m.  129.  pseudepigr.  N  I.  6  (r£. :)  cf.  Ag.  XX.  210. 
»  R  I.  20  (vr). 
»  D  X.  8  (ir). 

*  R  IL  6  (vo). 

^  Diese  Anffassung  vom  Tode  nähert  sich  an  jene  vom  Hades  als  Aofj-ßavtov 
xai  St$ou(. 

•  Vgl.  Z  I.  1  ^\  Uw^  ybJÜ\  t^^  und  oben  p.  83  zu  Note  9. 
'  Vgl.  oben  p.  83  zu  Note  8. 


▲l-9An<&^  und  ihr«  Ti»a«rli*der.  85 

und  in  eine  verflncbende  Gattung^  so  ist  es  klar,  welcher  von 
beiden  wir  die  Tranerpoesie  anzugliedern  hätten;  und  doch 
wäre  ihre  Charakteristik  nicht  yoUkommen;  wenn  wir  nicht  zu 
ihren  bisher  besprochenen  noch  eines  weiteren  Elementes  der- 
selben-gedächten;  das  gleichsam  ihre  Nutzanwendung^  die  Moral 
der  Fabel  enthält.  Es  ist  dies  ein  Element  ^  das  offenbar  der 
antipoden  Dichtungsart  jener,  dem  Hi^ä',  verwandt  ist.  Zwar 
gegen  den  Feind ,  der  den  Beklagten  ermordet^  wird  fbr  ge- 
wohnlich  im  Rit4'  kein  Spott  losgelassen:  dies  würde  der  seg- 
nenden Weihe,  dem  Ernst,  der  über  dieser  Dichtungsart  liegt, 
Abbruch  tun:  ja  wir  finden  (Dlw.*  Einl.  13,  6  unten)  die  Er- 
zählung davon,  daß  der  von  Freundesseite  ergangenen  Auf- 
forderung, den  feindlichen  Mörder  zu  schmähen,  eben  mit  Hin- 
weis darauf,  daß  der  Moment  Ernsteres  gebiete,  keine  Folge 
geleistet,  und  sie  als  unwürdig  abgewiesen  ward;  eine  Erzählung, 
die  folgenden  Vers  illustriert:^ 

So  spricht  nämlich  $a^r  in  einem  Trauerliede  auf  den 
Tod  seines  Bruders  Mu*&wija.  Denn  nicht  bloß  Klage  ist  es, 
die  der  Tote  heischt,  auch  Rache.  Wo  sie  aber  durch  schmä- 
hende Worte  am  Feind  nicht  genommen  werden  darf,  da  muß 
es  durch  Taten  geschehen;  und  diesen  gegenüber  kann  sich 
die  EUegie  dann  nicht  anders  verhalten,  als  anspornend  in  Auf- 
reizung zum  tätlichen  Ausgleich  des  Streites  und  zur  Blut- 
rache: dies  ist  die  Bedeutung  des  Ta^rid. 

Es  richtet  sich  also  gegen  den  eigenen  Stamm,  der  ob 
seiner  Schwäche,  des  noch  ausstehenden,  nicht  eingehobenen 
Blutpreises  in  empfindlicher  Weise  ironisiert  und  mit  kränken- 
dem Hohn  Übergossen  wird;  und  darum  gemahnt  es  an  das 
Higä';  zwar  ist  das  Ta^rtd  oft  auch  ruhig  und  sachlich;  doch 
wo  es  in  der  Nähe  und  im  Zusammenhang  mit  Ellageversen 
auftritt,  da  scheint  es,  als  ob  die  Nachbarschaft  des  Leides 
die  Lust,  durch  Hohn  zu  kränken  steigerte;  wir  haben  bei 
al-5ans4'  zi*ei  Fälle  (R  VH!,  D  HI),  wo  an  die  Klage  über 
den  Toten  sich  die  tadelnde  Botschaft  an  den  Stamm  Sulaim 
anschließt,  und  dieser  die  Anreizung  zur  Rache  folgt  und  drei 


'  Ebenda  Z.  3  von  unten. 


86  IV.  AbhAndlQDg:    Rhodokanakif. 

Fragmente,  deren  Dank  an  die  stammesfremde  Hand,  darch 
welche  die  Rache  erfolgte,  die  Verachtung  und  Preisgebung 
der  eigenen  Gens  bedingt  und  ausspricht  (R  XI,  'Ain  IV, 
M  II). 

B  vm  (p.  >  •  ^  ff.)- 

Es  ist  das  Prototyp  einer  Elegie,  die  mit  der  Klage  um 
den  Gefallenen  und  seinem  Preise  die  Aufforderung  und  An- 
reizung  zur  Blutrache  verbindet  und  sich  dementsprechend 
vorwiegend  an  die  engeren  Stammverwandten  richtet,  denen 
die  Blutschuld  einzutreiben  oblag. 

Der  Versordnung  des  Manuskriptes  f  zufolge  ist  die  Ein- 
teilung und  Sinnanal  jse  der  ]^§ide  folgende:  nach  der  üblichen 
Einleitung  (Vv.  1 — 3)  ^  werden  wir  durch  die  Fiktion  der  Bot- 
schaft, welche  die  Dichterin  vom  erfolgten  Tode  und  Begräbnis 
ihres  Bruders  angeblich  erst  in  Kenntnis  setzt,  mit  der  Ur- 
sache ihres  Leides  und  ihrer  Tränen  bekannt  (4  f.).  Vers  6 
macht  mit  der  üblichen  Apostrophe  an  den  Verstorbenen: 
^\  eXSwKA^  ^U  v.^.vA>\i  den  ersten  Einschnitt  und  leitet  zugleich 

mit  den  Worten:  j^^^,  ^^^  «:^  ^^y  *  J^j  er*  ^^^  ^^^ 
des  Ermordeten  ein. 

Dieses  erstreckt  sich  über  zwei  Verse  (7  f.)  und  bringt 
einen  weiteren,  hier  bloß  angedeuteten  Gedanken:  das  Lob 
der  Ahnen.*  Denn  wenn  al-Qansä'  in  Vers  7  sagt,  es  sei  das 
Herz  ihres  Bruders  <^UaS  ^  '^j^'  ^^  einem  edlen  Ursprung 
festgefügt  gewesen,^  wie  die  Pfeilspitze  dem  Geschoß  fest  an- 
haftet und  von  ihm  gehalten  sein  muß;  ihn  selbst,  ^a^r^  aber 
(V.  8)  einen  Freien,  Sohn  von  Freien,  nennt,  so  führt  von  da 
der  nächste  Schritt  zum  Panegyrikus  der  Vorfahren.  Dieser 
entfUUt  aber  hier  und  mit  den  folgenden  Versen  (9.  10),  in 
denen  Qansa'  ihren  Bruder  der  lebenslänglichen  Trauer  um 
ihn  versichert,  und  einer  Gemeinschaft  der  Gefühle,  der  zu- 
folge seine  Feinde  stets  auch  ihre  Feinde  sein  werden, 
führt  sie  das  Thema  ein  und  berührt  schon  die  Rachegedanken, 
denen   der  übrige  Teil   des  Gedichtes   (11 — 26)  gewidmet  ist. 


»  Vgl.  Kap.  m.  9. 

>  Vgl.  Kap.  III.  10. 

•  Komm,  zur  Stelle:  J\  dJU\   i_j^  ^^  ^lJlS  ^^>i  ^\jS  '\A  ^  c-^j- 


Al-Bui»i'  und  ihre  Timii6rli«d«r.  87 

Das  Tabrid  erhält  die  Form  einer  Botschaft,  und  zwar 
an  die  Brnderstämme  Qnfäf  and  'Auf  (V.  11),  die  sich  unter 
l^^r  vereinigt  hatten  ^  um  ihn  auf  seinen  Raub-  und  Rache- 
zügen gegen  die  'Asaditen  zu  begleiten.^  Nun  beginnt  al-Qans&^ 
mit  einem  einleitenden,  allgemeinen  Gedanken  von  den  Ge* 
fahren  des  Krieges ,  und  schildert  so  auch  die  üble  Lage,  in 
der  sich  die  Ihren,  dank  den  ausgebrochenen  und  fortzusetzenden 
Feindseligkeiten  befänden :  sie  mögen  also  rüsten  und  mit  auf- 
geschürztem Gewände  kampfbereit  sich  halten:  durch  die 
Schrecknisse  des  Krieges  seien  böse  Tage  angebrochen,  um  so 
schwerer  zu  tragen,  als  $abr  ihnen  zum  Opfer  gefallen  sei; 
sie  mögen  ihn  zwar  beweinen,  doch  um  eine  Aufforderung  zur 
Klage  allein  ist  es  der  Dichterin  jetzt  nicht  zu  tun;  um  auch 
die  Rachsucht  ihrer  Verwandten  zu  wecken,  schildert  sie 
seinen  Überfall  durch  eine  Überzahl,  die  klaffende  Wunde  in 
der  Brust,  aus  der  ein  Blutstrom  quoll,  durch  Lanzen  bei- 
gebracht, die  ihn  von  der  Seite  trafen,  (15 — 18)  und  den  Su- 
laimiten  legt  sie  es  zur  Last,  daß  sie  einen  der  ihren  schutzlos 
dem  Feinde  preisgaben. 

Hier  fällt  vor  allem  auf,  daß  al-Qansä'  gleichsam  als 
Dichterin  eines  unparteiischen  Amtes  waltend,  sich  der  Zuge- 
hörigkeit zum  Stamme  Sulaim  für  den  Augenblick  entkleidet; 
es  hätte  sonst  die  in  Vers  20  irreal  angenommene  Aufhebung 
des  zwischen  ihr  und  ihrem  Bruder  einerseits,  und  den  Sulai- 
miten,  speziell  den  ^Aufiten  und  Qufäfiten  andererseits,  beste- 
henden Verhältnisses  keinen  Sinn.     Es  heißt  dort: 

Vers  19.  ,Er  war  euer  stammverwandter,  gehörte  zu  euch, 
und  war  euer  Gast  unter  euch,  ihr  aber  habt  ihn  nicht  ge- 
schützt mit  (eurer)  Abwehr. 

20.  ,Wär'  es  aber  von  euch  einer  unter  uns  ge- 
wesen, so  wäre  er  nie  ereilt  worden,  bis  (denkwürdige)  Dinge, 
die  Spuren  zurücklassen,  einander  begegnet  hätten.' 

21.  ,Ich  meine  da  jene,  bei  denen  sein  Wohnsitz  war,  ob 
sie  des  Gastes  und  Nachbars  Schutzpflicht  kennend 

,Wir'  und  ,Ihr^  sind  aber  hier  dasselbe  Gros  des  Stammes 
Sulaim^    zu    denen  al-^ansft"    und   $abr   ebenso    gut   wie   die 

1  D!w.*  Einl.  p.  17,  U.  Abschnitt. 

'  D.  h.  sondern  es  hätte  rorber  ein  denkwürdiger  Kampf  mit  dem  Gegner 
stattgefunden. 


88  lY.  Abhandlimg:    Bbod  okanakis. 

Angeredeten  gehörten;  wir  müßten  denn  annehmen,  daß  al- 
Qansa\  die  ^nfäfitin,^  sich  lediglich  an  die  'Anfiten  wendet, 
wie  dies  der  Kommentar  in  Cf  ^^  voranssetzt,  der  unter  jgofaf 
den  Qufäf  b.  Nudba^  also  eine  einzelne  Person  versteht.  Das 
ist  aber  aus  zwei  Gründen  unwahrscheinlich ;  denn  es  ist  kaum 
anzunehmen,  daß  die  Dichterin  einem  ganzen  größeren  Stammes- 
komplex wie  ^Auf  ein  einzelnes  Individuum  gleichgeordnet 
hatte,  um  ihm  in  derselben  Weise  wie  jenem  den  Tod  ihres 
Bruders  als  eine  Unterlassungssünde  vorzuwerfen.  Andererseits 
gingen  aber  die  Stämme  Huf4f  und  ^Auf  gemeinsam  unter 
$abr  vor,  während  des  ^ufäf  b.  Nudba  speziell  in  den  Be- 
richten von  $abrs  Ermordung  nie  Erwähnung  geschieht.' 

Das  eigentliche  Thema  dieser  I^a§tde  bewegt  sich,  wie 
man  auf  den  ersten  Blick  sieht,  von  Vers  11  an  in  einer  steten 
Steigerung.  Zunächst  sind  es  allgemeine  Betrachtungen  über 
die  Qreuel  der  Stammesfehden  und  ihre  Gefahren  für  Sulaim, 
die  al-!Han8&'  den  Ihren  vorträgt;  von  diesen  hebt  sie  dann 
im  besonderen  den  Tod  $abrs  hervor,  den  es  zu  rächen  gilt, 
und  schildert  ihn  mit  realistischem  Detail,  um  desto  lebhaftere 
Vorwürfe  gegen  die  Sulaimiten  zu  erheben,  die  ihren  Bruder 
schutzlos  dem  Feinde  überantwortet  haben.  Im  letzten  Ab- 
schnitt endlich  ergeht  die  Aufforderung  an  Sulaim  die  Schuld 
wettzumachen  und  ihn  zu  rächen:  kein  Schlaf  sei  euch  ge- 
gönnt, bis  ihr  die  Mörder  l^abrs  überfallen  und  in  ihrem  Blut 
eure  Schmach  reingewaschen  habt;  zwei  Murriten*  nennt  hier  al- 
Qansä.^  besonders  mit  Namen,  den  Man§ür  b.  Sajjclr  ^  und  Qu§ain 
b.  Pam^am^  (23),  deren  Leben  sie  von  den  Ihren  fordert. 


^  Vgl.  den  Komm,  zu  V.  11,  p.  \\  r« 

'  P.  I  ir,  Z.  6  im  Gegensatz  zu  ^  im  Komm,  zu  Y.  11,  Z.  2  f.,  p.  i  i  r  und 

K )  ebenda  i  ir,  Z.  5. 

'  Vgl.  außerdem  die  Var.   in  D  HI.  2   Komm.  Z.  4:  UU^  >b\  für   >b\ 

Uli^    ebenfalls    im   Ta^rij,    wo  doch    mit  Huf&f  gleichfaUs    nur    der 

Stamm  H.  gemeint  sein  kann  (p.  ca). 

*  Vgl.  den  Komm,  zu  V.  23,  p.  i  i  V* 

*  ^J-J\  nach  ^,  ^;  ^^J\jJ^\  nach  ^. 

*  Hu^ain  b.  Hum&m  nach  <..^.  —  Welchen  Anteil  gerade  diese  am  Tode 
Salärs  gehabt,  wissen  wir  nicht.  Er  fiel,  wie  aus  R  VII.  1  (t  o)  hervor- 
geht,  Yon  der  Hand  eines  Fak'asiten.  Durch  Murriten  war  aber  Mn*&wija 
gefallen  (s.  D  HE)  und  so  werden  auch  diese,  erst  von  Sahr  heim- 
gesucht, an  seiner  Bekämpfung  teilgenommen  haben. 


▲1.9ftBtft'  and  ihre  Tnni«riied«r.  89 

Einen  ähnlichen  Aufbau  wie  R  VIII  weist  D  III  auf.^ 
Es  gilt  diesmal  Mu'äwija  zu  rächen.  Dieser  war  von  Häfiim 
und  Duraidy  den  Söhnen  Qarmala's^  vom  Stamme  Murra^  ge- 
tötet worden.  Die  zugleich  mit  Sulaim  in  Vers  4  angeredeten 
Banft  Amir  sind  die  ^Amir  b.  Guäam  al-'Amrär  b.  Mu  äwija  b. 
Bakr  b.  Hawäzin,'  die  den  Sulaimiten  eng  verbündet  gewesen 
sein  dürften;  denn  einer  von  ihnen,  namens  J^is  b.  *Amir, 
tötete  später  den  einen  Mörder  Hädim/  während  der  andere 
Duraid  früher  schon  durch  l^abr  gefallen  war. 

Dieses  Tabri(}  beginnt  gleich  R  VIII  mit  der  Klage  um 
den  Gefallenen,  fährt  als  echtes  Spott*  und  Schmählied  fort, 
um  den  Verwandten  und  Verbündeten  die  schimpflich  gedrückte 
Lage  vorzuhalten,  in  der  sie  dank  dem  noch  ungerächten  Tod 
Mu^äwijas  sich  befinden;  und  endet  mit  der  Aufforderung  die 
Schmach  zu  tilgen  und  gefangene  Sulaimitinnen  aus  des  Feindes 
Händen  zu  befreien. 

Der  erste  Teil  (1—3)  hebt  mit  dem  Geständnis  von  der 
Nichtigkeit  und  Vergänglichkeit  alles  Lebenden  vor  dem  Schick- 
sal an.^  Vers  2  und  3  sprechen  in  üblicher  Weise  das  Lob 
des  Verstorbenen  aus:  mit  seinem  Tode  hat  die  Bewirtung  der 
IVemden,  die  Speisung  der  Waisen  ein  Ende  gefunden. 

Erst  Vers  4  leitet  das  spezielle  Thema ,  den  Tadel  und 
die  Anreizung  mit  der  hergebrachten  Formel  ein:  ^^^  \mXA  ^Y 
^t^U^  U-^JL««!.  Die  Botschaft,  die  nun  folgt,  ist  bitterster  Spott, 
den  Nöldeke''  so  zusammenfasst:  ,Der  Feind  weiß,  daß  er 
euch  mit  einem  Schlage  vernichten  wird,  und  daher  vermeidet 
ihr  das  Zusammentreffen  ®  und  freut  euch,  daß  sie  nur  so  gütig 
sind,  euch  euer  Gebiet  ruhig  zu  lassen'  (Vv.  5 — 8). 


1  Vgl.  NOldekes  BeitrSge,  p.  169  ff. 

*  Vgl.  in  Yen  5  Dabjin,  zu  denen  Morra  gehörte. 

*  NOldeke,  Beitrige  160,  Note  6  and  162,  Note  2. 

*  B  XI  (in),  '^n  IV  (n£),  M  II  (rr\). 

»  Vgl.  Kap.  IV. 

*  Vgl.  R  Vm.  11.  Za  Hawftzin  vgl.  Nöldeke,  Beiträge  160,  Note  6. 
^  Beiträge  161,  Note  1. 

*  Vers  6:  ,Dmni  nähert  ench  dem  Lande  (der  Banü  Dübj&n)  nicht,  außer 
einzeln  reisend  (oder  verborgen)  in  Furcht  ror  einem  Heer,    (das) 


90  IV.  Abbaadlanf :    Bhodokanakis. 

Mit  der  Rache,  die  guf&f  b.  Nudba  an  Mftlik  (b.  öim&r)^ 
dem  Führer  der  mit  Dubjän  yerbündeten  Fazftra  gleich  am 
Tage  von  ^aara  nahm  (Diw.*  Einl.  13  oben),  ist  eben  al-Qansä' 
nicht  zufrieden.  Sie  erwähnt  zwar  seine  Ermordung  mit  Genug- 
tuung (V.  9)  ebenso  den  Tod  ,de8  Sohnes  seiner  Schwester*;* 
es  scheinen  aber  von  den  Dubjä^niten  und  Murriten  gelegentlich 
der  Ermordung  Mu^äwijas  oder  später  sulaimitische  Frauen 
geraubt  worden  zu  sein,^  deren  Befreiung  nun  al-^ansÄ'  mit 
den  Worten  verlangt  (V.  9): 

,drum  kein  Friede  (mit  dem  Feinde),  bis  die  (Frauen)  zu 
den  ihren  zurückkehrend  (von  der  Gefangenschaft)  sich  erholen/ 

Der  folgende  Vers  (10): 

,Denn  es  sind  die  Gewohnheiten  (bei  uns)  so,  daß  wir  im 
Kampfe  siegen  werden  und  die  Menschen  suchen  nun  einmal 
ihren  Vorteil'; 

wird  nur  von  den  Handschriften  ^  und  ^  gelesen;  sein  sieges- 
gewisser Ton  paßt  nach  dem  Hohn  von  V.  5 — 8  wie  die  Faust 
aufs  Auge.* 


bei  Sonnenaafgang  (aufbricht).*  Dieser  Vers  fehlte  in  der  Noldeke  da- 
mals vorliegenden  Handschrift  ^.^o. 

^  Für  ^^L«  lesen  ^  und  ^:  j^\jb,  was  falsch  ist.  Dieser  fiel  sp&ter 
durch  GuSam  vom  Stamme  *Amir.  Wäre  dies  zur  Zeit  der  Abfassung 
dieser  Verse  schon  geschehen,  so  hätte  HansÄ  hier  kein  Recht  gehabt, 
eben  die  'Amiriten  in  ihren  Spott  auf  Sulaim  miteinzubeziehen ;  vgl. 
im  Gegenteil  die  später  entstandenen  Fragmente  R  XI,  'Ain  IV,  M  II, 
wo  die  *Amiriten  für  HftSims  Mord  gegen  die  Sulaimiten  herausgestrichen 
werden. 

'  Nach  Cheikho  0 1 ,  Note  a  ohne  Quellenangabe  ist  damit  Duraid  b.  Har- 
mala  gemeint,  den  Sa^r  später  tötete. 

»  Vgl.  R  XI.  2  (irr).' 

*  Gabrieli,  p.  116,  Note  5  nimmt  in  Vers  9  und  10  dieser  Rapide  einen 
späteren  Beisatz  an,  der  erst  nach  vollbrachter  Rache  von  al-I^ansä* 
gemacht  worden  sei.  Der  letztere  Umstand  kann  meines  Erachtens 
bloß  für  Vers  10  geltend  gemacht  werden.  Denn  von  der  vollbrachten 
Rache  spricht  al-Hans&*  trotz  D  HI.  9: 


\  jJ\yfc  ^^jLr,>^>  j^^Xä.  ^  135   •    ^j:^\  ^\^  15ÜU  UJU»  ^  5 

erst  nach    der  Ermordung    Hftaims  b.   Harmala  in  R  XI   etc.    (vgl. 
oben  Note  1)  mit  Hervorhebung  der  Tatsache,  daß  durch  die  Heiden- 


Al-Dao8&v  und  ihre  Tranerliedar.  91 

8    I    (ICA  ff.). 

1.  ,0  Banü  Sulaim,  warum  beweint  ihr  nicht  enren  Reiters- 
mann, der  schwer  zu  ordnende  Angelegenheiten  ench  hinter- 
lassen hat? 

2.  yWas  (aber)  haben  die  Todeslose  (gegen  nns),  daß  sie 
des  Morgens  nnd  bei  Nacht  uns  heimsuchen,  als  ob  wir  durch 
ihr  Beil  stets  gekerbt  würden? 

3.  ,Des  Morgens  ziehen  sie  gegen  uns  los  und  wollen  von 
ans  nicht  ablassen  —  das  Beste  und  wieder  das  Beste  von 
uns  ist  Pfand  den  Gräbern! 

4.  ^Immerwährend  ist's  ein  frischer  Jüngling,  oder  ein 
fester  Ritter,  dessengleichen  nicht  erblickt  wird, 

5.  ,von  uns,  den  unversehens  sie  treffen  —  wenn  Tapfer- 
keit ihm^  nützte,  so  begegnete  er  in  uns  einem  tapferen 
Stamm/ 

Als  Tahrl^  charakterisiert  sich  S  I.  im  ersten  Verse  durch 
die  Ansprache  an  die  ganze  Qens.'  Vers  2  ist  eine  Klage, 
gegen  das  Schicksal,  das  unerbittlich  ist  in  seiner  fortwährenden 
Verfolgung  gerade  der  Besten  (V.  3),  die  es  sich  als  Opfer 
aussucht  —  hier  bricht  der  Spott  herein.    Ihre  Tapferkeit  hat 

tat  des  Kais  b.  'Amir  die  Murriten,  welche  durch  Mu'ftwijas  Tod  über- 
mütig geworden I  das  Gebiet  der  Sulaim  ansicher  gemacht,  nun  ge- 
zwungen seien,  wieder  Ruhe  zu  halten  (R  XI.  2): 


womit  D  III.  8  zu  vergleichen  ist: 

In  demselben  Verse  (R  XI.  2)  wird  aber  «uch  gefangener  Frauen  Er- 
wähnung getan,  welche  die  'Amiriten  nun  wieder  befreit  hätten: 


^^y^3  o^"***^^  L5r^^  ^>*^^  ^* 

und  davon  spricht  auch  D  III.  9: 

aber  als  von  einer  noch  anvollbrachten  Tat,  zu  ihr  auffordernd.  Es 
muß  also  D  III.  9  zeitlich  vor  R  XL  2  fallen,  das  erst  die  vollbrachte 
Rache  verkündet. 

*  Dem  Getroffenen. 

■  Vgl.  R  Vni.  14.  11,  wo  der  Stamm  wie  hier  auch  zur  Trauer  aufge- 
fordert wird;  und  R  VII.  1. 


92  IV.  Abbrndlwiff:    Bhodokanakis. 

ihnen  nicht  genützt;  nützte  sie  nnd  schützte  sie  vor  dem  Tode, 
so  würden  jene  Helden,  die  wir  jetzt  beweinen,  noch  unter 
uns  stehen,  aber  auch  nns^  die  Überlebenden,  anstaunen  als 
einen  tapferen  Stamm:  tapfer  bloß  um  dem  Tod  zu  entgehen.* 

Die  feine  Wendung,  die  das  tiefernste  Gedicht  mit  einem 
satirischen  Aprosdoketon  schließt;  den  pessimistischen  Oe- 
danken,  daß  die  Gefallenen  eben  weil  sie  zum  besten  gehörten, 
gefallen  seien  (3 — 5*),  plötzlich  zum  Spott  und  Hohn  gegen 
die  Überlebenden  wendet,  denen  die  Pflicht  der  Rache  oblag, 
ist  als  für  die  Bestimmung  des  Fragments  ausschlaggebend 
besonders  hervorzuheben. 

Im  Ton  einer  ruhigen  und  eindringlichen  Mahnung  ist 
hingegen  R  VH  (»•'')  vorgetragen: 

1.  ,Wenn  ihr.  Söhne  Suläim,  dem  Stamme  FaVa^  be- 
gegnet, an  einer  engen  Eindämmung  zwischen  rauhem  Terrain, 

2.  ,So  begegnet  ihnen  mit  euren  Schwertern  und  Lanzen 
und  mit  einem  Pfeilregen  wie  der  Wolkenbruch, 

3.  ,Bis  ihr  zersprengt  ihre  Schar!  Und  gedenket  (dort) 
l^al^rs  und  seines  ungerächten  Falles, 

4.  ,Und  der  Ritter  von  uns,  die  dort  fielen  bei  einem 
Straucheln,  das  vom  Schicksal  kam. 

5.  ,Rabfa  begegnete  er'  im  Kampfe,  da  traf  ihn  jener 
stoßend  mit  einer  (Lanzenspitze,)  die  in  die  Brust  drang,' 

6.  ,(mit  einer  Lanze)  gerade,  mit  weichen  Knoten,  d^ren 
Eisen  die  Spitze  scharf  hatte,  wie  des  Adlers  Vorderfeder. 

7.  ,Rabi*a  aber  entkam  an  jenem  Tage,  zwar  voll  Furcht, 
unermüdlich  in  scharfem  Ritt; 

8.  ,Ein  dünnflankiger  Renner  rettete  ihn  vor  den  Lanzen- 
spitzen, (ein  Roß)  wie  ein  Adler,  der  vom  Nest  seinen  Morgen- 
flug erhebt. 

9.  ,Wir  aber  nahmen  Qälid  gefangen,  doch  'Auf  nahm 
ihn  in  Schutz  und  gab  ihn  frei  mit  Machtbefugnis;^ 


f^, 


'  Qabrielis   Übersetzung   p.  195    liest   gegen  Text  und  Metrum   lisSLo!. 

'  Sa^.  —  Rabi'a  (nach  anderen  Zaid  b.  Taur)  ist  der  Mörder  Sabrs.  Ag. 
Xin.  136  f. 

»  Vgl.  R  Vm.  16  ff.  (MEf). 

*  D.  h.  wozu  er  wohl  berechtigt  war.  —  HAUd  ein  Feind  (von  den  Banü 
'Asad?).  'Auf  ein  Unterstamm  von  Sulaim.  Vgl.  R  Vm.  11. 


▲l-euai*  UAd  ilir«  Tna«rU«d«r.  93 

10.  ,Doch  wäre,  was  QAlid  betriffl;,  nnser  Entschluß  kon- 
sequent gewesen  y  so  hätte  er  in  Ewigkeit  keinen  Reitertmpp 
mehr  geführt.*  ^ 

Wie  in  R  VIII.  23  verhingt  auch  hier  die  Dichterin  das  Blut 
eines  mit  Namen  genannten  Gefangenen,  dessen  erfolgte  Frei- 
lassung sie  bedauert  und  tadelt,  als  Preis  für  ihren  Bruder. 
Auch  hier  wird  die  Verwundung  §abr8  und  die  darauf  folgende 
Flucht  des  Angreifers  ausführlich  geschildert;^  doch  das  sar- 
kastische Element  fehlt,  mindestens  soweit  uns  die  Verse  er- 
halten sind,  gänzlich. 

Hingegen  mischt  sich  dem  Dank,  welchen  al-:^ans4'  in 
drei  Fragmenten  (R  XI.  *Ain  IV.  M  II)»  dem  Blais  b.  *Amir 
vom  Stamm  Haw&zin  für  die  Ermordung  des  Hädim  b.  I^ar- 
mala  zollt,  beißender  Spott  gegen  die  Ihren  bei;  die  ^Amiriten 
sind  es,  die  es  den  Sulaimiten  ermöglichen,  in  ihrem  eigenen 
Gebiet  ruhig  zu  zelten  (R  XI.  2);  daher  möchte  die  Dichterin 
all  ihre  Stammesgenossen  für  jene  hingeben^  ,Nasen  und  Ohren 
mögen  ihnen  gespalten  werden^^  Ein  Klageton  läßt  sich  nur 
in  M  n,  3®  vernehmen: 

,So  wie  du  mein  Auge  (an  Hi§4m^  erquickt  hast,  während 
es  weder  schlief,  noch  (mich)  schlafen  ließ.'® 


V  • 


*  D.  h.  wir  hätten  ihn  getötet. 
■  Vgl.  B  Vin.  16  ff. 
>  Vgl.  Text  und  Übersetzung  in  Nöldekea  Beiträgen  161-- 163. 

*  Vgl.  M  n.  If.  (rn). 
»  'Ain  IV.  2  (ni). 

*  Bei  NOideke  4. 
'i.  e.  HiSim  b.  HarmaU. 

*  Wegen  dieses  and  des  zweiten  Verses:   J\   ■ -Vi^*  ^^^  ^^i^  ^»>^^  kann    • 
die  einleitende  Bemerknng  zu  M  II,  p.  rri :  ^«Jb  ^^^  tj^j^  ^-^^  <J^.3 
■  itn*-i  das  Fragment  sei  ron  einem  QuHamiten  rerfaßt,  unmöglich  richtig 

'sein,  da  ein  solcher  an  Mu'ftwijas  Fall  keinen  derartigen  Anteil  konnte 
genommen  haben,  um  erst  durch  des  MOrders  Tod  sich  beruhigt  zu 
f&hlen,  er  auch  keine  Berechtigung  hätte,  spottend  über  die  Sulaimiten, 
zu  denen  er  nicht  gehOrt,  als  über  ein  JjOsegeld*  zu  verfügen.  Wohl 
aber  verstehen  sich  die  Verse  von  selbst,  wenn  sie  von  al-Hansa*  oder 
überhaupt  einem  Angehörigen  des  Stammes  Sulaim  und  Verwandten 
Mu'iwijas  kommen,  der  einem  fremden  Stamm  danken  muß,  was  zu  voll- 
führen Pflicht  des  eigenen  gewesen  wäre,  weshalb  mit  bitteren  Worten 
nicht  gespart  wird.  Übrigens  ließe  sich  ans  ähnlichen  Ausdrücken  in 
diesem   und    dem    sinnverwandten    Fragment  *Ain  IV  und  R  XI   eher 


94  IV.  Abbandlanff:    Bbodokanakls. 


VI.  Dialog  und  Wetttraaer. 

Die  der  Mehrzahl  der  altarabischen  l^a§tden  eigene  Art, 
mit  einem  fingierten  Dialog  zu  beginnen,  läßt  sich  auch  in  der 
Trauerpoesie  bequem  nachweisen.  Ihrem  Inhalt  entsprechend 
bewegt  sich  das  Thema  des  Dialoges  hier  mit  wenig  Abwechs- 
lung in  stereotypen  Fragen  nach  der  Ursache  der  Klage,  welche 
die  Dichterin  anhebt,  und  der  Tränen,  die  sie  vergießt;  auch 
Tadel,  meist  bloß  die  gelinde  AuflForderung,  jenen  zu  gebieten, 
das  Maß  äußerer  Trauerkundgebung  einzuschränken,  trifft  man 
an,  Ermahnungen  zu  geduldigem  und  resigniertem  Ertragen, 
auf  welche  der  Dichter  oder  die  Dichterin  stets  ablehnend 
antworten  und  Gründe  anführen,  die  dann  den  Inhalt  der 
Elegie  bilden. 

So  ,sprechen  Frauen*  zu  aHJansä*:  ,du  bist  ergraut, 
doch  nicht  vor  Alter'  worauf  sie  antwortet:  ,selbst  leichter 
erträgliches,  denn  was  ich  erlitten,  läßt  das  Haar  ergrau'n* 
und  fortfuhrt:  ,Ich  spreche:  O  ^Abü  IjTass^n  (§al)r)!  nicht 
ist  das  Leben  eine  Annehmlichkeit;  wie  sollt'  es  angenehm 
sein,  nun  ich  von  dir  vereinsamt  bin?'* 

Anderswo  werden  wieder  Männer  eingeführt,  ,die  da 
sagen :^  laß  dich  davon  abbringen,  stets  seiner  zu  gedenken 
und  übe  Geduld!  Gottes'  Ratschluß  ist  nicht  abzuwenden/ 

Oder  es  beginnt  IJ  IL  1  (^XS»^)ff,  (rr)  die  Elegie  gleich 
mit  der  Verwahrung  gegen  solche  Trostgedanken: 

, Glaub  nicht,  daß  ich  Ruhe  gefunden  nach  (dem  Tode) 
$abrs,  bis  ich  nicht  eine  Klage  laut  ertönen  ließ; 

schließen,  daß  diese  Stücke  alle  von  Einem  Verfasser  oder  Einer  Ver- 
fasserin herrühren;  vgl.  'Ain  IV.  1 : 


und  M  U.  4:  3ff  U*^  ^\^)^\  li.\  l^ 

'Ain  IV.  2:  ^..^wÖJO  L^^öa  ^i^JLmi  dO'ji, 

und  M  II.  2:  ^i-JL»J\    ,^^5b^  ^..^Vki    «    ^        :}  -*   ^^^   ^^'  Aj>ji\. 

Auch  iJU^iAAaäi.  in   M  II.  4    hebt    den   Gegensatz    hervor,    in  den    der 

fremde  zum  eigenen  Stamm  gesetzt  wird. 
>  B  Vm.  If.  (10  f.). 
«  C^U  •  D  VI.  2  (00).    ^ 
'  ^\  ^}  statt:  ybjJ\  ^-•'^? 


A1-9«iib4>  und  ihre  TnnwUeder.  95 

,(Rahe)  vor  meinem  innersten  Sinnen  voll  brennenden 
Leids,  bis  das  Leid  nicht  im  Herzen  aufbrach  und  (wie  eine 
Wunde)  eiterte; 

,01aub  nichts  daß  ich  vergessen  hätte;  nein,  nicht  würde 
mein  Herz  erfreut,  hätt'  ich  auch  einen  kühlenden  Trunk 
reines  Wassers  getan/ 

In  L  VI.  1  hingegen,  R  IL  1,  M  VIL  1,  'Ain  IL  1,  }^  HI.  l  ^ 
sind  es  die  stereotypen  Fragen  nach  der  Ursache  der  Tränen 
und  die  selbstverständliche  Antwort  darauf,  die  das  Gedicht 
eröffnen. 

^  UI.  I  ff.  (i^O-  >Was  plagt  dein  Auge,  daß  ihm  die 
Tränen  entquellen  wie  ausgegossen?  sie  weichen  nicht,  noch 
trocknen  sie  an  ihm; 

,Es  weint  über  einen  Toten,  der  dahin  ist,  und  scheidend 
mir  als  Erbe  ließ  langbrennenden  Kummer'. 

Auf  eine  ähnliche  Frage  in  L  I.  1  (i Ar): 

, Wegen  des  Schicksalschlages,  den  die  Tage  brachten, 
strömt  dein  Auge  über  und  weint  über  $abr;  während  doch 
im  Lauf  der  Dinge  ein  Grund  zu  vergessen  liegt?' 

antwortet  die  Dichterin  mit  einer  zweiten  Frage  (V.  2): 

,Wer  hilft  einem  Auge,  dessen  Tränen  nie  versiegen? 
wann  ich  sage:  eben  trocknet  es,  dann  erst  strömen  sie  und 
benetzen  (mich).'* 

in  'Ain  H.  4  (ni)  mit  einer  Aufforderung: 

,Drum  weint  über  l^abr  und  stellt  keinen  anderen  ihm 
gleich;  jeder  Mann  muß  fallen.'* 

Nur  selten  wird  die  dialogisierte  Form  durch  ein  längeres 
Stück  beibehalten;  meist  setzt  sich  das  Gedicht  als' Monolog 
fort  und  endet  so;  klar  tritt  der  durchgeführte  Dialog,  nach 
gewissen  Redaktionen,  an  zwei  Stellen  des  Diwans  hervor: 


1  Vgl.  oben  Kap.  III.  9. 

*  Sie  verwahrt  sich  gegen  die  in  Vers  1  ihr  gemachte  Zumatang,  ihres 
Braders  za  vergessen,  zugleich  gegen  den  Tadel,  der  das  Übermaß  ihrer 
Traner  trifft. 

'  Aach  in  der  Anrede  an  Fremde  zeigt  sich  also  die  Form  des  Dialogs, 
nicht  bloß  in  der  Anrede  an  die  Dichterin  selbst.  Letztere  ist  wie  be- 
sonders  B  VIII.  1  f.  (s.  o.)  zeigt,  nicht  bloß  als  Selbstanrede  ^_^Ul^ 
V.^.«M«JL>  zu  fassen,  sondern  als  fingierte  Anrede  zweiter  Personen. 


96  IV.  Abhaiidlaiif;    Bhodokanakii. 

D  X  (1  r  ff.). 

1.  ,Haben  dir  Tränen  entlockt  über  den  Sohn  *Amr6 
Schicksalsschläge,  durch  die  da  einen  Verlast  erlitten  hast? 
dann  weine  — 

2.  /als  ob)  volle  Eimer  sich  von  dir  ergoßen  —  über 
ihn,  unanfhörlich;  wie  die  Halsbandperlen  rollen^ 

3.  ,iiber  einen  Anführer,  den  du,  o  Qun&S;  verlorst,  mit 
weitreichendem  Arm,  freigebig,  rahmeswert, 

4.  ,einen  festen,  welcher  der  beste  der  Banü  Solaim  war, 
ihren  edelsten,  der  Häuptlinge  wählte  und  selbst  als  solcher 
erwählt  ward.' 

5.  „Abu  Uassän  war  die  Stütze  meiner  Leute ;  doch  jetzt 
liegt  er  tot  mitten  im  Grabe, 

6.  „als  ein  Pfand  der  Verwesung;  doch  jeder  Held 
wird  verwesen;  drum  gieß  (o  Auge)  Tränen  aus  in  reich- 
lichem Fluß. 

7.  „Ich  schwöre  es:  wärst  du  lebend  uns  erhalten  ge- 
blieben, du  würdest  uns  ein  Geschätzter  sein,  der  durch  kein 
Geschätztes  aufgewogen  wird. 

8.  „Doch  das  Schicksal  bricht  über  Nacht  herein;  ihm 
ist  eine  Wechsel  volle  Macht  selbst  über  den  starken  Mann.'' 

9.  ,Hat  dich  es  überfallen,  so  klage  nicht!  es  hat  einen 
Freigebigen,  Ruhmvollen  entrafft, 

10.  ,einen  Starken  und  Entschlossenen:  schon  von  alters 
kam  die  wechselvolle  Zeit  über  einen  solchen,  wie  einst  über 
Tamüd; 

11.  ,und  *Ad  hat  das  Schicksal  gewaltsam  überkommen 
und  Qimjar  und  die  Heerscharen  zu  den  Heerscharen. 

12.  ,Nicht  möge  fern  uns  bleiben  *Abü  IJassän  §abr;  ein 
glückverheißender  Vogel  möge  an  seinem  Grabe  weilen!' 

Während  die  Dichterin  sonst  sich  selbst  und  ihre  Augen 
( Jli  ^jo  \>y^  <Ir^)  anspricht,  sich  zur  Klage  und  jene  zu 
Tränen  auffordernd,  läßt  sie  hier  (V.  1)  von  einer  zweiten  fin- 
gierten Person  sich  fragen,  ob  ihr  Leid  dem  toten  Bruder 
gelte.  In  Vers  5  und  7  spricht  al-|JansÄ'  selbst  in  der  ersten 
Person.  Mit  Vers  9  ff.  i^llt  aber  der  mitfühlende  , Chorus',  der 
auch  in  Vers  1  tröstete,  al-Qansä'  ins  Wort.  Demnach  wäre 
die  dialogische  Gliederung  dieses  Fragments  folgende: 


▲l.eftiu&'  und  ihn  TnntrUeder.  97 


an  al-QanB&' 
al-gansA'        5-8 
an  al-9an8&'  9—12, 
das  gibt  3  Versgmppen  zu  je  4  Versen. 

Allerdings  ist  gerade  die  letzte  Versgruppe  durch  die 
Httnfong  der  Namen  >U,  >yj  nnd  jat'fc  ^  verdächtigt.  Das 
Fragment  wird  Übrigens  von  zwei  Handschriften  allein  (^  nnd 
ft^)  überliefert. 

Auf  etwas  festerem  Boden  stehen  wir  bei  Betrachtang 
von  1^  I.'  Die  dialogische  Gliederong  des  Stoffes  ist  dort 
folgende : 

Nach  der  Redaktion  der  Handschrift  f : 

an  al-jy.     1 — 4 
al-g.  5—13 

[an  aHJ.     12].» 
Nach  der  Redaktion  der  Handschrift  ^  und  ^: 

an  al-ö.     1  f  (=  f  1.  3) 

al-JJ.  3— 11  (=  f  4.  5.  2.  6  etc.) 

an  al-5J.  12  f. 
Nach  der  Redaktion  bei  Kam.  740: 

an  al-g.  1  f.  (=  f  1.  3) 

al-g.    3—5  (=  f  6.  9.  11) 

an  al-5.  6  (=  f  12) 

al-g.  7  f.  (=  r  5.  2). 

Die  letzte  Fassung  gibt  das  beste  Resultat:  den  vier- 
maligen Wechsel  der  redenden  Person. 

Zwar  nicht  in  ursächlichem  Zusammenhang  damit^  aber 
doch  in  engem  Anschluß  an  diese  mindestens  zu  Beginn  der 
I^a^lden  sicher  erkennbare  Form  des  Dialogs  im  Rit^'  möchte 
ich  auf  die  von  Ooldziher^  beleuchtete  Gepflogenheit  der 
Trauerversammlung  (^'L»  oder  i^XLc)  hinweisen.  Für  die 
Teilnahme  einer  der  Trauerversammlung  ft'emden  Person  an 
einer  solchen  gab  es  den  terminus  technicus:  («ViLJl  ^)  >liCMi^\ 

>  Vgl.  NOldeke,  Beiträge  etc.  XI. 
'  Vgl.  den  Elzkars  im  Anhang. 

*  Der  swOlfte  Vers,  in  dem  die  wichtige  zweite  Person  vorkommt:  dc^X^, 
steht  von  Handschriften  nur  bei  »-  und  j^^t  wohl  aber  bei  KAmil  an 
sechster  Stelle. 

*  p.  320  ff.  1.  n. 

äitnsffslMr.  d.  phil.-hut.  Kl.  CIL VII.  Bd.  4.  Abb.  7 


98  IV.  Abhandlung:    Bbodokanakis. 

die  Mithilfe  (in  der  Klage).  Der  Sache  selbst  und  des  sie  be- 
zeichnenden technischen  Ausdrucks  geschieht  auch  im  Diwio 
al-Qansä'  oft  Erwähnung,  meist  eben  an  dialogisierten  Stellen. 
Zunächst  wird  der  Ausdruck  jJm\  auf  das  Auge  ange- 
wendet;  das  die  Dichterin  anspricht  und  zum  Tränenerguß  auf- 
fordert: T  III.  3  (r£)  =  P  I.  1  (lov)  , Wohlan,  mein  Auge, 
hilf  mir!'  ^^^.jjco»!  ^^^^  ^^^^  b  ^1;  der  analoge  Ausdruck 
»^iuciil  in  L  VIII.  4  (ff')"  ,Wenn  ihr  (zwei  Augen)  mir  helfen 
wollt,  nun  80  stehet  mir  bei  (mit  Tränen)!' 

Negativ  entspricht  dem  genau  in  der  Ansprache  an  die  Augen 
die  Phrase:  ,verlaßt  mich  nicht,  laßt  mich  nicht  in  Stich!' 

R  XV.  2  (in)  Ä^U  j^  ^\3  3^^Ii^ 


L  VII.  2  (riA)  dJiU.  ^  ^>^  Ji  ^Uo  \J 


L  IL  2   (iaa)  «15LJ\  JL>.  ^^^^o.  ^>Jj^  ^. 

Der  Ausdruck  ^l»^!  und  sein  negatives  Analogen  in  der 
Ansprache  an  die  Augen  sind  zweifelsohne  Übertragungen  aus 
ihrer  Verwendung  in  der  Ansprache  an  Personen.  AhnUch 
wie  dieser  Ausdruck  und  sein  Bedeutungssynonym  «^ää-«»!  scheint 
auch  j^U)  gebraucht  worden  zu  sein.  So  liest  Handschrift  y^ 
(Suppl.  rir,  Z.  3),  in  P  I.  5  (lov)  statt  Jy^  i^\^  Js  JiLo\ 
jindem  ich  frug':  J\  ^U»\  ,indem  ich  beistand  bei  Nacht  jeder 
(wachenden)  betrübten  (Mutter)  etc.'  Der  Sinn  ist  klar,  be- 
sonders wenn  man  R  XIII.  4  (ir«)  zum  Vergleich  heranzieht: 


,Die  Menschen  weinen  betrübt  und  die  (rinnen  stehen 
den  Wachenden  bei.' 

Vorstellung  und  Ausdruck  für  diesen  wie  immer  gearteten 
Beistand  in  der  Klage  müssen  weit  verbreitet  gewesen  sein; 
Muti  b.  ^Ijäs  beginnt  noch  sein  sentimentales  Gedicht^  in  dem 
er  zwei  Palmen  von  IJulwän  zu  Zeugen  seines  Unglücks  an- 
ruft,* mit  der  Wendung: 

*  Vgl.  die  dritte  Form  von  j^icu)  in  Wright  op.  121  oben. 

Marfttl  7  und  8  ^^ j.jj;,l 
'  Vgl.  im  Kommentar  za  diesem  Verse:  •\S^\  jJlfi  ^--oj^L*»*. 
»  Ag.  Xn.  107. 


A1-9MIM*  und  ihr»  Tnaarlieder.  99 

,HeIft  mir  o  ihr  beiden  Palmen  Holwans^ 

jHelft  mir  weinen  *  ob  der  Zeit  Verdruß . .  /  (Rückert) 


Wenn  wir  demnach  der  altarabischen  Klage  das  drama- 
tische ^  fremde  Wesen  zar  Mitleidenschaft  um  den  Hanptbe- 
troffenen  gruppierende  Element  nicht  ganz  absprechen  dürfen, 
und  weiterhin  der  anthropomorphen  Naturbeseelung  gedenken, 
wie  sie  allerdings  ziemlich  spät,  aber  so  ausgeprägt  im  oben 
zitierten  Vers  des  Muti'  sich  geltend  macht,  so  erscheinen  auch 
jene  Stellen  des  Rit4'  in  einem  eigentümlichen  Licht,  die  von 
neu  erwachendem  Jammer  erzählen,  wann  die  Tauben  girren, 
deren  Ton  gleichsam  der  menschlichen  EJage  antwortet. 
So  'Ain  m.  1—3  (nr): 

,Ich  gedenke  l^abrs,  wenn  eine  laute  Taube  girrt 
auf  einem  Zweig  des  'Ainstrauchs  klagend; 

,Da  weilt'  ich  ihr  weinend'  mit  nassem  Aug'^  während 
mein  Herz  davon  schmei*zerfUllt  war,  was  sie  mir  in's  Ge- 
dächtnis rief. 

,Sie  rief  mir  l^abr  in's  Gedächtnis  . . . 
Oder  5  IL  2f.  (ivi): 

,Es  ruft  mir  $abr  in's  Gedächtnis  eine  laute  Ringeltaube, 
wenn  sie  auf  den  Asten  klagt, 

,und  (ebenso)  jede  Tränen  vergießende,  die  heulend  die 
Nacht  verbringt,  mit  jedem  weinend,  dessen  verwundetes 
Herz  (nach  einem  Toten)  sich  sehnt/ ^ 

Wo  es  aber  gilt,  das  Übermaß  des  eigenen  Leids  aus- 
zudrücken >  das  für  fremden  Schmerz  kein  Mitgefühl  mehr 
übrig  läßt,  da  wird  die  Mitklage  verweigert;  so  in  L  VI.  3  (f-r): 


'  Der  Dual  ist  charftkteristisch   als  Anklang  an   die   ,zwei  Reisegenossen' 
in  den  Ka^idenansprachen. 

*  tJ  ^^^  ebenfalls  ein  Aasdruck  für  die  Mitklage,  vgl.  L  X.  6   ,^^5o\  ^ 

'  1^'  ^  LIUJLfei  Vgl.  oben  Note  2. 

*  Beachte   die    Gleichstellung    der    menschlichen    and    tierischen   Klage. 
Letztere  wird  zum  Vergleich  herangezogen  in  H  II.  6  (rr): 


und  vgl.  NMdeke,  Beiträge  p.  102,  Vers  41  und  B  II.  11  ff.  (vi  ff.). 

7» 


100  IV.  Abhuidlnoff:    Bhodokanakis. 

,Nie  werd'  ich  um  einen  Untergehenden  trauern,  noch  ein 
klagendes  Weib  befragen:  M&  lahä?  (Was  ist  ihr?)^'  oder 
L  X.  5  (rrr): 

^So  ward  ich  eine,  die  nach  deinem  Tod  an  keinem  Genoß 
sich  erfreute,  mein  Leben  lang,  noch  aber  wegen  des  Jammer- 
schrei's  einer  ihrer  Kinder  beraubten  Mutter  weinte.'* 

Diese  Verweigerung  der  Mitklage  steht  zu  den  Ausfüh- 
rungen, die  im  II L  Kapitel,  Abschnitt  8  Über  die  Trostgründe 
im  Rita'  gemacht  wurden,  in  teiiweisem  Widerspruch.  Be- 
leuchtet wird  das  psychologisch  eigenartige  Verhältnis  des 
eigenen  zum  fremden  Leid  und  die  Art  der  Teilnahme  an 
demselben  bei  al-^ansä'  in  L  XIV.  1  ff.  (rrv): 

1.  ,Mögen  ein  Grab,  vor  dem  die  Hänge  Gamras  stehn, 
des  Regens  dauernde  FrühlingsgUße  tränken  und  sein  groß- 
tröpfiger  Guß. 

3.  ,Zwar  pflegt'  ich,  vor  dir  dem  Weinenden  meine 
Träne  zu  leihn,  doch  du  nimmst  sie  (jetzt)  dem  vorweg,  der 
nach  dir  dahinging. 

2.  ,Ich  leihe  ihnen  (jetzt  zwar)  mein  Ohr,  wann  gedacht 
wird  einer  (fremden)  Trauer,  da  ja  in  meinem  eigenen  Herzen 
(um  $abr)  ein  Leid  ist,  das  von  ihm  nicht  abläßt.'' 

Vers  3  erinnert  an  Stellen  wie  L  VI.  3.  X.  5  (s.  oben) 
oder  I^  I.  4.,  die  eine  wie  immer  geartete  Klage  nach  dieser, 
die  dem  eben  verstorbenen  gilt,  unmöglich  und  unsinnig 
finden;  Vers  2  hingegen  gemahnt  an  den  in  S  U.  11 — 14*  aus- 
gesprochenen Trostgedanken,  wonach  die  Dichterin  Kraft,  ihr 
eigenes  Leid  zu  tragen  aus  dem  Anblick  eines  fremden  ver- 
wandten Schmerzes  schöpft.  Die  Stellung  der  Verse  ist  mit 
Ibn  al-'A'rabi,^  dem  die  Anordnung  meiner  Übersetzung  folgt, 

^  Beziehungsweise  v>X3  L«  in  der  direkten  Rede. 

*  J51j  «^jJ  ^<ii\  Vgl.  oben  p.  99,  Note  2.  —  Verweigerung  der  Mit- 
klage noch  K  L4  (ivo),  L  XIV.  3  (rrv). 

'  Aus  einem  krassen  Mißverständnis  solcher  Stellen,  besonders  ron  S  II.  14 
(lor)  und  L  VI.  3  (r*r)  ist  die  unsinnige,  aber  für  Wesen  und  Existenx 
des  *Is'äd   wichtige   Fabel  p.   lor,    Komm,  zu  S  II.  14   abgeleitet:  Lfj\ 

J\  •15U3\  f^  Uj^U*J  vgl.  Ähnliches  bei  GoldBiher  1.  n.  835. 

*  Vgl.  oben  Kap.  III.  8. 

*  Diw.«  rrWj  Note  b. 


Al-9an8&>  und  ihre  Tranarliader.  101 

gegen  den  Text  umzukehren;  weil  Vers  3  das  schildert,  was 
vordem  var,  Vers  2  aber  vor  ihm  matt  wäre,  da  noch  der 
Gegensatz  fehlt.  Jetzt  nimmt  die  Dichterin  an  fremder  Trauer 
tröstend  und  mitklagend  nicht  mehr  Anteil;  nur  in  ego- 
istischer Absicht  hört  sie  ihr  zu,  um  den  eigenen  Kummer 
zu  betäuben. 

Ahnlich  wird  daher  auch  die  mit  L  VI.  3  (s.  oben  p.  100) 
widerstreitende  Stelle  P  1.4  f.  (lov)  aufzufassen  sein: 

,Nach  dem  Tode  des  sulaimitischen  Helden  tröstete  ich 
mein  Herzeleid  durch  das  Lied; 

,indem  ich  jede  jammernde  ihrer  Kinder  beraubte 
(Mutter)  frug,  die  das  Schicksal  abgenagt  hatte  wie  einen  ge- 
brochenen Knochen.** 

Hier  wäre  noch  auf  die  schöne  Auffassung  des  Liedes 
als  selbstbefreiender  Tat  des  Sängers  hinzuweisen. 

Den  Inhalt  der  Frage  aber,  die  al-Qansä'  an  Jede 
jammernde,  ihrer  Kinder  beraubte  Mutter*  gerichtet,  kennen 
wir  schon  aus  dem  oft  zitierten  Verse  L  VI.  3. 

Dieses  l^  U  hat  hier  offenbar  Wert  und  Stelle  eines  Zitates 
aus  dem  '15U)\  ^  >^a^1,  dem  Beistand  in  der  Klage,  als  dessen 
eine  Form  die  interrogative'  uns  poätisch  überliefert  ist 
und  als  deren  Inhaltsteil  wir  nun  das  vfXi  U  annehmen  dürfen. 
Dieses  und  ihm  analoge  Äquivalente  kommen  denn  auch  an 
Qedichtanfkngen  in  der  Ansprache  an  die  Augen  des 
öfteren  vor. 

z.  B.  :g:  in.  i  (»a.:)  =  b  vil  i  (»«):  e>c^  j^  u 

L  VL  1  (r.»)  =  'Ain  H.  1  (n»):  ^*^^^^  ^  '^^• 
Auch    des   Institutes    der   NawÄ^b    oder    Klagefrauen,' 
die   an   der  Man&ba   oder  Trauerversammlung  teilnehmen, 
geschieht  bei  al-Qans^'  Erwähnung;   so  heißt  es  zunächst  von 
Mu&wija  in  L  VL  24  (nr): 


*  Ob  ^Ja>  Jüb  mit  MjLm>\  engstens  zu  verbinden  sei,  oder  vielmehr 
jedes  von  beiden  einzeln  und  getrennt  als  Trostmittel  bezeichnet  wird, 
wage  ich  nicht  za  entscheiden. 

»  D  L  6  Jy^  i^\^  JS  JJU^  neben  L  X.  6  J5U  k>jJ  ^\- 
'  Qoldziher  1.  u.  326. 


102  lY.  Abhandlunf:  Bhodokanakis. 

,Oft  hast  du  Frauen  (deren  Männer  du  im  Kampf  ge- 
tötet) zur  Totenklage  aasgesandt:  wie  junge  männliche  Kälber 
(brüllen);  nachdem  die  großäugigen  (Kühe)  ihre  Jungen  erblickt 
haben/ 

Das  Bild  drückt  nur  die  Reeiprocität  des  gegenseitigen 
Anrufes  aus.^  In  *Ain  VI.  2  (»to)  läßt  sich  wiederum  die 
Dichterin  ansprechen  : 

,Drum  weine  und  werde  der  Klageweiber*  nicht  mttde, 
die  zur  Trauer  in  Ein  Kleid  gehüllt  sind,  über  deinen  hoch- 
sinnigen,  großmütigen  Bruder/ 

Ihrerseits  scheint  sie  in  ^Ain  II.  4  (i'ii)  sich  an  Trauer- 
weiber zu  wenden;  nachdem  sie  von  ihnen  erst  befragt  worden: 

1.  , Wohlan,  was  fehlt  deinem  Aug',  daß  es  nicht  ruht 
und  weint,  als  hälfe  das  Weinen, 

2.  ,als  ob  seine  Tränen  Perlen  wären,  die  (der  Schnur) 
entgleitend  fallen,  oder  schneller  noch ; 

3.  Es  rollen  und  lösen  sich  von  der  (Schnur)  die  Perlen 
und  gleiten  insgesamt  vom  Seidenfaden  herab', 

fordert  sie  jene  auf: 

4.  ,Ihr  aber  weint  um  §abr  und  stellt  niemand  ihm 
gleich . .  /* 


^  Die  Muttertiere  und  ihre  Jungen,  die  einander  erblickt  haben,  brailen 
sich  gegenseitig  an.  Vgl.  die  vier  beziehungsweise  drei  Mutter- 
tiere in  den  oben  p.  99,  Note  4  zitierten  Versen  (KOldeke,  Beitr.  102, 
Vers  41).     Die  Reziprozität  drückt  auch    der  Kommentar    ans:    dJL&i 

^^^\  j^M^.  J\y^\  Cj\y^l 

*  Komm.:  ^karli  ^^«^  ^y^^  ^^^  C9^^  ^^^  »Kl^<)'- 

*  Geschildert  werden  die  Klageweiber  in  R  HI.  4ff.  (ai)  14  (^r)  wie 
sie  dem  Sargträger,  der  allzuraschsc  breitet,  kaum  folgen,  und  die  Reden, 
die  sie  dabei  führen: 


In  H  I.  16  ff.  {r^)•  mit  struppigem  Haar  verwahrlost  und  abgemagert, 
sie  ruhen  nicht,  selbst  wenn  bei  Nacht  die  Hunde  schweigen;  sie 
schlummern  eine  Weile,  dann  heben  sie  von  Neuem  die  Klage  an,  wie 
Kamelstuten,  denen  die  Jungen  geraubt  worden,  die  nun  selbst  die 
Tränke  meiden.  Derselbe  Vergleich  in  H  H.  6  (rr)  ,SieV  in  meiner 
Brust  sind  vier  (Kamelinnen),  die  (um  ihre  Jungen)  klagend  einander 
antworten  (vgl.  oben  p.  99,  N.  4),  bis  sie  abends  die  Hürde  erreichen*; 
wo  offenbar  eine  menschliche  if,^hil-.^  vorschwebt. 


A1-0M184*  «nd  ihre  TnnerUeder.  103 

Von  dieser  Mitklage  ist  aber  die  Wettklage  scharf 
zQ  sondern.  Es  gibt  nämlich  zur  Mafäb&r^  ^i^^  sonderbare 
Spielart y  die  Mu'ft?ama  fi-l-mufibät,^  wovon  uns  der  Diwftn^ 
ein  lehrreiches  Beispiel  erhalten  hat.  Wie  man  nämlich  im 
'Iftibftr  sich  des  Adels  der  Abstammung,  der  vom  Mutter*  xmd 
Vaterstamm  vollbrachten  Oroßtaten,  des  Reichtums  der  Gens 
an  Gut  und  Menschen  rühmt,  ebenso  kann  eine  Familie  oder 
ein  Einzelner  umgekehrt  die  Lücken  öffentlich  zur  Schau  stellen, 
die  der  Tod  in  den  Reihen  der  Seinen  gerissen  hat,  und  mit 
der  Unersetzlichkeit  des  Verlustes  prahlen.  Es  liegt  beiden 
Gattungen  das  gleiche  Motiv  zu  gründe,  wie  denn  auch  künst- 
lerisch jenes  Rit&'  das  beste  ist,  welches  mit  dem  Lob  und 
Ruhm  des  Dahingeschiedenen  die  Trauer  um  ihn  vereinigt. 
Je  größer  seine  Verdienste  und  seine  Wertschätzung  waren, 
um  so  allgemeiner  und  tiefer  ist  die  Klage  um  ihn.  —  Ein 
solcher  Wettkampf  setzt  natürlich  ein  Publikum  voraus.  Ist 
erst  der  betroffene  Stamm  mit  dem  Lobe  der  Gefallenen  ge- 
sättigt und  voll  der  Klage  um  seine  Helden,  dann  appelliert 
das  Lied  gleichsam  an  die  höhere  Instanz,  an  ein  größeres 
Zentrum;  solcher  gab  es  schon  zur  Zeit  des  Heidentums  in 
den  ^^y  (Messen)'  besonders  zu  'Ukä?.  Sie  waren  wie  die 
Wallfahrt,  die  Voi-schule  der  Nation  auf  ihrem  Wege  zur 
Einigung.  Hier  kamen  die  gemeinsamen  Aspirationen  zum 
Ausdruck,  hier  prallten  aber  oft  ihre  Träger  aneinander.  Auf 
solcher  Messe  trug  auch  al-Qansä'  ihr  Unglück  zur  Schau:  in 
marktschreierischer  Weise^  wäre  man  zu  sagen  versucht:  sie 
schmückte^  ihre  Sänfte  mit  einem  Fähnlein^  wohl  um  die  Leute 
anzulocken  wie  zu  einer  Weinbude ,  und  trug  solange  ihre 
CUagelieder  vor,  indem  sie  behauptete,  xmter  den  Arabern  sei 
ihr  das  traurigste  Los  beschieden,  bis  ihr  die  dort  versammelten 
Stämme,  welche  ja  die  Kunde  vom  Gehörten  den  daheim  ge- 
bliebenen gewiß  zutrugen,  dies  zuerkannten.^  Bei  dem  ehr- 
geizigen,  ako   zu  Widerspruch  neigendem  Volke   der  Araber 


»  V^l.   p.  oa:    W-5U-WO-   ^    V*W^1  <^^*^'    CUUä.    und    ^\    ^^^ijüb 

*  D  Vin.  oa:  " 

'  Flügel,  Die  grammatischen  Schulen  der  Araber,  p.  7. 

*  Zu  diesen  und  den  folgenden  Einzelheiten,  rgl.  Diw.*  oa  ^  A^.  IV.  34  f. 

*  Ag.  1.  n.  mit  einer  EinBchrftnkung  v5^>  Jeou  L^  C^^  jS  u,>^J>n  ^*j\^. 


104  IV.  Abhandlung:    BhodokanakiB. 

konnte  aber  selbst  eine  derartig  privilegierte  Stellang  nicht 
lang  unangefochten  bleiben;  es  können  übrigens  die  Beweg- 
gründe auch  näher  liegen;  was  öffentlich  geschieht,  fordert 
zur  Vergleichung  und  Entgegnung  heraus;  es  ist  die  Korrektur 
des  einen  Einzel-  durch  das  fremde  und  KoUektivbewußtsein. 
Als  Hind  bint  'Utba  in  der  Schlacht  von  Badr  Vater,  Oheim 
und  Bruder  verloren  hatte,  suchte  sie  al-$ans4'  den  traurigen 
Rang  abzulaufen ;  sie  kam  nach  'Uk4?  zur  Messe,  ahmte  ihrem 
Vorgehen  in  Allem  nach  —  auch  ihre  Sänfte  trug  ein  Fähnlein 
—  ihr  Kamel  ließ  sie  zu  dem  al-Qansä's  binden,  bis  diese 
neugierig  geworden,  sie  nach  ihrem  Namen  und  Wesen  frug. 
,Ich  bin  Hind  bint  ^Utba  b.  Rabi^a  und  mich  hat  unter  den 
Arabern  der  härteste  Schlag  getroffen!  Doch  hörte  ich,  daß 
du  diesen  Vorrang  unter  den  Arabern  beanspruchst;  auf  Grund 
wessen  tust  du  dies?  , Wegen  des  Todes  meines  Vaters  ^Amr 
b.  Sarid  und  $abrs  und  Mu^&wijas,  meiner  Brüder.  Du  jedoch?' 
, Wegen  ^ütbas,  meines  Vaters,  und  Saibas,  meines  Oheims  und 
Walids,  meines  Bruders.*  ,Nun,  gelten  diese  dir  (den  Meinen) 
gleich,  Schwester?'  So  entstand  die  Wettklage;  Rede  und 
Antwort  haben  gleiches  Metrum  und  Reim;  diese  nimmt  ein- 
zelne Wörter  und  Wendungen  jener  auf.^ 

Al-Qansd, : 

1.  ,Ich  beweine  meinen  Vater  'Amr  mit  tränen- 
feuchtem Auge;  kurz  ist  dessen  Ruhe,  wann  die  (sorglosen) 
Augen  schlummern; 

2.  ,und  meine  zwei  leiblichen  Brüder;  nicht  vergeß'  ich 
Mu'äwijas,  zu  dem  die  Oesandtschaften  kamen  von  den  Edelsten 
der  beiden  5arras,' 

3.  ,noch  des  $abr:  wer  aber  gleicht  Sa^r,  wann  er  des 
Morgens  mit  einer  dünnflankigen ,  schlankbauchigen  Stute 
auszog,  sie  lenkend; 


^  Han8&'  1  und  Hind  1:  ^^\]  Han8&*  1  and  Hind  2  ^\;  Hans&*  2  und 

Hind  1  ^^^\  —  cr:^^^^  5  S*°^*  ^  ^^^  ^^^^  ^  i^r^^ 

Han8Ä*4:  JU^    .,,^^  —  ^;J\    —    viX]\v>i 
Hind    3:  ^^^  ^^^.jo.  -  0^^  Jjbl  ^^i/\ 
Vgl.  noch  H  ni,  p.  rv  ff. 
*  Harra  Bani  Sulaim  and  Bani  Hil&l. 


Al-9aMft«  und  ihr«  TnMerliedMr.  105 

4.  ,Die8  aber  ist  der  (wahre)  Verlust,  o  Hind,  merk  's 
wohl,  und  (sie  waren)  die  Feuerflammen  des  Krieges,  wann 
sein  Brand  angezündet  wurde/ 

Hind  bint  'Utba: 

1.  ,Ich  beweine  die  Stütze  der  beiden  'Abtal^  und 
ihren  Beschützer  Yor  jedem  übermütigen  Angreifer. 

2.  ,Mein  Vater  *ütba,  der  treffliche,  merk's  doch, 
nnd  l§aiba  and  der  Wahrer  des  Rechts  al-Walid: 

3.  ,Sie  waren  die  ruhmvolle  Familie  von  den  Qälib 
und  unter  den  Mächtigsten  Yon  ihnen,  wenn  ihre  Zahl  ge- 
doppelt wird  — .'^ 

YU.  Al-Qansft's  persönlicher  Charakter. 

Wenn  wir  am  Ende  dieser  Untersuchung  uns  nicht  sosehr 
den  künstlerischen,  als  vielmehr  den  persönlichen  und  indivi- 
duellen Charakter  der  Dichterin  vergegenwärtigen  wollen,  so 
müssen  wir  von  ihren  Liedern,  die  doch  notwendig  nur  ver- 
zweifelt und  kleinlaut  klingen  konnten,  eine  Weile  absehen 
und  einen  Blick  auch  auf  die  Zeit  werfen,  in  die  ihr  Leben 
und  Wirken  fiel,  auf  die  Art  und  Weise  besonders,  wie  sie 
zu  dieser  sich  stellte.  Was  man  ist,  das  zeigt  man  im  Unglück, 
das  nicht  bloß  niederschmettern,  sondern  auch  alle  Kräfte 
spannen  und  lösen  kann.  Sich  derart  zu  offenbaren,  hätte 
al-Qansä'  reichlich  Gelegenheit  gehabt.  Allerdings  aus  ihren 
Liedern  werden  sich  zufolge  der  eigentümlichen  Verhältnisse 
ihrer  wie  der  altarabischen  Poesie  überhaupt  eben  nicht  viel 
Anhaltspunkte  zu  einem  Charakterbild  ergeben.  Wir  sind 
auf  kurze  Anekdoten  angewiesen,  die  aber,  so  unwahr  und 
mythisch  sie  auch  sein  mögen,  mindestens  innere  Wahrschein- 
lichkeit genug  besitzen.^  Gleiche  Vorbedingxmgen  können  unter 
allen  Zonen  und  zu  allen  Zeiten  nur  gleiche  Folgeerscheinungen 
zeitigen;  und  wer  wie  al-!@ansä',  (dies  aber  zeigt  uns  ihr  Diwan) 
mit  seinem  ganzen  Denken  und  Fühlen,  Leben  und  Träumen 
in  der  besseren  Vergangenheit  wurzelt,  wird  sich  gegen  die 
ansttlrmende  unbekannte  Zukunft  mutatis  mutandis  ebenso  ab- 


»  ^^yJi3y  wofür  auch  die  V«r. 
*  Cf.  Kap.  I. 


106  lY.  Abhandlnnf :    Bhodokanaki*. 

lehnend  verhalten^  wie  es  von  al-Qansä'  uns  berichtet  wird. 
Ihr  Lebensabend  brachte  ihr  die  ersehnte  Rahe  nicht,  die  sie 
nach  dem  tragischen  Tode  ihrer  Brüder  als  Ersatz  fär  einen 
Scbicksalsschlag  mochte  erwartet  haben ,  dem  übrigens  das 
Beduinenleben  der  vormo^ammedaniBchen  Zeit  reichlich  Ahn- 
liches an  die  Seite  stellte.  Sie  fand  sich  mit  den  Ihren  nicht 
mehr  zurecht  and  mit  ihrem  letztgeborenen  Kinde  konnte  sie 
sich  nar  schlecht  vertragen.  Dies  erzählt  ans  die  Sage  and 
sie  bedeatet :  erbittert  and  vergrämt  schloß  sie  von  der  Aaßen- 
welt  sich  immer  mehr  ab;  warde  sie  ansanft  geweckt,  dann 
ging  der  Hieb,  der  parieren  sollte,  weit  über  die  Heftigkeit 
des  Schlags,  den  er  aaffieng;  wie  dies  stets  der  Fall  ist,  wenn 
ein  angerechtes  Schicksal  das  Gemüt  vergiftet  hat.  überem- 
pfindlich geworden^  reizt  es  das  anschaldigste  Wort  za  leiden- 
schaftlichem Argwohn  und  übermäßiger  Abwehr;  dann  folgen 
auf  Nadelstiche  Keulenschläge  als  Antwort.  Es  klingt  übrigens 
aus  ihren  Versen  auch  etwas  wie  eine  Klage  um  die  verlorene 
und  verdorbene  Jugend  durch,  Klagen  mit  realem  Hinter- 
grund und  von  triftigsten  Gründen  getragen,  ganz  anders  ge- 
halten, als  in  der  hergebrachten  Manier  der  erlogenen  Elegie 
über  frühergrautes  Haar*  —  nicht  Wehmut  auslösend,  son- 
dern rebellisch  gegen  das  Schicksal  sich  auflehnend. 

Der  Gegensatz,  in  dem  sich  die  konservative  Dichterin, 
die  ganz  Beduinin,  man  möchte  sagen  Bäuerin  geblieben  war, 
zu  ihrer  ganz  veränderten  Umgebung  befand,  konnte  ihre  Er- 
bitterung nur  vermehren.  Ihr  trübes  Lebensende  fiel  in  jene 
jugendliche,  alles  umwälzende,  neuigkeitsschwangere  Zeit,  da 
das  Arabertum  seine  große  Wandlung  aus  einem  halbwilden 
Volke  im  Stadium  der  Stammbildung  zu  einem  Kulturträger 
begann;  auf  die  Dichterin  selbst  hatte  dieser  Umschwung 
keinen  Einfluß  mehr;  ebensowenig,  als  die  neuen  Lehren  des 
J^or'Än  auf  ihr  Fühlen,  Denken  und  Dichten  mehr  einzuwirken 
vermocht  hatten.  Ihre  Entwicklung  —  zur  dichterischen  Be- 
gabung wenigstens  —  hatte  durch  den  Tod  ihrer  Brüder  einen 
mächtigen  Ansporn  erhalten;  sie  sollte  aber  auch  auf  ewig  in 
diesem  Zeichen  gebannt,  stille  stehen;  auf  immer  und  ganz 
war  sie    nur   mehr  der  Klage   um  sie  gewidmet,    als   hätte  es 


*  B  Vm,  D  VII. 


A1-9WS&'  und  ihn  TrMerlMdftr.  107 

nach  dieser  Katastrophe  für  sie  keine  weitbewegenden  Ereig- 
nisse mehr  gegeben  im  Schöße  der  eigenen  Nation,  die  sich 
erst  zu  fühlen  begann.  Es  ist  eine  Frau,  die  zu  uns  spricht; 
zur  Zeit  des  Heidentums  ihrer  natürlichen  Stützen  beraubt, 
der  Brüder  und  des  Gatten,  macht  sie  in  Klageliedern  —  sie 
waren  schon  kraft  ihrer  Entstehung  eine  Spezialität  dichtender 
Frauen  —  ihrem  Kummer  Luft;  von  diesem  Gram  gebeugt 
und  stark  gealtert,  erreicht  sie  die  Schwelle  einer  neuen  Zeit; 
sie  zu  fühlen  und  zu  begreifen,  geht  ihr  die  Kraft  ab;  Kraft, 
oder  vielmehr  Trotz  findet  sie  nur  in  der  vis  inertiae  ihrer 
Psyche,  um  den  Mächtigen  der  neuen  Zeit  gegenüber  starr 
und  spitz  in  der  Rede  auf  ihrem  alten  Standpunkt  zu  beharren;^ 
der  neue  Strom,  auf  dem  schon  ihre  Söhne  schwammen,'  reißt 
sie  nicht  mehr  fort;  jedoch  ein  Vorfall  in  ihrer  nächsten  Um- 
gebung, nichtig  und  kleinlich,  vermag  ihre  Zunge  und  die 
Klage  um  all  den  angehäuften  Jammer  zu  lösen.^ 

Daß  sie  nach  dem  Tode  ihres  Bruders  $abr,  der  ihrem 
tragischen  Geschick  die  Krone  aufsetzte ,  nirgends  mehr  Ruhe 
noch  Befriedigung  fand,  klagt  sie  selbst  in  einigen  ihrer  Verse: 

,£28  haben  mir  nach  seinem  Tode  offen  Abneigung  gezeigt 
sowohl  Verwandte  wie  Nachbarn.'* 

Doch  bUeb  jener  ihren  Racheliedern  ^  zu  Trotz  für  immer 
ungerächt;^  die  Dichterin  hatte  sich  überlebt  und  ihre  Ge- 
schichte wäre  damit  zu  Ende. 

Die  spätere  Tradition  wollte  ihr  aber  einen  anderen,  ver- 
söhnenden Abschluß  geben.  Darum  läßt  sie  al-Qansä'  ihren 
Söhnen  ins  Lager  von  i^&disijja  folgen  und,  bevor  diese  in 
den   Kampf  ziehen,    sie  mit   salbungsvollen    Reden,    die   von 


>  Gegen  'Umar  Diw.  Einl.  zu  L  XIV.  Einl.*  p.  20.3;  beim  Ha^g  (vgl. 
K  I)  ebenda.  Gegen  'A'isa  ebenda  und  Suppl.  rvo:  9  ff.  Gabriel!  104  f. 
149 ff.  Zu  ihrem  selbständigen,  selbstherrlichen  Charakter  vgl.  auch 
Dfw.*  Einl.  p.  8  Mitte  anläßlich  der  Werbung  Daraids;    Gabrieli  98  ff. 

*  Oder  die  SOhne  ihres  Gatten.  *Abb&s  b.  Mirdfts  war  ein  Herzbesänf- 
tigter. Es  war  also  weniger  ein  idealer  Strom  überzeugter  Begeisterung, 
der  sie  trug,  als  vielmehr  ein  nutzbar  gemachter  Fluß,  der  GoldkOrner 
fahrte. 

*  Zu  dieser  zusammenhängenden  Darstellung  weise  ich  auf  das  in  Kap.  I 
zu  D  YII  Gesagte  hin. 

*  R  XVII.  24  (in)-  Vgl.  noch  L  IL  15  (i  i^  i),  IX.  2  (m),  Gabrieli  p.  130. 

*  Vgl.  oben  Kap.  V.       «  Gabrieli  140  ff. 


106  ^,,jak^nmkia. 


.^,  ^ar  Tapferkeit  und  Ausdaner  auf 
^^         //f^^^  ^peU'^    I^iö  Versuche,  die  Gabrieli  auf 
L0r'^^'^^%tf^,^'^ Schritt  macht,  um  dieser  Fabel  den  Halt 
J^*^^  ^„d  ^^  ^jMehkeit  zu  geben,  indem  er  bald  eine  Spal- 
i^-Kg,  )V^b'^  ijj  der  Dichterin  und  des  Weibes  annimmt^^  bald 
^^^i/tf^^'^-^ettfismus  und  Mystizismus  der  neuen  Religion, 
^  st^  'f  gßsagt,  damals  und  bei  den  Beduinen  nichts  Mysti- 
die,  ^  j  jiichts  Asketisches  anhatte,  Ruhe  und  Vergessenheit 
scb^  ^    j  finden  läßt,*  zeigen   ihre  Haltlosigkeit  am   besten. 
^.^^üßsen  eben   auch  hier,  wie  in  der  Erfüllung  so  viel  an- 
^^'^    ^f^gischer   Geschicke    auf   den    versöhnenden   Abschluß 
ehtß^  ^^^    werden   gut  tun,    wenn    wir   al-^ansft'    wohl 
IT  ner  tmd  —  Starrsinn   zumuten ,    aber  jede   Sentimentalität 
üd  jeden  Supernaturalismus  ihr  energisch  absprechen.     Eine 
vfodarch   immer   in    ihr    veranlaßte    psychische    Abstumpfung 
iregen    seelischen   Schmerz   brauchen    wir   darum    nicht    anzu- 
nehmen.    Wir  dürfen   nur   nicht  vermeinen,    das   Seelenleben 
der  Beduinen  qualitativ  und  quantitativ  mit  unserem  Maßstab 
messen  zu  können,  und  noch  weniger  der  Kehrseite  vergessen, 
die   alle    Bewußtseinssteigerung   aufweist;    auch    der  Schmerz 
und   die   Empfindlichkeit   für   ihn   mehrt   sich   erst,  je   weiter 
der  psychische  Inhalt  mit  der  ontogenetischen  und  phylogene- 
tischen Entwicklung  an  Breite  und  Tiefe  zunimmt. 

^  Gabrieli  152  ff.  Dtw.*  Einl.  21  f. 
'  p.  162  oben. 
*  p.  154  unten. 


\ 


Al-0HMi<  ood  ihr«  Trmo«rlied«r.  109 


-A.nhang. 

B.  IV  (Diw4n«  irff.). 

1.  Zn  manch  einem  treuen  Genossen  sprach  ich:  sieh' 
du  bist  an  einem  dem  Anprall  der  (feindlichen)  Reiterschar 
ausgesetzten  Orte  (so  nimm  dich  in  Acht!). 

2.  Du  bist  als  Späher  einer  Eämpferschar  (vorausgesandt); 
hast  du  also  einen  hohen  Wartort  bestiegen,  so  blicke  aus! 

3.  Da  schwang  er  die  Peitsche  über  einem  starkflankigen, 
kurzhaarigen  Rosse  wie  der  graue,  starke  Steinbock  (flink); 

4.  dieses  aber  neigte  sich  angespornt  im  schnellen  Lauf 
wie  ein  Pfeil  des  linkhandigen  Schützen. 

5.  Sie  beide  spähten  nun  aus  und  erblickten  einen 
Reiter,  der  auf  dem  höchsten  Gipfel  des  hohen  Aussichtsortes 
spähte  .... 

6.  Wenn  du  weder  in  Deinem  Leid  nachgelassen,  noch 
mit  Erfolg  auf  fremdes  Leid  geblickt  hast,  (dich  zu  trösten)/ 

7.  Sieh'  so  befindet  sich  auf  dem  Weideplatz  yon  Jalban 
eine  Kamelin,  den  Nachtritten  gewachsen,  unter  den  schlanken 
Jungkamelen  (weidend). 

Zu  diesem  Fragmente  haben  wir  einen  ausführlichen 
Kommentar,  dessen  Erläuterungen  zum  Teil  innerhalb  des 
Stammes  Sulaim  selbst  gesammelt  worden  sind.'  Trotzdem  ist 
der  Text,  wenigstens  was  die  Reihenfolge  der  Verse  bei  f  an- 
langt, gewiß  nicht  in  der  Ordnung;  Sinn  und  Zusammenhang, 
auch  wenn  man  die  Versfolge  bei  ^,  ^,  v^  akzeptiert,'  nicht 

*  Vgl.  oben  Kap.  III,  Abschnitt  8. 

'  Vgl.  p.  ^s  Komm,  ku  V.  2,  Z.  3;  si  Z.  8.  10;  ^a  Komm,  zu  V.  7,  Z.  1 
und  Diw.»  Pröface  VI. 

»  6.  7.  1—6.  Vgl.  Diw.*  r. :  Diw."  ^a,  Z.  10.  Suppl.  rsi:  Vers  5  steht  in 
^  und  v«j  n«ch  Vers  2  (vgl.  Diw.'  ^v  Komm,  zn  V.  6  g.  E.).  Für  den 
Gang  der  Untersuchung  im  Qroßen  und  Ganzen  ist  die  spezielle  Stel- 
lung dieses  Verses  innerhalb  1 — 5  nicht  von  Belang.  Hauptsache  bleibt, 
daß  6  f.  eine  syntaktisch  und  dem  Sinne  nach  abgeschlossene  Gruppe 
bilden,  in  die  6  nicht  hineingebort.  Natürlich  ist  aber  die  Folge  4.  5  (^) 
besser  als  die  Folge  2.  5:  denn  erst  nachdem  der  Befehl  (1  f.)  auch  aus- 
geführt worden  (3  f.),  kann  der  Späher  zum  Resultate  kommen. 


110  IV.  Abbuidliuig:    Bhodokftnftkii. 

ohneweiters  einleuchtend  and  die  ausschlaggebende  Erklärung 
des  Kommentars  zu  Vers  6  f.  mißverständlich.  ^ 

Zunächst  ist  aus  inneren  Gründen  des  Konnexes  die  Vers- 
folge nach  f  unannehmbar.  Dies  hat  schon  der  Herausgeber 
empfunden  und  in  einer  Note  zu  seiner  Edition*  angemerkt. 
Hier  hilft  nun  das  Mittel,  verloren  gegangene  Verse  anzu- 
nehmen wenig;  denn  gingen  auch  nach  Vers  5  Verse  verloren, 
so  wäre  gegen  die  unvermittelte  Folge  von  6  auf  5  (oder  6 
auf  4)^  nichts  gewonnen,  da  jene  Verse,  auch  wenn  sie  auf  5 
folgten^  doch  6  nicht  vorangehen  durften.  Denn  Vers  6  muß 
nicht  bloß  des  Binnenreims,  sondern  auch  seines  Inhalts  wegen 
an  erster  Stelle  stehen  und  den  Anfang  einer  ]^a§!de  gebildet 
haben.  Innere  und  äußere  Gründe  sind  es  also,  die  gegen  die 
vorliegende  Versordnung  sprechen. 

Vers  1 — 5  einerseits,  Vers  6,  7  andererseits  flihren  uns 
zwei  gänzlich  verschiedene  Situationen  und  Bilder  vor.  Dort 
einen  vorgeschobenen  Wachposten,  den  Angriff  eines  Feindes 
(raablustiger  Mitbeduinen)  rechtzeitig  zu  erspähen;  hier:  ein 
ausdauerndes  Reitkamel,  an  einer  genau  bezeichneten  Lokalität 
weidend ,  in  Verbindung  mit  dem  ungestillten  Schmerz  einer 
Frau  {^^JM  —  v3^-aju  ^).  Beide  Ausgaben^  lesen  das  ent- 
scheidende zweite  Wort  in  Vers  1  beziehungsweise  3  c>JLS.  — 
Wenn  wir  mit  den  Redaktoren  und  Kommentatoren  des  Diwans 
davon  ausgehen,  daß  Vers  1 — 5  mit  6  f.  oder  umgekehrt 
6  f.  mit  1 — 5  zusammenhängen,  und  wir  diese  letzten ,  bezie- 
hungsweise ersten  zwei  Verse  (6  f.)  wiederum  nach  den  Kom- 
mentatoren^ als  den  Teil,  beziehungsweise  als  die  Einleitung 
einer  Elegie  auf  $aiir  auffassen,  so  sind  wir  ohne  Weiteres  zur 
Annahme  berechtigt,  daß  auch  Vers  1 — 5  irgendwie  von  §abr 
handeln,  etwas  über  ihn,  oder  über  einen  Gegenstand,  der  ihn 
anging,  von  einer  Situation,  in  der  er  sich  einmal  oder  öfters 
befand,  aussagen  müssen. 

Dann  ist  es  aber  mindestens  auffallend,  daß  die  Hauptperson 
dieser  Schilderung  (1 — 5)  im  Text  so  ganz  unbestimmt  bleibt: 

1  Ihr  folgt  Coppier  86,  Note  1  und  Gabridli  134  f. 

*  ^v:  c. 
3"Cf.  Note  2. 

*  Ebenso  im  Komm.  p.  ^i,  Z.  1  der  II.  Anfl. 

*  P.  SA  ZU  V.  6. 


Al-Sansi*  und  ihre  Tnoerliader.  1 1 1 


Daß  hier,  wenn  es  mit  rechten  Dingen  zuginge,  von  $abr  die 
Rede  sein  müßte,  fbhlt  auch  der  Kommentator  in  f  (p.  ^s,  Z.  1) 
und  erklärt  deshalb:  ^  Ij  ^\  ^^  CU*  JLo  v--^to  vIL^^  ^\.  Da- 


durch aber,  daß  er  im  Kommentar  dem  unbestimmten  ^..'«Ai.Lo  den 
bestimmten  y«s**  anfügt,  wird  im  Text  die  Sache  um  nichts 
besser;  und  zwei  solche  Sätze  aneinander  zu  reihen  wie:  zu 
manch  einem  treuen  Freund,  oder:  oft  sprach  ich  zu  einem 
Freund:  du,  o  Sa^r!  kommt  mir  auch  von  einem  Kommentator 
allzu  gewagt  vor. 

Auch  der  Herausgeber  in  den  Noten  p.  ^rf.  und  i«  b  hält 
diesen  (von  al-Qansä!)  als  Späher  ausgesandten  treuen  Ge- 
nossen für  deren  Bruder  $abr.  Nicht  der  gleichen  Meinung 
ist  aber  der  sulaimitische  Kommentator  in  Vers  2 :  J^j  \j^ 
*i-U3^  ^  ^^^  ^^\  A-oyJ  Jij^\,  der  ihn  also  1.  einen  beliebigen, 
nicht  näher  gekennzeichneten  Mann  und  2.  von  seinem  Clan, 
nicht  von  al-^ansä^  angewiesen  sein  läßt,  dies  und  jenes  zu 
tun.  In  Vers  5  stoßen  wir  plötzlich  auf  einen  Dual.  Der 
Kommentar  (^v)  läßt  ihn,  wie  in  Süra  50.  23  für  den  Singular 
gesetzt  sein.  Der  Herausgeber,  dem  dieser  Erklärungsversuch 
wohl  auch  nicht  ganz  behagt,  bezieht  ihn  auf  Reiter  und  Roß 
(^v^  Note  a).  Qottlob  hat  niemand  daran  gedacht,  nachdem 
al-Sans&'  in  Vers  1  einen  Späher  ausgesandt  haben  soll,  sie 
hier  auch  mittun  zu  lassen  und  V.  5  (mit  Wechsel  der  Person) 
so  aufzufassen,  als  ob  sie  jenen  begleitet  hätte,  und  nun  vom 
Resultat  der  gemeinsamen  Expedition  redete.  —  Aber  auch  so 
ist  der  Wirrwar  arg  genug. 

Nun  lese  man  aber  statt  qultu,  qulta  (sprachst  du)  und 
alles  ist  gerettet,  auch  die  Beziehung  der  Verse  auf  §abr  ge- 
wonnen. Denn  so  kann  die  Dichterin  die  Verse  (in  einem 
Lob-  oder  Trauergedicht)  sehr  wohl  an  ihren  Bruder  gerichtet 
haben: 

1.  Manch  einem  Freund  sagtest  du:  Sieh'  du  bist  an 
einem  ausgesetzten  Ort,  wo  Freibeuter,  die  uns  bedrohn,  in 
der  Nähe  sind;  nimm  dich  in  Acht! 


^  Mim  achte,  es  spricht  al-Haiis&*. 

'  Vgl.  wieder  die  Note  des  Herausgebers  ^c  b. 


112  IT.  AbhAadliinf :    Bhodokftnftkis. 

2.  Du  bist  ja  als  Späher  der  Unsrigen  voraasgesandt ! 
Hast  da  jetzt  einen  hohen  Warteort  erreicht ,  so  blicke  ans, 
ob  jemand  sich  zeigt. 

.  3.  Da  schwang  jener  die  Peitsche  .  .  . 

4.  und  flog  fort  wie  ein  Pfeil  .  .  . 

Al-Qans4'  geht  von  der  Apostrophe  (in  der  2.  Person) 
zur  Erzählung  über  (in  der  3.  Person): 

5.  Sie  beide  blickten  nun  aas  und  bemerkten  einen 
feindlichen  Kundschafter  (der  selbst  nach  ihnen  spähte)  .  .  . 
^si^r  ist  eben  mitgegangen. 

Den  Vorposten,  welcher  räuberische  Beduinen  fernhalten 
sollte,  wird  füglich  der  Sajjid  des  Stammes  ausgeschickt 
haben;  in  besonders  gefährlichen  Zeiten  selbst  mitgegangen 
sein/  kaum  aber  eine  Frau.*  Sollen  also  diese  Verse  noch 
weiter  im  Diwan  al-^ansä'  stehen  und  ihrem  Bruder  gelten, 
so  ist  dies  nur  unter  der  Voraussetzung  möglich,  daß  qulta, 
nicht  quitu  gelesen  wird.  Daß  aber  $abr  Sajjid  seines  Stammes 
war,  ist  uns  auch  sonsther  bekannt.^ 

Die  Verbindung  zwischen  Vers  6  und  7  stellen  die  Kom- 
mentare folgendermaßen  her  (p.  ^a):  *  ^ja^  ^^\^  c*^  o^  ^  k3^ 
.  .  .  ^^^.  ^  ä jJU3b  "3^  ,>o  ^\  ^  JJ  J^jS  Ay^\  ^\S  ^U 

Ferner  ebenda:  J3\  ciUXfe  y  vsTj^^  ^  cr:ß^  ^  »^--^  ol 

\>\  ^jsss  ^^\  ,>jLiü\  ^  i^.y  ^^  isu  «jjb  j;u  (^  ^)  w^. 

vit^wuti  JJCXU  (^^5*^.  to  CokJb^  ^)  ^^  vJU»3b^  ^^  ^l5o  ^  aSa. 
Die  Kamelin,  von  der  in  Vers  7  die  Rede  ist,  soll  das 
Reittier  §alirs  sein,  und  ihr  Anblick  al-^ansä'  zu  tieferer  Trauer 
bewegen,  als  ob  der  in  Vers  6  als  schon  erreicht  geschilderte 
Grad  derselben  nicht  hinreichte  noch  den  Verdiensten  des  Ver- 
storbenen damit  genügende  Gerechtigkeit  widerfahren  wäre. 
Das  Hauptgewicht  liegt  in  dieser  Erklärung  also  darauf,  daß 
Vers  7  ein  Reittier  $abr8,  vielleicht  sein  Lieblingstier  erwähnt. 


>  N  I.  9  (re*)  wird  der  Held  als  dLüL^  £^  gepriesen. 

'  Dies  wäre  aber  notwendig  anzunehmen,    wenn  die  Verse  von  al-Hans&* 

stammten  und  in  Vers  1  cCJL*  bu  lesen  wäre. 
*  Einl,  Dfw.«  p.  18  Mitte.  D  I.  3.  7  (i  i  :  tr). 


Alr0an8&>  und  ihre  Tranerlieder.  113 

Dann  hätten  wir  aber  im  selben  Fragment  der  klagenden 
Dichterin  zweimal  den  sonderbaren  Fall,  daß  eine  spezielle  Be- 
ziehong  ihrer  Worte  anf  die  Hanptperson,  den  betrauerten 
Bruder,  so  allgemein  ausgedrückt  und  verschwommen  bliebe. 
Denn  der  Text,  so  weit  er  wenigstens  uns  erhalten  ist,  sagt 
auch  hier  yon  $abr  gar  nichts. 

Hätten  wir  zu  diesen  Versen  keinen  Kommentar  und 
wollten  wir  zunächst  von  der  Person  absehen,  die  sie  gedichtet 
haben  soll,  so  wären  wir  keinen  Augenblick  um  den  Sinn  ver- 
legen, welchen  wir  ihnen  unterlegen  müßten.  Denn:  es  gehört 
zum  Rüstzeug,  zum  überkommenen  Ideenvorrat  der  aitarabi- 
sehen  Dichter,  daß  sie,  Sorgen  und  Schmerz  (gewöhnlich  Liebes- 
schmerz) zu  verscheuchen,  ihr  Reittier  satteln  und  durch  Nacht 
und  Nebel  ziehen.  Wir  sähen  auch  hier  eine  Aufforderung, 
oder  den  Entschluß,  auf  einem  Reittier,  das  ja  an  einer  genau 
bezeichneten  Lokalität  bereit  steht  (7),  vor  dem  eigenen  oder 
aber  vor  fremdem  Kummer  zu  fliehen,  der  schon  unerträglich 
geworden  ist.  Dann  aber  bleiben  nur  zwei  Möglichkeiten:  ent- 
weder sind  diese  Verse  von  al-^ansä'  und  sie  läßt  sich  mit 
einer  Dialogsfiktion  von  einem  Tadler  so  anreden:  ,Wenn  du, 
o  al-Qansä',  zu  klagen  nicht  aufhörst,  so  sind  Kamele  da,  auf 
denen  ich  deinen  Klagen  entrinnen  kann';^  oder  aber  sind  die 
Verse  von  einem  Manne'  an  eine  (seine?)  über  welches  Un- 
glück immer  tiefbetrübte  Frau  gedichtet,  die  er,  wenn  sie  zu 
klagen  nicht  aufhört,  verlassen  will. 

Damit  taucht  auch  die  Frage  auf,  ob  diese  Verse  von 
unserer  Dichterin  stammen,  oder  nicht.  Ich  glaube,  sie  läßt 
sich  weder  bestimmt  bejahen,  noch  verneinen.  Mit  Sicherheit 
behaupten  läßt  sich  nur  folgendes:  sind  diese  Verse  Ellageverse 
al-Qansä's  und  an  ihren  Bruder  gerichtet,  so  müssen 

1.  Vers  6f,  mag  man  die  von  mir  vorgeschlagene  Deu- 
tung derselben  oder  die  Erklärungen  des  Kommentars,  die 
mir  gewunden  und  gezwungen  vorkommen,  vorziehen,   an  die 


'  Davor  zn  ergänsen:  so  sprach  mancher  zu  mir;  vgl.  D  VI.  2  (oo) 
^y^JSMy  Hieran  konnte  sich  Vers  1  ff.  der  Edition  anschließen:  ,da 
aber,  o  Sa^r,  sprachst,  als  da  noch  lebtest'  etc. 

•  Sind  nicht  bloß  die  Worte  J\  ii^j^^  ^  CXi^  ^^\  in  der  Fiktion, 
sondern  wirklich  diese  Yerse  Yon  einem  Manne  gedichtet,  so  kann  in 
Vers  1  qnlta  (1.  Pers.)  beibehalten  werden.  Sie  stünden  dann  Sa^*^. 
Sttenngsbcr.  d.  pUL-lüit.  Kl.  GILVII.  Bd.  4.  Abb.  8 


114  ly.AbbMidliuif:   Bhodokftnftliis. 

Spitze  gestellt,  d.  h.  es  muß  die  Versfolge  von  ^,  ^,  v^  ak* 
zeptiert  werden; 

2.  können,  immer  anter  der  gleichen  Voranssetzong  der 
Autorschaft  und  Adresse  der  Verse  wie  oben ,  die  Verse  1 — 5 
nur  dann  mit  den  vorangehenden  Versen  6f.  verbunden 
werden,  wenn  man  qulta,  in  der  Apostrophe,  liest. 

Man  müßte  sonst  annehmen,  es  seien  hier  Verse  von 
gleichem  Reim  und  Versmaß  von  einer  Tradition^  die  Bruch- 
stücke gerettet  hatte  und  klassifizieren  wollte,  willkürlich  zu- 
sammengeschweißt worden.  Jedenfalls  sind  sie  aber  innerhalb 
des  Stammes  Sulaim  entstanden  und  überliefert  worden,  wie 
dies  die  bei  den  Sulaimiten  gesammelten  Erklärungen  der- 
selben^ und  das  Vorkommen  des  Ortes  Jalban  in  Vers  7  be- 
weisen. 

K  I  (Diw.*   ivrff.). 

1.  ,Laß  strömen  (den  Schwall)  von  deinen  Tränen  und 
halt  (wieder)  ein  und  übe  Geduld,  wenn  du's  vermagst;  doch 
du  wirst  es  nicht  vermögen! 

2.  (Übe  Geduld)  am  Ende  —  denn  die  Geduld  ist  besser 
als  die  beiden  Sandalen  und  das  rasierte  Haupt  — 

3.  Und  sprich:  sieh,  der  beste  der  Banü  Sulaim  und  ihr 
edelster  liegt  in  der  Wüste  von  al-*Atit. 

4.  Du  aber  wärest,  wolltest  du  nach  dem  Sohne  'Amrs 
(noch  um  jemand  anderen)  weinen,*  wie  der  Wanderer  ohne 
deutlichen  Weg.' 

5.  ,Nicht  bei  Gott,  nicht  hab'  ich  meine  Seele  getröstet 
mit  (der  Erinnerung  an)  eine  Ungehörigkeit,  die  ich  (von  ihm) 
wüßte,  noch  an  Lieblosigkeit. 

[6.  Wohlan,  werden  uns  die  Nächte  zurückkehren  und 
Tage,   die   wir  verlebt   bei  der  Sandbügelkrümmung   von   afi- 

7.  Web'  mir  nach  einem  Leben,  das  wir  verbracht  an 
den  Seiten  von  Darr  und  Du  Nahii^; 


*  Vgl.  Dlw.«  PrÄfaoe  VI. 

'  So  nach  dem  Eommentor;  oder  ,wollteft  da  vom  Weinen  . . .  ab  steh  n': 

^\   ^j^    ^\    JWÄ>    »\^\    ^jj^    vjÜU. 

'  Die  eingeklammerten  Verse  fehlen  im  Mannakript  ^.    Vgl.  die  Noten 
des  Herausgebers. 


Al-0Miaft'  und  ihre  TrMMrli«d«r.  115 

8.  Und  da  die  Häuptlinge  bei  uns  ihre  Rechtsstreite  ver- 
fochten bei  unseren  Zelten  und  die^  welche  mit  Ansprüchen 
kamen ; 

9.  Und  da  bei  uns  waren  Ritter,  jedem  Kampf  gewachsen, 
wann  die  (anderen)  erschrecken^  and  (Männer,)  Durchzieher 
der  Wüsten; 

[10.  Wann  die  zwei  Backenzähne  des  Krieges  knirschen 
und  ihm  die  Ganzgewappneten  begegnen  beim  Blitzen  (der 
Schwerter)] ; 

11.  Und  da  unter  uns  war  Mu'äwija  b.  ^Amr  auf  einer 
rötlichen  Kamelstute  wie  der  edle  Zuchthengst.' 

[12.  ,Drum  bewein'  ihn,    nachdem   er  als  ein  Rühmens- 
werter verschied,  fest  in  seiner  Einsicht,  vom  Freunde  gelobt;]' 
13.  ,Dies  aber  ist  der  (harte)  Verlust  bei  deinem  Leben! 
kein  schwerfälliger  (war's)  mit  dickem  Kopf,  keiner,  der  vom 
Anrufen  der  E^leinviehherde  träumt.' 

Die  Redaktion  dieser  ]S>^a§tde  unterscheidet  sich  in  den 
Handschriften  ^  und  c^  einerseits,  f  andererseits  bloß  durch 
die  Stellung  des  bei  f  zweiten  Verses,  der  in  jenen  an  fünfter 
Stelle  steht.  Außerdem  hat  uns  aber  al-Mubarrads  Kd.mil  (vc  •  f.) 
eine  bloß  aus  den  acht  Versen  (f)  1.  3.  6.  9.  11.  12.  5.  2  be- 
stehende, beträchtlich  kürzere  Rezension  aufbewahrt.  Nach 
der  Versordnung  f  ist  der  Gedankengang  dieser  Elegie,  welche 
in  die  Form  eines  Dialogs  gekleidet  ist,  folgender:^ 

Vers  1 — 4  sind  als  fingierte  Ansprache  an  die  klagende 
Dichterin  gedacht  und  enthalten  die  Aufforderung,  sie  möge 
in  ihrer  Trauer  Maß  halten  und,  wenn  tunlich,  Geduld  übend 
sich  in  ihr  Schicksal  fUgen.  Doch,  setzt  die  hier  redende 
Person  gleich  hinzu,  wird  sie  soviel  nicht  vermögen,  obschon 
resignierte  Fassung  besser  taugt  als  äußerliche  Trauerkund- 
gebung durch  Selbstflagellierung  mit  den  Sandalen  des  Toten 
and  Rasieren  des  Haupthaares.'  Zwar  sei  ihre  Rechtfertigung^ 
wenn  sie  den  Kummer  nicht  mehr  still  ertragen  könne,  leicht ; 
sie  brauche  nur  den  besten,  edelsten  der  Sulaimiten,  der  ge- 
fallen sei,  zu  nennen;  da  müsse  jeder  zugestehen,   würde  al- 


»  Diw.*  Tl. 

'  Übersetzaiig  bei  Gabriel!  160. 

*  Vgl.  Goldsdher,  Mt4ammedaxiische  Studien  I.  244  und  Anm.  1.  —  247  ff. 

8» 


114  lY.  AbhMdlug:   Bh^dokftnfthis. 

Spitze  gestellt y  d.  h.  68  muß  die  Versfolge  von  Zf  f^9  SJ  ^* 
zeptiert  werden; 

2.  können  9  immer  unter  der  gleichen  Voranssetznng  der 
Aatorschaft  und  Adresse  der  Verse  wie  oben,  die  Verse  1 — 5 
nur  dann  mit  den  vorangehenden  Versen  6 f.  verbunden 
werden^  wenn  man  qulta,  in  der  Apostrophe,  liest. 

Man  müßte  sonst  annehmen,  es  seien  hier  Verse  von 
gleichem  Reim  und  Versmaß  von  einer  Tradition^  die  Bruch- 
stücke gerettet  hatte  und  klassifizieren  wollte,  willkürlich  zu- 
sammengeschweißt worden.  Jedenfalls  sind  sie  aber  innerhalb 
des  Stammes  Sulaim  entstanden  und  überliefert  worden,  wie 
dies  die  bei  den  Sulaimiten  gesammelten  Erklärungen  der- 
selben^ und  das  Vorkommen  des  Ortes  Jalban  in  Vers  7  be- 
weisen. 

K  I  (Diw.*  ivrff.). 

1.  ,Laß  strömen  (den  Schwall)  von  deinen  Tränen  und 
halt  (wieder)  ein  und  übe  Geduld,  wenn  du's  vermagst;  doch 
du  wirst  es  nicht  vermögen! 

2.  (Übe  Geduld)  am  Ende  —  denn  die  Geduld  ist  besser 
als  die  beiden  Sandalen  und  das  rasierte  Haupt  — 

3.  Und  sprich:  sieh,  der  beste  der  Banü  Sulaim  und  ihr 
edelster  liegt  in  der  Wüste  von  al-^A^(:. 

4.  Du  aber  wärest,  wolltest  du  nach  dem  Sohne  '^Amrs 
(noch  um  jemand  anderen)  weinen,'  wie  der  Wanderer  ohne 
deutlichen  Weg.' 

5.  ,Nicht  bei  Gott,  nicht  hab'  ich  meine  Seele  getröstet 
mit  (der  Erinnerung  an)  eine  Ungehörigkeit,  die  ich  (von  ihm) 
wüßte,  noch  an  Lieblosigkeit. 

[6.  Wohlan,  werden  uns  die  Nächte  zurückkehren  und 
Tage,  die  wir  verlebt  bei  der  Sandhügelkrümmung  von  ag- 
Sa^tk  ?] » 

7.  Weh'  mir  nach  einem  Leben,  das  wir  verbracht  an 
den  Seiten  von  Darr  und  DA  Nahik; 


>  Vgl.  Dlw.«  Pröfaoe  VI. 

'  So  nach  dem  Kommentar;  oder  ,wollteft  da  vom  Weinen  . . .  abstebn': 

j^  Jtr^  Cji^  **^  *^^^  ^j^^  d^U. 
'  Die  eingeklammerten  Verse  fehlen  im  Mannakript  ^.    Vgl.  die  Noten 
des  Heraosgeberi. 


Al-0Miift'  und  ihre  TrMMrlitdw.  115 

8.  Und  da  die  Häuptlinge  bei  uns  ihre  Rechtsstreite  ver- 
fochten bei  nnseren  Zelten  and  die,  welche  mit  Ansprüchen 
kamen ; 

9.  Und  da  bei  uns  waren  Ritter,  jedem  Kampf  gewachsen, 
wann  die  (anderen)  erschrecken,  und  (Männer,)  Durchzieher 
der  Wüsten; 

[10.  Wann  die  zwei  Backenzähne  des  Krieges  knirschen 
und  ihm  die  Ganzgewappneten  begegnen  beim  Blitzen  (der 
Schwerter)] ; 

11.  Und  da  unter  uns  war  Mu^äwija  b.  ^Amr  auf  einer 
rötlichen  Kamelstute  wie  der  edle  Zuchthengst.' 

[12.  ,Drum  bewein'  ihn,  nachdem  er  als  ein  Rühmens- 
werter verschied,  fest  in  seiner  Einsicht,  vom  Freunde  gelobt;]' 

13.  ,Dies  aber  ist  der  (harte)  Verlust  bei  deinem  Leben! 
kein  schwerfälliger  (war's)  mit  dickem  Kopf,  keiner,  der  vom 
Anrufen  der  Kleinviehherde  träumt.' 

Die  Redaktion  dieser  Jgi^a^tde  unterscheidet  sich  in  den 
Handschriften  ^  und  jr^  einerseits,  f  andererseits  bloß  durch 
die  Stellung  des  bei  f  zweiten  Verses,  der  in  jenen  an  fünfter 
Stelle  steht.  Außerdem  hat  uns  aber  al-Mubarrads  Kd.mil  (v£  •  f ) 
eine  bloß  aus  den  acht  Versen  (f)  1.  3.  6.  9.  11.  12.  5.  2  be- 
stehende, beträchtlich  kürzere  Rezension  aufbewahrt.  Nach 
der  Versordnung  f  ist  der  Gedankengang  dieser  Elegie,  welche 
in  die  Form  eines  Dialogs  gekleidet  ist,  folgender:^ 

Vers  1 — 4  sind  als  fingierte  Ansprache  an  die  klagende 
Dichterin  gedacht  und  enthalten  die  Aufforderung,  sie  möge 
in  ihrer  Trauer  Maß  halten  und,  wenn  tunlich,  Geduld  übend 
sich  in  ihr  Schicksal  fügen.  Doch,  setzt  die  hier  redende 
Person  gleich  hinzu,  wird  sie  soviel  nicht  vermögen,  obschon 
resignierte  Fassung  besser  taugt  als  äußerliche  Trauerkund- 
gebung durch  Selbstflagellierung  mit  den  Sandalen  des  Toten 
und  Rasieren  des  Haupthaares.'  Zwar  sei  ihre  Rechtfertigung^ 
wenn  sie  den  Kummer  nicht  mehr  still  ertragen  könne,  leicht ; 
sie  brauche  nur  den  besten,  edelsten  der  Sulaimiten,  der  ge- 
fallen sei,  zu  nennen;  da  müsse  jeder  zugestehen,   würde  al- 


'  Übenetznng  bei  Gabriel!  160. 

'  Vgl.  Goldziher,  Ma^ammedanische  Studien  I.  244  und  Anm.  1.  —  247  ff. 

8» 


114  lY.  AVhMdliing:  Ebodokftnshis. 

Spitze  gestellt,  d.  h.  es  muß  die  Versfolge  von  ^,  ^,  v^  sk* 
zeptiert  werden; 

2.  können;  immer  anter  der  gleichen  Voransaetzung  der 
Autorschaft  und  Adresse  der  Verse  wie  oben,  die  Verse  1 — ^5 
nur  dann  mit  den  Torangehenden  Versen  6f.  yerbunden 
werden,  wenn  man  qulta,  in  der  Apostrophe,  liest. 

Man  müßte  sonst  annehmen,  es  seien  hier  Verse  von 
gleichem  Reim  und  Versmaß  von  einer  Tradition^  die  Bruch- 
stücke gerettet  hatte  und  klassifizieren  wollte,  willkürlich  zu- 
sammengeschweißt worden.  Jedenfalls  sind  sie  aber  innerhalb 
des  Stammes  Sulaim  entstanden  und  überliefert  worden,  wie 
dies  die  bei  den  Sulaimiten  gesammelten  Erklärungen  der- 
selben^ und  das  Vorkommen  des  Ortes  Jalban  in  Vers  7  be- 
weisen. 

K  I  (Diw.*  ivrff.). 

1.  ,Laß  strömen  (den  Schwall)  von  deinen  Tränen  und 
halt  (wieder)  ein  und  übe  Geduld,  wenn  du's  vermagst;  doch 
du  wirst  es  nicht  vermögen  1 

2.  (Übe  Geduld)  am  Ende  —  denn  die  Geduld  ist  besser 
als  die  beiden  Sandalen  und  das  rasierte  Haupt  — 

3.  Und  sprich:  sieh,  der  beste  der  Banü  Sulaim  und  ihr 
edelster  liegt  in  der  Wüste  von  al-^A^(:. 

4.  Du  aber  wärest,  wolltest  du  nach  dem  Sohne  '^Amrs 
(noch  um  jemand  anderen)  weinen,*  wie  der  Wanderer  ohne 
deutlichen  Weg.^ 

5.  ,Nicht  bei  Gott,  nicht  hab'  ich  meine  Seele  getröstet 
mit  (der  Erinnerung  an)  eine  Ungehörigkeit,  die  ich  (von  ihm) 
wüßte,  noch  an  Lieblosigkeit. 

[6.  Wohlan,  werden  uns  die  Nächte  zurückkehren  und 
Tage,  die  wir  verlebt  bei  der  Sandhügelkrümmung  von  aS- 
Satit  ?]  ' 

7.  Weh'  mir  nach  einem  Leben,  das  wir  verbracht  an 
den  Seiten  von  Darr  und  Du  Nahl^; 


»  Vgl.  Dlw.«  PrÄfÄOe  VI. 

'  So  nach  dem  Kommentar;  oder  ,  wolltest  da  vom  Weinen  ...  ab  steh  n*: 


f}^  ^j^^  ^\  «XA>  '15U)\  ^j^^  d^U. 
'  Die  einirekla 


lingeklammerten  Verse  fehlen  im  Mannikript  ^.    Vgl.  die  Noten 
dea  HeraoBgeben. 


Al-0Miaft'  und  ihre  Traaerltodw.  115 

8.  Und  da  die  Häuptlinge  bei  uns  ihre  Rechtsstreite  ver- 
fochten bei  nnseren  Zelten  and  die^  welche  mit  Ansprüchen 
kamen ; 

9.  Und  da  bei  uns  waren  Ritter,  jedem  Kampf  gewachsen, 
wann  die  (anderen)  erschrecken,  und  (Männer,)  Durchzieher 
der  Wüsten; 

[10.  Wann  die  zwei  Backenzähne  des  Krieges  knirschen 
und  ihm  die  Ganzgewappneten  begegnen  beim  Blitzen  (der 
Schwerter)] ; 

11.  Und  da  unter  uns  war  Mn^äwija  b.  ^Amr  auf  einer 
rötlichen  Kamelstute  wie  der  edle  Zuchthengst.' 

[12.  ,Drum  bewein'  ihn,  nachdem  er  als  ein  Rühmens- 
werter verschied,  fest  in  seiner  Einsicht,  vom  Freunde  gelobt;]' 

13.  ,Dies  aber  ist  der  (harte)  Verlust  bei  deinem  Leben! 
kein  schwerfälliger  (war's)  mit  dickem  Kopf,  keiner,  der  vom 
Anrufen  der  Kleinviehherde  träumt.' 

Die  Redaktion  dieser  ]g[^a§ide  unterscheidet  sich  in  den 
Handschriften  ^  and  ^^  einerseits,  f  andererseits  bloß  durch 
die  Stellung  des  bei  f  zweiten  Verses,  der  in  jenen  an  fünfter 
Stelle  steht.  Außerdem  hat  uns  aber  al-Mubarrads  Kd.mil  (v£  •  f ) 
eine  bloß  aus  den  acht  Versen  (f)  1.  3.  6.  9.  11.  12.  5.  2  be- 
stehende, beträchtlich  kürzere  Rezension  aufbewahrt.  Nach 
der  Versordnnng  f  ist  der  Qedankengang  dieser  Elegie,  welche 
in  die  Form  eines  Dialogs  gekleidet  ist,  folgender:^ 

Vers  1 — 4  sind  als  fingierte  Ansprache  an  die  klagende 
Dichterin  gedacht  und  enthalten  die  Aufforderung,  sie  möge 
in  ihrer  Trauer  Maß  halten  und,  wenn  tunlich,  Geduld  übend 
sich  in  ihr  Schicksal  fUgen.  Doch,  setzt  die  hier  redende 
Person  gleich  hinzu,  wird  sie  soviel  nicht  vermögen,  obschon 
resignierte  Fassung  besser  taugt  als  äußerliche  Trauerkund- 
gebung durch  Selbstflagellierung  mit  den  Sandalen  des  Toten 
und  Rasieren  des  Haupthaares.'  Zwar  sei  ihre  Rechtfertigung^ 
wenn  sie  den  Kummer  nicht  mehr  still  ertragen  könne,  leicht ; 
sie  brauche  nur  den  besten,  edelsten  der  Sulaimiten,  der  ge- 
fallen sei,  zu  nennen;  da  müsse  jeder  zugestehen,   würde  al- 


*  Übenetzimg  bei  Gabriel!  160. 

'  Vgl.  Goldziher,  Ma^ammedanische  Studien  I.  244  und  Anm.  1.  —  247  ff. 

8» 


114  lY.  AVhMdliuig:   BhodokanshiB. 

Spitze  gestellt 9  d.  h.  ob  muß  die  Versfolge  von  Zf  r^i  SJ  ^* 
zeptiert  werden; 

2.  können  y  immer  anter  der  gleichen  Voranssetznng  der 
Aatorschaft  und  Adresse  der  Verse  wie  oben ,  die  Verse  1 — ^5 
nur  dann  mit  den  vorangehenden  Versen  6 f.  verbnnden 
werden,  wenn  man  qolta,  in  der  Apostrophe,  liest. 

Man  müßte  sonst  annehmen,  es  seien  hier  Verse  von 
gleichem  Reim  und  Versmaß  von  einer  Tradition^  die  Brach- 
stücke gerettet  hatte  und  klassifizieren  wollte,  willkürlich  zu- 
sammengeschweißt worden.  Jedenfalls  sind  sie  aber  innerhalb 
des  Stammes  Sulaim  entstanden  und  überliefert  worden,  wie 
dies  die  bei  den  Sulaimiten  gesammelten  Erklärungen  der- 
selben^ und  das  Vorkommen  des  Ortes  Jalban  in  Vers  7  be- 
weisen. 

K  I  (Diw.«  ivrff.). 

1.  ,Laß  strömen  (den  Schwall)  von  deinen  Tränen  und 
halt  (wieder)  ein  und  übe  Geduld,  wenn  du's  vermagst;  doch 
du  wirst  es  nicht  vermögen  I 

2.  (Übe  Geduld)  am  Ende  —  denn  die  Geduld  ist  besser 
als  die  beiden  Sandalen  und  das  rasierte  Haupt  — 

3.  Und  sprich:  sieh,  der  beste  der  Banü  Sulaim  and  ihr 
edelster  liegt  in  der  Wüste  von  al-'A^(:. 

4.  Du  aber  wärest,  wolltest  du  nach  dem  Sohne  'Amrs 
(noch  um  jemand  anderen)  weinen,*  wie  der  Wanderer  ohne 
deutlichen  Weg.' 

5.  ,Nicht  bei  Gott,  nicht  hab'  ich  meine  Seele  getröstet 
mit  (der  Erinnerung  an)  eine  Ungehörigkeit,  die  ich  (von  ihm) 
wüßte,  noch  an  Lieblosigkeit. 

[6.  Wohlan,  werden  uns  die  Nächte  zurückkehren  und 
Tage,   die   wir  verlebt   bei  der  Sandhügelkrümmung   von   ai- 

gatit?]' 

7.  Weh'  mir  nach  einem  Leben,  das  wir  verbracht  an 

den  Seiten  von  Darr  und  DA  Nahii^; 


»  Vgl.  Dlw.«  Pröfaee  VI. 

'  So  nach  dem  Kommentar;  oder  ^wolltest  da  vom  Weinen  ...  ab  steh  n*: 

'  Die  eingeklammerten  Vene  fehlen  im  Mannakript  ^.    Vgl.  die  Noten 
des  HeraoBgeben. 


Al-Qanaft'  und  ihre  T^rraerU«d«r.  115 

8.  Und  da  die  Häuptlinge  bei  nns  ihre  Rechtsstreite  ver- 
fochten bei  unseren  Zelten  und  die,  welche  mit  Ansprüchen 
kamen ; 

9.  Und  da  bei  uns  waren  Ritter,  jedem  Kampf  gewachsen, 
wann  die  (anderen)  erschrecken,  und  (Männer,)  Durchzieher 
der  Wüsten; 

[10.  Wann  die  zwei  Backenzähne  des  Krieges  knirschen 
und  ihm  die  Ganzgewappneten  begegnen  beim  Blitzen  (der 
Schwerter)] ; 

11.  Und  da  unter  uns  war  Mu'iwija  b.  ^Amr  auf  einer 
rötlichen  Kamelstute  wie  der  edle  Zuchthengst.^ 

[12.  ,Drum  bewein'  ihn,  nachdem  er  als  ein  Rühmens- 
werter verschied,  fest  in  seiner  Einsicht,  vom  Freunde  gelobt;]' 

13.  ,Dies  aber  ist  der  (harte)  Verlust  bei  deinem  Leben! 
kein  schwerfälliger  (war's)  mit  dickem  Kopf,  keiner,  der  vom 
Anrufen  der  Elleinviehherde  träumt.' 

Die  Redaktion  dieser  Jgi^a^ide  unterscheidet  sich  in  den 
Handschriften  ^  und  c^  einerseits,  f  andererseits  bloß  durch 
die  Stellung  des  bei  f  zweiten  Verses,  der  in  jenen  an  fünfter 
Stelle  steht.  Außerdem  hat  uns  aber  al-Mubarrads  Kd.mil  (v£  •  f.) 
eine  bloß  aus  den  acht  Versen  (f)  1.  3.  6.  9.  11.  12.  5.  2  be- 
stehende, beträchtlich  kürzere  Rezension  aufbewahrt.  Nach 
der  Versordnung  f  ist  der  Gedankengang  dieser  Elegie,  welche 
in  die  Form  eines  Dialogs  gekleidet  ist,  folgender:^ 

Vers  1 — 4  sind  als  fingierte  Ansprache  an  die  klagende 
Dichterin  gedacht  und  enthalten  die  Aufforderung,  sie  möge 
in  ihrer  Trauer  Maß  halten  und,  wenn  tunlich,  Geduld  übend 
sich  in  ihr  Schicksal  fUgen.  Doch,  setzt  die  hier  redende 
Person  gleich  hinzu,  wird  sie  soviel  nicht  vermögen,  obschon 
resignierte  Fassung  besser  taugt  als  äußerliche  Trauerkund- 
gebung durch  Selbstfiagellierung  mit  den  Sandalen  des  Toten 
und  Rasieren  des  Haupthaares.'  Zwar  sei  ihre  Rechtfertigung^ 
wenn  sie  den  Kummer  nicht  mehr  still  ertragen  könne,  leicht ; 
sie  brauche  nur  den  besten,  edelsten  der  Sulaimiten,  der  ge- 
fallen sei,  zu  nennen;  da  müsse  jeder  zugestehen,   würde  al- 


*  Übenetzrmg  bei  GabrieU  160. 

'  Vgl.  Goldsiher,  Mu^ammedanische  Stndien  I.  244  und  Anm.  1.  —  247  ff. 

8» 


114  ly.  AbhMidloDg:   Bhodokftnfthis. 

Spitze  gestellt,  d.  h.  es  muß  die  Versfolge  von  ^,  ^,  v^  ak« 
zeptiert  werden; 

2.  können,  immer  anter  der  gleichen  Voranssetzong  der 
Autorschaft  und  Adresse  der  Verse  wie  oben ,  die  Verse  1 — 5 
nur  dann  mit  den  vorangehenden  Versen  6f.  verbunden 
werden,  wenn  man  quita,  in  der  Apostrophe,  Uest. 

Man  müßte  sonst  annehmen,  es  seien  hier  Verse  von 
gleichem  Reim  und  Versmaß  von  einer  Tradition^  die  Bruch- 
stücke gerettet  hatte  und  klassifizieren  wollte,  willkürlich  zu* 
sammengeschweißt  worden.  Jedenfalls  sind  sie  aber  innerhalb 
des  Stammes  Sulaim  entstanden  und  überliefert  worden ,  wie 
dies  die  bei  den  Sulaimiten  gesammelten  Erklärungen  der- 
selben^  und  das  Vorkommen  des  Ortes  Jalban  in  Vers  7  be- 
weisen. 

K  I  (Diw.«  ivrff.). 


1.  ,Laß  strömen  (den  Schwall)  von  deinen  Tränen  und 
halt  (wieder)  ein  und  übe  Qeduld,  wenn  du's  vermagst;  doch 
du  wirst  es  nicht  vermögen  1 

2.  (übe  Qeduld)  am  Ende  —  denn  die  Qeduld  ist  besser 
als  die  beiden  Sandalen  und  das  rasierte  Haupt  — 

3.  Und  sprich:  sieh,  der  beste  der  Banü  Sulaim  und  ihr 
edelster  liegt  in  der  Wüste  von  al-^A^^. 

4.  Du  aber  wärest,  wolltest  du  nach  dem  Sohne  'Amrs 
(noch  um  jemand  anderen)  weinen,*  wie  der  Wanderer  ohne 
deutlichen  Weg/ 

5.  ,Nicht  bei  Qott,  nicht  hab'  ich  meine  Seele  getröstet 
mit  (der  Erinnerung  an)  eine  Ungehörigkeit,  die  ich  (von  ihm) 
wüßte,  noch  an  Lieblosigkeit. 

[6.  Wohlan,  werden  uns  die  Nächte  zurückkehren  und 
Tage,  die  wir  verlebt  bei  der  Sandhügelkrümmung  von  afi- 
Satik  ?]  ' 

7.  Weh'  mir  nach  einem  Leben,  das  wir  verbracht  an 
den  Seiten  von  Darr  und  Du  Nahii^; 


*  Vgl.  Dlw.*  Prffaoe  VI. 

'  So  nach  dem  Kommentar;  oder  , wolltest  da  vom  Weinen  . . .  abatehn': 
J\  ^j^^  ^\  jwA>  «bU)!  ^^^  v^U. 

'  Die  eingeklammerten  Verse  fehlen  im  Mannskript  ^.    Vgl.  die  Noten 
des  Heraasgebers. 


Al-0Miaft«  und  ihre  TrM«rlMer.  115 

8.  Und  da  die  Häuptlinge  bei  uns  ihre  Rechtsstreite  ver- 
fochten bei  nnseren  Zelten  and  die^  welche  mit  Ansprüchen 
kamen ; 

9.  Und  da  bei  uns  waren  Ritter,  jedem  Kampf  gewachsen; 
wann  die  (anderen)  erschrecken^  und  (Männer,)  Dnrchzieher 
der  Wüsten; 

[10.  Wann  die  zwei  Backenzähne  des  Krieges  knirschen 
and  ihm  die  Ganzgewappneten  begegnen  beim  Blitzen  (der 
Schwerter)] ; 

11.  Und  da  anter  ans  war  Mu'äwija  b.  ^Amr  auf  einer 
rötlichen  Kamelstate  wie  der  edle  Zuchthengst.^ 

[12.  ,Dram  bewein'  ihn,    nachdem   er  als   ein  Rühmens- 
werter verschied,  fest  in  seiner  Einsicht,  vom  Freunde  gelobt;]' 
13.  yDies  aber  ist  der  (harte)  Verlast  bei  deinem  Leben! 
kein  schwerfälliger  (war's)  mit  dickem  Kopf,  keiner,  der  vom 
Anrufen  der  E^leinviehherde  träumt.' 

Die  Redaktion  dieser  Jgi^a^tde  unterscheidet  sich  in  den 
Handschriften  ^  und  jr^  einerseits,  f  andererseits  bloß  durch 
die  Stellung  des  bei  f  zweiten  Verses,  der  in  jenen  an  fünfter 
Stelle  steht.  Außerdem  hat  uns  aber  al>Mubarrads  K4mil  (v£  •  f.) 
eine  bloß  aus  den  acht  Versen  (f)  1.  3.  6.  9.  11.  12.  5.  2  be- 
stehende, beträchtlich  kürzere  Rezension  aufbewahrt.  Nach 
der  Versordnung  p  ist  der  Gedankengang  dieser  Elegie,  welche 
in  die  Form  eines  Dialogs  gekleidet  ist,  folgender:^ 

Vers  1 — 4  sind  als  fingierte  Ansprache  an  die  klagende 
Dichterin  gedacht  und  enthalten  die  Aufforderung,  sie  möge 
in  ihrer  Trauer  Maß  halten  und,  wenn  tunlich,  Geduld  übend 
sich  in  ihr  Schicksal  fUgen.  Doch,  setzt  die  hier  redende 
Person  gleich  hinzu,  wird  sie  soviel  nicht  vermögen,  obschon 
resignierte  Fassung  besser  taugt  als  äußerliche  Trauerkund- 
gebung  durch  Selbstflagellierung  mit  den  Sandalen  des  Toten 
und  Rasieren  des  Haupthaares.'  Zwar  sei  ihre  Rechtfertigung^ 
wenn  sie  den  Kummer  nicht  mehr  still  ertragen  könne,  leicht ; 
sie  brauche  nur  den  besten,  edelsten  der  Sulaimiten,  der  ge- 
fallen sei,  zu  nennen;  da  müsse  jeder  zugestehen,   würde  al- 


»  Diw.'  Tl. 

*  Übenetsnng  bei  Oabrieli  160. 

'  Vgl.  Qoldsdher,  Mohammedanische  Studien  I.  244  und  Anm.  1.  —  247  ff. 

8» 


I 

116  IV.  AbbADdlnng:    Bhodokftiiakis.  ' 

9aiis&'  nach  ihm  noch  um  jemand  anderen  weinen,  nach 
diesem  Schmerz  eines  Leids  noch  fähig  sein,  so  wäre  sie  töricht 
und  irregeleitet. 

Die  folgenden  Verse  5 — 13,  welche  al-^ansä'  spricht,  sind 
eine  Bekräftigung  und  Steigerung  der  in  den  vorangehenden, 
an  sie  gerichteten  Versen  ausgesprochenen  Gedanken.  Kein 
Unrecht,  das  der  Betrauerte  sich  hätte  zuschulden  kommen 
lassen,  tauche  jetzt  in  ihrer  Erinnerung  auf,  das  Leid  um  ihn 
zu  trüben  oder  zu  mindern.  Es  folgt  die  wehmütige  Erwäh- 
nung der  in  Glanz  und  Ansehen,  bei  friedlichem  Schiedsspruch 
und  im  Kampfe,  als  Mu'äwija  noch  lebte,  gemeinsam  in  Freud' 
und  Leid  verbrachten  Tage,^  die  nie  wiederkehren.  [Vers  12 
könnte  als  die  das  Gedicht  abschließende  Schlußfolgerung  der 
in  den  ersten  Versen  als  Ermahnerin  Auftretenden  gelten,  die, 
nunmehr  den  Auseinandersetzungen  al  Qansä's  folgend,  ihr  Recht 
zur  Trauer  einsieht  und  sie  ermuntert,  den  Tränen  freien  Lauf 
zu  lassen.]^ 

Die  Gedankenfolge  und  Dialogisierung  dieses  Gedichtes 
erhalten  in  ^  und  V*  durch  die  Umstellung  von  Vers  2  und 
durch  den  Wechsel  der  Person  in  Vers  4  eine  kleine  Verschie- 
bung. Dadurch,  daß  Vers  2  hier  in  etwas  anderer  Fassung 
al-^an8ä'  in  den  Mund  gelegt  wird,  rücken  aber  die  gedanklich 
kohärierenden  Verse  1  und  3  nach  Entfernung  des  konzessiven 
Zwischensatzes  in  Vers  2  näher  an  einander.  Zugleich  beginnt 
die  Antwort  al-^ansä's  schon  mit  dem  vierten  Verse,  der  hier 
gelesen  wird: 

Über  die  divergierende  Lesung  von  Vers  5  bei  ^  s.  später. 
Auf  diesen  folgt  Vers  2,  aber  von  al-Qansä'  gesprochen: 

d.  h.  keinen  anderen  Trost  habe  ich  als  die  Einsicht, ,  daß  ge- 
duldiges Ertragen  am  besten  über  den  unabwendbaren  Schick- 
salsschlag  hinweghilft. 

^  Vers  6  und  7  sind  bloß  in  ^  und  ^  geschieden.  ^  liest  bloß  Vers  7 
und  fahrt  im  Kommentar  (p.  i  vv>  Z.  3)  nach  Ja'küb  Vers  6  als  dessen 
Variante  an:  ^«p«.    Kl^mil  liest  bloß  den  sechsten  Vers. 

"  Der  vorletzte  Vers  nur  bei  ^,  ^  und  K&m.  Vgl.  oben  p.  97. 

'  Statt  ^^  ^\  jM.  S.  später. 


AI-0M1SI'  and  ihre  TraiierUed«r.  1J7 

Auch  Kam.  1.  n.  faßt  diese  zwei  Verse  zusammen  und 
läßt  beide  von  al-Qansft'  gesprochen  sein;  nur  schließen  sie 
dort  das  Qedicht  ab. 

und  nun  zu  der  auch  von  f  und  ^  ^  angeführten  Variante 
des  flinften  (bei  ^  vierten)  Verses: 

So  las  auch  Diw.^  p.  ii. 

Vorwegnehmen  will  ich,  daß  «^i*^"^  zu  lesen  unmöglich 
ist.  Läse  man  so  und  wollte  dann  erklären:  ,(So  lange  du  lebtest) 
tatest  du  mir  nie  ein  Unrecht  an,  das  mich  gezwungen  hätte 
(oder  noch  zwänge),  mich  in  Trauer  zu  hüllen^,  so  wtlrde  der 
hier  folgende  Vers  (5  bei  c) 

keinen  Anschluß  haben;   aber  auch  mit  der  Lesung  cU^i  ist 
er  unvereinbar.     Denn  so  gelesen  heißt  es: 

4.  Nicht  ungesetzlicher-  oder  widerspenstigerweise  habe 
ich  mich  in  Trauer  gehüllt, 

5.  Sondern  ich  habe  gefunden,  daß  die  Geduld  besser 
taugt  denn  die  (Trauerbezeigang  mit  den)  zwei  Sandalen  und 
dem  rasierten  Haupthaar. 

Ein  adversatives  Verhältnis  ist  aber  zwischen  diesen  zwei 
Versen  unmöglich  und  in  diesem  Zusammenhang  das  ^^^  un- 
sinnig;' oder  es  muß:  sallaitu  ^adri  beziehungsweise  nafsi  ge- 
lesen werden,  d.  h.  nicht  in  Erinnerung  an  ein  von  dir  mir 
zugefügtes  Unrecht  habe  ich  mich  getröstet,  oder  könnt'  ich 
Erleichterung  finden,  sondern  nur  deshalb,  weil  ich  eingesehen 
habe,  daß  Qeduld  das  einzig  Zukömmliche  ist,  gebe  ich  mich 
zufrieden.  Die  Lesart  sallabtu  jedoch  läßt  sich  nur  mit  der 
Verafolge  bei  e  vereinbaren;  denn  dann  antwortet  al-^ansÄ* 
auf  den  Einwurf:  ,Geduld  ist  besser  denn  das  Trauern  nach 
heidnischem  Brauch'  konsequenterweise  mit  der  Rechtfertigung: 


•  V«r.:  iu&cwUJ.   ' 

'  Deshalb  übersetzt  Coppier  143:   ,si  tu  ii*as  vn  snr  ma  poitrine   qu*un 

eilice  de  deuil,  je  ne  suis  en  ceci  ni   conpable  ni  rebeHe.  Mais  .  .  .'. 

Bine  restringierende  Partikel  steht  jedoch  im  Texte  nicht. 


i 

118  IV.  AbhAndlvng:    Bhodokftnftkis.  . 

,ich  tat  es  nicht  aus  Widerspenstigkeit  noch  mit  böser  Absicht^, 
sondern  der  unvergleichlichen  Verdienste  des  Toten  halber. 

Damit  führt  ans  aber  diese  Lesart  tiefer  in  die  angeb- 
liche Entstehnngsgeschichte  dieser  Elegie. 

Die  handschriftlich  uns  erhaltenen  Überlieferungen  er- 
zählen zu  dieser  Elegie/  sie  sei  die  Erwiderung  al-Qans&'S; 
als  'Umar  I.  ihr  die  Trauer  nach  altheidnischem  Brauch  zum 
Vorwurf  machte  und  verbieten  wollte.  Aber  derlei  Anekdoten 
werden  gerade,  was  die  ostentative  und  maßlose  Trauer  unserer 
Dichterin  anlangt,  die  an  der  Schwelle  zweier  Kulturepochen 
lebend  zu  solchen  guten  Anlaß  bot,  noch  sonst  oft  und  ver- 
schieden erzählt.*  Von  zweien  dieser,  und  zwar  von  jenen,  die 
sich  auf  ^Umar  als  den  einen  Unterredner  beziehen,  ist  die 
eine  gewiß  bloß  die  Variante  der  anderen.  Inhaltlich  stimmt 
auch  die  dritte  in  ihren  GrundzUgen  mit  jenen  überein,  nur 
wird  dort  als  Unterrednerin  'A*iäa  angeführt. 

Mag  aber  auch  diesen  Anekdoten  ein  tatsächliches,  histo- 
risches Moment  des  inneren  Gegensatzes  zwischen  zwei  ver- 
schiedenen Welt-  und  Lebensanschauungen  zugrunde  liegen, 
so  bleibt  dennoch  die  Frage  offen,  ob  dieser  Gegensatz  gerade 
in  dieser  uns  überlieferten  Weise  zum  äußeren  Ausdruck  kam 
und  ob  wieder  gerade  er  Anlaß  zu  den  Elegien  gab,  deren 
Entstehung  ihm  nun  zugeschrieben  wurde.  Tatsache  ist  es,  daß 
al-Mubarrad,  gerade  was  das  in  Rede  stehende  Stück  1^  I  an- 
langt, nichts  davon  weiß.  Nach  ihm  ist  diese  Elegie  auf 
Mu^äwija  allein  gedichtet:  ^j^*-«  ^jjut}\  \jjb  -L*Jli.\  viuJl*  Ui\^ 
^ys^\  f^  s-jUaj  ^\  J^  ^-^^  (vir)  und  trifft  dies  zu,  so  kann 
sie  unmöglich  zur  Zeit  *Umars  entstanden  sein,  da  ja  §ahr 
noch  in  der  Gähiltja  starb.  Allerdings  bürgt  uns  wieder  für 
diese  Nachricht  niemand  und  nichts;  schon  die  Bemerkung, 
die  al-Mubarrad  an  die  oben  zitierten  Worte  knüpft:  v— ^^^-o\  Oi 
^^  o^  er*  **^  '^•^**^  j^^  ist  geeignet,  auch  seine  anderen 
Aussagen  in  Frage  zu  stellen ;  denn  in  dieser  Form  und  diesem 
Zusammenhang  kann  sie  doch  nur  so  aufgefaßt  werden,  als  hätte 
al-^ansä'  nach   ihres   Bruders  ^ahr  Tode   auch  des   Mu*4wija 

»  Diw.»  Einl.  20.  Gabrieli  149  f. 

*  Gabrieü  149  und  Note  4.  160.  151.     Coppier  23.    Djw.«  Einl,  21  f.    und 

Diw.*  rn  dazu  Varianten  in  den  Noten  und  Suppl.  ad  U.  —  Vgl.  auch 

Goldziher  in  WZKM.  XVI.  321  ff. 


Al-0iuuft*  und  Um  lYMwUAder.  119 

^vergessen^y  d.  h.  keine  Elegien  ihm  mehr  gewidmet.  Nun 
finden  wir  aber  in  ihrem  Diwan  wenn  nicht  oft,  so  doch  einige 
Stücke,*  die  Ma^äwija  und  9abr  gelten  sollen;  wäre  aber  ihre 
Überlieferung,  was  die  doppelte  Adresse  anlangt,  unrichtig 
oder  selbst  die  betreffenden  Fragmente  ganz  Spuria,  so  ließe 
trotzdem  jene  Aussage  al-Mubarrads  ^  auch  eine  psychologische 
Diskussion  zu.  Doch  ist  diese  unnötig  und  es  genügt,  mag  es 
darum  wie  immer  stehen,  die  Tatsache  festzulegen,  daß  die 
Version,  ^  I  sei  zur  Zeit  'Umars  entstanden,  wenigstens  keine 
allgemeine  Geltung  hatte  oder  erst  später  entstand.  Das 
Qedicht  selbst  konnte  sie  jedenfalls  sehr  leicht  entstehen  lassen, 
besonders  wenn  der  Gegensatz  zwischen  'Umar  als  Träger  der 
neuen  religiösen  Idee  und  al-^ansä'  als  dem  starren  Beduinen- 
weibe einmal  gegeben  war.  Zwar  ist  die  in  Vers  1  gepredigte 
Geduld  (^xt^)  schon  eine  Beduinentugend,'  aber  der  Anfüh- 
rung der  speziell  heidnischen  Bräuche  in  Vers  2  j^yo}\  ^l» 
j3tiU.\  cf^^j^^^  crÄ^^*^^  er*  *  r^  entsprechen  in  der  Anekdote 
(Diw.«  Einl.  20)^  genau  die  Worte:  u^\j^\  Äi'^Jla^  C--J^  ^^ 
\jbjL^  ^i  ji^  Jju  vT^jUI*  jjJ_5  UJU.  ^^  ^^/^.  Sie  könnte  also 
ihrerseits  selbst  aus  dem  Gedicht  I$l  I  erst  abgeleitet  sein. 
Man  darf  eben  am  zweiten  Verse  nicht  irre  werden.  In  der 
altarabischen  Poesie  ist  der  an  den  Dichter  gerichtete  ,Tadel* 
ein  geeigneter  Hebel  zur  Entwicklung  des  Dialoges  und  dieser 
selbst  ein  treffliches  Mittel  zur  Gruppierung  der  Gedanken; 
und  wie  für  die  Poesie  im  allgemeinen,  so  .gilt  dies  auch  für 
das  Rita*;  die  Dichterin  rechtfertigt  ihre  Klage  und  Trauer, 
indem  sie  das  Lob  ihres  Helden  singt;  der  Tadel  vor  dem  sie 
sich  so  schützt,  geht  oft  bloß  auf  ihre  Tränen,  hier  erstreckt 
er  sich  auf  das  ganze  äußere  Gebaren. 

Diesem  Exkurs  muß  noch  eine  kurze  Erörterung  der 
Frage,  wem  eigentlich  J^  I  gelte,  angeschlossen  werden. 

Wie  gezeigt,  bezieht  es  al-Mubarrads  Kämil  auf  Mu'äwija 
allein;  im  Diwan  lautet  jedoch  die  Aufschrift:  i^^^*-«»  ^^.y^^  ^yy 
^j^^^ ;  dem  entspricht  im  Text,  was  Mu  äwija  anlangt,  Vers  1 1 , 
wo  alle  Handschriften  und  Überlieferungen  lesen: 

1  D  Vra(oA),  B  XXVI  (i£i),  LlX(rn),  H  lU  (roi),  J  IH.  IV  (m  f.). 
*  Vgl.  auch  Einl.  Diw."  p.  25,  Z.  2.  '6.  —  Es  widerspricht   ihr  übrigens 
auch  das  Auftreten  al-Qansft's  vor  Hind  bint  'Utba  (D!w.*  OA  zu  D  VIII). 
'  Gh>ldziher,  Mo^ammedaniBche  Stadien  I.  251  f. 


120  IV.  AbhAndlnng:    Bhodokanakis. 

während  ^a^r  nur  in  einer  Variante  zu  Vers  4  genannt  wird, 
wo  c  ^^^  (T*  statt  ^j-^  cri^  J^ '  /^  J^  er*  lesen. 

Einen  Anhaltspunkt,  diese  Frage  zu  entscheiden,  möchte 
ich  weder  hier  suchen,  noch  in  dem  Vers  3  genannten  nomen 
loci:  J<H*^^  *^7*^  i^^  ^^^  beste  der  Sulaimiten  liegte  Bekri 
bemerkt  zwar  hierzu  (Dlw.*  ivo^  Note  a):  ^^  f^  J-^  ^^^ 
i)\  ^j^\  doch  das  kann  er  aus  dem  Faktum  abgeleitet  haben, 
daß  der  Vers  von  al-|lansä'  ist,  und  da  die  Mehrzahl  ihrer 
Trauerlieder  eben  §abr  gelten,  in  der  Beziehung  des  Verses 
geirrt  haben.  Sagt  schon  der  Kommentar  im  Gegensatz  dazu 
(Diw.  zu  V.  3)  J\  *JJ;-^  J^yJ*^  ^.^^^*^  J-^.  Andererseits  könnte 
man  gegen  diese  Aussage  die  Erzählung  in  D!w.*  Einl.  11.  12. 
Z.  1  (»j>^  f^^i),  ferner  in  der  Elegie  §abr8  auf  Mu'äwija  das 
ebenda  13  ult.  als  Mu'äwijas  Grabstätte  genannte  Lijjat'  und 
in  L  VI  (f  • »  Z.  2)  die  Bestimmung:  j^^ys.  ,^  5^  yo  (io^U-«)  dJLxS 
(^^^  und  endlich  die  Tatsache  anfiihren,  daß  Muäwija  im 
Gebiete  der  Murra'*  starb,  während  der  Kommentar  bei  f  den 
Vers  3  genannten  Ort  in  sulaimitisches  Gebiet  zu  verlegen 
scheint.*  Bei  der  unsicheren  Lokalisierungsmöglichkeit  der  in 
alten  Versen  genannten  Orte  ließe  sich  auch  mit  geographischen 
Argumenten  eben  nicht  viel  ausrichten. 

Ich  glaube,  die  Antwort  liegt  im  Gange  des  Gedichtes 
selbst.  Wir  haben  gesehen,  daß  sein  größter  Abschnitt  Re- 
miniszenzen und  dem  wehmütigen  Erinnern  an  das  entschwun- 
dene Glück  gewidmet  ist.  Dieser  Abschnitt  (Vv.  7 — 11)  hat 
die  Form  einer  Klimax*  und  alle  Verse  desselben  beginnen 
mit  der  temporal-kausalen  Partikel  \  Diese  Klimax  schließt 
mit  der  Erwähnung  Mu^äwijas  ab.    [Darauf  folgt  in  Vers  12 


*  Dieses  5^^  kommt  noch  in  L  XIV  {ttn)  Vers  1  vor,  der  vor  *Umar 
rezitiert  worden  sein  soH.  Die  Beziehung  der  Verse,  ob  auf  M.  oder  S. 
ist  nnsicher;  auf  M.  allein  nicht,  wenn  L  XIV  wirklich  vor  'Omar 
rezitiert  wurde,  und  zwar  wegen  Vers  3,  da  zu  *lJmars  Zeiten  schon 
Sa^  nach  Mn*äwija  gefallen  war. 

»  Vgl.  Diw.«  Einl.  15,  Note  c  als  Var.  zu  i-ä^. 

»  Einl.  12,  Z.W^^  ^b>  ,>•  '  . 

*  Vgl.  auch  N  in.  Komm,  zu  Vers  1,  Z.  5  flf.  p.  r£Q. 

*  Vgl.  oben  61  f. 


Al*9aiuft«  und  Utra  Tnv«rlied«r.  121 

die  Konklusion:  <^Xa»  (nicht  etwa  ^  oder  Ua),  da  das  letzte 
Qlied  jener  Kette  in  allen  Überlieferungen  laatet: 

Ich  denke,  ginge  das  Gedicht  auch  auf  ^a^r,  so  müßte  seiner 
in  den  Versen  6 — 11  ebenfalls  Erwähnung  geschehen.^ 

L  VI  (Diw.«  r.i  ff.). 

Diese  aus  38  Versen  bestehende  Elegie,  im  Metrum  Mu- 
ta^&rib  und  auf  den  Reim  &lahä  verfaßt,  hat  in  der  arabischen 
Literatur  ihre  Doppelgänger. 

Zunächst  ist  auch  hier  die  Frage  strittig,  wem  zu  Ehren 
sie  verfaßt  sei;  den  Handschriften  zufolge  gilt  sie  Mu'äwija, 
Ag.  XIII.  137  hingegen  bezieht  sie  (nach  AbtL  'Ubaida)  auf 
$abr;'  dieser  Ansicht  schließt  sich  Gabrieli  114  Note  1  ohne 
Angabe  von  Gründen  an;  Ag.  selbst  fügt  1.  n.  die  gegensätz- 
liche,  aus   sulaimitischer  Quelle  stammende  Angabe  hinzu: 

51  AJfjU^  l^  yZ^j  Uj\^  jaef^  ^    »JJb  C,^*^^  '^j».Um.)\   JIS.      Für 

Mu'äwija  scheint  auch  in  Vers  35  die  Erwähnung  der  Banü 
Murra  als  seiner  Mörder  zu  sprechen;^  hingegen  könnte  man 
in  den  Versen  29 — 33,  die  den  MarÜ  als  Dichter  preisen,  viel- 
leicht einen  Grund  sehen,  das  Gedicht  (oder  mindestens  diesen 
Teil)  auf  §abr  zu  beziehen,  der  (vgl.  Dtw.*  Einl.)  oft,  auch 
in  'Adabbüchern  und  den  Wörterbüchern  als  Dichter  genannt 
und  zitiert  wird,  was  sich  in  gleicher  Weise  von  Mu^ftwija 
nicht  behaupten  ließe.  Doch  wer  war  zu  jenen  Zeiten  nicht 
Dichter? 

Das  charakteristische  Metrum  und  Reimspiel  dieser  Elegie 
finden   wir  in   den   MarÄti   p.  93  f.    (Zainab  bint  M&lik)    und 

*  Ich  wül  noch  bemerken,  daß  die  Var.  J^  Jljo  ^^  in  Vers  4  and 
^_^^,-,^  V*  in  Vera  5  ihr  Dasein  vielleicht  jener  Anekdote  verdanken,  die, 
selbst  aus  K  I  abgeleitet,  den  Anlaß  zu  dieser  Elegie  angeben  soll.  In 
diesem  Falle  wäre  der  circulus  vitiosus  geschlossen. 

•  Ebenso  Hia.  I.  24  V^  —  L^  ^y. 

'  Zitiert  werden  im  Dtwftn-Kommentar:  ^^^^.^JLuJ\  im  allgemeinen:  L IV.  1 
Komm.  Z.  2  (nc).  L  VI.  2.  6.  10.  N  m.  1  Komm.  Femer  'Arr&m  und 
da^'  as-Sulami  N  in.  1  Komm.  —  Vgl.  femer  D  II.  2  f.  Komm.  (£o), 
L  VI.  18.  D  ni.  6.  R  IV.  2.  4.  7.  VI.  1.  4.  9.  —  Ein  Schwestersohn  al- 
Hans&'s  N  lU.  1  Komm.  Z.  12  und  *Ajj&S  L  VI.  2  Komm.  {r*T). 

^  Ygl.  jedoch  oben  p.  88,  Note  6  zu  R  YIII. 


122  IT.  AkhMdlug:    B1iodo1tftn»kiB. 

152  f.  (Majja  bint  Pir&r)  wieder.     Dort  erinnert  der  an  erster 
Stelle  zitierte:  Vers: 


an  L  VI.  2 

hier  der  an  erster  Stelle  zitierte: 

an  L  VI.  4 

und  die  folgenden  Beimworte:   1<3U  U  —  LjJU5\  —  L^lkjl  sind 
in  L  VI.:  13^,  15,  10  wiederzufinden. 

Ferner  zitiert  Ag.  VIII.  72  die  Verse  L  VI.  5  f.  in   der 
Form: 


von  *Ämir  b.  Qu'ain  at-T^'i  an  Hind  bint  'Imri-il-I^ais ;  und 
von  demselben  Dichter  5izftnat  I.  24^  die  Verse  LVI.  25f- 
in  dieser  Gestalt: 

endlich  kommt  Vers  L  VI.  29 

in  Frey  tags  ^amäsa  r^^  als  vorletzter  Vers  eines  Fragments 
'Ubaids  b.  Mäwija  atT^'i  vor. 

Dies  gibt  ein  Bild  davon,  in  welchem  Zustande  manche 
—  zum  Glück  nicht  alle  —  altarabische  Gedichte  uns  über- 
liefert worden  sind.  Es  wird  ja  hier  niemand  weder  an  Pla- 
giate denken,  noch  daran,  daß  Verse  al-^ansä's,  d.  h.  einer 
frühzeitig  philologisch  behandelten  Dichterin,  die  viel  genannt 
war  und  von  der  es  Gedichtsammlungen  gab  (Prof.  VI.  VII.), 
irrtümlich  seltener  genannten  Dichtern  zugeschrieben  worden 


»  L^U  U  mit  Vw.:  L^U  U 
«  Vgl.  Diw."  n«,  Note  b. 


▲I-OabbA'  und  ilin  TnMrlMw.  123 

seien;  das  Oegenteil  ist  mindestens  wahrscheinlicher.'  Aller- 
dings reinlich  scheiden  läßt  sich  eigenes  von  fremdem  Gut, 
nachdem  die  Tradition  es  so  fest  gekittet,  nicht  mehr.  Ans 
L  VI  will  ich  daher  bloß  folgende  Verse  herausgreifen: 

29.  yManch  eine  ^äfija,^  wie  die  Spitze  der  Lanze  (scharf), 
die  noch  fortlebt,  nachdem  ihr  Dichter  schon  tot  ist, 

30.  hast  du  aufgescheucht  (aus  deinem  Inneren,  wo 
sie  entstanden  war)  und  sie  fortgesandt  in  die  Fremde,' 
nachdem  du  lange  in  der  Brust  gezögert  hattest,  ihr  freien 
Lauf  zu  lassen. 

3L  Du  brachtest  sie  dann  vor,  o  Sohn  'Amrs,  aber 
fließend  gestaltetest  du  sie;  ihresgleichen  haben  die  Men- 
schen nicht  gedichtet. 

32.  Sie  durchdrang  die  Bergspitze  Jadbuls,  die  von  den 
Steinböcken  nicht  läßt,  die  sie  bewohnen. 

33.  Du  hattest  ihr  zugehorcht,  wie  die  Alten  sie 
gesungen,  und  rüstetest  ähnliche  zu  sagen.^ 

Zu  Vers  31  verzeichnet  f  die  Variante: 

VUUl  ^UJ\  j^  v>  ^,    »    >^\  S sS  eVUJ\  Jüu 

,8ie  durchschneidet  die  Steine  wie  Leder  etc.  .  .  .  Diese  Va- 
riante ist  eine  Verschmelzung  von  Vers  32  a  und  31b. 

Vers  32  malt  entweder  die  ^Schärfe*  der  l^&fija  (V.  29) 
aus,  oder  das  do^  (V.  30):  die  höchsten  Gipfel  halten  ihren 
Zug  nicht  auf. 

Vers  33  steht  mit  (V.  30u.)  31  in  Widerspruch;  vgl.3P: 


l^l^\  ^U3\  jk^  ^^ 


8 


Vgl.  K  m.  i  (lA.)  bei  Ag.  XIV.  133  und  Marftti  av  al-Hans&'s  Namens- 
Bchwester'Umm'AinrbintMukaddainanf  ihren  Bruder  EUgeschriebeii. 
Al-HanBft'  ward  'Umm  *Amr  genannt:  Diw.',  Einl.  7.  6  unten  18,  Note  a; 
vgl.  DIw.  D  II.  4  (n);  ihrer  Namensschwester  Tnmä(.lir,  Gattin  Zuhairs, 
werden  ferner  Marftti  ir  die  Verse  1.  2.  4.  7.  10.  1-2.  18  von  (HansÄ*) 
H  I  (riA)  zugeschrieben.  —  Zu  M  IV  (rr£  f)  vgl.  Bekr!  185.  Kftm.  349. 
Mar&tS  129.  —  Za  M  lU  (rrr  f.)  vgl.  Gabrieli  198,  Note  1  und  129, 
Note  2  und  die  Überschrift  Diw.*  1.  n.  Zu  B  IH  (i .  f.),  vgl.  Ham.  ed. 
Frejtag  £^.  f.;  zu  B  II  die  Überschrift  (t,  Z.  4  v.  u.),  ebenso  B  V, 
Note  c  (ir);  zu  H  III  (rA  f.)  ebenda  Note  c,  und  zu  allem  die  Worte 
Einl.  19,  Z.  13  ^UJ\   ^\j^  W--**^  y  ^UiS»^\    *wX^  -L*UA.\   ^ji 

Vgl.  Goldziher,  Abb.  rar  ar.  Phil.  I.  83  ff. 


'  Sie  wurde  über  die  Grenzen  deines  Stammes  bekannt. 


124  IV.  Abhandlnng:    Bhodok»n»ki8. 

gegen  33^: 


auch  insofern,  als  Verse  30,  31  den  Dichter  als  einen  Original- 
dichter preisen,  Vers  33  hingegen  ihn  bloß  zum  glücklichen 
Nachahmer  der  Alten  stempelt.  In  der  Tat  fehlt  Vers  33 
(neben  30)  in  einigen  Handschriften  (c»  ^.  ^— >).  Auch  wüßte 
man  nicht,  sollten  die  Verse  33  und  31  neben  einander  be- 
stehen, ob  mit  der  ^äfija  in  Vers  29  ein  eigenes  Gedicht  des 
hier  angeredeten  Dichters  (vgl.  30,  31  <— ^^J  beziehungsweise 
C-ikS)  oder  ein  altes  fremdes  Muster  (vgl.  33  ^^i»^^  W^^) 
gemeint  sei;  beides  zugleich  wäre  aber  in  Einem  Wort:  i^^ 
unvereinbar.  Es  könnte  jedoch  Vers  33  zu  Vers  29  wohl 
passen  und  Eine  Gruppe  mit  ihm  bilden,  da  ^^^^\  l^JU'  dem 
LfJU*  ^^  ^iX^,^  ^y^  sßl^r  wohl  entspricht:  ,Manch  einem  Lied, 
das  fortlebt  noch  nach  des  Dichters  Tode,  horchtest  du  zu 
(die  Alten  hatten  es  gesungen)  und  fast  dichtetest  du  gleiche.'^ 
Die  Vorstellung  ist  jedenfalls  charakteristisch,  die  von  einer 
Nachahmung  mustergültiger  alter  ^asiden  spricht;  ob 
sie  zur  Zeit  al-Qansä's  schon  möglich  war,  will  ich  nicht  ent- 
scheiden; aber  aus  dem  inneren  Widerspruch,  in  dem  manche 
der  oben  mitgeteilten  Verse  zu  einander  stehen,  glaube  ich 
schließen  zu  dürfen ,  daß  innerhalb  der  Verse  L  VI.  29 — 33 
heterogene  Elemente  nebeneinander  liegen. 

M  V  (rr^). 

1.  Bring  (dem  Stamme)  Sulaim  die  Kunde  und  seinen 
Anhängern  (Hawäzin)^  daß  wir  (den  Kampf)  entschieden  haben 
durch  des  Helden  Haupt,  (den  wir  gefilllt), 

2.  Und  daß  wir  sie  (die  Feinde)  des  Morgens  njit  einem 
AngriflF  überfallen  haben,  der  ihren  (Durst)  mit  mazeriertem 
Gift  gelöscht; 

3.  Auch  (dem  Stamm)  *Abs  gaben  wir  bei  seinem  (Berge) 
Tahlän  einen  Morgentrunk  aus  einem  Becher,  der  kein  Becher 
Weines  war; 

^  Zwischen  beiden  könnte  sehr  wohl  der  Vers  stehen: 

l^U^\  ^UJ\  Jk^.  ^1  ^,     *     ;t^M\   J 'is  ^VUJ\  SS3 

,die  Menschen  verstehen  es  nicht  mehr,  ähnliche  za  machen*. 


Al-0ADsft^  nnd  ihre  Tiaaerlioder.  125 

4.  Ta'laba^  die  Schrecklichen,  aber  standen  Aug'  in  Aug' 
Rittern  gegenüber,  welche  die  Löwen  des  Dickichts  komman- 
dierten. 

5.  Sie  suchten  Zuflucht  vor  uns  auf  der  Hut  vor  dem 
Kampf,  (doch  wir  schlugen  sie  und  stießen  sie  und  drängten 
sie)  mit  schwerem  (Schwert-)schlag  und  Lanzenstoß  und  schöner 
Kampfordnungy 

6.  Und  wir  trieben  ihre  edlen  Frauen  gedemütigt  vor 
uns  her  auf  ihren  Sänften  und  (auch  die  Stuten)  mit  dem 
Sattelgurt  (erbeuteten  wir). 

Es  ist  ein  Siegeslied ,  nach  der  gewöhnlichen  Fiktion  in 
die  Form  einer  Botschaft  an  den  Stamm  Sulaim  und  seinen 
Anhang  gekleidet. 

Von  den  p.  rn  Note  a  zu  Vers  1  b  vorgeschlagenen 
zwei  Erklärungen  des  Herausgebers  ziehe  ich  mit  einigen  Ab- 
änderungen die  zweite  vor;  es  braucht  sich  gerade  nicht  not- 
wendig um  eine  genommene  Blutrache  zu  handeln  ^  obgleich 
es  möglich  ist,  daß  auch  von  einer  solchen  die  Rede  sei.  Nur 
darf  dann  mit  dem  Helden  (fU-^^  ij^^^)  kein  Sulaimit  gemeint 
sein,  sondern  der  feindliche  Anführer/  weshalb  das  letzte  Wort 
der  erwähnten  Note  statt  ^j^\S:  ^.jbjJli  heißen  sollte,  wie 
auch  im  2.  Verse  mit  dem  Suffix  in  ^UäC-^  nur  die  in  Vers 
3  und  4  näher  gekennzeichneten  Feinde  gemeint  sein  können. 
Man  wüßte  sonst  nicht,  wer  eigentlich  hier  der  prahlende 
Sieger  ist,   wenn  Sulaim  und  Ta'laba  und  ^Abs   besiegt  sind. 

Gabrieli  p.  107 — 120  hat  die  langwierigen  Kämpfe  zwischen 
Gataf&n  und  Qa^afa^  in  denen  ja  Mu'äwijas  Ermordung  durch 
Dnraid  und  HäSim  b.  Qarmala  ebenso  wie  der  darauffolgende 
Rachekampf  ^a^rs  nur  eine  Episode  bildeten,  ausfÜhrUch  be- 
handelt. In  diesen  standen  sich  die  Gatafänstämme:  Dubjän 
and  'Abs  einerseits,  die  Qa§afa8tämme:  Hawäzin  und  Sulaim 
andererseits  feindlich  gegenüber.  'Abs  wird  in  Vers  3  erwähnt. 
Der  Vers  4  genannte  Stamm  rpa'laba  ist  ferner  nach  dem 
Kommentar  ebenda  (über  SaM)  ein  Unterteil  von  Dubjän;'  sie 

'  Nach  der  ersten  der  1.  n.  angegebenen  Erläuterungen  jedoch:  LLJLa 
aJ^Us  w*^:^^  fU-^^  wXJ  ^^J^  \j'\js\  (was  mir  jedoch  in  UJLo»  ISL 
^L^^\  (^\i->  nicht  enthalten  zu  sein  scheint)  ginge  fL»^^  u^^y  ^^^ 
einen  Sulaimiten. 

'  Vgl.  später  im  Yerse  l^a^rs. 


126  IT.  Abhaadlung:    Bkodok»B»kis. 

bilden  demnach  die  feindliche  Partei,  die  von  Sulaim-  and  seinem 
Anhang  (Hawäzin)  besiegt  worden  ist.  Die  historische  Ein- 
reihung des  Gedichtes  ist  also  klar;  ebenso  klar  ist  nach  dem 
geschilderten  historischen  Sachverhalt  der  Grund,  wamm  dieses 
Fragment  leicht  al-Qansä,'  zugeschrieben  werden  konnte;  es 
fragt  sich  nur,  ob  mit  Recht. 

Gegen  die  Autorschaft  al-Qans&'s  scheinen  zu  sprechen: 
die  Einkleidung  der  Verse  in  die  Form  eines  Siegesliedes,  das, 
in  der  1.  Person  (1.  2.  3.  5.  6)  gedichtet,  eher  einen  Mann  zum 
Verfasser  haben  dürfte;  und  der  schwerer  wiegende  Umstand, 
daß  al-Qansä'  ein  solches  nur  vor  $abrs  Tode^  in  Verbindung 
mit  der  fllr  Mu^äwija  genommenen  Rache  könnte  gedichtet 
haben.  Wir  finden  aber  in  M  V  nirgends  eine  Anspielung 
auf  ihren  Bruder,  auf  die  speziell  ihr  durch  seine  Rächung 
geschehene  Genugtuung;  kein  persönliches  Moment,  wie  wir  es 
in  den  Liedern  al-Qansä's,  die  von  Mu^4wijas  Rache  sprechen, 
zu  finden  gewohnt  sind.* 

Eine  gewisse  Ähnlichkeit  mit  diesen  Versen  weist  hin- 
gegen ^abrs  Sieges-  und  Rachelied  anläßlich  eines  glückUchen 
Rachezuges  gegen  den  Mörderstamm  Mu^&wijas  Murra  auf; 
D!w.«  Einl.  p.  16,  Z.  6f.: 


Die  SteUe  M  V.  2.  3.  4 

^\jO\    c>-»^   o*^5  ij-*^    *    t«         g"^^^^^  UaÄ^  Um^^ 

klingt  in  den  Hauptgedanken  so  stark  an  jene  an,  daß  wir 
wohl  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  auf  denselben  Verfasser 
schließen  dürfen. 


*  Ba,\yr  blieb  ja  ungerächt. 

«  E  XI.  'Ain  IV.  M  H.  Vgl.  oben  p.  93. 


▲l-9Mia&>  tt&d  Ulfe  TiMerUed«r.  127 


Ergänzungen  und  Berichtigungen. 


Zu  p.  12,  N.  5  JL«^U,;  Ich  finde  DAchtrlglich  im  Cod.  Vind.  des  Ibn  Kntaiba 
Fol.  65 r.  folgendes  Zitat:  ^^Ji^oU  Pja)\  j^  ^  ^^^^j  ^  ^r^*^  (^ 
ijS^  y>\  y^^  dJL3\  j^  jJ  OjJ^  das  mit  der  Stelle  im  Diw.  Ms. 
<^^  18  übereinstimmt.  Ans  dem  Namen  jedoch,  der  dem  Sohne  dieses 
Rawftt^a  hier  gegeben  wird  (vgl.  auch  .Qabrieli  107,  N.  1)  ersieht 
man,  daß  Raw&^a  nur  ein  Doppelgänger  des  'Abd  al-*UsEä  (min  Bani 
Hnf&f)  ist. 

Zu  p.  38  ff.  ist  jetzt  auch  £.  Littmann  ,Neuarabi9che  Volkspoesie*  zu  ver- 
gleichen in  Gott.  gel.  Abb.,  N.  F.,  Bd.  V  (1902),  p.  70  ff.  und  91. 

Zu  p.  61  penult.:  Mit  Beibehaltung  von  Cheikhos  Korrektur:  j^^ios  L« 
konnte  man  übersetzen:  ,Nicht  nach  seinem  Wunsch  (dc^,^^)  gab 
er  seiner  (Todes)reise  das  Ziel;  weder  Mann  noch  F^au  haben  ihn 
zurückgehalten .' 


128  lY.  Abhandlung:    fihodokanakis.  Al-Sui8&*  and  ihre  Tianerlieder. 


Inhaltsübersicht. 


S«ito 

Vorwort 1 

Das  Leben  al-Hansft's 6 

I.  Biographische  Notizen  in  kritischer  Beleuchtung 9 

II.  Al-Hans&'s  Dichterruhm  nach  altarabischem  Urteil 16 

in.  Die  Technik  des  Klageliedes  bei  al-flansft' 18 

1.  Stimmung,  Natarbelebung,  Bildervorrat 18 

2.  Äußerer  Rhythmus  der  Form:  Reim  und  Tarsf 37 

3.  Innerer  Rhythmus  und  Harmonie  der  Gedanken 45 

4.  Die  Fiktion  des  Na  ijj 66 

6.  Die  Namensanrufung 58 

6.  L&  tab*ad 60 

7.  Das  negative  Lob 62 

8.  Der  Trost 67 

9.  Die  Matla*-Verse  und  ihre  Motive 71 

10.  Berührungspunkte  des  Rit&'  mit  der  Mid^a.    —  Die    Zeiten 

und  Beweggründe  der  Klage 74 

ly.  Pessimistische  Weltanschauung  und  Fatalismus 80 

V.  Ta^r!(J 84 

VI.  Dialog  und  Wetttrauer 94 

Vn.  al-gans&*s  persönlicher  Charakter 105 

Anhang 109 

R  IV 109 

KI 114 

L  VI 121 

MV 124 

Ergänzungen  und  Berichtigungen 127 


Y.  Abk.:  Seköobach.  Stadien  rar  OeBchichle  der  altdeataehen  Predigt. 


V. 
Studien  zur  Geschichte  der  altdeutschen  Predigt 

Ton 

Anton  E.  Sohonbach, 

wirkl.  Httgliedo  der  k»i8.  Akademie  der  Wissensekaflen. 

Drittes  Stück: 

Das  Wirken  Bertholds  von  Regensbarg  gegen  die  Ketzer. 


^nf  den  folgenden  Blättern  soll  das  Wirken  Bertholds 
von  Regensburg  wider  die  Ketzer  seiner  Zeit  dargestellt  werden, 
soweit  es  ans  den  Aufzeichnungen  seiner  Predigten  erkennbar 
ist.  Wie  durch  das  zweite  Stück  dieser  ^Studien^  möchte  ich 
auch  durch  das  vorliegende  dritte  mir  Hindernisse  aus  dem 
Wege  räumen,  der  zur  geschichtlichen  Würdigung  des  größten 
deutschen  Volksredners  aller  Zeiten  führt.  Um  diesen  Zweck 
zu  erreichen,  sind  dann  noch  zwei  Arbeiten  nötig,  die  ich 
großenteils  schon  seit  Jahren  zurüste :  eine  Abhandlung,  welche 
sich  mit  der  Überlieferung  der  Werke  Bertholds  von  Regens- 
burg befaßt,  und  eine  schließende,  die  Leben,  Bildung  und 
Persönlichkeit  des  guten  Landpredigers  zu  schildern  unter- 
nimmt. 

Für  die  jetzige  Untersuchung  benutzte  ich  dieselben  Hand- 
schriften lateinischer  Predigten  Bertholds,  denen  ich  seine  Zeug- 
nisse zur  Volkskunde  (Sitzungsberichte,  142.  Bd.,  7.  Abb., 
S.  1 — 4)  entnommen  habe,  nämlich:  den  Rusticanus  de  Do- 
minicis  aus  Linz  (=  Linz,)]  die  Rusticani  de  Communi,  de 
Sanctis  und  die  Sermones  speciales  aus  den  Leipziger  Codices 
496  und  498  (=  Lips.  496.  498),  die  beiden  Bände  der  Hand- 
schrift des  Minoritenklosters  zu  Freiburg  in  der  Schweiz 
(=  1,  Frib.  —  2.  Frih.).  Die  Sermones  ad  Religiöses  waren 
begreiflicherweise  diesmal  sehr  selten  heranzuziehen,  auch  die 
übrigen  Handschriften  boten  nur  geringe  Ausbeute,  es  waren 
für  sie  besondere  Siglen  von  Überfluß. 

Sitznnfftbw.  d.  phU.-hiit.  Cl.  CXLVII.  Bd.  5.  Abb.  1 


2  V.  Abhandlang:    Schönbncli. 

Hingegen  unterlag  die  Anordnung  meiner  Exzerpte  ganz 
erheblichen  Schwierigkeiten  und  ist  nicht  ohne  längere  Über- 
legung und  manche^  zum  Teil  mißglückte  Versuche  zustande 
gekommen.  Die  jZeugnisse  zur  Volkskunde'  waren  verhältnis- 
mäßig bequem  zu  ordnen  gewesen :  die  einzelnen  Nummern  be- 
sitzen meist  nur  kleinen  Umfang  und  können  daher  leicht 
dem  Inhalte  nach  zu  Gruppen  verbunden  werden.  Anders 
hier.  Neben  den  kleineren  Stellen,  die  in  Predigten  vorkommen, 
welche  die  mannigfachsten  Stoffe  behandeln,  finden  sich  große 
und  zusammenhängende  Stücke,  die  nur  Polemik  wider  Häre- 
sien betreiben.  Diese  durften  nicht  zerrissen  oder  versplittert 
werden.  Ich  habe  die  ganzen  Predigten  zusammengehalten 
und  in  Anmerkungen  die  Parallelen  aus  anderen  Stücken  und 
Handschriften  beigefügt.  Vorangestellt  habe  ich  die  Abschriften 
und  Exzerpte  aus  der  Freiburger  Handschrift,  weil  sie  mir 
Bertholds  Arbeit  am  unmittelbarsten  wiederzugeben  scheinen, 
ihnen  folgen  dann  die  Leipziger  Codices  und  der  Linzer. 
Doch  waren  Nachschübe  und  Anhänge  nicht  ganz  zu  ver- 
meiden. In  den  Anmerkungen  wurden  auch  die  Hinweise  auf 
die  deutschen  Fassungen  untergebracht  (1.  Bd.  =  Pfeiffer^ 
2.  Bd.  =  Strohl)'^  hie  und  da  habe  ich  einen  deutschen  Passus 
wörtlich  eingestellt,  weil  er  wichtige  Sonderangaben  enthält, 
auch  um  in  einzelnen  Fällen  schon  jetzt  Belege  für  das  Ver- 
hältnis der  deutschen  Texte  zu  den  lateinischen  beizubringen. 
Unebenheiten  ausgleichen.  Getrenntes  verbinden,  das  der  Sache 
nach  zusammengehört,  soll  die  Untersuchung,  welche  dem 
Abdruck  der  Zeugnisse  folgt;  dem  Leser  mag  zu  raten  sein, 
daß  er  sie  früher  zur  Hand  nehme  als  die  Sammlung  der 
Exzerpte,  die  doch,  wie  sich  von  selbst  versteht,  vorangestellt 
werden  mußte.  

1.  Frib.  (öO^).  Sermo  XVII.  Multi  sunt  vocati,  pauci 
vero   electi   (Matth.  20,  16),   et  hoc   propter   raulta,  sed   circa 

1  ff.  mit  diesem,  8Wck  ist  der  Traktat  identisch,  den  v.  DöUinger  in 
seinen  Beiträgen  zur  Sektengeschichte  des  MittelaUers  2  (1890)^  311 — 316  aus 
Ulm.  2951  a,  14.  Jh.,  herausgegeben  hat  unter  der  Überschrift:  De  octo  bacre- 
slbos  novis,  per  qaas  modo  diabolus  mnltos  subvertit.  et  quomodo  cognoscan- 
tur  baeretici  per  tria,  cum  venerint  ad  pervertendum.  Sieben  KetzerUhren 
behandelt  ganz  ähnlich  Pfeiffer  405, 33 ff,  (53,1  ff.,  283, 32 ff.),  femer  2.  Frib. 
26^.    Lips.  496,  47,  Iff.    Linz.  63,  2f 


Stadien  rar  Geschichte  der  altdeatsohen  Predigl.  ö 

finem  quedam  maxime^  qaornm  dicam  tria.  —  Zur  Dispo- 
sition dienen  die  apokalyptischen  Tiere,  —  (50®)  eqaorum 
mnlte  etut  sive  exercitos  fuerunt,  quia  diverse  hereses  sur- 
gent.  sed  ratione  brevitatis  octo  tantum  nomine  nomine,  ut^ 
si  aliqnando  talem  intellexistis  vel  agnoscitis,  sicnt  verum  he-  5 
reticam  judicio  spiritaali  presentetis,  nt  ecclesia  per  tales  non 
inficiatar,  vel  si  unquam  talem  de  cetero  audieritis,  ipsum 
sciatis  verum  esse  hereticum.  hoc  die  aliquando  infra  verbis 
breviter  sie:  primus  exercitus  hereticorum,  quos  diaboli  modo 
dacunt  per  terram,  confitetur  et  credit,  quod  non  debet  per  10 
Deum  jurari.  audivisti  unquam  talem,  ille  fuit  hereticus,  vel 
si  unquam  talem  audies,  et  est  de  prima  chetzerstuU  ita  die 
in  aliis  ponderose,  quia  non  est  peccatum  jurare.  (50^)  unde 
falsissimum  est,  quod  dicunt,  non  licere  cum  veritate,  quando 
necessitas  requirit,  cum  quilibet  possit  jurare  etiam  sine  ve-  16 
niali,  ut  licet  veritatem  dicere.  sed  soli  diaboli  et  heretici  pro 
utilitate  nolunt  per  Deum  jurare.  unde  hoc  nolite  credere^ 
quia  est  inmunda  heresis,  ut  clamat  Scriptura  Veteris  et  Novi 
Testamenti.  mentiris,  heretice,  ubi  est  prohibitum?  nusquam 
ibi:  ,ego  autem  etc.*  (Matth,  5,  34 — 37),  et  ibi  dicitur:  ,quod  20 
amplius  (Vulg.  ahundantius  e$t)j  a  malo  est*,  expone.  inmunde 
heretice,  si  omnino  est  prohibitum  juramenlum  simpliciter, 
quis  ergo  tibi  licentiavit  perjurare?  si  Dens  prohibuit  per- 
jurare  (Exod.  20,  7.  Levit  19,  12,  Deuter,  5, 11.  23,  21.  Matth. 
6,  33),  ubi  licentiatum,  quod  ter  vel  quater  vel  hujusmodi,  25 
vel  etiam  semel,  vel  quod  debes  tot  convertere,  quot  perjuria 
facis?  ubi  est  hoc  in  ewangelio?  in  hoc  potestis  cognoscere, 
quod  est  res  diabolica.  sie  primo  induxit  eos  diabolus,  ut  non 
jurarent;  ita  modo,  ut  jurent,  quia  valde  multos  per  hoc  per- 
didit  si  ante  viginti  annos,  cum  jurare  noluerint,  illicitum  fuit  80 

10  vMm  aoU  nicht  schwören  als  KetzerUhre  bei  Pfeiffer  266, 11,  403 ^  35, 
Femer  1.  Frib,  61*.  69*,  7Ö«.  2,  Frib.  26*.  Lips,  496,  47,  1.  —  Falsch 
»chvDoren  meiden  die  Ketzer  Lips,  496,  87, 4:  quia  videtur  quoddam  innatu- 
rale, horret  hoc  enim  omne  genns  hominum,  pagani,  judei,  heretici.  immo 
et  qaoddam  peijarinm  dicantur  horrere  ipsi  demones.  die  de  quolibet  illorum 
breviter:  et  quia  sie  est  omnibus,  etiam  Domino  contrarium  est  in  tantum, 
quod  non  vult,  quod  pro  toto  mundo  quis  pejeret,  nee  pro  aliqno,  quod  fuit, 
est  vel  erit  vel  esse  poterit  vel  etiam  non  esse  poterit.  unde  vos,  judei,  oon- 
dempnate  hunc  pejurum.  et  sie  de  ceteris.   nam  in  bac  malitia  vicit  paga- 

nos,  judeos  etc. 

1* 


4  V«  AbbRodlong:    Sohö&bach. 

jurare,  qnis  modo  licentiavit?  —  secundus  exercitus  et  se- 
cunda  stut,  qae  ante  Antichristum  Ventura  est  —  ita  die 
aliter^  ubi  vis  —  credit  et  confitetur,  quod  Christas  non  sit 
factus  Veras   homO;   sed   fantasticam   carneni;   non   veram,   as- 

5  sampserit,  sed  tantam  similitudinem  carnis.  quod  est  falsissi- 
mum  et  heresis  turpissima^  Deum  volle  facere  simulatorem. 
audisti  unquam  ?  ut  supra.  —  ita  die  aliter,  ubi  vis.  —  die, 
miserabilis,  quid  fuit,  quod  in  die  octavo  fuit  circameisum? 
ita   die:    et   tricesimo   tertio   anno   a   nativitate   sua  in   saneta 

10  sexta  feria  fuit  crueifixum  et  vere  mortuum  sine  dubio?  qui 
contra  hoc  dixit;  scias  certissime,  quod  ille  est  hereticus  et 
via  sua  beretica.  et  ideO;  quicunque  dicit^  quod  eum  sequaris, 
quod  sibi  credas^  noli.  —  tertius  (seil,  exercitusj^  quod  sancti 
non  sunt  invocandi,   et  ideo  non  honorandi  jejuniis,  festis  et 

15  hujusmodi.  magna  stultitia,  cum  videamus  hie  amicos  poten- 
tium  posse  interpellare  et  adjuvare  alios,  qui  gratiam  illorum 
potentium  amiserunt.  si  enim  hie  in  terris  positi  multa  aliis 
impetraverunt,  ut  patet  in  diversis,  multo  melius  nunc  possunt 
in  celis  (51*)  vultui  Dei  assistentes  et  Deo  viciniores.  —  nota 

20  per  omnia  octo,  et  primo  die  illorum  heresim  et  post  die  bre* 
viter,  quod  hoc  non  debet  credere^  quia  est  immunda  heresis, 
ut  clamat  Scriptura.  die  etiam  quandoque  ibi  principio  alicujus 
membri :  considerate ,  si  unquam  aliquem  talem  vidistis  vel 
videbitis.   —  quartus   (seil,  exercitus)   opponit  se  judicibus  ec- 

26  clesie,  dicens,  quod  judicando  peccant.  econtra  ecclesia  vera- 
citer  dicit,  quod  etiam  merentur.  Paulus:  hoc  dicit  ipse  Dens 
(verbo  Dei,  Hehr.  11,  3)  et  Petrus  et  alii  apostoli,  immo  Paulus 
tot  eorum  vidit,  ut  dicat  (Hehr,  11,  32:  et  quid  adhuc  dicamt) 
deficiet   me   tempus    (enarrantem   de   Gedeon,   Barac,   Samson, 

80  Jephte,  David,  Samuel  et  prophetis).  Glosa  epistole  vel  vite 
,enarrantein  etc.'  (Migne  114,  665  D) ;  commendat  eos :  David, 
Moysen    (23 ff.)   et   Heliam    (kommt  nicht  mit  Namen  im   He- 


24  ff.  Pfeiffer  364,  15 ff, :  sd  sprichet  der  ketzer,  ez  müge  nieman 
einem  menschen  siuen  lip  genemen  äne  toßtliche  sünde  mit  gerihte.  her 
rihter,  —  swer  mit  rehte  von  iu  überredet  wirt  so  get&ner  schulde,  diu  ze 
dem  libe  st^t,  so  d&  sttlt  ir  uns  einen  fride  vor  schaffen.  s6,  wer  möhte  11p 
oder  guot  deheine  wise  behalten?  n(^  mac  man  sus  Itp  oder  guot  mit  nihtiu 
behalten,  unsseliger  ketzer!  der  almehtige  got  h&t  sinen  herzelieben  acker 
da  beschirmet.     Ea  folgt   eine  Ermahnung  zur   GhrechUgkeit  an  die  Richter, 


Studien  zar  GeMkiebto  dar  »lideoteehAn  Predigt.  5 

bräerbrief  vor),  qui  plnrimos  jadicio  occidernnt;  et  ille  vilis 
hereticns  illos  condempnat.  cui  ergo  credere  vnltis?  ad  hoc 
enim  Dens  eos  institnit,  ut  in  pace  poeset  ei  servire  saneta 
ecclesia  et  ne  mali  nimium  multiplicarentar.  si  enim  corpora- 
liter  malefici  non  punirentar,  bestie  in  silva  majori  pace  5 
fmerentor  quam  fideles  in  saneta  ecclesia.  —  qnintus  (seil. 
exercitu»)^  quod  purgatorinm  non  sit.  et  ideo  animabus  dicnnt 
non  prodesse  soffragia^  et  qnod  animabus  non  possit  subveniri 
post  hoc  seculum,  nee  elemosinis  nee  orationibus  nee  missis 
nee  aliis  bonis,  quia  non  sint  nisi  due  vie  (Matih,  7,  iSf,)^  10 
quod  falsissimum  est.  nam  quando  Deum  cum  hujusmodi  hono- 
rant,  ipse  Dens  pro  hujusmodi  honore  ratione  illorum  coUato 
illorum  miseretur,  ut  mitius  vel  brevius  puniantur.  cece^  non 
potest  pater  filium  vel  filius  patrem  per  pecuniam  suam  in 
carcere  pro  debitis  jacentem  a  carcere  liberare?  ita  et  a  pur*  15 
gatorio^  ut,  si  ego  teuerer  in  gravissimo  carcere  judicis  pro 
aliquo  debito,  si  quis  pro  me  judici  solveret  partem,  et  ite- 
rum  alius  partem,  ego  facilius  li  berarer,  cece,  oportet  ex  ne- 
cessitate  esse  purgatorium.  cum  enim  magnus  peccator  con- 
vertitur,  vere  Dens  ipsum  non  dampnat.  si  autem  cito  mori-  20 
tnr,  antequam  penitentiam  peragat,  oportet,  quod  pro  hoc 
puniatur.  ideo  credendum,  quod  omnino  purgati  statim  ad 
celum  conscendant,  omnino  per  mortale  immundi  statim  ad  in- 
femum  descendant,  non  omnino  purgati  ad  purga-  (51  ^)  torium. 
adeo  enim  dignum  est,  ut  venialia  non  purgata  temporaliter'25 
puniantur  in  purgatorio,  ut  mortalia  eternaliter  in  inferno. 
,eIemosina  et  lumen  non  yenit  illuc'  dico  illuc  ideo  non  venit, 
sed  misericordia  illa,  quam  ille  fecit,  illuc  venit,  qui  dat  et 
lumen  ad  honorem  sanctorum  incendit  (Hs.  incenditwr),  non, 
ut  se  non  trudat,  editum.  valde  bene  eis  potest  subveniri  in  30 
purgatorio.  item,  quod  illis  in  purgatorio  potest  a  nobis  sub- 
veniri  orationibus,  elemosinis,  missis,  ut  vel  mitius  puniantur 
vel  liberentur,  exemplum  de  Maria  et  Martha,  que  orationibus 
suis  fratrem  suum  et  lacrimis  a  limbo  suscitari  obtinuerunt. 
et  dignum  etiam  est,  ut,  qui  hie  est  in  penitentia  nee  illam  35 
hie   perfecit,   ibi   perficiat   et   pleno   mundetur   ibi;    non   pleno 


6    ütru.  120,  1:  qaidam  heretioi  dicant,  quod  non   est  pargatorinm; 
hoc  falsiim  est.  dicas  de  tribas  loci«:  Inferno,  purgatorio  et  celo. 


6  V>  Abhaadloogi    SehÖnbRch. 

mandatus  hie,  debens  esse  cum  tot  mundis.  —  sextus  (seil, 
exercitus),  quod  diabolas  salyabitur.  hanc  primo  doeuit  Manes, 
et  quod  creavit  yisibilia,  quod  est  inmundissima  heresis.  ipsi 
enim  diaboli  omnino  sciunt;  quod  non  salvabuntur;  sciunt 
6  enim,  quod  scriptum  est  et  quod  Dominus  dicturus  est  re- 
probis :  ,ite,  maledictil'  (Matth.  26,  41)  item,  stulti  dicant, 
quod  injuste  sit  ejectus  Lueifer,  et  orant  ac  jejunant  et  se 
cruciant  pro  illo,  ut  liberetur.  sed  hoc  eis  ad  nihil  yalet^  nisi 
quod   est  ridiculum   demonibus   et   quod   gravius  eos   pro  hoc 

10  cruciabunt,  cum  nuUus  eorum  dicat  se  dolore  vel  doleat,  quod 
Deum  offendit.  sunt  et  quidam  ex  hujusmodi,  ut  dicitur,  con- 
venientes  et  in  tenebris  turpitudines  exercentes.  et  miror,  si 
aliqui  homines  sunt  tam  ceci^  quod  putant  se  cum  hujusmodi 
credulitatibus   posse   salvari.   dicunt  etiam,    omnia   visibilia   et 

16  que  tangi  possunt  creasse  malum  Deum,  et  bonum  Deum 
creatorem  spirituum;  corpus  nostrum  creare  diabolum,  animas 
Deum.  ecce,  quanta  cecitas,  cum  tota  Scriptura  dicat  creatio- 
nem !  (Psalm.  113,  15) :  ,qui  fecit  celum  et  terram  etc/  (Hehr, 
1, 10) :  ,et  tu  in  principio,   Domine^   terram  fundasti/   (Rom. 

20  11,  36) :  ,ex  ipso  et  per  ipsum  et  in  ipso  sunt  omnia/  (Apoe. 
10,  6):  ,angelus  juravit  per  viventem,  qui  creavit  celum  et 
terram  etc/  quis  sie  amicabiliter  conjunxit  Deum  et  diabolum 
etc.  —  septimus  (seil,  exercitus).  dicunt,  quod  Septem  sacra- 
menta,  que  Dominus  hie  reliquit  nobis,   non  yaleant.  hoc  est 

26  immundissima    heresis    —    sie    die   quandoque    — .    de    sacra- 

2    auch  Lipg.  496,  47,  2.  14  ff.   Lips.  496,  2,  4.    Pfeiffer  404,  12: 

BÖ  sprechent  eteliche  ketzer  unde  gloubent  sin,  daz  der  tluvel  den  menschen 
geschüefe;  so  geschüefe  unser  hSrre  die  sdle  diin.  pf$,  verfluochter  ketzert 
wanne  würden  sie  ie  sd  gemeines  muotes  oder  wanne  vereinten  sie  sich 
mit  einander  ?  23  ff.   akrdich  Überhaupt  in  allen  Predigten  Berthold*  von 

den  Sakramenten,  z.  B.  Lipa.  496,  96,  3.  498,  60,  2 :  sed  objicit  hereticns, 
quomodo  potest  fieri,  ut,  qui  prius  fuit  panis  et  vinum,  post  consecrationis 
yerba  sit  verum  corpus  et  sanguis  Christi  sub  forma  panis  et  vini  abscon- 
ditum.  dicendum,  quod  Dens,  qui  omnia  potest,  potest  et  hoc.  Dameich  au»- 
ßihrliche  Berufung  auf  die  Wunder  des  Alten  und  Neuen  Testamentes,  €Mch 
die  Wunder  des  Evangelisten  Johannes  werden  aus  der  Legende  zum  Vergleich 
herangezogen,  et  quia  tot  diversitates  mutationum  fecit  Deus  de  transsub* 
stantiatione  corporis  sui,  dubitari  non  debet,  quia  Deus,  qui  omnia  potest, 
sua  omnipotentia  possit  et  hoc.  et  mirum  est  de  tanta  cecitate  hereticorum, 
quod  etiam  plus  excecati  sunt  in  fide  corporis  Christi  quam  ipsi  demones : 
omnes  enim  demones  sub  hostia  consecrata  firmiter  credunt,  esse  verum  et 


Stodien  xnr  Gesebichte  der  »Itdeutselieii  Predigt.  7 

mentis  illi  dicant,  videlicet  sanctom  baptismum  parvnlis  non 
prodesse^  hominibus  confirmationem  sanctam  nihil  valere,  cor- 
pus Christi  non  esse  verum  et  (51*')  vivum  corpus  Christi, 
sed  Signum  sive  figuram,  bezeichetiunge^  tantum  corporis  Christi 
vel  (utf)  alia  sanctitas;  alii  sie,  alii  sie  dicunt.  falsum  est.  5 
dicimus,  quia  ita  vere  est,  sicut  nunc  est  in  celo.  nam  ipse 
Christus  per  se  dixit,  cum  esset  in  terris,  cum  discipulis  illud 
tradiderit:  ,accipite  et  manducate,  hoc  est  corpus  meum'  (Matth. 
26y  26),  similiter  et  calicem  etc.  et  per  Paulum  de  celo  man- 
davit,  quod  esset  verum  corpus  Christi  (1  Cor.  11,  23  ff.),  no-  10 
tanter  contra  eos  dicit:  ^quotiescunque  sumitis'  (1  Cor.  11  y  26 f.) y 
non  tantum  hac  vice.  Christus  dicit:  ,hoc  est  corpus  meum'; 
hereticus  dicit:  ,hoc  non  est  corpus  Christi,  sed  figura  corporis 
Christi^  quero  a  vobis,  o  christiani,  cui  melius  credere  vultis: 
Christo  veraci,  qui  dicit:  ,hoc  est  corpus  meum'^  vel  heretico  16 
mendaci,  qui  dicit:  ,hoc  non  est  corpus  Christi,  sed  figura'? 
et  dicunt  isti  Leoniste :  ,quomodo  hoc  potest  esse  corpus  Christi  ? 
si  enim  esset  tante  magnitudinis  ut  mons,  jam  clerici  totum 
devorassent  et  consumpsissent.'  in  hiis  verbis  ostenditur,  quod, 
sicut  sunt  ignobiles  et  rüdes  verbis,  sie  et  sensibus,  qui  locun-  20 
tur  et  cogitant,  de  celesti  pane,  que  de  celo  est  (Joann,  6y  öO/.J, 
ut  ipse  dicit:  ,ego  sum  panis'  (Joann,  6y  35,  48)y  sicut  de  pane, 
qui  in  foro  venditur,  et  sicut  de  carne,  que  in  macello  emitur 
vel  in  coquina  preparatur.  —  dicunt  etiam  (exercittis  octavu8)y 
quod  quilibet  bonus,  sive  sacerdos  sive  non,  et  nuUus  malus,  26 
sive  sacerdos  sive  non,  potest  conficere.  respondeo:  ergo  de 
nullo  confido,  quia  non  possum  videre  in  cor  ejus  vel  alicujus, 
et  ideo  non  bonitati,  sed  ordini  voluit  Dominus  hoc  committere. 
hiis  solis  verum  corpus  suum  consecrare  commisit,  et  non  aliis. 
in  hoc  tamen  differt,  quod  boni  sibi  et  nobis  conficiunt  ad  80 
salutem,   mali  vero  nobis  ad  salutem,   sibi  ad  dampnationem. 


YiTum  corpus  Christi,  ut  frequenter  patet  in  obsessis,  qui  illud  sicut  ignem 
timent.    F^.  Pfeiffer  302,  24 ff.    JStrobl  88,  13 ff.  1  Ketsserkinder  im  Um- 

bu»,    Linz   153,  1,   Pfeiffer  126,24,  17  ff.    i.  Frib,  112^:   item,   dicunt, 

quod,  si  fuisset  corpus  Christi  tante  magnitudinis  ut  mons,  quantns  est  ille 
mons  yel  ille,  soll  sacerdotes  jam  dudum  ipsum  devorassent.  24  ff.  1.  Frib, 

180^:  laieuB  es,  non  potes  predicare  vel  celebrare  vel  hujusmodi,  tantum 
potes  diligere  bonum,  quod  ille  facit,  quod  tantum  mereris  in  hac  dilectione 
ut  ille,  qui  hoc  facit  opore.    Vgl,  Pfeiffer  305,  3ff. 


8  V*  Abbandlanf:    Sohftnbaoh. 

sicttt  enim  in  cruce  cracifixores  obtnlenint  Ghristam  nobis  ad 
salutem,  sibi  ad  dampnationeni;  sie  et  nunc  mali  sacerdotea 
in  altari.  dicant  etiam^  qaod,  si  canis  sciret  verba  illa,  con- 
ficeret.  item  de  penitentia  dicant,  quod  non  est  sacerdotibns 
5  confitendum.  nee  confirmationem  ab  eis  accipi  debere.  magna 
cecitas,  debere  rusticis  confiteri,  et  non  sacerdotibns !  qois 
rusticis  commisit  elaves  ligandi  et  solvendi  (Matth.  16 ^  19)  ? 
die,  rustiee,  qois  tibi  animas  commendayit  vel  elaves  regni 
celoram?   dicnnt,   sanctam   unctionem  nihil  valere,   com   dicat 

10  Scriptara:  ^infirmator  qnis  in  vobis?  inducat  presbyteros  etc/ 
(Jac,  5, 14 f.)  (51  ^)  item  sanctam  ordinem  sacerdotalem  nihil 
esse  dicant,  contra  veram  fidem,  et  qaod  non  debeat  sacerdoti- 
bas  obediri.  sed  vera  fides  est^  qaod  eis  solis  commisit  Dens 
consecrationem  corporis  sai  et  aactoritatem  ligandi  et  solvendi, 

1^  et  qaod  illis  debet  obediri  in  bonis,  loco  sai  in  hiis,  que  eis 
commisit.  nam  sicat  Dens  institait,  qaod  in  celo  obediret  an- 
gelus  angelo  asqae  ad  jadiciam,  ita  et  in  terra  instituit,  qaod 
homo  homini,  dicens :  ,qai  vos  audit,  me  aadit,  et  qai  vos 
spemit,  me   spernit'  (Luc.  10,  16),   nt  si  rex   diceret  scalteto 

^0  sao:  cam  presens  non  esset,  qui  te  contempnit,  me  contemp- 
nit,  et  qui  tibi  obedit,  mihi  obedit.  valde  rationale  est  et 
omnibas  discretione  ntentibns  valde  dignum  habetar  videri,  qaod 
tarn  magnam  familiam  in  ecclesia  saa  non  dimiserit  recedens 
corporaliter  sine  capite,  cum  etiam  nalla  villa  qaantamcunqae 

26  parvnla  sabsistere  possit  sine  gubernatione,  non  dico  per  mille 
annos,  sed  nee  per  unnm  annam,  nisi  seindatar  sive  dividatar 
per  discordias.  at  nunc  patet  in  hereticis,  qui,  qaoniam  sine 
capite  sant,  in  tot  sectas  diversas  sunt  scissi  et  semper  ad 
breve  scinduntur,  ut  vos  heretici  ipsi  scitis:  nunc  mutatis  hoc, 

^^  nunc  hoc.  vos,  Leoniste,  primo  noluistis  jurare,  nunc  juratis 
plus  aliis,  et  tarnen  dicitis,  quia  Dens  prohibuit,  sed  quod  ma- 
gistri   vestri   lieentiaverunt.   quomodo   hoc   potuerunt?   si   ante 


26  Die  UneimgkeU  der  Häretiker  wird  hauptaächUch  in  den  Predigten 
über  dtu  Symholum  Äpottolicum  beim  10.  Artikel  betprochen.  Femer  1.  Frib. 
30^:  nnlU  enim  fides  est  commnnlB  et  nna,  nisi  sola  christiana.  jadeomm 
non  est  una  et  commnnis,  qaia  non  habent  omnes  anam  fidem,  immo  habet 
ille  hoc,  ille  hoc.  similiter  nee  pagani.  similiter  nee  heretici :  tu,  Runclarie, 
non  credis,  qnod  Ortliebarius,  et  tu,  Ortliebarie,  non  hoc,  quod  Poverleyn 
etc.  hnjusmodi.  sed  nos  omnes  iinnm  credimns  et  ibi  et  ibi  et  ibi. 


Sindiea  xnr  GesehJehte  der  altdeotseben  Predigt.  9 

triginta  annos  fxiit  peccatam^  est  et  nanc.  vel  vos  de  nna  he- 
resi  in  aliam  incidistis.  et  qnia  Dens  omnia  prescivit  hujus- 
modiy  ideo  capat,  cni  loco  ejus  obediremns,  supposait  ordinem 
sacerdotalem,  et  hoc  est  vera  fides.  si  autem  aliqais  illins 
ordinis  malus  faerit,  nihilominus  est  eis  obediendum,  quicquid  6 
heretici  dicant.  nam  preeepit  ipsis  dicens:  ^super  cathedram 
Moysi  etc/  (Matth.  23^  2),  cui  igitur  vultis  melius  credere : 
ipsi  Deo  dicenti:  (,omnia  ergo  quecun)que  dicunt  (Vulg,  dixe- 
rifU)  vobiS;  facite,  secundum  etc.'  (Matth,  23,  3)?  et  ideo  ha- 
bent  (sacerdotes)  potestatem  super  familiam  Domini  sui^  (sive)  10 
8int  boni  sive  mali,  et  habent  ligandi  et  solvendi  potestatem. 
—  et  die  per  negationem^  id  est,  quod  non  credunt.  —  et 
quia  heretici  contempnunt  obedire  sacerdotibus,  quos  Dens 
ecciesie  proposuit,  dicens:  ,quorum  remiseritis  etc.'  (Joann, 
20,  23).  ideo  obediunt  diabolis,  (52*),  qui  similiter  in  celo  Deo  15 
noluerunt  obedire,  ut  nee  isti  pape  in  ecciesia  sive  ordini 
sacerdotali.  item  sancto  matrimonio  se  opponunt,  quod  etiam 
Dens  instituit  in  paradiso,  et  in  Novo  Testamente  primo  mi- 
raculo  aperto  coram  discipulis  suis  honoravit,  mutando  aqnam 
in  vinum,  interessendo  cum  matre  et  discipulis.  nam  quilibet  20 
eorum  latrant  contra  illud,  dicentes,  quod  matrimonium  nihil 
alind  est  quam  manifesta  fornicatio ;  et  ideo  non  comedunt 
casenm,  carnes  et  ova.  infiniti  enim  in  matrimonio  sunt  salvati 
et  salvabuntur,  servent  tantummodo  duo,  que  dicens  eis  pre- 
eepit, que  nunc  obmitto  ratione  brevitatis.  heu,  multos  in-  25 
ficiunt,  unde  valde  ab  eis  cavete  plus  quam  ab  aliqua  re  sub 
celo,  nee  eis  propinquetis  per  aliquam  familiantatem,  scientes, 
quod  animas  vestras  aliter  occiderent  eternaliter.  dicitis:  ,frater, 
si  veniunt  ad  nos,  quomodo  eos  ab  aliis  hominibus   cognosci- 

17  ff.  vgL  Lip9.  496,  39,1.  96,6  (gegen  Häretiker):  qaomodo  autem 
quis  matrimonium  contrahere  et  quomodo  in  matrimonio  yivere  debeat,  ut 
salvetor,  propter  prolixitatem  ad  presens  subticeo.  28  ff.  dcu   Verfahren 

der  Ketzer  M  der  Verbreitung  ihrer  Lehren  schildern  viele  Stellen  Berthold«, 
z.  B.  Lip».  496,  9, 6:  et  ideo,  quicunque  aliam  fidem  in  angulo  ostendere 
▼olnerit,  probibeatur  tanquam  hereticus.  S6,6:  similes  sunt  talea  heretici, 
quibus  plus  sapit  tnrpia  beresis  in  an^lo,  quam  vera,  rationalis,  pul- 
eherrima  fides  cbristiana  in  publico.  similes  asinis,  quibus  melius  sapiunt 
cardui  pungitivi  quam  cibi  delicati.  similes  canibus,  quibus  melius  cadavera 
sapiunt  quam  mel  delicatissimum.  et  cave  tibi,  quia,  licet  facie  blandiatur, 
cauda  punget   veneficiis.     74,  6,   lAp».  498,  65,  2    (integ^itas  fidci) :   sicut  si 


10  y.  Abhaadlnng:    SohÖnbaob. 

muS;  cum  se  bonos  ostendant?'  in  tribns,  sicut  in  quibusdam 
aliis  locis  Scripture  ostendit  eos  Dominas  (qui  pro  hoc  semper 
sit  benedictns !),  in  quibus  qailibet  illos  potest  cognoscere.  in 
fumo,  qui  ex  ore  egreditnr^  igne  et  sulphure.   discite,   omnes, 

unus  annulns  catene  confringitur,  totum,  quod  per  eam  ligattir,  diasolvitur, 
sie  de  fide  (vgl.  StroUy  Über  eine  Sammlung  lateinischer  Predigten  Berthold» 
van  Hegensburg,  Sitzungsher,  84.  Bd,^  S.  108).  sie  est  hereticus,  qui,  si  io 
unam  heresim  incidit,  ac  si  XX  quoad  mortem  eternam.  item  simile  est  de 
illo,  qui  immuudam  avem,  piscem,  jumentum  vel  hujosmodi  comedifiset,  ac 
si  multa;  sie  de  heresi.  hec  dico  contra  quosdam  fideles  simpUces,  qai  vi- 
dentes  aliquos  hereticos  aliqaa  nobiscum  credere  et  confiteri,  qui,  dum  au- 
diunt,  vere  fideles  putant  et  indigne  ferunt,  si  heretici  judicentur,  neu 
intelligentes,  quod,  qui  uuum  articulum  negat,  sie  est  hereticus,  ac  si  om- 
nes.  56 f  1:  quintum,  ut  sit  fortis  et  constans  (in  fide).  —  exemplum  de 
Omnibus  sanctis  et  martyribus,  qui  pro  illa  conserv^anda  expoeuerunt  res, 
honores  et  corpora  diversis  suppliciis,  non  ut  heretici,  qui  statim  ad  primum 
impetum  fidem  suam  negant  verbis  expressis  vel  coopertis.  sunt  tamen,  heu, 
quidam  inter  nostros  ita  debiles  in  fide,  quod  sicut  prime  ficus  ad  mini- 
mam  percussionem  yenti  cadunt.  —  sie  quidam  statim,  cum  audiunt  hereti- 
corum  persuaflionem  in  latebris,  fidem  deserunt.  quid  ergo  facerent  in  per- 
secutionibus?  —  fides  foris  est  ore  confitenda,  cum  necessitas  requirit.  lAps. 
498,  91,2:  in  tempore  temptationis  recesserunt.  si  fidem  firmam  habnissent, 
unnquam  ita  de  faeili  evulsi  fnissent.  vix  bis  vel  quinquies  hereticum  an- 
divit  et  tamen  a  fide  fugit.  stulte,  quis  te  agitavit?  sie  cito  fugavit  tc  ancilla 
una.  respondet:  ,ideo  ei  credidi,  quia  verba  dulcia  mihi  proposuit/  ad  hoc 
dico:  si  propter  hoc  fidem  dereliquisti,  si  cras  veniret  judeus  et  ita  dulcia 
vel  dulciora  diceret,  illi  etiam  volles  credere?  si  tunc  tertia  die  paganns 
etc.  si  tunc  hereticus  de  heresi  alia  etc.  et  ita  nunquam  stabilis  fieres. 
stulte,  nonne  predixi  tibi  ?  etc.  item,  si  omnes  sapientes  suis  sabtilitatibus 
et  verbis  allectivis  etc.  vos  igitur  fideles  firmiter  stetis  — .  Densdben  Passus 
ejithäU  1,  Frib.  90",  nur  vorher  noch  die  Sätze:  ita  fortis  esse  debet  (fides 
vestra),  ut,  si  papa  et  alii  omnes  aliam  assumerent  fidem,  voluntatem  debes 
habere,  quod  illam  non  deseras.  non  sie  heretici,  qui  deliquerunt  fidem  suam, 
antequam  pro  illa  aliquid  patereutur.  Prov.  (28,  1):  fugit  impius  —  scilicet 
a  fide  —  nemino  persequente.  erubesce,  heretice,  quia  vilis  servus  vel 
femina  ita  te  fugavit,  quem  etiam  mundus  fugare  non  debuisset.  2.  Prib. 
65^.  llö**:  ita  cave  tibi  a  latebris  eorum  (hereticorum)  et  angulis;  quicquid 
promittatur  ab  aliquo,  non  vadas  ad  angulorum  doctores,  nam  delectabilia 
promittunt,  ut  decipiaut,  ut:  plus  seire  in  brevi  quam  omnes  sacerdotea  ad 
tria  miliaria,  et  quod  Dominus  loquatur  secum  et  e  converso  in  dimidio 
anno  et  hujusmodi,  et  si  deberent  (116^)  predicare,  melius  predicarent. 
260*:  heretici  faciunt  tibi  nunc,  ut  quedam  aranea  —  serpens,  qui  ascendit 
illum  et  Caput  ejus  £ricat.  item,  quasi  columba  seducta,  non  habens  cor 
cum  tritico  mellito  deeipitur.  —  Vgl,  Pfeiffer  242,  6 ff.  246,  16.  18.  265,  7 ff. 
295, 4  ff.  403,  6ff.    Strobl  77,  25.  148, 15.  230, 19.  247, 17. 


Studien  tnr  Gesebicht«  der  altdentsehen  Predigt.  11 

et  alios  docete !  in  {nmO;  qui  obscums  est;  ostendit  DominaS; 
qaod  in  obscoro  docent.  hoc  est  signuni;  unde  rogant  occul- 
tari.  unde  qoicunqne  occulte  ad  vos  venerit  vel  in  occnito, 
ab  eo  discatis,  si  aperte  docere  non  andet.  ipsa  fides  sancta 
tante  est  dignitatis^  qaod  non  in  angidiS;  sed  palam  vnlt  do-  5 
ceri.  sie  docuemnt  apostoli,  nt  dicitnr:  ^et  in  omnem  terram 
exiyit  sonns  eornm  etc/  (Rom,  10,  18),  sie  ipse  Dens  docuit 
dicens:  ,ego  in  occulto  locatus  sum  nihil'  (Joann,  18,  20).  et 
sie  nnnquam  hoc  tempore  in  hac  terra  inficiemini,  si  occoltam 
doctrinam  vitaveritis.  secundnm,  qaod  post,  etsi  non  statim  lo 
emittont  flammas^  nominant  doctores  sanctos  lacidos.  dicant: 
,ita  dicit  Aogastinas^  Jeronimas^  PaalaS;  Petras/  hoc  est  mani- 
festam  signam  heresis  in  laicis  illitteratis,  quia  hoc  scire  aliter 
non  possent,  cum  legere  nesciant,  nisi  in  occolto  ab  aliquo 
heretico  didicissent.  tertiuni;  etsi  (52^)  non  statim,  fetorem  16 
Pessimum  maledictionum  prelatorum,  ecclesie,  divini  officii, 
sacerdotum  et  hujusmodi.  —  qui  habent  doctrinam  demonio- 
nun,  habent  et  mores  eorum;  ut  Uli  decipiunt  simplices  religiöses 
bonos,  ita  isti  ejusdem  tribus  modis  bonos  simplices  seculares. 
—  die,  quod  primo  venit  nunquam,  ubi  multi,  sed  in  occulto.  20 
secundo  ostendit  se  sanctum  et  lucidum  et  docet  bona;  postquam 
autem  ei  creditar,  dat  hamum,  docet,  quod  se  occidat  jejunando 
vel  hujusmodi.  post  rogat  quod  apud  sacerdotem  non  prodat 
et  gratiam.  et  ille  stultus  credit  omnia  esse  bona,  ita  est  ibi.  ex- 
pone  de  heretico.  ideo  cavete  sie  et  prodite.  det  Dominus.  Amen.  25 

(52^)  Sermo  XVIII,  Sapientiam  sanctorum  (Vulg,  ipsorum) 
narrent  populi  (Eccli.  44, 15),  A  sapientia  incipe  thema  et  die 
primo,  quod  Dominus  magnam  gloriam  nobis  preparabit,  et  dia- 
boli  non  possunt  nos  vincere  potentia.  —  due  vie  — .  ideo  de 
hiis  duabus,  quomodo  sapienter  (52°)  sive  caute  ambuletis,  ne  so 
mala  pro  bonis  ire  contingat,  dicere  propono.  —  Dann  über 
Häresien  und  Häretiker,  quos  omnes  nominare  non  valeo.  nee 
est  necesse,  maxime,  cum  illarum  multe  nunc  sint  annihilate 
et  verwahsen.  sed  novas  octo  — .  (52^)  modo  notate  dili- 
genter  et  videte,  si  unquam  aliquem  illorum  vel  audistis  vel  35 
audietis,  qui  credit,  que  dicam,  et  scitote  ipsum  esse  hereticum, 
et  pro  Deo  prodite!  prima  hereticorum  via,  quam  diaboli  nunc 


37    Die  Pflicht,    Ketzer  heim  geistlichen  Gericht  anzuzeigen,    wird  von 


12  Y.  Abliandlnng :    Sobftnbaeb. 

invenerunt  et  docaerunt,  et  isti  modo  alios  docent,  est,  qnod 
ad  hoc  quosdam  indaxit^  quod  crednnt;  quod  nallus  debet 
jurare  etiam  veritatem.  considerate,  si  iinquam  andiatis  talem^ 
quia  pessimus  est  hereticus.    sicnt  enim  loqni  possam  yeritatem, 

5  ita  et  eandem  cum  necessitate  per  Deam  possam  teatificari.  — 

Hiermit  bHcht  das  Stück  ab,   das  in  anderer  Disposition  den 

Inhalt  der  unmittelbar  vorhergehenden  Predigt  darstellen  sollte 

(acht  Häresien  mit  der  Vermeidung  des  Schtoörens  am  Beginn), 

Sermo  XVIIII.     In  fide   et  lenitate  ipsias   sanctam  fecit 

10  illam  et  elegit  eam  ex  omni  came  (EcclL  45,  4),  In  hiis  verbis 
commendat  Moysen  secandam  litteram.  —  Das  Thema  ist  fides. 
—  scio  plarimos  minas  corare  aliqaa  de  fide  in  sermonibns 
proponere,  sed  pro  commani  atilitate  nihil  atilias  (53*)  jndico 
in  predicatione,  qaam  qaasi  semper  aliqaa  ibi  de  fide  inserere, 

16  maxime  in  mane^  at  ardentias  cordibas  inprimatar.  nimis 
enim  hea  heretici  nunc  latenter  maltiplicantar  et  fervor  fidei 
etiam  in  cordibas  fideliam  nimis  debilitatar.  —  (53**)  indabi- 
tanter  certa  est  fides  christianoram  sive  fides  Christi,  qaam 
naiii   habent   nisi  nos    christiani.     jadei  enim    de   illo    dicant, 

20  qaod  fait  malas  homo  et  non  Dens,  pagani,  qaod  faerit  omnino 
bonas  homo,  et  ipse  et  Machmetas  sammi  et  optimi  prophe- 
taram^  sed  non  Dens,  plarimi  heretici  moderni,  at  Leoniste, 
Ortlibarii  et  hajasmodi,  dicant  eam  fictam  hamanitatem  assamp* 
sisse,   non  veram,   sed  Deam.     omnes  aatem  isti   dampnantar, 

26  qaia  veram  fidem  de  Christo  non  habent,  sed  falsam,  cum  sit 
Veras  Deas  et  veras  homo.  —  (53^)  de  qao  breviter  notandam, 
qaod  prelati  debent  habere  fidem  explicitam  de  omnibas  creden- 
dis.  simplices  vero  debent  habere  fidem  explicitam  de  aliquibas 
(54*)  articalis  et  de  omnibas  articalis  impiicitam,  at  scilicet  cre- 

SO  dant  veram  esse  omne,  qaod  credit  ecclesia.  —  (54*)  nee  debet 

Berthold  nicht  bloß  in  den  deutschen  Fcusungen  seiner  Predigten  toiederhoU  ein- 
geschärft,  sondern  auch  in  den  lateinischen,  z.  B.  Lips,  496,  47,  2.  498,  18^  /,  2: 
item,  qui  hereticum  seit  et  non  manifestat,  in  quantum  tenetur  et  ubi  tene- 
tur,  partlceps  est  illoram  maloruin,  qui  facit,  et  si  est  publicum,  nisi  mani- 
festet  ipso  tempore,  quo  tenetur,  mortaliter  peccat.  idem  de  phytone  et 
bujusmodi.  melius  esset,  tales  corruptores  ecclesie  prodere,  quam  diu  in 
pane  et  aqua  jejunare.  similiter  religiosus,  si  non  accuset  in  capitulo  et 
visitatione,  cum  hoc  precipitur,  omnia  bona  sua  prodit  et  mortaliter  peccat 
et  dampnatur.     /.  Frih.  50^.  61^.  22  ff.   vgl.  1.  Frih,  60"^  und  die  doH 

angeßihrten  Stücke. 


Studien  zur  Geschieht«  der  altdeutschen  Predigt.  13 

homo  moveri^  si  yideat  aliqaos  hereticos  vel  abstinentes  vel 
misericordeS;  com  multo  plures  inyeniantur  tales,  qui  fidei  sunt 
cathoiice.  vel  ei  aliqui^  qui  snnt  fidei  catholice,  inveniantar 
mali,  malt!  enim  mali  et  molta  malitie  sunt  inter  hereticos; 
sed  occoltant  eas^  qnantum  possunt,  nee  mimm,  cum  se  ipsos  5 
occnltant. 

(54**)  Senno  XX.  Beati  oculi,  qui  (Luc.  10,  23).  Non 
est  aliud  gaudium^  sed  dormiens  vel  depictum,  falsum  gaudium^ 
non  verum,  et  quod  sie  patet^  quia  omnia  gaudia  hie  aspersi 
similia  essent^  non  unum  cor  satiarent^  (54^)  quia  cras  vellet  10 
plus,  sed  in  celo  est  verum.  —  ita  ut  si  aliter  videre  gaudium 
Celeste  homo  non  posset,  quod  deberet  libenter  ardere  per 
centum  annos,  ut  ipsum  videre  posset;  licet  hoc  quibusdam 
rudibus  impossibile  videatur,  per  centum  annos  semper  nudus 
ardere,  ut  uno  die  videre  posset.  tam  delectabile  est  Deum  15 
videre,  quod  dici  non  potest.  —  (55*)  oculi  cordis  —  hec  sunt 
fides  et  vita  bona,  per  hec  duo  illuminatur  anima  ad  videndum 
Deum  quasi  per  duos  oculos.  ita  die.  corvi  infernales  hec  duo 
maxime  appetunt  homini  auferre,  scientes,  quod  sine  illis  Deum 
nullus  videbit.  fides  autem  vera  est  nobilior.  hoc  est  quasi  20 
ocnlus  dexter,  qui  est  multo  nobilior  et  utilior  sinistro.  licet 
uterque  sit  valde  nobilis  et  utilis,  ille  tamen  plus,  quia  in  hello 
homo  nihil  valet  sine  illo,  nee  in  remoto  vel  vicino.  die,  si  vis. 
ita  et  fides  vera  multo  est  dignior  et  magis  necessaria.  si 
enim  haberem  fratrem,  potius  vollem,  illum  occidisse  centum  26 
vires,  quam  esse  in  una  heresi.  et  quare?  quia  sperarem, 
quod  ad  predicationem  alicujus  converti  posset,  quod  se  pecca- 
torem  agnosceret;  si  autem  hereticus  esset,  quia  se  sanctum 
reputaret  ex  cecitate  vere  fidei,  quam  amisit,  converti  a  pec- 
catis  vix  vel  nunquam  posset.  ideo  dico:  si  soror  mea  centum  30 
vires  babuisset  (55^)  et  quod  frater  mens  omnes  pueros  suos 
manu  sua  oecidisset.  —  (55^)  similiter  nota  vitam  hereticam, 
quia  communiter  heretici  super  hoc,  quod  sunt  infideles,  sunt 
omnino  hypoerite  et  dolosi,  et  illa  vitia  Dominus  supra  modum 
borret  et  odit.  omnia  enim,  que  faciunt,  fraudulenter  faciunt:  35 
quod  offerunt  in  ecclesia,  quod  orant,  quod  jejunant  in  Quadra- 
gesima,   quod  vacant,   quod  communicant^   quod  confitentur  et 


24  ff.    vgl  Pfeiffer  403,  21  ff. 


14  Y.  Abhandlung:    Sehönbaoli. 

haJQsmodi.  ita  Dominos  snpra  modum  odit  et  horret  illos  et 
ideo  debet  hie  fidelis  omnino  cavere,  ne  aliqno  modo  enm  ali- 
quibus  dolo  et  fraude  circaeat.  opera  judeoram  sunt,  sive  Tita 
jadaica^  injuste  res  conquirere,  terrenis  rebus  semper  intendere; 
5  christianis,  abicunque  possnnt,  bono  modo  nuUam,  eum  tamen 
sint  servi  nostri,  fidem  servare,  sed  pro  posse  fraudare. 

Sermo  XXI.  Sancti  per  fidem  (Hehr,  11,  33) ,  vel  aliud 
tbema  (56*)  de  fide.  Per  multam  dampnatur  homo,  per  hoc 
et  hoOy  sed  per  unam  solum  salvatur,  sine  hoc  nnllas  senratar 

10  et  cum  hoc  uullus  dampnatur,  quicquid  contingat,  hoc  est  vera 
fides  christiana.  —  integritas  fidei.  —  multi  non  habent  integram 
et  perfectam  fidem,  et  in  aliquo  deficiunt  et  mutilant  sanctam 
fidem,  ut  heretici.  nam  ille  iiiam  in  hoc  mutilat,  quod  dicit^ 
quod  non  sit  purgatorium;  ille,  quod  non  sit  hoc  verum  corpus 

15  Christi  et  hujusmodi.  ita  et  aliqui  in  ecclesia,  ut  aliqui  avari, 
dicunt:  ,credo  omnia  bene,  sed,  quod  homo  dampnetur  pro 
triginta  denariis'  —  licet  hujusmodi  —  ,hoc  nunquam  credam, 
vel  credere  nolo/  tu  loqueris,  ut  vere  hereticus  loquitur,  qui 
etiam  credit  omnia,  que  credimas,  preter  hoc  vel  hoc.    tu  non 

^'^O  es  solus  hereticus,  multos  habes  socios.  sicut  enim  tu  hoc 
credere  non  vis,  ita  et  ipsi  {b&^)  quedam  credere  nolunt^  et 
ideo,  sicut  hereticus,  si  in  omnibus  aliis  esset  bonus  homo, 
tamen  pro  perfidia  istius  solius  dampnareris,  quia  non  credis, 
quod  Deus  credi  precepit,  que  requiruntur  ad  integram  fidem. 

25  —  secundo:  ore  confiteri  fidem.  —  tertio:  non  mixta.  non 
sit  mixta  (fides)  cum  aliqua  infidelitate  judeorum,  paganorum, 
heresi,  vel  aliquibus  infidelitatiunculis.  quia,  ut  illam  puris* 
simam  nobis  tulit,  ita  et  in  morte  reddi  debet,  ut  significatur 
in  hoc,  quod  in  baptismo,  ubi  Deus  anime  fidem  infundit  lucidam, 

30  homini  datur  lucida  candela,  et  similiter  in  morte,  in  signum, 
quod  eam  lucidam  et  puram  servavit,  sicut  tibi  eam  in  baptismo 
dedit;  quia  nequaquam  vult  eam  cum  aliqua  incredulitatiun- 
cula  misceri  et  immundari.  cibus  enim,  quamcunque  nobilis, 
mixtus  cum  serpentibus  mihi  non  placet.    ita  fides  clara,  quam 

35  Deus  nobis  in  baptismo  claram  dedit,  omnino  clara  est  servanda, 
et  ab  omnibus  infidelitatibus  et  a  quatuor  infidelitatiunculis. 
quidam  non  scrvant  a  prima,  quidam  non  a  secunda  etc.  maxime 
stulte  femine.  unum  est,  quod  non  debes  aliquid  adquirere 
a  phitonissis   vel  eis  credere,    quia  peccatum  gravissimum   est, 


Stttdi«n  sar  Geschichte  der  »Itdeiitsoheii  Predigt  15 

ut  patet  in  Saul  (1  Reg,  28,  7 ff.)  noli  de  Sani  prosequi.  et 
deberent  omnes  incarcerari  vel  tarpiter  ejici  a  terra,  quia 
moltos  dampnant  et  molta  facinnt  homicidia  inter  homines  com 
meDdaciis.  dicis:  ^vernm  dixit  mihi  de  equo  meo  perdito/ 
respondeo,  quod  haben  t  exploratores  suos  in  villis  hinc  inde^  & 
qne  et  qni  perscrutantar  et  eis  revelant,  et  cum  yenis  ad 
iilam^  dicit  tibi:  ^scio^  quid  vis.  vis  querere  de  equo  nigro, 
quem  tunc  perdidisti/  et  cum  hoc  tibi  dicit,  putas  illam  omnia 
scire  et  putas  esse  yerum^  quicquid  tibi  postea  dicit,  quod  ibi 
sit  deductus  vel  sie  vel  sie.  et  sie  te  decipit  et  te  et  se  sie  10 
dampnat  et  multoS;  quibus  hoc  narras^  et  ei  credunt.  —  (56^) 
nam  mortale  occidit  fidem  in  anima  hominis  et  jacet,  licet  corpus 
non  sentiat,  fides  sie  mortificata  in  corde  sive  in  anima  hominis 
ut  pestilens  cadaver  fetidum  super  fossatum  vel  mortuus  fetidus 
in  sepulchro.  —  fides  sine  opera.  —  hoc  enim  tibi  nihil  prodest,  IB 
si  bona  opera  non  habes,  et  si  per  mortale  aliquod  in  te  morti- 
-ficasti  (fidem)^  scias  indubitanter^  quod  gravius  est  illam  inter- 
fecisse  in  te  quam  non  recepisse,  ut  est  gravius  honestissimum 
hospitem  interficere  quam  non  recipere.  unde  eodem  genere 
peccati  gravius  peccas  (57 '^)  quam  judeus  vel  paganus^  et  plus  20 
punieris.  si  enim  judeus  peccaret  sex  peccatis  et  paganus  si- 
militer  sex  eisdem  et  christianus  eisdem  sex,  omnibus  aliis 
paribuSy  paganus  eternaliter  punitur  in  inferno,  judeus  gravius, 
christianus  multo  gravius.  —  putatis,  o  boni  fideles,  si  firmam 
fidem  haberent  in  se,  quod  pro  tam  parvis  rebus  exponerent,  25 
wagent,  omnia  gaudia  eternalia  et  Deum  etc.?  ibi  pro  ita 
parvis  rebus  hoc  nunquam  facerent. 

(57^)  Sermo  XXII.  Qui  credit  in  me,  vivet  in  eternum 
(Joann.  ff,  48:  habet  vitam  aetemam),  Fides  debet  habere 
Septem  ornamenta,  fidei  sunt  hec  necessaria.  primum  est  inte- 
gritas.   —    integritas  omnino  requiritur,   quia  nuUa  est  heresis, 


30 


31  ff.  Lip9.  496 f  12,  1 :  nulla  est  heresis,  que  non  habeat  aliquid  de 
fide  Vera,  ande  et  multi  simplices  decipinntar.  cam  enim  vident  multt,  qaod 
hereticos  combnrendos  dicit:  ,credo  in  unum  Deum  et  crodo  beatam  Vir- 
ginem  Mariam  etc/,  dicunt,  quod  ei  fiat  injuria,  non  est  ita.  quod  si  in  uno 
articulo  est  hereticus,  sufficit  pro  heresi.  quod  ita  sit,  patet,  quia  et  judeus 
credit  aliqua  yera.  slmiliter  et  plerique  pagani,  et  tarnen  infidelis  est  nee 
fidem  habet  fideliom.  ita  est  hereticus.  multi  sunt  homines  valde  pulcri,  ha- 
bentes  pnlcras  manus,  pedes,  staturam,  oculos  etc.  si  tarnen  naso  caret  quis, 


16  V.  Abhandlang:    Scbönbach. 

qae  non  habeat  aliquid  de  fide.  nnde  pleriqae  ex  vobis  sim- 
plicibus  decipiuntur.  cum  enim  quandoque  videtis,  qnando 
hereticus  comburitur,  quod  dielt:  ,credo  in  unam  Deum',  vel: 
;Credo  beatam  Mariam^,  vel  poseat  corpus  Domini  et  hnjnsmodi, 
5  dicitiS;  quod  sibi  fiat  injuria,  non  est  ita^  quia,  si  in  uno  est 
hereticus ;  sufficit.  judeus  etiam  credit  aliqua  vera^  similiter 
plerique  pagani;  ita  et  heretici.  multi  sunt  homines  valde 
pulchri,  habent  pulcherrimas  manus,  pedes,  staturam  et  hujus- 
modi,  sed  si  tantum  naso  caret,  deformis  est.     pro  sola  arbore 

10  Homo  ejectus  est  a  paradiso.  ita  heretici  multi  bene  credunt, 
quod  sunt  celum,  infernus^  sed  non^  quod  purgatorium.  similiter, 
quod  Christus  est  de  virgine  natus^  quod  predicavit,  sed 
non^  quod  verus  homo.  est  enim  integritas  fidei  ut  quedam 
celestis  cathena  et  tunica  inconsutiüs.    qui  Romam   tendit,   etsi 

15  omnes  dietas  perficit  preter  unam,  nunquam  illuc  pervenit. 
quidam  credunt  aliqua  nobiscum;  quidam  plura,  sed  non  omnia; 
sed  non  sufficit;  sed  qui  unum  negat;  totum  subvertit.  qui 
unum  asserem  fundamenti  in  dolio  frangit  vel  aufert^  totum 
eflPunditur.   —   puritas   fidei.   —   (58*)   certitudo    fidei.   —   sed 

20  quidam  sunt  negantes,  quod  vera  sit^  quidam  hesitantes,  quidam 
dubitantes,  quod  possit  esse  vera,  quidam  firmiter  credentes. 
et  hoc  a  humilibus  faciliter  objicitur.  ita  certus  esse  debes, 
quod,  si  omnes  clerici  de  Parisius  venirent  et  aliam  (fidem) 
sibi  predicarent.  nihil  reputares.    si  omnes  potentes  cum  gladiis 


deformis  est.  —  pro  solo  articulo,  quem  hereticus  credere  contempnit,  repro- 
batur.  heretici  multi  credunt,  quod  sit  celum,  quod  infemus;  sed  quia  non 
credunt,  quod  sit  purgatorium,  dampnantur.  similiter  credunt,  quod  Dens 
de  virgine  natus  sit  et  quod  predicavit,  —  sed  non  quod  fnerit  verns 
homo.  —  similiter  credit,  quod  corpus  Christi  prodest,  sed  non,  quod  vernm 
corpus  Christi  sit,  et  ideo  dampnantur.  —  Auf  einen  besonderen  Platz  för 
die  Verbrennung  der  Ketzer  läßt  sich  schließen,  wenn  es  Lips.  496,  82,2  heifit: 
et  quia  sie  firmiter  precepit,  ideo  in  primitiva  ccclesia,  ut  ad  hoc  fideles, 
sancti  ac  ferventes  essent  in  Doi  caritate,  frequenter  cottidie  communi- 
caverunt.  postquam  vero  multi  esse  et  tepescere  ceperunt,  in  diebus  domi- 
nicis.  post  ter  in  anno;  post  majorem  multitudinem  et  teporem  muliomm 
preceptum  est  districte,  ut  omnes  fideles  se  saltem  sie  prepararent,  ut  ad 
minus  semel  in  anno  digne  communicare  valcant.  alioquin,  qui  hoc  ex  di- 
lectione  peccati  contempserint,  ab  eccle-sia  cjiciantur  et  ecclesiastica  careant 
sepultura.  debent  enim  in  campo  cum  judeis  et  paganis  et  übi  heretici  com- 
bumntur^  sepeliri,  cum  mortaliter  in  quolibet  anno  peccaverint,  corpus  Do- 
mini non  recipiendo.    Vgl.  1.  Frib.  42^. 


/ 


Sfendien  xnr  Gwehiehte  der  »lideiitwliea  Predigt.  17 

; 

et  hajnsmodi.  mirabile  est  de  hereticornm  stultitia.  nnde  habes^ 
qnod  fides  tua  rectior  sit  quam  nostra?  quid  invenisti  in  fide 
toa  plus  quam  in  nostra?  vel  in  quo  est  polchrior?  nee  unam 
rem  nee  qniequid  invenis.  respice  hamiliter  fidem  tuam  et 
Dostram,  in  infinitam  est  pulchrior  nostra  et  rationabilior.  quid  5 
in  toa  pre  nostra  invenis  predictorum?  eerte  nihil  ^  nisi  qnod 
tu  es  sedactus.  ita  tn  ipse  neseiS;  qualiter  a  tali,  cujus  sancti- 
tatem  nunquam  videras  vel  virtutem^  per  annum  vel  per  mensem 
nee  notitiam  habuisti,  et  Uli  credis  contra  fidem  communem  et 
quam  prius  dilexisti.  plus  credis  illi  ignoto  quam  omni  mundo.  10 
—  (58®)  hie  perpendi  potest  hereticornm  istorum  vilitas,  qui 
omnia  sua  in  ypocrisi  faciunt,  cum  frequentant  ecclesias^  hono- 
rant  sacerdotes,  observant  ritus  ecclesie^  jurant  se  credere^ 
qnod  credit  ecclesia;  et  tamen  liec  omnia  ficte,  ut  non  de- 
prehendantur,  quod  sunt,  hoc  judeus  non  faceret  nee  gen-  15 
tilis,  sed  potius  se  occidi  permitterent.  soli  demones  hoc 
solent  facere,  transfigurantes  se  in  angelos  lucis,  et  docue- 
rnnt  hoc  ministros  suos  hereticos.  ubi  unquam  verus  chri- 
stiaous  simulavit  se  colere  ydola  et  judaizare,  ne  rerum  sua- 
rum  yel  corporis  pateretur  dispendia?  nihil  est  ita  contrarium  20 
veritati  quam  fictio.  —  (P^^)  quantumcunque  bonus  sit  artifex, 
tamen  sine  instnunento  suo  inutilis  est;  sie  et  fides:  ut  faber 
siDe  ferramentiS;  nauta  sine  navi^  sartor  sine  forfice  et  acu, 
miles  (sine)  anuis  vel  clipeo  et  hujusmodi,  ita  fides  sine  operibus. 

Sermo    XXIII.     Reddet   Dens    mercedem    laborum    etc.  25 
(Sap.  10,  17:   et    reddidit  justis    mercedem    laborum    auorum, 
et  deduxit  ilha  in  via   mirabili),     Vocavit  nos  Dens  ad  ce- 
lestem  patriam  ab  hoc  exilio;  que  est  adeo  delectabilis,  quod. 
si  habere  illam  non  possemus,  tamen  ut  illam  tantummodo  vi- 
dere    valeamus,    pro    hoc    solo    omni    vita   nostra    esset    labo-  30 
randum.  —  Die  Disposition  wird  geliefert  durch   die  Erzäh- 
lung von  der  Flucht  der  Israelit-en  aus  Ägypten  durch  Meer, 
Wüste    und    Jordan,     Drei    Wege    zum    Himmel:    prima    fides 
christiana.  —  (59^)  sed  nota,  quod  sunt  quatur  genera  homi- 
num  in  ecclesia  Dei.   quidam  negant  ita  esse^  vel  contradicunt  36 
fidei,  cum  de  fide  aliquid  audiunt.  hü  sunt  heretici  et  hü  eter- 
naliter  dampnantur.   quidam  dubitant  et   cogitant^  si  ita  esset 


34  ff.    Die  ganze  Stelle  toäraich  lAps,  496,  17,  2. 
Sitenngeber.  d.  phil.-hiat.  Kl.  CXLVn.  Bd.  5.  Abh. 


18  V.  AbtaAndlviig:    SobAnbseh. 

vernm,  quod  credimus,  hoc  esset  magnum  qnid.  hü  sunt  dubi- 
tantes  et  hii  similiter  dampnantar,  nisi  resistant.  qaidam  sunt 
putantes,  qaidam  ita  cogitant  de  fide:  sie  bene  potest  esse, 
ut   predicatar.     nt   si   dico   eis:    ,epi8eopa8    est    in   Argentina^, 

5  bene  patant^  ex  quo  dico.  nolient  tarnen  jurare,  nee  sunt 
certi,  nee  sunt  firmi,  sed  cogitant:  si  est  ita,  sit  ita.  hii 
snnt  pntantes,  et  de  faciii  pervertantor  tales.  cogita,  quo- 
modo  diaboli  hominem  temptant  in  morte  de  fide.  qoarti  sunt 
firmi   et  fortes   in   fide,   hii   snnt   veri   christiani.  —  (59®)   no- 

10  bilis  est  fides  christiana,  qaia  Dominus  vult,  quod  ita  fir- 
mus  et  fortis  sis  in  fide,  quam  in  baptismo  tibi  dedit,  quod, 
si  descenderent  de  celo  —  ut  per  impossibiie  loquar  —  sicut 
pluvie  gutte  angeii,  aiiam  suadentes  fidcm,  non  eis  credas.  et 
noii  cogitare:  ^judeus  dicit,  quod  sua  fides  sit  recta,  paganus 

15  similiter  et  hereticus.'  hoc  faciliter  reprobarem,  sed  longum 
esset,  unde  firmiter  tenete,  quod  nee  judei  nee  pagaui  nee 
heretici  habent  unanimem  fideni,  nisi  soli  christiani.  —  seeunda 
via:  spes.  —  tertia  via:  charitas. 

(60^)   Sermo  XX  IUI.    Videte,   vigilate  et  orate,   nescitis 

20  enim  quando  tempus  sit  (Marc.  IS,  33),  Hec  verba  dixit  Do- 
minus in  ultima  predicatione  sua  in  populo,  cum  veliet  finem 
dare  predicationi  sue.  —  quatuor  res  terribiles:  temptatio,  mors, 
ultimum  tempus,  Judicium.  —  (60°)  diabolus  temptat,  quomodo 
fidem  auferat,  per  decem  res   (die   mit   den  zehn  Höfmem  des 

26  apokalyptischen  Drachen  verglichen  werden),  primum  est  chun- 
digiu  teidinch.  sie  heretici  habent  verba,  ut  tibi  nihil  dalcius 
videatur.  sunt  autem  ut  venenum  verba.  —  primo  docent 
orationes   dulces,    suzziu    cheisei'inne^    post   epistolas;    primum 

2  ff.  Lip».  496^  25 f  3:  non  enim  totum,  qaod  putatur,  ideo  7011101 
est,  qiiia  putatur.  putare  enim  nihil  veritatis  habet  in  se.  qui  enim  pataret 
se  recte  ire  ad  sanctum  Jacobum,  et  iret  (25,  4)  versus  Ungariam,  non  ideo 
recte  iret,  quia  putaret  so  rcete  ire,  nee  unquam  illuc  perveniret,  nisi  mu- 
taret  viam.  simile,  qui  vitrum  pro  gemma  emeret.  simile,  qui  comederet 
toKicum  et  putaret  se  sanissimum  reciporo  cibum  vel  olectuarinm,  qnod  qui 
putaret,  nihil  ei  valeret.  So  Ketzer  und  Juden,  magna  stultitia  heretici.  pro 
putatione  omittit  fidem  suam  nobilem,  quam  sie  Dan  habuit,  et  animam 
suam  tali  laico  (demandat),  quem  nunqnam  prius  viderat  nee  seit,  an  sit 
bonus  vel  malus,  nisi  quod  putat  eum  esse  bonum,  uec  ab  eo  talia  mira- 
bilia,  nee  etiam  in  eo  talem  vitam  videt,  quod  ipsum  debuisset  a  sua  vita 
retraxisse. 


St«dt«B  sar  Geschieh  te  der  sltdeatsohen  Predigt.  19 

verba,   post  evangelia.     quid  dnicias?   et  in  biis  est  venennm. 

puDgunt  at   basiliseuS;   quem   natrit  bafo    de  ovo  galli,   et  qae 

videt,  inficit.     ita  et  verba  eorain,  et  ideo  fagitel    noli^   si  an- 

qaam   contingat  ire  ad  hereticuin  predicantem,   cogitare:    ^volo 

andire^   quid  dicat.  quid  mihi  nocet?'   noli,   fili,   quia  irretiunt  6 

emn  multis  sermonibos.   secundam  est  simulatio  .sanctitatiS;   in 

qua  multos  deeipit.  vidi  quemdam^  qui  ita  factus  est  hereticus. 

nam   cum   de  nocte  surrexit,   dixit  hospes:   ^surgite  et  orate!' 

(Lac,  22y  46),     non   debemus   vivere   ut  glutones,   sie  in  cibo. 

post  vitam  piacuit  doctrina.  dulcia  verba,   post  heresis.    osten-    10 

dont  se,   quasi   sint  angeli   sancti,   tunc   dicere  possunt:   hinc 

fratres,  illinc  predicatores,   sorores,   religiös!:   ^isti   sunt   sancti 

homines!'     (60^)    noli,    quantumcunque    vita    pulcra    sit.     si 

enim   aliqua  fides  in  aliquantulo ,  non   credas.   —   tertium   est 

mala  vita   doctorum   vel  aliorum  fidelium.   hoc  proponunt  ita:   15 

libenter  comedunt,  vadunt  libenter  ad  homines,  diligunt  honores, 

sunt  impatientes  et  dicunt  quedam  quo  scitis,  quedam  que  non. 

et  ploral  et  ita  utrumque  creditis^  et  verum  malum  de  doctoribus 

et  falsum.  sie  de  plebanis:  ^ecce,  quomodo  fornicatur!  non  pre- 

cipit   ita   Deus/    noii,    filil    nam  dicit  Deus:    ,(non  est   caput  20 

nequius)  super  caput  colubri'  (Eccli,  26,  22),    sunt  tamen  nuntii 

Domini  sacerdotes,  possunt  dare,  quod  mittitur.  si  vides  unum 

malum,  vides  juxta  unum  bonura  in  plebanis,  in  religiosis.  oportet 

hie  esse  mixta.  et  ignobiliora  sunt  plura  hie  nobilioribus,  sed  in 

celo  totum  purum,  si  quis  ostendit  tibi  rectam  viam,  si  ipse  non  25 

volt  ire,  quid  tibi  nocet?  nee  tardius  venis  ad  hospitium.  quartum 

comu  est  timor  amittendi  res,   vel   amissio.   quia  potius  quam 

amittant   res,   potius   adherent   errori.    —   multi   per   hoc   sunt 

victi.  —  breviter:  quicunque  aliquid  diligit  injuste^  perforabitur. 

nam  quando  dabit  mercatoribus  pacem  et  honorem,  si  portarent  30 

aurum  in  capite?  quicunque  tunc  plures  res  diligit,  cadet,  quia 

accipit   ad   hoc,   quod  diligit.    nam  habebit  occultas  divitias  et 

ettam   potest   facere   falsas   per   alchimiam   vel   illudere  oculos. 

quintum  est,  quod  facient  multa  mirabilia  falsa  et  naturalia  ita 

magna,    ut   videantur    (mirabilia).     mutant   vinum   in    aquam,  35 

quia  ita  sunt  astuti,  quod  aufcrunt  saporem  homini.    que  facit, 

videntur  mirabilia,  qnia  rara.     quia  facit  infirmum,  vel  si  sus- 

citat.   ita  predicit  futura,   de  quibus  accepit  conscientiam,    vel 

conjicit  et  bujusmodi.  item  statua  ejus  loquitur  et  prophetat  et 

2* 


20  V.  Ablumdliugt    Sohönbaoh. 

dicit:  ;Si  non  vis  credere  mifai^  cum  exis,  continget  tibi  hoc/ 
quid  erit,  cum  ego  sto  in  pnlpito,  et  ille  in  aere?  cnm  pluit 
mihi,  et  Uli  non?  qnia  diaboii  superportant.  predicit^  nt^  cum 
(61*)  pono  oliam  ad  ignem  —  hujnsmodi  nimia  faciant  —  ignem 
5  de  celo.  et  diabolos  intrat  in  enm^  et  ille  diabolus  seit  qnatuor 
vel  decem  linguas,  et  sie  variis  ioquitor  unguis,  item^  qaod 
videas  hereticos  in  celo  et  econtra.  et  cum  venis  ad  statoam, 
tunc  dicet  tibi:  ,modo  vide,  quid  dixerit  tibi  fratcr  Bertholdus!' 
cum  hoc  cornu  multos  vincit.    tribulat  etiam  occuite  suggerendo 

10  heresim,  ut  nunc  multi.  nam  cum  yidet,  quod  nullus  potest 
predicare,  vel  per  mirabilia  vel  per  mortem,  mittit  in  sompno, 
quod  tibi  videtur,  quod  ego  veniam  vel  mater^  ut  sie  credas. 
—  (61*)  sextum  cornu,  quia  muititudo.  cogitat  homo,  quo- 
modo  potest  esse,  quod  Dens  permittit  omnes  perire?    si  esset 

15  (plus  quam)  una  terra,  aliquid  esset,  modo  solus  mundus, 
omnes  fideles  in  hoc  convenerunt  —  et  tunc  mirabilia  ad  hoc 
juvant.  septimum  cornu  —  qui  videntur  valde  boni  et  sapientes, 
posset  aliquis  cadere,  de  quo  plus  turbaretur  fides  tua.  octavum: 
martyrium.   nonum  cornu  —    (wörtlich  =  dem  vierten):   timor 

20  amittendi  res  vel  amissio  (keine  Ausführung),  decimum  comn, 
quod  diu  durat.  —  (61^)  quod  maxime  predicare  volo,  est  de 
stultitia,  ut  sciatis,  quomodo  eavere  debeatis,  ne  vobis  contingat 
ut  stultis  hereticis.  tria  dicere  volo,  qui  sunt  mores  eornm, 
et  quomodo  veniant  et  doceant,  quam  stulta  credunt:   decepti, 

26  derisores,  hypocrite.  —  primum,  sunt  plus  decepti  homines, 
(quam)  qui  unquam  fuerunt:  dicunt,  se  esse  ecclesiaml  si  sunt 
ecclesia,  quare  ergo  non  procedunt  ad  lumen  ut  apostoli,  qui 
ubique  omnes  publice  predicaverant?  mirum,  si  ante  mille 
ducentos  annos  publice  predicaverunt  apostoli,  ubi  postea  latue- 


2  flF.  VjL  Pfeiffer  172,  13:  unde  iedoch  ist  vil  bezzer  eine  karze 
martel  ze  lidenne  danne  icraer  iiiere  brinneu  mit  dem  tiuvcl.  unde  swie 
vil  er  iu  zeichen  vor  getuo  oder  sine  prediger,  so  keret  iuch  dran  niht  nnde 
gest^t  an  dem  almehtigen  gote  und  an  dem  kristengelouben.  unde  sw&  sine 
prediger  Stent,  dft  schinet  diu  sunne,  unde  sw&  unsers  herren  prediger  stSnt, 
da  regent  ez.  unde  do  wirt  einer  üf  st^n,  der  ist  mir  gelich  unde  gibt:  ,ich 
binz,  bruoder  Berbtolt!  unde  allez  samt,  daz  ich  iu  ie  gesagete,  daz  ist 
allez  samt  gelogen,  ir  sult  iuch  nü  an  den  gehaben»  der  da  ist  der  gewäre 
got:  an  den  sult  ir  gclouben/  da.  kSret  iuch  uiht  an,  wan  ez  ist  ein  tiuvel 
in  miner  gelichnüsse.  so  gibet  der  etelichen  gr6z  guot,  daz  sie  an  in  kdren. 
des  sult  ir  alles  nilit  ahten,  unde  gestM  eht  an  dem  almehtigen  gote. 


Stadien  zur  Oescbicbte  der  sltdentschen  Predigt.  21 

mnt?  in  hoc  potes  videre  manifeste,  te  esse  deceptum.  jam 
sunt  mille  dacenti  anni,  quod  publicissime  est  predicata  (fides 
catholica);  qnomodo  vel  quando  est  occnltata?  —  conveniunt  in 
aliqaam  civitatem,  et  furantnr  nobis  Scripturam,  et  mittnnt 
hinc  inde^  et  ille  dat  dnodecim  denarios,  ille  sex,  iile  libram,  6 
et  ita  vocat  amicum  suam,  dicens :  ,ta  semper  libenter  audivisti 
bona,  ecee,  venit  sanctns  homo!^  staltil  unde  hoc  scinnt,  cum 
nunqnam  illam  ante  viderant  (Hs.  vidisaent),  ut  (61®)  pro  ejus 
verbis  firmentar  in  heresi?  ,8i  vis,  veni  et  andi  optima!^  et  ita 
conveniunt  molti.  et  si  qnis  tunc  haberet  spiritam  Dei,  ex-  lo 
ploraret  et  comprehenderet.  et  veniunt  id  una  veste  et  recedunt 
qnandoqae  in  alia,  ne  agnoscantnr.  primo  dicnnt  bona  verba 
aliqna  vera;  nam  si  falsa,  tnnc  agnoscerentnr  et  caverentnr.  post- 
quam  tunc  creditar  eis,  tunc  dicunt:  ,velles,  docerem  te,  unde 
semper  esses  beatus/  tunc  primo  incipiunt:  ,sacerdos  tuus  nescit  15 
te  docere,  ita  et  ita  videtur/  miser!  sepe  indicat  mihi  homo  viam, 
cum  ipse  vadit  contrarium.  et  docent  aliquam  orationem,  et  post 
aliqua  dicta  de  Paulo,  vel:  ,In  principio^,  et  hujusmodi,  que 
homo  Ubenter  discit.  postquam  tunc  habent  cordis,  tunc  aliquam 
veritatem,  in  qua  est  heresis.  et  hoc  totum  in  occulto,  cum  20 
dicat  Dominus,  quod  lumen  non  debet  abscondi  (ganz  frei  nach 
Matth.  5y  15  f,:  neque  accendunt  lucemam  et  ponunt  eam  sub 
modiOy  sed  super  candelabrum^  ut  luceat  omnibus,  qui  in  domo 
sunt,  sie  luceat  lux  vestra  coram  hominibus  — .  Vgl.  Marc. 
4y  21  f.  Luc.  8jl6.  11,33:  dort  yin  abscondito[) .  tunc  detrahunt  25 
clero.  miseri,  si  Lucifer  malus  fuit,  quid  ad  Michahelem?  immo 
tanti  laudabilior.  ita  et  Petrus  et  Johannes,  quoniam  Judas 
malus,  postquam  tunc  induxerant,  quod  clerici  sunt  uriderzcem, 
tunc  docent,  quod  volunt;  ex  quo  eis  creditur,  et  clericis  non. 
et  postea  predicant  hereses,  et  tunc  homo  de  cetero  vix  con-  30 
vertitur,  ut  cum  fundamentum  castri  est  destructum;  nescio, 
me  vidisse  unum  conversum.  et  ita  docent,  quod  alius  ejusdem 
erroris  contradicit,  et  ita  non  est  eis  credendum.  cogitatis: 
,libenter  vollem  audire  hereticum.'  si  tunc  veritatem  diceret, 
nos  omnes  credimus.  item  credunt  multas  stultitias.  —  tria  sunt,  30 
que  homini  fidem  conservant.  —  primam,  quod  non  scrutetur, 
grüpelstj   quomodo  hoc  vel  hoc  possit  esse.  — •  debes  credere, 


36  ff.    Vgl.  F/eiffer  62, 34.  63, 14. 


22  V.  Abhandlung:    ScbAnbaeli. 

quod  ita  sit,  non  scrutari,  quomodo  Pater  et  Filias  et  Spiritus 
Sanetus  sunt  unns  Dens;  non  quomodo,  quod  de  virgine  natus; 
non  quomodo,  quod  corpus  Christi  sit  sub  parva  hostia;  non 
quomodo,  quod  malus  sacerdos  potest  ligare,  solvere,  celebrare; 

5  non  quomodo:  ipse  seit  qnomodo.  vis  durhgrunden  secreta  Dei 
sensu  tuo,  cum  nee  illa,  que  cottidie  vides  ocalis,  et  cum  quibns 
circuis  (6 1^),  et  cum  nee  te.  unde  credis,  sancto  Elie  misit  an- 
gelum  Dominus  (4  Reg,  Ij  15)  etc.?  pondera  igneml  mensura 
ventum!  revoca  diem  heri!  et  cum  nee  in  te.  —  miraculum  — 

10  quot  habes  venas,  guttas  sanguinis,  quomodo  potest  anima  tna 
ubique  esse,  hie  tota  et  bic  tota,  ita  et  corpus  Christi,  noli  scrn- 
tari  — .  secundo  fiunt  heretici,  qui  credunt  de  fide,  quibus  non 
est  credendum  de  aliqua,  est  econtra.  debeo  textori  credere  de 
hoc,  non  de  fide,  calcifici  et  hujusmodi.  —  venit  servus  vel  an. 

16  cilla  vel  vir  vel  mulier,  trugner  vel  trugnerinne^  que  nescit 
legere  litteram  unam,  sed  tantum  dicit  aliqaa  verba,  ut  exemplo 
spely  et  pro  illius  doctrina  dimittis  christianam  fidem  predeces- 
sorum  tuorum.  nescis,  quis  sit.  —  nee  mirabilia  coram  te  fecit, 
nee  mortuum  suscitavit,   et  ita  cito  dimisisti  pro   doctrina  an- 

20  guli  unius  trugnerii.  quid  fecisses,  si  Antichristas  venisset  cum 
gloria,  cum  miraculis?  —  ecce  rex  Tartarorum  etc.  rogo,  non 
eos  audire,  sed  judicio  spiritaali  tradite,  nee  tam  gloriosam, 
tam  nobilem  fidem  abjicite,  etiam  si  angelus  venire!  —  ita 
debet  fides  ejus  predicari.  alia  possunt  disci  in  angulis,  ut  facere 

25  calcios  et  hujusmodi.  fides  propter  sui  sanctitatem,  gloriam  et 
nobilitatem  tantum  in  sole,  quia  est  gloriosior  quam  sol. 

(62*)  Sermo  XXV.  Cursum  consummavi,  fidem  servavi 
(2  Tim.  4y  7),  Duo  sunt  summe  necessaria  ad  salutem,  scilicet 
fides  et  bona  opera,   unum  sine  altero  non   snfficit.     sed  sex 

30  mordarii  illos,  qui  utrumque  non  habent,  occidunt.  quia  ita 
possibile  est,  celum  cadere,  ut  hominem  sine  bono  opere  sal- 
vari.  —  historia:  puelle  Bester  (Estk,  2,  2 ff.).  —  (62«)  similiter 
nuUus  est  articulus  in  fide,  quem  recte  credis,  qui  non  singu- 
lariter  remuneretur.  —  pulchram  coronam  duodecim  stellarum. 

35  —  pro  quolibet  enim  articulo  fidei,  qnem  apostoli  composuerunt, 
sab  quibus  omnes  articuli  fidei  comprehenduntur ,  spirituali 
gloria  et  decore  coronantur  a  Domino  et  ornantur.  —  (62*) 
pessimus  peccator  cum  fide  videtur  mihi  quasi  sanetus  respectu 
heretici   optimi,   quantumcunque   facit.     quia,   si   perdis   opera, 


Stadien  sur  Gtesehichte  der  altdeatechen  Predigt.  23 

aliquis  forte  predicator  ad  illa  te  reducet;  sed  ei  (62^)  fidem, 
non  potest^  qnia  sibi  non  credis.  —  (^3^)  si  ex  nna  parte  onmes 
mundi  principes,  potentes,  jadices,  cradeles  tortores  vel  aliqai 
tUornin  veniant  et  incipiant  miDari,  quod  res  auferant,  honores, 
membra,  corpas,  si  incipiunt  auferre,  oculos  eraere  et  Imjusmodi  5 
novas  penas  infligant,  noli  fidem  mntare,  sed  fortiter  tene,  sicut 
sancti  martyres  fecerunt.  —  si  ex  alia  veniant  plebani,  episcopi, 
fratres,  predicatores,  boni  religtosi^  in  aspectum,  et  ego  cum 
Omnibus  predicatoribos  tibi  contrarium  predicarem,  nihil  credas, 
scienSy  quod  omnes  dampnamur  et  tu  salvahs.  —  item,  si  ex  10 
tertia  parte  tota  civitas  faceret  miracala  in  alia  fide^  si  terra, 
si  mnndus,  si  aliqais  statuam  faceret  loqui,  cecum  illnminaret, 
sardnm  etc.,  si  ignem  de  celo,  non  credas.  —  nnde  non  movearis, 
si  sol  in  nocte  splenderet  —  et  stelle  in  die.  si  estas  ad  ver- 
bnm  alicnjns  etc.  item,  si  ex  quarta  parte  divitie  malte,  glorie  15 
et  delicie  tibi  promittantnr,  sperae,  ut  infelix  Äntichristus  et 
heretici  quidam  usurarii.  —  et  si  infra  flamina,  it  est  demones 
de  inferno,  ebulliant  et  terreant,  vigilando  vel  dorraiendo  mi- 
nentnr  mortem  vel  dampnationem,  aut  hujusmodi  faciant,  fir- 
mns  sta!  cum  igitur  nulla  re  homo  movetur,  tunc  habet  magnam  20 
et  firmam  fidem  (vgl,  Wiener  Sitzungsberichte  142, 16 f,), 

(64*)  Sermo  XXVI.  Cursum  eonsummavi,  fidem  servavi 
(2  Tim.  4y  7),  Firmiter  est  tenenda  clara  fides,  quam  de  claro 
celo  clarus  Dens  attulit  tenendum.  —  hanc  (fidem)  apostoli 
duodecim,  cum  audivissent  Christum  predicasse  et  se  dividere  25 
deberent,  compilaverunt  sab  duodecim  articulis,  et  quod  haberet 
duodecim  partes.  —  vel  simpHciter  diraitte  omnes  expositiones 
et  omnia  puncta,  nisi  aliquando  exponas  unum  verbum  breviter^ 


22  ff.  Mit  diesem  Stück  stehen  in  Beziehung  die  vier  Predigten  iiher  da» 
apasteUsche  Olauhenahekenntnis,  welche  der  Rusticantts  de  Comnnini  als  Nr.  7 — 10 
enthält,  Lips,  496,  2,  Iff.  Die  erste  Nummer  mit  dem  Textspruch  In  omnem 
terram  exivit  soniu  eorum  (Psalm,  18,  6)y  der  auch  ßir  die  folgenden  drei 
gebraucht  wird,  enthält  die  einleitende  Bemerkung:  igitar,  qnia  nunc  heretici 
circa  finem  mundi  nimium  mnltiplicantur,  et  quasi  totum  robur  suum  in 
hoc  eflfundunt,  ut  fideles  simplices  a  fide  catholica  latenter  avertant,  ideo 
necesse  est,  ut  et  noa  robur  nostrum  studiosissime  ad  hoc  inflectamus,  ut, 
si  a  fide  aversos  reducere  non  possumus,  tarnen  simplices  in  vera  fide  ser- 
▼emus.  —  Die  zwölf  Artikel  des  Sgmhclums  werden  mit  den  zwölf  Aposteln 
und  den  xwolf  Steinen  der  Mauer  des  himmlisehen  Jerusalem  verglichen.  Im 
folgenden  sÜmmt  dann  der  Lips.  wörtlich  mit  dem  Frib. 


24  V.  Abbftndlnng:    Schönbach. 

ut:  ,Credo  in  Deum/  non  deos,  contra  ydololatras  — .  vel: 
,Celi  et  terre',  breviter.  vel:  ^Natns  ex  Maria  virgine',  ut  pos- 
sant  apes  virgines  prodacere  filios,  rnbns  (64^)  ardere  et  non 
comburi,  sol  transire  per  vitrum.  vel:  Jnde  venturus  est  jndi- 

6  care  etc/,  ut  est  hie.  vel:  ^Credo  in  Spiritnm  sanctom',  ut 
est  hie.  ^Sanctam  ecclesiam  catholicam/  ut  est  hie.  hos  dao- 
decim  articnlos  apostoli,  pleni  Spiritu  sancto^  anteqoam  per 
orbem  Universum  ad  predicandum  dividerentur,  composuerunt, 
ne   in   aliqao    predicatio    eorum    discordaret,    et    etiam    contra 

10  faturas  hereses  et  hereticos  diverses,  quos  valde  multiplicandos 
pleni  Spiritu  sancto  lucidissime  previderant^  qui  in  angulis 
hereses  docerent  et  qui  omni  studio  laborarent;  fideles  a  vera 
fide  avertere.  —  die  totum  symbolum  vulgariter  et  distincte.  — 
Der  ernte  Glaubensartikel  wird   besonders  gegen  die  Manichäer 

7  if.  lApa.  Petras  priinum  et  quilibet  apostoloram  säum.  [Die  Fet<- 
teUung  der  zwölf  Artikel  des  ^/mf/duma  auf  die  zwölf  Ajpostd  nimmt  Frib.  1 
Nr.  25  (62^)  fclgendermafien  vor:  piilchram  coronam  XII  stellaram.  pro  qno- 
libet  enim  articalo  fidei,  quem  apostoli  compoBuorant,  sab  quibns  omnes 
articnli  fidei  comprehenduntar,  spirituali  gloria  et  decore  coronantar  a  Do- 
mino  et  ortiantur.  Petras:  credo  in  Deum  Patrom  omnipotentem,  creatorem 
codi  et  terrae.  Andreas:  et  in  Jhesum  Christam,  Filium  ejas,  unicum  Do- 
minum nostram.  Jacobas  major:  qui  coneeptus  est  de  Spirito  sancto,  natas 
ex  Maria  Virgine.  Johannes:  passus  sab  Pontio  Pilato,  crucifixas,  mortnas 
et  sepultus  est.  Philippas:  descendit  ad  inferos,  tertia  die  resurrexit  a  mor- 
tais.  Bartholomeus :  ascendit  ad  coelos,  sedet  ad  dexteram  Dei  Patris  omni- 
potentis.  Thomas:  inde  yentaros  est  jadicare  vivos  et  mortuos.  Matthaeus: 
credo  in  Spiritum  sanctum.  Jacobas  minor:  sanctam  eeclesiam  catholicam, 
sanctorum  communionem.  Simeon:  remissionem  peccatorum.  Thadeus:  carnis 
resurrectionem.  Matthias:  et  vitam  eternam.)  —  primas  pertinet  ad  Patrem, 
sex  sequentes  ad  Filiam,  qainque  vero  Ultimi  ad  Spiritum  sanctum.  — 
Jeder  einzelne  OUmhenaartikei  wendet  sich  gegen  eine  besondere  Häresie,  primus 
contra  trideitatem  —  contra  heresim  gnosticorum,  qai  bonam  et  malum 
deum  suis  dogmatlbus  fingunt.  —  (2, 4}  contra  Patricianos,  Patemianos. 
dicunt  id  inconveniens  credere,  Deum  bonum  fecisse  serpentes,  muscas, 
pulices  et  reptilia,  in  quibns  nulla  est  utiiitas,  sed  quedam  eorum  nocent  et 
interficiunt;  necnon  leones,  lupos  et  hujusmodi,  qui  homines  occidnnt  et 
ledunt,  Deum  non  decere  fecisse,  sed  diabolum,  qai  inmunditiis  delectatar. 
similiter  et  corpora  hominnm,  quia  habent  pudenda  et  quasi  nataraliter 
peccare  appetunt.  per  hujusmodi  stultitias  simplices  decipiunt.  —  secundns 
articulns  contra  Paulinos,  Bonosianos.  —  tertius  contra  Carpocraten,  For- 
tianos  (Z.  Photinianos).  —  quia  statim,  ut  beata  Virgo  assensit  angelo,  ad- 
▼eniens  Spiritus  sanctus  particulam  de  corpore  ejus  separavit  et  ab  omni 
yitii   corruptione   ac  infectione  mnndavit,  et  formayit  inde  corpus  Chriati  et 


Studien  nr  Oeoohiehte  d«r  altdeutschen  Predigt.  25 

besprochen.  —  (64<»)  tertins:  ,Qui  conceptns  etc/  —  neqne  et 
dicitur  in  Sententiis  (Hugo  von  St.  Victor,  Summa  Sententi<irum^ 
trad.  i,  cap.  11,  Migne  176,  60B):  ,omne^  qnod  ex  aliquo  est, 
filins  ejus  est.^  nt  ego  non  sum  unguium  et  barbe  vel  capilli 
mei  pater.  —  (64*)  die  de  avibus  quibasdam  et  apibus,  que  6 
sine  patre  naseuntur.  apes  de  favo,  Adam  de  terra  virgine  in- 
culta,  flos  de  terra  virgine  sine  semine,  ignis  de  rubo,  manna 
de  aSre.  in  sidere,  quia,  sicut  sidus  radium  etc.  item  sicut 
qaedam  aves  sine  coitu  ex  arboribus  naseuntur.  sed  item  objicit 
infelix  Leonista  et  quidam  alii,  qnod  Cliristus  non  est  vere  in-  lO 
camatus  nee  vere  passus.  ,quomodoS  inquiunt,  ,verura  corpus 
potest  ambulare  super  undas  et  per  medium  judeorum  ire^  cum 
comprehendere  Yolentium?^  quorum  stultitie  respondemus,  quod 
Dominus  Jhesus  jChristus  per  miraculosa,  que  fccit,  suam  Dei- 
tatem  ostendere  voluit,  quod  videlicet  supra  aquas  ambulavit,  15 
cecos  illuminavit  et  hujusmodi.  per  hoc  autem,  quod  esurivit  etc., 
verum  bominem  se  assumpsisse  ostendit.  prescivit  futuros  here- 
ticos,  qui  fidei  sue  in  utroque  contradicerent ,  ut  eis  per  hoc 
ora  clauderet  —  ut  Cerdoni  et  Nestorio.  quartus:  ,Passus  — 
sepultus/  contra  Leonistas  et  Cerdonem,  fontem  illorum,  qui  20 
dicunt,  Christum  -non  vere  passum,  sed  ficte.  et  ideo  sie  verba 
multiplicant  verba  apostoli:  ,pa8sus^  crucifixus,  mortuus  et  se- 
poitus/  sed  dicit  judeus  et  Leonista  et  quidam  alii:  ,horrendum 
est  et  inconveniens,  dicere,  Deum  passum/  respondemus:  non 
est  passus  Christus,   qui  est  Dens  et  homo,   in  deitate,   sed  in  25 

in  instant!  animam  infadit,  ut  sine  mora  in  corpore  et  in  anima  esset  per- 
fectus  homo  Deo  nnitas.  non  fait  anima  infasa  post  qnadragesimnm  diem, 
sie  a  conceptione  dicitur  fieri  in  aliis,  quamvis  a  quibusdam  post  qnadra- 
gesimnm diem,  alüs  citius,  aliis  tardius,  dicatur  anima  infundi.  immo  fnit 
Tir  ab  ipsa  conceptione  et  habitavit  in  beata  Virgine  CCLXXVI  diebus, 
scilicet  IX  mensibus  et  VI  diebas,  et  sie  natus  est  ex  ea.  (Vgl.  Pfeiffer 
SO^  31  ff.;    Strobl  66,  38  und  Anm.)  ö  ff.    Lips.  2,  6:   vitis    profert   sine 

cormptione  suayem  odorem,  quem  valde  horrent  bufones  et  fagiunt  ser- 
pentes.  —  sicut  quidam  aves  ex  arboribus  naseuntur  sine  coitu  etc.  19  Lipa, 
2,  6:  hereticus  Leonista,  Oerdon,  Amarcius,  Cherintns,  Ebriones  {l.  Ebionites), 
Valentinus.  —  (3»I):  quartus  contra  Leonistas,  No^tianos,  Patripassianos. 
Die  Ketzer  benehmen  sieh  nach  Art  cannm  et  leonum,  quos  hie  nomine,  est, 
primum  occidere,  post  dentibus  lacerare  et  devorare.  —  (3,  2)  sanguinem 
sudayit.  —  in  quo  attende,  quod  gutte  sudoris  in  vestito  homine  veste 
sicca  ad  terram  distillant,  ut  non  dicam,  decurrunt.  et  hec  omnia  ante  cm- 
cem,  quid  ergo  in  cruce?         25    Lips.    sol  eniro,  cum  est  in  arbore,  ipsa 


26  V.  Abhandtang:    8ch6nbach. 

humanitate,  ut  sol,  cum  arbor  secatar  et  vepres,  vel  magis  vul- 
neratur,  sol  nequaquam  vulneratur  etc.  —  (65*)  sextas  — 
contra  Leonistas  et  judeos,  qui  dicunt,  ipsnm  non  vere  snrrexisse. 
et  ideo  voluity  ut  malta  corpora  sanctoruin  cum  eo  resurgerent 

6  et  apparerent  multis  in  testimonium  vere  resurrectionis  sue. 
nota  de  leone.  —  (G5^)  nam  Pater  et  Filius  et  Spiritus  sanctus 
sunt  unus  Deus^  non  trcs  dii,  ut,  si  esset  aliquis  ut  Fride- 
ricus  imperator,  qui  fuit  romanus  imperator,  Tentonie  rex, 
Suevio  dux,   et  tarnen  non  sunt  tres  homines.    sed  unus  homo. 

10  ita  Pater  et  Filius  et  Spiritus  sanctus  sunt  unus  Deus,  non 
tres  dii. 

Decimus:  ^sanctam  ecclesiam  catholicam^  usque  ^pecca- 
toram'  (=  s.  e.  c.  sanctorum  communionem,  remissionem  pec- 
catorum   =   9,  und   10.   Artikel   des   Symbolum   ApostoUcutn). 

15  notandum,  quod  iidem  proponendo  de  ecciesia  duo  necessaria 
dixerunt  et  clamaverunt.  unum,  quod  dixerunt  ecclesiam  sanctam. 
hoc  dixerunt  contra  hereticos  niodernos,  scilicet  Leonistas,  Ort- 
liebarios,  Runclarios  et  alios^  qui  nunc  de  latibulis  ut  bufones 
occulte  prodeunt;  asserentes  ecclesiam  non  sanctam,   sed  mere- 

20  tricem,  et  ei  amarissime  detrahunt  ac  omnia  ejus  instituta  deri- 
dent.  videlicet  divinum  officium^  quod  ad  excitandam  devotionem 
Spiritus  Sanctus  instltuit,  dicunt  esse  clamorem  infernalem,  je- 
junia,  festa^  aquam  benedictam,  baptismuni  nostrum,  absolu- 
tionem  peccatoruni,  inunctionem  et  hujusmodi,  que  in  remedia 

25  peccatorum  instituta  sunt,  dicunt,  quod  clerici  omnia  illa  et  hnjus- 


arbore  multipliciter  vnliierata,  sol  nequaquam  vulneratur  —  (3,3)  quinins 
articulus:  dicunt  Adinate  (?),  quod  Christo  descendente  omnes  anime  ab  in- 
feris  libcrantur,  sed  hoc  est  heresis  gravissima.  —  Zu  den  nächtten  Artikeln 
des  Syni/ßolunis  werden  als  Ketzei-  au/gezählt  (3,  5  f.) :  Pita^orici,  Origenes, 
Manichaei.  --  Macedonius,  Nestorius,  Pelagius;  Greci  quidain,  sequentes 
quemdam  Teodorura;  Euchites,  Montanus.  Vgl.  1.  Frih.  ff^*/.  Lip».  498, 
77, 2.  —  Von  n  ah  wörtliche  Übereinstimmung.  —  Lips.  498,  44,  2:  ut  qui- 
dam  nolentes  crcdere,  que  deitatis  sunt,  ut,  quod  Deus  sit  trinus  et  unus, 
quod  sol  US  Deus  et  hujiismodl.  talis  fuit  Säbel  lius  et  multi  alii.  simillter  de 
humanitate,  ut,  quod  sit  vere  incarnatns,  de  vii^ine  natus,  passus  et  faujus- 
modi.  quales  sunt  pauperes  Leoniste,  habentes  fontem  erroris  a  Cerdone. 
require  de  hac  materia  Silvestri.  similiter  et  de  sancta  ecciesia,  quod  Chri- 
stus tradiderit  ei  clavcs  ligandi  et  solvendi  et  sancta  sacramenta  et  hujus- 
modi.  hec  omnia  firmissirae  credenda  sunt,  quia,  qui  in  uno  temere  dubi- 
taret,  eternaliter  periret. 


Studien  snr  Oeschiehte  d«r  altdentselien  Predigt.  37 

modi  pro  avsritia  et  snperbia  adinvenernnt^  scilicet,  ut  hono- 
rentur.  item^  qaod  confirmatio^  sacer  ordo,  misse  pro  animabas, 
laminaria  in  ecclesiis,  sacrificia  in  missa,  nihil  valeant,  nisi  qnod 
clerici  pro  cansa  predicta  talia  invenerant.  et  subsannando 
addnnt:  qnomodo  ecclesia^  in  qua  presant  clerici;  dici  debeat  5 
sancta^  cum  clerici  in  ecclesiis  sunt  fornicarii;  adulteri,  bibuli, 
nsTirarii,  avari,  superbi  et  hujusmodi?  et  ideo  ecclesia  non  sit 
aancta,  sed  meretrix.  et  taltbns  verbis  simplices  a  devotione  et  fide 
sancte  ecclesie  avertnnt.  contra  tales  canes  ecclesie  oblatrantes 
eiamant  apostoli,  pleni  Spirita  sancto,  altisone  per  mandum  lo 
predicando:  ^credo  sanctam  ecclesiam!'  mentiatnr  Leonista, 
Ortli-  (60*^)  barias  et  quicnnque  alins  hereticas;  qnantam  velit, 
ecclesie  detrahendo;  ego  credo  sanctam  ecclesiam,  quia  sancta 
est  et  bona^  et  virtnosa  est  et  sola  salvalrix^  et  justa  est  et 
Vera  est,  licet  aliqai  mali  et  injusti  in  ea  sint,  sicut  inter  apostolos  lö 
aliqnis  malus  fuit;  inter  angelos  in  celo  aliqni  mali  fuernnt, 
propter  hoc  angeli  in  celo  non  omnes  mali  fuerunt.  nbi  etiam 
crescit  triticum,  qnantumcanqae  purum ,  sine  palea  combu- 
renda?  nuces  sine  testa  abjicienda?  rosa  sine  spina?  vinum  et 
oleum  sine  amnrca?  sie,  etsi  in  sancta  ecclesia  in  tanta  hominum  20 
multitudine  aliqui  mali  reperiuntur^  non  est  mirum.  aurum 
non  debet  abjici,  si  cum  illo  vel  sub  illo  est  aliquid  cupri; 
nee  argentum^  si  aliquid  plumbi;  nee  gemme,  si  aliqui  calculi; 
nee  triticum  in  agro  contempnilur,  si  aliquid  ibi  admixtum 
est  zizaniorum.  nusquam  enim  boni  sunt  sine  malis  nisi  in  25 
celo,  nee  mali  sine  bonis  nisi  in  inferno.  hie  dum  sumus  in 
medio,  oportet  simul  crescere  bonos  cum  malis,  et  rete  Christi 
utrosque  capit,  donec  ad  litas  perveniatur,  et  tunc  separabuntur. 
ideo  ad  illorum  hereticoram  confusionem  clamabant  apostoli  per 
mundum:  ^credo  sanctam  ecclesiam!'  sed  quia  predicti  heretici  30 
modemi^  superbie  vento  inflati  (besonders  im  1,  Korintherbrief 
gebraucht) j  gloriantur  dicentes:  ^nos  sumus  sancta  ecclesia  1  nos 
sumus  illi  veri  et  boni  christiani,  qui  in  Scriptura  laudantur; 
nos  sumus  imitatores  apostolorum!'  econtranos  christiani  dicimus, 
nos  esse  sanctam  ecclesiam.  quomodo  ergo  scitur^  qui  sunt  35 
ySancta  ecclesia',  vel  nos  vel  ipsi?  hoc  sancti  apostoli,  pleni 
Spiritu   Sancto,    ostenderunt   lucidissime   omnibus   unico   verbo 


14    salvairix  hol  Lip«.,  saWatur  Frih. 


28  V.  Abbudlang:    Sehöobaeh. 

per  hoC;  quod  subdidernnt:  ^sanctam  ecclesiam  catholicam',  id 
est,  universalem;  videlieet  quod  sancta  ecclesia,  que  miain  fidem 
habet  universalem,  ut  nos  habemus,  nee  fidem  sive  sectam 
particularem,  et  diversam  ae  divisam  (habet)  inter  se,  ut  habent 

5  omnes  heretici.  nam  Leoniste  credunt  unum;  Ortlibarii,  qui 
etiam  sunt  heretici;  credunt  aliud;  Runclarii;  qui  etiam  sunt 
heretici;  iterum  aliud;  et  sie  de  singulis;  non  concordant  in 
una  fide.  sed  nos  omnes,  qui  sumus  in  ecclesia  per  totum 
(65^)  mundum;  habemus  unam  fidem  universalem:   iUi  enim  in 

10  India  eandem  habent  quam  et  nos,  similitcr  in  Anglia  etc. 
ergO;  ut  dixerunt  apostoli;  noS;  qui  universalem  fidem  habemuS; 
sumus  ;Sancta  ecclesia^  similiter  nee  gentiles  unam  fidem 
habent;  sed  inter  se  valde  diversam;  nam  aliqui  credunt  hoC; 
aliqui  hoc.    similiter  nee  judei;  qui  et  diversissimi  sunt  in  sua 

15  fide  et  in  modico  concordant  cum  fidc;  quam  antiqui  patres 
eorum  crediderunt.  unde  multa  credunt  de  sua  fide  in  una 
terra;  que  in  alia  non;  immo  in  una  civitate,  quod  non  in  alia; 
immo  quandoque  in  una  domo,  ratio  autem  diversissime  cre- 
dulitatis  judeorum   est;    quod;    quicquid   ceci   doctores   illorum 

20  novi  excogitant  et  eis  credendum  dicunt,  illico  credunt.  et  ut 
ab  ipsis  majorem  gloriam  habeant;  dicunt;  in  monte  Synai  a 
Domino  datum;  ut  credat;  quod  doctor  sapiens  credendum  dicit. 
hinc  est;  quod  ille  dicit  cecus  doctor  hoc  credendum ;  et  hoc 
statim  credunt;   quod  doctor  aliorum  similiter  suis  credendum 

25  dicit;  hoc  ipsi  similiter  credunt;  et  ita  de  singulis.  hinc  est; 
quod;  cum  unus  doctorum  inter  judeos  hoc  dicit  credendum; 
et  alius  aliud;  et  tertius  aliud;  et  sie  de  multiS;  hinc  est;  quod 
magna  diversitas  credendi  est  inter  judeos  etiam  de  hiis,  que 
tangunt  fidem   in  Veteri  Testamente,    ut  igitur  sancti   apostoli 

30  toti  mundo  fidem  nostram  commendarent  et  solam  veram  esse 
protestarentur,  addiderunt  ,catholicam  ecclesiam';  non  particu- 
larem,  ut  Leonistarum  vel  aliorum  hereticorum;  qui  latent  in 
hac  civitate  vel  in  illa  ut  bufones  in  foveis.  —  secta  Leonistarum 
tantummodo   in   aliquibus   angulis   serpit  sicut  bufo  et   Cancer; 

36  ut  dicit  apostolus  (66*):  ;Sermo  eorum  sicut  Cancer  serpit' 
(2  Tim,  2;  17),  scilicet:  hinc  indc;  in  sero  vel  in  noctC;  more 
cancri  exiens  de  aqua  ad  agros  vicinoS;  et  valde  nocet  agriS; 
et  heretici  sicut  bufones  et  cancer  latenter  prodeunt  in  sero 
et  denuo  se  abscondunt. 


Stvdian  x«r  OeMhiehte  der  sltdratsehea  Predigt.  29 

Seqnitnr:  ,remissionem  peccatomm^  in  ecdesia  et  nus- 
qnam  aliter,  quicqnid  homo  facit.  contra  hereticos  faturos,  qui 
Kathoree  vocantnr,  qui  negant  peccatoribns  veniam  peccato- 
mm.  similiter  contra  Melitianuni;  qni  contra  Domini  primam 
predicationem  et  Johannis  garrivit  (Ha,  garriunt)^  que  fuit:  5 
^penitentiam  agite!^  (Matth.  3,2,  4,17),  —  Damach  über  car- 
nis  resnrrectio  contra  Manicliaeos. 

(06^)  Sermo  XXVII.  Malier,  magna  est  fides  taa  (Matth, 
löy  28).  Ibi  dicit  glossa :  sub  persona  malieris  chananitidis  (vgl, 
GloBsa  Ordinaria  bei  Migne  114,  139  B  C;  wörtlich  Hrabanus  10 
Mauras  bei  Migne  107,  980  C,  der  über  Claudius  von  Turin, 
Berliner  He,  143  *,  144  *,  auf  Hieronymue  zurückgeht  bei  Migne 
26,  114)  —  (67*)  similiter  etiam  multi  errores  jndeornm  sunt 
tarn  insipidi,  ut  etiam  a  propriis  nxoribus  illos  et  a  filiis  celent. 

(68^)    Sermo  XXVIII.    Et  hi  omnes  testimonio  fidei  pro-   15 
bati,    non    acceperunt   repromissionem    (Hebr.  11,  39),     Potest 
qnis   cogitare:   ,fidem   veram  omnes   babemus,  cnr  ergo   nobis 
de    fide   predicare    intendis?^    sed   sicnt   sapiens   bnjus    mundi 
vnlt  Ittcrari,  que  non  habet,  —  ut  dicetur  infra  —  debet  ser- 
vare,  quod  habet,  aliter  ita  periret  in  rebus,  ac  si  nihil  lucra-  20 
retur  — .   Ovidius  (Are  amandi  2,  13):    ,non  minor  est  virtus, 
quam    querere,    parta  tueri/    sie   facere   debet   christianus.   — 
Ee  folgt  die  Stelle,  welche  ich  im  zweiten  Stück  dieser  Studien 
(Sitzungsber.,  142,  Bd,,  1900,  S,  7 ff.)  behandelt  habe.     Dann 
wird  für  die  Disposition  die  Geschichte  von  den  zwölf  Ruten,   26 
worunter  die  Aarons   nach    Num.  17  erzählt.     Daran  schließt 
sich :    (68  *)    sicut    fuit    inter    illos   tunc,    ita   inter   istos   nunc, 
dicunt  pagani   (69»):   ,no8   soli   salvamur.'    dicunt  judei:    ,no8 
Boli  salvamur.'  heretici  similiter,  Arriani,  Manichaei:  ,nos  soli.^ 
sed  totum  est  stultitia  et  falsitas,  quia  nostra  tantum  vera  est.  30 
sed  cogitas:  ^sicut  tu  modo  dicis,  christianam  fidem  esse  opti- 
mam  et  solam  veram,  ita  dicit  paganus,  judeus  et  hereticus.' 
sed   ostendo   lucidissime,    quod    nostra   sit   sola  vera,   et   hanc 
solam   Deus    diligat    pre    aliis.    et    licet   sint   infinita,    per   que 
ostendi   hoc   posstt,    tamen    ostendo    in   tribus    illis,    in    quibus  35 
Deus    hec    tria   prefiguravit   et   ostendit,   videlicet    in    pulchris 
floribus,  in  dilatatis  foliis,  in  fructibus  multiplicibus  amigdalarum, 
que  infirmis  prostmt.    primum,   quod  significatur  per   pulchros 
flores,  est,  quod  fides  nostra  pulchrior  et  rationabilior  ac  credi- 


30  V.  Abliaiidlung:    Sehönbsoh. 

bilior  est  credulitate  judeoram,  paganornm  et  hereticomin,  et 
quod  ita  sit^  facile  est  probare,  consideatis  ibi,  domini  pagani, 
judei^  heretici  et  christiani,  bono  animo,  et  qne  fides  palchrior, 
rationabilior   et   credibilior   sit,  haue   eligite  et  tenete!     primo 

5  a  paganis  ineipiamus.  domini  pagani,  quid  ereditis?  quem 
adoratis?  vos  esse  tales  noUetis  etiam  sine  peccato,  ut  illi 
fuerunt;  quos  adoratis.  ecce  qnanta  staltitia,  quod  paganas 
credit  in  tarn  flagitiosum  hominem,  cni  similem  se  esse  noUet, 
similiter  nee  filiam  nee  nxorem  nee  filiam!   quere:  velies   esse 

10  ut  SaturnuB,  Dens  tuus?  dieit:  ^noliem  aliquo  modO;  quia  tarn 
malivolas  fuit^  ut  etiam  dicatur  filios  suos  devorasse.'  velies 
autem  filium  tuum  esse  ut  Jovem^  summum  Deum  tuum,  regem 
aliorum  deorum?  dicis:  ,non,  quia  tarn  nefarius  fuit^  ut  Ju- 
nonem,   sororem   suam,   poliucret  et   patrem   suum   expellendo 

15  a  regno  etiam  turpiter  castrasse  dicatur.'  sie  quere  de  aliis. 
de  Venerc:  velies  uxorem  tuam  talem  esse,  que  fuit  aduultera 
pessima  cum  multis  viris?  item  filiam  tuam  ut  Dianam  mordariam, 
que  octo  puellas  occidit,  ut  Pfaebus,  irater  ejus,  ante  octo  ju- 
venes  occiderat?    (69^)  item  ut  Bachus,  qui  totus  fuit  ebriosus 

20  et  furiosus  et  gulosus  et  fugitivus?  item  ut  Hercules  famosis- 
simus,  qui  fuit  ebriosus,  insanus  et  filios  suos  occidit  ac  ipse 
igne  interiit?  item  uxorem  tuam  ut  Bellonam,  sororem  Martis, 
que  dicitur' auctrix  belli  feminarum,  ut  Mars  virorum  etc.  hujus- 
modi   que  est  talis   insania,   quod   noUes  esse  sine   peccato  tuo 

25  talis  ut  Dens  tuus?  nos  Christiani  vellemus  esse  ad  pedes 
Dei  nostri,  estne  hec  pulchra  et  rationabilis  fides?  —  (duodecim 
virge,  Aaron)  hoc  quod  hie  est,  die,  si  vis,  cum  loqueris  de 
heroticis.  item,  o  judei,  quam  pulchra  et  rationabilis  est  fides 
vestra?     respondete,   et   quid   ereditis?    respondent:  ,credimus 

30  unum  Deura,  creatorem  celi  et  terre,  sicut  et  vos.'  respondeo: 
hoc  est  pulchrum;  sed  quid  de  illo?  quomodo  remunerat  eum 
diligentes,  intime  et  fidelissime  servientes?  debet  eos  diu  valde 
secum  tenere  et  postea  adnichilare,  et  interim,  cum  secum 
sunt,   dare  piscem  comedere?     debeo  propter  hoc  tantum  eum 

35  diligere  et  tanta  pati?  immo,  quia  sine  fine  servio,  debet  re- 
munerare  sine  fine.  sed  quid  credis  de  creato  Adam,  quare 
fecit  et  dedit  ei  Evam,  et  quod  genuit  ei  per  triginta  annos? 
item  die,  quam  vicine  tibi  attinet  dyabolus  ex  Adam?  si  modo 
hoc  diceremus  etc.  supra  de  vera.  omnibus  annis,  quibus  Adam 


StadieD  sor  GeBchiehie  der  altdeutschen  Predigt.  31 

fnit  excommnnicatus^  genuit  demonee.  glosa :  qnia  sedit  CXXX 
anois  excommanicatus,  qnia  Dominus  arguit  enm^  qaod  comedat 
de  ligno  vetito,  ßicut  dicitar  Gen.  V.  (S,  3):  vixit  autem  Adam 
(centum)  triginta  annis  et  genuit  ad  imaginem  et  similitudinem/ 
sensos  est;  quia  genuit.  in  Hebreo  non  habetur  ^filios^  (Gen,  5, 4:  5 
ßlios  et  ßlias)^  ergo  usque  tunc  non  genuerat  ad  imaginem  et 
similitudinem  suam;  sensus  est,  quia  genuit  demones.  Cat. 
(Jalcut?)  item  die:  ,que  est  noverca  tua?'  si  hoc  dicerem  etc., 
Vera,  habent  ex  dictis  Rabi  Eleazar.  sie:  quid  est  quod  scriptum 
est  (69^)  Gen.  II  (2,  23):  ,hoc  nunc  os  ex  ossc  meo'?  Glosa:  hoc  lo 
nunc  ergo  animalibus  coiverat  cum  aliquibus,  que  non  placuerunt 
ei,  ostendens,  quod  coivit  Adam  cum  Omnibus  brutis,  nee  tarnen 
cesserat  appetitus  ejus,  doiicc  Eva  ei  conjuncta  fuit.  —  hec 
predicta  non  die  in  predicatione.  —  de  hujusmodi  stultitiis 
habent  infinitas  incredulitates,  omni  sapienti  pro  magna  stultitia  15 
reputandas.  aut  ergo  deserant  aut  virgam,  id  est  fidem  suam, 
eis  aridam  reddam,  cum  qua  comburantur. 

Item:  o  heretici,  quam  pulcbra  et  rationabilis  est  iides 
vestra?  turpior  est  omnibus  predictis,  tam  paganorum  quam 
judeorum,  et  hoc  multipliciter.  unde  quod  multi  vestrum  dya-  20 
bolum  adorant,  ut  — .  est  hec  pulcra  iides?  et  qui  non 
adorant  illum,  iili  tamen  communiter  omnes  tam  turpem  habent 
fidem,  quod  numquam  audent  deferre  ad  lumen,  scd  tantum 
in  tenebras  et  in  angulos.  unde  et  nomen  habetis  ,catari',  quia 
sicut  cattus  in  tenebris  et  in  nocte  et  in  angulis  plus  circuit  25 
et  sue  venationi  magis  intendit  quam  in  die,  in  qua  plus  quies- 
eit,  sie  et  vos.  estne  hec  pulchra  fides?  si  est  pulchra,  cur 
ad  lucem  eam  non  producitis,  cur  sie  occuitatisV  item  est  recta 
fides  et  rationabilis,  quam  quilibet  textor  et  calcifex,  qui  etiam 
nescit  legere  fidem,  si  in  libro  scripta  esset  coram  eo,  mutat  3ü 
quando  vult  et  sicut  vult  de  anno  in  annum,  ut,  quod  nunc 
possit  juvare.  sie  die.  prima  fuit  heresis  una  Symonis,  Menander, 
Ebyon,  Cherintus,  Saturninus,  Basilides,  Marcion,  Montanus, 
Severus,  Basilicus,  Symachus,  Ebyoneus,  Novatus,  Novatianus, 
Sabellius,  Manes^  Arrius,  Eunomins,  Leprosus,  Macedo-  (69'*)  nius,  35 
Lucifer,  ApoUinaris,  et  ita  mutata  est  modo  plus  quam  in  CXX, 
et  una  non  est  ut  alia,  et  tamen  quilibet  beretieorum  alii  dicit, 
quod  pro  sua  dampnetur.  que  est  hec  stultitia?  convenite  in 
unam,   et  tamen  adhuc  erit  turpior  quam  aliqua  alia,   que  ita 


32  V.  Abhuidlang:    Soh^übseh. 

est  turpis,  qnod  nee  in  luce  andetis  eam  docere.  item:  est  hoc 
palchra  et  vera  fides,  qae  saper  mendacia  est  fundata  et  super 
perjaria?  et  super  ypocrisim?  bec  fides  sit  abhominabilis 
omni  sapienti.     ecce^  heretici;  qnotiens  timent,  fidem  saam  ne- 

5  gant^  vel  apertis  verbis  et  mendaciis,  vel  coopertts  verbis  et 
mendaciis,  vel  apertis  perjuriis  vel  coopertis.  hanc  fidem  nnllus 
sapiens  diligere  debet,  qae  taliter  negatur,  eam  etiam  non 
tantam  boni  nostri^  sed  etiam  mali^  qai  inter  nos  sunt,  potias 
yellent  occidi,  quam  fidem  soam  negare.   sciatis,  quod,  si  fides 

10  vestra  vera  esset^  quod  tarnen  non  est^  vos  tarnen  dampnaremini 
eo,  qaod  timore  iliam  negatis  apertis  vel  coopertis  mendaciis 
et  perjariis.  miror;  si  non  verecundamini  intra  vos,  cum  dicatis, 
quod  non  debet  mentiri  et  jarari^  quod  statim,  cum  de  fide 
vestra  reqairimini,   et  etiam  pejeratis^  qaod  plus  est,  pro  quo- 

15  Übet  timore.  etiam  mali  cfaristiani  nostri  hoc  nanqaam  facerent. 
quis  tibi  licentiavit  perjurium  facere?  cum,  ut  ta  falso  dicis, 
Dens  prohibait  etiam  jurare.  fecit  hoc  magister  Bour^  textor. 
que  est  hec  stoltitia  vestra?  qaomodo  potestis  vos  ita  per- 
mittere   instuitizari?     cui   ergo   sapienti   in   toto   mundo   debet 

20  placere  et  palchra  videri  et  rationabilis  et  bona  et  dnmcektik 
et  redlich?  immo.  Domine  DeaS;  contra  me  do  sententiam, 
quod  me  dampnes  eternaliter,  ita  est  pulchra,  rationabilis  et 
dumcehticy  quod  credimus,  fides  hereticoram?  cum  qaelibet 
et  omnis  illoram  fides  tam  turpis  sit,  qaod  non  audeat  ad  lumen 

25  deferri  vix  vel  umquam,  et  quam  quilibet  textor  vel  alias, 
qui  legere  nescit,  pro  velle  suo  mutat,  et  que  totiens  a  creden- 
tibus  suis  mutatur.  nam  heretici  ejusdem  secte,  qui  fuerunt 
ante  XL  annos  (70*^),  condempnaverunt  illos,  qui  ante  LXX 
et  qui  nunc,  ut  patet  in  Waldensibus,  qui  primo  pro  toto  mundo 

30  non  jurassent,  sed  modo  licentiant,  quod  post  alios,  quod  co- 
opertis juramentis,  quod  quinquies  vel  novies,  et  hujusmodi. 
et  post  breve  tempus,  sicut  ipsi  predecessorum  suorum  fidem 
in  quibusdam  mutant,  ita  et  istorum  successores  facient  et  eos 
dampnabunt.    nam   multa   mutaverunt   de   corpore  Domini,   de 

35  purgatorio,  de  sanctis,  de  parvulis,  do  matrimonio  et  hujusmodi. 
quia  super  mendacia  et  perjuria  est  fundata  et  super  ypocrisim, 
non  super  veritatem,  ideo  quotiens  erigitur,  totiens  cito  cadit. 
sed  fides  ecclesie  sancte  econtra  in  eternum  stat.  accipiant  ergo 
et  nunc  heretici  aridum  lignum  suum,  ut  prius  pagani  et  judei, 


Stndi«n  sar  G«aoliiehte  4er  altdeatBcben  Predigt.  83 

Bcilicet  aridam  deformem  fidem,   et  servent,  nt  cum  illa  com- 
burantur. 

Sedy  o  domini  christiani^  producatis  fidem  vestram,  quam 
pnlchra  est!    tam  pulchra  est^  —  magnum  verbnm  coram  omni 
mundo  dico  —  quod  nullns  in  mundo  aliquid  turpe  in  eai  invenire  5 
potest.    bene  invenitur  in  Tita  aliquorum  in  ecclesia  aliquid 
turpe,  cum  nusquam  crescat  triticum  purum  sine  malis  herbis, 
unchrauty  sed  in  fide  nostra  nihil  turpe  invenitur.  item,  magnum 
verbum   dico:    conveniant  omnes    sapientes   mundi    cum   omni 
sapientia  sua,  et  omnes  infideles  cum  odio,  quod  habent  ad  fidem,  ^0 
et  omnes  diaboli  cum   eis,  immo   plus  dico,   omnes   angeli  et 
Yos  omnes  sapientes  christiani  et  boni,  et  consedete  cum  omni 
sapientia  vestra:   si  aliqaid  turpe  in  puncto  invenitis  in   omni 
fide  nostra,  volo,  ut  decoUer  coram  omni  mundo!  quod  credimus 
in   unum   bonum  Deam,   hoc  est  in  infinitum  pulchrius,   quam  15 
quod  in  multos  facinorosos,  böswihte,  ut  paganus  credit,     quid 
est  in  hoc  turpe  coram  omni  mundo?    immo,  Domine  Dens, 
contra  me  do  sententiam,  quod  me  dampnes  eternaliter,  ita  est 
pulchra^   rationabilis  et  dumcehtik^   quod   credimus,  quod  iste 
bonus  Dens,  qui  ad  hoc  nos  crea  (70^)  yerat,  ut  eum  diligeremus,  ^^ 
quod  humanitatem  nostram  de  virgine  assumpsit  et  nobis  factus 
est  similis,  ut  eum  plus  diligeremus,  quia  aliter  nunquam  tantam 
eum   dilexisset  homo.     quid  est  in  hoc  turpe?     ut  supra.  in 
eadem  humanitate  passus  est  semel,  ut  illa  sola  passione  nos 
ab  etema  morte  liberaret.     et  quia  voluit,   quod  pro  eo  multa  26 
pateremur,  docuit  quod  ipse  pro  nobis  etiam  pateretur,  ne  posset 
cogitari,   quod  vellet,   ut  ei  majorem  dilectionem  ostenderemus 
quam  ipse   nobis.    item,   quod  veniat  ad  Judicium  et  quod  re* 
muneret  illam,  quamdiu  vivit,  qui  sibi  servivit,  quamdiu  vixit. 
responde:   omnes  probi  christiani  horoines  respondent  pro  fide  80 
sna  veritate.  dicis:  ,si  deberemus  respondere,  bene  responderem.' 
respondeo:    semper  dicis:    ,si  deberem/    pro   timore   obmittere 
non  debes.  sancti  pro  hoc  non  obmiserunt  nee  quicquam  simula* 
verunt,  ut  tu  illam.    quid  in  hoc  est  inconveniens,  et  econtra? 
item,  o  heretice,  quid  est  in  hoc  turpe,  quod  juro?   quia  Dens  85 
ipse  juravit,  angeli  sancti  sepe,  cum  verum  fuit  et  necesse.  tu 
non  vis  jurare,  ut  nee   diabolus;  ideo  ibis,   ubi   diabolus   est. 
Dens  nunquam  permittat  pejus  nobis  evenire,  quam   quod  ve- 
niamus  illic,  ubi  Dens  est  et  ubi  angeli  et  sancti  sunt,  qui  sepe 

Sitzttiigsber.  d.  phil.-hist.  Ol.  CXLYII.  Bd    6.  Abb.  3 


34  T.  Abhandlung:    Sohftnbftob. 

juravertint.  et  ita  de  aliis,  in  quibus  omnibas  fides  est  sole 
lacidior.  sed  quia  nimis  protraheretnr^  si  laudaretnr^  at  est 
digna,  ideo  nnnc^  licet  palchram  valde  esset  de  boc  loqai,  qaia 
singalaris  est  sermo  tantnm  de  pnichritudine  fidei  nostre,  quem 
6  etiam  desidero  aliqaa  dieram  predicare^  taceo^  et  ideo  ad  se- 
cundam  membrnm  transeo,  et  boc  dico  valde  breyiter^  ne  nimis 
protrabatar.  secundnm  est,  quod  omnibas  aliis  est  latior  etc. 
tercium;  quod  est  utilior  et  virtnosior^  tugenthaftig  unde  chreftig, 
etiam  in  presenti^   ut  taceam  de   faturo.   in  quo  yidemns   fidei 

10  nostre  virtaositatem?  virtuose  res  per  aliquam  yirtutem  debent 
agnosci.  si  fides  vestra^  o  pagane,  o  judee,  o  heretice,  est  vir- 
tuosa^  per  quid  agnoscitur  yirtus  ejus?  videmus  omnes^  quod 
sola  fides  nostra  facit  virtutes  et  mirabilia.  ubi^  queso,  vestra 
sunt   mirabilia^   o  judee^   pagane,   heretice?    pagani  nunquam 

16  (10^)  fecerunt  miracula,  quia  nunquam  Deo  placuerunt.  ecce, 
quam  expressa  probatio  fidei  nostre  I  sed  populus  Israel,  ante- 
quam  mutaret  fidem  a  Cbristo,  quidam  magni  inter  eos  fecerunt 
magna  miracula^  ut  Moyses.  die  Josue.  die  aliquos  alios.  post- 
quam   negayerunt,   nulla  faciunt.    item,  yos   heretici,    qui   yos 

20  dicitis  esse  sanctos  et  reputatis,  quis  vestrum  facit  miracula? 
etiam  ex  martjribus  yestris  —  quidam  comburuntur,  quidam 
coquuntur  —  ubi  sunt  miracula  martyrum  yestrorum?  ecce, 
martyres  nostri  fecerunt  plurima  miracola,  protulerunt  multa 
amigdala,  quibus  infirmas  animas  comfortayerunt  et  multa  cor- 

26  pora  curayerunt.  yestri  martyres  nulla  faciunt.  per  quid  ro- 
borant  fidem  yestram  et  suam?  per  nihil  omnino.  o  heretice, 
magister  bour  combustus,  yel  alius  ibi  yel  ibi,  facit  miracula 
ut  asinus  combustus  yel  canis  coctus.  sed,  o  beati  christiani, 
nos  producamus  nostros,  quosdam  ex  eis.     herum  multos  vidi, 

80  qui  multa  fecerunt  miracula  cum  fide  nostra,  etiam  multa, 
quod  plus  est;  etiam  mortui,  ecce,  sanctus  Basianus  fidei  nostre 


2  ff.  Lip3.  498,  85,  2:  hoc  est,  quod  multi  ex  nobis  saam  sanctam 
fidem  nobilem,  rationabilem,  omni  laude  dignissimam,  deserunt  et  fidem  ali- 
cujus  stulti  ypocrite,  mali  heretici,  ut  Ortlibi,  Arrii  vel  alterius  aasumunt, 
et  suam  preclaram,  quam  Deus  ipse  feclt,  dereliuquunt  fidem,  pro  cigus 
testimonio  et  defensione  infinit!  virtuosi  vlrl  et  sancti  mortem  sustinuerunt, 
et  fidem  assumunt,  immo  potius  errorem,  quem  non  Deus,  sed  tIHs  hereti- 
cus  invenit,  qae  tam  deformis  est,  quod  in  angulis,  non  in  luce,  docetar, 
quam  etiam  tenentes  non  se  exponunt  morti,  sed  negant,  cum  impetnntur. 


Studien  rar  Geschiehte  der  altdeniseben  Predigt.  35 

(coranam,  vgl.  S.  BassianuSj  19.  Januar)  cnm  fide  nostra  ob- 
tinnity  quod  etc.  die  mnltos:  Patriciam,  dementem^  Wolf- 
kangom,  Marcellam^  Hambertnm.  ecce,  quam  virtuosa  esset 
utilis  fides  nostra  etiam  in  presenti,  qnia  molta  niiracnla  hie 
faeit  item,  in  futnro  sola  dat  Titam  etemam.  Jo.  III:  ^qni  6 
credit'  (3, 16 ff.),  sed  ad  quid  vestra?  ad  nihil  utilis  est,  nisi 
ad  ignem.  nostra  vero  sola  ad  vitam  eternam,  extra  illam  nullus 
salvabitur,  ut  extra  archam.  —  Keifie  Schlußformel. 

(70®)  Sermo  XXVIII  C=  Rusticanus  de  Communi  Nr.  45). 
Sancti  (fehlt  Vulg.)  per  fidem  vicerunt  regna  etc.  (Hebr.  11  j  33).   lo 
Historia  est  de  libro  Nnmerorum  XVI  de  tribas,  qui  se  oppo- 
suerant   contiunaciter   Moysi,    qui   fuit   fidelis    in   omni    domo 
Domini  (Num.  16 ^  43.  60).    hü  tres  fecerunt  Dathan  et  Abiron 
cum  suis  complicibus,  quos  infernus  absorbuit  (Num.  16,  32  f) 
cum   suis,   et  Chore   cum   suis,   ignis   viros  eonsumpsit  (Num.   16 
16^  47).     (70*)   hie   breviter   die   de   virgis  (Aaron).  ideo  nunc 
sitis  firmi  in  illa.     et  si  diabolus  non  potest  inducere  hominem 
ad  heresim,   intendit  tamen  inducere  ad  dubium.     ergo  noii  in 
aliquo  dubitare  in  fide,   ut  quidam  stulti  faciunt,   qui  intra  se 
dieunt:  ,nescio,  quo  et  ad  quid  me  vertam:  judei  dicunt,  quod  20 
ipsi  salvantur;   sarraceni,   heretici,  christiani.'    cavete  a  talibus 
cogitationibus  omnino  et  sitis  fortissimi.    cum  diabolus  intendit 
fidem  homini  auferre,   inmittit  sibi  hujusmodi  cogitationes  pes- 
Bimas.     non  dubites,   nam  quicquid  credit  judeus,  paganus  yel 
heretieus,   non  est  nisi   stultitia   et  fatuitas,  nee  habet  aliquid  26 
rationabilitatis,   et,  nisi  valde  intus  obtenebratus,  non  crederet. 
econtra   fides  nostra  tota  sapientia,  durncehtich,  lux  et  summe 
rationabilis,  ut  faciliime  ostendam  de  omnibus. 

Quod  sarracenorum  fides  non  sit  nisi  stultitia,  patet.  ecce, 
multi  sarracenorum  credunt  lignum  esse  Deum  —  ecce,  quanta  30 
stultitia!  —  lapidem,  aquam,  solem,  terram,  homines  malos,  ut 
Jovem,  Venerem  et  hujusmodi,   avem,   arborem  et  hujusmodi. 
ecce,   quanta  stultitia!    lignum  vile  esset  Dens;  quomodo  me 


9  =s  Lipa.  496,  47, 3 ff.  23  pessimas.  debent  igitar  fideles  tales 

co^tationes  diabolicas,  8i  veniunt,  procul  abjicere  et  certias  scire,  quod 
quicquid  —  habet  rationis  — .  27  nostra  omnino  est  rationabilis,  pulcra 

et  lacida  et  samme  nobilis,  ut  facile  ostendam,  si  prcdictorum  omnium 
fidem  discutiamus.  31  solem,  Innam.  terram  —  ea  fehlt:  Jovem,  Ve- 
nerem. 

3* 


36  T.  AbhftBdliinf :    8ch6obae1i. 

liberabit  ab  igne  eterno,  qni  non  pot^st  se  ab  isto?  quomodo 
deprecabor  illam,  ut  me  adjuvet?  nt  dicitur  Sapientia  (13^  11 
bis  19).  yilis  Dens  sol^  quem  qaelibet  nox  et  nubes  suo  privat 
splendore   et   qui    nunquam    valet    quiescere;    quomodo    (71*) 

5  oranti  quietem  eternam  dabit?  vilis  Dens  terra,  que  tarn 
est  lutosa  et  quam  tot  hospites  viles  hospitari  oportet  in  se, 
ranaS;  serpentes,  scorpiones,  nsurarios  et  immundos  et  tot  ossa 
vel  cadavera  maledicta;  quomodo  orantem  me  honorabit^  que  a 
tot  ranis,  a  tot  serpentibus  et  hujusmodi  defedatur?   aqua  tarn 

10  inquieta  et  insipida;  quomodo  dulcedinem;  quam  non  habet, 
mihi  dabit  et  quietem?  avis,  que  me  plus  timet  quam  ego 
ipsam^  que  cottidie  tanto  labore  tam  tenuem  yictum  conquirit, 
quomodo  mihi  roganti  eternas  delicias  et  securitatem  dabit? 
ecce,  omnes  predicti,   quales  essent  dii,   qui  nulli  sibi  servienti 

lö  bene  Tel  male  facere  possent?  ex  hiis  patet,  quod  non  sunt 
dii,  ut  dicit  Baruch  (6,  14),  et  quod  non  est  nisi  stultitia,  quod 
credunt  saraceni.  et  quod  non  sit  nisi  unus  solus  Dens,  ostendam 
tibi  breviter  et  pleno  facillime.  ecce,  scis,  quod  te  ipsum  non 
creastiy  quod  tu  non  es  Dens  tuus,  quia  te  tantum  diiigis^  quod 

20  te  multo  probiorem;  pulchriorera;  saniorem  pre  omnibus^  etiam 
pre  sole  fecisses.  habent  canem  pro  Deo,  avem,  lignum,  filtrum. 
nota  de  Tartaris:  in  quolibet  anno  faciunt  sibi  deos  de  filtro: 
yiliori  servo  faciunt  minorem,  plus  dilecto  majorem  etc.  estne 
hoc  rationalis  et  sapiens  fides?     et  non  die  aliquid  de  Jove  et 

25  de   aliis   diis,   sed  in   sequenti   sermone,  in  isto  autem  die  de 

1  qui  non  potest  8e  ipsum  a  presenti  igne  liberare.  —  es  fehlt:  quo- 
modo —  2  Sapientia.  —  4  quomodo  ergo  se  invocanti  dabit  eternam  re- 
quiem?  7   ea  fekUt  scorpiones   —   immundos.  9  serpentibus  /ehlL 

11  ff.  et  quietem /eA2^,  attcA  tam  tenuem.  IS  et  securitatem /(^.  16  da» 
Citat  fehlt,  19  diligis,  si  Dens  fuisses.  —  Nach  fecisses  steht  statt  des  Passus 
bis  »ur  Polemik  wider  die  Juden  Folgendes  im  Lips.  496:  item,  quod  pater 
tuus  et  mater  non  fuit  Dens  et  te  non  creavit,  patet  ex  eadem  ratione, 
quia  tantum  te  et  se  dilexit  uterque,  quod  te  et  se  multo  pulcriorem  fe- 
cissent.  verum  est:  partem  materie  corporis  habes  ab  utroque,  sed  non  ani- 
mam.  sie  nee  sui  eos,  nee  illi  suos.  cogita  in  infinitum,  per  milia  annomm, 
quantum  potes,  et  ita  (47,6)  oportet,  quod  ultimo  unum  invenies,  qni  est 
principinm  et  origo  omnium,  a  quo  cetera  omnia  flunnt,  et  ipse  est  Dens, 
in  quem  credimus,  qui  omnia  fecit,  superiora,  inferiora,  visibilia  et  invisi- 
bilia,  qui  multa  miracula  adhuc  in  anima  tua  faciet  ac  te  ineffabiliter 
glorificabit,  ut  ipse  promisit,  et  stultos  Sarracenos  condempnabit,  qni  eam 
cognoscere  noluerunt  et  sibi  lapidem  vel  lignum  Deum  fecemnt 


Studien  snr  OwdUokte  d«r  altdeatBcban  Pndigt.  37 

filtro  et  hujüsmodi.  oportet  credere  annm  Deam  esse  verum. 
ita  qui  esset  in  silva,  inveniret  nnom  Deam  esse  verum,  ita 
sapientissimi  pagani  invenerunt;  non  habentes  predicationem  nee 
Scriptoram.  ita  dicit  Rom.  (ly  20) :  ,invisibilia  Dei  (Vulg. :  enim 
ipsixut),  a  creatura  mündig  per  ea,  que  facta  sunt,  intellecta,  6 
conspiciuntur  etc.  —  die  tantum  latine.  —  ita  de  omnibus 
virtuosis  accipe.  iste  est  pulcher,  sed  non  est  Deus^  quia  in- 
venitur,  quod  pulchrius  est,  ut  sol;  nee  ille,  quia  angelus;  nee 
illcy  quia  archangeius;  nee,  quia  virtutes  etc.;  nee  Serapbin,  quia 
Maria;  nee  tu,  Maria,  es  Dens,  quia  invenitur  pulcrior:  hoc  ergo,  10 
quod  est  pulcherrimum,  hoc  est  Dens,  ita  die  de  demente  vel 
bono,  de  leto  (71^).  primum  die:  ,tu  ergo,  pagane,  et  omnis 
congregatio  tua,  State  seorsum  coram  DominoS  —  id  est,  contra 
Dominum,  nt  significat  figura,  que  dicitur  —  ,ut  simul  cite  et 
repente  descendatis  in  infernumi'  16 

Ita  die  in  fine  ad  judeos  et  hujusmodi:  similiter  autem 
et  judeum  condempnabit,  quia  fides  sua  stultitia  tantum  est, 
ut  faciliter  ostendam.  ecce,  judeus  nobiscum  credit  unum  Deum 
esse;  in  hoc  bene  facit.  cum  enim  quero  a  judeo:  ,in  quem 
credis?'  respondet:  ,in  Deum,  qui  fecit  celum  et  terram  etc.'  20 
hoc  bonum  est.  sed  quia  non  credis,  quod  ipse  Dens  factus 
sit  homo  pro  nostra  salute  et  caritate,  ideo  dampnaberis.  ecce, 
quanta  est  judei  stultitia!  dicit:  ,quomodo  Dens  posset  fieri 
homo?'  quero:  ,credis  Deum  omnipotenten  (Hs.  opHmum)?^ 
respondet:  ,credo.'  si  ergo  est  omnipotens,  potest  et  hoc.  qui  20 
totum  mundura  potuit  facere,  cum  voluit,  potuit  se  et  hominem 
facere,  cum  voluit,  et  carnem  ex  virg^ne  assumere.  sed  dicit 
peccatis  excecatus  judeus:  ,quomodo  potest  virgo  parere?'  res- 
pondeo:  ,Deu8,  qui  omnia  potest,  potest  et  hoc  facere.'  quomodo 
potuit  Dens  omnem  mundum  facere?  quomodo  potuit  virgam  so 
siccam  in  lege  tua  facere  florere,  frondere  et  fructum  una  die 
proferre  (Num,  17),  ita  facere  potuit,  ut  virgo  pareret,  qui 
rubum  etc.  (Exod.  3, 2f,)j  qui  feminam  de  patre  ut  Evam  potuit, 


16   Ita  —  condempnabit /0AZ^  22  ff.    et  caritate /eUf.   ecce   -— 

stoltitia/eW.  25  qai  omnia  potnit  facere  et  creare  de  nihilo.  33  nach 
der  8tdU  vom  Domatrauch  des  Moses  hat  Lips.  die  nächsten  Sätze  anders, 
auch  verkürzt,  in  f eisender  Weise:  die  quatnor  generationes :  nonne  vides, 
qnod  sine  patre  nascitar  in  terra  Termicalus?  nonne  vides,  qaod  apes  na- 
scontnr  sine  patre  ?  sicut  potest  facere  ista,  ita  potuit  et  hoc  facere.  o  cece. 


38  V.  Abbandlnng :    Sehönbaob. 

immo  vimm  sine  patre  et  matre  at  Adam,  immo  vides^  qaod 
vermes  multi^  at  cicade  et  apeS;  quod  etc.  ita  die  pisces,  nt 
angaille;  aves,  nt  valtures  nobiles;  pecora^  nt  eqni  nobiles  in 
Capadocia  nascnntur  sine  patre;   qnod  apis  de  flore,   ita  potnit 

6  et  hnjnsmodi.  o  cece,  habes  pisces  in  aqna,  reptilia  et  bestias 
in  terra  et  volatilia  in  aere,  potentiora  Deo?  ecce  angnilla  etc. 
vides,  quod  sol  transit  vitrum,  ntroque  integre  remanente,  sie 
sol  jnstitie,  Christas  Dens  noster,  potnit  hnmanitatem  ex  virgine 
assnmere,  ea  tarnen  illibata  permanente,   miserande  jadee^  cam 

10  tantam  meditaris  de  asaris,  si  devote  Christam  implorares, 
ipse  excecatos  cordis  tai  ocalos  illaminaret.  ecce^  hoc  ipsnm 
in  propria  scriptnra  habet,  nee  videt,  cam  ante  ocalos  habeat 
ideo  die:  eccC;  demonstratam:  ,ecce,  virgo  con.  etc.'  asqae 
,Deas'  (Isai,  7, 14;  aber  nicht  darnach^  sondern  aus  der  Engels- 

15  hoUchaft  Matth.  1,  21—23,  Luc.  1,  31—33),  similiter  (71«) 
Josephas  (Antiquitates  18,  3,  3),  ecce,  qaantnm  ex  peccatis  ex- 
cecatas  est^  at  illam  Christam  ^  qaem  totas  mandas  agnovit^ 
ipse  non  agnoscat!  ecce,  cam  natns  esset,  secam  venerant  servi 
sai  angeli  leti,  rntilantes  et  cantantes:  ,Gloria  in  excelsis  etc.' 


habes  pisces  in  aqua,  reptilias  et  bestias  in  terra,  volatilia  in  aSre,  poten- 
tiora Deo?  ecce,  quedam  angnille  in  aqua  patrem  non  habent,  nobilis 
yermiculus  apis  inter  vermiculos  in  terra,  quidam  nobiles  equi  in  Capa- 
docia, quidam  nobiles  vultures  in  a6re.  sicut  Dens  istud  potuit  facere,  sie 
et  hoc.  judee,  si  devote  Christum  implorares  — .  Der  ganze  Pcustu  kommt 
mit  Varianten  im  Aaadruck  auch  in  anderen  Predigten  Berthold»  vor,  wo 
von  der  göttlichen  Abstammung  Christi  gesprochen  wird;  ich  führe  nur  die 
ahweichenden  Stellen  an:  Rtut.  de  Comm.,  Lips.  496 ^  17,  I:  —  miserabilis, 
quia  non  vis  aperire  mentis  ocalam,  ideo  jure  dampnaris  — ,  die,  ubi  est 
pater  anguille  in  aqua?  anguilla  enim  quedam  sine  patre  nascitur.  ostende 
mihi  patrem  anguillanim  in  aqua,  et  ego  ostendam  Christi  in  terra.  — 
In  dieser  Breite  werden  auch  die  übrigen  Beispiele  durchgeführt.  —  J,  Frib. 
Ä?*  (Sermo  XXXVII):  cicade  ex  imbribus  terre  rigate,  item  mures  de  terra, 
anguille  de  ceno,  apes  ex  floribus,  (SS^J  vultures  sine  coitu  generantur,  pre- 
cipue  cum  sunt  iongevi.  Augustimis  (De  civitate  Dei  Hb.  2/,  cap.  5,  Migne 
41,  715):  equa  sine  coitu  gignit,  sine  commissione  cum  mare  in  Capadocia. 
in  omni  genere  animalium,  tarn  perfectorum  quam  imperfectorum,  fit  pro- 
creatio  fetus  sine  adjutorio  consimilis  speciei.  hoc  patet  in  reptilibus,  in 
genere  animalis  habitantis  in  triplici  elemento,  ut  reptilia  in  terra,  aquatilia 
in  aqua,  volatilia  in  a@re,  scilicet  in  aliquo  illorum  trium.  et  die,  judee  et 
heretice,  quia  non  vultis  ex  vestra  stultitia  credere  Deum  potuisse  nasci  sine 
patre  — .        16  Josephus  judeus  de  Christo  scribit  — . 


Stiidi«n  nr  GMcUebto  d«r  ftltitoiiiseliftn  Predigt.  39 

(Luc.  2y  14).  nntis  dixit:  ,annantio  vobis  gandium  magnam  etc.^ 
(Luc.  2,  10).    celi  stellam  miserant,  que  tres  magos  ad  presepe 
cooduxit  (Maith.  2,  Iff.).  terra,  qnia  ad  ejns  preceptum  etiam 
mortaum  quatriduanum  tanta  velocitate  reddidit  (statim^  Joann, 
llf44)y  nt  ligatis   manibus   et  pedibns  prodiret;    et  nnlla  ei  5 
infirmitas  in  terra   restitit,    quam    statim   verbo    non    cararet. 
mare,  qnia  calcabile  se  ei  prebuit  (Matth.  14,  26;  Marc.  6,  48; 
Joann,  6, 19).     cum  vero  pro  nobis  moreretur,  omnia  eum,  ut 
humano  usu  loqnar,   agnoverunt.     sol   obtenebratns   est  (Luc. 
23,44f,)  etc.^   qnia  mortem  filii  Dei  clamabat  mundiis>  se  su*  10 
stinere  non  posse  (Auslegung  der  Olossa  Ord.  bei  Migne  114,  348). 
in  tantam  miserabiliter  et  tristanter  se  habnit  mundas,  nt  Athe- 
niensesy   qni  faerunt  sapientes  etc.  (Act  17,  21  ff.  28:   ignoto 
Deo),     ecce,   qnanta  staltitia  jadei  et  quam  cecas  est!     habet 
enim  osque  in   hodiernnm   diem   velamen  super  faciem  suam  16 
(2  Cor.  3, 13 — 16)   et   dicit:   ^nimis   contemptibile  et  indignum 
tante  esset  majestati,  et  in  tanto  Deo,  quod  fartus  fuisset  homo 
et  talia  ac  tanta  obprobria  et  incommoda  sustinuisset;  non  decet 
Deum  hoc  pati/    o  miser  judee,  ecce,  yalde  bene  tibi  ad  hoc 
respondeo:  nichil  magis  decet  Dei  bonitatem  quam   bonum  se  20 
ostendere^  misereri  et  amare.  in  hoc  cognosco  immensam  boni- 
tatem suam  et  caritatem,   quod  tanta  pro  me  fecit,   quod  pro 
mea  caritate  voluit  conspui^  ut  me  sie  lavaret;  spinis  coronari, 
ut  in  celis  coronerer;  vulnerari,  ut  me  curaret;  mori^  ut  vitam 
etemam  mihi   emeret.     vere^  Domine  ^   probiter  et  bene  fecisti  2& 
tanta  pro  homine  sustinendo  et  faciendo,   nunquam  enim  aliter 
tantum   te   homo   dilexisset.     satis   ostendisti   potentiam   tuam 
omnia   verbo   faciendo;    decuit,    ut  etiam   magnam   bonitatem 
ostenderes  et  misericordiam ,   quod  et  fecisti,   pro  homine,  pro 
me  multa  patiendo,  ostendens  autem  pulchritudinem  et  gloriam  ^^ 
et  gaudium  tuum,  te  nobis  in  celis,  sicut  es,  monstrando.    in 
quo   enim   cognovissemus   liberalitatem  tuam  et  misericordiam 
maximam,  clementiam  et  probitatem,   nisi  in  maximis  donis? 
ideo  postquam  nobis  tua  et  angelos  tuos  dedisti,  addidisti  dare 
temetipsum  (71**).     ideo  ei   grates    referte   et   diiigite  ex   toto  36 
corde,  ex  tota  anima  etc.,  qui   vos  ex  toto  corde  dilexit,   cor 
suum  perforari  permittendo;  ex  tota  anima  etc.,  ut  scis,  quod 
judeus  blasphemat.  igitur  inconveniens  nuiium  ex  hoc  sequitur, 
quod  Deus  pro  nostra  caritate  factus  est  homo  et  passus  est 


40  V.  Abhandlonf :    Bebönbfteb. 

in  natnra  faninana,  cam  venerationes,  quas  ei  exhibet  popalos 
christianus  in  terris^  multo  majores  sint  quam  contamelie^  qnas 
intalit  popnlas  judaicns  in  Parasceve.  die  de  utroque.  jndee, 
quia  igitur  non  vis  credere^   quod  nnllos   potest  contradicere, 

5  quin  sit  nimis  credibile^  nt  dicit  propheta  (Psalm.  92,  5) :  ^testi- 
monia  tua  credibilia  facta  sunt  nimis^,  ideo  dampnaris.  qaero 
nlterius:  ,ubi  est?^  respondes:  ^in  celo/  bonum  est.  sed  qaero: 
^quomodo  ibi  est?^  respondes:  ,pedes  pendens  ei  nsqae  ad 
terram/     ecce^  quanta  stnltitial     ideo  indigeret  longis   caligis. 

10  que  est  hec  staltitia!  hnjnsmodi  erednnt  firmiter  in  vita  et  in 
morte.  ita  die  animas.  item  de  fleta  ter.  supra  i.  =  item, 
de  nocte,  quid  dabit.  sed  quia  uxorem  occidit,  hoc  est  ita 
yerecnndam.  item,  que  est  noverca  tua?  hoc  esset  ita  tarpe 
dicere  etc.  qoi  fratres  tai?   item,  cnr  non  loqneris?   item,  car 

15  fngis?  sed  omnia  hec  obmitto.  —  sed  quid  credis,  quid  ibi 
facit  sie  sedens?  iterum  hoc  est  purus  derisus.  credis,  quod 
cottidie  ter  plorat  ita  acerbe,  quod  rugit  ut  leo,  et  ter  in 
die  tantum  planctum  facit/  quod  rugit  ut  leo.  et  cottidie 
duas  lacrimas  plorat,   que  tarn  fortes  sunt,  quod,  dum  cadunt 

20  in  mare,  facient  terremotum  in  terra,  quam  bene  consolatur 
hospites  suos,  qui  cottidie  ei  adducuntur.  sed  quid  facit  in  nocte? 
sibi  ter  maledicit.  item  die  de  duabus  animabus.  habet  ibi 
aliquid  gaudii?  ita:  cottidie  irascitur.  quam  pulchrum  gaudium! 
sed  quo   tempore   die?     nuUus  seit   nisi   gailus.     ecce,   qualis 

25  trupha!  habet  plus?  ita:  ludit  cum  Leviathan,  qui  est  in  mari. 
est  hoc  gaudium  Dei,  quod  cum  bestia  ludit?  ergo  cattns  est 
ita  beatus  ut  ipse,  qui  etiam  ludit  cum  mure,  et  canis  cum 
cane,  et  simea  cum  si(72*)mea.  que  est  hec  stultitia?  sed  dicis, 
quod  Leviathe  sociam  occidit  Dominus,     cur  potius  eam  quam 

30  cum?  si  modo  dicerem  fidelibus  responsum  tuum^  pro  tam 
indigna  responsione  de  Deo  numquam  deberet  te  homo  et  aliqua 
Dei  creatura  diligere.  erubesce  ergo  intra  te  de  tali  fidel  et 
dicunt,  quod  singulis  noctibus  sibi  ter  maledicit,  quia  dimisit 
templum  et  judeos  subdidit  servituti.    item  quod  plane  locontur 

6  nach  geringen  Unterschieden  (z.  B.  Plural  ataU  des  Singulars  7  ff.) 
fehU  Lipg.  von  quero  nlterius  ab  die  weitere  Polemik  wider  den  jüdUchen  Aber- 
glatthen  hU  zum  Angriff  auf  die  Ketzer.  Zu  dem  Beispiel  von  den  Beinen  GoUea 
vgl.  Pfeiffer  401,  36  ff.  Dort  über  das  Buch  Dalmut,  t>^.  über  eine  Graaser 
Handschrift  lat.-deutseher  Predigten  8.  72:  Dalmut  cam  judeis  als  Personenname, 


Studien  rar  Oeaebichto  dar  alldemtsdieB  Predige.  4 1 

in  cimiteriOy  ne  mortuus  audiat.  item  fagiant,  quia  ille  per 
tridaum  flagellator  cum  virga  ignea,  et  ne  audiant  mortaum 
clamare  et  ex  hoc  pereant.  miser  jndee^  quid  credis?  cum 
quo  remnnerat?  si  hoc  dicerem^  deridendas  esses  ab  omni 
genere  humano  et  ab  avibns  et  bestiis.  remnnerat  cnm  pisce  5 
nno,  de  qno  nobis  dat  comedere.  permisit  se  Ysaias  pro  hoc 
serrariy  Jeremias  lapidari,  Ezechiel  ab  equis  trahi^  et  alii  sancti 
se  excoriari^  dismembrari  et  hnjnsmodi,  cum  pro  solide  emeret 
quis  satisy  qaod  haberet  comedere  de  pisce.  et  latro  secandnm 
hoc  ita  felix  est  nt  sancti.  postqoam  ita  diu  remuneravit,  in  10 
nichil  reyertamor?  hoc  stnltum  et  crndele  est  credere.  sed 
credimns  nos^  qnod  maxima  gandia  dabit  nobis  in  eternnm. 
immo  et  digne  et  joste,  quia  ex  qno  non  do  finem  bone  volan- 
tati  mee  sibi  serviendi,  nee  ipse  debet  dare  finem  mercedi  etc. 
et  in  precedenti  sermone  de  jndeis  nsqne:  item  diC;  qnam  16 
vicine.  hoc  die  in  precedenti  sermone  et  simiiiter  ilind  de  re- 
mnneratione.  stnite,  cur  fugis  a  domo,  cum  aiins  infirmatnr, 
qai  ut  tu  appellatnr?  die  de  angelo  Malachamant.  crednnt  judei, 
qnod;  si  fnerit  mortalitas  in  rilla,  qnod  non  est  ambalandum 
per  mediam  viamm,  qnia  angelns  mortis  illic  yadit.  si  autem  20 
non  est  mortalitas^  non  est  ambulandnm  per  latera  viarnm,  qnia 
angelns  mortis  per  illa  vadit^  qnia,  quando  non  habet  licentiam 
occidendi,  vadit  latitando.  dixerant  sapientes  de  angelo  mortis^ 
quod  plenns  est  ocnlis.  (72^)  in  hora,  qna  infirmns  mori  debet,  stat 
ad  capnt  ejus,  gladinm  eyaginatnm  habens  in  manu,  et  in  ipso  26 
gladio  amara  gutta  effiasa,  quam,  postquam  infirmns  videt,  totus 
contremiscit,  apertoque  ore  ejus  projicit  eam  intus,  et  per  illam 
moritur,  per  illam  fetet,  per  illam  pallescit  vultus  ejus,  infirmo 
sie  interfecto  vadit  in  viciniam,  cultellum  abluere.  si  quis  yero 
post  biberet  aquam  ablutionis  illius  yel  in  alium  usum  apponeret,  30 
in  periculo  mortis  esset,  unde  mos  est  judeorum,  quotiens  ex 
eis  aliquem  mori  contingit,  quod  non  solum  per  yiciniam,  sicut 
eis  preceptum  est,  sed  per  totam  yillam  denuntiant,  ut  omnes 
projiciant  aquas  suas.  in  talibus  stultitiis  stat  fides  eorum.  tot 
sunt  et  tales  illorum  stultitie,  quas  credunt,  quod  in  tribus  pre-  35 
dicationibus  non  possent  dici.  ideo  yos,  christiani,  ut  est,  habete 
pro  stultitia. 

Simiiiter  autem  et  heretici  credunt,  quia  fides  hereticorum 
maxima   stultitia  est  mundi.    stultior  est  quam  paganorum  yel 


42  ▼•  Abbundlnof .*    SebAnbaeh. 

jndeoram,  quod  in  hoc  videtis,  qnia  omnes  heretici  mnndi  dicnnt, 
qaod  dampnabitnr,  qnicquid  boni  in  toto  mundo  faciat  homo, 
qai  fidem  eorum  (non)  recipit.  expecta,  at  proloqnar.  qois  ergo 
debet  recipere  illam?     hoc  non  dicunt  jndei  nee  pagani^   sed 

6  heretici  omnes,  cum  sint  plures  hereses  quam  CC^  nisi  ille  solus, 
in  cujns  heresim  cadit.  videte  omnes,  qnomodo  illam,  qai  fit 
hereticas  et  eis  credit,  diabolus  decepit  et  infatuavit;  nam,  si 
essent  hie  heretici  CC,  et  veniret  homo,  qai  yellet  fieri  here* 
ticus,  et  diceret  primas:  ,si  recipis  fidem  cajascanque  hie,  nisi 

10  meam,  dampnaberis,  qnicquid  boni  in  toto  mundo  facis^  sie 
diceret  primus,  sie  secundus,  sie  tertius  etc.  ex  quo  igitur  ita 
est  sequendum  hoc,  et  si  totus  mundus  suaderet  sibi,  ut  fieret 
hereticus,  et  si  cum  plus  delectaret  fieri  hereticum,  quam  ali- 
quid  aliud  fieri,   tamen  non  deberet,   donec  ad  minus  in  hoc 

16  convenirent,  quod,  qui  recederet  a  nostra  ad  eorum,  per  iUam 
tunc  salvaretur.  sed  ex  quo  contradictionem  ipsimet  dicunt, 
nullus  fieri  debet  hereticus?  si  omnes  heretici  simul  concordarent 
dicentes:  quicumque  fit  hereticus  (72®),  salyabitur,  hoc  tamen 
posset  aliquem   stultum   movere   vel  ad  heresim  trahere.     hoc 

20  ipsum  adhuc  esset  magna  stultitia  et  pura  diabolica  deceptio. 
sed  cum  omnes  contradicunt,  hoc  stultitia  omnium  stultitiamm 
maxima  est.  sed  etiam  quod  non  sit  nisi  stultitia  maxima 
pre  jud eorum  et  paganorum,  patet  in  hoc,  quod  neque  judei 
neque  pagani  neque  christiani  nullos  habent  nee  habere  volunt 

25  pro  doctoribuB  et  magistris,  nisi  qui  sciunt  legere  et  intelligere 
libros;  sed  qui  credit  hereticis,  Uli  et  illi,  qui  neque  legere  neque 
intelligere  (possunt),  talibus,  qui  intromittunt  se  magistros  libro- 
rum.  heretici  recipiunt  pro  magistris  fidei,  qui  etiam  nescirent 
legere  fidem  in  libro,  si  ante  se  haberent,  nee  unicum  verbum. 

30  non  recipiunt  tam  judei  quam  pagani  quam  christiani,  qui  libros 
non  bene  sciunt  legere  et  intelligere,  pro  magistris  et  doctoribus, 
immo  nee  aliud  genus  hominum  calcificum  nee  fabrorum  et 
hujusmodi.  solus  vero  hereticus,  qui  nee  litteram  in  libro 
agnoscit,  nisi  quod  aliqua  didicit  verba,  ut  qui  didicit  rumorem 

35  de  Ditrico,  intromittit  se  de  magisterio,  de  predicando  et  do- 
cendo  ignotam  fidem.  et  tu  tali  doctori  committis  animam  tuam 
et  ei  melius  credis  de  fide  quam  omnibus  bonis  clericis  mundi, 


3  von  expecta  —  43,  8  o  fideles  fehlt  lAps, 


Studien  sor  Owchiehte  der  altdentseben  Predigt.  43 

qoi  sunt  ParisinSy  in  ordine  nostro,  Predicatomm,  et  nbique  in 
mnndo^  cnm  nee  etiam  ipsa  verba  ipsemet  intelligat  que  docet. 
o  fideles,  o  omnes  sapientes,  vos  scitis,  qnod  nuUas  polest  esse 
bonas  magister  de  scientia,  quam  nequaqoam  vidit.  numqnam 
erit  bonas  magister  picture,  qni  numqnam  vidit  pictoram.  si-  6 
militer  scribendi,  calcios  faciendi,  panem  pistandi  et  hujusmodi, 
ita  nee  iste  rusticus  esse  potest  doctor  bonus  sacre  Scripture. 
dicis:  ^sine  libro  scio/  respondeo:  hoc  est  modicum^  cum  sint 
plures  libri  in  sacra  pagina  quam  X,  quam  XX,  quam  XXX. 
herum  omnium  forte  scis  tria  vel  duo  folia  ad  plus,  que  tamen  10 
non  intelligis.  et  quia  hoc  ipsum  modicum  non  intelligis,  et 
impossibile  est,  quod  intelligas;  et  quia  putas  quod  intelligas, 
et  doces  quod  non  intelligis,  ideo  tu  es  hereticus,  et  ille,  quem 
docet,  est  stultus  et  digne  fit  hereticus.  dic^  quid  scis.  respondes: 
^8cio  V  evangelia.^  magnum  quid  respectu  XXX  librorum.  ,scio  15 
et  anegenge,  id  est:  In  principio  erat  verhum  etc.  scio  berch- 
salmenJ  magnum  quid.  ,8cio  m'at.  scio  XXX  graduB  AugustiniJ 
magnum,  et  hoc  ipsum  non  intelligis.  quid  est  hoc  dicere:  ,]n 
principio  erat  verbum  et  verbum  erat  apud  Deum?^  expone 
mihi  primum  verbum  (72^),  quomodo  in  principio  erat  verbum!  20 


9  qnam  milia  oroninm  homm  Lip».  —  10  tria  vel  qninqne  folia.    — 
11  fxm  intelligis  —  intelligis  feTdt  Lip».  14  statt  de»  Folgenden  von  die, 

qnld  scis  an  bia  mm  SefUuß  hat  Ups.:  ideo  consnlo,  revertere  ad  aratram, 
quia  stultitia  mazima  est,  quod  qais  docet,  quod  ipse  non  intelligit.  nnde,  o 
christiani,  prodacite  fidem  vestram!  (d.  h.  wol^  es  wird  das  Credo  gebetetj. 
—  AhrUich  wie  hier  wird  die  Unwissenheit  der  Ketzer  verhöhnt  in  der  2.  Frib. 
Handschrift  (87  •)  Nr.  173:  (87«)  tota  superbia  heretici  est  ex  hoc,  quod  sibi 
Tidetor  sapiens  et  est  stultissimas.  cum  sciat  qnatnor  evangelia,  licet  qninqne, 
Tel  eptstolas,  vel  pro  (pre?)  positiones  sive  verba,  sibi  videtnr  sapientior 
qnam  nielior  clericns  in  qnatnor  miliaribus  vel  in  decem,  item  qnidam  ma- 
gister Parisiensis.  cnm  nee  hoc  intelligat,  et  Scriptura  sacra  habeat  plus  quam 
centesima  millesima,  vel  ducentesima  millesima  parte  aliqna,  de  quo  nescit 
nnum  verbum.  et  ideo,  quia  omnes  sunt  superbi,  Dominus  non  dignatur  eos 
convertere.  et  ideo  cavete.  —  Vgl  1.  Frib.  61^.  2.  Fnb.  28'.  Pfeiffer  2,  81: 
sd  danket  sich  maniger  wise,  der  einen  buochstaben  niht  gelesen  kan  noch 
geschriben;  4,  16:  sd  seite  ich  dir  daz  von  erste,  daz  man  zehen  tüsent  buoch 
h&t  in  der  kristenheit,  nnd  der  kanst  du  küme  ein  halbez  blat  und  wilt  d& 
mit  waenen,  daz  du  ez  allez  künnest;  5, 18:  ich  sage  iu  übte  der  zeben  tüsent 
buoche  vier  bleter  oder  sehsin  und  gehoerest  ie  etewaz,  daz  du  vor  nie  gehört 
h&st.  —  V^  Lips.  496, 12,  2:  in  quo  hereticus  est  seductus  et  cecatus,  plus 
credendo  uni  ig^oto  etiam  laico  de  fide,  quam  omnibus  notis  et  litteratis. 


44  T.  Abbandlnng :    Sebftnbaob. 

,crat  yerbum  in  principio  nt  pellis  mea  in  carne  mea  tota^  vel 
nt  brachiam  meum  in  corpore  meo  in  parte,  vel  ut  vestis  mea 
in  corpore  meo,  nee  in  toto  nee  in  parte/  si  sie,  tanc  verbum 
potuit  a  principio  excoriari  vel  ampntari  vel  exni.  die,  magister 

6  bour,  quomodo  fait  verbnm  in  principio?  erat  in  principio 
verbum  ut  albedo  in  eigne,  que  non  potest  separari,  calor  in 
igne,  vel  ut  albedo  in  veste,  calor  in  aqna,  que  potest?  latine 
,in'  notat  idemptitatem  nature.  item  expone  mibi:  ,et  verbum 
erat  apud   Deum/     sedet  verbum  juxta  Deum,  ut  hie  sedet 

10  unus  apud  alium,  vel  ut  consilium  sapientis  apud  cor  suum, 
vel  ut  dies  apud  solem,  vel  quomodo?  stulte,  maxima  est  vis 
in  verbis  theologie,  quam  nullus  potest  intelligere,  nisi  sciat 
aliquid  de  seien tia,  que  dicitur  grammatica  ad  minus,  latine 
,apud'  notat  diversitatem  persone,  ut  innuit  Augustinus,  dic^  ex 

16  quo  es  ita  litteratus,  cujusmodi  dictio  est  ,apud?'  hoc  oportet 
ex  necessitate  sciri,  qui  sacram  Scripturam  vult  docere  et  in- 
telligere. hoc  Scolaris  duorum  annorum  seit,  unde^  magister 
bour,  dicite:  vel  est  illarum  dictionum  una,  que  dicitur  nomen? 
vel  que   dicitur  pronomen?    una  illarum,   que  habet  esse?  vel 

20  que  ponitui*  pro  illis,  que  habent  esse?  vel  una  illarum,  que 
agunt  vel  patiuntur?  vel  una  illarum,  que  dictiones  conjungunt 
vel  disjungunt?  vel  una  illarum,  que  aliis  preponuntur?  et 
utrum  servit  accusativo  vel  ablativo?  quod  istorum  facit  hie 
,apud?^   vel  una  illarum,   que  aliis  dictionibus  interjacent?    si 

26  hoc  nescis,  numquam  intelligis,  quod  dicis:  ,et  verbum  erat 
apud  Deum.^  Scolaris  duorum  annorum  hoc  seit,  ita  est  puerile, 
quod  hie  quesivi,  et  ita  grossum,  rüde  et  inferius.  quid  igitur 
responderes,  si  de  altis  sensibus,  que  in  hoc  verbo  sunt,  que- 
rerem?   ideo  consulo,   revertere  ad   aratrum,   ad  texturam  et 

30  hujusmodi,  quia  stultitia  est  maxima,  quod  quis  docet,  quod 
non  intelligit.  item  heretici  in  hoc  stultissimi,  quod  deserunt 
firmissimam  fidem,  que  numquam  in  uno  verbo  a  principio  per 
MCCL  et  plures  annos,  ex  quo  Christus  de  celo  eam  tulit  et 
nobis   tradidit,    fuit  mu(73*)tata,    et  aperte  predieata   semper 

36  fuit,  et  sumunt  aliam,  quam  quilibet  textor  vel  eaicifex  vel  alius, 
qui  litteram  nescit  legere  de  fide,  in  occulto  etc.  —  [supra  id  est 
per  XXII  lineas  usque  ut  a.  vel  plus.  —  sed,  o  domini  chri- 
stiani,  etc.  supra  . . .  usque  ,taceo^  per  totam  columpnam  et  plus.] 
unum  tamen  dico,  pro  Deo  non  tedeat.  manifeste  videtur  omnis 


Staditn  nr  Gesdhiehte  der  «Itdealiebeii  Predigt.  45 

infidelitas  vera  deceptio,  et  sola  nostra  recta  in  hoc,  qnod  nostra 
est  yirtuosior  etc.  [sapra  u.  t.  asque  Amen,'] 

Sermo  XXX.    Mnlti  sunt  vocati,  panci  vero  electi  (Matth. 
20y  16.  22, 14).    Et  hoc  propter  molta.    sed  circa  finem  mundi 
tria  maxime  infinitos,  immo  maximam  partem  mundi,  dampnant.  5 
hec  tria  preostendit  Dominus  Johanni,  quorum  duo  —  heu  — 
jam    venerunty    tertium    cottidie    expectamus.    —    Zur  Dispo- 
sition dienen  die  Engel  der  Apokalypse  (6,  6,  Off.)  —  tuba  — 
locuste   —   equi  —   tres  bestie.     locuste,   que   non  habuerunt 
regem,  nisi  angelum  abyssi,  sunt  heretici,  qui  modo  venerunt  lO 
ante  diem  judicii,   qui  se  vocaverunt  primo  ,pauperes%   post 
,WaIdenses%  post  ,scolares',   nunc  «bonos  homines',   vei  wisl6s 
vel  wegloSy  toti  stulti  et  rusticani,   unvolch  et  idiote,   ,et  habe- 
bant  super  se  angelum   abyssi  etc.'  (Apok.  9, 11).  isti  heretici 
nunc  sunt   (73^)  stultissimi.   —   Die  früheren  Ketzer  aus  den  15 
ersten  Jahrhunderten  der  Kirche  benannten  sich  nach  den  Ur- 
hebern ihrer  Lehren,  die  jetzigen  nicht:  quo  nomine  istos  titulove 
circumscribis?   nuUo.   quoniam  non  est  ab   homine   illorum  he- 
resis^   sed  absque  dubio^   ut  Spiritus  sanctus  predixit,   per  im- 
missionem  demoniornm.  —  (73^)  ipsi  heretici  econtra  in  tenebris  20 
et  angulis  et  textrinis,  in  domibus  leprosorum,   in   latebris  et 
in  cavernis  sub  terra,  ut  vermes  et  taipe. 

Lips,  496 j  46 y  6  (==  Rust.  de  Comm.  34):  nota,  quod  he- 
reticus  in  lingua  nostra  dicitur  Ketzer   propter    quatuor  con- 

23  ff.  vgl.  Pfe^er  402,  21:  er  hies  in  einen  ketzer.  daz  tet  er  dar  nmbe, 
das  er  sich  gar  wol  heimelichen  gemachen  kan,  swft  man  in  niht  wol  er- 
kennet, als  onch  din  katze:  diu  kan  sich  gar  wol  onch  zuolieben  nnde  heim- 
lichen, und  ist  dehein  so  getftn  kunder,  daz  heimelich  ist,  das  b6  schiere 
gr6zen  schaden  habe  getAn,  und  aber  aller  meiste  nnd  alier  schierste  in  dem 
sumere.  sd  hflete  sich  allia  din  werlt  vor  den  katzen.  s6  gSt  sie  hin  nnde 
lecket  eine  kroten,  swi  si  die  vindet,  under  einem  züne  oder  swft  si  die 
Tindet,  uns  daz  diu  krote  bluotet:  so  wirt  diu  katze  Ton  dem  eiter  indurstic, 
nnde  swft  sie  danne  zao  dem  wazzer  knmt,  daz  die  liute  ezzen  oder  trinken 
saln,  daz  trinket  sie  nnde  nnreinet  die  liate  als6,  daz  eteltchem  menschen 
dA  Ton  widenrert,  das  es  ein  halbes  j&r  siechet  oder  ein  ganzez  oder  unzo 
an  sinen  t6t  oder  den  tdt  dft  von  g&hens  nimt.  etewanne  trinket  sie  so  raste, 
daz  ir  ein  zäher  üz  den  ongen  vellet  in  daz  wazzer,  oder  daz  sie  drin  ninset. 
swer  daz  iht  ninzet,  gezzen  oder  getrunken,  der  muoz  den  grimmigen  t6t  dA 
Ton  kiesen,  oder  sie  niuset  an  eine  schfizzele  oder  an  ein  ander  vaz,  d&  man 
üs  ezzen  oder  trinken  sol,  daz  ein  mensche  gr6zen  schaden  nnde  siechtaom 
dA  Yon  gewinnet  oder  zwei  oder  vier,  oder  swie  vil  menschen  in  einem  hüse 


46  ▼•  AbliAndlnng :    BebAnbaeh. 

ditioneSy  qnibus  cattis  comparantar  heretici.  prima  est,  quod  in 
die  cattas  qaiescit  et  in  nocte  venatnr.  secundo^  quod  familiaria 
cnpit  esse  hominibus.  tertia,  quod  lambit  ranam  qnandoqae 
usque  ad  sangaineni;  et  venenum,  in  quo  est  qaedam  dolcedo, 

5  ex  quo  fit  nimis  sitibundus.  si  vero  bibere  non  invenit,  aret. 
cum  igitur  sie  sitit^  potum  qaerit.  quod  si  in  ysls,  ut  assolet, 
sternutat;  qai  biberit,  vel  moritar  aut  graviter  inficitar.  qnarta 
esty  quod  ranas  portat  quandoqne  ad  lectos  hominom  sibi  fami- 
liarium^   ex   quibus  inficiantur  homines.   hec  sunt   proprietates 

10  hereticoram.  primo^  quia  sicut  cattas  in  occnltis  et  in  tenebris 
docent.  secondo;  quia  per  ypocrisim  familiäres  se  faciant  ho- 
roinibusy  ostendentes  se  virtuosos  et  benignes,  tertio  (47,  1), 
quia  bereses  venenatas  quasi  venenum  bufonis,  quasi  dulce 
quoddam   sibi  inviscerant   in   nocte  vel  in   occuite  per  sacram 

16  Scripturam,  ex  qua  contrahunt  virus  diaboli,  quia  furtive  aque 
dulciores  sunt  (Proverb.  9, 17),  ex  hoc  inficiunt  et  occidunt  sibi 
familiäres,  quarto:  ranas  ad  lectum  portant,  hoc  est^  venenosos 
etiam  heresiarchas,  ex  quibus  venennm  suum  hauserunt,  ad 
sibi  familiäres  ducunt,   promittentes,   quod   sanctum  Johannem 

20  velint  ipsis  adducere^  qui  est  pallidus  ut  bufo  et  yenenosus. 
hü  heu  multos  nunc  interficiunt.  dicis:  ,si  veniunt  ad  nos,  quo- 
modo  eos  ab  aliis  hominibus  discernemus  et  cognoscemus,  cum 
se  bonos  ostendant?'  respondeo:  in  tribus  docuit  eos  Dominus 


sint.  unde  d&  von,  ir  hSrachaft,  trtbet  sie  Ton  in,  wan  tr  &tem  ist  halt  gar 
UDgeaunt  und  nngewerlich,  der  ir  halt  üzer  dem  halse  gdt.  heizet  sie  üz  der 
küchen  triben  oder  swft  ir  sit,  wan  sie  sint  tötunreine.  unde  dft  von  so  heizet 
der  ketzer  ein  ketzer,  daz  er  deheinem  kunder  sd  wol  glichet  mit  stner 
wise  sam  der  katzen.  so  gSt  er  alse  geistlichen  zuo  den  liuten  nnde  redet 
also  süeze  rede  des  drsten  unde  kan  sich  alse  wol  zuo  getuon,  rehte  alse 
diu  katze  tuot,  unde  h&t  den  menschen  dar  n&ch  s6  schiere  verunreinet  an 
dem  libe.  alsd  tuot  der  ketzer:  er  seit  dir  vor  alse  süeze  rede  von  gote  nnde 
von  den  engein,  daz  du  des  tüsent  eide  wol  swüerest,  er  wssre  ein  engel. 
s6  ist  er  der  sihtige  tiuvel.  und  er  gibt  des,  er  welle  dich  einen  engel  Iftzen 
sehen  und  welle  dich  Idren,  daz  du  got  üplichen  sehest,  unde  seit  dir  des 
so  vil  vor,  daz  er  dich  schiere  von  dem  kristenglouben  hftt  gescheiden  unde 
daz  din  niemer  r&t  wirt.  unde  d&  von  heizet  er  ein  ketzer,  daz  sin  heime- 
licheit  als  schedelich  ist  als  einer  katzen,  und  alse  vil  schedelicher,  diu 
katze  verunreinet  dir  den  lip:  so  verunreinet  in  der  ketzer  s61e  unde  Hp 
des  deweders  niemermSr  rftt  wirt.  —  V^.  noch  Pfeiffer  406,  22 ff,,  wo  die 
durch  Krötengift  erkrankte  Kalte  räudig  wird  und  muhadig  heina  Gehen  die 
Lenden  nachUeht. 


Studien  inr  Gesebiehte  der  altdentsehen  Predigt.  47 

agnosci  et  discerni:  per  beatam  Panlum  expresse  hoc  omnibas 
nontiavity  qaia  habent  doctrinam  demoniorum,  haben!  et  mores 
eomm  (lTim.4jlff.;  2Tim.3jlff,),  unde  enim  demones  sim- 
plices  religiöses  bonos  decipiunt,  et  sie  eisdem  et  isti  tribus 
modis  bonos  simpliees  secalares^  ande  corpori  eornm  speciem  5 
Sathanas.  Glosa:  capat  eorum.  transfigorant  se  in  angelnm 
laeis  —  Glosa:  in  Christum,  yel  aliquem  celestem  angelnm 
lacis.  non  est  ergo  magnom,  si  ministri  ejus  transfigarentur 
velat  ministri  justitio;  quomm  finis  erit  secundum  opera  eomm: 
,operarii  sabdoli^  (2  Cor.  11,13).  Glosa:  exterius  in  apostolos  10 
Christi,  die,  qaomodo  primo  consuevit  venire  hereticus  et  fa- 
cere,  sicnt  et  diabolus.  venit  diabolos  primo  ad  hominem,  sim- 
plicem  religiosam,  nnmquam^  nbi  malti  sunt,  sed  ubi  est  in 
occulto  suo,  et  ostendit  se  sanetum  et  lucidum,  quasi  sit  Christus 
vel  angelus,  secundo  docet  bonum,  ut  jejunare,  vigilare  etc.  post-  16 
qaam  autem  creditur,  dat  hamum,  dat  toxicum,  docet  enim, 
vel  quod  se  occidat  jejunando  et  hujusmodi,  vel  quod  non 
obediat  vel  hujusmodi.  tertio  rogat,  quod  apud  sacerdotem  non 
prodat  tantam  familiaritatem  angelorum  et  tam  excellentem  Dei 
gratiam,  et  sie  stultus  religiosus  credit  omnia  esse  bona,  et  sie  20 
decipitur.  sicut  multi  decipiuntur.  unde  et  Joannes  monet 
(IJoann. 4, 1) :  ,probate  Spiritus,  si  ex  Deo  sunt!'  per  omnem 
hoc  triplicem  modum  decipit  et  hereticus  simpliees  laicos,  et 
per  hoc  potest  deprehendi  hereticus  et  minister  Sathane.  venit 
primo  ut  Sathanas,  ubi  non  est  multi tudo,  sed  ubi  est  aliqua  26 
Simplex  femina  et  hujusmodi  —  diligunt  enim  angulos  et  soli- 
tudinem  et  tenebras  heretici  —  et  ostendit  se  valde  virtuosum 
et  sanetum  et  quasi  angelicum,  cum  sit  turpis  hereticus  interius 
et  totus  ypocrita  ac  plenus  demoniaco  spiritu.  secundo  docet 
primo  quedam  bona,  sicut  libenter  orare,  parentes  honorare  et  30 
hujusmodi,  quoadusque  cor  simplicis  ad  se  trahat,  et  quoad- 
usque  ei  credatur.  demum  docet  crudelia  et  hereses,  videlicet, 
quod  non  debeat  jurare,  purgatorium  non  credere.  et  ideo  di- 
cunt,  animabus  nihil  prodesse  suffragia,  quod  sancti  in  celis 
non  sint  invocandi,  nee  beata  virgo  nee  aliquis  aiiorum  sanc-  36 
torum,  et  ideo  nee  jejuniis  nee  festis  nee  aliquibus  hujusmodi 
sint  honorandi.  item,  quidam  dicunt,  Christum  non  assumpsisse 
veram  camem,  sed  tantummodo  similitudinem  carnis.  alii  etiam 
docent;  omnia  sacramenta,  que  ecclesia  confert,  nuUum  habere 


I 


48  ▼.  ilbliandlting:    SchOnbftoh. 

vigorem.  alii  aatem,  corpus  Christi  non  esse  yeriim  et  yiyniii 
corpus  Christi;  sed  signum  corporis  Christi  vel  quandam  aliam 
sanctitatem,  et  quod  quilibet  bonus  possit  conficere,  sive  sit 
sacerdos  sive  non,  et  nuUus  malus,  alii  possint  conficerCy  et  si 
6  non  femine.  item,  dicunt,  quod  non  est  sacerdotibus  confitendum, 
nee  penitentie  ab  eis  suscipiende  sint.  ecce,  quanta  stoltitia! 
(47,  2)  rusticis  commisit  claves  regni  celorum.  item,  quidam 
ipsorum  dicunt,  diabolum  salyandum.  hanc  docuit  Manes  et, 
ut  dicitur   (Augustinus  ^    De   cwitate  Deiy   lib,21y   cap.17.23, 

10  Migne  42,  731.  736),  Origenes,  et  quod  diabolus  creavit  yisibilia. 
et  hoc  est  heresis  crudelissima  et  yalde  stulta,  cum  enim  ipsi 
demones  omnino  certissime  sciant,  quod  nunquam  salyabuntur. 
sciunt  enim,  quod  scriptum  est  in  Matthaeo  (25,  41),  quod 
Dominus  dicturus  est  reprobis :  ,ite,  maledicti,'  usque  ,eternunL^ 

15  illi  stulti  dieunt,  quod  injuste  sit  ejectus  Lucifer  a  celo,  et 
orant  et  jejunant  et  se  cruciant  pro  illo,  ut  liberetur.  hec  autem 
eis  ad  nihilum  yalent,  nisi  ad  ridiculum  ipsorum  demonum,  et 
quod  grayius  eos  pro  hoc  cruciabunt.  sunt  et  quidam  ex  hujus- 
modi  hereticis,  ut  dicitur,  conyenientes  et  in  tenebris  turpitadines 

20  exercitantes.  et  miror,  si  aliqui  homines  sint  tam  ceci,  qui  putant, 
se  cum  hujusmodi  credulitatibus  posse  salvari.  idem,  docent, 
predicatoribus  non  credere,  plebanis  non  obedire  et  hujusmodi. 
et  quicunque  talem  deprehenderit,  sciat  esse  hereticum  et  pro- 
dendum.  —  (47,  2)  Exkommunizierte  und  Häretiker:  si  sanctus 

25  Petrus  celebraret  (missam)^  potius  yellem^  te  nunquam  audire 
aliquam,  quam  scienter  cum  illo  unam.  —  (47,  3  =  2Frih.ll2b) 
mendaces  werden  verdammt:  judei  propter  mendaciam  custodum 
sepulcri,  multi  paganorum  propter  mendaciam  Macometi,  multi 
hereticorum  propter   mendaciam    heresiarcharum.    nam   Arrius 

30  {2Frih,  112b  noch:  et  Donatus)  excogitavit  hoc  mendacium 
de  fide  et  illud  exposuit  quasi  veritatem,  et  ita  multos  damp- 
nayit  illud  mendacium.  ita  fecit  Manes,  ita  multi  alii. 

Li'pa.  498,  24, 1.    De  diyersis  erroribus  hereticorum  circa 
statum  mortuorum.  ,Sancta  ergo  et  salubris  est  cogitatio,   pro 

35  defunctis  exorare,  ut  a  peccatis  solventur'  (2  Mach.  12,  46). 
Valde  sanctum  et  salubre  est  defunctis,  qui  in  grayibus  tor- 
mentis  sunt,  subyenire,  cum  sibi  ipsis  in  nullo  yaleant  opitulari. 


26  vgl  Pfeiffer  116,  33  ff. 


Stadien  sur  GeMMohto  d«r  altdenlMhen  Predigt.  49 

per  siibventioneiii  enim  noBtram  eomm  tormenta  minauntur 
plurimum  et  breviantar.  sed  omnibos  jastitie  inimicis,  videlicet 
modemis  hereticis,  non  sufficit  errores  saos  extendere  ad  vivos, 
utpote  mente  omnino  excecatis,  quin  etiam  ad  mortuos  extendere 
pFesnmant,  similes  cracifixoribns  Christi ,  quibns  non  saffecit  6 
ipsam  persequi  vivum,  quin  etiam  lacerarent  et  perseqnerentnr 
mortaam.  —  hyena,  ut  legitur  in  natoralibas,  fingit  qnandoqae 
Yocem  bnmanam  vel  qaasi  vomitam  in  tenebris,  ut  faominem 
yel  canem  egredientem  dilaniet;  nichilominns  et  sevit  in  mor- 
tQorum  cadayera  in  sepulchris.  sie  et  ipsi  per  friyola  et  ficta  10 
yerba  non  solnm  decipiant  yiyos^  sed  etiam  dilaniant  mortuos 
per  hereseSy  quas  contra  ipsos  seyissime  confinxerunt.  unde 
etiam  in  respectu  mortuorum  periculosissime  errant  et  multi- 
pliciter,  quorum  errorum  omnium  ad  cautelam  simplicium  tangam. 
primus  error  illorum  et  plenus  periculo  est,  quod  quidam  he-  15 
retici  dicunt,  animas  periri  cum  corporibus.  cum  enim  sint 
idiote  et  modicum  lumen  intellectus  habentes,  quia  animam 
non  yident  in  corpore,  nee  in  morte  egredi  a  corpore^  ideo  putant 
illam  cam  corpore  similiter  perire,  sicut  in  brutis.  sed  in  hoc 
stultissime  decipiuntur.  maxima  enim  est  differentia  inter  spiri>  20 
tum  hominis  et  spiritum  bruti.  digne  enim  bruta  simul  corpore  et 
spiritu  pereunt,  quia  spiritus  ipsorum  nichii  noyit  comprehendere 
nisi  corporea  et,  que  exterioribus  sensibus  comprehendi  possunt. 
nee  seit  spiritus  eorum  estimare  yel  discemere;  quid  sit  futurum 
post  hanc  yitam,  quid  sit  Dens,  quid  yerum  yel  falsum,  quid  26 
yirtus  yel  yitium^  quid  angelus  yel  diabolus,  quid  turpe  yel 
honestum,  sed  tantum  seit  occupari  cum  istis  yilibus  sensibilibus 
et  yisibilibus,  et  igitur  spiritus  eorum  cum  corpore  jure  pereunt. 
Spiritus  yero  humanus  inconparabiUter  est  perfectior  et  nobilior, 
unde  seit  et  sensibilia  cognoscere  et  inyisibilia  siye  eterna  scru-  30 
tari.  unde  et  ista  temporalia  vilissima  reputat  respectu  eternorum, 
eterna  yero  gloriosissima  et  omni  desiderio  appetenda  yidet. 
unde  necessario  oportet ,  quod^  quicquid  eternum  cognoscere 
potest,  etemaliter  yiyat^  sicut  patet  in  Deo,  in  angelis  tam  bonis 
quam  malis,  et  quia  ipsa  anima  hominis  cognoscit  eterna,  illa  86 
et  illa,  —  die  aliqua  —  ideo  oportet,  quod  sit  eterna.  insuper 
quasi  tota  Scriptura  hoc  clamat  unde  yalde  stulti  sunt,  qui  se 
toti  Scripture  tam  Veteris  quam  Noyi  Testamenti  opponunt. 
—  (24^  2)  plurime  auctoritates  ad  hec  probanda  possent  induci. 

Sitsaanb«.  d.  pUl.-biit.  Cl.  CXLVIi.  Bd.  6.  Abb.  4 


50  Y.  Abhuidlaiif  s    SahftBbftoh. 

immo  et  gentiles  philosophi  credideront  immortaUtatem  ani- 
maram.  Tullias  (De  aenechite  21  j  78):  non  est  lagenda  mon 
animaram,  quam  immortalitas  sequitur.  Seneca  dicit  anime: 
vade   feliciter,   nichil   dabitayeris^   expectat  te  locus   melior  ac 

6  tutior.  Merctmus  (THsmegistiLSf  De  voluntate  divxnay  Hi.  Am- 
clepitis  cap.  10):  anime  post  dissolationem  cogentar  credere 
penis,  qui  in  vita  noluemnt  credere  verbis.  rationibna  etiam 
multipliciter  potest  ostendi  et  potios  per  justitiam  Dei.  Dens 
enim,  cum  sit  juatus,  reddet  tarn  bonis  quam  malis  secandum 

10  operam  merita.  —  sed  retributio  ista  non  fit  in  presenti,  cum 
mali  hie  floreant  et  boni  opprimantar.  —  ergo  retributio  ista 
erit  post  hanc  vitam,  manet  ergo  post  mortem,  item  poteat 
ostendi  per  Dei  bonitatem,  quia,  cum  Dens  sit  bonus^  maxime 
tamen   amicis   suis  et  eum   diligentibus.  —  amici   enim  Dei  in 

15  hac  yita  sunt  egentes,  angnstiati,  afflicti.  —  ergo  manent  post 
mortem,  nam  melius  esset  qno  ad  qaid  Deo  non  adherere  et 
ei  non  obedire,  si  non  sperarent  amici  Dei  pro  afflictione  de- 
lectari.  sed  vere  multam  delectabantar.  —  item  hoc  esset  contra 
bonitatem  Dei,  quia  falleret  suos.   sed  Dens  failere  non  potest^ 

20  sicnt  nee  falli.  —  item,  hoc  nobis  dixerunt,  qni  hoc  per  ex- 
perientiam  noverunt,  qui  a  morte  snrrexenmt,  ut  Christus  et 
Lazarus  et  multi  cum  Christo  suscitati.  item  ostendunt  virtutes, 
quas  mortui  operantur,  ut  dicit  Gregorius  in  Dialogo.  —  item 
quidam  religiosus  cuidam  philosopho:   ,aut  anima^,   inquit,   ,e8t 

26  mortalis  aut  immortalis.  si  mortalis,  et  credis  eam  immortalem, 
nullum  tibi  inde  provenit  incommodum,  et  econtra.  ergo  melius 
est,  ut  credamus  immortalem.'  dicit  Tullius  (De  senectute  23^  82) 
Catonem  dixisse:  ,si  anima  mortalis  est,  qui  credunt  eam  esse 
mortalem,  non  erunt  post  hanc  yitam,   qui  nos  confundant  de 

30  contraria  opinione.  si  yero  immortalis,  nos,  qui  sumus  hujus 
opinionis,  poterimus  eos  confundere,  qui  contrario  opinionis 
sunt.'  item  nichil  est  creatum  propter  ignobilius  et  yilius  se. 
ergo  anima  rationalis  non  est  principaliter  creata  propter  opera- 
tiones   yiriam,   quas  habet  communes  cum  brutis,   yel  propter 

86  bona  ista  corporalia,  quia  yiliora  sunt,  ergo  non  debet  perire 
cum  eis.  et  hec  contra  predictum  errorem  sufficiant.  —  alü 
errant  in  hoc,  quod  negant  corporum  resurrectionem,  eo  quod 
yident  corpus  incinerari,  et  in  minimum  quid  corpus  magnum 
redigi.    sed  huic  errori    multipliciter  obyiat  beatns   Gregorius 


Stodfen  rar  «Mokidite  dar  »HdMrtMlIieB  Predigl  61 

saper  Esechiel  in  omelia  XVIII.  cum  similitadiDibns  et  anc- 
(25,  l)toritatibii8.  nota  probationes  mnltas  supra  in  sermo  XL. 
nono.  item  OregoritM  — .  —  item,  alii  habent  heresim  similiter 
pericnlo  plenam,  qnia  negant  etemitatem  pene  futnre  tam  cor- 
poris quam  anime.  et  hie  error  periculosissimas  est.  destmit  6 
enim  fonditos  omnem  bonitatem  in  cordibns  hominam  et  timorem 
Domini.  —  cum  enim  heretici  illi  sint  sine  lamine  intellectos, 
dicant  et  credant,  quod  eternam  penam  non  debeat  Dominus 
eis  infligere  pro  peccato  breyi,  et  sunt  miserabiliter  decepti.  ita 
digne  pnnit  malos  eternaliter  pro  inobedientia^  nt  remunerat  lO 
bonos  pro  obedientia.  item  merito  pena  eterna  punientur,  qui 
gloria  eterna  a  malo  revocari  nolunt.  et  quia  peccator  peccavit 
in  suo  etemo,  id'est^  usque  ad  mortem  in  peccato  perseverandoi 
ideo  merito  punietur  in  etemo  Dei.  Gregorius  in  quarto  Dia- 
logi.  —  de  hac  materia  require  multa  in  Sermone  ^Petri  ad  15 
Vincula'  (Bpäter  eingesetzt),  alii  autem  heretici  sunt,  qui  negant 
animaS;  que  in  caritate  decedunt^  nuUa  pena  purgatorii  in  fiuturo 
puniri^  qui  error  habet  tres  errores  sibi  annexos.  primus  est, 
quod  nuUum  peccatum  sit  veniale.  secundus  est,  quod,  quando 
dimittitur  culpa,  dimittitur  et  pena.  tertius,  quod  snlBfragia  20 
ecclesie  non  prosint  mortuis.  primi  non  sentiunt  de  Domino  in 
bonitate,  qui  dicunt  omne  peccatum  mortale,  et  stultissime  errant, 
cum  nullus  judex  pro  levissimis  culpis  homines  debeat,  vel  etiam 
proprios  filios,  condempnare.  unde  sicut  non  omrais  infirmitas  vel 
vulnus  corporis  est  ad  mortem,  sie  nee  omnis  infirmitas  spiritalis  25 
mortalis  est.  item,  sicut  non  omnis  casus  quantumcunque  levis  est 
ad  fractionem  colli,  sie  nee  omnis  spiritalis  ad  mortem.  —  (2ö,  2) 
non  prqjiciuntur  vasa  omnino  pretiosa  pro  parva  inquinatione^  sed 
purgantur,  sicut  nee  anime  morte  dampnantur  pro  parva  immun- 
ditia.  item,  si  quodlibet  minimum  peccatum  esset  mortale,  omnes  30 
homines  damnarentur  cum  sanctissimis.  —  item^  secundus  error 
nimis  est  periculosus,  evacuat  enim  penitentiam,  pro  qua  Christus 
venit  in  mundum.  —  item,  idem  esset  de  illo,  qui  multum  pec- 
cavit  ut  qui  parum;  et  quod  falsum  dicant,  patet  in  hoc,  quod 
etiam  amici  Dei,  si  peccaverunt,  multa  pena  puniti  sunt,  licet  35 
contriti,  ut  patet  in  David,  et  etiam  post  mortem,  licet  dimissa 
fuisset  eis  culpa  mortalis,  fuerunt  enim  in  inferno,  donec  Christvii 
eos  eduxit.  item  si  hoc  esset  dedecus  culpe  sine  decore  vin- 
dicte,   non  est  verisimile,   quod  ita  de  facili   penam  dimittat 

4* 


52  y.  AMiMidl^ng ;    8  eh  6  ab  »ob. 

Dens  peccatoribus,  quin  saitem  eos  pena  transitoria  poniat.  item 
magis  propitius  esset  Dens  biis,  qai  differant  conversionem 
usqne  in  finem  vite,  quam  bis,  qui  in  jnyentate  convertontar, 
cum  a  primis  penam  non  exigat,  et  ab  aliis  exigat^  et  sie  be- 
6  nignior  esset  ad  contemptores  benignitatis  sue  quam  ad  alios. 
circa  tertium  errorem,  videUcet,  qui  ponit,  sufiragia  ecdesie 
non  prodesse  mortuis,  notandum^  quod  valde  cmdeliB,  cum  in 
mortuos  seviat;  qnantum  enim  in  eo  est,  aofert  eis,  qoiinigne 
cruciantur,   omnem   saccursum  sancte   ecclesie.  —  et  quod  eis 

10  possit  snbyeniri^  patet  in  hoc,  quod  ad  petitiones  sanctonim 
bominnm  aliqaos  Dens  convertit  et  dat  eis  soam  gratiam,  qui 
fuerunt  obnoxii  pene  eterne,  sicut  etiam  ad  preces  sanctorum 
relinquit  penam  purgatoriam.  item,  ad  preces  sanctorum  ho- 
minum  suscitavit  Deus  mortuos   et   extraxit  de  inferni   limbo, 

15  ut  ad  lacrimas  Marie  et  Marthe  Lazarum  et  ad  preces  Petri 
Tabitam.  sie  adhuc  ad  orationes  sanctorum  animas  de  purgatorio. 
—  pro  mortuis  autem,  qui  in  mortali  decedunt,  non  est  oran- 
dum,  sed  qui  in  yeniali,  cum  non  sint  Dei  inimici,  sed  amici. 
si  oratio  in  terra  fusa  in  celo  operatur  juxta  verbum  Gregorii, 

20  eodem  modo  in  purgatorio.  item  qui  pro  debitis  tenetur  in  car- 
cere,  si  alius  solvit  pro  illo,  liberatur;  sie  de  purgatorio.  aliud 
esset,  si  non  pro  debitis,  sed  pro  gravissima  offensa,  non  quasi 
amicus,  sed  proscriptus  abjudicatus  et  pessimus  inimicus  in 
carcere   teneretur.   quomodo   autem  eis  valde   efficaciter  valeat 

26  subveniri,  require  in  Dominica  ultima,  quomodo  vero  possit 
haberi  spes,  quod  mortuo  post  mortem  subveniri  possit,  nota 
ex  signis  vere  contricionis.  Quomodo  vero  cum  morituro  loqui 
debeamus  pro  sua  magna  utilitate,  docet  Anseimus  et  consulo, 
quod  circa  omnem  moriturum  hec  fiant,  videlicet,  si  propositum 

80  habeat  a  peccato  abstinendi  et  Deo  satisfaciendi,  vel  si  injurias 
omnes  relinquat  et  proximo  satisfacere  plenarie  pro  posse  velit.  et 
hujusmodi  serventur  hec,  que  ponit  Anseimus,  dicens:  frater  pro- 
ximus  morti  sie  (26, 1)  debet  interrogari  illeque  respondere  — . 
hec  docet  Anseimus,   et  vollem,   quod  servaretur  circa  omnem 

86  moriturum  (Migne  158,  685 ff.),  nam  tam  utile  hoc  debet  esse 
morituro,  quod  sub  silentio  transeo. 

Rusticanus  de  Sanctia  Nr.  60.    Lips,  498, 103,  2: 
Kathedra  S.  Petri.     Quod  Dominus  contulit  sacerdotibus 
claves  ligandi  et  solvendi. 


Studien  snr  0«MiUeht«  der  alideiitodieii  Predigt.  53 

,Quodcimqae  ligaveris  snper  terre  etc/  (Matih,  16, 19).  In 
coUatione  claviam  magnam  supra  modum  hamaniiin  sacerdotibas 
contulit  potestatem,  cai  nuUa  terrena  potestas  prin(104,  l)cipam; 
regam  vel  alioram  quoram  videlicet  aliqnaliter  (licet)  comparari, 
qtda  illis  super  corpus  et  res  temporales,  qne  omnia  cito  fine  5 
clandiintnr,  istis  vero  super  animas  et  celestia,  qne  nonquam 
terminabantor,  conttdit  potestatem.  illis  dedit,  nt  possint  homines 
per  emendationem  Status  sui  a  carceribus  (et)  compedibus  sol- 
▼ere;  istis,  quod  a  vinculis  peccatorum.  illis,  quod  malefactores 
possiDt  corporaliter  captivare  et  punire;  istis,  quod  excommuni-  10 
cationis  vinculis  innodare,  que  omnibus  vinculis  corporalibus 
Bunt  duriora,  sicut  hie  dicitur:  ,quecunque  etc/  notandum  igitur, 
quod  tarn  bonis  quam  malis  sacerdotibus  contulit  claves  bapti- 
zandi  et  alia  sacramenta  conficiendi.  sunt  enim  claves  annexe 
ordini  sacerdotali,  qui  confertur  utrisque,  non  tantum  bonis,  ut  15 
heretici  dicunt.  tunc  enim  esset  error  maximus,  cum  non  con- 
Btet,  quis  bonus  vel  quis  malus.  Eccli.  (9, 1):  ,nemo  seit,  utrum 
(amore  an)  odio  dignus  sit'.  si  nemo  seit  de  seipso,  multo  fortius 
nee  de  alio.  item  accideret  alius  error  maximus,  quod  non  esset 
unitas  clavinm,  si  virtus  eorum  cresceret  secundum  sanctitatem  20 
sacerdotis,  ut  qui  sanctior  esset,  plus  solveret  et  econtra.  et 
ideo  necesse  foit,  ut  non  secundum  personas,  sed  ordini  con- 
ferrentur  in  dotem  ordinis  sacerdotalis,  et  ita  possunt  hominem 
excommunicare  et  hoc  pro  triplici  contemptu.  unde  dicitur  XI. 
q.  ni  (c.43,  Migne  187,866):  ,certum  est  pro  bis  criminibus  25 
aliquem  excommunicare  debere,  cum  ad  sjnodum  canonice  vo- 
catuB  venire  contempsit,  aut  postquam  venerit,  si  sacerdotum 
contempnit  obedire  preceptis,  aut  ante  finitam  cause  sue  exa- 
minationem  abire  presumit/  unde  et  Paulus  legitur  excommuni- 
casse  Chorintum  (1  Cor,  6,3 — 6):  ,ego  jam  judicavi  ut  presens,  so 
qui  sie  operatns  est  in  nomine  domini  Jhesu,  tradere  hujusmodi 
Sathane  etc/  idem  videtur  per  exemplum,  quicquam  hereticus 
garriat.  pater  enim  sapiens  inobedientem  filium  a  domo  ad 
tempos  ejicit,  ut  sie  corrigatur.  ergo  a  simili  etc.  item  in  arte 
medendi  membrum  putridum,  ordinatum  ad  aliorum  infectionem,  86 
a  corpore  est  resecandum.  sie  et  in  spirituali:  cum  enim  spiri- 
tualis  medicus  animarum  curare  attemptat  ammonitionibus,  pre- 
dicationibns,  increpationibus,  orationibus  et  hujusmodi,  et  cum 
per  levia  sive  per  oleum  nihil  proficit,  vinum  mordax  infundit. 


54  T*  AMiMdlvDg:    S«h6nbftah. 

ut  saltem   per  penam  reyertator,  qtua  yitatnr  in  hiis,  que  no- 
tantor  hiis  versibus: 

Ob,  orare,  vale,  commtinio,  mensa  negator, 
Si  pro  delictis  anathema  qais  efficiatar. 

6  hec  habentur.  XL  q.  III.  ,excommunicat08.'  (c,  17 y  Migne  187,846) 
et  malti  per  hujusmodi  confosiones  et  timores  dampni  ad  gre- 
minm  et  obedientiam  ecclesie  reyertuntnr,  et  ita  non  odio,  sed 
amore  et  eorum  utilitate  sancta  ecclesia  excommanicare  con- 
saevit.   quod   si   aliqnis  obstinatas  redire   nolaerit,   melius   est 

10  membrum  putridum  per  excommunicationem  resecari,  quam 
per  illad  alia  inficiantor.  si  dicit  faereticas:  yDon  est  obediendum 
nisi  bonis'y  respondet  Dominus  Matth.  (23,  2) :  ,super  cathedram 
Moysi  etc.^  item  hoc  stare  non  potest,  quia  nesciretur,  cui  posset 
obediri.  qui  enim  jam  bonus  est,  in  momento  potest  fieri  malus, 

16  et  jam  non  esset  ei  obediendum.  preterea,  si  pictor  fedus  pingit 
statuam  pulcherrimam,  nee  turpitudo  pictoris  statuam  deturpat 
sie  pre(104,2)latas  malus  facere  potest  preceptum  bonum.  si  vero 
prelatus  malus  precipiat  malum,  tuuc  plane  non  ei  est  obediendum. 
unde  Augustinus  (Migne  36,  2083 f.)  super  illud  Rom.   (13,  2): 

20  ^qui  resistunt,  ipsi  sibi  dampnationem  a/  si  scis,  quod  non 
debes  facere  hoc,  sane  contempne  potestatem,  timendo  potestatem 
majorem,  scilicet  Dei.  ipsos  humanarum  rerum  gradus  adverte: 
si  quid  jussit  imperator,  numquid  tibi  faoiendum  est,  si  contra 
proconsulem  jubeatur?  rursum,  si  quid  proconsul  jubeat  et  aliud 

26  imperator,  numquid  dubitatur  contempto  illo  isti  esse  servien- 
dum?  ergo  si  aliud  imperator  et  aliud  Dens  jubeat,  contempto 
illo  obediendum  est  Deo.  similiter  sicut  potest  ligare  bominem,  sie 
et  solvere  auctoritate  clavium,  non  solum  ab  excommunicatione, 
sed  a  vinculo  peccatorum,  quid  enim  dixit?  ,quodcunque  liga- 

30  Verls',  dixit,  ,et  quodcunque  solveris/  sed  dicit  hereticus:  ,8a- 
cerdos  hominem  non  absolvit,  sed  solus  Deus,  dum  convertitur; 
sed  sacerdotes  pro  lucro  suo  diount  se  absolvere.'  respondeo, 
quod  in  hoc  heretici  falsum  dicunt,  et  notandum,  quod  et  Deus 
hominem   vere  absolvit   et  sacerdos;    hoc  est  fides  katholica. 

36  unde,  cum  homo  peccat  mortaliter,  quia  in  hoc  Deum  con- 
tempnit,  infinitum  et  eternum,  nolendo  ei  obedire,  punit  eum 
Dominus  in  eternum,  ut  dignum,  et  quia  eternus  est.  sed  quia 
misericors  est,  non  punit  eum  in  infinitum,  cum  tarnen  juate 
posset,  cum  sit  iufinitus,  sed  in  hoc  mitius  punit,  quia  non  in 


Stadito  SV  e«Mlii6hto  dar  altdratnk«ii  Pndift.  56 

infinitaiDy  licet  siipra  modom  acriter  pnniat  in  etemam.   quia 
tarnen  summe  miaericordie  est,  si  peccator  vere  conteritur^  yi- 
delicet  qnod  non  vult  peccatum  iterare,   et  se  dolet  illad  com- 
misisse  cum  proposito  confitendi,   ipsins   miseretar  et  penam 
daiiBsimam  et  etemam  in  aliam>  que  non  est  eterna,  commatat.  6 
qnod   tarnen  ob  rigorem    divine  jnstitie    adhac   quasi   viribus 
nostris  est  improportionabilis,  inestimabilis  et  nostre  cognitioni 
ignota.  quia  autem  contritio  vera  esse  non  potest  sine  proposito 
confitendiy  ideo,  cum  contritus  confitetur,  vi  claTium^   que  yim 
habent  a  passione  Christi,  penam  hanc  pro  magno   parte  re-  lo 
mittit  sacerdos.   unde  si  yere  contritus  eundo  ad  confessionem 
moreretnr,  licet  salyaretur,  grayiter  tamen  puniretur.   si  autem 
post  confessionem  moreretur,  vi  clavium  a  multa  pena  solyeretur. 
hanc  yim  Dominus  Ulis  contulit,  et  ita  Dens  yere  absoiyit  in 
contritione,  sacerdos  in  confessione.   sed  uti   debent  sacerdotes  16 
hac  potestate,  non  abuti.  nam,  cum  sint  tria  genera  peccatorum, 
onum  illorum  sie  sacerdotibus  commisit,   ut  omnes  ab  illo  tam 
inferiores   quam   superiores  absolyere  possint.   superiores  sunt 
papa;   episcopi  et  hujusmodi;   inferiores  parrochiani,   vicarii  et 
quibus  dominus  papa  yel  episcopi  committunt,  ut  quibusdam  20 
religiosis.  alia  peccata  sunt,  a  quibus  tantum  majores  absolvere 
poBsunt  tertia,  a  quibus  neutri.  prima  sunt  communia  mortalia, 
ut  fomicatio,  ebrietas,  odium,  chorea,  pro  superbia,  ira  et  hujus- 
modi.  secunda  sunt  yalde  magna  mortalia  ut  uxoricida,   parri* 
cida,   incantationes  cum  chrismate  yel  corpore  Christi,  maxime  86 
si  sint  publica,  item  excommunicationes  pape,  episcopi,  et  que 
episcopi  sibi  reseryant  in  sinodo,  ut  plus  timeantur,  ne  simplices 
sacerdotes  nimis  alleyient  grayissima,  que  propter  enormitatem 
et  ut  arctius  evitentur,  majoribus  sacerdotibus  et  episcopis  et 
domino  pape  absolyenda  (105,  1)  reseryantur.  unde  yersus:         80 
Qui  facit  incestum,  deflorans  aut  homicida, 
Sacrilegus,  patrem  percussor  vel  sodomita, 
Et  yoti  fractor,  perjurus  sortilegusque, 
Pontificem  querat,  necnon  qui  miserit  ignem, 
Per  papam  derum  feriens,  falsarius,  urens  86 

Solyitur  et  quisquts  audet  celebrare  ligatus. 
De  ceteris  yero  minores  solyere  posaunt, 
de  predietis  sie  dicit^  C.  XXIII.:  crimina,  que  sunt  aecusatione 
et  dampnatione  dignissima,  si  fuerint  publicata  per  sententiam 


56  ▼•  Abbandliingt    BoliAnbftali. 

propriam,  confessionem  vel  per  facti  evidentiam,  sunt  ad  epi- 
scopum  transmittenda^  et  hnjasmodi  sunt,  de  qoibas  ventilatar 
causa  in  foro  jadiciario  vel  ecclesiastico,  ut  adulterium,  incestos, 
falsum  testimonium,  incendium,   homicidium,   fides  falsa,  sorti- 

6  legium  et  hnjusmodi.  similiter  quedam  occulta  propter  illorum 
enormitatem,  ut  incestus  cum  matre,  filia,  duabus  sororibus. 
in  extremis  tarnen  quilibet  sacerdos  quemlibet  vere  contritum 
absolvere  potest  a  quocunque  peccato  vel  excommunicatione. 
tertia,  de  quibus  Dominus  nuUam  potestatem  absolvendi  con- 
to tulit  nee  majoribas  nee  minoribus,  propter  odium,  quod  habet 
ad  illa,  tria  sunt:  primum,  cum  scienter  non  vere  confitentur, 
ut  qui  ex  verecandia  obticent.  Proverb.  (28, 13):  ^qui  abscondit 
scelera  etc/  faciat  quicquid  boni  multum  talis,  non  suf&cit  ad 
salutem,   ut  quidam,   qui  Domino  confitentur  et  iargiter  flent 

15  et  graves  penitentias  assumunt,  non  tarnen  mundantur,  nisi 
sint  in  voluntate  confitendi,  ut  ostenditur  in  leprosis  Luc. 
(17,  11  ff.)  7  V^^  quantumcumque  vocem  levarent,  non  tarnen 
ipsos  mundavit  Christus,  donec  diceret:  ,ite,  ostendite  yob  sacer- 
dotibus';   ubi   docet  modum   confitendi.   in  hoc  quod  dicit  ,it6^, 

20  ostendit,  quod  confessio  non  est  differenda,  non  tam  diu  quod 
sacerdos  ad  ipsum  vadat;  in  hoc  quod  dicit  ,ostendite',  declarat 
nihil  occultandum,  ut  quidam,  qui  ubi  turpior  est  lepra,  plus 
occultant.  ideo  non  dixit  ,ostendite  manum  vel  pedem%  sed 
,vos'.  item  dixit  ,yos',  non  ,alios',  ut  quidam,  qui  peccata  aliorum 

26  confitentur.  in  hoc  quod  dixit  ,sacerdotibus^,  docet,  quod  non 
Deo  tantum,  ut  judei,  non  laicis,  ut  heretici,  sed  sacerdotibus, 
ut  veri  christiani  debemus  confiteri,  quibus  solas  Dominus  dedit 
ligandi  et  solvendi  potestatem.  secundi,  qui  injustas  res  posai- 
dent,  cum   sint  in  solvendo   et  certas  sciant  personas,   quibus 

30  competit  restitutio.  Augustinus:  non  dimittuntur  peccata  etc. 
XIIII.  q.  VI.  dicit  canon  (c.  i,  Migne  187^966):  penitentia  agi 
non  potest,  nisi  res  aliena  reddatur.  ideo,  cum  raptor  vel  für 
petit  a  sacerdote,  ut  ei  aliam  imponat,  sciat,  quod  non  habet 
potestatem;  quod  si  fecerit,  et  se  et  illum  decipit.  Jerem.  (48,  36): 

35  ,quia  plus  fecit,  quam  potuit,  idcirco  perierant.'  sicut  non  potest 
sacerdos  ignem  in  aquam  matare,  canem  in  hominem,  montes 
in  celum  sustollere,  sie  nee  tale  absolvere.  quare?  quia  non 
est  ei  datum  desuper.  ideo  injuste  res  valde  cavende.  immo 
nee  angelus  nee  Petrus  nee  papa  hoc  posset,   quanto  minus 


Stodim  Bvr  OMohieht«  d«r  alidMitoli«!!  Pndifi.  57 

Simplex  sacerdos!  ideo  eaveat  Bibi,  nt  diligat  animam  suain^ 
ne  vel  absolvat  vel  corpus  Domini  licentiet  yel  vitam  eternam 
promittat,  si  restituere  potest.  de  injustis  rebus  reqnire:  Nicolai, 
tertii,  qni  non  sunt  contriti.  qnantamcanqae  enim  contritas 
promittat  se  velle  ab8ti(105y  2)nere  ab  hoc  vel  hoc  peccato,  6 
nisi  ab  omni  peccato  abstinere  proponat,  non  penitet  ad  salntem, 
nee  per  conseqnens  solvi  potest.  Jerem.  (46,  11):  ^frastra  multi- 
plicat  medicamenta,  sanitas  non  est  tibi.'  Innocentius  II.:  Epi- 
Bcopos  nostros  et  presbiteros  ammonemns,  ne  falsis  penitentiis 
laicormn  animas  decipi  yel  ad  infema  trahi  patiantnr.  falsa  lo 
antem  penitentia  est,  cnm  snmptis  omnibus  de  ano  penitentia 
agitnr,  ant  com  de  uno  agitur,  nt  non  ab  alio  discedatnr.  nnde 
scriptum  est  (Jac.  2,  10):  ,qui  in  uno  offendit,  factus  omnium 
reus.^  quantum  ad  eternam  dampnationem.  et  quia  tales  sunt 
in  statu  periculosissimo,  quia  fnnibus  peccatorum  suorum  co*  15 
tidie  ducuntur  ad  mortem  eternam,  ideo  plus  essent  lamentandi, 
quam  qui  ducuntur  ad  patibulum.  beati  autem,  qui  ab  hiis 
▼inculis  absoluti  dicere  possunt  Äpoc.  (faUchy  Rom,  7,  6): 
,nunc  soluti  sumus  a  lege  mortis,  in  qua  detinebamur.'  hiis 
tribus  exceptis  omne  genus  peccantium  absolvere  possunt,  et  20 
secure  absolvant  et  secure  penitentiam  injungant.  si  objiciis,  quod 
Dominus  nullam  penitentiam  injunxit  Marie  Magdalene  et  aliis, 
quoe  absolvit,  respondeo,  quod  Dominus,  qui  omnia  videt,  novit 
quantitatem  contritionis  eorum,  quam  nos  scire  non  possumus, 
quia  interiora  non  videmus,  et  ideo  penitentiam  nullam  injunxit,  26 
quia  perfectissimam  contritionem  in  eis  vidit,  que  nunc  rara 
est.  si  autem  queris,  quid  faciam,  si  minorem  debito  penam 
sacerdos  injungat,  respondet  Paulus  (Philipp.  3, 17):  ,imitatores 
mei  estote/  sicut  enim  ipse  conversus  veniens  Damascum,  cum 
Ananias  ei  parvam  yel  quasi  nullam  imponeret  penitentiam,  so 
yidelicet  hanc  (Act.  22^  16):  ^quid  moraris?  surge  baptizare  etc.^, 
licet  ab  omni  culpa  per  baptismum  solutus,  multa  tamen  super- 
addit  penitentibus  in  exemplum,  ut  dicit  Cor.  (2Cor,  11,27): 
,in  labore  et  erumpna,  in  yigiliis  etc/  in  hiis  imitari  cum  nos 
docet,  ut,  si  parya  injungantur,  magna  superaddamus.  et  35 
hoc  necesse  est,  cum  quasi  omnes  confessores  adeo  modicam, 
quandoque  pro  centum  mortalibus,  injungant  penitentiam,  ut 
pro  uno  injungi  deberet,  et  hoc  propter  debilitatem  corporum 
yel  potius  mentium.   igitur  plura  superaddamus,   quia  tempore 


58  ▼•  ilbhaadluff:    Bekönbfteh. 

suo  recipiemos.  Luc.  (70,  36  —  jedoch  frei  zitiert):  ^si  quid 
sapererrogaveriSy  cum  reversos  fnero,  in  judicio,  reddam  tibi^: 
hoc  nobis. 

Lim.  Rusticanua  de  Dominieie  Nr.  20.    (62,  2:  Dominica 
5  qoarta   Quadragesima.)   de   decem   plagia  mundi,  aig^atis  per 
decem  piagas  Egipti. 

(63,  2)  rane  sunt  heretici,  qai  heu  nimii  sunt  et  yenenati 
sunt  nimis,  et  in  obscorO;  non  in  lucem  prodeant  de  angulis 
et  latibnlis^   et  sunt  Domioo   plas   contrarii  qnam  nobis   rane, 

10  et  homini  plus  nocai  qnam  nobis  illaram  venenam.  si  enim 
gnttam  veneni  iilaram  comederem,  forte  curari  possem,  at  non 
morerer;  si  autem  hereticornm  onam  venenatnm  verbam  re- 
oepero,  vix  eternam  mortem  eyadam.  sed  heu  jam  nimis  replent 
terram  et  nimis  maltiplicantnr  et  fetor  nimis  noxins  exalat  de 

15  cadaveribns  eornm,  animas  nimis  inficiens.  et  sicnt  ille  rane 
oruciavemnt  regem  Egipti,  qai  pessimns  fnit,  et  populnm  ejus, 
ita  econtrario  iste  rane  yenenate  ipsum  regem  celestem,  qni 
summe  bonus  est,  cruciant  et  populnm  ejus,  jam  ingrediantor 
domum  ejus,   id  est,   Christi  ecolesiam,  inficientes  yerbis  yene- 

20  natis,  dicentes  eam  non  esse  ecdesiam  Christi,  sed  meretricem; 
se  dicunt  esse  ecclesiam  Dei,  cum  sint  omnino  ypochrite  et 
mendaces,  et  Dominus  eos  plus  diligat  quam  nos.  nee  hoc  suf* 
ficit  iUis  miseris,  sed  et  insuper  ingrediuntur  cubicnlum  regia 
(EoDod,  8f  3),  dicunt  enim  quidam  illorum,  quod  nee  beata  yii^o 

26  sit  inyocanda.  insuper  et  sie  in  Stratum  regis  ingrediuntur, 
dicentes,  nuUum  posse  salyari  in  statu  matrimonii,  turpiter  in 
hoc  mentientes,  cum  eis  contradicat  tarn  Vetus  quam  Noyum 
testamentum,  Dens,  angeli  et  homines.  insuper  et  in  (64,  1) 
tränt  ad  omnes  seryos  regis,  dicentes,  nulium  mercatorem,  ru- 

80  sticum,  militem,  clerioum  yel  religiosum,  in  ecdesia  posse  salyari. 
ecce,  in  hoc  dicto  condempnant  nos  omnes  et  omnes  sanctos, 
qui  ante  nos  fuerunt:  Petrum  et  omnes  apostoloe,  Stephanum 
et  omnes  martyres,  Nicholaum  et  omnes  confessores,  Katherinam 
et  omnes   yirgines.   illi   enim   omnes  fidem  nostram   habuerunt 

85  et  in  ea  decesserunt.  ipsorum  yero  hereticorum  multi  nuper 
surrexerunt  ante  paucos  annos,  ut  patet  in  Pauperibus,  Leo- 
nistis   et  in  aliis   plerisque.   insuper  et  in   populmn  regis,   ad 


7  ff.  «  ^.  Frib,  81*Jf, 


Stadien  tar  OMoUcblt  d«r  ftlt4Mtaeheo  Predigt.  60 

MüctOB  scilicet,  quos  dicunt  non  esse  inyocandos.  insuper  et  in 
fiimoB  regiSy  ad  illos  scilicet,  qui  sunt  in  purgatorio,  dicunt 
eniiDy  pnrgatorinm  non  esse,  insnper  et  in  sanctas  reliqoias  ci- 
bonun  regis,  id  est,  ad  sacrosanctnm  corpos  Christi,  dicnnt 
enim,  non  esse  corpus  Christi,  qnod  in  ara  est,  et  qaemlibet  5 
jnstam  posse  missam  celebrare  et  conficere  hoc,  qnod  conficitnr. 
insaper  et  ad  regem,  dicnnt  enim,  Christum  non  veram  camem 
habuisse.  insuper  et  in  servorum  suorum  domos,  id  est,  ad 
ministros  Christi  et  ecciesie,  dicunt  enim,  quod  non  possunt 
ligare  nee  solvere,  si  peccatores  sunt,  in  omnibus  predictis  lO 
venena  pessima  evomunt  et  terram  inficiunt,  ut  dicit  Josephus 
(Antiquitates  Jud.^  lib,  2,  cap.  14,  lit.  2),  quod  subita  morte 
moriebantur  et  cormmpebant  terram,  et  alie  oriebantur.  ita 
post  unam  heresim  surgit  alia. 

Lim.  Bustieanua  de  Dominicis  Nr.  24.    (76, 1:  Dominica  16 
in  Albis).     Quod  resurrectio  nostra  probatur  per  quinque.    Ita 
plerique,   immo  supra  modum   nimii  sunt  in  ecdesia,   qui  de    • 
resurrectione   corporum    nostrorum   temerarie    dubitant,    more 
Saddnceorum   resurrectionem  corporum  non  credentes.   et  pre- 
cipue  in  illo  errore  periculosissimo  sunt  plerique  potentes  ho-  20 
mines  et  camales.   quomodo,   ter   queso,   multi  sunt,   qui  miro 
modo  se  ipsos  diliguut,  tarn  modicum  suo  commodo  perpetuo 
proyident?    quomodo   amicis   morientibus   tam    inconsolabiliter 
contriatantur,  sicut  et  ceteri,   qui  spem  non  habent?  quomodo, 
cum  res  perdunt  yel  corporaliter  tribulantur,  tam  inconsolabiliter  26 
dolent?    quia  fidem   resurrectionis  corporum   vel   non    habent, 
vel  gravi  sopore  in  ipsis  dormitat.  —  (76,  2)  quare  illam  non 
credis,   o  heretice?   quare   pro  inenarrabili  gloria  corporis  in 
resurrectione  laborare   dissimulas,   o  homo  carnalis?  ut  autem 
magis  constet,  ipsam  resurrectionem  quinque  modis  probabimus,  so 
yidelicet,   primo  per  argumenta;   secundo  per  exempla;  tertio 
per  autentica  scripta;  quarto  per  testium  dicta;  quinto  et  ultimo 
per  ipsa  opera.  prima  certificant  nos  quoad  intellectum,  scilicet 
ai^nmenta,  alia  vero  quatuor  sequentia  quoad  sensum,  sensitiva 
enim  magis  nos  movent  quam  intelligibilia.  quidam  modo  nostri  86 
temporis  hereticorum  errant,  aut  quia  scripturas  non  intelligunt, 
ut  ülud:  ,caro  et  sanguis  regnum  Dei  non  possidebunt'  (ICor. 
16y  60);  aut  propter  hoc,  quia  vident  sensibile  corpus  in  cineres 

i  et  pntredine  consumi.  et  iterum,  quia  vident  in  multis 


60  Y.AbhMidlwkf:    SokOabftah. 

et  infirmitatem  et  defectnm  membrornm,  dicont:  fii  talis  resnr- 
geret^  cum  nno  ocalo  vel  cum  nno  pede  resorgeret  et  ita  glo- 
riosam  resurrectionem  non  haberet/  si  talis  es^  confundaris. 
nobis  enim  verissime  constat  de  resurrectione,  et  per  ipsa  ar- 
5  gumenta.  primo  eos  confandamns  hoc  modo  (Oregor^  HomiL  1. 
Ezeck,  1,  8;  Migne  76,  1032):  numquid  non  dicit  communis 
anime  conceptio^  qnod  magis  est^  aliqaid  de  nihilo  (77,  1)^  quam 
de  aliquo  facere?  omnia  fecit  ex  nibilo,  qnia  non  fecit  ex  sua 
essentia.   si   ergo   sie   omnia  ex   nihilo  fecit,    numquid  non  de 

10  pulvere  corpora  resuscitare  potest?  sed  dicis:  ,non  quero,  qnod 
Dens  possit,  sed  quid  facturus  sit.  habemus  bene,  quod  possit, 
sed  numquid  faciet?'  sed  respondeo:  numquid  dicet  tibi  com- 
munis anime  conceptio,  quod,  si  quis  bene  laboraverit,  bene 
remunerabitur   (Bonaventura ,   Swper  SerUent.^   Hb,  i,  quart.  2, 

1 6  dist  40 j  art.  2)t  —  hoc  argumento  usus  est  Bamabas  Rome 
contra  hereticos,  sicut  in  libro  Clementis  legitur.  —  quis  autem 
negat,  Deum  esse  justissimum?  si  justissimus  est,  juste  re- 
munerabit.  laborat  homo  aliquis  bene,  aliquis  male,  et  qui  bene 
laboraverit,  bene  remunerabitur.  quis  enim  dicat,  aliquem  mar- 

20  tjrum  in  hoc  mundo  mercedem  recepisse  suorum  laborum?  si 
enim  in  hoc  mundo  non  remunerabitur,  ergo  in  futuro.  — 
iterum  communis  anime  conceptio  est,  quod  reddet  Dens  tam 
bonis  quam  malis  secundum  eorum  merita:  bonis  premia,  malis 
penam.   sed   retributio  ista  non   fit  in  presenti,  cum   mali  hie 

26  floreant  et  boni  opprimantur,  juxta  illud  Jeremie  (12,  1): 
,quare  via  impiorum  prosperatur?'  ergo  retributio  erit  post 
hanc  vitam.  idem  potest  ostendi  per  bonitatem  Dei,  sicut 
ostensum  est  per  Dei  justitiam,  quia,  cum  Deus  universaliter 
sit  bonus  Omnibus,  singulariter  tamen  bonus  est  amicis  suis  et 

80  eum  diligentibus.  Proverb.  (8^  17):  ,ego  diligentes  me  diligo.' 
hoc  autem  verum  non  esset,  si  post  hanc  vitam  non  remune- 
raret,  quia  in  hac  vita  sunt  egentes,  angustia  afflicti.  Hebr.  (11, 1) 
et  Cor.  (1  Cor.  15^  19):  ,si  in  hac  vita  tantum  in  Christo  spe- 
rantes  etc/  sed  dicis:  , verum  est,  remunerabitur,  sed  ex  parte 

36  anime  tantum,  non  autem  corporis.'  sed  tunc  quero:  numquid 
in  eo  remunerabitur,  in  quo  meruit?  non  autem  meruit  ex 
parte  anime  tantum,  sie  enim  bene  objiceres,  sed  ex  parte 
anime  et  corporis,  et  ideo  quoad  utrumque  remunerabitur.  sed 
adhuc  dicis :  ,meruit  anima  in  corpore  tamquam  in  instrumento, 


Btadltii  SV  a«Mhieh«e  dar  altdmteehto  Predigt.  61 

nihil  autem  debetar  instnunento.  vel  debetar  secnri,  si  secans 
bene  laboraverit?'  sed  tu,  o  heretice^  vides^  quod  numquam 
operans  Bequitnr  complexiones  sni  instmmenti,  nee  ei  compatitor^ 
cum  dolet.  videmus  atitem,  quod  anima  sequitur  complexioDes 
corporis  et  sibi  condolet^  et  ita  non  est  tale  instramentom  quäle  6 
artificis.  item,  videS;  quod  ex  operante  et  instrumento  non  fit 
uoom,  ex  corpore  autem  et  anima  fit  unum  totum.  item,  alia 
ratio  validissima  (77, 2),  quia  anima  appetit  corpus  ad  sni 
completionem,  aliter  enim  incompleta  maneret.  non  ergo  poterit 
anima  sine  corpore  remunerari,  quia  nee  sine  ipso  potuit  mereri.  10 
item^  cum  homo  serviat  Deo  et  corporalibus  operibus  et  spiri- 
tualibuSy  et  non  minus  Dens,  qui  liberalissimus  est,  liberalis 
sit  remunerando,  quam  sit  homo  bene  serviendo,  utroque  modo 
in  corpore  et  anima  debet  remunerari.  item,  si  corpus  anime 
compatitur,  quare  non  congrue  et  glorificabitur?  item,  cum  15 
anima  naturaliter  appetat  esse  in  corpore,  quod  ostendit  dolor, 
qui  est  in  separatione,  et  omnis  anime  appetitus  in  anime  per- 
fecta beatitudine  debeat  impleri,  corpus  reddetur  ei,  sine  quo 
naturaliter  appetitus  ejus  non  impleretur.  Apok.  (6, 10) :  ,U8que- 
quo.  Domine,  sanctus  et  verus  etc/  item  ex  quo  partem  solvit  20 
pretii,  partem  debet  habere  lucri,  quod  non  erit,  nisi  sanguis 
resurgat,  ergo  ipsa  resurget.  sie  ergo  tibi  constare  potest  per 
argumentum,  quod  resurrectio  corporis  sit.  sed  quia  adhuc 
errare  contingit,  etiam  tibi  constare  videtur  per  exempla  in 
ipsis  elementis  et  creaturis  ceteris.  ipsa  enim  elementa  et  rerum  85 
species  quandam  resurrectionis  imaginem  infidelibus  predicant. 
sie  in  celestibus  videre  poteris.  sol  cottidie  in  vespere  occidit, 
in  crastino  resurgit.  stelle  similiter  in  matutino  occidunt,  iterum 
in  nocte  resurgunt.  Gregorius  super  Ezechielem  (Homil,  lib.  2, 
Nr.  8j  Migtie  76 j  1032).  sie  videre  poteris  in  vegetabilibus:  vi-  80 
demus  in  vere  et  estate  producere  flores,  frondes  et  fructus, 
et  in  hieme  iUis  spoliari;  redeunte  autem  sole  vernali  rursnm 
induuntur  floribns  et  redduntur  amenitati.  unde  Gregorius :  ,quis 
diffidat  fieri  in  hominibus,  quod  videmus  fieri  in  arboribus?^ 
Job  (14,  7):  ,lignum  habet  spem:  si  precisum  fuerit,  iterum  85 
virescit,  et  si  senuerit  in  terra  radix  ejus  et  mortuus  fuerit 
truncus  ejus,  ad  odorem  aquo  germinabit  et  comam  recipiet 
ut  prius/  Paulus  etiam  dicit  ad  Cor.  (1  Cor.  15, 36):  ,insipiens 
tu,  quod  seminas,  non  vivificatur,  nisi  prius  moriatur.'  sie  ergo 


6S  T-  ilkinndlaaff:    8dh«Bbftoh. 

vides  exempla  in  celeetibas  et  in  vegetabilibos^  yidere  poteris 
et  in  aliis.  candela  extincta  modico  flatn  reinoenditnr^  nt  cre- 
datnr  apertins  factum  miracnlum.  in  animalibos  quoque  same 
notitiam    resurrectionis.    cervos^    cum    senaerit    et    est   prope 

6  mortem,  ad  fontes  aquarom  revireacit.  hec  ergo  omnia  qnan* 
dam  imaginem  et  similitadinem  resarrectioniB  ostendont.  (78^  1) 
sed,  ut  dicit  GregorioB  snper  Eze.:  sepe  de  resarrectione  dubi- 
tantes  pntrescentis  polverem  camis  aspiciunt  —  (seiet  da$ 
frühere   Zitat  fort   tmd  fügt  eine   lange   Stelle   aue   Oregore 

10  Moralien  hinzu,  lib.  6,  cap.  16,  Migne  76,  738 f),  qoia  ex  eo 
forma  reparari  valeat,  qne  non  videtur?  sed  quia  adhnc  quidam 
non  moventnr  nee  sensu  nee  intellecto,  sed  magis  fidem  ad- 
bibent  scripturis,  et  hec  etiam  vnlt  et  exigit  communis  anime 
coneeptio,  ideo  probatur  resurrectio  mortuorum  per  scripta  mo- 

15  saica,  prophetica,  evangelica,  apostolica,  immo,  ut  magis  eon- 
fundantur,  per  verba  gentilia. 

Busticanue  de  Communi  Nr.  10.  Lipe.  496,  4,  1  (sMiefit 
sich  an  oben  S.  29,  7).  De  sjmbolo  fideL  In  omnem  terram 
exivit  sonus  eorum  etc.     (Psalm.  18,  6).     Sequitur:   yCamis  re- 

20  surrectionem/  —  Zunächst  tcerden  die  Verschiedenheiten  des 
jüdischen  Glaubens  dargelegt  und  sehr  drastische  Beispiele  der 
Meinungen  der  Rabbiner  vorgebracht  —  secta  Leonistarum 
tantummodo  in  aliquibus  angulis  serpit  sicut  bufo  et  cancer. 
in  sero  vel  in  nocte  movet   (Hs.  more)   cancer  exiens  de  aqua 

25  ad  agros  vicinos,  valde  nocet  agris;  sie  et  heretici  sicut  bufonee 
et  cancri  latenter  prodeunt  in  sero  et  denuo  se  abscondunt.  — 
4,  2  die  Kirche  stellt  einen  Körper  dar:  ist  ein  Glied  erkrankt, 
dann  werden  auch  die  anderen  geschädigt;  vgl.  8.  9f  Anm,  — 
4,  3:  humana  corpora  a  diabolo  facta  esse,  fabulantur  Manichaei, 

30  ideoque  per  mortem  in  prejacentem  materiam  redire  et  nun- 
quam  resurgere  dicunt.  et  absurdum  et  impossibile  dicunt,  ca- 
davor,  quod  aut  in  terre  pulverem  redigitur  aut  a  bestiis  aut 
avibuB  vel  a  quibuslicet  animantibus  consumitur,  et  in  carnem 
eorum  transibit,  quando  et  per  diversa  terrarum  loca  spargitur, 

85  ut  manus  vel  pes  in  Orientis  partibus,  reliqua  in  Occidentis 
partibus  sepelitur,  et  hunc  pulvisculum  coadunari  in  corpus 
humanumi  —  ex  hoc  patet,  quod  caro,  pellis,  oculi  et  alia 
omnia  membra  resurgunt.  —  4,  4  Bilder  der  Auferstehung 
enthalten  die  Verse: 


Stadiw  m  OiMkiokte  d«  «ItdmftMhen  Pradigt.  68 

carbo  reaocensits  ustns,  fenix  redivivus, 
pelKcani  ptillas,  hinc  post  mortem  redivivus. 
qaidam  tarnen  naturales  non  admittunt^  qnod  fenix  Tel  pellicanus 
reyiriscat.   —  Die  errores  Piatonis  et  Porfirii  über  die  Seelen^ 
Wanderung  werden  durch  ÄuguetintUy  De  dmtaie  Dei  (lib,  10,  5 
cop.  dOy  Migne  42, 309 ff.)  widerlegt.  Deegleicken  (lib.  21  j  cap,  23, 
Migne  42,  736)  die  Meinung  des  Origenes  über  eine  zweite  Auf- 
erstehung  und   Reinigung   der    Bösen.    —   4,  b:   quem  tamen 
articnlnm  qnilibet  apostolomm  dixerit^  ambignnm  est  (vgl.  aber 
oben  8.  24  Anm.).  10 

Rusücofnus  de  Communi  Nr.  27.  Lips.  496, 14,  6  (De  nno 
martyre):  sicnt  sunt  qnidam,  qui  se  mutno  tam  inordinate  dili- 
gnnt^  nty  si  unos  illoram  y eilet  ire  ad  diabolum,  alins  ipsmn 
comitaretur. 

Bustieanus  de  Communi  Nr.  68.  Lips.  496,  39, 1  (De  vir-  i5 
ginibns):  De  triplici  honore  matrimonii.  —  (39,  2)  dicnnt  qaidam 
heretici,  CSathari   et  Eraclite   (l.  Encratite)  et  aliqai  alii,  qnod 
in   matrimonio  nnllos  possit  salvari.   sed  hoc  est  falsissimnm^ 
qnia^   nt  dicit  Bemardns  (Sermones  in  Cantica  Nr.  66,  Migne 
183,  1096 AB):   ^omni  inmnnditie  habenas  taxat^  qui   nuptias  80 
damnat/  item:  ^rara  est  in  terris  continentia,  neqne  pro  tantillo 
qnestn  exinanivit  se  Filius   Dei,  formam  servi  accipiens/   et 
illi  heretici  dicunt,  mulierem  dampnari,  si  pregnans  vel  in  partu 
decedit   quod  manifeste  ostenditur  falsum  in  Elizabeth  inpre- 
gnata,  que  repleta  erat  Spiritu  sancto,  habens  in  utero  infantem,  85 
qne,   si  tunc  mortua  fuisset,  salva  esset,  numquid  beata  Anna, 
habens  in  utero  Mariam,   dampnata  fuisset,   si  sie  decessisset? 
item  Maria,  filia  ejus,  habens  Johannem  et  Jacobum  in  ventre? 

Rusiicanus  de  Communi  Nr.  71.  Lips.  496, 42, 4  (In  Dedic. 
eccl.):   (43,  2)  Häretiker  nehmen  Kupfer  für  Oold,   furfurem  80 
pro  frumento,  vitrum  pro  gemmis. 

Rusticanus   de    Communi   Nr.  81.   Lips.  496,  44,  1    (De 
plurib.  mart.):  (44,  3)  ferat  ad  Jhesum  et  ad  sanctos  ejus  anti- 
quam  fidem  sanctorum  patrum,  quam  omnes  sancti  predecessores 
nostri  habuerunt,  non  novam,  quam  Orthlibus  et  alius  hereticus  85 
nunc  adinvenit. 

Sermones  Speciales,  Nr.  9.  Lips.  496,  66,  4.  Quod  quem- 
fibet  laicum  oportet  et  scire  et  credere,  que  in  anno  celebrantur. 
Dedit  Uli  scientiam  sanctorum,  honestavit  etc.   (Sap.  10, 10). 


64  ▼.  Abhandlang:    SohÖnbaeh. 

vel  aliud  thema.  —  oportet  omninO;  quod  qaedam  credas  aperte 
et  explicite,  ita  schinperlich  et  proprie  et  totaliter,  etiam  si  es 
Simplex  laicas,  si  nescias  iitteram  legere,  at  optimi  clerici  de 
mundo^  ut  papa^  nt  omnes  magistri  Parisias,  vel  dampnaberie. 

5  de  Omnibus  autem  reddere  rationem^  hoc  est  prelatomm  et 
magnorum  clericorum.  dicitis :  ^que  sunt  illa^  ad  que  ita  omnino 
tenemur?'  respondeo,  quod  illa,  que  saneta  eccleeia  semper 
facit  coram  oculis  vestris,  que  fidei  attinent,  et  communia,  que 
in  anno  in  ecclesia  celebrantur.  in  aliis,  que  non  comprehenditis, 

10  debetis  inniti  fidei  romane  ecclesie.  hoc  omnino  oportet,  videtis, 
quod  saneta  ecclesia  frequenter  coram  vobis  celebrat,  et  ideo 
debetis  credere^  quod  sit  bona  res.  dat  nobis  aquam  aspersam, 
baptismum,  confirmationem  etc.  oportet  etiam  ex  necessitate, 
quod  sciatis  expresse  communia,   que  in  anno  celebrantur.   de 

16  Omnibus  autem  reddere  rationem,  hoc  est  prelatomm  et  bonorum 
clericorum.  vestrum  tamen  est,  etiam  in  aliis,  que  non  compre- 
henditis,  inniti  fidei  romane  ecclesie.  que  igitur  sint,  que  yos 
expresse  scire  oportet,  ut  papam,  ut  me,  ut  quemlibet  clericum, 
hec  sunt  illa  communia^   que  in  anno  celebrantur.  notate  dili- 

20  genter.  celebratur  festum  sancte  trinitatis  in  dominica  post 
Pentecosten  et  omni  dominica  usque  ad  Adventum.  hoc  instituit 
Spiritus  sanctus  et  ecclesia  saneta  Deo  ad  honorem,  omnibns 
laicis  ad  fidei  instructionem,  ut  per  hoc  sciant  et  credant,  quod 
Pater  et  Filius  et  Spiritus   sanctus  sunt  unus  Dens.  —  ita  die 

26  ad  plura  alia.  —  qui  fecit  celum  illud^  quod  nos  yidemus,  et 
terram  istam^  quam  nos  calcamus,  et  illud  mare  et  infema  et 
quidquid  est  in  illo  celo  et  in  illa  terra  et  in  illo  mari  et  in 
inferno  et^  ut  breviter  dicam,  quidquid  videri  potest  et  videri 
non  potest.  item^   celebramus  festum   sancte  Marie  in  Quadra- 

80  gesima,  quod  dicitur  festum  Annunciationis,  Deo  ad  honorem^ 
nobis  ad  instructionem  ad  hoc,  ut  firmiter  et  expresse  credatis, 
quod  ille  Dens  in  die  Annunciationis  creavit  unam  animam, 
et  unum  corpus  mortale  formavit  de  carne  beate  Virginia,  fe- 
mine  mortalis  et  hujus  nostre  nature,  et  ista  duo  cum  omnibus 

85  effectibus  eorum  preter  peccatum  et  ignorantiam  suscepit  ipae 
Filius  in  unitatem  persone  sue  in  utero  ipsius  Virginis,  et  hoc 
totum  factum  est  in  simul  et  in  puncto,  et  credo,  quod  natus 
est  de  ea  Virgine  in  die  Nativitatis,  et  fuit  circumcisus  in  die 
Circumcisionis,   et  adoratus  est  a  tribus  regibus  et  baptisatus 


Stadien  mr  G«0e1iie1ita  der  altdentBeben  Predigt.  65 

in  die  ApparitioniS;  et  oblatns  in  templo  in  die  Pnrificationis, 
et  XXXIII.  anno  a  nativitate  sna  in  saneta  vespera  qninte  ferie 
primns  missam  primam  celebrayit  et  corpus  snum  sanetissimum 
discipolis  suis  dedit.  et  in  sequenti  saneta  feria  sexta  fuit  cru- 
cifixuSy  mortuus  et  sepultus,  et  descendit  ad  inferna,  et  extraxit  ö 
inde  amicos  suos  et  dimisit  ibi  inimicoSy  et  resurrexit  in  die 
Pasche  et  ascendit  ad  celos  in  die  Ascensionis^  et  inde  misit 
Spiritum  sanctum  in  specie  linguarum  ignearum  super  apostolos 
in  die  PenthecosteS;  et  ibi  requiescit  Dominus  et  gubernator 
totius  creature^  et  inde  venturus  est^  judicare  vires  et  mortuos,  lo 
bonos  et  malos,  in  die  judicii.  et  credo^  quod  virtus  et  efficacia 
sacramentoram  est  necessaria  (in)  nostra  katholica  (ecciesia), 
qne  dicitur  romana^  et  credo,  quod  per  veram  penitentiam  in 
dicta  (ecciesia)  nostra  etiam  remittuntur  omnia  peccata.  et  credo^ 
quod  omnes  homines  (56^  6),  viri  et  mulieres^  parvi  et  magni,  15 
resnrgent  in  eisdem  corporibus^  in  quibus  vixerunt  in  vita  ista, 
in  die  judicii ^  et  omnes  boni  habebunt  vitam  eternam  cum 
angelis  in  celo^  et  omnes  superbi  vel  avari  yel  luxuriosi,  qui 
decesserunt  in  mortali  peccato,  habebunt  dampnationem  per- 
petuam  cum  demonibus  in  inferno.  hec  est  fides  mea^  a  qua  20 
prius  quam  recederem^  dimitterem  me  occidi.  —  quod  festa 
Angelorum  et  Sanotorum^  quia  angeli  (et  sancti)  nunc  sunt 
cum  eo  in  magno  feste,  quod  Animarum^  quia  eis,  qui  in  fide 
et  in  penitentia  mortui  sunt,  potest  subyeniri.  Quod  Dedicationes 
ecclesie  soUempnissime,  ubi  episcopus  jubet  ejici  fetida  cadavera  20 
mortuorum  de  ecciesia,  et  introducit  sanctuaria  sanctorum  et 
aspergit  et  incendit  multum  iumen,  ostendit,  quod  scire  oportet, 
quod  in  judicio  sunt  mali  omnes  fetidi,  usurarii  et  ceteri  omnes 
ejicientur  a  mundo.  —  et  ut  sancti  per  episcopum  in  diversas 
mansiones  locantur,  alius  in  yas  plumbeum,  alius  in  stagneum,  80 
eneum,  aureum,  argenteum,  cristallinum,  gemmeum,  ita  Dominus 
tunc  locabit  sanctos,  alios  in  inferiorem  chorum,  alios  etc.  et 
tunc  altos  cantus  et  soUempnis  angelorum  et  sanctorum. 

Sermanes  Speciales  Nr.  20.  Lips.  496 ^  69,  1 :  bos,  qui  plus 
ceteris  animalibus  laborat,  et  aridis  pascitur^  et  qui  valde  ma-  85 
ture  incedit,  et  qui  excoriabatur  et  in  frusta  concidebatur  in 
odorem  suavissimum,  ita  homo  evangelicus  non  debet  ingluviosus 
esse  ad  hec  temporalia,  sed  parcus  et  moderatus.  —  ita  die  ad 
alia  yitia. 

Sitsoacebw.  d.  phU.-Uei.  Kl.  CXLYIL  Bd.  6.  Abk.  5 


64  ▼.  Abb'  ^     . 


vel  aliud  thema.  ^  ^.  ^^^  ^^^^  7^^  g   (^^  g^pj^n, 

et  exphoite,  ita  ,^j^g   letificant  diabolum.  historia 

Simplex  Ulcus  '        '^/pibus  ejus.)  Tubal  =  condempnans 

mundo,  ut  pr  -     ^^^  supplico  propter  Jhesum  Christum, 

omniDUF        .■  .' .'^loa   et  archangelos,  thronos   et   omnes 

magnoruir  .  .,  ,--,   j^mibus  et  angnlis  non  audiatis.   testem 

lenemur  ',  ^,  ^^gjmn  ^t  terram,  ut  sitis  inexcommunic&bileSy 

*^     ^  •'  ''^''"^  mulieres  et  laico8  docentes,   et  subtilia  et 

*"  *"  ^^  iTnoo  curetis.  portant  enim  feces  suornm  dog- 

^^     ^  ^^    ^gulos   domorum,   non  ad  solem.   sed  nos  litterati 

^'  ^^^gtr^m  in   sole  et  in  Ince   predicamus.   nnde,   qoia  isti 

V'^  ^brertnnt ,   sicat  combarantur  corpore^  ita  et  anima 

^^^gr  in  inferno.  foris  et  intus  igniS;  ad  oculos,  aures,  ossa, 

'^'CSf  «rticulos,  digitos;  ungueS;  ut  omnia  ardeant  in  perpetuum 

^  canam.  exemplum  illorum^  quos  porei  laceravenint. 

/•^        lAp8,496,96,3  (Sermo  de  Septem  aacrameniis):  baptismus. 

^  obi   opponunt  heretici  quidam:   ^qui  credit^   dicit  Dominus; 

^  pueri  non  credunt^  quia  nesciunt  credere^   ergo  condemp- 

uabuntur/  stultam  dicimus  hanc  objectionem,  errant^  non  enim 

^  iotelligentes  Scripturas.  —  sed  objicit  hereticus:  ^quomodo  sal- 

vabitur   puer^   qui  nil  boni   fecit   vel   meruit?^    respondeo:   ex 

Dei  larga  misericordia  salvabitur.   —  nota:  si  pupillis  nescien- 

tibus  et  non  yolentibus  lucrum  acquiritur  temporale  a  tutoribus, 

et  conditionem  illorum  Uli  possunt  facere  meliorem,   non   dete- 

25  riorem,   multo  fortius  in   spiritualibus  hoc  contingit.   sed   dicit 

hereticus:   ^unde   habes,    quod   fide   alterius   aliquis   salvetur?' 

respondeo:  ex  evangelio  de  muliere  Chananea. 

Rusticanus  de  Sanctis  Nr.  6,  Lips,  498, 13, 1  (S.  Dianysti) 
De  quinque  bonis,  per  que  homo  sanctificatur^  signatis  in  quin- 
30  que  aromatibus  olei  unctionis.  —  tertium  est  fides.  tria  sunt 
inter  multa^  que  fidem  nostram  in  cordibus  hominum  valde 
confirmant.  primum  est  miraculorum  exhibitio,  quam  nuUa  secta 
alia  habuit  unquam.  miracula  enim  fidei  nostre  ab  Abel  ceperant 
—  (13^  2)  similiter  et  aliis  quinque  etatibus.  —  sub  ill&,  que  a 
35  Christo,  in  qua  maxime  multiplicantur,  quoniam  fideles  tunc 
maxime  miraculis  claruerunt  in  tantum,  quod  etiam  per  mor- 
tuos  plurimum  multiplicata  sunt,  quia  primum  ad  gloriam  ce- 
lestem  sub  hac  etate  conscenderunt.  —  secundum  testium  mul- 
titudo.  —  tertium,  quod  fides  nostra  de  Deo  et  de  ipso  homine 


Stadien  zur  GeMhiehte  der  altdenfteclien  Predigt.  67 

jra   sentit,   vere   de  Deo   sentit   dignissima.  alie   enim 

aale  sentiunt  vel  de  Dei  omnipotentia,  sicnt  illi;  qui  negant 
xm  posse  Corpora  nostra  suscitare^  vel  nataram  nostram 
^otaisse  assumere.  negant  Deum  illad  posse,  quod  ipsi  neqaeunt 
intelligere.  qnod  est  magna  stultitia,  cum  etiam  in  istis  inferio*  & 
ribns  molta  sint,  que  comprehendere  neqaeunt,  sicut  operationes 
falminis,  numeram  gattarum  maris^  capilloram  capitis,  venarum 
corporis  et  hujusmodi.  alii  male  de  Dei  sapientia,  ut  Gnonite 
(l.  Agnoetes),  qui  dicti  sunt  ab  ignorantia,  quod  Christi  deitas,  que 
sunt  scripta  de  futura  die  et  hora,  ignorent.  alii  de  Dei  bonitate,  ut  ^0 
qui  negant  veniam  peccatornm.  Cathori  penitentiam  refutant.  alii 
de  ejusju3titia,ut  qui  negant  cum  vindicaturum  peccata  eternaliter. 

RiisticantM  de  Sanctis  Nr.  8,  Lips.  498, 15, 1  (St  Simonis 
et  Jude  apostolorum)  De  quatuor  mirabilibus,  que  Dens  facit 
cum  hominibus  salvandis.  —  prima  est  infirmitas  incurabilis  l^ 
etiam  Ipocrati,  Galieno  et  Avicenne,  est  inveterata  lepra 
=  heresis.  —  hereticus  dolet,  si  commendatur  fides  nostra. 
qnomodo  ergo  curabitur?  si  hereticus  non  esset,  fieri  vellet, 
ut  demones,  si  essent  cum  angelis  in  celo,  tarnen  diaboli  fieri 
vellent.  ita  talis  hereticus.  dicit  aliquis:  ,jurant  vel  accusant  20 
alios;  quomodo  ergo  potest  hoc  esse?^  dico:  quod  faciunt  plus 
ex  timore  quam  amore.  timent  enim  combnri,  ideo  jurant. 

Rusticanus  de  Sanctis.  Lips.  498,  28,  2  (S,  Martini):  Die 
Ketzer  sicut  lignum  putridum,  quod  in  tenebris  lucet,  verglichen 
mit  der  Sonne  des  Glaubens.  26 

Rusticanvs  de  Sanetis,  Lips,  498,  77,  2  (S.  Silvestri), 
Quod  Christus  est  sol,  et  de  quatuor  generibus  hominum,  qui 
istum  solem  non  diligunt,  ad  instar  quatuor  avium  lucifugorum. 
—  similiter  et  nicticorax,  qui  significat  hereticos,  valde  fetidum 
o8  habentes  sicut  nicticorax.  ipsi  enim  valde  horribilia  de  sanetis-  30 
sima  et  purissima  fide  nostra  mentiuntur:  quod  sacramenta 
ecclesie  nullum  habeant  vigorem,  et  multa  hujusmodi  fetida 
emittunt,  que  quidem  aliis  hereticis  non  fetent,  ut  nee  os  nicti- 
coracis  alteri,  nee  vermibus  cloace  fetor  luti,  nee  porcis  fetor 
fimi.  —  Es  werden  aufgezählt:  Carpocrates  —  Cherintus  et  36 
Ebion  —  Valentinus  —  Nestorius  —  Appelles  —  ApoUinaris.  — 
vespertilio,  que  nee  avis  nee  bestia  est  —  volat  enim  ut  avis, 


16  flf.  =  2  Frib.  30*.  28  f.  ^l  Pfeiffer  62,  26.  260,  22  u.  s.  w. 

5* 


66  V.  Abhandliinf :    8e1i6nbao1i. 

Sermones  Speciales  Nr,  25.  Lips,  496y  74^  6.  (De  Septem 
generibuB  hominum,  qne  maxime  letificant  diabolam.  historia 
de  Pharao  et  Septem  principibus  ejus.)  Tubal  =  condempnaius 
UDiversa  =  heretieos.  ande  sapplico  propter  Jhesum  Christum, 
5  beatam  Virginem,  angelos  et  archangelos,  thronoa  et  omnes 
sanctoSy  ut  ipsos  in  domibns  et  angalis  non  aadiatis.  testem 
invoco  coram  vobis  celom  et  terram,  nt  sitis  inexcommunicabiles, 
ut  taleS;  et  maxime  mulieres  et  laicos  docentes^  et  snbtilia  et 
dulcia  docentes^   non  curetis.   portant  enim  feces  saomm  dog- 

10  matum  in  angulos  domorum^  non  ad  solem.  sed  nos  litterati 
fidem  nostram  in  sole  et  in  lace  predicamus.  ande,  qoia  isti 
maltos  sabvertanty  sicut  combaruntur  corpore,  ita  et  anima 
cremantur  in  inferno.  foris  et  intas  ignis,  ad  ocalos,  aores,  oasa, 
nervös,  articalos,  digitos,  angaes,  ut  omnia  ardeant  in  perpetanm 

16  more  canam.  exempium  illoram,  qnos  porei  laeeravemnt. 

Lip8.496y96,3  (Sermo  de  Septem  sacramentis) :  baptismns. 
—  ubi  opponunt  heretici  qaidam:  ,qai  credit^  dicit  Dominos; 
sed  pueri  non  credunt,  quia  nesciunt  credere,  ergo  condemp- 
nabnntar/  staltam  dicimus  hanc  objeetionem,  errant,  non  enim 

20  intelligentes  Scriptaras.  —  sed  objicit  hereticas:  ,qaomodo  sal- 
vabitar  paer,  qai  nil  boni  fecit  vel  meruit?^  respondeo:  ex 
Dei  larga  misericordia  salvabitor.  —  nota:  si  papillis  nescien- 
tibns  et  non  yolentibas  lucrum  acqairitar  temporale  a  tutoribos, 
et  conditionem  illoram  illi  possant  facere  meliorem,   non    dete- 

25  riorem,  multo  fortias  in  spiritaalibas  hoc  contingit.  sed  dicit 
hereticas:  ,ande  habes,  quod  fide  alterias  aliqnis  salvetnr?^ 
respondeo:  ex  evangeiio  de  mauere  Chananea. 

Rusticanus  de  Sanctis  Nr.  6.  Lips.  498, 13, 1  (S.  Dionysii) 
De  qainqae  bonis,  per  qae  homo  sanctificatar,  signatis  in  qain- 

80  qae  aromatibas   olei  anctionis.   —  tertiam  est  fides.  tria  saut 
inter  malta,   qae   fidem  nostram   in   cordibas   hominam   valde 
confirmant.  primam  est  miracaloram  exhibitio,  quam  nalla  secta 
alia  habait  unqaam.  miracala  enim  fidei  nostre  ab  Abel  ceperant 
j  —  (13, 2)  similiter  et  aliis  qainqae  etatibas.  —  sab  illa,  qae  a 

35  Christo,  in  qaa  maxime  maltiplicantar,  qaoniam  fideles  tanc 
maxime  miracalis  claraerant  in  tantam,  qaod  etiam  per  mor- 
taos  plarimam  maltiplicata  sant,  qaia  primam  ad  gloriam  ce* 
lestem  sab  hac  etate  conscenderant  —  secandam  testiom  mul- 
titado.  —  tertiam,  qaod  fides  nostra  de  Deo  et  de  ipso  homine 


Studien  zur  GMohiolite  der  altdeutechen  Predigt.  67 

probabiliora   sentit,   vere   de  Deo   sentit   dignissima.  alie   enim 
secte  male  sentiunt  vel  de  Dei  omnipotentia,  sicut  illi^  qni  negant 
Deum    posse   corpora   nostra   sascitare^    vel   naturam    nostram 
potuisse  assamere.  negant  Deum  illod  posse,  quod  ipsi  neqaeunt 
intelligere.  qnod  est  magna  stnltitia;  cum  etiam  in  istis  inferio-  5 
ribns  molta  sint,  qae  comprehendere  nequeunt,  sicat  operationes 
falminis,  nnmeram  giittarnm  maris^  capilloram  capitis,  venarum 
corporis  et  hujasmodi.   alii  male  de  Dei  sapientia,  ut  Gnonite 
(Z.  Agnoetes),  qui  dicti  sunt  ab  ignorantia,  quod  Christi  deitas,  qae 
sant  scripta  de  fatara  die  et  hora,  ignorent.  alii  de  Dei  bonitate,  nt  ^0 
qui  negant  veniam  pe'ccatoram.  Cathori  penitentiam  refntant.  alii 
de  ejus  justitia,  nt  qoi  negant  cum  vindicaturnm  peccata  eternaliter. 
RusticaniLS  de  Sanctis  Nr,  8.  Ups,  498, 15, 1  (St,  Simonis 
et  Jude  apostolorum)  De   qoatnor  mirabilibus,   qae  Dens  facit 
cum   hominibas   salvandis.   —   prima   est  infirmitas   incarabilis  ^^ 
etiam    Ipocrati,    Galieno    et    Ayicenne,    est    inveterata    lepra 
=   heresis.   —  hereticns   dolet,   si   commendatnr  fides   nostra. 
quomodo  ergo   carabitar?  si   hereticus  non  esset,   fieri  Teilet, 
ut  demones,   si  essent  cum  angelis  in  celo,  tamen  diaboli  fieri 
vellent.   ita  talis   hereticns.   dicit  aliqais:   ,jarant   vel   accasant  20 
alios;   qaomodo  ergo  potest  hoc  esse?^  dico:   qnod  faciunt  plas 
ex  timore  quam  amore.  timent  enim  combari,  ideo  jurant. 

RiLsticanus  de  Sanctis,  Lips.  498 ,  2Ä,  2  (S.  Martini):  Die 
Ketzer  sicnt  lignam  putridnm,  quod  in  tenebris  lucet,  verglichen 
mit  der  Sonne  des  Glaubens.  25 

Rusticanus  de  Sanctis,  Lips,  498,  77,  2  (S.  Silvestri), 
Quod  Christus  est  sol,  et  de  quatuor  generibus  hominum,  qui 
istum  solem  non  diligunt,  ad  instar  quatuor  avium  lucifugorum. 
—  similiter  et  nicticorax,  qui  significat  hereticos,  valde  fetidum 
OS  habentes  sicut  nicticorax.  ipsi  enim  valde  horribilia  de  sanctis-  30 
sima  et  purissima  fide  nostra  mentiuntur:  quod  sacramenta 
ecclesie  nullum  habeant  vigorem,  et  multa  hujusmodi  fetida 
emittunty  que  quidem  aliis  hereticis  non  fetent,  ut  nee  os  nicti- 
coracis  alteri,  nee  vermibus  cloace  fetor  luti,  nee  porcis  fetor 
fimi.  —  Es  werden  aufgezählt:  Carpocrates  —  Cherintus  et  36 
Ebion  —  Valentinus  —  Nestorius  —  Appelles  —  ApoUinaris.  — 
vespertilio,   que  nee  avis  nee  bestia  est  —  volat  enim  ut  avis, 


16  flf.  =  2  Frih.  30'.  23  f.  vgl  Pfeiffer  62,  26.  260,  22  u,  a.  w. 

6* 


Sermonet  Speciales  Nr.  25.  lApB.  496,  74,  6.  (De  Bepteai 
generibaa  hominam,  qae  maxime  letificant  diabolom.  hiBtoru 
de  Pharao  et  septem  principiboa  ejoB.)  Tabal  =  condempauu 
oniversR  ^  hereticos.  imde  sopplico  propter  Jhesom  Christom, 
g  beatam  Virginem,  angelos  et  arcbangelos ,  thronos  et  omnes 
sanctos,  at  ipsoB  in  domibas  et  aogolis  non  audiatia.  testem 
invoco  coram  vobis  celum  et  terram,  nt  sitis  inexcommanicabileG, 
nt  talea,  et  maxime  mnliereB  et  laicoa  docentes,  et  eabtilia  et 
dnlcia   docentes,  dod  cnretis.   portant  enim  feces   aaoram  dog- 

10  matnm  in  angaloa  domornm,  non  ad  aolem.  aod  nos  litterati 
fidem  nostram  in  sote  et  in  Ince  predicamas.  ande,  qnia  isd 
maltos  anbvertant,  sicat  combarantor  corpore,  ita  et  aninu 
cretnaotur  in  inferno.  foria  et  intna  ignia,  ad  ocnloa,  aares,  osss, 
nervös,  articnloB,  digitos,  angaes,  nt  omnia  ardeant  in  perpetnam 

15   more  cannm.  ezemplum  illorara,  qaos  porci  laceravemnt. 

Lips.  496,96,3  (Sermo  de  septem  sacramentit):  baptismns. 

—  abi  opponant  heretici  qoidam:  ,qai  credit,  dicit  Dominua; 
sed  paeri  non  credant,  qaia  nescinnt  credere,  ergo  condemp- 
nabantnr.'  atnltam  dicimus  banc  objectionem,  errant,  non  eoim 

80  intelligentes  Scriptarae.  —  aed  objieit  hereticns:  ,qiioinodo  sal- 
vabitar  paer,  qai  nil  boni  fecit  vel  mernit?'  reapondeo:  ex 
Dei  largs  miaericordia  ealTabitnr.  —  nota:  ai  pnpillia  oescieD- 
tibna  et  non  volentibas  Incrnm  acquiritar  temporale  a  totoribns, 
et  conditionem  illomm  Uli  poasant  facere  meliorem,   non    dete- 

85  riorem,  molto  fortioa  in  apiritoalibna  hoc  contiogit.  aed  dicit 
hereticns:  ,ande  habes,  qood  fide  alteriaa  aliqnis  aalvetnr?' 
reapondeo:  ex  erangetio  de  maliere  Cbananea. 

Rusticanui  de  Sancti»  Nr.  6.  Ups.  498, 13, 1  (S.  JXonynij 
De  qninqae  bonis,  per  qae  homo  sanctificator,  aigoatia  in  qain- 

30  qae  arotnatibas  olei  ooctionie.  —  tertiam  eat  fidea.  tria  atmt 
inter  malta,  qae  fidem  nostram  in  cordibas  hominam  valde 
confirmant.  primam  est  miracoloram  exhibitio,  qaam  nalla  aecU 
alia  habait  anqaam.  miracala  enim  fidei  noatre  ab  Abel  cepernnt. 

—  (13,  2)  similiter  et  aliia  qoinqae  etatiboa.  —  sab  illa,  qae  a 
35  Christo,   in   qaa   maxime  maltipUcantar,  qaoniam   fideles  tone 

maxime  miracalis  claraemat  in  tantam,  qaod  etiam  per  mor- 
taos  plarimam  maltiplicata  aoat,  qaia  primmn  ad  ^oriam  ce- 
testem  aab  hac  etate  conacenderant.  —  secandom  tesUam  mnl- 
titado.  —  tertiam,  qaod  fides  nostra  de  Deo  et  de  ipso  homine 


Studien  zur  Geschichte  der  altdentechen  Predigt.  67 

probabiliora   sentit,   vere   de  Deo   sentit   dignissima.  alie   enim 
secte  male  sentinnt  vel  de  Dei  omnipotentia^  sicut  Uli;  qni  negant 
Deum    posse   corpora   nostra   sascitare,    vel  natnram   nostram 
potuisse  assamere.  negant  Deam  illad  posse,  quod  ipsi  nequeunt 
intelligere.  qnod  est  magna  stnltitia;  cum  etiam  in  istis  inferio-  5 
ribos  molta  sint,  que  comprehendere  nequeunt,  sicut  operationes 
fulminis,  numeram  guttarum  maris^  capillorum  capitis,  venarum 
corporis  et  hujusmodi.   alii  male  de  Dei  sapientia,  ut  Gnonite 
(Z.  Agnoetes),  qui  dicti  sunt  ab  ignorantia,  quod  Christi  deitas,  que 
sunt  scripta  de  futura  die  et  hora,  ignorent.  alii  de  Dei  bonitate,  ut  10 
qai  negant  veniam  peccatornm.  Cathori  penitentiam  refutant.  alii 
de  ejusju3titia,ut  qui  negant  eum  vindicaturum  peccata  eternaliter. 
Rusticanus  de  Sanctis  Nr,  8,  Lips,  498, 15, 1  (St.  Simonis 
et  Jude  apostolorum)  De   quatuor  mirabilibus,   que  Dens  facit 
cum   hominibus   salvandis.   —   prima   est  infirmitas   incurabilis   i^ 
etiam    Ipocrati,    Galieno    et    AyicennC;    est    inveterata    lepra 
=   heresis.   —  hereticus   dolet,   si   commendatur  fides   nostra. 
quomodo   ergo   curabitur?   si   hereticus  non  esset,   fieri  Teilet, 
ut  demones,   si  essent  cum  angelis  in  celo,   tamen  diaboli  iieri 
vellent.   ita  talis   hereticus.   dicit   aliquis:   ,jurant   vel   accusant  20 
alios;   quomodo  ergo  potest  hoc  esse?^  dico:   quod  faciunt  plus 
ex  timore  quam  amore.  timent  enim  combnri,  ideo  jurant. 

Rit8ticanu8  de  Sanctis,  Lips,  498,  28,  2  (S.  Martini):  Die 
Ketzer  sicut  lignum  putridum,  quod  in  tenebris  lucet,  t)erglichen 
mit  der  Sonne  des  Glaubens,  25 

Rusticanus  de  Sanctis,  Lips,  498,  77,  2  (S.  Silvestri). 
Quod  Christus  est  sol,  et  de  quatuor  generibus  hominum,  qui 
istum  solem  non  diligunt,  ad  instar  quatuor  avium  lucifugorum. 
—  similiter  et  nicticorax,  qui  significat  hereticos,  valde  fetidum 
OB  habentes  sicut  nicticorax.  ipsi  enim  valde  horribilia  de  sanctis-  30 
sima  et  purissima  fide  nostra  mentiuntur:  quod  sacramenta 
ecclesie  nullum  habeant  vigorem,  et  multa  hujusmodi  fetida 
emittunt,  que  quidem  aliis  hereticis  non  fetent,  ut  nee  os  nicti- 
coracis  alteri,  nee  vermibus  cloace  fetor  luti,  nee  porcis  fetor 
fimi.  —  Es  werden  aufgezählt:  Carpocrates  —  Cherintus  et  36 
Ebion  —  Valentinus  —  Nestorius  —  Appelles  —  ApoUinaris.  — 
vespertilio,  que  nee  avis  nee  bestia  est  —  volat  enim  ut  avis, 


16  ff.  =  2  Frib.  30'.  23  f.  vgl  Pfeiffer  62,  25.  260,  22  u.  a.  w?. 

6* 


66  V.  Abluuidliinf :    SehAnbaoli. 

Sertnonea  Speciales  Nr.  25,  Lipa.  496 j  74,  6,  (De  Septem 
generibus  hominnm,  qae  maxime  letificant  diabolam.  historia 
de  Pharao  et  Septem  principibos  ejus.)  Tabal  =  condempnans 
aniversa  =  hereticos.  nnde  supplico  propter  Jhesnm  Christum, 
5  beatam  Virginem^  angelos  et  archangelos,  thronoa  et  omnes 
sanetosy  nt  ipsos  in  domibas  et  angalis  non  audiatis.  testem 
invoeo  coram  vobis  celum  et  terram,  nt  sitis  inexcommanicabiles, 
ttt  taleS;  et  maxime  malieres  et  laicos  docentes^  et  snbtilia  et 
dnlcia  docentes^   non  cnretis.   portant  enim  feces  saoram  dog- 

10  matnm  in  angalos  domoram^  non  ad  solem.  sed  nos  litterati 
fidem  nostram  in  sole  et  in  luce  predicamns.  nnde^  qma  iäti 
maltos  subvertnnty  sicut  combnruntur  corpore ,  ita  et  anima 
cremantnr  in  inferno.  foris  et  intns  ignis;  ad  ocnlos,  aores,  ossa, 
nervös,  articnlos,  digitos,  nngnes,  nt  omnia  ardeant  in  perpetanm 

16  more  canum.  exemplnm  illornm,  qnos  porei  laceravemnt. 

Lip8,496,96,3  (Sermo  de  Septem  sacramentis):  baptismns. 

—  nbi  opponnnt  heretici  qnidam:  ,qni  credit,  dicit  Dominos; 
sed  pueri  non  crednnt,  quia  nesciant  credere,  ergo  coodemp- 
nabnntur/  stnltam  dicimns  hanc  objectionem,  errant,  non  enim 

20  intelligentes  Scriptoras.  —  sed  objicit  hereticns:  ^quomodo  sal- 
vabitnr  pner,  qui  nil  boni  fecit  vel  meruit?'  respondeo:  ex 
Dei  larga  misericordia  salvabitnr.  —  nota:  si  pupillis  nescien- 
tibus  et  non  volentibas  Incrnm  acquiritnr  temporale  a  tutoriboB, 
et  conditionem  illomm  illi  possunt  facere  meliorem,   non    dete- 

25  riorem,  mnlto  fortios  in  spiritnalibns  hoc  contingit.  sed  dicit 
hereticns:  ,nnde  habes,  qnod  fide  alterins  aliqnis  salvetnr?^ 
respondeo:  ex  evangelio  de  mnliere  Chananea. 

Rusticanus  de  Sanctia  Nr,  6.  Lips.  498, 13, 1  (S.  Dionysii) 
De  quinqae  bonis,  per  qne  homo  sanctificatnr;  signatis  in  quin- 

80  qae  aromatibas  olei  anctionis.  —  tertiam  est  fides.  tria  snat 
inter  molta,  qae  fidem  nostram  in  cordibos  hominom  valde 
confirmant.  primam  est  miracaloram  exhibitio,  qoam  naila  secta 
alia  habait  anqaam.  miracala  enim  fidei  nostre  ab  Abel  ceperunt 

—  (13, 2)  similiter  et  aliis  qoinqae  etatibos.  —  sab  illa,  qae  a 
35  Christo,   in   qna   maxime  maltiplicantar,  qaoniam  fideles  tnnc 

maxime  miracalis  claraerant  in  tantnm,  qaod  etiam  per  mor- 
taos  plarimam  maltiplicata  sant,  qaia  primam  ad  gloriam  ce* 
lestem  sab  hac  etate  conscenderant  —  secandam  testiam  mol- 
titado.  —  tertiam,  qaod  fides  nostra  de  Deo  et  de  ipso  homine 


Stadien  snr  G«Mhielite  der  altdentaolieD  Predigt.  67 

probabiliora  sentit,   vere   de  Deo   sentit   dignissima.  alie   enim 
secte  male  sentinnt  vel  de  Dei  omnipotent ia^  sicut  illi;  qui  negant 
Denm    posse    corpora   nostra   suscitare^    vel   nataram   nostram 
potnisse  assumere.  negant  Denm  illad  posse^  quod  ipsi  neqnennt 
intelligere.  qnod  est  magna  stultitia,  cum  etiam  in  istis  inferio-  5 
ribus  molta  sint,  que  comprehendere  nequeunt^  sicat  operationes 
falminiSy  numerum  gattarnm  maris^  capilloram  capitis,  venarnm 
corporis  et  hujnsmodi.   alii  male  de  Dei  sapientia,  ut  Gnonite 
(2.  AgDoetes),  qui  dicti  sunt  ab  ignorantia,  quod  Christi  deitas^  qae 
sunt  scripta  de  futura  die  et  hora,  ignorent.  alii  de  Dei  bonitate,  ut  ^0 
qai  negant  veniam  peccatoram.  Cathori  penitentiam  refutant.  alii 
de  ejus  jostitia^nt  qui  negant  eum  vindicaturnm  peccataeternaliter. 
Ru$iicanu8  de  Sanctis  Nr,  8,  Ups.  498, 15, 1  (St,  Simonis 
et  Jude  apostolorum)  De   qoataor  mirabilibus^   qae  Dens  faeit 
cum   hominibas  salvandis.   —   prima   est  infirmitas  incnrabilis  l& 
etiam    Ipocrati^    Galieno    et    Avicenne;    est    inveterata    lepra 
==   heresis.   —  hereticus   dolet,  si  commendatur  fides   nostra. 
qnomodo  ergo  enrabitur?  si  hereticus  non  esset  ^   fieri  Teilet, 
ut  demones,   si  essent  cum  angelis  in  celo^  tamen  diaboli  fieri 
vellent.   ita  talis   hereticus.   dicit  aliquis:   Jurant   vel   accusant  20 
alios;   qnomodo  ergo  potest  hoc  esse?^  dico:   quod  faciunt  plus 
ex  timore  quam  amore.  timent  enim  combnri^  ideo  jurant. 

Riisticanus  de  Sanctis.  Lips.  498,  28,  2  (S,  Martini):  Die 
Ketzer  sicut  lignum  putridum,  quod  in  tenebris  lucet,  verglichen 
mit  der  Sonne  des  Olauhens.  26 

Rusticanus  de  Sanctis,  Lips.  498,  77,  2  (S,  Silvestri), 
Quod  Christus  est  sol,  et  de  quatuor  generibus  hominum,  qui 
istum  solem  non  diligunt,  ad  instar  quatuor  avium  lucifugorum. 
—  similiter  et  nicticorax,  qui  significat  hereticos,  valde  fetidum 
OS  habentes  sicut  nicticorax.  ipsi  enim  valde  horribilia  de  sanctis-  30 
sima  et  purissima  fide  nostra  mentiuntur:  quod  sacramenta 
ecclesie  nullum  habeant  vigorem,  et  multa  hujusmodi  fetida 
emittunt,  que  quidem  aliis  hereticis  non  fetent,  ut  nee  os  nicti- 
coracis  alteri,  nee  vermibus  cloace  fetor  luti,  nee  porcis  fetor 
fimi.  —  Es  werden  aufgezählt:  Carpocrates  —  Cherintus  et  86 
Ebion  —  Valentinus  —  Nestorius  —  Appelles  —  ApoUinaris.  — 
vespertilio,  que  nee  avis  nee  bestia  est  —  volat  enim  ut  avis, 


16  ff.  =2  fWÄ.  aC.  23  f.  vgl  Pfeiffer  62,  26.  260,  22  u,  a.  »r. 

6* 


66  V.  Abluuidliinf :    SehOnbaoh. 

Sermones  Speciales  Nr,  26,  Lips.  496 ^  74,  6,  (De  Septem 
generibus  hominani;  que  maxime  letificant  diabolam.  historia 
de  Pharao  et  Septem  principibos  ejus.)  Tabal  =  condempnans 
universa  =  hereticos.  unde  supplico  propter  Jhesum  Christam, 
5  beatam  Virginem,  angelos  et  archangelos,  thronos  et  omnes 
sanetosy  at  ipsos  in  domibus  et  angalis  non  aadiatis.  testem 
invoeo  coram  vobis  celam  et  terram,  nt  sitis  inexcommmiicabileS; 
nt  tales,  et  maxime  mulieres  et  laicos  doceBteS;  et  snbtilia  et 
daicia   docentes^   non  cnretis.   portant  enim  feces  saorum  dog- 

10  matam  in  angalos  domorum^  non  ad  solem.  sed  nos  litterati 
fidem  nostram  in  sole  et  in  luce  predicamos.  unde,  qnia  isti 
multos  subvertunt^  sicut  comburuntur  corpore,  ita  et  anima 
cremantar  in  inferno.  foris  et  intus  ignis,  ad  oculos,  aares,  ossa, 
nervös,  articulos,  digitos,  nngnes,  at  omnia  ardeant  in  perpetnnm 

16  more  canum.  exemplum  illorum,  quos  porei  laceraverant. 

Lips,  496,  96, 3  (Sermo  de  Septem  sacramentis):  baptismos. 

—  ubi  opponunt  beretici  quidam:  ,qai  credit^  dicit  Dominus; 
sed  pueri  non  credunt,  quia  nesciunt  credere,  ergo  condemp- 
nabuntur/  stultam  dicimus  haue  objectionem,  errant,  non  enim 

20  intelligentes  Scripturas.  —  sed  objicit  hereticus:  ,quomodo  sal- 
vabitur  puer,  qui  nil  boni  fecit  vel  meruit?^  respondeo:  ex 
Dei  larga  misericordia  salvabitur.  —  nota:  si  pupillis  nescien- 
tibus  et  non  volentibus  lucrum  acquiritur  temporale  a  tutoribus, 
et  conditionem  iliorum  illi  possunt  facere  meliorem,   non   dete- 

25  riorem,  multo  fortius  in  spiritualibus  hoc  contingit.  sed  dicit 
hereticus:  ;Unde  habes,  quod  fide  alterius  aliquis  salvetur?^ 
respondeo:  ex  evangelio  de  muliere  Chananea. 

Eusticanus  de  Sanctia  Nr,  6,  Lipa.  498, 13, 1  (S.  Dionysii) 
De  quinque  bonis,  per  que  homo  sanctificatur^  signatis  in  quin- 

30  que  aromatibus  olei  unctionis.  —  tertium  est  fides.  tria  sunt 
inter  multa,  que  fidem  nostram  in  cordibus  hominum  valde 
confirmant.  primum  est  miraculorum  exhibitio^  quam  nulla  secta 
alia  habuit  unquam.  miracula  enim  fidei  nostre  ab  Abel  ceperunt. 

—  (13;  2)  similiter  et  aliis  quinque  etatibus.  —  sub  illa,  que  a 
35  Christo,   in   qua   maxime  multiplicantur,  quoniam  fideles  tunc 

maxime  miraculis  claruerunt  in  tantum,  quod  etiam  per  mor- 
tuos  plurimum  multiplicata  sunt,  quia  primum  ad  gloriam  ce- 
lestem  sub  hac  etate  conscenderunt.  —  secundum  testium  mul* 
titudo.  —  tertium,  quod  fides  nostra  de  Deo  et  de  ipso  homine 


Stndian  zur  Geseliiehte  der  altdenftwdien  Predigt.  67 

probabiliora  sentit,  vere  de  Deo  sentit  dignissima.  alie  enim 
secte  male  sentiunt  vel  de  Dei  omnipotentia^  sicnt  illi^  qni  negant 
Denm  posse  corpora  nostra  suscitare,  vel  natnram  nostram 
potnisse  assumere.  negant  Deum  iliad  posse^  quod  ipsi  neqaeunt 
intelligere.  qnod  est  magna  stnltitia,  cum  etiam  in  istis  inferio-  5 
ribos  molta  sint,  que  comprehendere  nequeunt,  sicat  operationes 
fnlminis,  numeram  gattaram  maris^  capilloram  capitis,  venarnm 
corporis  et  hujasmodi.  alii  male  de  Dei  sapientia,  ut  Gnonite 
(l,  Ägnoetes),  qui  dicti  sunt  ab  ignorantia,  quod  Christi  deitaS;  qne 
sunt  scripta  de  fatnra  die  et  hora,  ignorent.  alii  de  Dei  bonitate^  nt  10 
qai  negant  veniam  peccatoram.  Cathori  penitentiam  refutant.  alii 
de  ejns  jnstitia^at  qni  negant  eum  vindicaturnm  peccata  eternaliter. 

Rusticanus  de  Sanctis  Nr.  8.  Lips.  498y  15, 1  (St  Simonis 
et  Jude  apostolorum)  De  qnatnor  mirabilibus^  que  Dens  facit 
cum  hominibuB  salvandis.  —  prima  est  infirmitas  incurabilis  i& 
etiam  Ipocrati,  Galieno  et  Ayicenne,  est  inveterata  lepra 
=  heresis.  —  hereticus  dolet,  si  commendatur  fides  nostra. 
qnomodo  ergo  curabitur?  si  hereticus  non  esset  ^  fieri  Teilet, 
at  demones,  si  essent  cum  angelis  in  celo,  tarnen  diaboli  fieri 
vellent.  ita  talis  hereticus.  dicit  aliquis:  ,jurant  vel  accusant  20 
alios;  quomodo  ergo  potest  hoc  esse?^  dico:  quod  faciunt  plus 
ex  timore  quam  amore.  timent  enim  combnri,  ideo  jurant. 

Rusticanus  de  Sanctis,  Lips,  498,  28,  2  (S.  Martini):  Die 
Ketzer  sicut  lignum  putridum,  quod  in  tenebris  lucet,  verglichen 
mit  der  Sonne  des  Glaubens.  25 

Rusticanus  de  Sanctis,  Lips,  498,  77,  2  (S,  Silvestri). 
Quod  Christus  est  sol^  et  de  quatuor  generibus  hominum,  qui 
istum  solem  non  diligunt^  ad  instar  quatuor  avium  lucifugorum. 
—  similiter  et  nicticorax,  qui  significat  hereticos,  valde  fetidum 
OS  habentes  sicut  nicticorax.  ipsi  enim  valde  horribilia  de  sanctis-  30 
sima  et  purissima  fide  nostra  mentiuntur:  quod  sacramenta 
ecclesie  nullum  habeant  vigorem,  et  multa  hujusmodi  fetida 
emittunt,  que  quidem  aliis  hereticis  non  fetent,  ut  nee  os  nicti- 
coracis  alten ,  nee  vermibus  cloace  fetor  luti,  nee  porcis  fetor 
fimi.  —  Es  werden  aufgezählt:  Carpocrates  —  Cherintus  et  36 
Ebion  —  Valentinus  —  Nestorius  —  Appelles  —  Apollinaris.  — 
vespertilio,   que  nee  avis  nee  bestia  est  —  volat  enim  ut  avis. 


16  ff.  =  i?  Frib.  SO'.  23  (.  vgl  Pfeiffer  62,  26.  260,  22  u.  s.  w. 

6* 


68  V.  Abhandlnng:    Sehönbaeh. 

sed  habet  corpus  nt  mnS;  pilosum  capat,  denies  et  grinnitam 
ut  catttlus;  nee  ovat  ut  ayis,  sed  parit  at  mns  —  significat 
falsos  ChristiaDOSy  qui  nobiscam  nomine  et  fide  concordant,  sed^ 
vitam  verorum  Christianorum  negantes^  vitam  paganoram,  jadeo- 
5  mm^  hereticorum  habent:  paganoram  cum  laxuria,  quia  valde 
sunt  laxurioai;  jndeoram  in  ayaritia,  qai  yalde  sunt  avari;  here- 
ticorum in  superbia^  qui  plurimum  sunt  superbi.  immo  plurimi 
nostrorum  pejorem  in  predictis  vitam  habent  quoadquid  quam 
pagani;  judei  et  heretici.  pagani  enim,  licet  sint  luxuriös!,  non 

10  tamen  plures  ducunt  uxores,  quam  pascere  possent,  et  adul- 
terium  plurimum  detestantur,  ut  patet  in  Tartaris,  qui  illnd  inter 
se  morte  puniunt.  sed  plurimi  Christiani  omnes  corrumpunt, 
quas  possunty  et  quidam  tot  habuerunt,  quod  numerum  (78,  1) 
nesciunt.  similiter  quidam  inter  nos  sunt  avariores  multis  judeis. 

16  illi  enim  non  fenerantur  fratri  suo,  sed  alieno,  licet  in  hoc 
mortaliter  peccent.  sed  isti  fratri  sno,  alteri  Christiano;  immo, 
quodammodo  possunt,  d^cipiunt  proximum,  immo  furantnr  et 
rapiunt;  quod  rarissimum  inter  judeos.  similiter  quidam  ex  nobis 
superbiores  sunt  quoadquid   heretici;   licet  omnis  hereticos  sit 

20  superbus,  in  hoc  quod  heretici  suam  superbiam  yalde  occoltant, 
isti  vero,  ubicunque  possunt,  in  vestibus,  peplis,  equitaturis  et 
hujusmodi;  quantumcunque  possunt,  ostentant. 

Rtuticantu  de  Dominieis.  Lim.  99^1  (Dofnin.2,  poHPentec.) 
Quod  coena  Corporis  Christi  dicitur  magna  propter  tria,  insti- 

25  tuentis  scilicet  charitatem,  credentium  fidem  et  multiplicem 
effectum  in  sumente.  —  Homo  quidam  fecit  coenam  magnam 
(Luc.  14;  16).  homo  ille  est  Christus,  Dominus  noster.  —  (99, 2) 


19  Über  den  Hochmut  der  Ketzer  tprieht  Berthäd  viele  Male,  m.  B.:  Upe. 
496,48^:  ntm  ille  nimiB  saperbit  de  nobilitate,  ille  de  palchritadine,  ille  de 
vestibus,  ille  de  officio  et  hujosinodi.  ut  qutndo  homo  snperbior,  tanto  mtnos 
agnoscat  se  esse  superbam,  patet  in  omDibus  hereticis.  —  /  Frib,  llO^i  —  qai 
cognoscaDt  illa  sacramenta,  que  revelaDtnr  parvulis,  id  est,  humilibas  fidelibus 
per  fidem,  non  snperbis  hereticis.  —  Die  SdbMänuehung  de»  Ketaere,  der  eich  %n- 
miUen  der  Q^dkr  eieher  wähnt,  wird  heeproehen  8trM  121,  6  ff,  84  ff.  = 

1  Frib.  92".  (92'):  natura  cessit  miraculo,  creatora  creatori.  —  sed  dieit  homo 
modice  fidei  cum  jadeis  (Joann.  6,53):  ,quomodo  potest  hie  nobis  carnem  saam 
dare  ad  manducandum?*  et  cum  discipulis  apostatis  dicit  (Joatm.  6,61):  ,duras 
est  hie  sermo,  quis  potest  audire  eam?*  —  Damach  werden  die  Wunder  det  alten 
Testamente»  antfgesähU,  —  Yen  16  ah  wöriUche  ÜbereineUmmunff  bi»  tum  Bnde 
de»  Stacke». 


Studien  zur  Geacbiclite  der  altdevteehen  Predigt.  69 

qnomodo  impossibile  est  Deo  omDipotenti  mutare  panem  et 
▼inam  in  carnem  et  sangninem^  cum  omnia  elementa^  quam- 
vis  infirma,  mutent  reram  nataras  in  alias  fignras?  videmus 
mntari  grana  in  faerbas  et  semina  in  arbores  magnas^  quid 
igitar  impossibile  est  Deo  etc.?  videmns  etiam  aqaas  mntare  6 
ova  piscium  in  pisces,  ligna  in  petras,  terram  in  lapides;  videmus 
in  aere  mutari  nubes  sive  vapores,  nunc  in  rores^  nunc  in 
pruinas,  nunc  in  grandines^  nunc  in  pluvias.  videmus  (100,  1) 
etiam  aquas  ratione  frigiditatis  mutari  in  glaciem^  glaciem  in 
christallum,  consumptis  partibus  aquosis,  et^  ut  quidam  dicunt^  lO 
secundum  qualitatem,  scilicet  caliditatem,  ova  mutari  in  aves, 
vapores  in  pluvias.  non  ergo  impossibile  etc.  videmus  ignem 
mutare  arbores  in  oinerem^  cinerem  in  vitrum,  lapides  in  metalla. 
quid  ergo  impossibile  est  Deo  mutare  rernm  naturas  alias,  cum 
hoc  faciant  elementa?  et  quod  ipse  sit  Dominus  elementorum,  15 
immo  ipsa  elementa,  que  alia  mutant  in  carnem  et  sanguinem, 
et  quanto  magis  elementum  panis  et  vini?  mutavit  elementum 
terre  in  corpus  Adam,  elementum  aque  in  sanguinem  in  Egypto, 
quanto  magis  panem  in  corpus  et  vinum  in  sanguinem?  hec 
est  mutatio  inter  omnes  mundi  mutationes  gloriosissima  et  om-  20 
nino  mutationi  corruptionis  contraria.  —  nam  ad  prolationem 
quatuor  verborum  sacerdotis  celi  celorum  aperiuntur,  mille 
exercitus  angelorum  assunt,  Christus ,  qui  in  sinu  Patris  est, 
statim  venire  dignatur  in  manus  sacerdotis,  abscondens  se  sub 
accidentibus  panis  sive  nebule.   sed  ad  hoc  dicit  homo  modice  25 

25  ff.  Sehr  ähnlicke  DarsteUhmgen,  nur  in  EinzdheUen  verscTUedenj  kommen 
noch  ein  paarmal  bei  BerthM  vor.  Linz,  131  ^  1 :  hoc  graviter  impngnant  here- 
tici  et  Manichei.  dtcunt  entm:  ,qaoinodo  snb  tarn  parva  forma  panis  potest 
latere  tarn  magnam  corpus?  item,  qaomodo  transsnbBtantiari  potest  pania  et 
▼iniun  in  carnem  et  sanguinem ?*  item,  dicunt,  quod,  si  fuisset  corpus  Christi 
tante  magnitudinis,  quantus  est  mens  ille  et  ille,  soli  sacerdotes  jam  dudum 
ipsam  deroraasent.  quibns  respondetur,  quod  non  erit  impossibile  apud  Deum 
omne  verbom.  qui  enim  de  nichilo  omnia  creavit,  potest  et  hec  potestate 
diyina,  qua  potnit  tempore  Josue  solem  ei  lunam  sistere,  et  tempore  Ezechie 
iolem  retrocedere  et  alia  infinita.  potest  enim  sub  tarn  parva  forma  panis  et 
vini  facere  latere  corpus  suum,  sicut  aliqno  modo  simile  videtur  in  exemplis 
subflcriptis,  sicut  in  speculo  parvo  magnarum  rerum,  ut  solis  et  Inne  et  si- 
milium  corpora  representantur.  habes  et  te  —  Von  da  bi»  71,26  toorüich 
überehuHmmemL  —  1  Fri6.  89^:  sed  contra  hoc  sacramentum  objiciunt  heretici 
modemi^  ut  sunt  Pauperes,  Leoniste,  Ortlibarii,  Runclarii  et  alii,  quorum  heu 
nunc  nimis  pullulat  multitudo,  simplicibns  dicentes:  ,non  est  verum  corpus 


70  ▼•  Abhaadlnnf ;    Sebönbaoli. 

fidei:  ^quomodo  potest  corpus  Christi  tarn  magnum  in  tarn  parva 
forma  contineri?'  coi  fides  magna  ecdesie  respondet  nt  snpra: 
qaoniam  apud  Denm  omnia  sunt  possibilia.  qoia  non  ambigimas 
posse  facere   creatorem   talia^   cam   hec  videamus  in   creataris 

5  fieri  quadam  similitudine,  sicut  in  exemplis  snbscriptis.  videmus 
in  speculo  parvo  raagnarum  rerum  diversitates.  habes  tu  ipse 
in  parvo  pectore  tuo  magnam  celestium  sapientiam  et  terrestrium 
scientiam;  quid  ergo  impossibile  Deo^  si  sapientia  Dei  increata 
potest  in  parva  forma  inveniri?  videmus  in  parvo  lapide  pretioso 

10  multas  et  magnas  virtates,  videmus  in  parvo  pectore  prineipis 
magnam  potestatem,  in  parvo  corde  pape  magnam  auctoritatem ; 
quid  ergo  impossibile  est  Christo^  in  parva  (100^  2)  hostia  latere? 
videmus  magna  significata  in  parvis  signis.  sub  hoc  enim  signo, 


Domini  suh  hostia,  sed  tantum  quedam  alia  sanctitas,  unde  scitote,  qaod 
derici  vestri,  qui  dicunt  ibi  verum  corpus  Christi  et  vivnrn  esse,  in  hoc  tos 
decipiunt  et  mentiuntur  et  pro  sua  avaritia  hoc  inveniernnt  ,quomodo  posset*, 
inquinnt  heretici,  ,hoc  esse  corpus  Christi?  si  eiiim  esset  tante  magnitadinis 
ut  mons  magnus,  jam  dudum  illud  consnmpsissent ,  et  ideo  nullatenus  est 
corpus  Christi,  ut  dicunt/  item,  secundo  dicit  sensns  camalis:  ,coii8tat,  quod 
non  est  verum  corpus  Domini;  quomodo  enim  posset  in  tarn  parvo  loco  et 
in  tam  parva  forma  verum  et  integrum  corpus  Christi  perfecte  magnitadinis 
et  pleno  stature  contineri?  hoc  nullatenus  similiter  fieri  potest.*  item,  tertio 
dicit  sensus  camalis:  ,quomodo  corpus  Christi  idem  numero,  idem  individno 
simul  et  semel  plura  posset  loca  obtinere,  ita,  quod  Christus  in  isto  altari 
Sit  totus,  in  illo  totus;  in  manibus  illius  sacerdotis  totus,  in  manibua  istius 
totus;  in  illa  pixide  totus,  in  ista  totus;  in  ore  illius  (89**)  infirmi  totus,  in 
ore  istius  totus,  simul  et  semel,  et  tamen  non  sit  nisi  unum  corpus  numero 
et  idem  in  individuo ;  et  hoc  similiter  nullatenus  fieri  potest/  —  7  magnam 
celestium  sapientiam  et  terrestrium  scientiam,  magnam  preteritomm  memoriam, 
presentium  intelligentiam ,  futurorum  providentiam.  Dann  wieder  voöriUehe» 
Ubereinttimmen.  —  Statt  13 ff.  Linz.  131, 1 :  item  ad  hec,  quod  qnerunt,  quomodo 
possit  transsubstantiari,  respondemus,  ut  prius:  Deo  nihil  est  impossibile,  et 
virtute  divina«  qua  potuit  mulierem  in  statuam  salis  mutare,  virgam  in  colubnim 
convertere,  petrum  in  stagna  aquarum  et  rupem  in  fontes  aquarum,  aquam 
in  sanguinem  in  Exodo ,  aquam  in  vinum  in  Evangelio,  et  hoc  potest.  quanta 
ergo  est  hereticorum  stultitia,  qui  non  credunt,  Deum  omnipotentem  hoc 
posse  facere,  quod  quilibet  hominnm  potest!  omnis  enim  homo  per  naturam 
in  corpore  suo  mutat  panem  in  camem,  cum  illum  comedit,  et  vinum  in 
sanguinem,  cum  illud  bibit,  et  stomachus  bovis  paleam  mutat  in  camem  et 
sanguinem  (131,  2)  suum,  cur  ergo  Dens,  qui  cuncta  potest,  panem  et  vinum 
in  camem  et  sanguinem  mutare  non  potest?  ad  tertium,  quod  dicunt,  si  corpus 
Christi  tante  esset  magnitudinis  etc.  (vgl.  oben  7,  17flf.),  respondemus,  ut 
supra:   quia   ipsi  omnia  possibilia  sunt,  divina  enim  virtute,  q^ua  potest  hoc 


Stadien  rar  Geeohicbte  dar  altd«iitso1ien  Predig.  71 

sab  hac  forma  et  parva  dictione  ^Deos'  videmus  apprehendi 
totam  Trinitatem;  qaanto  magis  sab  parva  hostia  potest  con- 
tineri  totas  Cbristas?  immo  videmas  sab  hac  parva  dictione 
et  modico  signo  ^omne^;  doaram  sillabaram  et  qaataor  litteraram, 
contineri  omnem  creataram^  celam  et  omnia  celestia,  terram  5 
et  omnia  terrestria,  infernam  et  omnia  infernalia  et  omnia 
creata  alia;  qoid  igitnr  impossibile,  si  in  parva  hostia  compre- 
henditar  Christas  totaS;  cam  in  tarn  parva  dictione  comprehen- 
dantar  omnia  bona  et  mala?  qai  hoc  igitar  in  creatoris  ne- 
gare  neqaeant^  erabescant  discernere  in  creatore.  valde  igitar  10 
ceci  sont,  qai  hoc  non  credant.  —  qaia  aatem  sacramentam 
eacharistie  sammam  bonam  est,  nataraiiter  in  samente  bonam 
efficit,  actaaliter  aatem  malam.  qaemadmodam  videmas  in  qaa- 
litatibas,  qaod  nataraiiter  caliditas  calefacit;  actaaliter  aatem 
infrigidat,  at  videmas  pateos  et  fontes  estivo  tempore  infrigidari.  15 
nam  ex  caliditate  estatis  malta  fit  pororam  ac  visceram  terre 
apertio,  ande  ex  ea  addacantar  vapores  calidi;  qaibas  sablatis 
viscera  terre  et  aqae,  qae  in  ipsis  visceribas  sant^  infrigidantar. 
similiter  frigiditas  nataraiiter  infrigidat,  actaaliter  enim  cale- 
facit,  at  videmas  in  calce^  cni  si  aqaam  frigidam  saperfand imas,  20 
fortissime  calefit.  sie  et  corpas  Christi  in  se  bonam  nataraiiter 
bonam  maximam  in  homine  efBcit^  accidentialiter  aatem  malam. 
81  enim  hamores  corraptos  vitioram  in  anima  invenit^  videlicet 
saperbiam,  avaritiam  et  hajasmodi,  tanc  maltipliciter  in  homine 
malam  operatar.  25 

Rtisticanus  de  Dominicis  Nr,  46  (Domin,  10.  post  Pentec), 
Lim,  123,  2:  De  octo  penitentibas,  ex  qaibas  Septem  Deo  non 
placenty  anas  salvatar.  —  (125^2)  nota  tamen^  de  hiis  predictis 
penitentiis  Domino  non  pleno  placentibas  caate  est  in  predica- 

facere,  at  80I  abflqae  diminatione  sit  in  diversis  terris  simul  et  semel,  quantum 
ad  illaminationem  in  specie,  qaa  diversas  terras  illuminat,  eadem  fides  quoad 
credendam,  in  diversis  cordibos  sine  sui  diminutione  idem  potest  facere. 
verbnm  menm  in  diversis  auribas,  eadem  paternitas  essentialiter  et  secundam 
rem,  licet  diversi  sunt  respectus  in  diversis  filiis,  nee  tarnen  hoc  propter 
multitodinem  participantinm  minoratur,  vel  consumitur  essentialiter.  sie  nee 
corpus  Chriati.  —  licet  enim  gloriosissimum  esset,  sab  forma  propria  corpus 
Christi  recipere,  sab  alia  tarnen  forma  nobis  tradidit  et  samendum  instituit 
propter  causas  in  hiis  versibus  notatas: 

sumitur  occulte  Christas,  ne  sit  tibi,  stalte, 

horror  vel  risos,  sitque  lucrosa  fides. 


72  ▼•  AbbADdlnng;    8o1iÖDl»aoli. 

tione  eloquendani;  quia,  si  nimis  argoantar,  justi  imperfecti 
desperabunt;  timebuDt  enim,  se  in  aliqna  falsa  penitentia  esse,  et 
Don  in  Vera,  unde  debet  prodicator  calamnm  quassatum  non  con- 
terere  et  linam  famigans  non  extingaere  (Isai.  42,  3),  id  est, 
5  justam  inperfeetum  per  nimiam  aggravationem  penitentie  inordi- 
nate  ad  desperationem  non  indacere.  melius  enim  yolo,  si  aliter 
fieri  non  potest,  ut  de  inatili  penitentia  malns  plus  presumat,  quam 
jastus;  qui  est  in  yera  penitentia,  debilis  ex  inordinata  penitentia 
desperet;  et  potias  volo  tacere  de  peccatoris  contritione  et  lacri- 

10  mis,  quam  viam  penitentie  nimis  aggravare  et  sie  jostum  in- 
perfeetum in  desperationem  indueere.  hoo  dico  propter  quosdam, 
qui  in  sermone  imponunt  hominibus  dura  onera  et  inportabilia, 
minimo  autem  digito  suo  nolunt  ea  movere  (Matth,  23,  4). 

RtuticantM  de  Dominicis  Nr.  47  (Domin.  12.  poH  Pentee,). 

15  Linz.  129,1:  De  Septem  sacramentis.  —  (131^  1:  penitentia) 
hec  consistit  in  vera  contritione  cordis  et  oris  confessione,  facta 
sacerdoti,  non  alii,  nisi  in  articulo  extreme  neeessitatis,  et  ibi 
tantum  locum  habet  illud:  ,confitemini  alterutrum  peccata  vestra^ 
(Jacob.  5, 16).  sed  si  sacerdos  haberi  potest  sicut  littera  contra 

20  eundem  locum  innuit,  vel  de  venialibus  hoc  acoipi  potest,  licet 
levibus.  in  Actibus  apostolorum  dicitur  (19,  18),  quod  molti 
credentium  veniebant  ad  apostolos,  confitentes  et  annuntiantes 
peccata  sua,  et  apostoli  erant  sacerdotes.  ipse  etiam  Dominus 
misit  leproses  ad   sacerdotes   (Xuc.  17, 14),  non  ad  alios,  ut 

25  ostenderent  se  ipsis.  item  apostolis  dixit,  non  senioribus  soribisi 
ut  solverent  Lazarum,  quem  suscitavit  (Joann.  11,  44).  hoc 
propter  hereticos  dixi,  qui  confitentur  laicis  et  dicunt,  laicis  esse 
confitendum,  et  non  sacerdotibus  nostris.  —  (131,  2)  quintum 
—  extrema  unctio  —  unde  Hugo  de  sancto  Victore  (De  sacra- 

30  mentia  lib.2,  pars  15,  Migne  176,677  D):  duplici  ex  causa  hoc 
sacramentum  institutum  est  — .  quia  a  solis  sacerdotibus  con- 
ferri  potest,  licet  baptismus  ab  aliis  etiam  conferri  possit,  quia 
necessitas  est,  hoc  potius  utilitatis.  et  licet  ,presbiteros'  dicat 
(Jacob.  6, 14),   credimus  tamen,   quod   unus   presbiter  sufficit, 

35  honestius  tamen  esset,  ut  pluralitas  presbiterorum  vocaretur. 
hoc  sacramentum  pueris  non  datur^  sicut  nee  penitentia,  quia 
non   indigent  remissione   actualium  delictorum.   item  sanis  non 


14  ff.  dasselbe  Stück  Lipa.  496,  96,  1  f. 


Studien  zor  Gesdiiohte  der  altdeatschen  Predigt.  73 

datnr,  qaia  similiter  datar  ad  corporis  recuperandam  sanitatem. 
multi  ergo  reprehendendi  sunt  iBfirmi,  qtii  abfaorrent  hoc  sacra« 
mentum,  quasi  citius  ex  hoc  moritari;  cum  constet;  ut  dicit 
Hugo  (a.  a.  0.),  quod^  qai  hanc  nnctionem  fideliter  et  devote 
soscipity  per  eam  sine  dubio  in  anima  et  in  corpore  alleviationem  5 
et  consummationem  recipere  meretur;  si  tarnen  expedit,  ut  alle- 
vetuTy  in  utroque.  quod  si  forte  non  expedit  illi  ad  sanitatem 
corporis^  iUam  procul  dubio,  que  anime  est;  acquirit.  et  si  hoc 
Bacramentum,  ut  dicitur  in  Sententiis  (Summa  Sententiarum 
des  Hugo  van  8t  Victor ^  tract  6,  cap.  16,  Migne  176, 163  C),  lO 
ex  contemptu  pretermittitur,  dampnabile  est;  si  ex  negligentia, 
periculosum.  et  nota,  quod  hoc  sacramentum  potest  (132,  1) 
pluries  iterari;  tarnen  pro  eodem  morbo  non  debet  dari  infra 
annum  unum  nisi  semel,  ut  quibusdam  placet.  reprobanda  etiam 
est  opinio  laicorum,  qui  dicunt,  quod  inunctus  non  debet  postea  15 
cum  uxore  dormire,  sed  nudis  pedibus  terram  tangere  et  similia. 
item  ea,  que  de  bona  consuetudine  finnt,  scilicet  ligatio  pedum 
▼el  manuum,  possunt  obmitti.  sufficit  enim,  quod  statim  stuppa 
abstergatur  et  in  ignem  mittatur.  est  enim  unctio  materia  trän- 
siens.  —  sextum  —  matrimonium  —  item  Cor.  II  (ICor.  7, 10):  20 
qui  matrimonio  conjuncti  sunt,  precipio  non  ego,  sed  Dominus/ 
ecce  huic  ultimo  auctoritati  contradicere  non  possunt.  et  vere 
stulti  sunt  heretici  matrimonium  dampnantes.  si  enim  matri- 
monium non  esset,  unde  homines  nascerentur?  quis  Deum 
doceret  esse  colendum,  venerandum,  diligendum?  quis  infidelibus  25 

löflf.  Pfeiffer  S64,  8 ff.  (vgl  Strobl  90,  9  f.):  unde  so  ir  iuch  bewarn 
weUei,  sd  heizet  iuch  oleien.  Jft,  brnoder  Berhtolt,  j&  fürhte  ieh  wol  zwei 
oder  mdr  dar  an.  ich  beere  sagen,  fHr  daz  ich  mich  lieze  geoleien,  ich  sülle 
niemer  mdre  bt  minem  gemechede  geligen,  dar  umbe  iftze  ich  ez,  sd  ich  alier 
langest  mac'  sich,  daz  ist  reht  ein  lüge  und  ein  ketzerie.  du  soU  bi  dinem 
gemechede  ligen,  als  der  d  roht  ist,  nü  als  yor,  in  gotes  namen  &ne  sünde. 
,braoder  Berhtolt,  sd  fürhte  ich  noch  wol  zwei.'  waz  fürhtest  du  aber  nü? 
,d&  hoere  ich  sagen:  ich  ensuUe  niemer  m^re  deheines  fleisches  enbizen,  unde 
so!  niemer  mdr  dehein  mensche  üf  den  linlachen  geligen,  d&  man  mich  üiFe 
geoleiet  habe  (Strobl:  er  müese  ez  durch  got  geben),  und  ich  suUe  niemer 
uAt  (Strobl:  barfuoz)  üf  die  erde  getreten.*  daz  ist  allez  samt  gelogen  (Strobl: 
und  ist  ein  ungelonbe.  ez  sint  niur  zouberer  und  zouberinne,  die  des  jehent 
und  triegent  die  Hute  oder  sie  triuget  der  tiuvel).  du  solt  fleisch  ezzen  als 
vor,  ligen  unde  slftfen  üf  dinen  linlachen  als  vor,  so  man  sie  geweschet 
(Strobl:  und  wiltü  diu  lilach  durch  got  geben,  daz  mahtü  wol  tuon).  trit  üf 
die  erden  barfuoz  unde  geschuohet  &ne  sünde. 


74  V.  Abhandlniig:    SohAnbaeb. 

resisteret?  vel  quis  predicaret  evangeltQm,  poBtqnam  fideles 
omnes  mortni  essent^  maxime  nunc^  cam  miracala^  per  qae  ob'm 
multi  infidelium  trahebantar  ad  fidem^  rara  sunt?  an  de  decimas 
ordo  repararetur?   quomodo  aat  quis  matrimoniam  contrahere, 

5  aat  qaomodo  in  matrimonio  vivere  debeat,  at  salvetar^  propter 
prolixitatem  ad  presens  sabticeo.  —  septimam  —  sacer  ordo. 
—  nitantur  aatem  heretici  hanc  fidem  precipae  evellere  a  cor- 
dibas  simpliciam  ex  saggestione  diaboli,  qoi  seit,  qaod,  si  hie 
error  in  cordibas    hominam    prevaleret^    tanc  eos  ad   omnem 

10  impietatem  et  iniquitatem  facile  inelinaret,  dam  non  esset  jam, 
qai  gloriam  veritatis  et  jastitie  eos  sciret  docere,  et  sie  deinceps 
qaioqaid  saaderet,  facile  pro  bono  recipi  palchro  mendacio 
coloratam  affirmaret.  unde  etiam  sie  dicant  heretici  apostoli: 
;diaconi^  sacerdotes  vestri  et  derici^  cam  peccatores  sant^  avari^ 

15  ambitiosi,  fornicatoreS;  adalteri;  immandi,  non  possont  tos 
mandare  jaxta  illad  Lace  (6,39):  namqaid  potest  cecns  cecnm 
dacere  etc.;  qaia  e  converso  ab  immando  qais  (132^  2)  man- 
dabitar?  manas  etiam  immanda,  cam  te  mandare  nititor,  non 
mandat,   sed  plas  inqainat.  item,  qai  ligatas  est,  allam  solvere 

20  non  valet. item:  ^maledicam  benedictionibas  vestris  (Malach. 2^2) J 
qaibas  respondetnr^  qaod  falsis  confabalationibas  simplices  de- 
cipere  nitantar.  nam  sciendam;  qaod  in  sacerdotibas  dao  sant: 
vita  et  of&ciam.  vita  saa  est,  officiam  datar  ei  propter  alios 
filios  Dei.  ande^  sicat  nee  deformitas  corporis  deformat  animam, 

25  sie  nee  inmanditia  vite  sacerdotis  inmandat  officiam  sibi  et 
potestatem  propter  alios  traditam.  si  bonas  est,  prodest  sibi;  si 
malas  est;  nocet  sibi;  non  mihi,  qaid  enim  mihi  nocet,  si  rex 
per  nantiam  deformem  transmitteret  mihi  manera  pretiosa, 
aaram;  gemmas  et  hajasmodi?  ipsa  manera  per  talem  nantiam 

30  saam  non  perdant  pretiositatem.  ita  sacramenta,  per  malam 
roinistram  fidelibas  sais  per  regem  celestem  transmissa,  non 
perdunt  virtatem  saam,  qaia  non  sant  ministri,  qai  ea  portat, 
sed  Domini;  qai  ea  misit.  qaid  mihi  nocet;  si  iS;  qai  me  lavat^ 
sit  niger  at  Ethiops  an  albas?  non  igitnr  sacerdoS;  si  inmandos 

35  est,  inmandat;  qaia  non  mann  vite  saC;  sed  officii;  qaia  vita 
saa  non  valet  inmandare,  sed  officio  me  lavat.  in  hoc  enim 
sacramentoram  dignitas  magis  et  virtas  apparet;  qaod  etiam 
per  malam  ministram  infici  et  etiam  deteriorari  non  valent. 
sicat   etiam;   qai  in   limosa  aqaa  et  tarbida  baptizaretOT;   non 


Stadien  sar  Oeaebicbte  der  altdenieehen  Predigt  75 

minus  a  peccato  mnndaretar  quam  in  parissima,  et  qnia  et 
splendor  solis  non  obscaratur^  si  per  sordidam  fenestram  träne- 
fnndatnr,  similiter  sacerdos  non  me  ligat  vita  sna,  sed  officio 
et  poteetate  sibi  tradita  etc.,  dum  modo  non  sit  precisns  ab 
ecciesia.  ^ 

Ruaticanus  de  Dominicia  Nr,  66.  Linz.  148,  2  (Domin.  20. 
post  Pentec).  De  Septem  temporibus  ecclesie,  significatis  per 
apertionem  Septem  sigillorum.  —  (149,1 )  equus  albus  (Apoc.6,2 
=  primi  sancti  ecclesie)  cucurrit  usque  ad  tempus  Neronis, 
qui  fuit  sextus  imperator  plus  quam  per  triginta  quinque  annos.  lo 
secundus  Status  ecclesie  equus  rufus  (Äpoc.  6,  4)  est  tempus 
martyrii  et  duravit  ac  cucurrit  plus  quam  ducentos  annos,  a 
Nerone  usque  ad  Constantinum  imperatorem  et  papam  Syl* 
vestrum,  per  papas  XXXIIII  et  imperatores  a  Nerone  XXIX. 
hoc  tempus  dura  vita  a  passione  Petri  usque  ad  Constantinum,  15 
qui,  dum  baptizatus  esset,  dedit  omni  ecclesie  pacem  per  totum 
orbem  romanum,  sicut  beata  Lucia  predixerat,  que  parum  ante 
passa  fuit.  sub  tempore  vero  passionis,  quo  equus  rufus  cucurrit, 
gravia  tormenta  fideles  pertulerunt,  adeo  gravia,  ut  communes 
passiones,  ut  est  suspendium  et  hujusmodi,  sub  quibusdam  judi-  20 
cibus  non  multum  reputarentur,  sed  judex,  qui  duriora  novit 
inferre,  laudabilior  fuit.  et  cum  tantum  accurrisset,  aperuit 
tertium  sigillum,  et  ecce,  equus  niger  (Äpoc.  6,  6),  id  est  Status 
penitentie  et  humilis  ac  subjecte  vite,  currere  cepit.  iste  Status 
ecclesie  bonus  per  plurimos  annos  duravit  et,  licet  tamen  de  25 
die  in  diem  a  primo  fervore  tepuerit,  fideles  tamen  multo  melius 
habuerunt  se  quam  nunc,  ita  ut  et  adhuc  tempore  Heinrici 
imperatoris,  qui  plus  quam  CC  (Z.  DCC)  annis  fuit  post  Con- 
stantinum, multi  sanctificarentur.  in  statu  illo,  maxime  circa 
principium,  fideles  se  ipsos  cruciavernnt  cum  aspera  penitentia  30 
et  summe  intendebant  virtutibus  et  misericordie.  cogitaverunt 
interse:  si  nullus  (149,2)  est,  qui  nos  cruciat,  nos  ipsi  crucia- 
bimus  nos.  —  quis  penitentiam  eorum  enarret,  cum  quidam 
eorum  jejunaverint  cottidie  usque  ad  vesperas,  alii  nee  vino, 
sed  nee  aqua  satiarentnr,  alii  non  jacendo,  sed  sedendo  quies-  35 
cerent;  alius  temptationibus  ita  restitit,  ut  in  spinas  se  jactaret 
et,  quod  acrius  est,  se  incarceraret,  et  hujusmodi.  in  miseri- 
cordia  autem  tam  soUicite  se  exercuerunt,  ut  alius  omnia  ven- 
dita  daret  pauperibus,   alius   vestem  in  algore  divideret,   alius 


76  V.  Abhandlung;    Sehdnbaoh. 

se  ipsum  venderct,  at  daret  elemosinam,  et  hujosmodi.  et  cum 
ille  currere  cepisset,  post  in  brevi,  ut  fideles  probarentor,  qai 
constantes  essent  et  qni  non,  aperait  qaartam  sigillam  et  ecce, 
equus  pallidus  (Apoc.  6,  8)y  Status  hcreticoram  et  ypocritaram, 
5  qui  pallent,  currere  ineepit.  nam  in  brevi  post  pacem  datam 
ecciesie  duo  heretici  surrexernnt  sub  Constantino,  filio  suo 
majore,  Manes,  ut  legitur  in  CroniciS;  (et  Arrius)^  a  quibus 
duobus  communes  hereses  multe  venerunt.  nam  procedente 
tempore   successores    eoram    aliquid    addiderunt.    —    ,et    cum 

10  apernisset  quintum  sigillum,  vidi  sub  altare  Dei  animas  — 
Glosa:  aperto  martyrio  vel  aliquibus  anxietatibus  interfectorum 
—  et  clamabant  voce  magna  —  id  est,  desiderio  magno  — : 
usquequo,  Domine  ^  sanctus  et  verus,  non  vindicas  sanguinem 
nostrum  etc/  (Apoc,  6^9/,)?  ^sanctus'^  Olosa:  sanetitatem  amans; 

15  ^verus^  in  promisso;  ^usquequo  non  vindicas?^  faciendo  discre- 
tionem  bonorum  et  malorum;  et  non  vindicas  penas  inferendo 
hiis,  ^qui  habitant  in  terra^^  amore  in  terrenis.  in  hoc  vero 
tempore  sumus  nos  et  qui  ante  nos  aliquanto  tempore  fiienmt. 
hoc  tempus  est  tempus  temporale  et  muliebre.  nam  sicut  homines 

20  sunt  instabiles^  leves,  superbi,  comas  ornantes  et  nutrientes, 
carnem  amantes,  debiles  in  spiritualibus  interius^  ut  femine  ex- 
terius,  frigidi  in  bonis  et  justitia^  inter  se  cavillantes  et  conten- 
dentesy  mendaceS;  iracundi,  avari,  pign^  facile  invidentes,  dif- 
ficile  remittentes,  camales.  et  durat  usque  ad  tempus  Antichristi. 

25  hoc  tempus  quoad  multos.  in  hoc  statu  pauci  salvantur,  plurimi 
dampnantur.  —  150,  1  mit  der  Ankunft  des  Antichriet  wird 
das  siebente  Siegel  eröffnet. 

Zweite  Freiburger   Handschrift  26^:  Sermo   CXL.     Nee 
quisquam  sumit  sibi  honorem^  sed  qui  vocatur  a  Deo,  tanquam 

30  Aaron  (Hebr.  6,  4).  Licet  apostolus  istud  juxta  sensum  llttere 
dicat  de  sacerdotibus  vel  prelatis  ecdesiasticis  — .  (26^)  alii 
contradicunt  articulis  fidei  manifeste,  ut  de  deitate  male  sentire 
et  Christi  humanitate  et  ecclesia  katolica  et  resurrectione  mor- 
tuorum  et  judicio  venture  et  similibus.  alii  vero  aliis  Scripture 

35  probatis  sententiis  resistunt^  licet  in  articulis  fidei  explicite  non 
ponantur,  ut  purgatorium  non  esse,  non  licere  verum  jurare^ 
vel  per  Judicium  occidere,  fornicationem  vel  usuram  vel  similia 
non  esse  peccatum  mortale^  peccatorem  sacerdotem  sicut  bonum 
non   eque  conficere  vel  absolvere  vel  ligare,   quamdiu  non  est 


StodiMi  zur  OaMhiebto  der  sltd«ntaehen  Predigt.  77 

prohibitus  ab  eodesia;  licito  coBJngio  nti  pro  fornicatione  vi- 
tanda;  Romam  etiam  esse  capat  oroninm  ecclesianim  et  ma- 
gistram,  et  malta  talia^  que^  qni  noiunt  credere^  heretici  sunt 
ceDsendi. 

(28*)  Sermo  CXLII.  —  ad  quod  sciendam,  qnod  verba  6 
Dominik  qne  et  hie  et  nbique  dicit,  omnia  vera  sunt  omnino 
et  celo  solidiora,  sed  oportet,  quod  habeant  intelligentem  audi- 
torem,  aliter  posset  faomo  errare  periculose.  ande  omnes  illit- 
teratiy  qui  legant  evangelia  et  Vetas  et  Novam  Testamentam 
in  ynlgari,  cum  non  intelligant  yim  verborum,  de  facili  fiunt  lo 
heretici,  et  multi  illomm  sie  fiunt  heretici. 

(55^)  CLVII.  —  (55*)  cave  ergo  diligentissime,  ne  falsam 
fidem  recipias  pro  vera,  ut  innumerabiles.  cave  ergo,  cum  venit 
aliquis  yel  aliqua  et  dicit  tibi,  quod  etc.  primo  dicit  bona  de 
fidelitate,  non  mentiri  et  hujusmodi,  ut  intret  in  cor  tuum,  post  15 
mala,  qui  vult  decipere,  dat  primo  bonos  denarios,  post  immiscet 
malos.  item,  primo  ostendit  bona  in  apparentia,  qui  vult  decipere. 
qui  Yult  intoxicare,  miscet  illud  delectabilibus.  ita  hereticus,  ideo 
cave.  —  qui  ita  sunt  giBngelmrii^  nol.  ab.,  sed  dicis :  ,quomodo 
possum  agnoscere?  laicus  enim  sum^  die,  ut  scis,  et  de  candela.  so 

2Frih.  72^:  Quinque  sunt,  propter  que  malum  est  questua- 
rios  mittere  et  audire.  primum,  quod  tamen  minime  curo,  quod 


21  ff.  Fjpl.  /  Frib.  91^:  item  pro  avaritia  sab  specie  alicujos  necessitatis 
qvestaarii  mittoiitar,  quia  non  solum  mendacia/  sed  hereses  grayisBimas,  cum 
sint  ydiote  et  homines  sine  timore  Dei,  predicant  et  sie  homines  in  multos 
errores  mittnnt.  item,  pro  avaritia  peccata  mnltomm  dissimulantur,  anime 
non  corantnr.  omnia  hec  grave  in  scandalnm  laicomm  et  in  dampnationem 
infinitartun  animamm.  breviter  antem  clericum  et  religiosum  confudit  et 
confandit,  destrozit  et  deatrait  totam  ecclesiam  sanctam  Christi,  et  nemo  est, 
qui  Ticem  Christi  doleat.  —  et  non  est,  qni  renuntiet  (92 •)  sibi  beneficiis 
indigne  habitis.  omnes,  que  sna  sunt,  qaerunt,  non  qae  Jhesn  Christi,  qnid 
dicam?  qaid  agam?  qaod  faoiam?  et  ita  paalatim  ayaritia  proficit,  qaoosqae 
destmator  tota  Christi  ecclesia,  et  prelati,  quilibet  hanc  committit,  omnia 
hec  dissimalant.  Dens  misereator  ecciesie  sne,  qaia  ipsi  ejus  minime  mise- 
rentnr,  quin  potins  qaidam  eorum  plus  ceteris  per  avaritiam  populum  scan- 
dalizant  et  ecclesiam  destmiint.  non  cessat  manus  eoram  snperaddere  ecciesias 
eedesiis,  prelataras  prelatnris,  transitoria  transitoriis.  sie  studiose  intendunt 
araritie,  ae  si  sint  immortales,  ac  si  non  sit  seculnm  fntnmm,  ac  si  Dens 
mmqnam  pertnlerit  pro  eis  quicquid  panpertatis.  ecclesiam  per  eomm  aya- 
ritiam  et  negligentiam  perire  omnino  videmos.  si  monemos,  nihil  proficimus* 
si  tacemns,  in  nobis  tabescimns,  aliud  qaid  facere  nescimos.  —  /  Frib,  23^: 


78  ▼.  AbhABdlnng:    Schftnbaeh. 

talibus  datur  eleemosina;  qui  pe8(72^)8ima  expendant.  sed  hoc 
param  curare  me  oportet,  qoia  tantillum  peounie  perditis,  cum 
sepe  plaSy  et  ipsi  per  hanc  dampnantar,  cum  multi  alii  deceptores 
et  symoniaci.   et  ipsi  sunt,   et  ypocrite  dampnantur.  secondum, 

6  quod  parum  plus,  quod  tantum  mentiuntur,  sed  hoc  aliquoties 
tolerandum  mihi,  cum  hoc  post  a  veris  predicatoribus  possit 
retractari.  sed  tercium  multo  plus,  quod  securius  peccatis  et 
minus  peccata  horretis,  cum  ita  levia  fiant  yobis.  facilitas  venia 
in   confessione:   pro  uno  denario  vel  tribus  septima  pars  pec- 

10  catorum  vel  hujusmodi.  sed  quarto,  quod  multas  hereaes  pr&- 
dicant,  cum  sint  ydiote,  nee  sciant,  quot  libri  sunt  in  Veteri 
Testamento  vel  Novo,  aut  quomodo  incipiant  vel  finiant.  nee 
in  scolis  audierunt  vel  didicerunt  a  doctoribus.  cum  nulla  ars 
sine  doctore  bene  sciri  possit,  cum  sit  ars  artium  regimen  ani- 

15  marum,  ut  dicit  Gregorius  (Regula  Pcuiaralis,  Pars  i,  cop.  i, 
Migne  77, 14  A),  et  quia  propter  ignorantiam  suam  multas  pre- 
dicant  hereses,  ideo  faciunt  homines  hereticos,  cum  nuUus  re- 
sistat  eis.  immo  et  super  hoc  ostendant  litteras,  quod  eis  credi 
debeat.  Sed  quinto  per  truphas  suas,  quas  faciunt  in  scriptionibuB, 

20  claudendis  ecdesiis,  ex  communibus  auctoritatibus  faciunt,  quod 
jüdei,  heretici  nostram  et  Dei  sanctam  ecclesiam  derident  et 
faciunt  vilescere  ipsam  fidem,  quod  totum  sit  mendacium  et 
pro  avaritia  institutum  dicunt.  et  pro  hoc  sibi  simplices  attrahunt, 
quod  omnia,  que  ecclesia  instituit,  licet  mentiantur,   in  excom* 

25  municando,  cantando,  vacando,  penitentias  inponendo,  quod 
omnia  pro  lucro  et  avaritia  faciat,  dicentes :  episcopi  et  presbiteri 
vestri  excommunicant,  ut  pecunia  eis  detur;  cantant,  ut  libentius 
o£feratur;  vacationes  indicunt,    ut,    qui  o£fendunt,  in   pecunia 


et  noB  maltoB  habemuB,  eis  in  hoc  omnino  simlles,  qai  semper  cnm  deeeptione 
circneunt,  at  sant  traUnni,  item  questuarü,  item  heretici,  item  qai  paeHas 
et  feminas  fidem  dando  decipiant,  item  iii  omni  artificio  tales  sunt  plurimi. 

—  2Frih,  110^:  ,maledicta8,  qui  enrare  facit  cecum  in  yia%  (Deuter.  27,  18) 
der  den  bUnden  irre  machet  an  dem  weg,  Qlosa:  ,8implicem%  ut  qoidam  per 
mala  consilia,  quidam  per  doctrinam,  ut  queatuarii  Tel  stulti  doctores  Tel 
heretici,  qnidam  per  malum  ezemplam.  —  2 Frib.  114*:  simulatio,  Urugheit 

—  ypocrite,  trugner,  —  picarie,  tn  es  unoB  ex  illiB,  quoB  Dens  pre  omnibnB 
peecatoribns  maledixit.  ita  die  ad  alios:  stertd,  gUcJunoer,  omne  g^enns  ßirtteterj 
quaeBtaarii,  heretici,  ypocrite  sunt  omnes,  qui  yile  pro  bono  an  v)erdeni  Tel 
yendant.  —  ypocrita,  yere  intromisisti  te  de  hantwerch  patris  tui  diaboli.  — 
(heretici)  fideles,  et  estis  infideles,  trugneer  eatis  et  dumothtich  yos  oatenditia. 


8tvdi«B  m  OMehiehto  d«r  altd«iit8eh«n  Predigt  79 

paniant;  penitentias  et  jejnnia  imponant,  ut  pro  pecania  ab- 
solvant  et;  licet  ipei  mentiantar  de  aliis  in  ecciesia,  tarnen  maltos 
sedncnnt.  et  de  questaariis  vemm  dicunt.  nam  omnia  qae  faciunt, 
per  hoc  vilesoere  faciant  fidem,  et  totam  yidetur  pro  avaritia. 
avaritia  sant  comipti  (am  Rande  bis  zum  Schluß:  peccata  6 
questaariomm),  predicant  contra  jaris  prohibitionem,  symoniaci 
sunt;  mendacia  confingant  et  predicant^  falsis  indnlgentiis  de- 
cipiunt;  eleemosinas  farantnr;  item  ex  eis  yer(72<')bam  dei  fit 
derisum,  penitentiam  perimunt,  audaces  ad  peccandam  homines 
reddunt;  fidem  claviam  vilificant,  omnes  multipliciter  scandali-  10 
zanty  hereticos  in  perfidia  roborant. 

(87»)  Nr.  CLXXIII.  —  immo  videte,  quam  duri  sint  he- 
retici  veri;  cnm  etiam  semifaeretici  vix  vere  convertantur,  ut 
pbjtones,  inoantatores;  ergo  cavete  doetrinam  illorum,  qaam 
occolte  propinant.  —  item,  quanto  fortius  cnrrit  versus  infemum,  16 
(tanto)  vicinior  videtur  sibi  celo.  —  (87^)  sie  facit  Deus  ad- 
huc  sepissime:  vel  fulmine  vel  tonitruo  occiduntur  (heretici), 
vel  a  diabolo  vel  ab  faomine^  lapide^  igne  vel  hnjusmodi  vel 
fiunt  furiosi  sani^  vel  in  morte^  vel  alio  modo  multi  eorum 
male   moriuntur.   immo  vel  se  ipsos  occidunt  (88»)  sie  vel  sie.  20 


Verschiedene  kleine^  verstreute  Äußerungen  Bertholds  über 
Ketzer y  die  sich  nicht  wohl  anderwärts  haben  unterbHngen  lassen^ 
seien  hier  nachgetragen. 

Lips.  496,  9y  6:  et  ideo,  quicunqne  aliam  fidem  in  angulo 
ostendere   voluerit,    probibeatur   tanquam    bereticus.  —  Lips.  25 


12  ff.  /  Frib.  42^  (^=  Lip9.  496,  dO,  6):  forte  dicit,  quicanqne  est  alins 
peccator:  ,ye1Iem  mihi  dari  gratiam  emendationis'.  respondeo,  quod  hereticas 
et  aTams  hoc  nollent,  cum  quandoque  ▼isum  Bit  ab  hereticis,  quod,  quantiiro- 
cunqae  ammoneantur,  potitia  permittant  se  combari,  quam  qaod  velint  redire. 
et  similiter  quandoque  auditum  sit  ab  avaris,  quod  potins  vellent  semper 
andere  in  infemo,  quam  filios  depauperare.  —  IAp$.  496,  80,  6:  confirmata 
hereaia.  pro  lUo  enim  peccato  raro  illum  ezaudit  (Dens)  et  difficulter,  etiamBi 
mnndus  pro  tali  oraret.  et  qnare  pro  illo  sie  raro?  quia  qui  in  illo  est, 
nollet  aliquem  pro  se  ezaudiri,  ut  ad  yeram  fidem  nostram  converteretur. 
nullus  est  peccator  inter  nos,  qui  nollet  conyerti,  sed  ille  nequaquam.  si  ye- 
nirent  sapientissimi ,  si  sanctissimi,  etiam  cum  miraculis,  conyerti  nollet. 
VgL.  Ffe^er  436,  34 ff.  618,  19  ff. 


83  Y.  Abhaodliiog:    Sehftnbaoli. 

vermes  in  parietO;  extra  tnrpes  ad  videndam^  intus  omnino 
fetidi.  sunt  etiam  ut  bafones,  extra  gi'aves  ad  videndum,  com 
etiam  dicantur  ocnloS;  cum  videntur,  ledere^  et  fetidi  sunt;  intus 
vero  omnino  immundi  et  venenosi.  —  1  Frib.  186^:  debet  credere, 

5  quod  habet  fides  Romana,  quod  aperte  predicatur,  non  quod 
credit  paaper  Leonista,  Kunclarius  et  hujusmodi,  non  quod  in 
angulo.  —  2Frib,10^:  ecce,  quot  inimici  solorum  hereticorum, 
nam  omnes  Manichei;  omnes  Ortlibarii,  Patarini;  Cattari  et  alii 
plurimi  auferre  iliam  studiosissime  nituntar.  —  Aufzählung  der 

10  Ansichten  alter  Sekten.  —  ut  Cathore,  qui  negant  veniam  pec- 
catorum.  Catari  penitentiam  refutant.  —  262^:  philosophi  quidem 
senserunt,  mandum  esse  eternum,  nee  a  Domino  creatum,  ut  Uli, 
qui  omnia  ex  athomis  confluxisse  putaverunt.  heretici  Manichei  etc. 


Die  tvichtigsten  Stellen  in  den  deutschen  Aufzeichnungen 
Bertholdscher  Predigten,  wo  Ketzemamen  vorkommen  (vgl.  Pfeiffer 
in  der  Zeitschr,  f  d.  Altert  S,  55 ff,),  sind: 

Pfeiffer  130,  29:  die  sint  geheizen  Manachei  unde  Patrine 

15  unde  Pöverlewe  unde  Runkeler  unde  Sporer  unde  Sifrider  unde 
Arnolder.  —  402,  14:  ein  heizent  Pöverlewe  und  ein  Arriani 
unde  Runkeler  unde  ManachS!  unde  Sporer  unde  Sifrider  und 
Arnolder.  —  Strohl  50,  15:  Pöverlewe,  Ringler,  Ortlieber,  bist 
du  iendert  hie?  —  70,  19:  ir  ist  wol   anderthalphundert  slahte 

20  ketzer:  Pöverlewen,  Patrine,  Sporer,  Rünkler,  Ortlieber,  Qazar!, 
Siferder  {Hss,  Sifrider),  Arrian!,  Arnolder,  Manachöi.  —  186,  23: 
—  daz  ein  Ringler  geloubet,  daz  geloubet  ein  Arrian  niht, 
noch  des  ein  Pöverlewe  geloubet.  —  207,  34:  —  Sporer  —  Pa- 
trin!,   Manichöi  —  Runkeler  —  Pöverlewe.  —  216,  2:  Patrini 

25  —  Arriani.  —  254,  27:  Patrini,  Manichöi. 


Es  soll  nunmehr  versucht  werden  darzulegen,  wie  sich 
die  den  Predigten  Bertholds  von  Regensburg  entnommenen 
Zeugnisse  über  das  Ketzer wesen  Deutschlands  im  13.  Jahr- 
hundert zu  unserer  bisherigen  Kenntnis  verhalten,  welchen 
Wert  sie  besitzen,  inwiefern  sie  geeignet  sind,  die  vorhandenen 
Mitteilungen  zu  bestätigen  oder  zu  berichtigen,   was  etwa  sich 


Stadien  mir  QMchiehta  dar  altdeateohen  Predig.  83 

an  neaen  Ergebnissen  ihnen  abgewinnen  läßt.  Zu  diesem  Behafe 
vergleiche  ich  die  Angaben  Bertholds  mit  dem  mir  zugänglichen 
Quellenmaterial;  dieses  strebe  ich  möglichst  erschöpfend  aus- 
zunutzen, insofern  es  Nachrichten  über  die  Verhältnisse  bis 
unge&hr  zum  Jahre  1300  enthält.  Je  weiter  die  späteren 
Schriften  über  deutsche  Häresien  von  Bertholds  Zeit  abliegen^ 
desto  vorsichtiger  verwerte  ich  sie:  die  Geschichte  des  mittel- 
alterlichen Ketzertums  lehrt  allenthalben,  in  wie  lebhaftem  Fluß 
die  häretischen  Meinungen  sich  bewegen,  wie  unter  dem  Druck 
der  Verfolgung  durch  Kirche  und  Staatsgewalt  die  Überzeu- 
gungen der  verschiedenen  Sekten  sich  gegenseitig  berühren 
und  mit  einander  verschmelzen;  es  soll,  so  weit  das  angeht, 
jede  Kundschaft  nur  für  die  Gegend  und  Zeit  als  gültig  an- 
gesehen werden«  der  sie  entstammt. 

Gerne  bekenne  ich,  daß  ich  am  liebsten  mich  an  die 
Quellen  unmittelbar  halte.  Ist  das  selbstverständliche  Regel 
für  alle  Bereiche  historischen  Forschens,  so  muß  ganz  ins- 
besondere auf  dem  Gebiete  der  Ketzergeschichte  des  Mittel- 
alters solchermaßen  verfahren  werden.  Denn  noch  mehr  als 
irgendwo  sonst  wird  hier  die  Objektivität  der  modernen  wissen- 
schaftlichen Darstellungen,  die  zumeist  von  Theologen  her- 
rühren, teils  durch  die  Natur  des  StofiFes,  teils  durch  die  zweck- 
bewnßte  Voreingenommenheit  der  Arbeitenden  beeinträchtigt. 
Meine  Untersuchung  ist  historisch-philologisch*,  an  dem  Ver- 
hältnis ihrer  Resultate  zu  den  späteren  Entwicklungen  inner- 
halb und  außerhalb  der  katholischen  Kirche  bin  ich  nicht 
interessiert.  Die  Sachkundigen  werden  hoffentlich  wahrnehmen, 
daß  mir  die  moderne  Literatur  über  die  Häresien  des  12.  und 
13.  Jahrhunderts  nicht  unvertraut  ist;  ich  zitiere  sie  aller- 
dings nur  dort,  wo  ich  sie  brauche,  eine  Anzahl  von  Schriften 
jedoch  überhaupt  nicht,  weil  diese  durch  unsachliche  Tendenz 
und  durch  eine  bis  auf  die  Ausdrucksweise  sich  erstreckende 
Wut  der  Polemik  den  wissenschaftlichen  Charakter  eingebüßt 
haben. 

Bis  zur  Stunde  wird  Berthold  von  Regensburg  unter  den 
Schriftstellern  zur  Geschichte  des  deutschen  Ketzerwesens  kaum 
genannt.  Selbst  diejenigen  Forscher,  welche  den  Inhalt  seiner 
Predigten  analysieren  und  nach  Gruppen  aufgeteilt  vortragen, 
wissen  sehr  wenig  Ausbeute  über  Ketzereien  mitzuteilen  (Karl 

6* 


84  V.  AbhandloDg:    SehAnbaeb. 

ünkel,  B.  v.  ß.,  Köln  1882,  S.  33 ff.;  E.  Michael,  Geschichte 
des  deutschen  Volkes  während  des  13.  Jahrhunderts  2  [1899], 
266  ff.).  Es  werden  nämlich  von  ihnen  nur  die  deutschen  Auf- 
zeichnungen Bertholdscher  Predigten  ausgenutzt,  wahrschein- 
lich, weil  nur  diese  gedruckt  sind.  Denn  das  alte  Vorurteil, 
das  die  lateinischen  Niederschriften,  Redaktionen  und  Samm- 
lungen der  Reden  Bertholds  überhaupt  nicht  kannte  oder  ab- 
lehnte, ist  doch  sichtlich  im  Weichen  begriffen.  Die  deutschen 
Stticke  nun,  die  zur  erbaulichen  Lektüre  für  ein  Laienpablikum 
hergerichtet  wurden,  enthalten  nur  sehr  wenige  von  Bertholds 
Erörterungen  über  die  Ketzereien  seiner  Zeit,  weil  diese  dem 
Geschmacke  der  Leser  nicht  entsprachen  (Glaubenspredigten 
waren  schon  bei  Bertholds  Zuhörern  nicht  beliebt  12,  12:  jeder 
meinte  bereits  das  Nötige  zu  wissen  29,  16);  es  wurden  lieber 
Partien  bevorzugt,  die  sich  wider  die  bekannten  Laster  kehrten, 
insbesonders  die  Mißbräuche  in  Handel  und  Wandel,  Standes- 
sünden und  Gebrechen  des  häuslichen  Lebens.  Dadurch  bieten 
die  deutschen  Handschriften  von  Bertholds  Predigten  reiche 
Farben  flir  ein  Eulturbild  des  13.  Jahrhunderts,  stellen  uns 
aber  die  Wirksamkeit  des  Redners  sehr  einseitig  und  mit 
argen  Beschränkungen  dar.  Georg  Jakob  wußte  hingegen  in 
seiner  Schrift  über  die  lateinischen  Reden  des  s.  B.  v.  R. 
(1880,  S.  110  ff.)  bereits  auf  mehrere  Stücke  hinzuweisen,  die 
sich  ausschließlich  mit  den  Häresien  des  Zeitalters  befaßten. 
In  Wirklichkeit  verhält  es  sich  aber  so,  daß  der  Kampf 
wider  den  Irrglauben  die  Tätigkeit  Bertholds  von  Regensburg 
stärker  in  Anspruch  nimmt  als  irgend  eine  andere  Aufgabe, 
die  er  als  Prediger  behandelt.  Und  zwar  unmittelbar,  indem 
er  die  einzelnen  Sekten  und  ihre  Lehren  ausdrücklich  nennt 
und  sie  mit  allen  Mitteln  als  Theologe  und  Rhetor  bestreitet, 
durch  die  Gewalt  seines  Zurufes  das  Volksgewissen  wachruft, 
und  erschüttert,  aber  auch  durch  langsam  eindringende,  gelehrte 
Beweisführung  auf  das  Verständnis  der  Hörer  zu  wirken  und 
ihre  bessere  Einsicht  zur  Anerkennung  des  Kirchenglaubens 
zu  bringen  trachtet,  dessen  Herrlichkeit  er  aus  der  ganzen 
Fülle  seiner  Bildkraft  preisend  verkündet.  Erst  wenn  man 
überschaut,  wie  oft  und  machtvoll  Berthold  den  Häretikern 
direkt  gegenübertritt,  wird  es  klar,  daß  er  auch  an  sehr  vielen 
Stellen,    die  wir   sonst  gar   nicht  als  solche   erkennen  würden. 


Studien  snr  G«tchio1ito  der  altdenteehen  Predigt.  85 

mittelbar  die  Ketzer  bekämpft.  Indem  er  die  am  meisten  um- 
strittenen Punkte  der  Glaubenslehre  und  des  äußeren  Gottes- 
dienstes nachdrücklich  verteidigt  und  sich  um  ihr  richtiges  Ver- 
ständnis bemüht,  wirkt  er  wider  die  Sekten  fUr  die  katholische 
Kirche.  Schon  die  deutschen  Stücke  werden  jetzt  in  dieser  Hin- 
sicht anders  beurteilt  werden  müssen^  verschiedene  Partien  der 
lateinischen  nehme  ich  gelegentlich  fUr  Bertholds  Wirken  wider 
die  Ketzer  in  Anspruch,  auch  ohne  deren  besondere  Erwähnung. 
Nun  beschränkt  sich  aber  die  Polemik  Bertholds  von 
Regensburg  gegen  die  Häresien  durchaus  nicht  auf  einzelne 
Stellen  und  Erwähnungen,  sondern  es  werden  von  ihm  ganze 
Predigten  den  Gruppen  von  Irrlehren  (z.  B.  solchen,  die  sich 
auf  das  Schicksal  von  Seele  und  Leib  nach  dem  Tode  beziehen) 
gewidmet.  Am  bedeutendsten  erscheint  die  Tatsache,  daß  die 
erste  Freiburger  Handschrift  in  einer  Folge  von  mehr  als 
zwanzig  Blättern  Predigten  enthält  (S.  4 — 50),  die  sich  ganz 
oder  teilweise  mit  der  Polemik  gegen  die  Sektierer  befassen: 
man  könnte  diese  Stücke  wohl  als  ,Reihenpredigten^  (eine 
Gruppe  von  sechs  Stücken  über  den  Himmel  in  den  Sermones 
Speciales  1 — 6  bei  Jakob  S.  99)  wider  die  Ketzerei  bezeichnen ; 
die  Nummern  7 — 10  über  das  Symbolum  fidei  im  Rusticanus 
de  Communi  (Jakob  S.  75)  stellen  sich  ihnen  an  die  Seite. 
Man  hält  schon  lange  und  mit  Recht  Bertholds  Sermone  fUr 
Missionspredigten;  man  kennt  eine  Urkunde  Papst  Urban  IV. 
vom  21.  Harz  1263  (bei  Sbaralea  im  Bullarium  Franciscanum 
2,  459;  zuerst  angezogen  von  K.  Eubel,  Geschichte  der  ober- 
deutschen Minoriten-Provinz ,  S.  251  f.,  Anm.  217,  dann  bei 
K.  Rieder,  Das  Leben  B.  v.  R.,  [1901]  S.  31  f.),  worin  Bert- 
hold aufgefordert  wird,  den  Bischof  Albertus  (Magnus)  von 
Regensburg  in  der  Kreuzpredigt  zu  unterstützen.  Es  scheint 
mir  ganz  zweifellos,  daß  die  Predigten  der  ersten  Freiburger 
Handschrift  und  des  Rusticanus  de  Communi  von  Berthold  im 
Dienste  der  Mission  gegen  Ketzer  Süd-  und  Ostdeutschlands  ge- 
halten worden  sind  (war  der  St.  Lambrechter  Prediger  von  ihm 
beeinflußt  —  vgl.  meine  Miscellen  aus  Grazer  Hss.  5, 57.  73  — , 
dann  wird  man  Innerösterreich  mit  einzuschließen  haben).  Sicher- 
lich hat  Berthold  auf  Befehl  der  Ordensoberen  missioniert;  ob 
noch  der  Wunsch  eines  Kirchenfürsten  oder  eine  Anordnung  des 
Papstes  dabei  mitgewirkt  hat,  die  Gaben  des  ,Landpredigers'  zum 


86  V*  Abhandlang:    SehAnbAeta. 

Schutze  des  katholischen  Glaubens  besonders  zu  gebrauchen, 
weiß  ich  nicht  zu  belegen,  doch  läßt  es  sich  vermuten.  An 
zwei  Stellen  der  ersten  Freiburger  Handschrift  werden  Jahres- 
zahlen erwähnt:  20,  28  heißt  es,  die  Apostel  hätten  vor  1200 
Jahren  den  christlichen  Glauben  öffentlich  gelehrt;  44,  29  besagt, 
der  christliche  Glaube  habe  sich  seit  1250  und  mehr  (et  plures) 
Jahren,  da  Christus  ihn  vom  Himmel  brachte,  in  keinem  Worte 
geändert.  Wird  man  solche  Angaben  auch  nicht  bucbstäblicfa 
und  engstens  auslegen  dürfen  (vgl.  Preger,  Abh.  d.  bayr.  Akad. 
d.  Wissensch.  Hist.  Kl.  13,  20  f.),  so  erweisen  sich  andererseits 
Bertholds  eigene  chronologische  Daten,  wie  er  sie  öfters  vor- 
bringt, allenthalben  zuverlässig,  es  wird  daher  erlaubt  sein,  diese 
Reihenpredigten  ungefähr  den  Fünfzigerjahren  des  13.  Jahr- 
hunderts zuzuweisen.  Die  historischen  Zeugnisse  fUr  Bertholds 
Tätigkeit  hat  Rieder  (a.  a.  O.  S.  26)  zusammengestellt,  aus 
ihnen  läßt  sich  nur  entnehmen,  daß  er  zwischen  1250  und 
1260  in  verschiedenen  Städten  Süddeutschlands,  dann  auch  in 
Osterreich  und  Steiermark  predigte.  Genauere  örtliche  und 
zeitliche  Bestimmungen  sind  aus  unseren  Stücken  für  jetzt 
nicht  zu  erschließen.  — 

Wenn  ich  im  folgenden  die  Mitteilungen  Bertholds  über 
Ketzer  —  deutsche  Ketzer^  das  wird  festzuhalten  sein  —  im 
einzelnen  bewerte,  denke  ich  in  dieser  Weise  zu  verfahren: 
ich  beginne  zuvörderst  mit  den  Angaben,  welche  die  Sekte 
ausdrücklich  nennen,  für  die  sie  gelten;  diese  werden  feste 
Punkte  liefern;  an  sie  füge  ich  dann  die  Erörterung  solcher 
Mitteilungen,  die  nicht  ausdrücklich,  sondern  nur  dem  Zu- 
sammenhange nach  (^T  eine  gewisse  Gruppe  von  Ketzern  an- 
zusprechen sind;  endlich  kommen  solche  Notizen  in  Betracht, 
welche  nur  auf  Grund  unserer  allgemeinen  Kenntnis  auf  be- 
stimmte Häresien  bezogen  werden  können.  Besonders  die 
beiden  letzten  Arten  von  Stellen  machen  es  nötig,  die  vor- 
handene Literatur  heranzuziehen,  doch  soll  das  auch  für  die 
erste  geschehen,  sofern  das  ohne  allzugroße  Weitschweifigkeit 
möglich  ist.  — 

Die  Katharer  (vgl.  Hahn,  Geschichte  der  Ketzer  im  Mittel- 
alter, 1.  Band^  1845;  Charles  Schmidt,  Histoire  des  Cathares 
ou  Albigeois,  2  vols.  1849;  Alexandre  Lombard,  Pauliciens, 
Bnlgares   et  Bons-Hommes   en   Orient   et  en   Occident,   1879; 


Stadien  zsr  Gasehiehte  der  altdeutschen  Predigt.  87 

Ignaz  von  DöIIinger;  Beiträge  zur  Sektengeschichie  des  Mittel- 
alters, 2  Bände,  1890,  besonders  der  erste:  Geschichte  der 
gnostisch-maniohtischen  Sekten  im  früheren  Mittelalter;  dazu 
die  Artikel  im  Dictionnaire  des  H^r^sies,  1863  und  in  den 
Kirchenlexicis)  werden  von  Berthold  in  seinen  Fredigten  ver- 
hältnißmässig  selten  mit  Namen  genannt.  Catari  (Cathori  67, 
11;  Cathoree  29,  3.  82,  10)  wird  von  catttts  (cathus)  abge- 
leitet 31,  24.  In  derselben  Weise  wird  mit  dem  Worte  Ketzer 
überhaupt  Katze  in  Zusammenhang  gebracht  45,  23  ff.  und  Anm., 
die  meist  üblen  Eigenschaften  der  Katze  werden  bei  den  Ketzern 
aufgesucht  und  gefunden,  und  da  zweifellos  das  deutsche  Ketzer 
aus  xiOocpoc  sich  entwickelt  hat  (D.  Wb.  5,  639  ff.,  die  lautlichen 
Bedenken  beseitigt  Kluge),  so  haben  die  Katharer  die  deutsche 
Benennung  für  die  Häretiker  des  Mittelalters  überhaupt  ge- 
liefert. Die  Etymologie  Bertholds  trägt  bereits  Alanus  de  In- 
stdis  vor,  schwerlich  de  Podio  (vgl.  Dieckhoff,  Die  Waldenser, 
S.  348  ff.  und  auch  K.  Müller,  Die  Waldenser.  S.  13,  Anm.  2), 
der  Verfasser  der  wichtigen  Schrift  De  fide  catholica  contra 
haereticos  libri  quatttor  (Migne  210,  305—430),  die  noch  aus 
dem  12.  Jahrhundert  stammt,  lib.  1,  cap.  63  (Migne  210,  366  A): 
hi  dicuntur  Catharij  id  est  diffluentes  per  vitia^  a  catha,  quod 
est  fluxuB\  vel  cathaH  quasi  caati^  quia  se  castos  et  justos 
faciunt;  vel  cathari  dicuntur  a  cato,  quia,  ut  dicitur,  osculan- 
tur  posteriora  catti,  in  cujus  specie,  ut  dicunt,  apparet  eis  Lu- 
cifer  (daher  dann  in  der  Alderspacher  Handschrift  des  14.  Jahr- 
hunderts bei  V.  DöUinger  2,  293).  Weist  schon  die  Entwicklung 
von  ,Ketzer'  aus  ,Katharer'  darauf  hin,  daß  diese  Häresie  in 
Deutschland  sehr  mächtig  gewesen  sein  muß,  so  wird  uns  diese 
Tatsache  auch  durch  die  historischen  Überlieferungen  reichlich 
bezeugt  (Schmidt  1,  94,  375;  v.  Döllinger  1,  110,  besonders 
124  ff.;  über  Katharer  in  Deutschland  und  besonders  Osterreich 
klagt  der  Stricker,  Kleine  Gedichte  ed.  Hahn  XII,  503  ff.).  — 
Bertholds  Zeugnisse  bestätigen  die  große  Wichtigkeit  und  Aus- 
dehnung dieser  Sekte,  denn  aus  der  gesamten  Masse  seiner 
Angaben  über  Ketzer  muß  ein  guter  Teil  auf  die  Katharer 
bezogen  werden. 

Ausdrücklich  schreibt  er  ihnen  allerdings  nur  folgende 
Lehren  zu:  sie',  leugnen  die  Vergebung  der  Sünden  29,  3. 
82,  10.     Diese  Behauptung  findet  sich   zwar   nicht  unter  den 


88  ▼•  Abhandlung;    8cli4nbach. 

Sätzen  der  ältesten  Katharer^  die  Schmidt  2^  272  f.  aus  Akten 
und  historischen  Belegen  rekonstrniert;  auch  nicht  bei  Ekbert 
von  SchönaU;  bei  Alanus  aber  steht  sie  lib.  1,  cap.  47  (Migne 
210,  352  C):  alii  haeretici  asserunt,  quod  post  remissionem^  qnae 
fit  in  baptismO;  non  habet  locum  alia,  qnae  fit  per  poeniten- 
tiam:  quod  nituntur  probare  variis  auctoritatibus.  dicnnt  etiam 
illad  esse  peccatum  in  Spiritam  sanctum  j  quod  sit  post  peccati 
remissionem  in  baptismo  factum,  quia  specialis  sit  injuria  gra- 
tiae  Spiritus  sancti,  cum  post  acceptam  gratiam  redit  quia  ad 
culpam.  unde  dicunt,  quod  hoc  peccatum  nee  hie,  nee  in  fu- 
turo  dimittetur.  Vgl.  dazu  v.  Döllinger  1,  193  ff.  Die  Ansicht 
gehört  jedoch  gewiß  schon  zu  dem  alten  Bestände  der  Ka- 
tharerlehren,  weil  sie  aus  ihrer  Auffassung  von  der  Taufe  und 
von  der  Bedeutung  des  consolamentum  (v.  Döllinger  1,  204  ff.) 
sich  unmittelbar  ergibt.  Daher  verwerfen  sie  auch  das  Sakra- 
ment der  Buße  gänzlich  67,  11.  82,  11;  vgl.  Alanus  lib.  1,  cap. 
48 — 66  (Migne  210,  353  ff.).  Bekannt  ist  ihr  Widerstand  gegen 
die  Ehe  (9,  17  und  Anm.  58,  26.  73,  22.  77,  1)  63,  17,  woraus 
die  Behauptung  abgeleitet  wird,  eine  Frau  sei  verdammt,  die 
während  der  Schwangerschaft  oder  Geburt  sterbe  63,  23.  Vgl. 
Schmidt  2,  273,  Nr.  6.  Ekbert  von  Schönau,  Sermones  contra 
Catharos  Nr.  5  (Migne  195,  27  A):  nam  doctrina  vestra  pro- 
hibet  nubere,  in  eo  quod  dicitis  neminem  posse  salvari,  qui 
cum  conjuge  sua  permaneat  usque  in  finem.  Doch  wird  eine 
Geburt  erlaubt  35  D:  —  quod  dicitis  unam  tantum  prolem  de- 
bere  generare  conjuges,  qui  virgines  convenerunt.  Alanus,  lib.  1, 
cap.  63-65  (Migne  210,  365  ff.),  v.  Döllinger  1,  174  ff. 

Erheblich  mehr  von  Bertholds  Angaben  gilt  für  die  Ea- 
tharer,  obgleich  sie  dabei  nicht  mit  Namen  angeführt  werden. 
Jedesfalls  sind  sie  dort  gemeint,  wo  sich  Manes  und  Manichäer 
genannt  finden.  Ihnen  gehört  die  Lehre,  daß  der  Teufel 
die  Welt  erschaffen  habe  6,  2  (Manes).  6,  15  (Dens  malus) '^ 
die  Theorie  von  der  Entstehung  der  Welt  aus  Atomen  wird 
neben  den  Glauben  der  Manichäer  gesetzt  82,  12.  Der  Teufel 
hat  auch  den  Leib  des  Menschen  geschaffen  6,  14  und  Anm. 
62,  29;  daher  gibt  es  keine  Auferstehung  des  Fleisches  29,  6. 
Der  Teufel  wird  auch  erlöst  (Manes)  6,  2.  48,  8  (Origenes). 
32.  Deshalb  kasteien  sich  die  Ketzer  6,  7.  48,  15.  Der  gute 
Gott   hat  die  Geister  und   Seelen   erschaffen  6,  15  und  Anm. 


Stadien  snr  Gesebieht«  der  altdentaehen  Predigt.  89 

Auf  Manes  und  Arrius  gehen  alle  Ketzereien  zarUck  76,  7. 
Dieses  ganze  Geflecht  von  Glaubensüberzeugungen  ist  von 
Alters  her  für  die  Katharer  überliefert;  die  dadurch  meines 
Erachtens  über  den  Bereich  des  Christentums  im  weitesten 
Sinne  hinausrücken  und  gar  nicht  mehr  als  christliche  Sekte 
bezeichnet  werden  sollten.  Vgl.  Nr.  1  bei  Schmidt  2,  273. 
Ekbert  von  Schönau,  Sermo  6  (Migne  195,  40  f.).  Alanus,  lib.  1, 
cap.  2—10  (Migne  210,  308  f.).  v.  DöUinger  1,  132  ff.  Daß  der 
Teufel  erlöst  werden  könne,  bekundet  als  Lehre  der  Katharer 
Alanus,  lib.  1,  cap.  12  (Migne  210,  317  f.);  der  Satz  ist  ver- 
gröbert aus  dem  Zusammenhange  ihrer  Weltanschauung,  vgl. 
V.  DöUinger  1,  157.  —  Christus  ist  nicht  wahrer  Mensch  ge- 
wesen 4,  3.  47,  37.  16,  13  u.  Anm.  67,  3,  ihm  ward  nur  eine 
similitudo  camis  zuteil.  Berthold  sucht  das  aus  der  Lebens- 
geschichte  Jesu  zu  widerlegen  4,  8.  Über  die  Gottheit  und 
Menschheit  Christi  behaupten  sie  Falsches  76,  32.  80,  34.  Vgl. 
Nr.  3  bei  Schmidt  2,  273.  Ekbert  von  Schönau  bekämpft  im 
12.  Sermon  (Migne  195,  94 ff.)  diese  Lehre  mit  denselben 
Gründen  wie  Berthold,  zum  Teil  mit  ähnlichen  Worten:  dicitis 
forte,  quod,  quia  assimilavit  se  esurire,  sitire  et  cetera  omnia, 
quae  diximus,  ideo  evangelistae  ita  de  eo  locuti  sunt,  ut  illos 
gestus  simulationis  ejus  talibus  experimerent  verbis.  filii  Belial! 
qua  vos  audacia  imponitis  simplici  agno  simulationis  duplici- 
tatem,  veritati,  quae  Dens  est,  falsitatem?  Alanus,  lib.  2,  cap. 
19—22,32-34  (Migne  210,  321  ff.  334  ff.).  DöUinger  1,  151  ff 
Diese  Ketzer  verwerfen  nach  Berthold  alle  Sakramente 
6,  23.  47,38.  67,  31.  Das  wird  für  die  Katharer  nicht  gleich  von 
vorneherein,  wohl  aber  später  bezeugt  (Hahn  1,  72;  DöUinger 
1,  190).  Insbesondere  behaupten  sie,  die  Taufe  nütze  den 
Kindern  nichts  7,  1,  weil  sie  noch  nicht  glauben  66,  17.  Ekbert 
von  Schönau,  7.  Sermon  (Migne  195,  41  D):  de  baptismo  par- 
vulornm  dicitis,  quoniam  inanis  est,  quod  neque  Ulis  prodest 
ad  salutem,  neque  aUquibus,  qui  non  sunt  ejus  discretionis,  ut 
possint  credere  aut  per  se  ipsos  gratiam  baptismi  postulare. 
Die  Stelle,  auf  welche  die  Katharer  sich  bei  Ekbert ,  Berthold 
u.  a.  berufen,  ist  Marc.  16,  16:  qui  crediderit  et  baptizatus 
fuerit,  salvus  erit;  qui  vero  non  crediderit,  condempnabitur. 
Ekbert  (47  A)  und  Berthold  führen  dawider  die  evangelische 
Erzählung  von  dem  kananitischen  Weibe  an  Matth.  15,  21 — 28 


90  V.  Abbuidlang:    Scbönbach 

(wohl  nach  dem  Vorbilde  Bernards  von  Clairvaux ,  Sermones 
in  Cantica  Nr.  66,  bei  Migne  183,  1090  f.).  Die  Argamentation 
Bertholds  66,  9 ff.  bringt  schon  Alanus  (üb.  1,  cap.  41.  42;  Migne 
210,  346  ff.),  indem  er  die  bürgerliche  Gesetzgebung  anzieht 
(347  C):  praecepta  enim  in  jure  civili  non  dantur  parvolis  et  in- 
discretis,  sed  adultis  et  discretis,  and  (348  D)  aaf  die  Fälle  des 
Alten  und  Neuen  Testamentes  verweist,  in  denen  einzelnen  um 
der  Verdienste  anderer  willen  Gnaden  zuteil  wurden:  si  ergo 
multi  aliorum  meritis  sancti  sunt  in  anima  et  corpore,  quanto 
magis  parvuli  salvari  possunt  in  fide  aliorum  per  baptismom? 
—  Die  Katharer  glauben  nicht  an  die  Transsubstantiation  im 
Altarssakramente  7,  2  und  7,  off.  Anm.,  Berthold  verteidigt 
wider  sie  ausführlich  die  katholische  Lehre  69,  1.  69,  25  ff.  und 
Anm.,  insbesonders  wendet  er  sich  gegen  ihre  Behauptung: 
wäre  die  Eucharistie  so  groß  wie  ein  Berg,  so  mUßte  sie  längst 
von  den  Gläubigen  aufgezehrt  sein  7, 17  u.  Anm.  69,  25  Anm. 
Vgl.  Nr.  8  bei  Schmidt  2,  273.  Ekbert  von  Schönau  behandelt 
den  Irrglauben  der  Katharer  in  Bezug  auf  die  Eucharistie  im 
11.  Sermon  (Migne  195,  84  ff.),  er  bedient  sich  ähnlicher  Argu- 
mente wie  Berthold,  indem  er  (85 f.)  die  Wunder  der  evan- 
gelischen Überlieferung  anführt,  dann  (92 C)  erzählt  er  (vgl. 
Döllinger  1,  198):  vir  quidam  nostri  temporis,  qui  infamatus 
erat,  quod  de  Cathara  vestra  gustasset,  cum  interrogaretnr  in 
extremis  suis,  an  vellet  dari  sibi  corpus  Domini,  dixisse  me- 
moratur:  ,si  esset  illud  corpus  Domini  tantae  quantitatis,  ut 
est  petra  Eremberti  (EhrenhreiUtein  hei  Koblenz) ,  jamdudum 
esset  consumptum,  ex  quo  primum  coepit  manducari.^  verbum 
irrisionis  erat  hoc  et  ex  infidelitate  processit  — .  Alanus  handelt 
von  der  Transsubstantiation  lib.  1,  cap.  57 — 62  (Migne  210, 
359  ff.).  Seiner  Beweisführung  ist  die  Bertholds  sehr  ähnlich, 
es  fehlt  auch  hier  nicht  an  wörtlichen  Anklängen,  z.  B.  heißt 
es  362  C :  dicimus  etiam,  quod  sub  illa  exigua  forma  latet  to- 
tum  Christi  corpus,  quia,  cum  jam  sit  glorificatum,  tantae  sub- 
tilitatis  est,  quod  non  facit  distantiam  aäris  ad  aera,  et  tarnen 
membra  ejus  distincta  sunt,  corpus  quoque  suum  discipulis 
dedit  tale,  quäle  habuit,  id  est  mortale;  miraculosum  autem 
fuit,  quod  corpus  tantae  quantitatis  intravit  per  os  comedentis 
angustum.  quo  enim  miraculo  natus  est  clause  utero  Virginia, 
et  quomodo  super  aquas  ambulavit  siccis  pedibus,  eodem  mira- 


Studien  zar  Geschieht«  der  »Itdenksehen  Predigt.  91 

colo  intravit  in  os  comedentis.  dicimus  etiam^  qaod,  si  qais  cele- 
brasset  sacramentum  eucharistiae  Romae  in  die  passionis,  Chri- 
stus Romae  existens  pateretur  in  Jerusalem,  sed  non  Romae 
pateretur,  sicut,  dum  aliquid  incipit  esse,  in  hoc  momento  in- 
cipit  esse.  —  Die  Firmung  ist  nach  den  Katharern  wertlos 
7,2.  AlanuB,  lib.  1,  cap.  66  (Migne  210,  369):  dicunt  enim 
nuUam  esse  virtutem  sacramenti  confirmationis.  —  Auch  die 
letzte  Ölung  verwerfen  sie  8,  9.  Alanus,  lib.  1,  cap.  C8  (Migne 
210,  370),  wobei  es  lehrreich  ist,  daß  er  dieselbe  Stelle  Hugos 
von  St.  Victor  benutzt  wie  Berthold  72,  28.  Sehr  interessant 
ist  der  Aberglaube,  der  sich  an  die  letzte  Oinng  bei  den 
(deutschen)  Katholiken  knüpft  und  wider  den  Berthold  73,  14  ff. 
und  Anm.  polemisiert:  nach  Empfang  dieses  Sakramentes  dtti*fe 
man  nicht  mehr  bei  seinem  Weibe  liegen,  kein  Fleisch  essen, 
nicht  mit  bloßen  Füssen  den  Erdboden  berühren,  nicht  mehr 
das  Leintuch  des  Bettes  benutzen.  Denn  diese  Anschauungen 
sind  klärlich  von  dem  cansolamentum  der  Katharer  (DöUinger 
1,  204  ff.),  das  den  gläubigen  vor  ihrem  Ende  gespendet  wurde, 
auf  die  kathoUsche  letzte  Ölung  übertragen  worden.  Durch 
das  cansolamentum  wurde  der  Qetröstete  in  den  Stand  der 
perfecti  erhoben  und  mußte  sich,  wenn  er  am  Leben  blieb, 
den  überaus  strengen  Geboten  der  Askese  dieser  Vollkommenen 
fiSgen.  Deshalb  nennt  auch  Berthold  solchen  Aberglauben  aus- 
drücklich ketzerisch.  Wem  man  nicht  zutraute,  daß  er  nach 
dem  consolamentum  in  der  harten  Askese  leben  könne,  der 
mußte  durch  die  endura,  die  freiwillige  Enthaltung  von  Speise 
(DOllinger  1,  221  ff.),  sich  selbst  töten.  Auch  dieses  furcht- 
bare Institut  der  Katharer  (vgl.  die  Beschreibung  in  des  Ber- 
nardus  Guidonis  Practica  inquisitionis  heretice  pravitatis,  ed. 
Douais  1886,  S.  132;  über  dessen  Verhältnis  zu  seinen  Quellen 
vgl.  Sachsse,  B.  G.  Inquisitor  und  die  Apostelbrüder  1891)  kennt 
Berthold,  das  sieht  man  aus  1 1 ,  22,  wo  er  vor  der  häretischen 
Meinung  warnt,  man  müsse  sich  durch  Fasten  selbst  aus  der 
Welt  schaffen.  —  Auch  die  Priesterweihe  wird  von  den  Ka- 
tbarem als  wertlos  erklärt  8,  9.  59,  9.  74,  6  ff.  Vgl.  Ekbert 
von  Schönau,  10.  Sermo  (Migne  195,  69 — 84).  Alanus,  lib.  1, 
cap.  67  (Migne  210,  369).  —  Sehr  bekannt  ist  als  eine  alte 
Lehre  der  Manichäer  die  Verwerfung  der  Ehe  (s.  oben  S.  88), 
weshalb  die  Katharer  auch  das  Sakrament  nicht  anerkennen. 


92  y.  Abhudlang:    Sebönbach. 

In  einem  wichtigen  Pankte  widersprechen  die  Katharer 
weiters  der  katholischen  Kirche ;  nämlich  im  Bezug  aaf  die 
Vorstellungen  über  das  Leben  nach  dem  Tode.  Bertbold  nennt 
ihre  Lehren  manichäisch  62,  31  (Origenes  63,  1).  67,  2.  76,  33. 
Er  widmet  ihnen  eine  eigene  Predigt  S.  48—52.  Damach 
leugnen  sie  die  Unsterblichkeit  der  Seele  49,  15;  die  Aufer- 
stehung des  Leibes  50,37.  59,  16,  die  Berthold  59,  30  ff.  zu 
beweisen  sucht;  die  Ewigkeit  der  Höllenstrafen  51,4.  67,  12; 
das  Fegefeuer  51,  16;  den  armen  Seelen  dort  kann  durch  die 
lebenden  Gläubigen  keine  Hilfe  geleistet  werden  51,  20.  Als 
heretici  modemi  werden  diese  Irrlehrer  bezeichnet  49,  3.  — 
Dazu  vgl.  Ekbert  von  Schönaus  9.  Sermon  (Migne  195,  55 — 69), 
hauptsächlich  jedoch  Alanus,  lib.  1,  cap.  23 — 31.  72  f.  (Migne 
210,  324  ff.  373  f.),  denn  Berthold  hat  ohne  Zweifel  diese  Schrift 
bei  seiner  Predigt  für  die  Beweisführung  gegen  die  Ketzer 
benutzt.  Das  erhellt  aus  verschiedenen  Stellen.  Die  Notizen 
(ut  legitur  in  naturalibus)  49,  7  ff.  finden  sich  beisammen  im 
Speculum  naturale  des  Vinzenz  von  Beauvais  lib.  19,  cap.  61: 
(hyaena)  pastores  et  canes  singultando,  quasi  esset  canis,  de- 
ludit  et  sie  pecora  comedit.  ipsos  enim  homines  et  canes  de- 
ludens  depraedatur  et  sepulturas  cavat,  quando  talem  carnem 
comedere  desiderat.  —  hyaena  nocturna  bestia  mortuorum  de- 
vorat  cadavera,  de  sepulchris  etiam  effodit  corpora,  cunctisque 
sordibus  vescitur.  Doch  muß  noch  Plinius  herangezogen  werden, 
durch  den  sich  Bertholds  abgekürzte  Mitteilung  erst  aufklärt, 
Hist.  Nat.  lib.  8,  cap.  30:  multa  praeterea  mira  traduntur.  sed 
maxime  sermonem  humanum  inter  pastorum  stabula  assimulare 
nomenque  alicujus  addiscere,  quem  evocatum  foras  laceret. 
item  vomitionem  hominis  imitari  ad  sollicitandos  canes,  quos 
invadat.  ab  uno  animali  sepulchra  erui  inquisitione  corporum. 
Solinus:  circuit  domos  per  noctem  et  quaedam  verba  exprimit, 
ut  suspicetur  esse  homo  ab  iis,  qui  in  domo  sunt,  eo  quod  lo- 
quitur  ut  homo,  qui  foras  egressi  subito  ab  ea  devorantur.  — 
Die  Frage  nach  dem  Unterschiede  zwischen  dem  spirittLS  ho- 
minis und  Spiritus  bruti  (Berthold  49,  20  ff.)  wird  sehr  aus- 
führlich erörtert  bei  Alanus  im  28.  Kapitel,  z.  B.:  est  namque 
in  homine  duplex  spiritus,  spiritus  rationalis  et  incorporeus, 
qui  non  perit  cum  corpore,  et  alius,  qui  dicitur  physicus  eive 
naturalis,   quo   mediante   anima  rationabiiis   uoitur   corpori    — 


Stadien  rar  GMchiebte  der  »Itdentichen  Predigt.  93 

quo  mediante  fit  sensus  et  imaginatio,  et  ille  perit  cum  corpore, 
talis  spiritas  naturalis  est  in  corpore  bruti  animantis,  et  illad 
vegetat  et  perit  peretmte  corpore.  —  Zu  Berthold  49, 39  ff.  vgl. 
Alanns,  Hb.  1,  cap.  30:  —  ad  auctoritates  gentilium  philoso- 
phomm  stilum  vertamus,  et  erubescant  Cbristiani  illam  veri- 
tatem  diffiteri,  quam  confessi  sunt  philosophi  gentiles.  Dort 
steht  (332  D)  das  rare  Zitat  aus  Mercurius  Trismegistus  (Bert- 
hold 50, 5).  Ferner  der  Passus  bei  Berthold  50,  24  =  Alanus 
334  A:  item,  ad  idem  probandum  possumus  uti  ca  insinuatione, 
qua  usus  est  quidam  religiosus  contra  philosophum,  qui  negabat 
animam  esse  immortalem,  ait  enim:  ,aut  anima  est  mortalis, 
aut  immortalis:  si  mortalis  est  anima,  et  credis  eam  esse  im- 
mortalem, nuUum  tibi  inde  provenit  incommodum;  si  autem 
est  immortalis,  et  credis  eam  esse  mortalem,  aliquod  potest  tibi 
inde  provenire  incommodum.  ergo  melius  est,  ut  credatur  im- 
mortalis quam  mortalis.^  Alanus  bietet  334  B  die  Berufung 
auf  die  Verdienste  der  Heiligen  Gottes,  die  ohne  Unsterblich- 
keit unbelohnt  blieben  (ßerthold  50,  lOff.),  den  Hinweis  auf 
die  Autoritäten  des  Alten  und  Neuen  Testamentes  (Berthold 
49,  38).  Die  Beispiele  Auferstandener  (Berthold  50,  20  ff.)  bei 
Alanus  325  D.  Übrigens  findet  sich  die  ganze  Argumentation 
aus  der  Gerechtigkeit  Gottes  bereits  in  dem  angezogenen  Ser- 
mone Ekberts  von  Schönau.  Es  ist  indes  sehr  wohl  möglich, 
daß  zwischen  Berthold  und  Alanus  noch  ein  Mittelglied  ange- 
nommen werden  muß.  Die  Stellen  ,Anselmus^  am  Schlüsse 
von  Bertholds  Predigt  beziehen  sich  auf  Anselms  von  Canter- 
bury  Admonitio  morienti  et  de  peccatis  suis  nimium  formidanti 
bei  Migne  158,  685  ff. 

Sehr  interessant  ist  Bertholds  Polemik  43,  18  ff.  wider  die 
häretische  Auslegung  des  Evangeliums  Johannis  mit  dem  Bei- 
spiel aus  dessen  Anfang,  die  später  noch  besprochen  werden 
soll.  Hier  will  ich  nur  daran  erinnern,  daß  der  Eingang  des 
Johannesevangeliums,  in  die  Nationalsprachen  übersetzt,  im 
Gottesdienste  der  Katharer  von  großer  Bedeutung  war.  Nicht 
bloß  deshalb,  weil  in  dem  Religionssystem  einzelner  Gruppen 
von  Katharern  der  Evangelist  Johannes  als  ein  von  Gott  auf  die 
Erde  gesandter  Engel  auftrat  (DöUinger  1,  119.  151.  154.  167), 
sondern  weil  diese  Eingangsverse  bei  dem  wichtigsten  Kultus- 
akt der  Sekte,  dem  conaolamenium,   gebraucht  wurden.     Vgl. 


94  Y.  Abhandlung:    8oh6nbach. 

darüber  Schmidt  2,  129;  Döllinger  1,207.  210.  Das  bedeutendste 
Zeugnis  bietet  Ermeugaudus,  dessen  Schrift  von  Jakob  Gretser 
S.  J.  irrtumlich  mit  dem  Titel  contra  Waldenses  statt  contra 
Catharos  versehen  wurde  (das  Richtige  hat  schon  Schmidt  er- 
kannt 2,  312;  den  Verdiensten  Gretsers  soll  darob  nicht  zu 
nahe  getreten  werden,  vgl.  über  sie  Huck,  Dogmenhistoriscbe 
Beiträge  zur  Geschichte  der  Waldenser  [1897],  S.  16  ff.)-  Es  heißt 
dort  Kap.  14  (Bibl.  max.  Patr.  24,  1612  AB  =  Migne  204,  1262) 
nach  einer  anderen  Handschrift,  fUlschlich  unter  dem  Namen 
Abaelards  bei  Migne  178,  1823—1846,  bes.  1842:  et  quando 
volunt  facere  ,consolamentum'  alicui  viro  vel  mulieri,  ille,  qui 
Major  vel  Ordinatus  dicitur,  ablutis  manibus,  librum  evange- 
liorum  in  manibus  suis  tenens,  eum  vel  eos,  qui  ad  recipiendum 
consolamentum  conveniunt,  admonet:  ut  in  eo  consolamento 
omnem  suam  fidem  et  spem  salutis  animarum  suarum  in  Deo 
et  in  illo  consolamento  ponant.  et  sie  super  capita  eorum  libro 
posito  orationem  dominicam  septies  dicunt,  et  deinde  beati 
Joannis  evangelium  ab  In  principio  incipiens  usque  ad  hunc 
locum  evangelii,  quod  dicit  gratia  et  veriUis  per  Jeeum  Christum 
facta  est  audientibus  dicit.  et  sie  finitur  illad  consolamentum. 
Es  ist  also  nach  dieser  Angabe  (auch  bei  Döllinger  2,  39  aus 
den  Akten  von  Carcassone)  von  dem  Majoralis  der  Katharer 
beim  Consolamentum  Joh.  1, 1 — 17  als  Gebet  gesprochen  worden. 
Daß  die  Verse  15 — 17  noch  bei  dieser  Gelegenheit  rezitiert 
worden  seien,  ist  für  Katharer  ganz  unmöglich,  Ermengaudus 
muß  sich  geirrt  und  den  Schluß  des  17.  Verses  mit  dem  fthu- 
lichen  gratiae  et  veritatis  des  14.  verwechselt  haben.  Das 
Katharergebet  hat  nur  bis  14  gereicht,  denn  15  bietet  die  Be- 
rufung auf  das  Zeugnis  Johannes  des  Täufers  ftlr  Christus: 
Joannes  testimonium  perhibet  de  ipso,  et  clamat  dicens:  Hie 
erat,  quem  dixi:  qui  post  me  venturus  est,  ante  me  factus  est; 
quia  prior  me  erat.  Johannes  der  Täufer  aber  galt  den  Ka- 
tharern  als  eine  Verkörperung  des  bösen  Prinzipes,  als  ein  von 
Satan  abgesandter  Engel,  der  die  Aufgabe  hatte,  dem  Heiland 
entgegen  zu  wirken  (Döllinger  1,  bes.  154. 190).  Er  kann  daher 
durchaus  nicht  bei  der  vornehmsten  Kultushandlung  dieser 
Häretiker  als  Zeuge  für  Christus  zitiert  worden  sein.  Ich  mache 
übrigens  aufmerksam,  daß  die  bis  in  sehr  alte  Zeit  zurück- 
reichende Lesung  von  Joh.  1,  1  ff.   bei   der  Messe,   auch  miß- 


dtndien  vax  6«i«lue1ite  dar  AltdentBchen  Predigt. 


95 


bräuchlich  (vgl.  darüber  Adolph  Franz^  Die  Messe  iin  deutschen 
Mittelalter  [1902],  S.  150  und  Anm.  S.  727),  der  Verwendung 
dieses  Stückes  bei  den  Katharem  sehr  vorgearbeitet  hat  (die  Peri- 
kope  des  Weihnachtsevangeliums  reicht  gleichfalls  nur  bis  V.  14) ; 
selbst  Katholiken  galt  das  Stück  als  kräftige  Beschwörung  wider 
den  Teufel  und  seine  Nachstellungen  (Franz,  S.  595  und  Anm.). 

Auch  die  Akten  von  Carcassone  gewähren  bei  DöUinger 
2,  5  ein  wichtiges  Zeugnis ;  weil  ihnen  gemäß  Joann.  1,  1 — 14 
(der  letzte  Vers  nicht  vollständig)  bei  der  Aufnahme  in  die  Sekte 
der  Katharer  gebetet  wurde  (vgl.  noch  ebenda  28.  37  £P.).  Dazu 
schickt  sich  als  erwünschte  Bestätigung,  daß  unter  den  Blättern 
der  Benediktbeurer  Handschrift,  die  Wilhelm  Meyer  gefunden 
und  unlängst  (Fragmenta  Burana  1901)  herausgegeben  hat, 
sich  auch  eines  befindet,  das  auf  einer  Seite  (1*)  mit  einer 
deutschen  Übersetzung  von  Joann.  1,  1 — 14  beschrieben  ist, 
wie  W.  Meyer  meint,  im  Anfange  des  14.  Jahrhunderts.  Ich 
drucke  hier  das  deutsche  Stück  neben  der  Vulgata  ab: 


1.  In  principio  erat  verbum, 
et  verbum  erat  apud  Deum,  et 
Dens  erat  verbum. 

2.  Hoc  erat  in  principio  api^d 
Deum. 

3.  Omnia  per  ipsum  facta 
sunt:  et  sine  ipso  factum  est 
nihil,  quod  factum  est. 

4.  In  ipso  vita  erat,  et  vita 
erat  lux  hominum: 

5.  Et  lux  in  tenebris  lucet, 
et  tenebrae  eum  non  compre- 
henderunt. 

6.  Fuit  homo  missus  a  Deo, 
cui  nomen  erat  Joannes. 

7.  Hie  venit  in  testimonium, 
ut  testimonium  perhiberet  de 
lumine,  nt  omnes  crederent  per 
illum. 


1.  In  anegenge  was  ein  wort, 
daz  wort  was  mit  got,  got  was 
daz  wort. 

2.  und  was  in  anegenge  mit 
got. 

3.  von  im  sint  alliu  dinch  ge- 
machet, an  in  ist  gemachet  nicht, 
swaz  mit  im  ist  gemachet. 

4.  daz  ist  daz  ewige  leben, 
daz  ewige  leben  ist  ein  liecht 
den  liuten. 

5.  daz  liecht  daz  liuchtet  in 
der  vinster,  diu  vinster  mach 
sein  nicht  begreiffen. 

6.  ein  mennisch  wart  gesant 
von  gote,  des  name  was  Jo- 
hannes. 

7.  der  chom  zt  einer  ge- 
ziuchn&sse,  daz  er  geziach  were 
des  Hechtes. 


96 


y.  Abh«ndlttiig:    Sehdnbftoh. 


8.  er  was  nicht  daz  liecht^ 
niwer  daz  er  geziuch  were  des 
liecbtes. 

9.  daz  wäre  Hecht  ist  daz, 
daz  ein  igesleichen  mennisch 
erliuchtet;  der  in  disiu  weit 
bechumt. 

10.  er  cham  in  diu  weit,  diu 
weit  erchant  sein  nicht. 

11.  er  chom  in  sein  aigen 
lanty  die  seinen  enpfiengen  sein 
nicht. 

12.  aver  die  in  da  enpfiengen, 
den  gab  er  den  gewalt,  daz  si 
gotes  chint  werden;  und  die 
an  seinen  namen  gelaupten, 

13.  die  warn  nicht  gewom 
von  woll&ste  des  plfites  noch 
von  Wollüste  des  viaisches,  wan 
sunder  von  gote. 

14.  daz  wort  ist  ze  vlaische 
worden  und  wont  in  uns.  wier 
haben  sein  ere  gesehen  als  eines 
ainworn  sunes,  wie  den  sein 
vater  eret  voller  genaden  und 
voller  warheit  .'*.  durch  disiu 
rede  des  haiigen  ewangelii  ver- 
gebe uns  Anser  herre  alle  finser 
missetat.  amen. 


Diese  deutsche  Übersetzung  hat  verschiedene  Eigentum- 
lichkeiten.  Wiederholt  bleibt  das  Bindewort  et  ohne  Über- 
tragung: 1.  2.  3.  4.  5.  10.  11.  14,  dagegen  ist  es  12  eingeschaltet, 
um  einen  neuen  Satz  zu  beginnen.  1  heißt  es  ein  worty  nicht 
daz  toortj  was  mir  für  die  Anschauung  der  Eatharer  bezeichnend 
scheint,  die  in  Christas  nicht  den  Logos  xat  i^cxv;v,  sondern 
nur  einen  Engel  des  Lichtes  erkannten  (Döllinger  1,  151). 
2  wird    hoc  durch   und   übersetzt,    vielleicht   wegen  der  Sub- 


8.  Non  erat  ille  lax,  sed  ut 
testimonium  perhiberet  de  lu- 
roine. 

9.  Erat  lux  vera,  quae  illu- 
minat  omnem  hominem  venien- 
tem  in  hunc  mundum. 

10.  In  mundo  erat,  et  mun- 
dus  per  ipsum  factas  est,  et 
mundus  cum  non  cognovit. 

11.  In  propria  venit,  et  sui 
cum  non  receperant. 

12.  Quotquot  autem  rece- 
perunt  eum,  dedit  eis  potesta- 
tem  filios  Dei  fieri,  his,  qai 
credunt  in  nomine  ejus: 

13.  Qui  non  ex  sanguinibus, 
neque  ex  voluntate  carnis,  ne- 
que  ex  voluntate  viri,  sed  ex 
Deo  nati  sunt. 

14.  Et  verbum  caro  factum 
est,  et  habitavit  in  nobis:  et 
vidimus  gloriam  ejus,  gloriam 
quasi  Unigeniti  a  Patre  plenum 
gratiae  et  veritatis. 


Stadien  rar  Oeseliiehte  der  altd6vt8«h«n  Predigt.  97 

Ordination  Christi   unter  Qott  den  Vater.     3  ist   mit  im  ein- 
geschaltet,   das  Pronomen   ist  durchweg   auf  ^Qott'^   nicht  auf 
das  ^Wort'  bezogen.    Daher  4  die  Zusätze  ewige  zu  leben  und 
das  Präsens  statt  des  Präteritums   (vgl.  Peter  von  Pilichsdorf, 
Bibl.  max.  Patr.  25,  283  D).     Auch   5  tritt   derselbe   Tempus- 
wechsel ein  und  überdies   wird  comprehenderunt  durch  mach 
begreiffen  wiedergegeben,   weil   der  Gegensatz   zwischen  Licht 
und  Finsternis  ftlr  die  Katharer  ein  prinzipieller  ist,  von  An- 
beginn her.    Sehr  wichtig  ist,  daß  7  der  Passus  ut  omnea  cre- 
derent  per   illum  im  Deutschen    wegbleibt,    weil    dem    bösen 
Engel  Johannes  dem  Täufer  das  Verdienst  nicht  zugestanden 
werden   darf,    Gläubige   an    das    Licht   geworben    zu   haben. 
9  wiederum   das   prinzipielle  Präsens   ist  für   das  Präteritum 
erat.    Durchschlagend  ist,  daß  10  et  mundus  per  ipsum  f actus 
est  nicht  übersetzt  wird^  denn  der  Christus  der  Katharer  hat 
die  Welt  nicht  geschaffen,  diese  ist  durch  den  bösen  Gott  ins 
Dasein  gerufen  worden.    12  ist,  wie  schon  erwähnt,  durch  den 
Eiinschub   von  und  der  Schlußsalz   des  Verses  selbständig  ge- 
macht  und   mit   13  verbunden   worden:   dadurch   werden   die 
perfedi  flär  sich  gestellt  (vielleicht  darum  auch  tcam  für  sunt) 
und  indem  voluntas  zweimal  durch  wollust,  camis  durch  plütes, 
viri  durch  vleisches  gegeben  wird,  äußert  sich  die  Abneigung 
der  Katharer  wider  fleischliche  Vermischung  und  Ehe.    14  über- 
trägt wont  das  habitavit:  in  den  perfectis  lebt  das  gute  Prinzip 
fort.     Der    Schluß    durch    disiu    rede    des    heiigen    ewangelii 
vergebe  Uns  Unser  herre   alle  unser  missetat  zeigt,    daß    dem 
Evangelium   des    Lichtengels    Johannes    heiligende  Kraft   bei- 
gemessen wird.     Das  Stück   kann  daher   auch   nicht   zur  Be- 
schwörung böser  Dämonen  von  einem  Katholiken  aufgezeichnet 
sein,  sondern  für  das  consolamentum ,   vielleicht  auch  Air  das 
apparellamentum  oder  melioramentum    (Döliinger  1,  232.  237) 
der  Katharer. 

Eb  ist  sehr  schade,  daß  mein  verehrter  Freund  Wilhelm 
Meyer  diese  einzige  Seite  seines  schönen  Fundes  nicht  hat 
photographieren  lassen.  Denn  sie  ist  in  einem  Betrachte  die 
wichtigste  der  Handschrift,  weil  sie  (worauf  ich  bereits  in  der 
Deutschen  Literaturzeitung  1902,  468  hingewiesen  habe)  dafür 
zeugt,  daß  der  Benediktbeurer  Kodex  sich  einstens  in  den 
Händen  von  Katharem  befand  (ein  Buch  mit  dem  Evangelium 

Sitxwigsber.  d.  pUl.-hwt.  Ol.  CXLVn.  Bd.  5.  Abh.  7 


98  V*  Abbft&dliing:    Sehönbaoh. 

Johannis  und  Eatharervorschriften  nennt  DöUinger  1^  210). 
Wie  man  zur  Genüge  weiß^  enthält  die  Handschrift  die  wich- 
tigste Sammlung  von  Vagantenliedern,  provenzalische  Lyrik 
und  Stücke  aus  den  Anfängen  des  deutschen  Minnesanges. 
Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  wurde  sie  von  einem  fahrenden 
Sänger  zuerst  angelegt  und  erbte  sich  dann  von  Hand  zu  Hand, 
bis  sie  einen  klösterlichen  Ruheplatz  fand,  durch  dessen  Schatz 
sie  vor  dem  Untergange  bewahrt  wurde.  Daß  in  dem  Qe- 
schlechte  fahrender  Leute,  der  Vaganten  und  Goliarden,  sich 
vielfach  Ketzer  befanden,  war  wohl  von  vorneherein  anzunehmen 
(Ketzerlieder  bezeugt  uns  Berthold  selbst),  in  der  Handschrift 
der  Carmina  Burana  liegt  jedoch  einmal  ein  bestimmtes  Zeugnis 
dafUr  vor:  die  Poesie  der  Provence  darin  kündet  uns  den  Weg, 
auf  dem  das  wichtigste  evangelische  Gebetsstück  der  Katharer 
hier  zu  einer  deutschen  Übersetzung  gelangt  war. 

Auf  Katharer  beziehe  ich  die  Stellen  6,  IL  48,  18,  wo 
Berthold  gerüchtweise  von  Ausschweifungen  der  Ketzer  spricht. 
Bereits  Ekbert  von  Schönau  deutet  im  5.  Sermon  (Migne  195, 
36  BC)  an,  daß  eine  Gewöhnung  der  Katharer,  bei  ihren 
Konventikeln  Gläubige  desselben  Geschlechtes  auf  demselben 
Lager  schlafen  zu  lassen  (wahrscheinlich  wegen  Mangel  an 
Raum),  zu  Mißbräuchen  führen  könne,  er  drückt  sich  aber 
mit  großer  Zurückhaltung  darüber  aus.  So  tut  David  von 
Augsburg  cap.  10  seines  Traktates  De  inquisitione  hereticorum 
(bei  Preger,  Abh.  der  kgl.  bayr.  Akad.  der  Wissensch.,  phiL- 
hist.  Kl.  14,211),  auch  er  sagt  ut  dicitur  und  vermutet,  dieses 
Gerücht  werde  sich  nicht  auf  Waldenser  beziehen  (Katharer 
sind  auch  bei  £brard  von  Böthune  cap.  21  gemeint:  Bibl. 
max.  Patr.  24,  1566).  Für  die  älteren  Gruppen  deutacher  Ka- 
tharer sind  meines  Wissens  solche  Ausschweifungen  nicht  be- 
zeugt (auch  Caesarius  von  Heisterbach  nimmt  nur  von  über- 
treibendem Geschwätz  Kenntnis),  für  die  romanischen  Gruppen 
der  Sekte  sind  die  Zeugnisse  gewichtiger,  vgl.  Lukas  von  Tuy 
(in  Gallicien,  gest.  als  Bischof  dort  1249),  De  altera  vita  ad- 
versus  Albigensium  errores  lib.  3^  cap.  ö  (Bibl.  max.  Patr.  25, 
242  E),  dessen  Mitteilungen  keineswegs  bloß  für  spanische, 
sondern  auch  für  italienische  Verhältnisse  von  Wert  sind.  Jedes- 
falls,  und  darauf  weise  ich  gerne  hin,  haben  die  besten  älteren 
katholischen   Berichterstatter   über    das   Leben  der  Ketzer  es 


Stndien  inr  GMchichte  d«r  Altdentochen  Predigt.  99 

keineswegs  an  Vorsicht  fehlen  lassen  (am  schärfsten  urteilt 
Bemard  von  Clairvanx,  Sermones  in  Cantica  Nr.  65.  66  bei 
Migne  183,  1091  f.  1095  ff.)  und  den  Häretikern  nicht  schlecht- 
weg  Übles  angedichtet,  was  denn  auch  für  ihre  sonstigen  An- 
gaben ihnen  größeres  Vertrauen  erwerben  darf.  — 

Schon  unter  den  Zeugnissen,  die  ich  bis  jetzt  aus  Bert- 
holds  Predigten  besprochen  habe,  findet  sich  manches,  was  nicht 
bloß  auf  Katharer  paßt.  Wenn  ich  mich  nun  zu  den  Waidensem 
(das  Buch  von  Em.  Comba,  Histoire  des  Vaudois  ist  in  seiner 
neuen  Auflage  1901  in  Bezug  auf  die  älteste  Zeit  nicht  zuver- 
lässiger geworden,  als  es  früher  war)  wende,  so  erörtere  ich 
ebenfalls  zuvörderst  solche  Mitteilungen,  die  Berthold  über  diese 
Sekte  macht,  indem  er  sie  ausdrücklich  nennt.  Es  wird  dann 
noch  ein  Rest  von  Angaben  erübrigen,  der  nicht  mit  Bestimmt- 
heit einer  oder  der  anderen  Häresie  zugewiesen  werden  kann, 
einiges  daraus  wird  gewiß  noch  den  Eatharern  gehören.  Jedes- 
&lls  wissen  wir  schon  jetzt  aus  Bertholds  Zeugnissen,  daß 
diese  Ketzer  xor'  I^o/iqv  auch  in  Süddeutschland  um  die  Mitte 
des  13.  Jahrhunderts  ziemlich  stark  verbreitet  waren  und  daß 
er  deshalb  ihnen  seine  Aufmerksamkeit  zuwenden  mußte.  Es 
scheint  nicht,  daß  er  über  ihre  Meinungen  aus  eigenem  Erfahren 
eingehende  Kenntnis  besessen  hat,  er  hätte  sonst  schwerlich 
das  Werk  des  Alanus  zurate  gezogen  und  benutzt.  Vielleicht 
aber  ließe  sich  dieser  Umstand  auch  dadurch  erklären,  daß 
Bertholds  bezügliche  Predigten  in  den  Anfang  seiner  Missions- 
praxis wider  Ketzer  fallen,  wo  er  mit  dem  Wesen  der  Häresien 
noch  nicht  hinlänglich  vertraut  war,  um  ohne  fremde  Hilfe  ar- 
beiten zu  können. 

Viel  reichlicher  sind  seine  Mitteilungen  über  Waldenser 
(zur  Literatur  vgl.  J.  GoU,  Mitteil,  des  Inst.  f.  öst.  Geschichtsf. 
1888,  326  f.,  H.  Haupt  in  jährlichen  Berichten  der  Zeitschr.  f. 
Kircbengeschichte^  L.  Keller  in  den  Monatsberichten  der  Co- 
menius- Gesellschaft).  Er  führt  sie  an  45,  9  ff.  als  die*  Heu- 
schrecken der  Apokalypse,  die  aus  dem  Abgrunde  emporsteigen 
(Apoc.  9,  3  ff.)  und  niemand  über  sich  anerkennen  als  den  Engel 
des  Abgrundes  (Apoc.  9,  11).  Von  diesen  neuen  Häretikern 
behauptet  Berthold,  sie  hätten  sich  zuerst  pauperes  geheißen 
(45, 1),  erst  dann  Waldenses.  Diese  chronologische  Folge  stimmt 
nicht  mit  den  Angaben  des  Alanus  überein,   der  lib.  2,  cap.  1 

7» 


100  T.  Abhandlung:    Sehftnbaeh. 

(Migne  210,  377)  die  Sekte  Waldenses  nennt  a  suo  haeresiarcha, 
qui  vocabatur  Waldus;  ebenso  wenig  mit  den  Berichten  über 
den  Ursprung  dieser  Häresie  bei  Stephan  von  Borbone  (ed.  Le- 
coy   de  la  Marche   S.  290  £P.)   und  in   der  Chronik   von  Leon 
(K.  Müller,   Die  Waldenser,   S.  4£F.);  Abt  Bernard  von  Fönte- 
caad   kennt  die   Beziehung  von  Waldenses  zu  Petrus  Waldus 
gar  nicht  und  leitet  den  Namen  der  Sekte  ab  nimirum.  a  Volle 
densa,  eo  quod  profundis  et  densis  errorum  tenebris  involvantur 
(Bibl.  max.  Patr.  24,  1585  G).    Dagegen  weiß  David  von  Augs- 
burg in  seiner  Schrift  De  inquisicione  hereticorum  (ed.  Preger, 
Der  Traktat  des  D.  v.  A.  gegen  die  Waldesier,  Abh.  der  kgl. 
bayr.  Akad.  der  Wissensch.,  bist.  Kl.  14,  204 — 235^)  von  dem 
Zusammenbange  zwischen  Waldus  und  den  Waldensern  nichts, 
er   nennt   die  Sekte   cap.  4   und  5  Pauperes  de  Lugduno  und 
erwähnt   erst  cap.  20  den   Namen  WaltenseSy   wo  er   von  den 
Spaltungen   der    ursprünglich    einheitlichen   Sekte   in    mehrere 
Gruppen  spricht.     Desgleichen  bezeichnet  der  sogenannte  Pas- 
sauer Anonymus  (über  ihn  vgl.  Karl  Müller  a.  a.  O.  S.  147  ff., 
ein  Stück  davon  wurde  im  14.  Jahrhundert  ins  Deutsche  über- 
setzt,  vgl.  H.  Haupt,  Zeitschr.   f.  Kirchengeschichte  23,  87  ff.) 
die  Sekte  als  Pauperes  de  Lugduno^  qui  etiam  Leonistae  dicuntur 
und  fUhrt  Waldus,   ihren  Urheber,   nur  als   quidam  an  (Bibl. 
max.  Patr.  25,  265  H),  obzwar  er  später  Waldenses  ausdrücklich 
nennt.     Darnach    scheint    es    (vom    Passauer    Anonymus    be- 
sitzen   wir   noch    keinen    kritisch    hergestellten   Text),    als   ob 
Berthold   eine  in  Deutschland   verbreitete  Auffassung  vortrüge 
(vgl.  Keller,   Die  Reformation  und  die  älteren  Reformparteien, 
S.  78;  Die  Waldenser  etc.,  S.  121;  Müller,  S.  Uff.),  wenn  er  die 
Sekte  erst   schlechtweg  als  die  Armen  entstehen  läßt   (so  auch 
der  Traktat  der  Vat.  Hs.  lat.  2648  bei  DöUinger  2,  92  ff.;  Preger 
19,  708  ff.),   die   sich   erst  nachmals  Waldenser  nannten  (eher 
umgekehrt  bei  Bernard  Guidonis  ed.  Douais,  S.  28).  Daß  ihm 
Waldus  und   sein  Wirken   unbekannt  war,   möchte  man  auch 
aus  dem  45,  15  folgenden  Passus  erschließen,   wo  er  von  den 
älteren  Häretikern   sagt,   sie   seien  nach   den   Urhebern   ihrer 
Lehren  benannt,  die  jetzigen  hingegen  nicht. 


^  Ich  zitiere  fortan  Pregers  Arbeiten   nach  den  Ziffern  der  Bände  dieser 
^Abhandlungen'. 


Stadien  zur  Oeschicbte  der  »Itdeatseheii  Predigt.  101 

Wieder  mit  post  schließt  Berthold  an  45, 12^  diese  Sektierer 
hießen  sich  scolarea.  Dieser  Name  ist  mir  als  Bezeichnung 
der  Waldenser  unbekannt.  Er  kann  sehr  wohl  mit  achola  in- 
sofern zusammengebracht  werden,  als  darunter  ein  Versamm- 
lungsort der  Häretiker  zu  verstehen  ist  (vgl.  Preger  13,  122) 
oder  ein  Hospiz  (vgl.  Prieß,  Vierteljahrsschr.  f.  kath.  Theol.  1872, 
S.  208  ff.;  Preger  19,  678  ff.).  Möglich  ist  auch,  daß  in  An- 
knüpfung an  die  scholares  vagi,  die  gelegentlich  als  sectarii 
aufgefaßt  werden  (Belege  bei  Du  Gange  7,351),  hier  scholares  im 
engeren  Sinne  für  Waldenser  gebraucht  wird.  Selbst  scholares 
etwa  als  ,die  Unterrichteten'  wäre  sehr  wohl  für  einen  Namen 
denkbar,  den  sich  die  Häretiker  selbst  beigelegt  hatten.  Wohl- 
bekannt (vgl.  Bemard  Quidonis  ed.  Douais  S.  126:  vel  illorum, 
qui  a  suis  credentibus  Boni  homines  appellantur,  dann  223  f.) 
hingegen  ist  die  nächste  Benennung  (vgl.  27,  32)  bei  Berthold 
45, 12:  boni  homines  (Keller,  Wald.,  S.  124;  J.  Grimm,  Kl.  Sehr. 
4, 322;  eine  Erklärung  dafür  bei  Stephan  von  Borbone  S.  294 f.; 
boni  christiani  vielleicht  als  Name  bei  David  von  Augsburg 
S.  227).  Was  Berthold  zunächst  sagt,  spricht  sein  Urteil  aus: 
toisloSj  weglos  nennt  er  die  Häretiker  als  vom  rechten  Glauben 
Abgeirrte,  unvolch  bezeichnet  wie  undiet  die  Ketzer,  mit  rusti- 
cani  und  idiote  weist  er  auf  ihren  Ursprung  hin. 

Nur  an  einer  Stelle  (32,  27  ff.)  sagt  Berthold,  indem  er  die 
Waldenser  nennt,  etwas  über  ihre  Ansichten  aus :  er  behauptet, 
sie  hätten  ihre  Meinungen  geändert.  Es  ist  nur  beispielsweise 
behauptet,  also  nicht  in  Jahreszahlen  zu  pressen,  daß  sie  vor 
vierzig  Jahren  die  Genossen  ihrer  Sekte,  die  vor  siebzig  Jahren 
lebten  (dreißig  Jahre  bildeten  schon  im  Mittelalter  den  Begriff 
einer  Generation),  verdammt  hätten:  früher  (David  von  Augs- 
burg S.  215:  olim)  hätten  sie  um  die  ganze  Welt  nicht  ge- 
schworen, jetzt  täten  sie  es  unter  Bedingungen  und  mit  Aus- 
flüchten. Denn  das  ist  wohl  unter  Bertholds  Worten  zu  ver- 
stehen :  post  alios  schwören  jetzt  die  Waldenser,  das  heißt,  sie 
sprechen  nur  die  vom  Inquisitor  ihnen  vorgesprochenen  Worte 
des  Eides  nach  und  laden  auf  diesen  die  Verantwortung  dafür 
ab;  so  sagt  David  von  Augsburg  über  sie  (cap.  18,  S.  215): 
aut  si  coguntur  ab  alio,  jurare,  refundunt  peccatum  in  ipsum, 
ut  ipsi  videantur  immunes.  Wie  sie  dabei  verfahren,  ersieht 
man  aus  David  cap.  43,  S.  230  f.    Bemard  Guidonis  ed.  Douais, 


102  V.  Abhandlang:    Seh6nbach. 

pars  5,  cap.  7  und  8^  S.  252  ff.  Dieselben  Stellen  erklären 
auch  den  Ausdruck  Bertholds  coopertis  (docent  enim,  verbis 
coopertis  loqui;  David  cap.  14,  S.  212)  juramentis  vgl.  David, 
S.  215:  cum  autem  jurare  compelluntur,  aut  palliatis  verbis 
jurant,  sed  fiele  agunt  et  diversis  modis.  Das  folgende  qiM>d 
quinquies  vel  novies  bei  Berthold  meint,  es  sei  den  credentes 
der  Waldenser  von  ihren  Vorgesetzten  erlaubt  worden,  aus- 
nahmsweise etlichemale  (fünfmal  oder  neunmal)  zu  schwören. 
Dasselbe  berichtet  David  von  Augsburg,  wenn  er  S.  208  sagt: 
sed  tarnen  dispensant,  ut  jur^t  quis  pro  evadenda  morte  corporis, 
vel  ne  alios  prodat  vel  secretum  revelet  perfidie  sue.  Sehr 
beachtenswert  scheint  mir  nun,  daß  Berthold  hinzufügt,  die 
Waldenser  hätten  auch  noch  in  vielen  anderen  Punkten  ihre 
Ansichten  geändert  (multa  mutaverunt),  und  zwar  in  Bezug 
auf  die  Eucharistie,  das  Fegefeuer,  die  Heiligen  Verehrung, 
Kindertaufe^  Ehe  u.  dgl.  Denn  ich  sehe  diese  Stelle  als  ein 
unmittelbares  Zeugnis  für  die  Anschauung  an,  die  ich  mir 
über  das  Verhältnis  zwischen  Katharern  und  Waldensern  all- 
mähHch  gebildet  habe  (vgl.  Müller,  S.  93.  136  ff.,  anders  Keller, 
Waldenser,  S.  116  ff.).  Die  Waldenser  sind  eine  christliche 
Sekte,  die  auf  dem  Boden  der  katholischen  Kirche  entstand 
und  darauf  vielleicht  verblieben  wäre,  wofern  der  römische 
Stuhl  seine  Absichten  hätte  durchsetzen  können,  die  sich  aufs 
deutlichste  in  der  Schöpfung  der  ,katholischen  Armen^  bekundet 
haben.  Im  südlichen  Frankreich  aber  war  einer  solchen  ver- 
söhnlichen Lösung  ebenso  das  durch  die  Albigenser  erregte 
Mißtrauen  der  Bischöfe  als  die  Nachbarschaft  und  das  Beispiel 
der  Katharer  ungünstig.  Die  näheren  Umstände  der  ent- 
scheidenden Wendung,  welche  die  Waldenser  von  der  katho- 
lischen Kirche  ablöste,  sind  uns  nicht  genauer  bekannt,  die 
Exkommunikation  der  Sekte  durch  Papst  Lucius  III.  1183 
bezeichnet  keineswegs  das  letzte,  eher  das  vorletzte  Stadium  des 
Prozesses;  erst  nachdem  die  Einigungspläne  Papst  Innocenz  III. 
gescheitert  waren,  darf  die  Spaltung  als  endgültig  angesehen 
werden.  Auch  nach  diesem  Zeitpunkte  haben  die  Waldenser 
ihre  Beziehungen  zur  katholischen  Kirche  wenigstens  äußerlich 
noch  lange  nicht  völlig  abgebrochen,  sie  haben  dem  katholischen 
Gottesdienste  gelegentlich  beigewohnt,  katholische  Sakramente 
empfangen,   sogar   bisweilen  Zehent  und  Gotteshaussteuer  ent- 


Stadien  lar  Geschicbto  der  altdenteehen  Predigt.  103 

richtet.     Druck   nnd   Verfolgung,   die  Notwendigkeit,   dieselbe 
Verborgenheit  aufzusuchen   wie  die  Katharer,  haben  die  Wal- 
denser  unter  den  Einfluß  dieser  mächtigen  älteren,  ihrem  Wesen 
nach  unchristlichen  Sekte  gebracht  (vgl.  auch  H.  Haupt,  Wal- 
densertum  und  Inquisition,  Deutsche  Zeitschr.  f.  Geschichtswiss. 
1889,   S.  285  ff.)  und   sie  in   der  bereits  eingeschlagenen  Rich- 
tung  des    Entfremdens    von    der   katholischen   Kirche   immer 
weiter  getrieben,   so  weit,  daß  im  Laufe  der  Zeit  die  einst  so 
deutlichen  Merkmale   der  Unterscheidung  zwischen  Katharern 
nnd  Waldensern  sich  beinahe  gänzlich  verwischt  haben.     Der 
Name  der  Katharer  ist  verschwunden,  mit  ihm  das  manichäische 
Prinzip   zweier  Götter,   die   sich   in  Welt   und  Himmel  teilen, 
aber  die  aus   dieser  Grundanschauung  hervorgegangenen  Kon- 
sequenzen  in   Bezug  auf  die   etablierten   christlichen   Kirchen 
im  Orient  und  Abendland  sind  zum  guten  Teil  auch  von  den 
Waldensern    Westeuropas    übernommen    worden.      Daß    diese 
Entwicklung   zur  Zeit  Bertholds   von  Regensburg   bereits  im 
Gange  war,   lehrt  meines  Erachtens  die  angeführte  Stelle,  die 
deshalb  noch  weiterhin  im  Auge  behalten  werden  muß. 

Die  Pauperes  de  Lugduno  heißen  im  romanischen  Volks- 
munde Poverleun  und  dieser  Name  erscheint  in  Bertholds  la- 
teinischen Predigten  nur  einmal  8,  26  Anm. ,  wo  sie  von  an- 
deren Ketzern  unterschieden  werden.  Häufiger  begegnet  er 
in  den  deutschen  Aufs^eichnungen  82,  vgl.  J.  Grimm,  Kl.  Sehr. 
4, 317 ff. ;  vielleicht  darf  man  daraus  schließen,  daß  dies  auch 
in  Deutschland  die  mündlich  verbreitete,  volkstümliche  Be- 
zeichnung war. 

Hingegen  kommt  in  den  lateinischen  Predigten  Bertholds 
häufiger  der  Name  Leoniste  vor.  Ich  gestehe,  daß  ich  trotz 
der  vorhandenen  reichlichen  Literatur  einige  Zeit  gezögert 
habe,  ehe  ich  die  Identität  von  Leoniste  mit  Pauperes  de  Lug- 
duno =  Pove^'leun  (=  Waldenser)  im  Ursprünge  annahm. 
Einmal  mahnte  die  Bildungssilbe  -iste  zur  Vorsicht,  die  sonst 
an  Personennamen  gehängt  wird  (Arnoldiste,  Speroniste,  Arria- 
niste;  vgl.  J.  Grimm,  Kl.  Sehr.  4,  318  und  das  Verzeichnis 
Buoncompagnos  von  oberitalischen  Ketzern  in  meinen  Beiträgen 
zur  Erklärung  altdeutscher  Dichtwerke  2,  14).  Beim  Passauer 
Anonymus  heißt  es  sogar  einmal  (Bibl.  max.  Patr.  25,  277  C) : 
hcteresis   est  Leonistae^  qui  fuit  discipulus  Juliani  et  Pelagii^ 


104  ▼*  AUiMidlaiig:    BehAnbach. 

aber    diese   fabulose  Notiz   setzt   unmöglich   Leonista    als   den 
Namen   des   Sektenstifters   an.     Die   Ketzerkonstitation  Kaiser 
Friedrichs  II.   kennt  andererseits  ComistaSy   die  Gretser   (Bibl. 
max.  Patr.  25,  255  B)  von  Como  ableitet,  wo  nachweislich  Wal- 
denser  gehaust  haben   (vgl.   Buoncompagno  a.  a.  O.);   freilich 
schreiben  andere  Übei'lieferungen  Comistos  (das  Dekret  Papst 
Innocenz  IV.),  sogar  Commixtos  (Bernard  Ouidonis  ed.  Douais, 
S.  309).     Und   das   Bedenken   gegen   den  Unterschied   von  eo 
und   eu  in  Leoniste  und  Poverleun  beseitigt  mein  Freund  und 
Amtsgenosse  Cornu,  indem  er  es  auf  die  Verschiedenheit  mund- 
artlicher    Rezeption     zurückführt,    welche    die    Gleichstellung 
beider  Namen  nicht  zu  hindern  vermöge.    David  von  Augsburg 
verwendet  Leoniste  nicht   (ebensowenig  das  Chronicon  Ursper- 
gense),  den  er  doch  wohl  in  seinen  Quellen  (Preger  19,  645  ff.) 
hätte  finden  müssen.    Der  Passauer  Anonymus  sagt  (Bibl.  max. 
Patr.  25,  264  G) :  nota,  quod  secta  Pauperum  de  Lugduno,  qui 
etiam  Leoniste  dicuntur,  tali  modo  orta  est  — ,  und  gebraucht 
diese  Namen   dann  abwechselnd.     Das  vor  jedem  Zweifel  ge- 
sicherte Zeugnis  für  die  Auffassung  von  Leoniste  erbringt  Bert- 
hold selbst.     An    der  großen  Mehrzahl   von  Stellen   seiner  la- 
teinischen Predigten  setzt  er  einfach  Leoniste,  zweimal  (58,  36. 
82,  6)   davor]  pauper^  was  wahrscheinlich   als  Adjektivum   zu 
fassen   ist.     Da  nun   die   deutschen   Texte  Poverleun    oft   ge- 
brauchen, die  lateinischen  nur  einmal,   hinwiderum  die  lateini- 
schen Leoniste  sehr  häufig,   die  deutschen  niemals,  so  wird  der 
Schluß  erlaubt  sein,  Leoniste  stelle  die  gewöhnliche  lateinische 
Form,  Poverleun  die  deutsche  für  Bertholds  Zeit  vor.    Gemeint 
sind  in  beiden  Fällen  Waldenser. 

Das  erhellt  sofort  aus  den  Angaben  Bertholds.  Auch  die 
Leonisten  werden  wie  die  Waldenser  (oben  S.  101)  beschuldigt, 
daß  sie  ihre  Meinungen  wechseln:  vor  dreißig  Jahren  wollten 
sie  nicht  schwören,  jetzt  tun  sie  es  8,  30  ff.  Sie  sind  über- 
haupt erst  nuper,  aute  paucos  annos  aufgekommen  58,  35,  was 
bei  dem  mittelalterlichen  Gebrauch  solcher  Zeitbestimmungen 
nicht  verwundern  darf,  indes  die  Katharer  als  Manichäer  sehr 
alt  sind.  Hingegen  können  von  den  Lehren,  die  Berthold  den 
Leonisten  ausdrücklich  zuschreibt,  nur  wenige  für  Waldenser  be- 
sonders in  Anspruch  genommen  werden.  Dahin  gehört,  wenn 
7,  24  ff.  besonders  stark  betont  wird,  daß  den  Laien  die  Ver- 


Stiidieii  sor  Gesebiebte  der  alideatschen  Predigt.  105 

waltang  und  Ausspendang  sämtlicher  Sakramente  zustehe^ 
ja  ein  Hund  vermöchte  das  zu  vollbringen,  wofern  er  zu 
sprechen  verstünde  8..  3.  Für  das  Laienpriestertum  der  Wal- 
denser  die  Quellen  anzuführen,  erachte  ich  als  überflüssig;  von 
diesem  Punkte  ist  doch,  nachdem  Weltentsagung  und  Askese 
den  Laien  geheiligt  hatte,  der  Bruch  der  Waldenser  mit  der 
katholischen  Kirche  ausgegangen.  Ebenso  geläufig  sind  die 
Äußerungen  der  Leonisten,  wornach  sie  die  echte  Kirche  dar- 
stellen 26,  16,  die  Roms  aber  und  ihr  Klerus  verächtlich  ge- 
macht und  beschimpft  wird.  Sakramente  und  Sakramentalien 
werden  ebenso  wie  die  äußeren  Kultusformen  insgesamt  ab- 
gelehnt 26,  22  ff.,  die  katholischen  Priester  haben  sie  aus  Hab 
sucht  erfunden  36,  25  (==  David  v.  Augsburg,  cap.  5,  S.  207) 
Der  Meßgesang  ist  fUr  die  Sekte  ein  clamor  infemalis  26,  21 
Gegen  den  Kirchengesang  hatten  bereits  die  Katharer  pro 
testiert,  vgl.  Ermengaudus,  Contra  Catharos  cap.  10  (Bibl 
max.  Patr.  24,  1607 f.),  ferner  Döllinger  1,  67.  189  und  aus  den 
Stellen  im  2.  Bande  besonders  S.  298  (Summa  de  haeresibus) 
dicentes,  cantus  clericorum  nihil  aliud  esse  quam  clamores 
quosdam  in  infemo.  Qanz  vornehmlich  aber  die  Waldenser 
cantum  ecclene  dicuni  clamorem  infernalem,  wie  der  Passauer 
Anonymus  sagt  (Bibl.  max.  Patr.  25,  265),  vgl.  noch  Döllinger 
2,  307.  334.  338  (latratum  canum);  David  S.  207;  Stephan  von 
Borbone^S.  297;  Müller  S.  112.  Christus  sei  zwar  wahrer  Gott, 
aber  nicht  wahrer  Mensch  gewesen,  habe  nicht  als  solcher 
Marter  und  Tod  erlitten  12,  22  und  Anm.,  25,  10  und  Anm., 
25,  20  und  Anm.,  59,  7,  auch  sei  er  nicht  auferstanden  26,  3 
und  Anm.  Weder  Alanus  noch  David,  noch  der  Passauer 
Anonymus,  noch  überhaupt  irgendwelche  zuverlässige  ältere 
Quellen  wissen  etwas  von  solchen  Lehren  der  Waldenser,  die 
vielmehr  von  den  Katharern  berichtet  werden  (vgl.  die  Stellen 
bei  Döllinger  1  und  2).  Die  Aussage  Bertholds  zu  erklären, 
ifit  schwierig:  entweder  gilt  sie  nicht  von  den  Leonisten ,  son- 
dern von  den  gleichzeitig  genannten  anderen  Sektierern  (viel- 
leicht den  Ortliebern,  vgl.  Müller  S.  130  ff.  171)  und  Juden  (25, 
23  ff);  oder  Berthold  wußte  von  einer  Mischung  waldensischer 
und  manichäischer  Lehren,  die  allerdings  für  seine  Zeit  noch 
sonst  bezeugt  sein  müßte,  um  glaublich  zu  erscheinen;  oder 
Berthold  war  mangelhaft  unterrichtet  und  diese  Mitteilungen 


106  V.  Abliondlang:    Scbönbaeh. 

über  den  Doketismus  beruhen  auf  Mißverständnis  und  Ver- 
wechslung. Fast  möchte  ich  das  letzte  glauben,  zumal  auch  an- 
dere seiner  noch  zu  erörternden  Angaben  Unklarheit  in  Bezug 
auf  die  Sonderung  der  einzelnen  häretischen  Gruppen  merken 
lassen.  Immerhin  bliebe  sonst  die  eine  Möglichkeit,  daß  die 
Schuld  an  der  Überlieferung  liegt:  dies  anzunehmen,  möchte 
ich  mich  am  wenigsten  entschließen.  —  Mit  Erwähnung  des 
Namens  spricht  Berthold  noch  28,  33  ff.  (beinahe  tibereinstim- 
mend mit  62,  22  ff.)  von  der  Heimlichkeit  der  Leonisten  und 
vergleicht  sie  deshalb  besonders  mit  den  Krebsen  und  deren 
nächtlichen  Lebensgewohnheiten. 

Von  anderen  bekannten  Sekten  seiner  Zeit  nennt  Bert- 
hold  die  Ortliebarier  und  sagt  63,  35,  Orthlibus  habe  jetzt 
(und  ein  anderer  Häretiker)  einen  neuen  Glauben  gestiftet. 
Das  ist  insofern  interessant,  als  dadurch  die  Tradition,  Ortlieb 
sei  in  Straßburg  zur  Zeit  des  Papstes  Innocenz  HL  aufge- 
treten (vgl.  DöUinger  2,  400),  bestätigt  wird.  Früher  kann  das 
nach  Bertholds  nunc  doch  wohl  nicht  geschehen  sein.  Auch 
das  ist  richtig,  daß  der  Glaube  der  Ortliebarier  als  ein  neuer 
bezeichnet  wird,  denn  von  dem  der  Waldenser,  zu  denen  sie 
ursprünglich  gehörten  (Müller  S.  169  ff.,  DöUinger  2,  330),  unter- 
scheiden sie  sich  docli,  indem  sie  durch  pantheistisch-allego- 
risierende  Doktrinen  weiter  von  der  katholischen  Kirche  ab- 
gerückt sind ,  vgl.  die  Stellen  bei  DöUinger  2,  299  u.  a.,  die 
freilich  meistens  recht  späten  Ursprunges  sind.  Deshalb  unter- 
scheidet sie  Berthold  mit  Recht  von  den  Runclarieru  und  Po- 
verleun  8,  StMAnm.,  obschon  er  sie  andererseits  gern  mit  Run- 
clariern  und  Leonisten  zusammen  erwähnt  12,  22.  27,  11.  28,  5; 
mit  Patarinern,  Katharem  etc.  82,  8;  auch  in  den  deutschen 
Aufzeichnungen  werden  sie  ein  paarmal  genannt,  aber  nur  als 
Beispiele  von  Ketzern  überhaupt.  —  An  denselben  Stellen,  wo 
die  Ortliebarier  vorkommen,  werden  auch  die  Runclarii  er- 
wähnt, eine  zweifellos  unter  Johannes  de  Roncho  abgespaltene 
Gruppe  der  Waldenser,  die  auch  nach  ihm  benannt  wurde 
(die  älteren  Vermutungen  bei  J.  Grimm,  Kl.  Sehr.  4,  319  lassen 
sich  nicht  mehr  aufrecht  erhalten),  sich  von  den  Leonisten 
nach  Berthold  unterschieden  hat,  über  die  Berthold  jedoch 
nichts  auszusagen  weiß.  —  Eben  nur  genannt  finden  sich 
Pikardi   (vgl.  DöUinger  2,  635  ff.  661  ff.   (590  ff.    aus;i  späteren 


Stadien  inr  Oteehiohte  der  alideatoeliMi  Predigt.  107 

Quellen)  und  Everhardini,  Wären  unter  den  Pikarden  die 
adamitische  Sekte  zu  verstehen,  die  aus  Frankreich  und  Holland 
im  14.  Jahrhundert  sich  nach  Böhmen  verbreitet  hat  (auf  sie 
beziehen  sich  Döllingers  Dokumente),  dann  böte  Berthold  das 
älteste  Zeugnis  ftlr  ihren  Bestand  in  Deutschland  (denn  die 
Notizen  bei  Du  Cange  6,  310  sind  unbrauchbar).  Das  dünkt 
mich  jedoch  gar  nicht  wahrscheinlich  und  ich  vermute,  Bertholds 
Pikardi  stellen  nur  eine  mundartliche  Auffassung  von  Beghardi 
vor.  Das  scheint  mir  der  Zusammenhang  der  Stelle  nahezu- 
legen. Berthold  spricht  zuerst  von  einer  (dritten)  Qattung 
Armer,  die  niemand  liebt,  weder  Qott  noch  die  Menschen: 
Elende,  Knechte  und  Kranke,  die  trotz  ihres  Unglückes  in 
schweren  Sünden  leben.  Ahnlich  wie  diese,  fUhrt  er  fort,  sind 
andere  beschaffen:  berufsmäßige  Spieler,  fahrende  Kriegsleute, 
bettelnde  Qauner  und  Betrüger.  Er  vergleicht  sie  mit  Würmern 
auf  der  Wand  (Wanzen?),  übel  anzusehen  und  stinkend,  oder 
mit  den  unerfreulichen  Kröten,  welche  die  Augen  des  Be- 
schauers gefährden,  im  Inneren  unrein  und  giftig  sind.  An 
der  Spitze  dieser  Reihe  stehen  die  Pikardi:  das  werden  also  am 
ehesten  Begharden  sein  (vgl.  Hahn,  Geschichte  der  Ketzer  im 
Mittelalter  2,  423 ff.),  die  teils  in  freiwilliger,  teils  in  erzwun- 
gener Armut  lebten,  sehr  früh  in  den  Verdacht  der  Häresie 
gerieten,  weshalb  das  Konzil  von  Vienne  1311/2  unter  Papst 
Klemens  V.  zwei  Kanones  wider  ihre  mißbräuchlichen  Lehren 
erließ.  Dazu  paßt  es  vortrefflich,  daß  auch  die  folgenden 
Eberhardini  keine  wirklichen  Ketzer  sind,  sondern  fahrende 
Kleriker  =  clerici  vagabundiy  gegen  die  um  die  Mitte  des 
13.  Jahrhunderts  sich  so  viele  Beschwerden  erhoben,  daß  1261 
die  Synoden  zu  Mainz  und  Magdeburg  besondere  Kanones 
wider  sie  beschlossen  (Hefele,  Konziliengeschichte  6,  62.  70). 
Es  sind  also  von  Berthold  an  dieser  Stelle  Leute  behandelt 
worden,  die  er  sonst  als  semiheretici  bezeichnet,  aber  nicht 
Sektierer  im  engeren  Sinne. 

Sehr  geringes  Interesse  dürfen  dagegen  die  Häresien  und 
Häretiker  des  christlichen  Altertums  beanspruchen,  deren  Bert- 
hold gelegentlich  erwähnt.  Die  alten  Ketzereien,  sagt  er  11,31, 
sind  jetzt  vernichtet  und  (ein  hübscher  Ausdruck)  verwahsen^ 
das  ist  ,überwachsen^,  wie  eine  alte  Straße  mit  Gras.  Denn 
auf  eine  Häresie  folgt  stets  eine  andere  59,  13.    Immer  wieder 


108  T.  Abhandlaoff :    Sohöobacb. 

zerfallen  die  Ketzer  unter  einander  8,  27  Anm.,  sie  sind  stets 
uneinig  28,  3  ff.  Bei  der  Erörterung  des  apostolischen  Sym- 
bolums  werden  viele  Häretiker  genannt :  Gnostiker  zum  ersten 
Artikel  24,  7  Anm. ,  ebenda  Patriciani  und  Patemiani  (mo- 
derne Ketzer  sind  die  Patarini  82,  8.  13 ff.),  Paulini,  Bonosiani 
zum  zweiten,  Carpocrates  Photiniani  zum  dritten  Artikel,  25,  19 
Cerdon  und  Nestorius.  Ganze  Reihen  alter  Ketzernamen  zählt 
Berthold  auf  24  Anm.,  25,  19.  29,  4.  31,  32.  45,  15.  67,  36,  auch 
ganz  seltene.  Diese  Listen  sind  aus  alten,  aber  sehr  bekannten 
Quellen  geschöpft:  nicht  aus  des  Augustinus  Schrift  De  baere- 
sibus  an  Quodvultdeus,  wo  er  78  Sekten  nennt  (Migne  42,  24  f.), 
sondern  aus  des  Isidor  von  Sevilla  Etymologien,  wo  im  achten 
Buch,  cap.  5  (Migne  82,  298  ff.)  70  Häresien  kurz  charakte- 
risiert werden.  Diese  Zahl  ist  dem  ganzen  Mittelalter  geläufig 
(auch  der  Passauer  Anonymus  kennt  sie:  cap.  4,  in  [der  Bibl. 
max.  Patr.  25,  264  F).  Berthold  bringt  es  auf  150,  ja  auf  200 
Häresien  (wie  einzelne  griechische  Kirchenschriftsteller),  da 
wird  er  aber  die  Ketzer  seiner  eigenen  Zeit  ziemlich  in  Bausch 
und  Bogen  mitgerechnet  haben. 

Es  soll  nunmehr  dazu  übergegangen  werden,  zu  be- 
sprechen, was  Berthold  über  die  Ketzer,  ihre  Lehren  und 
Bräuche  berichtet,  wie  er  gegen  sie  polemisiert,  ohne  Namen 
zu  nennen.  Es  müßte  eigentlich  bei  jeder  seiner  Aussagen  ge- 
fragt und  im  einzelnen  untersucht  werden,  welche  Sekte  dafUr 
in  Betracht  komme.  Glücklicherweise  vereinfacht  sich  die  Ar- 
beit dadurch,  daß  bei  einer  ganzen  Reihe  von  Fällen  darüber 
kein  Zweifel  walten  kann,  welche  Häresie  gemeint  sei.  Der 
größte  Teil  von  Bertholds  Angaben  bezieht  sich  auf  Waldenser, 
der  kleinere  auf  Katharer;  freilich  erübrigt  eine  Anzahl  von 
Mitteilungen,  bei  denen  sich  nicht  genauer  unterscheiden  läßt 
und  die  vielleicht  diesen  beiden  Hauptgruppen  deutscher  Ketzer 
des  13.  Jahrhunderts  gleichermaßen  gelten. 

76,  37  führt  Berthold  als  häretische  Meinung  an,  daß  Un- 
zucht, Wucher  und  ähnliches  keine  Todsünde  ausmachen.  Das 
kann  sich  nur  auf  die  Katharer  und  ihre  eigentümliche  Auf- 
fassung des  Begriflfes  der  Sünde  als  einer  Verunreinigung  der 
Seele  durch  die  böse  Materie  beziehen,  sowie  darauf,  daß 
durch  das  Consolamentum  die  vorher  begangenen  Sünden  reue- 
los getilgt  werden.     Darüber  vgl.  Alanus,   lib.  1,  cap.  47—56 


8taai«a  xnr  GMobiohte  der  altdemtsehen  Pndigt  109 

(Migne  210,  352  ff.);  Schmidt  2,  97  ff.;  DölHnger  1,  besonders 
232 ff.  —  26  Anm.  bekämpft  Berthold  die  Ansicht,  Christas 
sei  zur  Hölle  abgestiegen  und  habe  alle  Seelen  daraas  befreit. 
Das  ist  keine  Lehre  der  Eatharer,  eher  deren  Gegenteil  (vgl. 
AlanuS;  Hb.  1,  cap.  15 f.;  Migne  210,  319 f.),  aach  nicht  der 
Waldenser.  Berthold  nennt  diese  Häretiker  Adinate,  welchen 
Namen  ich  nirgends  finde.  Vielleicht  ist  das  Wort  verderbt 
aas  a  Dinanto  and  bezöge  sich  aaf  David  von  Dinant,  den 
Schüler  Amalrichs  von  Bena,  im  Anfange  des  13.  Jahrhunderts 
(vgl.  Hahn  3,  187  ff.;  Preger,  Gesch.  der  deutschen  Mystik  im 
Mittelalter  1,  173.  184  ff.),  za  dessen  anbegrenztem  Optimismus 
sie  wohl  passen  könnte,  f^  fügt  sich  daza,  daß  im  Anschluß 
daran  Berthold  die  Lehre  von  der  Dreieinigkeit  wider  Hera- 
tiker  verteidigt^  die  ja  auch  in  dem  Pantheismus  Amalrichs  um 
ihre  Bedeutung  gebracht  wurde. 

Der  Satz,  daß  die  Ketzer  sich  ftlr  die  wahre  Kirche  halten, 
die  katholische  hingegen  verwerfen,  ist  sowohl  von  Katharern 
als  von  Waldensern  aufgestellt  worden,  auch  der  Hinweis  auf 
den  Hochmut  als  Quelle  dieser  Meinung  schickt  sich  zu  beiden 
Sekten,  obzwar  einzelne  Ausdrücke  Bertholds  eher  die  Waldenser 
zu  treffen  scheinen  20,  26.  27,  32.  29,  29.  58,  21.  Auch  daß  die 
Ketzer  nicht  schwören  wollen,   ist  Katharern  und  Waldensern 
eigen:  3,  10.  11,  37.  31,  32.  33,35.  47,  33.  67,  20.  76,  36.  An  der 
ersten  Stelle  bekämpft  Berthold  diese  Meinung  mit  nahezu  den- 
selben Worten  wie  Bernhard  von  Clairvaux  (Sermones  in  Can- 
tica  Nr.  65  bei  Migne  183,  1089):  jurare  non  licet,  et  pejerare 
licet  (vgl.  dazu  auch  Ekbert  von  Schönau,  Sermo  2  bei  Migne 
195,  20 f.;  DölHnger  1,  bes.  96.  182).  Für  die  Waldenser  nimmt 
bereits  Alanus  lib.  2,  cap.  18  f.  (Migne  210,  392  ff.)  den  Wider- 
stand gegen  den  Eid  besonders  in  Anspruch.     Und  bei  David 
von  Augsburg  finden  sich  an  den   bereits  angegebenen  Stellen 
(oben  S.  101  f.)  dieselben  Äußerungen,  wie  sie  Berthold  tut.  Die 
Ketzer  schwören  nur  selten  falsch  3,  21.  32,  4,  9    (drei  oder 
viermal  mit  Erlaubnis  ihrer  Vorgesetzten  3,  25),  ja  der  Meineid 
wird  von  ihnen  besonders  gemieden  3,  10  Anm.  (auf  dieser  Qe- 
wissensstrenge  beruhte  hauptsächlich  die  Möglichkeit,  der  Ketzer 
durch  das  geistliche  Gericht  habhaft  zu  werden).  Jetzt  schwören 
sie  aus  Furcht  67,  21.  80,  6.  Oder  sie   weichen   dem   direkten 
Schwur  aus  (32,  5)  durch  Foimeln,  welche  den   Eid  auf  das 


110  ▼.  AbhMkdlnoff :    SehAnbaoh. 

Gewissen  des  Fragenden  zu  Uberschieben  trachten  {si  deberemus 
33t  31),  wie  sie  wörtlich  David  von  Augsburg  (S.  230)  und 
die  Practica  inquisitionis  des  Bernard  6ui  verzeichnen.  Sicher 
bezieht  es  sich  gleichfalls  auf  Waldenser,  wenn  gesagt  wird 
3,  29.  8^  30,  jetzt  sei  ihnen  das  Schwüren  erlaubt,  vor  zwanzig 
Jahren  (3,  30)  oder  dreißig  (9,  l)  hingegen  verboten  gewesen. 
Durchaus  den  Waidensem  wird  man  die  zumeist  schon 
früher  zitierten  Stellen  zurechnen  dürfen,  in  denen  vom  Priester- 
tum  der  Laien  die  Rede  ist,  vgl.  48,  3  (darüber  Müller^  S.  47. 
73.  80.  85fr.  106. 115,-  Preger  18,  52 ff.  19,  657  ff.).  Merkwürdig 
ist  die  Behauptung  Bertholds  48,  4,  bei  den  Ketzern  dürfe 
jeder  das  Abendmahl  konsekrieren:  et  si  non  femine.  Denn 
das  steht  in  geradem  Widerspruch  zu  den  ältesten  Lehren 
der  Waldenser,  vgl.  Preger  19,  700;  jedoch  Ebrard  von  B^thune 
cap.  18 :  Bibl.  max.  Patr.  24,  1562  f.).  Es  braucht  aber  deshalb 
doch  nicht  unrichtig  zu  sein^  denn,  obgleich  Frauen  an  der 
Leitung  der  Sekte  beteiligt  waren,  scheint  ihre  Zahl  doch 
nie  sehr  groß  gewesen  zu  sein  (vgl.  Müller,  S,  73,  Anm.  3) 
und  waren  sie  nur  selten  mit  priesterlichen  Funktionen  betraut, 
dann  erklärt  sich  schon  die  Meinung  Bertholds.  Von  der 
Laienbeichte  heißt  es  48,  7,  daß  die  Ketzer  dieses  Sakrament 
den  Bauern  anheimgeben  und  71,  28  ff.  Anm.  wird  mit  denselben 
Argumenten  dawider  polemisiert,  die  Alanus  lib.  2,  cap.  10 
(Migne  210,  386 f.)  dawider  verwendet:  si  tamen  sacerdotis 
habere  non  possit  copiam,  socio  vel  proximo  sufficit  confiteri.  — 
mundati  enim  sunt  leprosi  (Luk.  17,  14)  etc.  —  Die  Wertlosig- 
keit des  Sakramentes  der  Priesterweihe  ist  natürlich  ebenso 
für  Katharer  als  für  Waldenser  ausgemacht  59,  8,  Berthold 
streitet  dawider  besonders  eingehend  74,  6  ff.  und  bedient  sich 
dabei  der  Beweisführung  Bernards  von  Clairvaux  (die  Gründe 
finden  sich  alle  in  reichlicher  Ausführung  im  10.  Sermon  des 
Ekbert  von  Schönau  bei  Migne  195,  69  ff.,  vgl.  Alanus,  Üb.  2, 
cap.  6.  7  bei  Migne  210,  383  f.),  die  ich  wegen  dieses  und  der 
folgenden  Punkte  hierher  setze  (Sermones  in  Cantica  Nr.  66, 
Migne  183,  1100):  jam  vero  qui  Ecclesiam  non  agnoscunt,  non 
est  mirum,  si  ordinibus  Ecclesiae  detrahunt,  si  instituta  non 
recipiunt,  si  sacramenta  contemnunt,  si  mandatis  non  obediunt: 
,peccatores',  inquiunt,  ,sunt  apostolici,  archiepiscopi^  episcopi, 
presbyteri:   ac  per  hoc  nee  dandis,   nee   accipiendis   idonei  sa- 


Stadien  tnr  Qesebielite  der  altdent^ehen  Predigt.  111 

cramentis.  numqoam  dao  isti  convenient^  episcopam  esse  et 
peccatorem?^  falsum  est.  episcopus  erat  Caiphas,  et  tarnen 
quantus  peccator^  qui  in  Dominum  mortis  dictabat  sententiam? 
si  negas  episcopmO;  argaet  te  testimonium  Joannis,  qui  enm  in 
testimonium  sui  pontificatos  etiam  prophetasse  refert  (Joann. 
II9  51).  apostolus  erat  Judas  et^  licet  avarus  et  sceieratus, 
electos  tarnen  a  Domino,  an  tu  de  iliius  apostolatu  dubitas, 
quem  Dominus  elegit:  «nonne  ego^,  inquit,  ^vos  duodecim  elegi; 
et  unus  ex  vobis  diabolus  est  (Joann.  6,  71)?^  audis  eumdem 
electum  apostolum  et  extitisse  diabolum;  et  negas  posse  esse 
episcopum,  qui  peccator  est?  super  cathedram  Moysi  sederunt 
Seribae  et  Pharisaei,  et  qui  non  obedierunt  eis  tanquam  epi- 
scopiSy  inobedientiae  rei  fuerunt,  etiam  in  ipsum  Dominum 
praecipientem  et  dicentem:  ^quae  dieunt,  facite^  (Matth.  23,  2  f.). 
patet  ergo,  quamvis  Seribae,  quamvis  Pharisaei^  quamvis  vi- 
delicet  maximi  peccatores,  propter  cathedram  tarnen  Moysi, 
ad  eos  quoque  nihilominns  pertinere,  quod  idem  dixit:  ,qui 
Yos  audit,  me  audit;  et  qui  vos  spernit,  me  spernit'  (Luc. 
10,  16).  — 

Die  Vergleiche,  welche  Berthold  an  der  genannten  Stelle 
braucht,  um  seine  These  zu  erweisen,  daß  die  gültige  Aus- 
spendung der  Sakramente  durch  den  Priester  nicht  von  dessen 
vita,  sondern  officium  bedingt  werde,  erinnern  an  die  drei 
Gedichte  einer  Klosterneuburger  Handschrift,  welche  J.  Strobl 
in  der  Zeitschr.  f.  d.  Altert.  16,  467 — 474  unter  dem  Titel 
,Von  der  Würdigkeit  der  Priester*  herausgegeben  hat.  Das 
zweite  und  dritte  Stück  gehen  nach  ihrer  eigenen  Angabe  im 
Eingang  auf  die  Vitae  Patrum  zurück.  Die  Vorlage  von  Nr.  2 
findet  sich  im  5.  Buch  der  Verba  seniorum,  lib.  18,  Nr.  3 
(Migne  73,  978  f.)  und  ist  in  der  deutschen  Bearbeitung  un- 
gemein gekürzt;  ich  gebe  nur  die  Hauptpunkte  hier  wieder, 
die  dem  deutschen  Text  entsprechen:  Dixit  pater  noster  abbas 
Arsenius  de  quodam  sene,  qui  erat  magnus  in  hac  vita  (daher 
ist  V.  5  zu  lesen:  der  was  niht  an  bösem  wanch),  simplex 
autem  in  fide,  et  errabat  pro  eo,  quod  erat  idiota,  et  dicebat, 
non  esse  naturaliter  corpus  Christi  panem,  quem  sumimus^  sed 
figuram  ejus  esse,  hoc  autem  audientes  duo  senes  (das  sind 
die  brüder  V.  11.  25),  quod  diceret  hunc  sermonem  (V.  8)  — . 
^non  sie  teneas,  abba,  sed  sicut  Ecclesia  catholica  tradidit:  nos 


112  V.  AbliAndluig:    Beliftiibaeli. 

autem  crediraus,  quia  panis  ipse  corpus  Christi  est,  et  calix 
ipse  est  sanguis  Christi  secundam  veritatem,  et  non  secundom 
figuram.  sed,  sicnt  in  principio  pulverem  de  terra  accipiens 
plasmavit  hominem  ad  imaginem  saam,  et  nemo  potest  dicere, 
quia  non  erat  imago  Dei,  quamvis  incomprehensibilis  (von  dem 
ganzen  Passus  ist  nichts  übrig  geblieben  als  incomprehensibilis, 
was  V.  19 — 24  veranlaßt  hat),  ita  et  panis,  quem  dixit:  quia 
corpus  meum  est,  credimus,  quia  secundum  veritatem  corpus 
Christi  est^  (V.  15  ff.).  Die  Antwort  des  Greises  fehlt  in  dem 
Gedicht,  desgleichen  die  Ankündigung  des  Gebetes  der  Brüder 
und  das  Gebet  des  Greises.  Vers  25 — 30  geben  das  Gebet 
der  Brüder:  sed  et  ilii  senes  abeuntes  in  cella  sua  rogabant 
et  ipsi,  dicentes:  ,Domine  Jesu  Christo,  revela  seni  mysterium 
hoc,  ut  credat  et  non  perdat  laborem  suum.'  Die  nächsten 
Sätze,  in  denen  erzählt  wird,  daß  die  drei  Mönche  beisammen 
in  der  Kirche  sitzen,  läßt  der  deutsche  Bearbeiter  weg,  nicht 
ohne  Schaden^  denn  nun  sind  31  ff.  kaum  recht  verständlich, 
aperti  sunt  autem  oculi  eorum  intellectuales,  et  quando  positi 
sunt  panes  in  altari,  videbatur  illis  tantummodo  tribus  tanquam 
puerulus  jacens  super  altare.  et  cum  extendisset  presbyter 
manus,  ut  frangeret  panem  (das  ist  V.  35  ausgedrückt:  der 
priester  wolt  die  Hute  berihten,  d.  h.  abspeisen,  was  denn  auch 
die  Motivierung  nach  sich  zieht  36:  ein  engel  im  daz  hälfe 
slihten),  descendit  angelus  Domini  de  coelo,  habens  cultrum  in 
manu,  et  secavit  puerulum  illum,  sanguinem  vero  excipiebat 
in  calice.  40  ist  ein  Flickvers^  aus  dem  Zusammenhange  von 
35,  dem  auch  die  Beschreibung  der  Kommunion  des  Volkes 
entstammt,  die  der  Vorlage  ganz  fehlt.  Es  ist  übrigens  be- 
merkenswert, daß  hier  die  Eucharistie  in  beiden  Gestalten  ge- 
reicht wird,  cum  autem  presbyter  frangeret  in  partibus  parvis 
panem,  etiam  et  angelus  incidebat  pueri  membra  in  modicis 
pai*tibus  (V.  39).  cum  autem  accessisset  senex  (V.  48,  aber  schon 
34  vorweg  genommen),  ut  acciperet  sanctam  communionem, 
data  est  ipsi  solo  (fehlt  dem  Gedicht)  caro  sanguine  cruentata. 
quod  cum  vidisset,  pertimuit  et  clamavit,  dicens:  ,credo,  Do- 
mine, quia  panis,  qui  in  altari  ponitur,  corpus  tuum  est  et  calix 
tuus  est  sanguis/  et  statim  facta  est  pars  illa  in  manu  ejus 
panis  (V.  55)  secundum  mysterium,  et  sumpsit  illud  in  ore, 
gratias  agens  Deo.    Die  Reflexion  der  beiden  anderen  Mönche 


Sfcndien  lu  OeMhiehte  der  ftltdevtsehen  Predigft.  113 

über  das  Wunder  wird  in  der  Bearbeitung  weggelassen  und 
nur  der  Schlußsatz  aufgenommen^  dabei  jedoch  von  dem  Be- 
kehrten ausgesagt  (V.  57 — 60):  et  egerunt  gratias  Deo  de  sene 
illoy  quia  non  permisit  Dens  perire  labores  suos,  et  reversi 
sunt  cum  gaudio  ad  cellas  suas.  —  Es  hat  also  der  deutsche 
Reimer  im  allgemeinen  seine  Vorlage  gekürzt,  insbesondere 
aber  die  Inszenierung  des  Wunders  in  der  Kirche  vereinfacht, 
indem  er  den  Alten  allein  ohne  die  anderen  Mönche  den  Gottes- 
knaben  in  der  Eucharistie  sehen  ließ.  Möglich,  daß  diese  Än- 
derung schon  in  einem  späteren  Sammelwerke  vorgenommen 
wurde,  das  dem  Bearbeiter  vorlag:  die  Berufung  auf  die  Vitae 
Patrum  könnte  darum  doch  darin  gestanden  haben,  wie  das 
bei  vielen  Exempelsammlungen  der  Fall  ist  (das  Speculum 
Exemplorum  bringt  die  Erzählung  wörtlich  lib.  2,  Nr.  184). 

Die  Vorlage  von  Nr.  3  steht  gleichfalls  im  ö.  Buche  der 
Vitae  Patrum,   den  Verba  seniorum  lib.  9,  cap.  11  (Migne  73, 
911),   nur  ist  sie  in  diesem  Stück  so  genau  übertragen,   daß 
bloß  etliche  Worte   und  Verse  angeflickt  wurden   (4  f.  7.  11  f. 
20.  30.  32.  44.  47  f.  52),   wie  man  sich  durch  Vergleich  über- 
zeugen kann:  ad  quemdam  solitarium   venit  presbyter  cujus- 
dam  basilicae,  ut  consecraret  ei  oblationem  ad  communicandum. 
veniens  autem  quidam  ad  illum  solitarium,  accusavit  apud  ipsum 
eundem  presbyternm.  qui  cum  ex  consuetudine  iterum  venisset 
ad  eum,  ut  consecraret  oblationem,  scandalizatus  ille  solitarius 
non  aperuit  ei.  presbyter  autem  hoc  viso  discessit.  et  ecce,  vox 
facta  est  ad  solitarium,  dicens:  ,tulerunt  sibi  homines  Judicium 
meum^  (das  wird  25  f.  ungeschickt  wiedergegeben  durch :   sie 
sprach:  die  Hute  min  geriht  für  mich  üf  erden  wollen  sliht). 
et  factus  est  velnt  in  excessu  mentis,  et  videbat  quasi  puteum 
aureum  et  situlam  auream  et  funem  aureum   (V.  32:  daz  seil 
was  Mter   sam   ein  glas]   wenn   das  nicht   bloß   geflickt   oder 
dem  Reime  zu  lieb  so  gestaltet  ist,  könnte  es  aus  vitreum  über- 
setzt sein)  et  aquam  bonam  valde.  videbat  autem  et  quemdam 
leprosum  haurientem  et  refundentem  in  vase  (136:  in  einez  vaz? 
vielleicht:  ein  in  daz  vaz)   et  cupiebat  bibere,   et  non  poterat 
propter  quod  leprosus  esset  ille,  qui  hauriebat.   et  ecce  iterum 
vox  ad  eum,  dicens:  ,cur  non  bibis  ex  aqua  hac?   quam  cau- 
sam habet,  qui  implet?  implet  enim  solummodo  et  effundit  in 
vase.'  in  se  autem  reversns  solitarius,  et  considerans  virtutem 

9its«Bpb«r.  d.  phU^Ust.  Gl.  CXLVII.  Bd.  6.  Abb.  8 


114  ▼.  AbhaBdlniiff:    SdiAnbaeb. 

visioniS;  vocavit  presbjtemmy  et  fecit  enm  sicut  et  prias  sancti- 
ficare  sibi  oblationem.  Anf  diese  Geschichte  bezieht  sich  deut- 
lich Petms  Damiani  im  Liber  qni  dicitnr  Qratissimns,  cap.  13 
(Migne  145,  116D):  ministri  siqaidem  snnt  diversi^  sed  onum 
est  ntique,  qiiod  praebetar.  bonas  plane  est  anctor  munerum, 
et  quod  dat,  nullas  contrahit  maculas  ex  obseqaio  ministroram. 
pura  fluit  yena,  et  snperfluo  leprosa  manus  propinantis  atten- 
ditur,  abi  clarnm  atque  perspicuam  est,  quod  haoritnr  (auf- 
fallend V.  47  f. :  ez  ist  lüter  und  gestmt^  reine  gar  ist  auch  tin 
grunty  was  in  den  Vitae  Patrum  fehlt). 

Eine  Vorlage  in  erzählender  Gestalt  vermag  ich  fiir  Nr.  1 
nicht  namhaft  zu  machen^  wohl  aber  den  zugrunde  liegenden 
Vergleich,  der  sich  mühelos  zu  der  Geschichte  ausbauen  ließ. 
Derselbe  Liber  Gratissimus  des  Petrus  Damiani^  der  im  Zu- 
sammenhange der  politischen  Kämpfe  des  11.  Jahrhunderts  die 
Gültigkeit  der  Priesterweihe  durch  simonistische  Bischöfe  dartut 
(von  dort  her  holt  auch  Ekbert  von  Schönau  im  10.  Sermo 
seine  Polemik),  enthält  in  dem  voraufgehenden  Kapitel  (Migne 
145,  116)  die  Gedanken,  welche  das  deutsche  Gedicht  vor- 
trägt: si  enim  visibilis  solis  hujus  radius  nullas  caliginosae 
cujuslibet  scrobis  tenebras  patitur,  nuUis  cloacarum  sordibus 
inquinatur,  quid  mirum,  si  summus  et  incircumscriptus  Spiritus 
tenebrosa  vel  sordida  quorundam  pectora  suo  splendore  per- 
stringat,  ipse  tamen  nibilominus  in  munditia  sua  et  puritate 
permaneat?  cujuscunque  ergo  criminis  reus  exstiterit  ille^  ni- 
mirum  sive  superbus,  sive  luxuriosus,  sive  homicida,  sive  etiam 
Simoniacus,  ipse  quidem  poUutus  est  et  letali  procul  dubio 
lepra  perfusus;  sed  donum  Dei,  quod  per  illum  transit,  nullius 
labe  poUuitur,  nullius  contagione  foedatur.  purum  namque  es^ 
quod  per  illum  fluit,  mundum  et  liquidum  ad  terram  fertilem 
transit.  sancta  namque  Ecclesia  hortus  deliciarum  et  spiritualis 
est  paradisus,  charismatum  videlicet  supernorum  fluentis  irriguus. 
ponamus  ergo,  ut  mali  sacerdotes  quodanmiodo  lapidei  sint 
canales:  in  lapideis  autem  canalibus  aqua  nil  germinat,  donec 
per  eos  decurrens  in  fecundas  se  areolas  fimdat.  licet  enim 
plures  reprobos  sacerdotes  seriatim  temporum  vices  attulerint, 
videlicet  ut  et  consecrantes  et  consecrati  aeque  reperiantur  in- 
digni,  fons  tamen  ille  vivus  non  restringitur,  quominus  usque 
ad  finem  saeculi  per  nemus  Ek^clesiae  profluat,  ut  non   solus 


Studien  sar  Oteehichte  der  altdentMheo  Predigt.  1 15 

ille  sacerdotalis  ordo^  sed  et  omnes  in  Christo  renati  salutis 
snae  poculam  hauriant.  Die  deutsche  Erzählung  ist  äußerst 
dürftig,  sie  bewegt  sich  kümmerlich  in  einer  kleinen  Auswahl 
von  Reimen  und  Flickversen  (ein  arges  Beispiel  1,  35  f.  3,  4:^!,), 
ist  aber  lehrreich ,  da  es  gewiß  die  Waldenser  des  14.  Jahr- 
hunderts sind,  gegen  die  es  sich  wendet.  Noch  bemerke  ich, 
daß  die  Ansicht  (V.  87 — 90),  es  wohne  der  Messe  die  heilige 
Dreifaltigkeit  mit  den  Engeln  bei  (sie  geht  auf  berühmte  Worte 
Qregor  des  Großen  zurück,  vgl.  A.  Franz,  Die  Messe  im  deut- 
schen Mittelalter,  S.  4  f.),  durch  Berthold  von  Regensburg  eifrig 
vertreten  und  dadurch  auch  populär  wurde.  — 

Nach  diesem  Exkurse  mögen  nun  die  anderen  Mittei- 
lungen Bertholds  über  das  Verhältnis  der  Ketzer  zum  katho- 
lischen Priestertum  rascher  erledigt  werden.  Vornehmlich  die 
Waldenser  erklären,  den  Priestern  der  katholischen  Kirche 
dürfe  nicht  gehorcht  werden,  darüber  sind  alle  alten  Nach- 
richten einig;  Berthold  sucht  diesen  Satz  ausführlich  zu  wider- 
legen 8,  12£P.  (zu  dem  Vergleich  mit  den  weltlichen  Obrigkeiten 
Aknus,  lib.  2,  cap.  4  bei  Migne  210,  382),  dann  48,  22.  ö9,  9. 
81,  27  ff.  Wenn  die  Waldenser  behaupten,  nur  guten  Priestern 
dürfe  man  gehorchen  (Alanus,  lib.  2,  cap.  5  bei  Migne  210, 383), 
so  bestreitet  das  Berthold  lebhaft  54,  1 1  ff.  Die  Ketzer  meinen, 
nicht  der  Priester  absolviere,  sondern  Gott  54,  30,  hingegen  die 
Ejitholiken,  Gott  und  der  Priester  54,  33,  darum  sei  Gehorsam 
besonders  bei  der  Beicht  nötig.  Die  Häretiker  verleumden  die 
katholische  Kirche  und  ihre  Priester  11,  15.  21,  15.  25,  ihre 
Gelehrten  19,  15  und  besonders  die  Pfarrer  19,  19,  dadurch  be- 
wirken sie  oftmals  den  Abfall  vom  Glauben.  Berthold  ver- 
teidigt die  Priester  eifrig  wider  diese  Angriffe  19,  21.  21,  25. 
27,  13.  33,  6.  74,  21 ;  er  spricht  sich  für  die  Autorität  des 
Priestertums  aus  53,  1  ff.,  wobei  es  auf  die  sittlichen  Qualitäten 
der  Person  nicht  ankommt  53,  12;  die  vorhandenen  Ubelstände 
im  Klerus  gibt  er  allenthalben  zu,  rügt  doch  gerade  er  sie 
anderwärts  häufig  und  auf  das  schärfste.  Die  Ketzer  sagen, 
dem  Papste  dürfe  nicht  gehorcht  werden  9,  16;  Rom  sei  nicht 
das  Oberhaupt  der  Kirche  77,2  (vgl.  Ermengaudus,  Contra 
Waldenses,  besonders  die  Abschnitte  1 — 3.  6  in  der  Bibl.  max. 
Patr.  24,  1586  ff.;  auch  bei  David  von  Augsburg,  dem  Passauer 
Anonymus  u.  a.  stehen  diese   Sätze  begreiflicherweise  an  der 

8» 


116  V.  AbhMidiauflr:    Sehdnbacli. 

Spitze).      Darum   weigern    sie   sich    dem    geistlichen    Gerichte 

4,  24  und  machen  besonders  gültig ,  Verbrecher  dürften  nicht 
getötet  werden  5,  1.  76,  37  (vgl.  Alanus,  lib.  2,  cap.  20—23  bei 
Migne  210,  394  ff.).  Es  bedarf  eigentlich  der  Belege  für  diese 
allbekannten  Sätze  der  Katharer  und  Waldenser  (diese  sind 
dabei  durch  jene  beeinflußt  worden)  ebenso  wenig  als  bei  fol- 
genden: sie  leugnen  das  Fegefeuer  5,  6  Anm.  14,  13.  16,  11. 
47,33.  59^  2.  76,36;  daher  nützen  die  suffrctgia  den  Toten  nichts 

5,  7.  47,  34:  , Almosen  und  Opferkerze  reichen  nicht  ins  Fege- 
feuer' 5,  27.  Die  Heiligen  braucht  man  weder  zu  ehren  noch 
anzurufen  4, 13.  47, 34.  59, 1 ;  ihrethalben  sind  Fasten  und  Feste 
unnötig  47,  36  (wohl  auch  Lichter,  die  man  ihnen  anzündet 
5,  27).  Darum  wollen  die  Ketzer  auch  Maria  nicht  ehren  47, 35 
noch  anrufen  58,  24;  sie  (was  sich  aber  zunächst  auf  die  Ka- 
tharer bezieht)  erkennen  die  jungfräuliche  Geburt  Christi  nicht 
an  24,  2.  25,  1.9  Anm.  37,  28  Anm.  Merkwürdig  ist,  daß  sich 
Ketzer  auf  dem  Scheiterhaufen  bisweilen  zu  Maria  bekennen 
16, 4;  welche  das  waren,  wüßte  ich  nicht  auszumachen  und 
dächte  dabei  höchstens  an  Waldenser  in  sehr  frühen  Stadien 
ihrer  Entwicklung.  Freilich  ist  Berthold  gegenüber  solchen  An- 
wandlungen der  Häretiker  voll  Mißtrauen. 

Ausdrücklich  gesteht  er  zu,  daß  die  Ketzer  durch  ihr 
Verhalten  oft  den  besten  Eindruck  hervorbringen,  sie  scheinen 
gut  und  weise,  von  Unerfahrenen  werden  sie  als  Heilige  an- 
gesehen, aber  ihre  Tugenden  trügen  und  dürfen  nicht  für  sie 
einnehmen  9,  28  Anm.  12,  30.  19,  10.  20,  17.  Die  ernste  Lebens- 
führung der  Waldenser  wird  auch  von  den  älteren  katholischen 
Berichterstattern  ziemlich  allgemein  zugegeben  (z.  B.  David 
von  Augsburg,  S.  206.  212;  Passauer  Anonymus  in  der  Bibl. 
max.  Patr.  2729  H.  und  die  Stellen  bei  Müller  99.  123).  Sie 
wird  auch  von  den  Ketzern  mit  Vorliebe  zur  Schau  getragen, 
um  die  Unkundigen,  besonders  Laien  und  Frauen,  zu  berücken. 
Deshalb  sprechen  sie  gern  gute  Worte,  süße  Gebete  die  jedoch 
wie  Gift  wirken  11,  21,  ausführlich  18, 25  ff.  21,  12.  66,  8.  77,  14. 
81^  26,  zeigen  sich  enthaltsam  und  barmherzig  13,  1.  Dabei 
verfahren  sie  zweideutig  32,5,  betrügen  22, 14.  20,  wirken  durch 
Lüge  und  Heuchelei  32,  36.  58,  21,  werden  allerdings  auch 
selbst  betrogen  63,  30  (vgl.  David  von  Augsburg,  S.  215).  Die 
Ketzer   glauben   in   der  Tat  Teile    des    christlichen   Glaubens 


Stndieu  sur  Geschiclito  der  »Itdeaftscben  Predigt.  117 

14,  13.  22  ff.  37.   (besonders   Frauen)  16,  5.  10.  16;    wer  aber 
aaeh  nur  in  einem  Pankte  nicbt  den  rechten  Glauben  hat,  ist 
ein  Ketzer  und   sündigt,   so  oft  er  dem  Glauben  widerspricht 
17,  3ö.  80,  2.     Oft  täuschen  die  Ketzer  durch  ihre   Teilnahme 
an  frommen  Werken  13,  32,  geben   sich  ganz    fUr   Katholiken 
aus  17,  11,   was   nur  Dämonen  tun,   nicht  Juden  und  Heiden 
17,  15;  sogar  während  sie  verbrannt  werden,   beten  sie  katho- 
lisch und  verlangen  nach  der  letzten  Wegzehrung  16,  2,  doch 
beten   sie   den  Teufel  an  31,  20.     Während   man   diese  letzte 
Angabe  wird  auf  die  Katharer   ziehen  dürfen  (vgl.  David  von 
Augsburg,   cap.  11,  S.  211),   stimmen   die  vorangehenden  Mit- 
teilungen zu  den  Klagen  katholischer  Berichterstatter  über  die 
Heuchelei  der  Waldenser  (z.  B.  David,  S.  204  ff.  209.  212  u.  o.), 
obzwar  schon  Ekbert  von  Schönau  (Migne  195,  90  A)  die  Teil- 
nahme der  Katharer  an  der  Osterkommunion  tadelt.    Mancher 
von   diesen  Vorwürfen  wider  die  Waldenser  erklärt  sich  aller- 
dings dadurch,  daß  sie  noch  längere  Zeit  alles  Ernstes  an  ka- 
tholischen Sakramenten  und  Einrichtungen  festhielten,  ja  das 
Altarssakrament  von   katholischen   Priestern  lieber  empfingen, 
als    daß    sie   in   Ermanglung   ihrer   eigenen   Geistlichen    ganz 
darauf  verzichtet  hätten   (Müller,  S.  93  ff.    108  ff.).     Die  Wal- 
denser berufen  sich  auch  in  einer  für  Laien  auffälligen  Weise 
auf  die  alten  Kirchenlehrer  11,  11  (damit  stimmt  genau  überein 
David  von  Augsburg  S.  209).    Bezeichnend  für  die  Waldenser 
ist  der  evangelische  Ausdruck,   daß  es  nur  ,zwei  Wege^  nach 
dem  Tode  fUr  die  Seelen  gebe  5,  10.  11,  29,   was  mit  der  Ab- 
leugnung   des    Fegefeuers    zusammenfallt,    vgl.    Bemard    von 
Fontecaud    cap.   10   (Bibl.   max.   Patr.   24,    1599  f.);    Passauer 
Anonymus   cap.  5  (Bibl.  max.  Patr.  25,  266  D);   Müller,  S.  99. 
112  Anm. ;   später  Petrus  von  Pilichsdorf  cap.  21    (Bibl.  max. 
Patr.  25,  287  f.).     Natürlich    sind   die    katholischen   Polemiker 
mit   der  waldensischen  Auslegung   der  Matthäusstelle  von  den 
zwei   Wegen   gar   nicht    einverstanden,    auch   BerthoM    nicht, 
der   wohl  deshalb  mehrmals  in  deutschen  Stücken  (Nr.  V.  XII. 
vgl.  LI)  andere  Auslegungen  der  ,zwei  Wege'  vorgenommen  hat. 
Recht   lehrreich   ist  eine  größere  Stelle  43,  18  ff.,   in   der 
Berthold    sich   mit  den   Ketzern    über   die   Interpretation   von 
Job.  1,  1  ff.  auseinandersetzt;  trotzdem  dieser  Passus  des  Evan- 
geliums Johannis  schon  fftr  die  Katharer  von  größter  Wichtig- 


116 


../ 


Spitze).      Darum  ^  «ach  den  Waldensern  bc- 

4,24  und  macl  •  ;../h)paganda,    erzählt  Bertbold 

getötet  werden  «-^  ier  beiligen  Schrift,  um  sie  flir 

Migne  210,  *^'  .  ^   (Lukas  von  Tuy   warnt   davor, 

allbekaDDte)  C^^  ^^^  Kirchenväter  zu  benutzen,  weil 

dabei  dur^  .,  '^geren  mit  tendenziöser  Absicht  ftüschen, 

genden:  ^     -^^ßibl  max.  Patr.  25, 247  f.).    Dabei  zitieren 

47,33.  r  •  yt.*''^^  foriiebe  die  Briefe  Pauli  und  den  Eingang 

^'  ^'  '  "^^        21,  18  f.  (vgl.  MüUer,  S.  77  ff.).    Eine 

feue  ^'V'^     ifi«  die  Waldenser  —   denn  um  diese  handelt 

an-  ^vV  ^^^  Joann.  1,  1  verstehen,  liefert  Berthold  43,  18  ff., 

V  ^^\^  ^^^^  ^^  ^*®  Ketzer   die   Worte  dieses  Verses 

J^^^^'cIl  und   sinnlich  fassen  und  infolgedessen  mißver- 

/^    Sa  besitzen  auch  gar  keine  Kenntnis  der  lateinischen 

^\0$uk  nnd  Berthold  setzt  ihnen  mit  großer  Qenugtaong 

\g^def,  daß  ein  Schüler,  der  nur  zwei  Jahre  gelernt  hat, 

Z^Stdle  besser  auslege  als   sie.     Aus   der  späten  Polemik 

-^is  von   Pilichsdorf,   cap.  19    (Bibl.  max.  Patr.  25,  283  D) 

tgfuen  wir,  daß  Joann.  1, 4  erat  gleichfalls  von  den  Waidensem 

jg^  I^iteralsinne  des  Präteritums  aufgefaßt  wurde,  nicht  als  ein 

allgemeiner  Ausdruck   für    das   Sein    in    der  Zeit  überhaupt 

(Q%M  anders   lauten   die  Deutungen   der  Katharer,    vgl.  das 

Beispiel  von  Joann.  1,  3  in  der  Schrift  Supra  Stella  des  Salva 

Burce  bei  DöUinger  2,  59.) 

Wichtiger  vielleicht  noch  als  diese  Erörterungen  sind 
einige  Notizen  Bertholds,  die  ihnen  vorangehen.  Daraus  (43, 15) 
erfahren  wir  zunächst^  daß  dieser  E^ingang  des  Johanneaevan- 
geliums  bei  den  deutschen  Katharem  (nach  in  princifio) 
schlechtweg  das  anegenge  hieß.  Femer  weiß  der  Ketzer,  den  Bert- 
hold  fragt,  von  fünf  Evangelien.  Da  es  in  diesem  Zusammen- 
hange höchst  unwahrscheinlich  ist,  daß  darunter  das  Stück  aus 
den  Kreisen  der  Katharer  verstanden  wird,  welches  DöUinger 
2,  85 — 92  hat  drucken  lassen  (Joannis  et  Apostoli  et  Evangelistae 
Interrogatio  in  coena  sancta  regni  coelorum  de  ordinatione 
mundi,  et  de  Principe  et  de  Adam  —  als  Johannesbrief  angeführt 
bei  DöUinger  2,  707),  so  weiß  ich  nichts  anderes  anzuführen 
als  das  Evangelium  aeternum  des  Abtes  Joachim  von  Floris, 
d.  h.  nach  dem  Sprachgebrauche  des  Franziskaners  Gerard 
von  Borge  S.  Donnino  in  seinem  Introductorius  die  drei  Haupt- 


Studien  sar  Geaohiehte  der  »lid«atsoben  Predigt.  119 

CS  Abtes  Joachim  (vgl.  Deniile  im  Archiv  für  Literatar- 
chengeschichte des  Mittelalters  1,  49 — 142^  besonders 
a.;  DöUinger  2,  527—585).  Noch  bemerke  ich,  daß  die  Pe- 
icn  der  Eirchengeschichte^  die  Berthold,  S.  75 f.  (aus  dem 
v«,asticanas  de  Dominicis)  aufstellt,  einige  Ähnlichkeit  mit  den 
sieben  Haiu$  ecdeHae  haben,  die  Frater  Johannes  Petrus  Olivi 
(1247 — 1298)  in  seiner  Postilla  super  Apocaljpsi  angenommen  hat. 
Unter  den  drei  Titeln  von  Eetzerschriften,  welche  Berthold 
dem  Waldenser  abfragt,  befindet  sich  einer:  triginta  gradus 
Augustiniy  den  wir  schon  aus  David  von  Augsburg  (cap.  17, 
S.  215)  kennen,  wo  es  darüber  heißt:  finxerunt  etiam  quosdam 
rithmos  (also  wohl  ein  Gedicht  in  dreißig  Strophen),  quos  vocant 
triginta  gradus  s.  Augustini,  in  quibus  docent  quasi  virtutes 
sectari  et  vitia  detestari,  et  callide  inserunt  ibi  ritus  suos  et 
hereses,  ut  melius  alliciant  ad  ea  discenda  et  fortius  inculcent 
ea  memoriter;  sicut  nos  laycis  proponimus  symbolum,  orationem 
dominicam  et  alia  pulchra  hujusmodi  causa  confinxerunt  car- 
mina.  Das  war  also  ein  Gedicht,  bestimmt,  auswendig  gelernt 
zu  werden,  dieselbe  Weise,  durch  welche  ungelehrte  Waldenser 
sich  den  Inhalt  der  heiligen  Schrift  aneigneten,  soweit  sie  seiner 
bedurften.  Neu  ist  der  Titel  einer  Eetzerschrift  b'chBalmS, 
wie  die  Preiburger  Handschrift  überliefert.  Nach  dem  Ge- 
brauche des  Schreibers  könnte  dieses  Abkürzungszeichen  auf- 
gelöst werden  in  ur  oder  (häufiger)  er:  bttrehialmen  oder  berch- 
mahnen.  Ich  zweifle  nicht,  daß  man  sich  ftir  die  zweite  Mög- 
lichkeit wird  entscheiden  müssen.  Freilich  kann  ich  das  Wort 
(vor  Sche£fel)  nicht  belegen  und  vermute  nur,  daß  es,  wie  die 
^Stufen  des  heil.  Augustinus'  ein  Gedicht  gewesen  sein  wird; 
vielleicht  ist  berch  auf  den  Aufenthalts-  oder  Versammlungsort 
der  verfolgten  Häretiker  zu  beziehen.  Eeinesfalls  wird  man 
anter  diesen  ,Bergp8aImen'  Stücke  des  Davidischen  Psalters 
verstehen  dürfen,  denen  etwa  von  den  Waldensern  dieser 
Sondemame  beigelegt  worden  wäre,  denn  dies  hier  muß  ein 
Werklein  für  sich  gewesen  sein.  —  Noch  erwähnt  der  Wal- 
denser eine  dritte  Schrift,  die  er  auswendig  kann,  m'at.  Das 
kann  nur  merdt  =  meratum  heißen:  ,das  letzte  Abendmahl' 
des  Herrn,  ein  Wort,  das  bei  den  deutschen  Predigern  der 
älteren  Zeit  nicht  selten  vorkommt  (vgl.  Schmeller,  Bayr.  Wtb. 
1,  1645).    Der  Inhalt  wird  durch  den  Titel  ungeftlhr  bezeichnet. 


118  '^'  AbbaBdlnoft    8oliftnb»eb. 

keit  war  (vgl.  oben  S.  94),  ist  er  auch  den  Waldenscm  be- 
deutend gewesen.  Bei  ihrer  Propaganda,  erzählt  Berthold 
21,  4  ff.,  stehlen  sie  Codices  der  heiligen  Schrift,  um  sie  für 
ihre  Zwecke  zu  gebrauchen  (Lukas  von  Tuj  warnt  davor^ 
andere  als  alte  Handschriften  der  Kirchenväter  zu  benutzen,  weil 
die  Waldenser  die  neueren  mit  tendenziöser  Absicht  ftüschen, 
lib.  3,  cap.  17  in  der  Bibl.  max.  Patr.  25,  247  f.).  Dabei  zitieren 
sie  mit  besonderer  Vorliebe  die  Briefe  Pauli  und  den  Eingang 
des  Johannesevangeliums  21,  18  f.  (vgl.  MttUer,  S.  77  ff.).  Eine 
Probe  davon,  wie  die  Waldenser  —  denn  um  diese  handelt 
es  sich  hier  —  Joann.  1,  1  verstehen,  liefert  Berthold  43,  18  ff., 
und  es  zeigt  sich,  daß  die  Ketzer  die  Worte  dieses  Verses 
ganz  äußerlich  und  sinnlich  fassen  und  infolgedessen  mißver- 
stehen. Sie  besitzen  auch  gar  keine  Kenntnis  der  lateinischen 
Grammatik  und  Berthold  setzt  ihnen  mit  großer  Genugtuung 
auseinander,  daß  ein  Schüler,  der  nur  zwei  Jahre  gelernt  hat, 
diese  Stelle  besser  auslege  als  sie.  Aus  der  späten  Polemik 
Peters  von  Pilichsdorf ,  cap.  19  (Bibl.  max.  Patr.  25,  283  D) 
lernen  wir,  daß  Joann.  1, 4  erat  gleichfalls  von  den  Waidensem 
im  Literalsinne  des  Präteritums  aufgefaßt  wurde,  nicht  als  ein 
allgemeiner  Ausdruck  für  das  Sein  in  der  Zeit  überhaupt 
(Ganz  anders  lauten  die  Deutungen  der  Katharer,  vgl.  das 
Beispiel  von  Joann.  1,  3  in  der  Schrift  Supra  Stella  des  Salva 
Burce  bei  DöUinger  2,  59.) 

Wichtiger  vielleicht  noch  als  diese  Erörterungen  sind 
einige  Notizen  Bertholds,  die  ihnen  vorangehen.  Daraus  (43, 15) 
erfahren  wir  zunächst,  daß  dieser  Eingang  des  Johannesevan- 
geliums bei  den  deutschen  Katharern  (nach  in  pHncipio) 
schlechtweg  das  anegenge  hieß.  Ferner  weiß  der  Ketzer,  den  Bert- 
hold fragt,  von  ftinf  Evangelien.  Da  es  in  diesem  Zusammen- 
hange höchst  unwahrscheinlich  ist,  daß  darunter  das  Stück  aus 
den  Kreisen  der  Katharer  verstanden  wird,  welches  DöUinger 
2,  85 — 92  hat  drucken  lassen  (Joannis  et  Apostoli  et  Evangelistae 
Interrogatio  in  coena  sancta  regni  coelorum  de  ordinatione 
mundi,  et  de  Principe  et  de  Adam  —  als  Johannesbrief  angefUhrt 
bei  DöUinger  2,  707),  so  weiß  ich  nichts  anderes  anzuftihren 
als  das  Evangelium  aeternum  des  Abtes  Joachim  von  Floris, 
d.  h.  nach  dem  Sprachgebrauche  des  Franziskaners  Gerard 
von  Borge  S.  Donnino  in  seinem  Introductorius  die  drei  Haupt- 


Stodieo  sar  Geschichte  der  »Itdeateoben  Fredigt.  119 

Schriften  des  Abtes  Joachim  (vgl.  Denifle  im  Archiv  für  Literatur- 
and  Kirchengeschichte  des  Mittelalters  1,  49 — 142 ,  besonders 
S.  57  ff.;  DöUinger  2, 527—585).  Noch  bemerke  ich,  daß  die  Pe- 
rioden der  Eirchengeschichte^  die  Berthold,  S.  75 f.  (aus  dem 
Rusticanus  de  Dominicis)  aufstellt^  einige  Ähnlichkeit  mit  den 
sieben  Status  eecleHae  haben,  die  Frater  Johannes  Petrus  Olivi 
(1247 — 1298)  in  seiner  Postilla  super  Apocaljpsi  angenommen  hat. 
Unter  den  drei  Titeln  von  Ketzerschriften,  welche  Berthold 
dem  Waldenser  abfragt,  befindet  sich  einer:  triginta  gradus 
AugtMtini,  den  wir  schon  aus  David  von  Augsburg  (cap.  17, 
S.  215)  kennen,  wo  es  darüber  heißt:  finxerunt  etiam  quosdam 
rithmos  (also  wohl  ein  Gedicht  in  dreißig  Strophen),  quos  vocant 
triginta  gradus  s.  Augustini,  in  quibus  docent  quasi  virtutes 
sectari  et  vitia  detestari,  et  callide  inserunt  ibi  ritus  suos  et 
hereses,  ut  melius  alliciant  ad  ea  discenda  et  fortius  inculcent 
ea  memoriter;  sicut  nos  lajcis  proponimus  symbolum,  orationem 
dominicam  et  alia  pulchra  hujusmodi  causa  confinxerunt  car- 
mina.  Das  war  also  ein  Gedicht,  bestimmt,  auswendig  gelernt 
zu  werden,  dieselbe  Weise,  durch  welche  ungelehrte  Waldenser 
sich  den  Inhalt  der  heiligen  Schrift  aneigneten,  soweit  sie  seiner 
bedurften.  Neu  ist  der  Titel  einer  Ketzerschrift  h'chsalmS^ 
wie  die  Freiburger  Handschrift  überliefert.  Nach  dem  Ge- 
brauche des  Schreibers  könnte  dieses  Abkürzungszeichen  auf- 
gelöst werden  in  ur  oder  (häufiger)  er:  bttrehsalmen  oder  berch- 
sahnen.  Ich  zweifle  nicht,  daß  man  sich  fbr  die  zweite  Mög- 
lichkeit wird  entscheiden  müssen.  Freilich  kann  ich  das  Wort 
(vor  Scheffel)  nicht  belegen  und  vermute  nur,  daß  es,  wie  die 
,Stufen  des  heil.  Augustinus'  ein  Gedicht  gewesen  sein  wird; 
vielleicht  ist  berch  auf  den  Aufenthalts-  oder  Versammlungsort 
der  verfolgten  Häretiker  zu  beziehen.  Keinesfalls  wird  man 
anter  diesen  ,BergpsaImen'  Stücke  des  Davidischen  Psalters 
verstehen  dürfen,  denen  etwa  von  den  Waldensern  dieser 
Sondemame  beigelegt  worden  wäre,  denn  dies  hier  muß  ein 
Werklein  für  sich  gewesen  sein.  —  Noch  erwähnt  der  Wal- 
denser eine  dritte  Schrift,  die  er  auswendig  kann,  m'at.  Das 
kann  nur  merdt  =  meratum  heißen:  ,das  letzte  Abendmahl' 
des  Herrn,  ein  Wort,  das  bei  den  deutschen  Predigern  der 
älteren  Zeit  nicht  selten  vorkommt  (vgl.  Schmeller,  Bayr.  Wtb. 
1,  1645).    Der  Inhalt  wird  durch  den  Titel  ungefähr  bezeichnet, 


118  V'  Abhaadliinf :    Sobftnbaeb. 

keit  war  (vgl.  oben  S.  94) ,  ist  er  auch  den  Waldensern  be- 
deutend gewesen.  Bei  ihrer  Propaganda,  erzählt  Berthold 
21,  4  ff.,  stehlen  sie  Codices  der  heiligen  Schrift,  um  sie  ftir 
ihre  Zwecke  zu  gebrauchen  (Lukas  von  Tuy  warnt  davor, 
andere  als  alte  Handschriften  der  Kirchenväter  zu  benutzen,  weil 
die  Waldenser  die  neueren  mit  tendenziöser  Absicht  fälschen, 
lib.  3,  cap.  17  in  der  Bibl.  max.  Patr.  25,  247  f.).  Dabei  zitieren 
sie  mit  besonderer  Vorliebe  die  Briefe  Pauli  und  den  Eingang 
des  Johannesevangeliums  21,  18  f.  (vgl.  Müller,  S.  77  ff.).  'Eine 
Probe  davon,  wie  die  Waldenser  —  denn  um  diese  handelt 
es  sich  hier  —  Joann.  1,  1  verstehen,  liefert  Berthold  43,  18  ff., 
und  es  zeigt  sich,  daß  die  Ketzer  die  Worte  dieses  Verses 
ganz  äußerlich  und  sinnlich  fassen  und  infolgedessen  mißver- 
stehen. Sie  besitzen  auch  gar  keine  Kenntnis  der  lateinischen 
Grammatik  und  Berthold  setzt  ihnen  mit  großer  Genugtuung 
auseinander,  daß  ein  Schüler,  der  nur  zwei  Jahre  gelernt  hat, 
diese  Stelle  besser  auslege  als  sie.  Aus  der  späten  Polemik 
Peters  von  Pilichsdorf,  cap.  19  (Bibl.  max.  Patr.  25,  283  D) 
lernen  wir,  daß  Joann.  1,4  erat  gleichfalls  von  den  Waidensem 
im  Literalsinne  des  Präteritums  aufgefaßt  wurde,  nicht  als  ein 
allgemeiner  Ausdruck  ftlr  das  Sein  in  der  Zeit  überhaupt. 
(Ganz  anders  lauten  die  Deutungen  der  Katharer,  vgl.  das 
Beispiel  von  Joann.  1,  3  in  der  Schrift  Supra  Stella  des  Salva 
Burce  bei  DöUinger  2,  59.) 

Wichtiger  vielleicht  noch  als  diese  Erörterungen  sind 
einige  Notizen  Bertholds,  die  ihnen  vorangehen.  Daraus  (43, 15) 
erfahren  wir  zunächst^  daß  dieser  Eingang  des  Johannesevan- 
geliums bei  den  deutschen  Katharern  (nach  in  princtpio) 
schlechtweg  das  anegenge  hieß.  Ferner  weiß  der  Ketzer,  den  Bert- 
hold  fragt,  von  ftlnf  Evangelien.  Da  es  in  diesem  Zusammen- 
hange höchst  unwahrscheinlich  ist,  daß  darunter  das  Stück  aus 
den  Kreisen  der  Katharer  verstanden  wird,  welches  Döllinger 
2,  85 — 92  hat  drucken  lassen  (Joannis  et  Apostoli  et  Evangelistae 
Interrogatio  in  coena  sancta  regni  coelorum  de  ordinatione 
mundi,  et  de  Principe  et  de  Adam  —  als  Johannesbrief  angeführt 
bei  DöUinger  2,  707),  so  weiß  ich  nichts  anderes  anzuftlhren 
als  das  Evangelium  aeternum  des  Abtes  Joachim  von  Floris, 
d.  h.  nach  dem  Sprachgebrauche  des  Franziskaners  Gerard 
von  Borge  S.  Donnino  in  seinem  Introductorius  die  drei  Haupt- 


Stadien  sar  Owehichte  der  altdentsoben  Fredigt.  119 

Schriften  des  Abtes  Joachim  (vgl.  Denifle  im  Archiv  für  Literatur- 
und  Kirchengeschichte  des  Mittelalters  1,  49 — 142^  besonders 
S.  57  ff.;  DöUinger  2, 527—585).  Noch  bemerke  ich,  daß  die  Pe- 
rioden der  Eirchengeschichte^  die  Berthold.  S.  75 f.  (aus  dem 
Rusticanus  de  Dominicis)  aufstellt^  einige  Ähnlichkeit  mit  den 
sieben  tiatus  ecclesiae  haben,  die  Frater  Johannes  Petrus  Olivi 
(1247 — 1298)  in  seiner  Postilla  super  Apocaljpsi  angenommen  hat. 
Unter  den  drei  Titeln  von  Ketzerschriften,  welche  Berthold 
dem  Waldenser  abfragt,  befindet  sich  einer:  triginta  gradus 
Augu$tin%y  den  wir  schon  aus  David  von  Augsburg  (cap.  17, 
S.  215)  kennen,  wo  es  darüber  heißt:  finxerunt  etiam  quosdam 
rithmos  (also  wohl  ein  Gedicht  in  dreißig  Strophen),  quos  vocant 
triginta  gradus  s.  Augnstini,  in  quibus  docent  quasi  virtutes 
sectari  et  vitia  detestari,  et  callide  inserunt  ibi  ritus  suos  et 
hereses,  ut  melius  alliciant  ad  ea  discenda  et  fortius  inculcent 
ea  memoriter;  sicut  nos  laycis  proponimus  sjmbolum,  orationem 
dominicam  et  alia  pulchra  hujusmodi  causa  confinxerunt  car- 
mina.  Das  war  also  ein  Gedicht,  bestimmt,  auswendig  gelernt 
zu  werden,  dieselbe  Weise,  durch  welche  ungelehrte  Waldenser 
sich  den  Inhalt  der  heiligen  Schrift  aneigneten,  soweit  sie  seiner 
bedurften.  Neu  ist  der  Titel  einer  Ketzerschrift  VchsalmB^ 
wie  die  Preiburger  Handschrift  überliefert.  Nach  dem  Ge- 
brauche des  Schreibers  könnte  dieses  Abkürzungszeichen  auf- 
gelöst werden  in  ur  oder  (häufiger)  er:  hurchBalmen  oder  berch- 
malmen.  Ich  zweifle  nicht,  daß  man  sich  ftir  die  zweite  Mög- 
lichkeit wird  entscheiden  müssen.  Freilich  kann  ich  das  Wort 
(vor  Scheffel)  nicht  belegen  und  vermute  nur,  daß  es,  wie  die 
,Stufen  des  heil.  Augustinus'  ein  Gedicht  gewesen  sein  wird; 
vielleicht  ist  berch  auf  den  Aufenthalts-  oder  Versammlungsort 
der  verfolgten  Häretiker  zu  beziehen.  Keinesfalls  wird  man 
anter  diesen  ,Bergpsalmen'  Stücke  des  Davidischen  Psalters 
verstehen  dürfen,  denen  etwa  von  den  Waldensern  dieser 
Sondemame  beigelegt  worden  wäre,  denn  dies  hier  muß  ein 
Werklein  ftir  sich  gewesen  sein.  —  Noch  erwähnt  der  Wal- 
denser eine  dritte  Schrift,  die  er  auswendig  kann,  m'at.  Das 
kann  nur  merät  =  meratum  heißen:  ,das  letzte  Abendmahl' 
des  Herrn,  ein  Wort,  das  bei  den  deutschen  Predigern  der 
alteren  Zeit  nicht  selten  vorkommt  (vgl.  Schmeller,  Bayr.  Wtb. 
1,  1645).    Der  Inhalt  wird  durch  den  Titel  ungeftlhr  bezeichnet, 


118  y.  Abhandlung;    SehÖnbacb. 

keit  war  (vgl.  oben  S.  94) ,  ist  er  auch  den  Waldenscrn  be- 
deatend  gewesen.  Bei  ihrer  Propaganda,  erzählt  Berthold 
21,  4  ff.,  stehlen  sie  Codices  der  heiligen  Schrift,  nm  sie  fbr 
ihre  Zwecke  za  gebrauchen  (Lukas  von  Tnj  warnt  davor, 
andere  als  alte  Handschriften  der  Kirchenväter  zu  benatzen,  weil 
die  Waldenser  die  neueren  mit  tendenziöser  Absicht  fälschen, 
lib.  3,  cap.  17  in  der  Bibl.  max.  Patr.  25,  247  f.).  Dabei  zitieren 
sie  mit  besonderer  Vorliebe  die  Briefe  Pauli  und  den  Eingang 
des  Johannesevangeliums  21,  18  f.  (vgl.  MttUer,  S.  77  ff.).  Eäne 
Probe  davon,  wie  die  Waldenser  —  denn  um  diese  handelt 
es  sich  hier  —  Joann.  1,  1  verstehen,  liefert  Berthold  43,  18  ff., 
und  es  zeigt  sich,  daß  die  Ketzer  die  Worte  dieses  Verses 
ganz  äußerlich  und  sinnlich  fassen  und  infolgedessen  mißver- 
stehen. Sie  besitzen  auch  gar  keine  Kenntnis  der  lateinischen 
Grammatik  und  Berthold  setzt  ihnen  mit  großer  Genugtuung 
auseinander,  daß  ein  Schüler,  der  nur  zwei  Jahre  gelernt  hat, 
diese  Stelle  besser  auslege  als  sie.  Aus  der  späten  Polemik 
Peters  von  Pilichsdorf,  cap.  19  (Bibl.  max.  Patr.  25,  283  D) 
lernen  wir,  daß  Joann.  1, 4  erat  gleichfalls  von  den  Waidensem 
im  Literalsinne  des  Präteritums  aufgefaßt  wurde,  nicht  als  ein 
allgemeiner  Ausdruck  für  das  Sein  in  der  Zeit  überhaupt 
(Ganz  anders  lauten  die  Deutungen  der  Katharer,  vgl.  das 
Beispiel  von  Joann.  1,  3  in  der  Schrift  Supra  Stella  des  Salva 
Burce  bei  DoUinger  2,  59.) 

Wichtiger  vielleicht  noch  als  diese  Erörterungen  sind 
einige  Notizen  Bertholds,  die  ihnen  vorangehen.  Daraus  (43, 15) 
erfahren  wir  zunächst,  daß  dieser  Eingang  des  Johannesevan- 
geliums  bei  den  deutschen  Katharern  (nach  in  prindpio) 
schlechtweg  das  anegenge  hieß.  Ferner  weiß  der  Ketzer,  den  Bert- 
hold fragt,  von  fünf  Evangelien.  Da  es  in  diesem  Zusammen- 
hange höchst  unwahrscheinlich  ist,  daß  darunter  das  Stück  aus 
den  Kreisen  der  Katharer  verstanden  wird,  welches  Döllinger 
2,  85 — 92  hat  drucken  lassen  (Joannis  et  ApostoK  et  Evangelistae 
Interrogatio  in  coena  sancta  regni  coelorum  de  ordinatione 
mundi,  et  de  Principe  et  de  Adam  —  als  Johannesbrief  angeführt 
bei  Döllinger  2,  707),  so  weiß  ich  nichts  anderes  anzuführen 
als  das  Evangelium  aeternum  des  Abtes  Joachim  von  Floris, 
d.  h.  nach  dem  Sprachgebrauche  des  Franziskaners  Gerard 
von  Borge  8.  Donnino  in  seinem  Introductorius  die  di*ei  Haupt- 


Stadien  sor  Geschieht«  der  altdenteobeD  Predigt.  119 

Schriften  des  Abtes  Joachim  (vgl.  Denifle  im  Archiv  für  Literatur- 
und  Kirchengeschichte  des  Mittelalters  1,  49 — 142,  besonders 
S.  57  ff.;  DöUinger  2,  527--585).  Noch  bemerke  ich,  daß  die  Pe- 
rioden der  Kirchengeschichte,  die  Berthold,  S.  75 f.  (aus  dem 
Rusticanus  de  Dominicis)  aufstellt,  einige  Ähnlichkeit  mit  den 
sieben  statui  eccleaiae  haben,  die  Frater  Johannes  Petrus  Olivi 
(1247 — 1298)  in  seiner  Postilla  super  Apocaljpsi  angenommen  hat. 
Unter  den  drei  Titehi  von  Ketzerschriften,  welche  Berthold 
dem  Waldenser  abfragt,  befindet  sich  einer:  triginta  gradu$ 
Augtutiniy  den  wir  schon  aus  David  von  Augsburg  (cap.  17, 
S.  215)  kennen,  wo  es  darüber  heißt:  finxerunt  etiam  quosdam 
rithmos  (also  wohl  ein  Gedicht  in  dreißig  Strophen),  quos  vocant 
triginta  gradus  s.  Augustini,  in  quibus  docent  quasi  virtutes 
sectari  et  vitia  detestari,  et  callide  insernnt  ibi  ritus  suos  et 
hereses,  ut  melius  alliciant  ad  ea  discenda  et  fortius  inculcent 
ea  memoriter;  sicut  nos  laycis  proponimus  symbolum,  orationem 
dominicam  et  alia  pulchra  hujusmodi  causa  confinxerunt  car- 
mina.  Das  war  also  ein  Gedicht,  bestimmt,  auswendig  gelernt 
zu  werden,  dieselbe  Weise,  durch  welche  ungelehrte  Waldenser 
sich  den  Inhalt  der  heiligen  Schrift  aneigneten,  soweit  sie  seiner 
bedurften.  Neu  ist  der  Titel  einer  Ketzerschrift  h*chsalmS, 
wie  die  Preiburger  Handschrift  überliefert.  Nach  dem  Ge- 
brauche des  Schreibers  könnte  dieses  Abkürzungszeichen  auf- 
gelöst werden  in  ur  oder  (häufiger)  er:  bvrchsalmen  oder  berch- 
salmen.  Ich  zweifle  nicht,  daß  man  sich  ftlr  die  zweite  Mög- 
lichkeit wird  entscheiden  müssen.  Freilich  kann  ich  das  Wort 
(vor  Scheffel)  nicht  belegen  und  vermute  nur,  daß  es,  wie  die 
,Stufen  des  heil.  Augustinus^  ein  Gedicht  gewesen  sein  wird; 
vielleicht  ist  berch  auf  den  Aufenthalts-  oder  Versammlungsort 
der  verfolgten  Häretiker  zu  beziehen.  Keinesfalls  wird  man 
unter  diesen  ,Bergpsalmen^  Stücke  des  Davidischen  Psalters 
verstehen  dürfen,  denen  etwa  von  den  Waldensern  dieser 
Sondername  beigelegt  worden  wäre,  denn  dies  hier  muß  ein 
Werklein  ftlr  sich  gewesen  sein.  —  Noch  erwähnt  der  Wal- 
denser eine  dritte  Schrift,  die  er  auswendig  kann,  m'at.  Das 
kann  nur  merät  =  meratum  heißen:  ,das  letzte  Abendmahl' 
des  Herrn,  ein  Wort,  das  bei  den  deutschen  Predigern  der 
älteren  Zeit  nicht  selten  vorkommt  (vgl.  Schmeller,  Bayr.  Wtb. 
1,  1645).    Der  Inhalt  wird  durch  den  Titel  ungeftlhr  bezeichnet. 


118  ▼•  AbhandliiBf :    8eb6nb»eli. 

keit  war  (vgl.  oben  S.  94) ,  ist  er  auch  den  Waldenscrn  be- 
deatend  gewesen.  Bei  ihrer  Propaganda,  erzählt  Berthold 
21,  4  ff.,  stehlen  sie  Codices  der  heiligen  Schrift,  nm  sie  fbr 
ihre  Zwecke  za  gebrauchen  (Lukas  von  Tuy  warnt  davor, 
andere  als  alte  Handschriften  der  Kirchenväter  zu  benutzen,  weil 
die  Waidenser  die  neueren  mit  tendenziöser  Absicht  ftllschen, 
üb.  3,  cap.  17  in  der  Bibl.  max.  Patr.  25,  247  f.).  Dabei  zitieren 
sie  mit  besonderer  Vorliebe  die  Briefe  Pauli  und  den  Eingang 
des  Johannesevangeliums  21,  18  f.  (vgl.  Müller,  S.  77  ff.).  Eine 
Probe  davon,  wie  die  Waidenser  —  denn  um  diese  handelt 
es  sich  hier  —  Joann.  1,  1  verstehen,  liefert  Berthold  43,  18  ff., 
und  es  zeigt  sich,  daß  die  Ketzer  die  Worte  dieses  Verses 
ganz  äußerlich  und  sinnlich  fassen  und  infolgedessen  mißver- 
stehen. Sie  besitzen  auch  gar  keine  Kenntnis  der  lateinischen 
Grammatik  und  Berthold  setzt  ihnen  mit  großer  Genugtuung 
auseinander,  daß  ein  Schüler,  der  nur  zwei  Jahre  gelernt  hat, 
diese  Stelle  besser  auslege  als  sie.  Aus  der  späten  Polemik 
Peters  von  Pilichsdorf ,  cap.  19  (Bibl.  max.  Patr.  25,  283  D) 
lernen  wir,  daß  Joann.  1, 4  erat  gleichfalls  von  den  Waidensem 
im  Literalsinne  des  Präteritums  aufgefaßt  wurde,  nicht  als  ein 
allgemeiner  Ausdruck  für  das  Sein  in  der  Zeit  überhaupt. 
(Ganz  anders  lauten  die  Deutungen  der  Katharer,  vgl.  das 
Beispiel  von  Joann.  1,  3  in  der  Schrift  Supra  Stella  des  Salva 
Burce  bei  DöUinger  2,  59.) 

Wichtiger  vielleicht  noch  als  diese  Erörterungen  sind 
einige  Notizen  Bertholds,  die  ihnen  vorangehen.  Daraus  (43, 15) 
erfahren  wir  zunächst^  daß  dieser  Eingang  des  Johannesevan- 
geliums  bei  den  deutschen  Katharern  (nach  in  principio) 
schlechtweg  das  anegenge  hieß.  Ferner  weiß  der  Ketzer,  den  Bert- 
hold fragt,  von  fünf  Evangelien.  Da  es  in  diesem  Zusammen- 
hange höchst  unwahrscheinlich  ist,  daß  darunter  das  Stück  aus 
den  Kreisen  der  Katharer  verstanden  wird,  welches  DöUinger 
2,  85 — 92  hat  drucken  lassen  (Joannis  et  Apostoli  et  Evangelistae 
Interrogatio  in  coena  sancta  regni  coelorum  de  ordinatione 
mundi,  et  de  Principe  et  de  Adam  —  als  Johannesbrief  angeführt 
bei  DöUinger  2,  707),  so  weiß  ich  nichts  anderes  anzuführen 
als  das  P>angelium  aeternum  des  Abtes  Joachim  von  Floris, 
d.  h.  nach  dem  Sprachgebrauche  des  Franziskaners  Gerard 
von  Borge  S.  Donnino  in  seinem  Introductorius  die  drei  Haupt- 


StndtOD  zur  Oescbichto  der  altdenisoben  Predigt.  119 

Schriften  des  Abtes  Joachim  (vgl.  Denifle  im  Archiv  für  Literatur- 
und  Kirchengeschichte  des  Mittelalters  1,  49 — 142^  besonders 
S.  57  flF.;  DöUinger  2, 527—585).  Noch  bemerke  ich,  daß  die  Pe- 
rioden der  Eirchengeschichte^  die  Berthold,  S.  75 f.  (aus  dem 
Rusticanus  de  Dominicis)  aufstellt,  einige  Ähnlichkeit  mit  den 
sieben  Hatus  ecclesiae  haben,  die  Frater  Johannes  Petrus  Olivi 
(1247 — 1298)  in  seiner  Postilla  super  Apocaljpsi  angenommen  hat. 
Unter  den  drei  Titeln  von  Ketzerschriften,  welche  Berthold 
dem  Waldenser  abfragt,  befindet  sich  einer:  triginta  gradus 
Augustiniy  den  wir  schon  aus  David  von  Augsburg  (cap.  17, 
S.  215)  kennen,  wo  es  darüber  heißt:  finxerunt  etiam  quosdam 
rithmos  (also  wohl  ein  Qedicht  in  dreißig  Strophen),  quos  vocant 
triginta  gradus  s.  Augnstini,  in  quibus  docent  quasi  virtutes 
sectari  et  vitia  detestari,  et  callide  inserunt  ibi  ritus  suos  et 
hereses,  ut  melius  alliciant  ad  ea  discenda  et  fortius  inculcent 
ea  memoriter;  sicut  nos  lajcis  proponimus  symbolum,  orationem 
dominicam  et  alia  pulchra  hujusmodi  causa  confinxerunt  car- 
mina.  Das  war  also  ein  Gedicht,  bestimmt,  auswendig  gelernt 
zu  werden,  dieselbe  Weise,  durch  welche  ungelehrte  Waldenser 
sich  den  Inhalt  der  heiligen  Schrift  aneigneten,  soweit  sie  seiner 
bedurften.  Neu  ist  der  Titel  einer  Ketzerschrift  Vchsalmi, 
wie  die  Freiburger  Handschrift  überliefert.  Nach  dem  Ge- 
brauche des  Schreibers  könnte  dieses  Abkürzungszeichen  auf- 
gelöst werden  in  ur  oder  (häufiger)  er:  hurchsalmen  oder  herch- 
salmen.  Ich  zweifle  nicht,  daß  man  sich  ftir  die  zweite  Mög- 
lichkeit wird  entscheiden  müssen.  Freilich  kann  ich  das  Wort 
(vor  Scheffel)  nicht  belegen  und  vermute  nur,  daß  es,  wie  die 
,Stufen  des  heil.  Augustinus^  ein  Gedicht  gewesen  sein  wird; 
vielleicht  ist  berch  auf  den  Aufenthalts-  oder  Versammlungsort 
der  verfolgten  Häretiker  zu  beziehen.  Keinesfalls  wird  man 
unter  diesen  ^Bergpsalmen^  Stücke  des  Davidischen  Psalters 
verstehen  dürfen,  denen  etwa  von  den  Waldensern  dieser 
Sondemame  beigelegt  worden  wäre,  denn  dies  hier  muß  ein 
Werklein  ftlr  sich  gewesen  sein.  —  Noch  erwähnt  der  Wal- 
denser eine  dritte  Schrift,  die  er  auswendig  kann,  m'at  Das 
kann  nur  merdt  =  meratum  heißen:  ,das  letzte  Abendmahl^ 
des  Herrn,  ein  Wort,  das  bei  den  deutschen  Predigern  der 
älteren  Zeit  nicht  selten  vorkommt  (vgl.  Schmeller,  Bayr.  Wtb. 
1,  1645).    Der  Inhalt  wird  durch  den  Titel  ungeftlhr  bezeichnet. 


120  ▼•  Abbandlang:    Scbönbikcb. 

vielleicht  war  es  auch  ein  Gedicht,  wie  wahrscheinlich  beide 
andere  von  Berthold  erwähnte  Waldenserschriften.  —  Da  selbst 
bloße  Titel  von  Ketzerschriften  ziemlich  rar  sind,  so  notiere 
ich  bei  der  Gelegenheit,  daß  Lnkas  von  Tuy  (f  1249)  ein 
häretisches  Werk  Perpendiculum  scientiarum  nennte  das  seiner 
Angabe  nach  philosophischen,  vielleicht  auch  naturwissenschaft- 
lichen Inhaltes  gewesen  sein  muß.  — 

Im  folgenden  verzeichne  ich  eine  Anzahl  von  Stellen, 
an  denen  Berthold  ganz  allgemein  über  die  Ketzer  und  ihre 
Art  handelt,  ohne  besondere  Merkmale  anzugeben.  Nur  indem 
man  die  bekannte  Literatur  zu  diesen  Mitteilungen  hält,  wird 
es  möglich,  ihnen  hie  und  da  historischen  Gehalt  abzugewinnen. 
80,  7  zieht  Berthold  die  Worte  des  Apostels  Paulus  im  ersten 
Timotheusbriefe  als  eine  Beschreibung  der  modernen  Ketzer 
in  derselben  Weise  an,  wie  das  Bernard  von  Clairvaux  im 
66.  Sermo  in  Cantica  (Migne  183,  1094  C)  getan  hatte.  Drei 
Arten  von  Ketzern  werden  nach  ihrem  Verhalten  zur  heil. 
Schrift  unterschieden  80,  33  ff.  vgl.  76,  31  ff.  Am  meisten  finden 
sich,  und  das  stimmt  mit  allen  älteren  Zeugnissen  sowohl  über 
Katharer  (besonders  Ekbert  von  Schönau)  als  Waldenser,  die 
Ketzer  in  den  niedrigen  Ständen,  zuvörderst  unter  Hand* 
werkern:  Weber  22,  13.  31,  29.  32,  17.  25.  44,  35;  Schuster  22, 
14.  24.  31,  29.  44,  35.  45, 21 ;  dann  Bauern :  32,  17.  34, 27.  43, 14 
Anm.  44.  5.  18;  Knechte  und  Mägde  22,  14.  Daher  ihre  Un- 
wissenheit, besonders  die  Unkenntnis  von  Lesen  und  Schreiben: 
22,  15.  32,  26.  42,  33.  43,  8  ff.  44,  36  ff.  Anm.  49,  16.  51,  7. 
77,  7  ff.  So  sind  sie  darauf  angewiesen,  auswendig  zu  lernen 
42,  33.  Juden  und  Heiden  wissen  mehr  als  sie  42, 30.  Trotzdem 
lassen  sich  die  Ketzer  ,heilige  Menschen'  nennen  19, 12.  21,  7,  und 
sind  (was  alle  Quellenschriften  bestätigen)  stolz  auf  ihre  Heilig- 
keit 13,  28.  19,  12.  27,  31.  68,  6.  19  und  Anm.,  sogar  auf  ihre 
Weisheit,  die  aber  Unwissenheit  ist  43  Anm.  Der  Ketzer  wird 
faulem  Holz  verglichen,  das  im  Dunklen  leuchtet  67,  24  u.  Anm., 
oder  lichtscheuen  Vögeln  67,  28  ff.,  Kröten  und  Fröschen  (vgl. 
Huck  a.  a.  0.  S.  34  Anm.),  58,  7  Krebsen  (vgl.  Ermengaudus, 
Bibl.  max.  Patr.  24,  1595),  Ungeziefer  82,  1;  Hunden  und  Löwen 
25,  19  Anm.,  Katzen  45, 22  Anm.,  vgl.  80,  12.  Man  muß  sich  vor 
ihnen  hüten  9,  28  Anm.,  darf  sie  nicht  anhören  66,  4,  denn 
sie   töten   die   Seele   9,  28.     Drei  Zeichen   gibt  es,   an   denen 


Stadien  sar  GMchichU  der  »lidentachon  Predift.  121 

man  die  Ketzer  erkennen  kann  (wie  bei  Bernard  von  Fontecaud, 
Alanns,  David,  dem  Passauer  Anonymus)  10,  1.  46,  23.  77,  20. 
Ihre  Propaganda,  bei  der  sie  sich  verkleiden  21,11,  betreiben 
sie  immer  in  derselben  Weise  (vgl.  Etienne  de  Boarbon,  S.  310)^ 
indem  sie  zuerst  durch  frommes  Reden  und  Gebahren  das 
Vertrauen  zu  erwerben  trachten,  dann  wider  den  Klerus  und 
seine  bekannten  Schwächen  mit  Personalkenntnis  losziehen, 
wodurch  sie  die  Anhänglichkeit  an  die  Kirche  entwurzeln,  be- 
sonders die  Kostspieligkeit  des  Kultus,  die  Habsucht  der  Geist- 
lichen tadeln  sie,  dann  endlich  rütteln  sie  an  den  Glaubens- 
überzeugungen 9,  28  Anm.  21,  3flF.  42,  6flF.  47,  11  ff.  58,  18. 
77,  12  ff.  Lüge  und  Prahlen  ist  aber  dabei  9,  28  Anm.  Die 
Ketzer  erzählen  erlogene  Geschichten,  spei,  um  die  Hörer  ihrem 
Glauben  abwendig  zu  machen,  vgl.  dazu  die  höchst  lehrreichen 
Beispiele  aus  der  Waldenserpraxis  bei  Lukas  von  Tuy:  die 
Erzählung  vom  Anbeten  und  2ierschlagen  des  Kreuzes  (Bibl. 
max.  Patr.  25)  242  G;  von  der  Kerze  beim  Marienaltar  243  A; 
gegen  den  Klerus ,  besonders  die  Bischöfe  243  G ;  das  sind 
alles  direkte  Zeugnisse  fbr  die  Macht  und  Wirkung  solcher 
Geschichten  und  werfen  ein  helles  Licht  auch  auf  die  Ent- 
stehung der  katholischen  Mirakelpoesie  unter  dem  Einfluß  be- 
stimmter Tendenzen.  Die  Ketzer  verführen  durch  ihre  Menge 
20, 13;  sie  treten  ab  schöbet  und  houfen  auf  80,  37.  81,  11,  denn 
sie  vermehren  sich  jetzt  sehr  58,  13;  auch  die  lange  Dauer  der 
Ketzerei  wirkt  zu  ihren  Gunsten  20,  20.  Die  Ketzer  blenden 
durch  falsche  Wunder:  sie  wandeln  Wein  in  Wasser  und  künden 
die  Zukunft  19,  34  f.;  sie  heilen  Kranke  19,37.  23, 12;  sie  lassen 
eine  Statue  reden  19,  39.  20,  7.  23,  12,  sie  rufen  Unwetter  bei 
der  Predigt  Bertholds  hervor  20,  2  und  Anm.,  zaubern  den 
Blitz  herbei  23,  13;  wollen  Ketzer  im  Himmel  sehen  20,6;  sug- 
gerieren Träume  20, 9  und  vollbringen  noch  andere  anscheinende 
Wundertaten  23,  13;  dazu  vgl.  die  sehr  instruktiven  Berichte 
des  Lukas  von  Tuy,  Bibl.  max.  Patr.  25,  244.  247  H  über 
falsche  Wunder  der  Häretiker.  Auch  reden  die  Ketzer  fremde 
Sprachen,  einer  gibt  sich  für  Bei-thold  aus  20,  2  Anm.  und 
stellt  ihn  persönlich  dar  23,  8.  Andererseits  wird  aber  den 
Ketzern  (schon  seit  Bemard  von  Clairvaux)  das  gerade  Gegen- 
teil vorgeworfen,  daß  sie  nämlich  keine  Wunder  tun,  keine 
Toten  erwecken  22,  18.  34,  19.  25. 


122  V-  AbbandlttDg:    SobftDbaeh. 

Sehr   ungerecht  ist  der  von   Berthold  und    seinen   Vor- 
gängern  so  oft  erhobene  Vorwurf  der  Heimlichkeit  wider  die 
Ketzer,   da  doch  jeder  Versuch,   offen  aufzutreten,   sofort  die 
schärfste  Verfolgung  durch  die  Kirche  nach  sich  gezogen  hatte 
und  Berthold  selbst  die  Anzeigepflicht  unaufhörlich  einschärft. 
Schon  au  sich   ist  ihm  die  Heimlichkeit  verdächtig  79^  24,  er 
verlangt  Heraustreten   und   Martyrium.     Weil  ihr   Glaube  so 
schlimm  ist,  wagen  sich  die  Ketzer  nicht  hervor  31,  23.  32,  24, 
in   der  Stille  mehren   sie  sich  12,  16  und  pflegen  ihre  Laster 
13,  5.     Sie  lehren  nur  vor  Wenigen  11,  3  und  suchen  die  Ver- 
borgenheit 9,  29  Anm.   11.  2,  3.  20.  20,  27.   21,  20.   31,  23. 
34,  2  ff.  Anm.  66,  9.  Besonders  trifft  das  die  Waldenser  45, 20. 
Der    Ketzerglaube    scheint    Berthold    eine   Torheit    17,    1.   7. 
18,  2  Anm.  21,  35.  32,  18.  41,  38.     Es   gebricht  ihm  ganz  an 
Autorität  17,  1  ff.    Manche  Leute  werden  zu  Ketzern  aus  Furcht 
vor  Verlusten  19,  26.  20,  19.  Am  schlimmsten  sind  die  Haere* 
siarchae  =  chetzermeister  80,  22.  Die  Ketzer  ändern  gern  ihre 
Ansichten   8,  29.  9,   1.  28  Anm.  32,  26.  32;   in   verschiedenen 
Punkten  32,  33.     Als  neuer  Brauch  wird  angeführt,   daß  man 
Almosen   spendet  über   den  Abendmahlskelch  81,  22,  was  viel- 
leicht überhaupt  mit  dem  Kelch  im  Altarssakrament  zusammen- 
hängt, vgl.  Müller,   S.  116.  117  Anm.     Nach  außen   hin  ver- 
leugnen die  Ketzer  ihre  Lehre  9,  29  Anm.  32,  4,  und  zwar 
aus  Furcht  32,  1 1  (Ketzerkinder  im  Limbus  7, 1  Anm.).    Unter 
einander  lieben  sich  die  Ketzer   zuweilen  im  Übermaß  63,  11. 
Sie   sind  hartnäckig   und  im  allgemeinen   unbekehrbar  13, 28. 
21,  30.  22,  38.  58,  12  ff.  67,  15  Anm.  79,  12.   Darum  werden  sie 
von  Gott  durch  gewaltsamen  Tod  bestraft  79,  16.  Die  Ketzerei 
(doctrina  anguli  22,  19   schon  bei  Bernard  von   CÜairvaux)   ist 
schlimmer  als  die  schwerste   Sünde  13,  24  und  Anm.,  darum 
überaus  gefährlich  48,  24.     Neben   dem  Ketzer  ist  der  ärgste 
Sünder  ein  Heiliger  22,  38.     Ketzer  sind  schlimmer  als  Juden 
und  Heiden  31,  18  ff.  41,39.     Die  Ketzerei  gründet  sich  auf 
Lüge  und  Meineid  32,  36;  jeder  Ketzer  ist  ein  Lügner  48,  28. 
58,  21.    Und  doch  vermag  sich  Berthold  den  Satz  abzuringen, 
daß  es  keine  Ketzerei  gebe,   an   der  nicht  etwas  Wahres   sei 
15,  31  und  Anm.,  immerhin  ein  achtenswertes  Zeugnis  fbr  die 
Klarheit  seiner  Einsicht;   vgl.  Lukas   von  Tuy,  Üb.  3,   cap.  18 
(Bibl.  max.  Patr.  25, 248  D):  non  est  enim  aliqua  falsa  doctrina. 


Stadien  znr  Geecbiohto  d«r  alftcleiitschen  Predigt.  123 

quae  non  praeferat  imaginem  veritatis,  qaia,  nisi  praeveniat 
veritaSy  non  habet  locum  falsitas  intrandi.  In  der  Praxis  spricht 
er  sich  ftir  die  nachdrückliche  Verfolgung  der  Ketzer  aus. 
Die  Ketzer  wollen  nicht  verraten  werden  11,  23  (solcher  Verrat 
wird  nie  vergeben,  vgl.  DöUinger  1,  195),  gerade  dämm  ver- 
weist Berthold  auf  die  Pflicht  der  Anzeige,  zunächst  beim 
Priester  3,  5.  11,  25.  37  ff.  und  Anm.  22,  21.  Die  Verbren- 
nung der  Ketzer  scheint  ihm  eine  geeignete  Bestrafung  16,  1 
und  Anm.  33,  1.  66,  11  (Verbrennen  und  Sieden  34,  21);  aber 
sie  lassen  sich  lieber  verbrennen,  als  daß  sie  sich  bekehren 
79, 12  Anm.  Furchtbar  ist  der  Eindruck  der  Tatsache,  daß 
Berthold  voraussetzt,  bei  jedem  größeren  Orte  befinde  sich  ein 
besonderer  Platz  fftr  die  Verbrennung  der  Ketzer  16, 1  ff.  Anm. 
—  wie  häufig  muß  demnach  diese  Art  von  Hinrichtung  ge- 
wesen sein! 

Wie  der  Passauer  Anonymus  u.  a.  hält  auch  Berthold 
die  quaettuariiy  Pfennigprediger,  für  die  Verbreiter  korrupter 
Ansichten,  die  bis  zur  Ketzerei  führen,  und  wendet  sich  des- 
halb auch  in  diesem  Betrachte  sehr  eingehend  wider  sie  77,  21  ff. 
und  Anm.  Als  hartnäckige  Halbketzer  gelten  ihm  auch  Wahr- 
sagerinnen mit  ihren  Künsten  (vgl.  Sachsse  a.  a.  O.  S.  8)  14,  38. 
79,  12.  Den  Habsüchtigen  sagt  er  das  Schlimmste  nach,  indem 
er  sie  als  Ketzer  bezeichnet  14,  15.  Pariser  Kleriker  setzt  er 
hypothetisch  als  falsche  Lehrer  an  16,  22,  aber  wahrscheinlich 
wird  auf  sie  nur  exemplifiziert  wegen  des  Ansehens  ihrer 
Lehrwirksamkeit. 

Mit  großem  Eifer  polemisiert  Berthold  wider  die  Juden. 
Daß  dies  so  gern  und  so  häufig  im  Zusammenhange  mit  dem 
Kampfe  gegen  die  Ketzer  geschieht  ^  erklärt  sich  wohl  aus 
einem  besonderen  Umstände :  auch  die  Juden  waren  gedrückt, 
mißachtet,  verfolgt,  sie  lebten  im  Dunkel,  in  der  Zurückge* 
zogenheit,  in  stiller  und  verbissener  Opposition  wider  die  Herr- 
schenden. Es  ist  daher  sehr  begreiflich,  daß  sie  sich  oft  in 
ähnlicher  Lage  wie  die  Ketzer  befanden,  mit  ihnen  zusammen- 
trafen und  genauer  verkehrten.  Das  unverwerfliche  Zeugnis 
des  Lukas  von  Tuy,  üb.  3,  cap.  5  (Bibl.  max.  Patr.  25,  241) 
beschuldigt  die  Juden  geradezu,  daß  sie  die  Häretiker  begün« 
stigen  und  deren  Ansichten  verbreiten  helfen.  Daraus  erklärt 
sich  auch,   daß  verschiedene   katholische   Schriften   wider  die 


134  V.  Abhandlnni;:    Bchdabkcli. 

Ketzer  noch  besondere  Anhänge  (bei  Alanns  ein  ganzes  Bach) 
gegen  die  Juden  besitzen.  Und  so  streitet  auch  Berthold  leb- 
haft gegen  sie,  die  er  ^unsere  Knechte^  nennt  14,5.  Er  schilt 
auf  ihre  Habsucht  14,  3.  38,  9.  68,  14.  Ihm  entgeht  nicht  die 
Uneinigkeit  ihrer  Lehren  8,  26  Anm.,  28, 14,  die  er  hauptsächlich 
ihren  Rabbinern  zuschreibt  28,  18,  trotzdem  sie  allein  selig  sein 
wollen  29,  28.  Wenn  sie  christliche  Lehren  verwerfen,  Christus 
einen  bösen  Menschen  heißen  12,  19,  so  wendet  sich  Berthold 
gegen  sie  mit  Argumenten,  die  er  dem  auch  sonst  von  ihm 
benutzten  Werke  des  Alanus  entlehnt:  die  Wunder  in  der 
Geschichte  der  Juden,  bevor  sie  Christum  verleugneten  34,  16, 
zeugen  wider  sie.  Gegen  die  jüdische  Religion  im  ganzen 
polemisiert  Berthold  30,  28  ff.,  besonders  aber  bekämpft  er  die 
Auswüchse  ihres  Aberglaubens,  dessen  sie  sich  selbst  schämen, 
denn  sie  verbergen  ihn  vor  ihren  Frauen  und  Kindern  29,  13. 
In  diesen  Dingen  erweist  sich  Berthold  merkwürdig  gut  unter- 
richtet. Zur  Verifikation  seiner  Angaben  bediene  ich  mich 
eines  Werkes,  das  im  wesentlichen  noch  heute  in  Bezug  auf 
seine  Verwertung  des  rabbinischen  Schriflttums  als  zuverlässig 
gilt,  nämlich  des  ,Entdeckten  Judentums^  von  Johann  Andrea 
Eisenmenger.  Berthold  berichtet  folgendes  vom  jüdischen  Aber- 
glauben:  Adam  (nach  der  Genesis  mit  Eva  30,36,    Eisenm. 

1,  370  f.)  büßt   130  Jahre  31,  1  =  Eisenm.  1,  461  ff.  374.  2, 

412  f.   Während  dieser  Zeit  zeugt  er  Dämonen  31,  7  =  Eisenm. 

2,  412 ff.  422 f.  Rabbi  Eleazar  31,  9  =  Eisenm.  1,  437  ff.  be- 
hauptet, Adam  habe  sich  mit  allen  Tieren  vermengt  31,  12  = 
Eisenm.  1,  372 f.  (noverca  31,  8.  40,  13  =  Lilith?  Eisenm,  2, 

413  ff.)  Gottes  Füße  reichen  herab  bis  zur  Erde  40,  7  = 
Kisenm.  1,  2  ff.  Gott  weint  Tränen ,  besonders  in  der  Nacht, 
ist  zoraig  und  verflucht  sich,  weil  der  Tempel  zerstört  worden 
ist  40, 11.  15.  17.  18.  21  =  Eisenm.  1, 15  ff.  18  ff.  Er  spielt  mit 
dem  Leviathan  40,  25  =  Eisenm.  1,  5.  25  f.,  tötet  die  Gknossin 
des  Leviathan  40,  29  ==  Eisenm.  1,  40  f.  Er  gibt  von  einem 
Fisch  zu  essen  41,  5  ==  Eisenm.  1,  399  f.  Auf  dem  Friedhof 
muß  man  leise  sprechen,  damit  es  die  Toten  nicht  hören  40, 
34  =  Eisenm.  1,  884  ff.  Die  schönen  Legenden  vom  Todes- 
engel, den  er  Malachamath  nennt,  erwähnt  Berthold  4,  18  ff.  = 
Eisenm.  1,  872  ff.  Es  erweisen  sich  demnach  die  Angaben 
Bertholds    über   rabbinische  Extravaganzen   als   durchaus   zu- 


Studien  bot  Geschieht«  der  ftltdeatsehen  Predigt.  125 

treffend.  Wie  er  zu  dieser  Kenntnis  gekommen  ist,  weiß  ich 
nicht.  Lehrschriften  darüber  wird  er  schwerlich  gehabt  haben, 
doch  mögen  in  Paris,  wo  Berthold  wahrscheinlich  studierte, 
Vorlesnngen  gehalten  worden  sein^  ans  denen  er  dann  schöpfte; 
durchaus  möglich  wäre  es  noch,  daß  er  durch  Verkehr  mit 
konvertierten  Juden  oder  auch  mit  jüdischen  Gelehrten  selbst 
sich  dieses  Wissen  angeeignet  hat 

Berthold   spricht  in  seinen   Glaubenspredigten  auch  von 
Heiden,   deren  er  drei  Arten  unterscheidet,  je  nachdem  ihre 
Qötter  über,  auf  oder  unter  der  Erde  wohnen  80,  24.    £>  ver- 
steht unter  Heiden  30,  4.  33,  16.  80,  30  S.  schlechtweg  Griechen 
und  Römer,   deren  Religion  er  aus  ihren  Mythen   bekämpft, 
durchaus  in  derselben  Weise,   in  der  Augustinus,  De  civitate 
Dei,  fbr  das  ganze  Mittelalter  vorbildlich  war.  Die  Verschieden- 
heit ihres  Glaubens  berührt  er  8,  26  Anm.,   trotzdem   wollen 
sie  allein   selig  werden;  sie  vollbringen   keine  Wunder  34,14. 
Mögen  schon  die  letzten  Sätze  unter  den  Heiden  Mohammedaner 
meinen,    so  ist  das  ausdrücklich  an  anderen  Stellen  der  Fall 
(das  vierte  Buch  des  Alanus  wird  dabei   benutzt):    der  Sara- 
zenenglaube    wird   35,  29 ff.   und    Anm.    bestritten^    was    die 
Mohammedaner  über  Christus  sagen  12,  20,  die  Lüge  Moham- 
meds 48,  28.  Auch  Heiden  und  Juden  glauben  einzelnes  Wahre 
16,  6,  sie  haben  den  Vorzug,  daß  sie  nicht  wie  die  Ketzer  den 
Christenglauben  heucheln  17,  15,  was  freilich  damit  zusammen- 
hängt, daß  sie  im  Mittelalter  sich  zu  ihrer  Religion  meist  offen 
und  ohne  Verfolgung  bekennen  durften.     Einigemale   (22,  21. 
36,  22.  68,  11)  weist  Berthold  auf  Sitten  und   Gebräuche  der 
Tataren,   vornehmlich   um  zu  zeigen,   daß  selbst  diese  wilden 
Horden   des  fernen  Ostens  in  manchen  Bezügen   eine  bessere 
Ethik  üben  als  die  Christen.     Diese  Angaben   gehen  ebenso 
wie  die   ähnlichen  größeren  Stellen   sonst  in   den  lateinischen 
Predigten  Bertholds  auf  die  Reiseberichte  zurück,   welche  die 
während  der  Vierziger-  und  Fünfzigerjahre  des  13.  Jahrhunderts 
an  den  Großchan  der  Mongolen  abgesandten  Missionäre  aus  dem 
Minoritenorden  erstattet  hatten. 

Berthold  von  Regensburg  geht  bei  seiner  ganzen  Polemik 
wider  die  Ketzer  von  dem  festen  Boden  der  katholischen  Kirche 
aus,  die  er  21,  13  ausdrücklich  rühmt,  die  er  58,  31.  76,  33. 
80^  35  verteidigt.    Wie  sie  als  echte  zu  erkennen  sei,  lehrt  er 


126  V.  Abtaandlmiff:    Scliftnbach. 

27.  35.  Sehr  interessant  ist  es  zu  sehen,  wie  er  in  einer  be- 
sonderen Predigt  die  Feste  des  katholischen  Kirchenjahres  als 
Zeugnisse  fUr  seinen  Glauben  verwertet  63 ,  37  ff.  Die  Ge- 
schichte  der  katholischen  Kirche  gewährt  den  Rahmen  für 
Bertholds  Anschauung  der  Welt  und  Beurteilung  des  Ketzertums 
75,  6  ff.  Daher  ist  christlicher  Glaube  fUr  ihn  einfach  der  ka- 
tholische 17,  33  ff.,  der  seit  1200—1250  Jahren  (vgl.  oben  S.  86) 
offen  gepredigt  wird  20,  28  f.  44,  32.  Diesen  rühmt  er  in  jeder 
Weise  und  preist  die  Krone  seiner  Herrlichkeit  22,  34  ff.  29^ 
33  ff.  32,  22.  38  ff.  35,  27.  Sieben  Eigenschaften  hat  er  15,  29. 
17,  4.  29.  38  ff.  Besonders  muß  er  stark  sein  23,  2,  dann  ist 
er  auch  der  edelste  13,  16  ff.  20.  18,  9;  auch  vollständig  14, 
11^  mit  nichts  Fremdem  vermischt  14,  25,  einheitlich  28,  8, 
wie  eine  himmlische  Kette  16,  13,  der  ungenähte  Rock  (vgl. 
Strobl,  Über  eine  Sammlung  lat.  Predigten  Bertholds  von  Re- 
gensburg, Sitzungsber.  1877,  S.  24),  dann  macht  er  auch  allein 
sehg.  Er  beruht  auf  den  Evangelien  81,  16.  Zeugnisse  für  den 
Glauben  66,  30  ff.  Der  Glaube  des  einen  hilft  dem  andern 
66,  20.  Nur  die  Prälaten  müssen  in  allen  Details  des  katholi- 
schen Glaubens  Bescheid  wissen,  die  einfachen  (simplices) 
Gläubigen  brauchen  nur  die  Hauptdogmen  zu  kennen,  in  denen 
alle  Einzelnheiten  beschlossen  sind  12,  26.  Die  Kerze  bei  der 
Taufe  und  beim  Sterben  ist  das  Symbol  dieses  Glaubens  14, 28. 
77,  20.  Die  Beweise  für  das  Dasein  Gottes  werden  ganz  scho- 
lastisch erörtert  36,  19  Anm. 

Dieser  Glaube  ist  nutzlos  ohne  Werke  15,  15.  17,  21. 
22,  29.  Er  soll  einen  Hauptgegenstand  der  Predigt  bilden, 
besonders  des  Morgens  12,  15.  Aber  die  Prediger  (Priester) 
müssen  vorsichtig  sein  und  dürfen  nicht  den  Gläubigen  harte 
und  unerträgliche  Lasten  aufladen,  die  abzuwälzen  sie  keinen 
Finger  rühren  wollen  (Matth.  23,  4)  72,  13.  Dieser  Passus  ist 
höchst  merkwürdig,  denn  er  enthält  einen  Vorwurf  wider  die 
katholischen  Priester,  vornehmlich  in  Bezug  auf  die  Verwal- 
tung des  Bußsakramentes,  den  mit  ganz  denselben  Worten 
(onera  digito  non  movent)  nach  dem  Berichte  des  Passauer 
Anonymus  (Bibl.  max.  Patr.  25,  273  D)  die  Waldenser  als  eines 
ihrer  Hauptargumente  gegen  den  Klerus  erheben.  Man  wird 
daraus  an  sich  auf  die  Berechtigung  dieses  Vorwurfes  für  die 
Zeit  Bertholds  schließen   dürfen,  aber  auch  ein  unmittelbarer 


Studien  rar  GesebiehU  der  altdeutschen  Predigt.  127 

Bezog  ist  zu  vermuten:  es  dünkt  mich  wahrscheinlicher ^  daß 
die  Waldenser  den  Satz  Berthold  entlehnten ,  als  umgekehrt. 
Einen  guten  Katholiken  bezeichnet  Berthold  65^  37  ab  homo 
eoangdictts. 

Todsünde  zerstört  den  Glauben  15.  12,  der  in  dem  Sym- 
bolum  Apostolicum  enthalten  ist,  das  Berthold  als  Thema  fQr 
eine  Reihe  von  Predigten  dient  (vgl.  oben  S.  85)  und  deren 
Entstehung  sowie  Abfassung  durch  die  Apostel  er  23,  22  und 
Anm.  24,  7  und  Anm.  beschreibt.  An  diesem  Glauben  ist 
nicht  zu  rütteln,  über  seine  Geheimnisse  soll  man  nicht  grübeln 
21^  36  und  Anm.  Man  soll  fest  an  ihm  halten  und  mit  Über- 
zeugung, bloßes  ,Meinen'  hilft  nicht  18,  2  und  Anm.,  ist  sogar 
gefährlich  80,  37.  Gegen  Schwanken  und  Zweifel  in  Glaubens- 
Sachen  16,  19.  18,  1.  29,  31.  35,  18ff.  Anm.  Die  Leichtgläubig- 
keit vieler  Katholiken  wird  getadelt  9,  28 'Anm.,  22,  12.  17; 
dadurch  wird  man  leicht  zum  Ketzer  19,  3 ff.;  oft  ist  es  bloße 
Torheit  20,  21  und  Neugierde  22,  5.  In  älterer  Zeit  war  man 
strenger,  das  sieht  man  auch  an  der  veränderten  Übung  des 
Empfanges  der  Eucharistie  S.  16  Anm.  Christi  Leiden  be- 
wahrt vor  Häresie  80,  16.  Der  Christenglaube  ist  streng,  seine 
Bekenner  werden  für  ihre  Sünden  härter  bestraft  als  Juden 
und  Heiden  15,  19.  Ein  wahrer  Christ  vermag  keine  andere 
Religion  zu  erheucheln  17,  4.  — 

Schon  früher  (S.  86  f.)  habe  ich  hervorgehoben,  daß  Bert- 
hold an  vielen  Stellen  seiner  Predigten  sich  gegen  häretische 
Lehren  gewendet  haben  wird,  ohne  daß  wir  das  heute  noch 
deutlich  zu  erkennen  imstande  sind.  Einzelnes  läßt  sich  ver- 
muten: wenn  die  Waldenser  den  evangelischen  Satz  von  den 
zwei  Röcken  besonders  gern  vortragen  (Bibl.  max.  Patr.  25, 
27ÖG),  so  wehrt  sich  Berthold  viele  Male  dagegen,  indem  er 
ihn  auslegend  einschränkt.  Die  Sicherheit,  mit  welcher  die 
Katharer  auf  ,das  gute  Ende'  vertrauen  (DöUinger  1,  205.  212), 
mag  Berthold  veranlaßt  haben,  allerorts  mit  stärkstem  Nach- 
druck wider  den  Aufschub  der  Buße  zu  predigen.  Lehren  die 
Waldenser:  ,Tue  das  Gute  und  meide  das  Üble'  (Müller,  S.  77), 
Bo  nimmt  das  Berthold  zum  Thema  einer  scharfen  Predigt  da- 
wider (Pfeiffer  Nr.  I:  eteUche  jehent  =  quidam  dieunt  sind 
Ketzer.)  Vielleicht  darf  man  auch  den  Eifer,  mit  welchem 
Berthold  gegen  die  Arbeit  an  Sonn-  und  Feiertagen  auftritt, 


128  V.  AbhuidliiDg;    Seil« Db« eh. 

dem  Umstände   zurechnen,   daß  die  Waldenser   solche   Arbeit 
empfahlen  und  betrieben  (Müller,  S.  113  Anm.)- 

Und  so  wäre  vielleicht  noch  mancher  Stoff,  den  die  Pre- 
digten Bertholds  von  Regensburg  mit  Vorliebe  behandeln,  von 
ihm  gewählt  worden^  mit  Rücksicht  auf  Lehre  und  Lebens- 
führung der  Häretiker  seiner  Zeit.  Doch  steht  damit  meine 
Arbeit  schon  an  den  Grenzen,  die  ich  ihr  gesteckt  habe  (oben 
S.  If.)  und  die  sie  von  den  Abhandlangen  trennen,  welche  ihr 
noch  folgen  sollen. 


Beigabe. 

Über  den  Waldenserpsalter  der  kaiserlichen 

Hof  bibliothek  in  Wien. 

Unter  dem  Schlagworte  Salm  enthält  die  zweite  Auflage 
von  Schmellers  Bayrischem  Wörterbuch  2,  271  folgendes  Zitat: 
,in  Ald[ersbacenci]  111  [=  Glm.  2641]  von  1250  passim  AI- 
d[ersbacenci]  184  [=  Clm.  2714]  sec.  XIV,  f.  55  heißt  es  von 
den  Leonistae  (Ketzern,  Waldensern),  sie  vermäßen  sich,  die 
Bibel  zu  übersetzen,  uod  zwar  falsch:  Increpa  feras  arundinis 
durch  refse  diu  tier  der  swalwen^  hirundinia  pro  arundinis/ 
Daraufhin  habe  ich  mir  die  beiden  Aldersbacher  Codices  aus 
der  königl.  Hof-  und  Staatsbibliothek  nach  Graz  erbeten:  der 
erste,  Clm.  2641,  konnte  nicht  verschickt  werden,  weil  er  sich 
wegen  seiner  kostbaren  Miniaturen  unter  den  Zimelien  be- 
findet und  überdies  sehr  leicht  zerbrechliche  Deckel  besitzt; 
der  zweite  hingegen  Clm.  2714  ist  mir  mit  großer  Rasch- 
heit zugekommen,  wofür  ich  Herrn  Generaldirektor  v.  Laub- 
mann noch  besonders  danke.  Die  Schrift,  aus  der  Schmeller 
zitierte,  ist  eine  Fassung  der  Kompilation  des  sogenannten 
Passauer  Anonymus  um  1260,  die  von  den  Ketzern,  vornehm- 
lich den  Waldensern,  handelt,  vgl.  darüber  Preger,  Geschichte 
der  deutschen  Mystik  1,  168  ff.,  Abhandlung  13.  14.  18.  19; 
Müller,  Die  Waldenser,  S.  147—157;  Döllinger  2,  293  ff.  Dem 
Passus,  den  Schmeller  anfUhrt,  geht  in  der  Handschrift  zunächst 
voran  (nach  dem  Geschichtlein,  wie  der  eifrige  Ketzermeister 
im  Winter  des  Nachts  die  Ybbs  durchschwimmt,  um  zu  seinem 


Stadien  rar  Gercbielite  der  altdeniscben  Predigt.  129 

Schüler  zu  gelangen) :  Tertia  causa  est,  qaia  novum  testamentam 
et  vetus  Yolgariter  transtalernnt,  et  sie  docent  et  discnnt.  vidi 
et  audivi  rusticnm  ydiotam^  qui  Job  recitavit  de  verbo  ad 
verbam,  et  plures  alios^  qui  totum  novum  testamentum  scierunt 
perfecte.  et  quia  sunt  laici  ydiote^  falso  et  corrupte  scripturam 
exponunt,  ut  Joann  P(l.ll)  8ui,  i.  porci;  eum  neu  receperunt, 
sui  dicentes  pro  aues  (es  muß  heißen:  sues  dicentes  pro  sui^ 
ich  halte  das  überhaupt  für  einen  schlechten  Scherz).  Nach 
der  von  Schmeller  beigebracliten  Stelle  folgt  noch  (auch  schon 
bei  Schmeller):  Psalmis  etiam  inponunt  titulos:  Eructavit  (44,  2) 
der  Maide  salme^  Exurgat  (67^  2)  der  Bache  salme,  De  pro- 
fundis  (129,  I)  der  Re  salm,  et  sie  de  ceteris.  Unter  den 
sämtlichen  deutschen  Psaltern,  die  Walther  in  seinem  Werke: 
Die  deutsche  Bibelübersetzung  des  Mittelalters,  S.  557 — 634  be- 
handelt hat  (es  kommt  noch  folgendes  Material  hinzu:  meine 
Miszellen  aus  Grazer  Handschriften,  zweite  Reihe,  1899,  S.  4 
bis  63  und  Bruchstücke  einer  fränkischen  Psalmenversion,  Zeit- 
schrift för  deutsches  Altertum  45,  177 — 186;  v.  Zingerle,  Frag- 
mente eines  Sonnenburger  Psalters,  Zeitschrift  für  deutsches 
Altertum  41,  301 — 303;  Alois  Bernt  in  den  Mitteilungen  des 
Vereins  ftlr  Geschichte  der  Deutschen  in  Böhmen  39,  23  ff. 
155  ff.),  findet  sich  der  von  den  Aldersbacher  Handschriften  be- 
zeichnete  Übersetzungsfehler  nur  in  einer  einzigen,  der  Wiener 
Handschrift  2684  aus  dem  14.  Jahrhundert,  Walthers  13.  Psalter, 
S.  574  ff.  622.  Mau  hat  daher  das  Recht,  solchem  Zeugnis 
entsprechend,  anzunehmen,  daß  diese  Übersetzung  der  Psalmen 
von  Waldensern  verfaßt  sei. 

Der  Kodex  Nr.  2684  ist  im  Catalogus  von  Denis  2,  1, 
77 — 79  (Nr.  LVII),  darch  Hoffmann  von  Fallersleben  in  seinem 
Verzeichnis  altdeutscher  Handschriften  S.  290,  Nr.  CCXLI,  in 
den  Tabulis  2,  117  und  bei  Walther  S.  622  beschrieben.  Er 
ist  in  Großquart,  Pergament,  zweite  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts, 
in  186  Blättern  zu  zwei  Kolumnen  geschrieben,  und  zwar  von 
einer  einzigen  Hand.  Die  Übersetzung  ist  so  eingerichtet,  daß 
jeder  Psalmenvers  zuerst  lateinisch,  dann  deutsch  gegeben  wird 
(nicht  immer  decken  sich  die  Abschnitte  mit  den  heutigen 
der  Vulgata),  durch  abwechselnd  rote  und  blaue  Initialen  unter- 
schieden, während  der  Beginn  eines  Psalmes  durch  überge- 
setztes rotes  Psalmuß  und  duixh  einen  größeren  Schmuckbuch- 

SitottDgtber.  d.  pUl.-liiit.  Kl.  CXLYII.  Bd.  5.  Abb.  9 


130  V.  Abbsodlnnr:    Sehfinbaeb. 

Stäben  gekennzeichnet  wird.  Den  Anfang  einer  Gmppe  von 
Psalmen  (nach  der  liturgischen  Einteilung)  markiert  eine  be- 
sonders reich  und  farbig  geschmückte  Initiale.  Der  Psalter 
ist  hier  für  das  tägliche  Gebet  zugerichtet,  weshalb  die  Re- 
sponsorien,  die  Tagzeiten  und  ihre  Aufteilung  ftir  die  Wochen- 
tage lateinisch  und  deutsch  angemerkt  werden.  Diese  Znsfttse 
sind  von  derselben  Hand  mit  kleineren  Buchstaben  geschrieben. 
Die  Hymnen  werden,  mit  deutscher  Übersetzung  nach  jeder 
Strophe,  eingeschaltet,  und  zwar:  nach  dem  37.  Psalm  f.  44^: 
Splendor  paterne  glorie;  77  «^  Landes,  ymnus:  Nox  et  tenebre, 
nubila  confusa;  97*^  Landes,  jmnus:  Lux  ecce  surgit  aurea; 
114^  Landes,  ymnus:  Eterna  coli  gloria;  133*^  Landes^  ymnus: 
Aurora  jam  spargit  polum.  Von  168°  ab  werden  die  Cantica 
übersetzt,  ihnen  folgt  der  Ambrosianische  Lobgesang  (178^),  das 
Symbolum  Athanasianum  (180*)  und  die  Letenie  aller  heiligen 
(187«),  darauf  ein  Gebet  (185°),  mit  welchem  die  Arbeit  schließt 

Wie  der  Kodex  vorliegt,  stellt  er  nicht  ein  Original  dar, 
sondern  eine  Kopie.  Das  läßt  sich  schon  aus  der  wahrhaft 
erstaunlichen  Zahl  von  Schreibfehlern  erschließen,  durch  die 
der  Text  verunziert  ist.  Es  begegnet  auch  eine  Aneahl  von 
Auslassungen,  die  allem  Anschein  nach  nicht  absichtlich  vor- 
genommen, sondern  zufällig  eingetreten  sind  und  nachmals, 
wohl  schon  im  Anfange  des  1 5.  Jahrhunderts,  durch  einen  Kor- 
rektor nachgetragen  wurden.  Bisweilen  kann  man  die  Ver- 
anlassung des  Ausfalles,  gleiche  Worte  am  Anfang  oder  Ekide 
von  Sätzen,  deutlich  erkennen,  dann  aber  in  anderen  Fällen 
wieder  nicht.  25^  fehlt  nach  Psalm  24,  11  die  deutsche  Über- 
setzung und  ist  von  alter  Hand  oben  nachgetragen.  44^  fehlt 
Psalm  37, 21  lateinisch  und  deutsch,  ist  am  Rande  nachgetragen. 
119*  fehlt  die  Übersetzung  zu  Psalm  101,  22,  ist  oben  nach- 
getragen. 126*  wird  Psalm  105,  20  nicht  übersetzt,  aber  auch 
nicht  nachgetragen.  151*  ff.  wird  verschiedenes  Fehlende  am 
Rande  ergänzt.  153®  f.  fehlt  das  Deutsche  zu  Psalm  129,7  und 
130,  2,  wird  nachgetragen. 

Schon  die  Lautbezeichnung  und  Formengebung  des  deut- 
schen Textes  lehren,  daß  hier  eine  Übersetzung  abgeschrieben 
wurde,  deren  Entstehen  von  dem  der  Kopie  durch  einen  sehr 
erheblichen  Zeitraum  getrennt  ist.  Der  Schreiber  stellt  im 
allgemeinen  die  Laute  und  Formen  dar,  die  der  bajrisch-Oster- 


StndieD  nx  Oetcliiehte  der  altdentBelien  Predigt.  131 

reichischen  Mandart,  im  weitesten  Sinne  genommen^  während 
der  zweiten  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts  entsprechen.  Es  sind 
viele  neuhochdeutsche  ei,  ai,  au,  eu  vorhanden,  aber  auch 
viele  alte  i  geblieben,  über  welche  im  15.  Jahrhundert  e  ge- 
setzt wurden;  alte  ü  haben  keine  solchen  Zusätze  bekommen; 
ou,  ovo  sind  großenteils  erhalten.  Längezeichen  begegnen  viel- 
fach. Verschiedenemale  findet  sich  ou  für  iu,  ein  bayrisches 
Merkmal  (vgl.  Weinhold,  Bayr.  Gr.  §  101,  Mhd.  Gr.  §  125), 
z.  B.  16*^,  Psalm  17,  29  (illuminas)  erlouhtest,  darnach  18^  er- 
leuhtest.  Vereinzelt  erscheinen  i  für  e  in  Nebensilben,  z.  B. 
missi-  26^  missitat  =  delicta  Psalm  24,  18;  misaittton,  himil, 
öfters  iz  (vgl.  Weinhold,  Bayr.  Gr.  §  20).  Der  Konsonantismus 
entspricht  ganz  der  bayrischen  Mundart,  weshalb  es  fast  keine 
k,  sondern  nur  ch  gibt  und  h  im  Auslaut  sehr  oft  nach  älterer 
Weise  für  ch  geschrieben  wird  (Weinhold,  Bayr.  Gr.  §  196), 
c  wird  ein  paarmal  für  z  gebraucht,  z.  B.  32^  gecdde  =  taber- 
naculum,  Psalm  30,  20,  vgl.  Weinhold,  Bayr.  Gr.  §  150.  Hin- 
gegen  fehlt  es  ganz  an  den  Kennzeichen  des  Alemannischen. 
Vokale  der  Mittelsilben  sind  reichlich  erhalten,  auch  die  End- 
silben (eu  =  tu)  auffallend  gut  bewahrt.  Unter  den  Formen 
scheint  die  bayrische  Endung  -te  fQr  die  2.  Pers.  Sing.  Praet. 
schwacher  Verba  bemerkenswert,  vgl.  Weinhold,  Bayr.  Gr. 
§  314. 

Prägen  schon  diese  Merkmale  dem  Text  einen  Sprach- 
charakter auf,  der  weit  älter  ist  als  die  Schrift,  so  wird  dieser 
Eindruck  durch  die  Beschaffenheit  des  Wortgebrauches  an- 
sehnlich verstärkt,  swer,  swaZy  swie,  swä,  swenne  stehen  durch; 
en  =^  ne  wird  regehnäßig  proklitisch  bei  Verbis  gesetzt  mit 
folgendem  mAf ;  die  Verwendung  der  Konjunktionen  entspricht 
der  guten  mittelhochdeutschen  Zeit.  Daß  der  Sprachschatz 
im  allgemeinen  der  Handschrift  erheblich  voranliegt,  ergibt  sich 
schon  aus  den  mannigfachen  Veränderungen,  die  der  Korrektor 
(bisweilen  auch  der  Schreiber  selbst)  für  nötig  gehalten  hat, 
wobei  natürlich  nicht  festgestellt  werden  kann,  wie  viele  Wörter 
bei  der  Abschrift  selbst  durch  spätere  ersetzt  wurden,  ohne  daß 
man  jetzt  davon  etwas  zu  merken  vermag.  Um  nur  im  raschen 
Überschlag  den  Fachgenossen  eine  Vorstellung  von  dem  Wort- 
scbaiz  des  Übersetzers  zu  gewähren,  verzeichne  ich  im  fol- 
genden eine  Anzahl  von  Ausdrücken,  die  mir  beim  Lesen  auf- 

9* 


132  V.  AbliMidlviir:    BebAnbaeb. 

gefallen  sind,  und  bemerke  noch,  daß  —  wie  auch  die  Proben 
lehren  —  die  übrige  Physiognomie  der  Sprache  diesen  ans* 
gehobenen  Zügen  gemäß  ist.  Wörter,  die  sich  bei  Lexer  nicht 
finden,  versehe  ich  mit  einem  Stern. 

6°  (Psalm  8^  5)  Quid  est  homo^  quod  memor  es  ejus? 
aut  filius  hominis,  qnoniam  visitas  eam?  Waz  ist  der  mensche, 
daz  du  sein  gedenchest,  oder  des  menschen  son,  want  da  in 
^beweisest  Qcorr.  beschowest)?  vgl.  IS**  (Psalm  14,  3)  visitasti, 
bewütez]  72^  (Psalm  64,  10)  visitasti,  du  bewistettj  and  noch 
mehrmals.  —  10^  (Psalm  10,  7)  spiritas  procellarum,  die  geiste 
der  *  geweile  (das  ist:  Wasserstarm,  von  tMle,  unda);  129^ 
(Psalm  106,  25)  spiritas  procelle,  der  geist  des  gewdles  (noch 
Psalm  148,  8  f.  167 1>);  129<»  (Psalm  106,  29)  et  statuit  procellam 
ejus  in  auram  et  siluerunt  fluctus  ejus.  Und  sazte  ze  wete 
(I.  wetere)  sineu  gewel  und  gedagten  sin  flusse.  —  10^  (Psalm 
11,  6)  ponam  in  salutari,  ich  lege  iz  zeheili.  —  11^  i^^y^) 
cantabo  —  psallam  —  ich  singe  —  singe  (karr,  psallier).  — 
Immer  steht  gedinge  (masc.  wie  nur  in  den  Nib.)  =  spes.  —  12^ 
(14, 3)  dolum,  honchust.  In  den  Psalmen  findet  sich  dolus,  do- 
lo8U8,  doloae  im  ganzen  28  mal  und  wird  immer  von  dem  Über- 
setzer durch  honchust^  hdnchustich,  hdnchustiehltchen  wieder- 
gegeben, meistens  vom  Korrektor  getilgt  und  durch  untriwe 
und  seine  Ableitungen  ersetzt.  —  14^  (16,  7)  misericordias 
suas,  deu  erbarmde  (immer  so  übertragen).  —  15*  (17,  15) 
fulgnra,  blicschoz  (und  96,  4);  155^  (134,  7)  fulgura  in  pluviam 
fecit,  deu  blichschoz  machet  er  ze  regene.  —  17*  (17,  35) 
Qui  docet  manus  meas  ad  prelium,  et  posuisti  ut  arcum  ereum 
brachia  mea.  Der  mine  hende  leret  ze  urleuge,  du  litest  min 
arme  als  den  erin  bogen.  —  18^  (18,  6)  Exultavit  ut  gygBS 
ad  currendam  viam,  a  summo  celo  egressio  ejus.  Er  freut 
sich  als  der  rise  zeloufen  den  wech,  sin  uzganch  von  dem 
oberistem  himile.  —  19*  (18,  13  f.)  Delicta  quis  intelligit?  ab 
occultis  meis  munda  me;  et  ab  alienis  parce  servo  tuo.  Wer 
verstet  die  missetat?  von  minen  tougenen  reinige  mich,  und 
entlid  (l.  entlib)  dinem  knehte  von  den  fremden.  —  20^  (20, 10) 
ut  clibanum  ignis,  als  den  eitaven  fiures.  —  20*  (20,  13)  in 
reliquiis  tuis,  an  dinen  *aßerleiben.  An  den  übrigen  vier 
Stellen  der  Psalmen  ist  das  alte  Wort  wahrscheinlich  schon 
vom   Schreiber   durch   andere   Ausdrücke   ersetzt  worden.   — 


Stadi«n  rar  0«sehie1ite  der  altdeatscben  Predigt.  1 33 

21^  (RespoDsorien)  claritas^  berhtel  (fem.),  clarus  kommt  in 
den  Psalmen  nicht  vor,  wohl  aber  praeclarus  (lö^  6  zweimal, 
daher  bei  Walther  S.  578,  und  22,  5),  das  gleichfalls  durch 
*berhul  (adj.)  übertragen  wird.  —  22^  (21,  10  f.)  de  utero, 
uz  der  wambe  (auch  an  den  übrigen  Stellen).  —  22«  (21,  12) 
tribulacio,  deu  müe.  In  den  Psalmen  kommt  tribulatio  36  mal 
vor:  an  den  ersten  Stellen  wird  es  durch  trähsalunge  über- 
tragen, dann  etwa  20  mal  durch  müe,  mu<B,  das  der  Korrektor 
fast  immer  zu  trühsalj  hetrubd  und  betrubunge  bessert,  später 
wieder  durch  betrubunge^  betr&bde,  was  wahrscheinlich  vom 
Schreiber  herrührt.  —  22«  (21,  14)  rugiens,  röhende;  43«  (37,  9) 
rugiebam,  ich  rubelt  (103,  21).  —  22<i  (21,  16)  sicut  testa,  als 
ein  tegel.  faucibus  meis,  zu  minem  gumen.  —  23^  (21,  26)  vota 
mea,  min  antheize  (masc.);  an  den  übrigen  Stellen  ist  votum 
=  gelubede,  gelubde.  —  23«  (21,  28)  universe  familie  gentium, 
allez  daz  volch  der  diet.  So  unterscheidet  der  Übersetzer,  der 
gens  immer  durch  diet  wiedergibt.  —  24^  (23,  1)  orbis  terrarum, 
der  umberineh  der  erde  (immer  so).  —  25«  (24,  7)  ignorantias 
meas,  und  der  *unverunzzen  miner  jugent.  —  25«  (24,  13)  de- 
morabitur,  entwalet'j  30«  (29,  6)  demorabitur,  entwalet  (vom 
Korrektor  getilgt  und  durch  beleibt  ersetzt).  —  21^  (26,  1) 
trepidabo,  ich  bibenne.  —  27«  (26,  3)  si  consistant  adversum 
me  castra,  non  timebit  cor  meum.  Ob  der  gesten  (korr.  si 
setzent)  wider  mich  deu  gezelt  (korr,  purg),  diu  furhtet  min 
herze  niht.  —  29«  (28,  3)  Dens  majestatis,  got  der  magenchrefte 
(und  noch  zweimal).  —  29^  (28,  7)  flammam  ignis,  des  feures 
loch.  —  30*  (28,  10)  Dominus  diluvium  inhabitare  facit  — 
Der  herre  heizet  daz  itwege  böwen;  33^  (3^6)  in  diluvio 
aquarum  multarum,  in  dem  itwege  manger  wazzer;  91^  (77, 15) 
et  adaquavit  eos  velut  in  abjsso  multa,  und  gab  in  wazzer  als 
in  grozem  itwege;  172^  (Habac.  3,  10)  gurges  aquarum,  daz 
itwege  der  wazzer.  —  30*  (29,  5)  memoriae,  gehugde  (und 
noch  mehrmals).  —  SO''  (29,  10)  Que  utilitas  in  sanguine  meo, 
dum  descendo  in  corruptionem?  Weih  nutze  ist  an  meinem 
fleische  (äo»t.  blut),  so  ich  nider  gen  in  die  *  vertoertunge 
(korr.  yerderbung);  62*  (52,2)  corrupti  sunt,  si  sint  verwertet. 

—  31*  (29,  13)  compungar,  ih  werde  gestunget  (noch  dreimal). 

—  32*  (30,  12)  Super  omnes  inimicos  meos  factus  sum  obpro- 
brium,  (et  Vulg.)  vicinis  meis  valde  et  timor  notis  meis.    Über 


134  V.  Abhaadlang:    Sobftnbaeh. 

alle  veint  bin  ich  worden  ein  itwiz,  harte  minen  nachicefidenj 
und  ein  forhte  minen  chunden  (a.  ö.).  —  34^  (32,  7)  congregans 
sicut  in  utrem  (Vulg.  utre)  aqoas  maris,  samnender  den  wazser 
des  meres  als  in  einen  butrich  (77,  13);  144^  (HS,  83)  quia 
factns  sam  sicut  uter  in  pruina,  wan  ich  bin  worden  als  der 
putrich  in  dem  reifen.  —  40®  (36,  7)  qui  prosperatur,  der 
♦vranspute  ist;  53^  (44,  5)  prospere,  franspntechlichen;  139* 
(117,  25)  0  Domine,  bene  prosperare,  herre,  du  franspute  wol. 
—  40°  (36,  8)  furorem,  die  heizmute  (u.  ö.).  —  40«  (36,  9) 
exterminabuntur ,  werden  verhört.  —  41*  (36,  12)  stridebit, 
seuset.  —  42*  (36,  28)  injusti  punientur,  die  unrehten  werden 
gewitzigt.  —  43*  (37,  2)  corripias,  straf  (korr.  zuchtig).  — 
44*  (37,  15)  redargutiones,  refsunge  (wird  wie  das  verb.  refaen 
häufig  gebraucht).  —  45*  an  dem  ertage.  —  46*  (38,  12)  tobe- 
scere  bleibt  unübersetzt,  es  ist  eine  Lücke  gelassen.  Das  Wort, 
welches  der  Schreiber  scheute,  ist  slewen^  er  hat  es  später  be- 
lassen: 135^  (111;  10)  dentibus  suis  fremet  et  tabescet,  desi- 
derium  peccatorum  peribit,  mit  sinen  zenen  er  griscrammet  und 
slewe(t),  der  sundere  gir  wirt  verlorn;  147**  (118,  139)  tabescere 
me  fecit  zelus  mens,  min  mein  tet  mih  slewen;  148^  (^18;  1^) 
vidi  prevaricantes  et  tabescebam,  ich  sach  die  unrehten  und 
slewete;  159*  (138,  21)  et  super  inimicos  meos  tabescebam, 
und  slewet  ob  dinen  veinden.  Einmal  vorher  129^  (106,  26) 
hat  der  Schreiber  wohl  selbst  versucht,  dem  seltenen  Worte  aus- 
zuweichen: in  malis  tabescebat,  was  betoubet  mit  übel.  —  47* 
(38, 13)  advena,  zuchomlinch.  —  50^  (41, 8)  in  voce  kataractarum 
tuarum,  in  der  stimme  diner  woletunprust.  —  50*  (41,  9) 
mandavit,  enbot  (korr,  gebot).  —  52*  (43,  13)  in  commuta- 
tionibus  eorum,  an  ir  toiderwehsel,  —  54*  (44,  14)  in  fimbriis 
aureis,  an'^guldinen  vasen.  circum  amicta,  umb  sich  gewetet.  — 
54®  (45,  5)  fluminis  impetus,  des  wazzeres  anstoz.  —  57**  (48,  14) 
scandalum,  wirserv/nge  (u.  ö.).  —  57®  (49, 1)  usque  ad  occasum, 
unz  dem  *8edelgange]  noch  viermal  (67,5. 103, 19.  106, 3. 112,3), 
an  den  beiden  letzten  Stellen  in  der  Verbindung:  a  solis  ortu 
usque  ad  occasum,  von  der  sunne  ufrunst  (korr,  ufganch)  unz 
an  ir  sedelganch  (korr,  underganch).  Osterr.  ist  ze  sedele  gän 
von  der  Sonne  bekannt.  Das  wäre  also  das  Wort,  welches 
van  Halten  in  seiner  Ausgabe  der  altostniederfränkischen  Psal- 
men  und  Glossen    (1902,  S.  82)   theoretisch    ansetzt.    —   59* 


Städten  sor  Oeschioht«  d«r  ftlMeatschen  Predigt.  135 

(50,  4)  amplias  lava  me,  erwasche  Qcorr,  wasche)  mich  baz 
(zuges,  fiir).  —  59®  (50,  9)  dealbabor^  wirt  ich  erwizzet  (noch 
67,  15).  —  59*^  (50,  12)  in  visceribus  meis,  in  minen  gcßdem. 
Vielleicht  ist  das  ein  Ersatz  des  Schreibers  fUr  ein  älteres 
Wort,  das  115^  in  den  Responsorien  vorkommt:  per  viscera 
misericordie,  durch  den  inneder  (ahd.  inn&diri)  der  erbarmde, 
und  ebenso  178^  —  60®  (51,  4)  sicut  novacnla  acula  fecisti 
dolnm,  du  tete  honchnst  als  daz  wehs  scharsah.  —  61^  Hymnus: 
intenta  sapplicatio,  *andehtez  flehen.  —  64®  (54,  21)  conta- 
minaverunt  testamentnm  ejus,  si  bewullen  sin  urchunde.  —  65^ 
(55,  13)  et  pedes  meos  de  lapsu,  und  min  fdzze  von  der  su- 
phunge  (Z.  sliphunge).  —  66^  (56,  9)  exurgam  diluculo,  ich 
erste  des  morgens  (korr.  wil  fru  ouf  sten).  —  öfters  zemuln 
ftür  disperdere,  conterere  u.  s.  w,  —  67*  (57,7)  molas  leonum, 
die  cheuwen  der  leun.  —  67^  (58,  7)  et  famem  patientur  ut 
canes,  und  dolent  (auch  68^)  hunger  als  die  hunde.  —  69^ 
(59,  10)  calciamentum,  min  geschah  (auch  130^  geschdhe).  — 
71*  (62,  3)  in  terra  deserta  et  in  via  et  inaquosa,  an  der  wuhsten 
erde  und  *amker  (und)  ^unwazzeriger-  103**  (Hymnus)  errore 
traxit  devio,  mit  awikkem  irretüme;  130^  (1(^3,  40)  et  errare 
fecit  eos  in  invio,  er  tet  si  irren  an  dem  awikke.  —  71^  (62, 9) 
adhesit  anima  mea,  min  sei  hinchet  nach  dir.  —  71^  (63,  6) 
subito  sagittabunt  cum  et  non  timebunt,  firmaverunt  sibi  ser- 
monem  nequam,  '''nahes  {korr,  urbering,  österr.)  schiezzent 
(korr,  schuzzen)  si  in  und  fohrten  in  niht.  si  habent  in  gevestent 
ein  böse  {korr,  schalchaft)  rede.  —  74*  (65,  12)  et  indnxisti 
nos  in  refrigerium,  und  leitestu  uns  in  die  ertchulunge  {l,  er- 
chulunge).  —  78®  (68,  3)  infixus  sum  in  limo,  ich  bin  bestechet 
in  dem  leime;  79®  (68,  15)  ut  non  infingar,  daz  ih  iht  besteche. 

—  80^  (68,  35)  et  omnia  reptilia  in  eis,  und  allez  daz  ehr  enget 
dar  an;  122^  (103,  25)  illic  reptilia,  da  ist  chrisendes  (stv.  krtsen). 

—  83^  (71,  4)  et  humiliabit  calumpniatorem,  und  diemüt  den 
^hamscharer,  —  85**  (72,  15)  reprobavi,  ih  verwidert.  —  85® 
(72,21)  quia  inflammatum  est  cor  meum,  wan  min  herze  ist 
erheizzet.  —  91*  (77,  26)  Africum,  einen  aunderen  wint.  —  93* 
(77,  46)  locuste,  haberschreche  (noch  124®.  132*»).  —  moros, 
^morbMie.  —  93*  (77,  48)  possessionem,  gesitze  (u.  ö).  —  94** 
(77,  65)  tamquam  potens  crapulatus  a  vino,  als  der  gewaltige 
und  der  entswebt  von  wine.   —  96®  (79,  13)  macer iam,  stein- 


136  ▼•  Abhaodlttnr:    SobÖnbaeb. 

want  (noch  zweimal).  —  103*  (87,  12)  in  perditione,  in  die 
verlor  (korr.  verlornuzz).  —  105^  (88,  19)  quia  Domini  est 
assnmptio  nostra,  wan  des  herren  ist  nnser  *  entnemunge.  — 
106^  (88,  38)  sicut  luna  perfecta,  als  daz  volmene,  —  112*^ 
(94,  7)  et  nos  popolas  pascue  ejus  et  oves  manas  ejus,  und 
sin  wir  daz  leut  siner  weide  und  den  *«cAer«cAa/ einer  hende. 

—  112*  (94,9)  in  irritatione,  in  der  *zenunge\  175^  (Deuter. 
32,  21)  irritaverunt  in  vanitatibus  suis,  und  zenten  mich  an  ir 
uppicbeit.  —  115*  (97,  G)  in  tubis  ductilibus  et  voce  tube  comee^ 
an  den  geleitigen  herhornen  und  an  des  hurninen  herhornes 
stimme.  —  116°  (98,  6.  7)  Invocabant  Dominum,  et  ipse  ex- 
audiebat  eos  et  in  columpna  nubis  loquebatur  ad  eos.  Sie  ruften 
den  herren  an  und  erhörte  er  si.  und  an  der  irmseul  der  wel- 
chen ret  er  zu  in  (noch  einmal  Psalm  74,  4,  in  den  Proben). 

—  117^(100,5)  in  satiabili  corde,  *un8atteten  herzen.  —  118* 
(101,  7)  similis  factus  sum  pellicano  solitudinis,  factus  sum  sicut 
nocticorax  in  domicilio.  Ich  bin  gelich  worden  dem  *  hause- 
goume  der  einode,  ich  bin  worden  als  der  nahtrabe  in  dem 
hüse.  Zu  housegoume  vgl.  Diefenbach,  Gloss.  421;  Lexer  h&tte 
das  swm.  gourne^  das  er  1,  1062  ansetzt,  nicht  Nachtr.  217  zu 
streichen  brauchen.  —  (8)  passer  solitarius,  der  vereinte  sperche. 

—  119»  (101,  24)  paucitatem,  di  *minnunge.  —  120»  (102,  14) 
quoniam  ipse  cognovit  figmentum  nostrum,  wan  er  erchande 
unser  geschepde  (l.  geschephde).  —  122»  (103,  22)  et  in  cu- 
bilibus  suis  collocabuntur,  und  werdent  hostetet  in  ir  gadinen 
(L  gadmen).  —  123*  (104,  18)  humiliaverunt  in  compedibus 
pedes  ejus,  si  diemuten  in  den  pogen  (aurnif.  boie)  sine  fuse; 
168*  (149,  9)  in  compedibus,  in  poien  (korr,  die  pain).  —  sa- 
cerdos  immer  durch  ewarte.  —  124°  et  ciniphes,  und  nevelen  (?). 

—  126*  (105,  23)  in  confractione,  an  dem  gehreche  {stn.  gebrech). 

—  127*  (105,  30)  quassatio,  schuttunge.  —  135°.  149°  pouwen 
durch  wonen  vom  Korrektor  ersetzt,  bestete  durch  besetze,  138^ 
wont  durch  beleibt.  —  138*  apes,  peigen.  —  144*»  (118,  85) 
narraverunt  mihi  iniqui  fabulationes,  die  unrehten  seiten  mir 
spei.  —  146*  (118,  20)  confige  timore  tuo,  bestecche  mit  diner 
vorhte.  —  147*  (118,  134)  redime  me  a  calumpniis  hominum, 
lose  mih  von  der  menschen  hamschar,  —  150^.  156**  edificatur, 
gecimbert  zu  gebaut  korrigiert.  —  151*  (123,5)  Torrentem  per- 
transivit  anima  nostra,  forsitan  pertransisset  anima  nostra  aquam 


Studien  lor  Getcfaiclite  der  altdentecban  Predigt.  137 

intollerabilem.  Unser  sei  darchfur  den  bach,  lichte  were  si 
darchvam  ein  unvertreclich  wazzer.  —  153*  (128,  4)  cervices, 
die  halsadem,  —  153*  (129,  3)  qnis  sastinebit,  wer  enthapt 
{karr,  beleibt).  4:  qaia  apad  te  propiciacio  est  et  propter  le- 
gem taam  sustinui  te,  Domine.  Wan  pi  dir  ist  genedie  und 
durch  d!n  e  enthalt  ich  dich,  herre  {korr.  pin  undertan);  5  sn- 
stinait,  enthapt.  —  154*  (131,  2)  sicut  juravit  Domino,  votum 
vovit  Deo  Jacob,  er  leiste  den  antheiz  Jacobes  got,  als  er  dem 
berren  swur.  —  154*  (131, 5)  et  requiem  temporibas  meis, 
und  reste  minen  tunwengen.  —  157^  (136,  2)  in  saJicibus,  in 
den  aalhen.  —  160*  (138,  22)  perfecto  odio  oderam  illos,  ich 
hazzete  si  vfi   (Z.  mit)  durchnehtigem  hazze  (das  Wort  öfters). 

—  160**  (139,  12)  vir  lingnosus,  der  geredige  man.  —  162* 
(141,  4)  in  deficiendo  ex  me,  gebrestendem  (korr,  in  abnemen) 
uz  mir.  —  164*  (143,  13)  oves  eomm  fetose,  ir  schaf  sint  be- 
rich.  —  164*^  (144,  7)  memoriam  habandancie  saavitatis  tue 
eructabunt,  si  furbringent  di  gehugde  der  genuhte  diner  süzze. 

—  165*  (liby  7)  Dominus  solvit  compeditos,  Der  herre  loset 
di  gevangen  (korr,  gepunden).  —  166*  (146,  2)  Edificans  Jhe- 
msalem  Dominus,  Der  herre  bezimbert  Jh.  —  167^  (148,  8) 
grando,  hagel  (korr.  schour,  österr,),  —  167*  (148,  9)  ligna 
fructifera,  *umcherberigeu  holz.  —  168*  (149,  6)  gladii  ancipites, 
den  ^wanchlichen  swert.  —  (9)  in  manicis  ferreis,  in  eise- 
ninen *hanH$en,  —  168*  (Isai.  38, 10)  quesivi  residuum  armorum 
meorum,  ich  suhte  di  urleibe  miner  jare.  —  169*  (Isai.  38,  15) 
recogitabo,  ich  tüiderdenehe,  —  171*  (Exod.  15,  16)  immobiles, 
*ungerurich.  —  173*  (Habac.  3,  13)  denudasti  fundamentum, 
du  entnachtest  di  gruntvest.  —  (Habac.  3,  14)  turbo,  wxndesprüt, 

—  173^  (Habac.  3,  16)  ingrediatur  putredo  in  ossibus  meis  et 
subter  me  scateat.  Deu  feul  ge  in  mineu  beine  und  walle 
under  mich.  —  173*  (Habac.  3, 17)  abscidetur  de  ovili  pecus, 
daz  vihe  werde  abgesniten  von  der  scheßie  (l.  schefstige).  — 
174*  (Deuter.  32,  14)  butirum  de  armento^  milchsmalz  von  der 
sweige,  —  175*  (Deuter.  32,  25)  et  virginem  lactantem  (l.  lac- 
tentem)  cum  homine  seniore,  und  di  roaget  den  tienden  (ich 
halte  das  nicht  fUr  die  Spur  einer  Vorlage  mit  unverschobenem 
ty  sondern   fUr   einen  Schreibfehler)  mit  dem  alten  menschen. 

—  176*  (Deuter.  32,  32)  a  (Vulg.  de)  suburbanis  Gomorre,  und 
von  den   underburgeren  Gomorre.  —  176*   (Deuter.  32,  38)  de 


138  V.  Abhandlang:    SchAnbaeli. 

(jaomm  victimis  comedebant  adipes^  von  der  frischingen  si 
azzen  die  feizte.  —  177^  (Dan.  3,  69)  benedicat  gela  et  frigos 
Domino ;  segent  dem  herren  glat  und  frost.  —  (76)  uniyersa 
germinantia,  eilen  chimendeu,  —  178^  (Lnc.  1^  46)  magnificat 
anima  mea  Dominum.  Min  sei  michel  (korr.  gros)  machet 
den  herren.  —  179*  (Te  Deum  laudamus)  Te  per  orbem  ter- 
rarum  sancta  confitetur  ecclesia,  Deu  heilige  Christenheit  be- 
gilit  dich  durch  (der)  erde  umberinch.  Patrem  immense  maje- 
statiS;  Einen  vater  der  nrmerigen  magenchreft.  —  Aus  der 
Heiligen  litanei  183^:  a  fnigure  et  tempestate^  von  dem  bleccen 
und  von  ungewitere.  —  184^  concordia  ehenhellutige,  —  184* 
aeris  temperiem  bonam,  gute  tempemnge  des  laftes.  —  185^ 
parce  nobis,  Domine  —  entlip  uns,  herre.  —  Ans  dem  Gebet  an 
Jesus  Christus  185^ — 186*:  ecclesie  tue  sancte  katholice  fidem 
angeas,  daz  du  dine  heilige  Christenheit  bestetes  an  rehtem 
gelouben.  concedas  infirmis  sanitatem,  lapsis  reparationem,  na- 
vigantibas  atque  iterantibas  fidelibas  iter  prosperom  ac  salutis 
portum,  tribulatis  gandium,  oppressis  relevationera ,  captivis 
vinctis  et  peregrinis  remissionem,  absolutionem,  ad  patriam  re- 
versionem.  und  daz  du  den  siechen  gesnnt.  den  zesliffen  hilfe, 
den  *  vergeuden  (kaum  vertigenden)  und  den  vertigen^dian  rehtem 
gelouben  sint;  fransputige  vart  und  des  heiles  uivar  gebest, 
and  den  betrupten  ireude,  den  verdrnhten  erhebunge  sendest, 
und  den  gevangen  antlaz,  den  eilenden  widervart  ze  lande 
verliehest.  186*  discordantibus  karitatem,  den  müsehelligen 
weJisseliche  minne;  infidelibus  veram  fidem,  und  den  ongeion- 
bigen  rehten  gelouben  merest.  — 

Ich  meine,  daß  mir  die  Zustimmung  der  Fachgenossen 
nicht  fehlen  wird,  wenn  ich  aus  der  Beschaffenheit  des  vor- 
gebrachten Wortmateriales  zusammen  mit  dem  Eändmcke,  den 
die  sprachliche  Haltung  des  ganzen  Werkes  hervorbringt, 
schließe:  diese  Übersetzung  ist  erstens  ungefilhr  um  das  Jahr 
1200  entstanden;  zweitens,  ihre  Heimat  ist  das  Ghebiet  der 
bayrisch-österreichischen  Mundart,  vielleicht  Osterreich  selbst. 
Diese  Ergebnisse  schicken  sich  ganz  wohl  zu  dem  waldensi- 
schen  Ursprung  der  Arbeit:  vor  den  Edikten  Papst  Innocenz  IIL 
und  Kaiser  Friedrich  II.  genossen  die  Waldenser,  vornehmlich 
die  deutschen,  einer  gewissen  Ruhe  und  blieben  von  Verfolgung 
verschont:    zu  solcher  Zeit  mochte  ein  größeres  Ubersetzungs- 


Studien  xar  Oesehiehte  der  alldeatielien  Predigt.  139 

werk  angefertigt  worden  sein,  später  trat  mit  den  Strafdekreten 
eine  Ruhelosigkeit  ein^  die  der  Abfassung  solcher  Arbeit  nur 
ungünstig  sein  konnte.  Damm  braucht  dieser  deutsche  Psalter 
jedoch  keineswegs  in  Österreich  oder  dem  bayrischen  Süddeutsch- 
Und  selbst  hergestellt  zu  sein,  er  mochte  sehr  leicht  von  einem 
deutschen  Waldenser  während  der  Studien  an  einer  lombardi- 
schen Schule  der  Sekte  ausgearbeitet  werden. 

Dazu  paßt  es  vortrefflich^  daß  jene  Stelle  (Psalm  67,  31), 
von  der  ich  ausgegangen  war  (oben  S.  128),  gerade  durch  ihren 
Fehler  Vertrautheit  des  Übersetzers  mit  einer  romanischen 
Sprache  beweist.  Denn  die  Verwechslung  von  arundo  mit 
hirundo  ist  sowohl  im  Provenzalischen  leicht  möglich,  das  fbr 
hirundo  schon  arundo  besitzt,  aber  auch  in  den  Dialekten  der 
Lombardei,  denen  arundo  überhaupt  fehlt  und  die  dafür  Lehn- 
worte aus  germ.  raiLS  sich  angeeignet  haben.  (Diese  Kund- 
schaft verdanke  ich  der  Freundlichkeit  von  Schuck  ardt  und 
Comu.)  Ich  habe  nun  fleißig  nach  anderen  Stellen  gesucht, 
aus  denen  etwa  ähnliche  Schlüsse  zu  ziehen  wären,  aber  ich 
habe  keine  mehr  gefunden. 

Dagegen  ist  die  Übersetzung  an  sich  ziemlich  reich  an 
Irrtümern.  Das  hat  schon  Denis  gemerkt,  der  S.  78  auch  ein 
Beispiel  beibringt,  Psalm.  2,  13:  cum  exarserit  in  brevi  ira  ejus, 
so  er  enbrinnet  an  seinem  churcen  zorn,  und  dazu  bemerkt: 
,interpretem  non  satis  latine  doctum  fdisse^,  dasselbe,  was  der 
Passauer  Anonjmus  in  den  Aldersbacher  Handschriften  der 
waldensischen  Übersetzung  der  Psalmen  vortvirft  (Walther  be- 
schränkt S.  622  seine  Charakteristik  des  Werkes  auf  den  Satz: 
,Die  Übersetzung  zeigt  nicht  besondere  Merkmale,  höchstens 
wäre  die  Wortstellung  öfter  ungelenk  zu  nennen'  —  was  ge- 
rade bei  diesem  Text  viel  weniger  der  Fall  ist  als  bei  vielen 
anderen).  Ich  habe  nun  bei  der  Lesung  der  Handschrift  eine 
ziemliche  Anzahl  von  Fehlern  des  Übersetzers  angemerkt  und 
führe  etliche  hier  vor;  nicht  immer  freilich  ist  es  leicht  zwi- 
sehen  den  Mängeln  der  Übertragung  und  denen  der  Über- 
lieferung zu  unterscheiden.  5^  (7,  5)  Si  reddidi  retribuentibus 
michi  mala,  decidam  mento  ab  inimicis  meis  inanis.  Ob  ich  wider 
gap  den  wider  gebenden  mir  den  ubelen,  so  gevalle  ich  von 
reht  von  meinen  itelen  veinden.  —  5®  (7,  7)  et  exaltare  in 
finibus    inimicorum    tuorum,   und    wird   erhöhet   in   der  mitte 


140  V.  Abhandlaog:    Sokönbach. 

(korr,  den  enden)  deiner  veinde  (vgl.  Hoberg,  Die  Psalmen  der 
Vnlgata,  1892,  S.  15).  —  15*  (17,  5)  et  torrentes  iniqaitatis  con- 
tarbavemnt  me,  and  die  *8chrechunge  des  unrehtes  betrA- 
beten  mih.  Hier  ist  torrere  =  terrere  gefaßt,  wie  auch  in 
anderen  Übertragungen  geschieht,  vgl.  Diefenbach,  Gloss.  589. 
—  Zu  frei  war  dem  Korrektor  übertragen  24»  (22,  4):  Nam  et 
si  ambulavero  in  medio  umbre  mortis,  non  timebo  mala,  quo- 
niam  tu  mecum  es.  Wan  und  ob  ich  gen  enmitten  in  der  mflc 
{korr.  in  schad  dez  todes),  ich  enfurhte  mir  (korr,  getilgt)  niht 
(korr.  setzt  zu:  daz  übel),  wan  du  bist  mit  mir.  —  25**  (24,4) 
supervacue ,  über  daz  eitel  (auch  31® :  30,  7).  Wie  schwierig 
das  Wort  zu  übersetzen  war,  ersieht  man  aus  den  Lipsius- 
glossen,  bei  van  Helten  Nn  554.  —  34^  (31,  9)  maxillas  eorum, 
euwer  (korr.  ireu)  wange.  —  53»  (44,  2)  Lingua  mea  calamus 
scribe  velociter  scribentis.  Min  zunge  ein  halm  scrip  sneUe  des 
scribenden.  —  72®  (64,  6)  et  in  mari  longo,  verre  von  dem 
mer  (korr,  und  in  dem  verren  mer.  auch  falsch).  —  84  (72, 3) 
quia  zelavi  super  iniquos,  wan  ich  verbal  (=  celavi)  ob  den 
unrehten.  —  153^  (^28,  7)  et  sinum  suum,  und  sin  haht  (korr. 
busem).  —  Gewiß  ist  die  Zahl  der  Irrtümer  des  Übersetzers 
viel  größer,  als  ich  beobachtet  habe,  doch  werden  die  voi^e- 
brachten  Beispiele  ausreichen,  um  zu  zeigen,  daß  die  Arbeit 
wirklich  unter  der  zu  geringen  Kenntnis  des  Latein  leidet,  was 
nun  allerdings  gerade  den  Waldensern  durch  Berthold  von 
Regensburg  so  eindringlich  vorgehalten  wurde. 

Doch  haben  diese  Mängel  des  Werkes  f&r  uns  auch  ihr 
Qutes.  Denn  sie  schließen,  wie  mir  scheint,  sehr  bestimmt 
die  Möglichkeit  aus  (die  sonst  nach  etlichen  Übereinstimmungen 
im  Wortgebrauch  mit  den  Windberger  und  anderen  Psalmen 
vorhanden  wäre),  daß  der  Übersetzer  bei  seiner  Arbeit  eine 
ältere  Ubertragang  zurate  gezogen  habe.  Diese  um  1200  ent- 
standene deutsche  Version  war  tatsächlich  ein  Original;  ob  es 
zwischen  ihr  und  dem  Wiener  Kodex  Mittelglieder  gab,  weiß 
ich  zur  Stunde  nicht  zu  sagen  —  wahrscheinlich  ist  es  mir 
nicht,  zumal  auch  die  Lesefehler  des  späten  Schreibers  die  Züge 
einer  bedeutend  älteren  Hand  in  der  Vorlage  annehmen  lassen. 

Aber  ist  diese  Übersetzung  des  Psalters  denn  auch  wirk- 
lich die  Arbeit  eines  Waldensers,  wie  uns  das  Zeugnis  der 
Aldersbacher  Handschriften  zu  vermuten   zwingt?  Wenigstens 


Stndieo  svr  GMebicbte  d«r  altdentsehan  Predigt.  141 

eine  Stelle  habe  ich  gefunden;  durch  welche  mit  großer  Sicher- 
heit meine  Annahme    bestätigt  wird:   71^  (62,  11)  sind  ohne 
irgend  welche  äoßerc  Ursache  sowohl  die  Worte   des  lateini- 
sehen  Textes  tnuUntur  in  manus  gladii  (die  Feinde  Davids, 
ygl.  Hoberg,  S.  173)  weggelassen  als  die  deutsche  Übertragung, 
was  beides  der  Korrektor  ergänzt  (und  werdent  den  swertern 
gegeben).    Da  hat  nicht  Zufall  gewaltet,  sondern  Absicht,  und 
zwar  spricht  sich  hier  die  Gesinnung  der  Waldenser  deutlichst 
aas,  welche  dem  weltlichen  0 erlebte  (nach  dem  Gebote  Gottes: 
non  occidas)  das  Recht  der  Todesstrafe  nicht  zugestehen.    Halte 
ich  diese  Stelle  für  ein  sicheres  Zeugnis  des  waldensischen  Ur- 
sprunges dieser  PsalmenUbersetzung,  so  gibt  es  noch  einige  an« 
dere,  die  möglicherweise  für  meine  Ansicht  sprechen.  6*  (7, 12): 
Dens  judex  jnstus,   fortis  et  patiens,   numquid   irascetur    per 
singuIoB  dies.  Got  rehter  rihtere,  starcher  und  gedultiger,  weiz 
got  (korr.  ersetzt  es  durch  er)  zumet  er  {korr,  nicht)  alle  tage. 
Die  alte  Übertragung  erblickt  den  Zorn  Gottes  täglich  in  der 
Lage  der  Waldenser.  —  26^  (24,  21)  innocentes,  die  unchun- 
digen  (korr.  unschuldigen).   Das  könnte  ein  waldensischer  Aus- 
drack  sein:   die  Freunde  und  Genossen  der  Sekte  hießen  be- 
kanntlich die  künden^  und  der  Psalmvers  würde  dann  besagen: 
diejenigen,  die  noch  nicht  zu  uns  gehören,  schließen  sich  uns 
jetzt  an  (Hoberg,   S.  62.  64).  —  Vielleicht  ist  auch   die  Über- 
tragung von  sanguis  durch  fleisch  29,  10  (oben  S.  133)  hierher 
zu  ziehen.  —  Aus  predienden  fbr  evangelizantibtis  67,  12  ist 
nichts  2U  schließen.   —  Wahrscheinlich  auch  nicht  aus  dem 
Folgenden,  obschon  der  Übersetzer  bei  seinem  Irrtum  sich  deut- 
lich von  der  katholischen  Geistlichkeit  absondert:   7ö^  (67,  14) 
Si  dormiatis  inter  medios  cleros  penne  columbe  deargentate  et 
posteriora  dorsi  ejus  in  pallore  auri.     Ob  ir  slafet  enmitten 
under  der  phafheit  (ygl.  Diefenbach ,  Gloss.  127)  die  ubersil- 
berten   veder  der  touben  und  deu  hinderen  ir  ruckes  in  der 
goldes  pleiche.  —  Weggelassen  ist  ohne  äußeren  Grund  103^ 
(87, 15)  sowohl  lateinisch  als  deatsch:  Ut  quid,  Domine,  repellis 
orationem  meam,  avertis  faciem  tuam  a  me?   (der  Korrektor 
ergänzt:  Warum,  herre,  vertreibest  du  min  gebet  und  cherest 
diu  antlutE  yon  mir?).    Der  übersetzende  Waldenser  durfte  die 
Meinang  nicht  aufkommen  lassen,  als  ob  sein  im  Psalter  betender 
Glaubensgenosse  von  Gott  nicht  erhört  würde. 


142  V.  AbhandlQDf:    SehAnbaeh. 

Wie  verträgt  es  sich  aber  mit  dieser  These  ^  daß  der 
Kodex  noch  Cantica  und  Hymnen^  das  Sjmbolam  Athanasianom, 
ja  sogar  eine  Heiligenlitanei  enthält?  Zunächst  halte  ich  an 
der  Meinung  fest,  daß  Hymnen  und  Cantica  von  dem  Über- 
setzer der  Psalmen  selbst  bearbeitet  worden  sind,  vielleicht 
auch  das  Symbolum ,  was  alles  meines  Erachtens  (vgl.  S.  103 
f.  117)  sich  mit  der  Abfassung  des  Werkes  in  der  älteren  Zeit 
der  Waldenser  ganz  wohl  verträgt.  Die  Heiligenlitanei  wird 
schwerlich  von  demselben  Übersetzer  herrühren,  der  immer 
blicschoz  für  fulgura  sagt,  indes  hier  183^  bleccen  =  blekzen 
gebraucht  wird  (die  Litanei  stammt  übrigens  nach  den  Namen 
der  bevorzugten  Heiligen  —  auch  S.  Radegundis  kommt  darin 
vor,  die  nicht  vor  der  zweiten  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts  ein- 
getragen sein  kann  —  gleichfalls  aus  Osterreich).  Auch  die 
Einrichtung  der  Handschrift  fUr  den  Klostergebrauch  wird 
kaum  von  dem  alten  Waldenser  hergestellt  worden  sein. 

Über  ihre  Provenienz  sagt  uns  die  Handschrift  nichts 
anderes,  als  daß  in  ihr  verschiedenemale  der  Eigentumsvermerk 
des  Dorotheenstiftes  zu  Wien  sich  findet.  Wir  besitzen  zur  Zeit 
über  die  Geschichte  dieses  Stiftes  regulierter  Chorherren  des 
heil.  Augustin  nur  die  Arbeit  von  J.  C.  Stelzhammer,  die  ab 
10.  Band  der  ersten  Abteilung  der  (kirchlichen)  Topographie 
von  Niederösterreich  1836  erschienen  ist.  Das  Stift  ist  erst 
im  15.  Jahrhundert  gegründet  worden  (a.  a.  O.  S.  18),  die  Ka- 
pelle jedoch,  deren  Einkünfte  zur  Fundierung  dienten,  war 
bedeutend  älter  und  scheint  nach  mitgeteilten  Urkunden  dem 
Deutschen  Orden  gehört  zu  haben.  Das  hilft  aber  um  nichts 
weiter,  und  irgend  eine  Aufklärung  über  die  Art,  wie  unsere 
Handschrift  in  das  (1786  aufgelöste)  Haus  der  Chorherren  von 
St.  Dorothea  (heute  befindet  sich  an  dessen  Stelle  das  Dorotheum, 
das  Versatzamt  der  Stadt  Wien)  gelangt  ist,  läßt  sich  erst  dann 
erwarten,  wenn  einmal  die  Geschichte  der  Handschriften  der 
kaiserlichen  Hof  bibliothek  möglichst  nach  rückwärts  wird  for- 
schend verfolgt  werden.  — 

Ehe  ich  diese  vorläufige  Darstellung  schließe,  der  ich  im 
Laufe  der  Zeit  eine  Ausgabe  des  Waldenserpsalters  folgen 
lassen  will,  darf  ich  nicht  unterlassen,  der  Verwaltung  der  kaiser- 
lichen Hof  bibliothek ,  namentlich  Herrn  Hofrat  Karabacek 
und   Herrn  Kustos  Ferdinand  Menöik,   meinen   aufrichtigen 


8t«dl«n  rar  QvMhieht«  dar  »Itdeatoehen  Predigt. 


143 


Dank  für  die  rasche  Übersendung  des  nunmehr  besonders  kost- 
baren Kodex  nach  Graz  auszusprechen.  — 

Es  folgen  noch  etliche  Proben  der  Übertragung  aus  yer- 
scfaiedenen  Teilen  der  Handschrift. 


Psalmus  4. 

2  (2^).  Cum  invocarem,  exau- 
divit  me  Deus  justitie  mee;  in 
tribulacione  dilatasti  michi.  Mi- 
serere mei,  et  cxaudi  orationem 
meam. 

3.  Filii  hominum^  usque  quo 
gravi  corde;  ut  quid  diligitis 
vanitatem,  et  queritis  menda- 
cium? 

4.  Et  scitotC;  quoniam  miri- 
ficavit  Dominus  sanctum  suum; 
Dominus  exaudiet  me,  cum  cla- 
mavero  ad  eum. 

5.  Irascimini  et  nolite  pec- 
care:  qui  (Vulg,  quae)  dicitis 
in  cordibus  vestris,  et  in  cubi- 
libus  vestris  conpungimini. 

6.  Sacrificate  sacrificium  ju- 
stitie, et  sperate  in  Domino; 
mnlti  dicunt:  quis  ostendit  no- 
bis  bona? 

7.  Signatum  est  super  nos 
lomen  vultus  sui,  Domine:  de- 
disti  leticiam  in  corde  meo. 

8.  A  fructu  fmmentiy  vini  et 
olei  sui  muitiplicati  sunt. 

9.  In  pace  in  id  ipsum  dor- 
XDiam  et  requiescam. 

10.  Qaoniam  tu.  Domine, 
siDgulariter  in  spe  constituisti 
me. 


Der  4.  Psalm. 

2.  Der  got  mines  rechtes  er- 
hört mich,  do  ich  in  an  rufte, 
und  in  miner  trübsalunge  hasta 
mih  gebreitet.  Erbarme  dich 
min  und  erhöre  min  gebet. 

3.  Ir  chint  der  menschen, 
wie  lange  seit  ir  sweres  herzen? 
War  umb  minnet  ir  die  uppi- 
cheit  und  suchet  die  lüge? 

4  (3*).  Und  wizzet,  daz  der 
herre  wunderlich  hat  gemachet 
seinen  heiligen;  der  herre  er- 
höret mich,  so  ich  raffe  zu  im. 

5.  Zürnet  und  erweit  (Z.  en- 
welt)  nicht  sunden:  die  ir  spre- 
chet in  euren  herzen,  und  wert 
gestunget  in  euwer  kemenaten. 

6.  Ophert  daz  opher  des 
rechten,  (3*)  und  getrout  dem 
herren;  mange  sprechent:  wer 
erzeiget  uns  die  guten? 

7.  Herre,  daz  lieht  dines 
antlutzes  ist  gezeichent  über 
uns:  du  gebe  vreude  minem 
herzen. 

8.  Von  dem  wücher  des  eher- 
nes, des  wines  und  eines  oles 
sint  si  gemanicvaltet. 

9.  Mit  fride  an  dem  selbem 
slafe  ich  und  rüwe. 

10.  Wantu,  herre,  hast  mich 
gesetzet  einlichen  an  dem  ge- 
dingen. 


144 


y.  Abhanilmif:    flebAnbaeb. 


Psalmiu  74. 

2  (81^).  Confitebimur  tibi, 
Dominus,  confitebimur  et  in- 
(87^)  vocabimus  nomen  tuum. 

3.  Narrabimus  mirabilia  tua; 
cum  accepero  tempus,  ego  ju- 
sticias  judicabo. 

4.  Liquefacta  est  terra  et 
omnes,  qui  habitant  in  ea:  ego 
confirmavi  columpnas  ejus. 

5.  Dixi  iniquis :  noiite  iniqui 
(Vulg.  inique)  agere;  et  delin- 
quentibus:  noiite  exaltare  cornu. 

6.  Noiite  in  altum  extollere 
cornu  vestrum;  noiite  loqui  ad- 
versus  Deum  iniquitatem. 

7.  Quoniam  {Vulg,  quia)  ne- 
que  ab  Oriente  neque  ab  occi- 
dente  neque  a  desertis  mon- 
tibus,  quoniam  Dens  judex 
est. 

8.  Tunc  {L  Hunc)  humiliat 
et  huc  (l.  hunc)  exaltat,  qui 
(Z.  quia)  calix  in  manu  Domini 
vini  meri  plenus  mixto. 

9.  Et  inclinavit  ex  hoc  in  hoc; 
▼erumptamen  fex  ejus  non  est 
inanita ;  bibent  omnes  peccatores 
terre. 

10.  E]go  autem  annunciabo 
in  seculum,  cantabo  Deo  Jacob. 

11.  Et  omnia  cornua  pecca- 
torum  confringam,  et  exalta- 
buntur  cornua  justi. 


Der  74.  Psalm. 

2.  Wir  bejehen  dir,  got,  wir 
bejehen  dir  und  rufen  an  dinen 
namen. 

3.  Wir  zelen  dineu  wunder; 
ih  ribte  rehte,  so  ih  genim  die 
zeit. 

4.  Deu  erde  ist  zeflozzen  und 
alle,  die  an  ir  bowent:  ich  ve- 
stent  ir  iriuseul  (l,  irmsenl). 

5.  Ih  sprach  zu  den  unrehten : 
tut  niht  unreht;  und  ze  den 
missetuenden :  erhöhet  niht  das 
hörn. 

6.  Erbevet  niht  in  die  hohe 
euwer  hörn;  ret  niht  wider  got 
(88*)  daz  unrehte. 

7.  Wan  iz  ist  niht  von  osten 
noh  von  westen,  noh  von  den 
wüsten  bergen,  wan  got  ist  ein 
rihtere. 

8.  Den  demutet  er  und  er- 
höhet den,  wan  der  chelh  ist 
in  des  herren  haut  löteres  wines 
voller  von  den  (Z.  dem)  ge- 
mischten. 

9.  Und  neiget  er  in  von  dem 
in  daz,  iedoh  ist  sin  podem  niht 
eitel;  iz  trinchent  alle  di  sun- 
dere  der  erde. 

10.  Aber  ich  chunde  iz  in  di 
werlt,  (88^)  ich  singe  Jacobea 
got. 

11.  Und  zebrich  ich  elleu  din 
{l.  diu)  hom  der  sundere,  und 
des  rehten  faorn  werdent  er- 
höhet 


Stadial  nt  GmoUcH«  te  UidratMlMB  Pradigt. 


145 


Psttfanns  146. 

2  (165^).  Lauda^  anima  mea, 
Dominum:  landabo  Dominum  in 
vita  mea;  psallam  Deo  meo^ 
qnamdia  fnero. 

3.  Nolite  confidere  in  prin- 
cipibns^  in  filiis  hominum,  in 
qoibns  non  est  salns. 

4.  Ekibit  spiritns  ejas^  et 
revertetor  in  terram  snam;  in 
illa  die  peribunt  omnes  cogita- 
tiones  eomm. 

5.  6.  Beatnsy  cujus  Dens  Ja- 
cob adjutor  ejus;  spes  ejus  in 
Domino  Deo  ipsius,  qui  fecit 
celum  et  terram^  mare  et  om- 
nia,  que  in  eis  sunt. 

7.  Qui  custodit  veritatem  in 
seculum,  facit  Judicium  inju- 
riam  pacientibus^  dat  escam 
esurientibus, 

8.  Dominus  solvit  conpeditos, 
Dominus  illuminat  cecos. 

Dominus  erigit  elysos;  Do- 
minus (zweimal)  diligit  justos. 

9.  Dominus  custodit  adve- 
naS;  pupillimi  et  viduam  sus- 
eiinett  et  vias  peocatomm  dis- 
perdet. 

10.  Regnavit  Dominus  in  se- 
cula^  Dens  tuus,  Syon,  in  ge- 
nerationem  {fehh:  et  generar 
tionem)« 

Siteonftbw.  d.  phü.-bist.  Kl.  GXLTH.  Bd. 


Der  146.  Psalm. 

2.  Min  sei,  lob  den  herren; 
ich  lob  den  herren  an  minem 
leben;  ich  singe  minem  got,  di 
wil  ich  pin. 

3.  Ir  sult  niht  getröwen  an 
den  forsten;  an  den  chinden 
der  menschen,  an  den  niht 
heiles  ist. 

4.  Sin  geist  vert  uz  und 
vert  wider  an  sin  erde;  an 
dem  tage  werden  verlorn  alle 
ir  gedanche. 

5.  6.  Der  ist  selich,  des  hei- 
fer  ist  Jacobes  got;  des  gedinge 
ist  an  dem  herren,  sinem  got, 
der  himel  und  erde  gemachet 
hat,  daz  mer  (165^)  und  allez, 
daz  in  im  ist. 

7.  Der  die  warheit  behütet 
in  di  werlt,  der  tut  gerihte 
den  lidenden  unreht,  er  git 
ezzen  den  hungerenden. 

8.  Der  herre  loset  di  gevan- 
gen  {übg.  punden)  der  herre 
erieubtet  di  blinden. 

Der  herre  richtet  uf  die  ze- 
chuschten  (l.  zechnuschten),  der 
herre  minnet  die  rehten. 

9.  Der  herre  behütet  die 
faerchomenen,  den  weisen  und 
den  (I)  witwen  enphahet  er,  und 
zefioret  der  sunder  wege. 

10  (166»).  Der  herre  reih- 
sent  in  di  werlt,  din  got,  Syon, 
an  dem  gesiebte  und  von  dem 
gesiebte. 


6.  JLhh. 


10 


146 


V.  AbliMkdlvDf :    Seh6nbaob. 


Ymniu. 


(114^)  Eterna  cell  gloria  bea- 
ta  spes  mortalinm  celsi  tonantis 
nnice  casteqae  proles  virginis. 


Da  dexteram  surgentibus 
exurgat  et  mens  sobria  fla- 
gransqae  in  laude  Dei  grates 
rependat  debitas. 

Ortus  refulget  Lucifer  spar- 
(115  *)8amqae  Incem  nunciat 
cadit  caligo  noctinm  lax  sancta 
nos  illuminat. 

Manensque  nostris  sensibus 
noctem  repellat  seculi  omnique 
fine  diei  purgata  seryet  pec- 
tora. 

Qnesita  jam  primum  fides 
radicet  altis  sensibas  secnnda 
spes  congaudeat  quo  major  ex- 
tat  Caritas. 

Deo  patri  sit  gloria  ejnsqne 
soli  filio  cum  spiritn  paraclito 
in  sempi(115^)tema  secula. 
Amen. 


Ewigen  gnade  des  himiles, 
seliger  gedinge  der  totlichen, 
einborner  sun  des  alwaltenden 
and  der  chenschen  magde  ge- 
siebte. 

Gib  din  zeswen  den  of  sten- 
den  and  erste  der  cheusche  mat 
brinnender  an  gotea  lobe  und 
sag  im   di   verscholten  gnade. 

Der  morgenstern  schinet  uf 
gegangen  und  chundet  daz  ge- 
spranchte  lieht,  den  vinster  der 
naht  yellet,  daz  heilige  lieht  er- 
leaht  uns. 

Belibendez  in  unseren  sinnen 
iz  vertribe  der  werlde  naht  und 
gehalte  di  geleutereten  brüste 
an  allen  ende  tages. 

Der  gelobe  gesuhter  nu  aller 
erstC;  der  wurtze  tiefe  in  den 
sinnen^  sich  freu  der  franspnte 
gedinge  dar  an  si  deu  merer 
minne. 

Got  dem  vater  si  lop  and 
sinem  einigen  sun  mit  dem 
heiligen  geiste^  dem  trostere  in 
di  ewigen  werlt. 


Olaubensbekenntnis. 


(180^)  Quicumque  yult  sal- 
Yus  esse,  ante  omnia  opus  est, 
ut  teneat  katholicam  fidem. 

Quam  nisi  qaisque  integram 
inviolatamque  servaverit,  abs- 
que  dubio  in  eternum  peribit. 


Swer  heile  wil  werden,  der 
sol  vor  elleu  halten  Christen- 
liehen  gelouben. 

Iz  ensi,  daz  in  ein  ieglicher 
ganzen  und  ambewollen  behalte, 
er  wirt  an  zwivel  verlorn  ewic- 
lichen. 


Studien  sar  Geschiebte  der  »Itdevtecheo  Predigt 


147 


Fides  autem  katholica  hec 
08t y  at  unum  Deum  in  Trini- 
täte,  et  Trinita tem  in  nnitate 
veneremur. 

Neque  confnndentes  perso- 
nsLSj  neque  substanciam  sepa- 
rantes. 

Alia  est  enim  persona  Patris, 
alia  Filii,  alia  Spiritus  Sancti. 

Sed  Patris  et  Filii  et  Spiritus 
Sancti  una  est  divinitas  equalis 
gloria  coeterna  majestas. 


Qualis  Pater,  talis  Filius, 
talis  et  Spiritus  Sanetus. 

Inmensus  Pater,  inmensus  Fi- 
lius, inmensus  Spiritus  Sanetus. 

Eternus  Pater,  etemus  Filius, 
etemus  et  Spiritus  Sanetus. 

Et  tarnen  non  tres  etemi, 
sed  unus  etemus. 

Sicut  non  tres  increati,  nee 
tres  inmensi,  sed  unus  increatus 
(180^)  et  unus  inmensus. 

Similiter  omnipotens  Pater, 
omnipotens  Filius,  omnipotens 
et  Spiritus  sanetus. 

Et  tarnen  non  tres  omnipo- 
tentes,   sed  unus  omnipotens. 

Ita  Deus  Pater,  Dens  Filius, 
Dens  Spiritus  Sanetus. 

Et  tarnen  non  tres  dii,  sed 
unus  est  Deus. 


Ober  (O  vom  Miniator  falsch 
gesetzt,  A  war  vorgezeichnet)  daz 
ist  der  elliche  geloube,  daz  wir 
einen  got  in  der  drivalt,  und 
di  drivalt  in  der  einunge  eren. 

Niht  scheidende  di  genennde, 
niht  sunderende  di  wesunge. 

Wan  ein  genende  ist  des 
(180**)  vaters,  deu  ander  des 
sunes,  deu  ander  des  heiligen 
geistes. 

Sunder  ein  geliehen  gotheit 
ist  des  vaters  und  des  sunes 
und  des  heiligen  geistes,  und 
ein  geliehen  ere  und  ein  eben- 
ewigen  magenchraft. 

Als  der  vater  ist,  als  ist  der 
sun,   als  ist  der  heilige  geist. 

Urmerch  ist  der  vater,  ur- 
merch  der  sun,  urmerch  der 
heilige  geist. 

Ewich  ist  der  vater,  ewich 
ist  der  sun,  ewich  ist  der  heilige 
geist. 

Und  sint  doch  niht  drei 
ewige,  sunder  ein  ewiger. 

Also  sint  niht  dri  umbe- 
schaffen, noch  dri  urmerige, 
sunder  ein  unbeschaffener  und 
ein  urmeriger. 

Also  ist  alwaltich  der  vater, 
alwaltich  der  sun,  alwaltich  der 
heilige  geist. 

Und  sint  doch  niht  dri  al- 
waltige,  sunder  ein  alwaltiger. 

Also  ist  got  der  vater,  got 
der  sun,  got  der  heilige  geist. 

Und  sint  doch  niht  dri  got, 
sunder  ein  got. 

10» 


148 


T.  Abkaa41«Df :    Sohöiibteh. 


Ita  dotninoB  Pater,  duminns 
Filius^  dominas  et  Spiritus 
sanctOB. 

Et  tarnen  non  tres  domini, 
sed  nnas  est  dominus. 

Quia  sicut  sigillatim  (l.  sin- 
gulatim)  unamquamque  per- 
sonam  Deum  aut  Dominum 
confiteri  Chri8ti(  1 80*)ana  ve- 
ritate  compellimur. 

Ita  tres  deos  aut  dominos 
dicere  katholica  religione  pro- 
hibemur. 


Pater  a  nnllo  est  factus,  nee 
creatusy  nee  genitus. 

Filius  a  Patre  solo  est  non 
factuSy  nee  creatus,  sed  genitus. 

Spiritus  sanctus  a  Patre  et 
Filio  non  faetus,  neo  creatus^ 
nee  genitus,  sed  proeedens. 

Unus  ergo  Pater,  non  tres 
patres;  unus  Filius^  non  tres 
filii;  unus  Spiritus  Sanctus,  non 
tres  Spiritus  sanoti. 

Et  in  hac  Trinitate  nicfail 
prius  aut  posterius^  nichil  majus 
aut  minus. 

Sed  tote  tres  persone  coe- 
terne   sibi   sunt   et  ooequales. 

Ita  ut  per  omnia^  sicut  jam 
supra  dictum  est,  ut  et  Tri- 
nitas  in  unitate^  et  unitas  in 
Trinitate  veneranda  sit. 


Also  ist  herre  der  vater^  herre 
der  sun,  herre  der  heilige  geiat. 

Und  sint  doch  niht  dri  herren, 
sunder  ein  herre. 

Wan  als  wir  mit  cristenlicher 
warheit  werden  betwungen,  ein 
iegliche  genende  besunder  jehen 
einen  got  oder  einen  faerren. 

Also  wirt  uns  gewert  und 
(2.  von)  ellicher  ewirdicheit  (l. 
erwirdicheit),  daz  wir  iht  spre- 
chen sin  dri  got  oder  dri- 
faerren. 

Der  vater  ist  von  deheinem 
worden  nofa  beschaffen  noh  ge- 
born. 

Der  sun  ist  von  ein  dem 
vater  noh  gemachet  noh  ge- 
schaffen, sunder  gebom. 

Der  heilige  geist  ist  von  dem 
vater  und  von  dem  sun  niht 
gemachet  noch  be(181*)schaffen 
noch  geborn,  sonder  forgender. 

Iz  ist  doch  ein  vater,  und 
niht  dri  veter;  ein  sun,  und  niht 
dri  sun;  ein  heiliger  g^ist,  und 
niht  dri  heilige  geiste. 

Und  ist  an  dirre  drivalticheit 
niht  erers  oder  afters,  niht  me- 
rer  noh  minner. 

Sunder  die  dri  genende  sint 
gar  ebenewich  und  ebengelich. 

Also  als  über  {erg,  elleu),  als 
da  vor  gesprochen  (l,  gespro- 
chen) ist,  daz  deu  drivalte  in 
der  einunge  (18  P)  und  deu  ein- 
unge  in  der  drivalte  ze  eren  ai. 


Sindi«!!  cur  OMohiebte  d«r  »Itdeatscli«!!  Predigt. 


149 


Qai  volt  ergo  salvus  esse, 
ita  de  Trinitate  sentiat. 

Sed  necessarinm  est  ad  eter- 
nam  salntem,  ut  incaraacioDem 
qaoqne  Domini  nostri  Jhesn 
Christi  fideliter  credat. 

E^t  ergo  fides  recta,  ut  cre- 
damns  et  confiteamnr,  qnia  Do- 
minus noster  Jhesus  Christas 
Dei  Filius  Deus  et  homo  est. 

Deus  est  ex  substancia  Pa- 
tris  ante  secula  genitus  et  homo 
ex  substancia  matris  in  seculo 
natus. 

PerfectUB  Deus^  perfectus 
homo,  ex  anima  rationali  et 
humana  came  subsistens. 

Equalis  Patri  secundum  di- 
vinitatem,  minor  Patre  secun- 
dum humanitatem. 

Qui,  licet  Deus  sit  et  homo, 
non  duo  tamen,  sed  unus  est 
Christus. 

Unus  autem  non  conversione 
diyinitatis  in  came,  sed  assump- 
done  humanitatis  in  Deo. 

Unus  omnino  non  con(181^) 
fusione  substancie,  sed  uni- 
täte  persone. 

Nam  sicut  anima  racionalis 
et  caro  unus  est  homo,  ita 
Deus  et  homo  unus  est  homo, 
unus  est  Christus. 


Swer  heil  wesen  wil,  der  ver- 
ste  alsus  von  der  drivalte. 

Sunder  des  ist  notdurft  ze 
dem  ewigen  heile,  daz  er  di 
menscheit  unseres  herren  Jhesu 
Christi  getreulichen  geloube. 

Daz  ist  der  rehte  gelobe, 
daz  wir  gelouben  und  verjehen^ 
wan  unser  herre  Jhesus  Chri- 
stus^ gotes  sun,  ist  got  und 
mensch. 

Er  ist  got  von  des  vater 
wesunge  geborn  vor  der  werft, 
und  ist  mensch  von  der  (181®) 
muter  wesunge  geborn  in  der 
werft. 

Volchomner  got,  volchomner 
mensch,  wesender  von  rede- 
licher  sei  und  von  mensch- 
lichem fleisch. 

Er  ist  gelich  dem  vater  nach 
der  gotheit,  und  ist  minner  dem 
vater  nah  der  menscheit. 

Swi  er  doch  si  got  und 
mensch,  ir  sint  doch  niht 
zwene,  sunder  ein  Crist. 

Er  ist  ein  niht  an  der  be- 
cherunge  der  gotheit  an  dem 
fleisch,  sunder  von  der  ne- 
munge  der  menscheit  in  got. 

Er  ist  ein  deheinen  wis  niht 
von  der  samnunge  der  we- 
sunge, sunder  von  der  einunge 
der  genende. 

Wan  als  deu  redhafte  sei 
and  daz  fleisch  ist  ein  mensch, 
als  ist  got  und  mensch  ein 
Crist. 


150 


V.  AbhuidhiDK :    Schönbach. 


Qui  pa49su8  est  pro  salutc 
nostra^  descendit  ad  inferos^ 
resurrexit  a  mortois. 

Ascendit  ad  cclos,  sedet  ad 
dexteram  Dei  Patris  omnipo- 
lentis. 

Inde  venturus  est,  jadicare 
vivos  et  mortuos. 

Ad  cujus  adventum  omnes 
homines  resurgere  kabent  (I. 
debent)   cum    corporibus   suis. 

Et  reddituri  sunt  de  factis 
propriis  racionem. 

Et  qui  bona  egerunt^  ibunt 
in  vitam  eternam;  qui  vero 
mala,  in  ignem  eternum. 

Hec  est  fides  katholica,  quam 
nisi  quisque  fideliter  firmiter- 
que  crediderit,  salvus  esse  non 
poterit. 


Der  gemartert  ist  um  unser 
heil,  er  für  ze  helle  und  er 
stunt  von  den  toten. 

Er  für  ze  hymel  und  sitzet 
ze  der  zeswen  sines  alwalten- 
den  yaters. 

(182*)  Dannen  ist  er  chunf- 
tich,  zerteilen  lebendige  und 
tote. 

Ze  der  chunft  alle  leute  suln 
ersten  mit  ir  leichnamen. 

Und  suln  rede  wider  geben 
von  ir  eigen  werchen. 

Und  die  gut  habent  getan, 
di  varent  ze  dem  ewigen  Übe, 
und  die  übel  habent  getan,  ze 
dem  ewigen  feur. 

Daz  ist  der  elliche  gelaube, 
iz  ensi  daz  ein  ieglicher  in 
getreulichen  und  steticlichen 
geloube,  er  enmach  niht  be- 
halten werden. 


Studien  zur  GMchiehta  der  altdenttehaii  Predigt.  151 


Übersicht  des  Inhaltes. 


Einleitnng  8. 1. 

Texte  S.  2. 

UnterfluchnngenS.  82.  —  Literatur  und  Quellen  8.  88.  —  Bertholds 
Predigten  gegen  Ketser  8.  84.  —  Mission  8.  86.  —  Katharer  8.  86.  — 
Ihre  Lehren  8.  86.  —  Der  Anfang  des  Evangeliunis  Johannis  8.  98.  — 
Der  deutsche  Text  der  Fragmenta  Burana  8.  95.  —  Waldenser  8.  99. 

—  Ihre  Namen  8.  99.  —  Veränderung  in  ihren  Lehren  8.  101.  — 
Leonistae  8.  103.  —  Ihre  Ansichten  8.  104.  —  Ortliebarier,  Rundarier, 
Pikardi,  Everhardini  8. 106.  --  Alte  Häresien  8. 107.  —  Ketzerlehren  im 
allgemeinen  8. 108.  —  Besonders  auf  Waldenser  lu  beziehen  8.  110.  — 
Die  drei  Gedichte  jVon  der  Würdigkeit  der  Priester'  und  ihre  Quellen 
8. 111.  —  Weiteres  über  Waldenser  8. 116.  —  Ihre  Lebensführung  8. 116. 

—  Ihre  Auslegung  des  Eyangeliums  Johannis  (Anegenge)  8.  117.  — 
Waldenserschriften :  Dreißig  Stufen  Angustins,  Bergpsalmen,  (Wal- 
denserpsalter),  Merat  8. 119.  —  Art  und  Propaganda  der  Ketzer  8.  120. 

—  Verbrennung  8.  123.  —  Halbketzer  und  Pfennigprediger  8.  123.  — 
Juden  und  ihr  Aberglaube  8.  123.  —  Heiden  (Sarrazenen)  8.  126.  — 
Bertholds  Polemik  8. 125. 

Beigabe:    Über   den   Waldenserpsalter  der   kaiserlichen   Hofbibliothek   in 
Wien  8.  128. 


VI.  Abhftndinng:    ▼.  dufflay.  Die  dalrnfttiniseh«  Priratarkund«. 


VI. 

Die  dalmatinische  Privaturkunde. 

Von 

Dr.  Milan  v.  Sufflay. 

(Vorgelegt  am  20.  Mai  190S.) 


Dalmatis  is  thos  physically  s  march-land;  and  its 
physical  posiiion  has  ever  made  it  the  march-laDd  of 
langoages,  empires,  and  religioDS  . . .  Bat  these  coasts  and 
islands  bave  beeo  a  march-land  in  yet  a  fnrÜier  sense  than 
this.  Tbeir  history  haa  made  them  in  all  ages  the  border, 
Bometimes  of  civilization  against  actual  barbarism,  always 
of  a  bigher  civilizatioD  against  a  lower. 

Free  man:  The  iUifrian  emperor*  and  their  land 

(Histarical  Estatjs  JU»  2S), 

I. 

Einleitung. 

Uie  Geschichte  des  römischen  Dalmatien  nimmt  mit  dem 
Falle  von  Salonae  nnd  Epidauras  ein  Ende.  Die  Küstenstädte 
hielten  zwar  an  den  alten  römischen  Überlieferungen  fest  und 
widmeten,  wie  Venedig  nnd  Neapel,  ihre  Neigungen  lange  noch 
dem  oströmischen  Kaisertume,  aber  das  offene  Land  war  von 
jetzt  an  slayisch.  Der  alte  lUyre  wurde  gegen  Süden  auf 
den  Boden  von  Epeiros  gedrängt^  der  Romane  lebte  in  den 
zerstreuten  kulturellen  Vorposten  der  maritimen  Städte.  Doch 
ist  die  eigentümlich  wichtige  welthistorische  Mission,  welche 
das  dalmatinische  Küstenland  durch  seine  geographische  Lage 
in  der  Geschichte  Roms  einst  erhalten  hatte,  nicht  durch  den 
Fall  des  römischen  Dabnatien  verloren  gegangen.  Auch  im 
Mittelalter  blieb  es  ausgesprochen  ein  Grenzgebiet  der  Sprachen, 
Königreiche  und  Religionen.  Dieser  Charakter  als  Grenzgebiet 
verleiht  Dalmatien  den  eigentümlichen  Reiz,  welcher  in  seiner 
alten  und  neuen  Geschichte  den  Forscher  gleich  mächtig  fesselt.^ 

'  Ich   Terweise  aaf  die  tiefsinnigen  Betrachtungen  Freemans,    Historical 
Eways  UI,  22— 61;  Reclas,    Noav.  Geogr.   aniv.  III,  230 ff.;  Gens:  La 
Dalmatie  romame  1 — 71. 
Sitximgiber.  d.  pbil.-hitt.  Kl.  CXLVII.  Bd.  6.  Abh.  1 


2  VI.  Abkftadlong:    v.  SaffUy. 

Die  östliche  adriatische  Küste  ist  der  einzige  Landstrich,  wo 
die  Vorposten  des  gewaltigen  Elementes  der  Slaven  im  Süden 
starke  Fühlung  mit  der  romanischen  Zivilisation  faßten,  an 
allen  ihren  Segnungen,  namentlich  am  städtischen  Leben  teil- 
nahmen, bis  dieselbe  einige  Schritte  von  der  Küste  in  der  vod 
Norden  über  Ungarn  und  Kroatien  kommenden  germanischen 
Kultur  eine  starke  Rivalin  finden  mußte. 

Die  Geschichte  der  dalmatinischen  Privaturkunde  liefert 
in  den  ersten  Jahrhunderten  zur  Kenntnis  der  verschiedenen 
Strömungen  hoher  und  niederer  Kultur  einen  nicht  untauglichen 
Baustein;  seit  dem  13.  Jahrhundert  wird  sie  sogar  zum  Grenz- 
gebiet der  zwei  urkundlichen  Haupttjpen  des  Westens:  des 
italienischen  Notariatsinstrumentes  und  der  deutschen  Siegel- 
urkunde. 

Indem  die  vorliegende  Arbeit  den  Versuch  enthält,  die 
Entwicklung  der  mittelalterlichen  dalmatinischen  Privaturkunde 
von  ihren  bekannten  Anfängen  bis  zur  Annahme  ständiger 
Formen,  welche  bis  in  die  Neuzeit  fortdauern,  darzustellen,  so- 
wie ihre  Stellung  in  der  allgemeinen  Diplomatik  des  Abend- 
landes zu  fixieren,  bewegt  sie  sich  auf  einem  räumlich  fest 
begrenzten  Boden.  Der  ethnographische  Gegensatz  der  ro- 
manischen Städte  zu  den  slavischen  Neugründungen  Dalmatiens 
ist  für  unsere  Zwecke  nicht  entscheidend,  da  sämtliche  Ur- 
kunden unter  dem  Einflüsse  des  Westens  im  großen  und  ganzen 
in  dem  bekannten  Zeiträume  doch  einen  einheitlichen  Entwick- 
lungsgang nehmen  und  die  eventuellen  Verschiedenheiten  der 
älteren  Urkunde,  welche  dem  ethnographischen  Unterschiede 
entspringen  konnten,  im  Laufe  der  Betrachtung  genügend  be- 
tont werden  können.  Dalmatien  wird  somit  in  der  heutigen 
Bedeutung  dieses  Namens  aufgefaßt,  als  der  Küstenrand  von 
Zara  und  Nona  bis  Cattaro  und  Bndva  mit  InbegrifiT  einiger 
mittelalterlicher  Binnenstädte,  wie  Bribir  und  Vrana,  und  der 
Ansiedelungen  an  der  mehrfachen  dalmatinischen  Inselreihe. 

Die  vorliegenden  Forschungen  erstrecken  sich  über  ein 
Material,  dessen  Grenzen  durch  das  Jahr  der  ersten  dalmati- 
nischen Privaturkunde  (918)  und  die  ersten  Jahre  der  ständigen 
venezianischen  Herrschaft  über  die  Küstenstädte  (1409,  1412, 
1421)  zeitlich  genau  fixiert  sind.  Aber  die  Ergebnisse  aus 
diesem  Materiale  bewahren  ihre  Geltung  weiter  in  die  Neuzeit, 


Die  dalnifttinische  FriTatarlcando.  3 

nur  wenig  von  der  venezianischen  Herrschaft  beeinflußt,  und 
finden  ihren  endgültigen  Abschluß  erst  durch  die  Reformen 
der  napoleonischen  Zeit. 

Das  erhaltene  Quellenmaterial   ist  ungleich  in  Beziehung 
auf  Menge,  Wert  und  Zugänglichkeit.     In  erster  Reihe  stehen 
natürlich  die  Urkunden   selbst,   und   hier   wiederum    sind   die 
weitaus  ain    zahlreichsten    vertretenen    städtischen    Urkunden 
maßgebend;  die  außer  städtischen  oder  überhaupt  die  Bewohner 
Dalmatiens  außerhalb   der  Städte  betreffenden  Urkunden  sind 
selten,  aber  umsomehr  willkommen.     Für  die  älteste  Zeit  bis 
zum  13.  Jahrhundert  fließt  das  Urknndenmaterial  äußerst  spär- 
lich ^  außerdem   sind    es  meistens  keine  Originale,   die  uns  er- 
halten sind.    Seit   dem    13.  Jahrhundei*t   wächst  die  Zahl   der 
Jrin^inaldokumente  in  hohem  Maße,  es  beginnen  auch  die  Kon- 
:eptbücher  der  Notare,  Testamente,   Gerichtsbücher,   die  aber 
iir  uns  erst  in  zweiter  Reihe  wichtig  sind.    Dazu  gesellen  sich 
ie  einschlagenden   statutarischen  Bestimmungen  der  einzelnen 
fädte,  welche  die  aus  den  Urkunden  entnommenen  trockenen 
atsachen  in  anschaulicher  Weise  beleuchten. 

Das  erhaltene  Urkundenmaterial  zum  Studium  der  dalmatinischen 
künde  ist  bis  zum  Jahre  1200,  teils  aus  den  schon  vorhandenen  ge- 
ickten  Sammlungen  von  Lucius,  Farlatus,  Carrara  u.  s.  w.,  teils  durch 
IC  Funde  vermehrt,  zuerst  von  Kukuljevic  in  seinem  Codex  diplomaticus 
ni  Croatiae,  Dalmatiac  et  Slavoniae  (1874f.,  zitiert  CSD.)  in  zwei 
iden  zusammengefaßt  worden.  Doch  erwies  sich  diese  Ausgabe  be- 
ders  vom  diplomatischen  und  paläographischen  Standpunkt  aus  als  un- 
iichend  und  die  südslavische  Akademie  beschloß,  in  ihren  ,Monumenta 
tantia  historiam  Slavorum  meridionalium^  zur  Neuausgabe  der  ältesten 
unden  zu  schreiten,  um  dadurch  eine  solide  Basis  für  die  weitere 
likation  der  Urkunden  zu  gewinnen,  die  sich  vorläufig  bis  zum  Jahre 
^  erstrecken  sollte.  So  erschien  im  Jahre  1877  der  erste  Band  dieser 
'■:  Documenta  bistoriae  Croaticae  periodum  antiquam  illustrantia  (in 
SJav.  mer.  vol.  VII),  herausgegeben  von  Radki.  Dieser  Band  cnt- 
neben  anderem  Quellenmaterial  die  Urkunden  bis  1100  und  deckt 
n  dieser  Hinsicht  mit  dem  ersten  Bande  von  Kukuljevic.  Doch  war 
t wendig,  wegen  etlicher  ragusanischer  und  süddalmati nischer  Ur- 
;n ,  die  Itadki  absichtlich  ausgelassen  hatte,  auch  die  Edition  von 
Ijevic  zu  benützen. 

Nach  dem  Tode  RaÖkis  übernahm  die  Redaktion  der  Fortsetzung 
pionriatars  der  Universitätsprofessor  Tade  Smi^iklas,  jetzt  Präsident 
Jb lavischen  Akademie.  Als  sein  Schüler  hatte  ich  die  Ehre,  an  den 
>eiten    für  die  Neuausgabe  des  zweiten  Bandes  von  Kukuljevic,  be- 

1* 


4  VI.  AbhMidliinir:     ▼.  dnfflay. 

sonders  aber  an  der  Sammlung  des  Urkunden materi als  bis  1409  teilsu- 
nehmen.  So  wurde  mir  als  seinem  Begleiter  oder  unter  seiner  Leitung 
im  Dienste  der  Akademie  die  Gelegenheit  geboten,  fast  alle  Archive  und 
Urkundensammlungen  im  dreieinigen  Königreiche  durchzuforscheu.  Ich 
werde  hier  nur  diejenigen  erwähnen,  worin  die  Hauptmasse  der  dalmati- 
nischen Urkunden  aufgespeichert  liegt. 

In  erster  Reihe  kommt  hier  das  Archiv  der  k.  k.  Statthalterei 
zu  Zar a  (zitiert  6 AZ.)  in  Betracht.  Es  enth&lt  hauptsftchlich  die  Urkunden, 
welche  die  drei  großen  Abteien  der  Stadt,  das  Benediktinerkloster  des 
hl.  Chrjsogonus  (zit.  S.  Gris.),  das  Frauenkloster  des  hl.  Nikolaus  (zit. 
S.  Nie),  sowie  die  Abtei  des  hl.  Apostels  Johannes  von  Rogovo,  später 
das  Kloster  der  hl.  Cosmas  und  Damian,  betreffen.  Außerdem  sind  die 
Abteilungen  der  Familien  Ponti  und  Lantana  zu  erwähnen.  Zu  Zara  ist 
noch  von  großer  Wichtigkeit  das  Archiv  des  bestehenden  Frauenklosten 
S.  Maria,  sowie  die  Urkundensammlnng  in  der  öffentlichen  Bibliothek 
Paravia. 

Zu  Sebenico  findet  man  die  einzige  Urkundensammlung  in  dem 
dortigen  Kloster  der  Franziskaner;  zu  Spalato,  Trau  und  Lesina  in 
den  dortigen  Domkapitelarchiven  (zitiert  AGS.  [mit  der  ehemaligen 
Signatur  des  k.  k.  geheimen  Archivs  zu  Wien ,  wo  sich  jetzt  größtenteils 
nur  beglaubigte  Abschriften  befinden],  AGT.,  AGL.).  Beschrieben  sind 
die  zwei  ersten  Kapitelarchive  von  Carrara:  Archivio  capitulare  di  chiesa 
di  Spalato.  1844,  beziehungsweise  von  Pavlovich:  Memorie  di  cose  dal- 
matiche  1861.  Das  Archiv  von  Ragusa  wurde  noch  nicht  für  die 
Zwecke  der  Akademie  benutzt,  da  es  während  der  letzten  zwei  Jahre  ge- 
schlossen war. 

Von  andern  zugänglichen  oder  unzugänglichen  privaten  Urkunden- 
sammlungen in  Dalmatien  erwähne  ich  nur  das  verhältnismäßig  gewaltige 
Material,  welches  sich  im  Besitze  der  Grafen  Begna  inPosedarje  bei 
Zara  befindet  (zit.  Begna).  Von  den  Jahren  1206 — 1409  enthält  dasselbe 
194  Originalinstrumente,  welche  meistenteils  diese  alte  zaratinische  Fa- 
milie betreffen. 

In  Kroatien  enthalten  dalmatinische  Urkunden  das  Archiv  der 
Südslavischen  Akademie  (zit.  AsA.)  und  das  kroatische  Landesarchiv 
zu  Agram.  Während  der  Arbeit  benützte  ich  auch  Urkunden  aus  dem 
k.  und  k.  Staatsarchive  zu  Wien. 

Daß  ich  die  benützten  Originalurkunden  aus  diesen  Urkunden- 
sammlungen im  Laufe  meiner  Abhandlung  genau  zitieren  konnte,  ist  mir 
durch  das  Wohlwollen  des  Präsidenten  der  Akademie,  Professors  Smi^i- 
klaS;  möglich  geworden,  welcher  mir  die  Einsicht  in  die  fast  dnickfertigen, 
gewaltigen  Massen  der  Handschriften  während  meiner  Arbeit  gewährte 
und,  wo  nur  möglich,  mit  Rat  und  Tat  beistand.  Ich  spreche  ihm  hier 
meinen  wärmsten  Dank  aus. 

Was  die  Statuten  der  Küstenstädte  betrifft,  so  sei  erwähnt,  daß 
ich  alle,  dasjenige  von  Ragusa  ausgenommen,  benützt  habe.  Die  ältesten 
Statuten  von  Curzola  (1214,  1254)  und  Spalato  ([1240]  1312),  sowie 


Die  dalmatinische  PriTatnrknnde.  5 

die  voD  Lesina,  Scardona  und  Budva  werden  nach  der  Ausgabe  der  süd- 
slarischen  Akademie  (Mon.  Slav.  mer.  hist.  iur.  vol.  I — III)  zitiert.  Die 
Stataten  anderer  Städte  sind  nicht  neu  publiziert;  deshalb  mußte  ich  mich 
der  älteren  sehr  seltenen,  meist  venezianischen  Drucke  bedienen,  die  sich 
in  vollständiger  Zahl  neben  prächtigen  Handschriften  einiger  derselben 
in  der  Bibliothek  des  obersten  Gerichtshofes  zu  Wien  befinden.    Es  sind 
das  dieSUtoten  von  Zara  1564,  Pago  1637,  Sebenico  1608,  TraÄ  1708, 
Brazza  1616  (Utini),  Cattaro  1615.  (Stat.  Curzolae  1643,  Spalati  1671, 
Lesinae  1642.).    Die  genauen  Angaben  der  Titel  kann  man  bei  Yalen- 
tineili,  ßibliografia  della  Dalmazia  c  Montenegro   1855,    finden.     Die 
große  Seltenheit   derselben    bewog    mich   hauptsächlich,  mehrere   inter- 
essante Stellen  aus  denselben  in  den  Belegen  wiederzugeben.  Die  Statuten 
von  Ragusa  sind  noch  nicht  publiziert;  den  Liber  croceus  von  Ragusa 
aus  dem  Jahre  1460  benutzte  ich  nicht,  teils  absichtlich,  weil  ich  nur 
H'cnige  ragusanische  Urkunden  zur  Verfügung  hatte,  teils  unabsichtlich, 
weil  mir  eine  Handschrift  momentan  nicht  zur  Verfügung  stand. 

In  bezug  auf  ander()  von  mir  benützte  und  zitierte  Quellen  können 
licse  Bemerkungen  aus  den  Zusammenstellungen  des  Professors  Jire^ek 
Romanen  in  Dalmatien.  Denkschriften  der  kais.  Akad.  48,  4  ff.)  über 
as  Quelienmaterial  ergänzt  werden. 

n. 

Oesehichte  des  Notariats  In  Dalmatien. 

1.  Die  Urkundensohr eiber  der  Küstenstadte  bis  zu  den 
Anfangen  des  Notariatsinstitutes  (um  das  Jahr  1160). 

Nach  der  Verwüstung  Dalmatiens  durch  Awaren  und 
ven  und  dem  Untergang  von  Salonae  und  anderen  Städten  ^ 
inen  wir  wegen  des  fast  gänzlichen  Mangels  an  Quellen 
rhaupt  nicht  einmal  in  den  alten  großen  Städten  Dalmatiens, 
Jader  und  Tragurium,  noch  auch  in  den  Inselstädten^ 
unberührt  von  den  Invasionen  sich  weiter  behaupteten, 
Weiterentwicklung  des  gewaltigen  Körpers  der  Beamten 
:>]gen,  der  doch  noch  in  der  spätrömischen  Zeit  in  dieser 
sehen  Provinz  nachzuweisen  ist.  Obgleich  es  unmöglich 
iinen  genauen  Beweis  zu  erbringen,  daß  die  Einrichtungen 
»fTentlichen  Schreiberwesens  in  Dalmatien  an  den  römischen 


Ummler ,  Wiener  Sitzungsberichte  20,  866  setzt  den  Zeitpunkt  der 
'oberun^  unter  die  Regierung  des  Kaisers  Heraklins;  Jireiek,  Romanen 
'enkschriften  4S,  p.  26)  in  die  letzten  Btilrmiscben  Jahre  der  Regierang 
3    Piiokj 


6  VI.  Abhandlung:    t.  gofflay. 

Brauch  anknüpften,  wie  eine  solche  Kontinaität  für  fast  ganz 
Italien  festzustellen  ist,^  so  kann  man  dennoch  vermuten,  daß 
die  Tabularii  und  Exzeptores,  die  uns  in  der  römischen  Zeit 
genannt  werden,^  auch  später  in  den  erhaltenen  römischen 
Städten  Urkunden  verfaßten,  lange  nachdem  die  städtischen 
römischen  Behörden  verschwunden  waren.  Denn  fortwährend 
im  Zusammenhange  mit  dem  oströmischen  Kaiserreiche  befind- 
lich mußte  der  übergebliebene  römische  Kern  der  öffentlichen 
Einrichtungen  in  den  genannten  Städten  einen  im  Anfange 
noch  von  Italien  unabhängigen,  aber  besonders  mit  Mittelitalien 
analogen  Entwickelungsgang  nehmen,  da  die  Bedingungen 
dafür  fast  die  gleichen  waren.  Es  ist  dies  um  so  wahrschein- 
licher, da  auch  eine  vage  Erinnerung  an  die  Tabellionen,  die  in  der 
offiziellen  Liste  der  römischen  Beamten  Dalmatiens  wegen  ihres 
privaten  Charakters  natürlich  nicht  genannt  werden  konnten,' 
wachgerufen  durch  die  gegen  das  Ende  des  12.  Jahrhunderts 
in  Norditalien  immer  bekannter  werdende  Justinianeische  Kom- 
pilation,^ aus  den  Statuten  von  Zara  durchschimmert^  und  in 


^  Brnnner,  Zur  Rechtsgeschichte  143.  Breßlau  438  ff.  Voltelini,  Die  Sfid- 
tiroler  Imbreviaturen  (Acta  Tirol.  II,  p.  XIV  f.). 

'  Notitia  dignitatum  c.  45,  p.  127  sub  iarisdictione  viri  perfectiasimi  prae- 
sidis  Dalmatiae  provincia  Dalmatiae  officium  antem  habet  hoc  modo: 
principem  ex  eodem  officio,  cornicularium ,  tabularios  duos  .  .  .  ex- 
ceptores  .  .  .  cf.  Ljubid,  O  upraviteljih  Dalmacije,  Rad  jagoalov.  Akad., 
vol.  31,  p.  56 — 68;  Cons.:  La  Dalmatie  romaine  350 — 360.  cf.  Bethmann- 
Hollweg,  Der  Zivilprozeß  UI,  133  ff.  160  f. 

'  S.  die  vorige  Note;  cf.  Bethmann-Hollwcg  III,  169;  Kariowa,  Römische 
Rechtsgeschichte  I,  999  ff. 

*  In  ihr  ist  der  Ausdruck  tabellio  zur  Bezeichnung  der  gewöhnlichen 
Notare  am  gebräuchlichsten;  cf.  Savigny,  Geschichte  des  römischen 
Rechtes  im  Mittelalter,  Buch  I,  c.  2. 

^  Die  Bezeichnung  ,tabellio'  kommt  in  diesen  Statuten  neben  ,notarius' 
sehr  häufig  vor.  Es  ist  eben  daraus  zu  entnehmen,  daß  die  ersten  das 
Schreiberwesen  betreffenden  statutarischen  Aufzeichnungen  zu  Zara  ge- 
rade mit  dem  Wiederaufleben  und  wachsenden  Ansehen  der  römischen 
Jurisprudenz  in  Oberitalien,  welche  hier  den  Ausdruck  tabellio  geläu- 
figer machte  (cf.  Österley,  Geschichte  des  deutschen  Notariats  I,  143) 
zusammenfallen,  also  wenigstens  in  den  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  zu 
versetzen  sind.  Cf.  die  Urkunde  von  Zara  a.  1181  (CSD.  II,  164),  wo 
es  das  einzige  Mal  vorkommt,  daß  sich  der  Notar  ,Jadre  tabellio'  nennt. 
Auch  Reutz,  Der  Rechtszustand  der  dalmatinischen  Küstenstädte  13.  — 
Das  Erscheinen   denselben   Ausdruckes    im   Statutenbuche   von   Sebenico 


Die  dalmatinische  PriTatarknnde.  7 

der  ältesten  Urkunde   von   Zara   spätrömische  Reminiszenzen 
zum  Vorschein  kommen.^ 

Doch  ist  die   Weiterentwicklung    nicht   eine   einheitliche 
gewesen  nnd  vom  9.  Jahrhundert  angefangen  gewiß  auch  teil- 
weise keine  selbständige.    Denn  nach  der  Unterwerfung  Istriens 
(788)  und  der  Kroaten    durch   die   Franken    begann   für   die 
Städte  Norddalmatiens   und   speziell  für  Zara   die  Zeit  des  di- 
rekten Einflusses   des   Westens ^^   besonders    Norditaliens,   der 
in  dem  dalmatinischen  Urkundenwesen  des  10.  und  11.  Jahr- 
hunderts scharfe  Nachwirkungen  hervortreten  läßt.     In  dieser 
Zeit,  also  wahrscheinlich  schon  im  9.  Jahrhundert  tauschte  der 
saratinische  Urkundenschreiber    seine    uns    unbekannte,    aber 
iweifelJos  an  den   römischen  Brauch   anknüpfende  Benennung 
ur   den   Titel   ,notarius'   ein,*   welcher   Titel   im   Gebiete   der 
rangobarden  die  Befugnis  verlieh,  Urkunden  zu  schreiben  und 
e  mit  öffentlicher  Glaubwürdigkeit  zu  bekräftigen.     Ebenso 
acht  schon  in   der   ersten   Urkunde   von  Ragusa   ein  Notar 
f,   nur   daß   er   in    dieser   Neugründung    wahrscheinlich  aus 
m    primitiven    dalmatinischen    Privatschreiber    der    ältesten 
It  hervorging,  von  dem  unten  die  Rede  sein  wird. 

Es  ist  eben  ein  neuer,  fremder  Schleier,  welcher  dadurch 
'  die  zaratinische  Urkunde  ftlUt  und  ihr  jede  Spur  der  An- 
(jjfang  an  das  römische  Schreiberwesen  raubt,  so  daß  sie 
dieser  Beziehung  von  der  zwei  Jahrhunderte  späteren  Ur- 
de  der  Inselstädte  überboten  wurde.  Denn  diese,  von  der 
n  Eroberung  der  Kroaten  nicht  betroffen,  ja  vielmehr  Zu- 
itsort    für    die   flüchtigen   edlen  Römer,^  blieben  auch  zeit- 


ürfte,    wie    auch  viele  andere  Verordnungen  dieses  Buches,    eine  Ent- 
^hnung*  aus  dem  zaratinischen  Statut  sein. 

unten  §§  6,  15.  '  Jire^ek  1.  c.  32. 
yc.  Nr.  32,  a.  1033,  Nr.  35,  a.  1036.  —  Wenn  in  der  ältesten  zaratini- 
iien  Urkunde  von  918,  Nr.  13  der  Schreiber  Johannes  diaconus  nicht 
n  Titel  notarius  fahrt,  so  ist  daraus  nicht  zu  schließen,  daß  der  Titel 
bst  unbekannt  war;  denn  erstens  konnte,  da  wir  von  dieser  Urkunde 
r  eine  Abschrift  besitzen,  das  ,atqne  notarius'  leicht  ausgefallen  sein, 
i^itens  kommt  ein  Fall  später  vor,  wo  in  der  Orid^inalunterschrift  eines 
reibers  dieser  Titel  fehlt,  der  ihn  sonst  führt  (Nr.  38,  cf.  Nr.  35).  — 
'  die  JPormol  post  traditam,  welche  den  italienischen  Einfluß  zweifel- 
be^veist,  s.  unten  §§  4,  6. 
irelli,    Oftservazioni  sulF  isola  della  Brazza  46.  Venezia  1802. 


8  VI.  AbbftadlQDff:    ▼.  dnfflay. 

weise  von  dem  westlichen  politischen  Einfluß  und  somit  von 
diesen  kulturellen  Beziehungen  teilweise  verschont^  litten  da- 
gegen freilich  umsomehr  von  den  Raubzügen  der  Araber  und 
der  Piraterie  der  slavischen  Narentaner.^ 

Darum  zeigen  sich  hier  die  Verknüpfungen  der  Urkunden- 
schreiber mit  den  ehemaligen  römischen  Behörden  am  aus- 
geprägtesten, indem  dieselben  im  auffallenden  Gegensatz  zu  den 
geistlichen  Schreibern  Dalmatiens  Laien  sind  und  sich  scribae 
nennen  und  somit  an  ein  officium  municipale  anknüpfen.^  Aber 
eben  aus  demselben  Grunde  ist  der  starke  slavische  Sprach- 
geist kenntlich,  welchen  die  ruhig  vollzogene  Slavisierung  der 
Inseln  dem  fremdartigen  lateinischen  Stile  der  Urkunde  auf 
drückte.'  Diese  für  ganz  Dalmatien  ungewöhnliche  Bezeichnung 
yScriba'  behauptete  sich  zu  Brazza  zäh  weiter,  lange  nachdem 
das  Notariat  in  allen  anderen  Städten  schon  blühte;  da  sie 
aber  eben  unter  dem  Einflüsse  dieses  nahen  Institutes  mit  dem 
Ausdrucke  notarius  schon  lange  gleichbedeutend  war,  so  sind 
die  sonst  nur  bei  den  Notaren  üblichen  Zusätze  auch  bei  den 
Scribae  von  Brazza  anzutreffend 

Dagegen  kann  in  den  aus  ihren  Ruinen  neu  auferstan- 
denen,  ehemals   römischen  Städten  Spalato,   Scardona,   Ra* 


»  Cf.  Jireßek  1.  c.  30  f. 

*  CSD.  n,  20,  a.  1111  Brasza.  Et  ego  Lanrencins  fiUns  Fabian!  Radomiri 
scriba  secandas  scripsi  proat  volaerant  lege 8  bona  fide  sine  fraade 
et  dolo.  —  Wenn  der  Aosdruck  scrlba  sonst  in  anderen  Städten  ge- 
legentlich aach  im  14.  Jahrhundert  vorkommt,  so  bezeichnet  er  immer 
einen  Schreiber  im  Dienste  eines  einzelnen  Herrn,  z.  B.  1312,  Zara:  ego 
Nicolans  ...  de  Verona  imp.  anct.  notarius  et  domini  electi  scriba 
(or.  GAZ.  s.  Nicol.  Nr.  107).  —  Aus  dem  Rangunterschiede,  welcher  ans 
der  Bezeichnung  scriba  secundus  hervorgeht,  auf  eine  kollegfialische 
Organisation  der  Schreiber,  wie  sie  im  Herzogtume  Amalfi  und  Oaeta 
zu  finden  ist  (Breßlau  441),  zu  schließen  hindert  der  Umstand,  daß  man 
in  keiner  anderen  dalmatinischen  Stadt  eine  Spur  davon  findet.  Wahr- 
scheinlich ist,  daß  dieser  scriba,  welcher  der  Behörde  als  Schreiber  bei- 
gegeben war,  die  Bezeichnung  als  secundus  führt,  um  sein  untergeord- 
netes Verhältnis  zu  dem  ersten  Kanzleibeamten  auszudrücken.  Cf.  Paoli- 
Lohmeyer  106,  Nr.  4. 

*  S.  z.  B.  die  Urkunde  von  1184.   Brazza  CSD.  II,  294.  Cf.  Reutz  o.  c.  4. 

*  a.  1288.  Brazza.  Et  ego  Crasorus  filius  Petri  de  Spaleto  iuratus  scriba 
communitatis  Brazie  scripsi  (Cicarelli:  Osserv.  suir  isola  della  Brazza, 
p.  111.  Wenczel,  Cod.  dipl.  Arp.  IV,  338). 


Die  dalmatinisctae  PriTatnrkande.  v 

gnsa,  sowie  in  den  kroatischen  Neugründangen  wie  Nona, 
Sebenico  von  einem  Fortbcstehen  der  römischen  Einrichtungen 
in  dieser  Beziehung  nicht  die  Rede  sein.  Es  entstanden  hier^ 
sofern  Rückschlüsse  aus  den  späteren  Urkunden  des  11.  Jahr- 
hunderts sie  zu  entschleiern  gestatten,  Verhältnisse,  welche  in 
Bezug  auf  das  Schreiberwesen  lebhaft  an  diejenigen  innerhalb 
des  langobardischen  Italiens  und  des  fränkischen  Reiches  vor 
]er  karolingiscben  Gesetzgebung  erinnern.^  Denn  eine  Be- 
chränkung  des  Rechtes,  Urkunden  von  wem  immer  man  wollte, 
cbreiben  zu  lassen,  hat  hier  nicht  bestanden.  Bis  über  die 
litte  des  12.  Jahrhunderts  ist  keine  Urkunde  dieser  Städte 
I  ünden,  deren  Schreiber  seinem  Namen  eine  Bezeichnung 
nzuflJgen  würde,  woraus  hervorginge,  daß  er  die  Anfertigung 
n  Urkunden  im  amtlichen  Auftrage  oder  gewerbsmässig  be- 
nhe.  Der  Umstand  aber,  daß  zur  Aufnahme  der  Urkunden 
den  ersten  Zeiten  die  erforderliche  Bildung  nur  bei  den  Mit- 
sdem  des  Klerus  angetroffen  werden  konnte,  mochte  schon 
r  früh  veranlaßt  haben,  daß  hier  wie  auch  in  Zara  aus- 
ließlich  nur  Geistliche  zu  diesem  Zwecke  gewählt  und  zu 
;r  Art  gewerbmäßiger  Schreiber,  beziehungsweise  Notare 
'den.  Somit  sind  die  ältesten  Urkunden  Dalmatiens  nur 
geistlichen  Schreibern  verfaßt^  welche  ihren  Stand  als: 
3opn8,  presbiter,  monachus,  diaconus,  subdiaconus  angeben.^ 
^ara  und  Ragusa  sind  die  ersten  Notare  Geistliche.  In 
ito  sind  im  11.  Jahrhundert  mehrere  Geistliche  als  Schreiber 
zuweisen,  unter  denen  wir  auch  den  Kanzler  des  kroa- 
m  Königs  Svinimir  vorfinden.  Es  ist  das  der  durch 
langjährige  Tätigkeit  (1069 — 1083)  ausgezeichnete  Geist- 
Tbeodoras,  der  zuerst  Cancellarius  der  Domkirche  von 
:o,  dann  Capellanus  des  Königs  Kredimir  war,  endlich  sich 
/"tirde  des  königlichen  Kanzlers  emporschwang.  Die  von 
erfaßte  Privaturkunde*  weist  auf  eine  eigentümliche  Ein- 
ig der  kroatischen  königlichen  Kanzlei,  welche  hierin  ein 
stück  zur  lombardischen  bietet^  wo  die  zum  Dienste  des 
verpflichteten    Beamten    zu    gleicher    Zeit    auch    als 


3reßUa   442  ff.  476. 

Ir  die   ftlteste  Zeit  Doc.  Index  sub  v.  Scriptor  p.  533. 
102,   A.  1078. 


10  vr.  AbhAndUng :    t.  dnfflay. 

aligemeine  Privatschreiber  tätig  waren.^  Die  Gestaltung  des 
Schreiberwesens  in  anderen  Städten  kann  man  sich  gewiß  der 
obigen  analog  denken.  Direkte  Bestätigung  darüber  geben 
uns  nur  wenige  Urkunden  erst  aus  dem  12.  Jahrhundert.* 
Ebenso  bei  den  Kroaten,  wo  die  Zahl  der  Schreib-  und  Sprach- 
kundigen gewiß  eine  äußerst  geringe  war.^  Außer  dem  ge- 
legentlichen geistlichen  Schreiber^  finden  wir  hier  auch  eine 
Art  von  wandernden  Schreibern,  die  sich  dem  Dienste  der 
kroatischen  Stämme  widmeten  und  ihrem  Rufe  in  verschiedene 
Orte  folgen.  So  trifft  man  einen  Priester  und  Mönch  Adam, 
der  in  demselben  Jahre  1070  in  drei  Städten  Urkunden 
schreibt,^   gebeten   einmal   von    einem    kroatischen    Magnaten, 

V 

das  anderemal  von  einem  Zupan,  das  drittemal  von  den  Ge- 
nossen einer  angesehenen  Sippe. 

Bald  aber,  schon  am  Ende  des  1 1 .  Jahrhunderts,  wurde 
auch  Zara  durch  die  rege  wechselseitige  Berührung  mit  den 
benachbarten  Kroaten  ^  in  dieser  Beziehung  den  übrigen  Küsten- 
Städten  gleichgestellt.  Denn  der  Titel  ,notarius^,  der  noch  am 
Anfange  des  Jahrhunderts  vorkommt,  in  seiner  ursprünglichen 
Bedeutung  gleich  den  Scribae  publici  des  langobardischen  Ge- 
setzes,^ berechtigte  die  zaratinischen  Notare  gar  nicht,  die  Ur- 
kunden allein  zu  verfassen,  wie  dies  schon  daraus  hervorgeht, 
daß  sich  ein  Notar  nicht  immer  als  solcher  bezeichnet,  sondern 
sich  durch  Auslassung  dieses  Titels  dem  geistlichen  Privat- 
schreiber gleichstellt.^  Bald  kommen  Fälle  vor^  daß  die  geist- 
lichen Empfänger  selbst  die  Herstellung  der  für  sie  bestimmten 
Urkunden  besorgen  oder  besorgen  lassen,^  bis  endlich  für  ein 
ganzes  Jahrhundert  jede  stärkere  Spur  des  Notariats  zu  Zara 


^  Die  Meinung  Paolis,  Dipl.  59.  (Übersetzang  von  Lohmeyer  [sitiert  L.]  77.) 

•  So  für  Cattaro  CSD.  II,  36. 

'  Für  die  fOrstlicbe  und  königliche  Kanzlei  siehe  die  ziemlich  weit- 
schweifige Abbandlang  von  Raiki,  Hrvatska  dvorska  kancelarija,  Rad  35, 
p.  2  ff.  Etwas  darüber  auch  bei  Fejörpatakj:  Kutatisok  DalmAtia  lev^l- 
tirkhän  (Szazadok  1881,  214  ff.). 

*  Doc.  29,  72.         >  Nona  Doc.  Nr.  60,  Zara  Nr.  63,  Belgrad  Nr.  62. 

•  Cf.  Jirecek  1.  c.  94  f. 

*  Ratchis  8  (M.  G.  LL.  IV.  189),  Breßlau  448,  Voltelini  1.  c.  p.  XIV. 

*  Doc.  Nr.  33.  Ego  Anfredus  presbiter  scripsi  et  roboraui.  Nr.  35.  Ego  An- 
freduB  sacerdos  et  notarius  .  .  . 

•  S.  unten  §  21. 


Di«  dulmatioische  PriTatnrlrando.  1  1 

erlischt'  and  nar  die  VoUziehangsformel   noch  eine   Zeitlang 
die  Erinnerung  an   die  Notare    wachhaltet.'     Die   Urkunden 
werden  von  der  Mitte  des   11.  bis  in  die  Mitte  des  12.  Jahr- 
banderts  von  einem    geistlichen   Privatschreiber    verfaßt,    der 
oft  als  solcher  nur  ans   seiner  Position  in  der  Urkunde^   als 
letzter  der  Zeugen,  zu  erkennen  ist.^    Wenn  auch  der  Mangel 
an  urkundlichem  Material  bei  dem  völligen  Verschwinden  der 
Notare  zu  Zara  und  Ragusa  mitspielen  dürfte,   so  kann  man 
doch  das  unzweifelhafte  Überhandnehmen  des  Privatschreiber- 
wesens in  den  genannten  Städten  als  einen  vollständigen  Sieg 
des   in  Dalmatien    selbständig    entwickelten    Schreiberwesens 
iber  die  ersten  Angriffsversnche  des  keimenden   italienischen 
Notariats  ansehen. 


2.  Die  Ausbildung  des  Kotariats  in  den  dalmatinisohen 

Städten  (1160—1260). 

Der  selbständigen  Weiterentwicklung  des  Schreiberwesens 
den  Etlstenstädten  wurde  bald  durch  den  zum  zweitenmal 
greifenden  Einfluß  des  italienischen  Notariats  in  der  zweiten 
Ifte  des  12.  Jahrhunderts  Einhalt  getan.  Indem  wir  in  der 
;en  Periode  gewerbsmäßige  Urkundenschreiber  nur  in  Zara 
Kagusa  antrafen ,  sahen  wir  die  Beeinflussung  lokal  be- 
'änkt  und  darum  auch  leicht  zu  verwischen.  Diesesmal 
*eckt  er  sich  auf  die  ganze  östliche  Küste  des  Adriatischen 
res.  Das  Notariat,  unterstützt  von  politischen  und  kul- 
len  Faktoren,  welche  der  geographischen  Lage,  den  Nei- 
en  and  hauptsächlich  der  Verfassungsrichtung  der  kleinen 
itinischen  Republiken  entsprangen,  hinterläßt  nicht  nur 
in,  sondern  absorbiert  sehr  bald  alle  eigentümlichen  Bei- 
ungen,  die  es  sich  in  der  ersten  Zeit  seines  zweiten  Ein- 
jns  von  dem  vorgefundenen  Schreiberwesen  und  einheimi- 
Kechtssitten  gefallen  ließ. 

Das    Bedürfnis    nach    öffentlichen    Schreibern    war,    wie 
D^    in   Dalmatien   bis   in   die  Mitte  des  12.  Jahrhunderts 


erste   l^otar  des  18.  Jahrhunderts  zu  Zara  a.  1164.  CSD.  II,  90. 
38,    63,    106,  a.  107S. 
II,  9.    11.    12.  16. 


12  VI.  AbbandlQDg:    y.  gnfflay. 

nur  durch  geistliche,  nur  zuweilen  und  lokal  gewerbsmäßige 
Schreiber  befriedigt  worden.  Jetzt  waren  es  eben  dieselben, 
welche  hauptsächlich  dazu  beitrugen ,  um  in  den  Stand  der 
Notare  erhoben  zu  werden.  Indem  sie  als  Geistliche  ihre  Stu- 
dien gewöhnlich  in  Oberitalien,  in  Bologna  und  Pavia  vollen- 
deten,^ lernten  sie  an  der  Quelle  selbst  das  Institut  kennen, 
eben  zur  Zeit,  als  die  Glossatoren  sein  Wesen  einer  besonderen 
Bearbeitung  unterzogen.  Es  kann  in  der  Tat  nicht  auffallen, 
daß  bei  den  in  Italien  herangebildeten  Schreibern  der  Städte 
bald  der  dringende  Wunsch  entstehen  mußte,  den  Notareu 
Italiens,  die  so  manches  vor  ihnen  voraus  hatten,  verhältnis- 
mäßig gleichgestellt  zu  werden.  Diesem  natürlichen  Bestreben 
kam  gewiß  schon  jetzt  das  Bedürfnis  der  Regierung  und  die 
Verfassungsrichtung  der  Städte  entgegen,  wie  wir  die  Tätigkeit 
derselben  in  dieser  Beziehung  später  im  erhöhten  Grade  fest- 
stellen werden. 

So  kam  es,  daß  unter  dem  Einflüsse  der  Notariatsschulen 
Norditaliens  das  Notariat  in  einigen  Städten  wie  Spalato,  Trau, 
Lesina,  Sebenico,  Almissa,  Nona,  Cattaro  in  der  zweiten  Hälfte 
oder  an  der  Wende  des  12.  Jahrhunderts  begründet,^  zu  Zara 


'  So  berichtet  der  Verfasser  der  Ilistoria  Salonitana  Thomas  archidiaconos 
Spalatensis,  daß  er  in  Bologna  studierte  c.  26,  p.  98.  Zu  Zara  kommt 
1237—1240  (or.  GAZ.  s.  Gris.  I,  B.  6  —  Ib.  XVU,  B.  9)  ein  Notar  vor, 
der  sich  magist  er  Gregorius  (Jadrensis  notarius)  neunt,  eine  Würde, 
die  ohne  Zweifel  auf  einer  italienischen  Universität  erlangt  wurde  und 
lange  Zeit  gleichbedeutend  mit  ,doctor*  war;  cf.  Savigny,  Die  Geschichte 
des  römischen  Rechtes  III,  153  f. 

^  Der  erste  Schreiber,  der  sich  notarius  bezeichnet  zu  Spalato  a.  1176, 
CSD.  II,  131  (Nr.  38,  wo  schon  a.  1129  ,prete  Sabatio  nodaro  ginrato' 
genannt  wird,  ist  gewiß  falsch  datiert  cf.  Nr.  144,  166,  175,  178  f.);  au 
Traä  a.  1213  (ed.  Wenczel  XI,  330  falsch  unter  1203):  et  ego  Gausenna 
primicerius  et  traguriensis  iuratus  notarius  .  .  .  scripsi  et  signo  con- 
sueto  signaui;  zu  Lesina  1226  (ed.  Ljubiö,  Stat.  Lesinae  374).  Et  ego 
presbiter  Bemardus  com.  iuratus  notarius  .  .  . ;  zu  Sebenico  1243  (or.  AaA.) 
ego  Leonardus  notarius  Sebenici  iuratus  .  .  .;  zu  OmiS  (Almissa)  1845  (or. 
Staatsarchiv  zu  Wien,  Alm.  163/5  ed.  Wenczel  YII,  205)  et  ego  diaconus 
Ceprena  iurat.  not.  .  .  .;  zu  Nona  1267  (or.  S.  Maria  zu  Zara)  et  ego 
Stephanus  primicerius  et  Non.  not.  .  .  . ;  zu  Cattaro  1261  (or.  AaA.)  quod 
presens  scriptum  fieri  fecimus  per  manum  diac.  Miche  Gige  com.  no- 
tarii  ...  —  Doch  dürften  diese  zuerst  genannten  Notare,  den  von  Spa- 
lato ausgenommen,  nicht  überhaupt  die  ersten  sein. 


Die  dalnatinisehe  Privaturkund«.  13 

nnd  Ragnsa  aber  die  yerdorrten   Keime   desselben  gründlich 
erfrischt  wnrden. 

Besonders  in  Zara  ist  infolge  der  geographischen  Lage 
and  des  aasgeprägt  lateinischen  Charakters^  der  Anschluß  an 
Oberitalien  in  der  ersten  Zeit  enger  gewesen  als  in  den  übrigen 
Stüdten.    Zwar   blieb  das  Notariat  in    dieser  Zeit  wie  auch 
später  im  Grande  nicht  verschieden  von  den  neu  entstandenen 
Instituten  in  anderen  Städten,  aber  die  Urkunde  bekommt  früher 
die  Hauptmerkmale  des  Instrumentes.'    Auch  ist  ein  Wieder- 
sehein der  in   Italien    eben    erwachten    romanistischen    Juris- 
prudenz in  dem  Ausdrucke  ,tabellio^  für  ^notarius'  sichtbar.^ 
Gerade  wegen  dieses  stärkeren  apperzeptiven  Momentes  kann 
Dan  annehmen^  daß  die   Befriedigung  des  gegenseitigen  Be- 
lürfnisses,  einerseits  der  Schreiber,   anderseits  der  Regierung, 
ier  einfach  auf  dem  Wege  der  Gewohnheit  erfolgen  konnte. 
He  neuerscheinenden  Notare  vergrößerten  den  einfachen  Titel 
3r  einstigen  Notare  durch   den  Zusatz  der  Stadt^   indem  sie 
(mit    die    gewohnheitsmäßig    herausgebildete    örtliche    unbe- 
hränkte  Kompetenz  bezeichneten.     Erst  gegen  das  Ende  des 
.  Jahrhunderts   gebrauchen   sie    momentan   Znsätze,    welche 
t  Verwendung  derselben   bei   der  Behörde   und   die  Autori- 
ion    der  Stadt  zur  Ausübung  des  Gewerbes,   also   die'^ Ein- 
sang durch  dieselbe,  deutlicher  hervortreten  lassen.^  Später 
über  die  Mitte   des  13.  Jahrhunderts   bezeichnet  der  Aus- 
3k  ,notarius  Jadrensis'  wiederum  dieselbe  und  einzige  Ge- 
der  Einsetzung.^ 

In  anderen  Städten  erreicht  das  Notariat  sogleich  dieselbe 
3;    und  da  die  Kluft,   welche   die  früheren  Schreiber  von 


f.  Jire6eh  1.   c.  44  f. 

§  8. 

oben   §    1,  S.  6,  Note  ö. 

r  erste  bekannte  Notar  yon  Zara  im  12.  Jahrhundert  führt  den  Titel 
>hannes)  Jadertinus  notarius  (1164  —  1172  CSD.  II,  90,  121);  der  zweite 
ttheos  s.  Anaatasie  sabdiaconiis  atque  Jadrenses  notarius  (1175—1183, 

129,  173);  der  dritte:  Blasius  diaconus  et  Jadrensis  notarius  (1178 — 
1  Nr.  118,  or.  GAZ.  s.  Gris.  XIV.  D.  1),  aber  auch  Jadertine  ciui- 
9   not.    and   Jadrensis  curie  ac  ciuitatis  not. 

erste  Notar,  welcher  durch  noch  eine  andere  Gewalt  eingesetzt 
ie,  ist  Jl^odouisius  sacri  palatii  not.  et  unnc  Jadre  iut'atns  not.  (or. 
;.    8.    Nie.    Nr.  64)  a.  1271. 


14  VI.  AbhandloDg:    ▼.  8nffUj. 

den  Notaren  trennte^  größer  als  zu  Zara  war,  erscheint  es 
wahlscheinlich,  daß  sie  auf  dem  Wege  der  Gesetzgebung  aus- 
gefüllt wurde.  Die  hier  überall  übliche  Bezeichnung:  ,iuratus 
notarius  communis'^  drückt  dieselbe  städtische  Oewalt  der 
Einsetzung  wie  zu  Zara  aus,  aber  auch  die  Vorsorge  der  Ge- 
meinde, welche  durch  den  Eid  des  Notars  eine  Bürgschaft  für 
das  ihm  geschenkte  öffentliche  Vertrauen  haben  wollte.*  Dieser 
letztere  Zug  ist  in  den  Unterschriften  der  zaratinischen  Notare 
dieser  Periode  zwar  nicht  ausgeprägt,  aber  wegen  der  Be- 
tonung, welche  schon  die  ersten  fremden  Notare  auf  den  ge- 
leisteten Eid  legten,  kann  er  für  die  einheimischen  Notare, 
welche  die  Bezeichnung  ,iuratus'  erst  im  14.  Jahrhundert  nur 
dann  gebrauchen,  wenn  sie  dadurch  die  Einsetzung  durch  die 
Stadt  derjenigen  durch  die  kaiserliche  Gewalt  gegenüber  be- 
tonen wollen,  als  selbstverständlich  gelten.^  Es  ist  aber  nicht 
ausgeschlossen,  daß  vielleicht  doch  den  geistlichen  einheimischen 
Notaren  zu  Zara  zuweilen  der  Eid  erlassen  wurde,  wie  dies 
(br  Cattaro   gewiß   erscheint/     Zu  Ragusa   endlich  ist  die  Be- 


'  S.  oben  S.  12,  Note  2,  dazu  für  Ra^sa  a.  1231  ego  presbiter  Pascalis  et 
com.  not.  iuratus. 

'  Die  Eidesformel  habe  ich  nicht  gefunden,  aber  wie  aus  den  Stat.  Spal. 
vet.  c.  59  (notarius  teneantur  uinculo  sacramenti  .  .  .  contractum  in 
publicam  formam  reducere)  und  St.  Jadr.  1.  2,  c.  89  zu  vermuten  iFt, 
sind  sie  kaum  von  denen  bei  Giul.  Durantis  Speculum  iuris  (Venesia 
1602)  1.  II,  part.  III.  de  instr.  ed.  §  8,  n.  37,  38  erhaltenen  wesentlich 
verschieden. 

'  Der  erste  zaratinische  Notar,  der  sich  ,iuratU8'  nennt,  ist  der  oben  (8.  13, 
Note  5)  zitierte  Pfalznotar  Lodouisius.  Nach  ihm  gebrauchen  diese  Be- 
zeichnung Nicolaus  Feltrensis  sacri  palatii  notarius  et  Jadre  iuratus 
1274—1278  (or.  GAZ.  s.  Dom.  Nr.  683.  —  Ib.  s.  Gris.XV);  Henricus  imp. 
auct.  not.  et.  Jad.  iuratus  1278 — 1296  (or.  AsA.  —  s.  Maria);  Johannes 
Quali  imp.  anct.  not.  et  Jad  iur.  1291—1296  (or.  GAZ.  s.  Gris.  V,  96  -> 
s.  Maria)  etc.  Die  einheimischen  Notare  führen  in  ihrer  Unterschrift 
diese  Uezeichnung  nur,  wenn  sie  zugleich  kaiserliche  Notare  sind,  so 
z.  B.  Michael  Leonardi  imp.  auct.  not.  et  Jadre  iuratus  1310 — 1339  (GAZ. 
s.  Dom.  Nr.  699  —  s.  Maria).  Daß  aber  nicht  nur  Laien,  sondern  auch 
Geistliche  sich  in  diesem  Falle  iurati  nennen,  beweist  Helyas  canonicns 
Spalatensis  imp.  auct.  not.  et  Jadre  iuratus  (1366 — 1372). 

*  Der  einzige  geistliche  Notar,  den  ich  fttr  Cattaro  aufUhren  kann,  ist 
Micha  Gige  (1261 — 1279);  er  nennt  sich  einfach  communis  notarius. 
Da  nach  dem  Stat.  von  Cath.  c.  126  der  Klerikus  zu  keinem  Eide  ge- 
zwungen werden  konnte,    so  ist  sehr  wahrscheinlich,   daß  man  hier  die 


Dio  dalnialiniBcbe  FmaiQrlLQiido.  15 

eidigung  des  Gemeindenotars  nicht  sofort  mit  der  Erneuerung 
des  Notariats  in  dieser  Stadt  in  Qebrauch  gekommen,  vielmehr 
scheiDt  hier  in  dieser  Beziehung  eine  Nachahmung  des  Brauches 
der  anderen  dalmatinischen  Städte  stattgefunden  zu  haben.  ^ 

Im  großen  Ganzen  aber  kann  man  sagen,  daß  das  Notariat 
im  Anfange  dieser  Periode  in  seinem  äußeren  Wesen  überall 
dieselbe  Stufe  erreicht;  überall  rührt  die  rechtliche  Herleitung 
des  Amtes  nnr  von  der  Stadt  her.  Neben  ihm  verschwindet 
plötzlich  und  für  immer  das  primitive  Schreiberwesen.  Bis 
zum  Ende  des  13.  Jahrhunderts  blieb  das  Notariat  überall  fast 
ausschließlich  in  den  Händen  der  Geistlichen.  Die  Ausnahme 
iiilden  die  in  der  zweiten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  einzeln 
Tscheinenden  kaiserlichen  Notare  aus  Italien,  wo  das  Notariat 
ciion  lange  in  den  Händen  der  Laien  war.'  Nie  unterließen 
ie  ersteren  bei  ihrer  Unterschrift  ihres  geistlichen  Standes 
Irwähnnng  zu  tun  und  es  ist  keine  geistliche  Würde  vom 
3wdhnl]chen  Kleriker  bis  zum  Primizer  des  Domkapitels  für 
e  Ausübung  dieses  Amtes  zu  nieder  oder  zu  hoch.  Mit  dem 
irken  Andränge  der  italienischen  Notare  im  14.  Jahrhundert 
(rde  der  einheimische  geistliche  Notar  gänzlich  von  dem 
mden^  kaiserlichen  verdrängt.  Nur  zufkllig  treffen  wir  in 
sera  Jahrhunderte  einen  solchen  und  dann  ist  er,  um  die 
nkurrenz  der  kaiserlichen  Notare  auszuhalten,  mit  demselben 
jj  g-eschmückt.^  Nie  finden  wir  ihn  zu  Cattaro,  wo  am  An- 
o  des  14.  Jahrhunderts  ein  Gesetz  die  Geistlichen  von 
Notariatsamte  für  immer  ausschloß.^ 


»eeidignng  unterließ.     Die  späteren  kaiserlichen  Notare  (Laien)  nennen 
ch   iurati. 

>  fuhren  die  ersten  bekannten  zwei  Notare  von  Ragusa,  Marcus  diaco- 
is  (1 168  CSD.  II,  Nr.  107)  und  Marinus  diaconus  (1180—1198;  CSD.  II, 
7y  256)  den  Titel  notarins  commnnis.  Der  nächste  Notar  den  ich  kenne 
presbiter  Paacalis  et  communis  notarins  iaratus  (1231 — 1264,  Wenczel 
,  239    —    or    AsA).    Von  da  ab  die  Notare  immer  iurati. 

Österley   I,  100  f.  Russi,  Paleografia  e  dipl.  delle  prov.  napolitane  124. 
u    a.  1333.    "Ego  Lucanus  Bertani  eccl.  Spalat.  primicerins  auct.  imp. 
(ar.  ACS.  XVI,  2.  84);  Ego  Johannes  condam  Petri  Trag,  canonicus 
.    aact.    not.  —  Zara  s.  oben  8.  14,  N.  3. 

.    Oath.    c.  296:   quia  diuersa    genera   scandali   nobis  oriebantur 
ter    officium  tabellionatns,  quod  erat  in  manibus  clericornm  et  multa 

riostra    amisimus  propter  ipsorum  arrogantiam,  idcirco  statuimus  et 


16  VI.  Abhandlung:    t.  dnffUy. 

Somit  hat  das  italienische  Notariat,  welches  zu  einer  Zeit 
in  die  Küstenstädte  übertragen  worden  ist,  als  die  Notare, 
schon  endgültig  zu  staatlichen  Organen  gemacht,  in  bezog  auf 
die  Ernennung  durch  Kaiser  und  Papst  einen  einheitlichen 
Charakter  tragen,^  in  bezug  auf  die  Urkunde  durch  die  Doktrin 
der  Glossatoren  zu  Ausstellern  derselben  geworden  sind,*  nicht 
die  vorgefundenen  Einrichtungen  mit  einem  Schlage  vernichtet, 
sondern  wurde  in  der  Form  wie  im  inneren  Wesen  von  den- 
selben fast  für  ein  Jahrhundert  modifiziert.^  Dieser  natürliche 
Entwicklungsgang  wurde  hauptsächlich  durch  die  Klugheit 
der  romanischen  Aristokratie  unterstützt. 

Eine  zwar  nicht  dauerhafte,  aber  desto  eigentümlichere 
Modifizierung  des  Notariats  in  dieser  Periode  durch  eine  sla- 
vische  Rechtssitte  haben  wir  noch  hervorzuheben,  welche  sich 
in  die  überdies  stark  slavisierten  Städte  durch  die  Grund- 
besitzverhältnisse leicht  eine  Bahn  brach. 

Seit  der  Einwanderung  der  Kroaten  wurde  die  Sicherheit 
der  außerhalb  der  Städte  gelegenen  Besitzungen  der  bürger- 
lichen Stände  auf  das  äußerste  gefährdet.  Die  Kommunen, 
ebenso  wie  die  geistlichen  Behörden  und  Korporationen  lebten 
in  ewigem  Streite  mit  den  verfeindeten  benachbarten  Stämmen 
um  den  Grundbesitz  der  Bürger  und  der  Kirche.  Oft  hatte 
der  Streit   ein   blutiges  Nachspiel  zur  Folge,*  gewöhnlich  aber 


ordinamus,  ut  nulius  clericas  possit  esse  notarios;  quod  statutam 
proposuimus  inuiolabiliter  obseruari  in  poena  yperperoram  qalngen- 
torum.  —  Es  ist  nicht  schwer  zu  entdecken,  daß  diese  diuersa  genera 
scandali  hauptsächlich  davon  herrührten,  daß  der  Notar  als  KleKker 
durch  das  Statut  c.  126  (wonach  ein  clericus  von  Zeugnis  gegen  laicnm 
ausgeschlossen  war,  weil  er  zu  keinem  Eide  gezwungen  werden  konnte 
cf.  Keutz  o.  c.  291)  in  seinem  Amte  gehemmt  wurde, 

^  8.  Ficker,  Forschungen  zur  Reichs-  und  Rechtsgeschichte  Italiens  II,  69  ff. 
Pertile,  Storia  del  diritto  italiano  VI,  304  ff.  Bethmann-HoUweg,  Zivil- 
prozeß V,  290  ff.  Breßiau  I,  466  ff. 

*  Voltelini  1.  c.  p.  XX. 

°  Vgl.  die  in  vielem  ähnliche  Entwicklung  des  deutschen  Notariats  bei 
Österley  I,  375—392;  auch  fUr  den  nächsten  Paragraph  ib.  393 — 404. 

^  So  erzählt  uns  Archidiakon  Thomas  von  Spalato,  daß  Rainerius,  Erz- 
bischof von  Spalato,  infolge  eines  solchen  Streites  von  dem  kroatischen 
Stamme  Kaöici  gesteinigt  wurde.  Hist.  Sal.  c.  21  (Mon.  slay.  mer.  histor. 
vol.  26,  p.  73).  Srai(^ikla8,  Povjest  hrv.  I,  326.  Klaic,  Pov.  hrvatska 
I,  172. 


Die  dalnatiniscbe  PrlTatorlranio.  17 

wurde  er  vor  einem  kroatischen  2npan  oder  auch  Banns  ge- 
riclitlich  geBcblichtet.^    Der  rechtmäßige  Besitzer  bekam  einen 
;pristay^;  der  ihm   den   körperlichen  Besitz  des  eingeklagten 
Grandstfickes  za  übergeben  hatte  oder  die  Grenzen  desselben 
umgehen  sollte.'    Diese  slavische  Institution  drang  früh  in  die 
Städte  und  im  13.  Jahrhundert  vertritt  ein  ^pristaldns^  in  der 
städtischen  Oerichtsnrkonde  die  ähnliche  Bestellung  des  italie- 
nischen ^missns';'   von   ihr  erhielt  auch  das  eben  eingeführte 
ifotariat  momentan  eine  originelle  Färbung. 

In  der  zweiten  Hälfke  des  12.  Jahrhunderts,  wo  das  Ur- 
kandenmaterial  zahlreicher  wird,  finden  wir  den  Notar,  be- 
'^iehnngsweise  den  Schreiber  öfter  bei  den  oben  genannten 
Jechtshandlongen ,  wie  Besitzergreifung  und  Umgehung  der 
ifrenzen,  anwesend.  So  treffen  wir  Blasius,  den  Notar  von 
ara,  weit  in  den  Bergen  Dalmatiens  bei  Enin  bei  einer  Teilung 
3r  Besitzungen  zwischen  den  Tempelrittern  und  dem  Erlöster 
ogovo  bei  Zara,^  mit  der  Äbtissin  des  Klosters  St.  Maria 
Qgeht  er  die  Grenzen  einiger  Weinberge;^  bei  der  Schenkung 
les  Grundstuckes  durch  den  Herrn  von  Konavlje  (Canali) 
seine  Tochter  und  seinen  Schwiegersohn  ist  der  Schreiber 
per  ipsam  terram'  anwesend/'  und  der  spalatinische  Notar 
)acins   umgeht  ,de   mandato  comitis  et  curie'  ein   streitiges 


Cf.  CSD.  n,  172.  174  u.  s.  w. 

Wie  ans  den  Urkunden  ersichtlich,  sind  die  ,prifltavi'  gewöhnlich  adelige 
Personen   (für  Kroatien  CSD.  II,  225,    für  Dalmatien  Nr.  131.  HO.  187 
1.  s.  w.).      Aach  finden  wir  sie  einmal  in  der  Bedeutang  der  römischen 
funtien:  dominus  Bogerius,  Sclauonie.  ducas,  de  mandato  domini  nostri 
anctisaimi  imperatoris  Manuel,  dedit  michi  Rainerio  Spalat.  archiepiscopo 
aos  pri0ialdo8  .  .  de  terris  .  .  CSD.  II,  156  (a.  1180),  cf.  Kohler,  Beiträge 
ir   g^ermaniscfaen  Privatrechtsgeschichte  I,  159  und  CSD.  II,  254.     Der 
'oatische  pristav  ist  auch  in  die  ungarische  KOnigsurkunde  übergegangen 
ng.  poroSEtö).  Darüber  vollständig  Melich,  Ssl&v  jOvevöny  szavaink  (in 
yelvtndom.  ktelemönyek*  XXZIU,  1.  53—59). 
trüber  gleich  unten  und  §  4.    Cf.  Ficker,  Forschungen  I,  62. 
1194.    CSD.  II,  231.    Et  ego  Blasios  s.  Anastasie    diaconus  et  Jadre 
'^riaSy   qui   interfui,  hanc  constitutionem  et  concordie  cartulam  .  . . 
Qavi.     Cf.  auch  Nr.  93  (a.  1166). 
( 1 90.   CS£>.  II,  207. 

Xnter  qiio0  et  ego  Matheus  diaconus  de  Canale  et  testis  interfui  .  .  . 
ili   preseos  super  ipsam  terram  fui  et  sicut  ab  ore  domini  Deuesii 
entibna  testibus  audiui,  ita  scripsi.  a.  1163.  CSD.  II,  Nr.  292. 
fsb«r.  d.  pbU.-liitt.  Kl.   CXLYII.  Bd.  6.  Abh.  2 


18  VI.  Abhuidlmic:    y.  SvffUy. 

Gmndstück  bei  Dillato.^  Doch  kann  man  in  den  drei  ersten 
Fällen  dem  Notar  keine  andere  Tätigkeit  als  die  des  Schreibers 
and  gewöhnlichen  Zeugen  znmnten,  denn  gewöhnlich  wird  er 
zu  Zara  nicht  zu  solchen  Handlangen  zugezogen^  sondern  der 
Fall  wird  ihm  von  dem  ^pristav^  oder  Zeugen  erzählt.'  Ea 
war  aber  eine  ganz  natürliche  Folge ,  daß  man  in  einigen 
Städten,  wie  zu  Spalato  und  Lesina,  aus  praktischen  Grttnden 
die  beiden  Amter  momentan  vereinigte  und  daß  dort  der  Ge- 
meindenotar als  Schreiber  gelegentlich  zum  Pristaldus  bestellt 
wurde.'  Bald  aber,  noch  in  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jahr- 
hunderts verschwinden  gänzlich  solche  Fälle;  das  gelegentliche 
Amt  dieses  slavischen  Exekutivbeamten  wurde  in  den  Städten 
einem  ständigen  Beamten  zugeteilt,  der  sich  zu  Zara  und  Se- 
benico  ,tribunus^  in  anderen  Städten  ,buccarius^  nannte,^  der 
aber  in  den  Urkunden  von  Zara  bis  in  das  14.  Jahrhundert 
bei  der  Erfüllung  seiner  Amtspflicht,  besonders  bei  der  Ein- 
führung in  die  Güter  den  slavischen  Charakterzug  durch  die 
Bezeichnung  ,pristaldu8^  bewahrte.^ 


'  Ego  iUque  Sabatius  snbdiac.  com.  not.  .  .  de  mandato  comitis  Grabesce 
et  totius  carie  ad  sepe  notatum  territoriam  adfui  eamqae  circamiens 
boc  Privilegium  composui,  scripsi  et  testor.  a.  1188.  CSD.  IE,  193.  Cf. 
Nr.  160. 

*  Nr.  163,  172,  187  etc.,  auch  Nr.  174,  wo  sieb  zwar  der  Scbreiber  nicht 
nennt,  aber  durch  Schriftvergleichung  mit  Nr.  172  als  solcher  sich  der 
Notar  von  Zara  (Blasius)  entpuppt. 

'  a.  1192.  CSD.  II,  220.  Spalato,  .  .  .  archiepiscopns  simnl  cum  capitulo  . . . 
quia  predicta  terra  nostri  est,  iudicauit  et  exinde  diaconem  Sabacium 
nobis  pristaldum  tribuit  ...  Et  ego  Sabacius  subdiaconns  com.  not. 
huius  rei  pristaldus  scriptor  et  testis  sum.  —  a.  1226.  Lesina  (Ljubid, 
Stat.  Lesinae  374).  Et  ego  presbiter  Bernardus  com.  iur.  not.  rogatus  . .  . 
datus  pristaldus  hoc  scripsi  et  testor. 

^  Cf.  Reuts  o.  c.  87  f. 

'^  .  .  dominus  comes  .  .  .  suprascriptam  domum  .  .  perpetua  proprietate 
possidendam  .  .  adiudicauit  et  me  .  .  suprascriptum  Michaelem  (tribu- 
num)  pristaldum  constituerunt.  Ego  uero  ex  officio  michi  commisso 
suprascriptum  Andream  .  .  corporali  possessione  . .  investiui  (a.  1251,  or. 
AsA.  etc.).  Seit  dem  14.  Jahrhundert  verschwindet  das  Wort  pristaldus 
auch  aus  den  zaratiniscfaen  Urkunden.  —  Aus  dem  Zitierten  ist  ersicht- 
lich, daß  der  städtische  Tribun  den  Charakter  des  slavischen  pristav  er- 
hielt (cf.  Stat.  von  Poljice  a.  1496  ed.  Jagid,  Mon.  slav.  mer.  bist.  iur.  IV, 
74  ff.,  welcher  das  Amt  des  Pristav  schon  erklärt);  der  Beamte  aber  einiger 
anderer  Städte,   welcher  seinen  Namen   erhielt  (prestaldus  im  Stat. 


Die  dAlmfttiniiehe  PriTatarknnd«.  19 

So  Terliert  das  dalmatinische  Notariat  sehr  bald  den  für 
seinen  Charakter  gefährlichen  Hanch  der  slawischen  Färbung, 
welche  ihm  mit  der  Zeit  vielleicht  eine  eigentümliche  Stellang 
in  der  Diplomatik  sowie  im  Rechtswesen  gegeben  hätte,  wäre 
dem  nicht  dnrch  die  schroffe  Haltung  der  Kommunen  gegen 
alles  Einwärtsländische,  sowie  durch  ihre  Verfassungsrichtung 
und  den  daraus  folgenden  Andrang  der  italienischen  Notare 
Einhalt  getan  worden. 

8.  Das  italienisohe  N'otariat  in  den  Küstenstädten. 

Die  Faktoren,  welche  die  Weiterentwicklung  des  Nota- 
riats in  den  Eüstenstädten  ungefähr  seit  der  Mitte  des  13.  Jahr- 
hunderts nach  italienischem  Typus  bedingen,  sind  zwar  mannig- 
faltig, aber  ausgeprägt  und  von  durchgreifender  Stärke. 

Von  den  ersten  Anfängen  an  zeigt  die  Konstitution  dieser 
kleinen  Republiken,  die  zwar  unbestritten  aus  inneren  volks- 
tümlichen Elementen  hervorgegangen  war,  eine  durch  politische 
Konstellationen  beschleunigte  Entwicklungsrichtung  nach  ita- 
lienischem Muster.^  Die  Willkür  und  die  despotischen  Nei- 
gungen der  kroatischen  StammesfÜrsten ,  die  sehr  oft  zum 
Comes  der  Stadt  gewählt  werden  mußten,  die  Lage  an  der 
Küste  Aihrte  in  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  dazu, 
daß  Spalato  einen  Anconitaner  zum  Rektor  der  Stadt  sich 
ausbat.  E^  folgte  hier  bald  ein  Statut,  daß  der  Podestk  kein 
Kroate  sein  dürfe,  was  durch  ein  Bündnis  zwischen  Zara,  Trau 
und  Spalato  vom  Jahre  1278  in  demselben  Sinne  noch  bekräftigt 
wurde.*  In  Trau  und  Sebenico  griff  man  schon  vor  der  Unter- 
werfung unter  Venedigs  Oberhoheit  zur  Wahl  venezianischer 
Comites  und  Rectores.    Daß  durch  diese  italienischen  Rectores 


Brasza  IV,  c.  2.  Stat.  Trau  I,  c.  70.  Cf.  Beats  97)  und  hanpts&chlieh  zu 
Untenachnn^^eii  wegen  Diebstahls  gebraucht  wurde,  erinnert  wegen 
dieser  Beschränkung  des  Wirkungskreises  kaum  an  den  pristay  des  alten 
kroatischen  Gerichtswesens  (wie  das  Beutz  will  p.  97). 

>  Beutz  o.  c.  27  f. 

*  Stat.  Spal.  yet.  c.  18  quod  potestas  Spalati  non  sit  de  Dalmatia:  Item 
statutum  .  .  .  est,  quod  potestas  ...  et  eins  officiales  et  familiäres  nullo 
modo  possint  esse  de  partibns  Sclauonif  nee  de  pronincia  Dalmati^  .  . . 
Die  Abfassung  dieses  Statutes  ist  gewiß  schon  auf  den  Anconitaner 
Garganns  zu  beziehen.  S.  unten  S.  20,  Note  3.  —  Beutz  61. 

2* 


20  Tl.  AbhMdlong:    ▼.  dnfflfty. 

die  Annähernng  zu  Italien  befördert ,  ja  dem  Andränge  des 
romanischen  Elementes  auch  in  Bezug  auf  die  Notare  Vor- 
schub geleistet  warde,  ist  einleuchtend^  denn  bei  dem  Comes 
war  schon  früh  überall  ein  ^notarius^  oder  ycancellarius'  zur 
Hilfe  angestellt^  den  er  zu  Aufträgen  vielfacher  Art  brauchen 
konnte.^  Außer  dem  fixen  Gehalte  konnte  sich  derselbe  noch 
mit  der  schriftlichen  Anfertigung  privater  Kontrakte  Geld  ver- 
dienen. Im  Anfange  wurde  allem  Anscheine  nach  der  Bedarf 
solcher  Notare  von  einheimischen  Schreibern  gedeckt;'  später 
wurden  eben  durch  die  Initiative  der  fremden  Comites,  unter 
deren  Leitung  fast  überall  die  Fixierung  der  Statuten  zustande 
kam^'  statutarische  Bestimmungen  erwirkt,  wonach  der  Comes 
einen  Notar  mitzubringen  hatte,  welcher  die  Dienste  des 
Kanzlers  in  der  Zeit  seines  Regiments  verrichten  mußte.^ 

Waren  schon  in  der  vorangehenden  Periode  die  kultureilen 
Beziehungen  zu  Oberitalien  ein  mächtig  gestaltender  Faktor, 
da  sie  das  meiste  zur  Begründung  des  Notariats  beitrugen,  so 
ist  ihre  Wirkung  in  dieser  Periode  besonders  im  Gerichts- 
wesen noch  mehr  sichtbar.  Nach  dem  italienischen  Muster 
übernahm  die  Kurie,  vorzugsweise  aber  die  Abteilung,  welche 
später  das  Kollegium  der  Richter  genannt  wird/  die  Kom- 
petenz der  judiziellen  Sachen.  Den  Mängeln  des  älteren 
städtischen  Gerichtsverfahrens,^  worunter  bei  den  rein  geist- 
lichen Gerichten  das  mündliche  Verfahren  gehörte,  infolgedessen 
eine  Urkunde  nicht  notwendig  aufzunehmen  war,  wurde  jetzt 


^  Reutz  69. 

'  Für  die  ältere  Zeit  wird  das  oben  Gesagte  darch  die  Urkunde  von  1199, 
Zara  CSD.  II,  229  unterstützt:  Et  ego  Joseph,  sancti  Petri  novi  plebanus, 
vicenotarius  predicti  comitis  Rogerii  rogatus  ut  audiai  etc. 

'  So  berichtet  Thomas  Archid.  Spal.  c.  S6  für  das  älteste  Statut  von  Spa- 
lato:  Qarganus  (potestas  cinitatis,  Anconitanus)  feeit  quoddam  yolnmen 
fieri,  quod  capitularium  appellavit,  in  eo  conscribi  iussit  omnes  con- 
suetiidines  bonas,  quas  ciuitas  habuerat  ab  antiquo,  superaddens  multa 
alia  iura,  que  videbantur  necessaria  in  actibus  publicis  et  privatis.  — 
Für  das  Statut  von  Spalato,  welches  von  dem  Podestit  Perceval  ans 
Firmo  im  Jahre  1312  redigiert  wurde,  s.  Stat.  vet.  p.  1.  FarUti,  Uly- 
ricum  sacmm  III,  304.  Lucius,  Memorie  di  Trau  196. 

*  Stat.  TraÄ  a.  1330,  c.  87.  Cf.  Stet.  Spal.  vet.  c.  67. 

*  Cf.  Beutz  76. 

*  Smi^^iklas  o.  c.I,  281. 


Die  dalmatiiiiMbo  PiiTMurkimd«.  21 

abgeholfen  und  infolge  einer  allgemein  verbreiteten  Sitte  in 
Italien  ein  Notar  bei  allen  Kurien  zur  Besorgung  der  Schreib- 
geschftfte  zugezogen.^  Es  ist  haaptsächlich  der  Einfloß  der 
Rechtsschnlen  Oberitaliens,  denen  diese  höhere  Ansbildang  der 
städtischen  Gerichte  Dalmatiens  im  13.  und  14.  Jahrhundert 
zu  verdanken  ist.  Im  14.  Jahrhundert  liefern  dieselben  das 
Hauptkontingent  zu  den  städtischen  Kollegien  der  Richter 
zu  Zara'  und  die  berühmte  Schule  von  Bologna  wird  zu  einer 
Art  letzter  Instanz  in  den  schwierigsten  RechtsfäUen.^ 

Ursprünglich  waren  solche  Notare  gewiß  nicht  ein*  für 
allemal  bei  der  Kurie  angestellt.  Später,  um  die  Mitte  des 
13.  Jahrhunderts;  als  die  Zahl  der  Notare  schon  größer  wurde, 
mußten  die  Vorteile,  welche  damit  verbunden  waren,  wenn 
regelmäßig  eine  und  dieselbe  Person  die  Geschäfte  beim  Ge- 
richte besorgte,  statutarisch  gewahrt  werden.  Der  Umstand 
aber,  daß  man  beim  Gerichte  nur  moderne,  der  beiden  Rechte 
kundige  Notare  verwenden  konnte,  trug  das  meiste  zur  Ge- 
setzgebung oder  Gewohnheit  bei,  daß  man  zum  ,notariu8  cim- 
lium  questionum'  ausschließlich  fremde  Notare  wählen  mußte 
oder  zu  wählen  pflegte.^    Dieser  Notar  wurde  zu  den  ,officiales 


^  Der  erste  notarius  carie  zu  Zara  schon  1190.  CSD.  II,  207. 

'  In  einer  Gerichtsnrkande  von  1320  zu  Zara  erseheinen  gleich  drei 
Italiener  als  Richter:  Ego  Guillielmiis  de  Castro  s.  Petri  de  Bononia 
index  Jadre,  Ego  Cauihelline  de  Mediolano  index,  Ego  Laurencins 
de  Sachetis  de  Päd  na  index  (or.  Begna  Nr.  87  a). 

*  So  das  Gutachten  der  Rechtskundigen  von  Bologna,  oh  das  Kloster 
8.  Nicolo  zu  Zara  den  Zehent  zu  zahlen  verpflichtet  sei  (consilium  fratris 
Francisci  ep.  Solubriensis  ...  et  dominorum  decretorum  doctorum  Gui- 
donis  de  Raysio,  Bonon.  archid.  et  Marsilii  de  Manteghellis  . .  .  tale  est 
...  verneinend).  Aus  dem  Anfange  des  14.  Jahrhunderts  or.  GAZ.  8.  Nicol. 
Nr.  100. 

*  Stat.  Spal.  vet.  c.  67.  De  electione  notarii  ciuilium  questionum:  Item 
. . .  quod  ad  scribendum  acta  ciuilium  questionum  et  causarum  .  .  .  omni 
anno  sequenti  die  poitquam  electio  potestatis  .  .  .  fiierit  celebrata  . .  . 
elegatur  unns  bonus  et  ydoneus  notarius,  qui  non  sit  de  pro- 
uincia  Dalmatie  .  .  .  Qui  notarius  debeat  habere  domum  a  comuni 
Spalati  et .  . .  in  anno  uiginti  soldos  gross.  Venet.  pro  suo  salario.  Cf. 
Stat.  Trau  1.  I,  c.  68.  —  In  den  Statuten  von  Zara  und  anderer  Städte 
sind  solche  Verordnungen  nicht  zu  finden;  aber  die  Urkunden  des 
14.  Jahrhunderts  geben  uns  Auskunft  darüber.  Zu  Zara  unterscheiden 
sich  sogar  die  ,notarii  ad  ciuilia*  und  ,notarii  ad  criminalia*. 


22  ▼I.AbhMidliiBg:    T.  dvffUy. 

extrinseci',  zu  den  Beamten  von  anßen  her,  gerechnet  und  er- 
hielt seinen  Qehalt  von  der  Stadtgemeinde. ^ 

Ferner  ist  hier  der  wachsende  Bedarf  an  rechtskundigen 
Notaren  überhaupt  in  den  größeren  Städten  als  ein  besonderer 
Grund  zur  Aufnahme  der  italienischen  Notare  zu  erwähnen. 
Gewöhnlich  ist  in  der  ersten  Zeit  der  Ausbildungsperiode  des 
Notariats  nur  ein  Gemeindenotar  vorhanden^  wie  zu  Zara,  der 
somit  nach  zwei  Richtungen  tätig  ist,  indem  er  für  jeden ,  der 
es  verlangt,  Urkunden  aufnimmt  und  indem  er  zugleich  im 
Dienste  der  Behörde  steht;'  zu  Spalato  und  Trau  sind  es  ihrer 
zwei.'  Doch  wird  sehr  bald  die  ungenügende  Zahl  derselben 
gefühlt.  Es  treten  Fälle  ein,  daß  die  Stadt  durch  Tod  oder 
andere  Hindemisse  momentan  ohne  Notar  bleibt^  und  daß  man 
dem  dringenden  Bedürfnis  durch  die  Berufung  eines  Notars 
aus  einer  benachbarten  Stadt  abhalf.^  Doch  begnügte  man 
sich  noch  eine  Zeit  mit  den  einheimischen  Notaren,  bis  die 
oben  besprochenen  Verhältnisse  und  dabei  auch  die  Tendenz 
der  Städte,  die  Geistlichkeit  einzuschränken  und  den  Klerus 
von  dem  Notariate  auszuschließen,  in  der  zweiten  Hälfte  des 
13.  Jahrhunderts  der  wachsenden  Ausdehnung  des  Notariats 
italienischer  Art^  ein  neues  Ausbreitungsgebiet  in  den  dalma- 
tinischen Küstenstädten  eröffneten. 


^  Stat.  Trau  1. 1,  c.  68.  Statnimas,  qaod  medicas,  notario«,  apotheearina 
et  aiii  eztrinseci  officiales,  qai  aflsummantnr  ad  salarium  com.  Trm- 
gurii  debeant  per  maias  et  per  minos  et  generale  consilium  (eligi);  s. 
auch  die  Torangehende  Note. 

*  So  von  1164—1172  Johannes;  von  1176  —  1183  (CSD.  II,  129—173) 
Matth&as;  von  1187—1201  (CSD.  H,  188  —  or.  GAZ.  8.  Gris  XIV.  D.  1) 
Blasius;  von  da  ab  schon  mehrere  zugleich:  Lukas  a.  1201  (or.  GAZ.  6. 
Gris.  IX.  T.  10);  Camasius  1203—1217  (Farlati  Y,  70  —  or.  GAZ.  s.  Gria. 
Xm.  Nr.  261);  ViUlis   1206—1224  (AsA.- GAZ.  s.  Gris.  XV.  E.  6). 

*  Zu  Spalato:  Sabacius  1178-1214;  Gualterius  1176—1184  (CSD.  n.  131— 
176).  —  Tra&:  1213-1248  Gausinna;  1233—1242  Johannes  (AsA.  —  s. Maria). 

«  A.  1228  Zara  (or.  GAZ.  s.  Gris.  XV.  E.  6)  ...  et  quia  ciuitas  Jader- 
tina  notarium  non  habet,  hanc  testificationis  cartulam  aigillo*  meo 
inprimo  et  confirmo. 

^  A.  1243  TraÄ.  Friedensvertrag  des  Fürsten  Domaldus  mit  Trau  (ed. 
Bnlletino  d'archeologia  e  storia  dalm.  a.  1902,  p.  196):  et  ego  Cumanus 
clericus,  Spalatensis  iuratus  notarius  uocatus  de  Spalato  veni  Tra- 
gurium  rogatns  scripsi .  . .  signo  compleui. 

*  Cf.  Paoli:  Diplomatica  86  (L.  111). 


Di«  aalmatinische  Prirmtvrkiiiid«.  23 

Die  Unterschriften  der  ersten  fremdländischen  Notare 
lassen  ans  ihre  verschiedene  Abstammang  erkennen.  Zusammen 
mit  den  lokalen  Verhältnissen  der  einzelnen  Städte  läßt  gerade 
diese  verschiedene  Herkunft  die  Aufnahme  der  italienischen 
Notare  noch  erklärlicher  erscheinen  ^  denn  zu  SpalatO;  wo 
die  ersten  fremden  Potestates  aus  Ancona  gewählt  wurden/ 
stammt  auch  der  erste  fremde  Notar,  der  in  der  zweiten  Hälfte 
des  13.  Jahrhunderts  auftaucht,  ebenfalls  aus  Ancona.'  In  der 
benachbarten  Stadt  Trau  tritt  diese  Tatsache  noch  besser  her- 
vor, da  in  ihr  außer  den  direkt  ans  Ancona  hergekommenen 
Notaren  zuweilen  auch  die  fremden  Notare  von  Spalato  ihr 
Heil  versuchen.^  Dagegen  erscheinen  zu  Zara,  wo  der  Einfluß 
Venedigs  schon  stark  war,  von  der  Mitte  des  13.  Jahrhunderts 
neben  den  einheimischen  auch  Notare  aus  dem  Territorium 
Venedigs,  die  meistens  Geistliche  sind.^ 

Mit  der  wachsenden  Menge  dieser  fremdländischen  Notare 
im  14.  Jahrhundert,  die  kraft  ihrer  Investitur  durch  das  Tinten- 
faß und  die  Feder  ^  ihre  Amtsobliegenheiten  in  allen  christlichen 
Ländern  auszuttben  trachteten^  und  die  man  gewiß  sehr  bald 
nicht  mehr  zu  berufen  brauchte,  schwand  der  charakteristische 
Unterschied  nach   dem  Heimatsorte   der   italienischen  Notare 


^  Außer  dem  genannten  Gargano  (a.  1240)  fCLhre  ich  an  noch  a.  1289  den  Po- 
testas  Bambaldns  de  Cerabottis  de  Ancona  (or.  b.  Maria),  a.  1291  Vge- 
rins  de  Ancona  (or.  ACS.  XYI,  2.  46). 

'  Franciscos  imperial!  auct.  not.  et  nunc  com.  Spalat.  1260 — 1266  (or.  ACS. 
XYI,  1.  46  ed.  Wenczel  n,  326  entbehrt  der  Unterschrift  —  or.  s.  Maria). 
Spftter  flbeniedelte  er  nach  Trau,  wo  er  sich  Franciscns  Anconitanns 
imp.  anct.  not.  et  nunc  cinitatis  Tragarii  nnterschreibt  (1267—1269), 
dann  kehrte  er  zarttck  nach  Spalato  1272  — 1287  (or.  s.  Maria  —  or. 
8.  Maria). 

*  S.  die  vorangehende  Note.  —  Außerdem  Bonauentura  Petri  ciois  Ancone 
auct.  dorn,  pape  not.  et  nunc  not.  com.  Trag.  1264 — 1266  (or.  s.  Maria 
—  ACT.  Nr.  17);  B  .  .  .  Oradini  de  Ancona  (der  Name  im  Orig.  der 
Bibliothek  Paravia  zu  Zara  1282  unlesbar);  Siroctus  Petri  de  Ancona 
1292—1296  (or.  ACT.  Nr.  28—30). 

^  Antonius  .  .  .  diaeonua  eccl.  Clugiensis  Jadre   notariua  a.  1252    (or.  s. 

Maria);   Cato  Bambaldi  acolitus  canonieus   Clugiensis  1258    (or.  GAZ. 

s.  Nicol.);  Sixtus  Sambatinus  presbiter  s.  Marcialis  1259  (or.  Begna)  etc. 
'  Ficker,  Forschungen  IV,  docum.  Nr.  179. 

*  Cf.  Nouveau  trait4  Y,  66  f.  Giry ,  Manuel  de  diplomatique  833  und  an- 
dere Literatur  darüber  bei  Paoli  85,  n.  1  (L.  111,  n.  3). 


24  VI.  Abhuiluig:    t.  SvffUy. 

zwischen  Zara  und  dem  Städtepaare  Spalato  and  Trau  gänzlich. 
Es  waren  hier,  ebenso  wie  in  den  kleineren  Küsten-  und  Insel- 
städten, wie  Nona^  Sebenico,  Brazza,  Lesina,  Cattaro  etc.,  wo 
fremde  Notare  eben  zu  dieser  Zeit  anfzatanchen  beginnen,^ 
hauptsächlich  Notare  aus  Oberitalien,  ans  Padna,  Bologna^  Ve- 
rona, Cremona,  Peltre,  Venedig  etc. 

Die  Unterschriften  dieser  fremden  Notare  lassen  die  recht- 
liche Herleitung  ihres  Amtes  fast  überall  gleichartig  erscheinen. 
Zwar  kommen  im  Anfange  hie  und  da  noch  Notare  vor,  welche 
sich  als  von  päpstlicher  Machtvollkommenheit  eingesetzt  oder 
als  Pfalznotare  bezeichnen ,  aber  im  14.  Jahrhundert  sind  es 
fast  ausschließlich  nur  Notare  aus  kaiserlicher  Gewalt,^  welche 
wir  überall  in  den  Städten  antreffen.*  Auf  die  kleinen,  hoch- 
mütigen Kommunen,  auf  welche  seit  jeher  der  Glanz  des 
kaiserlichen  Purpurs  betäubend  wirkte,  die  eben  am  Ende  des 
12.  Jahrhunderts  alle  Beziehungen  zu  dem  Kaiserreiche  ,par 
excellence^  in  der  Zeit  des  letzten  Komnenen  verloren  hatten,^ 
mußte  die  kaiserliche  Gewalt  des  Westens,  womit  sich  die 
fremden  Notare  schmückten,  einen  besonderen  Eindruck  aus- 
üben. Wenn  die  Städte  Dalmatiens  in  ihren  Bestrebungen 
zur  souveränen  Machtvollkommenheit  gegenüber  den  benach- 
barten Herrschern  zu  gelangen,  auf  den  ersten  Blick  im  Kleinen 
den  städtischen  Staaten  Italiens  im  großartigen  Kampfe  gegen 
die  kaiserliche  Übermacht  gleichen,  so  sind  sie  dennoch  in 
der  staatlichen  Grundidee   nicht  nur  zur  Zeit   der  Oberhoheit 


'  Der  erste  mir  bekannte  fremde  Notar  zu  Nona:  Eg^dius  Symonis  de 
RipatransiB  apost.  et  imp.  auct.  not.  1839 — 1847  (or.  OAZ.  s.  Dom. 
Nr.  1060  —  AsA.);  Scardona  1811:  Strico  olim  Dominici  imp.  anct 
not.  (or.  Kloster  Sebenico)  ;  Lesina:  Jobannes  de  Mntina  imp.  anct. 
not.  1307—1319  (or.  ACL.  —  Ib.);  Sebenico  1833.  Anthonins  de.. 
Padna  imp.  anct.  not.  (or.  Kloster  zn  Trsat);  Cattaro:  Gentilis  de  Au- 
zino  imp.  auct.   not.   1340 — 1348  (or.  AsA.   —   Ib.). 

*  Über  die  Einsetzung^  der  Notare  in  Italien  s.  Ficker,  Forschungen  11, 
70  ff.;   Pertile,  Storia  del  diritto  ital.  VI,  304  ff.;  Breßlan  666  ff. 

^  Von  den  38  mir  bekannten  zaratinischen  Notaren  im  Zeiträume  von 
1290—13&0  sind  24  kaiserliche,  10  einfache  und  4  habeq  die  Einaetzung 
durch  die  kaiserliche  Gewalt  erlangt,  nachdem  sie  das  Notariat  als  ein- 
fache Notare  zu  Zara  ausgeübt  hatten.  Keiner  von  ihnen  erwähnt  die 
päpstliche  oder  sonst  welche  Autorität. 

^  Cf.  Bambaud,  L'empire  grec  257.  Lenel,  Die  Entstehung  der  Herrschaft 
Venedigs  17,  32.  Sufdaj,  Hrvatska  i  zadnja  pregnnöa  isto^ne  imperije  49  f. 


Die  dfthnftkiBlMU  PriTstnrlrande.  25 

Yon  Bjzanz,  sondern  auch  später  von  ihnen  verschieden.  Denn 
während  die  italienischen  Munizipien  mit  aller  Gewalt  gegen 
jede  fremde  Gewalt  energisch  ankämpften,  tritt  nns  in  diesen 
kindischen  Neigungen  der  Städte  fUr  die  ,anctoritas  imperialis^ 
auch  ein  verborgener,  ununterbrochener  Faden  der  Bewun- 
derung und  Ehrfurcht  für  die  kaiserliche  Majestät  entgegen. 
Deswegen  hatten  die  dalmatinischen  Kommunen  diesem  Ein- 
griffe in  ihr  Recht  der  Einsetzung  nicht  vorgebeugt  ^  und 
dem  fremden  Notar  den  hochklingenden  Titel  vor  dem  Titel 
ihrer  Obrigkeit  gelassen;  ja  sie  haben  durch  die  vorsätzliche 
Begünstigung  derselben  eine  zweite  Phase  in  dieser  Periode 
hervorgerufen. 

Indem  die  fremden  Notare  den  Titel  des  gewöhnlichen 
städtischen  Notars:  ,notarius  communis^  mit  dem  klangvollen 
Titel:  ,imperiali  auctoritate  notarius''  verbanden  und  dadurch 
auch  eine  hohe  rechtliche  Bildung  versprachen,  mußten  sie  vom 
ersten  Anfang  an  den  einheimischen  Notaren  die  Konkurrenz 
schwer  machen.  Zu  Spalato  verschwinden  plötzlich  die  Ur- 
kunden des  einheimischen  Notars  Lucas  (1258 — 1287),  sobald 
sich  der  kaiserliche  Notar  Franciscus  aus  Ancona  (1260 — 1265) 
niederläßt,  und  erscheinen  wieder,  nachdem  er  nach  Trau  über- 
siedelte.^   In  Zara  wird   der  erste   kaiserliche  Notar  Heinrich 


^  Wie  dies  einige  Städte  Italiens  getan  haben.  Cf.  Paoli,  Dipl.  84  (L.  110). 

'  Da  das  kaiserliche  Notariat  erst  in  der  zweiten  Hälfte  des  13.  Jahr- 
hunderts in  Dalmatien  Boden  faßte,  so  kommt  ein  notarius  imperialis 
ante  nie  vor,  denn  wie  bekannt,  hat  sich  zu  dieser  Zeit  die  direkte 
Abhängigkeit  vom  Kaiser  gelOst  und  wurde  von  dem  Recht  der  Barone, 
Bischöfe  und  Kommunen,  die  Notare  zu  kreieren,  ersetzt  (s.  Muratori, 
Antiq.  ital.  I,  559—660;  Ficker,  Forschungen  II,  69 f.;  Durando,  II  ta- 
bellionato  nelle  leggi  romane  e  medievali  137  f.).  —  Wenn  bei  RaÖki, 
Doc.  Nr.  55  (ad  a.  1069,  p.  74),  a.  1248:  Petrus  Papiensis  publicus  no- 
tarius aule  imperialis  vorkommt,  so  darf  das  im  besten  Falle 
auf  einer  irrtümlichen  Leseart  der  Kürzung  Hlr  auct(oritate)  imperiali 
beruhen;  wie  aus  dem  nachfolgenden  groben  Lesefehler:  sigillo  (statt 
signo!)  consueto  roboraui  zu  ersehen  ist.  Der  Notar  welchen  ich  unter 
diesem  Jahre  fand,  unterschreibt  sich :  Ego  Petrus  publicus  notarius  ut 
audini  scripsi  compleni  et  signo  consueto  sig^aui  (a.  1248,  or.  GAZ.  s. 
Gris.  Xym,  249). 

*  S.  oben  8.  23,  Note  2.  Nachdem  Franciscus  aus  Trau  zurückgekehrt  und 
meder  als  Notar  au  Spalato  tätig  war,  sind  nur  wenige  Urkunden  von 
Lukas  parallel  zu  finden. 


26  Tl.  Ab^Mi41iiii(:    T.  6«fflftj. 

(1278 — 1296)^  von  der  Kurie  allen  anderen  vorgezogen,  denn, 
wie  es  scheint,  werden  alle  Gerichtsnrkanden  während  seiner 
Tätigkeit  von  ihm  verfaßt.  In  ähnlicher  Weise  werden  die 
kaiserlichen  Notare  von  den  geistlichen  Behörden  nnd  natürlich 
von  den  Bürgern  mit  Vorliebe  zum  Verfassen  der  Urkunden 
gebraucht.  Im  14.  Jahrhundert  wurden  sie,  besonders  in  Zara, 
oft  zu  yiudices  ordinarii^  gewählt.  Der  Konkurrenz  dieser 
Notare  nicht  gewachsen,  schwindet  überall  der  gewöhnliche 
Notar  und  um  die  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  findet  man  in 
allen  Städten  die  Amtsobliegenheiten  ausschließlich  in  den 
Händen  kaiserlicher  Notare,  die  aber  —  charakteristischerweise 
—  jetzt  nicht  immer  Fremde  sind.  ^Dieselbe  Begünstigung  der 
kaiserlichen  Notare  nämlich,  welche  zuerst  die  passiven  ein- 
heimischen Notare  gänzlich  in  den  Hintergrund  drängte,  wirkte 
zugleich  sthenisch  auf  dieselben.  Durch  die  kaiserliche  Autori- 
sation  in  der  Fremde  gewappnet  und  den  Fremdlingen  gleichge- 
stellt, versuchen  sie  die  verlorene  Stellung  wieder  zu  gewinnen. 
Damit  beginnt  eine  zweite  und  letzte  Phase  in  dieser 
Periode,  in  welcher  Dalmatien  selbst  ein  nicht  unbeträchtUches 
Kontingent  der  kaiserlichen  Notare  liefert  Schon  in  der  ersten 
Hälfte  des  14.  Jahrhunderts  findet  man  zu  Zara,  wo  das  zahl- 
reichste Urkundenmaterial  vorliegt,  daß  die  Söhne  der  ein- 
gewanderten Notare  die  freie  Ausübung  des  väterlichen  Amtes 
übernahmen  und  ihre  Tätigkeit  als  einfache  beeidete  Notare 
durch  den  Titel  der  Einsetzung  durch  kaiserliche  Gewalt  zu 
erhöhen  trachteten.  Bei  manchen  ist  es  leicht  anzunehmen^ 
daß  sie  die  Autorisation  in  Italien  auf  irgend  einer  Universität 
erhalten  haben,  da  zwischen  den  Urkunden,  in  welchen  sie 
sich  das  letztemal  als  ,Jadre  iurati'  und  das  erstemal  ,imperali 
auctoritate'  bezeichnen,  eine  ziemlich  lange  Zeit  verflossen  ist.' 
Bei  manchen  aber  scheint  die  Beschaffung  des  Instrumentes 
über  die  Befähigung  wie  über  die  Ernennung  durch  eine  be- 
vollmächtigte Person  äußerst  leicht  gewesen  zu  sein.' 


*■  Or.  AsA.  —  or.  s.  Maria.  —  Henriciu  imp.  auct  not.  et  Jadr.  inratiu. 

'  So  Lanrencias,  Sohn  des  oben  erwähnten  Heinrich  a.  1296  (or.  Begna, 
Kr.  17)  inratns  notarins;  erst  a.  1317  (or.  AsA.)  taucht  er  als  kaiser- 
licher Notar  wieder  anf. 

'  So  nennt  sich  Blasios,  der  Sohn  des  kaiserlichen  Notars  Michael  Leo- 
nard! vom  Jahre  1321—1333  (or.  GAZ.  s.  Nie.  143.  —  Ib.  s.  Dom.  Nr.  709) 


Die  dalmatiDitche  PriTfttvrkiude.  27 

Dann  treten  auch  kaiserliche,  selten  nur  einfache  Notare, 
ans  derselben  oder  fremden  dalmatinischen  Küstenstadt  gebürtig, 
auf,  deren  Name  oft  ihre  kroatische  Abstammung  verrät;  so 
zu  Zara  von  1312 — 1333  der  beeidete  Notar  Dnymns  aus 
Spalato^  und  sein  Sohn  Marcus,'  vom  Jahre  1350 — 1359  pres- 
biter  Vitus  condam  Tolani  de  Nona,  kaiserlicher  Notar ;^  zu 
Scardona  im  Jahre  1311  Strico  olim  Dominici,  kaiserlicher 
und  beeideter  Notar  ;^  zu  Sebenico  1321  Bogdanus  Disini  de 
Sebenico^  kaiserlicher  Notar  ,^  1387  Slavogostus,  Sohn  des 
Disiman,  kaiserlicher  und  beeideter  Notar;®  zu  Trau  1314  bis 
1345  Johannes,  Domherr  von  Trau,  kaiserlicher  Notar,^  1355 
Qrupsa,  Sohn  des  Dobrogost  aus  Almissa,  Eanonicus  von  Trau 
und  kaiserlicher  Notar.^  Nur  zu  Spalato  ist  ein  analoger  Fall 
nicht  zu  finden,  weil  das  Statut^  welches  nur  einem  nicht  dal- 
matinischen Notar  den  Zutritt  zur  Laufbahn  bei  der  Kurie 
gewährte,  den  Einheimischen  jede  Lust  zur  Ausübung  des 
Amtes  in  der  Heimatsstadt  raubte. 

Der  Druck  der  Verbreitung  kaiserlicher,  italienischer 
Notare  scheint  sogar  einen  Gegendruck  hervorgerufen  zu  haben, 
indem  die  Notare  aus  den  Eüstenstädten  ihre  Amtsobliegen- 
heiten in  den  Städten  am  Quamero  und  auf  den  Inseln  Dal- 
matiens  auszuüben  trachteten.^    Die  Kenntnis  der  kroatischen 


Jadre  iaratas,  und  noch  in  demselben  Jahre  1333  (bis  1344,  or.  s.  Nie. 
183)  anch  schon  imperiali  auctoritate.  Der  zweite  Sohn  Michaels  Niko- 
laus ebenso  von  1348 — 1347,  7.  März  (or.  s.  Maria  —  QAZ.  s.  Nie. 
Nr.  191)  einfacher  Notar,  und  in  der  Urkunde  von  1347,  19.  November 
und  weiter  imperiali  auctoritate.    Cf.  Durando  o.  c.  138  £f. 

*  Or.  GAZ.  8.  Gris.  XTV,  218.  —  Ib.  s.  Dom.  Nr.  708. 

*  A.  1340  (or.  s.  Maria). 

»  Or.  GAZ.  8.  Nie.  Nr.  209. 

*  Or.  Kloster  zu  Sebenico.       ^  Or.  AsA. 
«  Or.  GAZ.  Abt.  Bogovo  Nr.  124. 

»  Or.  ACT.  Nr.  89—48. 

'  Fast  überflflssig  ist  zu  erwähnen,  daß  diese  Fälle  nicht  einmal  für  den 
Zeitraum,  welchem  sie  entnommen  sind,  vollständig  erschöpfend  sind. 

*  So  schon  a.  1288  Brazza:  Crasorus  filius  Petri  de  Spalato  iuratus  scriba 
Bracie  (Cicarelli  o.  c.  111.  Wenczel  IV,  386);  1379  Drago  Badini,  ciuis 
Sebenici  imper.  auct.  not.  et  com.  Bracie  iuratus  notarius  (Cicarelli  102; 
Ba6ki,  Doc.  ad  1077,  Nr.  95,  p.  112);  Arbe  a.  1334  Nicolaus  Frede- 
rici  de  Trugerio  imp.  auct.  not.  et  Arb.  iuratus  (or.  GAZ.  s.  Gris. 
XXIV,  623). 


26 


.^  (i^egenden,  wo  kroatische  Urkanden 
^/Mfi  ^^ '\  fSi^^  erBcheinen,   den  fremden  Notaren 

^"^rieg^^  ^^  S^^^^  ^**  ^^^'^   ^*^  Notariat  in   den   Städten 

'    ^^^  %en^^^  erhalten.     Trotz  der  Ansbreitang  des  No- 

hl»  ^^ .  r  ßißc^^^  ^^*    ^^^  ^^^   *^®^  dennoch  in  keiner  der 

^is^^  '.^0g  großen  Städte  zur  Errichtung  von  zanftmäßig 

^^-'ertBii  Kollegien   der  Notare   einen  Schritt  getan.    Nur 

^!^^  ^ütD.  genügenden  Ersatz   daflir^    um  die  Notare  einer 

^'^  troÜe  durch  städtische  Behörden  zu  unterwerfen,  schuf  man 

*  ieta  Amte  des  Examinators.^  Auch  der  Geltungsbereich 
Aqb  Institutes  blieb  hauptsächlich  auf  die  Eüstenstädte  be- 
5ciiränkt.  Nur  noch  die  dalmatinische  Stadt  Bribir  gesellte 
sich  seit  der  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  in  dieser  Beziehung 
ständig  zu  ihnen.'  Auch  im  ,kanöelir'  der  freien  kroatischen 
Gemeinde  Poljice  sieht  man  eine  Kopie  des  ,cancellarius^  der 
Küstenstädte.' 

Im  Gegensatz  zu  Istrien,  den  Inseln  von  Quarnero  und 
auch  zum  kroatischen  Küstenlande,  wo  das  öffentliche  Schreiber- 
wesen in  dem  slavischen  Elemente  im  14.  Jahrhundert  schon 
eine  weite  Verbreitung  fand  und  durch  die  ethnographischen 
Verhältnisse  gezwungen,  ein  Instrument  in  kroatischer  Sprache 
schuf,*  wo  der  einheimische  meist  geistliche  Schreiber,  ,pisacb 
opSdi^  in  kleinen  Gemeinden  anzutreffen  ist  und  in  Istrien 
zuweilen  der  Einsetzung  durch  doppelte  Gewalt  sich  rühmt,^ 
verdorrte  das  Notariat  gleich  hinter  dem  äußersten  Rande 
der  Küste.  Durch  die  langen  Jahrhunderte  drang  es  nicht 
einen  Zoll  breit  in  das  slavische  Massiv  ein.  Dort  war  es  die 
unmittelbare    Fühlung    mit   Oberitalien,    welche    noch    durch 

*  8.  daraber  unten  §  14. 

*  Der  erste   Notar  a.  1348    Netrimcius   iuratus  notarias   Breberienis   (or. 

Kloster  zu  Sebenico). 

'  da  imaju  dr2ati  kanböilira  opdenoga  rodenoga.  Stat.  von  Poljice  a.  1485 
(Mon.  hist.-iar.  slav.  merid.  IV,  p.  56). 

^  Wie  auch  die  Entwicklung  des  Notariats  in  diesen  Ländern  an  die- 
jenige in  Sttdtirol  erinnert  (s.  Yoltelini  o.  c.  p.  XXXIII  f.  Cf.  von  dem- 
selben: Die  Spuren  des  rätoromaniscben  Rechtes  in  Tirol,  Mitt.  des 
Inst.,  Ergänzungsb.  VI,  146),  so  bleibt  dieser  charakteristische  Zug  ohne 
Analogie  in  anderen  Ländern. 

^  8.  Kukuljevid,  Acta  croatica  pass.,  besonders  Nr.  6,  a.  1325. 


Die  dAlmstiiiiBeho  PriTatvrknnd«.  29 

wiederholte  politische  VerschiebnDgen  in  dieser  Beziehung  be- 
günstigt,  dem  Einflasse  der  italienischen  Urkunde  ununter- 
brochen den  Zugang  gestattete  und  den  Zutritt  und  Erfolg 
jeder  anderen  Weise  der  Bekräftigung  der  Privaturkunde  hin- 
derte; hier  im  inneren  Dalmatien  entwickelte  sich,  wie  wir 
sehen  werden,  die  dalmatinisch-kroatische  Urkunde,  von  den 
einheimischen  Schreibern  geschrieben,  unter  der  Herrschaft 
der  Nationalkönige  und  auch  weiterhin  eine  Zeit  ziemlich  selb- 
ständig. Als  das  Notariat  im  14.  Jahrhundert  tiefer  in  das 
Land  eindringen  wollte,  fand  es  in  der  gesiegelten  Urkunde 
schon  einen  mächtigen  Rivalen.^  So  blieb  Dalmatien  auch  in 
dieser  Beziehung  nur  eine  Grenze  zwischen  Orient  und  Okzident 
und  wurde  zu  keiner  Pforte,  um  das  frische  Kulturprodukt 
des  germanischen  und  romanischen  Ellementes  in  den  slavischen 
Balkan  hindurchzulassen. 

m. 

Die  Entwicklang  der  dalmatinisch-kroatischen  Urkunde 
bis  zur  Tollständlgen  Annahme  des  Instramentes  In  den 

Städten. 

4.  Die  Formen  der  ältesten  Urkunde  bis  gegen  das  Ende 

des  12,  Jahrhunderts. 

Hauptsächlich  sind  es  zwei  Grundpfeiler ,  auf  denen  sich 
das  Gebäude  der  dalmatinischen  Urkunde  aufbaute:  die  rö- 
mische Praxis  und  die  Verwendung  der  alten  Formeln  durch 
die  Körperschaften  der  italienischen  Notare. 

Die  Praxis  besaß  eine  vollständige  Übereinstimmung  der 
schriftlichen  Verträge  und  der  Formeln,  welche  auch  in  der 
barbarischen  Periode  .sich  erhielt.  Fast  überall  wurde  die 
Redaktion  der  Urkunde  dem  Klerus  tibergeben,  welcher  auch 
der  treueste  Bewahrer  der  römischen  Traditionen  war.*  So 
geschah  es  auch  in  den  dalmatinischen  Städten,  wo  wir  in  den 
ersten  erhaltenen  Urkunden  nur  Geistliche  als  Schreiber  und 
Notare  antreffen,'   welche  noch  lange  nach  der  Einwanderung 

1  S.  unten  §  10. 

*  Bethman-HoUwegr,  Ziyilprozeß  IV,  339. 

■  S.  oben  §  1. 


30  VI.  Abhuidlang:    y.  dnffUy. 

der  Kroaten  die  Gesetzgebung  Jastinians  in  den  Küstenst&dten, 
die  anch  weiter  die  Hoheit  and  den  imaginären  Schutz  des 
östlichen  Kaisertums  anerkannten ,  in  Ehren  hielten.^  Von 
den  Städten,  somit  von  der  römischen  Zivilisation  empfingen 
die  Kroaten  den  Gebrauch  der  Beweisurkunde,  gaben  ihr  aber 
etliche  Beimischungen  aus  ihrer  Rechtssitte;  auch  bekam  die 
Urkunde  einige  Wendungen,  die  dem  schroffen  Gegensatze  der 
beiden  Elemente  am  Rande  der  Küste  entsprangen.  Dazu 
erhielt  die  Urkunde  wie  auch  das  Schreiberwesen  schon  in 
dieser  ältesten  Zeit  Nahrung  aus  Italien,  obgleich  bei  weitem 
nicht  in  solcher  Fülle  wie  später  durch  die  Ausdehnung  des 
italienischen  Notariats.  So  nur  kam  es,  daß  man  in  den  ersten 
Urkunden,  welche  dem  10.  Jahrhundert  angehören,  die  rö- 
mischen Spuren  fast  gänzlich  verwischt  findet  und  auch  keine 
zarte  Nuance  oder  feinere  juridische  Analyse  antrifft. 

Aber  noch  eine  zweite,  wenn  auch  ziemlich  verhüllte 
Strömung  in  der  Fassung  der  Urkunde  zeigt  sich  in  den  ersten 
auf  uns  gekommenen  diplomatischen  Regungen  Süddalmatiens, 
welche  je  nördlicher  desto  gedehnter  und  verschwommener, 
je  südlicher  desto  stärker  und  ausgeprägter  erscheint.  Eis  ist 
das  der  Einfluß  einer  Macht,  die  so  zähe  war,  daß  sich  überall 
ihre  hundertjährigen  Spuren  finden;  es  schimmert  dann  und 
wann  in  der  frühen  Urkunde  Dalmatiens  der  in  tausend  Farben 
spielende  Glanz  des  Kaisertums  von  Byzanz  durch.^ 

Hiermit  ist  die  Devise  für  die  Betrachtung  und  Deutung 
der  Form  und  der  rechtlichen  Erscheinungen  der  dalmati- 
nischen Urkunde  bis  etwas  über  die  Mitte  des  12.  Jahrhunderts 
gegeben.  Für  die  weiteren  Jahrhunderte  ist  der  direkte  Ein- 
fluß des  italienischen  Urkundensystems  allein  entscheidend, 
welches,  ebenfalls  den  römischen  Wurzeln  entwachsen,  in  den 
ersten  Jahrhunderten  zwar  tiefe  Eindrücke  der  römischen 
Gesetzgebung  und  noch  mehr  der  römischen  Praxis  trägt,  bald 
von  dem  germanischen  Formalismus  benommen,  erst  im  12.  Jahr- 
hundert durch   die  Renaissance   der   römischen   Rechtswissen- 


^  Über  die  Spuren  der  direkten  Anknüpfung  an  die  Verordnungen  Jasti- 
nians in  der  dalmatinischen  Urkunde  s.  unten  besonders  §  22. 

'  Für  die  neurOmische  Carta  in  Romagna,  Venedig,  Istrien  ist  auch  der 
längere  Zusammenhang  mit  Byzanz  bemerkbar.  Voltelini,  Imbreviaturen 
(AcU  Tirol  H,  p.  XVH). 


Die  dAlmatiniaeke  PriTatnrknnde.  31 

Schaft  eine  juridische  Erneuerung  erhält.^  In  dieser  erneuerten 
Form  tritt  es  an  die  sich  schon  dem  Akte  zuneigende  dalma- 
tinisch-kroatische Urkunde  und  erfrischt  die  sich  parallel  ent- 
wickelnde zaratinische,  indem  es  die  Eroberung  überall  in  einem 
Jahrhundert  beendigt. 

Somit  sind  in  dem  dalmatinischen  Privaturkundenwesen 
zwei  Hauptperioden  zu  unterscheiden:  die  erste  bis  etwas  über 
die  Mitte  des  12.  Jahrhunderts  und  die  zweite  von  da  ab 
weiter,  indem  sie  den  kurzen  Übergang  zum  Instrumente,  so- 
wie seine  Entwicklung  in  subjektiver  und  dann  objektiver 
Fassung  zu  den  großen  Dimensionen  des  italienischen  Instru- 
mentes durch  die  endgültige  Annahme  des  italienischen  Formel- 
wesens im  14.  Jahrhundert  enthält. 

Auch  in  der  Mannigfaltigkeit  ihrer  Arten  steht  die  dal- 
matinische Urkunde  bis  zur  Mitte  des  12.  Jahrhunderts  der 
sp&teren  Monotonie  des  Instrumentes  gegenüber. 

Wir  finden  in  der  ältesten  Urkunde  Dalmatiens  die  ana- 
logen Hauptcharaktere  des  gleichzeitigen  italienischen  Ur- 
kundenwesens; und  zu  dieser  sachlichen  Unterscheidung  in 
Carta,  die  hier  schon  im  Absterben  begriffen,  und  Notitia, 
welche  bald  die  Blüte  erreicht,  gesellt  sich  ebenso  analog  mit 
der  italienischen  Privaturkunde'  die  Scheidung  in  örtlicher 
Beziehung.  Es  steht  sich  hier,  wenn  auch  nicht  so  ausgeprägt 
wie  dort,  ein  nördliches  und  ein  südliches  Urkundengebiet 
gegenüber.  Im  Norden  zu  Zara  finden  wir  im  Anfange  noch 
unzweifelhafte  Anklänge  an  die  lombardische  Carta,  im  Süden 
(zu  Spalato)  ist  die  dem  slavischen  Brauche  mehr  entsprechende 
Urkundenform  des  Breve  allein  herrschend. 

Die  Carta  als  wirkliche  Vollzugsurkunde  ist  somit  auch 
in  Dalmatien   zu  finden,  aber  vollständig  lokalisiert  auf  Zara 


'  Stonff,  Fonuation  des  contracts  par  ^ritore  dans  le  droit  des  formales 
(BeTQe  hist.  de  droit  fran^.  et  ^tranger  III*  s^rie,  vol.  11,  274.  287); 
Esmein,  8nr  les  contracts  dans  le  trte  ancien  droit  fran^ais  (Nonv.  Revue 
hist,  m*  s6rie,  vol.  IV,  670);  Franken,  Geschichte  des  firanzOsischen 
Pfandrechtes  98;  Brunner,  Rechtsgeschichte  der  germanischen  und  ro- 
mischen Urkunde  5. 

'  Über  die  Natur  der  italienischen  Notitia  und  Carta  s.  Brunner,  Zur 
Rechtsgeschichte  der  germanischen  Urkunde  8  £f.  211  ff.  Stouff  1.  c. 
269—274. 


32  VI.  Abhaadlu«:    r.  duffUy. 

und  erscheint  auch  hier  nur  in  etlichen  Exemplaren  als  letzte 
ihrer  Art.  Leider  besitzen  wir  kein  außer  ihr  liegendes  Hilfe- 
mittel,^  um  eine  rechtsförmliche  Urkundentradition  ftlr  die 
älteste  dalmatinische  Carta  zu  erkennen.  Daß  aber  doch  eine 
solche  anzunehmen  ist  und  man  auch  hier  an  die  Perfisierung 
des  Rechtsgeschäftes  nach  der  lombardischen  Art  denken  kann, 
ist  aus  der  mehreremale  vorhandenen  Vollziehungsformel:  ,po8t 
traditam  compleui'^  zu  schließen.  Aus  der  Gleichheit  derselben 
und  somit  der  Beweismittel  kann  man  in  diesem  Falle  wohl 
auf  den  Bestand  ähnlicher  Perfektionsmittel  schließen'  und 
wenigstens  die  Bitte  an  den  Notar ,  die  Carta  zu  schreiben, 
und  die  Tradition  an  den  Destinatar  feststellen.  Von  anderen 
symbolischen  Formalakten  der  deutschen  Stammesrechte  ^  ist 
nicht  die  geringste  Spur  zu  finden ,  obgleich  dieser  plastische 
Formalismus  nördlicher  in  Istrien  angewandt  wird.^  Daß  aber 
alle  aus  der  Vollziehungsformel  gezogenen  Konsequenzen  fbr 
die  Zeit,  in  welcher  wir  dieselbe  antreffen,  kaum  mehr  Geltung 
haben  konnten,  ist  nicht  zweifelhaft,  denn  es  sind  ihre  letzten 
Züge,  in  denen  uns  diese  lombardische  Kompletionsformel  er- 
scheint. Das  ,post  traditam'  ist  gewiß  schon  vollständig  un- 
verständlich geworden  und  wird  bald  von  einem  neuen  Notar 
über  Bord  geworfen,  um  nie  wieder  aufzutauchen.^  Das  ,com- 
pleui'  wird  durch  das  venezianische  ^roboraui*,  welche  Formel 
langsam  von  Norden  herdringt,^  ersetzt.® 

^  Wie  z.  B.  für  die  lomb.  Carta  das  Cartalariam  ist.  Cf.  Branner  o.  c.  96  ff. 
Redlich,  Geschäfts-  und  Beweisarkunde,  Mitt.  des  Inst.  Ergänsungsbd. 
VI,  8. 

'  Doc.  Nr.  13,  22.  Siehe  die  wichtigsten  Ansichten  über  diese  Formel  zn- 
sammengestellt  bei  Paoli,  Dipl.  152,  Nr.  2  (L.  264,  Nr.  2). 

'  Redlich  I.  c.  3,  Note  2. 

*  Brunner  295;  Redlich  1.  c.  8;  Heusler,  Institutionen  ü,  69. 

ß  CSD.  n,  7. 

'  In  der  Urkunde  von  1033  (Doc.  Nr.  33)  noch  angewandt;  a.  1036  (Doc. 
Nr.  36)  nicht  mehr. 

^  Ein  interessanter  Fall  ist  in  dieser  Beziehung  von  der  Insel  Krk  (Vegla) 
zu  berichten.  Die  Bewohner  des  Ortes  Cha-Fiesole  auf  derselben  Insel 
(nicht  auf  dem  venezianischen  Territorium,  wie  der  Edltor  bemerkt) 
versprechen  dem  Dogen  Treue  und  einen  den  Slaven  eigentümlichen 
Tribut  in  Marderfellen  (Doc.  25).  Ebenso  Vegla  (Doc.  27).  In  dem- 
selben Jahre  1018  im  Monate  Juli  lautet  die  VoUsiehungsformel:   Ego 

'  S.  nebenstehende  Seite. 


Die  driwatialsohe  Prifwlarkuide.  33 

Aber  obgleich  diese  zaratinische  Carla  in  ihren  ersten 
auf  uns  gekommenen  Exemplaren  in  der  Vollziehangsformel, 
in  der  Qestaltang  des  Protokolls  and  besonders  in  der  Unter- 
schrift der  Zeugen  auf  ihre  iongobardische  Quelle  hinweist^ 
ist  sie  dennoch  in  ihrer  feineren  Struktur  von  der  gleichzeitigen 
oberitalienischen  Carta  yerschieden  und  weist  vor  allem  in  dem 
Mangel  an  yielen  gedehnten  Formeln  eine  archaische  Kürze 
auf ^  zu  einer  Zeit^  da  die  Formeln  in  Oberitalien  sonst  end- 
gflltig  fixiert  sind  und  sich  bis  in  das  12.  Jahrhundert  in  der 
ganzen  Lombardei  von  Genua  bis  Friaul  fast  ausnahmslos 
gleich  erhalten.' 

Das  schließt  eine  unmittelbare,  gleichzeitige  Beeinflussung 

der  lombardischen  Carta  aus  und  bringt  die  Vermutung  nahe, 

»• 

daß  wir  es  hier  mit  Überresten  eines  einst  blühenden,  aber  yer- 
schollenen  Urkundentypus  zu  tun  haben,  der  allerdings  haupt- 
sächlich Ton  der  lombardischen  Urkunde  beeinflußt  wurde, 
schon  sehr  früh  aber  jede  Fühlung  mit  der  Quelle  verlor  und 
auch,  jeder  Nahrung  beraubt,  verhältnismäßig  früh  versiegte' 
und  vor  dem  Tjpus  der  starken  Notitia  wich.  Diese  Ver- 
mutung gewinnt  an  Festigkeit  durch  die  Betrachtung  der  er- 
wähnten Vollziehungsformel.  Der  Iongobardische  Einfluß  ist 
nicht    zweifelhaft,    ist   aber    wegen    der    eigentümlichen    Bei- 


Marinns  presbiter  hanc  cartnlam  scripsi  firmaui  atque  compleui;  einen 
Monat  nach  der  Anerkennang  der  venezianischen  Herrschaft  wendet  der- 
selbe schon  die  venerianische  Formel:  .  .  .  scripsi  et  post  tradita  com- 
pleui et  roborani  (cf.  Bmnner  o.  c.  81  and  Cod.  dipl.  Padovano  Nr.  5. 
11.  28.  82). 

*  Noch  einmal  erscheint  es  a.  1044  (Doc.  38)  aus  der  Hand  eines  ein- 
heimischen Notars,  dem  Namen  nach  Kroaten:  Ego  Crisana  diaconus 
rogatus  scripsit  et  compleui.  Amen.  Aber  es  ist  hier  erkünstelt  ange- 
wandt, denn  wie  der  Editor  bemerkt,  sind  die  Formeln  peinlich  den 
ersten  zwei  zarattnischen  Urkunden  nachgebildet  (Nr.  18.  18).  Es  ist 
hier  besonders  interessant,  daß  trotz  der  Nachahmung  die  Formel:  post 
traditam  ausgelassen  ist,  was  bezeugt,  daß  dieser  Formel  kein  Gewicht 
mehr  zugeschrieben  wurde. 

^  Vgl.  das  TesUment  Doc.  Nr.  13  mit  Cod.  Longobard.  Nr.  454.  496,  und 
die  Permutation  Nr.  32  mit  den  vielen  Permntationen  des  11.  Jahr- 
hunderts. 

•  Voltelini,  1.  c  p.  XVTL. 

'  Die  Volbnehnngsformel  findet  sich  in  Dalmatien  bis  in  die  Mitte  des  11., 
in  lUlien  bis  zum  18.  Jahrhundert.  Gf.  Paoli  156  (L.  209). 
Sitrangtb«.  d.  pUl.-hist.  Cl.  CXLYII.  Bd.  6.  Abh.  3 


34  VI.  Abhuidlung :    y.  dnffl»/. 

mischungen  in  eine  weit  frühere  Zeit  za  verlegen  als  die 
älteste  Carta  zu  Zara,  in  der  diese  Completio  vorliegt  (a.  918); 
denn  nur  darch  langjährige  Dauer  selbständiger  Anwendung 
konnte  die  zähe  lombardisch-tuskische  Formel  durch  das  Zu- 
sammenmengen mit  der  Apprekation^  entstellt  und  durch  das 
Fallenlassen  des  zweiten  Zeitwortes:  dedi,  yerstiimmelt  werden.' 
Daneben  steht  aber  die  Verwendung  der  vollendeten 
Urkunde  nach  römischrechtlich-kirchlichem  Gebrauch  bei  den 
Schenkungen  an  Kirchen  außer  jedem  Zweifel  und  läßt  sich 
direkt  erkennen.  Die  typische^  besondere  Form  der  Nieder- 
legung  der  Urkunde  auf  den  Altar  der  beschenkten  Kirche 
hat  sich  zu  Zara  bis  in  das  11.  Jahrhundert  vollständig  erhalten, 
wie  aus  zwar  nur  einem ,  aber  ausreichend  beweisenden  Bei- 
spiele ersichtlich  ist.'  Es  ist  für  diese  alte  Stadt,  die  von  der 
direkten,  gewaltsamen  Invasion  der  Kroaten  am  wenigsten  be- 
rührt worden  ist,  wohl  anzunehmen,  daß  es  sich  hier  um  einen 
selbständigen  und  mit  Italien  und  anderen  Ländern  paral- 
lelen römischrechtlich-kirchlichen  Einfluß  handelt,  der  hier  in 
Dalmatien  so  stark  war,  daß  auch  die  kroatischen  Fürsten 
ihm  in  ihren  Schenkungen  nicht  ausweichen.^  Die  Willens- 
erklärung  des  Schenkers  und  die  Übergabe  der  dieselbe  ent- 
haltenden vollständigen  Urkunde,  das  zusammen  macht  die 
Vollziehung  des  Geschäftes;  es  bedarf  keines  weiteren  Formal- 
aktes.^ 


1  S.  näher  darüber  unten  §  6. 

*  Die  Formel  laatet:  Et  ego  .  .  .  notarius  rogatus  .  .  .  hec  pagina  .  .  . 
scribere  procnrani  et  post  tradita  feliciter  compleui.  Amen  (Doc.  Nr.  32), 
oder  atque  feliciter  post  traditam  compleui.  Amen  (Nr.  13).  —  Die  voll- 
ständige Formel  compleui  et  dedi  in  der  lombardischen  Carta  weit  üb- 
licher, neben  dem  selten  alleinstehenden  compleui,  cf.  Brnnner  79,81. 

*  A.  c.  995.  Doc.  Nr.  20  (CSD.  I,  105,  sub  a.  990)  .  ! .  dictus  prior  cum 
suis  nobilibus  inihit  consilium,  quod  ipsa  piscatio  daretur  monasterio 
beati  Chrisogoni  Christi  martiris.  Quod  et  factum  est;  nam  statim  ve- 
nerat  ad  ecclesiam  .  .  cum  cartula,  in  qua  illorum  nobilium  nomina 
scripta  habebantur;  quam  .  .  posuerunt  super  sanctum  altare  di- 
centes:  offerimus  etc.    Cf.  Nr.  29.  31.  37. 

*  A.  892.  Doc.  12:  sequenti  autem  die  .  .  .  ueniens  ego  saepe  fatua  duz 
.  .  .  ante  sanctorum  dictorum  altarium  et  priuilegii  paginulam  .  .  super 
sacro  sancti  Domnii  altario  obieci. 

^  Heusler,  Institutionen  II,  69 ;  Redlich  1.  c.  2. 


Die  dalnatiiiiMbe  PriTAkarknnde.  35 

Allein  dasselbe  11.  Jahrhundert,  welches  noch  am  Beginne 
von  der  Vollzugsurkunde  sozusagen  beherrscht  wird,  ist  noch 
Zenge  des  vollständigen  Sieges  der  Notitia. 

Die  Urkunden  der  übrigen  Städte  Dalmatiens,  wie  sie 
uns  aus  der  ältesten  Zeit,  aus  dem  11.  Jahrhunderte  vorliegen, 
tragen  keine  Spur,  die  auf  das  Bestehen  einer  verfügenden 
Urkunde  in  der  früheren  Zeit  schließen  ließen.  Stark  von 
den  Bechtssitten  der  Slaven  durchtränkt  zeigt  sich  die  Ur- 
kunde von  Spalato  und  Umgebung^  fast  als  rein  kroatisch. 
Nach  slavischer  Rechtssitte,  die  in  dieser  Beziehung  nicht  von 
der  germanischen  abweicht,  ernennt  der  Tradent  einen  pristav,' 
der  den  körperlichen  Besitz  zu  übergeben  hat;'  auch  der 
Kauf  existiert  nur  als  Barvertrag.^  Somit  konnte  die  Beur- 
kundung solcher  Geschäfte  nur  in  der  Form  der  Notitia  ge- 
schehen, welche  als  einfache  Beweisurkunde  eine  unabhängig 
von  ihr  vollzogene  und  rechtskräftige  Handlung  als  solche  er- 
weist. Die  Vollziehung  von  Rechtsgeschäften  durch  die  Ur- 
kunde und  der  damit  verbundene  Vorzug  des  selbständigen 
Beweises,  welche  man  im  Norden  in  Istrien  und  Zara  noch 
nachweisen  kann,  war  durch  die  faktischen  Kulturverhältnisse 
der  kroatischen  Stämme  fUr  die  südlicheren  Städte  unmöglich 
gemacht.  Aber  auch  in  dem  romanischen  Zara  mußte  diese 
Rechtseinrichtung  bald  aufhören,  sobald  die  Fühlung  mit  dem 
slavischen  Elemente  stärker  wurde,  was  besonders  unter  der 
Herrschaft  der  kroatischen  Könige,  also  im  11.  Jahrhunderte 
geschah.^ 

So  finden  wir  in  der  zweiten  Hälfte  des  11.  Jahrhunderts 
die  Notitia  in  allen  Küstenstädten  Dalmatiens  und  auch  bei 
den  kroatischen  Stämmen  als  alleinherrschend.  Gerade  in 
diesem  frühen  Siege  der  Notitia  über  die  Carta  liegt  ein  schönes 
Beispiel,  daß  die  Kommunen  auch  in  kultureller  Hinsicht  von 


*  Von  den  anderen  Städten  sind  nur  vereinzelte  Urkunden  aus  dem 
11.  Jahrhandert  ans  Traft  nnd  Ragnsa  erhalten. 

*  Germ,  inwiser.  Kohler:  Beitrüge  znr  germ.  Privatrecbtsgeschicbte  1, 162. 

'  Doc.  Nr.  68:  .  .  pristaanm  nero  rogamus  dari  .  . .  qni  noster  est.  Schen- 
kung an  das  Kloster  zu  Sancicovo;  vgl.  Daniöiö,  Bijeänik  s.  h.  v.  und 
oben  §  2. 

*  S.  unten  §  16. 

*  Jiredek,  Denkschriften,  vol.  48.  94 — 95. 

3» 


36  VI-  Abbudlimg:    y.  äiiffUy. 

dem  slawischen  Einflasse  nicht  unberührt  blieben.  Die  slawische 
Investitur  durch  die  pristavi  (pristaldi)^  welche  in  die  Städte 
sehr  früh  eindrang  und  das  meiste  zum  Siege  der  Notitia  zu 
Zara  beitrug,  drückte  der  städtischen  Gerichtsurkunde  den 
slawischen  Stempel  auch  fUr  weit  spätere  Zeiten  auf,  als  dieselbe 
sonst  schon  ganz  die  Formen  der  italienischen  Notariatsurkunde 
annahm.^ 

Es  ist  hier  im  Kleinen  derselbe  Vorgang  nachzuweisen, 
wie  er  im  großen  Stile  im  fränkischen  Reiche  durch  die  werdende 
Selbständigkeit  der  rein  deutschen  Stämme  herbeigeführt  wurde. 
Die  Urkunde  wirkt  hier  wie  dort^  nachdem  sie  durch  die 
slawische,  beziehungsweise  deutsche  Rechtsanschauung  den  Cha- 
rakter der  Carta  abgestreift  hatte,  dadurch,  daß  sie  die  ge- 
richtlich oder  öffentlich  vorgenommene  Handlung  unmittelbar 
oder  mittelbar  als  geschehen  erweist.' 

Dem  entsprechend  nennt  sich  die  Urkunde  im  1 1 .  Jahr- 
hundert breue,*  recordatio,^  cartula  oder  breue  recor- 
dationis.^  Einmal  in  einer  rein  kroatischen  Notitia  über 
eine  Schenkung  finden  wir  auch  das  bezeichnendere  Wort 
memoratorium,  welches  sich  typisch  im  Gebiete  von  Benevent 
ausgebildet  hatte.  ^    Viele  andere  Urkunden  tlber  die  kroatischen 


^  Zara  a.  1261  (orig.  AsA.)  .  .  .  dominus  comes  cum  suis  iadicibus  .  .  . 
snprascriptam  domam  .  .  perpetua  proprietate  posstdendam  .  .  .  adia- 
dicanerant  et .  .  .  me  sapraacriptnm  Michaelem  (oben  nennt  er  sich  tri- 
banns)  pristaldnm  constituerant.  Ego  vero  ex  officio  michi  comnüno 
saprascriptnm  Andream  .  . .  corporali  possessione  .  .  .  perpetao  possiden- 
dam  innestiui  (ähnlich  1251,  orig.  GAZ.  b.  Nie.  Nr.  10).  —  Noch  sn 
dieser  Zeit  bewußt  slavische  Institution.  Rab  (Arbe)  a.  1239  (orig.  GAZ. 
8.  Gris.  XIV,  C.  1)  .  .  .  dans  eidem  abbati  (s.  Grisogoni  de  Jadra)  pri- 
staldos  secundum  consuetudinem  Sclavorum. 

*  Cf.  Ficker,  Beiträge  I,  81.  Redlich,  Die  bayrischen  Traditionsbacher, 
Mltt.  des  Inst.  V,  10—11. 

»  Doc.  Nr.  28.  117. 

*  Ib.  Nr.  89.  92. 

»  Ib.  Nr.  81;  CSD.  1,114. 

'  Doc.  Nr.  140.  A.  c.  1097.  Memoratorium  facio  ego  Brana  .  .  de  terris. 
Cf.  Brunner,  o.  c.  5  f.  Es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  daß  hier  ein 
direkter  Einfluß  des  beneventanischen  Urkundengebietes  in  ähnlicher 
Weise  bestanden  hat  wie  im  Norden  zu  Zara  des  lombardisch-tuakischen. 
Die  regen  Beziehungen  Süddalmatiens  zu  Süditalien  weisen  darauf  (s. 
Jireöek,  1.  c.  47.  67.  79). 


DU  afthMtiiuaeli«  FrivBiarkniide.  37 

Rechtsgeschäfte  tragen  keinen  eigenen  Namen ,  sind  aber  aus- 
nahmslos in  subjektiver  Form  verfaßt  mit  der  Anwendung  der 
Verba  im  Präsens.^  Im  voraus  kann  man  schon  bemerken, 
daß  diese  Fassung  des  kroatischen  Breve  ohne  Zweifel  die 
einzige  Ursache  der  langen  Dauer  des  subjektiven  Instrumentes 
in  Dalmatien  ist. 

Im  12.  Jahrhundert  überwiegt  durchaus  die  Benennung: 
breve  in  den  südlicheren  Städten,  Spalato  an  der  Spitze,'  und 
wird  gewöhnlich  von  dem  ihren  Sinn  vervollständigenden  Aus- 
druck: (breve)  recordationis  begleitet  oder  auch  von  einem 
ganzen  Satze  beschrieben.'  In  den  kurzgefaßten  Schenkungen 
an  die  Kirche  St.  Benedikt  zu  Spalato  kommt  die  Bezeichnung: 
paginula  recordationis  und  auch  nur:  recordatio  vor/ 
Dagegen  überwiegt  zu  2jara  die  Benennung  memoriale,^  ge- 
wöhnlich mit  dem  Ausdrucke  carta  verwechselt,  der  auch  im 
Deminutiv:  cartula  recordationis  als  Bezeichnung  für  die 
Beweisurkunde  oder  Qerichtsurkunde  auftaucht^  —  ein  Beweis, 
daß  zu  dem  Verluste  der  technischen  Bedeutung  der  carta 
im  Anfange  des  11.  Jahrhunderts  sich  jetzt  auch  Unklarheit 
über  den  Begriff  Breve  gesellte. 

6.  Der  Zeugenbeweis  und  seine  Polgen. 

Obgleich  in  der  städtischen  Urkunde  Dalmatiens,  Zara 
ausgenommen,  bis  in  die  Mitte  des  12.  Jahrhunderts  keine 
Erwähnung  eines  Notars  geschieht  und  von  einer  Eompletions- 
formel  nicht  die  Rede  sein  kann,  so  unterscheidet  sich  diese 
in  der  ersten  Zeit  und  auch  später,  besonders  so  weit  sie 
Rechtsgeschäfte  enthält,  in  der  Praxis  sehr  wenig  von  der 
älteren  Notariatsurkunde  Italiens,  wo  ja  überall  schon  der  No- 
tariatszwang eingeführt  worden  war.^   Denn  die  Carta  so  wie 

^  Doe.  Nr.  43.  50.  62.  72.  74.  ~  Fflr  die  Benennnn^n  der  KOnigsurkunde 
8.  Ba£ki,  Rad,  vol.  36,  p.  7. 

*  CSD.  II,  176.  190.  197.  236. 

'  Ego  Chasa  .  .  .  s.  Benedicti  abbatissif  hoc  conBcriptnin  .  .  .  nt  mona- 

sierio  ad  memoriam  fieret,  scribere  .  .  .  stndai  a.  c.  1180,  II,  Nr.  160. 
«  Ib.  29.  32.         *  Ib.  246.  266.  273. 

*  Ib.  Nr.  93.  117.  121. 

*  Adelebis  c.  8  (M.  Oerm.  LL.  IV).  Brunner,  p.  24,  Nr.  1 ;  Voltelini,  1.  c. 
p.  XXL 


38  yi'  Abhandlung;   r.  dnff  l»y. 

die  Notitia  besaßen  niemals  hier  wie  dort  ganz  selbst&ndige 
Beweiskraft;  sie  waren  immer  auf  die  Zeogen  der  Handlung 
angewiesen;  worden  sie  gescholten,  so  mußte  auf  die  Zeugen 
rekurriert  werdend  Und  wie  die  Notariatsurkunde  Italiens' 
schließt  sie  beim  Echtheitsbeweise  in  der  älteren  Zeit  den 
Gegner  vom  Eide  aus. 

Aus  dem  Anhange  zu  einer  Schenkung  einer  kroatischen 
Sippe  an  das  Kloster  St.  Grisogono  zu  Zara,  ausgefertigt  zu 
Nona,  können  wir  das  Beweisverfahren  in  Dalmatien  am  An- 
fange des  12.  Jahrhunderts  erkennen.'  Die  Urkunde  wird 
von  den  Nachkommen  der  Schenker  besonders  in  den  Teilen, 
welche  die  Grenzen  des  geschenkten  Grundstückes  betreffen, 
verändert,  also  verfälscht.  Die  Mönche  lassen  sich  aber  die 
Umgestaltung  der  Grenzen  nicht  gefallen  und  schelten  die  Ur^ 
künde.  Bei  dem  Gerichte  fkUt  der  Echtheitsbeweis  durch  den 
Eid  den  Produzenten  zu  und  drei  Mönche  aus  dem  Kloster 
St.  Grisogono  beschwören  die  Echtheit  ihrer  Urkunde,  was 
sich  mit  dem  germanischen  Beweisrechte  deckt.^  Dazu  gesellt 
sich  der  echt  slawische  Zug,  daß  die  Träger  der  väterlichen 
Überlieferungen^  die  Söhne  und  Neffen  des  Schenkers,  falls  sie 
fUr  die  Echtheit  der  Urkunde  eintreten  wollen,  als  Eideshelfer 
die  Urkundszeugen,  von  denen  einige  noch  am  Leben  sein 
konnten,  ersetzen  können. 

Ein  zweiter  Fall,  der  uns  einen  Einblick  in  die  Weiter- 
entwicklung des  Beweisverfahrens  gewinnen  läßt,  kommt  ein 
halbes  Jahrhundert  später  vor.  Dem  Kloster  Rogovo  (St.  Cosmas 
und  Damianos)  bei  Zara  wird  ein  noch  in  den  Sechzigerjahren 


^  Redlich,  Mitt.  des  Inst.  Y,  6;  Ergänznngsbd.  VI,  12. 

*  Bethmann-Hollweg  lY,  383. 

'  Diese  Schenkung  von  a.  1072  (Doc.  Nr.  71)  ist  in  zwei  Fassongen  er- 
halten, in  einer  kürzeren  und  in  einer  längeren  (a  and  b  in  der  Edition). 
Die  Fassang  a  hat  den  erwähnten  Anhang;  wogegen  es  nicht  an  wahr- 
scheinlich ist,  daß  die  Fassung  b  die  wesentlich  umgestaltete  and  also 
teilweise  falsifizierte  Urkunde  ist,  auf  welche  sich  die  Worte  des  An- 
hanges: falslficantes  cartam  istam  beziehen.  Mehr  davon  Ra6ki,  Rad 
vol.  36,  p.  163.    Der  Anhang  ist  c.  a.  1106  zu  setzen.  CSD.  I,  Nr.  167. 

^  Lib.  Papien.  Lex  Widonis  6  (M.  Qerm.  LL.  IV);  Bethmann-Hollweg 
y,  168.  368;  Branner,  Carta  und  Notitia  in  Commentationes  in  hon. 
Mommseni  689;  Breßlau  490  f. 


Di«  «Ulmatiniscfa«  PriyatQrknnde.  39 

des  11.  Jahrhunderts  geschenktes  Grandstück  entfremdet.^  Im 
Prozesse  vor  dem  kroatischen  2apan  von  Sidraga  stützt  sich 
der  Abt  auf  die  Schenkungsurkunde:  ego  hostendebam  car- 
tulam  et  testes  uiuos  et  mortuos.^  Um  zur  rechtlichen  Wirk- 
samkeit zu  gelangen,  mußte  die  Echtheit  der  Urkunde  so  wie 
auch  die  nicht  mehr  lebenden  Zeugen  von  dem  Produzenten, 
dem  Abte*  beschworen  werden. 

Die  Ähnlichkeit  des  Rechtsverfahrens  liegt  in  beiden 
Fällen  Ton  selbst  auf  der  Hand.  Da  die  Urkunde  selbst  nichts 
besaß,  was  ihr  an  sich  Beweiskraft  verliehen  hätte,  wurde  in 
beiden  Fällen  der  Eid  angewandt.  Aber  während  in  dem 
ersten  und  älteren  Falle  nur  die  Urkunde  allein  beschworen 
werden  mußte,  tritt  in  der  zweiten  rein  kroatischen  Urkunde 
Auseinanderhaltung  der  Zeugen  von  der  Urkunde  beim  Beweis- 
verfahren hervor,  sie  werden  hier  der  Urkunde  gleichgestellt. 
Die  Echtheit  der  Urkunde  liefert  somit  noch  das  erstemal  allein 
den  Beweis,  was  für  diese  Art  der  Urkunde,  an  welcher  die 
Kirche  beteiligt  war,  der  ja  in  erster  Linie  um  die  Forderung 
der  Urkunde  als  Beweismittel  zu  tun  war,*  gar  nicht  befremd- 
lich ist.  Im  Laufe  des  12.  Jahrhunderts  ist  aber  der  Urkunden- 
beweis im  Rechtsverfahren,  ebenso  wie  er  bei  den  Germanen 
nur  eine  ganz  äußerliche  und  unvollkommene  Eingliederung 
gefunden  hatte/  auch  bei  den  Slawen  als  ein  sehr  unvoll- 
kommenes Hilfsmittel  befunden  worden  und  stark  in  Ver- 
fall geraten.  Es  tritt  also  in  der  zweiten  Hälfte  des  12.  Jahr- 
hunderts, als  die  städtische^Urkunde  eben  durch  das  Notariat 
vom  steigenden  Verfalle  plötzlich  gerettet  wurde,  die  Urkunde 
nur  als  die  Vermittlung  des  endgültigen  Beweises  auf,  der  nicht 
mehr  in   der  Urkunde,   sondern  in  den  Zeugen  bestand.    Nur 


^  Diese  Schenkung  ist  erhalten  and  von  dem  £ditor  c.  a.  1060  gesetzt 
(Doc.  Nr.  43). 

*  CSD.  ir,  Nr.  121  a.  1172.  E^o  hostendebam  cartulam  et  testes  yiuos 
et  mortaos  .  .  .  Tandem  .  .  .  iadicanit  Desta  . .  .  mihi  affirmare  cartulam 
et  meos  testes,  quod  itaqae  compleni  iosiurandam  apnt  Tinam.  — 
Die  testes  nini  sind  hier  natürlich  nicht  die  Handlungszeugen  selbst, 
sondern  die  vom  Hörensagen;  in  obigem  Beispiele  sind  ,alii  tres  de  nepoti- 
bnsS  die  Eideshelfer,  auch  solche  Zeugen. 

'  Bedlieb,  Mitt.  des  Inst  Eiganzungsbd.  VI,  9. 

*  Bnumety  Deutsche  Rechtsgeschichte  H,  420. 


40  Vt.  Abhftndlmig:    t.  änffUy. 

80  ist  der  Urteilsspruch  des  2apan  von  Sidraga:  ^af&rmare  car- 
tnlam  et  testes^  zu  verstehen. 

Wenn  diese  Schlüsse  richtig  sein  sollten  und  wir  tatsäch- 
lich die  zwei  oben  besprochenen  einzigen ,  wenn  auch  sowohl 
im  Wesen  als  auch  in  den  gestaltenden  Faktoren^  verschie- 
denen Fälle  als  zwei  Anhaltspunkte  derselben  hst  einheit- 
lichen Rechtsentwicklung  in  ganz  Dalmatien  ansehen  dürften, 
so  müssen  wir  die  Symptome  des  Sinkens  der  Notitia  von  einer 
selbständigen  Beweisurkunde  zur  unselbständigen  Zeugenur- 
kunde und  somit  die  Nähe  des  Aktes'  in  dem  ganzen  städtischen 
Urkundenwesen  dieser  Zeit  verspüren.  Diese  Symptome  müssen 
um  so  stärker  hervortreten,  je  stärker  die  Fühlung  der  städti- 
schen Qemeinden  mit  dem  slawischen  Elemente  der  Umgebung 
bestand. 

Denn  nach  der  rein  slawischen  Rechtsanschauung,  wonach 
der  Vollzug  des  Rechtsgeschäftes  durch  eine  rechtliche  Hand- 
lung vor  Zeugen  geschah,  konnte  durch  die  Beurkundung  des- 
selben nichts  anderes  bezweckt  werden  als  die  Bewahrung 
der  Zeugen  und  die  Erinnerung  an  die  Handlung.  Die  ersten 
urkundlichen  Aufzeichnungen  der  außerstädtischen  Klöster: 
St.  Johannes  bei  Belgrad  und  St.  Petrus  in  Selo  bei  Spalato 
sind  nur  nackte  Notizen  über  Schenker,  beziehungsweise  Ver- 
käufer, Objekt  und  Zeugen.'  Ja  selbst  dieser  mittelbar  recht- 
liche Zweck  der  Aufzeichnung  konnte  endlich  aus  den  Augen 
gelassen  und  einfach  die  Erinnerung  an  die  Tatsache  betont 
werden.^  Diese  Aufzeichnungen  sind  in  dem  Kopialbuche  des 
Klosters  Rogovo,  welches  zum  Erben  des  erstgenannten  Klosters 
wurde,   aus   dem    14.  Jahrhundert  erhalten.^    Es  ist  aus  der 


^  Das  erste  Urteil  ist  vom  indicinm  archiepiscopale ,  das  zweite  ante 
Dessennm  iapanum  gefällt. 

'  Cf.  Ficker,  Beiträge  I,  81. 

>  Doc.  Nr.  183.   136.  187. 

«  Cf.  Redlich,  MiU.  des  Inst.  V,  p.  10—26. 

^  Das  Kopialbach,  welches  sich  Polichorion  nnd  auch  Topicns  nennt, 
ist  vollständig  von  Ljabi(^  in  Starine  vol.  23  ediert  und  von  Ra2ki, 
Rad  vol.  36,  160 — 164  beschrieben.  —  Die  Namen,  welche  es  sich  gfibt, 
sind  im  Westen  nicht  zn  finden,  wie  auch  der  Name,  welchen  das  Car- 
tttlarinm  des  Erzbistums  von  Spalato  führt:  montannm,  montaneum 
(cf.  Da  Gange,  Glossariom;  Wattenbach,  Schriftwesen  88,  120;  Paoli 
260  fif.).  —  Ra(&ki  (Rad,  vol.  36,  p.  140,  nota  3)  meint,  daß  ,policorion<  von 


Di«  dalvatinisehe  PiiTmlnrlnuid«.  41 

langen  Reihe  von  58  Akten  anzunehmen,  daß  dem  Polichorion 
in  dieser  Beziehung  nicht  EinzelnaufzeichnuDgeU;  sondern  ein 
gleichzeitiges  unmittelbar  geführtes,  aber  auch  von  Einzelnvor- 
lagen  bedingtes  Traditionsbuch,  allerdings  mit  Rücksicht  auf 
die  Rechtsverfolgung  gemacht,  zugrunde  lag.^  Dagegen  sind 
die  Traditionen  des  Klosters  zu  Selo  aus  dem  12.  Jahrhundert 
größtenteils  auf  einzelne  Vorlagen  zurückzuführen.  Nimmt 
man  zu  den  besprochenen  Aufzeichnungen  des  Klosters  St.  Jo- 
hannes die  Akte  über  Kaufverträge,  welche  uns  in  der  Schen- 
kung des  Petrus  Öme  an  die  Kirche  in  Selo  erhalten  sind,' 
so  wird  es  wahrscheinlich,  daß  die  ersten  Anfänge  der  rein 
kroatischen  Privaturkunde  in  Dalmatien  in  der  Notitia  im 
weitestgehenden  Sinne,  in  reinen  Akten  bestanden  hatten.  Die 
Aktaufzeichnung  dauert  ununterbrochen,  wenn  auch  spärlich, 
weil  von  dem  städtischen  fünflusse  bedrängt,  durch  zwei  Jahr- 
hunderte und  noch  am  Beginne  des  13.  Jahrhunderts  besteht  in 
dem  kroatischen  Kloster  in  der  Umgebung  von  Zara  der  früher 
übliche  Brauch,  die  Grenzen  der  Besitzungen  ,ad  memoriam 
posterorum'  niederzuschreiben.'  Nur  die  urkundlichen  Wen- 
dungen sind  es,  woran  dieser  kroatische  Akt  gewinnt,  sonst 
bleibt  er  wesentlich  auf  derselben  Stufe,  wo  er  angefangen 
hatte,  bis  dann  die  Institution  des  locus  credibilis  der  Dom- 
kapitel und  das  Beweismittel  des  Siegels  dazu  beitragen,  daß 
er  sich  zur  Höhe  der  Urkunde  emporschwingt.^ 

Es  sind  besonders  die  drei  Kopialbücher  der  zwei  größten 
Klöster  zu  Zara :  St.  Maria  und  St.  Grisogono,  welche  die  Ein- 
flüsse dieser  Strömung  fühlen  lassen.  Zwei  derselben  gehören 
dem   ersten,   das   dritte   dem   zweiten   Kloster  an.     Alle  drei 


Kokhq  und  lat.  corium,  d.  h.  Über  ex  multia  coriis  hentimunt.  Selbst- 
yentändlich  ist  es,  daß  eine  so  unnatürliche  Dentang  nicht  stichhältig 
ist,  Yielmehr  ist  dieses  Wort  rein  griechisch  and  stammt  von  Kokhq  und 
Xtuptov,  welch  letzteres  Wort  mit  lat.  ,fandas'  gleichbedeutend  ist  (cf. 
Jire^Sek,  1.  c.  7). 

^  Cf.  Jiredek,  1.  c.  82. 

'  Boc:  Nr.  tll,  p.  183  und  136.  Über  Akte  ttber  Kaufvertrag  im  12.  Jahr- 
hundert s.  unten  §  16. 

*  A.  1215.  Der  Abt  von  Rogovo  mit  den  Mönchen  ,ad  memoriam  postero- 
mm  facimus  recordationem  de  terris  monasterii*  (Einselnaufiseichnung 
auf  Pergament  GAZ.,  Abt.  Rogovo). 

*  Darflber  unten  §  10. 


42  VI.  Abbftndlang:    y.  SaffUy. 

sind  zu  Ende  des  12.  Jahrhunderts  entstanden.^  Der  Grrund 
ihrer  Entstehung  dürfte  derselbe  sein^  wie  er  allgemein  bekannt 
ist:  die  wachsende  Zahl  der  Einzelnurkunden;  welche  die  Er- 
werbstitel  repräsentieren,  die  Bequemlichkeit  der  Übersieht 
und  der  häufig  eintretende  Verlust  der  Urkunde  selbst.' 

Obgleich  sie  zweifellos  mit  yollem  Recht  Eopialbücher 
für  königliche  und  private  Urkunden  genannt  werden  können 
und  der  Urkunde  selbst  größtenteils  als  Kopie  gegenüberstehen, 
so  fehlt  besonders  dem  ersteren  der  Anlauf  zum  Akte  nicht. 
Dies  ist  besonders  bei  den  Urkunden  über  die  Rechtsgeschäfte 
mit  den  Slawen,  also  in  der  Kaufurkunde  zu  verspüren.  Auf 
der  neunten  Seite  dieses  Kopialbuches  finden  wir  eine  Auf- 
zeichnung über  die  Käufe  von  Grundstücken  durch  die  Äbtissin 
Cika.^  Außer  der  ganz  verkümmerten  urkundlichen  Wendung: 
sub  Cresimiro  rege  et  Suinimiro  bano  steht  das  Stück  formal 
wie  wesentlich  auf  der  Stufe  des  Aktes;  es  nennt  nur  die 
Verkäufer,  das  Objekt,  den  Kaufpreis  und  die  Zeugen.  Noch 
formloser  ist  die  Notiz  der  Äbtissin  Vekenega  aus  dem  An- 
fange des  12.  Jahrhunderts.^ 

Diese  Fälle  stehen  den  vielen  Aufzeichnungen  der  außer- 
städtischen im  Gebiete  der  kroatischen  Stämme  befindlichen 
Klöster  vollständig  gleich.  Für  Zara  bedeuten  diese  Fälle  nur 
einen  charakteristischen  Anlauf  zum  Akte,  da  wir  sonst  in 
den  Klöstern  wie  auch  in  der  Stadt  ganz  überwiegend  die 
vollständige  Kaufurkunde  angewandt  finden.^    Dagegen  behält 


^  Während  die  beiden  ersten  von  den  beiden  Herausgebern  der  ältesten 
Urkanden  Kroatiens,  von  Radki  und  Kukuljevid  benützt  worden  sind 
(die  Beschreibung  dieser  zwei  Kodizes  von  Radki,  Bad,  vol.  36,  p.  166 
— 168),  hat  sich  das  dritte,  obgleich  von  einem  Alteren  Forscher  der 
kroatischen  Geschichte  gekannt  (Lucius,  De  regno  Croatiae  et  Dal- 
matiae,  1.  II,  c.  16,  p.  100;  cf.  Radki,  1.  c.  140),  lange  verborgen  gehalten. 
Erst  vor  einem  Jahre  entdeckte  es  Prof.  Smidiklas  in  dem  embischOf- 
lichen  Archiv  zu  Zara.  Es  ist  in  der  damals  hier  üblichen  longobardi- 
sehen  Schrift  aus  dem  Ende  des  12.  Jahrhunderts  geschrieben. 

*  Vgl.  Redlich,    Ober  die    bayrischen    Traditionsbücher.    Mitt.    des  Inst. 

V,  6—8. 
»  Doc.  Nr.  77,  c.  a.  1070—1073. 

*  A.  1107.  CSD.  11,  16. 

^  CSD.  II,  4,  12,  besonders  II,  Nr.  11,  wo  es  heißt:  Ego  Vekenega  abba* 
tissa  monialium  s.  Marie  .  . .  hoc  iussi  describi  priuilegium  de  possessione 


Die  dalmatuusehe  PriTatorkande.  43 

die  SchenknogBorkiinde  zwar  die  subjektive  Fassung  der  Carta 
im  Texte,^  aber  der  Mangel  fast  jeder  selbständigen  Datierung, 
welche  für  die  förmliche  und  rechtskräftige  Urkunde  selbst- 
verständlich ist,  ist  auch  hier  nur  durch  den  Einfluß  des  kroa- 
tischen Aktes  zu  begrtlnden,  dem  es  wesentlich  nur  auf  den 
Inhalt  und  die  Zeugen  der  Handlung  ankam.  In  dieser  Hin- 
sicht drückte  derselbe  seinen  Stempel  doch  dem  ganzen  Privat- 
urkunden wesen  Dalmatiens  von  der  Mitte  des  11.  bis  zur 
Mitte  des  12.  Jahrhunderts  auf. 

Daß  alle  diese  Aufzeichnungen  auf  Vorlagen  beruhen, 
ist  aus  der  gleichen  Schrift  sowie  aus  den  Einzelnurkunden 
selbst  zu  erkennen,  die  sich  erhalten  haben.  So  sind  fast  alle 
Urkunden,  die  im  Eopialbuche  St.  Grisogono  enthalten  sind, 
schon  aus  den  Originalen  bekannt  und  auch  ediert.'  Dennoch 
ist  auch  aus  der  äußeren  Gestalt  derselben  zu  entnehmen,  daß 
im  Laufe  des  12.  Jahrhunderts  der  Begriff  der  Urkunde  in 
den  Städten  sich  stark  verwirrte  und  daß  auf  die  förmliche 
Urkunde  als  Einzelaufzeichnung  kein  besonderes  Gewicht 
mehr  gelegt  wurde.  Wir  finden  am  Ende  des  Eopialbuches 
St.  Maria  nach  einigen  Notariatsurkunden  des  12.  Jahr- 
hunderts eine  originale  Notariatsurkunde  aus  dem  Anfange  des 
13.  Jahrhunderts,  welche  auch  das  Notariatszeichen  besitzt  und 
gewiß  keine  Nachzeichnung  ist,  wie  dies  aus  dem  Vergleiche 
der  Schrift  und  des  Zeichens  mit  anderen  originalen  Einzeln- 
urkunden zweifellos  hervorgeht.  Sie  ist  auf  dem  Pergament- 
blatte des  Buches  geschrieben,  was  ohne  Zweifel  als  ein  Versuch 
gelten  muß,  das  Kopialbuch  durch  Originaleinzeichnung  der 
Urkunden  fortzusetzen,  wie  man  demselben  Wunsche  etwas 
später  ebendaselbst  durch  das  Einheften  einiger  Original- 
instrumente nachzukommen  versuchte,  aber  auch  damit  bald 
aufhörte.  Ein  Gegenstück  dazu  ist  am  Anfange  des  12.  Jahr- 
hunderts zu  Spalato   in   der  Niederschrift  von  Urkunden   auf 


terre,   quam  genitrix  roea  Cicc«  abbatissa  comparauit  . .  .   ande   etiam 

sne  yenditionis    cartnlam  testationi  sibi    fecerunt.     Radki,   Doc. 

Nr.  108,  setzt  diese  ,cartala*  in  die  Zeit  von  1076—1080. 
»  Doc.  72.  74;  CSD.  U,  29—31. 
*  Eine  Ausnahme  bildet  die  Privatarkunde  von  1078  nnd  etliche  ans  dem 

Ende  des  12.  Jahrhunderts. 


44  VI.  Abhwdlukff:    y.  dnffUy. 

eine  mit  ihnen  dem  Inhalte  nach  gar  nicht  zasammenhängende 
ältere  Originalurkunde  zu  konstatieren.^ 

In  den  unverkennbaren  Spuren  der  städtischen  disposi- 
tiven  Carta  in  der  ältesten  Zeit  im  Norden,  im  baldigen  Siege 
der  förmlichen  Notitia  auf  der  ganzen  dalmatinischen  Küste 
sowie  im  Auftauchen  des  kroatischen  Aktes,  dessen  Einfluß 
in  den  Städten  wohl  auch  die  Abnahme  des  Urkundenmateriak 
verursachte,'  hat  sich  die  Entwicklung  unserer  Urkunde  voll- 
zogen, die  man  bis  in  die  zweite  Hälfte  des  12.  Jahrhunderts 
mit  vollem  Rechte  als  dalmatinisch-kroatische  bezeichnen 
kann.  Mit  dem  Emporblühen  des  Notariats  in  den  Küstenstftdten 
und  dem  allmählichen  Wachsen  des  Einflusses  des  italienischen 
Formelwesens,  das  seinen  Höhepunkt  in  der  gänzlichen  Annahme 
des  formelmäßigen  Instrumentes  in  den  Städten  im  14.  Jahr- 
hundert endgültig  erreicht,  beginnt  die  zweite  Periode  der  dal- 
matinischen Urkunde,  in  welcher  sich  die  reinkroatische  Urkunde 
in  Dalmatien  scharf  von  der  städtischen  sowohl  in  der  Autorität 
der  Herstellung,  wie  in  der  Anwendung  der  Beweismittel  und 
Fassung,  wesentlich  also  und  formal  unterscheidet. 


IV. 

Elemente  des  Instrumentes  In  der  dalmatinisch-kroati- 
schen Urknnde  nnd  Eigentflmllehkelten  derselben. 

Bevor  wir  zur  Entwicklungsgeschichte  der  Urkunde  in 
der  zweiten  Periode  übergehen,  erscheint  es  notwendig,  die 
dalmatinisch-kroatische  Urkunde  noch  eingehender  zu  be- 
trachten, um  in  ihr  einerseits  die  Elemente,  welche  der  baldigen 
Herrschaft  des  Instrumentes  in  die  Hand  arbeiteten,  anderseits 
ihre  Eigentümlichkeiten,  welche  ihr  ein  besonderes  Gepräge 
gaben,  zu  entdecken.     Damit  werden  sich  auch  die  Ursachen 

^  So  findet  man  auf  der  Stiftangsurkunde  des  Klosters  St  Benedikt  sn  Spa- 
lato  von  1069  (Doc.  Nr.  67)  die  Kaafurknnde  von  a.  1119  (II,  28)  and 
2wei  Schenkangen  an  dasselbe  Kloster  (ib.  29.  80). 

*  Die  nur  einige  Jahrzehnte  danemden  politischen  Wirren  an  der  Wende 
des  11.  und  12.  Jahrhunderts  sind  kein  hinreichender  Grund  aar  Auf- 
klärung des  Mangels  der  Urkunden  in  der  ersten  Hälfte  des  12.  Jahr- 
hunderts in  den  Städten. 


Die  dalmatinisebe  Priy»tiirkimde.  45 

einiger  yon  dem  allgemeinen  Formnlar  des  dalmatinischen  In- 
strmnentes  im  13.  Jahrhundert  abweichender  Fälle  von  selbst 
ergeben  and  man  wird  auf  solche  Ausnahmen  bei  der  Behand- 
lung des  Instrumentes  selbst  keine  Rücksichten  mehr  zu  nehmen 
brauchen. 

Somit  soll  hier  das  Protokoll  der  dalmatinisch-kroatischen 
Urkunde  so  wie  der  Rahmen  des  Instrumentes  im  13.  und  den 
folgenden  Jahrhunderten^  sowie  die  in  der  dalmatinisch-kroati- 
schen Urkunde  vorkommenden  geistlichen  Strafbestimmungen 
betrachtet  werden,  welche  in  ihr  andere  Schlußformeln  fast 
ganz  verdrängen,  während  sie  im  Instrumente  dann  vollständig 
verschwanden.  Die  anderen  eventuell  vorhandenen  Schluß- 
formeln sowie  die  reinen  geschäftlichen  Formeln  des  Textes 
derselben  Urkunde  werden  wegen  ihres  rechtlichen  Inhaltes 
zwar  von  diesem  Kapitel  separat,  aber  gemeinsam  mit  denen 
des  städtischen  Instrumentes  in  einem  den  Geschäftsformeln 
desselben  gewidmeten  Abschnitte  behandelt  (VII)  werden. 

6.  Das  Protokoll  der  dabnatinisoh-kroatisohen  Urkunde 

und  des  Instnunentes. 

Schon  die  Invokation  liefert  einen  Beitrag  zur  Begrün- 
dung der  Theorie,  daß  wir  in  Norddalmatien  mit  einem  sehr 
frühen  italienischen  Einflüsse  zu  tun  haben.  Denn  während 
die  ältesten  Urkunden  der  südlich  von  Zara  gelegenen  Städte 
nie  eine  symbolische  Invokation  anwenden,^  wird  im 
nördlichen  Dalmatien  also  zu  Zara,  Nona  und  Pago  die  allein- 
stehende und  die  wörtliche  Anrufung  vertretende  Invokation 
gebraucht,'  natürlich  parallel  mit  der  alleinstehenden  wörtlichen' 
und  auch  mit  dieser  in  Verbindung.^  Die  symbolische  Invo- 
kation zeigt  sich  hier  gewöhnlich  in  der  Form  eines  einfachen 


^  Die  StÜtnngsurknnde  yon  1069,  Doc.  Nr.  57,  die  von  der  wörtlichen  In- 
Tokation  ein  Kreuz  besitzt,  bildet  eine  leicht  erklärliche  Ausnahme,  da 
sie  von  dem  Notare  des  KOnigs  geschrieben  wurde  (cf.  Nr.  58),  wo  die 
symbolische  Anrufung  üblich  war  (Nr.  55.  G7),  wenn  auch  mit  der  wort- 
lichen gemengt  (Nr.  114,  124). 

*  Zara  Nr.  53.  68.  70. 

»  Nr.  13.   17.  21.  29  etc. 

«   Nr.  32.  84.  88.  86. 


46  VI-  AbhMdlang:    y.  SoffUy. 

Kreazes,  das  in  Italien  seit  der  longobardiscben  Zeit  den  An- 
fang der  Priyatnrknnde  gebildet  hatte,  aber  im  11.  Jahrhundert 
in  der  Mehrzahl  der  Fälle  durch  das  signnm  notarii  ersetzt 
worden  ist.^  Doch  ist  auch  das  echte  Chrismon,  d.  h.  die 
Verwendung  der  griechischen  Buchstaben  X  und  P  einmal 
nachzuweisen.'  Daß  aber  dasselbe  in  Zara  gut  bekannt  war, 
beweist  die  im  Marmor  eingemeißelte  Inschrift  in  der  Kirche 
St.  Maria  zu  Zara,  wo  es  auch  vorkommt.' 

Aber  im  Grunde  genommen  ist  es  eigentlich  nur  Zara, 
wo  diese  Invokation  selbständig  erscheint,  denn  die  ,commu- 
nitas  Kessensis^  auf  der  Insel  Pago  war  dem  comes  von  Rab 
(Arbe)  Untertan  und  wir  wissen,  daß  diese  Insel  am  Quamero 
dem  italienischen  Einflüsse  weit  mehr  offen  stand  als  jede 
andere  Stadt  Dalmatiens.  Für  Nona  können  wir  gar  keine 
Selbständigkeit  in  dieser  Beziehung  erwarten;  auch  sind  die 
zwei  Urkunden,  die  das  Kreuz  als  Invokation  besitzen,^  von 
demselben  Schreiber  geschrieben,  der  sein  Gewerbe  auch  zu 
Zara  und  Belgrad  ausübte.^ 

In  den  wenig  zahlreichen  Urkunden  des  12.  Jahrhunderts 
ist  die  symbolische  Invokation  auch  nicht  zu  finden,  erst  im 
13.  Jahrhundert  taucht  sie  wieder  auf,  um  mit  der  wörtlichen 
Invokation  dann  und  wann  die  Einleitung  des  sich  ausbildenden 
Instrumentes  zu  bilden.'' 

Für  den  Süden  Dalmatiens  ist  es  wegen  des  geringeren 
italienischen  Einflusses  nicht  befremdlich,  daß  keine  Original- 
urkunde der  ältesten  Zeit  die  symbolische  Invokation  besitzt. 
Erst    in    der  Übergangszeit   zum    Instrumente   am    Ende    des 

12.  Jahrhunderts  zeigt  sich  dieselbe  zu  Spalato®  und  im 
äußersten  Süden  zu  Ragusa  und  hält  sich  in  der  Urkunde 
der  letzteren  Stadt  spärlich  angewandt  bis  über  die  Mitte  des 

13.  Jahrhunderts.®     Es  mag  dieses  späte  Aufleben  der  symbo- 


»  Paoli,  Dipl.  111  (L.  148). 
«  Doc.  Nr.  34. 

*  Kakuljeyid,  Natpisi  io  CSD.  U,  p.  236  (Nr.  1,  a.  1101). 

*  Doc.  Nr.  68.         *  Nr.  63.  71. 

*  Cf.  Nr.  62.  63.  70. 

*  So  die  Urkunde  von  Zara  a.  1226  (orig.  GAZ.  s.  Qrisog.  XV.  E.  6). 

*  A.  1171.  CSD.  n,  118. 

»  A.  1190.  II,  220;  a.  1264  (orig.  AsA.);  a.  1269  (orig.  Ib.).  . 


Die  dalmatinische  PriT«larkande.  47 

lischen  Invokation,  welche  natürlich  keine  eigene  Kraft  mehr 
besaiJ  und  niemals  die  immer  folgende  wörtliche  Invokation 
vertrat,  zu  Zara  wie  zu  Spalato  mit  den  Anfängen  des  direkten 
EinfloBses  des  italienischen  Notariats  in  Verbindung  gebracht 
werden;  fUr  Bagusa  aber,  wo  dieser  Einfluß  nicht  so  stark 
war  und  dessen  Verkehrsrichtung  immer  mehr  gegen  Osten 
zeigt,  ist  dies  gewiß  als  ein  byzantinisch-slawischer  Einfluß  zu 
betrachten.^  Im  allgemeinen  aber  bewahrten  die  älteren  geist- 
lichen, einheimischen  Notare  des  12.  Jahrhunderts  den  von 
frühere«  einheimischen  Privatschreibern  empfangenen  Brauch 
der  wörtlichen  Anrufung  allein,  die  ihre  versteckten  Keime 
eben  nicht  im  italienischen,  sondern  direkt  im  byzantinischen 
Boden  barg. 

In  unserer  ältesten,  herzoglichen  Urkunde  von  853^  finden 
wir  nur  die  wörtliche  Invokation  und  sie  lautet:  in  nomine 
patris  et  filii  et  Spiritus  sancti.  Wäre  die  Formel  nur  etliche 
Jahrzehnte  frtlber  geschrieben  worden,  also  zur  Zeit  Karls  des 
Großen,  so  würden  wir  uns  vielleicht  in  Verlegenheit  befinden, 
ihre  direkte  Provenienz  festzustellen,  denn  wir  wissen,  daß 
das  kaiserliche  Formular  für  dieselbe  FormeP  in  einigen  italie- 
nischen Gegenden  dieselbe  Anrufung  der  Dreifaltigkeit  zur 
Folge  hatte  ,^  anderseits  ist  der  byzantinische  Einfluß  nicht 
ausgeschlossen.  Aber  zur  Zeit  war  sie  in  Oberitalien  schon 
fast  gänzlich  außer  dem  Brauche^  und  gegen  den  eventuellen 
Einwand^  daß  sie  sich  bei  uns  nur  länger  erhielt,  also  doch 
dem  sonst  unverkennbaren  fränkischen  Einflüsse^  entsprossen 
sei,  kann  man  Beweise  liefern ^  daß  sich  diese  Anrufung  zu 
jeder  Zeit  und  in  jedem  Lande,  welches  dem  direkten  Einflüsse 


*  S.  die  Privilegien  und  Briefe  des  bosnischen  Banns  Kulin,  der  serbi- 
schen und  bulgarischen  Ki^nige,  welche  diese  Invokation  besitzen,  bei 
Miklosich,  Mon.  Serb.  a.  1189,  p.  1.  2.  17,  a.  1234,  p.  19. 

■  Doc.  Nr.  2. 

'  Sickel,  Acta  Carol.  I,  263. 

*  Paoli  111  (L.  160). 

^  Lothars  Urkunden  in  Italien  haben  alle  zur  Invokation:  in  nomine  do- 
mini  nostri  Jesu  Christi,  Cod.  Longob.  Nr.  101.  104.  115.  116.  121. 
123  etc ;  ähnlich  auch  die  Privaturkunden.  Die  einzige  Ausnahme 
bildet  in  diesem  Kodex  eine  Urkunde  des  Bischoüs  von  Brescia,  welche 
die  oben  besprochene  Invokation  besitzt  (a.  841,  Nr.  140). 

*  8.  unten  §  18. 


48  Tl.  AblumdUng:    ▼.  gafflay. 

von  Byzanz  ausgesetzt  war,  finden  läßt,  fast  ausschließlich 
aber  in  den  slawischen  Urkunden  der  slawischen  Balkanländer 
im  Mittelalter  angewandt  wurde.  ^  Ein  Analogieschluß  zu- 
gunsten des  byzantinischen  Einflusses  in  dieser  Beziehung  bei 
uns  wird  dann  wohl  gestattet  sein. 

Wir  finden  diese  Formel  in  der  bekannten  griechischen 
Urkunde  des  heiligen  Stephan  in  Ungarn,'  in  Säditalien  ist  sie 
vom  Ende  des  12.  Jahrhunderts  allgemein.'  In  den  Urkunden 
der  bosnischen  Fürsten  lebt  sie  bis  zum  Untergange  des  König- 
reiches;^ ebenso  ist  sie  zu  finden  in  den  slawischen,  lateinischen 
und  griechischen  Urkunden  der  serbischen  Könige  und  Kaiser,^ 
wo  man  den  beinahe  ausschließlichen  byzantinischen  Einfluß 
nicht  bestreiten  kann,  und  auch  in  den  Urkunden  in  kroatischer 
Sprache,  die,  glagolitisch  geschrieben,  jedem  direkten  roma- 
nischen Einflüsse  ausweichen.^ 

Aber  nur  noch  einmal  erscheint  diese  Invokation  in  der 
fürstlichen  Bestätigung  der  oben  erwähnten  ältesten  Urkunde,' 
dann  verschwindet  sie  für  drei  Jahrhunderte  aus  der  kroatisch- 
dalmatinischen Urkunde  in  Nord-  und  Mitteldalmatien,   kaum 


^  Für  den  reinen  diplomatischen  Einfloß  des  griechischen  Brauches  ohne 
jede  politische  Begleitung  s.  Giiy  449.  5S2,  wo  er  Beispiele  anführt, 
wo  dem  lateinischen  Texte  diese  Invokation  in  griechischer  Sprache 
vorangeht. 

*  Wenczel,  Cod.  dipl.  Arp.  I.  Cf.  Kar^csonyi,  Szent  Istv4n  oklevelei  32. 
Bnda  1891. 

'  Rassi,  Paleografia  35  f.  Cf.  Die  sardinische  Urknnde  in  BiblioUi^ae 
d'öcole  des  chartes  XXXY,  265. 

«  A.  1189  CSD.  II,  203;  a.  1446  Kuknljevic,  Acta  croatica  Nr.  44. 

>  1229  (Orig.  Staatsarchiv  zn  Wien  rab.  Servia  163/65).  Der  Schwur  der 
Freundschaft  des  serbischen  2apan  Stephan  mit  Bagnsa.  —  1243  In  no- 
mine patris  etc.  Ego  Stephanos  Vros  dei  graeia  rez  totias  Rassie  (ver- 
bindet sich  mit  Ragnsa.  Orig.  ib.  ed.  Wenczel  XI^  328).  —  Fttr  die 
Kaisernrkunde  des  serbischen  Du&an  Silni  (1336 — 1356)  s.  Miklosich- 
MüUer,  Acta  et  diplomata  graeca  V,  2,  p.  135  ff.  —  Für  den  Qebraach 
der  Invokation  bei  den  Griechen  selbst  sind  die  zerstreuten  Publikationen 
angezählt  von  Mttller,  Wiener  Sitzungsber.  vol.  VII  (1851),  p.  324,  n.  1. 
Breßlau  599,  nota  2.  Gardthausen,  Griechische  Palftographie  18. 

^  S.  die  Steinurkunde  bei  Ra5ki,  Doo.  p.  487—489  c.  a.  1110.  Surmin, 
AcU  Croatica  1110—1499,  I  (Mon.  slav.  mer.  VI),  Nr.  6.  12.  17.  19.  20. 
21.  23  etc. 

»  A.  892,  Doc.  Nr.  12. 


Die  dslmatinische  FriTAtarkuDde.  49 

eine  Spar  ihrer  Anwendung  hinterlassend.^  In  den  Urkunden 
der  Städte  Zara^  Spalato  und  Trau  erscheint  sie  in  älterer 
Zeit  nie  und  als  sie  später  auftaucht,  ist  dies  schon  zur  Zeit 
des  Instrumentes.^  Nur  zu  Brazza,  das  den  kroatischen  Königen 
in  weltlichen  und  dem  Erzbischofe  von  Spalato  in  geistlichen 
Dingen  Untertan  war,  erscheint  in  den  ersten  urkundlichen 
Überlieferungen  diese  Invokation^  und  hält  sich  weiter  ge- 
pflegt von  den  einheimischen  Schreibern ,  welche  die  Würde 
des  Notars  noch  nicht  angenommen  haben.  Endlich  gezwungen 
zu  weichen  y  läßt  sie  am  Ende  des  12.  Jahrhunderts  den  Vor- 
rang der  sie  verdrängenden  Anrufung,  klammert  sich  aber 
an  dieselbe^  und  verschwindet  in  dieser  unnatürlichen  Position. 

Auch  auf  dem  süddalmatinischen  Boden  erscheint  diese 
Invokation  in  einigen  der  seltenen  Urkunden  südslawischer 
Häuptlinge,^  nicht  als  Überbleibsel  aus  älterer  Zeit,  sondern 
um  der  lateinischen  Urkunde  einen  griechischen  Anstrich  zu 
verleihen.^  Unter  diesem  slawiscb-byzantinischen  Einflüsse  er- 
scheint sie  noch  einigemale  in  den  Urkunden  von  Cattaro  und 
Ragusa.  ^ 

Parallel  mit  dieser  Invokation  sind  auch  hier  im  Süden 
andere  sonst  im  oberen  .Dalmatien  ausschließlich  angewandte 
Formeln  zu  finden.^  Sie  sind  hier  wie  dorten  in  der  ältesten 
Zeit  schon  ziemlich  verschieden.  In  den  ältesten  dalmatinischen 
Privaturkunden^  findet  man  die  in  ganz  Italien  beliebte  Formel  : 
in    nomine  domini   nostri  Jesu  Christi  ;^^    später  im  11.  Jahr^ 


^  In  der  Urkunde  des  Bischofs  von  Belgrad  kommt  sie  vor  a.  1076,  Doc.  89. 

*  Nur  drei  Beispiele  kann  ich  im  ganzen  anführen:  Trau  a.  1206  (Eid 
des  Bischofs  von  Trau  im  Evangelistar  des  AC8.  Fol.  136;  Farlatl  III, 
241);  a.  1238  Spalato  (Luc.  Mem.  de  Trau  38;  Weuczel  VII,  93);  a.  1254 
Zara  (orig.  ACT.  Nr.  9;  Farlati  IV,  344  f.;  Wenczel  XI,  396). 

»  A,  1111,  CSD.  n,  20. 

^  In  Christi  nomine  amen,  ac  patris  et  tilii  et  spiritos  sancti  a.  1184, 
CSD.  n,  294. 

»  CSD.  I,  Nr.  123,  a.  c.  1036—1040;  II,  Nr.  67.  Bekanntlich  ist  das  Ma- 
terial in  dieser  Periode  hier  sehr  spärlich.  Jirecek,  1.  c.  5. 

'  Näheres  darüber  unten  §  7. 

'  CSD.  n,  36.  184. 

«  CSD.  1, 114.  128;  II,  208.  210. 

*  Zara  918,  Doc.  Nr.  13;  Spalato  a.  1020,  Nr.  28. 
"  Cf.  Paoli  112  f.  (L.  150). 

SitximgslMr.  d.  p]iU.-hi8t.  Kl.  CXLVII.  Bd.  6.  Abb.  4 


50  VI.  Abhandlung:    r.  dvffUy. 

hundert  erscheint  die  durch  den  Einfloß  der  kaiserlichen 
Kanzlei  in  Oberitalien  vorherrschende  Anrufung  der  Dreifaltig- 
keit: in  nomine  sancte  et  indiuidue  trinitatis/  in  dei  nomine 
et  salvatoris  Jesu  Christi,  in  nomine  Jesu  Christi  veri  dei  eterni, 
in  Christi  nomine  dominantis.  Weit  überwiegend  ist  aber  in 
beiden  Jahrhunderten  die  einfache  Formel:  in  Christi  nomine, 
welche  auch  in  dem  dalmatinischen  Instrumente  überall  die 
Herrschaft  behauptet.  Außer  ihr  ist  noch  um  die  Mitte  des 
13.  Jahrhunderts  zu  Zara  sehr  üblich  die  Invokation:  in  no- 
mine domini  etemi  amen,  in  nomine  dei  eterni.  Es  scheint, 
daß  in  dieser  späteren  Zeit  jeder  Notar  sich  eine  Lieblings- 
invokation  aussuchte.  Wir  finden  z.  B.  bei  dem  zaratinischen 
Notar  Petrus  Scandolarius  (1248—1249)  fast  immer  die  In- 
vokation :  in  nomine  dei  eterni.  Seine  Vorgänger  benützen  mit 
Vorliebe:  in  Christi  nomine,  die  wieder  bei  seinen  Nachfolgern 
Guilelmus  Pauper  (1250 — 1251)  und  weiter  auftaucht.  Ganz 
neue  Formeln  pflegten  die  späteren  Notare  nie  anzuwenden. 

Alle  diese  älteren  Invokationen  schließen  ziemlich  selten 
mit  Amen.  Im  11.  Jahrhundert  kommt  nur  ein  solcher  Fall 
vor;'  erst  gegen  das  Ende  des  12.  Jahrhunderts  wird  ,Amen' 
häufiger  angewandt  und  die  Anwendung  dauert  auch  beim 
Instrumente  fort.  Zu  Spalato  ist  die  Invokation:  in  Christi 
nomine  im  13.  Jahrhundert  immer  mit  Amen  verbunden. 

Aber  parallel  —  wenn  auch  nicht  zahlreich  —  mit  den 
Urkunden,  welche  die  Anrufung  besitzen,  laufen  solche  ohne 
dieselbe.  Diese  Reihe  der  Urkunden  beginnt  in  der  zweiten 
Hälfte  des  11.  Jahrhunderts,'  also  in  der  Zeit  des  Rückschrittes 
der  dalmatinisch-kroatischen  Urkunde,  und  findet  ihre  Fort- 
setzung auch  im  13.  und  14.  Jahrhundert^  in  immer  stärkerem 


1  Doc.  Nr.  67  Spalato,  31.  35  Zara;  CSD.  I,  128  Ragusa.  —  Die  Königs- 
urkunden  habeu  als  Invokation:  in  nomine  sancte  et  individae  trini- 
tatis  und  in  nomine  domini  uostri  J.  Cb.  Ra^ki,  Hrv.  dvor.  Kancelarija 
Rad,  vol.  36,  p.  10. 

«  Doc.  Nr.  22,  a.  1000. 

>  Doc.  Nr.  39,  a.  1056  Nr.  62.  83.  128;  CSD.  II,  11.  13.  U  etc. 

*  Zara  1201  (GAZ.  s.  Gris.  XIV,  D  1);  a.  1201  (Ib.  IX,  T.  10);  1204 
(AsA);  1224  (Ib.)  etc.  Spalato  1243  (Luc.  Mem.  de  Tran,  p.  46)  etc. 
Cattaro  1261  (orig.  AsA.)  etc. 


Die  dalmatiniacbe  PiiYaiarlrande.  51 

Ihfia,  erreicht  aber  üicht  wie  in  Oberitalicn  die  Hälfte  der 
Instramente.^ 

Gleich  nach  der  rnroksftMD  folgt  in  der  dalmatinisch- 
kroatischen Urkunde  wie  auch  beim  späteren  Instramente  fast 
ausnahmslos  die  Datierungsformel.'  Nur  die  Urkunde  der 
geistlichen  Behörden  zeigt  von  ersten  Anfängen  eine  ent- 
gegengesetzte Tendenz,*  welche  endlich  in  der  Urkunde  der 
Bischöfe   und   Kapitel   durch    die   ausschließliche   Anwendung 

der   Schlußdatierung    im    14.  Jahrhundert    den    Sieg    erringt. 

«• 

über  die  Zeitangaben,  welche  die  Datierungsformel  enthält, 
wird  speziell  im  VIII.  Kapitel  gehandelt,  hier  kommen  nur 
die  Ortsangaben  sowie  ihre  Beziehungen  zu  den  Daten  in 
Betracht. 

Die  drei  ältesten  zaratinischen  Urkunden,  in  welchen 
gerade  in  dieser  Hinsicht  viele  archaische  Merkmale  zu  finden 
sind,  tragen  die  Ortsangabe  zu  Anfang  als  Abschluß  der  Zeit- 
angaben^ und  am  Schlüsse  wird  auf  die  vorangehenden  Daten 
mit  der  nicht  mehr  verstandenen  Formel:  actum  hoc  tempore, 
die,  loco  et  consule  ut  supra  oder  consulibus  suprascriptis  hinge- 
wiesen, welche  aber  ihren  römischen  Ursprung  nicht  verläugnen 
kann.^  Sonst  enthalten  die  ältesten  Urkunden  bis  zur  Mitte 
des  12.  Jahrhunderts  in  der  Anfangsdatierung  nur  die  Zeit- 
angaben, während  die  Oi*tsangabe  mit  dem  einleitenden:  acta 
sunt  faee  am  Schlüsse  steht.^  In  den  rein  kroatischen  Breven 
fehlt,  wie  schon  erwähnt^  jede  Angabe  dieser  Art.  Erst  am 
Ende  des  12.  Jahrhunderts  enthält  die  von  dem  italienischen 
Instrumente  schon  getrübte  dalmatinische  Kotariatsurkunde  die 
Ortsangaben,  falls  sie  überhaupt  vorkommen,  in  der  Einleitung, 


'  Cf.  Gkiil.  DarantiB,  Speculum  iuris  (ed.  Venedig  1602),  1.  II,  2,  de  iustr. 
eden.  §  2,  n.  2 ;  Volteliiii,  l.  c.  p.  XXX. 

'  Eine  merkwürdige  Ausnahme  bilden  einige  Testamente  von  Spalato 
a.  1226  (orig.  ACS.  XVI,  1.  72);  1229  (Ib.  XVI,  1.  172). 

'  Doc.  Nr.  89,  CSD.  II,  Nr.  17  etc.  neben  der  Anfangsdatierung  Doc.  Nr.  27. 
58  etc. 

*  Doc.  Nr.  13  (918),  17,  21.  Cf.  die  Pompeianischen  Tafeln,  wo  die  Zeit- 
angaben zu  Anfang  von  Ortsnamen  durch  Verbindung  des  Wortes  actum 
beschlossen  werden,  in  Bruns-Mommsen, Fontes  p.262.  263.  255. 259.267  etc. 

^  Näheres  darüber  unten  §  22. 

«  Doc.  Nr.  29.  62.  70.  71.  CSD.  II,  28.  113*. 

4» 


52  VI.  Abhandlung :    ▼.  gaffUj. 

aber  ohne  jede  Bezugsformel  auf  diese  Angaben  im  Esehatokoll.^ 
Diese  Ortsangabe  im  Protokolle  besteht  immer  nur  in  der 
Erwähnung  der  Stadt  und  befindet  sich  zwischen  der  präzisen 
Datierung  durch  Jahr  und  Tag  und  den  Datenergänzungen 
durch  die  Erwähnung  des  Herrschers^  Bischofs,  Comes  etc. 

Diese  Art  der  Ortsangabe  erhält  sich  in  dem  dalmatini- 
schen Instrumente  bis  in  die  Neuzeit  und  wird  überall  in  Dal- 
matien  zur  Regel.  Aber  parallel  mit  dieser  entwickelt  eich 
im  EschatokoUe  unter  wachsendem  Einflüsse  des  italienischen 
Notariats,  wo  die  Ortsangabe  von  neuem  als  notwendig  er- 
klärt wurde, ^  eine  Formel,  welche,  mit  einleitendem  actum  be- 
ginnend;  zu  Zara  zuerst  den  Zweck  hatte,  die  Zeugen  unter- 
zubringen,^  bald  aber  auch  eine  speziellere  Ortsangabe  der 
Handlung,  wie  z.  B.  einen  Stadtplatz,  Zimmer  etc.,  in  sich 
aufnahm. 

Im  südlicheren  Dalmatien  ist  es  die  Urkunde  von  Spalato, 
wo  sich  diese  vollständige  Formel  unter  dem  starken  Einflüsse 
des  kaiserlichen  Notariats  einnistete.  In  der  zweiten  Hälfte 
des  13.  Jahrhunderts  finden  wir  sie  schon  allgemein  ange- 
wandt;^ bald  gesellt  sich  dazu  das  Instrument  von  Trau  und 
anderer  Städte. 

Zu  Zara  hält  sich  die  einfache  Formel:  actum  coram  . . 
testibus  ohne  jede  Ortsangabe  im  gewöhnlichen  Vertrage  bis 
über  die  Mitte  des  14.  Jahrhunderts,^  obgleich  sich  schon  am 
Ende   des  13.  Jahrhunderts   kaiserliche  Notare  melden.     Die 


*  Zara  CSD.  II,  163.  164  etc.  Spalato  156,  Ragusa  169  etc. 

*  Bolandiuus,  Tract.  notularum  f.  471.  Gail.  Darantis,  1.  c.  §  2,  o.  4. 
'  Sie  lautet  hier:  actum  coram  bis  rogatis  et  vocatis  testibus. 

*■  A.  1261  ...  in  curia  domini  arcbiepiscopi  (Scbenkuug,  orig.  ACS.  XVI, 
2.  11);  1265  ...  in  palatio  dicti  domini  archidiaconi  (Kaufiirkunde, 
orig.  s.  Maria  zu  Zara);  1269  . . .  ante  ecclesiam  b.  Domnii  (orig.  ACS. 
ed.  Farlati  UI,  283);  1269  ...  in  camera  mei  noUrii  (orig.  Ib.  XVI,  1.  84), 
1295  ante  domum  quondam  Rambaldi  (orig.  s  Maria);  1304  iufra  ambas 
portas  (orig.  Kloster  zu  Sebenico)  etc. 

^  In  der  feierlichen  Urkunde  kommt  früh  die  genaue  Ortsangabe  vor 
(a.  1248  actum  est  hoc  iuzta  portam  ferream  ciuitatis  Jadre.  Orig.  GAZ. 
8.  Qris.  XVIII,  Nr.  429),  die  zu  Spalato  in  dieser  Art  der  Urkunde  schon 
im  12.  Jahrhundert  auftaucht.  A.  1180  CSD.  II,  156  (in  der  Einleitung) : 
hoc  actum  est  ante  presentia  idoneorum  testium  ...  et  in  cioitate  Spa- 
latina  et  in  podio  impcrialis  turris« 


Die  dalmatin Lache  Priraliirkiinde.  53 

genaue  Ortsangabe  in  dem  Instrumente  von  Zara  wird  erst 
in  den  Siebzigerjabren  des  14.  Jahrhunderts  üblich/  indem 
sie  sich  durch  die  Gerichtsurkunde  zu  den  Privatkontrakten 
den  Weg  bahnte.^  Dennoch  gibt  es  auch  weiter  Notare,  welche 
nicht  immer  diese  Regel  respektieren.^  Nur  die  Urkunde  von 
Gattaro  in  ihrer  eigentümlichen  Kürze  enthält  nie  die  genaue 
Ortsangabe  der  Handlung.  Wenn  sie  den  Ort  am  Schlüsse 
nennt,  so  ist  es  die  Stadt  selbst,  deren  Angabe  dann  in  der 
Einleitung  fehlt. 

Für  alle  Zeit-  und  Ortsangaben  sowohl  in  der  kroatisch- 
dalmatinischen Urkunde  als  in  dem  städtischen  Instrumente 
ergibt  sich  aus  dem  Wesen  der  ersteren,  wie  aus  der  Aufgabe 
des  zweiten/  daß  sie  sich  nur  auf  die  Handlung  beziehen. 
Die  Schwierigkeiten,  welche  in  der  deutschen  Urkunde  durch 
den  Widerspruch  von  Datum  und  Actum  entstehen  können^^ 
sind  hier  gänzlich  ausgeschlossen. 

Die  Unterschriften  und  Unterzeichnungen  der  Aus- 
steller dauern  in  Italien  bei  den  Verträgen  nach  dem  römischen 
Muster,  wo  ausdrücklich  von  Unterschriften  beider  Parteien 
gesprochen  wird,^  bis  in  den  Anfang  des  13.  Jahrhunderts 
und  lokal  auch  weiter.  In  Dalmatien  finden  wir  keinen  Ver- 
trag in  der  ganzen  Zeit  vom  10.  bis  zum  12.  Jahrhundert, 
der  überhaupt  eine  Unterschrift  dieser  Art  hätte.  Etwas  anderes 
ist  es  bei  der  Schenkung  der  ältesten  Zeit.  Die  Schenkungen 
der  ersten  Fürsten  von  Kroatien  besitzen  ihre  Unterschrift.'' 
Auch  bei  den  späteren  Schenkungen  der  Kommunen  im  11.  Jahr- 
hunderte sind  die  Spuren  dieser  Bekräftigungsformel  zu  finden. 
Hier  sind  die  Unterschriften  der  Vertreter  der  Kommune  bei 
der  allgemeinen  Unkenntnis  des  Schreibens  nur  selten  eigen^ 
händig  und  somit  ist  die  Formel  für  die  Handzeichen  (signatio). 


^  Regelmäßig  zuerst  in  den  Urkanden  des  kaiserlichen  Notars  Petrus 
Perensanns  de  Padua  (1363-1389). 

'  In  der  Gerichtsarkunde  zeigt  sie  sich  mit  den  Beginne  des  13.  Jahr- 
hunderts. 

*  So  z.  B.  Petrus  de  Annobonis  de  Serzana  (1372—1402). 

*  Cf.  Voltelini,  1.  c.  p.  XXX,  n.  4. 

»  Cf.  Ficker,  Beiträge  I,  63  ff.  205  ff.;  Posse,  Lehre  103  ff. 

«  Cod.  Justin.  IV,  21.  17.  Paoli  172  (L.  192).         »  Doc.  Nr.  2.  9. 


54  Yh  Abhandlung:    ▼.  AnffUy. 

nicht  für  die  eigenhändigen  Namenszüge  (subscriptio)  im  Ge- 
brauche;^ auch  ist  die  Unterscheidung,  ob  einige  als  Zeugen 
oder  als  Aussteller  fungieren,  nicht  leicht. 

Dagegen  scheint  die  Unterschrift  der  Zeugen  in  der 
älteren  Urkunde  Dalmatiens  etwas   üblicher  gewesen  za  sein. 

In  den  ältesten  zaratinischen  Urkunden  finden  wir  die 
Zeugen  im  EschatokoU  in  der  Form  der  persönlichen  Unter- 
schrift verzeichnet.^  Ihren  Platz  finden  sie  zwischen  dem 
Ende  des  Textes  und  der  Formel  des  Rogatars.  Die  Unter- 
schriften sind  nach  dem  lombardischen  Muster  in  ganz  einfache 
Formeln  gekleidet:  Signum  f  manus  N.,  oder  f  ego  N.  testis, 
oder  nur  N.  testis.^  Man  findet  somit  in  der  Urkunde  zu 
Zara  noch  im  11.  Jahrhundert  im  EschatokoU  einen  archaisch- 
lombardischen  Zug,  der  sich  eben  jetzt,  am  Ende  des  11.  Jahr- 
hunderts schon  einem  Zeugenverzeichnisse  nähert/  doch  noch 
die  selbständige  Position  der  Zeugen  andeutet.  Wahrscheinlich 
bestand  er  in  der  diplomatischen  Frühzeit  in  der  Urkunde 
der  südlichen  Städte,  aber  nachzuweisen  ist  er  nur  für  Ragusa.^ 
Sonst  enthält  die  Urkunde  anderer  Städte  an  der  Stelle  der 
Unterschriften  die  Zeugenliste,  die  von  dem  Schreiber  mit:  in 
presencia  herum  testium,  et  hec  notitia  testium  eingeleitet  wird.^ 

Im  12.  Jahrhundert  wird  der  Gebrauch  der  von  dem 
Notar,  beziehungsweise  Schreiber  zusammengestellten  Zeogen- 
verzeichnisse  durch  den  Zutritt  der  Urkunde  von  Zara  all- 
gemein; und  es  ist  dies  gewiß  wieder  ein  Sieg  der  für  die 
kroatischen  Rechtsverhältnisse  passenden  reinen  Notitia,  der 
unselbständigen  Zeugenurkunde. 

Somit  hat  sich  die  dalmatinisch-kroatische  Urkunde  in 
dieser  Hinsicht  für  den  Übergang  in  das  Instrument  vorbereitet; 
denn  auch  hier  sind  die  Zeugen  nach  der  Meinung  der  Glos- 
satoren einfach  der  Solennität  wegen  beigezogen  und  zu  Be- 
ginn der  Urkunde  an  das  Datum  gereiht  oder  nach  dem  Kon- 


^  Signum  manus  N.  Doc.  Nr.  134,  cf.  68. 
>  Doc.  13.  21.  33.  34  etc. 

'  Zu  bemerken  ist  vielleicht,  daß  dort,  wo  das  Signum  erwälint  wird,  die 
Bezeichnung  als  testis  ausnahmslos  wegfällt. 

*  Doc.  Nr.  128. 

5  CSD.  I,  114.  128  (a.  1023.  1044). 

*  Spalato,  Doc.  Nr.  36;  Nona,  Nr.  45.  60.  61.  72  etc. 


Die  dklmAftinisebe  PriTfttorlronde.  55 

texte  angefügt.^  Die  Zahl  der  Zeugen  ist  bis  in  die  Mitte 
des  13.  Jahrhunderts  ziemlich  schwankend ,  aber  auch  ver- 
hältnismäßig groß.  Besonders  in  der  Urkunde ,  welche  rein 
kroatische  Qeschäfte^  die  gewöhnlich  vor  der  ganzen  Sippe 
abgeschlossen  werden,  enthält,  ist  die  Zahl  der  Zeugen  groß 
und  erhält  sich  gleich  groß  noch  im  14.  Jahrhundert  in  der 
Urkunde  von  Bribir,  wo  das  Institut  des  Notariats  und  die 
Form  des  Instrumentes  nicht  ganz  unbekannt  blieben.  Es 
kommen  da  vom  Notare  zusammengestellte  Zeugenverzeichnisse 
vor,  welche  die  größere  Hälfte  der  ganzen  Urkunde  einnehmen. 
In  der  Urkunde  der  Eüstenstädte  erscheinen  eben  unter  dem 
slawischen  Einflüsse  bis  zum  Ende  des  13.  Jahrhunderts  zahl* 
reiche  Zeugen.  Nur  bei  den  Testamenten  der  ältesten  Zeit 
zu  Zara  kann  man  den  direkten  Anschluß  an  die  Bestimmungen 
des  römischen  Rechtes  annehmen,^  die  aber  bald  vergessen, 
leicht  von  den  Unregelmäßigkeiten  in  den  Eontrakten  ersetzt 
werden  konnten.  In  der  Übergangszeit  zum  objektiven  In- 
strumente schwankt  die  Zahl  derselben  von  2 — 6,  bis  in  der 
zweiten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  der  Notar  überall  aus 
den  oft  zahhreich  anwesenden  Zeugen  nur  zwei  anftihren  muß.' 
Das  Zeugenverzeichnis  beginnt  in  der  dalmatinisch-kroa- 
tischen Urkunde  mit  der  Formel:  actum  coram,  hi  fuerunt 
presentes,  oder  ganz  einfach  testes,  worauf  die  Namen  derselben 
folgen;  also  ohne  jedes  Attribut  ftlr  Zeugen.  Erst  am  Ende 
des  12.  Jahrhunderts  werden  die  Zeugen  als  idonei  bezeichnet.^ 
Zu  Spalato  kommt  auch  vor,  daß  in  dem  Zeugenverzeichnisse 


'  Voltelini,  1.  c.  p.  XXX.  Cf.  Branner,  Carla  and  Notitia  in  Comm.  in 
hon.  Mommsenii  681. 

'  Doc.  a.  918,  Nr.  18.  21  erscheinen  lO^-S  Zeugen.  Cf.  Savigny,  Ge- 
schichte des  romischen  Rechtes  im  Mittelalter  II,  220;  österley  I,  246  f. 

'  . . .  qnod  notarins  .  . .  debeat  scribere  in  qnatemo  totam  contractum  . .  . 
et  adminns  com  presentia  duornm  testinm  et  cnm  examinatore.  Et  te- 
neatnr  scribere  in  qnatemo  nomen  ipsins  examinatoris  et  testinm.  Stat. 
Spalati  XV,  1.  2,  c.  60,  p.  53.  Cf.  Stat  Trau,  I.  III,  c.  7,  p.  74  und 
Addit.  von  1847,  1.  I,  c.  84,  p.  82.  Stat  Cath.  e.  188,  p.  109.  Stat 
Bndyae  c  124  (Mon.  slav.  mer.  hist-inrid.  III,  p.  29). 

«  Zara  a.  1197.  CSD.  U,  244;  a.  1201  (orig.  GAZ.  s.  Gris.  XIV,  D.  1)  . .  . 
pronisorem  et  mee  domus  cnstodem  esse  constituo  coram  bis  idoneis 
testibus.  —  Sfvalato  a.  1180,  CSD.  II,  156;  aber  auch  schon  am  Ende  des 
U.  Jahrhunderts  ein  Fall  Doc.  Nr.  111. 


56  VI.  AbhMidliing:    ▼.  SaffUy. 

die  Bürger  von  den  benachbarten  Kroaten  auseinander  ge- 
halten werden,  was  schon  im  12.  Jahrhundert  auf  eine  ver- 
schiedene Stufe  der  Beweisftlhigkeit  der  letzteren  vor  dem 
städtischen  Gerichte  hindeutet.  Im  13.  Jahrhundert  kann  kein 
Kroate  gegen  den  Bürger  von  Spalato  vor  der  Kurie  als  Zeuge 
auftreten.^  Es  sind  dies  die  Wirkungen  des  Prinzips  der 
persönliclien  Rechte,  welche  hier  die  Zuziehung  der  Zeugen 
von  derselben  Nation  befahlen,  zu  welcher  die  Kontrahenten 
sich  bekannten,  weil  nur  sie  bezeugen  konnten,  daß  die  nOtigc 
Rechtsform  angewandt  war.'  Noch  schlechter  steht  es  in 
dieser  Hinsicht  mit  den  Frauen ,  ihr  Zeugnis  wird  gar  nicht 
akzeptiert.' 

Die  Attribute  der  Zeugen  als  rogati  et  vocati,  welche 
sich  im  italienischen  Instrumente  mit  Anlehnung  an  Bestim- 
mungen der  römischen  Quellen  ausbildeten,  werden  zuerst  in 
den  zaratinischen  Urkunden  aus  dem  Anfange  des  13.  Jahr- 
hunderts beständig  sichtbar.^  Nicht  viel  später  werden  sie 
hier  in  der  Einleitung  angemeldet  und  im  Schlüsse  nach  dem 
Kontexte  angeführt. 

Umgekehrt  ist  in  den  Urkunden  von  Spalato  und  über- 
haupt aller  südlicheren  Städte  die  Anknüpfung  an  die  dalma- 
tinisch-kroatische Urkunde  gerade  in  dieser  Beziehung  stärker. 
Hier  werden  sie  nicht  im  Anfange  angemeldet  und  auch  im 
Eschatokoll  geschieht  ihre  Anmeldung  durch  kurze  Wendung: 
testes  auch  dann,   wo  schon  die  Urkunde  viele  Formeln  des 


^  Et  in  causa  ciaili  Sclanos  non  admittatur  ad  testimoninm  contra  eines 
Spalatinos.  Stat.  Spal.  1.  2,  c.  8,  p.  70. 

■  Savigny,  o.  c.  I,  218. 

'  A.  1174,  Spalato.  Lex  de  testimonio  mnliemm  non  acceptando  CSD.  11, 
127.  293.  Gf.  Stat.  Spal.  1.  I,  c.  60,  p.  53.  —  Wenngleich  diese  Bestim- 
mungen zanftchst  sich  nicht  auf  Urknndenzeugen  beziehen,  so  ist  doch 
bei  ihrer  Allgemeinheit  kaum  zu  bezweifeln,  daß  sie  auch  auf  diese 
angewandt  wurden.  —  Ähnliche  Bestimmungen  für  Traft  s.  Stat.  Beform, 
a.  1317,  1. 1,  c.  22,  p.  79. 

^  Zuerst  vereinzelt  schon  a.  1183,  CSD.  II,  173,  dann  erst  a.  1209  (orig. 
AsA.).  Wenn  in  einer  Urkunde  zu  Zara  CSD.  II,  9  schon  a.  1108  Ego 
Johannes  Jadertine  ecciesie  presbiter  rogatus  testis  vorkommt,  so  ist 
hier  ,rogatu8'  nicht  ein  Attribut  zu  testis ,  sondern  ein  Überbleibsel  der 
VoUziehungsformel  des  Rogatars;  er  war  ja  auch  der  Schreiber  der 
Urkunde. 


Die  dftlmatinisclie  PriT»tarkiinde.  57 

modernisierten  italienischen  Instrumentes  besitzt  J  Erst  mit  der 
Einführung  des  objektiven  Instrumentes  in  der  vorgerückten 
zweiten  Hälfle  des  13.  Jahrhunderts  dnrch  den  Einfloß  kaiser- 
licher Notare  fangieren  in  den  Urkunden  von  Spalato  die 
Zeugen  als  vocati  und  rogati.^  Dazu  gesellt  sich  die  Urkunde 
von  Trau  und  Ragusa^  zuletzt  im  14.  Jahrhundert  die  von 
Cattaro.  Es  ist  dies  eine  Regel,  welche  zahlreiche  Ausnahmen 
nicht  ausschließt.  Man  hat  hier  die  Vorschriften  der  italieni- 
schen Glossatoren,'  welche  zu  Spalato  zweifellos  sehr  gut  be- 
kannt und  in  den  Statuten  berücksichtigt  waren,  eben  nicht 
so  genau  genommen,  wie  dies  eine  Verordnung  über  die  Zeugen 
im  Testamente  klar  merken  läßt.^ 

Seit  dem  Anfange  des  13.  Jahrhunderts  erscheint  in  dem 
Instrumente  von  Trau  zuerst,  gleich  nach  dem  Zeugenverzeich- 
nisse,  also  vor  der  Unterzeichnung  des  Notars,  in  eigener  Linie 
die  eigenhändige  Unterschrift  des  Examinators/  von 
dessen  Amte  wir  unten  bei  der  Publikation  des  Instrumentes 


^  So  in  der  Urkunde  yon  1268,  Spalato  (orig.  Begna  Nr.  3),  Schenkung,  in 
welcher  die  Klaosel  ,inter  uiuos*  zum  ersten  Male  yorkommt :  actum  in 
domo  dicti  Rombaldi.  Testes  sunt:  Peraenus  Magerii  et  Mathens  PossilU 
et  allü.  —  Gleich  die  Urkunde  von  1258  (orig.  ACS.  XVI,  1.  168),  die 
vom  kaiserlichen  Kotar  Franziskus  in  objektiver  Form  verfaßt  ist  etc. 

^  Zuerst  a.  1276  (Kopie  in  Descrizione  della  mensa  archiepisc.  im  bischöf- 
lichen Archive  zu  Spalato,  f.  164  f.):  actum  in  palatio  magno  archi- 
episeopali  presentibus  hiis  tcstibus  ad  hec  vocatis  et  rogatis:  Madio 
Mlche  et  Joanne  Dabrali. 

'  Wo  die  Zeugen,  z.  B.  in  den  Testamenten  und  Quittungen  rogati  et 
vocati  sein  sollten,  s.  Rainerius  de  Perugio,  Bibliot.  iuris  II,  80  f.  c.  8; 
darnach  Bolandinus,  Tract.  not.,  f.  471  (Ausg.  Venedig  1646);  Quil.  Du- 
rantis  1.  c.  §  2,  n.  10. 

*  .  ,  .  quod  in  testamento  codicillo  uel  alia  .  .  .  ultima  voluntate  sunt  scripti 
aliqui  testes,  siue  ipsi  testes  sint  rogati  siue  non  sint  rogati,  non  tarnen 
propter  hoc  uitietur  testamentum  etc.  (Stat.  Spal.  1.  2,  p.  77  f.).  Aus  dieser 
Betonung  der  Rogation  geht  hervor,  daß  die  Vorschriften  der  Glossatoren 
bekannt  waren,  was  im  Zusammenhang  mit  der  Kntstehungsgeschichte 
dieser  Statuten,  welche  von  zwei  rechtskundigen  Italienern  redigiert 
wurden,  nicht  befremdlich  ist.  Cf.  Thomas  archid.  Historia  Salonitana 
(Mon.  Slav.  mer.  vol.  26,  c.  36).  Lucius,  De  regno  p.  347  (ed.  Amsterdam 
1666);  Farlati  III,  304;  Lucius,  Memorie  de  Trau,  p.  196.  S.  oben  §  2. 

^  A.  1213  (ed.  Wenczel  XI,  330  f.  falsch  unter  a.  1203),  von  da  an  üblich 
a.  1238  (orig.  ACT.  Nr.  3),  1241  (orig.  s.  Maria)  etff. 


58  VI.  AbbuidlaBf :    t.  AnffUy. 

sprechen  werden.^  Mit  der  Verbreitung  dieses  Amtes  in  den 
Städten  Daimatiens  tritt  fast  überall  diese  Formel  im  Elschato- 
koUe  auf.^  Die  Unterschrift  lautet  in  der  älteren  Fassung: 
ego  N.  examinator  manum  meam  misi,  oder:  mann  mea  scripsi. 
Vom  Ende  des  13.  Jahrhunderts  lautet  sie  überall  regelmäßig: 
ego  N.  examinator  (conscius)  examinaui^  und  dauert  bis  unter 
die  endgültige  Herrschaft  Venedigs  fort.  Oft  haben  beide 
Fassungen,  obgleich  eigenhändig,  ein  Kreuz  als  Handzeichen 
zur  Einleitung. 

Abgeschlossen  wird  das  EkchatokoU  der  dalmatinisch- 
kroatischen Urkunde  gewöhnlich  durch  die  Unterschrift 
des  Schreibers,  das  des  späteren  städtischen  Instrumentes 
durch  die  Vollziehungsformel  des  Notars. 

Von  der  wirklichen  Eompletionsformel  der  ältesten  zara- 
tinischen  Carta  wurde  schon  gehandelt.^  Hier  wollen  wir  nur 
noch  die  Unterschrift  des  Schreibers  in.  der  kroatisch-dalma- 
tinischen Notitia  sowie  die  eigenhändige,  der  Formel  nach 
gleichgültige  Unterzeichnung  des  Notars  im  Instrumente  be- 
sprechen. Zugleich  ist  zu  bemerken,  daß  viele  der  rein  kroati- 
schen Breye  und  Akte  des  11.  Jahrhunderts  in  dieser  Beziehung 
außer  Betracht  fallen,  da  sie  den  Schreiber  nicht  nennen,  also 
dem  Gebiete  der  unbekannten  Hand  gehören.^ 

Wie  zu  erwarten  war,  hatten  sich  für  die  Unterschrift 
des  Schreibers  in  der  dalmatinisch-kroatischen  Urkunde  zwei 
Haupttypen   ausgebildet,   ein  nördlicher  und  ein  südlicher;   sie 

1  S.  unten  §  U. 

*  Das  erste  Mal  zn  Zara  a.  1281,  17.  Febraar  (orig.  GAZ.  s.  Gris.  XVII, 
fi.  14);  Spalato  a.  1247  (AGS.  orig.);  Sebenico  a.  1243  (orig.  AsA.);  8car- 
dona  1311  (orig.  im  Kloster  zu  Sibenik).  In  den  zwei  südlichsten 
Städten:  Cattaro  und  Budva  vertreten  die  Ezaminatores  die  Anditores, 
aber  dieselben  unterschreiben  sich  nicht. 

'  Am  unregelmäßigsten  ist  diese  Formel  zu  Zara  angewandt.  Sie  erscheint 
das  erste  Mal  a.  1279  (orig.  GAZ.  s.  Gris.  V,  81),  das  zweite  Mal  erst 
a.  1298  (Ib.  XXn,  Nr.  644);  von  da  ab  weiter  wird  sie  starker  als  die 
ältere. 

*  S.  oben  S.  32—34. 

^  Der  Versuch,  den  Schreiber  durch  den  Vergleich  der  Handschrift  fest- 
zustellen, muß  aus  zwei  Gründen  mißlingen:  erstens  wegen  der  Spär- 
lichkeit des  Materials  selbst,  zweitens  wegen  der  Form  der  Überlieferung, 
denn  es  g^bt  kaum  Originale. 


Di«  dalmatinische  PriTatvrkande.  59 

sind  in   den  Urkanden   von  Zara   und  Spalato,   welche   etwas 
zahlreicher  erscheinen,  schön  zu  erkennen. 

Die  Urkunde  von  Zara,  welche  an  die  dispositive  Carta 
anknüpft,  wo  die  Unterschrift  des  Notars  ein  wirklicher,  durch 
angepaßte  Formeln  zum  Ausdrucke  gebrachter  VoUziehungsakt 
war,^  hat  nach  dem  Verluste  ihrer  verfügenden  Kraft  und  in- 
dem sie,  wie  gezeigt,  zur  Notitia  wurde,  nicht  gleich  die  Unter- 
schrift der  Notitia  angenommen;  sie  behielt  wenigstens  die 
Fragmente  der  Yollziehungsformel  und  drückte  auch  ihren 
Stempel  in  dieser  Beziehung  den  nahen  Städten  Nona  und 
Belgrad  auf.  Die  Fragmente  der  Vollziehungsformel  sind  auch 
wirklich  hier  überall  in  den  Verba  ,rogatus'  und  ,compleui^ 
erhalten,  welches  letztere  bald  durch  das  venezianische  ,roboraui^ 
ersetzt  wurde.  Die  Unterschrift  lautet  dann  vollständig:  et  ego 
N.  rogatus  . . .  propria  manu  scripsi  et  roboraui.^  Sie  schwindet 
zwar  rapid,  von  der  Subskription  verdrängt,  die  ihre  Nahrung 
aus  dem  benachbarten  kroatischen  Breve  schöpfte  und  von 
der  wachsenden  Zahl  der  Privatschreiber  eingetragen  wurde,' 
aber  wahrscheinlich  hält  sie  sich  ununterbrochen,  um  mit  dem 
neuen  Auftauchen  der  Notare  in  der  zweiten  Hälfte  des  12.  Jahr- 
hunderts wieder  zu  Zara  in  neuer  Frische  zu  erscheinen.^  So- 
mit hat  hier  die  Unterschrift  eine  Qestalt  erreicht,  welche  sich 
nur  durch  das  Fehlen  der  Klausel,  die  das  Notariatszeichen 
betrifft,  von  der  Unterzeichnung  des  Instrumentes  unterscheidet. 
In  dieser  Gestaltung  der  Unterschrift  liegt  auch  der  Qrund, 
warum  in  der  zaratinischen  Urkunde  das  Notariatszeichen  bald 
und  weit  früher  als  irgendwo  in  Dalmatien^  erscheint,  trotzdem 
die  Niederlassung  der  italienischen  kaiserlichen  Notare  um 
Jahrzehnte  später  als  zu  Spalato  geschah. 


^  Bninner,  Zar  Rechtfigeschichte  87 — 97. 

«  A.  1078,  Doc.  Nr.  106.    Cf.  Nr.  60.  62.  63.  71. 

>  Obrovac  (bei  Zara),  Doc.  Nr.  29.  a.  1029  .  , .  aactor  et  testia  sam;  Nr.  72 

Schenkung  der  Kirche  in  Brayizo  an  das  Kloster  S.  Grisogono:  et  ego 

presbiter  Martinus  capelanns  interfui  et  testis  sam. 
^  Die  Unterschrift  beim  ersten  zaratinischen  Notare  Johannes  (1164 — 1172) 

lautet:  et  ego  Johannes  Jadrensis  notarius  .  . .  interfui  scripsi  et  roborani. 
B  Das  erste  Mal  a.  1178,  CSD.  II,  Nr.  129;  weiter  üblich  Nr.  182.  163.  164. 

172.  173  etc.  —  Zu  Spalato  erst  a.  1234  (orig.  s.  Maria);  Trau  a.  1213 

(ed.  Wenczel  XI,  830). 


68  V  -äff  lay. 

sprechen  w  ^^  das  ITotariat  in  ähnlicher  Weise 

Städten  r  ^         ^-««^  pichte  die  Unterschrift  zu  derselben 

kolle   a»  ^'^  A"'^  *^^  machte  nicht  so  bald  den  weiteren 

ego  N  ^    ''/^J^  ^^^  Zeichens,  da  parallel   mit  ihr   als 

VoD^  '%''/0r'^^die  Unterschrift  des   Breves   auftrat   und 

®?  '*i*«^  ^r^'Dt"!?-    Von  dieser  wird  jetzt  die  Rede  sein. 

^^  J^^^^t  ^^^^^^^^  Urkunde    sowie    die  Urkunde    der 

^  fyrA  gelegenen  Küstenstädte  erscheint  von   ihren 
^  A  0ogc^  A^B  Notitia  und  besitzt  eine  einfache  subscriptio, 
<*s«^*^?i^  der  Privatschreiber  Zeugnis  ablegt,  daß  er  bei  der 
'"^u^f  anwesend    gewesen   ist   und    die   Urkunde    nieder- 
yiehen  hat.     Aber  außer  dem  ,adfui'   und  ^scripsi^  ist  die 
iv^j^farift  noch  mit  einer  eigentümlichen  Klausel  versehen, 
J^e  sowohl  dem   Mangel  jedes   spezifischen  Unterschiedes 
ieß  Privatschreibers  von  anderen  als  Zeugen  bei  der  Handlung 
l^teiligten  Personen,  als  der  Natur  der  dalmatinisch-kroatischen 
Urkunde,  welche  das  Hauptgewicht  auf  die  Zeugen  legt,  ent- 
sprungen ist.    Sie  lautet  vollständig:  et  ego  N.  scripsi  et  testis 
adfui,^  oder  scripsi  et  testis  sum,  welch  letztere  Formel  be- 
sonders im    12.  Jahrhundert  angewandt  wird.^     Der  Schwer- 
punkt dieser  Formel  liegt  im  Worte  testis;  dadurch  stellt  sich 
der  Schreiber  vollständig  den  anderen  Zeugen  gleich.'    Dieser 
allein   herrschenden  Formel^   kann   sich  auch  das  in  den  sQd- 
liehen  Städten  um  die  Mitte  des  12.  Jahrhunderts  entstehende 
Notariat  nicht  erwehren.   Der  erste  Notar  von  Spalato  Qualterius 
wendet  sie  regelmäßig  an  (1176 — 1184),  während  sie  der  zweite 

»  Doc.  Nr.  28.  29.  44.  102. 

*  CSD.  II,  81.  40.  62.  119.  156.  160. 

*  Dafür  spricht  die  Urkunde  yon  a.  1103  (CSD.  11,9)  zn  Zara,  wo  der 
Schreiber  sich  als  rogatus  testis  bezeichnet,  and  alle  die  Urkunden,  wo 
er  unter  die  Zeugen  gemischt  nur  indirekt  xu  erkennen  ist,  indem  er 
sich  auf  den  letsten  Platz  stellt  und  als  solcher  nur  durch  den  Ver- 
gleich mit  anderen  Urkunden,  wo  er  sich  ausdrücklich  als  Schreiber  be- 
zeichnet, zu  entdecken  ist;  s.  II,  Nr.  11.  12.  16,  besonders  Nr.  61  (a.  1144?) 
wo  der  spätere  Notar  von  Spalato  Sabacius  (1178—1214)  ohne  jede 
nähere  Bezeichnung  seiner  Tätigkeit  als  letzter  der  Zeugen   erscheint. 

*'  Eine  Ausnahme  bildet  die  Urkunde  von  Spalato  a.  1097  (Doc.  138);  die 
Unterschrift  lautet  hier:  ego  Petrus  subdiac.  rogatus  .  .  .  compleui  et 
roboraui;  sie  ist  aber  leicht  erklärlich  und  deutet  auf  einen  direkten, 
obzwar  momentanen  venezianischen  Einfluß,  da  ja  dies  die  Urkunde  ist, 
durch  welche  die  Spalatiner  dem  Dogen  die  Treue  versprechen. 


Dio  daliDatiniscbo  Priratnrkunile.  61 

Notar  Sabacius  bis  za  Ende  des  12.  Jahrhunderts  gewöhnlich 
noch  vollständig  gebraucht.^  Von  da  ab  hält  sich  diese  Formel 
nur  noch  verstümmelt  als:  ego  Sabacius  .  .  .  scripsi  bis  zum 
Ende  seines  Amtes^  dann  wird  sie  plötzlich  von  der  vollständigen 
Unterzeichnung  des  italienischen  Instrumentes  ersetzt.^  Länger 
ist  die  Dauer  der  vollständigen  Unterschrift  des  dalmatinischen 
Breves  zu  Lesina  ;^  am  zähesten  im  fernen  Süden  zu  Ragusa 
und  auf  der  Insel  Lagosta^  wo  sie  noch  am  Ende  des  13«  Jahr- 
hunderts vollständig  erscheint/  trotzdem  der  andere  durch  das 
Notariat  ausgebildete  Typus  der  Unterschrift  schon  in  der 
zweiten  Hälfte  des  12.  Jahrhunderts  angewandt  war  und  auch 
spärlich  weiter  fortdauert,  indem  er  gleichzeitig  wie  in  anderen 
Städten  die  Klausel  für  das  Notariatszeichen  annahm.^ 

Man  kann  annehmen,  daß  in  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jahr- 
hunderts die  Unterschriftformel  des  Instrumentes  in  allen 
Städten  Dalmatiens  bekannt  und  angewandt  wurde,  denn  die 
Tatsache,  daß  dieselbe  in  einigen  Städten  erst  in  der  zweiten 
Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  erscheint,  kann  leicht  durch  die 
Spärlichkeit  des  Materials  erklärt  werden.^  Mit  ihr  besagt  der 
Notar  einfach,  daß  er  die  Urkunde  geschrieben  und  unter- 
schrieben hat;  dazu  setzt  er  im  13.  Jahrhundert  fast  immer 
noch  die  Bemerkung,  daß  er  sein  eigenes  Handzeichen  bei- 
gesetzt hat:  signo  consueto  (solito)  signaui.  Im  14.  Jahrhundert 
ist  diese  Erklärung  seltener,  darum  werden  aber  jetzt,  also 
mit  einer  Verspätung  von  einem  Jahrhunderte  Italien  gegen- 


1  Das  letzte  Mal  vollständig  a.  1197,  CSD.  II,  245. 

'  Das  erste  Mal  a.  1234  (orig.  s.  Maria)  et  ego  Cumauas  clericas  comuuis 

Spal.  iaratus  not.  scripsi  et  consueto  signo  compleui. 
'  A.  1226  ...  et  ego  Bemardas  com.  iar.  not.  . .  .  scripsi  et  testor  (Ljubie, 

SUt.  Les.  374). 
^  A.  1231  (Wenczel  XI,  239);  a.  1238  (orig.  AsA.);  a.  1254  (Ib.);  a.  1293 

das  letzte  Mal:    et  ego  presbiter   Johannes   iar.    not.  comunis  scriptor 

sum  et  testis  (orig.  AsA.). 

^  Zu  Ragusa  das  Zeichen  das  erste  Mal  a.  1235  (orig.  Staatsarchiv  Wien 
ed.  Wenczel  XI,  280  f.). 

*  Zuerst  erscheint  die  Formel  zu  Trau  a.  1213  (ed.  Wenczel  XI,  330); 
Sebenico  a.  1243  (orig.  AsA.);  Omifi  (Almissa)  a.  1245  (orig.  Staats- 
archiv Wien  rub.  Alm.  163/5,  ed.  Wenczel  ¥11,205);  Nona  1267  (orig. 
8.  Maria);    Bra£  (Brazza)  a.  1288  (Cicarelli  111,  Wenczel  IV,  335). 


60  Tl.  Abbandlnnff:    ▼.  l^affUy. 

Auch  zu  Ragusa,  wo  sich  das  Notariat  in  ähnlicher  Weise 
wie  za  Zara  entwickelte,  erreichte  die  Unterschrift  zu  derselben 
Zeit  die  gleiche  Höhe,  aber  machte  nicht  so  bald  den  weiteren 
Schritt  znr  Aufnahme  des  Zeichens,  da  parallel  mit  ihr  als 
hemmender  Faktor  die  Unterschrift  des  Breves  auftrat  und 
bald  den  Sieg  da  vontrag.    Von  dieser  wird  jetzt  die  Rede  sein. 

Die  rein  kroatische  Urkunde  sowie  die  Urkunde  der 
südlich  von  Zara  gelegenen  Küstenstädte  erscheint  von  ihren 
ersten  Anfllngen  als  Notitia  und  besitzt  eine  einfache  subscriptio, 
in  welcher  der  Privatschreiber  Zeugnis  ablegt,  daß  er  bei  der 
Handlung  anwesend  gewesen  ist  und  die  Urkunde  nieder* 
geschrieben  hat.  Aber  außer  dem  ,adfai'  und  ,8crip8i'  ist  die 
Unterschrift  noch  mit  einer  eigentümlichen  EJausel  versehen, 
welche  sowohl  dem  Mangel  jedes  spezifischen  Unterschiedes 
des  Privatschreibers  von  anderen  als  Zeugen  bei  der  Handlung 
beteiligten  Personen,  als  der  Natur  der  dalmatinisch-kroatischen 
Urkunde,  welche  das  Hauptgewicht  auf  die  Zeugen  leg^  ent- 
sprungen ist.  Sie  lautet  vollständig:  et  ego  N.  scripsi  et  testis 
adfui,^  oder  scripsi  et  testis  sum,  welch  letztere  Formel  be- 
sonders im  12.  Jahrhundert  angewandt  wird.'  Der  Schwer- 
punkt dieser  Formel  liegt  im  Worte  testis;  dadurch  stellt  sich 
der  Schreiber  vollständig  den  anderen  Zeugen  gleich.'  Dieser 
allein  herrschenden  Formel*  kann  sich  auch  das  in  den  süd- 
lichen Städten  um  die  Mitte  des  12.  Jahrhunderts  entstehende 
Notariat  nicht  erwehren.  Der  erste  Notar  von  Spalato  Gualterius 
wendet  sie  regelmäßig  an  (1176 — 1184),  während  sie  der  zweite 

«  Doc.  Nr.  28.  29.  44.  102. 

*  CSD.  U,  31.  40.  52.  119.  156.  160. 

'  Dafür  spricht  die  Urkunde  von  a.  1103  (CSD.  11,9)  za  Zara,  wo  der 
Schreiber  sich  als  rogatos  testis  bezeichnet,  und  alle  die  Urkunden,  wo 
er  unter  die  Zeugen  gemischt  nur  indirekt  zu  erkennen  ist,  indem  er 
sich  auf  den  letzten  Platz  stellt  und  als  solcher  nur  durch  den  Ver- 
gleich mit  anderen  Urkunden,  wo  er  sich  ausdrücklich  als  Schreiber  be- 
zeichnet, zu  entdecken  ist;  s.  II,  Nr.  11.  12.  16,  besonders  Nr.  51  (a.  1144?' 
wo  der  spfttere  Notar  von  Spalato  Sabacius  (1178—1214)  ohne  jede 
nähere  Bezeichnung  seiner  Tätigkeit  als  letzter  der  Zeugen   erscheint. 

*  Eine  Ausnahme  bildet  die  Urkunde  von  Spalato  a.  1097  (Doc.  138);  die 
Unterschrift  lautet  hier:  ego  Petrus  snbdiae.  rogatus  .  •  .  compieui  et 
roboraui;  sie  ist  aber  leicht  erklärlich  und  deutet  auf  einen  direkten, 
obzwar  momentanen  venezianischen  Einfluß,  da  ja  dies  die  Urkunde  ist^ 
durch  welche  die  Spalatiner  dem  Dogen  die  Treue  versprechen. 


Dio  dalmatiiiiscbo  rriTaturknnde.  61 

Notar  Sabacius  bis  zu  Ende  des  12.  Jahrhunderts  gewöhnlich 
noch  YoUstündig  gebraucht.^  Von  da  ab  hält  sich  diese  Formel 
nur  noch  verstümmelt  als:  ego  Sabacius  .  . .  scripsi  bis  zum 
Ende  seines  Amtes^  dann  wird  sie  plötzlich  von  der  vollständigen 
Unterzeichnung  des  italienischen  Instrumentes  ersetzt.^  Länger 
ist  die  Dauer  der  vollständigen  Unterschrift  des  dalmatinischen 
Breves  zu  Lesina;»  am  zähesten  im  fernen  Süden  zu  Ragusa 
und  auf  der  Insel  Lagosta^  wo  sie  noch  am  Ende  des  13.  Jahr- 
Hunderts  vollständig  erscheint;^  trotzdem  der  andere  durch  das 
Notariat  ausgebildete  Typus  der  Unterschrift  schon  in  der 
zweiten  Hälfte  des  12.  Jahrhunderts  angewandt  war  und  auch 
spärlich  weiter  fortdauert,  indem  er  gleichzeitig  wie  in  anderen 
Städten  die  Klausel  für  das  Notariatszeichen  annahm.^ 

Man  kann  annehmen,  daß  in  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jahr- 
hunderts die  Unterschriftformel  des  Instrumentes  in  allen 
Städten  Dalmatiens  bekannt  und  angewandt  wurde,  denn  die 
Tatsache,  daß  dieselbe  in  einigen  Städten  erst  in  der  zweiten 
Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  erscheint,  kann  leicht  durch  die 
Spärlichkeit  des  Materials  erklärt  werden.^  Mit  ihr  besagt  der 
Notar  einfach,  daß  er  die  Urkunde  geschrieben  und  unter- 
schrieben hat;  dazu  setzt  er  im  13.  Jahrhundert  fast  immer 
noch  die  Bemerkung,  daß  er  sein  eigenes  Handzeichen  bei- 
gesetzt hat:  signo  consueto  (solito)  signaui.  Im  14.  Jahrhundert 
ist  diese  Erklärung  seltener,  darum  werden  aber  jetzt,  also 
mit  einer  Verspätung  von  einem  Jahrhunderte  Italien  gegen- 


1  Das  letzte  Mal  vollständig  a.  1197,  CSD.  II,  245. 

'  Das  erste  Mal  a.  1234  (orig.  s.  Maria)  et  ego  Cumauus  clericus  comuiiis 
Spal.  iaratus  not.  scripsi  et  consueto  signo  compleui. 

'  A.  1226  ...  et  ego  Bemardus  com.  iur.  not.  . .  .  scripsi  et  testor  (Ljubic, 
SUt.  Les.  374). 

«  A.  1231  (Wenczel  XI,  239);  a.  1238  (orig.  AsA.);  a.  1254  (Ib.);  a.  1293 
das  letzte  Mal:  et  ego  presbiter  Johannes  iur.  not.  comunis  scriptor 
suin  et  testis  (orig.  AsA.). 

^  Zu  Ragusa  das  Zeichen  das  erste  Mal  a.  1235  (orig.  Staatsarchiv  Wien 
ed.  Wenczel  XI,  280  f.). 

^  Zuerst  erscheint  die  Formel  zu  Trau  a.  1213  (ed.  Wenczel  XI,  330); 
Sebenico  a.  1243  (orig.  AsA.);  Omis  (Almissa)  a.  1245  (orig.  Staats- 
archiv Wien  rub.  Alm.  163/5,  ed.  Wenczel  VII,  205};  Nona  1267  (orig. 
8.  Maria);    Braö  (Brazza)  a.  1288  (Cicarelli  111,  Wenczel  IV,  335). 


60  Tl.  Abbandlaoff:    t.  SnffUy. 

Auch  zu  Ragasa,  wo  sich  das  Notariat  in  ähnlicher  Weise 
wie  zu  Zara  entwickelte,  erreichte  die  Unterschrift  zu  derselben 
Zeit  die  gleiche  Höhe,  aber  machte  nicht  so  bald  den  weiteren 
Schritt  zur  Aufnahme  des  Zeichens,  da  parallel  mit  ihr  als 
hemmender  Faktor  die  Unterschrift  des  Breves  aoftrat  und 
bald  den  Sieg  davontrug.    Von  dieser  wird  jetzt  die  Rede  sein. 

Die  rein  kroatische  Urkunde  sowie  die  Urkunde  der 
südlich  von  Zara  gelegenen  Küstenstädte  erscheint  von  ihren 
ersten  Anfllngen  als  Notitia  und  besitzt  eine  einfache  subscriptio, 
in  welcher  der  Privatschreiber  Zeugnis  ablegt,  daß  er  bei  der 
Handlung  anwesend  gewesen  ist  und  die  Urkunde  nieder- 
geschrieben hat.  Aber  außer  dem  ,adfui'  und  ,8cripsi'  ist  die 
Unterschrift  noch  mit  einer  eigentümlichen  Klausel  versehen, 
welche  sowohl  dem  Mangel  jedes  spezifischen  Unterschiedes 
des  Privatschreibers  von  anderen  als  Zeugen  bei  der  Handlung 
beteiligten  Personen,  als  der  Natur  der  dalmatinisch-kroatischen 
Urkunde,  welche  das  Hauptgewicht  auf  die  Zeugen  legt,  ent- 
sprungen ist.  Sie  lautet  vollständig:  et  ego  N.  scripsi  et  testis 
adfui,^  oder  scripsi  et  testis  sum,  welch  letztere  Formel  be- 
sonders im  12.  Jahrhundert  angewandt  wird.'  Der  Schwer- 
punkt dieser  Formel  liegt  im  Worte  testis;  dadurch  stellt  sich 
der  Schreiber  vollständig  den  anderen  Zeugen  gleich.'  Dieser 
allein  herrschenden  Formel*  kann  sich  auch  das  in  den  süd- 
lichen Städten  um  die  Mitte  des  12.  Jahrhunderts  entstehende 
Notariat  nicht  erwehren.  Der  erste  Notar  von  Spalato  Gualterius 
wendet  sie  regelmäßig  an  (1176 — 1184),  während  sie  der  zweite 

«  Doc.  Nr.  28.  29.  44.  102. 

*  CSD.  U,  81.  40.  52.  119.  156.  160. 

°  Dafür  spricht  die  Urkunde  von  a.  1103  (CSD.  II,  9)  za  Zara,  wo  der 
Schreiber  sich  als  rogatns  testis  bezeichnet,  and  alle  die  Urkunden,  wo 
er  unter  die  Zeugen  gemischt  nur  indirekt  zu  erkennen  ist,  indem  er 
sich  auf  den  letzten  Platz  stellt  und  als  solcher  nur  durch  den  Ver- 
gleich mit  anderen  Urkunden,  wo  er  sich  ausdrücklich  als  Schreiber  be- 
zeichnet, zu  entdecken  ist;  s.  II,  Nr.  11.  12.  15,  besonders  Nr.  51  (a.  1144?* 
wo  der  spfttere  Notar  von  Spalato  Sabacius  (1178—1214)  ohne  jede 
nähere  Bezeichnung  seiner  Tätigkeit  als  letzter  der  Zeugen   erscheint. 

*  Eine  Ausnahme  bildet  die  Urkunde  von  Spalato  a.  1097  (Doc.  138);  die 
Unterschrift  lautet  hier:  ego  Petrus  subdiac.  rogatns  .  .  .  compleui  et 
roboraui;  sie  ist  aber  leicht  erklärlich  und  deutet  auf  einen  direkten, 
obzwar  momentanen  venezianisclieu  Einfluß,  da  ja  dies  die  Urkunde  ist^ 
durch  welche  die  Spalatiner  dem  Dogen  die  Treue  versprechen. 


Dio  dalraatiiiiscUo  Pmaturkande.  6 1 

Notar  Sabacius  bis  zu  Ende  des  12.  Jahrhunderts  gewöhnlich 
noch  vollständig  gebraucht.^  Von  da  ab  hält  sich  diese  Formel 
nur  noch  verstümmelt  als:  ego  Sabacius  .  . .  scripsi  bis  zum 
Ende  seines  Amtes^  dann  wird  sie  plötzlich  von  der  vollständigen 
Unterzeichnung  des  italienischen  Instrumentes  ersetzt.^  Länger 
ist  die  Dauer  der  vollständigen  Unterschrift  des  dalmatinischen 
Breves  zu  Lesina  ;^  am  zähesten  im  fernen  Süden  zu  Ragusa 
und  auf  der  Insel  Lagosta^  wo  sie  noch  am  Ende  des  13.  Jahr- 
hunderts vollständig  erscheint;^  trotzdem  der  andere  durch  das 
Notariat  ausgebildete  Typus  der  Unterschrift  schon  in  der 
zweiten  Hälfte  des  12.  Jahrhunderts  angewandt  war  und  auch 
spärlich  weiter  fortdauert,  indem  er  gleichzeitig  wie  in  anderen 
Städten  die  Klausel  für  das  Notariatszeichen  annahm.^ 

Man  kann  annehmen,  daß  in  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jahr- 
hunderts die  Unterschriftformel  des  Instrumentes  in  allen 
Städten  Dalmatiens  bekannt  und  angewandt  wurde,  denn  die 
Tatsache,  daß  dieselbe  in  einigen  Städten  erst  in  der  zweiten 
Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  erscheint,  kann  leicht  durch  die 
Spärlichkeit  des  Materials  erklärt  werden.^  Mit  ihr  besagt  der 
Notar  einfach,  daß  er  die  Urkunde  geschrieben  und  unter- 
schrieben hat;  dazu  setzt  er  im  13.  Jahrhundert  fast  immer 
noch  die  Bemerkung,  daß  er  sein  eigenes  Handzeichen  bei- 
gesetzt hat:  signo  consueto  (solito)  signaui.  Im  14.  Jahrhundert 
ist  diese  Erklärung  seltener,  darum  werden  aber  jetzt,  also 
mit  einer  Verspätung  von  einem  Jahrhunderte  Italien  gegen- 


>  Das  letzte  Mal  vollständig  a.  1197,  CSD.  II,  245. 

'  Das  erste  Mal  a.  1234  (orig.  s.  Maria)  et  ego  Cumauus  clericus  comutiis 

Spal.  iaratus  not.  scripsi  et  consueto  signo  compleui. 
'  A.  1226  ...  et  ego  Bemardas  com.  lur.  not.  . .  .  scripsi  et  testor  (Ljubic, 

SUt.  Les.  374). 

*  A.  1231  (Wenczel  XI,  239);  a.  1238  (orig.  AsA.);  a.  1254  (Ib.);  a.  1293 
das  letzte  Mal:  et  ego  presbiter  Johannes  iur.  not.  comanis  scriptor 
sum  et  testis  (orig.  AsA.). 

'  Zu  Ragosa  das  Zeichen  das  erste  Mal  a.  1235  (orig.  Staatsarchiv  Wien 
ed.  Wenczel  XI,  280  f.). 

^  Zuerst  erscheint  die  Formel  za  Trafi  a.  1213  (ed.  Wenczel  XI,  330); 
Sebenico  a.  1243  (orig.  AsA.);  Omig  (Almissa)  a.  1245  (orig.  Staats- 
archiv Wien  rub.  Alm.  163/5,  ed.  Wenczel  VII,  205);  Nona  1267  (orig. 
s.  Maria);    Braö  (Brazza)  a.  1288  (Cicarelli  111,  Wenczel  IV,  335). 


60  Tl.  Abkuidliing:    ▼.  .^vfflay. 

Auch  zu  Ragasa,  wo  sich  das  Notariat  in  ähnlicher  Weise 
wie  za  Zara  entwickelte,  erreichte  die  Unterschrift  zu  derselben 
Zeit  die  gleiche  Höhe,  aber  machte  nicht  so  bald  den  weiteren 
Schritt  zur  Aufnahme  des  Zeichens ,  da  parallel  mit  ihr  als 
hemmender  Faktor  die  Unterschrift  des  Breves  auftrat  and 
bald  den  Sieg  davontrug.    Von  dieser  wird  jetzt  die  Rede  sein. 

Die  rein  kroatische  Urkunde  sowie  die  Urkunde  der 
südlich  yon  Zara  gelegenen  Küstenstädte  erscheint  von  ihren 
ersten  Anßlngen  als  Notitia  und  besitzt  eine  einfache  subscriptio, 
in  welcher  der  Privatschreiber  Zeugnis  ablegt,  daß  er  bei  der 
Handlung  anwesend  gewesen  ist  und  die  Urkunde  nieder- 
geschrieben hat.  Aber  außer  dem  ^adfui'  und  ^scripsi'  ist  die 
Unterschrift  noch  mit  einer  eigentümlichen  Klausel  versehen, 
welche  sowohl  dem  Mangel  jedes  spezifischen  Unterschiedes 
des  Privatschreibers  von  anderen  als  Zeugen  bei  der  Handlung 
beteiligten  Personen,  als  der  Natur  der  dalmatinisch-kroatischen 
Urkunde,  welche  das  Hauptgewicht  auf  die  Zeugen  legt,  ent- 
sprungen ist.  Sie  lautet  vollständig:  et  ego  N.  scripsi  et  testis 
adfui/  oder  scripsi  et  testis  sum,  welch  letztere  Formel  be- 
sonders im  12.  Jahrhundert  angewandt  wird.'  Der  Schwer- 
punkt dieser  Formel  liegt  im  Worte  testis;  dadurch  stellt  sich 
der  Schreiber  vollständig  den  anderen  Zeugen  gleich.'  Dieser 
allein  herrschenden  Formel*  kann  sich  auch  das  in  den  süd- 
lichen Städten  um  die  Mitte  des  12.  Jahrhunderts  entstehende 
Notariat  nicht  erwehren.  Der  erste  Notar  von  Spalato  Gualterius 
wendet  sie  regelmäßig  an  (1176 — 1184),  während  sie  der  zweite 

*  Doc.  Nr.  28.  29.  44.  102. 

*  CSD.  n,  31.  40.  62.  119.  166.  160. 

'  Dafür  spricht  die  Urkunde  von  a.  1103  (CSD.  11,9)  sa  Zara,  wo  der 
Schreiber  sich  als  rogatus  testis  beseichnet,  und  alle  die  Urkunden,  wo 
er  unter  die  Zeugen  gemischt  nur  indirekt  zu  erkennen  ist,  indem  er 
sich  auf  den  letzten  Platz  stellt  und  als  solcher  nur  durch  den  Ver- 
gleich mit  anderen  Urkunden,  wo  er  sich  ausdrficklich  als  Schreiber  be- 
zeichnet, zu  entdecken  ist;  s.  II,  Nr.  11.  12.  16,  besonders  Nr.  51  (a.  1144  ?  • 
wo  der  spfttere  Notar  von  Spalato  Sabacius  (1178—1214)  ohne  jede 
nähere  Bezeichnung  seiner  Tätigkeit  als  letzter  der  Zeugen   erscheint. 

*  Eine  Ausnahme  bildet  die  Urkunde  Ton  Spalato  a.  1097  (Doc.  138);  die 
Unterschrift  lautet  hier:  ego  Petrus  subdiac.  rogatus  .  .  .  compleni  et 
roboraui;  sie  ist  aber  leicht  erklärlich  und  deutet  auf  einen  direkten, 
obzwar  momentanen  venezianischen  Einfluß,  da  ja  dies  die  Urkunde  ist, 
durch  welche  die  Spalatiner  dem  Dogen  die  Treue  versprechen. 


Dio  dalroatliiiscUo  rmsturkande.  61 

Notar  Sabacius  bis  zu  Ende  des  12.  Jahrhunderts  gewöhnlich 
noch  Yollständig  gebraucht.^  Von  da  ab  hält  sich  diese  Formel 
nur  noch  verstümmelt  als:  ego  Sabacins  .  . .  scripsi  bis  zum 
Ende  seines  Amtes,  dann  wird  sie  plötzlich  von  der  vollständigen 
Unterzeichnung  des  italienischen  Instrumentes  ersetzt.^  Länger 
ist  die  Dauer  der  vollständigen  Unterschrift  des  dalmatinischen 
Breves  zu  Lesina; ^  am  zähesten  im  fernen  Süden  zu  Ragusa 
und  auf  der  Insel  Lagosta,  wo  sie  noch  am  Ende  des  13.  Jahr- 
hunderts vollständig  erscheint;^  trotzdem  der  andere  durch  das 
Notariat  ausgebildete  Typus  der  Unterschrift  schon  in  der 
zweiten  Hälfte  des  12.  Jahrhunderts  angewandt  war  und  auch 
spärlich  weiter  fortdauert,  indem  er  gleichzeitig  wie  in  anderen 
Städten  die  Klausel  ftlr  das  Notariatszeichen  annahm.^ 

Man  kann  annehmen,  daß  in  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jahr- 
hunderts die  Unterschriftformel  des  Instrumentes  in  allen 
Städten  Dalmatiens  bekannt  und  angewandt  wurde,  denn  die 
Tatsache,  daß  dieselbe  in  einigen  Städten  erst  in  der  zweiten 
Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  erscheint,  kann  leicht  durch  die 
SpärUchkeit  des  Materials  erklärt  werden.^  Mit  ihr  besagt  der 
Notar  einfach,  daß  er  die  Urkunde  geschrieben  und  unter- 
schrieben hat;  dazu  setzt  er  im  13.  Jahrhundert  fast  immer 
noch  die  Bemerkung,  daß  er  sein  eigenes  Handzeichen  bei- 
gesetzt hat:  signo  consueto  (solito)  signaui.  Im  14.  Jahrhundert 
ist  diese  Erklärung  seltener,  darum  werden  aber  jetzt,  also 
mit  einer  Verspätung  von  einem  Jahrhunderte  Italien  gegen- 


1  Das  letzte  Mal  volUtändig  a.  1197,  CSD.  II,  245. 

'  Das  erste  Mal  a.  1234  (orig.  s.  Maria)  et  ego  Cumauus  clericus  coiiiunis 

Spal.  iaratus  not.  scripsi  et  consaeto  signo  compleui. 
'  A.  1226  ...  et  ego  Bernardus  com.  iur.  not.  . .  .  scripsi  et  testor  (Ljubic, 

SUt.  Les.  374). 

*  A.  1231  (Wenczel  XI,  239);  a.  1238  (orig.  AsA.);  a.  1254  (Ib.);  a.  1293 
das  letzte  Mal:  et  ego  presbiter  Johannes  iur.  not.  comunis  scriptor 
sum  et  testis  (orig.  AsA.). 

'  Zu  Ragusa  das  Zeichen  das  erste  Mal  a.  1235  (orig.  Staatsarchiv  Wien 
ed.  Wenczel  XI,  280  f.). 

^  Zuerst  erscheint  die  Formel  zu  Trau  a.  1213  (ed.  Wenczel  XI,  33U); 
Sebenico  a.  1243  (orig.  AsA.);  Omi§  (Almissa)  a.  1245  (orig.  Staats- 
archiv Wien  rub.  Alm.  163/6,  ed.  Wenczel  ¥11,205);  Nona  1267  (orig. 
8.  Maria);    Brad  (Brazza)  a.  1288  (Cicarelli  111,  Wenczel  IV,  335). 


60  Tl.  Abbaodlnnff:    t.  ^iiffUy. 

Auch  ZU  Ragusa,  wo  sicli  das  Notariat  in  ähnlicher  Weise 
wie  zu  Zara  entwickelte,  erreichte  die  Unterschrift  za  derselben 
Zeit  die  gleiche  Höhe,  aber  machte  nicht  so  bald  den  weiteren 
Schritt  zur  Aafnahme  des  Zeichens  ^  da  parallel  mit  ihr  als 
hemmender  Faktor  die  Unterschrift  des  Breves  aoftrat  and 
bald  den  Sieg  davontrug.    Von  dieser  wird  jetzt  die  Rede  sein. 

Die  rein  kroatische  Urkunde  sowie  die  Urkunde  der 
südlich  von  Zara  gelegenen  Küstenstädte  erscheint  von  ihren 
ersten  Anfängen  als  Notitia  und  besitzt  eine  einfache  subscriptio, 
in  welcher  der  Privatschreiber  Zeugnis  ablegt,  daß  er  bei  der 
Handlung  anwesend  gewesen  ist  und  die  Urkunde  nieder- 
geschrieben hat.  Aber  außer  dem  ^adfui'  und  ^scripsi'  ist  die 
Unterschrift  noch  mit  einer  eigentümlichen  Klausel  versehen, 
welche  sowohl  dem  Mangel  jedes  spezifischen  Unterschiedes 
des  Privatschreibers  von  anderen  als  Zeugen  bei  der  Handlung 
beteiligten  Personen,  als  der  Natur  der  dalmatinisch-kroatischen 
Urkunde,  welche  das  Hauptgewicht  auf  die  Zeugen  legt,  ent- 
sprungen ist.  Sie  lautet  vollständig:  et  ego  N.  scripsi  et  testis 
adfui/  oder  scripsi  et  testis  sum,  welch  letztere  Formel  be- 
sonders im  12.  Jahrhundert  angewandt  wird.'  Der  Schwer- 
punkt dieser  Formel  liegt  im  Worte  testis;  dadurch  stellt  sich 
der  Schreiber  vollständig  den  anderen  Zeugen  gleich.'  Dieser 
allein  herrschenden  Formel*  kann  sich  auch  das  in  den  süd- 
lichen Städten  um  die  Mitte  des  12.  Jahrhunderts  entstehende 
Notariat  nicht  erwehren.  Der  erste  Notar  von  Spalato  Gualterius 
wendet  sie  regelmäßig  an  (1176 — 1184),  während  sie  der  zweite 

>  Doc.  Kr.  28.  29.  44.  102. 

*  CSD.  U,  31.  40.  52.  119.  156.  160. 

3  Dafür  spricht  die  Urkunde  von  a.  1103  (CSD.  II,  9)  zu  Zara,  wo  der 
Schreiber  sich  als  rogatus  testis  bezeichnet,  und  alle  die  Urkunden,  wo 
er  unter  die  Zeugen  gemischt  nur  indirekt  su  erkennen  ist,  indem  er 
sich  auf  den  letzten  Platz  stellt  und  als  solcher  nur  durch  den  Ver- 
gleich mit  anderen  Urkunden,  wo  er  sich  ausdrücklich  als  Schreiber  be- 
zeichnet, zu  entdecken  ist;  s.  II,  Nr.  11.  12.  15,  besonders  Nr.  51  (a.  1144?) 
wo  der  spStere  Notar  von  Spalato  Sabacius  (1178—1214)  ohne  jede 
nähere  Bezeichnung  seiner  Tätigkeit  als  letzter  der  Zeugen   erscheint. 

*  Eine  Ausnahme  bildet  die  Urkunde  von  Spalato  a.  1097  (Doc.  138);  die 
Unterschrift  lautet  hier:  ego  Petrus  subdiac.  rogatus  .  .  .  compleui  et 
roboraui;  sie  ist  aber  leicht  erklärlich  und  deutet  auf  einen  direkten, 
obzwar  momentanen  venezianischen  Einfluß,  da  ja  dies  die  Urkunde  ist, 
durch  welche  die  Spalatiner  dem  Dogen  die  Treue  versprechen. 


Dio  d»linatiiu9cbe  PriTatiirkunde.  61 

Notar  Sabacius  bis  zu  Ende  des  12.  Jahrhunderts  gewöhnlich 
noch  vollständig  gebraucht.^  Von  da  ab  hält  sich  diese  Formel 
nur  noch  yerstümmelt  als:  ego  Sabacius  .  . .  scripsi  bis  zum 
Ende  seines  Amtes,  dann  wird  sie  plötzlich  yon  der  vollständigen 
Unterzeichnung  des  italienischen  Instrumentes  ersetzt.^  Länger 
ist  die  Dauer  der  vollständigen  Unterschrift  des  dalmatinischen 
Breves  zu  Lesina ;^  am  zähesten  im  fernen  Süden  zu  Ragusa 
und  auf  der  Insel  Lagosta,  wo  sie  noch  am  Ende  des  13.  Jahr- 
hunderts vollständig  erscheint/  trotzdem  der  andere  durch  das 
Notariat  ausgebildete  Typus  der  Unterschrift  schon  in  der 
zweiten  Hälfte  des  12.  Jahrhunderts  angewandt  war  und  auch 
spärlich  weiter  fortdauert,  indem  er  gleichzeitig  wie  in  anderen 
Städten  die  Klausel  ftlr  das  Notariatszeichen  annahm.^ 

Man  kann  annehmen,  daß  in  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jahr- 
hunderts die  Unterschriftformel  des  Instrumentes  in  allen 
Städten  Dalmatiens  bekannt  und  angewandt  wurde,  denn  die 
Tatsache,  daß  dieselbe  in  einigen  Städten  erst  in  der  zweiten 
Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  erscheint,  kann  leicht  durch  die 
Spärlichkeit  des  Materials  erklärt  werden.^  Mit  ihr  besagt  der 
Notar  einfach,  daß  er  die  Urkunde  geschrieben  und  unter- 
schrieben hat;  dazu  setzt  er  im  13.  Jahrhundert  fast  immer 
noch  die  Bemerkung,  daß  er  sein  eigenes  Handzeichen  bei- 
gesetzt hat:  signo  consueto  (solito)  signaui.  Im  14.  Jahrhundert 
ist  diese  Erklärung  seltener,  darum  werden  aber  jetzt,  also 
mit  einer  Verspätung  von  einem  Jahrhunderte  Italien  gegen- 


1  Das  letzte  Mal  vollständig  a.  1197,  CSD.  11,245. 

'  Das  erste  Mal  a.  1234  (orig.  s.  Maria)  et  ego  Cumauus  clericus  coniutiis 

Spal.  iaratus  not.  scripsi  et  consueto  signo  compleui. 
'  A.  1226  ...  et  ego  Bemardas  com.  iur.  not. . .  .  scripsi  et  testor  (Ljubic, 

Stat.  Les.  374). 
*  A.  1231  (Wenczel  XI,  239);   a.  1238  (orig.  AsA.);  a.  1254  (Ib.);   a.  1293 

das  letzte  Mal:    et  ego  presbiter   Johannes   iur.    not.  comunis  scriptor 

sum  et  testis  (orig.  AsA.). 

^  Zu  Ragiisa  das  Zeichen  das  erste  Mal  a.  1235  (orig.  Staatsarchiv  Wien 
ed.  Wenczel  XI,  280  f.). 

^  Zuerst  erscheint  die  Formel  zu  Trau  a.  1213  (ed.  Wenczel  XI,  330); 
Sebenico  a.  1243  (orig.  AsA.);  Omifi  (Almissa)  a.  1245  (orig.  Staats- 
archiv Wien  rub.  Alm.  163/5,  ed.  Wenczel  ¥11,205};  Nona  1267  (orig. 
s.  Maria);   Bra£  (Brazza)  a.  1288  (Cicarelli  111,  Wenczel  IV,  335). 


62  VI-  Abhandlung:    t.  änffUy. 

über,  die  Formeln:  in  publicam  formam  redegi  oder  scripsi 
et  publicaui  zur  Anwendung  gebracht.^ 

Von  besonderer  Bedeutung  für  das  dalmatinische  Instru- 
ment ist  die  Formel^  welche  eine  Completio  festhält.  Sie  lautet: 
ego  N.  compleui  et  roboraui.  Aus  der  Vollziehungsformel  der 
venezianischen  Carta  stammend,*  dringt  sie  über  die  Inseln 
von  Quarnero,  wo  sie  schon  am  Beginne  des  11.  Jahrhunderts 
fast  noch  in  ihrer  vollen  Kraft  erscheint'  und  später  auch  in 
dem  Instrumente  bis  in  das  14.  Jahrhundert  rein  erhalten  oder 
mit  anderen  Formeln  kombiniert  ihr  Leben  fristet/  in  die  Ur- 
kunde dalmatinischer  Städte,  um  durch  das  ganze  13.  Jahr- 
hundert längs  der  ganzen  dalmatinischen  Küste  momentan  auf- 
zutauchen.^ Und  es  ist  wahrscheinlich  kein  Zufall,  daß  ihr 
Erscheinen  oder  Schwinden  mit  der  Flut  und  Ebbe  der  politi- 
sehen  Übermacht  Venedigs  auf  der  östlichen  adriatischen  Küste 
zusammenfilllt. 

Fast  zur  selben  Zeit,  da  die  Unterschrift  des  Notars  die 
Formel  des  Instrumentes  annimmt,  erscheint,  wie  dies  die 
Formel  selbst  meistenteils  schon  ausdrückt,  das  Zeichen  des 
Notars  teils  vor  der  Kompletionsformel  teils   nach  derselben, 

nur  etlichemale  in  der  ganzen  langen  Dauer  des  Instrumentes 

*• 

zu  Beginn   der  Urkunde.     Überall  üblich  ist  das  Zeichen  seit 


*  In  Italien  die  Formel  schon  am  Anfange  des  13.  Jahrhunderts  üblich. 
Cf.  Fantuzzi,  Mon.  Raven.  IV,  112  (a.  1231).  116.  117.  121  etc. 

'  Brunner  o.  c.  81. 

»  Vegla  a.  1018.  Doc.  Nr.  27. 

*  Et  ego  Lafranchus  Arbensis  notarius  .  . .  scripsi  compleui  et  roboraü 
(1236—1243,  orig.  GAZ.  s.  Gris.  XV,  F.  4;  Ib.  XIV,  C.  2);  a.  1251  Bgo 
Michael  sacri  palatii  not.  scripsi  compleui  et  robonmi  (Farlati  V,242)  etc.; 
a.  1298  Ego  Philippus  .  .  .  Arbensis  not.  scripsi,  compleui,  roboraui  et 
signo  consueto  signaui  (orig.  Begna  Nr.  19) 

^  Spalato  a.  1243,  et  ego  Camanus  Spal.  iur.  not.  . .  .  consueto  signo  com- 
pleui (Bulletino  d'areheologia  dalm.  1902,  p.  196);  a.  1250  Et  ego  Jo- 
hannes clericus  com.  Spal.  iur.  not.  .  .  .  scripsi  et  consuete  roborationis 
signo  compleui  (orig.  ACS.  XVI,  1.  28)  etc.  —  Ragusa  1235,  ego  Petras 
Pascalis  not  iur.  civit.  Ragusii  .  .  .  compleui  et  roboraui  .  .  .  signo 
signaui  (Wenczel  XI,  280).  —  Zara  a.  1252—1254,  Ego  Prodanus  .  .  . 
scripsi  compleui  et  roboraui  (orig.  Paravia  zu  Zara;  orig.  ACT.  Nr.  9; 
Farlati  IV,  314)  etc.  —  Cattoro  a.  1279,  et  ego  presbiter  Riphon  Petri 
. .  .  compleui  et  roboraui  (orig.  Staatsarchiv  Wien  rub.  Catt.  163/5)  etc. 


Die  dahnatiiiiscb«  PriTftlurkunde.  63 

der  zweiten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts;^  die  Anwendung  des- 
selben hat  also  in  Dalmatien  eine  Verspätung  von  zwei  Jahr- 
hunderten Italien  gegenüber  erlitten.*  Obgleich  es  aber  in 
Italien^  wie  bekannt^  als  wesentlicher  Bestandteil  des  Instru- 
mentes niemals  galt^'  so  ist  es  doch  zu  Trau  ausdrücklich  als 
notwendig  erklärt*  und  aus  den  Urkunden  anderer  Städte 
kann  ich  seit  der  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  kein  Beispiel 
anftahren,  wo  das  Zeichen  der  Unterschrift  fehlen  würde. 

Die  ältesten  dieser  Zeichen  bis  gegen  das  Ende  des 
13.  Jahrhunderts  sind  sehr  einfach  und  stellen  gewöhnlich  ein 
Kreuz  mit  etlichen  Verzierungen  dar.  Später  mit  der  Ein- 
führung des  kaiserlichen  Notariats  werden  die  Zeichen  kom- 
plizierter und  zuweilen  äußerst  originell.^  Am  gewöhnlichsten 
wird  in  monogrammatischer  Form  der  Vorname  des  Notars 
ausgedrückt. 

Obgleich  die  Apprekation  im  ganzen  Urkundenmaterial 
Dalmatiens  kaum  zehnmal  zum  Vorschein  kommt^  so  bietet 
diese  Formel  sowohl  durch  ihre  eigentümliche  Stellung  in 
unserer  Urkunde,  als  durch  die  beispiellose  Zähigkeit  ihrer 
Fortdauer  nicht  nur  interessante  Momente  speziell  für  die 
dalmatinische  Urkunde  ^  sondern  liefert  auch  neue  Beiträge 
für  die  allgemeine  Geschichte  dieser  Formel. 


*  Das  erste  Mal  zu  Zara  a.  1175;  Trau  a.  1213;  Öibenik  a.  1252  (orig. 
AsA.);  Spalato  a.  1234  (orig.  s.  Maria);  Ragnsa  a.  1235;  Almissa  a.  1245, 
Nona  a.  1267,  Brazza  a.  12S8;  Cattaro  a.  1261  (orig.  AsA.).  Wo  die  Be- 
lege fehlen,  sind  sie  oben  besonders  S.  61,  Note  6  angeführt. 

*  Der  Beginn  der  Signa  wird  gewöhnlich  in  das  11.  Jahrhundert  gesetzt. 
Gloria ,  Compendio  465 ;  Durando ,  II  tabellionato  etc.,  tavola  I.  II. 
Weitere  Literatur  bei  Paoli  149,  n.  4,  (L.  200,  n.  1);  Oiry,  Manuel  604. 
Siehe  besonders  Österley  I,  321  und  Voltelini,  1.  c.  XXXI,  n.  7,  wo  der 
Beginn  der  Zeichen  in  das  10.  Jahrhundert  gesetzt  wird. 

*  Rolandiuus,  Tract.  not.  f.  474;  Guil.  Durant,  1.  c.  §  2,  n.  15;  Voltelini, 
o.  c.  p.  XXXII. 

^  .  .  .  quod  aliqua  instrumenta  seu  carte  notariorum,  quae  non  habeut 
caracteremin  publicum  non  recipiautur  .  .  .  Stat.  Trag.  1. 1,  c.  40,  p.  11. 

'  So  gebraucht  presbiter  Helyas  canonicus  Spalatensis  imper.  auctoritate 
notarins  et  inratns  comunis  Jadre  (1366 — 1372)  vor  der  Completionsformel 
ein  Brustbild  als  Zeichen,  welches  einen  Geistlichen  mit  der  gewöhn- 
lichen Tonsurbedeckung  auf  dem  Kopfe  in  Hauptkontnren  —  vielleicht 
sein  eigenes  Porträt  —  darstellt. 


64  VI.  AbkMidlang:    v.  Snfflay. 

Es  ist  schon  oben  bei  Besprechung  der  Vollziehongsformel 
in  der  ältesten  zaratinischen  Carta  angedeutet  worden,  daß 
man  die  Apprekation  mit  derselben  zusammengemengt  vorfindet. 
Sie  lautet  in  dieser  Form:  (post  traditam)  feliciter  (compleui) 
amen^  und  hält  sich  durch  die  Verstümmelung  und  Änderung 
der  Kompletionsformel  nun  auch  zusammengeschrumpft  noch 
eine  kurze  Zeit.^  Daß  es  einer  langen  Dauer  selbständiger 
Entwicklung  bedurfte,  um  diese  Formel  in  eine  von  der  all- 
gemeinen Regel  so  abweichende  Stellung^  zu  bringen,  ist  auch 
bemerkt  worden.  Man  könnte  vielleicht  noch  zufügen,  daß 
außer  der  Zeit  hier  auch  Nachklänge  des  römischen  Tabellionats 
mitgewirkt  haben,  wie  sie  uns  auch  in  den  ariminischen  Papjren 
erhalten  sind,^  wo  ein  Fall  vorkommt,  daß  die  Apprekation 
mit  der  Unterschrift  verflochten  ist. 

Diesen  wenigen  Fällen  muß  ich  für  die  älteste  Zeit  noch 
eine  kroatische  Fürstenurkunde  und  zwei  königliche  Urkunden  ^ 
zufügen,  um  das  spätere  Auftauchen  der  Apprekation  deuten 
zu  können.  In  der  fürstlichen  Urkunde  lautet  sie  wie  bei  den 
Longobarden:  feliciter;  ihre  Stellung  ist  dieselbe  wie  in  der 
zaratinischen  Privaturkunde,  trotzdem  die  Urkunde  die  Da- 
tierungsformel besitzt.  Id  den  beiden  Königsurkunden  befindet 
sich  der  Schlußwunsch  auch  in  der  Unterschrift  des  Kanzlers«» 
doch  ist  der  Anschluß  an  die  Kanzlei  der  Karolinger  in  Italien 
fühlbar,    da  durch   die   getrennte   Apprekation   in   der   ersten 


«  Doc.  Nr.  13,  32. 

'  A.  1029,  Doc.  Nr.  29.  Ego  Trasus  abbas  .  .  .  aactor  et  testis  sum.  Amen. 
A.  1044,  Nr.  38.  Ego  Crisana  . . .  scripsit  et  compleui.  Amen. 

'  Die  Apprekation  ist  gewöhnlich  mit  der  Datierung  eng  verbunden.  lu 
der  lombardiachen  Carta  steht  sie  immer  nach  Actum  s.  Cod.  Longob. 
Nr.  152.  230.  235.  246.  273  etc.  Cf.  Ficker,  Beitrüge  II,  386. 

*  Marini,  Papiri  diplomat.  Nr.  127,  p.  193.  Vrsus  tabeUio  hujus  civitatis 
Ariminensis  scriptor  hujus  cartule  . .  .  post  roboratione  testium  et  tra- 
ditione  compleui  et  absolui  feliciter  (10.  Jahrhundert).  FQr  diese 
römische  Vollziehungsformel  cf.  Brunner  o.  c.  67.  Cf.  auch  Calisse,  Doc. 
Amiati ni  Nr.  19,  wo  auch  ein  ähnlicher  Fall  vorkommt. 

«  A.  892,  Doc.  Nr.  12;  a.  1069,  Nr.  55;  a.  1070,  Nr.  61.  —  Die  Urkunde 
von  a.  1076,  Nr.  86,  womit  die  Städte  Dalmatiens  der  Hepublik  Venedig 
versprechen,  den  Normannen  den  Zutritt  nicht  gewähren  su  wollen,  schlägt 
in  unsere  Ausführung  nicht  ein,  weil  sie  von  einem  ,capellanus  ducis 
Venecie*  verfaßt  ist. 


Die  dalmatiolacbe  PriratatkaDde.  65 

Urkunde  die  Ortsangabe  der  Handlung  selbst  eingefaßt  wird, 
im  zweiten  Falle  die  Vollziehungsformel  auch  die  Ortsangabe 
enthält.  1 

Damit  schließt  die  Reihe  der  Urkunden ,  wo  die  Appre- 
kation  sozusagen  ungekünstelt  angewandt  worden  ist.  Die 
wenigen  Fälle  ihrer  Anwendung  aus  den  drei  folgenden  Jahr- 
hunderten sind  gekünstelt  und  auf  eine  ältere  Vorlage  zurück- 
zuführen. 

Zuerst  erscheint  diese  Formel  wieder  in  einer  Notariats- 
Urkunde,  welche  die  Zurückerstattung  der  einst  vom  kroati- 
schen Könige  Ereäimir  geschenkten  Insel  Mauni  an  das  Kloster 
S.  Grisogono  enthält.  Die  Urkunde  ist  eine  höchst  feierliche; 
doch  genügt  dies  nicht,  um  das  wunderliche,  völlig  isolierte 
Auftreten  der  Apprekation  in  einer  Zeit,  wo  dieselbe  in  ganz 
Europa  schon  im  Aussterben  begriffen  war,  zu  erklären.*  Da 
außerdem  nicht  das  geringste  Zeichen  einer  ununterbrochenen 
Fortdauer  dieser  Formel  zu  entdecken  ist,  muß  man  hier  auf 
eine  absichtliche  Nachahmung  einer  älteren  Vorlage  schließen. 
Auf  diese  weist  unsere  Urkunde  selbst,'  indem  sie  die  Schen- 
kungsurkunde des  Königs  KreSimir  erwähnt.^  Mit  Hilfe  dieses 
berühmten  königlichen  ,cirographum'  kompiliert^  der  Notar  die 
feierliche  Urkunde  und  von  dem  Beispiele  des  kroatischen 
Bischofs  und  Hofkanzlers  geleitet,  setzt  er  seiner  Unterschrift 
die  aufgefundene  Apprekation  bei. 


*  t  Ego  Anastasius  .  .  .  regis  canceUarius  .  .  .  Bcripsi  et  coufirmaui  feli- 
citer.  In  ciaitate  Kona.  Amen,  f  Ego  Anastasius  .  . .  intus  in  ciuitate 
Nona  scripsi  et  confirmaui.  Feliciter.  —  Für  den  Gebranch  der  Appre- 
kation in  den  Urkunden  der  Karolinger  in  Italien,  wo  sie  fast  immer 
hinter  actum  und  Ortsangabe  erscheint,  siehe  Cod.  Longb.  a.  884,  Nr.  119. 
124.  128.  130.  134.  139.  141.  181  etc.  Paoli  167  (L.  210);  Ficker,  Bei- 
träge II,  328.  336. 

'  A.  1190,  CSD.  II,  209  .  .  .  Data  per  manus  Blasii  s.  Anastasie  diaconi 
et  Jadertine  cnrie  notarii  tempore  .  .  .  qui  Blasius  scripsit  de  mandato 
tocius  ecclesie  et  ciuitatis  et  signo  consueto  signauit  feliciter. 

'  .  . .  nt  insulam  Mauni,  quam  iam  dictum  monasterium  s.  Grisogoni  regis 
Cresimiri  beate  memorie  largicione,  sicut  in  eius  breuilegio  con- 
ti netur  . .  .  iterum  redderemns. 

«  Von  a.  1069,  Doc.  Nr.  56. 

*  Die  Verfluchung  ist  der  gleichzeitigen  Papsturkunde  wOrtUcb  entnommen ; 
cf.  CSD.  II,  Nr.  196.  217.  Fumagalli,  Instit.  I,  412  flf.;  Giry  662  ff. 

SiUangsbttr.  d.  phil.-hist.  Kl.  ClLYIl.  Bd.  6.  Abb.  5 


66  VI.  Abhandloog:    ▼.  »afflay. 

Noch  ein  analoger  Fall  mit  ähnlicher  Lösang  ist  aus  dem 
Anfange  des  13.  Jahrhunderts  zu  vermerken.^  Dann  ver- 
schwindet die  Apprekation  fUr  immer  aus  der  städtischen  Ur* 
künde.  Nur  in  dem  Paragraphzeichen  der  Notare,  welches  als 
Trennungszeichen  zwischen  dem  Protokolle  und  dem  Texte 
dient,  kann  man  noch  zuweilen  ihre  einzige  nicht  mehr  bewußte 
Spur  finden.'  Doch  taucht  sie  noch  etlichemale  in  der  ersten 
Hälfte  des  14.  Jahrhunderts  in  den  Urkunden  aus  der  Kanzlei 
des  kroatischen  Fürsten  Mladen  11.,  Banus  von  Kroatien  und 
Bosnien,  auf.'  Diese  einzigen,  den  bekannten  Regeln  der 
Diplomatik  gänzlich  entgegenlaufenden  Fälle  ^  bezeugen  im  all- 
gemeinen das  eigentümliche  Schicksal  untergehender  Formeln^ 
die  nie  an  ihrem  Entstehungsort  zum  letztenmale  erscheinen, 
sondern  in  entlegenen,  den  neuen  Formeln  noch  unzugänglichen 
Orten  fortleben;  hier  entschleiern  sie  vielleicht  auch  das  dunkle 
Bewußtsein  der  Fürsten  von  Bribir,  daß  sie  an  die  Bräuche  der 
kroatischen  Nationalherrscher  anzuknüpfen  das  Recht  hatten.^ 

7.  Verwünsohung  als  hauptsäohliohste  Sohlufiformel 
der  dalmatinisoh-kroatisohen  Urkunde, 

Von  den  ersten  Anfftngen  bis  in  das  13.  Jahrhundert  gibt  es 
bei  uns  viele  private  Dokumente,  in  denen  der  Text  gleich  mit  der 
Anführung  des  Wesentlichen  in  der  Handlung  schließt.  Aber 
schon  in  dieser  Periode  folgen  der  Disposition  bei  einem  großen 
Teile  der  Urkunden  besondere  Schlußformeln,  die  dann  seit  dem 
13.  Jahrhundert,  als  die  Urkunde  den  Typus  des  italienischen 
Notariatsinstrumentes  in  allen  ihren  Teilen  annahm,  niemals  fehlen. 


*  A.  1208  SchenkuDg  an  das  Kloster  RogoYo  (s.  Cosmas  und  Damianus)  . . . 
scriptum  Jadre  a  Camatio  diacono  s.  Anastasle  .  .  .  notario,  anno  .  .  . 
fe Heiter  (ed.  Lucios,  De  regno  IV,  2,  p.  157).  Am  besten  in  Starine, 
vol.  XXm  (Ljubid,  Polichorion),  p.  182. 

•  Cf.  Paoli  168  (L.211f.). 

'  A.  1318.  Zu  Visoöane  von  seinem  Notar  Michael  verfertigt.  Nach  der 
Datierungsformel:  Feliciter  amen  (orig.  OAZ.  s.  Domen.  Nr.  2454).  Es 
existieren  noch  zwei  solche  Urkunden,  aber  ich  habe  leider  vergessen, 
mir  die  Signatur  zu  notieren. 

«  Cf.  Giry,  Manuel  590.  Paoli  158  (L.  211). 

^  Für  die  Bestrebungen  der  Fürsten  von  Subid  s.  Smiöiklas,  Povjest  hrv.  I, 
Ein].,  p.  XXYUI;  Pdr,  Subid  II.  Mladen  buk&sa  (Szizadok  1894,  p.  807 f.). 


Dia  (üÜBUtiniBche  PriTatarkando.  67 

Wir  können  den  Gebraach  der  Schlußformeln  in  der 
kroatisch-dalmatinischen  Urkande  erst  vom  10.  Jahrhundert 
an  verfolgen.  Sie  bieten  vom  diplomatischen  Standpunkte  aas 
manche  Besonderheiten  in  der  einseitigen  Ausbildung ,  in  der 
Verschiedenheit  ihrer  Herkunft,  in  der  Fähigkeit  ihres  Fort- 
lebens einerseits  und  in  dem  schnellen  Zuiückweichen  vor 
den  italienischen  Neuerungen  anderseits,  in  ihrer  Verfeinerung 
endlich  oder  konsequenten  Roheit. 

Wie  schon  gesagt,  werden  in  diesem  Abschnitte,  welcher 
hauptsächlich  der  dalmatinisch-kroatischen  Urkunde  gewidmet 
ist,  nur  die  geistlichen  Straf bestimmungen  ins  Auge  gefaßt 
werden,  erstens,  weil  sie  den  Schluß  des  Textes  in  der  genannten 
Urkunde  fast  allein  beherrschen,  dann  keine  Fortsetzung  in 
der  zweiten  Periode  der  dalmatinischen  Urkunde  finden,  also 
eine  Eigentümlichkeit  unserer  Urkunde  bilden,  und  endlich  weil 
sie  jedes  rechtlichen  Inhaltes  gänzlich  entbehren  und  daher 
kaum  mit  den  anderen  Schlußformeln,  wo  das  Hauptgewicht 
auf  die  rechtliche  Bedeutung  fiült,  gemeinsam  zu  betrachten 
wären. 

Das  erste  herzogliche  Diplom  vom  Jahre  853  hat  eine, 
f)ir  diese  frühe  Zeit  und  auch  absolut  genommen,  außerordent- 
lich wuchtige  Pönformel.  Obgleich  diese  Urkunde  eines  ,dux 
Chroatorum'  eigentlich  nicht  in  unseren  Plan  paßt,  muß  sie 
hier,  wie  bei  der  Betrachtung  der  Invokation,  berücksichtigt 
werden,  um  durch  Bestimmung  der  Provenienz  dieser  Formel 
in  ihr  den  Schlüssel  für  ihr  späteres  merkwürdiges  Beharren 
besonders  im  Süden  zu  bieten.  Denn  wenn  es  uns  gelingt,  für 
diese  Verwünschung  die  direkte  Abstammung  aus  der  byzanti- 
nischen Urkunde  festzustellen,  so  ist  es  gestattet^  dasselbe 
auch   für  die  Pönformel  in   den  Privaturkunden  zu  schließen. 

Den  byzantinischen  Ursprung  dieser  Formel  überhaupt, 
worin  dem  Übertreter  mit  dem  Zorne  Gottes  des  Vaters,  des 
Sohnes,  des  heiligen  Geistes  und  der  Väter  von  Nicäa  ge- 
droht wird,  sowie  ihre  starke  Anwendung  bei  den  Byzantinern 
schon  im  frühesten  Mittelalter  kann  man  als  bekannt  und  be- 
wiesen voraussetzen.^  Nun  waren  die  politischen,  kirchlichen 
und  kulturellen  Beziehungen  der  Kroaten  zu  dem  Ostreiche  in 


'  Mabillon,  De  re  diplomatica  97  f. 

6* 


68  VI.  Abhandlung:    ▼.  dnffUy, 

den  ersten  Jahrhunderten  ihrer  Oeschichte  ungemein  stark.' 
Dennoch  dürfen  wir  uns  mit  der  naheliegenden  Wahrschein- 
lichkeit des  byzantinischen  Ursprungs  der  Formel  und  der 
Möglichkeit  ihres  direkten  Eindringens  in  unsere  Urkunde 
nicht  ohne  weiters  begnügen.  Denn  wenn  wir  bedenken  ^  daß 
schon  die  nächste  herzogliche  Urkunde  von  Mutimir  von  892' 
in  der  Vollziehungsformel  die  italienische  Carta  nachahmt,  und 
wenn  wir  die  Erwähnung  des  fränkischen  Königs  in  der  ersten 
erwägen,  so  scheint  uns  jene  Hypothese  nicht  mehr  so  ein- 
fach; da  außerdem  der  byzantinische  Einfluß  sich  nur  noch 
in  der  Invokation  offenbart,  so  könnte  man  daran  denken,  daß 
diese  Pönformel  doch  erst  durch  die  italienische  Urkunde  in 
die  dalmatinische  kam.  Allein  in  italienischen  Schenkungen 
des  9.  Jahrhunderts  kommen  entweder  gar  keine  oder  sehr 
kurze  und  andere  Motive  enthaltende  Pönformeln  vor;'  sie 
konnten  also  nicht  als  ein  Muster  fbr  die  lange  Formel  in  der 
herzoglichen  Urkunde  dienen,  sondern  nur  die  byzantinischen, 
wo  in  den  Schenkungen  immer  die  größtmöglichen  Formeln 
angewandt  wurden.^  Dazu  gesellen  sich  analoge  Fälle  des 
byzantinischen  Einflusses  auf  die  Urkunden  anderer  Völker. 
In  Ungarn,  das  zur  Zeit  Stephan  des  Heiligen  schon  sehr  rege 
Beziehungen  mit  dem  Westen  hatte,  finden  wir  die  genannte 
Verwünschung  nicht  nur  in  der  Stiftungsurkunde  des  Sprengeis 
von  Vesprim,^  sondern  auch  eine  griechische  Urkunde,  natürlich 
mit  den  besprochenen  Formeln  der  Invokation  und  Verwün- 
schung.' Die  Verfluchung  tcov  tpioxoaicDv  itfux  öxtu)  '^T.xi^m 
findet  sich  mit  Ausnahme  einer  merkwürdigen  Urkunde  "^  später 


^  Es  genügt  dafür,  nur  auf  Gfrörer,  Die  bysantinischen  Geschichten 
vol.  II;  Rambaad,  L'empire  g^ec;  Smiöiklas,  Povjest  hrv.  vol.  I  su  ver- 
weisen.  —  Den  byzantinischen  Einfluß  auf  die  älteste  Gesetzgebung  der 
Kroaten  beweist  der  in  der  Chronik  des  Priesters  Diokleas  erhaltene 
Name  eines  Gesetzbuches:  methodios  (Cmöic,  Kronika  popa  Dnklja- 
nina  12). 

•  Doc.  Nr.  12.         »  Reg.  de  Farfa,  vol.  II  pass.  Paoli  93  (L.  122). 

*  Cf.  Russi  190.        »  Hazai  okmAnytir  VI,  1. 

'  KaracJionyi,  Szent-IstvÄn  kiraly  oklevelei  25—39  bewies  ihre  Echtheit 
mit  fast  erschöpfender  Vollständigkeit,  nur  mangelt  der  Vergleich  mit 
gleichzeitigen  byzantinischen  Urkunden. 

^  A.  1138  CSD.  n,  44.  Die  Schenkung  der  Kirche  S.  Maria  zu  Salona 
durch    den    kroatisch-ungarischen    KOnig    Bela    an    das    Ersbistnm   sn 


Die  dalmatinisoho  PriT»fciir1raAde.  69 

nie  mehr  in  den  Urkunden  ungariBcher  Könige^  obgleich  die 
Verflachungsformel  aus  ihnen  nicht  so  bald  schwindet.^  Die 
Urkunden  serbischer  Könige^  bei  denen  wir  den  byzantinischen 
Einfluß  geradezu  annehmen  müssen  und  die  im  14.  Jahrhundert 
auch  das  Gewand  der  griechischen  Sprache  annehmen^'  ent- 
halten auch  im  13.  Jahrhundert  diese  Formel.'  Auch  in  Süd- 
italien sind  vom  12.  Jahrhundert  an  den  lateinischen  Schenkungs- 
urkunden dieselben  Drohungen  zugefügt,  die  man  auch  in  den 
griechischen  Urkunden  Neapels  findet.  Die  Kurialen  ahmten 
darin  den  Brauch  der  Giiecben  und  ihrer  Kirche  nach.^ 

Nachdem  somit  die  direkte  byzantinische  Provenienz  der 
Verwünschung  in  der  ersten  Urkunde  wahrscheinlich  erscheint, 
können  wir  zur  Betrachtung  dieser  Formel  in  der  Privatur- 
kunde längs  der  ganzen  dalmatinischen  Küste  übergehen.  Da- 
durch gewinnen  wir  auch  Anhaltspunkte,  welche  die  Wahr- 
scheinlichkeit der  byzantinischen  Abstammung  derselben  lokal 
zur  Gewißheit  steigern  werden.  In  den  ältesten  Urkunden 
von  Zara  finden  wir  sie  im  10.  Jahrhundert.  Zu  dieser  Zeit 
steht  sie  in  vollster  Blüte   und   mit  den  Verwünschungen   in 

Spalato.  —  Es  ist  das  eine  Urkunde,  die  von  dem  gewöhnlichen  Stile 
der  ungarischen  Kanzlei  g&nzlich  abweicht  (cf.  Fej^rpataky,  A  kir41yi 
kanczellÄria  az  ArpÄdok  kor&ban,  Pest  1885,  p.  19  ff.  und  die  gleichzeitigen 
Urkunden  bei  Knauz,  Mon.  eccl.  8trig.  I,  65.  66),  indem  sie  die  sub- 
jektire  Fassung  der  dalmatinischen  Urkunde  annimmt  und  auch  ihre 
Kflrze  nachahmt.  In  ihr  taucht  der  Fluch  der  heiligen  Väter  nach 
einem  Zeiträume  von  beinahe  1 50  Jahren  wieder  auf.  Vom  Standpunkte 
der  ungarischen  Diplomatik  sind  ihre  Eigentümlichkeiten  schwer  er- 
klärlich. Nicht  so  ist  es,  wenn  man  bedenkt,  daß  das  Privileg  fQr  den 
Sprengel  von  Spalato  ausgestellt  wurde.  In  dieser  Stadt  mußten  zur 
Zeit  nicht  nur  Traditionen,  sondern  auch  lebendige  Erinnerungen  an  die 
yerblichenen  Natioualherrscher  wach  gewesen  sein.  Demzufolge  schließt 
sich  dieses  Privileg,  welches  jene  in  der  Freigebigkeit  nachahmt,  auch 
an  die  Form  der  früheren  königlichen  Schenkungen  an;  es  wurde  im 
Stile  der  kroatischen  Kanzlei  verfaßt  (cf.  Doc.  Nr.  40.  69.  99),  wozu  man 
wohl  direkt  eine  solche  Vorurkunde  benützte. 

^  Karicsonyi  o.  c.  31;  Schwartner,  Introductio  in  artem  dipl.  praecipue 
Hi;ngaricam  262,  Pest  1790,  sagt,  daß  die  Verwünschung  sich  bis  in  das 
13.  Jahrhundert  erhält. 

'  S.  die  griechischen  Urkunden  des  Dnlan  Silni  in  Miklosich-MUller,  Acta 
V,  2.  108  ff. 

'  Miklosicfa,  Mon.  Serb.  p.  11;  Wenczel  I,  367. 

«  Rnssi  o.  c.  101,  196. 


70  Tl.  Abhudlvng:    ▼.  d«fflay. 

den  Urkunden  Italiens  verglichen;  trägt  sie  in  der  Anwendang 
und  Größe  den  Sieg  davon. ^  Aber  schon  mit  dem  Beginne 
des  11.  Jahrhunderts  nimmt  die  Formel  stark  ab  an  ihrer 
Größe.  Die  ausführliche  Formel  wird  von  einer  allgemeinen 
Verwünschung  verdrängt,'  bis  sie  am  Ende  des  Jahrhunderts 
ganz  verkümmert  erscheint,  aber  auch  den  Übergang  zu  welt- 
lichen Strafbestimmungen  aufweist.^  Durch  die  erste  Hälfte 
des  12.  Jahrhunderts  können  wir  die  Schlußformeln  in  der 
Urkunde  von  Zara  wegen  Mangels  an  Material  kaum  ver- 
folgen;^ sobald  wiederum  eine  größere  Zahl  von  Urkunden 
auftritt,  ist  die  Schlußformel  schon  mit  anderen  Bestandteilen 
versehen.** 

Noch  größeren  Mangel  an  Materiale  müssen  wir  bei  den 
anderen  Städten  Dalmatiens,  Spalato  und  zeitweilig  auch  Ra- 
gusa ausgenommen,  konstatieren.  In  einer  ganz  vereinzelten 
Urkunde  von  Trau  aus  dem  11.  Jahrhundert  kann  man  das 
Auftauchen  der  gewöhnlichen  Formel  der  Verwünschung  durch 
die  Väter  von  Nicäa  etc.  nachweisen.^  In  den  drei  erhaltenen 
Urkunden  von  Nona  weichen  die  Formeln  von  der  erwähnten 
üblichen  zwar  ab,  weisen  aber  dennoch  nichts  Eigentümliches 
auf  und  sind  der  königlichen  Kanzlei,  welche  zur  Zeit  in  dieser 
Stadt  den  Sitz  hatte,  entsprossen.^ 

Die  Verwünschung,  welche  man  in  der  ersten  herzoglichen 
Urkunde  angetroffen  hatte,  hält  sich  außer  in  den  Urkunden 
kroatischer  Fürsten    und   Könige®   am    hartnäckigsten   in   der 

^  Sie  wird  in  den  Schenkungen  and  Testamenten  gebrancht,  Doc.  Nr.  17, 
20,  63,  70,  72  und  18,  21,  38.  Cf.  Paoli  93,  Nr.  1  (L.  122,  Nr.  3). 

'  A.  1072,  Doc.  Nr.  70:  quod  cauet,  reperiat,  qnod  oitat,  inyeniat. 

'  A.  1091,  Doc.  Nr.  129:  deificam  habeat  malediccionem  et  incurrat  eis 
penam  medietas  domus  sue. 

^  Die  Verwünschung  ist  in  zwei  geistlichen  Urkunden  noch  zu  finden 
CSD.  II,  12.  37. 

^  Die  Schenkung  der  Insel  Mauni  von  1190,  Nr.  209  muß  insofern  eine 
Ausnahme  bilden,  als  sie  die  geistliche  Strafbesttmmung  wirklieh  be- 
sitzt; sonst  haben  wir  schon  früher  erwähnt,  daß  wir  hier  es  mit  einer 
gekünstelten  Nachahmung  zu  tun  haben.    S.  oben  S.  65,  Note  5. 

•  A.  1064,  Doc.  Nr.  46. 

»  A.  1070,  Doc.  Nr.  60,  71,  74.  Cf.  Nr.  61,  69. 
^  Doc.  Nr.  12,  58,  88,  97,  98,  99   natürlich  mit  Veränderungen   and  Aus- 
lassungen;   aber   auch    direkt    aus    Italien    stammende    Formeln    sind 
vorhanden  (55,  69)   und  nach  dem  Muster  der  westlichen  Kanzlei  mit 


Di«  dalrnfttuÜMho  PrivAtukimd«.  7 1 

Privaturkunde  von  Spalato.  Im  11.  Jahrhandert  findet  man 
sie  in  den  Schenkungen,  Testamenten,  Verordnungen,^  und 
immer  bildet  ihren  Mittelpunkt  der  Fluch  der  heiligen  Väter, 
obgleich  sie  natürlich  der  geringen  Feierlichkeit  der  Handlung 
angemessen,  also  ziemlich  kurz  ist.  Im  12.  Jahrhundert  schwillt 
sie  Proportionen  zu  anderen  Teilen  noch  an,'  gar  nicht  beein- 
trächtigt von  den  fremden  Formeln.  Auch  weiter  gegen  Süden 
in  den  Urkunden  von  Ragusa,'  in  den  Schenkungen  der  sla- 
vischen  Häuptlinge  von  Zeta  und  von  Eonavlje^  ist  die  Ver- 
wünschung mit  demselben  Motive  im  Brauche.  Und  parallel 
mit  der  Invokation  nimmt  diese  Schlußformel  noch  weiter  gegen 
Süden  mehr  und  mehr  unzweifelhaft  direkte  östliche  Ingre- 
dienzien auf.  In  Cattaro  ist  sie  wahrscheinlich  nur  wegen 
des  Mangels  an  Urkunden  nicht  nachzuweisen,  aber  an  ihrer 
Stelle  ist  die  in  der  nördlichen  Urkunde  gänzlich  fehlende  Ver- 
dammung von  Seite  Gottes  des  Allmächtigen  und  der  heiligen 
Jungfrau  Maria  zu  finden.^  Eine  ähnliche  Verwünschung  ist 
nur  noch  in  den  lateinischen  Schenkungen  der  2upane  von 
Zahom  an  das  Kloster  des  heil.  Benedikt  auf  der  Insel  La- 
croma  zu  finden,  von  denen  die  eine  dem  Tjrpus  der  byzan- 
tinischen Schenkung  vollständig  nachgebildet  ist,  die  andere, 
wenn  auch  im  Texte  der  Fassung  der  subjektiven  Carta  folgend, 
in  der  Invokation,  aber  noch  mehr  in  der  Nachahmung  der 
Drohung  des  byzantinischen  Basileos  den  direkten  byzantini- 
schen Einfluß  nicht  verbergen  kann.^    Hier  ist  es   auch,   wo 


weltlichen  Strafbestimmniigeii  verbanden:  quaram  medietas  regali  infe- 

rator  fiaco  (Doc.  Nr.  99).  Cf.  Sickel,  Acta  I,  200  ff. 
1  Doc.  Nr.  28.  30.  102.  111. 

'  CSD.  II,  30.  31.  40,  wo  lie  beinahe  die  Hälfte  der  Urkunde  einnehmen. 
'  A.  1044.  CSD.  I,  128. 

*  CSD.  n,  22.  292. 

*  Ib.  86,  a.  1124.  Et  hanc  donationem  ai  aliqnlB  mmpere  temptanerit  .  . . 
ex  parte  dei  omnipotentis  et  beate  Marie  semper  yirginis  et  omninm 
aanctonuni . .  .  condemnetnr.  —  Ober  den  Knltns  der  xava^tot  Oeoioko^  an 
Bysani  a.  HergenrOiher,  Handbach  I,  429  (IL  Aufl.).  Cf.  Jiredek  1.  c.  63  ff. 

'  Ib.  n,  67.  a.  c.  1151.  Si  qais  .  .  .  aliqaod  impedimentnm  pro  hoc  nostro 
atainto  inferre  volnerit,  alt  inimicus  tociaa  terre  Zachalmie  et  stt 
a  deo  et  a  beata  yirgine  Maria  . . .  maledictoa.  —  Für  kaiaer.  Chryso- 
ballen:  Miklosich-Mttller,  Acta  V,  2,  p.  73.  A.  1269  (Atta  Tf|«  Oeui«  «yocv«- 
xt^oecD«  xal  t;^v  «cö  Tij«  ßaaiXeta?  fAOu  opyi^v  x«i  «co^rrpo^i^v  feci  towtio  Ix^wver. 


72  Tl.  Abhandlang:    t,  Aafflay. 

wir,  von  Norden  gegen  Süden  schreitend  und  den  wachsenden 
byzantinischen  Einfluß  auf  die  dalmatinisch-kroatische  Urkunde 
in  verkehrter  Proportion  zar  geographischen  Breite  konsta- 
tierend ^  endlich  eine  lateinische  Urkunde  mit  vollständig  aus- 
geprägtem Charakter  der  byzantinischen  Urkunde  vorfinden.^ 
Damit  ist  der  Höhepunkt  dieses  Einflusses  erreicht ,  der  nie 
durch  die  Abfassung  der  Urkunde  in  griechischer  Sprache 
überboten  wurde.* 

Aber  mit  der  Begründung  des  Notariats  in  den  südlicheren 
Städten  fUngt  auch  hier  eine  neue  Periode  für  den  Schluß  der 
Urkunde  an.  Sobald  zu  Spalato  —  und  hier  kann  man  am 
besten  die  Schlußformeln  der  dalmatinisch-kroatischen  Urkunde 
verfolgen  —  der  erste  Notar  der  Kommune  sich  meldet,  ver- 
schwindet die  Verwünschung  plötzlich'  vor  der  stattlichen 
Reihe  neuer  eben  sich  in  Italien  herausbildender  Schlußformeln/ 
Für  eine  Zeit  bis  zum  Anfange  des  13.  Jahrhunderts  fallen 
alle  Schlußformeln  weg  und  dem  verfUgenden  Teil  der  Urkunde 
folgen  unmittelbar  die  Zeugen  und  die  Unterschrift  des  Notars. 
Dann  pochen  die  neuen  Formeln  auch  zu  Spalato  wie  überall 
in  Dalmatien  an. 


Diese  Verwünschung  ist  von  hier  in  die  königlichen  Urkunden  aller 
slayischen  Reiche  am  Balkan  übergegangen.  Für  Bulgarien  Privileg 
des  bulgarischen  Kaisers  As^n  an  die  Ragusaner:  to  da  e  vdati,  toj  e 
protivniki»  carstva  mi  (Miklosich,  Mon.  8erb.  p.  62).  Für  Serbien  Pri- 
vileg des  serbischen  Königs  Stephan:  da  prime  gnSv  .  .  .  oti  kralevstva 
mi  (Ib.  p.  16). 

^  CSD.  I,  a.  1035—1040,  Nr.  122.  Die  Urkunde  fängt  an:  sigiUum  Chrance 
.  .  .  (nicht  vollständig).  Cf.  die  Schenkung  des  serbischen  Strategs  Ludwig 
ib.  I,  126  (a.  c.  1025)  und  die  gleichzeitige  kaiserliche  Schenkung  bei 
Miklosich-MüUer  V,  2,  p.  7  atyiXXtov  tou  aurou  Iv  lOicci) .  .  .  S.  auch  Lavrski, 
Athenskija  gramotu  (Visant.  vremenniki  V,  483  ff.). 

'  Die  von  Breßlau  I,  698  f.  gelegentlich  gemachte  Bemerkung,  daß  die 
griechische  Sprache  in  den  Urkunden  des  dalmatinischen  Küstenlandes 
gebraucht  wurde,  ist  nicht  richtig,  da  die  griechischen  Verträge,  worauf 
er  sich  beruft  (Tafel  in  Wiener  Sitsungsber.  vol.  VI  [1851],  594  ff.),  nur 
die  politischen  und  Handelsbesiehungen  zu  Byzanz  beweisen  und  nicht 
den  Brauch  der  Sprache.  Die  Urkunden  sind  von  griechischen  Despoten 
verfaßt.  —  Wie  mich  Professor  JireSek  versichert,  sind  einige  Urkunden 
von  Durazzo  noch  genauer  der  griechischen  Vertragsarknnde  nach- 
gebildet, aber  auch  hier  ist  keine  Spur  von  griechischer  Sprache  in 
dieser  Beziehung  zu  finden. 

*  Das  letzte  Mal  a.  1171.  CSD.  II,  119.  «  Cf.  Giry,  Manuel  560. 


Die  d»lmatiadseho  PriTfttvrknude.  73 

Nor  noch  etlichemal  erscheint  die  Verwünschung  hie  und 
da  in  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  und  verleiht  dem 
sich  eben  herausbildenden  Instrumente  ein  auffallendes  Aus- 
sehen.^ Später  ist  nicht  die  leiseste  Spur  in  dem  städtischen 
Instrumente  von  einer  geistlichen  Strafbestimmung  zu  finden. 
Nur  noch  einmal  taucht  sie  am  Anfange  des  14.  Jahrhunderts 
auf,  wenn  auch  nicht  in  der  Urkunde  einer  Kttstenstadt  selbst, 
so  doch  auf  dem  dalmatinischen  Boden.  In  einem  entlegenen 
Dorfe  versammeln  sich  die  Stifter  der  Pfarrkirche,  um  sie 
von  neuem  zu  beschenken  und  die  Pflichten  gegen  dieselbe 
durch  die  Schrift  zu  befestigen.  Diese  Urkunde  schließt  mit 
einer  Verwünschung,  welche  sozusagen  ein  vollständiges  Re- 
sumö  aller  in  der  dalmatinisch-kroatischen  Urkunde  einst  ge- 
brauchten Formeln  vorstellt.  Und  es  ist  eben  ein  eigentümlicher 
Zufall,  daß  gerade  dieser  Nachklang  aus  der  königlichen  Zeit 
in  einer  Urkunde  für  immer  erUscht,  die  durch  einen  oder 
mehrere  grobe  Fehler  der  Abschreiber  den  mächtigen  Banus 
Mladen  als  König  von  Kroatien  bezeichnet.' 


^  Mir  sind  nur  drei  solche  Fälle  bekannt:  A.  1226.  Spalato  (orig.  ACS.  XVI, 
1.  72)  Testament  einer  gewissen  Rada:  et  quicamqae  contra  hoc  scrip- 
tarn  aliqnid  dicere  presumpserit,  iratum  habeat  deum  omnipotentem  et 
nee  filios  nee  filias  habeat,  set  ita  maneat  sicnt  et  ego  mansi.  —  A.  1226 
Lesina.  Schenkang  an  das  Kloster  anf  der  Insel  Bifioro  (Ba9i)  ed.  Ljubic^, 
Stat.374.  —  A.  1262  Zara.  Testament  (orig.  s.  Maria):  si  quis  ipsum  vto- 
lare  .  .  .  voluerit,  maledictionem  dei  omnipotentis  incarrat  et  snb  ana- 
themate   trecentomm  decem  et  octo  patmm  constrictus  permaneat. 

'  Die  Urkunde,  deren  Entstehangszeit  man  nar  annähernd  zwischen  1307 
bis  1822  setzen  kann,  ist  in  einer  sehr  zweifelhaften  Oberliefemng  auf 
ans  gekommen.  Sie  ist  in  dem  Kodex  der  Pfarre  yon  Kambelovci 
(Castel  Cambio)  in  Dalmatien  aus  dem  18.  Jahrhundert  in  mehreren 
Abschriften  (von  c.  1400,  a.  1586,  1692)  erhalten.  Ich  will  nur  das  sehr 
interessante  Protokoll  wiedergeben,  woraus  ersichtlich  wird,  welchen 
Schaden  sie  durch  unabsichtliche  Fehler,  aber  wahrscheinlich  auch 
durch  absichtliche  Fälschung  erlitten  hat:  In  Christi  nomine.  Anno  in- 
camationis  eiusdem  millesimo  centesimo  (sie!)  quarto  indictione  quinta, 
die  .  . .  tempore  illustrissimi  et  potentissimi  domini  nostri  domint  Mla- 
dini  incliti  regis  (sie !)  Croati^  et  Dalmati^.  Die  Wiedergabe  der  großen 
Verwünschung  kann  mir  erlassen  werden.  Die  Ansichten  über  die  Echt- 
heit dieser  Urkunde  sind  verschieden,  s.  Ra6ki,  Pismare  dalmatinske. 
Rad  26, 176 f.;  äegvi6,  Patyorena  isprava  u  kaitel  Kambelovcu  (Vjestnik 
hrv.  arkiva  1902,  56  ff.)  etc. 


74  VI.  Abhandlnng:    ▼.  SnffUy. 


V. 

Das  Notariatslnstrument  In  den  KflstenstSdten  und 
andere  Fortsetzungen  der  dalmatinlselt-kroatlselien 

Urkunde. 

8.  Das  subjektive  und  objektive  Instrument  in  den 
dalmatinisohen  Küstenstädten. 

Die  zweite  Periode  der  dalmatinisehen  städtischen  Privat- 
nrkunde  ist  von  der  Ausbreitung  des  Notariats  italienischer 
Art  auf  der  östlichen  Kttste  des  Adriatischen  Meeres  bedingt. 
Es  ist  der  direkte  Import  der  Formeln  aus  Italien,  welcher 
der  kroatisch-dalmatinischen  Urkunde  nach  und  nach  jeden 
selbständigen  Zug  raubte  und  sie  im  14.  Jahrhunderte  in  den 
Städten  zu  einer  fast  nur  durch  geographische  Gründe  eigen- 
tümlichen Abzweigung  des  italienischen  Notariatsinstrumentes 
machte. 

Nachdem  sich  das  italienische  Urkundenwesen  seit  dem 
9.  Jahrhunderte  in  festen  Oeleisen  fortbewegt  hatte/  zeigen 
sich  seit  dem  Ausgange  des  11.  Jahrhunderts  die  Spuren  der 
Neuerung,  welche  im  12.  Jahrhundert  zu  einer  fast  vollständigen 
Umwälzung  in  der  Fassung  der  oberitalienischen  Urkunde 
führte  und  am  besten  in  der  Verwilderung  der  Vollziehungs- 
formel zu  sehen  ist.'  Es  genügt  f)ir  unsere  Zwecke,  die  Elnt- 
wicklungsstufe  der  italienischen  Urkunde  in  der  Übergangs- 
zeit zum  ,instrumentum  publicum'  festzustellen^  um  dann  durch 
den  Vergleich  derselben  mit  derjenigen  der  im  Formelwesen 
teilweise  schon  mit  dem  Instrumente  verglichenen  dalmatinisch- 
kroatischen Urkunde  die  größere  oder  geringere  Fähigkeit  der- 
selben, sich  in  das  Instrument  zu  verwandeln,  zu  konstatieren. 

In  Italien  wird  seit  dem  Ausgange  des  11.  Jahrhunderts 
das  Breve  häufiger,  die  symbolische  Investitur  gewinnt  an 
Boden.  ,Die  Olossatoren  wußten  mit  den  Lehrsätzen  des  rö- 
mischen Rechtes  über  die  dispositive  Urkunde  nichts  Rechtes 
zu  beginnen,  ihnen  war  die  Urkunde  vor  allem   ein  Beweis- 


'  Cf.  Brunner  o.  c.  6.  Ficker,  Forschungen  I,  1 7  f. 
«  Branner  84  f.  Voltelini  1.  c.  p.  XVII. 


Die  dalmatinisch«  PriTatarknnd«.  75 

mittel/^  Auf  derselben  Stufe,  welche  die  italienische  Urkonde 
im  12.  Jahrhundert  erreicht  hatte,  befand  sich  fast  immer  und 
überall  die  dalmatinisch-kroatische  Urkunde.  Nur  waren  die 
Gründe  dazu  ganz  heterogen.  Dorten  war  es  das  römische 
Recht,  das  mit  wachsendem  Ansehen  die  aus  seinen  eigenen 
Wurzeln  entsprossene  ^traditio  per  cartam^  beseitigte,  hier  die 
slayische  Rechtssitte  der  körperlichen  Investitur  und  des  Bar- 
vertrages, welche  die  lokal  erhaltenen  Spuren  der  verfügenden 
Urkunde  schnell  verwischte.  Tatsächlich  war  es  aber  fUr  diese 
kroatisch-dalmatinische  Urkunde,  da  in  den  Städten  auch  das 
Notariat  schon  entweder  bestand  oder  neu  begründet  wurde, 
nur  ein  leichter  Schritt,  das  Wesen  des  Instrumentes,  d.  h. 
der  Relation  des  zum  rechtlichen  Akte  besonders  vom  Rechte 
berufenen  Zeugen,  des  Notars,  anzunehmen. 

Diese  Umwandlung  des  dalmatinisch-kroatischen  Breves 
in  ein  formelmäßiges  Instrument  geschah  aber  dennoch  nicht 
auf  einen  Schlag. 

Eine  Ubergangsstufe  und  Vorbildung  erhielt  die  städtische 
Urkunde  durch  die  einheimischen  Notare,  die  sich  in  der 
zweiten  Hälfte  des  12.  Jahrhunderts  zu  Zara  und  Ragusa 
wieder,  zu  Spalato  und  anderswo  zum  erstenmale  melden.  Be- 
sonders Air  die  Urkunde  von  Zara  ist  in  dieser  Zeit  schwer 
zu  unterscheiden,  ob  wir  es  mit  den  Anfängen  des  Instrumentes 
oder  mit  den  letzten  Zttgen  des  Breves  zu  tun  haben.  Denn 
trotzdem  der  Notar  die  Eompletionsformel  des  Instrumentes 
schon  gebraucht,  wie  oben  gezeigt  worden  ist,  ist  aus  dem 
langen  Zeugenverzeichnisse  doch  zu  ersehen,  daß  die  Urkunde 
ihre  ganze  Beweiskraft  noch  nicht  aus  seinem  Zeugnisse 
schöpfte.'  Die  Zeugen  sind  zwar  ohne  Zweifel  nur  gegen  die 
Einreden  von  Seite  der  Kroaten  so  zahlreich  aufgezählt,  aber 
dieses  Merkmal,  welches  die  slavische  Rechtssitte  der  städti- 
schen Urkunde  aufgedrückt  hatte,  ist  somit  tatsächlich  noch 
nicht  verwischt.  Zu  Spalato  ist  ein  ähnlicher  Zweifel  weniger 
berechtigt,  da,  wie  gezeigt,  der  Notar  die  Unterschrift  des 
früheren  Schreibers  des  Breves  nachahmt  und  die  Urkunde 
in  derselben  Kürze  bis  in  den  Anfang  des   13.  Jahrhunderts 


^  Yoltelini  o.  c.  p.  XVIII,  auch  für  das  Folgende. 
«  S.  CSD.  If,  90.  93.  96.  121  etc. 


76  VI.  Abhmdlnng:    f.  dnffUy. 

beharrt.  Das  Ringen  also  der  Zeugenurkunde  mit  dem  noch 
fast  selbständigen  Wachsen  des  Ansehens  der  Notare  dauert  in 
das  13.  Jahrhundert  überall ,  doch  spürt  man  schon  am  Ende 
des  12.  Jahrhunderts,  wie  Dalmatien  von  der  Weise  italienischer 
Notare  berUhi*t  wurde.  Denn  nur  durch  die  Lizenzen,  die  sich 
diese  in  poetischen  Ergüssen  in  der  Vollziehungsformel  erlaubten,^ 
angeregt;  konnte  sich  ein  spalatinischer  Notar  getrauen,  die  Fin- 
leitung  der  Urkunde  in  folgenden  Reimen  zu  bearbeiten :  in  no- 
mine sanctissime  trinitatis  et  indiuidue  unitatis.  Anno  igitor  sacro 
postquam  Christus  carnem  sumpsit  milleno  centeno  adito  quater 
viceno  et  ut  numerus  certus  sciatur,  nouenus  adiiciatur.' 

Sehr  bald  aber  entwickelte  sich  an  der  Wende  des 
12.  Jahrhunderts  die  städtische  Urkunde  durch  den  steigenden 
Einfluß  der  Urkunde  Norditaliens  und  der  berühmten  Schulen 
von  Bologna  und  Padua  unter  der  Hand  der  einheimischen 
Notare  ihrem  Wesen  nach  zum  Instrumente.  Als  Geistliche 
studierten  viele  von  ihnen  auf  den  genannten  Hochschulen 
und  indem  sie  sich  auch  für  das  Notariatsamt  vorbereiteten, 
machten  sie  ohne  Zweifel  die  Bekanntschaft  mit  dem  römischen 
Rechte  und  den  berühmten  Schriften  über  die  Notariatskunst, 
den  ysummae  artis  notariae^'  In  ihre  Heimat  zurückgekehrt, 
konnten  sie  allerdings  nicht  auf  einmal  gänzlich  mit  den  vor- 
handenen  Überlieferungen  und  Fassungen  der  dalmatinisch- 
kroatischen Urkunde  brechen;  das  dalmatinische  Instrument 
trug  noch  längere  Zeit  die  Spuren  der  direkten  Anknüpfung 
an  die  dalmatinisch-kroatische  Urkunde. 


^  S.  Beispiele  bei  Oaletti,  Del  prtmicero  della  s.  sede,  Rom  1776,  Nr.  67. 
Savioli,  Annali  Bolognesi  I,  2.  172.  176.  181;  Breßlan  1,596  f. 

*  Farlati,  III.  sacr.  III,  222.  CSD.  II,  202.  Leider  hat  uns  Farlati  nar 
den  Anfang  der  Urkunde  mitgeteilt  und  da  das  von  ihm  sitierte  ,taba- 
lariam  comitum  de  Cindris*  einer  angesehenen  Familie  zn  Spalato, 
verschollen  ist,  können  wir  nicht  den  Notar  kennen  lernen  und  uns 
überzeugen,  ob  vielleicht  auch  die  Vollziehungsformel  dieser  an  eine 
mittelalterliche  Steininschrift  erinnernden  Einleitung  (cf.  Kuknljevic 
Natpisi  CSD.  II,  2.  7,  p.  236,  237)  entopricht. 

'  Für  Bologna  siehe  Sarti,  De  claris  arehygimn.  Bonon.  professoribus  421, 
506  ff.;  Rockinger,  Briefsteller  I,  p.  XXIV  und  XXVI;  Breßlau  631  f.; 
Paoli  54  (L.  70).  Für  Pavia  noch  Merkel,  Geschichte  des  langobardischen 
Rechtes  63,  nota  10.  Cf.  die  überaus  interessante  Arbeit  von  Por,  Adatok 
a  bolognai  ^  padovai  jogegyetemen  a  14  sz.  tanult  magyarokr61  (Ssa- 
zadok  1897,  p.  769  ff.). 


Die  dftliiiAtinisebe  PriratarlciiDde.  77 

In  den  Bezeichnungen  fbr  das  jagendliche  Instrument 
6ind  solche  Spuren  zu  entdecken.  Es  wird  weiter  wie  die 
dalmatinisch* kroatische  Urkunde  hauptsächlich  mit  carta  und 
breae  benannt;  und  daß  dies  nicht  eine  Kopie  der  Benennungen 
ist,  die  auch  in  Italien  flir  das  Instrument  dann  und  wann 
auftauchen,^  beweist  dasselbe  Verhältnis  der  Anwendung  dieser 
Bezeichnungen  wie  in  der  dalmatinisch-kroatischen  Urkunde. 
Im  Süden  —  wir  wählen  wie  immer  Spalato  wegen  des  verhältnis- 
mäßig größten  Reichtums  an  Urkunden  in  älterer  Zeit  aus  — 
ist  die  Bezeichnung  ,breueS'  im  Norden  zu  Zara  ^carta'  weit 
häufiger  anzutreffen/  Auch  halten  sich  beide  am  zähesten  in 
der  Vollziehungsformel  weit  über  die  Mitte  des  13.  Jahrhunderts. 

Dagegen  ist  zu  Trau,  wo  das  Notariat  etwas  später  auf- 
blühte und,  wie  es  scheint,  nur  wenige  Spuren  der  kroatisch- 
dalmatinischen  Urkunde  zu  überwinden  hatte,  die  Bezeichnung 
,instrumentum'  schon  in  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts 
vollständig  üblich.^  In  den  oben  genannten  Städten  wird  diese 
Benennung  zuerst  für  die  Gerichtsurkunde  angewandt,  welche 
auch  als  erste  die  objektive  Fassung  des  Instrumentes  annimmt.^ 
Erst  mit  der  Ausübung  der  Amtsobliegenheiten  durch  italienische 
Notare   in    der   zweiten    Hälfte   des    13.  Jahrhunderts    wurde 


'  cartae,  brebes  (s.  Voltelini  1.  c.  p.  XVIII,  Note  3);  schon  der  spraohliclie 
Unterschied  zwischen  ital.  brebe  and  unserem  breae  bestätigt  unsere 
Behauptung. 

'  Diese  Bezeichnung  erscheint  im  Texte  wie  auch  in  der  Unterschrift: 
ego  presbiter  Sabatius  . .  .  notarius  .  . .  breae  scripsi.  6.  die  Urkunden 
von  a.  1203  (orig.  ACS.),  1204  (Ib.),  1205  (Ib.),  1208  (orig.  s.  Maria)  etc., 
1258  (orig.  Begna  3),  in  dieser  Urkunde  im  Texte:  per  hoc  presens  in- 
strumentum  confiteor;  in  der  Unterschrift:  Et  ego  Lucas  . .  .  hoc  breue 
scripsi  etc.   Vgl.  oben  S.  37. 

'  So  gebraucht  sie  beständig  der  Notar  magister  Gregorius  1237 — 1240; 
auch  der  Notar  Marcus  diaconus  1239  (or.  GAZ.  s.  Oris.  I,  B.  7) ;  in  den 
Urkunden  der  zweiten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  noch  sehr  häufig  an- 
zutreffen. 

*  Das  erste  Mal  a.  1283.  Et  ego  Johannes  Traguriensis  iuratus  notarius 
rogatus  .  .  .  presens  inst rumen tum  scripsi  (orig.  AsA.). 

*  In  Spalato  das  erste  Mal  eine  Schenkung  in  einer  Gerichtsurkunde  als 
instrumentum  bezeichnet  a.  1224  (or.  ACS.  ed.  Wenczel  I,  206):  propone- 
batur  ex  parte  canonicorum,  quod  quedam  domina  . .  .  legauit  . .  .  ter- 
ram  ...  et  hoc  sue  donationis  testamentum  publice  instrumento 
firmaait.  —  Die  Urkunde  nennt  sich  selbst  so  erst  a.  1238  (or.  ACS. 
XVI,  2.  26) . 


78  Tl.  AbhAndlnog:    t.  ^nffUy. 

diese  Benennung  für  die  Urkunde  überall  allgemein  und  auch 
von  den  Laien  gebraucht.^ 

Aber  auch  in  der  subjektiven  Fassung  des  älteren  dal- 
matinischen Instrumentes  fühlt  man  die  starke  Nachwirkung 
der  ihm  vorangehenden  dalmatinisch-kroatischen  Urkunde. 
Während  in  Italien  seit  dem  11.  Jahrhundert  die  objektive 
Form  der  Urkunde  immer  mehr  die  Oberhand  gewinnt^  um 
am  Anfange  des  13.  Jahrhunderts  in  Oberitalien  in  der  ob- 
jektiven Relation  des  Notars  über  den  Rechtsakt  zu  gipfeln,' 
bleibt  das  neu  entstandene  dalmatinische  Instrument  der  sub- 
jektiven Fassung  des  kroatischen  Breves  treu.  Um  die  Form 
der  ererbten  Urkunde  nicht  zu  verletzen,  knüpften  die  ein- 
heimischen Notare  nicht  an  das  objektive  italienische  Instrument 
an,  sondern  an  die  eben  untergehende  subjektive  Carta.  Es 
ist  hier  wie  bei  jener  nicht  der  Notar,  welcher  den  Vertrag 
oder  die  Bedingungen  desselben  expliziert,  sondern  einer  der 
im  Vertrage  Beteiligten.  Von  dieser  neuen  Urkundenbildung 
getragen,  treten  in  der  städtischen  Urkunde  des  13.  Jahr- 
hunderts die  verba  dispositiva  und  das  beinahe  vollständige 
Formelwesen  der  lombardischen  Carta  auf.'  So  belebt  der 
spezifische  Konservatismus  des  älteren  städtischen  Instrumentes 
Dalmatiens,  durch  die  später  schon  unbewußte  Nachwirkung 
der  dalmatinisch-kroatischen  Urkunde  verursacht  und  durch 
die  Freiheit  in  der  Konzeption  des  Instrumentes^  ermöglicht, 
sein  schon  im  Absterben  begriffenes  italienisches  Muster  auf 
eigenem  Boden  durch  eigene  Kraft  wieder  und  verzögert  das 
in   andern  Ländern  schon   vollzogene  Zurückweichen  der  sub- 


*  So  findet  man  auf  der  Rückseite  einer  Urkunde  von  Zara  1280  (orig. 
8.  Maria)  über  eine  Teilung  der  Güter  von  einer  gleichzeitigen  Hand 
(nicht  der  des  Notars):  instrumentum  dinisionis  .  . . 

»  Paoli  90  (L.  119);  Voltclini  I.e.  p.  XVUI. 

'  manifestum  facio,  quomodo  do,  dono,  vendo  (trade)  atque  transacto,  oder 
fateor  quomodo  ...  für  Kauf-  und  Schenkungsformel  su  Zara.  Zu  Nona 
außer  der  genannten  Formel  noch  das  archaisch  klingende:  confiteor 
donasse  tibi  (a.  1290,  1291  orig.  AsA.,  GAZ.,  s.  Dom.  691)  confiteor  ven- 
didisse  tibi  (a.  1807  AsA.)  Cf.  Brunner  o.  c.  p.  18  ff.,  131  f.  —  Mehr 
darüber  siehe  unten  c.  VI,  §  15. 

^  Gull.  Durantis  o.  c.  l.  2,  part.  2.  §  2,  n.  17:  illud  etiam  scias,  qnod 
non  est  vis  utrum  instrumentum  conficiatur  in  prima  vel  tercia  persona 
stve  per  verba  de  presenti  stve  de  preterito;  cf.  österley  I,  228. 


Die  dalmatinisch«  PriTatnrkundfi.  79 

jektiven  Fassung  der  Urkunde,»  wie  wir  sehen  werden,  um 
beinahe  zwei  volle  Jahrhunderte. 

Zuerst  bekommt  das  Instrument  die  objektive  Form  zu 
Spalato  und  Trau,  also  in  den  Städten ^  wo  das  kaiserliche 
Notariat  zuerst  Wurzeln  faßte.  In  den  ersten  Jahren  der 
zweiten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  ist  die  objektive  Form 
in  Instrumenten  über  alle  möglichen  Rechtsgeschäfte  vollständig 
durchgedrungen.^  Aber  die  mit  dieser  Fassung  gewöhnlich 
verbundene  Weitschweifigkeit  in  der  Sicherung  der  Rechts- 
geschäfte ist  dem  objektiven  Instrumente  im  Anfange  noch 
fern  geblieben.  Es  sind  im  ganzen  fast  noch  dieselben  For- 
mein,  die  beim  subjektiven  Instrumente  angewandt  waren,  nur 
daß  die  Verba  in  die  dritte  Person  versetzt  werden. 

Am  Ende  des  13.  Jahrhunderts  werden  auch  im  Norden 
zu  Zara  Versuche  sichtbar,  das  Instrument  in  die  objektive 
Form  zu  gießen.  Außer  in  die  Gerichtsurkunde  dringt  diese 
Fassung  zuerst  in  die  zweiseitigen  Verträge  wie  Tausch  und 
Teilung  ein.'  Dennoch  wird  auch  bei  diesen  Verträgen  noch 
längere  Zeit  von  der  Mehrzahl  der  Notare  die  subjektive  Form 
gebraucht.  Diesen  vereinzelten  Versuchen  folgt  bald  ein  zweiter 
ernsterer  Angriff  auf  die  subjektive  Fassung  des  Instrumentes, 
welchen  der  kaiserliche  Notar  Marinus  de  Saracho  (1327 — 1336) 
mit  derselben  Gattung  der  Urkunde  beginnt,  die  Notare  aber  aus 
Furlanien  Silvanus  (1336—1341)  und  Jakob  (1337—1340)  bei 
Urkunden  über  andere  Rechtsgeschäfte  fortsetzen,  bis  von  einem 
Schwärm  kaiserlicher  Notare  angegriffen,  die  subjektive  Fassung 
des  Instrumentes  in  den  Vierzigerjahren  des  14.  Jahrhunderts 
gänzlich   verschwindet.     Zu   derselben  Zeit  wurde  diese  Um- 


'  Nur  in  der  Bomagna  hat  sich  die  subjektive  Carta  modernisiert  ebenfalls 
bis  in  das  14.  Jahrhundert  erhalten,  Voltelini  1.  c.  p  ZVIII.  Analog 
anch  die  neapolitanischen  Urkunden,  s.  Russi  o.  c.  p.  100. 

'  Zu  Spalato  nach  der  Urkunde  von  1268  (orig.  Begna  Nr.  3),  eu  Trau 
nach  1267  (orig.  ACT.  Nr.  13)  keine  subjektlTe  Urkunde  mehr. 

'  Ein  schönes  Beispiel  für  die  Übergangsstufe  bietet  die  Urkunde  über 
einen  Tauschvertrag  von  1296  (orig.  s.  Maria).  Sie  beginnt  in  objektiver 
Fassung:  fecerunt,  eontraxerunt  inter  se  eambium  in  hunc  modum,  und 
verweilt  in  derselben  bis  gegen  das  Ende.  Am  Schlüsse  taucht  aber 
eine  subjektive  Klausel  der  Qenehmigung  der  Kontrahenten  auf:  et  nos 
prenominati  .  . .  laudamus  et  confirmamus  omnia  et  singuli  suprascripta. 


80  ▼!.  Abhaudlnng:    t.  Snfflay. 

gcstaltung  des  Instramentes  zu  Nona  vollbracht.^  Doch  vrar 
dann  und  wann  dieser  natürlichen  Entwicklung  schon  im 
13.  Jahrhundert  durch  angekommene  italienische  Notare  vor- 
gegriffen worden.'  Es  sind  dies  seltene  Unregelmäßigkeiten^ 
die  aber  dennoch  wohl  auf  die  schnellere  Entwicklung  der 
Urkunde  zxmi  formelmäßigen  Instrumente  Einfluß  ausübten. 

Was  die  Urkunden  anderer  Städte  betrifft,  so  kann  man 
sagen,  daß  seit  der  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  das  objektive 
Instrument  längs  der  ganzen  östlichen  adriatischen  Küste  von 
den  Inseln  am  Quarnero  und  Zengg^  bis  Ragusa  und  Lagosta 
herrscht.  Nur  zu  Cattaro,  hält  sich  noch  unberührt  und  auch 
unbewegt  die  subjektive  Fassung  des  Instrumentes  in  aller 
archaischen  Kürze.^  Trotz  des  Andranges  fremder  Notare, 
die  sich  mit  der  kaiserlichen  Einsetzung  brüsten,  erscheint  hier 
nicht  eine  Spur  in  der  Formel  und  in  der  Fassung  des  Textes, 
daß  hier  auch  italienische  Notare  ihr  Gewerbe  treiben.  Cattaro 
ist  das  letzte  Bollwerk,  wo  sich  die  für  Dalmatien  typische 
subjektive  Urkunde  aufrecht  und  rein  erhält;  es  blieb  bis  in 
das  15.  Jahrhundert  für  das  objektive  italienische  Instrument 
unzugänglich. 

8.   Die   rechtliche   Beweiskraft   des   Instrumentes   nach    den 

Statuten  der  Städte. 

Nachdem  in  allen  Städten  das  Notariat  begründet  worden, 
war  der  Sprung,  der  die  von  einem  Notar  ausgefertigte  formell 


^  Das  erste  objective  Instrument  a.  1339  (orig.  6AZ.,  s.  Domtn.  Nr.  1060). 

'  So  die  Kaufurkunde  von  1247,  13.  November  (orig.  s.  Maria),  die  im  ganxen 
13.  Jahrhundert  die  reichste  an  den  Formeln  bleibt.  Sie  trägt  auch  auf- 
fallender Weise  die  Unterschrift  des  Ausstellers  und  der  Zeugen  f  Signum 
Vere,  que  hoc  fieri  rogauit  f  Ego  Micha  de  Lemesso  mauns  misi 
t  Ego  Pape  de  Petronia  testis.  —  Ego  Benuenutus  Bonacena,  cano- 
nicus  Clugiensis  acolitus  et  notarins  compleui  et  roborani  (monogr.  not.). 

'  Hier  schon  im  13.  Jahrhundert  in  den  ersten  erhaltenen  Urkunden, 
s.  B.  a.  1292  (orig.  im  Kloster  su  Trsat  Nr.  1  E). 

^  Alle  Testamente  des  14.  Jahrhunderts  sind  subjektiv.  Die  Hauptmasse 
der  gar  nicht  zahlreich  erhaltenen  Instrumente  von  Cattaro  ist  in  dem 
Archiv  der  Akademie  zu  Agram  erhalten  a.  1332,  1350,  7.  Nov.,  1353, 
n.Nov.,  1371,  6.  Jan.,  1382,  U.Dez,  etc.  --  In  der  Kürze  kann  sich 
nur  die  objektive  Urkunde   von  Lagosta  mit  der  von  Cattaro  messen. 


Di«  dftlmaiinisch«  PriTAiarkande.  81 

ähnliche  Urkande  einem  instnimentam  publicum  ganz  nahe 
brachte^  leicht  und  durch  die  immer  stärker  werdende  Fühlung 
mit  Italien  unausbleiblich.  Wir  können  den  Gang  dieser 
Dinge  in  den  dalmatinischen  Städten  bis  zur  ausdrücklich  be- 
tonten Fides  der  Instrumente  durch  die  Statuten  im  14.  Jahr- 
hundert nur  dem  Sprachgebrauch  der  Urkunde  und  dem  un- 
trüglichen Merkmale  der  Wertschätzung  des  Instrumentes  durch 
seine  Anwendung  in  der  Gerichtsurkunde  entnehmen. 

Schon  um  dieselbe  Zeit  wie  in  Italien,  also  an  der  Wende 
des  12.  Jahrhunderts^  finden  wir  zu  Zara  eine  Notariatsurkunde 
als  publicum  scriptum  bezeichnet.^  Bald,  in  der  ersten  Hälfte 
des  13.  Jahrhunderts,  taucht  die  reine  städtische  Gerichts- 
urkunde der  Kurie  in  der  einfachen  Form  des  Notariatsinstru- 
mentes auf,'  mit  der  natürlich  mittelbar  aus  der  langobardischen 
Gerichtsurkunde  stammenden^  Unterschrift  des  Comes  und 
mehrerer  Judices,  welche  zu  Gericht  saßen;  ein  Beweis  der 
gleichen  Wertschätzung  der  Notariatsurkunde  wie  in  Italien.^ 
Zwar  läuft  neben  dieser  Gerichtsurkunde  eine  Zeit  noch  parallel 
eine  zweite  Art  derselben  her,  welche,  von  dem  städtischen  No- 
tare verfaßt,  an  die  Gerichtsurkunde  der  kroatischen  I^upanen  im 
12.  Jahrhundert  anknüpft  und  diese  in  der  lebhaften  Schilderung 
des  Prozeßganges,  voll  von  Dialogen  und  Unterbrechungen,  im 
aggressiven    Ton    nachahmt,^  ja   übertrifil.     Sie    bildet   einen 


*  So  wird  in  einer  Urkande  von  1201  (orig.  Transsampt  yon  1238  in 
OAZ.  s.  GriB.  XIV,  D.  1)  eine  Urkunde  yon  1183  mense  niadio  pn- 
blicnm  scriptum  genannt.  Cf.  ähnliche  Bezeichnungen  in  der  Anfangs- 
fonnel  der  Urkunden  von  Pisa  a.  1173  und  Lncca  1193  in  Boselli  1,326; 
Breßlau  I,  496. 

*  Zuerst  zu  Spalato  a.  1224  (orig.  ACS.  XVI,  1.  24;  Wenczel  I,  206).  Cf. 
Stat.  Jadrae  1.  II,  c.  131,  wo  die  Fassung  der  Urkunde  folgendermassen 
vorgeschrieben  ist:  ut  voz  domini  comitis  cum  suis  iudicibus  loquatur 
in  scriptis. 

'  ...  et  quod  iudicauerint,  confirmare  sua  subscriptione  non  dissimulent 
Cod.  Papien.  Lotharii  c.  98  (M.  0.,  Leges  IV,  667).  Brunner,  o.  c.  38. 

*  Ouil.  Durantis  1.  2,  2,  de  instr.  ed.  §  8,  n.  18,  setzt  das  Notariatsinstru- 
ment über  eine  bischofliche  oder  nicht  notarielle  richterliche  Urkunde. 
Cf.  Voltelini,  1.  c.  XXIII. 

*  Als  Beispiel  führe  ich  nur  ein  Fragment  der  Urkunde  tou  1239  Zara 
(orig.  QAZ.  s.  Qris.  XIV,  F.  2)  an,  da  es  zu  umständlich  wäre,  diese  ob- 
gleich interessante  Urkunde  yoUständig  wiederzugeben:  iuppanus  Mar- 
tinus:  tu  male  facis,  quod  tu  tenes  terras  de  Coquikiane,  quia  mee  sunt 

SitrangslMr.  d.  phiL-hist.  Kl    CXLVII.  Bd.  6.  AMi.  6 


82  VI.  AbbAndlang:    t.  ÖnffUy. 

greifbaren  Abschluß  des  eben  untergehenden  ältesten  kroatisch- 
dalmatinischen Gerichtswesens. 

In  der  zweiten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  wird  die 
Bezeichnung  des  Instrumentes  als  ^publicum'  häufiger  und  diese 
Anschauung;  jetzt  schon  von  den  fremden  Notaren  besonders 
unterstützt,  gelangt  am  Ende  des  13.  Jahrhunderts  in  ihrer 
Unterschrift  zum  Ausdrucke/  bis  am  Anfange  des  14.  Jahr- 
hunderts fast  in  allen  Städten  die  Statute  ausdrücklich  über 
die  hohe  Beweiskraft  des  Instrumentes  handeln.'  Nach  diesen 
Statuten  besitzt  das  Zeugnis  des  Notars,  wenn  es  in  publicam 
formam  gebracht  wird,  öflFentlichen  Glauben  und  erbringt  den 
vollen  Beweis.  Auch  darf  bei  großer  Strafe  kein  Urteil  gegen 
den  Wortlaut  des  Instrumentes*  geftlUt  werden,  noch  kann 
dessen  Beweiskraft  durch  Zeugen  erschüttert  werden.*  Zeugen 
werden  nicht  des  Beweises,  sondern  der  Solemnität  wegen  von 
den  Rechtsquellen  gefordert.  Der  Beweis  wird  im  Bedarfsfalle 
nur  durch  den  Notar,  nicht  durch  die  Zeugen  erbracht.*^  Für 
die  älteren  Instrumente,  wo  dieser  direkte  Beweis  nicht  mehr 


.  .  .  ego  dizi  et  dico,  qaod  vos  domine  abbas  male  £ftciti8  .  • .  Johannes 
antem  predictas  respondit:  tu  iuppanua  Martinus  male  dicis  etc. 
^  Zuerst  zu  Zara  a.  1299  (ortg.  GAZ.  8.  Gris.  XY):  ego  Phylippus  Saladini 
imp.  anct.  notarius  ...  in  publicam  formam  redegl. 

*  Daß  für  die  Statuten ,  welche  die  Fides  der  Instrumente  betreffen,  diese 
Zeit  der  Entstehung  anzunehmen  ist,  daß  sie  also  zu  den  Umarbeitungen 
und  nicht  zu  den  primären  Rechtssammlungen  des  13.  Jahrhunderts  ge- 
hören (cf.  Reutz,  o.  c.  14),  ist  außer  den  ausdrücklichen  Jahresangaben 
im  Statut  Yon  Cattaro  (a.  1370,  c.  393,  p.  223)  schon  daraus  sn  ent- 
nehmen, daß  sie  beinahe  ausnahmslos  das  Wort  «instrumentum*  mit  der 
Bezeichnung  ,pubHcum*  gebrauchen,  was,  wie  erwähnt,  in  den  Städten 
erst  am  Ende  des  13.  Jahrhunderts  in  Gebrauch  kam.  Dagegen  kennt 
das  Statut  von  Curzola  (ans  dem  Jahre  1214)  fast  nur  den  Ausdruck 
cartula  (c.  14,  p.  10  und  31)  und  enthält  auch  noch  keine  Bestim- 
mungen über  die  Beweiskraft  der  Notariatsnrkunden. 

■  Stat.  Trau  1. 1,  c.  33,  p.  9. 

^  Item  statutum  .  .  .  est,  quod  omnia  instrumenta,  quae  appamerint  esse 
publica  per  manum  alicuius  boni  notarii  et  legalis,  non  infringantar 
aut  rumpi  possint  per  testes.  Stat.  Spalat.  1.  2,  c.  12,  p.  73.  —  In  ähn- 
licher Weise:  SUt.  Traii  I,  c.  41,  p.  11;  Stat.  Scardon.  c.  33,  p.  128;  Stat 
Cathar.  c.  393,  p.  223;  Stat.  Budr.  c.  124,  p.  29;    Stat.  Sib.  1.  4,  o.  14. 

*  Wie  dies  aus  dem  Wortlaute  des  Statuts  von  Tra&  o.  41,  p.  11  herror- 
geht:  .  .  .  quod  omnia  instrumenta,  quae  per  mannm  notarii  sunt  scripta 
et  cognita  yera  etc.    Cf.  Voltelini,  p.  XXIV. 


Die  dalmatinische  PriTAtarkvode.  83 

erbracht  werden  konnte,  griff  man  gewiß  zur  Schriftyergleichnng 
and  das  Instrument  behielt  volle  Kraft,  auch  wenn  es  im  Laufe 
der  Zeit  starke  Beschädigungen  erlitten  hatte  ;^  natürlich  aber 
raubten  ihm  verdächtige  Rasuren,  Durchstreichungen  etc.,  als 
Beweise  teilweiser  Fälschung,  jede  Kraft.'  Auf  der  eigen- 
händigen Unterschrift  des  Notars  beruht  also  die  Fides  der 
Instrumente,  ohne  sie  werden  Instrumente  nicht  zu  den  öffent- 
lichen gerechnet.'  Falls  ein  fremdstädtisches  Instrument  vor- 
gelegt wird^  so  wird  ihm  sofort  Glauben  geschenkt,  wenn  die 
Regierung  der  fremden  Stadt  in  einem  besiegelten  Briefe  den 
Schreiber  als  einen  Notar  von  gutem  Rufe  bezeichnet.^ 

Diese  hohe  öffentliche  Glaubwürdigkeit,  welche  das  In- 
strument in  dieser  Weise  erwarb,  mußte  gegen  Fälschungen 
geschützt  werden.  Schwere  Strafen  sind  schon  im  ältesten 
Statute  von  Curzola  gegen  die  Fälscher  der  ,cartula'  verhängt: 
Verlust  der  rechten  Hand  des  Schreibers,  Verlust  aller  Rechte 
und  eine  große  Geldbuße  für  den  Produzenten,^  was  wie  eine 
Erinnerung  an   das   lombardische   Gesetz   Wido's   klingt.^    In 


^  . . .  qnod  Bi  aliqnod  pab.  instr.  sit  rasam  ael  aliqaaliter  deuaDtatnm 
propter  uetustatem  et  ueritas  litterarum  posset  ex  eo  comprehendi 
.  .  .  nichilominua  tale  instrumentam  ualeat.   Stat.  Spal.  1.  2,  c.  14,  p.  74. 

'  .  .  .  et  81  alia  apparerent  in  quibus  reperiantur  diuisiones  aliquae  aat 
pertractae  per  medium,  yel  circamscripturae  .  .  .  vel  rasurae  sea  can- 
cellatnrae  saspectae,  repadientur  omnino.  Stat.  TraÄ  c.  40,  p.  11. 

*  qaod  aliqua  instmmenta  sea  cartae  notarioram,  quae  non  habent  carac- 
terem,  in  pnblicam  non  recipiantur.  Stat.  Trai\  ib.  —  Man  findet  von 
allen  Städten  nar  zn  Zara  etlicbe  Instrumente  (von  1279,  [or.  GAZ.  s. 
Gris.  XIV]  bis  1347  [or.  Ib.  8.  Nicol.  Nr.  197]  fand  ich  deren  zehn)  über 
mannigfaltige  Rechtsgeschäfte,  welche,  wie  die  Schriftyergleichnng  ergab, 
wirklich  Yon  dem  einen  oder  anderen  gleichzeitigen  Notare  geschrieben, 
dennoch  der  Unterschrift  desselben  wie  auch  derjenigen  des  Examina- 
tors entbehren.  Es  scheint  dies  eine  eigentümliche  Kombination  der 
autographen  Kopie  mit  der  Copia  simplex  zu  sein,  der  jedes  Zeichen  der 
Authentizität  und  sonst  jede  Beweiskraft  entging;  apodiktisch  ist  dies 
nicht  zu  behaupten,  da  im  Statute  von  Zara  jede  ähnliche  Klausel  wie  die 
obige  fehlt.  Vgl.  auch  die  AusfÜhrnngen  Paolis  (L.3Hf.)  über  die  »scripta*. 

*  Stat.  Jadr.  1.  2,  c.  38  und  c.  103;  Stat.  Siben.  1.  2,  c.  70  und  1.  3,  c.  46; 
Stat.  Spal.  1.  2,  c.  18. 

*  .  .  .  perdat  manum  dexteram  scriptor  et  ille  qui  fecerit  eam  fieri  uel 
adduxerit  pro  suo  munimine  .  .  .  perdat  placitnm  et  yperpera  XX. 

*  Wide  6  (M.  G.  LL.  IV,  662)  .  .  .  manum  propriam  amittat  et  ostensor 
ipsius  post  remm  amissionem  widrigeld  suum  componat. 

6* 


84  Tl.  Ablumdlanf :    t.  dvfflay. 

anderen  städtischen  Statuten  ist  dieselbe  Strafe  fbr  den  Notar 
verhängt,  für  den  Produzenten  aber  ist  die  Geldstrafe  oft  durch 
Infamie  und  Verbannung  verschärft.^ 

Wie  die  Anfechtung  eines  Instrumentes,  welches  sowohl 
die  formelle  wie  die  materielle  Echtheit  betreffen  konnte ,  be- 
schaffen sein  mußte,  um  die  Kraft  des  Instrumentes  zu  brechen, 
ist  nirgends  in  den  Statuten  erwähnt.  Nur  zu  Cattaro,  wo 
die  Fühlung  mit  dem  slawischen  Elemente  unbeeinträchtigt 
blieb,  erhielt  sich  der  altertumliche  echt  slawische  Brauch,  der 
uns  auch  noch  im  ältesten  Statute  (von  Curzola)  überliefert 
ist,^  die  Beweiskraft  der  Urkunde  durch  glaubwürdige  Zeugen 
zu  überwinden.* 

Aber  wie  es  kühn  war^  ein  Instrument  zu  fälschen,  ebenso 
gefährlich  war  es,  ein  Instrument  zu  schelten.  Wer  sich  dessen 
unterfing,  mußte  des  Gegenbeweises  vollständig  sicher  sein. 
Mißlingt  der  Beweis,  so  war  der  Scheltende  denselben  Strafen 
verfallen  wie  der  Fälscher.^  Die  Strafen^  welche  auch  das 
Schelten  der  älteren  Instrumente  trafen,  sowie  auch  analoge 
Statuten  von  Cattaro,  welche  die  älteren  Instrumente  seit  einem 
gewissen  Zeiträume  als  unscheltbar  und  authentisch  erklären,^ 
dienten  dazu,  um  den  wahrscheinlich  sehr  üblichen  Anfechtungen 
den  Weg  zu  verlegen  und  damit  das  Gerichtsverfahren  zu 
erleichtern. 


^  quod  quicamque  .  .  .  fecerit  faUam  iDstrumentam  . .  .  condemnetar  com- 

mani  in  libras  C  parv.  et  sit  infamis  ac  perpetuo  non  sit  nee  esse  possit 

de  consilio.  Stat.  Trau  1.  2,  c.  28.   Cf.  Stat.  Sib.  1.  4,  c.  26;  SUt  Lesin. 

c.  12,  p.  194;  SUt.  Scard.  c.  24,  p.  128;  Stat.  Cath.   c  291,  p.  161;  Stat 

Bady.  c.  124,  p  29. 
'  Stat.  Cnrz.  (von  a.  1214)  c.  14,  p.  10:   Statoimus,   qaod  iUe,   qui  fecerit 

cartulam  falsam   et  probatum  faerit  per  daos  jdoneos  niros,   qnod 

falsa  est .  .  .  Daß  in  diesem  Statute  yiele  slawische  Motive  erhalten  sind, 

8.  Reutz,  o  c.  21  f.,  besonders  Note  2. 
'  Stat.  Cath.  c.  291,  p.  161 :  yolumos,  ut  qai  cartam  falsam  fecerit  et  per 

idoneos  et  fidedignos  ac  probos  yiros  probari  poterit . . . 
*  item  accosator  falsi  instrumenti,  qui  non  probaaerit  legitime  .  .  .  simili 

pena  paniatur  .  . .  Stat.  Trau  1.  2,  c.  28,  p.  33. 
^  .  .  .  quod  omnia  instrumenta  facta  publica  in  nostra  ciuitate  Gathari  a 

tempore   diaconi  Miche  Gige  per    aliquos   testes  ullo  modo  rnmpi  non 

possint,  sed  yolumus  quod  sint  et  esse  debeant  authentica.  Stat.  Catb. 

(a.  1370)  c.  393.  Der  Notar  Micha  Gige  von  1261—1279.  Cf.  auch  c  300, 

p.  165. 


Di«  dftlmfttiiÜBch»  PriTaiurkitnde.  85 

Denselben  Zweck,  die  Beweisfbhrnng  vor  dem  Gerichte 
dnrch  das  Instrument  zu  vereinfachen,  sollten  die  Verordnungen 
erreichen,  welche  die  Notwendigkeit  des  Instrumentes  kate- 
gorisch flir  die  Veräußerung  von  Liegenschaften  und  für  alle 
Fälle  festsetzten,  wenn  das  Rechtsgeschäft  den  Wert  einer 
gewissen  Summe  überschritt.^  Damit  aber  sollte  auch,  wie  es 
aus  dem  Statute  von  Cattaro  darchschimmert,  der  noch  immer 
blühende  slawische  Naturalvertrag  verdrängt  werden,  welcher 
seine  Hauptnahrung  aus  dem  Mißtrauen  zog,  mit  dem  die 
große  Ausdehnung  des  Urkunden  beweises  gerade  in  den  Kreisen 
der  kroatischen  Bevölkerung  der  Städte  und  ihrer  Umgebung 
betrachtet  wurde.* 

10.  Die  Anwendung  des  Siegels  in  den  Städten.  —  Das  Dom- 
kapitel der  Städte  als  locus  oredibilis  und  die  rein  kroatisohe 

Urkunde  in  Dalmatien. 

In  den  dalmatinischen  Städten  wie  auch  in  Italien  befand 
man  sich  also  seit  dem  13.  Jahrhundert  in  der  günstigsten 
Lage,  was  den  Beweis  der  Echtheit  der  Urkunde  anbelangte. 
Die  Mittel,  welche  in  den  Ländern,  in  die  das  öffentliche 
Notariat  nicht  Eingang  gefunden  hatte,  die  notarielle  Be- 
glaubigung ersetzten,  konnten  für  die  stildtische  Notariats- 
urkunde von  keiner  besonderen  Wichtigkeit  sein.  Dennoch  ist 
die  Anwendung  des  Siegels  vor  dem  vollständigen  Siege  des 
Instrumentes  ziemlich  häufig  und  es  ist  auch  die  Spur  des 
gegen  Süden  vorrückenden  Teilzettels  vorzufinden.  Aber 
diese  sonst  selbständig  wirkenden  Beweismittel'  erscheinen 
hier  immer  nur  als  sekundäre  Begleiter  der  Beglaubigung  des 
Notars. 


^  8Ut.  Spal.  1.  2,  c.  17;  Stat.  Scar.  c.  33,  p.  128;  SUt  Tra&  1.  1,  c.  47, 
p.  13;  SUt.  Jadr.  1.  2,  c.  104  and  1.  3,  o.  24;  8tat.  Sib.  1.  2,  c.  73;  1.  3, 
c.  47. 

'  Stat.  Cath.  c.  266,  p.  143  (a.  1312):  quia  mnlti  possessiones  suas 
vendebant  ocenlte  .  .  .  rolnmus,  qnod  quicumqae  possessiones  .  .  . 
nendere  nolnerit,  teneatnr  ter  facere  per  Yicarium  ...  in  platea  nun- 
ciare  aidelicet  triboa  diebus  dominicls  et  ...  notarius  de  ipsa  uendi- 
tione  faciat  instrumentum. 

'  8.  Breßlaa  502;  Posse,  Lehre  64. 


86  VI.  Abhuidlang:    v.  gafflay. 

In  einer  Urkunde  von  1212  zu  Osor  (Absaro),  worin 
Daria^  die  Fürstin  von  Absaro,  der  Stadt  Arbe  den  Ort  Kesse 
verspricht^  falls  ihr  Sohn  Robert  zum  Comes  dieser  Stadt  ge- 
wählt werde, ^  wird  trotz  der  Beglaubigung  des  Notars  von 
Arbe  die  Chirographierung  durch  den  älteren  geradlinigen 
Schnitt  angewandt.  Es  ist  dies  zwar  das  einzige  Beispiel, 
welches  ich  anzufahren  weiß  und  das  sich  später  auf  der  ganzen 
adriatischen  Ostküste  kaum  wiederholen  dürfte,  aber  in  seiner 
Einsamkeit  umso  interessanter,  als  es  auf  einen  bis  jetzt  völlig 
ungeahnten,  mittelbar  über  Istrien  vorgedrungenen  deutschen 
EinBuß  hindeutet.« 

Weit  größeres  juristisches  und  diplomatisches  Interesse 
erregt  die  Besiegelung  der  Urkunde  in  Dalmatien.  Die  ersten 
Fälle,  in  denen  wir  ihr  begegnen,  gehören  den  Urkunden  der 
kroatischen  Fürsten  und  Könige  an.  Da  diese  außerhalb  des 
Bereiches  dieser  Abhandlung  fallen,  so  genügt  es,  wenn  wir 
andeuten,  daß  die  Besiegelung  wie  auch  das  Siegel  dem  Brauche 
der  karolingischen  Kanzlei,  beziehungsweise  derjenigen  der 
deutschen  Kaiser  nachgebildet  worden  ist.' 

Ebenfalls  verhältnismäßig  alt  ist  die  Besiegelung  bei  den 
geistlichen  Fürsten  und  bei  den  Kapiteln.  Die  Erzbischöfe 
Dalmatiens  scheinen  fast  wie  die  italienischen  von  jeher  ein 
Siegel  besessen  zu  haben  ^  und  das  alte  Siegel  des  Domkapitels 


»  Orig.  GAZ.  Abt.  Ponti  Nr.  31  ed.  Lucius;  De  regno  IV,  8,  p.  173 
falsch  unter  dem  Jahre  1202. 

'  In  Italien  war  es  zur  Zeit  kaum  bekannt,  s.  Fomagalli  U,  206;  Breßlau 
508;  Paoli,  Dipl.  34,  Nr.  4,  (L.  45,  note  1)  fahrt  als  erstes  Chirograph 
das  von  Palermo  a.  1238. 

'  So  besagt  die  Urkunde  des  Fürsten  Mutimir  von  892,  Doc.  Nr.  12  selbst: 
annulo  nostro  iussimus  in  calce  signari;  somit  war  die  Urkunde  mit 
einem  Zeichen  des  fürstlichen  Ringes  rersehen  wie  bei  den  Karolingern. 
Cf.  Sickel,  Lehre  198  f,  345  ff.;  Breßlau  516  f.  —  Das  auf  der  Urkunde 
des  Königs  KreSimir  (von  1070,  Doc.  Nr.  67)  erhaltene  Siegel  ist  fast 
nur  durch  die  Legende  von  dem  Siegel  Heinrichs  III.  (auf  der  Urkunde 
von  1043;  Sickel,  Mon.  graph.  med.  aevi  fasc  V,  tab.  2)  verschieden. 
Dies  nach  Radki,  Hrvatska  dvor.  kancelarija,  Rad  85,  p.  42  ff. 

*  In  der  Urkunde  von  1185,  CSD.  II,  Nr.  178  (cf.  181  f.)  werden  die  Siegel 
der  Bischöfe  von  Spalato,  TraJi,  Scardona,  Nona  und  Zengg  erwShnt; 
cf.  Fumagalli  II,  178;  Breßlau  533. 


Die  d»lmatiiiiio1ie  PriTatorknnde.  87 

von    Spalato   wird    schon   1091    zur  Beglaubigung   einer    erz- 
bischöflichen Urkunde  verwendet.^ 

In  den  Städten  wurde  das  Siegel  auch  bei  weltlichen 
Behörden  durch  den  byzantinischen  Einfluß  früh  bekannt. 
Schon  im  Jahre  1091  wird  das  Siegel  des  Priors  von  Zara 
erwähnt^  ^  was  aber  fUr  einen  Beamten  des  byzantinischen 
Reiches  gar  nicht  befremdlich  ist.'  Nach  dem  Verschwinden 
dieses  hohen  byzantinischen  Beamten  wurde  sein  Siegel  durch 
das  kommunale  Siegel  in  Wachs  verdrängt.  Das  älteste  ist 
jenes  von  Zara.  Obgleich  es  erst  im  Jahre  1190  anzutreffen 
ist/  so  ist  es  dem  Stile  nach  gewiß  in  den  Anfang  dieses 
Jahrhunderts  zu  setzen.  Der  Gebrauch  dieser  Art  von  Siegel 
bürgerte  sich  unter  dem  direkten  venezianischen  Einflüsse 
ein,  wie  dies  schon  aus  dem  Vergleiche  der  Form  dieses  Sie- 
gels mit  der  ersten  bekannten  Dogenbulle  hervorgeht.^  Es 
wird  in  den  Urkunden  publicum  sigillum  und  auch  einmal 
;bulla  principalis^^  genannt.  Da  diese  Betonung  sich  gerade 
in  einer  Gerichtsurkunde  findet^  läßt  sie  auf  ein  speziell  für 
die  Jurisdiktion  gebrauchtes  SiegeH  schließen^  welches  aber^ 
da  die  Urkunde  der  Magistrate  bald  zum  Instrumente  wurde, 
früh  außer  Gebrauch  kam  und  keine  deutliche  Spur  von  sich 
hinterließ.  Im  13.  Jahrhundert  führen  fast  alle  dalmatinischen 
Städte  ihre   kommunalen   Siegel,    gewöhnlich   mit  dem   Bilde 


^  Doc.  Nr.  128 :  hanc  uero  sigillo  8.  Domnii  cartalam  ioBsi  signari.  Das 
nächste  Mal  erwähnt  erst  a.  1 185,  CSD.  n,  178. 

»  Doc  Nr.  128. 

*  Der  Prior  hatte  zaweilen  auch  andere  byzantinische  Titel,  wie  pro- 
consal,  stratico,  catapan  (Doc.  Nr.  41.  42.  69);  cf.  Breßlau  I,  9^8;  Scblum- 
berger,  Sigillographie  bjzantine  8. 

^  Aaf  der  Urkunde  von  1190  (Schließung  des  Friedens  zwischen  Zara 
und  Arbe)  hängt  dieses  spitzoyale  Siegel  im  gewöhnlichen  Wachse;  s. 
die  Beschreibung  in  der  Edition  CSD.  II,  211. 

'  Im  Archeographo  Triestino  VI,  p.  57,  n.  9. 

^  CSD.  II,  246.  —  Fttr  den  Ausdruck  Bulle  für  ein  Wachssiegel  s.  Chas- 
sant-Delbarre,  Dlctionnaire  de  Sigillographie  22.  Daß  es  auch  in  Dalma- 
tien  üblich  war,  die  Benennung  buUa  für  ein  Wachssiegel  anzuwenden, 
beweist  eine  andere  Urkunde  yon  Trau  1246  (orig.  ACT.  ed.  Lucius, 
Mem.  di  TraA  68;  Farlati  IV,  342),  wo  es  heißt:  Et  ego  Qausinna 
Trag.  iur.  not.  .  . .  buUa  ipsius  (episcopi  Tragur.)  communiui.  Es  hängt 
ein  Wachssiegel  an  einer  Hanfschnur. 

^  sigillum  ad  causas  cf.  Giry  652. 


88.  VI.  Abhandlong:    t.  SnffUj. 

ihrer  Schutzpatrone  geschmttckt.  E^  wird  natürlich  nur  ab 
Akzedens  zar  Beglaubigung  des  Notars  angewandt  in  den 
Fällen^  wo  die  Kommune  als  eine  Einheit  gegen  außen  auf- 
tritt, also  gewöhnlich  in  den  Verträgen  mit  anderen  Städten.^ 
Parallel  mit  der  Verbreitung  des  kommunalen  Siegels  im 
13.  Jahrhundert  dehnt  sich  der  Gebrauch  der  Besiegelung  in 
Dalmatien  etwas  allgemeiner  aus  als  in  Italien;  denn  die  Stärke 
des  italienischen  Einflusses  wird  hier  durch  die  Fühlung  mit 
Kroatien,  welches  von  dem  deutschen  diplomatischen  Einfluß 
über  Ungarn  schon  vollständig  beherrscht  wurde,  paralysiert. 
Nicht  nur  fast  alle  KapiteP  und  viele  Klosterkonvente,  sondern 
auch  einzelne  Würdenträger  der  geistlichen  Stifter:  Abte, 
Pröpste,  Kustoden  (zu  Zara),  der  Meister  des  Templerhauses 
zu  Vrana  führen  ihre  Siegel;'  ja  ähnlich  der  ursprünglich  rö- 
mischen   Funktion    des    Siegels^    bei    privaten    Testamenten^ 

^  z.  B.  a.  1235  wird  das  erste  Mal  das  Siegel  von  Ragusa  in  einem  Ver- 
trage mit  der  Stadt  Bimani  erwähnt  (ed.  Wenczel  XI,  280).  Erhalten 
ist  dasselbe  in  der  Urkunde  von  1279  (orig.  Staatsarchiv  zu  Wien  163/5). 
Es  ist  wie  dasjenige  von  Cattaro  (ebendaselbst)  rund  im  grünen  Wachs. 
Das  erste  trägt,  das  Bild  des  Schutzpatrones  Blasius,  das  zweite  das- 
jenige des  heil.  Triphon.  Die  Erwähnung  des  Siegels  von  Tra&  das 
erste  Mal  a.  1267  (orig.  ACT.  18  ed.  Wenczel  VIII,  183),  des  von  Scardona 
1304  (ed.  Lucius,  De  regno  1.  IV,  c.  10.  Farlati  IV,  16  falsch  unter  1284). 

'  Das  Siegel  des  Kapitels  von  Spalato  schon  erwähnt.  Das  von  Zar«  zuerst 
a.  1248  sehr  gut  erhalten  aus  Wachs  und  oval  geformt  (orig.  GAZ.  s. 
Domen.  Nr.  2176),  von  Trau  a.  1267  (or.  ACT.  Nr.  18  Wenczel  VIII,  183); 
von  Xona  1258  (Wenczel  VII,  496). 

*  So  heißt  es  in  einem  Notariatstranssumpte  der  kOnigl.  Urkunde  von  1166 
(CSD.  II,  70)  von  a.  1258  zu  Zara  (GAZ.,  Abt.  Rog.  f.  in,  Nr.  6):  cui 
priuilegio  .  .  .  dominus  Laurentius  Jadre  archiepiscopus,  prior  fratrum  pre- 
dicatorum,  custos  fratrum  minorum  de  Jadra,  abbas  s.  Grisogoni,  comunitas 
ciuitatis  Jadre  sigilla  sna  dependentia  fecerunt  apponi  ad  rei  perpetuam 
firmitatem  (die  Siegel  verloren,  nur  fünf  Schnüre  erhalten).  —  A.  1229 
(orig.  Ib.  f.  III,  Nr.  8,  ed.  Farlati  III,  257)  presens  scriptum  . . .  sig^llo  do- 
mini  . . .  Spal.  Archiep.  ac  sigillo  magistri  domns  templi  (de  Aurana)  ae 
dictis  (sicl)  Stephani  comitis  Traguriensis  ostenditur  communitum.  Für 
kroat.  und  ung.  Kapitel  ^rdujhelji,  A  kOzjegyzSs^  Ab  hiteles  hel7ek7dff. 
Das  Buch  ist  mit  Fleiß,  aber  ohne  Kenntnis  der  neuen  Literatur  gearbeitet. 

*  S.  darüber:  Bruns,  Unterschriften  in  der  römischen  Bechtsurkunde. 
Kleinere  Schriften  42;  Kariowa,  Römische  Rechtsgeschichte  1,805. 

"  Der  iudex  examinator  muß  immer  zu  Zara  das  Siegel  mit  sich  führen, 
um  sofort,  wenn  es  notwendig  ist,  mit  ihm  beim  Schließen  des  Testa- 
mentes zur  Hand  zu  sein  (Stat.  Jadr.,  1.  3,  c.  107). 


Die  dalmatinische  Prifaknrkonde.  89 

Stegein  in  der  zweiten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  auch  ein- 
fache Bürger  ihre  eigenhändigen  Testamente.^  Es  geschieht 
momentan  auch  der  weitere  Schritt,  daß  solche  einfache  Privat- 
Siegel  neben  den  großen  authentischen  zur  Bekräftigung  des 
Testamentes  angehängt  werden.' 

Aber  obgleich  es  nach  dem  vorher  Gesagten  scheint,  daß 
in  Dalmatien  am  Ende  des  13.  Jahrhunderts  keine  Beschrän- 
kung des  Rechtes,  ein  Siegel  zu  fUhren,  existierte  und  die 
Mannigfaltigkeit  der  authentischen  wie  der  privaten  Siegel  die 
von  Italien  ttbertriffit,  ja  in  dieser  Beziehung  an  die  Zustände 
in  Deutschland  erinnert,^  so  war  dennoch  die  Verbreitung  des 
Siegels  nur  annähernd  allgemein.  So  wird  zum  Beispiel  das 
Siegel  der  Stadt  Spalato  in  älterer  Zeit  nicht  erwähnt.  In 
Ermanglung  eines  Siegels  entlehnt  die  städtische  Gemeinde  im 
Jahre  1188  das  Kapitelsiegel  des  heiligen  Domnius.^  Umsonst 
suchen  wir  auch  die  Siegel  der  einzelnen  geistlichen  Würden- 
träger, wie  wir  sie  zu  Zara  gefunden  haben,  in  anderen  Städten 
Dalmatiens;  die  Siegel  des  Abtes  von  St.  Grisogono,  des  Kustos 
der  Minoriten  etc.  von  Zara  scheinen  die  einzigen  ihrer  Art 
in  Dalmatien  zu  sein;  sie  waren  weit  bekannt  und  tätig  in 
den  Angelegenheiten  fremder  Städte  und  Bürger;^  und  die 
zwei  oben  erwähnten  Beispiele  der  Besiegelung  des  Testamentes 
durch  private  Siegel  werden  kaum  durch  neue  vermehrt  werden 
können. 


*  A.  1298  Zara  (orig.  GAZ.  8.  Dom.  694):  Ego  Johannes  Quali .  . .  notarius 
.  .  .  aicnt  inneni  scriptam  mann  propria  ipsina  Lampredii  et  sil^illatam 
ano  sigillo  .  .  . 

*  A.  1280  Scardona.  Testament  des  Ljabavac,  Sohn  des  Bratodrai  (im 
Transsampt  des  Kapitels  von  Nona  von  1402  im  Kloster  zu  dibenik, 
Nr.  16) :  In  cuias  rei  testimoniam  et  robar  .  . .  muninimos  cum  sigillo 
pendentis  (siel)  conaentns  fratrum  minornm  de  Jadra  et  cum  sigillo 
meo  Glnbauci. 

*  Cf.  Breßlan  584. 

^  CSD.  II,  193:  ...  quod  antem  hnios  nosfcre  ordinationis  concordia  .  .  . 
firma  stabilisqne  permaneat  .  .  .  per  commanem  notarinm  nostmm  .  .  . 
scribi  et  sigillo  s.  Domnii  commaniri  fecimos. 

■  A.  1267  Trau  (orig.  ACT.,  Nr.  18  ed.  Wenczel  YIII,  188):  presentem  sen- 
tenciam  sig^Uis  nostro  (episcopi)  nostriqne  capituli  .  .  .  atqne  commn- 
nitatis  Tragnrii  nee  non  et  domini  archiepiscopi  Jadre,  abbatis  s. 
Crisogoni,  cnstodts  fratmm  minomm  et  conaentns  fratrnm  predica- 
toram  de  Jadria  fierl  fecimos  communiri.   S.  auch  oben  Note  2. 


90  VI.  Abhuidlimg:    t.  gaf fUy. 

Aas  dem  Gesagten  ist  jetzt  auch  die  geltende  Rechts- 
anschauung üher  das  Siegel  in  den  Eüstenstädten  ziemlich 
klar.  Die  Besiegelung  ist  neben  der  notariellen  Beglaubigung 
in  keiner  Art  von  Urkunden  unumgängliches  Erfordernis  fUr 
deren  rechtliche  Beweiskraft.^  Falls  angewandt^  kann  es  in 
fremden  und  eigenen  Angelegenheiten  beweiskräftig  sein,  eine 
Anschauung,  welche  an  den  Unterschied^  den  das  deutsche 
Recht  zwischen  Siegeln  macht,  erinnert.^  Aber  auch  der  hohe 
Wert  des  sigillum  authenticum  nach  dem  kanonischen  Rechte 
und  seine  Gleichwertigkeit  mit  der  Notariatsurkunde  war  in 
den  Städten  nicht  unbekannt;  die  Beglaubigung  des  Notars 
konnte  im  Notfalle  durch  das  Siegel  ersetzt  werden.' 

Die  verhältnismäßig  ausgedehnte  Anwendung  des  Siegels 
sowie  die  vollständig  klaren  Begriffe  über  seine  Funktion  sind 
gewiß  nicht  Italien,  sondern  dem  nördlichen  Einflüsse  über 
Ungarn  und  Kroatien  zu  verdanken.  Es  beginnt  also  am 
Anfange  des  13.  Jahrhunderts  in  Dalmatien,  auf  dieser 
alten  Grenze  geistiger  Strömungen,  die  Fühlung  zweier  schon 
stark  ausgeprägten  Gattungen  des  Urkundenwesens. 

Aber  es  blieb  bei  dieser  leichten  Berührung.  Der  Boden, 
das  Blut,  die  Verfassung  und  Lebensweise  der  dalmatinischen 
Städte,  seit  Jahrhunderten  mit  Italien  verschlungen,  gemischt 
oder  wenigstens  beeinflußt,  gaben  natürlich  die  schon  an- 
genommene italienische  Urkunde  für  eine  zwar  aus  derselben 
Quelle  entsprungene^  aber  von  feindlichen,  den  Munizipien 
gefahrbringenden  kroatischen  Händen  getragene  Urkunde  nicht 
auf.  Schon  um  dieselbe  Zeit,  als  das  Siegel  etwas  mehr  ver- 
breitet wurde,  hört  die  Besiegelung  der  Urkunde  der  Magistrate 
gänzlich  auf.  Auch  die  in  der  zweiten  Hälfte  des  12.  Jahr- 
hunderts  häufig  besiegelte   bischöfliche  Urkunde  erhält   schon 


^  Eine  Ausnahme  bilden  natürlich  die  ,litterae  testimonialea'  der  Städte, 
welche  für  den  öffentlichen  Glauben  ihres  Notars  bei  einer  fremden 
Kommune  eintreten.  Sie  müssen,  wiß  es  ausdrücklich  in  den  Statuten 
betont  ist  (Stat.  Spal.  vet.  1.  2,  c.  13;  Stat.  Jadr.  1.  2,  c.  38,  1.  2,  c.  103; 
Stat.  Sib.  1.  2,  c.  70,  1.  3,  c.  46)  das  Siegel  tragen. 

*  Schwabenspiegel  (ed.  0  engler)  139;  Breßlau  541,  Posse  129. 

'  In  einer  Urkunde  der  Äbtissin  des  Klosters  S.  Maria  (von  1228,  orig.  GAZ., 
s.  Gris.  XV,  E.  6)  zu  Zara  befiehlt,  dieselbe:  et  quia  ciuitas  Jadre  no- 
tarium  non  habet,  hanc  testificationis  cartulam   sigillo  meo  imprimi  . . . 


Die  dalmatinische  PriTatiirkiinde.  91 

im  13.  Jahrhundert  oft  die  einzige  Beweiskraft  durch  die 
öffentliche  Hand.^  Im  14.  Jahrhundert  wird  die  Besiegelung 
auch  als  Akzedens  äußerst  selten.  Die  deutsche,  durch  Ungarn 
und  Kroatien  eingedrungene  und  später  auch  von  den  kroatisch- 
ungarischen Königen  gepflegte'  Siegelurkunde  lebte  im  14.  Jahr- 
hundert nur  verkümmert  bei  den  Kapiteln  von  Zara,  Nona, 
Scardona,  Trau,  Spalato  und  im  tieferen  Lande  bei  dem  Dom- 
kapitel zu  Knin  sowie  in  den  Rechtsgeschäften  der  kroatischen 
Sippen  weiter,  stark  von  den  Notariatsformeln  angesteckt. 

Diese  —  im  Gegensatz  zu  dem  städtischen  Instrumente 
sozusagen  —  kroatische  Urkunde  ist  ein  zweiter  Ast,  welcher 
der  einstigen  dalmatinisch-kroatischen  Urkunde  entsprossen  ist. 
Er  ist  zwar  nicht  so  stark  wie  der  erste ,  das  städtische 
Instrument,  aber  ebenso  durch  den  mittelbaren  deutschen  wie 
jene  durch  den  direkten  italienischen  Einfluß  dem  gemeinsamen 
Stamme  entlockt.  Wie  dorten  der  Zeugenbeweis  der  kroatisch- 
dalmatinischen Urkunde  durch  das  Zeugnis  des  öffentlichen 
Notars  vollständig  verdrängt  wurde,  so  geschah  es  hier  durch 
das  Siegel. 

In  der  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  taucht  die  erste  Siegel- 
urkunde eines  glaubwürdigen  Ortes,  des  Kapitels  von  Nona 
auf,  ganz  in  der  Fassung  der  kroatischen  und  ungarischen 
Kapitelurkunde,  also  von  dem  Einflüsse  des  nördlichen  Typus 
beherrscht'  Sie  liefert  einen  unumstößlichen  Beweis  für  das 
verhältnismäßig  frühe  Bestehen  dieses  glaubwürdigen  Ortes, 
nicht  aber  eine  Kunde  für  die  Zeit  seines  Entstehens.  Denn 
es  ist  anzunehmen,  daß  in  dieser  fast  rein  kroatischen  Kommune 
mit  regen  Beziehungen  zu  den  kroatischen  Stämmen  sich  diese 
Institution   schon  früher  entwickelt  hatte,^   besonders,   da  sie, 


^  A.  1222  Zara.  Schenkang  des  Erzbischofs  yon  Zara  an  das  Kloster  Ro- 
govo:  quam  nos  ad  maiorem  eTidenciam  per  manum  pablicam  coram 
prescriptis  testibus  in  scriptis  redigi  precipimus  ed.  Farlati  V,  73. 

'  A.  1383  erteilt  die  Königin  Maria  dem  Domkapitel  von  Trau  ein  neues 
Siegel  (orig.  ACT.  Nr.  91  ed.  Farlati  IV,  393.  Regest  in  Pavloyich, 
Memorie  di  cose  dalmate,  p.  204).  —  Über  die  Beweiskraft  der  Urkunde 
in  Ungarn  und  Kroatien  Hajnik,  Okirati  bizonyftis  (TT.l^rtekez^sek  VIII). 

*  A.  1258  Wenczel  VII,  496.  Cf.  die  Urkunde  des  Kapitels  von  Zagreb 
(Agram)  in  Tkalöiö:  Mon.  episcopatus  Zagrabiae  I,  Nr.  52. 

*  So  behauptet  Tkaldi<$,  daß  das  Kapitel  yon  Zagreb  schon  seit  seiner  Stif- 
tung (a.  1093)  ein  locus  credibilis   war  (Mon.   civit.   Zagrabiae  I,  Einl. 


92  Tl.  AbhuidliiBg:    ▼.  Snfflay. 

wie  mir  scheint^  in  dem  alten  Gerichtswesen  einige  versteckte 
Keime  besaß  ^  worauf  zwei  Urkunden  des  12.  Jahrhunderts 
aus  Zara  und  Spalato  hinweisen.^ 

Im  Laufe  des  14.  Jahrhunderts  wird  das  Bestehen  der 
glaubwürdigen  Orte  längs  der  ganzen  dalmatinischen  Küste 
durch  Urkunden  enthüllt;  zuerst  zu  Scardona^'  dann  zu  Trau 
und  am  Ende  desselben  Jahrhunderts  auch  zu  Spalato'  und 
Zara;  zuletzt  am  Ende  des  14.  Jahrhunderts  zu  Knin.^  Beinahe 
parallel  also  mit  dem  starken  Notariatsinstitnte  entwickelten 
sich  die  glaubwürdigen  Orte  in  den  Städten  Dalmatiens.  In 
dieser  doppelten  Entwicklung  finden  wir  den  Schlüssel  zur 
Aufklärung  der  auffallenden  Tatsache,  daß  aus  den  Urkunden 
der  Notare  die  Rechtsgeschäfte  der  kroatischen  Stämme  schon 
im  13.  Jahrhundert  gänzlich  verschwinden  und  die  außer- 
städtischen Bewohner  Dalmatiens  nur  in  Leihverträgen  und 
Kontrakten  vorkommen ,  wo  ein  Kontrahent  ein  Städter  ist; 
wogegen  im  12.  Jahrhundert  noch  zahlreiche  Notariatsurkunden 
über  zavodi;  ^upanengerichte  etc.  verfaßt  wurden.^  Eis  ist 
die  Institution  der  Kapitel^  welche  den  Notaren  mit  dem  Be- 
ginne des  13.  Jahrhunderts  in  das  Handwerk  einzugreifen 
anfängt  und  ihnen  nach  und  nach  alle  Kunden  aus  der  kroa- 


p.  CXX),  obgleich  man  die  erste  Urkunde  dieser  Art  erst  a.  1228  vor- 
findet (Mon.  ep.  Zagrabiae  I,  Vorwort,  p.  I,  n.  1).  Cf.  ^rdnjhelyi  o.  e.  7öf. 
1  CSD.  II,  Nr.  218  (KakuljevicS  setst  diese  Urkunde  in  das  Jahr  1191) 
Spalato.  Hier  sind  die  Domherren  von  Spalato  ,ad  Labenam  faciendnm 
zavod  ad  distingnendas  terras  sancti  Domnii'  zugegen.  Die  Urkunde  hat 
auch  formelle  Merkmale  der  späteren  Eapitelarkunde,  wie  die  Bekannt- 
gebung und  die  Datierung  im  Eschatokoll.  —  In  der  Karatinischen  Ur- 
kunde von  1194  (CSD.  II,  230)  fällt  dem  Kapitel  eine  Bolle  im  Schlichten 
des  Qrenzstreites  zu:  ...  cum  nos  nempe  Johannes  Jadertine  eccl.  archi- 
diaconus  una  cum  archipresbitero  . . .  canonicis  ...  et  capitulo  Jadrensi 
nee  non  .  .  .  Damiano  comite  .  .  .  multisque  aliis  ...  in  choro  s.  Ana- 
stasie ad  controuersias  .  .  .  resideremus. 

*  A.  1304  (ed.  Luc.  IV,  c.  10,  p.  202;    Farlati  IV,  16    falsch  unter  1284). 
'  Die  erste  mir  bekannte  Urkunde  dieses  Kapitels  sind  die  ,littere  testi- 

moniales'  über  eine  gewisse  Schenkung  des  Adeligen  Vlatiechus  de  Ver- 
herka  (Vrhreka)  an  seinen  Adoptivsohn  (orig.  Staatsarchiv  in  Wien; 
Cop.  ACS.)  von  a.  1889,  24.  Juni. 

*  Das  erste  mir  bekannte  Zeugnis  darttber  a.  1398  (Cod.  dipl.  €am.  Teleki 
de  Sz^k  I,  267). 

»  CSD.  II,  172.  174.  221.  240.  241  etc. 


Die  dalnatiniBeh«  Privatorlnind«.  93 

tischen  Bewohnerschaft  raubt,  welche^  den  Städten  immer  mehr 
entfremdet^  sich  dieser  im  nördlichen  Kroatien  schon  in  voller 
Blüte  stehenden  Institution^  gerne  bedienen. 

So  berühren  sich  am  Anfange  des  14.  Jahrhunderts, 
durch  verschiedenen  kulturellen  Einfluß  entstanden  und  von  dem 
ethnographischen  Unterschiede  erhalten,  die  beiden  Institute:  das 
Notariat  und  der  glaubwürdige  Ort  der  Kapitel  als  Hauptträger 
des  Siegels  in  den  Städten.  Aber  während  das  erste  durch  die 
Institution  der  glaubwürdigen  Orte  nur  an  der  eventuell  noch 
größeren  Ausdehnung  verhindert  wurde  oder  darin  eine  Ver- 
spätung erlitt,'  so  zeigte  sich  das  Instrument  der  besiegelten 
Urkunde  gegenüber  überlegen  und  aktiv,  indem  es  ihr  seine 
präzisen  Formeln  aufdrängte.  In  der  zweiten  Hälfte  des 
14.  Jahrhunderts  sieht  man  aus  den  Kapitelurkunden  von 
Nona,  daß  sie  vom  Instrumente  nicht  unberührt  geblieben  sind. 
Der  Text  der  Urkunde  ahmt  die  Fassung  des  Instrumentes 
vollständig  nach,  nur  das  charakteristische  Protokoll  und  die 
Korroboration  durch  das  Siegel  verrät  den  nördlichen  Ursprung 
der  Urkunde.'  Einen  voUständigen  Sieg  erringt  das  Notariat 
nur  in  Zara,  indem  daselbst  zu  Ende  des  14.  Jahrhunderts  die 
Kapitelurkunde  nebst  der  Bekräftigung  des  Siegels  die  Be- 
glaubigung durch  den  Notar  zuläßt. 

Aber  auch  die  außerstädtische  rein  kroatische  Urkunde 
mußte  den  Bestrebungen  des  Notariats  nachgeben.  Bis  in  die 
Mitte  des  14.  Jahrhunderts  drang  dasselbe  allerdings  nur  zur 
Hälfle  durch  wie  auch  bei  der  Kapitelurkunde.  In  dieser  Zeit 
haben  wir  gewöhnlich  eine  gelungene  Kombination  der  italieni- 
schen urkundlichen  Formalistik  mit  dem  deutschen  Beweis- 
mittel; das  Notariatsinstrument  hat  zwar  den  Text  usurpiert, 
weicht  aber  vor  dem  auf  dem  kroatischen  Territorium  allein  ge- 


*  Cf.  Tkal6id,  Mon.  civ.  Zagr.  I,  p.  CXX.  Jerney,  A  magyar  oraz.  kÄpta- 
lanok  mint  hitcles  helyek  tört^nete  (Tört6n.  TÄr  II  [1856],  35—129). 

'  Wie  s.  B.  xa  Bribir,  wo  erst  a.  1348  der  erste  Notar  erscheint. 

'  So  der  Kaufvertrag  vor  dem  Kapitel  von  Nona  a.  1384,  7.  Febraar  (orig. 
OAZ.  8.  Gris.  XXII,  656):  Nos  capitulam  nniuersum  Nonensis  ecclesie 
Omnibus  Christi  fidelibns  . .  .  presentem  paginam  inspecturis  .  . .  harum 
Serie  volnmns  peraenire,  qnod  accedens  etc.  —  In  cuins  rei  testimonium 
.  .  .  presentem  paginam  sigilll  pendentis  .  .  .  fecimus  manimine  con- 
firmari.  Actum  et  datam  None  etc. 


94  VI.  AbhandliuK:    ▼.  dnffUf. 

brauchten  Siegel.^  Im  14.  Jahrhundert  finden  wir  zwar,  z.  B. 
in  einer  Urkunde  aus  Bribir  von  1348,  die  Unterschrift  des 
eigenen  städtischen  Notars,  aber  sonst  blieb  das  Protokoll 
der  Siegelurkunde  ^  und  hält  sich  von  den  geliehenen  oder  be- 
rufenen Notaren  aus  Scardona  und  auch  von  den  kaiserlichen 
Notaren  im  Dienste  der  Fürsten  von  Bribir  unangetastet. 

Nur  die  neue,  im  13.  Jahrhundert  eben  stärker  auf- 
kommende Urkunde  in  kroatischer  Sprache  hatte  keinen  An- 
haltspunkt, um  dem  Instrumente  zu  widerstehen.  Noch  ganz 
unselbständig,  ganz  abhängig  von  der  lateinischen  Urkunde  als 
Vorbild,  mußte  sie  sich  gänzlich  jener  Urkundenart  anpassen, 
welche  gerade  in  lateinischer  Sprache  doch  die  herrschende 
war.  In  Istrien,  im  kroatischen  KUstenlande,  auf  den  dalma- 
tinischen Inseln  und  denen  von  Quamero,  auch  auf  dem  dal- 
matinischen Eüstenrande  ist  es  das  Instrument  in  kroatischer 
Sprache,'  welches  wir  vom  13.  Jahrhundert  angefangen  bis  in 
die  Neuzeit  antreffen;  erst  im  tieferen  Kroatien  ist  es  die  Siegel- 
urkunde, welche  ihr  als  Muster  diente.^ 


'  Ein  schönes  Beispiel  dafür  bietet  die  Urkande,  worin  die  Brfider 
Mathäus  und  Bartholomäus  yon  Gorbauia,  ans  einer  yornehmen  kroati- 
schen Familie,  ein  Grundstück  an  zwei  angesehene  Bürger  yon  Zara  (in 
der  Urkunde  wird  diese  Stadt  nicht  genannt,  aber  man  kennt  diese 
Bürger  aus  den  gleichzeitigen  zaratinischen  Urkunden)  verkaufen.  Die 
Urkunde  ist  im  Texte  vollständig  dem  zaratinischen  Instrumente  nach- 
gebildet, mit  allen  Formeln  wie  Kaufformel,  habere  licere,  Pertinens- 
formel,  Leistungrayersprechen  etc.  Doch  das  Protokoll  fehlt,  die  Urkunde 
fängt  unmittelbar  mit  dem  Texte  an:  Nos  .  .  .  confitemur  per  hoc  preaens 
scriptum  .  .  .  und  schließt  mit:  ad  cuius  rei  noticiam  .  .  .  sigillis  cereis  pen- 
dentibus  fratrura  predicatorum  de  Jadra  .  .  .  ac  sigillo  mei  supradicti  co- 
mitis  Mathei . . .  fecimus  communiri  (orig.  QAZ.  s.  Domin.  Nr.  2149,  a.  1278). 

'  Z.  B.  die  Schenkung  an  das  Kloster  von  Bribir  von  a.  1348  (orig.  im 
Kloster  zu  Sibenik)  trägt  vor  der  Unterschrift  des  Notars  die  Formel: 
in  cuius  rei  certitudinem  .  . .  presentes  litteras  feci  (Matheus  natus  olim 
Wlxe  de  Breberio)  sfgillari  sigillis  dependentibus  pro  magori  (sie!)  fir- 
mitate  perpetua. 

'  Die  Urkunde  nennt  sich  selbst:  instrument;  s.  Kukuljevid,  Acta  croat. 
(Nr.  6,  p.  41,  a.  1325):  I  ja  pop  Jakov  Kri£anid  oblaSdu  apoStolsku  i 
cesarske  svetlosti  notar,  kako  jesam  ispisal  v  oditu  formu  oti  initmmeni. 
—  In  Dalmatien  die  erste  Urkunde  in  kroatischer  Sprache  a.  1250, 
I.Dez,  in  Pavle  auf  Brazza  (Snrmin,  Acta  croat.  I,  Nr.  4.  Mon.  slav. 
mer.  vol.  VI).  S.  weiter. 

^  Kukuljeviö,  Acta  croat.  a.  1381,  Nr.  11.  12  etc. 


Di«  dAlmatinisebe  PriTaturknnde.  95 

VI. 
€friiiidsStze  bei  der  Anfertigung  der  Notariatsinstrnmente. 

Die  Grandsätze,  welche  die  Anfertigung  des  Instrumentes 
in  den  Kttstenstädten  Dalmatiens  bestimmt  haben,  sind  fast 
dieselben^  welche  wir  in  Italien  antreffen.  Sie  sind  von  jenen 
der  vorangehenden  dalmatinisch-kroatischen  Urkunden  nicht 
grundverschieden  und  da  die  Umwälzung  der  kroatisch-dal- 
matinischen Urkunde  zum  Instrumente  nicht  plötzlich  eingetreten 
ist,  so  wird  die  Untersuchung  einen  doppelten  Gang  nehmen: 
wir  knüpfen  womöglich  an  die  vorangehende  Urkunde  an  und 
vielleicht  auch  an  die  verwischten  Spuren  des  römischen  Rechts- 
lebens in  den  Städten,  und  wir  stellen  hauptsächlich  die  Nach- 
ahmungen der  hierher  einschlagenden  Bestimmungen  in  den 
Statuten  Oberitaliens  durch  unsere  städtischen  Statute  fest, 
woraus  sich  die  vielleicht  vorhandenen  Eigentümlichkeiten  von 
selbst  ergeben  werden. 

11.  Bogation. 

Das  Geschäft  selbst  begann  in  den  Städten  Dalmatiens 
schon  seit  ältester  Zeit  mit  der  Rogation  des  Notars,  beziehungs- 
weise des  Schreibers.  In  der  überhaupt  ältesten  kroatischen 
Urkunde  (von  853)  kommt  in  der  Unterschrift  des  Schreibers 
neben  dem  Befehl,  welcher  gewöhnlich  die  Rogation  der  hoch- 
stehenden Personen  vertritt,  dennoch  der  Ausdruck  rogatus 
vor;*  ein  Beweis,  daß  diese  Formel,  hier  nur  mechanisch  ent- 
schlüpft, um  diese  Zeit  vollständig  geläufig  war  und  somit  allem 
Anscheine  nach  direkt  aus  der  gleichen  Bemerkung  der  Ta- 
bellionen stammt.'  Mit  dem  Rückgange  der  dalmatinisch-kroa- 
tischen Urkunde  und  dem  zeitweisen  Verschwinden  der  Unter- 
schrift schwand  natürlich  die  Erwähnung  der  Rogation,  bis  sie 
mit  dem  neuen  Aufleben  der  Urkunde  zum  Instrumente  ein 
wesentlicher  Bestandteil  und  von  den  Notaren  immer  angeführt 
wurde.  Die  Stelle  der  rogatio  vertrat  nur  in  der  Gerichtsurkunde 
ein  richterliches  praeceptum  oder  mandatum. 

^  Doc.  Nr.  2:  Ego  Martinas  praesbiter  capellanus  praeceptione  domini 

mei  dncis  • . .  rogatus  scripsi . .  . 
*  Cf.  ÖBterley  I,  84. 


96  VI.  AbbaadliinK:    ▼.  dnfflay. 

Die  Statuten  der  Küstenstädte  enthalten  über  die  Auf- 
forderung des  Notars  und  seine  Päichten  in  diesem  Falle  Be- 
Stimmungen^  welche  meistenteils  mit  jenen  der  italienischen 
Statuten  übereinstimmen. 

Ein  gehörig  rogierter  Notar  durfte  unter  großen  Strafen 
den  Parteien  sein  officium  nicht  versagen,  wie  er  dazu  ja  eidlich 
verpflichtet  war.^  Ebensowenig  darf  ihm  jemand  die  Anfertigung 
eines  Instrumentes  verbieten.'  Natürlich  daß  diese  Bestimmungen 
nur  die  erlaubten  Geschäfte  betrafen.  Die  Ausfertigung  des 
Instrumentes  über  verbotene  Geschäfte^  wie  z.  B.  zu  Zara  über 
die  Veräußerung  der  unbeweglichen  Güter  an  Klöster  und 
Geistliche,  zog  den  Verlust  des  Amtes  und  Ehre  des  Notars 
und  auch  des  Examinators  nach  sich,  falls  er  dem  Instrumente 
seine  Unterschrift  gegeben  hatte.  ^ 

Gleich  bei  der  Rogation  sollte  der  das  Dokument  auf- 
nehmende Notar  die  Bezahlung  von  den  Parteien  erhalten.  War 
nun  ein  Dokument  auf  gehörige  Weise  in  die  Imbreviatur  des 
Notars  eingetragen,  so  stritt  eine  Rechtsvermutung  dafür,  daß  die 
Bezahlung  vollständig  erfolgt  sei.^  Das  Honorar  entrichteten  die 
Parteien  direkt  an  den  Notar.  Dies  geschah  gewöhnlich  auch 
für  die  gerichtliche  Urkunde,^  nur  daß  hier  in  unbestimmten 
Fällen  die  Höhe  der  Taxe  durch  die  städtische  Obrigkeit  be- 
stimmt wurde.^  Die  Taxe  ist,  wie  auch  in  Italien,  nach  der 
Ortssitte  und  nach  dem  Werte  des  Rechtsobjektes  verschieden, 
auch  durch  das  persönliche  Recht  bedingt,  indem  gewöhnlich 
die  Taxe  für  Fremde  aufs  Doppelte  erhöht  wurde.^  In  der  Be- 


^  Item  statutum  .  .  .  qnod  notarins,  qui  fuerit  rogatus  de  aliqno  contracta 
teneatur  uinculo  sacramenti  et  pena  et  banno  niginti  soldonim  ipaam 
contractum  ...  in  pablicam  formam  redacere  asqae  ad  tres  dies  a  die, 
quo  eilt  rogatuB.  Stat  Spal.  vet.  c.  59.  Cf.  Stat.  Bomae,  1.  I,  c.  34; 
österley  I,  231. 

*  Stat.  Cath.  c.  289,  p.  160.         >  Stat.  Jad.  1.  3,  c.  14. 

*  Stat.  Jadr.  1.  2.  c.  90;  Stat.  Sib.  1.  3,  c.  36;  Stat.  Trai  l.  2,  c.  103. 
■  Stat.  Spal.  Tet.  1.  2,  p.  52. 

«  Sut.  Spal.  Ib.;    Stat.  Trau  a.  1347,  1.  1,  c.  40;   SUt.  Budv.  c.  80;   Stat. 

Cath.  c.  47 ;  Stat.  yon  Poljice  (ed.  Jagic,  Mon.  bist.  inr.  slav.  mer.  vol.  4, 

p.  56);  cf.  Stat.  BeUani  I,  c.  72;  Stat.  Padaae  1.  3,  rab.  5,  c.  20;  Öster- 

ley  I,  234. 
'  Diese  Bestimmnngen   am  volUtändigsten  im  Stat.  Spal.  p.  53.    Cf.  Stat 

Cans.  c.  114  nnd  die  vorangehende  Note. 


IM«  dalnatinitelie  PriTatarkimde.  97 

Stimmung  der  Taxe  für  Testamente  findet  sich  noch  ein  milder 
Zngy  der  Übrigens  schon  in  weit  umfassenderer  Weise  im  Ge- 
setase  Lothars  anzutreffen  ist,  indem  sie  für  die  Armen  stark 
erniedrigt  wurde. ^ 

12.  Imbreviatur. 

E^  ist  sehr  wahrscheinlich,  daß  die  Notare  der  ältesten 
Zeit  zu  Zara,  wo  der  Anschluß  an  die  römischen  Tabellionen 
in  mehreren  Punkten  fast  gewiß  erscheint,  über  die  Rechts- 
geschäfte zunächst  Entwürfe,  ,sciiedae^  anfertigten.  Der  Vorgang 
allein,  daß  noch  am  Ende  des  11.  Jahrhunderts  wichtige  Ur- 
kunden den  Parteien  verlesen  wurden  und  von  ihnen  gebilligt 
sein  mußten,  was  den  römischen  Vorschriften  für  die  Tabellionen' 
entspricht,  weist  schon  auf  die  Anfertigung  eines  Konzeptes.^ 
Bei  gewöhnlichen  Eontrakten  mochte  ein  Bedürfnis  dazu  aller- 
dings weniger  vorliegen. 

Aber  erst  nach  der  Ausbildung  des  Notariats  und  des 
Instrumentes  griff  man  in  allen  Städten  Dalmatiens  nach  ita- 
lienischem Muster  zur  Anfertigung  und  Bewahrung  des  Kon- 
zeptes der  Urkunde,  um  sich  dadurch  die  Möglichkeit  zu 
sichern^  zu  jeder  Zeit  in  den  Besitz  des  etwa  verlorenen  oder 
zerstörten  Beweismittels  zu  gelangen^  und  auch  ein  sicheres 
Kriterium  für  die  Fälschung  zu  gewinnen.^ 

Die  Zeit  der  Ausbildung  des  Rechtsbrauches  in  Dalmatien, 
wonach  jeder  Notar  gehalten  war,  ein  Register  —  in  den  meisten 


^  Stat.  8pal.  p.  63:  et  qnod  nallus  notarius  .  .  .  aadeat  de  aliqao  testa- 
mento  pro  sua  mercede  recipere,  si  diues  faerit  testator  altra  tres  grossos, 
si  .  .  .  paaper  .  .  .  quataor  soldos  tantum.  —  Noch  genaaer  Stat.  Jadr. 
1.  2,  c.  100;  SUt.  Sib.  1.  3,  c.  44.  Cf.  Lib.  Pap.  Lothar! ,  c.  71  (M.  G. 
LL.  IV,  552). 

'  Novel.  44  zu  l.  17  (de  fide  instr.  4,  21);  cf.  Spangenberg,  Lehre  vom 
Urknndenbeweise  229;  Bethmann-IIollweg  III,  171;  österley  I,  33  f. 

'  A.1091  Doc.  Nr.  128:  Et  post  tradita  coram  bis  testibas  lecta  et  sigillo 
dicti  priorifl  signata:  Johannes  iudicator  testis  ...  et  alii  quam  plures 
collaadantes  et  confirmantes.  —  Über  das  Diktamen  der  kroatischen 
königlichen  Kanzlei  s.  Radki,  Hrr.  dvor.  kancelarija,  Rad  35,  p.  47  ff. 

*  Cf.  österley  I,  266;  Voltelini,  1.  c.  p.  XXVI. 

*  Stat  Gath.  e.  290:  ordinamos  et  volamiu,  ut  qaaliscumque  carta  notarii 
a  tempore  diaconi  Micke  Gige  non  inveniretur  in  catastico  pro  falsa 
et  irrita  habeaiar,  cf.  o.  814. 

SiUnogaber.  d.  phil.-bist.  Kl.  CXLVII«  Bd.  6.  Abb.  7 


98  Tl.  AbhaDdlmig:    r.  daffUy. 

Statuten  quaternus  inbreviatnraram  (abreviaturarum)  genannt^ 
—  zu  führen,  in  welches  er  die  Konzepte  der  Instrumente 
einzutragen  hatte,  ist  nur  annähernd  genau  zu  bestimmen.  Das 
älteste  erhaltene  Notariatsimbreviaturbuch  Dalmatiens  rührt  von 
dem  zaratinischen  Notar  Creste  de  Tarallo*  her  und  beginnt 
mit  dem  Jahre  1289.*  Im  14.  Jahrhundert  mehren  sich  die  er- 
haltenen Register  von  Zara  und  bilden  von  1335  eine  ununter- 
brochene und  oft  mehrfache  Reihe.*  Dazu  treten  auch  solche 
von  Spalato,  Cattaro  und  Curzola.^  Daß  diese  erhaltenen  Erst- 
linge nicht  den  Beginn  des  Rechtsbrauches  selbst  in  den  Städten 
bezeichnen,  kann  man  als  gewiß  annehmen.  Schon  die  Sprech- 
weise der  Statute^  über  die  Imbreviaturen  als  etwas  Selbst- 
verständliches läßt  auf  eine  längere  Dauer  des  Brauches 
schließen,  als  sie  die  Dokumente  selbst  bieten.  Dazu  kommt,  daß 
man  zu  Cattaro,  welches,  wie  wir  gesehen,  dem  italienischen 
kaiserlichen  Notariate  und  formelmäßigen  Instrumente  lange 
Widerstand  leistete,  dennoch  die  ersten  Spuren  von  Imbrevia- 
turen schon  um  die  Sechzigerjahre  des  13.  Jahrhunderts  vor- 
findet.'' Damit  analog  kann  man  mit  Berücksichtigung  der  weit 


^  Za  Cattaro  ersetzt  diese  Benennang  das  Wort  ,catasticam'.  Wie  schon 
seine  Wurzel  und  die  Tatsache,  daß  dieses  Buch  beim  Gerichte  auf- 
bewahrt wurde  (c.  294),  bezeugt,  scheint  ,cata8ticuin'  ursprünglich  ein 
Öffentliches  Buch  gewesen  zu  sein,  in  das  man  hauptsächlich  zuerst  nur 
die  Beurkundungen  über  Auflassung  eintrug  (wie  in  den  Städten  Deutsch- 
lands; cf.  Brunner,  Grnndzüge  der  deutschen  Rechtsgeschichte  180). 

'  Seine  Unterschrift  in  den  Urkunden  lautet:  Ego  Creste  de  Tarallo  Ja- 
drensis  notarius  his  interfui  et  rogatus  .  .  .  scripsi,  compleui  et  roborani 
(monogramma  not.).  Von  1287 — 1302  (orig.  GAZ.  s.  Nicol.  —  Ib.  s.  Gria. 
XVII.  393.) 

'  Sehr  schlecht  bewahrt  bei  dem  Kreisgerichte  zu  Zara.  Ed.  Jelic,  Vjestnik 
kr.  hrv.  zem.  arkiva  I-III  (a.  1899  —  1901).  Es  ist  auf  Papier  geschrieben. 
Aus  der  Ausgabe  ist  über  seine  Einrichtung  gar  wenig  oder  nichts  sa 
entnehmen. 

^  Beim  genannten  Kreisgerichte  sind  von  1336—1401  die  Register  von 
21  Notaren  erhalten,  die  oft  von  zweien  oder  mehreren  ^selbständig  neben- 
einander geführt  werden. 

^  Zu  Spalato  zuerst  a.  1314,  zu  Cattaro  a.  1326,  zu  Curzola  1394.  Cf. 
Jiret'ek,  1.  c.  8. 

«  Stat.  Spal.  yet.  l.  1,  c.  60;  Stat.  Jadr.  1.  2,  c.  89;  Stat.  Sib.  1.  8,  c.  85. 

'  Ersichtlich  aus  dem  Statute  c.  290,  p.  160:  .  .  .  ordinamus  .  .  .  ut  qnalis- 
cumque  carta  notarii  a  tempore  diaconi  Miche  Gige  non  inTentretor  in 


Die  dalmatinische  Priratnrknnde.  99 

g&nstigeren  Verhältnisse  der  nördlicheren  Eüstenstädte  die  An- 
fänge der  Imbreviaturen  daselbst  in  den  Beginn  oder  mindestens 
in  die  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  versetzen.  Somit  erscheinen 
die  dalmatinischen  Imbreviaturen  als  eine  unmittelbare  Folge 
des  Vordringens  des  Instrumentes  und  der  allgemeinen  Ver- 
breitung der  Imbreviaturen  in  Italien;  welche  hier  seit  dem 
Ende  des  12.  Jahrhunderts  beobachtet  werden  können.^  Dem 
entspricht  auch  ihre  Einrichtung;  sie  unterscheiden  sich  in 
keinem  Punkte  von  der  Beschreibung,  welche  uns  Voltelini 
von  den  Südtiroler  Notariatsimbreviaturen  speziell  und  von 
den  italienischen  im  allgemeinen  gibt.^ 

überall  war  besonders  das  Verzeichnis  der  Zeugen  und 
zu  Spalato  auch  des  Examinators  bei  der  Anfertigung  der  Im- 
breviatur  betont.*  Der  Notar  mußtO;  bevor  er  den  Parteien 
das  Instrument  ausfolgte,  die  Imbreviatur  ,in  quaterno  inbrevia- 
turarum'  anlegen.  In  den  meisten  Städten  geschah  diese  Auf- 
nahme direkt:  der  Notar  soll  zu  den  privatrechtlichen  Verträgen 
das  Protokollbuch  mitbringen  und  ohne  vorherige  Entwerfung 
eines  Konzeptes  das  für  die  Parteien  bestimmte  Dokument  un- 
mittelbar aufnehmen.  Nur  aus  den  Statuten  von  Zara  und 
Sebenico  geht  es  hervor,  daß  hier  vor  der  Eintragung  des 
Dokumentes  in  das  Buch  der  Entwurf  einer  nota  oder  caedula 
verlangt   wurde.*    In  drei  Tagen,   zu  Sebenico  schon  an  dem- 


catastico  .  .  .   also  sar  Zeit  des  Notars  Micha  Gige  (1261  —  1279  orig. 
AflA.  —  orig.  Staatsarchiv  in  Wien)  bestand  schon  ein  Catasticam. 
>  Cf.  Östcrley  I,  259  ff.;  Ficker,  Beiträge  I,  343  f.;  Voltelini,  1.  c.  p.  XXVII 
and  XXXIV. 

*  L.  c.  p.  XXVII — XXIX,  cf.  Österley,  a.  a.  O.  —  Ich  gehe  darauf  nicht 
weiter  ein,  da  dies  klar  aas  dem  Vergleiche  mit  den  von  Je1i<S  edierten 
Imbreriaturen  hervorgeht.  Was  die  Kanzellatnr  anbetrifft,  deren  An- 
gabe bei  4er  Edition  (im  Vjestnik  a.  a.  O.)  vollständig  vernachlässigt 
wurde,  so  geathah  sie  auch  hier,  und  zwar  aus  denselben  Gründen  wie 
in  Italien,  also  weil  die  Eintragung  aus  irgend  einem  Grunde  hinfallig 
oder  weil  das  Instrument  fertiggestellt  und  ausgehändigt  worden  war. 

"  Stat.  Spal.  1.  1,  c.  60;  Stat.  Jadr.  1.  2,  c.  89;  Stat.  Sib.  1.  S,  c.  35;  vgl. 
Stet.  Caesen.  1. 1,  c.  67;  Österley  I,  269,  Nr.  13. 

*  Stat.  Jadr.  1.  2,  c.  89  .  .  .  quod  notarii  Jadrae  teneatur  in  continenti  no- 
tare  .  .  .  praeterea,  si  faerit  sibi  integraliter  satisfactum,  teneantur  de 
qnibus  sunt  rogatl  ponere  in  quaterno  inbreviaturarura  in  scriptis  .  .  . 
Quod  si  ipsi  notarii  infra  tres  dies  .  .  .  non  posuerint  tenorem  instru- 
mentorum  Inbreniaturis  .  .  .  pro  quolibet  die  suae   negligentiae  soluant 


7* 


100  VI.  Ablutndlangi    t.  gnffUy. 

selben  Tage  mußte  dieselbe  anter  Geldstrafe  in  das  Register 
eingetragen  werden.  Die  Imbreviatur  and  wahrscheinlich  aach 
die  Nota  maßte  wie  in  Italien  den  Parteien  vorgelesen  and 
von  ihnen  genehmigt  werden.* 

IB.  Publikation  und  Neuausfertigung  des  Instrumentes. 

Transsumpt. 

Aas  der  Imbreviatur  hat  der  Notar  auf  Verlangen  der 
Parteien  das  pablicum  instramentum  auszufertigen.  Die  Frist^ 
innerhalb  welcher  die  redactio  in  pubiicam  formam  nach 
geschehener  Rogation  erfolgen  mußte  ^  ist  von  den  Statuten 
der  Eüstenstädte  überall  genau  bestimmt.  Sie  variiert  zwischen 
drei  Tagen  und  zwei  Monaten  sowohl  für  die  Urkunde  über 
gerichtliche  Akte,  wie  auch  für  solche  über  privatrechtliche 
Verträge,  da  ein  Unterschied  in  dieser  Beziehung  nirgends 
erwähnt  wird.'  Die  Nichtbeachtung  dieser  Bestimmung  hatte 
für  den  Notar  eine  Geldstrafe  zur  Folge^  es  sei  denn,  derselbe 
wäre  darch  Krankheit  oder  sonst  in  entschuldbarer  Weise 
verhindert.^ 

Wie  in  Italien  so  darfte  zar  Notariatsurkunde  auch  in 
den  Küstenstädten  nur  Pergament  genommen  werden.  Diese 
Verordnung  der  Städte  Oberitaliens,  welche  in  den  Statuten 
der  dalmatinischen  Städte  zwar  nicht  wiederholt  wurde,  aber 
in  Anknüpfung  an  die  alte  dalmatinisch-kroatische  Urkunde 
selbstverständlich   erschien,   wurde   in   Dalmatien    heiliger   ge- 

comuni  .  .  .  grossos  sex.  Gleiche  Bestimmang  im  Stat.  Sib.  1.  S,  c.  35.  — 
Das  Wort  caeduia  wird  in  Zara  immer  im  Gegensatz  sn  der  solennen 
Urkunde  in  den  Inkanten  gebraucht:  caednlam  breaiarii  incantus  in 
manibus  tenendo.  Diese  caeduia  wird  seit  dem  14.  Jahrhundert  in  dem 
eine  gerichtliche  Versteigerung  enthaltenden  Instrumente  wörtlich  wieder- 
holt (das  erste  Mal  1322,  orig.  s.  Maria);  cf.  SUt.  Payiae  1.  1,  fol.  40, 
1.  2,  fol.  93  und  Österley  I,  263. 

^  Stat.  Spal.  yet.  1.  1 ,  c.  60;  Stat.  Veron.  1.  1,  c.  132;  SUt.  Parm.  1.  2, 
fol.  93;  Österley  1,269. 

'  Zu  Spalato  ist  die  Frist  von  drei  Tagen  gesetzt  (1.  2,  p.  63);  su  Zara, 
Sebenico,  Traii  von  einem  Monat  (Stat.  Jadr.  1.  2,  c.  93 ;  Stat.  Sib.  1.  3, 
c.  37;  Stat.  Traii,  1.  2,  c.  103);  in  den  Reform,  von  1847,  1.  1,  c.  40  wird 
zu  Trau  die  Frist  auf  zwei  Monate  angeschoben. 

'  S.  die  eben  zitierten  Stellen  aus  den  Statuten;  cf.  österlej  I,  298  für 
die  Statute  Oberitaliens. 


Die  dAlmaÜDiaehe  PriT»tarkiind6.  101 

halten  als  in  Italien  selbst;  bis  weit  in  die  Nenzeit  findet 
man  in  den  Städten  kein  Originalinstrament,  das  anf  Papier 
gescbrieben  wäre.^ 

Das  Pergament  mnßte  tadellos  nnd  in  einer  Weise  be- 
schrieben sein,  die  jeden  Verdacht  einer  VerfUlschnng  ausschloß. 
Schon  die  verhältnismäßig  wenigen  Originalurkunden  bis  zu 
Ende  des  12.  Jahrhunderts  sind  auf  einem  tadellosen  Perga- 
mente geschrieben;'  aber  wahrscheinlich  half  dazu  hauptsächlich 
die  kurze  Fassung  der  dalmatinisch-kroatischen  Urkunde^  welche 
eine  nur  geringe  Oberfläche  dieses  Schreibmateriales  bedurfte. 
Ebenso  gut,  wenn  nicht  noch  besser  ist  das  Pergament  der 
noch  formelarmen  Instrumente  des  13.  Jahrhunderts.  Im 
14.  Jahrhundert,  als  die  Formeln  stark  anwuchsen  und  infolge- 
dessen das  Pergamentstück  trotz  der  gedrängten  Schreibweise 
und  Vermehrung  der  Abkürzungen  drei-  bis  viermal  größer 
genommen  werden  mußte,  konnte  nicht  so  leicht  tadelloses 
Pergament  beschafft  werden.  Wir  finden  in  dieser  Zeit  ziemlich 
viele  Originalinstrumente,  welche  nur  für  die  Sorgfalt  der 
Notare,  nicht  aber  für  die  Tadellosigkeit  des  Pergamentes  einen 
Beweis  liefern,  indem  jene  den  durch  das  ungeschickte  Glätten 
des  Pergamentes  entstandenen  Löchern  geschickt  ausweichen. 

Um  nicht  den  Verdacht  einer  Fälschung  zu  erwecken, 
werden  in  den  Instrumenten  Durchstreichungen  und  Korrekturen 
vermieden.  In  den  Urkunden  von  Zara,  wo  die  besten  Notare 
aus  Italien  ihre  Tätigkeit  entfalteten,  kommen  wesentliche 
Korrekturen  fast  nie  vor.  Auch  die  kleineren  Verbesserungen 
sind  seit  der  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  sehr  selten  und  wenn 
sie  vorkommen,  so  sind  sie  am  Ende  des  Instrumentes  vor 
der  Unterschrift  des  Notars  vermerkt.  Die  Instrumente  der 
südlicheren  Städte  sind  nicht  so  sauber;  selten  zwar  kommen 
Einschaltungen  über  der  Linie  vor,  aber  öfter  die  Punk- 
tierungen^ welche  das  Wort  für  ungültig  erklären.  Am  nach- 
lässigsten sind  die  Notare  zu  Trau,  wo  sie  in  den  Urkunden 
das  in  Dalmatien  ungewöhnliche  Durchstreichen  der  Worte 
zuweilen  gebrauchen.    Dennoch  stehen  auch  solche  Instrumente, 

'  Dagegen  gestatten  die  Statuten  von   Parma   (1.  1,  fol.  93),   Nicia  (hist. 

patr.  Mon.  II,  p.  98)  aus  dem  13.  Jahrhanderte  den  Gebranch  des  Papiers, 

cf.  Osterley  I,  298. 
'  Für  die  kroatische  königliche  Kanzlei  s.  Badki,  Had  36,  p.  81  f. 


102  Tl.  AbfaaodlaDg:    ▼.  gafflay. 

was  die  Sauberkeit  anbelangt^  höher  als  die  gleichzeitige  kroa- 
tische Privaturkunde,  welche  dem  deutschen  Urkundenwesen 
nachgebildet  ist. 

Was  endlich  das  Verhältnis  der  solennen  Urkunde  zur 
Imbreviatur  anbelangt,  so  ist  natürlich  das  Instrument;  wie  auch 
in  Italien,  ausführlicher,  da  die  letztere  sich  häufig  mit  Ver- 
weisung auf  übereinstimmende  Elemente  des  Protokolls  voraus- 
gehender Stücke  begnügt,  im  Texte  aber  die  zur  Verwendung 
kommenden  Formeln  nur  andeutet  und  durch  etc.  verkürzt. 
Diese  Unvollständigkeiten  durften  beim  Instrumente  nicht 
vorkommen.  Dagegen  waren,  wie  aus  dem  Vergleiche  der 
Imbreviaturen  mit  dem  daraus  veröffentlichten  Instrumente 
hervorgeht,  wesentliche  Änderungen,  welche  die  Natur  des 
Rechtsgeschäftes  betreffen,  nicht  gestattet,  aber  ZufÜgungen 
für  die  Sicherung  desselben  dem  Notare  oder  einem  Rechts- 
kundigen doch  überlassen.^ 

Besondere  Anordnungen  sind  in  den  Statuten  für  die 
Neuausfertigung  des  Instrumentes  enthalten.  Auch  ist  das 
Verhältnis  der  Imbreviatur  zum  neuausgefertigten  Instrumente 
ein  anderes,  je  nachdem  das  Instrument  aus  eigenen  oder 
einem  anderen  Notare  gehörenden  Imbreviaturen  ausgefertigt 
werden  sollte. 

Jeder  Notar  ist  berechtigt,  aus  seinen  Imbreviaturen  auf 
Verlangen  Instrumente  neu  auszufertigen,  falls  der  Gegner  keine 
Einreden  vorbringen  kann.  Besondere  Vorsicht  muß  angewandt 
werden,  wenn  die  Gefahr  einer  fraudulosen  Wiederklage  bereits 
gedeckter  Schulden  vorliegen  könnte.  Der  Empfänger  des 
neuausgefertigten  Instrumentes  muß  durch  Eid  versprechen, 
daß  er  das  erste  Instrument,  falls  er  es  findet,  dem  Notare  zur 
Vernichtung  übergeben  werde,  damit  von  einem  Instrumente, 
welches  sich  auf  Schuld  Verhältnisse  bezieht,  nicht  mehrere 
Exemplare  zugleich  bestehen.'  Zu  Cattaro  soll  der  Bischof  in 
allen  Kirchen  den  Verlust  des  Instrumentes  verkündigen  lassen 
und    durch    die   Drohung    der   Exkommunikation    den   Finder 

^  Die  Formel:  instrnmentam  meliorare  ad  laudum  cuiaslibet  sapientis  .  .  . 
kommt  besonders  in  den  dem  Notare  voi^elegten  Protesten,  die  er  in 
publicam  formam  redigere  sollte,  vor.  Für  Italien  cf.  österley  I,  269; 
Voltelini,  1.  c.  p.  XXVIII. 

"  8tat.  Spal.  vet.  1.  2,  c.  16, 


Die  dalmAtiniMhe  PriTstnrlnind«.  103 

znr  Zarlickerstattong  zwingen.^  Bei  solchen  Instrumenten 
scheint  jeder  Hinweis  auf  die  Nenansfertignng  wie  auch  auf 
die  Imbreyiatnr  zu  fehlen;  sie  unterscheiden  sich  mit  nichten 
von  den  erstausgefertigten. 

Anders  ist  es  bei  der  Neuausfertigung  oder  auch  nur 
hei  der  ersten  Ausfertigung  einer  solennen  Urkunde  aus  den 
Imbreviaturen  eines  fortgezogenen  oder  verstorbenen  Notars, 
welche,  wie  es  scheint,  verhältnismäßig  sehr  früh  in  Archiven, 
wahrscheinlich  beim  Gerichte  selbst  hinterlegt  wurden.^  Hierzu 
bedurfte  es  einer  speziellen  richterlichen  Ermächtigung.  Mit 
der  Ausfertigung  eines  solchen  Instrumentes  wird  von  der  Kurie 
ein  bewährter  Notar  betraut.  Die  auf  diese  Weise  publizierten 
Urkunden  hatten  dieselbe  Gültigkeit  und  Beweiskraft^  als  wenn 
sie  von  dem  Notare  selbst,  welcher  die  Imbreviatur  aufgenommen 
hatte,  veröffentlicht  wären,'  unterscheiden  sich  aber  von  solchen 
formell  dadurch,  daß  die  Imbreviatur  mit  allen  Abkürzungen 
genau  so,  wie  sie  im  Protokolle  zu  finden  war,  abgeschrieben 
wurde.* 

Hier  können  wir  noch  wegen  ihrer  sehr  nahen  Verwandt- 
schaft zur  Neuausfertigung^   die  Form  der  Transsumierung  in 

>  Stat.  Cath.  c.  294,  p.  162. 

'  Dafür  spricht  die  Tatsache,  daß  sich  eine  große  Menge  der  Notariats- 
bücher ans  dem  14.  Jahrhundert  erhalten  hat.  Dies  läßt  im  allgemeinen 
auf  eine  treffliche  Vorsorge  der  Stadtgemeinde  um  die  £rhaltung  der 
notariellen  Akte  schließen.  Zu  Cattaro  scheint  der  Notar  nicht  einmal 
seine  eigenen  Imbreviaturen  aufbewahrt  zu  haben.  Stat.  Cath.  c.  294: 
(ut  quicumque  cartam  .  .  .  amlserit,  sl  recuperare  eam  voluerit,  querat 
licenciam  aiudicibus, .  .  .  ut  ei  catasticum  concedant  ...  tunc  iudices 
dicant  notario,  ut  respiciat  in  catastico)  weist  auf  eine  Auf bewahrung 
der  Imbreyiaturen  bei  der  Curie.  Für  die  Maßregeln  zur  Erhaltung 
der  Protokolle  in  Italien  Österley  I,  283—289;  Pertile,  Storia  del  di- 
ritto  ital.  VI,  316  f.;  Paoli  L.  376.  —  Nur  yermuten  kann  man,  daß  die 
Imbreviaturen  zu  Zara  auch  den  Erben  überwiesen  wurden,  da  hier 
Öfters  zwei  Generationen  der  Notare  anzutreffen  sind.  S.  oben  §  3. 

'  . . .  et  eztractum  per  alium  tabellionem  de  imbreviaturis  habeat  ple- 
nissimam  firmitatem.  Stat.  Jadr.  1.2,  c.  88;  Stat.  Sib.  1.  3,  c.  34. 

^  Ausdrücklich  erwähnt  nur  im  Stat.  Cath.  c.  294:  .  .  .  qui  de  yerbo  ad 
yerbum  cartam  ipsam  rescribat  nii  addens  yel  minuens.  Denselben 
Brauch  in  anderen  Städten  bestätigen  viele  solche  Urkunden  zu  Zara, 
Spalato  und  Trau. 

"  Cf.  Posse,  Lehre  79. 


104  VI.  AbbMdliinf :    ▼.  huffUj. 

Einzelabschriften  and  die  wörtliche  EinrUckung  oder  Insertion 
in  Dalmatien  besprechen.  Von  den  Kopialblichem  war  schon 
früher  die  Rede  (§  5). 

Bis  zum  13.  Jahrhundert  besteht  die  Transsamiening 
fast  nur  in  der  einfachen  Abschrift  und  diese  ist  gewöhnlich 
vom  Empfänger  der  Urkunde  hergestellt^  entbehrt  also  an  sich 
jeder  rechtlichen  Beweiskraft.  Sie  ist  vom  Originale,  wenn  uns 
gerade  die  durch  zeitliche  Unterschiede  hervorgerufenen  paläo- 
graphischen  Merkmale  nicht  helfen,  schwer  zu  unterscheiden; 
denn  die  dalmatinisch-kroatische  Urkunde  besitzt  überhaupt 
keine  scharfen  äußeren  Merkmale.  Die  Glaubwürdigkeit  der 
Abschrift  ist  verschieden;  doch  gehört  das  Urteil  darüber  in 
das  Gebiet  der  historischen  Kritik.  Nur  muß  es  betont  werden^ 
daß  in  der  ältesten  Zeit,  besonders  also  im  II.  Jahrhundert 
kein  Teil  der  Urkunde  von  der  Ungenauigkeit  der  Abschreiber 
verschont  blieb  und  wir  also  Abweichungen  vom  Original  so- 
wohl im  Protokolle  wie  im  Texte  vorfinden.*  Im  12.  Jahr- 
hundert sind  diese  einfachen  Abschriften  infolge  des  wachsenden 
italienischen  Einflusses  schon  weit  genauer. 

Im  13.  Jahrhundert,  also  ein  Jahrhundert  später  als  in 
Italien,  aber  auch  wie  dort  durch  die  erhöhte  Bedeutung  des 
Notariats  hervorgerufen,^  kommen  die  beglaubigten  Notariats- 
kopien in  den  Städten  Dalmatiens  häufig  vor.  Nur  zu  Zara, 
wo  das  Notariat  schon  etwas  früher  entwickelt  war,  tauchen 
solche  schon  in  der  zweiten  Hälfte   des  12.  Jahrhunderts  auf.' 


^  Ein  schönes  Beispiel  für  das  oben  Gesagte  liefern  zwei  Urkunden  Ton 
1070  (ed.  Doc.  Nr.  61a  älter,  b  jünger).  Von  der  Urkunde  sind  je  drei 
Exemplare  erhalten.  Die  Agramer  Exemplare  sind  mit  langobardischer 
Schrift  aus  dem  11.  Jahrhundert,  die  aus  Zara  mit  derjenigen  der  Wende 
des  12.  Jahrhunderts  geschrieben;  somit  ist  ein  Agramer  Exemplar  wahr- 
scheinlich Original.  Die  Unterschiede  innerer  Merkmale  weiter  verfolgt 
bei  Raöki,  Rad  36,  p.  145  ff.,  wo  er  den  Text  der  verschiedenen  Re- 
daktionen parallel  bringt.   S.  auch  Doc.  Nr.  41,  42,  60,  61,  52. 

*  Breßlau  I,  83 ;  Paoli  L.  838  ff. 

>  So  trägt  die  Urkunde  von  1107  (CSD.  II,  14)  folgende  Klausel:  Et  ego 
Johannes  Jadertinus  notarius,  ut  a  quadam  cartula  pene  consumta  vidi, 
neque  addidi  neque  minul  scripsi  hoc.  Die  Entstehung^eit  dieser  Ab- 
schrift ist  zwischen  1164  und  1172  zu  versetzen,  da  in  diesem  Zeiträume 
Notar  Johannes  zu  Zara  tätig  war  (cf.  Nr.  90,  121).  Cf.  für  Spalato 
Doc.  Nr.  101. 


Di«  dAlmatinMeli«  Privstiirkiind«.  105 

Im  14.  Jahrhundert  ist  die  Herstellang  solcher  Kopien  in  den 
Städten  allgemein  and  sehr  üblich. 

Das  Verhältnis  der  Notariatskopien  zn  dem  Original  ist, 
wie  zu  erwarten,  in  Dalmatien  genau  dasselbe  wie  in  Italien:^ 
ihre  forensische  Beweiskraft  war  dieselbe,  wie  man  sie  den 
Originalen  beimaß,'  auf  ihre  Genauigkeit  aber  in  der  Wieder- 
gabe des  Originals  hat  man  nicht  allzugroßes  Vertrauen  zu 
setzen.  Ebenso  sind  die  Formeln,  welche  der  Abschrift  voraus- 
gehen oder  sie  schließen,  dieselben  wie  bei  den  Notariats- 
abschriften Italiens.^  Im  14.  Jahrhundert  wird  die  Abschrift 
regelmäßig  von  noch  zwei  Notaren  mit  dem  Originale  ver- 
glichen, welche  dies  in  ihrer  Unterschrift  kundgeben.^  Falls 
das  Original  ein  Siegel  besitzt,  wird  dasselbe  immer  genau  von 
dem  abschreibenden  Notar  beschrieben.^  In  den  meisten  Fällen 
wird  das  Datum  der  Beglaubigung  nicht  angegeben;^  doch 
sind  auch  genaue  Angaben  desselben  nicht  selten,  besonders 
im  13.  und  um  die  Mitte  des  14.  Jahrhunderts,  zur  Zeit  der 
Regierung  Ludwigs  des  Großen. 

Aber  im  Gegensatze  zu  den  Originalurkunden,  wo  die 
Siegelurkunde  dem  Andringen  der  Notariatsformeln  öfters 
erlag,^  zeigt  sich  im  14.  Jahrhundert   bei  der  notariellen  Ab- 


^  Cf.  BreßUu  I,  82  ff.;  Paoli  L.  338. 

*  Zum  Überfloß  wird  diese  bekannte  Tatsache  'noch  ausdrücklich  bestätigt. 
So  sagt  ein  Erzbischof  von  Spalato  im  14.  Jahrhundert,  daß  die  Kopien, 
die  der  Notar  Johannes  in  das  Kopialbuch  eingetragen  hat,  yor  jedem 
Gerichte  dieselbe  Gültigkeit  haben  wie  die  Originale  selbst.  Cf.  Raöki, 
Stari  prepisi,  Rad  vol.  36,  p.  143. 

'  Hoc  est  exemplum  (copia)  cuiusdam  instrumenti,  cuius  tenor  talis  est. 
Den  Schluß  bildet  die  Unterschrift  des  Notars,  wo  die  Formel:  ,nil  ad- 
dens  yel  minuens,  quod  sententiam  mutet  yel  yariet  intellectum,  preter 
forte  punctum,  literam  aut  syllabam  per  errorem'  betont  wird. 

^  .  .  .  diligenter  et  fideliter  auscultaui  et  quia  utromqne  concordare  inyeni, 
nt  eidem  exemplo  adhibeatur  de  cetero  plena  fides  .  .  .  subscripsi  .  .  . 
Über  den  Wert  dieser  Beteuerungen  s.  Paoli  L.  339. 

'  S.  Doc.  Nr.  98,  wo  Raiki  im  Anhange  die  notarielle  Beschreibung  des 
Siegels  des  kroatischen  Königs  Zyonimir  gedruckt  hat;  dann  die  Be- 
schreibung der  Siegel  der  ungarischen  KOnige  in  dem  Transsumpte  yon 
1258  (cf.  oben  S.  88,  N.  3)  und  in  der  Kopie  (a.  1S2Ö)  einer  Urkunde 
des  Königs  Bela  yon  1242   (in  ACT.  Nr.  48). 

*  Cf.  Breßlau  82,  N.  4. 

*  S.  oben  S.  93  f. 


106  VI.  Abbsndlonr:    ▼.  SaffUy. 

Schrift  zuweilen  ein  nnverkonnbarer  nördlicher  Einfloß^  denn 
es  kommen  sogar  zu  Zara  Fälle  vor,  wo  den  Unterschriften 
des  abschreibenden  oder  der  kollationierenden  Notare  ein 
authentisches  Siegel  zugefügt  wird,^  und  zu  Nona  verdrängt 
bei  Abschrift  des  Instrumentes  das  Siegel  gelegentlich  gänzlich 
die  italienische  Art  der  Beglaubigung.'  Trotzdem  sind  dies 
formell  genommen  noch  fast  reine  Produkte  des  italienischen 
Urkundenwesens,  nur  angehaucht  von  dem  nördlichen  diplo- 
matischen Einflüsse.  Derselbe  erreicht  aber  einen  anderen 
Wirkungskreis  in  Dalmatien,  auch  was  die  Vervielfältigung 
der  Urkunde  anbelangt,  indem  am  Ende  des  14.  Jahrhunderts 
die  Abschriften  der  kroatischen  Privatverträge  durch  Insertion 
in  der  Eapitelurkunde  der  Städte  auftauchen. 

Somit  ergeben  sich  für  die  dalmatinische  Privaturkunde 
folgende  Formen  der  Transsumierung:  im  Zeitalter  der  dalma- 
tinisch-kroatischen Urkunde  ist  die  einfache  Abschrift  allein- 
herrschend; parallel  aber  mit  der  weiteren  Entwicklung  dieser 
Urkunde  zum  Instrumente  in  den  Küstenstädten  und  zur 
Siegelurkunde  der  kroatischen  Bewohner  Dalmatiens  verwandelt 
sich  auch  diese  Form  der  Transsumierung  in  die  beglaubigte 
Notariatskopie,  beziehungsweise  in  ein  scriptum  authen- 
ticum,  dem  das  Siegel  eines  Kapitels  die  nötige  Gewähr  für 
die  Glaubwürdigkeit  verleiht. 

14.  Examinatores  und  auditores  der  Instrumente 

in  den  Küstenstädten. 

Wenn  auch  das  Notariat  sich  in  den  Städten  früh  nach 
dem  italienischen  Muster  entwickelt  hatte  und  bald  auch  einen 
meistens  aus  italienischen  Notaren  bestehenden,  verhältnismäßig 
mächtigen  Organismus  bildete,  so  hatte  es  dennoch  wegen  der 
immerhin  noch  unzureichenden  Zahl  der  Notare  nie  den  Höhe- 
punkt der  Entwicklung  durch  die  Bildung  von  Kollegien  erreicht. 


^  So  einem  zweiten  Transsumpte  der  oben  erwähnten  KOnigsarkande  von 
1166  (CSD.  n,  70)  in  GAZ.,  Abt.  Rogovo  f.  lU,  Nr.  27  von  a.  1346. 

'  So  findet  man  in  einem  Kodex  aas  dem  17.  Jahrhundert:  Privileggi  di 
Nona  fol.  14 — 18  (GAZ.)  eine  Abschrift  der  königlichen  Urkunde  (von 
1272)  von  1342,  welche  keine  Unterschrift  des  Notars,  aber  an  deren 
Stelle  die  Ankündigping  des  Siegels  der  Kommune  besitst. 


Die  dalBAtiiusche  PriTatarlmnde  107 

waren  die  dalmatiniBcheii  Notare  vieler  Wohltaten,  welche 
tariatskorporationen  den  Notaren  der  italienischen  Städte 

namentlich  aber  des  Schatzes  gegen  die  Eingriffe  jedes 
gen  fremden  Notars  beraubt.^  Als  ein  Ersatz  für  das 
echt  der  italienischen  Notare  entstand  in  den  Küsten- 
1  in  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts,^  also  gerade 
ginne  des  immer  stärker  werdenden  Andranges  fremder 
scher  Notare,  ein  neues  Amt.    Es  sind  das  die  examina- 

zu  Zara,  Sebenico,  Trau,  Spalato  etc.  und  die  etwas 
3n  auditores  in  SUddalmatien  zu  Cattaro  und  Budva. 
)er  Dienst  der  ersteren  dauerte  wahrscheinlich  überall 
nzes  Jahr.^  Die  Zahl  derselben  ist  nur  im  Statute  von 
festgesetzt;  es  waren  ihrer  sechs.^  Man  kann  daraus 
ich  aus  den  Unterschriften  in  den  Urkunden  selbst  auf 
»e  Zahl  der  Examinatores  in  anderen  Städten  schließen, 
ttaro   sollten   drei  Auditores   auf  sechs  Monate  gewählt 

A^ie  aus  dem  Statute  von  Trau  hervorgeht,  war  die  Auf- 
les  Examinators,  alle  Instrumente,  welche  die  beeideten 
;  der  Stadt  ausfertigten,  zu  examinieren,  das  heißt  sie 
einer  in  eine  bestimmte  Formel  gefaßten  Unterschrift 
sehen.  Instrumente  anderer  nicht  beeideter  Notare  durfte 
ter  großer  Geldstrafe  nicht  examinieren.  Wurde  aber 
strument  binnen  einer  gewissen  Frist  nicht  examiniert 
i  dies  mußte  den  Instrumenten  nicht  anerkannter  und 
ter  Notare  immer  widerfahren  —  so  war  es  ungültig.^ 
klar,   daß   durch   dieses  Amt   die  freie  Ausübung  des 


nn  in  einer  italienischen  Stadt  ein  Notar,  der  nicht  zur  Korporation 

lörte,  Urkunden  aufnahm,  so  hatten  dieselben  keinen  Glauben;  außer- 

a  wurde  er  deswegen   bestraft.  Stat    Bonon.  nib.  72,  §  10;  Stat.  Tau- 

i  (bist.  patr.  mon.  II,  p.  603);  cf.  Österley  I,  200. 

r  Unterschrift   des  Examinatora  das  erste  Mal  su  Zara  1231,  zu  Trau 

3,  zu  Spalato  1247,  zu  Sebenico  1243,   zu  Scardona  1311.    Belege  s. 

in  S.  57  f. 

!S  ist  nur  im  Statut  von  Trai\  ausdrücklich  erwähnt:   quomm  exami- 

orum  officium  duret  per  unum  annum  (1.  1,  c.  68,  p.  18). 

lern. 

t.  Cath.  c.  9,  p.  7. 

t.  Tra&,  l.  1,  c.  68;  Beform.  1347,  l.  1,    c.  28,  p.  80;    cf.  SUt.  Jadr. 

,  c.  91,  p.  27. 


108  YI.  AbhudlDiir:     ▼.  daffUy. 

Notariats  nicht  nur  beschränkt,  sondern  aasgeschlossen  war. 
Dadnrch  ist  auch  die  Annahme  gerechtfertigt,  daß  der  nrsprüng- 
liche  Dienst  des  Examinators  nur  in  der  mechanischen  Ver- 
richtung dieser  Aufgabe  bestand  und  sein  Entstehen  demselben 
Sicherungsdrange  gegen  beliebige  fremde  Eingriffe  zu  verdanken 
war,  welcher  in  den  italienischen  Städten  die  Kollegien  schuf. 

In  dem  Amte  des  Examinators  in  den  Kttstenstädten 
treffen  wir  zum  erstenmale  eine  Institution,  welche  allerdings 
den  in  Italien  waltenden  Grundsätzen  entsprossen  war,  praktisch 
aber  in  der  Ausbildung  einen  vollständig  selbständigen  Charakter 
trägt  und  nur  in  den  ,giudici  a  contratti'  SUditaliens  ein  Gegen- 
stück besitzt.^  Ein  unansehnlicher  Beamter  des  Kollegiums 
der  Notare  Oberitaliens'  ist  in  den  Städten  Dalmatiens  durch 
originale  Initiative  der  Verwaltung  zum  Vertreter  des  offenbar 
wichtigsten,  oben  erwähnten  Zunftrechtes  der  Notare  erhoben 
worden.  Er  drückt  durch  seine  Unterschrift  auch  formell  dem 
Instrumente  ein  eigentümliches  Gepräge  auf. 

Aber  zu  der  besagten  ursprünglichen  Aufgabe  des  Exa- 
minators trat  bald  noch  eine  Dienstpflicht  hinzu,  welche  die 
erste  lokal  stark  in  Hintergrund  drängte.  Wie  aus  dem  alten 
Statute  von  Spalato  hervorgeht,  war  die  Anwesenheit  des 
Examinators  beim  Abschluß  des  Vertrages  notwendig.^  Hierin 
offenbart  sich  ohne  Zweifel  ein  neuer  charakteristischer  Zug, 
welcher  dieses  Amt  dem  etwas  späteren  Amte  des  südlichen 
Auditors  ganz  nahe  bringt.  Wie  zu  Gattaro  die  Auditores 
regelmäßig,  so  waren  die  Examinatores  der  nördlicheren  Städte 
gewöhnlich  eine  Art  Vorsitzender  beim  Abschluß  der  Verträge. 
Sie  hatten  darüber  zu  wachen,  daß  der  Vertrag  in  gesetzlichen 
Formen   geschehe,    daß  kein   Betrug   unterlaufe.^    Als   Hüter 


^  Cf.  Bussi,  Paleografia  115. 

'  Beim  Collegium  zu  Verona  waren  mehrere  examinatorea  angestellt,  aber 

ohne  einen  ähnlichen  Dienst  zu  verrichten;  Stat.  Veron.  1.  1,  c.  67  f. 
'  ...  et  antequam  partes  recedant,  debeat  (notarins)  scribere  in  qaaterno 

totum  contractum  ...  et  adminus  cum  presentia  duomm  testium  et  cum 

examinatore;  Stat.  Spal.  vet.  1.  1,  c.  60. 
*  Item  eligantur  .  .  .  aaditores  cartaram  notarii,  quae  (sie!)  aadiant  Chartas 

a  notario  faclendas,  ut  in  contractibns  et  inter  contrahentes  nalla  frans 

de  cetero  committatnr.    Stat.  Cath.  c.  9,  p.  7.    Die  aaditores  bekamen 

vom  Notare  ftlr  ihre  MQhe  die  Hftlfte  der  Taxe;    tlber  die  Belohnung 

der  Examinatores  kann  ich  nichts  berichten. 


Die  dalmatiniMh«  PriTatarknnde.  109 

der  Gesetze  standen  sie  höher  als  die  Notare  selbst  und  darum 
war  ihrer  Unterschrift  der  erste  Platz  angewiesen.^ 

Nnr  zu  Lesina  bekam  dieses  Amt  noch  eine  rein  slawische 

Färbnog,   indem    aus    den    Verrichtungen    des    Examinators, 

welchem  hier  die  Grenzbesichtigung,  die  Aufrechterhaltung  und 

Bewahmng  der  Servitutenrechte  wie  auch  die  Besitzergreifung 

anvertraut  wurde^'  eine  leichte  Verknüpfung  mit  den  Pflichten 

des  schon  halbvergessenen   altertümlichen  kroatischen  Pristay 

dorchschimmert. 

Bei  der  ursprünglichen  Einfachheit  und  dennoch  großen 
Wichtigkeit  dieses  Amtes  war  zur  Bekleidung  der  Stelle  eines 
Examinators  zuerst  nur  eine  schreibkundige'  und  angesehene 
Person  benötigt.  Darum  treffen  wir  in  erster  Zeit  hauptsächlich 
inr  angesehene  Bürger  in  diesem  Amte:  zu  Zara  aus  den 
''amilien  de  Ciuallellis,  de  Zadulinis,  de  Matafarro/  zu  Traii 
ie  Ea2oti6i  (Casioti);  zu  Spalato  die  Angehörigen  der  Familie 
rrisogono,  Srege  etc.  Die  Pflicht  jedoch,  über  die  exakte  und 
3setzliche  Beschaffenheit  der  Instrumente  zu  wachen,  schuf 
ne  fernere  Bedingung  für  die  Ausübung  des  Amtes,  den 
esitz  der  nötigen  Rechtskenntnisse.  Darum  vereinigte  man 
it  dem  14.  Jahrhundert  in  den  oberen  Eüstenstädten  regel- 
ißig  den  Titel  eines  iudex  mit  demjenigen  des  Examinators,^ 
oft   sind   rechtskundige  Notare   in   beiden  Amtern   zugleich 


Was  Beats,  Bechtssostand,  p.  86,  von  dem  Dienste  der  E^zaminatores  be- 
richtet, daß  sie  ,neben  der  Unterschrift  der  Urkunde  auch  das  Siegel 
gaben'  ist  natürlich  unrichtig,  denn  die  Erwähnung  des  Siegels  des 
Examinators  in  dem  Statute  von  Zara  (1.  3,  c.  107)  bezieht  sich  nur 
luf  daa  Verschließen  des  Testamentes  durch  ein  solches  Siegel;  cf. 
>ben  S.  88,  Note  6. 

»tat.  Liesin.  1.  1;  cf.  Reutx  86.  So  wie  ich  mich  erinnere,  corroborierte 
er  Examinator  auch  su  Lesina  die  Urkunden. 

•in  Richter  z.  B.  brauchte  nicht  schreiben  su  kOnnen.  Viele  Fälle 
ommen  In  den  Gerichtsurkunden  vor,  wo  an  der  Stelle  eines  Richters 
cribere   nescientis'  sich  ein  Notar  unterschreibt. 

demselben  Jahre  1285:  Lampredius  de  Ciuallellis  (orig.  Begna,  Nr.  8)  ; 
ranciacna  Zadulinis  (orig.  s.  Maria);  Volcina  de  Matafarro  (orig.  GAZ. 
Nie.   Nr.  69). 

erst  zu  Zara  a.  1283  ein  iudex  examinator  (orig.  AsA.),  cf.  Stat.  Jadr. 
I,    c.  107. 


110  YI.  AbhftndlQDg:    ▼.  äaffUy. 

tätig.  ^  Nur  im  fernen  Süden  zu  Cattaro  verblieb  das  Amt  des 
Auditors y  trotzdem  es  dieselben  Kenntnisse  forderte^  in  seiner 
primitiven  Beschaffenheit.  In  Budva  behielt  der  Auditor  seine 
selbständige  Position  auch  dann,  als  er  eigentlich  za  einem 
überflussigen  Anhängsel  des  giudice,  des  Richters  fUr  Verträge 
wurde,  auf  welchen  eigentlich,  wie  der  Titel  selbst  zeigt,  die 
aktive  Rolle  des  Amtes  überging.'  Dennoch  ist  auch  diese 
Spaltung  der  ursprünglich  einheitlichen  Institution  theoretisch 
als  eine  Folge  desselben  Entwicklungsganges  wie  im  Norden 
aufzufassen,  denn  an  die  Stelle  des  vervollständigenden  Titels 
eines  Richters  zum  Amte  des  Examinators  in  den  oberen 
Städten  Dalmatiens  tritt  hier  zum  ,auditor'  ein  rechtskundiger 
Kollege:  ,giudice'  zu,  um  dem  Schließen  des  Vertrages  offiziell 
beizuwohnen.  Waren  aber  die  Vorgänge  zur  Erlangung  eines 
öffentlichen  Instrumentes  durch  das  Amt  des  Examinators 
schon  im  Norden  fast  komplizierter  geworden  als  in  Italien, 
so  erwies  sich  diese  ganz  eigenartig  gestaltete  Institution  von 
Budva  in  der  Praxis  als  schwerfällig,  da  das  Erfordernis 
der  Anwesenheit  zweier  zur  Beaufsichtigung  der  Instrumente 
zugeteilter  Beamten  den  schnellen  Gang  der  Dinge  gewiß 
hinderte. 

vn. 

Geschäftsformeln. 

Die  folgenden  Ausführungen  sollen  erstens  als  spezielle 
Belege  und  Ergänzungen  zu  den  in  den  vorigen  Kapiteln  auf- 
gestellten allgemeinen  Folgerungen  dienen,  dann  den  Höhe- 
punkt der  Entwicklung,  zu  welchem  sich  das  dalmatinische 
Instrument  in  seiner  Blütezeit  im  14.  Jahrhundert  nach  und 
nach  emporgeschwungen  hatte,  sowie  die  rechtliche  Bedeutung 
der  Formeln  klarlegen.  Sollte  namentlich  der  letzteren  Aufgabe 
erschöpfend  Genüge  geleistet  werden,  so  würde  die  Arbeit  zu 
stark  anschwellen   und   dieser  Abschnitt  in  keinem  Verhältnis 


^  So  z.  B.  a.  1320  zu  Zara  (orig.  GAZ.  s.  Gris.  XVII,  Nr.  394):  Ego  Johannes 
Qaali  iudex  examinator  manum  niisi.  Als  Notar  von  1291 — 1302. 

'  Che  il  nostro  notaro  non  possa  scriver  nissuna  carta  senza  giudice  et 
auditor,  ma  dehba  scriyere  in  presentia  loro  et  essi  debbano  sotto  scri- 
versi  in  ogni  carta  .  .  .  Stat.  Bud.  c.  260.  (Dies  gilt  vom  16.  Jahrh.  weiter.) 


Di«  drimatiniiiche  PriTatarkimde.  111 

zo  anderen  Teilen  stehen.    Dies  and  das  Bestreben^  hier  auch 
dieselbe  Methode   der  Untersuchnng  wie  in   früheren  Kapiteln 
zn  behalten,   um    womöglich    an    die    dalmatinisch-kroatische 
Urkunde  anzuknüpfen,   zwingen   mich,   eine  Auswahl  der  be- 
nrkandeten  Rechtsgeschäfte  zu  treffen,   bei  deren  Betrachtang 
die  oben  gestellten   Aufgaben    gänzlich   oder   teilweise    gelöst 
werden  können.     Es  sind  dies  der  Eauf^   die  Schenkung  and 
das  Rechtsgeschäft   auf  Todesfall  und  die  ihnen  entsprechende 
Kauf   und  Schenkungsurkunde^    sowie   das   Testament.     Nur 
diese  drei  Formulare  entsprechen   gewissermaßen   den   obigen 
Forderungen,  indem  sie  in  der  alten   kroatisch-dalmatinischen 
Urkunde  fast  ausschließlich  vertreten    sind  und  auch  die  zahl- 
reichste   Gruppe    von    Rechtsgeschäften    der    späteren    Jahr- 
hunderte bilden.^     Diese  Rechtsgeschäfte  sind   noch  in   einer 
Einsicht  interessant,  weil  das  erste,  besonders  aber  seine  Rechts- 
lufzeichnuDg,  dem  Rechts-  und  Zeitgeiste,  beziehungsweise  den 
erbesserten    wirtschaftlichen    Verhältnissen    proportioneil    zu- 
immt,   das  zweite  mit  dem  Rückgange  des   religiösen  Sinnes 
ad   der  schon   öfter  erwähnten  Tendenz   der  Städte  zur  Be- 
hränkung    der  Kirche  abnimmt,    das   dritte   endlich   in   der 
leorie  immer  gleich  notwendig  erscheint. 

Über  die  lateinische  Sprache  der  dalmatinischen  Privat- 
kande  wage  ich  nicht  systematisch  zu  handeln.  Stößt  der 
pJomatiker  schon  bei  der  Betrachtung  des  gallischen  und 
ienischen  Lateins  in  den  entsprechenden  Urkunden  auf  große 
1  Gierigkeiten  wegen  der  unzureichenden  Vorarbeiten,*  so 
fen  sich  hier  die  Hindemisse  noch  durch  den  weit  kom- 
ferteren  Untergrund  der  lateinischen  Sprache  der  dalmatini- 
in  Urkunde,  denn  außer  dem  Einflüsse  des  altromanischen 


ias  dem  18.  Jahrhunderte  sind  xwar  die  Urkunden  über  LeihvertrXge 
'erhältnismSßig  am  zahlreichsten  erhalten  (za  Zara  von  44  erhaltenen 
Jrkanden  im  Zeiträume  von  1200 — 1242  sind  11  Emphjtheusen ,  also 
erade  ein  Yiertel),  aber  sie  beginnen  eben  erst  im  18  Jahrhundert.  — 
Vaa  die  Gerichtsurkonde  anbetrifft,  welche  auch  aus  der  ersten  Periode 
»is  zom  13.  Jahrhundert)  erhalten  ist,  so  muß  sie  aus  dem  oben  er- 
ahnten Omnde  wegfallen,  nämlich  weil  ihre  Betrachtung  zu  große 
imensionen  annehmen  würde,  da  außer  den  unerschöpflichen  Formeln 
s  Rechtsg^anges  die  fortwährend  in  der  Entwicklung  begriffene  Qe- 
tht« Verfassung  der  Städte  ausführlich  behandelt  werden  müßte. 
Sickel,  licbre  von  den  karolingischen  Urkunden  141  ff.;  Breßlau  562 ff. 


112  Tl.  Abhudluff:    t.  doffUy. 

Dialektes^  und  später  der  Mundart  von  Venedig,  sogar  in  der 
Nominal-  und  Verbalflexion,  ist  der  Einfluß  des  Slawischen  und 
Griechischen  auf  den  Wortschatz  der  lateinischen  Urkunde 
nicht  zu  bestreiten.'  Auch  ist  die  absichtliche  Nachahmung 
der  italienischen  Muster  in  der  Schreibweise  schon  in  der 
ältesten  Zeit  zu  bemerken,  indem  dazu  gelegentlich  die  Über- 
einstimmung des  Altromanischen  mit  dem  italienischen  Vulgär- 
latein Vorschub  leistete.' 

Das  Gesagte  gilt  besonders  fUr  die  älteste  Urkunde  bis 
in  die  zweite  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts,  also  bis  zur  Ein- 
führung des  Notariats;  denn  wie  überall  hatten  die  geistlichen 
Schreiber  dieser  Periode  ziemliche  Kenntnis  der  lateinischen 
Schriftsprache  und  trachteten  dieselbe  so  gut  wie  möglich 
anzuwenden;  wie  überall  entstehen  hier  sogenannte  Kompromiß- 
texte ,^  nur  sind  sie  von  zwei  Vulgärsprachen  bedingt.  Mit 
der  Begründung  des  Notariats  in  den  Städten  taucht  in  den 
Urkunden  dieselbe  lateinische  Schriftsprache  auf,  wie  sie  eben  in 
dem  italienischen  Notariatsinstrumente  die  Herrschaft  gewonnen 
hatte ,^  nur  selten  von  einem  oder  dem  andern  der  früheren 
sprachlichen  Einflüsse  bedingt.^    Aber  reichlichen  Ersatz   ffelr 

^  Darüber  Ive:  L'antico  dlaletto  di  Yegla  (Arch.  glottolog^co  ital.  IX, 
129  ff.) ;  Bartoli,  Über  eine  Studienreise  zur  Erforschung  des  Altromani  - 
sehen  (Anzeiger  der  kais.  Akademie,  Sitzungsber.  1899,  160  ff.);  Jiredek, 
Romanen  (Denkschriften,  vol.  48.  78  ff.). 

'  Cf.  die  ausgezeichneten  Bemerkungen  yon  Jiredek,  1.  c.  80—93. 

'  A.  1044,  Doc.  Nr.  38:  Ego  Crisana  diaconus  rogatus  scripslt  et  com- 
pleui.  Hier  kommt  das  ,t'  durch  umgekehrte  Schreibung  an  unrichtige 
Stelle,  indem  es  der  ersten  Person  perfecti  angehängt  wird.  Diese 
Schreibweise  ist  gewiß  der  italienischen  Urkunde  entnommen,  wo  seit 
der  ältesten  Zeit  solche  Fälle  zahlreich  vorkommen  (cf.  Breßlan  566). 
Zu  dieser  Schreibweise  half  aber  natürlich  der  Umstand,  daß  das  flezive 
,t*  im  Altromanischen  wie  im  Italienischen  nicht  mehr  gehört  wurde. 
(Für  das  Altrom.  ist  das  von  Jire^ek  p.  80  angeführte  Perfekt  fechi  =  fecit 
beweisend;  für  Ital.  s.  Gröber  in  Archiv  für  lat.  Lexikographie  I,  211  f.; 
Geyer,  Beiträge  zur  Kenntnis  des  gall.  Latein  ebd.  II,  42.)  —  Für  die 
umgekehrte  Schreibung  des  ,h'  bieten  die  ältesten  Urkunden  schon  Bei- 
spiele: Doc.  Nr.  20,  a.  c.  996  hemptf  piscationis  munus;  Nr.  127,  a.  1090 
Post  hec  habii  ad  .  .  .;  cf.  auch  die  älteste  mittelalterliche  Inschrift 
Dalmatiens  in  CSD.  I,  Natpisi  Nr.  1  (a.  680). 

*  Breßlau  661.  «  Cf.  Breßlau  677  f.,  Paoli  L.  128. 

'  Außer  den  Eigen-,  Orts-  und  Flurennamen  (cf.  Jiredek,  p.  66  ff.)  bilden  eine 
auffallende  Ausnahme  darin  die  slawischen  Wörter,  welche  das  Flächen- 


Die  dftlmatiniifthe  Privat vknnd«.  113 

den  verlorenen  Elinflaß  auf  die  frühere  dalmatinisch-kroatische 

Urkunde  findet  der  altromanische  Dialekt  in  den  eigenhändigen 

Testamenten  yon  Zara  und  Ragasa^   nnd  das  Kroatische  wird 

vom  13.  Jahrhundert  angefangen  als  Urkundensprache  auf  der 

östlichen  Küste  so  üblich,  daß  es  sich  auch  in  dieser  Beziehung 

mit  jeder  nationalen  Volgärsprache  messen  kann.' 

16.  Kaofürkunde. 

Die  Kaufurkunde  bietet  für  die  Zwecke,  welche  wir 
verfolgen,  das  reichhaltigste  Material,  denn  erstens  können 
vir  die  Entwicklung  ihres  Formulars  früh  schon  verfolgen, 
lann  am  besten  das  allmähliche  Eindringen  und  Wachsen 
ieler  in  Italien  ausgebildeter  Formeln  beobachten,  indem 
}lche  Urkunden  seit  dem  13.  Jahrhundert  sehr  zahlreich 
'halten  sind.  Die  interessanten  Einzelheiten  in  rechtlicher 
id  diplomatischer  Hinsicht,  welche  dieselbe  besitzt,  werden 
1  Laufe  der  Betrachtung  dieser  Urkunde  von  selbst  ins 
Qge  springen. 

Das  slawische  Recht  kannte  gleich  dem  germanischen 
n  Kauf  nur  als  Naturalvertrag.  Dieser  Rechtsauffassung, 
nach  der  Kauf  lediglich  in  dem  unmittelbaren  Umtausche 
)    Ware    und   Geld    bestand,'    entsprach    auch,    wie    oben 

maß  bezeichnen,  wie  die  gognai  za  Zara,  die  vreteni  zu  Trau,  die 
auch  in  die  Statuten  aufgenommen  worden  sind  (s.  unten  S.  118f.);  weiter 
die  Bezeichnungen  in  der  Beschreibung  der  Grenzen  wie  potoch  (a.  1296 
Zara,  orig.  8  Maria),  ograda,  sassada  (a.  1292  Zara,  orig.  GAZ.  s.  Dom.  692) 
und  des  Erdbodens  wie  derrum  siue  nerezina  (1307  Nona  orig.  AsA.), 
^arsum,  ^ains,  gomilla  (in  vielen  Urkunden  des  14.  Jahrhunderts  von 
^ara).  —  Auf  eine  interessante  kulturelle  Strömung  weist  die  Bezeich- 
lung-  des  HOrigen  mit  dem  ungarischen  iobagio  in  den  Urkunden  von 
^ara  (so  z.  B.  a.  1268  orig.  GAZ.  s.  Gris.  I,  K.  6  iobagiones  monasterii 
.  Grisog'oni  de  Jadra;  1292  orig.  s.  Maria,  iobagiones  Nicolai  de  Begna). 
estamente  von  Ragusa  von  1282  f.;  Jireöek,  1.  c.  8;  auch  unten  §  17. 
f.   oben   %   10;   für  das  Italienische  und  Deutsche   als  Urkundensprache 

Breßlau    600  ff. 
ieser   Rechtssatz  wird  ersichtlich  aus  dem  Satze,  der    uns  in   der  Auf- 
hlungr    der   gekauften  Grundstücke  in  der  Schenkung  Petrus  Öme  an 
s    Kloster  zu  Selo  (neben  Spalato)  erhalten  ist  (Doc.  Nr.  111,  a.  1080, 

132};     Fili ,  sine   requirere    prefatum  molendinum  ..  .  nam  ego  scio, 
od    pretimn  exinde  tulit  et  pretium  dedit  Cicle.     Cf.  Heusler,  Insti> 
Ionen   ü,  235;  Schröder,  Rechtsgeschichte  62.  715. 
n^slter.  d.  pbll.-hist.  Kl.  CXLYII.  Bd.  6.  Abh.  8 


114  VI.  AbbftndliiBg:    t.  SaffUy. 

gezeigt  worden  ist,  daß  die  Urkunde  bei  Kroaten  zuerst  ohne 
jede  rechtliche  Bedeutung  war  und  die  Rechtshandlung,  falls 
aufgezeichnet,  nur  die  Form  des  jeder  Beweiskraft  entbehrenden 
Aktes  annehmen  konnte.  Indem  aber  mit  der  Zahlung  des 
Kaufpreises  das  Geschäft  für  den  Verkäufer  seine  Bedeutung 
verlor  und  nur  im  Interesse  des  Käufers  es  lag,  ein  dauerndes 
Mittel  zu  besitzen,  um  das  Gedächtnis  der  Erwerbung  des 
Kaufobjektes  und  der  zugezogenen  Zeugen  aufrecht  zu  erhalten, 
so  ist  es  natürlich,  daß  diese  Akte  von  den  Käufern  verfaßt 
wurden  und  somit  das  ,emi^  desselben  und  nicht  das  ,vendidi' 
des  Verkäufers  in  ihnen  betont  wird.^  So  stark  war  der 
Einfluß  des  Aktes  auf  die  dalmatinische  Kaufurkunde,  daß 
sich  das  ,emi'  auch  zur  Zeit  der  Neubelebung  der  städtischen 
Urkunde  erhielt  und  am  Anfange  des  13.  Jahrhunderts,  trotz 
des  Einflusses  der  italienischen  Urkunden  typen,  noch  ein  Breve 
zu  Spalato  auftaucht,  welches  nur  des  emere  des  Käufers 
gedenkt.^  Auch  die  Kaufurkunde  von  Zara  konnte  in  dieser 
Hinsicht  von  diesem  Einflüsse  nicht  freibleiben. 

Hier  zu  Zara  wirkte  die  slawische  Rechtsauffassung  nicht 
sofort  vernichtend  auf  die  Beurkundung  des  Kaufgeschäftes, 
ja  es  ist  sogar  eine  Gegenwirkung  fühlbar,  indem  die  Kauf- 
urkunde auch  von  den  benachbarten  Kroaten  zuweilen  an- 
gewandt wird.  Obgleich  die  ersten  Exemplare  der  zaratinischen 
Kaufurkunde  erst  im  11.  Jahrhundert  erscheinen,'  so  weist 
dieselbe  doch  noch  ziemlich  tiefe  Spuren  der  Anknüpfung  an 
die  spätrömische  Verkaufsurkunde  auf,  welcher  aber  auch  der 
Einfluß  der  oberitalienischen  carta  venditionis  und  die  Nähe 
des  kroatischen  Aktes  ein  eigentümliches  Aussehen  verleiht. 
Im  Anschluß  an  die  spätrömische  ^  umfaßt  die  zaratinische 
Urkunde  verwitterte  Fragmente  der  Formeln  für  das  habere 
Heere  und  für  die  Quittung  des  Kaufpreises,  deren  Hervorgehen 
aus  der  spätrömischen  Urkunde  die  Annäherung  an  die  roma- 
gnolische  Urkunde  und  die  Position  der  Quittung,   welche  der 


^  Doc.  Nr.  111  über  30  Beispiele. 

>  Spalato  1206  (orig.  ACS.  XVI,  1.  173)  In  Christi  nomine.  Anno  .  .  .  Ego 

quidem  Nicola  Casari  emi  in  Brazza  de  Dobrona  ...  III  eoram  petias  . . . 

(Notar  Sabatius). 
»  Nur  Ewei  Urkunden  Doc.  Nr.  62  (a.  1070),  84  (a.  c.  1070). 
*  Earlowa,  Rom.  Recbtsgeschiohte  I,  997. 


Di«  dalnutiaiMlie  PnTatttikiinde.  115 

Eanfformel  folgt^  bestätigt.^  Dagegen  macht  sie  die  subjektive 
Fassung  und  die  Abfassung  vom  Standpunkte  des  Verkäufers^ 
wonach  das  vendidi  erscheint,  der  oberitalienischen  Kaufurkunde 
verwandt  y^  und  der  Einfluß  des  Aktes  ist  in  dem  Fehlen  des 
EingangsprotokoUs  zu  bemerken.  Indem  sie  nicht  den  Kauf- 
vertrag beurkundet,  sondern  die  Erfüllung  des  Kaufes  selbst, 
war  sie  im  Grunde  genommen  nicht  der  slawischen  Rechts- 
auffassung entgegen.^  Daß  sie  dennoch  bald  verschwindet  und 
die  ersten  erhaltenen  zaratinischen  Kaufurkunden  auch  die 
letzten  ihrer  Art  sind,  ist  nicht  direkt  auf  diese  Rechtsauffassung, 
sondern  auf  den  Einfluß  ihres  Produktes,  des  Aktes  zurück- 
zuführen. Im  12.  Jahrhundert  ist  die  Kaufurkunde  von  Zara 
schon  stark  im  Banne  des  Aktes  befangen;  alle  früher  vor- 
gefundenen Formeln  hat  sie  abgeworfen^  sogar  das  vendidi 
des  Verkäufers  hat  eine  Umwandlung  in  das  comparaui  oder 
emi  des  Käufers  erlitten.^ 

Das  Notariat  brachte  am  Ende  des  12.  Jahrhunderts  die 
Grundsätze  der  Glossatoren  nach  Dalmatien,  wonach  der  Ab- 
Schluß  des  Ejtufes  in  Übereinstimmung  mit  dem  römischen 
Rechte  durch  Konsens  und  schriftliche  Urkunde  in  der  Theorie 
anerkannt  wurde.^  Es  ist  dies  eine  Anschauung,  welche  dem 
gewiß  sehr  üblichen  Barkaufe  gerade  entgegentrat,  indem  sie 
die  Fertigung  eines  Instrumentes  verlangte.  Der  schroffe 
Gegensatz  dieser  Anschauungen  spiegelt  sich  in  den  Statuten 
wieder,  welche  den  Vertrag,  insbesonders  aber  den  Kaufvertrag 
als  nichtig  erklären,  falls  er  nicht  durch  ein  Instrument  befestigt 


^  Doc.  Nr.  62:  Ego  Johannes,  Chroatonim  dad uendo  possessionem  ...  pro  XX 
Bolidis  iure  perpetuo  possidendam  Nr.  84.  Actam  est  hoc  .  .  .  suh- 
qne  notitia  testiam  ante  qaorum  presentia  michi  dedisti  solidos  cf. 
Marini  Nr.  115;  aari  solidos  .  .  .  per  manus  emptoris  dati  .  .  .  testibns 
presentibns  cf.  117,  122. 

«  Cf.  Cod.  Longob.  162,  401;  Voltelini,  1.  c.  p.  LXVIII,  n.  5. 

'  Wie  auch  die  spätrOmische  Urkunde  der  germanischen  direkt  entgegen 
kam,  indem  sie  auf  die  Manzipationsgeschäfte  zurückgeht;  cf.  Bechmann, 
Die  Geschichte  des  Kaufes  I,  199. 

*  CSD.  II,  14.  16.  126. 

*  A.  1197,  CSD.  II,  249:  quicquid  venditur  vel  conceditar  necesse  habet 
vinculo  scripture  annodari.  Ac  per  hoc  ego  .  .  .  fateor ,  cf.  die  Arengen 
Nr.  222.  228.  249. 

8* 


116  VI.  AbbaDdlimg :    t.  S  n  f  f  1  a  7. 

wurde.^  Er  wurde  aber  durch  die  doch  schon  von  früher 
übliche  Eaufurkunde  wie  durch  den  Umstand  gemildert,  daß 
auch  das  Notariatsinstrument  keineswegs  zur  Beurkundung  des 
Eaufkontraktes  geworden  ist,  sondern  die  Erfüllung  des  Kaufes 
bezeugen  will.» 

Die  Ursachen,  weswegen  das  Instrument  im  allgemeinen 
und  somit  auch  die  Kaufurkunde  lange  noch  subjektiv  blieb 
und  einen  archaischen  Typus,  welcher  an  die  frühere  nord- 
italienische Carta  anknüpft,  behalten  hatte,  sind  schon  oben 
besprochen  worden.*  Hier  soll  noch  das  Formular  des  dalma- 
tinischen KauFinstrumentes  mit  besonderer  Berücksichtigung 
seiner  Eigentümlichkeiten  dem  italienischen  gegenüber  be- 
sprochen werden.  Die  einzelnen  Formeln  des  dalmatinischen 
Instrumentes,  welche  die  mühsame  Arbeit  der  Praktiker  in 
Italien  durch  Verbrämung  einiger  dem  römischen  Rechte  ent- 
nommenen Formeln  mit  der  alten  Carta  venditionis  schuf,  auf 
ihre  Quellen,  besonders  insofern  sie  römisch  sind,  zurück- 
zuführen, ist  nicht  unsere  Aufgabe,  sondern  einer  Geschichte 
der  Theorie  des  Notariatsinstrumentes  an  seinem  Entstehungs- 
gebiete selbst;  wir  müssen  dieselben,  wie  auch  den  Zeitpunkt 
ihrer  Aufnahme  einfach  konstatieren.  Nur  dorten,  wo  das 
dalmatinische  Instrument  sich  aktiy  erwies  und  die  älteren 
Notare  eigenmächtig  an  einen  untergehenden  Urkundentjpus 
anknüpften  oder  den  einzelnen  städtischen  Statuten  gemäß  eine 
Formel  modifizierten  oder  sogar  neu  schufen,  darf  die  Unter- 
suchung eingehender  sein. 

Die  Formeln  der  Kauflnstrumente,  seien  sie  älter  oder 
moderner,  subjektiv  oder  objektiv,  kann  man  in  drei  Teile 
teilen:  a)  der  eigentliche  Kaufvertrag,  h)  die  Erfüllung  des 
Kaufes,  c)  die  Formeln  über  die  aus  dem  Kaufvertrage  für 
den  Verkäufer  fließenden  Pflichten.* 

o)  Wie  im  italienischen  Instrumente  enthält  der  eigentliche 
Kaufvertrag  im  dalmatinischen  drei  Momente:  die  Konsens- 
erklärung der  Kontrahenten,  das  Kaufobjekt  und  den  Kaufpreis. 


^  Stat.  Spal.  vet.  1.  2,  c.  17;  s.  oben  S.  86. 
«  Cf.  Voltelini,  1.  c.  LXVIII  f.  •  8.  §  8. 
^  Ich  folge  hier  hauptsächlich  Voltelini,  1.  c.  p.  LXXff. 


Die  daliiifttmisobe  PriTttlnrkonde.  117 

Indem  das  Instrument  im  13.  Jahrhundert  subjektiv  bleibt^ 
betont  die  Verkaufsform  ei  die  Tätigkeit  des  Verkäufers 
natürlich  in  subjektiver  Fassung.  Die  Wendungen,  die  da 
gebraucht  werden,  ihre  Kombination  mit  der  Schenkungsformei 
und  besonders  die  Aufnahme  des  tradere  weist  auf  den  direkten 
Einfluß  der  longobardischen  Kaufurkunde.  Die  Foimei  lautet 
regelmäßig:  fateor  (manifestum  facio),  quoniam  do,  (dono)  trade 
et  vendo.^  Sobald  das  Instrument  die  objektive  Fassung  an- 
nimmty  lautet  sie  gewöhnlich:  A  vendidit,  dedit  et  tradidit  B, 
wo  das  Wort  tradere  ohne  Rücksicht  darauf,  ob  die  Sache 
beim  Verkaufe  zugegen  war,  gebraucht  wurde.* 

Zum  Kauf  Objekte,  als  welches  meistens  unbewegliche 
Sachen  erscheinen,  treten  die  Formeln,  welche  die  Modalitäten 
der  Veräußerung  bestimmen.  Somit  gehört  hierher  die  Pertinenz- 
formel,  die  Angabe  des  Flächenmaßes  und  der  Angrenzer, 
sowie  eine  eigentümliche  Formel,  welche  ich  als  Schenkung 
des  möglichen  Überrestes  bezeichne.  Die  Sorge  für  die  Aus- 
schmückung dieser  Formeln  fällt  zwar  den  Notaren  zu,  aber 
das  Vorkommen  oder  der  Mangel  dieser  Formeln  ist  hauptsächlich 
von  den  statutarischen  Bestimmungen  einzelner  Städte  bedingt. 

Indem  das  Statut  von  Zara  bei  dem  Verkaufe  eines 
Objektes  ,cum  robore  et  vigore',  das  heißt  mit  Übergabe  aller  auf 
dasselbe  sich  beziehenden  Instrumente  und  Qerichtsurkunden 
einen  Unterschied  in  Bezug  auf  die  Währschaftsleistung  macht,  ^ 
so  mußte  dies  ausdrücklich  im  Verkaufsinstrumente  betont 
werden  tmd  dazu  war  die  Pertinenzformel  besonders  geeignet. 
Darum  ist  in  einem  Instrumente  über  den  Verkauf  eines  Grund- 
stückes oder  Hauses  ,cum  robore^  dieselbe  immer  anzutreffen.^ 


^  Za  Nona  auch:  oonfiteor  donasse;   s.  oben  S.  78. 
'  Zur  Streitfrage  über  die  rechtliche  Wirkang  des  Wortes  tradere  s.  Bier- 
mann,  Traditio  ficta  80  f.;  Voltelini,  1.  c.  LXX. 

*  Nach  dem  Statute  von  Zara,  1.  II,  c.  104,  braucht  der  Verkäufer,  falls 
er  ,cum  robore'  verkauft,  nicht  ,excalumniare*,  cf.  Reutz  357.  Das  Statut 
selbst  erklärt  nicht  die  Bedeutung  der  Worte  ,cum  roboreS  Cf.  die  fol- 
gende Note. 

*  So  X.  B.  a.  1261  (orig.  GAZ.  s.  Nie.  15):  ...  cum  omnibus  suis  terminis 
et  pertineneiis  suis,  pratis,  aquis  atque  cum  omnibus  suis  cartis  nouis 
et  yeteribus,  suis  sententiis  et  cum  omni  vigore  et  robore  .  .  .; 
a.  1274  (orig.  Begna  5):  .  . .  cum  omnibus  cartis  suis  et  omnibus  aliis  ve- 
teribns  atque  nouia  ...  et  cum  omni  earum  yigore  ...  —  Daraus  ergibt 


118  YI.  Abhandlung:    t.  dnffUj. 

Aber  eben  deswegen  war  auch  bei  anderen  Kaufverträgen,  wo 
die  Übergabe  der  früheren  Instrumente^  die  sich  auf  das  Objekt 
bezogen,  nicht  erfolgte  oder  erfolgen  konnte,  eine  entsprechende 
Pertinenzformel  notwendig,  welche  in  der  Anhäufung  der  Be- 
standteile, die  dem  Dienste  der  Sache  gewidmet  waren,  einen 
Ersatz  für  die  nicht  zu  gebrauchende  Klausel:  cum  omni  vigore 
et  robore  fand.^  In  dem  Instrumente  anderer  Städte  ist  die 
ausgebildete  Pertinenzformel  nicht  häufig  zu  finden. 

Ebenso  verhält  es  sich  mit  den  Angaben  des  Flächen- 
maßes. Um  die  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  nämlich  ent- 
standen zu  Zara  und  Trau  Statuten,  welche  diese  Angabe  in 
den  Kaufinstrumenten  befahlen,  indem  sie  nur  in  diesem  Falle 
den  Verkäufer  zur  Haftung  wegen  des  Versprechens  der  Währ- 
schaftsleistung  zwangen.*  Im  Gegensatze  zu  dem  gleichzeitigen 
italienischen  Kaufinstrumente,  wo  diese  Angaben  fast  schon 
verschwunden  waren,'  und  zu  den  Instrumenten  anderer  Städte, 
wo  sie  nie  üblich  wurden,  erscheint  deshalb  von  der  Mitte 
des  13.  Jahrhundert  in  den  Kaufurkunden  von  Zara  regelmäßig 
die  Angabe  des  Flächenmaßes  in  slawischen  gognai,^  zu  Trau 


sich  die  Deutung  für  den  rätselhaften  Verkauf  ,cum   robore  ei  vigore' 
in  dem  Statute  von  Zara. 

^  Sie  lautet  in  der  üblichen  Fassung:  (cum  omni  longitudine  sna),  cum 
Omnibus  suis  certis  terminis,  pertinenciis,  confinibus  et  habenciis  ipsi 
...  tarn  Bubter  terram  quam  supra  terram  in  integrum  pertinentibos 
uel  que  pertinere  possint  (cum  omnibus  iurisdictionibus,  racionibus  et 
iuribus  suis). 

'  Stat.  Jad.  1.  3,  c.  46:  ...  quod  carta  venditionis  seu  permutatio  .  .  .  spe- 
cialem faciat  mentionem  narrando  gognay  vel  quot  seu  de  qnantis 
paribus  bovum  fuerit  possessio  .  .  .  quod  si  factum  fuerit,  teneatur  ille 
qui  possessionem  tradidit .  .  .  possessionem  defensare  et  ezcalumniare  etc. 
—  Stat.  Tra{i  1.  3,  c.  53:  quod  quicumque  .  .  .  agrum  vel  vineam  com- 
parauerit,  eum  vel  eam  ad  numerum  vretenornm  debeat  comparare; 
qui  autem  de  vretenis  non  fecerit  mentionem  .  .  .  tuno  venditor  non 
teneatur  eam  excalumniare. 

•  Voltelini,'  1.  c.  p.  LXXII. 

^  Über  dieses  Maß  berichtet  Stat.  Jad.  1.  3,  c.  144:  quod  omnes  gogtiay 
sint  uiginti  passus  per  longnm  et  totidom  per  amplum  ad  mensuram 
illius  passus,  qui  signatus  est  in  porta  ecclesiae  ft.  Petri  sitnatae  in  platea 
civitatis  Jadrensis.  —  A.  1258  (orig.  s.  Maria) :  manifestum  facimus  . .  ., 
quoniam  damus  donamus  atque  transactamus  .  .  .  totam  .  .  .  vineam  .  . . 
que  est  circa  sex  gognaoi. 


Die  dataulinisobe  FrlT»iiirkiiiide.  119 

diejenige  der  ebenfalls  slawischen  vreteni.^  Dagegen  werden 
in  Kaafinstromenten  aller  Städte  die  Nachbarn  immer  auf- 
gezählt 

Zar  Angabe    des  Flächenmaßes    tritt   in    den  Verkaufs- 
instrumenten  von  Zara  und  Trau  regelmäßig  die  Schenkung 
des  möglichen  Überrestes^    eine   Formel,   welche   die  An- 
fechtung  wegen  der  nicht  genauen  Angabe    der  Fläche  ver- 
hindert.    Sie   lautet  in  der  kürzesten  Fassung:   et  si   plus  vel 
minus  est,  tu  um  sit;  in  der  längsten,  welche  im  14.  Jahrhundert 
üblich  ist:  et  si  pluris  quantitatis  reperietur,  illud  plus  et  etiam 
totum  id,   quod  est  intra  siue  extra.  .  sit  tuum  et  intelligatur 
esse  uenditum   precio   infrascripto.     Es   ist   dies   eine   Formel, 
welche   unmittelbar   aus   der  longobardischen  Carta  hergeleitet 
werden   kann,   da  sie   sich  in  dem  gleichzeitigen   italienischen 
Instrumente  nicht  vorfindet;  oder  aber  von  der  Schenkung  des 
Uberwertes    der    italienischen    Instrumente    im    Anhange    zur 
Quittung,  die  in  die  Instrumente  einiger  Küstenstädte,  wo  die 
Angabe  des  Flächenmaßes   nicht   üblich  war,   zum  Ersatz  der 
oben  genannten  Formel  überging,   zu  Zara  und  Trau  aber  in 
der  Regel  fehlt.    Eine  vollständig  analoge  Formel  mit  derselben 
Position  ist  ja  in  der  älteren  longobardischen  Carta  zu  finden' 
und  von  ihren  Wendungen  und  Anspielungen  auf  den  Kaufpreis 
konnte   auch   die  Formel   des  Uberwertes   in  den  italienischen 
Notariatsinstrumenten  herrühren.' 


^  A^1259  (orig.  ACT.  ed.  FarUti  IV,  346 ;  Wenczel  XI,  469)  .  .  .  renanciantes 
omni  exceptioni  .  .  .  pro  eo  quod  non  facta  est  mentio  de  uretenis, 
quia  ipsa  terra  nee  aageri  nee  minui  potest.  —  Eben  aas  diesem  Ver- 
zichte kann  man  entnehmen,  daß  das  oben  zitierte  Statut  schon  zu 
dieser  Zeit  bestand.  —  Das  Statut  enthält  keine  weiteren  Bemerkungen 
über  die  Beschaffenheit  des  Maßes  vreten;  wie  aus  den  Urkunden  her« 
▼orgeht,  wird  es  ebenso  wie  gognai  (gonjaj)  auf  passns  geteilt. 

'  et  si  amplius  inibi  de  decem  novem  inges  inreneritis,  quod  mihi  per- 
tineat,  per  hanc  cartolam  in  yestro  deveniat  potestatem  Cod.  Longob. 
Nr.  120  (a.  835),  s.  die  folgende  Note. 

*  Cod.  Longob.  661  (a.  962):  et  si  amplius  inventum  fuerit  in  suprascripta 
▼ieo  et  fundo  de  meo  iure  pro  suprascripto  precio  .  .  .  permaned. 
Die  Formel  ist  an  das  Kaufobjekt  noch  angeschmiegt,  aber  die  An- 
spielung an  den  Kaufpreis  schon  bemerkbar.  Da  aber  die  Angabe  des 
FlXchenmaßes  in  den  älteren  Instrumenten  immer  seltener  wird  (Yolte- 
lini,  l.  c.  p.  LXXII),  so  ist  natürlich,  daß  sich  diese  Formel  nicht  mehr 
an  sie  anknüpfte,   sondern  an  den  iipmer  notwendig  au  erwähnenden 


120  YI.  AbbMidluig:    t.  SaffUf. 

Der  Kaufpreis  wird  schon  in  den  ältesten  kroatischen 
Akten  und  Notizen  mit  dem  Ausdrucke  ^pro  fine^  begleitet.^ 
Derselbe  oder  ein  ähnlicher  Ausdruck  wiederholt  sich  in  den 
südlichen  Urkunden  der  Übergangszeit  zum  Instrumente  in 
der  zweiten  Hälfte  des  12.  Jahrhunderts  und  taucht  jetzt  auch 
in  der  Urkunde  von  Zara  auf:  per  finem,  in  prefinitum.'  Auch 
ist  die  rein  longobardische  Form:  iinitum  pretium  in  einer 
Urkunde  von  Spalato  vom  Jahre  1214  zu  finden.^  Diese 
Urkunde  ist  zugleich  eine  der  letzten,  worin  noch  dieser  Aus- 
druck gebraucht  wird. 

Es  ist  klar,  daß  diese  Bezeichnung  des  Kaufpreises  in 
der  longobardischen  Carta^  leicht  Aufnahme  in  dem  sich  heraus- 
bildenden Instrumente  von  Zara  fand.  Im  Süden  hält  sie  sich 
noch  eine  Zeit  im  Anschlüsse  an  die  dalmatinisch-kroatische 
Urkunde,  in  der  sie  aber  nicht  nur  als  aus  der  langobardischeu 
Carta  vermittelt,  sondern  auch  als  spätrömischer  Überrest 
gelten  kann.^ 

b)  An  den  Kaufpreis  schließt  sich  im  Kaufinstrumente 
die  Quittungsformel  an.  Über  die  Quittung  der  kroatisch- 
dalmatinischen Kaufurkunde,  die  sich  nur  in  zwei  zaratinischen 
Exemplaren  vorfindet,  ist  oben  berichtet  worden.  Die  Quittungs- 
formel der  frühesten  dalmatinischen  Instrumente  enthält  die 
einfache  Erklärung,  den  Kaufpreis  empfangen  zu  haben:  quas 
(libras)  michi  dedisti  et  integre  persoluisti.  Aber  fast  zu 
gleicher  Zeit  sind  in  dem  objektiven  Instrumente  der  südlichen 
Städte  seit  der  zweiten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  dieselben 
Wendungen   aus   den  römischen  Kechtsquellen  wie  im  italieni- 


Kaafpreis  und  dann  an  die  Quittung  darüber.  Diesen  Wechsel  der  Po- 
sition aber  verursachte  die  Notwendigkeit  dieser  Formel,  um  gegen  die 
gefährliche  laesio  enormis  des  Kaisers  Diokletian  sn  schfitsen.  Cf. 
Arndts  §  307;  Wiudscheid  II,  §  396;  Yoltelini,  p.  LXXIU,  n.  4.  —  Über 
die  Fassung  der  Formel  der  Schenkung  des  Überwertes  in  dem  dalma- 
tinischen Instrumente  s.  unten  S.  121  f. 

»  Doc.  Nr.  111  (a.  1080),  127. 

'  CSD.  II,  215.  In  den  italienischen  Übersetzungen  lautet  er  presEO  d'ao- 
cordo,  II,  228. 

'  Orig.  s.  Maria  zu  Zara.        *  pretium  finitum  Cod.  Longob.  4.  19.  37  etc. 

'  Im  Corpus  iuris  Inst.  1.  3,  t.  24  de  empt.  et  vend.  §  1  pretium  defi- 
nire,  cf.  Voltelini,  p.  LXXIL 


Di«  dalmfttaniMhe  PriT»«arkiinde.  121 

schein  Instmmente  sichtbar:  fait  confessus  .  .  .  accepisse  et  ab 
eo  integre  datom  et  numeratum  esse.^  Doch  unterscheidet 
sich  auch  diese  Formel  von  der  italienischen,  indem  ihr  der 
Verzicht  auf  die  exceptio  non  numeratae  peccuniae  bis  in  das 
14.  Jahrhundert  fehlt.'  Erst  seit  dieser  Zeit  gebrauchen  sie 
die  italienischen  Notare  in  den  meisten  dalmatinischen  Städten,' 
indem  sie  dieselbe  und  später  noch  viele  andere  Verzicht- 
leistungen^  der  früheren  schlichten  Quittungsformel  mechanisch 
beifügten  und  die  städtischen  Kurien  dessen  nicht  gewahr 
wurden  oder  es  zuließen,  da  sie  diese  den  specifisch  römischen 
Verhältnissen  entsprungene  Einrede^  kaum  begriffen.^  In  Ver- 
legenheit konnte  man  deswegen  doch  nicht  kommen,  denn  im 
schwierigsten  Falle  nahm  man  Zuflucht  zu  dem  untrüglichen 
Gerichtshofe  von  Bologna.'' 

Zur  Quitiungsformel  gesellt  sich  —  regelmäßig  in  den 
Fällen,  wo  die  Formel  der  Schenkung  des  Überrestes  fehlt,  also 
meistens  in  den  Urkunden  von  Spalato,  Lesina,  Brazza  —  die 
schon  erwähnte  Schenkung  des  Uberwertes.^  Sie  lautet 
gewöhnlich:  et  si  de  iamdicto  precio  plus  yaleret^  id  totum  .  . 
pure,    libere  et  simpliciter  inter  vivos   donauit.^    Der  direkte 

^  Zuerst  zu  Spalato  a.  1265  (orig.  s.  Maria). 

*  In  Italien  ist  diese  Formel  schon  in  Instrumenten  des  12.  Jahrhunderts 
zu  finden;  Yoltelini  p.  LXV. 

'  Vereinzelt  taucht  sie  zu  TraCi  schon  seit  1282  auf:  quod  precium  totum 
dicta  venditrix  uero  confessa  et  manifesta  fnit  se  .  .  .  recepisse  .  .  .  datnm 
et  numeratum  esse,  renuncians  exceptioni  non  numerate  et  non  accepte 
peccnnie  et  omni  iuris  auxilio  (orig.  Paravia  zu  Z.).  —  Zu  Cattaro  wegen 
der  Ktlrze  des  Instrumentes  nicht  erwähnt. 

*  Z.  B.  a.  1389,  Zara  (orig.  Begna  69):  exceptioni  sibi  non  dati  et  non  soluti 
dicti  precil,  doli  sine  causa  et  in  factum,  et  omni  alii  legum  et  iurium 
auxilio,  et  omuibus  statutia,  prouisionibus  . .  .  renuncians. 

*  Demburg  II,  §  87,  n.  9;  Yoltelini,  p.  LXVI.  —  Über  die  Bedeutung  der 
exceptio  non  numeratae  peccuniae  s.  Windscheid,  Pand.  II,  §  344; 
Arndts  §  262. 

*  Über  die  Einreden  überhaupt  wird  in  den  dalmatinischen  städtischen 
Statuten  wenig  oder  gar  nichts  gehandelt;  ebenso  wenig  über  die  Wir- 
kung der  YerzichtleistUDgpen.  Anders  in  den  italienischen  Statuten, 
darüber  Pertile  lY,  690,  n.  6. 

'  Cf.  oben  8.  21,  n  3. 

*  Oben  8.  1 19,  n.  3. 

*  Das  erste  Mal,  falls  ich  nichts  übersehen  habe,  zu  Spalato  a.  1266  (orig. 
8.  Maria). 


122  YI.  Abhaadluf :    t.  dafflay. 

Verzicht  auf  die  laesio  enormis^  welcher  in  späteren  italienischen 
Instramenten   diese  Formel  vertritt,^   ist  hier  nicht  zu  finden. 

c)  Ans  den  römischen  Urkunden  und  Rechtsquellen  sind 
die  Pflichten^  welche  dem  Verkäufer  aus  dem  Kaufverträge 
erwachsen,  in  die  Urkunde  des  Mittelalters  übergegangen  und 
fanden  hier  einen  ähnlichen  Ausdruck. 

Die  Zusage  wegen  des  habere  licere,  welche  die  Ver- 
pflichtung des  Verkäufers  umfaßt,  dem  Käufer  die  dauernde 
Herrschaft  über  die  Sache  zu  gewähren,*  ist  in  positiver  Fassung 
in  die  lombardische  Carta  übergegangen,  wo  in  der  Lombardei 
und  Romagna  noch  die  Zusage  des  Eigentums  hinzukommt.^ 
In  dieser  Fassung,  welche  das  habere  licere  dem  Käufer  und 
seinen  Erben  zusagen  läßt,  ist  sie  früh  in  das  dalmatinische 
Instrument  übergegangen.^  Sich  hauptsächlich  an  die  roma- 
gnoHsche  Urkunde  anlehnend  und  die  einzelnen  Momente  in 
rhetorischer  Fülle  aufzählend^  erhielt  sie  hier  im  Laufe  des 
13.  Jahrhunderts  feste  Formen,  die  zwar  in  einzelnen  Wen- 
dungen lokal  verschieden,  in  einer  und  derselben  Stadt  aber 
dauernd  gleich  erscheinen.^ 

Die  Betonung  des  Fehlens  von  Tatsachen,  welche  den 
rechtlichen  Qebrauch  der  gekauften  Sache  hindern  konnte,  wie 
sie  in   den   spätrömischen  Urkunden   üblich    war,^   ist  erst  mit 


»  Voltelini,  1.  c.  p.  LXXm. 

*  Eck,  Die  Verpflichtang  des  Verkäufers  zur  Gewährang  des  Eigentums  2  f. 
°  Cod.  Longob.  1 17. 619.632  etc.  F(ir  Romagna:  (ut  a  presenti  die  quieto  tra- 

mite  habeas  in  dominium  et  potestatem  habendi,  tenendi,  possidendi,  yen- 
dendi  donandi,permutandi  et  innovandi  et  quicquid  vobis  placuerit  faciendi) 
Fantuzzi,  Mon.  Raven.  1, 112.  IV,  170.  233  etc.  Cf.  Voltelini,  p.LXX,n.  1. 

*  CSD.  II,  229  (a.  1193)  cf.  222.  228. 

*  Für  das  13.  Jahrhundert  führe  ich  drei  Fassungen  dieser  Formel,  die 
sich  auch  weiter  erhielten,  an.  Zara:  cum  plena  virtute  et  potestate  a 
modo  in  antea  cum  tuis  heredibus  et  successoribus  .  .  .  habendi,  tenendi, 
gaudendi,  possidendi,  vendendi,  donandi,  pro  anima  et  corpore  iudicandi, 
omnemque  aliam  tuam  voluntatem  et  utilitatem  ex  eis  libere  faciendi 
(a.  1279,  orig.  s.  Nie.  62);  Nona:  liceat  vobis  .  .  .  libere  habere,  per- 
petuo  possidere,  heredibus  et  succ.  derelinquere,  colendi,  gaudendi, 
dandi  etc.  (1280,  orig.  s.  Maria);  Spalato:  ad  habendum,  tenendum, 
possidendum,  vendendum,  donandum  et  quicquid  ex  eis  dicto  N.  eiusque 
heredibus  deinceps  placuerit  faciendum  (1280,  orig.  Ib.). 

*  Voltelini  p.  LXXVI. 


Die  dalmAtinuehe  Privalnrfciind«.  123 

dem  YollBtändigen  Eindringen  der  Notariatsformel  in  Dalmatien 
üblich  geworden.  Die  Formel,  welche  die  Versicherung  gegen 
vorhergegangene  Verftußerung  der  Grundstücke  enthält,  taucht 
um  die  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  zuerst  zu  Zara^  auf;  und 
sie  findet  sich,  von  den  italienischen  Notaren  in  den  dalma- 
tinischen Küstenstädten  mechanisch  beibehalten,  auch  noch 
im  14.  Jahrhundert,  während  sie  um  diese  Zeit  aus  den 
Instrumenten  ihrer  Heimat  durch  den  Einfluß  der  Bologneser 
Formelsammlungen  schon  gänzlich  verdrängt  war.^ 

Die  Haftung  wegen  Eviktion  im  echt  römischen  Sinne' 
ist  von  dem  germanischen  und  speziell  longobardischen  Rechte, 
das  keine  Stellvertretung  kennt  und  den  Verkäufer  zwingt,  in 
den  Eviktionsprozeß  einzutreten  und  die  Verteidigung  zu  über- 
nehmen,^ zum  Versprechen  der  Währschaftsleistung, 
das  ist  zur  Übernahme  der  Defension  im  Eviktionsprozesse 
modifiziert  worden.  Aus  der  langobardischen  Carta,  wo  sich 
die  Währschaftsklausel  typisch  entwickelt  hatte  ,^  drang  sie 
schon  sehr  früh  in  die  zaratinische  Kaufurkunde,  wozu  ihr 
das  ähnliche  slawische  Rechtsprinzip  der  Entwährung  Vorschub 
leistete.^  In  den  Wendungen,  in  welchen  die  Klausel  das 
erste  und  letzte  Mal  in  der  kroatisch-dalmatinischen  Urkunde  in 
der  zweiten  Hälfte  des  11.  Jahrhunderts  anzutreffen  ist,  sind 
aber  auch   vielleicht   spätrömische  Nachwirkungen  verborgen.*^ 


^  nnlli  alii  .  .  .  lit  vendiU,  donata,  tradita  .  .  .  alio  modo  alienata  nisi 
qnod  dicto  emptori  (a.  1247,  orig.  s.  Maria;  Notar  Bennenatiu  canonicus 
Clagiensis). 

»  Voltelini,  p.  LXXVI. 

*  Cf.  Windflcheid  II,  §  391;  Eck,  o.  c.  20. 

*  Pertile  IV,  259;  SchrOder  753. 

*  Sie  lautet:  spondeo  atque  promitto  me  tibi  ab  omni  homine  defensare; 
qnod  81  defendere  non  potuero  aut  contra  hanc  cartniam  per  qnonls 
ingeninm  agere  .  .  .  quesierimus,  tunc  restitnamus  ipsis  in  dnblnm.  Cod. 
LoDgob.  pass. 

*  Daß  dieses  Prinzip  bei  den  Kroaten  Kraft  hatte,  ist  ersichtlich  aus 
Doc.  Nr.  111,  p.  12S:  et  ipse  Miroslans  anteposait  se  dicens:  qaicumque  a 
modo  nolnerit  te  de  hoc  requirere,  ego  me  omnibns  pro  te  anteponam. 

^  hoc  qnidem  tenore,  ut  si  aliquis  meomm  uel  eztraneornm  uobis  hanc 
terram  me  ninente  (ed.  inuente!)  snbtrahere  nolnerit,  ego  me  antepo- 
nam illam  ad  deffendam;  qnod  sie  eam  deffendere  neqaiaero,  promitto 
me  nestmm  uobis  reddere,  nisi  uestra  michi  aderit  pietas,  duplicatum 
precium.  Doc.  Nr.  84,  a.  c.  1066 — 1076.  Cf.  vorangehende  Note. 


124  YLAbhandlmig:    t.  Safflay. 

In  der  zweiten  Hälfte  des  12.  Jahrhunderts  taucht,  an 
die  ähnliche  Rechtssitte  der  Slawen  anknüpfend,  die  Währ- 
schaftsklausel  in  dem  entstehenden  Instrumente  der  Küsten- 
Städte  auf^  und  erhält  hier  dieselbe  rechtliche  Bedeutung  wie 
in  Italien.^  Nur  ist  sie  nicht  vollständig,  denn  es  fehlt  ihr  bis 
gegen  das  Ende  des  13.  Jahrhunderts  jede  Erwähnung  der 
Poena.^  Erst  seit  dem  14.  Jahrhundert  wird  die  Poena  überall 
regelmäßig  erwähnt  und  zu  Zara  auf  quartum  precii^  anderswo 
wie  zu  Lesina  auf  den  dreifachen  Wert  der  Sache  ,^  am  ge- 
wöhnlichsten auf  eine  bestimmte  Summe  gestellt.  Nur  zuweilen 
wird  die  durch  den  Einfluß  der  römischen  Rechtsquellen  ^  in 
dem  italienischen  Instrumente  schon  lange  übliche  ,poena 
dupli'  erwähnt.  In  der  Formel  wird  das  defendere  (defensare), 
Vertretungsleisten  und  excalumniare  (discalumniare)  oder  dis- 
brigare,  seltener  expedire,  das  ist  das  Abwenden  jedes  impedi- 
mentums,  welches  dem  habere  licere  drohen  kann,  betont.  In 
demselben  Sinne  wird  das  guarentare  zuweilen  in  den  Urkunden 
von  Zara  im  14.  Jahrhundert  gebraucht,  meistens  von  den  furlani- 
sehen  Notaren,  welche  das  deutsche  warentare  an  der  Grenze 
des  romanischen  und  germanischen  Elementes  sich  aneigneten.^ 

^  Zara  CSD.  II,  229,  249;  Spalato,  ib.  252,  wo  ein  besonders  interessanter 
Fall  des  Versprechens  der  Währschaftsleistun^  in  der  italienischen  Über- 
setzung einer  Permutation  zwischen  dem  Kroaten  Yukoj  nnd  dem 
Kloster  S.  Stephane  zu  Spalato  erhalten  ist:  ma  se  alcuno  Spalatino 
s^  opponer&  e  moverä  Ute  contro  essa,  sia  teunto  (Yucoj)  solo  per  due 
anni  alla  difesa  et  non  piü,  ma  dal  Schiavone  sia  tenato  a  defenderla 
in  perpetuo. 

*  Stat.  Jadr.  1.  3,  c.  45:  quicamque  vendiderit  alicui  rem  aliqnam  .  .  . 
teneatur  venditor  ex  natura  contractua  rem  uenditam  defensare  seu  ex- 
calumniare. Cf.  oben  S.  117,  Note  3. 

'  Sie  lautet  im  13.  Jahrhundert  su  Zara:  promittens  inauper  .  .  .  defen- 
dere et  discalumpniare  ab  omni  homine  et  persona  in  racione  super 
me  et  omnia  bona  mea.  Zu  Spalato  und  anderswo  gleich,  nur  ein 
Unterschied  in  der  Obligationsklausel.    S.  unten. 

^  tabellio  autem  non  possit  nee  debeat  maiorem  poenam  quam  sit  quarta 
pars  debiti  adicere  instrumentis.  Stat.  Jadr.  1.  2,  c.  97;  1.  3,  c.  2.  6.  Cf. 
Stat.  Siben.  1.  3,  c.  41. 

'  Stat.  Les.  1.  2,  c.  49;  cf.  Reuts  364. 

^  Cf.  Gneist,  Formelle  VertrSge  30;  Eck,  o.e.  18;  Spangenberg,  Urkunden- 
beweis  393;  Pertile  IV,  558,  n.  23. 

'  Das  warentare  in  Italien  selten.  Pertile  IV,  558;  Voltelini,  1.  c. 
p.  LXXVm,  n.  1. 


Di«  dalmfttinuehe  Prirfttnrlrande.  125 

Seit  der  zweiten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  erscheint 
zu  Spalato,  Tra&  etc.  und  seit  dem  14.  Jahrhundert  zu  Zara 
in  der  Währschaftsklausei  das  Wort  stipulatio,  in  irgend  einer 
Weise  angelehnt  an  das  wesentliche  Wort  promittere:  cum 
Stipulationen  per  stipulationem  oder  promittere  stipulanti.  Es 
ist  dies  eine  mechanische  Übertragung  aus  dem  italienischen 
Instrumente,  wo  die  Stipulation,  eines  der  merkwürdigsten 
Erzeugnisse  der  Rezeption,  ein  überaus  großes  Anwendungs- 
gebiet beherrschte,^  obgleich  die  Form  derselben  in  der  Wirk- 
lichkeit auch  in  Italien  nicht  immer  beobachtet  worden  ist.' 

An  das  Versprechen  der  Leistung  schließt  sich  seit  dem 
14.  Jahrhundert  das  des  Schadenersatzes,  welches  in  Italien 
bei  keinem  Zahlungs versprechen  fehlt. ^  Gewöhnlich  ist  es  in 
unserem  Kaufinstrumente  mit  der  besprochenen  Pönalstrafe 
icombiniert.  Die  gewöhnliche  Formel  ist  dafür:  reficere  et 
restituere  dampna  et  expensas  litis  et  extra,  das  ist  Ersatz  von 
Schaden  und  Kosten,  die  gerichtlich  und  außergerichtlich  dem 
Kläger  erwachsen. 

Das  Versprechen  der  Währschaftsleistung  wurde  seit  dem 
ersten  Viertel  des  13.  Jahrhunderts  in  Instrumenten  aller  Städte 


*  Kanten,    Die  Lehre  vom   Vertrage    bei    den   italienischen  Juristen   des 
Mittelalters  183;  besonders  Voltelini,  1.  c.  p.  LIV — LVII. 

'  So  lehrt  Imerius,  daß  die  Stipulation,  wenn  in  der  Urkunde  erwähnt, 
als  wirklich  geschehen  zu  betrachten  ist,  wenn  die  Form  in  der  Wirk- 
lichkeit nicht  beachtet  worden  sei.  Voltelini,  p.  LII,  n.  2;  cf.  Karsten  188. 
—  Den  in  Deutschland  und  Italien  vielverbreiteten  Eid  (Siegel,  Hand- 
schlag und  Eid,  Wiener  Sitzungsber.  130,  91;  Schröder  716;  Heusler 
II,  245)  finden  wir  beim  Versprechen  einer  Leistung  in  der  ältesten 
Zeit  in  den  KOstenstadten  nur  etliche  Male  (Doc.  Nr.  39  a.  1066,  Nr.  57 
a.  1069  qui  beato  martiri  snb  iureinrando  promiserunt;  .  .  .  sub  iure- 
iurando  confirmauerunt).  Sein  Erscheinen  zu  Spalato  und  Zara  fast  zu 
gleicher  Zeit  weist  dennoch  auf  eine  ziemlich  verbreitete  Verwendung 
des  Eides  in  den  Kttstenstädten  und  ist  hier  gewiß  dem  direkten  by- 
zantinischen Einflüsse  zuzuschreiben.  (Nach  Voltelini  wMre  es  wahr- 
scheinlich, daß  infolge  desselben  Einflusses  der  Eid  fast  allen  Ver- 
trägen in  Italien  angehängt  wurde,  p.  XCVII;  cf.  Brunner,  Deutsche 
Rechtsg.  II,  431).  Später  ist  er  in  Dalmatien  nur  bei  den  Verträgen  zwi- 
schen Kommunen  oder  mit  benachbarten  slawischen  Häuptlingen  an- 
gewandt (s.  Wenczel  VII,  205;  XI,  281.  30ö).  Für  Ungarn  und  auch 
Kroatien  s.  Timon,  Magyar  alkotminy-  ^  jogtörtönet  (Budapest  1902) 
368,  n.  3« 

•  Voltelini,  l.  c  p.  LXXVm. 


126  Tl.  AbhMidlang:    r.  dafflaj. 

ausnahmslos  nnter  der  Verpfändang  des  gesamten  Vermögens 
gegeben.  Doch  trägt  die  subjektive  wie  auch  die  spätere  ob- 
jektive Obligationsklausel  der  Instrumente  von  Zara  und  Ragusa, 
also  gerade  der  Städte,  welche  die  ältesten  Beziehungen  zu 
Oberitalien  aufweisen  können  ^  ein  eigentumliches  Gepräge. 
Die  Wirkung  der  germanischen  Wadia,  durch  welche  der  Zu- 
griff auf  Person  und  Vermögen  des  Schuldners  gestattet  war,^ 
erhält  nämlich  in  ihr^  wahrscheinlich  beeinflußt  durch  das 
uralte  slawische  Recht,  daß  der  vermögenslose  Schuldner  dem 
Gläubiger  übergeben  werde,'  schärfere  Gestalt.  Sie  lautet  in 
der  ältesten  subjektiven  Fassung:  super  me  et  omnia  bona  mea; 
in  der  modernen  objektiven  Fassung:  obligauernnt  sc  suosque 
heredes  ...  et  omnia  sua  bona  presentia  et  futura.  Im  letzten 
Falle  wird  die  Generalhypothek  oft  noch  durch  pleonastische 
Zusätze  rhetorisch  ausgeschmückt.^  Die  Instrumente  anderer 
Städte  tragen  in  dieser  Beziehung  den  Stempel  jener  Zeit,  als 
das  italienische  Pfandrecht  durch  die  Rezeption  römische 
Grundlagen  erhielt  und  nur  einzelne  Germanismen  bewahrte.^ 
Die  Wendungen  y  durch  welche  die  Generalhypothek  bestellt 
wird^  sind  dieselben  wie  in  Italien:  super  rebus  nostris,  cum 
obligatione  (sub  ypotheca)  omnium  bonorum  presentium  et 
futurorum.* 

16.  SchenkungBurkimde. 

Unter  den  dalmatinisch-kroatischen  Urkunden  nimmt  die 
Schenkung  die  dominierende  Stellung  ein.  Der  religiöse  Sinn 
äußerte    sich    noch    stark    in    den   Grundschenkungen    an    die 

^  Hausier  U,  230 f.;  Franken,  Französisches  Pfandrecht  210  f. ;  Amira,  Nord- 
germanisches Obligationsrecht  I,  193.  312,  11,45. 

'  Dieses  Rechtsprinzip  ist  noch  in  dem  Stat.  Traii  1,  c.  32  f&hlbar,  wo 
es  heißt,  daß,  wenn  ein  Bürger  einem  ,extranea8*  za  zahlen  hat  und 
nicht  zahlen  kann,  er  ihm  persönlich  übergeben  werden  soll;  cf.  Lucios, 
Mem.  dl  Trau  31;  Reutz  376  f. 

'  .  .  .  omnia  sua  bona  presentia  et  futura  Jadre  et  ubique  locorum  et 
terrarum  et  omni  tempore;  oder  noch  genauer:  Jadre,  Sibenici,  Tra- 
g^rii,  Bpalati,  Ragusii,  None,  Obrouacii,  Ancone,  Venetiis  et  generaliter 
ubique  locorum  et  terrarum  (orig.  a.  1322,  GAZ.  s.  Gris.  XYI). 

*  Cf.  Pertile  IV,  622  f. 

^  Cf.  Wach,  Arrestprozeß  16.  24 f.  Obligation  oder  hypotheca  ist  den 
Glossatoren  das  Pfand  ohne  Besitz;  pignus  (Pfand  und  Besitaerwerb) 
kommt  in  der  Pfandklausel  bei  uns  nicht  ror.  Cf.  Yoltelini,  p.  C  f. 


Die  dalmatinisoh«  PriTtttnrkonde.  137 

Kirchen  und  die  ersten  Urkunden  dieser  Art  wahren  unter  dem 
römischrecbtiich-kirchlichen  Einflüsse  die  Form  und  die  Kraft 
der  Carta.  Wie  dieser  Charakter  verloren  ging  und  auch 
die  Schenkungsurkunde  zur  Notitia  wurde,  ist  oben  gezeigt 
worden.^  Dennoch  ist  die  Nachwirkung  des  erwähnten  Ein- 
flusses noch  weiter  darin  zu  fühlen  ^  indem  die  Notitia  und 
auch  der  Akt  die  Fassung  der  Carta  behält.'  Er  ist  neben 
dem  Mangel  der  Urkunden  überhaupt  die  Ursache,  daß  das 
Prinzip  der  Entgeltung  des  slawischen  Vertragsrechtes  —  wo- 
nach jede  Leistung  zu  ihrer  Rechtsbeständigkeit  eine  Gegen- 
leistung erforderte,  durch  die  sie  erkauft  wurde  —  in  der 
Zeit  der  kroatisch-dalmatinischen  Urkunde  kaum  zum  Vorschein 
kommt.' 

Zur  Zeit  der  Gründung  des  Notariats  in  den  Städten  hat 
die  Schenkungsurkunde  ihre  dominierende  Stellung  verloren. 
Sie  wird  immer  seltener,  wie  die  Tendenz  der  Städte  zur 
Beschränkung  der  Kirche  wächst  und  ihren  Höhepunkt  im 
14.  Jahrhundert  fast  überall  in  den  statutarischen  Verboten 
erreicht,  unbewegliche  Güter  an  Klöster  und  Kirchen  zu  ver- 
äußern.^    Doch   erhält  sich   das  Schenkungsgeschäft  meist  als 


>  Oben  §§  4,  5. 

'  S.  die  Aufzeichnung  im  Eopialbuch  des  Klosters  Selo:  denique  ego  filio 
Draganego,  Prodano  offero  terra  .  .  .  Doc.  Nr.  136,  a.  c.  1096;  cf.  CSD. 
n,  29.  30.  81.  Es  ist  öfter  zweifelhaft,  ob  dennoch  diese  kurzen  Auf- 
zeichnungen nicht  weiter  auf  den  Altar  der  beschenkten  Kirche  nieder- 
gelegt wurden. 

*  Einmal  nur  ersichtlich  aus  der  Schenkungsurkunde  des  Petrus  Ome  an 
das  Kloster  Selo,  in  welcher  er  schildert,  wie  er  in  Besitz  der  geschenkten 
Oflter  gekommen  sei,  Doc.  Nr.  111,  p.  128:  Post  hec  uero  Miroslauus 
cum  filiis  .  .  .  non  modieam  partem  de  .  .  .  territorio  a  me  subtrahere 
cepit .  .  .  ubi  et  conrentionem  .  .  .  cum  eis  denuo  fecimus.  Qnapropter 
affirmanit  nobis  prephatas  terras  ...  et  insuper  nobis  augmentauit  .  .  . 
Et  dedimus  sibi  pro  conuentione  octoginta  modia  ordei  et  unum 
solidum  pro  fine.  Cf.  Ihering,  Zweck  im  Recht  I,  276  ff.;  Heusler  I,  84. 
U,  363  ff. ;  Schröder  62. 

^  Stat.  Jadr.  1.  3,  c.  14:  Statuimus,  quod  nullus  Jadratinus  .  .  .  uendere 
audeat  aut  donare  aut  quocumque  alio  titulo  .  .  .  transferre  in  aliquod 
monasterium  uel  locum  relig^osum  .  .  .  aliquas  res  immobiles  seu  pos- 
sessiones  de  Jadra,  nee  etiam  possit  easdem  res  relinquere  in  ultima 
TolunUte;  cf.  SUt.  Sib.  Reform.  1380,  SUt.  Curz.  c.  44;  Trau  1.  3,  c.  6. 
16.  17;  Reutz,  o.  c.  285  ff. 


128  ▼!.  Abbandlang:    r.  gaffUy. 

EigentnmsUbertragang  an  Laien '  and  das  Schenkungsinstrument 
darüber  bietet  in  rechtlicher  wie  in  diplomatischer  Hinsicht 
manche  interessante  Einzelnheiten. 

Indem  das  slawische  Prinzip  der  Entgeltlichkeit  in  voller 
Kraft  zum  Vorschein  kommt^  tritt  die  Notariatsschenknngsur- 
künde  im  13.  Jahrhundert  im  Grunde  in  den  Rahmen  des  Nor- 
malvertrages  des  slawischen  Rechtes:  des  Kaufes  oder  ihm  gleich- 
wertigen Tausches  ein.  Zur  Rechtsbeständigkeit  der  Leistung 
wird  bei  Schenkung  überall  die  Gegenleistung:  remuneratio 
oder  talio  gefordert.  Dieselbe  wird  in  den  Urkunden  oft  als 
^consuetudo  ciuitatis^  bezeichnet  und  entsprach  wie  das  ger- 
manische Launegild  gewöhnlich  an  Wert  nicht  dem  Geschenk, 
sondern  hatte  mehr  eine  formale  Bedeutung.'  Somit  ist  es 
auch  erklärlich,  daß  die  Kaufformel  immer  die  Schenkungsformel 
mit  dem  Verbum  vendo  verbindet,'  ja  sogar  die  Schenkungs- 
formel der  dalmatinischen  Instrumente  bis  zu  Ende  des 
13.  Jahrhunderts  öfters  dieses  Zeitwort  enthält,^  sowie,  daß 
die  Schenkungsurkunde  in  demselben  Jahrhundert  fast  keine 
anderen  Formeln  aufweist  als  das  Kaufinstrument.  Erst  mit 
dem  starken  Andrang  der  italienischen  Notare  und  dem  Ein- 
fluß des  italienischen  Rechtes,  in  welchem  die  erneuerte 
Wirkung  des  römischen  Rechtes  das  langobardische  Launegild 


^  Die  anderen  Rechtsgeschäfte,  zn  welchen  die  Schenkung  als  causa  hinsa- 
tritt,  wie  Zession,  Erlaß  u.  s.  w.  werden  nicht  berttcksichtigt. 

'  A.  1268,  Zara  (orig.  Begna,  Nr.  S):  et  ad  hoc  nt  supradicta  donatio  sta- 
bilis  et  irreaocabilis  permaneat,  unum  mantellum  de  Ipra  pro  remune- 
ratione  suscepi  (Schenkung  einer  Geldsumme  durch  die  Witwe  Stoja 
an  ihre  Tochter).  —  A.  1262,  Spalato  (orig.  s.  Maria):  et  in  Signum  cam- 
bii  secundum  consuetudinem  ciuitatis  unam  tunieam  de  sucna 
recepit.  —  Zu  Zara  kommt  auch  der  Ausdruck  talio  und  das  abgeleitete 
talionare  vor:  ob  quam  dationem,  donationem  .  .  .  talionasti  michi  et 
dedisti  libras  quinquaginta  (a.  1274,  orig.  Begna  6).  In  der  Kaufhrkunde 
ist  talio  von  precinm  unterschieden:  pro  precio  octo  libranim  ...  et 
unum  par  subtellarum  pro  talione  (a.  1280,  orig.  GAZ.,  Abt.  Rogovo).  Gf. 
Val  de  Liövre:  Launegild  und  Wadia  16.  24;  Kohler,  BeitrSge  U,  1  ff.; 
Grimm,  Schenken  und  Geben.  Kleine  Schriften  II,  174;  Pertile  IV,  641  ff.; 
Schröder  281,  n.  90. 

•  S.  oben  S.  78.  117. 

*  So  die  Schenkungsurkunde  von  1268  Zara  (orig.  GAZ.  s.  Nie.  12):  mani- 
festum facio,  quia  ab  hodie  in  antea  ...  do,  trado  ac  bona  sua  volun- 
täte  derelinquo,  vendo  .  .  . 


Die  dalnftiinisebe  PiiTatorlnind«.  129 

schon  lange  verschwinden  ließ^^  verblaßt  die  slawische  Rechts- 
sitte der  Entgeltnng  um  die  Wende  des  13.  Jahrhunderts 
gänzlich.  Die  städtische  Schenkungsurkunde  nimmt  das  voll- 
ständige Formular  des  italienischen  Instrumentes  an,  indem 
sie  außer  der  eigentlichen  Schenkungsformel  und  der  Stipulation 
über  die  Verpflichtungen  des  Schenkers  wegen  Eviktion,  welche 
auch  dem  Schenkungsinstrumente  des  13.  Jahrhunderts  in  Dal- 
matien  nicht  fehlen,  noch  die  Formeln  über  den  Vollzug  der 
Schenkung  durch  Übereignung  enthält.^ 

Die  eigentliche  Schenkungsformel  enthält  die  Willens- 
erklärung, den  Namen  des  Schenkers,  des  Beschenkten  und 
das  Objekt  der  Schenkung,  welches  letztere  mit  seinem  Zugehör 
wie  in  Kaufurkunden  bestimmt  wird.  Die  einfache  Formel 
des  subjektiven  Instrumentes:  do,  dono,  trado,  transacto  (atque 
offero)  ist  schon  mehrmals  erwähnt  worden.  Von  den  italieni- 
schen Notaren  wird  dieselbe  in  objektive  Form  gegossen  und 
durch  die  Klausel  ,inter  vivos'  erweitert,  wodurch  die  Schenkung 
unter  Lebenden  von  der  ,mortis  causa'  erfolgten  geschieden 
wird.'  Der  weitere  Zusatz:  que  nullo  vicio  uel  aliqao  alio 
titulo  ingratitudinis  reuocari  possit  ist  erst  im  vorgerückten 
14.  Jahrhundert  üblich.* 

Die  Zusage  des  habere  Heere,  welche  wir  vorübergehend 
in  den  Schenkungen  des  11.  Jahrhunderts  zu  Zara  in  gleicher 
Form  wie  in  der  Kaufurkunde  ^  antreffen,  erscheint  auch  im 
Instrumente  nach  italienischem  Muster  und  bezeichnet  die 
Wirkung  der  Schenkung  mit  voller  Erblichkeit  und  freiem 
Veräußerungsrechte. 

Indem  die  ersten  Schenkungsinstrumente  der  Kaufurkunde 
sehr  nahe  stehen,  hält  sich  in  ihnen  ausnahmslos  das  Ver- 
sprechen   der  Wäbrschaftsleistung   in    gleicher  Formel   wie  im 


*  Val  de  Li&yre,  o.  c.  95  f. 

«  VoUelini,  1.  c.  p.  LXXXVU. 

'  Sie  lautet:  nomine  pure,  mere,  irreuocabilis  donationis,  que  dicitnr  inter 

▼ivoB.     Das  erste  Mal  habe  ich  sie  angetroffen   zn  Spalato   1258   (orig. 

Begna  3),  za  Zara  1286  (orig.  GAZ.,  Abt.  Ponti). 

*  Das  erste  Mal  Zara  1327  (orig.  Begna  45);  cf.  Yoltelini  p.  LXXXVU. 

*  Sie  stammt  wahrscheinlich  ebenfalls  aus  der  spätrOmischen  Urkunde,  s. 
oben  S.  122,  oder  ist  aas  der  Kaufarkunde  entnommen;  cf.  Brunner, 
Forschungen  25. 

SitsungBlMr.  d.  pbü.-liist  Kl.  CXLVII.  Bd.  6.  Abb.  9 


130  VI.  AbhADdlnng:    t.  SnffUy. 

Kauf inslrtimente^  so  lange  die  talio  aus  ihnen  nicht  verschwindet. 
Vom  Ende  des  13.  Jahrhunderts  nähern  sich  die  Schenkungs- 
instrumente überall  ganz  und  gar  den  Bologneser  Formularen, 
welche  die  Währschaftsleistung  nicht  rezipiert  hatten.^  Es 
kommt  überall  die  Klausel  in  Brauch,  womit  der  Schenker  nur 
für  die  Entwährung  haftet,  die  seinem  Dolus  entspringt.* 

Zu  derselben  Zeit,  also  am  Ende  des  13.  Jahrhunderts, 
werden  die  in  Italien  üblichen  Formeln  flir  Übereignung  in 
das  dalmatinische  Schenkungsinstrument  übernommen.  Durch 
die  italienischen  Notare  fanden  nämlich  die  von  den  Glossatoren 
als  geeignet  befundenen  Mittel,  um  der  Schwerfälligkeit  der 
körperlichen  Apprehension  vorzubeugen,  das  in  Italien  allgemein 
angewandte  Constitutum  possessorium^  und  die  Missio  in  vacuam 
possessionem ,  Eingang  in  die  dalmatinischen  Städte.  Dem- 
zufolge enthalten  die  Traditionsformeln  des  dalmatinischen 
Schenkungsinstrumentes  seit  dem  Ausgange  des  13.  Jahr- 
hunderts die  Erklärung  des  Konstituenten:  constituens  se  pos- 
sidere  nomine  alieno;^  oder,  und  das  weit  häufiger,  die  in 
Italien  an  vorangehende  Urkundentypen  anknüpfende  Formel: 
dans  ei  licentiam  intrandi  tenutam  (et  corporalem  possessionem), 
wodurch  dem  Beschenkten  gestattet  wird,  sich  der  Sache  zu 
bemächtigen.^ 

17.  Testament. 

Das  Testament  war  den  alten  Slawen  wie  auch  anderen 
primitiven  Völkern^  nicht  nur  im  Sinne  des  römischen  Rechtes 

»  Cf.  Voltelini  p.  LXXXIX. 

'  promitto  nunqnam  de  predictis  .  .  .  contravenire  sab  jpotheca  meoram 
omnium  bonorum.  Diese  Formel  za  Spalato  schon  am  die  Mitte  des 
13.  Jahrhunderts  üblich. 

'  Constitutum  poss.  besteht  bekanntlich  darin,  daß  der  bisherige  Besitzer 
erklärt  als  Stellvertreter  dessen,  auf  den  er  den  Besitz  übertragen  will, 
zu  besitzen.  Savigny,  Das  Recht  des  Besitzes  318;  Windscheid  I,  §  165; 
Dernburg  I,  §  181.  Über  die  Anwendung  derselben  seit  dem  12.  Jahr- 
hundert Voltelini,  p.  XLV;  cf.  Biermann,  o.  c.  66.  lOö. 

*  Cf.  Biermann  61,  107;  Voltelini,  p.  XLVI. 

»  Für  die  Entwicklung  dieser  Formel  in  Italien  Voltelini,  p.  XLVI;  Bier- 
mann 107;  Brunner,  Zur  Rechtsgeschichte  120;  Kohler,  Beiträge  zur 
germ.  Rechtsgeschichte  I,  38.  162;  Wach,  Arrestprozeß  66. 

^  Post,  Die  Grundlagen  des  Rechtes  und  die  Qrundzüge  seiner  Entwick- 
lungsgeschichte, §  33;  Siegel,  Deutsche  Rechtsgeschichte,  §  168. 


Di«  dftlmfttiiiiMlie  PriTAtnrkimd«.  131 

unbekannt;  es  waren  auch  die  einseitigen  Verfügungen  auf 
Todesfall  zn  Gunsten  eines  Unerben  unwirksam.  Was  mit  der 
Habe  nach  dem  Tode  geschehen  sollte^  darüber  entschieden 
die  Prinzipien  des  objektiven  Rechtes  und  nicht  der  Wille  des 
Erblassers,  welcher  erst  viel  später  im  Testamente  den  Triumph 
des  Individualismus  feierte.^  Es  herrschte  bei  den  Slawen  wie 
bei  den  Germanen  lange  das  ausschließliche,  unentziehbare 
Erbrecht  des  Geblütes.' 

Der  Einfluß  dieses  Rechtes  mit  seinen  Schranken  und 
Hindernissen  fUr  Verfügungen  auf  den  Todesfall  mußte  nach 
der  Mischung  mit  dem  slawischen  Elemente  in  den  meisten 
Städten  die  römischen  Traditionen  größtenteils  verwischen.  In 
den  von  der  slawischen  Eroberung  verschonten  Städten  aber 
konnte  das  römische  Recht  Widerstand  leisten  und  der  Bann 
jenes  einschränkenden  slawischen  Rechtes,  falls  er  dennoch 
bestand,  konnte  schon  früh  durch  den  nicht  geringen  Ein- 
fluß der  Geistlichkeit  gebrochen  werden,  welche  einerseits 
ftir  sich  die  Freiheit  des  Testierens  in  Anspruch  nahm,  ander- 
seits von  jedem  Ghristenmenschen  das  Seelgeräte  verlangte. 
Somit  herrschte  in  den  Städten  Dalmatiens  in  den  ersten  Jahr- 
hunderten des  Mittelalters  allerdings  wohl  eine  große  Ver- 
schiedenheit in  den  Grundsätzen  des  Erbrechtes  selbst;  später, 
durch  den  Einfluß  des  italienischen  Rechtes,  wo  wieder  das 
römische  das  Übergewicht  bekam,  schwand  dieser  Unterschied^ 
aber  die  Mannigfaltigkeit  in  Einzelnheiten  blieb  doch  auch 
weiterhin  in  den  Nachwirkungen  der  einheimischen  Sitten 
bestehen. 

In  der  ältesten  Zeit  bis  in  das  12.  Jahrhundert  finden 
wir  von  allen  Städten  nur  zu  Zara  letztwillige  Verfügungen.* 
Obgleich  sie,  wie  wir  gesehen,  an  die  römische  Testamentform 
erinnern,*  so  fehlt  auch  diesen  ^Testamenten'  wie  den  gewissen 
Verfügungen  von  todeswegen  durch  Anerkennung  der  Judikate 


*  Kohler,  Legislator  über  die  Gestaltung  des  Erbrechtes   (Grttnhuts  Zeit- 
schrift für  Öffentliches  and  privates  Recht  XVI,  1). 

'  Spevec,    Oporaka  u  statuta    koräulskom  i   spljetskom.    Mjese(^nik  prav. 

draitva  XV  (1889),  301. 
■  Ähnliche  Verfügungen    auf  Todesfall    können    nur   für    Trau    vermutet 

werden. 

*  S.  oben  6.  55. 

9* 


132  Tl.  AbhandloDgr:    t.  Snfflay. 

im  longobardischen  Rechte^  die  römische  heredis  institatio. 
Der  Mangel  jeder  schriftlichen  Verfligang  eines  Laien  anf 
Todesfall  in  den  übrigen  Städten  Dalmatiens  kann  nicht  durch 
das  spärliche  Material  allein  genügsam  erklärt  werden,  sondern 
ist  zugleich  ein  Hinweis  auf  das  Vorherrschen  der  alten  slawi- 
schen Ansicht,  welche  den  gesetzlichen  Erben  das  Erbrecht  in 
einem  gewissen  Umfange  volksrechtlich  garantierte.'  Die 
Rechtsveränderung  zu  Gunsten  einer  freieren  und  leichteren 
Verfügung  auf  den  Fall  des  Absterbens  vollzog  sich  hier 
meistenteils  erst  durch  den  Einfluß  des  italienischen  Rechtes. 
Doch  geschah  die  Veränderung  nicht  überall  zu  gleicher  Zeit ; 
auch  kam  das  neue  Recht  nicht  überall  zu  gleicher  Geltung, 
sondern  wurde  stärker  oder  schwächer  von  dem  slawischen 
Rechte  modifiziert,  wozu  vielleicht  die  Ähnlichkeit  desselben 
mit  den  germanischen  Elementen  in  dem  italienischen  Rechte 
Vorschub  leistete.'  Diese  kulturellen  Störungen  wie  ihre  ver- 
schiedene Stärke  sind  schön  aus  dem  Vergleiche  der  Bestim- 
mungen über  das  Testament  in  den  beiden  ältesten  dalmatini- 
schen Statuten,  dem  von  Curzola  und  von  Spalato,  zu  ersehen.'^ 


»  Pertile  IV,  12;  Heusler  II,  124. 

*  Nur  Donationes  post  obitam  und  Seelgeräte  der  Geistlichen  sind  zu 
Spalato  bis  zum  13.  Jahrhundert  zu  finden  (Doc.  Nr.  30,  102,  CSD. 
II,  61).  Besonders  das  letzto^enannte  Dokument  bietet  wegen  des  Zusatzes: 
his  ita  peractis  alio  igitur  tempore  quidam  domini  in  nos  (Kloster 
St.  Benedikt  zu  Spalato,  dem  ein  Grundstück  vom  Priester  Cmot«  post 
obitum  geschenkt  wurde)  et  hereditatem  a  presbitero  Cirnota  abs- 
traere  intenderunt,  dicentes  illorum  heredes  esse,  einen  Hinweis 
auf  die  große  rechtliche  Stärke  der  gesetzlichen  Erbfolge. 

'  Das  italienische  Recht  ist  eine  Mischung  des  römischen,  kanonischen 
und  longobardischen  Rechtes  mit  Vorherrschen  natürlich  des  römischen 
Elementes.  Pertile  I,  14;  Abigente,  Eleroenti  della  storia  del  diritto  in 
Italia  I,  128.  136. 

*  Vgl.  Spevec,  1.  c.  307  ff.  Ich  verweise  darauf,  führe  aber  doch  einige 
interessante  Einzelnheiten  daraus  an.  Nach  dem  Statut  von  Curzola  c.  41 
war  das  Testament  kein  widerrufliches  Geschäft:  et  si  plura  test^i* 
menta  fecerit,  ut  primum  valeat  et  omnia  alia  sint  cassa.  Später  wurde 
dieser  Standpunkt  aufgegeben.  Dagegen  steht  das  Statut  von  Spalato 
(vet.  1.  3,  c.  35)  in  dieser  Beziehung  auf  dem  rOmisohen  Standpunkte. 
Das  Statut  von  Curzola  gibt  dem  männlichen  G«schlechte  bei  der  Erbfolge 
den  Vorzug  vor  dem  weiblichen  (c  36,  cf.  89,  126);  nach  dem  Statut 
von  Spalato  erben  beide  Geschlechter  gleich.    Die  Grundsätze  der  rcgel- 


Di«  dAlmfttinisch«  PriTAtnrknnd«.  133 

Mit  der  teilweisen  Rezeption  des  italienischen  Rechtes 
nahm  die  VeriUgung  aaf  Todesfall  ganz  die  rechtlichen  Formen 
der  italienischen  Verfügungen  an.  Die  Rechtsgeschäfte,  welche 
sich  im  Westen  aus  der  altfränkischen  Adfatomie  und  longo- 
hardischem  Thinx  entwickelt  hatten:  die  donatio  post  obitnm 
und  donatio  reservat©  usufructu,^  welche  schon  früher  vom 
Kleras  angewandt  waren,  wurden  jetzt  auch  von  Laien  ge* 
braucht.  Zu  dem  endlichen  und  baldigen  Siege  des  Notariats- 
testamentes aber  führte  sein  Wesen  selber:  es  war  lediglich 
Beweisurkunde  über  das  mündliche  Testament,  welches  seine 
Rechtskraft  nach  der  Meinung  der  italienischen  Praktiker 
keineswegs  aus  dem  Notariatsakte^  sondern  aus  der  Erklärung 
vor  den  sieben  Zeugen  schöpfte.'  Diese  Anschauung  stimmte 
einerseits  endlich  einmal  mit  dem  slawischen  Zeugenbeweise 
überein,  anderseits  erwies  sie  sich  als  einzig  brauchbar  für  die 
Bewohner  der  oft  entlegenen  Dorfschaften,  welche  einen  Notar 
niemals  besaßen  und  deren  mündliche  Verfügungen  auf  den 
Todesfall  nach  den  Aussagen  der  Zeugen  von  einem  städtischen 
Notar  eine  rechtskräftige  schriftliche  Form  erhielten.^ 

Aber  eben  wegen  dieser  großen  Brauchbarkeit  des  nota- 
riellen Testamentes  wie  seiner  Anwendung  war  der  Anschluß 
an  die  in  Italien  angewandten  Grundsätze  nicht  allzu  streng. 
Zwar  kommt  zu  Zara  gerade  zur  Anfangszeit  des  erneuerten 
Einflusses  Oberitaliens,  also  in  der  zweiten  Hälfte  des  12.  Jahr- 
hunderts, ein  Fall  vor,   daß   vom  Notar  im  Testamente  sieben 


lo&ßigen  Intestatserbfolge  zu  Spalato  und  anderswo  sind  in  vielen  der 
KoY.  118  ähnlich,  während  im  Statut  von  Curzola  die  rechtliche  Wirkung 
der  Blutsverwandtschaft  stark  zu  fühlen  ist  etc. 

*  Vieles  hier  umstritten.  Beseler,  Die  Lehre  vom  Erbvertrage  I,  §  14; 
Heuslcr  H,  §  99;  Pertile  IV,  120;  Siegel  482;  Zöpfel,  Deutsche  Rechts- 
geschichte III,  §  115. 

•  Rolandin,  Flos  testam.  (f.  266*);  Voltelini,  1.  c.  p.  C  f. 

»  Schon  im  Jahre  1190,  CSD.  II,  270  verfertigt  der  zaratinische  Notar 
Blasius  ein  Zeugnis  über  die  mündliche  Verfügung  eines  Bürgers  nach 
der  Aussage  eines  Geistlichen.  (Die  Leseart  bei  Kukuljevid  falsch. 
Statt  testificor  ego  Martinus  s.  Marie  presbiter  et  Doimns  Martini 
de  Maio  .  .  .  sollte  es  heißen:  et  domini  Martini  de  Maio  .  .  .)  Ähnliche 
Urkunde  1209  Zara  (orig.  GAZ.  XVII,  8.  14).  Im  14.  Jahrhundert  sind 
solche  Testamente  der  anßerstädtischen  Bewohner,  besonders  derjenigen 
der  vereinsamten  dalmatinischen  Inseln  sehr  häufig. 


134  VI.  AbhMdlang:    ▼.  SaffUj. 

Zeugen  angeführt  werden.^  Aber  regelmäßig  schwankt  die 
Zahl  der  adhibierten  Zengen  je  nach  der  Stadt ,'  nach  der 
günstigeren  oder  ungünstigeren  Lage,  dieselben  zu  bemfen,' 
oder  sie  mußte  bei  den  privaten  Testamenten  größer,  in  An- 
wesenheit des  Notars  kleiner  sein.*  Von  den  privaten  Testa- 
menten war  außer  dem  mündlichen  auch  das  eigenhändige  im 
Gebrauche,  besonders  zu  Trau,*  wo  es  die  Reform  von  1347 
aufhob,®  und  zu  Zara,  wo  es  zuweilen  ein  schönes  Denkmal 
der  romanischen  Sprache  in  Dalmatien  liefert.'  Und  während 
über  das  erste  in  den  meisten  Städten  ausdrücklich  binnen 
einer  gewissen  Frist  ein  Instrument  aufgenommen  werden 
mußte,  wurde  dieses  nur  wegen  der  Notwendigkeit  der  Ver- 
vielfältigung notariell  abgeschrieben  und  so  für  uns  erhalten. 
Auch  zeigen  die  Menge  der  Schenkungen  post  obitum  im 
13.  Jahrhundert  und  die  Urkunden  wie  auch  die  Statuten  der 
südlichen  Städte,  wo  die  heredis  institutio  fehlt,  beziehungs- 
weise ausdrücklich  betont  wird,  daß  dieselbe  zur  Gültigkeit 
des  Testamentes  gar  nicht  erwähnt  sein  muß/  daß  das  römische 
Testament  mit  seiner  Erbeinsetzung  doch  noch  nicht  in  Fleisch 
und  Blut  der  Bevölkerung  übergegangen  war.  Erst  im  vor- 
gerückten 14.  Jahrhundert  wird  dieselbe  in  der  Praxis  fast 
regelmäßig  erwähnt  und  das  notarielle  Testament,  welches  in 
Italien  die  Förmlichkeiten  des  römischen  testamentum  per 
nuncupationem  vollständig  nachahmt,  wird  auch  in  den  dalma- 
tinischen Küstenstädten  als  nuncupativum  bezeichnet.^ 

*  A.  1183,  CSD.  II,  173.  •  S.  oben  8.  66. 

'  Im  Stat.  Lesin.  (p.  190,  c.  37:  volumns,  quod  aliqaod  testamentum  in  ciyi- 
tate  nostra  sine  notarlo  fieri  non  possit,  quam  cum  quinqae  testibiis 
adminus  et  extra  civitatem  quam  cum  tribus  testibus  adminns)  wird  ein 
Unterschied  in  civitate  et  extra  civitatem  gemacht. 

*  Stat.  Curz.  c.  41;  Stat.  Cath.  c.  183;  cf.  Reutz,  o.  c.  336. 

*  Stat.  Trau,  1.  3,  c.  4.  «  Ib.  1.  1,  c.  34. 

^  Stat.  Jadr.  1.  3,  c.  18,  19,  114,  135;  cf.  Reutz  335;  Eigenhändiges  lateini- 
sches Testament  z.  B.  von  Lampredius  Ciualellis  a.  1298  (orig.  transumpt 
GAZ.  s.  Dom.  694);  im  Altdalmatinischen  das  Testament  des  Andreas 
deSlorado  a.  1346  (orig.  transumpt  1349,  GAZ.  s.  Dom.  1077):  che  quisto 
tutu  suurascripto  si  e  de  mia  propria  man  segundu  como  uol  In  sta- 
tutu  e  r  ordinamento  di  Qara. 

*  Stat.  Spal.  vet.  3,  c.  36;  cf.  Spevec,  1.  c.  342. 

*  Das  erste  Mal  a.  1335  Zara:  per  presens  nuncnpatiuum  testamentum  in 
hunc  modum  facere  procurauit  (orig.  GAZ.  s.  Gris.  XIII,  Nr.  111). 


Di«  dalrnfttiniflche  PriTatnrktiDd«.  135 

Desto  strenger  war  vom  Anfange  an  der  Anschluß 
an  die  italienische  Notariatspraxis ^  die  Willenserklärung  des 
Testators  in  eine  gewisse  Form  zu  bringen  und  sie  mit  Klauseln 
zur  Sicherung  der  Gültigkeit  zu  versehen.  Die  ältesten  Testa- 
mente von  Zara  aus  dem  10.  und  11.  Jahrhundert  erinnern 
an  die  longobardischen  letztwilligen  Verfügungen;  sie  besitzen 
eine  Arenga  und  die  dispositive  Formel:  volo  et  iubeo  ist  der 
longobardischen:  volo  et  instituo  nicht  unähnlich.^  Im  12.  Jahr- 
hundert ist  die  Form  des  Testamentes  nicht  zu  verfolgen. 
Für  die  weiteren  Jahrhunderte  gelten,  soweit  es  die  Fassung 
und  das  Schwellen  der  Formeln  anbelangt,  die  oben  im  all- 
gemeinen aufgestellten  Regeln.^  Was  die  verschiedenen  Be- 
stimmungen betrifft,  welche  ein  Testament  enthalten  kann,  so 
bildet  das  Auftauchen  der  Klausel  für  die  Kommissare  des 
Testamentes  und  besonders  die  Kodizillarklausel  am  Ende  des 
13.  Jahrhunderts  einen  Einschnitt,  wonach  man  die  städtischen 
Testamente  in  eine  ältere  und  eine  modernere  Qruppe  ein- 
teilen kann. 

Außer  in  der  sehr  üblichen  Arenga  und  zuweilen  auch 
in  der  Verwünschung^  zeigt  das  ältere  Testament  auch  vom 
rechtlichen  Standpunkte  starke  Anklänge  an  die  Schenkungen 
post  obitum,  wie  dies  aus  der  zu  Spalato  sehr  gewöhnlichen 
Formel:  trade  et  dono  ex  testamento^  deutlich  *  hervorgeht. 
Gemeinsam  hat  es  mit  dem  moderneren  Testamente  nur  die 
Reihenfolge  der  Legate.  Es  beginnt  mit  Legaten  ad  pias  causas, 
wie  dies  den  Anschauungen  der  Zeit  entsprach.^  Dagegen 
bilden  die  modernen  Testamente  gewöhnlich  eine  Musterkarte 
aller  möglichen  Anordnungen,  denn  zu  den  Legaten^  Substitu- 
tionen u.  s.  w.  treten  die  oben  genannten  beiden  Formeln  und 
zuweilen  die  heredis  institutio  hinzu. 

Das  Institut  der  Treuen  Hand,  dem  römischen  Rechte 
unbekannt,  hat  sich  aus  den  longobardischen  Salmannen  ent- 
wickelt,^ ist  mit  dem  Testamente  in  die  dalmatinischen  Städte 


1  Doc.  Nr.  13,  21,38;  cf.  Cod.  Longob.  263. 

*  8.  §  8.    »8.  oben  8.  73,  n.  1. 

*  Z.  B.  Ä.  1243  (orig.  AC8.  XVI,  1.  86);  1247  (orig.  Ib.  XVI,  1.  158);  1250 
(Ib.)  etc. 

»  Cf.  Irnerius,  Biblioth.  iur.  I,  220;  Voltelini,  1.  c.  p.  CXXII,  n.  1. 

*  8.  mebr  bei  Z(5pfel,  Deutsche  Rechtsgeschichte  III,  234.  275  ff. 


136  VI.  Abhandlang:    t.  gnfflftj. 

übergegangen^  und  hat  hier  fast  überall  dieselben  Namen  be- 
halten. Der  zuverlässige  Mann  wird  manufidelis,  execator, 
testamentarius,  am  gewöhnlichsten  commissarius  genannt.  Nur 
im  Süden  zu  Cattaro  erhielt  die  germanische  Institution  in  der 
slawischen  Rasse  den  griechischen  Namen:  epitropus.^  Die 
Nennung  der  Kommissare  —  gewöhnlich  sind  ihrer  zwei  — 
geschieht  in  dem  städtischen  Testamente  regelmäßig  seit  den 
letzten  Jahrzehnten  des  13.  Jahrhunderts^  und  wird  im  14.  Jahr- 
hundert  in  den  nördlichen  Städten  von  einer  ausgiebigen 
VoUmachtsklausel  begleitet. 

Vom  Anfange  des  14.  Jahrhunderts  bildet  überall  den 
Schluß  des  Testamentes  die  Kodizillarklausel^  das  ist  die  Er- 
klärung, daß  die  letzt  willige  Anordnung,  soferne  sie  wegen 
eines  Mangels  als  Testament  nicht  aufrecht  bleiben  könne,  als 
Kodizill  zu  betrachten  sei.^ 

vin. 

Die  Datierung. 

18.  Die  ohristliohe  Ära  und  die  Jahresanfänge. 

Die  christliche  Ära  ist  verhältnismäßig  sehr  früh  nach 
Dalmatien  eingedrungen.  Ihre  allgemeine  Verbreitung  ist  in 
die  zweite  Hälfte  des  9.  Jahrhunderts  zu  versetzen,  wo  sie 
schon  in  der  kroatischen  Fürstenurkunde  angewandt  wird.^ 
In  den  Städten  Dalmatiens  dürfte  sie  schon  früher  im  Gebrauche 
gewesen   sein,   worauf  eine   zwar   nicht  ganz  verläßliche  Spur 


^  Am  ausführlichsten  über  die  Kommissare  handelt  das  Stat.  Spal.  Cf. 
Spevec,  1.  c.  347. 

*  Stat.  Cath.  c.  183:  .  .  .  tali  forma  ordinet  ipsum  videlicet  cum  dnobus 
testibus  et  pouat  epitropos. 

'  Zu  Spalato  schon  1260  (orig.  transumpt  1260,  7.  Juni  ACS.  ed.  Wenczel 
II,  326) :  fecit  et  constituit  suos  commissarios  ad  exequendam  omnia 
suprascripta  bona  fide  super  ipsorum  animas. 

*  Cf.  Windscheid  UI,  §  631;  Dernburg  Ul,  %  95.  —  Sie  lautet  voll- 
ständig gleich  wie  in  den  italienischen  Testamenten. 

'^  Die  Urkunde  Ton  853  (Doc.  Nr.  2)  hat  sie  noch  nicht,  dagegen  die  Be- 
stätigung derselben  von  892  (Ib.  Nr.  12):  anno  utique  sacram  postquam 
Christus  carnem  a  virgine  sumpsit  DCCCXCII.  Cf.  BaÖki,  Hrratska 
dvorska  Kancelarija,  Rad  35,  p.  12. 


Die  d»l]iifttiabch«  PriTatvrkund«.  137 

hinweist.^  Somit  ist  sie  kaum  italienischer  Quelle  entsprungen^^ 
sondern  muß  dem  fränkischen  Einflüsse  zugeschrieben  werden, 
der  für  diese  Zeit  für  ganz  Dalmatien  und  Kroatien  und  be- 
sonders für  die  dalmatinischen  Küstenstädte,  welche  nach  dem 
Frieden  von  Aachen  (812)  mit  diesem  Reiche  in  rege  Handels- 
beziehungen treten,  nicht  ausgeschlossen  werden  kann.^  Demzu- 
folge finden  wir  —  da  die  älteste  Privaturkunde  Dalmatiens  aus 
dem  Jahre  918  stammt  —  fast  keine  Urkunde^  die  nicht  diese 
Zeitrechnung  besitzen  würde,  wenn  sie  überhaupt  eine  hat.^ 

Aber  wenn  wir  auch  im  eigentlichen  Dalmatien  aus- 
nahmslos  mit  der  christlichen  Ära  zu  tun  haben,  so  verursacht 
dennoch  die  große  Verschiedenheit  in  bezug  auf  den  Jahres- 
anfang Schwierigkeiten,  denn  nicht  alle  Städte  hatten  den- 
selben Jahresanfang,  auch  die  eine  Stadt  in  verschiedenen 
Perioden  nicht;  ja  selbst  gleichzeitig  kommen  in  derselben 
Stadt  zwei  Jahresanfänge  von  verschiedenen  Notaren  zur  An- 
wendung. 

Da  uns  keine  ausdrücklichen  schriftlichen  Zeugnisse  über 
die  Rechnungsweise  der  einzelnen  Städte  Dalmatiens  vorliegen,^ 
so  finden   wir   uns  bei  den  Untersuchungen  über  dieselbe  nur 


^  Die  Datierung  einer  Urkunde  von  Cattaro :  instromentum  corporis  nostri 
gluriosi  Confalonis  sancti  Tripbon  ig,  anno  a  Christi  incamatione  octin- 
geutesimo  nono,  die  decima  tercia  ianuarii  (CSD.  I,  Nr.  54,  p.  40)  ist 
nicht  verläßlich,  da  wahrscheinlich  die  Datierung  dieser  Urkunde,  welche 
Farlati  (IUtt.  sacr.  VI,  p.  42)  als  der  erste  und  letzte  benutzt  hat  und 
die  jetzt  verschollen  ist  (cf.  Jire£ek ,  Somanen  etc. ,  Denkschriften  der 
kais.  Akademie,  vol.  48,  p.  5),  als  späterer  Zusatz  zu  betrachten  ist, 
worauf  auch  das  Fehlen  der  Indiktion  und  das  Wort  ,instrumentum* 
hindeutet.  Es  ist  aber  nicht  die  direkte  Anknüpfung  an  die  Novelle 
J astin ians  47  ausgeschlossen. 

*  Über  das  9.  Jahrhundert  gehen  die  ersten  Fälle  solcher  Datierung  in 
Italien  nicht  hinaus.  Paoli,  Dipl.,  p.  170  (L.  229). 

'  Die  Urkunde  von  853  bezeugt  den  Einfluß  selbst:  regnante  in  Italia 
piissimo  Lothario  Francorum  rege;  Smlölklas,  Fovjest  hrv.  I,  p.  168* 
cf.  Sickel,  Acta  I,  221;  Qrotefend,  Zeitrechnung  205;  Rühl,  Chrono- 
logie 199. 

^  So  fehlt  die  Datierung  einigen  Notizen  über  Schenkungen  und  Besitz 
aus  dem  12.  Jahrhundert,  CSD.  II,  Nr.  29—32.  40.  161.  —  Über  die 
Urkunde,  welche  nur  die  Indiktion  als  Datum  trägt,  vgl.  unten  S.  146  f. 

»  Wie  sie  z.  B.  Paoli  für  Bari  und  Florenz  anführt  (Mitt.  des  Inst.  VU, 
465;  Dipl.  185,  L.  249). 


138  VI.  Abtauidliing:    v.  gnfflfty. 

auf  die  Urkunden  selbst  angewiesen,  die  aber  bei  größerer 
Zahl  aus  einem  Jahre  und  derselben  Stadt  ein  sicheres  Kriterium 
für  die  Fixierung  des  Jahresanfanges  bieten.  Zuerst  kommt 
die  Indiktion  in  Betracht,  die  von  dem  13.  Jahrhundert  an 
immer  verläßlich  ist,  was  leider  für  das  11.  und  12.  Jahrhundert, 
wo  die  Urkunden  gewöhnlich  in  Kopien  erhalten  ^  sind,  und  auch 
für  die  Originale  dieses  Zeitabschnittes  nicht  der  Fall  ist.' 
Die  Übereinstimmung  oder  das  Vorangehen  derselben  um  eine 
Einheit  bis  zu  einem  gewissen  Monatsdatum  erschließt  uns  die 
Art  der  Rechnungsweise.  In  zweiter  Reihe  kommt  die  Monats- 
datierung zu  Hilfe,  besonders  der  29.  Februar  bei  dem  Schalt- 
jahre,^ und  die  allerdings  nur  seltene  Angabe  der  Wochentage; 
schließlich  die  Transsumpte  der  Urkunden  aus  demselben  Jahre, 
die,  wie  zu  denken,  sehr  selten  sind,  aber,  wenn  sie  aus  dem 
Anfange  des  Jahres  herrlihren,  am  besten  den  scharfen  Gegen- 
satz der  verschiedenen  Zahlweisen  hervorheben  können.^  Dazu 
treten  die  äußerst  seltenen  Anhaltspunkte,  welche  uns  die  im 
Eingangsprotokolle  genannten  Würdenträger  liefern. 


^  S.  Radki,  Stari  prepisi,  Rad  36,  p.  Ul. 

»  S.  Doc.  Nr.  36.  69.  70.  71.  111.  116;  CSD.  Nr.  51.  95.  96.  118.  150. 
181.  209.  —  Die  Ursachen  dieser  Erscheinung  s.  bei  Grotefend,   p.  94. 

'  Z.  B.  die  Urkunde  von  Zara:  anno  incarnationis  .  .  .  miUesimo  trecen- 
tesimo  septaagesimo  prtmo  indictione  decima  die  vigesimo  nono  mensis 
februarii  (orig.  im  gubernialen  Archiv  zu  Zara,  Abt.  des  Klosters  Ro- 
govo),  wo  es  klar  ist,  daß  hier  das  Jahr  1372  zu  nehmen  ist. 

♦  Die  Urkunde  von  Zara  1360  (1)  16.  Februar  ind.  XIV  (XIII)  enthält  die 
Urkunde  des  kroatischen  Banus  Zeech  vom  Jahre  1361.  —  Um  den 
allzugroßen  Dimensionen  der  Belege  vorzubeugen ,  werde  ich  die  Da- 
tierungszahlen nicht  wie  im  Original  ausgeschrieben  zitieren,  sondern 
mit  Ziffern.  Die  frei  angeflihrten  Ziffern  entsprechen  genau  dem  Ori- 
ginale, während  die  neben  dem  Jahre  in  der  Klammer  befindliche 
Ziffer  die  Jahreszahl,  welche  dem  gewöhnlichen  heutigen  Jahresanfänge 
entspricht,  bezeichnet.  In  gleicher  Weise  bezeichnet  die  der  Original- 
indiktion  in  der  Klammer  beigesetzte  römische  Ziffer  die  Indiktion, 
welche  mit  ihrem  größeren  Teile  in  das  im  Originale  stehende  Jahr 
fallt.  Falls  der  Originalzahl  nichts  zugefügt  wird,  ist  sie  als  mit  der 
heutigen  Jahresrechnung,  beziehungsweise  mit  der  erwähnten  Indiktion 
übereinstimmend  zu  betrachten.  Zu  bemerken  ist  noch,  daß  man  die 
Datierung  immer,  wenn  das  Gegenteil  nicht  ausdrücklich  gesagt  ist,  als 
mit  Buchstaben  ausgeschrieben  zu  denken  hat,  und  auch,  daß  für  alle 
Urkunden  von  Zara  und  die  meisten  der  südlichen  Städte  die  Formel: 
anno  incarnationis  zuzudenken  ist. 


IMtt  dftlmfttiniMbe  PriTfttiirkiindtt.  139 

Obgleich  in  der  dalmatinisch-kroatischen  Urkunde  sowie 
in  ihren  Fortsetzungen  zur  Bezeichnung  der  Jahre  der  christ- 
lichen Ära  die  Bezeichnung  anno  incamationis  mit  allerlei 
Wendungen  am  häufigsten  angewandt  wurde,  so  daß  die  zweite, 
in  engerer  Bedeutung  im  Gegensatz  zu  ihr  stehende  Formel: 
anno  natiuitatis  ^  fast  nicht  bemerkt  wird,  so  darf  daraus  allein, 
wie  auch  sonst  bekannt,'  doch  kein  Schluß  im  bezug  auf  den 
Jahresanfang  gezogen  werden. 

Bis  zum  Beginne  des  13.  Jahrhunderts  wird  die  erste 
Formel  ohne  jede  Rücksicht  auf  den  Jahresanfang  überall 
angewandt,'  dann  fängt  sie  an,  sich  mit  der  anderen  zu  mischen, 
welche  aber  bald  aus  Norddalmatien  gänzlich  verschwindet, 
um  nur  in  dem  mittleren  Dalmatien  spärlich  neben  der  ersten 
fortzudauern.  Diese  Erscheinung,  die  auf  den  ersten  Blick 
willkürlich  erscheint,  deckt  sich  doch  teilweise  und  mit  einigen 
Begriffsveränderungen  ^  mit  dem  Jahresanfang  der  einzelnen 
Städte,  natürlich  erst  in  der  Zeit  der  höheren  Bildung  der 
dalmatinischen  Notare,  also  seit  dem  Ende  des  13.  Jahrhunderts. 

In  der  ältesten  dalmatinischen  Privaturkunde  von  Zara, 
in  welcher  der  Jahresanfang  durch  die  Indiktion  ziemlich  genau 
festzustellen  ist,  sieht  man  den  Gebrauch  des  Zirkumzisionsstils.^ 
Dieser  muß  in  allen  Städten  Dalmatiens,  wenn  man  die  ragu- 
sanische  Urkunde  aus  derselben  Zeit^  und  die  späteren  Ur- 
kunden von  Spalato,  Trau,  Cattaro  etc.  berücksichtigt,  wo 
immer   dieser  Stil  in  Anwendung   blieb,   als   ursprünglich    be- 


^  In  engerer  Bedeatang  bezeichnet  annns  incarn.  ein  Jahr,  welches  mit  dem 
26.  März ,  annus  nat.  ein  Jahr,  welches  mit  dem  25.  Dezember  beginnt. 
Snmma  not.  Johannis  von  Bologna  (Rockinger  I,  610) ;  Qrotefend,  Hand- 
buch 26,  Zeitrechnung  I,  7. 

•  Mabillon  177;  Paoli,  Dipl.  173  (L.  238). 

>  Selten  nur  anno  domini  (CSD.  II,  Nr.  42.  67.  90.  103.  132.  150.  226), 
auch  die  rhetorischen  Erweiterungen  dieser  Formel;  s.  besonders  Doc. 
Nr.  34.  134.  CSD.  U,  51.  202. 

•  So  wird  zu  Spalato,  Brazza  etc.  annus  natiuitatis,  wie  wir  sehen  werden, 
wahrscheinlich  für  den  Zirkumzisionsstil  gebraucht. 

^  A.  1036  ind.  IUI.  mense  Febrnario  die  XIII  (Doc.  Nr.  34) ;  da  sich  die 
Indiktion  mit  dem  Jahre  deckt,  kann  es  entweder  noch  der  Weih- 
nachtsstil oder  der  byzantinische  Stil  sein.  Der  letztere  entf&llt,  da  in 
anderen  Urkunden,  wie  man  sehen  kann,  die  byzantinische  Indiktion 
in  den  vier  letzten  Monaten  um  eine  Einheit  vorrückt  (s.  Nr.  38.  63). 

•  A.  1044  ind.  XII,  20.  Februar,  CSD.  I,  Nr.  128. 


140  VI.  Abhandlong:    t.  dnffUy. 

trachtet  werden.  Ob  wir  dennoch  hier  vielleicht  mit  dem 
Weihnaclitsjahr  zu  tan  haben,  ist  jetzt  noch  nicht  zu  unter- 
scheiden. Es  ist  aber  wahrscheinlich  und  durch  den  Rück- 
schluß aus  späterer  Zeit,  wie  wir  unten  zeigen  werden,  be- 
gründet, daß  man  in  Dalmatien  mit  dem  1.  Januar  das  Jahr 
anfing;  welches  treue  Festhalten  an  dem  verpönten  heidnisch- 
römischen Kalender^  den  Städten  gleich  so  manchen  anderen 
römischen  Traditionen  nicht  zu  verargen  ist. 

Bald  aber  wurde  dieser  Stil  von  einem  anderen  im  Norden 
Dahnatiens  hart  bedrängt  und  schon  in  der  zweiten  Hälfte  des 
12.  Jahrhunderts^  ist  der  alte  Stil  aus  Zara  vor  dem  venezia- 
nischen (Beginn  mit  1.  März)  gewichen,  der  sich  gewiß  an 
den  politischen  Einfluß  der  Republik  heftete,  welche  das  Recht 
des  byzantinischen  Reiches  auf  Dalmatien  geerbt  zu  haben 
wähnte.*  Aber  auch  dieser  verblieb  nicht  dauernd  in  An- 
wendung, schon  von  der  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  gewann 
die  florentinische  Zeitrechnung  (25.  März  Jahresanfang)  die 
Oberhand,  wahrscheinlich  unter  dem  Einflüsse  der  päpstlichen 
Kanzlei,  die  zu  dieser  Zeit  noch  immer  mit  Vorliebe  den 
Annunziationsstil  benutzt.^ 

Der  venezianische  Stil  herrscht  ausschließlich  bis  in  die 
Dreißigerjahre   des    13.  Jahrhunderts,^   obgleich  sich  gleich  am 


'  Bei  den  Franken  war  der  Weihnachtastil  üblich.  Grotefend,  Zeitrech- 
nung 205;  Mas-Latrie,  Tresor  6—7;  Kopallik,  Vorlesungen  39. 

*  Für  die  frühere  Zeit  mangelt  es  an  jedem  Argumente. 

'  Die  erste  Urkunde  von  Zara  wo  dies  ersichtlich  ist,  a.  1177(8)  mense  Fe- 
bruario,  ind.  XI  (X),  Nr.  132.  Dennoch  ist  hier  nicht  der  calc.  Florent 
ausgeschlossen,  wie  auch  in  Nr.  163.  164.  172.  174.  187  etc.;  erst  yoH- 
ständig  ausgeprägt  a.  1197,  1.  Mära,  ind.  XV  (Nr.  246  etc.). 

*  Summa  Johannes  von  Bologna  (Rockinger  1,610):  .  .  .  curia  tarnen  in 
priuilegiis  incipit  annos  domini  ab  incamatione;  cf.  Paoli,  Dipl.  174 
(L.  236).  —  Daß  die  zaratinischen  NoUre  auf  der  Wende  schon  des 
12.  Jahrhunderte  die  päpstlichen  Bullen  gut  kannten,  s.  die  Urkunde 
a.  1190  (CSD.  II,  Nr.  209),  wo  die  Schlußformel  wörtlich  der  Papst- 
urkunde entnommen  ist.   Vgl.  oben  S.  65,  n.  5. 

^  Beweise  dafür:  1.  Daß  das  Vorrücken  der  Indiktion  auch  das  Vorrücken 
der  Jahreszahl  um  eine  Einheit  notwendig  macht:  1239  (40)  die  vice- 
simo  nono  Februarii  ind.  XIII,  (XU)  wo  ersichtlich,  daß  wir  mit  dem 
Jahre  1240  heutiger  Rechnung  zu  tun  haben,  da  es  ein  Schaltjahr  sein 
muß  (orig.  GAZ.  Ab  s.  Gris.  XIV.  F.  4).  —  2.  Daß  die  Indiktion  in  den 
zwei  ersten  Monaten  vorrückt:  1206(6)  11.  Februar  IX  (VIII)  (or.  AsA.); 


Di«  dttlnifttiiiiscb«  PriTfttvrkniid«.  141 

Beginne  desselben  eine  Spar  des  Annunziationsstils  findet.^ 
Aber  schon  seit  dem  Jahre  1237  haben  wir  eine  größere  Zahl 
der  Urkunden ,  wo  sich  die  Jahreszahl  auch  im  März  nicht 
mit  der  Indiktion  deckt,  nnd  eine  ist  ans  dieser  Zeit,  welche 
jeden  noch  obwaltenden  Zweifel  verschwinden  läßt,  daß  wir 
mit  der  florentinischen  Rechnungsweise  zu  tun  haben.^  Seit- 
dem erscheint  der  venezianische  Stil  noch  ziemlich  parallel  bis 
zum  Jahre  1265,  in  welchem  wir  ihn  zum  letztenmale  nach- 
zuweisen im  Stande  sind.'  Hier  verschwindet  er  plötzlich  für 
zwei  Jahrhunderte  und  mit  ihm  zugleich  die  bis  zu  derselben 
Zeit  in  Zara  sich  haltende  byzantinische  Indiktion,  auf  die  wir 
noch  zu  sprechen  kommen. 

Unter  der  Redaktion  der  einheimischen  Notare  behielt 
weiter  die  Urkunde  von  Zara  fast  ausnahmslos  den  Annun- 
ziationsstil ,^  der  auch  nicht  ins  Wanken  geriet,  als  das 
Notariat  aus  kaiserlicher  Machtvollkommenheit  in  der  Stadt 
feste  Wurzeln  schlug  und  als  Zara  unter  die  Regierung  des 
kroatisch-ungarischen  Königs  Ludwigs  des  Großen  kam  und 
das  benachbarte  Nona  den  Calculus  Florentinus  für  den  Zirkum- 
zisionsstil  umtauschte.  Kleine  Schwankungen  sind  allerdings 
um  diese  Zeit  zu  erkennen.^ 

£s  dauert  diese  Rechnung  weiter  unberührt  in  das 
15.  Jahrhundert,  bis  endlich  die  Macht  Venedigs  Zara  sowie 
den  anderen  dalmatinischen  Städten  auch  in  der  Zählungsweise 
den  Stempel  der  Unterwürfigkeit  aufdrückte.®     Von   der  Mitte 


1231,  17.  Februar  IV  (HI)  (GAZ.  Abt.  s.  Gris.  XVII.  B.  14).  —  3.  Daß 
sie  8ich  vom  1.  Mftrs  an  deckt:  1201,  2.  März,  ind.  IUI  (Ib.  XVI.  D.  1); 
1209,  21.  März,  ind.  XU  (AsA.  a.  1209). 
»  1206  (7),  .  .  März  X  (IX)  (orig.  Begna,  Nr.  1). 

*  A.  1238  (9),  15.  März^  ind.  XII  (XI)  enthält  die  Urkunde  von  1238, 
10.  April  (GAZ.  Abt.  s.  Gris.  XIV,  D.  1). 

>  1265,  6.  März,  ind.  VIU  (GAZ.  Abt.  des  Klosters  St.  Domenico  Nr.  680). 

*  Eine  Ausnahme  bilden  nur  die  Urkunden  der  geistlichen  Behörden, 
welche  beständig  in  ganz  Dalmatien  den  römischen  Stil  gebrauchten,  wie 
dies  unten  näher  besprochen  wird.  Cf.  Knauz,  Kortan  89  (Pest  1876). 

'  Einige  Urkunden  im  gnbemialen  Archive  zu  Zara,  wie  z.  B.  a.  1365, 
14.  Januar,  ind.  UI,  ^  1867,  18.  März,  ind.  V. 

*  Fälle  des  Wechsels  der  Jahreszählung  mit  dem  Wechsel  eines  fremden 
Herrschers  sind  auch  in  Italien  nicht  unbekannt.  8.  für  die  Stadt  Lucca 
ArcbiYio  stör,  itol.,  Serie  III,  vol.  12,  137;  für  Cortona  Paoli  174  (L.  235). 


142  VI.  Abhandlang:    t.  ÖnffUj. 

des  15.  Jahrhunderts  bis  zum  Falle  der  Republik  ist  in  ganz 
Dalmatien  der  venezianische  Stil  angewandt  worden. 

Auch  das  kroatische  Nona  läßt  sich  von  der  mächtigen 
benachbarten  Stadt  gänzlich  beeinflussen.  Vom  13.  Jahrhundert 
bis  unter  die  Regierung  König  Ludwigs  finden  wir  hier  keinen 
anderen  Stil  als  den  Calculus  Florentinus.^  Die  Stadt  Pago, 
die  gewöhnlich  zu  Zara  gehörte,  bemüht  sich  ebenfalls,  dieses 
nachzuahmen.  Aber  die  Fühlung  mit  Kroatien,  die  schon  früh 
durch  das  Domkapitel  genährt  wurde,  gesteigert  noch  durch 
den  gemeinsamen  Herrscher,  verdrängte  schnell  diese  Zählungs- 
weise und  Nona  zählte  in  der  zweiten  Hälfte  des  14.  Jahr- 
hunderts nach  dem  in  Kroatien  und  den  südlichen  Küstenstädten 
üblichen  Zirkumzisionsstil. 

So  erscheint  Zara  mit  dem  von  ihm  beeinflußten  Gebiet, 
indem  es  von  der  Rechnungsweise  der  umgebenden  Städte  und 
Inseln  und  des  kroatischen  Küstenlandes  sowie  der  brüderlichen 
dalmatinischen  Städte  im  Süden  abwich,  in  seiner  eigentümlichen 
Zählung  alleinstehend;^  und  in  diesem  chronologischen  Momente 
finden  wir  einen  gewissen  Ersatz  für  die  verlorenen  diploma- 
tischen Eigentümlichkeiten,  durch  welche  sich  das  nördliche 
Urkundengebiet  einstens  ausgezeichnet  hatte. 

Keinen  so  stürmischen  Wechsel  des  Jahresanfanges  wie 
die  Städte  Norddalmatiens  hatten  die  südlichen  Städte:  Se- 
benico,   Spalato,   Trau,    Ragusa/   Cattaro    und   die    sich 


*  1266  (7),  24.  März  X  (IX)  (GAZ.  Abt.  s.  Nicolo,  Nr.  47).  —  1289  (90), 
2. Februar  UI  (II)  (A8A.a.l289).  —  1387  (8),  I.Mär«  VI  (V)  (orjg.  8.  Maria). 
—  Dagegen  a.  1S68,  6.  März  XIII  (GAZ.  s.  Domenico).  —  1373,  10.  März 
XI  (AsA.  a.  1373)  etc. 

*  Einen  scharfen  Gegensatz  zu  der  Rechnungsweise  von  Spalato  bietet 
die  Urkunde  von  Zara  1386  (7),  21.  März  X  (IX)  (AsA.  a.  1386),  welche 
das  Instrument  von  Spalato  1387,  ind.  X,  21.  Januar  erwähnt. 

'  Für  Ragusa  kann  ich  in  dieser  Beziehung  für  das  13.  und  14.  Jahr- 
hundert eigentlich  kein  maßgebendes  Urteil  fällen,  weil  ich  das  Haupt- 
material im  ragusanischen  Archiv,  da  dieses  schon  zwei  Jahre  geschlossen 
ist,  nicht  besichtigt  habe.  Die  zwei  Sammlungen,  wo  sich  noch  etliche 
ragusanische  Frivaturkunden  vorfinden,  das  Staatsarchiv  zu  Wien  und 
das  Archiv  der  südslawischen  Akademie  zu  Agram,  waren  nicht  aus- 
reichend, denn  entweder  besitzen  die  vorhandenen  Urkunden  keine  In- 
diktion  zur  Kontrolle,   oder  fallen  in  Monate,   die  hierher   nicht   ein- 


Di«  dAlmatiniseli«  PriTsivrlnind«.  143 

Dach  ihnen  richtenden  Inselstädte:  Lesina,  Lissa,  Brazza 
nnd  Cnrzola.  Zwar  kann  man  kaum  bezweifeln,  daß  zur 
Zeit,  als  der  venezianische  Stil  fast  allein  zu  Zara  herrschte, 
also  vom  Ende  des  12.  Jahrhunderts  bis  in  die  Mitte  des 
13.  Jahrhunderts,  er  sich  auch  auf  der  ganzen  Küstenlinie  und 
auch  auf  der  Inselreihe  einzunisten  versuchte,  umsomehr,  da 
sich  zweifellose  Spuren  desselben  zu  Arbe,^  Traü^  und  Spalato* 
vorfinden.  Aber  im  ganzen  hat  sich  überall  hier  die  für  das 
11.  Jahrhundert  fär  ganz  Dalmatien  festgestellte  Rechnungs- 
weise nach  dem  heutigen  Stile  (1.  Januar)  erhalten.  Der  Grund 
kann  kaum,  Cattaro  ausgenommen,  in  der  geographischen  Lage 
allein  gesucht  werden.^  Er  dürfte  in  dem  treuen  Festhalten 
der  Einwohner  an  den  römischen  Traditionen,  in  der  größeren 
Fühlung  mit  dem  kroatischen  Elemente,  besonders  aber  im 
großen  Einflüsse  des  Klerus  im  Süden,  welcher  seine  Urkunden 
stets  nach  diesem  Stile  datierte,  liegen.^  Das  kaiserliche  No- 
tariat, welches  sich  schon  früh  nach  Süddalmatien  den  Weg 
bahnte,  konnte  sich  in  diese  von  dem  Weihnachtsstile  seiner 
Heimat  nur  wenig  abweichende  Kechnungs weise  leicht  fügen. 
Doch  ist  die  unmittelbare  Anknüpfung  an  das  11.  Jahr- 
hundert nirgends   zu  verfolgen.     Die  Urkunden   von  Spalato, 

schlagen.  —  Für  die  ältere  Zeit  spricht  die  erwähnte  Urkunde  von 
a.  1044  (CSD.  I,  Nr.  12)  för  die  obigen  Folgerungen. 

'  A.  1229,  ind.  III  (II):  mense  februarii  die  5  exennte  .  .  .  temporibns  .  .  . 
inclit.  ducis  Venecie  (Orig.  nicht  zu  finden,  ed.  Farlati,  111.  sacr.  V,  240; 
Wenczel,  Cod.  Arp.  VI,  480). 

»  A.  1247  (8),  3.  Februar  VI  (V),  (orig.  ACT.,  ed.  Farlati  IV,  364). 

»  1261  (2),  29.  Januar  V  (IV)  (orig.  s.  Maria  zu  Zara).  —  Die  drei  in  den 
letzten  drei  Noten  zitierten  Beispiele  sind  ganz  yereinzelt  und  neben 
der  Wucht  des  Zirkumzisionstils  als  Tollständig  abnorm  zu  betrachten. 

*  Vgl.  Cons,  La  Dalmatie  romaine,  p.  14 — 22. 

^  Über  den  Einfluß  des  Klerus  zu  Spalato  im  11.  Jahrhundert  s.  Raöki, 
Rad  28,  183—186;  Smi^iklas,  Poyjest  hrv.  I,  344—361;  für  das  12.  Jahr- 
hundert Kap-Herr,  Die  abendländische  Politik  Kaiser  Manuels  89—92; 
dufflaj,  Hrvatska  i  zadnja  pregnu(fa  52,  67  f.  Als  Beispiel  dieser  Da- 
tierung bei  den  Urkunden  des  Klerus  führe  ich  folgende  Urkunden  aus 
Zara  an:  1328,  7.  Januar  XI  (Begna  a.  1328).  —  1364,  25.  Januar  II 
(GAZ.  Abt.  Eogovo).  —  1366,  6.  Februar  IV  (Ib.)  —  1373,  10.  März  XI 
(GAZ.  Abt.  Domenico).  —  1374,  28.  Januar  XII  (s.  Maria  zu  Zara).  — 
FOr  den  Einzug  des  Zirkumzisionstiles  in  das  kirchliche  Recht  s.  Grote- 
fend  22.  —  In  Ungarn  zwar  hauptsächlich  der  Weihnachtsstil  ttblich 
Knaus,  Kortan  97  f.;  aber  vgl.  unten  S.  146,  n.  2. 


144  VI.  Abbandliing :    ▼.  Önfflay* 

aus  denen  in  dieser  Beziehung  ein  Schluß  zu  ziehen  wäre, 
fangen  erst  im  13.  Jahrhunderte  an,^  beweisen  aber  seitdem 
reichlich  den  oben  konstatierten  Brauch.^  Dasselbe  gilt  von 
Traü.^  Weit  schlechter  steht  es  in  dieser  Beziehung  mit 
Cattaro  und  den  erwähnten  Inselstädten.  Hier  tritt  das  Material 
größtenteils  erst  im  14.  Jahrhunderte  für  unsere  Zwecke  ent- 
gegen und  wir  können  nur  sagen ^  daß  kein  Fall  vorkommt, 
welcher  den  durch  einige  Urkunden  konstatierten  Zirkum- 
zisionsstil^  ausschließen  würde. 

Die  rein  kroatische  Stadt  Sebenico'^  und  wahrscheinlich 
auch  Scardona  gesellen  sich  als  zwei  markante  Punkte  zu  der 
doppelten  isochronen  Kurve ,^  welche ,  von  den  Städten  der 
Bucht  von  Quarnero^  und  der  kroatischen  Küstenstadt  Senj 
(Zengg)   parallel    ausgehend;   an   dem  ersten    Vorsprunge   der 


^  Die  Urkunde  von  1188  (CSD.  II,  Nr.  193)  kommt  kaum  in  Betracht,  'da 
sie  den  calc.  venet.  nicht  ausschließt. 

'  So  die  Urkunden  yon  a.  1237,  mens.  ian.  X  (orig.  ACS.).  —  1238,  mens, 
ian.  XI  (Ib.  mit  der  Signatur  des  Wiener  Staatsarchivs  XVI,  1226).  — 
1256,  24.  März  XIV  (Ib.  XVI,  1.  100).  —  1260,  10.  Februar  Ul  (Ib.  ed. 
Wenczel  II,  362).  —  1271,  10.  Januar  XIV  (Ib.).  —  1276,  21.  Februar 
III  (s.  Maria  zu  Zara).  —  1332,  25.  Februar  XV  (AsA.  a.  1332)  etc. 

>  A.  1241,  X.  Kai.  Febr.  XUII  (orig.  s.  Maria  zu  Zara).  —  1286,  28.  Fe- 
bruar XIV  (ACS.  XVI,  1.  61,  ed.  Wenczel  IV,  291).  —  1293,  16.  Januar 
VI  (ACT.  Nr.  29).  —  1296,  22.  Februar  IX  (Ib.  Nr.  30).  —  1812,  6.  Fe- 
bruar X  (Ib.  Nr.  36).  —  1324,  16.  März  VII  (Ib.  Nr.  4ö)  etc. 

*  Lesina  1320,  10.  Februar  III  (orig.  Arch.  des  Cap.  zu  Lesina).  —  Cattaro 
1261,  13.  Februar  IV  (AsA.  a.  1261).  —  1860,  7.  März  m  (Ib.).  —  1888, 
2.  Januar  X  (Ib.). 

<^  1353,  29.  Januar  VI  (AsA.  a.  1353).  —  1358,  18.  März  XI  (Ib.). 

*  Es  dürfte  von  nicht  geringem  Nutzen  für  die  Wissenschaft  sein,  wenn 
man  versuchen  würde,  den  Gebrauch  der  verschiedenen  Jahresanfänge 
und  Indiktionen  für  Länder  mit  verschiedenen  Stilen  kartographisch 
darzustellen,  d.  h.  die  Orte  mit  gleichem  Jahresanfang,  beziehungsweise 
Indiktion  mit  Linien  zu  verbinden.  Gewinnt  man  dadurch  zweifellos 
leichter  die  Übersicht  als  durch  die  Handbücher,  so  würden  sich,  glaube 
ich,  auch  neue  Ausschauung^punkte  für  kulturelle  Strömungen  bieten. 

'  Für  Krk  (Vegla):  1311,  25.  Februar  IX  (AsA.  a.  1311);  1305,  10.  Januar 
m  (Ib.).  —  1306,  3.  Februar  IV  (Ib.)  etc.  Für  Rah  (Arbe):  1200, 
30.  Januar  III  (orig.  k.  Landesarchiv  zu  Agram).  —  1261,  23.  Februar  IV 
(Ib.).  —  1272,  13.  Mära  XV  (AsA.)  —  1384,  16.  Januar  H  (GAZ.  Abt 
8.  Gris.  XXIV,  Nr.  623)  etc.  Für  Osor  (Absaro)  1212,  15.  März  XV 
(AsA.  1212). 


Die  dftlmatinuclie  PiiTatnrkonde.  145 

bis  jetzt  monotonen  Küste,  an  der  alten  Halbinsel  Hyllis  (heute 
liegt  Zara  darauf)  divergiert,  gleich  der  Welle,  die  sie  bespült, 
zerschellend.  Die  östliche  Krümmung  biegt  in  das  Festland, 
um  über  Vrana  und  Bribir  bei  Scardona  wieder  den  Weg 
zur  Küste  zu  finden;  die  westliche,  durch  die  Insel  Pago 
plötzlich  in  ihrem  Laufe  zu  der  südlichen  dalmatinischen  Insel- 
reihe unterbrochen,  taucht  bei  den  Inseln,  welche  das  Becken 
von  Spalato  einfassen,  empor  und  findet  über  Curzola  und 
Lagosta  bei  Cattaro  den  Vereinigungspunkt  mit  der  östlichen, 
über  südliche  Küstenstädte  hierher  angelangten  Krümmung. 

Hier  ist  noch  folgendes  hervorzuheben.  Ich  habe  immer- 
während von  dem  Gebrauche  des  Zirkumzisionsstils  in  den 
genannten  Städten  gesprochen  und  dennoch  ist  aus  allen  an- 
geführten Beispielen  nicht  festzustellen,  ob  nicht  vielleicht  doch 
der  Weihnachtsstil  parallel  neben  ihm  läuft  oder  ihn  gar  gänzlich 
vertritt.  Bei  dem  sehr  geringen  Unterschiede,  der  zwischen 
beiden  Jahresanfängen  besteht,  wäre  praktisch  kein  besonderes 
Resultat  mit  dem  Feststellen  des  ersteren  dem  zweiten  gegen- 
über erzielt,  aber  in  der  Theorie  wäre  der  umfassenden 
Behauptung,  daß  sich  der  Weihnachtsstil  in  gleicher  Weise  aus- 
breitete, wie  das  Notariat  aus  kaiserlicher  Machtvollkommenheit 
um  sich  greift,^  eine  Einschränkung  gesetzt. 

Bis  in  das  14.  Jahrhundert  ist  in  dem  gesamten  Material, 
welches  uns  zu  Gebote  stand,  die  Unterscheidung  nicht  möglich 
gewesen,  da  keine  Urkunde  aus  den  sieben  letzten  Tagen  des 
Monats  Dezember  vorkommt.  Erst  im  Jahre  1373  haben  wir 
einen  Beweis  für  unsere  Annahme  in  einer  Urkunde  von  Nona, 
deren  Datierungsformel  lautet:  .  .  .  millesimo  trecentesimo 
septuagesimo  tertio  indictione  undecima  die  ultimo  mensis  de- 
cembris  .  .  .  regnante  .  .  .  Ludouico  .  .  .  temporibus  .  .  .  Demetrii 
de  Matafaris  .  .  .  episcopi  .  .  .  ac  egregii  et  potentis  viri  domini 
comitis  Nouachi  de  generatione  Mogorouig  nunc  honorabilis 
comitis  ciuitatis  None.^  Hier  deckt  sich  am  letzten  Tage  des 
Dezembers  die  Indiktion  mit  dem  Jahre.  Der  Beweis,  den 
wir  daraus  führen  wollten,  könnte  nur  dann  als  unumstößlich 
gelten,  wenn  wir  annehmen  würden,  daß  die  römische  Indiktion, 


^  Paoli-Lohmeyer  234. 
«  Orig.  GAZ.  ».  Gria.,  Kap.  XV,  Nr.  308. 
SitsnoffilMr.  d.  phil.-hist.  Kl.   CXLYII.  Bd.  6.  Abh.  10 


146  VI.  Abhandlnng !    t.  SnffUy. 

die  hier  immer  im  Brauche  war,  mit  dem  1.  Januar  anfängt^ 
was  aber  nicht  ohneweiters  anzunehmen  ist.^  Aber  das  Pro- 
tokoll der  Urkunde  liefert  einen  Beweis,  daß  wir  hier  wirklich 
mit  dem  im  Texte  genannten  Jahre  1373  zu  tun  haben,  also 
den  Jahresanfang  vom  1.  Januar  vor  uns  haben,  weil  in  ihm 
als  Comes  der  Stadt  Novak  aus  dem  berühmten  kroatischen 
Geschlechte  der  Mogorovi6i  genannt  wird.  Am  Ende  des  Jahres 
1372  und  noch  am  Anfange  1373  trug  nämlich  zu  Nona  Jo- 
hannes de  Surdis  de  Placentia  diese  Würde.* 

19.  Indiktion. 

Wenn  wir  auch  die  Datierung  nach  der  christlichen  Ära 
als  ein  Hauptkennzeichen  schon  der  ersten  dalmatinisch-kroa- 
tischen Privaturkunden  festgestellt  hatten,  so  finden  sich  doch 
ebendaselbst  Anklänge  an  den  früheren  ausschließlichen  Ge- 
brauch einer  älteren  Art  der  Jahresbezeichnung,  der  Indiktion. 
Es  ist  der  südlichste  Ausläufer  des  dalmatinischen  Küsten- 
streifens, wo  wir  früher  schon  viele  byzantinische  Elemente  in 
der  Urkunde  entdeckt  haben,^  der  uns  in  den  das  Kloster  auf 
der  Insel  Lokrum  betreflfenden  Urkunden  noch  im  12.  Jahr- 
hundert davon  Beispiele  bietet.* 

Wenn  in  Ragusa  am  Anfange  des  11.  Jahrhunderts  es 
vorkommt,  daß  man  die  Urkunde  nur  nach  der  Indiktion 
datiert,^  so  mag  dies  durch  die  verhältnismäßig  frühe  Zeit  und 
durch  den  bekannten  Konservatismus  dieser  Stadt  erklärt 
werden.     Aber   die  Benützung   der  Indiktion   als  der  einzigen 

>  S.  Grotefend  93. 

•  S.  die  Urkunde  von  1373,  10.  März  (AsA.  a.  1378).  Anch  in  Italien  war 
der  heutige  Stil  nicht  gänzlich  unbekannt,  obgleich  Paoli,  Dipl.  180 
(L.  242)  sagt:  Ci  sono  tracce  di  questo  stile  fino  dai  primi  tempi  del 
medio  evo  in  Francia  .  .  .  non  so  se  in  Italia.  Dagegen  Russi,  Paleo- 
graphia,  p.  5ö :  nel  principato  di  Benevento  e  di  Capua  dal  secolo  X  in 
poi  si  ö  usato  anche  comminciare  l*anno  dal  primo  gennaio  . .  .  und  sagt 
ausdrücklich,  daß  hier  nicht  das  Jahr  mit  dem  Anfange  vom  25.  De- 
zember im  Brauche  war.  —  Die  Städte  Ungarns  und  Kroatiens  rechneten 
mit  Vorliebe  vom  I.Januar  (strennarum  dies).  Knauz  a.  a.  0.  98  f.  273. 

•  S.  oben  S.  71  f. 

^  A.  1112  (CSD.  II,  Nr.  22).    In  nomine  domini  dei  eterni  mense  inlio,  in- 

dictione  quinta;  a.  1115,  Nr.  24. 
»  A.  1023  (CSD.  I,  Nr.  114). 


Die  dftlmatiniBehe  PxiTfttiurlraDde.  147 

Jahresbezeichnung  in  dem  12.  Jahrhundert  muß  einen  trif- 
tigeren Grund  haben,  der  allem  Anscheine  nach  in  dem  Brauche 
der  byzantinischen  Kanzlei  und  in  der  Abfassung  der  griechi- 
schen Vertragsurkunden  ^  liegt.  Es  ist  noch  die  Bewunderung 
für  alles  Ostliche,  welche  den  Schreiber  des  Königs  eines  win- 
zigen Staates,  Zahum,  und  seiner  naiven  Häuptlinge  diesen 
byzantinischen  Brauch  befolgen  läßt.  Übrigens  geschieht  es 
zum  letztenmale,  daß  diese  Zählungsweise  der  von  Norden 
andringenden  Ära  die  Stirn  bietet.' 

Die  Indiktion  kommt  sonst  regelmäßig  als  Begleiterin 
der  christlichen  Ära  vor.  Es  handelt  sich  noch  festzustellen, 
in  welcher  Art  sie  zu  verschiedenen  Zeiten  von  verschiedenen 
Städten  angewandt  worden  ist.' 

Es  ist  den  Regeln  der  allgemeinen  Chronologie  gemäß,* 
wenn  in  den  ältesten  Urkunden  Dalmatiens  ausschließlich  die 
byzantinische  Indiktion  erscheint.**  So  sehr  schön  in  einer 
Urkunde  von  Zara:  et  eiusdem  incarnationis  anno  millesimo 
quatricesimo  quarto  indictione  tercia  decima  (XII)  sub  die  fere 
prima  mensis  septembris.^  Aber  ihr  allgemeiner  Gebrauch  in 
Dalmatien  ist  ftir  diese  Zeit  nur  durch  ROckschlüsse  aus  dem 
12.  und  13.  Jahrhundert  zu  konstatieren. 

Im  12.  Jahrhundert  erscheint  sie  in  der  Urkunde  von 
Zara  nicht  ausgeprägt,  denn  alle  die  Urkunden  aus  den  letzten 
vier  Monaten  eines  Jahres  schließen  nicht  die  Anwendung  der 
später  üblichen  bedanischen  Indiktion  aus.^ 

^  S.  die  Schemata  bei  Sathas:  Msadaifovtxi^  ßißXioO^^xT]  VI  (Paris  1877); 
cf.  Bühl,  Chronologie,  p.  173. 

*  Dem  Schreiber  der  oben  S.  146,  Note  4  zitierten  Urkunden  ist  schon  das 
Inkamationsjahr  bekannt;  s.  a.  1100  (CSD.  I,  229),  a.  1114  (II,  23). 

»  Über  die  Arten  der  Indiktion  s.  Paoli,  Dipl.  183—186  (L.  247—260); 
Grotefend  93;  Rühl  171—174. 

*  Anßer  den  in  der  vorhergehenden  Note  bezeichneten  Werken  s.  Mas- 
Latrie  28;  Bossi  63. 

°  So  erklärt  der  beste  Kenner  der  ältesten  kroatischen  Urkunden  Raöki  zur 
Urkunde  von  918,  Doc.  Nr.  13,  p.  19,  anno  DCCCCXVIII  die  1.  Sep- 
tembris  iam  indictio  VII  inchoaverat.  Ebenso  zur  Urkunde  von  1070. 
Nona  ind.  VIDI  (VIII)  (p.  81,  nota  2). 

*  Doc.  Nr.  38. 

'  CSD.  II,  Nr.  173.  188.  198.  249;  und  a.  1199,  3.  Oktober  III  (II)  (die 
Urkunde  fehlt  in  CSD.;  ed.  Starine,  vol.  23.  p.  194). 

10* 


148  Tl.  AbhftodliiDfr:    ▼.  dnffUy. 

In  dieser  Ungewißheit  hilft  ans  eine  Urkunde  von  Ragnsa, 
welche  klar  auf  den  Gebrauch  der  byzantinischen  Indiktion 
auch  im  Süden  hinweist.^  Dazu  gesellt  sich  die  Tatsache,  daß 
im  13.  Jahrhundert  bis  in  die  Mitte  desselben  in  Zara  noch  aus- 
schließlich diese  Indiktion  zur  Anwendung  kommt,'  was  eine 
durch  das  12.  Jahrhundert  nicht  unterbrochene  Anknüpfung 
an  die  älteste  Zeit  als  gewiß  erscheinen  läßt.  Für  dieselbe 
Zeit  ist  der  Gebrauch  dieser  Indiktion  auch  in  Spalato  fest- 
zustellen' und  mutmaßlich  auch  zu  Trau  und  auf  den  Inseln 
am  Quarnero.^  Für  andere  Städte  ist  das  Material  unza- 
reichend.*^ 

Somit  kann  man,  auf  den  Brauch  der  genannten  fUnf 
Städte  gestützt,  die  byzantinische  Indiktion  beinahe  (lir  die 
ganze   alte   römische  Provinz  Dalmatien^   als   ursprünglich   er- 


^  In  anno  dominice  incarnationis  millesimo  centesimo  octog^esimo  primo 
indictione  quinta  decima  (XIV)  vicesimo  die  mensU  Septem  bris,  Ra- 
gusii  .  .  .  (orig.  im  Staatsarchiv  zu  Wien,  Cattaro  16d/ö).  Die  einzige 
Edition  bei  Knkuljevid  CSD.  II,  169  gerade  hier  fehlerhaft.  Cf.  auch 
Nr.  184,  a.  ll«6,  27.  September  V  (IV). 

'  1.  Die  Urkunden,  welche  für  sich  allein  nur  die  byzantinische  Indiktion 
als  möglich  erscheinen  lassen:  1*217,  13.  September  VI  (V)  (QAZ.  Abt. 
s.  Nie.  Nr.  2).  —  1237,  18.  September  XI  (X)  (Ib.  Nr.  4).  —  1248, 
20.  September  VII  (VI)  (GAZ.  s.  Gris.  XVII,  S.  2  und  3).  —  1250,  9.  Sep- 
tember IX  (VIII)  (Ib.  IX,  T.  18).  —  1261,  12.  September  X  (IX)  (GAZ. 
8.  Nie.  Nr.  10).  2.  Die  Urkunden,  welche  für  sich  allein  die  bedani- 
sehe  Indiktion  nicht  ausschließen,  in  Verbindung  aber  mit  den  obigen 
die  Anwendung  der  byzantinischen  Indiktion  bestätigen:  1215,  1.  No- 
vember  IV  (III)  (orig.  GAZ.  Abt.  Ponti  32).  —  1219,  18.  Oktober  Vffl 
(VII)  (GAZ.  Abt.  8.  Gris.  X  J).  —  1222,  4.  Dezember  XI  (X)  (Ib.  XVII, 
432).  —  1231,  28.  September  V  (IV)  (Ib.  XIH,  C.  49)  etc.  —  1252, 
1.  Oktober  XI  (X)  (s.  Maria  zu  Zara).  —  1262,  6.  Oktober  XI  (X)  (GAZ. 
B.  Dom.  1450). 

*  1.  1247,  23.  September  VI  (V)  (orig.  ACS.  a.  1247).  —  1250,  23.  Sep- 
tember IX  (VIII)   (Ib.  XVI,  1.  28).    2.  1252,  4.  Oktober  XI  (X)  (Ib.).  — 

1258,  5.  Oktober  II  (I),  (Ib.  XVI,  1.  168). 

*  Keines    der  Argumente    schließt    die    bedanische    Indiktion    aus:    Tra& 

1259,  10.  Dezember  III  (II)  (orig.  ACT.  ed.  Farlati  IV,  346).  Arbe  1234, 
mens.  oct.  VIII  (VII)  (AsA.).  1234,  5.  Dezember  VIU  (VH)  (Ib.).  1239, 
7.  November  XIII  (XII)  (orig.  Landesarchiv  zu  Agram).  —  Weiter  nicht 
nachweisbar. 

*  Sebenico  ausgenommen,  wo,  wie  wir  sehen  werden,  schon  in  der  ersten 
Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  die  römische  Indiktion  gebraucht  war. 

*  Cons,  La  Dalmatie,  p.  2. 


Die  dalmatiniBche  PriTAtnrkiude.  149 

klären  und  ihre  Fortdauer  in  den  Städten  von  den  nördlichen 
adriatischen  Inseln  bis  zum  Fuße  der  acroceraunischen  Berge 
bis  über  die  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  festsetzen.  Da,  nicht 
allmäblich,  sondern  wie  durch  einen  Zauberschlag  verschwindet 
sie  für  immer  auf  der  ganzen  genannten  Linie/  es  findet  sich 
schon  in  der  späteren  zweiten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts 
gar  keine  verläßliche  Spur*  von  der  kurz  vorher  noch  allein- 
herrschenden byzantinischen  Indiktion.  Der  Gebrauch  der 
Indiktion  in  der  Privaturkunde  der  Städte  war  damit  jedoch 
nicht  erstorben. 

An  die  Ausläufer  der  byzantinischen  Indiktion  und  in 
der  Übergangszeit  wahrscheinlich  mit  ihnen  vermischt  knüpft 
sich  unmittelbar  die  bedanischelndiktion  zu  Zara.  Konnte 
man  schon  bei  dem  plötzlichen  Verschwinden  des  venezianischen 
Stiles  zu  Zara  um  dieselbe  Zeit  mit  der  byzantinischen  Indiktion 
eine  förmliche  Aufhebung  ahnen,  so  wird  dies  beinahe  zu  Gewiß- 
heit, wenn  man  ihre  unmittelbaren  Stellvertreter,  den  florentini- 
sehen  Stil  und  die  bedanische  Indiktion  in  Betracht  zieht,  welche 
auch  in  MittelitaUen  fast  unzertrennlich  zusammen  erscheinen.' 

Man  kann  dennoch  auch  für  Zara  nicht  eine  ganz 
genaue  Grenze  angeben,  wann  die  byzantinische  Indiktion 
aufhört  und  die  bedanische  beginnt,  da  nach  dem  Jahre  1251, 
wo  noch  die  byzantinische  Indiktion  zweifellos  vorliegt,  bis 
zum  Jahre  1275  alle  einschlagenden  Urkunden  nur  eine  zwei- 
deutige Auskunft  geben.^  Erst  in  dem  letztgenannten  Jahre 
tritt   eine  Urkunde   hervor,   welche   den  Gebrauch  der  byzan- 


^  Die  oben  zuletzt  angeführten  Belege  sind  zugleich  die  letzten,  wo  die 
byzantinische  Indiktion  zweifellos  nachzuweisen  ist.  Das  Aufhören  der- 
selben deckt  sich,  was  die  Zeit  anbelangt,  prächtig  miteinander,  wenn 
man  die  nicht  allzugroße  Zahl  der  Urkunden  aus  dieser  Zeit  und  die 
Beschr&nkuog  berücksichtigt,  daß  sie  alle  zwischen  dem  1. — 24.  Sep- 
tember ihre  Entstehungszeit  haben  müssen. 

'  Die  einzige  mir  bekannte  Urkunde,  welche  auf  diese  Indiktion  weist, 
ist  yon  a.  1282,  21.  September,  ind.  XI  (X),  aber  sie  ist  erstens  kein 
Original,  sondern  in  einer  Kopie  erhalten  (6AZ.  Stampa  per  i  padri 
de  san  Domenico  p.  l — 2,  Abt.  Dom.  Nr.  1203),  zweitens  ist  hier  die 
Indiktion  mit  römischer  Ziffer  angegeben. 

*  So  in  Toskana,  s.  Paoli  L.  235  und  250. 

^  D.  b.  es  rührt  keine  Urkunde  aus  dem  Anfange  des  September  her. 


150  VI.  AbbAndluf :    t.  duffUy. 

tinischen  Indiktion  ausschließt.^  Somit  ist  die  Übergangszeit 
zur  bedanischen  Indiktion  jedenfalls  zwischen  1251 — 1275  mit 
Berücksichtigung  aber  der  Einführung  des  florentinischen  Stiles 
(c.  1265)  in  engere  Grenzen  zwischen  1265 — 1275  zu  setzen. 
Von  da  angefangen  dauert  der  ungeschmälerte  Gebrauch 
der  bedanischen  Indiktion  bis  in  die  Neuzeit^'  kaum  berührt 
von  der  römischen ^  die  sonst  im  übrigen  Dalmatien  ebenso 
gebietend  herrschte.'  Denn  nur  noch  die  Inselstadt  Pago, 
welche  die  größte  Zeit  des  13.  und  14.  Jahrhunderts  von  Zara 
abhängig  war,  und  das  nahe  Nona  sind  dem  Vorbilde  von 
Zara  nachgefolgt  uud  haben  die  bedanische  Indiktion  wie  auch 
den  Inkarnationsstil  angenommen.  Aber  während  die  erste 
Stadt  an  diesen  beiden  Rechnungsweisen  gleich  Zara  festhielt^^ 
wurde  Nona  ihnen  bald  untreu ,  denn  die  Herrschaft  des 
kroatisch-ungarischen  Königs  Ludwig  über  Dalmatien  hat  der 
Stadt  in  der  zweiten  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts  neben  dem 
Zirkumzisionsstil  auch  die  in  anderen  Stadtgemeinden  übliche 
römische  Indiktion  gebracht. '^ 


*  1276,  16.  September,  ind.  III  (orig.  AsA.  a.  1276). 

'  1.  Urkunden,  welche  die  byzantinische  Indiktion  ausschließen:  1286, 
19.  September  XIV  (AsA.).  —  1292,  2.  September  V  (Ib.).  —  1297, 
16.  September  X  (GAZ.  s.  Gris.  XVIII,  425).  —  1316,  7.  September  XIV 
(Begna  Nr.  101).  —  1320,  6.  September  VIII  (GAZ.  s.  Dom.  Nr.  1901)  etc. 
2.  Urkunden,  welche  in  Verbindung  mit  den  oben  zitierten  die  bedani- 
sche Indiktion  bestimmen,  sind  unzählige.  Einige  Beispiele  genügen: 
1277,  19.  Oktober  VI  (V)  (GAZ.  s.  Gris.  XVII,  S.  13).  —  1278,  6,  De- 
zember VU  (VI)  (AsA.).  —  1281,  IG.  November  X  (IX)   (GAZ.  s.  Nie.  66). 

—  1296,  8.  Oktober  X  (IX)  (s.  Maria  zu  Zara).  —  1299,  16.  Dezember 
XIU(XU)  (3  exempl.  Ib.).  —  1316,  17.  November  XV  (XIV)  (Begna 
113)  etc. 

^  Über  die  Spuren  der  römischen  Indiktion  siehe  unten  S.  161,  n.  1. 

*  Die  bedanische  Indiktion  ist  zwar  nur  aus  zwei  Urkunden  von  1347, 
7.  und  8.  Oktober,  ind.  I  (XV)  (orig.  GAZ.  s.  Dom.  Nr.  720  und 
721)  ersichtlich,  aber  da  der  calc.  fior.  in  das  16.  Jahrhundert  fort- 
dauert, so  ist  daraus  auch  auf  die  weitere  Dauer  der  bedanischen 
Indiktion  zu  schließen. 

»  1.  Bed.  Ind.:  1342,  12.  Oktober  XI  (X)  (aus  dem  Kopialbuch  des  17.  Jahr- 
hunderts, Privilegi  di  Nona  fol.  14  GAZ.).  —  1347,  12.  Oktober  I  (XV) 
(orig.  GAZ.  8.  Dom.  Nr.  1049).  2.  Rom.  Ind.:  1369,  1.  Oktober  XII 
(orig.  GAZ.  s.  Dom.  Nr.  1061).  —  1376,  14.  Oktober  XUI  (Begna  a.  1376). 

—  1373,  31.  Dezember  XI  (GAZ.  s.  Gris.  XV,  308).  —  1394,  28.  Oktober 
n  (AsA.). 


Di«  dalmaiiniflcb«  PriTaftarkonde.  151 

Mag  fbr  die  südlich  von  Zara  gelegenen  Städte  Dalmatiens 
wie  aach  ftir  die  schon  bei  der  Bestimmung  des  Jahresanfanges 
in  Betracht  gezogenen  Städte  am  Qaarnero  und  der  kroatischen 
Küste  das  fast  gleichzeitige  Verschwinden  der  byzantinischen 
Indiktion  als  zufällig  gelten,  so  bietet  der  Zeitraum  von  1265 
bis  1275  —  wie  gesehen  der  größte  Wendepunkt  in  dem  Ge- 
brauche des  Jahresanfanges  —  auch  eine  scharfe  Qrenze  wie 
für  die  bedanische  Indiktion  zu  Zara,  so  fUr  das  allgemeine 
und  keine  Ausnahme  duldende  Auftreten  der  römischen 
Indiktion  in  den  oben  erwähnten  Städten. 

Die  Spuren  dieser  Indiktion  finden  sich  schon  seit  dem 
Ende  des  12.  Jahrhunderts  längs  der  ganzen  dalmatinischen 
Küste.  Zu  Zara  sind  sie  absolut  genommen  ziemlich  reichlich 
neben  der  bedanischen  Indiktion.^  Im  Verhältnis  aber  zu  der 
Größe  des  Materials  und  des  Zeitraumes,  in  welchem  sie  auf- 
tauchen, verschwinden  sie  fast  und  sind  als  vollständig  abnorm 
zu  betrachten  auch  in  der  Zeit,  wo  Nona  von  dem  Gebrauche 
der  bedanischen  Indiktion  abfallt.  Nur  die  Urkunden  der 
Geistlichen  und  des  Kapitels,  wie  überall  in  Dalmatien,  sind 
—  das  gilt  wenigstens  für  das  14.  Jahrhundert  —  gewöhnlich 
mit  der  römischen  Indiktion  versehen.*  Somit  bilden  dieselben 
in  ihrer  Rechnungs weise  ein  eigenes,  gegen  andere  Gebräuche 
rücksichtsloses  chronologisches  Gebiet. 

Im  Süden  von  Zara  sind  die  Spuren  der  römischen  In- 
diktion in  älterer  Zeit  natürlich  auch  zu  finden  und  es  ist  der 
Mangel  an  dem  Materiale  überhaupt  der  Hauptgrund,  daß  sie 
sich  in  diesen  Städten,  welche  später  ausschließlich  die  römische 
Indiktion  gebrauchen,  nicht  häufiger  und  zuverläßiicher  zeigen. 
Ich   kann   bis   zum   Jahre  1260   dafür   nur   ein  Original^   und 


»  1193,  8.  Oktober  XI  (orig.  GAZ.  s.  Nie.  Nr.  1,  ed.  CSD.  11,229).  — 
1204,  8.  November  VH  (röm.  Ziffer  im  Orig.)  ACT.  —  1274,  20.  De- 
zember n  (Begna  a.  1274).  —  1296,  18.  Oktober  IX  (s.  Maria  zu  Zara). 
—  1333,  31.  Oktober  I  (Begna  Nr.  66).  —  1368,  8.  Oktober  VI  (orig. 
GAZ.  8.  Gris.  111,49,  Kopie  8.  Maria  zu  Zara)  etc. 

*  Z.  B.:  a.  1369,  1.  November  XU  (orig.  GAZ.  8.  Gris.  XXIII,  575).  — 
1363,  1.  November  I  (Ib.  XXUl,  68»).  —  1394,  9.  Oktober  H  (GAZ.  Abt. 
Bogovo).  —  1398,  26.  September  (GAZ.  s.  Gris.  I,  C.  1).  —  1399,  7.  No- 
vember VII  (Ib.  Abt.  Rogovo). 

»  1201,  mens,  octobris,  ind.  HU  (röm.  Ziffer)  (orig.  8.  Maria  zu  Zara). 


152  VI.  Abhandlang;    t.  dnffUy. 

eine  spätere  Kopie  für  Spalato  anführen.'  Sibenik  nnd  Hvar 
(Lesina)  scheinen  schon  vor  diesem  Jahre  die  päpstliche  Indiktion 
ausschließlich  zu  gebrauchen,  wie  dies  die  überhaupt  ersten 
hierher  einschlagenden  Urkunden  dieser  Städte  schließen  lassen.' 
Wie  aber  um  das  eben  erwähnte  Jahr  die  byzantinische  In- 
diktion sich  für  immer  zurückzieht,  wird  die  römische  Indiktion 
die  unzertrennliche  Begleiterin  des  Zirkumzisionsstiles,  welcher 
soeben  den  Andrang  des  venezianischen  zurückgewiesen  hatte, 
auf  der  ganzen  östlichen  Küste  des  Adriatischen  Meeres  von 
Rab  (Arbe)  und  Senj  (Zengg)  bis  zu  den  Städten  der  Bucht 
von  Cattaro.^  Es  ist  dies  eine  Regel,  welche  den  regelmäßigen 
Gebrauch  der  bedanischen  Indiktion  zu  Zara  noch  übertrifft, 
indem  sich  keine  Ausnahmen  finden,  und  weil  sie  sich  auch 
mit  dem  Brauche  der  geistlichen  Behörden  deckt.  Karto- 
graphisch vorgestellt  würde  die  Orte  gleicher  Indiktionen  ver- 
bindende Linie  mit  der  schon  besprochenen  isochronen  Kurve, 
welche  durch  die  den  gleichen  Jahresanfang  anwendenden 
Städte  ihren  Lauf  nimmt,  vollständig  und  genau  zusammen- 
fallen. 

20.  Datierung  naoh  der  Begierujig  der  Herrscher. 

Neben  der  christlichen  Ära  und  der  Indiktion  dauern  in 
der  dalmatinisch-kroatischen  Urkunde  wie  im  vollständig  aus- 
gebildeten  Instrumente    die   Nachklänge    der   früher   bis   zum 

»  1178,  21.  Oktober,  ind.  XI  (ed.  CSD.  II,  141). 

»  Sebenico  1243,  10.  Dezember  I  (AsA).  —  1262,  U.  Oktober  X  (Ib.).  — 
1321,  3.  Oktober  IV  (Ib.)  etc.  —  Hvar  1205,  2.  November  XIII  (Kopie 
aas  dem  17.  Jahrhundert  in  AOL.). 

»  Zengg  1293,  16.  Oktober  VI  (Archiv  zu  Trsat).  —  1295,  10.  November 
VIII  (Ib.).  —  1319,  1.  November  II  (Ib.)  etc.  —  Für  Sebenico  und  Le- 
sina siehe  die  vorangehenden  Noten.  —  Brazza  1275,  27.  Oktober  XIII 
(GAZ.  Rogovo).  —  Curzola  1372,  10.  Oktober  X  (orig.  im  Besitz  der 
Familie  Arneri  zu  Curzola).  —  Spalato  1261,  24.  Oktober  IV  (ACS. 
XVI,  .2.  11).  —  1267,  14.  Oktober  X  (Ib.).  —  1269,  6.  Oktober  XH  (Ib. 
XVI,  1.  84).  —  1278,  11.  Dez.  VI  (Ib.).  —  1298,  10.  Dezember  XV  (Ib. 
XVI,  1.25)  etc.  —  Trau  1267,  27.  September  X  (ACT.  Nr.  18,  ed.  Far- 
lati  IV,  351).  —  1267,  10.  Oktober  X  (ACS.  ed.  Farlati  lU,  282).  — 
1289,  9.  Oktober  II  (ACT.  Nr.  27).  —  1310,  23.  Oktober  VIH  (Ib.  Nr.  36). 
—  1314,  11.  November  XII  (Ib.  39)  etc.  —  Cattaro  1285,  30.  Oktober 
XIII  (orig.  Staatsarchiv  Wien:  rub.  Cattaro  163/5).  —  1353,  4.  November 
VI  (AsA).  —  1382,  24.  Dezember  V  (Ib.)  etc. 


Di«  daliiiatiiiiwlie  PriTAtnrkonde.  153 

9.  Jahrhundert  in  Italien  aosschließlich  herrschenden  Königsära 
weiter.^  Da  sie  keine  genaue  Angabe  der  Jahre  des  Herrschers 
mehr  bieten,  sondern  nur  die  Regierungsperiode,'  verlieren 
sie  die  Bedeutung  des  Datums,  sie  sinken  samt  den  anderen 
Erwähnungen  der  Dignitäre  zur  einfachen  Ergänzung  herab, 
zu  den  chronologischen  Momenten  zweiten  Ranges,  die  eigent- 
lich nicht  neben  die  präzisen  Zeitangaben  zu  stellen  sind, 
sondern  besser  in  den  Abschnitt  über  das  Protokoll  passen 
würden.  Dennoch  erfordert  diese  Erwähnung  der  Machtinhaber, 
weil  sie  durch  die  Datierung  nach  der  Königsära  hervorgerufen 
wurde  und  ein  gewisses  Interesse  sowohl  für  die  Historiker 
wie  fUr  Chronographen  besitzt,  auch  hier  eine  Beachtung. 

Wenn  auch  diese  Art  der  Datierung  für  die  Geschichte 
und  Chronologie  der  Könige  von  Ungarn,  der  byzantinischen 
Kaiser  und  Herzöge  von  Venedig  bei  weiten  nicht  die  Wichtig- 
keit der  älteren  Urkunden  Italiens  für  die  politische  Geschichte 
besitzt,^  so  ist  sie  für  die  ältere  kroatische  Geschichte  von 
unschätzbarem  Werte.^  Sie  ist  auch  untrüglich  in  der  Be- 
stimmung der  Sympathien  und  des  Abhängigkeitsverhältnisses 
der  Küstenstädte  zu  den  benachbarten  oder  sie  aus  der  Ferne 
begehrenden  Mächte. 

So  lange  Dalmatien  im  direkten  Abhängigkeitsverhältnis 
zum  byzantinischen  Reiche  steht,  werden  in  der  kroatisch- 
dalmatinischen Urkunde  die  gleichzeitigen  byzantinischen  Kaiser 
erwähnt.  Und  wenn  auch  die  Schreiber  in  derselben  nicht 
nach  der  Weise  der  süditalienischen  Kurialen  die  Jahreszahl 
der  Regierung  angeben,  so  werden  andererseits  auch  nicht 
die  groben  Fehler  totaler  Unwissenheit  der  Verhältnisse  am 
Goldenen   Hörn   gemacht.^    Die  Angaben   über   byzantinische 


^  Die  Kaiseijahre  verschwinden  vollständig^  aus  den  italienischen  Priyat- 

urkanden  seit  dem  12.  Jahrhondert.  Voltelini,  Die  sQdtir.  Imbrev.  (Acta 

Tir.  II,  p.  XXX,  n.  6). 
'  regnante  piissimo  aagnsto  .  .  .  magno  imperatore;  —  regnante  .  .  .  sere- 

niasimo  rege  Vngarie;  —  temporibus  .  .  .  incliti  ducis  Yenecie. 
'  Wie  darauf  Mühlbacher,   Zur  Geschichte  Königs  Bernhard  von  Italien 

(Mitt.  des  Inst.  II,  296—302)  hingewiesen  hat. 
*  Die  Chronologie  mehrerer  kroatischen  KOnige  wird  nur  durch  die  Privat- 

nrkunde  festgestellt.  8o  Doc.  Nr.28  für  Driislav ;  Nr.  74  fUr  Petrus  Kre^imir. 
B  Bussi,  Paleografia,  p.  109  führt  Beispiele  an,   daß  die  Kurialen  in  den 

Urkunden,  welche  nach  dem  Tode  Basilius'  geschrieben  waren,  dennoch 


154  Tl.  Abhandliing:    ▼.  Önfflsf. 

Kaiser  in  den  Urkunden  Dalmatiens  sind  gewöhnlich  fehlerlos. 
Sie  helfen  auch  zur  Präzisiernng  der  Entstehnngszeit  der 
Urkunde^  und  zuweilen  zeigen  sie|  wie  gut  die  dalmatinischen 
Städte  von  den  Thronumwälzangen  in  Byzanz  informiert  waren. 
Der  erste  Abschluß  dieser  Datierung  fällt  mit  der  Union 
Kroatiens  mit  den  Königen  von  Ungarn  zusammen. 

Noch  einmal  werden  die  von  den  Kommunen  nicht  ver- 
gessenen Beziehungen^  mit  dem  Ostreiche  aufgefrischt.  Es 
geschieht  zur  Zeit  der  letzten  Anstrengungen  des  Imperiums 
unter  den  letzten  Komnenen^  daß  das  berühmte  ehemalige 
Thema  Dalmatien  zum  letztenmale  seinen  Strategen  empfängt.' 
Und  es  sind  wiederum  die  Überreste  der  besprochenen  Da- 
tierung, welche  uns  fast  die  einzigen  Aufschlüsse  über  die 
Verwaltung  Süd-  und  Mitteldalmatiens  geben.^  Dann  ver- 
schwinden sie  gänzlich  aus  der  dalmatinischen  Urkunde,  nur 
der  Name  des  Basileus  in  den  öffentlichen  Gebeten  der  Städte 
gibt  Kunde  von  den  einstigen  Neigungen  derselben  zum  Kaiser- 
tumes welches  sie  schon  lange  für  immer  verlassen  hatte.^ 

Neben  den  byzantinischen  Kaisern  nennen  die  Privat- 
urkunden zuweilen  auch  die  kroatischen  Könige^  und  es  ist 
das  ein  nicht  geringer  Beweis  für  die  den  stolzen  Städten  im- 
ponierende Macht  derselben.  In  späteren  Jahrhunderten  ist 
diese  verstümmelte  Datierungsformel  oft  der  einzige  Ausdruck 


die  Jahre  des  Basilius  und  Constantinus  vermerkt  hatten,  oder  anch 
geschrieben:  anno  primo  oder  secundo  post  obitum,  oder  defunctionem 
Constantini,  während  derselbe  noch  am  Leben  war.  —  Dagegen  weist 
eine  dalmatinische  Urkunde  yon  1078  auf  ziemlich  genaue  Kenntnis 
der  Thronumstürze  zu  Eonstantinopel  hin  (noch  unediert  befindet  sie 
sich  im  Kodex  des  Klosters  S.  Grisogono,  welcher  vor  einem  Jahre  von 
Professor  Smiöiklas  im  erzbischöflichen  Archiv  zu  Zara  gefunden  wurde). 
Sie  trägt  schon  den  Namen  des  Niceforus  Botaniates,  welcher  den  Thron 
dasselbe  Jahr  den  7.  Januar  bestiegen  hat;  s.  Muralt,  Essay  de  Chronogr. 
byz.  I,  p.  33;  Sufflay,  Hrvatska,  p.  11,  nota  6). 
^  S.  die  Bemerkungen  des  Herausgebers  im  Doc.  Nr.  21.  88  etc.  —  Eine 
Ausnahme  bildet  Nr.  38,  die  aber  schon  von  demselben  gedeutet  ist, 
p.  48. 

*  Cf.  Lenel,  Die  Entstehung  der  Vorherrschaft  Venedigs  32. 

'  Kap-Herr,  Die  abendländische  Politik  des  Kaisers  Emanuel  84;  Sufflay, 
o.  c.  49 — 51. 

*  CSD.  n,  95.  99.  131.  140.  145.         >  Rambaud,  L'empire  grec  257. 

*  Doc.  Nr.  22.  41.  57.  60.  61.  62.  72.  117. 


Die  dftliBttliiiüeb«  FriTatnrlnnde.  155 

des  Abhängigkeitsverhältnisses  von  der  Republik  Venedig  oder 
vom  ungarisch-kroatischen  Staate^  je  nachdem  sie  den  Herzog 
oder  den  König  nennt. 

Aber  diese  Art  der  Datierung  hat  noch  eine  interessante 
Eigenschaft,  welche  sie  der  italienischen  Privaturkunde  auch 
in  dieser  Beziehung  näher  bringt.  Es  sind  das  die  in  die 
Datierungsformel  eingeschalteten  Nachrichten  über  die  gleich- 
zeitigen wichtigen  Ereignisse,  welche  aber  immer  mit  der 
Person  des  Herrschers  in  Verbindung  stehen^  also  den  üblichen 
Rahmen  im  Grunde  nicht  überschreiten.  Sie  gehören  nur 
der  älteren  Zeit  und  hauptsächlich  der  Privaturkunde  von 
Zara  an,  wo  die  ähnlichen  Lizenzen  der  italienischen  Notare 
gewiß  bekannt  waren.*  Drei  Beispiele,  die  übrigens  wahr- 
scheinlich das  ganze  Material  erschöpfen,  kann  ich  anführen. 
Es  ist  das  die  Nachricht  über  die  Gefangennahme  des  kroa- 
tischen Königs  Slavi6,'  dann  über  die  Eroberung  des  oberen 
Kroatiens  durch  den  ungarischen  König  Ladislaus'  und  endlich 
über  den  Einzug  Kolomans  in  Zara.^ 


^  S.  daraber  Mühlbacher,  o.  c.  Mitt.  des  Inst.  II,  296;  Paoli,  Chronogr. 
Bemerkungen,  Ib.  YII,  464-46G;  Paoli,  Dipl.  196  f.  (L.  264f.). 

*  In  anno  millesimo  LXXV  ab  incarnatione  domini  nostri  Jesu  Christi 
mense  nouembris,  ea  tempestate,  qua  comes  Amicus  regem  Chroacio  cepit. 
Doc.  Nr.  83.  Eigentlich  ist  diese  Urkunde,  herausgegeben  zu  Spalato, 
eine  öffentliche,  von  dem  ,apocrisariu8  s.  romane  ecclesie'  ausgestellt. 
In  ihr  ist  auch  diese  Erwähnung  tendenziös  geschehen,  da  ja  KOnig 
Slavid,  der  darunter  gemeint  ist,  ein  Feind  der  Kurie  war;  s.  darüber 
Gfrörer,  Byz.  Geschichten  11,236—241;  Sufflay,  o.  c.  8  f. 

'  Anno  incarnationis  Jesu  Christi  nostri  domini  millesimo  XCI  Kyri  Alexio 
Constantinopoleos  imperante;  tempore  quo  Uladislaus  Pannoniorum  rex 
Chroaci^  inuadens  regnum  domnum  Almum  suum  nepotem  in  illo  statuit 
regem.  Doc.  Nr.  128.  —  Somit  ist  die  von  Fraknöi  (Szent-Liwzl6  levele 
a  montecassinoi  apAthoz.  Budapest  1901 ,  p.  15)  in  bezug  auf  diese 
Stelle  aufgestellte  Behauptung,  daß  Ladislaus  bis  Zara  vorgedrungen 
sei,  gar  nicht  unwahrscheinlich.  Man  muß  wirklich  hier  wie  in  den 
italienischen  Urkunden  solche  Datierungsform  als  einen  Ausdruck  des 
Abhängigkeitsverhältnisses  dieser  Stadt  zu  Ungarn  gelten  lassen.  Cf. 
die  analogen  Fälle  bei  Mühlbacher  und  Paoli  (zitiert  oben  in  der 
Note  1). 

*  Anno  incarnationis  domini  nostri  Jesu  Christi  MCV  indictione  Xm 
regnante  Colomagno  Ungarie,  Chroatie  et  Dalmatie,  primo  anno  quo 
triumpbaliter  Jadram  ingressus  est  CSD.  II,  11.  —  Eine  wichtige  Nach- 
richt ist  für  die  kroatische  Geschichte  auch  in  II,  Nr.  236  enthalten. 


156  VI.  Abhandlong:    t.  daffUy. 

21.  Epakten  und  Konkurrenten. 

Es  würde  sonst  genügt  haben,  hätte  man  nur  die  Seltenheit 
dieser  astronomisch-mathematisehen  Angaben  in  der  Datierungs- 
formel der  Urkunde  und  ihre  kurze  Dauer  ins  Auge  gefaßt, 
wenn  sie  in  einer  Note  abgefertigt  worden  wären.  Aber  schon 
ihr  Erscheinen  in  einer  Urkunde,  die  so  viel  Ingredienzien  aus 
Italien  bekommen  hatte,  sowie  ihr  eigentümlich  zähes  An- 
klammern nur  an  eine  gewisse  Art  der  Urkunde  erheischen 
es,  darüber  in  einem  kurzen   eigenen  Abschnitte  zu  handeln.^ 

Das  Erscheinen  dieser  Jahresmerkmale  ist  in  der  dalma- 
tinischen Urkunde  sowohl  zeitlich  als  lokal  bedingt;  sie  tauchen 
nur  in  dem  Zeiträume  von  1044 — 1105  auf  und  nur  in  den 
Städten  Zara  und  Ragusa.  Natürlich  ist  kaum  zu  bezweifeln, 
daß  diese  Jahresmerkmale,  falls  wir  im  Besitze  des  urkundlichen 
Materials  für  andere  Städte  wären,  auch  in  diesem  zu  entdecken 
sein  würden;  die  Tatsache  schon,  daß  sie  sich  in  den  beiden 
äußersten  Punkten  Dalmatiens  zeigen,  weist  darauf  hin. 

Fünfmal  kommen  sie  in  den  Urkunden  vor,  welche 
ihren  Entstehungsort  ausdrücklich  nach  Zara  verlegen'  oder 
wenigstens  durch  ihren  Inhalt  hierher  zu  versetzen  sind.*  Für 
Ragusa  ist  nur  ein  einziger  Fall  festzustellen,*  Jedesmal  er- 
scheinen in  den  genannten  zaratinischen  Urkunden  die  Epakten, 
viermal  die  Konkurrenten,  sonst  ist  keine  astronomisch-mathe- 
matische Angabe  zu  finden.  In  der  Urkunde  von  Ragusa 
wird  noch  das  Mondalter  durch  ,luna  11*  angegeben. 

Betrachtet  man  den  Inhalt  dieser  Urkunden,  so  enthält 
die  erste  eine  großartige  Schenkung  des  kroatischen  Banns 
Stephan  an  das  Kloster  S.  Grisogono.  Die  zweite  ist  ein  vom 
Abte    selbst    verfertigtes    Verzeichnis    der    Besitzungen.      Die 


^  Für  diese  Datierang  in  der  kroatischen  KOnigsurkunde  s.  Badki,   Rad 

36,  13. 
»  Doc.  Nr.  131.  184;  CSD.  H,  Nr.  12. 

•  Doc.  Nr.  37.  63. 

*  CSD.  I,  Nr.  128,  a.  1044.  S.  die  merkwürdigen  chronog^aphischen  Be- 
merkungen über  diese  Urkunde  bei  Muratori,  Antiq.  ital.  IV,  col.  663 
bis  6ÖÖ.  Sie  ist  hier  aus  besserer  Quelle:  ex  antiqua  membrana  exi- 
stente in  arch.  monast.  Benedi  ctinoram  Bagusii,  als  bei  KuknljeTiö 
geschöpft. 


IHe  dalmatkiiBche  PriTAtarknnde.  157 

dritte  ist  eine  Bestätigung  der  Synode  zu  Zara  über  eine 
Schenkung  an  das  Kloster  S.  Maria  —  kurz  alle  sind  zu 
Gunsten  der  Klöster  ausgestellt  und  vier-  von  fünfmal  ist  dies 
das  berühmte  Kloster  S.  Qrisogono,  welches  eben  zur  Zeit 
der  Blüte  des  kroatischen  Königreiches  wiederum  an  die  bei- 
nahe verklungenen  Traditionen  des  Asketenlebens  am  dalmati- 
nischen Boden  im  Zeitalter  des  heiligen  Hieronymus  anknüpfte.^ 

Und  wenn  schon  die  Fassung  der  Urkunden  eine  nicht 
zu  kundige  Hand  aufweist,  so  fehlt  allen  diesen  Urkunden 
jede  Art  der  Vollziehungsformel.  Der  Schreiber  nennt  sich 
nicht,'  obgleich  in  allen  Fällen  die  Anfertigung  der  Urkunde 
einem  Mönche,  welcher  als  Empfänger,  beziehungsweise  als 
Aussteller  auftritt,'  zuzuschreiben  ist.^  Hiermit  wird  der 
Schlüssel  zur  Deutung  des  Auftauchens  dieser  Jahresmerkmale 
von  selbst  geboten.  Es  ist  immer  ein  Mönch,  der  mit  Hilfe 
des  Kalenders,  welcher  der  Bibliothek  des  Klosters  nirgends 
fehlt,^  die  Datierungsformel  der  Urkunde  mit  solchen  Angaben 
ausstattet.  Mechanisch  kopiert  er  die  chronologischen  Merk- 
male der  Ostertafel,  öfters  ohne  Rücksicht  auf  deren  Wechsel 
während  des  Jahres  und  überhaupt  nicht  zu  tief  in  die  Ge- 
heimnisse des  Kalenders  eingeweiht.^ 

Noch  ein  Gesichtspunkt  bietet  sich  bei  der  Betrachtung 
dieser  Jahrescharakterismen  dar.  Während  die  Epakten  und 
Konkurrenten  regelmäßig  zusammen  erscheinen,  findet  man 
nicht  eine  Spur  von  den  in  den  abendländischen  Urkunden 
vorkommenden  Regularen,  nicht  nur  in  den  angeführten  Privat- 
urkunden, sondern  auch  in  der  Königsurkunde  nicht.^  Das 
deutet   auf  einen  nicht  aus  Westen  herrührenden  Einfluß,   auf 


^  Vgl.  Smidiklas,  o.  c.  I,  279. 

'  In  der  Urknnde  von  Bagusa  nennt  er  sich  zwar,  doch  ist  er  kein  Notar. 

•  Vgl.  Posse,  Lehre  102. 

^  So  Nr.  63  dem  Abte  selbst,  CSD.  11,  Nr.  12  dem  Mönche  Dobro,  als 
Auastellem;  Doc.  Kr.  37.  134  sind  die  MOnche  Empfänger. 

'  8.  das  Verzeichnis  der  Bücher  des  Klosters  St.  Peter  in  Selo  and  St.  Be- 
nedict za  Spalato  in  Doc.  Nr.  U2,  p.  181—182  (cf.  Smiilklas,  o.e.  1,280). 

*  Die  Angaben  sind  gewöhnlich  falsch,  so  Doc.  Nr.  37.  134;  besonders  die 
Königsarknnde  a.  1089,  Nr.  126,  wo  die  Epakte  XXV  aus  dem  vorigen 
Jahre  stammt.  Vgl.  über  die  Ursachen:  Geschichtsfrennd ,  Mitt.  des 
Vereines  der  fünf  Orte  XXV,  48. 

^  In  zwei  Königsnrkunden  erscheinen  die  Jahresmerkmale,  Doc.  Nr.  66.  126. 


158  VI.  AbbAndliiDg:    ▼.  SnffUy. 

Ostertafeln,  deren  Rubriken  keine  Reguläres  tragen  und  somit 
den  byzantinischen  entnommen  sein  dürften,  die  ja  tatsächlich 
kein  Wort  für  die  abendländischen  Reguläres  zu  besitzen 
scheinen.^  Natürlich,  daß  die  rein  byzantinischen  Charak- 
terismen auf  dieser  Grenze  der  abend-  und  morgenländischen 
Kulturströmungen  durch  die  christliche  Ära  ganz  verwischt 
wurden,  aber  die  Spuren  von  ihnen  haben  sich,  wie  wir  sehen 
können,  indirekt  erhalten.  Und  es  ist  diese  auf  den  ersten 
Blick  auffallende  Entdeckung  der  Spuren  der  byzantinischen 
Chronologie  in  Dalmatien  nicht  so  ganz  befremdlich  für  den 
Landstrich,  an  dessen  Klerus  noch  Papst  Innocenz  III.  die 
Worte  richtete:  cum  igitur  in  ecclesia  nostraque  sub  obedientia 
sedis  apostolice  perseuerans,  Grecorum  hactenus  et  ritum  serua- 
uerit  et  linguam  .  .  .^ 

22.  Die  Monats-  und  Tagesangaben. 

Betrachtet  man  die  Urkunde  der  KUstenstädte  von  ihrem 
ersten  Erscheinen  bis  zum  Übergänge  in  das  formelmäßige 
Instrument  mit  Hinsicht  auf  den  Monat  und  Tag  in  der  Da- 
tierung, so  bieten  sie  fast  diametrale  Unterschiede,  deren 
Ursache  durch  die  Berücksichtigung  ihres  Alters  allein  kaum 
gelöst  werden  kann.  Es  muß,  um  aus  dem  Chaos  der  ver- 
schiedenen Kombinationen  des  Jahres  mit  dem  Monate  und 
Tage  in  einer  bestimmten  Zeitepoche  zu  einigen  allgemeinen 
Regeln  zu  gelangen,  zu  anderen  Mitteln  gegriffen  werden,  die 
sich  aus  dem  Laufe  der  Betrachtung  von  selbst  ergeben  werden. 

Wir  finden  schon  in  den  ältesten  Urkunden  Dalmatiens, 
in  den  Urkunden  von  Zara  und  in  denen  des  südlichen  Ge- 
bietes den  Gegensatz  zwischen  der  genauesten  Angabe  der 
Zeit,  also  durch  Monat  und  Tag,  und  der  Datierung  durch 
Jahr  und  Indiktion  allein.^  Fast  alle  Urkunden  aus  Zara  bis 
zur  Mitte  des  11.  Jahrhunderts  sind  mit  der  Angabe  von 
Monat  und  Tag  versehen,  während  dies  bei  den  Urkunden 
anderer  Küstenstädte  ganz  ungewöhnlich  ist,  auch  bis  zur 
Mitte   des  12.  Jahrhunderts   und   darüber.     Der  Grund  davon 


>  BUhl,  Chronologie  163. 

>  A.  1199,  CSD.  Nr.  II,  251.  Fttr  die  bysantiniBche  Ära  in  den  slawischen 
Urkunden,  Miklosich  o.  c.  pass. 

'  Zara,  Doc.  Nr.  13.  17.  21.  32.  34.  3S;  Spalato,  Nr.  2S.  30.  36. 


Die  dalmfttiniBche  PriTAtorltiinda.  159 

wird    leicht   gefanden  ^    wenn    man   die   Natar   der  Urkunden 
beider  Territorien,  des  nördlichen  und  südlichen  erwägt. 

Die   Urkunde    von   Zara   zeigt   unzweifelhafte  Anklänge 
an  die  lombardische  Carta,  hat  also  die  verfQgende  Eigenschaft 
zur  Zeit   noch  nicht  ganz  eingebüßt,   oder  wenn  auch,   so  hat 
sie  doch   im   Protokoll   die   notwendig   vollständige   Datierung 
gleichwie    im   EschatokoU  die   Vollziehungsformel  beibehalten. 
Ans  den  Überresten  der  einst  dispositiven   zaratinischen  Carta 
sowie   einem  Fragmente  der  südlichen  Notitia,^   wo  der  Monat 
und  Tag  angegeben  wird,   kann   dem  Eingangsprotokolle  der 
bis  zum   10.  Jahrhunderte   verschollenen  Urkunde  der   dalma- 
tinischen  Städte   der  direkte   Anschluß   an   die  Verordnungen 
der  römischen  Imperatoren  zugeschrieben  werden,  wonach  die 
Urkunde,   um  gültig  zu  sein,   mit  Angabe  von  Jahr  und  Tag 
versehen  sein  sollte.*    Diese  Meinung   wird   auch   nicht  wenig 
durch   die  zwar  vollständig  mechanische   und  nur  als   ein   un- 
verstandenes  Überbleibsel  lebende,  aber  für  die  spätrömischen 
Papyrusurkunden  typische'  Zufügung  am  Schlüsse  des  Textes: 
,actnm  hoc  tempore,  die,  loco,  ac  consule  ut  supra^  unterstützt.^ 
Durch  die  Annahme,   daß  das  Protokoll  der  zaratinischen  Ur- 
kunde  speziell   und   auch   einiger   anderer  Städte  in  ununter- 
brochenen   römischen     Traditionen    der    kaiserlichen    Verord- 
nungen den  Ursprung  hat,   erklärt  sich  auch  das  Beibehalten 
des  ausschließlichen  Anfangsdatiercns  zu  einer  Zeit,  als  in  der 
italienischen  Notariatsurkunde  in  dieser  Beziehung  Mischformen 
auftraten.^ 

Dagegen  ist  die  Urkunde  anderer  Städte  stark  von  den 
Rechtssitten  der  Slawen  durchtränkt,  sie  ist  eine  einfache 
Beweisurkunde ^   ja    oft    nur    ein   Hilfsmittel   zum    endgültigen 


^  A.  809,  Cattaro  CSD.  I,  Nr.  54;  vgl.  oben  S.  137,  n.  1. 

*  NoTelle  47,  1;  Breßlau  I,  818;  Voltelini,  Imbreviataren  (Acta  Tir.  II, 
p.  XXXI). 

*  Marini,  I  Papiri  diplomatici,  Nr.  138.  139.  164.  179.  185. 

*  Die  Formel  kommt  viermal  vor:  a.  918  Nr.  13.  17.  21;  a.  1044  Nr.  38. 
Daß  sie  ganz  mechanisch  and  anverstanden  angewandt  wurde,  beweist 
der  Umstand,  daß  das  erste  Mal  im  Protokolle  keine  Angabe  des  Tages 
angegeben  wird,  das  letzte  Mal  aber  ,ac8aIibaB'  statt  ,consaUbas*  im 
Originale  steht. 

^  Namentlich  im  12.  Jahrhunderte;  s.  Breßlau  I,  820. 


160  yi-  Abbandlnnff:    t.  Sufflaj. 

Beweise  darch  Zeugen.^  Die  genauen  Zeitangaben  haben  in 
ihr  nur  eine  nebensächUche  Bedentang.  Die  Tatsache ,  auf 
welche  sich  das  Datam  bezieht,  hat  schon  volle  Rechtskraft 
erlangt,  ehe  die  Urkunde  selbst  niedergeschrieben  wnrde.  Doch 
behielten  die  städtischen  Urkunden  einen  Teil  der  spätrömischen 
Traditionen,  indem  sie  das  Jahr  und  die  Indiktion  im  Proto- 
kolle behielten,  während  die  echt  kroatischen  Akte  gar  keine 
Zeitangabe  besitzen.* 

Auch  die  Urkunde  von  Zara  wird  immer  mehr  von  dieser 
zweiten  Art  der  Urkunde  angegriffen  und  das  Überhandnehmen 
derselben  spiegelt  sich  auch  in  den  ungenauen  Zeitangaben 
gleich  in  der  zweiten  Hälfte  des  11.  Jahrhunderts,  so  daß  wir 
von  jetzt  an  bis  etwas  über  die  Mitte  des  12.  Jahrhunderts 
eine  Verwilderung  der  Datierungsformel  in  ganz  Dalmatien  in 
der  fast  ausschließlichen  Anwendung  von  Jahr  und  Indiktion 
allein  beobachten  können.  Von  da  an  wahrscheinlich  durch 
den  italienischen  Einfluß  über  die  Inseln  von  Quarnero'  wird 
zu  Zara  wiederum  die  schon  vergessene  Monatsdatierung 
üblich.^  Dazu  gesellen  sich  bald  die  Urkunden  anderer  Städte 
auch  mit  der  Angabe  des  Tages,^  neben  der  noch  immer 
dauernden  alleinigen  Jahres-  und  Indiktionsangabe.^  Unzer- 
trennlich wird  der  Monat  und  Tag  überall  gegen  die  Mitte 
des  13.  Jahrhunderts,  als  die  Urkunde  sich  in  das  Instrument 
verwandelte.' 

Hiermit  ist  eine  Entwicklung  der  Datierung  in  den  dalma* 
tinischen  Urkunden  nachgewiesen,  welche  mit  den  Beobach- 
tungen, die  Fumagalli  an  der  lombardischen  ^  und  Paoli  an 
der  toskanischen  Urkunde^  gemacht  haben,  fast  parallel  läuft. 


»  8.  oben  §  5.  »8.  Doc.  Nr.  43.  72.  77  etc. 

'  Wo  die  genaaere  Datiemng  am  Anfange  des  12.  Jahrhunderts  sn  kon- 
statieren ist,  CSD.  II,  Nr.  28.  39. 

•  C8D.  n,  Nr.  122.  163.  164.  173.  179.  187.  188.  200  etc. 

B  Zara  n,  Nr.  129;  Ragusa  a.  1168,  Nr.  107.  113;  8palato  Nr.  123.  148. 

•  8palato  CSD.  II,  Nr.  176.  190.  191. 

^  Die  Angaben  der  Stunde,  wie  sie  andere  Notare  anzugeben  pflegen 
(Voltelini,  Imbrev.  Act.  Tir.  11,  p.  XXXI) ,  ist  in  den  Instrumenten  der 
Küfltenstädte  kaum  zu  finden. 

•  Inst.  dipl.  II,  76—77. 

^  Dipl.  201  f.  (L.  272).  Rispetto  ai  doc.  anteriori  al  mille  ossenrö  il  Fuma- 
galli nelle  carte  lombarde,  che  del  secolo  VIII  poche  sono,  quelle  che 


Die  dftlmfttiDische  PriT&tnrlnind«.  161 

Kar  geschehen  ihre  Rück-  oder  Fortschritte  zwei,  beziehungs- 
weise ein  Jahrhundert  später. 

Von  allen  Tagesbezeichnangen,  deren  sich  das  christ- 
liche Mittelalter  bediente,^  ist  die  Monatsdatierung  in  der 
Urkunde  Dalmatiena  bei  weitem  die  stärkste,  ja  neben  den 
verschwindend  seltenen  Angaben  durch  Wochentage,  Feste 
und  die  Datierung  nach  der  kirchlichen  Weise  die  einzige. 

Sie  wird,  gleichwie  in  den  lombardischen  Carten  und  dem 
italienischen  Privaturkundenwesen  überhaupt,  *  hauptsächlich 
durch  die  fortlaufende  Tagesbezeichnung  vertreten.  Bis 
gegen  das  Ende  des  12.  Jahrhunderts  ist  sie,  wenn  der  Tag 
überhaupt  bezeichnet  wird,  fast  die  einzige  und  hat  sich  in 
den  ältesten  zaratinischen  Urkunden  in  die  rätselhafte  Formel: 
sub  die  fere  . . .  mensis  . . .  gekleidet.^  Im  13.  Jahrhundert 
erleidet  sie  eine  starke  Einschränkung  durch  die  bolognesische 
Monatsdatierung,  bis  sie  im  14.  Jahrhundert  wiederum  kraft 
ihrer  Einfachheit  auf  die  Dauer  allgemein  wurde. 

In  der  zweiten  Hälfte  des  12.  Jahrhunderts  zeigt  sich 
auf  der  östlichen  Küste  des  Adriatischen  Meeres  die  hartnäckige 
Gegnerin  der  heutigen  Monatsdatierung,  die  bolognesische 
Zählweise.^  Zuerst  vereinzelt  und  von  den  einheimischen 
Notaren  kaum  begriflfen,  unterscheidet  sie  sich  —  von  der 
überflüssigen  Formel  intrantc  mense,  die  im  Anfange  allein 
gebraucht  wurde,  abgesehen  —  gar  nicht  von  der  fortlaufenden 
Zählweise,^   nur  daß  sie  einen  eigentümlichen  Zuwachs  in  der 

non  abbiano  anche  la  data  del  giorno;  nn  po'  pii\  nel  secolo  IX,  mentre 
nel  X  quasi  tntte  sono  designate  colla  sola  data  del  mese;   e  non  dissi- 
mili  resultati  ho  raccolto  dalle  osserrazioni  fatte  salle  carte  toscane. 
1  S.  Breßlan  I,  821. 

•  Cf.  Arch.  stör,  ital.,  ser.  V,  vol.  11.  73;  Breßlau  823. 

■  Doc.  Nr.  17.  21.  38.  Die  Formel  »sub  die*  römisch  (Rossi,  Inscr.  Christ.  I, 
1044.  llSOf.).  Auch  das  ,fere*  (sonst  nirgends  zu  finden)  hier,  scheint  es, 
noch  in  klassischer  Bedeutung  =  genau  (Forcellini,  Lexic.  III.  56,  Nr.  6). 

*  A.  1168  Ragusa  CSD.  II,  Nr.  107  .  .  .  quarto  die  intrante  mense  iulio. 
—  Zara  1190,  Nr.  209. 

'  Auch  nach  dem  15.  des  Monats  wird  die  Formel  intrante  angewendet, 
a.  1190,  Nr.  210  Ragusa:  mensis  innii  die  XVII  intrante  (Orig.  von  mir 
besichtigt  im  Staatsarchiv  zu  Wien).  Einige  ähnliche  Beispiele,  soviel 
ich  mich  erinnere,  auch  im  13.  Jahrhundert.  Für  italienische  Urkunden 
cf.  Paoli  (Mitt.  des  Inst.  VII,  465);  Dipl.  204,  Nr.  1  (L.  275,  Nr.  2). 
SitsQiigsber.  d.  phil.-biak.  Kl.  CXLVII.  Bd.  6.  Abh.  1 1 


162  yi.  Abbandlang!    ▼.  Snfflay. 

salernitanischen  Formel  ^mediante  mense^  für  den  15.  Tag  des 
Monats  erhält.^ 

Es  wäre  dies  eigentlich  eine  dritte  Formel  in  der  so- 
genannten bolognesischen  Datierung,  die  bis  jetzt  von  denen, 
welche  über  diese  Datierung  handelten,  nicht  beachtet  wurde, 
wahrscheinlich  weil  sie  die  Hauptstelle  darüber  in  der  ars 
notaria  des  Rolandinus*  nicht  erwähnt  und  sie  auch  im  Gebiete 
der  ausschließlichen  Herrschaft  dieser  Datierung  nicht  an- 
gewandt  wird.  Aber  südlicher  in  den  Fürstentümern  von 
Benevent  und  Salerno  erscheint  die  Formel:  mense  mediante 
neben  den  beiden  anderen:  mense  intrante  und  stante  oder 
finiente.'  Von  hier  ist  sie  nur  oberflächlich  in  die  Urkunde 
der  Küstenstädte  eingedrungen,  um  schon  im  13.  Jahrhundert 
keine  Spur  von  sich  zu  hinterlassen. 

Die  Blütezeit  der  bolognesischen  Zählweise  fällt  in 
Dalmatien  in  das  13.  Jahrhundert,  in  welchem  sie  fast  ganz 
die  fortlaufende  Monatsdatierung  verdrängt  und  auch  den 
bekannten  Regeln   derselben   für  Italien  vollständig  entspricht. 

Neben  diesen  beiden  Arten  der  Tages  bezeichnung  läuft 
noch  die  Datierung  nach  dem  römischen  System  parallel. 
Sie  erscheint  in  den  Urkunden  der  einheimischen  geistlichen 
Notare  sehr  früh/  indem  diese  das  Muster  gleichzeitiger 
Urkunden  der  geistlichen  Behörden  nachahmen,  und  hält  sich 
spärlich,  gar  nicht  mit  der  Zahl  der  Urkunden  wachsend  auf 
der  ganzen  Küste  bis  zu  Ende  des  12.  Jahrhunderts^  und 
lokal  wie  zu  Trau  bis  in  die  Mitte  des  13.  Jahrhunderts,  wenn 
sie  auch  in  diesem  letzten  Zufluchtsorte  mit  dem  Andränge 
der  italienischen  Notare  plötzlich  verschwindet^  Die  fremden 
Notare  gebrauchen  in  Dalmatien  nie  den  im  13.  Jahrhundert 
in  ihrer  Heimat  noch  beliebten  römischen  Kalender.^ 


^  A.  1188  Spalato  II,  Nr.  193  ..  .  mediante  mense  martio;  a  1198,  Nr.  244 

Zara  .  .  .  mense  februario  mediante. 
■  8  Du  Gange  s.  V.  mensis  (ed.  Favre  V,p.  348);  Rühl  76.     »  Cod.  Cav.I,p.LX. 

*  Ragusa  a.  1044,  CSD.  I,  Nr.  l'JS  ...  undecimo  ealendas  martii;  Spalato 
1119,  II,  28  ...  im   kalenda  iullia. 

*  Arbe  II,  1 49 ;  Zara  Nr.  1 72 ;  Spalato  Nr.  245 ;  CatUro  Nr.  95 ;  Ragnaa  Nr.  233. 
'  A.  1234  .  .  .  dnodecimo  kalendas   martii  (ed.  Farlati  IV,  338);    1241  .  .  . 

decimo  kalendas  februarii  (orig.  s.  Maria  zu  Zara);  1242  .  .  .  lY  kalendas 
...  11  (der  Monat  unlesbar,  orig.  Ib.) 
»  Vgl.  Paoli,  Dipl.  202  f.;  Russi,  o.  c.  107. 


Die  dftUnatinischa  PriTatnrkniida.  163 

Es  soll  hier  noch  auf  eine  Tatsache  aufmerksam  gemacht 
werden.  In  allen  angeführten  Fällen  ^  zwei  aasgenommen/ 
geschieht  die  Datierung  darch  ^Kalendae',  kein  Beispiel  findet 
sich  sonst  fUr  Nonen  and  Iden.  Es  ist  dies  eine  Eigentum- 
lichkeity  welche  aaf  den  ersten  Blick  die  große  Vorliebe  für 
dieses  Datnm  verrät  and  auch  ihren  tieferen  Grund  in  der 
Volkstümlichkeit  desselben  haben  muß.  Und  wirklich,  in  den 
beiden  Vulgärsprachen  der  Städte ,'  in  der  kroatischen  wie 
auch  in  der  altdalmatinischen,  beziehungsweise  italienischen, 
hat  sich  das  Wort  Kalendae  erhalten ;  in  der  slawischen  Sprache 
zwar  umgestaltet  und  zu  einem  heidnisch-christlichen  Feste 
metamorphosiert,'  in  der  romanischen  aber  treu  in  der  Form 
und  in  dem  Begriffe.^ 

Es  mag  hier  noch  eine  kurze  Erwähnung  anderer  Tages- 
bezeichnungen, das  ist  nach  dem  Wochentage  sowie 
nach  dem  kirchlichen  Kalender  geschehen,  die  sehr  selten 
sind  und  auch  dann  nur  als  Ergänzung  zur  Angabe  des  Monats- 
tages vorkommen.  Um  unserer  Betrachtung  enge  Grenzen 
zu  setzen,  soll  gleich  hier  bemerkt  werden,  daß  der  Wochentag 
nach  der  kirchlichen  Weise  sowie  die  Tagesbezeichnung  nach 
beweglichen  Festen  in  einer  dalmatinischen  Notariatsurkunde 
überhaupt  und  auch  in  einer  geistlichen  Urkunde  bis  zu  Ende 
des  14.  Jahrhunderts  nie  vorkommt.^ 

Die  Benennung  des  Wochentages  nach  seinem  eigentlichen 
heidnisch-römischen  Namen  wird  bei  einem  privatrecht- 
lichen Vertrag  als  Datierung  von  dem  Notare  nie   angewandt; 


»  CSD.  n,  Nr.  172.  233. 

'  S.  darüber  Jiredek,  Die  Romanen.  Denkschriften  48,  78 — 101. 

'  Krek,  Einleitnng  in  die  Geschichte  der  slawischen  Literatur  II.  Ausg.; 
Drinov,  Zaselenie  balkanskago  poluostrova,  Moskva  1873,  p.  73 — 76,  wo 
er  auf  Grund  des  slawisierten  Wortes  ,ko1edo',  welches  er  aus  dem 
römischen  Januarkai  enden  entstehen  läßt,  die  Anfänge  der  Ansiedelung 
der  Balkanhalbinsel  durch  die  Slawen  in  die  Zeit  des  römischen  Kaiser- 
tums versetzt. 

^  Paoli,  Dipl.  203  sagt:  la  denominazione  kalendae  al  primo  giomo  del 
mese  e  tradotta  nella  lingua  volgare  coUe  forme :  calende ,  calendi .  .  . 
(Lohmeyer  274). 

*  Einsige  Aufnahme  die  Urkunde  von  1095  .  .  .  nonis  in  martii  quar- 
tarum  nichilominus  feriarum.  —  Seit  dem  15.  Jahrhunderte  kommt  diese 
Datierung  in  der  Urkunde  der  dalmatinischen  Kapitel  vor. 

11* 


164  VI.  AbhftDdInng:    y.  gaffUy. 

der  Name  kommt  selten  in  den  Gerichtsurkunden  vor,  häufiger 
in  den  Verordnungen  der  Kommune  und  zu  Zara  immer  in 
den  sogenannten  Inkanten^  d.  h.  in  den  Notariatsarkunden, 
welche  von  einem  Verkaufe  durch  Versteigerung  von  Gerichts 
wegen  handeln.^  Gewöhnlich  wird  in  diesen  der  Sonntag,  welcher 
für  solches  öffentliche  Rechtsgeschäft  der  passendste  ist,  er- 
wähnt;* an  seine  Stelle  kann  auch  ein  großer  Feiertag  treten, 
in  welchem  Falle  dann  ausdrücklich  bemerkt  wird,  daß  er  auf 
keinen  Sonntag  fällt.* 

Auch  die  Datierung  nach  den  unbeweglichen  Festen 
des  Kirchenjahres  kommt  äußerst  selten  vor  und  ist,  die  zara- 
tinischen  Inkante  ausgenommen,  nur  in  der  zweiten  Hälfte 
des  12.  und  am  Anfange  des  13.  Jahrhunderts  zu  finden.  In 
den  zaratinischen  Urkunden  kommt  sie  nur  zweimal  vor.* 
Dagegen  scheint  sie  im  fernen  Süden  Dalmatiens,  in  Ragusa 
schon  sehr  früh*  und  ziemlich  häufig  angewandt  worden  zu 
sein.^  Und  es  ist  ausnahmsweise  eine  ziemlieh  selbständige 
Position,  welche  dem  Tage  eines  Heiligen  bei  der  Präzisierung 
der  Datierung  zuteil  wird,  da  gewöhnlich  keine  andere  Tages- 
bezeichnung zugefügt  wird  und  er  also  den  üblichen  Monats- 
tag vertritt.  Diese  EigentümHchkeit  hat  die  Urkunde  von 
Ragusa   dem  äußerst  starken  direkten  und  indirekten  byzanti- 


^  Erste  solche  Urkunde  erscheint  a.  1280  (orig.  s.  Maria  zu  Zara). 

'  Z.  B.  .  .  .  anno  incarnationes  eiusdem  mill.  trec.  triges.  quarto  die  do- 
minico  decimo  nono  mensis  februarii  (orig.  AsA.).  Cf.  Stat.  Jadr.  1.  III, 
c.  37,  p.  47 :  ...  quod  omnes  venditlones,  deliurationes  .  .  .  per  curiam  et 
dominum  comitem  .  .  .  fieri  debeant  diebus  dominicls  aut  festiuis  .  .  . 

'  Z.  B.  1342  (3):  ...  die  feriata  festi  s.  Marci  euangeliste  ultima  mensis 
ianuarii  (Wochentag  Freitag). 

*  A.  1182  (3):  ...  festo  s.  Sauini  Canusini  episcopi,  quod  est  quinto  idos 
februarii  (CSD.  II,  172);  a.  1219:  ..  .  mensis  octobris  festo  s.  Luce  euan- 
geliste, indictione  octaua  (GAZ.  s.  Gris.  X  rott.  J).  Gerade  aus  dieser 
Seltenheit  kann  man  auf  die  große  Verehrung  des  aus  Süditalien  stam- 
menden Heiligen,  des  Bischofs  Sabinus  aus  Canusium,  auch  im  Norden 
Dalmatiens  schließen  (Jire^ek,  Denkschriften  48,  62  hat  die  Verehrung 
für  den  SUden  festgestellt). 

^  In  Deutschland  erst  seit  der  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  (Breßlan  828; 
Paoli,  L.  280)  beliebt. 

•  CSD.  II,  a.  1186,  Nr.  184.  206.  233.  247. 


Dia  dalnatiDiftche  PriTalarknnde.  165 

nischen,  beziehungsweise  slawischen  Einflüsse  zu  verdanken;^ 
denn  den  Kultus  des  heiligen  Blasius,  des  Schutzpatrons  der 
Stadty  der  Heiligen  Cosmas  und  Damianos  sowie  das  Fest  der 
Kreuzerfindung,  nach  denen  hier  datiert  wird,  sind  direkten 
byzantinischen  Ursprunges.*  Auch  ist  diese  Art  der  Datierung 
den  gleichzeitigen  Urkunden  der  slawischen  Fürsten  nicht 
unbekannt.' 

Aber  mit  der  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  verschwindet 
hier  sowie  überall  in  Dalmatien  jede  lokale  Eigentümlichkeit 
in  der  Datierung.  Von  da  an  beherrscht  der  bolognesische 
Brauch  und  dann  die  fortlaufende  Tagesbezeichnung  aus- 
nahmslos alle  städtischen  Urkunden  ohne  jegliche  Art  fremder 
Ergänzungen.  Die  Instrumente  der  adriatischen  Ostküste  be- 
sitzen von  jetzt  an  mehr  Reinheit  und  Regelmäßigkeit  in  dieser 
Beziehung  als  ihre  einstigen  Muster  in  Italien.^ 

^  Am  längsten  unter  allen  dalmatinischen  Küstenstädten,  noch  zar  Zeit 
der  Entstehung  dieser  oben  zitierten  Urkunden,  befinden  sich  die  Ra- 
gusaner  unter  der  griechischen  Hoheit;  cf.  Jireöek,  Bedeutung  von  Ka- 
gusa  in  der  Handelsgeschichte  48 — 50  (Almanach  der  kais.  Akademie 
1898,  p.  412^414). 

'  Jiredek,  Romanen.  Denkschriften,  48,  p.  53.  55. 

'  So  das  Privileg  des  bosnischen  Banus  KuUn  a.  1189:  ...  m6seca  avBgusta 
u  dbvadeceti  i  deveti  dbnb  nsd^enie  glave  J6vana  Krbstitela  (CSD.  U, 
Nr.  203);  Miklosich,  Mon.  serb.,  p.  1. 

*  S.  besonders  den  französischen  Einfluß  auf  die  Datierung  der  italieni- 
schen Privaturkunden  bei  Paoli,  Dipl.  208  (L.  280  f.). 


Inhalt. 


Seite 

I.  Einleitung 1 

IL  Geschichte  des  Notariats  in  Dalmatien 5 

1.  Die  Urkundenschreiber  der  Kttstenstädte  bis  zu  den  Anfängen 

des  Notariatsinstitutes  in  denselben  (um  das  Jahr  1160).    .  5 

2.  Der  Charakter  des  Notariats  in  der  Periode  seiner  Ausbildung 

in  den  dalmatinischen  Städten  (1160—1260) 11 

3.  Das  italienische  Notariat  in  den  KUstenstädten 19 


166  ▼'•  Abhandlung:    ▼.  duffUy.  Die  telmatinSflehe  PriT»tnr1nind«. 

Seite 
III.  Die    Entwicklung    der    kroatisch  -  dalmatinischen     Ur- 
kunde bis  zur  vollständigen  Annahme  des  Instru- 
mentes in  den  Stftdten 29 

4.  Die  Formen  der  ältesten  Urkunde  bis  gegen  das  Ende  des 

12.  Jahrhunderts 29 

6.  Der  Zeugenbeweis  und  seine  Folgen 37 

ly.  Elemente  des  Instrumentes  in  der  kroatisch-dalmatini- 
schen Urkunde  und  Eigentümlichkeiten  derselben      44 

6.  Das  Protokoll  der  dalmatinisch-kroatischen  Urkunde  nnd  der 

Rahmen  des  Instrumentes.  —  Invokation.  —  Datiernngs- 
formel.  —  Unterschriften.  —  Unterschrift  des  Examinators. 
—  Unterschrift  des  Schreibers.  —  Zeichen  des  Notars.  — 
Apprekation 46 

7.  Verwünschung   als    hauptsächliche  Schlußformel    der   dalma- 

tinisch-kroatischen Urkunde 66 

y.  Das  Notariatsinstrnment  in  den  Kflstenstädtea  nnd  an- 
dere Fortsetzungen  der  dalmatinisch-kroatischen 
Urkunde 74 

8.  Das  subjektive  nnd  objektive  Instrument  in  den  dalmatinischen 

Eüstenstädten 74 

9.  Die   rechtliche  Beweiskraft  des  Instrumentes  nach  den  Sta- 

tuten der  Städte 80 

10.  Die  Anwendung  des  Siegels   in  den  Städten.  —  Das  Dom- 

kapitel der  Städte  als  locus  credibilis  und  die  rein  kroati- 
sche Urkunde  In  Dalmatien 85 

VI.  Grundsätze  bei  der   Anfertigung  der    Notariatsinstru- 

mente 96 

11.  Rogation 95 

12.  Imbreviatnr 97 

13.  Publikation  und  Neuausfertigung  des  Instrumentes.  Transsnmpt    100 

14.  Ebcaminatores  und  Auditores  der  Instrumente  in  den  KQsten- 

städten 106 

Vn.  Geschäftsformeln 110 

15.  Kaufurkunde 113 

16.  Schenkungsurkunde 126 

17.  TesUment 130 

Vin.  Datierung 186 

18.  Die  christliche  Ära  und  die  Jahresanfänge 136 

19.  Indiktion 146 

20.  Datierung  nach  der  Regierung  der  Herrscher 152 

21.  Epakten  und  Konkurrenten 156 

22.  Die  Monats-  und  Tagesangaben 168 


VII.  Abhsndliiiiff:    t.  Schulte.  Marios  Mercfttor  und  Pseado-Isidor. 


VII. 
Marius  Mercator  uad  Pseudo-Isidor. 

YOD 

Friedrich  von  Sohidte, 

korresp.  Mit^Uede  der  kais.  Akademie  der  Wissenseliafteii. 


Über  den  Verfasser  der  pseudoisidorischen  Dekretalcn  ist 
bekanntlich  bis  zam  beatigen  Tage  so  wenig  eine  volle  Ein- 
stimmigkeit vorhanden  wie  über  den  Ort  and  die  genaae  Zeit 
der  Entstehung.  Za  den  gleichfalls  unaafgeklärtcn  Punkten 
gehört  der  rätselhafte  Name  Mercator  in  der  Vorrede  Pseado- 
Isidors.  Es  kann  nämlich  nach  der  Untersachung  von  Hin- 
seh  ins  in  seiner  Aasgabe: 

Decretales  PseadoJsidorianae  et  Capitala  Angilramni. 
Ad  fidem  Ubroram  manascriptorum  recensuit  fontes  indi- 
cavit  commentationem  de  coUectione  Psendo-Isidori  prae- 
misit  Paulas  Hinschius.  Ex  officina  Bernh.  Tauchnitz. 
Lipsiae  MDCCCLXm. 

keinem  Zweifel  unterliegen^  daß  in  der  Vorrede,  welche  anhebt: 

Jsidorus  Mercator  servus  Christi  lectori  conservo 
suo  et  parens  in  domino  fidei  salatem', 

das  Wort  Mercator  durch  die  besten  Handschriften  beglaubigt 
ist,  die  Formen  Mercatus  und  Peccator  hingegen  als  willkür- 
liche Änderungen  von  Abschreibern  verworfen  werden  müssen. 
Über  den  Sinn  des  Beinamens  Mercator  sind  mehrfache  Kon- 
jekturen aufgestellt,  von  denen  die  von  Herrmann  (Göttinger 
gelehrte  Anzeigen  1865,  Nr.  39  vom  27.  September,  S.  1533  f.) 
die  geistreichste  ist  und  dahin  geht:   Mercator  enthalte,   wenn 

SitxvBgBber.  d.  phil.-biat.  Kl.  CXLVII.  Bd.  7.  Abb.  1 


2  VII.  AbhEDdlnog:    t.  Sehnlte. 

man  die  Bachstaben  also  gruppiere:  OTCARMEU  die  Worte: 
OTCAR  Hoguntinae  Ecclesiae  Bector  and  deute  somit  verdeckt 
des  Otcar  Autorschaft  an.  Diese  lediglich  als  Hypothese  auf- 
gestellte Ansicht  hat  Hinschius  in 

Zeitschrift  für  Kirchenrecht  u.  s.  w.^  herausgegeben 
von  Richard  Dove  und  Emil  Friedberg.  VI.  Jahr- 
gang, Tübingen  1866,  S.  148  ff. 

zurückgewiesen  und  die  Meinung  aufgestellt:  Der  Beiname 
Mercator  in  der  Vorrede  rühre  her  von  einer  Benützung  des 
Marius  Mercator.  Er  zeigt,  daß  die  oben  abgedruckten 
Eingangsworte  der  Vorrede  Pseudo-Isidors  sich  geradeso  mit 
Ausschluß  des  Wortes  Isidorus,  anstatt  dessen  Marias  steht, 
wiederfinden  in  der  lateinischen  Übersetzung  der  ,Varii  ser- 
mones  impii  Nestorii  de  incarnatione  domini  Jesu  Christi'  (Aas- 
gabe von  Baluze,  Paris  1648,  p.  52;  Garnier,  Paris  1673, 
II,  p.  3.  Letztere  wieder  abgedruckt  bei  Migne,  Patrologiae 
cursus  completus,  Series  prima,  Tom.  XLVIII.  Paris  1846 
col.  753  sqq.),  daß  aber  auch  eine  zweite  Stelle  Pseudo-Isidors, 
nämlich  der  Anfang  des  C.  8.  des  ersten  Briefes  von  P.  Ana- 
cletus  (Hinschius^  Decretales  Ps.  p.  69)  demselben  Schrift* 
steller  (Migne^  1.  c.  col.  790)  entnommen  ist.  Andere  Stellen 
hat  Hinschius  bisher  nachzuweisen  nicht  vermocht. 

Ich  halte  Hinschius'  Annahme  für  durchaus  zutreffend 
und  will  versuchen,  dieselbe  näher  zu  begründen  in  der  HofiT 
nung,  dadurch  zugleich  einen  Beitrag  zur  Handschriftenkunde 
des  Pseudo-Isidor  zu  liefern. 

Marius  Mercator  gibt  in  der  zitierten,  auf  die  Irrlehre 
des  Nestorius  bezüglichen  Schrift,  welche  um  430  geschrieben 
ist  (Marius  Mercator  wirkte  von  418 — 450.  Vgl.  die  Vorreden 
von  Garnier  und  Baluze),  eine  Masse  von  Reden,  Canones 
u.  s.  w.  in  einer  eignen  lateinischen  Übersetzung;  diese  Samm- 
lung ist  offenbar  von  Pseudo-Isidor  benutzt  worden.  Wenn 
dies  bisher  noch  nicht  näher  festgestellt  wurde,  liegt  der  Grund 
darin,  daß  auch  Hinschius  nicht  alle  Formen  der  pseudoisido- 
rischen  Handschriften  bekannt  sind.  Ich  habe  in  meinem  Iter 
Gallicum  (Wien  1868;  Sitzungsber.  der  phil.-hist.  Klasse  der 
kais.  Akademie  der  Wissenschaften  LIX,  S.  369  ff.)  zuerst 
einen  der  Stadtbibliothek  zu  Gre noble  (Nr.  16  Standnummer, 


Marios  HereatoT  und  Psendo-Isidor. 


520  Katalogsnümmer;  Fol.  mbr.  s.  XII)  gehörigen  Kodex 
Psendo-Isidors  beschrieben,  der  Hinschios  nicht  bekannt  ist. 
Derselbe  ist  selbstredend  Abschrift  eines  älteren  and  erweist 
sich  als  eine  solche  schon  durch  die  Beifügung  von  Seiten- 
zahlen am  Rande.  In  den  auf  das  Konzil  von  Ephesus  (431) 
bezüglichen  Stücken  zeigt  sich  nun  ganz  deutlich  die  Benutzung 
des  Marius  Mercator.  Unzweifelhaft  ist  dies  der  Fall  bei 
folgenden  Stücken: 


Kodex  Gratianopol. 

Exemplar  monumentorum 
que  gesta  sunt  in  epheso  a  sanc- 
to  concilio  super  depositione 
Nestorii.  Post  consulatum  Do- 
minorum etc. 

Petri  s.  episcopi  et  martyris 
ex  codice  de  deitate.  Quoniam 
et  vere  gratia  et  veritas  etc. 

Athanasii  s.  Episcopi  Alexan- 
driae  de  codice  contra  Arianes. 
Multi  igitur  sancti  fuerunt  et 
mundi  ab  omni  peccato  etc. 

Eiusdem  Athanasii  de  epi- 
Stola  ad  Epictetum.  Quomodo 
autem  inquit  et  ambigere  au- 
dent  etc. 

lulii  s.  Episcopi  Romae  de 
epistola  ad  Proditium.  Praedi- 
catur  autem  ad  plenitudinem 
fidei  etc. 

lulii  etc. 

Theopili  etc. 

Item  eiusdem  de  alia  epistola 
paschali.  Qualiter  . . . 

Cypriani ...  ex  libro  de  ele- 
mosina . . . 


Marina  Mercator. 


Post  consulatum  Domino- 
rum etc. 

Migne  col.  865—860. 

Petri  SS.  episcopi  et  martyris 
ex  libro  de  deitate.  Quoniam 
certe  gratia  et  veritas.  ibid. 
col.  860. 

Athanasii  s.  Episcopi  Alexan- 
driae  ex  libro  adversus  Arianes. 
Multi  igitur  sancti  fuerunt  et 
puri  ab  omni  peccato  etc. 

Migne  col.  869. 

Eiusdem  epistola  ad  Epicte- 
tum. Quomodo  autem  vel  dubi- 
tare  ausi  sunt  cet.  ibid.  col.  870. 

lulii  s.  Episcopi  Romae  epi- 
stola ad  Prosdocium.  Prae- 
dicatur  autem  ad  consumraa- 
tionem   fidei . . .  ibid.  col.  870. 

Migne  col.  871. 

Ibid. 

Eiusdem  ex  epistola  sexta 
paschali.  col.  871. 

Cypriani ...    ex    libro    de 

misericordia  . . .  col.  872. 

1» 


VII.  Abhandlang :    r .  8  6  h  n  1 1 6. 


Kodex  Gratianopol. 

Ambrosii . . . 

Item  eiusdeiD  . . . 

Gregorii  8.  episcopi  Nazian- 
zeni . . . 

Basilii . . . 

Gregorii . . .  Hoc  enim  sa- 
piatnr . . . 

Attici . . .  Hodie  Chri8tas  ini- 
sericordiae  nativitatem .    . 

Amphilochi  Yconii  episcopi. 
Quoniam  enim  ipse  et  rex . . . 

Item  eiusdem.  Nisi  enim... 

Attici  etc. 

De  codice  Nestorii  qnater- 
nione  XVII  in  dogmate.  Cnm 
igitur  divina  scriptura . . . 

Similiter  eiasdem  de  quater- 
nione  III.  Et  vide  quid  con- 
tingit  etc. 

Item  einsd.  de  quaternione 
XXnil.  Quid  ergo  diceba- 
mus  .  .  . 

Item  eiu8d.  ex  quat.  XV.  Sic 
et  secundum  carnein  Christus. 

Eiusd.  de  quat.  XXVII.  Sed 
sicut  dicimus. 


Item  eiusd. 
Hoc   sapite  in 

Item   eiusd. 

Item  eiusd. 
Erat. 

Item  eiusd. 
Inconfusam. 

Item  eiusd. 
Considera  .  .  . 


de   quat.    XV. 

vobis  quod  .  .  . 

ex  quat.  XVI. 

de  quat.  XVII. 

de    quat.   XV. 

de  quat.  XVI. 


MariuB  Meroator. 

Ibid.  col.  872. 

Ibid. 

Gregorii  maioris  ep.  N.  ibid. 
col.  873. 

Ibid.  col.  874. 

Gregorii . . .  Hoc,  inqutt,  scn- 
tite  . . .  col.  874. 

Attici . . .  Hodie  Christus  cle- 
mentiae  generationem.  ibid. 

Yconii  episcopi.  Nam  quia 
idem  est  rex  . . . 

Ibid.  col.  875. 

Eiusdem.  Nam  nisi.  ibid. 

Ibid.  col.  875. 

Ex  libro  ipsius  Nestorii  ex 
quaternione  XVI  de  dogmate. 
ibid.  col.  886. 

Eiusdem  ex  quaternione 
XXI.  ibid. 

Eiusd.  ex  quaternione  XIX. 
ibid.  col.  887. 

Ex  quat.  XV.  Ita  etiam 
Christus  secundum  carnem. 
col.  888. 

Eiusd»  ex  quat.  XXVII. 
Sed  quemadmodum  dicebamus. 
ibid. 

Eiusd.  ex  quat.  XV.  Hoc 
autem  sentite  . . .  ibid. 

Ibid.  col.  888. 

Ibid.  col.  889. 

Ibid. 

Eiusd.  ex  quat.  VI.  Consi- 
derate  . . .  ibid. 


Mariai  Uerealor  and  Psaado-Isidor. 


O 


Kodex  Gratianopol. 

EiuBd.  de  quat.  XXVII.  Ut 
discatis  .  .  . 

Einsd.  do  quat.  I.  Communes. 
Eiusd.  de  quat.  XV.  Ille  qui. 

Ex  post  alia.  Non  per  se  . . . 

Eiusd.  de  quat.  IUI.  contra 
haereticos.  Quomodo  . . . 

Eiusd.  de  quat.  VI.  Iste  fide- 
lis . . . 

Et  post  alia.  Pontifex. 

Eiusd.  de  quat.  VII.  Unde 
fratres. 

Eiusd.  de  quat.  IUI.  Audite. 

Et  post  alia.    Sed  ad. 

Eiusd.  de  quat.  XVI.  Et 
omnino. 

Et  post  alia  . . . 

Eiusd.  de  quat.  Intendo. 


Marina  Mcrcator. 
. . .  Ut  sciatis.  ibid. 

Ibid. 

Quat.  XVI.  Hie  est  qui. 
Ibid. 

Ibid.  col.  890. 

Eiusd.  ex  quat.  III.  in  haer. 
Ibid. 

Ibid. 

Ibid.  col.  891. 
Ibid. 

Ibid. 
Ibid. 
Ibid.  col.  892. 

Ibid.  892. 

Eiusd.  ex  quat.  XXIII.  Vi- 
deo.    Ibid. 


Nicht   minder  ergibt   sich   die  Benützung  aus  folgendem. 
Nach  der  Rubrik: 

Jncipit  translatio  primi  Ephesini  Concilii.  Tractatus 
primus  beati  Cjrilli  Alexandrini  Episcopi  de  incarnatione 
domini  ad  totius  Aegypti  monachos  contra  Nestorium 
Constantinopolitanum  Episcopum'; 

folgt  der  bei  Migne  col.  801  stehende  Brief  Cjrills  mit  anderem 
Anfange  (Venerunt  quidem  aliqui  eorum  etc.)^  zwei  andere  von 
Cyrilly  hierauf  der  des  Nestorius  (Migne  col.  804),  nach  zehn 
anderen  Stücken  (Iter  gallicum  S.  370,  Nr.  5 — 14)  der  Brief 
Cjrills  an  Nestorius  (Migne  col.  831);  nach  den  oben  ange- 
führten Exzerpten  stehen  noch  zwischen  anderen  verschiedene 
Stücke  (Iter  gallicum  S.  371,  Nr.  25  bei  Migne  col.  868,  Nr.  33 
das.  col.  866;  S.  372,  Nr.  48  bei  Migne  col.  875,  Nr.  49  das. 
col.  877  u.  s.  w.),  die  auch  Marius  Mercator  hat.  Erwägt 
man  nun,  daß  wir  das  Werk  des  Marius  Mercator  nur  un- 
vollständig besitzen^  daß  die  Aufnahme  von  einigen  vierzig 


6  VII.  Al»b»ndlaDg:    ▼.  Sebnlt«.  Mariu  llwmlor  und  PMndo-Iridor. 

Stücken  in  derselben  Reihenfolge  trotz  der  in  Zahlen 
nnd  einzelnen  Aasdrttcken  vorhandenen  Verschiedenheiten, 
welche  wohl  zweifelsohne  auf  Rechnung  der  Abschreiber 
kommen,  sich  nur  dnrch  die  Benützang  von  Marias  Mercator 
erklären  läßt:  so  halte  ich  dessen  Benützang  durch  den  Ver- 
fasser des  Originals^  von  dem  der  Kodex  von  Grenoble  Ab- 
schrift ist,  für  erwiesen. 


Von  allen  größeren,  sowohl  in  den  Sitzungsberichten  als 
in  den  Denkschriften  enthaltenen  Aufsätzen  belinden  sich 
beparatabdrücke  im  Buchhandel. 


i>ifi<iyiO^ 


WIEN,  1904. 


DRUCK  VON  ADOLF  HOLZHAUSEN 

K.  UMD  K.  HOr-  UND  Uin?BRBItiT8-BUCHDRU0KIR. 


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Bookbtnding  Co,.  Inc. 

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