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HARVARD COLLEGE
LIBRARY
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FARRAR FUND
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Attnmomn and Natural Pkäotopkn,
1807-1889
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SITZUNGSBERICHTE
DEB
PHILOSOPHISCH-HISTOßISCHEN KLASSE
DBB KAI8BBLICHBN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
HUNDERTSIEBENUNDVIERZI6STER BAND.
(VIT 1 TAl^L UND 15 TEXTABBILDDNOEN.)
WIEN, 1904.
IN KOMMISSION BEI CARL GEROLD'S SOHN
BDCHIIÄWDLIB DDL EAI8. AKADBMTI DKR WlfiSBKSOnAmif.
£s<rt^ 3cr^. J'
'^'iViyt. ctA-~ j-<<~<'<'cf
Druck von Adolf Holzbansen,
k. UBd k. Hof- und UaiT«nitite-Baehdniek«r in Wies.
INHALT.
I. Abhftndlang. Masil: Sieben samaritaniBche Inschriften aus Da-
maskus. (Mit 7 Abbildungen im Texte.)
II. Abhandlung* Seemüller: Zur Kritik der KOnigsfelder Chronik.
XII. Abhandlung. Gbajes: Jüdische und jüdisch-indische Grabinschriften
aus Aden. Mit einer Besprechung der indischen Texte Ton J. Kirste.
(Mit 1 Tafel und 8 Abbildungen im Texte.)
IT. Abhandlung. Bhodokanakis: Al-Hans&' und ihre Trauerlieder.
Ein literar-historischer Essay mit textkritischen Exkursen.
Y* Abhandlung. Schonbach: Studien zur Geschichte der altdeutschen
Predigt. Drittes Stück: Das Wirken Bertholds von Regensburg
gegen die Ketzer.
Tl. Abhandlung, v. Sufflay: Die dalmatinische Privaturkunde.
TU. Abhandlung, v. Schulte: Marius Mercator und Pseudo-Isidor.
a*
Vm. SITZUNG VOM 11. MÄRZ 1903.
Der Vorsitzende macht Mitteilung von dem am 5. März
I. J. zn Cannes erfolgten Ableben des korrespondierenden Mit-
gliedes im Auslände^ Herrn Dr. Qaston Paris^ Professors am
Collie de France.
Die Mitglieder erheben sich znm Zeichen des Beileides
von ihren Sitzen.
Der Sekretär verliest ein Dankschreiben der London
Library für die Überlassung akademischer Publikationen.
Zur Kenntnis.
Der Sekretär legt folgende Druckwerke vor:
1 . y An Introduction to the Orammar of the Kui or Kandh
Language by Lingum Letchmajee. 2. edition. Calcutta 1902';
2. ^Geschichte einer ostalemannischen Qemeinlandsver-
fassung unter Berücksichtigung bajuvarischer Weisttlmer Tirols^
Oberbayems und Salzburgs von K. Haff. Augsburg o. J.S
vom Verfasser tlbersandt;
3. yinventaire descriptif des monuments du Cambodge
par E. Lunet de Lajonqui^re (Publications de Täcole fran-
9aise d'extröme-orient, Vol. IV), Paris 1902';
4. yStudies in the Idyl in German Literature by Gustav
Albert Andreen, published by authority of the board of direc-
tors of Augustana College and theological seminary, Rock Is-
land, 111. 1902';
ö. ,Deut8che Poesie vom Ende des 12. bis in den Beginn
des 16. Jahrhunderts von Josef SeemttUer (S.-A. aus dem
VI
III. Bande der „Geschichte der Stadt Wien", herausgegeben
vom Altertums vereine in Wien). Wien 1903*, vom Verfasser
übersendet.
Es wird für diese Publikationen der Dank der Klasse
ausgesprochen.
Der Sekretär legt eine vom k. M. Herrn Professor Dr.
Karl Wessely in Wien übersandte Abhandlung vor, betitelt:
jTopographie des Faijüm (Arsinoites Nomus) in griechischer Zeit^
Die Abhandlung wird in die Denkschriften aufgenommen.
Der Sekretär verliest eine Zuschrift der Zentraldirektion
der Monumenta Germaniae historica in Berlin betreffs der
Entsendung der w. M. Herren Professor Dr. Engelbert Mühl-
bacher und Dr. Arnold Ritter Luschin von Ebengreuth
in die Zentraldirektion.
Zur Kenntnis.
Endlich überreicht das w. M. Herr Hofrat Müller eine
Abhandlung des Herrn Professors Dr. Alois Musil in Olmütz,
betitelt: ,Sieben samaritanische Inschriften aus Damaskus' und
beantragt die Aufnahme derselben in die Sitzungsberichte.
Die Abhandlung wird in die Sitzungsberichte der Klasse
aufgenommen.
IX. SITZUNG VOM 18. MÄRZ 1903.
Der Sekretär legt die folgenden an die Klasse gelangten
Druckwerke vor, und zwar:
1. Ulysse Robert, ,Philibert de Chalon, prince d'Orange,
vice-roi de Naples (18 mars 1502 — 3 aoüt 1530). Ouvrage
accompagnö de cinq gravures. Paris 1902', vom Autor über-
sendet;
2. ,Chinas Religionen. Zweiter Teil: Lao-ts'i und seine
Lehre. Von Dr. Rudolf Dvofik (Darstellungen aus dem
VII
Gebiete der nichtchristlichen Religionsgeschichte^ XV. Band).
Münster 1903', vom Verfasser überreicht;
3. jTercentenary of the Bodleian Library (Oxford),
Oktober 1902. Record of Proeeedings', vom Sekretariate über-
sendet.
Es wird für diese Einsendungen der Dank aasgesprochen.
Der Sekretär verliest eine Zuschrift der königl. bayer.
Akademie der Wissenschaften in München, worin dieselbe
für die diesjährigen Verhandlungen des Kartells der Akademien
and gelehrten Gesellschaften den 5. und 6. Juni 1. J. in Vor-
schlag bringt.
Zur Kenntnis.
Der Sekretär überreicht eine Abhandlung des Herrn Dr.
Nikolaus Rhodokanakis in Wien, betitelt: ,Al-lIansft' und
ihre Trauerlieder. Ein literar-historischer Essay mit textkriti-
sehen Exkursen^
Der Autor bittet um Aufnahme dieser Arbeit in die aka-
demischen Schriften.
Die Abhandlung wird einer Kommission zur Begutachtung
zugewiesen.
Weiters legt der Sekretär eine vom k. M. Herrn Professor
Dr. J. Seemüller in Innsbruck übersandte Abhandlung vor^
welche betitelt ist: ,Zur Kritik der Königsfelder Chronik^
Der Verfasser ersucht um Aufnahme derselben in die
Sitzungsberichte.
Die Abhandlung wird in die Sitzungsberichte der Klasse
aufgenommen.
Das w. M. Herr Hofrat Jagi6 überreicht eine für die
Denkschriften bestimmte Abhandlung, betitelt: ,Kirchenslavisch-
böhmische Qlossen des 11. bis 12. Jahrhunderts^
Die Abhandlung wird in die Denkschriften aufgenommen.
vni
X. SITZUNG VOM 1. APRIL 1903.
Der Sekretär legt die eingelaufenen Druckwerke vor,
und zwar:
1. ,Der Verein Heilanstalt All and. Ein Wort zur Auf-
klärung. Wien 1903';
2. yRevue des monuments arch^ologiques de la religion
primitive' von Dr. Michael Zmigrodzki, Krakau 1902 (polnisch,
mit französischer Übersetzung), vom Verfasser übersendet;
3. ^Revue gön^rale de Bibliographie Fran9aise paraissant
tous les trois mois. Paris 1903';
4. , Antike Schlachtfelder in Griechenland. Bausteine zu
einer antiken Kriegsgeschichte von Johannes Kromayer.
I. Band: Von Epaminondas bis zum Eingreifen der Römer.
Berlin 1903', vom Autor übersendet;
5. ,Das Riesentor zu St. Stephan in Wien und Fr. von
Schmidts Projekt für dessen Wiederherstellung. Von Dr. J.
Mantuani. Wien 1903', überreicht vom Verfasser.
Es wird für diese Publikationen der Dank ausgesprochen.
Der Sekretär legt die Pflichtexemplare des mit Unter-
stützung der kais. Akademie herausgegebenen Werkes vor:
,Steirischer Wortschatz als Ergänzung zu Schmellers Bayeri-
schem Wörterbuch gesammelt von Theodor Unger, für den
Druck bearbeitet und herausgegeben von Dr. Ferdinand Khull.
Graz 1903.'
Zur Kenntnis.
Der Sekretär legt einen vom k. M. Herrn Hof rat Franz
Wickhoff eingesandten Bericht ,über die Anordnung von
RafFaels Handzeichnungen' vor, um dessen Abdruck im ^An-
zeiger' der Verfasser ersucht.
Endlich überreicht der Sekretär ein mit der Bitte um
Aufbewahrung behufs Sicherstellung der Priorität übersandtes
IX
versiegeltes Schreiben; betitelt: ^Elementa protomantica^ von
J. Lanz-Liebenfels in Rodann bei Wien.
Dasselbe wird in Verwahrung übernommen.
XL SITZXJNG VOM 6. MAI 1903.
Der Sekretär legt folgende eingesendete Druckschriften vor:
1. La Chroniqne de France, publice sous la direction de
Pierre de Coubertin, 3* ann^e, 1902;
2. Gamet bibliographique , äditä par la Chroniqne de
France. Les grands ^ditears fran9ais en 1903;
3. Läon Lejeal, L'arch^ologie amäricaine et les Stades
am^ricanistes en France. Paris 1903;
4. Contemplatio apocalyptica. Ant meditatio interreligio-
naris et religio fntari. Scripsit Dionysius Pascntius, Szolnok.
Den Übersendern wird der Dank aasgesprochen.
Ferner legt der Sekretär über Ersuchen des in der
heutigen Sitzung am Erscheinen verhinderten w. M. Herrn Hof-
rates Th. Gomperz einen demselben von dem k. M. Herrn
Professor Mahaffy in Dublin übersendeten Abklatsch von einer
im Hinterlande von Aden aufgefundenen sabäischen Inschrifk mit
der Bitte vor, dieselbe von einem Fachmanne prüfen zu lassen
und sie in entsprechender Weise zu publizieren.
Weiters legt der Sekretär den 4. Bericht von Herrn Pro-
fessor Dr. E. Seil in ,Uber die Ausgrabung von Ta'annach' vor.
Der Sekretär legt eine von Herrn Schriftsteller Guido v.
List in Wien übersendete Abhandlung vor mit dem Titel: ,Die
Ursprache der Arier und ihre Heilszeichen', indem derselbe um
die Aufnahme der Arbeit in die Sitzungsberichte bittet.
Die Abhandlung wird einer Kommission zur Begutachtung
zugewiesen.
Der Sekretär legt eine von Herrn Professor Dr. M. Bittner
in Wien übersendete Abhandlung vor, mit dem Titel: ,Der
vom Himmel gefallene Brief Christi in seinen morgenländischen
Versionen und Rezensionen — griechisch, armenisch, syrisch,
karschunisch, arabisch und äthiopisch — nach Handschriften
veröflFentlicht, text- und sprachvergleichend-kritisch untersucht
und ins Deutsche übersetzt, nebst einem hebräischen Sabbats-
briefe^
XII. SITZUNG VOM 13. MAI 1903.
Der Sekretär verliest eine Zuschrift der Royal Society
in London, worin bekanntgegeben wird, daß die nächste
Zusammenkunft des Ausschusses der Internationalen Assoziation
Donnerstag den 4. Juni 1. J. in London stattfinden wird.
Zur Kenntnis.
Der Sekretär überreicht eine Einladung der königlich
niederländischen Akademie der Wissenschaften in Amsterdam
zur Beteiligung an einem ,Certamen poeticum ex legato Hoeuff-
tiano^, welcher für das Jahr 1904 ausgeschrieben ist (Preis:
Goldene Medaille im Werte von 400 holländischen Groldgulden).
Zur Kenntnis.
Das w. M. Herr Hofrat Leo Reinisch überreicht den
eben erschienenen HL Teil seiner ,Somali-Sprache', enthaltend
,Die Grammatik der Somali -Sprache' (Band V, Teil 1 der
Schriften der Südarabischen Expedition der kais. Akademie der
Wissenschaften). Wien 1903.
Zur Kenntnis.
Der Sekretär legt eine Abhandlung des Herrn Erwin Ritter
von Zach, k. und k. Vizekonsuls und Dolmetschers der chine-
sischen Sprache bei der k. und k. Gesandtschaft in Peking vor,
betitelt , Astronomisch-Chinesisches', um deren Aufnahme in die
Sitzungsberichte der Autor ersucht.
XI
XIII. SITZUNG VOM 20. MAI 1903.
Der Sekretär legt die eingelaufenen Druckwerke vor,
und zwar:
1. ,Die Rechtsverhältnisse am Grundeigentum in China
von Dr. O. Francke. Leipzig 1903';
2. ^Geschichte der k. und k. Wehrmacht. Die Regimenter,
Korps, Branchen und Anstalten von 1618 bis Ende des 19. Jahr-
hunderts. Herausgegeben von der Direktion des k. und k.
Kriegs- Archivs. Bearbeitet von Alphons Freiherrn von Wrede.
V. Band. Wien 1903', von der Direktion des k. und k. Kriegs-
Archivs übersendet;
3. jJahreshauptbericht über den Zustand der galizischen
Mittel-, Staatsgewerbe-, Handels- und Volksschulen, sowie der
Lehrerbildungsanstalten im Schuljahre 1901/2' (letzterer Bericht
aach in deutscher Sprache), übermittelt von der k. k. Statt-
halterei in Lemberg.
Es wird hierfUr der Dank der Klasse ausgesprochen.
Der Sekretär legt weiter die erschienenen akademischen
Druckschriften vor, und zwar:
1. ,Sitzungsberichte der kais. Akademie der Wissen-
schaften, phil.-hist. Klasse, Band CXLV, Jahrgang 1902. (Mit
drei Tafeln.) Wien 1903';
2. ,Archiv für österreichische Geschichte', XCI. Band,
2. Hälfte und XCH. Band, 1. Hälfte. Wien 1902; und
3. , Fontes rerum austriacarum. — Osterr. Geschichts-
quellen. 2. Abteilung. Diplomataria et acta. LV. Band' (ent-
haltend: ,Urkunden und Regesten zur Geschichte des Bene-
diktinerstiftes Göttweig. III. Teil: 1468—1500. Bearbeitet von
P. Adalbert Fr. Fuchs'). Wien 1902.
Zur Kenntnis.
Der Sekretär verliest eine Zuschrift der königl. bayer.
Akademie der Wissenschaften in München bezüglich der
bevorstehenden Kartellkonferenzen .
Zur Kenntnis.
XII
Der Sekretär legt eine von der kais. Wiener Zeitung
übersandte Snbskriptionseinladang auf das zur Feier des
200jährigen Bestandes dieser Zeitung erscheinende Festblatt vor.
Zur Kenntnis.
Der Sekretär überreicht eine Abhandlung des Herrn Dr.
Milan v. Sufflay in Wien, betitelt: ,Die dalmatinische Privat-
urkunde*.
Der Verfasser ersucht um die Aufnahme seiner Arbeit in
die Sitzungsberichte der Klasse.
Die Abhandlung wird einer Kommission zur Begutachtung
und, Antragstellung zugewiesen.
XIV. SITZUNG VOM 3. JUNI 1903.
Der Sekretär legt die folgenden, an die Klasse gesen-
deten Druckwerke vor, und zwar:
1. ,The Sujna Gokulji ZäU Vedänt Prize Essay, 1894.
Vedänta Siddhänta Bheda: Or an account of the doctrinal
differences among the various foUowers of ^amkardchärya by
Narmadishankar Devshankar Mehti, B.A.Bombay 1903';
2. ,Bibliographie de Thistoire des classes ouvri^res en
France jusqu'en 1789 par E. Levasseur. Annexe k Thistoire
des classes auvriferes et de Tindustrie en France avant 1789.
2® Edition. Paris 1903', vom Verfasser übersendet;
3. ,Bibliographie der vergleichenden Literaturgeschichte,
herausgegeben von Arthur L. Jellinek (Wien). I. Band, Heft 1.
Berlin 1903', vom Autor überreicht;
4. ,Origine Asianique des inscriptions pr^hell^niques de
Tile de Lemnos. Memoire lu ä Tlnstitut Egyptien etc. . . . par
le docteur Apostolides. Le Caire 1903', gleichfalls vom Ver-
fasser überreicht;
5. ,A Godefroid Kurth, Professeur k T Uni versitz de
Liige k Toccasion du XXV™* Anniversaire de la Fondation de
son Cours pratique d'Histoire' (Festschrift, Lüttich o. J.);
XIII
6. ^Situation de l'Enseignement sup^riear donnä anx frais
de r^tat. Rapport triennal präsente aux chambres legislatives
le 10 dteembre 1901 par M. J. de Trooz^ ministre de Tintä-
rietir et de rinstmction publique. Ann^es 1898^ 1899 et 1900,
Broxelles 1902'.
Es wird ftlr diese Einsendungen der Dank ausgesprochen.
Der Sekretär legt ein Exemplar des vom Verfasser, Herrn
P. Lambert Karner, Pfarrverweser in St. Veit an der Gölsen,
übersandten Werkes vor: ^Künstliche Höhlen aus alter Zeit.
Mit einem Vorworte von Dr. M. Mnch, k. k. Regierungsrat,
Konservator der k. k. Zentralkommission für Erforschung und
Erhaltung der kunst- und historischen Denkmale. Wien 1903^,
zu dessen Vorarbeiten die kais. Akademie seinerzeit eine Sub-
vention bewilligte.
Das Werk wird der akademischen Bibliothek einverleibt.
Der Sekretär überreicht das ^Bulletin Nr. 1 de FAsso-
ciation Internationale pour TExploration historique, arch^o-
logique, linguistique et ethnographique de FAsie Centrale et de
TEztrSme Orient, publik par le Comit^ Russe^ welches vom
Vorsitzenden dieses Komitees, Exzellenz W. Radi off in St.
Petersburg, übersandt wurde.
Zur Kenntnis.
Der Sekretär legt einen Nachtrag zu seinem in der Sitzung
vom 11. Juni, beziehungsweise 15. Oktober 1902 erstatteten
Bericht vor über den Stand der Verhandlungen, betreffend die
von der internationalen Assoziation der Akademien beschlossene
internationale Handschriften-Verleihung.
Es wird beschlossen, den ,Nachtrag' auch separat abzu-
drucken und an die beteiligten Institute zu senden.
Der Sekretär legt eine mit der Bitte um Aufnahme in
die akademischen Schriften übersandte Abhandlung des Privat-
dozenten und Skriptors an der k. k. Hofbibliothek in Wien,
XIV
Herrn Dr. Rudolf Geyer, vor, welche betitelt ißt: ,Zwei Ge-
dichte von Al-'A*Sä, herausgegeben, übersetzt und erläutert.
I. Mä buka u^
Die Abhandlung wird einer Kommission zur Berichter-
stattung und Antragstellung zugewiesen.
Das w. M. Herr Hofrat D. H. Müller macht eine zum
Abdruck im ,Anzeiger^ bestimmte Mitteilung ,Uber die Ge-
setze des Qammurabi^
Das w. M. Herr Hofrat V. J a g i 6 überreicht namens
der Balkan-Kommission einen Vorläufigen Bericht des Herrn
Dr. Karl Di et er ich in Berlin über eine mit Unterstützung der
Balkan-Kommission zum Studium des Dialektes der südlichen
Sporaden im Herbst und Winter 1902 ausgeführte Reise.
XV. SITZUNG VOM 10. JUNI 1903.
Der Sekretär legt die an die Klasse eingelaufenen Druck-
schriften vor, und zwar:
1. ^Beschreibung des Oberamts Heilbronn. Heraus-
gegeben von dem königl. Statistischen Landesamte. H. Teil.
Stuttgart 1903^, übersendet vom königlich Württembergischen
Statistischen Landesamte in Stuttgart;
2. F. Gimler: ,Die logische Grundlage der E^scheinungs-
lehre des Bewußtseins. Lissa 1903';
3. ,Otia Merseiana. The Publication of the Arts Faculty
of University College Liverpool. Vol. III. Liverpool 1903*;
4. ,Rodopski napredtk (Fortschritt der Rhodope). M^seöno
spisanie za nauka, obätestveni znanija i narodni umotvorenija.
Öepelare (Bulgarien). Jahrgang I, Heft 1 — 4*;
5. ,1872—1902. Tridzatilfetie spezialnych klassov Lazarev-
skago Instituta vostoönychjassykov. (Festschrift zum 30jährigen
Bestände der Spezialklassen des Lazarewschen orientalischen
Institutes in Moskau.) Moskau 1903^; und
XV
6. ^Deutsche Volkskunde ans dem östlichen Böhmen von
Dr. Eduard Langer. III. Band, 1. Heft. Braunau i. B. 1903'.
Es wird ftlr diese Einsendungen der Dank der Klasse
ausgesprochen.
XVL SITZUNG VOM 17. JUNI 1903.
Der Sekretär legt eine Einladung zu der Montag den
22. Juni 1. J. stattündenden feierlichen öffentlichen Sitzung der
österreichischen Leo-Gesellschaft vor, welche vom Präsi-
denten derselben, Sr. Exzellenz Jos. Freiherrn von H eifert,
übermittelt wurde.
Zur Kenntnis.
Der Sekretär legt weiter die vom Rektorat der Universität
J urJeff (Dorpat) übersandten Schriften vor, und zwar:
1. ylmperatorskij Jurjevskij, byvfiij Derptskij Universitet
za sto Ijet jego suS6estvovanija (1802 — 1902). Tom. I: Pervyj
i vtoroj periody (1802—1865). Jurjeff 1902';
2. ,Biografi£e8kij slovar professorov i prepodavatelej Im-
peratorskago Jurjevskago, byvfiago Derptskago Universiteta
za sto Ijet jego suäöestvovanija (1802 — 1902). Tora. I. Jurjeff
1902'; und
3. ,Statisti6eskija tablizy i li£nye spiski po Imperator-
skomu Jurjevskomu, byväemu Derptskomu Universitetu 1802
bis 1902. Jurjeff 1902'.
Es wird hierfür der Dank ausgesprochen.
Der Sekretär legt das vom k. M. Herrn Hofrate Prof.
Dr. Anton E. Schönbach in Graz übersandte dritte Stück
seiner ^Studien zur Geschichte der altdeutschen Predigt: Das
Wirken Bertholds von Begensburg gegen die Ketzer' vor, um
dessen Aufnahme in die Sitzungsberichte der Verfasser ersucht.
Die Abhandlung wird in die Sitzungsberichte der Klasse
aufgenommen.
XVI
Der Sekretär überreicht weiters eine Abhandlung des
Herrn Professors Dr. Ernst Seil in in Wien, betitelt: ,Tell
Ta'annek. Bericht über eine mit Unterstützung der kaiserlichen
Akademie der Wissenschaften und des k. k. Ministeriums f&r
Kultus und Unterricht unternommene österreichische Ausgrabung
in Palästina. Nebst einem Anhange von Dr. Friedrich Hrozn^:
Die Eeilschrifttexte von Ta^annök*.
Der Verfasser ersucht um Aufnahme seiner Abhandlung
in die Denkschriften.
Die Abhandlung wird zunächst einer Kommission zuge-
wiesen.
Das w. M. Herr Hofrat Jagi6 überreicht das eben er-
schienene 3. Heft der Schriften der Balkan-Kommission, lin-
guistische Abteilung, enthaltend ,Die Dialekte des südlichsten
Serbiens' von Olaf Broch. Wien 1903.*
Zur Kenntnis.
Das w. M. Herr Hofrat Müller überreicht das Manuskript
für den VH. Band der Schriften der Südarabischen Expedition,
enthaltend ^Archäologische und epigraphische Denkmäler aus
Südarabien^
XVn. SITZUNG VOM 1. JULI 1903.
Der Vorsitzende macht Mitteilung von dem Verluste, den
die Klasse durch das am 20. Juni 1. J. in Innsbruck erfolgte
Ableben des k. M. Herrn Regierungsrates Professors Dr. Josef
Egg er erlitten hat.
Die Mitglieder geben ihrem Beileide durch Erheben von
den Sitzen Ausdruck.
Der Sekretär legt den eben erschienenen 2. Faszikel des
H. Bandes des Thesaurus linguae latinae, Leipzig, bei
Teubner, 1903, vor.
Zur Kenntnis.
XVII
Der Sekretär legt weiters folgende an die Klasse ge-
langte Druckwerke vor, und zwar:
1. jÖeskoslovansk^ Letopisy Musejni. Redaktor a vyda-
vatel Väcsl. VI. Jenlöek. Jahrgang I, Heft 9 und 10. 1903';
2. ^Russisch-hebräisches Archiv, Dokumente und Materialien
zu der Geschichte der Hebräer in Rußland. Tom. III: Doku-
mente zur Geschichte der polnischen und litauischen Hebräer
(1364—1569). St. Petersburg 1903^;
3. jAnfzeichnungen aus dem Leben und SchaflFen des
Architekten Professor J. C. Raschdorff, königl. geheimer
Regierungsrat, Dombaumeister in Berlin. Berlin 1903*.
Der Sekretär verliest eine Zuschrift des emerit. Direktors
des königl. dänischen statistischen Bureaus in Kopenhagen,
Herrn Markus Rubin, worin er ersucht, bei Expeditionen
nach unzivilisierten oder halbziviUsierten Ländern Volkszählungs-
formulare zu benützen, deren er eine Anzahl beilegt.
Zur Kenntnis.
Das w. M. Herr Hofrat Kenner überreicht als Obmann
der Limeskommission das eben erschienene IV. Heft des ,römi-
sehen Limes in Osterreich. Wien 1903^
Zur Kenntnis.
XVIIL SITZUNG VOM 8. JUU 1903.
Der Sekretär legt das an die Klasse gelangte Werk vor:
,The University of Missouri Studios edited by Frank Thilly,
Professor of Philosophy. Vol. I, Number 5: The Right of
Sanctuary in England, A Study in Institutional History by
Norman Maclaren Trenholme, Assistant Professor of History.
Missouri 1903'.
Es wird hierfür der Dank ausgesprochen.
Sitaungsber. d. phiL-bist. K). OXLVn. lid. b
XVIII
Der Sekretär verliest ein Dankschreiben der Bibliothek
des Istitato austriaco di studii storici in Rom fdr die geschenk-
weise Überlassung akademischer Publikationen.
Zur Kenntnis.
Der Sekretär überreicht eine mit der Bitte um Aufnahme
in die ,Fontes rerum austriacarum' übermittelte Abhandlung
des Herrn Professors Dr. Walter Friedensburg in Stettin,
welche betitelt ist: ,Die Chronik des Cerbonio Besozzi 1548
bis 1563.'
Die Abhandlung geht an die historische Kommission.
Endlich überreicht der Sekretär eine mit der Bitte um
Aufnahme in die Sitzungsberichte übersandte Abhandlung des
Herrn Josef Kopf in München, betitelt: ,Expositio fratris David
super regulam fratrum minor um (Erklärung der Regel der
minderen Brüder von David von Augsburg)^
Das w. M. Herr Hofrat D. H. Müller berichtet als Ob-
mann der Nordarabischen Kommission über den Stand der
Arbeiten betreffs der Herausgabe des Werkes über K. Amra
Zur Kenntnis.
XIX. SITZUNG VOM 14. OKTOBER 1903.
Seine Exzellenz der versitzende Vizepräsident begrüßt
die Mitglieder bei der Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit nach
den akademischen Ferien und heißt die erschienenen neuge-
wählten wirklichen Mitglieder, Herren Professor Dr. Wilhelm
Meyer-Lübke und Hofrat Professor Dr. Franz Wickhoff,
willkommen.
Derselbe gedenkt hierauf der Verluste, die die kais.
Akademie im Laufe der akademischen Ferien durch Todesfälle
erlitten hat; und zwar die philosophisch-historische Klasse durch
das am 13. Juli 1. J. erfolgte Ableben ihres ausländischen Ehren-
XIX
niitgliedes^ Sr. Exzellenz des Herrn EeicbsfiDanzministers Ben-
jamin Killay de Nagy-Edllö^ sowie durch das am 17. Juli
1. J. erfolgte Ableben ihres wirklichen Mitgliedes Herrn Pro-
fessors Dr. Eingelbert Mühlbacher; ferner die mathematisch-
natnrwissenschaftliche Klasse durch das am 1. Oktober 1. J.
erfolgte Ableben ihres wirklichen Mitgliedes Herrn Hofrates
Professors Dr. Alexander Rollett in Graz.
Die Mitglieder erheben sich zum Zeichen des Beileides
von ihren Sitzen.
Der Sekretär verliest die folgende die Allerhöchste Er-
nennung^ beziehungsweise Bestätigung der von der kais. Aka-
demie vollzogenen Neuwahlen betreffende Zuschrift des hohen
Kuratoriums:
Seine k. und k. Apostolische Majestät haben mit Aller-
höchster Entschließung vom 3. August 1903 die Wiederwahl
des ordentlichen Professors der Physik an der Universität in
Wien, Hofrates Dr. Viktor Edlen von Lang, zum General-
sekretär, zugleich Sekretär der mathematisch-naturwissenschaft-
lichen Klasse der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften
in Wien, sowie des ordentlichen Professors der Geschichte des
Orients und ihrer Hilfswissenschaften an der Universität in
Wien, Direktors der Hofbibliothek, Hofrates Dr. Josef Kara-
bacek, zum Sekretär der philosophisch -historischen Klasse
dieser Akademie Air die statutenmäßige Fanktionsdauer von
vier Jahren allergnädigst zu bestätigen und zu wirklichen Mit-
gliedern der Akademie in der philosophisch-historischen Klasse
den ordentlichen Professor der deutschen Spraclie und Literatur
an der Universität in Graz, Hofrat Dr. Anton E. Schönbach,
den ordentlichen Professor der romanischen Philologie an der
Universität in Wien, Dr. Wilhelm Meyer-Lübke, und den
ordentlichen Professor der neueren Kunstgeschichte an der
Universität in Wien, Hofrat Dr. Franz W ick hoff, huldvollst
zu ernennen geruht.
Weiters haben Seine k. und k. Apostolische Majestät die
Wahl des ordentlichen Professors der Rechtsgeschichte an der
Universität in Berlin, Geheimen Justizrates Dr. Heinrich
Brunner, zum Ehrenmitgliede der philosophisch-historischen
Klasse im Auslande, sowie des ordentlichen Professors der
b*
XX
allgemeinen Chemie an der Universität in Berlin, Dr. Jakob
Heinrich van t'Hoff und des ordentlichen Professors der
Hygiene an der Universität und Direktors des Institutes für
Infektionskrankheiten in Berlin , Geheimen Medizinalrates
Dr. Robert Koch, zu Ehrenmitgliedern der mathematisch-
naturwissenschaftlichen Klasse dieser Akademie im Auslande
allergnädigst zu genehmigen und die weiteren von dieser Aka-
demie vollzogenen Wahlen von korrespondierenden Mitgliedern
im In- und Auslande huldvollst zu bestätigen geruht, und zwar
in der philosophisch-historischen Klasse:
die Wahl des ordentlichen Professors der allgemeinen
und österreichischen Geschichte an der Universität in Wien,
Dr. Alfons Dop seh, des ordentlichen Professors der klas-
sischen Philologie an derselben Universität, Dr. Hans von
Arnim, des ordentlichen Professors der österreichischen Ge-
schichte an der Universität in Innsbruck, Dr. Hans von Volte-
lini, des ordentlichen Professors der deutschen Sprache und
Literatur an der deutschen Universität in Prag, Dr. August
Sauer, des emeritierten ordentlichen Professors der politischen
Ökonomie an der Universität in Wien, Hofrates Dr. Karl
Menger, und des titulierten ordentlichen Professors der klas-
sischen Archäologie und Direktors der Antikensammlung des
Allerhöchsten Kaiserhauses in Wien, Dr. Robert Ritter von
Schneider, zu korrespondierenden Mitgliedern im Inlande
und die Wahl des Professors des Sanskrit und der ver-
gleichenden Sprachforschung an der Universität in Utrecht,
Dr. Heinrich Kern, des Professors der Rechte an der Uni-
versität in Bonn, Geheimen Justizrates Dr. Hermann Hü ff er,
des emeritierten Professors der klassischen Altertumswissen-
schaft an der Universität in Königsberg, Geheimen Regierungs-
rates Dr. Ludwig Friedländer, und des Titularprofessors
Dr. Moritz Steinschneider in Berlin, zu korrespondierenden
Mitgliedern im Auslande;
in der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse:
die Wahl des ordentlichen Professors der mathematischen
Physik an der Universität in Graz, Dr. Anton Wassmuth, des
XXI
titalierten ordentlichen Professors der Physiologie und Patho-
logie des Zentralnervensystems an der Universität in Wien^
Dr. Heinrich Obersteiner^ des außerordentlichen Professors
der Photochemie an der technischen Hochschnle und Direktors
der graphischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien, Hofrates
Dr. Josef Maria Eder, zu korrespondierenden Mitgliedern im
Inlande, endlich die Wahl des Professors der Chemie an der
Universität in London, Sir William Ramsay, des emeritierten
Direktors der deutschen Seewarte und der Observatorien in
Hamburg, wirklichen Geheimen Kates Prof Dr. Georg Balthasar
von Neumayer, des Professors an der Facultö des Sciences
in Paris, Henri Poincarö, des Professors am Collfegc de France
in Paris, Etienne Jules Marey, und des Professors der all-
gemeinen Pathologie an der Universität in Pavia, Dr. Camillo
Golgi, zu korrespondierenden Mitgliedern im Auslande.
Zur Kenntnis.
Im Anschlüsse daran teilt der Sekretär den Wortlaut der
eingelaufenen Dankschreiben der neugewählten Mitglieder mit,
und zwar von dem wirkl. Mitgliede Herrn Hofrat Professor
Dr. Anton E. Schönbach in Graz, femer von den korresp.
Mitgliedern im Inlande, Herren Professor Dr. Alfons Dop seh
in Wien, Professor Dr. August Sauer in Prag, Professor Dr.
Robert Ritter von Schneider in Wien, Professor Dr. Hans
von Voltelini in Innsbruck, weiters von dem Ehrenmitgliede
im Auslande Herrn geh. Justizrat Professor Dr. Heinrich
Brunner in Berlin und den korresp. Mitgliedern im Auslande,
Herren geh. Regierungsrat Professor Dr. Ludwig Friedländer
in Straßburg, geh. Justizrat Professor Dr. Hermann Hilf f er
in Bonn, Professor Dr. Heinrich Kern in Utrecht und Pro-
fessor Dr. Moritz Steinschneider in Berlin.
Zur Kenntnis.
Der Sekretär verliest eine an das k. und k. Ministerium
*•
des k. und k. Hauses und des Äußern in Wien gerichtete und
von diesem der kais. Akademie zur Einsichtnahme übermittelte
Zuschrift der k. und k. österreichisch -ungarischen Gesandt-
schaft in Stockholm, worin der kais. Akademie der Dank
XXII
Sr. Majestät des Königs von Schweden and Norwegen Air die
Übermittlung des V. Bandes, Teil 1 der Schriften der sttd-
arabischen Expedition (, Die Somalisprache von Leo Reinisch,
III. Grammatik, Wien 1903*) ausgesprochen wird.
Zur Kenntnis.
Der Sekretär verliest ferner ein Dankschreiben des Biblio-
thekars des Stiftes Melk, Herrn Dr. Rudolf Schachin ger,
f)1r die Überlassung der Bände VIII, IX und X der Tabulae
codicum manuscriptorum in bibliotheca palatina Vindobonensi
asservatorum y desgleichen ein Dankschreiben des Herrn Dr.
Rudolf Wölk an, Privatdozenten an der Universität und k. k.
Skriptors an der Universitätsbibliothek in Wien, für die ihm
bewilligte Subvention von 4000 Kronen zu einer Reise nach
Italien zum Zwecke der Vollendung von Vorstudien für eine
Neuausgabe der Briefe des Aeneas Sylvius (unter gleichzeitiger
Vorlage seines soeben erschienenen Werkes ,Die Lieder der
Wiedertäufer. Ein Beitrag zur deutseben und niederländischen
Literatur- und Kirchengeschichte, Berlin 1903').
Die Dankschreiben werden zur Kenntnis genommen, für
die Einsendung des Werkes wird Herrn Dr. Wolkan der Dank
der Klasse ausgesprochen.
Der Sekretär verliest eine Zuschrift des k. und k. Reichs-
kriegsministeriums, Marinesektion, worin der kais. Aka-
demie Mitteilung gemacht wird, daß S. M. Schiff ,Kaiserin
Elisabeth' Ende Oktober 1. J. eine Missionsreise nach der Ost-
und Westküste von Südamerika, der Westküste von Mittel-
und Nordamerika bis S. Francisco, Hawai, nach einigen Süd-
seeinseln, den Küsten von Australien, Indien, ferner nach dem
persischen Golfe und Arabien antreten werde, und die kais.
Akademie einlädt, allfUUige Wünsche betreffs anzustellender
wissenschaftlicher Beobachtungen bekanntzugeben.
Wird mit dem Ausdrucke des Dankes zur Kenntnis ge-
nommen.
XXIII
Der Sekretär legt drei an die kais. Akademie gelangte
Einladungen vor, nnd zwar:
1. vom Ausschüsse des Vereines für Geschichte der Stadt
Nürnberg zu der am 1. und 2. Oktober 1. J. begangenen
Feier des 25jährigen Bestandes,
2. von der Fedöration arch^ologique et historique de Bel-
gique zu der vom 9. bis 13. August 1. J. in Dinand abgehal-
tenen XVII. Session,
3. vom Präsidium der Schlesischen Gesellschaft für vater-
ländische Kultur in Breslau zur Teilnahme an der am 17. De-
zember 1. J. stattfindenden Feier des 100jährigen Bestandes.
Zur Kenntnis.
Der Sekretär legt die Pflichtexemplare des mit Subvention
der Klasse gedruckten Werkes vor: ^Mah&bhUrata. Inhalts-
angabe, Index und Konkordanz der Calkuttaer und Bombayer
Ausgaben von Hermann Jacobi. Bonn 1903/
Zur Kenntnis.
Der Sekretär tiberreicht das von der Redaktion der
kais. Wiener Zeitung übersandte Exemplar der Festschrift
zum Jubiläum des 200jährigen Bestandes, betitelt: ;Zur Ge-
schichte der kais. Wiener Zeitung. 8. August 1703 — 1903.
Wien 1903/
Es wird hierftlr der Dank ausgesprochen und das Werk
der akademischen Bibliothek einverleibt werden.
Der Sekretär legt ein mit der Bitte um Aufbewahrung
zur Wahrung der Priorität Ubersandtes versiegeltes Schreiben
vor, betitelt: ,Biblia protomantica^ von Herrn J. Lanz- Lieben-
fels in Rodaun bei Wien.
Dasselbe wird in Verwahrung genommen.
Der Sekretär legt eine vom k. M. im Auslande, Herrn
geheimen Justizrat Professor Dr. Johann Friedrich Ritter von
XXfV
Schulte in Bonn für die Sitzungsberichte eingesendete Ab-
handlung vor, welche betitelt ist: ,Marius Mercator und Pseudo-
Isidor/
Die Abhandlung wird in die Sitzungsberichte aufgenommen.
Ferner überreicht der Sekretär eine Abhandlung des Herrn
Georg Gatt in Gaza (Palästina), betitelt: ,Topographie des
alten Jerusalem^, welche mit der Bitte um Publizierung über-
sandt wurde.
Seine Exzellenz der Vorsitzende legt namens der akademi-
schen Kirchenväterkommission eine Abhandlung des Herrn Uni-
versitätsprofessors Dr. E. Bratke in Breslau vor, betitelt: Epile-
gomena zur Wiener Ausgabe der Altercatio legis inter Simonem
Judaeum et Theophilum Christianum' für die Sitzungsberichte.
Die Abhandlung wird in die Sitzungsberichte aufgenommen.
Endlich teilt Seine Exzellenz der Vorsitzende mit, daß
durch den Tod des w. M. Mühlbacher eine der beiden Stellen
von Delegierten der kais. Akademie in die Zentraldirektion der
Monumenta Germaniae in Berlin vakant geworden ist.
Es wird das w. M. Herr Professor Redlich per accla-
mationem an diese Stelle berufen.
I. Abbandlnng : MniiL 8i«b«i ssmariteniselie Inachriften ans Damaskus.
L
Sieben samaritanische Inschriften aus Damaskus.
Von
Dr. Alois Musil.
(Mit 7 Abbildnngen im Text.)
Das Präsidium des k. k. Ministeriams für Kultus und
Unterricht übersendet mir ein demselben aus Damaskus zu-
gegangenes Schreiben in französischer Sprache , dem Kopien,
respektive Pausen nach 7 samaritanischen Inschriften beige-
schlossen waren. Der Wortlaut des Schreibens ist folgender:
^Y. 316. Damas, le 12 Mai 1902.
Syrie
Monsieur le Professeur!
J'ai I'honneur de Vous transmettre ci-inclus sept inscrip-
tions en caractftres samaritains d^couvertes dans une vieille
maison de Damas.
Les pierreS; qui portent ces inscriptions, ont iti d^tach^es
du mur de Tancienne maison, dont il s'agit, et achet^es par
le Dr. Thiag^ne Bej, mädecin militaire ottoman.
Selon tonte probabilitä ces pierres appartiennent au Temple
samaritain situ^ entre deux coUines Eval et Garizim k Naplous
en Palestine (ancienne N6apolis).
Dans l'espoir^ que les inscriptions ci-incluses pourront
pr^enter quelque int^rAt au point de vue de la science et de
la religion mosai'que, je m'empresse de les soumettre k Votre
haute comp^nce et Vous exprimer Vassurance de ma consi-
döration distingu^.
A. Xanthopulos
Yice-Consiü d'Autriche-Hongrie.*
SitnagtlMr. d. phiL-Ust. XI. CXLTU. Bd. 1. Abb. 1
2 I. Ablumdliug: Mai iL
Daraus geht hervor und dürfte als feststehend anzunehmen
sein, daß die Originale der Inschriften derzeit im Besitze des
türkischen Militärarztes Dr. Thäagäne Bej sind.
Herr Vizekonsul Xanthopulos ist mir persönlich als ernster,
zuverlässiger Mann bekannt; ob aber er selber das erwähnte
Haus besucht und den ursprünglichen Befindnngsort der In-
schriften gesehen, respektive untersucht hat, ist nicht zu ent-
nehmen — wogegen die Angabe, die Inschriften stammen aus
dem Garizimtempel falsch sein muß, weil eine solche Annahme
nicht zutrifft und nicht begründet werden kann.
Zum Zwecke besserer und eingehenderer Informationen
habe ich bereits an Freunde geschrieben und werde außerdem
möglicherweise bald in der Lage sein, an Ort und Stelle per-
sönlich Untersuchungen anstellen zu können, — denn, offen
gestanden, mit Rücksicht auf die mir wohlbekannte, fabriks-
mäßige Herstellung von Antiquitäten in Syrien, konnte ich
beim ersten Anblick der Kopien ein starkes Mißtrauen nicht
unterdrücken.
Die Inschriften wurden mittels blauer, grünlicher und
schwarzer Kreide auf Pauspapier abgedruckt, wobei die mit
schwarzer Kreide angefertigten Kopien undeutlich wurden, weil
dieses Material zu wenig anhaftet und sehr leicht abgerieben
wird. Aus den übrigen Abdrücken ist ziemlich genau auf den
Zustand und die Beschaffenheit der Originale zu schließen.
Darnach heben sich die Inschriften nur wenig über einen
sorgfältigst geglätteten Untergrund reliefartig hervor und
sind von einem breiten, mit Arabesken verzierten Rahmen
eingefaßt. Die einzelnen Buchstaben sind sehr schön aus-
geführt, vollkommen erhalten und nach den Abdrücken ist
weder Verwitterung noch ein anderer Defekt wahrzunehmen.
Der Form nach erscheint die Schrift jüngeren Ursprungs als
jene der samaritanischen Inschriften von Amw4s, dürfte
aber in einzelnen Teilen älter sein als die aus dem 11. Jahr-
hunderte.
Flößen nun Erhaltung und Äußeres dieser Inschriften
Verdacht ein, so wird er durch den Inhalt derselben wesentlich
behoben, denn dieser entspricht vollkommen dem samaritanischen
Texte des Pentateuch, enthält Stellen, welche durch andere
als vollkommen echt anerkannte Inschriften und Gebete sicher-
SielMik saairituiiMh« InMhriftoii vu Damaskiu.
gestellt werden können nnd gebraucht Phrasen, welche gut
samaritanisch lauten*
Fünf Inschriften sind von viereckigen Rahmen umgeben
und zwei in dreieckigen Zwickelfeldem eingefaßt.
L
Hohe: 15*5 cm; Breite: 45ci7i; BucbstabenhOhe : ^ 8*5 em; dreizeilig.
Im Namen Jahwes, der da sprach: Ich will schonend an euch
vorfibergehen und es soll euch kein Leid treffen — und Jahwe wird
schonend an der Türe vorübergehen und dem Verderben nicht gestatten,
euere Wohnungen zu betreten, um jemand heimzusuchen.
Der erste Satz BaSem ^laßi d'amar ist die samaritanische
Einleitungsformel^ welche dem arabischen ^\ ^»^uo entspricht.^
Das folgende bis rj^j stammt aus Ex. 12 ^'^ der Rest aus Ex. 12 '^
Der hebraeo-samaritanische Text schreibt Ex. 12*' M^x, der
' Vgl. 8. Rappoport, La liturgie samaritaine, Paris 1900, S. 14, 17, 18 etc.;
M. Heidenheim, Die samaritaninohe Liturgie, Leipzig 1885, S. 68, 57,
100, 120 etc.. Die famaritanifche PentateuchTersion , Leipzig 1884,
s. xvn.
SÜRBfibff. 4. pUl.-lilrt. XI. CXLYn. Bd. 1. Abh. 2
4 LAbhAndlug: XmiL
masBoretiBche Hsh; Ex. 12^' hebr.-samarit. tsiiMxv — masser.
Dsbp; nach der ersten Regel: ^ut^ ubicunque vel minima oiiri
possit difficoltasy litterae qniescentes inferrantnr' ist nämlich
vollkommen auszuschreiben.^ Der Anfang der zweiten Hälfte
(Ex. 12*^) von npbl bis tdaf? findet sich ebenfalls auf einer
samaritanischen Inschrift von Amwäs,' wo aber n^v&n und hmS
geschrieben steht.
n.
Hohe: 16 cm; Breite: 44 em; Buchstaben höhe: ± 2'8cfii; dreizeilig.
: .T : •• : ttn : rp * Sana"
: K : 3B : rp t '' : ""i : Sh : »
Y^ VÄ tnirr; :k?? il\}r^ t^*?» ♦i"»
Jahwe segne dich und behüte dich! Jahwe lasse sein Angesicht
über dich leuchten und sei dir gnädig , Jahwe erhebe sein Angesicht auf
dich und schaffe dir Friede!
Die Inschrift ist die Wiedergabe des priesterlichen Segens
Num. 6"' '*• *^ mit einem voll ausgeschriebenen jdk am Ende.'
^ G. Gesenius, De Pentateachi samaritani origine et anctoritate, Halae
1816, S. 26.
* Me. de Yogüd, Nouvelle inscription samaiitaine d'Amw&s, Beyne biblique,
Paris 1896, S. 433.
* Vgl. Rappopori;, La litargie samariUlne, Paris 1900, S. 16; M. Heiden-
helm, Die samaritanische Liturgie 1. c. S. 120, 130, 192.
8iab«n BanurilMiiaolie Inidirifteik »u DAmMkiu. O
Die zwei folgenden Worte sind wohl hunvr Vü0 zu lesen und
erinnern an Deut. 27 ^. Unter btnv« sind nnr die Samaritaner
zu verstehen y da die Jaden von ihnen p*i«^ genannt werden.
^*MV dürfte die verkürzte in der samaritanischen and karaiti-
schen Liturgie wiederkehrende Phrase im« mrr 'ürhtk mm b^irw^ po«^
sein.^ Num. 6'^ schreibt der hebr.-samar. Text voll '^atlfat aus.
m.
Hohe: 16cm; Breite: 45cm; BnchstabenbOhe : 3*5; dreizeilig.
•«rinn 'Kl :'?''y trr
Jahwe wird für euch streiten, ihr aber sollt euch still verhalten;
meine Stärke und mein Lobgesang (ist Jah) ; denn er war mein Erretter.
Er ist mein Gott; darum will ich ihn preisen — mein väterlicher Gott,
darum will ich ihn hoch rfihmen.
Die erste Zeile entspricht Ex. 14^^, die übrigen Ex. 15 ^
In Ex. 14 ** hat unser Text ptE^nnn vollkommen ausgeschrieben^'
' S. Rappoport, 1. c. 8. 48.
* Nach der ersten Regel (Jesenius, 1. c. S. 26; genau so bei Margah;
M. Heidenheim, Der Kommentar Margahs des Samaritaners, Weimar
1896, S. 80 (p. 170").
2»
I. Abhandlung: Mnsil.
wogegen im massoretischen das ^ fehlt. In Ex. 15 * steht in der
Polyglotta Londonensis ^at • A^^^t wie im massoretischen Texte^
wogegen Petermann^ ♦rr*'»nnbn lesen will mid Margah ♦m^TTTöT hat.*
IV.
H()he: 16cm; Breite: 42cm; BnchstabenhOhe : 3cm; dreizeilig.
• lew : rr : 03 : a: j IT
: -ipiö * 31» : .T • "j-iK
: p*? : "in ♦ "^p * önjm : k
• iett> : mrr. : nünhi^^ : nis^ : nirr
fli-irip*3^tt>:nirr*^;'T>$
Jahwe ist ein Eriegsheld; Jahwe ist sein Name. 0 Herr, Jahwe,
laß ab von deinem heftigen Zorne und laß dich das Unheil deines Volkes
gereuen I
Die erste Zeile stammt ans dem hebräisch-samaritanischen
Texte Ex. 15 ', wo der massoretische Text nt^rht^ «>■'« liest. Die
Samaritaner nahmen Anstoß an dem i^*M ,qaod de summo na-
mine non satis ösoxpexüx; dictum videbatur*,* und vertauschten
^ H. Petermann, Versuch einer hebräischen Formenlehre nach der Aus-
sprache der heutigen Samaritaner, Abhandlungen fQr die Kunde des
Morgenlandes, V. Band, Nr. 1, Leipzig 1868, S. 25.
■ L. c. 8.38,63 (p. 53«, 74«).
' G. Gesenius, 1. c. S. 59; S. Kohn, Die samaritanische Pentatenchttber-
setzung nach der Ausgabe von Petermann und Völlers, ZDMG, 47. B.,
Leipzig 1893, S. 661.
Stoben BABiarituiitelie iDsehriftoi »ns Damasku.
es mit *ni3^.^ Margah fUhrt diese Stelle ebenso an.' Hiermit
stimmt übrigens überein sowohl Raschi (yo3h vrnh n^i), als
auch Eben Ezra, welcher biro3 zum Vergleiche heranzieht.
Die Psittä hat auch )f^^ und die Versio Samaritana der
Londoner Polyglotte ebenfalls. In der Petermannschen Aus*
gäbe* steht dagegen cnvt-cn) und nur C hat (1. -atamic). Das-
selbe stamic mit "> hinter y lesen wir auch auf einer samarita-
nischen Inschrift aus Amw&s/ wo diese ganze Phrase wieder-
kehrt. Die ersten zwei Worte der zweiten Zeile wurden frei
eingereiht; die übrigen ^ aus Ex. 32^* entnommen, kommen
sowohl in der samaritanischen als auch in der karaitischen
Liturgie vor.^
V.
Höbe: 18cm; Breite: 43 cm; BachstabenhOhe : 2*5 cm; dreizeilig.
n : 3 : 3 : a : 33 : 3 : 3 : an* 1 : a"?
31 : p : 3 : bS : 1 : •• * ^p : •? : pi
: p : ö * Bpirn : 3i : n3 : ö * "jp
: n:a3 : 'T^^^^ : a? ♦ finsT! t T^^*?
^ H. Petermann, 1. c, 8. 252 •fla'a.
» L. c, 8. 38, 44, 53 (p 63«, 62«, 74«).
' H. Petermann, Pentatenchos Samaritanas, Berolini 1872 sq.
* M. J. Lagrange, Inscription Samaritaine d'Amwas, Revue biblique. Paris
1893, 8. 144 ff.
* Vgl. Rappoport, 1. c, 8. 49.
8 I. AklHDdlaac: Mniil.
[Auch sollst du sie einschärfen] deinen Kindern und von ihnen
reden, wenn du im Hanse weilst, wenn du dich auf Beisen befindest,
wenn du dich niederlegst und wieder aufstehst. Du sollst sie als ein
Zeichen auf deine Hände binden und als Stirnbänder zwischen den Augen
haben und sollst sie auf die Pfosten deiner Häuser und an deine Tore
binden.
Blicke herab von deiner heiligen Wohnung . . .
Nach der ersten Abkürzung :nb hat der Steinmetz einen
Fehler begangen. Hinter dem X ^ ^ hat er ganz genau ein
£^ = ^ begonnen , fUhrte den Kopf vollkommen aus , da er
aber den Raum schlecht berechnet hatte^ blieb für den vertikalen
Schaft kein Platz und er brachte aus dem horizontalen Schafte
nur den dickeren (Schaft) Abschluß in der Form eines Punktes
fertig.
Dieser Inschrift scheint eine andere vorausgegangen zu
sein, welche das Gebot der Liebe enthielt und wohl mit dem
Worte Dri9|Vh schloß. Die Abkürzungen, die letzten drei aus-
genommeu; entsprechen vollkommen dem hebräisch-samaritani-
sehen Texte Deut. 6 ^* ^- ^. Das erkennen wir aus dem Mangel
des 1 vor ^nsbn und *]a3vn, so daß wir dann dementsprechend
Deut. 6 ^ n'^an (LXX iv oixo)) schreiben und nicht nach dem
massoretischen Texte ^n'•M; 6® plur. ^n"» anstatt 'yv (LXX t^?
X6tp6(; <7ou), mtoob anstatt der defektiven Schreibung ntotelob;
6* gegen die allgemeine RegeP nnrö flir mnö und plur. yt)^
anstatt sing. •]n''a mit der versio samaritana JtmAa, PSiJtä t^^^
und LXX T(5v otxicdv ufAcov.
Die letzten drei Worte stammen aus Deut. 26 ** und
zwar wieder aus dem hebräisch -samaritanischen Texte, wo
gegen die allgemeine Regel, ebenso wie in unserer Inschrift
^pwn anstatt nfc^pm steht.
^ G. Gesenius, 1. c, S. 26.
Sieben suuriteniiolie Infehrifleii mb Daauwkiis.
VI.
:i«:rp*m3P
:^:ni,T/ni;¥^
: lan ♦ nm
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*^13
3
9
K
ry$
b £>^,4
Hechtwinkligefl Dreieck; Hohe: 36 em; Breite: 29 cm; BnchstabenhOhe :
± 2em'j achtzeilig.
Möge Jahwe dich von Segen begleiten lassen in deinen Speichern
and bei allem, was deine Hand unternimmt, und dich segnen in dem
Lande • • •
EIntnommen ans dem hebräisch -samaritanischen Texte
Deut. 28 ^j wie uns gleich das erste vollkommen ausgeschriebene
10
I. Abhandlang: Katil.
Wort '^i'Caat bezeugt. Die Massoreten schreiben lar, wogegen
die Samaritaner bei den T\"h durchwegs die scriptio plena an-
wenden.^ Darnach steht ^&'*Dlo gegen das richtige massoretische
T'öDlo und plur. yn^ gegen ^t (LXX ttjv x^ipd cjou).
vn.
- '^ T T I
: p3 : ,T
« • t
:3
im
K
Q?^
Rechtwinkliges Dreieck; Höhe: 36cm; Breite: 29cm; Bachstabenhöhe:
:!: 2 cm; achtzeilig.
^ G. Qesenins, 1. o., S. 27.
Sieben Munaritenieche loBohriftea »os DamMkat. 11
Damit alle Völker der Erde seben, daß du nach dem Namen Jahwes
genannt bist, und sich vor dir fürchten alle Menschen.
Bildet wohl die Fortsetzung der vorhin angeführten In-
schrift Nr. 6, stammt y die letzten zwei Woiie ausgenommen,
aus Deut. 28 ^^ und zwar wieder genau nach dem hebräisch-
samaritanischen Texte, wie die fünfte Zeile zeigt. Die Abkürzung
aian: entspricht nämlich vollkommen der Schreibung tA^^ormt,^
für welche die Massoreten imti setzen.
Dem Inhalte nach dürfen wir wohl sagen, daß unsere
Inschriften samaritanischen Perikopen v^iDpbM = <^>kA3\ ent-
sprechen.
Einzelne, aus verschiedenen Stellen des Pentateuch zu-
sammengesetzte l^atafs wurden vorgelesen, und die Vorlesung
durch einzelne Strophen liturgischer Gedichte unterbrochen.*
Wir können annehmen, daß die gebräuchlichsten I^atafs ab-
gekürzt an den Wänden der Bethäuser angebracht waren, um
von den Gläubigen leicht rezitiert werden zu können. Dann
dürfte das alte Haus, in welchem unsere Inschriften gefunden
wurden, entweder ein altes samaritanisches Bethaus oder aus
dessen Baumaterial aufgeführt sein. Dieser Schluß wird ge-
rechtfertigt sowohl durch die anderweitig historisch bezeugte
E^stenz einer samaritanischen Gemeinde in Damaskus, welche
noch im 12. Jahrhunderte litterarisch tätig war,^ als auch durch
die lokale, wenn auch verfUrbte Überlieferung, wie sie in dem
Briefe des Herrn Xanthopulos zum Vorschein kommt.
* Margah, 1. c, 8. 87 (p. 183»).
' Vgl. S. Eohn, Zur Sprache, Literatur und Dogmatik der Samaritaner,
Leipzig 1876, 6. 93.
' Vgl. M. Heidenheim, Deutsche Yierteljahrschrlft für englisch-theologische
Forschung und Kritik, Gotha 1860, S. 87: ,(In Damaskus im Jahre 1516)
ebenso war ihre Sjnagoge sehr schOn und mit vielen vergoldeten Buch-
staben verziert, was wahrscheinlich Gebetstücke waren . . .*/ S. 417
wird im Ordo precum pro mortuis Samaritanis die samarltanische Ge-
meinde in 9*^1Si^ erwähnt; S. Kohn, Die samaritanlsche Pentateuch-
übersetzung ZDMG, Leipzig 1893, S. 635; A. Neubauer, Chronique Sa-
mariUine, JA. Paris 1869, S. 411, 417, 420.
Ol mutz, am 13. Juni 1902.
11. AbhandloBg: SaemftlUr. Zw Kritik der KftnigBfelder Chronik.
II.
Zur Kritik der Königsfelder Chronik.
Von
Josef Seemüller.
lext- und QaellenuntersuchuDgen^ die ich fiir die so-
genannte Hagensche Chronik anstellte , nötigten mich, die Be-
schaffenheit der von Martin Gerbert 1772 and 1785 (s. Lorenz,
Geschichtsqnellen' I, 268) veröffentlichten, mit den Worten
Von dem Ursprung der du/rlüchtigen fürsten von österrich
vahet die an beginnenden deutschen Chronik einer selbständigen
Prüfung zu unterziehen. Ich lege ihre Ergebnisse vor, weil
Überlieferung und Geschichte dieser Quelle, so oft sie in der
Frage nach der ,Habsburger Chronik Heinrichs von Klingen-
berg^ herangezogen worden ist, systematisch noch nicht ins
Auge gefaßt wurden und die vom Standpunkte des Philologen
gefiihrte Untersuchung auch dem Historiker willkommen sein
dürfte.
I.
Das Werkchen geht unter dem Namen Eönigsfelder
Chronik oder Chronik des Clewi Fryger. Schon dieser zweite,
häufiger gebrauchte Titel hat keine rechte Gewähr.
Wir wissen über die Handschrift, aus der wir den Text
kennen,* nicht mehr als das Wenige, das Gerbert im Vorwort
zum Abdrucke mitteilt. Sie trug (Gerbert 112f.) am Schlüsse
den Vermerk: Item dis huoch von der herschaft von Oesterich
^ Ich zitiere im folgenden nach dem Abdruck von 1786: Crypta San-
Blasiana nova S. 87 ff.
Sitsnngsber. d. p]iU.-büt. Kl. CXLYII. Bd. S. Abh. 1
2 11' Abliaii41img: SaemftlUr.
Vrsprung wart geschriben an der necheten mitwochen vor dem
sunnentag in der Vasten als man singt in der heiligen Kristenheit
Oculiy ah man zalt von Cristus gepurt M^CCCC^XXXXII Jar^
darunter: Clewi Fryger von Waltzhuot Lermeyster, An nnd
für sich schon ist daraus nur zu schließen, daß die Handschrift
am 28. Februar 1442 vollendet wurde, vielleicht noch, daß sie
von dem Schulmeister Clewi Fryger v. W. geschrieben ist (die
Unterschrift könnte aber auch nur auf den Besitzer gehen).
Derjenige, der das Schlußdatum schrieb, hat den Text keines-
wegs verfaßt: er nennt das Werk dis buoch von der herschaft
von Oesterich vrsprung, triflft damit nur einen Teil des Inhaltes
und hat den Titel jedesfalls nur aus der Überschrift zu Beginn
des Textes geschöpft, die ihrerseits wieder nach den darauf-
folgenden Eingangsworten gestaltet ist und nichts anderes als
den Inhalt des Anfangsteiles bedeutet. Die jüngsten Nach-
richten ferner, die der Text bringt, reichen bis 141 1 (und diese
selbst sind jüngerer Zusatz), so kann denn auch in dieser Hin-
sicht schon die Unterschrift von 1442 nichts mit der Abfassung
des Textes zu tun haben. So hielt denn mit Recht der erste
Herausgeber den Clewi Fryger nicht fUr den Verfasser, er sah
in ihm den Abschreiber und wollte ihm nur die Einfügung
der (den Nachtrag einleitenden) Notiz über die Gründung von
Waldshut zusprechen — aber auch diese kann nicht ihm an-
gehören, weil ein Stück in ihr mit dem Vorhergehenden (S. 90,
Z. lOff.) sich direkt berührt.
Die Neueren (vgl. Lorenz a. a. O., Vildhaut, Handb. d.
Quellenkunde II, 268) betrachten Clewi Fryger allerdings nur
als den Verfasser des uns bei Gerbert überlieferten Textes und
sehen diesen als von ihm verfertigten Auszug aus einem ver-
lorenen Original an. Die Fragen, ob Gerberts Text ein Auszug
sei und ob Clewi Fryger diesen gemacht habe, sind aber ganz
unabhängig von einander und eine bejahende Beantwortung
der zweiten kann sich auf nichts anderes als jene Unterschrift
stützen. Will man denn seinen Namen für die Bezeichnung
des Werkes beibehalten, so vergesse man nicht, daß mit einiger
Wahrscheinlichkeit nur das Verdienst der Überlieferung damit
gewürdigt wird. WissenschaftHch allein berechtigt und keinerlei
Mißverständnis ausgesetzt ist nur der aus Entstehung und
Inhalt des Werkes geschöpfte Name Königsfelder Chronik.
Zar Kritik d«r Kftnigvtaldar Chronik. 3
Daß der Qerbertsche Text Aaszug aus einem umfang-
reicheren Ganzen sei, nimmt man auf Grund der Einleitung
an: dort heißt es, daß das Buch zwei Teile habe, der erste
reiche vom Beginn, das ist dem Jahre 1251, bis zur Gründung
von Eönigsfelden und zähle 30 Kapitel, der zweite handle
von Frau Agnes und habe 31 Kapitel. Man rechnete nun die
Kapitel nach den vorhandenen Überschriften und konnte, wenn
man bis zur dreißigsten zählte, immerhin (da ja weder im Text
noch durch eine Äußerlichkeit scharfe Abgrenzung der zwei
Teile gegeben ist) sich zu Anfang des zweiten Teiles wähnen;
in dem, was noch blieb, waren aber bei weitem nicht mehr
31 Überschriften und auch im ersten Teile war der Inhalt
mancher ,Kapitel' ,bis auf wenige Worte zusammengedrängt'
(Lorenz I, 268, Anm. 1).
Aus den Überschriften in unserem Text läßt sich aber
nichts schließen. Von den 40 vorhandenen sind wenigstens
18 aus den Anfangsworten des Abschnittes mechanisch ab-
strahiert, ohne Rücksicht darauf, ob sie zum ganzen Inhalt
des folgenden, ja ob sie überhaupt passen. So beginnt der
Abschnitt, der auf den Titel Nr. 6 (S. 90): Wie kung RtLodolff
erweit wart folgt, mit den Worten Do kilng Ruodolff erweit
wart . . ., handelt aber von seiner Krönung; oder Titel Nr. 29
(S. 100) Frow Elizabeth was kiingin stammt ans dem Kapitel-
anfang: Frow Elysabeth Römsche küngin was do , . . ze Rin-
velden^ der Abschnitt selbst handelt aber größtenteils vom
Schicksal Walthers von Wart; oder: der Titel Nr. 2 heißt
schlankweg Ein Bischoff was (S. 88, zum Kapitelanfang: Ze
den selben ziten was ein bischoff ze Basel), u. s. w. In drei
Fällen erkennt man dabei, daß der Kapitelanfang, aus dem
der Schreiber seine neue Überschrift nahm, selbst ein älterer
Titel war (Nr. 35, S. 106, neuer Titel: Wie die küngin gen
Küngsvelden kam, Anfang: Wie die küngin von Vngem gen
Küngsvelden kam. Do nu frow Angnes . . .; ähnlich Nr. 1, S. 87;
Nr. 5, S. 90: Von VI. Töchtern, Anfang: Das vierde Cappitel
seit von VI. Töchtern, die gebar im sin Gemahel. Die erst
hiess . . ,). Nr. 28^ S. 99: Aber von kiingin und küng Albrecht
paßt nur halb, da dort bloß von Albrecht geredet wird.
Auch die Mehrzahl der übrigen ist so, daß sie von derselben
mechanisch arbeitenden Hand hergestellt sein können.
1»
4 n. Abbaadlmig: 8««mülUr.
Der heutige Tatbestand an Überschriften lehrt also, daß
die Mehrzahl unecht und jungen Ursprungs ist, daß aber in
der Vorlage unserer Kopie einige Überschriften vorhanden
waren , die sich noch erkennen lassen. Nr. 5 unter den drei
oben genannten Fällen ist besonders lehrreich : man muß daraus
vermuten, daß schon die Vorlage in der Einleitung auf die
Zahl der ,Kapitel^ für jeden der beiden Teile hinwies, denn
die Bezeichnung des Abschnittes Von VI. Töchtern als Das
vierde Cappitel stimmt nicht mit der heute überlieferten Ein-
teilung, in welcher er die fünfte Überschrift trägt, und erweist
sich durch die Vereinzelung dieses Eingangs als älter.
Wenn aber die heute noch erkennbaren Spuren nur auf
das Vorhandensein einzelner Überschriften in der Vorlage
hinweisen, ja deren Allgemeinheit ausschließen, so wird ferner
wahrscheinlich, daß die Gliederung der zwei Teile in eine be-
stimmte Anzahl von Kapiteln nur der Willkür eines Jüngeren
entsprang, der in seiner Vorlage Überschriften der Hauptteile
und innerhalb derselben etwa rubrizierte Absätze vorfand und
nach diesen seine Kapitelzahlen konstruierte, Überschriften für
jedes , Kapitel beabsichtigte, aber nur einige ausführte. Vgl.
dazu unten S. 47 f.
Ist dem so, so kann jene Kapiteleinteilung, kann auch
der Umstand, daß einzelne ,Kapitel^ (besser Absätze) nur wenige
Zeilen umfassen, nichts für die Annahme beweisen, daß der
uns vorliegende Text ein Auszug aus einem vollständigeren
Werke sei.
Seit aber F. Mayer (Archiv f. öst. Gesch. LX, 316) Be-
nützung der Königsfelder Chronik, beziehungsweise ihrer Quelle,
im sogenannten Hagen nachgewiesen hat, schien die Annahme,
daß unser Text aus einem größeren Ganzen stamme, durch
innere Gründe gestützt. Was er und der ,Hagen' gemeinsam
haben, zeigt aber ein wechselndes Bild: hier ist der Ebtgen
ausführlicher (Anekdote vom Priester mit dem Sakrament, dem
der Graf von Habsburg sein Pferd leiht; Abschnitt von König
Friedrich dem Schönen und Ludwig dem Bayer; Erwerbung
Tirols durch Herzog Rudolf; Abschnitt über Albrechts Tochter
Elisabeth u. s. w.), dort hat die Königsfelder Chronik mehr
(in der Einleitung zum Abschnitt von König Friedrich dem
Schönen [über seine Wahl], im Abschnitt über Leopold [Kämpfe
Zu Kritik der KttnigsfeldM Chronik. 5
gegen Ludwig den Bayer], über Albrecht den Lahmen [Zürich],
n. 8. w., besonders an vielen Orten der speziellen Königsfelder
Geschichten); in anderen Stellen stimmen sie wieder fast wört-
lich überein (Taten Radolfs, die an die Aufzählung seiner
Töchter angehängt sind, Eingang zum zweiten Absatz im Ab-
schnitt von König Adolf, öfters in den genealogischen Nach-
richten über die Nachkommen König Albrechts). An Stellen,
die an und für sich gewiß verwandt sind, gehen sie in Einzel-
heiten charakteristisch aaseinander; ein bezeichnendes Beispiel
ist Königsfeld, S. 102, so, Hagen Pez, Script. I, 1136, öo.i
K
Do man wart graben, do
v^and man wunderlich gestein
von varben und von gehöwem
estrich von frömdem werk, das
n
Damach wurden in der grunt-
feste fundcn manigerlay staine
und stükche zu ainem zaichen,
das daselbst vor was gestanden
man in der Cristenheit nit | gar ain herleiches paw, des nie-
spulget ze machen, guldin und
silbrin pfening, die do höpter
hattent mit binden als heyden
tragent.
man gedenkchet,und wurden da
auch guidein phenning funden,
die mit Neronis und Constanti
obschrift waren bezaichent.
All das verbietet, die Beziehungen des Gerbertscben
Textes (K) zu der Vorlage, die das ihm und dem Hagen Ge-
meinsame enthielt (*K), durch die Formel, er sei ein Auszug
aus ihr, für erschöpft oder auch nur teilweise richtig bezeichnet
zu halten. Beobachtet man außerdem, daß K viele selbständige
und abgerundete Motive enthält, die H nicht hat (Heinrich
von Isnys Beichttochter, Ottokar von Böhmen und der Klarissen-
orden, das Reliquien wunder S. 91, Herzog Albrecht der Lahme
und der Wiener Bürger, St. Ludwigs-Reliquien, zahlreiche
Personalien und Sachlichkeiten aus Königsfeld, weltliche und
geistliche), ferner daß K zuweilen ein Mehr von rein stilistischen,
schildernden Elementen zeigt (S. 88, nff.; S. 105 f), so wird
man den Gerbertschen Text als selbständigen Ausläufer der
gemeinsamen Vorlage ansehen müssen, wird ihn nicht von
vorneherein als systematischen Auszug aus ihr betrachten dürfen
^ Ich gebe den Wortlaut der Hagenzitate nach meinen Vorarbeiten zur
Aasgabe.
6 U. Abhudlmig: S«eniflller.
und ohne eine solche einschränkende Voraussetzung an seine
Kritik gehen.
Schon Gerbert hat richtig erkannt, daß mit dem Schloß
der Erzählung von Königin Agnes und seinem Amen S. 110
das Ende des vorhergehenden Ganzen bezeichnet ist und daß
die noch folgenden annalistischen Notizen jüngerer Zusatz sind.
Sie betreflfen: I. Die Gründung von Waldshut, an die eine
Übersicht über Rudolfs I. Regierung geschlossen ist, zuerst
lateinisch, dann deutsch. Eine Stelle darin berührt sich wört-
lich mit der vorher S. 90 an die Nennung der Töchter Rudolfs
gefügten Aufzählung von Taten des Grafen und Königs. Sie
kann aber nicht aus dieser selbst geschöpft sein, weil sie mehr
enthält und von den Taten, die Rudolf als König vollführte,
gerade das nicht bringt, was im Vorhergehenden in der Nennung
von Bisuntz S. 91 gegeben war. 2. — 6. Notizen über die Tei-
lung zwischen Albrecht und Leopold ,1378', Leopolds Tod 1386
und den Kampf in Glarus (Näfels) im ,nächsten Jahre', Albrechts
Tod 1395^ Leopolds III. Söhne, insbesondere Leopold, aus dessen
Leben auch datierte Einzelheiten zu 1395, 1400, 1411 gebracht
werden. 7. Gefangennehmung des ,Herzogs von Burgund' (Jo-
hanns von Nevers) 1396, in der heydenschaft (Schlacht bei
Schiltarn). 8. Vom kalten Winter 1408 (Gegend von Rhein
und Aar). 9. Von der Niederlage der Lütticher gegen Johann
von Burgund 1408 (gemeint ist die Schlacht bei Oth^e).
In diesem Gemenge tragen die Noten 2 — 6 einheitlichen
Charakter und sehen wie eine Fortsetzung der im ersten Teile
des vorhergehenden Ganzen enthaltenen genealogischen Mit-
teilungen aus. Aber wir merken an, daß der Annalist, der
den Tod Leopolds IIL eintrug, von seinem Begräbnis in Königs-
felden nichts sagt. Der Ursprung der Aufzeichnung wird
also wohl an einem anderen Orte zu denken sein, keinesfalls
aber weit davon, wie Notiz 8 lehrt, vielleicht in Waldshut,
wegen der Notiz Nr. 1 und weil der Waldshuter Clewi Fryger
1442 eine Abschrift herstellte oder herstellen ließ oder im
Besitze einer solchen war.
Auf das, was diesem Anhange vorausgeht, paßt nun der
in den ersten Textzeilen (S. 87) enthaltene Titel: dds huck
von dem Ursprung der durlilchten fürsten von OesteTrich und
von der gestifte ze Küngsvelden . . . Und zu diesem Titel wie
Zu Kritik d«r K«iii«tf«ldtt Chronik. 7
zum tatsächlichen Inhalt stimmen auch die nachfolgenden Worte:
und de(8) buchs sint zwey teil. Der Unterschied der zwei
Teile ist angenfkUig: der zweite hat nur zwei Hauptpersonen,
Albrechts Witwe Elisabeth and seine Tochter Agnes, die ver-
witwete Königin von Ungarn. Jene tritt hervor als die Grün-
derin des Klosters, von anderen Erlebnissen oder Handlangen
der Fürstin wird nur wenig erzählt; diese erhält eine eigent-
liche Biographie, von ihrer zu persönlichster Frömmigkeit
neigenden Jagend ab, über ihre Ehe mit König Andreas and
ihre Witwenschaft hin bis za ihrem Leben inmitten der Brüder
and Schwestern von Königsfeld and ihrem Tode daselbst.
Diese chronologische Grandlage der Erzählang ist vollkommen
klar. Der Verfasser will zasammenhängend und abgerundet
darstellen; dabei leitete ihn der Stoff selbst, anfangs und am
Ende, bequem und sicher genug. Mehr aus Eigenem hatte er
aber im Hauptteile — vom fromm-seligen Leben der Königin
in Königsfeld — hinzuzutun. Er beginnt mit ihrer Ankunft,
dem kleinen Bau, den sie sich aufführt, der Aufzählung ihrer
Beichtväter. Hierauf ihre Kleidung, ihre Tagesordnung, ihre
Lebensweise. Hier unterbricht — ohne engeren Zusammen-
hang mit dem Vorhergehenden oder Folgenden — eine Pro-
phezeiung, die sie zu ihres Vaters Lebzeiten über ihre künftige
Wohnstätte erhielt, den geraden Fortgang der Erzählung. Es
folgen ihre Werke der Barmherzigkeit, Sittliches und Mystisches
in ihrem Verhältnis zu Christus. Bis hierher ist der Stoff des
Hauptteiles ziemlich gut gegliedert und übersichtlich, die zahl-
reichen Einzelheiten sind geordnet, ja man kann von einer
Steigerung in der Folge der Gnippen reden, indem der Ver-
fasser zuletzt ins innerste religiöse Gemütsleben der Frau zu
schauen suchte. Von da ab (S. 109) zerfällt sein Bericht in
Details, Nachträge, bis er in der Erzählung von Agnes' Tode
wieder zu rundem Abschluß gelangt.
Diesem zweiten Teile mit seinen zwar bescheidenen, aber
immerhin vorhandenen schriftstellerisch darstellenden Eigen-
schaften und seinen Anklängen an die Phraseologie der Mystik
{bilder — , Vorbild' — der tieffen luterkeit 107, 1; geworten
— ,in Worte fassen' — 108, 30; die fründ gottee HO, l)
steht der erste gegenüber, der vorwiegend genealogischen Inhalt
hat und allerdings dadurch schon auf andere Stilmittel ange-
8 U. AbhudloDg! SeemftlUr.
wiesen war. Aber auch hier werden Charakteristiken einzelner
Personen versucht and erzählende Bestandteile eingemischt,
doch weder in jenen noch in diesen tritt nähere Verwandtschaft
mit vergleichbaren Partien des zweiten Teiles hervor.
Wie dieser zweite Teil seine Einheit in der Beziehung
der zwei Hauptpersonen, Elisabeth und Agnes, auf Rönigsfeld
hat, so hat sie der erste durch den Gedanken der Geschichte
des Hauses Osterreich: er ist vorwiegend eine Genealogie der
Habsburger von Rudolf ab. Er setzt mit Eonrad IV. ein,
geht über Heinrich Raspe und Wilhelm von Holland zur Wahl
Rudolfs, verweilt bei ihm, erzählt seinen Tod, hierauf die Wahl
und Regierung Adolfs bis zu seinem Tod im Kampfe mit Al-
brecht, der nunmehr König wird. Dieses Stück ist vielfach
von Stoffen anekdotenhaften und anderen Inhalts durchbrochen,
die mit ihrer Umgebung nur in losem Zusammenhang stehen.
Erst von Albrecht ab tritt in den ersten Teil eine streng
planmäßige Komposition. Nach einer Charakterisierung der
Herrschaft Albrechts und seines Verhältnisses zum Papste
Bonifaz VIII. werden seine Kinder aufgezählt, zuerst die
Söhne, dann die Töchter, bei jedem Kinde sogleich dessen
Nachkommenschaft (falls eine solche zu erwähnen war), das
Ganze beschlossen durch Wiederaufnahme der Erzählung von
der Regierung Albrechts und den Bericht von seiner Ermor-
dung und ihrer Sühne. Sowie die Genealogie der Nachkommen-
schaft Albrechts durch das sein Leben erzählende Eingangs-
und Endstück umschlossen wird, so wird regelmäßig auch
dort, wo Nachkommen seiner Söhne zu nennen waren, das
Stück, das von der Deszendenz spricht, von zwei Stücken,
die dem Aszendenten gewidmet sind, umklammert. So wird
Friedrich, der zweite Sohn Albrechts genannt, seine Gattin,
von seiner Wahl zum König und von seinem Charakter wird
geredet, dann folgt die Nennung seines Sohnes und seiner
Töchter, darauf wieder ein Stück von seinen Taten und seinem
Tod; ebenso bei Leopoldll., Albrecht IL, Otto. Der Bericht
über die Väter umfängt also den über die Söhne. Ein Schach-
telungssystem wird befolgt, das nicht nach der Zeitfolge der
Ereignisse, sondern nach diesem genealogischen Gesichtspunkt
sich richtet. So war S. 92 von Albrechts Regierung die Rede,
erst S. 99 folgt sein Tod 1308, dazwischen liegen Ereignisse,
Zu Kritik d«r Kftnigsfelder Chronik. 9
die yiel später vorfielen. Oder Albrecht II. ist zuerst S. 95
genannt y yon seiner Regierang and seinem Tod (1358) ist
S. 96. 97 die Rede^ dazwischen liegt die Regierang and der
Tod seines Sohnes Radolf IV. (1365) and die Erwerbang
Tirols, a. s. w.
Die Abstammangsverhältnisse darzastellen ist der Haapt-
zweck dieses Stückes von König Albrecht and seinen Nach-
kommen, dabei sollten aach karze Charakteristiken^ Regierangs-
handlangen and Taten eingefügt werden. Dinge, die anßerhalb
dieser Gesichtspankte liegen, kommen nar selten vor: bei Er-
wähnang der Taafe der Tochter Leopolds IL, Katharina, wird
angemerkt, daß am selben Tag and vom selben Bischof Chor
und Kirche von Königsfeld geweiht warden (S. 94), an den
Tod Friedrichs des Schönen wird ein knrzer Abschnitt über
Ladwigs des Bayers Streitigkeiten mit Rom, seinen Tod und
seinen Gegenkönig Karl gefligt (S. 94), an die Heirat der
Tochter König Albrechts, Katharina, mit dem Herzog von
Kalabrien ist eine Notiz über dessen Vater Robert and Reliquien
des heil. Ludwig von Toulouse (seines Oheims), an die Regierung
Albrechts II. eine Elrwähnung der zwei Erdbeben 1348 und 1356
angeschlossen; vielleicht ist auch die auf den Tod derselben
Katharina folgende Notiz über Schenkungen, die sie dem
Kloster Königsfelden machte^ hierher zu rechnen. Im übrigen
ist die Einheit des Stoffes und seiner Anordnung durchaus
gewahrt.
Das Schachtelungssystem war von ganz besonderem Vor-
teil für den Anschluß des ersten Teiles an den zweiten : dadurch,
daß auf die lange Reihe der Kinder und Kindeskinder Albrechts
erst die Erzählung von seinem Tode folgte, konnte leicht und
natürlich auf seine Witwe und die durch sie erfolgte Gründung
von Königsfelden übergegangen werden. Die Wahl dieser
Darstellungsform für die zweite Hälfte des ersten Teiles ist
also wohl in direktem Hinblick auf den zweiten geschehen.
Dadurch ist aber noch nicht Verschiedenheit der Verfasser
der zwei Stücke ausgeschlossen. Es sind vielmehr Anzeichen
vorhanden, daß die Geschichte von Albrechts Stamm und die
speziellen Königsfelder Geschichten nicht vom selben Verfasser
herrühren. Wir sahen, daß diesen — wenn auch in beschei-
denem Grade — schriftstellerische Qualitäten zukommen: zur
10 U- Ablundlwig: 8««mflll«r.
Gliederung und Abrundung im Aufbau tritt Breite, Rundung
und Wechsel im Satzbau. Dem steht im anderen StQcke^ und
zwar besonders in seinen genealogischen Hauptbestandteilen,
aber auch in erzählenden , zerhackter Satzbau in Aneinander-
reihung kurzer, meist parataktischer Glieder gegenüber (vgl.
S. 93, 20 ff., S. 94, 10 ff., S. 95, loff. u. s. w.). Dem freien und
glatten Gebrauch des Personalpronomens dort steht hier die
schwerfälligere und härtere Ersetzung oder Bestimmung des
Nomens durch der, der selbe, dirre gegenüber (vgl. S. 92, 28;
93, 1, 2, 6, 10; 94, 4; 95, 16, 24, 26, 30 u. ö.). Der Verfasser der
Königsfelder Geschichten gebraucht die Respektsformel /rote
Elysabeth römschi kilngin, küng Albrecht Römscher küng, ir
vatter römscher küng, frow Angnes küngin wilent ze Ungern
(den appositiven Titel also ohne Artikel), in der Stammge-
schichte steht beim Titel in der Regel das Pronomen.
Sachliche Anhaltspunkte kommen dazu: In der Stamm-
geschichte wird S. 94 an die Taufe Katharinas (der Tochter
Leopolds IL) durch den Bischof Johann von Straßburg an-
gefügt: Der selb herr vff denselben tag wicht er kor und kilchen
ze Kiingsvelden, do man zalt von Christus gepurt 1320 Jar
Idus VII. Februarii. Do was grofs herschaft gegenwirtig. Von
derselben Weihe ist im zweiten Teile S. 109 die Rede: . . und
wart gewicht die kilch ze Kilngsvelden , do man zalt von g, g.
1820 jar VII. Ydus Februarij in unser frowen ere und aller
heiligen von Byschoff Johans von Strasburg, da waz sy (Königin
Agnes) gegenwärtig und hertzog Lupoid ir bruder. Des selben
tages wurden öch gewicht von demselben herren die vier altär
in der kilchen. Also nichts von der Taufe Katharinas, keine
Rückverweisung auf die frühere Stelle, trotzdem Leopolds II.
Anwesenheit erwähnt wird; und die zweite ist um so sicherer
von anderer Hand und aus anderer Quelle, als gleich darauf
von der Weihe des Chors am 12. September 1330 durch
Bischof Rudolf von Montfort (und ,der zwei Altäre' durch
ebendenselben am 29. September) gesprochen wird.
S. 103 werden die Streitigkeiten zwischen Friedrich und
Ludwig dem Bayer als Ursache erwähnt, warum Elisabeths
Wunsch, in Königsfelden begraben zu werden, nicht sogleich
erfüllt werden konnte: auch hier fehlt Rückverweisung auf die
frühere Stelle von den zwei Gegenkönigen. Überhaupt werden
Zw Kritik der Kftoigifelder Chronik. 1 1
Personen, die schon in der Stammreihe genannt waren ^ wenn
sie im zweiten Teile wieder erscheinen, wie neue eingeführt
(vgl. 99, 32flF.; 101, 2; 102, 26 ff.; 103, ii, 26; 104, 8; 108, 24
n. 8.) nnd ohne Rückverweisang (108, 4i weist nicht auf 95, 16,
sondern auf 108, 24 zurück nnd über 104, 20 vgl. unten S. 17).
Für die Abfassungszeit des zweiten Teiles steht nur das
Datum des Todes der Königin Agnes, der den Schluß bildet,
zu Gebote: Juni 1364. Nur wenig darüber hinaus weist S. 106
die Stelle von Agnes' Beichtvätern: der letzte war Bruder
Ludwig Yon Oberdorff, der starb des selben jars do öch die
küngin starb , und das seit im die kiingin vor, das er nach
ihr des selben jares sterben solt. Der zweite Teil — dessen
Hauptmasse die Biographie der Agnes ausmacht, in der hin-
wieder der Hauptton auf ihrer Frömmigkeit liegt, während ihre
Tätigkeit fbr das wirtschaftliche Aufblühen der Stiftung ab
und zu nur berührt wird, nicht aber von vorneherein Qegen-
stand der Aufmerksamkeit flir den Verfasser war — wird
bald nach ihrem Ableben, aber nicht vor 1365, als persönliches
Denkmal ftir sie geschrieben worden sein. Der Verfasser
war Franziskaner (er nennt den Orden 101, 15 unsem orden;
103, 4 hielten wir ein cappitel ze Lindow) , er war Mitglied
des Männerklosters in Königsfelden (106, 24 unser closter\
and schrieb dort sein Werkchen (101, 25 hie ze Küngsvelden),
Allerdings ist nirgends angedeutet, daß der Verfasser selbst
die Königin noch gesehen habe oder irgendwie Zeuge des Er-
zählten gewesen sei. Aber sowie er sich nicht nennt, tritt er
überhaupt nirgends persönlich hervor; daß er aber den Ereig-
nissen und Personen seiner Geschichte zeitlich und örtlich
nahestand, zeigt nicht bloß seine Kenntnis kleiner Detailzüge
(wie 107, 12), sondern lassen auch seine Worte 110, 20 vermuten,
wo er von den Wohltätigkeitsakten der Sterbenden spricht:
das man wol weiss, das wer ze lang ze schriben.
Bestimmter läßt sich die Zeit der Abfassung der Stamm-
geschichte (von Albrecht ab), also jenes zweiten Stückes des
ersten Teiles, das seine größere Hälfte bildet, erkennen. S. 96
— nachdem Rudolfs IV. Tod (27. Juli 1365) vermerkt war —
wird die Reihe der Söhne Albrechts U. mit Nennung der zwei
jüngeren Albrecht und Leopold vollendet: Hie sint nu hertzog
Albrecht und hertzog Lupoid zwen herren zuo den ziten . . (der
12 II. Abhuidlang: SeemftlUr.
folgende Teil des Satzes ist verderbt and schon die Zugehörig-
keit des zuo den ziten zum Vorhergehenden nicht sicher), hierauf
wird dieses Leopold Frau genannt, von Albrecht aber (AJ-
brecht III.) nichts weiter erwähnt. Die Stelle lehrt, daß beide
bei ihrer Abfassung noch lebten^ daß Leopold schon verheiratet
war — er heiratet Februar 1365 — , Albrecht noch nicht: dieser
schloß seine erste Ehe am 19. März 1366. Die Oenealogie
weiß ferner, daß Albrechts II. Tochter Margareta (von ihr
Elisabeth genannt) in zweiter Ehe den Markgrafen von Mähren
hatte: diese Heirat geschah 1364. Margareta starb Jänner 1366
— davon weiß die Chronik noch nichts.
Die Abfassung der Stammreihe Albrechts geschah also
zwischen Juli 1365 und Anfang 1366. Auf das Jahr 1365
sahen wir uns auch bei dem zweiten Teile verwiesen. Der
Vorgang wird der gewesen sein, daß das Kloster, das die
Geschichten seiner ersten und zweiten Stifterin hatte abfassen
lassen, sich naturgemäß gedrängt fühlte, auch die übrigen
Glieder der Familie zu verzeichnen, der die beiden Stifterinnen,
die eine durch Heirat, die andere von Geburt angehörten, der
Familie, aus der noch andere Angehörige bereits ihre Ruhe-
statt im Kloster gewählt hatten, deren Häupter endlich durch
wiederholte Gunstbezeigungen sich als Gönner der Gedächtnis-
stätte erwiesen hatten und noch erwiesen. So wurde denn
mit der Gründungsgeschichte die Stammreihe verbunden und
deren Komposition so gestaltet, daß von ihr ein natürlicher
Übergang zu jener sich ergab.
An diesem Punkte der Untersuchung angelangt, begreifen
wir erst recht die eigentümliche Komposition der zweiten Hälfte
des ersten Teiles: sie ist geradezu auf den zweiten hin zuge-
schnitten und setzt ihn als vorhanden und fertig voraus.
Die Grenze zwischen den beiden Teilen ist nicht ganz
scharf zu ziehen. Sie liegt zwischen der Erzählung von Al-
brechts Tod und von der Gründung des Klosters. An sich
ist wahrscheinlich, daß das Ereignis, das zur Gründung von
Königsfelden führte , in einer Gründungsgeschichte erwähnt
werden mußte: anderseits lag es im Plan des Verfassers der
Stammreihe, die Nachkommenschaft Albrechts durch das An-
fangs- und Endstück der Erzählung seines Lebens (s. oben)
zu umschließen. Demnach fiel der Stoff des Endstückes mit
Zor Kritik der K6Big«f«lder Chionik. 13
dem Anfang des zweiten Teiles zasammen — um eben dessen
willen hatte er ja seine Komposition so gestaltet. So ist denn
zu erwarten, daß in diesem beiden Teilen gemeinsamen Stück
sich auch Formeigentümlichkeiten der beiden Verfasser ver-
mischen werden. Der Satzbau ist dem des zweiten Teiles ver-
wandt, aber der Gebrauch von diser, wie er in der Stamm-
reihe beliebt ist, findet sich auch 99^ 33^ 100, 21. Neben der
Formel diu küngin frow Elizabeth tritt die im zweiten Teile
herrschende: 100, 16 frow Elysabeih Römsehe küngin (ähnlich
von Agnes 101, 2) auf. Auf Mischung von Überlieferungen
deutet auch der zweimalige Ansatz zur Erzählung vom Schicksal
der Mörder 100, loff. und 100, I7ff.
S. 101, 9 geht die Erzählung direkt zur Gründung
des Klosters über — hier sind wir jedesfalls schon voll im
zweiten Teile.
n.
Von ersten Teile ist aber nunmehr das Stück, das der
Stammreihe Albrechts vorausgeht, S. 87 — 92, näher ins Auge
zu fassen.
Es unterscheidet sich in mehreren Beziehungen von jener.
Allerdings ist auch hier die Aufzählung der Kinder Rudolfs
von zwei Stücken, die seine Regierung darstellen, umrahmt,
aber von der Nachkommenschaft dieser Kinder ist nur Herzog
Johann, der spätere Königsmörder, und Herzog Ludwig, der
spätere Gegner Friedrichs des Schönen, erwähnt, bei Albrecht,
dem dritten Sohne Rudolfs, dessen Stamm die zweite Hälfte
des ersten Teiles beherrscht, wird nur gesagt, daß er römischer
König ward, auf seine Kinder wird nicht einmal verwiesen.
Immerhin könnte man vermuten, daß, wer der Königsfelder
Gründungsgeschichte die Genealogie der GründerfamiUe voraus-
schicken und den glatten Übergang von der Erzählung der
Ermordung Albrechts aus gewinnen wollte, nicht gut anders
vorgehen konnte, als daß er Albrecht und seinen Stamm heraus-
löste, daher auch aus Rudolf und seinen unmittelbaren Nach-
kommen ein eigenes kleines Ganze machte. Und so wäre ja
die uns vorliegende Überlieferung des ganzen ersten Teiles als
einheitliches Ganze verständlich. Ebenso wohl könnte aber
auch die Stammreihe und die Gründungsgeschichte als ein
14 II. Ablundlmig: Seemftller.
Ganzes einem Späteren vorgelegen haben, der es nach rück-
wärts durch Vorschiebung der Genealogie Rudolfs erweitert
hätte, dieses erste Stück des ersten Teiles also dem Folgenden
von Haus aus fremd und jünger sein.
Und dafür spricht nicht bloß der erwähnte auffallende
Mangel einer Verweisung auf die später zu nennenden Kinder
Albrechts. Unser erstes Stück steht vielmehr überhaupt unter
einem anderen als dem genealogischen Gesichtspunkt. Es be-
ginnt mit Eonrad IV., Heinrich von Thüringen und Wilhelm
von Holland, redet ausführlicher von Rudolf, dann relativ aus-
führlich von Adolf: die Reihe der deutschen Könige ist f^
seinen Verfasser der leitende Faden. Die Stammreihe Albrechts
setzt zwar auch mit seinem Königtum ein, auch Friedrichs des
Schönen Königswürde wird betont und nach seinem Tode erhält
Ludwig der Bayer als deutscher König einige Zeilen, die mit
kurzem Hinweis auf Karls IV. Kaisertum beschlossen werden;
Kaiser Heinrich VII. aber wird nur anachronistisch und ge-
legentlich, nach jenen anderen, dort, wo Herzog Leopolds IL
Gattin genannt ist, erwähnt (S. 94) und ebenso anachronistisch
und gelegentlich nochmals später (S. 99), wo von Albrechts
Tochter Katharina geredet ist, die ihm verlobt wurde. Die
Nennung der deutschen Könige ist in dem zweiten Stück des
ersten Teiles also ganz dem genealogischen Gesichtspunkt unter-
geordnet. Das erste ist eine Königsreihe mit starker Hervor-
hebung Rudolfs, das zweite eine Genealogie der Habsburger
seit Albrecht mit gelegentlicher Nennung der deutschen Könige.
Während ferner die Stammreihe Albrechts trotz Fehlern
in Einzelheiten im Aufbau und Plan dennoch einheitlich und
klar ist, zeigt das erste Stück merkwürdige Brüche und Un-
ebenheiten :
Nach Wilhelms von Holland Tod gab es lange keinen
Kaiser. Um das Reich stand es schlecht, die Wahlfürsten
denken daran, einen tüchtigen König zu suchen. Der Bischof
von Basel rät ihnen zu Rudolf von Habsburg, als einem, der
des Königtums würdig sei. (Darauf folgt eine Anekdote über
Heinrich von Isny, die mit dem herrschenden Thema nichts
zu tun hat.) Hierauf setzt der Autor wieder ein (S. 89): Da-
mals gab es, ,wie gesagt^, keinen König. Daher werden die
Kurfürsten einig, einen zu wählen. ,Das hörte der früherge-
Zor Kritik der KftnigsfeldAr Chronik. 15
nannte Bischof Heinrich von Basel und wandte sich an Graf
Kadolf von Habsburg mit dem Rate, etwas Hervorragendes
zu tun, damit seine Tüchtigkeit den Kurfürsten bekannt und
damit sie desto geneigter würden, ihn zu wählen/ Zweimal
wird also zur Erzählung der nämlichen Sache angesetzt und
die Härte beim zweitenmal rein äußerlich durch die Einschie-
bung des ,wie gesagt' zu glätten versucht, zweimal tritt ebenso
Heinrich von Isny in Aktion, und die Handlung, die natur-
gemäß die frühere sein müßte, wird als zweite erzählt, ohne
jede innere Verknüpfung mit der andern, und wieder führt
der Anstoß mechanisch zu einem ,der frühergenannte'.
Auf die Erzählung von der Wahl selbst folgen zwei
Anekdoten aus Rudolfs Grafenjahren, eine Notiz über seinen
Beichtvater, die Aufzählung seiner Kinder^ eine Übersicht über
seine Eriegstaten vor seiner Wahl und die Unterwerfung des
Landgrafen von Thüringen, die er schon als König durchführte.
Der Text kehrt dann zur Krönung in Aachen und zu der
durch den Papst Gregor IX. (!) in Lyon (!) zurück, mit einer
Schilderung des Konzils und einer Notiz über die Päpste, unter
denen der heil. Franziskus blühte und heiliggesprochen wurde.
Ihre Anknüpfung ist dadurch herbeigeführt, daß Gregor X.,
der das Lyoner Konzil abhielt, mit Gregor IX. verwechselt
wurde. Darauf folgt ganz kurz die Belagerung von Bisunz
und dann erst die Unterwerfung Ottokars. Seine Nennung
gibt Anlaß zu einem Bericht über die Stiftung des Klarissen-
klosters in Prag durch ihn, über den Finger des heil. Nikolaus,
der dort aufbewahrt ist, und ein Wunder, das sich an ihm zu
Kaiser Karls IV. Zeiten begab. Erst darauf folgt Rudolfs Tod,
eine Notiz von einer Sonnenfinsternis im März desselben
Jahres, endlich in richtiger Zeitfolge die Wahl Adolfs — mit
einer Notiz über seinen geistlichen Bruder und seine Tochter,
die Klarissin — seine Regierung, sein Kampf mit Albrech t^
dessen Wahl.
Die Unordnung in diesem ganzen Stück, namentlich im
Gegensatz zur Planmäßigkeit der folgenden Stammreihe, liegt
auf der Hand. Versuchen, durch Rück Verweisungen Härten des
Zusammenhanges zu mildern, begegneten wir schon zweimal in
seinem Anfangsteile; sie kehren in seinem weiteren Verlaufe
wieder: der Abschnitt, in dessen Mittelpunkt das Lyoner Konzil
16 U. Abhandlnng; B««mftlUr.
steht (S. 90)y knüpft mit seinem Eingang Do küng Ruodolff
erweit wart ... an die weit zurück schon liegende Erzählung
von der Wahl an, und der nächste Absatz trägt der Unter-
brechung durch die Notiz über den heil. Franz (90, 3i) dadurch
wieder Rechnung, daß seine Einleitung (91, 6) Do nu Ruodolff
der erst gekrönt wart direkt auf den vorhergehenden Krönungs-
bericht zurückweist.
Eine besonders auffallende Unebenheit ist die zweimalige
identische Nennung der Anzahl der Kaiser von Octavian bis
auf Friedrich II., beim zweiten Mal mit der Zahl der Päpste
von Sankt Peter bis auf ,disen Gregorium' (Gregor ,IX.') ver-
bunden: wir begegnen ihr zuerst in der Einleitung 87, 26^ an
einer textlich verderbten Stelle, der nicht zu entnehmen ist,
warum der Verfasser dort die Zahl der Kaiser anführt; dann
wieder im Anschluß an die Stelle von dem Verdienst Gregors IX.
um den heil. Franz, hier in der vollständigeren Fassung. So
wie hier Gregor IX. das Schlagwort flir die Zählung der
Päpste, so mag dort Friedrich IL, von dessen Sohne ab die
Königsreihe beginnt, der Anlaß für die Zählung der Kaiser
gewesen sein. Der Verfasser fühlte das Auffallende der Wieder-
holung und sucht sie wieder durch ein Nu iet vor geseit ab-
zuschwächen (es steht achtlos vor dem ersten, die Päpste be
treffenden Glied der Doppelzählung, statt vor dem zweiten).
Nur in diesem ersten Stück des ersten Teiles finden sich
Berufungen auf eine schriftliche Quelle: S. 89, lO AU man in
andern croniken vindet^ 89, 19 Man liet von im] hier tritt auch
der Schreibende persönlich hervor: Werner von Brugg, Rudolfs
Beichtvater, vermacht sein Priestergewand den Franziskanern
in Konstanz, ein Meßgewand und zwei Chorröcke: das noch
hat da ist, das haben wir alle gesehen (89,32). In der
Stammreihe ist nichts damit vergleichbar, in der Gründungs-
geschichte nur: hielten wir ein cappitel 103, 4.
Dazu kommen stilistische Eigentümlichkeiten : die Stamm-
reihe gibt öfters kurze Charakteristiken ihrer Fürsten, ver-
wendet dabei aber niemals veste oder vestikeit — das erste
Stück hat gerade dafür besondere Vorliebe: 88, 24 einen fromen
wisen vesten herren (von Rudolf), 92, 17 der do zemäl ein vemant
herre was von vestigkeit und grosmütikeit (von Albrecht) und
gar 88, 17 die kurfürsten schickten sich an zu suchen mit
Zar Kritik der Kftnigifelder Chronik. 17
sinnen und mit vesten hertzen . . einen veaten herren mit einem
veeten ritterlichen gemüty der küng möcht gesin und . . . mit
gemütes vestikeit möcht volbringen und tun.
In keinem anderen Stück erscheinen so viele Verweisungen
nach vor- und nach rückwärts: 89^ i ah vor geseit ist nnd
89, 4 von dem vor geseit ist^ 90, 34 nu ist vor geseit — es sind
die drei Stellen, wo Unebenheiten der Komposition verdeckt
werden sollten; außerdem, nach vorwärts: 90, 8, wo von der
Gegnerschaft Ludwigs des Bayers und Friedrichs des Schönen
geredet ist: als hie nach sol geseit werden (auf die Stammreihe
93, 25 verweisend), und zwei Zeilen später, nach der Nennung
der Gatten der zwei letzten Töchter Rudolfs: als davon (so ist
zu lesen, statt: davor) öch ein teil geseit ist (von dem Gegen-
stand ist aber im folgenden nichts mehr zu finden^ s. darüber
unten S. 23). Die viel längere Stammreihe hat nur von der vor
geseit ist 93, 13, und als von (im) stät geschrieben 99, 15, womit
sie auf unmittelbar vorher Gesagtes verweist, und zwei Hin-
weisungen auf die Gründungsgeschichte 93, i, wo sie von der
ersten Gründerin Elisabeth, und 98, 22, wo sie von Agnes spricht.
In dem Grenzgebiet zwischen Staramreihe und Gründungs-
geschichte ist eine zu finden S. 100, 33, in der Gründungs-
geschichte selbst zwei: 104, 20 und 108, 41 (denn 101, 27 und
31 sind anderer Art).
Weder die Stammreihe noch die Gründungsgeschichte
deuten auch nur mit einer ihrer Verweisungen auf das erste
Stück des ersten Teiles zurück, und in der Stammreihe war
Gelegenheit dazu dort, wo von Ludwig dem Bayer 93, 25 und
von dem Königsmörder Johann 99, 82 f. die Rede ist, in der
Gründungsgeschichte dort, wo auf die Krönung Rudolfs 101, 17
angespielt wird. In dem Satz 104, 20 dem (Andreas von Un-
garn) solt geben sin ein frow von Behem, von der hie vor gesait
istj die hertzog Hans muoter was liegt, wie der Wortlaut ver-
muten läßt, nicht eine Beziehung auf 90, i (dem wart geben
des kungfs tochter von Behem^ die gebar herzog Hansen), son-
dern auf die Stelle im Ubergangsteile 99, 32 (herzog Hans, sins
bruoder sun, der hie/s Kuodolff, und von der muoter ein
Behem) vor.
Die Stelle 101, 17 ist lehrreich nicht nur, weil ihr die
Verweisung auf die Königsreihe fehlt, sondern noch mehr weil
Sitsiingsber. d. phU.-biBt. Kl. CXLYII. Bd. 2. khh. 2
18 n< AbluttdlnBg: 8««niftll«r.
sie in direktem Widerspruch zu ihr steht. Sie spricht vom
Franziskaner-Laienbrnder Strobel, der einst König Rudolfs
Diener war und zur Zeit; als der König ,bei Lausanne war
und vom Papst Gregor X. gekrönt werden sollte', in
einem ritterlichen Zweikampf sich auszeichnete. Hier ist wenig-
stens richtig von Lausanne und von Gregor dem Zehnten
die Rede, im Gegensatz zur Königsreihe, die von Lyon und
von Gregor IX. spricht (S. 90).
So sind denn die Verdachtsgriinde gegen das erste Stück
zahlreich genug. Sie erhalten direkte Bestätigung durch die
Rück Verweisung im Ubergangsteile S. 100, 32: Dise edel filrHin
(Elisabeth, Gattin König Albrechts) was von dem hus der
hertzogen von Kernden geborn, aber ir muoter von dem hus der
fürsten von Peygem, von dem (1. der) die Herren und frowen
alle geboren sint^ als hie vorgeschriben ist Das weist
ausschließlich auf die Nachkommenschaft König Albrechts, und
als diese Stelle (von dem, der die Stammreihe Albrechts mit
der Gründungsgeschichte verband) geschrieben wurde, war die
Königsreihe Konrad IV. — Adolf noch nicht vorgeschoben.
m.
Seit Franz Mayers Untersuchung (vgl. oben S. 4) gilt die
dem ,Auszug Clewi Frygers' zu Grunde liegende Königsfelder
Chronik als Quelle des sogenannten Hagen. Wenn wir von
Frygers Autorrechten nach dem oben Dargelegten absehen, so
ist Mayers Ergebnis, was die Stammreihe und die Gründungs-
geschichte betriflFt, richtig: die Vorlage des von Gerbert uns
überlieferten Textes jener zwei Stücke ist vom Verfasser der
Hagenschen Chronik ausgeschrieben worden. Das geht völlig
sicher aus der Abfassungszeit der Gründungsgeschichte und der
Stammreihe und aus ihrer 1365/6 erfolgten Verbindung hervor
und es erklärt sich daraus unter anderem die Bemerkung, durch
die Hagen Pez I, 1131 eine Umstellung rechtfertigt, die er am
StoflFe seiner Quelle vornahm. Es ist hier nicht der Ort, ein-
gehend von dem Verfahren zu reden, das H dieser Quelle
gegenüber einhält — es genügt darauf hinzuweisen, daß er
von ihrem Schachtelungssystem einerseits vielfach abgeht, um
der Zeitfolge des Stoffes Rechnung zu tragen, anderseits nach
Zur Kritik d«r Kftnigsfelder Chronik. 19
seiner Art sich ihm anbequemt, indem er in größeren Strecken
die Komposition der Vorlage einfach übernimmt; so bringt
er denn 1129 ff. an einer in seinem Znsammenhang ziemlich
willkürlich gewählten Stelle die Reihe aller Söhne Albrechts
(mit Ausschaltung von Einzelheiten, die er später an ihrem
chronologischen Platze einfügt), bemerkt aber am Schluß der
Liste 1131, 11: Nu aolt ich hie auch schreiben von herczog
Albrechts töchtem; aber darumb daz die selig fraw Agnes sein
tochter nach seinem tod hat vil heiliger werch begangen und
daz chloster ze Chünigsveld gestiftet, darumb teil ich hinnach
hesunderleich von in schreiben. Er fand eben in der Vorlage
die Reihe der Töchter unmittelbar an die der Söhne geschlossen,
darum ,sollte' er ebenfalls sie jetzt bringen; er tut es nicht,
weil eine von ihnen Königsfeld gestiftet hat, d. h. weil seine
Königsfelder Quelle von dieser besonders viel zu erzählen weiß^
das an diesem Ort anachronistisch wäre. Darum ahmt er
zwar wieder die Quelle nach, indem er die Töchter wie die
Söhne in geschlossener Reihe bringt^ jedoch später, 1137 ff.;
aber alles, was die Stifterin Agnes angeht, schiebt er wieder
an seinen Platz in dieser Reihe, weil er innerhalb seines eigenen
Werkes der Stiftung von Königsfeld nicht den hervorragenden
Rang anweisen konnte, den sie natürlich in seiner Quelle hatte.
So verrät sich die Quelle direkt auch in einer Entschuldigung,
die er dort anbringt, wo er von Leopold II. redet und der Vor-
lage (K 94, 12) gemäß auch Kaiser Heinrich VII. einmengt
(H 1130; 2): seine Erzählung war vorher nicht einmal noch zu
Albrechts Königtum gelangt, er rechtfertigt daher den Anachro-
nismus ausdrücklich und erklärt, später auf diese Dinge noch
zurückzukommen: 1130, 7 wan nach dem tod kiinig Albrechts^
von des kinden ich hie schreib, ward kaiser Hainreich schir
gefördert zu der höhe des reiches .... von dem und von kiinig
Albrechten wird ich niden besunderleich fioch schreibent.
Die Vergleichung des Wortlautes K und H kann nur
relativ wahrscheinUche Ergebnisse liefern, weil die Überlieferung
von K jung ist. So yiel sehen wir, daß H nach seiner sonstigen
Art bald näher, bald freier an die Quelle sich anlehnt, von
wörtlichem Ausschreiben — wie es besonders gerne an der
Stammreihe geübt wird — bis zu freier Bearbeitung, wie sie
in dem Abschnitt über Agnes sich zeigt. Nirgends gewinnen
2»
20 n. Abhandlaiig: S«emftlUr.
wir einen sicheren Anhaltspunkt , daß die Grundlage von
K (= *K), die im Hagen benützt wurde, wesentlich von
dem tiberlieferten Texte K verschieden gewesen wäre, so weit,
daß K ein Auszug aus ihr genannt werden dürfte. Den
Ausgangspunkt nimmt man am besten von der Gründungs-
geschichte, weil die Hagensche Chronik hier nicht wie in der
Stammreihe den Stoff der Vorlage aus chronologischen Rück-
sichten zerstückt, sondern in zwei geschlossenen Hauptmassen
Pezll36, 24ff. und 1137, 48 ff. bringt. H folgt in beiden dem
Verlauf der Erzählung in K, überspringt unterwegs vieles,
namentlich Nennung untergeordneter Personen und lokales
Königsfelder Detail, kürzt oder übergeht Anekdoten, erweitert
gelegentlich die Ausdrucksform der Vorlage, im ersten Stück
gewöhnlich so, daß durch einen wörtlichen Anklang die Stelle
von K, der er den Hauptgedanken entnahm, erkennbar bleibt,
im zweiten freier, wie er überhaupt die für seine Zwecke zu
lange Biographie der Königin Agnes eher reproduziert als aus-
schreibt — aber am Gang seiner Darstellung bleibt auch hier
die Quelle deutlich erkennbar. Seltener fügt er sachlich Neues
ein, so im Abschnitt von Agnes die Darstellung ihres Lebens und
ihrer Wirksamkeit in Ungarn: das darf um so mehr als Nach-
richt aus anderer Quelle angesprochen werden, weil H sonst
gerade die ungarischen Absätze von K (S. 104f.) sehr stark
kürzt und insbesondere von der Erzählung, wie die Heirat zu-
stande kam, keine Notiz nimmt. Weder von der Darstellung
in H, noch weniger aber von der im ganzen abgerundeten
Gründungsgeschichte in K aus ergeben sich festere Anhalts-
punkte zur Auffassung der Darstellung K als eines Auszugs.
Und darnach ist auch das Verhältnis der Texte bei den Stoffen
der Stammreihe zu beurteilen. Hier ist H reicher — es will
ja auch durchaus nicht in erster Linie Genealogie sein, aber
sein Mehr ist nicht zugleich ein Minus von K, in dem Sinne,
als ob K es aus seiner Vorlage ausgelassen hätte. ''^K hat
diese Dinge — sofeme nicht etwa Abschreibfeh 1er von K vor-
liegen — überhaupt nicht gehabt. H hat z. B. den kurzen
Abschnitt über die Regierung Ludwigs des Bayers in der Haupt-
sache aus K; hier folgt unmittelbar 94, 7 Die toxi denoch Ladwig
lebet und richsetj do stund wider in uff Karolus der ander ^
der öch keyser ward — mehr hatte der Verfasser 1366 von
Zur Kritik der Ktaigifild«r Gbronik.
21
Karl IV.y der noch lebte , nicht zu melden. Aach in H folgt
onmittelbar die Hegiernng Karls. Der Absatz beginnt (Sp. 1142):
Karolus der vierd^ künig ze Pehaim^ ward noch bey chaiser
Ludweigs leben zu dem reich erhöhet Das ist der nämliche
Gedanke am nämlichen Platz wie in K. Aber H geht sofort
zur weiteren Darstellung der Herrschaft Karls, für die ihm
weder K^ noch weniger natürlich '''K etwas bieten konnte.
So ist denn auch anderswo, z. B. H 1141, 42, wo von König
Friedrich und der Schlacht bei Mühldorf geredet wird, die
Ursache der inhaltlichen Verschiedenheit zwischen H und K
(93, 26 ff.), die gerade hier auftritt, während die nächste Um-
gebung der Stellen übereinstimmt, nicht in einer Verderbnis
von K, sondern in der Benützung anderer Quelle in H zu
suchen.
Man hat die Benützung der Königsfelder Chronik im
Hagen aber auch auf das Stück ausgedehnt, das ich früher
als jüngere Unterbauung eines älteren Ganzen ausscheiden
mußte, die Königsreihe von Konrad bis Albrecht. Man mußte
es freilich, so lange man K als einheitliches Ganzes betrachtete;
man mußte sogar einen sehr auffallenden Fehler, den hier K
mit H teilte — die bekannte Auslassung in der Liste der
Töchter Rudolfs — nach Mayers Vorgang, der zuerst auf ihn
aufmerksam machte, für einen Fehler der Vorlage * K erklären,
der natürlich nach K, aber auch nach H übergegangen sei.
Es empfiehlt sich, die Stellen zunächst an und für sich,
ohne Rücksicht auf anderweitige Quellenfragen nebeneinander
zu halten:
K 90,5.
Das vierde Cappitel seit von
VI tochtern, die gebar im sin
gemahel. Die erst hieß Clement.
Die wart einem küng von Be-
hem gemähelt. Die ander zwo
wurdent geben den forsten von
Peygem, von einer wart geborn
herzog Ludwig, der darnach
wart wider küng Fridrich, als
hie nach sol geseit werden.
H 1084,50.
Sechs töchter sein graf Ru-
dolfen auch geporen. Die erste
hies Clementa, die in irr jugent
bei vierczehen jaren ward zu-
gelegt dem chünig von Pehaim.
Zwo ander wurden gemehelt
den herczogen des gestechtes
von Payern, der aine Ludweigs
muter was, der am lösten ward
erwelet wider chünig Fridrei-
22
IL Abbandlang: Seemftller.
wart (L erweit). Hie sint nn
flinff. Eine ward geben einem
fllrsten von Sachsen. Item eine
wart geben dem margranen von
Brandenburg, als davor (Z. da-
von) öch ein teil geseit ist. E
kting Ruodolff kting wurde, do
hat er erstritten Elssass, Bris-
gow . . .
chen, alz ich das niden an dem
fümften puch diser kroniken
aigenleich han geschriben. Die
fiimfte ward gegeben aim her-
czogen von Sachsen. Die sechste
ward zugefügt dem marggrafen
von Brandenburg. Von den allen
wirt hernach sunderleicb baz
geschriben. Da her Rudolf dan-
noch lantgraf waz, do waz er
ain strenger überwinder der
herren und der lande, die bei
im waren gelegen, alz Elsazz,
Preisgaw . . .
Beiderseits werden sechs Töchter angekündigt, aber nur
fünf aufgezählt; beiderseits wird dementia, die Karl Martell
heiratete, mit Wenzel von Böhmen vermählt und Guota, die
den Böhmen heiratete, ausgelassen. Es ist daher vollkommen
klar, daß zwischen dem Worte Clementa und dem folgenden
die die Nennung des Gatten der dementia und hierauf die
Nennung der Guota ausgefallen ist, und zwar auf mechanischem
Wege, durch Abspringen des Auges (von *die auf die?). Zur
Erklärung dieses gemeinsamen Fehlers von K und H steht
uns Annahme von Zufall zu Gebote, oder wir vermuten, daß
er schon in *K gestanden und von dort einerseits nach K,
anderseits nach H geraten sei, oder endlich, wir sehen in ihm
den Beweis direkter Beziehungen zwischen K und H. Die
erste Annahme wäre ein Notbehelf, der nur in Betracht käme,
wenn die anderen Erklärungen versagten; die zweite ist nicht
viel einfacher, weil sie voraussetzt, daß zwei voneinander un-
abhängige Verfasser über die fehlerhafte Stelle achtlos hinweg-
gelesen hätten. Jedenfalls liegt die dritte methodisch zuerst
zur Hand und ist von denen, die mit der Stelle sich beschäf-
tigten, nur deswegen außer acht gelassen worden, weil sie den
Gerbertschen Text flir einheitlich hielten und denn auch die
Berührungen zwischen Königsreihe K und zwischen H nur aus
*K erklären konnten. Für uns fällt dieser Grund weg und es
fragt sich zunächst daher nur, hat K aus H oder H aus K
Zvr Kritik der K6nig8feld«r Chronik. 23
(bez. seiner Vorlage) den Fehler übernommen ? Für die Priorität
von H spricht der Umstand ^ daß es die fünfte nnd sechste
Tochter mit ihren Ordnungszahlen aufzählt^ daß ihm also die
Unvollstftndigkeit der Liste — wenn es sie in der Quelle schon
vorgefunden hätte — eher auffallen mußte, insbesondere aber,
daß die in E und H Torkommende Hinweisung auf Späteres,
die wir am Schluß der Liste lesen, nur in H Sinn hat, weil
hier allerdings von dementia, Guota, Mathilde und Agnes später
noch mehrmals die Rede ist, in K aber nicht mehr. Sie wurde
hier ebenso mechanisch wie die Lücke nach dem Worte Cle-
menta aus H übernommen. Möglicherweise haben wir überdies
in E noch ein direktes Zeugnis für Kopierung aus H: Das
Sätzchen K Hie Hnt nu fünff ist in seinem Wortlaut und an
seiner überlieferten Stelle unverständlich — ich vermute darin
eine Randglosse Hie sint nur fünff ^ die durch den Abschreiber
sinnlos in den Text genommen wurde. Rührte sie vom Ver-
fasser der Königsreihe K, so ist dieser nachträglich selbst auf
die UnvoUständigkeit der Liste aufmerksam geworden, hat sie
also nicht selbst verursacht, sondern in seiner Vorlage vorge-
funden. Allerdings kann sie auch von einem Leser herrühren.^
' Aach Heinrich von Gandelfing^n Ist hier, wie Thiel, Mitteil, des Inst,
f&r Gsterr. Geschichtsf. XX, 699 richtige gegen Wenck, Neues Archiv
IX, 66 f. hervorgehoben hat , von Hagen abhängig. Doch ruht die Ab-
hängigkeit tiefer als bloß in dem von ihm nnd Wenck betonten Um-
stand, daß Heinrich die dementia an erster Stelle uenne. Heinrich
zählt, wie K nnd H, überhaupt nur ftlnf TOchter Rudolfs anf und die
Erstgenannte, dementia, verheiratet er unter Auslassung der Guta
ebenso wie K und H mit Wenzel, dem Sohne Ottokars. Auch bei ihm
also dieselbe Lücke wie in jenen beiden. Und in seine Liste ist sie
aus H gelangt. Gleich an die Spitze seiner Aufzählung setzt er (Cod.
pal. vind. 516, bl. 31**) Rudol/ua rex quiruiue habuit ßlias, gegen Matthias*
von Neuenbürg (Studer) S. 180 hahuU «ex ßluu und Hagen, setzt aber
dann fort: prima ClemerUa, wieder gegen Matthias, aber mit H, dessen
nur fünf Personen enthaltende Liste für ihn leitend war, dessen cha-
rakteristische Lücke er auch teilt, dem er auch in der Anordnung der
übrigen TOchter folgt. Auf sein Zeugnis kann die Hypothese, daß der
Kopistenfehler, aus dem die Auslassung der Guta hervorging, schon in
einer verlornen Quelle *K stand, aus der unabhängig von einander K
nnd H stammen, nicht gebaut werden, weil direkte Benützung der
Hagenschen dironik durch Heinrich von Gundelfingen ja sonst sattsam
bekannt ist. Diese allein erklärt — auch wenn der Nachweis, daß das
erste Stück des ersten Buches von K jünger ist und aus dem Hagen
24
II. AUiAndlong: 8««iDftlUr.
In dieselbe Spar, auf der wir uns hier befinden, flibrt
uns auch die Betrachtung einer zweiten Parallele:
H 1086, 38.
(Die zeit cham, daz der pabst
hincz gen Lugdung daz con-
cilium het genomen,)
K 90, 81.
(Do man zalt von gottes ge-
purt 1275 jar, hatt der babst
ein concilium ze Lugg in dem
ersten herbstmonat. Do krönt
Gregorius der nünd den kling
und frow Annen sin gemahel
und zeichent si beide da mit
dem heiligen crütz).
In demselben concilio^ do der
babst Gregorius der nünd selber
in person was, do waren t 500
bischoflf und 60 äpt und by tu-
sent andere prelaten. Do wart
brüft bruoder Albrecht predyer
Orden, ein grosser meyster der
heiligen geschrift und was öch
bischoff ze Regenspurg, das er
solt ein bredye tuen vor allen
prelaten und vor aller der pfaff-
heit von dem gekrönten keyser.
Do vieng er an mit disem wort:
Nement war, ich send in ein ftir-
striter und ein behalter. Dirre
ist gewesen Gregorius de nUnde,
der da sunderbar eret und zuo
der heiligen zal tet schriben
sanctum Franciscura , derselb
Gregorius krönt och kling Ruo-
dolff.
Nu vieng an sanctus Fran-
ciscns under Inocencio und kam
geschöpft hat, nicht da wäre — ausreicheud und ohne Rest das Doppel-
verhältnis zu Hagen und zu Matthias von Neuenburg, das in jenen
genealogischen Noten Heinrichs sich zeigt. — Herrn Rudolf von Payer,
der die Parallelstelle im Cod. vind. 616 für mich einzusehen die Güte
hatte, danke ich auch hier verbindlichst.
da der pabst Gregorius der ze-
hend selber was mit flimfhun-
dert bischoffen und sechzig
äbten und bei tausent anderr
prelaten. Do stund auf bruder
Albrecht, der was ain hoher
maister der götleichen schrift
und was vormals ze Regens-
purg bischof gewesen, und tet
daz wort von chünig Rudolffen
und (und] wann Podg.y l. umb)
daz der gaistleich vatter mit
im schuff", und nam ftir sich daz
wort ze anevang der predig:
Ecce ego raittam eis propugna-
torem et salvatorem, daz ist alz
vil gesprochen ze deutsche :
Secht, ich wird in senden ein
ftirvechter und hailant.
Znr Kritik der KÖDigsfeldtr Chronik.
25
bis an Honorium; also kam der
dritt, von dem wir hie achriben,
der hiess Gregorins. Nu ist vor
geseity das von sant Peter bis
an disen Gregorium waren 192
bäbst gewesen und von dem
ersten keyser^ der Augnstas
hiefs; bis an keyser Fridrich
den andern warent 95 kejser
gewesen.
Anch ist ze wissen^ daz von
dem stol sand Peters uncz zu
pabst Gregorio dem zehenden
sind 192 pebst verflossen; und
von dem ersten chaiser Augusto
uncz an Fridreichen den an-
dern sind 95 chaiser vergangen.
Ganz abgesehen davon^ daß H den Fehler von der Krönung
Rudolfs in Lyon nicht hat, vielmehr im folgenden (nach der
österr. Reimchronik) richtig Papst und König erst in Lausanne
zusammentreffen läßt, daß ferner in H der Papst richtig
Gregor X. heißt, verrät sich die größere Ursprünglichkeit der
Parallele in H dadurch, daß nur dort die Betonung der per-
sönlichen Anwesenheit des Papstes beim Konzil einigen Sinn
hat: in K aber hinkt sie der vorausgehenden Stelle, durch die
sie schon von selbst sich verstand, nach. Ebenda beginnt aber
in K die Parallele zu H (denn das Vorhergehende ist unver-
wandt und stammt in H aus der Reimchronik) und K hat die
in H passende und durch den speziellen Zusammenhang in H
erzeugte Betonung der Anwesenheit des Papstes unverständig
herübergenommen. Die Entlehnung aus H muß denn natürlich
auch auf die Notiz von der Zahl der Päpste und Kaiser er-
streckt werden und hier verrät sie sich durch ein sprachliches
Merkmal, die Partizipialform gewesen — die Stammreihe wie
die Grttndungsgeschichte verwenden nur gesin (bis auf die
interpolierte Stelle 95, 16, von der noch die Rede sein wird).
Man braucht sie aber nicht als Spur österreichischer Mundart,
die aus H nach K hinübergegangen sei, anzusehen : denn auch
gewesen ist alemannisch (ich finde es z. B. in den ersten 42 Ka-
piteln Kuchimeisters fünfmal und ausschließlich gebraucht). Für
unser Denkmal bestätigt seine nur in sonst schon verdächtigen
Stellen vorkommende Verwendung die Fremdheit der Hand,
die hier arbeitete. Auch schon bei der ersten Erwähnung der
Zahl der Kaiser (vgl. oben S. 16) 87, 26 erscheint dies gewesen
and bekräftigt die früher ausgesprochenen Bedenken.
26
II. Abhuidliuig : SeemftUtr.
Halten wir dazu eine dritte Parallele. An die Erzählung
von Konrad IV. ist in K und H die Anekdote vom propheti-
schen Buch und seiner merkwürdigen Auffindung angeschlossen:
K 87 f.
Ze den selben ziten geschach
ein grofs wunder in dem riche
Castelle. Do richset ein kling,
der hiefs Vernandus und wart
funden bi Tolet ein stein, was
gespalten; in dem spalt vant
man ein buch, das waz ge-
schriben mit drygerley ge-
schrift, hebraysch, krigsch und
latine. Die bletter warent grofs
und hert als holz, das buch
waz grofs als ein psalter. Die
matery waz von dryley weit,
von Adam untz an den Endkrist.
Der anfang des dritten buchs
was also: In der dritten weit
wirt geborn gottes sun von der
magt Marien, der wirt sterben
um heil der menschen. Das
buch {erg. sach) und hört lesen
ein Jud und er hiesch den hei-
ligen toff mit allem dem so ein
Christen menschen zugehört.
H 1071,40.
Zu des Zeiten zu Castelle in
dem chünigreichy daz ist bei
Yspanien, reichte künig Ver-
nand, und pei der stat Toletum
chlob sich ain flins in ainem
perge, in des chliiften ward
ain püchlein funden, mit jtLdi-
schen, chrieischen und lateini-
schen puchstaben schon ge-
schriben. Die pleter waren, alz
ob si hülczein wern, und hielt
alz vil alz ain salter und sagte
von drivaltiger werlte, von
Adam uncz an dez Jhesus Chri-
stes zuochumft. Und der ane-
vang der dritten werlte was
also geschriben: In der dritten
werlt wirt geporen der sun gottes
von der magt Marien und wirt
umb daz hail der lewte getötet.
Das selb puch sach und hört
ain Jud und ward getauft mit
allem seim gesinde.
Die Quelle dieser Nachricht ist Mart. Oppav. (SS. XXII;
472, 17): Eo tempore etiam, tempore regis Ferrandi, in Toleto
Hispaniae quidam Judeus conminuendo unam rupem pro vinea
amplianda in medio lapidis (A: in rupe) invenit concavitatem
unam, nullam penitus divisionem habentem neque scissuram^
et in concavitate illa reperit unum librum quasi foUa lignea
habentem. Qui liber tribus Unguis scriptus, videlicet hebraice,
grece et latine, tantum de littera habebat quantum unum psal-
terium et loquebatur de triplici mundo ab Adam usque ad
antichristum, proprietates hominum cuiusque mundi ezprimendo.
Principium vero tercii mundi posuit in Christo sie: In tercio
Zar Kritik der KtaipflBldar Ommik. 27
mando filins dei nascetnr ex virgine Maria et pro salate ho-
minum pacietnr. Qaod legens Judeus statim cam tota domo
sua baptizatas est. Erat etiam in libro scriptum^ quod tem-
pore Ferrandi regia Castelle debebat über inveniri.^
Vorerst ist ein Fehler der Überlieferung H zu emendieren:
des Jhesus Chr, ist in H unmöglich, weil es sonst nie den Artikel
vor «71 Chr. setzt; das des ist Rest der ursprünglichen Lesart
des EntechristeSf über die ein Abschreiber oder Leser wegen
des gleich folgenden Anfanges des ^dritten Zeitalters^ die falsche
Konjektur Jhesus geschrieben haben wird, die dann in die
gesamte Hagenüberlieferung überging.
Daß zwischen den Texten H und K innere Beziehung
herrscht; wird durch die gemeinsamen Abweichungen von der
Quelle erwiesen: daß ein Jude den Stein und das Buch gefanden,
ist ausgelassen; daher wird auch nicht ersichtlich, daß es der-
selbe Jude war, der sich taufen ließ; es fehlt, daß im Buche
selbst die Zeit seiner Auffindung vorausgesagt war; proprietates
bis exprimendo ist übergangen, padetur wird als ,sterben' auf-
gefaßt, die Ordnung der Motive ,Blätter wie Holz' und ,in drei
Sprachen geschrieben' wird verkehrt, Q^od legens ist in gleicher
Weise erweiternd übersetzt (denn es ist klar, daß der Über-
lieferungsfehler in K auf die Lesart sack und hört lesen weist).
Die Priorität von H kann nun nicht zweifelhaft sein,
wenn man beobachtet, daß es dem Wortlaut der Quelle in der
Übersetzung viel näher blieb: vgl. die Stellen H in ainem perge;
die pleter waren j alz ob si hülczein wem; hielt alz vil; sagte
von drivaltiger werlte; anevang der dr, werlte ; wart getauft mit
allem seim gesinde; H weiß endlich vom Königreich Castelle,
K nicht. Dem steht nur gegenüber K wart funden und mit
drygerley gesehrift : der erste Fall wiegt an sich leicht und der
zweite kann nicht nur nicht genauere primäre Übersetzung des
tribus Unguis sein, sondern konnte nur aus den puchstaben in
H durch eine freie Erweiterung entstehen, die sich an das
folgende von drivaltiger werlte anlehnte.
So weist auch hier alles auf direkte Entlehnung aus H.
* Die anderen Varianten dieses Stoffes in Mart. Pol. Contin. Eccard,
Corpus I, 1418, Mart. Fuld. ebenda 1708, Mart. Minor, ebenda 1626,
insbesondere Johann von Winterthur (Wjss) 4 stehen textlich entfernter.
28
n. AbliMidlQiig: 8«eiiiftll6r.
Und diese dritte Parallele ist lehrreich, weil sie uns einen
Maßstab zur Beurteilung der Art gibt, wie K in diesem ersten
Stück des ersten Teiles mit der Vorlage H verfuhr.
Auch die Parallele K 92, 14 und H 1132, 17 hilft uns
dabei: K erzählt die Wahl Adolfs von Nassau 92^ 7 ff. zunächst
unabhängig von H, nennt seinen geistlichen Bruder und seine
geistliche Tochter; darein ist aber schon eine kurze Charak-
teristik des Königs geschoben (dirre was ein sunder fründ
aller geistlicher liiten)^ die wörtlich aus dem Hagenzusammen-
hang vorweggenommen ist, mit dem erst das Folgende sich in
toto berührt:
K
Eüng Adolff richset siben jar.
Der nam guot von dem küng
von engelland und ward sin
Söldner wider den küng in
Frankrich. Das nam(en) die
kurftirsten für übel und zugen
von im mit hilff, mit rät und
mit gunst und santent ir er-
lichen bottschafft zuo hertzog
Albrecht von Oesterich, der do
zemäl ein vernant herre was
von vestigkeit und grosmütikeit
und aller fromkeit, so einem
herren zuogehört. Der hat zu-
samen geleit einen grossen
schätz und brucht den frilich ze
geben herren, rittern und knech-
ten, und folget der fürsten raten
und kam mit grossem volk
durch Peygern
H
Der selb künig Adolf reicht
siben jar und waz ain freunt
geistleicher leute. Er ward am
leczten vercheret von dem chü-
nig von Engelland mit Pfennin-
gen und ward also sein soldner
wider den künig und daz kü-
nichreich von Frankchreich.
Daz heten im ftlr übel die
churfürsten und versmechten
in alz palde und verliessen in
an rat, hilfe und gunste und
santen darumb erber potschaft
zu herczog Albrechten gen
Österreich und rieten dem, daz
er sich des römischen reichs
underwunde und sich sterkchte
mit irem willen und gunste
und wurf chünig Adolfen von
dem throne des reiches darumb
daz er sich nicht biet geschamet
in unere ze siezen. Und si teten
daz darumb, daz herczog Al-
brecht was für ander fürsten
reicher geachtet und was ain
strenger nachvolger vetter-
Zu Kritik der K6iiigifeld«r Chionik. 29
leicher grozmütichait , wan er
het mit weishait und gelimphe
nnmessleich schecze gesammet,
die er gebleich nüczte mit ge-
walt zu den ern. Herczog Al-
brecht Yolgte den reten der
fUrsten und zoch mit seinem her
gewaltichleich durch Bayern.
Bis hierher ist, wenn K auch kürzer ist, durch die zahl-
reichen wörtlichen Gleichheiten die direkte Beziehung beider
Texte sicher. Von hier ab setzt aber K, in unmittelbarem
syntaktischen Anschluß, folgendermaßen fort:
,und durch Schwaben gen sitz (l. jensits) des Rines und
leit sich mit sinem her ze der statt Spir. Do kam küng Adolff
öch mit sinem her und da bald ordnet man die spitz wider
einander an der statt, die man heisset der Hasenbiihel. Ze
stund wart kUng Adolff siglos mit sinem her und wart er-
schlagen. Aber hertzog Albrecht empfieng die wirdikeit des
heiligen römschen richs mit eren.^
Zwar kann man hier noch einen Anklang an den Aus-
druck bei Hagen erkennen (1132, 42 Die ztoen fiirsten legten sich
gen ainander nahent bey Speir und striten ain veldstreit auf
dem velde^ daz noch heut der Hasenpühel ist genennet. In dem
spicz des heres künig Adolfs waren die von Bayren . . .J, aber
H ist in dem ganzen Rest der Parallele, der jenem Schlußstück
K entspricht, ungleich ausfüLhrlicher, sachlich reicher und, was
das Wichtigste ist, die Quelle des Schlußstückes H liegt in
der Cent. Ratisb. vor oder stand dieser wenigstens ganz nahe
(vgl. Cont. Ratisb. SS. XVII, 418, 37—419, 16). Die plötzlich
eintretende stärkere Kürzung und Abweichung in K ist also
auf Rechnung desjenigen zu setzen, der aus H kompilierte.
Man bemerke auch, daß K den Regierungsantritt Albrechts
in dem letzten Sfttzchen in auffallender Form — ohne die
typische Formel der Erwählung, ohne Jahreszahl — bringt.
Da sogleich die Darstellung der Regierung selbst folgt, die
bereits in das zweite Stück des ersten Teiles, die Stammreihe,
gehört, so verrät sich hierin die Fuge zwischen beiden ur-
sprünglich einander fremden Stücken.
30 n. Abhandlnng: SaemAller.
Bei all der weitgehenden Kürzung, die E hier yornimmt;
hat es doch auch wieder in einem Punkt die Vorlage erweitert:
durch Schwaben und jensits des Rines ist eine Konjektur, die
sich ihm aus dem Ausgangs- und Endpunkt des Zuges ergab.
Darnach sind die noch übrigen Parallelen zu beurteilen:
K 88, 21—25 (Heinrich von Isny empfiehlt den Grafen Rudolf),
< H 1083, 2 V. u. bis 1084, 8; K 89, 5-io (Heinrich von Isny
gibt dem Grafen einen Rat) < H 1084, 8-13; K 89, 18-29
(Anekdote vom Sakrament, Prophezeiung) < H 1084, 13—33;
K 89, 35 bis 90, 3 (Gattin und Söhne Rudolfs) < H 1084, 33-49;
K 90, 10-14 (Kriegstaten Rudolfs) < H 1084, 7 v. u. bis 1085, 3.
Auch sie werden insgesamt aus H stammen. K hat nirgends
ein sachliches Mehr. Ausdrucksverschiedenheiten können nach
dem früher Beobachteten nicht mehr ins Gewicht fallen. K zer-
reißt die in H in einem Zuge gebrachten einzelnen Nachrichten;
daß die Spur der ungeordneten Einfügung in der Rtickver-
weisung 89, 6 vorliegt, ist bereits ausgeführt. Eben die zwei
Nachrichten 88, 21 und 89, 6, die K trennt, hat H nicht bloß
in unmittelbarer Folge, sondern innerlich besser verbunden,
indem es den Rat Heinrichs nicht durch den Bischof, sondern
den Lesemeister erteilen läßt, zeitlich also vor das Empfehlungs-
motiv setzt. Und auch im Verhältnis der Nachrichten K 90, 10
<; H 1084, 7 V. u. Hegt eine innere Andeutung der Priorität
von H: wir wissen, daß im jüngeren Anhange zu K eine bio-
graphische Notiz über Rudolf (zuerst lateinisch, dann deutsch)
steht, in der das, was K 90, lO bietet, enthalten ist: mit dieser
stimmt H in einem Punkte, der Nennung des Grafen Peter
von Savoyen, näher als mit K 90, lOflF. Jene angehängte Notiz
wird also auf dieselbe Quelle zurückgehen, die H benützte,
und es liegt der Fall einer jüngeren Heranziehung von Quellen
vor, die auf die älteren Werke schon Einfluß genommen hatten.
Wir werden einer ähnlichen Erscheinung noch begegnen.
Im Sakramentswunder (das noch Thiel, Mitteil, des Inst,
für österr. Geschichtsf. XX, 593 f., als unabhängig von H an-
gesehen und neben H auf die ,verlorne' Chronik von Königs-
felden zurückgeführt hat) zeigt sich am besten das rein stili-
stische Element der Umformungen, die K an H vornahm.
Überschauen wir die Summe dessen, was K der Hagenschen
Chronik entnahm, so fUllt in hohem Grade auf, daß es durch
Zur Kritik d«r KtaicBfeldM* Chronik.
31
wegs Bestandteile sind, die H nicht ans der österreichiscben
Reimcbronik hat, nnd die Beobaehtnng wird nm so bedentsamer,
als die betreffenden Parallelstücke in H teils zwar durch Sinnes-
absatz sich scharf von den aus der Reimchronik genommenen
Nachbarstellen abgrenzen, teils aber auch innerhalb einer Satz-
einheit auftreten, in der sie einen der Reimchronik angehörigen
Wortlaut syntaktisch vollenden. Beides zusammen könnte auf
den ersten Anschein ein schwerwiegendes Bedenken gegen das
ans den Text- und Inhaltsverhältnissen gewonnene Ergebnis,
daß die Königsreihe in K dem aus Stammreihe und Grilndungs-
geschichte bestehenden Ganzen ursprünglich fremd war und
daß in ihr die Parallelen zu H aus direkter Benützung von H
stammen, erzeugen.
Allerdings stehen die in R 88, 89, 90 (bis 90, u) sich
wiederspiegelnden Hagenstellen in H als Ganzes beisammen^
das zwischen die der Reimchronik entnommenen Erzählungen
von der Prophezeiung, den Ansätzen zu einer Königswahl, den
Herrschaften des Landgrafen von Thüringen und Wilhelms von
Holland einerseits (H 1083 C) und die wieder der Reimchronik
folgenden Berichte über die neuen Wahlversuche (Richard von
England, Alphons von Kastilien) und die endliche Wahl Ru-
dolfs (H 1085 A) hineingestellt ist. Und allerdings beginnt
(vgl. oben S. 24) der die Parallele vom Lyoner Konzil in H
eröfinende Satz mit Worten aus der Reimchronik, die in K
fehlen. Aber wie diese seltsame Ausschließung von reimchro-
nistischen Anklängen in K zu verstehen sei, lehrt das, was der
Parallele vom wunderbaren Buch im Felsen (s. oben S. 26)
vorausgeht:
K 87, 27.
Darnach do man zalt von
gottes gepurt 1251 jar, do richset
Cunradus der dritt römsch
kunig, der was keyser Frid-
richs sun. Do nu sin vatter ge-
storben was, do zoh er gen
Napulz und gewan die statt
und zerstört sy und demütiget
damit alles BüUe. Der wart in
H 1071, 81.
Do fuor chünig Chunrat der
drit, chaiser Fridreichs sun, gen
Lambarden. Er schift an ze
Agle und fuor gen Püln. Im
halfen Gibling und Qelfen. Do
ward gestriten und der Cha-
relot sigloz. Do gewan auch
chünig Chunrad die stat Napels
und prach da nider die maur.
32
n. Abhaiidliiiig: S««mftlUr.
dem Dächgenden jare siech. Do
wart im geben ein cristir ver-
mischet mit gift. Des starb er.
Ze den selben ziten geschach
ein grofs wunder in dem riebe
Castelle . . .
Er besazz auch daz chünigreich
ze Cecili. Chünig Chunrat ward
darnach siech: dem vergab ain
arczt mit ainem Christen^ daz
mit gift wunderleich was ge-
mischt. Zu des Zeiten zu Ca-
stelle in dem chünigreich . . .
Die Verwandtschaft beider Berichte ist deutlich. Dennoch
besteht zwischen ihnen keine direkte Beziehung. R hat den
seinigen (wie in dem nächgenden jare < sequenti anno beweist)
aus Mart. Oppav. ad a. 1251 (SS. XXII, 472, 4i),i H aber, wie
die evidenten wörtlichen Übereinstimmungen zeigen, aus der
Reimchronik 148 — 222. Die Ähnlichkeit von K und H beruht
darauf, daß auch die Reimchronik an dieser Stelle hauptsächlich
den Mart. Oppav. benlitzt hat.
Auf diese in K und H aus verschiedenen Quellen und
unabhängig gestaltete Erzählung von Konrad folgt unmittelbar
in beiden die Auffindung des wunderbaren Buches, unter
direkten Anzeichen, daß K aus H schöpfte.
K begann also seine Königsreihe mit einer Notiz aus
Mart. Oppav. Derselben Quelle entstammen die auf das Buch-
wunder folgenden Notizen über Heinrich und Wilhelm:
K 88, 7.
Darnach wart lantgräf Hein-
rich erweit, ein lantgräf ze
Türingen. Darnach graf Wil-
helm, graflf von Hollande. Der
wart von den Friesen erslagen.
Die bestunden , das entweder
keyser wart.
Mart. Oppav. 471, 89.
. . principes elegerunt contra
ipsum lancravium Turingie.
Quo post parvum tempus mortuo
Guillelmus comes Hollandie de-
nuo contra ipsum a principibus
eligitur. Sed post parvum tem-
pus a fVisonibus occiditur et sie
uterqne electus caruit benedic-
tione imperiali.
Dem Hagentext fremd ist dann wieder die Notiz über
Rudolfs Wahl 89, 12, über seine Krönung in Aachen und dann
* Thiel a. a. O. 603 zitiert die Stelle ebenfalls, hielt sie aber, irregeführt
durch Böhmers Druck (li'onteä II, 110; doch vgl. dagegen schon B<$hiner8
Einleitung S. XV) für EUenhardisch.
Zur Kritik der Ktoigslbldar Chronik. 33
durch den Papst beim Konzil in Lyon 90, 16~24, über seinen
Zng nach Bisnnz und gegen Ottokar 91, 5, Rudolfs Tod 92, 2
und Adolfs Wahl 92, 7.
AUe diese Hagenfremden Notizen zusammen ergeben die
Reihe der Könige von Konrad IV. bis Adolf — das, was
schon oben S. 14 als Grundlage der ersten Hälfte des ersten
Teiles erkannt war. Dieses Gerippe wurde durch Entlehnungen
aus dem Hagen ausgefüllt. Die erste traf das Buchwunder, das
in H ebenso an die Regierung Konrads IV. angeschlossen ist,
wie in K. Am meisten lag dem Kompilator der Königsreihe für
seinen Zweck nattlrlich daran, die Regierung Rudolfs auszu-
statten: da er selbst Franziskaner war, interessierte ihn be-
sonders das Hagenstück, das den Heinrich von Isny mit der
Wahl Rudolfs in Verbindung bringt: damit war die Aufnahme
des ganzen zusammenhängenden Teiles H 1083,2 v.u. — 1085, 3
eingeleitet. Was in H folgt — die Wahlintriguen um Richard
und Alphons — konnte er, da er von Haus aus diese über-
gangen hatte, ebensowenig brauchen wie die Abschnitte über
Manfred, die österreichischen Verhältnisse nach Friedrichs des
Streitbaren Tod u. s. w., die in H an das Buchwunder sich
schlössen. Daß er jene zusammenhängende Nachrichtengruppe
trennte, hat darin seinen Grund, daß er den Rat, den Heinrich
von Isny dem Grafen erteilt und der in eine Belagerung Basels
ausgeht, vor die in seinem Gerippe schon vorhandene Wahl-
notiz setzen wollte, weil dem Gewählten die Kunde seiner Er-
wählung vor Basel gebracht wird.
An die Krönungsnotizen schlössen sich wieder bequem
die Konzilsanekdoten, die dem Verfasser deswegen interessant
waren, weil sich ihm an den Namen des Papstes Gregor —
den er mit dem 9. Gregor verwechselte — die Franziskus-
Reminiszenzen knüpften (90, si). Die Einleitung zur Stelle
vom Konzil in H {die zeit cham — genomen^ s. oben) konnte
er nicht brauchen, weil er eben vorher schon in seiner Grund-
notiz vom Konzil ja geredet hatte. Und was in H 1086, 8 v. u.
wieder auf die entlehnte Stelle folgte (Zusammenkunft in Lau-
sanne), war für ihn un verwendbar, weil er Papst und König
schon auf dem Konzil zu einander gebracht hatte.
Für die Regierungshandlungen Rudolfs glaubte er an der
Stelle von der Wahl an dem (aus H entlehnten) Anhang zur
SitxnngBber. d. phiL-hitt. Gl. CXLVII. Bd. S. Abb. 8
34 II. Abluuidliiag : SatmftUtr.
Liste der Nachkommenschaft und an seiner Gmndnotiz 91, 6
genug zu haben.
Damit sind die Partien erschöpft, zu denen seine Vorlage H
auch reiche Nachrichten aus der Reimchronik hatte. Ea ließ
sich ohne Zwang verstehen , warum gerade aus diesen nichts
nach K hinüberging.
Aus der kompilatorischen Natur der Königsreibe versteht
man nunmehr, wie ihrem Verfasser 89, lo der auffallende Hin-
weis auf die andern croniken, die von der herschaft von Oester-
rieh gemacht sind, in die Feder sich drängen konnte. Thiel
hat sich mit ihm a. a. O. 598, 602 beschäftigt und darunter
EUenhard, Matthias von Neuenburg und Johann von Winterthur
verstanden. Für unseren Zusammenhang kommen natürlich
nur die Stellen in Betracht, die in die Königsreihe fallen. Die
Parallele aus EUenhard (zu 87, 27) ist nach dem oben S. 32
Gesagten durch Mart. Oppav. zu ersetzen. Für Matthias von
Neuenburg ftihrt Thiel S. 599 an, daß K 89, 13 in Überein-
stimmung mit ihm die Wahl Rudolfs auf den Tag nach Michael
setze: uff den nechsten tag nach Sani Michels tag <Z Matth.
(Studer) 11, 24: II Kalendas Octobris — aber das sagt auch,
und in einem Wortlaut, dem K näher steht, das Chron. Colm.
SS. XVII, 243, 34: in crastino Michaelis ] ferner stimme K 89, lö
brächt man das urkund der wal erlich für Basel in das her
mit Matth. 12,4 Burggravius autem receptis de electione prin-
cipum literis utens duplomate Basileam ad Ruodolfi exercitum
. . . venit, wobei auf urkund <c duplomate der Hauptton gelegt
wird — aber das urkund heißt hier nichts anderes als ,die
Nachricht^, sowie eine Zeile später ze urkund des, das ,um an
den Tag zu legen, zu verkünden^ bedeutet; die nächste Über-
einstimmung findet er K 92, 2 Kilng Rudolff . . starb da man
zalt V, Chr. g. 1291 jar Idus Julii und war 73 jar alt und
hat 18 jar sines riches und wart erlichen begraben zuo dem
tum zu Spyr bi andern klingen <; Matth. 27, 21 . . moriens
Spire in sepulcro regali honorifice est sepultus anno regni
ejus XVIII — aber gleich darauf bringt Matthias (nach der
Grabschrift) den // Kalendas Octobris als Todestag — gegen
die richtigen Idus Julii K — und die ,18 Jahre* sowie die
Beisetzung in der Königsgruft finden sich bekanntlich auch
sonst. In K folgt femer die Notiz: Des selben jars Kalendas
Zur Kritik der K6fticif«ld«r Ckronik. 35
Martij do erlcuch die sunn^ die offenbar ein Reflex der von
EUenhard SS. XVII, 134, 84 und Ann. Colm. maj. SS. XVü,
218, 10 (hier mit dem Datum 15, Kalendas Martii) notierten
Himmelszeichen ist and die Mondes- mit einer Sonnenfinsternis
verwechselt hat. Da Ellenhard von einer circularis custodia
der Sonne and einer ,großen und sichtbaren^ Mondesfinsternis
redet, die Ann. Colm. bloß von dieser, so steht K, auch wegen
des Datums, den Annales näher. Die letzten Parallelen Thiels
endlich beziehen sich auf K 92, 13—16. Die Stelle gehört be-
reits zu den aus H stammenden. Dennoch sei bemerkt^ daß
die Sätze des Matthias, von denen K ausgegangen sein soll,
an sich schon ohne Beweiskraft sind (M 28, 23 ff.; 30, 9—14;
32, 16—18): an wörtlichen Anklängen ist nur söldner -< stipen-
diarius und santent ir . . hotschaft <C nuncios et literas de-
stinarunt vorhanden — beide maßten sich einstellen wegen
der Verwandtschaft der Gedanken, und diese Gedanken stehen
auch z. B. bei Ellenhard 135, 17, 37. Und für die übrigen in-
haltlichen Ähnlichkeiten wiegt genau so schwer (oder leicht)
Ellenhard 135, 12—15; 135, 17, 18, wo überdies der Ausgang
Adolfs mit seiner Entwürdigung durch die englischen Gelder
direkt in Zusammenhang gebracht ist, was der Kompilator bei
Matthias von Neuenburg 30, 12 zwischen den Zeilen hätte lesen
müssen; die letzte Stelle endlich: Aber hertzog Albrecht empßeng
die wirdikeit des heiligen Römschen richs mit eren (von Thiel
mit M 32, 16 verglichen), ist so allgemein gehalten, daß sie
überallher stammen kann und verdient Aufmerksamkeit nur
nach der früher betonten Richtung (vgl. oben S. 29).
Für Benützung Johanns von Winterthur führt Thiel S. 603
die Parallelen in der Erzählung der Beichtanekdote K 88, 26
< Job. V. W. (Wyss) 27 an. Tatsächlich steht ihre Fassung
in K der bei Johannes weitaus am nächsten. Ob Johannes
dennoch direkte Vorlage war, ist unsicher: die Art der Bannung
des Dämons, die Worte, die er spricht, stimmen auch hier nicht,
und Johannes nennt (innerhalb der Beichtanekdote) auch nicht
bestimmt, wie K, die späteren bischöflichen Würden Heinrichs.
Das Chronicon Colmariense zeigt in seinem parallelen Bericht
doch deutlich, daß um Heinrich sich — wahrscheinlich in geist-
lichen Kreisen — ein Ring von Sagen gebildet hatte. Sicherer
aber scheint ebenfalls auf Johannes hinzuweisen
3*
36
II. Abhandlung : 0eemftller.
K 90, 80.
Dirre ist gewesen Qregorius
de nünde^ der da sunderbar
eret und zuo der heiligen zal
tet schriben sanctum Francis-
cum. Der selb Gregorius krönt
och kling Ruodolff. Nu vieng
an sanctus Franciscus ander
Inocencio und kam bis an Ho-
norium. Also kam der dritt^ an
dem wir hie schriben, der hiefs
Qregorius.
Johann v. W. (Wyas) S. 3 f.
Hic (Qregorius IX.) canoni-
zavit Bononie beatum Domini-
cum, item beatum Franciscum,
qui ordinem suum incepit sub
Innocencio cursumque sub Ho-
norio perfecit gloriosum. Succe-
dens hiis Gregorius magnifi-
cavit anplius miraculis famo-
sum.
War Johann von Winterthur tatsächlich eine direkte
Quelle, so würde die Hinweisung auf ihn und auf die Hagensche
Chronik vollständig genügen, um den Plural K 89, 10 als man
in andern croniken vindet zu erklären, vorausgesetzt, daß man
den meritorischen Inhalt der Verweisung auf die bloße Tat-
sache der Belagerung Basels bezieht (deren Ursache : tvider die
er redlich sack hatty inbegriflFen). Der Kompilator würde
dann bloß andeuten, daß er diese seine Angaben in anderen
Chroniken, die von der Geschichte des Hauses Osterreich reden,
gefunden habe. Versteht man den Inhalt der Verweisung aber
so, daß er ausfuhrlichere Auslassung über die Gründe der
Feindschaft zwischen Basel und dem Landgrafen ablehnt, weil
man sie in anderen Chroniken finde, so blieben die Quellen, die
er meinte, dunkel: man hätte zunächst an die Herkunft seiner
Grundnotizen zu denken^ für deren zwei Mart. Opp. — den
man aber kaum unter croniken von der herschaft von Oesterrich
einbegreifen könnte — Quelle war, während für die übrigen
nur entferntere Beziehungen aufzuweisen sind. Aber auch in
diesem Falle, wie im ersten, läge als der Gegensatz zu den
anderen Chroniken über Oesterreich der Gedanke an die un-
mittelbare Quelle, die er gerade im vorhergehenden ausschrieb,
die Hagensche Chronik, zugrunde.^
* Es ist aber überhaupt nicht nötig, die Pluralform in andern croniken
ausschließlich auf eine logische Mehrzahl zu deuten: die Berner
Hagenhandschrift nennt das Werk — den Hagen — disse croniken (die
in difsen croniken lesentj, ebenso redet die unten S. 40 genannte Hand-
Zv Kritik der Königrfelder Chronik. 37
Die Reihe anklingender Qnellenberiehte , die Thiel be-
gann^ die oben fortgesetzt wnrde^ läßt sich ohne besondere
Mühe noch verlängern: in der Stelle von Rudolfs Wahl steht
dem und wart gräff Ruodolff erweit von allen kurfüraten an
von dem Küng von Behemj der was nit bi der wähl (K 89, 14)
znr Seite Quem omnes principes consensum suum beni-
volum adhibentes (vgl. 89, 4 warent die kurfürsten einberlich
ze rät worden) elegerunty ipsum dominum Ruodolffum in regem
Romanorumj excepto solo rege Bohemie, qui absens erat, qui in
eum tanquam in regem noluit consentire , Ellenhard 122, 60.
In der breiten nnd stilistisch die eigenste Art des Kompilators
verratenden Stelle von den Zuständen des Zwischenreiches ver-
gleicht sich dem Do stund in tiitschen landen grofs übel uff^
kryeg und morderyge, das nieman sicher war kofman noch
human (88, ii) am nächsten die breite Auslassung des Monachus
Ftlrstenfeld. (Böhmer I, 2), in der der viator und agricola
auftritt; und auch die starke Betonung des Friedens, den Rudolf
der Stadt Basel gab, ze urkund deSy das künftig was, das er
gemeinen frid der heiligen Christenheit uberal kurtzlich geben
und machen solt (89, 16), fände dort oder im Chron. Colm.
SS. XVII, 243, 11, 36 ihre Parallele. Und zur Notiz über Rudolfs
Beichtvater 89, 29 stünden aus Johann von Winterthur , für
dessen nähere Verwandtschaft mit K schon anderes sprach,
gleich zwei Stellen, 21 unten und 26,7 v.u., zur Hand, die
aber deswegen, weil K den Namen des Beichtvaters weiß und
überhaupt hier in persönlicher Weise (s. oben S. 16) seinen
Bericht färbt, ganz zurücktreten müssen.
IV.
Die Handschrift, die Qerbert vorlag (und die er, wie es
scheint, buchstabengetreu abdruckte) war eine mechanisch her-
gestellte Abschrift ihrer Vorlage. Sie enthält (außer den falschen
Jahreszahlen, Namen und anderen Sachirrtümern) eine ziemlich
große Zahl von Fehlern. Sie bestehen aber in der überwie-
genden Mehrheit der Fälle in Auslassung einzelner Wörter (a)
Schrift Ton der einen KOnigsfelder Chronik als von andern hiatorien
und Oonmieken,
38 n. Abhuidlnng : 8e9mÜUtr.
und Verßchreibungen (h)y die ich, soweit es zur Beurteilung
der Abschrift nötig ist, im folgenden aufzähle.
a) (das in runden Klammern Stehende ist ergänzt): 88, 6
Das buch (aach) und hört lesen ein Jud 88, 16 u/s gab und
hiilff (gottes) vereinten si sich 88, 18 de küng möcht gesin und
als (das) einem küng (zugehört) möcht , . volbringen 88, 23 der
riet den kurfärsten . . . (an) gräff Rudolff . . als an einen
fromen . . herren 89, 7 das er etlicher manhafter redlicher (tat
sich) underwunde ze tunde 89, 22 (Also) bald als Buodolff das
sach [vgl. 94, 15] 91, 16 und darin tet (er) 93, 21 in (der) fürsi^n
grab 94, 10 Leopoldus was . . Albrechtz drittgebom (sun) 97, 18
viel Villach und (vil) ander bürg und turnen und buwes 97, 21
vil velsen spielten (sich) 97, 29 und mxinot und (bat) oft sine
kinnt 97, 34 starb . . . (und ist) begraben 98, lO nach XII, ka-
lendas fehlt der Monatsname und 98, 36 vor XV^ kalendas
Junii die Jahreszahl. 99, 3 die was einem gr äffen von Oeting&n
(gemähelt) 99, 15 als von (im) stät geschriben 99, 24 und wart
kleidet ein klärerin und starb in dem (orden) und wart be-
graben . . 100, 11 Der beleib kein in dem land, denn gar wenig
zites Hb und guot was vervallen] . . land; den in gar wenig
zites ... 101,11 als es hütt den tag nach dem ögen wist] als
es hütt des tags [vgl. 102,30] sich [vgl. 97, 22] noch den ögen
wist 103, 12 und irs bruoder tochter (des) hertzogen 103,34 und
was von jugent uff flissig tiff liebes und hertze(n) reinikeit und
luterkeit und behuot (si) als ein sunder schätz mit ernst 107, 4
und wo einer mägtin (tag) /oder: hochzitlicher tag] waSj uff
den tag gab sy (den) frowen und den bruodern ein erlich mahl
107, 12 und (nam) ein klein zwehelen [von Gerbert ergänzt].
110, 1 Also (man von) Schwester Helg(arden) von Wolhusen seit.
b) a) Verschreibungen durch Vorausnahme von Lauten
des folgenden Wortes: 87, 28 des ivas keyser Fridrichs sun]
der was . . . 89, 29 Er hatt . . ein bichter in sinem hoff und
war er für das, was sant Franciscus orden] . . . war er für,
der xoas . . . 92, 8 an der statt dan man küng wellen sol] . . da
man . . , 97, 6 da was eingemält ein , J , . an gemalt , . 104, 1 1
die sich nach Zartheit der kintheit nit volbringen möchten] die
si , , . 105, 9 ze bichten de den bruodern] . . bi den . . 106, 7
und veriach öch da bis das sie nie so grossen lti,st gewan] . . da
bi, das,, ß) Wort- und BegriflFs Wiederholungen: 94,17 hertzog
Z«r Kritik dar Ktaictfaldar Chronik. 39
Lupoiden] za streichen. 102^ 16 Do tet er öch sin muoter und
sin tochter tn, [gott] ewenklieh got ze dienent 104, 7 die gesezte
der natur . . . die da [nach] etwas nach gunst als nach üher-
muot schmakt 105, 11 [do er] die wil er aber an endes not
lag, f) Andere Verschreibungen: 88, 9 von den frieslagen]
von den Friesen erslagen 90, 8 nu] nur (s. oben S. 23) 90, 10
davor] davon (e. oben S. 22). 90, 23 Do krönt Gregorius . . .
den küng und frow Annen einem gemahl] . . . sin gemahel
91, 14 genütz] gemütz 91, 19 ruchsent] richsent 92, 27 der] des
92, 34 halt] hielt 93, 30 sol] solt 96, 27 (das zweite) man] kein
(oder: ein) 97, 4 Der herre sicherlichen hie/s dar tragen] D. A.
sich erlichen h. d. tr, 98, 33 behebt und nsbegraben] , . . usge-
graben 99, 10 langent] lagent (vgl. Hagen 1140D) 100, 12 bruch]
iracÄ, ähnlich 101, Sb lüten] Uten 100,2^ Parys] Pis 101,19
tet einritten] tet ein ritten (a. ä. m.) 102, 6 vürenberg] Niiren-
berg 102, 20 des minne . . . sach sant Claran] . . . sant Clar an
102, 21 si] sich 103, 15 von gesucht . . siechen] von gegicht . . .
(vgl. Hagen 1137, 2) 104, ll übunge . . . nit venien] . . . mit
venien 108, i es] er 108, 6 undeguldig könnte leicht Druck-
fehler sein, and so ähnliches mehr, besonders 106, 32 getorft]
getorst 109, 34 irs] ir.
c) Dazn kommen syntaktische Fehler: Singular statt
Plurals 89, 9 wurd] vowrden 92, 16 nam] namen 99, 12 sant]
santen 102, 3 zwygete] -en; außerdem: 90, 8 wart wider kilnig
Fridrich . . . wart] wart . . . erweit 93, 27 küng Fridrich(s)
herschaft (u. ä. m.) 98, 31 erweit im] e. ir 100, 32 von dem] von
der (vgl. oben S. 18) 101, 2 also hie/s frow Elizabeth . . . küng
Albrecht [wart] . . . ufsgraben und , . . . ze füren.
Nur in wenigen Fällen sind die Entstellungen stärker:
87, 24 der Vordersatz vor Das ist fehlt, 88, 16 wo schon Qerbert
äußere Zeichen der Lücke vorgefunden zu haben scheint, 88, 29
ziLo der kam öch Oft de böfs geist anders dan in siner eignen gestalt,
das er nu ein engel lichtes schin, nu sich Christen nampt und
also mit manigvaltig wi dieselben person wölte andachtz irren
— steckt in wi der Anfang eines Wortes, das nicht zu Ende
geschrieben wurde (widereffunge , wirrunge)f 89, 9 Bald do
helag Ruodolff Basel die Herren statt — die herren in der
stat ze Basel? 91^ 7 und besä/s mechteklich Bisumtz und be-
zwange, das sy von not kraft des herren müsten sich an des
40 n. Abbtadlmig : Beemftller.
kiings gnäd ergeben — ? 91, 17 . . nam ain tochter junkfrouw
Angnes in allen gotlichen gnaden und lugenden zuo und beschlo/s
es mit einen guoten seligen end — das Objekt es deutet wohl
darauf hin^ daß vor und beschloß es ein Sätzchen ausgefallen
ist, in welchem von ihrem Leben die Rede war. 92,21 gen
sitz des Rines] wohl: jensits des E. 96, 5 Hie sint nu hertzog
Albrecht und hertzog Lupoid zwen herren zuo den ziten zuo ir
her Schaft grofs zuoversicht und Öch die iren haitont — nach ziten
ist wohl zu interpungieren und nach und öch ist wohl ein Wort
(truwe? vertruwen?) ausgefallen. 108, 8 nu ist der last mins
wewes (spricht ein Aussätziger) so grojs und so vily das ich
sulen von tve das ich oft gedult verlür — ?
Die verschiedenen Arten von Fehlern erstrecken sich zwar
nicht ganz gleichmäßig über das Ganze: aber sie lassen sich
ohneweiters aus der wechselnden Aufmerksamkeit eines und
desselben Abschreibers erklären. Schlüsse auf Textgestalt der
Vorlage (der nächsten oder einer entfernteren) erlaubt nur 90, 8
Hie sint nu funff^ über dessen Entstehung aus einer Glosse
oben S. 23 die Rede war; 93, 20 Dem wart ein sun von der
Katherinen von Arragoni^ der bloße Artikel vor dem Namen
ist verdächtig; von der von Arragoni wird das Ursprüngliche
und Katherinen aus einer Glosse entstanden sein — umsomehr
weil kurz vorher 93, li und 13 Friedrichs des Schönen Frau
richtig Elsbeth genannt war; vielleicht ist auch das einzige ald
106, 32 ein Rest aus der Vorlage, weil sonst der BegriflF ,oder'
durch als ausgedrückt wird.^
Eine Parallelüberlieferung zu K, die in der Handschrift
des britischen Museums Add. ms. 16579 (K') enthalten ist,*
^ Die Form ist sprachlich anffallig. Sollte konsequentes Verlesen durch
Gerbert zugrunde liegen? Aber im Schweizer. Idiotikon I, 198 finde ich
unter den Beispielen für als, freilich unter der Bedeutung ,wie, gleicliwie":
,Wenn es zitlich alss [zeitgemäß sowie (und)] möglich ist% ,Und sol denn
gon wader [auf welche Seite] er wil, nidsich als obsich* (beide aus dem
15. Jahrhundert), Eis as [so gut als] zwei (aus jüngerer Zeit) ,ohne Zweifel
für ungefähre Zahlbestimmung* — der Begriff ,oder* liegt hier ganz nahe.
Zur Vergleichung nenne ich aus K: 101, 7. 28; 104, 7. ii. U; 106, 5 (das
zweite als). 8 (das erste als). 19 21. 85 (was man mit gcld als mit edlem ge-
stein machen soltj; 107, 35. 36; 109, 13 (da man kilchen als priester wihetj.
' Hier beschreibe ich K' nur soweit es in diesem Zusammenhange not-
wendig ist.
Zur Kritik d«r Königsfeldw Chr«nik. 41
führt uns leider nicht weiter. K' war im 16. Jahrhundert in
tirolischem Besitz^ 1558 Hans Christians von Serntein^ dann
Christoph Friedrichs Fieger von Fridberg, ztdetzt 1588 Chri-
stophs Freiherrn za Wolkenstein. Sie wurde im 15. Jahrhundert
in alemannischer Gegend geschrieben. Hauptbestandteil der
Handschrift ist die Hagensche Chronik. Unmittelbar an sie
hat der Schreiber Bl. 180^ unter dem Gesamttitel: Es^ ist ze
wüssendy das Hiernach volgent ettliche stuck wirdig zs schriberij
gezogen vß andern Historien und Coronicken der edlen herschaft
Osterrich, die da vor nit beschrihen stand einzelne Stücke der
Königsfelder Chronik, jedes mit besonderem Titel versehend,
angefUgt. Er ist dabei so vorgegangen, daß er K mit dem
von ihm kopierten Hagentext verglich und jene ihm bemerkens-
werten Nachrichten von K, die er nicht schon im Hagen vor-
fand, nachträglich hier brachte.
So steht 1. BL 181**» unter dem Titel: Von küng Ottaker
Tochter j genant Agnes, ein stilcklin wirdig ze wüssen das Stück
Ottakorus — als ain Sidin fädemlin =i K 91, 13—84. Hierauf:
Von küng Ottakers leben und striten und anderm, wie er von
küng Rudolfen Römischen küng erschlagen ward, an dem Ixxxxij,
Ixxxxo. Ixxxxix, und cj. blettem. Damit ist auf die Hagen-
erzählung zurückverwiesen, die Blattzahlen stimmen durchaus
zur vorhergehenden Niederschrift.
2. Bl. 18P, 182» unter dem Titel: Von hertzog Albrecht
des Römischen küngs Albrechts fünfter Sün, wie es Im uf ain
mdl ergieng von ainem untrüwen Burger ze Wien, der in bofi-
lieh wolt eriMten^ das Stück Herczog Albrecht von Österich,
küng Albrechts fünffter Sun, hatt in siner Statt ze Wien — In
Sand Ciaren orden = K 96, 30 bis 97, 16. Am Schluß wieder
Verweisung auf die Stellen des vorhergehenden Hagentextes,
die von Albrecht II. reden.
3. Bl. 182^ 183». Titel: Von der kungin Elizabethen, küng
Albr des römischen küngs eliche tvittwe, und den swestern von
seflingen und von dem closter Küngfifeld, Beginn: By des vor-
geschriben Herczog Albrecht zyten, In und vor dem das Closter
' Ich zitiere aas K' buchstabengetreu, jedoch mit Auflösung der Abkür-
zungen, wo sie sicher ist, und mit Vernachlässigung der handschrift-
lichen Interpunktion.
42 II. A^handlong: StemtlUr.
Kungsfeld gebuwent ward ah obstat^ warend ze Seflingen wdr
Goltz dieneriu] Ende: do man zalt nach Christi gebart zwölf-
hundert und drüundfünfzig Järe = K 101, 32 bis 102, 2» ;
wieder mit Schlußverweisung auf Hagen.
4. Bl. 183% 183^. Titel: Hie nach volget aber etwas von
dem buw daselbs, Beginn: Es ist auch ze wüssen^ Do man das
Closter Küngsfelden buwen solty do müßt man — zu Ir nodturft
= K 102, 33— 3G. Rück Verweisung.
5. Bl. 183*» — 188*. Titel: Von küngin Agnesen von ungern.
Hie nachvolgent ettliche schöne stück von der Seligen und gaist-
liehen frowen frow Agnesen wilent küngin ze ungern, von Irem
hailigen leben und guttat, die von Ir nit beschriben ständy als
ob stät. Beginn: Frow agnes küng Andres von ungern gemahel;
Ende : daz die küngin zu dem Sacrament waz gangen = K 103, 33
bis 110, 9. Rtlckverweisung. Doch hat K' nicht das ganze
zwischen 103, 34 und 1 10, 9 K liegende Stück abgeschrieben, son-
dern nur einzelnes daraus, indem es immer wieder abbrach,
wenn es auf die bereits im vorhergegangenen Hagentext ent-
haltenen Einzelheiten stieß. K' hat demnach in dieser Strecke
aufgenommen : 103, 33 bis 104, lo was sich traf uff andächt.
Hier endigt Bl. 184^, nach diesem ist ein Blatt ausgefallen und
der Text setzt auf Bl. 185* erst wieder ein mit 105, 12 vogel,
da by der küng verstund und reicht bis 105, 17 XVIII kal.
Februarij. Dann folgt 105, 24 Item über difi alles bis 105, 31
hatt achzig mark. Der in K nun folgende ganze Abschnitt
105, 32 bis 106, 9, der das Witwenleben subjectiv, breit und in
schwer verständlicher Satzftigung (vgl. 106, 5—7) schildert, ist,
obwohl er in H nur den Anklang 1138, 26-28 hinterlassen hat,
kurz zusammengezogen in den Worten: Ir vatter küng Albrecht
lebt dennocht noch, do Ir gemahel küng Andres gestarb y und
vieng ain hert streng leben an. Es folgt 106, 17 Also nachdem
und Si gen Küngsfelden kam^ büwt Si Ir ain klain demütig
hus — 106, 28 desselben Järs sterben solt Hierauf 106, 31 Das
ampt hört Si — 106 34 uf gottes dienst; 107, ii Item So Si
etwan müßt — 107, 21 als ain Ritter; 107, 26 Item als die hoff-
statt — 108, 19 bi Irs vaters tod warend gesin; 108, 29 Item
ivas Si fröiden — 108, 37 die zit ze lang ward] 108, 40 Item
do Ir Rudolf herczog, herczog Albr Irs Bruders Sun, den tom
von der Cronen Jesu Christi brächt und gab^ als dann ob ge-
Zor Kritik der KAaigsfeld«r Chronik. 43
Bchriben siAty sprach 8% zu Ir selber: 0 agnes (verkürzt, weil
zum Teil schon Hagen 1139, 16 enthalten) — 109, il an sinnen
und an wißhait] 109, 27 Item Si was auch also milt — 110, 9 zu
dem Sacrament toaz gangen. Diese umfängliche Partie stellt
die fast philologische Sorgfalt des Mannes besonders ins Licht:
Er ändert selbst wenn er mitten in einer kopierten Stelle steht,
ihren Wortlaut (dem er sonst treu folgt), dann^ wenn er auf
Hagenreminiszenzen stößt: zu 105, 32 ff. ist das schon bemerkt,
es zeigt sich auch im Eingang zu 103, B3, den er in Rücksicht
auf Hagen 1137,46—53 verkürzt, so daß er erst 104, 8 mit Si
icas kurtz an person in den Wortlaut von K genau einlenkt;
es zeigt sich in den cds ob stät u. ä., die er in die Kopie aus
K einschiebt, wenn er auf früher bereits Erwähntes trifft, den-
noch aber um der tiberwiegenden Neuheit des Zusammenhanges
willen nicht kürzt. Von dem Mehr der Königsfelder Quelle
hat er nur wenig übergangen: die 2*/, Zeilen 107, 22—24, von
Agnes' Werk der Barmherzigkeit an Sterbenden — wohl weil
er es in den sechs Werken der Barmherzigkeit H 1139, 42 ent-
halten dachte; ferner die speziellen Lokaleinzelheiten 109, 12—22.
So geht K' auch in den letzten Stücken aus K (An-
hang) vor:
6. Bl. 188^. Titel: Wenn die stat waldshüt gebüwen syg.
Beginn: Item in dem Jar\ Ende: all widerspenig und unge-
horsam zömpt «r = K 111, 14-26. Dabei läßt er Kill, 2if
Damach Oesterich — erschlagen weg und ersetzt es richtig
durch sein als obstat und verweist auch zum Schlüsse (wo er
die Notiz von K über Rudolfs Tod übergeht) ausdrücklich auf
das Vorhergehende. Allerdings ist ihm diesmal ein Übersehen
passiert: ein Teil des in K 111, uff. Enthaltenen — die Kriegs-
taten Rudolfs Z. 17. 18 und 24 (Thüringen), vgl. oben S. 6 —
war schon im Hagentext 1084 f. geboten.
7. Bl. 188^. Von ainem kalten winter. Beginn: Item anno;
Ende: und uf der Aren = K 112, 23 bis 112, 26.
8. Bl. 189'. Von ainem grossen stryt des selben Jars, Be-
ginn : Item zu demselben Jär ; Ende : daselbs erschlagen tcurdent
= K 112, 27-^32.
Die sorgfältige Arbeit des Sammlers hat für uns geringen
Wert, weil er für sie keine andere Vorlage gehabt hat als
eben denselben Text, den später Gerbert uns überliefert. Nicht
44 II. A^handlang: SeemtUer.
bloß der Umstand , daß die Vorlage von K' dieselben bunten
Notizen des Anhangs enthielt, deutet darauf hin, sondern die
Textverhältnisse beweisen es vollends.
K' zeigt keine anderen sachlichen Abweichungen von K
als solche, deren individaeller Grund jedesmal klar liegt: er
schreibt 106, 24 daz Closter ze Küngsfelden (statt: unser closter),
läßt 102, 5 hie weg und verändert es 102, 7 in ze Küngsfelden^
weil er selbst kein Königsfelder ist;^ er läßt aus, weil er schon
Mitgeteiltes nicht wiederholen will; wo er kürzt (vgl. Nr. 5),
ist der Grand jedesmal zu erkennen. Er ändert formell, um
einzelnen Stücken, die er aus dem Ganzen herausnimmt, passen-
den Eingang zu geben (s. die Belege in den Zitaten der Ein-
gänge), ganz selten, um eine syntaktische Form seiner Vorlage
zu. ändern : 97, 4 Kument . . . und sehent das K] . . . das ze
Sechen K', 105, 13 hiesch das die küngin käme und ein krütz
mit ilr brehte] fordert die küngin ze komen mit ir bringende
ain kriitZy 112,25 do wurdent die wasser als grofs und des ises
vil bruggen hin giengent] . . . also groß das dadurch und des
yß vil . . .
Die meisten anderen Abweichungen bewegen sich in den
engsten Grenzen gewöhnlicher Schreiberänderungen , willkür-
licher und unwillkürlicher. Ich zähle sie — abgesehen von
rein sprachlichen Varianten und Verbesserungen sichtlicher
Fehler der Vorlage, von denen nachher zu reden ist — für
Nr. 1—3 vollständig auf: 91, 22 siech tagen K] siechtum K'^
91, 23 ihn s'ölte salben] Jnn damit sölte salben y 91, 30 ist öch
das guot ze hören] ist gut das ze hörend, 96, 31 gar und gar]
gar und vast, 97, 14 kam er] kam er ze ainem mal, 97, 14 nach
Küngsveld] gen K, 102, 3 nam , . . pflantzerin] nam daruß
pßantzerin, 102, 7 hie/s eine Guota und ander hie/s Begnigna]
. . , G. die ander JB., 102, 8 Die beyd] Die ouch baid, 102, lO
nach den kam] nach den kam do, 102, 21 iren wil und das seil]
. . . und sailj 102, 22 von Chr. gj nach Chr. j., 102, 33 schwer]
vast schwär y 102, 36 dis tags] des tags. Es sind in der Regel
kleine abrundende Zusätze, leise syntaktische Änderungen, selten
Auslassungen. Diese Kategorien wiederholen sich im folgenden;
^ Wenn er daher 102, 15 in unsern orden beläßt, so darf man schließen,
daß er Franziskaner war.
Zur Kritik der Königsfelder Chronik. 45
die stärkste Abweichung dieser Art ist 109, 7 da9 du mich
ncLch diner aele begirde besessen käst] . . . beschlossen h. und
etwa 112, 25 anno predicto] am vorgedächten Jar.
Daß der geistliche Herr, der mühsam das Mehr einer
zweiten Quelle heraussuchte, auch leichte Fehler zu verbessern
geneigt war, ist wohl begreiflich; in der Tat hat er von den
S. 38 ff. aufgezählten Fehlern verbessert: in der Gruppe a):
91,16; 107,12; ba): 97, 6; bß): 102,16; 104, 7 (wobei K' zu
die da nach gunst ald . . . korrigiert); by): 91, 14.19; 102,
6.20.21; 106,32; 107,86; 108,1.5; 109,34; c): 102, 3. ün-
verbessert blieben — (natürlich abgesehen von 104, il ba)
und by), 105,11 bß), die in Lücken von K' fallen, und von
103,34 o), wo K' den fehlerhaften Satz bei der Zusammen-
ziehung des Textes der Vorlage überhaupt ausließ) — nur a)
110, 1, by) 97, 4, ferner 91, 17 und 108, 8 [wo K' fulen (statt
sulen K) liest], vgl. oben S. 40; hier lag der Fehler etwas
tiefer und K' nahm keinen Anstoß am Texte seiner Vorlage.
Schon die Art, wie er die Wiederholung von nach in K
104, 7 (bß) korrigierte — indem er dabei auch ein wahrscheinlich
echtes Wort (etwas) ausließ — legt nahe, daß R seine direkte
Vorlage war. Ahnliches lehrt 1 10, i (iz), wo K' den Fehler nicht
bemerkte, aber Hilgarden liest: Also Swester hilgarden von
Wolhusen sait: daß er selbst aus Unachtsamkeit den Dativ
hilgarden in den Text gebracht hätte, ist bei seiner sonstigen
Art unwahrscheinlich; K hatte also an dieser Stelle wohl nicht
Helgy wie Gerbert druckt, sondern Helg mit einem Abkürzungs-
zeichen.
Vollends erweist sich K als unmittelbare Vorlage, indem
der sorgfältige Schreiber von K' die wohl durch eine Glosse
entstandene Dittologie 111, 23 Sabaudie Safoy getreulich über-
nimmt (Sabaudie Saffoy), und 111,21 den lantgrafen ze Zürich
liest: K hat hier den lantgrafen ze Turigie (er meint Turingie)
— eben diesen Fehler muß der — wie 112,26 zeigt — latein-
kundige Verfertiger von K' vor sich gehabt haben, wenn er
das hier höchst auffallende Zürich niederschrieb.
Wenn wir denn auch aus der Überlieferung K' keinen
Ertrag für die Geschichte der Entwicklung des Textes K
schöpfen, so ist uns die Tatsache doch lehrreich, daß die
Hagensche Chronik, die in einzelnen Partien auf ^K beruht.
46 II. AbhuuUuig : Stemtlltr.
einen Kopisten fand, der Ergänzungen zu ihr, und zwar zu
eben jenen Partien, die von Haus aus dem Texte *R ent-
stammen, einem Ausläufer von "^K, unserem K, entnommen
bat: eine und dieselbe Handschrift bietet uns neben einander
Kopien des von H bereits bearbeiteten und des selbständigen
Königsfelder Textes. Die Analogie ist uns von Wert fiir das
Ergebnis, das sich uns bezüglich der Beschaffenheit von K
ergab: K ist Ausläufer aus *K, das eine Quelle von H war,
und sein Eingangsteil ist hinwieder aus H ergänzt.
Die Handschrift des britischen Museums ist, so lange sie
noch in Tirol war, abgeschrieben worden: die Kopie liegt im
Kod. 905 der Innsbrucker Universitätsbibliothek vor. Und
aus dieser Handschrift floß der jetzt im Innsbrucker Landes-
archiv aufbewahrte Kod. Nr. 190. In beiden ünden sich auch
jene Stücke aus K, die K' enthält. Auch sie sind denn ohne
Wert ftir die Kritik von K. Ausführlicheres über den Cod.
mus. brit. und seine Ausläufer wird die Beschreibung der
Hagenhandschriften bringen.
Die Art und der einheitliche Charakter der Fehler des
Gerbertschen Textes lassen schließen, daß die nächste Voriage
von K im wesentlichen bereits die Gestalt der Kopie hatte.
Hinter dieser nächsten Vorlage liegt ein Stadium des
Textes, in welchem eine und dieselbe Hand Kennzeichen ihrer
Eigenart in den Wortlaut des Ganzen gebracht hat. In der
Königsreihe taucht 91,14 in dem Exkurs über das Prager
Klarissenkloster das lobende Epitheton vemant (berühmt?) auf:
Derselb Ottakorus was gar ein vemant man libs und gemütZy
es erscheint in ihr nochmals 92, 17 Hertzog Albrecht von Oeste-
richj der do zemäl ein vemant herre was von vestigkeit und
grosmütikeit, steht in der ganzen Stammreihe, trotzdem gerade
dort mehrmals Gelegenheit war, es zu verwenden, nur einmal:
96, 18 Albrechtus hertzog was ein vemant fürst der unsheit und
aller fromkeit, kehrt dann in der Gründungsgeschichte wieder,
in einer Anekdote, die vom Laienbruder Strobel 101, i7flF.
erzählt wird: Do tet dirre Strobel ein ritten mit spis und mit
Schild mit dem aller vernantesten man libs, sterke und gemütes,
der do was under allen herren. Dieselbe Notiz, die durch das
erste vernant gekennzeichnet ist, beendet die Erzählung von
Ottokars Tochter mit der Formel 91, IS: und beschloß es mit
Zur Kritik d«r KAoigifeldAr Chronik. 47
einen guotef$ seligen end mit gott richeent ewenklichen-^ so endigt
auch der Bericht über der Königin Agnes Tod: tvart darnach
. . begraben . . richeevU mit gott Vater sun und heiliger geiet
ewenglichen un ende. Amen 1 10, 85.
Diese Hand war aber nicht dieselbe, die die Entlehnungen
aas Hagen in die der Stammreihe nnd Gründungsgeschichte
vorgeschobene Eönigsreihe einfügte: denn diese gebraucht als
part. praet. des verbum substantiviim die Form gewesen (vgl.
oben S. 25), jener Interpolator aber gesin. Es ist ja auch
sachlich nicht wahrscheinlich, daß derjenige, der 89, 18 ff. den
König Radolf durch den Papst in Lyon krönen Ueß und von
Gregor IX. redet, in der vermutlich interpolierten Anekdote
vom Bruder Strobel 101, IB Lausanne und Gregor X., ohne den
Gegensatz zu merken, niedergeschrieben haben sollte.
Ob ein und dieselbe Hand die Grundnotizen zur Königs-
reihe angelegt und dann ihre Erweiterung durch die Hagen-
stellen besorgt hat, bleibt dunkel. Nichts spricht entschieden
dafür, aber auch nichts dagegen, darum mag es gestattet sein,
sie hypothetisch einem Verfasser zuzuschreiben. Von ihm ist
denn der Interpolator zu unterscheiden, der in das ihm vor
liegende, bereits aus Königsreihe + Stammreihe + Gründungs-
geschichte bestehende Ganze die Notiz vom Prager ELlarissen-
kloster und die eng damit verbundenen Geschichten vom Finger
des heil. Nikolaus geschoben und wohl auch an die Nennung
des Bruders Strobel die Notiz von seiner Waffentat in Lausanne
angef> hat.
Wem das in der Königsreihe noch Erübrigende, die
Beichtanekdote und die Notiz über Rudolfs Beichtvater an-
gehört, steht dahin. Das auch hier zutage tretende Interesse
am Franziskanerorden beweist nichts, denn es zeigt sich ebenso
beim Verfasser der Königsreihe, beim Interpolator, in der
Stammreihe und in der Gründungsgeschichte — das Werkchen
ist in allen Hauptphasen seiner Entwicklung an die Ordens-
kreise gebunden gewesen, ja noch der Exzerptor in der Hand-
schrift des britischen Museums war Franziskaner.
Jedenfalls geschah erst mit Vorschiebung der Königsreihe
die Einteilung der ursprünglichen und nunmehr erweiterten
zwei Bücher in die SO, beziehungsweise 31 Kapitel. Eine
formale Spar ihres jüngeren Ursprunges liegt darin, daß auf
48 II. AbliADdlang: SteiiiftlL«r.
das neutral gebrauchte teil in 87,19: Und des buchs sint zwey
teilj unmittelbar folgt Der erst teil hat 30 cappitel. Der ander
teil . . . Jene Einteilung ist in der uns vorliegenden Über-
lieferung wohl nur äußerlich verwischt.
Die Form gewesen, die dem Verfasser der Königsreihe —
genauer gesagt den Entlehnungen aus Hagen — angehört, er-
scheint wieder in der Stammreihe 96,16: ..der was keyser
Karolus bmoder, der öch kling ze Behem was gewesen, und
dieser Relativsatz verrät sich auch inhaltlich durch den Ana-
chronismus, den er enthält, als jünger: als die Stammreihe ver-
faßt und mit der Qrtindungsgeschichte verbunden wurde, lebte
Karl IV. noch (vgl. 94, 8 und oben S. 12), für den Verfasser des
Zusatzes (gerade so wie für den Interpolator der St. Nikolaus-
wunder 91,24) war er schon tot.
Noch ein anderer jüngerer Zusatz ist in die Stammreihe
gedrungen : 94, 22 ist von Agnes, der Tochter Leopolds IL, die
Rede: Die ander tochter wart einem hertzogen von Polanden,
darauf folgt ein Zusatz die hette bi kurzen ziten noch gelept,
den schon Gerbert als jünger erkannte (Agnes f 1392). Rührt
auch er von dem, der für die Königsreihe aus Hagen entlehnte,
so muß er bald nach Vollendung (der ersten Fassung) des
Hagen (1394) gearbeitet haben.
Möglich wäre, daß in der Stammreihe auch die Anekdote
von Albrechts IL Erlebnis mit dem Wiener Bürger 96,30
jüngere Einfügung ist: es ist die einzige breitere und lebhaft
durchgeführte Erzählung in der Stammreihe, und die Hagensche
Chronik, die dergleichen liebt, hätte sie wohl nicht übergegangen,
wenn sie sie schon vorgefunden hätte.
Die in den Abschnitt über Albrechts Tochter Katharina
99, uff. eingeschobene Reliqniengeschichte mit ihren die Fa-
milie Anjou-Neapel betreffenden Einzelheiten ist ebenso bei-
läufig — auf Namensnennungen hin — eingefügt wie die Inter-
polation 91, 14 ff. und stofflich sogar mit ihr verwandt. Über
die bloße Möglichkeit ihres jüngeren Ursprungs — etwa von
der Hand des Interpolators — ist aber nicht hinauszukommen.
Am wenigsten ist die Gründungsgeschichte angetastet
worden: außer der bereits erwähnten kurzen Interpolation (und
der Schlußphrase?) wird sie ziemlich getreu überliefert sein.
Zur Kritik d«r Königsfelder Chronik. 49
Wir überschauen nimmehr die Entwicklang des kleinen
Denkmals. Zu Grande liegt eine 1365 verfaßte Geschichte
der Gründang Eönigsfeldens durch Elisabeth und des Lebens
der zweiten Stifterin Agnes. Ihr wurde 1365/66 eine Genealogie
der Babsburger von Albrecht I. ab vorgeschoben und mit
Herstellung eines Überganges zu einem Ganzen mit ihr ver-
bunden. Um die Mitte der 90" Jahre wurde die Genealogie
bis auf Rudolf zurückgeführt: der Teil, der damals vorgeschoben
wurde, hatte eine Reihe der deutschen Könige von Eonrad IV.
bis Adolf (eingeschlossen), wobei Rudolf besonders berück-
sichtigt war, zum Kerne und dieser wurde durch Entlehnungen
aus der Hagenschen Chronik erweitert. Die alte Einteilung
in zwei Bücher wurde beibehalten und nur das erste vergrößert.
Dabei dürften unbedeutende Zusätze auch in die ältere Stamm-
reihe von Albrecht ab eingedrungen sein. Mit der Vergrößerung
des Ganzen wurde wohl auch eine neue Untereinteilung der
zwei Bücher in 30, beziehungsweise 31 E^pitel verbunden,
die aber nur unvollständig durchgeführt ist.
Dieses neue Ganze wurde später interpoliert, ohne daß
aber dabei der sonstige Wortlaut des Überlieferten anders als in
leichten stilistischen Änderungen angetastet worden wäre.
Es erhielt auch annalistische Anhänge, die bis 1411
reichen.
In der weiteren Überlieferung traten nur die gewöhnlichen
Schreiberverderbnisse ein. Aus ihr ist uns bloß eine Kopie, die
im Jahre 1442, vielleicht durch Clewi Fryger, hergestellt wurde,
dadurch erhalten, daß einerseits Martin Gerbert sie benützt
und abgedruckt hat, anderseits Stücke aus ihr in die Hand-
schrift des britischen Museums (und deren Ausläufer) über-
gegangen sind.
Die Kopie von 1442, die Grundlage unserer Kenntnis
des Werkchens, ist daher nicht als Auszug, sondern als mehr-
fach erweiterte junge Überlieferung des Originals anzusehen.
Clewi Fryger hat mit der Abfassung des Ganzen oder einzelner
Teile nichts zu tun. Der Ursprung des Werkes sowohl als
seiner hauptsächlichen Erweiterungen ist in den Kreisen der
Königsfelder Franziskaner zu suchen.
Sitznngsber. d. phil.-httt. Kl. GXLYII. Bd. S. Abh.
CHAJES-KIBSTE. JOdische und jQdisch-mdiBcbe Orabrnscbriftan ans Aden.
Ansicht der ?üdarabiEch«D Stftdt Adeu tod einer der nordweEÜicbea
III. Ähh.: Chajet-Kirtto. Jüdiaolie nnd jftdisch-indisehe Onbiuschriften 0tc. 1
m.
Jüdische und jüdisch-indische Grabinschriften
aus Aden
EL F. Ohajes.
Mit einer Besprechung der indischen Texte
TOB
J. Kirste.
(Bfit 1 Tafel and 8 Abbildangen im Texte.)
Einleitung.
Jüie Juden Südarabiens waren von nicht geringem Ein-
flasse auf die Geschicke Jemens. Es genügt^ an das jüdisch-bim-
jarische Reich zu erinnern, dessen Bedeutung nicht unterschätzt
werden darf, wenn auch noch Einzelheiten der letzten Aufklärung
karren.^ Schon in den ersten christlichen Jahrhunderten war
die Zahl der Juden Jemens so erheblich, daß sie durch Ein-
wanderung auch in Nordarabien die religiösen Anschauungen
beeinflußten und in den Denkmälern Spuren hinterließen.*
Es ist deshalb nicht wenig auffallend, daß uns die jüdischen
Quellen vollständig im Stiche lassen und nichts über die Ge-
schichte der Juden in jenen Gegenden zu berichten wissen.
^ Zar jOngsten lateratar vgl. B. David »Hirtoire de la litt^r. syriaqae'
1899; Hiaöyy ,BeTae sömitiqae' Vm, p. 88 s.
' Za Tgl. Glaser »Skiase aar Qeechichte und Geographie Arabiens' H,
p. 123 ff.; Revae des Stades joiyes, t. ZXIJI; WZKM Xin, 8. 363 f.,
aach ib. X, S. 285 f., jüdische Begriffe in lifeijanischen Inschriften bei
D. H. Malier JBpigraphische Denkmftler aas Arabien^ Wien 1889,
8. 70. 71 (hieran Tgl. noch Glaser ,8kisae zur Geschichte Arabiens' I,
8. 12). Vgl. Epstein ^Bldad ha-dani', p. XYIIf.
SitrangflMr. d. plal.*hut. Kl. GXLYII. Bd. 8. Abh. 1
2 laAMaadlwig: Cbsjei-Kirtte.
Ans der Geönimzeit besitzen wir kaum spärliche Notizen^^
auch Benjamin of Tadela in seinen Reiseberichten (vgl. englische
Ausgabe ed. Asher p. 113 s.) bietet nichts Erwähnenswertes.
Das Sendschreiben Maimonides' (12. Jahrhundert) an die Ge-
meinden Jemens (|&'n tihy^) kann uns höchstens über einige
Punkte kulturhistorischen Inhalts aufklären. Die dortige Lite-
ratur, über die Neubauer in seinem Artikel ^The literature of
the Jews in Temen' (Jew. Quart Review III, p. 604 s.), handelt^
verrät keineswegs eine hervorragende Produktivität. Bibel-
manuskripte, Targumtexte (vgl. Prätorius ,Targum zu Josua'
1899, bes. p. VIII,' Dalman ,Grammatik des paläst. Aramäisch'
p. V) hebr.-arab. Grammatik QPetite grammaire h^br.' ed.
Neubauer, Leipzig 1891), Sjnagogenlieder und Hymnen (hebr.
und arab. vgl. das Sammelwerk hww^ rriT&T, Aden 1897, an-
gezeigt von Steinschneider ,Zeitschrift für hebr. Bibliographie'
1900, S. 125 f.)* und Talmuderklärungen* bilden so ziemlich
das Um und Auf dieses Schrifttumes. Bleiben schließlich die
unkontrollierbaren Traditionen, die der ehrliche, aber kritiklose
Jakob Saphir aus Jerusalem (um das Jahr 1860) sammelte (s. pk(
TM Teil I Lyck 1866, Teil U Mainz 1874).
Die Juden Adens im speziellen wissen — den Angaben
Saphirs (1. c. II, p. 1 ff.) zufolge — zu berichten, daß sie seit
dem grauen Altertume in Südarabien wohnen und daß ihre
Stadt mit dem biblischen nn: paev (Deut. XX. 8 u. s.) identisch sei.
Diese abenteuerlich-willkürliche Mitteilung reiht sich würdig an
jene R. Obadjas, daß in Aden ,bekanntlich' das Eden zu suchen
sei (vgl. die ernstgemeinte Widerlegung bei Saphir p. 3 f.).
Erwähnenswert ist im übrigen, daß äthiopische Quellen (bei Fell,
ZDMG XXXV, S. 49) folgendes haben: ,Die Juden waren im
Lande Sab& sehr zahlreich. Sie waren nämlich geflohen vor
den römischen Königen, den Königen Vespasianus und Titus.'
^ Vgl. den 8. 2 genannten AnÜMts Nenbanen, p. 606, n. 8 «probably on
the eleventh centnrj'.
' Vgl. noch Prätorius »Das Targnm snm Bach der Richter in yem. Über-
lieferang*, Berlin 1900. Anch AI. Kohats ,8tadie« in Yemen-Hebrew
Literature*.
' s. Bacher IQR April 1902, auch in Berliner-Feitschrift (1908), P. Heinrich
,Fragmente' etc. (Komm. Gerold 1902).
^ 8. Neubauer, ib. 8. v. Talmud.
Jüdisch« aad j1ldia«h*udise1i« OnlniiMhiifttn mis Aden. 3
I.
Bei dieser Dürftigkeit an Angaben müssen wir jene be-
scheidenen Beiträge, die uns Grabinschriften bieten können,
mit Dankbarkeit begrüßen. In der Tat wurden die bislang
publizierten, Gegenstand eingehender Erörterungen.
Die ersten zehn Inschriften aus Aden veröffentlichte der
mehrfach genannte Jakob Sapfair in der hebräischen Zeitschrift
,p»bn' (J. III. H. 4, wieder abgedruckt in seinem Werke II,
p. 10). Sie sind datiert 1 — 61 tmawh = seleucidische Ära,
demnach 311 — 2öO ante Chr. Trotz arabischer Eigennamen,
mittelalterlicher Eulogieen und späten Stiles hatte Saphir ur-
sprünglich die beneidenswerte Naivität, sie der vorchristlichen
Zeit zuzuschreiben und richtete gegen die ,bösen Kritiker' einen
langen Exkurs (ib. p. 11 — 29).
Eine ähnliche Inschrift (aus dem British Museum) publi-
zierte M. A. Levy in ZDMG (Bd. XXI, S. 158 f.), die er in der
Meinung, daß 'm = 1000 zu ergänzen sei, in das 8. Jahr-
hundert p. Chr. setzte. Ahnlich Madden (^istory of Jewish
Coinage', 1864), der folgendes (p. 318, B) mitteilt: ,The inscrip-
tions on the sepulchral stones from Aden, now in the British
Museum.^ These are four in number, of which two are dated,
one A. D. 717—718 and the other A. D. 916—917. It is re-
markable that the forms of | (i) *§• (t) T (0 ^nd ;#• (3) corre-
spond closelj with those on the earthen bowls found at Babylon.
The . . . f^ . . for Aleph . . seems to be of Himyaritic or Ethiopic
origin.' Ein flüchtiger Blick auf die beigegebene ,plate of
alphabets' zeigt jedoch, daß die Schriftzeichen der Inschrift
aus dem Jahre 916 entschieden älter sind als jene der an-
geblich aus dem Jahre 717 herrührenden (in der ersteren
r*i? +9 ;*•> ü> ^^r letzteren k. t. a). In der Tat schreibt auch
Ascoli in seiner Schrift ,Iscrizioni di antichi sepolcri giudaici'
(p. 32 Anm.) folgendes: ,Un amico mio procura il fac-simile del-
Talfabeto che si ricava da altra epigrafe adenese, la quäl sarebbe
del 916 d. C. Son lottere che mi pajono sicuramente piü an-
tiche di quelle dell' epigrafe che s'^ voluta del 718 d. C
^ Aach Saphir (1. c.) berichtet, daß nach der Okkapation dnrch England
alte Steine nach London gebracht wurden.
1*
4 in. AMumdliiiic: Gbajoi-KirBt«.
Zunz (in Geigers ^Jüdische Zeitschrift* Jahrg. VI, 1868,
S. 76) schreibt: ,Vermatlich fehlen der dortigen Inschrift 16
oder 17 Jahrhunderte, vielleicht noch mehr; der Stil verweist
dieselbe in das lö. oder 16. Säknlom; vielleicht ist rov in rrw
= 900 zu emendieren*. Auch Geiger (ib. Bd. XI, 1874, S. 266)
meint, daß neben dem 'm auch Hunderte weggelassen wurden,
und kommt zum Resultate (S. 266), daß die Inschriften ,ft'ü-
hestens dem 12. Jahrhundert angehörend Wright in ,Oriental
series* (der Paleogr. Society) II, p. XXIX sagt: ,the thousand
is omitted; but that a hundred, or hundreds should also be
left out is very unlikely^ Doch muß er in den ,additions and
corrections' zugeben: ,several scholars, including Prof. Euting
of Strassburg, think that this inscription is of a later period . .
818 . . 918^ Außer Lenormant ,E8sai sur la propagation de
Talphab. phenicien' I, p. 275,^ hält auch Chwolson in seinem
,Corpus inscriptionum Hebraicarum' Nr. 66, p. 125 ff. am Datum
718 fest, indem er annimmt, 2000 Jahre [s] dürfen nicht er~
gänzt werden, weil die Inschriften keinesfalls dem 18. Jahr-
hunderte angehören können. Doch hätten ihm die Schriftzeichen
der von ihm publizierten Inschrift aus dem Jahre n"3nrK = 1317
p. Chr. (vgl. diese Rubrik in der dem Corpus beigegebenen
Schrifttafel Eutings) tiberzeugen können, daß unsere Inschrift
entschieden jüngere Charaktere aufweist. Zu erwähnen ist
schließlich, daß Neubauer (J. Q. R. III, p. 622) gegen Saphir
polemisiert und bemerkt: )0f the eighth Century A. D.^'
IL
Im Jahre 1899 hat Prof. D. H. Müller von seiner süd-
arabischen Expedition mehr als hundert Abklatsche vom Adener
Friedhofe (vgl. die beiliegende Skizze) mitgebracht und die-
selben mir freundlichst zur Verfügung gestellt. Unter diesen
Inschriften finden sich recht viele mit den Daten 20 — 54 der
seleucidischen Ära und es läßt sich mit aller Sicherheit
nachweisen, daß wir tatsächlich 'd = 2000 zu ergänzen
haben, sie demnach dem 18. Jahrhunderte angehören.
^ ,deux portent des dates, sur TuDe correspondant k 708 — 709 de Tore
chrätienne, aar Tautre k 916—917* nach Madden 1. e.
> Auch A. Epstein ,Eldad ha-dani* p. XVIU akzeptiert das Datum 717/18.
Jflduebe imd jftdisdi-indiBohe €htmMnsehrift«n ans Aden. 5
Sie schließen sich nämlich der Form, Sprache, dem Stile und den
Eigennamen nach innig solchen an, die nm ythu nn ^hn^ p^bk 'n
respektive n3"a» iD^'a etc. aufweisen. Beachtenswert ist noch fol-
gendes: Während die ältesten, mir vorliegenden Inschriften, aus
dem 16. und 17. Jahrhunderte, noch nicht den Vermerk: niievS
zeigen, weil eben damals die Zählung nach der seleu-
eidischen Ära selbstverständlich war, haben die späteren,
vom Schlüsse des 17. Jahrhunderts ab, darunter durchwegs
die mit den Daten /a in"3 .T'^ etc. die Angabe: mnov^.
unter A findet man 16 Inschriften kopiert, aus dem 16.,
17., 18. und 19. Jahrhunderte. Im nachfolgenden sei mir ge-
stattet, einige Punkte zusammenfassend zu behandeln.
§ 1. Wie bereits erwähnt, zählen die Juden Adens (nach ^ j ^^^
Saphir I. c. auch gegenwärtig) nach der seleucidischen Ära
[nrnsüb] und der Weltschöpfungsära [nTrb]. Interessant ist,
daß wir auf einer Inschrift aus dem Jahre 1697 (A Nr. 5)
beide Aren vertreten finden: rrrarb fann Kirw nntDW*? n"nnnK nar.
Um jene Zeit scheint die SchOpfungsära in Gebrauch gekommen
zu sein. Die Angabe AzulaYs ['» r'n niK .D^bnan or], daß David
b. Simra (16. Jahrhundert) die Zählung nach der seleucidischen
Ära abgeschafit habe [dittjosk fotb piö rrw nnetrn pi^ btto Rin ^h]
dürfte auf Ägypten zu beschränken sein.
§2. Sehr häufig findet sich n"n = urr'sn •"'' mn , nach §8EQiogieeD
Jes. LXin. 14, im Orient und bei den Karäem gebräuchlich;
schon im Josippon (vgl. Zunz ,Zur Geschichte und Literatur,
1845, S. 335 Anm. c). Saphirs ,MitteiIung' (p. 10 Anm. 1) p
ronwnn nars onaiin o^anw so auch Wright (1. c.) ,one year afther
death^ scheint nicht ganz zu stimmen, da sich n"n mehrfach
auch beim Großvater des Verstorbenen findet (vgl. z. B. A
Nr. l, 12, 16). Außerdem hat fast jede Inschrift y*p^ = [3 pv inöws
[resp. imj] (vgl. Ezechiel XXVIII. 13 ö^nSKppj^), das sich in
dieser Form bei Zunz (1. c. S. 342) nicht findet. Eine in Jemen
19. September 1484 geschriebene Haphtara (Oriental series
pl. XCI) zeigt neben yaj = pp p '3 auch n"n und ;"j^3. Zu er-
wähnen ist noch a"*?T = nsnab nro? und r\"h\ « rmrh 131131 (die
übrigen Eulogieen vgl. bei den einzelnen Inschriften sub A).
§ 3. Bei den älteren Inschriften kann von Stil nicht gut § 3 stii
die Rede sein. Titel, die regelmäßig wiederkehren, Namen des
m. AbhMidlimgr: Ghsjet-Kirste.
§4
Sprachliohes
§5
Orthogn-
phischoB
§e
Fal&ogra-
phisches
87
Bernfsarten
Verstorbenen und der Vorfahren, Datum, sonst nichts. Wissen
wir doch auch aus den Responsen David b. Simras (II, § 741,
Zunz 1. c. S. 395 Anm. c), daß um jene Zeit im Oriente bloß
die Namen angegeben zu werden pflegten. Erst auf einer In-
schrift aus dem Jahre 1700 (A Nr. 6) finden wir recht holprige
Reime [irbp üttt - mK nnnt v3M • ♦ — ntmpn minn nv - mwnn pH
^mfü "ör pw]. Lebhafter wird der Stil im 19. Jahrhunderte
(vgl. A Nr. 15, 16, auch schon Nr. 7 aus dem Jahre 1707).
§ 4. Beliebt ist der Ausdruck ,nttnKön', der wohl ,ausge-
zeichnet* bedeutet (vgl. z. B. Talm. b. Sanhedr. p. 22» nriKö
♦ ♦ ansar ).* Das häufige jpn kann auch (wie im Talmud z. B.
jer. Horajoth p. 48®) die Nebenbedeutung ,gelehrt' gehabt haben
(so schon Orient, ser. 1. c. ,aged or learned*). Daneben findet
sich auch ,Töbnn' wohl verkürztes osn Tö*?n (auf jüd.-griech.
Inschriften |ji.aÖT)T^|C co^wv Ascoli ,Iscrizioni' p. 104). Mehrfach
trefi^en wir ,ir3n8' vielleicht Bezeichnung des Gemeindevor-
stehers, ein Amt, das sich in der Familie vererbt zu haben
scheint (vgl. A Nr. 7, 8, u. s.). Zweifelhaft ist ein "»na = Herr
(ANr. 4); nach Saphir (II, p. 8 u. s.) noch jetzt nKö gebräuchlich.
§ 5. Es fällt auf iH^H (auch bei Saphir p. 10 Nr. 6),»
Hi^rt (A Nr. 4) np"'a"n* rHöTin (für nbnn), ^p o'^nor rnaiB (f. na»
A Nr. 10), naiptn (vgl. auch Chwolson 1. c).
§ 6. Was das Alter der Schrift betrifft, ist zu verweisen
auf die den Werken von Madden (1. c), Chwolson (1. c),
Lenormant(l. c. pl. XV) beigegebenen Schrifttafeln. Einige Ab-
weichungen sind ganz unwesentlicher Natur.
§ 7. Berufsarten sind nur erwähnt, insoweit sie rituell-
synagogalen Charakters waren, also j'^'^in insiDn (A Nr. 4, 6) avw
(= p1^y) tDHw) X"r (n^ax rrbr; mehrfach ein jna als Vorbeter
angegeben; auf einer Inschrift [A Nr. 13] Vater und Sohn Kan-
toren priesterlicher Abkunft) jtnn (in alter Zeit Sjnagogenvor-
steher, respektive Aufseher [yj^pivri Lukas IV. 20], vgl. z. B.
b. Joma p. 68^ riDaan ]\n später Vorsänger).
^ Nicht ganz sicher; hat wohl Job XXVI. 18 .tibv q*ov im-iS im Auge gehabt.
* Auf einem spanischen Bibelmannskript (vgl. Literaturbl. des Orients
1841, Sp. 667) findet sich: (l. vi*ip) nr'P Vsa wiwn.
" Auch Orient (ib. Sp. 692) • • "««♦k tnnb,
^ Es ist wohl an die Aussprache: Rebekka zu denken.
Jftdiielia ood jüdlscli-iiidinh» Qnbinachriftea vom Ad«n. 7
§ 8. Von größerem Interesse sind schließlich manche auf- Eigennftmen
fallende Eigennamen, zumeist arabischer Herkunft , die eine
willkommene Ergänzung zu Zunz ^Namen der Juden' (= Ges.
Schriften 11, 1876, p. 1 ff.) und der weit vollständigeren Liste
arabisch-jüdischer Namen in Steinschneiders ,Introduction to the
Arabic Literature of the Jews' (Jew. Quart. Rev. IX, p. 224 ff.)
bieten. Ich gebe sie in alphabetischer Reihenfolge.^
^' bKpJ^K ^S^' ^^^' i^' °^- 2) h^:hH fpv na — vgl.
ad-dhahabi (al-moschtabih ed. Jong 1881, p. oi) ^^ ^ i^j^\
JlLü\ u. s.
2. nj^Öi^ n. f.; aus jüdisch-arabischer Literatur vgl. bei
Steinschneider 1. c. X, p. 135 n. 23; auch m. ^x^^ == Ver-
trauter, auch Vorsteher.
3. ^OKDS °- ^'f mehrfach; weitere Belege vgl. Stein-
schneider p. 136 n. 78; 0U3 pL von Tochter.
4. innS ^- ^'i mehrfach, ar. o^j^ (Moschtabih l. c. p. rv),
Responsen Simon Duran II, § 96/7 (Zunz 1. c. S. 28). Stein-
schneider p. 138, n. 91/2 und XII, p. 121 ,perhaps for oma
Fürst, Führer*.
5. n?TK3 ^^cJ^ '^'^''^ ^- ^-j ^S^' Zunz ib. S. 43; Stein-
schneider X, p. 515, n. 117 [iTia]. Perle, schon biblisch nj»
I.Sam. L 2; arab. j^^^ aus dem Persischen.
6. ^y n. f., wohl zusammenzustellen mit rhl^ Gasela; Zunz
S. 57 ,die Form bira hauptsächlich im Magreb üblich*; Stein-
schneider hat n. 118 n. m. \vh^^^] vgl. noch n. f. ^ktj in einer Jemen.
Eethuba aus dem Jahre 1821 (Zeitschr. ftir hebr. Bibliographie
V, 1, S. 29) = arab. J>, Moschtabih p. tao J>3\).
7. Jim (auch am möglich) cogn. vir., wohl nicht zu ver-
binden mit Moschtabih ib. p. 203 ^.^^jJ^ 3^^ cxi V>*^> —
u^\^ bedeutet bekanntlich ,£insiedler, Mönche
8. ^J^^^ cogn. vir.; vielleicht ^j^"!, womit zusammenzu-
stellen wäre nom. loci ^j Insel (Hamdäni ed. D. H. Müller
52, 19). — 5^ j = verbrennen, gJj Wunde.
9. n^JH n. f biblisch (Num. XXVI. 33) talmudisch (jer.
Sota p. 19^), im übrigen selten.
^ Für freundliche Unterstützung sage ich Herrn Dr. Rhodokanakis besten
Dank.
10 111. AbtaandliLDg: Chsjes-Kirtte.
Israel^ ^ weswegen denn manche annehmen; daß sie Überreste
der zehn Stämme seien. Charakteristisch ist^ daß sie auch den
Eigennamen Jehüda nicht führen. Die indischen Texte ^ die
von Prof. Dr. Kirste (Graz) entziffert und kommentiert wurden,
ergänzen in einigen Punkten die hebräischen. Die Juden scheinen
in Indien in eigenen Dörfern gewohnt zu haben, unter jüdischen
Behörden (vgl. B 2 n2i:nD ind. slr gäv kara = B 1 gäv karame
8ir = Dorfklterster). Aller Wahrscheinlichkeit nach ist auch
ein Rabbiner erwähnt (B 6 nsn = ind.: dlve-kar) und ein Lehr-
haus (B 5 mednaa). B 4 (S. 26) findet sich noch eine ,Matter
der Dorfbewohner'; an etwas ähnliches wie ,Mutter der Syna-
goge' auf den altjüdischen (gr.-röm.) Inschriften darf man frei-
lich nicht denken.
Die Inschriften stammen aus den Jahren 1858 (B 1), 1849
(B 2), 1852 (B 3), 1855 (B 4), 1856 (B 5), 1857 (B 6). Sie unter-
scheiden sich stilistisch von den gleichzeitigen Adener Inschriften
(A Nr. 15, 16); Adener Beeinflussung zeigt sich in den Phrasen
der Nr. B 1 und B 4. Bezeichnend ist der Ausdruck p^scn^ wie
auch np^no); was sich auf den einheimischen nicht findet; in
der Regel ist auch das genaue Alter des Verstorbenen an-
gegeben. Von indischen Steinmetzen scheinen die Inschriften
B 1 und 2 herzurühren^ da sie mangelhafte Beherrschung der
hebräischen Schriftzeichen verraten. B 4 hat eigentümlicher-
weise auch Punktation; wahrscheinlich fiir die Familie des
Verblichenen, die wohl im Lesen unpunktierter Texte ungeübt
war. Pathab wird auch durch » wiedergegeben (vgl. T^n. p^an,
wie ja auch in das Massora nnt sowohl . als auch * bedeutet).'
Wie Oppert (1. c.) erwähnt, pflegen die Ben6 Israel ihren
Kindern am achten Tage einen hebräischen und nachträglich
einen landesüblichen Namen beizulegen. Auf unseren Texten
hat nur B 3 indisches n. f. n"n3''''n |&xa = Häman Räyekarä.
Die indischen Worte auf B 5 sind aus dem arischen Texte
nicht eruierbar.
Epigraphisch ist wenig nachzutragen; etwaige Abwei-
chungen sind wohl durch geringe Kenntnis der hebräischen
Schrift zu erklären.
^ Sie geben gegenwärtig ein Journal unter diesem Titel (ind.) heraus.
* Vgl. auch Bacher in der Berliner-Festochrift (1903).
JftdiMbe and jftdisoli-uiditebe Ortbiiuehriftoii »ob Aden. 11
GezäUt wurde nach der Weltachöpfnng rrvTh (auch riK'na'?
D^ B 5); auf den indischen Texten neben der christlichen
Ära auch die Maräthl-Rechnung (B 2 und 4).
An hebräischen Eigennamen finden wir:
1. ^Kpin'» n. m. (vgl. B 1, B 5).
2. birpnat n. m. (B 6 = bibl. irrpnx).*
3. miBX n. f. (auch nnfiX B 1, so biblisch immer).
4. hm n. f. (B 4).
5. ^Ktor n. m. (B 6).
6. rrw n. f. (ib.).
B 6 findet sich der Doppelname: btrpnae biaav = ind.
Samftjel Satakel.
A.
aus Aden.
1.
nö'?ip rv^h nerao
npixn nwxn
yvi Tin na rrpv^
i"DnnK p"'3
Zeile 3: •mi scriptio plena auch biblisch vgl. s. B. 'Arnos VI. 6 1866
der sei. Ära.
2.
\\'2:n TöSnn v^i lebip mh fpua
hvtpihin »]DV "13 rvi apjr wöv ktti
Zeile S zu tnv trm Tgl. Wright (Or. ser p. XXIX) : ,t«king ew as an
accnsative*. — 1873 der sei. Ära auch mOglich n"pmft.
3.
nJa Si D"^e npnstn rvovo naSir n-'a'? Dsaa
nlae wnna a-pa "anö iwiiesn naiaan ptfn
«•"prinx naw
Zeile 1; Vi ^ m-ohnrrot, Tgl. Znnz ^nr Geschichte and Literatur*
8. 321 f. — 1911 der sd. ira.
* Beachtenswert ist, daß sich htifnt auf einer sfidsemltischen Inschrift findet.
Tgl. HaMvy 193; nach Saphir soll Jemen die Heimat der Bene IsraSl sein.
12 IIL AbkMidliiiif ! Chaj^s-Klrst«.
4.
«^•»Kn lebip rr^ab ^idw
omsK TDnn jTnxn jpn
i^^xn Dann ptn na 3"ön
na rp3 app^ Tonn paan
pnxn fia^n Dann ptn
(?) nö D-'ött^ K^K-n Tonn
T-^K TnSt nenn naS . ♦
iD»'pnnK wtt^
Zeile 3: »"n = ins vvtuo »nn vgl. Jes. XI. 10.
Zeile 4: srpp* auch biblisch z. B Jerem. XXXIII. 26.
Zeile 7: vielleicht nol^v zu ergänzen.
ib.: n"r6T = Ksn oSyn »»r^ ui"öt, vgl. b. Kiddu&in p. 31*», Zunz 1. c. S. 328 f.
Darnach ist natürlich auch Merx (,Docament8 de pal^ogr. hebr. et arabe'
1894, p. 29) zu korrigieren, der zu a'Trj^n 'r6 '9? bemerkt (n. 1) ,le sens de
cette abr^viation semble dtre: amjm onsrh mar! — 1949 der sei. Ära.
5.
pTH -ittTTTi aion vna löSip n-ab «idkj
p^ixn 13 n"n nwa vapn Tonn nann
fpn "la attn pnr trar k-i\i Tann
ara Tvrhi rriaw Tann nnitan laiaan
m-s*"? i"3nn «inw nnewS nnrin«
2008 der sei. Ära, 6467 d. W.
6.
(fT'a^ f]OM
rrnnn np - rrmnn p« lö^ip
- mim hvrwr hii - rw)'T^n
)yhv auT - mi« nmt vaea
rapn aann - niBw -aw |aw
B'äw in^■^ jprn ^txn Tarn
.Taaun "iBian aio u-jitk
B-'ew ln^■^ jpn Tann na
JfldJMlie «Mi jAÜioh-iodiMhe OmMBtchriflMi »nt Aden. 13
nnw»'? "iwp TPiKi ffiSK
Zeile 6: ns»3r\ = o*<nn "vrcck Ttrat vm ^rvi» nach I. Sam. XXV. 89; vgl.
Zans 1. c. S. 351 ff. ~ 2011 der sei. Ära.
7.
löbip ffsb p)DK3i apjr in« po-n
njn Tonn pnxn Dann ptn «^'•Kn
KTn ahven an nariKön laisön
iptn 13 n-n app'» tj^'^tk onsr
iniaon wpn Tonn pnxn Dann
D'^e«? m'Tr ■^«7^•T^ ami itt^iKön
Bonn ipn ia n'rt rwo iriiTK
T3i3on npn Tonn pnxn
irjpw onsw 1n^^ nnwDn
PPT3 DT» W 3'13 13tr DT 3"p3 pHi"»
6467 der WeltichOpfang.
Zeile 1: ora syt. — talmad. bestimmen, veranlassen, vpan^ talmnd.
nicht selten = abberufen, vgl. b. me^ta p. 86* nVsm Vv na«v*a vparu.
Zeile 11: uv sicI
ib.: 3"i3 Ygl. Nr. 14, Zeile 8, Yielleicht 3"3« da in diesem Jahre der
23. ein Montag war.
8.
["Bj-o Dir ratet f^ Tna
10^ mh rpßan irnoip
Tom p-nxn oann stict
■wnwDn naiaon nm
cnso uriTi *ittrni awn
Ipn "o n"n b6w imTK
yrm rjjn Tonn paan
2020 der sei. Jkn.
14 m. Abhuidlug: Chajes-Kirtte.
9.
njmxn nawnri njipn
■3 ro 3"ön rhjn rp'^^
n-'öw in\n pnxn nann
n"n laiB nwö iwitk
rrs ruw ffo «nna
nntDwS
2028 der sei. Ära.
Aach bei Saphir tm (an n, p. 10, n. 8.
Zeile S: 's = ti33, Titel, seine Ehren.
10.
mwci rrohrsf mh neoi«
nenn npixn njrujn nawnn
nia 3"ön hk^ö nronn mr"."!
rwi Tonn fiaan aitsn "Pö^nn
Tö^nn 13 n'"-! jjnr n-«» levn
nttrn nriKön n3i30n rapn Tonn
nn« ""aw dt» 3"p3 pr» o-'ötp K'^^'^
TTTTb rann
6484 d. W.; Dienstag (?) 17. L 1724.
JAdiseh« «mI jfldisoh-üidisehe Onbuuehriflen aas Aden. 15
11.
ir^T nhjyTii'V n n o ::> n n
Tonn lö'yip n<sh «^ao
TDp üiäv «-rn vjpn
pajn npn Tonn "la n-n
"13 h"\ apjr D-tttp mTi
ipin 1":^ Tonn Dann
5"P3 DTPiaK D-tt» K"l^■^
a«33 ruw p-'D wina
- «"iT'r'?
Daa Datum iit entschieden kormpt; wahrscheinlich ist nner^ (f. xt'xh)
xa lesen (vgl. folgende Inichrift) = 1741 p. Chr. — Vielleicht aber anch
i"», wo dann wir trrx^ beibehalten konnten =: 1692 p. Chr.
12.
Tö"?«? n-a*? ep»:
aien D-^art Te'?nn »["Kn
5"W |ma fföw m-n
Kinfl vjpn Tonn -la
na a*^ ^vm d-öw
irv-n rjpn toph
wn]na n"n jma lyow
rüntDwS ma nsw i*i«
2058 der sei Ära.
16 lU. Abkudlaof: ChajM-Klrtt*.
13.
nann noTii nöSpn
mri"' njruxn mBrn
aittn Dsrei na ona
ia TV jnan pnar
jnan aj5r paan wpn
»aw «nn '"< n nr rip
nin"'»"''? o"pn rav
6609 d. W.; 1. März 1749.
Zeile 1 : n"T3 = naitn j^ •fra.
14.
nna
löSip n-'ab rpKJi
"^ oipn auon
wpn "ia rrn pan
S'i fron 'aiB vrt
•apr wn "pom na
a'i 0 DV 3"p3 jnan
ww Tian wnnb
6602 d. W.; 6. VII. 1842.
Zeile 3: wps\ angenscheinlich ein Upgos cal. fUr b'PX\, da es sich anf
BVivw reimt.
Zeile 4: nach ssv ein Strich,
Zeile 6: v"n = tme trm, ib.: der Strich nach yit wird wohl nicht
ein < sein (Tielleicht verkflrztes i3ii9-,t31I9?).
Zeile 7: auch 'aap*.
15.
nna
nBDJoi nep Spa nnpbj
rnrnn na'yip iT'a'?
mvrt nann nawnn
1KB3 - rrrm ttniap n'a«
TmbipB «•• na n^pa
bS-inn jcn -n nrf nwK
Jftditohe vnd jAdiseh-indisehe OnbiDtohriAen »u Aden. 1 7
hhm rrr nBö rh in
rrpTt mppo Dnr»a
na rw'? maasn rmaan
m pnr »ti rapn oann
JTJ JTöbw w-n prn "la
■1TK WTn*? IT •« Dl"
m'jr'? mm tvv m
6606 d. W.; 84. H. 1846, freilich nicht Sonata;.
Zeile 1 ins) (Dan. VUl. 14) and iv, unwahncheinlich mp and ir<.
Zeile 6 ist entschieden kormmpiert, doch kann ich nicht das UrsprOng^-
liche wiederherstellen. Ffir wu ist wohl ii6b3 su lesen, das su rrnrn paßt.
Zeile 11: iraaxi, wohl Terschrieben ans iraain, das allerdings neben
rrtaan soffallen maß.
16.
neiti pi 711a
lobv n-a*? rpan lop bpa np'?3
npn nrni aien jpin rwr
ne D-'öw «n^n Tonn pnxn
jpin 13 n""n nen o^Sib^n vnp
TDnn iwiHon laiaan oann
"la "j'i apr WJVTK vjpn p^ixn
iriKön laiaan Dann fptn
pm na aTJ nwa waiTK Tonn
D"öw yrm T-apn Dann Tonn
fDtp pwnne wnna 1 1 dv rr-n pnr
Zeile 4, 6: a'S^'n vif na Lct. XIX. 24 tr'rhn np ins ^s . . Datam nicht
gans sicher; wahrscheinlich «"WT =* 1760 p, Chr., da nur in diesem Jahre
der 7. CheSwftn Freitag war.
B.
Jüdisch-indische Orabinschriften.
Hebrittsehe Texte.
Nr. 1.
1868 p. Chr.
nöK p "fiia
{•«e) naS nBDKJ "hvt
Sitnnpktc. te pUl.-hiit. KL CZLTIt. B4. S. Abh. S
18 ni. AkUndlont: Chajti-Kirit«.
nöSjn nsfyw
•n DT" nBDio bna/ffp
nv \wn «mnb n
^31 rrrxh vnm
. . ffttrm
Zeile 2: Vgl. A 16.
Zeile 6: Tielleicht ni'tHW.
Nr. 2.
1840 p. Chr.
rmBxrwKn
nstno nwK
nwön 'H Dl' nöSir
nv h]bH vnrh
nm rrrTh vnra
anrv nnrn
.T3 nn .13»
Zeile 1: fOr 1^ 1. t^.
Zeile 9: lies n"ax»i. Der •ovno (Z. S) ist wohl der B. 1 genannte Je-
heskel, der im indischen Texte (S. 21) ,Oberhaupt der Dorfbewohner* heißt.
— Soll ea die gleichnamige Matter der ^ipora (B. 1) sein, die also einige
Monate vor dem Tode der Matter, in deren 69. (I) Lebenqabre aar Welt
gekommen w&re?
Nr. 3.
1862.
ri'ia
naw hv ihn p"«n
nipbriDj ma^rn joks
"iwjn P3"i« DT rrah^v n^nh
ynn rov nan vrw6 ec
rwün nniTt wn rrvrh
Nr. 4.
1856.
rna
rrma nöW3 bp tSn rnin
Jftdiaek« «nd jftdudi-indiiche CbmbiiMdiriflea mu Aden. 19
bm masjrri njrojtn
n^ao Ks^ 1103 THa
Tl »• TT «^-1 •-»
Zeile 4 entspricht wohl dem ind. v& mä g&lkv . . (S. 26, Z. 8).
Nr. 5.
1866.
♦ . n\ti3 B3WÖ rraya
vmim "irai ov wparj
p]wn wina iwp rw'?»
vn cTfi^ nvsn nso
rotr nwj? pann niKö
•nw» dSip ninaS
mwp naiötr ifi
irascjn naw
Zeile 3 nach ind. S. 28 w&re sn Termaten: ime ma flbr ssrts ms ■ ■?
Zeile 4: «para, Tgl. A. 7, Zeile 1.
Zeile 6: yielleicht auch [nhm >tt ergXnsen.
Nr. 6.
1867.
Sip iT'3'? nßao
HSV ra mw r»
ruw nan wina
rrrvh mn
2»
20 lU. Abhandliinc: Chajes-Kirtte.
Der indische Text der Inschriften
B 1, B 2, B 3, B 4, B 5, B 6
Ton
J. Kirste.
Vorbemerkung.
Daß der indische Text dieser Inschriften Maräthl sei,
ergab sich mir schon bei der ersten Durchsicht derselben;
darauf weist außer der zweimaligen Erwähnung des Wortes
Maräthl in B 2^ Z. 2 und B 4^ Z. 4 deutlich genug der Genitiv
yä-cl in B 1; Z. 2 und B 6^ Z. 2 hin. Andererseits kommen
aber eine Menge barbarischer oder dialektischer Formen vor
und da ich mich von neuindischen Dialekten nur mit dem
allerdings nahe verwandten Gujaräti beschäftigt habe — inso-
weit dasselbe von den Färsen in ihrer heiligen Literatur ver-
wendet wird — so blieben mir viele Zweifel und ich sandte
deshalb meine Entzifferung an Herrn Professor Hoernle nach
Oxford. Derselbe bestätigte zwar im großen und ganzen meine
Lesungen, rektifizierte sie aber im einzelnen und erlaubte mir
in liebenswürdigster Weise ^ von seinem Elaborat Gebrauch
zu machen. Er teilte außerdem die Inschriften den Herren
Dr. Grierson und Dr. Sten Konow mit, von denen der erstere
allerdings nur ein paar flüchtige Bemerkungen über B 2 machte^
während der letztere sämtliche durchsah. Außerdem stand mir
I
für B 4 und B 6 noch eine vorläufige Entzifferung Professor von
Schroeders zur Verfügung. Ich kann deshalb die nachfolgenden
Erklärungen nur in sehr beschränktem Maße als mein geistiges
Eigentum reklamieren und hoffe, daß entweder andere besser
Ausgerüstete das mir noch unverständliche erklären werden
oder neues Material mich selbst dazu in den Stand setzt.
Über die grammatischen Eigentümlichkeiten des ^üdisch-
Maräthl', wie man den Dialekt der Inschriften nennen könnte,
zu sprechen, ist wohl noch verfrüht.
Auffallend ist die oft mangelnde Übereinstimmung zwischen
dem hebräischen und indischen Text.
J&diMh« «nd jAaiMb-iiidiKhe Grabinaduiftsn ras Ad«D. 21
B 1.
(1) [^f 'Äw ^ ^t9 wn-ir^ ^-
(2) ^ ^-^ ^rt^'O *mK\ mk. ff ^-
(3) wii «nfnfV ^v^T^ iBwraB-^
(4) ^^mr-TT I m I ^"o w«Rtwt; t
(5) qcMC if^ ^ qo I
Transkription.
(1) [yaj »akd ß cOih^ gäv-karame H-
(2) ri yä-cl sokat^ saparä biK hah pho-
(3) vat jahall budkavän $dkäla-c
(4) vajatn-na ta. 27 äkc^bararh na
(5) 1858 vaye varfe 10.
I
Übersetzung.
Herr [Ya]sakel, Oberhaupt der Dorfbewohner von Cäih^y
dessen Tochter Frau SaparA ist gestorben Mittwoch, gerade
als die Frühstunde schlug, Datum 27. Oktober, [Jahr] 1858,
im 10. Lebensjahre.
Anmerkungen.
(1) caih4 halte ich fUr einen Eigennamen ; Hoernle denkt
an mar. cä^f Liebe. In «Iri sehe ich eine dialektische Weiter-
bildung des persischen aar, oder es hat das persische i der
Einheit am Ende. Hoernle sucht darin skr. Süa, Charakter;
aber vgl. B 2, Z. 4 Hr.
^ undeutliche BacbBtaben stehen in Klammern.
22 in. Abhuidlaiif: Chajei-Kirite.
(2) Bokari, ebenso B 6^ Z. 2 steht ftir gewöhnliches ehokarl^
was nebenbei gesagt ein interessanter Beitrag zu der Aussprache
des indischen ch^ ist. hob entspricht hlb B 2, Z. 5; häb B 3,
Z. 1; hlThb B4, Z.3; AeJ B5, Z.3; hlb B6, Z.3; es ist mar.
hirhv, Kälte, phovat entspricht j^dva^ B 2^ Z. 5; B 3^ Z. 2; phäoat
B4, Z. 3; B5y Z. 3; B6, Z. 3; es kommt von mar. pävafwih,
erreichen; ^die Kälte erreichen' = sterben. |
(3) jähall entspricht jhali B 2, Z. 5; jhäll B 3, Z. 2; jär
hall B 4, Z. 3; jhale B 5, Z. 3 and jahäU B 6, Z. 3; es ist das
mar. Participinm jhäll vom Hilfsverbum honeih, skr. bhü.
Nach Beames (Comp, grammar, vol. III^ p. 202) gibt es davon
eine poetische Nebenform jähälä. sakäly früher Morgen , mit
dem Suffix c der Emphase.
(4) vajatä, part. präs. von mar. väjaneihy tönen, mit der
Zusatzpartikel nä] vgl. B 5, Z. 8. tä., gewöhnliche Abkürzung
für tärtJehy Datum, na hält Hoemle wohl mit Recht für einen
Schreibfehler statt sana^ Jahr.
B 2.
^ Ich hoffe demnächst eine Studie über den Lantwert und die Geschichte
dieses Konsonanten im Sanskrit en veröffentlichen, worin ich die schon
von Ossowski ,Über den Lautwert einiger Palatale im Sanskrit' (Königs-
berg, 1880) verteidigte Aussprache als poln.-kroat. c näher begründen
werde. Man beachte vor allem die prakritische Entwicklung aus skr. t».
JftdiMb« nnd jAdisch-iDdisebe GnbinMdmften au Aden. 23
(1) Ä ^^^M ^Pm^-TT ^ ^lj^M< ^ ^
(2) ft^^ 41tfli^i< MK\d\ ^w- ^rm ^^8Q
(3) ^ ^ir^[z] mrr^ r? ^t«re ^rraft-
(4) TTTT 5? ^^^rat WTK^ mt. ^rtx wm-
(5) HTT ^ vj^n iiwV ^ T% f [if]
(6) [X ^ V^i\
Transkription.
(1) acJce 1775 somaye-nä ma bhädrapad sud 2
(2) dlvaa blatiravär marä{ä sdkhdf^ sanä 1849
(3) mähe ägasffj täräkh 23 dlvas hosth
(4) ravcbr te difHUäih saparä v^ Blr gäv*
(5) karä hlh pävat jhall vaye rtue sufma]
(6) [r g rapaf^J
Übersetzung.
Im Jahre 1775^ Montage Monat Bhädrapad, lichte Hälfte
2. Tag, Tag Donnerstag nach Maräthl- Rechnung, Jahr 1849,
Monat August, Datum 23, Tag Donnerstag, an diesem Tage
Saparft, Frau des Oberhauptes der Dorfbewohner, ist gestorben
im Alter
Anmerkungen.
(1) Statt 1775 sollte 1771 stehen, da nur dieses Jahr dem
christlichen 1849 entspricht, in welchem der 23. August ein
Donnerstag war. nä Präzisionspartikel, ma = mähe 7a. 3.
(2) hu^ravöTj vgl. Z. 3 häsUravö/Ty ist eine Korruption
fhr hfhcLBpativära. Die Orthographie ä statt l begegnet hier
öfter und ist entweder graphisches Versehen oder dialektische
Eigentümlichkeit; wir haben sie schon in häb =: hib kennen
gelernt und in der nächsten Zeile steht umgekehrt tärakh
= tärlkh. sakhai, = aarhkhyä.
(3) Das t Ton äga$t scheint ein cerebrales zu sein ent-
sprechend der gewöhnlichen Umschrift europäischer Dentale
im Indischen; vgl. B 6, Z. 5.
(5) Nach vaye erwartet man eine Zahl und Yielleicht
folgte dieselbe auf das allerdings sehr unsichere sumur
24 UI. Abhudluiff: Chajes-Kirtta.
=3 Sumär, Zahl. Mit rase weiß ich nichts anzufangen; sollte
es für cUua, 10, stehen? Dies würde aber nicht mit der he-
bräischen Angabe stimmen.
B 3.
«?i^ T^?r cH t'ä V^ n-Q ^
(1) [fw]T [int TTJt [wKi] nw
(2) HT^TT irnift m I
(3) [iri^] >[ [^ «i] <1^ ^-
(4) mVK 'TO §4
(5) iR ^cq^
Transkription.
(1) [hämajn [bSi räjyepcarä] hob
(2) pavat jhäh tä.
(3) [pärejgufn 9] divas ä-
(4) tavär vaya 65
(5) «ana 1852
Übersetzung.
Frau [Hftma]n [Rä]7e[kara] ist gestorben Datum pPh&I]-
gu[n 9] Tag Sonntag, Alter 65, Jahr 1852.
J&diMbe und jftdiach-indiseli« Qrabiiuehriflea wu Aden. 3Ö
Anmerkungen.
(1) Die Lesung des Eigennamens wie überhaupt der
ganzen Insehrift ist sehr unsicher.
(3) Da die Silbe gu ziemlich deutlich ist; so kann nur
der Monat Phälgun gemeint sein, obgleich eine Form päregun,
die anscheinend dort steht^ mir nicht bekannt ist.
(4) Die 6 von 65 scheint sehr deutlich zu sein^ während
der hebräische Text 45 hat.
B 4.
(1) ir]«iT-^ ^tm ^Ji^ ^
(2) TTt" Trt^ TT Tt^-^RTf
(3) ^W TRTT WriTlft if^'TO
(4) ^Pt^nnT «nKiVt wttnj
26 lU- Abkaadlw«: Ckcjei-Kirit«.
(5) Mli^m ^^ % 1^ ^'O'O'O
(7) T TTrft^ ^ ^W ^««M
(8) ^ ^^ ^
Transkription.
(1) [Sa] jyä-cl klmat rüpaye 26
(2) rähel väl mä gämv-karärh
(3) hlrhb phävat jähäll divw
(4) somavär mahäräfi mahinä I
(5) bfiädrapad vadaye 6 Sake 1777 |
(6) irhgrejl mahinä äkafoba-
(7) r tärikh 1 «anna 1855
(8) vaya 22 t;ar?e
Übersetzung.
Der Ruhestätte Preis ist 26 Rupien. Frau R&hel, die
Mutter der Dorfbewohner, ist gestorben Tag Montag, Maräfhi-
Monat Bhädrapad, am 6. der dunkeln Hälfte, Jahr 1777, eng-
lischer Monat Oktober, Datum 1, Jahr 1855, Alter 22 Jahre.
Anmerkungen.
(1) iajyä setze ich = skr. iayyä.
(2) Vielleicht bedeutet ,Mutter der Dorfbewohner' soviel
als ,Frau des Dorfoberhauptes'; vgl. B 2, Z. 4.
B 5.
1) I imnrnt ^ i
2) [4^^]^ im ^ ^^'
3) ^ ^ ^iPHI 1J% ift-
5) ztWT "^ V^% ^ro
6) <»-c ^TT«T-^ [W'TJt
7) [?[ ^ ^8^T ^] ^T^m ^-
8) t ^ ^R TW7n-TT [f ]
Jüdiselie und jftdiaek-iiiditehe QnbinMbriftaD au Aden. 27
(9) wfi W^ ^ ^ n-
(10) ^BT :^ m ^ ;^ f WT ^i^-
(11) I ^ vmx ^rrfi i
j
28 in. Abhandlung: Chaj^a-Kirste.
Transkription.
(1) sälamänam j%
(2) [plsale] sa gata ä medrh
(3) sa heb phävat jhale dt-
(4) vas btidhavär 29 äka-
(ö) tobar sana 1856 vaya
(6) 18 varasd'Ci [ä . ä] ra
(7) [da sa vyä cej dävasä dlva-
(8) se ce 12 väjatä-nä [vu]
(9) la0 jhäll ä pi ta-
(10) sä ca tä pa ca ha lä parata-
(11) ni jhälä närl
Übersetzung.
Herr Sälamän — — — (gegangen zur) Schule ist ge-
storben am Tage Mittwoch, 29. Oktober, Jahr 1856, 18 Jahre
des Alters — ~ — gerade als es zwölf schlug, ist zurück-
gekehrt so zurückgekehrt ist die Frau. *
Anmerkungen.
(2) medrlsa wohl = medreseh zu setzen.
(6) Zwischen 1 und 8 steht ein Strich, der doch aber
wohl nicht Null, 0, bedeuten kann, da wir dann 108 erhielten.
(7) Bei dasavyä denkt Sten Konow zweifelnd an eine
Ableitung von skr. daSa^ zehn.
(8) vulaß für ulafi.
(10) Sollte täpa -c halä ^Zustand (ar. pers. hdT) der Trauer^
bedeuten und der Schluß der Inschrift also besagen, daß die
Frau in Trauer versetzt wurde?
B 6.
(1) mn^ m^ ^ ^-
(2) 1^ ^-^ ^BPrtr^ ^BTTTT ^-
(3) t; ip^ vnnT ^ft^ ^-
(4) ^ T'c^ ^ft'ir ? 'nfl ^-
(5) ^[^] ?rrO^ <^M
(6) ^R S^M^O
Jidiaeh« «ad jtdkeMnditebe GnUnMliriflMi ans Adan. 29
Transkription.
(1) samäyel saiakel ji dive-
(2) kar yä-c^ aokarl aärä här
(3) I hib phävat jähäli Vr
(4) bar varase Un 3 mähe a-
(5) ga[8t] tärikh 15
(6) aana 1857
Übersetzung.
Herr Samäyel Satakel Dlve-kar, dessen Tochter Frau
Sarä ist gestorben [über] drei, 3, Jahre (alt), Monat August,
Datum 15, Jahr 1857.
Anmerkungen.
(1) DiTe-kar bedeutet vielleicht Rabbiner.
(3) ubar, skr. upari, mar. var(?)
(5) 8t ist nicht deutlich, Tgl. aber B 2, Z. 3.
(6) Die Jahrzahl stimmt wieder nicht zur hebräischen,
abgesehen davon, daß das Zeichen ftir 5 ebensogut als 8 oder
6 gelesen werden könnte.
30 ni. Abh.: Ghajea-Kirat«. JüliMlie und Jüdiaeb-iadiaeke acabinaehriflen «te.
Berlohtlgang.
8. 8, Z. 6 Ton anten, lies: mi Btett: mio
6,
,27
, 10, , 7
n
oben,
n
n
Ägyptei
«fter
„ 10, ,1 7 „ „ n ^öo karä — gäv karame
M 11, letzte Zeile, lies: Bend.
IT. Abbudlaof : Bbodokanakis. AloSaBoA* Vid ihre Trraerlieder.
IV.
Al-Uansä und ihre Trauerlieder.
Ein literar-historisüher Essaj mit textkritischen Exkursen
TOD
Dr. TSf, Bhodokanakifl.
Vorwort.
In der vorliegenden Schrift mache ich den Versuch^ auf
Grund der erhaltenen und von Cheikho herausgegebenen Trauer-
lieder al-Qansft's die poetische Individualität dieser Dichterin
festzustellen, d. h. einerseits die Technik ihres künstlerischen
Schaffens 9 andererseits ihren psychischen Charakter zu analy-
sieren. Es war ursprünglich geplant — und der Plan zu dieser
Arbeit reicht fünf Jahre zurück — auch dem äußeren Lebens-
gange al-Qansä's nachzuspüren und aus den Quellen ein
kritisch möglichst gesichertes Lebensbild zu entwerfen. Dieser
Teil der Arbeit wurde durch Gabrielis Schrift^ zum guten
Teil überflüssig gemacht.
Es > ist wohl selbstverständlich, so sehr ich bestrebt war,
in den Resultaten nur von al-i^ansä zu sprechen, daß ich auch
Streifzüge in Nachbargebiete unternahm, daß nach und nach die
ganze arabische Trauerpoesie für mich Gegenstand des Interesses
wurde; ist doch gerade im Rita' das Formale, welches auch
in den anderen Dichtungsarten das Individuelle so wenig
^ 8. das läteratoryeneichnU.
Sttiugsber. d. phil..hl«t. KL CXLVIJ. Bd. 4. Abh.
2 IV. Abluuidliinf : Bbodokanakis.
hervortreten läßt, ganz außerordentlich entwickelt. Es kommt
der Augenblick, da man sich fragen muß, ob unter solchen Um-
ständen eine Spezialuntersuchung gelingen könne, ob sie über-
haupt berechtigt sei. Ich war, wie gesagt, aus dem Speziellen
über al Qansä' ganz langsam ins Allgemeine über Trauerpoesie
überhaupt geraten; aber indem ich auch da vorsätzlich fär
diese oder jene allgemeine Form des Gedankens nur bei dieser
Dichterin Belege suchte und fand, geriet ich unwillkürlich
zurück ins Einzelne und konnte gerade der Erage, ob und
wie sich die Form bei einem Einzeldichter individualisiere,
das Interesse keineswegs absprechen. Ich wurde zu dieser
Betrachtung des Gegenstandes umsomehr gedrängt, als in-
zwischen — das Manuskript meiner Arbeit war bereits fertig-
gestellt — J. Goldzihers* konziser, aber erschöpfender Auf-
satz ,Bemerkungen zur arabischen Trauerpoesie' erschien. Ich
konnte nunmehr eine Reihe allgemeiner Erörterungen fallen
lassen,* da ich auf schon festgestellte Tatsachen hinweisen
durfte, dafür aber mit der Fortführung und Spezifizierung
des dort allgemein Erkannten und seiner Demonstration an
einem Einzelfalle mich begnügen; ob mit, ob ohne positiven
Erfolg, darüber steht das Urteil nicht mir zu; ich möchte aber
hoffen, daß mir der Nachweis gelang: es sei trotz alledem
möglich, wollte man nur geduldig und lange bei einem Dichter
ausharren und ihn bis ins Einzelnste kennen lernen, für ihn
wenn auch kein Schlagwort zu finden, das sein Wesen ganz
und restlos bezeichnete, so doch einen Umriß dessen zu geben,
was beiläufig seiner wirklichen Individualität mag entsprochen
haben.
Viel verdankt die Entstehung und Vollendung dieser Arbeit
meinem hochverehrten Lehrer Herrn Hofrat D. H. Müller, der
* WZKM. XVI. 807 ff. (1902).
' So über das negative Lob, die Masammatzeilen, die Wiederbolangen,
Namensannifdngen etc.
Al-8iiiiB&* und ihre TranerUeder. 3
mir zaerst die Anregung zu ihr gab und mehr denn einmal mir
zuredete und mich ermunterte, als ich nahe daran war, das
Oanze als aussichtslos aufzugeben. Wem ich gerade die nach-
drückliche Betonung des formalen Moments verdanke, wird
niemandem ein Qeheimnis bleiben, der den Gedankengang in
Kapitel III, Abschnitts. 7 — 10 und Kapitel VI. nebst der dort
gebrauchten Terminologie beachtet. Meinem Lehrer und Chef
Herrn Hoirat Karabacek als Leiter der k. k. Hofbibliothek
und Sekretär der kais. Akademie der Wissenschaften bin ich
flir das dieser wie meinen früheren Arbeiten bekundete Wohl-
wollen und Interesse dankbar. Meines werten Freundes und
Kollegen, des Herrn Dr. R. Geyer, brauche ich nicht weiter
zu gedenken; seine selbstlose Hilfsbereitschaft ist uns Arabisten
schon eine Institution geworden. Mit Herrn Hofrat Müller
hat er überdies die undankbare Arbeit auf sich genommen,
mich in der Korrektur der Druckbogen zu unterstützen.
Wien, März 1903.
N. B.
IT. Abhandlung: Bhodokanakia.
Literatur.
(Dtw.^) 'JlbSb al-^la8&* fS diw&n al-Hansft\ Beyrut 1889.
Le Diwan d* al-S'^^^* traduit par le P. de Coppier et saiTl des fragments
inödits d' al-Hlrniq. Beyronth 1889.
(Diw.*) Commentaires sur le Diwan d* al-Han8& d*apr^ les Mss. d*Alep, da
Caire et de Berlin, 6dit^s ponr la premiöre fois et complöt^ par le
P. L. Cheikho S. J. Bejrroath 1896.^
(Gabrieli) I templ la yita e il canzoniere della poetessa araba al-HansA*
. . . (di) Giuseppe Gabrieli. Firenze 1899 (Pubblicazioni del R.
Istituto di studi snperiori pratici e di perfezionamento in Firenze.
Sezione di filosofia e filologia. Vol. II. 81).
Beiträge zur Kenntnis der Poesie der alten Araber von Theodor NSldeke.
Hannover 1864.
(Mar&ti) Rijd.4 al-'adab fi mar&ti 5awä*ir al-*arab ... ed. L. Cheikho. Bd. I
iaw&Hr al-^hilijja. Beyrnt 1897.
{kg.) Kitftb al-Ag&ni. Bnlaq 1286.
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(Sprenger) Das Leben und die Lehre des Mohammad . . . von A. Sprenger«
Berlin 1869.
(K&m.) The KSmil of El-Mubarrad . . . by W. Wright. Leipzig 1864—1892.
(Harn.) Hamasae carmina ... ed. G. G. Freytag. Bonn 1828 — 1847.
(Hiz.) Hiz&nat al-adab. Bnlaq 1291.
(Wright op.) Opuscula arabica ... ed. ... by W. Wright. Leyden 1869.
(NOld. Del.) Th. Nöldeke und A. Müller. Delectns veterum carminum arabi-
cornm (Porta ling. or.)
(IRR) Der Dtw&n des 'Ubaid-Aliah b. Kais ar-Rukajj&t etc. Sitzungsberichte
der kais. Akademie der Wissenschaften in Wien, phil.-hist. Klasse,
CXLIV. X. 1902.
(P.D.) Palästinischer Diwan . . . von G. H. Dalman. Leipzig 1901.
» Suppl. = Supplement et Tables (1896). — Mit Dlw.* Einl. wird
Cheikhos Biographische Einleitung zum Diw&n, 2. Ausg. (p. 1 — 25)
bezeichnet. — Für die Handschriften wird die von Cheikho angenommene
Bezeichnung (cf. Präf. I ff.) beibehalten. Die Gedichte sind nach dieser
Ausgabe zitiert u. zw. bedeutet z. B. R X das zehnte Stück im Reim-
buchstaben R. Die Seitenzahlen Cheikho*8 sind in Klammem beigesetzt.
Al-9ftD8&« und ihre Tnnerlied^r.
Das Leben al-Hansas.
Zar Orientiernng des Lesers in den folgenden Abschnitten
diene eine kurze Einführung in die Lebensschicksale der
Dichterin y deren Lieder und Fragmente später untersucht
werden sollen.
Tumi4ir bint 'Amr b. aS*§arid al-Qansft' as-SuIamtja tritt
in den Brennpunkt unserer Betrachtung mit der Werbung
des greisen Duraid b. a^-^imma um ihre Hand.^ Auf dieses
Elreignis bezieht sich eines der ältesten erhaltenen Stücke ihrer
Gedichtsammlung.' Der greise Duraid hatte mit al-^ans&'s
Bruder Mu^ftwija einen innigen Freundschaftsbund geschlossen,'
der seinen äußeren Ausdruck darin fand^ daß jeder der zwei
Partner sich verpflichtete, falls er den anderen überleben sollte,
ihn mit einem Trauerliede zu feiern.^ Nun wollte Mu'äwija
diesen Bund noch enger kitten; ob er selbst die Schwester
dem Freunde als Braut Torgeschlagen oder seine Werbung
bloß unterstützt hat, mag dahingestellt bleiben; eine Rolle
spielte er in dieser Angelegenheit jedenfalls; ebenso gewiß ist
es aber, daß al-lgiansä' sich nicht überrumpeln ließ. Für
die fi^ie Stellung der damaligen Frau nicht minder, wie fUr
die Au£Fassung, die sie von der Ehe hatte, ist es charakte-
ristisch, daß al-^ansä' den Bewerber erst einer ganz eigen-
artigen Prüfung unterzog,* bevor sie ihren Entschluß faßte.
Dieser fiel nicht zu seinen Gunsten aus.
Die Verwahrung, die al-Qansä' dagegen einlegte, mit
Aufgebung ihrer persönlichen Freiheit dem Bruder einen
Freundschaftsdienst leisten zu helfen, finden wir im Fragmente
R X (m ff.) niedergelegt:
1. Wenn ich an meiner Selbstbestimmung keinen Anteil
bekomme, dann hat die Zeit §abr schon hinweggerafft ; ^
^ Oabrieli 96-^102. * R X (i i^— t n) Gabrieli 99.
» Aj^UJ U.! ^^\S Dtw.« Einl. 8. 18 f. 21 f.
« J^Ooldsiber in WZKM. XYI. 308.
« Gabrieli p. 99, Note 2.
* D. h. dann ist es, als lebte er nicht mehr. Sie spielt den einen Bruder
(Sahr) gegen den anderen (Ma'ftwija) ans. Ein Mißverst&ndnis des
0 IV. Abhanainng: BbodokanakU.
2. Treibst du mich (o Mu'äwija) — sterben mögest du —
gegen meinen Willen zu Duraid hin, nachdem ich den Sajjid
der Familie Badr abgewiesen habe?^
3. Droht mir Guhajja^ täglich mit dem, was Mu^&wija b.
'Amr (ihm zu)geschworen hat?'
4. Da doch jene (die Badr) uns ebenbürtig sind in aUem
Outen und ebenbürtig in allem Bösen/
5. Da schütze AUäh mich davor, daß ein Mißgestaltiger an
mir sauge, ein Zwerg, ein Abkömmling von Gufiam b. Bekr,^
6. Der es als Ruhmestat und von ihm geübte Großmut
ansieht, wann er die (Gast)versammlung mit trockenen Datteln
bewirtet.
7. Wenn ich als Braut zu den Gudam komme^ dann sinke
ich in Erniedrigung und Elend.
8. (Sie sind) ein netter Stamm: spüren sie Gefahr, dann
verkriechen sie alle sich in jedes Erdloch.
Den Platz des so schmählich abgewiesenen Werbers
nahmen später zwei Männer ein: Mird&s b. *Abl 'Ämir b. 5är
rita as-Sulami^ und 'Abd al-'Uzzä von den Banü Qufäf.^
zweiten Halbverses hat die falsche Ansicht (A^. XUI. 186, Diw.' in,
Note b) ermöglicht, die vorliegenden Verse seien aus einem Trauer*
Hede auf i^a^r; ebenso könnte die Bemerkung Dtw.* i \y unten ^15«
dJ Ü\ifi ^ LJU jjc'^ Ia^\ willkürlich aus diesem Verse abgeleitet sein.
* Wer diese Badr seien, wissen wir nicht. In der Prosaersählang DSw.'
Einl. 8 heißt es: ^UjJ\ ^\yB. JJU ^^,^ ^ iSj\S ^\jSl
* Guhajja ist nach der Vermutung des Herausgebers Diw.' i r • : c) ein
Spitzname, mit dem al-HansA* den Duraid verspottet.
' Diese Worte beziehen sich eben auf oder vielmehr sie richten sich gegen
Mu'ftwijas Vermittlerrolle.
^ Die Erklärung des Hrsg. 1. n. d) ist unklar. Da doch al-Hansft den
Duraid zurückweist und in den Versen 5 ff. samt seinem Stamme rer-
spottet, können ,sie* unmöglich ,uns% d. h. dem Stamm al-Hans&'s ,ln
allem Guten und Bösen, d. i. in den Tugenden und den sie begleitenden,
aus ihnen fließenden Fehlern ebenbürtig sein': mutig bis zur Toll-
kühnheit, freigebig bis zur Verschwendung. Die natürliche Stellung des
Verses 4 ist darum nach Vers 2: ... da ich den Sajjid der *A1 Badr zurück-
gewiesen habe, die uns in allem ebenbürtig sind, werde ich doch
nicht ,mich gegen meinen Willen zu Duraid hin treiben lassen', der so
elend ist, wie ich ihn euch samt den Seinen im folgenden schildern will.
* Der Spott ist sehr fein: Was mag ron einem solchen Vater für ein
Sprößling kommen I Duraid b. a9-Simma war ein GuSamit.
* Gabrieli 103—106. ' GabrielilOS.
Al-0aBs&* und ihn TmawUeder. i
Letzterer ist der Vater *Amrs b. *Abd al-'üzzk mit dem Bei-
namen 'Abu Samara ;^ außer dieser Vaterschaft weiß die Ge-
schichte von ihm nichts zu melden. Ans den Erzählungen im
Kitäb al-'Agäni wohlbekannt ist aber der erste, Mird&s, mit
dem Beinamen al-F4'i4 ,der Freigebige'.* Ihm gebar al-^ansä
die Tochter 'Amra, die selbst als Dichterin eine Rolle spielte.^
Vom unglücklichen Eheleben al-^ans&^s weiß die Tradition
mehreres zu berichten. Doch davon wird später die Rede sein.
JedenfaUs scheint Mird&s ein unternehmungslustiger Mann ge-
wesen zu sein: mit zwei Genossen machte er sich einst an die
Urbarmachung einer reichbewässerten Schilfgegend in der Nähe
einer Quelle. Die aus ihrem Versteck vertriebenen Ginnen
straften das Unternehmen Mirdäs an seinem Leben: die phan-
tastische Erzählung weist auf Sumpffieber hin.^
Eine tragische Wendung brachte der Tod Mu'äwijas
und seines Bruders $abr in das Leben der Schwester, die eben
durch ihre Trauerlieder auf das Brüderpaar unter dem Kamen
al-Qansä* in der arabischen Literatur berühmt wurde.
Mit Hädim b. Qarmala^ zog sich zunächst Mn^&wija auf
einer Messe zu 'Uk&? einen Raufhandel zu.^ Erst über Jahr und
Tag wurde er ausgetragen; denn als Mu^ftwija zum erstenmal
gegen den Murriten zog, gebot ihm ein böses Omen Halt und
Rückkehr.
Mit seinen 19 Rittern wurde aber Mu ftwija, als er ein
zweitesmal in murritisches Gebiet eindrang, in der Nähe eines
Brunnens, wo die Rosse getränkt werden sollten, überfallen.
HMim b. ^armala und Duraid, dessen Bruder, nahmen ihn
kämpfend in die Mitte: während er sich Hädims erwehrte,
überfiel ihn rücklings Duraid und streckte ihn tot zu Boden.
Die Rache für den Gefallenen nahm ^a^r auf sich;^
Hüdim sowohl als Duraid wurden in des Wortes eigentlichster
^ Gabriel! 107, Note 1.
* Gabriel! 104, Note 1.
* In der I. Ausgrabe des Dtwftns al-Han8& (Bebrüt 1888) findet sich als
Anhang eine Auswahl von Mar&ti dichtender Franen ; als erste (p. ^ £ ff.)
wird 'Amra blnt al-HanB&' angeführt.
* Gabrieli 105 f.
* Von den Banü Mnrra (Gatafftn).
* Gabrieli 108 ff.
' Gabrieli 111—126.
s
bIwfCB ermordet; erst Daraid durch $abr, der
BedeutttDg m ^^^^^qJ^q^^ überraschte, da er Ton einem
den ^^"^^^^ jijfl, Mu'äwija im letzten Kampfe beigebracht,
'^h b üicht erholt hatte. Ebenso schmählich fiel H4dim,
in Bruder doch nicht durch die Hand eines Sulaimiten; ein
^adamit, ^aiß b. 'Amir, machte seinem Leben ein Ende.
$ai^r setzte seine Rachezüge trotzdem fort, bis er selbst
erlag. Den B. Dubj&n, also auch den Murriten verbündet
waren die 'Asad b. Quzaima; gegen sie zog $abr mit 'Anas
b. 'Abb&s an der Spitze der 'Aufiten und Qufäfiten^ aus.
Babia vom Stamme Fa^as hatte den Ruhm, am ,Tage' von
P&t 'Atl dem sulaimitischen Helden einen Lanzenstoß zu ver-
setzen, an dem er nach langem Dahinsiechen zugrunde ging.
Die lieblose Behandlung, die der todeskranke Held von
seiner Gattin erfahren haben soll, das scharf damit kontra-
stierende liebevolle Benehmen der Schwester hat die Tradition
mit allerlei Sagen ausgeschmückt.' Für den Qang der Hand-
lung sind sie völlig belanglos.
$abr starb an seiner Wunde. Was der Bruder nicht
mehr erleben sollte, den Isl&m, erfuhr äußerlich die Schwester;
äußerlich und oberflächlich: denn wenn auch die Sulaimiten
und mit ihnen al-^ansä' der neuen Bewegung, die über Ara-
bien kam, sich anschlössen,^ so zeigte später doch die Rid da,
an der gerade die Sulaimiten keinen geringen Anteil hatten,
wie wenig ernst sie die neue Wendung der Dinge nahmen.
Gerade was die Frau anlangt, die hier unser Interesse besonders
in Anspruch nimmt, wird uns verschiedentlich überliefert, wie
selbst ihr äußeres Gebären mit den neuen Satzungen des
Islam in Konflikt geriet.
Der Chalif ^Umar^ soll ihr zweimal das Trauern um die
gefallenen heidnischen Brüder verboten haben, die doch ein
Fraß der Hölle geworden;^ einmal, als sie nach altheidnischem
Brauch, mit dem §idär angetan und in voller Traueradjustierung
die Rundgänge um die Ka'ba machte; ein zweitesmal, als sie
^ Zwei Unteratämme Sulaims.
* Gabrieli 123.
> GabrieU 140—152.
* Gabrieli 149—161.
» Vgl. Goldziher in WZKM. XVI. 321 flf.
AI-SmmA* uDd ihre TrmiiflrUeder. 9
mit den Ihren an Medina vorbeireisend von diesen ob ihrer
maßlosen Traner dem Chalifen förmlich angezeigt wurde. Sie
soU dem zweiten Nachfolger des Propheten, der ihr das im
Sinne des IslAm sündhafte übertriebene Klagen nm Tote^ und
um heidnische obendrein, vorhielt, geantwortet haben: ,Ich
beweinte sie früher wegen der Blutrache (at-ta'r), nun beweine
ich sie wegen des Höllenfeuers (an-n&r)/^
Ahnliche Vorwürfe soll ihr 'A^ida einst gemacht haben;
die Anekdote charakterisiert hier die tadelnde Prophetenfrau
ganz anders als den strengen ^Omar. 'A'i&a erkundigte sich
teilnehmend nach den Gründen, welche den toten Bruder der
alten Schwester so lieb und wert gemacht hätten, daß sie trotz
IslÄm und ^o/ftn ihn noch beweine. Da erzählte ihr die
Dichterin, wie ,ihr Mann'' einst all das Seine verspielt, daß sie
an den stets hil&bereiten $abr sich um Bettung wenden mußte,
und als dieser ihr die Hälfte des Seinen gegeben, da fing der
Verschwender (ihr Gatte) vom neuen zu vergeuden an, bis
wieder Sabr eingreifen mußte; und so ging's ein zweites und
ein drittes Mal, trotz der Vorwürfe, die nun l^abr ob seiner
allzugroßen Güte von seiner eigenen Frau zu hören bekamr'
,Wie mein Bruder dies tat', lautet der Schlußgedanke der
Leidensgeschichte, ,in der Erwartung, daß ich nach seinem
Tode ihn stets betrauern werde, so will auch ich dem Toten
Wort halten.'*
Diese Anekdote charakterisiert nach drei Seiten hin: zu-
nächst die Beziehungen al-Qans&'s zu ihrem Bruder $abr und
umgekehrt, dann ihr Eheleben und schließlich den passiven
Widerstand, den sie dem neuen Glauben entgegensetzte.
L Biographlsehe Notizen In kritischer Beleuchtung.
Eine ausführlichere Lebensschilderung al-Qansä's zu geben,
ist nach der weit ausgreifenden und groß angelegten Arbeit
G. Gabrielis überflüssig geworden. In dem zweiten, eben
^ Eine Hnßent charakteristische Anekdote, über deren historische
Wahrheit man aber weiter kein Wort su verlieren brancht
' Er wird nicht genannt!
' Gans wie in einer altarabischen Kafidet
* GabrieU 104.
10 IV. AbhandlQDg: Rbodokanakia.
diesem Gegenstände gewidmeten Abschnitte seines Buches (p. 61
bis 159) hat Gabrieli alle jene Stellen aus dem Diwan, welche
persönliche Anspielungen oder lebensgeschichtliche Daten ent-
halten oder zu enthalten schienen, u. zw. sowohl über die
Dichterin selbst, als auch über ihre Brüder, herausgegriffen and
samt jenen Erzählungen, welche uns die altarabische Prosa-
literatur über al-^ansd.' gerettet hat, verwertet.
Es ist selbstverständlich, daß jene auf diese eingewirkt
haben. Zwei der in solcher Hinsicht wichtigsten Stücke al-
gans&'s sind Diw.* RX (p. iM—jri) und D VII (p. oi— oa);
jenes liegt am Eingang, dieses am Ausgang ihres Lebens.
Was ersteres anlangt, so will ich hier nur auf Gabrieli p. 96 ff.
verwiesen haben;' D VII lautet folgendermaßen:'
1. , Wohlan! ^Umaira sagte, als sie mich sah und stolzen
Ganges ihren Hintern wiegte: (wie) eine spitze Schneide (treten
ihre Knochen vor)l'
2. Ich aber merke^ daß jedesmal, wann ich Besitz ge-
sammelt hatte, Raw&l^a und Sartd ihn unter sich teilten (daß
mir nichts übrig blieb).
3. Bin ich also dick, so habe ich meine Ehre bewahrt,
bin ich aber mager — nun, so ist's der leichteste Verlust*.
Zu diesen drei Versen wird eine ätiologische Anekdote
in zwei Varianten überliefert:*
(Diw.* p. oTf.) /Amra, die Tochter des Mird^s b.
'Abi *Amir, war der Qans&' letztes Kind. Als al-Qans&'
schon alt und welk war, da wandte sie sich eines Tages um
und ^Amra sah ihr Fleisch, wie es (nicht mehr prall war,)
sondern zitterte. Da sagte sie: ,bei Gott, du bist, o Quntlst
ein Weib mit schwammigem Fleisch geworden'; jene gab
zurück: ,Einmal wegen der Banü ^&rita^ ein andermal wegen
der Banü Rawllba^"^
* Vgl. auch oben p. 6.
' Gabrielis Übersetzung auf p. 157 seiner Schrift.
' Ibn al-*A'rabi nach einigen (Kommentatoren): JOJ^^. J!^. sei eine das
böse Omen abwehrende Beschwörung «.a^J« d. h. möge mir ähnliches
erspart bleiben I Der Sinn kommt auf eines heraus.
* Die eine bei Gabrieli p. 157.
'^ Der Kommentar erklärt: ich habe das einemal von diesen, das andere
Yon jenen einen zum Mann gehabt.
Al-Qftns&' und ihre Tna«rU«der. 11
Diese Anekdote will uns wohl das unverstandene und
kaum mehr verständliche j^j^\^ ^^9j ,Raw4tia und aä*
Sarid' des zweiten Verses erklären. Es macht aber al-^ansä
hier wohl nur zwei Stämmen^ den Vorwurf, sie trügen an
ihrem (materiellen?) Elend alle Schuld. Der Prosaist denkt
vielleicht an die etwa aus diesem Verse erst abgeleitete, jeden-
falls oft wiederkehrende Nachricht^ al-Qansft's Gatte' sei ein
Taiigenichts und Spieler gewesen, der all das Seine mehr denn
einmal durchgebracht, weicht aber, wenigstens scheinbar, vom
überlieferten Verstext in seiner Erzählung ab, wenn er al-
Qansä' sagen läßt: S^^j ^^^1^ sjU^ Äo^U^ ^^^^ SJ^: einmal wegen
der B. Q&rita und ein andermal wegen der B. Rawäb^; eine
Diskrepanz, die sich wohl begreifen läßt, wenn wir eben an
Hans&'s Gatten Mirdäs denken^ der über 'Abu 'Amir von
Qärita abstammte;' doch läßt uns dann die Erzählung über
die nun überschüssig gewordenen ad-§arid * des zweiten Verses
ganz im Unklaren.
Diese Anekdote schmiegt sich also zwar minder eng als
die folgende dem vorliegenden Verstext an und erklärt wenig
oder gar nichts ; denn sie selbst ist erst dem Versinhalte und
der Situation von D VII nachgedichtet; noch deutlicher läßt
sich dies aber an ihrer zweiten Fassung zeigen.^
;Die Solaimiten sagten zu *Umaira:^ ,, befühle al-^ansä'
und schau, wie's bei ihr steht ^. Da ging sie hin (zu ihr) und
legte ihre Hände auf jener Schultern und sagte dann: „Eine
scharfe Schneide^! Dann wandte sie sich zu gehen; doch al-
Qansä' improvisierte diese Verse'.
^ Dies fühlt aach der Protist, wenn er sa^t: ^\ «^yb «^ SI« «JU^IjJ
bei ai-d«rtd in einem Verse al-Hansft's kann man aber nur an ihren
Vaterstamm (^L»^ ^^^ ^-y ^r^) denken und so wird auch Ra-
wftha kaum eine Person bezeichnen.
' Er wird bezeichnenderweise in der Anekdote mit *A'i((a anonym ein-
peföhrt: "oT UVU* ^j ^2^\S T^Z^ J,\ (Einl. Dfw.* p. 20 pen. Gabrieli
104 und 149).
* Ag. XIII. 64.
* Über Mubtakirs Gefasel im Kommentar s. später.
* D!w.' p. ov oben.
* Man beachte, wie, statt des gewöhnlichen 'Amra, selbst die dimi-
nntire Namensform (aus Vers 1) beibehalten wird.
12 IV. Abhaadliiikg: BboAokaaakis.
Das Handauflegeii; um die Knochen zn betasten^ die An-
führang der Worte: ju^j^^ «x^ aas V 1, der Abgang 'Amra's
(llfjLtah c:^\}'i) sind weiter nichts denn eine prosaische Para-
phrase des zn erläuternden Fragmentes.
Ich habe mich bei diesen Versen aas zwei Gründen etwas
länger aufgehalten, als sie es eigentlich verdienten. Sie sind
erstens noch weiterhin zu biographischen Motiven ausgebeutet
worden und gaben die Quelle mindestens zu einem Teil jener
unsinnigen Liste der Ehegatten al-Qansä's ab, die Mubtakir^
im Kommentar zu D VU 3 folgendermaßen aufstellt:
1. ar-Rawä^ii
2. aS-garidi ('Ahmad b. Mälik)
3. al-Mirdäsi (Mirdäs)' etc.
Aus historischen Berichten sind uns nur zwei Oatten
al-^ansä's bekannt^ und zwar:
1. Mirdäs b. 'Abi *Amir^
2. *Abd al-'Uzzk* von den Banü 5ufÄf, Vater 'Amrs
mit dem Beinamen 'Abu Samara. Ar-Rawäbi and aä-§aridi
sind aber willkürliche Ableitungen aus D VII. 2. Dies zeigt
schon die gentile Namensform , die an den Vers anknüpfend
ihnen gegeben wird, wobei ar-Rawähi sonst ganz unbenannt
bleibt, aä-Saridi jedoch den jedenfalls merkwürdigen Namen
Al^^mad b. Mälik bekommt. Zwar wird Diw.* Einl. p. 10
Mitte aus dem Berliner Manuskript (v^) 18 allein^ noch ein
Gatte al-^ansä's genannt, und zwar mit Namen Rawäli^a; aber
* Vgl. Suppl. nv.
* Ans 'Umaira (= 'Amra) macht er eine Schwester des (sab 3. ange-
führten?) Mirdäs b. al-'Ad'ar b. *Ij&s b. Muraita b. Sirma b. Sinna (sie)
b. Murra (p. oa ob.).
* Ag. IV. 142, VI. 92, X. 43 ff., XHI. 64 ff., XX. 135, Vater des als Dichter
und ,herzbesänftigter' Muslim bekannten *Abb&s b. Mird&s (Ag. wie
oben. Sprenger III. 287 f.), der jedoch nicht von al-HansÄ* war.
« Tab. I. 1905. Bal&düri futüh al-buld&n 97. 19; E&ra. 220 f., wo 220,
Z. 9 •Um.«A.\ in '^iin ''^\ zu korrigieren ist. — *Abd al-*UzzJi ist die
richtige Namensform, nicht *Abd-All&h b. 'Abd al-'uzzi; cf. Diw.* Einl. 12
und 16 Mitte gegen 10 Mitte und Diw. oa oben. Ferner Suppl. ri%
gegen rvr and Oabrieli 106.
* Trotz der unklaren Fassung von Diw.* Einl. 10 Mitte; denn Ibn Ku-
taiba und Ag. an den dort angeführten Stellen kennen, wie überhaupt,
keinen Gatten al-HansA's mit diesem Namen.
Al-9aD8&* and ihre TnMi«rU«der. 13
seine Proyenienz eben ans D VII bleibt ^ solange dies Frag-
ment nicht besser erklärt ist, mindestens sehr wahrscheinlich.
Übrigens läßt Mubtakir a. a. O. all diese Gatten al-Qansä's
verwegene Spieler sein und zeigt so auch in diesem Pankte
seine Abhängigkeit von D VII, das, wie wir sahen, auch von
anderer Seite mit der Tradition von al-Qans&^s unglücklichem
Eheleben in Verbindung gebracht wurde.
Trotz dieser Ubelstände klingt aber aus den drei Versen
dieses Fragments ein psychologisches Motiv heraus. Ist näm-
lich die in V. 1 angeredete 'Umaira wirklich al-Qansä's Tochter
*Amra, die Dichterin,^ so könnten wir von da aus auf die Unver-
träglichkeit der greisen Mutter mit ihr, besser vielleicht und all-
gemeiner auf ihre übrigens auch aus anderen Motiven begreif-
liche Gereiztheit gegen die Jugend und ihre Mitmenschen über-
haupt schließen. Zum Glück besitzen wir neben diesen zwei,
zum Teile widersprechenden und für biographische Zwecke
wenig brauchbaren Anekdoten und den Versen, die sie erläu-
tern soUten, noch eine kurze Erzählung, von der Gabriel i'
vermuthet hat, es sei die bisher mitgeteilte bloß ihre Variante;
oder wie ich frei mich ausdrücken möchte: die mit jener zu
Einer Mythengruppe gehört.'
Vor dem Chalifen Mu*äwija, der für altarabische Poesie
und altarabisches Wesen ein reges Interesse zeigte, erzählte
einst 'Al^ma b. Garir folgendes: ,Bevor ich zu dir ausging,
schritt ich des Weges her, eine altersschwache Kamelstute
vor mir treibend, die ich beim Stamme wollte schlachten lassen;
da ereilte mich die Nacht bei den Zelten der Banü Sarid. Dort
war 'Amra, die Tochter des Mirdäs, im Brautstande und
ihre Mutter al-Qansä', die Tochter des 'Amr. Ich sprach zu
ihnen: „Schlachtet mir dieses Tier und tut euch gütlich daran !^
^ KAm. vrA, wo die oben beleuchtete fttiologische Anekdote in ihrer
«weiten Fassang erzählt wird, sagt allerdings: ^^^ •LmJ ^Jaio
^JLw. — Gabrieli 157 schließt hinwieder ans den Worten Mnbtakirs
(s. oben p. 12, Note 2), daß es sich nicht um *Amra bint al-Hansä*, son-
dern tun *Umaira Schwester des Mirdäs b. al-'As'ar etc. handle. — Vgl.
dagegen Dlw.* ov, Z. 3: ^\ b dJ!3\ jfs>JtSv
« p. 167.
* Gabrieli 156. £Mw.* Einl. p. 23. Ich hebe ausdrücklich hervor, daß
diese ErsXhlnng mit D YII in keinerlei Zosammenhang gebracht wird.
14 IV. Abbuidlang: Bhodokanakis.
und setzte mich hin zu ihnen. Nachdem aber das Tier zu-
bereitet war, wurden wir (ins Brautgemach) eingelassen, und
da war sie — 'Amra — ein sauberes Mädchen und da saß
auch in einen roten Mantel gehüllt ihre Mutter al-QansA* —
die schon alt war — und blickte das Mädchen mit glühen-
den Blicken^ an. Die Leute aber sagten: „Bei Gott, o 'Amra,
reize sie doch (daß sie spreche); denn sie versteht jetzt gar
manches von deinem heutigen Zustand.^ Nun erhob sich das
Mädchen, als wollte sie etwas, und trat auf ihren Fuß, daß
er sie schmerzte. Doch jene rief grollend: n^^g* es dir gut
geh'n,' du Törin! Bei Gott, (du tust), als ob du bloß eine
dumme Magd trätest; doch bin ich, bei Gott, gefeierter denn
du gewesen als Braut und hatte noch bessere Salben; und das
war eine Zeit, als ich ein Mädchen war, das die Jünglinge
entzückte^ das kein Fett (beim Feuer) zerließ, noch das Vieh
hütete; (sondern) wie ein gut gepflegtes Pferdefohlen (war);
nicht vernachlässigt, noch jemand anheimgegeben, der mich
vernachlässigt hätte. ^ Da staunten die Leute, wie sie ihrer
Tochter grollte.*
Es muß nach dem Vorangehenden zugegeben werden,
daß über das gespannte Verhältnis al-]^ans4's zu *Amra ein
kleiner Legendenzyklus kursierte, und noch ein Punkt ver-
dient aus der letzterwähnten Anekdote hervorgehoben zu
werden: es heißt, da 'Al|}:ama mit seiner Erzählung fertig war:
da lachte Mu'äwija unmäßig.^ Die Erzählung muß also eine
Pointe haben, und diese kann ich sonst nirgends finden als
in der barschen Art, wie al-|Iansä' ihr junges, naseweises Kind
abfertigt, im Mißverhältnis zwischen Angriff und Abwehr. Man
machte sich über die alte Dichterin lastig; sie wurde einmal
der Mittelpunkt einer humoristischen Anekdote. Solche waren
aber leicht zu finden und ebenso leicht zu erfinden; der Un-
stern, den das Schicksal über ihr Leben geführt hatte, der
Umschwung alles Denkens, der rings um sie sich vollzog,
hatten aus der feurigen Dichterin eine grämliche Alte gemacht.
Das ist, denke ich, das historisch und psychologisch richtige
* r-/
▲l-0ani4> und ihre Tnverliader. 15
Motiv dieser Anekdoten und der zweite Grund, wamm ich
ihnen und dem kurzen Fragment D VII soviel Bedeutung
beilegte.
Aber auch gegen die Mächtigen dieser Welt konnte al-
Qansä^ halsstarrig sein und nackensteif auftreten. Wir finden in
ihrem Diwan nirgends einen Anhaltspunkt dafür^ daß sie dem
Islam, der ihre oft beweinten Brüder dem Höllenfeuer preisgab,
irgendwelche Konzessionen gemacht hätte. Zwar soll sie mit
den übrigen Sulaimiten die neue Beligion angenommen haben ;^
doch konnte dem heidnischen Geist, in dem sie aufgewachsen
war, diese ebensowenig anhaben, wie jenem, den die Omaj-
jaden der späteren Zeit sich bewahrt hatten. Diesem Geist
entsprechen auch vollkommen alle jene Anekdoten, die uns
Ton ihrem Zusammentreffen und Auftreten gegen 'Omar und
A'iöa berichtet werden^ und sich im Kern so ähnlich sehn,
daß ich für sie als Gruppe dasselbe Recht geltend machen
möchte wie für jene früheren, die als analoger Typus al-Qansa'
gegen ^Amra heißen könnten: ob sie historisch oder unhistorisch
sind,' ob nicht Ein Ereignis hier in verschiedener Weise uns
erzählt wird, ist nebensächlich; sie sind psychologisch wahr;
dafür bringt uns der Diwan den negativen Beweis.^
n. Al-|[ansft's Bichterruhm nach altarabischem
Urteil.
Ein Teil des hier zu behandelnden Stoffes hätte noch im
vorangehenden Kapitel einen Platz finden können, insoferne
als nicht bloß kritische Urteile über die tote Dichterin hier
angeführt werden, sondern auch solche, die zu ihren Lebzeiten
und in ihrer Gegenwart (bei den üblichen ,Sängerkriegen') sollen
gefallen sein, wo ja die Dichterin in die Debatte eingriff, sich
verteidigte und an den Mitbewerbern ihre kritische Laune
» Diw.« Einl. 20. 1.
■ Dlw.« Einl. Bern, sa L XIV (m). Einl. p. 20 und Suppl. rvo: 9 ff.
Gabrieli 104 f. 149 ff.
' Vgl. bes. Diw.* lf.1 ( I vr) und im Anhang den Exkurs über diese Ka-
^de; femer den schon zitierten Passus bei Goldziher WZKM. 321 ff.
« Vgl. das IX. Kapitel dieser Untersuchung und Gabrieli 149, Z. 9 ff. im
Gegensatz zu 152 ff. ebenda.
16 IV. AbhAndlang: Bhodokanakis.
ausließ, so daß man diesen Abschnitt Alglich überschreiben
könnte: al-^ansä' critique et critiqude.
Ich habe hauptsächlich jenen Wettstreit im Ange, der
zwischen al-'A^dk Maimün b. J^ais; Hassan b. Täbit und al-^ansä*
vor an-N4biga als Schiedsrichter stattfand, und den nns Ibn l^u-
taiba/ Agänt und Qizänah mit Abweichungen überliefert haben.'
Wenn es sicher wäre, daß diese Anekdoten wirklich auf
die Zeit zurückgehen, auf welche die Tradition sie zurückführt,
so hätten sie, diese ihre Authentie vorausgesetzt, fbr die Be-
urteilung der altarabischen Poesie den größten Wert. Wir
hätten hier' den wohl in keiner Literatur sehr häufigen Fall
vor uns, daß ein Großer über die Hervorbringungen seines
nicht minder großen Bruders in Apoll ein Werturteil abgibt.
Aber selbst vorausgesetzt, daß diese Anekdoten von den
Grammatikern und Überlieferern einer späteren Epoche fabri-
ziert worden sind, vielleicht um ihre Klassifikation der Dichter-
klassen zu begründen,^ so verlieren sie nur wenig an Wert:
wir haben dann die Kriteria vor uns, nach denen sie in der
_^ —^ ^_ ••
Beurteilung der Poesie und der Poeten vorgingen. Ahnliche
kritische Ausfälle wie der hier zu erwähnende, gerechte
und ungerechte, ernste, witzige und persönlich subjektive, sind
uns auch aus viel späterer Zeit, so zu manchen Versen des
IJuraiäitischen Dichters 'Ubaid- Allah b. J^ais ar-Rul^ajjHt, über-
liefert.^ An einige derselben erinnert die scharfe Kritik, die
an-Näbiga bei dieser Gelegenheit an den zwei Versen 9assän's *
^\ to ,/\^ ^JUL Lo ^/li • j]^ ^\^ -ULU3\ ^ UjJ^
geübt haben soll. Aber abgesehen davon, daß bald al-9ans&',^
1 Cod. Vindob. (Si'r wa Suar&* im Kapitel .U*;i.\) Fol. 64^flf.
• An-Näbiga weist al-Hansä* auf Grund ihrer R&*ija R II (Diw.* vr ff.) gleich
nach al-'A'§A den zweiten Rang an und fertigt den Hassftn sehr unfreund-
lich ab. — Dlw.« Einl. 23 f. Gabrieli 138 f. Ag. VIII. 194 f. und IX. 163 f.
Hiz. III. 432 f.
* Von kollegialisch- neiderfüllten Seitenhieben, die auch sonst wo vor-
kommen, natürlich abgesehen. Vgl. dazu Ibn Kais ar-Bukajj&t 58 ff.
* Ag. VIII. 194 geht auf Ibn Kntaiba zurück. » IKR p. 66 ff.
• JHiz 1. n. Diw.« Einl. p. 24. Ag. VIU. 194 f.
' So wenigstens Gabrieli 139, N. 1 nach Cheikho in Dtw.* Einl. p. 24. An
der von Gabrieli angeführten Stelle Hiz. III. 432 f. ist aber beidemale
A)-9itiiBft« vnd Oir« Tr»iierli«der. 17
bald hinwiedemm an-N&biga selbst der Kritiker dieser Verse
gewesen sein soll, ist schon die ganze grammatisch und lexiko-
graphisch spitzfindige Fassung der Kritik, die beinahe von
einem pluralis paucitatis spricht/ ein Beweis, wie er deutlicher
nicht gewünscht werden könnte, daß ein Beduine zwar so ge-
SÜbltf aber unmöglich mit solchen Argumenten gedacht oder
geurteilt haben kann. Details, wie der lexikographische Unter-
schied zwischen den Worten Ji (mit weißem Fleck auf der
Stime) und Jß^i (ganz weiß), cy»^ (blitzen) und oV^St
(leuchten), c>j^^ (tröpfeln) und ^A^ (triefen) : die unrecht ange-
wandt zu haben,' an-Näbiga dem Qassän vorwirft, können nur von
Leuten herrühren^ die professionsmäßig sich mit derlei beschäf-
tigten, von der gewünschten Ersetzung von ^.^^^ durch l5*^^
abgesehen, die ganz wie eine Uberlieferungsvariante aussieht.
Etwas mehr ist natürlich auf die Urteilsüberlieferang von
BadSär' zu geben, der alle Frauenverse bis auf die al-Qansä's
schwach fand; auf jene al-!A§ma'i's,^ der Lailk zwar fbr
kräftiger und vielseitiger hielt, in al-]^ansä' aber die bessere
Ritä'-Dichterin anerkannte;^ oder auf al-Mubarrad, der mit
an-N&biga der peinliche Kritikus; ebenso A^. 11. nn. und Ibn Kutaiba im
Cod. Vind. (ef. Ag. YIII. 194). Die Ton Cheikho Diw.' Einl. p. 23 und
nach ihm Ton Gabrieli 137 ssitierte Stelle: i »o j^* . l «^ U ^ JL^^^JS ^\
ist vielleicht ein falsches Zitat.
* Vom Wortlaut der Überlieferung darf man natürlich nicht yiel halten;
Diw.« Einl. p. 24 ^^(!)>j.äJ\ dJÜüJi yftuJ\ ^^> U OUil.\^
J\ ijJt^\ ^2^> LiUM)^J\^...y^\ ^15Ü ^Ui.\ dJL*. Nach einer
anderen Version (Qiz. 1. n.) soll aber an-N&biga gesagt haben: CUUSI
eX3U^\ iJUaJ^ ^UJ[ oder: ^lyuA^ ^U^ CUUsi (Ähnlich Ag.
Vni. 195). — Man lese eben bei Hiz. HI. 430 ff. die ganse Debatte
über diese Verse Hassftns nach — die auch ihre Verteidiger fanden —
um sieh von der schulmeisterhaft pedantischen Armut des Themas zu
übersengen, das man aber froh war, an den klangvollen Namen an-
Nibigas anknttpfen su kennen.
* Daß J^ weniger als «J»^» ^*t^^ weniger als ^ Aj^, ^jLjü weniger
als ^-JLuO bedeutet, ist zwar philologisch richtig aber poetisch hOchst
abgeschmackt.
* Sart^is Kommentar zu den Makftmen: II. 233.
* Nach al-Hufrt: Zuhr al-*ld&b HI. 243 f.
* Einen Ähnlichen Unterschied statuierte man zwischen *Umar b. 'Abt
Rabt'a und IKB; vgl. ebenda Einl. 56—58. Wenn es Ag. IV. 16.
13 f. in einer Tradition , die auf Hassftn selbst zurfickgeführt wird,
heißt: an-Nibiga habe in ihm den Dichter ttberhaupt, in al-Hansft* aber
SitzangsWr. d. pUL-UsL a CXLYII. Bd. 4. A1»h. 2
18 IV. A1»h«ndliing : Bbodok«n»kit.
Bezug auf al-Hansä' jene Elegien als die schönsten bezeichnete,
in denen neben dem Schmerz über des Toten Verlast aach
sein Lob am kräftigsten znm Ausdruck käme:^ Urteile, die
ich deshalb noch eigens anführe,^ da sie uns ein Beweis sind,
daß schon die alten Kunstästheten nicht bloß, wie man ge-
wöhnlich anzunehmen pflegt, nach einem oder zwei geglückten
Versen einen Dichter beurteilten,' sondern auch auf das Ganze
seiner Leistung sahen; ein Standpunkt, der unserem Gef&hl
weit sympathischer ist.
III. Die Technik des Klageliedes bei aI-HansA\
1. Stimmung. Katurbelebung. Bildervorrat.
Alles künstlerische Schaffen setzt sich aus drei Grund-
elementen zusammen: auf ihnen ruht es und aus ihnen geht
es hervor; sie heißen: Rhythmus, Harmonie, Stimmung. In
dieser Reihenfolge traten sie wohl auch in der Entwicklung
der Kunst auf;^ die Stimmung als letzte: denn sie setzt beim
Zuschauer oder Zuhörer die größte Aktivität neben der uner-
läßlichen passiven Rezeptivität voraus: es soll jeder Genießende
zur Anschauung eines Kunstwerkes ebensoviel Stimmung mit-
bringen, als der Schaffende in seine Schöpfung versenkt hat.
Wenn wir unter Rhythmus die regelmäßige Wiederkehr
einer einfachen oder zusammengesetzten Einheit in bestimmten
Intervallen verstehen, unter Harmonie das nach physiologischen
und psychologischen Gesetzen geregelte Verhältnis der Teile
einer solchen Einheit oder mehrerer Einheiten zu einander — so
ist die Stimmung wohl erfaßbar wie jene, doch undefinierbar,
bloß die Rit&Michterin speziell und auBSchließlich anerkannt (d53\
li*l5L^ /K^^^ C5^ CU:hi.\ ^\^ j^LäJ), 80 glaube ich an die Antbentie
der Anekdote keineswegs, aber gern daran, daß diese Worte dem alten
Poetaster aus dem Herzen gesprochen sind.
^ Darüber siehe in den folgenden Kapiteln.
' Gabrieli 220 ff. and Diw.' Einl. 24 f.
' al-Garir hingegen weist al-Hansft auf Grnnd der drei Verse 8 IV.
(D!w.' 100, Note f) gleich nach sich selbst (1) den zweiten Rang zu.
Al-^ansA selbst soll Vers L XIV. 3 (rrv) für ihren besten gehalten
haben (Suppl. rro).
* Über die ersten zwei vgl. Ernst Grosse, Die Anfänge der Kunst. Frei-
barg und Leipzig 1894, p. 142 f. und 271 ff.
Al-0uwi* uid ilin TnmrlMar. 19
ebensowenig mit Worten zu schildern wie ein grelles Rot oder
ein sattes Grttn, ebenso schwer festzuhalten wie der Licht-
strahl, der sich dnrch zitterndes Laub stiehlt, oder wie ein
Wolkenschatten, der über den Himmel hascht.
Gerade bei den Arabern, die anf dem Gebiet der de-
skriptiven Natnrmalerei soviel geleistet haben, finden wir wenig
StimmnngsYoUes. Sie verhalten sich der Natur gegenüber
meist kühl und objektiv; eher lassen sie sich von ihr stimmen,
als daß sie eigene Stimmungen subjektiv in sie hinein verlegten:
sehen wir doch dasselbe Stück Natur bei gleicher Beleuchtung
stets mit anderen Augen an: je nach unserer Gemütsvorfassung.
Es wäre daher ein Irrtum, wollte man sagen : da in ]^ans&'s
Liedern der Nordwind so oft regenloses Gewölk über den Himmel
peitscht, die Zeltstricke zerreißt und den Wüstensand aufwirbelt,
vor seinen Stößen das alte Kamel milchlos und krumm, mit ein-
gesunkenen Weichen einhergeht, die arme Witwe am gastlichen
Feuer Nahrung und Wärme sucht : dies sei Stimmungsmalerei.
Einem künstlerischen Prinzip dient dies alles wohl, aber dem der
Gegensätzlichkeit, das sich in der Fiktion erst einen Hintergrund
malen mußte, vor dem sich die Haupteigenschaft des Gepriesenen,
die Freigebigkeit, abhöbe, ohne den sie weder Sinn noch Wert
gehabt hätte; wie ja der Held selbst in der Wirklichkeit jener
Kalamitäten bedurfte, eines elenden Milieus und eines harten
Winters, um seine edlen Eigenschaften leuchten zu lassen.
Einen Parallelismus zwischen Natur und Seele im
oben vorschwebenden Sinne finden wir auch bei al-Qansä' sehr
selten. Auffallend einmal in J). I. 8 (ioa)^ das eine Grau-in-grau-
Stimmung treffend wiedergibt:
,Ich gedenke seiner (des Toten), wenn die Erde abends
in einförmiger Ebene ausgestreckt von keinem Lichtreflex be-
leuchtet wird.'
Worauf es hier hauptsächlich ankommt, merkt man an
einer scheinbar ähnlichen Stelle sofort, die aber bloß das stete
Gedenken umschreibt^ (S. H. 10. loi):
^ Mit Herrorhebang der zwei ftlr den Helden wichtigsten Tageszeiten, der
des Anszngs and der Rflckkehr; nicht etwa seine Eleganz und Gastlichkeit
wie im Kommentar p. t o r oben [v_Juw^\ ^«^ ^ ^^ (^^^^^ä^-U ^^j^)
^^ C^ ^^ o***^^ £>J^^J' "■ ^«^- ■'*** Wright op. 1 1 f ,' Z. 4
▼on nnten.
2»
20 IV. Ablumdlvog: Bbodokaoakii.
,Der Sonnenaufgang bringt mir $abr ins Gedächtnis,
bei jedem Sonnenuntergang gedenk' ich seiner/
wozu folgender Vers Ferazdai^s erst eine Abzweigung
bietet, aber mit dem eingeschobenen Vergleich des Helden mit
dem Tag- und Nachtgestirn:
,(Meinen Schmerz) geduldig zu ertragen, wehrt mir, daß
ich den Mond nicht aufgehen sehe, noch die Sonne, ohne daß
sie Gälib mir ins Gedächnis riefen;
,Dem Ihn Lailk glichen sie: wer aber ihm gleicht, der
verdunkelt der Sterne Licht.*
Die Neigung zu Anthropomorphismen ist aus der
menschlichen Natur nicht auszurotten; was beim Kinde, das den
Tisch schlägt, an den es sich gestoßen hat; beim Wilden, der
einem Fetisch Wunderkräfte zutraut, noch bitterer Ernst ist,
hält sich auf den oberen Alters- und Kulturstufen als Spiel der
Phantasie fest und läuft als Woge fort, die ein erregtes Geftihl
auf wirft; es führt dann vom naiven Glauben, mit dem ein be-
engtes Gemüt Himmel und Sterne zu Zeugen seines Unglücks
anruft, zu der ergreifendsten und kunstvollsten Naturbeseelung
und Naturbelebung in der Dichtung über.
Wenn der bekümmerten al-^ansft, die vor Leid erstickt,
,die Erde zu eng wird^,* so ist es von dieser physiologisch
richtigen und naturwahren Äußerung des Schmerzes nur ein
Schritt zur Fiktion: die Natur selbst an ihrem Leid teilnehmen
zu lassen, bis die Berge, die ihren Atem hemmten, wirklich
einstürzen, bis die Höhen und die Steppen zu gleicher Tiefe
sinken.' Es ist also auch bei al-^ansft durchaus nichts Auf-
fälliges, wenn Erde, Sonne, Mond und Sterne am Leid der
Menschheit über den Tod ihrer Helden teilnehmen. ,E8 klagt
der Berg Sawän, sein stein- und sandhaltiger Lehmboden
und seine Rinnsale' über den Tod ihres Gatten Mirdäs,^
* Wright op. p. M I :
• J>ß\ ^^ CUSU D VI. 1 (qo).
• J^^^ fi^^^ Coc5»U:* ^jX^ ^^^^^ v.:U-oio\5 (ebenda).
* L V. 4 (IIA) iULu^ JJ^ Jiy^ ^j\.
AI-0U1I&* und ibra Tranwliader. 21
,68 stürzen die Berggipfel ein wegen des Verlustes' (ihres
Bruders); ^ nach einer Variante dieser Stelle sind es wieder die
Sterne y die darob zu Falle kommen;' die Erde erbebt und
die Sonne verfinstert sich,' die Erde wirbelt im Kreise herum
mit den schwindligen Menschen;^ der Mond verfinstert sich^
und nochmals die Sonne.^
An derartig übertriebenem Leidesausdruck ist besonders
das Fragment R. XIII reich (irc):
,Die Sonne verfinstert sich wegen seines Todes und der
Mond zeigt nicht sein volles Licht;
ydie Menschen weinen betrübt, und die Qinnen stehen
denen bei, die (zur Totenklage) wachen;
,und die wilden Tiere klagen ihr Leid . . /
Daß die Sonne beim Tode eines Menschen sich verfinstern
kOnne, scheint überhaupt ein alter Volksglaube gewesen zu
sein, gegen den bei den Arabern bekanntlich schon Muf^ammad
ankämpfte;^ aber nicht etwa nur bei den Arabern allein finden
wir diese poetische Vorstellung; ähnliches wird uns ja -in den
Evangelien aus der Leidensgeschichte Christi berichtet,^ und
D. Fr. Strauß hat viel Analoga dazu gesammelt;^ das gleiche
gilt von den Erderschütterungen ^ und ähnliche Vorstellungen
kehren auch in der Trauerpoesie wieder.
Das in Rede stehende Fragment (R. XIII) ist aber noch
in anderer Hinsicht charakteristisch; es spinnt den Gedanken
» L VL SS (riA) bei KÄm. 740: «jJU ^^ u^yt}\ ^.
* «jJli ^^ c-^yü\ J\ji (Textlesart ebenda).
* Ebenda: l^'^\ ^^»A)\ CJlLw^ be»w. l^\j^j J>ß\ ^^j^j^ (^ei
K&m. 1. n. — Diese Variante ist darch Kor'ftn 99. 1 entstanden). — Vgl.
anch NOldeke, Delectos 93. 11 ff. (al-F&ri'at bint Tarif)-
* D. XI. 3 (if) U> ^^jJ C^^S y J^J!^\ to 0,li.
* R. XIII. 8 (i rf). * Ebenda. * Sprenger m. 86.
* Matth. 27, 51, BCarkns 15, 83, Lnkas 23, 44 f. Vgl anch Snppl. r«A, Z. 9:
j^\ yo\^ ^s^iU JAS\5 jj^\ ^l
* Leben Jesu IL Buch, HL Kap., § 94.
22 !▼. Abhuidlunf: Bhodok«n«kis.
von einer Sympathie, welche Lebloses und Halbbelebtes zu den
Menschen ziehe, weiter aas und könnte nur noch mit Q. IV
(«•) 4 — 7 derselben Dichterin verglichen werden:
4. yDram weine , o mein Ang', über den Mann, dessen
Ruhm weithin verbreitet ist; seinetwegen weint das Auge der
Kenner, die im gestreckten Galopp die Lnft durchschwimmen,
ö. ,und jede (Lanze), lang von Schaft, braun und schlank
und jedes edle (Schwert) von den trefflichen mit breiter
Klinge,
6. ,und jeder Panzer mit langer Schleppe, wie ein Tümpel
(glänzend) und jedes schnelle, ausgewachsene Roß, das seine
edle Abstammung offenbart,
7. ,und jede sanft ausschreitende Kamelin, wie ein
Hengst (stark und) schnell, und jeder Renner, der mit Ende
der Nacht sich verspätet^
Dem wilden Getier, ,^-5^-^, das dort (R. XHL 5) über
§abr weint, entspricht in 5 IV die Aufzählung der eilenden
Renner, Rosse und Kamele,* ja sogar der Lanzen, Schwerter
und Panzer, die desgleichen tun (V. 5 f.). Nun aber sind der-
artige Übertreibungen, in solcher Weise gehäuft, sonst nirgends
bei al-^ansä' zu finden; und daß sie unpoetisch sind, haben
schon die alten Philologen gespürt. Aus dem Buche Nul^ad
aS-§i'r des I^udäma b. (Jafar führt Cheikho (Suppl. rr-) zum
Hemistich H. L21a (roo):
,(Dein Roß) TaII^a bat dich vermißt und ist endlich zur
Ruhe gekommen'
folgendes an:'
,Von den Dichtern pflegen einige das Ri|ä' durch die
Erwähnung der Dinge zu beleben, die der Tote verlassen hat
und die um ihn weinen nur darf nicht von allen Dingen,
die der Tote nicht mehr benützt, solches ausgesagt werden;^
* Vgl. Wrigfht, op. 117, 8 unten und PD 340 ff.
* In stark gekürzter Übersetzung.
' Z. B. nicht vom Leibroß s. u. Die weitere Ausführung: Aj\a JUS ^
Uki^ ^\S s5)ÜLt* l*o^\i y JcK? ^ 3\ J^\ sfi>U5o LIU^ ^y gilt
nur dort, wo V^«^ nicht die Bitter bezeichnet, wie B. I. 3 (r) beweist:
I — i\^\; uJ, ^^ U! cj'*^ * ^-f^ ^^^ uki- "^^^ ^h
,da sie nach seinem Tode Geschenke und Beuteanteile vermißt haben*.
A1-9U18&* lud ihre TnnerUeder. 23
denn was bei Lebzeiten des Helden zu seinem Lobe derart
geschildert wurde, daß er es abhetzte und abnützte, mußte
sich nach seinem Tode sehnen, und umgekehrt kann nur das-
jenige über seinen Tod bekümmert sein, dem er wohltat; des-
halb hätte al-Qans4' hier gefehlt, wenn sie von $abr's Rosse
statt: cUsk-V^^Miii „es fand Ruhe^ «j:^X^ „es weinte^ gesagt^; denn
sie hätte ihn zu einem Feigling gestempelt, der nie sein Roß
zur Razzia bestieg.^
Wie es im Klageliede Davids IL Sam. 1, 21 heißt:
,Berge Gilboa's, kein Tau soll auf euch fallen, noch
Regen . . ., denn dort ward fortgeworfen der Schild der Helden,
der Schild Sauls, als wäre er nicht gesalbt mit dem Öle^ so
spricht auch al-Qansä' die Erde an, ob sie sich des Wertes
bewußt sei, den sie in ihrem Inneren berge :^
^O Erde, wie hast du die Freigebigkeit mit $ahr b. ^Amr
hinweg gerafft und mit welchen (anderen Helden) bewahrst
du (sie)!
,Du bewahrst von der Häuptlingschaft das Auserwählte
und den Aufbau von Edeltaten, wüßtest du das dochl'
Und ähnlich dachte sie, wie es scheint, in L. VI. Iff. (r* i):
So wenigstens interpretieren 'Abu ^Amr, die sulaimitischen
Kommentatoren und Kämil 741' den 2. Vers, als ob die ,Erde
mit (Mu'äwijas) Leiche ihre Lasten (d. h. Gräber) geschmückt'
hätte.^ Aber abgesehen davon, daß diese Interpretation von
'atl^äl durch J^or^'än 99. 2 beeinflußt zu sein scheint, sprechen
auch innere Gründe gegen diese Auffassung. L. VI Anfang
ist wie der Beginn so vieler Trauerlieder in Dialogform ein-
gekleidet. Auf die Frage (in V. 1) nach der Ursache ihrer
unbändigen Trauer antwortet die Dichterin erst in V. 3 ,kein
^ Dayon sind natürlich Verse wie Wright op. 120, 7 unten (v^Cy5oLw)
jT ^U»J\ ^^^b) und Marftt! f v : 6 — 2 unten zu trennen.
> N. n. 12 f. (rir).
* Siehe den Kommentar zu diesem Verse in Dtw.' 1. n.
* Von der Radix ^^^Xa«.
24 IV. AbhaQdliuig: Rbodok»n«kis.
Sterbender mehr werde ihr der Klage wert, keine Leidtragende
der Teilnahme würdig sein'. Vers 2, der ebenfalls eine Frage
stellt, muß notwendig eine Spezifizierung und Steigerung
der in Vers 1 aufgeworfenen enthalten, die al-Qans&'s be-
jahende Antwort in Vers 3 begründet: um sie derartig gegen
alles Mitleid abzustumpfen, muß fllr sie alles vorüber sein.
Unwillkürlich neigt man sich einer zweiten Erklärung zu, die
al-*Umawi, al-'A§ma^i und 'Ajjää as-Sulamt, einer von den Banü
'Abbäs b. Mirdäs,^ dem Verse geben; sie ist hochpoetisch und
doch nicht ganz befriedigend ; ihr zufolge wird al-^ansä befragt,
ob denn die Erde mit (Mu^äwijas) Tode nicht auch ihre Lasten,
d. h. die sie bedrängenden, stampfenden Sazziatrupps abge-
schüttelt hätte.' Um richtig gestellt und auf den Ton des Rit&'
gestimmt zu werden, bedarf diese Interpretation nur einer
Verallgemeinerung: ,l8t denn, da bloß Mu^äwija gestorben ist,
alles dahin, was die Erde trägt? alles mit ihm gestürzt und
zusammengebrochen?' Darauf kann al-^ansä antworten: ,Wohl,
für mich wenigstens kann es nach meinem kein Leid mehr
geben*. — So weit die Fiktion.
Und daß es eine Fiktion ist, kann noch innerhalb der
Grenzen der Poesie zum Bewußtsein und Ausdruck kommen.
Das Gefühl, daß er den Mittelpunkt nicht der Erde allein,
sondern des sichtbaren Universums bilde, verläßt den naiven
Menschen schwer. Wenn aber ein unvermuteter Schicksals-
schlag kommt, ihn eines besseren zu belehren^ dann schaut er
erstaunt zum Himmel auf, ob nicht die Welt schon in ihren
Grundfesten erschüttert sei, ob noch die Natur ihren Fortgang
habe; um sich zu überzeugen, daß sie starr und undurchdring-
lich wie ein Rätsel ihn im altgewohnten Lauf umgibt, daß in
ihrer Tretmühle ein Menschenleben ebensowenig Wert hat
wie das Leben einer Mücke, die eine Schwalbe im Fluge er-
hascht. Dann aber sagt der Dichter
(S. IV. »00):
,Sieh' die Zeit, die nie aufhört, ist voller Wunderlich-
keiten; sie ließ uns zurück einen Schweif, während das Haupt
entwurzelt ward.
* 8. Diw. 1. n.
' Von J^* lOsen.
Al-9aim> und ihr» TnuitfUader. 35
,Sie ließ uns lauter Toren zurück und raubte uns die
Verständigen; die aber sind jetzt Leichen und Grabesstaub.
^Sieh'y TagundNachty ewig einander ablösend ver-
gehen nie; doch die Menschen vergehen (k3 Tm ^^n in).
(J. I. 6. ro^) ,Wir vergehen, doch der Berg Ti^är
vergeht nicht^ und dem Wechsel der Tage zum Trotz
wird er nie anders gesehen^ denn wie er war^ (pKm
Seinen Bildervorrat entnimmt der naive Dichter der
Natur; mit ihr vergleicht er sich gern, sein physisches und
sein psychisches Leben. Erst auf einer weit höheren Stufe
kann auch der umgekehrte Weg eingeschlagen, können Natur-
vorgänge mit menschlichen Psychosen verglichen werden: da-
durch wird der ererbte Anthropomorphismus unserer Natur-
anschauung erst vollendet und die in jedem vollkommenen
Kunstwerk angestrebte Durchdringung von Welt und Seele
erreicht, die es verlangt, daß in jeder Seelenschilderung ein
Stück Natur, in jeder Naturschilderung ein Stück Seele stecke.
Wo aber die Natur eintönig ist, wäre es unstatthaft, aus dem
Grunde allein, daß auch der Bilder verrat da einförmig ist,
auf Armut oder gänzlichen Mangel der Phantasie, oder auf
Unfähigkeit der Anschauung schließen zu wollen. Da kommt
es weniger auf die Wiederholung des gleichen Vergleichs-
themas^ welches ja schon zur Manier geworden sein kann, als
auf seine Variierung an. Ein solches zar Manier gewordenes
Bild ist bei den Arabern der Vergleich des Krieges mit einer
Kamelin und ein Beweis dessen die Verquickang von Aus-
drücken im Vergleich, die bald auf den Vergleichsgegenstand,
bald auf das Verglichene gehen, was eine Vertrautheit des
Hörers mit dem Bilde voraussetzt.
So bei al-5ans4' in T. L 3ff (lAff.)
3. ,Du zogst die Seile des Krieges an, (wie man die Hüften
oder die Nase einer Kamelin mit einem Strick fest umschlingt),
wann sie (ihre Milch, d. i. der Krieg sein Blut) verweigert und
er (der Krieg!) spreizte da willig seine Beine als eine Milch-
kamelin, die nun Milch gibt.
4. jWann aber früher ein Melker sie begehrte (ein Held
sein Glück versuchte), da scheute sie vor ihm, indem sie nur
stoßweise Blut von sich gab, und zog den Schwanz in die Höhe.
26 IV. A1»liandliing: BbodokftDftkis.
5. ,Doch es stürmte 'Abu ^aB8&Il l^abr gegen sie an und
bändigte sie mit seinen Reitern^ bis sie kirre ward.'
Ahnlich; aber originell ist die Auffassung in R. VIII. 12
(iir)y wonach der Krieg, d. h. hier die Kriegführenden auf
einer unbequemen Reitkameliu; eben dem Kriege, sitzend Fähr-
lichkeiten ausgesetzt sind:
,Der Krieg hat aber eine aussätzige, (das Unheil wie
eine Ansteckungskrankheit fortpflanzende) verderbliche Kamelin
bestiegen: er weilt auf einem nackten Wirbel ihres Rückens.'
Den Wolken, die gewitterdrohend sich zusammenballen,
ist aber folgendes Bild entnommen (L. VI. 25 f. rir):
,Gegen manch ein stürmendes (Heer) zogen wir, auf dem
seine Helme und die Doppelpanzer (glänzten),
,Wie eine weiße Regenwolke, die sich mit anderen zu
einer Masse zusammenballt.'^
Die eigentümliche Verschmelzung des Realen und Bild-
lichen in der arabischen Poesie^ macht oft den sonderbarsten
Übergängen von einem Bilde zum anderen Platz, indem der
zum Vergleich herangezogene Gegenstand noch seinerseits mit
einem zweiten verglichen wird, bis endlich die Rückkehr zur
Realität erfolgt: am häufigsten begegnet in der bildlichen Rede-
weise das arabische Lieblingstier, das Kamel.
Ein Beispiel aus dem Diwan al-Qans4' wird diese Er-
scheinung am besten erläutern:
L.VI. 18-22 (n-:ff.)
18. ,Manchen harten Kummerfels hast du bestiegen und
seine Überwindung schnell erzielt,
19. ,(wie die eines Reittiers) mit überhängender Lippe,
aug- und mundlos.
^ Wortlich: mit ihrer Masse die Wolken bewirft and von ihnen ebenso
beworfen wird.
« Vgl. z. B. in F. L 3 (nv) ^\ JJUas* J^^Jb J>^U ^ ^\^ ,Weine
über eine (am Horizont) aoftanchende (Wolke), eine regenschwangere,
eine donnernde*, d. h. über einen Freigebigen. Im eingeschobenen
Zwischensatz: v^Ui^^l iJuS^ip' \>\ fällt die Dichterin ans dem Bilde
in die Wirklichkeit; dem Bilde getreu müßte es statt: wann für gering
geachtet werden die verdienstlichen Eigenschaften, heißen: wann Dürre
das Land unfruchtbar macht o. ä.
Al-6uiai> und ihre Tnaerliedtr. 27
20. ^Manch eine zusammengedrängte (Heeresmasse auf
der Flacht) hast da vor dir hergetrieben (auf deinem Rosse)
sitzend; (wie eine Herde Kamele); du aber brandmarktest mit
der Lanze ; die von ihr mit keiner Marke (Wunde) versehen
waren;*
21. yVon manch einer eilenden Eamelsstute^ mit abge*
nützten Hufen , ließest du die Gelenke (Knochen) zurück auf
dem Wege,
22. ^(indem du) zu einem König (eiltest)^ nicht zu einem
Pöbely und das war's, was jenem Tier zu schaffen machte.^
Das ^ il^ des arabischen Textes, welches ich mit
^KummerfelV übersetzte, erklärt der Kommentar mit i^'^y^
v^>Ja. yHeerestrupp'; dies ist falsch. Berücksichtigt man näm-
lich den folgenden 19. Vers, so geht zur Evidenz hervor, daß
mit ij^ nur ein Kamel gemeint sein kann, welches seiner
Stärke und seines kompakten Baues wegen wieder mit einem
Felsblock verglichen wird. Mit einem störrigen Kamel * (^J^3\
[j-y^ wird aber Kummer (J^) und Mißgeschick, Schicksals-
und Menschenunbill oft verglichen ; ' ^>1» ^Ui> ^i^iäw« l^ ist also
keinesfalls, wie der Kommentar verlangt, auf die mit einem
Felsen verglichene Heeresmasse zu beziehen,^ sondern es
sollen diese Worte das Monströse und Schreckenerregende jenes
Tierungetümes ausmalen, das, mürrisch und blind, Unheil
verkündet. Dazu paßt die weitere Ausmalung: ^^ ^^t» cr:^ ^
^ Man lese p. r 1 1 « Z. 5 ff. des Kommentars zn diesem Verse, am sich von
der Fülle des Unsinns zu überzeugen, den die alten Erklärer sich leisten
darften.
* Zwar wird ein Heer oft mit einem unbändigen Reittier yerglichen; doch
des kompakten Heeres (welche Bezeichnung der Kommentar in den
Worten i.s^ und ^J li ^* l^^ ^^y^ ^ erblickt) geschieht erst in V. 20
J\ A^t'^^ (r 1 1 Z. 1) Erwähnung. Wir hätten dann bloß eine läppi-
sche Wiederholung, um so läppischer, als auch in V. 20 das mit A*»**^
bezeichnete Heer in den Ausdrücken Ig^TKii» und L^liul als Kamel-
herde gedacht ist, im Gegensatz zu V. 26f., wo es mit einer Sturm-
wolke yerglichen wird.
* IKR XX und Qiz. L 279 s. unten.
* £s soll Jut^ den großen Vortrab und L^ U ^9 L^,^ •^ ^ die Kom-
paktheit (JL«5^JL« ijif^) bezeichnen; wohl ein abstruses Bild, besonders
wenn bei Sjdi^, wie der Kommentar es ja verlangt, nicht eine Kamelin
vorschweben soll.
♦ O^^* L^b^ <J^ ^^^3
26 IV. Abhudliug! Sliodokftnfticit.
5. ,Doch es stürmte 'Abö QassAn ^t und trifift ohne Wahl,
bändigte sie mit seinen Reitern, bis ?' 4ein nicht beizukommen
Ähnlich, aber originell ist d"/ügel ihm angelegt werden
{\\r\ wonach der Krieg, d. h. \Lif^ (^>^ feU. ^i-ä«.) und die
einer unbequemen Reitkameli' ,ß aber nur scheinbar eine contra-
lichkeiten ausgesetzt sind : j ist verschlossen und verbissen und
Der Krieg hat a^ .hpP^ verdeckt. Damit hat al-9ans&'
eine Ansteckungskranl - ß'chter 'Ämir b. Öu ain gegebenen Ge-
bestiegen: er weilt -^'nßd ausgebüdet. In einem Gedicht, das
Den Wolke' ^v*/«^^^® Verse verloren zu sein scheint,
ist aber folgen*' ,;;,/ /dichter:
,Gegen
seine Heln^ ^ . ., . ^ .
einer ^ , einem Todesunheil, an dem die Menschen
'^^nd sahen (woran der bändigende Zügel anzulegen
lic' •."'^toicb, wann es sich zeigte, den lodernden Blitzstrahl
V •^^ M ^°^ ^*'' *°^ Ernstfalle derjenige, der es trug.'*
i<^..^^-gti8ch ist bei al-Qansä' die Verquickung dreier Vor-
^ gen i^ Bilde, von denen zwei explicite genannt sind
j eifl« angedeutet wird:
^ I. der schwere Kummer in V. 18 (J^), der mit
2, einer störrigen Kamelin, ebenda durch L^X-JJ^', \^^>\
j I^^Mi*^, in Vers 19 durch yutw« angedeutet, verglichen wird;
3. diese ihrerseits gleicht einem mächtigen Felsblock
^^ in V. 18).
1 Hi«. I. rv^.
> Zwei Verse dieses Fragments 'Amirs stehen auch bei al*@ans&' (L. VI.
25 f.) y was schon Hiz. 1. n. betont wird. Zum ersten der zwei oben
zitierten Verse vgl. Hansft* L. VI. 11
*Amir b. Qn'ain war ein Zeitgenosse des Imm-nl-Kais (cf. Ag. Index).
— Gleiches Metrum und gleicher Beim kOnnen auf Entstehung und
Überlieferung von HansA* L. VI wohl eingewirkt haben. Da aber
derselbe Gedanke analog ausgeführt in beiden Gedichten Yorkommt,
ist gerade bei den in Bede stehenden Versen al-Hansft's die Möglich-
keit ausgeschlossen, daß sie durch falsche Überlieferung aas 'Amir b.
Gu*ain hereingekommen wftren. Weiteres siehe im Exkurs Aber L. VI
(Anhang).
t
Ai-8ftiiai' «nd ihre Tnuurlieder. 29
wird das Kamel zu einem weiteren Vergleich
Herde solcher gleicht das fliehende^ feind-
^en^ die der verfolgende Held mit seiner
^^ Weichenden beibringt, werden dem
L' Marke verglichen , die das Brenneisen
.okt. Endlich in Vers 21 kommt das Kamel
mehr als Vergleichsgegenstand, an die Reihe:
dinken Kamelsstate eilt der Held zu Königszelten.
.dt ein Beispiel von streng durchgeführtem Parallelismns
.r fortschreitenden und aufsteigenden Komposition, der gewiß
nicht zufällig ist.
An Bildern^ die man nach modernen Begriffen realistisch
nennen würde, finde ich bei al-{j[ans4' folgendes:
R. VHI. 24 ( 1 1 v) ,(Waschet ab) von euch eine Schande,
die euch bedeckt, wie die Menstruierenden die Menstrua
abwaschen, nachdem der Zustand der Reinheit wieder einge-
treten ist.'
L. VI. 11 (r.v) ,Manch ein Unglück, das ein Schuld-
beladener herbeiführte, (so arg) ,daß es die keuschen (Frauen
aus Schreck) vorzeitig gebären läßt/
Nach dem, was man aus neueren Berichten über die
Häufigkeit bösartiger Geschwüre im heutigen Arabien hört,
dürfte auch in alten Zeiten ein Bild wie das folgende allen
Hörern drastisch und plastisch geklungen haben:
Q. U. 2. {rr): ,(Ruhe) vor meinem Qedanken an den herz-
zerreißenden Kummer, bis der Kummer in meinem Herzen
aufbrach und eiterte/'
Mit dem Feuer wird hingegen der Schmerz an folgenden
Stellen verglichen:
R. XVII. 23. (in) ,0 über ein Leid, dessen Brand in
meinem Herzen einen Kummer auflodern ließ wie Funken;^
und ähnlich (mit der wahrscheinlich besseren Variante:
statt yLtJ) in R. I. 3 (iv).
> Die ErkUrang, die S». I. 25 (D2w.> ri •, Note o) gibt: £jc«l^
^\ -UmJ U^ ^^^ U\ l^is-M» jS ly^ Nb\ (80 liest Hii.) t*ugt
nichts, da die Pointe des Bildes, die in l^Uu\ ^^^ C^^UU liegt»
nnverwertet bleibt.
' Vgl. B. IV. 2i> (ir) ,in meinem Herzen aber ein Riß, der nicht mehr
Bnheilt'
28 IV. AbhaBdlutg: SbodokAnftkit.
^J U trefflich: denn das Unglück schlftgt und trifft ohne Wahl,
es ist ein schwer gebändigtes Tier, dem nicht beizakommen
ist, and mundlos, so daß kein Zügel ihm angelegt werden
kann. Die lang überhängende Lippe (^y^ ^tui yu&^^) und die
Mnndlosigkeit (^ ^ ^) bilden aber nur scheinbar eine contrsr
dictio in adjecto; der Mund ist verschlossen und verbissen and
durch die überhängende Lippe verdeckt. Damit hat al-](Jan8Ä'
einen vom t^jjitischen Dichter 'Ämir b. öu'ain gegebenen Ge-
danken fortgesponnen und ausgebildet. In einem Gedicht, das
bis auf wenige versprengte Verse verloren zu sein scheint,
sagt nämlich dieser Dichter:
yManch einem Todesunheil, an dem die Menschen
keinen Mund sahen (woran der bändigende Zügel anzulegen
wäre), habe ich, wann es sich zeigte, den lodernden Blitzstrahl
entwendet und war im Ernstfalle derjenige, der es trug.**
Charakteristisch ist bei al-Qans^' die Verquickung dreier Vor-
stellungen im Bilde, von denen zwei explicite genannt sind
und eine angedeutet wird:
1. der schwere Kummer in V. 18 (J^), der mit
2. einer störrigen Kamelin, ebenda durch LfX-Jf;Äj, IfJ'JM
und l/Ä****, in Vers 19 durch yutw« angedeutet, verglichen wird;
3. diese ihrerseits gleicht einem mächtigen Felsblock
{sj^ in V. 18).
» Hiz. I. rv^.
* Zwei Verse dieses Fragments 'Amirs stehen auch bei al-Hans&* (L. VI.
25 f.), was schon Hiz. 1. n. betont wird. Zum ersten der zwei oben
zitierten Verse vgl. Hansft* L. VL 11
*Ämir b. 6a'ain war ein Zeitgenosse des Imm-nl-Kais (cf. Ag. Index).
— Gleiches Metrum und gleicher Reim kOnnen auf Entstehung und
Überlieferung von HansA* L. VI wohl eingewirkt haben. Da aber
derselbe Gedanke analog ausgeführt in beiden Gedichten Torkommt,
ist gerade bei den in Bede stehenden Versen al-Hansft's die Möglich-
keit ausgeschlossen, daß sie durch falsche Überlieferung aus 'Amir b.
Gu*ain hereingekommen wftren. Weiteres siehe im Exkurs über L. VI
(Anhang).
Al-8ftiiai> «nd ihre Tmatrlieder. 29
In Vers 20 wird das Kamel zu einem weiteren Vergleich
herangezogen; einer Herde solcher gleicht das fliehende, feind-
liche Heer;^ die Wanden, die der verfolgende Held mit seiner
Lanze dem Rücken der Weichenden beibringt, werden dem
Bilde getrea mit der Marke verglichen, die das Brenneisen
auf die Tiere drückt. Endlich in Vers 21 kommt das Kamel
selbst, nicht mehr als Vergleichsgegenstand, an die Reihe:
auf einer flinken Kamelsstate eilt der Held za Königszelten.
Dies ist ein Beispiel von streng darchgefUhrtem Parallelismas
der fortschreitenden and aufsteigenden Komposition, der gewiß
nicht zafallig ist.
An Bildern, die man nach modernen Begriffen realistisch
nennen würde, finde ich bei al-J[^ansä' folgendes:
R. Vni. 24 (iiv) ,( Waschet ab) von euch eine Schande,
die euch bedeckt, wie die Menstruierenden die Menstrua
abwaschen, nachdem der Zustand der Reinheit wieder einge-
treten ist.'
L. VI. 11 (r.v) ,Manch ein Unglück, das ein Schuld-
beladener herbeiführte, (so arg) ,daß es die keuschen (Frauen
ans Schreck) vorzeitig gebären läßt.^
Nach dem, was man aus neueren Berichten über die
Häufigkeit bösartiger Geschwüre im heutigen Arabien hört,
dürfte auch in alten Zeiten ein Bild wie das folgende allen
Hörern drastisch und plastisch geklungen haben:
9. n. 2. {rr): ,(Ruhe) vor meinem Gedanken an den herz-
zerreißenden Kummer, bis der Kummer in meinem Herzen
aufbrach und eiterte.^'
Mit dem Feuer wird hingegen der Schmerz an folgenden
Stellen verglichen:
R. XVn. 23. ((ri) ,0 über ein Leid^ dessen Brand in
meinem Herzen einen Kummer auflodern ließ wie Funken;'
und ähnlich (mit der wahrscheinlich ' besseren Variante:
statt yLtJ) in R. I. 3 (iv).
1 Die Erklärong, die S»- 1- 25 (Diw.* r l • » Note c) gibt: JLic«l^ ^^^JJo
^\ -UmJ U^ ^^ U\ l^is-M» jS ij^ vb\ (80 liest Hii.) t*ugt
nichts, da die Pointe des Bildes, die in l^ULft\ ^«3b iJU^JL^U Hegt,
nnverwertet bleibt.
' Vgl. B. IV. 2^ (ir) ,in meinem Herzen aber ein Riß, der nicht mehr
zuheilt'
28 IV. A¥buidlutg: BbodokAnftkit.
^J U trefflich: denn das Unglück schiftgt and trifft ohne Wahl^
es ist ein schwer gebändigtes Tier, dem nicht beizukommen
ist, und mundloSy so daß kein Zügel ihm angelegt werden
kann. Die lang überhängende Lippe (^^ ^tui yuä^) nnd die
Mandlosigkeit (^ ^ ^) bilden aber nur scheinbar eine contra-
dictio in adjecto; der Mund ist yerschlossen und verbissen und
durch die überhängende Lippe verdeckt. Damit hat al-J^ansä'
einen vom tAJjitischen Dichter 'Ämir b. öa'ain gegebenen Ge-
danken fortgesponnen und ausgebildet. In einem Gedicht, das
bis auf wenige versprengte Verse verloren zu sein scheint,
sagt nämlich dieser Dichter:
^Manch einem Todesunheil, an dem die Menschen
keinen Mund sahen (woran der bändigende Zügel anzulegen
wäre), habe ich, wann es sich zeigte, den lodernden Blitzstrahl
entwendet und war im Ernstfalle derjenige, der es trug.**
Charakteristisch ist bei al-][Iansfl' die Verquickung dreier Vor-
stellungen im Bilde, von denen zwei explicite genannt sind
und eine angedeutet wird:
1. der schwere Kummer in V. 18 (J^), der mit
2. einer störrigen Kamelin, ebenda durch L^X-j^^äj, L^'^3\
und \k^****, in Vers 19 durch yuiw« angedeutet, verglichen wird;
3. diese ihrerseits gleicht einem mächtigen Felsblock
(}j^ in V. 18),
» Hi«. I. rv^.
* Zwei Verse dieses Fragments 'Amirs stehen auch bei al-Hansft* (L. VI.
25 f.), was schon Hiz. 1. n. betont wird. Zum ersten der zwei oben
zitierten Verse vgl. Hansft* L. VI. 11
*Ainir b. Gn'ain war ein Zeitgenosse des Imrn-ul>Kais (cf. Ag. Index).
— Gleiches Metnim und gleicher Reim kOnnen auf Entstehung und
Überlieferung tou Hans&' L. VI wohl eingewirkt haben. Da aber
derselbe Gedanke analog ausgeführt in beiden Gedichten vorkommt,
ist gerade bei den in Bede stehenden Versen al-Hansft's die Möglich-
keit ausgeschlossen, daß sie durch falsche ÜberUeferung aus 'Amir b.
Gu*ain hereingekommen wftren. Weiteres siehe im Exkurs über L. VI
(Anhang).
Ai-Qftiiai» «nd ibre Tnum-lieder. 29
In Vers 20 wird das Kamel zu einem weiteren Vergleich
herangezogen; einer Herde solcher gleicht das fliehende, feind-
liche Heer;^ die Wanden, die der verfolgende Held mit seiner
Lanze dem Rücken der Weichenden beibringt, werden dem
Bilde getrea mit der Marke verglichen, die das Brenneisen
auf die Tiere drückt. Endlich in Vers 21 kommt das Kamel
selbst, nicht mehr als Vergleichsgegenstand, an die Reihe:
anf einer flinken Kamelsstate eilt der Held za Königszelten.
Dies ist ein Beispiel von streng darchgefUbrtem Parallelismas
der fortschreitenden and aafsteigenden Komposition, der gewiß
nicht zofkUig ist.
An Bildern, die man nach modernen Begriffen realistisch
nennen würde, finde ich bei al-{j[ansä' folgendes:
R. Vni. 24 (iiv) ,( Waschet ab) von euch eine Schande,
die euch bedeckt, wie die Menstruierenden die Menstrua
abwaschen, nachdem der Zustand der Reinheit wieder einge-
treten ist.'
L. VI. 11 (r.v) ,Manch ein Unglück, das ein Schuld-
beladener herbeiführte, (so arg) ,daß es die keuschen (Frauen
ans Schreck) vorzeitig gebären läßt/
Nach dem, was man aus neueren Berichten über die
Häufigkeit bösartiger Geschwüre im heutigen Arabien hört,
dürfte auch in alten Zeiten ein Bild wie das folgende allen
Hörern drastisch und plastisch geklungen haben:
Q. U. 2. {rr): ,(Ruhe) vor meinem Gedanken an den herz-
zerreißenden Kummer, bis der Kummer in meinem Herzen
aufbrach und eiterte.^'
Mit dem Feuer wird hingegen der Schmerz an folgenden
Stellen verglichen:
R. XVII. 23. (in) ,0 über ein Leid, dessen Brand in
meinem Herzen einen Kammer auflodern ließ wie Funken;'
nnd ähnlich (mit der wahrscheinlich besseren Variante:
statt yLtJ) in R. I. 3 (iv).
1 Die ErkUrong, die B». I. 26 (D!w.* n *, Note c) gibt: ijc«l^
^\ -UuJ U^ ^^ U\ l^is-M» jS ij^ vb\ (80 liest Hii.) taugt
nichts, dft die Pointe des Bildes, die in l^Uul ^t3^ C^^-UU liegt,
nnverwertet bleibt.
' Vgl. B. IV. 2*> (ir) yin meinem Herzen aber ein Riß, der nicht mehr
Buheilt'
28 IV. AbhaBdlvBg! ShodokftnskU.
^J U trefflich: denn das Unglück schlftgt and trifft ohne Wahl,
es ist ein schwer gebändigtes Tier, dem nicht beiznkommen
ist, und mnndlosy so daß kein Zügel ihm angelegt werden
kann. Die lang überhängende Lippe (^^ ^U^ yuäw«) und die
Mundlosigkeit (t^ l* ^) bilden aber nur scheinbar eine contrsr
dictio in adjecto; der Mund ist verschlossen und verbissen and
darch die überhängende Lippe verdeckt. Damit hat al-J^ansä'
einen vom t^jjitischen Dichter 'Amir b. Ga'ain gegebenen Ge-
danken fortgesponnen und aasgebildet. In einem Gedicht, das
bis auf wenige versprengte Verse verloren zu sein scheint,
sagt nämlich dieser Dichter:
,Manch einem Todesunheil, an dem die Menschen
keinen Mund sahen (woran der bändigende Zügel anzulegen
wäre), habe ich, wann es sich zeigte, den lodernden Blitzstrahl
entwendet und war im Ernstfälle derjenige, der es trug.'*
Charakteristisch ist bei al-][Iansfl' die Verquickung dreier Vor-
stellungen im Bilde, von denen zwei explicite genannt sind
und eine angedeutet wird:
1. der schwere Kummer in V. 18 (J^), der mit
2. einer störrigen Kamelin, ebenda durch L^X-jJ^äj, LjJ'JM
und \r^y-**, in Vers 19 durch yu£w« angedeutet, verglichen wird;
3. diese ihrerseits gleicht einem mächtigen Felsbiock
(i^ in V. 18).
» Hi«. I. rv^.
* Zwei Verse dieses Fragments 'Amirs stehen auch bei al*Hans&* (L. VI.
25 f.), was schon Hiz. 1. n. betont wird. Zum ersten der zwei oben
zitierten Verse vgl. Hans&* L. VI. 11
*Amir b. Gu'ain war ein Zeitgenosse des Imm-ul-Kais (cf. Ag. Index).
— Oleiches Metrum und gleicher Reim kOnnen auf Entstehung nnd
Überlieferung von Hansft* L. VI wohl eingewirkt haben. Da aber
derselbe Gedanke analog ausgeführt in beiden Gedichten yorkommt,
ist gerade bei den in Bede stehenden Versen al-Hansft*« die Möglich-
keit ausgeschlossen, daß sie durch falsche Überlieferung aus 'Amir b.
Gn ain hereingekommen wftren. Weiteres siehe im Exkurs über L. VI
(Anhang).
Al-Qftiiai» «nd ibre TnuMrlieder. 29
In Vers 20 wird das Kamel zu einem weiteren Vergleich
herangezogen; einer Herde solcher gleicht das fliehende^ feind-
liche Heer;^ die Wanden^ die der verfolgende Held mit seiner
Lanze dem Rücken der Weichenden beibringt, werden dem
Bilde getrea mit der Marke verglichen, die das Brenneisen
auf die Tiere drückt. Endlich in Vers 21 kommt das Kamel
selbst, nicht mehr als Vergleichsgegenstand, an die Reihe:
anf einer flinken Kamelsstate eilt der Held zu Königszelten.
Dies ist ein Beispiel von streng durchgeführtem Parallelismns
der fortschreitenden und aufsteigenden Komposition, der gewiß
nicht zufällig ist.
An Bildern, die man nach modernen Begriffen realistisch
nennen würde, finde ich bei al-{j[ans4' folgendes:
R. Vni. 24 (iiv) ,( Waschet ab) von euch eine Schande,
die euch bedeckt, wie die Menstruierenden die Menstrua
abwaschen, nachdem der Zustand der Reinheit wieder einge-
treten ist.'
L. VI. 11 (r.v) ,Manch ein Unglück, das ein Schuld-
beladener herbeiführte, (so arg) ,daß es die keuschen (Frauen
ans Schreck) vorzeitig gebären läßt.^
Nach dem, was man aus neueren Berichten über die
Häufigkeit bösartiger Geschwüre im heutigen Arabien hört,
dürfte auch in alten Zeiten ein Bild wie das folgende allen
Hörern drastisch und plastisch geklungen haben:
0. H. 2. {rr) : ,(Ruhe) vor meinem Gedanken an den herz-
zerreißenden Kummer, bis der Kummer in meinem Herzen
aufbrach und eiterte/'
Mit dem Feuer wird hingegen der Schmerz an folgenden
Stellen verglichen:
R. XVn. 23. (in) ,0 über ein Leid, dessen Brand in
meinem Herzen einen Kummer auflodern ließ wie Funken;^
und ähnlich (mit der wahrscheinlich besseren Variante:
statt yLtJ) in R. I. 3 (iv).
^ Die Erklärung, die B». I. 26 (Dfw.> ri •, Note c) gibt: i^Jaf.
J\ -UmJ U^ ^^ U\ l^is-M» jS ij^ vb\ (»o liest Hii.) t*ugt
nichts, da die Pointe des Bildes, die in l^Uu\ ^Jb iJU^JL^U Hegt»
nnverwertet bleibt.
' Vgl. B. IV. 2^ (ir) ,in meinem Herzen aber ein Biß, der nicht mehr
Buheilt.'
28 IV. Abhandlvag: Bhodok^nftkU.
l«J ^ trefflich: denn das Unglück schlftgt and trifft ohne Wahl,
es ist ein schwer gebändigtes Tier, dem nicht beizakommen
ist, und mundloSy so daß kein Zügel ihm angelegt werden
kann. Die lang überhängende Lippe (^^ ^^ ^ >■**»-) und die
Mundlosigkeit (t^ l* ^) bilden aber nur scheinbar eine contra-
dictio in adjecto; der Mund ist verschlossen und verbissen und
durch die überhängende Lippe verdeckt. Damit hat al-QansÄ'
einen vom t&jjitischen Dichter 'Ämir b. öu'ain gegebenen Ge-
danken fortgesponnen und ausgebildet. In einem Qedicht, das
bis auf wenige versprengte Verse verloren zu sein scheint,
sagt nämlich dieser Dichter:
* l_frJl^ J^\ ^ C.UJ^ • Oj^ >\ L^v? <>^ ^^ >
^Manch einem Todesunheil, an dem die Menschen
keinen Mund sahen (woran der bändigende Zügel anzulegen
wäre), habe ich, wann es sich zeigte, den lodernden Blitzstrahl
entwendet und war im Ernstfalle derjenige, der es trug.'*
Charakteristisch ist bei al-5j[ansä,* die Verquickung dreier Vor-
stellungen im Bilde, von denen zwei explicite genannt sind
und eine angedeutet wird:
1. der schwere Kummer in V. 18 (Jb), der mit
2. einer störrigen Kamelin, ebenda durch L^X-jJ^äj, \^^>\
und \rt^****> in Vers 19 durch yuS^ angedeutet, verglichen wird;
3. diese ihrerseits gleicht einem mächtigen Felsblock
(S^^ in V. 18).
* Hiz. I. rv^.
* Zwei Verse dieses Fragments 'Amirs stehen auch bei al-gansft* (L. VI.
26 f.), was schon Hiz. 1. n. betont wird. Zum ersten der zwei oben
zitierten Verse vgl. Hans&* L. VI. li
*Amir b. Gn'ain war ein Zeitgenosse des Imm-nl-Kais (cf. Ag. Index).
— Oleiches Metram und gleicher Reim kOnnen auf Entstehung und
Überlieferung von Hansa* L. VI wohl eingewirkt haben. Da aber
derselbe Oedanke analog ausgeführt in beiden Gedichten Yorkommt,
ist gerade bei den in Rede stehenden Versen al-Hansft's die Möglich-
keit ausgeschlossen, daß sie durch falsche Überlieferung aus 'Amir b.
Ou ain hereingekommen wftren. Weiteres siehe im Exkurs über L. VI
(Anhang).
Al-8ftiiai> «nd ihre Tnn«rlied«r. 29
In Vers 20 wird das Kamel zu einem weiteren Vergleich
herangezogen; einer Herde solcher gleicht das fliehende^ feind-
liche Heer;^ die Wunden, die der verfolgende Held mit seiner
Lanze dem Rücken der Weichenden beibringt, werden dem
Bilde getren mit der Marke verglichen, die das Brenneisen
auf die Tiere drückt. Endlich in Vers 21 kommt das Kamel
selbst, nicht mehr als Vergleichsgegenstand, an die Reihe:
auf einer flinken Kamelsstate eilt der Held zu Königszelten.
Dies ist ein Beispiel von streng darchgefUhrtem Parallelismns
der fortschreitenden and aufsteigenden Komposition, der gewiß
nicht zufkllig ist.
An Bildern, die man nach modernen Begriffen realistisch
nennen würde, finde ich bei al-{j[ansä' folgendes:
R. Vni. 24 (iiv) ,(Waschet ab) von euch eine Schande,
die euch bedeckt, wie die Menstruierenden die Menstrua
abwaschen, nachdem der Zustand der Reinheit wieder einge-
treten ist.'
L. VI. 11 (r.v) ,Manch ein Unglück, das ein Schuld-
beladener herbeiführte, (so arg) ,daß es die keuschen (Frauen
aus Schreck) vorzeitig gebären läßt/
Nach dem, was man aus neueren Berichten über die
Häufigkeit bösartiger Geschwüre im heutigen Arabien hört,
dürfte auch in alten Zeiten ein Bild wie das folgende allen
Hörern drastisch und plastisch geklungen haben:
0. H. 2. {rr) : ,(Ruhe) vor meinem Gedanken an den herz-
zerreißenden Kummer, bis der Kummer in meinem Herzen
aufbrach und eiterte.^'
Mit dem Feuer wird hingegen der Schmerz an folgenden
Stellen verglichen:
R. XVII. 23. (in) ,0 über ein Leid, dessen Brand in
meinem Herren einen Kummer auflodern ließ wie Funken;'
und ähnlich (mit der wahrscheinlich * besseren Variante:
statt J^uS) in R. I. 3 (iv).
^ Die Krkläning, die B»- 1- 2d (DSw.* n •, Note o) gibt: ^kjc«l^
0\ -UuJ U^ ^^ U\ l^ii-M» jS Sj^ vb\ (80 liest Hii.) t*ugt
nichts y da die Pointe des Bildes, die in l^ULft\ ^v^b C^^UU Hegt»
nnyerwertet bleibt.
' Vgl. B. IV. 2^ (\r) »in meinem Herzen aber ein Riß, der nicht mehr
zuheilt.^
30 lY. Abhwdlimg: Bbodoksiiftkis.
y Wegen eines Verlustes , als ob der Leib davon knns
nach dem Eintritt des Schlafes mit glühender Kohle versengt
würde/ Endlich in B. VI. 1. (i«)
Jch wachte, als ob an meinem Gewände Feuer brannte,
aber um mein Wachen unbekümmert schliefen meine Genossen.'^
Überhaupt scheint es, als ob al-^anaft , dasselbe Bild
mehrfach wiederholend, es gleichsam ausgestaltet und feiner
ziseliert hätte; so ist der schon von den Alten mit Recht be-
wunderte Vers (R. IL 17. a»).«
,Mit (weißem Stirnäeck, d. h.) glänzender Stirn, getrennten
Brau'n; nach ihm richten sich die Wegflihrer, als war' er ein
Berg, auf dessen Gipfel noch ein Feuer lodert'
in D. VI. 5f. (oi) gewiß nicht verwässert wieder zu finden:
,In die Tiefe eines gefürchteten Engpasses tauchtest du
oft mit Stuten, die nah beim Zelt gehalten worden waren:
stolze Männer auf ihnen;
,Dort pflanztest du (dich selbst) den Leuten, ein Ziel ftir
ihre Augen auf, wie eine Flamme (oder ein Stern): sie aber
waren versprengt und verstreut.'
So kehrt dasselbe Bild, einmal ausgeführt, ein andermal
bloß angedeutet wieder:
D. V. 3 (oi) ,Er kennt die Not, aber auch das Hungeijahr
kennt ihn; wenn es einen Stamm ereilt und einen Aufenthalt
(findet): welch treflFlichen Aufenthaiti'*
Dieser Vers wird am besten durch D. IX. 3 (t.) kom-
mentiert: ,den man in bösen Jahren aufsucht, wann ihre Regen-
losigkeit zu tragen den Armen schwer fkUt.^
Auf das schöne Bild in J. I. 2 (roA):
,Ein Unheil, dessen leiser Ton die Hunde bellen machte,
und welches aus dem Geheimnis der stillen Beratung in die
Öffentlichkeit drang'
hat schon Nöldeke^ hingewiesen: Es ist ein Unglück, das
^ Vgl. ganz ähnlich bei Qnf&f b. Nndba in Ag. Xm. 139 anf Sa^r und
Mn'ftwija:
' Da Sal^r helfen wird.
> Beiträge 168, Note 8.
A1-8M1I&* und ihre TmnerUeder. 31
sachte und schleichend wie ein Dieb naht; seine Kunde sickert
aber schon ans den geheimsten Unterredungen durch.^
Der Allegorie nähert sich die bildliche Darstellung im
Diw&n al-Qans4' an zwei Stellen^ von denen aber die eine gewiß
irrtümlich unserer Dichterin beigelegt , die zweite strittig ist.
Ich bespreche zunächst die zwei zusammengehörenden
Fragmente R. XX und XXI. (»r« f.)
Ham&8a(ed. Freytag) p. £r. : liest R. XXI. 1—3 und R. XX. 1
als ein Stück der $afijat-ul-Bähilija. Dieselbe Verschmel-
zung beider Nummern und Versanordnung noch in Qam. Bubt.
und Qam. Ba§r.* Ferner in Maräti Sawä^ir al-Wab (»rvf.), wo
die Verse angeordnet sind: R. XXI. 1 — 3, XX. 1 — 3. Die letzten
zwei Verse: 5, 6 bei Mar&t! (\r^) = ^ansÄ' R. XX. 2 f. finden
sich nur im Diw. Qansl^' und ^am. Buht, vor Vers 6 außerdem
in Qam. Ba^r.' Im Diwan l^ansä werden beide Stücke nur
von zwei Handschriften gelesen ^ ^ und cu^ nach Cheikhos
Bezeichnung.
Übersetzt lauten diese Verse folgendermaßen:
R. XX. 1. ,Wir waren wie Sterne einer Nacht, in
deren Mitte ein Mond glänzte, der die Finsternis erhellte; da
aber fiel aus unserer Mitte der Mond.
2. ,0 $abrl Nie weilte ich bei Leuten, mich an ihnen
freuend, ohne daß du unter diesen gerühmt wärest.
3. ,So zieh' denn hin, als ein Preiswürdiger, trotz eines
Schicksals, das traf: du bist aber einen Weg gegangen,
in dem ein Beispiel ist.^
R. XXI. 1. ,Wir waren wie zwei Aste, die an einer
Wurzel sich dehnten eine Zeitlang im schönsten Wachstum,
mit dem ein Baum gedeiht;
2. ,bis, da es hieß: ihre Wurzel ward lang und ihr Setzling
gedieh und ihre Frucht ist gereift;
3. ,den Einen der Schrecken der Zeit umhieb; sie
läßt ja nichts bestehen und verschont nichts.'
^ Zam Bild in F. IV. Uff. (i vi ff.) vgl. Gabrieli p. 210. Nur möchte ich
in y. 17 sUtt dJ (sc. jSf^): L^ (sc. SJUikL) lesen.
* Vgl. die Noten p. i rc f. des Diwftns.
* HdurfttS p. ITA, Note S.
^ D, h. den alle gehen werden, den Todesweg; nicht wie Gabrieli 194
es an&ufassen scheint: einen nachahmnngswttrdigen Lebensweg.
32 IV. AbUndlvog: Bhodoksnakis.
Es ist kein Zweifel, daß diese zwei Fragmente zusammen-
gehören; wie dies neben dem gleichen Metram (^««^} und Reim
der Parallelismus und die Analogie von XX. 1 mit XXI. 1
J^ ^\S US und (^^^UasaS \SSy ferner bis zu einem gewissen
Grade auch die von XX. 3 mit XXI. 3 zeigen , wo von den
Fügungen des Schicksals und der Zeit die Rede ist. Dann
hat vielleicht das ganze Fragment nicht mit R. XXL 1 be-
gönnen^ wie bei I;^am. etc., da wir in R. XX. 1 einen Binnen-
reim haben. An R. XX. 2:
kann man ersehen, wie leicht Verse durch eine geringfügige
Variante den Verhältnissen einer anderen Umgebung angepaßt
werden. Er lautet bei Qam. Bu^t allgemein : J\ f^ <^ vsX^V, U^
R. XX. 1 wird auch der Marjam bint T&i'i^ (auf ihren
Bruder)^ zugeschrieben; überhaupt ist die Autorschaft dieser
Verse höchst unsicher. Die Verfasserin heißt bei al-Buttur!:
Tai bat al-Bähilija, wahrscheinlich eine Verschreibung für a?-
§afijat; aber nach 'Äbu-l-'Abb4s (MagmÄ* al-MarÄti)* ist ,ein
Wüstenaraber auf seinen Bruder'; nach dem 'Il^d al-farid ^eine
Araberin auf ihren Gatten^ Urheber, beziehungsweise Urheberin
dieser Verse.' Am besten ist durch Abu Tammäm a^-l^afijat
als Verfasserin bezeugt.^ Sie gehören ganz einer romantisch-
sentimentalen Richtung an,^ als deren Vertreterin sich al-Qans4'
in den l^a^iden ihres Diwans sonst nirgends offenbart.
* Diw.' ir£, Note a.
' Vgl. Wright op. p. 101 und 126, wo diese Verse aus dem ^*L.^\ ^^y^
(= gansÄ' R. XXI. 1—3 + XX. 1) »itiert werden.
> Mar&ii Saw&'ir al-'arab: irv.
* Vgl. noch Mar&ti Saw&'ir irv, Z. 3f. der einleitenden Bemerkung. Auch
al-Waztr *Abü-l-K&sim al-Magribi (Wright l. n. und ^a) schreibt sie der
jüübb ^^ ^^J^V^ >r^ ^-^^^ dL^JLo3\ zu.
' Sie erinnern, was Natarbeseelung anlangt, an das berühmte Oedicht des
Mu^* b. *Aj&s auf die zwei Palmen von Hulwftn (Ag. XII. 107) und in
weitester Entfernung an Heines Gedicht vom Fichtenbaum und der
Palme. Der Unterschied in der Behandlung der unbeseelten Natur als
eines Beseelten liegt in beiden darin, daß diese und hiermit der Sinn
des Gleichnisses bei a9-Saf ijat gleich anfangs angedeutet und der Paralle-
lismus zwischen Beseeltem und Unbeseeltem dann bis ans Ende fort-
geführt wird, ,da die Wurzeln stark und das Wachstum gediehen war
Al-0ftB8ft* and ihre TnnerUeder. 33
An zweiter Stelle möchte ich auf die allegorischen Verse
R. XXni hinweisen:
1. yEr lief mit seinem Vater nm die Wette; da kamen
beide heran, den Mantel des Wettrennens einander abnehmend,^
2. yBis als die Herzen (aller) zugleich (erwartungsvoll)
pochten, sie diesmal den Sieg (des einen) mit dem des andern
verbanden,*
3. ,Und es erhob sich der Ruf der Zuschauer: Wer von
beiden (ist Sieger)? Es antwortete einer: hier weiß ich's nicht.
4. yEs zeigte sich das Antlitz seines Vaters und er eilte
fort, um das Ziel zu erreichen.
5. ,Würdig ist er und wUrdig wäre (der Sohn) ihm gleich-
zukommen, wenn nicht das Ansehen wäre, das das Alter und
die Jahre geben.'
6. ,Si*e beide aber gleichen, nachdem sie erschienen sind,
zwei Falken, die herab zum Neste fliegen/
Die Quellen^ dieser Verse sind folgende:
Hss.: c 'ui^i f^ (s* Suppl. ro).
QamAsat al-Ba^rtja L 149.
Ibn Nubäta (Sari; al- ujOn fi äart ris&lat Ibn Zaidön) p. 238.
Mas^üdt MurAg ad-dahab (ed. Parisiensis) VI. 349 (nach
al-^A^ma'i).
und die Frflcfate reiften, das Schicksal aber sich einen Ast brach.' Bei
Heine hingegen bleibt die Beseelung des Leblosen fttr den Schloß auf-
bewahrt. Nachdem mit der nnverfänglichen Schilderung des einsamen
Fichtenbaumes ^m Norden, auf kahler Höh*' die Stimmung vorbereitet
und gegeben ist, bricht in der zweiten Strophe ,Er träumt von einer
Palme* etc. erst des Bildes Sinn und Bedeutung durch. Übrigens ist
auch Heines Gedicht aus einem orientalischen Mythus hervorgegangen;
vgl. .Gesammelte Anftätse sur Sprach- und Sagenknnde' von Max Grün-
banm (Berlin 1901), p. 202f. (Nach einer freundlichen Mitteilung ihres
Herausgebers Dr. F. Perl es.)
* Var. joi*^^ ,des Ruhmes*.
' Entweder: beide kamen zugleich ans Ziel, oder wegen V. 4 wahrschein-
licher: bald hatte der eine, bald der andere den ersten Rang inne. Cf. V. 3.
' Aus Ehrfurcht vor dem Alter scheut sich der Sohn, den Vater zu über-
flQgeln. Dieser Vers beweist, wenn es eines Beweises bedarf, daß das
Wettrennen hier symbolisch aufzufassen ist und einen Wettkampf um
den Vorrang in rühmlichen Taten und Eigenschaften bedeutet. (Gegen
Gabriel!, p. 87.)
* Cf. die Noten im Diwftn zu diesen Versen.
SitsoBgsWr. d. pluL-kwC. Kl. CXLYII. Bd. 4. Abh. 3
84 lY. Abbandivng: BhodolcftOftltlt.
al-S&riäi äarb al-ma]{:&mftt I. 424.
al-öu§rl Zuhr al-'adäb III. 239 (a. R. des *Ikd).
Jatüt III. 34.
an-Näbulüsi Nafabftt al-'azh&r 225 f.
Sie alle schreiben die Verse R. XXIII. al-9an8&^ zn and
erwähnen sie wohl meistens wegen des ßildes ^\j»^l«^ U^^
J\ i'-^ in V. 1.* Den Anlaß zu diesen Versen gab der Dichterin
— so wird im Znhr al-'ädäb gefabelt - — der ihr gemachte
Vorwurf, sie hätte ihren ,Bruder* zwar gelobt, doch ihren
Vater verspottet.' Gewiß ist dieser Anlaß erdichtet, d. h. aas
den zu erklärenden Versen erst abgeleitet. Von Spottversen
auf ihren Vater wissen wir ja nichts und D. VII. 2* wird man
nicht daher rechnen wollen, schon deshalb nicht, weil Sartd
ihr Urgroßvater war. Umgekehrt kann sie aber sehr wohl,
ohne durch den Vorwarf, es bisher unterlassen zu haben, daza
erst angespornt worden zu sein, in das Loblied auf ihren Bruder
auch seinen Vater (<«x3\^ V. 4) mit einbezogen haben, wie ja
dies im Rita' nicht bloß, sondern auch in der Mid^a üblich
ist. Wir können also hier auch das Fragment einer Elegie
vor uns haben. Wäre Vers 5 nicht: ^^^ o-*^* J^ V> ^^
könnte man wohl denken ; alle sechs Verse gingen auf zwei
Rosse, wie denn auch al-'A^ma'i zum Chalifen RaSid sagte, als
er zu Ral^^a ein Pferderennen veranstaltete und sein Roß als
erstes, das seines Sohnes Ma'mün aber als zweites ans Ziel kam :
,Eure Pferde laufen heute so, wie es al-B[ansft* schildert '*
Übrigens war die Frage, ob dieses Fragment von unserer
Dichterin stamme oder nicht, schon zu jenen Zeiten strittig;
denn dem 'Abu ^Ubaida hielt man vor, es sei der Sammlung
der Lieder al-^ansft's nicht einverleibt gewesen,^ worauf aber
jener antwortete: ,Die Gesamtheit (der Überlieferer) sei viel
* Vgl. Dlw." p. in, Note f.
■ iSTbl Cj^ Jiti J?ST CUa^j^ j^. — Bei^ N&bulüs! (p. i pA, Z. 10
unten desDJw.») L^^S iJj\^U^ k1»\j\ ^^jS^ V^^t ^^ — Natürlich
konnte man anter ,ilirem Brader* nur Bahr verstehen, dem die meisten
ihrer Elegien gelten.
■ Vgl. Kap. I, p. 10 und Kap. III, 10. Abschnitt.
« Mas'üdi 1. c.
» -UUiL\ ycÄ» J^ "^y^ \^ ^j^ piw.« in, Note f, Z. 3). Cf.
Pröface im Suppl. p. VI f.
AI-9MU&* und ihM TnHi«rU«d«r. 35
ZU kiachläBsig^^ als daß man ihr durch (Anerkennung) eines
solchen Arguments (das auf ihrem Ernst beruht) zu viel Ehre
erweisen sollte/ — Immerhin haben wir also für die Autor-
schaft al-9ans4's hier das doppelte Zeugnis des 'Abu *Ubaida
sowohl wie al-^A^ma^ts.*
Al-]Q[an84' will demnach ihren Bruder und dessen Vater
als zwei gleichwertige^ einander ebenbürtige Helden darstellen;
sie greift zum Bilde des Wettrennens ^ in dem bald dieser^
bald jener Läufer voran ist (V. 1. 2)', so daß der Sieg unent-
schieden bleibt (V. 3). Daß es sich um eine Allegorie handelt;
die durch alle sechs Verse durchgeführt ist, beweist Vers 5:
bei sonst gleichen Verdiensten gebührt der Vortritt dem Ansehen
verleihenden Alter. Die Nachahmung dieser Verse durch al-
Buhturi' zeigt uns den gleichen Gedanken in einem Verse
ausgedrückt:
;Wann er (dein Ahn) nach einem Ziele läuft und du
nach einem anderen eilst, trtffl; euer beider Lauf in der Mitte
zusammen/
Mit dem Ziele ist hier natürlich der Ruhm gemeint, wie
auch eine Var. zum ersten Verse al-Qans&'s ^ak*^* für j^i»L\
liest. Am ersten Verse ist die Brachylogie auffallend, durch
welche ein der arabischen Poesie geläufiges Bild angedeutet
wird. Wenn es da nämlich von den zwei Kontenden ten heißt:
,sie leihen einander den Mantel des Laufs^, so ist damit wohl
die Staubwolke gemeint, welche die beiden Läufer auf-
wirbeln und die sie abwechselnd umhüllt/^ Um dies prä-
gnant ausgedrückte Bild zu verstehen, mußte der Hörer ge-
wiß schon Analoga im Ohr haben. Wenn aber ein unge-
nannter ^hilitischer Dichter von den Banü 'Uj^ail mit seinem
Verse :
f -•.
^ Oder passiv: alhsa wertlos (qaantitö n^gligeable): ^^ LjLm>\ Jc«Ia)\
MjJb JJU> W^ >\^ o^.
* 8. oben (bei Mas'üdi).*
» Dtw." I rv, Z. 2.
* Piw.* ITA, Note a; nur fölU hier der Heraasgebei- darch die Worte
\^ji'\ ij^ A^ dem Bilde. Vgl. ferner p. irA, Note f, Z. 13 der Anm.
aas J&küt
36 lY. AbliMiaiQiiff : BhodokftBftkli.
als der erste angeführt wird, der dies Bild überhaupt ge-
brauchte,' 80 wird dies wohl nur cum grano salis zu verstehen
sein.* Auch die Behauptung, daß al^^ansä' gerade von ihm
das Bild genommen hätte, läßt sich nicht beweisen/ Nach-
weisbar ist nur, daß sie auf rasches Verständnis ihrer Hörer
zählt und einen Gedanken, der gleichsam in der Luft lag,
also schon von mehreren ausgesprochen war, nur andeutet
Allenfalls hätte sie dem alten Bilde eine neue Form gegeben;
denn während jener 'Uf^ailite bloß von einem Säumen und
Weben je eines J^ami? und Rid4^ spricht,^ ist bei al-Qansft der
Nachdruck auf ^^\j^\^Jii * gelegen : eine Spezifizierung, die
für die Schilderung eines unentschiedenen Wett kämpf es
gut paßte.
Eher ließe sich die Abhängigkeit des ähnlichen Verses
Ihn ar-Ri^^s^ von al-Qans&' und jenem anonymen ^U^iliten
nachweisen :
^ ,(Der Wildesel UDci sein Weibchen) versehen zwei abgetragene Hemden
von Geweben des Staubes, der auf ihnen schwebt, mit einem Saum and
hüllen sich wie in einen Mantel ein/ J&k. III. 34. Hiz. IH. 276 f.
> Diw.» irv, Z. 16.
' Bei al-Hans&* kommt das Bild von einer Staubwolke, die s. B. den
Reiter wie ein Mantel umhüllt, noch in R XII. 2 (irr) vor:
Eine weitere Ausführung desselben beim späteren (von al-Qans6^ abhän-
gigen) *Adi b. ar-Rika (Diw.« irv, Z. 6):
#
,Sie beide (Wildesel und Weibchen) entlehnen einander vom Staub
einen Mantel, einen weißen, festen, den sie selbst gewoben haben.' Auf
dieses Vorbild spielt Buhtuii konzis an (IMw.* irv, Z. 14):
,Er wirbelt tagtäglich einen Staub auf, mit dem 'Adt b. ar-Rik&' sich
EU schaffen macht.'
* JAk. III. 34.
' Für i^^^%^^^ konnte auch: ^UjLL^ stehen; beide Ausdrücke sind
gang und gäbe flir ,nacheinander hernehmen', ,einander geben und
abnehmen*. Vgl. *Antara Mu'all. 44 iiUiü\ <j^^' ^X^i ^Uu» imd
^J(:^J^\ U-.--0» f,-^}^ (*A*Äi bei Ihn es-Sikktt ed. Cheikho, p. rrv).
' 8. oben Note 3.
AI-SmisI* und ihre TnntrlMer. 37
al-Qansft':^^^«»^^ «'^ ob^^**Ä (}^ der Schilderung zweier Läufer)
N.N.(B/UfciU): ^\^\ ^c^irj „ „ „ Wüdesel)
Ihn ar-Ri^4*: uS^ — i-vu j\^\ J^ 0^5^. (auf zwei „ )
Neben jXa.\ ist aber zu V. 1 die Var. Js^^ überliefert:
der Sinn ist dann einfach und klar und mit Coppier^ zu
übersetzen: ,se pr6tant Tun k Tautre le manteau de la gloire^
Ich ziehe die Lesart j^aL\ vor und halte sie für die ur-
sprüngliche; denn während ^^^ ,des Ruhmes' die Lösung
und Bedeutung der Allegorie gleich anfangs gibt und matt
wirkty bleibt j^c»L\ ,des Rennens' der Allegorie treu und im
Rahmen des Bildes vom unentschiedenen Wettlauf.
Wo das Bild durch allzuhäufige Verwendung seinen cha-
rakteristischen Wert und Sinn verloren hat, wie eine Münze,
deren Reliefprägung die Zeit verwischt , da wird das Bild zur
Phrase. Dies gilt von den ^Atlftl',' die sogar in den Klageliedern
dichtender Frauen vorkommen R. II. 1 (vr)
,Was hat deinen Kummer angefacht? Ist's im Aug' ein
Splitter, oder läßt es (weinend) seine Tränen fließen? oder
ist das Lager von seinen Bewohnern leer?'
d. h. letzteres ist ebensogut wie der Splitter ein gewöhnlicher
und physischer, ein psychischer und als solcher bekannter, oft
angeführter Qrund des Tränenergusses. Dieser Zusammenhang
und die Aneinanderreihung beider konventionellen Vorstellungen
weist darauf hin, daß schon damals auch von den Dichtem das
sozusagen Phraseologische der 'Atläl gefühlt wurde, daß sie wie
der ,Splitter' zur sprichwörtlichen Redensart geworden waren.
2. Äußerer Bhythinus der Form: Beim und Tarsi\
Zum Endreim bei al-ü^ansä' habe ich nur folgendes zu
bemerken: An drei Stellen findet er sich mit lazüm mä lä
jalzam^ und zwar arrati durchwegs in T. I (tawil p. ivff.);
allati in T. II (tawil p. r\ f.) mit Ausnalime von Vers 9 und
10, die arrati haben, durchgängig; endlich in T. III (w4fir
p. rrf.) allat mit Ausnahme von Vers 4 ^ammat.
» p. 111.
' Ygl. Goldssiher: Bemerkungen sur arab. Trauerpoesie in WZKM.
XVI. 328.
38 ly. AbhandlnDg: RhodoltftnakiB.
In T. II. fehlen Vers 9 — 12 in sämtlichen Handschriften.
Sie sind vom Herausgeber nach Ag. VI. 79 und I^am. Ba§r.
I. lAri ergänzt; Ag. 1. n. liest die Verse 9. 10. 12; Vers 9. 10. 11
steht Ag. VI. 83. — Ag. XV. 119, die zweite von Cheikho
ad locum Note a) zitierte Belegstelle, dürfte ein ungenaues
Zitat sein; ich finde bloß Ag. XV. 116 zwei auf allati reimende
fremde Verse mit dem Metrum von T. IL
Wiederholung des gleichen Reimwortes in kurzen Ab-
ständen finden wir in L IL 10 C'^'O J3y^ ^^^ 1^ (nr)
J^^-io3\, wo aber zwei Manuskripte (c» f^^) anders, nämlich:
J>^ lesen; Übrigens spielt al ^ans&' in Vers 10 mit jenem
Worte :
Dieses und einiges Ahnliche gehört aber in ein später zu
behandelndes Kapitel; so L IL 14 und 21 (n*: und nr), wo
sich nach den Manuskripten c und ^ das Reimwort J..U,t&.-i^.\
wiederholt,^ während Manuskript f den 21. Vers als Variante
des 14. auffaßt.
Neben dem Endreim und dem Binnenreim der Matla^* Verse
kommt aber bei al-Qansd.' noch ein innerer Reim^ vor: eine
Erscheinung, die schon den Alten bekannt war und von
ihnen at-tar§i* (5.^^^yü\) genannt wurde; am besten, wenn auch
mindestens für die alte Zeit, wie aus dem Diwan al-^^nsä'
hervorgeht, allzu eng, wird sie im Kommentar zu ^artri's
Ma^ämen^ folgenderweise definiert:
e-^ c> ^i c^5j o^ J^^'J^ ^^^^^^ oV^^ ^.y^^^ ^^^^ ^^^ O»
Es besteht diese Kunstform also darin, daß in zwei
aufeinanderfolgenden und einander entsprechenden Qliedem
eines Verses, die nicht mit den Halbversen zusammenzufallen
brauchen, aber gewöhnlich eine gedanklich und syntaktisch
* Diw." rr, Note a. ^
' Vgl. des D2w. I. Ausg. p. v • :
' Inzwischen hat auf das häufige Vorkommen solcher Mosammat-Verse im
Ri|&' Qoldziher in WZKM. XVI. 313 hingewiesen. Vgl. auch PD 320.
325. 332.
* Ed." de Sacy's I. ^ :
▲1.0Mirt' ud ihM TisQerU«d«r. 89
abgeschlossene Einheit bilden, mindestens zwei Worte derartig
sich abheben und charakterisiert sind, daß sie mit den ihnen
in der Reihenfolge des nächsten Qliedes entsprechenden Teilen,
i. e. Worten: 1. gleiches Metrum, d. h. numerisch und quantitativ
gleich viel Silben, 2. den gleichen Endradikal und Flexions-
auslaut aufweisen.
Aus dem ]$lor'&n 88. 25 f. wird ^arirt 1. n. folgendes
Beispiel angefhhrt:
Es sind: ^^^ ^\ o^ ^i^d (^^-***ä- ^-^A* o^ ^i© zwei Glieder;
femer c^y UJ\ und f^^ drei Teile des I. Gliedes, die me-
trisch und im Endradikal (beziehungsweise der das Wort ab-
schließenden Lautgruppe) mit den entsprechenden drei Teilen
des II. Gliedes c>\ ^-*ti^ '^^^ (•^^-•**** übereinstimmen.
In dem ebenda angeführten Verse des 'Abü-l-Fir&s:
bilden die zwei Hemistiche je ein Glied; Teil 1 von Glied 1
und 2 sind iJUst^ beziehungsweise ^\y\^; Teil 2: ^^^^v^iUJJ
beziehungsweise ^^r^^^lr^^ Quantität und Endung sind durch-
weg identisch, ebenso die syntaktische Beziehung der Worte
gleich. — Diese Eunstform finden wir auch bei al-J^ansä wieder':
B I. 8» (bastt «)•'
Zwei Glieder mit zwei Teilen:
1. S^\3 + >yL\^
2. iJü^ + JLxL
(je ein Subjekt mit Prädikat).
D V. 5» (basit Ol)
Zwei Glieder mit je zwei homogenen Teilen:
1. USj\ + ^^\
2. .„x**^ + iy*x^
Am häufigsten finde ich jedoch bei al-Qans&' den Fall,
daß innerhalb zweier (oder mehrerer) Glieder bloß je ein
Teil (der je 1. oder 2.) metrisch und lautlich adäquat ist;
40 IV. AbbAndlang: Bbodokauftkii.
der andere hingegen bloß die metrische Ubereinstimmang
aufweist: ^
BL 10 (o):
dreigliedrig, einteilig ;
in 11» aber: iLU3\ v^l5^^ | li\j^\ ^
fehlt im 1. Teil auch die metrische Übereinstimmung.
Hingegen ist in D V. 6 (oo)
das Tar^f dreigliederig und zweiteilig,'
in DXI.4 (1«)
* In einem bloß von Ms. <JU3 Sappl. r^ I überlieferten Gedicht auf D ist
das ^^woJ» stets einfach; es entsteht durch die kunstlose Aneinander-
reihung von adjectivis ornantibus ohne Determlnans, sei dieses genetivi-
scher oder akkusativischer Natur. Zunächst haben sie (in V. 6) bloß
die gleichen Silbenzahl- und Quantitätsverh<nisse : «LI* i\^^ neben
s>J\> ^yyijLyo Und g^ls^^ '^^^; doch gleich im folgenden mit gleichem
Endradikal: ^r*«v |J<^^ I vJ^^ «J^^f ^^ sieht es sich durch acht
Verse hin. Das Tar^t' ist hier stets zweigliedrig und einteilig: Glied
und Teil fallen zusammen; nicht mehr als zwei Worte im Verse haben
gleiches Metrum und gleiche Endung; jedes Wort bildet ein Glied für
sich. Je zwei solcher Glieder haben aber oft mit den je zwei folgenden
gleiche Endung der Teile, doch verschiedene Quantität; so Vers 12
(_ s^ -) /ä^ ^^«lIm gegen (v-f ) ^^ü ^rw ebenso Vers 7 ^U Jjl*
gegen Jn'V^h ^^^ Gehäuft sind in einem Verse bis drei solcher Doppel-
glieder mit verschiedener Endung und Quantität ihrer Teile; Vers 8:
Der Binnenreim greift ebenda auf die zweite Vershälfte über in Vers 18:
Schon aus den angefahrten Stichproben geht die hier angestrebte kunst-
lose Häufung der Tar^fform hervor, die wohl, namentlich durch den
grammatisch einfachen Bau den Anschein der Altertümlichkeit erwecken
sollte, eben deshalb aber verdächtig erscheint. — Vgl. Goldziher 1. n.
p. 316—318.
c
' In . JLiu ist der Endvokal anders als in . ^srii und . Joii ; doch in
,JjüL\ wie in J-JLL\ etc.
A1-0MM&> und Uire TnuMrUeder. 41
zweigliederig und einteilig, mit bloß metrischer Übereinstimmung
des anderen Teiles.^
Eün lehrreiches Beispiel Yon Musammat-Versen will ich
an N I. 7 ff. (n*), obgleich die Stelle pseadepigraph ist and
nicht al-QansA' gehört,' doch demonstrieren.
(Bas!t):
J\ il^ t^ II il^ j\^ II i^\ ^i^ 10
Zu Vers 10 ist die wegen Wegfalls des störenden g^lL*
(V. 9) bessere Variante *
Wir haben hier hauptsächlich dreigliedriges, einteiliges
Tar?!', so in Vers 7 (auf f), 8 (auf J), 9 (auf ^ und £),
10 (auf ^3); in Vers 9 kreuzen sich die im I. Gliede ^j^ t^
angegebenen Teile so, daß ^ui> zwar im folgenden Gliede mit
^lL« ,reimt^, ^^j^ jedoch erst mit ii^j^A^ des nächstfolgenden.
^Vk5 am Ende nimmt den ersten Teil t^ wieder auf.
Um zu al-Qansä' zurückzukehren, möchte ich noch auf
N II. 5—8 (rf r) hinweisen, wo sich diese Kunstform in jedem
Vers stetig fortentwickelt:
(Mutal^rib) :
5 ,3J^\ t->>Xi ^ II li***^^ ^3 (zweigliedrig, einteilig).
* Vgl. noch Z I. 6» (MaUkftrib iff)
f^>'!^\ i\j^ I ^.*xXJ^ u» ^ (aweigliedrig einteilig)
9* (Ifo) ^U;3\ jX^y I C^i^^ V>--^ ( n n )
N IV.4 (riv) -CUU J>^ I ajus:-» ^ ( „ „ )
■ A^. XX. 21.
* Dfw.' rsi, Note a, wo für ^j3t an der ersten Stelle iki>^\ zu lesen
ist, wie A^. L c. Utsächlich hat.
* Vgl. B. L 10 oben p. 40.
42 lY. Abhandlniv: Kkodokanftkit.
6 JU.^\ jyu II >UiiJ) ^^ (bloß gleiche Quantitäten in
beiden Teilen).
7 jUJJ\ vj-^\5 It J^ f>-^ II j^l»^^ !>?"• (dreigliedrig, ein-
teilig, doch mit verschiedenem Endvokal).^
8 «-»^^V l5^^ II *-*>^^ kA^3 (zweigliedrig, zweiteilig).
Die Betrachtang des Tar§t* führt uns endlich zur Ver-
gleichung dreier Parallelstellen im Dlwän, von denen eine
schon oben berührt wurde; es sind dies: B I. 7ff. R 11. 18 f.
R XXII. 4 ff. Weist schon R IL 18 f. Ähnlichkeiten mit B L 7 ff.
auf, so ist R XXII. 4 ff. nur ein Abklatsch jener.
B. I (rff.):
8 UU d3j3 ^^\ doj^ JJ^\^ • A xl* >yL\^ ^OXi. JL^U
9 bb L^ ^'\ Aiihfc>g t Ajb ^\ » f^ 9^^^ ^^ JÜboJLi^ t^lkäi.
10 ^ >U1> y^U li>^\ t^l»* • ^ c^\ >W-Ä h^^ JW-
11 l-^ua ^2,^ ^^^ \i^\ ^y^j ♦ \i\ iL-^\ ^3f\ss^ Sjsjüi ;:-«
RH (AI und Note *):
18a j\^ i^ £Ui5 iJb^\ JvX*-«^ iA^\ >3.^^ ^^A-Xi-^ cj^^
18ß j\ iLm)\ ^^^^aa3 ^i^b J-^f^ * 2L-^_-^U> >\J^ jL^Lm» Jbi*
19 (C' H j^j ^ ^y^ ii^^ ^^-^ * ^ i^/^ i>^A ^5^^ JW-
Var. >\ ■ «w A'Js^ i>Jl ^UU * i«_^oipb :\ta. dLwoVS t^l**.
19a } j^ ^».kjJJ dJ^\^ JiU * ^^ x)üLc J.-a» aJjVU. 5I».
Var. \ ^ ...kjJJ dLoU vsTlXi * X ^U> -l:«^ l^\. A^
RXXII (in) bloß in Ms. c:
5 jl «aA ^ytXJ J^b ^»A^^ « i^ ^U d^lkft ^>U >^>j
6 ^l ÜU ^ >\y^ ^.j^\ g^ • i 1^\ Jl^ i3>^t s^\^
7 jl *Ä. ^».kjJJ ijJU e^-lXi * Ä jvftlt -U^ i^l, ^W
^ Vgl. einen Masamma^-yers mit verschiedenem Endvokal bei Ibn Hi£&m
Leben Ma^ammada 632. 18 von 'Umajja b. *Abt-$-Salt:
'^^ «Jl /)*- 1> * V
ebenda 631 gleiche Endnng bei teilweise verschiedenem Endradikal:
mit Ibdftl Ton Lftm za B&'.
AI-Bftadb und ihre Tnnerlftdar. 43
Zu B I. 7 ist wieder auf J^^\ J-^*x3^ und J.^,.^-uJ\ mit
variierender Endung bei gleichem Endradikal hinzuweisen. Zu
B I. 8 und 10 siehe oben p. 39 f.
In R. II. bietet unser Text bloß Vers 19^ und zwar nur
in den Handschriften ^ und ^:
*iajol >\:^ II ii>^\ i>i> II i.^1 ji^
der mit B I. 10, R XXII. 6 und außerdem L III. 5 (ni)
i^\ >l^ ^^^ i^lkai.
und N 1.10 (PI I)
il>^\ ^\Jb3 So^\ Jl^. Iij3\ ^l^
parallel ist. Vor R IL 19 liest aber al-'I^d al-Fartd IL 22 und
Ibn al-'Atir al-matal as-sä'ir 163 den umstehend mit 18 a^ 'Askari^
133 den mit 18 ß bezeichneten Vers mit der Bemerkung: )j^^
«Jmu ^ dJiUJl Juu ly} ^>j cu^\. Ebenso führt zu Vers 19
Cheikho (1. n. Note b) aus 'Askari^ die umstehend aufgenommene
Variante an mit dem Plusvers 19a und seiner Variante: j^
& J\ A^\j letztere ohne Quellenangabe. Diese Variante stimmt
aber wörtlich mit R XXIL 7 ttberein; andererseits erinnert
R XXn. 5 A^U eTb^i ii>U >\>j
an B L 11 iU*3\ vs^Ui^ i\oaJ\ ^
f^ kann wohl möglich sein^ daß al-]9ans4' einmal das
gleiche Thema variierte;^ eins ist aber doch sicher: unter den
hier in den Quellen als selbständig angeführten Versen steckt
manches^ das bloß Uberlieferungsvariante ist; so haben wir
in R XXII nach obigen drei Doubletten :
1 Vgl. Marftti p. 99, Z. 3 (al-Fftri'at bint gadd&d).
s Mb. der Jesuiten in Bejrüt, vgl. Diw.' Einl. 5.
* Cbeikho AI, Note a.
* (irr) mit der Bemerkung: V^\ aJLJ» U sm .<v^ ^ CXoJ\ \jsA ^aJ
* Vgl. Mar&t! 99. 4 (al-Fftri'at bint Saddftd):
^U5\ e^lXi i^\j ji^ * i-<i^^ J^ i^^j j^
* Vgl. abrigens die ans Marij^ 99 zitierten zwei ParallelsteUen ; manches
war wohl formelhaft.
44 IV. AbhADdlniig! BkodokftOftkis.
R XXII. 5 = B I. 11.
„ „ 6 = B I. 10 = R. IL 19 etc.
„ „ 7 = RIL 19« Var.i
Femer ist es auffallend, daß in R II. 18 ß, 19 und seiner
Var. und 19 a Var., in R XXII. 6, 6, 7 das Tar^i* durchweg auf
Grund des 3. Radikals Ja erfolgt.'
Schließlich sei noch auf die natürliche Erscheinung hin-
gewiesen, daß sich das Tar§f nie bis zum Versende erstreckt.
Dieses faßt gleichsam die vorangehenden Glieder, als End-
summe sich 7on ihnen abhebend, zusammen. Es kann aber,
während dem Tar^f die horizontalen Analogien zukommen,
natürlich unter dem Einfluß des Reimes vertikale aufzeigen; so:
»» •
• •
R U. 19 j\j^ ^
. „ 19a jUw^^WJ»
B I. 7 ^\Sj j.^^\ o^ • • •
„ „ 10 \^^*
„ „ 8 bu Aj^s ^;,\
„ „ 11 ^^* aj*^ o^ <J* • ••
N I. 9 o'/^ t^
„ » 10 o^*^ o^r^ • • •
R XXII. 5 jLi* oy^
» « 7 M^^^
Daß aber diese Eunstform so gerne gerade im Metrum
Basit auftritt,^ bedarf keiner weiteren Erklärung; keines eignet
sich wie dieses mit seinen scharfen Einschnitten so gut dazu.^
^ Aaf einiges davon, R. II. 19 und Var. s= B. XXII. 7 haben schon
Cheikho \ri, Note e), und Coppier p. 110 hingewiesen.
* Dasu vgl. jetzt Goldziher in WZKM. XVI. 328 unten und Note 6.
' Gleiche grammatische Verbindung: Fa"ftl mit vorangestelltem \-Objekt;
auch innerhalb des Tar^f häufig (Goldziher 1. n. 313, Z. 4).
^ Gegensätze.
» Auch außerhalb des RitÄ*. Vgl. 'Abu Safer: Hud. Nr. 264, Vv. 10—19.
^ Im Muta^ftrib neben den aus al-Hans&' zitierten Stellen noch Marftti
84 ult. 86. 1 f.
Al-9uiBft* «ttd ihre TrM«rlM«r. 45
8. Innerer Bhythmas und Harmonie der Gtodanken.
E^ ist eine bekannte Tatsache, daß wörtlich gleichlautende
Refrains umso seltener vorkommen; auf je höherer Kulturstufe
Künstler und Kunstprodukt stehen.^ Lieder zivilisierter Völker,
die sEUgleich Kunstprodukte sein wollen , charakterisieren sich
durch etwaig vorkommende Ritornelle als einem leichteren,
singbaren Oenre angehörig; eine Erscheinung, die uns auch
auf die richtige Erklärung jener anderen Tatsache ftlhrt, die
ich an die Spitze dieses Kapitels stelle: wahre, wörtlich über-
einstimmende Refrains dienen zwar nicht stets in unserem,
aber doch immer in historischem Sinne musikalischen, niemals
rhetorischen Zwecken, nämlich der Markierung des Beginnes
oder Schlusses einer größeren rhythmischen Einheit; und nur
auf den unteren und untersten Kulturstufen darf die Musik
als von der Poesie, wenn auch differenziert, so doch noch nicht
geschieden angenommen werden. Auf höheren Kulturstufen
kann aber ein Refrain nebst rhythmischen auch rhetorischen
Zwecken erst dienstbar gemacht werden, nachdem er eine
Wandlung aus einem bloß lautlich formellen, rhythmischen,
zu einem innere Wechselbeziehungen ausdrückenden har-
monischen, also in der Poesie gedanklichen Element höherer
Ordnung durchgemacht hat. J. Goldziher hat in seinem
schon zitierten Aufsatz ,Bemerkungen zur arabischen Trauer-
poesie'' auf die Häufigkeit der Wiederholungen im Rita'
hingewiesen; sie erstrecken sich nach ihm hauptsächlich auf die
Anfangsworte aufeinander ursprünglich unmittelbar, später ge-
trennt in Abständen folgender Verse; ja sogar ganze Uemistiche,
stets die ersten, können ad litteram (vertikal) identisch sein.
Solcher kunstlosen Wiederholungen bietet uns der Diwan
al-^ansä' wenige; ich weise hin auf T III. 1 — 4
(p. r^ Q
* über die Häufigkeit selbst sinnloser Refrains, d. b. sich am Stropben-
ende gleich wiederholender sinnloser Laatgmppen in den Liedern der
V^ilden s. Grosse ,Die Anfänge der Kunst' im Kapitel Poesie.
• WZKM. XVI. 307 ff. Vgl. auch PD »20 Nr. 8. »34 ff.
46 IV* AbtaMidliiiif : Bhodokftoakia.
Schon hier läßt sich aber eine gewisse Variiening des
Prinzips ersichtlich machen: In Vers 1 werden zwei Worte
angeschlagen^ von denen eines bloß im zweiten ^ das andere
erst im dritten Vers aufgenommen wird, und zwar nur das
erste am Anfang der Zeile (1 und 3 ^^ b '^\) während iSj^
den Anfang je eines zweiten und ersten Halbverses markiert,
^>^^^-y<>^ aber am Ende und Anfang je des dritten und vierten
Verses steht.
Ganz kunstlos ist hingegen die Häufung der Worte
e,5oU viermal in B I. 2ff. (r); dTU^i ^\^ viermal in R XXII.
2 f. («ri);i dreimal in F III. 2flF. (n^), stets am Versanfang.
H I. 14—16 (ror) si^ - väX^.^- \^5Lj^. Ferner R I. 4a und
5 a (tv f.) ^jge^ ^^^ ^\^ jifo ^^^ wo zwei ganze Hemistiche
wörtlich übereinstimmen; R II. 3—5 (vo): ^J^ — ji^ ij^
8^Ui. ,>o ~ ^Ui.. Ebenda 15 f. (v^):
j\^- yid^\>\ \ji^ a\3 * ^^^^W!r^ol5 15
Bedenkt man aber, daß V. 16 außer von Manuskript c
von keiner anderen Handschrift überliefert ist, so darf man
wohl auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, daß hier zwei
Varianten oder Doubletten der gleichen Einheit vorliegen, be-
sonders wenn man neben der horizontalen Kongruenz von 15a
mit 15 b auch die vertikale von 15 a mit 16 a und die innere
Gleichheit von 15 b mit 16 b berücksichtigt.
Im Versanlaut findet man als Abschwächung der wörtlichen
Wiederholung die gleiche grammatische Konstruktion
iteriert in L VI. 10 f. 16 — 18. 20 f. 24 f. 29 ( Jj^\ ^\^
p. ''•iff.)> ^^®^ ^" ^®^ pseudepigraphen Versen L IV. 2ff.*
die gleiche Form der Frage und Antwort mit variierendem
Inhalt:
* Je am Anfang jeder Halbzeile.
' Admirativer Ausruf. Vgl. Goldziher 1. n. 310 oben.
' Am Anfang. Allerdings werde» B. U. 4 f. von swei Handschriften (^ und
s^ nicht gelesen.
^ l^of. Die Verse sind von KabSa bint a^-Sajtftn, cf. 8nppl. rM f-
Al-0«Ut^ und ihn Tnuierli«d«r. 47
Bevor ich yon diesen Beispielen einfacher and kunstloser
Wiederholung^ zu den bei al-i^ansA' mindestens ebenso häufigen
Fällen übergehe^ in denen aus der bloßen Wortwiederholung
eine gedankliche Responsion höherer Art sich entwickelt
hat^ will ich auf die schon oben berührte Tatsache hinweisen,
daß sich bei al-][Iansä' neben den horizontalen und vertikalen
Wiederholungen (von Halbvers zu Halbvers in einem Verse
oder von gleichstelligen Halbversen in aufeinanderfolgenden
Versen) auch gekreuzte Wiederholungen finden.*
Es ist zunächst . als sehr gewöhnlich der Fall zu ver-
zeichnen, daß der folgende Vers durch eine Art Konkate-
nation das letzte Wort des unmittelbar vorangehenden wieder
aufnimmt; z. B.:
PL2f. (lov)
NIL 2f. (rii)
•• 1
ouyulj ^^ U.1 ujj^
HI. 4 f. (r«)
«\jw. \yiXi U O^^^ «^
J I. 1 f. (roA)
JU»\m ^UJ» ,s^\ ,s^ji> \>\
>v)iü1 . JLb> JUjkljo
* Tgl. noch J I. 1 und 8 (roA):
* Vollständig ao^ehoben erscheint die rhythmische Regelmäßigkeit der
Wiederholung in N D. U— 16 (rir) ^XSJ (Ua), dJLXJ (Üb), ^\
('^*}> U5^^ (16 b)» iJ^ (^^*) ^o ^^®*® Worte mitten im Verse stehen.
48 IV* Abhandlung: Bhodoknnnkis.
J III. 1 f. (rn)
t
' --
Sich kreuzende Wiederholung neben der Konkate-
nation in den kunstvollen Versen N 11. 11 — 13 (r^r):
LL^j dJC^».^ JsJ \j^ y^^ Cj^ * ^ ^ j g ^* - %y^ ct{
11
Beachte: 11* = 12^; IP = 12»; 12^ = 13»
Nicht minder gekünstelt sind die Verse L VI. 12 f. (r-A):
-^ cy^^ <r^ O^ >^^ * v>*^. ^^ 5r^ c^^ ^^ ^^
l ^U U iL^M^uJl ^^^jüOuM» • A ;,<)^ ^^1 ^vs U^ 13
12». Es genügte dafür* der Sohn des *Amr, ohne (einen
Anderen) um Hilfe gebeten zu haben;'
12^ Selbst wenn ein anderer als er* dem näher ge-
standen hätte.^
13». So stand er zwar (ihm^) nicht am nächsten,
13^ Und doch genügte er dem Stamme in dem, was
ihn bedrückte.
Beachte: 12» = 13^; 12^ = 13»; und die gedankliche
Gegensätzlichkeit dieser zwei Halbverse neben der wört-
lichen Responsion.^
Deutlicher ausgeprägt findet sich eine Gedankenkon-
katenation in L V. 1 — 3 (i^vf.):
^ lib = ÜL^Ab (V. 11), d. h. ,Zur Abwehr des Unglücks' etc.
' Der Kommen tür verlangt Jy^.J'^S aktiv; aach die passive Lesung wäre
möglich: ,ohne erst um Hilfe gebeten worden zu sein*.
* Wortlich: als Du (in der Apostrophe).
^ D. h. die größere Verpflichtung hatte, gegen diesen Schaden etc. (üb =
dLAA\^) einzugreifen.
^ Natürlich ist also die oben gegebene Lesart von Vers 18 der Ja'kübs
und von Ms. ^ (s. den Komm, ad 1.): fJUo ^y^% vorzuziehen;
ebenso diese der Versfolge und Lesart nach ^.^ und ^^ die Vers 13
von Vers 12 trennen, da sie 13 nach 14 stellen und ^^b ^y^^ lesen.
Al-0aMi« und ihn TnMMrli6d«r. 49
1» Ende = 2* Ende {^^)\ 2^ = 3» mit Variiernng
des den Tod umschreibenden Aasdrackes: ^JJii yJi ^ und
In größeren Versabständen finden wir ausgeprägte
Oedankenresponsion an zwei Stellen: L. VI. 14. 16 (c*^)
und L. V. 1. 6 (nv: n^); [fraglich L. VI. 9. 32 (r-i: nv)];
nicht unbeachtet darf bleiben, daß es in L. VI. 14. 16 (und
L. VI. 9. 32) die je zweiten Hemistiche sind, die inhaltliche
Analogien aufweisen; des Reimes wegen neigt sich der Schwer-
punkt nach dem zweiten Halbvers.
L. VI. 14. ,Auf einem (den Scharen) engen (id est
drangvollen) Schlachtfeldc; dort wo der Tod seine Schleppen
schleift,
15. ygriflbt du mit der Lanze an die (feindliche Reiter-
schar) und wann sie nach rückwärts sich wandte ^ benetztest
du ihrer (Rosse) Hinterteile mit Blut.
16. ,Und edle (Frauen) beschütztest du am Morgen des
Schlachtrufes'; (Frauen) die aus Angst ihre Schleppen auf-
geschürzt hatten/
Die Wiederholung des gleichen Reimwortes im Abstand
Eines Verses ist weder zufUlig,^ noch nachlässig; sie bezweckt
vielmehr die Markierung zweier verschiedenen, aber kausal zu-
^ Dem ParallelunHU snfolge muß AJüiU ^ ^ja in Vert S Sabj ekt sein wie
die Analoge Phrase in 3; weahalb die bei Cheikbo ad 1. vorgeschlagene
Konatmktion : U-> ,^^ ^^ «üLmJI ^ä^ (Obj.) minderwertig ist;
»verwehrt hat die Genesung, wer da totet (der Tod) vgl. V. 1*
,verwehrt hat die Genesung, wer die Seile festbindet (das Schicksal).
* Wohl die bessere Lesart statt ^^>*^\ ^^^ Textes.
* Auch ^ A^ (cf. des Diwftns I. Ausg. v*l) stehen diese drei Verse in der
gleiehen Reihenfolge vereint. — Vgl. Jes. 47. 2.
Siteaags^r. 4. pk^-Ust. OL CXLYU. Bd. 4. Abli. 4
50 IV. Abhandlung: Bliodokanftkis.
sammenhäDgenden unter demselben Bilde gedachten Vorstel-
lungen: Auf der Flucht vor dem Tode, der seine Schleppen
über das Schlachtfeld zieht, heben die Frauen, um unbehindert
ihm entrinnen zu können, die ihren empor.
In L. V. 1. hingegen beginnt die I^ide mit einem
MatlaVerse:
er starb von den Seinen fern; doch auch ihre Nähe wäre
nutzlos gewesen (V. 1—3), da das Schicksal unerbittlich ist;
an der Klage um ihn nahm aber in Abwesenheit der Frauen
(^vj^^ d3\JS V. 1) die unbelebte Natur teil (V. 4 f.). Vers
6 — 11 singen das Lob des Dahingegangenen und es beginnt
Vers 6 (cf. V. 1):
Der Parallelismus ist nicht bloß ein äußerer lautlicher,
sondern und zwar vorwiegend ein inhaltlich gedanklicher;
denn ein von al-Hansä^ wie im Rit4* überhaupt oft ausge-
sprochener Gedanke ist es, daß der Tod gerade die Besten
sich zum Opfer nimmt. So hat er auch hier
,den Mirdas auserwählt vor den Menschen;
,ihn, den seine Freigebigkeit vor den Menschen aus-
zeichnete.'
Auch in L. VI.
\ jj\y.\ J^Uu J CU^I ♦ J >Jo ^ io\3JJ\ 3S3 32
könnte man ein Wort- und Gedanken spiel vermuten zwischen
,der Seele, die's verschmäht, von ihrer Klage abzustehen' und
,der Bergspitze, die sich weigert von ihren Steinböcken zu
lassen.' Doch ist dies wegen der großen Entfernung beider
Verse, mindestens in der erhaltenen Rezension, immerhin frag-
lich; übrigens liest den 9. Vers bloß Eine Handschrift (f). Es
ist also nicht auszumachen, wie viel vom Parallelismus in diesen
zwei Versen auf Rechnung einer Verwirrung in der Über-
lieferung kommt.
Gleiche grammatische und syntaktische Verhältnisse
kommen bei al-Qansä' ebenfalls nicht immer in der oben an-
ll-9ami^ vnd ilin TranMÜMler. 51
geführten einfacben Aasfbhrang als regelmäßige Wiederholnngen
Yor;^ wir haben vielmehr Beispiele^ wo die gleiche syntaktische
Grappe (z. B. zweigliedrige Parataxis mit 3 oder Disjunktion
durch ^\) am Ende des Verses durch mehrere Zeilen hindurch
geht; und ebenso einen charakteristischen Fall von Wieder-
holung am y ersauf ang mit einem gedanklichen Element , der
Klimax, verbunden.
Es ist dies jenes auch im ^or'^n häufige 3\^ vor dem
nach der gewöhnlichen Auffassung jS>\ ,gedenke (der Zeit, da)'
subintelligiert werden soll; eine Verbindung also, die für das
in Reminiszenzen schwelgende, meist ganz der besseren Ver-
gangenheit gewidmete Rit4' wie geschaffen ist. Sie kommt
auch in 5^. I. 8 — 11 (ivv) dreimal nacheinander vor; einmal
(V. 10) durch ^1 unterbrochen.*
8. ,und da bei uns (d. h. vor uns als Schiedsrichtern)
die Häuptlinge und die Rechtsuchenden ihre Rechtsstreite
ftlhrten, bei unseren Zelten;
9. ,und da unter uns Ritter waren, die an jedem Kampf-
getümmel teilnehmen, wann (die anderen) erschrecken, und
Männer (Durchzielier) der Wüsten;
[10. ^Wann der Krieg mit seinen zwei Backenzähnen
knirscht, die ganz Gerüsteten aber ihm, da die Schwerter
blitzen, begegnen;]
11. ,und da unter uns war Mu'äwija b. 'Amr auf einer
rötlichen Kamelstute, wie der edle Zuchthengst.'
Die architektonische Steigerung vom friedlichen Rechts-
streit über den mit bewaffneter Hand geführten Prozeß auf
der Wahlstatt — beides durch Mitwirkung oder Vermittlung
von Stammesangehörigen des ^'^ und der ^*^j geschehend
— bis zur Akme, der Anwesenheit des nun toten Helden beim
Stamme selbst, wird durch den Vers 9a weiter ausmalenden
10. Vers unterbrochen, der übrigens auch die 'id-Reihe durch
sein 'idA durchbricht. Er wird im Text bloß von Einer Hand-
» Vgl. in Ham. ed Freyiag 366 f. ^J\ ^ — dJ! ^ — a5\ ^.
' Die im folgenden mitgeteilten Verse schließen sich an UJ ..,a^J? . üb ^\
^IaJJ\ nnd 1X3 ^y^^ J^» also wiedemm an Reminiszeneen an. —
Der arabische Text der Verse beginnt mit: LUs 5U.
4*
52 IV. Abbaadluig: Bhodokftaakis.
Schrift (^) gelesen^ von einer zweiten (^) am Rande ergänzt
und kann leicht eingeschoben sein.^
Syntaktischer Paralielismas am Versende begegnet
uns an drei Stellen:
I. R. II. 6. 10. 11. 12. 13. 14. (35) p. voff.«
6. ,Vor dem Tode gibt es keinen Ans weg; in seinem
wechselnden Eintreffen liegen die Wechselfälle des Schicksals;
and das Schicksal selbst — in seinem Rollen ist Wechsel
und Unbestand
10. ,Wie das kühne Panthertier schritt er zu einem hitzigen
Kampfgemenge, bewaffnet mit Reißzähnen und Krallen.
II. ^Nicht ist eine (Milch)kamelin, ihres Jungen beraubt,
bei der ausgestopften Haut ihres toten Fohlens, über die sich
die (Betrogene) liebevoll neigt mit zwei Klagetönen: einem
leisen und einem lauten;
12. ,die wohl Nahrung zu sich nimmt eine Zeit lang, bis
sie sich seiner erinnert; dann (kennt sie) nur (zwei Dinge:
verzweifeltes) Auf- und Niedergehen;
13. ,die nie fett mehr wird auf Erden , mag diese auch
vom Frühlingsregen befruchtet werden; dann (kennt sie) nur
Klage und gedehnten Sehnsuchtsschrei —
14. ,nicht ist sie trauriger, als ich es war am Tage, da
$abr von mir schied, aber das Schicksal bietet uns Süsse
und Bitternis . . .
^ Zu einem zweiten aus der BeAchtang dieser Kunstform sich ergebenden
kritischen Resultat vgl. den Exkurs über T^. I.
* Im Urtext lauten die je letzten zwei Worte der Verse:
j\^\ySL (6)
jiiii_,^Ui\ (10)
jU^jjUil (11)
jb'il^JlJl (12)
j\^^a^ (18)
^\^\^.Vl:Ll (14)
j\J^\ 5 ^US\ (36)
In Vers 11 — 14 beachte die Gegens&tze. Form und Inhalt der konsisen
Parataxis und Antithese lassen sich in der Übersetzung nur entfernt
wiedergeben.
Al*Oaiis&* nnd ihre TnnerlMdar. 53
35. yStark von Armen , man fürchtet seinen plötzlichen
Überfall; zwei Waffen hat er: Reißzähne and Krallen/
Znm langen Intervall 6 — 10 beachte ^ daß die Verse 7
und 8 bloß zwei Handschriften lesen (^ nnd ^)y so daß sich
nach den übrigen Redaktionen das Intervall anf Einen Vers (9)
beschränkt.^
Ein Analogen znr eben besprochenen Hänfnng zweiglied-
riger^ parataktischer Synthesen am Versende finden wir zweitens
in R. VI. 3—9* (i««ff.), wo aber die Parataxis, die schon in
R. II. 11. 12. 14 Gegensätze verband, mit der disjunktiven
Entgegenstellung durch ^I iu) wechselt, letztere in Vers 3. 9
(5: %).
3. ,Die Leute wissen, daß seine Schüssel (zu ihnen) kommt
am windkalten Morgen oder des Abends;
4. ,Wann aber sein Kochtopf vormittags siedet, welch'
trefflicher Herr ist er dann des Feuers und des Topfes.
* Vers 36 (vgl. iia, Z. 4):
konnte wohl eine Doublette von Vers 10 sein (vgU i i v pen.):
Doch scheint es, als ob gegen Ende des Gedichtes die zweigliedrige
Parataxis mit i wieder aufgenommen würde.
V. 31 jUr^l^ O^JUX«; 33 ^U5\^ ^'^; 35 jUül^ 4»^^*
Die Zwischenyerse 32 nnd 34 haben am Ende je ein Garr wama^ür
mit folgendem Nominativ: jd 0^*^t> und !\jl)\ JL^aiP^' ^^. Ebenso
Vers 36 (^) 'ji^ J^^ «nd 30 (r) j\3^ a^\ J^. Doch kann letz-
teres auch zufällig sein. Zum Ausdruck *an}db wa-azfdr vgl. Goldziher,
Abh. zur arab. Phil. I. 101. ^ Bei al-Hans& noch B. YUI. 25 (i i v ult).
* Mit Ausschluß von Vers 7. — Vers 6 und 7 bloß bei ^.
^jJL3\^ ^U3\ 4
54 IV. Abbaadliing: Bhodokftnakis.
5. ;Bring seinen Schützlingen Kunde: sie hätten einen
Beschützer verloren; der sie mit Federn schmückte aber
nicht rupfte.^
6. ;Er wog ihre Beschützer auf nnd schenkte ihnen
hundertmal zwanzig und zehn
8. ySeine Geschenke trafen ihre Pflegebefohlenen und
kamen zugut dem Reichen und dem Armen.
9. ,Er war die Zuflucht jeder Witwe und jedes (von
anderen) zurückgewiesenen^ ob er ihn kannte, oder nicht/
In diesem Zusammenhange möchte ich auch drittens auf
den besonders kunstvollen Bau von Z. I. hinweisen, von dem es
schon in den Quellen heißt (»«»•): U^Aii» ^ •b^^\ dLU^bat^^**** CU;
ich gebe von den da vorkommenden Parallelismen eine Über-
sicht und Übersetzung der Verse, obgleich diese, wie schon
aus den mitgeteilten Proben hervorgeht, die Gleichheiten und
Gegensätze eher verwischt, denn hervortreten läßt.
Vers 1 ist MatlaVers und daher schon das erste Hemistich
dem zweiten analog:
\j^^ y^jß ybjJ\ ^^^JLk^^I^ • \J a.^ UL^ ybjJ\ ^^^Ja5 1
1. ,Das Schicksal hat mich (wie einen Knochen) abgenagt,
mit einem Nagen und Schaben; und das Schicksal hat
mich verwundet mit einem Schlagen und Zwicken.
3. ,Wegen der Erinnerung an die (Toten), die dem Schutz-
suchenden im Getümmel solche waren, die mächtig sind (und
helfen), wann er sich fürchtet;
4. ,Als wären sie nicht Unantastbare gewesen, die man
scheut, wann die Menschen zu solcher Zeit nach dem Spruch
vorgehen: wer siegt, hat die Beute.'
^y3 ^^ ^r:A^^ cjlj 5 * c^-Jt. ^^ t\jA^ \^\S^
5
1 Zur Phrase vgl. MArfttt 37. 1.
* Beachte in 3 und 4 die syntaktische Eigenheit, daß ein ganzes Satx-
geflQge (mit \>^ beziehungsweise ^J^) das Prädikat am £nde bildet.
Al-9Mui^ «od ihn Tnnerliedflr. 5Ö
5. ^auch waren sie die anserlesensten Herrensöline und
der Schmuck des Stamms an Lob and Macht^ ....
\J J ^ ^\ ^^^ \^\Sy * \ ^U,^ ^\y Uj^ 11
\^ £^ jjü c-->u»3 ^ cM * Vi>^^ cy^ u^ o^ cx^ 12
11. ,wir schnitten ab die Stirnlocken ihrer Ritter;
(IIb) sie aber glaubten^ sie würden nicht abge-
schnitten werden;
12. ,wer aber glaubt von denen, die an den Kämpfen
teilnehmen,
(12b) er würde nicht getroffen werden, irrt; (wört-
lich: glaubt irre).*
14. ,Wir sind enthaltsam und kennen das Recht der Gast-
lichkeit und nehmen das Lob zum Ruhm und Schatz.
15. ,Wir ziehen an im Kriege Eisenge web, und ziehen
an im Frieden Seide und Flockseide.'
Es macht sich also in der Klagepoesie al-l^ans^'s eine
Art parallelismi membrorum in horizontalem, vertikalem und
diagonalem Sinne geltend, der als eine Weiterbildung der
kunstlosen Wiederholung unverändert bleibender Glieder, vom
bloß äußerlich-lautlichen und rhythmischen auf das innerlich
gedankliche Element übergreift und da notwendig auch Gegen-
sätze in sein Bereich zieht als scharf zugespitzte Antithesen.
So lesen wir schon IL Sam. I. 23 in Davids Trauerlied
^ Zweigliedrige ParAtaxis; vgl. 1a nnd b, 14. 15. Zn Yen 6: ^ ^
▼gl. oben 41 N. 1 and beAchte in 9^ die AnflOsung der in 9* zosammen-
gestellten Glieder im Gegensatz zu Yen 15.
« 11* nnd \\^ (Uya. — \y^y, 11»» und 12«; 18* nnd 12»» (^ + 11«»
' Beachte in Yers 14 die Häufung gleicher Laute: ^ c3 ^ in
56 IV. AbbftndUnir : Rbodokftnftkis.
und bei al-öans&' R. I. 10 (v-).
,keu8cher als ein Mädchen — tapferer denn ein Löwe'^
L. L 13 (>aa)
^unzugänglich bei unsanfter — zugänglich bei zuvorkommender
Behandlung.*
4. Die Fiktion des Na'ijj.
Goldziher hat in jenen Eigenheiten und Kunstformen
des Rita'stiles, die unter den zwei vorangehenden Abschnitten
behandelt und auf ihre Entwicklung geprüft wurden, Überreste
des kunstlosen Trauersa^^ erkannt, die noch in der Elegie
sich aus jenem erhalten haben. Diesen Beweisen fUr die Ent-
wicklung des Rit^^ aus dem Trauersag' wäre meines Erachtens
noch eine Gruppe anzuschließen.
Es ist bekannt, daß die Totenklage gleich auf die Todes-
kunde hin erfolgte oder, wenn der Beweinte in der Fremde
gestorben war, mit Eintreffen der Trauerbotschaft begann.
Ein Überrest davon ist wohl die so Läufige Anführung des
^\j d. h. Überbringers der Todesbotschaft in der Elegie, an
dessen im Lied geschilderte Ankunft und Verkündung sich
gleich wilde Schmerzensäußerungen anschließen.' Aber, wie-
sehr diese Form eben zur — Form geworden war, zum tech-
nischen Hilfsmittel der Martija, das jeden Anschluß an die
Wirklichkeit und jedes reale Substrat schon verloren hatte,
kann man gerade aus dem Diwan al-^ans&' ersehen, deren
Bruder §abr, wenn die Quellen nicht trügen, daheim und nach
langem Siechtum gestorben war, die aber trotzdem ihre Elegien
auf ihn durch Einführung des Nd.'t, ja durch ganze mit ihm
geführte Dialoge belebt, wie dies auch Ibn ^ais ar-Ru^ajjät
noch tut,^ der die Todeskunde Mus'abs, der mit ihm kämpfend
' Vgl. Mutammim auf M&lik b. Nnwaira in Nöldekes BeitrSgen, p. 100,
Note 4; ferner Wright op. 99, Z. 8 ^\ ^^ ,,j^^ j^\ ^^^ jjla^l
* Wright, op. 101, Z. 2 nnd 6 y. u., Mar&tt 19 alt. 52. 4, unten; p. 118
bis 120 und 120 Note 2. Ham. ed. Freytag 369 V. 2 f., 386 V. 1,
388 alt., 393 Y. 3, 395 alt. vers. 443 yersas primas.
» Diw&n Nr. LIX.
Al-9Mui* «Dd ihre Tnnerliedar. 57
bei Maskin gefallen war, in seiner Elegie auf ihn (LI. Vers 1)
in Jasir empflingt
So heißt es anch bei al-gans4* R VIII. 4 f. (n.) mit
spannender Schildernng der erst unsicher auftretenden, aber
stets anwachsenden Gerüchte, bis schließlich die bestimmte
Kunde nicht bloß vom Tode, sondern von der schon erfolgten
Bestattung $abrs eintrifft:
4. ,ich aber hatte gehört — und wahrlich darüber habe
ich keine Freud' empfunden — eine Botschaft, die da Neues
brachte: anschwellend kam sie mit dem Hin- und Hergehen der
Gerüchte:
5. ,(Sin^ Botschaft,) die da sagte: $abr liegt im Grabe
gebettet bei einer Grube hingestreckt zwischen Steinen.'
In J IL 3 f. (fi') ist es aber ein Weib,^ von dem die
Dichterin die Trauermähr erfährt:
3. ,Weh' mir! kein Mitleid hat man mit mirl weh' mir!
ak die Verkünderin die Stimme erhob: ,an-nadk;'^
4. ,ich strafte die Wahrheit Lügen, nachdem sie mich
erschreckt hatte, bis sich über unseren Zelten erhob das
(Klage)geschrei.''
*Ain L 1 — 3 (»0^): 1. , Ausgerufen hat der Nä'l den Ver-
lust des Freigebigen mit einem Ruf, der bei Gott! wird (weithin)
vernommen werden;
2. ,Da stand ich auf — aber über dem Sehrecken und
der Härte seines Verlustes konnte vor Trauer meine Seele nicht
folgen (reichte meine Kraft nicht hin), —
3. ,zu ihm zu gehen; als wäre ich vor demütigendem
Schmerz ein Trunkener, der einmal um's andere sich erhebt
und niederstürzt.'*
H I. 11 (roi) ,Nicht hab' ich am Morgen, da Sabr's
Todesbotschaft kam, hervorstürzenden Tränen geboten, deren
stockender Rest ausgepreßt (oder angesammelt) worden.^
^ Vielleicht we^en des Reime« dii ?
' Darüber siehe im folgenden Abschnitt ,die Namensanrnfang*.
* DwB keinem Zweifel mehr Ranm ließ. Vgl. J III. 3 (nv).
* Vgl. noch B XVn. 3, (i rA).
Ö8 IV. Abbaadlvog: Bhodokanftkis.
Eine FortfÜhrnng der Fiktion ist es aber kaum, wenn
al-Btansft' erst beim Wehgeheul der Klageweiber (oIä*U)*
die ganze Wucht ihres Schicksalsschlags empfindet:
J III. 3 (riv) ,Nachdem ich die Klageweiber ihn be-
jammern gehört, duldet' ich's ruhig und es ward mir gewiß^
daß ich keinen Bruder mehr hatte^
Ihr Klagegeschrei macht allem Bangen und Zweifeln ein
Ende (vgl. oben R VIII. 4 f.); oder es gemahnt sie nach längerer
Zeit wieder an all das, was sie verloren.
um die Stimmung trüber und den Eindruck düsterer zu
gestalten, läßt al-l^ansä' den Trauerruf in finsterer Nacht
ertönen ('Ain V. 2 p. n«):
,Mitten in der Nacht kam Sabrs Todeskunde, daß er
ermordet sei* . . .
R VI. 1 (i-r) ,Bei Nacht klopfte der Trauerbote in
i^ufaina an, mit der Kunde von den Söhnen ^Amrs, die alle
betraf.^
Dialogisiert ist endlich das Stück L X. 3f. (rrr):
3. ,Am Morgen, da ein Trauerbote von $abr kam und
mich aufschreckte und als Erbe mir ließ Trauer mit langen
Sorgen ;
4. ,ich aber sprach zu ihm: ,Wa8 sagst du da?' Er
antwortete mir: ,Des 'Amrsohnes Todeskunde hat er gebracht.'
— ,Die ihrer Kinder beraubten mögen ihn verlieren!*'
6. Die Namensanrufong.
Ein Rest des undisziplinierten Trauersa^' ist die im Rita'
so häufige Namensanrufung des Verstorbenen. Sie geht in
der Natur zunächst von der als gewiß angenommenen Voraus-
setzung aus, daß der Tote lebe,^ sei es im Schlafe oder in
^ Es schloß sich eben gleich an die Todesbotschaft an; s. o. J IL 3 f. nnd
Tgl. Wright op. 102, Z. 11 f.
* ^b^JC* nach langer Krankheit!
* Den Todesboten, dem hier von al-Han8&* geflacht wird = er mOge
sterben!
* Hat man jemanden verloren, so raft man ihn. Der Tote gilt als ab-
wesend und wird zarückgemfen; vgl. das Jiju>k3 ^ im folgenden Ab-
schnitt. — Über die Wiederholung des Namens des Betrauerten im
Tranersa^* etc. s. Goldziher 1. n. 313.
A1-0MI8&* vod ihr« TnowlMer. 59
der Feme; und sie endet in der Kunst als euphemistischer
Selbsttmgi der eine Möglichkeit vorspiegelt, an die der Künstler
nicht mehr glaubt: es könnte der Ruf noch eine Wirkung
erzielen.
Diese Entwicklung wird an solchen Fällen klar, welche
die inkonditionell gesetzte Anrufung des Toten ^ mit der kon-
ditional gesetzten Fiktion der Anrufung vertauschen, wenn das
Bewußtsein, daß der Tote nicht mehr hört, über die Leiden-
schaft gesiegt hat.^ Bei al-^ansft' findet sich kein Beispiel
dieses Ersatzes'; ich führe daher aus Diw.^ Einl. ]4f. zwei
Verse des Duraid b. a^-^imma auf Mu*&wija b. 'Amr, den
Bruder unserer Dichterin, an:^
(V. 5) ,Sieh' der Verlust traf am Tage, da ich rufend
stand, aber nichts zu Gehör brachte dem Mu^ftwija b.
Amr . . .
(V. 9) ,hätt' ich aber von ihm mich vernehmen
lassen, so. war' er rasch herbeigeeilt^../
Die Anrufung ist zwar in Vers 5 gesetzt, aber auch ihre
Fruchtlosigkeit zugegeben; deshalb in Vers 9 die irreale Be-
^ Bei al-QansA' yt^ b dreimal in L III. t— 3 (inr) am Versanfang etc.
Vgl. Ham. ed. Freytag 402 f.
* YgL die Charakterisierung der Toten bei 'Amr b. Jazid in Wright
op. 102, Z. 3 f.
* R XIX. 1 f. (irr) ylbr habt *Amir gerufen, aber ihn wieder entfernt;
den Mu'ftwija b. *Amr aber habt ihr nicht gerufen. Doch h&ttest du
ihn gerufen, so wftr* er eilends zu dir gekommen, schnell reitend oder
laufend war* er lu dir gekommen* gehOrt nicht daher. Worum es sich
da handelt und ob die Verse, die nur Manuskript ^ liest, al-Uansft* ge-
hören, wissen wir nicht. Aber es kommt hauptsächlich auf die Worte:
^r^ Cx^ ^3^-*^^ )^JoP a3« des ersten Verses an, die nur von einem
Lebenden gelten kOnnen. (Überschrift der Verse: l^^^l «^W «^J^
i_*.-^V ^ Aj^Ijc«. Es scheint sich um eine hier gerügte ZurQck-
setsong des [eines?] M. b. 'A. zu handeln.)
« Vgl. Ham. ed. Freyt. 409 den dritten Vers:
■^«MA
j ^ U>Ui -vUJ\ e\ • 4>o cul». ,3jJ\ vJL)ji\ ^ jj^\
* Dieser Vers erinnert an Hans&' R XIX. 2. (S. o.)
60 lY. Abhaodlimg: Bhodokftnakis.
dingnng: wenn nur der Tote hörte! Daß *er aber dann ancb
sofort herbeigeeilt wäre^ mag noch seine stete Httifsbereitschaft
im Leben lobend hervorheben.'
Als in einer anderen Beziehung eigentümlich^ muß; was
die Namensanmfdng des Beklagten im Rit& anlangt^ der schon
oben mitgeteilte Vers J II. 3 (^t^:) hervorgehoben werden: ^als
die Verkünderin (Ä^UJ\) die Stimme erhob: ^an-Nada^ (die
Freigebigkeit). Der Kommentar in Manuskript c erklärt letz-
teres: \^sf^ v^wK-LJ^ cj-*^') vielleicht meint al -^ansä^ die Toten-
klägerin brachte nur den einen Ruf heraus: ^an-nadk'^ als sie
an die Runde von §abrs Tode die Klage um ihn anschloß.
Daß sie so tat und alle sie verstanden ^ mag als die beste
Bürgschaft fUr seine Freigebigkeit gelten. Wir könnten
dazu *Ain L 1. vergleichen: (»o^)
und ebenda 9 f. (m.:)
. . . fj^ L3\>j\ c-Ju;. U \51 v£u^^
So kann an der Stelle J IL 3 annadk direkt flir den Namen
^a^r stehen und die Nä'ija zugleich als N^'i^a .gedacht sein.'
6. L& tab'ad.
Auf derselben Stufe wie die iterirte Namensanrufung im
Bitä' steht auch der in Klageliedern so häufig verwendete
Ruf: wXA^' ^ mit seinen Varianten; er dient meines Erachtens
ursprünglich demselben Zweck wie jene, sei es daß er da bloß
auf ^leidenschaftliche Bräuche' bei der Totenfeier zurückgeht,
wie Goldziher,' oder daß er, wie weitergehend Geyer* ver-
mutet, einen tieferen, okkult-zauberhaften Sinn hatte. Übrigens
macht auch der ^x»^ ^-ruf die gleiche Entwicklung aus
^ Vgl. bei al-Hans&* 'Ain I. 9 f. (ti*)* »^^ ^^ ^^^ ^^ Eintreffen eines
Unglücks befürchtete, . . . da rief ich gegen es den freigebigen Sa^r
und fand ihn . . .* (^^^j^\ J^ l^ O^a^).
* Vgl. oben p. 68 zu J HI. 3.
« 1. n. 312, N. 1.
^ Nach einer mündlichen Mitteilung.
A1.0«iia&^ und ihn TnnerliMl«r. 61
einem bloß leidenschaftlichen Wunsch ^ oder einer geweihten
Zauberformel zn einer euphemistischen Redensart durch, eine
Entwicklung, die wir an einer Stelle unseres Diwans werden
kennen lernen.
Er kommt zunächst in seiner einfachsten Form in ^Ain VI
nlt. (tu), Ij; IL 4 («A.), N IL 4 (rii), J IV. 3f. (nv), (dreimal
wiederholt) vor; in R IIL 18 (^r) finden wir das analoge:
A ^ X 6
\^ / - • ••
und daran den Wunsch nach Benetzung seines Grabes durch
den allbelebenden Regen geknüpft.^
Daneben finden wir bei al-9ans4' ebenso häufig die
Verbindung: (iL) jcico ^J^ v.^3U in D XIL 5 (n) R VIII. 6
(» I • :). Diese ist wörtlich genommen eine contradictio in ad-
jecto, ebenso der im Suppl. r^i Z 15 mitgeteilte Halbvers
>Iä> ^^ ij\> Ia-miLS» ^indem seine Wohnung ohne Entfernung
fern ist^ nur yerständlich, wenn wir an das Grab denken, das
in der Nähe liegt, wenn auch der Begrabene nicht mehr unter
den Lebenden , das heißt in der Ferne weilt. Diese contradictio
in adjecto bildet den Übergang zu einer dritten Auffassung,
die ich bei al-^ansä' J IL 24 (m) finde, wo die Bedeutungs-
abschwächung- des «x^ ^ und der Übergang der ursprünglich
Optativen Enunziation in eine analoge rein indikativeund
bloß euphemistische Aussage erst vollendet erscheinen.
24. ,ich schwöre: nicht weilt er in einem fernen
Lande, weit von den Seinen;
25. ,Aber seiner Reise gab er sein Ziel:^ nicht hielt
ihn zurück Mann noch Frau.'
» Vgl. L Vn alt. (n^), N n. 18 {nr) und R XVU. 13 f. (ir.), wo dieaer
Wunsch an die Erinnernng der Freigebigkeit des Verstorbenen an-
geknüpft wird, der nach dem geltenden Bilde für die Armen selbst ein
Frühlingsregen, d. h. Spender alles Guten war:
12. ,(Er war) Frühlingsregen den (in Armut) darbenden und
ein Quartier der Freigebigkeit (zugleich: Ansammlungsort des Taues),
wann die Menschen das Ausbleiben des Regens fürchteten.'
13. ,T ranken möge die Länder, denen sein Grab anvertraut
wurde, der Frfihlingsguß der nächtlichen Regenwolken.'
Man sieht, wie den Toten dasselbe gewünscht wurde, was den
Lebenden sustatten kam.
' juoSU liest die Handschrift und so ist gegen Cheikhos Korrektur: U
feS EU behalten.
62 I^- Abhandliwir: Bhodokanftkii.
Das ganze ist eine euphemistische Umschreibung des Todes;
aus dem Wunsch: J],wXÄt?. ^ wurde die Aussage: ^ J^ub ^
dLJU ?jJL>; das Unabänderliche der Schicksalsmächte kommt
in den Worten zum Ausdruck: X-iAU)\ ^^ ,jaU3\ a^-o ^.i
7. Das negative Lob.
Auch das negative Lob^ dessen charakteristische Wich-
tigkeit flir das Trauersa^^ Goldziher a. a. O. betont hat, ist
bei al-9ans4' eine häufige Erscheinung; doch auch sie weist
schon eine beträchtliche Änderung und Abweichung von ihrer
ursprünglichen einfachen Physiognomie auf:* die Beliebtheit
gewisser gerne zu Wiederholungen gebrauchter und nicht
im strengsten ursprünglichen Sinne negativer Lobesphrasen im
Rit4' läßt sich nicht anders erklären, denn als Fortbildung
des rein negativen Lobes.
Dazu gehören zunächst die nicht nur bei al-Qansä'
häufigen o^-Verse mit folgender Negation (^1); d.h. die hy-
pothetische Negierung jener Verdienste, die der Beklagte
sich tatsächlich erworben, oder die ihm wenigstens zugeschrieben
werden; ferner die Negierung, jemand anderer hätte auf
welchem Gebiet immer sich verdient gemacht, ohne daß
der eben Beklagte noch höheres erreicht hätte.
So haben wir zum Ersten in R IIL 7 — 9 (av ff.) drei oU-
Verse mit Negation:
7. ,Als hätte er Keinem, der Erfüllung eines Bedürf-
nisses heischte^ , Willkommen' gesagt mit einem Gesicht, das
günstigen Bescheid verkündete, und mit offenem Herzen;
^ Eine Reaktion gegen das optat. j^at^j ^ in dem Sinne, daß das Be-
wußtsein Yom bloß euphemistisch-formalen Wert desselben als eines
bedeutungslosen mit keinem tieferen Zweckgedanken verknüpften Segens
für den Toten sich durchringt, bilden die Verse Wright op. 102 unten:
Mar&ti 68
Op. Wright 109 ult.
» . ♦•
' Der zufolge schlechte Eigenschaften verneint werden.
Al-0Aiiai* und ihre Tr»Q«rlieder. 63
8. ^als Wäre er nie des Morgens mit Rittern, die ihre
Lanzenschäfte seitwärts halten, ausgezogen, um die Spitzen
der braunen Rndaina-Lanzen mit Blut zu tränken;
9. ,als hätte kein Oast um Mitternacht sich seinem
Feuer genähert, (das) auf Bergesspitze (leuchtete,) den Reisen-
den unverborgen/ Ebenso R XII. 1—3 (irr f.).
1. ,Al8 ob nicht des 'Amr Sohn frühmorgens aufge-
brechen wäre zu einer Razzia mit Reitern, noch zur Eile an-
getrieben hätte edle, schmächtige (Stuten),
2. noch für treue Freunde sich eingesetzt, noch einen
Staubesmantel sich umgelegt, den trüb die Pferdehufe aufge-
wirbelt hatten,
3. noch in der Hitze der Mittage seinen Helden zum
beschattenden Dach einen gestreiften Mantel je gebreitet hätte/
EndUch ZI. 4 (iic)
,Als wären sie nicht unnahbare gewesen, die man
scheut, wenn die Menschen rauben, wo sie gesiegt haben.' ^
Diesen Fällen brauchen wir nur mehr jene einfachen
entgegenzuhalten, wo das Trauersa^' z. B. einfach schlechte
Eigenschaften negierend sagt: *J<uüJ v!9^ * J-ri-^H o*^ ^^-y
damit uns klar werde, was der Sinn des negativen Lobes im
Rit4' ursprünglich war. Meines Erachtens bloß ein Rechten
mit dem Tode,' besser gesagt mit jenem Schicksal (j^>)t das
gerade im Ritä'^ eine so große Rolle spielt und dem in der
Elegie so oft geflucht wird, gerade deshalb, da es die Besten
fortraffe.
Obgleich die Stelle F IL 3 f. (n^) nicht streng hieher
gehört, will ich die Übersetzung der in diesem Sinne höchst
charakteristischen Verse doch hersetzen:
3. ,Wenn der Tod mit uns gerecht verführe und den
Edlen wie den Unedlen fortraffte, (nicht bloß die Edlen),
4. ,Wär' es Recht, daß der Tod uns immer wieder auf-
suchte und daß wir ihm nicht zumuteten, Schonzeit zu halten.'
^ Zu diesen ^l^-Verbindoiigen weitere Belege in Nöldeke del. 98. 6 ff.
Mar&|i 19. 8 l Harn. ed. Freytag 403.
* €h>ldaiber L n. 809.
* VgL Wright op. 118, 7 und 6 unten. PD 820 Nr. 6.
^ Belege siehe im folgenden Kapitel IV.
V
Li
64 lY. Abhandluif: Bbodokanakit.
Dies bedeatet auf die früher besprochenen Stellen an-
gewendet, entweder: der Tote war weder feig, noch geizig
u. 8. w.,- wamm raabt ihn ans der Tod? Oder: der Tod hat
ihn geraabt, als war' er weder tapfer noch freigebig
gewesen.^
Ebenso wird die oben an zweiter Stelle angeführte Variie-
mng des negativen Lobes, in anfeinander folgenden Versen
zn Wort- und Sinnresponsionen angewendet, bei al-Qansä' L I.
4 — 7 (»Aiflf.) angetroffen. Die Alten nannten diese Figur:
Salb wa ^li^kh (Bejahung und Verneinung).'
J^_l,\ CUJL3 U s^.^ ^1 j^^ L^ ♦ J^\ IX^ J^I J^ cuiJb Ui
J ^^^^ Ji^^^ ^ 3^ * L5iP\ ^^>^^^ J^-^ ^ vi-^» U
4. ,Denn nicht hat eines Mannes Hand nach dem Rahme
langend, (ihn) erreicht, ohne daß höher gewesen wäre der
von dir erreichte Rahmespreis,
5. ,Noch haben die Lobpreisenden in ihrer Rede einen
Hymnus oder eine lobende Beschreibung erbracht, ohne daß
in dir noch rühmlichere Eigenschaften wären,^
6. jNoch ist der Regen, der auf feuchtkompakten, weichen
Hügelboden platzt mit triefendem Guß,
7. ,Freigebiger und umfassender im Wohltun denn deine
Hände; sondern deiner Hände Gabe ist noch reicher/^
Nach der Stillisierung der Yorangehenden Verse 4 und 5
müßte der zuletzt angefahrte Gedanke in vollkommenem Paral-
lelismus etwa lauten:
* Vgl. Harn. ed. Freytag 403 den zweiten und dritten Vers:
/. . . ...... .-.•
wo sich der Dichter gegen die Trennung ihrer Reisegemeinschaft durch
den Tod auflehnt, als wäre diese eine vom Tod eu respektierende Not-
wendigkeit gewesen.
" Diw.' p. IA£, Note d. Vgl. Ma'n h. *Au8 (ed. Schwarz) p. 10.
* Beachte den Übergang vom rühmlich Handelnden auf seinen Lob-
sänger mit Beibehaltung der in Vers 4 gegebenen Form.
*■ Er ist selbst der Natur an Freigebigkeit Überlegen.
Alp0iiiBft^ und ihre TnnwUeder. 65
Jj^» ,*^^^^^ ^1 «5^^ ,^y * ^x^ jA^ ^^-^^ e^ ^3
Der Parallelismas der Form ist aber zum Teil anfgegeben^
der des Gedankens gewahrt; dieser selbst, der ein Natur-
phänomen zum Vergleich heranzieht, in weiterer Schilderung
über zwei Verse ausgesponnen.
Reines negatives Lob, d. h. Verneinung schlechter Eigen-
schaften finden wir bei al-Qansä' oft am Versende, gerne
nach parallelen Tar§i'gliedem, die in positiver Weise Lobens-
wertes aussagen, aber außerhalb der Tar^iVeihe, demnach als
innerlich und äußerlich nicht analoges Dail (Anhängsel, Schleppe)
des Verses.^ So in
BLll (i)bVLt oy^ ^;j
R XXIL 6 («ri) ^UjU ^ (nach Tar^f und positivem Lob) •
Lm.5(.M) 'v>35( n . . „ „ )
V n ^ li JJ^ % ( » n n w w )
„ Xn. 4 (rri) j^j 55 (nach positivem Lob)
NIV.2(r«) o^^( r, r, „)
fi 7) ^ 71 <p^^^ rü* ( » n T) )
n « ^(«'«v) o^;i.;;^( „ „ „ undTar^O
Es ist eine Eigenheit des 'Iftibär, das Selbstlob mit der
Negation schlechter Eigenschaften, die man nicht besitze, ein-
zuleiten;' es kann sogar der Hauptteil des Gedichtes jener ver-
neinenden Schilderung eingeräumt werden und nur ein kurzer
Teil auf das positive Lob entfallen.* Bei Ihn l^ais ar-Rul^jjät
(Nr. XXXVL 6 — 10) wird dieses negative Lob zu einem ganzen
Genrebild ausgesponnen; der Zweck ist klar: Licht und Schatten
^ Vgl. Kap. m, Abschnitt 2 und 3.
' Vgl. noch die psendepigraphen (A^. XX. 21) Verse N 1.6 — 8 (p. ri«)'
- Vi^-* lifi — ^U 5i — o^'Ä^ T^ (^ "^^ ® nach positivem Lob und
Taitf*); ebenda Vers 6: ^liS?^ -^ ^^.
» Cf. IKR XXXVI. 6—10, XXXvril. 18.
^ Vgl. bei al-Hans&* L III. 5b (i^l) mit zwei und 6b mit vier ne-
gierten schlechten Eigenschaften im Gegensatz zu 5 a und 6 a, welche
positives Lob aasdrücken; ebenso L XII. 4 (m). In M VII. 5 (rrA)
enthält der ganze Vers einfach schlechte Eigenheiton negierendes Lob.
Sttrangsber. d. pbU.-hiai. Kl. CXLYII. Bd. 4. Abb. 5
66 !▼. AbhaBdlwic: Bhodokanftkit.
müssen aaf dem Gemälde verteilt sein und auf dunklem EUnter-
grund nehmen sich lichte Farben umso heller aus. Ich glaube,
dasselbe Prinzip liegt bei al-Qansä J ü. 6—9 (ni) zugrunde:
5. ,[(es hatte mich das Schicksal getroffen mit dem Tod
des) süßen, treuen Häuptlings, der uns im regenlosen Jahre half;
6. ,Aber es sind einige Leute feig, (und so, daß) die
Beduinen sie nicht im Stamme (als Mitglieder) wünschen.*
7. ,Sie anerkennen nicht die erwiesene Wohltat, ver-
stehen nicht das Raunen (der Ginn) und rücken mit der Razzia
nicht vor.
8. ,Wird der Kochtopf beim Zelt (eines solchen) aufge-
pflanzt, so sucht die Bittstellerin einen anderen auf.]'
9. ,Sieh', mein Bruder war kein tölpelhafter Hirte,
leeren Herzens, kein (Wächter) von Kamelen;
10. ,Sondern er war ein imponierender Held, kraftvoll;
von seinesgleichen wollte die Heiratslustige begattet sein.'
[11. ,Nicht sprach er bei einer Freien Tadelnswertes,
wenn er sie erprobte; sorglos war er hingegen mit der Feh-
lenden* — .]*
Diese Verse auf die Sulaimiten, welche $ahr nicht vor
dem Tode retten konnten oder später ihn nicht rächen wollten,
^ Entweder ist do>LJ\ kollektiv oder = ,die Bedainin' (Cheikho ad locam
Note b). Vgl. za Yen 10.
' Es handelt sich also nicht bloß am Tadel der Feigheit and
Kampfunlast, wie nach Gabrielis (p. 134) und Cheikhos (ri l Note b)
Besiehang der Verse za erwarten wäre. S. weiter anten.
' ^^o^JLt«J> wird vom Kommentar = (g^ö^\) AXjL^Ly '_-i^y erkl&rt;
A^LJ\ = Iä-jJ ^^^äJSLo f^j^\ oder drastischer = ^^^iLJ\. Diese Er-
kllrang wirft aaf Vers 6 b und 1 1 ein Licht. Es hieße unsere kultu-
rellen Vorstellangen in eine ganz anpassende Zeit verlegen, wenn wir
diese Verse einer Schwester auf ihren Bruder unzart fänden. Man ver-
gesse nicht, daß in der Epoche der ewigen Stammfehden alles auf die
Zuchtwahl ankam.
^ Ich glaube in Anbetracht des vorangehenden Verses, XxA = , -^«^l
(vgl. .yi I und VIII) habe hier eine sexuelle Nebenbedeutung. Beachte
auch den Gegensatz zwischen ili» and dOAlÄl\. — L^\ iJl^ üt
Prädikat eines unausgesprochen bleibenden Subjekts. Der Kommentar
unseres Textes za diesem Verse erkl&rt, wie schon Cheikho Note a be-
merkt, nichts. — Zum kalturellen Moment vergleiche die Ursache von
Mu'&wijas Tode bei Gabrieli 109 (ubi fontes). Vei« 7—11 machen einen
sehr altertümlichen Eindruck.
Al-ganiBfc* und ihre Tnutrltoder. 67
ZU beziehen, wie es Gabrieli p. 134 und Cheikho ni Note b
tan^ ist eine allzn gewagte Spezifizierung. In den Versen 1 — 5
schildert die Dichterin ihren schweren Verlust; 9 ff. enthalten
das Lob Sabrs, und zwar beginnt Vers 9: ^y^ ,^1 ^\ und
Vers 10: ^^\ ^. — Was ist natürlicher als die vorange-
henden Verse, die alle erdenklichen Mängel und Charakter-
miseren aufzählen, als da sind Feigheit, Undank und Geiz,^ als
das KoroUar der folgenden anzusehen, denen sie durch den
Gegensatz erst Wert und Gewicht verleihen? ,Zwar sind viele
Beduinen so und so ... ; aber ihnen gleicht mein Bruder nicht.'
Dann würde in Vers 10 ^j\ i^\ ,^ ein positiver Lobspruch
folgen, der in Vers 11 wieder der Negierung einer schlechten
Eigenheit wiche: j^^\ «5^. ^9 dabei wäre auf den Parallelismus
im Ausdruck und Gegensatz des Gedankens zu Vers 7 (j^^. ^
c3^l) hinzuweisen, in dem eine gute Eigenschaft (Anerkennung
der ihm erwiesenen Wohltat)' dem Verächtlichen abgesprochen
wird, während von seinem Gegenbild $abr in Vers 11^ eine
ebenso schlechte (Tadelnswertes reden) negiert wird. Einen
weiteren gegensätzlichen Parallelismus würde ich in Vers 10
und 6 erkennen, falls man in diesem Verse ^.>^J^ nicht kollektiv,
sondern individuell auffassen wollte.^
8. Der Trost.
Für die Psychologie des arabischen Trauerliedes, mithin
auch für den psychischen Gehalt der altarabischen Poesie über-
haupt sind die Trostgründe sehr charakteristisch, die im Rita'
natürlicherweise eine Rolle spielen. Am meisten charakteristisch
für den arabischen Geist überhaupt dürfte das J^Ü sein.^ Ein
Beispiel davon bei al-^ansä* S IL 11—14 (»orf.).
> Vgl. oben p. 66, N. 2.
' «^_ß dankend anerkennen. Oder: , Sie sprechen nichts Anerkennenswertes*.
' In Manuskript ^ und v.^, wo Vei-se- 1—8, also auch 7 fehlen, fehlt auch
Vers 11.
♦ Vgl. oben p. 66, N. 2 und N. 4.
^ Der Trost durch Anblick fremden Jammers. Vgl. Kftm. p. 9. — Vgl.
Harn. ed. Freytag 389 den vierten Vers:
6»
68 IV. AbhADdloDg: Hhodokanakis.
11. ,Wäre nicht die Menge derer ^ die rings am mich
über ihre Brüder weinen , so hätt' ich mir ein Leid angetan:
12. jDoch immerhin seh' ich eine ihrer Kinder beraubte
(Matter) and eine Klagende, die wegen eines Unglückstages klagt;
13. ySie beide weinen am ihren Bruder am (selben) Abend
seines Todes, oder am darauf folgenden.
14. yZwar beweinen sie keinen , der meinem Bruder
gliche, doch tröste ich mein Seelenleid über ihn durch die
Rücksichtnahme (auf das Leid jener).'
Dieser primitive, psychologisch wohlbegründete und nur
ethisch anfechtbare Trostgedanke beruht auf dem hodie mihi,
cras tibi mit praktisch-schadenfroher Nutzanwendung. Es ist
überhaupt merkwürdig, wie sehr auch sonst im Rita' die
Schadenfreude eine Rolle spielte, die der Stellung entsprochen
haben muß, die ihr im natürlichen Seelenleben der Araber
zukam. Auch II. Sam. I, 20, im Davidischen KlageUed finden
wir einen ähnlichen Gedanken ausgesprochen:
pbpTO nnna nti?an-^K
OTü^jB man nsn&vn |fi
die Angst vor der Schadenfreude des Feindes, ein Thema, wie
es ähnlich auch im arabischen Rita' wiederkehrt. Bevor ich
an die echten Ritä'stellen gehe und sie nach diesem Gesichts-
punkte gruppiere, will ich aus einem Liede §abrs, des Bruders
unserer Dichterin, einen Vers zitieren, der wie manch anderer
desselten Fragments*, dieses in die Kategorie der ,Selbstklage*
einreiht, mit der die alten Araber oft von dem Leben Abschied
nahmen.* (Suppl. rvi 3 unten:)
■ir* -^.y >M v:X^-äw^ ♦ ÄjI^ ,J ^/ Ja J> ^^>
* Vgl. PD 337 f. und Harn. ed. Freytag, p. 440, zweiter Vew:
j\ uu^ \^^ii ^>u^j\ ;:;, ^vj ^^
* Suppl. rvi unten bes. Vers 1 und 2, Z. 10. 8 von unten; cf. Diw.*,
Einl. p. 19.
* Vgl. Harn. ed. Freytag 453 f. Güldziber 1. u. 314 oben 316, Note 1.
Wrigbt op. 115 letzter Absatz. Mutalammis, ed. Völlers XVII.
Al-0uui^ und ibre Tnnerlisder. 69
,Wer hilft mir gegen mich selbst?* Soll meinetwegen
ein Leid gesehen werden, an dem ein Feind seine Schaden-
freude oder durch das ein Verwandter einen Schaden hat?^*
Deshalb braucht man auch keineswegs , wo al-Qansä' in ihren
Elegien von ^Schadenfrohen' spricht und ^Schadenfrohe' ab-
fertigt,' überall an historische Motive oder Fakta, noch
an bestimmte Individuen zu denken. Es handelt sich da
meistens um ein Eunstmotiv, das einerseits den Ausdruck
' des eigenen Schmerzes steigern hilft, indem ,zum Schaden noch
der Spott' kommt; andererseits aber präservierend den Schaden-
frohen ihre gute Laune nehmen soll eben durch den mitein-
geflochtenen Gedanken des Selbsttrostes, es werde jenen einst
ähnlich ergehen.* So finden wir in R XVII. 15 f. (ir.) beide
Gedanken: die unbestimmte Allgemeinheit der Schadenfrohen
und das Trostmotiv:*
15. ,Sag' dem, der über seinen (Tod) Schadenfreude
empfindet: du und der Tod steckt in Einem Hemde.^
16. ,Es lindert meinen Schmerz (die Gewißheit), daß
den (toten 9ahr) zweifelsohne einholen wird der, den sein
Fall sollte erfreut haben.'
Ahnlich, nur abgeschwächt, kehrt in M I. 7 (rr^) der
gleiche Gedanke wieder:
,Ist $abr gestorben, nun so bleibe die Schadenfreude euch!
Doch sollte keine Schadenfreude empfinden, wem der
Tod bestimmt ist."
Deshalb möchte ich auch R XXVII. l^(i«r) gegen Cop-
pier 113 und Gabrieli 130 Note 8, die ihm eine historische
* D. h. wer rettet mich vor dem Tode?
' Vor dem Tode, durch den ich meinen Gegnern Schadenfreude, meinen
Freunden Leid bereiten werde.
Gegen Gabrieli 133.
Siehe diesen Abschnitt eingangs.
Das selbst wieder Schadenfreude ist; der gleiche Impuls löst einen
ähnlichen Reflex aus und der Kreis ist geschlossen.
Du bist ihm gewiß verfallen.
Der Kommentar hat hier Unsinn: »JU^ ^^^S ja^ ^ ^b y^^
AJ^^. Hingegen TA (VIU. 883. D!w.* rr^ b) jsjw^J Jard ^ Äi\ ^oy
70 IV. AbhADdlan«: Bhodokanalcli.
Bedentang unterlegen^^ als Analogen zn den oben beleuchteten
Stellen, als gegen die Schadenfrohen gerichtet, aufgefaßt
sehen :
Nur muß Ob optativen Sinn haben:
,0 $abr! nach dir hat mein Weinen mich aufgeregt;
dein Hasser^ (aber) möge in Erniedrigung und Ver-
ächtlichkeit leben!'
Minder charakteristisch als der bisher erwähnte ist der
auch als Trostgrund fungierende locus communis von der all-
gemeinen Hinfälligkeit alles Menschlichen. So in R XVII. 25 f.
(in f.)
yWenn dieses Schicksal ihn fortgerafft hat, und
(sein Grab) die Regenbäche verwischen,
,so wird jeder Lebende verwesen und jedes Seil — noch
so fest gesponnen — sich abwetzen'
analog im Bau den Versen 4 f. in der gleichen fjjiQide (irAf.)
,Brüderlein, wenn du uns auch verlassen hast, und
der Besuchsort weit entfernt ist bis zu dir;
^Wie viel Wohltaten hast da doch gespendet (als du
lebtest), Armen und kleinen Waisen.'
Es mag dieses Verspaar auch als spezifisches Beispiel
für das dritte Trostmotiv gelten: das dem Toten gespendete
Lob und das für die Hinterbliebenen tröstliche Bewußtsein,
daß er in seinem Leben stets wohl getan ; da es sich aber hier
um einen Lobspruch als Trostgrund in der Klage handelt,
so werden wir die oben charakterisierte Eigenart des negativen
Lobes im Rita' ebenda als Negation des Trostes fungierend
in folgendem Vers erkennen I^ I. 5 (»vi):
J^ y^ vi^..«jLß ^wj^wswüb * f^yy^Sj cUJUo U ^\^ ^U
^ Beide fassen ihn als Abwehr gegen die ,Tadler' al-Hansft*s aaf, die der
Dichterin ihre maßlose Trauer yorwarfen. Doch für diese wSre der
Ausdruck ^»^CoLm» zu stark. Bei den ,Tadlern* an bestimmte Per-
sonen zu denken, geht übrigens auch nicht an. Sie sind auch in an-
deren Dichtungsarten beliebte Komparsen. Coppier denkt an al-Hansft*8
Qatten Mirda8(?).
' Dem dein Tod gelegen kam.
AU0aii8&> and ihn Tnntrliader. 71
fiel Gott! nicht bab' ich meine Seele getröstet (mit
dem GManken) an eine Untat, von der ich wüßte, oder
eine Widerspenstigkeit, (die er gegen die Seinen begangen
hätte);'*
analog dem Verse l^abrs auf Ma^ftwija:'
,Es hat meinen Schmerz gelindert' (der umstand),
daß ich zu ihm nie gesagt: Du hast gelogen^ '
der aber durch negatives Lob tröstet.
9. Die Matla*- Verse und ihre Motive.
Von 51 Stucken mit Binnenreim im ersten Verse unter
den 111 i^a^tden und Fragmenten im Dlw&n al-!^ans&' (darunter
die Einzelverse mitgerechnet) tragen etwas weniger denn die
H&lfte (ca. 22) die übliche Selbstaufforderung der Dichterin
zur Klage und ihre Ansprache an das eigene Augenpaar
oder Auge, mit seinen Tränen nicht zu geizen, als einleitendes
Motiv an der Spitze. Das gleiche Motiv leitet aber auch ^a-
slden ein, denen der Matla*-VerB abgeht, so T I. (iv) D IX. (r»)
R Xm. (\rry 5 1. (ro)6 M VI. (rrv)» S IH. (loi) p I. (lov) etc.
In Matla*- Versen finden wir daneben Variationen zu diesem
Thema: teils Aussagen vom Auge/ teils aber läßt sich die
^ Er hftt nie eine solche begangen. Cf. den Kommentar zum Verse
Diw.' ivi.
> Aach Dtw.* nA fälschlich von al-HansA\ — Einl. Diw.* p. 14, Z. 2
Vgl. Harn. ed. Frey tag 380 den vierten Vers (von Daraid b. af-Simma):
' Vgl. die Phrase ^j^»^^ o>^ anch im Vers gegen die Schadenfrohen
R XVn. 16 (vgl. oben p. 69).
^ D. h. du hast nie gelogen; oder weiter: da hast nie einen Vorwurf
▼ erdient.
' Durchwegs gleichlautend:
E XIII. jk^\ fjiS\ ^\ ^ t>-jJ4 <$>9^ C^ ^
M VI. ^iJ^I^mmJ) n
' Daß es weint. So z. B. L IX. 1 (m):
Tgl. D IV. 1 (Ol ult): J\ »3\ jä^ ^\.
n n n
72 IT. Abhandlang: Bhodokanakis.
Dichterin der Vorliebe für Dialoge zu Beginn der ^asiden
entsprechend (wohl von Elagehelferinnen) ^ anreden and etwa
nach der Ursache ihrer Tränen fragen. So z. B. in
L VI. 1 (r. I) ^ ^ ^ vi^^-^ ^ ^t
'Ain IL 1 (ni) ^ ^^ .iXJU«3 lT^
^ III. 1 (lA.) . . ^\j^ -UJ\ W>U dCLj* J^[U
L I. 1 (lAr) .... J.^- dCL^ ^GNJ\ vi)jc*.^1
welches sämtlich Matla*- Verse sind. Doch auch anderen Ge-
danken^ wenn auch nicht so häufig, gibt der gereimte Anfangs-
yers bei al-Qansä' Ausdruck, so dem oben angeführten' zu-
nächst liegend dem schon aus Käbigas ^ ^9^^^^ wohlbekannten
Wache- und Schlaflosigkeitsmotiv, das in der altarabischen
Poesie, besonders im Nasib, der erotischen Einleitung, sich der
größten Beliebtheit erfreute. Da es aber ein solches Nasib
auch bei den männlichen Dichtern im Rit&' nur unter gewissen
Bedingungen,^ bei Frauen jedoch niemals gab, ist es begreiflich,
daß von den altarabischen Dichtem und Dichterinnen wenigstens
ihr Einleitungsmotiv ins Rita' gerettet wurde, um die Tradition
und Gleichartigkeit zu wahren. Ebenso klar ist es auch, wenn
man den knappen Vorrat poesiefähiger Gedanken bei den
Arabern überschlägt, daß an solche Verse gern das bei Nomaden
schon durch natürliche Ideenassoziation mit jenem verknüpfte
Bild der langsam vorrückenden Sterne angeschlossen wurde.
All dieses findet sich auch bei al-Hansä'; so B VI. 1 (i^)
,Ich habe gewacht, aber es schliefen um mein Wachen
unbekümmert meine Genossen . . .**
Einander ganz ähnlich beginnen D IL 1 (««) und HI. 1 (r«A):
)Mein Aug' hat sich geweigert (zu schlafen) und zu seiner
Ruhelosigkeit ist es (nach kurzer Rast) zurückgekehrt, und
ich brachte die Nacht zu bekümmert und mit einer Wunde
im Herzen.'
» Dartiber vgl. das VI. Kapitel.
" Vgl. Threni HI. 51: ^ttte:*? r6'?T» ^rr. — Die Ansprache an die Augen
finden wir natürlich auch mitten im Gedicht: H IV. 4 (i*), D XI. 4
(ii) analog dem ersten Verse. Vgl. PD 316 f. 322.
» Vgl. Goldziher 1. n. 328 f.
* In R VIII. 2 (l •^) nach einem an die Augen gerichteten Matla'- Verse :
Jch wachte und schlaflos bracht' ich die Nacht zu . . .'.
AUQ^nsft* und ihre Trmnerlieder. 73
;Mein Aüg' hat sich geweigert za schlafen und sein
er hat es wieder heimgesucht mit einem Stäubchen : drum
idet es nicht seinen Schlaf/^
An den oben angeführten ersten Vers in B VI. schließt
aber als zweiter an:
^Wann ein Stern untergeht ^ da beängstigen mich ewig
ehende^ die zu ihrem Ruheort nicht heimkehren."
R VIII. 1 — 3 (• •^) endlich vereinigt alle bisher erwähnten
Menden Motive; auf Vers 1 mit Matla^:
* ^CU 5^j^ jdi^ ^\3 * j\j^ .sfJ^ 5^0^ ss^^ cj^ b
in Vers 2 das Wachemotiv: J^\ 3w-i wüljl ^\
und Vers 3 lautet: ^indem ich die Sterne weidete,
daß ich beauftragt wäre, sie zu weiden . . .'
Das Altersmotiv/ auch sonst aus l^astdenanßlngen außer-
ies Rit4' wohlbekannt,* wird bei al-^Jansä' in B VIII. 1
isiert:^ («o)
Es sprachen Frauen zu mir: «du bist grau geworden nicht
Uter!» «Schon Leichteres, denn was ich erlitten habe,
as Haar ergrau'n.»^
Dem Gruß an die Toten begegnen wir in B III. V' (»•):
O Ibn afi-Sarid, trotz unserer Entfernung sei gegrtlßt als
der nie ein elender Jämmerling gewesen!^''
Der Taube verglichen sich die Klagenden gern® und
5t ihr Girren die Verse D IV. 1 (01) und *Ain III. 1 {"^^^^^
[• 1 (rcA) lA\Ji üb>^U^ „ „
. R n. 22 (AI), VIII. 3 (i.^.
\-^X^j CJU5 U^ ^^"^ ^^l Vgl. oben B. VI. 2.
. Mar&ti 47. 1 im Mafia'- Vers und mit dem Wachemotiv verbanden:
•^ ^^ f5Ä L5--l> ^-r^.? • J ^^5^-^ f>^^ CJ^ J^^'
dziber, Kitftb al-Ma'ammarin : Einleitung.
le Matla*.
. Dfw.* Einl. 14, Z. 1 (Bahr an Mu'&wija).
. Goldsiher WZKM. 1. n. p. 333 unten und Note 6. PD. 329, Nr. 11.
74 IV. Abhaodlung: BhodokanakU.
beide ohne Binnenreim ein; ferner D XII. 2 (io); in 5 H. 2
(»v^), auf die Ansprache an die Augen im Majla^- Verse folgend.
Schließlich sei noch auf das dialogisierte Motiv des Tadels
und seiner Abwehr hingewiesen an den Stellen 1$.!, If. (*v);*
dem entsprechend antwortet IJ II. 1 (mit Matla*)ff. (p- "")
einem fingierten Tadler,* wie D VI. 2 (oo) mit cxc^^^ auch
auf solche^ und zwar männlichen Geschlechts anspielt.'
Wie die bisher besprochenen einleitenden Motive auch
an Stellen und in Versen vorkommen ^ die des Binnenreims
entbehren, so führen uns bei al-Qans4* auch Matla'-Verse um-
gekehrt ohne jede Einleitung in medias res. So D V. 1 (or),
das mit dem Lobe des Dahingegangenen und seiner Freigebig-
keit in origineller Weise beginnt, indem es die geschlachteten
Tiere mit den gleichen Wendungen beklagt wie sonst die ge-
fallenen Helden:
,Weh dem Muttertiere von ^afers erwachsenen Kamelen;
welch erwachsenen Kamelen! (die er) dem Gaste und dem
Bittsteller und dem bei Nacht Ankommenden (schlachtete), der
auf seine Bewirtung hoflfte.'
Z I. (i«r) hebt ferner mit einer Klage gegen des Schicksals
Tücke an; L V. (i^v) fttllt im wahren Sinne des Wortes mit
der Tür ins Haus:
;Den Mirdäs hätte sein Mörder (der Tod) vor allen
Menschen auserwählt, selbst wenn seine Brudersfrauen und
Gattinnen ihn besucht hätten (während der Krankheit)'
und ähnlich J I.: (roA) ,Wahrlich ich sehe unter den
Menschen keinen wie Mu^äwija . . . '
10. Berührungspunkte des Bitä' mit der Midha. — Die
Zeiten und Beweggründe der Klage.
Wenn al-'A^ma^i von der elegischen Dichtungsart ver-
langt; daß sie mit dem Ausdruck der Trauer um den Dahin-
geschiedenen auch sein Lob verbinde, so müssen sich bei
^ Vgl. den Exkurs über K I.
' Vgl. Diw.' Einl. 14. 8 ff.; von Duraid b. a^-Simma und 13, 4 unten Ton
Sa^r (an weibliche Tadlerinnen).
> Vgl. darüber Kap. VI und Noldekes Beiträge 118, Note 1.
Al-^uu^^ nnd ihn Tranerlieder. 75
längeren Nibiien notwendigerweiBs auch Berührangspnnkte mit
der panegyrischen Dichtung ergeben.^
Eine der bezeichnendsten unter diesen ist das Lob
der Ahnen, das hier stets in engster Verbindung mit dem
des Beklagten, meist durch Anknüpfung an ihn durch ^\ (ein
Sohn von . . .) angebracht, oft nur angedeutet wird. Auf die
Vorliebe des Rit4' fUr die Kunjanamen hat schon Goldziher'
hingewiesen. Besonders häufig ist gerade der mit Ibn gebildete/
und so mag sich aus dieser Vorliebe auch die Form dieser
Lobesart herschreiben.
Beispiele dafür lassen sich aus al-^ansä' beibringen: D
IX. 15 (ir) ^5yü\ ^^\ b und 16 yt^\ ^\^, wo also des
Helden edle Abstammung und sein doppelter Adel väterlicher-
wie mütterlicherseits gepriesen wird. Femer
5 I, 6 (n)
R Vni. 8 (m) J<jJi ^\^ y^, M VI. 3 {rrv) i^J^JaL\ ^\^,
Etwas weiter ausgesponnen wird das Lob der Ahnen
in R II. 28 — 30 (Ar), doch auch hier bleibt es im engsten
genealogischen Anschluß an den eigentlich zu Lobenden selbst:
28. . . . ,seine Väter waren Freie von gestrecktem
Körperwuchs.
29. ,(£r) ein Erbe des Ruhms ...
30. ,Ein Reis von edlem Stamm, frei von jeglichem
anedlen Einschlag . . .'
^ Ifti^Hr im Rit&' in Z I. 14 ff. (tfi f.), wo aber eine Handschrift
(Snppl. r*^) statt der 1. Pers. Plar. überall die 3. Sing, liest.
' L. n. 314 oben nnd Note 2.
• HansÄ' D Xn. 1, H IV. 1, K I. 4. L VI. 2. 12. 31, N I. 6. - Wright
op. 109. 2. Marftti 8. 2 nnd 2 nnt., 36, 3. 54 nit., 67 pen., 02. 2 f., 97. 3
und 1, 106. 1. 133 alt. Harn. ed. Freytag 408 ult., 462 (der zweite Vers).
Lob der Ahnen mit ^\ angeschlossen in Marfttt 20 pen. ^^.15^ \ ^\ b
(69. 2) 110. 2. *
^ Beachte in H I. 6 nnd R VIII. 8 die Anwendung der gleichen Aus-
drücke Yon Vater und Sohn; ähnlich in N I. 4.
76 IV. AbhftDdlang: RhodokanakiB.
Wie es hier ^^ tj^ tj^^ heißt, so auch in ähnlichem
Zusammenhang R XVII. 2 («rA):
,Ein Abkömmling Yom Stamm, der im Schenken edel-
mütig ist; es hoben ihn empor von den (Ahnen) lauter (Vor-
fahren) von reiner Abstammung/
In eigentümlich bildlicher Weise angedeutet finden wir
das Lob der Ahnen in R VIII. 7 (n i):
,Da trugst ein Herz, das nichts sich bieten ließ, ge-
festigt an einem Stammbaum, der nicht gebrechlich war.'*
Nebenbei möchte ich noch auf eine andere Berührung der
elegischen mit einer heterogenen, und zwar mit der erotischen
Lyrik hinweisen; ich denke an Stellen wie R XVII 4 ('f'^):
und 'Ain III. 3 (nr):
*g_Jlb .\.X^^ J^^^ ^^ • ^3> J^ ^^ \/*^ 1-^/^'
gegen den bloß örtliche Trennung von der Geliebten andeu-
tenden Vers aä-Samm&bs (K4m. 6):
Auf eine weitere im Rita' übliche Form, das Lob des Toten
einzuleiten, hat schon Köldeke in seinen Beiträgen zur Kenntnis
der Poesie der alten Araber p. 105, N. 2 und 152 kurz hin-
gewiesen. Es sind dies die besonders am Versanfang übliche
Phrase : (• • • \ 31) vj^j^ • • J er* nnd die analogen Verbindungen
. . . J UNJi ,^T und • • • \31 UNJi i^\ durch welche das Lob des
Dahingeschiedenen und der Ausdruck der Trauer um ihn anfb
engste verknüpft werden. Jenes ^ bedeutet dann abwechselnd
* Die Verbindang mit p^ ist auch im Mad^ beim Lobe der Ahnen sehr
häafig. Eine Zasammenstellung solcher Midl^astellen ist von R. Geyer
in seiner demnächst erscheinenden Arbeit über *A'äii eu erwarten.
' Wie die Pfeilspitze am Schaft. Vgl. den Kommentar zu diesem Verse
und den Exkurs über R VIII in Kap. V. Zu beachten ist die negative
Art des Lobes in ^Ja^L^ y^ LJi3 und ^^s^ y*^ < »LoS.
' Vgl. Chalef al-ahmar ed. Ahlwardt p. 39 ff.
* Vgl. Maräti 131:
r^^ ^^\ J^ta. JJU Ui • <ü^^^ ,^^^ ^\ ^^3 ^j^ CUa^U
AU0aos&* and ihre Tnuierlieder. 77
r' bald ^gegen' and wiederholt sich^ dem monotonen
n des Rita' folgend, gern durch eine längere Versreihe.
I (r):
,Dnim beweine deinen Bruder wegen der Waisen
Witwen^ (die nun hilflos dastehn) . . /
,and beweine deinen Bruder wegen der Reiterschar
n Anführer verloren hat), Scharen wie WtLstenhUhner . . /
,nnd beweine ihn wegen des Ritters, der sein Teuer-
Itzen soll, und des Bedürftigen wegen, so oft er (mit
nUegen) wiederholt kommt/
nlich L VII (n^):
,Und beweine ihn wegen des bei Nacht Einlaß
3n, der seine Gabe heischt (und nichts mehr findet)^.. }
,Und beweine ihn wegen der Rosse (und ihrer Ritter),
- dem Staub ein mürrisch Gesicht zeigen . . /
ließe sich dieses ^^ oft so paraphrasieren: Wenn du
3 Darbende denkst oder solche siehst^ denen nie-
3hr beispringt, dann beweine den Retter, den sie Ver-
den. Ein Vers, der wie B I. 3 gebaut ist und im
albvers mit ihm wörtlich übereinstimmt B IV. 7 (ir):
jU)\^ y3^\^ U^^^ ♦ g_L» IkSJl^ J.^ ^li.\ ^\a
. und wegen der Großmut und Freigebigkeit und des
Jchlachtens der alten Kamele'
zweiten Hemistich abstrakte Eigenschaften und eine
Handlung an, durch 3 ftn das in prägnanter Weise
te J des ersten Halbverses direkt angeschlossen.'
Einführung des Lobes in solcher Weise, daß durch
onen und Erinnerungen heraufbeschworen werden,
en Stachel der fruchtlosen Sehnsucht nach dem für
srlorenen tiefer senken sollen: durch Aufzählung von
, denen oder gegen die er half, und von Zuständen,
man sonst seines hilfbereiten Schutzes sicher sein
XXn. 8 (in).
CB Nr. LXXII (p. 276), wahrscheinlich das Fragment eines Rit&'.
'vu. 6(n^).
r die bessere Lesart: dÜk<uLflr^3 lautet.
78 IV. Abhudlnng: ShodokanakiB.
konnte^ tritt gerne in Verbindung mit einer weiteren dem
Rit4^ üblichen Lobesformel auf: dem admirativ fragenden:
lif . . . ^\^
So bei al-^ansä' an den einander ähnlichen Stellen R
I. 4flf. (ivflf.) und S IL 2 f. (io.):
R L 4. ,(Weine) über ^^bi*; ^^^ wo ist ein Mann
wie $abr für den armen Bedrängten, der den ihm ge-
schuldeten Blntpreis nicht selbst eintreiben kann?
5. ,Uber $abi*; nnd wo ist ein Mann wie 9abr für
den Tag einer gefürchteten (Schlacht) und die Besetzung
eines (gegen den Feind offenen) Passes?
6. ,und gegen den hartnäckigen Gegner, wenn er
das Recht überschreitet, um mit Gewalt des Unterdrückten
Recht zu entreißen?
7. ,und für die Gäste, wenn sie nach der ersten Nacht-
ruhe sich melden und für den Nachbar, dessen Reittier er-
müdet ist, und für alle Reisenden?'
S II. 2. ,(Weine) über i;^abr; und welcher Mann ist
wie l^abr für den Tag des gefürchteten (Treffens) und des
plötzlichen Lanzenstoßes?
3. ,und gegen den hartnäckigen Gegner, wann er
Unrecht tut, um mit Gewalt dem Vergewaltigten sein Recht
zu rauben?'
Den Sinn einer negativ lobenden Aussage, die in
solchen Fragen liegt,^ kleidet auch die rhetorische Frage ein:
J xsfj^ij ^ ,Wer (gilt) nach dir für dies und jenes, wer ist
einer Großtat noch fähig, wenn . . . ?' Am einfachsten tritt uns
ihr Typus bei al-5ansa' in *Ain VI. 4 (m) entgegen: ol ^ cr^
«USjJ ,wer für uns, wenn ihn wir verlieren?' und durch drei
Verse fortgeführt in 'Ain L 4— 7 (lo^f.).
4. ,Wer (sorgt) nach dir für der Gäste Bewirtung,
wenn sie in deinem Hause sich niederlassen, dann laut rufen?
6. ,Wie es ihre Gewohnheit war, als du lebtest, und da
ihnen Gaben zuteil wurden, und Tränkung und Sättigung?
6. ,Wer (hilft) gegen die schwere Bedrängnis, die den
Nachbar angefallen hat, und (wer tritt ein) für eine ver-
^ Vgl. das ähnliche L« Goldziher 1. n. p. 310 oben.
' D. h. keiner ist wie er. Vgl. oben den 7. Abschnitt, p. 64.
AI-9m>^' und ihn Tru6rlied«r. 79
ste Angelegenheit eines Genossen , die nicht mehr ge-
wird?
. ,und wer (weist) einen Gesellschafter znrecht,* der
seinen Partner in schamlosen Reden sich ergeht, vor-
in Roheit gegen ihn sich ereifernd?'
XV. 3flF. (in):
,0 §ahr! wer (sorgt) für den Angriff der Reiterschar,
sie angeeifert wird, und für die Tiere, wenn sie mit
teln gegürtet werden?
,und für die Waisen und für die Gäste, wenn sie bei
SU unseren Zelten kommen wegen eines Edeltuns, das
rühmlich bekannt ist?
,und wer (verscheucht) den Kummer' eines Gefan-
n Fesseln, und wer gibt die reiche Gabe in schwerer
ter Zeit?
,und wer (sorgt) für (die Abwehr) des unerwarteten
Stoßes und (wer springt) einer Rufenden^ bei am Tag
eschreis; mit razziaerprobten Rittern?'
m sieht, es sind die gewöhnlichen Lobesmotive , die
in wörtlicher Wiederholung in diesen Versen wieder-
oft sind sie nur ganz kurz angedeutet, so in H I. 7
)\ Ol cJuUJÜ ^, R XVIIL 1 (irr) ybjJ\ ^^\^ ^,
ioa) vJ\ o^u» >\ ^jJ^ ^ und L Xin. 3 (rn), wo
hnik dieser Lobesart aufgelöst vor uns liegt:
i\ .^j^\ ei^, u ^ • ^^cu3\5 J^\ ex^o
t deiner Hilfe wies ich die Härten (des Lebens) zu-
. du (noch) lebtest; wer aber weist (jetzt) das harte
ab?*
i Zeiten der Klage sind also die Zeiten der Not, wenn
Verlast des Helfers am bittersten fühlbar macht,
leißt es T I (iv):
I ^\ d. h. einer nm Hilfe rufenden Frau. Oder einer rufenden
am Tage des KampfgetOses.
80 IV. Abhandlung: Bbodokanakis.
1. ,0 mein Ang' wohlan, weine am $abr mit reichlichem
Tränenstrom 7 wann die Rosse von der Daner des Galopps
verwahrlost und in schlechtem Zustand sind/
Oder L VII. 4 (m):
,Weh' meiner Seele um Safer, weh* ihr, wann Helden
mit Helden sich (im Kampf) vermengend
Ahnlich R XV. 11 (irv) ,. . . wann ein Reitertrupp
gegen einen anderen galoppiert (schnell) wie Berggemsen';*
oder H I. 16 (ror):
, Weinen mögen sie, wann* die Lanzen sich verwickeln,
am Schreckensmorgen zur Zeit des (Kampf)brandes/
Eine natürliche Steigerung dieses Gedankens ist es^ wenn
eine solche Zeitbestimmung den Gegensatz zwischen Gegenwart
und Vergangenheit oder zwischen dem Betrauerten und minder-
wertigen Charakteren hervorhebt und so den Anlaß zur Klage
gibt, daß nun die, von denen man gleich Gutes erwartete^ es
verderben :
N n. 16 (r£r):
,Drum beweine deinen Bruder, wegen seiner Wohltaten,
wann den Ruhm vertun, die ihn verwalten sollten^
N IV. 6 (r£v):
,. . . der einen hohen Bau aufführt, wann der Erbauer
zurückbleibt.'*
IT. Pesslmistisclie Weltanschauung und Fatallsmns.
Je mehr die Philosophie, vom bodenlosen Wolkenbau ab-
strakter Spekulationen sich abwendend auf die reale Basis
naturwissenschaftlicher Empyrie, physiologischer und psycho-
» =B vn.3(i£)
R XV. 11 ^UJ\ JUL«1^ j^ n • n n n n n
L VIL4 Jlk^b JLA U^\ \3\ ^^,-uJÜ * CUi^ jJJ^ „ „ „
vgl. noch R IX. 1 (l Ia) nach Manns^ript ^ und ^.
« ,^^^ für \ M.
8 Vgl. JKR IV. 6, 8 (87), V. 3 (91). Auch im Mad^ ist diese Antithese
h&ufig; nur muß sie dort auf den persönlichen Gegensatz beschränkt
werden.
Al-9*)u^' vnd ihre Tnnerlieder. 81
ler Forschung sieh stellt, desto mehr verblaßt der Ein-
; der ans den trüben Tiefen des menschlichen Gemüts
reinste aller Geisteswissenschaften sich fortspann; desto
T wird, um mit Hieronjmas Lorm zn reden, der höfli-
Vage nach des Nebenmenschen Wohlbefinden: Wie geht's?
and Stellnng einer Weltfrage zuerkannt.
Venu aber alles künstlerische Schaffen höherer Ord-
lie Emanation eines peripherisch und zentral erregten
szentrums ist^ das neben einer angeborenen Uberempfind-
t auch die Fähigkeit besitzt^ das Übermaß des Empfun-
nach außen zu projizieren in der Art, daß von ihm auch
mdes, nicht in der gleichen Weise getroffenes Bewußt-
^streift wird: etwa so, wie vom Mittelpunkt aus, wo der
ns Wasser fiel, die fortlaufende Welle auch den abseits
imenden Strohhalm hebt und senkt; so ist es klar, daß
Is mehr als in der Kunst pessimistische oder optimisti-
/'eltanschauung, d. h. in letzter Linie: das Leben und
1 entsprungene Grundstimmung des Schaffenden selbst
aner Schöpfung aufprägen muß und durch diese sich
mpfänger mitteilen kann oft für immer, ihn aber stets
tens so lang beherrschen wird, als er im Banne echter
steht.
Is ist aber scharf zu scheiden zwischen dem Weltschmerz,
j einer Fülle bitterer Lebenserfahrungen geboren, oder
ibgrundtiefen Gemüt entstiegen, aus überschwänglichem,
inntem, sich überstürzendem Idealismus besteht — oft
itzenjammer ist und stets im pathologischen Zeichen
irer Belastung ruht; es gähnt, um dem Gebiete. poeti-
Schaffens ein Beispiel zu entnehmen, eine weite Kluft
;n dem Weltschmerz Leopardis, Byrons und Lenaus
)lbst der pessimistischen Stimmung der Reden Hiobs
liger Worte des Predigers und dem naturnotwendigen
3nheitspessimismus der Trauerpoesie aller Länder,
und Völker.
Isia dort deduktiv^ gleichsam von einem Obersatz, oder
orgefaßten Meinung ausgehend auf alle Einzelheiten des
htlichen und individuellen Werdens übertragen wird,
itlich durch den Schleier einer Weltanschauun|f gesehen
, das führt hier induktiv von Einem Faktum zur pessi-
piber. d. phU.-hist. Cl. CXLVII. Bd. 4. Abh. 6
82 IV. AbhAndlnng: Rhodokanakia.
mistischen Weltanschauung über, die sich über jenem erst
verdichtet.
Es scheint übrigens, als ob der Fluch, der auf jeder
poetischen Schöpfung des altarabischen Geistes lastete, auch
an der dichterischen Gestaltung solcher weltschmerzlichen Ge-
danken in Erfüllung gegangen wäre, die nun zum festen, not-
wendigen Bestandteil der Trauerpoesie wurden. Sie wären wie
sonst kein Motiv geeignet gewesen der individuellen Auffassung
des einzelnen und der selbsttätigen Gestaltung seines Gedankens
gegenüber dem jedesmal differenzierten Einzelfall des Lebens
freien Spielraum zu gewähren ; sie sind aber wie alle poetischen
Motive der Araber in eine herkömmliche Form gezwängt und
gepreßt worden.
Es sind auch da der Zahl und dem Inhalt nach begrenzte
Erfahrungssätze, die stets in gleicher Einkleidung wiederkehren
als nivellierter Ausdruck einer verschieden erregten Gemüts-
Stimmung: die Überzeugung von der Nichtigkeit des Lebens,^
von der Fruchtlosigkeit jedes Aufschreies gegen das über-
mächtige Schicksal,^ von der Eitelkeit alles Hoffens, der stets
genarrten Erwartung, die vom morgigen Tage das Ende des
heutigen Wehs gewärtigt,* und der Gedanke, daß der Tod
zwar niemanden verschont* hoch und nieder ftlUend,^ aber mit
Vorliebe die Besten sich als Opfer holt.^
Die uns umgebende Realität, dann ein Hirngespinst,
über die Unergründlichkeit des letzten, nie erforschten Grundes
gebreitet, und schließlich eine Vorstellungsform, die von uns
selbst geschaffen dem naiven Bewußtsein nicht bloß für ewig
gilt, sondern die Ewigkeit selbst bedeutet, d. h. der Reihe
nach: Natur, Schicksal und Zeit sind die waltenden Mächte,
die das Einzelleben beherrschen und zermalmen.
Im Gegensatz zur modernen pessimistischen Auffassung
der Natur als der leblosen Feindin alles Lebenden, des ewig
* B Vm. 2 (n), J n. 14 f. (ri£). Vgl. Goldziher 1. n. 383 oben.
» R IL 20 (aj). Vgl. Diw.» Einl. 15. 5. Harn. ed. Freytag 406.
' Sappl. rvo, Z. 1 in der Selbstklage Sahrs.
♦ R XVII. 26 (irr). Das einmal verfehlte Ziel trifft er später um so
sicherer: 'Ain in. 5 (\^r)' Kam. 747.
» M I. 2. 8 (rrA: rr*-].
• S I. 2-5 (i£Af.), IV. 1 (loo), F n. 2 (jia), L V. 1 (nv).
Al-9ao8i* und ihr« TranerUedw. 83
verschlingenden, ewig wiederkäuenden Ungeheners^ wie sie
am klarsten sich in Leopardis Ginestra offenbart , verlegt
aber der Pessimismus des altarabischen Rita' den Schwerpunkt
seiner Katurbetrachtung auf den Kontrast zwischen der schein-
bar beständigen, ewigen und unveränderlichen/ aber passiven
Natur und der Hin&lligkeit und Vergänglichkeit des qualvoll
bewegten menschlichen Lebens; selbst dort, wo die Natur einen
Wechsel zeigt, sind es doch die gleichen Formen, die in
regelmäßigem Wechsel stets wiederkehren, Tag folgt
auf Nacht,* während der Tote nie wiederkehrt,'
Unbekümmert um unsere Sorge und Qual hat die Natur
ihren Fortgang: es ist ganz der Standpunkt von ^oheleth I. 4 ff.
Das Schicksal hingegen greift aktiv ins Menschenleben
ein, bald zum Guten, bald zum Bösen,^ doch am öftesten Un-
heil stiftend; es ist die pioTpa, der nichts entgeht '^ außer Gott; ^
selbst das stärkste Seil ist ja bestimmt sich abzuwetzen und
zu reißen,^ wie jeder Sterbliche dem Tod geboren ist. Es ist
der Schädling, der die Menschen durch sein plötzliches Herein-
brechen erschreckt und heißt deshalb Parr&r und Rajjab^
,der Schädling und Erschrecker'. Es zernagt sein Opfer wie
einen Knochen.^ Darum wird zum höchsten Lobe der Be-
trauerten behauptet: wenn das Schicksal je einen festen Besitz
sich wählte, d. h. in seinem innersten Wesen nicht die Ver-
nichtung das Grundprinzip wäre, so würde es gerade ihn sich
zum Schatz auf ewige Zeiten aufbewahrt haben :
1 Bei Lebtd außerhalb des Rit^ J\^j3b ^Sj^ U jJ\y^ (Nöldeke, Dei.
100, V. 2). Vgl. J I. 6 (ro^) und Nöldeke, Beiträge etc. 158, Note 5.
• 8. IV. 3 (lao).
• 'Ain III. 6 (\^r) gj^^ yfcjJ\ dJU jJJ ^^^ ^y^y
• R IL 14 (v^) j\j^\'^ •NU.\ ybjJÜ ^.
• M. I. 3 (rrA) ^^^ J-o^\ i^\j^ aJ^\ ^1- öor Vers bloß in Einer
Handschrift ^. — Ich kann die Vermntnng nicht unterdrücken, daß
diese Worte korrupt sind und mit . . . ,J^\ (^^^^^ ursprünglich ein
Berg gemeint war. Vgl. J I. 6 (ro^).
' R XVn. 26 (irr)-
• B I. 1 (i), R n. 5 (vo), J II. 4 (n 0 j^\j von der das Schicksal ver-
kündenden wahren Botschaft.
• Z I. 1 (i£r), p I. 5 (lov).
6*
84 1V> Abhmdlunf : Bhodokanakia.
oder:
Es erinnert diese Vorstellnng an den maslimischen Aus-
druck: * ^\ Jyuij jjI j^I jdi. ;l.
Das Schicksal wechselt in ewigem Unbestand,' darum
ist der Tod sein treuer Bundesgenosse:
Dieser, ein Koeffizient der Unbeständigkeit der mensch-
lichen Lose, muß ebenso sicher eintreffen, als jenes ewig wech-
selt; er kann ebenso wenig gemieden werden, als der Zustand
der Sterblichen ewig der gleiche bleiben kann.^
Dem Schicksal gleichgestellt wird die Zeit o^i? ^^ ^^^
Auffassung charakteristisch ist das oben p. 24f. mitgeteilte Frag-
ment; ich weise gleichzeitig auf das zur Stimmung solcher
Stellen ebendort gesagte hin. In P I. 1 (lov)
wird sie dem Schicksal ebenbürtig gleichgestellt^ in R XIV. 2 (i ro)
und N I. 3 (rrs) ,^Up\ s^,j vertritt sie seine Stelle.'
V. Tahrid.
Wenn wir die ganze Poesie der alten Araber in zwei
große Gruppen teilen wollten; in eine positive und eine nega-
tive, wobei als der letzteren Haaptrepräsentant das Higä', als
der ersteren das Madh anzusehen wäre, oder in eine segnende
» K&m. 129. pseudepigr. N I. 6 (r£. :) cf. Ag. XX. 210.
» R I. 20 (vr).
» D X. 8 (ir).
* R IL 6 (vo).
^ Diese Anffassung vom Tode nähert sich an jene vom Hades als Aofj-ßavtov
xai St$ou(.
• Vgl. Z I. 1 ^\ Uw^ ybJÜ\ t^^ und oben p. 83 zu Note 9.
' Vgl. oben p. 83 zu Note 8.
▲l-9An<&^ und ihr« Ti»a«rli*der. 85
und in eine verflncbende Gattung^ so ist es klar, welcher von
beiden wir die Tranerpoesie anzugliedern hätten; und doch
wäre ihre Charakteristik nicht yoUkommen; wenn wir nicht zu
ihren bisher besprochenen noch eines weiteren Elementes der-
selben-gedächten; das gleichsam ihre Nutzanwendung^ die Moral
der Fabel enthält. Es ist dies ein Element ^ das offenbar der
antipoden Dichtungsart jener, dem Hi^ä', verwandt ist. Zwar
gegen den Feind , der den Beklagten ermordet^ wird fbr ge-
wohnlich im Rit4' kein Spott losgelassen: dies würde der seg-
nenden Weihe, dem Ernst, der über dieser Dichtungsart liegt,
Abbruch tun: ja wir finden (Dlw.* Einl. 13, 6 unten) die Er-
zählung davon, daß der von Freundesseite ergangenen Auf-
forderung, den feindlichen Mörder zu schmähen, eben mit Hin-
weis darauf, daß der Moment Ernsteres gebiete, keine Folge
geleistet, und sie als unwürdig abgewiesen ward; eine Erzählung,
die folgenden Vers illustriert:^
So spricht nämlich $a^r in einem Trauerliede auf den
Tod seines Bruders Mu*&wija. Denn nicht bloß Klage ist es,
die der Tote heischt, auch Rache. Wo sie aber durch schmä-
hende Worte am Feind nicht genommen werden darf, da muß
es durch Taten geschehen; und diesen gegenüber kann sich
die EUegie dann nicht anders verhalten, als anspornend in Auf-
reizung zum tätlichen Ausgleich des Streites und zur Blut-
rache: dies ist die Bedeutung des Ta^rid.
Es richtet sich also gegen den eigenen Stamm, der ob
seiner Schwäche, des noch ausstehenden, nicht eingehobenen
Blutpreises in empfindlicher Weise ironisiert und mit kränken-
dem Hohn Übergossen wird; und darum gemahnt es an das
Higä'; zwar ist das Ta^rtd oft auch ruhig und sachlich; doch
wo es in der Nähe und im Zusammenhang mit Ellageversen
auftritt, da scheint es, als ob die Nachbarschaft des Leides
die Lust, durch Hohn zu kränken steigerte; wir haben bei
al-5ans4' zi*ei Fälle (R VH!, D HI), wo an die Klage über
den Toten sich die tadelnde Botschaft an den Stamm Sulaim
anschließt, und dieser die Anreizung zur Rache folgt und drei
' Ebenda Z. 3 von unten.
86 IV. AbhAndlQDg: Rhodokanakif.
Fragmente, deren Dank an die stammesfremde Hand, darch
welche die Rache erfolgte, die Verachtung und Preisgebung
der eigenen Gens bedingt und ausspricht (R XI, 'Ain IV,
M II).
B vm (p. > • ^ ff.)-
Es ist das Prototyp einer Elegie, die mit der Klage um
den Gefallenen und seinem Preise die Aufforderung und An-
reizung zur Blutrache verbindet und sich dementsprechend
vorwiegend an die engeren Stammverwandten richtet, denen
die Blutschuld einzutreiben oblag.
Der Versordnung des Manuskriptes f zufolge ist die Ein-
teilung und Sinnanal jse der ]^§ide folgende: nach der üblichen
Einleitung (Vv. 1 — 3) ^ werden wir durch die Fiktion der Bot-
schaft, welche die Dichterin vom erfolgten Tode und Begräbnis
ihres Bruders angeblich erst in Kenntnis setzt, mit der Ur-
sache ihres Leides und ihrer Tränen bekannt (4 f.). Vers 6
macht mit der üblichen Apostrophe an den Verstorbenen:
^\ eXSwKA^ ^U v.^.vA>\i den ersten Einschnitt und leitet zugleich
mit den Worten: j^^^, ^^^ «:^ ^^y * J^j er* ^^^ ^^^
des Ermordeten ein.
Dieses erstreckt sich über zwei Verse (7 f.) und bringt
einen weiteren, hier bloß angedeuteten Gedanken: das Lob
der Ahnen.* Denn wenn al-Qansä' in Vers 7 sagt, es sei das
Herz ihres Bruders <^UaS ^ '^j^' ^^ einem edlen Ursprung
festgefügt gewesen,^ wie die Pfeilspitze dem Geschoß fest an-
haftet und von ihm gehalten sein muß; ihn selbst, ^a^r^ aber
(V. 8) einen Freien, Sohn von Freien, nennt, so führt von da
der nächste Schritt zum Panegyrikus der Vorfahren. Dieser
entfUUt aber hier und mit den folgenden Versen (9. 10), in
denen Qansa' ihren Bruder der lebenslänglichen Trauer um
ihn versichert, und einer Gemeinschaft der Gefühle, der zu-
folge seine Feinde stets auch ihre Feinde sein werden,
führt sie das Thema ein und berührt schon die Rachegedanken,
denen der übrige Teil des Gedichtes (11 — 26) gewidmet ist.
» Vgl. Kap. m. 9.
> Vgl. Kap. III. 10.
• Komm, zur Stelle: J\ dJU\ i_j^ ^^ ^lJlS ^^>i ^\jS '\A ^ c-^j-
Al-Bui»i' und ihre Timii6rli«d«r. 87
Das Tabrid erhält die Form einer Botschaft, und zwar
an die Brnderstämme Qnfäf and 'Auf (V. 11), die sich unter
l^^r vereinigt hatten ^ um ihn auf seinen Raub- und Rache-
zügen gegen die 'Asaditen zu begleiten.^ Nun beginnt al-Qans&^
mit einem einleitenden, allgemeinen Gedanken von den Ge*
fahren des Krieges , und schildert so auch die üble Lage, in
der sich die Ihren, dank den ausgebrochenen und fortzusetzenden
Feindseligkeiten befänden : sie mögen also rüsten und mit auf-
geschürztem Gewände kampfbereit sich halten: durch die
Schrecknisse des Krieges seien böse Tage angebrochen, um so
schwerer zu tragen, als $abr ihnen zum Opfer gefallen sei;
sie mögen ihn zwar beweinen, doch um eine Aufforderung zur
Klage allein ist es der Dichterin jetzt nicht zu tun; um auch
die Rachsucht ihrer Verwandten zu wecken, schildert sie
seinen Überfall durch eine Überzahl, die klaffende Wunde in
der Brust, aus der ein Blutstrom quoll, durch Lanzen bei-
gebracht, die ihn von der Seite trafen, (15 — 18) und den Su-
laimiten legt sie es zur Last, daß sie einen der ihren schutzlos
dem Feinde preisgaben.
Hier fällt vor allem auf, daß al-Qansä' gleichsam als
Dichterin eines unparteiischen Amtes waltend, sich der Zuge-
hörigkeit zum Stamme Sulaim für den Augenblick entkleidet;
es hätte sonst die in Vers 20 irreal angenommene Aufhebung
des zwischen ihr und ihrem Bruder einerseits, und den Sulai-
miten, speziell den ^Aufiten und Qufäfiten andererseits, beste-
henden Verhältnisses keinen Sinn. Es heißt dort:
Vers 19. ,Er war euer stammverwandter, gehörte zu euch,
und war euer Gast unter euch, ihr aber habt ihn nicht ge-
schützt mit (eurer) Abwehr.
20. ,Wär' es aber von euch einer unter uns ge-
wesen, so wäre er nie ereilt worden, bis (denkwürdige) Dinge,
die Spuren zurücklassen, einander begegnet hätten.'
21. ,Ich meine da jene, bei denen sein Wohnsitz war, ob
sie des Gastes und Nachbars Schutzpflicht kennend
,Wir' und ,Ihr^ sind aber hier dasselbe Gros des Stammes
Sulaim^ zu denen al-^ansft" und $abr ebenso gut wie die
1 D!w.* Einl. p. 17, U. Abschnitt.
' D. h. sondern es hätte rorber ein denkwürdiger Kampf mit dem Gegner
stattgefunden.
88 lY. Abhandlimg: Bbod okanakis.
Angeredeten gehörten; wir müßten denn annehmen, daß al-
Qansa\ die ^nfäfitin,^ sich lediglich an die 'Anfiten wendet,
wie dies der Kommentar in Cf ^^ voranssetzt, der unter jgofaf
den Qufäf b. Nudba^ also eine einzelne Person versteht. Das
ist aber aus zwei Gründen unwahrscheinlich ; denn es ist kaum
anzunehmen, daß die Dichterin einem ganzen größeren Stammes-
komplex wie ^Auf ein einzelnes Individuum gleichgeordnet
hatte, um ihm in derselben Weise wie jenem den Tod ihres
Bruders als eine Unterlassungssünde vorzuwerfen. Andererseits
gingen aber die Stämme Huf4f und ^Auf gemeinsam unter
$abr vor, während des ^ufäf b. Nudba speziell in den Be-
richten von $abrs Ermordung nie Erwähnung geschieht.'
Das eigentliche Thema dieser I^a§tde bewegt sich, wie
man auf den ersten Blick sieht, von Vers 11 an in einer steten
Steigerung. Zunächst sind es allgemeine Betrachtungen über
die Qreuel der Stammesfehden und ihre Gefahren für Sulaim,
die al-!Han8&' den Ihren vorträgt; von diesen hebt sie dann
im besonderen den Tod $abrs hervor, den es zu rächen gilt,
und schildert ihn mit realistischem Detail, um desto lebhaftere
Vorwürfe gegen die Sulaimiten zu erheben, die ihren Bruder
schutzlos dem Feinde überantwortet haben. Im letzten Ab-
schnitt endlich ergeht die Aufforderung an Sulaim die Schuld
wettzumachen und ihn zu rächen: kein Schlaf sei euch ge-
gönnt, bis ihr die Mörder l^abrs überfallen und in ihrem Blut
eure Schmach reingewaschen habt; zwei Murriten* nennt hier al-
Qansä.^ besonders mit Namen, den Man§ür b. Sajjclr ^ und Qu§ain
b. Pam^am^ (23), deren Leben sie von den Ihren fordert.
^ Vgl. den Komm, zu V. 11, p. \\ r«
' P. I ir, Z. 6 im Gegensatz zu ^ im Komm, zu Y. 11, Z. 2 f., p. i i r und
K ) ebenda i ir, Z. 5.
' Vgl. außerdem die Var. in D HI. 2 Komm. Z. 4: UU^ >b\ für >b\
Uli^ ebenfalls im Ta^rij, wo doch mit Huf&f gleichfaUs nur der
Stamm H. gemeint sein kann (p. ca).
* Vgl. den Komm, zu V. 23, p. i i V*
* ^J-J\ nach ^, ^; ^^J\jJ^\ nach ^.
* Hu^ain b. Hum&m nach <..^. — Welchen Anteil gerade diese am Tode
Salärs gehabt, wissen wir nicht. Er fiel, wie aus R VII. 1 (t o) hervor-
geht, Yon der Hand eines Fak'asiten. Durch Murriten war aber Mn*&wija
gefallen (s. D HE) und so werden auch diese, erst von Sahr heim-
gesucht, an seiner Bekämpfung teilgenommen haben.
▲1.9ftBtft' and ihre Tnni«riied«r. 89
Einen ähnlichen Aufbau wie R VIII weist D III auf.^
Es gilt diesmal Mu'äwija zu rächen. Dieser war von Häfiim
und Duraidy den Söhnen Qarmala's^ vom Stamme Murra^ ge-
tötet worden. Die zugleich mit Sulaim in Vers 4 angeredeten
Banft Amir sind die ^Amir b. Guäam al-'Amrär b. Mu äwija b.
Bakr b. Hawäzin,' die den Sulaimiten eng verbündet gewesen
sein dürften; denn einer von ihnen, namens J^is b. *Amir,
tötete später den einen Mörder Hädim/ während der andere
Duraid früher schon durch l^abr gefallen war.
Dieses Tabri(} beginnt gleich R VIII mit der Klage um
den Gefallenen, fährt als echtes Spott* und Schmählied fort,
um den Verwandten und Verbündeten die schimpflich gedrückte
Lage vorzuhalten, in der sie dank dem noch ungerächten Tod
Mu^äwijas sich befinden; und endet mit der Aufforderung die
Schmach zu tilgen und gefangene Sulaimitinnen aus des Feindes
Händen zu befreien.
Der erste Teil (1—3) hebt mit dem Geständnis von der
Nichtigkeit und Vergänglichkeit alles Lebenden vor dem Schick-
sal an.^ Vers 2 und 3 sprechen in üblicher Weise das Lob
des Verstorbenen aus: mit seinem Tode hat die Bewirtung der
IVemden, die Speisung der Waisen ein Ende gefunden.
Erst Vers 4 leitet das spezielle Thema , den Tadel und
die Anreizung mit der hergebrachten Formel ein: ^^^ \mXA ^Y
^t^U^ U-^JL««!. Die Botschaft, die nun folgt, ist bitterster Spott,
den Nöldeke'' so zusammenfasst: ,Der Feind weiß, daß er
euch mit einem Schlage vernichten wird, und daher vermeidet
ihr das Zusammentreffen ® und freut euch, daß sie nur so gütig
sind, euch euer Gebiet ruhig zu lassen' (Vv. 5 — 8).
1 Vgl. NOldekes BeitrSge, p. 169 ff.
* Vgl. in Yen 5 Dabjin, zu denen Morra gehörte.
* NOldeke, Beitrige 160, Note 6 and 162, Note 2.
* B XI (in), '^n IV (n£), M II (rr\).
» Vgl. Kap. IV.
* Vgl. R Vm. 11. Za Hawftzin vgl. Nöldeke, Beiträge 160, Note 6.
^ Beiträge 161, Note 1.
* Vers 6: ,Dmni nähert ench dem Lande (der Banü Dübj&n) nicht, außer
einzeln reisend (oder verborgen) in Furcht ror einem Heer, (das)
90 IV. Abbaadlanf : Bhodokanakis.
Mit der Rache, die guf&f b. Nudba an Mftlik (b. öim&r)^
dem Führer der mit Dubjän yerbündeten Fazftra gleich am
Tage von ^aara nahm (Diw.* Einl. 13 oben), ist eben al-Qansä'
nicht zufrieden. Sie erwähnt zwar seine Ermordung mit Genug-
tuung (V. 9) ebenso den Tod ,de8 Sohnes seiner Schwester*;*
es scheinen aber von den Dubjä^niten und Murriten gelegentlich
der Ermordung Mu^äwijas oder später sulaimitische Frauen
geraubt worden zu sein,^ deren Befreiung nun al-^ansÄ' mit
den Worten verlangt (V. 9):
,drum kein Friede (mit dem Feinde), bis die (Frauen) zu
den ihren zurückkehrend (von der Gefangenschaft) sich erholen/
Der folgende Vers (10):
,Denn es sind die Gewohnheiten (bei uns) so, daß wir im
Kampfe siegen werden und die Menschen suchen nun einmal
ihren Vorteil';
wird nur von den Handschriften ^ und ^ gelesen; sein sieges-
gewisser Ton paßt nach dem Hohn von V. 5 — 8 wie die Faust
aufs Auge.*
bei Sonnenaafgang (aufbricht).* Dieser Vers fehlte in der Noldeke da-
mals vorliegenden Handschrift ^.^o.
^ Für ^^L« lesen ^ und ^: j^\jb, was falsch ist. Dieser fiel sp&ter
durch GuSam vom Stamme *Amir. Wäre dies zur Zeit der Abfassung
dieser Verse schon geschehen, so hätte HansÄ hier kein Recht gehabt,
eben die 'Amiriten in ihren Spott auf Sulaim miteinzubeziehen ; vgl.
im Gegenteil die später entstandenen Fragmente R XI, 'Ain IV, M II,
wo die *Amiriten für HftSims Mord gegen die Sulaimiten herausgestrichen
werden.
' Nach Cheikho 0 1 , Note a ohne Quellenangabe ist damit Duraid b. Har-
mala gemeint, den Sa^r später tötete.
» Vgl. R XI. 2 (irr).'
* Gabrieli, p. 116, Note 5 nimmt in Vers 9 und 10 dieser Rapide einen
späteren Beisatz an, der erst nach vollbrachter Rache von al-I^ansä*
gemacht worden sei. Der letztere Umstand kann meines Erachtens
bloß für Vers 10 geltend gemacht werden. Denn von der vollbrachten
Rache spricht al-Hans&* trotz D HI. 9:
\ jJ\yfc ^^jLr,>^> j^^Xä. ^ 135 • ^j:^\ ^\^ 15ÜU UJU» ^ 5
erst nach der Ermordung Hftaims b. Harmala in R XI etc. (vgl.
oben Note 1) mit Hervorhebung der Tatsache, daß durch die Heiden-
Al-Dao8&v und ihre Tranerliedar. 91
8 I (ICA ff.).
1. ,0 Banü Sulaim, warum beweint ihr nicht enren Reiters-
mann, der schwer zu ordnende Angelegenheiten ench hinter-
lassen hat?
2. yWas (aber) haben die Todeslose (gegen nns), daß sie
des Morgens nnd bei Nacht uns heimsuchen, als ob wir durch
ihr Beil stets gekerbt würden?
3. ,Des Morgens ziehen sie gegen uns los und wollen von
ans nicht ablassen — das Beste und wieder das Beste von
uns ist Pfand den Gräbern!
4. ^Immerwährend ist's ein frischer Jüngling, oder ein
fester Ritter, dessengleichen nicht erblickt wird,
5. ,von uns, den unversehens sie treffen — wenn Tapfer-
keit ihm^ nützte, so begegnete er in uns einem tapferen
Stamm/
Als Tahrl^ charakterisiert sich S I. im ersten Verse durch
die Ansprache an die ganze Qens.' Vers 2 ist eine Klage,
gegen das Schicksal, das unerbittlich ist in seiner fortwährenden
Verfolgung gerade der Besten (V. 3), die es sich als Opfer
aussucht — hier bricht der Spott herein. Ihre Tapferkeit hat
tat des Kais b. 'Amir die Murriten, welche durch Mu'ftwijas Tod über-
mütig geworden I das Gebiet der Sulaim ansicher gemacht, nun ge-
zwungen seien, wieder Ruhe zu halten (R XI. 2):
womit D III. 8 zu vergleichen ist:
In demselben Verse (R XI. 2) wird aber «uch gefangener Frauen Er-
wähnung getan, welche die 'Amiriten nun wieder befreit hätten:
^^y^3 o^"***^^ L5r^^ ^>*^^ ^*
und davon spricht auch D III. 9:
aber als von einer noch anvollbrachten Tat, zu ihr auffordernd. Es
muß also D III. 9 zeitlich vor R XL 2 fallen, das erst die vollbrachte
Rache verkündet.
* Dem Getroffenen.
■ Vgl. R Vni. 14. 11, wo der Stamm wie hier auch zur Trauer aufge-
fordert wird; und R VII. 1.
92 IV. Abbrndlwiff: Bhodokanakis.
ihnen nicht genützt; nützte sie nnd schützte sie vor dem Tode,
so würden jene Helden, die wir jetzt beweinen, noch unter
uns stehen, aber auch nns^ die Überlebenden, anstaunen als
einen tapferen Stamm: tapfer bloß um dem Tod zu entgehen.*
Die feine Wendung, die das tiefernste Gedicht mit einem
satirischen Aprosdoketon schließt; den pessimistischen Oe-
danken, daß die Gefallenen eben weil sie zum besten gehörten,
gefallen seien (3 — 5*), plötzlich zum Spott und Hohn gegen
die Überlebenden wendet, denen die Pflicht der Rache oblag,
ist als für die Bestimmung des Fragments ausschlaggebend
besonders hervorzuheben.
Im Ton einer ruhigen und eindringlichen Mahnung ist
hingegen R VH (»•'') vorgetragen:
1. ,Wenn ihr. Söhne Suläim, dem Stamme FaVa^ be-
gegnet, an einer engen Eindämmung zwischen rauhem Terrain,
2. ,So begegnet ihnen mit euren Schwertern und Lanzen
und mit einem Pfeilregen wie der Wolkenbruch,
3. ,Bis ihr zersprengt ihre Schar! Und gedenket (dort)
l^al^rs und seines ungerächten Falles,
4. ,Und der Ritter von uns, die dort fielen bei einem
Straucheln, das vom Schicksal kam.
5. ,Rabfa begegnete er' im Kampfe, da traf ihn jener
stoßend mit einer (Lanzenspitze,) die in die Brust drang,'
6. ,(mit einer Lanze) gerade, mit weichen Knoten, d^ren
Eisen die Spitze scharf hatte, wie des Adlers Vorderfeder.
7. ,Rabi*a aber entkam an jenem Tage, zwar voll Furcht,
unermüdlich in scharfem Ritt;
8. ,Ein dünnflankiger Renner rettete ihn vor den Lanzen-
spitzen, (ein Roß) wie ein Adler, der vom Nest seinen Morgen-
flug erhebt.
9. ,Wir aber nahmen Qälid gefangen, doch 'Auf nahm
ihn in Schutz und gab ihn frei mit Machtbefugnis;^
f^,
' Qabrielis Übersetzung p. 195 liest gegen Text und Metrum lisSLo!.
' Sa^. — Rabi'a (nach anderen Zaid b. Taur) ist der Mörder Sabrs. Ag.
Xin. 136 f.
» Vgl. R Vm. 16 ff. (MEf).
* D. h. wozu er wohl berechtigt war. — HAUd ein Feind (von den Banü
'Asad?). 'Auf ein Unterstamm von Sulaim. Vgl. R Vm. 11.
▲l-euai* UAd ilir« Tna«rU«d«r. 93
10. ,Doch wäre, was QAlid betriffl;, nnser Entschluß kon-
sequent gewesen y so hätte er in Ewigkeit keinen Reitertmpp
mehr geführt.* ^
Wie in R VIII. 23 verhingt auch hier die Dichterin das Blut
eines mit Namen genannten Gefangenen, dessen erfolgte Frei-
lassung sie bedauert und tadelt, als Preis für ihren Bruder.
Auch hier wird die Verwundung §abr8 und die darauf folgende
Flucht des Angreifers ausführlich geschildert;^ doch das sar-
kastische Element fehlt, mindestens soweit uns die Verse er-
halten sind, gänzlich.
Hingegen mischt sich dem Dank, welchen al-:^ans4' in
drei Fragmenten (R XI. *Ain IV. M II)» dem Blais b. *Amir
vom Stamm Haw&zin für die Ermordung des Hädim b. I^ar-
mala zollt, beißender Spott gegen die Ihren bei; die ^Amiriten
sind es, die es den Sulaimiten ermöglichen, in ihrem eigenen
Gebiet ruhig zu zelten (R XI. 2); daher möchte die Dichterin
all ihre Stammesgenossen für jene hingeben^ ,Nasen und Ohren
mögen ihnen gespalten werden^^ Ein Klageton läßt sich nur
in M n, 3® vernehmen:
,So wie du mein Auge (an Hi§4m^ erquickt hast, während
es weder schlief, noch (mich) schlafen ließ.'®
V •
* D. h. wir hätten ihn getötet.
■ Vgl. B Vin. 16 ff.
> Vgl. Text und Übersetzung in Nöldekea Beiträgen 161-- 163.
* Vgl. M n. If. (rn).
» 'Ain IV. 2 (ni).
* Bei NOideke 4.
'i. e. HiSim b. HarmaU.
* Wegen dieses and des zweiten Verses: J\ ■ -Vi^* ^^^ ^^i^ ^»>^^ kann •
die einleitende Bemerknng zu M II, p. rri : ^«Jb ^^^ tj^j^ ^-^^ <J^.3
■ itn*-i das Fragment sei ron einem QuHamiten rerfaßt, unmöglich richtig
'sein, da ein solcher an Mu'ftwijas Fall keinen derartigen Anteil konnte
genommen haben, um erst durch des MOrders Tod sich beruhigt zu
f&hlen, er auch keine Berechtigung hätte, spottend über die Sulaimiten,
zu denen er nicht gehOrt, als über ein JjOsegeld* zu verfügen. Wohl
aber verstehen sich die Verse von selbst, wenn sie von al-Hansa* oder
überhaupt einem Angehörigen des Stammes Sulaim und Verwandten
Mu'iwijas kommen, der einem fremden Stamm danken muß, was zu voll-
führen Pflicht des eigenen gewesen wäre, weshalb mit bitteren Worten
nicht gespart wird. Übrigens ließe sich ans ähnlichen Ausdrücken in
diesem und dem sinnverwandten Fragment *Ain IV und R XI eher
94 IV. Abbandlanff: Bbodokanakls.
VI. Dialog und Wetttraaer.
Die der Mehrzahl der altarabischen l^a§tden eigene Art,
mit einem fingierten Dialog zu beginnen, läßt sich auch in der
Trauerpoesie bequem nachweisen. Ihrem Inhalt entsprechend
bewegt sich das Thema des Dialoges hier mit wenig Abwechs-
lung in stereotypen Fragen nach der Ursache der Klage, welche
die Dichterin anhebt, und der Tränen, die sie vergießt; auch
Tadel, meist bloß die gelinde AuflForderung, jenen zu gebieten,
das Maß äußerer Trauerkundgebung einzuschränken, trifft man
an, Ermahnungen zu geduldigem und resigniertem Ertragen,
auf welche der Dichter oder die Dichterin stets ablehnend
antworten und Gründe anführen, die dann den Inhalt der
Elegie bilden.
So ,sprechen Frauen* zu aHJansä*: ,du bist ergraut,
doch nicht vor Alter' worauf sie antwortet: ,selbst leichter
erträgliches, denn was ich erlitten, läßt das Haar ergrau'n*
und fortfuhrt: ,Ich spreche: O ^Abü IjTass^n (§al)r)! nicht
ist das Leben eine Annehmlichkeit; wie sollt' es angenehm
sein, nun ich von dir vereinsamt bin?'*
Anderswo werden wieder Männer eingeführt, ,die da
sagen :^ laß dich davon abbringen, stets seiner zu gedenken
und übe Geduld! Gottes' Ratschluß ist nicht abzuwenden/
Oder es beginnt IJ IL 1 (^XS»^)ff, (rr) die Elegie gleich
mit der Verwahrung gegen solche Trostgedanken:
, Glaub nicht, daß ich Ruhe gefunden nach (dem Tode)
$abrs, bis ich nicht eine Klage laut ertönen ließ;
schließen, daß diese Stücke alle von Einem Verfasser oder Einer Ver-
fasserin herrühren; vgl. 'Ain IV. 1 :
und M U. 4: 3ff U*^ ^\^)^\ li.\ l^
'Ain IV. 2: ^..^wÖJO L^^öa ^i^JLmi dO'ji,
und M II. 2: ^i-JL»J\ ,^^5b^ ^..^Vki « ^ :} -* ^^^ ^^' Aj>ji\.
Auch iJU^iAAaäi. in M II. 4 hebt den Gegensatz hervor, in den der
fremde zum eigenen Stamm gesetzt wird.
> B Vm. If. (10 f.).
« C^U • D VI. 2 (00). ^
' ^\ ^} statt: ybjJ\ ^-•'^?
A1-9«iib4> und ihre TnnwUeder. 95
,(Rahe) vor meinem innersten Sinnen voll brennenden
Leids, bis das Leid nicht im Herzen aufbrach und (wie eine
Wunde) eiterte;
,01aub nichts daß ich vergessen hätte; nein, nicht würde
mein Herz erfreut, hätt' ich auch einen kühlenden Trunk
reines Wassers getan/
In L VI. 1 hingegen, R IL 1, M VIL 1, 'Ain IL 1, }^ HI. l ^
sind es die stereotypen Fragen nach der Ursache der Tränen
und die selbstverständliche Antwort darauf, die das Gedicht
eröffnen.
^ UI. I ff. (i^O- >Was plagt dein Auge, daß ihm die
Tränen entquellen wie ausgegossen? sie weichen nicht, noch
trocknen sie an ihm;
,Es weint über einen Toten, der dahin ist, und scheidend
mir als Erbe ließ langbrennenden Kummer'.
Auf eine ähnliche Frage in L I. 1 (i Ar):
, Wegen des Schicksalschlages, den die Tage brachten,
strömt dein Auge über und weint über $abr; während doch
im Lauf der Dinge ein Grund zu vergessen liegt?'
antwortet die Dichterin mit einer zweiten Frage (V. 2):
,Wer hilft einem Auge, dessen Tränen nie versiegen?
wann ich sage: eben trocknet es, dann erst strömen sie und
benetzen (mich).'*
in 'Ain H. 4 (ni) mit einer Aufforderung:
,Drum weint über l^abr und stellt keinen anderen ihm
gleich; jeder Mann muß fallen.'*
Nur selten wird die dialogisierte Form durch ein längeres
Stück beibehalten; meist setzt sich das Gedicht als' Monolog
fort und endet so; klar tritt der durchgeführte Dialog, nach
gewissen Redaktionen, an zwei Stellen des Diwans hervor:
1 Vgl. oben Kap. III. 9.
* Sie verwahrt sich gegen die in Vers 1 ihr gemachte Zumatang, ihres
Braders za vergessen, zugleich gegen den Tadel, der das Übermaß ihrer
Traner trifft.
' Aach in der Anrede an Fremde zeigt sich also die Form des Dialogs,
nicht bloß in der Anrede an die Dichterin selbst. Letztere ist wie be-
sonders B VIII. 1 f. (s. o.) zeigt, nicht bloß als Selbstanrede ^_^Ul^
V.^.«M«JL> zu fassen, sondern als fingierte Anrede zweiter Personen.
96 IV. Abhaiidlaiif; Bhodokanakii.
D X (1 r ff.).
1. ,Haben dir Tränen entlockt über den Sohn *Amr6
Schicksalsschläge, durch die da einen Verlast erlitten hast?
dann weine —
2. /als ob) volle Eimer sich von dir ergoßen — über
ihn, unanfhörlich; wie die Halsbandperlen rollen^
3. ,iiber einen Anführer, den du, o Qun&S; verlorst, mit
weitreichendem Arm, freigebig, rahmeswert,
4. ,einen festen, welcher der beste der Banü Solaim war,
ihren edelsten, der Häuptlinge wählte und selbst als solcher
erwählt ward.'
5. „Abu Uassän war die Stütze meiner Leute ; doch jetzt
liegt er tot mitten im Grabe,
6. „als ein Pfand der Verwesung; doch jeder Held
wird verwesen; drum gieß (o Auge) Tränen aus in reich-
lichem Fluß.
7. „Ich schwöre es: wärst du lebend uns erhalten ge-
blieben, du würdest uns ein Geschätzter sein, der durch kein
Geschätztes aufgewogen wird.
8. „Doch das Schicksal bricht über Nacht herein; ihm
ist eine Wechsel volle Macht selbst über den starken Mann.''
9. ,Hat dich es überfallen, so klage nicht! es hat einen
Freigebigen, Ruhmvollen entrafft,
10. ,einen Starken und Entschlossenen: schon von alters
kam die wechselvolle Zeit über einen solchen, wie einst über
Tamüd;
11. ,und *Ad hat das Schicksal gewaltsam überkommen
und Qimjar und die Heerscharen zu den Heerscharen.
12. ,Nicht möge fern uns bleiben *Abü IJassän §abr; ein
glückverheißender Vogel möge an seinem Grabe weilen!'
Während die Dichterin sonst sich selbst und ihre Augen
( Jli ^jo \>y^ <Ir^) anspricht, sich zur Klage und jene zu
Tränen auffordernd, läßt sie hier (V. 1) von einer zweiten fin-
gierten Person sich fragen, ob ihr Leid dem toten Bruder
gelte. In Vers 5 und 7 spricht al-|JansÄ' selbst in der ersten
Person. Mit Vers 9 ff. i^llt aber der mitfühlende , Chorus', der
auch in Vers 1 tröstete, al-Qansä' ins Wort. Demnach wäre
die dialogische Gliederung dieses Fragments folgende:
▲l.eftiu&' und ihn TnntrUeder. 97
an al-QanB&'
al-gansA' 5-8
an al-9an8&' 9—12,
das gibt 3 Versgmppen zu je 4 Versen.
Allerdings ist gerade die letzte Versgruppe durch die
Httnfong der Namen >U, >yj nnd jat'fc ^ verdächtigt. Das
Fragment wird Übrigens von zwei Handschriften allein (^ nnd
ft^) überliefert.
Auf etwas festerem Boden stehen wir bei Betrachtang
von 1^ I.' Die dialogische Gliederong des Stoffes ist dort
folgende :
Nach der Redaktion der Handschrift f :
an al-jy. 1 — 4
al-g. 5—13
[an aHJ. 12].»
Nach der Redaktion der Handschrift ^ und ^:
an al-ö. 1 f (= f 1. 3)
al-JJ. 3— 11 (= f 4. 5. 2. 6 etc.)
an al-5J. 12 f.
Nach der Redaktion bei Kam. 740:
an al-g. 1 f. (= f 1. 3)
al-g. 3—5 (= f 6. 9. 11)
an al-5. 6 (= f 12)
al-g. 7 f. (= r 5. 2).
Die letzte Fassung gibt das beste Resultat: den vier-
maligen Wechsel der redenden Person.
Zwar nicht in ursächlichem Zusammenhang damit^ aber
doch in engem Anschluß an diese mindestens zu Beginn der
I^a^lden sicher erkennbare Form des Dialogs im Rit^' möchte
ich auf die von Ooldziher^ beleuchtete Gepflogenheit der
Trauerversammlung (^'L» oder i^XLc) hinweisen. Für die
Teilnahme einer der Trauerversammlung ft'emden Person an
einer solchen gab es den terminus technicus: («ViLJl ^) >liCMi^\
> Vgl. NOldeke, Beiträge etc. XI.
' Vgl. den Elzkars im Anhang.
* Der swOlfte Vers, in dem die wichtige zweite Person vorkommt: dc^X^,
steht von Handschriften nur bei »- und j^^t wohl aber bei KAmil an
sechster Stelle.
* p. 320 ff. 1. n.
äitnsffslMr. d. phil.-hut. Kl. CIL VII. Bd. 4. Abb. 7
98 IV. Abhandlung: Bbodokanakis.
die Mithilfe (in der Klage). Der Sache selbst und des sie be-
zeichnenden technischen Ausdrucks geschieht auch im Diwio
al-Qansä' oft Erwähnung, meist eben an dialogisierten Stellen.
Zunächst wird der Ausdruck jJm\ auf das Auge ange-
wendet; das die Dichterin anspricht und zum Tränenerguß auf-
fordert: T III. 3 (r£) = P I. 1 (lov) , Wohlan, mein Auge,
hilf mir!' ^^^.jjco»! ^^^^ ^^^^ b ^1; der analoge Ausdruck
»^iuciil in L VIII. 4 (ff')" ,Wenn ihr (zwei Augen) mir helfen
wollt, nun 80 stehet mir bei (mit Tränen)!'
Negativ entspricht dem genau in der Ansprache an die Augen
die Phrase: ,verlaßt mich nicht, laßt mich nicht in Stich!'
R XV. 2 (in) Ä^U j^ ^\3 3^^Ii^
L VII. 2 (riA) dJiU. ^ ^>^ Ji ^Uo \J
L IL 2 (iaa) «15LJ\ JL>. ^^^^o. ^>Jj^ ^.
Der Ausdruck ^l»^! und sein negatives Analogen in der
Ansprache an die Augen sind zweifelsohne Übertragungen aus
ihrer Verwendung in der Ansprache an Personen. AhnUch
wie dieser Ausdruck und sein Bedeutungssynonym «^ää-«»! scheint
auch j^U) gebraucht worden zu sein. So liest Handschrift y^
(Suppl. rir, Z. 3), in P I. 5 (lov) statt Jy^ i^\^ Js JiLo\
jindem ich frug': J\ ^U»\ ,indem ich beistand bei Nacht jeder
(wachenden) betrübten (Mutter) etc.' Der Sinn ist klar, be-
sonders wenn man R XIII. 4 (ir«) zum Vergleich heranzieht:
,Die Menschen weinen betrübt und die (rinnen stehen
den Wachenden bei.'
Vorstellung und Ausdruck für diesen wie immer gearteten
Beistand in der Klage müssen weit verbreitet gewesen sein;
Muti b. ^Ijäs beginnt noch sein sentimentales Gedicht^ in dem
er zwei Palmen von IJulwän zu Zeugen seines Unglücks an-
ruft,* mit der Wendung:
* Vgl. die dritte Form von j^icu) in Wright op. 121 oben.
Marfttl 7 und 8 ^^ j.jj;,l
' Vgl. im Kommentar za diesem Verse: •\S^\ jJlfi ^--oj^L*»*.
» Ag. Xn. 107.
A1-9MIM* und ihr» Tnaarlieder. 99
,HeIft mir o ihr beiden Palmen Holwans^
jHelft mir weinen * ob der Zeit Verdruß . . / (Rückert)
Wenn wir demnach der altarabischen Klage das drama-
tische ^ fremde Wesen zar Mitleidenschaft um den Hanptbe-
troffenen gruppierende Element nicht ganz absprechen dürfen,
und weiterhin der anthropomorphen Naturbeseelung gedenken,
wie sie allerdings ziemlich spät, aber so ausgeprägt im oben
zitierten Vers des Muti' sich geltend macht, so erscheinen auch
jene Stellen des Rit4' in einem eigentümlichen Licht, die von
neu erwachendem Jammer erzählen, wann die Tauben girren,
deren Ton gleichsam der menschlichen EJage antwortet.
So 'Ain m. 1—3 (nr):
,Ich gedenke l^abrs, wenn eine laute Taube girrt
auf einem Zweig des 'Ainstrauchs klagend;
,Da weilt' ich ihr weinend' mit nassem Aug'^ während
mein Herz davon schmei*zerfUllt war, was sie mir in's Ge-
dächtnis rief.
,Sie rief mir l^abr in's Gedächtnis . . .
Oder 5 IL 2f. (ivi):
,Es ruft mir $abr in's Gedächtnis eine laute Ringeltaube,
wenn sie auf den Asten klagt,
,und (ebenso) jede Tränen vergießende, die heulend die
Nacht verbringt, mit jedem weinend, dessen verwundetes
Herz (nach einem Toten) sich sehnt/ ^
Wo es aber gilt, das Übermaß des eigenen Leids aus-
zudrücken > das für fremden Schmerz kein Mitgefühl mehr
übrig läßt, da wird die Mitklage verweigert; so in L VI. 3 (f-r):
' Der Dual ist charftkteristisch als Anklang an die ,zwei Reisegenossen'
in den Ka^idenansprachen.
* tJ ^^^ ebenfalls ein Aasdruck für die Mitklage, vgl. L X. 6 ,^^5o\ ^
' 1^' ^ LIUJLfei Vgl. oben Note 2.
* Beachte die Gleichstellung der menschlichen and tierischen Klage.
Letztere wird zum Vergleich herangezogen in H II. 6 (rr):
und vgl. NMdeke, Beiträge p. 102, Vers 41 und B II. 11 ff. (vi ff.).
7»
100 IV. Abhuidlnoff: Bhodokanakis.
,Nie werd' ich um einen Untergehenden trauern, noch ein
klagendes Weib befragen: M& lahä? (Was ist ihr?)^' oder
L X. 5 (rrr):
^So ward ich eine, die nach deinem Tod an keinem Genoß
sich erfreute, mein Leben lang, noch aber wegen des Jammer-
schrei's einer ihrer Kinder beraubten Mutter weinte.'*
Diese Verweigerung der Mitklage steht zu den Ausfüh-
rungen, die im II L Kapitel, Abschnitt 8 Über die Trostgründe
im Rita' gemacht wurden, in teiiweisem Widerspruch. Be-
leuchtet wird das psychologisch eigenartige Verhältnis des
eigenen zum fremden Leid und die Art der Teilnahme an
demselben bei al-^ansä' in L XIV. 1 ff. (rrv):
1. ,Mögen ein Grab, vor dem die Hänge Gamras stehn,
des Regens dauernde FrühlingsgUße tränken und sein groß-
tröpfiger Guß.
3. ,Zwar pflegt' ich, vor dir dem Weinenden meine
Träne zu leihn, doch du nimmst sie (jetzt) dem vorweg, der
nach dir dahinging.
2. ,Ich leihe ihnen (jetzt zwar) mein Ohr, wann gedacht
wird einer (fremden) Trauer, da ja in meinem eigenen Herzen
(um $abr) ein Leid ist, das von ihm nicht abläßt.''
Vers 3 erinnert an Stellen wie L VI. 3. X. 5 (s. oben)
oder I^ I. 4., die eine wie immer geartete Klage nach dieser,
die dem eben verstorbenen gilt, unmöglich und unsinnig
finden; Vers 2 hingegen gemahnt an den in S U. 11 — 14* aus-
gesprochenen Trostgedanken, wonach die Dichterin Kraft, ihr
eigenes Leid zu tragen aus dem Anblick eines fremden ver-
wandten Schmerzes schöpft. Die Stellung der Verse ist mit
Ibn al-'A'rabi,^ dem die Anordnung meiner Übersetzung folgt,
^ Beziehungsweise v>X3 L« in der direkten Rede.
* J51j «^jJ ^<ii\ Vgl. oben p. 99, Note 2. — Verweigerung der Mit-
klage noch K L4 (ivo), L XIV. 3 (rrv).
' Aus einem krassen Mißverständnis solcher Stellen, besonders ron S II. 14
(lor) und L VI. 3 (r*r) ist die unsinnige, aber für Wesen und Existenx
des *Is'äd wichtige Fabel p. lor, Komm, zu S II. 14 abgeleitet: Lfj\
J\ •15U3\ f^ Uj^U*J vgl. Ähnliches bei GoldBiher 1. n. 835.
* Vgl. oben Kap. III. 8.
* Diw.« rrWj Note b.
Al-9an8&> und ihre Tranarliader. 101
gegen den Text umzukehren; weil Vers 3 das schildert, was
vordem var, Vers 2 aber vor ihm matt wäre, da noch der
Gegensatz fehlt. Jetzt nimmt die Dichterin an fremder Trauer
tröstend und mitklagend nicht mehr Anteil; nur in ego-
istischer Absicht hört sie ihr zu, um den eigenen Kummer
zu betäuben.
Ahnlich wird daher auch die mit L VI. 3 (s. oben p. 100)
widerstreitende Stelle P 1.4 f. (lov) aufzufassen sein:
,Nach dem Tode des sulaimitischen Helden tröstete ich
mein Herzeleid durch das Lied;
,indem ich jede jammernde ihrer Kinder beraubte
(Mutter) frug, die das Schicksal abgenagt hatte wie einen ge-
brochenen Knochen.**
Hier wäre noch auf die schöne Auffassung des Liedes
als selbstbefreiender Tat des Sängers hinzuweisen.
Den Inhalt der Frage aber, die al-Qansä' an Jede
jammernde, ihrer Kinder beraubte Mutter* gerichtet, kennen
wir schon aus dem oft zitierten Verse L VI. 3.
Dieses l^ U hat hier offenbar Wert und Stelle eines Zitates
aus dem '15U)\ ^ >^a^1, dem Beistand in der Klage, als dessen
eine Form die interrogative' uns poätisch überliefert ist
und als deren Inhaltsteil wir nun das vfXi U annehmen dürfen.
Dieses und ihm analoge Äquivalente kommen denn auch an
Qedichtanfkngen in der Ansprache an die Augen des
öfteren vor.
z. B. :g: in. i (»a.:) = b vil i (»«): e>c^ j^ u
L VL 1 (r.») = 'Ain H. 1 (n»): ^*^^^^ ^ '^^•
Auch des Institutes der NawÄ^b oder Klagefrauen,'
die an der Man&ba oder Trauerversammlung teilnehmen,
geschieht bei al-Qans^' Erwähnung; so heißt es zunächst von
Mu&wija in L VL 24 (nr):
* Ob ^Ja> Jüb mit MjLm>\ engstens zu verbinden sei, oder vielmehr
jedes von beiden einzeln und getrennt als Trostmittel bezeichnet wird,
wage ich nicht za entscheiden.
» D L 6 Jy^ i^\^ JS JJU^ neben L X. 6 J5U k>jJ ^\-
' Qoldziher 1. u. 326.
102 lY. Abhandlunf: Bhodokanakis.
,Oft hast du Frauen (deren Männer du im Kampf ge-
tötet) zur Totenklage aasgesandt: wie junge männliche Kälber
(brüllen); nachdem die großäugigen (Kühe) ihre Jungen erblickt
haben/
Das Bild drückt nur die Reeiprocität des gegenseitigen
Anrufes aus.^ In *Ain VI. 2 (»to) läßt sich wiederum die
Dichterin ansprechen :
,Drum weine und werde der Klageweiber* nicht mttde,
die zur Trauer in Ein Kleid gehüllt sind, über deinen hoch-
sinnigen, großmütigen Bruder/
Ihrerseits scheint sie in ^Ain II. 4 (i'ii) sich an Trauer-
weiber zu wenden; nachdem sie von ihnen erst befragt worden:
1. , Wohlan, was fehlt deinem Aug', daß es nicht ruht
und weint, als hälfe das Weinen,
2. ,als ob seine Tränen Perlen wären, die (der Schnur)
entgleitend fallen, oder schneller noch ;
3. Es rollen und lösen sich von der (Schnur) die Perlen
und gleiten insgesamt vom Seidenfaden herab',
fordert sie jene auf:
4. ,Ihr aber weint um §abr und stellt niemand ihm
gleich . . /*
^ Die Muttertiere und ihre Jungen, die einander erblickt haben, brailen
sich gegenseitig an. Vgl. die vier beziehungsweise drei Mutter-
tiere in den oben p. 99, Note 4 zitierten Versen (KOldeke, Beitr. 102,
Vers 41). Die Reziprozität drückt auch der Kommentar ans: dJL&i
^^^\ j^M^. J\y^\ Cj\y^l
* Komm.: ^karli ^^«^ ^y^^ ^^^ C9^^ ^^^ »Kl^<)'-
* Geschildert werden die Klageweiber in R HI. 4ff. (ai) 14 (^r) wie
sie dem Sargträger, der allzuraschsc breitet, kaum folgen, und die Reden,
die sie dabei führen:
In H I. 16 ff. {r^)• mit struppigem Haar verwahrlost und abgemagert,
sie ruhen nicht, selbst wenn bei Nacht die Hunde schweigen; sie
schlummern eine Weile, dann heben sie von Neuem die Klage an, wie
Kamelstuten, denen die Jungen geraubt worden, die nun selbst die
Tränke meiden. Derselbe Vergleich in H H. 6 (rr) ,SieV in meiner
Brust sind vier (Kamelinnen), die (um ihre Jungen) klagend einander
antworten (vgl. oben p. 99, N. 4), bis sie abends die Hürde erreichen*;
wo offenbar eine menschliche if,^hil-.^ vorschwebt.
A1-0M184* «nd ihre TnnerUeder. 103
Von dieser Mitklage ist aber die Wettklage scharf
zQ sondern. Es gibt nämlich zur Mafäb&r^ ^i^^ sonderbare
Spielart y die Mu'ft?ama fi-l-mufibät,^ wovon uns der Diwftn^
ein lehrreiches Beispiel erhalten hat. Wie man nämlich im
'Iftibftr sich des Adels der Abstammung, der vom Mutter* xmd
Vaterstamm vollbrachten Oroßtaten, des Reichtums der Gens
an Gut und Menschen rühmt, ebenso kann eine Familie oder
ein Einzelner umgekehrt die Lücken öffentlich zur Schau stellen,
die der Tod in den Reihen der Seinen gerissen hat, und mit
der Unersetzlichkeit des Verlustes prahlen. Es liegt beiden
Gattungen das gleiche Motiv zu gründe, wie denn auch künst-
lerisch jenes Rit&' das beste ist, welches mit dem Lob und
Ruhm des Dahingeschiedenen die Trauer um ihn vereinigt.
Je größer seine Verdienste und seine Wertschätzung waren,
um so allgemeiner und tiefer ist die Klage um ihn. — Ein
solcher Wettkampf setzt natürlich ein Publikum voraus. Ist
erst der betroffene Stamm mit dem Lobe der Gefallenen ge-
sättigt und voll der Klage um seine Helden, dann appelliert
das Lied gleichsam an die höhere Instanz, an ein größeres
Zentrum; solcher gab es schon zur Zeit des Heidentums in
den ^^y (Messen)' besonders zu 'Ukä?. Sie waren wie die
Wallfahrt, die Voi-schule der Nation auf ihrem Wege zur
Einigung. Hier kamen die gemeinsamen Aspirationen zum
Ausdruck, hier prallten aber oft ihre Träger aneinander. Auf
solcher Messe trug auch al-Qansä' ihr Unglück zur Schau: in
marktschreierischer Weise^ wäre man zu sagen versucht: sie
schmückte^ ihre Sänfte mit einem Fähnlein^ wohl um die Leute
anzulocken wie zu einer Weinbude , und trug solange ihre
CUagelieder vor, indem sie behauptete, xmter den Arabern sei
ihr das traurigste Los beschieden, bis ihr die dort versammelten
Stämme, welche ja die Kunde vom Gehörten den daheim ge-
bliebenen gewiß zutrugen, dies zuerkannten.^ Bei dem ehr-
geizigen, ako zu Widerspruch neigendem Volke der Araber
» V^l. p. oa: W-5U-WO- ^ V*W^1 <^^*^' CUUä. und ^\ ^^^ijüb
* D Vin. oa: "
' Flügel, Die grammatischen Schulen der Araber, p. 7.
* Zu diesen und den folgenden Einzelheiten, rgl. Diw.* oa ^ A^. IV. 34 f.
* Ag. 1. n. mit einer EinBchrftnkung v5^> Jeou L^ C^^ jS u,>^J>n ^*j\^.
104 IV. Abhandlung: BhodokanakiB.
konnte aber selbst eine derartig privilegierte Stellang nicht
lang unangefochten bleiben; es können übrigens die Beweg-
gründe auch näher liegen; was öffentlich geschieht, fordert
zur Vergleichung und Entgegnung heraus; es ist die Korrektur
des einen Einzel- durch das fremde und KoUektivbewußtsein.
Als Hind bint 'Utba in der Schlacht von Badr Vater, Oheim
und Bruder verloren hatte, suchte sie al-$ans4' den traurigen
Rang abzulaufen ; sie kam nach 'Uk4? zur Messe, ahmte ihrem
Vorgehen in Allem nach — auch ihre Sänfte trug ein Fähnlein
— ihr Kamel ließ sie zu dem al-Qansä's binden, bis diese
neugierig geworden, sie nach ihrem Namen und Wesen frug.
,Ich bin Hind bint ^Utba b. Rabi^a und mich hat unter den
Arabern der härteste Schlag getroffen! Doch hörte ich, daß
du diesen Vorrang unter den Arabern beanspruchst; auf Grund
wessen tust du dies? , Wegen des Todes meines Vaters ^Amr
b. Sarid und $abrs und Mu^&wijas, meiner Brüder. Du jedoch?'
, Wegen ^ütbas, meines Vaters, und Saibas, meines Oheims und
Walids, meines Bruders.* ,Nun, gelten diese dir (den Meinen)
gleich, Schwester?' So entstand die Wettklage; Rede und
Antwort haben gleiches Metrum und Reim; diese nimmt ein-
zelne Wörter und Wendungen jener auf.^
Al-Qansd, :
1. ,Ich beweine meinen Vater 'Amr mit tränen-
feuchtem Auge; kurz ist dessen Ruhe, wann die (sorglosen)
Augen schlummern;
2. ,und meine zwei leiblichen Brüder; nicht vergeß' ich
Mu'äwijas, zu dem die Oesandtschaften kamen von den Edelsten
der beiden 5arras,'
3. ,noch des $abr: wer aber gleicht Sa^r, wann er des
Morgens mit einer dünnflankigen , schlankbauchigen Stute
auszog, sie lenkend;
^ Han8&' 1 und Hind 1: ^^\] Han8&* 1 and Hind 2 ^\; Hans&* 2 und
Hind 1 ^^^\ — cr:^^^^ 5 S*°^* ^ ^^^ ^^^^ ^ i^r^^
Han8Ä*4: JU^ .,,^^ — ^;J\ — viX]\v>i
Hind 3: ^^^ ^^^.jo. - 0^^ Jjbl ^^i/\
Vgl. noch H ni, p. rv ff.
* Harra Bani Sulaim and Bani Hil&l.
Al-9aMft« und ihr« TnMerliedMr. 105
4. ,Die8 aber ist der (wahre) Verlust, o Hind, merk 's
wohl, und (sie waren) die Feuerflammen des Krieges, wann
sein Brand angezündet wurde/
Hind bint 'Utba:
1. ,Ich beweine die Stütze der beiden 'Abtal^ und
ihren Beschützer Yor jedem übermütigen Angreifer.
2. ,Mein Vater *ütba, der treffliche, merk's doch,
nnd l§aiba and der Wahrer des Rechts al-Walid:
3. ,Sie waren die ruhmvolle Familie von den Qälib
und unter den Mächtigsten Yon ihnen, wenn ihre Zahl ge-
doppelt wird — .'^
YU. Al-Qansft's persönlicher Charakter.
Wenn wir am Ende dieser Untersuchung uns nicht sosehr
den künstlerischen, als vielmehr den persönlichen und indivi-
duellen Charakter der Dichterin vergegenwärtigen wollen, so
müssen wir von ihren Liedern, die doch notwendig nur ver-
zweifelt und kleinlaut klingen konnten, eine Weile absehen
und einen Blick auch auf die Zeit werfen, in die ihr Leben
und Wirken fiel, auf die Art und Weise besonders, wie sie
zu dieser sich stellte. Was man ist, das zeigt man im Unglück,
das nicht bloß niederschmettern, sondern auch alle Kräfte
spannen und lösen kann. Sich derart zu offenbaren, hätte
al-Qansä' reichlich Gelegenheit gehabt. Allerdings aus ihren
Liedern werden sich zufolge der eigentümlichen Verhältnisse
ihrer wie der altarabischen Poesie überhaupt eben nicht viel
Anhaltspunkte zu einem Charakterbild ergeben. Wir sind
auf kurze Anekdoten angewiesen, die aber, so unwahr und
mythisch sie auch sein mögen, mindestens innere Wahrschein-
lichkeit genug besitzen.^ Gleiche Vorbedingxmgen können unter
allen Zonen und zu allen Zeiten nur gleiche Folgeerscheinungen
zeitigen; und wer wie al-!@ansä', (dies aber zeigt uns ihr Diwan)
mit seinem ganzen Denken und Fühlen, Leben und Träumen
in der besseren Vergangenheit wurzelt, wird sich gegen die
ansttlrmende unbekannte Zukunft mutatis mutandis ebenso ab-
» ^^yJi3y wofür auch die V«r.
* Cf. Kap. I.
106 lY. Abhandlnnf : Bhodokanaki*.
lehnend verhalten^ wie es von al-Qansä' uns berichtet wird.
Ihr Lebensabend brachte ihr die ersehnte Rahe nicht, die sie
nach dem tragischen Tode ihrer Brüder als Ersatz fär einen
Scbicksalsschlag mochte erwartet haben , dem übrigens das
Beduinenleben der vormo^ammedaniBchen Zeit reichlich Ahn-
liches an die Seite stellte. Sie fand sich mit den Ihren nicht
mehr zurecht and mit ihrem letztgeborenen Kinde konnte sie
sich nar schlecht vertragen. Dies erzählt ans die Sage and
sie bedeatet : erbittert and vergrämt schloß sie von der Aaßen-
welt sich immer mehr ab; warde sie ansanft geweckt, dann
ging der Hieb, der parieren sollte, weit über die Heftigkeit
des Schlags, den er aaffieng; wie dies stets der Fall ist, wenn
ein angerechtes Schicksal das Gemüt vergiftet hat. überem-
pfindlich geworden^ reizt es das anschaldigste Wort za leiden-
schaftlichem Argwohn und übermäßiger Abwehr; dann folgen
auf Nadelstiche Keulenschläge als Antwort. Es klingt übrigens
aus ihren Versen auch etwas wie eine Klage um die verlorene
und verdorbene Jugend durch, Klagen mit realem Hinter-
grund und von triftigsten Gründen getragen, ganz anders ge-
halten, als in der hergebrachten Manier der erlogenen Elegie
über frühergrautes Haar* — nicht Wehmut auslösend, son-
dern rebellisch gegen das Schicksal sich auflehnend.
Der Gegensatz, in dem sich die konservative Dichterin,
die ganz Beduinin, man möchte sagen Bäuerin geblieben war,
zu ihrer ganz veränderten Umgebung befand, konnte ihre Er-
bitterung nur vermehren. Ihr trübes Lebensende fiel in jene
jugendliche, alles umwälzende, neuigkeitsschwangere Zeit, da
das Arabertum seine große Wandlung aus einem halbwilden
Volke im Stadium der Stammbildung zu einem Kulturträger
begann; auf die Dichterin selbst hatte dieser Umschwung
keinen Einfluß mehr; ebensowenig, als die neuen Lehren des
J^or'Än auf ihr Fühlen, Denken und Dichten mehr einzuwirken
vermocht hatten. Ihre Entwicklung — zur dichterischen Be-
gabung wenigstens — hatte durch den Tod ihrer Brüder einen
mächtigen Ansporn erhalten; sie sollte aber auch auf ewig in
diesem Zeichen gebannt, stille stehen; auf immer und ganz
war sie nur mehr der Klage um sie gewidmet, als hätte es
* B Vm, D VII.
A1-9WS&' und ihn TrMerlMdftr. 107
nach dieser Katastrophe für sie keine weitbewegenden Ereig-
nisse mehr gegeben im Schöße der eigenen Nation, die sich
erst zu fühlen begann. Es ist eine Frau, die zu uns spricht;
zur Zeit des Heidentums ihrer natürlichen Stützen beraubt,
der Brüder und des Gatten, macht sie in Klageliedern — sie
waren schon kraft ihrer Entstehung eine Spezialität dichtender
Frauen — ihrem Kummer Luft; von diesem Gram gebeugt
und stark gealtert, erreicht sie die Schwelle einer neuen Zeit;
sie zu fühlen und zu begreifen, geht ihr die Kraft ab; Kraft,
oder vielmehr Trotz findet sie nur in der vis inertiae ihrer
Psyche, um den Mächtigen der neuen Zeit gegenüber starr
und spitz in der Rede auf ihrem alten Standpunkt zu beharren;^
der neue Strom, auf dem schon ihre Söhne schwammen,' reißt
sie nicht mehr fort; jedoch ein Vorfall in ihrer nächsten Um-
gebung, nichtig und kleinlich, vermag ihre Zunge und die
Klage um all den angehäuften Jammer zu lösen.^
Daß sie nach dem Tode ihres Bruders $abr, der ihrem
tragischen Geschick die Krone aufsetzte , nirgends mehr Ruhe
noch Befriedigung fand, klagt sie selbst in einigen ihrer Verse:
,£28 haben mir nach seinem Tode offen Abneigung gezeigt
sowohl Verwandte wie Nachbarn.'*
Doch bUeb jener ihren Racheliedern ^ zu Trotz für immer
ungerächt;^ die Dichterin hatte sich überlebt und ihre Ge-
schichte wäre damit zu Ende.
Die spätere Tradition wollte ihr aber einen anderen, ver-
söhnenden Abschluß geben. Darum läßt sie al-Qansä' ihren
Söhnen ins Lager von i^&disijja folgen und, bevor diese in
den Kampf ziehen, sie mit salbungsvollen Reden, die von
> Gegen 'Umar Diw. Einl. zu L XIV. Einl.* p. 20.3; beim Ha^g (vgl.
K I) ebenda. Gegen 'A'isa ebenda und Suppl. rvo: 9 ff. Gabriel! 104 f.
149 ff. Zu ihrem selbständigen, selbstherrlichen Charakter vgl. auch
Dfw.* Einl. p. 8 Mitte anläßlich der Werbung Daraids; Gabrieli 98 ff.
* Oder die SOhne ihres Gatten. *Abb&s b. Mirdfts war ein Herzbesänf-
tigter. Es war also weniger ein idealer Strom überzeugter Begeisterung,
der sie trug, als vielmehr ein nutzbar gemachter Fluß, der GoldkOrner
fahrte.
* Zu dieser zusammenhängenden Darstellung weise ich auf das in Kap. I
zu D YII Gesagte hin.
* R XVII. 24 (in)- Vgl. noch L IL 15 (i i^ i), IX. 2 (m), Gabrieli p. 130.
* Vgl. oben Kap. V. « Gabrieli 140 ff.
106 ^,,jak^nmkia.
.^, ^ar Tapferkeit und Ausdaner auf
^^ //f^^^ ^peU'^ I^iö Versuche, die Gabrieli auf
L0r'^^'^^%tf^,^'^ Schritt macht, um dieser Fabel den Halt
J^*^^ ^„d ^^ ^jMehkeit zu geben, indem er bald eine Spal-
i^-Kg, )V^b'^ ijj der Dichterin und des Weibes annimmt^^ bald
^^^i/tf^^'^-^ettfismus und Mystizismus der neuen Religion,
^ st^ 'f gßsagt, damals und bei den Beduinen nichts Mysti-
die, ^ j jiichts Asketisches anhatte, Ruhe und Vergessenheit
scb^ ^ j finden läßt,* zeigen ihre Haltlosigkeit am besten.
^.^^üßsen eben auch hier, wie in der Erfüllung so viel an-
^^'^ ^f^gischer Geschicke auf den versöhnenden Abschluß
ehtß^ ^^^ werden gut tun, wenn wir al-^ansft' wohl
IT ner tmd — Starrsinn zumuten , aber jede Sentimentalität
üd jeden Supernaturalismus ihr energisch absprechen. Eine
vfodarch immer in ihr veranlaßte psychische Abstumpfung
iregen seelischen Schmerz brauchen wir darum nicht anzu-
nehmen. Wir dürfen nur nicht vermeinen, das Seelenleben
der Beduinen qualitativ und quantitativ mit unserem Maßstab
messen zu können, und noch weniger der Kehrseite vergessen,
die alle Bewußtseinssteigerung aufweist; auch der Schmerz
und die Empfindlichkeit für ihn mehrt sich erst, je weiter
der psychische Inhalt mit der ontogenetischen und phylogene-
tischen Entwicklung an Breite und Tiefe zunimmt.
^ Gabrieli 152 ff. Dtw.* Einl. 21 f.
' p. 162 oben.
* p. 154 unten.
\
Al-0HMi< ood ihr« Trmo«rlied«r. 109
-A.nhang.
B. IV (Diw4n« irff.).
1. Zn manch einem treuen Genossen sprach ich: sieh'
du bist an einem dem Anprall der (feindlichen) Reiterschar
ausgesetzten Orte (so nimm dich in Acht!).
2. Du bist als Späher einer Eämpferschar (vorausgesandt);
hast du also einen hohen Wartort bestiegen, so blicke aus!
3. Da schwang er die Peitsche über einem starkflankigen,
kurzhaarigen Rosse wie der graue, starke Steinbock (flink);
4. dieses aber neigte sich angespornt im schnellen Lauf
wie ein Pfeil des linkhandigen Schützen.
5. Sie beide spähten nun aus und erblickten einen
Reiter, der auf dem höchsten Gipfel des hohen Aussichtsortes
spähte ....
6. Wenn du weder in Deinem Leid nachgelassen, noch
mit Erfolg auf fremdes Leid geblickt hast, (dich zu trösten)/
7. Sieh' so befindet sich auf dem Weideplatz yon Jalban
eine Kamelin, den Nachtritten gewachsen, unter den schlanken
Jungkamelen (weidend).
Zu diesem Fragmente haben wir einen ausführlichen
Kommentar, dessen Erläuterungen zum Teil innerhalb des
Stammes Sulaim selbst gesammelt worden sind.' Trotzdem ist
der Text, wenigstens was die Reihenfolge der Verse bei f an-
langt, gewiß nicht in der Ordnung; Sinn und Zusammenhang,
auch wenn man die Versfolge bei ^, ^, v^ akzeptiert,' nicht
* Vgl. oben Kap. III, Abschnitt 8.
' Vgl. p. ^s Komm, ku V. 2, Z. 3; si Z. 8. 10; ^a Komm, zu V. 7, Z. 1
und Diw.» Pröface VI.
» 6. 7. 1—6. Vgl. Diw.* r. : Diw." ^a, Z. 10. Suppl. rsi: Vers 5 steht in
^ und v«j n«ch Vers 2 (vgl. Diw.' ^v Komm, zn V. 6 g. E.). Für den
Gang der Untersuchung im Qroßen und Ganzen ist die spezielle Stel-
lung dieses Verses innerhalb 1 — 5 nicht von Belang. Hauptsache bleibt,
daß 6 f. eine syntaktisch und dem Sinne nach abgeschlossene Gruppe
bilden, in die 6 nicht hineingebort. Natürlich ist aber die Folge 4. 5 (^)
besser als die Folge 2. 5: denn erst nachdem der Befehl (1 f.) auch aus-
geführt worden (3 f.), kann der Späher zum Resultate kommen.
110 IV. Abbuidliuig: Bhodokftnftkii.
ohneweiters einleuchtend and die ausschlaggebende Erklärung
des Kommentars zu Vers 6 f. mißverständlich. ^
Zunächst ist aus inneren Gründen des Konnexes die Vers-
folge nach f unannehmbar. Dies hat schon der Herausgeber
empfunden und in einer Note zu seiner Edition* angemerkt.
Hier hilft nun das Mittel, verloren gegangene Verse anzu-
nehmen wenig; denn gingen auch nach Vers 5 Verse verloren,
so wäre gegen die unvermittelte Folge von 6 auf 5 (oder 6
auf 4)^ nichts gewonnen, da jene Verse, auch wenn sie auf 5
folgten^ doch 6 nicht vorangehen durften. Denn Vers 6 muß
nicht bloß des Binnenreims, sondern auch seines Inhalts wegen
an erster Stelle stehen und den Anfang einer ]^a§!de gebildet
haben. Innere und äußere Gründe sind es also, die gegen die
vorliegende Versordnung sprechen.
Vers 1 — 5 einerseits, Vers 6, 7 andererseits flihren uns
zwei gänzlich verschiedene Situationen und Bilder vor. Dort
einen vorgeschobenen Wachposten, den Angriff eines Feindes
(raablustiger Mitbeduinen) rechtzeitig zu erspähen; hier: ein
ausdauerndes Reitkamel, an einer genau bezeichneten Lokalität
weidend , in Verbindung mit dem ungestillten Schmerz einer
Frau {^^JM — v3^-aju ^). Beide Ausgaben^ lesen das ent-
scheidende zweite Wort in Vers 1 beziehungsweise 3 c>JLS. —
Wenn wir mit den Redaktoren und Kommentatoren des Diwans
davon ausgehen, daß Vers 1 — 5 mit 6 f. oder umgekehrt
6 f. mit 1 — 5 zusammenhängen, und wir diese letzten , bezie-
hungsweise ersten zwei Verse (6 f.) wiederum nach den Kom-
mentatoren^ als den Teil, beziehungsweise als die Einleitung
einer Elegie auf $aiir auffassen, so sind wir ohne Weiteres zur
Annahme berechtigt, daß auch Vers 1 — 5 irgendwie von §abr
handeln, etwas über ihn, oder über einen Gegenstand, der ihn
anging, von einer Situation, in der er sich einmal oder öfters
befand, aussagen müssen.
Dann ist es aber mindestens auffallend, daß die Hauptperson
dieser Schilderung (1 — 5) im Text so ganz unbestimmt bleibt:
1 Ihr folgt Coppier 86, Note 1 und Gabridli 134 f.
* ^v: c.
3"Cf. Note 2.
* Ebenso im Komm. p. ^i, Z. 1 der II. Anfl.
* P. SA ZU V. 6.
Al-Sansi* und ihre Tnoerliader. 1 1 1
Daß hier, wenn es mit rechten Dingen zuginge, von $abr die
Rede sein müßte, fbhlt auch der Kommentator in f (p. ^s, Z. 1)
und erklärt deshalb: ^ Ij ^\ ^^ CU* JLo v--^to vIL^^ ^\. Da-
durch aber, daß er im Kommentar dem unbestimmten ^..'«Ai.Lo den
bestimmten y«s** anfügt, wird im Text die Sache um nichts
besser; und zwei solche Sätze aneinander zu reihen wie: zu
manch einem treuen Freund, oder: oft sprach ich zu einem
Freund: du, o Sa^r! kommt mir auch von einem Kommentator
allzu gewagt vor.
Auch der Herausgeber in den Noten p. ^rf. und i« b hält
diesen (von al-Qansä!) als Späher ausgesandten treuen Ge-
nossen für deren Bruder $abr. Nicht der gleichen Meinung
ist aber der sulaimitische Kommentator in Vers 2 : J^j \j^
*i-U3^ ^ ^^^ ^^\ A-oyJ Jij^\, der ihn also 1. einen beliebigen,
nicht näher gekennzeichneten Mann und 2. von seinem Clan,
nicht von al-^ansä^ angewiesen sein läßt, dies und jenes zu
tun. In Vers 5 stoßen wir plötzlich auf einen Dual. Der
Kommentar (^v) läßt ihn, wie in Süra 50. 23 für den Singular
gesetzt sein. Der Herausgeber, dem dieser Erklärungsversuch
wohl auch nicht ganz behagt, bezieht ihn auf Reiter und Roß
(^v^ Note a). Qottlob hat niemand daran gedacht, nachdem
al-Sans&' in Vers 1 einen Späher ausgesandt haben soll, sie
hier auch mittun zu lassen und V. 5 (mit Wechsel der Person)
so aufzufassen, als ob sie jenen begleitet hätte, und nun vom
Resultat der gemeinsamen Expedition redete. — Aber auch so
ist der Wirrwar arg genug.
Nun lese man aber statt qultu, qulta (sprachst du) und
alles ist gerettet, auch die Beziehung der Verse auf §abr ge-
wonnen. Denn so kann die Dichterin die Verse (in einem
Lob- oder Trauergedicht) sehr wohl an ihren Bruder gerichtet
haben:
1. Manch einem Freund sagtest du: Sieh' du bist an
einem ausgesetzten Ort, wo Freibeuter, die uns bedrohn, in
der Nähe sind; nimm dich in Acht!
^ Mim achte, es spricht al-Haiis&*.
' Vgl. wieder die Note des Herausgebers ^c b.
112 IT. AbhAadliinf : Bhodokftnftkis.
2. Du bist ja als Späher der Unsrigen voraasgesandt !
Hast da jetzt einen hohen Warteort erreicht , so blicke ans,
ob jemand sich zeigt.
. 3. Da schwang jener die Peitsche . . .
4. und flog fort wie ein Pfeil . . .
Al-Qans4' geht von der Apostrophe (in der 2. Person)
zur Erzählung über (in der 3. Person):
5. Sie beide blickten nun aas und bemerkten einen
feindlichen Kundschafter (der selbst nach ihnen spähte) . . .
^si^r ist eben mitgegangen.
Den Vorposten, welcher räuberische Beduinen fernhalten
sollte, wird füglich der Sajjid des Stammes ausgeschickt
haben; in besonders gefährlichen Zeiten selbst mitgegangen
sein/ kaum aber eine Frau.* Sollen also diese Verse noch
weiter im Diwan al-^ansä' stehen und ihrem Bruder gelten,
so ist dies nur unter der Voraussetzung möglich, daß qulta,
nicht quitu gelesen wird. Daß aber $abr Sajjid seines Stammes
war, ist uns auch sonsther bekannt.^
Die Verbindung zwischen Vers 6 und 7 stellen die Kom-
mentare folgendermaßen her (p. ^a): * ^ja^ ^^\^ c*^ o^ ^ k3^
. . . ^^^. ^ ä jJU3b "3^ ,>o ^\ ^ JJ J^jS Ay^\ ^\S ^U
Ferner ebenda: J3\ ciUXfe y vsTj^^ ^ cr:ß^ ^ »^--^ ol
\>\ ^jsss ^^\ ,>jLiü\ ^ i^.y ^^ isu «jjb j;u (^ ^) w^.
vit^wuti JJCXU (^^5*^. to CokJb^ ^) ^^ vJU»3b^ ^^ ^l5o ^ aSa.
Die Kamelin, von der in Vers 7 die Rede ist, soll das
Reittier §alirs sein, und ihr Anblick al-^ansä' zu tieferer Trauer
bewegen, als ob der in Vers 6 als schon erreicht geschilderte
Grad derselben nicht hinreichte noch den Verdiensten des Ver-
storbenen damit genügende Gerechtigkeit widerfahren wäre.
Das Hauptgewicht liegt in dieser Erklärung also darauf, daß
Vers 7 ein Reittier $abr8, vielleicht sein Lieblingstier erwähnt.
> N I. 9 (re*) wird der Held als dLüL^ £^ gepriesen.
' Dies wäre aber notwendig anzunehmen, wenn die Verse von al-Hans&*
stammten und in Vers 1 cCJL* bu lesen wäre.
* Einl, Dfw.« p. 18 Mitte. D I. 3. 7 (i i : tr).
Alr0an8&> und ihre Tranerlieder. 113
Dann hätten wir aber im selben Fragment der klagenden
Dichterin zweimal den sonderbaren Fall, daß eine spezielle Be-
ziehong ihrer Worte anf die Hanptperson, den betrauerten
Bruder, so allgemein ausgedrückt und verschwommen bliebe.
Denn der Text, so weit er wenigstens uns erhalten ist, sagt
auch hier yon $abr gar nichts.
Hätten wir zu diesen Versen keinen Kommentar und
wollten wir zunächst von der Person absehen, die sie gedichtet
haben soll, so wären wir keinen Augenblick um den Sinn ver-
legen, welchen wir ihnen unterlegen müßten. Denn: es gehört
zum Rüstzeug, zum überkommenen Ideenvorrat der aitarabi-
sehen Dichter, daß sie, Sorgen und Schmerz (gewöhnlich Liebes-
schmerz) zu verscheuchen, ihr Reittier satteln und durch Nacht
und Nebel ziehen. Wir sähen auch hier eine Aufforderung,
oder den Entschluß, auf einem Reittier, das ja an einer genau
bezeichneten Lokalität bereit steht (7), vor dem eigenen oder
aber vor fremdem Kummer zu fliehen, der schon unerträglich
geworden ist. Dann aber bleiben nur zwei Möglichkeiten: ent-
weder sind diese Verse von al-^ansä' und sie läßt sich mit
einer Dialogsfiktion von einem Tadler so anreden: ,Wenn du,
o al-Qansä', zu klagen nicht aufhörst, so sind Kamele da, auf
denen ich deinen Klagen entrinnen kann';^ oder aber sind die
Verse von einem Manne' an eine (seine?) über welches Un-
glück immer tiefbetrübte Frau gedichtet, die er, wenn sie zu
klagen nicht aufhört, verlassen will.
Damit taucht auch die Frage auf, ob diese Verse von
unserer Dichterin stammen, oder nicht. Ich glaube, sie läßt
sich weder bestimmt bejahen, noch verneinen. Mit Sicherheit
behaupten läßt sich nur folgendes: sind diese Verse Ellageverse
al-Qansä's und an ihren Bruder gerichtet, so müssen
1. Vers 6f, mag man die von mir vorgeschlagene Deu-
tung derselben oder die Erklärungen des Kommentars, die
mir gewunden und gezwungen vorkommen, vorziehen, an die
' Davor zn ergänsen: so sprach mancher zu mir; vgl. D VI. 2 (oo)
^y^JSMy Hieran konnte sich Vers 1 ff. der Edition anschließen: ,da
aber, o Sa^r, sprachst, als da noch lebtest' etc.
• Sind nicht bloß die Worte J\ ii^j^^ ^ CXi^ ^^\ in der Fiktion,
sondern wirklich diese Yerse Yon einem Manne gedichtet, so kann in
Vers 1 qnlta (1. Pers.) beibehalten werden. Sie stünden dann Sa^*^.
Sttenngsbcr. d. pUL-lüit. Kl. GILVII. Bd. 4. Abb. 8
114 ly.AbbMidliuif: Bhodokftnftliis.
Spitze gestellt, d. h. es muß die Versfolge von ^, ^, v^ ak*
zeptiert werden;
2. können, immer anter der gleichen Voranssetzong der
Autorschaft und Adresse der Verse wie oben , die Verse 1 — 5
nur dann mit den vorangehenden Versen 6f. verbunden
werden, wenn man qulta, in der Apostrophe, liest.
Man müßte sonst annehmen, es seien hier Verse von
gleichem Reim und Versmaß von einer Tradition^ die Bruch-
stücke gerettet hatte und klassifizieren wollte, willkürlich zu-
sammengeschweißt worden. Jedenfalls sind sie aber innerhalb
des Stammes Sulaim entstanden und überliefert worden, wie
dies die bei den Sulaimiten gesammelten Erklärungen der-
selben^ und das Vorkommen des Ortes Jalban in Vers 7 be-
weisen.
K I (Diw.* ivrff.).
1. ,Laß strömen (den Schwall) von deinen Tränen und
halt (wieder) ein und übe Geduld, wenn du's vermagst; doch
du wirst es nicht vermögen!
2. (Übe Geduld) am Ende — denn die Geduld ist besser
als die beiden Sandalen und das rasierte Haupt —
3. Und sprich: sieh, der beste der Banü Sulaim und ihr
edelster liegt in der Wüste von al-*Atit.
4. Du aber wärest, wolltest du nach dem Sohne 'Amrs
(noch um jemand anderen) weinen,* wie der Wanderer ohne
deutlichen Weg.'
5. ,Nicht bei Gott, nicht hab' ich meine Seele getröstet
mit (der Erinnerung an) eine Ungehörigkeit, die ich (von ihm)
wüßte, noch an Lieblosigkeit.
[6. Wohlan, werden uns die Nächte zurückkehren und
Tage, die wir verlebt bei der Sandbügelkrümmung von afi-
7. Web' mir nach einem Leben, das wir verbracht an
den Seiten von Darr und Du Nahii^;
* Vgl. Dlw.« PrÄfaoe VI.
' So nach dem Eommentor; oder ,wollteft da vom Weinen . . . ab steh n':
^\ ^j^ ^\ JWÄ> »\^\ ^jj^ vjÜU.
' Die eingeklammerten Verse fehlen im Mannakript ^. Vgl. die Noten
des Herausgebers.
Al-0Miaft' und ihre TrMMrli«d«r. 115
8. Und da die Häuptlinge bei uns ihre Rechtsstreite ver-
fochten bei unseren Zelten und die^ welche mit Ansprüchen
kamen ;
9. Und da bei uns waren Ritter, jedem Kampf gewachsen,
wann die (anderen) erschrecken^ and (Männer,) Durchzieher
der Wüsten;
[10. Wann die zwei Backenzähne des Krieges knirschen
und ihm die Ganzgewappneten begegnen beim Blitzen (der
Schwerter)] ;
11. Und da unter uns war Mu'äwija b. ^Amr auf einer
rötlichen Kamelstute wie der edle Zuchthengst.'
[12. ,Drum bewein' ihn, nachdem er als ein Rühmens-
werter verschied, fest in seiner Einsicht, vom Freunde gelobt;]'
13. ,Dies aber ist der (harte) Verlust bei deinem Leben!
kein schwerfälliger (war's) mit dickem Kopf, keiner, der vom
Anrufen der E^leinviehherde träumt.'
Die Redaktion dieser ]S>^a§tde unterscheidet sich in den
Handschriften ^ und c^ einerseits, f andererseits bloß durch
die Stellung des bei f zweiten Verses, der in jenen an fünfter
Stelle steht. Außerdem hat uns aber al-Mubarrads Kd.mil (vc • f.)
eine bloß aus den acht Versen (f) 1. 3. 6. 9. 11. 12. 5. 2 be-
stehende, beträchtlich kürzere Rezension aufbewahrt. Nach
der Versordnung f ist der Gedankengang dieser Elegie, welche
in die Form eines Dialogs gekleidet ist, folgender:^
Vers 1 — 4 sind als fingierte Ansprache an die klagende
Dichterin gedacht und enthalten die Aufforderung, sie möge
in ihrer Trauer Maß halten und, wenn tunlich, Geduld übend
sich in ihr Schicksal fUgen. Doch, setzt die hier redende
Person gleich hinzu, wird sie soviel nicht vermögen, obschon
resignierte Fassung besser taugt als äußerliche Trauerkund-
gebung durch Selbstflagellierung mit den Sandalen des Toten
and Rasieren des Haupthaares.' Zwar sei ihre Rechtfertigung^
wenn sie den Kummer nicht mehr still ertragen könne, leicht ;
sie brauche nur den besten, edelsten der Sulaimiten, der ge-
fallen sei, zu nennen; da müsse jeder zugestehen, würde al-
» Diw.* Tl.
' Übersetzaiig bei Gabriel! 160.
* Vgl. Goldsdher, Mt4ammedaxiische Studien I. 244 und Anm. 1. — 247 ff.
8»
114 lY. AbhMdlug: Bh^dokftnfthis.
Spitze gestellt y d. h. 68 muß die Versfolge von Zf f^9 SJ ^*
zeptiert werden;
2. können 9 immer unter der gleichen Voranssetznng der
Aatorschaft und Adresse der Verse wie oben, die Verse 1 — 5
nur dann mit den vorangehenden Versen 6 f. verbunden
werden^ wenn man qulta, in der Apostrophe, liest.
Man müßte sonst annehmen, es seien hier Verse von
gleichem Reim und Versmaß von einer Tradition^ die Bruch-
stücke gerettet hatte und klassifizieren wollte, willkürlich zu-
sammengeschweißt worden. Jedenfalls sind sie aber innerhalb
des Stammes Sulaim entstanden und überliefert worden, wie
dies die bei den Sulaimiten gesammelten Erklärungen der-
selben^ und das Vorkommen des Ortes Jalban in Vers 7 be-
weisen.
K I (Diw.* ivrff.).
1. ,Laß strömen (den Schwall) von deinen Tränen und
halt (wieder) ein und übe Geduld, wenn du's vermagst; doch
du wirst es nicht vermögen!
2. (Übe Geduld) am Ende — denn die Geduld ist besser
als die beiden Sandalen und das rasierte Haupt —
3. Und sprich: sieh, der beste der Banü Sulaim und ihr
edelster liegt in der Wüste von al-^A^(:.
4. Du aber wärest, wolltest du nach dem Sohne '^Amrs
(noch um jemand anderen) weinen,' wie der Wanderer ohne
deutlichen Weg.'
5. ,Nicht bei Gott, nicht hab' ich meine Seele getröstet
mit (der Erinnerung an) eine Ungehörigkeit, die ich (von ihm)
wüßte, noch an Lieblosigkeit.
[6. Wohlan, werden uns die Nächte zurückkehren und
Tage, die wir verlebt bei der Sandhügelkrümmung von ag-
Sa^tk ?] »
7. Weh' mir nach einem Leben, das wir verbracht an
den Seiten von Darr und DA Nahik;
> Vgl. Dlw.« Pröfaoe VI.
' So nach dem Kommentar; oder ,wollteft da vom Weinen . . . abstebn':
j^ Jtr^ Cji^ **^ *^^^ ^j^^ d^U.
' Die eingeklammerten Verse fehlen im Mannakript ^. Vgl. die Noten
des Heraosgeberi.
Al-0Miift' und ihre TrMMrlitdw. 115
8. Und da die Häuptlinge bei uns ihre Rechtsstreite ver-
fochten bei nnseren Zelten and die, welche mit Ansprüchen
kamen ;
9. Und da bei uns waren Ritter, jedem Kampf gewachsen,
wann die (anderen) erschrecken, und (Männer,) Durchzieher
der Wüsten;
[10. Wann die zwei Backenzähne des Krieges knirschen
und ihm die Ganzgewappneten begegnen beim Blitzen (der
Schwerter)] ;
11. Und da unter uns war Mu^äwija b. ^Amr auf einer
rötlichen Kamelstute wie der edle Zuchthengst.'
[12. ,Drum bewein' ihn, nachdem er als ein Rühmens-
werter verschied, fest in seiner Einsicht, vom Freunde gelobt;]'
13. ,Dies aber ist der (harte) Verlust bei deinem Leben!
kein schwerfälliger (war's) mit dickem Kopf, keiner, der vom
Anrufen der Kleinviehherde träumt.'
Die Redaktion dieser Jgi^a^tde unterscheidet sich in den
Handschriften ^ und jr^ einerseits, f andererseits bloß durch
die Stellung des bei f zweiten Verses, der in jenen an fünfter
Stelle steht. Außerdem hat uns aber al-Mubarrads Kd.mil (v£ • f )
eine bloß aus den acht Versen (f) 1. 3. 6. 9. 11. 12. 5. 2 be-
stehende, beträchtlich kürzere Rezension aufbewahrt. Nach
der Versordnung f ist der Gedankengang dieser Elegie, welche
in die Form eines Dialogs gekleidet ist, folgender:^
Vers 1 — 4 sind als fingierte Ansprache an die klagende
Dichterin gedacht und enthalten die Aufforderung, sie möge
in ihrer Trauer Maß halten und, wenn tunlich, Geduld übend
sich in ihr Schicksal fügen. Doch, setzt die hier redende
Person gleich hinzu, wird sie soviel nicht vermögen, obschon
resignierte Fassung besser taugt als äußerliche Trauerkund-
gebung durch Selbstflagellierung mit den Sandalen des Toten
und Rasieren des Haupthaares.' Zwar sei ihre Rechtfertigung^
wenn sie den Kummer nicht mehr still ertragen könne, leicht ;
sie brauche nur den besten, edelsten der Sulaimiten, der ge-
fallen sei, zu nennen; da müsse jeder zugestehen, würde al-
' Übenetznng bei Gabriel! 160.
' Vgl. Goldziher, Ma^ammedanische Studien I. 244 und Anm. 1. — 247 ff.
8»
114 lY. AVhMdliing: Ebodokftnshis.
Spitze gestellt, d. h. es muß die Versfolge von ^, ^, v^ sk*
zeptiert werden;
2. können; immer anter der gleichen Voransaetzung der
Autorschaft und Adresse der Verse wie oben, die Verse 1 — ^5
nur dann mit den Torangehenden Versen 6f. yerbunden
werden, wenn man qulta, in der Apostrophe, liest.
Man müßte sonst annehmen, es seien hier Verse von
gleichem Reim und Versmaß von einer Tradition^ die Bruch-
stücke gerettet hatte und klassifizieren wollte, willkürlich zu-
sammengeschweißt worden. Jedenfalls sind sie aber innerhalb
des Stammes Sulaim entstanden und überliefert worden, wie
dies die bei den Sulaimiten gesammelten Erklärungen der-
selben^ und das Vorkommen des Ortes Jalban in Vers 7 be-
weisen.
K I (Diw.* ivrff.).
1. ,Laß strömen (den Schwall) von deinen Tränen und
halt (wieder) ein und übe Geduld, wenn du's vermagst; doch
du wirst es nicht vermögen 1
2. (Übe Geduld) am Ende — denn die Geduld ist besser
als die beiden Sandalen und das rasierte Haupt —
3. Und sprich: sieh, der beste der Banü Sulaim und ihr
edelster liegt in der Wüste von al-^A^(:.
4. Du aber wärest, wolltest du nach dem Sohne '^Amrs
(noch um jemand anderen) weinen,* wie der Wanderer ohne
deutlichen Weg.^
5. ,Nicht bei Gott, nicht hab' ich meine Seele getröstet
mit (der Erinnerung an) eine Ungehörigkeit, die ich (von ihm)
wüßte, noch an Lieblosigkeit.
[6. Wohlan, werden uns die Nächte zurückkehren und
Tage, die wir verlebt bei der Sandhügelkrümmung von aS-
Satit ?] '
7. Weh' mir nach einem Leben, das wir verbracht an
den Seiten von Darr und Du Nahl^;
» Vgl. Dlw.« PrÄfÄOe VI.
' So nach dem Kommentar; oder , wolltest da vom Weinen ... ab steh n*:
f}^ ^j^^ ^\ «XA> '15U)\ ^j^^ d^U.
' Die einirekla
lingeklammerten Verse fehlen im Mannikript ^. Vgl. die Noten
dea HeraoBgeben.
Al-0Miaft' und ihre Traaerltodw. 115
8. Und da die Häuptlinge bei uns ihre Rechtsstreite ver-
fochten bei nnseren Zelten and die^ welche mit Ansprüchen
kamen ;
9. Und da bei uns waren Ritter, jedem Kampf gewachsen,
wann die (anderen) erschrecken, und (Männer,) Durchzieher
der Wüsten;
[10. Wann die zwei Backenzähne des Krieges knirschen
und ihm die Ganzgewappneten begegnen beim Blitzen (der
Schwerter)] ;
11. Und da unter uns war Mn^äwija b. ^Amr auf einer
rötlichen Kamelstute wie der edle Zuchthengst.'
[12. ,Drum bewein' ihn, nachdem er als ein Rühmens-
werter verschied, fest in seiner Einsicht, vom Freunde gelobt;]'
13. ,Dies aber ist der (harte) Verlust bei deinem Leben!
kein schwerfälliger (war's) mit dickem Kopf, keiner, der vom
Anrufen der Kleinviehherde träumt.'
Die Redaktion dieser ]g[^a§ide unterscheidet sich in den
Handschriften ^ and ^^ einerseits, f andererseits bloß durch
die Stellung des bei f zweiten Verses, der in jenen an fünfter
Stelle steht. Außerdem hat uns aber al-Mubarrads Kd.mil (v£ • f )
eine bloß aus den acht Versen (f) 1. 3. 6. 9. 11. 12. 5. 2 be-
stehende, beträchtlich kürzere Rezension aufbewahrt. Nach
der Versordnnng f ist der Qedankengang dieser Elegie, welche
in die Form eines Dialogs gekleidet ist, folgender:^
Vers 1 — 4 sind als fingierte Ansprache an die klagende
Dichterin gedacht und enthalten die Aufforderung, sie möge
in ihrer Trauer Maß halten und, wenn tunlich, Geduld übend
sich in ihr Schicksal fUgen. Doch, setzt die hier redende
Person gleich hinzu, wird sie soviel nicht vermögen, obschon
resignierte Fassung besser taugt als äußerliche Trauerkund-
gebung durch Selbstflagellierung mit den Sandalen des Toten
und Rasieren des Haupthaares.' Zwar sei ihre Rechtfertigung^
wenn sie den Kummer nicht mehr still ertragen könne, leicht ;
sie brauche nur den besten, edelsten der Sulaimiten, der ge-
fallen sei, zu nennen; da müsse jeder zugestehen, würde al-
* Übenetzimg bei Gabriel! 160.
' Vgl. Goldziher, Ma^ammedanische Studien I. 244 und Anm. 1. — 247 ff.
8»
114 lY. AVhMdliuig: BhodokanshiB.
Spitze gestellt 9 d. h. ob muß die Versfolge von Zf r^i SJ ^*
zeptiert werden;
2. können y immer anter der gleichen Voranssetznng der
Aatorschaft und Adresse der Verse wie oben , die Verse 1 — ^5
nur dann mit den vorangehenden Versen 6 f. verbnnden
werden, wenn man qolta, in der Apostrophe, liest.
Man müßte sonst annehmen, es seien hier Verse von
gleichem Reim und Versmaß von einer Tradition^ die Brach-
stücke gerettet hatte und klassifizieren wollte, willkürlich zu-
sammengeschweißt worden. Jedenfalls sind sie aber innerhalb
des Stammes Sulaim entstanden und überliefert worden, wie
dies die bei den Sulaimiten gesammelten Erklärungen der-
selben^ und das Vorkommen des Ortes Jalban in Vers 7 be-
weisen.
K I (Diw.« ivrff.).
1. ,Laß strömen (den Schwall) von deinen Tränen und
halt (wieder) ein und übe Geduld, wenn du's vermagst; doch
du wirst es nicht vermögen I
2. (Übe Geduld) am Ende — denn die Geduld ist besser
als die beiden Sandalen und das rasierte Haupt —
3. Und sprich: sieh, der beste der Banü Sulaim and ihr
edelster liegt in der Wüste von al-'A^(:.
4. Du aber wärest, wolltest du nach dem Sohne 'Amrs
(noch um jemand anderen) weinen,* wie der Wanderer ohne
deutlichen Weg.'
5. ,Nicht bei Gott, nicht hab' ich meine Seele getröstet
mit (der Erinnerung an) eine Ungehörigkeit, die ich (von ihm)
wüßte, noch an Lieblosigkeit.
[6. Wohlan, werden uns die Nächte zurückkehren und
Tage, die wir verlebt bei der Sandhügelkrümmung von ai-
gatit?]'
7. Weh' mir nach einem Leben, das wir verbracht an
den Seiten von Darr und DA Nahii^;
» Vgl. Dlw.« Pröfaee VI.
' So nach dem Kommentar; oder ^wolltest da vom Weinen ... ab steh n*:
' Die eingeklammerten Vene fehlen im Mannakript ^. Vgl. die Noten
des HeraoBgeben.
Al-Qanaft' und ihre T^rraerU«d«r. 115
8. Und da die Häuptlinge bei nns ihre Rechtsstreite ver-
fochten bei unseren Zelten und die, welche mit Ansprüchen
kamen ;
9. Und da bei uns waren Ritter, jedem Kampf gewachsen,
wann die (anderen) erschrecken, und (Männer,) Durchzieher
der Wüsten;
[10. Wann die zwei Backenzähne des Krieges knirschen
und ihm die Ganzgewappneten begegnen beim Blitzen (der
Schwerter)] ;
11. Und da unter uns war Mu'iwija b. ^Amr auf einer
rötlichen Kamelstute wie der edle Zuchthengst.^
[12. ,Drum bewein' ihn, nachdem er als ein Rühmens-
werter verschied, fest in seiner Einsicht, vom Freunde gelobt;]'
13. ,Dies aber ist der (harte) Verlust bei deinem Leben!
kein schwerfälliger (war's) mit dickem Kopf, keiner, der vom
Anrufen der Elleinviehherde träumt.'
Die Redaktion dieser Jgi^a^ide unterscheidet sich in den
Handschriften ^ und c^ einerseits, f andererseits bloß durch
die Stellung des bei f zweiten Verses, der in jenen an fünfter
Stelle steht. Außerdem hat uns aber al-Mubarrads Kd.mil (v£ • f.)
eine bloß aus den acht Versen (f) 1. 3. 6. 9. 11. 12. 5. 2 be-
stehende, beträchtlich kürzere Rezension aufbewahrt. Nach
der Versordnung f ist der Gedankengang dieser Elegie, welche
in die Form eines Dialogs gekleidet ist, folgender:^
Vers 1 — 4 sind als fingierte Ansprache an die klagende
Dichterin gedacht und enthalten die Aufforderung, sie möge
in ihrer Trauer Maß halten und, wenn tunlich, Geduld übend
sich in ihr Schicksal fUgen. Doch, setzt die hier redende
Person gleich hinzu, wird sie soviel nicht vermögen, obschon
resignierte Fassung besser taugt als äußerliche Trauerkund-
gebung durch Selbstfiagellierung mit den Sandalen des Toten
und Rasieren des Haupthaares.' Zwar sei ihre Rechtfertigung^
wenn sie den Kummer nicht mehr still ertragen könne, leicht ;
sie brauche nur den besten, edelsten der Sulaimiten, der ge-
fallen sei, zu nennen; da müsse jeder zugestehen, würde al-
* Übenetzrmg bei GabrieU 160.
' Vgl. Goldsiher, Mu^ammedanische Stndien I. 244 und Anm. 1. — 247 ff.
8»
114 ly. AbhMidloDg: Bhodokftnfthis.
Spitze gestellt, d. h. es muß die Versfolge von ^, ^, v^ ak«
zeptiert werden;
2. können, immer anter der gleichen Voranssetzong der
Autorschaft und Adresse der Verse wie oben , die Verse 1 — 5
nur dann mit den vorangehenden Versen 6f. verbunden
werden, wenn man quita, in der Apostrophe, Uest.
Man müßte sonst annehmen, es seien hier Verse von
gleichem Reim und Versmaß von einer Tradition^ die Bruch-
stücke gerettet hatte und klassifizieren wollte, willkürlich zu*
sammengeschweißt worden. Jedenfalls sind sie aber innerhalb
des Stammes Sulaim entstanden und überliefert worden , wie
dies die bei den Sulaimiten gesammelten Erklärungen der-
selben^ und das Vorkommen des Ortes Jalban in Vers 7 be-
weisen.
K I (Diw.« ivrff.).
1. ,Laß strömen (den Schwall) von deinen Tränen und
halt (wieder) ein und übe Qeduld, wenn du's vermagst; doch
du wirst es nicht vermögen 1
2. (übe Qeduld) am Ende — denn die Qeduld ist besser
als die beiden Sandalen und das rasierte Haupt —
3. Und sprich: sieh, der beste der Banü Sulaim und ihr
edelster liegt in der Wüste von al-^A^^.
4. Du aber wärest, wolltest du nach dem Sohne 'Amrs
(noch um jemand anderen) weinen,* wie der Wanderer ohne
deutlichen Weg/
5. ,Nicht bei Qott, nicht hab' ich meine Seele getröstet
mit (der Erinnerung an) eine Ungehörigkeit, die ich (von ihm)
wüßte, noch an Lieblosigkeit.
[6. Wohlan, werden uns die Nächte zurückkehren und
Tage, die wir verlebt bei der Sandhügelkrümmung von afi-
Satik ?] '
7. Weh' mir nach einem Leben, das wir verbracht an
den Seiten von Darr und Du Nahii^;
* Vgl. Dlw.* Prffaoe VI.
' So nach dem Kommentar; oder , wolltest da vom Weinen . . . abatehn':
J\ ^j^^ ^\ jwA> «bU)! ^^^ v^U.
' Die eingeklammerten Verse fehlen im Mannskript ^. Vgl. die Noten
des Heraasgebers.
Al-0Miaft« und ihre TrM«rlMer. 115
8. Und da die Häuptlinge bei uns ihre Rechtsstreite ver-
fochten bei nnseren Zelten and die^ welche mit Ansprüchen
kamen ;
9. Und da bei uns waren Ritter, jedem Kampf gewachsen;
wann die (anderen) erschrecken^ und (Männer,) Dnrchzieher
der Wüsten;
[10. Wann die zwei Backenzähne des Krieges knirschen
and ihm die Ganzgewappneten begegnen beim Blitzen (der
Schwerter)] ;
11. Und da anter ans war Mu'äwija b. ^Amr auf einer
rötlichen Kamelstate wie der edle Zuchthengst.^
[12. ,Dram bewein' ihn, nachdem er als ein Rühmens-
werter verschied, fest in seiner Einsicht, vom Freunde gelobt;]'
13. yDies aber ist der (harte) Verlast bei deinem Leben!
kein schwerfälliger (war's) mit dickem Kopf, keiner, der vom
Anrufen der E^leinviehherde träumt.'
Die Redaktion dieser Jgi^a^tde unterscheidet sich in den
Handschriften ^ und jr^ einerseits, f andererseits bloß durch
die Stellung des bei f zweiten Verses, der in jenen an fünfter
Stelle steht. Außerdem hat uns aber al>Mubarrads K4mil (v£ • f.)
eine bloß aus den acht Versen (f) 1. 3. 6. 9. 11. 12. 5. 2 be-
stehende, beträchtlich kürzere Rezension aufbewahrt. Nach
der Versordnung p ist der Gedankengang dieser Elegie, welche
in die Form eines Dialogs gekleidet ist, folgender:^
Vers 1 — 4 sind als fingierte Ansprache an die klagende
Dichterin gedacht und enthalten die Aufforderung, sie möge
in ihrer Trauer Maß halten und, wenn tunlich, Geduld übend
sich in ihr Schicksal fUgen. Doch, setzt die hier redende
Person gleich hinzu, wird sie soviel nicht vermögen, obschon
resignierte Fassung besser taugt als äußerliche Trauerkund-
gebung durch Selbstflagellierung mit den Sandalen des Toten
und Rasieren des Haupthaares.' Zwar sei ihre Rechtfertigung^
wenn sie den Kummer nicht mehr still ertragen könne, leicht ;
sie brauche nur den besten, edelsten der Sulaimiten, der ge-
fallen sei, zu nennen; da müsse jeder zugestehen, würde al-
» Diw.' Tl.
* Übenetsnng bei Oabrieli 160.
' Vgl. Qoldsdher, Mohammedanische Studien I. 244 und Anm. 1. — 247 ff.
8»
I
116 IV. AbbADdlnng: Bhodokftiiakis. '
9aiis&' nach ihm noch um jemand anderen weinen, nach
diesem Schmerz eines Leids noch fähig sein, so wäre sie töricht
und irregeleitet.
Die folgenden Verse 5 — 13, welche al-^ansä' spricht, sind
eine Bekräftigung und Steigerung der in den vorangehenden,
an sie gerichteten Versen ausgesprochenen Gedanken. Kein
Unrecht, das der Betrauerte sich hätte zuschulden kommen
lassen, tauche jetzt in ihrer Erinnerung auf, das Leid um ihn
zu trüben oder zu mindern. Es folgt die wehmütige Erwäh-
nung der in Glanz und Ansehen, bei friedlichem Schiedsspruch
und im Kampfe, als Mu'äwija noch lebte, gemeinsam in Freud'
und Leid verbrachten Tage,^ die nie wiederkehren. [Vers 12
könnte als die das Gedicht abschließende Schlußfolgerung der
in den ersten Versen als Ermahnerin Auftretenden gelten, die,
nunmehr den Auseinandersetzungen al Qansä's folgend, ihr Recht
zur Trauer einsieht und sie ermuntert, den Tränen freien Lauf
zu lassen.]^
Die Gedankenfolge und Dialogisierung dieses Gedichtes
erhalten in ^ und V* durch die Umstellung von Vers 2 und
durch den Wechsel der Person in Vers 4 eine kleine Verschie-
bung. Dadurch, daß Vers 2 hier in etwas anderer Fassung
al-^an8ä' in den Mund gelegt wird, rücken aber die gedanklich
kohärierenden Verse 1 und 3 nach Entfernung des konzessiven
Zwischensatzes in Vers 2 näher an einander. Zugleich beginnt
die Antwort al-^ansä's schon mit dem vierten Verse, der hier
gelesen wird:
Über die divergierende Lesung von Vers 5 bei ^ s. später.
Auf diesen folgt Vers 2, aber von al-Qansä' gesprochen:
d. h. keinen anderen Trost habe ich als die Einsicht, , daß ge-
duldiges Ertragen am besten über den unabwendbaren Schick-
salsschlag hinweghilft.
^ Vers 6 und 7 sind bloß in ^ und ^ geschieden. ^ liest bloß Vers 7
und fahrt im Kommentar (p. i vv> Z. 3) nach Ja'küb Vers 6 als dessen
Variante an: ^«p«. Kl^mil liest bloß den sechsten Vers.
" Der vorletzte Vers nur bei ^, ^ und K&m. Vgl. oben p. 97.
' Statt ^^ ^\ jM. S. später.
AI-0M1SI' and ihre TraiierUed«r. 1J7
Auch Kam. 1. n. faßt diese zwei Verse zusammen und
läßt beide von al-Qansft' gesprochen sein; nur schließen sie
dort das Qedicht ab.
und nun zu der auch von f und ^ ^ angeführten Variante
des flinften (bei ^ vierten) Verses:
So las auch Diw.^ p. ii.
Vorwegnehmen will ich, daß «^i*^"^ zu lesen unmöglich
ist. Läse man so und wollte dann erklären: ,(So lange du lebtest)
tatest du mir nie ein Unrecht an, das mich gezwungen hätte
(oder noch zwänge), mich in Trauer zu hüllen^, so wtlrde der
hier folgende Vers (5 bei c)
keinen Anschluß haben; aber auch mit der Lesung cU^i ist
er unvereinbar. Denn so gelesen heißt es:
4. Nicht ungesetzlicher- oder widerspenstigerweise habe
ich mich in Trauer gehüllt,
5. Sondern ich habe gefunden, daß die Geduld besser
taugt denn die (Trauerbezeigang mit den) zwei Sandalen und
dem rasierten Haupthaar.
Ein adversatives Verhältnis ist aber zwischen diesen zwei
Versen unmöglich und in diesem Zusammenhang das ^^^ un-
sinnig;' oder es muß: sallaitu ^adri beziehungsweise nafsi ge-
lesen werden, d. h. nicht in Erinnerung an ein von dir mir
zugefügtes Unrecht habe ich mich getröstet, oder könnt' ich
Erleichterung finden, sondern nur deshalb, weil ich eingesehen
habe, daß Qeduld das einzig Zukömmliche ist, gebe ich mich
zufrieden. Die Lesart sallabtu jedoch läßt sich nur mit der
Verafolge bei e vereinbaren; denn dann antwortet al-^ansÄ*
auf den Einwurf: ,Geduld ist besser denn das Trauern nach
heidnischem Brauch' konsequenterweise mit der Rechtfertigung:
• V«r.: iu&cwUJ. '
' Deshalb übersetzt Coppier 143: ,si tu ii*as vn snr ma poitrine qu*un
eilice de deuil, je ne suis en ceci ni conpable ni rebeHe. Mais . . .'.
Bine restringierende Partikel steht jedoch im Texte nicht.
i
118 IV. AbhAndlvng: Bhodokftnftkis. .
,ich tat es nicht aus Widerspenstigkeit noch mit böser Absicht^,
sondern der unvergleichlichen Verdienste des Toten halber.
Damit führt ans aber diese Lesart tiefer in die angeb-
liche Entstehnngsgeschichte dieser Elegie.
Die handschriftlich uns erhaltenen Überlieferungen er-
zählen zu dieser Elegie/ sie sei die Erwiderung al-Qans&'S;
als 'Umar I. ihr die Trauer nach altheidnischem Brauch zum
Vorwurf machte und verbieten wollte. Aber derlei Anekdoten
werden gerade, was die ostentative und maßlose Trauer unserer
Dichterin anlangt, die an der Schwelle zweier Kulturepochen
lebend zu solchen guten Anlaß bot, noch sonst oft und ver-
schieden erzählt.* Von zweien dieser, und zwar von jenen, die
sich auf ^Umar als den einen Unterredner beziehen, ist die
eine gewiß bloß die Variante der anderen. Inhaltlich stimmt
auch die dritte in ihren GrundzUgen mit jenen überein, nur
wird dort als Unterrednerin 'A*iäa angeführt.
Mag aber auch diesen Anekdoten ein tatsächliches, histo-
risches Moment des inneren Gegensatzes zwischen zwei ver-
schiedenen Welt- und Lebensanschauungen zugrunde liegen,
so bleibt dennoch die Frage offen, ob dieser Gegensatz gerade
in dieser uns überlieferten Weise zum äußeren Ausdruck kam
und ob wieder gerade er Anlaß zu den Elegien gab, deren
Entstehung ihm nun zugeschrieben wurde. Tatsache ist es, daß
al-Mubarrad, gerade was das in Rede stehende Stück 1^ I an-
langt, nichts davon weiß. Nach ihm ist diese Elegie auf
Mu^äwija allein gedichtet: ^j^*-« ^jjut}\ \jjb -L*Jli.\ viuJl* Ui\^
^ys^\ f^ s-jUaj ^\ J^ ^-^^ (vir) und trifft dies zu, so kann
sie unmöglich zur Zeit *Umars entstanden sein, da ja §ahr
noch in der Gähiltja starb. Allerdings bürgt uns wieder für
diese Nachricht niemand und nichts; schon die Bemerkung,
die al-Mubarrad an die oben zitierten Worte knüpft: v— ^^^-o\ Oi
^^ o^ er* **^ '^•^**^ j^^ ist geeignet, auch seine anderen
Aussagen in Frage zu stellen ; denn in dieser Form und diesem
Zusammenhang kann sie doch nur so aufgefaßt werden, als hätte
al-^ansä' nach ihres Bruders ^ahr Tode auch des Mu*4wija
» Diw.» Einl. 20. Gabrieli 149 f.
* Gabrieü 149 und Note 4. 160. 151. Coppier 23. Djw.« Einl, 21 f. und
Diw.* rn dazu Varianten in den Noten und Suppl. ad U. — Vgl. auch
Goldziher in WZKM. XVI. 321 ff.
Al-0iuuft* und Um lYMwUAder. 119
^vergessen^y d. h. keine Elegien ihm mehr gewidmet. Nun
finden wir aber in ihrem Diwan wenn nicht oft, so doch einige
Stücke,* die Ma^äwija und 9abr gelten sollen; wäre aber ihre
Überlieferung, was die doppelte Adresse anlangt, unrichtig
oder selbst die betreffenden Fragmente ganz Spuria, so ließe
trotzdem jene Aussage al-Mubarrads ^ auch eine psychologische
Diskussion zu. Doch ist diese unnötig und es genügt, mag es
darum wie immer stehen, die Tatsache festzulegen, daß die
Version, ^ I sei zur Zeit 'Umars entstanden, wenigstens keine
allgemeine Geltung hatte oder erst später entstand. Das
Qedicht selbst konnte sie jedenfalls sehr leicht entstehen lassen,
besonders wenn der Gegensatz zwischen 'Umar als Träger der
neuen religiösen Idee und al-^ansä' als dem starren Beduinen-
weibe einmal gegeben war. Zwar ist die in Vers 1 gepredigte
Geduld (^xt^) schon eine Beduinentugend,' aber der Anfüh-
rung der speziell heidnischen Bräuche in Vers 2 j^yo}\ ^l»
j3tiU.\ cf^^j^^^ crÄ^^*^^ er* * r^ entsprechen in der Anekdote
(Diw.« Einl. 20)^ genau die Worte: u^\j^\ Äi'^Jla^ C--J^ ^^
\jbjL^ ^i ji^ Jju vT^jUI* jjJ_5 UJU. ^^ ^^/^. Sie könnte also
ihrerseits selbst aus dem Gedicht I$l I erst abgeleitet sein.
Man darf eben am zweiten Verse nicht irre werden. In der
altarabischen Poesie ist der an den Dichter gerichtete ,Tadel*
ein geeigneter Hebel zur Entwicklung des Dialoges und dieser
selbst ein treffliches Mittel zur Gruppierung der Gedanken;
und wie für die Poesie im allgemeinen, so .gilt dies auch für
das Rita*; die Dichterin rechtfertigt ihre Klage und Trauer,
indem sie das Lob ihres Helden singt; der Tadel vor dem sie
sich so schützt, geht oft bloß auf ihre Tränen, hier erstreckt
er sich auf das ganze äußere Gebaren.
Diesem Exkurs muß noch eine kurze Erörterung der
Frage, wem eigentlich J^ I gelte, angeschlossen werden.
Wie gezeigt, bezieht es al-Mubarrads Kämil auf Mu'äwija
allein; im Diwan lautet jedoch die Aufschrift: i^^^*-«» ^^.y^^ ^yy
^j^^^ ; dem entspricht im Text, was Mu äwija anlangt, Vers 1 1 ,
wo alle Handschriften und Überlieferungen lesen:
1 D Vra(oA), B XXVI (i£i), LlX(rn), H lU (roi), J IH. IV (m f.).
* Vgl. auch Einl. Diw." p. 25, Z. 2. '6. — Es widerspricht ihr übrigens
auch das Auftreten al-Qansft's vor Hind bint 'Utba (D!w.* OA zu D VIII).
' Gh>ldziher, Mo^ammedaniBche Stadien I. 251 f.
120 IV. AbhAndlnng: Bhodokanakis.
während ^a^r nur in einer Variante zu Vers 4 genannt wird,
wo c ^^^ (T* statt ^j-^ cri^ J^ ' /^ J^ er* lesen.
Einen Anhaltspunkt, diese Frage zu entscheiden, möchte
ich weder hier suchen, noch in dem Vers 3 genannten nomen
loci: J<H*^^ *^7*^ i^^ ^^^ beste der Sulaimiten liegte Bekri
bemerkt zwar hierzu (Dlw.* ivo^ Note a): ^^ f^ J-^ ^^^
i)\ ^j^\ doch das kann er aus dem Faktum abgeleitet haben,
daß der Vers von al-|lansä' ist, und da die Mehrzahl ihrer
Trauerlieder eben §abr gelten, in der Beziehung des Verses
geirrt haben. Sagt schon der Kommentar im Gegensatz dazu
(Diw. zu V. 3) J\ *JJ;-^ J^yJ*^ ^.^^^*^ J-^. Andererseits könnte
man gegen diese Aussage die Erzählung in D!w.* Einl. 11. 12.
Z. 1 (»j>^ f^^i), ferner in der Elegie §abr8 auf Mu'äwija das
ebenda 13 ult. als Mu'äwijas Grabstätte genannte Lijjat' und
in L VI (f • » Z. 2) die Bestimmung: j^^ys. ,^ 5^ yo (io^U-«) dJLxS
(^^^ und endlich die Tatsache anfiihren, daß Muäwija im
Gebiete der Murra'* starb, während der Kommentar bei f den
Vers 3 genannten Ort in sulaimitisches Gebiet zu verlegen
scheint.* Bei der unsicheren Lokalisierungsmöglichkeit der in
alten Versen genannten Orte ließe sich auch mit geographischen
Argumenten eben nicht viel ausrichten.
Ich glaube, die Antwort liegt im Gange des Gedichtes
selbst. Wir haben gesehen, daß sein größter Abschnitt Re-
miniszenzen und dem wehmütigen Erinnern an das entschwun-
dene Glück gewidmet ist. Dieser Abschnitt (Vv. 7 — 11) hat
die Form einer Klimax* und alle Verse desselben beginnen
mit der temporal-kausalen Partikel \ Diese Klimax schließt
mit der Erwähnung Mu^äwijas ab. [Darauf folgt in Vers 12
* Dieses 5^^ kommt noch in L XIV {ttn) Vers 1 vor, der vor *Umar
rezitiert worden sein soH. Die Beziehung der Verse, ob auf M. oder S.
ist nnsicher; auf M. allein nicht, wenn L XIV wirklich vor 'Omar
rezitiert wurde, und zwar wegen Vers 3, da zu *lJmars Zeiten schon
Sa^ nach Mn*äwija gefallen war.
» Vgl. Diw.« Einl. 15, Note c als Var. zu i-ä^.
» Einl. 12, Z.W^^ ^b> ,>• ' .
* Vgl. auch N in. Komm, zu Vers 1, Z. 5 flf. p. r£Q.
* Vgl. oben 61 f.
Al*9aiuft« und Utra Tnv«rlied«r. 121
die Konklusion: <^Xa» (nicht etwa ^ oder Ua), da das letzte
Qlied jener Kette in allen Überlieferungen laatet:
Ich denke, ginge das Gedicht auch auf ^a^r, so müßte seiner
in den Versen 6 — 11 ebenfalls Erwähnung geschehen.^
L VI (Diw.« r.i ff.).
Diese aus 38 Versen bestehende Elegie, im Metrum Mu-
ta^&rib und auf den Reim &lahä verfaßt, hat in der arabischen
Literatur ihre Doppelgänger.
Zunächst ist auch hier die Frage strittig, wem zu Ehren
sie verfaßt sei; den Handschriften zufolge gilt sie Mu'äwija,
Ag. XIII. 137 hingegen bezieht sie (nach AbtL 'Ubaida) auf
$abr;' dieser Ansicht schließt sich Gabrieli 114 Note 1 ohne
Angabe von Gründen an; Ag. selbst fügt 1. n. die gegensätz-
liche, aus sulaimitischer Quelle stammende Angabe hinzu:
51 AJfjU^ l^ yZ^j Uj\^ jaef^ ^ »JJb C,^*^^ '^j».Um.)\ JIS. Für
Mu'äwija scheint auch in Vers 35 die Erwähnung der Banü
Murra als seiner Mörder zu sprechen;^ hingegen könnte man
in den Versen 29 — 33, die den MarÜ als Dichter preisen, viel-
leicht einen Grund sehen, das Gedicht (oder mindestens diesen
Teil) auf §abr zu beziehen, der (vgl. Dtw.* Einl.) oft, auch
in 'Adabbüchern und den Wörterbüchern als Dichter genannt
und zitiert wird, was sich in gleicher Weise von Mu^ftwija
nicht behaupten ließe. Doch wer war zu jenen Zeiten nicht
Dichter?
Das charakteristische Metrum und Reimspiel dieser Elegie
finden wir in den MarÄti p. 93 f. (Zainab bint M&lik) und
* Ich wül noch bemerken, daß die Var. J^ Jljo ^^ in Vers 4 and
^_^^,-,^ V* in Vera 5 ihr Dasein vielleicht jener Anekdote verdanken, die,
selbst aus K I abgeleitet, den Anlaß zu dieser Elegie angeben soll. In
diesem Falle wäre der circulus vitiosus geschlossen.
• Ebenso Hia. I. 24 V^ — L^ ^y.
' Zitiert werden im Dtwftn-Kommentar: ^^^^.^JLuJ\ im allgemeinen: L IV. 1
Komm. Z. 2 (nc). L VI. 2. 6. 10. N m. 1 Komm. Femer 'Arr&m und
da^' as-Sulami N in. 1 Komm. — Vgl. femer D II. 2 f. Komm. (£o),
L VI. 18. D ni. 6. R IV. 2. 4. 7. VI. 1. 4. 9. — Ein Schwestersohn al-
Hans&'s N lU. 1 Komm. Z. 12 und *Ajj&S L VI. 2 Komm. {r*T).
^ Ygl. jedoch oben p. 88, Note 6 zu R YIII.
122 IT. AkhMdlug: B1iodo1tftn»kiB.
152 f. (Majja bint Pir&r) wieder. Dort erinnert der an erster
Stelle zitierte: Vers:
an L VI. 2
hier der an erster Stelle zitierte:
an L VI. 4
und die folgenden Beimworte: 1<3U U — LjJU5\ — L^lkjl sind
in L VI.: 13^, 15, 10 wiederzufinden.
Ferner zitiert Ag. VIII. 72 die Verse L VI. 5 f. in der
Form:
von *Ämir b. Qu'ain at-T^'i an Hind bint 'Imri-il-I^ais ; und
von demselben Dichter 5izftnat I. 24^ die Verse LVI. 25f-
in dieser Gestalt:
endlich kommt Vers L VI. 29
in Frey tags ^amäsa r^^ als vorletzter Vers eines Fragments
'Ubaids b. Mäwija atT^'i vor.
Dies gibt ein Bild davon, in welchem Zustande manche
— zum Glück nicht alle — altarabische Gedichte uns über-
liefert worden sind. Es wird ja hier niemand weder an Pla-
giate denken, noch daran, daß Verse al-^ansä's, d. h. einer
frühzeitig philologisch behandelten Dichterin, die viel genannt
war und von der es Gedichtsammlungen gab (Prof. VI. VII.),
irrtümlich seltener genannten Dichtern zugeschrieben worden
» L^U U mit Vw.: L^U U
« Vgl. Diw." n«, Note b.
▲I-OabbA' und ilin TnMrlMw. 123
seien; das Oegenteil ist mindestens wahrscheinlicher.' Aller-
dings reinlich scheiden läßt sich eigenes von fremdem Gut,
nachdem die Tradition es so fest gekittet, nicht mehr. Ans
L VI will ich daher bloß folgende Verse herausgreifen:
29. yManch eine ^äfija,^ wie die Spitze der Lanze (scharf),
die noch fortlebt, nachdem ihr Dichter schon tot ist,
30. hast du aufgescheucht (aus deinem Inneren, wo
sie entstanden war) und sie fortgesandt in die Fremde,'
nachdem du lange in der Brust gezögert hattest, ihr freien
Lauf zu lassen.
3L Du brachtest sie dann vor, o Sohn 'Amrs, aber
fließend gestaltetest du sie; ihresgleichen haben die Men-
schen nicht gedichtet.
32. Sie durchdrang die Bergspitze Jadbuls, die von den
Steinböcken nicht läßt, die sie bewohnen.
33. Du hattest ihr zugehorcht, wie die Alten sie
gesungen, und rüstetest ähnliche zu sagen.^
Zu Vers 31 verzeichnet f die Variante:
VUUl ^UJ\ j^ v> ^, » >^\ S sS eVUJ\ Jüu
,8ie durchschneidet die Steine wie Leder etc. . . . Diese Va-
riante ist eine Verschmelzung von Vers 32 a und 31b.
Vers 32 malt entweder die ^Schärfe* der l^&fija (V. 29)
aus, oder das do^ (V. 30): die höchsten Gipfel halten ihren
Zug nicht auf.
Vers 33 steht mit (V. 30u.) 31 in Widerspruch; vgl.3P:
l^l^\ ^U3\ jk^ ^^
8
Vgl. K m. i (lA.) bei Ag. XIV. 133 und Marftti av al-Hans&'s Namens-
Bchwester'Umm'AinrbintMukaddainanf ihren Bruder EUgeschriebeii.
Al-HanBft' ward 'Umm *Amr genannt: Diw.', Einl. 7. 6 unten 18, Note a;
vgl. DIw. D II. 4 (n); ihrer Namensschwester Tnmä(.lir, Gattin Zuhairs,
werden ferner Marftti ir die Verse 1. 2. 4. 7. 10. 1-2. 18 von (HansÄ*)
H I (riA) zugeschrieben. — Zu M IV (rr£ f) vgl. Bekr! 185. Kftm. 349.
Mar&tS 129. — Za M lU (rrr f.) vgl. Gabrieli 198, Note 1 und 129,
Note 2 und die Überschrift Diw.* 1. n. Zu B IH (i . f.), vgl. Ham. ed.
Frejtag £^. f.; zu B II die Überschrift (t, Z. 4 v. u.), ebenso B V,
Note c (ir); zu H III (rA f.) ebenda Note c, und zu allem die Worte
Einl. 19, Z. 13 ^UJ\ ^\j^ W--**^ y ^UiS»^\ *wX^ -L*UA.\ ^ji
Vgl. Goldziher, Abb. rar ar. Phil. I. 83 ff.
' Sie wurde über die Grenzen deines Stammes bekannt.
124 IV. Abhandlnng: Bhodok»n»ki8.
gegen 33^:
auch insofern, als Verse 30, 31 den Dichter als einen Original-
dichter preisen, Vers 33 hingegen ihn bloß zum glücklichen
Nachahmer der Alten stempelt. In der Tat fehlt Vers 33
(neben 30) in einigen Handschriften (c» ^. ^— >). Auch wüßte
man nicht, sollten die Verse 33 und 31 neben einander be-
stehen, ob mit der ^äfija in Vers 29 ein eigenes Gedicht des
hier angeredeten Dichters (vgl. 30, 31 <— ^^J beziehungsweise
C-ikS) oder ein altes fremdes Muster (vgl. 33 ^^i»^^ W^^)
gemeint sei; beides zugleich wäre aber in Einem Wort: i^^
unvereinbar. Es könnte jedoch Vers 33 zu Vers 29 wohl
passen und Eine Gruppe mit ihm bilden, da ^^^^\ l^JU' dem
LfJU* ^^ ^iX^,^ ^y^ sßl^r wohl entspricht: ,Manch einem Lied,
das fortlebt noch nach des Dichters Tode, horchtest du zu
(die Alten hatten es gesungen) und fast dichtetest du gleiche.'^
Die Vorstellung ist jedenfalls charakteristisch, die von einer
Nachahmung mustergültiger alter ^asiden spricht; ob
sie zur Zeit al-Qansä's schon möglich war, will ich nicht ent-
scheiden; aber aus dem inneren Widerspruch, in dem manche
der oben mitgeteilten Verse zu einander stehen, glaube ich
schließen zu dürfen , daß innerhalb der Verse L VI. 29 — 33
heterogene Elemente nebeneinander liegen.
M V (rr^).
1. Bring (dem Stamme) Sulaim die Kunde und seinen
Anhängern (Hawäzin)^ daß wir (den Kampf) entschieden haben
durch des Helden Haupt, (den wir gefilllt),
2. Und daß wir sie (die Feinde) des Morgens njit einem
AngriflF überfallen haben, der ihren (Durst) mit mazeriertem
Gift gelöscht;
3. Auch (dem Stamm) *Abs gaben wir bei seinem (Berge)
Tahlän einen Morgentrunk aus einem Becher, der kein Becher
Weines war;
^ Zwischen beiden könnte sehr wohl der Vers stehen:
l^U^\ ^UJ\ Jk^. ^1 ^, * ;t^M\ J 'is ^VUJ\ SS3
,die Menschen verstehen es nicht mehr, ähnliche za machen*.
Al-0ADsft^ nnd ihre Tiaaerlioder. 125
4. Ta'laba^ die Schrecklichen, aber standen Aug' in Aug'
Rittern gegenüber, welche die Löwen des Dickichts komman-
dierten.
5. Sie suchten Zuflucht vor uns auf der Hut vor dem
Kampf, (doch wir schlugen sie und stießen sie und drängten
sie) mit schwerem (Schwert-)schlag und Lanzenstoß und schöner
Kampfordnungy
6. Und wir trieben ihre edlen Frauen gedemütigt vor
uns her auf ihren Sänften und (auch die Stuten) mit dem
Sattelgurt (erbeuteten wir).
Es ist ein Siegeslied , nach der gewöhnlichen Fiktion in
die Form einer Botschaft an den Stamm Sulaim und seinen
Anhang gekleidet.
Von den p. rn Note a zu Vers 1 b vorgeschlagenen
zwei Erklärungen des Herausgebers ziehe ich mit einigen Ab-
änderungen die zweite vor; es braucht sich gerade nicht not-
wendig um eine genommene Blutrache zu handeln ^ obgleich
es möglich ist, daß auch von einer solchen die Rede sei. Nur
darf dann mit dem Helden (fU-^^ ij^^^) kein Sulaimit gemeint
sein, sondern der feindliche Anführer/ weshalb das letzte Wort
der erwähnten Note statt ^j^\S: ^.jbjJli heißen sollte, wie
auch im 2. Verse mit dem Suffix in ^UäC-^ nur die in Vers
3 und 4 näher gekennzeichneten Feinde gemeint sein können.
Man wüßte sonst nicht, wer eigentlich hier der prahlende
Sieger ist, wenn Sulaim und Ta'laba und ^Abs besiegt sind.
Gabrieli p. 107 — 120 hat die langwierigen Kämpfe zwischen
Gataf&n und Qa^afa^ in denen ja Mu'äwijas Ermordung durch
Dnraid und HäSim b. Qarmala ebenso wie der darauffolgende
Rachekampf ^a^rs nur eine Episode bildeten, ausfÜhrUch be-
handelt. In diesen standen sich die Gatafänstämme: Dubjän
and 'Abs einerseits, die Qa§afa8tämme: Hawäzin und Sulaim
andererseits feindlich gegenüber. 'Abs wird in Vers 3 erwähnt.
Der Vers 4 genannte Stamm rpa'laba ist ferner nach dem
Kommentar ebenda (über SaM) ein Unterteil von Dubjän;' sie
' Nach der ersten der 1. n. angegebenen Erläuterungen jedoch: LLJLa
aJ^Us w*^:^^ fU-^^ wXJ ^^J^ \j'\js\ (was mir jedoch in UJLo» ISL
^L^^\ (^\i-> nicht enthalten zu sein scheint) ginge fL»^^ u^^y ^^^
einen Sulaimiten.
' Vgl. später im Yerse l^a^rs.
126 IT. Abhaadlung: Bkodok»B»kis.
bilden demnach die feindliche Partei, die von Sulaim- and seinem
Anhang (Hawäzin) besiegt worden ist. Die historische Ein-
reihung des Gedichtes ist also klar; ebenso klar ist nach dem
geschilderten historischen Sachverhalt der Grund, wamm dieses
Fragment leicht al-Qansä,' zugeschrieben werden konnte; es
fragt sich nur, ob mit Recht.
Gegen die Autorschaft al-Qans&'s scheinen zu sprechen:
die Einkleidung der Verse in die Form eines Siegesliedes, das,
in der 1. Person (1. 2. 3. 5. 6) gedichtet, eher einen Mann zum
Verfasser haben dürfte; und der schwerer wiegende Umstand,
daß al-Qansä' ein solches nur vor $abrs Tode^ in Verbindung
mit der fllr Mu^äwija genommenen Rache könnte gedichtet
haben. Wir finden aber in M V nirgends eine Anspielung
auf ihren Bruder, auf die speziell ihr durch seine Rächung
geschehene Genugtuung; kein persönliches Moment, wie wir es
in den Liedern al-Qansä's, die von Mu^4wijas Rache sprechen,
zu finden gewohnt sind.*
Eine gewisse Ähnlichkeit mit diesen Versen weist hin-
gegen ^abrs Sieges- und Rachelied anläßlich eines glückUchen
Rachezuges gegen den Mörderstamm Mu^&wijas Murra auf;
D!w.« Einl. p. 16, Z. 6f.:
Die SteUe M V. 2. 3. 4
^\jO\ c>-»^ o*^5 ij-*^ * t« g"^^^^^ UaÄ^ Um^^
klingt in den Hauptgedanken so stark an jene an, daß wir
wohl mit einiger Wahrscheinlichkeit auf denselben Verfasser
schließen dürfen.
* Ba,\yr blieb ja ungerächt.
« E XI. 'Ain IV. M H. Vgl. oben p. 93.
▲l-9Mia&> tt&d Ulfe TiMerUed«r. 127
Ergänzungen und Berichtigungen.
Zu p. 12, N. 5 JL«^U,; Ich finde DAchtrlglich im Cod. Vind. des Ibn Kntaiba
Fol. 65 r. folgendes Zitat: ^^Ji^oU Pja)\ j^ ^ ^^^^j ^ ^r^*^ (^
ijS^ y>\ y^^ dJL3\ j^ jJ OjJ^ das mit der Stelle im Diw. Ms.
<^^ 18 übereinstimmt. Ans dem Namen jedoch, der dem Sohne dieses
Rawftt^a hier gegeben wird (vgl. auch .Qabrieli 107, N. 1) ersieht
man, daß Raw&^a nur ein Doppelgänger des 'Abd al-*UsEä (min Bani
Hnf&f) ist.
Zu p. 38 ff. ist jetzt auch £. Littmann ,Neuarabi9che Volkspoesie* zu ver-
gleichen in Gott. gel. Abb., N. F., Bd. V (1902), p. 70 ff. und 91.
Zu p. 61 penult.: Mit Beibehaltung von Cheikhos Korrektur: j^^ios L«
konnte man übersetzen: ,Nicht nach seinem Wunsch (dc^,^^) gab
er seiner (Todes)reise das Ziel; weder Mann noch F^au haben ihn
zurückgehalten .'
128 lY. Abhandlung: fihodokanakis. Al-Sui8&* and ihre Tianerlieder.
Inhaltsübersicht.
S«ito
Vorwort 1
Das Leben al-Hansft's 6
I. Biographische Notizen in kritischer Beleuchtung 9
II. Al-Hans&'s Dichterruhm nach altarabischem Urteil 16
in. Die Technik des Klageliedes bei al-flansft' 18
1. Stimmung, Natarbelebung, Bildervorrat 18
2. Äußerer Rhythmus der Form: Reim und Tarsf 37
3. Innerer Rhythmus und Harmonie der Gedanken 45
4. Die Fiktion des Na ijj 66
6. Die Namensanrufung 58
6. L& tab*ad 60
7. Das negative Lob 62
8. Der Trost 67
9. Die Matla*-Verse und ihre Motive 71
10. Berührungspunkte des Rit&' mit der Mid^a. — Die Zeiten
und Beweggründe der Klage 74
ly. Pessimistische Weltanschauung und Fatalismus 80
V. Ta^r!(J 84
VI. Dialog und Wetttrauer 94
Vn. al-gans&*s persönlicher Charakter 105
Anhang 109
R IV 109
KI 114
L VI 121
MV 124
Ergänzungen und Berichtigungen 127
Y. Abk.: Seköobach. Stadien rar OeBchichle der altdeataehen Predigt.
V.
Studien zur Geschichte der altdeutschen Predigt
Ton
Anton E. Sohonbach,
wirkl. Httgliedo der k»i8. Akademie der Wissensekaflen.
Drittes Stück:
Das Wirken Bertholds von Regensbarg gegen die Ketzer.
^nf den folgenden Blättern soll das Wirken Bertholds
von Regensburg wider die Ketzer seiner Zeit dargestellt werden,
soweit es ans den Aufzeichnungen seiner Predigten erkennbar
ist. Wie durch das zweite Stück dieser ^Studien^ möchte ich
auch durch das vorliegende dritte mir Hindernisse aus dem
Wege räumen, der zur geschichtlichen Würdigung des größten
deutschen Volksredners aller Zeiten führt. Um diesen Zweck
zu erreichen, sind dann noch zwei Arbeiten nötig, die ich
großenteils schon seit Jahren zurüste : eine Abhandlung, welche
sich mit der Überlieferung der Werke Bertholds von Regens-
burg befaßt, und eine schließende, die Leben, Bildung und
Persönlichkeit des guten Landpredigers zu schildern unter-
nimmt.
Für die jetzige Untersuchung benutzte ich dieselben Hand-
schriften lateinischer Predigten Bertholds, denen ich seine Zeug-
nisse zur Volkskunde (Sitzungsberichte, 142. Bd., 7. Abb.,
S. 1 — 4) entnommen habe, nämlich: den Rusticanus de Do-
minicis aus Linz (= Linz,)] die Rusticani de Communi, de
Sanctis und die Sermones speciales aus den Leipziger Codices
496 und 498 (= Lips. 496. 498), die beiden Bände der Hand-
schrift des Minoritenklosters zu Freiburg in der Schweiz
(= 1, Frib. — 2. Frih.). Die Sermones ad Religiöses waren
begreiflicherweise diesmal sehr selten heranzuziehen, auch die
übrigen Handschriften boten nur geringe Ausbeute, es waren
für sie besondere Siglen von Überfluß.
Sitznnfftbw. d. phU.-hiit. Cl. CXLVII. Bd. 5. Abb. 1
2 V. Abhandlang: Schönbncli.
Hingegen unterlag die Anordnung meiner Exzerpte ganz
erheblichen Schwierigkeiten und ist nicht ohne längere Über-
legung und manche^ zum Teil mißglückte Versuche zustande
gekommen. Die jZeugnisse zur Volkskunde' waren verhältnis-
mäßig bequem zu ordnen gewesen : die einzelnen Nummern be-
sitzen meist nur kleinen Umfang und können daher leicht
dem Inhalte nach zu Gruppen verbunden werden. Anders
hier. Neben den kleineren Stellen, die in Predigten vorkommen,
welche die mannigfachsten Stoffe behandeln, finden sich große
und zusammenhängende Stücke, die nur Polemik wider Häre-
sien betreiben. Diese durften nicht zerrissen oder versplittert
werden. Ich habe die ganzen Predigten zusammengehalten
und in Anmerkungen die Parallelen aus anderen Stücken und
Handschriften beigefügt. Vorangestellt habe ich die Abschriften
und Exzerpte aus der Freiburger Handschrift, weil sie mir
Bertholds Arbeit am unmittelbarsten wiederzugeben scheinen,
ihnen folgen dann die Leipziger Codices und der Linzer.
Doch waren Nachschübe und Anhänge nicht ganz zu ver-
meiden. In den Anmerkungen wurden auch die Hinweise auf
die deutschen Fassungen untergebracht (1. Bd. = Pfeiffer^
2. Bd. = Strohl)'^ hie und da habe ich einen deutschen Passus
wörtlich eingestellt, weil er wichtige Sonderangaben enthält,
auch um in einzelnen Fällen schon jetzt Belege für das Ver-
hältnis der deutschen Texte zu den lateinischen beizubringen.
Unebenheiten ausgleichen. Getrenntes verbinden, das der Sache
nach zusammengehört, soll die Untersuchung, welche dem
Abdruck der Zeugnisse folgt; dem Leser mag zu raten sein,
daß er sie früher zur Hand nehme als die Sammlung der
Exzerpte, die doch, wie sich von selbst versteht, vorangestellt
werden mußte.
1. Frib. (öO^). Sermo XVII. Multi sunt vocati, pauci
vero electi (Matth. 20, 16), et hoc propter raulta, sed circa
1 ff. mit diesem, 8Wck ist der Traktat identisch, den v. DöUinger in
seinen Beiträgen zur Sektengeschichte des MittelaUers 2 (1890)^ 311 — 316 aus
Ulm. 2951 a, 14. Jh., herausgegeben hat unter der Überschrift: De octo bacre-
slbos novis, per qaas modo diabolus mnltos subvertit. et quomodo cognoscan-
tur baeretici per tria, cum venerint ad pervertendum. Sieben KetzerUhren
behandelt ganz ähnlich Pfeiffer 405, 33 ff, (53,1 ff., 283, 32 ff.), femer 2. Frib.
26^. Lips. 496, 47, Iff. Linz. 63, 2f
Stadien rar Geschichte der altdeatsohen Predigl. ö
finem quedam maxime^ qaornm dicam tria. — Zur Dispo-
sition dienen die apokalyptischen Tiere, — (50®) eqaorum
mnlte etut sive exercitos fuerunt, quia diverse hereses sur-
gent. sed ratione brevitatis octo tantum nomine nomine, ut^
si aliqnando talem intellexistis vel agnoscitis, sicnt verum he- 5
reticam judicio spiritaali presentetis, nt ecclesia per tales non
inficiatar, vel si unquam talem de cetero audieritis, ipsum
sciatis verum esse hereticum. hoc die aliquando infra verbis
breviter sie: primus exercitus hereticorum, quos diaboli modo
dacunt per terram, confitetur et credit, quod non debet per 10
Deum jurari. audivisti unquam talem, ille fuit hereticus, vel
si unquam talem audies, et est de prima chetzerstuU ita die
in aliis ponderose, quia non est peccatum jurare. (50^) unde
falsissimum est, quod dicunt, non licere cum veritate, quando
necessitas requirit, cum quilibet possit jurare etiam sine ve- 16
niali, ut licet veritatem dicere. sed soli diaboli et heretici pro
utilitate nolunt per Deum jurare. unde hoc nolite credere^
quia est inmunda heresis, ut clamat Scriptura Veteris et Novi
Testamenti. mentiris, heretice, ubi est prohibitum? nusquam
ibi: ,ego autem etc.* (Matth, 5, 34 — 37), et ibi dicitur: ,quod 20
amplius (Vulg. ahundantius e$t)j a malo est*, expone. inmunde
heretice, si omnino est prohibitum juramenlum simpliciter,
quis ergo tibi licentiavit perjurare? si Dens prohibuit per-
jurare (Exod. 20, 7. Levit 19, 12, Deuter, 5, 11. 23, 21. Matth.
6, 33), ubi licentiatum, quod ter vel quater vel hujusmodi, 25
vel etiam semel, vel quod debes tot convertere, quot perjuria
facis? ubi est hoc in ewangelio? in hoc potestis cognoscere,
quod est res diabolica. sie primo induxit eos diabolus, ut non
jurarent; ita modo, ut jurent, quia valde multos per hoc per-
didit si ante viginti annos, cum jurare noluerint, illicitum fuit 80
10 vMm aoU nicht schwören als KetzerUhre bei Pfeiffer 266, 11, 403 ^ 35,
Femer 1. Frib, 61*. 69*, 7Ö«. 2, Frib. 26*. Lips, 496, 47, 1. — Falsch
»chvDoren meiden die Ketzer Lips, 496, 87, 4: quia videtur quoddam innatu-
rale, horret hoc enim omne genns hominum, pagani, judei, heretici. immo
et qaoddam peijarinm dicantur horrere ipsi demones. die de quolibet illorum
breviter: et quia sie est omnibus, etiam Domino contrarium est in tantum,
quod non vult, quod pro toto mundo quis pejeret, nee pro aliqno, quod fuit,
est vel erit vel esse poterit vel etiam non esse poterit. unde vos, judei, oon-
dempnate hunc pejurum. et sie de ceteris. nam in bac malitia vicit paga-
nos, judeos etc.
1*
4 V« AbbRodlong: Sohö&bach.
jurare, qnis modo licentiavit? — secundus exercitus et se-
cunda stut, qae ante Antichristum Ventura est — ita die
aliter^ ubi vis — credit et confitetur, quod Christas non sit
factus Veras homO; sed fantasticam carneni; non veram, as-
5 sampserit, sed tantam similitudinem carnis. quod est falsissi-
mum et heresis turpissima^ Deum volle facere simulatorem.
audisti unquam ? ut supra. — ita die aliter, ubi vis. — die,
miserabilis, quid fuit, quod in die octavo fuit circameisum?
ita die: et tricesimo tertio anno a nativitate sua in saneta
10 sexta feria fuit crueifixum et vere mortuum sine dubio? qui
contra hoc dixit; scias certissime, quod ille est hereticus et
via sua beretica. et ideO; quicunque dicit^ quod eum sequaris,
quod sibi credas^ noli. — tertius (seil, exercitusj^ quod sancti
non sunt invocandi, et ideo non honorandi jejuniis, festis et
15 hujusmodi. magna stultitia, cum videamus hie amicos poten-
tium posse interpellare et adjuvare alios, qui gratiam illorum
potentium amiserunt. si enim hie in terris positi multa aliis
impetraverunt, ut patet in diversis, multo melius nunc possunt
in celis (51*) vultui Dei assistentes et Deo viciniores. — nota
20 per omnia octo, et primo die illorum heresim et post die bre*
viter, quod hoc non debet credere^ quia est immunda heresis,
ut clamat Scriptura. die etiam quandoque ibi principio alicujus
membri : considerate , si unquam aliquem talem vidistis vel
videbitis. — quartus (seil, exercitus) opponit se judicibus ec-
26 clesie, dicens, quod judicando peccant. econtra ecclesia vera-
citer dicit, quod etiam merentur. Paulus: hoc dicit ipse Dens
(verbo Dei, Hehr. 11, 3) et Petrus et alii apostoli, immo Paulus
tot eorum vidit, ut dicat (Hehr, 11, 32: et quid adhuc dicamt)
deficiet me tempus (enarrantem de Gedeon, Barac, Samson,
80 Jephte, David, Samuel et prophetis). Glosa epistole vel vite
,enarrantein etc.' (Migne 114, 665 D) ; commendat eos : David,
Moysen (23 ff.) et Heliam (kommt nicht mit Namen im He-
24 ff. Pfeiffer 364, 15 ff, : sd sprichet der ketzer, ez müge nieman
einem menschen siuen lip genemen äne toßtliche sünde mit gerihte. her
rihter, — swer mit rehte von iu überredet wirt so get&ner schulde, diu ze
dem libe st^t, so d& sttlt ir uns einen fride vor schaffen. s6, wer möhte 11p
oder guot deheine wise behalten? n(^ mac man sus Itp oder guot mit nihtiu
behalten, unsseliger ketzer! der almehtige got h&t sinen herzelieben acker
da beschirmet. Ea folgt eine Ermahnung zur GhrechUgkeit an die Richter,
Studien zar GeMkiebto dar »lideoteehAn Predigt. 5
bräerbrief vor), qui plnrimos jadicio occidernnt; et ille vilis
hereticns illos condempnat. cui ergo credere vnltis? ad hoc
enim Dens eos institnit, ut in pace poeset ei servire saneta
ecclesia et ne mali nimium multiplicarentar. si enim corpora-
liter malefici non punirentar, bestie in silva majori pace 5
fmerentor quam fideles in saneta ecclesia. — qnintus (seil.
exercitu»)^ quod purgatorinm non sit. et ideo animabus dicnnt
non prodesse soffragia^ et qnod animabus non possit subveniri
post hoc seculum, nee elemosinis nee orationibus nee missis
nee aliis bonis, quia non sint nisi due vie (Matih, 7, iSf,)^ 10
quod falsissimum est. nam quando Deum cum hujusmodi hono-
rant, ipse Dens pro hujusmodi honore ratione illorum coUato
illorum miseretur, ut mitius vel brevius puniantur. cece^ non
potest pater filium vel filius patrem per pecuniam suam in
carcere pro debitis jacentem a carcere liberare? ita et a pur* 15
gatorio^ ut, si ego teuerer in gravissimo carcere judicis pro
aliquo debito, si quis pro me judici solveret partem, et ite-
rum alius partem, ego facilius li berarer, cece, oportet ex ne-
cessitate esse purgatorium. cum enim magnus peccator con-
vertitur, vere Dens ipsum non dampnat. si autem cito mori- 20
tnr, antequam penitentiam peragat, oportet, quod pro hoc
puniatur. ideo credendum, quod omnino purgati statim ad
celum conscendant, omnino per mortale immundi statim ad in-
femum descendant, non omnino purgati ad purga- (51 ^) torium.
adeo enim dignum est, ut venialia non purgata temporaliter'25
puniantur in purgatorio, ut mortalia eternaliter in inferno.
,eIemosina et lumen non yenit illuc' dico illuc ideo non venit,
sed misericordia illa, quam ille fecit, illuc venit, qui dat et
lumen ad honorem sanctorum incendit (Hs. incenditwr), non,
ut se non trudat, editum. valde bene eis potest subveniri in 30
purgatorio. item, quod illis in purgatorio potest a nobis sub-
veniri orationibus, elemosinis, missis, ut vel mitius puniantur
vel liberentur, exemplum de Maria et Martha, que orationibus
suis fratrem suum et lacrimis a limbo suscitari obtinuerunt.
et dignum etiam est, ut, qui hie est in penitentia nee illam 35
hie perfecit, ibi perficiat et pleno mundetur ibi; non pleno
6 ütru. 120, 1: qaidam heretioi dicant, quod non est pargatorinm;
hoc falsiim est. dicas de tribas loci«: Inferno, purgatorio et celo.
6 V> Abhaadloogi SehÖnbRch.
mandatus hie, debens esse cum tot mundis. — sextus (seil,
exercitus), quod diabolas salyabitur. hanc primo doeuit Manes,
et quod creavit yisibilia, quod est inmundissima heresis. ipsi
enim diaboli omnino sciunt; quod non salvabuntur; sciunt
6 enim, quod scriptum est et quod Dominus dicturus est re-
probis : ,ite, maledictil' (Matth. 26, 41) item, stulti dicant,
quod injuste sit ejectus Lueifer, et orant ac jejunant et se
cruciant pro illo, ut liberetur. sed hoc eis ad nihil yalet^ nisi
quod est ridiculum demonibus et quod gravius eos pro hoc
10 cruciabunt, cum nuUus eorum dicat se dolore vel doleat, quod
Deum offendit. sunt et quidam ex hujusmodi, ut dicitur, con-
venientes et in tenebris turpitudines exercentes. et miror, si
aliqui homines sunt tam ceci^ quod putant se cum hujusmodi
credulitatibus posse salvari. dicunt etiam, omnia visibilia et
16 que tangi possunt creasse malum Deum, et bonum Deum
creatorem spirituum; corpus nostrum creare diabolum, animas
Deum. ecce, quanta cecitas, cum tota Scriptura dicat creatio-
nem ! (Psalm. 113, 15) : ,qui fecit celum et terram etc/ (Hehr,
1, 10) : ,et tu in principio, Domine^ terram fundasti/ (Rom.
20 11, 36) : ,ex ipso et per ipsum et in ipso sunt omnia/ (Apoe.
10, 6): ,angelus juravit per viventem, qui creavit celum et
terram etc/ quis sie amicabiliter conjunxit Deum et diabolum
etc. — septimus (seil, exercitus). dicunt, quod Septem sacra-
menta, que Dominus hie reliquit nobis, non yaleant. hoc est
26 immundissima heresis — sie die quandoque — . de sacra-
2 auch Lipg. 496, 47, 2. 14 ff. Lips. 496, 2, 4. Pfeiffer 404, 12:
BÖ sprechent eteliche ketzer unde gloubent sin, daz der tluvel den menschen
geschüefe; so geschüefe unser hSrre die sdle diin. pf$, verfluochter ketzert
wanne würden sie ie sd gemeines muotes oder wanne vereinten sie sich
mit einander ? 23 ff. akrdich Überhaupt in allen Predigten Berthold* von
den Sakramenten, z. B. Lipa. 496, 96, 3. 498, 60, 2 : sed objicit hereticns,
quomodo potest fieri, ut, qui prius fuit panis et vinum, post consecrationis
yerba sit verum corpus et sanguis Christi sub forma panis et vini abscon-
ditum. dicendum, quod Dens, qui omnia potest, potest et hoc. Dameich au»-
ßihrliche Berufung auf die Wunder des Alten und Neuen Testamentes, €Mch
die Wunder des Evangelisten Johannes werden aus der Legende zum Vergleich
herangezogen, et quia tot diversitates mutationum fecit Deus de transsub*
stantiatione corporis sui, dubitari non debet, quia Deus, qui omnia potest,
sua omnipotentia possit et hoc. et mirum est de tanta cecitate hereticorum,
quod etiam plus excecati sunt in fide corporis Christi quam ipsi demones :
omnes enim demones sub hostia consecrata firmiter credunt, esse verum et
Stodien xnr Gesebichte der »Itdeutselieii Predigt. 7
mentis illi dicant, videlicet sanctom baptismum parvnlis non
prodesse^ hominibus confirmationem sanctam nihil valere, cor-
pus Christi non esse verum et (51*') vivum corpus Christi,
sed Signum sive figuram, bezeichetiunge^ tantum corporis Christi
vel (utf) alia sanctitas; alii sie, alii sie dicunt. falsum est. 5
dicimus, quia ita vere est, sicut nunc est in celo. nam ipse
Christus per se dixit, cum esset in terris, cum discipulis illud
tradiderit: ,accipite et manducate, hoc est corpus meum' (Matth.
26y 26), similiter et calicem etc. et per Paulum de celo man-
davit, quod esset verum corpus Christi (1 Cor. 11, 23 ff.), no- 10
tanter contra eos dicit: ^quotiescunque sumitis' (1 Cor. 11 y 26 f.) y
non tantum hac vice. Christus dicit: ,hoc est corpus meum';
hereticus dicit: ,hoc non est corpus Christi, sed figura corporis
Christi^ quero a vobis, o christiani, cui melius credere vultis:
Christo veraci, qui dicit: ,hoc est corpus meum'^ vel heretico 16
mendaci, qui dicit: ,hoc non est corpus Christi, sed figura'?
et dicunt isti Leoniste : ,quomodo hoc potest esse corpus Christi ?
si enim esset tante magnitudinis ut mons, jam clerici totum
devorassent et consumpsissent.' in hiis verbis ostenditur, quod,
sicut sunt ignobiles et rüdes verbis, sie et sensibus, qui locun- 20
tur et cogitant, de celesti pane, que de celo est (Joann, 6y öO/.J,
ut ipse dicit: ,ego sum panis' (Joann, 6y 35, 48)y sicut de pane,
qui in foro venditur, et sicut de carne, que in macello emitur
vel in coquina preparatur. — dicunt etiam (exercittis octavu8)y
quod quilibet bonus, sive sacerdos sive non, et nuUus malus, 26
sive sacerdos sive non, potest conficere. respondeo: ergo de
nullo confido, quia non possum videre in cor ejus vel alicujus,
et ideo non bonitati, sed ordini voluit Dominus hoc committere.
hiis solis verum corpus suum consecrare commisit, et non aliis.
in hoc tamen differt, quod boni sibi et nobis conficiunt ad 80
salutem, mali vero nobis ad salutem, sibi ad dampnationem.
YiTum corpus Christi, ut frequenter patet in obsessis, qui illud sicut ignem
timent. F^. Pfeiffer 302, 24 ff. JStrobl 88, 13 ff. 1 Ketsserkinder im Um-
bu», Linz 153, 1, Pfeiffer 126,24, 17 ff. i. Frib, 112^: item, dicunt,
quod, si fuisset corpus Christi tante magnitudinis ut mons, quantns est ille
mons yel ille, soll sacerdotes jam dudum ipsum devorassent. 24 ff. 1. Frib,
180^: laieuB es, non potes predicare vel celebrare vel hujusmodi, tantum
potes diligere bonum, quod ille facit, quod tantum mereris in hac dilectione
ut ille, qui hoc facit opore. Vgl, Pfeiffer 305, 3ff.
8 V* Abbandlanf: Sohftnbaoh.
sicttt enim in cruce cracifixores obtnlenint Ghristam nobis ad
salutem, sibi ad dampnationeni; sie et nunc mali sacerdotea
in altari. dicant etiam^ qaod, si canis sciret verba illa, con-
ficeret. item de penitentia dicant, quod non est sacerdotibns
5 confitendum. nee confirmationem ab eis accipi debere. magna
cecitas, debere rusticis confiteri, et non sacerdotibns ! qois
rusticis commisit elaves ligandi et solvendi (Matth. 16 ^ 19) ?
die, rustiee, qois tibi animas commendayit vel elaves regni
celoram? dicnnt, sanctam unctionem nihil valere, com dicat
10 Scriptara: ^infirmator qnis in vobis? inducat presbyteros etc/
(Jac, 5, 14 f.) (51 ^) item sanctam ordinem sacerdotalem nihil
esse dicant, contra veram fidem, et qaod non debeat sacerdoti-
bas obediri. sed vera fides est^ qaod eis solis commisit Dens
consecrationem corporis sai et aactoritatem ligandi et solvendi,
1^ et qaod illis debet obediri in bonis, loco sai in hiis, que eis
commisit. nam sicat Dens institait, qaod in celo obediret an-
gelus angelo asqae ad jadiciam, ita et in terra instituit, qaod
homo homini, dicens : ,qai vos audit, me aadit, et qai vos
spemit, me spernit' (Luc. 10, 16), nt si rex diceret scalteto
^0 sao: cam presens non esset, qui te contempnit, me contemp-
nit, et qui tibi obedit, mihi obedit. valde rationale est et
omnibas discretione ntentibns valde dignum habetar videri, qaod
tarn magnam familiam in ecclesia saa non dimiserit recedens
corporaliter sine capite, cum etiam nalla villa qaantamcunqae
26 parvnla sabsistere possit sine gubernatione, non dico per mille
annos, sed nee per unnm annam, nisi seindatar sive dividatar
per discordias. at nunc patet in hereticis, qui, qaoniam sine
capite sant, in tot sectas diversas sunt scissi et semper ad
breve scinduntur, ut vos heretici ipsi scitis: nunc mutatis hoc,
^^ nunc hoc. vos, Leoniste, primo noluistis jurare, nunc juratis
plus aliis, et tarnen dicitis, quia Dens prohibuit, sed quod ma-
gistri vestri lieentiaverunt. quomodo hoc potuerunt? si ante
26 Die UneimgkeU der Häretiker wird hauptaächUch in den Predigten
über dtu Symholum Äpottolicum beim 10. Artikel betprochen. Femer 1. Frib.
30^: nnlU enim fides est commnnlB et nna, nisi sola christiana. jadeomm
non est una et commnnis, qaia non habent omnes anam fidem, immo habet
ille hoc, ille hoc. similiter nee pagani. similiter nee heretici : tu, Runclarie,
non credis, qnod Ortliebarius, et tu, Ortliebarie, non hoc, quod Poverleyn
etc. hnjusmodi. sed nos omnes iinnm credimns et ibi et ibi et ibi.
Sindiea xnr GesehJehte der altdeotseben Predigt. 9
triginta annos fxiit peccatam^ est et nanc. vel vos de nna he-
resi in aliam incidistis. et qnia Dens omnia prescivit hujus-
modiy ideo capat, cni loco ejus obediremns, supposait ordinem
sacerdotalem, et hoc est vera fides. si autem aliqais illins
ordinis malus faerit, nihilominus est eis obediendum, quicquid 6
heretici dicant. nam preeepit ipsis dicens: ^super cathedram
Moysi etc/ (Matth. 23^ 2), cui igitur vultis melius credere :
ipsi Deo dicenti: (,omnia ergo quecun)que dicunt (Vulg, dixe-
rifU) vobiS; facite, secundum etc.' (Matth, 23, 3)? et ideo ha-
bent (sacerdotes) potestatem super familiam Domini sui^ (sive) 10
8int boni sive mali, et habent ligandi et solvendi potestatem.
— et die per negationem^ id est, quod non credunt. — et
quia heretici contempnunt obedire sacerdotibus, quos Dens
ecciesie proposuit, dicens: ,quorum remiseritis etc.' (Joann,
20, 23). ideo obediunt diabolis, (52*), qui similiter in celo Deo 15
noluerunt obedire, ut nee isti pape in ecciesia sive ordini
sacerdotali. item sancto matrimonio se opponunt, quod etiam
Dens instituit in paradiso, et in Novo Testamente primo mi-
raculo aperto coram discipulis suis honoravit, mutando aqnam
in vinum, interessendo cum matre et discipulis. nam quilibet 20
eorum latrant contra illud, dicentes, quod matrimonium nihil
alind est quam manifesta fornicatio ; et ideo non comedunt
casenm, carnes et ova. infiniti enim in matrimonio sunt salvati
et salvabuntur, servent tantummodo duo, que dicens eis pre-
eepit, que nunc obmitto ratione brevitatis. heu, multos in- 25
ficiunt, unde valde ab eis cavete plus quam ab aliqua re sub
celo, nee eis propinquetis per aliquam familiantatem, scientes,
quod animas vestras aliter occiderent eternaliter. dicitis: ,frater,
si veniunt ad nos, quomodo eos ab aliis hominibus cognosci-
17 ff. vgL Lip9. 496, 39,1. 96,6 (gegen Häretiker): qaomodo autem
quis matrimonium contrahere et quomodo in matrimonio yivere debeat, ut
salvetor, propter prolixitatem ad presens subticeo. 28 ff. dcu Verfahren
der Ketzer M der Verbreitung ihrer Lehren schildern viele Stellen Berthold«,
z. B. Lip». 496, 9, 6: et ideo, quicunque aliam fidem in angulo ostendere
▼olnerit, probibeatur tanquam hereticus. S6,6: similes sunt talea heretici,
quibus plus sapit tnrpia beresis in an^lo, quam vera, rationalis, pul-
eherrima fides cbristiana in publico. similes asinis, quibus melius sapiunt
cardui pungitivi quam cibi delicati. similes canibus, quibus melius cadavera
sapiunt quam mel delicatissimum. et cave tibi, quia, licet facie blandiatur,
cauda punget veneficiis. 74, 6, lAp». 498, 65, 2 (integ^itas fidci) : sicut si
10 y. Abhaadlnng: SohÖnbaob.
muS; cum se bonos ostendant?' in tribns, sicut in quibusdam
aliis locis Scripture ostendit eos Dominas (qui pro hoc semper
sit benedictns !), in quibus qailibet illos potest cognoscere. in
fumo, qui ex ore egreditnr^ igne et sulphure. discite, omnes,
unus annulns catene confringitur, totum, quod per eam ligattir, diasolvitur,
sie de fide (vgl. StroUy Über eine Sammlung lateinischer Predigten Berthold»
van Hegensburg, Sitzungsher, 84. Bd,^ S. 108). sie est hereticus, qui, si io
unam heresim incidit, ac si XX quoad mortem eternam. item simile est de
illo, qui immuudam avem, piscem, jumentum vel hujosmodi comedifiset, ac
si multa; sie de heresi. hec dico contra quosdam fideles simpUces, qai vi-
dentes aliquos hereticos aliqaa nobiscum credere et confiteri, qui, dum au-
diunt, vere fideles putant et indigne ferunt, si heretici judicentur, neu
intelligentes, quod, qui uuum articulum negat, sie est hereticus, ac si om-
nes. 56 f 1: quintum, ut sit fortis et constans (in fide). — exemplum de
Omnibus sanctis et martyribus, qui pro illa conserv^anda expoeuerunt res,
honores et corpora diversis suppliciis, non ut heretici, qui statim ad primum
impetum fidem suam negant verbis expressis vel coopertis. sunt tamen, heu,
quidam inter nostros ita debiles in fide, quod sicut prime ficus ad mini-
mam percussionem yenti cadunt. — sie quidam statim, cum audiunt hereti-
corum persuaflionem in latebris, fidem deserunt. quid ergo facerent in per-
secutionibus? — fides foris est ore confitenda, cum necessitas requirit. lAps.
498, 91,2: in tempore temptationis recesserunt. si fidem firmam habnissent,
unnquam ita de faeili evulsi fnissent. vix bis vel quinquies hereticum an-
divit et tamen a fide fugit. stulte, quis te agitavit? sie cito fugavit tc ancilla
una. respondet: ,ideo ei credidi, quia verba dulcia mihi proposuit/ ad hoc
dico: si propter hoc fidem dereliquisti, si cras veniret judeus et ita dulcia
vel dulciora diceret, illi etiam volles credere? si tunc tertia die paganns
etc. si tunc hereticus de heresi alia etc. et ita nunquam stabilis fieres.
stulte, nonne predixi tibi ? etc. item, si omnes sapientes suis sabtilitatibus
et verbis allectivis etc. vos igitur fideles firmiter stetis — . Densdben Passus
ejithäU 1, Frib. 90", nur vorher noch die Sätze: ita fortis esse debet (fides
vestra), ut, si papa et alii omnes aliam assumerent fidem, voluntatem debes
habere, quod illam non deseras. non sie heretici, qui deliquerunt fidem suam,
antequam pro illa aliquid patereutur. Prov. (28, 1): fugit impius — scilicet
a fide — nemino persequente. erubesce, heretice, quia vilis servus vel
femina ita te fugavit, quem etiam mundus fugare non debuisset. 2. Prib.
65^. llö**: ita cave tibi a latebris eorum (hereticorum) et angulis; quicquid
promittatur ab aliquo, non vadas ad angulorum doctores, nam delectabilia
promittunt, ut decipiaut, ut: plus seire in brevi quam omnes sacerdotea ad
tria miliaria, et quod Dominus loquatur secum et e converso in dimidio
anno et hujusmodi, et si deberent (116^) predicare, melius predicarent.
260*: heretici faciunt tibi nunc, ut quedam aranea — serpens, qui ascendit
illum et Caput ejus £ricat. item, quasi columba seducta, non habens cor
cum tritico mellito deeipitur. — Vgl, Pfeiffer 242, 6 ff. 246, 16. 18. 265, 7 ff.
295, 4 ff. 403, 6ff. Strobl 77, 25. 148, 15. 230, 19. 247, 17.
Studien tnr Gesebicht« der altdentsehen Predigt. 11
et alios docete ! in {nmO; qui obscums est; ostendit DominaS;
qaod in obscoro docent. hoc est signuni; unde rogant occul-
tari. unde qoicunqne occulte ad vos venerit vel in occnito,
ab eo discatis, si aperte docere non andet. ipsa fides sancta
tante est dignitatis^ qaod non in angidiS; sed palam vnlt do- 5
ceri. sie docuemnt apostoli, nt dicitnr: ^et in omnem terram
exiyit sonns eornm etc/ (Rom, 10, 18), sie ipse Dens docuit
dicens: ,ego in occulto locatus sum nihil' (Joann, 18, 20). et
sie nnnquam hoc tempore in hac terra inficiemini, si occoltam
doctrinam vitaveritis. secundnm, qaod post, etsi non statim lo
emittont flammas^ nominant doctores sanctos lacidos. dicant:
,ita dicit Aogastinas^ Jeronimas^ PaalaS; Petras/ hoc est mani-
festam signam heresis in laicis illitteratis, quia hoc scire aliter
non possent, cum legere nesciant, nisi in occolto ab aliquo
heretico didicissent. tertiuni; etsi (52^) non statim, fetorem 16
Pessimum maledictionum prelatorum, ecclesie, divini officii,
sacerdotum et hujusmodi. — qui habent doctrinam demonio-
nun, habent et mores eorum; ut Uli decipiunt simplices religiöses
bonos, ita isti ejusdem tribus modis bonos simplices seculares.
— die, quod primo venit nunquam, ubi multi, sed in occulto. 20
secundo ostendit se sanctum et lucidum et docet bona; postquam
autem ei creditar, dat hamum, docet, quod se occidat jejunando
vel hujusmodi. post rogat quod apud sacerdotem non prodat
et gratiam. et ille stultus credit omnia esse bona, ita est ibi. ex-
pone de heretico. ideo cavete sie et prodite. det Dominus. Amen. 25
(52^) Sermo XVIII, Sapientiam sanctorum (Vulg, ipsorum)
narrent populi (Eccli. 44, 15), A sapientia incipe thema et die
primo, quod Dominus magnam gloriam nobis preparabit, et dia-
boli non possunt nos vincere potentia. — due vie — . ideo de
hiis duabus, quomodo sapienter (52°) sive caute ambuletis, ne so
mala pro bonis ire contingat, dicere propono. — Dann über
Häresien und Häretiker, quos omnes nominare non valeo. nee
est necesse, maxime, cum illarum multe nunc sint annihilate
et verwahsen. sed novas octo — . (52^) modo notate dili-
genter et videte, si unquam aliquem illorum vel audistis vel 35
audietis, qui credit, que dicam, et scitote ipsum esse hereticum,
et pro Deo prodite! prima hereticorum via, quam diaboli nunc
37 Die Pflicht, Ketzer heim geistlichen Gericht anzuzeigen, wird von
12 Y. Abliandlnng : Sobftnbaeb.
invenerunt et docaerunt, et isti modo alios docent, est, qnod
ad hoc quosdam indaxit^ quod crednnt; quod nallus debet
jurare etiam veritatem. considerate, si iinquam andiatis talem^
quia pessimus est hereticus. sicnt enim loqni possam yeritatem,
5 ita et eandem cum necessitate per Deam possam teatificari. —
Hiermit bHcht das Stück ab, das in anderer Disposition den
Inhalt der unmittelbar vorhergehenden Predigt darstellen sollte
(acht Häresien mit der Vermeidung des Schtoörens am Beginn),
Sermo XVIIII. In fide et lenitate ipsias sanctam fecit
10 illam et elegit eam ex omni came (EcclL 45, 4), In hiis verbis
commendat Moysen secandam litteram. — Das Thema ist fides.
— scio plarimos minas corare aliqaa de fide in sermonibns
proponere, sed pro commani atilitate nihil atilias (53*) jndico
in predicatione, qaam qaasi semper aliqaa ibi de fide inserere,
16 maxime in mane^ at ardentias cordibas inprimatar. nimis
enim hea heretici nunc latenter maltiplicantar et fervor fidei
etiam in cordibas fideliam nimis debilitatar. — (53**) indabi-
tanter certa est fides christianoram sive fides Christi, qaam
naiii habent nisi nos christiani. jadei enim de illo dicant,
20 qaod fait malas homo et non Dens, pagani, qaod faerit omnino
bonas homo, et ipse et Machmetas sammi et optimi prophe-
taram^ sed non Dens, plarimi heretici moderni, at Leoniste,
Ortlibarii et hajasmodi, dicant eam fictam hamanitatem assamp*
sisse, non veram, sed Deam. omnes aatem isti dampnantar,
26 qaia veram fidem de Christo non habent, sed falsam, cum sit
Veras Deas et veras homo. — (53^) de qao breviter notandam,
qaod prelati debent habere fidem explicitam de omnibas creden-
dis. simplices vero debent habere fidem explicitam de aliquibas
(54*) articalis et de omnibas articalis impiicitam, at scilicet cre-
SO dant veram esse omne, qaod credit ecclesia. — (54*) nee debet
Berthold nicht bloß in den deutschen Fcusungen seiner Predigten toiederhoU ein-
geschärft, sondern auch in den lateinischen, z. B. Lips, 496, 47, 2. 498, 18^ /, 2:
item, qui hereticum seit et non manifestat, in quantum tenetur et ubi tene-
tur, partlceps est illoram maloruin, qui facit, et si est publicum, nisi mani-
festet ipso tempore, quo tenetur, mortaliter peccat. idem de phytone et
bujusmodi. melius esset, tales corruptores ecclesie prodere, quam diu in
pane et aqua jejunare. similiter religiosus, si non accuset in capitulo et
visitatione, cum hoc precipitur, omnia bona sua prodit et mortaliter peccat
et dampnatur. /. Frih. 50^. 61^. 22 ff. vgl. 1. Frih, 60"^ und die doH
angeßihrten Stücke.
Studien zur Geschieht« der altdeutschen Predigt. 13
homo moveri^ si yideat aliqaos hereticos vel abstinentes vel
misericordeS; com multo plures inyeniantur tales, qui fidei sunt
cathoiice. vel ei aliqui^ qui snnt fidei catholice, inveniantar
mali, malt! enim mali et molta malitie sunt inter hereticos;
sed occoltant eas^ qnantum possunt, nee mimm, cum se ipsos 5
occnltant.
(54**) Senno XX. Beati oculi, qui (Luc. 10, 23). Non
est aliud gaudium^ sed dormiens vel depictum, falsum gaudium^
non verum, et quod sie patet^ quia omnia gaudia hie aspersi
similia essent^ non unum cor satiarent^ (54^) quia cras vellet 10
plus, sed in celo est verum. — ita ut si aliter videre gaudium
Celeste homo non posset, quod deberet libenter ardere per
centum annos, ut ipsum videre posset; licet hoc quibusdam
rudibus impossibile videatur, per centum annos semper nudus
ardere, ut uno die videre posset. tam delectabile est Deum 15
videre, quod dici non potest. — (55*) oculi cordis — hec sunt
fides et vita bona, per hec duo illuminatur anima ad videndum
Deum quasi per duos oculos. ita die. corvi infernales hec duo
maxime appetunt homini auferre, scientes, quod sine illis Deum
nullus videbit. fides autem vera est nobilior. hoc est quasi 20
ocnlus dexter, qui est multo nobilior et utilior sinistro. licet
uterque sit valde nobilis et utilis, ille tamen plus, quia in hello
homo nihil valet sine illo, nee in remoto vel vicino. die, si vis.
ita et fides vera multo est dignior et magis necessaria. si
enim haberem fratrem, potius vollem, illum occidisse centum 26
vires, quam esse in una heresi. et quare? quia sperarem,
quod ad predicationem alicujus converti posset, quod se pecca-
torem agnosceret; si autem hereticus esset, quia se sanctum
reputaret ex cecitate vere fidei, quam amisit, converti a pec-
catis vix vel nunquam posset. ideo dico: si soror mea centum 30
vires babuisset (55^) et quod frater mens omnes pueros suos
manu sua oecidisset. — (55^) similiter nota vitam hereticam,
quia communiter heretici super hoc, quod sunt infideles, sunt
omnino hypoerite et dolosi, et illa vitia Dominus supra modum
borret et odit. omnia enim, que faciunt, fraudulenter faciunt: 35
quod offerunt in ecclesia, quod orant, quod jejunant in Quadra-
gesima, quod vacant, quod communicant^ quod confitentur et
24 ff. vgl Pfeiffer 403, 21 ff.
14 Y. Abhandlung: Sehönbaoli.
haJQsmodi. ita Dominos snpra modum odit et horret illos et
ideo debet hie fidelis omnino cavere, ne aliqno modo enm ali-
quibus dolo et fraude circaeat. opera judeoram sunt, sive Tita
jadaica^ injuste res conquirere, terrenis rebus semper intendere;
5 christianis, abicunque possnnt, bono modo nuUam, eum tamen
sint servi nostri, fidem servare, sed pro posse fraudare.
Sermo XXI. Sancti per fidem (Hehr, 11, 33) , vel aliud
tbema (56*) de fide. Per multam dampnatur homo, per hoc
et hoOy sed per unam solum salvatur, sine hoc nnllas senratar
10 et cum hoc uullus dampnatur, quicquid contingat, hoc est vera
fides christiana. — integritas fidei. — multi non habent integram
et perfectam fidem, et in aliquo deficiunt et mutilant sanctam
fidem, ut heretici. nam ille iiiam in hoc mutilat, quod dicit^
quod non sit purgatorium; ille, quod non sit hoc verum corpus
15 Christi et hujusmodi. ita et aliqui in ecclesia, ut aliqui avari,
dicunt: ,credo omnia bene, sed, quod homo dampnetur pro
triginta denariis' — licet hujusmodi — ,hoc nunquam credam,
vel credere nolo/ tu loqueris, ut vere hereticus loquitur, qui
etiam credit omnia, que credimas, preter hoc vel hoc. tu non
^'^O es solus hereticus, multos habes socios. sicut enim tu hoc
credere non vis, ita et ipsi {b&^) quedam credere nolunt^ et
ideo, sicut hereticus, si in omnibus aliis esset bonus homo,
tamen pro perfidia istius solius dampnareris, quia non credis,
quod Deus credi precepit, que requiruntur ad integram fidem.
25 — secundo: ore confiteri fidem. — tertio: non mixta. non
sit mixta (fides) cum aliqua infidelitate judeorum, paganorum,
heresi, vel aliquibus infidelitatiunculis. quia, ut illam puris*
simam nobis tulit, ita et in morte reddi debet, ut significatur
in hoc, quod in baptismo, ubi Deus anime fidem infundit lucidam,
30 homini datur lucida candela, et similiter in morte, in signum,
quod eam lucidam et puram servavit, sicut tibi eam in baptismo
dedit; quia nequaquam vult eam cum aliqua incredulitatiun-
cula misceri et immundari. cibus enim, quamcunque nobilis,
mixtus cum serpentibus mihi non placet. ita fides clara, quam
35 Deus nobis in baptismo claram dedit, omnino clara est servanda,
et ab omnibus infidelitatibus et a quatuor infidelitatiunculis.
quidam non scrvant a prima, quidam non a secunda etc. maxime
stulte femine. unum est, quod non debes aliquid adquirere
a phitonissis vel eis credere, quia peccatum gravissimum est,
Stttdi«n sar Geschichte der »Itdeiitsoheii Predigt 15
ut patet in Saul (1 Reg, 28, 7 ff.) noli de Sani prosequi. et
deberent omnes incarcerari vel tarpiter ejici a terra, quia
moltos dampnant et molta facinnt homicidia inter homines com
meDdaciis. dicis: ^vernm dixit mihi de equo meo perdito/
respondeo, quod haben t exploratores suos in villis hinc inde^ &
qne et qni perscrutantar et eis revelant, et cum yenis ad
iilam^ dicit tibi: ^scio^ quid vis. vis querere de equo nigro,
quem tunc perdidisti/ et cum hoc tibi dicit, putas illam omnia
scire et putas esse yerum^ quicquid tibi postea dicit, quod ibi
sit deductus vel sie vel sie. et sie te decipit et te et se sie 10
dampnat et multoS; quibus hoc narras^ et ei credunt. — (56^)
nam mortale occidit fidem in anima hominis et jacet, licet corpus
non sentiat, fides sie mortificata in corde sive in anima hominis
ut pestilens cadaver fetidum super fossatum vel mortuus fetidus
in sepulchro. — fides sine opera. — hoc enim tibi nihil prodest, IB
si bona opera non habes, et si per mortale aliquod in te morti-
-ficasti (fidem)^ scias indubitanter^ quod gravius est illam inter-
fecisse in te quam non recepisse, ut est gravius honestissimum
hospitem interficere quam non recipere. unde eodem genere
peccati gravius peccas (57 '^) quam judeus vel paganus^ et plus 20
punieris. si enim judeus peccaret sex peccatis et paganus si-
militer sex eisdem et christianus eisdem sex, omnibus aliis
paribuSy paganus eternaliter punitur in inferno, judeus gravius,
christianus multo gravius. — putatis, o boni fideles, si firmam
fidem haberent in se, quod pro tam parvis rebus exponerent, 25
wagent, omnia gaudia eternalia et Deum etc.? ibi pro ita
parvis rebus hoc nunquam facerent.
(57^) Sermo XXII. Qui credit in me, vivet in eternum
(Joann. ff, 48: habet vitam aetemam), Fides debet habere
Septem ornamenta, fidei sunt hec necessaria. primum est inte-
gritas. — integritas omnino requiritur, quia nuUa est heresis,
30
31 ff. Lip9. 496 f 12, 1 : nulla est heresis, que non habeat aliquid de
fide Vera, ande et multi simplices decipinntar. cam enim vident multt, qaod
hereticos combnrendos dicit: ,credo in unum Deum et crodo beatam Vir-
ginem Mariam etc/, dicunt, quod ei fiat injuria, non est ita. quod si in uno
articulo est hereticus, sufficit pro heresi. quod ita sit, patet, quia et judeus
credit aliqua yera. slmiliter et plerique pagani, et tarnen infidelis est nee
fidem habet fideliom. ita est hereticus. multi sunt homines valde pulcri, ha-
bentes pnlcras manus, pedes, staturam, oculos etc. si tarnen naso caret quis,
16 V. Abhandlang: Scbönbach.
qae non habeat aliquid de fide. nnde pleriqae ex vobis sim-
plicibus decipiuntur. cum enim quandoque videtis, qnando
hereticus comburitur, quod dielt: ,credo in unam Deum', vel:
;Credo beatam Mariam^, vel poseat corpus Domini et hnjnsmodi,
5 dicitiS; quod sibi fiat injuria, non est ita^ quia, si in uno est
hereticus ; sufficit. judeus etiam credit aliqua vera^ similiter
plerique pagani; ita et heretici. multi sunt homines valde
pulchri, habent pulcherrimas manus, pedes, staturam et hujus-
modi, sed si tantum naso caret, deformis est. pro sola arbore
10 Homo ejectus est a paradiso. ita heretici multi bene credunt,
quod sunt celum, infernus^ sed non^ quod purgatorium. similiter,
quod Christus est de virgine natus^ quod predicavit, sed
non^ quod verus homo. est enim integritas fidei ut quedam
celestis cathena et tunica inconsutiüs. qui Romam tendit, etsi
15 omnes dietas perficit preter unam, nunquam illuc pervenit.
quidam credunt aliqua nobiscum; quidam plura, sed non omnia;
sed non sufficit; sed qui unum negat; totum subvertit. qui
unum asserem fundamenti in dolio frangit vel aufert^ totum
eflPunditur. — puritas fidei. — (58*) certitudo fidei. — sed
20 quidam sunt negantes, quod vera sit^ quidam hesitantes, quidam
dubitantes, quod possit esse vera, quidam firmiter credentes.
et hoc a humilibus faciliter objicitur. ita certus esse debes,
quod, si omnes clerici de Parisius venirent et aliam (fidem)
sibi predicarent. nihil reputares. si omnes potentes cum gladiis
deformis est. — pro solo articulo, quem hereticus credere contempnit, repro-
batur. heretici multi credunt, quod sit celum, quod infemus; sed quia non
credunt, quod sit purgatorium, dampnantur. similiter credunt, quod Dens
de virgine natus sit et quod predicavit, — sed non quod fnerit verns
homo. — similiter credit, quod corpus Christi prodest, sed non, quod vernm
corpus Christi sit, et ideo dampnantur. — Auf einen besonderen Platz för
die Verbrennung der Ketzer läßt sich schließen, wenn es Lips. 496, 82,2 heifit:
et quia sie firmiter precepit, ideo in primitiva ccclesia, ut ad hoc fideles,
sancti ac ferventes essent in Doi caritate, frequenter cottidie communi-
caverunt. postquam vero multi esse et tepescere ceperunt, in diebus domi-
nicis. post ter in anno; post majorem multitudinem et teporem muliomm
preceptum est districte, ut omnes fideles se saltem sie prepararent, ut ad
minus semel in anno digne communicare valcant. alioquin, qui hoc ex di-
lectione peccati contempserint, ab eccle-sia cjiciantur et ecclesiastica careant
sepultura. debent enim in campo cum judeis et paganis et übi heretici com-
bumntur^ sepeliri, cum mortaliter in quolibet anno peccaverint, corpus Do-
mini non recipiendo. Vgl. 1. Frib. 42^.
/
Sfendien xnr Gwehiehte der »lideiitwliea Predigt. 17
;
et hajnsmodi. mirabile est de hereticornm stultitia. nnde habes^
qnod fides tua rectior sit quam nostra? quid invenisti in fide
toa plus quam in nostra? vel in quo est polchrior? nee unam
rem nee qniequid invenis. respice hamiliter fidem tuam et
Dostram, in infinitam est pulchrior nostra et rationabilior. quid 5
in toa pre nostra invenis predictorum? eerte nihil ^ nisi qnod
tu es sedactus. ita tn ipse neseiS; qualiter a tali, cujus sancti-
tatem nunquam videras vel virtutem^ per annum vel per mensem
nee notitiam habuisti, et Uli credis contra fidem communem et
quam prius dilexisti. plus credis illi ignoto quam omni mundo. 10
— (58®) hie perpendi potest hereticornm istorum vilitas, qui
omnia sua in ypocrisi faciunt, cum frequentant ecclesias^ hono-
rant sacerdotes, observant ritus ecclesie^ jurant se credere^
qnod credit ecclesia; et tamen liec omnia ficte, ut non de-
prehendantur, quod sunt, hoc judeus non faceret nee gen- 15
tilis, sed potius se occidi permitterent. soli demones hoc
solent facere, transfigurantes se in angelos lucis, et docue-
rnnt hoc ministros suos hereticos. ubi unquam verus chri-
stiaous simulavit se colere ydola et judaizare, ne rerum sua-
rum yel corporis pateretur dispendia? nihil est ita contrarium 20
veritati quam fictio. — (P^^) quantumcunque bonus sit artifex,
tamen sine instnunento suo inutilis est; sie et fides: ut faber
siDe ferramentiS; nauta sine navi^ sartor sine forfice et acu,
miles (sine) anuis vel clipeo et hujusmodi, ita fides sine operibus.
Sermo XXIII. Reddet Dens mercedem laborum etc. 25
(Sap. 10, 17: et reddidit justis mercedem laborum auorum,
et deduxit ilha in via mirabili), Vocavit nos Dens ad ce-
lestem patriam ab hoc exilio; que est adeo delectabilis, quod.
si habere illam non possemus, tamen ut illam tantummodo vi-
dere valeamus, pro hoc solo omni vita nostra esset labo- 30
randum. — Die Disposition wird geliefert durch die Erzäh-
lung von der Flucht der Israelit-en aus Ägypten durch Meer,
Wüste und Jordan, Drei Wege zum Himmel: prima fides
christiana. — (59^) sed nota, quod sunt quatur genera homi-
num in ecclesia Dei. quidam negant ita esse^ vel contradicunt 36
fidei, cum de fide aliquid audiunt. hü sunt heretici et hü eter-
naliter dampnantur. quidam dubitant et cogitant^ si ita esset
34 ff. Die ganze Stelle toäraich lAps, 496, 17, 2.
Sitenngeber. d. phil.-hiat. Kl. CXLVn. Bd. 5. Abh.
18 V. AbtaAndlviig: SobAnbseh.
vernm, quod credimus, hoc esset magnum qnid. hü sunt dubi-
tantes et hii similiter dampnantar, nisi resistant. qaidam sunt
putantes, qaidam ita cogitant de fide: sie bene potest esse,
ut predicatar. nt si dico eis: ,epi8eopa8 est in Argentina^,
5 bene patant^ ex quo dico. nolient tarnen jurare, nee sunt
certi, nee sunt firmi, sed cogitant: si est ita, sit ita. hii
snnt pntantes, et de faciii pervertantor tales. cogita, quo-
modo diaboli hominem temptant in morte de fide. qoarti sunt
firmi et fortes in fide, hii snnt veri christiani. — (59®) no-
10 bilis est fides christiana, qaia Dominus vult, quod ita fir-
mus et fortis sis in fide, quam in baptismo tibi dedit, quod,
si descenderent de celo — ut per impossibiie loquar — sicut
pluvie gutte angeii, aiiam suadentes fidcm, non eis credas. et
noii cogitare: ^judeus dicit, quod sua fides sit recta, paganus
15 similiter et hereticus.' hoc faciliter reprobarem, sed longum
esset, unde firmiter tenete, quod nee judei nee pagaui nee
heretici habent unanimem fideni, nisi soli christiani. — seeunda
via: spes. — tertia via: charitas.
(60^) Sermo XX IUI. Videte, vigilate et orate, nescitis
20 enim quando tempus sit (Marc. IS, 33), Hec verba dixit Do-
minus in ultima predicatione sua in populo, cum veliet finem
dare predicationi sue. — quatuor res terribiles: temptatio, mors,
ultimum tempus, Judicium. — (60°) diabolus temptat, quomodo
fidem auferat, per decem res (die mit den zehn Höfmem des
26 apokalyptischen Drachen verglichen werden), primum est chun-
digiu teidinch. sie heretici habent verba, ut tibi nihil dalcius
videatur. sunt autem ut venenum verba. — primo docent
orationes dulces, suzziu cheisei'inne^ post epistolas; primum
2 ff. Lip». 496^ 25 f 3: non enim totum, qaod putatur, ideo 7011101
est, qiiia putatur. putare enim nihil veritatis habet in se. qui enim pataret
se recte ire ad sanctum Jacobum, et iret (25, 4) versus Ungariam, non ideo
recte iret, quia putaret so rcete ire, nee unquam illuc perveniret, nisi mu-
taret viam. simile, qui vitrum pro gemma emeret. simile, qui comederet
toKicum et putaret se sanissimum reciporo cibum vel olectuarinm, qnod qui
putaret, nihil ei valeret. So Ketzer und Juden, magna stultitia heretici. pro
putatione omittit fidem suam nobilem, quam sie Dan habuit, et animam
suam tali laico (demandat), quem nunqnam prius viderat nee seit, an sit
bonus vel malus, nisi quod putat eum esse bonum, uec ab eo talia mira-
bilia, nee etiam in eo talem vitam videt, quod ipsum debuisset a sua vita
retraxisse.
St«dt«B sar Geschieh te der sltdeatsohen Predigt. 19
verba, post evangelia. quid dnicias? et in biis est venennm.
puDgunt at basiliseuS; quem natrit bafo de ovo galli, et qae
videt, inficit. ita et verba eorain, et ideo fagitel noli^ si an-
qaam contingat ire ad hereticuin predicantem, cogitare: ^volo
andire^ quid dicat. quid mihi nocet?' noli, fili, quia irretiunt 6
emn multis sermonibos. secundam est simulatio .sanctitatiS; in
qua multos deeipit. vidi quemdam^ qui ita factus est hereticus.
nam cum de nocte surrexit, dixit hospes: ^surgite et orate!'
(Lac, 22y 46), non debemus vivere ut glutones, sie in cibo.
post vitam piacuit doctrina. dulcia verba, post heresis. osten- 10
dont se, quasi sint angeli sancti, tunc dicere possunt: hinc
fratres, illinc predicatores, sorores, religiös!: ^isti sunt sancti
homines!' (60^) noli, quantumcunque vita pulcra sit. si
enim aliqua fides in aliquantulo , non credas. — tertium est
mala vita doctorum vel aliorum fidelium. hoc proponunt ita: 15
libenter comedunt, vadunt libenter ad homines, diligunt honores,
sunt impatientes et dicunt quedam quo scitis, quedam que non.
et ploral et ita utrumque creditis^ et verum malum de doctoribus
et falsum. sie de plebanis: ^ecce, quomodo fornicatur! non pre-
cipit ita Deus/ noii, filil nam dicit Deus: ,(non est caput 20
nequius) super caput colubri' (Eccli, 26, 22), sunt tamen nuntii
Domini sacerdotes, possunt dare, quod mittitur. si vides unum
malum, vides juxta unum bonura in plebanis, in religiosis. oportet
hie esse mixta. et ignobiliora sunt plura hie nobilioribus, sed in
celo totum purum, si quis ostendit tibi rectam viam, si ipse non 25
volt ire, quid tibi nocet? nee tardius venis ad hospitium. quartum
comu est timor amittendi res, vel amissio. quia potius quam
amittant res, potius adherent errori. — multi per hoc sunt
victi. — breviter: quicunque aliquid diligit injuste^ perforabitur.
nam quando dabit mercatoribus pacem et honorem, si portarent 30
aurum in capite? quicunque tunc plures res diligit, cadet, quia
accipit ad hoc, quod diligit. nam habebit occultas divitias et
ettam potest facere falsas per alchimiam vel illudere oculos.
quintum est, quod facient multa mirabilia falsa et naturalia ita
magna, ut videantur (mirabilia). mutant vinum in aquam, 35
quia ita sunt astuti, quod aufcrunt saporem homini. que facit,
videntur mirabilia, qnia rara. quia facit infirmum, vel si sus-
citat. ita predicit futura, de quibus accepit conscientiam, vel
conjicit et bujusmodi. item statua ejus loquitur et prophetat et
2*
20 V. Ablumdliugt Sohönbaoh.
dicit: ;Si non vis credere mifai^ cum exis, continget tibi hoc/
quid erit, cum ego sto in pnlpito, et ille in aere? cnm pluit
mihi, et Uli non? qnia diaboii superportant. predicit^ nt^ cum
(61*) pono oliam ad ignem — hujnsmodi nimia faciant — ignem
5 de celo. et diabolos intrat in enm^ et ille diabolus seit qnatuor
vel decem linguas, et sie variis ioquitor unguis, item^ qaod
videas hereticos in celo et econtra. et cum venis ad statoam,
tunc dicet tibi: ,modo vide, quid dixerit tibi fratcr Bertholdus!'
cum hoc cornu multos vincit. tribulat etiam occuite suggerendo
10 heresim, ut nunc multi. nam cum yidet, quod nullus potest
predicare, vel per mirabilia vel per mortem, mittit in sompno,
quod tibi videtur, quod ego veniam vel mater^ ut sie credas.
— (61*) sextum cornu, quia muititudo. cogitat homo, quo-
modo potest esse, quod Dens permittit omnes perire? si esset
15 (plus quam) una terra, aliquid esset, modo solus mundus,
omnes fideles in hoc convenerunt — et tunc mirabilia ad hoc
juvant. septimum cornu — qui videntur valde boni et sapientes,
posset aliquis cadere, de quo plus turbaretur fides tua. octavum:
martyrium. nonum cornu — (wörtlich = dem vierten): timor
20 amittendi res vel amissio (keine Ausführung), decimum comn,
quod diu durat. — (61^) quod maxime predicare volo, est de
stultitia, ut sciatis, quomodo eavere debeatis, ne vobis contingat
ut stultis hereticis. tria dicere volo, qui sunt mores eornm,
et quomodo veniant et doceant, quam stulta credunt: decepti,
26 derisores, hypocrite. — primum, sunt plus decepti homines,
(quam) qui unquam fuerunt: dicunt, se esse ecclesiaml si sunt
ecclesia, quare ergo non procedunt ad lumen ut apostoli, qui
ubique omnes publice predicaverant? mirum, si ante mille
ducentos annos publice predicaverunt apostoli, ubi postea latue-
2 flF. VjL Pfeiffer 172, 13: unde iedoch ist vil bezzer eine karze
martel ze lidenne danne icraer iiiere brinneu mit dem tiuvcl. unde swie
vil er iu zeichen vor getuo oder sine prediger, so keret iuch dran niht nnde
gest^t an dem almehtigen gote und an dem kristengelouben. unde sw& sine
prediger Stent, dft schinet diu sunne, unde sw& unsers herren prediger stSnt,
da regent ez. unde do wirt einer üf st^n, der ist mir gelich unde gibt: ,ich
binz, bruoder Berbtolt! unde allez samt, daz ich iu ie gesagete, daz ist
allez samt gelogen, ir sult iuch nü an den gehaben» der da ist der gewäre
got: an den sult ir gclouben/ da. kSret iuch uiht an, wan ez ist ein tiuvel
in miner gelichnüsse. so gibet der etelichen gr6z guot, daz sie an in kdren.
des sult ir alles nilit ahten, unde gestM eht an dem almehtigen gote.
Stadien zur Oescbicbte der sltdentschen Predigt. 21
mnt? in hoc potes videre manifeste, te esse deceptum. jam
sunt mille dacenti anni, quod publicissime est predicata (fides
catholica); qnomodo vel quando est occnltata? — conveniunt in
aliqaam civitatem, et furantnr nobis Scripturam, et mittnnt
hinc inde^ et ille dat dnodecim denarios, ille sex, iile libram, 6
et ita vocat amicum suam, dicens : ,ta semper libenter audivisti
bona, ecee, venit sanctns homo!^ staltil unde hoc scinnt, cum
nunqnam illam ante viderant (Hs. vidisaent), ut (61®) pro ejus
verbis firmentar in heresi? ,8i vis, veni et andi optima!^ et ita
conveniunt molti. et si qnis tunc haberet spiritam Dei, ex- lo
ploraret et comprehenderet. et veniunt id una veste et recedunt
qnandoqae in alia, ne agnoscantnr. primo dicnnt bona verba
aliqna vera; nam si falsa, tnnc agnoscerentnr et caverentnr. post-
quam tunc creditar eis, tunc dicunt: ,velles, docerem te, unde
semper esses beatus/ tunc primo incipiunt: ,sacerdos tuus nescit 15
te docere, ita et ita videtur/ miser! sepe indicat mihi homo viam,
cum ipse vadit contrarium. et docent aliquam orationem, et post
aliqua dicta de Paulo, vel: ,In principio^, et hujusmodi, que
homo Ubenter discit. postquam tunc habent cordis, tunc aliquam
veritatem, in qua est heresis. et hoc totum in occulto, cum 20
dicat Dominus, quod lumen non debet abscondi (ganz frei nach
Matth. 5y 15 f,: neque accendunt lucemam et ponunt eam sub
modiOy sed super candelabrum^ ut luceat omnibus, qui in domo
sunt, sie luceat lux vestra coram hominibus — . Vgl. Marc.
4y 21 f. Luc. 8jl6. 11,33: dort yin abscondito[) . tunc detrahunt 25
clero. miseri, si Lucifer malus fuit, quid ad Michahelem? immo
tanti laudabilior. ita et Petrus et Johannes, quoniam Judas
malus, postquam tunc induxerant, quod clerici sunt uriderzcem,
tunc docent, quod volunt; ex quo eis creditur, et clericis non.
et postea predicant hereses, et tunc homo de cetero vix con- 30
vertitur, ut cum fundamentum castri est destructum; nescio,
me vidisse unum conversum. et ita docent, quod alius ejusdem
erroris contradicit, et ita non est eis credendum. cogitatis:
,libenter vollem audire hereticum.' si tunc veritatem diceret,
nos omnes credimus. item credunt multas stultitias. — tria sunt, 30
que homini fidem conservant. — primam, quod non scrutetur,
grüpelstj quomodo hoc vel hoc possit esse. — • debes credere,
36 ff. Vgl. F/eiffer 62, 34. 63, 14.
22 V. Abhandlung: ScbAnbaeli.
quod ita sit, non scrutari, quomodo Pater et Filias et Spiritus
Sanetus sunt unns Dens; non quomodo, quod de virgine natus;
non quomodo, quod corpus Christi sit sub parva hostia; non
quomodo, quod malus sacerdos potest ligare, solvere, celebrare;
5 non quomodo: ipse seit qnomodo. vis durhgrunden secreta Dei
sensu tuo, cum nee illa, que cottidie vides ocalis, et cum quibns
circuis (6 1^), et cum nee te. unde credis, sancto Elie misit an-
gelum Dominus (4 Reg, Ij 15) etc.? pondera igneml mensura
ventum! revoca diem heri! et cum nee in te. — miraculum —
10 quot habes venas, guttas sanguinis, quomodo potest anima tna
ubique esse, hie tota et bic tota, ita et corpus Christi, noli scrn-
tari — . secundo fiunt heretici, qui credunt de fide, quibus non
est credendum de aliqua, est econtra. debeo textori credere de
hoc, non de fide, calcifici et hujusmodi. — venit servus vel an.
16 cilla vel vir vel mulier, trugner vel trugnerinne^ que nescit
legere litteram unam, sed tantum dicit aliqaa verba, ut exemplo
spely et pro illius doctrina dimittis christianam fidem predeces-
sorum tuorum. nescis, quis sit. — nee mirabilia coram te fecit,
nee mortuum suscitavit, et ita cito dimisisti pro doctrina an-
20 guli unius trugnerii. quid fecisses, si Antichristas venisset cum
gloria, cum miraculis? — ecce rex Tartarorum etc. rogo, non
eos audire, sed judicio spiritaali tradite, nee tam gloriosam,
tam nobilem fidem abjicite, etiam si angelus venire! — ita
debet fides ejus predicari. alia possunt disci in angulis, ut facere
25 calcios et hujusmodi. fides propter sui sanctitatem, gloriam et
nobilitatem tantum in sole, quia est gloriosior quam sol.
(62*) Sermo XXV. Cursum consummavi, fidem servavi
(2 Tim. 4y 7), Duo sunt summe necessaria ad salutem, scilicet
fides et bona opera, unum sine altero non snfficit. sed sex
30 mordarii illos, qui utrumque non habent, occidunt. quia ita
possibile est, celum cadere, ut hominem sine bono opere sal-
vari. — historia: puelle Bester (Estk, 2, 2 ff.). — (62«) similiter
nuUus est articulus in fide, quem recte credis, qui non singu-
lariter remuneretur. — pulchram coronam duodecim stellarum.
35 — pro quolibet enim articulo fidei, qnem apostoli composuerunt,
sab quibus omnes articuli fidei comprehenduntur , spirituali
gloria et decore coronantur a Domino et ornantur. — (62*)
pessimus peccator cum fide videtur mihi quasi sanetus respectu
heretici optimi, quantumcunque facit. quia, si perdis opera,
Stadien sur Gtesehichte der altdeatechen Predigt. 23
aliquis forte predicator ad illa te reducet; sed ei (62^) fidem,
non potest^ qnia sibi non credis. — (^3^) si ex nna parte onmes
mundi principes, potentes, jadices, cradeles tortores vel aliqai
tUornin veniant et incipiant miDari, quod res auferant, honores,
membra, corpas, si incipiunt auferre, oculos eraere et Imjusmodi 5
novas penas infligant, noli fidem mntare, sed fortiter tene, sicut
sancti martyres fecerunt. — si ex alia veniant plebani, episcopi,
fratres, predicatores, boni religtosi^ in aspectum, et ego cum
Omnibus predicatoribos tibi contrarium predicarem, nihil credas,
scienSy quod omnes dampnamur et tu salvahs. — item, si ex 10
tertia parte tota civitas faceret miracala in alia fide^ si terra,
si mnndus, si aliqais statuam faceret loqui, cecum illnminaret,
sardnm etc., si ignem de celo, non credas. — nnde non movearis,
si sol in nocte splenderet — et stelle in die. si estas ad ver-
bnm alicnjns etc. item, si ex quarta parte divitie malte, glorie 15
et delicie tibi promittantnr, sperae, ut infelix Äntichristus et
heretici quidam usurarii. — et si infra flamina, it est demones
de inferno, ebulliant et terreant, vigilando vel dorraiendo mi-
nentnr mortem vel dampnationem, aut hujusmodi faciant, fir-
mns sta! cum igitur nulla re homo movetur, tunc habet magnam 20
et firmam fidem (vgl, Wiener Sitzungsberichte 142, 16 f,),
(64*) Sermo XXVI. Cursum eonsummavi, fidem servavi
(2 Tim. 4y 7), Firmiter est tenenda clara fides, quam de claro
celo clarus Dens attulit tenendum. — hanc (fidem) apostoli
duodecim, cum audivissent Christum predicasse et se dividere 25
deberent, compilaverunt sab duodecim articulis, et quod haberet
duodecim partes. — vel simpHciter diraitte omnes expositiones
et omnia puncta, nisi aliquando exponas unum verbum breviter^
22 ff. Mit diesem Stück stehen in Beziehung die vier Predigten iiher da»
apasteUsche Olauhenahekenntnis, welche der Rusticantts de Comnnini als Nr. 7 — 10
enthält, Lips, 496, 2, Iff. Die erste Nummer mit dem Textspruch In omnem
terram exivit soniu eorum (Psalm, 18, 6)y der auch ßir die folgenden drei
gebraucht wird, enthält die einleitende Bemerkung: igitar, qnia nunc heretici
circa finem mundi nimium mnltiplicantur, et quasi totum robur suum in
hoc eflfundunt, ut fideles simplices a fide catholica latenter avertant, ideo
necesse est, ut et noa robur nostrum studiosissime ad hoc inflectamus, ut,
si a fide aversos reducere non possumus, tarnen simplices in vera fide ser-
▼emus. — Die zwölf Artikel des Sgmhclums werden mit den zwölf Aposteln
und den xwolf Steinen der Mauer des himmlisehen Jerusalem verglichen. Im
folgenden sÜmmt dann der Lips. wörtlich mit dem Frib.
24 V. Abbftndlnng: Schönbach.
ut: ,Credo in Deum/ non deos, contra ydololatras — . vel:
,Celi et terre', breviter. vel: ^Natns ex Maria virgine', ut pos-
sant apes virgines prodacere filios, rnbns (64^) ardere et non
comburi, sol transire per vitrum. vel: Jnde venturus est jndi-
6 care etc/, ut est hie. vel: ^Credo in Spiritnm sanctom', ut
est hie. ^Sanctam ecclesiam catholicam/ ut est hie. hos dao-
decim articnlos apostoli, pleni Spiritu sancto^ anteqoam per
orbem Universum ad predicandum dividerentur, composuerunt,
ne in aliqao predicatio eorum discordaret, et etiam contra
10 faturas hereses et hereticos diverses, quos valde multiplicandos
pleni Spiritu sancto lucidissime previderant^ qui in angulis
hereses docerent et qui omni studio laborarent; fideles a vera
fide avertere. — die totum symbolum vulgariter et distincte. —
Der ernte Glaubensartikel wird besonders gegen die Manichäer
7 if. lApa. Petras priinum et quilibet apostoloram säum. [Die Fet<-
teUung der zwölf Artikel des ^/mf/duma auf die zwölf Ajpostd nimmt Frib. 1
Nr. 25 (62^) fclgendermafien vor: piilchram coronam XII stellaram. pro qno-
libet enim articalo fidei, quem apostoli compoBuorant, sab quibns omnes
articnli fidei comprehenduntar, spirituali gloria et decore coronantar a Do-
mino et ortiantur. Petras: credo in Deum Patrom omnipotentem, creatorem
codi et terrae. Andreas: et in Jhesum Christam, Filium ejas, unicum Do-
minum nostram. Jacobas major: qui coneeptus est de Spirito sancto, natas
ex Maria Virgine. Johannes: passus sab Pontio Pilato, crucifixas, mortnas
et sepultus est. Philippas: descendit ad inferos, tertia die resurrexit a mor-
tais. Bartholomeus : ascendit ad coelos, sedet ad dexteram Dei Patris omni-
potentis. Thomas: inde yentaros est jadicare vivos et mortuos. Matthaeus:
credo in Spiritum sanctum. Jacobas minor: sanctam eeclesiam catholicam,
sanctorum communionem. Simeon: remissionem peccatorum. Thadeus: carnis
resurrectionem. Matthias: et vitam eternam.) — primas pertinet ad Patrem,
sex sequentes ad Filiam, qainque vero Ultimi ad Spiritum sanctum. —
Jeder einzelne OUmhenaartikei wendet sich gegen eine besondere Häresie, primus
contra trideitatem — contra heresim gnosticorum, qai bonam et malum
deum suis dogmatlbus fingunt. — (2, 4} contra Patricianos, Patemianos.
dicunt id inconveniens credere, Deum bonum fecisse serpentes, muscas,
pulices et reptilia, in quibns nulla est utiiitas, sed quedam eorum nocent et
interficiunt; necnon leones, lupos et hujusmodi, qui homines occidnnt et
ledunt, Deum non decere fecisse, sed diabolum, qai inmunditiis delectatar.
similiter et corpora hominnm, quia habent pudenda et quasi nataraliter
peccare appetunt. per hujusmodi stultitias simplices decipiunt. — secundns
articulns contra Paulinos, Bonosianos. — tertius contra Carpocraten, For-
tianos (Z. Photinianos). — quia statim, ut beata Virgo assensit angelo, ad-
▼eniens Spiritus sanctus particulam de corpore ejus separavit et ab omni
yitii corruptione ac infectione mnndavit, et formayit inde corpus Chriati et
Studien nr Oeoohiehte d«r altdeutschen Predigt. 25
besprochen. — (64<») tertins: ,Qui conceptns etc/ — neqne et
dicitur in Sententiis (Hugo von St. Victor, Summa Sententi<irum^
trad. i, cap. 11, Migne 176, 60B): ,omne^ qnod ex aliquo est,
filins ejus est.^ nt ego non sum unguium et barbe vel capilli
mei pater. — (64*) die de avibus quibasdam et apibus, que 6
sine patre naseuntur. apes de favo, Adam de terra virgine in-
culta, flos de terra virgine sine semine, ignis de rubo, manna
de aSre. in sidere, quia, sicut sidus radium etc. item sicut
qaedam aves sine coitu ex arboribus naseuntur. sed item objicit
infelix Leonista et quidam alii, qnod Cliristus non est vere in- lO
camatus nee vere passus. ,quomodoS inquiunt, ,verura corpus
potest ambulare super undas et per medium judeorum ire^ cum
comprehendere Yolentium?^ quorum stultitie respondemus, quod
Dominus Jhesus jChristus per miraculosa, que fccit, suam Dei-
tatem ostendere voluit, quod videlicet supra aquas ambulavit, 15
cecos illuminavit et hujusmodi. per hoc autem, quod esurivit etc.,
verum bominem se assumpsisse ostendit. prescivit futuros here-
ticos, qui fidei sue in utroque contradicerent , ut eis per hoc
ora clauderet — ut Cerdoni et Nestorio. quartus: ,Passus —
sepultus/ contra Leonistas et Cerdonem, fontem illorum, qui 20
dicunt, Christum -non vere passum, sed ficte. et ideo sie verba
multiplicant verba apostoli: ,pa8sus^ crucifixus, mortuus et se-
poitus/ sed dicit judeus et Leonista et quidam alii: ,horrendum
est et inconveniens, dicere, Deum passum/ respondemus: non
est passus Christus, qui est Dens et homo, in deitate, sed in 25
in instant! animam infadit, ut sine mora in corpore et in anima esset per-
fectus homo Deo nnitas. non fait anima infasa post qnadragesimnm diem,
sie a conceptione dicitur fieri in aliis, quamvis a quibusdam post qnadra-
gesimnm diem, alüs citius, aliis tardius, dicatur anima infundi. immo fnit
Tir ab ipsa conceptione et habitavit in beata Virgine CCLXXVI diebus,
scilicet IX mensibus et VI diebas, et sie natus est ex ea. (Vgl. Pfeiffer
SO^ 31 ff.; Strobl 66, 38 und Anm.) ö ff. Lips. 2, 6: vitis profert sine
cormptione suayem odorem, quem valde horrent bufones et fagiunt ser-
pentes. — sicut quidam aves ex arboribus naseuntur sine coitu etc. 19 Lipa,
2, 6: hereticus Leonista, Oerdon, Amarcius, Cherintns, Ebriones {l. Ebionites),
Valentinus. — (3»I): quartus contra Leonistas, No^tianos, Patripassianos.
Die Ketzer benehmen sieh nach Art cannm et leonum, quos hie nomine, est,
primum occidere, post dentibus lacerare et devorare. — (3, 2) sanguinem
sudayit. — in quo attende, quod gutte sudoris in vestito homine veste
sicca ad terram distillant, ut non dicam, decurrunt. et hec omnia ante cm-
cem, quid ergo in cruce? 25 Lips. sol eniro, cum est in arbore, ipsa
26 V. Abhandtang: 8ch6nbach.
humanitate, ut sol, cum arbor secatar et vepres, vel magis vul-
neratur, sol nequaquam vulneratur etc. — (65*) sextas —
contra Leonistas et judeos, qui dicunt, ipsnm non vere snrrexisse.
et ideo voluity ut malta corpora sanctoruin cum eo resurgerent
6 et apparerent multis in testimonium vere resurrectionis sue.
nota de leone. — (G5^) nam Pater et Filius et Spiritus sanctus
sunt unus Deus^ non trcs dii, ut, si esset aliquis ut Fride-
ricus imperator, qui fuit romanus imperator, Tentonie rex,
Suevio dux, et tarnen non sunt tres homines. sed unus homo.
10 ita Pater et Filius et Spiritus sanctus sunt unus Deus, non
tres dii.
Decimus: ^sanctam ecclesiam catholicam^ usque ^pecca-
toram' (= s. e. c. sanctorum communionem, remissionem pec-
catorum = 9, und 10. Artikel des Symbolum ApostoUcutn).
15 notandum, quod iidem proponendo de ecciesia duo necessaria
dixerunt et clamaverunt. unum, quod dixerunt ecclesiam sanctam.
hoc dixerunt contra hereticos niodernos, scilicet Leonistas, Ort-
liebarios, Runclarios et alios^ qui nunc de latibulis ut bufones
occulte prodeunt; asserentes ecclesiam non sanctam, sed mere-
20 tricem, et ei amarissime detrahunt ac omnia ejus instituta deri-
dent. videlicet divinum officium^ quod ad excitandam devotionem
Spiritus Sanctus instltuit, dicunt esse clamorem infernalem, je-
junia, festa^ aquam benedictam, baptismuni nostrum, absolu-
tionem peccatoruni, inunctionem et hujusmodi, que in remedia
25 peccatorum instituta sunt, dicunt, quod clerici omnia illa et hnjus-
arbore multipliciter vnliierata, sol nequaquam vulneratur — (3,3) quinins
articulus: dicunt Adinate (?), quod Christo descendente omnes anime ab in-
feris libcrantur, sed hoc est heresis gravissima. — Zu den nächtten Artikeln
des Syni/ßolunis werden als Ketzei- au/gezählt (3, 5 f.) : Pita^orici, Origenes,
Manichaei. -- Macedonius, Nestorius, Pelagius; Greci quidain, sequentes
quemdam Teodorura; Euchites, Montanus. Vgl. 1. Frih. ff^*/. Lip». 498,
77, 2. — Von n ah wörtliche Übereinstimmung. — Lips. 498, 44, 2: ut qui-
dam nolentes crcdere, que deitatis sunt, ut, quod Deus sit trinus et unus,
quod sol US Deus et hujiismodl. talis fuit Säbel lius et multi alii. simillter de
humanitate, ut, quod sit vere incarnatns, de vii^ine natus, passus et faujus-
modi. quales sunt pauperes Leoniste, habentes fontem erroris a Cerdone.
require de hac materia Silvestri. similiter et de sancta ecciesia, quod Chri-
stus tradiderit ei clavcs ligandi et solvendi et sancta sacramenta et hujus-
modi. hec omnia firmissirae credenda sunt, quia, qui in uno temere dubi-
taret, eternaliter periret.
Studien snr Oeschiehte d«r altdentselien Predigt. 37
modi pro avsritia et snperbia adinvenernnt^ scilicet, ut hono-
rentur. item^ qaod confirmatio^ sacer ordo, misse pro animabas,
laminaria in ecclesiis, sacrificia in missa, nihil valeant, nisi qnod
clerici pro cansa predicta talia invenerant. et subsannando
addnnt: qnomodo ecclesia^ in qua presant clerici; dici debeat 5
sancta^ cum clerici in ecclesiis sunt fornicarii; adulteri, bibuli,
nsTirarii, avari, superbi et hujusmodi? et ideo ecclesia non sit
aancta, sed meretrix. et taltbns verbis simplices a devotione et fide
sancte ecclesie avertnnt. contra tales canes ecclesie oblatrantes
eiamant apostoli, pleni Spirita sancto, altisone per mandum lo
predicando: ^credo sanctam ecclesiam!' mentiatnr Leonista,
Ortli- (60*^) barias et quicnnque alins hereticas; qnantam velit,
ecclesie detrahendo; ego credo sanctam ecclesiam, quia sancta
est et bona^ et virtnosa est et sola salvalrix^ et justa est et
Vera est, licet aliqai mali et injusti in ea sint, sicut inter apostolos lö
aliqnis malus fuit; inter angelos in celo aliqni mali fuernnt,
propter hoc angeli in celo non omnes mali fuerunt. nbi etiam
crescit triticum, qnantumcanqae purum , sine palea combu-
renda? nuces sine testa abjicienda? rosa sine spina? vinum et
oleum sine amnrca? sie, etsi in sancta ecclesia in tanta hominum 20
multitudine aliqui mali reperiuntur^ non est mirum. aurum
non debet abjici, si cum illo vel sub illo est aliquid cupri;
nee argentum^ si aliquid plumbi; nee gemme, si aliqui calculi;
nee triticum in agro contempnilur, si aliquid ibi admixtum
est zizaniorum. nusquam enim boni sunt sine malis nisi in 25
celo, nee mali sine bonis nisi in inferno. hie dum sumus in
medio, oportet simul crescere bonos cum malis, et rete Christi
utrosque capit, donec ad litas perveniatur, et tunc separabuntur.
ideo ad illorum hereticoram confusionem clamabant apostoli per
mundum: ^credo sanctam ecclesiam!' sed quia predicti heretici 30
modemi^ superbie vento inflati (besonders im 1, Korintherbrief
gebraucht) j gloriantur dicentes: ^nos sumus sancta ecclesia 1 nos
sumus illi veri et boni christiani, qui in Scriptura laudantur;
nos sumus imitatores apostolorum!' econtranos christiani dicimus,
nos esse sanctam ecclesiam. quomodo ergo scitur^ qui sunt 35
ySancta ecclesia', vel nos vel ipsi? hoc sancti apostoli, pleni
Spiritu Sancto, ostenderunt lucidissime omnibus unico verbo
14 salvairix hol Lip«., saWatur Frih.
28 V. Abbudlang: Sehöobaeh.
per hoC; quod subdidernnt: ^sanctam ecclesiam catholicam', id
est, universalem; videlieet quod sancta ecclesia, que miain fidem
habet universalem, ut nos habemus, nee fidem sive sectam
particularem, et diversam ae divisam (habet) inter se, ut habent
5 omnes heretici. nam Leoniste credunt unum; Ortlibarii, qui
etiam sunt heretici; credunt aliud; Runclarii; qui etiam sunt
heretici; iterum aliud; et sie de singulis; non concordant in
una fide. sed nos omnes, qui sumus in ecclesia per totum
(65^) mundum; habemus unam fidem universalem: iUi enim in
10 India eandem habent quam et nos, similitcr in Anglia etc.
ergO; ut dixerunt apostoli; noS; qui universalem fidem habemuS;
sumus ;Sancta ecclesia^ similiter nee gentiles unam fidem
habent; sed inter se valde diversam; nam aliqui credunt hoC;
aliqui hoc. similiter nee judei; qui et diversissimi sunt in sua
15 fide et in modico concordant cum fidc; quam antiqui patres
eorum crediderunt. unde multa credunt de sua fide in una
terra; que in alia non; immo in una civitate, quod non in alia;
immo quandoque in una domo, ratio autem diversissime cre-
dulitatis judeorum est; quod; quicquid ceci doctores illorum
20 novi excogitant et eis credendum dicunt, illico credunt. et ut
ab ipsis majorem gloriam habeant; dicunt; in monte Synai a
Domino datum; ut credat; quod doctor sapiens credendum dicit.
hinc est; quod ille dicit cecus doctor hoc credendum ; et hoc
statim credunt; quod doctor aliorum similiter suis credendum
25 dicit; hoc ipsi similiter credunt; et ita de singulis. hinc est;
quod; cum unus doctorum inter judeos hoc dicit credendum;
et alius aliud; et tertius aliud; et sie de multiS; hinc est; quod
magna diversitas credendi est inter judeos etiam de hiis, que
tangunt fidem in Veteri Testamente, ut igitur sancti apostoli
30 toti mundo fidem nostram commendarent et solam veram esse
protestarentur, addiderunt ,catholicam ecclesiam'; non particu-
larem, ut Leonistarum vel aliorum hereticorum; qui latent in
hac civitate vel in illa ut bufones in foveis. — secta Leonistarum
tantummodo in aliquibus angulis serpit sicut bufo et Cancer;
36 ut dicit apostolus (66*): ;Sermo eorum sicut Cancer serpit'
(2 Tim, 2; 17), scilicet: hinc indc; in sero vel in noctC; more
cancri exiens de aqua ad agros vicinoS; et valde nocet agriS;
et heretici sicut bufones et cancer latenter prodeunt in sero
et denuo se abscondunt.
Stvdian x«r OeMhiehte der sltdratsehea Predigt. 29
Seqnitnr: ,remissionem peccatomm^ in ecdesia et nus-
qnam aliter, quicqnid homo facit. contra hereticos faturos, qui
Kathoree vocantnr, qui negant peccatoribns veniam peccato-
mm. similiter contra Melitianuni; qni contra Domini primam
predicationem et Johannis garrivit (Ha, garriunt)^ que fuit: 5
^penitentiam agite!^ (Matth. 3,2, 4,17), — Damach über car-
nis resnrrectio contra Manicliaeos.
(06^) Sermo XXVII. Malier, magna est fides taa (Matth,
löy 28). Ibi dicit glossa : sub persona malieris chananitidis (vgl,
GloBsa Ordinaria bei Migne 114, 139 B C; wörtlich Hrabanus 10
Mauras bei Migne 107, 980 C, der über Claudius von Turin,
Berliner He, 143 *, 144 *, auf Hieronymue zurückgeht bei Migne
26, 114) — (67*) similiter etiam multi errores jndeornm sunt
tarn insipidi, ut etiam a propriis nxoribus illos et a filiis celent.
(68^) Sermo XXVIII. Et hi omnes testimonio fidei pro- 15
bati, non acceperunt repromissionem (Hebr. 11, 39), Potest
qnis cogitare: ,fidem veram omnes babemus, cnr ergo nobis
de fide predicare intendis?^ sed sicnt sapiens bnjus mundi
vnlt Ittcrari, que non habet, — ut dicetur infra — debet ser-
vare, quod habet, aliter ita periret in rebus, ac si nihil lucra- 20
retur — . Ovidius (Are amandi 2, 13): ,non minor est virtus,
quam querere, parta tueri/ sie facere debet christianus. —
Ee folgt die Stelle, welche ich im zweiten Stück dieser Studien
(Sitzungsber., 142, Bd,, 1900, S, 7 ff.) behandelt habe. Dann
wird für die Disposition die Geschichte von den zwölf Ruten, 26
worunter die Aarons nach Num. 17 erzählt. Daran schließt
sich : (68 *) sicut fuit inter illos tunc, ita inter istos nunc,
dicunt pagani (69»): ,no8 soli salvamur.' dicunt judei: ,no8
Boli salvamur.' heretici similiter, Arriani, Manichaei: ,nos soli.^
sed totum est stultitia et falsitas, quia nostra tantum vera est. 30
sed cogitas: ^sicut tu modo dicis, christianam fidem esse opti-
mam et solam veram, ita dicit paganus, judeus et hereticus.'
sed ostendo lucidissime, quod nostra sit sola vera, et hanc
solam Deus diligat pre aliis. et licet sint infinita, per que
ostendi hoc posstt, tamen ostendo in tribus illis, in quibus 35
Deus hec tria prefiguravit et ostendit, videlicet in pulchris
floribus, in dilatatis foliis, in fructibus multiplicibus amigdalarum,
que infirmis prostmt. primum, quod significatur per pulchros
flores, est, quod fides nostra pulchrior et rationabilior ac credi-
30 V. Abliaiidlung: Sehönbsoh.
bilior est credulitate judeoram, paganornm et hereticomin, et
quod ita sit^ facile est probare, consideatis ibi, domini pagani,
judei^ heretici et christiani, bono animo, et qne fides palchrior,
rationabilior et credibilior sit, haue eligite et tenete! primo
5 a paganis ineipiamus. domini pagani, quid ereditis? quem
adoratis? vos esse tales noUetis etiam sine peccato, ut illi
fuerunt; quos adoratis. ecce qnanta staltitia, quod paganas
credit in tarn flagitiosum hominem, cni similem se esse noUet,
similiter nee filiam nee nxorem nee filiam! quere: velies esse
10 ut SaturnuB, Dens tuus? dieit: ^noliem aliquo modO; quia tarn
malivolas fuit^ ut etiam dicatur filios suos devorasse.' velies
autem filium tuum esse ut Jovem^ summum Deum tuum, regem
aliorum deorum? dicis: ,non, quia tarn nefarius fuit^ ut Ju-
nonem, sororem suam, poliucret et patrem suum expellendo
15 a regno etiam turpiter castrasse dicatur.' sie quere de aliis.
de Venerc: velies uxorem tuam talem esse, que fuit aduultera
pessima cum multis viris? item filiam tuam ut Dianam mordariam,
que octo puellas occidit, ut Pfaebus, irater ejus, ante octo ju-
venes occiderat? (69^) item ut Bachus, qui totus fuit ebriosus
20 et furiosus et gulosus et fugitivus? item ut Hercules famosis-
simus, qui fuit ebriosus, insanus et filios suos occidit ac ipse
igne interiit? item uxorem tuam ut Bellonam, sororem Martis,
que dicitur' auctrix belli feminarum, ut Mars virorum etc. hujus-
modi que est talis insania, quod noUes esse sine peccato tuo
25 talis ut Dens tuus? nos Christiani vellemus esse ad pedes
Dei nostri, estne hec pulchra et rationabilis fides? — (duodecim
virge, Aaron) hoc quod hie est, die, si vis, cum loqueris de
heroticis. item, o judei, quam pulchra et rationabilis est fides
vestra? respondete, et quid ereditis? respondent: ,credimus
30 unum Deura, creatorem celi et terre, sicut et vos.' respondeo:
hoc est pulchrum; sed quid de illo? quomodo remunerat eum
diligentes, intime et fidelissime servientes? debet eos diu valde
secum tenere et postea adnichilare, et interim, cum secum
sunt, dare piscem comedere? debeo propter hoc tantum eum
35 diligere et tanta pati? immo, quia sine fine servio, debet re-
munerare sine fine. sed quid credis de creato Adam, quare
fecit et dedit ei Evam, et quod genuit ei per triginta annos?
item die, quam vicine tibi attinet dyabolus ex Adam? si modo
hoc diceremus etc. supra de vera. omnibus annis, quibus Adam
StadieD sor GeBchiehie der altdeutschen Predigt. 31
fnit excommnnicatus^ genuit demonee. glosa : qnia sedit CXXX
anois excommanicatus, qnia Dominus arguit enm^ qaod comedat
de ligno vetito, ßicut dicitar Gen. V. (S, 3): vixit autem Adam
(centum) triginta annis et genuit ad imaginem et similitudinem/
sensos est; quia genuit. in Hebreo non habetur ^filios^ (Gen, 5, 4: 5
ßlios et ßlias)^ ergo usque tunc non genuerat ad imaginem et
similitudinem suam; sensus est, quia genuit demones. Cat.
(Jalcut?) item die: ,que est noverca tua?' si hoc dicerem etc.,
Vera, habent ex dictis Rabi Eleazar. sie: quid est quod scriptum
est (69^) Gen. II (2, 23): ,hoc nunc os ex ossc meo'? Glosa: hoc lo
nunc ergo animalibus coiverat cum aliquibus, que non placuerunt
ei, ostendens, quod coivit Adam cum Omnibus brutis, nee tarnen
cesserat appetitus ejus, doiicc Eva ei conjuncta fuit. — hec
predicta non die in predicatione. — de hujusmodi stultitiis
habent infinitas incredulitates, omni sapienti pro magna stultitia 15
reputandas. aut ergo deserant aut virgam, id est fidem suam,
eis aridam reddam, cum qua comburantur.
Item: o heretici, quam pulcbra et rationabilis est iides
vestra? turpior est omnibus predictis, tam paganorum quam
judeorum, et hoc multipliciter. unde quod multi vestrum dya- 20
bolum adorant, ut — . est hec pulcra iides? et qui non
adorant illum, iili tamen communiter omnes tam turpem habent
fidem, quod numquam audent deferre ad lumen, scd tantum
in tenebras et in angulos. unde et nomen habetis ,catari', quia
sicut cattus in tenebris et in nocte et in angulis plus circuit 25
et sue venationi magis intendit quam in die, in qua plus quies-
eit, sie et vos. estne hec pulchra fides? si est pulchra, cur
ad lucem eam non producitis, cur sie occuitatisV item est recta
fides et rationabilis, quam quilibet textor et calcifex, qui etiam
nescit legere fidem, si in libro scripta esset coram eo, mutat 3ü
quando vult et sicut vult de anno in annum, ut, quod nunc
possit juvare. sie die. prima fuit heresis una Symonis, Menander,
Ebyon, Cherintus, Saturninus, Basilides, Marcion, Montanus,
Severus, Basilicus, Symachus, Ebyoneus, Novatus, Novatianus,
Sabellius, Manes^ Arrius, Eunomins, Leprosus, Macedo- (69'*) nius, 35
Lucifer, ApoUinaris, et ita mutata est modo plus quam in CXX,
et una non est ut alia, et tamen quilibet beretieorum alii dicit,
quod pro sua dampnetur. que est hec stultitia? convenite in
unam, et tamen adhuc erit turpior quam aliqua alia, que ita
32 V. Abhuidlang: Soh^übseh.
est turpis, qnod nee in luce andetis eam docere. item: est hoc
palchra et vera fides, qae saper mendacia est fundata et super
perjaria? et super ypocrisim? bec fides sit abhominabilis
omni sapienti. ecce^ heretici; qnotiens timent, fidem saam ne-
5 gant^ vel apertis verbis et mendaciis, vel coopertts verbis et
mendaciis, vel apertis perjuriis vel coopertis. hanc fidem nnllus
sapiens diligere debet, qae taliter negatur, eam etiam non
tantam boni nostri^ sed etiam mali^ qai inter nos sunt, potias
yellent occidi, quam fidem soam negare. sciatis, quod, si fides
10 vestra vera esset^ quod tarnen non est^ vos tarnen dampnaremini
eo, qaod timore iliam negatis apertis vel coopertis mendaciis
et perjariis. miror; si non verecundamini intra vos, cum dicatis,
quod non debet mentiri et jarari^ quod statim, cum de fide
vestra reqairimini, et etiam pejeratis^ qaod plus est, pro quo-
15 Übet timore. etiam mali cfaristiani nostri hoc nanqaam facerent.
quis tibi licentiavit perjurium facere? cum, ut ta falso dicis,
Dens prohibait etiam jurare. fecit hoc magister Bour^ textor.
que est hec stoltitia vestra? qaomodo potestis vos ita per-
mittere instuitizari? cui ergo sapienti in toto mundo debet
20 placere et palchra videri et rationabilis et bona et dnmcektik
et redlich? immo. Domine DeaS; contra me do sententiam,
quod me dampnes eternaliter, ita est pulchra, rationabilis et
dumcehticy quod credimus, fides hereticoram? cum qaelibet
et omnis illoram fides tam turpis sit, qaod non audeat ad lumen
25 deferri vix vel umquam, et quam quilibet textor vel alias,
qui legere nescit, pro velle suo mutat, et que totiens a creden-
tibus suis mutatur. nam heretici ejusdem secte, qui fuerunt
ante XL annos (70*^), condempnaverunt illos, qui ante LXX
et qui nunc, ut patet in Waldensibus, qui primo pro toto mundo
30 non jurassent, sed modo licentiant, quod post alios, quod co-
opertis juramentis, quod quinquies vel novies, et hujusmodi.
et post breve tempus, sicut ipsi predecessorum suorum fidem
in quibusdam mutant, ita et istorum successores facient et eos
dampnabunt. nam multa mutaverunt de corpore Domini, de
35 purgatorio, de sanctis, de parvulis, do matrimonio et hujusmodi.
quia super mendacia et perjuria est fundata et super ypocrisim,
non super veritatem, ideo quotiens erigitur, totiens cito cadit.
sed fides ecclesie sancte econtra in eternum stat. accipiant ergo
et nunc heretici aridum lignum suum, ut prius pagani et judei,
Stndi«n sar G«aoliiehte 4er altdeatBcben Predigt. 83
Bcilicet aridam deformem fidem, et servent, nt cum illa com-
burantur.
Sedy o domini christiani^ producatis fidem vestram, quam
pnlchra est! tam pulchra est^ — magnum verbnm coram omni
mundo dico — quod nullns in mundo aliquid turpe in eai invenire 5
potest. bene invenitur in Tita aliquorum in ecclesia aliquid
turpe, cum nusquam crescat triticum purum sine malis herbis,
unchrauty sed in fide nostra nihil turpe invenitur. item, magnum
verbum dico: conveniant omnes sapientes mundi cum omni
sapientia sua, et omnes infideles cum odio, quod habent ad fidem, ^0
et omnes diaboli cum eis, immo plus dico, omnes angeli et
Yos omnes sapientes christiani et boni, et consedete cum omni
sapientia vestra: si aliqaid turpe in puncto invenitis in omni
fide nostra, volo, ut decoUer coram omni mundo! quod credimus
in unum bonum Deam, hoc est in infinitum pulchrius, quam 15
quod in multos facinorosos, böswihte, ut paganus credit, quid
est in hoc turpe coram omni mundo? immo, Domine Dens,
contra me do sententiam, quod me dampnes eternaliter, ita est
pulchra^ rationabilis et dumcehtik^ quod credimus, quod iste
bonus Dens, qui ad hoc nos crea (70^) yerat, ut eum diligeremus, ^^
quod humanitatem nostram de virgine assumpsit et nobis factus
est similis, ut eum plus diligeremus, quia aliter nunquam tantam
eum dilexisset homo. quid est in hoc turpe? ut supra. in
eadem humanitate passus est semel, ut illa sola passione nos
ab etema morte liberaret. et quia voluit, quod pro eo multa 26
pateremur, docuit quod ipse pro nobis etiam pateretur, ne posset
cogitari, quod vellet, ut ei majorem dilectionem ostenderemus
quam ipse nobis. item, quod veniat ad Judicium et quod re*
muneret illam, quamdiu vivit, qui sibi servivit, quamdiu vixit.
responde: omnes probi christiani horoines respondent pro fide 80
sna veritate. dicis: ,si deberemus respondere, bene responderem.'
respondeo: semper dicis: ,si deberem/ pro timore obmittere
non debes. sancti pro hoc non obmiserunt nee quicquam simula*
verunt, ut tu illam. quid in hoc est inconveniens, et econtra?
item, o heretice, quid est in hoc turpe, quod juro? quia Dens 85
ipse juravit, angeli sancti sepe, cum verum fuit et necesse. tu
non vis jurare, ut nee diabolus; ideo ibis, ubi diabolus est.
Dens nunquam permittat pejus nobis evenire, quam quod ve-
niamus illic, ubi Dens est et ubi angeli et sancti sunt, qui sepe
Sitzttiigsber. d. phil.-hist. Ol. CXLYII. Bd 6. Abb. 3
34 T. Abhandlung: Sohftnbftob.
juravertint. et ita de aliis, in quibus omnibas fides est sole
lacidior. sed quia nimis protraheretnr^ si laudaretnr^ at est
digna, ideo nnnc^ licet palchram valde esset de boc loqai, qaia
singalaris est sermo tantnm de pnichritudine fidei nostre, quem
6 etiam desidero aliqaa dieram predicare^ taceo^ et ideo ad se-
cundam membrnm transeo, et boc dico valde breyiter^ ne nimis
protrabatar. secundnm est, quod omnibas aliis est latior etc.
tercium; quod est utilior et virtnosior^ tugenthaftig unde chreftig,
etiam in presenti^ ut taceam de faturo. in quo yidemns fidei
10 nostre virtaositatem? virtuose res per aliquam yirtutem debent
agnosci. si fides vestra^ o pagane, o judee, o heretice, est vir-
tuosa^ per quid agnoscitur yirtus ejus? videmus omnes^ quod
sola fides nostra facit virtutes et mirabilia. ubi^ queso, vestra
sunt mirabilia^ o judee^ pagane, heretice? pagani nunquam
16 (10^) fecerunt miracula, quia nunquam Deo placuerunt. ecce,
quam expressa probatio fidei nostre I sed populus Israel, ante-
quam mutaret fidem a Cbristo, quidam magni inter eos fecerunt
magna miracula^ ut Moyses. die Josue. die aliquos alios. post-
quam negayerunt, nulla faciunt. item, yos heretici, qui yos
20 dicitis esse sanctos et reputatis, quis vestrum facit miracula?
etiam ex martjribus yestris — quidam comburuntur, quidam
coquuntur — ubi sunt miracula martyrum yestrorum? ecce,
martyres nostri fecerunt plurima miracola, protulerunt multa
amigdala, quibus infirmas animas comfortayerunt et multa cor-
26 pora curayerunt. yestri martyres nulla faciunt. per quid ro-
borant fidem yestram et suam? per nihil omnino. o heretice,
magister bour combustus, yel alius ibi yel ibi, facit miracula
ut asinus combustus yel canis coctus. sed, o beati christiani,
nos producamus nostros, quosdam ex eis. herum multos vidi,
80 qui multa fecerunt miracula cum fide nostra, etiam multa,
quod plus est; etiam mortui, ecce, sanctus Basianus fidei nostre
2 ff. Lip3. 498, 85, 2: hoc est, quod multi ex nobis saam sanctam
fidem nobilem, rationabilem, omni laude dignissimam, deserunt et fidem ali-
cujus stulti ypocrite, mali heretici, ut Ortlibi, Arrii vel alterius aasumunt,
et suam preclaram, quam Deus ipse feclt, dereliuquunt fidem, pro cigus
testimonio et defensione infinit! virtuosi vlrl et sancti mortem sustinuerunt,
et fidem assumunt, immo potius errorem, quem non Deus, sed tIHs hereti-
cus invenit, qae tam deformis est, quod in angulis, non in luce, docetar,
quam etiam tenentes non se exponunt morti, sed negant, cum impetnntur.
Studien rar Geschiehte der altdeniseben Predigt. 35
(coranam, vgl. S. BassianuSj 19. Januar) cnm fide nostra ob-
tinnity quod etc. die mnltos: Patriciam, dementem^ Wolf-
kangom, Marcellam^ Hambertnm. ecce, quam virtuosa esset
utilis fides nostra etiam in presenti, qnia molta niiracnla hie
faeit item, in futnro sola dat Titam etemam. Jo. III: ^qni 6
credit' (3, 16 ff.), sed ad quid vestra? ad nihil utilis est, nisi
ad ignem. nostra vero sola ad vitam eternam, extra illam nullus
salvabitur, ut extra archam. — Keifie Schlußformel.
(70®) Sermo XXVIII C= Rusticanus de Communi Nr. 45).
Sancti (fehlt Vulg.) per fidem vicerunt regna etc. (Hebr. 11 j 33). lo
Historia est de libro Nnmerorum XVI de tribas, qui se oppo-
suerant contiunaciter Moysi, qui fuit fidelis in omni domo
Domini (Num. 16 ^ 43. 60). hü tres fecerunt Dathan et Abiron
cum suis complicibus, quos infernus absorbuit (Num. 16, 32 f)
cum suis, et Chore cum suis, ignis viros eonsumpsit (Num. 16
16^ 47). (70*) hie breviter die de virgis (Aaron). ideo nunc
sitis firmi in illa. et si diabolus non potest inducere hominem
ad heresim, intendit tamen inducere ad dubium. ergo noii in
aliquo dubitare in fide, ut quidam stulti faciunt, qui intra se
dieunt: ,nescio, quo et ad quid me vertam: judei dicunt, quod 20
ipsi salvantur; sarraceni, heretici, christiani.' cavete a talibus
cogitationibus omnino et sitis fortissimi. cum diabolus intendit
fidem homini auferre, inmittit sibi hujusmodi cogitationes pes-
Bimas. non dubites, nam quicquid credit judeus, paganus yel
heretieus, non est nisi stultitia et fatuitas, nee habet aliquid 26
rationabilitatis, et, nisi valde intus obtenebratus, non crederet.
econtra fides nostra tota sapientia, durncehtich, lux et summe
rationabilis, ut faciliime ostendam de omnibus.
Quod sarracenorum fides non sit nisi stultitia, patet. ecce,
multi sarracenorum credunt lignum esse Deum — ecce, quanta 30
stultitia! — lapidem, aquam, solem, terram, homines malos, ut
Jovem, Venerem et hujusmodi, avem, arborem et hujusmodi.
ecce, quanta stultitia! lignum vile esset Dens; quomodo me
9 =s Lipa. 496, 47, 3 ff. 23 pessimas. debent igitar fideles tales
co^tationes diabolicas, 8i veniunt, procul abjicere et certias scire, quod
quicquid — habet rationis — . 27 nostra omnino est rationabilis, pulcra
et lacida et samme nobilis, ut facile ostendam, si prcdictorum omnium
fidem discutiamus. 31 solem, Innam. terram — ea fehlt: Jovem, Ve-
nerem.
3*
36 T. AbhftBdliinf : 8ch6obae1i.
liberabit ab igne eterno, qni non pot^st se ab isto? quomodo
deprecabor illam, ut me adjuvet? nt dicitur Sapientia (13^ 11
bis 19). yilis Dens sol^ quem qaelibet nox et nubes suo privat
splendore et qui nunquam valet quiescere; quomodo (71*)
5 oranti quietem eternam dabit? vilis Dens terra, que tarn
est lutosa et quam tot hospites viles hospitari oportet in se,
ranaS; serpentes, scorpiones, nsurarios et immundos et tot ossa
vel cadavera maledicta; quomodo orantem me honorabit^ que a
tot ranis, a tot serpentibus et hujusmodi defedatur? aqua tarn
10 inquieta et insipida; quomodo dulcedinem; quam non habet,
mihi dabit et quietem? avis, que me plus timet quam ego
ipsam^ que cottidie tanto labore tam tenuem yictum conquirit,
quomodo mihi roganti eternas delicias et securitatem dabit?
ecce, omnes predicti, quales essent dii, qui nulli sibi servienti
lö bene Tel male facere possent? ex hiis patet, quod non sunt
dii, ut dicit Baruch (6, 14), et quod non est nisi stultitia, quod
credunt saraceni. et quod non sit nisi unus solus Dens, ostendam
tibi breviter et pleno facillime. ecce, scis, quod te ipsum non
creastiy quod tu non es Dens tuus, quia te tantum diiigis^ quod
20 te multo probiorem; pulchriorera; saniorem pre omnibus^ etiam
pre sole fecisses. habent canem pro Deo, avem, lignum, filtrum.
nota de Tartaris: in quolibet anno faciunt sibi deos de filtro:
yiliori servo faciunt minorem, plus dilecto majorem etc. estne
hoc rationalis et sapiens fides? et non die aliquid de Jove et
25 de aliis diis, sed in sequenti sermone, in isto autem die de
1 qui non potest 8e ipsum a presenti igne liberare. — es fehlt: quo-
modo — 2 Sapientia. — 4 quomodo ergo se invocanti dabit eternam re-
quiem? 7 ea fekUt scorpiones — immundos. 9 serpentibus /ehlL
11 ff. et quietem /eA2^, attcA tam tenuem. IS et securitatem /(^. 16 da»
Citat fehlt, 19 diligis, si Dens fuisses. — Nach fecisses steht statt des Passus
bis »ur Polemik wider die Juden Folgendes im Lips. 496: item, quod pater
tuus et mater non fuit Dens et te non creavit, patet ex eadem ratione,
quia tantum te et se dilexit uterque, quod te et se multo pulcriorem fe-
cissent. verum est: partem materie corporis habes ab utroque, sed non ani-
mam. sie nee sui eos, nee illi suos. cogita in infinitum, per milia annomm,
quantum potes, et ita (47,6) oportet, quod ultimo unum invenies, qni est
principinm et origo omnium, a quo cetera omnia flunnt, et ipse est Dens,
in quem credimus, qui omnia fecit, superiora, inferiora, visibilia et invisi-
bilia, qui multa miracula adhuc in anima tua faciet ac te ineffabiliter
glorificabit, ut ipse promisit, et stultos Sarracenos condempnabit, qni eam
cognoscere noluerunt et sibi lapidem vel lignum Deum fecemnt
Studien snr OwdUokte d«r altdeatBcban Pndigt. 37
filtro et hujüsmodi. oportet credere annm Deam esse verum.
ita qui esset in silva, inveniret nnom Deam esse verum, ita
sapientissimi pagani invenerunt; non habentes predicationem nee
Scriptoram. ita dicit Rom. (ly 20) : ,invisibilia Dei (Vulg. : enim
ipsixut), a creatura mündig per ea, que facta sunt, intellecta, 6
conspiciuntur etc. — die tantum latine. — ita de omnibus
virtuosis accipe. iste est pulcher, sed non est Deus^ quia in-
venitur, quod pulchrius est, ut sol; nee ille, quia angelus; nee
illcy quia archangeius; nee, quia virtutes etc.; nee Serapbin, quia
Maria; nee tu, Maria, es Dens, quia invenitur pulcrior: hoc ergo, 10
quod est pulcherrimum, hoc est Dens, ita die de demente vel
bono, de leto (71^). primum die: ,tu ergo, pagane, et omnis
congregatio tua, State seorsum coram DominoS — id est, contra
Dominum, nt significat figura, que dicitur — ,ut simul cite et
repente descendatis in infernumi' 16
Ita die in fine ad judeos et hujusmodi: similiter autem
et judeum condempnabit, quia fides sua stultitia tantum est,
ut faciliter ostendam. ecce, judeus nobiscum credit unum Deum
esse; in hoc bene facit. cum enim quero a judeo: ,in quem
credis?' respondet: ,in Deum, qui fecit celum et terram etc.' 20
hoc bonum est. sed quia non credis, quod ipse Dens factus
sit homo pro nostra salute et caritate, ideo dampnaberis. ecce,
quanta est judei stultitia! dicit: ,quomodo Dens posset fieri
homo?' quero: ,credis Deum omnipotenten (Hs. opHmum)?^
respondet: ,credo.' si ergo est omnipotens, potest et hoc. qui 20
totum mundura potuit facere, cum voluit, potuit se et hominem
facere, cum voluit, et carnem ex virg^ne assumere. sed dicit
peccatis excecatus judeus: ,quomodo potest virgo parere?' res-
pondeo: ,Deu8, qui omnia potest, potest et hoc facere.' quomodo
potuit Dens omnem mundum facere? quomodo potuit virgam so
siccam in lege tua facere florere, frondere et fructum una die
proferre (Num, 17), ita facere potuit, ut virgo pareret, qui
rubum etc. (Exod. 3, 2f,)j qui feminam de patre ut Evam potuit,
16 Ita — condempnabit /0AZ^ 22 ff. et caritate /eUf. ecce -—
stoltitia/eW. 25 qai omnia potnit facere et creare de nihilo. 33 nach
der 8tdU vom Domatrauch des Moses hat Lips. die nächsten Sätze anders,
auch verkürzt, in f eisender Weise: die quatnor generationes : nonne vides,
qnod sine patre nascitar in terra Termicalus? nonne vides, qaod apes na-
scontnr sine patre ? sicut potest facere ista, ita potuit et hoc facere. o cece.
38 V. Abbandlnng : Sehönbaob.
immo vimm sine patre et matre at Adam, immo vides^ qaod
vermes multi^ at cicade et apeS; quod etc. ita die pisces, nt
angaille; aves, nt valtures nobiles; pecora^ nt eqni nobiles in
Capadocia nascnntur sine patre; qnod apis de flore, ita potnit
6 et hnjnsmodi. o cece, habes pisces in aqna, reptilia et bestias
in terra et volatilia in aere, potentiora Deo? ecce angnilla etc.
vides, quod sol transit vitrum, ntroque integre remanente, sie
sol jnstitie, Christas Dens noster, potnit hnmanitatem ex virgine
assnmere, ea tarnen illibata permanente, miserande jadee^ cam
10 tantam meditaris de asaris, si devote Christam implorares,
ipse excecatos cordis tai ocalos illaminaret. ecce^ hoc ipsnm
in propria scriptnra habet, nee videt, cam ante ocalos habeat
ideo die: eccC; demonstratam: ,ecce, virgo con. etc.' asqae
,Deas' (Isai, 7, 14; aber nicht darnach^ sondern aus der Engels-
15 hoUchaft Matth. 1, 21—23, Luc. 1, 31—33), similiter (71«)
Josephas (Antiquitates 18, 3, 3), ecce, qaantnm ex peccatis ex-
cecatas est^ at illam Christam ^ qaem totas mandas agnovit^
ipse non agnoscat! ecce, cam natns esset, secam venerant servi
sai angeli leti, rntilantes et cantantes: ,Gloria in excelsis etc.'
habes pisces in aqua, reptilias et bestias in terra, volatilia in aSre, poten-
tiora Deo? ecce, quedam angnille in aqua patrem non habent, nobilis
yermiculus apis inter vermiculos in terra, quidam nobiles equi in Capa-
docia, quidam nobiles vultures in a6re. sicut Dens istud potuit facere, sie
et hoc. judee, si devote Christum implorares — . Der ganze Pcustu kommt
mit Varianten im Aaadruck auch in anderen Predigten Berthold» vor, wo
von der göttlichen Abstammung Christi gesprochen wird; ich führe nur die
ahweichenden Stellen an: Rtut. de Comm., Lips. 496 ^ 17, I: — miserabilis,
quia non vis aperire mentis ocalam, ideo jure dampnaris — , die, ubi est
pater anguille in aqua? anguilla enim quedam sine patre nascitur. ostende
mihi patrem anguillanim in aqua, et ego ostendam Christi in terra. —
In dieser Breite werden auch die übrigen Beispiele durchgeführt. — J, Frib.
Ä?* (Sermo XXXVII): cicade ex imbribus terre rigate, item mures de terra,
anguille de ceno, apes ex floribus, (SS^J vultures sine coitu generantur, pre-
cipue cum sunt iongevi. Augustimis (De civitate Dei Hb. 2/, cap. 5, Migne
41, 715): equa sine coitu gignit, sine commissione cum mare in Capadocia.
in omni genere animalium, tarn perfectorum quam imperfectorum, fit pro-
creatio fetus sine adjutorio consimilis speciei. hoc patet in reptilibus, in
genere animalis habitantis in triplici elemento, ut reptilia in terra, aquatilia
in aqua, volatilia in a@re, scilicet in aliquo illorum trium. et die, judee et
heretice, quia non vultis ex vestra stultitia credere Deum potuisse nasci sine
patre — . 16 Josephus judeus de Christo scribit — .
Stiidi«n nr GMcUebto d«r ftltitoiiiseliftn Predigt. 39
(Luc. 2y 14). nntis dixit: ,annantio vobis gandium magnam etc.^
(Luc. 2, 10). celi stellam miserant, que tres magos ad presepe
cooduxit (Maith. 2, Iff.). terra, qnia ad ejns preceptum etiam
mortaum quatriduanum tanta velocitate reddidit (statim^ Joann,
llf44)y nt ligatis manibus et pedibns prodiret; et nnlla ei 5
infirmitas in terra restitit, quam statim verbo non cararet.
mare, qnia calcabile se ei prebuit (Matth. 14, 26; Marc. 6, 48;
Joann, 6, 19). cum vero pro nobis moreretur, omnia eum, ut
humano usu loqnar, agnoverunt. sol obtenebratns est (Luc.
23,44f,) etc.^ qnia mortem filii Dei clamabat mundiis> se su* 10
stinere non posse (Auslegung der Olossa Ord. bei Migne 114, 348).
in tantam miserabiliter et tristanter se habnit mundas, nt Athe-
niensesy qni faerunt sapientes etc. (Act 17, 21 ff. 28: ignoto
Deo), ecce, qnanta staltitia jadei et quam cecas est! habet
enim osque in hodiernnm diem velamen super faciem suam 16
(2 Cor. 3, 13 — 16) et dicit: ^nimis contemptibile et indignum
tante esset majestati, et in tanto Deo, quod fartus fuisset homo
et talia ac tanta obprobria et incommoda sustinuisset; non decet
Deum hoc pati/ o miser judee, ecce, yalde bene tibi ad hoc
respondeo: nichil magis decet Dei bonitatem quam bonum se 20
ostendere^ misereri et amare. in hoc cognosco immensam boni-
tatem suam et caritatem, quod tanta pro me fecit, quod pro
mea caritate voluit conspui^ ut me sie lavaret; spinis coronari,
ut in celis coronerer; vulnerari, ut me curaret; mori^ ut vitam
etemam mihi emeret. vere^ Domine ^ probiter et bene fecisti 2&
tanta pro homine sustinendo et faciendo, nunquam enim aliter
tantum te homo dilexisset. satis ostendisti potentiam tuam
omnia verbo faciendo; decuit, ut etiam magnam bonitatem
ostenderes et misericordiam , quod et fecisti, pro homine, pro
me multa patiendo, ostendens autem pulchritudinem et gloriam ^^
et gaudium tuum, te nobis in celis, sicut es, monstrando. in
quo enim cognovissemus liberalitatem tuam et misericordiam
maximam, clementiam et probitatem, nisi in maximis donis?
ideo postquam nobis tua et angelos tuos dedisti, addidisti dare
temetipsum (71**). ideo ei grates referte et diiigite ex toto 36
corde, ex tota anima etc., qui vos ex toto corde dilexit, cor
suum perforari permittendo; ex tota anima etc., ut scis, quod
judeus blasphemat. igitur inconveniens nuiium ex hoc sequitur,
quod Deus pro nostra caritate factus est homo et passus est
40 V. Abhandlonf : Bebönbfteb.
in natnra faninana, cam venerationes, quas ei exhibet popalos
christianus in terris^ multo majores sint quam contamelie^ qnas
intalit popnlas judaicns in Parasceve. die de utroque. jndee,
quia igitur non vis credere^ quod nnllos potest contradicere,
5 quin sit nimis credibile^ nt dicit propheta (Psalm. 92, 5) : ^testi-
monia tua credibilia facta sunt nimis^, ideo dampnaris. qaero
nlterius: ,ubi est?^ respondes: ^in celo/ bonum est. sed qaero:
^quomodo ibi est?^ respondes: ,pedes pendens ei nsqae ad
terram/ ecce^ quanta stnltitial ideo indigeret longis caligis.
10 que est hec staltitia! hnjnsmodi erednnt firmiter in vita et in
morte. ita die animas. item de fleta ter. supra i. = item,
de nocte, quid dabit. sed quia uxorem occidit, hoc est ita
yerecnndam. item, que est noverca tua? hoc esset ita tarpe
dicere etc. qoi fratres tai? item, cnr non loqneris? item, car
15 fngis? sed omnia hec obmitto. — sed quid credis, quid ibi
facit sie sedens? iterum hoc est purus derisus. credis, quod
cottidie ter plorat ita acerbe, quod rugit ut leo, et ter in
die tantum planctum facit/ quod rugit ut leo. et cottidie
duas lacrimas plorat, que tarn fortes sunt, quod, dum cadunt
20 in mare, facient terremotum in terra, quam bene consolatur
hospites suos, qui cottidie ei adducuntur. sed quid facit in nocte?
sibi ter maledicit. item die de duabus animabus. habet ibi
aliquid gaudii? ita: cottidie irascitur. quam pulchrum gaudium!
sed quo tempore die? nuUus seit nisi gailus. ecce, qualis
25 trupha! habet plus? ita: ludit cum Leviathan, qui est in mari.
est hoc gaudium Dei, quod cum bestia ludit? ergo cattns est
ita beatus ut ipse, qui etiam ludit cum mure, et canis cum
cane, et simea cum si(72*)mea. que est hec stultitia? sed dicis,
quod Leviathe sociam occidit Dominus, cur potius eam quam
30 cum? si modo dicerem fidelibus responsum tuum^ pro tam
indigna responsione de Deo numquam deberet te homo et aliqua
Dei creatura diligere. erubesce ergo intra te de tali fidel et
dicunt, quod singulis noctibus sibi ter maledicit, quia dimisit
templum et judeos subdidit servituti. item quod plane locontur
6 nach geringen Unterschieden (z. B. Plural ataU des Singulars 7 ff.)
fehU Lipg. von quero nlterius ab die weitere Polemik wider den jüdUchen Aber-
glatthen hU zum Angriff auf die Ketzer. Zu dem Beispiel von den Beinen GoUea
vgl. Pfeiffer 401, 36 ff. Dort über das Buch Dalmut, t>^. über eine Graaser
Handschrift lat.-deutseher Predigten 8. 72: Dalmut cam judeis als Personenname,
Studien rar Oeaebichto dar alldemtsdieB Predige. 4 1
in cimiteriOy ne mortuus audiat. item fagiant, quia ille per
tridaum flagellator cum virga ignea, et ne audiant mortaum
clamare et ex hoc pereant. miser jndee^ quid credis? cum
quo remnnerat? si hoc dicerem^ deridendas esses ab omni
genere humano et ab avibns et bestiis. remnnerat cnm pisce 5
nno, de qno nobis dat comedere. permisit se Ysaias pro hoc
serrariy Jeremias lapidari, Ezechiel ab equis trahi^ et alii sancti
se excoriari^ dismembrari et hnjnsmodi, cum pro solide emeret
quis satisy qaod haberet comedere de pisce. et latro secandnm
hoc ita felix est nt sancti. postqoam ita diu remuneravit, in 10
nichil reyertamor? hoc stnltum et crndele est credere. sed
credimns nos^ qnod maxima gandia dabit nobis in eternnm.
immo et digne et joste, quia ex qno non do finem bone volan-
tati mee sibi serviendi, nee ipse debet dare finem mercedi etc.
et in precedenti sermone de jndeis nsqne: item diC; qnam 16
vicine. hoc die in precedenti sermone et simiiiter ilind de re-
mnneratione. stnite, cur fugis a domo, cum aiins infirmatnr,
qai ut tu appellatnr? die de angelo Malachamant. crednnt judei,
qnod; si fnerit mortalitas in rilla, qnod non est ambalandum
per mediam viamm, qnia angelns mortis illic yadit. si autem 20
non est mortalitas^ non est ambulandnm per latera viarnm, qnia
angelns mortis per illa vadit^ qnia, quando non habet licentiam
occidendi, vadit latitando. dixerant sapientes de angelo mortis^
quod plenns est ocnlis. (72^) in hora, qna infirmns mori debet, stat
ad capnt ejus, gladinm eyaginatnm habens in manu, et in ipso 26
gladio amara gutta effiasa, quam, postquam infirmns videt, totus
contremiscit, apertoque ore ejus projicit eam intus, et per illam
moritur, per illam fetet, per illam pallescit vultus ejus, infirmo
sie interfecto vadit in viciniam, cultellum abluere. si quis yero
post biberet aquam ablutionis illius yel in alium usum apponeret, 30
in periculo mortis esset, unde mos est judeorum, quotiens ex
eis aliquem mori contingit, quod non solum per yiciniam, sicut
eis preceptum est, sed per totam yillam denuntiant, ut omnes
projiciant aquas suas. in talibus stultitiis stat fides eorum. tot
sunt et tales illorum stultitie, quas credunt, quod in tribus pre- 35
dicationibus non possent dici. ideo yos, christiani, ut est, habete
pro stultitia.
Simiiiter autem et heretici credunt, quia fides hereticorum
maxima stultitia est mundi. stultior est quam paganorum yel
42 ▼• Abbundlnof .* SebAnbaeh.
jndeoram, quod in hoc videtis, qnia omnes heretici mnndi dicnnt,
qaod dampnabitnr, qnicquid boni in toto mundo faciat homo,
qai fidem eorum (non) recipit. expecta, at proloqnar. qois ergo
debet recipere illam? hoc non dicunt jndei nee pagani^ sed
6 heretici omnes, cum sint plures hereses quam CC^ nisi ille solus,
in cujns heresim cadit. videte omnes, qnomodo illam, qai fit
hereticas et eis credit, diabolus decepit et infatuavit; nam, si
essent hie heretici CC, et veniret homo, qai yellet fieri here*
ticus, et diceret primas: ,si recipis fidem cajascanque hie, nisi
10 meam, dampnaberis, qnicquid boni in toto mundo facis^ sie
diceret primus, sie secundus, sie tertius etc. ex quo igitur ita
est sequendum hoc, et si totus mundus suaderet sibi, ut fieret
hereticus, et si cum plus delectaret fieri hereticum, quam ali-
quid aliud fieri, tamen non deberet, donec ad minus in hoc
16 convenirent, quod, qui recederet a nostra ad eorum, per iUam
tunc salvaretur. sed ex quo contradictionem ipsimet dicunt,
nullus fieri debet hereticus? si omnes heretici simul concordarent
dicentes: quicumque fit hereticus (72®), salyabitur, hoc tamen
posset aliquem stultum movere vel ad heresim trahere. hoc
20 ipsum adhuc esset magna stultitia et pura diabolica deceptio.
sed cum omnes contradicunt, hoc stultitia omnium stultitiamm
maxima est. sed etiam quod non sit nisi stultitia maxima
pre jud eorum et paganorum, patet in hoc, quod neque judei
neque pagani neque christiani nullos habent nee habere volunt
25 pro doctoribuB et magistris, nisi qui sciunt legere et intelligere
libros; sed qui credit hereticis, Uli et illi, qui neque legere neque
intelligere (possunt), talibus, qui intromittunt se magistros libro-
rum. heretici recipiunt pro magistris fidei, qui etiam nescirent
legere fidem in libro, si ante se haberent, nee unicum verbum.
30 non recipiunt tam judei quam pagani quam christiani, qui libros
non bene sciunt legere et intelligere, pro magistris et doctoribus,
immo nee aliud genus hominum calcificum nee fabrorum et
hujusmodi. solus vero hereticus, qui nee litteram in libro
agnoscit, nisi quod aliqua didicit verba, ut qui didicit rumorem
35 de Ditrico, intromittit se de magisterio, de predicando et do-
cendo ignotam fidem. et tu tali doctori committis animam tuam
et ei melius credis de fide quam omnibus bonis clericis mundi,
3 von expecta — 43, 8 o fideles fehlt lAps,
Studien sor Owchiehte der altdentseben Predigt. 43
qoi sunt ParisinSy in ordine nostro, Predicatomm, et nbique in
mnndo^ cnm nee etiam ipsa verba ipsemet intelligat que docet.
o fideles, o omnes sapientes, vos scitis, qnod nuUas polest esse
bonas magister de scientia, quam nequaqoam vidit. numqnam
erit bonas magister picture, qni numqnam vidit pictoram. si- 6
militer scribendi, calcios faciendi, panem pistandi et hujusmodi,
ita nee iste rusticus esse potest doctor bonus sacre Scripture.
dicis: ^sine libro scio/ respondeo: hoc est modicum^ cum sint
plures libri in sacra pagina quam X, quam XX, quam XXX.
herum omnium forte scis tria vel duo folia ad plus, que tamen 10
non intelligis. et quia hoc ipsum modicum non intelligis, et
impossibile est, quod intelligas; et quia putas quod intelligas,
et doces quod non intelligis, ideo tu es hereticus, et ille, quem
docet, est stultus et digne fit hereticus. dic^ quid scis. respondes:
^8cio V evangelia.^ magnum quid respectu XXX librorum. ,scio 15
et anegenge, id est: In principio erat verhum etc. scio berch-
salmenJ magnum quid. ,8cio m'at. scio XXX graduB AugustiniJ
magnum, et hoc ipsum non intelligis. quid est hoc dicere: ,]n
principio erat verbum et verbum erat apud Deum?^ expone
mihi primum verbum (72^), quomodo in principio erat verbum! 20
9 qnam milia oroninm homm Lip». — 10 tria vel qninqne folia. —
11 fxm intelligis — intelligis feTdt Lip». 14 statt de» Folgenden von die,
qnld scis an bia mm SefUuß hat Ups.: ideo consnlo, revertere ad aratram,
quia stultitia mazima est, quod qais docet, quod ipse non intelligit. nnde, o
christiani, prodacite fidem vestram! (d. h. wol^ es wird das Credo gebetetj.
— AhrUich wie hier wird die Unwissenheit der Ketzer verhöhnt in der 2. Frib.
Handschrift (87 •) Nr. 173: (87«) tota superbia heretici est ex hoc, quod sibi
Tidetor sapiens et est stultissimas. cum sciat qnatnor evangelia, licet qninqne,
Tel eptstolas, vel pro (pre?) positiones sive verba, sibi videtnr sapientior
qnam nielior clericns in qnatnor miliaribus vel in decem, item qnidam ma-
gister Parisiensis. cnm nee hoc intelligat, et Scriptura sacra habeat plus quam
centesima millesima, vel ducentesima millesima parte aliqna, de quo nescit
nnum verbum. et ideo, quia omnes sunt superbi, Dominus non dignatur eos
convertere. et ideo cavete. — Vgl 1. Frib. 61^. 2. Fnb. 28'. Pfeiffer 2, 81:
sd danket sich maniger wise, der einen buochstaben niht gelesen kan noch
geschriben; 4, 16: sd seite ich dir daz von erste, daz man zehen tüsent buoch
h&t in der kristenheit, nnd der kanst du küme ein halbez blat und wilt d&
mit waenen, daz du ez allez künnest; 5, 18: ich sage iu übte der zeben tüsent
buoche vier bleter oder sehsin und gehoerest ie etewaz, daz du vor nie gehört
h&st. — V^ Lips. 496, 12, 2: in quo hereticus est seductus et cecatus, plus
credendo uni ig^oto etiam laico de fide, quam omnibus notis et litteratis.
44 T. Abbandlnng : Sebftnbaob.
,crat yerbum in principio nt pellis mea in carne mea tota^ vel
nt brachiam meum in corpore meo in parte, vel ut vestis mea
in corpore meo, nee in toto nee in parte/ si sie, tanc verbum
potuit a principio excoriari vel ampntari vel exni. die, magister
6 bour, quomodo fait verbnm in principio? erat in principio
verbum ut albedo in eigne, que non potest separari, calor in
igne, vel ut albedo in veste, calor in aqna, que potest? latine
,in' notat idemptitatem nature. item expone mibi: ,et verbum
erat apud Deum/ sedet verbum juxta Deum, ut hie sedet
10 unus apud alium, vel ut consilium sapientis apud cor suum,
vel ut dies apud solem, vel quomodo? stulte, maxima est vis
in verbis theologie, quam nullus potest intelligere, nisi sciat
aliquid de seien tia, que dicitur grammatica ad minus, latine
,apud' notat diversitatem persone, ut innuit Augustinus, dic^ ex
16 quo es ita litteratus, cujusmodi dictio est ,apud?' hoc oportet
ex necessitate sciri, qui sacram Scripturam vult docere et in-
telligere. hoc Scolaris duorum annorum seit, unde^ magister
bour, dicite: vel est illarum dictionum una, que dicitur nomen?
vel que dicitur pronomen? una illarum, que habet esse? vel
20 que ponitui* pro illis, que habent esse? vel una illarum, que
agunt vel patiuntur? vel una illarum, que dictiones conjungunt
vel disjungunt? vel una illarum, que aliis preponuntur? et
utrum servit accusativo vel ablativo? quod istorum facit hie
,apud?^ vel una illarum, que aliis dictionibus interjacent? si
26 hoc nescis, numquam intelligis, quod dicis: ,et verbum erat
apud Deum.^ Scolaris duorum annorum hoc seit, ita est puerile,
quod hie quesivi, et ita grossum, rüde et inferius. quid igitur
responderes, si de altis sensibus, que in hoc verbo sunt, que-
rerem? ideo consulo, revertere ad aratrum, ad texturam et
30 hujusmodi, quia stultitia est maxima, quod quis docet, quod
non intelligit. item heretici in hoc stultissimi, quod deserunt
firmissimam fidem, que numquam in uno verbo a principio per
MCCL et plures annos, ex quo Christus de celo eam tulit et
nobis tradidit, fuit mu(73*)tata, et aperte predieata semper
36 fuit, et sumunt aliam, quam quilibet textor vel eaicifex vel alius,
qui litteram nescit legere de fide, in occulto etc. — [supra id est
per XXII lineas usque ut a. vel plus. — sed, o domini chri-
stiani, etc. supra . . . usque ,taceo^ per totam columpnam et plus.]
unum tamen dico, pro Deo non tedeat. manifeste videtur omnis
Staditn nr Gesdhiehte der «Itdealiebeii Predigt. 45
infidelitas vera deceptio, et sola nostra recta in hoc, qnod nostra
est yirtuosior etc. [sapra u. t. asque Amen,']
Sermo XXX. Mnlti sunt vocati, panci vero electi (Matth.
20y 16. 22, 14). Et hoc propter molta. sed circa finem mundi
tria maxime infinitos, immo maximam partem mundi, dampnant. 5
hec tria preostendit Dominus Johanni, quorum duo — heu —
jam venerunty tertium cottidie expectamus. — Zur Dispo-
sition dienen die Engel der Apokalypse (6, 6, Off.) — tuba —
locuste — equi — tres bestie. locuste, que non habuerunt
regem, nisi angelum abyssi, sunt heretici, qui modo venerunt lO
ante diem judicii, qui se vocaverunt primo ,pauperes% post
,WaIdenses% post ,scolares', nunc «bonos homines', vei wisl6s
vel wegloSy toti stulti et rusticani, unvolch et idiote, ,et habe-
bant super se angelum abyssi etc.' (Apok. 9, 11). isti heretici
nunc sunt (73^) stultissimi. — Die früheren Ketzer aus den 15
ersten Jahrhunderten der Kirche benannten sich nach den Ur-
hebern ihrer Lehren, die jetzigen nicht: quo nomine istos titulove
circumscribis? nuUo. quoniam non est ab homine illorum he-
resis^ sed absque dubio^ ut Spiritus sanctus predixit, per im-
missionem demoniornm. — (73^) ipsi heretici econtra in tenebris 20
et angulis et textrinis, in domibus leprosorum, in latebris et
in cavernis sub terra, ut vermes et taipe.
Lips, 496 j 46 y 6 (== Rust. de Comm. 34): nota, quod he-
reticus in lingua nostra dicitur Ketzer propter quatuor con-
23 ff. vgl. Pfe^er 402, 21: er hies in einen ketzer. daz tet er dar nmbe,
das er sich gar wol heimelichen gemachen kan, swft man in niht wol er-
kennet, als onch din katze: diu kan sich gar wol onch zuolieben nnde heim-
lichen, und ist dehein so getftn kunder, daz heimelich ist, das b6 schiere
gr6zen schaden habe getAn, und aber aller meiste nnd alier schierste in dem
sumere. sd hflete sich allia din werlt vor den katzen. s6 gSt sie hin nnde
lecket eine kroten, swi si die vindet, under einem züne oder swft si die
Tindet, uns daz diu krote bluotet: so wirt diu katze Ton dem eiter indurstic,
nnde swft sie danne zao dem wazzer knmt, daz die liute ezzen oder trinken
saln, daz trinket sie nnde nnreinet die liate als6, daz eteltchem menschen
dA Ton widenrert, das es ein halbes j&r siechet oder ein ganzez oder unzo
an sinen t6t oder den tdt dft von g&hens nimt. etewanne trinket sie so raste,
daz ir ein zäher üz den ongen vellet in daz wazzer, oder daz sie drin ninset.
swer daz iht ninzet, gezzen oder getrunken, der muoz den grimmigen t6t dA
Ton kiesen, oder sie niuset an eine schfizzele oder an ein ander vaz, d& man
üs ezzen oder trinken sol, daz ein mensche gr6zen schaden nnde siechtaom
dA Yon gewinnet oder zwei oder vier, oder swie vil menschen in einem hüse
46 ▼• AbliAndlnng : BebAnbaeh.
ditioneSy qnibus cattis comparantar heretici. prima est, quod in
die cattas qaiescit et in nocte venatnr. secundo^ quod familiaria
cnpit esse hominibus. tertia, quod lambit ranam qnandoqae
usque ad sangaineni; et venenum, in quo est qaedam dolcedo,
5 ex quo fit nimis sitibundus. si vero bibere non invenit, aret.
cum igitur sie sitit^ potum qaerit. quod si in ysls, ut assolet,
sternutat; qai biberit, vel moritar aut graviter inficitar. qnarta
esty quod ranas portat quandoqne ad lectos hominom sibi fami-
liarium^ ex quibus inficiantur homines. hec sunt proprietates
10 hereticoram. primo^ quia sicut cattas in occnltis et in tenebris
docent. secondo; quia per ypocrisim familiäres se faciant ho-
roinibusy ostendentes se virtuosos et benignes, tertio (47, 1),
quia bereses venenatas quasi venenum bufonis, quasi dulce
quoddam sibi inviscerant in nocte vel in occuite per sacram
16 Scripturam, ex qua contrahunt virus diaboli, quia furtive aque
dulciores sunt (Proverb. 9, 17), ex hoc inficiunt et occidunt sibi
familiäres, quarto: ranas ad lectum portant, hoc est^ venenosos
etiam heresiarchas, ex quibus venennm suum hauserunt, ad
sibi familiäres ducunt, promittentes, quod sanctum Johannem
20 velint ipsis adducere^ qui est pallidus ut bufo et yenenosus.
hü heu multos nunc interficiunt. dicis: ,si veniunt ad nos, quo-
modo eos ab aliis hominibus discernemus et cognoscemus, cum
se bonos ostendant?' respondeo: in tribus docuit eos Dominus
sint. unde d& von, ir hSrachaft, trtbet sie Ton in, wan tr &tem ist halt gar
UDgeaunt und nngewerlich, der ir halt üzer dem halse gdt. heizet sie üz der
küchen triben oder swft ir sit, wan sie sint tötunreine. unde dft von so heizet
der ketzer ein ketzer, daz er deheinem kunder sd wol glichet mit stner
wise sam der katzen. so gSt er alse geistlichen zuo den liuten nnde redet
also süeze rede des drsten unde kan sich alse wol zuo getuon, rehte alse
diu katze tuot, unde h&t den menschen dar n&ch s6 schiere verunreinet an
dem libe. alsd tuot der ketzer: er seit dir vor alse süeze rede von gote nnde
von den engein, daz du des tüsent eide wol swüerest, er wssre ein engel.
s6 ist er der sihtige tiuvel. und er gibt des, er welle dich einen engel Iftzen
sehen und welle dich Idren, daz du got üplichen sehest, unde seit dir des
so vil vor, daz er dich schiere von dem kristenglouben hftt gescheiden unde
daz din niemer r&t wirt. unde d& von heizet er ein ketzer, daz sin heime-
licheit als schedelich ist als einer katzen, und alse vil schedelicher, diu
katze verunreinet dir den lip: so verunreinet in der ketzer s61e unde Hp
des deweders niemermSr rftt wirt. — V^. noch Pfeiffer 406, 22 ff,, wo die
durch Krötengift erkrankte Kalte räudig wird und muhadig heina Gehen die
Lenden nachUeht.
Studien inr Gesebiehte der altdentsehen Predigt. 47
agnosci et discerni: per beatam Panlum expresse hoc omnibas
nontiavity qaia habent doctrinam demoniorum, haben! et mores
eomm (lTim.4jlff.; 2Tim.3jlff,), unde enim demones sim-
plices religiöses bonos decipiunt, et sie eisdem et isti tribus
modis bonos simpliees secalares^ ande corpori eornm speciem 5
Sathanas. Glosa: capat eorum. transfigorant se in angelnm
laeis — Glosa: in Christum, yel aliquem celestem angelnm
lacis. non est ergo magnom, si ministri ejus transfigarentur
velat ministri justitio; quomm finis erit secundum opera eomm:
,operarii sabdoli^ (2 Cor. 11,13). Glosa: exterius in apostolos 10
Christi, die, qaomodo primo consuevit venire hereticus et fa-
cere, sicnt et diabolus. venit diabolos primo ad hominem, sim-
plicem religiosam, nnmquam^ nbi malti sunt, sed ubi est in
occulto suo, et ostendit se sanetum et lucidum, quasi sit Christus
vel angelus, secundo docet bonum, ut jejunare, vigilare etc. post- 16
qaam autem creditur, dat hamum, dat toxicum, docet enim,
vel quod se occidat jejunando et hujusmodi, vel quod non
obediat vel hujusmodi. tertio rogat, quod apud sacerdotem non
prodat tantam familiaritatem angelorum et tam excellentem Dei
gratiam, et sie stultus religiosus credit omnia esse bona, et sie 20
decipitur. sicut multi decipiuntur. unde et Joannes monet
(IJoann. 4, 1) : ,probate Spiritus, si ex Deo sunt!' per omnem
hoc triplicem modum decipit et hereticus simpliees laicos, et
per hoc potest deprehendi hereticus et minister Sathane. venit
primo ut Sathanas, ubi non est multi tudo, sed ubi est aliqua 26
Simplex femina et hujusmodi — diligunt enim angulos et soli-
tudinem et tenebras heretici — et ostendit se valde virtuosum
et sanetum et quasi angelicum, cum sit turpis hereticus interius
et totus ypocrita ac plenus demoniaco spiritu. secundo docet
primo quedam bona, sicut libenter orare, parentes honorare et 30
hujusmodi, quoadusque cor simplicis ad se trahat, et quoad-
usque ei credatur. demum docet crudelia et hereses, videlicet,
quod non debeat jurare, purgatorium non credere. et ideo di-
cunt, animabus nihil prodesse suffragia, quod sancti in celis
non sint invocandi, nee beata virgo nee aliquis aiiorum sanc- 36
torum, et ideo nee jejuniis nee festis nee aliquibus hujusmodi
sint honorandi. item, quidam dicunt, Christum non assumpsisse
veram camem, sed tantummodo similitudinem carnis. alii etiam
docent; omnia sacramenta, que ecclesia confert, nuUum habere
I
48 ▼. ilbliandlting: SchOnbftoh.
vigorem. alii aatem, corpus Christi non esse yeriim et yiyniii
corpus Christi; sed signum corporis Christi vel quandam aliam
sanctitatem, et quod quilibet bonus possit conficere, sive sit
sacerdos sive non, et nuUus malus, alii possint conficerCy et si
6 non femine. item, dicunt, quod non est sacerdotibus confitendum,
nee penitentie ab eis suscipiende sint. ecce, quanta stoltitia!
(47, 2) rusticis commisit claves regni celorum. item, quidam
ipsorum dicunt, diabolum salyandum. hanc docuit Manes et,
ut dicitur (Augustinus ^ De cwitate Deiy lib,21y cap.17.23,
10 Migne 42, 731. 736), Origenes, et quod diabolus creavit yisibilia.
et hoc est heresis crudelissima et yalde stulta, cum enim ipsi
demones omnino certissime sciant, quod nunquam salyabuntur.
sciunt enim, quod scriptum est in Matthaeo (25, 41), quod
Dominus dicturus est reprobis : ,ite, maledicti,' usque ,eternunL^
15 illi stulti dieunt, quod injuste sit ejectus Lucifer a celo, et
orant et jejunant et se cruciant pro illo, ut liberetur. hec autem
eis ad nihilum yalent, nisi ad ridiculum ipsorum demonum, et
quod grayius eos pro hoc cruciabunt. sunt et quidam ex hujus-
modi hereticis, ut dicitur, conyenientes et in tenebris turpitadines
20 exercitantes. et miror, si aliqui homines sint tam ceci, qui putant,
se cum hujusmodi credulitatibus posse salvari. idem, docent,
predicatoribus non credere, plebanis non obedire et hujusmodi.
et quicunque talem deprehenderit, sciat esse hereticum et pro-
dendum. — (47, 2) Exkommunizierte und Häretiker: si sanctus
25 Petrus celebraret (missam)^ potius yellem^ te nunquam audire
aliquam, quam scienter cum illo unam. — (47, 3 = 2Frih.ll2b)
mendaces werden verdammt: judei propter mendaciam custodum
sepulcri, multi paganorum propter mendaciam Macometi, multi
hereticorum propter mendaciam heresiarcharum. nam Arrius
30 {2Frih, 112b noch: et Donatus) excogitavit hoc mendacium
de fide et illud exposuit quasi veritatem, et ita multos damp-
nayit illud mendacium. ita fecit Manes, ita multi alii.
Li'pa. 498, 24, 1. De diyersis erroribus hereticorum circa
statum mortuorum. ,Sancta ergo et salubris est cogitatio, pro
35 defunctis exorare, ut a peccatis solventur' (2 Mach. 12, 46).
Valde sanctum et salubre est defunctis, qui in grayibus tor-
mentis sunt, subyenire, cum sibi ipsis in nullo yaleant opitulari.
26 vgl Pfeiffer 116, 33 ff.
Stadien sur GeMMohto d«r altdenlMhen Predigt. 49
per siibventioneiii enim noBtram eomm tormenta minauntur
plurimum et breviantar. sed omnibos jastitie inimicis, videlicet
modemis hereticis, non sufficit errores saos extendere ad vivos,
utpote mente omnino excecatis, quin etiam ad mortuos extendere
pFesnmant, similes cracifixoribns Christi , quibns non saffecit 6
ipsam persequi vivum, quin etiam lacerarent et perseqnerentnr
mortaam. — hyena, ut legitur in natoralibas, fingit qnandoqae
Yocem bnmanam vel qaasi vomitam in tenebris, ut faominem
yel canem egredientem dilaniet; nichilominns et sevit in mor-
tQorum cadayera in sepulchris. sie et ipsi per friyola et ficta 10
yerba non solnm decipiant yiyos^ sed etiam dilaniant mortuos
per hereseSy quas contra ipsos seyissime confinxerunt. unde
etiam in respectu mortuorum periculosissime errant et multi-
pliciter, quorum errorum omnium ad cautelam simplicium tangam.
primus error illorum et plenus periculo est, quod quidam he- 15
retici dicunt, animas periri cum corporibus. cum enim sint
idiote et modicum lumen intellectus habentes, quia animam
non yident in corpore, nee in morte egredi a corpore^ ideo putant
illam cam corpore similiter perire, sicut in brutis. sed in hoc
stultissime decipiuntur. maxima enim est differentia inter spiri> 20
tum hominis et spiritum bruti. digne enim bruta simul corpore et
spiritu pereunt, quia spiritus ipsorum nichii noyit comprehendere
nisi corporea et, que exterioribus sensibus comprehendi possunt.
nee seit spiritus eorum estimare yel discemere; quid sit futurum
post hanc yitam, quid sit Dens, quid yerum yel falsum, quid 26
yirtus yel yitium^ quid angelus yel diabolus, quid turpe yel
honestum, sed tantum seit occupari cum istis yilibus sensibilibus
et yisibilibus, et igitur spiritus eorum cum corpore jure pereunt.
Spiritus yero humanus inconparabiUter est perfectior et nobilior,
unde seit et sensibilia cognoscere et inyisibilia siye eterna scru- 30
tari. unde et ista temporalia vilissima reputat respectu eternorum,
eterna yero gloriosissima et omni desiderio appetenda yidet.
unde necessario oportet , quod^ quicquid eternum cognoscere
potest, etemaliter yiyat^ sicut patet in Deo, in angelis tam bonis
quam malis, et quia ipsa anima hominis cognoscit eterna, illa 86
et illa, — die aliqua — ideo oportet, quod sit eterna. insuper
quasi tota Scriptura hoc clamat unde yalde stulti sunt, qui se
toti Scripture tam Veteris quam Noyi Testamenti opponunt.
— (24^ 2) plurime auctoritates ad hec probanda possent induci.
Sitsaanb«. d. pUl.-biit. Cl. CXLVIi. Bd. 6. Abb. 4
50 Y. Abhuidlaiif s SahftBbftoh.
immo et gentiles philosophi credideront immortaUtatem ani-
maram. Tullias (De aenechite 21 j 78): non est lagenda mon
animaram, quam immortalitas sequitur. Seneca dicit anime:
vade feliciter, nichil dabitayeris^ expectat te locus melior ac
6 tutior. Merctmus (THsmegistiLSf De voluntate divxnay Hi. Am-
clepitis cap. 10): anime post dissolationem cogentar credere
penis, qui in vita noluemnt credere verbis. rationibna etiam
multipliciter potest ostendi et potios per justitiam Dei. Dens
enim, cum sit juatus, reddet tarn bonis quam malis secandum
10 operam merita. — sed retributio ista non fit in presenti, cum
mali hie floreant et boni opprimantar. — ergo retributio ista
erit post hanc vitam, manet ergo post mortem, item poteat
ostendi per Dei bonitatem, quia, cum Dens sit bonus^ maxime
tamen amicis suis et eum diligentibus. — amici enim Dei in
15 hac yita sunt egentes, angnstiati, afflicti. — ergo manent post
mortem, nam melius esset qno ad qaid Deo non adherere et
ei non obedire, si non sperarent amici Dei pro afflictione de-
lectari. sed vere multam delectabantar. — item hoc esset contra
bonitatem Dei, quia falleret suos. sed Dens failere non potest^
20 sicnt nee falli. — item, hoc nobis dixerunt, qni hoc per ex-
perientiam noverunt, qui a morte snrrexenmt, ut Christus et
Lazarus et multi cum Christo suscitati. item ostendunt virtutes,
quas mortui operantur, ut dicit Gregorius in Dialogo. — item
quidam religiosus cuidam philosopho: ,aut anima^, inquit, ,e8t
26 mortalis aut immortalis. si mortalis, et credis eam immortalem,
nullum tibi inde provenit incommodum, et econtra. ergo melius
est, ut credamus immortalem.' dicit Tullius (De senectute 23^ 82)
Catonem dixisse: ,si anima mortalis est, qui credunt eam esse
mortalem, non erunt post hanc yitam, qui nos confundant de
30 contraria opinione. si yero immortalis, nos, qui sumus hujus
opinionis, poterimus eos confundere, qui contrario opinionis
sunt.' item nichil est creatum propter ignobilius et yilius se.
ergo anima rationalis non est principaliter creata propter opera-
tiones yiriam, quas habet communes cum brutis, yel propter
86 bona ista corporalia, quia yiliora sunt, ergo non debet perire
cum eis. et hec contra predictum errorem sufficiant. — alü
errant in hoc, quod negant corporum resurrectionem, eo quod
yident corpus incinerari, et in minimum quid corpus magnum
redigi. sed huic errori multipliciter obyiat beatns Gregorius
Stodfen rar «Mokidite dar »HdMrtMlIieB Predigl 61
saper Esechiel in omelia XVIII. cum similitadiDibns et anc-
(25, l)toritatibii8. nota probationes mnltas supra in sermo XL.
nono. item OregoritM — . — item, alii habent heresim similiter
pericnlo plenam, qnia negant etemitatem pene futnre tam cor-
poris quam anime. et hie error periculosissimas est. destmit 6
enim fonditos omnem bonitatem in cordibns hominam et timorem
Domini. — cum enim heretici illi sint sine lamine intellectos,
dicant et credant, quod eternam penam non debeat Dominus
eis infligere pro peccato breyi, et sunt miserabiliter decepti. ita
digne pnnit malos eternaliter pro inobedientia^ nt remunerat lO
bonos pro obedientia. item merito pena eterna punientur, qui
gloria eterna a malo revocari nolunt. et quia peccator peccavit
in suo etemo, id'est^ usque ad mortem in peccato perseverandoi
ideo merito punietur in etemo Dei. Gregorius in quarto Dia-
logi. — de hac materia require multa in Sermone ^Petri ad 15
Vincula' (Bpäter eingesetzt), alii autem heretici sunt, qui negant
animaS; que in caritate decedunt^ nuUa pena purgatorii in fiuturo
puniri^ qui error habet tres errores sibi annexos. primus est,
quod nuUum peccatum sit veniale. secundus est, quod, quando
dimittitur culpa, dimittitur et pena. tertius, quod snlBfragia 20
ecclesie non prosint mortuis. primi non sentiunt de Domino in
bonitate, qui dicunt omne peccatum mortale, et stultissime errant,
cum nullus judex pro levissimis culpis homines debeat, vel etiam
proprios filios, condempnare. unde sicut non omrais infirmitas vel
vulnus corporis est ad mortem, sie nee omnis infirmitas spiritalis 25
mortalis est. item, sicut non omnis casus quantumcunque levis est
ad fractionem colli, sie nee omnis spiritalis ad mortem. — (2ö, 2)
non prqjiciuntur vasa omnino pretiosa pro parva inquinatione^ sed
purgantur, sicut nee anime morte dampnantur pro parva immun-
ditia. item, si quodlibet minimum peccatum esset mortale, omnes 30
homines damnarentur cum sanctissimis. — item^ secundus error
nimis est periculosus, evacuat enim penitentiam, pro qua Christus
venit in mundum. — item, idem esset de illo, qui multum pec-
cavit ut qui parum; et quod falsum dicant, patet in hoc, quod
etiam amici Dei, si peccaverunt, multa pena puniti sunt, licet 35
contriti, ut patet in David, et etiam post mortem, licet dimissa
fuisset eis culpa mortalis, fuerunt enim in inferno, donec Christvii
eos eduxit. item si hoc esset dedecus culpe sine decore vin-
dicte, non est verisimile, quod ita de facili penam dimittat
4*
52 y. AMiMidl^ng ; 8 eh 6 ab »ob.
Dens peccatoribus, quin saitem eos pena transitoria poniat. item
magis propitius esset Dens biis, qai differant conversionem
usqne in finem vite, quam bis, qui in jnyentate convertontar,
cum a primis penam non exigat, et ab aliis exigat^ et sie be-
6 nignior esset ad contemptores benignitatis sue quam ad alios.
circa tertium errorem, videUcet, qui ponit, sufiragia ecdesie
non prodesse mortuis, notandum^ quod valde cmdeliB, cum in
mortuos seviat; qnantum enim in eo est, aofert eis, qoiinigne
cruciantur, omnem saccursum sancte ecclesie. — et quod eis
10 possit snbyeniri^ patet in hoc, quod ad petitiones sanctonim
bominnm aliqaos Dens convertit et dat eis soam gratiam, qui
fuerunt obnoxii pene eterne, sicut etiam ad preces sanctorum
relinquit penam purgatoriam. item, ad preces sanctorum ho-
minum suscitavit Deus mortuos et extraxit de inferni limbo,
15 ut ad lacrimas Marie et Marthe Lazarum et ad preces Petri
Tabitam. sie adhuc ad orationes sanctorum animas de purgatorio.
— pro mortuis autem, qui in mortali decedunt, non est oran-
dum, sed qui in yeniali, cum non sint Dei inimici, sed amici.
si oratio in terra fusa in celo operatur juxta verbum Gregorii,
20 eodem modo in purgatorio. item qui pro debitis tenetur in car-
cere, si alius solvit pro illo, liberatur; sie de purgatorio. aliud
esset, si non pro debitis, sed pro gravissima offensa, non quasi
amicus, sed proscriptus abjudicatus et pessimus inimicus in
carcere teneretur. quomodo autem eis valde efficaciter valeat
26 subveniri, require in Dominica ultima, quomodo vero possit
haberi spes, quod mortuo post mortem subveniri possit, nota
ex signis vere contricionis. Quomodo vero cum morituro loqui
debeamus pro sua magna utilitate, docet Anseimus et consulo,
quod circa omnem moriturum hec fiant, videlicet, si propositum
80 habeat a peccato abstinendi et Deo satisfaciendi, vel si injurias
omnes relinquat et proximo satisfacere plenarie pro posse velit. et
hujusmodi serventur hec, que ponit Anseimus, dicens: frater pro-
ximus morti sie (26, 1) debet interrogari illeque respondere — .
hec docet Anseimus, et vollem, quod servaretur circa omnem
86 moriturum (Migne 158, 685 ff.), nam tam utile hoc debet esse
morituro, quod sub silentio transeo.
Rusticanus de Sanctia Nr. 60. Lips, 498, 103, 2:
Kathedra S. Petri. Quod Dominus contulit sacerdotibus
claves ligandi et solvendi.
Studien snr 0«MiUeht« der alideiitodieii Predigt. 53
,Quodcimqae ligaveris snper terre etc/ (Matih, 16, 19). In
coUatione claviam magnam supra modum hamaniiin sacerdotibas
contulit potestatem, cai nuUa terrena potestas prin(104, l)cipam;
regam vel alioram quoram videlicet aliqnaliter (licet) comparari,
qtda illis super corpus et res temporales, qne omnia cito fine 5
clandiintnr, istis vero super animas et celestia, qne nonquam
terminabantor, conttdit potestatem. illis dedit, nt possint homines
per emendationem Status sui a carceribus (et) compedibus sol-
▼ere; istis, quod a vinculis peccatorum. illis, quod malefactores
possiDt corporaliter captivare et punire; istis, quod excommuni- 10
cationis vinculis innodare, que omnibus vinculis corporalibus
Bunt duriora, sicut hie dicitur: ,quecunque etc/ notandum igitur,
quod tarn bonis quam malis sacerdotibus contulit claves bapti-
zandi et alia sacramenta conficiendi. sunt enim claves annexe
ordini sacerdotali, qui confertur utrisque, non tantum bonis, ut 15
heretici dicunt. tunc enim esset error maximus, cum non con-
Btet, quis bonus vel quis malus. Eccli. (9, 1): ,nemo seit, utrum
(amore an) odio dignus sit'. si nemo seit de seipso, multo fortius
nee de alio. item accideret alius error maximus, quod non esset
unitas clavinm, si virtus eorum cresceret secundum sanctitatem 20
sacerdotis, ut qui sanctior esset, plus solveret et econtra. et
ideo necesse foit, ut non secundum personas, sed ordini con-
ferrentur in dotem ordinis sacerdotalis, et ita possunt hominem
excommunicare et hoc pro triplici contemptu. unde dicitur XI.
q. ni (c.43, Migne 187,866): ,certum est pro bis criminibus 25
aliquem excommunicare debere, cum ad sjnodum canonice vo-
catuB venire contempsit, aut postquam venerit, si sacerdotum
contempnit obedire preceptis, aut ante finitam cause sue exa-
minationem abire presumit/ unde et Paulus legitur excommuni-
casse Chorintum (1 Cor, 6,3 — 6): ,ego jam judicavi ut presens, so
qui sie operatns est in nomine domini Jhesu, tradere hujusmodi
Sathane etc/ idem videtur per exemplum, quicquam hereticus
garriat. pater enim sapiens inobedientem filium a domo ad
tempos ejicit, ut sie corrigatur. ergo a simili etc. item in arte
medendi membrum putridum, ordinatum ad aliorum infectionem, 86
a corpore est resecandum. sie et in spirituali: cum enim spiri-
tualis medicus animarum curare attemptat ammonitionibus, pre-
dicationibns, increpationibus, orationibus et hujusmodi, et cum
per levia sive per oleum nihil proficit, vinum mordax infundit.
54 T* AMiMdlvDg: S«h6nbftah.
ut saltem per penam reyertator, qtua yitatnr in hiis, que no-
tantor hiis versibus:
Ob, orare, vale, commtinio, mensa negator,
Si pro delictis anathema qais efficiatar.
6 hec habentur. XL q. III. ,excommunicat08.' (c, 17 y Migne 187,846)
et malti per hujusmodi confosiones et timores dampni ad gre-
minm et obedientiam ecclesie reyertuntnr, et ita non odio, sed
amore et eorum utilitate sancta ecclesia excommanicare con-
saevit. quod si aliqnis obstinatas redire nolaerit, melius est
10 membrum putridum per excommunicationem resecari, quam
per illad alia inficiantor. si dicit faereticas: yDon est obediendum
nisi bonis'y respondet Dominus Matth. (23, 2) : ,super cathedram
Moysi etc.^ item hoc stare non potest, quia nesciretur, cui posset
obediri. qui enim jam bonus est, in momento potest fieri malus,
16 et jam non esset ei obediendum. preterea, si pictor fedus pingit
statuam pulcherrimam, nee turpitudo pictoris statuam deturpat
sie pre(104,2)latas malus facere potest preceptum bonum. si vero
prelatus malus precipiat malum, tuuc plane non ei est obediendum.
unde Augustinus (Migne 36, 2083 f.) super illud Rom. (13, 2):
20 ^qui resistunt, ipsi sibi dampnationem a/ si scis, quod non
debes facere hoc, sane contempne potestatem, timendo potestatem
majorem, scilicet Dei. ipsos humanarum rerum gradus adverte:
si quid jussit imperator, numquid tibi faoiendum est, si contra
proconsulem jubeatur? rursum, si quid proconsul jubeat et aliud
26 imperator, numquid dubitatur contempto illo isti esse servien-
dum? ergo si aliud imperator et aliud Dens jubeat, contempto
illo obediendum est Deo. similiter sicut potest ligare bominem, sie
et solvere auctoritate clavium, non solum ab excommunicatione,
sed a vinculo peccatorum, quid enim dixit? ,quodcunque liga-
30 Verls', dixit, ,et quodcunque solveris/ sed dicit hereticus: ,8a-
cerdos hominem non absolvit, sed solus Deus, dum convertitur;
sed sacerdotes pro lucro suo diount se absolvere.' respondeo,
quod in hoc heretici falsum dicunt, et notandum, quod et Deus
hominem vere absolvit et sacerdos; hoc est fides katholica.
36 unde, cum homo peccat mortaliter, quia in hoc Deum con-
tempnit, infinitum et eternum, nolendo ei obedire, punit eum
Dominus in eternum, ut dignum, et quia eternus est. sed quia
misericors est, non punit eum in infinitum, cum tarnen juate
posset, cum sit iufinitus, sed in hoc mitius punit, quia non in
Stadito SV e«Mlii6hto dar altdratnk«ii Pndift. 56
infinitaiDy licet siipra modom acriter pnniat in etemam. quia
tarnen summe miaericordie est, si peccator vere conteritur^ yi-
delicet qnod non vult peccatum iterare, et se dolet illad com-
misisse cum proposito confitendi, ipsins miseretar et penam
daiiBsimam et etemam in aliam> que non est eterna, commatat. 6
qnod tarnen ob rigorem divine jnstitie adhac quasi viribus
nostris est improportionabilis, inestimabilis et nostre cognitioni
ignota. quia autem contritio vera esse non potest sine proposito
confitendiy ideo, cum contritus confitetur, vi claTium^ que yim
habent a passione Christi, penam hanc pro magno parte re- lo
mittit sacerdos. unde si yere contritus eundo ad confessionem
moreretnr, licet salyaretur, grayiter tamen puniretur. si autem
post confessionem moreretur, vi clavium a multa pena solyeretur.
hanc yim Dominus Ulis contulit, et ita Dens yere absoiyit in
contritione, sacerdos in confessione. sed uti debent sacerdotes 16
hac potestate, non abuti. nam, cum sint tria genera peccatorum,
onum illorum sie sacerdotibus commisit, ut omnes ab illo tam
inferiores quam superiores absolyere possint. superiores sunt
papa; episcopi et hujusmodi; inferiores parrochiani, vicarii et
quibus dominus papa yel episcopi committunt, ut quibusdam 20
religiosis. alia peccata sunt, a quibus tantum majores absolvere
poBsunt tertia, a quibus neutri. prima sunt communia mortalia,
ut fomicatio, ebrietas, odium, chorea, pro superbia, ira et hujus-
modi. secunda sunt yalde magna mortalia ut uxoricida, parri*
cida, incantationes cum chrismate yel corpore Christi, maxime 86
si sint publica, item excommunicationes pape, episcopi, et que
episcopi sibi reseryant in sinodo, ut plus timeantur, ne simplices
sacerdotes nimis alleyient grayissima, que propter enormitatem
et ut arctius evitentur, majoribus sacerdotibus et episcopis et
domino pape absolyenda (105, 1) reseryantur. unde yersus: 80
Qui facit incestum, deflorans aut homicida,
Sacrilegus, patrem percussor vel sodomita,
Et yoti fractor, perjurus sortilegusque,
Pontificem querat, necnon qui miserit ignem,
Per papam derum feriens, falsarius, urens 86
Solyitur et quisquts audet celebrare ligatus.
De ceteris yero minores solyere posaunt,
de predietis sie dicit^ C. XXIII.: crimina, que sunt aecusatione
et dampnatione dignissima, si fuerint publicata per sententiam
56 ▼• Abbandliingt BoliAnbftali.
propriam, confessionem vel per facti evidentiam, sunt ad epi-
scopum transmittenda^ et hnjasmodi sunt, de qoibas ventilatar
causa in foro jadiciario vel ecclesiastico, ut adulterium, incestos,
falsum testimonium, incendium, homicidium, fides falsa, sorti-
6 legium et hnjusmodi. similiter quedam occulta propter illorum
enormitatem, ut incestus cum matre, filia, duabus sororibus.
in extremis tarnen quilibet sacerdos quemlibet vere contritum
absolvere potest a quocunque peccato vel excommunicatione.
tertia, de quibus Dominus nuUam potestatem absolvendi con-
to tulit nee majoribas nee minoribus, propter odium, quod habet
ad illa, tria sunt: primum, cum scienter non vere confitentur,
ut qui ex verecandia obticent. Proverb. (28, 13): ^qui abscondit
scelera etc/ faciat quicquid boni multum talis, non suf&cit ad
salutem, ut quidam, qui Domino confitentur et iargiter flent
15 et graves penitentias assumunt, non tarnen mundantur, nisi
sint in voluntate confitendi, ut ostenditur in leprosis Luc.
(17, 11 ff.) 7 V^^ quantumcumque vocem levarent, non tarnen
ipsos mundavit Christus, donec diceret: ,ite, ostendite yob sacer-
dotibus'; ubi docet modum confitendi. in hoc quod dicit ,it6^,
20 ostendit, quod confessio non est differenda, non tam diu quod
sacerdos ad ipsum vadat; in hoc quod dicit ,ostendite', declarat
nihil occultandum, ut quidam, qui ubi turpior est lepra, plus
occultant. ideo non dixit ,ostendite manum vel pedem% sed
,vos'. item dixit ,yos', non ,alios', ut quidam, qui peccata aliorum
26 confitentur. in hoc quod dixit ,sacerdotibus^, docet, quod non
Deo tantum, ut judei, non laicis, ut heretici, sed sacerdotibus,
ut veri christiani debemus confiteri, quibus solas Dominus dedit
ligandi et solvendi potestatem. secundi, qui injustas res posai-
dent, cum sint in solvendo et certas sciant personas, quibus
30 competit restitutio. Augustinus: non dimittuntur peccata etc.
XIIII. q. VI. dicit canon (c. i, Migne 187^966): penitentia agi
non potest, nisi res aliena reddatur. ideo, cum raptor vel für
petit a sacerdote, ut ei aliam imponat, sciat, quod non habet
potestatem; quod si fecerit, et se et illum decipit. Jerem. (48, 36):
35 ,quia plus fecit, quam potuit, idcirco perierant.' sicut non potest
sacerdos ignem in aquam matare, canem in hominem, montes
in celum sustollere, sie nee tale absolvere. quare? quia non
est ei datum desuper. ideo injuste res valde cavende. immo
nee angelus nee Petrus nee papa hoc posset, quanto minus
Stodim Bvr OMohieht« d«r alidMitoli«!! Pndifi. 57
Simplex sacerdos! ideo eaveat Bibi, nt diligat animam suain^
ne vel absolvat vel corpus Domini licentiet yel vitam eternam
promittat, si restituere potest. de injustis rebus reqnire: Nicolai,
tertii, qni non sunt contriti. qnantamcanqae enim contritas
promittat se velle ab8ti(105y 2)nere ab hoc vel hoc peccato, 6
nisi ab omni peccato abstinere proponat, non penitet ad salntem,
nee per conseqnens solvi potest. Jerem. (46, 11): ^frastra multi-
plicat medicamenta, sanitas non est tibi.' Innocentius II.: Epi-
Bcopos nostros et presbiteros ammonemns, ne falsis penitentiis
laicormn animas decipi yel ad infema trahi patiantnr. falsa lo
antem penitentia est, cnm snmptis omnibus de ano penitentia
agitnr, ant com de uno agitur, nt non ab alio discedatnr. nnde
scriptum est (Jac. 2, 10): ,qui in uno offendit, factus omnium
reus.^ quantum ad eternam dampnationem. et quia tales sunt
in statu periculosissimo, quia fnnibus peccatorum suorum co* 15
tidie ducuntur ad mortem eternam, ideo plus essent lamentandi,
quam qui ducuntur ad patibulum. beati autem, qui ab hiis
▼inculis absoluti dicere possunt Äpoc. (faUchy Rom, 7, 6):
,nunc soluti sumus a lege mortis, in qua detinebamur.' hiis
tribus exceptis omne genus peccantium absolvere possunt, et 20
secure absolvant et secure penitentiam injungant. si objiciis, quod
Dominus nullam penitentiam injunxit Marie Magdalene et aliis,
quoe absolvit, respondeo, quod Dominus, qui omnia videt, novit
quantitatem contritionis eorum, quam nos scire non possumus,
quia interiora non videmus, et ideo penitentiam nullam injunxit, 26
quia perfectissimam contritionem in eis vidit, que nunc rara
est. si autem queris, quid faciam, si minorem debito penam
sacerdos injungat, respondet Paulus (Philipp. 3, 17): ,imitatores
mei estote/ sicut enim ipse conversus veniens Damascum, cum
Ananias ei parvam yel quasi nullam imponeret penitentiam, so
yidelicet hanc (Act. 22^ 16): ^quid moraris? surge baptizare etc.^,
licet ab omni culpa per baptismum solutus, multa tamen super-
addit penitentibus in exemplum, ut dicit Cor. (2Cor, 11,27):
,in labore et erumpna, in yigiliis etc/ in hiis imitari cum nos
docet, ut, si parya injungantur, magna superaddamus. et 35
hoc necesse est, cum quasi omnes confessores adeo modicam,
quandoque pro centum mortalibus, injungant penitentiam, ut
pro uno injungi deberet, et hoc propter debilitatem corporum
yel potius mentium. igitur plura superaddamus, quia tempore
58 ▼• ilbhaadluff: Bekönbfteh.
suo recipiemos. Luc. (70, 36 — jedoch frei zitiert): ^si quid
sapererrogaveriSy cum reversos fnero, in judicio, reddam tibi^:
hoc nobis.
Lim. Rusticanua de Dominieie Nr. 20. (62, 2: Dominica
5 qoarta Quadragesima.) de decem plagia mundi, aig^atis per
decem piagas Egipti.
(63, 2) rane sunt heretici, qai heu nimii sunt et yenenati
sunt nimis, et in obscorO; non in lucem prodeant de angulis
et latibnlis^ et sunt Domioo plas contrarii qnam nobis rane,
10 et homini plus nocai qnam nobis illaram venenam. si enim
gnttam veneni iilaram comederem, forte curari possem, at non
morerer; si autem hereticornm onam venenatnm verbam re-
oepero, vix eternam mortem eyadam. sed heu jam nimis replent
terram et nimis maltiplicantnr et fetor nimis noxins exalat de
15 cadaveribns eornm, animas nimis inficiens. et sicnt ille rane
oruciavemnt regem Egipti, qai pessimns fnit, et populnm ejus,
ita econtrario iste rane yenenate ipsum regem celestem, qni
summe bonus est, cruciant et populnm ejus, jam ingrediantor
domum ejus, id est, Christi ecolesiam, inficientes yerbis yene-
20 natis, dicentes eam non esse ecdesiam Christi, sed meretricem;
se dicunt esse ecclesiam Dei, cum sint omnino ypochrite et
mendaces, et Dominus eos plus diligat quam nos. nee hoc suf*
ficit iUis miseris, sed et insuper ingrediuntur cubicnlum regia
(EoDod, 8f 3), dicunt enim quidam illorum, quod nee beata yii^o
26 sit inyocanda. insuper et sie in Stratum regis ingrediuntur,
dicentes, nuUum posse salyari in statu matrimonii, turpiter in
hoc mentientes, cum eis contradicat tarn Vetus quam Noyum
testamentum, Dens, angeli et homines. insuper et in (64, 1)
tränt ad omnes seryos regis, dicentes, nulium mercatorem, ru-
80 sticum, militem, clerioum yel religiosum, in ecdesia posse salyari.
ecce, in hoc dicto condempnant nos omnes et omnes sanctos,
qui ante nos fuerunt: Petrum et omnes apostoloe, Stephanum
et omnes martyres, Nicholaum et omnes confessores, Katherinam
et omnes yirgines. illi enim omnes fidem nostram habuerunt
85 et in ea decesserunt. ipsorum yero hereticorum multi nuper
surrexerunt ante paucos annos, ut patet in Pauperibus, Leo-
nistis et in aliis plerisque. insuper et in populmn regis, ad
7 ff. « ^. Frib, 81*Jf,
Stadien tar OMoUcblt d«r ftlt4Mtaeheo Predigt. 60
MüctOB scilicet, quos dicunt non esse inyocandos. insuper et in
fiimoB regiSy ad illos scilicet, qui sunt in purgatorio, dicunt
eniiDy pnrgatorinm non esse, insnper et in sanctas reliqoias ci-
bonun regis, id est, ad sacrosanctnm corpos Christi, dicnnt
enim, non esse corpus Christi, qnod in ara est, et qaemlibet 5
jnstam posse missam celebrare et conficere hoc, qnod conficitnr.
insaper et ad regem, dicnnt enim, Christum non veram camem
habuisse. insuper et in servorum suorum domos, id est, ad
ministros Christi et ecciesie, dicunt enim, quod non possunt
ligare nee solvere, si peccatores sunt, in omnibus predictis lO
venena pessima evomunt et terram inficiunt, ut dicit Josephus
(Antiquitates Jud.^ lib, 2, cap. 14, lit. 2), quod subita morte
moriebantur et cormmpebant terram, et alie oriebantur. ita
post unam heresim surgit alia.
Lim. Bustieanua de Dominicis Nr. 24. (76, 1: Dominica 16
in Albis). Quod resurrectio nostra probatur per quinque. Ita
plerique, immo supra modum nimii sunt in ecdesia, qui de •
resurrectione corporum nostrorum temerarie dubitant, more
Saddnceorum resurrectionem corporum non credentes. et pre-
cipue in illo errore periculosissimo sunt plerique potentes ho- 20
mines et camales. quomodo, ter queso, multi sunt, qui miro
modo se ipsos diliguut, tarn modicum suo commodo perpetuo
proyident? quomodo amicis morientibus tam inconsolabiliter
contriatantur, sicut et ceteri, qui spem non habent? quomodo,
cum res perdunt yel corporaliter tribulantur, tam inconsolabiliter 26
dolent? quia fidem resurrectionis corporum vel non habent,
vel gravi sopore in ipsis dormitat. — (76, 2) quare illam non
credis, o heretice? quare pro inenarrabili gloria corporis in
resurrectione laborare dissimulas, o homo carnalis? ut autem
magis constet, ipsam resurrectionem quinque modis probabimus, so
yidelicet, primo per argumenta; secundo per exempla; tertio
per autentica scripta; quarto per testium dicta; quinto et ultimo
per ipsa opera. prima certificant nos quoad intellectum, scilicet
ai^nmenta, alia vero quatuor sequentia quoad sensum, sensitiva
enim magis nos movent quam intelligibilia. quidam modo nostri 86
temporis hereticorum errant, aut quia scripturas non intelligunt,
ut ülud: ,caro et sanguis regnum Dei non possidebunt' (ICor.
16y 60); aut propter hoc, quia vident sensibile corpus in cineres
i et pntredine consumi. et iterum, quia vident in multis
60 Y.AbhMidlwkf: SokOabftah.
et infirmitatem et defectnm membrornm, dicont: fii talis resnr-
geret^ cum nno ocalo vel cum nno pede resorgeret et ita glo-
riosam resurrectionem non haberet/ si talis es^ confundaris.
nobis enim verissime constat de resurrectione, et per ipsa ar-
5 gumenta. primo eos confandamns hoc modo (Oregor^ HomiL 1.
Ezeck, 1, 8; Migne 76, 1032): numquid non dicit communis
anime conceptio^ qnod magis est^ aliqaid de nihilo (77, 1)^ quam
de aliquo facere? omnia fecit ex nibilo, qnia non fecit ex sua
essentia. si ergo sie omnia ex nihilo fecit, numquid non de
10 pulvere corpora resuscitare potest? sed dicis: ,non quero, qnod
Dens possit, sed quid facturus sit. habemus bene, quod possit,
sed numquid faciet?' sed respondeo: numquid dicet tibi com-
munis anime conceptio, quod, si quis bene laboraverit, bene
remunerabitur (Bonaventura , Swper SerUent.^ Hb, i, quart. 2,
1 6 dist 40 j art. 2)t — hoc argumento usus est Bamabas Rome
contra hereticos, sicut in libro Clementis legitur. — quis autem
negat, Deum esse justissimum? si justissimus est, juste re-
munerabit. laborat homo aliquis bene, aliquis male, et qui bene
laboraverit, bene remunerabitur. quis enim dicat, aliquem mar-
20 tjrum in hoc mundo mercedem recepisse suorum laborum? si
enim in hoc mundo non remunerabitur, ergo in futuro. —
iterum communis anime conceptio est, quod reddet Dens tam
bonis quam malis secundum eorum merita: bonis premia, malis
penam. sed retributio ista non fit in presenti, cum mali hie
26 floreant et boni opprimantur, juxta illud Jeremie (12, 1):
,quare via impiorum prosperatur?' ergo retributio erit post
hanc vitam. idem potest ostendi per bonitatem Dei, sicut
ostensum est per Dei justitiam, quia, cum Deus universaliter
sit bonus Omnibus, singulariter tamen bonus est amicis suis et
80 eum diligentibus. Proverb. (8^ 17): ,ego diligentes me diligo.'
hoc autem verum non esset, si post hanc vitam non remune-
raret, quia in hac vita sunt egentes, angustia afflicti. Hebr. (11, 1)
et Cor. (1 Cor. 15^ 19): ,si in hac vita tantum in Christo spe-
rantes etc/ sed dicis: , verum est, remunerabitur, sed ex parte
36 anime tantum, non autem corporis.' sed tunc quero: numquid
in eo remunerabitur, in quo meruit? non autem meruit ex
parte anime tantum, sie enim bene objiceres, sed ex parte
anime et corporis, et ideo quoad utrumque remunerabitur. sed
adhuc dicis : ,meruit anima in corpore tamquam in instrumento,
Btadltii SV a«Mhieh«e dar altdmteehto Predigt. 61
nihil autem debetar instnunento. vel debetar secnri, si secans
bene laboraverit?' sed tu, o heretice^ vides^ quod numquam
operans Bequitnr complexiones sni instmmenti, nee ei compatitor^
cum dolet. videmus atitem, quod anima sequitur complexioDes
corporis et sibi condolet^ et ita non est tale instramentom quäle 6
artificis. item, videS; quod ex operante et instrumento non fit
uoom, ex corpore autem et anima fit unum totum. item, alia
ratio validissima (77, 2), quia anima appetit corpus ad sni
completionem, aliter enim incompleta maneret. non ergo poterit
anima sine corpore remunerari, quia nee sine ipso potuit mereri. 10
item^ cum homo serviat Deo et corporalibus operibus et spiri-
tualibuSy et non minus Dens, qui liberalissimus est, liberalis
sit remunerando, quam sit homo bene serviendo, utroque modo
in corpore et anima debet remunerari. item, si corpus anime
compatitur, quare non congrue et glorificabitur? item, cum 15
anima naturaliter appetat esse in corpore, quod ostendit dolor,
qui est in separatione, et omnis anime appetitus in anime per-
fecta beatitudine debeat impleri, corpus reddetur ei, sine quo
naturaliter appetitus ejus non impleretur. Apok. (6, 10) : ,U8que-
quo. Domine, sanctus et verus etc/ item ex quo partem solvit 20
pretii, partem debet habere lucri, quod non erit, nisi sanguis
resurgat, ergo ipsa resurget. sie ergo tibi constare potest per
argumentum, quod resurrectio corporis sit. sed quia adhuc
errare contingit, etiam tibi constare videtur per exempla in
ipsis elementis et creaturis ceteris. ipsa enim elementa et rerum 85
species quandam resurrectionis imaginem infidelibus predicant.
sie in celestibus videre poteris. sol cottidie in vespere occidit,
in crastino resurgit. stelle similiter in matutino occidunt, iterum
in nocte resurgunt. Gregorius super Ezechielem (Homil, lib. 2,
Nr. 8j Migtie 76 j 1032). sie videre poteris in vegetabilibus: vi- 80
demus in vere et estate producere flores, frondes et fructus,
et in hieme iUis spoliari; redeunte autem sole vernali rursnm
induuntur floribns et redduntur amenitati. unde Gregorius : ,quis
diffidat fieri in hominibus, quod videmus fieri in arboribus?^
Job (14, 7): ,lignum habet spem: si precisum fuerit, iterum 85
virescit, et si senuerit in terra radix ejus et mortuus fuerit
truncus ejus, ad odorem aquo germinabit et comam recipiet
ut prius/ Paulus etiam dicit ad Cor. (1 Cor. 15, 36): ,insipiens
tu, quod seminas, non vivificatur, nisi prius moriatur.' sie ergo
6S T- ilkinndlaaff: 8dh«Bbftoh.
vides exempla in celeetibas et in vegetabilibos^ yidere poteris
et in aliis. candela extincta modico flatn reinoenditnr^ nt cre-
datnr apertins factum miracnlum. in animalibos quoque same
notitiam resurrectionis. cervos^ cum senaerit et est prope
6 mortem, ad fontes aquarom revireacit. hec ergo omnia qnan*
dam imaginem et similitadinem resarrectioniB ostendont. (78^ 1)
sed, ut dicit GregorioB snper Eze.: sepe de resarrectione dubi-
tantes pntrescentis polverem camis aspiciunt — (seiet da$
frühere Zitat fort tmd fügt eine lange Stelle aue Oregore
10 Moralien hinzu, lib. 6, cap. 16, Migne 76, 738 f), qoia ex eo
forma reparari valeat, qne non videtur? sed quia adhnc quidam
non moventnr nee sensu nee intellecto, sed magis fidem ad-
bibent scripturis, et hec etiam vnlt et exigit communis anime
coneeptio, ideo probatur resurrectio mortuorum per scripta mo-
15 saica, prophetica, evangelica, apostolica, immo, ut magis eon-
fundantur, per verba gentilia.
Busticanue de Communi Nr. 10. Lipe. 496, 4, 1 (sMiefit
sich an oben S. 29, 7). De sjmbolo fideL In omnem terram
exivit sonus eorum etc. (Psalm. 18, 6). Sequitur: yCamis re-
20 surrectionem/ — Zunächst tcerden die Verschiedenheiten des
jüdischen Glaubens dargelegt und sehr drastische Beispiele der
Meinungen der Rabbiner vorgebracht — secta Leonistarum
tantummodo in aliquibus angulis serpit sicut bufo et cancer.
in sero vel in nocte movet (Hs. more) cancer exiens de aqua
25 ad agros vicinos, valde nocet agris; sie et heretici sicut bufonee
et cancri latenter prodeunt in sero et denuo se abscondunt. —
4, 2 die Kirche stellt einen Körper dar: ist ein Glied erkrankt,
dann werden auch die anderen geschädigt; vgl. 8. 9f Anm, —
4, 3: humana corpora a diabolo facta esse, fabulantur Manichaei,
30 ideoque per mortem in prejacentem materiam redire et nun-
quam resurgere dicunt. et absurdum et impossibile dicunt, ca-
davor, quod aut in terre pulverem redigitur aut a bestiis aut
avibuB vel a quibuslicet animantibus consumitur, et in carnem
eorum transibit, quando et per diversa terrarum loca spargitur,
85 ut manus vel pes in Orientis partibus, reliqua in Occidentis
partibus sepelitur, et hunc pulvisculum coadunari in corpus
humanumi — ex hoc patet, quod caro, pellis, oculi et alia
omnia membra resurgunt. — 4, 4 Bilder der Auferstehung
enthalten die Verse:
Stadiw m OiMkiokte d« «ItdmftMhen Pradigt. 68
carbo reaocensits ustns, fenix redivivus,
pelKcani ptillas, hinc post mortem redivivus.
qaidam tarnen naturales non admittunt^ qnod fenix Tel pellicanus
reyiriscat. — Die errores Piatonis et Porfirii über die Seelen^
Wanderung werden durch ÄuguetintUy De dmtaie Dei (lib, 10, 5
cop. dOy Migne 42, 309 ff.) widerlegt. Deegleicken (lib. 21 j cap, 23,
Migne 42, 736) die Meinung des Origenes über eine zweite Auf-
erstehung und Reinigung der Bösen. — 4, b: quem tamen
articnlnm qnilibet apostolomm dixerit^ ambignnm est (vgl. aber
oben 8. 24 Anm.). 10
Rusücofnus de Communi Nr. 27. Lips. 496, 14, 6 (De nno
martyre): sicnt sunt qnidam, qui se mutno tam inordinate dili-
gnnt^ nty si unos illoram y eilet ire ad diabolum, alins ipsmn
comitaretur.
Bustieanus de Communi Nr. 68. Lips. 496, 39, 1 (De vir- i5
ginibns): De triplici honore matrimonii. — (39, 2) dicnnt qaidam
heretici, CSathari et Eraclite (l. Encratite) et aliqai alii, qnod
in matrimonio nnllos possit salvari. sed hoc est falsissimnm^
qnia^ nt dicit Bemardns (Sermones in Cantica Nr. 66, Migne
183, 1096 AB): ^omni inmnnditie habenas taxat^ qui nuptias 80
damnat/ item: ^rara est in terris continentia, neqne pro tantillo
qnestn exinanivit se Filius Dei, formam servi accipiens/ et
illi heretici dicunt, mulierem dampnari, si pregnans vel in partu
decedit quod manifeste ostenditur falsum in Elizabeth inpre-
gnata, que repleta erat Spiritu sancto, habens in utero infantem, 85
qne, si tunc mortua fuisset, salva esset, numquid beata Anna,
habens in utero Mariam, dampnata fuisset, si sie decessisset?
item Maria, filia ejus, habens Johannem et Jacobum in ventre?
Rusiicanus de Communi Nr. 71. Lips. 496, 42, 4 (In Dedic.
eccl.): (43, 2) Häretiker nehmen Kupfer für Oold, furfurem 80
pro frumento, vitrum pro gemmis.
Rusticanus de Communi Nr. 81. Lips. 496, 44, 1 (De
plurib. mart.): (44, 3) ferat ad Jhesum et ad sanctos ejus anti-
quam fidem sanctorum patrum, quam omnes sancti predecessores
nostri habuerunt, non novam, quam Orthlibus et alius hereticus 85
nunc adinvenit.
Sermones Speciales, Nr. 9. Lips. 496, 66, 4. Quod quem-
fibet laicum oportet et scire et credere, que in anno celebrantur.
Dedit Uli scientiam sanctorum, honestavit etc. (Sap. 10, 10).
64 ▼. Abhandlang: SohÖnbaeh.
vel aliud thema. — oportet omninO; quod qaedam credas aperte
et explicite, ita schinperlich et proprie et totaliter, etiam si es
Simplex laicas, si nescias iitteram legere, at optimi clerici de
mundo^ ut papa^ nt omnes magistri Parisias, vel dampnaberie.
5 de Omnibus autem reddere rationem^ hoc est prelatomm et
magnorum clericorum. dicitis : ^que sunt illa^ ad que ita omnino
tenemur?' respondeo, quod illa, que saneta eccleeia semper
facit coram oculis vestris, que fidei attinent, et communia, que
in anno in ecclesia celebrantur. in aliis, que non comprehenditis,
10 debetis inniti fidei romane ecclesie. hoc omnino oportet, videtis,
quod saneta ecclesia frequenter coram vobis celebrat, et ideo
debetis credere^ quod sit bona res. dat nobis aquam aspersam,
baptismum, confirmationem etc. oportet etiam ex necessitate,
quod sciatis expresse communia, que in anno celebrantur. de
16 Omnibus autem reddere rationem, hoc est prelatomm et bonorum
clericorum. vestrum tamen est, etiam in aliis, que non compre-
henditis, inniti fidei romane ecclesie. que igitur sint, que yos
expresse scire oportet, ut papam, ut me, ut quemlibet clericum,
hec sunt illa communia^ que in anno celebrantur. notate dili-
20 genter. celebratur festum sancte trinitatis in dominica post
Pentecosten et omni dominica usque ad Adventum. hoc instituit
Spiritus sanctus et ecclesia saneta Deo ad honorem, omnibns
laicis ad fidei instructionem, ut per hoc sciant et credant, quod
Pater et Filius et Spiritus sanctus sunt unus Dens. — ita die
26 ad plura alia. — qui fecit celum illud^ quod nos yidemus, et
terram istam^ quam nos calcamus, et illud mare et infema et
quidquid est in illo celo et in illa terra et in illo mari et in
inferno et^ ut breviter dicam, quidquid videri potest et videri
non potest. item^ celebramus festum sancte Marie in Quadra-
80 gesima, quod dicitur festum Annunciationis, Deo ad honorem^
nobis ad instructionem ad hoc, ut firmiter et expresse credatis,
quod ille Dens in die Annunciationis creavit unam animam,
et unum corpus mortale formavit de carne beate Virginia, fe-
mine mortalis et hujus nostre nature, et ista duo cum omnibus
85 effectibus eorum preter peccatum et ignorantiam suscepit ipae
Filius in unitatem persone sue in utero ipsius Virginis, et hoc
totum factum est in simul et in puncto, et credo, quod natus
est de ea Virgine in die Nativitatis, et fuit circumcisus in die
Circumcisionis, et adoratus est a tribus regibus et baptisatus
Stadien mr G«0e1iie1ita der altdentBeben Predigt. 65
in die ApparitioniS; et oblatns in templo in die Pnrificationis,
et XXXIII. anno a nativitate sna in saneta vespera qninte ferie
primns missam primam celebrayit et corpus snum sanetissimum
discipolis suis dedit. et in sequenti saneta feria sexta fuit cru-
cifixuSy mortuus et sepultus, et descendit ad inferna, et extraxit ö
inde amicos suos et dimisit ibi inimicoSy et resurrexit in die
Pasche et ascendit ad celos in die Ascensionis^ et inde misit
Spiritum sanctum in specie linguarum ignearum super apostolos
in die PenthecosteS; et ibi requiescit Dominus et gubernator
totius creature^ et inde venturus est^ judicare vires et mortuos, lo
bonos et malos, in die judicii. et credo^ quod virtus et efficacia
sacramentoram est necessaria (in) nostra katholica (ecciesia),
qne dicitur romana^ et credo, quod per veram penitentiam in
dicta (ecciesia) nostra etiam remittuntur omnia peccata. et credo^
quod omnes homines (56^ 6), viri et mulieres^ parvi et magni, 15
resnrgent in eisdem corporibus^ in quibus vixerunt in vita ista,
in die judicii ^ et omnes boni habebunt vitam eternam cum
angelis in celo^ et omnes superbi vel avari yel luxuriosi, qui
decesserunt in mortali peccato, habebunt dampnationem per-
petuam cum demonibus in inferno. hec est fides mea^ a qua 20
prius quam recederem^ dimitterem me occidi. — quod festa
Angelorum et Sanotorum^ quia angeli (et sancti) nunc sunt
cum eo in magno feste, quod Animarum^ quia eis, qui in fide
et in penitentia mortui sunt, potest subyeniri. Quod Dedicationes
ecclesie soUempnissime, ubi episcopus jubet ejici fetida cadavera 20
mortuorum de ecciesia, et introducit sanctuaria sanctorum et
aspergit et incendit multum iumen, ostendit, quod scire oportet,
quod in judicio sunt mali omnes fetidi, usurarii et ceteri omnes
ejicientur a mundo. — et ut sancti per episcopum in diversas
mansiones locantur, alius in yas plumbeum, alius in stagneum, 80
eneum, aureum, argenteum, cristallinum, gemmeum, ita Dominus
tunc locabit sanctos, alios in inferiorem chorum, alios etc. et
tunc altos cantus et soUempnis angelorum et sanctorum.
Sermanes Speciales Nr. 20. Lips. 496 ^ 69, 1 : bos, qui plus
ceteris animalibus laborat, et aridis pascitur^ et qui valde ma- 85
ture incedit, et qui excoriabatur et in frusta concidebatur in
odorem suavissimum, ita homo evangelicus non debet ingluviosus
esse ad hec temporalia, sed parcus et moderatus. — ita die ad
alia yitia.
Sitsoacebw. d. phU.-Uei. Kl. CXLYIL Bd. 6. Abk. 5
64 ▼. Abb' ^ .
vel aliud thema. ^ ^. ^^^ ^^^^ 7^^ g (^^ g^pj^n,
et exphoite, ita ,^j^g letificant diabolum. historia
Simplex Ulcus ' '^/pibus ejus.) Tubal = condempnans
mundo, ut pr - ^^^ supplico propter Jhesum Christum,
omniDUF .■ .' .'^loa et archangelos, thronos et omnes
magnoruir . ., ,--, j^mibus et angnlis non audiatis. testem
lenemur ', ^, ^^gjmn ^t terram, ut sitis inexcommunic&bileSy
*^ ^ •' ''^''"^ mulieres et laico8 docentes, et subtilia et
*" *" ^^ iTnoo curetis. portant enim feces suornm dog-
^^ ^ ^^ ^gulos domorum, non ad solem. sed nos litterati
^' ^^^gtr^m in sole et in Ince predicamus. nnde, qoia isti
V'^ ^brertnnt , sicat combarantur corpore^ ita et anima
^^^gr in inferno. foris et intus igniS; ad oculos, aures, ossa,
'^'CSf «rticulos, digitos; ungueS; ut omnia ardeant in perpetuum
^ canam. exemplum illorum^ quos porei laceravenint.
/•^ lAp8,496,96,3 (Sermo de Septem aacrameniis): baptismus.
^ obi opponunt heretici quidam: ^qui credit^ dicit Dominus;
^ pueri non credunt^ quia nesciunt credere^ ergo condemp-
uabuntur/ stultam dicimus hanc objectionem, errant^ non enim
^ iotelligentes Scripturas. — sed objicit hereticus: ^quomodo sal-
vabitur puer^ qui nil boni fecit vel meruit?^ respondeo: ex
Dei larga misericordia salvabitur. — nota: si pupillis nescien-
tibus et non yolentibus lucrum acquiritur temporale a tutoribus,
et conditionem illorum Uli possunt facere meliorem, non dete-
25 riorem, multo fortius in spiritualibus hoc contingit. sed dicit
hereticus: ^unde habes, quod fide alterius aliquis salvetur?'
respondeo: ex evangelio de muliere Chananea.
Rusticanus de Sanctis Nr. 6, Lips, 498, 13, 1 (S. Dianysti)
De quinque bonis, per que homo sanctificatur^ signatis in quin-
30 que aromatibus olei unctionis. — tertium est fides. tria sunt
inter multa^ que fidem nostram in cordibus hominum valde
confirmant. primum est miraculorum exhibitio, quam nuUa secta
alia habuit unquam. miracula enim fidei nostre ab Abel ceperant
— (13^ 2) similiter et aliis quinque etatibus. — sub ill&, que a
35 Christo, in qua maxime multiplicantur, quoniam fideles tunc
maxime miraculis claruerunt in tantum, quod etiam per mor-
tuos plurimum multiplicata sunt, quia primum ad gloriam ce-
lestem sub hac etate conscenderunt. — secundum testium mul-
titudo. — tertium, quod fides nostra de Deo et de ipso homine
Stadien zur GeMhiehte der altdenfteclien Predigt. 67
jra sentit, vere de Deo sentit dignissima. alie enim
aale sentiunt vel de Dei omnipotentia, sicnt illi; qui negant
xm posse Corpora nostra suscitare^ vel nataram nostram
^otaisse assumere. negant Deum illad posse, quod ipsi neqaeunt
intelligere. qnod est magna stultitia, cum etiam in istis inferio* &
ribns molta sint, que comprehendere neqaeunt, sicut operationes
falminis, numeram gattarum maris^ capilloram capitis, venarum
corporis et hujusmodi. alii male de Dei sapientia, ut Gnonite
(l. Agnoetes), qui dicti sunt ab ignorantia, quod Christi deitas, que
sunt scripta de futura die et hora, ignorent. alii de Dei bonitate, ut ^0
qui negant veniam peccatornm. Cathori penitentiam refutant. alii
de ejusju3titia,ut qui negant cum vindicaturum peccata eternaliter.
RiisticantM de Sanctis Nr. 8, Lips. 498, 15, 1 (St Simonis
et Jude apostolorum) De quatuor mirabilibus, que Dens facit
cum hominibus salvandis. — prima est infirmitas incurabilis l^
etiam Ipocrati, Galieno et Avicenne, est inveterata lepra
= heresis. — hereticus dolet, si commendatur fides nostra.
qnomodo ergo curabitur? si hereticus non esset, fieri vellet,
ut demones, si essent cum angelis in celo, tarnen diaboli fieri
vellent. ita talis hereticus. dicit aliquis: ,jurant vel accusant 20
alios; quomodo ergo potest hoc esse?^ dico: quod faciunt plus
ex timore quam amore. timent enim combnri, ideo jurant.
Rusticanus de Sanctis. Lips. 498, 28, 2 (S, Martini): Die
Ketzer sicut lignum putridum, quod in tenebris lucet, verglichen
mit der Sonne des Glaubens. 26
Rusticanvs de Sanetis, Lips, 498, 77, 2 (S. Silvestri),
Quod Christus est sol, et de quatuor generibus hominum, qui
istum solem non diligunt, ad instar quatuor avium lucifugorum.
— similiter et nicticorax, qui significat hereticos, valde fetidum
o8 habentes sicut nicticorax. ipsi enim valde horribilia de sanetis- 30
sima et purissima fide nostra mentiuntur: quod sacramenta
ecclesie nullum habeant vigorem, et multa hujusmodi fetida
emittunt, que quidem aliis hereticis non fetent, ut nee os nicti-
coracis alteri, nee vermibus cloace fetor luti, nee porcis fetor
fimi. — Es werden aufgezählt: Carpocrates — Cherintus et 36
Ebion — Valentinus — Nestorius — Appelles — ApoUinaris. —
vespertilio, que nee avis nee bestia est — volat enim ut avis,
16 flf. = 2 Frib. 30*. 28 f. ^l Pfeiffer 62, 26. 260, 22 u. s. w.
5*
66 V. Abhandliinf : 8e1i6nbao1i.
Sermones Speciales Nr, 25. Lips, 496y 74^ 6. (De Septem
generibuB hominum, qne maxime letificant diabolam. historia
de Pharao et Septem principibus ejus.) Tubal = condempnaius
UDiversa = heretieos. ande sapplico propter Jhesum Christum,
5 beatam Virginem, angelos et archangelos, thronoa et omnes
sanctoSy ut ipsos in domibns et angalis non aadiatis. testem
invoco coram vobis celom et terram, nt sitis inexcommunicabiles,
ut taleS; et maxime mulieres et laicos docentes^ et snbtilia et
dulcia docentes^ non curetis. portant enim feces saomm dog-
10 matum in angulos domorum^ non ad solem. sed nos litterati
fidem nostram in sole et in lace predicamus. ande, qoia isti
maltos sabvertanty sicut combaruntur corpore, ita et anima
cremantur in inferno. foris et intas ignis, ad ocalos, aores, oasa,
nervös, articalos, digitos, angaes, ut omnia ardeant in perpetanm
16 more canam. exempium illoram, qnos porei laeeravemnt.
Lip8.496y96,3 (Sermo de Septem sacramentis) : baptismns.
— ubi opponunt heretici qaidam: ,qai credit^ dicit Dominos;
sed pueri non credunt, quia nesciunt credere, ergo condemp-
nabnntar/ staltam dicimus hanc objeetionem, errant, non enim
20 intelligentes Scriptaras. — sed objicit hereticas: ,qaomodo sal-
vabitar paer, qai nil boni fecit vel meruit?^ respondeo: ex
Dei larga misericordia salvabitor. — nota: si papillis nescien-
tibns et non yolentibas lucrum acqairitar temporale a tutoribos,
et conditionem illoram illi possant facere meliorem, non dete-
25 riorem, multo fortias in spiritaalibas hoc contingit. sed dicit
hereticas: ,ande habes, quod fide alterias aliqnis salvetnr?^
respondeo: ex evangeiio de mauere Chananea.
Rusticanus de Sanctis Nr. 6. Lips. 498, 13, 1 (S. Dionysii)
De qainqae bonis, per qae homo sanctificatar, signatis in qain-
80 qae aromatibas olei anctionis. — tertiam est fides. tria saut
inter malta, qae fidem nostram in cordibas hominam valde
confirmant. primam est miracaloram exhibitio, quam nalla secta
alia habait unqaam. miracala enim fidei nostre ab Abel ceperant
j — (13, 2) similiter et aliis qainqae etatibas. — sab illa, qae a
35 Christo, in qaa maxime maltiplicantar, qaoniam fideles tanc
maxime miracalis claraerant in tantam, qaod etiam per mor-
taos plarimam maltiplicata sant, qaia primam ad gloriam ce*
lestem sab hac etate conscenderant — secandam testiom mul-
titado. — tertiam, qaod fides nostra de Deo et de ipso homine
Studien zur GMohiolite der altdeutechen Predigt. 67
probabiliora sentit, vere de Deo sentit dignissima. alie enim
secte male sentiunt vel de Dei omnipotentia, sicut illi^ qni negant
Deum posse corpora nostra sascitare^ vel naturam nostram
potuisse assamere. negant Deum illod posse, quod ipsi neqaeunt
intelligere. qnod est magna stnltitia; cum etiam in istis inferio- 5
ribns molta sint, qae comprehendere nequeunt, sicat operationes
falminis, nnmeram giittarnm maris^ capilloram capitis, venarum
corporis et hujasmodi. alii male de Dei sapientia, ut Gnonite
(Z. Agnoetes), qui dicti sunt ab ignorantia, quod Christi deitas, qae
sant scripta de fatara die et hora, ignorent. alii de Dei bonitate, nt ^0
qui negant veniam pe'ccatoram. Cathori penitentiam refntant. alii
de ejus justitia, nt qoi negant cum vindicaturnm peccata eternaliter.
RusticaniLS de Sanctis Nr, 8. Ups, 498, 15, 1 (St, Simonis
et Jude apostolorum) De qoatnor mirabilibus, qae Dens facit
cum hominibas salvandis. — prima est infirmitas incarabilis ^^
etiam Ipocrati, Galieno et Ayicenne, est inveterata lepra
= heresis. — hereticns dolet, si commendatnr fides nostra.
quomodo ergo carabitar? si hereticus non esset, fieri Teilet,
ut demones, si essent cum angelis in celo, tamen diaboli fieri
vellent. ita talis hereticns. dicit aliqais: ,jarant vel accasant 20
alios; qaomodo ergo potest hoc esse?^ dico: qnod faciunt plas
ex timore quam amore. timent enim combari, ideo jurant.
RiLsticanus de Sanctis, Lips. 498 , 2Ä, 2 (S. Martini): Die
Ketzer sicnt lignam putridnm, quod in tenebris lucet, verglichen
mit der Sonne des Glaubens. 25
Rusticanus de Sanctis, Lips, 498, 77, 2 (S. Silvestri),
Quod Christus est sol, et de quatuor generibus hominum, qui
istum solem non diligunt, ad instar quatuor avium lucifugorum.
— similiter et nicticorax, qui significat hereticos, valde fetidum
OS habentes sicut nicticorax. ipsi enim valde horribilia de sanctis- 30
sima et purissima fide nostra mentiuntur: quod sacramenta
ecclesie nullum habeant vigorem, et multa hujusmodi fetida
emittunty que quidem aliis hereticis non fetent, ut nee os nicti-
coracis alteri, nee vermibus cloace fetor luti, nee porcis fetor
fimi. — Es werden aufgezählt: Carpocrates — Cherintus et 36
Ebion — Valentinus — Nestorius — Appelles — ApoUinaris. —
vespertilio, que nee avis nee bestia est — volat enim ut avis,
16 flf. = 2 Frih. 30'. 23 f. vgl Pfeiffer 62, 26. 260, 22 u, a. w.
6*
Sermonet Speciales Nr. 25. lApB. 496, 74, 6. (De Bepteai
generibaa hominam, qae maxime letificant diabolom. hiBtoru
de Pharao et septem principiboa ejoB.) Tabal = condempauu
oniversR ^ hereticos. imde sopplico propter Jhesom Christom,
g beatam Virginem, angelos et arcbangelos , thronos et omnes
sanctos, at ipsoB in domibas et aogolis non audiatia. testem
invoco coram vobis celum et terram, nt sitis inexcommanicabileG,
nt talea, et maxime mnliereB et laicoa docentes, et eabtilia et
dnlcia docentes, dod cnretis. portant enim feces aaoram dog-
10 matnm in angaloa domornm, non ad aolem. aod nos litterati
fidem nostram in sote et in Ince predicamas. ande, qnia isd
maltos anbvertant, sicat combarantor corpore, ita et aninu
cretnaotur in inferno. foria et intna ignia, ad ocnloa, aares, osss,
nervös, articnloB, digitos, angaes, nt omnia ardeant in perpetnam
15 more cannm. ezemplum illorara, qaos porci laceravemnt.
Lips. 496,96,3 (Sermo de septem sacramentit): baptismns.
— abi opponant heretici qoidam: ,qai credit, dicit Dominua;
sed paeri non credant, qaia nescinnt credere, ergo condemp-
nabantnr.' atnltam dicimus banc objectionem, errant, non eoim
80 intelligentes Scriptarae. — aed objieit hereticns: ,qiioinodo sal-
vabitar paer, qai nil boni fecit vel mernit?' reapondeo: ex
Dei largs miaericordia ealTabitnr. — nota: ai pnpillia oescieD-
tibna et non volentibas Incrnm acquiritar temporale a totoribns,
et conditionem illomm Uli poasant facere meliorem, non dete-
85 riorem, molto fortioa in apiritoalibna hoc contiogit. aed dicit
hereticns: ,ande habes, qood fide alteriaa aliqnis aalvetnr?'
reapondeo: ex erangetio de maliere Cbananea.
Rusticanui de Sancti» Nr. 6. Ups. 498, 13, 1 (S. JXonynij
De qninqae bonis, per qae homo sanctificator, aigoatia in qain-
30 qae arotnatibas olei ooctionie. — tertiam eat fidea. tria atmt
inter malta, qae fidem nostram in cordibas hominam valde
confirmant. primam est miracoloram exhibitio, qaam nalla aecU
alia habait anqaam. miracala enim fidei noatre ab Abel cepernnt.
— (13, 2) similiter et aliia qoinqae etatiboa. — sab illa, qae a
35 Christo, in qaa maxime maltipUcantar, qaoniam fideles tone
maxime miracalis claraemat in tantam, qaod etiam per mor-
taos plarimam maltiplicata aoat, qaia primmn ad ^oriam ce-
testem aab hac etate conacenderant. — secandom tesUam mnl-
titado. — tertiam, qaod fides nostra de Deo et de ipso homine
Studien zur Geschichte der altdentechen Predigt. 67
probabiliora sentit, vere de Deo sentit dignissima. alie enim
secte male sentinnt vel de Dei omnipotentia^ sicut Uli; qni negant
Deum posse corpora nostra sascitare, vel natnram nostram
potuisse assamere. negant Deam illad posse, quod ipsi nequeunt
intelligere. qnod est magna stnltitia; cum etiam in istis inferio- 5
ribos molta sint, que comprehendere nequeunt, sicut operationes
fulminis, numeram guttarum maris^ capillorum capitis, venarum
corporis et hujusmodi. alii male de Dei sapientia, ut Gnonite
(Z. Agnoetes), qui dicti sunt ab ignorantia, quod Christi deitas, que
sunt scripta de futura die et hora, ignorent. alii de Dei bonitate, ut 10
qai negant veniam peccatornm. Cathori penitentiam refutant. alii
de ejusju3titia,ut qui negant eum vindicaturum peccata eternaliter.
Rusticanus de Sanctis Nr, 8, Lips, 498, 15, 1 (St. Simonis
et Jude apostolorum) De quatuor mirabilibus, que Dens facit
cum hominibus salvandis. — prima est infirmitas incurabilis i^
etiam Ipocrati, Galieno et AyicennC; est inveterata lepra
= heresis. — hereticus dolet, si commendatur fides nostra.
quomodo ergo curabitur? si hereticus non esset, fieri Teilet,
ut demones, si essent cum angelis in celo, tamen diaboli iieri
vellent. ita talis hereticus. dicit aliquis: ,jurant vel accusant 20
alios; quomodo ergo potest hoc esse?^ dico: quod faciunt plus
ex timore quam amore. timent enim combnri, ideo jurant.
Rit8ticanu8 de Sanctis, Lips, 498, 28, 2 (S. Martini): Die
Ketzer sicut lignum putridum, quod in tenebris lucet, t)erglichen
mit der Sonne des Glaubens, 25
Rusticanus de Sanctis, Lips, 498, 77, 2 (S. Silvestri).
Quod Christus est sol, et de quatuor generibus hominum, qui
istum solem non diligunt, ad instar quatuor avium lucifugorum.
— similiter et nicticorax, qui significat hereticos, valde fetidum
OB habentes sicut nicticorax. ipsi enim valde horribilia de sanctis- 30
sima et purissima fide nostra mentiuntur: quod sacramenta
ecclesie nullum habeant vigorem, et multa hujusmodi fetida
emittunt, que quidem aliis hereticis non fetent, ut nee os nicti-
coracis alteri, nee vermibus cloace fetor luti, nee porcis fetor
fimi. — Es werden aufgezählt: Carpocrates — Cherintus et 36
Ebion — Valentinus — Nestorius — Appelles — ApoUinaris. —
vespertilio, que nee avis nee bestia est — volat enim ut avis,
16 ff. = 2 Frib. 30'. 23 f. vgl Pfeiffer 62, 25. 260, 22 u. a. w?.
6*
66 V. Abluuidliinf : SehAnbaoli.
Sertnonea Speciales Nr. 25, Lipa. 496 j 74, 6, (De Septem
generibus hominnm, qae maxime letificant diabolam. historia
de Pharao et Septem principibos ejus.) Tabal = condempnans
aniversa = hereticos. nnde supplico propter Jhesnm Christum,
5 beatam Virginem^ angelos et archangelos, thronoa et omnes
sanetosy nt ipsos in domibas et angalis non audiatis. testem
invoeo coram vobis celum et terram, nt sitis inexcommanicabiles,
ttt taleS; et maxime malieres et laicos docentes^ et snbtilia et
dnlcia docentes^ non cnretis. portant enim feces saoram dog-
10 matnm in angalos domoram^ non ad solem. sed nos litterati
fidem nostram in sole et in luce predicamns. nnde^ qma iäti
maltos subvertnnty sicut combnruntur corpore , ita et anima
cremantnr in inferno. foris et intns ignis; ad ocnlos, aores, ossa,
nervös, articnlos, digitos, nngnes, nt omnia ardeant in perpetanm
16 more canum. exemplnm illornm, qnos porei laceravemnt.
Lip8,496,96,3 (Sermo de Septem sacramentis): baptismns.
— nbi opponnnt heretici qnidam: ,qni credit, dicit Dominos;
sed pueri non crednnt, quia nesciant credere, ergo coodemp-
nabnntur/ stnltam dicimns hanc objectionem, errant, non enim
20 intelligentes Scriptoras. — sed objicit hereticns: ^quomodo sal-
vabitnr pner, qui nil boni fecit vel meruit?' respondeo: ex
Dei larga misericordia salvabitnr. — nota: si pupillis nescien-
tibus et non volentibas Incrnm acquiritnr temporale a tutoriboB,
et conditionem illomm illi possunt facere meliorem, non dete-
25 riorem, mnlto fortios in spiritnalibns hoc contingit. sed dicit
hereticns: ,nnde habes, qnod fide alterins aliqnis salvetnr?^
respondeo: ex evangelio de mnliere Chananea.
Rusticanus de Sanctia Nr, 6. Lips. 498, 13, 1 (S. Dionysii)
De quinqae bonis, per qne homo sanctificatnr; signatis in quin-
80 qae aromatibas olei anctionis. — tertiam est fides. tria snat
inter molta, qae fidem nostram in cordibos hominom valde
confirmant. primam est miracaloram exhibitio, qoam naila secta
alia habait anqaam. miracala enim fidei nostre ab Abel ceperunt
— (13, 2) similiter et aliis qoinqae etatibos. — sab illa, qae a
35 Christo, in qna maxime maltiplicantar, qaoniam fideles tnnc
maxime miracalis claraerant in tantnm, qaod etiam per mor-
taos plarimam maltiplicata sant, qaia primam ad gloriam ce*
lestem sab hac etate conscenderant — secandam testiam mol-
titado. — tertiam, qaod fides nostra de Deo et de ipso homine
Stadien snr G«Mhielite der altdentaolieD Predigt. 67
probabiliora sentit, vere de Deo sentit dignissima. alie enim
secte male sentinnt vel de Dei omnipotent ia^ sicut illi; qui negant
Denm posse corpora nostra suscitare^ vel nataram nostram
potnisse assumere. negant Denm illad posse^ quod ipsi neqnennt
intelligere. qnod est magna stultitia, cum etiam in istis inferio- 5
ribus molta sint, que comprehendere nequeunt^ sicat operationes
falminiSy numerum gattarnm maris^ capilloram capitis, venarnm
corporis et hujnsmodi. alii male de Dei sapientia, ut Gnonite
(2. AgDoetes), qui dicti sunt ab ignorantia, quod Christi deitas^ qae
sunt scripta de futura die et hora, ignorent. alii de Dei bonitate, ut ^0
qai negant veniam peccatoram. Cathori penitentiam refutant. alii
de ejus jostitia^nt qui negant eum vindicaturnm peccataeternaliter.
Ru$iicanu8 de Sanctis Nr, 8, Ups. 498, 15, 1 (St, Simonis
et Jude apostolorum) De qoataor mirabilibus^ qae Dens faeit
cum hominibas salvandis. — prima est infirmitas incnrabilis l&
etiam Ipocrati^ Galieno et Avicenne; est inveterata lepra
== heresis. — hereticus dolet, si commendatur fides nostra.
qnomodo ergo enrabitur? si hereticus non esset ^ fieri Teilet,
ut demones, si essent cum angelis in celo^ tamen diaboli fieri
vellent. ita talis hereticus. dicit aliquis: Jurant vel accusant 20
alios; qnomodo ergo potest hoc esse?^ dico: quod faciunt plus
ex timore quam amore. timent enim combnri^ ideo jurant.
Riisticanus de Sanctis. Lips. 498, 28, 2 (S, Martini): Die
Ketzer sicut lignum putridum, quod in tenebris lucet, verglichen
mit der Sonne des Olauhens. 26
Rusticanus de Sanctis, Lips. 498, 77, 2 (S, Silvestri),
Quod Christus est sol, et de quatuor generibus hominum, qui
istum solem non diligunt, ad instar quatuor avium lucifugorum.
— similiter et nicticorax, qui significat hereticos, valde fetidum
OS habentes sicut nicticorax. ipsi enim valde horribilia de sanctis- 30
sima et purissima fide nostra mentiuntur: quod sacramenta
ecclesie nullum habeant vigorem, et multa hujusmodi fetida
emittunt, que quidem aliis hereticis non fetent, ut nee os nicti-
coracis alteri, nee vermibus cloace fetor luti, nee porcis fetor
fimi. — Es werden aufgezählt: Carpocrates — Cherintus et 86
Ebion — Valentinus — Nestorius — Appelles — ApoUinaris. —
vespertilio, que nee avis nee bestia est — volat enim ut avis,
16 ff. =2 fWÄ. aC. 23 f. vgl Pfeiffer 62, 26. 260, 22 u, a. »r.
6*
66 V. Abluuidliinf : SehOnbaoh.
Sermones Speciales Nr, 26, Lips. 496 ^ 74, 6, (De Septem
generibus hominani; que maxime letificant diabolam. historia
de Pharao et Septem principibos ejus.) Tabal = condempnans
universa = hereticos. unde supplico propter Jhesum Christam,
5 beatam Virginem, angelos et archangelos, thronos et omnes
sanetosy at ipsos in domibus et angalis non aadiatis. testem
invoeo coram vobis celam et terram, nt sitis inexcommmiicabileS;
nt tales, et maxime mulieres et laicos doceBteS; et snbtilia et
daicia docentes^ non cnretis. portant enim feces saorum dog-
10 matam in angalos domorum^ non ad solem. sed nos litterati
fidem nostram in sole et in luce predicamos. unde, qnia isti
multos subvertunt^ sicut comburuntur corpore, ita et anima
cremantar in inferno. foris et intus ignis, ad oculos, aares, ossa,
nervös, articulos, digitos, nngnes, at omnia ardeant in perpetnnm
16 more canum. exemplum illorum, quos porei laceraverant.
Lips, 496, 96, 3 (Sermo de Septem sacramentis): baptismos.
— ubi opponunt beretici quidam: ,qai credit^ dicit Dominus;
sed pueri non credunt, quia nesciunt credere, ergo condemp-
nabuntur/ stultam dicimus haue objectionem, errant, non enim
20 intelligentes Scripturas. — sed objicit hereticus: ,quomodo sal-
vabitur puer, qui nil boni fecit vel meruit?^ respondeo: ex
Dei larga misericordia salvabitur. — nota: si pupillis nescien-
tibus et non volentibus lucrum acquiritur temporale a tutoribus,
et conditionem iliorum illi possunt facere meliorem, non dete-
25 riorem, multo fortius in spiritualibus hoc contingit. sed dicit
hereticus: ;Unde habes, quod fide alterius aliquis salvetur?^
respondeo: ex evangelio de muliere Chananea.
Eusticanus de Sanctia Nr, 6, Lipa. 498, 13, 1 (S. Dionysii)
De quinque bonis, per que homo sanctificatur^ signatis in quin-
30 que aromatibus olei unctionis. — tertium est fides. tria sunt
inter multa, que fidem nostram in cordibus hominum valde
confirmant. primum est miraculorum exhibitio^ quam nulla secta
alia habuit unquam. miracula enim fidei nostre ab Abel ceperunt.
— (13; 2) similiter et aliis quinque etatibus. — sub illa, que a
35 Christo, in qua maxime multiplicantur, quoniam fideles tunc
maxime miraculis claruerunt in tantum, quod etiam per mor-
tuos plurimum multiplicata sunt, quia primum ad gloriam ce-
lestem sub hac etate conscenderunt. — secundum testium mul*
titudo. — tertium, quod fides nostra de Deo et de ipso homine
Stndian zur Geseliiehte der altdenftwdien Predigt. 67
probabiliora sentit, vere de Deo sentit dignissima. alie enim
secte male sentiunt vel de Dei omnipotentia^ sicnt illi^ qni negant
Denm posse corpora nostra suscitare, vel natnram nostram
potnisse assumere. negant Deum iliad posse^ quod ipsi neqaeunt
intelligere. qnod est magna stnltitia, cum etiam in istis inferio- 5
ribos molta sint, que comprehendere nequeunt, sicat operationes
fnlminis, numeram gattaram maris^ capilloram capitis, venarnm
corporis et hujasmodi. alii male de Dei sapientia, ut Gnonite
(l, Ägnoetes), qui dicti sunt ab ignorantia, quod Christi deitaS; qne
sunt scripta de fatnra die et hora, ignorent. alii de Dei bonitate^ nt 10
qai negant veniam peccatoram. Cathori penitentiam refutant. alii
de ejns jnstitia^at qni negant eum vindicaturnm peccata eternaliter.
Rusticanus de Sanctis Nr. 8. Lips. 498y 15, 1 (St Simonis
et Jude apostolorum) De qnatnor mirabilibus^ que Dens facit
cum hominibuB salvandis. — prima est infirmitas incurabilis i&
etiam Ipocrati, Galieno et Ayicenne, est inveterata lepra
= heresis. — hereticus dolet, si commendatur fides nostra.
qnomodo ergo curabitur? si hereticus non esset ^ fieri Teilet,
at demones, si essent cum angelis in celo, tarnen diaboli fieri
vellent. ita talis hereticus. dicit aliquis: ,jurant vel accusant 20
alios; quomodo ergo potest hoc esse?^ dico: quod faciunt plus
ex timore quam amore. timent enim combnri, ideo jurant.
Rusticanus de Sanctis, Lips, 498, 28, 2 (S. Martini): Die
Ketzer sicut lignum putridum, quod in tenebris lucet, verglichen
mit der Sonne des Glaubens. 25
Rusticanus de Sanctis, Lips, 498, 77, 2 (S, Silvestri).
Quod Christus est sol^ et de quatuor generibus hominum, qui
istum solem non diligunt^ ad instar quatuor avium lucifugorum.
— similiter et nicticorax, qui significat hereticos, valde fetidum
OS habentes sicut nicticorax. ipsi enim valde horribilia de sanctis- 30
sima et purissima fide nostra mentiuntur: quod sacramenta
ecclesie nullum habeant vigorem, et multa hujusmodi fetida
emittunt, que quidem aliis hereticis non fetent, ut nee os nicti-
coracis alten , nee vermibus cloace fetor luti, nee porcis fetor
fimi. — Es werden aufgezählt: Carpocrates — Cherintus et 36
Ebion — Valentinus — Nestorius — Appelles — Apollinaris. —
vespertilio, que nee avis nee bestia est — volat enim ut avis.
16 ff. = i? Frib. SO'. 23 (. vgl Pfeiffer 62, 26. 260, 22 u. s. w.
6*
68 V. Abhandlnng: Sehönbaeh.
sed habet corpus nt mnS; pilosum capat, denies et grinnitam
ut catttlus; nee ovat ut ayis, sed parit at mns — significat
falsos ChristiaDOSy qui nobiscam nomine et fide concordant, sed^
vitam verorum Christianorum negantes^ vitam paganoram, jadeo-
5 mm^ hereticorum habent: paganoram cum laxuria, quia valde
sunt laxurioai; jndeoram in ayaritia, qai yalde sunt avari; here-
ticorum in superbia^ qui plurimum sunt superbi. immo plurimi
nostrorum pejorem in predictis vitam habent quoadquid quam
pagani; judei et heretici. pagani enim, licet sint luxuriös!, non
10 tamen plures ducunt uxores, quam pascere possent, et adul-
terium plurimum detestantur, ut patet in Tartaris, qui illnd inter
se morte puniunt. sed plurimi Christiani omnes corrumpunt,
quas possunty et quidam tot habuerunt, quod numerum (78, 1)
nesciunt. similiter quidam inter nos sunt avariores multis judeis.
16 illi enim non fenerantur fratri suo, sed alieno, licet in hoc
mortaliter peccent. sed isti fratri sno, alteri Christiano; immo,
quodammodo possunt, d^cipiunt proximum, immo furantnr et
rapiunt; quod rarissimum inter judeos. similiter quidam ex nobis
superbiores sunt quoadquid heretici; licet omnis hereticos sit
20 superbus, in hoc quod heretici suam superbiam yalde occoltant,
isti vero, ubicunque possunt, in vestibus, peplis, equitaturis et
hujusmodi; quantumcunque possunt, ostentant.
Rtuticantu de Dominieis. Lim. 99^1 (Dofnin.2, poHPentec.)
Quod coena Corporis Christi dicitur magna propter tria, insti-
25 tuentis scilicet charitatem, credentium fidem et multiplicem
effectum in sumente. — Homo quidam fecit coenam magnam
(Luc. 14; 16). homo ille est Christus, Dominus noster. — (99, 2)
19 Über den Hochmut der Ketzer tprieht Berthäd viele Male, m. B.: Upe.
496,48^: ntm ille nimiB saperbit de nobilitate, ille de palchritadine, ille de
vestibus, ille de officio et hujosinodi. ut qutndo homo snperbior, tanto mtnos
agnoscat se esse superbam, patet in omDibus hereticis. — / Frib, llO^i — qai
cognoscaDt illa sacramenta, que revelaDtnr parvulis, id est, humilibas fidelibus
per fidem, non snperbis hereticis. — Die SdbMänuehung de» Ketaere, der eich %n-
miUen der Q^dkr eieher wähnt, wird heeproehen 8trM 121, 6 ff, 84 ff. =
1 Frib. 92". (92'): natura cessit miraculo, creatora creatori. — sed dieit homo
modice fidei cum jadeis (Joann. 6,53): ,quomodo potest hie nobis carnem saam
dare ad manducandum?* et cum discipulis apostatis dicit (Joatm. 6,61): ,duras
est hie sermo, quis potest audire eam?* — Damach werden die Wunder det alten
Testamente» antfgesähU, — Yen 16 ah wöriUche ÜbereineUmmunff bi» tum Bnde
de» Stacke».
Studien zur Geacbiclite der altdevteehen Predigt. 69
qnomodo impossibile est Deo omDipotenti mutare panem et
▼inam in carnem et sangninem^ cum omnia elementa^ quam-
vis infirma, mutent reram nataras in alias fignras? videmus
mntari grana in faerbas et semina in arbores magnas^ quid
igitar impossibile est Deo etc.? videmns etiam aqaas mntare 6
ova piscium in pisces, ligna in petras, terram in lapides; videmus
in aere mutari nubes sive vapores, nunc in rores^ nunc in
pruinas, nunc in grandines^ nunc in pluvias. videmus (100, 1)
etiam aquas ratione frigiditatis mutari in glaciem^ glaciem in
christallum, consumptis partibus aquosis, et^ ut quidam dicunt^ lO
secundum qualitatem, scilicet caliditatem, ova mutari in aves,
vapores in pluvias. non ergo impossibile etc. videmus ignem
mutare arbores in oinerem^ cinerem in vitrum, lapides in metalla.
quid ergo impossibile est Deo mutare rernm naturas alias, cum
hoc faciant elementa? et quod ipse sit Dominus elementorum, 15
immo ipsa elementa, que alia mutant in carnem et sanguinem,
et quanto magis elementum panis et vini? mutavit elementum
terre in corpus Adam, elementum aque in sanguinem in Egypto,
quanto magis panem in corpus et vinum in sanguinem? hec
est mutatio inter omnes mundi mutationes gloriosissima et om- 20
nino mutationi corruptionis contraria. — nam ad prolationem
quatuor verborum sacerdotis celi celorum aperiuntur, mille
exercitus angelorum assunt, Christus , qui in sinu Patris est,
statim venire dignatur in manus sacerdotis, abscondens se sub
accidentibus panis sive nebule. sed ad hoc dicit homo modice 25
25 ff. Sehr ähnlicke DarsteUhmgen, nur in EinzdheUen verscTUedenj kommen
noch ein paarmal bei BerthM vor. Linz, 131 ^ 1 : hoc graviter impngnant here-
tici et Manichei. dtcunt entm: ,qaoinodo snb tarn parva forma panis potest
latere tarn magnam corpus? item, qaomodo transsnbBtantiari potest pania et
▼iniun in carnem et sanguinem ?* item, dicunt, quod, si fuisset corpus Christi
tante magnitudinis, quantus est mens ille et ille, soli sacerdotes jam dudum
ipsam deroraasent. quibns respondetur, quod non erit impossibile apud Deum
omne verbom. qui enim de nichilo omnia creavit, potest et hec potestate
diyina, qua potnit tempore Josue solem ei lunam sistere, et tempore Ezechie
iolem retrocedere et alia infinita. potest enim sub tarn parva forma panis et
vini facere latere corpus suum, sicut aliqno modo simile videtur in exemplis
subflcriptis, sicut in speculo parvo magnarum rerum, ut solis et Inne et si-
milium corpora representantur. habes et te — Von da bi» 71,26 toorüich
überehuHmmemL — 1 Fri6. 89^: sed contra hoc sacramentum objiciunt heretici
modemi^ ut sunt Pauperes, Leoniste, Ortlibarii, Runclarii et alii, quorum heu
nunc nimis pullulat multitudo, simplicibns dicentes: ,non est verum corpus
70 ▼• Abhaadlnnf ; Sebönbaoli.
fidei: ^quomodo potest corpus Christi tarn magnum in tarn parva
forma contineri?' coi fides magna ecdesie respondet nt snpra:
qaoniam apud Denm omnia sunt possibilia. qoia non ambigimas
posse facere creatorem talia^ cam hec videamus in creataris
5 fieri quadam similitudine, sicut in exemplis snbscriptis. videmus
in speculo parvo raagnarum rerum diversitates. habes tu ipse
in parvo pectore tuo magnam celestium sapientiam et terrestrium
scientiam; quid ergo impossibile Deo^ si sapientia Dei increata
potest in parva forma inveniri? videmus in parvo lapide pretioso
10 multas et magnas virtates, videmus in parvo pectore prineipis
magnam potestatem, in parvo corde pape magnam auctoritatem ;
quid ergo impossibile est Christo^ in parva (100^ 2) hostia latere?
videmus magna significata in parvis signis. sub hoc enim signo,
Domini suh hostia, sed tantum quedam alia sanctitas, unde scitote, qaod
derici vestri, qui dicunt ibi verum corpus Christi et vivnrn esse, in hoc tos
decipiunt et mentiuntur et pro sua avaritia hoc inveniernnt ,quomodo posset*,
inquinnt heretici, ,hoc esse corpus Christi? si eiiim esset tante magnitadinis
ut mons magnus, jam dudum illud consnmpsissent , et ideo nullatenus est
corpus Christi, ut dicunt/ item, secundo dicit sensns camalis: ,coii8tat, quod
non est verum corpus Domini; quomodo enim posset in tarn parvo loco et
in tam parva forma verum et integrum corpus Christi perfecte magnitadinis
et pleno stature contineri? hoc nullatenus similiter fieri potest.* item, tertio
dicit sensus camalis: ,quomodo corpus Christi idem numero, idem individno
simul et semel plura posset loca obtinere, ita, quod Christus in isto altari
Sit totus, in illo totus; in manibus illius sacerdotis totus, in manibua istius
totus; in illa pixide totus, in ista totus; in ore illius (89**) infirmi totus, in
ore istius totus, simul et semel, et tamen non sit nisi unum corpus numero
et idem in individuo ; et hoc similiter nullatenus fieri potest/ — 7 magnam
celestium sapientiam et terrestrium scientiam, magnam preteritomm memoriam,
presentium intelligentiam , futurorum providentiam. Dann wieder voöriUehe»
Ubereinttimmen. — Statt 13 ff. Linz. 131, 1 : item ad hec, quod qnerunt, quomodo
possit transsubstantiari, respondemus, ut prius: Deo nihil est impossibile, et
virtute divina« qua potuit mulierem in statuam salis mutare, virgam in colubnim
convertere, petrum in stagna aquarum et rupem in fontes aquarum, aquam
in sanguinem in Exodo , aquam in vinum in Evangelio, et hoc potest. quanta
ergo est hereticorum stultitia, qui non credunt, Deum omnipotentem hoc
posse facere, quod quilibet hominnm potest! omnis enim homo per naturam
in corpore suo mutat panem in camem, cum illum comedit, et vinum in
sanguinem, cum illud bibit, et stomachus bovis paleam mutat in camem et
sanguinem (131, 2) suum, cur ergo Dens, qui cuncta potest, panem et vinum
in camem et sanguinem mutare non potest? ad tertium, quod dicunt, si corpus
Christi tante esset magnitudinis etc. (vgl. oben 7, 17flf.), respondemus, ut
supra: quia ipsi omnia possibilia sunt, divina enim virtute, q^ua potest hoc
Stadien rar Geeohicbte dar altd«iitso1ien Predig. 71
sab hac forma et parva dictione ^Deos' videmus apprehendi
totam Trinitatem; qaanto magis sab parva hostia potest con-
tineri totas Cbristas? immo videmas sab hac parva dictione
et modico signo ^omne^; doaram sillabaram et qaataor litteraram,
contineri omnem creataram^ celam et omnia celestia, terram 5
et omnia terrestria, infernam et omnia infernalia et omnia
creata alia; qoid igitnr impossibile, si in parva hostia compre-
henditar Christas totaS; cam in tarn parva dictione comprehen-
dantar omnia bona et mala? qai hoc igitar in creatoris ne-
gare neqaeant^ erabescant discernere in creatore. valde igitar 10
ceci sont, qai hoc non credant. — qaia aatem sacramentam
eacharistie sammam bonam est, nataraiiter in samente bonam
efficit, actaaliter aatem malam. qaemadmodam videmas in qaa-
litatibas, qaod nataraiiter caliditas calefacit; actaaliter aatem
infrigidat, at videmas pateos et fontes estivo tempore infrigidari. 15
nam ex caliditate estatis malta fit pororam ac visceram terre
apertio, ande ex ea addacantar vapores calidi; qaibas sablatis
viscera terre et aqae, qae in ipsis visceribas sant^ infrigidantar.
similiter frigiditas nataraiiter infrigidat, actaaliter enim cale-
facit, at videmas in calce^ cni si aqaam frigidam saperfand imas, 20
fortissime calefit. sie et corpas Christi in se bonam nataraiiter
bonam maximam in homine efBcit^ accidentialiter aatem malam.
81 enim hamores corraptos vitioram in anima invenit^ videlicet
saperbiam, avaritiam et hajasmodi, tanc maltipliciter in homine
malam operatar. 25
Rtisticanus de Dominicis Nr, 46 (Domin, 10. post Pentec),
Lim, 123, 2: De octo penitentibas, ex qaibas Septem Deo non
placenty anas salvatar. — (125^2) nota tamen^ de hiis predictis
penitentiis Domino non pleno placentibas caate est in predica-
facere, at 80I abflqae diminatione sit in diversis terris simul et semel, quantum
ad illaminationem in specie, qaa diversas terras illuminat, eadem fides quoad
credendam, in diversis cordibos sine sui diminutione idem potest facere.
verbnm menm in diversis auribas, eadem paternitas essentialiter et secundam
rem, licet diversi sunt respectus in diversis filiis, nee tarnen hoc propter
multitodinem participantinm minoratur, vel consumitur essentialiter. sie nee
corpus Chriati. — licet enim gloriosissimum esset, sab forma propria corpus
Christi recipere, sab alia tarnen forma nobis tradidit et samendum instituit
propter causas in hiis versibus notatas:
sumitur occulte Christas, ne sit tibi, stalte,
horror vel risos, sitque lucrosa fides.
72 ▼• AbbADdlnng; 8o1iÖDl»aoli.
tione eloquendani; quia, si nimis argoantar, justi imperfecti
desperabunt; timebuDt enim, se in aliqna falsa penitentia esse, et
Don in Vera, unde debet prodicator calamnm quassatum non con-
terere et linam famigans non extingaere (Isai. 42, 3), id est,
5 justam inperfeetum per nimiam aggravationem penitentie inordi-
nate ad desperationem non indacere. melius enim yolo, si aliter
fieri non potest, ut de inatili penitentia malns plus presumat, quam
jastus; qui est in yera penitentia, debilis ex inordinata penitentia
desperet; et potias volo tacere de peccatoris contritione et lacri-
10 mis, quam viam penitentie nimis aggravare et sie jostum in-
perfeetum in desperationem indueere. hoo dico propter quosdam,
qui in sermone imponunt hominibus dura onera et inportabilia,
minimo autem digito suo nolunt ea movere (Matth, 23, 4).
RtuticantM de Dominicis Nr. 47 (Domin. 12. poH Pentee,).
15 Linz. 129,1: De Septem sacramentis. — (131^ 1: penitentia)
hec consistit in vera contritione cordis et oris confessione, facta
sacerdoti, non alii, nisi in articulo extreme neeessitatis, et ibi
tantum locum habet illud: ,confitemini alterutrum peccata vestra^
(Jacob. 5, 16). sed si sacerdos haberi potest sicut littera contra
20 eundem locum innuit, vel de venialibus hoc acoipi potest, licet
levibus. in Actibus apostolorum dicitur (19, 18), quod molti
credentium veniebant ad apostolos, confitentes et annuntiantes
peccata sua, et apostoli erant sacerdotes. ipse etiam Dominus
misit leproses ad sacerdotes (Xuc. 17, 14), non ad alios, ut
25 ostenderent se ipsis. item apostolis dixit, non senioribus soribisi
ut solverent Lazarum, quem suscitavit (Joann. 11, 44). hoc
propter hereticos dixi, qui confitentur laicis et dicunt, laicis esse
confitendum, et non sacerdotibus nostris. — (131, 2) quintum
— extrema unctio — unde Hugo de sancto Victore (De sacra-
30 mentia lib.2, pars 15, Migne 176,677 D): duplici ex causa hoc
sacramentum institutum est — . quia a solis sacerdotibus con-
ferri potest, licet baptismus ab aliis etiam conferri possit, quia
necessitas est, hoc potius utilitatis. et licet ,presbiteros' dicat
(Jacob. 6, 14), credimus tamen, quod unus presbiter sufficit,
35 honestius tamen esset, ut pluralitas presbiterorum vocaretur.
hoc sacramentum pueris non datur^ sicut nee penitentia, quia
non indigent remissione actualium delictorum. item sanis non
14 ff. dasselbe Stück Lipa. 496, 96, 1 f.
Studien zor Gesdiiohte der altdeatschen Predigt. 73
datnr, qaia similiter datar ad corporis recuperandam sanitatem.
multi ergo reprehendendi sunt iBfirmi, qtii abfaorrent hoc sacra«
mentum, quasi citius ex hoc moritari; cum constet; ut dicit
Hugo (a. a. 0.), quod^ qai hanc nnctionem fideliter et devote
soscipity per eam sine dubio in anima et in corpore alleviationem 5
et consummationem recipere meretur; si tarnen expedit, ut alle-
vetuTy in utroque. quod si forte non expedit illi ad sanitatem
corporis^ iUam procul dubio, que anime est; acquirit. et si hoc
Bacramentum, ut dicitur in Sententiis (Summa Sententiarum
des Hugo van 8t Victor ^ tract 6, cap. 16, Migne 176, 163 C), lO
ex contemptu pretermittitur, dampnabile est; si ex negligentia,
periculosum. et nota, quod hoc sacramentum potest (132, 1)
pluries iterari; tarnen pro eodem morbo non debet dari infra
annum unum nisi semel, ut quibusdam placet. reprobanda etiam
est opinio laicorum, qui dicunt, quod inunctus non debet postea 15
cum uxore dormire, sed nudis pedibus terram tangere et similia.
item ea, que de bona consuetudine finnt, scilicet ligatio pedum
▼el manuum, possunt obmitti. sufficit enim, quod statim stuppa
abstergatur et in ignem mittatur. est enim unctio materia trän-
siens. — sextum — matrimonium — item Cor. II (ICor. 7, 10): 20
qui matrimonio conjuncti sunt, precipio non ego, sed Dominus/
ecce huic ultimo auctoritati contradicere non possunt. et vere
stulti sunt heretici matrimonium dampnantes. si enim matri-
monium non esset, unde homines nascerentur? quis Deum
doceret esse colendum, venerandum, diligendum? quis infidelibus 25
löflf. Pfeiffer S64, 8 ff. (vgl Strobl 90, 9 f.): unde so ir iuch bewarn
weUei, sd heizet iuch oleien. Jft, brnoder Berhtolt, j& fürhte ieh wol zwei
oder mdr dar an. ich beere sagen, fHr daz ich mich lieze geoleien, ich sülle
niemer mdre bt minem gemechede geligen, dar umbe iftze ich ez, sd ich alier
langest mac' sich, daz ist reht ein lüge und ein ketzerie. du soU bi dinem
gemechede ligen, als der d roht ist, nü als yor, in gotes namen &ne sünde.
,braoder Berhtolt, sd fürhte ich noch wol zwei.' waz fürhtest du aber nü?
,d& hoere ich sagen: ich ensuUe niemer m^re deheines fleisches enbizen, unde
so! niemer mdr dehein mensche üf den linlachen geligen, d& man mich üiFe
geoleiet habe (Strobl: er müese ez durch got geben), und ich suUe niemer
uAt (Strobl: barfuoz) üf die erde getreten.* daz ist allez samt gelogen (Strobl:
und ist ein ungelonbe. ez sint niur zouberer und zouberinne, die des jehent
und triegent die Hute oder sie triuget der tiuvel). du solt fleisch ezzen als
vor, ligen unde slftfen üf dinen linlachen als vor, so man sie geweschet
(Strobl: und wiltü diu lilach durch got geben, daz mahtü wol tuon). trit üf
die erden barfuoz unde geschuohet &ne sünde.
74 V. Abhandlniig: SohAnbaeb.
resisteret? vel quis predicaret evangeltQm, poBtqnam fideles
omnes mortni essent^ maxime nunc^ cam miracala^ per qae ob'm
multi infidelium trahebantar ad fidem^ rara sunt? an de decimas
ordo repararetur? quomodo aat quis matrimoniam contrahere,
5 aat qaomodo in matrimonio vivere debeat, at salvetar^ propter
prolixitatem ad presens sabticeo. — septimam — sacer ordo.
— nitantur aatem heretici hanc fidem precipae evellere a cor-
dibas simpliciam ex saggestione diaboli, qoi seit, qaod, si hie
error in cordibas hominam prevaleret^ tanc eos ad omnem
10 impietatem et iniquitatem facile inelinaret, dam non esset jam,
qai gloriam veritatis et jastitie eos sciret docere, et sie deinceps
qaioqaid saaderet, facile pro bono recipi palchro mendacio
coloratam affirmaret. unde etiam sie dicant heretici apostoli:
;diaconi^ sacerdotes vestri et derici^ cam peccatores sant^ avari^
15 ambitiosi, fornicatoreS; adalteri; immandi, non possont tos
mandare jaxta illad Lace (6,39): namqaid potest cecns cecnm
dacere etc.; qaia e converso ab immando qais (132^ 2) man-
dabitar? manas etiam immanda, cam te mandare nititor, non
mandat, sed plas inqainat. item, qai ligatas est, allam solvere
20 non valet. item: ^maledicam benedictionibas vestris (Malach. 2^2) J
qaibas respondetnr^ qaod falsis confabalationibas simplices de-
cipere nitantar. nam sciendam; qaod in sacerdotibas dao sant:
vita et of&ciam. vita saa est, officiam datar ei propter alios
filios Dei. ande^ sicat nee deformitas corporis deformat animam,
25 sie nee inmanditia vite sacerdotis inmandat officiam sibi et
potestatem propter alios traditam. si bonas est, prodest sibi; si
malas est; nocet sibi; non mihi, qaid enim mihi nocet, si rex
per nantiam deformem transmitteret mihi manera pretiosa,
aaram; gemmas et hajasmodi? ipsa manera per talem nantiam
30 saam non perdant pretiositatem. ita sacramenta, per malam
roinistram fidelibas sais per regem celestem transmissa, non
perdunt virtatem saam, qaia non sant ministri, qai ea portat,
sed Domini; qai ea misit. qaid mihi nocet; si iS; qai me lavat^
sit niger at Ethiops an albas? non igitnr sacerdoS; si inmandos
35 est, inmandat; qaia non mann vite saC; sed officii; qaia vita
saa non valet inmandare, sed officio me lavat. in hoc enim
sacramentoram dignitas magis et virtas apparet; qaod etiam
per malam ministram infici et etiam deteriorari non valent.
sicat etiam; qai in limosa aqaa et tarbida baptizaretOT; non
Stadien sar Oeaebicbte der altdenieehen Predigt 75
minus a peccato mnndaretar quam in parissima, et qnia et
splendor solis non obscaratur^ si per sordidam fenestram träne-
fnndatnr, similiter sacerdos non me ligat vita sna, sed officio
et poteetate sibi tradita etc., dum modo non sit precisns ab
ecciesia. ^
Ruaticanus de Dominicia Nr, 66. Linz. 148, 2 (Domin. 20.
post Pentec). De Septem temporibus ecclesie, significatis per
apertionem Septem sigillorum. — (149,1 ) equus albus (Apoc.6,2
= primi sancti ecclesie) cucurrit usque ad tempus Neronis,
qui fuit sextus imperator plus quam per triginta quinque annos. lo
secundus Status ecclesie equus rufus (Äpoc. 6, 4) est tempus
martyrii et duravit ac cucurrit plus quam ducentos annos, a
Nerone usque ad Constantinum imperatorem et papam Syl*
vestrum, per papas XXXIIII et imperatores a Nerone XXIX.
hoc tempus dura vita a passione Petri usque ad Constantinum, 15
qui, dum baptizatus esset, dedit omni ecclesie pacem per totum
orbem romanum, sicut beata Lucia predixerat, que parum ante
passa fuit. sub tempore vero passionis, quo equus rufus cucurrit,
gravia tormenta fideles pertulerunt, adeo gravia, ut communes
passiones, ut est suspendium et hujusmodi, sub quibusdam judi- 20
cibus non multum reputarentur, sed judex, qui duriora novit
inferre, laudabilior fuit. et cum tantum accurrisset, aperuit
tertium sigillum, et ecce, equus niger (Äpoc. 6, 6), id est Status
penitentie et humilis ac subjecte vite, currere cepit. iste Status
ecclesie bonus per plurimos annos duravit et, licet tamen de 25
die in diem a primo fervore tepuerit, fideles tamen multo melius
habuerunt se quam nunc, ita ut et adhuc tempore Heinrici
imperatoris, qui plus quam CC (Z. DCC) annis fuit post Con-
stantinum, multi sanctificarentur. in statu illo, maxime circa
principium, fideles se ipsos cruciavernnt cum aspera penitentia 30
et summe intendebant virtutibus et misericordie. cogitaverunt
interse: si nullus (149,2) est, qui nos cruciat, nos ipsi crucia-
bimus nos. — quis penitentiam eorum enarret, cum quidam
eorum jejunaverint cottidie usque ad vesperas, alii nee vino,
sed nee aqua satiarentnr, alii non jacendo, sed sedendo quies- 35
cerent; alius temptationibus ita restitit, ut in spinas se jactaret
et, quod acrius est, se incarceraret, et hujusmodi. in miseri-
cordia autem tam soUicite se exercuerunt, ut alius omnia ven-
dita daret pauperibus, alius vestem in algore divideret, alius
76 V. Abhandlung; Sehdnbaoh.
se ipsum venderct, at daret elemosinam, et hujosmodi. et cum
ille currere cepisset, post in brevi, ut fideles probarentor, qai
constantes essent et qni non, aperait qaartam sigillam et ecce,
equus pallidus (Apoc. 6, 8)y Status hcreticoram et ypocritaram,
5 qui pallent, currere ineepit. nam in brevi post pacem datam
ecciesie duo heretici surrexernnt sub Constantino, filio suo
majore, Manes, ut legitur in CroniciS; (et Arrius)^ a quibus
duobus communes hereses multe venerunt. nam procedente
tempore successores eoram aliquid addiderunt. — ,et cum
10 apernisset quintum sigillum, vidi sub altare Dei animas —
Glosa: aperto martyrio vel aliquibus anxietatibus interfectorum
— et clamabant voce magna — id est, desiderio magno — :
usquequo, Domine ^ sanctus et verus, non vindicas sanguinem
nostrum etc/ (Apoc, 6^9/,)? ^sanctus'^ Olosa: sanetitatem amans;
15 ^verus^ in promisso; ^usquequo non vindicas?^ faciendo discre-
tionem bonorum et malorum; et non vindicas penas inferendo
hiis, ^qui habitant in terra^^ amore in terrenis. in hoc vero
tempore sumus nos et qui ante nos aliquanto tempore fiienmt.
hoc tempus est tempus temporale et muliebre. nam sicut homines
20 sunt instabiles^ leves, superbi, comas ornantes et nutrientes,
carnem amantes, debiles in spiritualibus interius^ ut femine ex-
terius, frigidi in bonis et justitia^ inter se cavillantes et conten-
dentesy mendaceS; iracundi, avari, pign^ facile invidentes, dif-
ficile remittentes, camales. et durat usque ad tempus Antichristi.
25 hoc tempus quoad multos. in hoc statu pauci salvantur, plurimi
dampnantur. — 150, 1 mit der Ankunft des Antichriet wird
das siebente Siegel eröffnet.
Zweite Freiburger Handschrift 26^: Sermo CXL. Nee
quisquam sumit sibi honorem^ sed qui vocatur a Deo, tanquam
30 Aaron (Hebr. 6, 4). Licet apostolus istud juxta sensum llttere
dicat de sacerdotibus vel prelatis ecdesiasticis — . (26^) alii
contradicunt articulis fidei manifeste, ut de deitate male sentire
et Christi humanitate et ecclesia katolica et resurrectione mor-
tuorum et judicio venture et similibus. alii vero aliis Scripture
35 probatis sententiis resistunt^ licet in articulis fidei explicite non
ponantur, ut purgatorium non esse, non licere verum jurare^
vel per Judicium occidere, fornicationem vel usuram vel similia
non esse peccatum mortale^ peccatorem sacerdotem sicut bonum
non eque conficere vel absolvere vel ligare, quamdiu non est
StodiMi zur OaMhiebto der sltd«ntaehen Predigt. 77
prohibitus ab eodesia; licito coBJngio nti pro fornicatione vi-
tanda; Romam etiam esse capat oroninm ecclesianim et ma-
gistram, et malta talia^ que^ qni noiunt credere^ heretici sunt
ceDsendi.
(28*) Sermo CXLII. — ad quod sciendam, qnod verba 6
Dominik qne et hie et nbique dicit, omnia vera sunt omnino
et celo solidiora, sed oportet, quod habeant intelligentem audi-
torem, aliter posset faomo errare periculose. ande omnes illit-
teratiy qui legant evangelia et Vetas et Novam Testamentam
in ynlgari, cum non intelligant yim verborum, de facili fiunt lo
heretici, et multi illomm sie fiunt heretici.
(55^) CLVII. — (55*) cave ergo diligentissime, ne falsam
fidem recipias pro vera, ut innumerabiles. cave ergo, cum venit
aliquis yel aliqua et dicit tibi, quod etc. primo dicit bona de
fidelitate, non mentiri et hujusmodi, ut intret in cor tuum, post 15
mala, qui vult decipere, dat primo bonos denarios, post immiscet
malos. item, primo ostendit bona in apparentia, qui vult decipere.
qui Yult intoxicare, miscet illud delectabilibus. ita hereticus, ideo
cave. — qui ita sunt giBngelmrii^ nol. ab., sed dicis : ,quomodo
possum agnoscere? laicus enim sum^ die, ut scis, et de candela. so
2Frih. 72^: Quinque sunt, propter que malum est questua-
rios mittere et audire. primum, quod tamen minime curo, quod
21 ff. Fjpl. / Frib. 91^: item pro avaritia sab specie alicujos necessitatis
qvestaarii mittoiitar, quia non solum mendacia/ sed hereses grayisBimas, cum
sint ydiote et homines sine timore Dei, predicant et sie homines in multos
errores mittnnt. item, pro avaritia peccata mnltomm dissimulantur, anime
non corantnr. omnia hec grave in scandalnm laicomm et in dampnationem
infinitartun animamm. breviter antem clericum et religiosum confudit et
confandit, destrozit et deatrait totam ecclesiam sanctam Christi, et nemo est,
qui Ticem Christi doleat. — et non est, qni renuntiet (92 •) sibi beneficiis
indigne habitis. omnes, que sna sunt, qaerunt, non qae Jhesn Christi, qnid
dicam? qaid agam? qaod faoiam? et ita paalatim ayaritia proficit, qaoosqae
destmator tota Christi ecclesia, et prelati, quilibet hanc committit, omnia
hec dissimalant. Dens misereator ecciesie sne, qaia ipsi ejus minime mise-
rentnr, quin potins qaidam eorum plus ceteris per avaritiam populum scan-
dalizant et ecclesiam destmiint. non cessat manus eoram snperaddere ecciesias
eedesiis, prelataras prelatnris, transitoria transitoriis. sie studiose intendunt
araritie, ae si sint immortales, ac si non sit seculnm fntnmm, ac si Dens
mmqnam pertnlerit pro eis quicquid panpertatis. ecclesiam per eomm aya-
ritiam et negligentiam perire omnino videmos. si monemos, nihil proficimus*
si tacemns, in nobis tabescimns, aliud qaid facere nescimos. — / Frib, 23^:
78 ▼. AbhABdlnng: Schftnbaeh.
talibus datur eleemosina; qui pe8(72^)8ima expendant. sed hoc
param curare me oportet, qoia tantillum peounie perditis, cum
sepe plaSy et ipsi per hanc dampnantar, cum multi alii deceptores
et symoniaci. et ipsi sunt, et ypocrite dampnantur. secondum,
6 quod parum plus, quod tantum mentiuntur, sed hoc aliquoties
tolerandum mihi, cum hoc post a veris predicatoribus possit
retractari. sed tercium multo plus, quod securius peccatis et
minus peccata horretis, cum ita levia fiant yobis. facilitas venia
in confessione: pro uno denario vel tribus septima pars pec-
10 catorum vel hujusmodi. sed quarto, quod multas hereaes pr&-
dicant, cum sint ydiote, nee sciant, quot libri sunt in Veteri
Testamento vel Novo, aut quomodo incipiant vel finiant. nee
in scolis audierunt vel didicerunt a doctoribus. cum nulla ars
sine doctore bene sciri possit, cum sit ars artium regimen ani-
15 marum, ut dicit Gregorius (Regula Pcuiaralis, Pars i, cop. i,
Migne 77, 14 A), et quia propter ignorantiam suam multas pre-
dicant hereses, ideo faciunt homines hereticos, cum nuUus re-
sistat eis. immo et super hoc ostendant litteras, quod eis credi
debeat. Sed quinto per truphas suas, quas faciunt in scriptionibuB,
20 claudendis ecdesiis, ex communibus auctoritatibus faciunt, quod
jüdei, heretici nostram et Dei sanctam ecclesiam derident et
faciunt vilescere ipsam fidem, quod totum sit mendacium et
pro avaritia institutum dicunt. et pro hoc sibi simplices attrahunt,
quod omnia, que ecclesia instituit, licet mentiantur, in excom*
25 municando, cantando, vacando, penitentias inponendo, quod
omnia pro lucro et avaritia faciat, dicentes : episcopi et presbiteri
vestri excommunicant, ut pecunia eis detur; cantant, ut libentius
o£feratur; vacationes indicunt, ut, qui o£fendunt, in pecunia
et noB maltoB habemuB, eis in hoc omnino simlles, qai semper cnm deeeptione
circneunt, at sant traUnni, item questuarü, item heretici, item qai paeHas
et feminas fidem dando decipiant, item iii omni artificio tales sunt plurimi.
— 2Frih, 110^: ,maledicta8, qui enrare facit cecum in yia% (Deuter. 27, 18)
der den bUnden irre machet an dem weg, Qlosa: ,8implicem% ut qoidam per
mala consilia, quidam per doctrinam, ut queatuarii Tel stulti doctores Tel
heretici, qnidam per malum ezemplam. — 2 Frib. 114*: simulatio, Urugheit
— ypocrite, trugner, — picarie, tn es unoB ex illiB, quoB Dens pre omnibnB
peecatoribns maledixit. ita die ad alios: stertd, gUcJunoer, omne g^enns ßirtteterj
quaeBtaarii, heretici, ypocrite sunt omnes, qui yile pro bono an v)erdeni Tel
yendant. — ypocrita, yere intromisisti te de hantwerch patris tui diaboli. —
(heretici) fideles, et estis infideles, trugneer eatis et dumothtich yos oatenditia.
8tvdi«B m OMehiehto d«r altd«iit8eh«n Predigt 79
paniant; penitentias et jejnnia imponant, ut pro pecania ab-
solvant et; licet ipei mentiantar de aliis in ecciesia, tarnen maltos
sedncnnt. et de questaariis vemm dicunt. nam omnia qae faciunt,
per hoc vilesoere faciant fidem, et totam yidetur pro avaritia.
avaritia sant comipti (am Rande bis zum Schluß: peccata 6
questaariomm), predicant contra jaris prohibitionem, symoniaci
sunt; mendacia confingant et predicant^ falsis indnlgentiis de-
cipiunt; eleemosinas farantnr; item ex eis yer(72<')bam dei fit
derisum, penitentiam perimunt, audaces ad peccandam homines
reddunt; fidem claviam vilificant, omnes multipliciter scandali- 10
zanty hereticos in perfidia roborant.
(87») Nr. CLXXIII. — immo videte, quam duri sint he-
retici veri; cnm etiam semifaeretici vix vere convertantur, ut
pbjtones, inoantatores; ergo cavete doetrinam illorum, qaam
occolte propinant. — item, quanto fortius cnrrit versus infemum, 16
(tanto) vicinior videtur sibi celo. — (87^) sie facit Deus ad-
huc sepissime: vel fulmine vel tonitruo occiduntur (heretici),
vel a diabolo vel ab faomine^ lapide^ igne vel hnjusmodi vel
fiunt furiosi sani^ vel in morte^ vel alio modo multi eorum
male moriuntur. immo vel se ipsos occidunt (88») sie vel sie. 20
Verschiedene kleine^ verstreute Äußerungen Bertholds über
Ketzer y die sich nicht wohl anderwärts haben unterbHngen lassen^
seien hier nachgetragen.
Lips. 496, 9y 6: et ideo, quicunqne aliam fidem in angulo
ostendere voluerit, probibeatur tanquam bereticus. — Lips. 25
12 ff. / Frib. 42^ (^= Lip9. 496, dO, 6): forte dicit, quicanqne est alins
peccator: ,ye1Iem mihi dari gratiam emendationis'. respondeo, quod hereticas
et aTams hoc nollent, cum quandoque ▼isum Bit ab hereticis, quod, quantiiro-
cunqae ammoneantur, potitia permittant se combari, quam qaod velint redire.
et similiter quandoque auditum sit ab avaris, quod potins vellent semper
andere in infemo, quam filios depauperare. — IAp$. 496, 80, 6: confirmata
hereaia. pro lUo enim peccato raro illum ezaudit (Dens) et difficulter, etiamBi
mnndus pro tali oraret. et qnare pro illo sie raro? quia qui in illo est,
nollet aliquem pro se ezaudiri, ut ad yeram fidem nostram converteretur.
nullus est peccator inter nos, qui nollet conyerti, sed ille nequaquam. si ye-
nirent sapientissimi , si sanctissimi, etiam cum miraculis, conyerti nollet.
VgL. Ffe^er 436, 34 ff. 618, 19 ff.
83 Y. Abhaodliiog: Sehftnbaoli.
vermes in parietO; extra tnrpes ad videndam^ intus omnino
fetidi. sunt etiam ut bafones, extra gi'aves ad videndum, com
etiam dicantur ocnloS; cum videntur, ledere^ et fetidi sunt; intus
vero omnino immundi et venenosi. — 1 Frib. 186^: debet credere,
5 quod habet fides Romana, quod aperte predicatur, non quod
credit paaper Leonista, Kunclarius et hujusmodi, non quod in
angulo. — 2Frib,10^: ecce, quot inimici solorum hereticorum,
nam omnes Manichei; omnes Ortlibarii, Patarini; Cattari et alii
plurimi auferre iliam studiosissime nituntar. — Aufzählung der
10 Ansichten alter Sekten. — ut Cathore, qui negant veniam pec-
catorum. Catari penitentiam refutant. — 262^: philosophi quidem
senserunt, mandum esse eternum, nee a Domino creatum, ut Uli,
qui omnia ex athomis confluxisse putaverunt. heretici Manichei etc.
Die tvichtigsten Stellen in den deutschen Aufzeichnungen
Bertholdscher Predigten, wo Ketzemamen vorkommen (vgl. Pfeiffer
in der Zeitschr, f d. Altert S, 55 ff,), sind:
Pfeiffer 130, 29: die sint geheizen Manachei unde Patrine
15 unde Pöverlewe unde Runkeler unde Sporer unde Sifrider unde
Arnolder. — 402, 14: ein heizent Pöverlewe und ein Arriani
unde Runkeler unde ManachS! unde Sporer unde Sifrider und
Arnolder. — Strohl 50, 15: Pöverlewe, Ringler, Ortlieber, bist
du iendert hie? — 70, 19: ir ist wol anderthalphundert slahte
20 ketzer: Pöverlewen, Patrine, Sporer, Rünkler, Ortlieber, Qazar!,
Siferder {Hss, Sifrider), Arrian!, Arnolder, Manachöi. — 186, 23:
— daz ein Ringler geloubet, daz geloubet ein Arrian niht,
noch des ein Pöverlewe geloubet. — 207, 34: — Sporer — Pa-
trin!, Manichöi — Runkeler — Pöverlewe. — 216, 2: Patrini
25 — Arriani. — 254, 27: Patrini, Manichöi.
Es soll nunmehr versucht werden darzulegen, wie sich
die den Predigten Bertholds von Regensburg entnommenen
Zeugnisse über das Ketzer wesen Deutschlands im 13. Jahr-
hundert zu unserer bisherigen Kenntnis verhalten, welchen
Wert sie besitzen, inwiefern sie geeignet sind, die vorhandenen
Mitteilungen zu bestätigen oder zu berichtigen, was etwa sich
Stadien mir QMchiehta dar altdeateohen Predig. 83
an neaen Ergebnissen ihnen abgewinnen läßt. Zu diesem Behafe
vergleiche ich die Angaben Bertholds mit dem mir zugänglichen
Quellenmaterial; dieses strebe ich möglichst erschöpfend aus-
zunutzen, insofern es Nachrichten über die Verhältnisse bis
unge&hr zum Jahre 1300 enthält. Je weiter die späteren
Schriften über deutsche Häresien von Bertholds Zeit abliegen^
desto vorsichtiger verwerte ich sie: die Geschichte des mittel-
alterlichen Ketzertums lehrt allenthalben, in wie lebhaftem Fluß
die häretischen Meinungen sich bewegen, wie unter dem Druck
der Verfolgung durch Kirche und Staatsgewalt die Überzeu-
gungen der verschiedenen Sekten sich gegenseitig berühren
und mit einander verschmelzen; es soll, so weit das angeht,
jede Kundschaft nur für die Gegend und Zeit als gültig an-
gesehen werden« der sie entstammt.
Gerne bekenne ich, daß ich am liebsten mich an die
Quellen unmittelbar halte. Ist das selbstverständliche Regel
für alle Bereiche historischen Forschens, so muß ganz ins-
besondere auf dem Gebiete der Ketzergeschichte des Mittel-
alters solchermaßen verfahren werden. Denn noch mehr als
irgendwo sonst wird hier die Objektivität der modernen wissen-
schaftlichen Darstellungen, die zumeist von Theologen her-
rühren, teils durch die Natur des StofiFes, teils durch die zweck-
bewnßte Voreingenommenheit der Arbeitenden beeinträchtigt.
Meine Untersuchung ist historisch-philologisch*, an dem Ver-
hältnis ihrer Resultate zu den späteren Entwicklungen inner-
halb und außerhalb der katholischen Kirche bin ich nicht
interessiert. Die Sachkundigen werden hoffentlich wahrnehmen,
daß mir die moderne Literatur über die Häresien des 12. und
13. Jahrhunderts nicht unvertraut ist; ich zitiere sie aller-
dings nur dort, wo ich sie brauche, eine Anzahl von Schriften
jedoch überhaupt nicht, weil diese durch unsachliche Tendenz
und durch eine bis auf die Ausdrucksweise sich erstreckende
Wut der Polemik den wissenschaftlichen Charakter eingebüßt
haben.
Bis zur Stunde wird Berthold von Regensburg unter den
Schriftstellern zur Geschichte des deutschen Ketzerwesens kaum
genannt. Selbst diejenigen Forscher, welche den Inhalt seiner
Predigten analysieren und nach Gruppen aufgeteilt vortragen,
wissen sehr wenig Ausbeute über Ketzereien mitzuteilen (Karl
6*
84 V. AbhandloDg: SehAnbaeb.
ünkel, B. v. ß., Köln 1882, S. 33 ff.; E. Michael, Geschichte
des deutschen Volkes während des 13. Jahrhunderts 2 [1899],
266 ff.). Es werden nämlich von ihnen nur die deutschen Auf-
zeichnungen Bertholdscher Predigten ausgenutzt, wahrschein-
lich, weil nur diese gedruckt sind. Denn das alte Vorurteil,
das die lateinischen Niederschriften, Redaktionen und Samm-
lungen der Reden Bertholds überhaupt nicht kannte oder ab-
lehnte, ist doch sichtlich im Weichen begriffen. Die deutschen
Stticke nun, die zur erbaulichen Lektüre für ein Laienpablikum
hergerichtet wurden, enthalten nur sehr wenige von Bertholds
Erörterungen über die Ketzereien seiner Zeit, weil diese dem
Geschmacke der Leser nicht entsprachen (Glaubenspredigten
waren schon bei Bertholds Zuhörern nicht beliebt 12, 12: jeder
meinte bereits das Nötige zu wissen 29, 16); es wurden lieber
Partien bevorzugt, die sich wider die bekannten Laster kehrten,
insbesonders die Mißbräuche in Handel und Wandel, Standes-
sünden und Gebrechen des häuslichen Lebens. Dadurch bieten
die deutschen Handschriften von Bertholds Predigten reiche
Farben flir ein Eulturbild des 13. Jahrhunderts, stellen uns
aber die Wirksamkeit des Redners sehr einseitig und mit
argen Beschränkungen dar. Georg Jakob wußte hingegen in
seiner Schrift über die lateinischen Reden des s. B. v. R.
(1880, S. 110 ff.) bereits auf mehrere Stücke hinzuweisen, die
sich ausschließlich mit den Häresien des Zeitalters befaßten.
In Wirklichkeit verhält es sich aber so, daß der Kampf
wider den Irrglauben die Tätigkeit Bertholds von Regensburg
stärker in Anspruch nimmt als irgend eine andere Aufgabe,
die er als Prediger behandelt. Und zwar unmittelbar, indem
er die einzelnen Sekten und ihre Lehren ausdrücklich nennt
und sie mit allen Mitteln als Theologe und Rhetor bestreitet,
durch die Gewalt seines Zurufes das Volksgewissen wachruft,
und erschüttert, aber auch durch langsam eindringende, gelehrte
Beweisführung auf das Verständnis der Hörer zu wirken und
ihre bessere Einsicht zur Anerkennung des Kirchenglaubens
zu bringen trachtet, dessen Herrlichkeit er aus der ganzen
Fülle seiner Bildkraft preisend verkündet. Erst wenn man
überschaut, wie oft und machtvoll Berthold den Häretikern
direkt gegenübertritt, wird es klar, daß er auch an sehr vielen
Stellen, die wir sonst gar nicht als solche erkennen würden.
Studien snr G«tchio1ito der altdenteehen Predigt. 85
mittelbar die Ketzer bekämpft. Indem er die am meisten um-
strittenen Punkte der Glaubenslehre und des äußeren Gottes-
dienstes nachdrücklich verteidigt und sich um ihr richtiges Ver-
ständnis bemüht, wirkt er wider die Sekten fUr die katholische
Kirche. Schon die deutschen Stücke werden jetzt in dieser Hin-
sicht anders beurteilt werden müssen^ verschiedene Partien der
lateinischen nehme ich gelegentlich fUr Bertholds Wirken wider
die Ketzer in Anspruch, auch ohne deren besondere Erwähnung.
Nun beschränkt sich aber die Polemik Bertholds von
Regensburg gegen die Häresien durchaus nicht auf einzelne
Stellen und Erwähnungen, sondern es werden von ihm ganze
Predigten den Gruppen von Irrlehren (z. B. solchen, die sich
auf das Schicksal von Seele und Leib nach dem Tode beziehen)
gewidmet. Am bedeutendsten erscheint die Tatsache, daß die
erste Freiburger Handschrift in einer Folge von mehr als
zwanzig Blättern Predigten enthält (S. 4 — 50), die sich ganz
oder teilweise mit der Polemik gegen die Sektierer befassen:
man könnte diese Stücke wohl als ,Reihenpredigten^ (eine
Gruppe von sechs Stücken über den Himmel in den Sermones
Speciales 1 — 6 bei Jakob S. 99) wider die Ketzerei bezeichnen ;
die Nummern 7 — 10 über das Symbolum fidei im Rusticanus
de Communi (Jakob S. 75) stellen sich ihnen an die Seite.
Man hält schon lange und mit Recht Bertholds Sermone fUr
Missionspredigten; man kennt eine Urkunde Papst Urban IV.
vom 21. Harz 1263 (bei Sbaralea im Bullarium Franciscanum
2, 459; zuerst angezogen von K. Eubel, Geschichte der ober-
deutschen Minoriten-Provinz , S. 251 f., Anm. 217, dann bei
K. Rieder, Das Leben B. v. R., [1901] S. 31 f.), worin Bert-
hold aufgefordert wird, den Bischof Albertus (Magnus) von
Regensburg in der Kreuzpredigt zu unterstützen. Es scheint
mir ganz zweifellos, daß die Predigten der ersten Freiburger
Handschrift und des Rusticanus de Communi von Berthold im
Dienste der Mission gegen Ketzer Süd- und Ostdeutschlands ge-
halten worden sind (war der St. Lambrechter Prediger von ihm
beeinflußt — vgl. meine Miscellen aus Grazer Hss. 5, 57. 73 — ,
dann wird man Innerösterreich mit einzuschließen haben). Sicher-
lich hat Berthold auf Befehl der Ordensoberen missioniert; ob
noch der Wunsch eines Kirchenfürsten oder eine Anordnung des
Papstes dabei mitgewirkt hat, die Gaben des ,Landpredigers' zum
86 V* Abhandlang: SehAnbAeta.
Schutze des katholischen Glaubens besonders zu gebrauchen,
weiß ich nicht zu belegen, doch läßt es sich vermuten. An
zwei Stellen der ersten Freiburger Handschrift werden Jahres-
zahlen erwähnt: 20, 28 heißt es, die Apostel hätten vor 1200
Jahren den christlichen Glauben öffentlich gelehrt; 44, 29 besagt,
der christliche Glaube habe sich seit 1250 und mehr (et plures)
Jahren, da Christus ihn vom Himmel brachte, in keinem Worte
geändert. Wird man solche Angaben auch nicht bucbstäblicfa
und engstens auslegen dürfen (vgl. Preger, Abh. d. bayr. Akad.
d. Wissensch. Hist. Kl. 13, 20 f.), so erweisen sich andererseits
Bertholds eigene chronologische Daten, wie er sie öfters vor-
bringt, allenthalben zuverlässig, es wird daher erlaubt sein, diese
Reihenpredigten ungefähr den Fünfzigerjahren des 13. Jahr-
hunderts zuzuweisen. Die historischen Zeugnisse fUr Bertholds
Tätigkeit hat Rieder (a. a. O. S. 26) zusammengestellt, aus
ihnen läßt sich nur entnehmen, daß er zwischen 1250 und
1260 in verschiedenen Städten Süddeutschlands, dann auch in
Osterreich und Steiermark predigte. Genauere örtliche und
zeitliche Bestimmungen sind aus unseren Stücken für jetzt
nicht zu erschließen. —
Wenn ich im folgenden die Mitteilungen Bertholds über
Ketzer — deutsche Ketzer^ das wird festzuhalten sein — im
einzelnen bewerte, denke ich in dieser Weise zu verfahren:
ich beginne zuvörderst mit den Angaben, welche die Sekte
ausdrücklich nennen, für die sie gelten; diese werden feste
Punkte liefern; an sie füge ich dann die Erörterung solcher
Mitteilungen, die nicht ausdrücklich, sondern nur dem Zu-
sammenhange nach (^T eine gewisse Gruppe von Ketzern an-
zusprechen sind; endlich kommen solche Notizen in Betracht,
welche nur auf Grund unserer allgemeinen Kenntnis auf be-
stimmte Häresien bezogen werden können. Besonders die
beiden letzten Arten von Stellen machen es nötig, die vor-
handene Literatur heranzuziehen, doch soll das auch für die
erste geschehen, sofern das ohne allzugroße Weitschweifigkeit
möglich ist. —
Die Katharer (vgl. Hahn, Geschichte der Ketzer im Mittel-
alter, 1. Band^ 1845; Charles Schmidt, Histoire des Cathares
ou Albigeois, 2 vols. 1849; Alexandre Lombard, Pauliciens,
Bnlgares et Bons-Hommes en Orient et en Occident, 1879;
Stadien zsr Gasehiehte der altdeutschen Predigt. 87
Ignaz von DöIIinger; Beiträge zur Sektengeschichie des Mittel-
alters, 2 Bände, 1890, besonders der erste: Geschichte der
gnostisch-maniohtischen Sekten im früheren Mittelalter; dazu
die Artikel im Dictionnaire des H^r^sies, 1863 und in den
Kirchenlexicis) werden von Berthold in seinen Fredigten ver-
hältnißmässig selten mit Namen genannt. Catari (Cathori 67,
11; Cathoree 29, 3. 82, 10) wird von catttts (cathus) abge-
leitet 31, 24. In derselben Weise wird mit dem Worte Ketzer
überhaupt Katze in Zusammenhang gebracht 45, 23 ff. und Anm.,
die meist üblen Eigenschaften der Katze werden bei den Ketzern
aufgesucht und gefunden, und da zweifellos das deutsche Ketzer
aus xiOocpoc sich entwickelt hat (D. Wb. 5, 639 ff., die lautlichen
Bedenken beseitigt Kluge), so haben die Katharer die deutsche
Benennung für die Häretiker des Mittelalters überhaupt ge-
liefert. Die Etymologie Bertholds trägt bereits Alanus de In-
stdis vor, schwerlich de Podio (vgl. Dieckhoff, Die Waldenser,
S. 348 ff. und auch K. Müller, Die Waldenser. S. 13, Anm. 2),
der Verfasser der wichtigen Schrift De fide catholica contra
haereticos libri quatttor (Migne 210, 305—430), die noch aus
dem 12. Jahrhundert stammt, lib. 1, cap. 63 (Migne 210, 366 A):
hi dicuntur Catharij id est diffluentes per vitia^ a catha, quod
est fluxuB\ vel cathaH quasi caati^ quia se castos et justos
faciunt; vel cathari dicuntur a cato, quia, ut dicitur, osculan-
tur posteriora catti, in cujus specie, ut dicunt, apparet eis Lu-
cifer (daher dann in der Alderspacher Handschrift des 14. Jahr-
hunderts bei V. DöUinger 2, 293). Weist schon die Entwicklung
von ,Ketzer' aus ,Katharer' darauf hin, daß diese Häresie in
Deutschland sehr mächtig gewesen sein muß, so wird uns diese
Tatsache auch durch die historischen Überlieferungen reichlich
bezeugt (Schmidt 1, 94, 375; v. Döllinger 1, 110, besonders
124 ff.; über Katharer in Deutschland und besonders Osterreich
klagt der Stricker, Kleine Gedichte ed. Hahn XII, 503 ff.). —
Bertholds Zeugnisse bestätigen die große Wichtigkeit und Aus-
dehnung dieser Sekte, denn aus der gesamten Masse seiner
Angaben über Ketzer muß ein guter Teil auf die Katharer
bezogen werden.
Ausdrücklich schreibt er ihnen allerdings nur folgende
Lehren zu: sie', leugnen die Vergebung der Sünden 29, 3.
82, 10. Diese Behauptung findet sich zwar nicht unter den
88 ▼• Abhandlung; 8cli4nbach.
Sätzen der ältesten Katharer^ die Schmidt 2^ 272 f. aus Akten
und historischen Belegen rekonstrniert; auch nicht bei Ekbert
von SchönaU; bei Alanus aber steht sie lib. 1, cap. 47 (Migne
210, 352 C): alii haeretici asserunt, quod post remissionem^ qnae
fit in baptismO; non habet locum alia, qnae fit per poeniten-
tiam: quod nituntur probare variis auctoritatibus. dicnnt etiam
illad esse peccatum in Spiritam sanctum j quod sit post peccati
remissionem in baptismo factum, quia specialis sit injuria gra-
tiae Spiritus sancti, cum post acceptam gratiam redit quia ad
culpam. unde dicunt, quod hoc peccatum nee hie, nee in fu-
turo dimittetur. Vgl. dazu v. Döllinger 1, 193 ff. Die Ansicht
gehört jedoch gewiß schon zu dem alten Bestände der Ka-
tharerlehren, weil sie aus ihrer Auffassung von der Taufe und
von der Bedeutung des consolamentum (v. Döllinger 1, 204 ff.)
sich unmittelbar ergibt. Daher verwerfen sie auch das Sakra-
ment der Buße gänzlich 67, 11. 82, 11; vgl. Alanus lib. 1, cap.
48 — 66 (Migne 210, 353 ff.). Bekannt ist ihr Widerstand gegen
die Ehe (9, 17 und Anm. 58, 26. 73, 22. 77, 1) 63, 17, woraus
die Behauptung abgeleitet wird, eine Frau sei verdammt, die
während der Schwangerschaft oder Geburt sterbe 63, 23. Vgl.
Schmidt 2, 273, Nr. 6. Ekbert von Schönau, Sermones contra
Catharos Nr. 5 (Migne 195, 27 A): nam doctrina vestra pro-
hibet nubere, in eo quod dicitis neminem posse salvari, qui
cum conjuge sua permaneat usque in finem. Doch wird eine
Geburt erlaubt 35 D: — quod dicitis unam tantum prolem de-
bere generare conjuges, qui virgines convenerunt. Alanus, lib. 1,
cap. 63-65 (Migne 210, 365 ff.), v. Döllinger 1, 174 ff.
Erheblich mehr von Bertholds Angaben gilt für die Ea-
tharer, obgleich sie dabei nicht mit Namen angeführt werden.
Jedesfalls sind sie dort gemeint, wo sich Manes und Manichäer
genannt finden. Ihnen gehört die Lehre, daß der Teufel
die Welt erschaffen habe 6, 2 (Manes). 6, 15 (Dens malus) '^
die Theorie von der Entstehung der Welt aus Atomen wird
neben den Glauben der Manichäer gesetzt 82, 12. Der Teufel
hat auch den Leib des Menschen geschaffen 6, 14 und Anm.
62, 29; daher gibt es keine Auferstehung des Fleisches 29, 6.
Der Teufel wird auch erlöst (Manes) 6, 2. 48, 8 (Origenes).
32. Deshalb kasteien sich die Ketzer 6, 7. 48, 15. Der gute
Gott hat die Geister und Seelen erschaffen 6, 15 und Anm.
Stadien snr Gesebieht« der altdentaehen Predigt. 89
Auf Manes und Arrius gehen alle Ketzereien zarUck 76, 7.
Dieses ganze Geflecht von Glaubensüberzeugungen ist von
Alters her für die Katharer überliefert; die dadurch meines
Erachtens über den Bereich des Christentums im weitesten
Sinne hinausrücken und gar nicht mehr als christliche Sekte
bezeichnet werden sollten. Vgl. Nr. 1 bei Schmidt 2, 273.
Ekbert von Schönau, Sermo 6 (Migne 195, 40 f.). Alanus, lib. 1,
cap. 2—10 (Migne 210, 308 f.). v. DöUinger 1, 132 ff. Daß der
Teufel erlöst werden könne, bekundet als Lehre der Katharer
Alanus, lib. 1, cap. 12 (Migne 210, 317 f.); der Satz ist ver-
gröbert aus dem Zusammenhange ihrer Weltanschauung, vgl.
V. DöUinger 1, 157. — Christus ist nicht wahrer Mensch ge-
wesen 4, 3. 47, 37. 16, 13 u. Anm. 67, 3, ihm ward nur eine
similitudo camis zuteil. Berthold sucht das aus der Lebens-
geschichte Jesu zu widerlegen 4, 8. Über die Gottheit und
Menschheit Christi behaupten sie Falsches 76, 32. 80, 34. Vgl.
Nr. 3 bei Schmidt 2, 273. Ekbert von Schönau bekämpft im
12. Sermon (Migne 195, 94 ff.) diese Lehre mit denselben
Gründen wie Berthold, zum Teil mit ähnlichen Worten: dicitis
forte, quod, quia assimilavit se esurire, sitire et cetera omnia,
quae diximus, ideo evangelistae ita de eo locuti sunt, ut illos
gestus simulationis ejus talibus experimerent verbis. filii Belial!
qua vos audacia imponitis simplici agno simulationis duplici-
tatem, veritati, quae Dens est, falsitatem? Alanus, lib. 2, cap.
19—22,32-34 (Migne 210, 321 ff. 334 ff.). DöUinger 1, 151 ff
Diese Ketzer verwerfen nach Berthold alle Sakramente
6, 23. 47,38. 67, 31. Das wird für die Katharer nicht gleich von
vorneherein, wohl aber später bezeugt (Hahn 1, 72; DöUinger
1, 190). Insbesondere behaupten sie, die Taufe nütze den
Kindern nichts 7, 1, weil sie noch nicht glauben 66, 17. Ekbert
von Schönau, 7. Sermon (Migne 195, 41 D): de baptismo par-
vulornm dicitis, quoniam inanis est, quod neque Ulis prodest
ad salutem, neque aUquibus, qui non sunt ejus discretionis, ut
possint credere aut per se ipsos gratiam baptismi postulare.
Die Stelle, auf welche die Katharer sich bei Ekbert , Berthold
u. a. berufen, ist Marc. 16, 16: qui crediderit et baptizatus
fuerit, salvus erit; qui vero non crediderit, condempnabitur.
Ekbert (47 A) und Berthold führen dawider die evangelische
Erzählung von dem kananitischen Weibe an Matth. 15, 21 — 28
90 V. Abbuidlang: Scbönbach
(wohl nach dem Vorbilde Bernards von Clairvaux , Sermones
in Cantica Nr. 66, bei Migne 183, 1090 f.). Die Argamentation
Bertholds 66, 9 ff. bringt schon Alanus (üb. 1, cap. 41. 42; Migne
210, 346 ff.), indem er die bürgerliche Gesetzgebung anzieht
(347 C): praecepta enim in jure civili non dantur parvolis et in-
discretis, sed adultis et discretis, and (348 D) aaf die Fälle des
Alten und Neuen Testamentes verweist, in denen einzelnen um
der Verdienste anderer willen Gnaden zuteil wurden: si ergo
multi aliorum meritis sancti sunt in anima et corpore, quanto
magis parvuli salvari possunt in fide aliorum per baptismom?
— Die Katharer glauben nicht an die Transsubstantiation im
Altarssakramente 7, 2 und 7, off. Anm., Berthold verteidigt
wider sie ausführlich die katholische Lehre 69, 1. 69, 25 ff. und
Anm., insbesonders wendet er sich gegen ihre Behauptung:
wäre die Eucharistie so groß wie ein Berg, so mUßte sie längst
von den Gläubigen aufgezehrt sein 7, 17 u. Anm. 69, 25 Anm.
Vgl. Nr. 8 bei Schmidt 2, 273. Ekbert von Schönau behandelt
den Irrglauben der Katharer in Bezug auf die Eucharistie im
11. Sermon (Migne 195, 84 ff.), er bedient sich ähnlicher Argu-
mente wie Berthold, indem er (85 f.) die Wunder der evan-
gelischen Überlieferung anführt, dann (92 C) erzählt er (vgl.
Döllinger 1, 198): vir quidam nostri temporis, qui infamatus
erat, quod de Cathara vestra gustasset, cum interrogaretnr in
extremis suis, an vellet dari sibi corpus Domini, dixisse me-
moratur: ,si esset illud corpus Domini tantae quantitatis, ut
est petra Eremberti (EhrenhreiUtein hei Koblenz) , jamdudum
esset consumptum, ex quo primum coepit manducari.^ verbum
irrisionis erat hoc et ex infidelitate processit — . Alanus handelt
von der Transsubstantiation lib. 1, cap. 57 — 62 (Migne 210,
359 ff.). Seiner Beweisführung ist die Bertholds sehr ähnlich,
es fehlt auch hier nicht an wörtlichen Anklängen, z. B. heißt
es 362 C : dicimus etiam, quod sub illa exigua forma latet to-
tum Christi corpus, quia, cum jam sit glorificatum, tantae sub-
tilitatis est, quod non facit distantiam aäris ad aera, et tarnen
membra ejus distincta sunt, corpus quoque suum discipulis
dedit tale, quäle habuit, id est mortale; miraculosum autem
fuit, quod corpus tantae quantitatis intravit per os comedentis
angustum. quo enim miraculo natus est clause utero Virginia,
et quomodo super aquas ambulavit siccis pedibus, eodem mira-
Studien zar Geschieht« der »Itdenksehen Predigt. 91
colo intravit in os comedentis. dicimus etiam^ qaod, si qais cele-
brasset sacramentum eucharistiae Romae in die passionis, Chri-
stus Romae existens pateretur in Jerusalem, sed non Romae
pateretur, sicut, dum aliquid incipit esse, in hoc momento in-
cipit esse. — Die Firmung ist nach den Katharern wertlos
7,2. AlanuB, lib. 1, cap. 66 (Migne 210, 369): dicunt enim
nuUam esse virtutem sacramenti confirmationis. — Auch die
letzte Ölung verwerfen sie 8, 9. Alanus, lib. 1, cap. C8 (Migne
210, 370), wobei es lehrreich ist, daß er dieselbe Stelle Hugos
von St. Victor benutzt wie Berthold 72, 28. Sehr interessant
ist der Aberglaube, der sich an die letzte Oinng bei den
(deutschen) Katholiken knüpft und wider den Berthold 73, 14 ff.
und Anm. polemisiert: nach Empfang dieses Sakramentes dtti*fe
man nicht mehr bei seinem Weibe liegen, kein Fleisch essen,
nicht mit bloßen Füssen den Erdboden berühren, nicht mehr
das Leintuch des Bettes benutzen. Denn diese Anschauungen
sind klärlich von dem cansolamentum der Katharer (DöUinger
1, 204 ff.), das den gläubigen vor ihrem Ende gespendet wurde,
auf die kathoUsche letzte Ölung übertragen worden. Durch
das cansolamentum wurde der Qetröstete in den Stand der
perfecti erhoben und mußte sich, wenn er am Leben blieb,
den überaus strengen Geboten der Askese dieser Vollkommenen
fiSgen. Deshalb nennt auch Berthold solchen Aberglauben aus-
drücklich ketzerisch. Wem man nicht zutraute, daß er nach
dem consolamentum in der harten Askese leben könne, der
mußte durch die endura, die freiwillige Enthaltung von Speise
(DOllinger 1, 221 ff.), sich selbst töten. Auch dieses furcht-
bare Institut der Katharer (vgl. die Beschreibung in des Ber-
nardus Guidonis Practica inquisitionis heretice pravitatis, ed.
Douais 1886, S. 132; über dessen Verhältnis zu seinen Quellen
vgl. Sachsse, B. G. Inquisitor und die Apostelbrüder 1891) kennt
Berthold, das sieht man aus 1 1 , 22, wo er vor der häretischen
Meinung warnt, man müsse sich durch Fasten selbst aus der
Welt schaffen. — Auch die Priesterweihe wird von den Ka-
tbarem als wertlos erklärt 8, 9. 59, 9. 74, 6 ff. Vgl. Ekbert
von Schönau, 10. Sermo (Migne 195, 69 — 84). Alanus, lib. 1,
cap. 67 (Migne 210, 369). — Sehr bekannt ist als eine alte
Lehre der Manichäer die Verwerfung der Ehe (s. oben S. 88),
weshalb die Katharer auch das Sakrament nicht anerkennen.
92 y. Abhudlang: Sebönbach.
In einem wichtigen Pankte widersprechen die Katharer
weiters der katholischen Kirche ; nämlich im Bezug aaf die
Vorstellungen über das Leben nach dem Tode. Bertbold nennt
ihre Lehren manichäisch 62, 31 (Origenes 63, 1). 67, 2. 76, 33.
Er widmet ihnen eine eigene Predigt S. 48—52. Damach
leugnen sie die Unsterblichkeit der Seele 49, 15; die Aufer-
stehung des Leibes 50,37. 59, 16, die Berthold 59, 30 ff. zu
beweisen sucht; die Ewigkeit der Höllenstrafen 51,4. 67, 12;
das Fegefeuer 51, 16; den armen Seelen dort kann durch die
lebenden Gläubigen keine Hilfe geleistet werden 51, 20. Als
heretici modemi werden diese Irrlehrer bezeichnet 49, 3. —
Dazu vgl. Ekbert von Schönaus 9. Sermon (Migne 195, 55 — 69),
hauptsächlich jedoch Alanus, lib. 1, cap. 23 — 31. 72 f. (Migne
210, 324 ff. 373 f.), denn Berthold hat ohne Zweifel diese Schrift
bei seiner Predigt für die Beweisführung gegen die Ketzer
benutzt. Das erhellt aus verschiedenen Stellen. Die Notizen
(ut legitur in naturalibus) 49, 7 ff. finden sich beisammen im
Speculum naturale des Vinzenz von Beauvais lib. 19, cap. 61:
(hyaena) pastores et canes singultando, quasi esset canis, de-
ludit et sie pecora comedit. ipsos enim homines et canes de-
ludens depraedatur et sepulturas cavat, quando talem carnem
comedere desiderat. — hyaena nocturna bestia mortuorum de-
vorat cadavera, de sepulchris etiam effodit corpora, cunctisque
sordibus vescitur. Doch muß noch Plinius herangezogen werden,
durch den sich Bertholds abgekürzte Mitteilung erst aufklärt,
Hist. Nat. lib. 8, cap. 30: multa praeterea mira traduntur. sed
maxime sermonem humanum inter pastorum stabula assimulare
nomenque alicujus addiscere, quem evocatum foras laceret.
item vomitionem hominis imitari ad sollicitandos canes, quos
invadat. ab uno animali sepulchra erui inquisitione corporum.
Solinus: circuit domos per noctem et quaedam verba exprimit,
ut suspicetur esse homo ab iis, qui in domo sunt, eo quod lo-
quitur ut homo, qui foras egressi subito ab ea devorantur. —
Die Frage nach dem Unterschiede zwischen dem spirittLS ho-
minis und Spiritus bruti (Berthold 49, 20 ff.) wird sehr aus-
führlich erörtert bei Alanus im 28. Kapitel, z. B.: est namque
in homine duplex spiritus, spiritus rationalis et incorporeus,
qui non perit cum corpore, et alius, qui dicitur physicus eive
naturalis, quo mediante anima rationabiiis uoitur corpori —
Stadien rar GMchiebte der »Itdentichen Predigt. 93
quo mediante fit sensus et imaginatio, et ille perit cum corpore,
talis spiritas naturalis est in corpore bruti animantis, et illad
vegetat et perit peretmte corpore. — Zu Berthold 49, 39 ff. vgl.
Alanns, Hb. 1, cap. 30: — ad auctoritates gentilium philoso-
phomm stilum vertamus, et erubescant Cbristiani illam veri-
tatem diffiteri, quam confessi sunt philosophi gentiles. Dort
steht (332 D) das rare Zitat aus Mercurius Trismegistus (Bert-
hold 50, 5). Ferner der Passus bei Berthold 50, 24 = Alanus
334 A: item, ad idem probandum possumus uti ca insinuatione,
qua usus est quidam religiosus contra philosophum, qui negabat
animam esse immortalem, ait enim: ,aut anima est mortalis,
aut immortalis: si mortalis est anima, et credis eam esse im-
mortalem, nuUum tibi inde provenit incommodum; si autem
est immortalis, et credis eam esse mortalem, aliquod potest tibi
inde provenire incommodum. ergo melius est, ut credatur im-
mortalis quam mortalis.^ Alanus bietet 334 B die Berufung
auf die Verdienste der Heiligen Gottes, die ohne Unsterblich-
keit unbelohnt blieben (ßerthold 50, lOff.), den Hinweis auf
die Autoritäten des Alten und Neuen Testamentes (Berthold
49, 38). Die Beispiele Auferstandener (Berthold 50, 20 ff.) bei
Alanus 325 D. Übrigens findet sich die ganze Argumentation
aus der Gerechtigkeit Gottes bereits in dem angezogenen Ser-
mone Ekberts von Schönau. Es ist indes sehr wohl möglich,
daß zwischen Berthold und Alanus noch ein Mittelglied ange-
nommen werden muß. Die Stellen ,Anselmus^ am Schlüsse
von Bertholds Predigt beziehen sich auf Anselms von Canter-
bury Admonitio morienti et de peccatis suis nimium formidanti
bei Migne 158, 685 ff.
Sehr interessant ist Bertholds Polemik 43, 18 ff. wider die
häretische Auslegung des Evangeliums Johannis mit dem Bei-
spiel aus dessen Anfang, die später noch besprochen werden
soll. Hier will ich nur daran erinnern, daß der Eingang des
Johannesevangeliums, in die Nationalsprachen übersetzt, im
Gottesdienste der Katharer von großer Bedeutung war. Nicht
bloß deshalb, weil in dem Religionssystem einzelner Gruppen
von Katharern der Evangelist Johannes als ein von Gott auf die
Erde gesandter Engel auftrat (DöUinger 1, 119. 151. 154. 167),
sondern weil diese Eingangsverse bei dem wichtigsten Kultus-
akt der Sekte, dem conaolamenium, gebraucht wurden. Vgl.
94 Y. Abhandlung: 8oh6nbach.
darüber Schmidt 2, 129; Döllinger 1,207. 210. Das bedeutendste
Zeugnis bietet Ermeugaudus, dessen Schrift von Jakob Gretser
S. J. irrtumlich mit dem Titel contra Waldenses statt contra
Catharos versehen wurde (das Richtige hat schon Schmidt er-
kannt 2, 312; den Verdiensten Gretsers soll darob nicht zu
nahe getreten werden, vgl. über sie Huck, Dogmenhistoriscbe
Beiträge zur Geschichte der Waldenser [1897], S. 16 ff.)- Es heißt
dort Kap. 14 (Bibl. max. Patr. 24, 1612 AB = Migne 204, 1262)
nach einer anderen Handschrift, fUlschlich unter dem Namen
Abaelards bei Migne 178, 1823—1846, bes. 1842: et quando
volunt facere ,consolamentum' alicui viro vel mulieri, ille, qui
Major vel Ordinatus dicitur, ablutis manibus, librum evange-
liorum in manibus suis tenens, eum vel eos, qui ad recipiendum
consolamentum conveniunt, admonet: ut in eo consolamento
omnem suam fidem et spem salutis animarum suarum in Deo
et in illo consolamento ponant. et sie super capita eorum libro
posito orationem dominicam septies dicunt, et deinde beati
Joannis evangelium ab In principio incipiens usque ad hunc
locum evangelii, quod dicit gratia et veriUis per Jeeum Christum
facta est audientibus dicit. et sie finitur illad consolamentum.
Es ist also nach dieser Angabe (auch bei Döllinger 2, 39 aus
den Akten von Carcassone) von dem Majoralis der Katharer
beim Consolamentum Joh. 1, 1 — 17 als Gebet gesprochen worden.
Daß die Verse 15 — 17 noch bei dieser Gelegenheit rezitiert
worden seien, ist für Katharer ganz unmöglich, Ermengaudus
muß sich geirrt und den Schluß des 17. Verses mit dem fthu-
lichen gratiae et veritatis des 14. verwechselt haben. Das
Katharergebet hat nur bis 14 gereicht, denn 15 bietet die Be-
rufung auf das Zeugnis Johannes des Täufers ftlr Christus:
Joannes testimonium perhibet de ipso, et clamat dicens: Hie
erat, quem dixi: qui post me venturus est, ante me factus est;
quia prior me erat. Johannes der Täufer aber galt den Ka-
tharern als eine Verkörperung des bösen Prinzipes, als ein von
Satan abgesandter Engel, der die Aufgabe hatte, dem Heiland
entgegen zu wirken (Döllinger 1, bes. 154. 190). Er kann daher
durchaus nicht bei der vornehmsten Kultushandlung dieser
Häretiker als Zeuge für Christus zitiert worden sein. Ich mache
übrigens aufmerksam, daß die bis in sehr alte Zeit zurück-
reichende Lesung von Joh. 1, 1 ff. bei der Messe, auch miß-
dtndien vax 6«i«lue1ite dar AltdentBchen Predigt.
95
bräuchlich (vgl. darüber Adolph Franz^ Die Messe iin deutschen
Mittelalter [1902], S. 150 und Anm. S. 727), der Verwendung
dieses Stückes bei den Katharem sehr vorgearbeitet hat (die Peri-
kope des Weihnachtsevangeliums reicht gleichfalls nur bis V. 14) ;
selbst Katholiken galt das Stück als kräftige Beschwörung wider
den Teufel und seine Nachstellungen (Franz, S. 595 und Anm.).
Auch die Akten von Carcassone gewähren bei DöUinger
2, 5 ein wichtiges Zeugnis ; weil ihnen gemäß Joann. 1, 1 — 14
(der letzte Vers nicht vollständig) bei der Aufnahme in die Sekte
der Katharer gebetet wurde (vgl. noch ebenda 28. 37 £P.). Dazu
schickt sich als erwünschte Bestätigung, daß unter den Blättern
der Benediktbeurer Handschrift, die Wilhelm Meyer gefunden
und unlängst (Fragmenta Burana 1901) herausgegeben hat,
sich auch eines befindet, das auf einer Seite (1*) mit einer
deutschen Übersetzung von Joann. 1, 1 — 14 beschrieben ist,
wie W. Meyer meint, im Anfange des 14. Jahrhunderts. Ich
drucke hier das deutsche Stück neben der Vulgata ab:
1. In principio erat verbum,
et verbum erat apud Deum, et
Dens erat verbum.
2. Hoc erat in principio api^d
Deum.
3. Omnia per ipsum facta
sunt: et sine ipso factum est
nihil, quod factum est.
4. In ipso vita erat, et vita
erat lux hominum:
5. Et lux in tenebris lucet,
et tenebrae eum non compre-
henderunt.
6. Fuit homo missus a Deo,
cui nomen erat Joannes.
7. Hie venit in testimonium,
ut testimonium perhiberet de
lumine, nt omnes crederent per
illum.
1. In anegenge was ein wort,
daz wort was mit got, got was
daz wort.
2. und was in anegenge mit
got.
3. von im sint alliu dinch ge-
machet, an in ist gemachet nicht,
swaz mit im ist gemachet.
4. daz ist daz ewige leben,
daz ewige leben ist ein liecht
den liuten.
5. daz liecht daz liuchtet in
der vinster, diu vinster mach
sein nicht begreiffen.
6. ein mennisch wart gesant
von gote, des name was Jo-
hannes.
7. der chom zt einer ge-
ziuchn&sse, daz er geziach were
des Hechtes.
96
y. Abh«ndlttiig: Sehdnbftoh.
8. er was nicht daz liecht^
niwer daz er geziuch were des
liecbtes.
9. daz wäre Hecht ist daz,
daz ein igesleichen mennisch
erliuchtet; der in disiu weit
bechumt.
10. er cham in diu weit, diu
weit erchant sein nicht.
11. er chom in sein aigen
lanty die seinen enpfiengen sein
nicht.
12. aver die in da enpfiengen,
den gab er den gewalt, daz si
gotes chint werden; und die
an seinen namen gelaupten,
13. die warn nicht gewom
von woll&ste des plfites noch
von Wollüste des viaisches, wan
sunder von gote.
14. daz wort ist ze vlaische
worden und wont in uns. wier
haben sein ere gesehen als eines
ainworn sunes, wie den sein
vater eret voller genaden und
voller warheit .'*. durch disiu
rede des haiigen ewangelii ver-
gebe uns Anser herre alle finser
missetat. amen.
Diese deutsche Übersetzung hat verschiedene Eigentum-
lichkeiten. Wiederholt bleibt das Bindewort et ohne Über-
tragung: 1. 2. 3. 4. 5. 10. 11. 14, dagegen ist es 12 eingeschaltet,
um einen neuen Satz zu beginnen. 1 heißt es ein worty nicht
daz toortj was mir für die Anschauung der Eatharer bezeichnend
scheint, die in Christas nicht den Logos xat i^cxv;v, sondern
nur einen Engel des Lichtes erkannten (Döllinger 1, 151).
2 wird hoc durch und übersetzt, vielleicht wegen der Sub-
8. Non erat ille lax, sed ut
testimonium perhiberet de lu-
roine.
9. Erat lux vera, quae illu-
minat omnem hominem venien-
tem in hunc mundum.
10. In mundo erat, et mun-
dus per ipsum factas est, et
mundus cum non cognovit.
11. In propria venit, et sui
cum non receperant.
12. Quotquot autem rece-
perunt eum, dedit eis potesta-
tem filios Dei fieri, his, qai
credunt in nomine ejus:
13. Qui non ex sanguinibus,
neque ex voluntate carnis, ne-
que ex voluntate viri, sed ex
Deo nati sunt.
14. Et verbum caro factum
est, et habitavit in nobis: et
vidimus gloriam ejus, gloriam
quasi Unigeniti a Patre plenum
gratiae et veritatis.
Stadien rar Oeseliiehte der altd6vt8«h«n Predigt. 97
Ordination Christi unter Qott den Vater. 3 ist mit im ein-
geschaltet, das Pronomen ist durchweg auf ^Qott'^ nicht auf
das ^Wort' bezogen. Daher 4 die Zusätze ewige zu leben und
das Präsens statt des Präteritums (vgl. Peter von Pilichsdorf,
Bibl. max. Patr. 25, 283 D). Auch 5 tritt derselbe Tempus-
wechsel ein und überdies wird comprehenderunt durch mach
begreiffen wiedergegeben, weil der Gegensatz zwischen Licht
und Finsternis ftlr die Katharer ein prinzipieller ist, von An-
beginn her. Sehr wichtig ist, daß 7 der Passus ut omnea cre-
derent per illum im Deutschen wegbleibt, weil dem bösen
Engel Johannes dem Täufer das Verdienst nicht zugestanden
werden darf, Gläubige an das Licht geworben zu haben.
9 wiederum das prinzipielle Präsens ist für das Präteritum
erat. Durchschlagend ist, daß 10 et mundus per ipsum f actus
est nicht übersetzt wird^ denn der Christus der Katharer hat
die Welt nicht geschaffen, diese ist durch den bösen Gott ins
Dasein gerufen worden. 12 ist, wie schon erwähnt, durch den
Eiinschub von und der Schlußsalz des Verses selbständig ge-
macht und mit 13 verbunden worden: dadurch werden die
perfedi flär sich gestellt (vielleicht darum auch tcam für sunt)
und indem voluntas zweimal durch wollust, camis durch plütes,
viri durch vleisches gegeben wird, äußert sich die Abneigung
der Katharer wider fleischliche Vermischung und Ehe. 14 über-
trägt wont das habitavit: in den perfectis lebt das gute Prinzip
fort. Der Schluß durch disiu rede des heiigen ewangelii
vergebe Uns Unser herre alle unser missetat zeigt, daß dem
Evangelium des Lichtengels Johannes heiligende Kraft bei-
gemessen wird. Das Stück kann daher auch nicht zur Be-
schwörung böser Dämonen von einem Katholiken aufgezeichnet
sein, sondern für das consolamentum , vielleicht auch Air das
apparellamentum oder melioramentum (Döliinger 1, 232. 237)
der Katharer.
Eb ist sehr schade, daß mein verehrter Freund Wilhelm
Meyer diese einzige Seite seines schönen Fundes nicht hat
photographieren lassen. Denn sie ist in einem Betrachte die
wichtigste der Handschrift, weil sie (worauf ich bereits in der
Deutschen Literaturzeitung 1902, 468 hingewiesen habe) dafür
zeugt, daß der Benediktbeurer Kodex sich einstens in den
Händen von Katharem befand (ein Buch mit dem Evangelium
Sitxwigsber. d. pUl.-hwt. Ol. CXLVn. Bd. 5. Abh. 7
98 V* Abbft&dliing: Sehönbaoh.
Johannis und Eatharervorschriften nennt DöUinger 1^ 210).
Wie man zur Genüge weiß^ enthält die Handschrift die wich-
tigste Sammlung von Vagantenliedern, provenzalische Lyrik
und Stücke aus den Anfängen des deutschen Minnesanges.
Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde sie von einem fahrenden
Sänger zuerst angelegt und erbte sich dann von Hand zu Hand,
bis sie einen klösterlichen Ruheplatz fand, durch dessen Schatz
sie vor dem Untergange bewahrt wurde. Daß in dem Qe-
schlechte fahrender Leute, der Vaganten und Goliarden, sich
vielfach Ketzer befanden, war wohl von vorneherein anzunehmen
(Ketzerlieder bezeugt uns Berthold selbst), in der Handschrift
der Carmina Burana liegt jedoch einmal ein bestimmtes Zeugnis
dafUr vor: die Poesie der Provence darin kündet uns den Weg,
auf dem das wichtigste evangelische Gebetsstück der Katharer
hier zu einer deutschen Übersetzung gelangt war.
Auf Katharer beziehe ich die Stellen 6, IL 48, 18, wo
Berthold gerüchtweise von Ausschweifungen der Ketzer spricht.
Bereits Ekbert von Schönau deutet im 5. Sermon (Migne 195,
36 BC) an, daß eine Gewöhnung der Katharer, bei ihren
Konventikeln Gläubige desselben Geschlechtes auf demselben
Lager schlafen zu lassen (wahrscheinlich wegen Mangel an
Raum), zu Mißbräuchen führen könne, er drückt sich aber
mit großer Zurückhaltung darüber aus. So tut David von
Augsburg cap. 10 seines Traktates De inquisitione hereticorum
(bei Preger, Abh. der kgl. bayr. Akad. der Wissensch., phiL-
hist. Kl. 14,211), auch er sagt ut dicitur und vermutet, dieses
Gerücht werde sich nicht auf Waldenser beziehen (Katharer
sind auch bei £brard von Böthune cap. 21 gemeint: Bibl.
max. Patr. 24, 1566). Für die älteren Gruppen deutacher Ka-
tharer sind meines Wissens solche Ausschweifungen nicht be-
zeugt (auch Caesarius von Heisterbach nimmt nur von über-
treibendem Geschwätz Kenntnis), für die romanischen Gruppen
der Sekte sind die Zeugnisse gewichtiger, vgl. Lukas von Tuy
(in Gallicien, gest. als Bischof dort 1249), De altera vita ad-
versus Albigensium errores lib. 3^ cap. ö (Bibl. max. Patr. 25,
242 E), dessen Mitteilungen keineswegs bloß für spanische,
sondern auch für italienische Verhältnisse von Wert sind. Jedes-
falls, und darauf weise ich gerne hin, haben die besten älteren
katholischen Berichterstatter über das Leben der Ketzer es
Stndien inr GMchichte d«r Altdentochen Predigt. 99
keineswegs an Vorsicht fehlen lassen (am schärfsten urteilt
Bemard von Clairvanx, Sermones in Cantica Nr. 65. 66 bei
Migne 183, 1091 f. 1095 ff.) und den Häretikern nicht schlecht-
weg Übles angedichtet, was denn auch für ihre sonstigen An-
gaben ihnen größeres Vertrauen erwerben darf. —
Schon unter den Zeugnissen, die ich bis jetzt aus Bert-
holds Predigten besprochen habe, findet sich manches, was nicht
bloß auf Katharer paßt. Wenn ich mich nun zu den Waidensem
(das Buch von Em. Comba, Histoire des Vaudois ist in seiner
neuen Auflage 1901 in Bezug auf die älteste Zeit nicht zuver-
lässiger geworden, als es früher war) wende, so erörtere ich
ebenfalls zuvörderst solche Mitteilungen, die Berthold über diese
Sekte macht, indem er sie ausdrücklich nennt. Es wird dann
noch ein Rest von Angaben erübrigen, der nicht mit Bestimmt-
heit einer oder der anderen Häresie zugewiesen werden kann,
einiges daraus wird gewiß noch den Eatharern gehören. Jedes-
&lls wissen wir schon jetzt aus Bertholds Zeugnissen, daß
diese Ketzer xor' I^o/iqv auch in Süddeutschland um die Mitte
des 13. Jahrhunderts ziemlich stark verbreitet waren und daß
er deshalb ihnen seine Aufmerksamkeit zuwenden mußte. Es
scheint nicht, daß er über ihre Meinungen aus eigenem Erfahren
eingehende Kenntnis besessen hat, er hätte sonst schwerlich
das Werk des Alanus zurate gezogen und benutzt. Vielleicht
aber ließe sich dieser Umstand auch dadurch erklären, daß
Bertholds bezügliche Predigten in den Anfang seiner Missions-
praxis wider Ketzer fallen, wo er mit dem Wesen der Häresien
noch nicht hinlänglich vertraut war, um ohne fremde Hilfe ar-
beiten zu können.
Viel reichlicher sind seine Mitteilungen über Waldenser
(zur Literatur vgl. J. GoU, Mitteil, des Inst. f. öst. Geschichtsf.
1888, 326 f., H. Haupt in jährlichen Berichten der Zeitschr. f.
Kircbengeschichte^ L. Keller in den Monatsberichten der Co-
menius- Gesellschaft). Er führt sie an 45, 9 ff. als die* Heu-
schrecken der Apokalypse, die aus dem Abgrunde emporsteigen
(Apoc. 9, 3 ff.) und niemand über sich anerkennen als den Engel
des Abgrundes (Apoc. 9, 11). Von diesen neuen Häretikern
behauptet Berthold, sie hätten sich zuerst pauperes geheißen
(45, 1), erst dann Waldenses. Diese chronologische Folge stimmt
nicht mit den Angaben des Alanus überein, der lib. 2, cap. 1
7»
100 T. Abhandlung: Sehftnbaeh.
(Migne 210, 377) die Sekte Waldenses nennt a suo haeresiarcha,
qui vocabatur Waldus; ebenso wenig mit den Berichten über
den Ursprung dieser Häresie bei Stephan von Borbone (ed. Le-
coy de la Marche S. 290 £P.) und in der Chronik von Leon
(K. Müller, Die Waldenser, S. 4£F.); Abt Bernard von Fönte-
caad kennt die Beziehung von Waldenses zu Petrus Waldus
gar nicht und leitet den Namen der Sekte ab nimirum. a Volle
densa, eo quod profundis et densis errorum tenebris involvantur
(Bibl. max. Patr. 24, 1585 G). Dagegen weiß David von Augs-
burg in seiner Schrift De inquisicione hereticorum (ed. Preger,
Der Traktat des D. v. A. gegen die Waldesier, Abh. der kgl.
bayr. Akad. der Wissensch., bist. Kl. 14, 204 — 235^) von dem
Zusammenbange zwischen Waldus und den Waldensern nichts,
er nennt die Sekte cap. 4 und 5 Pauperes de Lugduno und
erwähnt erst cap. 20 den Namen WaltenseSy wo er von den
Spaltungen der ursprünglich einheitlichen Sekte in mehrere
Gruppen spricht. Desgleichen bezeichnet der sogenannte Pas-
sauer Anonymus (über ihn vgl. Karl Müller a. a. O. S. 147 ff.,
ein Stück davon wurde im 14. Jahrhundert ins Deutsche über-
setzt, vgl. H. Haupt, Zeitschr. f. Kirchengeschichte 23, 87 ff.)
die Sekte als Pauperes de Lugduno^ qui etiam Leonistae dicuntur
und fUhrt Waldus, ihren Urheber, nur als quidam an (Bibl.
max. Patr. 25, 265 H), obzwar er später Waldenses ausdrücklich
nennt. Darnach scheint es (vom Passauer Anonymus be-
sitzen wir noch keinen kritisch hergestellten Text), als ob
Berthold eine in Deutschland verbreitete Auffassung vortrüge
(vgl. Keller, Die Reformation und die älteren Reformparteien,
S. 78; Die Waldenser etc., S. 121; Müller, S. Uff.), wenn er die
Sekte erst schlechtweg als die Armen entstehen läßt (so auch
der Traktat der Vat. Hs. lat. 2648 bei DöUinger 2, 92 ff.; Preger
19, 708 ff.), die sich erst nachmals Waldenser nannten (eher
umgekehrt bei Bernard Guidonis ed. Douais, S. 28). Daß ihm
Waldus und sein Wirken unbekannt war, möchte man auch
aus dem 45, 15 folgenden Passus erschließen, wo er von den
älteren Häretikern sagt, sie seien nach den Urhebern ihrer
Lehren benannt, die jetzigen hingegen nicht.
^ Ich zitiere fortan Pregers Arbeiten nach den Ziffern der Bände dieser
^Abhandlungen'.
Stadien zur Oeschicbte der »Itdeatseheii Predigt. 101
Wieder mit post schließt Berthold an 45, 12^ diese Sektierer
hießen sich scolarea. Dieser Name ist mir als Bezeichnung
der Waldenser unbekannt. Er kann sehr wohl mit achola in-
sofern zusammengebracht werden, als darunter ein Versamm-
lungsort der Häretiker zu verstehen ist (vgl. Preger 13, 122)
oder ein Hospiz (vgl. Prieß, Vierteljahrsschr. f. kath. Theol. 1872,
S. 208 ff.; Preger 19, 678 ff.). Möglich ist auch, daß in An-
knüpfung an die scholares vagi, die gelegentlich als sectarii
aufgefaßt werden (Belege bei Du Gange 7,351), hier scholares im
engeren Sinne für Waldenser gebraucht wird. Selbst scholares
etwa als ,die Unterrichteten' wäre sehr wohl für einen Namen
denkbar, den sich die Häretiker selbst beigelegt hatten. Wohl-
bekannt (vgl. Bemard Quidonis ed. Douais S. 126: vel illorum,
qui a suis credentibus Boni homines appellantur, dann 223 f.)
hingegen ist die nächste Benennung (vgl. 27, 32) bei Berthold
45, 12: boni homines (Keller, Wald., S. 124; J. Grimm, Kl. Sehr.
4, 322; eine Erklärung dafür bei Stephan von Borbone S. 294 f.;
boni christiani vielleicht als Name bei David von Augsburg
S. 227). Was Berthold zunächst sagt, spricht sein Urteil aus:
toisloSj weglos nennt er die Häretiker als vom rechten Glauben
Abgeirrte, unvolch bezeichnet wie undiet die Ketzer, mit rusti-
cani und idiote weist er auf ihren Ursprung hin.
Nur an einer Stelle (32, 27 ff.) sagt Berthold, indem er die
Waldenser nennt, etwas über ihre Ansichten aus : er behauptet,
sie hätten ihre Meinungen geändert. Es ist nur beispielsweise
behauptet, also nicht in Jahreszahlen zu pressen, daß sie vor
vierzig Jahren die Genossen ihrer Sekte, die vor siebzig Jahren
lebten (dreißig Jahre bildeten schon im Mittelalter den Begriff
einer Generation), verdammt hätten: früher (David von Augs-
burg S. 215: olim) hätten sie um die ganze Welt nicht ge-
schworen, jetzt täten sie es unter Bedingungen und mit Aus-
flüchten. Denn das ist wohl unter Bertholds Worten zu ver-
stehen : post alios schwören jetzt die Waldenser, das heißt, sie
sprechen nur die vom Inquisitor ihnen vorgesprochenen Worte
des Eides nach und laden auf diesen die Verantwortung dafür
ab; so sagt David von Augsburg über sie (cap. 18, S. 215):
aut si coguntur ab alio, jurare, refundunt peccatum in ipsum,
ut ipsi videantur immunes. Wie sie dabei verfahren, ersieht
man aus David cap. 43, S. 230 f. Bemard Guidonis ed. Douais,
102 V. Abhandlang: Seh6nbach.
pars 5, cap. 7 und 8^ S. 252 ff. Dieselben Stellen erklären
auch den Ausdruck Bertholds coopertis (docent enim, verbis
coopertis loqui; David cap. 14, S. 212) juramentis vgl. David,
S. 215: cum autem jurare compelluntur, aut palliatis verbis
jurant, sed fiele agunt et diversis modis. Das folgende qiM>d
quinquies vel novies bei Berthold meint, es sei den credentes
der Waldenser von ihren Vorgesetzten erlaubt worden, aus-
nahmsweise etlichemale (fünfmal oder neunmal) zu schwören.
Dasselbe berichtet David von Augsburg, wenn er S. 208 sagt:
sed tarnen dispensant, ut jur^t quis pro evadenda morte corporis,
vel ne alios prodat vel secretum revelet perfidie sue. Sehr
beachtenswert scheint mir nun, daß Berthold hinzufügt, die
Waldenser hätten auch noch in vielen anderen Punkten ihre
Ansichten geändert (multa mutaverunt), und zwar in Bezug
auf die Eucharistie, das Fegefeuer, die Heiligen Verehrung,
Kindertaufe^ Ehe u. dgl. Denn ich sehe diese Stelle als ein
unmittelbares Zeugnis für die Anschauung an, die ich mir
über das Verhältnis zwischen Katharern und Waldensern all-
mähHch gebildet habe (vgl. Müller, S. 93. 136 ff., anders Keller,
Waldenser, S. 116 ff.). Die Waldenser sind eine christliche
Sekte, die auf dem Boden der katholischen Kirche entstand
und darauf vielleicht verblieben wäre, wofern der römische
Stuhl seine Absichten hätte durchsetzen können, die sich aufs
deutlichste in der Schöpfung der ,katholischen Armen^ bekundet
haben. Im südlichen Frankreich aber war einer solchen ver-
söhnlichen Lösung ebenso das durch die Albigenser erregte
Mißtrauen der Bischöfe als die Nachbarschaft und das Beispiel
der Katharer ungünstig. Die näheren Umstände der ent-
scheidenden Wendung, welche die Waldenser von der katho-
lischen Kirche ablöste, sind uns nicht genauer bekannt, die
Exkommunikation der Sekte durch Papst Lucius III. 1183
bezeichnet keineswegs das letzte, eher das vorletzte Stadium des
Prozesses; erst nachdem die Einigungspläne Papst Innocenz III.
gescheitert waren, darf die Spaltung als endgültig angesehen
werden. Auch nach diesem Zeitpunkte haben die Waldenser
ihre Beziehungen zur katholischen Kirche wenigstens äußerlich
noch lange nicht völlig abgebrochen, sie haben dem katholischen
Gottesdienste gelegentlich beigewohnt, katholische Sakramente
empfangen, sogar bisweilen Zehent und Gotteshaussteuer ent-
Stadien lar Geschicbto der altdenteehen Predigt. 103
richtet. Druck nnd Verfolgung, die Notwendigkeit, dieselbe
Verborgenheit aufzusuchen wie die Katharer, haben die Wal-
denser unter den Einfluß dieser mächtigen älteren, ihrem Wesen
nach unchristlichen Sekte gebracht (vgl. auch H. Haupt, Wal-
densertum und Inquisition, Deutsche Zeitschr. f. Geschichtswiss.
1889, S. 285 ff.) und sie in der bereits eingeschlagenen Rich-
tung des Entfremdens von der katholischen Kirche immer
weiter getrieben, so weit, daß im Laufe der Zeit die einst so
deutlichen Merkmale der Unterscheidung zwischen Katharern
nnd Waldensern sich beinahe gänzlich verwischt haben. Der
Name der Katharer ist verschwunden, mit ihm das manichäische
Prinzip zweier Götter, die sich in Welt und Himmel teilen,
aber die aus dieser Grundanschauung hervorgegangenen Kon-
sequenzen in Bezug auf die etablierten christlichen Kirchen
im Orient und Abendland sind zum guten Teil auch von den
Waldensern Westeuropas übernommen worden. Daß diese
Entwicklung zur Zeit Bertholds von Regensburg bereits im
Gange war, lehrt meines Erachtens die angeführte Stelle, die
deshalb noch weiterhin im Auge behalten werden muß.
Die Pauperes de Lugduno heißen im romanischen Volks-
munde Poverleun und dieser Name erscheint in Bertholds la-
teinischen Predigten nur einmal 8, 26 Anm. , wo sie von an-
deren Ketzern unterschieden werden. Häufiger begegnet er
in den deutschen Aufs^eichnungen 82, vgl. J. Grimm, Kl. Sehr.
4, 317 ff. ; vielleicht darf man daraus schließen, daß dies auch
in Deutschland die mündlich verbreitete, volkstümliche Be-
zeichnung war.
Hingegen kommt in den lateinischen Predigten Bertholds
häufiger der Name Leoniste vor. Ich gestehe, daß ich trotz
der vorhandenen reichlichen Literatur einige Zeit gezögert
habe, ehe ich die Identität von Leoniste mit Pauperes de Lug-
duno = Pove^'leun (= Waldenser) im Ursprünge annahm.
Einmal mahnte die Bildungssilbe -iste zur Vorsicht, die sonst
an Personennamen gehängt wird (Arnoldiste, Speroniste, Arria-
niste; vgl. J. Grimm, Kl. Sehr. 4, 318 und das Verzeichnis
Buoncompagnos von oberitalischen Ketzern in meinen Beiträgen
zur Erklärung altdeutscher Dichtwerke 2, 14). Beim Passauer
Anonymus heißt es sogar einmal (Bibl. max. Patr. 25, 277 C) :
hcteresis est Leonistae^ qui fuit discipulus Juliani et Pelagii^
104 ▼* AUiMidlaiig: BehAnbach.
aber diese fabulose Notiz setzt unmöglich Leonista als den
Namen des Sektenstifters an. Die Ketzerkonstitation Kaiser
Friedrichs II. kennt andererseits ComistaSy die Gretser (Bibl.
max. Patr. 25, 255 B) von Como ableitet, wo nachweislich Wal-
denser gehaust haben (vgl. Buoncompagno a. a. O.); freilich
schreiben andere Übei'lieferungen Comistos (das Dekret Papst
Innocenz IV.), sogar Commixtos (Bernard Ouidonis ed. Douais,
S. 309). Und das Bedenken gegen den Unterschied von eo
und eu in Leoniste und Poverleun beseitigt mein Freund und
Amtsgenosse Cornu, indem er es auf die Verschiedenheit mund-
artlicher Rezeption zurückführt, welche die Gleichstellung
beider Namen nicht zu hindern vermöge. David von Augsburg
verwendet Leoniste nicht (ebensowenig das Chronicon Ursper-
gense), den er doch wohl in seinen Quellen (Preger 19, 645 ff.)
hätte finden müssen. Der Passauer Anonymus sagt (Bibl. max.
Patr. 25, 264 G) : nota, quod secta Pauperum de Lugduno, qui
etiam Leoniste dicuntur, tali modo orta est — , und gebraucht
diese Namen dann abwechselnd. Das vor jedem Zweifel ge-
sicherte Zeugnis für die Auffassung von Leoniste erbringt Bert-
hold selbst. An der großen Mehrzahl von Stellen seiner la-
teinischen Predigten setzt er einfach Leoniste, zweimal (58, 36.
82, 6) davor] pauper^ was wahrscheinlich als Adjektivum zu
fassen ist. Da nun die deutschen Texte Poverleun oft ge-
brauchen, die lateinischen nur einmal, hinwiderum die lateini-
schen Leoniste sehr häufig, die deutschen niemals, so wird der
Schluß erlaubt sein, Leoniste stelle die gewöhnliche lateinische
Form, Poverleun die deutsche für Bertholds Zeit vor. Gemeint
sind in beiden Fällen Waldenser.
Das erhellt sofort aus den Angaben Bertholds. Auch die
Leonisten werden wie die Waldenser (oben S. 101) beschuldigt,
daß sie ihre Meinungen wechseln: vor dreißig Jahren wollten
sie nicht schwören, jetzt tun sie es 8, 30 ff. Sie sind über-
haupt erst nuper, aute paucos annos aufgekommen 58, 35, was
bei dem mittelalterlichen Gebrauch solcher Zeitbestimmungen
nicht verwundern darf, indes die Katharer als Manichäer sehr
alt sind. Hingegen können von den Lehren, die Berthold den
Leonisten ausdrücklich zuschreibt, nur wenige für Waldenser be-
sonders in Anspruch genommen werden. Dahin gehört, wenn
7, 24 ff. besonders stark betont wird, daß den Laien die Ver-
Stiidieii sor Gesebiebte der alideatschen Predigt. 105
waltang und Ausspendang sämtlicher Sakramente zustehe^
ja ein Hund vermöchte das zu vollbringen, wofern er zu
sprechen verstünde 8.. 3. Für das Laienpriestertum der Wal-
denser die Quellen anzuführen, erachte ich als überflüssig; von
diesem Punkte ist doch, nachdem Weltentsagung und Askese
den Laien geheiligt hatte, der Bruch der Waldenser mit der
katholischen Kirche ausgegangen. Ebenso geläufig sind die
Äußerungen der Leonisten, wornach sie die echte Kirche dar-
stellen 26, 16, die Roms aber und ihr Klerus verächtlich ge-
macht und beschimpft wird. Sakramente und Sakramentalien
werden ebenso wie die äußeren Kultusformen insgesamt ab-
gelehnt 26, 22 ff., die katholischen Priester haben sie aus Hab
sucht erfunden 36, 25 (== David v. Augsburg, cap. 5, S. 207)
Der Meßgesang ist fUr die Sekte ein clamor infemalis 26, 21
Gegen den Kirchengesang hatten bereits die Katharer pro
testiert, vgl. Ermengaudus, Contra Catharos cap. 10 (Bibl
max. Patr. 24, 1607 f.), ferner Döllinger 1, 67. 189 und aus den
Stellen im 2. Bande besonders S. 298 (Summa de haeresibus)
dicentes, cantus clericorum nihil aliud esse quam clamores
quosdam in infemo. Qanz vornehmlich aber die Waldenser
cantum ecclene dicuni clamorem infernalem, wie der Passauer
Anonymus sagt (Bibl. max. Patr. 25, 265), vgl. noch Döllinger
2, 307. 334. 338 (latratum canum); David S. 207; Stephan von
Borbone^S. 297; Müller S. 112. Christus sei zwar wahrer Gott,
aber nicht wahrer Mensch gewesen, habe nicht als solcher
Marter und Tod erlitten 12, 22 und Anm., 25, 10 und Anm.,
25, 20 und Anm., 59, 7, auch sei er nicht auferstanden 26, 3
und Anm. Weder Alanus noch David, noch der Passauer
Anonymus, noch überhaupt irgendwelche zuverlässige ältere
Quellen wissen etwas von solchen Lehren der Waldenser, die
vielmehr von den Katharern berichtet werden (vgl. die Stellen
bei Döllinger 1 und 2). Die Aussage Bertholds zu erklären,
ifit schwierig: entweder gilt sie nicht von den Leonisten , son-
dern von den gleichzeitig genannten anderen Sektierern (viel-
leicht den Ortliebern, vgl. Müller S. 130 ff. 171) und Juden (25,
23 ff); oder Berthold wußte von einer Mischung waldensischer
und manichäischer Lehren, die allerdings für seine Zeit noch
sonst bezeugt sein müßte, um glaublich zu erscheinen; oder
Berthold war mangelhaft unterrichtet und diese Mitteilungen
106 V. Abliondlang: Scbönbaeh.
über den Doketismus beruhen auf Mißverständnis und Ver-
wechslung. Fast möchte ich das letzte glauben, zumal auch an-
dere seiner noch zu erörternden Angaben Unklarheit in Bezug
auf die Sonderung der einzelnen häretischen Gruppen merken
lassen. Immerhin bliebe sonst die eine Möglichkeit, daß die
Schuld an der Überlieferung liegt: dies anzunehmen, möchte
ich mich am wenigsten entschließen. — Mit Erwähnung des
Namens spricht Berthold noch 28, 33 ff. (beinahe tibereinstim-
mend mit 62, 22 ff.) von der Heimlichkeit der Leonisten und
vergleicht sie deshalb besonders mit den Krebsen und deren
nächtlichen Lebensgewohnheiten.
Von anderen bekannten Sekten seiner Zeit nennt Bert-
hold die Ortliebarier und sagt 63, 35, Orthlibus habe jetzt
(und ein anderer Häretiker) einen neuen Glauben gestiftet.
Das ist insofern interessant, als dadurch die Tradition, Ortlieb
sei in Straßburg zur Zeit des Papstes Innocenz HL aufge-
treten (vgl. DöUinger 2, 400), bestätigt wird. Früher kann das
nach Bertholds nunc doch wohl nicht geschehen sein. Auch
das ist richtig, daß der Glaube der Ortliebarier als ein neuer
bezeichnet wird, denn von dem der Waldenser, zu denen sie
ursprünglich gehörten (Müller S. 169 ff., DöUinger 2, 330), unter-
scheiden sie sich docli, indem sie durch pantheistisch-allego-
risierende Doktrinen weiter von der katholischen Kirche ab-
gerückt sind , vgl. die Stellen bei DöUinger 2, 299 u. a., die
freilich meistens recht späten Ursprunges sind. Deshalb unter-
scheidet sie Berthold mit Recht von den Runclarieru und Po-
verleun 8, StMAnm., obschon er sie andererseits gern mit Run-
clariern und Leonisten zusammen erwähnt 12, 22. 27, 11. 28, 5;
mit Patarinern, Katharem etc. 82, 8; auch in den deutschen
Aufzeichnungen werden sie ein paarmal genannt, aber nur als
Beispiele von Ketzern überhaupt. — An denselben Stellen, wo
die Ortliebarier vorkommen, werden auch die Runclarii er-
wähnt, eine zweifellos unter Johannes de Roncho abgespaltene
Gruppe der Waldenser, die auch nach ihm benannt wurde
(die älteren Vermutungen bei J. Grimm, Kl. Sehr. 4, 319 lassen
sich nicht mehr aufrecht erhalten), sich von den Leonisten
nach Berthold unterschieden hat, über die Berthold jedoch
nichts auszusagen weiß. — Eben nur genannt finden sich
Pikardi (vgl. DöUinger 2, 635 ff. 661 ff. (590 ff. aus;i späteren
Stadien inr Oteehiohte der alideatoeliMi Predigt. 107
Quellen) und Everhardini, Wären unter den Pikarden die
adamitische Sekte zu verstehen, die aus Frankreich und Holland
im 14. Jahrhundert sich nach Böhmen verbreitet hat (auf sie
beziehen sich Döllingers Dokumente), dann böte Berthold das
älteste Zeugnis ftlr ihren Bestand in Deutschland (denn die
Notizen bei Du Cange 6, 310 sind unbrauchbar). Das dünkt
mich jedoch gar nicht wahrscheinlich und ich vermute, Bertholds
Pikardi stellen nur eine mundartliche Auffassung von Beghardi
vor. Das scheint mir der Zusammenhang der Stelle nahezu-
legen. Berthold spricht zuerst von einer (dritten) Qattung
Armer, die niemand liebt, weder Qott noch die Menschen:
Elende, Knechte und Kranke, die trotz ihres Unglückes in
schweren Sünden leben. Ahnlich wie diese, fUhrt er fort, sind
andere beschaffen: berufsmäßige Spieler, fahrende Kriegsleute,
bettelnde Qauner und Betrüger. Er vergleicht sie mit Würmern
auf der Wand (Wanzen?), übel anzusehen und stinkend, oder
mit den unerfreulichen Kröten, welche die Augen des Be-
schauers gefährden, im Inneren unrein und giftig sind. An
der Spitze dieser Reihe stehen die Pikardi: das werden also am
ehesten Begharden sein (vgl. Hahn, Geschichte der Ketzer im
Mittelalter 2, 423 ff.), die teils in freiwilliger, teils in erzwun-
gener Armut lebten, sehr früh in den Verdacht der Häresie
gerieten, weshalb das Konzil von Vienne 1311/2 unter Papst
Klemens V. zwei Kanones wider ihre mißbräuchlichen Lehren
erließ. Dazu paßt es vortrefflich, daß auch die folgenden
Eberhardini keine wirklichen Ketzer sind, sondern fahrende
Kleriker = clerici vagabundiy gegen die um die Mitte des
13. Jahrhunderts sich so viele Beschwerden erhoben, daß 1261
die Synoden zu Mainz und Magdeburg besondere Kanones
wider sie beschlossen (Hefele, Konziliengeschichte 6, 62. 70).
Es sind also von Berthold an dieser Stelle Leute behandelt
worden, die er sonst als semiheretici bezeichnet, aber nicht
Sektierer im engeren Sinne.
Sehr geringes Interesse dürfen dagegen die Häresien und
Häretiker des christlichen Altertums beanspruchen, deren Bert-
hold gelegentlich erwähnt. Die alten Ketzereien, sagt er 11,31,
sind jetzt vernichtet und (ein hübscher Ausdruck) verwahsen^
das ist ,überwachsen^, wie eine alte Straße mit Gras. Denn
auf eine Häresie folgt stets eine andere 59, 13. Immer wieder
108 T. Abhandlaoff : Sohöobacb.
zerfallen die Ketzer unter einander 8, 27 Anm., sie sind stets
uneinig 28, 3 ff. Bei der Erörterung des apostolischen Sym-
bolums werden viele Häretiker genannt : Gnostiker zum ersten
Artikel 24, 7 Anm. , ebenda Patriciani und Patemiani (mo-
derne Ketzer sind die Patarini 82, 8. 13 ff.), Paulini, Bonosiani
zum zweiten, Carpocrates Photiniani zum dritten Artikel, 25, 19
Cerdon und Nestorius. Ganze Reihen alter Ketzernamen zählt
Berthold auf 24 Anm., 25, 19. 29, 4. 31, 32. 45, 15. 67, 36, auch
ganz seltene. Diese Listen sind aus alten, aber sehr bekannten
Quellen geschöpft: nicht aus des Augustinus Schrift De baere-
sibus an Quodvultdeus, wo er 78 Sekten nennt (Migne 42, 24 f.),
sondern aus des Isidor von Sevilla Etymologien, wo im achten
Buch, cap. 5 (Migne 82, 298 ff.) 70 Häresien kurz charakte-
risiert werden. Diese Zahl ist dem ganzen Mittelalter geläufig
(auch der Passauer Anonymus kennt sie: cap. 4, in [der Bibl.
max. Patr. 25, 264 F). Berthold bringt es auf 150, ja auf 200
Häresien (wie einzelne griechische Kirchenschriftsteller), da
wird er aber die Ketzer seiner eigenen Zeit ziemlich in Bausch
und Bogen mitgerechnet haben.
Es soll nunmehr dazu übergegangen werden, zu be-
sprechen, was Berthold über die Ketzer, ihre Lehren und
Bräuche berichtet, wie er gegen sie polemisiert, ohne Namen
zu nennen. Es müßte eigentlich bei jeder seiner Aussagen ge-
fragt und im einzelnen untersucht werden, welche Sekte dafUr
in Betracht komme. Glücklicherweise vereinfacht sich die Ar-
beit dadurch, daß bei einer ganzen Reihe von Fällen darüber
kein Zweifel walten kann, welche Häresie gemeint sei. Der
größte Teil von Bertholds Angaben bezieht sich auf Waldenser,
der kleinere auf Katharer; freilich erübrigt eine Anzahl von
Mitteilungen, bei denen sich nicht genauer unterscheiden läßt
und die vielleicht diesen beiden Hauptgruppen deutscher Ketzer
des 13. Jahrhunderts gleichermaßen gelten.
76, 37 führt Berthold als häretische Meinung an, daß Un-
zucht, Wucher und ähnliches keine Todsünde ausmachen. Das
kann sich nur auf die Katharer und ihre eigentümliche Auf-
fassung des Begriflfes der Sünde als einer Verunreinigung der
Seele durch die böse Materie beziehen, sowie darauf, daß
durch das Consolamentum die vorher begangenen Sünden reue-
los getilgt werden. Darüber vgl. Alanus, lib. 1, cap. 47—56
8taai«a xnr GMobiohte der altdemtsehen Pndigt 109
(Migne 210, 352 ff.); Schmidt 2, 97 ff.; DölHnger 1, besonders
232 ff. — 26 Anm. bekämpft Berthold die Ansicht, Christas
sei zur Hölle abgestiegen und habe alle Seelen daraas befreit.
Das ist keine Lehre der Eatharer, eher deren Gegenteil (vgl.
AlanuS; Hb. 1, cap. 15 f.; Migne 210, 319 f.), aach nicht der
Waldenser. Berthold nennt diese Häretiker Adinate, welchen
Namen ich nirgends finde. Vielleicht ist das Wort verderbt
aas a Dinanto and bezöge sich aaf David von Dinant, den
Schüler Amalrichs von Bena, im Anfange des 13. Jahrhunderts
(vgl. Hahn 3, 187 ff.; Preger, Gesch. der deutschen Mystik im
Mittelalter 1, 173. 184 ff.), za dessen anbegrenztem Optimismus
sie wohl passen könnte, f^ fügt sich daza, daß im Anschluß
daran Berthold die Lehre von der Dreieinigkeit wider Hera-
tiker verteidigt^ die ja auch in dem Pantheismus Amalrichs um
ihre Bedeutung gebracht wurde.
Der Satz, daß die Ketzer sich ftlr die wahre Kirche halten,
die katholische hingegen verwerfen, ist sowohl von Katharern
als von Waldensern aufgestellt worden, auch der Hinweis auf
den Hochmut als Quelle dieser Meinung schickt sich zu beiden
Sekten, obzwar einzelne Ausdrücke Bertholds eher die Waldenser
zu treffen scheinen 20, 26. 27, 32. 29, 29. 58, 21. Auch daß die
Ketzer nicht schwören wollen, ist Katharern und Waldensern
eigen: 3, 10. 11, 37. 31, 32. 33,35. 47, 33. 67, 20. 76, 36. An der
ersten Stelle bekämpft Berthold diese Meinung mit nahezu den-
selben Worten wie Bernhard von Clairvaux (Sermones in Can-
tica Nr. 65 bei Migne 183, 1089): jurare non licet, et pejerare
licet (vgl. dazu auch Ekbert von Schönau, Sermo 2 bei Migne
195, 20 f.; DölHnger 1, bes. 96. 182). Für die Waldenser nimmt
bereits Alanus lib. 2, cap. 18 f. (Migne 210, 392 ff.) den Wider-
stand gegen den Eid besonders in Anspruch. Und bei David
von Augsburg finden sich an den bereits angegebenen Stellen
(oben S. 101 f.) dieselben Äußerungen, wie sie Berthold tut. Die
Ketzer schwören nur selten falsch 3, 21. 32, 4, 9 (drei oder
viermal mit Erlaubnis ihrer Vorgesetzten 3, 25), ja der Meineid
wird von ihnen besonders gemieden 3, 10 Anm. (auf dieser Qe-
wissensstrenge beruhte hauptsächlich die Möglichkeit, der Ketzer
durch das geistliche Gericht habhaft zu werden). Jetzt schwören
sie aus Furcht 67, 21. 80, 6. Oder sie weichen dem direkten
Schwur aus (32, 5) durch Foimeln, welche den Eid auf das
110 ▼. AbhMkdlnoff : SehAnbaoh.
Gewissen des Fragenden zu Uberschieben trachten {si deberemus
33t 31), wie sie wörtlich David von Augsburg (S. 230) und
die Practica inquisitionis des Bernard 6ui verzeichnen. Sicher
bezieht es sich gleichfalls auf Waldenser, wenn gesagt wird
3, 29. 8^ 30, jetzt sei ihnen das Schwüren erlaubt, vor zwanzig
Jahren (3, 30) oder dreißig (9, l) hingegen verboten gewesen.
Durchaus den Waidensem wird man die zumeist schon
früher zitierten Stellen zurechnen dürfen, in denen vom Priester-
tum der Laien die Rede ist, vgl. 48, 3 (darüber Müller^ S. 47.
73. 80. 85fr. 106. 115,- Preger 18, 52 ff. 19, 657 ff.). Merkwürdig
ist die Behauptung Bertholds 48, 4, bei den Ketzern dürfe
jeder das Abendmahl konsekrieren: et si non femine. Denn
das steht in geradem Widerspruch zu den ältesten Lehren
der Waldenser, vgl. Preger 19, 700; jedoch Ebrard von B^thune
cap. 18 : Bibl. max. Patr. 24, 1562 f.). Es braucht aber deshalb
doch nicht unrichtig zu sein^ denn, obgleich Frauen an der
Leitung der Sekte beteiligt waren, scheint ihre Zahl doch
nie sehr groß gewesen zu sein (vgl. Müller, S, 73, Anm. 3)
und waren sie nur selten mit priesterlichen Funktionen betraut,
dann erklärt sich schon die Meinung Bertholds. Von der
Laienbeichte heißt es 48, 7, daß die Ketzer dieses Sakrament
den Bauern anheimgeben und 71, 28 ff. Anm. wird mit denselben
Argumenten dawider polemisiert, die Alanus lib. 2, cap. 10
(Migne 210, 386 f.) dawider verwendet: si tamen sacerdotis
habere non possit copiam, socio vel proximo sufficit confiteri. —
mundati enim sunt leprosi (Luk. 17, 14) etc. — Die Wertlosig-
keit des Sakramentes der Priesterweihe ist natürlich ebenso
für Katharer als für Waldenser ausgemacht 59, 8, Berthold
streitet dawider besonders eingehend 74, 6 ff. und bedient sich
dabei der Beweisführung Bernards von Clairvaux (die Gründe
finden sich alle in reichlicher Ausführung im 10. Sermon des
Ekbert von Schönau bei Migne 195, 69 ff., vgl. Alanus, Üb. 2,
cap. 6. 7 bei Migne 210, 383 f.), die ich wegen dieses und der
folgenden Punkte hierher setze (Sermones in Cantica Nr. 66,
Migne 183, 1100): jam vero qui Ecclesiam non agnoscunt, non
est mirum, si ordinibus Ecclesiae detrahunt, si instituta non
recipiunt, si sacramenta contemnunt, si mandatis non obediunt:
,peccatores', inquiunt, ,sunt apostolici, archiepiscopi^ episcopi,
presbyteri: ac per hoc nee dandis, nee accipiendis idonei sa-
Stadien tnr Qesebielite der altdent^ehen Predigt. 111
cramentis. numqoam dao isti convenient^ episcopam esse et
peccatorem?^ falsum est. episcopus erat Caiphas, et tarnen
quantus peccator^ qui in Dominum mortis dictabat sententiam?
si negas episcopmO; argaet te testimonium Joannis, qui enm in
testimonium sui pontificatos etiam prophetasse refert (Joann.
II9 51). apostolus erat Judas et^ licet avarus et sceieratus,
electos tarnen a Domino, an tu de iliius apostolatu dubitas,
quem Dominus elegit: «nonne ego^, inquit, ^vos duodecim elegi;
et unus ex vobis diabolus est (Joann. 6, 71)?^ audis eumdem
electum apostolum et extitisse diabolum; et negas posse esse
episcopum, qui peccator est? super cathedram Moysi sederunt
Seribae et Pharisaei, et qui non obedierunt eis tanquam epi-
scopiSy inobedientiae rei fuerunt, etiam in ipsum Dominum
praecipientem et dicentem: ^quae dieunt, facite^ (Matth. 23, 2 f.).
patet ergo, quamvis Seribae, quamvis Pharisaei^ quamvis vi-
delicet maximi peccatores, propter cathedram tarnen Moysi,
ad eos quoque nihilominns pertinere, quod idem dixit: ,qui
Yos audit, me audit; et qui vos spernit, me spernit' (Luc.
10, 16). —
Die Vergleiche, welche Berthold an der genannten Stelle
braucht, um seine These zu erweisen, daß die gültige Aus-
spendung der Sakramente durch den Priester nicht von dessen
vita, sondern officium bedingt werde, erinnern an die drei
Gedichte einer Klosterneuburger Handschrift, welche J. Strobl
in der Zeitschr. f. d. Altert. 16, 467 — 474 unter dem Titel
,Von der Würdigkeit der Priester* herausgegeben hat. Das
zweite und dritte Stück gehen nach ihrer eigenen Angabe im
Eingang auf die Vitae Patrum zurück. Die Vorlage von Nr. 2
findet sich im 5. Buch der Verba seniorum, lib. 18, Nr. 3
(Migne 73, 978 f.) und ist in der deutschen Bearbeitung un-
gemein gekürzt; ich gebe nur die Hauptpunkte hier wieder,
die dem deutschen Text entsprechen: Dixit pater noster abbas
Arsenius de quodam sene, qui erat magnus in hac vita (daher
ist V. 5 zu lesen: der was niht an bösem wanch), simplex
autem in fide, et errabat pro eo, quod erat idiota, et dicebat,
non esse naturaliter corpus Christi panem, quem sumimus^ sed
figuram ejus esse, hoc autem audientes duo senes (das sind
die brüder V. 11. 25), quod diceret hunc sermonem (V. 8) — .
^non sie teneas, abba, sed sicut Ecclesia catholica tradidit: nos
112 V. AbliAndluig: Beliftiibaeli.
autem crediraus, quia panis ipse corpus Christi est, et calix
ipse est sanguis Christi secundam veritatem, et non secundom
figuram. sed, sicnt in principio pulverem de terra accipiens
plasmavit hominem ad imaginem saam, et nemo potest dicere,
quia non erat imago Dei, quamvis incomprehensibilis (von dem
ganzen Passus ist nichts übrig geblieben als incomprehensibilis,
was V. 19 — 24 veranlaßt hat), ita et panis, quem dixit: quia
corpus meum est, credimus, quia secundum veritatem corpus
Christi est^ (V. 15 ff.). Die Antwort des Greises fehlt in dem
Gedicht, desgleichen die Ankündigung des Gebetes der Brüder
und das Gebet des Greises. Vers 25 — 30 geben das Gebet
der Brüder: sed et ilii senes abeuntes in cella sua rogabant
et ipsi, dicentes: ,Domine Jesu Christo, revela seni mysterium
hoc, ut credat et non perdat laborem suum.' Die nächsten
Sätze, in denen erzählt wird, daß die drei Mönche beisammen
in der Kirche sitzen, läßt der deutsche Bearbeiter weg, nicht
ohne Schaden^ denn nun sind 31 ff. kaum recht verständlich,
aperti sunt autem oculi eorum intellectuales, et quando positi
sunt panes in altari, videbatur illis tantummodo tribus tanquam
puerulus jacens super altare. et cum extendisset presbyter
manus, ut frangeret panem (das ist V. 35 ausgedrückt: der
priester wolt die Hute berihten, d. h. abspeisen, was denn auch
die Motivierung nach sich zieht 36: ein engel im daz hälfe
slihten), descendit angelus Domini de coelo, habens cultrum in
manu, et secavit puerulum illum, sanguinem vero excipiebat
in calice. 40 ist ein Flickvers^ aus dem Zusammenhange von
35, dem auch die Beschreibung der Kommunion des Volkes
entstammt, die der Vorlage ganz fehlt. Es ist übrigens be-
merkenswert, daß hier die Eucharistie in beiden Gestalten ge-
reicht wird, cum autem presbyter frangeret in partibus parvis
panem, etiam et angelus incidebat pueri membra in modicis
pai*tibus (V. 39). cum autem accessisset senex (V. 48, aber schon
34 vorweg genommen), ut acciperet sanctam communionem,
data est ipsi solo (fehlt dem Gedicht) caro sanguine cruentata.
quod cum vidisset, pertimuit et clamavit, dicens: ,credo, Do-
mine, quia panis, qui in altari ponitur, corpus tuum est et calix
tuus est sanguis/ et statim facta est pars illa in manu ejus
panis (V. 55) secundum mysterium, et sumpsit illud in ore,
gratias agens Deo. Die Reflexion der beiden anderen Mönche
Sfcndien lu OeMhiehte der ftltdevtsehen Predigft. 113
über das Wunder wird in der Bearbeitung weggelassen und
nur der Schlußsatz aufgenommen^ dabei jedoch von dem Be-
kehrten ausgesagt (V. 57 — 60): et egerunt gratias Deo de sene
illoy quia non permisit Dens perire labores suos, et reversi
sunt cum gaudio ad cellas suas. — Es hat also der deutsche
Reimer im allgemeinen seine Vorlage gekürzt, insbesondere
aber die Inszenierung des Wunders in der Kirche vereinfacht,
indem er den Alten allein ohne die anderen Mönche den Gottes-
knaben in der Eucharistie sehen ließ. Möglich, daß diese Än-
derung schon in einem späteren Sammelwerke vorgenommen
wurde, das dem Bearbeiter vorlag: die Berufung auf die Vitae
Patrum könnte darum doch darin gestanden haben, wie das
bei vielen Exempelsammlungen der Fall ist (das Speculum
Exemplorum bringt die Erzählung wörtlich lib. 2, Nr. 184).
Die Vorlage von Nr. 3 steht gleichfalls im ö. Buche der
Vitae Patrum, den Verba seniorum lib. 9, cap. 11 (Migne 73,
911), nur ist sie in diesem Stück so genau übertragen, daß
bloß etliche Worte und Verse angeflickt wurden (4 f. 7. 11 f.
20. 30. 32. 44. 47 f. 52), wie man sich durch Vergleich über-
zeugen kann: ad quemdam solitarium venit presbyter cujus-
dam basilicae, ut consecraret ei oblationem ad communicandum.
veniens autem quidam ad illum solitarium, accusavit apud ipsum
eundem presbyternm. qui cum ex consuetudine iterum venisset
ad eum, ut consecraret oblationem, scandalizatus ille solitarius
non aperuit ei. presbyter autem hoc viso discessit. et ecce, vox
facta est ad solitarium, dicens: ,tulerunt sibi homines Judicium
meum^ (das wird 25 f. ungeschickt wiedergegeben durch : sie
sprach: die Hute min geriht für mich üf erden wollen sliht).
et factus est velnt in excessu mentis, et videbat quasi puteum
aureum et situlam auream et funem aureum (V. 32: daz seil
was Mter sam ein glas] wenn das nicht bloß geflickt oder
dem Reime zu lieb so gestaltet ist, könnte es aus vitreum über-
setzt sein) et aquam bonam valde. videbat autem et quemdam
leprosum haurientem et refundentem in vase (136: in einez vaz?
vielleicht: ein in daz vaz) et cupiebat bibere, et non poterat
propter quod leprosus esset ille, qui hauriebat. et ecce iterum
vox ad eum, dicens: ,cur non bibis ex aqua hac? quam cau-
sam habet, qui implet? implet enim solummodo et effundit in
vase.' in se autem reversns solitarius, et considerans virtutem
9its«Bpb«r. d. phU^Ust. Gl. CXLVII. Bd. 6. Abb. 8
114 ▼. AbhaBdlniiff: SdiAnbaeb.
visioniS; vocavit presbjtemmy et fecit enm sicut et prias sancti-
ficare sibi oblationem. Anf diese Geschichte bezieht sich deut-
lich Petms Damiani im Liber qni dicitnr Qratissimns, cap. 13
(Migne 145, 116D): ministri siqaidem snnt diversi^ sed onum
est ntique, qiiod praebetar. bonas plane est anctor munerum,
et quod dat, nullas contrahit maculas ex obseqaio ministroram.
pura fluit yena, et snperfluo leprosa manus propinantis atten-
ditur, abi clarnm atque perspicuam est, quod haoritnr (auf-
fallend V. 47 f. : ez ist lüter und gestmt^ reine gar ist auch tin
grunty was in den Vitae Patrum fehlt).
Eine Vorlage in erzählender Gestalt vermag ich fiir Nr. 1
nicht namhaft zu machen^ wohl aber den zugrunde liegenden
Vergleich, der sich mühelos zu der Geschichte ausbauen ließ.
Derselbe Liber Gratissimus des Petrus Damiani^ der im Zu-
sammenhange der politischen Kämpfe des 11. Jahrhunderts die
Gültigkeit der Priesterweihe durch simonistische Bischöfe dartut
(von dort her holt auch Ekbert von Schönau im 10. Sermo
seine Polemik), enthält in dem voraufgehenden Kapitel (Migne
145, 116) die Gedanken, welche das deutsche Gedicht vor-
trägt: si enim visibilis solis hujus radius nullas caliginosae
cujuslibet scrobis tenebras patitur, nuUis cloacarum sordibus
inquinatur, quid mirum, si summus et incircumscriptus Spiritus
tenebrosa vel sordida quorundam pectora suo splendore per-
stringat, ipse tamen nibilominus in munditia sua et puritate
permaneat? cujuscunque ergo criminis reus exstiterit ille^ ni-
mirum sive superbus, sive luxuriosus, sive homicida, sive etiam
Simoniacus, ipse quidem poUutus est et letali procul dubio
lepra perfusus; sed donum Dei, quod per illum transit, nullius
labe poUuitur, nullius contagione foedatur. purum namque es^
quod per illum fluit, mundum et liquidum ad terram fertilem
transit. sancta namque Ecclesia hortus deliciarum et spiritualis
est paradisus, charismatum videlicet supernorum fluentis irriguus.
ponamus ergo, ut mali sacerdotes quodanmiodo lapidei sint
canales: in lapideis autem canalibus aqua nil germinat, donec
per eos decurrens in fecundas se areolas fimdat. licet enim
plures reprobos sacerdotes seriatim temporum vices attulerint,
videlicet ut et consecrantes et consecrati aeque reperiantur in-
digni, fons tamen ille vivus non restringitur, quominus usque
ad finem saeculi per nemus Ek^clesiae profluat, ut non solus
Studien sar Oteehichte der altdentMheo Predigt. 1 15
ille sacerdotalis ordo^ sed et omnes in Christo renati salutis
snae poculam hauriant. Die deutsche Erzählung ist äußerst
dürftig, sie bewegt sich kümmerlich in einer kleinen Auswahl
von Reimen und Flickversen (ein arges Beispiel 1, 35 f. 3, 4:^!,),
ist aber lehrreich , da es gewiß die Waldenser des 14. Jahr-
hunderts sind, gegen die es sich wendet. Noch bemerke ich,
daß die Ansicht (V. 87 — 90), es wohne der Messe die heilige
Dreifaltigkeit mit den Engeln bei (sie geht auf berühmte Worte
Qregor des Großen zurück, vgl. A. Franz, Die Messe im deut-
schen Mittelalter, S. 4 f.), durch Berthold von Regensburg eifrig
vertreten und dadurch auch populär wurde. —
Nach diesem Exkurse mögen nun die anderen Mittei-
lungen Bertholds über das Verhältnis der Ketzer zum katho-
lischen Priestertum rascher erledigt werden. Vornehmlich die
Waldenser erklären, den Priestern der katholischen Kirche
dürfe nicht gehorcht werden, darüber sind alle alten Nach-
richten einig; Berthold sucht diesen Satz ausführlich zu wider-
legen 8, 12£P. (zu dem Vergleich mit den weltlichen Obrigkeiten
Aknus, lib. 2, cap. 4 bei Migne 210, 382), dann 48, 22. ö9, 9.
81, 27 ff. Wenn die Waldenser behaupten, nur guten Priestern
dürfe man gehorchen (Alanus, lib. 2, cap. 5 bei Migne 210, 383),
so bestreitet das Berthold lebhaft 54, 1 1 ff. Die Ketzer meinen,
nicht der Priester absolviere, sondern Gott 54, 30, hingegen die
Ejitholiken, Gott und der Priester 54, 33, darum sei Gehorsam
besonders bei der Beicht nötig. Die Häretiker verleumden die
katholische Kirche und ihre Priester 11, 15. 21, 15. 25, ihre
Gelehrten 19, 15 und besonders die Pfarrer 19, 19, dadurch be-
wirken sie oftmals den Abfall vom Glauben. Berthold ver-
teidigt die Priester eifrig wider diese Angriffe 19, 21. 21, 25.
27, 13. 33, 6. 74, 21 ; er spricht sich für die Autorität des
Priestertums aus 53, 1 ff., wobei es auf die sittlichen Qualitäten
der Person nicht ankommt 53, 12; die vorhandenen Ubelstände
im Klerus gibt er allenthalben zu, rügt doch gerade er sie
anderwärts häufig und auf das schärfste. Die Ketzer sagen,
dem Papste dürfe nicht gehorcht werden 9, 16; Rom sei nicht
das Oberhaupt der Kirche 77,2 (vgl. Ermengaudus, Contra
Waldenses, besonders die Abschnitte 1 — 3. 6 in der Bibl. max.
Patr. 24, 1586 ff.; auch bei David von Augsburg, dem Passauer
Anonymus u. a. stehen diese Sätze begreiflicherweise an der
8»
116 V. AbhMidiauflr: Sehdnbacli.
Spitze). Darum weigern sie sich dem geistlichen Gerichte
4, 24 und machen besonders gültig , Verbrecher dürften nicht
getötet werden 5, 1. 76, 37 (vgl. Alanus, lib. 2, cap. 20—23 bei
Migne 210, 394 ff.). Es bedarf eigentlich der Belege für diese
allbekannten Sätze der Katharer und Waldenser (diese sind
dabei durch jene beeinflußt worden) ebenso wenig als bei fol-
genden: sie leugnen das Fegefeuer 5, 6 Anm. 14, 13. 16, 11.
47,33. 59^ 2. 76,36; daher nützen die suffrctgia den Toten nichts
5, 7. 47, 34: , Almosen und Opferkerze reichen nicht ins Fege-
feuer' 5, 27. Die Heiligen braucht man weder zu ehren noch
anzurufen 4, 13. 47, 34. 59, 1 ; ihrethalben sind Fasten und Feste
unnötig 47, 36 (wohl auch Lichter, die man ihnen anzündet
5, 27). Darum wollen die Ketzer auch Maria nicht ehren 47, 35
noch anrufen 58, 24; sie (was sich aber zunächst auf die Ka-
tharer bezieht) erkennen die jungfräuliche Geburt Christi nicht
an 24, 2. 25, 1.9 Anm. 37, 28 Anm. Merkwürdig ist, daß sich
Ketzer auf dem Scheiterhaufen bisweilen zu Maria bekennen
16, 4; welche das waren, wüßte ich nicht auszumachen und
dächte dabei höchstens an Waldenser in sehr frühen Stadien
ihrer Entwicklung. Freilich ist Berthold gegenüber solchen An-
wandlungen der Häretiker voll Mißtrauen.
Ausdrücklich gesteht er zu, daß die Ketzer durch ihr
Verhalten oft den besten Eindruck hervorbringen, sie scheinen
gut und weise, von Unerfahrenen werden sie als Heilige an-
gesehen, aber ihre Tugenden trügen und dürfen nicht für sie
einnehmen 9, 28 Anm. 12, 30. 19, 10. 20, 17. Die ernste Lebens-
führung der Waldenser wird auch von den älteren katholischen
Berichterstattern ziemlich allgemein zugegeben (z. B. David
von Augsburg, S. 206. 212; Passauer Anonymus in der Bibl.
max. Patr. 2729 H. und die Stellen bei Müller 99. 123). Sie
wird auch von den Ketzern mit Vorliebe zur Schau getragen,
um die Unkundigen, besonders Laien und Frauen, zu berücken.
Deshalb sprechen sie gern gute Worte, süße Gebete die jedoch
wie Gift wirken 11, 21, ausführlich 18, 25 ff. 21, 12. 66, 8. 77, 14.
81^ 26, zeigen sich enthaltsam und barmherzig 13, 1. Dabei
verfahren sie zweideutig 32,5, betrügen 22, 14. 20, wirken durch
Lüge und Heuchelei 32, 36. 58, 21, werden allerdings auch
selbst betrogen 63, 30 (vgl. David von Augsburg, S. 215). Die
Ketzer glauben in der Tat Teile des christlichen Glaubens
Stndieu sur Geschiclito der »Itdeaftscben Predigt. 117
14, 13. 22 ff. 37. (besonders Frauen) 16, 5. 10. 16; wer aber
aaeh nur in einem Pankte nicbt den rechten Glauben hat, ist
ein Ketzer und sündigt, so oft er dem Glauben widerspricht
17, 3ö. 80, 2. Oft täuschen die Ketzer durch ihre Teilnahme
an frommen Werken 13, 32, geben sich ganz fUr Katholiken
aus 17, 11, was nur Dämonen tun, nicht Juden und Heiden
17, 15; sogar während sie verbrannt werden, beten sie katho-
lisch und verlangen nach der letzten Wegzehrung 16, 2, doch
beten sie den Teufel an 31, 20. Während man diese letzte
Angabe wird auf die Katharer ziehen dürfen (vgl. David von
Augsburg, cap. 11, S. 211), stimmen die vorangehenden Mit-
teilungen zu den Klagen katholischer Berichterstatter über die
Heuchelei der Waldenser (z. B. David, S. 204 ff. 209. 212 u. o.),
obzwar schon Ekbert von Schönau (Migne 195, 90 A) die Teil-
nahme der Katharer an der Osterkommunion tadelt. Mancher
von diesen Vorwürfen wider die Waldenser erklärt sich aller-
dings dadurch, daß sie noch längere Zeit alles Ernstes an ka-
tholischen Sakramenten und Einrichtungen festhielten, ja das
Altarssakrament von katholischen Priestern lieber empfingen,
als daß sie in Ermanglung ihrer eigenen Geistlichen ganz
darauf verzichtet hätten (Müller, S. 93 ff. 108 ff.). Die Wal-
denser berufen sich auch in einer für Laien auffälligen Weise
auf die alten Kirchenlehrer 11, 11 (damit stimmt genau überein
David von Augsburg S. 209). Bezeichnend für die Waldenser
ist der evangelische Ausdruck, daß es nur ,zwei Wege^ nach
dem Tode fUr die Seelen gebe 5, 10. 11, 29, was mit der Ab-
leugnung des Fegefeuers zusammenfallt, vgl. Bemard von
Fontecaud cap. 10 (Bibl. max. Patr. 24, 1599 f.); Passauer
Anonymus cap. 5 (Bibl. max. Patr. 25, 266 D); Müller, S. 99.
112 Anm. ; später Petrus von Pilichsdorf cap. 21 (Bibl. max.
Patr. 25, 287 f.). Natürlich sind die katholischen Polemiker
mit der waldensischen Auslegung der Matthäusstelle von den
zwei Wegen gar nicht einverstanden, auch BerthoM nicht,
der wohl deshalb mehrmals in deutschen Stücken (Nr. V. XII.
vgl. LI) andere Auslegungen der ,zwei Wege' vorgenommen hat.
Recht lehrreich ist eine größere Stelle 43, 18 ff., in der
Berthold sich mit den Ketzern über die Interpretation von
Job. 1, 1 ff. auseinandersetzt; trotzdem dieser Passus des Evan-
geliums Johannis schon fftr die Katharer von größter Wichtig-
116
../
Spitze). Darum ^ «ach den Waldensern bc-
4,24 und macl • ;../h)paganda, erzählt Bertbold
getötet werden «-^ ier beiligen Schrift, um sie flir
Migne 210, *^' . ^ (Lukas von Tuy warnt davor,
allbekaDDte) C^^ ^^^ Kirchenväter zu benutzen, weil
dabei dur^ ., '^geren mit tendenziöser Absicht ftüschen,
genden: ^ -^^ßibl max. Patr. 25, 247 f.). Dabei zitieren
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^' ^' ' "^^ 21, 18 f. (vgl. MüUer, S. 77 ff.). Eine
feue ^'V'^ ifi« die Waldenser — denn um diese handelt
an- ^vV ^^^ Joann. 1, 1 verstehen, liefert Berthold 43, 18 ff.,
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J^^^^'cIl und sinnlich fassen und infolgedessen mißver-
/^ Sa besitzen auch gar keine Kenntnis der lateinischen
^\0$uk nnd Berthold setzt ihnen mit großer Qenugtaong
\g^def, daß ein Schüler, der nur zwei Jahre gelernt hat,
Z^Stdle besser auslege als sie. Aus der späten Polemik
-^is von Pilichsdorf, cap. 19 (Bibl. max. Patr. 25, 283 D)
tgfuen wir, daß Joann. 1, 4 erat gleichfalls von den Waidensem
jg^ I^iteralsinne des Präteritums aufgefaßt wurde, nicht als ein
allgemeiner Ausdruck für das Sein in der Zeit überhaupt
(Q%M anders lauten die Deutungen der Katharer, vgl. das
Beispiel von Joann. 1, 3 in der Schrift Supra Stella des Salva
Burce bei DöUinger 2, 59.)
Wichtiger vielleicht noch als diese Erörterungen sind
einige Notizen Bertholds, die ihnen vorangehen. Daraus (43, 15)
erfahren wir zunächst^ daß dieser E^ingang des Johanneaevan-
geliums bei den deutschen Katharem (nach in princifio)
schlechtweg das anegenge hieß. Femer weiß der Ketzer, den Bert-
hold fragt, von fünf Evangelien. Da es in diesem Zusammen-
hange höchst unwahrscheinlich ist, daß darunter das Stück aus
den Kreisen der Katharer verstanden wird, welches DöUinger
2, 85 — 92 hat drucken lassen (Joannis et Apostoli et Evangelistae
Interrogatio in coena sancta regni coelorum de ordinatione
mundi, et de Principe et de Adam — als Johannesbrief angeführt
bei DöUinger 2, 707), so weiß ich nichts anderes anzuführen
als das Evangelium aeternum des Abtes Joachim von Floris,
d. h. nach dem Sprachgebrauche des Franziskaners Gerard
von Borge S. Donnino in seinem Introductorius die drei Haupt-
Studien sar Geaohiehte der »lid«atsoben Predigt. 119
CS Abtes Joachim (vgl. Deniile im Archiv für Literatar-
chengeschichte des Mittelalters 1, 49 — 142^ besonders
a.; DöUinger 2, 527—585). Noch bemerke ich, daß die Pe-
icn der Eirchengeschichte^ die Berthold, S. 75 f. (aus dem
v«,asticanas de Dominicis) aufstellt, einige Ähnlichkeit mit den
sieben Haiu$ ecdeHae haben, die Frater Johannes Petrus Olivi
(1247 — 1298) in seiner Postilla super Apocaljpsi angenommen hat.
Unter den drei Titeln von Eetzerschriften, welche Berthold
dem Waldenser abfragt, befindet sich einer: triginta gradus
Augustiniy den wir schon aus David von Augsburg (cap. 17,
S. 215) kennen, wo es darüber heißt: finxerunt etiam quosdam
rithmos (also wohl ein Gedicht in dreißig Strophen), quos vocant
triginta gradus s. Augustini, in quibus docent quasi virtutes
sectari et vitia detestari, et callide inserunt ibi ritus suos et
hereses, ut melius alliciant ad ea discenda et fortius inculcent
ea memoriter; sicut nos laycis proponimus symbolum, orationem
dominicam et alia pulchra hujusmodi causa confinxerunt car-
mina. Das war also ein Gedicht, bestimmt, auswendig gelernt
zu werden, dieselbe Weise, durch welche ungelehrte Waldenser
sich den Inhalt der heiligen Schrift aneigneten, soweit sie seiner
bedurften. Neu ist der Titel einer Eetzerschrift b'chBalmS,
wie die Preiburger Handschrift überliefert. Nach dem Ge-
brauche des Schreibers könnte dieses Abkürzungszeichen auf-
gelöst werden in ur oder (häufiger) er: bttrehialmen oder berch-
mahnen. Ich zweifle nicht, daß man sich ftir die zweite Mög-
lichkeit wird entscheiden müssen. Freilich kann ich das Wort
(vor Sche£fel) nicht belegen und vermute nur, daß es, wie die
^Stufen des heil. Augustinus' ein Gedicht gewesen sein wird;
vielleicht ist berch auf den Aufenthalts- oder Versammlungsort
der verfolgten Häretiker zu beziehen. Eeinesfalls wird man
anter diesen ,Bergp8aImen' Stücke des Davidischen Psalters
verstehen dürfen, denen etwa von den Waldensern dieser
Sondemame beigelegt worden wäre, denn dies hier muß ein
Werklein für sich gewesen sein. — Noch erwähnt der Wal-
denser eine dritte Schrift, die er auswendig kann, m'at. Das
kann nur merdt = meratum heißen: ,das letzte Abendmahl'
des Herrn, ein Wort, das bei den deutschen Predigern der
älteren Zeit nicht selten vorkommt (vgl. Schmeller, Bayr. Wtb.
1, 1645). Der Inhalt wird durch den Titel ungeftlhr bezeichnet.
118 '^' AbbaBdlnoft 8oliftnb»eb.
keit war (vgl. oben S. 94), ist er auch den Waldenscm be-
deutend gewesen. Bei ihrer Propaganda, erzählt Berthold
21, 4 ff., stehlen sie Codices der heiligen Schrift, um sie für
ihre Zwecke zu gebrauchen (Lukas von Tuj warnt davor^
andere als alte Handschriften der Kirchenväter zu benutzen, weil
die Waldenser die neueren mit tendenziöser Absicht ftüschen,
lib. 3, cap. 17 in der Bibl. max. Patr. 25, 247 f.). Dabei zitieren
sie mit besonderer Vorliebe die Briefe Pauli und den Eingang
des Johannesevangeliums 21, 18 f. (vgl. MttUer, S. 77 ff.). Eine
Probe davon, wie die Waldenser — denn um diese handelt
es sich hier — Joann. 1, 1 verstehen, liefert Berthold 43, 18 ff.,
und es zeigt sich, daß die Ketzer die Worte dieses Verses
ganz äußerlich und sinnlich fassen und infolgedessen mißver-
stehen. Sie besitzen auch gar keine Kenntnis der lateinischen
Grammatik und Berthold setzt ihnen mit großer Genugtuung
auseinander, daß ein Schüler, der nur zwei Jahre gelernt hat,
diese Stelle besser auslege als sie. Aus der späten Polemik
Peters von Pilichsdorf , cap. 19 (Bibl. max. Patr. 25, 283 D)
lernen wir, daß Joann. 1, 4 erat gleichfalls von den Waidensem
im Literalsinne des Präteritums aufgefaßt wurde, nicht als ein
allgemeiner Ausdruck für das Sein in der Zeit überhaupt
(Ganz anders lauten die Deutungen der Katharer, vgl. das
Beispiel von Joann. 1, 3 in der Schrift Supra Stella des Salva
Burce bei DöUinger 2, 59.)
Wichtiger vielleicht noch als diese Erörterungen sind
einige Notizen Bertholds, die ihnen vorangehen. Daraus (43, 15)
erfahren wir zunächst, daß dieser Eingang des Johannesevan-
geliums bei den deutschen Katharern (nach in pHncipio)
schlechtweg das anegenge hieß. Ferner weiß der Ketzer, den Bert-
hold fragt, von ftinf Evangelien. Da es in diesem Zusammen-
hange höchst unwahrscheinlich ist, daß darunter das Stück aus
den Kreisen der Katharer verstanden wird, welches DöUinger
2, 85 — 92 hat drucken lassen (Joannis et Apostoli et Evangelistae
Interrogatio in coena sancta regni coelorum de ordinatione
mundi, et de Principe et de Adam — als Johannesbrief angefUhrt
bei DöUinger 2, 707), so weiß ich nichts anderes anzuftihren
als das Evangelium aeternum des Abtes Joachim von Floris,
d. h. nach dem Sprachgebrauche des Franziskaners Gerard
von Borge S. Donnino in seinem Introductorius die drei Haupt-
Stodieo sar Geschichte der »Itdeateoben Fredigt. 119
Schriften des Abtes Joachim (vgl. Denifle im Archiv für Literatur-
and Kirchengeschichte des Mittelalters 1, 49 — 142 , besonders
S. 57 ff.; DöUinger 2, 527—585). Noch bemerke ich, daß die Pe-
rioden der Eirchengeschichte^ die Berthold, S. 75 f. (aus dem
Rusticanus de Dominicis) aufstellt^ einige Ähnlichkeit mit den
sieben Status eecleHae haben, die Frater Johannes Petrus Olivi
(1247 — 1298) in seiner Postilla super Apocaljpsi angenommen hat.
Unter den drei Titeln von Ketzerschriften, welche Berthold
dem Waldenser abfragt, befindet sich einer: triginta gradus
AugtMtini, den wir schon aus David von Augsburg (cap. 17,
S. 215) kennen, wo es darüber heißt: finxerunt etiam quosdam
rithmos (also wohl ein Gedicht in dreißig Strophen), quos vocant
triginta gradus s. Augustini, in quibus docent quasi virtutes
sectari et vitia detestari, et callide inserunt ibi ritus suos et
hereses, ut melius alliciant ad ea discenda et fortius inculcent
ea memoriter; sicut nos lajcis proponimus symbolum, orationem
dominicam et alia pulchra hujusmodi causa confinxerunt car-
mina. Das war also ein Gedicht, bestimmt, auswendig gelernt
zu werden, dieselbe Weise, durch welche ungelehrte Waldenser
sich den Inhalt der heiligen Schrift aneigneten, soweit sie seiner
bedurften. Neu ist der Titel einer Ketzerschrift h'chsalmS^
wie die Freiburger Handschrift überliefert. Nach dem Ge-
brauche des Schreibers könnte dieses Abkürzungszeichen auf-
gelöst werden in ur oder (häufiger) er: bttrehsalmen oder berch-
sahnen. Ich zweifle nicht, daß man sich fbr die zweite Mög-
lichkeit wird entscheiden müssen. Freilich kann ich das Wort
(vor Scheffel) nicht belegen und vermute nur, daß es, wie die
,Stufen des heil. Augustinus' ein Gedicht gewesen sein wird;
vielleicht ist berch auf den Aufenthalts- oder Versammlungsort
der verfolgten Häretiker zu beziehen. Keinesfalls wird man
anter diesen ,BergpsaImen' Stücke des Davidischen Psalters
verstehen dürfen, denen etwa von den Waldensern dieser
Sondemame beigelegt worden wäre, denn dies hier muß ein
Werklein für sich gewesen sein. — Noch erwähnt der Wal-
denser eine dritte Schrift, die er auswendig kann, m'at. Das
kann nur merdt = meratum heißen: ,das letzte Abendmahl'
des Herrn, ein Wort, das bei den deutschen Predigern der
älteren Zeit nicht selten vorkommt (vgl. Schmeller, Bayr. Wtb.
1, 1645). Der Inhalt wird durch den Titel ungefähr bezeichnet,
118 V' Abhaadliinf : Sobftnbaeb.
keit war (vgl. oben S. 94) , ist er auch den Waldensern be-
deutend gewesen. Bei ihrer Propaganda, erzählt Berthold
21, 4 ff., stehlen sie Codices der heiligen Schrift, um sie ftir
ihre Zwecke zu gebrauchen (Lukas von Tuy warnt davor,
andere als alte Handschriften der Kirchenväter zu benutzen, weil
die Waldenser die neueren mit tendenziöser Absicht fälschen,
lib. 3, cap. 17 in der Bibl. max. Patr. 25, 247 f.). Dabei zitieren
sie mit besonderer Vorliebe die Briefe Pauli und den Eingang
des Johannesevangeliums 21, 18 f. (vgl. Müller, S. 77 ff.). 'Eine
Probe davon, wie die Waldenser — denn um diese handelt
es sich hier — Joann. 1, 1 verstehen, liefert Berthold 43, 18 ff.,
und es zeigt sich, daß die Ketzer die Worte dieses Verses
ganz äußerlich und sinnlich fassen und infolgedessen mißver-
stehen. Sie besitzen auch gar keine Kenntnis der lateinischen
Grammatik und Berthold setzt ihnen mit großer Genugtuung
auseinander, daß ein Schüler, der nur zwei Jahre gelernt hat,
diese Stelle besser auslege als sie. Aus der späten Polemik
Peters von Pilichsdorf, cap. 19 (Bibl. max. Patr. 25, 283 D)
lernen wir, daß Joann. 1,4 erat gleichfalls von den Waidensem
im Literalsinne des Präteritums aufgefaßt wurde, nicht als ein
allgemeiner Ausdruck ftlr das Sein in der Zeit überhaupt.
(Ganz anders lauten die Deutungen der Katharer, vgl. das
Beispiel von Joann. 1, 3 in der Schrift Supra Stella des Salva
Burce bei DöUinger 2, 59.)
Wichtiger vielleicht noch als diese Erörterungen sind
einige Notizen Bertholds, die ihnen vorangehen. Daraus (43, 15)
erfahren wir zunächst^ daß dieser Eingang des Johannesevan-
geliums bei den deutschen Katharern (nach in princtpio)
schlechtweg das anegenge hieß. Ferner weiß der Ketzer, den Bert-
hold fragt, von ftlnf Evangelien. Da es in diesem Zusammen-
hange höchst unwahrscheinlich ist, daß darunter das Stück aus
den Kreisen der Katharer verstanden wird, welches Döllinger
2, 85 — 92 hat drucken lassen (Joannis et Apostoli et Evangelistae
Interrogatio in coena sancta regni coelorum de ordinatione
mundi, et de Principe et de Adam — als Johannesbrief angeführt
bei DöUinger 2, 707), so weiß ich nichts anderes anzuftlhren
als das Evangelium aeternum des Abtes Joachim von Floris,
d. h. nach dem Sprachgebrauche des Franziskaners Gerard
von Borge S. Donnino in seinem Introductorius die drei Haupt-
Stadien sar Owehichte der altdentsoben Fredigt. 119
Schriften des Abtes Joachim (vgl. Denifle im Archiv für Literatur-
und Kirchengeschichte des Mittelalters 1, 49 — 142^ besonders
S. 57 ff.; DöUinger 2, 527—585). Noch bemerke ich, daß die Pe-
rioden der Eirchengeschichte^ die Berthold. S. 75 f. (aus dem
Rusticanus de Dominicis) aufstellt^ einige Ähnlichkeit mit den
sieben tiatus ecclesiae haben, die Frater Johannes Petrus Olivi
(1247 — 1298) in seiner Postilla super Apocaljpsi angenommen hat.
Unter den drei Titeln von Ketzerschriften, welche Berthold
dem Waldenser abfragt, befindet sich einer: triginta gradus
Augu$tin%y den wir schon aus David von Augsburg (cap. 17,
S. 215) kennen, wo es darüber heißt: finxerunt etiam quosdam
rithmos (also wohl ein Gedicht in dreißig Strophen), quos vocant
triginta gradus s. Augnstini, in quibus docent quasi virtutes
sectari et vitia detestari, et callide inserunt ibi ritus suos et
hereses, ut melius alliciant ad ea discenda et fortius inculcent
ea memoriter; sicut nos laycis proponimus sjmbolum, orationem
dominicam et alia pulchra hujusmodi causa confinxerunt car-
mina. Das war also ein Gedicht, bestimmt, auswendig gelernt
zu werden, dieselbe Weise, durch welche ungelehrte Waldenser
sich den Inhalt der heiligen Schrift aneigneten, soweit sie seiner
bedurften. Neu ist der Titel einer Ketzerschrift VchsalmB^
wie die Preiburger Handschrift überliefert. Nach dem Ge-
brauche des Schreibers könnte dieses Abkürzungszeichen auf-
gelöst werden in ur oder (häufiger) er: hurchBalmen oder berch-
malmen. Ich zweifle nicht, daß man sich ftir die zweite Mög-
lichkeit wird entscheiden müssen. Freilich kann ich das Wort
(vor Scheffel) nicht belegen und vermute nur, daß es, wie die
,Stufen des heil. Augustinus' ein Gedicht gewesen sein wird;
vielleicht ist berch auf den Aufenthalts- oder Versammlungsort
der verfolgten Häretiker zu beziehen. Keinesfalls wird man
anter diesen ,Bergpsalmen' Stücke des Davidischen Psalters
verstehen dürfen, denen etwa von den Waldensern dieser
Sondemame beigelegt worden wäre, denn dies hier muß ein
Werklein ftir sich gewesen sein. — Noch erwähnt der Wal-
denser eine dritte Schrift, die er auswendig kann, m'at. Das
kann nur merät = meratum heißen: ,das letzte Abendmahl'
des Herrn, ein Wort, das bei den deutschen Predigern der
alteren Zeit nicht selten vorkommt (vgl. Schmeller, Bayr. Wtb.
1, 1645). Der Inhalt wird durch den Titel ungeftlhr bezeichnet,
118 y. Abhandlung; SehÖnbacb.
keit war (vgl. oben S. 94) , ist er auch den Waldenscrn be-
deatend gewesen. Bei ihrer Propaganda, erzählt Berthold
21, 4 ff., stehlen sie Codices der heiligen Schrift, nm sie fbr
ihre Zwecke za gebrauchen (Lukas von Tnj warnt davor,
andere als alte Handschriften der Kirchenväter zu benatzen, weil
die Waldenser die neueren mit tendenziöser Absicht fälschen,
lib. 3, cap. 17 in der Bibl. max. Patr. 25, 247 f.). Dabei zitieren
sie mit besonderer Vorliebe die Briefe Pauli und den Eingang
des Johannesevangeliums 21, 18 f. (vgl. MttUer, S. 77 ff.). Eäne
Probe davon, wie die Waldenser — denn um diese handelt
es sich hier — Joann. 1, 1 verstehen, liefert Berthold 43, 18 ff.,
und es zeigt sich, daß die Ketzer die Worte dieses Verses
ganz äußerlich und sinnlich fassen und infolgedessen mißver-
stehen. Sie besitzen auch gar keine Kenntnis der lateinischen
Grammatik und Berthold setzt ihnen mit großer Genugtuung
auseinander, daß ein Schüler, der nur zwei Jahre gelernt hat,
diese Stelle besser auslege als sie. Aus der späten Polemik
Peters von Pilichsdorf, cap. 19 (Bibl. max. Patr. 25, 283 D)
lernen wir, daß Joann. 1, 4 erat gleichfalls von den Waidensem
im Literalsinne des Präteritums aufgefaßt wurde, nicht als ein
allgemeiner Ausdruck für das Sein in der Zeit überhaupt
(Ganz anders lauten die Deutungen der Katharer, vgl. das
Beispiel von Joann. 1, 3 in der Schrift Supra Stella des Salva
Burce bei DoUinger 2, 59.)
Wichtiger vielleicht noch als diese Erörterungen sind
einige Notizen Bertholds, die ihnen vorangehen. Daraus (43, 15)
erfahren wir zunächst, daß dieser Eingang des Johannesevan-
geliums bei den deutschen Katharern (nach in prindpio)
schlechtweg das anegenge hieß. Ferner weiß der Ketzer, den Bert-
hold fragt, von fünf Evangelien. Da es in diesem Zusammen-
hange höchst unwahrscheinlich ist, daß darunter das Stück aus
den Kreisen der Katharer verstanden wird, welches Döllinger
2, 85 — 92 hat drucken lassen (Joannis et ApostoK et Evangelistae
Interrogatio in coena sancta regni coelorum de ordinatione
mundi, et de Principe et de Adam — als Johannesbrief angeführt
bei Döllinger 2, 707), so weiß ich nichts anderes anzuführen
als das Evangelium aeternum des Abtes Joachim von Floris,
d. h. nach dem Sprachgebrauche des Franziskaners Gerard
von Borge 8. Donnino in seinem Introductorius die di*ei Haupt-
Stadien sor Geschieht« der altdenteobeD Predigt. 119
Schriften des Abtes Joachim (vgl. Denifle im Archiv für Literatur-
und Kirchengeschichte des Mittelalters 1, 49 — 142, besonders
S. 57 ff.; DöUinger 2, 527--585). Noch bemerke ich, daß die Pe-
rioden der Kirchengeschichte, die Berthold, S. 75 f. (aus dem
Rusticanus de Dominicis) aufstellt, einige Ähnlichkeit mit den
sieben statui eccleaiae haben, die Frater Johannes Petrus Olivi
(1247 — 1298) in seiner Postilla super Apocaljpsi angenommen hat.
Unter den drei Titehi von Ketzerschriften, welche Berthold
dem Waldenser abfragt, befindet sich einer: triginta gradu$
Augtutiniy den wir schon aus David von Augsburg (cap. 17,
S. 215) kennen, wo es darüber heißt: finxerunt etiam quosdam
rithmos (also wohl ein Gedicht in dreißig Strophen), quos vocant
triginta gradus s. Augustini, in quibus docent quasi virtutes
sectari et vitia detestari, et callide insernnt ibi ritus suos et
hereses, ut melius alliciant ad ea discenda et fortius inculcent
ea memoriter; sicut nos laycis proponimus symbolum, orationem
dominicam et alia pulchra hujusmodi causa confinxerunt car-
mina. Das war also ein Gedicht, bestimmt, auswendig gelernt
zu werden, dieselbe Weise, durch welche ungelehrte Waldenser
sich den Inhalt der heiligen Schrift aneigneten, soweit sie seiner
bedurften. Neu ist der Titel einer Ketzerschrift h*chsalmS,
wie die Preiburger Handschrift überliefert. Nach dem Ge-
brauche des Schreibers könnte dieses Abkürzungszeichen auf-
gelöst werden in ur oder (häufiger) er: bvrchsalmen oder berch-
salmen. Ich zweifle nicht, daß man sich ftlr die zweite Mög-
lichkeit wird entscheiden müssen. Freilich kann ich das Wort
(vor Scheffel) nicht belegen und vermute nur, daß es, wie die
,Stufen des heil. Augustinus^ ein Gedicht gewesen sein wird;
vielleicht ist berch auf den Aufenthalts- oder Versammlungsort
der verfolgten Häretiker zu beziehen. Keinesfalls wird man
unter diesen ,Bergpsalmen^ Stücke des Davidischen Psalters
verstehen dürfen, denen etwa von den Waldensern dieser
Sondername beigelegt worden wäre, denn dies hier muß ein
Werklein ftlr sich gewesen sein. — Noch erwähnt der Wal-
denser eine dritte Schrift, die er auswendig kann, m'at. Das
kann nur merät = meratum heißen: ,das letzte Abendmahl'
des Herrn, ein Wort, das bei den deutschen Predigern der
älteren Zeit nicht selten vorkommt (vgl. Schmeller, Bayr. Wtb.
1, 1645). Der Inhalt wird durch den Titel ungeftlhr bezeichnet.
118 ▼• AbhandliiBf : 8eb6nb»eli.
keit war (vgl. oben S. 94) , ist er auch den Waldenscrn be-
deatend gewesen. Bei ihrer Propaganda, erzählt Berthold
21, 4 ff., stehlen sie Codices der heiligen Schrift, nm sie fbr
ihre Zwecke za gebrauchen (Lukas von Tuy warnt davor,
andere als alte Handschriften der Kirchenväter zu benutzen, weil
die Waidenser die neueren mit tendenziöser Absicht ftllschen,
üb. 3, cap. 17 in der Bibl. max. Patr. 25, 247 f.). Dabei zitieren
sie mit besonderer Vorliebe die Briefe Pauli und den Eingang
des Johannesevangeliums 21, 18 f. (vgl. Müller, S. 77 ff.). Eine
Probe davon, wie die Waidenser — denn um diese handelt
es sich hier — Joann. 1, 1 verstehen, liefert Berthold 43, 18 ff.,
und es zeigt sich, daß die Ketzer die Worte dieses Verses
ganz äußerlich und sinnlich fassen und infolgedessen mißver-
stehen. Sie besitzen auch gar keine Kenntnis der lateinischen
Grammatik und Berthold setzt ihnen mit großer Genugtuung
auseinander, daß ein Schüler, der nur zwei Jahre gelernt hat,
diese Stelle besser auslege als sie. Aus der späten Polemik
Peters von Pilichsdorf , cap. 19 (Bibl. max. Patr. 25, 283 D)
lernen wir, daß Joann. 1, 4 erat gleichfalls von den Waidensem
im Literalsinne des Präteritums aufgefaßt wurde, nicht als ein
allgemeiner Ausdruck für das Sein in der Zeit überhaupt.
(Ganz anders lauten die Deutungen der Katharer, vgl. das
Beispiel von Joann. 1, 3 in der Schrift Supra Stella des Salva
Burce bei DöUinger 2, 59.)
Wichtiger vielleicht noch als diese Erörterungen sind
einige Notizen Bertholds, die ihnen vorangehen. Daraus (43, 15)
erfahren wir zunächst^ daß dieser Eingang des Johannesevan-
geliums bei den deutschen Katharern (nach in principio)
schlechtweg das anegenge hieß. Ferner weiß der Ketzer, den Bert-
hold fragt, von fünf Evangelien. Da es in diesem Zusammen-
hange höchst unwahrscheinlich ist, daß darunter das Stück aus
den Kreisen der Katharer verstanden wird, welches DöUinger
2, 85 — 92 hat drucken lassen (Joannis et Apostoli et Evangelistae
Interrogatio in coena sancta regni coelorum de ordinatione
mundi, et de Principe et de Adam — als Johannesbrief angeführt
bei DöUinger 2, 707), so weiß ich nichts anderes anzuführen
als das P>angelium aeternum des Abtes Joachim von Floris,
d. h. nach dem Sprachgebrauche des Franziskaners Gerard
von Borge S. Donnino in seinem Introductorius die drei Haupt-
StndtOD zur Oescbichto der altdenisoben Predigt. 119
Schriften des Abtes Joachim (vgl. Denifle im Archiv für Literatur-
und Kirchengeschichte des Mittelalters 1, 49 — 142^ besonders
S. 57 flF.; DöUinger 2, 527—585). Noch bemerke ich, daß die Pe-
rioden der Eirchengeschichte^ die Berthold, S. 75 f. (aus dem
Rusticanus de Dominicis) aufstellt, einige Ähnlichkeit mit den
sieben Hatus ecclesiae haben, die Frater Johannes Petrus Olivi
(1247 — 1298) in seiner Postilla super Apocaljpsi angenommen hat.
Unter den drei Titeln von Ketzerschriften, welche Berthold
dem Waldenser abfragt, befindet sich einer: triginta gradus
Augustiniy den wir schon aus David von Augsburg (cap. 17,
S. 215) kennen, wo es darüber heißt: finxerunt etiam quosdam
rithmos (also wohl ein Qedicht in dreißig Strophen), quos vocant
triginta gradus s. Augnstini, in quibus docent quasi virtutes
sectari et vitia detestari, et callide inserunt ibi ritus suos et
hereses, ut melius alliciant ad ea discenda et fortius inculcent
ea memoriter; sicut nos lajcis proponimus symbolum, orationem
dominicam et alia pulchra hujusmodi causa confinxerunt car-
mina. Das war also ein Gedicht, bestimmt, auswendig gelernt
zu werden, dieselbe Weise, durch welche ungelehrte Waldenser
sich den Inhalt der heiligen Schrift aneigneten, soweit sie seiner
bedurften. Neu ist der Titel einer Ketzerschrift Vchsalmi,
wie die Freiburger Handschrift überliefert. Nach dem Ge-
brauche des Schreibers könnte dieses Abkürzungszeichen auf-
gelöst werden in ur oder (häufiger) er: hurchsalmen oder herch-
salmen. Ich zweifle nicht, daß man sich ftir die zweite Mög-
lichkeit wird entscheiden müssen. Freilich kann ich das Wort
(vor Scheffel) nicht belegen und vermute nur, daß es, wie die
,Stufen des heil. Augustinus^ ein Gedicht gewesen sein wird;
vielleicht ist berch auf den Aufenthalts- oder Versammlungsort
der verfolgten Häretiker zu beziehen. Keinesfalls wird man
unter diesen ^Bergpsalmen^ Stücke des Davidischen Psalters
verstehen dürfen, denen etwa von den Waldensern dieser
Sondemame beigelegt worden wäre, denn dies hier muß ein
Werklein ftlr sich gewesen sein. — Noch erwähnt der Wal-
denser eine dritte Schrift, die er auswendig kann, m'at Das
kann nur merdt = meratum heißen: ,das letzte Abendmahl^
des Herrn, ein Wort, das bei den deutschen Predigern der
älteren Zeit nicht selten vorkommt (vgl. Schmeller, Bayr. Wtb.
1, 1645). Der Inhalt wird durch den Titel ungeftlhr bezeichnet.
120 ▼• Abbandlang: Scbönbikcb.
vielleicht war es auch ein Gedicht, wie wahrscheinlich beide
andere von Berthold erwähnte Waldenserschriften. — Da selbst
bloße Titel von Ketzerschriften ziemlich rar sind, so notiere
ich bei der Gelegenheit, daß Lnkas von Tuy (f 1249) ein
häretisches Werk Perpendiculum scientiarum nennte das seiner
Angabe nach philosophischen, vielleicht auch naturwissenschaft-
lichen Inhaltes gewesen sein muß. —
Im folgenden verzeichne ich eine Anzahl von Stellen,
an denen Berthold ganz allgemein über die Ketzer und ihre
Art handelt, ohne besondere Merkmale anzugeben. Nur indem
man die bekannte Literatur zu diesen Mitteilungen hält, wird
es möglich, ihnen hie und da historischen Gehalt abzugewinnen.
80, 7 zieht Berthold die Worte des Apostels Paulus im ersten
Timotheusbriefe als eine Beschreibung der modernen Ketzer
in derselben Weise an, wie das Bernard von Clairvaux im
66. Sermo in Cantica (Migne 183, 1094 C) getan hatte. Drei
Arten von Ketzern werden nach ihrem Verhalten zur heil.
Schrift unterschieden 80, 33 ff. vgl. 76, 31 ff. Am meisten finden
sich, und das stimmt mit allen älteren Zeugnissen sowohl über
Katharer (besonders Ekbert von Schönau) als Waldenser, die
Ketzer in den niedrigen Ständen, zuvörderst unter Hand*
werkern: Weber 22, 13. 31, 29. 32, 17. 25. 44, 35; Schuster 22,
14. 24. 31, 29. 44, 35. 45, 21 ; dann Bauern : 32, 17. 34, 27. 43, 14
Anm. 44. 5. 18; Knechte und Mägde 22, 14. Daher ihre Un-
wissenheit, besonders die Unkenntnis von Lesen und Schreiben:
22, 15. 32, 26. 42, 33. 43, 8 ff. 44, 36 ff. Anm. 49, 16. 51, 7.
77, 7 ff. So sind sie darauf angewiesen, auswendig zu lernen
42, 33. Juden und Heiden wissen mehr als sie 42, 30. Trotzdem
lassen sich die Ketzer ,heilige Menschen' nennen 19, 12. 21, 7, und
sind (was alle Quellenschriften bestätigen) stolz auf ihre Heilig-
keit 13, 28. 19, 12. 27, 31. 68, 6. 19 und Anm., sogar auf ihre
Weisheit, die aber Unwissenheit ist 43 Anm. Der Ketzer wird
faulem Holz verglichen, das im Dunklen leuchtet 67, 24 u. Anm.,
oder lichtscheuen Vögeln 67, 28 ff., Kröten und Fröschen (vgl.
Huck a. a. 0. S. 34 Anm.), 58, 7 Krebsen (vgl. Ermengaudus,
Bibl. max. Patr. 24, 1595), Ungeziefer 82, 1; Hunden und Löwen
25, 19 Anm., Katzen 45, 22 Anm., vgl. 80, 12. Man muß sich vor
ihnen hüten 9, 28 Anm., darf sie nicht anhören 66, 4, denn
sie töten die Seele 9, 28. Drei Zeichen gibt es, an denen
Stadien sar GMchichU der »lidentachon Predift. 121
man die Ketzer erkennen kann (wie bei Bernard von Fontecaud,
Alanns, David, dem Passauer Anonymus) 10, 1. 46, 23. 77, 20.
Ihre Propaganda, bei der sie sich verkleiden 21,11, betreiben
sie immer in derselben Weise (vgl. Etienne de Boarbon, S. 310)^
indem sie zuerst durch frommes Reden und Gebahren das
Vertrauen zu erwerben trachten, dann wider den Klerus und
seine bekannten Schwächen mit Personalkenntnis losziehen,
wodurch sie die Anhänglichkeit an die Kirche entwurzeln, be-
sonders die Kostspieligkeit des Kultus, die Habsucht der Geist-
lichen tadeln sie, dann endlich rütteln sie an den Glaubens-
überzeugungen 9, 28 Anm. 21, 3flF. 42, 6flF. 47, 11 ff. 58, 18.
77, 12 ff. Lüge und Prahlen ist aber dabei 9, 28 Anm. Die
Ketzer erzählen erlogene Geschichten, spei, um die Hörer ihrem
Glauben abwendig zu machen, vgl. dazu die höchst lehrreichen
Beispiele aus der Waldenserpraxis bei Lukas von Tuy: die
Erzählung vom Anbeten und 2ierschlagen des Kreuzes (Bibl.
max. Patr. 25) 242 G; von der Kerze beim Marienaltar 243 A;
gegen den Klerus , besonders die Bischöfe 243 G ; das sind
alles direkte Zeugnisse fbr die Macht und Wirkung solcher
Geschichten und werfen ein helles Licht auch auf die Ent-
stehung der katholischen Mirakelpoesie unter dem Einfluß be-
stimmter Tendenzen. Die Ketzer verführen durch ihre Menge
20, 13; sie treten ab schöbet und houfen auf 80, 37. 81, 11, denn
sie vermehren sich jetzt sehr 58, 13; auch die lange Dauer der
Ketzerei wirkt zu ihren Gunsten 20, 20. Die Ketzer blenden
durch falsche Wunder: sie wandeln Wein in Wasser und künden
die Zukunft 19, 34 f.; sie heilen Kranke 19,37. 23, 12; sie lassen
eine Statue reden 19, 39. 20, 7. 23, 12, sie rufen Unwetter bei
der Predigt Bertholds hervor 20, 2 und Anm., zaubern den
Blitz herbei 23, 13; wollen Ketzer im Himmel sehen 20,6; sug-
gerieren Träume 20, 9 und vollbringen noch andere anscheinende
Wundertaten 23, 13; dazu vgl. die sehr instruktiven Berichte
des Lukas von Tuy, Bibl. max. Patr. 25, 244. 247 H über
falsche Wunder der Häretiker. Auch reden die Ketzer fremde
Sprachen, einer gibt sich für Bei-thold aus 20, 2 Anm. und
stellt ihn persönlich dar 23, 8. Andererseits wird aber den
Ketzern (schon seit Bemard von Clairvaux) das gerade Gegen-
teil vorgeworfen, daß sie nämlich keine Wunder tun, keine
Toten erwecken 22, 18. 34, 19. 25.
122 V- AbbandlttDg: SobftDbaeh.
Sehr ungerecht ist der von Berthold und seinen Vor-
gängern so oft erhobene Vorwurf der Heimlichkeit wider die
Ketzer, da doch jeder Versuch, offen aufzutreten, sofort die
schärfste Verfolgung durch die Kirche nach sich gezogen hatte
und Berthold selbst die Anzeigepflicht unaufhörlich einschärft.
Schon au sich ist ihm die Heimlichkeit verdächtig 79^ 24, er
verlangt Heraustreten und Martyrium. Weil ihr Glaube so
schlimm ist, wagen sich die Ketzer nicht hervor 31, 23. 32, 24,
in der Stille mehren sie sich 12, 16 und pflegen ihre Laster
13, 5. Sie lehren nur vor Wenigen 11, 3 und suchen die Ver-
borgenheit 9, 29 Anm. 11. 2, 3. 20. 20, 27. 21, 20. 31, 23.
34, 2 ff. Anm. 66, 9. Besonders trifft das die Waldenser 45, 20.
Der Ketzerglaube scheint Berthold eine Torheit 17, 1. 7.
18, 2 Anm. 21, 35. 32, 18. 41, 38. Es gebricht ihm ganz an
Autorität 17, 1 ff. Manche Leute werden zu Ketzern aus Furcht
vor Verlusten 19, 26. 20, 19. Am schlimmsten sind die Haere*
siarchae = chetzermeister 80, 22. Die Ketzer ändern gern ihre
Ansichten 8, 29. 9, 1. 28 Anm. 32, 26. 32; in verschiedenen
Punkten 32, 33. Als neuer Brauch wird angeführt, daß man
Almosen spendet über den Abendmahlskelch 81, 22, was viel-
leicht überhaupt mit dem Kelch im Altarssakrament zusammen-
hängt, vgl. Müller, S. 116. 117 Anm. Nach außen hin ver-
leugnen die Ketzer ihre Lehre 9, 29 Anm. 32, 4, und zwar
aus Furcht 32, 1 1 (Ketzerkinder im Limbus 7, 1 Anm.). Unter
einander lieben sich die Ketzer zuweilen im Übermaß 63, 11.
Sie sind hartnäckig und im allgemeinen unbekehrbar 13, 28.
21, 30. 22, 38. 58, 12 ff. 67, 15 Anm. 79, 12. Darum werden sie
von Gott durch gewaltsamen Tod bestraft 79, 16. Die Ketzerei
(doctrina anguli 22, 19 schon bei Bernard von CÜairvaux) ist
schlimmer als die schwerste Sünde 13, 24 und Anm., darum
überaus gefährlich 48, 24. Neben dem Ketzer ist der ärgste
Sünder ein Heiliger 22, 38. Ketzer sind schlimmer als Juden
und Heiden 31, 18 ff. 41,39. Die Ketzerei gründet sich auf
Lüge und Meineid 32, 36; jeder Ketzer ist ein Lügner 48, 28.
58, 21. Und doch vermag sich Berthold den Satz abzuringen,
daß es keine Ketzerei gebe, an der nicht etwas Wahres sei
15, 31 und Anm., immerhin ein achtenswertes Zeugnis fbr die
Klarheit seiner Einsicht; vgl. Lukas von Tuy, Üb. 3, cap. 18
(Bibl. max. Patr. 25, 248 D): non est enim aliqua falsa doctrina.
Stadien znr Geecbiohto d«r alftcleiitschen Predigt. 123
quae non praeferat imaginem veritatis, qaia, nisi praeveniat
veritaSy non habet locum falsitas intrandi. In der Praxis spricht
er sich ftir die nachdrückliche Verfolgung der Ketzer aus.
Die Ketzer wollen nicht verraten werden 11, 23 (solcher Verrat
wird nie vergeben, vgl. DöUinger 1, 195), gerade dämm ver-
weist Berthold auf die Pflicht der Anzeige, zunächst beim
Priester 3, 5. 11, 25. 37 ff. und Anm. 22, 21. Die Verbren-
nung der Ketzer scheint ihm eine geeignete Bestrafung 16, 1
und Anm. 33, 1. 66, 11 (Verbrennen und Sieden 34, 21); aber
sie lassen sich lieber verbrennen, als daß sie sich bekehren
79, 12 Anm. Furchtbar ist der Eindruck der Tatsache, daß
Berthold voraussetzt, bei jedem größeren Orte befinde sich ein
besonderer Platz fftr die Verbrennung der Ketzer 16, 1 ff. Anm.
— wie häufig muß demnach diese Art von Hinrichtung ge-
wesen sein!
Wie der Passauer Anonymus u. a. hält auch Berthold
die quaettuariiy Pfennigprediger, für die Verbreiter korrupter
Ansichten, die bis zur Ketzerei führen, und wendet sich des-
halb auch in diesem Betrachte sehr eingehend wider sie 77, 21 ff.
und Anm. Als hartnäckige Halbketzer gelten ihm auch Wahr-
sagerinnen mit ihren Künsten (vgl. Sachsse a. a. O. S. 8) 14, 38.
79, 12. Den Habsüchtigen sagt er das Schlimmste nach, indem
er sie als Ketzer bezeichnet 14, 15. Pariser Kleriker setzt er
hypothetisch als falsche Lehrer an 16, 22, aber wahrscheinlich
wird auf sie nur exemplifiziert wegen des Ansehens ihrer
Lehrwirksamkeit.
Mit großem Eifer polemisiert Berthold wider die Juden.
Daß dies so gern und so häufig im Zusammenhange mit dem
Kampfe gegen die Ketzer geschieht ^ erklärt sich wohl aus
einem besonderen Umstände : auch die Juden waren gedrückt,
mißachtet, verfolgt, sie lebten im Dunkel, in der Zurückge*
zogenheit, in stiller und verbissener Opposition wider die Herr-
schenden. Es ist daher sehr begreiflich, daß sie sich oft in
ähnlicher Lage wie die Ketzer befanden, mit ihnen zusammen-
trafen und genauer verkehrten. Das unverwerfliche Zeugnis
des Lukas von Tuy, üb. 3, cap. 5 (Bibl. max. Patr. 25, 241)
beschuldigt die Juden geradezu, daß sie die Häretiker begün«
stigen und deren Ansichten verbreiten helfen. Daraus erklärt
sich auch, daß verschiedene katholische Schriften wider die
134 V. Abhandlnni;: Bchdabkcli.
Ketzer noch besondere Anhänge (bei Alanns ein ganzes Bach)
gegen die Juden besitzen. Und so streitet auch Berthold leb-
haft gegen sie, die er ^unsere Knechte^ nennt 14,5. Er schilt
auf ihre Habsucht 14, 3. 38, 9. 68, 14. Ihm entgeht nicht die
Uneinigkeit ihrer Lehren 8, 26 Anm., 28, 14, die er hauptsächlich
ihren Rabbinern zuschreibt 28, 18, trotzdem sie allein selig sein
wollen 29, 28. Wenn sie christliche Lehren verwerfen, Christus
einen bösen Menschen heißen 12, 19, so wendet sich Berthold
gegen sie mit Argumenten, die er dem auch sonst von ihm
benutzten Werke des Alanus entlehnt: die Wunder in der
Geschichte der Juden, bevor sie Christum verleugneten 34, 16,
zeugen wider sie. Gegen die jüdische Religion im ganzen
polemisiert Berthold 30, 28 ff., besonders aber bekämpft er die
Auswüchse ihres Aberglaubens, dessen sie sich selbst schämen,
denn sie verbergen ihn vor ihren Frauen und Kindern 29, 13.
In diesen Dingen erweist sich Berthold merkwürdig gut unter-
richtet. Zur Verifikation seiner Angaben bediene ich mich
eines Werkes, das im wesentlichen noch heute in Bezug auf
seine Verwertung des rabbinischen Schriflttums als zuverlässig
gilt, nämlich des ,Entdeckten Judentums^ von Johann Andrea
Eisenmenger. Berthold berichtet folgendes vom jüdischen Aber-
glauben: Adam (nach der Genesis mit Eva 30,36, Eisenm.
1, 370 f.) büßt 130 Jahre 31, 1 = Eisenm. 1, 461 ff. 374. 2,
412 f. Während dieser Zeit zeugt er Dämonen 31, 7 = Eisenm.
2, 412 ff. 422 f. Rabbi Eleazar 31, 9 = Eisenm. 1, 437 ff. be-
hauptet, Adam habe sich mit allen Tieren vermengt 31, 12 =
Eisenm. 1, 372 f. (noverca 31, 8. 40, 13 = Lilith? Eisenm, 2,
413 ff.) Gottes Füße reichen herab bis zur Erde 40, 7 =
Kisenm. 1, 2 ff. Gott weint Tränen , besonders in der Nacht,
ist zoraig und verflucht sich, weil der Tempel zerstört worden
ist 40, 11. 15. 17. 18. 21 = Eisenm. 1, 15 ff. 18 ff. Er spielt mit
dem Leviathan 40, 25 = Eisenm. 1, 5. 25 f., tötet die Gknossin
des Leviathan 40, 29 == Eisenm. 1, 40 f. Er gibt von einem
Fisch zu essen 41, 5 == Eisenm. 1, 399 f. Auf dem Friedhof
muß man leise sprechen, damit es die Toten nicht hören 40,
34 = Eisenm. 1, 884 ff. Die schönen Legenden vom Todes-
engel, den er Malachamath nennt, erwähnt Berthold 4, 18 ff. =
Eisenm. 1, 872 ff. Es erweisen sich demnach die Angaben
Bertholds über rabbinische Extravaganzen als durchaus zu-
Studien bot Geschieht« der ftltdeatsehen Predigt. 125
treffend. Wie er zu dieser Kenntnis gekommen ist, weiß ich
nicht. Lehrschriften darüber wird er schwerlich gehabt haben,
doch mögen in Paris, wo Berthold wahrscheinlich studierte,
Vorlesnngen gehalten worden sein^ ans denen er dann schöpfte;
durchaus möglich wäre es noch, daß er durch Verkehr mit
konvertierten Juden oder auch mit jüdischen Gelehrten selbst
sich dieses Wissen angeeignet hat
Berthold spricht in seinen Glaubenspredigten auch von
Heiden, deren er drei Arten unterscheidet, je nachdem ihre
Qötter über, auf oder unter der Erde wohnen 80, 24. £> ver-
steht unter Heiden 30, 4. 33, 16. 80, 30 S. schlechtweg Griechen
und Römer, deren Religion er aus ihren Mythen bekämpft,
durchaus in derselben Weise, in der Augustinus, De civitate
Dei, fbr das ganze Mittelalter vorbildlich war. Die Verschieden-
heit ihres Glaubens berührt er 8, 26 Anm., trotzdem wollen
sie allein selig werden; sie vollbringen keine Wunder 34,14.
Mögen schon die letzten Sätze unter den Heiden Mohammedaner
meinen, so ist das ausdrücklich an anderen Stellen der Fall
(das vierte Buch des Alanus wird dabei benutzt): der Sara-
zenenglaube wird 35, 29 ff. und Anm. bestritten^ was die
Mohammedaner über Christus sagen 12, 20, die Lüge Moham-
meds 48, 28. Auch Heiden und Juden glauben einzelnes Wahre
16, 6, sie haben den Vorzug, daß sie nicht wie die Ketzer den
Christenglauben heucheln 17, 15, was freilich damit zusammen-
hängt, daß sie im Mittelalter sich zu ihrer Religion meist offen
und ohne Verfolgung bekennen durften. Einigemale (22, 21.
36, 22. 68, 11) weist Berthold auf Sitten und Gebräuche der
Tataren, vornehmlich um zu zeigen, daß selbst diese wilden
Horden des fernen Ostens in manchen Bezügen eine bessere
Ethik üben als die Christen. Diese Angaben gehen ebenso
wie die ähnlichen größeren Stellen sonst in den lateinischen
Predigten Bertholds auf die Reiseberichte zurück, welche die
während der Vierziger- und Fünfzigerjahre des 13. Jahrhunderts
an den Großchan der Mongolen abgesandten Missionäre aus dem
Minoritenorden erstattet hatten.
Berthold von Regensburg geht bei seiner ganzen Polemik
wider die Ketzer von dem festen Boden der katholischen Kirche
aus, die er 21, 13 ausdrücklich rühmt, die er 58, 31. 76, 33.
80^ 35 verteidigt. Wie sie als echte zu erkennen sei, lehrt er
126 V. Abtaandlmiff: Scliftnbach.
27. 35. Sehr interessant ist es zu sehen, wie er in einer be-
sonderen Predigt die Feste des katholischen Kirchenjahres als
Zeugnisse fUr seinen Glauben verwertet 63 , 37 ff. Die Ge-
schichte der katholischen Kirche gewährt den Rahmen für
Bertholds Anschauung der Welt und Beurteilung des Ketzertums
75, 6 ff. Daher ist christlicher Glaube fUr ihn einfach der ka-
tholische 17, 33 ff., der seit 1200—1250 Jahren (vgl. oben S. 86)
offen gepredigt wird 20, 28 f. 44, 32. Diesen rühmt er in jeder
Weise und preist die Krone seiner Herrlichkeit 22, 34 ff. 29^
33 ff. 32, 22. 38 ff. 35, 27. Sieben Eigenschaften hat er 15, 29.
17, 4. 29. 38 ff. Besonders muß er stark sein 23, 2, dann ist
er auch der edelste 13, 16 ff. 20. 18, 9; auch vollständig 14,
11^ mit nichts Fremdem vermischt 14, 25, einheitlich 28, 8,
wie eine himmlische Kette 16, 13, der ungenähte Rock (vgl.
Strobl, Über eine Sammlung lat. Predigten Bertholds von Re-
gensburg, Sitzungsber. 1877, S. 24), dann macht er auch allein
sehg. Er beruht auf den Evangelien 81, 16. Zeugnisse für den
Glauben 66, 30 ff. Der Glaube des einen hilft dem andern
66, 20. Nur die Prälaten müssen in allen Details des katholi-
schen Glaubens Bescheid wissen, die einfachen (simplices)
Gläubigen brauchen nur die Hauptdogmen zu kennen, in denen
alle Einzelnheiten beschlossen sind 12, 26. Die Kerze bei der
Taufe und beim Sterben ist das Symbol dieses Glaubens 14, 28.
77, 20. Die Beweise für das Dasein Gottes werden ganz scho-
lastisch erörtert 36, 19 Anm.
Dieser Glaube ist nutzlos ohne Werke 15, 15. 17, 21.
22, 29. Er soll einen Hauptgegenstand der Predigt bilden,
besonders des Morgens 12, 15. Aber die Prediger (Priester)
müssen vorsichtig sein und dürfen nicht den Gläubigen harte
und unerträgliche Lasten aufladen, die abzuwälzen sie keinen
Finger rühren wollen (Matth. 23, 4) 72, 13. Dieser Passus ist
höchst merkwürdig, denn er enthält einen Vorwurf wider die
katholischen Priester, vornehmlich in Bezug auf die Verwal-
tung des Bußsakramentes, den mit ganz denselben Worten
(onera digito non movent) nach dem Berichte des Passauer
Anonymus (Bibl. max. Patr. 25, 273 D) die Waldenser als eines
ihrer Hauptargumente gegen den Klerus erheben. Man wird
daraus an sich auf die Berechtigung dieses Vorwurfes für die
Zeit Bertholds schließen dürfen, aber auch ein unmittelbarer
Studien rar GesebiehU der altdeutschen Predigt. 127
Bezog ist zu vermuten: es dünkt mich wahrscheinlicher ^ daß
die Waldenser den Satz Berthold entlehnten , als umgekehrt.
Einen guten Katholiken bezeichnet Berthold 65^ 37 ab homo
eoangdictts.
Todsünde zerstört den Glauben 15. 12, der in dem Sym-
bolum Apostolicum enthalten ist, das Berthold als Thema fQr
eine Reihe von Predigten dient (vgl. oben S. 85) und deren
Entstehung sowie Abfassung durch die Apostel er 23, 22 und
Anm. 24, 7 und Anm. beschreibt. An diesem Glauben ist
nicht zu rütteln, über seine Geheimnisse soll man nicht grübeln
21^ 36 und Anm. Man soll fest an ihm halten und mit Über-
zeugung, bloßes ,Meinen' hilft nicht 18, 2 und Anm., ist sogar
gefährlich 80, 37. Gegen Schwanken und Zweifel in Glaubens-
Sachen 16, 19. 18, 1. 29, 31. 35, 18ff. Anm. Die Leichtgläubig-
keit vieler Katholiken wird getadelt 9, 28 'Anm., 22, 12. 17;
dadurch wird man leicht zum Ketzer 19, 3 ff.; oft ist es bloße
Torheit 20, 21 und Neugierde 22, 5. In älterer Zeit war man
strenger, das sieht man auch an der veränderten Übung des
Empfanges der Eucharistie S. 16 Anm. Christi Leiden be-
wahrt vor Häresie 80, 16. Der Christenglaube ist streng, seine
Bekenner werden für ihre Sünden härter bestraft als Juden
und Heiden 15, 19. Ein wahrer Christ vermag keine andere
Religion zu erheucheln 17, 4. —
Schon früher (S. 86 f.) habe ich hervorgehoben, daß Bert-
hold an vielen Stellen seiner Predigten sich gegen häretische
Lehren gewendet haben wird, ohne daß wir das heute noch
deutlich zu erkennen imstande sind. Einzelnes läßt sich ver-
muten: wenn die Waldenser den evangelischen Satz von den
zwei Röcken besonders gern vortragen (Bibl. max. Patr. 25,
27ÖG), so wehrt sich Berthold viele Male dagegen, indem er
ihn auslegend einschränkt. Die Sicherheit, mit welcher die
Katharer auf ,das gute Ende' vertrauen (DöUinger 1, 205. 212),
mag Berthold veranlaßt haben, allerorts mit stärkstem Nach-
druck wider den Aufschub der Buße zu predigen. Lehren die
Waldenser: ,Tue das Gute und meide das Üble' (Müller, S. 77),
Bo nimmt das Berthold zum Thema einer scharfen Predigt da-
wider (Pfeiffer Nr. I: eteUche jehent = quidam dieunt sind
Ketzer.) Vielleicht darf man auch den Eifer, mit welchem
Berthold gegen die Arbeit an Sonn- und Feiertagen auftritt,
128 V. AbhuidliiDg; Seil« Db« eh.
dem Umstände zurechnen, daß die Waldenser solche Arbeit
empfahlen und betrieben (Müller, S. 113 Anm.)-
Und so wäre vielleicht noch mancher Stoff, den die Pre-
digten Bertholds von Regensburg mit Vorliebe behandeln, von
ihm gewählt worden^ mit Rücksicht auf Lehre und Lebens-
führung der Häretiker seiner Zeit. Doch steht damit meine
Arbeit schon an den Grenzen, die ich ihr gesteckt habe (oben
S. If.) und die sie von den Abhandlangen trennen, welche ihr
noch folgen sollen.
Beigabe.
Über den Waldenserpsalter der kaiserlichen
Hof bibliothek in Wien.
Unter dem Schlagworte Salm enthält die zweite Auflage
von Schmellers Bayrischem Wörterbuch 2, 271 folgendes Zitat:
,in Ald[ersbacenci] 111 [= Glm. 2641] von 1250 passim AI-
d[ersbacenci] 184 [= Clm. 2714] sec. XIV, f. 55 heißt es von
den Leonistae (Ketzern, Waldensern), sie vermäßen sich, die
Bibel zu übersetzen, uod zwar falsch: Increpa feras arundinis
durch refse diu tier der swalwen^ hirundinia pro arundinis/
Daraufhin habe ich mir die beiden Aldersbacher Codices aus
der königl. Hof- und Staatsbibliothek nach Graz erbeten: der
erste, Clm. 2641, konnte nicht verschickt werden, weil er sich
wegen seiner kostbaren Miniaturen unter den Zimelien be-
findet und überdies sehr leicht zerbrechliche Deckel besitzt;
der zweite hingegen Clm. 2714 ist mir mit großer Rasch-
heit zugekommen, wofür ich Herrn Generaldirektor v. Laub-
mann noch besonders danke. Die Schrift, aus der Schmeller
zitierte, ist eine Fassung der Kompilation des sogenannten
Passauer Anonymus um 1260, die von den Ketzern, vornehm-
lich den Waldensern, handelt, vgl. darüber Preger, Geschichte
der deutschen Mystik 1, 168 ff., Abhandlung 13. 14. 18. 19;
Müller, Die Waldenser, S. 147—157; Döllinger 2, 293 ff. Dem
Passus, den Schmeller anfUhrt, geht in der Handschrift zunächst
voran (nach dem Geschichtlein, wie der eifrige Ketzermeister
im Winter des Nachts die Ybbs durchschwimmt, um zu seinem
Stadien rar Gercbielite der altdeniscben Predigt. 129
Schüler zu gelangen) : Tertia causa est, qaia novum testamentam
et vetus Yolgariter transtalernnt, et sie docent et discnnt. vidi
et audivi rusticnm ydiotam^ qui Job recitavit de verbo ad
verbam, et plures alios^ qui totum novum testamentum scierunt
perfecte. et quia sunt laici ydiote^ falso et corrupte scripturam
exponunt, ut Joann P(l.ll) 8ui, i. porci; eum neu receperunt,
sui dicentes pro aues (es muß heißen: sues dicentes pro sui^
ich halte das überhaupt für einen schlechten Scherz). Nach
der von Schmeller beigebracliten Stelle folgt noch (auch schon
bei Schmeller): Psalmis etiam inponunt titulos: Eructavit (44, 2)
der Maide salme^ Exurgat (67^ 2) der Bache salme, De pro-
fundis (129, I) der Re salm, et sie de ceteris. Unter den
sämtlichen deutschen Psaltern, die Walther in seinem Werke:
Die deutsche Bibelübersetzung des Mittelalters, S. 557 — 634 be-
handelt hat (es kommt noch folgendes Material hinzu: meine
Miszellen aus Grazer Handschriften, zweite Reihe, 1899, S. 4
bis 63 und Bruchstücke einer fränkischen Psalmenversion, Zeit-
schrift för deutsches Altertum 45, 177 — 186; v. Zingerle, Frag-
mente eines Sonnenburger Psalters, Zeitschrift für deutsches
Altertum 41, 301 — 303; Alois Bernt in den Mitteilungen des
Vereins ftlr Geschichte der Deutschen in Böhmen 39, 23 ff.
155 ff.), findet sich der von den Aldersbacher Handschriften be-
zeichnete Übersetzungsfehler nur in einer einzigen, der Wiener
Handschrift 2684 aus dem 14. Jahrhundert, Walthers 13. Psalter,
S. 574 ff. 622. Mau hat daher das Recht, solchem Zeugnis
entsprechend, anzunehmen, daß diese Übersetzung der Psalmen
von Waldensern verfaßt sei.
Der Kodex Nr. 2684 ist im Catalogus von Denis 2, 1,
77 — 79 (Nr. LVII), darch Hoffmann von Fallersleben in seinem
Verzeichnis altdeutscher Handschriften S. 290, Nr. CCXLI, in
den Tabulis 2, 117 und bei Walther S. 622 beschrieben. Er
ist in Großquart, Pergament, zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts,
in 186 Blättern zu zwei Kolumnen geschrieben, und zwar von
einer einzigen Hand. Die Übersetzung ist so eingerichtet, daß
jeder Psalmenvers zuerst lateinisch, dann deutsch gegeben wird
(nicht immer decken sich die Abschnitte mit den heutigen
der Vulgata), durch abwechselnd rote und blaue Initialen unter-
schieden, während der Beginn eines Psalmes durch überge-
setztes rotes Psalmuß und duixh einen größeren Schmuckbuch-
SitottDgtber. d. pUl.-liiit. Kl. CXLYII. Bd. 5. Abb. 9
130 V. Abbsodlnnr: Sehfinbaeb.
Stäben gekennzeichnet wird. Den Anfang einer Gmppe von
Psalmen (nach der liturgischen Einteilung) markiert eine be-
sonders reich und farbig geschmückte Initiale. Der Psalter
ist hier für das tägliche Gebet zugerichtet, weshalb die Re-
sponsorien, die Tagzeiten und ihre Aufteilung ftir die Wochen-
tage lateinisch und deutsch angemerkt werden. Diese Znsfttse
sind von derselben Hand mit kleineren Buchstaben geschrieben.
Die Hymnen werden, mit deutscher Übersetzung nach jeder
Strophe, eingeschaltet, und zwar: nach dem 37. Psalm f. 44^:
Splendor paterne glorie; 77 «^ Landes, ymnus: Nox et tenebre,
nubila confusa; 97*^ Landes, jmnus: Lux ecce surgit aurea;
114^ Landes, ymnus: Eterna coli gloria; 133*^ Landes^ ymnus:
Aurora jam spargit polum. Von 168° ab werden die Cantica
übersetzt, ihnen folgt der Ambrosianische Lobgesang (178^), das
Symbolum Athanasianum (180*) und die Letenie aller heiligen
(187«), darauf ein Gebet (185°), mit welchem die Arbeit schließt
Wie der Kodex vorliegt, stellt er nicht ein Original dar,
sondern eine Kopie. Das läßt sich schon aus der wahrhaft
erstaunlichen Zahl von Schreibfehlern erschließen, durch die
der Text verunziert ist. Es begegnet auch eine Aneahl von
Auslassungen, die allem Anschein nach nicht absichtlich vor-
genommen, sondern zufällig eingetreten sind und nachmals,
wohl schon im Anfange des 1 5. Jahrhunderts, durch einen Kor-
rektor nachgetragen wurden. Bisweilen kann man die Ver-
anlassung des Ausfalles, gleiche Worte am Anfang oder Ekide
von Sätzen, deutlich erkennen, dann aber in anderen Fällen
wieder nicht. 25^ fehlt nach Psalm 24, 11 die deutsche Über-
setzung und ist von alter Hand oben nachgetragen. 44^ fehlt
Psalm 37, 21 lateinisch und deutsch, ist am Rande nachgetragen.
119* fehlt die Übersetzung zu Psalm 101, 22, ist oben nach-
getragen. 126* wird Psalm 105, 20 nicht übersetzt, aber auch
nicht nachgetragen. 151* ff. wird verschiedenes Fehlende am
Rande ergänzt. 153® f. fehlt das Deutsche zu Psalm 129,7 und
130, 2, wird nachgetragen.
Schon die Lautbezeichnung und Formengebung des deut-
schen Textes lehren, daß hier eine Übersetzung abgeschrieben
wurde, deren Entstehen von dem der Kopie durch einen sehr
erheblichen Zeitraum getrennt ist. Der Schreiber stellt im
allgemeinen die Laute und Formen dar, die der bajrisch-Oster-
StndieD nx Oetcliiehte der altdentBelien Predigt. 131
reichischen Mandart, im weitesten Sinne genommen^ während
der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts entsprechen. Es sind
viele neuhochdeutsche ei, ai, au, eu vorhanden, aber auch
viele alte i geblieben, über welche im 15. Jahrhundert e ge-
setzt wurden; alte ü haben keine solchen Zusätze bekommen;
ou, ovo sind großenteils erhalten. Längezeichen begegnen viel-
fach. Verschiedenemale findet sich ou für iu, ein bayrisches
Merkmal (vgl. Weinhold, Bayr. Gr. § 101, Mhd. Gr. § 125),
z. B. 16*^, Psalm 17, 29 (illuminas) erlouhtest, darnach 18^ er-
leuhtest. Vereinzelt erscheinen i für e in Nebensilben, z. B.
missi- 26^ missitat = delicta Psalm 24, 18; misaittton, himil,
öfters iz (vgl. Weinhold, Bayr. Gr. § 20). Der Konsonantismus
entspricht ganz der bayrischen Mundart, weshalb es fast keine
k, sondern nur ch gibt und h im Auslaut sehr oft nach älterer
Weise für ch geschrieben wird (Weinhold, Bayr. Gr. § 196),
c wird ein paarmal für z gebraucht, z. B. 32^ gecdde = taber-
naculum, Psalm 30, 20, vgl. Weinhold, Bayr. Gr. § 150. Hin-
gegen fehlt es ganz an den Kennzeichen des Alemannischen.
Vokale der Mittelsilben sind reichlich erhalten, auch die End-
silben (eu = tu) auffallend gut bewahrt. Unter den Formen
scheint die bayrische Endung -te fQr die 2. Pers. Sing. Praet.
schwacher Verba bemerkenswert, vgl. Weinhold, Bayr. Gr.
§ 314.
Prägen schon diese Merkmale dem Text einen Sprach-
charakter auf, der weit älter ist als die Schrift, so wird dieser
Eindruck durch die Beschaffenheit des Wortgebrauches an-
sehnlich verstärkt, swer, swaZy swie, swä, swenne stehen durch;
en =^ ne wird regehnäßig proklitisch bei Verbis gesetzt mit
folgendem mAf ; die Verwendung der Konjunktionen entspricht
der guten mittelhochdeutschen Zeit. Daß der Sprachschatz
im allgemeinen der Handschrift erheblich voranliegt, ergibt sich
schon aus den mannigfachen Veränderungen, die der Korrektor
(bisweilen auch der Schreiber selbst) für nötig gehalten hat,
wobei natürlich nicht festgestellt werden kann, wie viele Wörter
bei der Abschrift selbst durch spätere ersetzt wurden, ohne daß
man jetzt davon etwas zu merken vermag. Um nur im raschen
Überschlag den Fachgenossen eine Vorstellung von dem Wort-
scbaiz des Übersetzers zu gewähren, verzeichne ich im fol-
genden eine Anzahl von Ausdrücken, die mir beim Lesen auf-
9*
132 V. AbliMidlviir: BebAnbaeb.
gefallen sind, und bemerke noch, daß — wie auch die Proben
lehren — die übrige Physiognomie der Sprache diesen ans*
gehobenen Zügen gemäß ist. Wörter, die sich bei Lexer nicht
finden, versehe ich mit einem Stern.
6° (Psalm 8^ 5) Quid est homo^ quod memor es ejus?
aut filius hominis, qnoniam visitas eam? Waz ist der mensche,
daz du sein gedenchest, oder des menschen son, want da in
^beweisest Qcorr. beschowest)? vgl. IS** (Psalm 14, 3) visitasti,
bewütez] 72^ (Psalm 64, 10) visitasti, du bewistettj and noch
mehrmals. — 10^ (Psalm 10, 7) spiritas procellarum, die geiste
der * geweile (das ist: Wasserstarm, von tMle, unda); 129^
(Psalm 106, 25) spiritas procelle, der geist des gewdles (noch
Psalm 148, 8 f. 167 1>); 129<» (Psalm 106, 29) et statuit procellam
ejus in auram et siluerunt fluctus ejus. Und sazte ze wete
(I. wetere) sineu gewel und gedagten sin flusse. — 10^ (Psalm
11, 6) ponam in salutari, ich lege iz zeheili. — 11^ i^^y^)
cantabo — psallam — ich singe — singe (karr, psallier). —
Immer steht gedinge (masc. wie nur in den Nib.) = spes. — 12^
(14, 3) dolum, honchust. In den Psalmen findet sich dolus, do-
lo8U8, doloae im ganzen 28 mal und wird immer von dem Über-
setzer durch honchust^ hdnchustich, hdnchustiehltchen wieder-
gegeben, meistens vom Korrektor getilgt und durch untriwe
und seine Ableitungen ersetzt. — 14^ (16, 7) misericordias
suas, deu erbarmde (immer so übertragen). — 15* (17, 15)
fulgnra, blicschoz (und 96, 4); 155^ (134, 7) fulgura in pluviam
fecit, deu blichschoz machet er ze regene. — 17* (17, 35)
Qui docet manus meas ad prelium, et posuisti ut arcum ereum
brachia mea. Der mine hende leret ze urleuge, du litest min
arme als den erin bogen. — 18^ (18, 6) Exultavit ut gygBS
ad currendam viam, a summo celo egressio ejus. Er freut
sich als der rise zeloufen den wech, sin uzganch von dem
oberistem himile. — 19* (18, 13 f.) Delicta quis intelligit? ab
occultis meis munda me; et ab alienis parce servo tuo. Wer
verstet die missetat? von minen tougenen reinige mich, und
entlid (l. entlib) dinem knehte von den fremden. — 20^ (20, 10)
ut clibanum ignis, als den eitaven fiures. — 20* (20, 13) in
reliquiis tuis, an dinen *aßerleiben. An den übrigen vier
Stellen der Psalmen ist das alte Wort wahrscheinlich schon
vom Schreiber durch andere Ausdrücke ersetzt worden. —
Stadi«n rar 0«sehie1ite der altdeatscben Predigt. 1 33
21^ (RespoDsorien) claritas^ berhtel (fem.), clarus kommt in
den Psalmen nicht vor, wohl aber praeclarus (lö^ 6 zweimal,
daher bei Walther S. 578, und 22, 5), das gleichfalls durch
*berhul (adj.) übertragen wird. — 22^ (21, 10 f.) de utero,
uz der wambe (auch an den übrigen Stellen). — 22« (21, 12)
tribulacio, deu müe. In den Psalmen kommt tribulatio 36 mal
vor: an den ersten Stellen wird es durch trähsalunge über-
tragen, dann etwa 20 mal durch müe, mu<B, das der Korrektor
fast immer zu trühsalj hetrubd und betrubunge bessert, später
wieder durch betrubunge^ betr&bde, was wahrscheinlich vom
Schreiber herrührt. — 22« (21, 14) rugiens, röhende; 43« (37, 9)
rugiebam, ich rubelt (103, 21). — 22<i (21, 16) sicut testa, als
ein tegel. faucibus meis, zu minem gumen. — 23^ (21, 26) vota
mea, min antheize (masc.); an den übrigen Stellen ist votum
= gelubede, gelubde. — 23« (21, 28) universe familie gentium,
allez daz volch der diet. So unterscheidet der Übersetzer, der
gens immer durch diet wiedergibt. — 24^ (23, 1) orbis terrarum,
der umberineh der erde (immer so). — 25« (24, 7) ignorantias
meas, und der *unverunzzen miner jugent. — 25« (24, 13) de-
morabitur, entwalet'j 30« (29, 6) demorabitur, entwalet (vom
Korrektor getilgt und durch beleibt ersetzt). — 21^ (26, 1)
trepidabo, ich bibenne. — 27« (26, 3) si consistant adversum
me castra, non timebit cor meum. Ob der gesten (korr. si
setzent) wider mich deu gezelt (korr, purg), diu furhtet min
herze niht. — 29« (28, 3) Dens majestatis, got der magenchrefte
(und noch zweimal). — 29^ (28, 7) flammam ignis, des feures
loch. — 30* (28, 10) Dominus diluvium inhabitare facit —
Der herre heizet daz itwege böwen; 33^ (3^6) in diluvio
aquarum multarum, in dem itwege manger wazzer; 91^ (77, 15)
et adaquavit eos velut in abjsso multa, und gab in wazzer als
in grozem itwege; 172^ (Habac. 3, 10) gurges aquarum, daz
itwege der wazzer. — 30* (29, 5) memoriae, gehugde (und
noch mehrmals). — SO'' (29, 10) Que utilitas in sanguine meo,
dum descendo in corruptionem? Weih nutze ist an meinem
fleische (äo»t. blut), so ich nider gen in die * vertoertunge
(korr. yerderbung); 62* (52,2) corrupti sunt, si sint verwertet.
— 31* (29, 13) compungar, ih werde gestunget (noch dreimal).
— 32* (30, 12) Super omnes inimicos meos factus sum obpro-
brium, (et Vulg.) vicinis meis valde et timor notis meis. Über
134 V. Abhaadlang: Sobftnbaeh.
alle veint bin ich worden ein itwiz, harte minen nachicefidenj
und ein forhte minen chunden (a. ö.). — 34^ (32, 7) congregans
sicut in utrem (Vulg. utre) aqoas maris, samnender den wazser
des meres als in einen butrich (77, 13); 144^ (HS, 83) quia
factns sam sicut uter in pruina, wan ich bin worden als der
putrich in dem reifen. — 40® (36, 7) qui prosperatur, der
♦vranspute ist; 53^ (44, 5) prospere, franspntechlichen; 139*
(117, 25) 0 Domine, bene prosperare, herre, du franspute wol.
— 40° (36, 8) furorem, die heizmute (u. ö.). — 40« (36, 9)
exterminabuntur , werden verhört. — 41* (36, 12) stridebit,
seuset. — 42* (36, 28) injusti punientur, die unrehten werden
gewitzigt. — 43* (37, 2) corripias, straf (korr. zuchtig). —
44* (37, 15) redargutiones, refsunge (wird wie das verb. refaen
häufig gebraucht). — 45* an dem ertage. — 46* (38, 12) tobe-
scere bleibt unübersetzt, es ist eine Lücke gelassen. Das Wort,
welches der Schreiber scheute, ist slewen^ er hat es später be-
lassen: 135^ (111; 10) dentibus suis fremet et tabescet, desi-
derium peccatorum peribit, mit sinen zenen er griscrammet und
slewe(t), der sundere gir wirt verlorn; 147** (118, 139) tabescere
me fecit zelus mens, min mein tet mih slewen; 148^ (^18; 1^)
vidi prevaricantes et tabescebam, ich sach die unrehten und
slewete; 159* (138, 21) et super inimicos meos tabescebam,
und slewet ob dinen veinden. Einmal vorher 129^ (106, 26)
hat der Schreiber wohl selbst versucht, dem seltenen Worte aus-
zuweichen: in malis tabescebat, was betoubet mit übel. — 47*
(38, 13) advena, zuchomlinch. — 50^ (41, 8) in voce kataractarum
tuarum, in der stimme diner woletunprust. — 50* (41, 9)
mandavit, enbot (korr, gebot). — 52* (43, 13) in commuta-
tionibus eorum, an ir toiderwehsel, — 54* (44, 14) in fimbriis
aureis, an'^guldinen vasen. circum amicta, umb sich gewetet. —
54® (45, 5) fluminis impetus, des wazzeres anstoz. — 57** (48, 14)
scandalum, wirserv/nge (u. ö.). — 57® (49, 1) usque ad occasum,
unz dem *8edelgange] noch viermal (67,5. 103, 19. 106, 3. 112,3),
an den beiden letzten Stellen in der Verbindung: a solis ortu
usque ad occasum, von der sunne ufrunst (korr, ufganch) unz
an ir sedelganch (korr, underganch). Osterr. ist ze sedele gän
von der Sonne bekannt. Das wäre also das Wort, welches
van Halten in seiner Ausgabe der altostniederfränkischen Psal-
men und Glossen (1902, S. 82) theoretisch ansetzt. — 59*
Städten sor Oeschioht« d«r ftlMeatschen Predigt. 135
(50, 4) amplias lava me, erwasche Qcorr, wasche) mich baz
(zuges, fiir). — 59® (50, 9) dealbabor^ wirt ich erwizzet (noch
67, 15). — 59*^ (50, 12) in visceribus meis, in minen gcßdem.
Vielleicht ist das ein Ersatz des Schreibers fUr ein älteres
Wort, das 115^ in den Responsorien vorkommt: per viscera
misericordie, durch den inneder (ahd. inn&diri) der erbarmde,
und ebenso 178^ — 60® (51, 4) sicut novacnla acula fecisti
dolnm, du tete honchnst als daz wehs scharsah. — 61^ Hymnus:
intenta sapplicatio, *andehtez flehen. — 64® (54, 21) conta-
minaverunt testamentnm ejus, si bewullen sin urchunde. — 65^
(55, 13) et pedes meos de lapsu, und min fdzze von der su-
phunge (Z. sliphunge). — 66^ (56, 9) exurgam diluculo, ich
erste des morgens (korr. wil fru ouf sten). — öfters zemuln
ftür disperdere, conterere u. s. w, — 67* (57,7) molas leonum,
die cheuwen der leun. — 67^ (58, 7) et famem patientur ut
canes, und dolent (auch 68^) hunger als die hunde. — 69^
(59, 10) calciamentum, min geschah (auch 130^ geschdhe). —
71* (62, 3) in terra deserta et in via et inaquosa, an der wuhsten
erde und *amker (und) ^unwazzeriger- 103** (Hymnus) errore
traxit devio, mit awikkem irretüme; 130^ (1(^3, 40) et errare
fecit eos in invio, er tet si irren an dem awikke. — 71^ (62, 9)
adhesit anima mea, min sei hinchet nach dir. — 71^ (63, 6)
subito sagittabunt cum et non timebunt, firmaverunt sibi ser-
monem nequam, '''nahes {korr, urbering, österr.) schiezzent
(korr, schuzzen) si in und fohrten in niht. si habent in gevestent
ein böse {korr, schalchaft) rede. — 74* (65, 12) et indnxisti
nos in refrigerium, und leitestu uns in die ertchulunge {l, er-
chulunge). — 78® (68, 3) infixus sum in limo, ich bin bestechet
in dem leime; 79® (68, 15) ut non infingar, daz ih iht besteche.
— 80^ (68, 35) et omnia reptilia in eis, und allez daz ehr enget
dar an; 122^ (103, 25) illic reptilia, da ist chrisendes (stv. krtsen).
— 83^ (71, 4) et humiliabit calumpniatorem, und diemüt den
^hamscharer, — 85** (72, 15) reprobavi, ih verwidert. — 85®
(72,21) quia inflammatum est cor meum, wan min herze ist
erheizzet. — 91* (77, 26) Africum, einen aunderen wint. — 93*
(77, 46) locuste, haberschreche (noch 124®. 132*»). — moros,
^morbMie. — 93* (77, 48) possessionem, gesitze (u. ö). — 94**
(77, 65) tamquam potens crapulatus a vino, als der gewaltige
und der entswebt von wine. — 96® (79, 13) macer iam, stein-
136 ▼• Abhaodlttnr: SobÖnbaeb.
want (noch zweimal). — 103* (87, 12) in perditione, in die
verlor (korr. verlornuzz). — 105^ (88, 19) quia Domini est
assnmptio nostra, wan des herren ist nnser * entnemunge. —
106^ (88, 38) sicut luna perfecta, als daz volmene, — 112*^
(94, 7) et nos popolas pascue ejus et oves manas ejus, und
sin wir daz leut siner weide und den *«cAer«cAa/ einer hende.
— 112* (94,9) in irritatione, in der *zenunge\ 175^ (Deuter.
32, 21) irritaverunt in vanitatibus suis, und zenten mich an ir
uppicbeit. — 115* (97, G) in tubis ductilibus et voce tube comee^
an den geleitigen herhornen und an des hurninen herhornes
stimme. — 116° (98, 6. 7) Invocabant Dominum, et ipse ex-
audiebat eos et in columpna nubis loquebatur ad eos. Sie ruften
den herren an und erhörte er si. und an der irmseul der wel-
chen ret er zu in (noch einmal Psalm 74, 4, in den Proben).
— 117^(100,5) in satiabili corde, *un8atteten herzen. — 118*
(101, 7) similis factus sum pellicano solitudinis, factus sum sicut
nocticorax in domicilio. Ich bin gelich worden dem * hause-
goume der einode, ich bin worden als der nahtrabe in dem
hüse. Zu housegoume vgl. Diefenbach, Gloss. 421; Lexer h&tte
das swm. gourne^ das er 1, 1062 ansetzt, nicht Nachtr. 217 zu
streichen brauchen. — (8) passer solitarius, der vereinte sperche.
— 119» (101, 24) paucitatem, di *minnunge. — 120» (102, 14)
quoniam ipse cognovit figmentum nostrum, wan er erchande
unser geschepde (l. geschephde). — 122» (103, 22) et in cu-
bilibus suis collocabuntur, und werdent hostetet in ir gadinen
(L gadmen). — 123* (104, 18) humiliaverunt in compedibus
pedes ejus, si diemuten in den pogen (aurnif. boie) sine fuse;
168* (149, 9) in compedibus, in poien (korr, die pain). — sa-
cerdos immer durch ewarte. — 124° et ciniphes, und nevelen (?).
— 126* (105, 23) in confractione, an dem gehreche {stn. gebrech).
— 127* (105, 30) quassatio, schuttunge. — 135°. 149° pouwen
durch wonen vom Korrektor ersetzt, bestete durch besetze, 138^
wont durch beleibt. — 138* apes, peigen. — 144*» (118, 85)
narraverunt mihi iniqui fabulationes, die unrehten seiten mir
spei. — 146* (118, 20) confige timore tuo, bestecche mit diner
vorhte. — 147* (118, 134) redime me a calumpniis hominum,
lose mih von der menschen hamschar, — 150^. 156** edificatur,
gecimbert zu gebaut korrigiert. — 151* (123,5) Torrentem per-
transivit anima nostra, forsitan pertransisset anima nostra aquam
Studien lor Getcfaiclite der altdentecban Predigt. 137
intollerabilem. Unser sei darchfur den bach, lichte were si
darchvam ein unvertreclich wazzer. — 153* (128, 4) cervices,
die halsadem, — 153* (129, 3) qnis sastinebit, wer enthapt
{karr, beleibt). 4: qaia apad te propiciacio est et propter le-
gem taam sustinui te, Domine. Wan pi dir ist genedie und
durch d!n e enthalt ich dich, herre {korr. pin undertan); 5 sn-
stinait, enthapt. — 154* (131, 2) sicut juravit Domino, votum
vovit Deo Jacob, er leiste den antheiz Jacobes got, als er dem
berren swur. — 154* (131, 5) et requiem temporibas meis,
und reste minen tunwengen. — 157^ (136, 2) in saJicibus, in
den aalhen. — 160* (138, 22) perfecto odio oderam illos, ich
hazzete si vfi (Z. mit) durchnehtigem hazze (das Wort öfters).
— 160** (139, 12) vir lingnosus, der geredige man. — 162*
(141, 4) in deficiendo ex me, gebrestendem (korr, in abnemen)
uz mir. — 164* (143, 13) oves eomm fetose, ir schaf sint be-
rich. — 164*^ (144, 7) memoriam habandancie saavitatis tue
eructabunt, si furbringent di gehugde der genuhte diner süzze.
— 165* (liby 7) Dominus solvit compeditos, Der herre loset
di gevangen (korr, gepunden). — 166* (146, 2) Edificans Jhe-
msalem Dominus, Der herre bezimbert Jh. — 167^ (148, 8)
grando, hagel (korr. schour, österr,), — 167* (148, 9) ligna
fructifera, *umcherberigeu holz. — 168* (149, 6) gladii ancipites,
den ^wanchlichen swert. — (9) in manicis ferreis, in eise-
ninen *hanH$en, — 168* (Isai. 38, 10) quesivi residuum armorum
meorum, ich suhte di urleibe miner jare. — 169* (Isai. 38, 15)
recogitabo, ich tüiderdenehe, — 171* (Exod. 15, 16) immobiles,
*ungerurich. — 173* (Habac. 3, 13) denudasti fundamentum,
du entnachtest di gruntvest. — (Habac. 3, 14) turbo, wxndesprüt,
— 173^ (Habac. 3, 16) ingrediatur putredo in ossibus meis et
subter me scateat. Deu feul ge in mineu beine und walle
under mich. — 173* (Habac. 3, 17) abscidetur de ovili pecus,
daz vihe werde abgesniten von der scheßie (l. schefstige). —
174* (Deuter. 32, 14) butirum de armento^ milchsmalz von der
sweige, — 175* (Deuter. 32, 25) et virginem lactantem (l. lac-
tentem) cum homine seniore, und di roaget den tienden (ich
halte das nicht fUr die Spur einer Vorlage mit unverschobenem
ty sondern fUr einen Schreibfehler) mit dem alten menschen.
— 176* (Deuter. 32, 32) a (Vulg. de) suburbanis Gomorre, und
von den underburgeren Gomorre. — 176* (Deuter. 32, 38) de
138 V. Abhandlang: SchAnbaeli.
(jaomm victimis comedebant adipes^ von der frischingen si
azzen die feizte. — 177^ (Dan. 3, 69) benedicat gela et frigos
Domino ; segent dem herren glat und frost. — (76) uniyersa
germinantia, eilen chimendeu, — 178^ (Lnc. 1^ 46) magnificat
anima mea Dominum. Min sei michel (korr. gros) machet
den herren. — 179* (Te Deum laudamus) Te per orbem ter-
rarum sancta confitetur ecclesia, Deu heilige Christenheit be-
gilit dich durch (der) erde umberinch. Patrem immense maje-
statiS; Einen vater der nrmerigen magenchreft. — Aus der
Heiligen litanei 183^: a fnigure et tempestate^ von dem bleccen
und von ungewitere. — 184^ concordia ehenhellutige, — 184*
aeris temperiem bonam, gute tempemnge des laftes. — 185^
parce nobis, Domine — entlip uns, herre. — Ans dem Gebet an
Jesus Christus 185^ — 186*: ecclesie tue sancte katholice fidem
angeas, daz du dine heilige Christenheit bestetes an rehtem
gelouben. concedas infirmis sanitatem, lapsis reparationem, na-
vigantibas atque iterantibas fidelibas iter prosperom ac salutis
portum, tribulatis gandium, oppressis relevationera , captivis
vinctis et peregrinis remissionem, absolutionem, ad patriam re-
versionem. und daz du den siechen gesnnt. den zesliffen hilfe,
den * vergeuden (kaum vertigenden) und den vertigen^dian rehtem
gelouben sint; fransputige vart und des heiles uivar gebest,
and den betrupten ireude, den verdrnhten erhebunge sendest,
und den gevangen antlaz, den eilenden widervart ze lande
verliehest. 186* discordantibus karitatem, den müsehelligen
weJisseliche minne; infidelibus veram fidem, und den ongeion-
bigen rehten gelouben merest. —
Ich meine, daß mir die Zustimmung der Fachgenossen
nicht fehlen wird, wenn ich aus der Beschaffenheit des vor-
gebrachten Wortmateriales zusammen mit dem Eändmcke, den
die sprachliche Haltung des ganzen Werkes hervorbringt,
schließe: diese Übersetzung ist erstens ungefilhr um das Jahr
1200 entstanden; zweitens, ihre Heimat ist das Ghebiet der
bayrisch-österreichischen Mundart, vielleicht Osterreich selbst.
Diese Ergebnisse schicken sich ganz wohl zu dem waldensi-
schen Ursprung der Arbeit: vor den Edikten Papst Innocenz IIL
und Kaiser Friedrich II. genossen die Waldenser, vornehmlich
die deutschen, einer gewissen Ruhe und blieben von Verfolgung
verschont: zu solcher Zeit mochte ein größeres Ubersetzungs-
Studien xar Oesehiehte der alldeatielien Predigt. 139
werk angefertigt worden sein, später trat mit den Strafdekreten
eine Ruhelosigkeit ein^ die der Abfassung solcher Arbeit nur
ungünstig sein konnte. Damm braucht dieser deutsche Psalter
jedoch keineswegs in Österreich oder dem bayrischen Süddeutsch-
Und selbst hergestellt zu sein, er mochte sehr leicht von einem
deutschen Waldenser während der Studien an einer lombardi-
schen Schule der Sekte ausgearbeitet werden.
Dazu paßt es vortrefflich^ daß jene Stelle (Psalm 67, 31),
von der ich ausgegangen war (oben S. 128), gerade durch ihren
Fehler Vertrautheit des Übersetzers mit einer romanischen
Sprache beweist. Denn die Verwechslung von arundo mit
hirundo ist sowohl im Provenzalischen leicht möglich, das fbr
hirundo schon arundo besitzt, aber auch in den Dialekten der
Lombardei, denen arundo überhaupt fehlt und die dafür Lehn-
worte aus germ. raiLS sich angeeignet haben. (Diese Kund-
schaft verdanke ich der Freundlichkeit von Schuck ardt und
Comu.) Ich habe nun fleißig nach anderen Stellen gesucht,
aus denen etwa ähnliche Schlüsse zu ziehen wären, aber ich
habe keine mehr gefunden.
Dagegen ist die Übersetzung an sich ziemlich reich an
Irrtümern. Das hat schon Denis gemerkt, der S. 78 auch ein
Beispiel beibringt, Psalm. 2, 13: cum exarserit in brevi ira ejus,
so er enbrinnet an seinem churcen zorn, und dazu bemerkt:
,interpretem non satis latine doctum fdisse^, dasselbe, was der
Passauer Anonjmus in den Aldersbacher Handschriften der
waldensischen Übersetzung der Psalmen vortvirft (Walther be-
schränkt S. 622 seine Charakteristik des Werkes auf den Satz:
,Die Übersetzung zeigt nicht besondere Merkmale, höchstens
wäre die Wortstellung öfter ungelenk zu nennen' — was ge-
rade bei diesem Text viel weniger der Fall ist als bei vielen
anderen). Ich habe nun bei der Lesung der Handschrift eine
ziemliche Anzahl von Fehlern des Übersetzers angemerkt und
führe etliche hier vor; nicht immer freilich ist es leicht zwi-
sehen den Mängeln der Übertragung und denen der Über-
lieferung zu unterscheiden. 5^ (7, 5) Si reddidi retribuentibus
michi mala, decidam mento ab inimicis meis inanis. Ob ich wider
gap den wider gebenden mir den ubelen, so gevalle ich von
reht von meinen itelen veinden. — 5® (7, 7) et exaltare in
finibus inimicorum tuorum, und wird erhöhet in der mitte
140 V. Abhandlaog: Sokönbach.
(korr, den enden) deiner veinde (vgl. Hoberg, Die Psalmen der
Vnlgata, 1892, S. 15). — 15* (17, 5) et torrentes iniqaitatis con-
tarbavemnt me, and die *8chrechunge des unrehtes betrA-
beten mih. Hier ist torrere = terrere gefaßt, wie auch in
anderen Übertragungen geschieht, vgl. Diefenbach, Gloss. 589.
— Zu frei war dem Korrektor übertragen 24» (22, 4): Nam et
si ambulavero in medio umbre mortis, non timebo mala, quo-
niam tu mecum es. Wan und ob ich gen enmitten in der mflc
{korr. in schad dez todes), ich enfurhte mir (korr, getilgt) niht
(korr. setzt zu: daz übel), wan du bist mit mir. — 25** (24,4)
supervacue , über daz eitel (auch 31® : 30, 7). Wie schwierig
das Wort zu übersetzen war, ersieht man aus den Lipsius-
glossen, bei van Helten Nn 554. — 34^ (31, 9) maxillas eorum,
euwer (korr. ireu) wange. — 53» (44, 2) Lingua mea calamus
scribe velociter scribentis. Min zunge ein halm scrip sneUe des
scribenden. — 72® (64, 6) et in mari longo, verre von dem
mer (korr, und in dem verren mer. auch falsch). — 84 (72, 3)
quia zelavi super iniquos, wan ich verbal (= celavi) ob den
unrehten. — 153^ (^28, 7) et sinum suum, und sin haht (korr.
busem). — Gewiß ist die Zahl der Irrtümer des Übersetzers
viel größer, als ich beobachtet habe, doch werden die voi^e-
brachten Beispiele ausreichen, um zu zeigen, daß die Arbeit
wirklich unter der zu geringen Kenntnis des Latein leidet, was
nun allerdings gerade den Waldensern durch Berthold von
Regensburg so eindringlich vorgehalten wurde.
Doch haben diese Mängel des Werkes f&r uns auch ihr
Qutes. Denn sie schließen, wie mir scheint, sehr bestimmt
die Möglichkeit aus (die sonst nach etlichen Übereinstimmungen
im Wortgebrauch mit den Windberger und anderen Psalmen
vorhanden wäre), daß der Übersetzer bei seiner Arbeit eine
ältere Ubertragang zurate gezogen habe. Diese um 1200 ent-
standene deutsche Version war tatsächlich ein Original; ob es
zwischen ihr und dem Wiener Kodex Mittelglieder gab, weiß
ich zur Stunde nicht zu sagen — wahrscheinlich ist es mir
nicht, zumal auch die Lesefehler des späten Schreibers die Züge
einer bedeutend älteren Hand in der Vorlage annehmen lassen.
Aber ist diese Übersetzung des Psalters denn auch wirk-
lich die Arbeit eines Waldensers, wie uns das Zeugnis der
Aldersbacher Handschriften zu vermuten zwingt? Wenigstens
Stndieo svr GMebicbte d«r altdentsehan Predigt. 141
eine Stelle habe ich gefunden; durch welche mit großer Sicher-
heit meine Annahme bestätigt wird: 71^ (62, 11) sind ohne
irgend welche äoßerc Ursache sowohl die Worte des lateini-
sehen Textes tnuUntur in manus gladii (die Feinde Davids,
ygl. Hoberg, S. 173) weggelassen als die deutsche Übertragung,
was beides der Korrektor ergänzt (und werdent den swertern
gegeben). Da hat nicht Zufall gewaltet, sondern Absicht, und
zwar spricht sich hier die Gesinnung der Waldenser deutlichst
aas, welche dem weltlichen 0 erlebte (nach dem Gebote Gottes:
non occidas) das Recht der Todesstrafe nicht zugestehen. Halte
ich diese Stelle für ein sicheres Zeugnis des waldensischen Ur-
sprunges dieser PsalmenUbersetzung, so gibt es noch einige an«
dere, die möglicherweise für meine Ansicht sprechen. 6* (7, 12):
Dens judex jnstus, fortis et patiens, numquid irascetur per
singuIoB dies. Got rehter rihtere, starcher und gedultiger, weiz
got (korr. ersetzt es durch er) zumet er {korr, nicht) alle tage.
Die alte Übertragung erblickt den Zorn Gottes täglich in der
Lage der Waldenser. — 26^ (24, 21) innocentes, die unchun-
digen (korr. unschuldigen). Das könnte ein waldensischer Aus-
drack sein: die Freunde und Genossen der Sekte hießen be-
kanntlich die künden^ und der Psalmvers würde dann besagen:
diejenigen, die noch nicht zu uns gehören, schließen sich uns
jetzt an (Hoberg, S. 62. 64). — Vielleicht ist auch die Über-
tragung von sanguis durch fleisch 29, 10 (oben S. 133) hierher
zu ziehen. — Aus predienden fbr evangelizantibtis 67, 12 ist
nichts 2U schließen. — Wahrscheinlich auch nicht aus dem
Folgenden, obschon der Übersetzer bei seinem Irrtum sich deut-
lich von der katholischen Geistlichkeit absondert: 7ö^ (67, 14)
Si dormiatis inter medios cleros penne columbe deargentate et
posteriora dorsi ejus in pallore auri. Ob ir slafet enmitten
under der phafheit (ygl. Diefenbach , Gloss. 127) die ubersil-
berten veder der touben und deu hinderen ir ruckes in der
goldes pleiche. — Weggelassen ist ohne äußeren Grund 103^
(87, 15) sowohl lateinisch als deatsch: Ut quid, Domine, repellis
orationem meam, avertis faciem tuam a me? (der Korrektor
ergänzt: Warum, herre, vertreibest du min gebet und cherest
diu antlutE yon mir?). Der übersetzende Waldenser durfte die
Meinang nicht aufkommen lassen, als ob sein im Psalter betender
Glaubensgenosse von Gott nicht erhört würde.
142 V. AbhandlQDf: SehAnbaeh.
Wie verträgt es sich aber mit dieser These ^ daß der
Kodex noch Cantica und Hymnen^ das Sjmbolam Athanasianom,
ja sogar eine Heiligenlitanei enthält? Zunächst halte ich an
der Meinung fest, daß Hymnen und Cantica von dem Über-
setzer der Psalmen selbst bearbeitet worden sind, vielleicht
auch das Symbolum , was alles meines Erachtens (vgl. S. 103
f. 117) sich mit der Abfassung des Werkes in der älteren Zeit
der Waldenser ganz wohl verträgt. Die Heiligenlitanei wird
schwerlich von demselben Übersetzer herrühren, der immer
blicschoz für fulgura sagt, indes hier 183^ bleccen = blekzen
gebraucht wird (die Litanei stammt übrigens nach den Namen
der bevorzugten Heiligen — auch S. Radegundis kommt darin
vor, die nicht vor der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts ein-
getragen sein kann — gleichfalls aus Osterreich). Auch die
Einrichtung der Handschrift fUr den Klostergebrauch wird
kaum von dem alten Waldenser hergestellt worden sein.
Über ihre Provenienz sagt uns die Handschrift nichts
anderes, als daß in ihr verschiedenemale der Eigentumsvermerk
des Dorotheenstiftes zu Wien sich findet. Wir besitzen zur Zeit
über die Geschichte dieses Stiftes regulierter Chorherren des
heil. Augustin nur die Arbeit von J. C. Stelzhammer, die ab
10. Band der ersten Abteilung der (kirchlichen) Topographie
von Niederösterreich 1836 erschienen ist. Das Stift ist erst
im 15. Jahrhundert gegründet worden (a. a. O. S. 18), die Ka-
pelle jedoch, deren Einkünfte zur Fundierung dienten, war
bedeutend älter und scheint nach mitgeteilten Urkunden dem
Deutschen Orden gehört zu haben. Das hilft aber um nichts
weiter, und irgend eine Aufklärung über die Art, wie unsere
Handschrift in das (1786 aufgelöste) Haus der Chorherren von
St. Dorothea (heute befindet sich an dessen Stelle das Dorotheum,
das Versatzamt der Stadt Wien) gelangt ist, läßt sich erst dann
erwarten, wenn einmal die Geschichte der Handschriften der
kaiserlichen Hof bibliothek möglichst nach rückwärts wird for-
schend verfolgt werden. —
Ehe ich diese vorläufige Darstellung schließe, der ich im
Laufe der Zeit eine Ausgabe des Waldenserpsalters folgen
lassen will, darf ich nicht unterlassen, der Verwaltung der kaiser-
lichen Hof bibliothek , namentlich Herrn Hofrat Karabacek
und Herrn Kustos Ferdinand Menöik, meinen aufrichtigen
8t«dl«n rar QvMhieht« dar »Itdeatoehen Predigt.
143
Dank für die rasche Übersendung des nunmehr besonders kost-
baren Kodex nach Graz auszusprechen. —
Es folgen noch etliche Proben der Übertragung aus yer-
scfaiedenen Teilen der Handschrift.
Psalmus 4.
2 (2^). Cum invocarem, exau-
divit me Deus justitie mee; in
tribulacione dilatasti michi. Mi-
serere mei, et cxaudi orationem
meam.
3. Filii hominum^ usque quo
gravi corde; ut quid diligitis
vanitatem, et queritis menda-
cium?
4. Et scitotC; quoniam miri-
ficavit Dominus sanctum suum;
Dominus exaudiet me, cum cla-
mavero ad eum.
5. Irascimini et nolite pec-
care: qui (Vulg, quae) dicitis
in cordibus vestris, et in cubi-
libus vestris conpungimini.
6. Sacrificate sacrificium ju-
stitie, et sperate in Domino;
mnlti dicunt: quis ostendit no-
bis bona?
7. Signatum est super nos
lomen vultus sui, Domine: de-
disti leticiam in corde meo.
8. A fructu fmmentiy vini et
olei sui muitiplicati sunt.
9. In pace in id ipsum dor-
XDiam et requiescam.
10. Qaoniam tu. Domine,
siDgulariter in spe constituisti
me.
Der 4. Psalm.
2. Der got mines rechtes er-
hört mich, do ich in an rufte,
und in miner trübsalunge hasta
mih gebreitet. Erbarme dich
min und erhöre min gebet.
3. Ir chint der menschen,
wie lange seit ir sweres herzen?
War umb minnet ir die uppi-
cheit und suchet die lüge?
4 (3*). Und wizzet, daz der
herre wunderlich hat gemachet
seinen heiligen; der herre er-
höret mich, so ich raffe zu im.
5. Zürnet und erweit (Z. en-
welt) nicht sunden: die ir spre-
chet in euren herzen, und wert
gestunget in euwer kemenaten.
6. Ophert daz opher des
rechten, (3*) und getrout dem
herren; mange sprechent: wer
erzeiget uns die guten?
7. Herre, daz lieht dines
antlutzes ist gezeichent über
uns: du gebe vreude minem
herzen.
8. Von dem wücher des eher-
nes, des wines und eines oles
sint si gemanicvaltet.
9. Mit fride an dem selbem
slafe ich und rüwe.
10. Wantu, herre, hast mich
gesetzet einlichen an dem ge-
dingen.
144
y. Abhanilmif: flebAnbaeb.
Psalmiu 74.
2 (81^). Confitebimur tibi,
Dominus, confitebimur et in-
(87^) vocabimus nomen tuum.
3. Narrabimus mirabilia tua;
cum accepero tempus, ego ju-
sticias judicabo.
4. Liquefacta est terra et
omnes, qui habitant in ea: ego
confirmavi columpnas ejus.
5. Dixi iniquis : noiite iniqui
(Vulg. inique) agere; et delin-
quentibus: noiite exaltare cornu.
6. Noiite in altum extollere
cornu vestrum; noiite loqui ad-
versus Deum iniquitatem.
7. Quoniam {Vulg, quia) ne-
que ab Oriente neque ab occi-
dente neque a desertis mon-
tibus, quoniam Dens judex
est.
8. Tunc {L Hunc) humiliat
et huc (l. hunc) exaltat, qui
(Z. quia) calix in manu Domini
vini meri plenus mixto.
9. Et inclinavit ex hoc in hoc;
▼erumptamen fex ejus non est
inanita ; bibent omnes peccatores
terre.
10. E]go autem annunciabo
in seculum, cantabo Deo Jacob.
11. Et omnia cornua pecca-
torum confringam, et exalta-
buntur cornua justi.
Der 74. Psalm.
2. Wir bejehen dir, got, wir
bejehen dir und rufen an dinen
namen.
3. Wir zelen dineu wunder;
ih ribte rehte, so ih genim die
zeit.
4. Deu erde ist zeflozzen und
alle, die an ir bowent: ich ve-
stent ir iriuseul (l, irmsenl).
5. Ih sprach zu den unrehten :
tut niht unreht; und ze den
missetuenden : erhöhet niht das
hörn.
6. Erbevet niht in die hohe
euwer hörn; ret niht wider got
(88*) daz unrehte.
7. Wan iz ist niht von osten
noh von westen, noh von den
wüsten bergen, wan got ist ein
rihtere.
8. Den demutet er und er-
höhet den, wan der chelh ist
in des herren haut löteres wines
voller von den (Z. dem) ge-
mischten.
9. Und neiget er in von dem
in daz, iedoh ist sin podem niht
eitel; iz trinchent alle di sun-
dere der erde.
10. Aber ich chunde iz in di
werlt, (88^) ich singe Jacobea
got.
11. Und zebrich ich elleu din
{l. diu) hom der sundere, und
des rehten faorn werdent er-
höhet
Stadial nt GmoUcH« te UidratMlMB Pradigt.
145
Psttfanns 146.
2 (165^). Lauda^ anima mea,
Dominum: landabo Dominum in
vita mea; psallam Deo meo^
qnamdia fnero.
3. Nolite confidere in prin-
cipibns^ in filiis hominum, in
qoibns non est salns.
4. Ekibit spiritns ejas^ et
revertetor in terram snam; in
illa die peribunt omnes cogita-
tiones eomm.
5. 6. Beatnsy cujus Dens Ja-
cob adjutor ejus; spes ejus in
Domino Deo ipsius, qui fecit
celum et terram^ mare et om-
nia, que in eis sunt.
7. Qui custodit veritatem in
seculum, facit Judicium inju-
riam pacientibus^ dat escam
esurientibus,
8. Dominus solvit conpeditos,
Dominus illuminat cecos.
Dominus erigit elysos; Do-
minus (zweimal) diligit justos.
9. Dominus custodit adve-
naS; pupillimi et viduam sus-
eiinett et vias peocatomm dis-
perdet.
10. Regnavit Dominus in se-
cula^ Dens tuus, Syon, in ge-
nerationem {fehh: et generar
tionem)«
Siteonftbw. d. phü.-bist. Kl. GXLTH. Bd.
Der 146. Psalm.
2. Min sei, lob den herren;
ich lob den herren an minem
leben; ich singe minem got, di
wil ich pin.
3. Ir sult niht getröwen an
den forsten; an den chinden
der menschen, an den niht
heiles ist.
4. Sin geist vert uz und
vert wider an sin erde; an
dem tage werden verlorn alle
ir gedanche.
5. 6. Der ist selich, des hei-
fer ist Jacobes got; des gedinge
ist an dem herren, sinem got,
der himel und erde gemachet
hat, daz mer (165^) und allez,
daz in im ist.
7. Der die warheit behütet
in di werlt, der tut gerihte
den lidenden unreht, er git
ezzen den hungerenden.
8. Der herre loset di gevan-
gen {übg. punden) der herre
erieubtet di blinden.
Der herre richtet uf die ze-
chuschten (l. zechnuschten), der
herre minnet die rehten.
9. Der herre behütet die
faerchomenen, den weisen und
den (I) witwen enphahet er, und
zefioret der sunder wege.
10 (166»). Der herre reih-
sent in di werlt, din got, Syon,
an dem gesiebte und von dem
gesiebte.
6. JLhh.
10
146
V. AbliMkdlvDf : Seh6nbaob.
Ymniu.
(114^) Eterna cell gloria bea-
ta spes mortalinm celsi tonantis
nnice casteqae proles virginis.
Da dexteram surgentibus
exurgat et mens sobria fla-
gransqae in laude Dei grates
rependat debitas.
Ortus refulget Lucifer spar-
(115 *)8amqae Incem nunciat
cadit caligo noctinm lax sancta
nos illuminat.
Manensque nostris sensibus
noctem repellat seculi omnique
fine diei purgata seryet pec-
tora.
Qnesita jam primum fides
radicet altis sensibas secnnda
spes congaudeat quo major ex-
tat Caritas.
Deo patri sit gloria ejnsqne
soli filio cum spiritn paraclito
in sempi(115^)tema secula.
Amen.
Ewigen gnade des himiles,
seliger gedinge der totlichen,
einborner sun des alwaltenden
and der chenschen magde ge-
siebte.
Gib din zeswen den of sten-
den and erste der cheusche mat
brinnender an gotea lobe und
sag im di verscholten gnade.
Der morgenstern schinet uf
gegangen und chundet daz ge-
spranchte lieht, den vinster der
naht yellet, daz heilige lieht er-
leaht uns.
Belibendez in unseren sinnen
iz vertribe der werlde naht und
gehalte di geleutereten brüste
an allen ende tages.
Der gelobe gesuhter nu aller
erstC; der wurtze tiefe in den
sinnen^ sich freu der franspnte
gedinge dar an si deu merer
minne.
Got dem vater si lop and
sinem einigen sun mit dem
heiligen geiste^ dem trostere in
di ewigen werlt.
Olaubensbekenntnis.
(180^) Quicumque yult sal-
Yus esse, ante omnia opus est,
ut teneat katholicam fidem.
Quam nisi qaisque integram
inviolatamque servaverit, abs-
que dubio in eternum peribit.
Swer heile wil werden, der
sol vor elleu halten Christen-
liehen gelouben.
Iz ensi, daz in ein ieglicher
ganzen und ambewollen behalte,
er wirt an zwivel verlorn ewic-
lichen.
Studien sar Geschiebte der »Itdevtecheo Predigt
147
Fides autem katholica hec
08t y at unum Deum in Trini-
täte, et Trinita tem in nnitate
veneremur.
Neque confnndentes perso-
nsLSj neque substanciam sepa-
rantes.
Alia est enim persona Patris,
alia Filii, alia Spiritus Sancti.
Sed Patris et Filii et Spiritus
Sancti una est divinitas equalis
gloria coeterna majestas.
Qualis Pater, talis Filius,
talis et Spiritus Sanetus.
Inmensus Pater, inmensus Fi-
lius, inmensus Spiritus Sanetus.
Eternus Pater, etemus Filius,
etemus et Spiritus Sanetus.
Et tarnen non tres etemi,
sed unus etemus.
Sicut non tres increati, nee
tres inmensi, sed unus increatus
(180^) et unus inmensus.
Similiter omnipotens Pater,
omnipotens Filius, omnipotens
et Spiritus sanetus.
Et tarnen non tres omnipo-
tentes, sed unus omnipotens.
Ita Deus Pater, Dens Filius,
Dens Spiritus Sanetus.
Et tarnen non tres dii, sed
unus est Deus.
Ober (O vom Miniator falsch
gesetzt, A war vorgezeichnet) daz
ist der elliche geloube, daz wir
einen got in der drivalt, und
di drivalt in der einunge eren.
Niht scheidende di genennde,
niht sunderende di wesunge.
Wan ein genende ist des
(180**) vaters, deu ander des
sunes, deu ander des heiligen
geistes.
Sunder ein geliehen gotheit
ist des vaters und des sunes
und des heiligen geistes, und
ein geliehen ere und ein eben-
ewigen magenchraft.
Als der vater ist, als ist der
sun, als ist der heilige geist.
Urmerch ist der vater, ur-
merch der sun, urmerch der
heilige geist.
Ewich ist der vater, ewich
ist der sun, ewich ist der heilige
geist.
Und sint doch niht drei
ewige, sunder ein ewiger.
Also sint niht dri umbe-
schaffen, noch dri urmerige,
sunder ein unbeschaffener und
ein urmeriger.
Also ist alwaltich der vater,
alwaltich der sun, alwaltich der
heilige geist.
Und sint doch niht dri al-
waltige, sunder ein alwaltiger.
Also ist got der vater, got
der sun, got der heilige geist.
Und sint doch niht dri got,
sunder ein got.
10»
148
T. Abkaa41«Df : Sohöiibteh.
Ita dotninoB Pater, duminns
Filius^ dominas et Spiritus
sanctOB.
Et tarnen non tres domini,
sed nnas est dominus.
Quia sicut sigillatim (l. sin-
gulatim) unamquamque per-
sonam Deum aut Dominum
confiteri Chri8ti( 1 80*)ana ve-
ritate compellimur.
Ita tres deos aut dominos
dicere katholica religione pro-
hibemur.
Pater a nnllo est factus, nee
creatusy nee genitus.
Filius a Patre solo est non
factuSy nee creatus, sed genitus.
Spiritus sanctus a Patre et
Filio non faetus, neo creatus^
nee genitus, sed proeedens.
Unus ergo Pater, non tres
patres; unus Filius^ non tres
filii; unus Spiritus Sanctus, non
tres Spiritus sanoti.
Et in hac Trinitate nicfail
prius aut posterius^ nichil majus
aut minus.
Sed tote tres persone coe-
terne sibi sunt et ooequales.
Ita ut per omnia^ sicut jam
supra dictum est, ut et Tri-
nitas in unitate^ et unitas in
Trinitate veneranda sit.
Also ist herre der vater^ herre
der sun, herre der heilige geiat.
Und sint doch niht dri herren,
sunder ein herre.
Wan als wir mit cristenlicher
warheit werden betwungen, ein
iegliche genende besunder jehen
einen got oder einen faerren.
Also wirt uns gewert und
(2. von) ellicher ewirdicheit (l.
erwirdicheit), daz wir iht spre-
chen sin dri got oder dri-
faerren.
Der vater ist von deheinem
worden nofa beschaffen noh ge-
born.
Der sun ist von ein dem
vater noh gemachet noh ge-
schaffen, sunder gebom.
Der heilige geist ist von dem
vater und von dem sun niht
gemachet noch be(181*)schaffen
noch geborn, sonder forgender.
Iz ist doch ein vater, und
niht dri veter; ein sun, und niht
dri sun; ein heiliger g^ist, und
niht dri heilige geiste.
Und ist an dirre drivalticheit
niht erers oder afters, niht me-
rer noh minner.
Sunder die dri genende sint
gar ebenewich und ebengelich.
Also als über {erg, elleu), als
da vor gesprochen (l, gespro-
chen) ist, daz deu drivalte in
der einunge (18 P) und deu ein-
unge in der drivalte ze eren ai.
Sindi«!! cur OMohiebte d«r »Itdeatscli«!! Predigt.
149
Qai volt ergo salvus esse,
ita de Trinitate sentiat.
Sed necessarinm est ad eter-
nam salntem, ut incaraacioDem
qaoqne Domini nostri Jhesn
Christi fideliter credat.
E^t ergo fides recta, ut cre-
damns et confiteamnr, qnia Do-
minus noster Jhesus Christas
Dei Filius Deus et homo est.
Deus est ex substancia Pa-
tris ante secula genitus et homo
ex substancia matris in seculo
natus.
PerfectUB Deus^ perfectus
homo, ex anima rationali et
humana came subsistens.
Equalis Patri secundum di-
vinitatem, minor Patre secun-
dum humanitatem.
Qui, licet Deus sit et homo,
non duo tamen, sed unus est
Christus.
Unus autem non conversione
diyinitatis in came, sed assump-
done humanitatis in Deo.
Unus omnino non con(181^)
fusione substancie, sed uni-
täte persone.
Nam sicut anima racionalis
et caro unus est homo, ita
Deus et homo unus est homo,
unus est Christus.
Swer heil wesen wil, der ver-
ste alsus von der drivalte.
Sunder des ist notdurft ze
dem ewigen heile, daz er di
menscheit unseres herren Jhesu
Christi getreulichen geloube.
Daz ist der rehte gelobe,
daz wir gelouben und verjehen^
wan unser herre Jhesus Chri-
stus^ gotes sun, ist got und
mensch.
Er ist got von des vater
wesunge geborn vor der werft,
und ist mensch von der (181®)
muter wesunge geborn in der
werft.
Volchomner got, volchomner
mensch, wesender von rede-
licher sei und von mensch-
lichem fleisch.
Er ist gelich dem vater nach
der gotheit, und ist minner dem
vater nah der menscheit.
Swi er doch si got und
mensch, ir sint doch niht
zwene, sunder ein Crist.
Er ist ein niht an der be-
cherunge der gotheit an dem
fleisch, sunder von der ne-
munge der menscheit in got.
Er ist ein deheinen wis niht
von der samnunge der we-
sunge, sunder von der einunge
der genende.
Wan als deu redhafte sei
and daz fleisch ist ein mensch,
als ist got und mensch ein
Crist.
150
V. AbhuidhiDK : Schönbach.
Qui pa49su8 est pro salutc
nostra^ descendit ad inferos^
resurrexit a mortois.
Ascendit ad cclos, sedet ad
dexteram Dei Patris omnipo-
lentis.
Inde venturus est, jadicare
vivos et mortuos.
Ad cujus adventum omnes
homines resurgere kabent (I.
debent) cum corporibus suis.
Et reddituri sunt de factis
propriis racionem.
Et qui bona egerunt^ ibunt
in vitam eternam; qui vero
mala, in ignem eternum.
Hec est fides katholica, quam
nisi quisque fideliter firmiter-
que crediderit, salvus esse non
poterit.
Der gemartert ist um unser
heil, er für ze helle und er
stunt von den toten.
Er für ze hymel und sitzet
ze der zeswen sines alwalten-
den yaters.
(182*) Dannen ist er chunf-
tich, zerteilen lebendige und
tote.
Ze der chunft alle leute suln
ersten mit ir leichnamen.
Und suln rede wider geben
von ir eigen werchen.
Und die gut habent getan,
di varent ze dem ewigen Übe,
und die übel habent getan, ze
dem ewigen feur.
Daz ist der elliche gelaube,
iz ensi daz ein ieglicher in
getreulichen und steticlichen
geloube, er enmach niht be-
halten werden.
Studien zur GMchiehta der altdenttehaii Predigt. 151
Übersicht des Inhaltes.
Einleitnng 8. 1.
Texte S. 2.
UnterfluchnngenS. 82. — Literatur und Quellen 8. 88. — Bertholds
Predigten gegen Ketser 8. 84. — Mission 8. 86. — Katharer 8. 86. —
Ihre Lehren 8. 86. — Der Anfang des Evangeliunis Johannis 8. 98. —
Der deutsche Text der Fragmenta Burana 8. 95. — Waldenser 8. 99.
— Ihre Namen 8. 99. — Veränderung in ihren Lehren 8. 101. —
Leonistae 8. 103. — Ihre Ansichten 8. 104. — Ortliebarier, Rundarier,
Pikardi, Everhardini 8. 106. -- Alte Häresien 8. 107. — Ketzerlehren im
allgemeinen 8. 108. — Besonders auf Waldenser lu beziehen 8. 110. —
Die drei Gedichte jVon der Würdigkeit der Priester' und ihre Quellen
8. 111. — Weiteres über Waldenser 8. 116. — Ihre Lebensführung 8. 116.
— Ihre Auslegung des Eyangeliums Johannis (Anegenge) 8. 117. —
Waldenserschriften : Dreißig Stufen Angustins, Bergpsalmen, (Wal-
denserpsalter), Merat 8. 119. — Art und Propaganda der Ketzer 8. 120.
— Verbrennung 8. 123. — Halbketzer und Pfennigprediger 8. 123. —
Juden und ihr Aberglaube 8. 123. — Heiden (Sarrazenen) 8. 126. —
Bertholds Polemik 8. 125.
Beigabe: Über den Waldenserpsalter der kaiserlichen Hofbibliothek in
Wien 8. 128.
VI. Abhftndinng: ▼. dufflay. Die dalrnfttiniseh« Priratarkund«.
VI.
Die dalmatinische Privaturkunde.
Von
Dr. Milan v. Sufflay.
(Vorgelegt am 20. Mai 190S.)
Dalmatis is thos physically s march-land; and its
physical posiiion has ever made it the march-laDd of
langoages, empires, and religioDS . . . Bat these coasts and
islands bave beeo a march-land in yet a fnrÜier sense than
this. Tbeir history haa made them in all ages the border,
Bometimes of civilization against actual barbarism, always
of a bigher civilizatioD against a lower.
Free man: The iUifrian emperor* and their land
(Histarical Estatjs JU» 2S),
I.
Einleitung.
Uie Geschichte des römischen Dalmatien nimmt mit dem
Falle von Salonae nnd Epidauras ein Ende. Die Küstenstädte
hielten zwar an den alten römischen Überlieferungen fest und
widmeten, wie Venedig nnd Neapel, ihre Neigungen lange noch
dem oströmischen Kaisertume, aber das offene Land war von
jetzt an slayisch. Der alte lUyre wurde gegen Süden auf
den Boden von Epeiros gedrängt^ der Romane lebte in den
zerstreuten kulturellen Vorposten der maritimen Städte. Doch
ist die eigentümlich wichtige welthistorische Mission, welche
das dalmatinische Küstenland durch seine geographische Lage
in der Geschichte Roms einst erhalten hatte, nicht durch den
Fall des römischen Dabnatien verloren gegangen. Auch im
Mittelalter blieb es ausgesprochen ein Grenzgebiet der Sprachen,
Königreiche und Religionen. Dieser Charakter als Grenzgebiet
verleiht Dalmatien den eigentümlichen Reiz, welcher in seiner
alten und neuen Geschichte den Forscher gleich mächtig fesselt.^
' Ich Terweise aaf die tiefsinnigen Betrachtungen Freemans, Historical
Eways UI, 22— 61; Reclas, Noav. Geogr. aniv. III, 230 ff.; Gens: La
Dalmatie romame 1 — 71.
Sitximgiber. d. pbil.-hitt. Kl. CXLVII. Bd. 6. Abh. 1
2 VI. Abkftadlong: v. SaffUy.
Die östliche adriatische Küste ist der einzige Landstrich, wo
die Vorposten des gewaltigen Elementes der Slaven im Süden
starke Fühlung mit der romanischen Zivilisation faßten, an
allen ihren Segnungen, namentlich am städtischen Leben teil-
nahmen, bis dieselbe einige Schritte von der Küste in der vod
Norden über Ungarn und Kroatien kommenden germanischen
Kultur eine starke Rivalin finden mußte.
Die Geschichte der dalmatinischen Privaturkunde liefert
in den ersten Jahrhunderten zur Kenntnis der verschiedenen
Strömungen hoher und niederer Kultur einen nicht untauglichen
Baustein; seit dem 13. Jahrhundert wird sie sogar zum Grenz-
gebiet der zwei urkundlichen Haupttjpen des Westens: des
italienischen Notariatsinstrumentes und der deutschen Siegel-
urkunde.
Indem die vorliegende Arbeit den Versuch enthält, die
Entwicklung der mittelalterlichen dalmatinischen Privaturkunde
von ihren bekannten Anfängen bis zur Annahme ständiger
Formen, welche bis in die Neuzeit fortdauern, darzustellen, so-
wie ihre Stellung in der allgemeinen Diplomatik des Abend-
landes zu fixieren, bewegt sie sich auf einem räumlich fest
begrenzten Boden. Der ethnographische Gegensatz der ro-
manischen Städte zu den slavischen Neugründungen Dalmatiens
ist für unsere Zwecke nicht entscheidend, da sämtliche Ur-
kunden unter dem Einflüsse des Westens im großen und ganzen
in dem bekannten Zeiträume doch einen einheitlichen Entwick-
lungsgang nehmen und die eventuellen Verschiedenheiten der
älteren Urkunde, welche dem ethnographischen Unterschiede
entspringen konnten, im Laufe der Betrachtung genügend be-
tont werden können. Dalmatien wird somit in der heutigen
Bedeutung dieses Namens aufgefaßt, als der Küstenrand von
Zara und Nona bis Cattaro und Bndva mit InbegrifiT einiger
mittelalterlicher Binnenstädte, wie Bribir und Vrana, und der
Ansiedelungen an der mehrfachen dalmatinischen Inselreihe.
Die vorliegenden Forschungen erstrecken sich über ein
Material, dessen Grenzen durch das Jahr der ersten dalmati-
nischen Privaturkunde (918) und die ersten Jahre der ständigen
venezianischen Herrschaft über die Küstenstädte (1409, 1412,
1421) zeitlich genau fixiert sind. Aber die Ergebnisse aus
diesem Materiale bewahren ihre Geltung weiter in die Neuzeit,
Die dalnifttinische FriTatarlcando. 3
nur wenig von der venezianischen Herrschaft beeinflußt, und
finden ihren endgültigen Abschluß erst durch die Reformen
der napoleonischen Zeit.
Das erhaltene Quellenmaterial ist ungleich in Beziehung
auf Menge, Wert und Zugänglichkeit. In erster Reihe stehen
natürlich die Urkunden selbst, und hier wiederum sind die
weitaus ain zahlreichsten vertretenen städtischen Urkunden
maßgebend; die außer städtischen oder überhaupt die Bewohner
Dalmatiens außerhalb der Städte betreffenden Urkunden sind
selten, aber umsomehr willkommen. Für die älteste Zeit bis
zum 13. Jahrhundert fließt das Urknndenmaterial äußerst spär-
lich ^ außerdem sind es meistens keine Originale, die uns er-
halten sind. Seit dem 13. Jahrhundei*t wächst die Zahl der
Jrin^inaldokumente in hohem Maße, es beginnen auch die Kon-
:eptbücher der Notare, Testamente, Gerichtsbücher, die aber
iir uns erst in zweiter Reihe wichtig sind. Dazu gesellen sich
ie einschlagenden statutarischen Bestimmungen der einzelnen
fädte, welche die aus den Urkunden entnommenen trockenen
atsachen in anschaulicher Weise beleuchten.
Das erhaltene Urkundenmaterial zum Studium der dalmatinischen
künde ist bis zum Jahre 1200, teils aus den schon vorhandenen ge-
ickten Sammlungen von Lucius, Farlatus, Carrara u. s. w., teils durch
IC Funde vermehrt, zuerst von Kukuljevic in seinem Codex diplomaticus
ni Croatiae, Dalmatiac et Slavoniae (1874f., zitiert CSD.) in zwei
iden zusammengefaßt worden. Doch erwies sich diese Ausgabe be-
ders vom diplomatischen und paläographischen Standpunkt aus als un-
iichend und die südslavische Akademie beschloß, in ihren ,Monumenta
tantia historiam Slavorum meridionalium^ zur Neuausgabe der ältesten
unden zu schreiten, um dadurch eine solide Basis für die weitere
likation der Urkunden zu gewinnen, die sich vorläufig bis zum Jahre
^ erstrecken sollte. So erschien im Jahre 1877 der erste Band dieser
'■: Documenta bistoriae Croaticae periodum antiquam illustrantia (in
SJav. mer. vol. VII), herausgegeben von Radki. Dieser Band cnt-
neben anderem Quellenmaterial die Urkunden bis 1100 und deckt
n dieser Hinsicht mit dem ersten Bande von Kukuljevic. Doch war
t wendig, wegen etlicher ragusanischer und süddalmati nischer Ur-
;n , die Itadki absichtlich ausgelassen hatte, auch die Edition von
Ijevic zu benützen.
Nach dem Tode RaÖkis übernahm die Redaktion der Fortsetzung
pionriatars der Universitätsprofessor Tade Smi^iklas, jetzt Präsident
Jb lavischen Akademie. Als sein Schüler hatte ich die Ehre, an den
>eiten für die Neuausgabe des zweiten Bandes von Kukuljevic, be-
1*
4 VI. AbhMidliinir: ▼. dnfflay.
sonders aber an der Sammlung des Urkunden materi als bis 1409 teilsu-
nehmen. So wurde mir als seinem Begleiter oder unter seiner Leitung
im Dienste der Akademie die Gelegenheit geboten, fast alle Archive und
Urkundensammlungen im dreieinigen Königreiche durchzuforscheu. Ich
werde hier nur diejenigen erwähnen, worin die Hauptmasse der dalmati-
nischen Urkunden aufgespeichert liegt.
In erster Reihe kommt hier das Archiv der k. k. Statthalterei
zu Zar a (zitiert 6 AZ.) in Betracht. Es enth< hauptsftchlich die Urkunden,
welche die drei großen Abteien der Stadt, das Benediktinerkloster des
hl. Chrjsogonus (zit. S. Gris.), das Frauenkloster des hl. Nikolaus (zit.
S. Nie), sowie die Abtei des hl. Apostels Johannes von Rogovo, später
das Kloster der hl. Cosmas und Damian, betreffen. Außerdem sind die
Abteilungen der Familien Ponti und Lantana zu erwähnen. Zu Zara ist
noch von großer Wichtigkeit das Archiv des bestehenden Frauenklosten
S. Maria, sowie die Urkundensammlnng in der öffentlichen Bibliothek
Paravia.
Zu Sebenico findet man die einzige Urkundensammlung in dem
dortigen Kloster der Franziskaner; zu Spalato, Trau und Lesina in
den dortigen Domkapitelarchiven (zitiert AGS. [mit der ehemaligen
Signatur des k. k. geheimen Archivs zu Wien , wo sich jetzt größtenteils
nur beglaubigte Abschriften befinden], AGT., AGL.). Beschrieben sind
die zwei ersten Kapitelarchive von Carrara: Archivio capitulare di chiesa
di Spalato. 1844, beziehungsweise von Pavlovich: Memorie di cose dal-
matiche 1861. Das Archiv von Ragusa wurde noch nicht für die
Zwecke der Akademie benutzt, da es während der letzten zwei Jahre ge-
schlossen war.
Von andern zugänglichen oder unzugänglichen privaten Urkunden-
sammlungen in Dalmatien erwähne ich nur das verhältnismäßig gewaltige
Material, welches sich im Besitze der Grafen Begna inPosedarje bei
Zara befindet (zit. Begna). Von den Jahren 1206 — 1409 enthält dasselbe
194 Originalinstrumente, welche meistenteils diese alte zaratinische Fa-
milie betreffen.
In Kroatien enthalten dalmatinische Urkunden das Archiv der
Südslavischen Akademie (zit. AsA.) und das kroatische Landesarchiv
zu Agram. Während der Arbeit benützte ich auch Urkunden aus dem
k. und k. Staatsarchive zu Wien.
Daß ich die benützten Originalurkunden aus diesen Urkunden-
sammlungen im Laufe meiner Abhandlung genau zitieren konnte, ist mir
durch das Wohlwollen des Präsidenten der Akademie, Professors Smi^i-
klaS; möglich geworden, welcher mir die Einsicht in die fast dnickfertigen,
gewaltigen Massen der Handschriften während meiner Arbeit gewährte
und, wo nur möglich, mit Rat und Tat beistand. Ich spreche ihm hier
meinen wärmsten Dank aus.
Was die Statuten der Küstenstädte betrifft, so sei erwähnt, daß
ich alle, dasjenige von Ragusa ausgenommen, benützt habe. Die ältesten
Statuten von Curzola (1214, 1254) und Spalato ([1240] 1312), sowie
Die dalmatinische PriTatnrknnde. 5
die voD Lesina, Scardona und Budva werden nach der Ausgabe der süd-
slarischen Akademie (Mon. Slav. mer. hist. iur. vol. I — III) zitiert. Die
Stataten anderer Städte sind nicht neu publiziert; deshalb mußte ich mich
der älteren sehr seltenen, meist venezianischen Drucke bedienen, die sich
in vollständiger Zahl neben prächtigen Handschriften einiger derselben
in der Bibliothek des obersten Gerichtshofes zu Wien befinden. Es sind
das dieSUtoten von Zara 1564, Pago 1637, Sebenico 1608, TraÄ 1708,
Brazza 1616 (Utini), Cattaro 1615. (Stat. Curzolae 1643, Spalati 1671,
Lesinae 1642.). Die genauen Angaben der Titel kann man bei Yalen-
tineili, ßibliografia della Dalmazia c Montenegro 1855, finden. Die
große Seltenheit derselben bewog mich hauptsächlich, mehrere inter-
essante Stellen aus denselben in den Belegen wiederzugeben. Die Statuten
von Ragusa sind noch nicht publiziert; den Liber croceus von Ragusa
aus dem Jahre 1460 benutzte ich nicht, teils absichtlich, weil ich nur
H'cnige ragusanische Urkunden zur Verfügung hatte, teils unabsichtlich,
weil mir eine Handschrift momentan nicht zur Verfügung stand.
In bezug auf ander() von mir benützte und zitierte Quellen können
licse Bemerkungen aus den Zusammenstellungen des Professors Jire^ek
Romanen in Dalmatien. Denkschriften der kais. Akad. 48, 4 ff.) über
as Quelienmaterial ergänzt werden.
n.
Oesehichte des Notariats In Dalmatien.
1. Die Urkundensohr eiber der Küstenstadte bis zu den
Anfangen des Notariatsinstitutes (um das Jahr 1160).
Nach der Verwüstung Dalmatiens durch Awaren und
ven und dem Untergang von Salonae und anderen Städten ^
inen wir wegen des fast gänzlichen Mangels an Quellen
rhaupt nicht einmal in den alten großen Städten Dalmatiens,
Jader und Tragurium, noch auch in den Inselstädten^
unberührt von den Invasionen sich weiter behaupteten,
Weiterentwicklung des gewaltigen Körpers der Beamten
:>]gen, der doch noch in der spätrömischen Zeit in dieser
sehen Provinz nachzuweisen ist. Obgleich es unmöglich
iinen genauen Beweis zu erbringen, daß die Einrichtungen
»fTentlichen Schreiberwesens in Dalmatien an den römischen
Ummler , Wiener Sitzungsberichte 20, 866 setzt den Zeitpunkt der
'oberun^ unter die Regierung des Kaisers Heraklins; Jireiek, Romanen
'enkschriften 4S, p. 26) in die letzten Btilrmiscben Jahre der Regierang
3 Piiokj
6 VI. Abhandlung: t. gofflay.
Brauch anknüpften, wie eine solche Kontinaität für fast ganz
Italien festzustellen ist,^ so kann man dennoch vermuten, daß
die Tabularii und Exzeptores, die uns in der römischen Zeit
genannt werden,^ auch später in den erhaltenen römischen
Städten Urkunden verfaßten, lange nachdem die städtischen
römischen Behörden verschwunden waren. Denn fortwährend
im Zusammenhange mit dem oströmischen Kaiserreiche befind-
lich mußte der übergebliebene römische Kern der öffentlichen
Einrichtungen in den genannten Städten einen im Anfange
noch von Italien unabhängigen, aber besonders mit Mittelitalien
analogen Entwickelungsgang nehmen, da die Bedingungen
dafür fast die gleichen waren. Es ist dies um so wahrschein-
licher, da auch eine vage Erinnerung an die Tabellionen, die in der
offiziellen Liste der römischen Beamten Dalmatiens wegen ihres
privaten Charakters natürlich nicht genannt werden konnten,'
wachgerufen durch die gegen das Ende des 12. Jahrhunderts
in Norditalien immer bekannter werdende Justinianeische Kom-
pilation,^ aus den Statuten von Zara durchschimmert^ und in
^ Brnnner, Zur Rechtsgeschichte 143. Breßlau 438 ff. Voltelini, Die Sfid-
tiroler Imbreviaturen (Acta Tirol. II, p. XIV f.).
' Notitia dignitatum c. 45, p. 127 sub iarisdictione viri perfectiasimi prae-
sidis Dalmatiae provincia Dalmatiae officium antem habet hoc modo:
principem ex eodem officio, cornicularium , tabularios duos . . . ex-
ceptores . . . cf. Ljubid, O upraviteljih Dalmacije, Rad jagoalov. Akad.,
vol. 31, p. 56 — 68; Cons.: La Dalmatie romaine 350 — 360. cf. Bethmann-
Hollweg, Der Zivilprozeß UI, 133 ff. 160 f.
' S. die vorige Note; cf. Bethmann-Hollwcg III, 169; Kariowa, Römische
Rechtsgeschichte I, 999 ff.
* In ihr ist der Ausdruck tabellio zur Bezeichnung der gewöhnlichen
Notare am gebräuchlichsten; cf. Savigny, Geschichte des römischen
Rechtes im Mittelalter, Buch I, c. 2.
^ Die Bezeichnung ,tabellio' kommt in diesen Statuten neben ,notarius'
sehr häufig vor. Es ist eben daraus zu entnehmen, daß die ersten das
Schreiberwesen betreffenden statutarischen Aufzeichnungen zu Zara ge-
rade mit dem Wiederaufleben und wachsenden Ansehen der römischen
Jurisprudenz in Oberitalien, welche hier den Ausdruck tabellio geläu-
figer machte (cf. Österley, Geschichte des deutschen Notariats I, 143)
zusammenfallen, also wenigstens in den Anfang des 13. Jahrhunderts zu
versetzen sind. Cf. die Urkunde von Zara a. 1181 (CSD. II, 164), wo
es das einzige Mal vorkommt, daß sich der Notar ,Jadre tabellio' nennt.
Auch Reutz, Der Rechtszustand der dalmatinischen Küstenstädte 13. —
Das Erscheinen denselben Ausdruckes im Statutenbuche von Sebenico
Die dalmatinische PriTatarknnde. 7
der ältesten Urkunde von Zara spätrömische Reminiszenzen
zum Vorschein kommen.^
Doch ist die Weiterentwicklung nicht eine einheitliche
gewesen nnd vom 9. Jahrhundert angefangen gewiß auch teil-
weise keine selbständige. Denn nach der Unterwerfung Istriens
(788) und der Kroaten durch die Franken begann für die
Städte Norddalmatiens und speziell für Zara die Zeit des di-
rekten Einflusses des Westens ^^ besonders Norditaliens, der
in dem dalmatinischen Urkundenwesen des 10. und 11. Jahr-
hunderts scharfe Nachwirkungen hervortreten läßt. In dieser
Zeit, also wahrscheinlich schon im 9. Jahrhundert tauschte der
saratinische Urkundenschreiber seine uns unbekannte, aber
iweifelJos an den römischen Brauch anknüpfende Benennung
ur den Titel ,notarius' ein,* welcher Titel im Gebiete der
rangobarden die Befugnis verlieh, Urkunden zu schreiben und
e mit öffentlicher Glaubwürdigkeit zu bekräftigen. Ebenso
acht schon in der ersten Urkunde von Ragusa ein Notar
f, nur daß er in dieser Neugründung wahrscheinlich aus
m primitiven dalmatinischen Privatschreiber der ältesten
It hervorging, von dem unten die Rede sein wird.
Es ist eben ein neuer, fremder Schleier, welcher dadurch
' die zaratinische Urkunde ftlUt und ihr jede Spur der An-
(jjfang an das römische Schreiberwesen raubt, so daß sie
dieser Beziehung von der zwei Jahrhunderte späteren Ur-
de der Inselstädte überboten wurde. Denn diese, von der
n Eroberung der Kroaten nicht betroffen, ja vielmehr Zu-
itsort für die flüchtigen edlen Römer,^ blieben auch zeit-
ürfte, wie auch viele andere Verordnungen dieses Buches, eine Ent-
^hnung* aus dem zaratinischen Statut sein.
unten §§ 6, 15. ' Jire^ek 1. c. 32.
yc. Nr. 32, a. 1033, Nr. 35, a. 1036. — Wenn in der ältesten zaratini-
iien Urkunde von 918, Nr. 13 der Schreiber Johannes diaconus nicht
n Titel notarius fahrt, so ist daraus nicht zu schließen, daß der Titel
bst unbekannt war; denn erstens konnte, da wir von dieser Urkunde
r eine Abschrift besitzen, das ,atqne notarius' leicht ausgefallen sein,
i^itens kommt ein Fall später vor, wo in der Orid^inalunterschrift eines
reibers dieser Titel fehlt, der ihn sonst führt (Nr. 38, cf. Nr. 35). —
' die JPormol post traditam, welche den italienischen Einfluß zweifel-
be^veist, s. unten §§ 4, 6.
irelli, Oftservazioni sulF isola della Brazza 46. Venezia 1802.
8 VI. AbbftadlQDff: ▼. dnfflay.
weise von dem westlichen politischen Einfluß und somit von
diesen kulturellen Beziehungen teilweise verschont^ litten da-
gegen freilich umsomehr von den Raubzügen der Araber und
der Piraterie der slavischen Narentaner.^
Darum zeigen sich hier die Verknüpfungen der Urkunden-
schreiber mit den ehemaligen römischen Behörden am aus-
geprägtesten, indem dieselben im auffallenden Gegensatz zu den
geistlichen Schreibern Dalmatiens Laien sind und sich scribae
nennen und somit an ein officium municipale anknüpfen.^ Aber
eben aus demselben Grunde ist der starke slavische Sprach-
geist kenntlich, welchen die ruhig vollzogene Slavisierung der
Inseln dem fremdartigen lateinischen Stile der Urkunde auf
drückte.' Diese für ganz Dalmatien ungewöhnliche Bezeichnung
yScriba' behauptete sich zu Brazza zäh weiter, lange nachdem
das Notariat in allen anderen Städten schon blühte; da sie
aber eben unter dem Einflüsse dieses nahen Institutes mit dem
Ausdrucke notarius schon lange gleichbedeutend war, so sind
die sonst nur bei den Notaren üblichen Zusätze auch bei den
Scribae von Brazza anzutreffend
Dagegen kann in den aus ihren Ruinen neu auferstan-
denen, ehemals römischen Städten Spalato, Scardona, Ra*
» Cf. Jireßek 1. c. 30 f.
* CSD. n, 20, a. 1111 Brasza. Et ego Lanrencins fiUns Fabian! Radomiri
scriba secandas scripsi proat volaerant lege 8 bona fide sine fraade
et dolo. — Wenn der Aosdruck scrlba sonst in anderen Städten ge-
legentlich aach im 14. Jahrhundert vorkommt, so bezeichnet er immer
einen Schreiber im Dienste eines einzelnen Herrn, z. B. 1312, Zara: ego
Nicolans ... de Verona imp. anct. notarius et domini electi scriba
(or. GAZ. s. Nicol. Nr. 107). — Aus dem Rangunterschiede, welcher ans
der Bezeichnung scriba secundus hervorgeht, auf eine kollegfialische
Organisation der Schreiber, wie sie im Herzogtume Amalfi und Oaeta
zu finden ist (Breßlau 441), zu schließen hindert der Umstand, daß man
in keiner anderen dalmatinischen Stadt eine Spur davon findet. Wahr-
scheinlich ist, daß dieser scriba, welcher der Behörde als Schreiber bei-
gegeben war, die Bezeichnung als secundus führt, um sein untergeord-
netes Verhältnis zu dem ersten Kanzleibeamten auszudrücken. Cf. Paoli-
Lohmeyer 106, Nr. 4.
* S. z. B. die Urkunde von 1184. Brazza CSD. II, 294. Cf. Reutz o. c. 4.
* a. 1288. Brazza. Et ego Crasorus filius Petri de Spaleto iuratus scriba
communitatis Brazie scripsi (Cicarelli: Osserv. suir isola della Brazza,
p. 111. Wenczel, Cod. dipl. Arp. IV, 338).
Die dalmatinisctae PriTatnrkande. v
gnsa, sowie in den kroatischen Neugründangen wie Nona,
Sebenico von einem Fortbcstehen der römischen Einrichtungen
in dieser Beziehung nicht die Rede sein. Es entstanden hier^
sofern Rückschlüsse aus den späteren Urkunden des 11. Jahr-
hunderts sie zu entschleiern gestatten, Verhältnisse, welche in
Bezug auf das Schreiberwesen lebhaft an diejenigen innerhalb
des langobardischen Italiens und des fränkischen Reiches vor
]er karolingiscben Gesetzgebung erinnern.^ Denn eine Be-
chränkung des Rechtes, Urkunden von wem immer man wollte,
cbreiben zu lassen, hat hier nicht bestanden. Bis über die
litte des 12. Jahrhunderts ist keine Urkunde dieser Städte
I ünden, deren Schreiber seinem Namen eine Bezeichnung
nzuflJgen würde, woraus hervorginge, daß er die Anfertigung
n Urkunden im amtlichen Auftrage oder gewerbsmässig be-
nhe. Der Umstand aber, daß zur Aufnahme der Urkunden
den ersten Zeiten die erforderliche Bildung nur bei den Mit-
sdem des Klerus angetroffen werden konnte, mochte schon
r früh veranlaßt haben, daß hier wie auch in Zara aus-
ließlich nur Geistliche zu diesem Zwecke gewählt und zu
;r Art gewerbmäßiger Schreiber, beziehungsweise Notare
'den. Somit sind die ältesten Urkunden Dalmatiens nur
geistlichen Schreibern verfaßt^ welche ihren Stand als:
3opn8, presbiter, monachus, diaconus, subdiaconus angeben.^
^ara und Ragusa sind die ersten Notare Geistliche. In
ito sind im 11. Jahrhundert mehrere Geistliche als Schreiber
zuweisen, unter denen wir auch den Kanzler des kroa-
m Königs Svinimir vorfinden. Es ist das der durch
langjährige Tätigkeit (1069 — 1083) ausgezeichnete Geist-
Tbeodoras, der zuerst Cancellarius der Domkirche von
:o, dann Capellanus des Königs Kredimir war, endlich sich
/"tirde des königlichen Kanzlers emporschwang. Die von
erfaßte Privaturkunde* weist auf eine eigentümliche Ein-
ig der kroatischen königlichen Kanzlei, welche hierin ein
stück zur lombardischen bietet^ wo die zum Dienste des
verpflichteten Beamten zu gleicher Zeit auch als
3reßUa 442 ff. 476.
Ir die ftlteste Zeit Doc. Index sub v. Scriptor p. 533.
102, A. 1078.
10 vr. AbhAndUng : t. dnfflay.
aligemeine Privatschreiber tätig waren.^ Die Gestaltung des
Schreiberwesens in anderen Städten kann man sich gewiß der
obigen analog denken. Direkte Bestätigung darüber geben
uns nur wenige Urkunden erst aus dem 12. Jahrhundert.*
Ebenso bei den Kroaten, wo die Zahl der Schreib- und Sprach-
kundigen gewiß eine äußerst geringe war.^ Außer dem ge-
legentlichen geistlichen Schreiber^ finden wir hier auch eine
Art von wandernden Schreibern, die sich dem Dienste der
kroatischen Stämme widmeten und ihrem Rufe in verschiedene
Orte folgen. So trifft man einen Priester und Mönch Adam,
der in demselben Jahre 1070 in drei Städten Urkunden
schreibt,^ gebeten einmal von einem kroatischen Magnaten,
V
das anderemal von einem Zupan, das drittemal von den Ge-
nossen einer angesehenen Sippe.
Bald aber, schon am Ende des 1 1 . Jahrhunderts, wurde
auch Zara durch die rege wechselseitige Berührung mit den
benachbarten Kroaten ^ in dieser Beziehung den übrigen Küsten-
Städten gleichgestellt. Denn der Titel ,notarius^, der noch am
Anfange des Jahrhunderts vorkommt, in seiner ursprünglichen
Bedeutung gleich den Scribae publici des langobardischen Ge-
setzes,^ berechtigte die zaratinischen Notare gar nicht, die Ur-
kunden allein zu verfassen, wie dies schon daraus hervorgeht,
daß sich ein Notar nicht immer als solcher bezeichnet, sondern
sich durch Auslassung dieses Titels dem geistlichen Privat-
schreiber gleichstellt.^ Bald kommen Fälle vor^ daß die geist-
lichen Empfänger selbst die Herstellung der für sie bestimmten
Urkunden besorgen oder besorgen lassen,^ bis endlich für ein
ganzes Jahrhundert jede stärkere Spur des Notariats zu Zara
^ Die Meinung Paolis, Dipl. 59. (Übersetzang von Lohmeyer [sitiert L.] 77.)
• So für Cattaro CSD. II, 36.
' Für die fOrstlicbe und königliche Kanzlei siehe die ziemlich weit-
schweifige Abbandlang von Raiki, Hrvatska dvorska kancelarija, Rad 35,
p. 2 ff. Etwas darüber auch bei Fejörpatakj: Kutatisok DalmAtia lev^l-
tirkhän (Szazadok 1881, 214 ff.).
* Doc. 29, 72. > Nona Doc. Nr. 60, Zara Nr. 63, Belgrad Nr. 62.
• Cf. Jirecek 1. c. 94 f.
* Ratchis 8 (M. G. LL. IV. 189), Breßlau 448, Voltelini 1. c. p. XIV.
* Doc. Nr. 33. Ego Anfredus presbiter scripsi et roboraui. Nr. 35. Ego An-
freduB sacerdos et notarius . . .
• S. unten § 21.
Di« dulmatioische PriTatnrlrando. 1 1
erlischt' and nar die VoUziehangsformel noch eine Zeitlang
die Erinnerung an die Notare wachhaltet.' Die Urkunden
werden von der Mitte des 11. bis in die Mitte des 12. Jahr-
banderts von einem geistlichen Privatschreiber verfaßt, der
oft als solcher nur ans seiner Position in der Urkunde^ als
letzter der Zeugen, zu erkennen ist.^ Wenn auch der Mangel
an urkundlichem Material bei dem völligen Verschwinden der
Notare zu Zara und Ragusa mitspielen dürfte, so kann man
doch das unzweifelhafte Überhandnehmen des Privatschreiber-
wesens in den genannten Städten als einen vollständigen Sieg
des in Dalmatien selbständig entwickelten Schreiberwesens
iber die ersten Angriffsversnche des keimenden italienischen
Notariats ansehen.
2. Die Ausbildung des Kotariats in den dalmatinisohen
Städten (1160—1260).
Der selbständigen Weiterentwicklung des Schreiberwesens
den Etlstenstädten wurde bald durch den zum zweitenmal
greifenden Einfluß des italienischen Notariats in der zweiten
Ifte des 12. Jahrhunderts Einhalt getan. Indem wir in der
;en Periode gewerbsmäßige Urkundenschreiber nur in Zara
Kagusa antrafen , sahen wir die Beeinflussung lokal be-
'änkt und darum auch leicht zu verwischen. Diesesmal
*eckt er sich auf die ganze östliche Küste des Adriatischen
res. Das Notariat, unterstützt von politischen und kul-
len Faktoren, welche der geographischen Lage, den Nei-
en and hauptsächlich der Verfassungsrichtung der kleinen
itinischen Republiken entsprangen, hinterläßt nicht nur
in, sondern absorbiert sehr bald alle eigentümlichen Bei-
ungen, die es sich in der ersten Zeit seines zweiten Ein-
jns von dem vorgefundenen Schreiberwesen und einheimi-
Kechtssitten gefallen ließ.
Das Bedürfnis nach öffentlichen Schreibern war, wie
D^ in Dalmatien bis in die Mitte des 12. Jahrhunderts
erste l^otar des 18. Jahrhunderts zu Zara a. 1164. CSD. II, 90.
38, 63, 106, a. 107S.
II, 9. 11. 12. 16.
12 VI. AbbandlQDg: y. gnfflay.
nur durch geistliche, nur zuweilen und lokal gewerbsmäßige
Schreiber befriedigt worden. Jetzt waren es eben dieselben,
welche hauptsächlich dazu beitrugen , um in den Stand der
Notare erhoben zu werden. Indem sie als Geistliche ihre Stu-
dien gewöhnlich in Oberitalien, in Bologna und Pavia vollen-
deten,^ lernten sie an der Quelle selbst das Institut kennen,
eben zur Zeit, als die Glossatoren sein Wesen einer besonderen
Bearbeitung unterzogen. Es kann in der Tat nicht auffallen,
daß bei den in Italien herangebildeten Schreibern der Städte
bald der dringende Wunsch entstehen mußte, den Notareu
Italiens, die so manches vor ihnen voraus hatten, verhältnis-
mäßig gleichgestellt zu werden. Diesem natürlichen Bestreben
kam gewiß schon jetzt das Bedürfnis der Regierung und die
Verfassungsrichtung der Städte entgegen, wie wir die Tätigkeit
derselben in dieser Beziehung später im erhöhten Grade fest-
stellen werden.
So kam es, daß unter dem Einflüsse der Notariatsschulen
Norditaliens das Notariat in einigen Städten wie Spalato, Trau,
Lesina, Sebenico, Almissa, Nona, Cattaro in der zweiten Hälfte
oder an der Wende des 12. Jahrhunderts begründet,^ zu Zara
' So berichtet der Verfasser der Ilistoria Salonitana Thomas archidiaconos
Spalatensis, daß er in Bologna studierte c. 26, p. 98. Zu Zara kommt
1237—1240 (or. GAZ. s. Gris. I, B. 6 — Ib. XVU, B. 9) ein Notar vor,
der sich magist er Gregorius (Jadrensis notarius) neunt, eine Würde,
die ohne Zweifel auf einer italienischen Universität erlangt wurde und
lange Zeit gleichbedeutend mit ,doctor* war; cf. Savigny, Die Geschichte
des römischen Rechtes III, 153 f.
^ Der erste Schreiber, der sich notarius bezeichnet zu Spalato a. 1176,
CSD. II, 131 (Nr. 38, wo schon a. 1129 ,prete Sabatio nodaro ginrato'
genannt wird, ist gewiß falsch datiert cf. Nr. 144, 166, 175, 178 f.); au
Traä a. 1213 (ed. Wenczel XI, 330 falsch unter 1203): et ego Gausenna
primicerius et traguriensis iuratus notarius . . . scripsi et signo con-
sueto signaui; zu Lesina 1226 (ed. Ljubiö, Stat. Lesinae 374). Et ego
presbiter Bemardus com. iuratus notarius . . . ; zu Sebenico 1243 (or. AaA.)
ego Leonardus notarius Sebenici iuratus . . .; zu OmiS (Almissa) 1845 (or.
Staatsarchiv zu Wien, Alm. 163/5 ed. Wenczel YII, 205) et ego diaconus
Ceprena iurat. not. . . .; zu Nona 1267 (or. S. Maria zu Zara) et ego
Stephanus primicerius et Non. not. . . . ; zu Cattaro 1261 (or. AaA.) quod
presens scriptum fieri fecimus per manum diac. Miche Gige com. no-
tarii ... — Doch dürften diese zuerst genannten Notare, den von Spa-
lato ausgenommen, nicht überhaupt die ersten sein.
Die dalnatinisehe Privaturkund«. 13
nnd Ragnsa aber die yerdorrten Keime desselben gründlich
erfrischt wnrden.
Besonders in Zara ist infolge der geographischen Lage
and des aasgeprägt lateinischen Charakters^ der Anschluß an
Oberitalien in der ersten Zeit enger gewesen als in den übrigen
Stüdten. Zwar blieb das Notariat in dieser Zeit wie auch
später im Grande nicht verschieden von den neu entstandenen
Instituten in anderen Städten, aber die Urkunde bekommt früher
die Hauptmerkmale des Instrumentes.' Auch ist ein Wieder-
sehein der in Italien eben erwachten romanistischen Juris-
prudenz in dem Ausdrucke ,tabellio^ für ^notarius' sichtbar.^
Gerade wegen dieses stärkeren apperzeptiven Momentes kann
Dan annehmen^ daß die Befriedigung des gegenseitigen Be-
lürfnisses, einerseits der Schreiber, anderseits der Regierung,
ier einfach auf dem Wege der Gewohnheit erfolgen konnte.
He neuerscheinenden Notare vergrößerten den einfachen Titel
3r einstigen Notare durch den Zusatz der Stadt^ indem sie
(mit die gewohnheitsmäßig herausgebildete örtliche unbe-
hränkte Kompetenz bezeichneten. Erst gegen das Ende des
. Jahrhunderts gebrauchen sie momentan Znsätze, welche
t Verwendung derselben bei der Behörde und die Autori-
ion der Stadt zur Ausübung des Gewerbes, also die'^ Ein-
sang durch dieselbe, deutlicher hervortreten lassen.^ Später
über die Mitte des 13. Jahrhunderts bezeichnet der Aus-
3k ,notarius Jadrensis' wiederum dieselbe und einzige Ge-
der Einsetzung.^
In anderen Städten erreicht das Notariat sogleich dieselbe
3; und da die Kluft, welche die früheren Schreiber von
f. Jire6eh 1. c. 44 f.
§ 8.
oben § 1, S. 6, Note ö.
r erste bekannte Notar yon Zara im 12. Jahrhundert führt den Titel
>hannes) Jadertinus notarius (1164 — 1172 CSD. II, 90, 121); der zweite
ttheos s. Anaatasie sabdiaconiis atque Jadrenses notarius (1175—1183,
129, 173); der dritte: Blasius diaconus et Jadrensis notarius (1178 —
1 Nr. 118, or. GAZ. s. Gris. XIV. D. 1), aber auch Jadertine ciui-
9 not. and Jadrensis curie ac ciuitatis not.
erste Notar, welcher durch noch eine andere Gewalt eingesetzt
ie, ist Jl^odouisius sacri palatii not. et unnc Jadre iut'atns not. (or.
;. 8. Nie. Nr. 64) a. 1271.
14 VI. AbhandloDg: ▼. 8nffUj.
den Notaren trennte^ größer als zu Zara war, erscheint es
wahlscheinlich, daß sie auf dem Wege der Gesetzgebung aus-
gefüllt wurde. Die hier überall übliche Bezeichnung: ,iuratus
notarius communis'^ drückt dieselbe städtische Oewalt der
Einsetzung wie zu Zara aus, aber auch die Vorsorge der Ge-
meinde, welche durch den Eid des Notars eine Bürgschaft für
das ihm geschenkte öffentliche Vertrauen haben wollte.* Dieser
letztere Zug ist in den Unterschriften der zaratinischen Notare
dieser Periode zwar nicht ausgeprägt, aber wegen der Be-
tonung, welche schon die ersten fremden Notare auf den ge-
leisteten Eid legten, kann er für die einheimischen Notare,
welche die Bezeichnung ,iuratus' erst im 14. Jahrhundert nur
dann gebrauchen, wenn sie dadurch die Einsetzung durch die
Stadt derjenigen durch die kaiserliche Gewalt gegenüber be-
tonen wollen, als selbstverständlich gelten.^ Es ist aber nicht
ausgeschlossen, daß vielleicht doch den geistlichen einheimischen
Notaren zu Zara zuweilen der Eid erlassen wurde, wie dies
(br Cattaro gewiß erscheint/ Zu Ragusa endlich ist die Be-
' S. oben S. 12, Note 2, dazu für Ra^sa a. 1231 ego presbiter Pascalis et
com. not. iuratus.
' Die Eidesformel habe ich nicht gefunden, aber wie aus den Stat. Spal.
vet. c. 59 (notarius teneantur uinculo sacramenti . . . contractum in
publicam formam reducere) und St. Jadr. 1. 2, c. 89 zu vermuten iFt,
sind sie kaum von denen bei Giul. Durantis Speculum iuris (Venesia
1602) 1. II, part. III. de instr. ed. § 8, n. 37, 38 erhaltenen wesentlich
verschieden.
' Der erste zaratinische Notar, der sich ,iuratU8' nennt, ist der oben (8. 13,
Note 5) zitierte Pfalznotar Lodouisius. Nach ihm gebrauchen diese Be-
zeichnung Nicolaus Feltrensis sacri palatii notarius et Jadre iuratus
1274—1278 (or. GAZ. s. Dom. Nr. 683. — Ib. s. Gris.XV); Henricus imp.
auct. not. et. Jad. iuratus 1278 — 1296 (or. AsA. — s. Maria); Johannes
Quali imp. anct. not. et Jad iur. 1291—1296 (or. GAZ. s. Gris. V, 96 ->
s. Maria) etc. Die einheimischen Notare führen in ihrer Unterschrift
diese Uezeichnung nur, wenn sie zugleich kaiserliche Notare sind, so
z. B. Michael Leonardi imp. auct. not. et Jadre iuratus 1310 — 1339 (GAZ.
s. Dom. Nr. 699 — s. Maria). Daß aber nicht nur Laien, sondern auch
Geistliche sich in diesem Falle iurati nennen, beweist Helyas canonicns
Spalatensis imp. auct. not. et Jadre iuratus (1366 — 1372).
* Der einzige geistliche Notar, den ich fttr Cattaro aufUhren kann, ist
Micha Gige (1261 — 1279); er nennt sich einfach communis notarius.
Da nach dem Stat. von Cath. c. 126 der Klerikus zu keinem Eide ge-
zwungen werden konnte, so ist sehr wahrscheinlich, daß man hier die
Dio dalnialiniBcbe FmaiQrlLQiido. 15
eidigung des Gemeindenotars nicht sofort mit der Erneuerung
des Notariats in dieser Stadt in Qebrauch gekommen, vielmehr
scheiDt hier in dieser Beziehung eine Nachahmung des Brauches
der anderen dalmatinischen Städte stattgefunden zu haben. ^
Im großen Ganzen aber kann man sagen, daß das Notariat
im Anfange dieser Periode in seinem äußeren Wesen überall
dieselbe Stufe erreicht; überall rührt die rechtliche Herleitung
des Amtes nnr von der Stadt her. Neben ihm verschwindet
plötzlich und für immer das primitive Schreiberwesen. Bis
zum Ende des 13. Jahrhunderts blieb das Notariat überall fast
ausschließlich in den Händen der Geistlichen. Die Ausnahme
iiilden die in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts einzeln
Tscheinenden kaiserlichen Notare aus Italien, wo das Notariat
ciion lange in den Händen der Laien war.' Nie unterließen
ie ersteren bei ihrer Unterschrift ihres geistlichen Standes
Irwähnnng zu tun und es ist keine geistliche Würde vom
3wdhnl]chen Kleriker bis zum Primizer des Domkapitels für
e Ausübung dieses Amtes zu nieder oder zu hoch. Mit dem
irken Andränge der italienischen Notare im 14. Jahrhundert
(rde der einheimische geistliche Notar gänzlich von dem
mden^ kaiserlichen verdrängt. Nur zufkllig treffen wir in
sera Jahrhunderte einen solchen und dann ist er, um die
nkurrenz der kaiserlichen Notare auszuhalten, mit demselben
jj g-eschmückt.^ Nie finden wir ihn zu Cattaro, wo am An-
o des 14. Jahrhunderts ein Gesetz die Geistlichen von
Notariatsamte für immer ausschloß.^
»eeidignng unterließ. Die späteren kaiserlichen Notare (Laien) nennen
ch iurati.
> fuhren die ersten bekannten zwei Notare von Ragusa, Marcus diaco-
is (1 168 CSD. II, Nr. 107) und Marinus diaconus (1180—1198; CSD. II,
7y 256) den Titel notarins commnnis. Der nächste Notar den ich kenne
presbiter Paacalis et communis notarins iaratus (1231 — 1264, Wenczel
, 239 — or AsA). Von da ab die Notare immer iurati.
Österley I, 100 f. Russi, Paleografia e dipl. delle prov. napolitane 124.
u a. 1333. "Ego Lucanus Bertani eccl. Spalat. primicerins auct. imp.
(ar. ACS. XVI, 2. 84); Ego Johannes condam Petri Trag, canonicus
. aact. not. — Zara s. oben 8. 14, N. 3.
. Oath. c. 296: quia diuersa genera scandali nobis oriebantur
ter officium tabellionatns, quod erat in manibus clericornm et multa
riostra amisimus propter ipsorum arrogantiam, idcirco statuimus et
16 VI. Abhandlung: t. dnffUy.
Somit hat das italienische Notariat, welches zu einer Zeit
in die Küstenstädte übertragen worden ist, als die Notare,
schon endgültig zu staatlichen Organen gemacht, in bezog auf
die Ernennung durch Kaiser und Papst einen einheitlichen
Charakter tragen,^ in bezug auf die Urkunde durch die Doktrin
der Glossatoren zu Ausstellern derselben geworden sind,* nicht
die vorgefundenen Einrichtungen mit einem Schlage vernichtet,
sondern wurde in der Form wie im inneren Wesen von den-
selben fast für ein Jahrhundert modifiziert.^ Dieser natürliche
Entwicklungsgang wurde hauptsächlich durch die Klugheit
der romanischen Aristokratie unterstützt.
Eine zwar nicht dauerhafte, aber desto eigentümlichere
Modifizierung des Notariats in dieser Periode durch eine sla-
vische Rechtssitte haben wir noch hervorzuheben, welche sich
in die überdies stark slavisierten Städte durch die Grund-
besitzverhältnisse leicht eine Bahn brach.
Seit der Einwanderung der Kroaten wurde die Sicherheit
der außerhalb der Städte gelegenen Besitzungen der bürger-
lichen Stände auf das äußerste gefährdet. Die Kommunen,
ebenso wie die geistlichen Behörden und Korporationen lebten
in ewigem Streite mit den verfeindeten benachbarten Stämmen
um den Grundbesitz der Bürger und der Kirche. Oft hatte
der Streit ein blutiges Nachspiel zur Folge,* gewöhnlich aber
ordinamus, ut nulius clericas possit esse notarios; quod statutam
proposuimus inuiolabiliter obseruari in poena yperperoram qalngen-
torum. — Es ist nicht schwer zu entdecken, daß diese diuersa genera
scandali hauptsächlich davon herrührten, daß der Notar als KleKker
durch das Statut c. 126 (wonach ein clericus von Zeugnis gegen laicnm
ausgeschlossen war, weil er zu keinem Eide gezwungen werden konnte
cf. Keutz o. c. 291) in seinem Amte gehemmt wurde,
^ 8. Ficker, Forschungen zur Reichs- und Rechtsgeschichte Italiens II, 69 ff.
Pertile, Storia del diritto italiano VI, 304 ff. Bethmann-HoUweg, Zivil-
prozeß V, 290 ff. Breßiau I, 466 ff.
* Voltelini 1. c. p. XX.
° Vgl. die in vielem ähnliche Entwicklung des deutschen Notariats bei
Österley I, 375—392; auch fUr den nächsten Paragraph ib. 393 — 404.
^ So erzählt uns Archidiakon Thomas von Spalato, daß Rainerius, Erz-
bischof von Spalato, infolge eines solchen Streites von dem kroatischen
Stamme Kaöici gesteinigt wurde. Hist. Sal. c. 21 (Mon. slay. mer. histor.
vol. 26, p. 73). Srai(^ikla8, Povjest hrv. I, 326. Klaic, Pov. hrvatska
I, 172.
Die dalnatiniscbe PrlTatorlranio. 17
wurde er vor einem kroatischen 2npan oder auch Banns ge-
riclitlich geBcblichtet.^ Der rechtmäßige Besitzer bekam einen
;pristay^; der ihm den körperlichen Besitz des eingeklagten
Grandstfickes za übergeben hatte oder die Grenzen desselben
umgehen sollte.' Diese slavische Institution drang früh in die
Städte und im 13. Jahrhundert vertritt ein ^pristaldns^ in der
städtischen Oerichtsnrkonde die ähnliche Bestellung des italie-
nischen ^missns';' von ihr erhielt auch das eben eingeführte
ifotariat momentan eine originelle Färbung.
In der zweiten Hälfke des 12. Jahrhunderts, wo das Ur-
kandenmaterial zahlreicher wird, finden wir den Notar, be-
'^iehnngsweise den Schreiber öfter bei den oben genannten
Jechtshandlongen , wie Besitzergreifung und Umgehung der
ifrenzen, anwesend. So treffen wir Blasius, den Notar von
ara, weit in den Bergen Dalmatiens bei Enin bei einer Teilung
3r Besitzungen zwischen den Tempelrittern und dem Erlöster
ogovo bei Zara,^ mit der Äbtissin des Klosters St. Maria
Qgeht er die Grenzen einiger Weinberge;^ bei der Schenkung
les Grundstuckes durch den Herrn von Konavlje (Canali)
seine Tochter und seinen Schwiegersohn ist der Schreiber
per ipsam terram' anwesend/' und der spalatinische Notar
)acins umgeht ,de mandato comitis et curie' ein streitiges
Cf. CSD. n, 172. 174 u. s. w.
Wie ans den Urkunden ersichtlich, sind die ,prifltavi' gewöhnlich adelige
Personen (für Kroatien CSD. II, 225, für Dalmatien Nr. 131. HO. 187
1. s. w.). Aach finden wir sie einmal in der Bedeutang der römischen
funtien: dominus Bogerius, Sclauonie. ducas, de mandato domini nostri
anctisaimi imperatoris Manuel, dedit michi Rainerio Spalat. archiepiscopo
aos pri0ialdo8 . . de terris . . CSD. II, 156 (a. 1180), cf. Kohler, Beiträge
ir g^ermaniscfaen Privatrechtsgeschichte I, 159 und CSD. II, 254. Der
'oatische pristav ist auch in die ungarische KOnigsurkunde übergegangen
ng. poroSEtö). Darüber vollständig Melich, Ssl&v jOvevöny szavaink (in
yelvtndom. ktelemönyek* XXZIU, 1. 53—59).
trüber gleich unten und § 4. Cf. Ficker, Forschungen I, 62.
1194. CSD. II, 231. Et ego Blasios s. Anastasie diaconus et Jadre
'^riaSy qui interfui, hanc constitutionem et concordie cartulam . . .
Qavi. Cf. auch Nr. 93 (a. 1166).
( 1 90. CS£>. II, 207.
Xnter qiio0 et ego Matheus diaconus de Canale et testis interfui . . .
ili preseos super ipsam terram fui et sicut ab ore domini Deuesii
entibna testibus audiui, ita scripsi. a. 1163. CSD. II, Nr. 292.
fsb«r. d. pbU.-liitt. Kl. CXLYII. Bd. 6. Abh. 2
18 VI. Abhuidlmic: y. SvffUy.
Gmndstück bei Dillato.^ Doch kann man in den drei ersten
Fällen dem Notar keine andere Tätigkeit als die des Schreibers
and gewöhnlichen Zeugen znmnten, denn gewöhnlich wird er
zu Zara nicht zu solchen Handlangen zugezogen^ sondern der
Fall wird ihm von dem ^pristav^ oder Zeugen erzählt.' Ea
war aber eine ganz natürliche Folge , daß man in einigen
Städten, wie zu Spalato und Lesina, aus praktischen Grttnden
die beiden Amter momentan vereinigte und daß dort der Ge-
meindenotar als Schreiber gelegentlich zum Pristaldus bestellt
wurde.' Bald aber, noch in der ersten Hälfte des 13. Jahr-
hunderts verschwinden gänzlich solche Fälle; das gelegentliche
Amt dieses slavischen Exekutivbeamten wurde in den Städten
einem ständigen Beamten zugeteilt, der sich zu Zara und Se-
benico ,tribunus^ in anderen Städten ,buccarius^ nannte,^ der
aber in den Urkunden von Zara bis in das 14. Jahrhundert
bei der Erfüllung seiner Amtspflicht, besonders bei der Ein-
führung in die Güter den slavischen Charakterzug durch die
Bezeichnung ,pristaldu8^ bewahrte.^
' Ego iUque Sabatius snbdiac. com. not. . . de mandato comitis Grabesce
et totius carie ad sepe notatum territoriam adfui eamqae circamiens
boc Privilegium composui, scripsi et testor. a. 1188. CSD. IE, 193. Cf.
Nr. 160.
* Nr. 163, 172, 187 etc., auch Nr. 174, wo sieb zwar der Scbreiber nicht
nennt, aber durch Schriftvergleichung mit Nr. 172 als solcher sich der
Notar von Zara (Blasius) entpuppt.
' a. 1192. CSD. II, 220. Spalato, . . . archiepiscopns simnl cum capitulo . . .
quia predicta terra nostri est, iudicauit et exinde diaconem Sabacium
nobis pristaldum tribuit ... Et ego Sabacius subdiaconns com. not.
huius rei pristaldus scriptor et testis sum. — a. 1226. Lesina (Ljubid,
Stat. Lesinae 374). Et ego presbiter Bernardus com. iur. not. rogatus . . .
datus pristaldus hoc scripsi et testor.
^ Cf. Reuts o. c. 87 f.
'^ . . dominus comes . . . suprascriptam domum . . perpetua proprietate
possidendam . . adiudicauit et me . . suprascriptum Michaelem (tribu-
num) pristaldum constituerunt. Ego uero ex officio michi commisso
suprascriptum Andream . . corporali possessione . . investiui (a. 1251, or.
AsA. etc.). Seit dem 14. Jahrhundert verschwindet das Wort pristaldus
auch aus den zaratiniscfaen Urkunden. — Aus dem Zitierten ist ersicht-
lich, daß der städtische Tribun den Charakter des slavischen pristav er-
hielt (cf. Stat. von Poljice a. 1496 ed. Jagid, Mon. slav. mer. bist. iur. IV,
74 ff., welcher das Amt des Pristav schon erklärt); der Beamte aber einiger
anderer Städte, welcher seinen Namen erhielt (prestaldus im Stat.
Die dAlmfttiniiehe PriTatarknnd«. 19
So Terliert das dalmatinische Notariat sehr bald den für
seinen Charakter gefährlichen Hanch der slawischen Färbung,
welche ihm mit der Zeit vielleicht eine eigentümliche Stellang
in der Diplomatik sowie im Rechtswesen gegeben hätte, wäre
dem nicht dnrch die schroffe Haltung der Kommunen gegen
alles Einwärtsländische, sowie durch ihre Verfassungsrichtung
und den daraus folgenden Andrang der italienischen Notare
Einhalt getan worden.
8. Das italienisohe N'otariat in den Küstenstädten.
Die Faktoren, welche die Weiterentwicklung des Nota-
riats in den Eüstenstädten ungefähr seit der Mitte des 13. Jahr-
hunderts nach italienischem Typus bedingen, sind zwar mannig-
faltig, aber ausgeprägt und von durchgreifender Stärke.
Von den ersten Anfängen an zeigt die Konstitution dieser
kleinen Republiken, die zwar unbestritten aus inneren volks-
tümlichen Elementen hervorgegangen war, eine durch politische
Konstellationen beschleunigte Entwicklungsrichtung nach ita-
lienischem Muster.^ Die Willkür und die despotischen Nei-
gungen der kroatischen StammesfÜrsten , die sehr oft zum
Comes der Stadt gewählt werden mußten, die Lage an der
Küste Aihrte in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts dazu,
daß Spalato einen Anconitaner zum Rektor der Stadt sich
ausbat. E^ folgte hier bald ein Statut, daß der Podestk kein
Kroate sein dürfe, was durch ein Bündnis zwischen Zara, Trau
und Spalato vom Jahre 1278 in demselben Sinne noch bekräftigt
wurde.* In Trau und Sebenico griff man schon vor der Unter-
werfung unter Venedigs Oberhoheit zur Wahl venezianischer
Comites und Rectores. Daß durch diese italienischen Rectores
Brasza IV, c. 2. Stat. Trau I, c. 70. Cf. Beats 97) und hanpts&chlieh zu
Untenachnn^^eii wegen Diebstahls gebraucht wurde, erinnert wegen
dieser Beschränkung des Wirkungskreises kaum an den pristay des alten
kroatischen Gerichtswesens (wie das Beutz will p. 97).
> Beutz o. c. 27 f.
* Stat. Spal. yet. c. 18 quod potestas Spalati non sit de Dalmatia: Item
statutum . . . est, quod potestas ... et eins officiales et familiäres nullo
modo possint esse de partibns Sclauonif nee de pronincia Dalmati^ . . .
Die Abfassung dieses Statutes ist gewiß schon auf den Anconitaner
Garganns zu beziehen. S. unten S. 20, Note 3. — Beutz 61.
2*
20 Tl. AbhMdlong: ▼. dnfflfty.
die Annähernng zu Italien befördert , ja dem Andränge des
romanischen Elementes auch in Bezug auf die Notare Vor-
schub geleistet warde, ist einleuchtend^ denn bei dem Comes
war schon früh überall ein ^notarius^ oder ycancellarius' zur
Hilfe angestellt^ den er zu Aufträgen vielfacher Art brauchen
konnte.^ Außer dem fixen Gehalte konnte sich derselbe noch
mit der schriftlichen Anfertigung privater Kontrakte Geld ver-
dienen. Im Anfange wurde allem Anscheine nach der Bedarf
solcher Notare von einheimischen Schreibern gedeckt;' später
wurden eben durch die Initiative der fremden Comites, unter
deren Leitung fast überall die Fixierung der Statuten zustande
kam^' statutarische Bestimmungen erwirkt, wonach der Comes
einen Notar mitzubringen hatte, welcher die Dienste des
Kanzlers in der Zeit seines Regiments verrichten mußte.^
Waren schon in der vorangehenden Periode die kultureilen
Beziehungen zu Oberitalien ein mächtig gestaltender Faktor,
da sie das meiste zur Begründung des Notariats beitrugen, so
ist ihre Wirkung in dieser Periode besonders im Gerichts-
wesen noch mehr sichtbar. Nach dem italienischen Muster
übernahm die Kurie, vorzugsweise aber die Abteilung, welche
später das Kollegium der Richter genannt wird/ die Kom-
petenz der judiziellen Sachen. Den Mängeln des älteren
städtischen Gerichtsverfahrens,^ worunter bei den rein geist-
lichen Gerichten das mündliche Verfahren gehörte, infolgedessen
eine Urkunde nicht notwendig aufzunehmen war, wurde jetzt
^ Reutz 69.
' Für die ältere Zeit wird das oben Gesagte darch die Urkunde von 1199,
Zara CSD. II, 229 unterstützt: Et ego Joseph, sancti Petri novi plebanus,
vicenotarius predicti comitis Rogerii rogatus ut audiai etc.
' So berichtet Thomas Archid. Spal. c. S6 für das älteste Statut von Spa-
lato: Qarganus (potestas cinitatis, Anconitanus) feeit quoddam yolnmen
fieri, quod capitularium appellavit, in eo conscribi iussit omnes con-
suetiidines bonas, quas ciuitas habuerat ab antiquo, superaddens multa
alia iura, que videbantur necessaria in actibus publicis et privatis. —
Für das Statut von Spalato, welches von dem Podestit Perceval ans
Firmo im Jahre 1312 redigiert wurde, s. Stat. vet. p. 1. FarUti, Uly-
ricum sacmm III, 304. Lucius, Memorie di Trau 196.
* Stat. TraÄ a. 1330, c. 87. Cf. Stet. Spal. vet. c. 67.
* Cf. Beutz 76.
* Smi^^iklas o. c.I, 281.
Die dalmatiiiiMbo PiiTMurkimd«. 21
abgeholfen und infolge einer allgemein verbreiteten Sitte in
Italien ein Notar bei allen Kurien zur Besorgung der Schreib-
geschftfte zugezogen.^ Es ist haaptsächlich der Einfloß der
Rechtsschnlen Oberitaliens, denen diese höhere Ansbildang der
städtischen Gerichte Dalmatiens im 13. und 14. Jahrhundert
zu verdanken ist. Im 14. Jahrhundert liefern dieselben das
Hauptkontingent zu den städtischen Kollegien der Richter
zu Zara' und die berühmte Schule von Bologna wird zu einer
Art letzter Instanz in den schwierigsten RechtsfäUen.^
Ursprünglich waren solche Notare gewiß nicht ein* für
allemal bei der Kurie angestellt. Später, um die Mitte des
13. Jahrhunderts; als die Zahl der Notare schon größer wurde,
mußten die Vorteile, welche damit verbunden waren, wenn
regelmäßig eine und dieselbe Person die Geschäfte beim Ge-
richte besorgte, statutarisch gewahrt werden. Der Umstand
aber, daß man beim Gerichte nur moderne, der beiden Rechte
kundige Notare verwenden konnte, trug das meiste zur Ge-
setzgebung oder Gewohnheit bei, daß man zum ,notariu8 cim-
lium questionum' ausschließlich fremde Notare wählen mußte
oder zu wählen pflegte.^ Dieser Notar wurde zu den ,officiales
^ Der erste notarius carie zu Zara schon 1190. CSD. II, 207.
' In einer Gerichtsnrkande von 1320 zu Zara erseheinen gleich drei
Italiener als Richter: Ego Guillielmiis de Castro s. Petri de Bononia
index Jadre, Ego Cauihelline de Mediolano index, Ego Laurencins
de Sachetis de Päd na index (or. Begna Nr. 87 a).
* So das Gutachten der Rechtskundigen von Bologna, oh das Kloster
8. Nicolo zu Zara den Zehent zu zahlen verpflichtet sei (consilium fratris
Francisci ep. Solubriensis ... et dominorum decretorum doctorum Gui-
donis de Raysio, Bonon. archid. et Marsilii de Manteghellis . . . tale est
... verneinend). Aus dem Anfange des 14. Jahrhunderts or. GAZ. 8. Nicol.
Nr. 100.
* Stat. Spal. vet. c. 67. De electione notarii ciuilium questionum: Item
. . . quod ad scribendum acta ciuilium questionum et causarum . . . omni
anno sequenti die poitquam electio potestatis . . . fiierit celebrata . . .
elegatur unns bonus et ydoneus notarius, qui non sit de pro-
uincia Dalmatie . . . Qui notarius debeat habere domum a comuni
Spalati et . . . in anno uiginti soldos gross. Venet. pro suo salario. Cf.
Stat. Trau 1. I, c. 68. — In den Statuten von Zara und anderer Städte
sind solche Verordnungen nicht zu finden; aber die Urkunden des
14. Jahrhunderts geben uns Auskunft darüber. Zu Zara unterscheiden
sich sogar die ,notarii ad ciuilia* und ,notarii ad criminalia*.
22 ▼I.AbhMidliiBg: T. dvffUy.
extrinseci', zu den Beamten von anßen her, gerechnet und er-
hielt seinen Qehalt von der Stadtgemeinde. ^
Ferner ist hier der wachsende Bedarf an rechtskundigen
Notaren überhaupt in den größeren Städten als ein besonderer
Grund zur Aufnahme der italienischen Notare zu erwähnen.
Gewöhnlich ist in der ersten Zeit der Ausbildungsperiode des
Notariats nur ein Gemeindenotar vorhanden^ wie zu Zara, der
somit nach zwei Richtungen tätig ist, indem er für jeden , der
es verlangt, Urkunden aufnimmt und indem er zugleich im
Dienste der Behörde steht;' zu Spalato und Trau sind es ihrer
zwei.' Doch wird sehr bald die ungenügende Zahl derselben
gefühlt. Es treten Fälle ein, daß die Stadt durch Tod oder
andere Hindemisse momentan ohne Notar bleibt^ und daß man
dem dringenden Bedürfnis durch die Berufung eines Notars
aus einer benachbarten Stadt abhalf.^ Doch begnügte man
sich noch eine Zeit mit den einheimischen Notaren, bis die
oben besprochenen Verhältnisse und dabei auch die Tendenz
der Städte, die Geistlichkeit einzuschränken und den Klerus
von dem Notariate auszuschließen, in der zweiten Hälfte des
13. Jahrhunderts der wachsenden Ausdehnung des Notariats
italienischer Art^ ein neues Ausbreitungsgebiet in den dalma-
tinischen Küstenstädten eröffneten.
^ Stat. Trau 1. 1, c. 68. Statnimas, qaod medicas, notario«, apotheearina
et aiii eztrinseci officiales, qai aflsummantnr ad salarium com. Trm-
gurii debeant per maias et per minos et generale consilium (eligi); s.
auch die Torangehende Note.
* So von 1164—1172 Johannes; von 1176 — 1183 (CSD. II, 129—173)
Matth&as; von 1187—1201 (CSD. H, 188 — or. GAZ. 8. Gris XIV. D. 1)
Blasius; von da ab schon mehrere zugleich: Lukas a. 1201 (or. GAZ. 6.
Gris. IX. T. 10); Camasius 1203—1217 (Farlati Y, 70 — or. GAZ. s. Gria.
Xm. Nr. 261); ViUlis 1206—1224 (AsA.- GAZ. s. Gris. XV. E. 6).
* Zu Spalato: Sabacius 1178-1214; Gualterius 1176—1184 (CSD. n. 131—
176). — Tra&: 1213-1248 Gausinna; 1233—1242 Johannes (AsA. — s. Maria).
« A. 1228 Zara (or. GAZ. s. Gris. XV. E. 6) ... et quia ciuitas Jader-
tina notarium non habet, hanc testificationis cartulam aigillo* meo
inprimo et confirmo.
^ A. 1243 TraÄ. Friedensvertrag des Fürsten Domaldus mit Trau (ed.
Bnlletino d'archeologia e storia dalm. a. 1902, p. 196): et ego Cumanus
clericus, Spalatensis iuratus notarius uocatus de Spalato veni Tra-
gurium rogatns scripsi . . . signo compleui.
* Cf. Paoli: Diplomatica 86 (L. 111).
Di« aalmatinische Prirmtvrkiiiid«. 23
Die Unterschriften der ersten fremdländischen Notare
lassen ans ihre verschiedene Abstammang erkennen. Zusammen
mit den lokalen Verhältnissen der einzelnen Städte läßt gerade
diese verschiedene Herkunft die Aufnahme der italienischen
Notare noch erklärlicher erscheinen ^ denn zu SpalatO; wo
die ersten fremden Potestates aus Ancona gewählt wurden/
stammt auch der erste fremde Notar, der in der zweiten Hälfte
des 13. Jahrhunderts auftaucht, ebenfalls aus Ancona.' In der
benachbarten Stadt Trau tritt diese Tatsache noch besser her-
vor, da in ihr außer den direkt ans Ancona hergekommenen
Notaren zuweilen auch die fremden Notare von Spalato ihr
Heil versuchen.^ Dagegen erscheinen zu Zara, wo der Einfluß
Venedigs schon stark war, von der Mitte des 13. Jahrhunderts
neben den einheimischen auch Notare aus dem Territorium
Venedigs, die meistens Geistliche sind.^
Mit der wachsenden Menge dieser fremdländischen Notare
im 14. Jahrhundert, die kraft ihrer Investitur durch das Tinten-
faß und die Feder ^ ihre Amtsobliegenheiten in allen christlichen
Ländern auszuttben trachteten^ und die man gewiß sehr bald
nicht mehr zu berufen brauchte, schwand der charakteristische
Unterschied nach dem Heimatsorte der italienischen Notare
^ Außer dem genannten Gargano (a. 1240) fCLhre ich an noch a. 1289 den Po-
testas Bambaldns de Cerabottis de Ancona (or. b. Maria), a. 1291 Vge-
rins de Ancona (or. ACS. XYI, 2. 46).
' Franciscos imperial! auct. not. et nunc com. Spalat. 1260 — 1266 (or. ACS.
XYI, 1. 46 ed. Wenczel n, 326 entbehrt der Unterschrift — or. s. Maria).
Spftter flbeniedelte er nach Trau, wo er sich Franciscns Anconitanns
imp. anct. not. et nunc cinitatis Tragarii nnterschreibt (1267—1269),
dann kehrte er zarttck nach Spalato 1272 — 1287 (or. s. Maria — or.
8. Maria).
* S. die vorangehende Note. — Außerdem Bonauentura Petri ciois Ancone
auct. dorn, pape not. et nunc not. com. Trag. 1264 — 1266 (or. s. Maria
— ACT. Nr. 17); B . . . Oradini de Ancona (der Name im Orig. der
Bibliothek Paravia zu Zara 1282 unlesbar); Siroctus Petri de Ancona
1292—1296 (or. ACT. Nr. 28—30).
^ Antonius . . . diaeonua eccl. Clugiensis Jadre notariua a. 1252 (or. s.
Maria); Cato Bambaldi acolitus canonieus Clugiensis 1258 (or. GAZ.
s. Nicol.); Sixtus Sambatinus presbiter s. Marcialis 1259 (or. Begna) etc.
' Ficker, Forschungen IV, docum. Nr. 179.
* Cf. Nouveau trait4 Y, 66 f. Giry , Manuel de diplomatique 833 und an-
dere Literatur darüber bei Paoli 85, n. 1 (L. 111, n. 3).
24 VI. Abhuiluig: t. SvffUy.
zwischen Zara und dem Städtepaare Spalato and Trau gänzlich.
Es waren hier, ebenso wie in den kleineren Küsten- und Insel-
städten, wie Nona^ Sebenico, Brazza, Lesina, Cattaro etc., wo
fremde Notare eben zu dieser Zeit anfzatanchen beginnen,^
hauptsächlich Notare aus Oberitalien, ans Padna, Bologna^ Ve-
rona, Cremona, Peltre, Venedig etc.
Die Unterschriften dieser fremden Notare lassen die recht-
liche Herleitung ihres Amtes fast überall gleichartig erscheinen.
Zwar kommen im Anfange hie und da noch Notare vor, welche
sich als von päpstlicher Machtvollkommenheit eingesetzt oder
als Pfalznotare bezeichnen , aber im 14. Jahrhundert sind es
fast ausschließlich nur Notare aus kaiserlicher Gewalt,^ welche
wir überall in den Städten antreffen.* Auf die kleinen, hoch-
mütigen Kommunen, auf welche seit jeher der Glanz des
kaiserlichen Purpurs betäubend wirkte, die eben am Ende des
12. Jahrhunderts alle Beziehungen zu dem Kaiserreiche ,par
excellence^ in der Zeit des letzten Komnenen verloren hatten,^
mußte die kaiserliche Gewalt des Westens, womit sich die
fremden Notare schmückten, einen besonderen Eindruck aus-
üben. Wenn die Städte Dalmatiens in ihren Bestrebungen
zur souveränen Machtvollkommenheit gegenüber den benach-
barten Herrschern zu gelangen, auf den ersten Blick im Kleinen
den städtischen Staaten Italiens im großartigen Kampfe gegen
die kaiserliche Übermacht gleichen, so sind sie dennoch in
der staatlichen Grundidee nicht nur zur Zeit der Oberhoheit
' Der erste mir bekannte fremde Notar zu Nona: Eg^dius Symonis de
RipatransiB apost. et imp. auct. not. 1839 — 1847 (or. OAZ. s. Dom.
Nr. 1060 — AsA.); Scardona 1811: Strico olim Dominici imp. anct
not. (or. Kloster Sebenico) ; Lesina: Jobannes de Mntina imp. anct.
not. 1307—1319 (or. ACL. — Ib.); Sebenico 1833. Anthonins de..
Padna imp. anct. not. (or. Kloster zn Trsat); Cattaro: Gentilis de Au-
zino imp. auct. not. 1340 — 1348 (or. AsA. — Ib.).
* Über die Einsetzung^ der Notare in Italien s. Ficker, Forschungen 11,
70 ff.; Pertile, Storia del diritto ital. VI, 304 ff.; Breßlan 666 ff.
^ Von den 38 mir bekannten zaratinischen Notaren im Zeiträume von
1290—13&0 sind 24 kaiserliche, 10 einfache und 4 habeq die Einaetzung
durch die kaiserliche Gewalt erlangt, nachdem sie das Notariat als ein-
fache Notare zu Zara ausgeübt hatten. Keiner von ihnen erwähnt die
päpstliche oder sonst welche Autorität.
^ Cf. Bambaud, L'empire grec 257. Lenel, Die Entstehung der Herrschaft
Venedigs 17, 32. Sufdaj, Hrvatska i zadnja pregnnöa isto^ne imperije 49 f.
Die dfthnftkiBlMU PriTstnrlrande. 25
Yon Bjzanz, sondern auch später von ihnen verschieden. Denn
während die italienischen Munizipien mit aller Gewalt gegen
jede fremde Gewalt energisch ankämpften, tritt nns in diesen
kindischen Neigungen der Städte fUr die ,anctoritas imperialis^
auch ein verborgener, ununterbrochener Faden der Bewun-
derung und Ehrfurcht für die kaiserliche Majestät entgegen.
Deswegen hatten die dalmatinischen Kommunen diesem Ein-
griffe in ihr Recht der Einsetzung nicht vorgebeugt ^ und
dem fremden Notar den hochklingenden Titel vor dem Titel
ihrer Obrigkeit gelassen; ja sie haben durch die vorsätzliche
Begünstigung derselben eine zweite Phase in dieser Periode
hervorgerufen.
Indem die fremden Notare den Titel des gewöhnlichen
städtischen Notars: ,notarius communis^ mit dem klangvollen
Titel: ,imperiali auctoritate notarius'' verbanden und dadurch
auch eine hohe rechtliche Bildung versprachen, mußten sie vom
ersten Anfang an den einheimischen Notaren die Konkurrenz
schwer machen. Zu Spalato verschwinden plötzlich die Ur-
kunden des einheimischen Notars Lucas (1258 — 1287), sobald
sich der kaiserliche Notar Franciscus aus Ancona (1260 — 1265)
niederläßt, und erscheinen wieder, nachdem er nach Trau über-
siedelte.^ In Zara wird der erste kaiserliche Notar Heinrich
^ Wie dies einige Städte Italiens getan haben. Cf. Paoli, Dipl. 84 (L. 110).
' Da das kaiserliche Notariat erst in der zweiten Hälfte des 13. Jahr-
hunderts in Dalmatien Boden faßte, so kommt ein notarius imperialis
ante nie vor, denn wie bekannt, hat sich zu dieser Zeit die direkte
Abhängigkeit vom Kaiser gelOst und wurde von dem Recht der Barone,
Bischöfe und Kommunen, die Notare zu kreieren, ersetzt (s. Muratori,
Antiq. ital. I, 559—660; Ficker, Forschungen II, 69 f.; Durando, II ta-
bellionato nelle leggi romane e medievali 137 f.). — Wenn bei RaÖki,
Doc. Nr. 55 (ad a. 1069, p. 74), a. 1248: Petrus Papiensis publicus no-
tarius aule imperialis vorkommt, so darf das im besten Falle
auf einer irrtümlichen Leseart der Kürzung Hlr auct(oritate) imperiali
beruhen; wie aus dem nachfolgenden groben Lesefehler: sigillo (statt
signo!) consueto roboraui zu ersehen ist. Der Notar welchen ich unter
diesem Jahre fand, unterschreibt sich : Ego Petrus publicus notarius ut
audini scripsi compleni et signo consueto sig^aui (a. 1248, or. GAZ. s.
Gris. Xym, 249).
* S. oben 8. 23, Note 2. Nachdem Franciscus aus Trau zurückgekehrt und
meder als Notar au Spalato tätig war, sind nur wenige Urkunden von
Lukas parallel zu finden.
26 Tl. Ab^Mi41iiii(: T. 6«fflftj.
(1278 — 1296)^ von der Kurie allen anderen vorgezogen, denn,
wie es scheint, werden alle Gerichtsnrkanden während seiner
Tätigkeit von ihm verfaßt. In ähnlicher Weise werden die
kaiserlichen Notare von den geistlichen Behörden nnd natürlich
von den Bürgern mit Vorliebe zum Verfassen der Urkunden
gebraucht. Im 14. Jahrhundert wurden sie, besonders in Zara,
oft zu yiudices ordinarii^ gewählt. Der Konkurrenz dieser
Notare nicht gewachsen, schwindet überall der gewöhnliche
Notar und um die Mitte des 14. Jahrhunderts findet man in
allen Städten die Amtsobliegenheiten ausschließlich in den
Händen kaiserlicher Notare, die aber — charakteristischerweise
— jetzt nicht immer Fremde sind. ^Dieselbe Begünstigung der
kaiserlichen Notare nämlich, welche zuerst die passiven ein-
heimischen Notare gänzlich in den Hintergrund drängte, wirkte
zugleich sthenisch auf dieselben. Durch die kaiserliche Autori-
sation in der Fremde gewappnet und den Fremdlingen gleichge-
stellt, versuchen sie die verlorene Stellung wieder zu gewinnen.
Damit beginnt eine zweite und letzte Phase in dieser
Periode, in welcher Dalmatien selbst ein nicht unbeträchtUches
Kontingent der kaiserlichen Notare liefert Schon in der ersten
Hälfte des 14. Jahrhunderts findet man zu Zara, wo das zahl-
reichste Urkundenmaterial vorliegt, daß die Söhne der ein-
gewanderten Notare die freie Ausübung des väterlichen Amtes
übernahmen und ihre Tätigkeit als einfache beeidete Notare
durch den Titel der Einsetzung durch kaiserliche Gewalt zu
erhöhen trachteten. Bei manchen ist es leicht anzunehmen^
daß sie die Autorisation in Italien auf irgend einer Universität
erhalten haben, da zwischen den Urkunden, in welchen sie
sich das letztemal als ,Jadre iurati' und das erstemal ,imperali
auctoritate' bezeichnen, eine ziemlich lange Zeit verflossen ist.'
Bei manchen aber scheint die Beschaffung des Instrumentes
über die Befähigung wie über die Ernennung durch eine be-
vollmächtigte Person äußerst leicht gewesen zu sein.'
*■ Or. AsA. — or. s. Maria. — Henriciu imp. auct not. et Jadr. inratiu.
' So Lanrencias, Sohn des oben erwähnten Heinrich a. 1296 (or. Begna,
Kr. 17) inratns notarins; erst a. 1317 (or. AsA.) taucht er als kaiser-
licher Notar wieder anf.
' So nennt sich Blasios, der Sohn des kaiserlichen Notars Michael Leo-
nard! vom Jahre 1321—1333 (or. GAZ. s. Nie. 143. — Ib. s. Dom. Nr. 709)
Die dalmatiDitche PriTfttvrkiude. 27
Dann treten auch kaiserliche, selten nur einfache Notare,
ans derselben oder fremden dalmatinischen Küstenstadt gebürtig,
auf, deren Name oft ihre kroatische Abstammung verrät; so
zu Zara von 1312 — 1333 der beeidete Notar Dnymns aus
Spalato^ und sein Sohn Marcus,' vom Jahre 1350 — 1359 pres-
biter Vitus condam Tolani de Nona, kaiserlicher Notar ;^ zu
Scardona im Jahre 1311 Strico olim Dominici, kaiserlicher
und beeideter Notar ;^ zu Sebenico 1321 Bogdanus Disini de
Sebenico^ kaiserlicher Notar ,^ 1387 Slavogostus, Sohn des
Disiman, kaiserlicher und beeideter Notar;® zu Trau 1314 bis
1345 Johannes, Domherr von Trau, kaiserlicher Notar,^ 1355
Qrupsa, Sohn des Dobrogost aus Almissa, Eanonicus von Trau
und kaiserlicher Notar.^ Nur zu Spalato ist ein analoger Fall
nicht zu finden, weil das Statut^ welches nur einem nicht dal-
matinischen Notar den Zutritt zur Laufbahn bei der Kurie
gewährte, den Einheimischen jede Lust zur Ausübung des
Amtes in der Heimatsstadt raubte.
Der Druck der Verbreitung kaiserlicher, italienischer
Notare scheint sogar einen Gegendruck hervorgerufen zu haben,
indem die Notare aus den Eüstenstädten ihre Amtsobliegen-
heiten in den Städten am Quamero und auf den Inseln Dal-
matiens auszuüben trachteten.^ Die Kenntnis der kroatischen
Jadre iaratas, und noch in demselben Jahre 1333 (bis 1344, or. s. Nie.
183) anch schon imperiali auctoritate. Der zweite Sohn Michaels Niko-
laus ebenso von 1348 — 1347, 7. März (or. s. Maria — QAZ. s. Nie.
Nr. 191) einfacher Notar, und in der Urkunde von 1347, 19. November
und weiter imperiali auctoritate. Cf. Durando o. c. 138 £f.
* Or. GAZ. 8. Gris. XTV, 218. — Ib. s. Dom. Nr. 708.
* A. 1340 (or. s. Maria).
» Or. GAZ. 8. Nie. Nr. 209.
* Or. Kloster zu Sebenico. ^ Or. AsA.
« Or. GAZ. Abt. Bogovo Nr. 124.
» Or. ACT. Nr. 89—48.
' Fast überflflssig ist zu erwähnen, daß diese Fälle nicht einmal für den
Zeitraum, welchem sie entnommen sind, vollständig erschöpfend sind.
* So schon a. 1288 Brazza: Crasorus filius Petri de Spalato iuratus scriba
Bracie (Cicarelli o. c. 111. Wenczel IV, 386); 1379 Drago Badini, ciuis
Sebenici imper. auct. not. et com. Bracie iuratus notarius (Cicarelli 102;
Ba6ki, Doc. ad 1077, Nr. 95, p. 112); Arbe a. 1334 Nicolaus Frede-
rici de Trugerio imp. auct. not. et Arb. iuratus (or. GAZ. s. Gris.
XXIV, 623).
26
.^ (i^egenden, wo kroatische Urkanden
^/Mfi ^^ '\ fSi^^ erBcheinen, den fremden Notaren
^"^rieg^^ ^^ S^^^^ ^** ^^^'^ ^*^ Notariat in den Städten
' ^^^ %en^^^ erhalten. Trotz der Ansbreitang des No-
hl» ^^ . r ßißc^^^ ^^* ^^^ ^^^ *^®^ dennoch in keiner der
^is^^ '.^0g großen Städte zur Errichtung von zanftmäßig
^^-'ertBii Kollegien der Notare einen Schritt getan. Nur
^!^^ ^ütD. genügenden Ersatz daflir^ um die Notare einer
^'^ troÜe durch städtische Behörden zu unterwerfen, schuf man
* ieta Amte des Examinators.^ Auch der Geltungsbereich
Aqb Institutes blieb hauptsächlich auf die Eüstenstädte be-
5ciiränkt. Nur noch die dalmatinische Stadt Bribir gesellte
sich seit der Mitte des 14. Jahrhunderts in dieser Beziehung
ständig zu ihnen.' Auch im ,kanöelir' der freien kroatischen
Gemeinde Poljice sieht man eine Kopie des ,cancellarius^ der
Küstenstädte.'
Im Gegensatz zu Istrien, den Inseln von Quarnero und
auch zum kroatischen Küstenlande, wo das öffentliche Schreiber-
wesen in dem slavischen Elemente im 14. Jahrhundert schon
eine weite Verbreitung fand und durch die ethnographischen
Verhältnisse gezwungen, ein Instrument in kroatischer Sprache
schuf,* wo der einheimische meist geistliche Schreiber, ,pisacb
opSdi^ in kleinen Gemeinden anzutreffen ist und in Istrien
zuweilen der Einsetzung durch doppelte Gewalt sich rühmt,^
verdorrte das Notariat gleich hinter dem äußersten Rande
der Küste. Durch die langen Jahrhunderte drang es nicht
einen Zoll breit in das slavische Massiv ein. Dort war es die
unmittelbare Fühlung mit Oberitalien, welche noch durch
* 8. daraber unten § 14.
* Der erste Notar a. 1348 Netrimcius iuratus notarias Breberienis (or.
Kloster zu Sebenico).
' da imaju dr2ati kanböilira opdenoga rodenoga. Stat. von Poljice a. 1485
(Mon. hist.-iar. slav. merid. IV, p. 56).
^ Wie auch die Entwicklung des Notariats in diesen Ländern an die-
jenige in Sttdtirol erinnert (s. Yoltelini o. c. p. XXXIII f. Cf. von dem-
selben: Die Spuren des rätoromaniscben Rechtes in Tirol, Mitt. des
Inst., Ergänzungsb. VI, 146), so bleibt dieser charakteristische Zug ohne
Analogie in anderen Ländern.
^ 8. Kukuljevid, Acta croatica pass., besonders Nr. 6, a. 1325.
Die dAlmstiiiiBeho PriTatvrknnd«. 29
wiederholte politische VerschiebnDgen in dieser Beziehung be-
günstigt, dem Einflasse der italienischen Urkunde ununter-
brochen den Zugang gestattete und den Zutritt und Erfolg
jeder anderen Weise der Bekräftigung der Privaturkunde hin-
derte; hier im inneren Dalmatien entwickelte sich, wie wir
sehen werden, die dalmatinisch-kroatische Urkunde, von den
einheimischen Schreibern geschrieben, unter der Herrschaft
der Nationalkönige und auch weiterhin eine Zeit ziemlich selb-
ständig. Als das Notariat im 14. Jahrhundert tiefer in das
Land eindringen wollte, fand es in der gesiegelten Urkunde
schon einen mächtigen Rivalen.^ So blieb Dalmatien auch in
dieser Beziehung nur eine Grenze zwischen Orient und Okzident
und wurde zu keiner Pforte, um das frische Kulturprodukt
des germanischen und romanischen Ellementes in den slavischen
Balkan hindurchzulassen.
m.
Die Entwicklang der dalmatinisch-kroatischen Urkunde
bis zur Tollständlgen Annahme des Instramentes In den
Städten.
4. Die Formen der ältesten Urkunde bis gegen das Ende
des 12, Jahrhunderts.
Hauptsächlich sind es zwei Grundpfeiler , auf denen sich
das Gebäude der dalmatinischen Urkunde aufbaute: die rö-
mische Praxis und die Verwendung der alten Formeln durch
die Körperschaften der italienischen Notare.
Die Praxis besaß eine vollständige Übereinstimmung der
schriftlichen Verträge und der Formeln, welche auch in der
barbarischen Periode .sich erhielt. Fast überall wurde die
Redaktion der Urkunde dem Klerus tibergeben, welcher auch
der treueste Bewahrer der römischen Traditionen war.* So
geschah es auch in den dalmatinischen Städten, wo wir in den
ersten erhaltenen Urkunden nur Geistliche als Schreiber und
Notare antreffen,' welche noch lange nach der Einwanderung
1 S. unten § 10.
* Bethman-HoUwegr, Ziyilprozeß IV, 339.
■ S. oben § 1.
30 VI. Abhuidlang: y. dnffUy.
der Kroaten die Gesetzgebung Jastinians in den Küstenst&dten,
die anch weiter die Hoheit and den imaginären Schutz des
östlichen Kaisertums anerkannten , in Ehren hielten.^ Von
den Städten, somit von der römischen Zivilisation empfingen
die Kroaten den Gebrauch der Beweisurkunde, gaben ihr aber
etliche Beimischungen aus ihrer Rechtssitte; auch bekam die
Urkunde einige Wendungen, die dem schroffen Gegensatze der
beiden Elemente am Rande der Küste entsprangen. Dazu
erhielt die Urkunde wie auch das Schreiberwesen schon in
dieser ältesten Zeit Nahrung aus Italien, obgleich bei weitem
nicht in solcher Fülle wie später durch die Ausdehnung des
italienischen Notariats. So nur kam es, daß man in den ersten
Urkunden, welche dem 10. Jahrhundert angehören, die rö-
mischen Spuren fast gänzlich verwischt findet und auch keine
zarte Nuance oder feinere juridische Analyse antrifft.
Aber noch eine zweite, wenn auch ziemlich verhüllte
Strömung in der Fassung der Urkunde zeigt sich in den ersten
auf uns gekommenen diplomatischen Regungen Süddalmatiens,
welche je nördlicher desto gedehnter und verschwommener,
je südlicher desto stärker und ausgeprägter erscheint. Eis ist
das der Einfluß einer Macht, die so zähe war, daß sich überall
ihre hundertjährigen Spuren finden; es schimmert dann und
wann in der frühen Urkunde Dalmatiens der in tausend Farben
spielende Glanz des Kaisertums von Byzanz durch.^
Hiermit ist die Devise für die Betrachtung und Deutung
der Form und der rechtlichen Erscheinungen der dalmati-
nischen Urkunde bis etwas über die Mitte des 12. Jahrhunderts
gegeben. Für die weiteren Jahrhunderte ist der direkte Ein-
fluß des italienischen Urkundensystems allein entscheidend,
welches, ebenfalls den römischen Wurzeln entwachsen, in den
ersten Jahrhunderten zwar tiefe Eindrücke der römischen
Gesetzgebung und noch mehr der römischen Praxis trägt, bald
von dem germanischen Formalismus benommen, erst im 12. Jahr-
hundert durch die Renaissance der römischen Rechtswissen-
^ Über die Spuren der direkten Anknüpfung an die Verordnungen Jasti-
nians in der dalmatinischen Urkunde s. unten besonders § 22.
' Für die neurOmische Carta in Romagna, Venedig, Istrien ist auch der
längere Zusammenhang mit Byzanz bemerkbar. Voltelini, Imbreviaturen
(AcU Tirol H, p. XVH).
Die dAlmatiniaeke PriTatnrknnde. 31
Schaft eine juridische Erneuerung erhält.^ In dieser erneuerten
Form tritt es an die sich schon dem Akte zuneigende dalma-
tinisch-kroatische Urkunde und erfrischt die sich parallel ent-
wickelnde zaratinische, indem es die Eroberung überall in einem
Jahrhundert beendigt.
Somit sind in dem dalmatinischen Privaturkundenwesen
zwei Hauptperioden zu unterscheiden: die erste bis etwas über
die Mitte des 12. Jahrhunderts und die zweite von da ab
weiter, indem sie den kurzen Übergang zum Instrumente, so-
wie seine Entwicklung in subjektiver und dann objektiver
Fassung zu den großen Dimensionen des italienischen Instru-
mentes durch die endgültige Annahme des italienischen Formel-
wesens im 14. Jahrhundert enthält.
Auch in der Mannigfaltigkeit ihrer Arten steht die dal-
matinische Urkunde bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts der
sp&teren Monotonie des Instrumentes gegenüber.
Wir finden in der ältesten Urkunde Dalmatiens die ana-
logen Hauptcharaktere des gleichzeitigen italienischen Ur-
kundenwesens; und zu dieser sachlichen Unterscheidung in
Carta, die hier schon im Absterben begriffen, und Notitia,
welche bald die Blüte erreicht, gesellt sich ebenso analog mit
der italienischen Privaturkunde' die Scheidung in örtlicher
Beziehung. Es steht sich hier, wenn auch nicht so ausgeprägt
wie dort, ein nördliches und ein südliches Urkundengebiet
gegenüber. Im Norden zu Zara finden wir im Anfange noch
unzweifelhafte Anklänge an die lombardische Carta, im Süden
(zu Spalato) ist die dem slavischen Brauche mehr entsprechende
Urkundenform des Breve allein herrschend.
Die Carta als wirkliche Vollzugsurkunde ist somit auch
in Dalmatien zu finden, aber vollständig lokalisiert auf Zara
' Stonff, Fonuation des contracts par ^ritore dans le droit des formales
(BeTQe hist. de droit fran^. et ^tranger III* s^rie, vol. 11, 274. 287);
Esmein, 8nr les contracts dans le trte ancien droit fran^ais (Nonv. Revue
hist, m* s6rie, vol. IV, 670); Franken, Geschichte des firanzOsischen
Pfandrechtes 98; Brunner, Rechtsgeschichte der germanischen und ro-
mischen Urkunde 5.
' Über die Natur der italienischen Notitia und Carta s. Brunner, Zur
Rechtsgeschichte der germanischen Urkunde 8 £f. 211 ff. Stouff 1. c.
269—274.
32 VI. Abhaadlu«: r. duffUy.
und erscheint auch hier nur in etlichen Exemplaren als letzte
ihrer Art. Leider besitzen wir kein außer ihr liegendes Hilfe-
mittel,^ um eine rechtsförmliche Urkundentradition ftlr die
älteste dalmatinische Carta zu erkennen. Daß aber doch eine
solche anzunehmen ist und man auch hier an die Perfisierung
des Rechtsgeschäftes nach der lombardischen Art denken kann,
ist aus der mehreremale vorhandenen Vollziehungsformel: ,po8t
traditam compleui'^ zu schließen. Aus der Gleichheit derselben
und somit der Beweismittel kann man in diesem Falle wohl
auf den Bestand ähnlicher Perfektionsmittel schließen' und
wenigstens die Bitte an den Notar , die Carta zu schreiben,
und die Tradition an den Destinatar feststellen. Von anderen
symbolischen Formalakten der deutschen Stammesrechte ^ ist
nicht die geringste Spur zu finden , obgleich dieser plastische
Formalismus nördlicher in Istrien angewandt wird.^ Daß aber
alle aus der Vollziehungsformel gezogenen Konsequenzen fbr
die Zeit, in welcher wir dieselbe antreffen, kaum mehr Geltung
haben konnten, ist nicht zweifelhaft, denn es sind ihre letzten
Züge, in denen uns diese lombardische Kompletionsformel er-
scheint. Das ,post traditam' ist gewiß schon vollständig un-
verständlich geworden und wird bald von einem neuen Notar
über Bord geworfen, um nie wieder aufzutauchen.^ Das ,com-
pleui' wird durch das venezianische ^roboraui*, welche Formel
langsam von Norden herdringt,^ ersetzt.®
^ Wie z. B. für die lomb. Carta das Cartalariam ist. Cf. Branner o. c. 96 ff.
Redlich, Geschäfts- und Beweisarkunde, Mitt. des Inst. Ergänsungsbd.
VI, 8.
' Doc. Nr. 13, 22. Siehe die wichtigsten Ansichten über diese Formel zn-
sammengestellt bei Paoli, Dipl. 152, Nr. 2 (L. 264, Nr. 2).
' Redlich I. c. 3, Note 2.
* Brunner 295; Redlich 1. c. 8; Heusler, Institutionen ü, 69.
ß CSD. n, 7.
' In der Urkunde von 1033 (Doc. Nr. 33) noch angewandt; a. 1036 (Doc.
Nr. 36) nicht mehr.
^ Ein interessanter Fall ist in dieser Beziehung von der Insel Krk (Vegla)
zu berichten. Die Bewohner des Ortes Cha-Fiesole auf derselben Insel
(nicht auf dem venezianischen Territorium, wie der Edltor bemerkt)
versprechen dem Dogen Treue und einen den Slaven eigentümlichen
Tribut in Marderfellen (Doc. 25). Ebenso Vegla (Doc. 27). In dem-
selben Jahre 1018 im Monate Juli lautet die VoUsiehungsformel: Ego
' S. nebenstehende Seite.
Die driwatialsohe Prifwlarkuide. 33
Aber obgleich diese zaratinische Carla in ihren ersten
auf uns gekommenen Exemplaren in der Vollziehangsformel,
in der Qestaltang des Protokolls and besonders in der Unter-
schrift der Zeugen auf ihre iongobardische Quelle hinweist^
ist sie dennoch in ihrer feineren Struktur von der gleichzeitigen
oberitalienischen Carta yerschieden und weist vor allem in dem
Mangel an yielen gedehnten Formeln eine archaische Kürze
auf ^ zu einer Zeit^ da die Formeln in Oberitalien sonst end-
gflltig fixiert sind und sich bis in das 12. Jahrhundert in der
ganzen Lombardei von Genua bis Friaul fast ausnahmslos
gleich erhalten.'
Das schließt eine unmittelbare, gleichzeitige Beeinflussung
der lombardischen Carta aus und bringt die Vermutung nahe,
»•
daß wir es hier mit Überresten eines einst blühenden, aber yer-
schollenen Urkundentypus zu tun haben, der allerdings haupt-
sächlich Ton der lombardischen Urkunde beeinflußt wurde,
schon sehr früh aber jede Fühlung mit der Quelle verlor und
auch, jeder Nahrung beraubt, verhältnismäßig früh versiegte'
und vor dem Tjpus der starken Notitia wich. Diese Ver-
mutung gewinnt an Festigkeit durch die Betrachtung der er-
wähnten Vollziehungsformel. Der Iongobardische Einfluß ist
nicht zweifelhaft, ist aber wegen der eigentümlichen Bei-
Marinns presbiter hanc cartnlam scripsi firmaui atque compleui; einen
Monat nach der Anerkennang der venezianischen Herrschaft wendet der-
selbe schon die venerianische Formel: . . . scripsi et post tradita com-
pleui et roborani (cf. Bmnner o. c. 81 and Cod. dipl. Padovano Nr. 5.
11. 28. 82).
* Noch einmal erscheint es a. 1044 (Doc. 38) aus der Hand eines ein-
heimischen Notars, dem Namen nach Kroaten: Ego Crisana diaconus
rogatus scripsit et compleui. Amen. Aber es ist hier erkünstelt ange-
wandt, denn wie der Editor bemerkt, sind die Formeln peinlich den
ersten zwei zarattnischen Urkunden nachgebildet (Nr. 18. 18). Es ist
hier besonders interessant, daß trotz der Nachahmung die Formel: post
traditam ausgelassen ist, was bezeugt, daß dieser Formel kein Gewicht
mehr zugeschrieben wurde.
^ Vgl. das TesUment Doc. Nr. 13 mit Cod. Longobard. Nr. 454. 496, und
die Permutation Nr. 32 mit den vielen Permntationen des 11. Jahr-
hunderts.
• Voltelini, 1. c p. XVTL.
' Die Volbnehnngsformel findet sich in Dalmatien bis in die Mitte des 11.,
in lUlien bis zum 18. Jahrhundert. Gf. Paoli 156 (L. 209).
Sitrangtb«. d. pUl.-hist. Cl. CXLYII. Bd. 6. Abh. 3
34 VI. Abhuidlung : y. dnffl»/.
mischungen in eine weit frühere Zeit za verlegen als die
älteste Carta zu Zara, in der diese Completio vorliegt (a. 918);
denn nur darch langjährige Dauer selbständiger Anwendung
konnte die zähe lombardisch-tuskische Formel durch das Zu-
sammenmengen mit der Apprekation^ entstellt und durch das
Fallenlassen des zweiten Zeitwortes: dedi, yerstiimmelt werden.'
Daneben steht aber die Verwendung der vollendeten
Urkunde nach römischrechtlich-kirchlichem Gebrauch bei den
Schenkungen an Kirchen außer jedem Zweifel und läßt sich
direkt erkennen. Die typische^ besondere Form der Nieder-
legung der Urkunde auf den Altar der beschenkten Kirche
hat sich zu Zara bis in das 11. Jahrhundert vollständig erhalten,
wie aus zwar nur einem , aber ausreichend beweisenden Bei-
spiele ersichtlich ist.' Es ist für diese alte Stadt, die von der
direkten, gewaltsamen Invasion der Kroaten am wenigsten be-
rührt worden ist, wohl anzunehmen, daß es sich hier um einen
selbständigen und mit Italien und anderen Ländern paral-
lelen römischrechtlich-kirchlichen Einfluß handelt, der hier in
Dalmatien so stark war, daß auch die kroatischen Fürsten
ihm in ihren Schenkungen nicht ausweichen.^ Die Willens-
erklärung des Schenkers und die Übergabe der dieselbe ent-
haltenden vollständigen Urkunde, das zusammen macht die
Vollziehung des Geschäftes; es bedarf keines weiteren Formal-
aktes.^
1 S. näher darüber unten § 6.
* Die Formel laatet: Et ego . . . notarius rogatus . . . hec pagina . . .
scribere procnrani et post tradita feliciter compleui. Amen (Doc. Nr. 32),
oder atque feliciter post traditam compleui. Amen (Nr. 13). — Die voll-
ständige Formel compleui et dedi in der lombardischen Carta weit üb-
licher, neben dem selten alleinstehenden compleui, cf. Brnnner 79,81.
* A. c. 995. Doc. Nr. 20 (CSD. I, 105, sub a. 990) . ! . dictus prior cum
suis nobilibus inihit consilium, quod ipsa piscatio daretur monasterio
beati Chrisogoni Christi martiris. Quod et factum est; nam statim ve-
nerat ad ecclesiam . . cum cartula, in qua illorum nobilium nomina
scripta habebantur; quam . . posuerunt super sanctum altare di-
centes: offerimus etc. Cf. Nr. 29. 31. 37.
* A. 892. Doc. 12: sequenti autem die . . . ueniens ego saepe fatua duz
. . . ante sanctorum dictorum altarium et priuilegii paginulam . . super
sacro sancti Domnii altario obieci.
^ Heusler, Institutionen II, 69 ; Redlich 1. c. 2.
Die dalnatiiiiMbe PriTAkarknnde. 35
Allein dasselbe 11. Jahrhundert, welches noch am Beginne
von der Vollzugsurkunde sozusagen beherrscht wird, ist noch
Zenge des vollständigen Sieges der Notitia.
Die Urkunden der übrigen Städte Dalmatiens, wie sie
uns aus der ältesten Zeit, aus dem 11. Jahrhunderte vorliegen,
tragen keine Spur, die auf das Bestehen einer verfügenden
Urkunde in der früheren Zeit schließen ließen. Stark von
den Bechtssitten der Slaven durchtränkt zeigt sich die Ur-
kunde von Spalato und Umgebung^ fast als rein kroatisch.
Nach slavischer Rechtssitte, die in dieser Beziehung nicht von
der germanischen abweicht, ernennt der Tradent einen pristav,'
der den körperlichen Besitz zu übergeben hat;' auch der
Kauf existiert nur als Barvertrag.^ Somit konnte die Beur-
kundung solcher Geschäfte nur in der Form der Notitia ge-
schehen, welche als einfache Beweisurkunde eine unabhängig
von ihr vollzogene und rechtskräftige Handlung als solche er-
weist. Die Vollziehung von Rechtsgeschäften durch die Ur-
kunde und der damit verbundene Vorzug des selbständigen
Beweises, welche man im Norden in Istrien und Zara noch
nachweisen kann, war durch die faktischen Kulturverhältnisse
der kroatischen Stämme fUr die südlicheren Städte unmöglich
gemacht. Aber auch in dem romanischen Zara mußte diese
Rechtseinrichtung bald aufhören, sobald die Fühlung mit dem
slavischen Elemente stärker wurde, was besonders unter der
Herrschaft der kroatischen Könige, also im 11. Jahrhunderte
geschah.^
So finden wir in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts
die Notitia in allen Küstenstädten Dalmatiens und auch bei
den kroatischen Stämmen als alleinherrschend. Gerade in
diesem frühen Siege der Notitia über die Carta liegt ein schönes
Beispiel, daß die Kommunen auch in kultureller Hinsicht von
* Von den anderen Städten sind nur vereinzelte Urkunden aus dem
11. Jahrhandert ans Traft nnd Ragnsa erhalten.
* Germ, inwiser. Kohler: Beitrüge znr germ. Privatrecbtsgeschicbte 1, 162.
' Doc. Nr. 68: . . pristaanm nero rogamus dari . . . qni noster est. Schen-
kung an das Kloster zu Sancicovo; vgl. Daniöiö, Bijeänik s. h. v. und
oben § 2.
* S. unten § 16.
* Jiredek, Denkschriften, vol. 48. 94 — 95.
3»
36 VI- Abbudlimg: y. äiiffUy.
dem slawischen Einflasse nicht unberührt blieben. Die slawische
Investitur durch die pristavi (pristaldi)^ welche in die Städte
sehr früh eindrang und das meiste zum Siege der Notitia zu
Zara beitrug, drückte der städtischen Gerichtsurkunde den
slawischen Stempel auch fUr weit spätere Zeiten auf, als dieselbe
sonst schon ganz die Formen der italienischen Notariatsurkunde
annahm.^
Es ist hier im Kleinen derselbe Vorgang nachzuweisen,
wie er im großen Stile im fränkischen Reiche durch die werdende
Selbständigkeit der rein deutschen Stämme herbeigeführt wurde.
Die Urkunde wirkt hier wie dort^ nachdem sie durch die
slawische, beziehungsweise deutsche Rechtsanschauung den Cha-
rakter der Carta abgestreift hatte, dadurch, daß sie die ge-
richtlich oder öffentlich vorgenommene Handlung unmittelbar
oder mittelbar als geschehen erweist.'
Dem entsprechend nennt sich die Urkunde im 1 1 . Jahr-
hundert breue,* recordatio,^ cartula oder breue recor-
dationis.^ Einmal in einer rein kroatischen Notitia über
eine Schenkung finden wir auch das bezeichnendere Wort
memoratorium, welches sich typisch im Gebiete von Benevent
ausgebildet hatte. ^ Viele andere Urkunden tlber die kroatischen
^ Zara a. 1261 (orig. AsA.) . . . dominus comes cum suis iadicibus . . .
snprascriptam domam . . perpetua proprietate posstdendam . . . adia-
dicanerant et . . . me sapraacriptnm Michaelem (oben nennt er sich tri-
banns) pristaldnm constituerant. Ego vero ex officio michi comnüno
saprascriptnm Andream . . . corporali possessione . . . perpetao possiden-
dam innestiui (ähnlich 1251, orig. GAZ. b. Nie. Nr. 10). — Noch sn
dieser Zeit bewußt slavische Institution. Rab (Arbe) a. 1239 (orig. GAZ.
8. Gris. XIV, C. 1) . . . dans eidem abbati (s. Grisogoni de Jadra) pri-
staldos secundum consuetudinem Sclavorum.
* Cf. Ficker, Beiträge I, 81. Redlich, Die bayrischen Traditionsbacher,
Mltt. des Inst. V, 10—11.
» Doc. Nr. 28. 117.
* Ib. Nr. 89. 92.
» Ib. Nr. 81; CSD. 1,114.
' Doc. Nr. 140. A. c. 1097. Memoratorium facio ego Brana . . de terris.
Cf. Brunner, o. c. 5 f. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß hier ein
direkter Einfluß des beneventanischen Urkundengebietes in ähnlicher
Weise bestanden hat wie im Norden zu Zara des lombardisch-tuakischen.
Die regen Beziehungen Süddalmatiens zu Süditalien weisen darauf (s.
Jireöek, 1. c. 47. 67. 79).
DU afthMtiiuaeli« FrivBiarkniide. 37
Rechtsgeschäfte tragen keinen eigenen Namen , sind aber aus-
nahmslos in subjektiver Form verfaßt mit der Anwendung der
Verba im Präsens.^ Im voraus kann man schon bemerken,
daß diese Fassung des kroatischen Breve ohne Zweifel die
einzige Ursache der langen Dauer des subjektiven Instrumentes
in Dalmatien ist.
Im 12. Jahrhundert überwiegt durchaus die Benennung:
breve in den südlicheren Städten, Spalato an der Spitze,' und
wird gewöhnlich von dem ihren Sinn vervollständigenden Aus-
druck: (breve) recordationis begleitet oder auch von einem
ganzen Satze beschrieben.' In den kurzgefaßten Schenkungen
an die Kirche St. Benedikt zu Spalato kommt die Bezeichnung:
paginula recordationis und auch nur: recordatio vor/
Dagegen überwiegt zu 2jara die Benennung memoriale,^ ge-
wöhnlich mit dem Ausdrucke carta verwechselt, der auch im
Deminutiv: cartula recordationis als Bezeichnung für die
Beweisurkunde oder Qerichtsurkunde auftaucht^ — ein Beweis,
daß zu dem Verluste der technischen Bedeutung der carta
im Anfange des 11. Jahrhunderts sich jetzt auch Unklarheit
über den Begriff Breve gesellte.
6. Der Zeugenbeweis und seine Polgen.
Obgleich in der städtischen Urkunde Dalmatiens, Zara
ausgenommen, bis in die Mitte des 12. Jahrhunderts keine
Erwähnung eines Notars geschieht und von einer Eompletions-
formel nicht die Rede sein kann, so unterscheidet sich diese
in der ersten Zeit und auch später, besonders so weit sie
Rechtsgeschäfte enthält, in der Praxis sehr wenig von der
älteren Notariatsurkunde Italiens, wo ja überall schon der No-
tariatszwang eingeführt worden war.^ Denn die Carta so wie
^ Doe. Nr. 43. 50. 62. 72. 74. ~ Fflr die Benennnn^n der KOnigsurkunde
8. Ba£ki, Rad, vol. 36, p. 7.
* CSD. II, 176. 190. 197. 236.
' Ego Chasa . . . s. Benedicti abbatissif hoc conBcriptnin . . . nt mona-
sierio ad memoriam fieret, scribere . . . stndai a. c. 1180, II, Nr. 160.
« Ib. 29. 32. * Ib. 246. 266. 273.
* Ib. Nr. 93. 117. 121.
* Adelebis c. 8 (M. Oerm. LL. IV). Brunner, p. 24, Nr. 1 ; Voltelini, 1. c.
p. XXL
38 yi' Abhandlung; r. dnff l»y.
die Notitia besaßen niemals hier wie dort ganz selbst&ndige
Beweiskraft; sie waren immer auf die Zeogen der Handlung
angewiesen; worden sie gescholten, so mußte auf die Zeugen
rekurriert werdend Und wie die Notariatsurkunde Italiens'
schließt sie beim Echtheitsbeweise in der älteren Zeit den
Gegner vom Eide aus.
Aus dem Anhange zu einer Schenkung einer kroatischen
Sippe an das Kloster St. Grisogono zu Zara, ausgefertigt zu
Nona, können wir das Beweisverfahren in Dalmatien am An-
fange des 12. Jahrhunderts erkennen.' Die Urkunde wird
von den Nachkommen der Schenker besonders in den Teilen,
welche die Grenzen des geschenkten Grundstückes betreffen,
verändert, also verfälscht. Die Mönche lassen sich aber die
Umgestaltung der Grenzen nicht gefallen und schelten die Ur^
künde. Bei dem Gerichte fkUt der Echtheitsbeweis durch den
Eid den Produzenten zu und drei Mönche aus dem Kloster
St. Grisogono beschwören die Echtheit ihrer Urkunde, was
sich mit dem germanischen Beweisrechte deckt.^ Dazu gesellt
sich der echt slawische Zug, daß die Träger der väterlichen
Überlieferungen^ die Söhne und Neffen des Schenkers, falls sie
fUr die Echtheit der Urkunde eintreten wollen, als Eideshelfer
die Urkundszeugen, von denen einige noch am Leben sein
konnten, ersetzen können.
Ein zweiter Fall, der uns einen Einblick in die Weiter-
entwicklung des Beweisverfahrens gewinnen läßt, kommt ein
halbes Jahrhundert später vor. Dem Kloster Rogovo (St. Cosmas
und Damianos) bei Zara wird ein noch in den Sechzigerjahren
^ Redlich, Mitt. des Inst. Y, 6; Ergänznngsbd. VI, 12.
* Bethmann-Hollweg lY, 383.
' Diese Schenkung von a. 1072 (Doc. Nr. 71) ist in zwei Fassongen er-
halten, in einer kürzeren und in einer längeren (a and b in der Edition).
Die Fassang a hat den erwähnten Anhang; wogegen es nicht an wahr-
scheinlich ist, daß die Fassung b die wesentlich umgestaltete and also
teilweise falsifizierte Urkunde ist, auf welche sich die Worte des An-
hanges: falslficantes cartam istam beziehen. Mehr davon Ra6ki, Rad
vol. 36, p. 163. Der Anhang ist c. a. 1106 zu setzen. CSD. I, Nr. 167.
^ Lib. Papien. Lex Widonis 6 (M. Qerm. LL. IV); Bethmann-Hollweg
y, 168. 368; Branner, Carta und Notitia in Commentationes in hon.
Mommseni 689; Breßlau 490 f.
Di« «Ulmatiniscfa« PriyatQrknnde. 39
des 11. Jahrhunderts geschenktes Grandstück entfremdet.^ Im
Prozesse vor dem kroatischen 2apan von Sidraga stützt sich
der Abt auf die Schenkungsurkunde: ego hostendebam car-
tulam et testes uiuos et mortuos.^ Um zur rechtlichen Wirk-
samkeit zu gelangen, mußte die Echtheit der Urkunde so wie
auch die nicht mehr lebenden Zeugen von dem Produzenten,
dem Abte* beschworen werden.
Die Ähnlichkeit des Rechtsverfahrens liegt in beiden
Fällen Ton selbst auf der Hand. Da die Urkunde selbst nichts
besaß, was ihr an sich Beweiskraft verliehen hätte, wurde in
beiden Fällen der Eid angewandt. Aber während in dem
ersten und älteren Falle nur die Urkunde allein beschworen
werden mußte, tritt in der zweiten rein kroatischen Urkunde
Auseinanderhaltung der Zeugen von der Urkunde beim Beweis-
verfahren hervor, sie werden hier der Urkunde gleichgestellt.
Die Echtheit der Urkunde liefert somit noch das erstemal allein
den Beweis, was für diese Art der Urkunde, an welcher die
Kirche beteiligt war, der ja in erster Linie um die Forderung
der Urkunde als Beweismittel zu tun war,* gar nicht befremd-
lich ist. Im Laufe des 12. Jahrhunderts ist aber der Urkunden-
beweis im Rechtsverfahren, ebenso wie er bei den Germanen
nur eine ganz äußerliche und unvollkommene Eingliederung
gefunden hatte/ auch bei den Slawen als ein sehr unvoll-
kommenes Hilfsmittel befunden worden und stark in Ver-
fall geraten. Es tritt also in der zweiten Hälfte des 12. Jahr-
hunderts, als die städtische^Urkunde eben durch das Notariat
vom steigenden Verfalle plötzlich gerettet wurde, die Urkunde
nur als die Vermittlung des endgültigen Beweises auf, der nicht
mehr in der Urkunde, sondern in den Zeugen bestand. Nur
^ Diese Schenkung ist erhalten and von dem £ditor c. a. 1060 gesetzt
(Doc. Nr. 43).
* CSD. ir, Nr. 121 a. 1172. E^o hostendebam cartulam et testes yiuos
et mortaos . . . Tandem . . . iadicanit Desta . . . mihi affirmare cartulam
et meos testes, quod itaqae compleni iosiurandam apnt Tinam. —
Die testes nini sind hier natürlich nicht die Handlungszeugen selbst,
sondern die vom Hörensagen; in obigem Beispiele sind ,alii tres de nepoti-
bnsS die Eideshelfer, auch solche Zeugen.
' Bedlieb, Mitt. des Inst Eiganzungsbd. VI, 9.
* Bnumety Deutsche Rechtsgeschichte H, 420.
40 Vt. Abhftndlmig: t. änffUy.
80 ist der Urteilsspruch des 2apan von Sidraga: ^af&rmare car-
tnlam et testes^ zu verstehen.
Wenn diese Schlüsse richtig sein sollten und wir tatsäch-
lich die zwei oben besprochenen einzigen , wenn auch sowohl
im Wesen als auch in den gestaltenden Faktoren^ verschie-
denen Fälle als zwei Anhaltspunkte derselben hst einheit-
lichen Rechtsentwicklung in ganz Dalmatien ansehen dürften,
so müssen wir die Symptome des Sinkens der Notitia von einer
selbständigen Beweisurkunde zur unselbständigen Zeugenur-
kunde und somit die Nähe des Aktes' in dem ganzen städtischen
Urkundenwesen dieser Zeit verspüren. Diese Symptome müssen
um so stärker hervortreten, je stärker die Fühlung der städti-
schen Qemeinden mit dem slawischen Elemente der Umgebung
bestand.
Denn nach der rein slawischen Rechtsanschauung, wonach
der Vollzug des Rechtsgeschäftes durch eine rechtliche Hand-
lung vor Zeugen geschah, konnte durch die Beurkundung des-
selben nichts anderes bezweckt werden als die Bewahrung
der Zeugen und die Erinnerung an die Handlung. Die ersten
urkundlichen Aufzeichnungen der außerstädtischen Klöster:
St. Johannes bei Belgrad und St. Petrus in Selo bei Spalato
sind nur nackte Notizen über Schenker, beziehungsweise Ver-
käufer, Objekt und Zeugen.' Ja selbst dieser mittelbar recht-
liche Zweck der Aufzeichnung konnte endlich aus den Augen
gelassen und einfach die Erinnerung an die Tatsache betont
werden.^ Diese Aufzeichnungen sind in dem Kopialbuche des
Klosters Rogovo, welches zum Erben des erstgenannten Klosters
wurde, aus dem 14. Jahrhundert erhalten.^ Es ist aus der
^ Das erste Urteil ist vom indicinm archiepiscopale , das zweite ante
Dessennm iapanum gefällt.
' Cf. Ficker, Beiträge I, 81.
> Doc. Nr. 183. 136. 187.
« Cf. Redlich, MiU. des Inst. V, p. 10—26.
^ Das Kopialbach, welches sich Polichorion nnd auch Topicns nennt,
ist vollständig von Ljabi(^ in Starine vol. 23 ediert und von Ra2ki,
Rad vol. 36, 160 — 164 beschrieben. — Die Namen, welche es sich gfibt,
sind im Westen nicht zn finden, wie auch der Name, welchen das Car-
tttlarinm des Erzbistums von Spalato führt: montannm, montaneum
(cf. Da Gange, Glossariom; Wattenbach, Schriftwesen 88, 120; Paoli
260 fif.). — Ra(&ki (Rad, vol. 36, p. 140, nota 3) meint, daß ,policorion< von
Di« dalvatinisehe PiiTmlnrlnuid«. 41
langen Reihe von 58 Akten anzunehmen, daß dem Polichorion
in dieser Beziehung nicht EinzelnaufzeichnuDgeU; sondern ein
gleichzeitiges unmittelbar geführtes, aber auch von Einzelnvor-
lagen bedingtes Traditionsbuch, allerdings mit Rücksicht auf
die Rechtsverfolgung gemacht, zugrunde lag.^ Dagegen sind
die Traditionen des Klosters zu Selo aus dem 12. Jahrhundert
größtenteils auf einzelne Vorlagen zurückzuführen. Nimmt
man zu den besprochenen Aufzeichnungen des Klosters St. Jo-
hannes die Akte über Kaufverträge, welche uns in der Schen-
kung des Petrus Öme an die Kirche in Selo erhalten sind,'
so wird es wahrscheinlich, daß die ersten Anfänge der rein
kroatischen Privaturkunde in Dalmatien in der Notitia im
weitestgehenden Sinne, in reinen Akten bestanden hatten. Die
Aktaufzeichnung dauert ununterbrochen, wenn auch spärlich,
weil von dem städtischen fünflusse bedrängt, durch zwei Jahr-
hunderte und noch am Beginne des 13. Jahrhunderts besteht in
dem kroatischen Kloster in der Umgebung von Zara der früher
übliche Brauch, die Grenzen der Besitzungen ,ad memoriam
posterorum' niederzuschreiben.' Nur die urkundlichen Wen-
dungen sind es, woran dieser kroatische Akt gewinnt, sonst
bleibt er wesentlich auf derselben Stufe, wo er angefangen
hatte, bis dann die Institution des locus credibilis der Dom-
kapitel und das Beweismittel des Siegels dazu beitragen, daß
er sich zur Höhe der Urkunde emporschwingt.^
Es sind besonders die drei Kopialbücher der zwei größten
Klöster zu Zara : St. Maria und St. Grisogono, welche die Ein-
flüsse dieser Strömung fühlen lassen. Zwei derselben gehören
dem ersten, das dritte dem zweiten Kloster an. Alle drei
Kokhq und lat. corium, d. h. Über ex multia coriis hentimunt. Selbst-
yentändlich ist es, daß eine so unnatürliche Dentang nicht stichhältig
ist, Yielmehr ist dieses Wort rein griechisch and stammt von Kokhq und
Xtuptov, welch letzteres Wort mit lat. ,fandas' gleichbedeutend ist (cf.
Jire^Sek, 1. c. 7).
^ Cf. Jiredek, 1. c. 82.
' Boc: Nr. tll, p. 183 und 136. Über Akte ttber Kaufvertrag im 12. Jahr-
hundert s. unten § 16.
* A. 1215. Der Abt von Rogovo mit den Mönchen ,ad memoriam postero-
mm facimus recordationem de terris monasterii* (Einselnaufiseichnung
auf Pergament GAZ., Abt. Rogovo).
* Darflber unten § 10.
42 VI. Abbftndlang: y. SaffUy.
sind zu Ende des 12. Jahrhunderts entstanden.^ Der Grrund
ihrer Entstehung dürfte derselbe sein^ wie er allgemein bekannt
ist: die wachsende Zahl der Einzelnurkunden; welche die Er-
werbstitel repräsentieren, die Bequemlichkeit der Übersieht
und der häufig eintretende Verlust der Urkunde selbst.'
Obgleich sie zweifellos mit yollem Recht Eopialbücher
für königliche und private Urkunden genannt werden können
und der Urkunde selbst größtenteils als Kopie gegenüberstehen,
so fehlt besonders dem ersteren der Anlauf zum Akte nicht.
Dies ist besonders bei den Urkunden über die Rechtsgeschäfte
mit den Slawen, also in der Kaufurkunde zu verspüren. Auf
der neunten Seite dieses Kopialbuches finden wir eine Auf-
zeichnung über die Käufe von Grundstücken durch die Äbtissin
Cika.^ Außer der ganz verkümmerten urkundlichen Wendung:
sub Cresimiro rege et Suinimiro bano steht das Stück formal
wie wesentlich auf der Stufe des Aktes; es nennt nur die
Verkäufer, das Objekt, den Kaufpreis und die Zeugen. Noch
formloser ist die Notiz der Äbtissin Vekenega aus dem An-
fange des 12. Jahrhunderts.^
Diese Fälle stehen den vielen Aufzeichnungen der außer-
städtischen im Gebiete der kroatischen Stämme befindlichen
Klöster vollständig gleich. Für Zara bedeuten diese Fälle nur
einen charakteristischen Anlauf zum Akte, da wir sonst in
den Klöstern wie auch in der Stadt ganz überwiegend die
vollständige Kaufurkunde angewandt finden.^ Dagegen behält
^ Während die beiden ersten von den beiden Herausgebern der ältesten
Urkanden Kroatiens, von Radki und Kukuljevid benützt worden sind
(die Beschreibung dieser zwei Kodizes von Radki, Bad, vol. 36, p. 166
— 168), hat sich das dritte, obgleich von einem Alteren Forscher der
kroatischen Geschichte gekannt (Lucius, De regno Croatiae et Dal-
matiae, 1. II, c. 16, p. 100; cf. Radki, 1. c. 140), lange verborgen gehalten.
Erst vor einem Jahre entdeckte es Prof. Smidiklas in dem embischOf-
lichen Archiv zu Zara. Es ist in der damals hier üblichen longobardi-
sehen Schrift aus dem Ende des 12. Jahrhunderts geschrieben.
* Vgl. Redlich, Ober die bayrischen Traditionsbücher. Mitt. des Inst.
V, 6—8.
» Doc. Nr. 77, c. a. 1070—1073.
* A. 1107. CSD. 11, 16.
^ CSD. II, 4, 12, besonders II, Nr. 11, wo es heißt: Ego Vekenega abba*
tissa monialium s. Marie . . . hoc iussi describi priuilegium de possessione
Die dalmatuusehe PriTatorkande. 43
die SchenknogBorkiinde zwar die subjektive Fassung der Carta
im Texte,^ aber der Mangel fast jeder selbständigen Datierung,
welche für die förmliche und rechtskräftige Urkunde selbst-
verständlich ist, ist auch hier nur durch den Einfluß des kroa-
tischen Aktes zu begrtlnden, dem es wesentlich nur auf den
Inhalt und die Zeugen der Handlung ankam. In dieser Hin-
sicht drückte derselbe seinen Stempel doch dem ganzen Privat-
urkunden wesen Dalmatiens von der Mitte des 11. bis zur
Mitte des 12. Jahrhunderts auf.
Daß alle diese Aufzeichnungen auf Vorlagen beruhen,
ist aus der gleichen Schrift sowie aus den Einzelnurkunden
selbst zu erkennen, die sich erhalten haben. So sind fast alle
Urkunden, die im Eopialbuche St. Grisogono enthalten sind,
schon aus den Originalen bekannt und auch ediert.' Dennoch
ist auch aus der äußeren Gestalt derselben zu entnehmen, daß
im Laufe des 12. Jahrhunderts der Begriff der Urkunde in
den Städten sich stark verwirrte und daß auf die förmliche
Urkunde als Einzelaufzeichnung kein besonderes Gewicht
mehr gelegt wurde. Wir finden am Ende des Eopialbuches
St. Maria nach einigen Notariatsurkunden des 12. Jahr-
hunderts eine originale Notariatsurkunde aus dem Anfange des
13. Jahrhunderts, welche auch das Notariatszeichen besitzt und
gewiß keine Nachzeichnung ist, wie dies aus dem Vergleiche
der Schrift und des Zeichens mit anderen originalen Einzeln-
urkunden zweifellos hervorgeht. Sie ist auf dem Pergament-
blatte des Buches geschrieben, was ohne Zweifel als ein Versuch
gelten muß, das Kopialbuch durch Originaleinzeichnung der
Urkunden fortzusetzen, wie man demselben Wunsche etwas
später ebendaselbst durch das Einheften einiger Original-
instrumente nachzukommen versuchte, aber auch damit bald
aufhörte. Ein Gegenstück dazu ist am Anfange des 12. Jahr-
hunderts zu Spalato in der Niederschrift von Urkunden auf
terre, quam genitrix roea Cicc« abbatissa comparauit . . . ande etiam
sne yenditionis cartnlam testationi sibi fecerunt. Radki, Doc.
Nr. 108, setzt diese ,cartala* in die Zeit von 1076—1080.
» Doc. 72. 74; CSD. U, 29—31.
* Eine Ausnahme bildet die Privatarkunde von 1078 nnd etliche ans dem
Ende des 12. Jahrhunderts.
44 VI. Abhwdlukff: y. dnffUy.
eine mit ihnen dem Inhalte nach gar nicht zasammenhängende
ältere Originalurkunde zu konstatieren.^
In den unverkennbaren Spuren der städtischen disposi-
tiven Carta in der ältesten Zeit im Norden, im baldigen Siege
der förmlichen Notitia auf der ganzen dalmatinischen Küste
sowie im Auftauchen des kroatischen Aktes, dessen Einfluß
in den Städten wohl auch die Abnahme des Urkundenmateriak
verursachte,' hat sich die Entwicklung unserer Urkunde voll-
zogen, die man bis in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts
mit vollem Rechte als dalmatinisch-kroatische bezeichnen
kann. Mit dem Emporblühen des Notariats in den Küstenstftdten
und dem allmählichen Wachsen des Einflusses des italienischen
Formelwesens, das seinen Höhepunkt in der gänzlichen Annahme
des formelmäßigen Instrumentes in den Städten im 14. Jahr-
hundert endgültig erreicht, beginnt die zweite Periode der dal-
matinischen Urkunde, in welcher sich die reinkroatische Urkunde
in Dalmatien scharf von der städtischen sowohl in der Autorität
der Herstellung, wie in der Anwendung der Beweismittel und
Fassung, wesentlich also und formal unterscheidet.
IV.
Elemente des Instrumentes In der dalmatinisch-kroati-
schen Urknnde nnd Eigentflmllehkelten derselben.
Bevor wir zur Entwicklungsgeschichte der Urkunde in
der zweiten Periode übergehen, erscheint es notwendig, die
dalmatinisch-kroatische Urkunde noch eingehender zu be-
trachten, um in ihr einerseits die Elemente, welche der baldigen
Herrschaft des Instrumentes in die Hand arbeiteten, anderseits
ihre Eigentümlichkeiten, welche ihr ein besonderes Gepräge
gaben, zu entdecken. Damit werden sich auch die Ursachen
^ So findet man auf der Stiftangsurkunde des Klosters St Benedikt sn Spa-
lato von 1069 (Doc. Nr. 67) die Kaafurknnde von a. 1119 (II, 28) and
2wei Schenkangen an dasselbe Kloster (ib. 29. 80).
* Die nur einige Jahrzehnte danemden politischen Wirren an der Wende
des 11. und 12. Jahrhunderts sind kein hinreichender Grund aar Auf-
klärung des Mangels der Urkunden in der ersten Hälfte des 12. Jahr-
hunderts in den Städten.
Die dalmatinisebe Priy»tiirkimde. 45
einiger yon dem allgemeinen Formnlar des dalmatinischen In-
strmnentes im 13. Jahrhundert abweichender Fälle von selbst
ergeben and man wird auf solche Ausnahmen bei der Behand-
lung des Instrumentes selbst keine Rücksichten mehr zu nehmen
brauchen.
Somit soll hier das Protokoll der dalmatinisch-kroatischen
Urkunde so wie der Rahmen des Instrumentes im 13. und den
folgenden Jahrhunderten^ sowie die in der dalmatinisch-kroati-
schen Urkunde vorkommenden geistlichen Strafbestimmungen
betrachtet werden, welche in ihr andere Schlußformeln fast
ganz verdrängen, während sie im Instrumente dann vollständig
verschwanden. Die anderen eventuell vorhandenen Schluß-
formeln sowie die reinen geschäftlichen Formeln des Textes
derselben Urkunde werden wegen ihres rechtlichen Inhaltes
zwar von diesem Kapitel separat, aber gemeinsam mit denen
des städtischen Instrumentes in einem den Geschäftsformeln
desselben gewidmeten Abschnitte behandelt (VII) werden.
6. Das Protokoll der dabnatinisoh-kroatisohen Urkunde
und des Instnunentes.
Schon die Invokation liefert einen Beitrag zur Begrün-
dung der Theorie, daß wir in Norddalmatien mit einem sehr
frühen italienischen Einflüsse zu tun haben. Denn während
die ältesten Urkunden der südlich von Zara gelegenen Städte
nie eine symbolische Invokation anwenden,^ wird im
nördlichen Dalmatien also zu Zara, Nona und Pago die allein-
stehende und die wörtliche Anrufung vertretende Invokation
gebraucht,' natürlich parallel mit der alleinstehenden wörtlichen'
und auch mit dieser in Verbindung.^ Die symbolische Invo-
kation zeigt sich hier gewöhnlich in der Form eines einfachen
^ Die StÜtnngsurknnde yon 1069, Doc. Nr. 57, die von der wörtlichen In-
Tokation ein Kreuz besitzt, bildet eine leicht erklärliche Ausnahme, da
sie von dem Notare des KOnigs geschrieben wurde (cf. Nr. 58), wo die
symbolische Anrufung üblich war (Nr. 55. G7), wenn auch mit der wort-
lichen gemengt (Nr. 114, 124).
* Zara Nr. 53. 68. 70.
» Nr. 13. 17. 21. 29 etc.
« Nr. 32. 84. 88. 86.
46 VI- AbhMdlang: y. SoffUy.
Kreazes, das in Italien seit der longobardiscben Zeit den An-
fang der Priyatnrknnde gebildet hatte, aber im 11. Jahrhundert
in der Mehrzahl der Fälle durch das signnm notarii ersetzt
worden ist.^ Doch ist auch das echte Chrismon, d. h. die
Verwendung der griechischen Buchstaben X und P einmal
nachzuweisen.' Daß aber dasselbe in Zara gut bekannt war,
beweist die im Marmor eingemeißelte Inschrift in der Kirche
St. Maria zu Zara, wo es auch vorkommt.'
Aber im Grunde genommen ist es eigentlich nur Zara,
wo diese Invokation selbständig erscheint, denn die ,commu-
nitas Kessensis^ auf der Insel Pago war dem comes von Rab
(Arbe) Untertan und wir wissen, daß diese Insel am Quamero
dem italienischen Einflüsse weit mehr offen stand als jede
andere Stadt Dalmatiens. Für Nona können wir gar keine
Selbständigkeit in dieser Beziehung erwarten; auch sind die
zwei Urkunden, die das Kreuz als Invokation besitzen,^ von
demselben Schreiber geschrieben, der sein Gewerbe auch zu
Zara und Belgrad ausübte.^
In den wenig zahlreichen Urkunden des 12. Jahrhunderts
ist die symbolische Invokation auch nicht zu finden, erst im
13. Jahrhundert taucht sie wieder auf, um mit der wörtlichen
Invokation dann und wann die Einleitung des sich ausbildenden
Instrumentes zu bilden.''
Für den Süden Dalmatiens ist es wegen des geringeren
italienischen Einflusses nicht befremdlich, daß keine Original-
urkunde der ältesten Zeit die symbolische Invokation besitzt.
Erst in der Übergangszeit zum Instrumente am Ende des
12. Jahrhunderts zeigt sich dieselbe zu Spalato® und im
äußersten Süden zu Ragusa und hält sich in der Urkunde
der letzteren Stadt spärlich angewandt bis über die Mitte des
13. Jahrhunderts.® Es mag dieses späte Aufleben der symbo-
» Paoli, Dipl. 111 (L. 148).
« Doc. Nr. 34.
* Kakuljeyid, Natpisi io CSD. U, p. 236 (Nr. 1, a. 1101).
* Doc. Nr. 68. * Nr. 63. 71.
* Cf. Nr. 62. 63. 70.
* So die Urkunde von Zara a. 1226 (orig. GAZ. s. Qrisog. XV. E. 6).
* A. 1171. CSD. n, 118.
» A. 1190. II, 220; a. 1264 (orig. AsA.); a. 1269 (orig. Ib.). .
Die dalmatinische PriT«larkande. 47
lischen Invokation, welche natürlich keine eigene Kraft mehr
besaiJ und niemals die immer folgende wörtliche Invokation
vertrat, zu Zara wie zu Spalato mit den Anfängen des direkten
EinfloBses des italienischen Notariats in Verbindung gebracht
werden; fUr Bagusa aber, wo dieser Einfluß nicht so stark
war und dessen Verkehrsrichtung immer mehr gegen Osten
zeigt, ist dies gewiß als ein byzantinisch-slawischer Einfluß zu
betrachten.^ Im allgemeinen aber bewahrten die älteren geist-
lichen, einheimischen Notare des 12. Jahrhunderts den von
frühere« einheimischen Privatschreibern empfangenen Brauch
der wörtlichen Anrufung allein, die ihre versteckten Keime
eben nicht im italienischen, sondern direkt im byzantinischen
Boden barg.
In unserer ältesten, herzoglichen Urkunde von 853^ finden
wir nur die wörtliche Invokation und sie lautet: in nomine
patris et filii et Spiritus sancti. Wäre die Formel nur etliche
Jahrzehnte frtlber geschrieben worden, also zur Zeit Karls des
Großen, so würden wir uns vielleicht in Verlegenheit befinden,
ihre direkte Provenienz festzustellen, denn wir wissen, daß
das kaiserliche Formular für dieselbe FormeP in einigen italie-
nischen Gegenden dieselbe Anrufung der Dreifaltigkeit zur
Folge hatte ,^ anderseits ist der byzantinische Einfluß nicht
ausgeschlossen. Aber zur Zeit war sie in Oberitalien schon
fast gänzlich außer dem Brauche^ und gegen den eventuellen
Einwand^ daß sie sich bei uns nur länger erhielt, also doch
dem sonst unverkennbaren fränkischen Einflüsse^ entsprossen
sei, kann man Beweise liefern ^ daß sich diese Anrufung zu
jeder Zeit und in jedem Lande, welches dem direkten Einflüsse
* S. die Privilegien und Briefe des bosnischen Banns Kulin, der serbi-
schen und bulgarischen Ki^nige, welche diese Invokation besitzen, bei
Miklosich, Mon. Serb. a. 1189, p. 1. 2. 17, a. 1234, p. 19.
■ Doc. Nr. 2.
' Sickel, Acta Carol. I, 263.
* Paoli 111 (L. 160).
^ Lothars Urkunden in Italien haben alle zur Invokation: in nomine do-
mini nostri Jesu Christi, Cod. Longob. Nr. 101. 104. 115. 116. 121.
123 etc ; ähnlich auch die Privaturkunden. Die einzige Ausnahme
bildet in diesem Kodex eine Urkunde des Bischoüs von Brescia, welche
die oben besprochene Invokation besitzt (a. 841, Nr. 140).
* 8. unten § 18.
48 Tl. AblumdUng: ▼. gafflay.
von Byzanz ausgesetzt war, finden läßt, fast ausschließlich
aber in den slawischen Urkunden der slawischen Balkanländer
im Mittelalter angewandt wurde. ^ Ein Analogieschluß zu-
gunsten des byzantinischen Einflusses in dieser Beziehung bei
uns wird dann wohl gestattet sein.
Wir finden diese Formel in der bekannten griechischen
Urkunde des heiligen Stephan in Ungarn,' in Säditalien ist sie
vom Ende des 12. Jahrhunderts allgemein.' In den Urkunden
der bosnischen Fürsten lebt sie bis zum Untergange des König-
reiches;^ ebenso ist sie zu finden in den slawischen, lateinischen
und griechischen Urkunden der serbischen Könige und Kaiser,^
wo man den beinahe ausschließlichen byzantinischen Einfluß
nicht bestreiten kann, und auch in den Urkunden in kroatischer
Sprache, die, glagolitisch geschrieben, jedem direkten roma-
nischen Einflüsse ausweichen.^
Aber nur noch einmal erscheint diese Invokation in der
fürstlichen Bestätigung der oben erwähnten ältesten Urkunde,'
dann verschwindet sie für drei Jahrhunderte aus der kroatisch-
dalmatinischen Urkunde in Nord- und Mitteldalmatien, kaum
^ Für den reinen diplomatischen Einfloß des griechischen Brauches ohne
jede politische Begleitung s. Giiy 449. 5S2, wo er Beispiele anführt,
wo dem lateinischen Texte diese Invokation in griechischer Sprache
vorangeht.
* Wenczel, Cod. dipl. Arp. I. Cf. Kar^csonyi, Szent Istv4n oklevelei 32.
Bnda 1891.
' Rassi, Paleografia 35 f. Cf. Die sardinische Urknnde in BiblioUi^ae
d'öcole des chartes XXXY, 265.
« A. 1189 CSD. II, 203; a. 1446 Kuknljevic, Acta croatica Nr. 44.
> 1229 (Orig. Staatsarchiv zn Wien rab. Servia 163/65). Der Schwur der
Freundschaft des serbischen 2apan Stephan mit Bagnsa. — 1243 In no-
mine patris etc. Ego Stephanos Vros dei graeia rez totias Rassie (ver-
bindet sich mit Ragnsa. Orig. ib. ed. Wenczel XI^ 328). — Fttr die
Kaisernrkunde des serbischen Du&an Silni (1336 — 1356) s. Miklosich-
MüUer, Acta et diplomata graeca V, 2, p. 135 ff. — Für den Qebraach
der Invokation bei den Griechen selbst sind die zerstreuten Publikationen
angezählt von Mttller, Wiener Sitzungsber. vol. VII (1851), p. 324, n. 1.
Breßlau 599, nota 2. Gardthausen, Griechische Palftographie 18.
^ S. die Steinurkunde bei Ra5ki, Doo. p. 487—489 c. a. 1110. Surmin,
AcU Croatica 1110—1499, I (Mon. slav. mer. VI), Nr. 6. 12. 17. 19. 20.
21. 23 etc.
» A. 892, Doc. Nr. 12.
Die dslmatinische FriTAtarkuDde. 49
eine Spar ihrer Anwendung hinterlassend.^ In den Urkunden
der Städte Zara^ Spalato und Trau erscheint sie in älterer
Zeit nie und als sie später auftaucht, ist dies schon zur Zeit
des Instrumentes.^ Nur zu Brazza, das den kroatischen Königen
in weltlichen und dem Erzbischofe von Spalato in geistlichen
Dingen Untertan war, erscheint in den ersten urkundlichen
Überlieferungen diese Invokation^ und hält sich weiter ge-
pflegt von den einheimischen Schreibern , welche die Würde
des Notars noch nicht angenommen haben. Endlich gezwungen
zu weichen y läßt sie am Ende des 12. Jahrhunderts den Vor-
rang der sie verdrängenden Anrufung, klammert sich aber
an dieselbe^ und verschwindet in dieser unnatürlichen Position.
Auch auf dem süddalmatinischen Boden erscheint diese
Invokation in einigen der seltenen Urkunden südslawischer
Häuptlinge,^ nicht als Überbleibsel aus älterer Zeit, sondern
um der lateinischen Urkunde einen griechischen Anstrich zu
verleihen.^ Unter diesem slawiscb-byzantinischen Einflüsse er-
scheint sie noch einigemale in den Urkunden von Cattaro und
Ragusa. ^
Parallel mit dieser Invokation sind auch hier im Süden
andere sonst im oberen .Dalmatien ausschließlich angewandte
Formeln zu finden.^ Sie sind hier wie dorten in der ältesten
Zeit schon ziemlich verschieden. In den ältesten dalmatinischen
Privaturkunden^ findet man die in ganz Italien beliebte Formel :
in nomine domini nostri Jesu Christi ;^^ später im 11. Jahr^
^ In der Urkunde des Bischofs von Belgrad kommt sie vor a. 1076, Doc. 89.
* Nur drei Beispiele kann ich im ganzen anführen: Trau a. 1206 (Eid
des Bischofs von Trau im Evangelistar des AC8. Fol. 136; Farlatl III,
241); a. 1238 Spalato (Luc. Mem. de Trau 38; Weuczel VII, 93); a. 1254
Zara (orig. ACT. Nr. 9; Farlati IV, 344 f.; Wenczel XI, 396).
» A, 1111, CSD. n, 20.
^ In Christi nomine amen, ac patris et tilii et spiritos sancti a. 1184,
CSD. n, 294.
» CSD. I, Nr. 123, a. c. 1036—1040; II, Nr. 67. Bekanntlich ist das Ma-
terial in dieser Periode hier sehr spärlich. Jirecek, 1. c. 5.
' Näheres darüber unten § 7.
' CSD. n, 36. 184.
« CSD. 1, 114. 128; II, 208. 210.
* Zara 918, Doc. Nr. 13; Spalato a. 1020, Nr. 28.
" Cf. Paoli 112 f. (L. 150).
SitximgslMr. d. p]iU.-hi8t. Kl. CXLVII. Bd. 6. Abb. 4
50 VI. Abhandlung: r. dvffUy.
hundert erscheint die durch den Einfloß der kaiserlichen
Kanzlei in Oberitalien vorherrschende Anrufung der Dreifaltig-
keit: in nomine sancte et indiuidue trinitatis/ in dei nomine
et salvatoris Jesu Christi, in nomine Jesu Christi veri dei eterni,
in Christi nomine dominantis. Weit überwiegend ist aber in
beiden Jahrhunderten die einfache Formel: in Christi nomine,
welche auch in dem dalmatinischen Instrumente überall die
Herrschaft behauptet. Außer ihr ist noch um die Mitte des
13. Jahrhunderts zu Zara sehr üblich die Invokation: in no-
mine domini etemi amen, in nomine dei eterni. Es scheint,
daß in dieser späteren Zeit jeder Notar sich eine Lieblings-
invokation aussuchte. Wir finden z. B. bei dem zaratinischen
Notar Petrus Scandolarius (1248—1249) fast immer die In-
vokation : in nomine dei eterni. Seine Vorgänger benützen mit
Vorliebe: in Christi nomine, die wieder bei seinen Nachfolgern
Guilelmus Pauper (1250 — 1251) und weiter auftaucht. Ganz
neue Formeln pflegten die späteren Notare nie anzuwenden.
Alle diese älteren Invokationen schließen ziemlich selten
mit Amen. Im 11. Jahrhundert kommt nur ein solcher Fall
vor;' erst gegen das Ende des 12. Jahrhunderts wird ,Amen'
häufiger angewandt und die Anwendung dauert auch beim
Instrumente fort. Zu Spalato ist die Invokation: in Christi
nomine im 13. Jahrhundert immer mit Amen verbunden.
Aber parallel — wenn auch nicht zahlreich — mit den
Urkunden, welche die Anrufung besitzen, laufen solche ohne
dieselbe. Diese Reihe der Urkunden beginnt in der zweiten
Hälfte des 11. Jahrhunderts,' also in der Zeit des Rückschrittes
der dalmatinisch-kroatischen Urkunde, und findet ihre Fort-
setzung auch im 13. und 14. Jahrhundert^ in immer stärkerem
1 Doc. Nr. 67 Spalato, 31. 35 Zara; CSD. I, 128 Ragusa. — Die Königs-
urkunden habeu als Invokation: in nomine sancte et individae trini-
tatis und in nomine domini uostri J. Cb. Ra^ki, Hrv. dvor. Kancelarija
Rad, vol. 36, p. 10.
« Doc. Nr. 22, a. 1000.
> Doc. Nr. 39, a. 1056 Nr. 62. 83. 128; CSD. II, 11. 13. U etc.
* Zara 1201 (GAZ. s. Gris. XIV, D 1); a. 1201 (Ib. IX, T. 10); 1204
(AsA); 1224 (Ib.) etc. Spalato 1243 (Luc. Mem. de Tran, p. 46) etc.
Cattaro 1261 (orig. AsA.) etc.
Die dalmatiniacbe PiiYaiarlrande. 51
Ihfia, erreicht aber üicht wie in Oberitalicn die Hälfte der
Instramente.^
Gleich nach der rnroksftMD folgt in der dalmatinisch-
kroatischen Urkunde wie auch beim späteren Instramente fast
ausnahmslos die Datierungsformel.' Nur die Urkunde der
geistlichen Behörden zeigt von ersten Anfängen eine ent-
gegengesetzte Tendenz,* welche endlich in der Urkunde der
Bischöfe und Kapitel durch die ausschließliche Anwendung
der Schlußdatierung im 14. Jahrhundert den Sieg erringt.
«•
über die Zeitangaben, welche die Datierungsformel enthält,
wird speziell im VIII. Kapitel gehandelt, hier kommen nur
die Ortsangaben sowie ihre Beziehungen zu den Daten in
Betracht.
Die drei ältesten zaratinischen Urkunden, in welchen
gerade in dieser Hinsicht viele archaische Merkmale zu finden
sind, tragen die Ortsangabe zu Anfang als Abschluß der Zeit-
angaben^ und am Schlüsse wird auf die vorangehenden Daten
mit der nicht mehr verstandenen Formel: actum hoc tempore,
die, loco et consule ut supra oder consulibus suprascriptis hinge-
wiesen, welche aber ihren römischen Ursprung nicht verläugnen
kann.^ Sonst enthalten die ältesten Urkunden bis zur Mitte
des 12. Jahrhunderts in der Anfangsdatierung nur die Zeit-
angaben, während die Oi*tsangabe mit dem einleitenden: acta
sunt faee am Schlüsse steht.^ In den rein kroatischen Breven
fehlt, wie schon erwähnt^ jede Angabe dieser Art. Erst am
Ende des 12. Jahrhunderts enthält die von dem italienischen
Instrumente schon getrübte dalmatinische Kotariatsurkunde die
Ortsangaben, falls sie überhaupt vorkommen, in der Einleitung,
' Cf. Gkiil. DarantiB, Speculum iuris (ed. Venedig 1602), 1. II, 2, de iustr.
eden. § 2, n. 2 ; Volteliiii, l. c. p. XXX.
' Eine merkwürdige Ausnahme bilden einige Testamente von Spalato
a. 1226 (orig. ACS. XVI, 1. 72); 1229 (Ib. XVI, 1. 172).
' Doc. Nr. 89, CSD. II, Nr. 17 etc. neben der Anfangsdatierung Doc. Nr. 27.
58 etc.
* Doc. Nr. 13 (918), 17, 21. Cf. die Pompeianischen Tafeln, wo die Zeit-
angaben zu Anfang von Ortsnamen durch Verbindung des Wortes actum
beschlossen werden, in Bruns-Mommsen, Fontes p.262. 263. 255. 259.267 etc.
^ Näheres darüber unten § 22.
« Doc. Nr. 29. 62. 70. 71. CSD. II, 28. 113*.
4»
52 VI. Abhandlung : ▼. gaffUj.
aber ohne jede Bezugsformel auf diese Angaben im Esehatokoll.^
Diese Ortsangabe im Protokolle besteht immer nur in der
Erwähnung der Stadt und befindet sich zwischen der präzisen
Datierung durch Jahr und Tag und den Datenergänzungen
durch die Erwähnung des Herrschers^ Bischofs, Comes etc.
Diese Art der Ortsangabe erhält sich in dem dalmatini-
schen Instrumente bis in die Neuzeit und wird überall in Dal-
matien zur Regel. Aber parallel mit dieser entwickelt eich
im EschatokoUe unter wachsendem Einflüsse des italienischen
Notariats, wo die Ortsangabe von neuem als notwendig er-
klärt wurde, ^ eine Formel, welche, mit einleitendem actum be-
ginnend; zu Zara zuerst den Zweck hatte, die Zeugen unter-
zubringen,^ bald aber auch eine speziellere Ortsangabe der
Handlung, wie z. B. einen Stadtplatz, Zimmer etc., in sich
aufnahm.
Im südlicheren Dalmatien ist es die Urkunde von Spalato,
wo sich diese vollständige Formel unter dem starken Einflüsse
des kaiserlichen Notariats einnistete. In der zweiten Hälfte
des 13. Jahrhunderts finden wir sie schon allgemein ange-
wandt;^ bald gesellt sich dazu das Instrument von Trau und
anderer Städte.
Zu Zara hält sich die einfache Formel: actum coram . .
testibus ohne jede Ortsangabe im gewöhnlichen Vertrage bis
über die Mitte des 14. Jahrhunderts,^ obgleich sich schon am
Ende des 13. Jahrhunderts kaiserliche Notare melden. Die
* Zara CSD. II, 163. 164 etc. Spalato 156, Ragusa 169 etc.
* Bolandiuus, Tract. notularum f. 471. Gail. Darantis, 1. c. § 2, o. 4.
' Sie lautet hier: actum coram bis rogatis et vocatis testibus.
*■ A. 1261 ... in curia domini arcbiepiscopi (Scbenkuug, orig. ACS. XVI,
2. 11); 1265 ... in palatio dicti domini archidiaconi (Kaufiirkunde,
orig. s. Maria zu Zara); 1269 . . . ante ecclesiam b. Domnii (orig. ACS.
ed. Farlati UI, 283); 1269 ... in camera mei noUrii (orig. Ib. XVI, 1. 84),
1295 ante domum quondam Rambaldi (orig. s Maria); 1304 iufra ambas
portas (orig. Kloster zu Sebenico) etc.
^ In der feierlichen Urkunde kommt früh die genaue Ortsangabe vor
(a. 1248 actum est hoc iuzta portam ferream ciuitatis Jadre. Orig. GAZ.
8. Qris. XVIII, Nr. 429), die zu Spalato in dieser Art der Urkunde schon
im 12. Jahrhundert auftaucht. A. 1180 CSD. II, 156 (in der Einleitung) :
hoc actum est ante presentia idoneorum testium ... et in cioitate Spa-
latina et in podio impcrialis turris«
Die dalmatin Lache Priraliirkiinde. 53
genaue Ortsangabe in dem Instrumente von Zara wird erst
in den Siebzigerjabren des 14. Jahrhunderts üblich/ indem
sie sich durch die Gerichtsurkunde zu den Privatkontrakten
den Weg bahnte.^ Dennoch gibt es auch weiter Notare, welche
nicht immer diese Regel respektieren.^ Nur die Urkunde von
Gattaro in ihrer eigentümlichen Kürze enthält nie die genaue
Ortsangabe der Handlung. Wenn sie den Ort am Schlüsse
nennt, so ist es die Stadt selbst, deren Angabe dann in der
Einleitung fehlt.
Für alle Zeit- und Ortsangaben sowohl in der kroatisch-
dalmatinischen Urkunde als in dem städtischen Instrumente
ergibt sich aus dem Wesen der ersteren, wie aus der Aufgabe
des zweiten/ daß sie sich nur auf die Handlung beziehen.
Die Schwierigkeiten, welche in der deutschen Urkunde durch
den Widerspruch von Datum und Actum entstehen können^^
sind hier gänzlich ausgeschlossen.
Die Unterschriften und Unterzeichnungen der Aus-
steller dauern in Italien bei den Verträgen nach dem römischen
Muster, wo ausdrücklich von Unterschriften beider Parteien
gesprochen wird,^ bis in den Anfang des 13. Jahrhunderts
und lokal auch weiter. In Dalmatien finden wir keinen Ver-
trag in der ganzen Zeit vom 10. bis zum 12. Jahrhundert,
der überhaupt eine Unterschrift dieser Art hätte. Etwas anderes
ist es bei der Schenkung der ältesten Zeit. Die Schenkungen
der ersten Fürsten von Kroatien besitzen ihre Unterschrift.''
Auch bei den späteren Schenkungen der Kommunen im 11. Jahr-
hunderte sind die Spuren dieser Bekräftigungsformel zu finden.
Hier sind die Unterschriften der Vertreter der Kommune bei
der allgemeinen Unkenntnis des Schreibens nur selten eigen^
händig und somit ist die Formel für die Handzeichen (signatio).
^ Regelmäßig zuerst in den Urkanden des kaiserlichen Notars Petrus
Perensanns de Padua (1363-1389).
' In der Gerichtsarkunde zeigt sie sich mit den Beginne des 13. Jahr-
hunderts.
* So z. B. Petrus de Annobonis de Serzana (1372—1402).
* Cf. Voltelini, 1. c. p. XXX, n. 4.
» Cf. Ficker, Beiträge I, 63 ff. 205 ff.; Posse, Lehre 103 ff.
« Cod. Justin. IV, 21. 17. Paoli 172 (L. 192). » Doc. Nr. 2. 9.
54 Yh Abhandlung: ▼. AnffUy.
nicht für die eigenhändigen Namenszüge (subscriptio) im Ge-
brauche;^ auch ist die Unterscheidung, ob einige als Zeugen
oder als Aussteller fungieren, nicht leicht.
Dagegen scheint die Unterschrift der Zeugen in der
älteren Urkunde Dalmatiens etwas üblicher gewesen za sein.
In den ältesten zaratinischen Urkunden finden wir die
Zeugen im EschatokoU in der Form der persönlichen Unter-
schrift verzeichnet.^ Ihren Platz finden sie zwischen dem
Ende des Textes und der Formel des Rogatars. Die Unter-
schriften sind nach dem lombardischen Muster in ganz einfache
Formeln gekleidet: Signum f manus N., oder f ego N. testis,
oder nur N. testis.^ Man findet somit in der Urkunde zu
Zara noch im 11. Jahrhundert im EschatokoU einen archaisch-
lombardischen Zug, der sich eben jetzt, am Ende des 11. Jahr-
hunderts schon einem Zeugenverzeichnisse nähert/ doch noch
die selbständige Position der Zeugen andeutet. Wahrscheinlich
bestand er in der diplomatischen Frühzeit in der Urkunde
der südlichen Städte, aber nachzuweisen ist er nur für Ragusa.^
Sonst enthält die Urkunde anderer Städte an der Stelle der
Unterschriften die Zeugenliste, die von dem Schreiber mit: in
presencia herum testium, et hec notitia testium eingeleitet wird.^
Im 12. Jahrhundert wird der Gebrauch der von dem
Notar, beziehungsweise Schreiber zusammengestellten Zeogen-
verzeichnisse durch den Zutritt der Urkunde von Zara all-
gemein; und es ist dies gewiß wieder ein Sieg der für die
kroatischen Rechtsverhältnisse passenden reinen Notitia, der
unselbständigen Zeugenurkunde.
Somit hat sich die dalmatinisch-kroatische Urkunde in
dieser Hinsicht für den Übergang in das Instrument vorbereitet;
denn auch hier sind die Zeugen nach der Meinung der Glos-
satoren einfach der Solennität wegen beigezogen und zu Be-
ginn der Urkunde an das Datum gereiht oder nach dem Kon-
^ Signum manus N. Doc. Nr. 134, cf. 68.
> Doc. 13. 21. 33. 34 etc.
' Zu bemerken ist vielleicht, daß dort, wo das Signum erwälint wird, die
Bezeichnung als testis ausnahmslos wegfällt.
* Doc. Nr. 128.
5 CSD. I, 114. 128 (a. 1023. 1044).
* Spalato, Doc. Nr. 36; Nona, Nr. 45. 60. 61. 72 etc.
Die dklmAftinisebe PriTfttorlronde. 55
texte angefügt.^ Die Zahl der Zeugen ist bis in die Mitte
des 13. Jahrhunderts ziemlich schwankend , aber auch ver-
hältnismäßig groß. Besonders in der Urkunde , welche rein
kroatische Qeschäfte^ die gewöhnlich vor der ganzen Sippe
abgeschlossen werden, enthält, ist die Zahl der Zeugen groß
und erhält sich gleich groß noch im 14. Jahrhundert in der
Urkunde von Bribir, wo das Institut des Notariats und die
Form des Instrumentes nicht ganz unbekannt blieben. Es
kommen da vom Notare zusammengestellte Zeugenverzeichnisse
vor, welche die größere Hälfte der ganzen Urkunde einnehmen.
In der Urkunde der Eüstenstädte erscheinen eben unter dem
slawischen Einflüsse bis zum Ende des 13. Jahrhunderts zahl*
reiche Zeugen. Nur bei den Testamenten der ältesten Zeit
zu Zara kann man den direkten Anschluß an die Bestimmungen
des römischen Rechtes annehmen,^ die aber bald vergessen,
leicht von den Unregelmäßigkeiten in den Eontrakten ersetzt
werden konnten. In der Übergangszeit zum objektiven In-
strumente schwankt die Zahl derselben von 2 — 6, bis in der
zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts der Notar überall aus
den oft zahhreich anwesenden Zeugen nur zwei anftihren muß.'
Das Zeugenverzeichnis beginnt in der dalmatinisch-kroa-
tischen Urkunde mit der Formel: actum coram, hi fuerunt
presentes, oder ganz einfach testes, worauf die Namen derselben
folgen; also ohne jedes Attribut ftlr Zeugen. Erst am Ende
des 12. Jahrhunderts werden die Zeugen als idonei bezeichnet.^
Zu Spalato kommt auch vor, daß in dem Zeugenverzeichnisse
' Voltelini, 1. c. p. XXX. Cf. Branner, Carla and Notitia in Comm. in
hon. Mommsenii 681.
' Doc. a. 918, Nr. 18. 21 erscheinen lO^-S Zeugen. Cf. Savigny, Ge-
schichte des romischen Rechtes im Mittelalter II, 220; österley I, 246 f.
' . . . qnod notarins . . . debeat scribere in qnatemo totam contractum . . .
et adminns com presentia duornm testinm et cnm examinatore. Et te-
neatnr scribere in qnatemo nomen ipsins examinatoris et testinm. Stat.
Spalati XV, 1. 2, c. 60, p. 53. Cf. Stat Trau, I. III, c. 7, p. 74 und
Addit. von 1847, 1. I, c. 84, p. 82. Stat Cath. e. 188, p. 109. Stat
Bndyae c 124 (Mon. slav. mer. hist-inrid. III, p. 29).
« Zara a. 1197. CSD. U, 244; a. 1201 (orig. GAZ. s. Gris. XIV, D. 1) . . .
pronisorem et mee domus cnstodem esse constituo coram bis idoneis
testibus. — Sfvalato a. 1180, CSD. II, 156; aber auch schon am Ende des
U. Jahrhunderts ein Fall Doc. Nr. 111.
56 VI. AbhMidliing: ▼. SaffUy.
die Bürger von den benachbarten Kroaten auseinander ge-
halten werden, was schon im 12. Jahrhundert auf eine ver-
schiedene Stufe der Beweisftlhigkeit der letzteren vor dem
städtischen Gerichte hindeutet. Im 13. Jahrhundert kann kein
Kroate gegen den Bürger von Spalato vor der Kurie als Zeuge
auftreten.^ Es sind dies die Wirkungen des Prinzips der
persönliclien Rechte, welche hier die Zuziehung der Zeugen
von derselben Nation befahlen, zu welcher die Kontrahenten
sich bekannten, weil nur sie bezeugen konnten, daß die nOtigc
Rechtsform angewandt war.' Noch schlechter steht es in
dieser Hinsicht mit den Frauen , ihr Zeugnis wird gar nicht
akzeptiert.'
Die Attribute der Zeugen als rogati et vocati, welche
sich im italienischen Instrumente mit Anlehnung an Bestim-
mungen der römischen Quellen ausbildeten, werden zuerst in
den zaratinischen Urkunden aus dem Anfange des 13. Jahr-
hunderts beständig sichtbar.^ Nicht viel später werden sie
hier in der Einleitung angemeldet und im Schlüsse nach dem
Kontexte angeführt.
Umgekehrt ist in den Urkunden von Spalato und über-
haupt aller südlicheren Städte die Anknüpfung an die dalma-
tinisch-kroatische Urkunde gerade in dieser Beziehung stärker.
Hier werden sie nicht im Anfange angemeldet und auch im
Eschatokoll geschieht ihre Anmeldung durch kurze Wendung:
testes auch dann, wo schon die Urkunde viele Formeln des
^ Et in causa ciaili Sclanos non admittatur ad testimoninm contra eines
Spalatinos. Stat. Spal. 1. 2, c. 8, p. 70.
■ Savigny, o. c. I, 218.
' A. 1174, Spalato. Lex de testimonio mnliemm non acceptando CSD. 11,
127. 293. Gf. Stat. Spal. 1. I, c. 60, p. 53. — Wenngleich diese Bestim-
mungen zanftchst sich nicht auf Urknndenzeugen beziehen, so ist doch
bei ihrer Allgemeinheit kaum zu bezweifeln, daß sie auch auf diese
angewandt wurden. — Ähnliche Bestimmungen für Traft s. Stat. Beform,
a. 1317, 1. 1, c. 22, p. 79.
^ Zuerst vereinzelt schon a. 1183, CSD. II, 173, dann erst a. 1209 (orig.
AsA.). Wenn in einer Urkunde zu Zara CSD. II, 9 schon a. 1108 Ego
Johannes Jadertine ecciesie presbiter rogatus testis vorkommt, so ist
hier ,rogatu8' nicht ein Attribut zu testis , sondern ein Überbleibsel der
VoUziehungsformel des Rogatars; er war ja auch der Schreiber der
Urkunde.
Die dftlmatinisclie PriT»tarkiinde. 57
modernisierten italienischen Instrumentes besitzt J Erst mit der
Einführung des objektiven Instrumentes in der vorgerückten
zweiten Hälfle des 13. Jahrhunderts dnrch den Einfloß kaiser-
licher Notare fangieren in den Urkunden von Spalato die
Zeugen als vocati und rogati.^ Dazu gesellt sich die Urkunde
von Trau und Ragusa^ zuletzt im 14. Jahrhundert die von
Cattaro. Es ist dies eine Regel, welche zahlreiche Ausnahmen
nicht ausschließt. Man hat hier die Vorschriften der italieni-
schen Glossatoren,' welche zu Spalato zweifellos sehr gut be-
kannt und in den Statuten berücksichtigt waren, eben nicht
so genau genommen, wie dies eine Verordnung über die Zeugen
im Testamente klar merken läßt.^
Seit dem Anfange des 13. Jahrhunderts erscheint in dem
Instrumente von Trau zuerst, gleich nach dem Zeugenverzeich-
nisse, also vor der Unterzeichnung des Notars, in eigener Linie
die eigenhändige Unterschrift des Examinators/ von
dessen Amte wir unten bei der Publikation des Instrumentes
^ So in der Urkunde yon 1268, Spalato (orig. Begna Nr. 3), Schenkung, in
welcher die Klaosel ,inter uiuos* zum ersten Male yorkommt : actum in
domo dicti Rombaldi. Testes sunt: Peraenus Magerii et Mathens PossilU
et allü. — Gleich die Urkunde von 1258 (orig. ACS. XVI, 1. 168), die
vom kaiserlichen Kotar Franziskus in objektiver Form verfaßt ist etc.
^ Zuerst a. 1276 (Kopie in Descrizione della mensa archiepisc. im bischöf-
lichen Archive zu Spalato, f. 164 f.): actum in palatio magno archi-
episeopali presentibus hiis tcstibus ad hec vocatis et rogatis: Madio
Mlche et Joanne Dabrali.
' Wo die Zeugen, z. B. in den Testamenten und Quittungen rogati et
vocati sein sollten, s. Rainerius de Perugio, Bibliot. iuris II, 80 f. c. 8;
darnach Bolandinus, Tract. not., f. 471 (Ausg. Venedig 1646); Quil. Du-
rantis 1. c. § 2, n. 10.
* . , . quod in testamento codicillo uel alia . . . ultima voluntate sunt scripti
aliqui testes, siue ipsi testes sint rogati siue non sint rogati, non tarnen
propter hoc uitietur testamentum etc. (Stat. Spal. 1. 2, p. 77 f.). Aus dieser
Betonung der Rogation geht hervor, daß die Vorschriften der Glossatoren
bekannt waren, was im Zusammenhang mit der Kntstehungsgeschichte
dieser Statuten, welche von zwei rechtskundigen Italienern redigiert
wurden, nicht befremdlich ist. Cf. Thomas archid. Historia Salonitana
(Mon. Slav. mer. vol. 26, c. 36). Lucius, De regno p. 347 (ed. Amsterdam
1666); Farlati III, 304; Lucius, Memorie de Trau, p. 196. S. oben § 2.
^ A. 1213 (ed. Wenczel XI, 330 f. falsch unter a. 1203), von da an üblich
a. 1238 (orig. ACT. Nr. 3), 1241 (orig. s. Maria) etff.
58 VI. AbbuidlaBf : t. AnffUy.
sprechen werden.^ Mit der Verbreitung dieses Amtes in den
Städten Daimatiens tritt fast überall diese Formel im Elschato-
koUe auf.^ Die Unterschrift lautet in der älteren Fassung:
ego N. examinator manum meam misi, oder: mann mea scripsi.
Vom Ende des 13. Jahrhunderts lautet sie überall regelmäßig:
ego N. examinator (conscius) examinaui^ und dauert bis unter
die endgültige Herrschaft Venedigs fort. Oft haben beide
Fassungen, obgleich eigenhändig, ein Kreuz als Handzeichen
zur Einleitung.
Abgeschlossen wird das EkchatokoU der dalmatinisch-
kroatischen Urkunde gewöhnlich durch die Unterschrift
des Schreibers, das des späteren städtischen Instrumentes
durch die Vollziehungsformel des Notars.
Von der wirklichen Eompletionsformel der ältesten zara-
tinischen Carta wurde schon gehandelt.^ Hier wollen wir nur
noch die Unterschrift des Schreibers in. der kroatisch-dalma-
tinischen Notitia sowie die eigenhändige, der Formel nach
gleichgültige Unterzeichnung des Notars im Instrumente be-
sprechen. Zugleich ist zu bemerken, daß viele der rein kroati-
schen Breye und Akte des 11. Jahrhunderts in dieser Beziehung
außer Betracht fallen, da sie den Schreiber nicht nennen, also
dem Gebiete der unbekannten Hand gehören.^
Wie zu erwarten war, hatten sich für die Unterschrift
des Schreibers in der dalmatinisch-kroatischen Urkunde zwei
Haupttypen ausgebildet, ein nördlicher und ein südlicher; sie
1 S. unten § U.
* Das erste Mal zn Zara a. 1281, 17. Febraar (orig. GAZ. s. Gris. XVII,
fi. 14); Spalato a. 1247 (AGS. orig.); Sebenico a. 1243 (orig. AsA.); 8car-
dona 1311 (orig. im Kloster zu Sibenik). In den zwei südlichsten
Städten: Cattaro und Budva vertreten die Ezaminatores die Anditores,
aber dieselben unterschreiben sich nicht.
' Am unregelmäßigsten ist diese Formel zu Zara angewandt. Sie erscheint
das erste Mal a. 1279 (orig. GAZ. s. Gris. V, 81), das zweite Mal erst
a. 1298 (Ib. XXn, Nr. 644); von da ab weiter wird sie starker als die
ältere.
* S. oben S. 32—34.
^ Der Versuch, den Schreiber durch den Vergleich der Handschrift fest-
zustellen, muß aus zwei Gründen mißlingen: erstens wegen der Spär-
lichkeit des Materials selbst, zweitens wegen der Form der Überlieferung,
denn es g^bt kaum Originale.
Di« dalmatinische PriTatvrkande. 59
sind in den Urkanden von Zara und Spalato, welche etwas
zahlreicher erscheinen, schön zu erkennen.
Die Urkunde von Zara, welche an die dispositive Carta
anknüpft, wo die Unterschrift des Notars ein wirklicher, durch
angepaßte Formeln zum Ausdrucke gebrachter VoUziehungsakt
war,^ hat nach dem Verluste ihrer verfügenden Kraft und in-
dem sie, wie gezeigt, zur Notitia wurde, nicht gleich die Unter-
schrift der Notitia angenommen; sie behielt wenigstens die
Fragmente der Yollziehungsformel und drückte auch ihren
Stempel in dieser Beziehung den nahen Städten Nona und
Belgrad auf. Die Fragmente der Vollziehungsformel sind auch
wirklich hier überall in den Verba ,rogatus' und ,compleui^
erhalten, welches letztere bald durch das venezianische ,roboraui^
ersetzt wurde. Die Unterschrift lautet dann vollständig: et ego
N. rogatus . . . propria manu scripsi et roboraui.^ Sie schwindet
zwar rapid, von der Subskription verdrängt, die ihre Nahrung
aus dem benachbarten kroatischen Breve schöpfte und von
der wachsenden Zahl der Privatschreiber eingetragen wurde,'
aber wahrscheinlich hält sie sich ununterbrochen, um mit dem
neuen Auftauchen der Notare in der zweiten Hälfte des 12. Jahr-
hunderts wieder zu Zara in neuer Frische zu erscheinen.^ So-
mit hat hier die Unterschrift eine Qestalt erreicht, welche sich
nur durch das Fehlen der Klausel, die das Notariatszeichen
betrifft, von der Unterzeichnung des Instrumentes unterscheidet.
In dieser Gestaltung der Unterschrift liegt auch der Qrund,
warum in der zaratinischen Urkunde das Notariatszeichen bald
und weit früher als irgendwo in Dalmatien^ erscheint, trotzdem
die Niederlassung der italienischen kaiserlichen Notare um
Jahrzehnte später als zu Spalato geschah.
^ Bninner, Zar Rechtfigeschichte 87 — 97.
« A. 1078, Doc. Nr. 106. Cf. Nr. 60. 62. 63. 71.
> Obrovac (bei Zara), Doc. Nr. 29. a. 1029 . , . aactor et testia sam; Nr. 72
Schenkung der Kirche in Brayizo an das Kloster S. Grisogono: et ego
presbiter Martinus capelanns interfui et testis sam.
^ Die Unterschrift beim ersten zaratinischen Notare Johannes (1164 — 1172)
lautet: et ego Johannes Jadrensis notarius . . . interfui scripsi et roborani.
B Das erste Mal a. 1178, CSD. II, Nr. 129; weiter üblich Nr. 182. 163. 164.
172. 173 etc. — Zu Spalato erst a. 1234 (orig. s. Maria); Trau a. 1213
(ed. Wenczel XI, 830).
68 V -äff lay.
sprechen w ^^ das ITotariat in ähnlicher Weise
Städten r ^ ^-««^ pichte die Unterschrift zu derselben
kolle a» ^'^ A"'^ *^^ machte nicht so bald den weiteren
ego N ^ ''/^J^ ^^^ Zeichens, da parallel mit ihr als
VoD^ '%''/0r'^^die Unterschrift des Breves auftrat und
®? '*i*«^ ^r^'Dt"!?- Von dieser wird jetzt die Rede sein.
^^ J^^^^t ^^^^^^^^ Urkunde sowie die Urkunde der
^ fyrA gelegenen Küstenstädte erscheint von ihren
^ A 0ogc^ A^B Notitia und besitzt eine einfache subscriptio,
<*s«^*^?i^ der Privatschreiber Zeugnis ablegt, daß er bei der
'"^u^f anwesend gewesen ist und die Urkunde nieder-
yiehen hat. Aber außer dem ,adfui' und ^scripsi^ ist die
iv^j^farift noch mit einer eigentümlichen Klausel versehen,
J^e sowohl dem Mangel jedes spezifischen Unterschiedes
ieß Privatschreibers von anderen als Zeugen bei der Handlung
l^teiligten Personen, als der Natur der dalmatinisch-kroatischen
Urkunde, welche das Hauptgewicht auf die Zeugen legt, ent-
sprungen ist. Sie lautet vollständig: et ego N. scripsi et testis
adfui,^ oder scripsi et testis sum, welch letztere Formel be-
sonders im 12. Jahrhundert angewandt wird.^ Der Schwer-
punkt dieser Formel liegt im Worte testis; dadurch stellt sich
der Schreiber vollständig den anderen Zeugen gleich.' Dieser
allein herrschenden Formel^ kann sich auch das in den sQd-
liehen Städten um die Mitte des 12. Jahrhunderts entstehende
Notariat nicht erwehren. Der erste Notar von Spalato Qualterius
wendet sie regelmäßig an (1176 — 1184), während sie der zweite
» Doc. Nr. 28. 29. 44. 102.
* CSD. II, 81. 40. 62. 119. 156. 160.
* Dafür spricht die Urkunde yon a. 1103 (CSD. 11,9) zn Zara, wo der
Schreiber sich als rogatus testis bezeichnet, and alle die Urkunden, wo
er unter die Zeugen gemischt nur indirekt xu erkennen ist, indem er
sich auf den letsten Platz stellt und als solcher nur durch den Ver-
gleich mit anderen Urkunden, wo er sich ausdrücklich als Schreiber be-
zeichnet, zu entdecken ist; s. II, Nr. 11. 12. 16, besonders Nr. 61 (a. 1144?)
wo der spätere Notar von Spalato Sabacius (1178—1214) ohne jede
nähere Bezeichnung seiner Tätigkeit als letzter der Zeugen erscheint.
*' Eine Ausnahme bildet die Urkunde von Spalato a. 1097 (Doc. 138); die
Unterschrift lautet hier: ego Petrus subdiac. rogatus . . . compleui et
roboraui; sie ist aber leicht erklärlich und deutet auf einen direkten,
obzwar momentanen venezianischen Einfluß, da ja dies die Urkunde ist,
durch welche die Spalatiner dem Dogen die Treue versprechen.
Dio daliDatiniscbo Priratnrkunile. 61
Notar Sabacius bis za Ende des 12. Jahrhunderts gewöhnlich
noch vollständig gebraucht.^ Von da ab hält sich diese Formel
nur noch verstümmelt als: ego Sabacius . . . scripsi bis zum
Ende seines Amtes^ dann wird sie plötzlich von der vollständigen
Unterzeichnung des italienischen Instrumentes ersetzt.^ Länger
ist die Dauer der vollständigen Unterschrift des dalmatinischen
Breves zu Lesina ;^ am zähesten im fernen Süden zu Ragusa
und auf der Insel Lagosta^ wo sie noch am Ende des 13« Jahr-
hunderts vollständig erscheint/ trotzdem der andere durch das
Notariat ausgebildete Typus der Unterschrift schon in der
zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts angewandt war und auch
spärlich weiter fortdauert, indem er gleichzeitig wie in anderen
Städten die Klausel für das Notariatszeichen annahm.^
Man kann annehmen, daß in der ersten Hälfte des 13. Jahr-
hunderts die Unterschriftformel des Instrumentes in allen
Städten Dalmatiens bekannt und angewandt wurde, denn die
Tatsache, daß dieselbe in einigen Städten erst in der zweiten
Hälfte des 13. Jahrhunderts erscheint, kann leicht durch die
Spärlichkeit des Materials erklärt werden.^ Mit ihr besagt der
Notar einfach, daß er die Urkunde geschrieben und unter-
schrieben hat; dazu setzt er im 13. Jahrhundert fast immer
noch die Bemerkung, daß er sein eigenes Handzeichen bei-
gesetzt hat: signo consueto (solito) signaui. Im 14. Jahrhundert
ist diese Erklärung seltener, darum werden aber jetzt, also
mit einer Verspätung von einem Jahrhunderte Italien gegen-
1 Das letzte Mal vollständig a. 1197, CSD. II, 245.
' Das erste Mal a. 1234 (orig. s. Maria) et ego Cumauas clericas comuuis
Spal. iaratus not. scripsi et consueto signo compleui.
' A. 1226 ... et ego Bemardas com. iar. not. . . . scripsi et testor (Ljubie,
SUt. Les. 374).
^ A. 1231 (Wenczel XI, 239); a. 1238 (orig. AsA.); a. 1254 (Ib.); a. 1293
das letzte Mal: et ego presbiter Johannes iar. not. comunis scriptor
sum et testis (orig. AsA.).
^ Zu Ragusa das Zeichen das erste Mal a. 1235 (orig. Staatsarchiv Wien
ed. Wenczel XI, 280 f.).
* Zuerst erscheint die Formel zu Trau a. 1213 (ed. Wenczel XI, 330);
Sebenico a. 1243 (orig. AsA.); Omifi (Almissa) a. 1245 (orig. Staats-
archiv Wien rub. Alm. 163/5, ed. Wenczel ¥11,205); Nona 1267 (orig.
8. Maria); Bra£ (Brazza) a. 1288 (Cicarelli 111, Wenczel IV, 335).
60 Tl. Abbandlnnff: ▼. l^affUy.
Auch zu Ragusa, wo sich das Notariat in ähnlicher Weise
wie za Zara entwickelte, erreichte die Unterschrift zu derselben
Zeit die gleiche Höhe, aber machte nicht so bald den weiteren
Schritt znr Aufnahme des Zeichens, da parallel mit ihr als
hemmender Faktor die Unterschrift des Breves auftrat und
bald den Sieg da vontrag. Von dieser wird jetzt die Rede sein.
Die rein kroatische Urkunde sowie die Urkunde der
südlich von Zara gelegenen Küstenstädte erscheint von ihren
ersten Anfllngen als Notitia und besitzt eine einfache subscriptio,
in welcher der Privatschreiber Zeugnis ablegt, daß er bei der
Handlung anwesend gewesen ist und die Urkunde nieder*
geschrieben hat. Aber außer dem ,adfai' und ,8crip8i' ist die
Unterschrift noch mit einer eigentümlichen EJausel versehen,
welche sowohl dem Mangel jedes spezifischen Unterschiedes
des Privatschreibers von anderen als Zeugen bei der Handlung
beteiligten Personen, als der Natur der dalmatinisch-kroatischen
Urkunde, welche das Hauptgewicht auf die Zeugen leg^ ent-
sprungen ist. Sie lautet vollständig: et ego N. scripsi et testis
adfui,^ oder scripsi et testis sum, welch letztere Formel be-
sonders im 12. Jahrhundert angewandt wird.' Der Schwer-
punkt dieser Formel liegt im Worte testis; dadurch stellt sich
der Schreiber vollständig den anderen Zeugen gleich.' Dieser
allein herrschenden Formel* kann sich auch das in den süd-
lichen Städten um die Mitte des 12. Jahrhunderts entstehende
Notariat nicht erwehren. Der erste Notar von Spalato Gualterius
wendet sie regelmäßig an (1176 — 1184), während sie der zweite
« Doc. Nr. 28. 29. 44. 102.
* CSD. U, 31. 40. 52. 119. 156. 160.
' Dafür spricht die Urkunde von a. 1103 (CSD. 11,9) za Zara, wo der
Schreiber sich als rogatos testis bezeichnet, und alle die Urkunden, wo
er unter die Zeugen gemischt nur indirekt zu erkennen ist, indem er
sich auf den letzten Platz stellt und als solcher nur durch den Ver-
gleich mit anderen Urkunden, wo er sich ausdrücklich als Schreiber be-
zeichnet, zu entdecken ist; s. II, Nr. 11. 12. 16, besonders Nr. 51 (a. 1144?'
wo der spfttere Notar von Spalato Sabacius (1178—1214) ohne jede
nähere Bezeichnung seiner Tätigkeit als letzter der Zeugen erscheint.
* Eine Ausnahme bildet die Urkunde von Spalato a. 1097 (Doc. 138); die
Unterschrift lautet hier: ego Petrus snbdiae. rogatus . • . compieui et
roboraui; sie ist aber leicht erklärlich und deutet auf einen direkten,
obzwar momentanen venezianischen Einfluß, da ja dies die Urkunde ist^
durch welche die Spalatiner dem Dogen die Treue versprechen.
Dio dalmatiiiiscbo rriTaturknnde. 61
Notar Sabacius bis zu Ende des 12. Jahrhunderts gewöhnlich
noch YoUstündig gebraucht.^ Von da ab hält sich diese Formel
nur noch verstümmelt als: ego Sabacius . . . scripsi bis zum
Ende seines Amtes^ dann wird sie plötzlich von der vollständigen
Unterzeichnung des italienischen Instrumentes ersetzt.^ Länger
ist die Dauer der vollständigen Unterschrift des dalmatinischen
Breves zu Lesina;» am zähesten im fernen Süden zu Ragusa
und auf der Insel Lagosta^ wo sie noch am Ende des 13. Jahr-
Hunderts vollständig erscheint;^ trotzdem der andere durch das
Notariat ausgebildete Typus der Unterschrift schon in der
zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts angewandt war und auch
spärlich weiter fortdauert, indem er gleichzeitig wie in anderen
Städten die Klausel für das Notariatszeichen annahm.^
Man kann annehmen, daß in der ersten Hälfte des 13. Jahr-
hunderts die Unterschriftformel des Instrumentes in allen
Städten Dalmatiens bekannt und angewandt wurde, denn die
Tatsache, daß dieselbe in einigen Städten erst in der zweiten
Hälfte des 13. Jahrhunderts erscheint, kann leicht durch die
Spärlichkeit des Materials erklärt werden.^ Mit ihr besagt der
Notar einfach, daß er die Urkunde geschrieben und unter-
schrieben hat; dazu setzt er im 13. Jahrhundert fast immer
noch die Bemerkung, daß er sein eigenes Handzeichen bei-
gesetzt hat: signo consueto (solito) signaui. Im 14. Jahrhundert
ist diese Erklärung seltener, darum werden aber jetzt, also
mit einer Verspätung von einem Jahrhunderte Italien gegen-
1 Das letzte Mal vollständig a. 1197, CSD. II, 245.
' Das erste Mal a. 1234 (orig. s. Maria) et ego Cumauus clericus comuiiis
Spal. iaratus not. scripsi et consueto signo compleui.
' A. 1226 ... et ego Bemardus com. iur. not. . . . scripsi et testor (Ljubic,
SUt. Les. 374).
« A. 1231 (Wenczel XI, 239); a. 1238 (orig. AsA.); a. 1254 (Ib.); a. 1293
das letzte Mal: et ego presbiter Johannes iur. not. comunis scriptor
suin et testis (orig. AsA.).
^ Zu Ragusa das Zeichen das erste Mal a. 1235 (orig. Staatsarchiv Wien
ed. Wenczel XI, 280 f.).
^ Zuerst erscheint die Formel zu Trau a. 1213 (ed. Wenczel XI, 330);
Sebenico a. 1243 (orig. AsA.); Omis (Almissa) a. 1245 (orig. Staats-
archiv Wien rub. Alm. 163/5, ed. Wenczel VII, 205}; Nona 1267 (orig.
8. Maria); Braö (Brazza) a. 1288 (Cicarelli 111, Wenczel IV, 335).
60 Tl. Abbandlaoff: t. SnffUy.
Auch zu Ragasa, wo sich das Notariat in ähnlicher Weise
wie zu Zara entwickelte, erreichte die Unterschrift zu derselben
Zeit die gleiche Höhe, aber machte nicht so bald den weiteren
Schritt zur Aufnahme des Zeichens, da parallel mit ihr als
hemmender Faktor die Unterschrift des Breves aoftrat und
bald den Sieg davontrug. Von dieser wird jetzt die Rede sein.
Die rein kroatische Urkunde sowie die Urkunde der
südlich von Zara gelegenen Küstenstädte erscheint von ihren
ersten Anfllngen als Notitia und besitzt eine einfache subscriptio,
in welcher der Privatschreiber Zeugnis ablegt, daß er bei der
Handlung anwesend gewesen ist und die Urkunde nieder-
geschrieben hat. Aber außer dem ,adfui' und ,8cripsi' ist die
Unterschrift noch mit einer eigentümlichen Klausel versehen,
welche sowohl dem Mangel jedes spezifischen Unterschiedes
des Privatschreibers von anderen als Zeugen bei der Handlung
beteiligten Personen, als der Natur der dalmatinisch-kroatischen
Urkunde, welche das Hauptgewicht auf die Zeugen legt, ent-
sprungen ist. Sie lautet vollständig: et ego N. scripsi et testis
adfui,^ oder scripsi et testis sum, welch letztere Formel be-
sonders im 12. Jahrhundert angewandt wird.' Der Schwer-
punkt dieser Formel liegt im Worte testis; dadurch stellt sich
der Schreiber vollständig den anderen Zeugen gleich.' Dieser
allein herrschenden Formel* kann sich auch das in den süd-
lichen Städten um die Mitte des 12. Jahrhunderts entstehende
Notariat nicht erwehren. Der erste Notar von Spalato Gualterius
wendet sie regelmäßig an (1176 — 1184), während sie der zweite
« Doc. Nr. 28. 29. 44. 102.
* CSD. U, 81. 40. 52. 119. 156. 160.
° Dafür spricht die Urkunde von a. 1103 (CSD. II, 9) za Zara, wo der
Schreiber sich als rogatns testis bezeichnet, and alle die Urkunden, wo
er unter die Zeugen gemischt nur indirekt zu erkennen ist, indem er
sich auf den letzten Platz stellt und als solcher nur durch den Ver-
gleich mit anderen Urkunden, wo er sich ausdrücklich als Schreiber be-
zeichnet, zu entdecken ist; s. II, Nr. 11. 12. 15, besonders Nr. 51 (a. 1144?*
wo der spfttere Notar von Spalato Sabacius (1178—1214) ohne jede
nähere Bezeichnung seiner Tätigkeit als letzter der Zeugen erscheint.
* Eine Ausnahme bildet die Urkunde von Spalato a. 1097 (Doc. 138); die
Unterschrift lautet hier: ego Petrus subdiac. rogatns . . . compleui et
roboraui; sie ist aber leicht erklärlich und deutet auf einen direkten,
obzwar momentanen venezianisclieu Einfluß, da ja dies die Urkunde ist^
durch welche die Spalatiner dem Dogen die Treue versprechen.
Dio dalraatiiiiscUo Pmaturkande. 6 1
Notar Sabacius bis zu Ende des 12. Jahrhunderts gewöhnlich
noch vollständig gebraucht.^ Von da ab hält sich diese Formel
nur noch verstümmelt als: ego Sabacius . . . scripsi bis zum
Ende seines Amtes^ dann wird sie plötzlich von der vollständigen
Unterzeichnung des italienischen Instrumentes ersetzt.^ Länger
ist die Dauer der vollständigen Unterschrift des dalmatinischen
Breves zu Lesina ;^ am zähesten im fernen Süden zu Ragusa
und auf der Insel Lagosta^ wo sie noch am Ende des 13. Jahr-
hunderts vollständig erscheint;^ trotzdem der andere durch das
Notariat ausgebildete Typus der Unterschrift schon in der
zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts angewandt war und auch
spärlich weiter fortdauert, indem er gleichzeitig wie in anderen
Städten die Klausel für das Notariatszeichen annahm.^
Man kann annehmen, daß in der ersten Hälfte des 13. Jahr-
hunderts die Unterschriftformel des Instrumentes in allen
Städten Dalmatiens bekannt und angewandt wurde, denn die
Tatsache, daß dieselbe in einigen Städten erst in der zweiten
Hälfte des 13. Jahrhunderts erscheint, kann leicht durch die
Spärlichkeit des Materials erklärt werden.^ Mit ihr besagt der
Notar einfach, daß er die Urkunde geschrieben und unter-
schrieben hat; dazu setzt er im 13. Jahrhundert fast immer
noch die Bemerkung, daß er sein eigenes Handzeichen bei-
gesetzt hat: signo consueto (solito) signaui. Im 14. Jahrhundert
ist diese Erklärung seltener, darum werden aber jetzt, also
mit einer Verspätung von einem Jahrhunderte Italien gegen-
> Das letzte Mal vollständig a. 1197, CSD. II, 245.
' Das erste Mal a. 1234 (orig. s. Maria) et ego Cumauus clericus comutiis
Spal. iaratus not. scripsi et consueto signo compleui.
' A. 1226 ... et ego Bemardas com. lur. not. . . . scripsi et testor (Ljubic,
SUt. Les. 374).
* A. 1231 (Wenczel XI, 239); a. 1238 (orig. AsA.); a. 1254 (Ib.); a. 1293
das letzte Mal: et ego presbiter Johannes iur. not. comanis scriptor
sum et testis (orig. AsA.).
' Zu Ragosa das Zeichen das erste Mal a. 1235 (orig. Staatsarchiv Wien
ed. Wenczel XI, 280 f.).
^ Zuerst erscheint die Formel za Trafi a. 1213 (ed. Wenczel XI, 330);
Sebenico a. 1243 (orig. AsA.); Omig (Almissa) a. 1245 (orig. Staats-
archiv Wien rub. Alm. 163/5, ed. Wenczel VII, 205); Nona 1267 (orig.
s. Maria); Braö (Brazza) a. 1288 (Cicarelli 111, Wenczel IV, 335).
60 Tl. Abkuidliing: ▼. .^vfflay.
Auch zu Ragasa, wo sich das Notariat in ähnlicher Weise
wie za Zara entwickelte, erreichte die Unterschrift zu derselben
Zeit die gleiche Höhe, aber machte nicht so bald den weiteren
Schritt zur Aufnahme des Zeichens , da parallel mit ihr als
hemmender Faktor die Unterschrift des Breves auftrat and
bald den Sieg davontrug. Von dieser wird jetzt die Rede sein.
Die rein kroatische Urkunde sowie die Urkunde der
südlich yon Zara gelegenen Küstenstädte erscheint von ihren
ersten Anßlngen als Notitia und besitzt eine einfache subscriptio,
in welcher der Privatschreiber Zeugnis ablegt, daß er bei der
Handlung anwesend gewesen ist und die Urkunde nieder-
geschrieben hat. Aber außer dem ^adfui' und ^scripsi' ist die
Unterschrift noch mit einer eigentümlichen Klausel versehen,
welche sowohl dem Mangel jedes spezifischen Unterschiedes
des Privatschreibers von anderen als Zeugen bei der Handlung
beteiligten Personen, als der Natur der dalmatinisch-kroatischen
Urkunde, welche das Hauptgewicht auf die Zeugen legt, ent-
sprungen ist. Sie lautet vollständig: et ego N. scripsi et testis
adfui/ oder scripsi et testis sum, welch letztere Formel be-
sonders im 12. Jahrhundert angewandt wird.' Der Schwer-
punkt dieser Formel liegt im Worte testis; dadurch stellt sich
der Schreiber vollständig den anderen Zeugen gleich.' Dieser
allein herrschenden Formel* kann sich auch das in den süd-
lichen Städten um die Mitte des 12. Jahrhunderts entstehende
Notariat nicht erwehren. Der erste Notar von Spalato Gualterius
wendet sie regelmäßig an (1176 — 1184), während sie der zweite
* Doc. Nr. 28. 29. 44. 102.
* CSD. n, 31. 40. 62. 119. 166. 160.
' Dafür spricht die Urkunde von a. 1103 (CSD. 11,9) sa Zara, wo der
Schreiber sich als rogatus testis beseichnet, und alle die Urkunden, wo
er unter die Zeugen gemischt nur indirekt zu erkennen ist, indem er
sich auf den letzten Platz stellt und als solcher nur durch den Ver-
gleich mit anderen Urkunden, wo er sich ausdrficklich als Schreiber be-
zeichnet, zu entdecken ist; s. II, Nr. 11. 12. 16, besonders Nr. 51 (a. 1144 ? •
wo der spfttere Notar von Spalato Sabacius (1178—1214) ohne jede
nähere Bezeichnung seiner Tätigkeit als letzter der Zeugen erscheint.
* Eine Ausnahme bildet die Urkunde Ton Spalato a. 1097 (Doc. 138); die
Unterschrift lautet hier: ego Petrus subdiac. rogatus . . . compleni et
roboraui; sie ist aber leicht erklärlich und deutet auf einen direkten,
obzwar momentanen venezianischen Einfluß, da ja dies die Urkunde ist,
durch welche die Spalatiner dem Dogen die Treue versprechen.
Dio dalroatliiiscUo rmsturkande. 61
Notar Sabacius bis zu Ende des 12. Jahrhunderts gewöhnlich
noch Yollständig gebraucht.^ Von da ab hält sich diese Formel
nur noch verstümmelt als: ego Sabacins . . . scripsi bis zum
Ende seines Amtes, dann wird sie plötzlich von der vollständigen
Unterzeichnung des italienischen Instrumentes ersetzt.^ Länger
ist die Dauer der vollständigen Unterschrift des dalmatinischen
Breves zu Lesina; ^ am zähesten im fernen Süden zu Ragusa
und auf der Insel Lagosta, wo sie noch am Ende des 13. Jahr-
hunderts vollständig erscheint;^ trotzdem der andere durch das
Notariat ausgebildete Typus der Unterschrift schon in der
zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts angewandt war und auch
spärlich weiter fortdauert, indem er gleichzeitig wie in anderen
Städten die Klausel ftlr das Notariatszeichen annahm.^
Man kann annehmen, daß in der ersten Hälfte des 13. Jahr-
hunderts die Unterschriftformel des Instrumentes in allen
Städten Dalmatiens bekannt und angewandt wurde, denn die
Tatsache, daß dieselbe in einigen Städten erst in der zweiten
Hälfte des 13. Jahrhunderts erscheint, kann leicht durch die
SpärUchkeit des Materials erklärt werden.^ Mit ihr besagt der
Notar einfach, daß er die Urkunde geschrieben und unter-
schrieben hat; dazu setzt er im 13. Jahrhundert fast immer
noch die Bemerkung, daß er sein eigenes Handzeichen bei-
gesetzt hat: signo consueto (solito) signaui. Im 14. Jahrhundert
ist diese Erklärung seltener, darum werden aber jetzt, also
mit einer Verspätung von einem Jahrhunderte Italien gegen-
1 Das letzte Mal volUtändig a. 1197, CSD. II, 245.
' Das erste Mal a. 1234 (orig. s. Maria) et ego Cumauus clericus coiiiunis
Spal. iaratus not. scripsi et consaeto signo compleui.
' A. 1226 ... et ego Bernardus com. iur. not. . . . scripsi et testor (Ljubic,
SUt. Les. 374).
* A. 1231 (Wenczel XI, 239); a. 1238 (orig. AsA.); a. 1254 (Ib.); a. 1293
das letzte Mal: et ego presbiter Johannes iur. not. comunis scriptor
sum et testis (orig. AsA.).
' Zu Ragusa das Zeichen das erste Mal a. 1235 (orig. Staatsarchiv Wien
ed. Wenczel XI, 280 f.).
^ Zuerst erscheint die Formel zu Trau a. 1213 (ed. Wenczel XI, 33U);
Sebenico a. 1243 (orig. AsA.); Omi§ (Almissa) a. 1245 (orig. Staats-
archiv Wien rub. Alm. 163/6, ed. Wenczel ¥11,205); Nona 1267 (orig.
8. Maria); Brad (Brazza) a. 1288 (Cicarelli 111, Wenczel IV, 335).
60 Tl. Abbaodlnnff: t. ^iiffUy.
Auch ZU Ragusa, wo sicli das Notariat in ähnlicher Weise
wie zu Zara entwickelte, erreichte die Unterschrift za derselben
Zeit die gleiche Höhe, aber machte nicht so bald den weiteren
Schritt zur Aafnahme des Zeichens ^ da parallel mit ihr als
hemmender Faktor die Unterschrift des Breves aoftrat and
bald den Sieg davontrug. Von dieser wird jetzt die Rede sein.
Die rein kroatische Urkunde sowie die Urkunde der
südlich von Zara gelegenen Küstenstädte erscheint von ihren
ersten Anfängen als Notitia und besitzt eine einfache subscriptio,
in welcher der Privatschreiber Zeugnis ablegt, daß er bei der
Handlung anwesend gewesen ist und die Urkunde nieder-
geschrieben hat. Aber außer dem ^adfui' und ^scripsi' ist die
Unterschrift noch mit einer eigentümlichen Klausel versehen,
welche sowohl dem Mangel jedes spezifischen Unterschiedes
des Privatschreibers von anderen als Zeugen bei der Handlung
beteiligten Personen, als der Natur der dalmatinisch-kroatischen
Urkunde, welche das Hauptgewicht auf die Zeugen legt, ent-
sprungen ist. Sie lautet vollständig: et ego N. scripsi et testis
adfui/ oder scripsi et testis sum, welch letztere Formel be-
sonders im 12. Jahrhundert angewandt wird.' Der Schwer-
punkt dieser Formel liegt im Worte testis; dadurch stellt sich
der Schreiber vollständig den anderen Zeugen gleich.' Dieser
allein herrschenden Formel* kann sich auch das in den süd-
lichen Städten um die Mitte des 12. Jahrhunderts entstehende
Notariat nicht erwehren. Der erste Notar von Spalato Gualterius
wendet sie regelmäßig an (1176 — 1184), während sie der zweite
> Doc. Kr. 28. 29. 44. 102.
* CSD. U, 31. 40. 52. 119. 156. 160.
3 Dafür spricht die Urkunde von a. 1103 (CSD. II, 9) zu Zara, wo der
Schreiber sich als rogatus testis bezeichnet, und alle die Urkunden, wo
er unter die Zeugen gemischt nur indirekt su erkennen ist, indem er
sich auf den letzten Platz stellt und als solcher nur durch den Ver-
gleich mit anderen Urkunden, wo er sich ausdrücklich als Schreiber be-
zeichnet, zu entdecken ist; s. II, Nr. 11. 12. 15, besonders Nr. 51 (a. 1144?)
wo der spStere Notar von Spalato Sabacius (1178—1214) ohne jede
nähere Bezeichnung seiner Tätigkeit als letzter der Zeugen erscheint.
* Eine Ausnahme bildet die Urkunde von Spalato a. 1097 (Doc. 138); die
Unterschrift lautet hier: ego Petrus subdiac. rogatus . . . compleui et
roboraui; sie ist aber leicht erklärlich und deutet auf einen direkten,
obzwar momentanen venezianischen Einfluß, da ja dies die Urkunde ist,
durch welche die Spalatiner dem Dogen die Treue versprechen.
Dio d»linatiiu9cbe PriTatiirkunde. 61
Notar Sabacius bis zu Ende des 12. Jahrhunderts gewöhnlich
noch vollständig gebraucht.^ Von da ab hält sich diese Formel
nur noch yerstümmelt als: ego Sabacius . . . scripsi bis zum
Ende seines Amtes, dann wird sie plötzlich yon der vollständigen
Unterzeichnung des italienischen Instrumentes ersetzt.^ Länger
ist die Dauer der vollständigen Unterschrift des dalmatinischen
Breves zu Lesina ;^ am zähesten im fernen Süden zu Ragusa
und auf der Insel Lagosta, wo sie noch am Ende des 13. Jahr-
hunderts vollständig erscheint/ trotzdem der andere durch das
Notariat ausgebildete Typus der Unterschrift schon in der
zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts angewandt war und auch
spärlich weiter fortdauert, indem er gleichzeitig wie in anderen
Städten die Klausel ftlr das Notariatszeichen annahm.^
Man kann annehmen, daß in der ersten Hälfte des 13. Jahr-
hunderts die Unterschriftformel des Instrumentes in allen
Städten Dalmatiens bekannt und angewandt wurde, denn die
Tatsache, daß dieselbe in einigen Städten erst in der zweiten
Hälfte des 13. Jahrhunderts erscheint, kann leicht durch die
Spärlichkeit des Materials erklärt werden.^ Mit ihr besagt der
Notar einfach, daß er die Urkunde geschrieben und unter-
schrieben hat; dazu setzt er im 13. Jahrhundert fast immer
noch die Bemerkung, daß er sein eigenes Handzeichen bei-
gesetzt hat: signo consueto (solito) signaui. Im 14. Jahrhundert
ist diese Erklärung seltener, darum werden aber jetzt, also
mit einer Verspätung von einem Jahrhunderte Italien gegen-
1 Das letzte Mal vollständig a. 1197, CSD. 11,245.
' Das erste Mal a. 1234 (orig. s. Maria) et ego Cumauus clericus coniutiis
Spal. iaratus not. scripsi et consueto signo compleui.
' A. 1226 ... et ego Bemardas com. iur. not. . . . scripsi et testor (Ljubic,
Stat. Les. 374).
* A. 1231 (Wenczel XI, 239); a. 1238 (orig. AsA.); a. 1254 (Ib.); a. 1293
das letzte Mal: et ego presbiter Johannes iur. not. comunis scriptor
sum et testis (orig. AsA.).
^ Zu Ragiisa das Zeichen das erste Mal a. 1235 (orig. Staatsarchiv Wien
ed. Wenczel XI, 280 f.).
^ Zuerst erscheint die Formel zu Trau a. 1213 (ed. Wenczel XI, 330);
Sebenico a. 1243 (orig. AsA.); Omifi (Almissa) a. 1245 (orig. Staats-
archiv Wien rub. Alm. 163/5, ed. Wenczel ¥11,205}; Nona 1267 (orig.
s. Maria); Bra£ (Brazza) a. 1288 (Cicarelli 111, Wenczel IV, 335).
62 VI- Abhandlung: t. änffUy.
über, die Formeln: in publicam formam redegi oder scripsi
et publicaui zur Anwendung gebracht.^
Von besonderer Bedeutung für das dalmatinische Instru-
ment ist die Formel^ welche eine Completio festhält. Sie lautet:
ego N. compleui et roboraui. Aus der Vollziehungsformel der
venezianischen Carta stammend,* dringt sie über die Inseln
von Quarnero, wo sie schon am Beginne des 11. Jahrhunderts
fast noch in ihrer vollen Kraft erscheint' und später auch in
dem Instrumente bis in das 14. Jahrhundert rein erhalten oder
mit anderen Formeln kombiniert ihr Leben fristet/ in die Ur-
kunde dalmatinischer Städte, um durch das ganze 13. Jahr-
hundert längs der ganzen dalmatinischen Küste momentan auf-
zutauchen.^ Und es ist wahrscheinlich kein Zufall, daß ihr
Erscheinen oder Schwinden mit der Flut und Ebbe der politi-
sehen Übermacht Venedigs auf der östlichen adriatischen Küste
zusammenfilllt.
Fast zur selben Zeit, da die Unterschrift des Notars die
Formel des Instrumentes annimmt, erscheint, wie dies die
Formel selbst meistenteils schon ausdrückt, das Zeichen des
Notars teils vor der Kompletionsformel teils nach derselben,
nur etlichemale in der ganzen langen Dauer des Instrumentes
*•
zu Beginn der Urkunde. Überall üblich ist das Zeichen seit
* In Italien die Formel schon am Anfange des 13. Jahrhunderts üblich.
Cf. Fantuzzi, Mon. Raven. IV, 112 (a. 1231). 116. 117. 121 etc.
' Brunner o. c. 81.
» Vegla a. 1018. Doc. Nr. 27.
* Et ego Lafranchus Arbensis notarius . . . scripsi compleui et roboraü
(1236—1243, orig. GAZ. s. Gris. XV, F. 4; Ib. XIV, C. 2); a. 1251 Bgo
Michael sacri palatii not. scripsi compleui et robonmi (Farlati V,242) etc.;
a. 1298 Ego Philippus . . . Arbensis not. scripsi, compleui, roboraui et
signo consueto signaui (orig. Begna Nr. 19)
^ Spalato a. 1243, et ego Camanus Spal. iur. not. . . . consueto signo com-
pleui (Bulletino d'areheologia dalm. 1902, p. 196); a. 1250 Et ego Jo-
hannes clericus com. Spal. iur. not. . . . scripsi et consuete roborationis
signo compleui (orig. ACS. XVI, 1. 28) etc. — Ragusa 1235, ego Petras
Pascalis not iur. civit. Ragusii . . . compleui et roboraui . . . signo
signaui (Wenczel XI, 280). — Zara a. 1252—1254, Ego Prodanus . . .
scripsi compleui et roboraui (orig. Paravia zu Zara; orig. ACT. Nr. 9;
Farlati IV, 314) etc. — Cattoro a. 1279, et ego presbiter Riphon Petri
. . . compleui et roboraui (orig. Staatsarchiv Wien rub. Catt. 163/5) etc.
Die dahnatiiiiscb« PriTftlurkunde. 63
der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts;^ die Anwendung des-
selben hat also in Dalmatien eine Verspätung von zwei Jahr-
hunderten Italien gegenüber erlitten.* Obgleich es aber in
Italien^ wie bekannt^ als wesentlicher Bestandteil des Instru-
mentes niemals galt^' so ist es doch zu Trau ausdrücklich als
notwendig erklärt* und aus den Urkunden anderer Städte
kann ich seit der Mitte des 13. Jahrhunderts kein Beispiel
anftahren, wo das Zeichen der Unterschrift fehlen würde.
Die ältesten dieser Zeichen bis gegen das Ende des
13. Jahrhunderts sind sehr einfach und stellen gewöhnlich ein
Kreuz mit etlichen Verzierungen dar. Später mit der Ein-
führung des kaiserlichen Notariats werden die Zeichen kom-
plizierter und zuweilen äußerst originell.^ Am gewöhnlichsten
wird in monogrammatischer Form der Vorname des Notars
ausgedrückt.
Obgleich die Apprekation im ganzen Urkundenmaterial
Dalmatiens kaum zehnmal zum Vorschein kommt^ so bietet
diese Formel sowohl durch ihre eigentümliche Stellung in
unserer Urkunde, als durch die beispiellose Zähigkeit ihrer
Fortdauer nicht nur interessante Momente speziell für die
dalmatinische Urkunde ^ sondern liefert auch neue Beiträge
für die allgemeine Geschichte dieser Formel.
* Das erste Mal zu Zara a. 1175; Trau a. 1213; Öibenik a. 1252 (orig.
AsA.); Spalato a. 1234 (orig. s. Maria); Ragnsa a. 1235; Almissa a. 1245,
Nona a. 1267, Brazza a. 12S8; Cattaro a. 1261 (orig. AsA.). Wo die Be-
lege fehlen, sind sie oben besonders S. 61, Note 6 angeführt.
* Der Beginn der Signa wird gewöhnlich in das 11. Jahrhundert gesetzt.
Gloria , Compendio 465 ; Durando , II tabellionato etc., tavola I. II.
Weitere Literatur bei Paoli 149, n. 4, (L. 200, n. 1); Oiry, Manuel 604.
Siehe besonders Österley I, 321 und Voltelini, 1. c. XXXI, n. 7, wo der
Beginn der Zeichen in das 10. Jahrhundert gesetzt wird.
* Rolandiuus, Tract. not. f. 474; Guil. Durant, 1. c. § 2, n. 15; Voltelini,
o. c. p. XXXII.
^ . . . quod aliqua instrumenta seu carte notariorum, quae non habeut
caracteremin publicum non recipiautur . . . Stat. Trag. 1. 1, c. 40, p. 11.
' So gebraucht presbiter Helyas canonicus Spalatensis imper. auctoritate
notarins et inratns comunis Jadre (1366 — 1372) vor der Completionsformel
ein Brustbild als Zeichen, welches einen Geistlichen mit der gewöhn-
lichen Tonsurbedeckung auf dem Kopfe in Hauptkontnren — vielleicht
sein eigenes Porträt — darstellt.
64 VI. AbkMidlang: v. Snfflay.
Es ist schon oben bei Besprechung der Vollziehongsformel
in der ältesten zaratinischen Carta angedeutet worden, daß
man die Apprekation mit derselben zusammengemengt vorfindet.
Sie lautet in dieser Form: (post traditam) feliciter (compleui)
amen^ und hält sich durch die Verstümmelung und Änderung
der Kompletionsformel nun auch zusammengeschrumpft noch
eine kurze Zeit.^ Daß es einer langen Dauer selbständiger
Entwicklung bedurfte, um diese Formel in eine von der all-
gemeinen Regel so abweichende Stellung^ zu bringen, ist auch
bemerkt worden. Man könnte vielleicht noch zufügen, daß
außer der Zeit hier auch Nachklänge des römischen Tabellionats
mitgewirkt haben, wie sie uns auch in den ariminischen Papjren
erhalten sind,^ wo ein Fall vorkommt, daß die Apprekation
mit der Unterschrift verflochten ist.
Diesen wenigen Fällen muß ich für die älteste Zeit noch
eine kroatische Fürstenurkunde und zwei königliche Urkunden ^
zufügen, um das spätere Auftauchen der Apprekation deuten
zu können. In der fürstlichen Urkunde lautet sie wie bei den
Longobarden: feliciter; ihre Stellung ist dieselbe wie in der
zaratinischen Privaturkunde, trotzdem die Urkunde die Da-
tierungsformel besitzt. Id den beiden Königsurkunden befindet
sich der Schlußwunsch auch in der Unterschrift des Kanzlers«»
doch ist der Anschluß an die Kanzlei der Karolinger in Italien
fühlbar, da durch die getrennte Apprekation in der ersten
« Doc. Nr. 13, 32.
' A. 1029, Doc. Nr. 29. Ego Trasus abbas . . . aactor et testis sum. Amen.
A. 1044, Nr. 38. Ego Crisana . . . scripsit et compleui. Amen.
' Die Apprekation ist gewöhnlich mit der Datierung eng verbunden. lu
der lombardiachen Carta steht sie immer nach Actum s. Cod. Longob.
Nr. 152. 230. 235. 246. 273 etc. Cf. Ficker, Beitrüge II, 386.
* Marini, Papiri diplomat. Nr. 127, p. 193. Vrsus tabeUio hujus civitatis
Ariminensis scriptor hujus cartule . . . post roboratione testium et tra-
ditione compleui et absolui feliciter (10. Jahrhundert). FQr diese
römische Vollziehungsformel cf. Brunner o. c. 67. Cf. auch Calisse, Doc.
Amiati ni Nr. 19, wo auch ein ähnlicher Fall vorkommt.
« A. 892, Doc. Nr. 12; a. 1069, Nr. 55; a. 1070, Nr. 61. — Die Urkunde
von a. 1076, Nr. 86, womit die Städte Dalmatiens der Hepublik Venedig
versprechen, den Normannen den Zutritt nicht gewähren su wollen, schlägt
in unsere Ausführung nicht ein, weil sie von einem ,capellanus ducis
Venecie* verfaßt ist.
Die dalmatiolacbe PriratatkaDde. 65
Urkunde die Ortsangabe der Handlung selbst eingefaßt wird,
im zweiten Falle die Vollziehungsformel auch die Ortsangabe
enthält. 1
Damit schließt die Reihe der Urkunden , wo die Appre-
kation sozusagen ungekünstelt angewandt worden ist. Die
wenigen Fälle ihrer Anwendung aus den drei folgenden Jahr-
hunderten sind gekünstelt und auf eine ältere Vorlage zurück-
zuführen.
Zuerst erscheint diese Formel wieder in einer Notariats-
Urkunde, welche die Zurückerstattung der einst vom kroati-
schen Könige Ereäimir geschenkten Insel Mauni an das Kloster
S. Grisogono enthält. Die Urkunde ist eine höchst feierliche;
doch genügt dies nicht, um das wunderliche, völlig isolierte
Auftreten der Apprekation in einer Zeit, wo dieselbe in ganz
Europa schon im Aussterben begriffen war, zu erklären.* Da
außerdem nicht das geringste Zeichen einer ununterbrochenen
Fortdauer dieser Formel zu entdecken ist, muß man hier auf
eine absichtliche Nachahmung einer älteren Vorlage schließen.
Auf diese weist unsere Urkunde selbst,' indem sie die Schen-
kungsurkunde des Königs KreSimir erwähnt.^ Mit Hilfe dieses
berühmten königlichen ,cirographum' kompiliert^ der Notar die
feierliche Urkunde und von dem Beispiele des kroatischen
Bischofs und Hofkanzlers geleitet, setzt er seiner Unterschrift
die aufgefundene Apprekation bei.
* t Ego Anastasius . . . regis canceUarius . . . Bcripsi et coufirmaui feli-
citer. In ciaitate Kona. Amen, f Ego Anastasius . . . intus in ciuitate
Nona scripsi et confirmaui. Feliciter. — Für den Gebranch der Appre-
kation in den Urkunden der Karolinger in Italien, wo sie fast immer
hinter actum und Ortsangabe erscheint, siehe Cod. Longb. a. 884, Nr. 119.
124. 128. 130. 134. 139. 141. 181 etc. Paoli 167 (L. 210); Ficker, Bei-
träge II, 328. 336.
' A. 1190, CSD. II, 209 . . . Data per manus Blasii s. Anastasie diaconi
et Jadertine cnrie notarii tempore . . . qui Blasius scripsit de mandato
tocius ecclesie et ciuitatis et signo consueto signauit feliciter.
' . . . nt insulam Mauni, quam iam dictum monasterium s. Grisogoni regis
Cresimiri beate memorie largicione, sicut in eius breuilegio con-
ti netur . . . iterum redderemns.
« Von a. 1069, Doc. Nr. 56.
* Die Verfluchung ist der gleichzeitigen Papsturkunde wOrtUcb entnommen ;
cf. CSD. II, Nr. 196. 217. Fumagalli, Instit. I, 412 flf.; Giry 662 ff.
SiUangsbttr. d. phil.-hist. Kl. ClLYIl. Bd. 6. Abb. 5
66 VI. Abhandloog: ▼. »afflay.
Noch ein analoger Fall mit ähnlicher Lösang ist aus dem
Anfange des 13. Jahrhunderts zu vermerken.^ Dann ver-
schwindet die Apprekation fUr immer aus der städtischen Ur*
künde. Nur in dem Paragraphzeichen der Notare, welches als
Trennungszeichen zwischen dem Protokolle und dem Texte
dient, kann man noch zuweilen ihre einzige nicht mehr bewußte
Spur finden.' Doch taucht sie noch etlichemale in der ersten
Hälfte des 14. Jahrhunderts in den Urkunden aus der Kanzlei
des kroatischen Fürsten Mladen 11., Banus von Kroatien und
Bosnien, auf.' Diese einzigen, den bekannten Regeln der
Diplomatik gänzlich entgegenlaufenden Fälle ^ bezeugen im all-
gemeinen das eigentümliche Schicksal untergehender Formeln^
die nie an ihrem Entstehungsort zum letztenmale erscheinen,
sondern in entlegenen, den neuen Formeln noch unzugänglichen
Orten fortleben; hier entschleiern sie vielleicht auch das dunkle
Bewußtsein der Fürsten von Bribir, daß sie an die Bräuche der
kroatischen Nationalherrscher anzuknüpfen das Recht hatten.^
7. Verwünsohung als hauptsäohliohste Sohlufiformel
der dalmatinisoh-kroatisohen Urkunde,
Von den ersten Anfftngen bis in das 13. Jahrhundert gibt es
bei uns viele private Dokumente, in denen der Text gleich mit der
Anführung des Wesentlichen in der Handlung schließt. Aber
schon in dieser Periode folgen der Disposition bei einem großen
Teile der Urkunden besondere Schlußformeln, die dann seit dem
13. Jahrhundert, als die Urkunde den Typus des italienischen
Notariatsinstrumentes in allen ihren Teilen annahm, niemals fehlen.
* A. 1208 SchenkuDg an das Kloster RogoYo (s. Cosmas und Damianus) . . .
scriptum Jadre a Camatio diacono s. Anastasle . . . notario, anno . . .
fe Heiter (ed. Lucios, De regno IV, 2, p. 157). Am besten in Starine,
vol. XXm (Ljubid, Polichorion), p. 182.
• Cf. Paoli 168 (L.211f.).
' A. 1318. Zu Visoöane von seinem Notar Michael verfertigt. Nach der
Datierungsformel: Feliciter amen (orig. OAZ. s. Domen. Nr. 2454). Es
existieren noch zwei solche Urkunden, aber ich habe leider vergessen,
mir die Signatur zu notieren.
« Cf. Giry, Manuel 590. Paoli 158 (L. 211).
^ Für die Bestrebungen der Fürsten von Subid s. Smiöiklas, Povjest hrv. I,
Ein]., p. XXYUI; Pdr, Subid II. Mladen buk&sa (Szizadok 1894, p. 807 f.).
Dia (üÜBUtiniBche PriTatarkando. 67
Wir können den Gebraach der Schlußformeln in der
kroatisch-dalmatinischen Urkande erst vom 10. Jahrhundert
an verfolgen. Sie bieten vom diplomatischen Standpunkte aas
manche Besonderheiten in der einseitigen Ausbildung , in der
Verschiedenheit ihrer Herkunft, in der Fähigkeit ihres Fort-
lebens einerseits und in dem schnellen Zuiückweichen vor
den italienischen Neuerungen anderseits, in ihrer Verfeinerung
endlich oder konsequenten Roheit.
Wie schon gesagt, werden in diesem Abschnitte, welcher
hauptsächlich der dalmatinisch-kroatischen Urkunde gewidmet
ist, nur die geistlichen Straf bestimmungen ins Auge gefaßt
werden, erstens, weil sie den Schluß des Textes in der genannten
Urkunde fast allein beherrschen, dann keine Fortsetzung in
der zweiten Periode der dalmatinischen Urkunde finden, also
eine Eigentümlichkeit unserer Urkunde bilden, und endlich weil
sie jedes rechtlichen Inhaltes gänzlich entbehren und daher
kaum mit den anderen Schlußformeln, wo das Hauptgewicht
auf die rechtliche Bedeutung fiült, gemeinsam zu betrachten
wären.
Das erste herzogliche Diplom vom Jahre 853 hat eine,
f)ir diese frühe Zeit und auch absolut genommen, außerordent-
lich wuchtige Pönformel. Obgleich diese Urkunde eines ,dux
Chroatorum' eigentlich nicht in unseren Plan paßt, muß sie
hier, wie bei der Betrachtung der Invokation, berücksichtigt
werden, um durch Bestimmung der Provenienz dieser Formel
in ihr den Schlüssel für ihr späteres merkwürdiges Beharren
besonders im Süden zu bieten. Denn wenn es uns gelingt, für
diese Verwünschung die direkte Abstammung aus der byzanti-
nischen Urkunde festzustellen, so ist es gestattet^ dasselbe
auch für die Pönformel in den Privaturkunden zu schließen.
Den byzantinischen Ursprung dieser Formel überhaupt,
worin dem Übertreter mit dem Zorne Gottes des Vaters, des
Sohnes, des heiligen Geistes und der Väter von Nicäa ge-
droht wird, sowie ihre starke Anwendung bei den Byzantinern
schon im frühesten Mittelalter kann man als bekannt und be-
wiesen voraussetzen.^ Nun waren die politischen, kirchlichen
und kulturellen Beziehungen der Kroaten zu dem Ostreiche in
' Mabillon, De re diplomatica 97 f.
6*
68 VI. Abhandlung: ▼. dnffUy,
den ersten Jahrhunderten ihrer Oeschichte ungemein stark.'
Dennoch dürfen wir uns mit der naheliegenden Wahrschein-
lichkeit des byzantinischen Ursprungs der Formel und der
Möglichkeit ihres direkten Eindringens in unsere Urkunde
nicht ohne weiters begnügen. Denn wenn wir bedenken ^ daß
schon die nächste herzogliche Urkunde von Mutimir von 892'
in der Vollziehungsformel die italienische Carta nachahmt, und
wenn wir die Erwähnung des fränkischen Königs in der ersten
erwägen, so scheint uns jene Hypothese nicht mehr so ein-
fach; da außerdem der byzantinische Einfluß sich nur noch
in der Invokation offenbart, so könnte man daran denken, daß
diese Pönformel doch erst durch die italienische Urkunde in
die dalmatinische kam. Allein in italienischen Schenkungen
des 9. Jahrhunderts kommen entweder gar keine oder sehr
kurze und andere Motive enthaltende Pönformeln vor;' sie
konnten also nicht als ein Muster fbr die lange Formel in der
herzoglichen Urkunde dienen, sondern nur die byzantinischen,
wo in den Schenkungen immer die größtmöglichen Formeln
angewandt wurden.^ Dazu gesellen sich analoge Fälle des
byzantinischen Einflusses auf die Urkunden anderer Völker.
In Ungarn, das zur Zeit Stephan des Heiligen schon sehr rege
Beziehungen mit dem Westen hatte, finden wir die genannte
Verwünschung nicht nur in der Stiftungsurkunde des Sprengeis
von Vesprim,^ sondern auch eine griechische Urkunde, natürlich
mit den besprochenen Formeln der Invokation und Verwün-
schung.' Die Verfluchung tcov tpioxoaicDv itfux öxtu) '^T.xi^m
findet sich mit Ausnahme einer merkwürdigen Urkunde "^ später
^ Es genügt dafür, nur auf Gfrörer, Die bysantinischen Geschichten
vol. II; Rambaad, L'empire g^ec; Smiöiklas, Povjest hrv. vol. I su ver-
weisen. — Den byzantinischen Einfluß auf die älteste Gesetzgebung der
Kroaten beweist der in der Chronik des Priesters Diokleas erhaltene
Name eines Gesetzbuches: methodios (Cmöic, Kronika popa Dnklja-
nina 12).
• Doc. Nr. 12. » Reg. de Farfa, vol. II pass. Paoli 93 (L. 122).
* Cf. Russi 190. » Hazai okmAnytir VI, 1.
' KaracJionyi, Szent-IstvÄn kiraly oklevelei 25—39 bewies ihre Echtheit
mit fast erschöpfender Vollständigkeit, nur mangelt der Vergleich mit
gleichzeitigen byzantinischen Urkunden.
^ A. 1138 CSD. n, 44. Die Schenkung der Kirche S. Maria zu Salona
durch den kroatisch-ungarischen KOnig Bela an das Ersbistnm sn
Die dalmatinisoho PriT»fciir1raAde. 69
nie mehr in den Urkunden ungariBcher Könige^ obgleich die
Verflachungsformel aus ihnen nicht so bald schwindet.^ Die
Urkunden serbischer Könige^ bei denen wir den byzantinischen
Einfluß geradezu annehmen müssen und die im 14. Jahrhundert
auch das Gewand der griechischen Sprache annehmen^' ent-
halten auch im 13. Jahrhundert diese Formel.' Auch in Süd-
italien sind vom 12. Jahrhundert an den lateinischen Schenkungs-
urkunden dieselben Drohungen zugefügt, die man auch in den
griechischen Urkunden Neapels findet. Die Kurialen ahmten
darin den Brauch der Giiecben und ihrer Kirche nach.^
Nachdem somit die direkte byzantinische Provenienz der
Verwünschung in der ersten Urkunde wahrscheinlich erscheint,
können wir zur Betrachtung dieser Formel in der Privatur-
kunde längs der ganzen dalmatinischen Küste übergehen. Da-
durch gewinnen wir auch Anhaltspunkte, welche die Wahr-
scheinlichkeit der byzantinischen Abstammung derselben lokal
zur Gewißheit steigern werden. In den ältesten Urkunden
von Zara finden wir sie im 10. Jahrhundert. Zu dieser Zeit
steht sie in vollster Blüte und mit den Verwünschungen in
Spalato. — Es ist das eine Urkunde, die von dem gewöhnlichen Stile
der ungarischen Kanzlei g&nzlich abweicht (cf. Fej^rpataky, A kir41yi
kanczellÄria az ArpÄdok kor&ban, Pest 1885, p. 19 ff. und die gleichzeitigen
Urkunden bei Knauz, Mon. eccl. 8trig. I, 65. 66), indem sie die sub-
jektire Fassung der dalmatinischen Urkunde annimmt und auch ihre
Kflrze nachahmt. In ihr taucht der Fluch der heiligen Väter nach
einem Zeiträume von beinahe 1 50 Jahren wieder auf. Vom Standpunkte
der ungarischen Diplomatik sind ihre Eigentümlichkeiten schwer er-
klärlich. Nicht so ist es, wenn man bedenkt, daß das Privileg fQr den
Sprengel von Spalato ausgestellt wurde. In dieser Stadt mußten zur
Zeit nicht nur Traditionen, sondern auch lebendige Erinnerungen an die
yerblichenen Natioualherrscher wach gewesen sein. Demzufolge schließt
sich dieses Privileg, welches jene in der Freigebigkeit nachahmt, auch
an die Form der früheren königlichen Schenkungen an; es wurde im
Stile der kroatischen Kanzlei verfaßt (cf. Doc. Nr. 40. 69. 99), wozu man
wohl direkt eine solche Vorurkunde benützte.
^ Karicsonyi o. c. 31; Schwartner, Introductio in artem dipl. praecipue
Hi;ngaricam 262, Pest 1790, sagt, daß die Verwünschung sich bis in das
13. Jahrhundert erhält.
' S. die griechischen Urkunden des Dnlan Silni in Miklosich-MUller, Acta
V, 2. 108 ff.
' Miklosicfa, Mon. Serb. p. 11; Wenczel I, 367.
« Rnssi o. c. 101, 196.
70 Tl. Abhudlvng: ▼. d«fflay.
den Urkunden Italiens verglichen; trägt sie in der Anwendang
und Größe den Sieg davon. ^ Aber schon mit dem Beginne
des 11. Jahrhunderts nimmt die Formel stark ab an ihrer
Größe. Die ausführliche Formel wird von einer allgemeinen
Verwünschung verdrängt,' bis sie am Ende des Jahrhunderts
ganz verkümmert erscheint, aber auch den Übergang zu welt-
lichen Strafbestimmungen aufweist.^ Durch die erste Hälfte
des 12. Jahrhunderts können wir die Schlußformeln in der
Urkunde von Zara wegen Mangels an Material kaum ver-
folgen;^ sobald wiederum eine größere Zahl von Urkunden
auftritt, ist die Schlußformel schon mit anderen Bestandteilen
versehen.**
Noch größeren Mangel an Materiale müssen wir bei den
anderen Städten Dalmatiens, Spalato und zeitweilig auch Ra-
gusa ausgenommen, konstatieren. In einer ganz vereinzelten
Urkunde von Trau aus dem 11. Jahrhundert kann man das
Auftauchen der gewöhnlichen Formel der Verwünschung durch
die Väter von Nicäa etc. nachweisen.^ In den drei erhaltenen
Urkunden von Nona weichen die Formeln von der erwähnten
üblichen zwar ab, weisen aber dennoch nichts Eigentümliches
auf und sind der königlichen Kanzlei, welche zur Zeit in dieser
Stadt den Sitz hatte, entsprossen.^
Die Verwünschung, welche man in der ersten herzoglichen
Urkunde angetroffen hatte, hält sich außer in den Urkunden
kroatischer Fürsten und Könige® am hartnäckigsten in der
^ Sie wird in den Schenkungen and Testamenten gebrancht, Doc. Nr. 17,
20, 63, 70, 72 und 18, 21, 38. Cf. Paoli 93, Nr. 1 (L. 122, Nr. 3).
' A. 1072, Doc. Nr. 70: quod cauet, reperiat, qnod oitat, inyeniat.
' A. 1091, Doc. Nr. 129: deificam habeat malediccionem et incurrat eis
penam medietas domus sue.
^ Die Verwünschung ist in zwei geistlichen Urkunden noch zu finden
CSD. II, 12. 37.
^ Die Schenkung der Insel Mauni von 1190, Nr. 209 muß insofern eine
Ausnahme bilden, als sie die geistliche Strafbesttmmung wirklieh be-
sitzt; sonst haben wir schon früher erwähnt, daß wir hier es mit einer
gekünstelten Nachahmung zu tun haben. S. oben S. 65, Note 5.
• A. 1064, Doc. Nr. 46.
» A. 1070, Doc. Nr. 60, 71, 74. Cf. Nr. 61, 69.
^ Doc. Nr. 12, 58, 88, 97, 98, 99 natürlich mit Veränderungen and Aus-
lassungen; aber auch direkt aus Italien stammende Formeln sind
vorhanden (55, 69) und nach dem Muster der westlichen Kanzlei mit
Di« dalrnfttuÜMho PrivAtukimd«. 7 1
Privaturkunde von Spalato. Im 11. Jahrhandert findet man
sie in den Schenkungen, Testamenten, Verordnungen,^ und
immer bildet ihren Mittelpunkt der Fluch der heiligen Väter,
obgleich sie natürlich der geringen Feierlichkeit der Handlung
angemessen, also ziemlich kurz ist. Im 12. Jahrhundert schwillt
sie Proportionen zu anderen Teilen noch an,' gar nicht beein-
trächtigt von den fremden Formeln. Auch weiter gegen Süden
in den Urkunden von Ragusa,' in den Schenkungen der sla-
vischen Häuptlinge von Zeta und von Eonavlje^ ist die Ver-
wünschung mit demselben Motive im Brauche. Und parallel
mit der Invokation nimmt diese Schlußformel noch weiter gegen
Süden mehr und mehr unzweifelhaft direkte östliche Ingre-
dienzien auf. In Cattaro ist sie wahrscheinlich nur wegen
des Mangels an Urkunden nicht nachzuweisen, aber an ihrer
Stelle ist die in der nördlichen Urkunde gänzlich fehlende Ver-
dammung von Seite Gottes des Allmächtigen und der heiligen
Jungfrau Maria zu finden.^ Eine ähnliche Verwünschung ist
nur noch in den lateinischen Schenkungen der 2upane von
Zahom an das Kloster des heil. Benedikt auf der Insel La-
croma zu finden, von denen die eine dem Tjrpus der byzan-
tinischen Schenkung vollständig nachgebildet ist, die andere,
wenn auch im Texte der Fassung der subjektiven Carta folgend,
in der Invokation, aber noch mehr in der Nachahmung der
Drohung des byzantinischen Basileos den direkten byzantini-
schen Einfluß nicht verbergen kann.^ Hier ist es auch, wo
weltlichen Strafbestimmniigeii verbanden: quaram medietas regali infe-
rator fiaco (Doc. Nr. 99). Cf. Sickel, Acta I, 200 ff.
1 Doc. Nr. 28. 30. 102. 111.
' CSD. II, 30. 31. 40, wo lie beinahe die Hälfte der Urkunde einnehmen.
' A. 1044. CSD. I, 128.
* CSD. n, 22. 292.
* Ib. 86, a. 1124. Et hanc donationem ai aliqnlB mmpere temptanerit . . .
ex parte dei omnipotentis et beate Marie semper yirginis et omninm
aanctonuni . . . condemnetnr. — Ober den Knltns der xava^tot Oeoioko^ an
Bysani a. HergenrOiher, Handbach I, 429 (IL Aufl.). Cf. Jiredek 1. c. 63 ff.
' Ib. n, 67. a. c. 1151. Si qais . . . aliqaod impedimentnm pro hoc nostro
atainto inferre volnerit, alt inimicus tociaa terre Zachalmie et stt
a deo et a beata yirgine Maria . . . maledictoa. — Für kaiaer. Chryso-
ballen: Miklosich-Mttller, Acta V, 2, p. 73. A. 1269 (Atta Tf|« Oeui« «yocv«-
xt^oecD« xal t;^v «cö Tij« ßaaiXeta? fAOu opyi^v x«i «co^rrpo^i^v feci towtio Ix^wver.
72 Tl. Abhandlang: t, Aafflay.
wir, von Norden gegen Süden schreitend und den wachsenden
byzantinischen Einfluß auf die dalmatinisch-kroatische Urkunde
in verkehrter Proportion zar geographischen Breite konsta-
tierend ^ endlich eine lateinische Urkunde mit vollständig aus-
geprägtem Charakter der byzantinischen Urkunde vorfinden.^
Damit ist der Höhepunkt dieses Einflusses erreicht , der nie
durch die Abfassung der Urkunde in griechischer Sprache
überboten wurde.*
Aber mit der Begründung des Notariats in den südlicheren
Städten fUngt auch hier eine neue Periode für den Schluß der
Urkunde an. Sobald zu Spalato — und hier kann man am
besten die Schlußformeln der dalmatinisch-kroatischen Urkunde
verfolgen — der erste Notar der Kommune sich meldet, ver-
schwindet die Verwünschung plötzlich' vor der stattlichen
Reihe neuer eben sich in Italien herausbildender Schlußformeln/
Für eine Zeit bis zum Anfange des 13. Jahrhunderts fallen
alle Schlußformeln weg und dem verfUgenden Teil der Urkunde
folgen unmittelbar die Zeugen und die Unterschrift des Notars.
Dann pochen die neuen Formeln auch zu Spalato wie überall
in Dalmatien an.
Diese Verwünschung ist von hier in die königlichen Urkunden aller
slayischen Reiche am Balkan übergegangen. Für Bulgarien Privileg
des bulgarischen Kaisers As^n an die Ragusaner: to da e vdati, toj e
protivniki» carstva mi (Miklosich, Mon. 8erb. p. 62). Für Serbien Pri-
vileg des serbischen Königs Stephan: da prime gnSv . . . oti kralevstva
mi (Ib. p. 16).
^ CSD. I, a. 1035—1040, Nr. 122. Die Urkunde fängt an: sigiUum Chrance
. . . (nicht vollständig). Cf. die Schenkung des serbischen Strategs Ludwig
ib. I, 126 (a. c. 1025) und die gleichzeitige kaiserliche Schenkung bei
Miklosich-MüUer V, 2, p. 7 atyiXXtov tou aurou Iv lOicci) . . . S. auch Lavrski,
Athenskija gramotu (Visant. vremenniki V, 483 ff.).
' Die von Breßlau I, 698 f. gelegentlich gemachte Bemerkung, daß die
griechische Sprache in den Urkunden des dalmatinischen Küstenlandes
gebraucht wurde, ist nicht richtig, da die griechischen Verträge, worauf
er sich beruft (Tafel in Wiener Sitsungsber. vol. VI [1851], 594 ff.), nur
die politischen und Handelsbesiehungen zu Byzanz beweisen und nicht
den Brauch der Sprache. Die Urkunden sind von griechischen Despoten
verfaßt. — Wie mich Professor JireSek versichert, sind einige Urkunden
von Durazzo noch genauer der griechischen Vertragsarknnde nach-
gebildet, aber auch hier ist keine Spur von griechischer Sprache in
dieser Beziehung zu finden.
* Das letzte Mal a. 1171. CSD. II, 119. « Cf. Giry, Manuel 560.
Die d»lmatiadseho PriTfttvrknude. 73
Nor noch etlichemal erscheint die Verwünschung hie und
da in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts und verleiht dem
sich eben herausbildenden Instrumente ein auffallendes Aus-
sehen.^ Später ist nicht die leiseste Spur in dem städtischen
Instrumente von einer geistlichen Strafbestimmung zu finden.
Nur noch einmal taucht sie am Anfange des 14. Jahrhunderts
auf, wenn auch nicht in der Urkunde einer Kttstenstadt selbst,
so doch auf dem dalmatinischen Boden. In einem entlegenen
Dorfe versammeln sich die Stifter der Pfarrkirche, um sie
von neuem zu beschenken und die Pflichten gegen dieselbe
durch die Schrift zu befestigen. Diese Urkunde schließt mit
einer Verwünschung, welche sozusagen ein vollständiges Re-
sumö aller in der dalmatinisch-kroatischen Urkunde einst ge-
brauchten Formeln vorstellt. Und es ist eben ein eigentümlicher
Zufall, daß gerade dieser Nachklang aus der königlichen Zeit
in einer Urkunde für immer erUscht, die durch einen oder
mehrere grobe Fehler der Abschreiber den mächtigen Banus
Mladen als König von Kroatien bezeichnet.'
^ Mir sind nur drei solche Fälle bekannt: A. 1226. Spalato (orig. ACS. XVI,
1. 72) Testament einer gewissen Rada: et quicamqae contra hoc scrip-
tarn aliqnid dicere presumpserit, iratum habeat deum omnipotentem et
nee filios nee filias habeat, set ita maneat sicnt et ego mansi. — A. 1226
Lesina. Schenkang an das Kloster anf der Insel Bifioro (Ba9i) ed. Ljubic^,
Stat.374. — A. 1262 Zara. Testament (orig. s. Maria): si quis ipsum vto-
lare . . . voluerit, maledictionem dei omnipotentis incarrat et snb ana-
themate trecentomm decem et octo patmm constrictus permaneat.
' Die Urkunde, deren Entstehangszeit man nar annähernd zwischen 1307
bis 1822 setzen kann, ist in einer sehr zweifelhaften Oberliefemng auf
ans gekommen. Sie ist in dem Kodex der Pfarre yon Kambelovci
(Castel Cambio) in Dalmatien aus dem 18. Jahrhundert in mehreren
Abschriften (von c. 1400, a. 1586, 1692) erhalten. Ich will nur das sehr
interessante Protokoll wiedergeben, woraus ersichtlich wird, welchen
Schaden sie durch unabsichtliche Fehler, aber wahrscheinlich auch
durch absichtliche Fälschung erlitten hat: In Christi nomine. Anno in-
camationis eiusdem millesimo centesimo (sie!) quarto indictione quinta,
die . . . tempore illustrissimi et potentissimi domini nostri domint Mla-
dini incliti regis (sie !) Croati^ et Dalmati^. Die Wiedergabe der großen
Verwünschung kann mir erlassen werden. Die Ansichten über die Echt-
heit dieser Urkunde sind verschieden, s. Ra6ki, Pismare dalmatinske.
Rad 26, 176 f.; äegvi6, Patyorena isprava u kaitel Kambelovcu (Vjestnik
hrv. arkiva 1902, 56 ff.) etc.
74 VI. Abhandlnng: ▼. SnffUy.
V.
Das Notariatslnstrument In den KflstenstSdten und
andere Fortsetzungen der dalmatinlselt-kroatlselien
Urkunde.
8. Das subjektive und objektive Instrument in den
dalmatinisohen Küstenstädten.
Die zweite Periode der dalmatinisehen städtischen Privat-
nrkunde ist von der Ausbreitung des Notariats italienischer
Art auf der östlichen Kttste des Adriatischen Meeres bedingt.
Es ist der direkte Import der Formeln aus Italien, welcher
der kroatisch-dalmatinischen Urkunde nach und nach jeden
selbständigen Zug raubte und sie im 14. Jahrhunderte in den
Städten zu einer fast nur durch geographische Gründe eigen-
tümlichen Abzweigung des italienischen Notariatsinstrumentes
machte.
Nachdem sich das italienische Urkundenwesen seit dem
9. Jahrhunderte in festen Oeleisen fortbewegt hatte/ zeigen
sich seit dem Ausgange des 11. Jahrhunderts die Spuren der
Neuerung, welche im 12. Jahrhundert zu einer fast vollständigen
Umwälzung in der Fassung der oberitalienischen Urkunde
führte und am besten in der Verwilderung der Vollziehungs-
formel zu sehen ist.' Es genügt f)ir unsere Zwecke, die Elnt-
wicklungsstufe der italienischen Urkunde in der Übergangs-
zeit zum ,instrumentum publicum' festzustellen^ um dann durch
den Vergleich derselben mit derjenigen der im Formelwesen
teilweise schon mit dem Instrumente verglichenen dalmatinisch-
kroatischen Urkunde die größere oder geringere Fähigkeit der-
selben, sich in das Instrument zu verwandeln, zu konstatieren.
In Italien wird seit dem Ausgange des 11. Jahrhunderts
das Breve häufiger, die symbolische Investitur gewinnt an
Boden. ,Die Olossatoren wußten mit den Lehrsätzen des rö-
mischen Rechtes über die dispositive Urkunde nichts Rechtes
zu beginnen, ihnen war die Urkunde vor allem ein Beweis-
' Cf. Brunner o. c. 6. Ficker, Forschungen I, 1 7 f.
« Branner 84 f. Voltelini 1. c. p. XVII.
Die dalmatinisch« PriTatarknnd«. 75
mittel/^ Auf derselben Stufe, welche die italienische Urkonde
im 12. Jahrhundert erreicht hatte, befand sich fast immer und
überall die dalmatinisch-kroatische Urkunde. Nur waren die
Gründe dazu ganz heterogen. Dorten war es das römische
Recht, das mit wachsendem Ansehen die aus seinen eigenen
Wurzeln entsprossene ^traditio per cartam^ beseitigte, hier die
slayische Rechtssitte der körperlichen Investitur und des Bar-
vertrages, welche die lokal erhaltenen Spuren der verfügenden
Urkunde schnell verwischte. Tatsächlich war es aber fUr diese
kroatisch-dalmatinische Urkunde, da in den Städten auch das
Notariat schon entweder bestand oder neu begründet wurde,
nur ein leichter Schritt, das Wesen des Instrumentes, d. h.
der Relation des zum rechtlichen Akte besonders vom Rechte
berufenen Zeugen, des Notars, anzunehmen.
Diese Umwandlung des dalmatinisch-kroatischen Breves
in ein formelmäßiges Instrument geschah aber dennoch nicht
auf einen Schlag.
Eine Ubergangsstufe und Vorbildung erhielt die städtische
Urkunde durch die einheimischen Notare, die sich in der
zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts zu Zara und Ragusa
wieder, zu Spalato und anderswo zum erstenmale melden. Be-
sonders Air die Urkunde von Zara ist in dieser Zeit schwer
zu unterscheiden, ob wir es mit den Anfängen des Instrumentes
oder mit den letzten Zttgen des Breves zu tun haben. Denn
trotzdem der Notar die Eompletionsformel des Instrumentes
schon gebraucht, wie oben gezeigt worden ist, ist aus dem
langen Zeugenverzeichnisse doch zu ersehen, daß die Urkunde
ihre ganze Beweiskraft noch nicht aus seinem Zeugnisse
schöpfte.' Die Zeugen sind zwar ohne Zweifel nur gegen die
Einreden von Seite der Kroaten so zahlreich aufgezählt, aber
dieses Merkmal, welches die slavische Rechtssitte der städti-
schen Urkunde aufgedrückt hatte, ist somit tatsächlich noch
nicht verwischt. Zu Spalato ist ein ähnlicher Zweifel weniger
berechtigt, da, wie gezeigt, der Notar die Unterschrift des
früheren Schreibers des Breves nachahmt und die Urkunde
in derselben Kürze bis in den Anfang des 13. Jahrhunderts
^ Yoltelini o. c. p. XVIII, auch für das Folgende.
« S. CSD. If, 90. 93. 96. 121 etc.
76 VI. Abhmdlnng: f. dnffUy.
beharrt. Das Ringen also der Zeugenurkunde mit dem noch
fast selbständigen Wachsen des Ansehens der Notare dauert in
das 13. Jahrhundert überall , doch spürt man schon am Ende
des 12. Jahrhunderts, wie Dalmatien von der Weise italienischer
Notare berUhi*t wurde. Denn nur durch die Lizenzen, die sich
diese in poetischen Ergüssen in der Vollziehungsformel erlaubten,^
angeregt; konnte sich ein spalatinischer Notar getrauen, die Fin-
leitung der Urkunde in folgenden Reimen zu bearbeiten : in no-
mine sanctissime trinitatis et indiuidue unitatis. Anno igitor sacro
postquam Christus carnem sumpsit milleno centeno adito quater
viceno et ut numerus certus sciatur, nouenus adiiciatur.'
Sehr bald aber entwickelte sich an der Wende des
12. Jahrhunderts die städtische Urkunde durch den steigenden
Einfluß der Urkunde Norditaliens und der berühmten Schulen
von Bologna und Padua unter der Hand der einheimischen
Notare ihrem Wesen nach zum Instrumente. Als Geistliche
studierten viele von ihnen auf den genannten Hochschulen
und indem sie sich auch für das Notariatsamt vorbereiteten,
machten sie ohne Zweifel die Bekanntschaft mit dem römischen
Rechte und den berühmten Schriften über die Notariatskunst,
den ysummae artis notariae^' In ihre Heimat zurückgekehrt,
konnten sie allerdings nicht auf einmal gänzlich mit den vor-
handenen Überlieferungen und Fassungen der dalmatinisch-
kroatischen Urkunde brechen; das dalmatinische Instrument
trug noch längere Zeit die Spuren der direkten Anknüpfung
an die dalmatinisch-kroatische Urkunde.
^ S. Beispiele bei Oaletti, Del prtmicero della s. sede, Rom 1776, Nr. 67.
Savioli, Annali Bolognesi I, 2. 172. 176. 181; Breßlan 1,596 f.
* Farlati, III. sacr. III, 222. CSD. II, 202. Leider hat uns Farlati nar
den Anfang der Urkunde mitgeteilt und da das von ihm sitierte ,taba-
lariam comitum de Cindris* einer angesehenen Familie zn Spalato,
verschollen ist, können wir nicht den Notar kennen lernen und uns
überzeugen, ob vielleicht auch die Vollziehungsformel dieser an eine
mittelalterliche Steininschrift erinnernden Einleitung (cf. Kuknljevic
Natpisi CSD. II, 2. 7, p. 236, 237) entopricht.
' Für Bologna siehe Sarti, De claris arehygimn. Bonon. professoribus 421,
506 ff.; Rockinger, Briefsteller I, p. XXIV und XXVI; Breßlau 631 f.;
Paoli 54 (L. 70). Für Pavia noch Merkel, Geschichte des langobardischen
Rechtes 63, nota 10. Cf. die überaus interessante Arbeit von Por, Adatok
a bolognai ^ padovai jogegyetemen a 14 sz. tanult magyarokr61 (Ssa-
zadok 1897, p. 769 ff.).
Die dftliiiAtinisebe PriratarlciiDde. 77
In den Bezeichnungen fbr das jagendliche Instrument
6ind solche Spuren zu entdecken. Es wird weiter wie die
dalmatinisch* kroatische Urkunde hauptsächlich mit carta und
breae benannt; und daß dies nicht eine Kopie der Benennungen
ist, die auch in Italien flir das Instrument dann und wann
auftauchen,^ beweist dasselbe Verhältnis der Anwendung dieser
Bezeichnungen wie in der dalmatinisch-kroatischen Urkunde.
Im Süden — wir wählen wie immer Spalato wegen des verhältnis-
mäßig größten Reichtums an Urkunden in älterer Zeit aus —
ist die Bezeichnung ,breueS' im Norden zu Zara ^carta' weit
häufiger anzutreffen/ Auch halten sich beide am zähesten in
der Vollziehungsformel weit über die Mitte des 13. Jahrhunderts.
Dagegen ist zu Trau, wo das Notariat etwas später auf-
blühte und, wie es scheint, nur wenige Spuren der kroatisch-
dalmatinischen Urkunde zu überwinden hatte, die Bezeichnung
,instrumentum' schon in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts
vollständig üblich.^ In den oben genannten Städten wird diese
Benennung zuerst für die Gerichtsurkunde angewandt, welche
auch als erste die objektive Fassung des Instrumentes annimmt.^
Erst mit der Ausübung der Amtsobliegenheiten durch italienische
Notare in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts wurde
' cartae, brebes (s. Voltelini 1. c. p. XVIII, Note 3); schon der spraohliclie
Unterschied zwischen ital. brebe and unserem breae bestätigt unsere
Behauptung.
' Diese Bezeichnung erscheint im Texte wie auch in der Unterschrift:
ego presbiter Sabatius . . . notarius . . . breae scripsi. 6. die Urkunden
von a. 1203 (orig. ACS.), 1204 (Ib.), 1205 (Ib.), 1208 (orig. s. Maria) etc.,
1258 (orig. Begna 3), in dieser Urkunde im Texte: per hoc presens in-
strumentum confiteor; in der Unterschrift: Et ego Lucas . . . hoc breue
scripsi etc. Vgl. oben S. 37.
' So gebraucht sie beständig der Notar magister Gregorius 1237 — 1240;
auch der Notar Marcus diaconus 1239 (or. GAZ. s. Oris. I, B. 7) ; in den
Urkunden der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts noch sehr häufig an-
zutreffen.
* Das erste Mal a. 1283. Et ego Johannes Traguriensis iuratus notarius
rogatus . . . presens inst rumen tum scripsi (orig. AsA.).
* In Spalato das erste Mal eine Schenkung in einer Gerichtsurkunde als
instrumentum bezeichnet a. 1224 (or. ACS. ed. Wenczel I, 206): propone-
batur ex parte canonicorum, quod quedam domina . . . legauit . . . ter-
ram ... et hoc sue donationis testamentum publice instrumento
firmaait. — Die Urkunde nennt sich selbst so erst a. 1238 (or. ACS.
XVI, 2. 26) .
78 Tl. AbhAndlnog: t. ^nffUy.
diese Benennung für die Urkunde überall allgemein und auch
von den Laien gebraucht.^
Aber auch in der subjektiven Fassung des älteren dal-
matinischen Instrumentes fühlt man die starke Nachwirkung
der ihm vorangehenden dalmatinisch-kroatischen Urkunde.
Während in Italien seit dem 11. Jahrhundert die objektive
Form der Urkunde immer mehr die Oberhand gewinnt^ um
am Anfange des 13. Jahrhunderts in Oberitalien in der ob-
jektiven Relation des Notars über den Rechtsakt zu gipfeln,'
bleibt das neu entstandene dalmatinische Instrument der sub-
jektiven Fassung des kroatischen Breves treu. Um die Form
der ererbten Urkunde nicht zu verletzen, knüpften die ein-
heimischen Notare nicht an das objektive italienische Instrument
an, sondern an die eben untergehende subjektive Carta. Es
ist hier wie bei jener nicht der Notar, welcher den Vertrag
oder die Bedingungen desselben expliziert, sondern einer der
im Vertrage Beteiligten. Von dieser neuen Urkundenbildung
getragen, treten in der städtischen Urkunde des 13. Jahr-
hunderts die verba dispositiva und das beinahe vollständige
Formelwesen der lombardischen Carta auf.' So belebt der
spezifische Konservatismus des älteren städtischen Instrumentes
Dalmatiens, durch die später schon unbewußte Nachwirkung
der dalmatinisch-kroatischen Urkunde verursacht und durch
die Freiheit in der Konzeption des Instrumentes^ ermöglicht,
sein schon im Absterben begriffenes italienisches Muster auf
eigenem Boden durch eigene Kraft wieder und verzögert das
in andern Ländern schon vollzogene Zurückweichen der sub-
* So findet man auf der Rückseite einer Urkunde von Zara 1280 (orig.
8. Maria) über eine Teilung der Güter von einer gleichzeitigen Hand
(nicht der des Notars): instrumentum dinisionis . . .
» Paoli 90 (L. 119); Voltclini I.e. p. XVUI.
' manifestum facio, quomodo do, dono, vendo (trade) atque transacto, oder
fateor quomodo ... für Kauf- und Schenkungsformel su Zara. Zu Nona
außer der genannten Formel noch das archaisch klingende: confiteor
donasse tibi (a. 1290, 1291 orig. AsA., GAZ., s. Dom. 691) confiteor ven-
didisse tibi (a. 1807 AsA.) Cf. Brunner o. c. p. 18 ff., 131 f. — Mehr
darüber siehe unten c. VI, § 15.
^ Gull. Durantis o. c. l. 2, part. 2. § 2, n. 17: illud etiam scias, qnod
non est vis utrum instrumentum conficiatur in prima vel tercia persona
stve per verba de presenti stve de preterito; cf. österley I, 228.
Die dalmatinisch« PriTatnrkundfi. 79
jektiven Fassung der Urkunde,» wie wir sehen werden, um
beinahe zwei volle Jahrhunderte.
Zuerst bekommt das Instrument die objektive Form zu
Spalato und Trau, also in den Städten ^ wo das kaiserliche
Notariat zuerst Wurzeln faßte. In den ersten Jahren der
zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts ist die objektive Form
in Instrumenten über alle möglichen Rechtsgeschäfte vollständig
durchgedrungen.^ Aber die mit dieser Fassung gewöhnlich
verbundene Weitschweifigkeit in der Sicherung der Rechts-
geschäfte ist dem objektiven Instrumente im Anfange noch
fern geblieben. Es sind im ganzen fast noch dieselben For-
mein, die beim subjektiven Instrumente angewandt waren, nur
daß die Verba in die dritte Person versetzt werden.
Am Ende des 13. Jahrhunderts werden auch im Norden
zu Zara Versuche sichtbar, das Instrument in die objektive
Form zu gießen. Außer in die Gerichtsurkunde dringt diese
Fassung zuerst in die zweiseitigen Verträge wie Tausch und
Teilung ein.' Dennoch wird auch bei diesen Verträgen noch
längere Zeit von der Mehrzahl der Notare die subjektive Form
gebraucht. Diesen vereinzelten Versuchen folgt bald ein zweiter
ernsterer Angriff auf die subjektive Fassung des Instrumentes,
welchen der kaiserliche Notar Marinus de Saracho (1327 — 1336)
mit derselben Gattung der Urkunde beginnt, die Notare aber aus
Furlanien Silvanus (1336—1341) und Jakob (1337—1340) bei
Urkunden über andere Rechtsgeschäfte fortsetzen, bis von einem
Schwärm kaiserlicher Notare angegriffen, die subjektive Fassung
des Instrumentes in den Vierzigerjahren des 14. Jahrhunderts
gänzlich verschwindet. Zu derselben Zeit wurde diese Um-
' Nur in der Bomagna hat sich die subjektive Carta modernisiert ebenfalls
bis in das 14. Jahrhundert erhalten, Voltelini 1. c. p ZVIII. Analog
anch die neapolitanischen Urkunden, s. Russi o. c. p. 100.
' Zu Spalato nach der Urkunde von 1268 (orig. Begna Nr. 3), eu Trau
nach 1267 (orig. ACT. Nr. 13) keine subjektlTe Urkunde mehr.
' Ein schönes Beispiel für die Übergangsstufe bietet die Urkunde über
einen Tauschvertrag von 1296 (orig. s. Maria). Sie beginnt in objektiver
Fassung: fecerunt, eontraxerunt inter se eambium in hunc modum, und
verweilt in derselben bis gegen das Ende. Am Schlüsse taucht aber
eine subjektive Klausel der Qenehmigung der Kontrahenten auf: et nos
prenominati . . . laudamus et confirmamus omnia et singuli suprascripta.
80 ▼!. Abhaudlnng: t. Snfflay.
gcstaltung des Instramentes zu Nona vollbracht.^ Doch vrar
dann und wann dieser natürlichen Entwicklung schon im
13. Jahrhundert durch angekommene italienische Notare vor-
gegriffen worden.' Es sind dies seltene Unregelmäßigkeiten^
die aber dennoch wohl auf die schnellere Entwicklung der
Urkunde zxmi formelmäßigen Instrumente Einfluß ausübten.
Was die Urkunden anderer Städte betrifft, so kann man
sagen, daß seit der Mitte des 14. Jahrhunderts das objektive
Instrument längs der ganzen östlichen adriatischen Küste von
den Inseln am Quarnero und Zengg^ bis Ragusa und Lagosta
herrscht. Nur zu Cattaro, hält sich noch unberührt und auch
unbewegt die subjektive Fassung des Instrumentes in aller
archaischen Kürze.^ Trotz des Andranges fremder Notare,
die sich mit der kaiserlichen Einsetzung brüsten, erscheint hier
nicht eine Spur in der Formel und in der Fassung des Textes,
daß hier auch italienische Notare ihr Gewerbe treiben. Cattaro
ist das letzte Bollwerk, wo sich die für Dalmatien typische
subjektive Urkunde aufrecht und rein erhält; es blieb bis in
das 15. Jahrhundert für das objektive italienische Instrument
unzugänglich.
8. Die rechtliche Beweiskraft des Instrumentes nach den
Statuten der Städte.
Nachdem in allen Städten das Notariat begründet worden,
war der Sprung, der die von einem Notar ausgefertigte formell
^ Das erste objective Instrument a. 1339 (orig. 6AZ., s. Domtn. Nr. 1060).
' So die Kaufurkunde von 1247, 13. November (orig. s. Maria), die im ganxen
13. Jahrhundert die reichste an den Formeln bleibt. Sie trägt auch auf-
fallender Weise die Unterschrift des Ausstellers und der Zeugen f Signum
Vere, que hoc fieri rogauit f Ego Micha de Lemesso mauns misi
t Ego Pape de Petronia testis. — Ego Benuenutus Bonacena, cano-
nicus Clugiensis acolitus et notarins compleui et roborani (monogr. not.).
' Hier schon im 13. Jahrhundert in den ersten erhaltenen Urkunden,
s. B. a. 1292 (orig. im Kloster su Trsat Nr. 1 E).
^ Alle Testamente des 14. Jahrhunderts sind subjektiv. Die Hauptmasse
der gar nicht zahlreich erhaltenen Instrumente von Cattaro ist in dem
Archiv der Akademie zu Agram erhalten a. 1332, 1350, 7. Nov., 1353,
n.Nov., 1371, 6. Jan., 1382, U.Dez, etc. -- In der Kürze kann sich
nur die objektive Urkunde von Lagosta mit der von Cattaro messen.
Di« dftlmaiinisch« PriTAiarkande. 81
ähnliche Urkande einem instnimentam publicum ganz nahe
brachte^ leicht und durch die immer stärker werdende Fühlung
mit Italien unausbleiblich. Wir können den Gang dieser
Dinge in den dalmatinischen Städten bis zur ausdrücklich be-
tonten Fides der Instrumente durch die Statuten im 14. Jahr-
hundert nur dem Sprachgebrauch der Urkunde und dem un-
trüglichen Merkmale der Wertschätzung des Instrumentes durch
seine Anwendung in der Gerichtsurkunde entnehmen.
Schon um dieselbe Zeit wie in Italien, also an der Wende
des 12. Jahrhunderts^ finden wir zu Zara eine Notariatsurkunde
als publicum scriptum bezeichnet.^ Bald, in der ersten Hälfte
des 13. Jahrhunderts, taucht die reine städtische Gerichts-
urkunde der Kurie in der einfachen Form des Notariatsinstru-
mentes auf,' mit der natürlich mittelbar aus der langobardischen
Gerichtsurkunde stammenden^ Unterschrift des Comes und
mehrerer Judices, welche zu Gericht saßen; ein Beweis der
gleichen Wertschätzung der Notariatsurkunde wie in Italien.^
Zwar läuft neben dieser Gerichtsurkunde eine Zeit noch parallel
eine zweite Art derselben her, welche, von dem städtischen No-
tare verfaßt, an die Gerichtsurkunde der kroatischen I^upanen im
12. Jahrhundert anknüpft und diese in der lebhaften Schilderung
des Prozeßganges, voll von Dialogen und Unterbrechungen, im
aggressiven Ton nachahmt,^ ja übertrifil. Sie bildet einen
* So wird in einer Urkande von 1201 (orig. Transsampt yon 1238 in
OAZ. s. GriB. XIV, D. 1) eine Urkunde yon 1183 mense niadio pn-
blicnm scriptum genannt. Cf. ähnliche Bezeichnungen in der Anfangs-
fonnel der Urkunden von Pisa a. 1173 und Lncca 1193 in Boselli 1,326;
Breßlau I, 496.
* Zuerst zu Spalato a. 1224 (orig. ACS. XVI, 1. 24; Wenczel I, 206). Cf.
Stat. Jadrae 1. II, c. 131, wo die Fassung der Urkunde folgendermassen
vorgeschrieben ist: ut voz domini comitis cum suis iudicibus loquatur
in scriptis.
' ... et quod iudicauerint, confirmare sua subscriptione non dissimulent
Cod. Papien. Lotharii c. 98 (M. 0., Leges IV, 667). Brunner, o. c. 38.
* Ouil. Durantis 1. 2, 2, de instr. ed. § 8, n. 18, setzt das Notariatsinstru-
ment über eine bischofliche oder nicht notarielle richterliche Urkunde.
Cf. Voltelini, 1. c. XXIII.
* Als Beispiel führe ich nur ein Fragment der Urkunde tou 1239 Zara
(orig. QAZ. s. Qris. XIV, F. 2) an, da es zu umständlich wäre, diese ob-
gleich interessante Urkunde yoUständig wiederzugeben: iuppanus Mar-
tinus: tu male facis, quod tu tenes terras de Coquikiane, quia mee sunt
SitrangslMr. d. phiL-hist. Kl CXLVII. Bd. 6. AMi. 6
82 VI. AbbAndlang: t. ÖnffUy.
greifbaren Abschluß des eben untergehenden ältesten kroatisch-
dalmatinischen Gerichtswesens.
In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts wird die
Bezeichnung des Instrumentes als ^publicum' häufiger und diese
Anschauung; jetzt schon von den fremden Notaren besonders
unterstützt, gelangt am Ende des 13. Jahrhunderts in ihrer
Unterschrift zum Ausdrucke/ bis am Anfange des 14. Jahr-
hunderts fast in allen Städten die Statute ausdrücklich über
die hohe Beweiskraft des Instrumentes handeln.' Nach diesen
Statuten besitzt das Zeugnis des Notars, wenn es in publicam
formam gebracht wird, öflFentlichen Glauben und erbringt den
vollen Beweis. Auch darf bei großer Strafe kein Urteil gegen
den Wortlaut des Instrumentes* geftlUt werden, noch kann
dessen Beweiskraft durch Zeugen erschüttert werden.* Zeugen
werden nicht des Beweises, sondern der Solemnität wegen von
den Rechtsquellen gefordert. Der Beweis wird im Bedarfsfalle
nur durch den Notar, nicht durch die Zeugen erbracht.*^ Für
die älteren Instrumente, wo dieser direkte Beweis nicht mehr
. . . ego dizi et dico, qaod vos domine abbas male £ftciti8 . • . Johannes
antem predictas respondit: tu iuppanua Martinus male dicis etc.
^ Zuerst zu Zara a. 1299 (ortg. GAZ. 8. Gris. XY): ego Phylippus Saladini
imp. anct. notarius ... in publicam formam redegl.
* Daß für die Statuten , welche die Fides der Instrumente betreffen, diese
Zeit der Entstehung anzunehmen ist, daß sie also zu den Umarbeitungen
und nicht zu den primären Rechtssammlungen des 13. Jahrhunderts ge-
hören (cf. Reutz, o. c. 14), ist außer den ausdrücklichen Jahresangaben
im Statut Yon Cattaro (a. 1370, c. 393, p. 223) schon daraus sn ent-
nehmen, daß sie beinahe ausnahmslos das Wort «instrumentum* mit der
Bezeichnung ,pubHcum* gebrauchen, was, wie erwähnt, in den Städten
erst am Ende des 13. Jahrhunderts in Gebrauch kam. Dagegen kennt
das Statut von Curzola (ans dem Jahre 1214) fast nur den Ausdruck
cartula (c. 14, p. 10 und 31) und enthält auch noch keine Bestim-
mungen über die Beweiskraft der Notariatsnrkunden.
■ Stat. Trau 1. 1, c. 33, p. 9.
^ Item statutum . . . est, quod omnia instrumenta, quae appamerint esse
publica per manum alicuius boni notarii et legalis, non infringantar
aut rumpi possint per testes. Stat. Spalat. 1. 2, c. 12, p. 73. — In ähn-
licher Weise: SUt. Traii I, c. 41, p. 11; Stat. Scardon. c. 33, p. 128; Stat
Cathar. c. 393, p. 223; Stat. Budr. c. 124, p. 29; Stat. Sib. 1. 4, o. 14.
* Wie dies aus dem Wortlaute des Statuts von Tra& o. 41, p. 11 herror-
geht: . . . quod omnia instrumenta, quae per mannm notarii sunt scripta
et cognita yera etc. Cf. Voltelini, p. XXIV.
Die dalmatinische PriTAtarkvode. 83
erbracht werden konnte, griff man gewiß zur Schriftyergleichnng
and das Instrument behielt volle Kraft, auch wenn es im Laufe
der Zeit starke Beschädigungen erlitten hatte ;^ natürlich aber
raubten ihm verdächtige Rasuren, Durchstreichungen etc., als
Beweise teilweiser Fälschung, jede Kraft.' Auf der eigen-
händigen Unterschrift des Notars beruht also die Fides der
Instrumente, ohne sie werden Instrumente nicht zu den öffent-
lichen gerechnet.' Falls ein fremdstädtisches Instrument vor-
gelegt wird^ so wird ihm sofort Glauben geschenkt, wenn die
Regierung der fremden Stadt in einem besiegelten Briefe den
Schreiber als einen Notar von gutem Rufe bezeichnet.^
Diese hohe öffentliche Glaubwürdigkeit, welche das In-
strument in dieser Weise erwarb, mußte gegen Fälschungen
geschützt werden. Schwere Strafen sind schon im ältesten
Statute von Curzola gegen die Fälscher der ,cartula' verhängt:
Verlust der rechten Hand des Schreibers, Verlust aller Rechte
und eine große Geldbuße für den Produzenten,^ was wie eine
Erinnerung an das lombardische Gesetz Wido's klingt.^ In
^ . . . qnod Bi aliqnod pab. instr. sit rasam ael aliqaaliter deuaDtatnm
propter uetustatem et ueritas litterarum posset ex eo comprehendi
. . . nichilominua tale instrumentam ualeat. Stat. Spal. 1. 2, c. 14, p. 74.
' . . . et 81 alia apparerent in quibus reperiantur diuisiones aliquae aat
pertractae per medium, yel circamscripturae . . . vel rasurae sea can-
cellatnrae saspectae, repadientur omnino. Stat. TraÄ c. 40, p. 11.
* qaod aliqua instmmenta sea cartae notarioram, quae non habent carac-
terem, in pnblicam non recipiantur. Stat. Trai\ ib. — Man findet von
allen Städten nar zn Zara etlicbe Instrumente (von 1279, [or. GAZ. s.
Gris. XIV] bis 1347 [or. Ib. 8. Nicol. Nr. 197] fand ich deren zehn) über
mannigfaltige Rechtsgeschäfte, welche, wie die Schriftyergleichnng ergab,
wirklich Yon dem einen oder anderen gleichzeitigen Notare geschrieben,
dennoch der Unterschrift desselben wie auch derjenigen des Examina-
tors entbehren. Es scheint dies eine eigentümliche Kombination der
autographen Kopie mit der Copia simplex zu sein, der jedes Zeichen der
Authentizität und sonst jede Beweiskraft entging; apodiktisch ist dies
nicht zu behaupten, da im Statute von Zara jede ähnliche Klausel wie die
obige fehlt. Vgl. auch die AusfÜhrnngen Paolis (L.3Hf.) über die »scripta*.
* Stat. Jadr. 1. 2, c. 38 und c. 103; Stat. Siben. 1. 2, c. 70 und 1. 3, c. 46;
Stat. Spal. 1. 2, c. 18.
* . . . perdat manum dexteram scriptor et ille qui fecerit eam fieri uel
adduxerit pro suo munimine . . . perdat placitnm et yperpera XX.
* Wide 6 (M. G. LL. IV, 662) . . . manum propriam amittat et ostensor
ipsius post remm amissionem widrigeld suum componat.
6*
84 Tl. Ablumdlanf : t. dvfflay.
anderen städtischen Statuten ist dieselbe Strafe fbr den Notar
verhängt, für den Produzenten aber ist die Geldstrafe oft durch
Infamie und Verbannung verschärft.^
Wie die Anfechtung eines Instrumentes, welches sowohl
die formelle wie die materielle Echtheit betreffen konnte , be-
schaffen sein mußte, um die Kraft des Instrumentes zu brechen,
ist nirgends in den Statuten erwähnt. Nur zu Cattaro, wo
die Fühlung mit dem slawischen Elemente unbeeinträchtigt
blieb, erhielt sich der altertumliche echt slawische Brauch, der
uns auch noch im ältesten Statute (von Curzola) überliefert
ist,^ die Beweiskraft der Urkunde durch glaubwürdige Zeugen
zu überwinden.*
Aber wie es kühn war^ ein Instrument zu fälschen, ebenso
gefährlich war es, ein Instrument zu schelten. Wer sich dessen
unterfing, mußte des Gegenbeweises vollständig sicher sein.
Mißlingt der Beweis, so war der Scheltende denselben Strafen
verfallen wie der Fälscher.^ Die Strafen^ welche auch das
Schelten der älteren Instrumente trafen, sowie auch analoge
Statuten von Cattaro, welche die älteren Instrumente seit einem
gewissen Zeiträume als unscheltbar und authentisch erklären,^
dienten dazu, um den wahrscheinlich sehr üblichen Anfechtungen
den Weg zu verlegen und damit das Gerichtsverfahren zu
erleichtern.
^ quod quicamque . . . fecerit faUam iDstrumentam . . . condemnetar com-
mani in libras C parv. et sit infamis ac perpetuo non sit nee esse possit
de consilio. Stat. Trau 1. 2, c. 28. Cf. Stat. Sib. 1. 4, c. 26; SUt Lesin.
c. 12, p. 194; SUt. Scard. c. 24, p. 128; Stat. Cath. c 291, p. 161; Stat
Bady. c. 124, p 29.
' Stat. Cnrz. (von a. 1214) c. 14, p. 10: Statoimus, qaod iUe, qui fecerit
cartulam falsam et probatum faerit per daos jdoneos niros, qnod
falsa est . . . Daß in diesem Statute yiele slawische Motive erhalten sind,
8. Reutz, o c. 21 f., besonders Note 2.
' Stat. Cath. c. 291, p. 161 : yolumos, ut qai cartam falsam fecerit et per
idoneos et fidedignos ac probos yiros probari poterit . . .
* item accosator falsi instrumenti, qui non probaaerit legitime . . . simili
pena paniatur . . . Stat. Trau 1. 2, c. 28, p. 33.
^ . . . quod omnia instrumenta facta publica in nostra ciuitate Gathari a
tempore diaconi Miche Gige per aliquos testes ullo modo rnmpi non
possint, sed yolumus quod sint et esse debeant authentica. Stat. Catb.
(a. 1370) c. 393. Der Notar Micha Gige von 1261—1279. Cf. auch c 300,
p. 165.
Di« dftlmfttiiÜBch» PriTaiurkitnde. 85
Denselben Zweck, die Beweisfbhrnng vor dem Gerichte
dnrch das Instrument zu vereinfachen, sollten die Verordnungen
erreichen, welche die Notwendigkeit des Instrumentes kate-
gorisch flir die Veräußerung von Liegenschaften und für alle
Fälle festsetzten, wenn das Rechtsgeschäft den Wert einer
gewissen Summe überschritt.^ Damit aber sollte auch, wie es
aus dem Statute von Cattaro darchschimmert, der noch immer
blühende slawische Naturalvertrag verdrängt werden, welcher
seine Hauptnahrung aus dem Mißtrauen zog, mit dem die
große Ausdehnung des Urkunden beweises gerade in den Kreisen
der kroatischen Bevölkerung der Städte und ihrer Umgebung
betrachtet wurde.*
10. Die Anwendung des Siegels in den Städten. — Das Dom-
kapitel der Städte als locus oredibilis und die rein kroatisohe
Urkunde in Dalmatien.
In den dalmatinischen Städten wie auch in Italien befand
man sich also seit dem 13. Jahrhundert in der günstigsten
Lage, was den Beweis der Echtheit der Urkunde anbelangte.
Die Mittel, welche in den Ländern, in die das öffentliche
Notariat nicht Eingang gefunden hatte, die notarielle Be-
glaubigung ersetzten, konnten für die stildtische Notariats-
urkunde von keiner besonderen Wichtigkeit sein. Dennoch ist
die Anwendung des Siegels vor dem vollständigen Siege des
Instrumentes ziemlich häufig und es ist auch die Spur des
gegen Süden vorrückenden Teilzettels vorzufinden. Aber
diese sonst selbständig wirkenden Beweismittel' erscheinen
hier immer nur als sekundäre Begleiter der Beglaubigung des
Notars.
^ 8Ut. Spal. 1. 2, c. 17; Stat. Scar. c. 33, p. 128; SUt Tra& 1. 1, c. 47,
p. 13; SUt. Jadr. 1. 2, c. 104 and 1. 3, o. 24; 8tat. Sib. 1. 2, c. 73; 1. 3,
c. 47.
' Stat. Cath. c. 266, p. 143 (a. 1312): quia mnlti possessiones suas
vendebant ocenlte . . . rolnmus, qnod quicumqae possessiones . . .
nendere nolnerit, teneatnr ter facere per Yicarium ... in platea nun-
ciare aidelicet triboa diebus dominicls et ... notarius de ipsa uendi-
tione faciat instrumentum.
' 8. Breßlaa 502; Posse, Lehre 64.
86 VI. Abhuidlang: v. gafflay.
In einer Urkunde von 1212 zu Osor (Absaro), worin
Daria^ die Fürstin von Absaro, der Stadt Arbe den Ort Kesse
verspricht^ falls ihr Sohn Robert zum Comes dieser Stadt ge-
wählt werde, ^ wird trotz der Beglaubigung des Notars von
Arbe die Chirographierung durch den älteren geradlinigen
Schnitt angewandt. Es ist dies zwar das einzige Beispiel,
welches ich anzufahren weiß und das sich später auf der ganzen
adriatischen Ostküste kaum wiederholen dürfte, aber in seiner
Einsamkeit umso interessanter, als es auf einen bis jetzt völlig
ungeahnten, mittelbar über Istrien vorgedrungenen deutschen
EinBuß hindeutet.«
Weit größeres juristisches und diplomatisches Interesse
erregt die Besiegelung der Urkunde in Dalmatien. Die ersten
Fälle, in denen wir ihr begegnen, gehören den Urkunden der
kroatischen Fürsten und Könige an. Da diese außerhalb des
Bereiches dieser Abhandlung fallen, so genügt es, wenn wir
andeuten, daß die Besiegelung wie auch das Siegel dem Brauche
der karolingischen Kanzlei, beziehungsweise derjenigen der
deutschen Kaiser nachgebildet worden ist.'
Ebenfalls verhältnismäßig alt ist die Besiegelung bei den
geistlichen Fürsten und bei den Kapiteln. Die Erzbischöfe
Dalmatiens scheinen fast wie die italienischen von jeher ein
Siegel besessen zu haben ^ und das alte Siegel des Domkapitels
» Orig. GAZ. Abt. Ponti Nr. 31 ed. Lucius; De regno IV, 8, p. 173
falsch unter dem Jahre 1202.
' In Italien war es zur Zeit kaum bekannt, s. Fomagalli U, 206; Breßlau
508; Paoli, Dipl. 34, Nr. 4, (L. 45, note 1) fahrt als erstes Chirograph
das von Palermo a. 1238.
' So besagt die Urkunde des Fürsten Mutimir von 892, Doc. Nr. 12 selbst:
annulo nostro iussimus in calce signari; somit war die Urkunde mit
einem Zeichen des fürstlichen Ringes rersehen wie bei den Karolingern.
Cf. Sickel, Lehre 198 f, 345 ff.; Breßlau 516 f. — Das auf der Urkunde
des Königs KreSimir (von 1070, Doc. Nr. 67) erhaltene Siegel ist fast
nur durch die Legende von dem Siegel Heinrichs III. (auf der Urkunde
von 1043; Sickel, Mon. graph. med. aevi fasc V, tab. 2) verschieden.
Dies nach Radki, Hrvatska dvor. kancelarija, Rad 85, p. 42 ff.
* In der Urkunde von 1185, CSD. II, Nr. 178 (cf. 181 f.) werden die Siegel
der Bischöfe von Spalato, TraJi, Scardona, Nona und Zengg erwShnt;
cf. Fumagalli II, 178; Breßlau 533.
Die d»lmatiiiiio1ie PriTatorknnde. 87
von Spalato wird schon 1091 zur Beglaubigung einer erz-
bischöflichen Urkunde verwendet.^
In den Städten wurde das Siegel auch bei weltlichen
Behörden durch den byzantinischen Einfluß früh bekannt.
Schon im Jahre 1091 wird das Siegel des Priors von Zara
erwähnt^ ^ was aber fUr einen Beamten des byzantinischen
Reiches gar nicht befremdlich ist.' Nach dem Verschwinden
dieses hohen byzantinischen Beamten wurde sein Siegel durch
das kommunale Siegel in Wachs verdrängt. Das älteste ist
jenes von Zara. Obgleich es erst im Jahre 1190 anzutreffen
ist/ so ist es dem Stile nach gewiß in den Anfang dieses
Jahrhunderts zu setzen. Der Gebrauch dieser Art von Siegel
bürgerte sich unter dem direkten venezianischen Einflüsse
ein, wie dies schon aus dem Vergleiche der Form dieses Sie-
gels mit der ersten bekannten Dogenbulle hervorgeht.^ Es
wird in den Urkunden publicum sigillum und auch einmal
;bulla principalis^^ genannt. Da diese Betonung sich gerade
in einer Gerichtsurkunde findet^ läßt sie auf ein speziell für
die Jurisdiktion gebrauchtes SiegeH schließen^ welches aber^
da die Urkunde der Magistrate bald zum Instrumente wurde,
früh außer Gebrauch kam und keine deutliche Spur von sich
hinterließ. Im 13. Jahrhundert führen fast alle dalmatinischen
Städte ihre kommunalen Siegel, gewöhnlich mit dem Bilde
^ Doc. Nr. 128 : hanc uero sigillo 8. Domnii cartalam ioBsi signari. Das
nächste Mal erwähnt erst a. 1 185, CSD. n, 178.
» Doc Nr. 128.
* Der Prior hatte zaweilen auch andere byzantinische Titel, wie pro-
consal, stratico, catapan (Doc. Nr. 41. 42. 69); cf. Breßlau I, 9^8; Scblum-
berger, Sigillographie bjzantine 8.
^ Aaf der Urkunde von 1190 (Schließung des Friedens zwischen Zara
und Arbe) hängt dieses spitzoyale Siegel im gewöhnlichen Wachse; s.
die Beschreibung in der Edition CSD. II, 211.
' Im Archeographo Triestino VI, p. 57, n. 9.
^ CSD. II, 246. — Fttr den Ausdruck Bulle für ein Wachssiegel s. Chas-
sant-Delbarre, Dlctionnaire de Sigillographie 22. Daß es auch in Dalma-
tien üblich war, die Benennung buUa für ein Wachssiegel anzuwenden,
beweist eine andere Urkunde yon Trau 1246 (orig. ACT. ed. Lucius,
Mem. di TraA 68; Farlati IV, 342), wo es heißt: Et ego Qausinna
Trag. iur. not. . . . buUa ipsius (episcopi Tragur.) communiui. Es hängt
ein Wachssiegel an einer Hanfschnur.
^ sigillum ad causas cf. Giry 652.
88. VI. Abhandlong: t. SnffUj.
ihrer Schutzpatrone geschmttckt. E^ wird natürlich nur ab
Akzedens zar Beglaubigung des Notars angewandt in den
Fällen^ wo die Kommune als eine Einheit gegen außen auf-
tritt, also gewöhnlich in den Verträgen mit anderen Städten.^
Parallel mit der Verbreitung des kommunalen Siegels im
13. Jahrhundert dehnt sich der Gebrauch der Besiegelung in
Dalmatien etwas allgemeiner aus als in Italien; denn die Stärke
des italienischen Einflusses wird hier durch die Fühlung mit
Kroatien, welches von dem deutschen diplomatischen Einfluß
über Ungarn schon vollständig beherrscht wurde, paralysiert.
Nicht nur fast alle KapiteP und viele Klosterkonvente, sondern
auch einzelne Würdenträger der geistlichen Stifter: Abte,
Pröpste, Kustoden (zu Zara), der Meister des Templerhauses
zu Vrana führen ihre Siegel;' ja ähnlich der ursprünglich rö-
mischen Funktion des Siegels^ bei privaten Testamenten^
^ z. B. a. 1235 wird das erste Mal das Siegel von Ragusa in einem Ver-
trage mit der Stadt Bimani erwähnt (ed. Wenczel XI, 280). Erhalten
ist dasselbe in der Urkunde von 1279 (orig. Staatsarchiv zu Wien 163/5).
Es ist wie dasjenige von Cattaro (ebendaselbst) rund im grünen Wachs.
Das erste trägt, das Bild des Schutzpatrones Blasius, das zweite das-
jenige des heil. Triphon. Die Erwähnung des Siegels von Tra& das
erste Mal a. 1267 (orig. ACT. 18 ed. Wenczel VIII, 183), des von Scardona
1304 (ed. Lucius, De regno 1. IV, c. 10. Farlati IV, 16 falsch unter 1284).
' Das Siegel des Kapitels von Spalato schon erwähnt. Das von Zar« zuerst
a. 1248 sehr gut erhalten aus Wachs und oval geformt (orig. GAZ. s.
Domen. Nr. 2176), von Trau a. 1267 (or. ACT. Nr. 18 Wenczel VIII, 183);
von Xona 1258 (Wenczel VII, 496).
* So heißt es in einem Notariatstranssumpte der kOnigl. Urkunde von 1166
(CSD. II, 70) von a. 1258 zu Zara (GAZ., Abt. Rog. f. in, Nr. 6): cui
priuilegio . . . dominus Laurentius Jadre archiepiscopus, prior fratrum pre-
dicatorum, custos fratrum minorum de Jadra, abbas s. Grisogoni, comunitas
ciuitatis Jadre sigilla sna dependentia fecerunt apponi ad rei perpetuam
firmitatem (die Siegel verloren, nur fünf Schnüre erhalten). — A. 1229
(orig. Ib. f. III, Nr. 8, ed. Farlati III, 257) presens scriptum . . . sig^llo do-
mini . . . Spal. Archiep. ac sigillo magistri domns templi (de Aurana) ae
dictis (sicl) Stephani comitis Traguriensis ostenditur communitum. Für
kroat. und ung. Kapitel ^rdujhelji, A kOzjegyzSs^ Ab hiteles hel7ek7dff.
Das Buch ist mit Fleiß, aber ohne Kenntnis der neuen Literatur gearbeitet.
* S. darüber: Bruns, Unterschriften in der römischen Bechtsurkunde.
Kleinere Schriften 42; Kariowa, Römische Rechtsgeschichte 1,805.
" Der iudex examinator muß immer zu Zara das Siegel mit sich führen,
um sofort, wenn es notwendig ist, mit ihm beim Schließen des Testa-
mentes zur Hand zu sein (Stat. Jadr., 1. 3, c. 107).
Die dalmatinische Prifaknrkonde. 89
Stegein in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts auch ein-
fache Bürger ihre eigenhändigen Testamente.^ Es geschieht
momentan auch der weitere Schritt, daß solche einfache Privat-
Siegel neben den großen authentischen zur Bekräftigung des
Testamentes angehängt werden.'
Aber obgleich es nach dem vorher Gesagten scheint, daß
in Dalmatien am Ende des 13. Jahrhunderts keine Beschrän-
kung des Rechtes, ein Siegel zu fUhren, existierte und die
Mannigfaltigkeit der authentischen wie der privaten Siegel die
von Italien ttbertriffit, ja in dieser Beziehung an die Zustände
in Deutschland erinnert,^ so war dennoch die Verbreitung des
Siegels nur annähernd allgemein. So wird zum Beispiel das
Siegel der Stadt Spalato in älterer Zeit nicht erwähnt. In
Ermanglung eines Siegels entlehnt die städtische Gemeinde im
Jahre 1188 das Kapitelsiegel des heiligen Domnius.^ Umsonst
suchen wir auch die Siegel der einzelnen geistlichen Würden-
träger, wie wir sie zu Zara gefunden haben, in anderen Städten
Dalmatiens; die Siegel des Abtes von St. Grisogono, des Kustos
der Minoriten etc. von Zara scheinen die einzigen ihrer Art
in Dalmatien zu sein; sie waren weit bekannt und tätig in
den Angelegenheiten fremder Städte und Bürger;^ und die
zwei oben erwähnten Beispiele der Besiegelung des Testamentes
durch private Siegel werden kaum durch neue vermehrt werden
können.
* A. 1298 Zara (orig. GAZ. 8. Dom. 694): Ego Johannes Quali . . . notarius
. . . aicnt inneni scriptam mann propria ipsina Lampredii et sil^illatam
ano sigillo . . .
* A. 1280 Scardona. Testament des Ljabavac, Sohn des Bratodrai (im
Transsampt des Kapitels von Nona von 1402 im Kloster zu dibenik,
Nr. 16) : In cuias rei testimoniam et robar . . . muninimos cum sigillo
pendentis (siel) conaentns fratrum minornm de Jadra et cum sigillo
meo Glnbauci.
* Cf. Breßlan 584.
^ CSD. II, 193: ... quod antem hnios nosfcre ordinationis concordia . . .
firma stabilisqne permaneat . . . per commanem notarinm nostmm . . .
scribi et sigillo s. Domnii commaniri fecimos.
■ A. 1267 Trau (orig. ACT., Nr. 18 ed. Wenczel YIII, 188): presentem sen-
tenciam sig^Uis nostro (episcopi) nostriqne capituli . . . atqne commn-
nitatis Tragnrii nee non et domini archiepiscopi Jadre, abbatis s.
Crisogoni, cnstodts fratmm minomm et conaentns fratrnm predica-
toram de Jadria fierl fecimos communiri. S. auch oben Note 2.
90 VI. Abhuidlimg: t. gaf fUy.
Aas dem Gesagten ist jetzt auch die geltende Rechts-
anschauung üher das Siegel in den Eüstenstädten ziemlich
klar. Die Besiegelung ist neben der notariellen Beglaubigung
in keiner Art von Urkunden unumgängliches Erfordernis fUr
deren rechtliche Beweiskraft.^ Falls angewandt^ kann es in
fremden und eigenen Angelegenheiten beweiskräftig sein, eine
Anschauung, welche an den Unterschied^ den das deutsche
Recht zwischen Siegeln macht, erinnert.^ Aber auch der hohe
Wert des sigillum authenticum nach dem kanonischen Rechte
und seine Gleichwertigkeit mit der Notariatsurkunde war in
den Städten nicht unbekannt; die Beglaubigung des Notars
konnte im Notfalle durch das Siegel ersetzt werden.'
Die verhältnismäßig ausgedehnte Anwendung des Siegels
sowie die vollständig klaren Begriffe über seine Funktion sind
gewiß nicht Italien, sondern dem nördlichen Einflüsse über
Ungarn und Kroatien zu verdanken. Es beginnt also am
Anfange des 13. Jahrhunderts in Dalmatien, auf dieser
alten Grenze geistiger Strömungen, die Fühlung zweier schon
stark ausgeprägten Gattungen des Urkundenwesens.
Aber es blieb bei dieser leichten Berührung. Der Boden,
das Blut, die Verfassung und Lebensweise der dalmatinischen
Städte, seit Jahrhunderten mit Italien verschlungen, gemischt
oder wenigstens beeinflußt, gaben natürlich die schon an-
genommene italienische Urkunde für eine zwar aus derselben
Quelle entsprungene^ aber von feindlichen, den Munizipien
gefahrbringenden kroatischen Händen getragene Urkunde nicht
auf. Schon um dieselbe Zeit, als das Siegel etwas mehr ver-
breitet wurde, hört die Besiegelung der Urkunde der Magistrate
gänzlich auf. Auch die in der zweiten Hälfte des 12. Jahr-
hunderts häufig besiegelte bischöfliche Urkunde erhält schon
^ Eine Ausnahme bilden natürlich die ,litterae testimonialea' der Städte,
welche für den öffentlichen Glauben ihres Notars bei einer fremden
Kommune eintreten. Sie müssen, wiß es ausdrücklich in den Statuten
betont ist (Stat. Spal. vet. 1. 2, c. 13; Stat. Jadr. 1. 2, c. 38, 1. 2, c. 103;
Stat. Sib. 1. 2, c. 70, 1. 3, c. 46) das Siegel tragen.
* Schwabenspiegel (ed. 0 engler) 139; Breßlau 541, Posse 129.
' In einer Urkunde der Äbtissin des Klosters S. Maria (von 1228, orig. GAZ.,
s. Gris. XV, E. 6) zu Zara befiehlt, dieselbe: et quia ciuitas Jadre no-
tarium non habet, hanc testificationis cartulam sigillo meo imprimi . . .
Die dalmatinische PriTatiirkiinde. 91
im 13. Jahrhundert oft die einzige Beweiskraft durch die
öffentliche Hand.^ Im 14. Jahrhundert wird die Besiegelung
auch als Akzedens äußerst selten. Die deutsche, durch Ungarn
und Kroatien eingedrungene und später auch von den kroatisch-
ungarischen Königen gepflegte' Siegelurkunde lebte im 14. Jahr-
hundert nur verkümmert bei den Kapiteln von Zara, Nona,
Scardona, Trau, Spalato und im tieferen Lande bei dem Dom-
kapitel zu Knin sowie in den Rechtsgeschäften der kroatischen
Sippen weiter, stark von den Notariatsformeln angesteckt.
Diese — im Gegensatz zu dem städtischen Instrumente
sozusagen — kroatische Urkunde ist ein zweiter Ast, welcher
der einstigen dalmatinisch-kroatischen Urkunde entsprossen ist.
Er ist zwar nicht so stark wie der erste , das städtische
Instrument, aber ebenso durch den mittelbaren deutschen wie
jene durch den direkten italienischen Einfluß dem gemeinsamen
Stamme entlockt. Wie dorten der Zeugenbeweis der kroatisch-
dalmatinischen Urkunde durch das Zeugnis des öffentlichen
Notars vollständig verdrängt wurde, so geschah es hier durch
das Siegel.
In der Mitte des 13. Jahrhunderts taucht die erste Siegel-
urkunde eines glaubwürdigen Ortes, des Kapitels von Nona
auf, ganz in der Fassung der kroatischen und ungarischen
Kapitelurkunde, also von dem Einflüsse des nördlichen Typus
beherrscht' Sie liefert einen unumstößlichen Beweis für das
verhältnismäßig frühe Bestehen dieses glaubwürdigen Ortes,
nicht aber eine Kunde für die Zeit seines Entstehens. Denn
es ist anzunehmen, daß in dieser fast rein kroatischen Kommune
mit regen Beziehungen zu den kroatischen Stämmen sich diese
Institution schon früher entwickelt hatte,^ besonders, da sie,
^ A. 1222 Zara. Schenkang des Erzbischofs yon Zara an das Kloster Ro-
govo: quam nos ad maiorem eTidenciam per manum pablicam coram
prescriptis testibus in scriptis redigi precipimus ed. Farlati V, 73.
' A. 1383 erteilt die Königin Maria dem Domkapitel von Trau ein neues
Siegel (orig. ACT. Nr. 91 ed. Farlati IV, 393. Regest in Pavloyich,
Memorie di cose dalmate, p. 204). — Über die Beweiskraft der Urkunde
in Ungarn und Kroatien Hajnik, Okirati bizonyftis (TT.l^rtekez^sek VIII).
* A. 1258 Wenczel VII, 496. Cf. die Urkunde des Kapitels von Zagreb
(Agram) in Tkalöiö: Mon. episcopatus Zagrabiae I, Nr. 52.
* So behauptet Tkaldi<$, daß das Kapitel yon Zagreb schon seit seiner Stif-
tung (a. 1093) ein locus credibilis war (Mon. civit. Zagrabiae I, Einl.
92 Tl. AbhuidliiBg: ▼. Snfflay.
wie mir scheint^ in dem alten Gerichtswesen einige versteckte
Keime besaß ^ worauf zwei Urkunden des 12. Jahrhunderts
aus Zara und Spalato hinweisen.^
Im Laufe des 14. Jahrhunderts wird das Bestehen der
glaubwürdigen Orte längs der ganzen dalmatinischen Küste
durch Urkunden enthüllt; zuerst zu Scardona^' dann zu Trau
und am Ende desselben Jahrhunderts auch zu Spalato' und
Zara; zuletzt am Ende des 14. Jahrhunderts zu Knin.^ Beinahe
parallel also mit dem starken Notariatsinstitnte entwickelten
sich die glaubwürdigen Orte in den Städten Dalmatiens. In
dieser doppelten Entwicklung finden wir den Schlüssel zur
Aufklärung der auffallenden Tatsache, daß aus den Urkunden
der Notare die Rechtsgeschäfte der kroatischen Stämme schon
im 13. Jahrhundert gänzlich verschwinden und die außer-
städtischen Bewohner Dalmatiens nur in Leihverträgen und
Kontrakten vorkommen , wo ein Kontrahent ein Städter ist;
wogegen im 12. Jahrhundert noch zahlreiche Notariatsurkunden
über zavodi; ^upanengerichte etc. verfaßt wurden.^ Eis ist
die Institution der Kapitel^ welche den Notaren mit dem Be-
ginne des 13. Jahrhunderts in das Handwerk einzugreifen
anfängt und ihnen nach und nach alle Kunden aus der kroa-
p. CXX), obgleich man die erste Urkunde dieser Art erst a. 1228 vor-
findet (Mon. ep. Zagrabiae I, Vorwort, p. I, n. 1). Cf. ^rdnjhelyi o. e. 7öf.
1 CSD. II, Nr. 218 (KakuljevicS setst diese Urkunde in das Jahr 1191)
Spalato. Hier sind die Domherren von Spalato ,ad Labenam faciendnm
zavod ad distingnendas terras sancti Domnii' zugegen. Die Urkunde hat
auch formelle Merkmale der späteren Eapitelarkunde, wie die Bekannt-
gebung und die Datierung im Eschatokoll. — In der Karatinischen Ur-
kunde von 1194 (CSD. II, 230) fällt dem Kapitel eine Bolle im Schlichten
des Qrenzstreites zu: ... cum nos nempe Johannes Jadertine eccl. archi-
diaconus una cum archipresbitero . . . canonicis ... et capitulo Jadrensi
nee non . . . Damiano comite . . . multisque aliis ... in choro s. Ana-
stasie ad controuersias . . . resideremus.
* A. 1304 (ed. Luc. IV, c. 10, p. 202; Farlati IV, 16 falsch unter 1284).
' Die erste mir bekannte Urkunde dieses Kapitels sind die ,littere testi-
moniales' über eine gewisse Schenkung des Adeligen Vlatiechus de Ver-
herka (Vrhreka) an seinen Adoptivsohn (orig. Staatsarchiv in Wien;
Cop. ACS.) von a. 1889, 24. Juni.
* Das erste mir bekannte Zeugnis darttber a. 1398 (Cod. dipl. €am. Teleki
de Sz^k I, 267).
» CSD. II, 172. 174. 221. 240. 241 etc.
Die dalnatiniBeh« Privatorlnind«. 93
tischen Bewohnerschaft raubt, welche^ den Städten immer mehr
entfremdet^ sich dieser im nördlichen Kroatien schon in voller
Blüte stehenden Institution^ gerne bedienen.
So berühren sich am Anfange des 14. Jahrhunderts,
durch verschiedenen kulturellen Einfluß entstanden und von dem
ethnographischen Unterschiede erhalten, die beiden Institute: das
Notariat und der glaubwürdige Ort der Kapitel als Hauptträger
des Siegels in den Städten. Aber während das erste durch die
Institution der glaubwürdigen Orte nur an der eventuell noch
größeren Ausdehnung verhindert wurde oder darin eine Ver-
spätung erlitt,' so zeigte sich das Instrument der besiegelten
Urkunde gegenüber überlegen und aktiv, indem es ihr seine
präzisen Formeln aufdrängte. In der zweiten Hälfte des
14. Jahrhunderts sieht man aus den Kapitelurkunden von
Nona, daß sie vom Instrumente nicht unberührt geblieben sind.
Der Text der Urkunde ahmt die Fassung des Instrumentes
vollständig nach, nur das charakteristische Protokoll und die
Korroboration durch das Siegel verrät den nördlichen Ursprung
der Urkunde.' Einen voUständigen Sieg erringt das Notariat
nur in Zara, indem daselbst zu Ende des 14. Jahrhunderts die
Kapitelurkunde nebst der Bekräftigung des Siegels die Be-
glaubigung durch den Notar zuläßt.
Aber auch die außerstädtische rein kroatische Urkunde
mußte den Bestrebungen des Notariats nachgeben. Bis in die
Mitte des 14. Jahrhunderts drang dasselbe allerdings nur zur
Hälfle durch wie auch bei der Kapitelurkunde. In dieser Zeit
haben wir gewöhnlich eine gelungene Kombination der italieni-
schen urkundlichen Formalistik mit dem deutschen Beweis-
mittel; das Notariatsinstrument hat zwar den Text usurpiert,
weicht aber vor dem auf dem kroatischen Territorium allein ge-
* Cf. Tkal6id, Mon. civ. Zagr. I, p. CXX. Jerney, A magyar oraz. kÄpta-
lanok mint hitcles helyek tört^nete (Tört6n. TÄr II [1856], 35—129).
' Wie s. B. xa Bribir, wo erst a. 1348 der erste Notar erscheint.
' So der Kaufvertrag vor dem Kapitel von Nona a. 1384, 7. Febraar (orig.
OAZ. 8. Gris. XXII, 656): Nos capitulam nniuersum Nonensis ecclesie
Omnibus Christi fidelibns . . . presentem paginam inspecturis . . . harum
Serie volnmns peraenire, qnod accedens etc. — In cuins rei testimonium
. . . presentem paginam sigilll pendentis . . . fecimus manimine con-
firmari. Actum et datam None etc.
94 VI. AbhandliuK: ▼. dnffUf.
brauchten Siegel.^ Im 14. Jahrhundert finden wir zwar, z. B.
in einer Urkunde aus Bribir von 1348, die Unterschrift des
eigenen städtischen Notars, aber sonst blieb das Protokoll
der Siegelurkunde ^ und hält sich von den geliehenen oder be-
rufenen Notaren aus Scardona und auch von den kaiserlichen
Notaren im Dienste der Fürsten von Bribir unangetastet.
Nur die neue, im 13. Jahrhundert eben stärker auf-
kommende Urkunde in kroatischer Sprache hatte keinen An-
haltspunkt, um dem Instrumente zu widerstehen. Noch ganz
unselbständig, ganz abhängig von der lateinischen Urkunde als
Vorbild, mußte sie sich gänzlich jener Urkundenart anpassen,
welche gerade in lateinischer Sprache doch die herrschende
war. In Istrien, im kroatischen KUstenlande, auf den dalma-
tinischen Inseln und denen von Quamero, auch auf dem dal-
matinischen Eüstenrande ist es das Instrument in kroatischer
Sprache,' welches wir vom 13. Jahrhundert angefangen bis in
die Neuzeit antreffen; erst im tieferen Kroatien ist es die Siegel-
urkunde, welche ihr als Muster diente.^
' Ein schönes Beispiel dafür bietet die Urkande, worin die Brfider
Mathäus und Bartholomäus yon Gorbauia, ans einer yornehmen kroati-
schen Familie, ein Grundstück an zwei angesehene Bürger yon Zara (in
der Urkunde wird diese Stadt nicht genannt, aber man kennt diese
Bürger aus den gleichzeitigen zaratinischen Urkunden) verkaufen. Die
Urkunde ist im Texte vollständig dem zaratinischen Instrumente nach-
gebildet, mit allen Formeln wie Kaufformel, habere licere, Pertinens-
formel, Leistungrayersprechen etc. Doch das Protokoll fehlt, die Urkunde
fängt unmittelbar mit dem Texte an: Nos . . . confitemur per hoc preaens
scriptum . . . und schließt mit: ad cuius rei noticiam . . . sigillis cereis pen-
dentibus fratrura predicatorum de Jadra . . . ac sigillo mei supradicti co-
mitis Mathei . . . fecimus communiri (orig. QAZ. s. Domin. Nr. 2149, a. 1278).
' Z. B. die Schenkung an das Kloster von Bribir von a. 1348 (orig. im
Kloster zu Sibenik) trägt vor der Unterschrift des Notars die Formel:
in cuius rei certitudinem . . . presentes litteras feci (Matheus natus olim
Wlxe de Breberio) sfgillari sigillis dependentibus pro magori (sie!) fir-
mitate perpetua.
' Die Urkunde nennt sich selbst: instrument; s. Kukuljevid, Acta croat.
(Nr. 6, p. 41, a. 1325): I ja pop Jakov Kri£anid oblaSdu apoStolsku i
cesarske svetlosti notar, kako jesam ispisal v oditu formu oti initmmeni.
— In Dalmatien die erste Urkunde in kroatischer Sprache a. 1250,
I.Dez, in Pavle auf Brazza (Snrmin, Acta croat. I, Nr. 4. Mon. slav.
mer. vol. VI). S. weiter.
^ Kukuljeviö, Acta croat. a. 1381, Nr. 11. 12 etc.
Di« dAlmatinisebe PriTaturknnde. 95
VI.
€friiiidsStze bei der Anfertigung der Notariatsinstrnmente.
Die Grandsätze, welche die Anfertigung des Instrumentes
in den Kttstenstädten Dalmatiens bestimmt haben, sind fast
dieselben^ welche wir in Italien antreffen. Sie sind von jenen
der vorangehenden dalmatinisch-kroatischen Urkunden nicht
grundverschieden und da die Umwälzung der kroatisch-dal-
matinischen Urkunde zum Instrumente nicht plötzlich eingetreten
ist, so wird die Untersuchung einen doppelten Gang nehmen:
wir knüpfen womöglich an die vorangehende Urkunde an und
vielleicht auch an die verwischten Spuren des römischen Rechts-
lebens in den Städten, und wir stellen hauptsächlich die Nach-
ahmungen der hierher einschlagenden Bestimmungen in den
Statuten Oberitaliens durch unsere städtischen Statute fest,
woraus sich die vielleicht vorhandenen Eigentümlichkeiten von
selbst ergeben werden.
11. Bogation.
Das Geschäft selbst begann in den Städten Dalmatiens
schon seit ältester Zeit mit der Rogation des Notars, beziehungs-
weise des Schreibers. In der überhaupt ältesten kroatischen
Urkunde (von 853) kommt in der Unterschrift des Schreibers
neben dem Befehl, welcher gewöhnlich die Rogation der hoch-
stehenden Personen vertritt, dennoch der Ausdruck rogatus
vor;* ein Beweis, daß diese Formel, hier nur mechanisch ent-
schlüpft, um diese Zeit vollständig geläufig war und somit allem
Anscheine nach direkt aus der gleichen Bemerkung der Ta-
bellionen stammt.' Mit dem Rückgange der dalmatinisch-kroa-
tischen Urkunde und dem zeitweisen Verschwinden der Unter-
schrift schwand natürlich die Erwähnung der Rogation, bis sie
mit dem neuen Aufleben der Urkunde zum Instrumente ein
wesentlicher Bestandteil und von den Notaren immer angeführt
wurde. Die Stelle der rogatio vertrat nur in der Gerichtsurkunde
ein richterliches praeceptum oder mandatum.
^ Doc. Nr. 2: Ego Martinas praesbiter capellanus praeceptione domini
mei dncis • . . rogatus scripsi . . .
* Cf. ÖBterley I, 84.
96 VI. AbbaadliinK: ▼. dnfflay.
Die Statuten der Küstenstädte enthalten über die Auf-
forderung des Notars und seine Päichten in diesem Falle Be-
Stimmungen^ welche meistenteils mit jenen der italienischen
Statuten übereinstimmen.
Ein gehörig rogierter Notar durfte unter großen Strafen
den Parteien sein officium nicht versagen, wie er dazu ja eidlich
verpflichtet war.^ Ebensowenig darf ihm jemand die Anfertigung
eines Instrumentes verbieten.' Natürlich daß diese Bestimmungen
nur die erlaubten Geschäfte betrafen. Die Ausfertigung des
Instrumentes über verbotene Geschäfte^ wie z. B. zu Zara über
die Veräußerung der unbeweglichen Güter an Klöster und
Geistliche, zog den Verlust des Amtes und Ehre des Notars
und auch des Examinators nach sich, falls er dem Instrumente
seine Unterschrift gegeben hatte. ^
Gleich bei der Rogation sollte der das Dokument auf-
nehmende Notar die Bezahlung von den Parteien erhalten. War
nun ein Dokument auf gehörige Weise in die Imbreviatur des
Notars eingetragen, so stritt eine Rechtsvermutung dafür, daß die
Bezahlung vollständig erfolgt sei.^ Das Honorar entrichteten die
Parteien direkt an den Notar. Dies geschah gewöhnlich auch
für die gerichtliche Urkunde,^ nur daß hier in unbestimmten
Fällen die Höhe der Taxe durch die städtische Obrigkeit be-
stimmt wurde.^ Die Taxe ist, wie auch in Italien, nach der
Ortssitte und nach dem Werte des Rechtsobjektes verschieden,
auch durch das persönliche Recht bedingt, indem gewöhnlich
die Taxe für Fremde aufs Doppelte erhöht wurde.^ In der Be-
^ Item statutum . . . qnod notarins, qui fuerit rogatus de aliqno contracta
teneatur uinculo sacramenti et pena et banno niginti soldonim ipaam
contractum ... in pablicam formam redacere asqae ad tres dies a die,
quo eilt rogatuB. Stat Spal. vet. c. 59. Cf. Stat. Bomae, 1. I, c. 34;
österley I, 231.
* Stat. Cath. c. 289, p. 160. > Stat. Jad. 1. 3, c. 14.
* Stat. Jadr. 1. 2. c. 90; Stat. Sib. 1. 3, c. 36; Stat. Trai l. 2, c. 103.
■ Stat. Spal. Tet. 1. 2, p. 52.
« Sut. Spal. Ib.; Stat. Trau a. 1347, 1. 1, c. 40; SUt. Budv. c. 80; Stat.
Cath. c. 47 ; Stat. yon Poljice (ed. Jagic, Mon. bist. inr. slav. mer. vol. 4,
p. 56); cf. Stat. BeUani I, c. 72; Stat. Padaae 1. 3, rab. 5, c. 20; Öster-
ley I, 234.
' Diese Bestimmnngen am volUtändigsten im Stat. Spal. p. 53. Cf. Stat
Cans. c. 114 nnd die vorangehende Note.
IM« dalnatinitelie PriTatarkimde. 97
Stimmung der Taxe für Testamente findet sich noch ein milder
Zngy der Übrigens schon in weit umfassenderer Weise im Ge-
setase Lothars anzutreffen ist, indem sie für die Armen stark
erniedrigt wurde. ^
12. Imbreviatur.
E^ ist sehr wahrscheinlich, daß die Notare der ältesten
Zeit zu Zara, wo der Anschluß an die römischen Tabellionen
in mehreren Punkten fast gewiß erscheint, über die Rechts-
geschäfte zunächst Entwürfe, ,sciiedae^ anfertigten. Der Vorgang
allein, daß noch am Ende des 11. Jahrhunderts wichtige Ur-
kunden den Parteien verlesen wurden und von ihnen gebilligt
sein mußten, was den römischen Vorschriften für die Tabellionen'
entspricht, weist schon auf die Anfertigung eines Konzeptes.^
Bei gewöhnlichen Eontrakten mochte ein Bedürfnis dazu aller-
dings weniger vorliegen.
Aber erst nach der Ausbildung des Notariats und des
Instrumentes griff man in allen Städten Dalmatiens nach ita-
lienischem Muster zur Anfertigung und Bewahrung des Kon-
zeptes der Urkunde, um sich dadurch die Möglichkeit zu
sichern^ zu jeder Zeit in den Besitz des etwa verlorenen oder
zerstörten Beweismittels zu gelangen^ und auch ein sicheres
Kriterium für die Fälschung zu gewinnen.^
Die Zeit der Ausbildung des Rechtsbrauches in Dalmatien,
wonach jeder Notar gehalten war, ein Register — in den meisten
^ Stat. 8pal. p. 63: et qnod nallus notarius . . . aadeat de aliqao testa-
mento pro sua mercede recipere, si diues faerit testator altra tres grossos,
si . . . paaper . . . quataor soldos tantum. — Noch genaaer Stat. Jadr.
1. 2, c. 100; SUt. Sib. 1. 3, c. 44. Cf. Lib. Pap. Lothar! , c. 71 (M. G.
LL. IV, 552).
' Novel. 44 zu l. 17 (de fide instr. 4, 21); cf. Spangenberg, Lehre vom
Urknndenbeweise 229; Bethmann-IIollweg III, 171; österley I, 33 f.
' A.1091 Doc. Nr. 128: Et post tradita coram bis testibas lecta et sigillo
dicti priorifl signata: Johannes iudicator testis ... et alii quam plures
collaadantes et confirmantes. — Über das Diktamen der kroatischen
königlichen Kanzlei s. Radki, Hrr. dvor. kancelarija, Rad 35, p. 47 ff.
* Cf. österley I, 266; Voltelini, 1. c. p. XXVI.
* Stat Gath. e. 290: ordinamos et volamiu, ut qaaliscumque carta notarii
a tempore diaconi Micke Gige non inveniretur in catastico pro falsa
et irrita habeaiar, cf. o. 814.
SiUnogaber. d. phil.-bist. Kl. CXLVII« Bd. 6. Abb. 7
98 Tl. AbhaDdlmig: r. daffUy.
Statuten quaternus inbreviatnraram (abreviaturarum) genannt^
— zu führen, in welches er die Konzepte der Instrumente
einzutragen hatte, ist nur annähernd genau zu bestimmen. Das
älteste erhaltene Notariatsimbreviaturbuch Dalmatiens rührt von
dem zaratinischen Notar Creste de Tarallo* her und beginnt
mit dem Jahre 1289.* Im 14. Jahrhundert mehren sich die er-
haltenen Register von Zara und bilden von 1335 eine ununter-
brochene und oft mehrfache Reihe.* Dazu treten auch solche
von Spalato, Cattaro und Curzola.^ Daß diese erhaltenen Erst-
linge nicht den Beginn des Rechtsbrauches selbst in den Städten
bezeichnen, kann man als gewiß annehmen. Schon die Sprech-
weise der Statute^ über die Imbreviaturen als etwas Selbst-
verständliches läßt auf eine längere Dauer des Brauches
schließen, als sie die Dokumente selbst bieten. Dazu kommt, daß
man zu Cattaro, welches, wie wir gesehen, dem italienischen
kaiserlichen Notariate und formelmäßigen Instrumente lange
Widerstand leistete, dennoch die ersten Spuren von Imbrevia-
turen schon um die Sechzigerjahre des 13. Jahrhunderts vor-
findet.'' Damit analog kann man mit Berücksichtigung der weit
^ Za Cattaro ersetzt diese Benennang das Wort ,catasticam'. Wie schon
seine Wurzel und die Tatsache, daß dieses Buch beim Gerichte auf-
bewahrt wurde (c. 294), bezeugt, scheint ,cata8ticuin' ursprünglich ein
Öffentliches Buch gewesen zu sein, in das man hauptsächlich zuerst nur
die Beurkundungen über Auflassung eintrug (wie in den Städten Deutsch-
lands; cf. Brunner, Grnndzüge der deutschen Rechtsgeschichte 180).
' Seine Unterschrift in den Urkunden lautet: Ego Creste de Tarallo Ja-
drensis notarius his interfui et rogatus . . . scripsi, compleui et roborani
(monogramma not.). Von 1287 — 1302 (orig. GAZ. s. Nicol. — Ib. s. Gria.
XVII. 393.)
' Sehr schlecht bewahrt bei dem Kreisgerichte zu Zara. Ed. Jelic, Vjestnik
kr. hrv. zem. arkiva I-III (a. 1899 — 1901). Es ist auf Papier geschrieben.
Aus der Ausgabe ist über seine Einrichtung gar wenig oder nichts sa
entnehmen.
^ Beim genannten Kreisgerichte sind von 1336—1401 die Register von
21 Notaren erhalten, die oft von zweien oder mehreren ^selbständig neben-
einander geführt werden.
^ Zu Spalato zuerst a. 1314, zu Cattaro a. 1326, zu Curzola 1394. Cf.
Jiret'ek, 1. c. 8.
« Stat. Spal. yet. l. 1, c. 60; Stat. Jadr. 1. 2, c. 89; Stat. Sib. 1. 8, c. 85.
' Ersichtlich aus dem Statute c. 290, p. 160: . . . ordinamus . . . ut qnalis-
cumque carta notarii a tempore diaconi Miche Gige non inTentretor in
Die dalmatinische Priratnrknnde. 99
g&nstigeren Verhältnisse der nördlicheren Eüstenstädte die An-
fänge der Imbreviaturen daselbst in den Beginn oder mindestens
in die Mitte des 13. Jahrhunderts versetzen. Somit erscheinen
die dalmatinischen Imbreviaturen als eine unmittelbare Folge
des Vordringens des Instrumentes und der allgemeinen Ver-
breitung der Imbreviaturen in Italien; welche hier seit dem
Ende des 12. Jahrhunderts beobachtet werden können.^ Dem
entspricht auch ihre Einrichtung; sie unterscheiden sich in
keinem Punkte von der Beschreibung, welche uns Voltelini
von den Südtiroler Notariatsimbreviaturen speziell und von
den italienischen im allgemeinen gibt.^
überall war besonders das Verzeichnis der Zeugen und
zu Spalato auch des Examinators bei der Anfertigung der Im-
breviatur betont.* Der Notar mußtO; bevor er den Parteien
das Instrument ausfolgte, die Imbreviatur ,in quaterno inbrevia-
turarum' anlegen. In den meisten Städten geschah diese Auf-
nahme direkt: der Notar soll zu den privatrechtlichen Verträgen
das Protokollbuch mitbringen und ohne vorherige Entwerfung
eines Konzeptes das für die Parteien bestimmte Dokument un-
mittelbar aufnehmen. Nur aus den Statuten von Zara und
Sebenico geht es hervor, daß hier vor der Eintragung des
Dokumentes in das Buch der Entwurf einer nota oder caedula
verlangt wurde.* In drei Tagen, zu Sebenico schon an dem-
catastico . . . also sar Zeit des Notars Micha Gige (1261 — 1279 orig.
AflA. — orig. Staatsarchiv in Wien) bestand schon ein Catasticam.
> Cf. Östcrley I, 259 ff.; Ficker, Beiträge I, 343 f.; Voltelini, 1. c. p. XXVII
and XXXIV.
* L. c. p. XXVII — XXIX, cf. Österley, a. a. O. — Ich gehe darauf nicht
weiter ein, da dies klar aas dem Vergleiche mit den von Je1i<S edierten
Imbreriaturen hervorgeht. Was die Kanzellatnr anbetrifft, deren An-
gabe bei 4er Edition (im Vjestnik a. a. O.) vollständig vernachlässigt
wurde, so geathah sie auch hier, und zwar aus denselben Gründen wie
in Italien, also weil die Eintragung aus irgend einem Grunde hinfallig
oder weil das Instrument fertiggestellt und ausgehändigt worden war.
" Stat. Spal. 1. 1, c. 60; Stat. Jadr. 1. 2, c. 89; Stat. Sib. 1. S, c. 35; vgl.
Stet. Caesen. 1. 1, c. 67; Österley I, 269, Nr. 13.
* Stat. Jadr. 1. 2, c. 89 . . . quod notarii Jadrae teneatur in continenti no-
tare . . . praeterea, si faerit sibi integraliter satisfactum, teneantur de
qnibus sunt rogatl ponere in quaterno inbreviaturarura in scriptis . . .
Quod si ipsi notarii infra tres dies . . . non posuerint tenorem instru-
mentorum Inbreniaturis . . . pro quolibet die suae negligentiae soluant
7*
100 VI. Ablutndlangi t. gnffUy.
selben Tage mußte dieselbe anter Geldstrafe in das Register
eingetragen werden. Die Imbreviatur and wahrscheinlich aach
die Nota maßte wie in Italien den Parteien vorgelesen and
von ihnen genehmigt werden.*
IB. Publikation und Neuausfertigung des Instrumentes.
Transsumpt.
Aas der Imbreviatur hat der Notar auf Verlangen der
Parteien das pablicum instramentum auszufertigen. Die Frist^
innerhalb welcher die redactio in pubiicam formam nach
geschehener Rogation erfolgen mußte ^ ist von den Statuten
der Eüstenstädte überall genau bestimmt. Sie variiert zwischen
drei Tagen und zwei Monaten sowohl für die Urkunde über
gerichtliche Akte, wie auch für solche über privatrechtliche
Verträge, da ein Unterschied in dieser Beziehung nirgends
erwähnt wird.' Die Nichtbeachtung dieser Bestimmung hatte
für den Notar eine Geldstrafe zur Folge^ es sei denn, derselbe
wäre darch Krankheit oder sonst in entschuldbarer Weise
verhindert.^
Wie in Italien so darfte zar Notariatsurkunde auch in
den Küstenstädten nur Pergament genommen werden. Diese
Verordnung der Städte Oberitaliens, welche in den Statuten
der dalmatinischen Städte zwar nicht wiederholt wurde, aber
in Anknüpfung an die alte dalmatinisch-kroatische Urkunde
selbstverständlich erschien, wurde in Dalmatien heiliger ge-
comuni . . . grossos sex. Gleiche Bestimmang im Stat. Sib. 1. S, c. 35. —
Das Wort caeduia wird in Zara immer im Gegensatz sn der solennen
Urkunde in den Inkanten gebraucht: caednlam breaiarii incantus in
manibus tenendo. Diese caeduia wird seit dem 14. Jahrhundert in dem
eine gerichtliche Versteigerung enthaltenden Instrumente wörtlich wieder-
holt (das erste Mal 1322, orig. s. Maria); cf. SUt. Payiae 1. 1, fol. 40,
1. 2, fol. 93 und Österley I, 263.
^ Stat. Spal. yet. 1. 1 , c. 60; Stat. Veron. 1. 1, c. 132; SUt. Parm. 1. 2,
fol. 93; Österley 1,269.
' Zu Spalato ist die Frist von drei Tagen gesetzt (1. 2, p. 63); su Zara,
Sebenico, Traii von einem Monat (Stat. Jadr. 1. 2, c. 93 ; Stat. Sib. 1. 3,
c. 37; Stat. Traii, 1. 2, c. 103); in den Reform, von 1847, 1. 1, c. 40 wird
zu Trau die Frist auf zwei Monate angeschoben.
' S. die eben zitierten Stellen aus den Statuten; cf. österlej I, 298 für
die Statute Oberitaliens.
Die dAlmaÜDiaehe PriT»tarkiind6. 101
halten als in Italien selbst; bis weit in die Nenzeit findet
man in den Städten kein Originalinstrament, das anf Papier
gescbrieben wäre.^
Das Pergament mnßte tadellos nnd in einer Weise be-
schrieben sein, die jeden Verdacht einer VerfUlschnng ausschloß.
Schon die verhältnismäßig wenigen Originalurkunden bis zu
Ende des 12. Jahrhunderts sind auf einem tadellosen Perga-
mente geschrieben;' aber wahrscheinlich half dazu hauptsächlich
die kurze Fassung der dalmatinisch-kroatischen Urkunde^ welche
eine nur geringe Oberfläche dieses Schreibmateriales bedurfte.
Ebenso gut, wenn nicht noch besser ist das Pergament der
noch formelarmen Instrumente des 13. Jahrhunderts. Im
14. Jahrhundert, als die Formeln stark anwuchsen und infolge-
dessen das Pergamentstück trotz der gedrängten Schreibweise
und Vermehrung der Abkürzungen drei- bis viermal größer
genommen werden mußte, konnte nicht so leicht tadelloses
Pergament beschafft werden. Wir finden in dieser Zeit ziemlich
viele Originalinstrumente, welche nur für die Sorgfalt der
Notare, nicht aber für die Tadellosigkeit des Pergamentes einen
Beweis liefern, indem jene den durch das ungeschickte Glätten
des Pergamentes entstandenen Löchern geschickt ausweichen.
Um nicht den Verdacht einer Fälschung zu erwecken,
werden in den Instrumenten Durchstreichungen und Korrekturen
vermieden. In den Urkunden von Zara, wo die besten Notare
aus Italien ihre Tätigkeit entfalteten, kommen wesentliche
Korrekturen fast nie vor. Auch die kleineren Verbesserungen
sind seit der Mitte des 13. Jahrhunderts sehr selten und wenn
sie vorkommen, so sind sie am Ende des Instrumentes vor
der Unterschrift des Notars vermerkt. Die Instrumente der
südlicheren Städte sind nicht so sauber; selten zwar kommen
Einschaltungen über der Linie vor, aber öfter die Punk-
tierungen^ welche das Wort für ungültig erklären. Am nach-
lässigsten sind die Notare zu Trau, wo sie in den Urkunden
das in Dalmatien ungewöhnliche Durchstreichen der Worte
zuweilen gebrauchen. Dennoch stehen auch solche Instrumente,
' Dagegen gestatten die Statuten von Parma (1. 1, fol. 93), Nicia (hist.
patr. Mon. II, p. 98) aus dem 13. Jahrhanderte den Gebranch des Papiers,
cf. Osterley I, 298.
' Für die kroatische königliche Kanzlei s. Badki, Had 36, p. 81 f.
102 Tl. AbfaaodlaDg: ▼. gafflay.
was die Sauberkeit anbelangt^ höher als die gleichzeitige kroa-
tische Privaturkunde, welche dem deutschen Urkundenwesen
nachgebildet ist.
Was endlich das Verhältnis der solennen Urkunde zur
Imbreviatur anbelangt, so ist natürlich das Instrument; wie auch
in Italien, ausführlicher, da die letztere sich häufig mit Ver-
weisung auf übereinstimmende Elemente des Protokolls voraus-
gehender Stücke begnügt, im Texte aber die zur Verwendung
kommenden Formeln nur andeutet und durch etc. verkürzt.
Diese Unvollständigkeiten durften beim Instrumente nicht
vorkommen. Dagegen waren, wie aus dem Vergleiche der
Imbreviaturen mit dem daraus veröffentlichten Instrumente
hervorgeht, wesentliche Änderungen, welche die Natur des
Rechtsgeschäftes betreffen, nicht gestattet, aber ZufÜgungen
für die Sicherung desselben dem Notare oder einem Rechts-
kundigen doch überlassen.^
Besondere Anordnungen sind in den Statuten für die
Neuausfertigung des Instrumentes enthalten. Auch ist das
Verhältnis der Imbreviatur zum neuausgefertigten Instrumente
ein anderes, je nachdem das Instrument aus eigenen oder
einem anderen Notare gehörenden Imbreviaturen ausgefertigt
werden sollte.
Jeder Notar ist berechtigt, aus seinen Imbreviaturen auf
Verlangen Instrumente neu auszufertigen, falls der Gegner keine
Einreden vorbringen kann. Besondere Vorsicht muß angewandt
werden, wenn die Gefahr einer fraudulosen Wiederklage bereits
gedeckter Schulden vorliegen könnte. Der Empfänger des
neuausgefertigten Instrumentes muß durch Eid versprechen,
daß er das erste Instrument, falls er es findet, dem Notare zur
Vernichtung übergeben werde, damit von einem Instrumente,
welches sich auf Schuld Verhältnisse bezieht, nicht mehrere
Exemplare zugleich bestehen.' Zu Cattaro soll der Bischof in
allen Kirchen den Verlust des Instrumentes verkündigen lassen
und durch die Drohung der Exkommunikation den Finder
^ Die Formel: instrnmentam meliorare ad laudum cuiaslibet sapientis . . .
kommt besonders in den dem Notare voi^elegten Protesten, die er in
publicam formam redigere sollte, vor. Für Italien cf. österley I, 269;
Voltelini, 1. c. p. XXVIII.
" 8tat. Spal. vet. 1. 2, c. 16,
Die dalmAtiniMhe PriTstnrlnind«. 103
znr Zarlickerstattong zwingen.^ Bei solchen Instrumenten
scheint jeder Hinweis auf die Nenansfertignng wie auch auf
die Imbreyiatnr zu fehlen; sie unterscheiden sich mit nichten
von den erstausgefertigten.
Anders ist es bei der Neuausfertigung oder auch nur
hei der ersten Ausfertigung einer solennen Urkunde aus den
Imbreviaturen eines fortgezogenen oder verstorbenen Notars,
welche, wie es scheint, verhältnismäßig sehr früh in Archiven,
wahrscheinlich beim Gerichte selbst hinterlegt wurden.^ Hierzu
bedurfte es einer speziellen richterlichen Ermächtigung. Mit
der Ausfertigung eines solchen Instrumentes wird von der Kurie
ein bewährter Notar betraut. Die auf diese Weise publizierten
Urkunden hatten dieselbe Gültigkeit und Beweiskraft^ als wenn
sie von dem Notare selbst, welcher die Imbreviatur aufgenommen
hatte, veröffentlicht wären,' unterscheiden sich aber von solchen
formell dadurch, daß die Imbreviatur mit allen Abkürzungen
genau so, wie sie im Protokolle zu finden war, abgeschrieben
wurde.*
Hier können wir noch wegen ihrer sehr nahen Verwandt-
schaft zur Neuausfertigung^ die Form der Transsumierung in
> Stat. Cath. c. 294, p. 162.
' Dafür spricht die Tatsache, daß sich eine große Menge der Notariats-
bücher ans dem 14. Jahrhundert erhalten hat. Dies läßt im allgemeinen
auf eine treffliche Vorsorge der Stadtgemeinde um die £rhaltung der
notariellen Akte schließen. Zu Cattaro scheint der Notar nicht einmal
seine eigenen Imbreviaturen aufbewahrt zu haben. Stat. Cath. c. 294:
(ut quicumque cartam . . . amlserit, sl recuperare eam voluerit, querat
licenciam aiudicibus, . . . ut ei catasticum concedant ... tunc iudices
dicant notario, ut respiciat in catastico) weist auf eine Auf bewahrung
der Imbreyiaturen bei der Curie. Für die Maßregeln zur Erhaltung
der Protokolle in Italien Österley I, 283—289; Pertile, Storia del di-
ritto ital. VI, 316 f.; Paoli L. 376. — Nur yermuten kann man, daß die
Imbreviaturen zu Zara auch den Erben überwiesen wurden, da hier
Öfters zwei Generationen der Notare anzutreffen sind. S. oben § 3.
' . . . et eztractum per alium tabellionem de imbreviaturis habeat ple-
nissimam firmitatem. Stat. Jadr. 1.2, c. 88; Stat. Sib. 1. 3, c. 34.
^ Ausdrücklich erwähnt nur im Stat. Cath. c. 294: . . . qui de yerbo ad
yerbum cartam ipsam rescribat nii addens yel minuens. Denselben
Brauch in anderen Städten bestätigen viele solche Urkunden zu Zara,
Spalato und Trau.
" Cf. Posse, Lehre 79.
104 VI. AbbMdliinf : ▼. huffUj.
Einzelabschriften and die wörtliche EinrUckung oder Insertion
in Dalmatien besprechen. Von den Kopialblichem war schon
früher die Rede (§ 5).
Bis zum 13. Jahrhundert besteht die Transsamiening
fast nur in der einfachen Abschrift und diese ist gewöhnlich
vom Empfänger der Urkunde hergestellt^ entbehrt also an sich
jeder rechtlichen Beweiskraft. Sie ist vom Originale, wenn uns
gerade die durch zeitliche Unterschiede hervorgerufenen paläo-
graphischen Merkmale nicht helfen, schwer zu unterscheiden;
denn die dalmatinisch-kroatische Urkunde besitzt überhaupt
keine scharfen äußeren Merkmale. Die Glaubwürdigkeit der
Abschrift ist verschieden; doch gehört das Urteil darüber in
das Gebiet der historischen Kritik. Nur muß es betont werden^
daß in der ältesten Zeit, besonders also im II. Jahrhundert
kein Teil der Urkunde von der Ungenauigkeit der Abschreiber
verschont blieb und wir also Abweichungen vom Original so-
wohl im Protokolle wie im Texte vorfinden.* Im 12. Jahr-
hundert sind diese einfachen Abschriften infolge des wachsenden
italienischen Einflusses schon weit genauer.
Im 13. Jahrhundert, also ein Jahrhundert später als in
Italien, aber auch wie dort durch die erhöhte Bedeutung des
Notariats hervorgerufen,^ kommen die beglaubigten Notariats-
kopien in den Städten Dalmatiens häufig vor. Nur zu Zara,
wo das Notariat schon etwas früher entwickelt war, tauchen
solche schon in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts auf.'
^ Ein schönes Beispiel für das oben Gesagte liefern zwei Urkunden Ton
1070 (ed. Doc. Nr. 61a älter, b jünger). Von der Urkunde sind je drei
Exemplare erhalten. Die Agramer Exemplare sind mit langobardischer
Schrift aus dem 11. Jahrhundert, die aus Zara mit derjenigen der Wende
des 12. Jahrhunderts geschrieben; somit ist ein Agramer Exemplar wahr-
scheinlich Original. Die Unterschiede innerer Merkmale weiter verfolgt
bei Raöki, Rad 36, p. 145 ff., wo er den Text der verschiedenen Re-
daktionen parallel bringt. S. auch Doc. Nr. 41, 42, 60, 61, 52.
* Breßlau I, 83 ; Paoli L. 838 ff.
> So trägt die Urkunde von 1107 (CSD. II, 14) folgende Klausel: Et ego
Johannes Jadertinus notarius, ut a quadam cartula pene consumta vidi,
neque addidi neque minul scripsi hoc. Die Entstehung^eit dieser Ab-
schrift ist zwischen 1164 und 1172 zu versetzen, da in diesem Zeiträume
Notar Johannes zu Zara tätig war (cf. Nr. 90, 121). Cf. für Spalato
Doc. Nr. 101.
Di« dAlmatinMeli« Privstiirkiind«. 105
Im 14. Jahrhundert ist die Herstellang solcher Kopien in den
Städten allgemein and sehr üblich.
Das Verhältnis der Notariatskopien zn dem Original ist,
wie zu erwarten, in Dalmatien genau dasselbe wie in Italien:^
ihre forensische Beweiskraft war dieselbe, wie man sie den
Originalen beimaß,' auf ihre Genauigkeit aber in der Wieder-
gabe des Originals hat man nicht allzugroßes Vertrauen zu
setzen. Ebenso sind die Formeln, welche der Abschrift voraus-
gehen oder sie schließen, dieselben wie bei den Notariats-
abschriften Italiens.^ Im 14. Jahrhundert wird die Abschrift
regelmäßig von noch zwei Notaren mit dem Originale ver-
glichen, welche dies in ihrer Unterschrift kundgeben.^ Falls
das Original ein Siegel besitzt, wird dasselbe immer genau von
dem abschreibenden Notar beschrieben.^ In den meisten Fällen
wird das Datum der Beglaubigung nicht angegeben;^ doch
sind auch genaue Angaben desselben nicht selten, besonders
im 13. und um die Mitte des 14. Jahrhunderts, zur Zeit der
Regierung Ludwigs des Großen.
Aber im Gegensatze zu den Originalurkunden, wo die
Siegelurkunde dem Andringen der Notariatsformeln öfters
erlag,^ zeigt sich im 14. Jahrhundert bei der notariellen Ab-
^ Cf. BreßUu I, 82 ff.; Paoli L. 338.
* Zum Überfloß wird diese bekannte Tatsache 'noch ausdrücklich bestätigt.
So sagt ein Erzbischof von Spalato im 14. Jahrhundert, daß die Kopien,
die der Notar Johannes in das Kopialbuch eingetragen hat, yor jedem
Gerichte dieselbe Gültigkeit haben wie die Originale selbst. Cf. Raöki,
Stari prepisi, Rad vol. 36, p. 143.
' Hoc est exemplum (copia) cuiusdam instrumenti, cuius tenor talis est.
Den Schluß bildet die Unterschrift des Notars, wo die Formel: ,nil ad-
dens yel minuens, quod sententiam mutet yel yariet intellectum, preter
forte punctum, literam aut syllabam per errorem' betont wird.
^ . . . diligenter et fideliter auscultaui et quia utromqne concordare inyeni,
nt eidem exemplo adhibeatur de cetero plena fides . . . subscripsi . . .
Über den Wert dieser Beteuerungen s. Paoli L. 339.
' S. Doc. Nr. 98, wo Raiki im Anhange die notarielle Beschreibung des
Siegels des kroatischen Königs Zyonimir gedruckt hat; dann die Be-
schreibung der Siegel der ungarischen KOnige in dem Transsumpte yon
1258 (cf. oben S. 88, N. 3) und in der Kopie (a. 1S2Ö) einer Urkunde
des Königs Bela yon 1242 (in ACT. Nr. 48).
* Cf. Breßlau 82, N. 4.
* S. oben S. 93 f.
106 VI. Abbsndlonr: ▼. SaffUy.
Schrift zuweilen ein nnverkonnbarer nördlicher Einfloß^ denn
es kommen sogar zu Zara Fälle vor, wo den Unterschriften
des abschreibenden oder der kollationierenden Notare ein
authentisches Siegel zugefügt wird,^ und zu Nona verdrängt
bei Abschrift des Instrumentes das Siegel gelegentlich gänzlich
die italienische Art der Beglaubigung.' Trotzdem sind dies
formell genommen noch fast reine Produkte des italienischen
Urkundenwesens, nur angehaucht von dem nördlichen diplo-
matischen Einflüsse. Derselbe erreicht aber einen anderen
Wirkungskreis in Dalmatien, auch was die Vervielfältigung
der Urkunde anbelangt, indem am Ende des 14. Jahrhunderts
die Abschriften der kroatischen Privatverträge durch Insertion
in der Eapitelurkunde der Städte auftauchen.
Somit ergeben sich für die dalmatinische Privaturkunde
folgende Formen der Transsumierung: im Zeitalter der dalma-
tinisch-kroatischen Urkunde ist die einfache Abschrift allein-
herrschend; parallel aber mit der weiteren Entwicklung dieser
Urkunde zum Instrumente in den Küstenstädten und zur
Siegelurkunde der kroatischen Bewohner Dalmatiens verwandelt
sich auch diese Form der Transsumierung in die beglaubigte
Notariatskopie, beziehungsweise in ein scriptum authen-
ticum, dem das Siegel eines Kapitels die nötige Gewähr für
die Glaubwürdigkeit verleiht.
14. Examinatores und auditores der Instrumente
in den Küstenstädten.
Wenn auch das Notariat sich in den Städten früh nach
dem italienischen Muster entwickelt hatte und bald auch einen
meistens aus italienischen Notaren bestehenden, verhältnismäßig
mächtigen Organismus bildete, so hatte es dennoch wegen der
immerhin noch unzureichenden Zahl der Notare nie den Höhe-
punkt der Entwicklung durch die Bildung von Kollegien erreicht.
^ So einem zweiten Transsumpte der oben erwähnten KOnigsarkande von
1166 (CSD. n, 70) in GAZ., Abt. Rogovo f. lU, Nr. 27 von a. 1346.
' So findet man in einem Kodex aas dem 17. Jahrhundert: Privileggi di
Nona fol. 14 — 18 (GAZ.) eine Abschrift der königlichen Urkunde (von
1272) von 1342, welche keine Unterschrift des Notars, aber an deren
Stelle die Ankündigping des Siegels der Kommune besitst.
Die dalBAtiiusche PriTatarlmnde 107
waren die dalmatiniBcheii Notare vieler Wohltaten, welche
tariatskorporationen den Notaren der italienischen Städte
namentlich aber des Schatzes gegen die Eingriffe jedes
gen fremden Notars beraubt.^ Als ein Ersatz für das
echt der italienischen Notare entstand in den Küsten-
1 in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts,^ also gerade
ginne des immer stärker werdenden Andranges fremder
scher Notare, ein neues Amt. Es sind das die examina-
zu Zara, Sebenico, Trau, Spalato etc. und die etwas
3n auditores in SUddalmatien zu Cattaro und Budva.
)er Dienst der ersteren dauerte wahrscheinlich überall
nzes Jahr.^ Die Zahl derselben ist nur im Statute von
festgesetzt; es waren ihrer sechs.^ Man kann daraus
ich aus den Unterschriften in den Urkunden selbst auf
»e Zahl der Examinatores in anderen Städten schließen,
ttaro sollten drei Auditores auf sechs Monate gewählt
A^ie aus dem Statute von Trau hervorgeht, war die Auf-
les Examinators, alle Instrumente, welche die beeideten
; der Stadt ausfertigten, zu examinieren, das heißt sie
einer in eine bestimmte Formel gefaßten Unterschrift
sehen. Instrumente anderer nicht beeideter Notare durfte
ter großer Geldstrafe nicht examinieren. Wurde aber
strument binnen einer gewissen Frist nicht examiniert
i dies mußte den Instrumenten nicht anerkannter und
ter Notare immer widerfahren — so war es ungültig.^
klar, daß durch dieses Amt die freie Ausübung des
nn in einer italienischen Stadt ein Notar, der nicht zur Korporation
lörte, Urkunden aufnahm, so hatten dieselben keinen Glauben; außer-
a wurde er deswegen bestraft. Stat Bonon. nib. 72, § 10; Stat. Tau-
i (bist. patr. mon. II, p. 603); cf. Österley I, 200.
r Unterschrift des Examinatora das erste Mal su Zara 1231, zu Trau
3, zu Spalato 1247, zu Sebenico 1243, zu Scardona 1311. Belege s.
in S. 57 f.
!S ist nur im Statut von Trai\ ausdrücklich erwähnt: quomm exami-
orum officium duret per unum annum (1. 1, c. 68, p. 18).
lern.
t. Cath. c. 9, p. 7.
t. Tra&, l. 1, c. 68; Beform. 1347, l. 1, c. 28, p. 80; cf. SUt. Jadr.
, c. 91, p. 27.
108 YI. AbhudlDiir: ▼. daffUy.
Notariats nicht nur beschränkt, sondern aasgeschlossen war.
Dadnrch ist auch die Annahme gerechtfertigt, daß der nrsprüng-
liche Dienst des Examinators nur in der mechanischen Ver-
richtung dieser Aufgabe bestand und sein Entstehen demselben
Sicherungsdrange gegen beliebige fremde Eingriffe zu verdanken
war, welcher in den italienischen Städten die Kollegien schuf.
In dem Amte des Examinators in den Kttstenstädten
treffen wir zum erstenmale eine Institution, welche allerdings
den in Italien waltenden Grundsätzen entsprossen war, praktisch
aber in der Ausbildung einen vollständig selbständigen Charakter
trägt und nur in den ,giudici a contratti' SUditaliens ein Gegen-
stück besitzt.^ Ein unansehnlicher Beamter des Kollegiums
der Notare Oberitaliens' ist in den Städten Dalmatiens durch
originale Initiative der Verwaltung zum Vertreter des offenbar
wichtigsten, oben erwähnten Zunftrechtes der Notare erhoben
worden. Er drückt durch seine Unterschrift auch formell dem
Instrumente ein eigentümliches Gepräge auf.
Aber zu der besagten ursprünglichen Aufgabe des Exa-
minators trat bald noch eine Dienstpflicht hinzu, welche die
erste lokal stark in Hintergrund drängte. Wie aus dem alten
Statute von Spalato hervorgeht, war die Anwesenheit des
Examinators beim Abschluß des Vertrages notwendig.^ Hierin
offenbart sich ohne Zweifel ein neuer charakteristischer Zug,
welcher dieses Amt dem etwas späteren Amte des südlichen
Auditors ganz nahe bringt. Wie zu Gattaro die Auditores
regelmäßig, so waren die Examinatores der nördlicheren Städte
gewöhnlich eine Art Vorsitzender beim Abschluß der Verträge.
Sie hatten darüber zu wachen, daß der Vertrag in gesetzlichen
Formen geschehe, daß kein Betrug unterlaufe.^ Als Hüter
^ Cf. Bussi, Paleografia 115.
' Beim Collegium zu Verona waren mehrere examinatorea angestellt, aber
ohne einen ähnlichen Dienst zu verrichten; Stat. Veron. 1. 1, c. 67 f.
' ... et antequam partes recedant, debeat (notarins) scribere in qaaterno
totum contractum ... et adminus cum presentia duomm testium et cum
examinatore; Stat. Spal. vet. 1. 1, c. 60.
* Item eligantur . . . aaditores cartaram notarii, quae (sie!) aadiant Chartas
a notario faclendas, ut in contractibns et inter contrahentes nalla frans
de cetero committatnr. Stat. Cath. c. 9, p. 7. Die aaditores bekamen
vom Notare ftlr ihre MQhe die Hftlfte der Taxe; tlber die Belohnung
der Examinatores kann ich nichts berichten.
Die dalmatiniMh« PriTatarknnde. 109
der Gesetze standen sie höher als die Notare selbst und darum
war ihrer Unterschrift der erste Platz angewiesen.^
Nnr zu Lesina bekam dieses Amt noch eine rein slawische
Färbnog, indem aus den Verrichtungen des Examinators,
welchem hier die Grenzbesichtigung, die Aufrechterhaltung und
Bewahmng der Servitutenrechte wie auch die Besitzergreifung
anvertraut wurde^' eine leichte Verknüpfung mit den Pflichten
des schon halbvergessenen altertümlichen kroatischen Pristay
dorchschimmert.
Bei der ursprünglichen Einfachheit und dennoch großen
Wichtigkeit dieses Amtes war zur Bekleidung der Stelle eines
Examinators zuerst nur eine schreibkundige' und angesehene
Person benötigt. Darum treffen wir in erster Zeit hauptsächlich
inr angesehene Bürger in diesem Amte: zu Zara aus den
''amilien de Ciuallellis, de Zadulinis, de Matafarro/ zu Traii
ie Ea2oti6i (Casioti); zu Spalato die Angehörigen der Familie
rrisogono, Srege etc. Die Pflicht jedoch, über die exakte und
3setzliche Beschaffenheit der Instrumente zu wachen, schuf
ne fernere Bedingung für die Ausübung des Amtes, den
esitz der nötigen Rechtskenntnisse. Darum vereinigte man
it dem 14. Jahrhundert in den oberen Eüstenstädten regel-
ißig den Titel eines iudex mit demjenigen des Examinators,^
oft sind rechtskundige Notare in beiden Amtern zugleich
Was Beats, Bechtssostand, p. 86, von dem Dienste der E^zaminatores be-
richtet, daß sie ,neben der Unterschrift der Urkunde auch das Siegel
gaben' ist natürlich unrichtig, denn die Erwähnung des Siegels des
Examinators in dem Statute von Zara (1. 3, c. 107) bezieht sich nur
luf daa Verschließen des Testamentes durch ein solches Siegel; cf.
>ben S. 88, Note 6.
»tat. Liesin. 1. 1; cf. Reutx 86. So wie ich mich erinnere, corroborierte
er Examinator auch su Lesina die Urkunden.
•in Richter z. B. brauchte nicht schreiben su kOnnen. Viele Fälle
ommen In den Gerichtsurkunden vor, wo an der Stelle eines Richters
cribere nescientis' sich ein Notar unterschreibt.
demselben Jahre 1285: Lampredius de Ciuallellis (orig. Begna, Nr. 8) ;
ranciacna Zadulinis (orig. s. Maria); Volcina de Matafarro (orig. GAZ.
Nie. Nr. 69).
erst zu Zara a. 1283 ein iudex examinator (orig. AsA.), cf. Stat. Jadr.
I, c. 107.
110 YI. AbhftndlQDg: ▼. äaffUy.
tätig. ^ Nur im fernen Süden zu Cattaro verblieb das Amt des
Auditors y trotzdem es dieselben Kenntnisse forderte^ in seiner
primitiven Beschaffenheit. In Budva behielt der Auditor seine
selbständige Position auch dann, als er eigentlich za einem
überflussigen Anhängsel des giudice, des Richters fUr Verträge
wurde, auf welchen eigentlich, wie der Titel selbst zeigt, die
aktive Rolle des Amtes überging.' Dennoch ist auch diese
Spaltung der ursprünglich einheitlichen Institution theoretisch
als eine Folge desselben Entwicklungsganges wie im Norden
aufzufassen, denn an die Stelle des vervollständigenden Titels
eines Richters zum Amte des Examinators in den oberen
Städten Dalmatiens tritt hier zum ,auditor' ein rechtskundiger
Kollege: ,giudice' zu, um dem Schließen des Vertrages offiziell
beizuwohnen. Waren aber die Vorgänge zur Erlangung eines
öffentlichen Instrumentes durch das Amt des Examinators
schon im Norden fast komplizierter geworden als in Italien,
so erwies sich diese ganz eigenartig gestaltete Institution von
Budva in der Praxis als schwerfällig, da das Erfordernis
der Anwesenheit zweier zur Beaufsichtigung der Instrumente
zugeteilter Beamten den schnellen Gang der Dinge gewiß
hinderte.
vn.
Geschäftsformeln.
Die folgenden Ausführungen sollen erstens als spezielle
Belege und Ergänzungen zu den in den vorigen Kapiteln auf-
gestellten allgemeinen Folgerungen dienen, dann den Höhe-
punkt der Entwicklung, zu welchem sich das dalmatinische
Instrument in seiner Blütezeit im 14. Jahrhundert nach und
nach emporgeschwungen hatte, sowie die rechtliche Bedeutung
der Formeln klarlegen. Sollte namentlich der letzteren Aufgabe
erschöpfend Genüge geleistet werden, so würde die Arbeit zu
stark anschwellen und dieser Abschnitt in keinem Verhältnis
^ So z. B. a. 1320 zu Zara (orig. GAZ. s. Gris. XVII, Nr. 394): Ego Johannes
Qaali iudex examinator manum niisi. Als Notar von 1291 — 1302.
' Che il nostro notaro non possa scriver nissuna carta senza giudice et
auditor, ma dehba scriyere in presentia loro et essi debbano sotto scri-
versi in ogni carta . . . Stat. Bud. c. 260. (Dies gilt vom 16. Jahrh. weiter.)
Di« drimatiniiiche PriTatarkimde. 111
zo anderen Teilen stehen. Dies and das Bestreben^ hier auch
dieselbe Methode der Untersuchnng wie in früheren Kapiteln
zn behalten, um womöglich an die dalmatinisch-kroatische
Urkunde anzuknüpfen, zwingen mich, eine Auswahl der be-
nrkandeten Rechtsgeschäfte zu treffen, bei deren Betrachtang
die oben gestellten Aufgaben gänzlich oder teilweise gelöst
werden können. Es sind dies der Eauf^ die Schenkung and
das Rechtsgeschäft auf Todesfall und die ihnen entsprechende
Kauf und Schenkungsurkunde^ sowie das Testament. Nur
diese drei Formulare entsprechen gewissermaßen den obigen
Forderungen, indem sie in der alten kroatisch-dalmatinischen
Urkunde fast ausschließlich vertreten sind und auch die zahl-
reichste Gruppe von Rechtsgeschäften der späteren Jahr-
hunderte bilden.^ Diese Rechtsgeschäfte sind noch in einer
Einsicht interessant, weil das erste, besonders aber seine Rechts-
lufzeichnuDg, dem Rechts- und Zeitgeiste, beziehungsweise den
erbesserten wirtschaftlichen Verhältnissen proportioneil zu-
immt, das zweite mit dem Rückgange des religiösen Sinnes
ad der schon öfter erwähnten Tendenz der Städte zur Be-
hränkung der Kirche abnimmt, das dritte endlich in der
leorie immer gleich notwendig erscheint.
Über die lateinische Sprache der dalmatinischen Privat-
kande wage ich nicht systematisch zu handeln. Stößt der
pJomatiker schon bei der Betrachtung des gallischen und
ienischen Lateins in den entsprechenden Urkunden auf große
1 Gierigkeiten wegen der unzureichenden Vorarbeiten,* so
fen sich hier die Hindemisse noch durch den weit kom-
ferteren Untergrund der lateinischen Sprache der dalmatini-
in Urkunde, denn außer dem Einflüsse des altromanischen
ias dem 18. Jahrhunderte sind xwar die Urkunden über LeihvertrXge
'erhältnismSßig am zahlreichsten erhalten (za Zara von 44 erhaltenen
Jrkanden im Zeiträume von 1200 — 1242 sind 11 Emphjtheusen , also
erade ein Yiertel), aber sie beginnen eben erst im 18 Jahrhundert. —
Vaa die Gerichtsurkonde anbetrifft, welche auch aus der ersten Periode
»is zom 13. Jahrhundert) erhalten ist, so muß sie aus dem oben er-
ahnten Omnde wegfallen, nämlich weil ihre Betrachtung zu große
imensionen annehmen würde, da außer den unerschöpflichen Formeln
s Rechtsg^anges die fortwährend in der Entwicklung begriffene Qe-
tht« Verfassung der Städte ausführlich behandelt werden müßte.
Sickel, licbre von den karolingischen Urkunden 141 ff.; Breßlau 562 ff.
112 Tl. Abhudluff: t. doffUy.
Dialektes^ und später der Mundart von Venedig, sogar in der
Nominal- und Verbalflexion, ist der Einfluß des Slawischen und
Griechischen auf den Wortschatz der lateinischen Urkunde
nicht zu bestreiten.' Auch ist die absichtliche Nachahmung
der italienischen Muster in der Schreibweise schon in der
ältesten Zeit zu bemerken, indem dazu gelegentlich die Über-
einstimmung des Altromanischen mit dem italienischen Vulgär-
latein Vorschub leistete.'
Das Gesagte gilt besonders fUr die älteste Urkunde bis
in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts, also bis zur Ein-
führung des Notariats; denn wie überall hatten die geistlichen
Schreiber dieser Periode ziemliche Kenntnis der lateinischen
Schriftsprache und trachteten dieselbe so gut wie möglich
anzuwenden; wie überall entstehen hier sogenannte Kompromiß-
texte ,^ nur sind sie von zwei Vulgärsprachen bedingt. Mit
der Begründung des Notariats in den Städten taucht in den
Urkunden dieselbe lateinische Schriftsprache auf, wie sie eben in
dem italienischen Notariatsinstrumente die Herrschaft gewonnen
hatte ,^ nur selten von einem oder dem andern der früheren
sprachlichen Einflüsse bedingt.^ Aber reichlichen Ersatz ffelr
^ Darüber Ive: L'antico dlaletto di Yegla (Arch. glottolog^co ital. IX,
129 ff.) ; Bartoli, Über eine Studienreise zur Erforschung des Altromani -
sehen (Anzeiger der kais. Akademie, Sitzungsber. 1899, 160 ff.); Jiredek,
Romanen (Denkschriften, vol. 48. 78 ff.).
' Cf. die ausgezeichneten Bemerkungen yon Jiredek, 1. c. 80—93.
' A. 1044, Doc. Nr. 38: Ego Crisana diaconus rogatus scripslt et com-
pleui. Hier kommt das ,t' durch umgekehrte Schreibung an unrichtige
Stelle, indem es der ersten Person perfecti angehängt wird. Diese
Schreibweise ist gewiß der italienischen Urkunde entnommen, wo seit
der ältesten Zeit solche Fälle zahlreich vorkommen (cf. Breßlan 566).
Zu dieser Schreibweise half aber natürlich der Umstand, daß das flezive
,t* im Altromanischen wie im Italienischen nicht mehr gehört wurde.
(Für das Altrom. ist das von Jire^ek p. 80 angeführte Perfekt fechi = fecit
beweisend; für Ital. s. Gröber in Archiv für lat. Lexikographie I, 211 f.;
Geyer, Beiträge zur Kenntnis des gall. Latein ebd. II, 42.) — Für die
umgekehrte Schreibung des ,h' bieten die ältesten Urkunden schon Bei-
spiele: Doc. Nr. 20, a. c. 996 hemptf piscationis munus; Nr. 127, a. 1090
Post hec habii ad . . .; cf. auch die älteste mittelalterliche Inschrift
Dalmatiens in CSD. I, Natpisi Nr. 1 (a. 680).
* Breßlau 661. « Cf. Breßlau 677 f., Paoli L. 128.
' Außer den Eigen-, Orts- und Flurennamen (cf. Jiredek, p. 66 ff.) bilden eine
auffallende Ausnahme darin die slawischen Wörter, welche das Flächen-
Die dftlmatiniifthe Privat vknnd«. 113
den verlorenen Elinflaß auf die frühere dalmatinisch-kroatische
Urkunde findet der altromanische Dialekt in den eigenhändigen
Testamenten yon Zara und Ragasa^ nnd das Kroatische wird
vom 13. Jahrhundert angefangen als Urkundensprache auf der
östlichen Küste so üblich, daß es sich auch in dieser Beziehung
mit jeder nationalen Volgärsprache messen kann.'
16. Kaofürkunde.
Die Kaufurkunde bietet für die Zwecke, welche wir
verfolgen, das reichhaltigste Material, denn erstens können
vir die Entwicklung ihres Formulars früh schon verfolgen,
lann am besten das allmähliche Eindringen und Wachsen
ieler in Italien ausgebildeter Formeln beobachten, indem
}lche Urkunden seit dem 13. Jahrhundert sehr zahlreich
'halten sind. Die interessanten Einzelheiten in rechtlicher
id diplomatischer Hinsicht, welche dieselbe besitzt, werden
1 Laufe der Betrachtung dieser Urkunde von selbst ins
Qge springen.
Das slawische Recht kannte gleich dem germanischen
n Kauf nur als Naturalvertrag. Dieser Rechtsauffassung,
nach der Kauf lediglich in dem unmittelbaren Umtausche
) Ware und Geld bestand,' entsprach auch, wie oben
maß bezeichnen, wie die gognai za Zara, die vreteni zu Trau, die
auch in die Statuten aufgenommen worden sind (s. unten S. 118f.); weiter
die Bezeichnungen in der Beschreibung der Grenzen wie potoch (a. 1296
Zara, orig. 8 Maria), ograda, sassada (a. 1292 Zara, orig. GAZ. s. Dom. 692)
und des Erdbodens wie derrum siue nerezina (1307 Nona orig. AsA.),
^arsum, ^ains, gomilla (in vielen Urkunden des 14. Jahrhunderts von
^ara). — Auf eine interessante kulturelle Strömung weist die Bezeich-
lung- des HOrigen mit dem ungarischen iobagio in den Urkunden von
^ara (so z. B. a. 1268 orig. GAZ. s. Gris. I, K. 6 iobagiones monasterii
. Grisog'oni de Jadra; 1292 orig. s. Maria, iobagiones Nicolai de Begna).
estamente von Ragusa von 1282 f.; Jireöek, 1. c. 8; auch unten § 17.
f. oben % 10; für das Italienische und Deutsche als Urkundensprache
Breßlau 600 ff.
ieser Rechtssatz wird ersichtlich aus dem Satze, der uns in der Auf-
hlungr der gekauften Grundstücke in der Schenkung Petrus Öme an
s Kloster zu Selo (neben Spalato) erhalten ist (Doc. Nr. 111, a. 1080,
132}; Fili , sine requirere prefatum molendinum .. . nam ego scio,
od pretimn exinde tulit et pretium dedit Cicle. Cf. Heusler, Insti>
Ionen ü, 235; Schröder, Rechtsgeschichte 62. 715.
n^slter. d. pbll.-hist. Kl. CXLYII. Bd. 6. Abh. 8
114 VI. AbbftndliiBg: t. SaffUy.
gezeigt worden ist, daß die Urkunde bei Kroaten zuerst ohne
jede rechtliche Bedeutung war und die Rechtshandlung, falls
aufgezeichnet, nur die Form des jeder Beweiskraft entbehrenden
Aktes annehmen konnte. Indem aber mit der Zahlung des
Kaufpreises das Geschäft für den Verkäufer seine Bedeutung
verlor und nur im Interesse des Käufers es lag, ein dauerndes
Mittel zu besitzen, um das Gedächtnis der Erwerbung des
Kaufobjektes und der zugezogenen Zeugen aufrecht zu erhalten,
so ist es natürlich, daß diese Akte von den Käufern verfaßt
wurden und somit das ,emi^ desselben und nicht das ,vendidi'
des Verkäufers in ihnen betont wird.^ So stark war der
Einfluß des Aktes auf die dalmatinische Kaufurkunde, daß
sich das ,emi' auch zur Zeit der Neubelebung der städtischen
Urkunde erhielt und am Anfange des 13. Jahrhunderts, trotz
des Einflusses der italienischen Urkunden typen, noch ein Breve
zu Spalato auftaucht, welches nur des emere des Käufers
gedenkt.^ Auch die Kaufurkunde von Zara konnte in dieser
Hinsicht von diesem Einflüsse nicht freibleiben.
Hier zu Zara wirkte die slawische Rechtsauffassung nicht
sofort vernichtend auf die Beurkundung des Kaufgeschäftes,
ja es ist sogar eine Gegenwirkung fühlbar, indem die Kauf-
urkunde auch von den benachbarten Kroaten zuweilen an-
gewandt wird. Obgleich die ersten Exemplare der zaratinischen
Kaufurkunde erst im 11. Jahrhundert erscheinen,' so weist
dieselbe doch noch ziemlich tiefe Spuren der Anknüpfung an
die spätrömische Verkaufsurkunde auf, welcher aber auch der
Einfluß der oberitalienischen carta venditionis und die Nähe
des kroatischen Aktes ein eigentümliches Aussehen verleiht.
Im Anschluß an die spätrömische ^ umfaßt die zaratinische
Urkunde verwitterte Fragmente der Formeln für das habere
Heere und für die Quittung des Kaufpreises, deren Hervorgehen
aus der spätrömischen Urkunde die Annäherung an die roma-
gnolische Urkunde und die Position der Quittung, welche der
^ Doc. Nr. 111 über 30 Beispiele.
> Spalato 1206 (orig. ACS. XVI, 1. 173) In Christi nomine. Anno . . . Ego
quidem Nicola Casari emi in Brazza de Dobrona ... III eoram petias . . .
(Notar Sabatius).
» Nur Ewei Urkunden Doc. Nr. 62 (a. 1070), 84 (a. c. 1070).
* Earlowa, Rom. Recbtsgeschiohte I, 997.
Di« dalnutiaiMlie PnTatttikiinde. 115
Eanfformel folgt^ bestätigt.^ Dagegen macht sie die subjektive
Fassung und die Abfassung vom Standpunkte des Verkäufers^
wonach das vendidi erscheint, der oberitalienischen Kaufurkunde
verwandt y^ und der Einfluß des Aktes ist in dem Fehlen des
EingangsprotokoUs zu bemerken. Indem sie nicht den Kauf-
vertrag beurkundet, sondern die Erfüllung des Kaufes selbst,
war sie im Grunde genommen nicht der slawischen Rechts-
auffassung entgegen.^ Daß sie dennoch bald verschwindet und
die ersten erhaltenen zaratinischen Kaufurkunden auch die
letzten ihrer Art sind, ist nicht direkt auf diese Rechtsauffassung,
sondern auf den Einfluß ihres Produktes, des Aktes zurück-
zuführen. Im 12. Jahrhundert ist die Kaufurkunde von Zara
schon stark im Banne des Aktes befangen; alle früher vor-
gefundenen Formeln hat sie abgeworfen^ sogar das vendidi
des Verkäufers hat eine Umwandlung in das comparaui oder
emi des Käufers erlitten.^
Das Notariat brachte am Ende des 12. Jahrhunderts die
Grundsätze der Glossatoren nach Dalmatien, wonach der Ab-
Schluß des Ejtufes in Übereinstimmung mit dem römischen
Rechte durch Konsens und schriftliche Urkunde in der Theorie
anerkannt wurde.^ Es ist dies eine Anschauung, welche dem
gewiß sehr üblichen Barkaufe gerade entgegentrat, indem sie
die Fertigung eines Instrumentes verlangte. Der schroffe
Gegensatz dieser Anschauungen spiegelt sich in den Statuten
wieder, welche den Vertrag, insbesonders aber den Kaufvertrag
als nichtig erklären, falls er nicht durch ein Instrument befestigt
^ Doc. Nr. 62: Ego Johannes, Chroatonim dad uendo possessionem ... pro XX
Bolidis iure perpetuo possidendam Nr. 84. Actam est hoc . . . suh-
qne notitia testiam ante qaorum presentia michi dedisti solidos cf.
Marini Nr. 115; aari solidos . . . per manus emptoris dati . . . testibns
presentibns cf. 117, 122.
« Cf. Cod. Longob. 162, 401; Voltelini, 1. c. p. LXVIII, n. 5.
' Wie auch die spätrOmische Urkunde der germanischen direkt entgegen
kam, indem sie auf die Manzipationsgeschäfte zurückgeht; cf. Bechmann,
Die Geschichte des Kaufes I, 199.
* CSD. II, 14. 16. 126.
* A. 1197, CSD. II, 249: quicquid venditur vel conceditar necesse habet
vinculo scripture annodari. Ac per hoc ego . . . fateor , cf. die Arengen
Nr. 222. 228. 249.
8*
116 VI. AbbaDdlimg : t. S n f f 1 a 7.
wurde.^ Er wurde aber durch die doch schon von früher
übliche Eaufurkunde wie durch den Umstand gemildert, daß
auch das Notariatsinstrument keineswegs zur Beurkundung des
Eaufkontraktes geworden ist, sondern die Erfüllung des Kaufes
bezeugen will.»
Die Ursachen, weswegen das Instrument im allgemeinen
und somit auch die Kaufurkunde lange noch subjektiv blieb
und einen archaischen Typus, welcher an die frühere nord-
italienische Carta anknüpft, behalten hatte, sind schon oben
besprochen worden.* Hier soll noch das Formular des dalma-
tinischen KauFinstrumentes mit besonderer Berücksichtigung
seiner Eigentümlichkeiten dem italienischen gegenüber be-
sprochen werden. Die einzelnen Formeln des dalmatinischen
Instrumentes, welche die mühsame Arbeit der Praktiker in
Italien durch Verbrämung einiger dem römischen Rechte ent-
nommenen Formeln mit der alten Carta venditionis schuf, auf
ihre Quellen, besonders insofern sie römisch sind, zurück-
zuführen, ist nicht unsere Aufgabe, sondern einer Geschichte
der Theorie des Notariatsinstrumentes an seinem Entstehungs-
gebiete selbst; wir müssen dieselben, wie auch den Zeitpunkt
ihrer Aufnahme einfach konstatieren. Nur dorten, wo das
dalmatinische Instrument sich aktiy erwies und die älteren
Notare eigenmächtig an einen untergehenden Urkundentjpus
anknüpften oder den einzelnen städtischen Statuten gemäß eine
Formel modifizierten oder sogar neu schufen, darf die Unter-
suchung eingehender sein.
Die Formeln der Kauflnstrumente, seien sie älter oder
moderner, subjektiv oder objektiv, kann man in drei Teile
teilen: a) der eigentliche Kaufvertrag, h) die Erfüllung des
Kaufes, c) die Formeln über die aus dem Kaufvertrage für
den Verkäufer fließenden Pflichten.*
o) Wie im italienischen Instrumente enthält der eigentliche
Kaufvertrag im dalmatinischen drei Momente: die Konsens-
erklärung der Kontrahenten, das Kaufobjekt und den Kaufpreis.
^ Stat. Spal. vet. 1. 2, c. 17; s. oben S. 86.
« Cf. Voltelini, 1. c. LXVIII f. • 8. § 8.
^ Ich folge hier hauptsächlich Voltelini, 1. c. p. LXXff.
Die daliiifttmisobe PriTttlnrkonde. 117
Indem das Instrument im 13. Jahrhundert subjektiv bleibt^
betont die Verkaufsform ei die Tätigkeit des Verkäufers
natürlich in subjektiver Fassung. Die Wendungen, die da
gebraucht werden, ihre Kombination mit der Schenkungsformei
und besonders die Aufnahme des tradere weist auf den direkten
Einfluß der longobardischen Kaufurkunde. Die Foimei lautet
regelmäßig: fateor (manifestum facio), quoniam do, (dono) trade
et vendo.^ Sobald das Instrument die objektive Fassung an-
nimmty lautet sie gewöhnlich: A vendidit, dedit et tradidit B,
wo das Wort tradere ohne Rücksicht darauf, ob die Sache
beim Verkaufe zugegen war, gebraucht wurde.*
Zum Kauf Objekte, als welches meistens unbewegliche
Sachen erscheinen, treten die Formeln, welche die Modalitäten
der Veräußerung bestimmen. Somit gehört hierher die Pertinenz-
formel, die Angabe des Flächenmaßes und der Angrenzer,
sowie eine eigentümliche Formel, welche ich als Schenkung
des möglichen Überrestes bezeichne. Die Sorge für die Aus-
schmückung dieser Formeln fällt zwar den Notaren zu, aber
das Vorkommen oder der Mangel dieser Formeln ist hauptsächlich
von den statutarischen Bestimmungen einzelner Städte bedingt.
Indem das Statut von Zara bei dem Verkaufe eines
Objektes ,cum robore et vigore', das heißt mit Übergabe aller auf
dasselbe sich beziehenden Instrumente und Qerichtsurkunden
einen Unterschied in Bezug auf die Währschaftsleistung macht, ^
so mußte dies ausdrücklich im Verkaufsinstrumente betont
werden tmd dazu war die Pertinenzformel besonders geeignet.
Darum ist in einem Instrumente über den Verkauf eines Grund-
stückes oder Hauses ,cum robore^ dieselbe immer anzutreffen.^
^ Za Nona auch: oonfiteor donasse; s. oben S. 78.
' Zur Streitfrage über die rechtliche Wirkang des Wortes tradere s. Bier-
mann, Traditio ficta 80 f.; Voltelini, 1. c. LXX.
* Nach dem Statute von Zara, 1. II, c. 104, braucht der Verkäufer, falls
er ,cum robore' verkauft, nicht ,excalumniare*, cf. Reutz 357. Das Statut
selbst erklärt nicht die Bedeutung der Worte ,cum roboreS Cf. die fol-
gende Note.
* So X. B. a. 1261 (orig. GAZ. s. Nie. 15): ... cum omnibus suis terminis
et pertineneiis suis, pratis, aquis atque cum omnibus suis cartis nouis
et yeteribus, suis sententiis et cum omni vigore et robore . . .;
a. 1274 (orig. Begna 5): . . . cum omnibus cartis suis et omnibus aliis ve-
teribns atque nouia ... et cum omni earum yigore ... — Daraus ergibt
118 YI. Abhandlung: t. dnffUj.
Aber eben deswegen war auch bei anderen Kaufverträgen, wo
die Übergabe der früheren Instrumente^ die sich auf das Objekt
bezogen, nicht erfolgte oder erfolgen konnte, eine entsprechende
Pertinenzformel notwendig, welche in der Anhäufung der Be-
standteile, die dem Dienste der Sache gewidmet waren, einen
Ersatz für die nicht zu gebrauchende Klausel: cum omni vigore
et robore fand.^ In dem Instrumente anderer Städte ist die
ausgebildete Pertinenzformel nicht häufig zu finden.
Ebenso verhält es sich mit den Angaben des Flächen-
maßes. Um die Mitte des 13. Jahrhunderts nämlich ent-
standen zu Zara und Trau Statuten, welche diese Angabe in
den Kaufinstrumenten befahlen, indem sie nur in diesem Falle
den Verkäufer zur Haftung wegen des Versprechens der Währ-
schaftsleistung zwangen.* Im Gegensatze zu dem gleichzeitigen
italienischen Kaufinstrumente, wo diese Angaben fast schon
verschwunden waren,' und zu den Instrumenten anderer Städte,
wo sie nie üblich wurden, erscheint deshalb von der Mitte
des 13. Jahrhundert in den Kaufurkunden von Zara regelmäßig
die Angabe des Flächenmaßes in slawischen gognai,^ zu Trau
sich die Deutung für den rätselhaften Verkauf ,cum robore ei vigore'
in dem Statute von Zara.
^ Sie lautet in der üblichen Fassung: (cum omni longitudine sna), cum
Omnibus suis certis terminis, pertinenciis, confinibus et habenciis ipsi
... tarn Bubter terram quam supra terram in integrum pertinentibos
uel que pertinere possint (cum omnibus iurisdictionibus, racionibus et
iuribus suis).
' Stat. Jad. 1. 3, c. 46: ... quod carta venditionis seu permutatio . . . spe-
cialem faciat mentionem narrando gognay vel quot seu de qnantis
paribus bovum fuerit possessio . . . quod si factum fuerit, teneatur ille
qui possessionem tradidit . . . possessionem defensare et ezcalumniare etc.
— Stat. Tra{i 1. 3, c. 53: quod quicumque . . . agrum vel vineam com-
parauerit, eum vel eam ad numerum vretenornm debeat comparare;
qui autem de vretenis non fecerit mentionem . . . tuno venditor non
teneatur eam excalumniare.
• Voltelini,' 1. c. p. LXXII.
^ Über dieses Maß berichtet Stat. Jad. 1. 3, c. 144: quod omnes gogtiay
sint uiginti passus per longnm et totidom per amplum ad mensuram
illius passus, qui signatus est in porta ecclesiae ft. Petri sitnatae in platea
civitatis Jadrensis. — A. 1258 (orig. s. Maria) : manifestum facimus . . .,
quoniam damus donamus atque transactamus . . . totam . . . vineam . . .
que est circa sex gognaoi.
Die dataulinisobe FrlT»iiirkiiiide. 119
diejenige der ebenfalls slawischen vreteni.^ Dagegen werden
in Kaafinstromenten aller Städte die Nachbarn immer auf-
gezählt
Zar Angabe des Flächenmaßes tritt in den Verkaufs-
instrumenten von Zara und Trau regelmäßig die Schenkung
des möglichen Überrestes^ eine Formel, welche die An-
fechtung wegen der nicht genauen Angabe der Fläche ver-
hindert. Sie lautet in der kürzesten Fassung: et si plus vel
minus est, tu um sit; in der längsten, welche im 14. Jahrhundert
üblich ist: et si pluris quantitatis reperietur, illud plus et etiam
totum id, quod est intra siue extra. . sit tuum et intelligatur
esse uenditum precio infrascripto. Es ist dies eine Formel,
welche unmittelbar aus der longobardischen Carta hergeleitet
werden kann, da sie sich in dem gleichzeitigen italienischen
Instrumente nicht vorfindet; oder aber von der Schenkung des
Uberwertes der italienischen Instrumente im Anhange zur
Quittung, die in die Instrumente einiger Küstenstädte, wo die
Angabe des Flächenmaßes nicht üblich war, zum Ersatz der
oben genannten Formel überging, zu Zara und Trau aber in
der Regel fehlt. Eine vollständig analoge Formel mit derselben
Position ist ja in der älteren longobardischen Carta zu finden'
und von ihren Wendungen und Anspielungen auf den Kaufpreis
konnte auch die Formel des Uberwertes in den italienischen
Notariatsinstrumenten herrühren.'
^ A^1259 (orig. ACT. ed. FarUti IV, 346 ; Wenczel XI, 469) . . . renanciantes
omni exceptioni . . . pro eo quod non facta est mentio de uretenis,
quia ipsa terra nee aageri nee minui potest. — Eben aas diesem Ver-
zichte kann man entnehmen, daß das oben zitierte Statut schon zu
dieser Zeit bestand. — Das Statut enthält keine weiteren Bemerkungen
über die Beschaffenheit des Maßes vreten; wie aus den Urkunden her«
▼orgeht, wird es ebenso wie gognai (gonjaj) auf passns geteilt.
' et si amplius inibi de decem novem inges inreneritis, quod mihi per-
tineat, per hanc cartolam in yestro deveniat potestatem Cod. Longob.
Nr. 120 (a. 835), s. die folgende Note.
* Cod. Longob. 661 (a. 962): et si amplius inventum fuerit in suprascripta
▼ieo et fundo de meo iure pro suprascripto precio . . . permaned.
Die Formel ist an das Kaufobjekt noch angeschmiegt, aber die An-
spielung an den Kaufpreis schon bemerkbar. Da aber die Angabe des
FlXchenmaßes in den älteren Instrumenten immer seltener wird (Yolte-
lini, l. c. p. LXXII), so ist natürlich, daß sich diese Formel nicht mehr
an sie anknüpfte, sondern an den iipmer notwendig au erwähnenden
120 YI. AbbMidluig: t. SaffUf.
Der Kaufpreis wird schon in den ältesten kroatischen
Akten und Notizen mit dem Ausdrucke ^pro fine^ begleitet.^
Derselbe oder ein ähnlicher Ausdruck wiederholt sich in den
südlichen Urkunden der Übergangszeit zum Instrumente in
der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts und taucht jetzt auch
in der Urkunde von Zara auf: per finem, in prefinitum.' Auch
ist die rein longobardische Form: iinitum pretium in einer
Urkunde von Spalato vom Jahre 1214 zu finden.^ Diese
Urkunde ist zugleich eine der letzten, worin noch dieser Aus-
druck gebraucht wird.
Es ist klar, daß diese Bezeichnung des Kaufpreises in
der longobardischen Carta^ leicht Aufnahme in dem sich heraus-
bildenden Instrumente von Zara fand. Im Süden hält sie sich
noch eine Zeit im Anschlüsse an die dalmatinisch-kroatische
Urkunde, in der sie aber nicht nur als aus der langobardischeu
Carta vermittelt, sondern auch als spätrömischer Überrest
gelten kann.^
b) An den Kaufpreis schließt sich im Kaufinstrumente
die Quittungsformel an. Über die Quittung der kroatisch-
dalmatinischen Kaufurkunde, die sich nur in zwei zaratinischen
Exemplaren vorfindet, ist oben berichtet worden. Die Quittungs-
formel der frühesten dalmatinischen Instrumente enthält die
einfache Erklärung, den Kaufpreis empfangen zu haben: quas
(libras) michi dedisti et integre persoluisti. Aber fast zu
gleicher Zeit sind in dem objektiven Instrumente der südlichen
Städte seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts dieselben
Wendungen aus den römischen Kechtsquellen wie im italieni-
Kaafpreis und dann an die Quittung darüber. Diesen Wechsel der Po-
sition aber verursachte die Notwendigkeit dieser Formel, um gegen die
gefährliche laesio enormis des Kaisers Diokletian sn schfitsen. Cf.
Arndts § 307; Wiudscheid II, § 396; Yoltelini, p. LXXIU, n. 4. — Über
die Fassung der Formel der Schenkung des Überwertes in dem dalma-
tinischen Instrumente s. unten S. 121 f.
» Doc. Nr. 111 (a. 1080), 127.
' CSD. II, 215. In den italienischen Übersetzungen lautet er presEO d'ao-
cordo, II, 228.
' Orig. s. Maria zu Zara. * pretium finitum Cod. Longob. 4. 19. 37 etc.
' Im Corpus iuris Inst. 1. 3, t. 24 de empt. et vend. § 1 pretium defi-
nire, cf. Voltelini, p. LXXIL
Di« dalmfttaniMhe PriT»«arkiinde. 121
schein Instmmente sichtbar: fait confessus . . . accepisse et ab
eo integre datom et numeratum esse.^ Doch unterscheidet
sich auch diese Formel von der italienischen, indem ihr der
Verzicht auf die exceptio non numeratae peccuniae bis in das
14. Jahrhundert fehlt.' Erst seit dieser Zeit gebrauchen sie
die italienischen Notare in den meisten dalmatinischen Städten,'
indem sie dieselbe und später noch viele andere Verzicht-
leistungen^ der früheren schlichten Quittungsformel mechanisch
beifügten und die städtischen Kurien dessen nicht gewahr
wurden oder es zuließen, da sie diese den specifisch römischen
Verhältnissen entsprungene Einrede^ kaum begriffen.^ In Ver-
legenheit konnte man deswegen doch nicht kommen, denn im
schwierigsten Falle nahm man Zuflucht zu dem untrüglichen
Gerichtshofe von Bologna.''
Zur Quitiungsformel gesellt sich — regelmäßig in den
Fällen, wo die Formel der Schenkung des Überrestes fehlt, also
meistens in den Urkunden von Spalato, Lesina, Brazza — die
schon erwähnte Schenkung des Uberwertes.^ Sie lautet
gewöhnlich: et si de iamdicto precio plus yaleret^ id totum . .
pure, libere et simpliciter inter vivos donauit.^ Der direkte
^ Zuerst zu Spalato a. 1265 (orig. s. Maria).
* In Italien ist diese Formel schon in Instrumenten des 12. Jahrhunderts
zu finden; Yoltelini p. LXV.
' Vereinzelt taucht sie zu TraCi schon seit 1282 auf: quod precium totum
dicta venditrix uero confessa et manifesta fnit se . . . recepisse . . . datnm
et numeratum esse, renuncians exceptioni non numerate et non accepte
peccnnie et omni iuris auxilio (orig. Paravia zu Z.). — Zu Cattaro wegen
der Ktlrze des Instrumentes nicht erwähnt.
* Z. B. a. 1389, Zara (orig. Begna 69): exceptioni sibi non dati et non soluti
dicti precil, doli sine causa et in factum, et omni alii legum et iurium
auxilio, et omuibus statutia, prouisionibus . . . renuncians.
* Demburg II, § 87, n. 9; Yoltelini, p. LXVI. — Über die Bedeutung der
exceptio non numeratae peccuniae s. Windscheid, Pand. II, § 344;
Arndts § 262.
* Über die Einreden überhaupt wird in den dalmatinischen städtischen
Statuten wenig oder gar nichts gehandelt; ebenso wenig über die Wir-
kung der YerzichtleistUDgpen. Anders in den italienischen Statuten,
darüber Pertile lY, 690, n. 6.
' Cf. oben 8. 21, n 3.
* Oben 8. 1 19, n. 3.
* Das erste Mal, falls ich nichts übersehen habe, zu Spalato a. 1266 (orig.
8. Maria).
122 YI. Abhaadluf : t. dafflay.
Verzicht auf die laesio enormis^ welcher in späteren italienischen
Instramenten diese Formel vertritt,^ ist hier nicht zu finden.
c) Ans den römischen Urkunden und Rechtsquellen sind
die Pflichten^ welche dem Verkäufer aus dem Kaufverträge
erwachsen, in die Urkunde des Mittelalters übergegangen und
fanden hier einen ähnlichen Ausdruck.
Die Zusage wegen des habere licere, welche die Ver-
pflichtung des Verkäufers umfaßt, dem Käufer die dauernde
Herrschaft über die Sache zu gewähren,* ist in positiver Fassung
in die lombardische Carta übergegangen, wo in der Lombardei
und Romagna noch die Zusage des Eigentums hinzukommt.^
In dieser Fassung, welche das habere licere dem Käufer und
seinen Erben zusagen läßt, ist sie früh in das dalmatinische
Instrument übergegangen.^ Sich hauptsächlich an die roma-
gnoHsche Urkunde anlehnend und die einzelnen Momente in
rhetorischer Fülle aufzählend^ erhielt sie hier im Laufe des
13. Jahrhunderts feste Formen, die zwar in einzelnen Wen-
dungen lokal verschieden, in einer und derselben Stadt aber
dauernd gleich erscheinen.^
Die Betonung des Fehlens von Tatsachen, welche den
rechtlichen Qebrauch der gekauften Sache hindern konnte, wie
sie in den spätrömischen Urkunden üblich war,^ ist erst mit
» Voltelini, 1. c. p. LXXm.
* Eck, Die Verpflichtang des Verkäufers zur Gewährang des Eigentums 2 f.
° Cod. Longob. 1 17. 619.632 etc. F(ir Romagna: (ut a presenti die quieto tra-
mite habeas in dominium et potestatem habendi, tenendi, possidendi, yen-
dendi donandi,permutandi et innovandi et quicquid vobis placuerit faciendi)
Fantuzzi, Mon. Raven. 1, 112. IV, 170. 233 etc. Cf. Voltelini, p.LXX,n. 1.
* CSD. II, 229 (a. 1193) cf. 222. 228.
* Für das 13. Jahrhundert führe ich drei Fassungen dieser Formel, die
sich auch weiter erhielten, an. Zara: cum plena virtute et potestate a
modo in antea cum tuis heredibus et successoribus . . . habendi, tenendi,
gaudendi, possidendi, vendendi, donandi, pro anima et corpore iudicandi,
omnemque aliam tuam voluntatem et utilitatem ex eis libere faciendi
(a. 1279, orig. s. Nie. 62); Nona: liceat vobis . . . libere habere, per-
petuo possidere, heredibus et succ. derelinquere, colendi, gaudendi,
dandi etc. (1280, orig. s. Maria); Spalato: ad habendum, tenendum,
possidendum, vendendum, donandum et quicquid ex eis dicto N. eiusque
heredibus deinceps placuerit faciendum (1280, orig. Ib.).
* Voltelini p. LXXVI.
Die dalmAtinuehe Privalnrfciind«. 123
dem YollBtändigen Eindringen der Notariatsformel in Dalmatien
üblich geworden. Die Formel, welche die Versicherung gegen
vorhergegangene Verftußerung der Grundstücke enthält, taucht
um die Mitte des 13. Jahrhunderts zuerst zu Zara^ auf; und
sie findet sich, von den italienischen Notaren in den dalma-
tinischen Küstenstädten mechanisch beibehalten, auch noch
im 14. Jahrhundert, während sie um diese Zeit aus den
Instrumenten ihrer Heimat durch den Einfluß der Bologneser
Formelsammlungen schon gänzlich verdrängt war.^
Die Haftung wegen Eviktion im echt römischen Sinne'
ist von dem germanischen und speziell longobardischen Rechte,
das keine Stellvertretung kennt und den Verkäufer zwingt, in
den Eviktionsprozeß einzutreten und die Verteidigung zu über-
nehmen,^ zum Versprechen der Währschaftsleistung,
das ist zur Übernahme der Defension im Eviktionsprozesse
modifiziert worden. Aus der langobardischen Carta, wo sich
die Währschaftsklausel typisch entwickelt hatte ,^ drang sie
schon sehr früh in die zaratinische Kaufurkunde, wozu ihr
das ähnliche slawische Rechtsprinzip der Entwährung Vorschub
leistete.^ In den Wendungen, in welchen die Klausel das
erste und letzte Mal in der kroatisch-dalmatinischen Urkunde in
der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts anzutreffen ist, sind
aber auch vielleicht spätrömische Nachwirkungen verborgen.*^
^ nnlli alii . . . lit vendiU, donata, tradita . . . alio modo alienata nisi
qnod dicto emptori (a. 1247, orig. s. Maria; Notar Bennenatiu canonicus
Clagiensis).
» Voltelini, p. LXXVI.
* Cf. Windflcheid II, § 391; Eck, o. c. 20.
* Pertile IV, 259; SchrOder 753.
* Sie lautet: spondeo atque promitto me tibi ab omni homine defensare;
qnod 81 defendere non potuero aut contra hanc cartniam per qnonls
ingeninm agere . . . quesierimus, tunc restitnamus ipsis in dnblnm. Cod.
LoDgob. pass.
* Daß dieses Prinzip bei den Kroaten Kraft hatte, ist ersichtlich aus
Doc. Nr. 111, p. 12S: et ipse Miroslans anteposait se dicens: qaicumque a
modo nolnerit te de hoc requirere, ego me omnibns pro te anteponam.
^ hoc qnidem tenore, ut si aliquis meomm uel eztraneornm uobis hanc
terram me ninente (ed. inuente!) snbtrahere nolnerit, ego me antepo-
nam illam ad deffendam; qnod sie eam deffendere neqaiaero, promitto
me nestmm uobis reddere, nisi uestra michi aderit pietas, duplicatum
precium. Doc. Nr. 84, a. c. 1066 — 1076. Cf. vorangehende Note.
124 YLAbhandlmig: t. Safflay.
In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts taucht, an
die ähnliche Rechtssitte der Slawen anknüpfend, die Währ-
schaftsklausel in dem entstehenden Instrumente der Küsten-
Städte auf^ und erhält hier dieselbe rechtliche Bedeutung wie
in Italien.^ Nur ist sie nicht vollständig, denn es fehlt ihr bis
gegen das Ende des 13. Jahrhunderts jede Erwähnung der
Poena.^ Erst seit dem 14. Jahrhundert wird die Poena überall
regelmäßig erwähnt und zu Zara auf quartum precii^ anderswo
wie zu Lesina auf den dreifachen Wert der Sache ,^ am ge-
wöhnlichsten auf eine bestimmte Summe gestellt. Nur zuweilen
wird die durch den Einfluß der römischen Rechtsquellen ^ in
dem italienischen Instrumente schon lange übliche ,poena
dupli' erwähnt. In der Formel wird das defendere (defensare),
Vertretungsleisten und excalumniare (discalumniare) oder dis-
brigare, seltener expedire, das ist das Abwenden jedes impedi-
mentums, welches dem habere licere drohen kann, betont. In
demselben Sinne wird das guarentare zuweilen in den Urkunden
von Zara im 14. Jahrhundert gebraucht, meistens von den furlani-
sehen Notaren, welche das deutsche warentare an der Grenze
des romanischen und germanischen Elementes sich aneigneten.^
^ Zara CSD. II, 229, 249; Spalato, ib. 252, wo ein besonders interessanter
Fall des Versprechens der Währschaftsleistun^ in der italienischen Über-
setzung einer Permutation zwischen dem Kroaten Yukoj nnd dem
Kloster S. Stephane zu Spalato erhalten ist: ma se alcuno Spalatino
s^ opponer& e moverä Ute contro essa, sia teunto (Yucoj) solo per due
anni alla difesa et non piü, ma dal Schiavone sia tenato a defenderla
in perpetuo.
* Stat. Jadr. 1. 3, c. 45: quicamque vendiderit alicui rem aliqnam . . .
teneatur venditor ex natura contractua rem uenditam defensare seu ex-
calumniare. Cf. oben S. 117, Note 3.
' Sie lautet im 13. Jahrhundert su Zara: promittens inauper . . . defen-
dere et discalumpniare ab omni homine et persona in racione super
me et omnia bona mea. Zu Spalato und anderswo gleich, nur ein
Unterschied in der Obligationsklausel. S. unten.
^ tabellio autem non possit nee debeat maiorem poenam quam sit quarta
pars debiti adicere instrumentis. Stat. Jadr. 1. 2, c. 97; 1. 3, c. 2. 6. Cf.
Stat. Siben. 1. 3, c. 41.
' Stat. Les. 1. 2, c. 49; cf. Reuts 364.
^ Cf. Gneist, Formelle VertrSge 30; Eck, o.e. 18; Spangenberg, Urkunden-
beweis 393; Pertile IV, 558, n. 23.
' Das warentare in Italien selten. Pertile IV, 558; Voltelini, 1. c.
p. LXXVm, n. 1.
Di« dalmfttinuehe Prirfttnrlrande. 125
Seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts erscheint
zu Spalato, Tra& etc. und seit dem 14. Jahrhundert zu Zara
in der Währschaftsklausei das Wort stipulatio, in irgend einer
Weise angelehnt an das wesentliche Wort promittere: cum
Stipulationen per stipulationem oder promittere stipulanti. Es
ist dies eine mechanische Übertragung aus dem italienischen
Instrumente, wo die Stipulation, eines der merkwürdigsten
Erzeugnisse der Rezeption, ein überaus großes Anwendungs-
gebiet beherrschte,^ obgleich die Form derselben in der Wirk-
lichkeit auch in Italien nicht immer beobachtet worden ist.'
An das Versprechen der Leistung schließt sich seit dem
14. Jahrhundert das des Schadenersatzes, welches in Italien
bei keinem Zahlungs versprechen fehlt. ^ Gewöhnlich ist es in
unserem Kaufinstrumente mit der besprochenen Pönalstrafe
icombiniert. Die gewöhnliche Formel ist dafür: reficere et
restituere dampna et expensas litis et extra, das ist Ersatz von
Schaden und Kosten, die gerichtlich und außergerichtlich dem
Kläger erwachsen.
Das Versprechen der Währschaftsleistung wurde seit dem
ersten Viertel des 13. Jahrhunderts in Instrumenten aller Städte
* Kanten, Die Lehre vom Vertrage bei den italienischen Juristen des
Mittelalters 183; besonders Voltelini, 1. c. p. LIV — LVII.
' So lehrt Imerius, daß die Stipulation, wenn in der Urkunde erwähnt,
als wirklich geschehen zu betrachten ist, wenn die Form in der Wirk-
lichkeit nicht beachtet worden sei. Voltelini, p. LII, n. 2; cf. Karsten 188.
— Den in Deutschland und Italien vielverbreiteten Eid (Siegel, Hand-
schlag und Eid, Wiener Sitzungsber. 130, 91; Schröder 716; Heusler
II, 245) finden wir beim Versprechen einer Leistung in der ältesten
Zeit in den KOstenstadten nur etliche Male (Doc. Nr. 39 a. 1066, Nr. 57
a. 1069 qui beato martiri snb iureinrando promiserunt; . . . sub iure-
iurando confirmauerunt). Sein Erscheinen zu Spalato und Zara fast zu
gleicher Zeit weist dennoch auf eine ziemlich verbreitete Verwendung
des Eides in den Kttstenstädten und ist hier gewiß dem direkten by-
zantinischen Einflüsse zuzuschreiben. (Nach Voltelini wMre es wahr-
scheinlich, daß infolge desselben Einflusses der Eid fast allen Ver-
trägen in Italien angehängt wurde, p. XCVII; cf. Brunner, Deutsche
Rechtsg. II, 431). Später ist er in Dalmatien nur bei den Verträgen zwi-
schen Kommunen oder mit benachbarten slawischen Häuptlingen an-
gewandt (s. Wenczel VII, 205; XI, 281. 30ö). Für Ungarn und auch
Kroatien s. Timon, Magyar alkotminy- ^ jogtörtönet (Budapest 1902)
368, n. 3«
• Voltelini, l. c p. LXXVm.
126 Tl. AbhMidlang: r. dafflaj.
ausnahmslos nnter der Verpfändang des gesamten Vermögens
gegeben. Doch trägt die subjektive wie auch die spätere ob-
jektive Obligationsklausel der Instrumente von Zara und Ragusa,
also gerade der Städte, welche die ältesten Beziehungen zu
Oberitalien aufweisen können ^ ein eigentumliches Gepräge.
Die Wirkung der germanischen Wadia, durch welche der Zu-
griff auf Person und Vermögen des Schuldners gestattet war,^
erhält nämlich in ihr^ wahrscheinlich beeinflußt durch das
uralte slawische Recht, daß der vermögenslose Schuldner dem
Gläubiger übergeben werde,' schärfere Gestalt. Sie lautet in
der ältesten subjektiven Fassung: super me et omnia bona mea;
in der modernen objektiven Fassung: obligauernnt sc suosque
heredes ... et omnia sua bona presentia et futura. Im letzten
Falle wird die Generalhypothek oft noch durch pleonastische
Zusätze rhetorisch ausgeschmückt.^ Die Instrumente anderer
Städte tragen in dieser Beziehung den Stempel jener Zeit, als
das italienische Pfandrecht durch die Rezeption römische
Grundlagen erhielt und nur einzelne Germanismen bewahrte.^
Die Wendungen y durch welche die Generalhypothek bestellt
wird^ sind dieselben wie in Italien: super rebus nostris, cum
obligatione (sub ypotheca) omnium bonorum presentium et
futurorum.*
16. SchenkungBurkimde.
Unter den dalmatinisch-kroatischen Urkunden nimmt die
Schenkung die dominierende Stellung ein. Der religiöse Sinn
äußerte sich noch stark in den Grundschenkungen an die
^ Hausier U, 230 f.; Franken, Französisches Pfandrecht 210 f. ; Amira, Nord-
germanisches Obligationsrecht I, 193. 312, 11,45.
' Dieses Rechtsprinzip ist noch in dem Stat. Traii 1, c. 32 f&hlbar, wo
es heißt, daß, wenn ein Bürger einem ,extranea8* za zahlen hat und
nicht zahlen kann, er ihm persönlich übergeben werden soll; cf. Lucios,
Mem. dl Trau 31; Reutz 376 f.
' . . . omnia sua bona presentia et futura Jadre et ubique locorum et
terrarum et omni tempore; oder noch genauer: Jadre, Sibenici, Tra-
g^rii, Bpalati, Ragusii, None, Obrouacii, Ancone, Venetiis et generaliter
ubique locorum et terrarum (orig. a. 1322, GAZ. s. Gris. XYI).
* Cf. Pertile IV, 622 f.
^ Cf. Wach, Arrestprozeß 16. 24 f. Obligation oder hypotheca ist den
Glossatoren das Pfand ohne Besitz; pignus (Pfand und Besitaerwerb)
kommt in der Pfandklausel bei uns nicht ror. Cf. Yoltelini, p. C f.
Die dalmatinisoh« PriTtttnrkonde. 137
Kirchen und die ersten Urkunden dieser Art wahren unter dem
römischrecbtiich-kirchlichen Einflüsse die Form und die Kraft
der Carta. Wie dieser Charakter verloren ging und auch
die Schenkungsurkunde zur Notitia wurde, ist oben gezeigt
worden.^ Dennoch ist die Nachwirkung des erwähnten Ein-
flusses noch weiter darin zu fühlen ^ indem die Notitia und
auch der Akt die Fassung der Carta behält.' Er ist neben
dem Mangel der Urkunden überhaupt die Ursache, daß das
Prinzip der Entgeltung des slawischen Vertragsrechtes — wo-
nach jede Leistung zu ihrer Rechtsbeständigkeit eine Gegen-
leistung erforderte, durch die sie erkauft wurde — in der
Zeit der kroatisch-dalmatinischen Urkunde kaum zum Vorschein
kommt.'
Zur Zeit der Gründung des Notariats in den Städten hat
die Schenkungsurkunde ihre dominierende Stellung verloren.
Sie wird immer seltener, wie die Tendenz der Städte zur
Beschränkung der Kirche wächst und ihren Höhepunkt im
14. Jahrhundert fast überall in den statutarischen Verboten
erreicht, unbewegliche Güter an Klöster und Kirchen zu ver-
äußern.^ Doch erhält sich das Schenkungsgeschäft meist als
> Oben §§ 4, 5.
' S. die Aufzeichnung im Eopialbuch des Klosters Selo: denique ego filio
Draganego, Prodano offero terra . . . Doc. Nr. 136, a. c. 1096; cf. CSD.
n, 29. 30. 81. Es ist öfter zweifelhaft, ob dennoch diese kurzen Auf-
zeichnungen nicht weiter auf den Altar der beschenkten Kirche nieder-
gelegt wurden.
* Einmal nur ersichtlich aus der Schenkungsurkunde des Petrus Ome an
das Kloster Selo, in welcher er schildert, wie er in Besitz der geschenkten
Oflter gekommen sei, Doc. Nr. 111, p. 128: Post hec uero Miroslauus
cum filiis . . . non modieam partem de . . . territorio a me subtrahere
cepit . . . ubi et conrentionem . . . cum eis denuo fecimus. Qnapropter
affirmanit nobis prephatas terras ... et insuper nobis augmentauit . . .
Et dedimus sibi pro conuentione octoginta modia ordei et unum
solidum pro fine. Cf. Ihering, Zweck im Recht I, 276 ff.; Heusler I, 84.
U, 363 ff. ; Schröder 62.
^ Stat. Jadr. 1. 3, c. 14: Statuimus, quod nullus Jadratinus . . . uendere
audeat aut donare aut quocumque alio titulo . . . transferre in aliquod
monasterium uel locum relig^osum . . . aliquas res immobiles seu pos-
sessiones de Jadra, nee etiam possit easdem res relinquere in ultima
TolunUte; cf. SUt. Sib. Reform. 1380, SUt. Curz. c. 44; Trau 1. 3, c. 6.
16. 17; Reutz, o. c. 285 ff.
128 ▼!. Abbandlang: r. gaffUy.
EigentnmsUbertragang an Laien ' and das Schenkungsinstrument
darüber bietet in rechtlicher wie in diplomatischer Hinsicht
manche interessante Einzelnheiten.
Indem das slawische Prinzip der Entgeltlichkeit in voller
Kraft zum Vorschein kommt^ tritt die Notariatsschenknngsur-
künde im 13. Jahrhundert im Grunde in den Rahmen des Nor-
malvertrages des slawischen Rechtes: des Kaufes oder ihm gleich-
wertigen Tausches ein. Zur Rechtsbeständigkeit der Leistung
wird bei Schenkung überall die Gegenleistung: remuneratio
oder talio gefordert. Dieselbe wird in den Urkunden oft als
^consuetudo ciuitatis^ bezeichnet und entsprach wie das ger-
manische Launegild gewöhnlich an Wert nicht dem Geschenk,
sondern hatte mehr eine formale Bedeutung.' Somit ist es
auch erklärlich, daß die Kaufformel immer die Schenkungsformel
mit dem Verbum vendo verbindet,' ja sogar die Schenkungs-
formel der dalmatinischen Instrumente bis zu Ende des
13. Jahrhunderts öfters dieses Zeitwort enthält,^ sowie, daß
die Schenkungsurkunde in demselben Jahrhundert fast keine
anderen Formeln aufweist als das Kaufinstrument. Erst mit
dem starken Andrang der italienischen Notare und dem Ein-
fluß des italienischen Rechtes, in welchem die erneuerte
Wirkung des römischen Rechtes das langobardische Launegild
^ Die anderen Rechtsgeschäfte, zn welchen die Schenkung als causa hinsa-
tritt, wie Zession, Erlaß u. s. w. werden nicht berttcksichtigt.
' A. 1268, Zara (orig. Begna, Nr. S): et ad hoc nt supradicta donatio sta-
bilis et irreaocabilis permaneat, unum mantellum de Ipra pro remune-
ratione suscepi (Schenkung einer Geldsumme durch die Witwe Stoja
an ihre Tochter). — A. 1262, Spalato (orig. s. Maria): et in Signum cam-
bii secundum consuetudinem ciuitatis unam tunieam de sucna
recepit. — Zu Zara kommt auch der Ausdruck talio und das abgeleitete
talionare vor: ob quam dationem, donationem . . . talionasti michi et
dedisti libras quinquaginta (a. 1274, orig. Begna 6). In der Kaufhrkunde
ist talio von precinm unterschieden: pro precio octo libranim ... et
unum par subtellarum pro talione (a. 1280, orig. GAZ., Abt. Rogovo). Gf.
Val de Liövre: Launegild und Wadia 16. 24; Kohler, BeitrSge U, 1 ff.;
Grimm, Schenken und Geben. Kleine Schriften II, 174; Pertile IV, 641 ff.;
Schröder 281, n. 90.
• S. oben S. 78. 117.
* So die Schenkungsurkunde von 1268 Zara (orig. GAZ. s. Nie. 12): mani-
festum facio, quia ab hodie in antea ... do, trado ac bona sua volun-
täte derelinquo, vendo . . .
Die dalnftiinisebe PiiTatorlnind«. 129
schon lange verschwinden ließ^^ verblaßt die slawische Rechts-
sitte der Entgeltnng um die Wende des 13. Jahrhunderts
gänzlich. Die städtische Schenkungsurkunde nimmt das voll-
ständige Formular des italienischen Instrumentes an, indem
sie außer der eigentlichen Schenkungsformel und der Stipulation
über die Verpflichtungen des Schenkers wegen Eviktion, welche
auch dem Schenkungsinstrumente des 13. Jahrhunderts in Dal-
matien nicht fehlen, noch die Formeln über den Vollzug der
Schenkung durch Übereignung enthält.^
Die eigentliche Schenkungsformel enthält die Willens-
erklärung, den Namen des Schenkers, des Beschenkten und
das Objekt der Schenkung, welches letztere mit seinem Zugehör
wie in Kaufurkunden bestimmt wird. Die einfache Formel
des subjektiven Instrumentes: do, dono, trado, transacto (atque
offero) ist schon mehrmals erwähnt worden. Von den italieni-
schen Notaren wird dieselbe in objektive Form gegossen und
durch die Klausel ,inter vivos' erweitert, wodurch die Schenkung
unter Lebenden von der ,mortis causa' erfolgten geschieden
wird.' Der weitere Zusatz: que nullo vicio uel aliqao alio
titulo ingratitudinis reuocari possit ist erst im vorgerückten
14. Jahrhundert üblich.*
Die Zusage des habere Heere, welche wir vorübergehend
in den Schenkungen des 11. Jahrhunderts zu Zara in gleicher
Form wie in der Kaufurkunde ^ antreffen, erscheint auch im
Instrumente nach italienischem Muster und bezeichnet die
Wirkung der Schenkung mit voller Erblichkeit und freiem
Veräußerungsrechte.
Indem die ersten Schenkungsinstrumente der Kaufurkunde
sehr nahe stehen, hält sich in ihnen ausnahmslos das Ver-
sprechen der Wäbrschaftsleistung in gleicher Formel wie im
* Val de Li&yre, o. c. 95 f.
« VoUelini, 1. c. p. LXXXVU.
' Sie lautet: nomine pure, mere, irreuocabilis donationis, que dicitnr inter
▼ivoB. Das erste Mal habe ich sie angetroffen zn Spalato 1258 (orig.
Begna 3), za Zara 1286 (orig. GAZ., Abt. Ponti).
* Das erste Mal Zara 1327 (orig. Begna 45); cf. Yoltelini p. LXXXVU.
* Sie stammt wahrscheinlich ebenfalls aus der spätrOmischen Urkunde, s.
oben S. 122, oder ist aas der Kaufarkunde entnommen; cf. Brunner,
Forschungen 25.
SitsungBlMr. d. pbü.-liist Kl. CXLVII. Bd. 6. Abb. 9
130 VI. AbhADdlnng: t. SnffUy.
Kauf inslrtimente^ so lange die talio aus ihnen nicht verschwindet.
Vom Ende des 13. Jahrhunderts nähern sich die Schenkungs-
instrumente überall ganz und gar den Bologneser Formularen,
welche die Währschaftsleistung nicht rezipiert hatten.^ Es
kommt überall die Klausel in Brauch, womit der Schenker nur
für die Entwährung haftet, die seinem Dolus entspringt.*
Zu derselben Zeit, also am Ende des 13. Jahrhunderts,
werden die in Italien üblichen Formeln flir Übereignung in
das dalmatinische Schenkungsinstrument übernommen. Durch
die italienischen Notare fanden nämlich die von den Glossatoren
als geeignet befundenen Mittel, um der Schwerfälligkeit der
körperlichen Apprehension vorzubeugen, das in Italien allgemein
angewandte Constitutum possessorium^ und die Missio in vacuam
possessionem , Eingang in die dalmatinischen Städte. Dem-
zufolge enthalten die Traditionsformeln des dalmatinischen
Schenkungsinstrumentes seit dem Ausgange des 13. Jahr-
hunderts die Erklärung des Konstituenten: constituens se pos-
sidere nomine alieno;^ oder, und das weit häufiger, die in
Italien an vorangehende Urkundentypen anknüpfende Formel:
dans ei licentiam intrandi tenutam (et corporalem possessionem),
wodurch dem Beschenkten gestattet wird, sich der Sache zu
bemächtigen.^
17. Testament.
Das Testament war den alten Slawen wie auch anderen
primitiven Völkern^ nicht nur im Sinne des römischen Rechtes
» Cf. Voltelini p. LXXXIX.
' promitto nunqnam de predictis . . . contravenire sab jpotheca meoram
omnium bonorum. Diese Formel za Spalato schon am die Mitte des
13. Jahrhunderts üblich.
' Constitutum poss. besteht bekanntlich darin, daß der bisherige Besitzer
erklärt als Stellvertreter dessen, auf den er den Besitz übertragen will,
zu besitzen. Savigny, Das Recht des Besitzes 318; Windscheid I, § 165;
Dernburg I, § 181. Über die Anwendung derselben seit dem 12. Jahr-
hundert Voltelini, p. XLV; cf. Biermann, o. c. 66. lOö.
* Cf. Biermann 61, 107; Voltelini, p. XLVI.
» Für die Entwicklung dieser Formel in Italien Voltelini, p. XLVI; Bier-
mann 107; Brunner, Zur Rechtsgeschichte 120; Kohler, Beiträge zur
germ. Rechtsgeschichte I, 38. 162; Wach, Arrestprozeß 66.
^ Post, Die Grundlagen des Rechtes und die Qrundzüge seiner Entwick-
lungsgeschichte, § 33; Siegel, Deutsche Rechtsgeschichte, § 168.
Di« dftlmfttiiiiMlie PriTAtnrkimd«. 131
unbekannt; es waren auch die einseitigen Verfügungen auf
Todesfall zn Gunsten eines Unerben unwirksam. Was mit der
Habe nach dem Tode geschehen sollte^ darüber entschieden
die Prinzipien des objektiven Rechtes und nicht der Wille des
Erblassers, welcher erst viel später im Testamente den Triumph
des Individualismus feierte.^ Es herrschte bei den Slawen wie
bei den Germanen lange das ausschließliche, unentziehbare
Erbrecht des Geblütes.'
Der Einfluß dieses Rechtes mit seinen Schranken und
Hindernissen fUr Verfügungen auf den Todesfall mußte nach
der Mischung mit dem slawischen Elemente in den meisten
Städten die römischen Traditionen größtenteils verwischen. In
den von der slawischen Eroberung verschonten Städten aber
konnte das römische Recht Widerstand leisten und der Bann
jenes einschränkenden slawischen Rechtes, falls er dennoch
bestand, konnte schon früh durch den nicht geringen Ein-
fluß der Geistlichkeit gebrochen werden, welche einerseits
ftir sich die Freiheit des Testierens in Anspruch nahm, ander-
seits von jedem Ghristenmenschen das Seelgeräte verlangte.
Somit herrschte in den Städten Dalmatiens in den ersten Jahr-
hunderten des Mittelalters allerdings wohl eine große Ver-
schiedenheit in den Grundsätzen des Erbrechtes selbst; später,
durch den Einfluß des italienischen Rechtes, wo wieder das
römische das Übergewicht bekam, schwand dieser Unterschied^
aber die Mannigfaltigkeit in Einzelnheiten blieb doch auch
weiterhin in den Nachwirkungen der einheimischen Sitten
bestehen.
In der ältesten Zeit bis in das 12. Jahrhundert finden
wir von allen Städten nur zu Zara letztwillige Verfügungen.*
Obgleich sie, wie wir gesehen, an die römische Testamentform
erinnern,* so fehlt auch diesen ^Testamenten' wie den gewissen
Verfügungen von todeswegen durch Anerkennung der Judikate
* Kohler, Legislator über die Gestaltung des Erbrechtes (Grttnhuts Zeit-
schrift für Öffentliches and privates Recht XVI, 1).
' Spevec, Oporaka u statuta koräulskom i spljetskom. Mjese(^nik prav.
draitva XV (1889), 301.
■ Ähnliche Verfügungen auf Todesfall können nur für Trau vermutet
werden.
* S. oben 6. 55.
9*
132 Tl. AbhandloDgr: t. Snfflay.
im longobardischen Rechte^ die römische heredis institatio.
Der Mangel jeder schriftlichen Verfligang eines Laien anf
Todesfall in den übrigen Städten Dalmatiens kann nicht durch
das spärliche Material allein genügsam erklärt werden, sondern
ist zugleich ein Hinweis auf das Vorherrschen der alten slawi-
schen Ansicht, welche den gesetzlichen Erben das Erbrecht in
einem gewissen Umfange volksrechtlich garantierte.' Die
Rechtsveränderung zu Gunsten einer freieren und leichteren
Verfügung auf den Fall des Absterbens vollzog sich hier
meistenteils erst durch den Einfluß des italienischen Rechtes.
Doch geschah die Veränderung nicht überall zu gleicher Zeit ;
auch kam das neue Recht nicht überall zu gleicher Geltung,
sondern wurde stärker oder schwächer von dem slawischen
Rechte modifiziert, wozu vielleicht die Ähnlichkeit desselben
mit den germanischen Elementen in dem italienischen Rechte
Vorschub leistete.' Diese kulturellen Störungen wie ihre ver-
schiedene Stärke sind schön aus dem Vergleiche der Bestim-
mungen über das Testament in den beiden ältesten dalmatini-
schen Statuten, dem von Curzola und von Spalato, zu ersehen.'^
» Pertile IV, 12; Heusler II, 124.
* Nur Donationes post obitam und Seelgeräte der Geistlichen sind zu
Spalato bis zum 13. Jahrhundert zu finden (Doc. Nr. 30, 102, CSD.
II, 61). Besonders das letzto^enannte Dokument bietet wegen des Zusatzes:
his ita peractis alio igitur tempore quidam domini in nos (Kloster
St. Benedikt zu Spalato, dem ein Grundstück vom Priester Cmot« post
obitum geschenkt wurde) et hereditatem a presbitero Cirnota abs-
traere intenderunt, dicentes illorum heredes esse, einen Hinweis
auf die große rechtliche Stärke der gesetzlichen Erbfolge.
' Das italienische Recht ist eine Mischung des römischen, kanonischen
und longobardischen Rechtes mit Vorherrschen natürlich des römischen
Elementes. Pertile I, 14; Abigente, Eleroenti della storia del diritto in
Italia I, 128. 136.
* Vgl. Spevec, 1. c. 307 ff. Ich verweise darauf, führe aber doch einige
interessante Einzelnheiten daraus an. Nach dem Statut von Curzola c. 41
war das Testament kein widerrufliches Geschäft: et si plura test^i*
menta fecerit, ut primum valeat et omnia alia sint cassa. Später wurde
dieser Standpunkt aufgegeben. Dagegen steht das Statut von Spalato
(vet. 1. 3, c. 35) in dieser Beziehung auf dem rOmisohen Standpunkte.
Das Statut von Curzola gibt dem männlichen G«schlechte bei der Erbfolge
den Vorzug vor dem weiblichen (c 36, cf. 89, 126); nach dem Statut
von Spalato erben beide Geschlechter gleich. Die Grundsätze der rcgel-
Di« dAlmfttinisch« PriTAtnrknnd«. 133
Mit der teilweisen Rezeption des italienischen Rechtes
nahm die VeriUgung aaf Todesfall ganz die rechtlichen Formen
der italienischen Verfügungen an. Die Rechtsgeschäfte, welche
sich im Westen aus der altfränkischen Adfatomie und longo-
hardischem Thinx entwickelt hatten: die donatio post obitnm
und donatio reservat© usufructu,^ welche schon früher vom
Kleras angewandt waren, wurden jetzt auch von Laien ge*
braucht. Zu dem endlichen und baldigen Siege des Notariats-
testamentes aber führte sein Wesen selber: es war lediglich
Beweisurkunde über das mündliche Testament, welches seine
Rechtskraft nach der Meinung der italienischen Praktiker
keineswegs aus dem Notariatsakte^ sondern aus der Erklärung
vor den sieben Zeugen schöpfte.' Diese Anschauung stimmte
einerseits endlich einmal mit dem slawischen Zeugenbeweise
überein, anderseits erwies sie sich als einzig brauchbar für die
Bewohner der oft entlegenen Dorfschaften, welche einen Notar
niemals besaßen und deren mündliche Verfügungen auf den
Todesfall nach den Aussagen der Zeugen von einem städtischen
Notar eine rechtskräftige schriftliche Form erhielten.^
Aber eben wegen dieser großen Brauchbarkeit des nota-
riellen Testamentes wie seiner Anwendung war der Anschluß
an die in Italien angewandten Grundsätze nicht allzu streng.
Zwar kommt zu Zara gerade zur Anfangszeit des erneuerten
Einflusses Oberitaliens, also in der zweiten Hälfte des 12. Jahr-
hunderts, ein Fall vor, daß vom Notar im Testamente sieben
lo&ßigen Intestatserbfolge zu Spalato und anderswo sind in vielen der
KoY. 118 ähnlich, während im Statut von Curzola die rechtliche Wirkung
der Blutsverwandtschaft stark zu fühlen ist etc.
* Vieles hier umstritten. Beseler, Die Lehre vom Erbvertrage I, § 14;
Heuslcr H, § 99; Pertile IV, 120; Siegel 482; Zöpfel, Deutsche Rechts-
geschichte III, § 115.
• Rolandin, Flos testam. (f. 266*); Voltelini, 1. c. p. C f.
» Schon im Jahre 1190, CSD. II, 270 verfertigt der zaratinische Notar
Blasius ein Zeugnis über die mündliche Verfügung eines Bürgers nach
der Aussage eines Geistlichen. (Die Leseart bei Kukuljevid falsch.
Statt testificor ego Martinus s. Marie presbiter et Doimns Martini
de Maio . . . sollte es heißen: et domini Martini de Maio . . .) Ähnliche
Urkunde 1209 Zara (orig. GAZ. XVII, 8. 14). Im 14. Jahrhundert sind
solche Testamente der anßerstädtischen Bewohner, besonders derjenigen
der vereinsamten dalmatinischen Inseln sehr häufig.
134 VI. AbhMdlang: ▼. SaffUj.
Zeugen angeführt werden.^ Aber regelmäßig schwankt die
Zahl der adhibierten Zengen je nach der Stadt ,' nach der
günstigeren oder ungünstigeren Lage, dieselben zu bemfen,'
oder sie mußte bei den privaten Testamenten größer, in An-
wesenheit des Notars kleiner sein.* Von den privaten Testa-
menten war außer dem mündlichen auch das eigenhändige im
Gebrauche, besonders zu Trau,* wo es die Reform von 1347
aufhob,® und zu Zara, wo es zuweilen ein schönes Denkmal
der romanischen Sprache in Dalmatien liefert.' Und während
über das erste in den meisten Städten ausdrücklich binnen
einer gewissen Frist ein Instrument aufgenommen werden
mußte, wurde dieses nur wegen der Notwendigkeit der Ver-
vielfältigung notariell abgeschrieben und so für uns erhalten.
Auch zeigen die Menge der Schenkungen post obitum im
13. Jahrhundert und die Urkunden wie auch die Statuten der
südlichen Städte, wo die heredis institutio fehlt, beziehungs-
weise ausdrücklich betont wird, daß dieselbe zur Gültigkeit
des Testamentes gar nicht erwähnt sein muß/ daß das römische
Testament mit seiner Erbeinsetzung doch noch nicht in Fleisch
und Blut der Bevölkerung übergegangen war. Erst im vor-
gerückten 14. Jahrhundert wird dieselbe in der Praxis fast
regelmäßig erwähnt und das notarielle Testament, welches in
Italien die Förmlichkeiten des römischen testamentum per
nuncupationem vollständig nachahmt, wird auch in den dalma-
tinischen Küstenstädten als nuncupativum bezeichnet.^
* A. 1183, CSD. II, 173. • S. oben 8. 66.
' Im Stat. Lesin. (p. 190, c. 37: volumns, quod aliqaod testamentum in ciyi-
tate nostra sine notarlo fieri non possit, quam cum quinqae testibiis
adminus et extra civitatem quam cum tribus testibus adminns) wird ein
Unterschied in civitate et extra civitatem gemacht.
* Stat. Curz. c. 41; Stat. Cath. c. 183; cf. Reutz, o. c. 336.
* Stat. Trau, 1. 3, c. 4. « Ib. 1. 1, c. 34.
^ Stat. Jadr. 1. 3, c. 18, 19, 114, 135; cf. Reutz 335; Eigenhändiges lateini-
sches Testament z. B. von Lampredius Ciualellis a. 1298 (orig. transumpt
GAZ. s. Dom. 694); im Altdalmatinischen das Testament des Andreas
deSlorado a. 1346 (orig. transumpt 1349, GAZ. s. Dom. 1077): che quisto
tutu suurascripto si e de mia propria man segundu como uol In sta-
tutu e r ordinamento di Qara.
* Stat. Spal. vet. 3, c. 36; cf. Spevec, 1. c. 342.
* Das erste Mal a. 1335 Zara: per presens nuncnpatiuum testamentum in
hunc modum facere procurauit (orig. GAZ. s. Gris. XIII, Nr. 111).
Di« dalrnfttiniflche PriTatnrktiDd«. 135
Desto strenger war vom Anfange an der Anschluß
an die italienische Notariatspraxis ^ die Willenserklärung des
Testators in eine gewisse Form zu bringen und sie mit Klauseln
zur Sicherung der Gültigkeit zu versehen. Die ältesten Testa-
mente von Zara aus dem 10. und 11. Jahrhundert erinnern
an die longobardischen letztwilligen Verfügungen; sie besitzen
eine Arenga und die dispositive Formel: volo et iubeo ist der
longobardischen: volo et instituo nicht unähnlich.^ Im 12. Jahr-
hundert ist die Form des Testamentes nicht zu verfolgen.
Für die weiteren Jahrhunderte gelten, soweit es die Fassung
und das Schwellen der Formeln anbelangt, die oben im all-
gemeinen aufgestellten Regeln.^ Was die verschiedenen Be-
stimmungen betrifft, welche ein Testament enthalten kann, so
bildet das Auftauchen der Klausel für die Kommissare des
Testamentes und besonders die Kodizillarklausel am Ende des
13. Jahrhunderts einen Einschnitt, wonach man die städtischen
Testamente in eine ältere und eine modernere Qruppe ein-
teilen kann.
Außer in der sehr üblichen Arenga und zuweilen auch
in der Verwünschung^ zeigt das ältere Testament auch vom
rechtlichen Standpunkte starke Anklänge an die Schenkungen
post obitum, wie dies aus der zu Spalato sehr gewöhnlichen
Formel: trade et dono ex testamento^ deutlich * hervorgeht.
Gemeinsam hat es mit dem moderneren Testamente nur die
Reihenfolge der Legate. Es beginnt mit Legaten ad pias causas,
wie dies den Anschauungen der Zeit entsprach.^ Dagegen
bilden die modernen Testamente gewöhnlich eine Musterkarte
aller möglichen Anordnungen, denn zu den Legaten^ Substitu-
tionen u. s. w. treten die oben genannten beiden Formeln und
zuweilen die heredis institutio hinzu.
Das Institut der Treuen Hand, dem römischen Rechte
unbekannt, hat sich aus den longobardischen Salmannen ent-
wickelt,^ ist mit dem Testamente in die dalmatinischen Städte
1 Doc. Nr. 13, 21,38; cf. Cod. Longob. 263.
* 8. § 8. »8. oben 8. 73, n. 1.
* Z. B. Ä. 1243 (orig. AC8. XVI, 1. 86); 1247 (orig. Ib. XVI, 1. 158); 1250
(Ib.) etc.
» Cf. Irnerius, Biblioth. iur. I, 220; Voltelini, 1. c. p. CXXII, n. 1.
* 8. mebr bei Z(5pfel, Deutsche Rechtsgeschichte III, 234. 275 ff.
136 VI. Abhandlang: t. gnfflftj.
übergegangen^ und hat hier fast überall dieselben Namen be-
halten. Der zuverlässige Mann wird manufidelis, execator,
testamentarius, am gewöhnlichsten commissarius genannt. Nur
im Süden zu Cattaro erhielt die germanische Institution in der
slawischen Rasse den griechischen Namen: epitropus.^ Die
Nennung der Kommissare — gewöhnlich sind ihrer zwei —
geschieht in dem städtischen Testamente regelmäßig seit den
letzten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts^ und wird im 14. Jahr-
hundert in den nördlichen Städten von einer ausgiebigen
VoUmachtsklausel begleitet.
Vom Anfange des 14. Jahrhunderts bildet überall den
Schluß des Testamentes die Kodizillarklausel^ das ist die Er-
klärung, daß die letzt willige Anordnung, soferne sie wegen
eines Mangels als Testament nicht aufrecht bleiben könne, als
Kodizill zu betrachten sei.^
vin.
Die Datierung.
18. Die ohristliohe Ära und die Jahresanfänge.
Die christliche Ära ist verhältnismäßig sehr früh nach
Dalmatien eingedrungen. Ihre allgemeine Verbreitung ist in
die zweite Hälfte des 9. Jahrhunderts zu versetzen, wo sie
schon in der kroatischen Fürstenurkunde angewandt wird.^
In den Städten Dalmatiens dürfte sie schon früher im Gebrauche
gewesen sein, worauf eine zwar nicht ganz verläßliche Spur
^ Am ausführlichsten über die Kommissare handelt das Stat. Spal. Cf.
Spevec, 1. c. 347.
* Stat. Cath. c. 183: . . . tali forma ordinet ipsum videlicet cum dnobus
testibus et pouat epitropos.
' Zu Spalato schon 1260 (orig. transumpt 1260, 7. Juni ACS. ed. Wenczel
II, 326) : fecit et constituit suos commissarios ad exequendam omnia
suprascripta bona fide super ipsorum animas.
* Cf. Windscheid UI, § 631; Dernburg Ul, % 95. — Sie lautet voll-
ständig gleich wie in den italienischen Testamenten.
'^ Die Urkunde Ton 853 (Doc. Nr. 2) hat sie noch nicht, dagegen die Be-
stätigung derselben von 892 (Ib. Nr. 12): anno utique sacram postquam
Christus carnem a virgine sumpsit DCCCXCII. Cf. BaÖki, Hrratska
dvorska Kancelarija, Rad 35, p. 12.
Die d»l]iifttiabch« PriTatvrkund«. 137
hinweist.^ Somit ist sie kaum italienischer Quelle entsprungen^^
sondern muß dem fränkischen Einflüsse zugeschrieben werden,
der für diese Zeit für ganz Dalmatien und Kroatien und be-
sonders für die dalmatinischen Küstenstädte, welche nach dem
Frieden von Aachen (812) mit diesem Reiche in rege Handels-
beziehungen treten, nicht ausgeschlossen werden kann.^ Demzu-
folge finden wir — da die älteste Privaturkunde Dalmatiens aus
dem Jahre 918 stammt — fast keine Urkunde^ die nicht diese
Zeitrechnung besitzen würde, wenn sie überhaupt eine hat.^
Aber wenn wir auch im eigentlichen Dalmatien aus-
nahmslos mit der christlichen Ära zu tun haben, so verursacht
dennoch die große Verschiedenheit in bezug auf den Jahres-
anfang Schwierigkeiten, denn nicht alle Städte hatten den-
selben Jahresanfang, auch die eine Stadt in verschiedenen
Perioden nicht; ja selbst gleichzeitig kommen in derselben
Stadt zwei Jahresanfänge von verschiedenen Notaren zur An-
wendung.
Da uns keine ausdrücklichen schriftlichen Zeugnisse über
die Rechnungsweise der einzelnen Städte Dalmatiens vorliegen,^
so finden wir uns bei den Untersuchungen über dieselbe nur
^ Die Datierung einer Urkunde von Cattaro : instromentum corporis nostri
gluriosi Confalonis sancti Tripbon ig, anno a Christi incamatione octin-
geutesimo nono, die decima tercia ianuarii (CSD. I, Nr. 54, p. 40) ist
nicht verläßlich, da wahrscheinlich die Datierung dieser Urkunde, welche
Farlati (IUtt. sacr. VI, p. 42) als der erste und letzte benutzt hat und
die jetzt verschollen ist (cf. Jire£ek , Somanen etc. , Denkschriften der
kais. Akademie, vol. 48, p. 5), als späterer Zusatz zu betrachten ist,
worauf auch das Fehlen der Indiktion und das Wort ,instrumentum*
hindeutet. Es ist aber nicht die direkte Anknüpfung an die Novelle
J astin ians 47 ausgeschlossen.
* Über das 9. Jahrhundert gehen die ersten Fälle solcher Datierung in
Italien nicht hinaus. Paoli, Dipl., p. 170 (L. 229).
' Die Urkunde von 853 bezeugt den Einfluß selbst: regnante in Italia
piissimo Lothario Francorum rege; Smlölklas, Fovjest hrv. I, p. 168*
cf. Sickel, Acta I, 221; Qrotefend, Zeitrechnung 205; Rühl, Chrono-
logie 199.
^ So fehlt die Datierung einigen Notizen über Schenkungen und Besitz
aus dem 12. Jahrhundert, CSD. II, Nr. 29—32. 40. 161. — Über die
Urkunde, welche nur die Indiktion als Datum trägt, vgl. unten S. 146 f.
» Wie sie z. B. Paoli für Bari und Florenz anführt (Mitt. des Inst. VU,
465; Dipl. 185, L. 249).
138 VI. Abtauidliing: v. gnfflfty.
auf die Urkunden selbst angewiesen, die aber bei größerer
Zahl aus einem Jahre und derselben Stadt ein sicheres Kriterium
für die Fixierung des Jahresanfanges bieten. Zuerst kommt
die Indiktion in Betracht, die von dem 13. Jahrhundert an
immer verläßlich ist, was leider für das 11. und 12. Jahrhundert,
wo die Urkunden gewöhnlich in Kopien erhalten ^ sind, und auch
für die Originale dieses Zeitabschnittes nicht der Fall ist.'
Die Übereinstimmung oder das Vorangehen derselben um eine
Einheit bis zu einem gewissen Monatsdatum erschließt uns die
Art der Rechnungsweise. In zweiter Reihe kommt die Monats-
datierung zu Hilfe, besonders der 29. Februar bei dem Schalt-
jahre,^ und die allerdings nur seltene Angabe der Wochentage;
schließlich die Transsumpte der Urkunden aus demselben Jahre,
die, wie zu denken, sehr selten sind, aber, wenn sie aus dem
Anfange des Jahres herrlihren, am besten den scharfen Gegen-
satz der verschiedenen Zahlweisen hervorheben können.^ Dazu
treten die äußerst seltenen Anhaltspunkte, welche uns die im
Eingangsprotokolle genannten Würdenträger liefern.
^ S. Radki, Stari prepisi, Rad 36, p. Ul.
» S. Doc. Nr. 36. 69. 70. 71. 111. 116; CSD. Nr. 51. 95. 96. 118. 150.
181. 209. — Die Ursachen dieser Erscheinung s. bei Grotefend, p. 94.
' Z. B. die Urkunde von Zara: anno incarnationis . . . miUesimo trecen-
tesimo septaagesimo prtmo indictione decima die vigesimo nono mensis
februarii (orig. im gubernialen Archiv zu Zara, Abt. des Klosters Ro-
govo), wo es klar ist, daß hier das Jahr 1372 zu nehmen ist.
♦ Die Urkunde von Zara 1360 (1) 16. Februar ind. XIV (XIII) enthält die
Urkunde des kroatischen Banus Zeech vom Jahre 1361. — Um den
allzugroßen Dimensionen der Belege vorzubeugen , werde ich die Da-
tierungszahlen nicht wie im Original ausgeschrieben zitieren, sondern
mit Ziffern. Die frei angeflihrten Ziffern entsprechen genau dem Ori-
ginale, während die neben dem Jahre in der Klammer befindliche
Ziffer die Jahreszahl, welche dem gewöhnlichen heutigen Jahresanfänge
entspricht, bezeichnet. In gleicher Weise bezeichnet die der Original-
indiktion in der Klammer beigesetzte römische Ziffer die Indiktion,
welche mit ihrem größeren Teile in das im Originale stehende Jahr
fallt. Falls der Originalzahl nichts zugefügt wird, ist sie als mit der
heutigen Jahresrechnung, beziehungsweise mit der erwähnten Indiktion
übereinstimmend zu betrachten. Zu bemerken ist noch, daß man die
Datierung immer, wenn das Gegenteil nicht ausdrücklich gesagt ist, als
mit Buchstaben ausgeschrieben zu denken hat, und auch, daß für alle
Urkunden von Zara und die meisten der südlichen Städte die Formel:
anno incarnationis zuzudenken ist.
IMtt dftlmfttiniMbe PriTfttiirkiindtt. 139
Obgleich in der dalmatinisch-kroatischen Urkunde sowie
in ihren Fortsetzungen zur Bezeichnung der Jahre der christ-
lichen Ära die Bezeichnung anno incamationis mit allerlei
Wendungen am häufigsten angewandt wurde, so daß die zweite,
in engerer Bedeutung im Gegensatz zu ihr stehende Formel:
anno natiuitatis ^ fast nicht bemerkt wird, so darf daraus allein,
wie auch sonst bekannt,' doch kein Schluß im bezug auf den
Jahresanfang gezogen werden.
Bis zum Beginne des 13. Jahrhunderts wird die erste
Formel ohne jede Rücksicht auf den Jahresanfang überall
angewandt,' dann fängt sie an, sich mit der anderen zu mischen,
welche aber bald aus Norddalmatien gänzlich verschwindet,
um nur in dem mittleren Dalmatien spärlich neben der ersten
fortzudauern. Diese Erscheinung, die auf den ersten Blick
willkürlich erscheint, deckt sich doch teilweise und mit einigen
Begriffsveränderungen ^ mit dem Jahresanfang der einzelnen
Städte, natürlich erst in der Zeit der höheren Bildung der
dalmatinischen Notare, also seit dem Ende des 13. Jahrhunderts.
In der ältesten dalmatinischen Privaturkunde von Zara,
in welcher der Jahresanfang durch die Indiktion ziemlich genau
festzustellen ist, sieht man den Gebrauch des Zirkumzisionsstils.^
Dieser muß in allen Städten Dalmatiens, wenn man die ragu-
sanische Urkunde aus derselben Zeit^ und die späteren Ur-
kunden von Spalato, Trau, Cattaro etc. berücksichtigt, wo
immer dieser Stil in Anwendung blieb, als ursprünglich be-
^ In engerer Bedeatang bezeichnet annns incarn. ein Jahr, welches mit dem
26. März , annus nat. ein Jahr, welches mit dem 25. Dezember beginnt.
Snmma not. Johannis von Bologna (Rockinger I, 610) ; Qrotefend, Hand-
buch 26, Zeitrechnung I, 7.
• Mabillon 177; Paoli, Dipl. 173 (L. 238).
> Selten nur anno domini (CSD. II, Nr. 42. 67. 90. 103. 132. 150. 226),
auch die rhetorischen Erweiterungen dieser Formel; s. besonders Doc.
Nr. 34. 134. CSD. U, 51. 202.
• So wird zu Spalato, Brazza etc. annus natiuitatis, wie wir sehen werden,
wahrscheinlich für den Zirkumzisionsstil gebraucht.
^ A. 1036 ind. IUI. mense Febrnario die XIII (Doc. Nr. 34) ; da sich die
Indiktion mit dem Jahre deckt, kann es entweder noch der Weih-
nachtsstil oder der byzantinische Stil sein. Der letztere entf&llt, da in
anderen Urkunden, wie man sehen kann, die byzantinische Indiktion
in den vier letzten Monaten um eine Einheit vorrückt (s. Nr. 38. 63).
• A. 1044 ind. XII, 20. Februar, CSD. I, Nr. 128.
140 VI. Abhandlong: t. dnffUy.
trachtet werden. Ob wir dennoch hier vielleicht mit dem
Weihnaclitsjahr zu tan haben, ist jetzt noch nicht zu unter-
scheiden. Es ist aber wahrscheinlich und durch den Rück-
schluß aus späterer Zeit, wie wir unten zeigen werden, be-
gründet, daß man in Dalmatien mit dem 1. Januar das Jahr
anfing; welches treue Festhalten an dem verpönten heidnisch-
römischen Kalender^ den Städten gleich so manchen anderen
römischen Traditionen nicht zu verargen ist.
Bald aber wurde dieser Stil von einem anderen im Norden
Dahnatiens hart bedrängt und schon in der zweiten Hälfte des
12. Jahrhunderts^ ist der alte Stil aus Zara vor dem venezia-
nischen (Beginn mit 1. März) gewichen, der sich gewiß an
den politischen Einfluß der Republik heftete, welche das Recht
des byzantinischen Reiches auf Dalmatien geerbt zu haben
wähnte.* Aber auch dieser verblieb nicht dauernd in An-
wendung, schon von der Mitte des 13. Jahrhunderts gewann
die florentinische Zeitrechnung (25. März Jahresanfang) die
Oberhand, wahrscheinlich unter dem Einflüsse der päpstlichen
Kanzlei, die zu dieser Zeit noch immer mit Vorliebe den
Annunziationsstil benutzt.^
Der venezianische Stil herrscht ausschließlich bis in die
Dreißigerjahre des 13. Jahrhunderts,^ obgleich sich gleich am
' Bei den Franken war der Weihnachtastil üblich. Grotefend, Zeitrech-
nung 205; Mas-Latrie, Tresor 6—7; Kopallik, Vorlesungen 39.
* Für die frühere Zeit mangelt es an jedem Argumente.
' Die erste Urkunde von Zara wo dies ersichtlich ist, a. 1177(8) mense Fe-
bruario, ind. XI (X), Nr. 132. Dennoch ist hier nicht der calc. Florent
ausgeschlossen, wie auch in Nr. 163. 164. 172. 174. 187 etc.; erst yoH-
ständig ausgeprägt a. 1197, 1. Mära, ind. XV (Nr. 246 etc.).
* Summa Johannes von Bologna (Rockinger 1,610): . . . curia tarnen in
priuilegiis incipit annos domini ab incamatione; cf. Paoli, Dipl. 174
(L. 236). — Daß die zaratinischen NoUre auf der Wende schon des
12. Jahrhunderte die päpstlichen Bullen gut kannten, s. die Urkunde
a. 1190 (CSD. II, Nr. 209), wo die Schlußformel wörtlich der Papst-
urkunde entnommen ist. Vgl. oben S. 65, n. 5.
^ Beweise dafür: 1. Daß das Vorrücken der Indiktion auch das Vorrücken
der Jahreszahl um eine Einheit notwendig macht: 1239 (40) die vice-
simo nono Februarii ind. XIII, (XU) wo ersichtlich, daß wir mit dem
Jahre 1240 heutiger Rechnung zu tun haben, da es ein Schaltjahr sein
muß (orig. GAZ. Ab s. Gris. XIV. F. 4). — 2. Daß die Indiktion in den
zwei ersten Monaten vorrückt: 1206(6) 11. Februar IX (VIII) (or. AsA.);
Di« dttlnifttiiiiscb« PriTfttvrkniid«. 141
Beginne desselben eine Spar des Annunziationsstils findet.^
Aber schon seit dem Jahre 1237 haben wir eine größere Zahl
der Urkunden , wo sich die Jahreszahl auch im März nicht
mit der Indiktion deckt, nnd eine ist ans dieser Zeit, welche
jeden noch obwaltenden Zweifel verschwinden läßt, daß wir
mit der florentinischen Rechnungsweise zu tun haben.^ Seit-
dem erscheint der venezianische Stil noch ziemlich parallel bis
zum Jahre 1265, in welchem wir ihn zum letztenmale nach-
zuweisen im Stande sind.' Hier verschwindet er plötzlich für
zwei Jahrhunderte und mit ihm zugleich die bis zu derselben
Zeit in Zara sich haltende byzantinische Indiktion, auf die wir
noch zu sprechen kommen.
Unter der Redaktion der einheimischen Notare behielt
weiter die Urkunde von Zara fast ausnahmslos den Annun-
ziationsstil ,^ der auch nicht ins Wanken geriet, als das
Notariat aus kaiserlicher Machtvollkommenheit in der Stadt
feste Wurzeln schlug und als Zara unter die Regierung des
kroatisch-ungarischen Königs Ludwigs des Großen kam und
das benachbarte Nona den Calculus Florentinus für den Zirkum-
zisionsstil umtauschte. Kleine Schwankungen sind allerdings
um diese Zeit zu erkennen.^
£s dauert diese Rechnung weiter unberührt in das
15. Jahrhundert, bis endlich die Macht Venedigs Zara sowie
den anderen dalmatinischen Städten auch in der Zählungsweise
den Stempel der Unterwürfigkeit aufdrückte.® Von der Mitte
1231, 17. Februar IV (HI) (GAZ. Abt. s. Gris. XVII. B. 14). — 3. Daß
sie 8ich vom 1. Mftrs an deckt: 1201, 2. März, ind. IUI (Ib. XVI. D. 1);
1209, 21. März, ind. XU (AsA. a. 1209).
» 1206 (7), . . März X (IX) (orig. Begna, Nr. 1).
* A. 1238 (9), 15. März^ ind. XII (XI) enthält die Urkunde von 1238,
10. April (GAZ. Abt. s. Gris. XIV, D. 1).
> 1265, 6. März, ind. VIU (GAZ. Abt. des Klosters St. Domenico Nr. 680).
* Eine Ausnahme bilden nur die Urkunden der geistlichen Behörden,
welche beständig in ganz Dalmatien den römischen Stil gebrauchten, wie
dies unten näher besprochen wird. Cf. Knauz, Kortan 89 (Pest 1876).
' Einige Urkunden im gnbemialen Archive zu Zara, wie z. B. a. 1365,
14. Januar, ind. UI, ^ 1867, 18. März, ind. V.
* Fälle des Wechsels der Jahreszählung mit dem Wechsel eines fremden
Herrschers sind auch in Italien nicht unbekannt. 8. für die Stadt Lucca
ArcbiYio stör, itol., Serie III, vol. 12, 137; für Cortona Paoli 174 (L. 235).
142 VI. Abhandlang: t. ÖnffUj.
des 15. Jahrhunderts bis zum Falle der Republik ist in ganz
Dalmatien der venezianische Stil angewandt worden.
Auch das kroatische Nona läßt sich von der mächtigen
benachbarten Stadt gänzlich beeinflussen. Vom 13. Jahrhundert
bis unter die Regierung König Ludwigs finden wir hier keinen
anderen Stil als den Calculus Florentinus.^ Die Stadt Pago,
die gewöhnlich zu Zara gehörte, bemüht sich ebenfalls, dieses
nachzuahmen. Aber die Fühlung mit Kroatien, die schon früh
durch das Domkapitel genährt wurde, gesteigert noch durch
den gemeinsamen Herrscher, verdrängte schnell diese Zählungs-
weise und Nona zählte in der zweiten Hälfte des 14. Jahr-
hunderts nach dem in Kroatien und den südlichen Küstenstädten
üblichen Zirkumzisionsstil.
So erscheint Zara mit dem von ihm beeinflußten Gebiet,
indem es von der Rechnungsweise der umgebenden Städte und
Inseln und des kroatischen Küstenlandes sowie der brüderlichen
dalmatinischen Städte im Süden abwich, in seiner eigentümlichen
Zählung alleinstehend;^ und in diesem chronologischen Momente
finden wir einen gewissen Ersatz für die verlorenen diploma-
tischen Eigentümlichkeiten, durch welche sich das nördliche
Urkundengebiet einstens ausgezeichnet hatte.
Keinen so stürmischen Wechsel des Jahresanfanges wie
die Städte Norddalmatiens hatten die südlichen Städte: Se-
benico, Spalato, Trau, Ragusa/ Cattaro und die sich
* 1266 (7), 24. März X (IX) (GAZ. Abt. s. Nicolo, Nr. 47). — 1289 (90),
2. Februar UI (II) (A8A.a.l289). — 1387 (8), I.Mär« VI (V) (orjg. 8. Maria).
— Dagegen a. 1S68, 6. März XIII (GAZ. s. Domenico). — 1373, 10. März
XI (AsA. a. 1373) etc.
* Einen scharfen Gegensatz zu der Rechnungsweise von Spalato bietet
die Urkunde von Zara 1386 (7), 21. März X (IX) (AsA. a. 1386), welche
das Instrument von Spalato 1387, ind. X, 21. Januar erwähnt.
' Für Ragusa kann ich in dieser Beziehung für das 13. und 14. Jahr-
hundert eigentlich kein maßgebendes Urteil fällen, weil ich das Haupt-
material im ragusanischen Archiv, da dieses schon zwei Jahre geschlossen
ist, nicht besichtigt habe. Die zwei Sammlungen, wo sich noch etliche
ragusanische Frivaturkunden vorfinden, das Staatsarchiv zu Wien und
das Archiv der südslawischen Akademie zu Agram, waren nicht aus-
reichend, denn entweder besitzen die vorhandenen Urkunden keine In-
diktion zur Kontrolle, oder fallen in Monate, die hierher nicht ein-
Di« dAlmatiniseli« PriTsivrlnind«. 143
Dach ihnen richtenden Inselstädte: Lesina, Lissa, Brazza
nnd Cnrzola. Zwar kann man kaum bezweifeln, daß zur
Zeit, als der venezianische Stil fast allein zu Zara herrschte,
also vom Ende des 12. Jahrhunderts bis in die Mitte des
13. Jahrhunderts, er sich auch auf der ganzen Küstenlinie und
auch auf der Inselreihe einzunisten versuchte, umsomehr, da
sich zweifellose Spuren desselben zu Arbe,^ Traü^ und Spalato*
vorfinden. Aber im ganzen hat sich überall hier die für das
11. Jahrhundert fär ganz Dalmatien festgestellte Rechnungs-
weise nach dem heutigen Stile (1. Januar) erhalten. Der Grund
kann kaum, Cattaro ausgenommen, in der geographischen Lage
allein gesucht werden.^ Er dürfte in dem treuen Festhalten
der Einwohner an den römischen Traditionen, in der größeren
Fühlung mit dem kroatischen Elemente, besonders aber im
großen Einflüsse des Klerus im Süden, welcher seine Urkunden
stets nach diesem Stile datierte, liegen.^ Das kaiserliche No-
tariat, welches sich schon früh nach Süddalmatien den Weg
bahnte, konnte sich in diese von dem Weihnachtsstile seiner
Heimat nur wenig abweichende Kechnungs weise leicht fügen.
Doch ist die unmittelbare Anknüpfung an das 11. Jahr-
hundert nirgends zu verfolgen. Die Urkunden von Spalato,
schlagen. — Für die ältere Zeit spricht die erwähnte Urkunde von
a. 1044 (CSD. I, Nr. 12) för die obigen Folgerungen.
' A. 1229, ind. III (II): mense februarii die 5 exennte . . . temporibns . . .
inclit. ducis Venecie (Orig. nicht zu finden, ed. Farlati, 111. sacr. V, 240;
Wenczel, Cod. Arp. VI, 480).
» A. 1247 (8), 3. Februar VI (V), (orig. ACT., ed. Farlati IV, 364).
» 1261 (2), 29. Januar V (IV) (orig. s. Maria zu Zara). — Die drei in den
letzten drei Noten zitierten Beispiele sind ganz yereinzelt und neben
der Wucht des Zirkumzisionstils als Tollständig abnorm zu betrachten.
* Vgl. Cons, La Dalmatie romaine, p. 14 — 22.
^ Über den Einfluß des Klerus zu Spalato im 11. Jahrhundert s. Raöki,
Rad 28, 183—186; Smi^iklas, Poyjest hrv. I, 344—361; für das 12. Jahr-
hundert Kap-Herr, Die abendländische Politik Kaiser Manuels 89—92;
dufflaj, Hrvatska i zadnja pregnu(fa 52, 67 f. Als Beispiel dieser Da-
tierung bei den Urkunden des Klerus führe ich folgende Urkunden aus
Zara an: 1328, 7. Januar XI (Begna a. 1328). — 1364, 25. Januar II
(GAZ. Abt. Eogovo). — 1366, 6. Februar IV (Ib.) — 1373, 10. März XI
(GAZ. Abt. Domenico). — 1374, 28. Januar XII (s. Maria zu Zara). —
FOr den Einzug des Zirkumzisionstiles in das kirchliche Recht s. Grote-
fend 22. — In Ungarn zwar hauptsächlich der Weihnachtsstil ttblich
Knaus, Kortan 97 f.; aber vgl. unten S. 146, n. 2.
144 VI. Abbandliing : ▼. Önfflay*
aus denen in dieser Beziehung ein Schluß zu ziehen wäre,
fangen erst im 13. Jahrhunderte an,^ beweisen aber seitdem
reichlich den oben konstatierten Brauch.^ Dasselbe gilt von
Traü.^ Weit schlechter steht es in dieser Beziehung mit
Cattaro und den erwähnten Inselstädten. Hier tritt das Material
größtenteils erst im 14. Jahrhunderte für unsere Zwecke ent-
gegen und wir können nur sagen ^ daß kein Fall vorkommt,
welcher den durch einige Urkunden konstatierten Zirkum-
zisionsstil^ ausschließen würde.
Die rein kroatische Stadt Sebenico'^ und wahrscheinlich
auch Scardona gesellen sich als zwei markante Punkte zu der
doppelten isochronen Kurve ,^ welche , von den Städten der
Bucht von Quarnero^ und der kroatischen Küstenstadt Senj
(Zengg) parallel ausgehend; an dem ersten Vorsprunge der
^ Die Urkunde von 1188 (CSD. II, Nr. 193) kommt kaum in Betracht, 'da
sie den calc. venet. nicht ausschließt.
' So die Urkunden yon a. 1237, mens. ian. X (orig. ACS.). — 1238, mens,
ian. XI (Ib. mit der Signatur des Wiener Staatsarchivs XVI, 1226). —
1256, 24. März XIV (Ib. XVI, 1. 100). — 1260, 10. Februar Ul (Ib. ed.
Wenczel II, 362). — 1271, 10. Januar XIV (Ib.). — 1276, 21. Februar
III (s. Maria zu Zara). — 1332, 25. Februar XV (AsA. a. 1332) etc.
> A. 1241, X. Kai. Febr. XUII (orig. s. Maria zu Zara). — 1286, 28. Fe-
bruar XIV (ACS. XVI, 1. 61, ed. Wenczel IV, 291). — 1293, 16. Januar
VI (ACT. Nr. 29). — 1296, 22. Februar IX (Ib. Nr. 30). — 1812, 6. Fe-
bruar X (Ib. Nr. 36). — 1324, 16. März VII (Ib. Nr. 4ö) etc.
* Lesina 1320, 10. Februar III (orig. Arch. des Cap. zu Lesina). — Cattaro
1261, 13. Februar IV (AsA. a. 1261). — 1860, 7. März m (Ib.). — 1888,
2. Januar X (Ib.).
<^ 1353, 29. Januar VI (AsA. a. 1353). — 1358, 18. März XI (Ib.).
* Es dürfte von nicht geringem Nutzen für die Wissenschaft sein, wenn
man versuchen würde, den Gebrauch der verschiedenen Jahresanfänge
und Indiktionen für Länder mit verschiedenen Stilen kartographisch
darzustellen, d. h. die Orte mit gleichem Jahresanfang, beziehungsweise
Indiktion mit Linien zu verbinden. Gewinnt man dadurch zweifellos
leichter die Übersicht als durch die Handbücher, so würden sich, glaube
ich, auch neue Ausschauung^punkte für kulturelle Strömungen bieten.
' Für Krk (Vegla): 1311, 25. Februar IX (AsA. a. 1311); 1305, 10. Januar
m (Ib.). — 1306, 3. Februar IV (Ib.) etc. Für Rah (Arbe): 1200,
30. Januar III (orig. k. Landesarchiv zu Agram). — 1261, 23. Februar IV
(Ib.). — 1272, 13. Mära XV (AsA.) — 1384, 16. Januar H (GAZ. Abt
8. Gris. XXIV, Nr. 623) etc. Für Osor (Absaro) 1212, 15. März XV
(AsA. 1212).
Die dftlmatinuclie PiiTatnrkonde. 145
bis jetzt monotonen Küste, an der alten Halbinsel Hyllis (heute
liegt Zara darauf) divergiert, gleich der Welle, die sie bespült,
zerschellend. Die östliche Krümmung biegt in das Festland,
um über Vrana und Bribir bei Scardona wieder den Weg
zur Küste zu finden; die westliche, durch die Insel Pago
plötzlich in ihrem Laufe zu der südlichen dalmatinischen Insel-
reihe unterbrochen, taucht bei den Inseln, welche das Becken
von Spalato einfassen, empor und findet über Curzola und
Lagosta bei Cattaro den Vereinigungspunkt mit der östlichen,
über südliche Küstenstädte hierher angelangten Krümmung.
Hier ist noch folgendes hervorzuheben. Ich habe immer-
während von dem Gebrauche des Zirkumzisionsstils in den
genannten Städten gesprochen und dennoch ist aus allen an-
geführten Beispielen nicht festzustellen, ob nicht vielleicht doch
der Weihnachtsstil parallel neben ihm läuft oder ihn gar gänzlich
vertritt. Bei dem sehr geringen Unterschiede, der zwischen
beiden Jahresanfängen besteht, wäre praktisch kein besonderes
Resultat mit dem Feststellen des ersteren dem zweiten gegen-
über erzielt, aber in der Theorie wäre der umfassenden
Behauptung, daß sich der Weihnachtsstil in gleicher Weise aus-
breitete, wie das Notariat aus kaiserlicher Machtvollkommenheit
um sich greift,^ eine Einschränkung gesetzt.
Bis in das 14. Jahrhundert ist in dem gesamten Material,
welches uns zu Gebote stand, die Unterscheidung nicht möglich
gewesen, da keine Urkunde aus den sieben letzten Tagen des
Monats Dezember vorkommt. Erst im Jahre 1373 haben wir
einen Beweis für unsere Annahme in einer Urkunde von Nona,
deren Datierungsformel lautet: . . . millesimo trecentesimo
septuagesimo tertio indictione undecima die ultimo mensis de-
cembris . . . regnante . . . Ludouico . . . temporibus . . . Demetrii
de Matafaris . . . episcopi . . . ac egregii et potentis viri domini
comitis Nouachi de generatione Mogorouig nunc honorabilis
comitis ciuitatis None.^ Hier deckt sich am letzten Tage des
Dezembers die Indiktion mit dem Jahre. Der Beweis, den
wir daraus führen wollten, könnte nur dann als unumstößlich
gelten, wenn wir annehmen würden, daß die römische Indiktion,
^ Paoli-Lohmeyer 234.
« Orig. GAZ. ». Gria., Kap. XV, Nr. 308.
SitsnoffilMr. d. phil.-hist. Kl. CXLYII. Bd. 6. Abh. 10
146 VI. Abhandlnng ! t. SnffUy.
die hier immer im Brauche war, mit dem 1. Januar anfängt^
was aber nicht ohneweiters anzunehmen ist.^ Aber das Pro-
tokoll der Urkunde liefert einen Beweis, daß wir hier wirklich
mit dem im Texte genannten Jahre 1373 zu tun haben, also
den Jahresanfang vom 1. Januar vor uns haben, weil in ihm
als Comes der Stadt Novak aus dem berühmten kroatischen
Geschlechte der Mogorovi6i genannt wird. Am Ende des Jahres
1372 und noch am Anfange 1373 trug nämlich zu Nona Jo-
hannes de Surdis de Placentia diese Würde.*
19. Indiktion.
Wenn wir auch die Datierung nach der christlichen Ära
als ein Hauptkennzeichen schon der ersten dalmatinisch-kroa-
tischen Privaturkunden festgestellt hatten, so finden sich doch
ebendaselbst Anklänge an den früheren ausschließlichen Ge-
brauch einer älteren Art der Jahresbezeichnung, der Indiktion.
Es ist der südlichste Ausläufer des dalmatinischen Küsten-
streifens, wo wir früher schon viele byzantinische Elemente in
der Urkunde entdeckt haben,^ der uns in den das Kloster auf
der Insel Lokrum betreflfenden Urkunden noch im 12. Jahr-
hundert davon Beispiele bietet.*
Wenn in Ragusa am Anfange des 11. Jahrhunderts es
vorkommt, daß man die Urkunde nur nach der Indiktion
datiert,^ so mag dies durch die verhältnismäßig frühe Zeit und
durch den bekannten Konservatismus dieser Stadt erklärt
werden. Aber die Benützung der Indiktion als der einzigen
> S. Grotefend 93.
• S. die Urkunde von 1373, 10. März (AsA. a. 1378). Anch in Italien war
der heutige Stil nicht gänzlich unbekannt, obgleich Paoli, Dipl. 180
(L. 242) sagt: Ci sono tracce di questo stile fino dai primi tempi del
medio evo in Francia . . . non so se in Italia. Dagegen Russi, Paleo-
graphia, p. 5ö : nel principato di Benevento e di Capua dal secolo X in
poi si ö usato anche comminciare l*anno dal primo gennaio . . . und sagt
ausdrücklich, daß hier nicht das Jahr mit dem Anfange vom 25. De-
zember im Brauche war. — Die Städte Ungarns und Kroatiens rechneten
mit Vorliebe vom I.Januar (strennarum dies). Knauz a. a. 0. 98 f. 273.
• S. oben S. 71 f.
^ A. 1112 (CSD. II, Nr. 22). In nomine domini dei eterni mense inlio, in-
dictione quinta; a. 1115, Nr. 24.
» A. 1023 (CSD. I, Nr. 114).
Die dftlmatiniBehe PxiTfttiurlraDde. 147
Jahresbezeichnung in dem 12. Jahrhundert muß einen trif-
tigeren Grund haben, der allem Anscheine nach in dem Brauche
der byzantinischen Kanzlei und in der Abfassung der griechi-
schen Vertragsurkunden ^ liegt. Es ist noch die Bewunderung
für alles Ostliche, welche den Schreiber des Königs eines win-
zigen Staates, Zahum, und seiner naiven Häuptlinge diesen
byzantinischen Brauch befolgen läßt. Übrigens geschieht es
zum letztenmale, daß diese Zählungsweise der von Norden
andringenden Ära die Stirn bietet.'
Die Indiktion kommt sonst regelmäßig als Begleiterin
der christlichen Ära vor. Es handelt sich noch festzustellen,
in welcher Art sie zu verschiedenen Zeiten von verschiedenen
Städten angewandt worden ist.'
Es ist den Regeln der allgemeinen Chronologie gemäß,*
wenn in den ältesten Urkunden Dalmatiens ausschließlich die
byzantinische Indiktion erscheint.** So sehr schön in einer
Urkunde von Zara: et eiusdem incarnationis anno millesimo
quatricesimo quarto indictione tercia decima (XII) sub die fere
prima mensis septembris.^ Aber ihr allgemeiner Gebrauch in
Dalmatien ist ftir diese Zeit nur durch ROckschlüsse aus dem
12. und 13. Jahrhundert zu konstatieren.
Im 12. Jahrhundert erscheint sie in der Urkunde von
Zara nicht ausgeprägt, denn alle die Urkunden aus den letzten
vier Monaten eines Jahres schließen nicht die Anwendung der
später üblichen bedanischen Indiktion aus.^
^ S. die Schemata bei Sathas: Msadaifovtxi^ ßißXioO^^xT] VI (Paris 1877);
cf. Bühl, Chronologie, p. 173.
* Dem Schreiber der oben S. 146, Note 4 zitierten Urkunden ist schon das
Inkamationsjahr bekannt; s. a. 1100 (CSD. I, 229), a. 1114 (II, 23).
» Über die Arten der Indiktion s. Paoli, Dipl. 183—186 (L. 247—260);
Grotefend 93; Rühl 171—174.
* Anßer den in der vorhergehenden Note bezeichneten Werken s. Mas-
Latrie 28; Bossi 63.
° So erklärt der beste Kenner der ältesten kroatischen Urkunden Raöki zur
Urkunde von 918, Doc. Nr. 13, p. 19, anno DCCCCXVIII die 1. Sep-
tembris iam indictio VII inchoaverat. Ebenso zur Urkunde von 1070.
Nona ind. VIDI (VIII) (p. 81, nota 2).
* Doc. Nr. 38.
' CSD. II, Nr. 173. 188. 198. 249; und a. 1199, 3. Oktober III (II) (die
Urkunde fehlt in CSD.; ed. Starine, vol. 23. p. 194).
10*
148 Tl. AbhftodliiDfr: ▼. dnffUy.
In dieser Ungewißheit hilft ans eine Urkunde von Ragnsa,
welche klar auf den Gebrauch der byzantinischen Indiktion
auch im Süden hinweist.^ Dazu gesellt sich die Tatsache, daß
im 13. Jahrhundert bis in die Mitte desselben in Zara noch aus-
schließlich diese Indiktion zur Anwendung kommt,' was eine
durch das 12. Jahrhundert nicht unterbrochene Anknüpfung
an die älteste Zeit als gewiß erscheinen läßt. Für dieselbe
Zeit ist der Gebrauch dieser Indiktion auch in Spalato fest-
zustellen' und mutmaßlich auch zu Trau und auf den Inseln
am Quarnero.^ Für andere Städte ist das Material unza-
reichend.*^
Somit kann man, auf den Brauch der genannten fUnf
Städte gestützt, die byzantinische Indiktion beinahe (lir die
ganze alte römische Provinz Dalmatien^ als ursprünglich er-
^ In anno dominice incarnationis millesimo centesimo octog^esimo primo
indictione quinta decima (XIV) vicesimo die mensU Septem bris, Ra-
gusii . . . (orig. im Staatsarchiv zu Wien, Cattaro 16d/ö). Die einzige
Edition bei Knkuljevid CSD. II, 169 gerade hier fehlerhaft. Cf. auch
Nr. 184, a. ll«6, 27. September V (IV).
' 1. Die Urkunden, welche für sich allein nur die byzantinische Indiktion
als möglich erscheinen lassen: 1*217, 13. September VI (V) (QAZ. Abt.
s. Nie. Nr. 2). — 1237, 18. September XI (X) (Ib. Nr. 4). — 1248,
20. September VII (VI) (GAZ. s. Gris. XVII, S. 2 und 3). — 1250, 9. Sep-
tember IX (VIII) (Ib. IX, T. 18). — 1261, 12. September X (IX) (GAZ.
8. Nie. Nr. 10). 2. Die Urkunden, welche für sich allein die bedani-
sehe Indiktion nicht ausschließen, in Verbindung aber mit den obigen
die Anwendung der byzantinischen Indiktion bestätigen: 1215, 1. No-
vember IV (III) (orig. GAZ. Abt. Ponti 32). — 1219, 18. Oktober Vffl
(VII) (GAZ. Abt. 8. Gris. X J). — 1222, 4. Dezember XI (X) (Ib. XVII,
432). — 1231, 28. September V (IV) (Ib. XIH, C. 49) etc. — 1252,
1. Oktober XI (X) (s. Maria zu Zara). — 1262, 6. Oktober XI (X) (GAZ.
B. Dom. 1450).
* 1. 1247, 23. September VI (V) (orig. ACS. a. 1247). — 1250, 23. Sep-
tember IX (VIII) (Ib. XVI, 1. 28). 2. 1252, 4. Oktober XI (X) (Ib.). —
1258, 5. Oktober II (I), (Ib. XVI, 1. 168).
* Keines der Argumente schließt die bedanische Indiktion aus: Tra&
1259, 10. Dezember III (II) (orig. ACT. ed. Farlati IV, 346). Arbe 1234,
mens. oct. VIII (VII) (AsA.). 1234, 5. Dezember VIU (VH) (Ib.). 1239,
7. November XIII (XII) (orig. Landesarchiv zu Agram). — Weiter nicht
nachweisbar.
* Sebenico ausgenommen, wo, wie wir sehen werden, schon in der ersten
Hälfte des 13. Jahrhunderts die römische Indiktion gebraucht war.
* Cons, La Dalmatie, p. 2.
Die dalmatiniBche PriTAtnrkiude. 149
klären und ihre Fortdauer in den Städten von den nördlichen
adriatischen Inseln bis zum Fuße der acroceraunischen Berge
bis über die Mitte des 13. Jahrhunderts festsetzen. Da, nicht
allmäblich, sondern wie durch einen Zauberschlag verschwindet
sie für immer auf der ganzen genannten Linie/ es findet sich
schon in der späteren zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts
gar keine verläßliche Spur* von der kurz vorher noch allein-
herrschenden byzantinischen Indiktion. Der Gebrauch der
Indiktion in der Privaturkunde der Städte war damit jedoch
nicht erstorben.
An die Ausläufer der byzantinischen Indiktion und in
der Übergangszeit wahrscheinlich mit ihnen vermischt knüpft
sich unmittelbar die bedanischelndiktion zu Zara. Konnte
man schon bei dem plötzlichen Verschwinden des venezianischen
Stiles zu Zara um dieselbe Zeit mit der byzantinischen Indiktion
eine förmliche Aufhebung ahnen, so wird dies beinahe zu Gewiß-
heit, wenn man ihre unmittelbaren Stellvertreter, den florentini-
sehen Stil und die bedanische Indiktion in Betracht zieht, welche
auch in MittelitaUen fast unzertrennlich zusammen erscheinen.'
Man kann dennoch auch für Zara nicht eine ganz
genaue Grenze angeben, wann die byzantinische Indiktion
aufhört und die bedanische beginnt, da nach dem Jahre 1251,
wo noch die byzantinische Indiktion zweifellos vorliegt, bis
zum Jahre 1275 alle einschlagenden Urkunden nur eine zwei-
deutige Auskunft geben.^ Erst in dem letztgenannten Jahre
tritt eine Urkunde hervor, welche den Gebrauch der byzan-
^ Die oben zuletzt angeführten Belege sind zugleich die letzten, wo die
byzantinische Indiktion zweifellos nachzuweisen ist. Das Aufhören der-
selben deckt sich, was die Zeit anbelangt, prächtig miteinander, wenn
man die nicht allzugroße Zahl der Urkunden aus dieser Zeit und die
Beschr&nkuog berücksichtigt, daß sie alle zwischen dem 1. — 24. Sep-
tember ihre Entstehungszeit haben müssen.
' Die einzige mir bekannte Urkunde, welche auf diese Indiktion weist,
ist yon a. 1282, 21. September, ind. XI (X), aber sie ist erstens kein
Original, sondern in einer Kopie erhalten (6AZ. Stampa per i padri
de san Domenico p. l — 2, Abt. Dom. Nr. 1203), zweitens ist hier die
Indiktion mit römischer Ziffer angegeben.
* So in Toskana, s. Paoli L. 235 und 250.
^ D. b. es rührt keine Urkunde aus dem Anfange des September her.
150 VI. AbbAndluf : t. duffUy.
tinischen Indiktion ausschließt.^ Somit ist die Übergangszeit
zur bedanischen Indiktion jedenfalls zwischen 1251 — 1275 mit
Berücksichtigung aber der Einführung des florentinischen Stiles
(c. 1265) in engere Grenzen zwischen 1265 — 1275 zu setzen.
Von da angefangen dauert der ungeschmälerte Gebrauch
der bedanischen Indiktion bis in die Neuzeit^' kaum berührt
von der römischen ^ die sonst im übrigen Dalmatien ebenso
gebietend herrschte.' Denn nur noch die Inselstadt Pago,
welche die größte Zeit des 13. und 14. Jahrhunderts von Zara
abhängig war, und das nahe Nona sind dem Vorbilde von
Zara nachgefolgt uud haben die bedanische Indiktion wie auch
den Inkarnationsstil angenommen. Aber während die erste
Stadt an diesen beiden Rechnungsweisen gleich Zara festhielt^^
wurde Nona ihnen bald untreu , denn die Herrschaft des
kroatisch-ungarischen Königs Ludwig über Dalmatien hat der
Stadt in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts neben dem
Zirkumzisionsstil auch die in anderen Stadtgemeinden übliche
römische Indiktion gebracht. '^
* 1276, 16. September, ind. III (orig. AsA. a. 1276).
' 1. Urkunden, welche die byzantinische Indiktion ausschließen: 1286,
19. September XIV (AsA.). — 1292, 2. September V (Ib.). — 1297,
16. September X (GAZ. s. Gris. XVIII, 425). — 1316, 7. September XIV
(Begna Nr. 101). — 1320, 6. September VIII (GAZ. s. Dom. Nr. 1901) etc.
2. Urkunden, welche in Verbindung mit den oben zitierten die bedani-
sche Indiktion bestimmen, sind unzählige. Einige Beispiele genügen:
1277, 19. Oktober VI (V) (GAZ. s. Gris. XVII, S. 13). — 1278, 6, De-
zember VU (VI) (AsA.). — 1281, IG. November X (IX) (GAZ. s. Nie. 66).
— 1296, 8. Oktober X (IX) (s. Maria zu Zara). — 1299, 16. Dezember
XIU(XU) (3 exempl. Ib.). — 1316, 17. November XV (XIV) (Begna
113) etc.
^ Über die Spuren der römischen Indiktion siehe unten S. 161, n. 1.
* Die bedanische Indiktion ist zwar nur aus zwei Urkunden von 1347,
7. und 8. Oktober, ind. I (XV) (orig. GAZ. s. Dom. Nr. 720 und
721) ersichtlich, aber da der calc. fior. in das 16. Jahrhundert fort-
dauert, so ist daraus auch auf die weitere Dauer der bedanischen
Indiktion zu schließen.
» 1. Bed. Ind.: 1342, 12. Oktober XI (X) (aus dem Kopialbuch des 17. Jahr-
hunderts, Privilegi di Nona fol. 14 GAZ.). — 1347, 12. Oktober I (XV)
(orig. GAZ. 8. Dom. Nr. 1049). 2. Rom. Ind.: 1369, 1. Oktober XII
(orig. GAZ. s. Dom. Nr. 1061). — 1376, 14. Oktober XUI (Begna a. 1376).
— 1373, 31. Dezember XI (GAZ. s. Gris. XV, 308). — 1394, 28. Oktober
n (AsA.).
Di« dalmaiiniflcb« PriTaftarkonde. 151
Mag fbr die südlich von Zara gelegenen Städte Dalmatiens
wie aach ftir die schon bei der Bestimmung des Jahresanfanges
in Betracht gezogenen Städte am Qaarnero und der kroatischen
Küste das fast gleichzeitige Verschwinden der byzantinischen
Indiktion als zufällig gelten, so bietet der Zeitraum von 1265
bis 1275 — wie gesehen der größte Wendepunkt in dem Ge-
brauche des Jahresanfanges — auch eine scharfe Qrenze wie
für die bedanische Indiktion zu Zara, so fUr das allgemeine
und keine Ausnahme duldende Auftreten der römischen
Indiktion in den oben erwähnten Städten.
Die Spuren dieser Indiktion finden sich schon seit dem
Ende des 12. Jahrhunderts längs der ganzen dalmatinischen
Küste. Zu Zara sind sie absolut genommen ziemlich reichlich
neben der bedanischen Indiktion.^ Im Verhältnis aber zu der
Größe des Materials und des Zeitraumes, in welchem sie auf-
tauchen, verschwinden sie fast und sind als vollständig abnorm
zu betrachten auch in der Zeit, wo Nona von dem Gebrauche
der bedanischen Indiktion abfallt. Nur die Urkunden der
Geistlichen und des Kapitels, wie überall in Dalmatien, sind
— das gilt wenigstens für das 14. Jahrhundert — gewöhnlich
mit der römischen Indiktion versehen.* Somit bilden dieselben
in ihrer Rechnungs weise ein eigenes, gegen andere Gebräuche
rücksichtsloses chronologisches Gebiet.
Im Süden von Zara sind die Spuren der römischen In-
diktion in älterer Zeit natürlich auch zu finden und es ist der
Mangel an dem Materiale überhaupt der Hauptgrund, daß sie
sich in diesen Städten, welche später ausschließlich die römische
Indiktion gebrauchen, nicht häufiger und zuverläßiicher zeigen.
Ich kann bis zum Jahre 1260 dafür nur ein Original^ und
» 1193, 8. Oktober XI (orig. GAZ. s. Nie. Nr. 1, ed. CSD. 11,229). —
1204, 8. November VH (röm. Ziffer im Orig.) ACT. — 1274, 20. De-
zember n (Begna a. 1274). — 1296, 18. Oktober IX (s. Maria zu Zara).
— 1333, 31. Oktober I (Begna Nr. 66). — 1368, 8. Oktober VI (orig.
GAZ. 8. Gris. 111,49, Kopie 8. Maria zu Zara) etc.
* Z. B.: a. 1369, 1. November XU (orig. GAZ. 8. Gris. XXIII, 575). —
1363, 1. November I (Ib. XXUl, 68»). — 1394, 9. Oktober H (GAZ. Abt.
Bogovo). — 1398, 26. September (GAZ. s. Gris. I, C. 1). — 1399, 7. No-
vember VII (Ib. Abt. Rogovo).
» 1201, mens, octobris, ind. HU (röm. Ziffer) (orig. 8. Maria zu Zara).
152 VI. Abhandlang; t. dnffUy.
eine spätere Kopie für Spalato anführen.' Sibenik nnd Hvar
(Lesina) scheinen schon vor diesem Jahre die päpstliche Indiktion
ausschließlich zu gebrauchen, wie dies die überhaupt ersten
hierher einschlagenden Urkunden dieser Städte schließen lassen.'
Wie aber um das eben erwähnte Jahr die byzantinische In-
diktion sich für immer zurückzieht, wird die römische Indiktion
die unzertrennliche Begleiterin des Zirkumzisionsstiles, welcher
soeben den Andrang des venezianischen zurückgewiesen hatte,
auf der ganzen östlichen Küste des Adriatischen Meeres von
Rab (Arbe) und Senj (Zengg) bis zu den Städten der Bucht
von Cattaro.^ Es ist dies eine Regel, welche den regelmäßigen
Gebrauch der bedanischen Indiktion zu Zara noch übertrifft,
indem sich keine Ausnahmen finden, und weil sie sich auch
mit dem Brauche der geistlichen Behörden deckt. Karto-
graphisch vorgestellt würde die Orte gleicher Indiktionen ver-
bindende Linie mit der schon besprochenen isochronen Kurve,
welche durch die den gleichen Jahresanfang anwendenden
Städte ihren Lauf nimmt, vollständig und genau zusammen-
fallen.
20. Datierung naoh der Begierujig der Herrscher.
Neben der christlichen Ära und der Indiktion dauern in
der dalmatinisch-kroatischen Urkunde wie im vollständig aus-
gebildeten Instrumente die Nachklänge der früher bis zum
» 1178, 21. Oktober, ind. XI (ed. CSD. II, 141).
» Sebenico 1243, 10. Dezember I (AsA). — 1262, U. Oktober X (Ib.). —
1321, 3. Oktober IV (Ib.) etc. — Hvar 1205, 2. November XIII (Kopie
aas dem 17. Jahrhundert in AOL.).
» Zengg 1293, 16. Oktober VI (Archiv zu Trsat). — 1295, 10. November
VIII (Ib.). — 1319, 1. November II (Ib.) etc. — Für Sebenico und Le-
sina siehe die vorangehenden Noten. — Brazza 1275, 27. Oktober XIII
(GAZ. Rogovo). — Curzola 1372, 10. Oktober X (orig. im Besitz der
Familie Arneri zu Curzola). — Spalato 1261, 24. Oktober IV (ACS.
XVI, .2. 11). — 1267, 14. Oktober X (Ib.). — 1269, 6. Oktober XH (Ib.
XVI, 1. 84). — 1278, 11. Dez. VI (Ib.). — 1298, 10. Dezember XV (Ib.
XVI, 1.25) etc. — Trau 1267, 27. September X (ACT. Nr. 18, ed. Far-
lati IV, 351). — 1267, 10. Oktober X (ACS. ed. Farlati lU, 282). —
1289, 9. Oktober II (ACT. Nr. 27). — 1310, 23. Oktober VIH (Ib. Nr. 36).
— 1314, 11. November XII (Ib. 39) etc. — Cattaro 1285, 30. Oktober
XIII (orig. Staatsarchiv Wien: rub. Cattaro 163/5). — 1353, 4. November
VI (AsA). — 1382, 24. Dezember V (Ib.) etc.
Di« daliiiatiiiiwlie PriTAtnrkonde. 153
9. Jahrhundert in Italien aosschließlich herrschenden Königsära
weiter.^ Da sie keine genaue Angabe der Jahre des Herrschers
mehr bieten, sondern nur die Regierungsperiode,' verlieren
sie die Bedeutung des Datums, sie sinken samt den anderen
Erwähnungen der Dignitäre zur einfachen Ergänzung herab,
zu den chronologischen Momenten zweiten Ranges, die eigent-
lich nicht neben die präzisen Zeitangaben zu stellen sind,
sondern besser in den Abschnitt über das Protokoll passen
würden. Dennoch erfordert diese Erwähnung der Machtinhaber,
weil sie durch die Datierung nach der Königsära hervorgerufen
wurde und ein gewisses Interesse sowohl für die Historiker
wie fUr Chronographen besitzt, auch hier eine Beachtung.
Wenn auch diese Art der Datierung für die Geschichte
und Chronologie der Könige von Ungarn, der byzantinischen
Kaiser und Herzöge von Venedig bei weiten nicht die Wichtig-
keit der älteren Urkunden Italiens für die politische Geschichte
besitzt,^ so ist sie für die ältere kroatische Geschichte von
unschätzbarem Werte.^ Sie ist auch untrüglich in der Be-
stimmung der Sympathien und des Abhängigkeitsverhältnisses
der Küstenstädte zu den benachbarten oder sie aus der Ferne
begehrenden Mächte.
So lange Dalmatien im direkten Abhängigkeitsverhältnis
zum byzantinischen Reiche steht, werden in der kroatisch-
dalmatinischen Urkunde die gleichzeitigen byzantinischen Kaiser
erwähnt. Und wenn auch die Schreiber in derselben nicht
nach der Weise der süditalienischen Kurialen die Jahreszahl
der Regierung angeben, so werden andererseits auch nicht
die groben Fehler totaler Unwissenheit der Verhältnisse am
Goldenen Hörn gemacht.^ Die Angaben über byzantinische
^ Die Kaiseijahre verschwinden vollständig^ aus den italienischen Priyat-
urkanden seit dem 12. Jahrhondert. Voltelini, Die sQdtir. Imbrev. (Acta
Tir. II, p. XXX, n. 6).
' regnante piissimo aagnsto . . . magno imperatore; — regnante . . . sere-
niasimo rege Vngarie; — temporibus . . . incliti ducis Yenecie.
' Wie darauf Mühlbacher, Zur Geschichte Königs Bernhard von Italien
(Mitt. des Inst. II, 296—302) hingewiesen hat.
* Die Chronologie mehrerer kroatischen KOnige wird nur durch die Privat-
nrkunde festgestellt. 8o Doc. Nr.28 für Driislav ; Nr. 74 fUr Petrus Kre^imir.
B Bussi, Paleografia, p. 109 führt Beispiele an, daß die Kurialen in den
Urkunden, welche nach dem Tode Basilius' geschrieben waren, dennoch
154 Tl. Abhandliing: ▼. Önfflsf.
Kaiser in den Urkunden Dalmatiens sind gewöhnlich fehlerlos.
Sie helfen auch zur Präzisiernng der Entstehnngszeit der
Urkunde^ und zuweilen zeigen sie| wie gut die dalmatinischen
Städte von den Thronumwälzangen in Byzanz informiert waren.
Der erste Abschluß dieser Datierung fällt mit der Union
Kroatiens mit den Königen von Ungarn zusammen.
Noch einmal werden die von den Kommunen nicht ver-
gessenen Beziehungen^ mit dem Ostreiche aufgefrischt. Es
geschieht zur Zeit der letzten Anstrengungen des Imperiums
unter den letzten Komnenen^ daß das berühmte ehemalige
Thema Dalmatien zum letztenmale seinen Strategen empfängt.'
Und es sind wiederum die Überreste der besprochenen Da-
tierung, welche uns fast die einzigen Aufschlüsse über die
Verwaltung Süd- und Mitteldalmatiens geben.^ Dann ver-
schwinden sie gänzlich aus der dalmatinischen Urkunde, nur
der Name des Basileus in den öffentlichen Gebeten der Städte
gibt Kunde von den einstigen Neigungen derselben zum Kaiser-
tumes welches sie schon lange für immer verlassen hatte.^
Neben den byzantinischen Kaisern nennen die Privat-
urkunden zuweilen auch die kroatischen Könige^ und es ist
das ein nicht geringer Beweis für die den stolzen Städten im-
ponierende Macht derselben. In späteren Jahrhunderten ist
diese verstümmelte Datierungsformel oft der einzige Ausdruck
die Jahre des Basilius und Constantinus vermerkt hatten, oder anch
geschrieben: anno primo oder secundo post obitum, oder defunctionem
Constantini, während derselbe noch am Leben war. — Dagegen weist
eine dalmatinische Urkunde yon 1078 auf ziemlich genaue Kenntnis
der Thronumstürze zu Eonstantinopel hin (noch unediert befindet sie
sich im Kodex des Klosters S. Grisogono, welcher vor einem Jahre von
Professor Smiöiklas im erzbischöflichen Archiv zu Zara gefunden wurde).
Sie trägt schon den Namen des Niceforus Botaniates, welcher den Thron
dasselbe Jahr den 7. Januar bestiegen hat; s. Muralt, Essay de Chronogr.
byz. I, p. 33; Sufflay, Hrvatska, p. 11, nota 6).
^ S. die Bemerkungen des Herausgebers im Doc. Nr. 21. 88 etc. — Eine
Ausnahme bildet Nr. 38, die aber schon von demselben gedeutet ist,
p. 48.
* Cf. Lenel, Die Entstehung der Vorherrschaft Venedigs 32.
' Kap-Herr, Die abendländische Politik des Kaisers Emanuel 84; Sufflay,
o. c. 49 — 51.
* CSD. n, 95. 99. 131. 140. 145. > Rambaud, L'empire grec 257.
* Doc. Nr. 22. 41. 57. 60. 61. 62. 72. 117.
Die dftliBttliiiüeb« FriTatnrlnnde. 155
des Abhängigkeitsverhältnisses von der Republik Venedig oder
vom ungarisch-kroatischen Staate^ je nachdem sie den Herzog
oder den König nennt.
Aber diese Art der Datierung hat noch eine interessante
Eigenschaft, welche sie der italienischen Privaturkunde auch
in dieser Beziehung näher bringt. Es sind das die in die
Datierungsformel eingeschalteten Nachrichten über die gleich-
zeitigen wichtigen Ereignisse, welche aber immer mit der
Person des Herrschers in Verbindung stehen^ also den üblichen
Rahmen im Grunde nicht überschreiten. Sie gehören nur
der älteren Zeit und hauptsächlich der Privaturkunde von
Zara an, wo die ähnlichen Lizenzen der italienischen Notare
gewiß bekannt waren.* Drei Beispiele, die übrigens wahr-
scheinlich das ganze Material erschöpfen, kann ich anführen.
Es ist das die Nachricht über die Gefangennahme des kroa-
tischen Königs Slavi6,' dann über die Eroberung des oberen
Kroatiens durch den ungarischen König Ladislaus' und endlich
über den Einzug Kolomans in Zara.^
^ S. daraber Mühlbacher, o. c. Mitt. des Inst. II, 296; Paoli, Chronogr.
Bemerkungen, Ib. YII, 464-46G; Paoli, Dipl. 196 f. (L. 264f.).
* In anno millesimo LXXV ab incarnatione domini nostri Jesu Christi
mense nouembris, ea tempestate, qua comes Amicus regem Chroacio cepit.
Doc. Nr. 83. Eigentlich ist diese Urkunde, herausgegeben zu Spalato,
eine öffentliche, von dem ,apocrisariu8 s. romane ecclesie' ausgestellt.
In ihr ist auch diese Erwähnung tendenziös geschehen, da ja KOnig
Slavid, der darunter gemeint ist, ein Feind der Kurie war; s. darüber
Gfrörer, Byz. Geschichten 11,236—241; Sufflay, o. c. 8 f.
' Anno incarnationis Jesu Christi nostri domini millesimo XCI Kyri Alexio
Constantinopoleos imperante; tempore quo Uladislaus Pannoniorum rex
Chroaci^ inuadens regnum domnum Almum suum nepotem in illo statuit
regem. Doc. Nr. 128. — Somit ist die von Fraknöi (Szent-Liwzl6 levele
a montecassinoi apAthoz. Budapest 1901 , p. 15) in bezug auf diese
Stelle aufgestellte Behauptung, daß Ladislaus bis Zara vorgedrungen
sei, gar nicht unwahrscheinlich. Man muß wirklich hier wie in den
italienischen Urkunden solche Datierungsform als einen Ausdruck des
Abhängigkeitsverhältnisses dieser Stadt zu Ungarn gelten lassen. Cf.
die analogen Fälle bei Mühlbacher und Paoli (zitiert oben in der
Note 1).
* Anno incarnationis domini nostri Jesu Christi MCV indictione Xm
regnante Colomagno Ungarie, Chroatie et Dalmatie, primo anno quo
triumpbaliter Jadram ingressus est CSD. II, 11. — Eine wichtige Nach-
richt ist für die kroatische Geschichte auch in II, Nr. 236 enthalten.
156 VI. Abhandlong: t. daffUy.
21. Epakten und Konkurrenten.
Es würde sonst genügt haben, hätte man nur die Seltenheit
dieser astronomisch-mathematisehen Angaben in der Datierungs-
formel der Urkunde und ihre kurze Dauer ins Auge gefaßt,
wenn sie in einer Note abgefertigt worden wären. Aber schon
ihr Erscheinen in einer Urkunde, die so viel Ingredienzien aus
Italien bekommen hatte, sowie ihr eigentümlich zähes An-
klammern nur an eine gewisse Art der Urkunde erheischen
es, darüber in einem kurzen eigenen Abschnitte zu handeln.^
Das Erscheinen dieser Jahresmerkmale ist in der dalma-
tinischen Urkunde sowohl zeitlich als lokal bedingt; sie tauchen
nur in dem Zeiträume von 1044 — 1105 auf und nur in den
Städten Zara und Ragusa. Natürlich ist kaum zu bezweifeln,
daß diese Jahresmerkmale, falls wir im Besitze des urkundlichen
Materials für andere Städte wären, auch in diesem zu entdecken
sein würden; die Tatsache schon, daß sie sich in den beiden
äußersten Punkten Dalmatiens zeigen, weist darauf hin.
Fünfmal kommen sie in den Urkunden vor, welche
ihren Entstehungsort ausdrücklich nach Zara verlegen' oder
wenigstens durch ihren Inhalt hierher zu versetzen sind.* Für
Ragusa ist nur ein einziger Fall festzustellen,* Jedesmal er-
scheinen in den genannten zaratinischen Urkunden die Epakten,
viermal die Konkurrenten, sonst ist keine astronomisch-mathe-
matische Angabe zu finden. In der Urkunde von Ragusa
wird noch das Mondalter durch ,luna 11* angegeben.
Betrachtet man den Inhalt dieser Urkunden, so enthält
die erste eine großartige Schenkung des kroatischen Banns
Stephan an das Kloster S. Grisogono. Die zweite ist ein vom
Abte selbst verfertigtes Verzeichnis der Besitzungen. Die
^ Für diese Datierang in der kroatischen KOnigsurkunde s. Badki, Rad
36, 13.
» Doc. Nr. 131. 184; CSD. H, Nr. 12.
• Doc. Nr. 37. 63.
* CSD. I, Nr. 128, a. 1044. S. die merkwürdigen chronog^aphischen Be-
merkungen über diese Urkunde bei Muratori, Antiq. ital. IV, col. 663
bis 6ÖÖ. Sie ist hier aus besserer Quelle: ex antiqua membrana exi-
stente in arch. monast. Benedi ctinoram Bagusii, als bei KuknljeTiö
geschöpft.
IHe dalmatkiiBche PriTAtarknnde. 157
dritte ist eine Bestätigung der Synode zu Zara über eine
Schenkung an das Kloster S. Maria — kurz alle sind zu
Gunsten der Klöster ausgestellt und vier- von fünfmal ist dies
das berühmte Kloster S. Qrisogono, welches eben zur Zeit
der Blüte des kroatischen Königreiches wiederum an die bei-
nahe verklungenen Traditionen des Asketenlebens am dalmati-
nischen Boden im Zeitalter des heiligen Hieronymus anknüpfte.^
Und wenn schon die Fassung der Urkunden eine nicht
zu kundige Hand aufweist, so fehlt allen diesen Urkunden
jede Art der Vollziehungsformel. Der Schreiber nennt sich
nicht,' obgleich in allen Fällen die Anfertigung der Urkunde
einem Mönche, welcher als Empfänger, beziehungsweise als
Aussteller auftritt,' zuzuschreiben ist.^ Hiermit wird der
Schlüssel zur Deutung des Auftauchens dieser Jahresmerkmale
von selbst geboten. Es ist immer ein Mönch, der mit Hilfe
des Kalenders, welcher der Bibliothek des Klosters nirgends
fehlt,^ die Datierungsformel der Urkunde mit solchen Angaben
ausstattet. Mechanisch kopiert er die chronologischen Merk-
male der Ostertafel, öfters ohne Rücksicht auf deren Wechsel
während des Jahres und überhaupt nicht zu tief in die Ge-
heimnisse des Kalenders eingeweiht.^
Noch ein Gesichtspunkt bietet sich bei der Betrachtung
dieser Jahrescharakterismen dar. Während die Epakten und
Konkurrenten regelmäßig zusammen erscheinen, findet man
nicht eine Spur von den in den abendländischen Urkunden
vorkommenden Regularen, nicht nur in den angeführten Privat-
urkunden, sondern auch in der Königsurkunde nicht.^ Das
deutet auf einen nicht aus Westen herrührenden Einfluß, auf
^ Vgl. Smidiklas, o. c. I, 279.
' In der Urknnde von Bagusa nennt er sich zwar, doch ist er kein Notar.
• Vgl. Posse, Lehre 102.
^ So Nr. 63 dem Abte selbst, CSD. 11, Nr. 12 dem Mönche Dobro, als
Auastellem; Doc. Kr. 37. 134 sind die MOnche Empfänger.
' 8. das Verzeichnis der Bücher des Klosters St. Peter in Selo and St. Be-
nedict za Spalato in Doc. Nr. U2, p. 181—182 (cf. Smiilklas, o.e. 1,280).
* Die Angaben sind gewöhnlich falsch, so Doc. Nr. 37. 134; besonders die
Königsarknnde a. 1089, Nr. 126, wo die Epakte XXV aus dem vorigen
Jahre stammt. Vgl. über die Ursachen: Geschichtsfrennd , Mitt. des
Vereines der fünf Orte XXV, 48.
^ In zwei Königsnrkunden erscheinen die Jahresmerkmale, Doc. Nr. 66. 126.
158 VI. AbbAndliiDg: ▼. SnffUy.
Ostertafeln, deren Rubriken keine Reguläres tragen und somit
den byzantinischen entnommen sein dürften, die ja tatsächlich
kein Wort für die abendländischen Reguläres zu besitzen
scheinen.^ Natürlich, daß die rein byzantinischen Charak-
terismen auf dieser Grenze der abend- und morgenländischen
Kulturströmungen durch die christliche Ära ganz verwischt
wurden, aber die Spuren von ihnen haben sich, wie wir sehen
können, indirekt erhalten. Und es ist diese auf den ersten
Blick auffallende Entdeckung der Spuren der byzantinischen
Chronologie in Dalmatien nicht so ganz befremdlich für den
Landstrich, an dessen Klerus noch Papst Innocenz III. die
Worte richtete: cum igitur in ecclesia nostraque sub obedientia
sedis apostolice perseuerans, Grecorum hactenus et ritum serua-
uerit et linguam . . .^
22. Die Monats- und Tagesangaben.
Betrachtet man die Urkunde der KUstenstädte von ihrem
ersten Erscheinen bis zum Übergänge in das formelmäßige
Instrument mit Hinsicht auf den Monat und Tag in der Da-
tierung, so bieten sie fast diametrale Unterschiede, deren
Ursache durch die Berücksichtigung ihres Alters allein kaum
gelöst werden kann. Es muß, um aus dem Chaos der ver-
schiedenen Kombinationen des Jahres mit dem Monate und
Tage in einer bestimmten Zeitepoche zu einigen allgemeinen
Regeln zu gelangen, zu anderen Mitteln gegriffen werden, die
sich aus dem Laufe der Betrachtung von selbst ergeben werden.
Wir finden schon in den ältesten Urkunden Dalmatiens,
in den Urkunden von Zara und in denen des südlichen Ge-
bietes den Gegensatz zwischen der genauesten Angabe der
Zeit, also durch Monat und Tag, und der Datierung durch
Jahr und Indiktion allein.^ Fast alle Urkunden aus Zara bis
zur Mitte des 11. Jahrhunderts sind mit der Angabe von
Monat und Tag versehen, während dies bei den Urkunden
anderer Küstenstädte ganz ungewöhnlich ist, auch bis zur
Mitte des 12. Jahrhunderts und darüber. Der Grund davon
> BUhl, Chronologie 163.
> A. 1199, CSD. Nr. II, 251. Fttr die bysantiniBche Ära in den slawischen
Urkunden, Miklosich o. c. pass.
' Zara, Doc. Nr. 13. 17. 21. 32. 34. 3S; Spalato, Nr. 2S. 30. 36.
Die dalmfttiniBche PriTAtorltiinda. 159
wird leicht gefanden ^ wenn man die Natar der Urkunden
beider Territorien, des nördlichen und südlichen erwägt.
Die Urkunde von Zara zeigt unzweifelhafte Anklänge
an die lombardische Carta, hat also die verfQgende Eigenschaft
zur Zeit noch nicht ganz eingebüßt, oder wenn auch, so hat
sie doch im Protokoll die notwendig vollständige Datierung
gleichwie im EschatokoU die Vollziehungsformel beibehalten.
Ans den Überresten der einst dispositiven zaratinischen Carta
sowie einem Fragmente der südlichen Notitia,^ wo der Monat
und Tag angegeben wird, kann dem Eingangsprotokolle der
bis zum 10. Jahrhunderte verschollenen Urkunde der dalma-
tinischen Städte der direkte Anschluß an die Verordnungen
der römischen Imperatoren zugeschrieben werden, wonach die
Urkunde, um gültig zu sein, mit Angabe von Jahr und Tag
versehen sein sollte.* Diese Meinung wird auch nicht wenig
durch die zwar vollständig mechanische und nur als ein un-
verstandenes Überbleibsel lebende, aber für die spätrömischen
Papyrusurkunden typische' Zufügung am Schlüsse des Textes:
,actnm hoc tempore, die, loco, ac consule ut supra^ unterstützt.^
Durch die Annahme, daß das Protokoll der zaratinischen Ur-
kunde speziell und auch einiger anderer Städte in ununter-
brochenen römischen Traditionen der kaiserlichen Verord-
nungen den Ursprung hat, erklärt sich auch das Beibehalten
des ausschließlichen Anfangsdatiercns zu einer Zeit, als in der
italienischen Notariatsurkunde in dieser Beziehung Mischformen
auftraten.^
Dagegen ist die Urkunde anderer Städte stark von den
Rechtssitten der Slawen durchtränkt, sie ist eine einfache
Beweisurkunde ^ ja oft nur ein Hilfsmittel zum endgültigen
^ A. 809, Cattaro CSD. I, Nr. 54; vgl. oben S. 137, n. 1.
* NoTelle 47, 1; Breßlau I, 818; Voltelini, Imbreviataren (Acta Tir. II,
p. XXXI).
* Marini, I Papiri diplomatici, Nr. 138. 139. 164. 179. 185.
* Die Formel kommt viermal vor: a. 918 Nr. 13. 17. 21; a. 1044 Nr. 38.
Daß sie ganz mechanisch and anverstanden angewandt wurde, beweist
der Umstand, daß das erste Mal im Protokolle keine Angabe des Tages
angegeben wird, das letzte Mal aber ,ac8aIibaB' statt ,consaUbas* im
Originale steht.
^ Namentlich im 12. Jahrhunderte; s. Breßlau I, 820.
160 yi- Abbandlnnff: t. Sufflaj.
Beweise darch Zeugen.^ Die genauen Zeitangaben haben in
ihr nur eine nebensächUche Bedentang. Die Tatsache , auf
welche sich das Datam bezieht, hat schon volle Rechtskraft
erlangt, ehe die Urkunde selbst niedergeschrieben wnrde. Doch
behielten die städtischen Urkunden einen Teil der spätrömischen
Traditionen, indem sie das Jahr und die Indiktion im Proto-
kolle behielten, während die echt kroatischen Akte gar keine
Zeitangabe besitzen.*
Auch die Urkunde von Zara wird immer mehr von dieser
zweiten Art der Urkunde angegriffen und das Überhandnehmen
derselben spiegelt sich auch in den ungenauen Zeitangaben
gleich in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts, so daß wir
von jetzt an bis etwas über die Mitte des 12. Jahrhunderts
eine Verwilderung der Datierungsformel in ganz Dalmatien in
der fast ausschließlichen Anwendung von Jahr und Indiktion
allein beobachten können. Von da an wahrscheinlich durch
den italienischen Einfluß über die Inseln von Quarnero' wird
zu Zara wiederum die schon vergessene Monatsdatierung
üblich.^ Dazu gesellen sich bald die Urkunden anderer Städte
auch mit der Angabe des Tages,^ neben der noch immer
dauernden alleinigen Jahres- und Indiktionsangabe.^ Unzer-
trennlich wird der Monat und Tag überall gegen die Mitte
des 13. Jahrhunderts, als die Urkunde sich in das Instrument
verwandelte.'
Hiermit ist eine Entwicklung der Datierung in den dalma*
tinischen Urkunden nachgewiesen, welche mit den Beobach-
tungen, die Fumagalli an der lombardischen ^ und Paoli an
der toskanischen Urkunde^ gemacht haben, fast parallel läuft.
» 8. oben § 5. »8. Doc. Nr. 43. 72. 77 etc.
' Wo die genaaere Datiemng am Anfange des 12. Jahrhunderts sn kon-
statieren ist, CSD. II, Nr. 28. 39.
• C8D. n, Nr. 122. 163. 164. 173. 179. 187. 188. 200 etc.
B Zara n, Nr. 129; Ragusa a. 1168, Nr. 107. 113; 8palato Nr. 123. 148.
• 8palato CSD. II, Nr. 176. 190. 191.
^ Die Angaben der Stunde, wie sie andere Notare anzugeben pflegen
(Voltelini, Imbrev. Act. Tir. 11, p. XXXI) , ist in den Instrumenten der
Küfltenstädte kaum zu finden.
• Inst. dipl. II, 76—77.
^ Dipl. 201 f. (L. 272). Rispetto ai doc. anteriori al mille ossenrö il Fuma-
galli nelle carte lombarde, che del secolo VIII poche sono, quelle che
Die dftlmfttiDische PriT&tnrlnind«. 161
Kar geschehen ihre Rück- oder Fortschritte zwei, beziehungs-
weise ein Jahrhundert später.
Von allen Tagesbezeichnangen, deren sich das christ-
liche Mittelalter bediente,^ ist die Monatsdatierung in der
Urkunde Dalmatiena bei weitem die stärkste, ja neben den
verschwindend seltenen Angaben durch Wochentage, Feste
und die Datierung nach der kirchlichen Weise die einzige.
Sie wird, gleichwie in den lombardischen Carten und dem
italienischen Privaturkundenwesen überhaupt, * hauptsächlich
durch die fortlaufende Tagesbezeichnung vertreten. Bis
gegen das Ende des 12. Jahrhunderts ist sie, wenn der Tag
überhaupt bezeichnet wird, fast die einzige und hat sich in
den ältesten zaratinischen Urkunden in die rätselhafte Formel:
sub die fere . . . mensis . . . gekleidet.^ Im 13. Jahrhundert
erleidet sie eine starke Einschränkung durch die bolognesische
Monatsdatierung, bis sie im 14. Jahrhundert wiederum kraft
ihrer Einfachheit auf die Dauer allgemein wurde.
In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts zeigt sich
auf der östlichen Küste des Adriatischen Meeres die hartnäckige
Gegnerin der heutigen Monatsdatierung, die bolognesische
Zählweise.^ Zuerst vereinzelt und von den einheimischen
Notaren kaum begriflfen, unterscheidet sie sich — von der
überflüssigen Formel intrantc mense, die im Anfange allein
gebraucht wurde, abgesehen — gar nicht von der fortlaufenden
Zählweise,^ nur daß sie einen eigentümlichen Zuwachs in der
non abbiano anche la data del giorno; nn po' pii\ nel secolo IX, mentre
nel X quasi tntte sono designate colla sola data del mese; e non dissi-
mili resultati ho raccolto dalle osserrazioni fatte salle carte toscane.
1 S. Breßlan I, 821.
• Cf. Arch. stör, ital., ser. V, vol. 11. 73; Breßlau 823.
■ Doc. Nr. 17. 21. 38. Die Formel »sub die* römisch (Rossi, Inscr. Christ. I,
1044. llSOf.). Auch das ,fere* (sonst nirgends zu finden) hier, scheint es,
noch in klassischer Bedeutung = genau (Forcellini, Lexic. III. 56, Nr. 6).
* A. 1168 Ragusa CSD. II, Nr. 107 . . . quarto die intrante mense iulio.
— Zara 1190, Nr. 209.
' Auch nach dem 15. des Monats wird die Formel intrante angewendet,
a. 1190, Nr. 210 Ragusa: mensis innii die XVII intrante (Orig. von mir
besichtigt im Staatsarchiv zu Wien). Einige ähnliche Beispiele, soviel
ich mich erinnere, auch im 13. Jahrhundert. Für italienische Urkunden
cf. Paoli (Mitt. des Inst. VII, 465); Dipl. 204, Nr. 1 (L. 275, Nr. 2).
SitsQiigsber. d. phil.-biak. Kl. CXLVII. Bd. 6. Abh. 1 1
162 yi. Abbandlang! ▼. Snfflay.
salernitanischen Formel ^mediante mense^ für den 15. Tag des
Monats erhält.^
Es wäre dies eigentlich eine dritte Formel in der so-
genannten bolognesischen Datierung, die bis jetzt von denen,
welche über diese Datierung handelten, nicht beachtet wurde,
wahrscheinlich weil sie die Hauptstelle darüber in der ars
notaria des Rolandinus* nicht erwähnt und sie auch im Gebiete
der ausschließlichen Herrschaft dieser Datierung nicht an-
gewandt wird. Aber südlicher in den Fürstentümern von
Benevent und Salerno erscheint die Formel: mense mediante
neben den beiden anderen: mense intrante und stante oder
finiente.' Von hier ist sie nur oberflächlich in die Urkunde
der Küstenstädte eingedrungen, um schon im 13. Jahrhundert
keine Spur von sich zu hinterlassen.
Die Blütezeit der bolognesischen Zählweise fällt in
Dalmatien in das 13. Jahrhundert, in welchem sie fast ganz
die fortlaufende Monatsdatierung verdrängt und auch den
bekannten Regeln derselben für Italien vollständig entspricht.
Neben diesen beiden Arten der Tages bezeichnung läuft
noch die Datierung nach dem römischen System parallel.
Sie erscheint in den Urkunden der einheimischen geistlichen
Notare sehr früh/ indem diese das Muster gleichzeitiger
Urkunden der geistlichen Behörden nachahmen, und hält sich
spärlich, gar nicht mit der Zahl der Urkunden wachsend auf
der ganzen Küste bis zu Ende des 12. Jahrhunderts^ und
lokal wie zu Trau bis in die Mitte des 13. Jahrhunderts, wenn
sie auch in diesem letzten Zufluchtsorte mit dem Andränge
der italienischen Notare plötzlich verschwindet^ Die fremden
Notare gebrauchen in Dalmatien nie den im 13. Jahrhundert
in ihrer Heimat noch beliebten römischen Kalender.^
^ A. 1188 Spalato II, Nr. 193 .. . mediante mense martio; a 1198, Nr. 244
Zara . . . mense februario mediante.
■ 8 Du Gange s. V. mensis (ed. Favre V,p. 348); Rühl 76. » Cod. Cav.I,p.LX.
* Ragusa a. 1044, CSD. I, Nr. l'JS ... undecimo ealendas martii; Spalato
1119, II, 28 ... im kalenda iullia.
* Arbe II, 1 49 ; Zara Nr. 1 72 ; Spalato Nr. 245 ; CatUro Nr. 95 ; Ragnaa Nr. 233.
' A. 1234 . . . dnodecimo kalendas martii (ed. Farlati IV, 338); 1241 . . .
decimo kalendas februarii (orig. s. Maria zu Zara); 1242 . . . lY kalendas
... 11 (der Monat unlesbar, orig. Ib.)
» Vgl. Paoli, Dipl. 202 f.; Russi, o. c. 107.
Die dftUnatinischa PriTatnrkniida. 163
Es soll hier noch auf eine Tatsache aufmerksam gemacht
werden. In allen angeführten Fällen ^ zwei aasgenommen/
geschieht die Datierung darch ^Kalendae', kein Beispiel findet
sich sonst fUr Nonen and Iden. Es ist dies eine Eigentum-
lichkeity welche aaf den ersten Blick die große Vorliebe für
dieses Datnm verrät and auch ihren tieferen Grund in der
Volkstümlichkeit desselben haben muß. Und wirklich, in den
beiden Vulgärsprachen der Städte ,' in der kroatischen wie
auch in der altdalmatinischen, beziehungsweise italienischen,
hat sich das Wort Kalendae erhalten ; in der slawischen Sprache
zwar umgestaltet und zu einem heidnisch-christlichen Feste
metamorphosiert,' in der romanischen aber treu in der Form
und in dem Begriffe.^
Es mag hier noch eine kurze Erwähnung anderer Tages-
bezeichnungen, das ist nach dem Wochentage sowie
nach dem kirchlichen Kalender geschehen, die sehr selten
sind und auch dann nur als Ergänzung zur Angabe des Monats-
tages vorkommen. Um unserer Betrachtung enge Grenzen
zu setzen, soll gleich hier bemerkt werden, daß der Wochentag
nach der kirchlichen Weise sowie die Tagesbezeichnung nach
beweglichen Festen in einer dalmatinischen Notariatsurkunde
überhaupt und auch in einer geistlichen Urkunde bis zu Ende
des 14. Jahrhunderts nie vorkommt.^
Die Benennung des Wochentages nach seinem eigentlichen
heidnisch-römischen Namen wird bei einem privatrecht-
lichen Vertrag als Datierung von dem Notare nie angewandt;
» CSD. n, Nr. 172. 233.
' S. darüber Jiredek, Die Romanen. Denkschriften 48, 78 — 101.
' Krek, Einleitnng in die Geschichte der slawischen Literatur II. Ausg.;
Drinov, Zaselenie balkanskago poluostrova, Moskva 1873, p. 73 — 76, wo
er auf Grund des slawisierten Wortes ,ko1edo', welches er aus dem
römischen Januarkai enden entstehen läßt, die Anfänge der Ansiedelung
der Balkanhalbinsel durch die Slawen in die Zeit des römischen Kaiser-
tums versetzt.
^ Paoli, Dipl. 203 sagt: la denominazione kalendae al primo giomo del
mese e tradotta nella lingua volgare coUe forme : calende , calendi . . .
(Lohmeyer 274).
* Einsige Aufnahme die Urkunde von 1095 . . . nonis in martii quar-
tarum nichilominus feriarum. — Seit dem 15. Jahrhunderte kommt diese
Datierung in der Urkunde der dalmatinischen Kapitel vor.
11*
164 VI. AbhftDdInng: y. gaffUy.
der Name kommt selten in den Gerichtsurkunden vor, häufiger
in den Verordnungen der Kommune und zu Zara immer in
den sogenannten Inkanten^ d. h. in den Notariatsarkunden,
welche von einem Verkaufe durch Versteigerung von Gerichts
wegen handeln.^ Gewöhnlich wird in diesen der Sonntag, welcher
für solches öffentliche Rechtsgeschäft der passendste ist, er-
wähnt;* an seine Stelle kann auch ein großer Feiertag treten,
in welchem Falle dann ausdrücklich bemerkt wird, daß er auf
keinen Sonntag fällt.*
Auch die Datierung nach den unbeweglichen Festen
des Kirchenjahres kommt äußerst selten vor und ist, die zara-
tinischen Inkante ausgenommen, nur in der zweiten Hälfte
des 12. und am Anfange des 13. Jahrhunderts zu finden. In
den zaratinischen Urkunden kommt sie nur zweimal vor.*
Dagegen scheint sie im fernen Süden Dalmatiens, in Ragusa
schon sehr früh* und ziemlich häufig angewandt worden zu
sein.^ Und es ist ausnahmsweise eine ziemlieh selbständige
Position, welche dem Tage eines Heiligen bei der Präzisierung
der Datierung zuteil wird, da gewöhnlich keine andere Tages-
bezeichnung zugefügt wird und er also den üblichen Monats-
tag vertritt. Diese EigentümHchkeit hat die Urkunde von
Ragusa dem äußerst starken direkten und indirekten byzanti-
^ Erste solche Urkunde erscheint a. 1280 (orig. s. Maria zu Zara).
' Z. B. . . . anno incarnationes eiusdem mill. trec. triges. quarto die do-
minico decimo nono mensis februarii (orig. AsA.). Cf. Stat. Jadr. 1. III,
c. 37, p. 47 : ... quod omnes venditlones, deliurationes . . . per curiam et
dominum comitem . . . fieri debeant diebus dominicls aut festiuis . . .
' Z. B. 1342 (3): ... die feriata festi s. Marci euangeliste ultima mensis
ianuarii (Wochentag Freitag).
* A. 1182 (3): ... festo s. Sauini Canusini episcopi, quod est quinto idos
februarii (CSD. II, 172); a. 1219: .. . mensis octobris festo s. Luce euan-
geliste, indictione octaua (GAZ. s. Gris. X rott. J). Gerade aus dieser
Seltenheit kann man auf die große Verehrung des aus Süditalien stam-
menden Heiligen, des Bischofs Sabinus aus Canusium, auch im Norden
Dalmatiens schließen (Jire^ek, Denkschriften 48, 62 hat die Verehrung
für den SUden festgestellt).
^ In Deutschland erst seit der Mitte des 13. Jahrhunderts (Breßlan 828;
Paoli, L. 280) beliebt.
• CSD. II, a. 1186, Nr. 184. 206. 233. 247.
Dia dalnatiDiftche PriTalarknnde. 165
nischen, beziehungsweise slawischen Einflüsse zu verdanken;^
denn den Kultus des heiligen Blasius, des Schutzpatrons der
Stadty der Heiligen Cosmas und Damianos sowie das Fest der
Kreuzerfindung, nach denen hier datiert wird, sind direkten
byzantinischen Ursprunges.* Auch ist diese Art der Datierung
den gleichzeitigen Urkunden der slawischen Fürsten nicht
unbekannt.'
Aber mit der Mitte des 13. Jahrhunderts verschwindet
hier sowie überall in Dalmatien jede lokale Eigentümlichkeit
in der Datierung. Von da an beherrscht der bolognesische
Brauch und dann die fortlaufende Tagesbezeichnung aus-
nahmslos alle städtischen Urkunden ohne jegliche Art fremder
Ergänzungen. Die Instrumente der adriatischen Ostküste be-
sitzen von jetzt an mehr Reinheit und Regelmäßigkeit in dieser
Beziehung als ihre einstigen Muster in Italien.^
^ Am längsten unter allen dalmatinischen Küstenstädten, noch zar Zeit
der Entstehung dieser oben zitierten Urkunden, befinden sich die Ra-
gusaner unter der griechischen Hoheit; cf. Jireöek, Bedeutung von Ka-
gusa in der Handelsgeschichte 48 — 50 (Almanach der kais. Akademie
1898, p. 412^414).
' Jiredek, Romanen. Denkschriften, 48, p. 53. 55.
' So das Privileg des bosnischen Banus KuUn a. 1189: ... m6seca avBgusta
u dbvadeceti i deveti dbnb nsd^enie glave J6vana Krbstitela (CSD. U,
Nr. 203); Miklosich, Mon. serb., p. 1.
* S. besonders den französischen Einfluß auf die Datierung der italieni-
schen Privaturkunden bei Paoli, Dipl. 208 (L. 280 f.).
Inhalt.
Seite
I. Einleitung 1
IL Geschichte des Notariats in Dalmatien 5
1. Die Urkundenschreiber der Kttstenstädte bis zu den Anfängen
des Notariatsinstitutes in denselben (um das Jahr 1160). . 5
2. Der Charakter des Notariats in der Periode seiner Ausbildung
in den dalmatinischen Städten (1160—1260) 11
3. Das italienische Notariat in den KUstenstädten 19
166 ▼'• Abhandlung: ▼. duffUy. Die telmatinSflehe PriT»tnr1nind«.
Seite
III. Die Entwicklung der kroatisch - dalmatinischen Ur-
kunde bis zur vollständigen Annahme des Instru-
mentes in den Stftdten 29
4. Die Formen der ältesten Urkunde bis gegen das Ende des
12. Jahrhunderts 29
6. Der Zeugenbeweis und seine Folgen 37
ly. Elemente des Instrumentes in der kroatisch-dalmatini-
schen Urkunde und Eigentümlichkeiten derselben 44
6. Das Protokoll der dalmatinisch-kroatischen Urkunde nnd der
Rahmen des Instrumentes. — Invokation. — Datiernngs-
formel. — Unterschriften. — Unterschrift des Examinators.
— Unterschrift des Schreibers. — Zeichen des Notars. —
Apprekation 46
7. Verwünschung als hauptsächliche Schlußformel der dalma-
tinisch-kroatischen Urkunde 66
y. Das Notariatsinstrnment in den Kflstenstädtea nnd an-
dere Fortsetzungen der dalmatinisch-kroatischen
Urkunde 74
8. Das subjektive nnd objektive Instrument in den dalmatinischen
Eüstenstädten 74
9. Die rechtliche Beweiskraft des Instrumentes nach den Sta-
tuten der Städte 80
10. Die Anwendung des Siegels in den Städten. — Das Dom-
kapitel der Städte als locus credibilis und die rein kroati-
sche Urkunde In Dalmatien 85
VI. Grundsätze bei der Anfertigung der Notariatsinstru-
mente 96
11. Rogation 95
12. Imbreviatnr 97
13. Publikation und Neuausfertigung des Instrumentes. Transsnmpt 100
14. Ebcaminatores und Auditores der Instrumente in den KQsten-
städten 106
Vn. Geschäftsformeln 110
15. Kaufurkunde 113
16. Schenkungsurkunde 126
17. TesUment 130
Vin. Datierung 186
18. Die christliche Ära und die Jahresanfänge 136
19. Indiktion 146
20. Datierung nach der Regierung der Herrscher 152
21. Epakten und Konkurrenten 156
22. Die Monats- und Tagesangaben 168
VII. Abhsndliiiiff: t. Schulte. Marios Mercfttor und Pseado-Isidor.
VII.
Marius Mercator uad Pseudo-Isidor.
YOD
Friedrich von Sohidte,
korresp. Mit^Uede der kais. Akademie der Wissenseliafteii.
Über den Verfasser der pseudoisidorischen Dekretalcn ist
bekanntlich bis zam beatigen Tage so wenig eine volle Ein-
stimmigkeit vorhanden wie über den Ort and die genaae Zeit
der Entstehung. Za den gleichfalls unaafgeklärtcn Punkten
gehört der rätselhafte Name Mercator in der Vorrede Pseado-
Isidors. Es kann nämlich nach der Untersachung von Hin-
seh ins in seiner Aasgabe:
Decretales PseadoJsidorianae et Capitala Angilramni.
Ad fidem Ubroram manascriptorum recensuit fontes indi-
cavit commentationem de coUectione Psendo-Isidori prae-
misit Paulas Hinschius. Ex officina Bernh. Tauchnitz.
Lipsiae MDCCCLXm.
keinem Zweifel unterliegen^ daß in der Vorrede, welche anhebt:
Jsidorus Mercator servus Christi lectori conservo
suo et parens in domino fidei salatem',
das Wort Mercator durch die besten Handschriften beglaubigt
ist, die Formen Mercatus und Peccator hingegen als willkür-
liche Änderungen von Abschreibern verworfen werden müssen.
Über den Sinn des Beinamens Mercator sind mehrfache Kon-
jekturen aufgestellt, von denen die von Herrmann (Göttinger
gelehrte Anzeigen 1865, Nr. 39 vom 27. September, S. 1533 f.)
die geistreichste ist und dahin geht: Mercator enthalte, wenn
SitxvBgBber. d. phil.-biat. Kl. CXLVII. Bd. 7. Abb. 1
2 VII. AbhEDdlnog: t. Sehnlte.
man die Bachstaben also gruppiere: OTCARMEU die Worte:
OTCAR Hoguntinae Ecclesiae Bector and deute somit verdeckt
des Otcar Autorschaft an. Diese lediglich als Hypothese auf-
gestellte Ansicht hat Hinschius in
Zeitschrift für Kirchenrecht u. s. w.^ herausgegeben
von Richard Dove und Emil Friedberg. VI. Jahr-
gang, Tübingen 1866, S. 148 ff.
zurückgewiesen und die Meinung aufgestellt: Der Beiname
Mercator in der Vorrede rühre her von einer Benützung des
Marius Mercator. Er zeigt, daß die oben abgedruckten
Eingangsworte der Vorrede Pseudo-Isidors sich geradeso mit
Ausschluß des Wortes Isidorus, anstatt dessen Marias steht,
wiederfinden in der lateinischen Übersetzung der ,Varii ser-
mones impii Nestorii de incarnatione domini Jesu Christi' (Aas-
gabe von Baluze, Paris 1648, p. 52; Garnier, Paris 1673,
II, p. 3. Letztere wieder abgedruckt bei Migne, Patrologiae
cursus completus, Series prima, Tom. XLVIII. Paris 1846
col. 753 sqq.), daß aber auch eine zweite Stelle Pseudo-Isidors,
nämlich der Anfang des C. 8. des ersten Briefes von P. Ana-
cletus (Hinschius^ Decretales Ps. p. 69) demselben Schrift*
steller (Migne^ 1. c. col. 790) entnommen ist. Andere Stellen
hat Hinschius bisher nachzuweisen nicht vermocht.
Ich halte Hinschius' Annahme für durchaus zutreffend
und will versuchen, dieselbe näher zu begründen in der HofiT
nung, dadurch zugleich einen Beitrag zur Handschriftenkunde
des Pseudo-Isidor zu liefern.
Marius Mercator gibt in der zitierten, auf die Irrlehre
des Nestorius bezüglichen Schrift, welche um 430 geschrieben
ist (Marius Mercator wirkte von 418 — 450. Vgl. die Vorreden
von Garnier und Baluze), eine Masse von Reden, Canones
u. s. w. in einer eignen lateinischen Übersetzung; diese Samm-
lung ist offenbar von Pseudo-Isidor benutzt worden. Wenn
dies bisher noch nicht näher festgestellt wurde, liegt der Grund
darin, daß auch Hinschius nicht alle Formen der pseudoisido-
rischen Handschriften bekannt sind. Ich habe in meinem Iter
Gallicum (Wien 1868; Sitzungsber. der phil.-hist. Klasse der
kais. Akademie der Wissenschaften LIX, S. 369 ff.) zuerst
einen der Stadtbibliothek zu Gre noble (Nr. 16 Standnummer,
Marios HereatoT und Psendo-Isidor.
520 Katalogsnümmer; Fol. mbr. s. XII) gehörigen Kodex
Psendo-Isidors beschrieben, der Hinschios nicht bekannt ist.
Derselbe ist selbstredend Abschrift eines älteren and erweist
sich als eine solche schon durch die Beifügung von Seiten-
zahlen am Rande. In den auf das Konzil von Ephesus (431)
bezüglichen Stücken zeigt sich nun ganz deutlich die Benutzung
des Marius Mercator. Unzweifelhaft ist dies der Fall bei
folgenden Stücken:
Kodex Gratianopol.
Exemplar monumentorum
que gesta sunt in epheso a sanc-
to concilio super depositione
Nestorii. Post consulatum Do-
minorum etc.
Petri s. episcopi et martyris
ex codice de deitate. Quoniam
et vere gratia et veritas etc.
Athanasii s. Episcopi Alexan-
driae de codice contra Arianes.
Multi igitur sancti fuerunt et
mundi ab omni peccato etc.
Eiusdem Athanasii de epi-
Stola ad Epictetum. Quomodo
autem inquit et ambigere au-
dent etc.
lulii s. Episcopi Romae de
epistola ad Proditium. Praedi-
catur autem ad plenitudinem
fidei etc.
lulii etc.
Theopili etc.
Item eiusdem de alia epistola
paschali. Qualiter . . .
Cypriani ... ex libro de ele-
mosina . . .
Marina Mercator.
Post consulatum Domino-
rum etc.
Migne col. 865—860.
Petri SS. episcopi et martyris
ex libro de deitate. Quoniam
certe gratia et veritas. ibid.
col. 860.
Athanasii s. Episcopi Alexan-
driae ex libro adversus Arianes.
Multi igitur sancti fuerunt et
puri ab omni peccato etc.
Migne col. 869.
Eiusdem epistola ad Epicte-
tum. Quomodo autem vel dubi-
tare ausi sunt cet. ibid. col. 870.
lulii s. Episcopi Romae epi-
stola ad Prosdocium. Prae-
dicatur autem ad consumraa-
tionem fidei . . . ibid. col. 870.
Migne col. 871.
Ibid.
Eiusdem ex epistola sexta
paschali. col. 871.
Cypriani ... ex libro de
misericordia . . . col. 872.
1»
VII. Abhandlang : r . 8 6 h n 1 1 6.
Kodex Gratianopol.
Ambrosii . . .
Item eiusdeiD . . .
Gregorii 8. episcopi Nazian-
zeni . . .
Basilii . . .
Gregorii . . . Hoc enim sa-
piatnr . . .
Attici . . . Hodie Chri8tas ini-
sericordiae nativitatem . .
Amphilochi Yconii episcopi.
Quoniam enim ipse et rex . . .
Item eiusdem. Nisi enim...
Attici etc.
De codice Nestorii qnater-
nione XVII in dogmate. Cnm
igitur divina scriptura . . .
Similiter eiasdem de quater-
nione III. Et vide quid con-
tingit etc.
Item einsd. de quaternione
XXnil. Quid ergo diceba-
mus . . .
Item eiu8d. ex quat. XV. Sic
et secundum carnein Christus.
Eiusd. de quat. XXVII. Sed
sicut dicimus.
Item eiusd.
Hoc sapite in
Item eiusd.
Item eiusd.
Erat.
Item eiusd.
Inconfusam.
Item eiusd.
Considera . . .
de quat. XV.
vobis quod . . .
ex quat. XVI.
de quat. XVII.
de quat. XV.
de quat. XVI.
MariuB Meroator.
Ibid. col. 872.
Ibid.
Gregorii maioris ep. N. ibid.
col. 873.
Ibid. col. 874.
Gregorii . . . Hoc, inqutt, scn-
tite . . . col. 874.
Attici . . . Hodie Christus cle-
mentiae generationem. ibid.
Yconii episcopi. Nam quia
idem est rex . . .
Ibid. col. 875.
Eiusdem. Nam nisi. ibid.
Ibid. col. 875.
Ex libro ipsius Nestorii ex
quaternione XVI de dogmate.
ibid. col. 886.
Eiusdem ex quaternione
XXI. ibid.
Eiusd. ex quaternione XIX.
ibid. col. 887.
Ex quat. XV. Ita etiam
Christus secundum carnem.
col. 888.
Eiusd» ex quat. XXVII.
Sed quemadmodum dicebamus.
ibid.
Eiusd. ex quat. XV. Hoc
autem sentite . . . ibid.
Ibid. col. 888.
Ibid. col. 889.
Ibid.
Eiusd. ex quat. VI. Consi-
derate . . . ibid.
Mariai Uerealor and Psaado-Isidor.
O
Kodex Gratianopol.
EiuBd. de quat. XXVII. Ut
discatis . . .
Einsd. do quat. I. Communes.
Eiusd. de quat. XV. Ille qui.
Ex post alia. Non per se . . .
Eiusd. de quat. IUI. contra
haereticos. Quomodo . . .
Eiusd. de quat. VI. Iste fide-
lis . . .
Et post alia. Pontifex.
Eiusd. de quat. VII. Unde
fratres.
Eiusd. de quat. IUI. Audite.
Et post alia. Sed ad.
Eiusd. de quat. XVI. Et
omnino.
Et post alia . . .
Eiusd. de quat. Intendo.
Marina Mcrcator.
. . . Ut sciatis. ibid.
Ibid.
Quat. XVI. Hie est qui.
Ibid.
Ibid. col. 890.
Eiusd. ex quat. III. in haer.
Ibid.
Ibid.
Ibid. col. 891.
Ibid.
Ibid.
Ibid.
Ibid. col. 892.
Ibid. 892.
Eiusd. ex quat. XXIII. Vi-
deo. Ibid.
Nicht minder ergibt sich die Benützung aus folgendem.
Nach der Rubrik:
Jncipit translatio primi Ephesini Concilii. Tractatus
primus beati Cjrilli Alexandrini Episcopi de incarnatione
domini ad totius Aegypti monachos contra Nestorium
Constantinopolitanum Episcopum';
folgt der bei Migne col. 801 stehende Brief Cjrills mit anderem
Anfange (Venerunt quidem aliqui eorum etc.)^ zwei andere von
Cyrilly hierauf der des Nestorius (Migne col. 804), nach zehn
anderen Stücken (Iter gallicum S. 370, Nr. 5 — 14) der Brief
Cjrills an Nestorius (Migne col. 831); nach den oben ange-
führten Exzerpten stehen noch zwischen anderen verschiedene
Stücke (Iter gallicum S. 371, Nr. 25 bei Migne col. 868, Nr. 33
das. col. 866; S. 372, Nr. 48 bei Migne col. 875, Nr. 49 das.
col. 877 u. s. w.), die auch Marius Mercator hat. Erwägt
man nun, daß wir das Werk des Marius Mercator nur un-
vollständig besitzen^ daß die Aufnahme von einigen vierzig
6 VII. Al»b»ndlaDg: ▼. Sebnlt«. Mariu llwmlor und PMndo-Iridor.
Stücken in derselben Reihenfolge trotz der in Zahlen
nnd einzelnen Aasdrttcken vorhandenen Verschiedenheiten,
welche wohl zweifelsohne auf Rechnung der Abschreiber
kommen, sich nur dnrch die Benützang von Marias Mercator
erklären läßt: so halte ich dessen Benützang durch den Ver-
fasser des Originals^ von dem der Kodex von Grenoble Ab-
schrift ist, für erwiesen.
Von allen größeren, sowohl in den Sitzungsberichten als
in den Denkschriften enthaltenen Aufsätzen belinden sich
beparatabdrücke im Buchhandel.
i>ifi<iyiO^
WIEN, 1904.
DRUCK VON ADOLF HOLZHAUSEN
K. UMD K. HOr- UND Uin?BRBItiT8-BUCHDRU0KIR.
-ofO)u^a---
c^.
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Bookbtnding Co,. Inc.
jOO Summer Street
^'^*^*on Mass. 02210
^
2044 079 316