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Full text of "Sitzungsberichte der Philosophisch-Philologischen und Historischen Classe der K.B. Akademie der Wissenschaften zu München"

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K.  B.  Akademie  der  Wissenschaften 


zu  ÄCüuchen 


THIS  ITEM  HAS  BEEN  MICROFILMED  BY 

STANFORD  UNIVERSITY  LIBRARIES 
REFORMATTINGSECTION  1994.  CONSULT 
SUL  CATALOG  FORLOCATION. 

Verlag   der  K,  Akademie 
1905. 


In  Kommlnlon  dw  Q.  Vrvaa'^hm  VerUg«  (J.  Rolli). 


175381 


AkadeBlMh«  Ba«hdnickttrei  ron  F.  Straub  in  Manchen. 


iDhaltstlbersicht. 


T,  Sitznigabericht«. 
'iMmif:   Muncker;   v,  Eorkin^er,  Pöhlmann 
0.  WAntSti  Krumbacher;  Prutz  ... 

6.  Mftrs:  Schlagintweit,  Meieer;  Kig^auer,  Dueberl 
ÖffetlUiche  SitzUDg  am  14.  M^rz:  Ansprache  des  Prä^iil unten 
V-  Heigel  (Thereiauos  -  Fonds,  Zographos  -  Fonds), 
Nekrologe  {Köhler,  Momineen;  v,  Hefner-Ältaneck, 
Mühlbauer).  Feetrede  von  Pringsheim  .  ,  . 
Hai:  Herbig,  WerklPin,  Sandberger;  v.  Rockinger, 
Qnidde  . 

4.  .Toni :    C  r  u  a  i  u  s ;   T  r  a  iitn? ,  *  T  r  iui  e  r  t  >  V.  K  e  b  e  r 

2.  Job:  Torp  und  Herbig,  Schlagintweit,  Schmidt,  Furt- 
w&ngler;   Traube.  Brentano 

5.  November:    i\  Amira;    Riehl,  Simon sfeld     . 

Öffentliche  Sitzung  am  12.  November:  Anapn&che  des  Prüaidenten 
V.  Heigel  (Hard y-8tiftting),  Wahlen  (Vahlen,  v,  Wiln- 
mowitz-Moellendorff.  Omontt  Windelband,  Braune, 
Thomsen;  Rigganer,  Preus»,  GoetK,  v.  Below,  Vicomte 
d'Avf»nel,  Monaci)»   Festrede  von  J,  Friedrich 

S    l)H7t^mi»**r'    V.  Hertiing;    v.  Hei  gel 


Solu 


271 


TL  AbhandloBgen* 

R.  Pöhlmann:   Znr  Geschichte  der  antiken  Pabliciitik  .  3 

F.  Moncker:    Dramati«ehe    Bearbeitungen    de»    ^Pervonte*    von 

Wieland 81 

H.  Prutx:    Die   eiemte   Stellung    des    Hospitaliter  -  Orden».     Ihre 

Entwickelung»  ihr  Wiesen  und  ihre  Wirkungen  .95 

K.  Meiser:  Kritische  Beitrüge  zu  den  Briefen  des  Rhetor*  Alkiphron  IIU 
E.  öchlngintweit:  Verzeichnis  der  tibcÜHchen  Handschriften  der 

Königlich  Württembergischen  Landesbihliothek  %u  Stattgart     245 


IV  Ifihaltsübersicht. 

Seit« 
G.  Herb  ig:  Vorarbeiten  zum  Corpus  inscriptionum  etruscarum.   Ein 

Reisebericht 283 

A.  Sandberger:    Über  eine  Messe  in  Gmoll,    angeblich  von 

W.  A.  Mozart 297 

K.  Erumbacher:    Eine   neue   Handschrift   des    Digenis   Akritas. 

(Mit  zwei  Tafeln) 309 

A.  Furtwängler:  Zu  früheren  Abhandlungen.  I.  Zu  den  mara- 
thonischen Weihgeschenken  der  Athener  in  Delphi.  II.  Zu 
den  Tempeln  der  Akropolis.  III.  Zum  Tropaion  von  Adam- 
klissi.  —  Anhang  zu  I.  Zum  platäischen  Weihgeschenk  in 
Delphi.    (Mit  Abb.  im  Text)  365 

F.  V.  Reber:  Die  Korrespondenz  zwischen  dem  Kronprinzen  Ludwig 

von  Bayern  und  dem  Galeriebeamten   G.  Dillis.    (Mit  einer 

Tafel) 419 

A.  Torp  und  G.  Herbig:  Einige  neugefundene  etruskische  In- 
schriften.   (Mit  vier  Tafeln) 489 

G.  Frhr.  v.  Hertling:    Augustinus  -  Ci täte  bei  Thomas  von  Aquin     536 

III.  Verzeichnis  der  eingelaufenen  Drnckschriften  I*— 54* 


8itzimgsberichte 

der 

KönigL  Bayer.  Akademie  der  Wissenschaften. 


Sitzung  vom   2.  Januar  1904. 

Philosophisch-philologische  Klasse. 

Ik*rr  Mimc'KXK  spricht  (in  Ergäu/.uiig  zu  Sitzungsberichte 
1903,  8,  121  ff): 

Ober  dramatische  Bearbeitungen  des  »Pervonte* 
von  Wieland. 

Neben  verschiedenen  Opern-  und  Schauspiel Jichtungen» 
die  nur  scheinbar  mit  Wiebinds  Märchen  zusammenhangen, 
wurde  besonders  Kotzebues  mehrfach  komponierter  Opern text 
von  1814  genauer  auf  seine  Abhängigkeit  von  Wit'ltmds  Dar- 
stellung untersucht. 

Derselbe  spricht  ferner: 

Über  einige  Romanzen  Heines, 

Das  Verhältnis  Heines  zu  seinen  Quellen,  die  Selkstäntlig- 
keil  seiner  Auffassung  und  künstlerische  Freiheit  in  seiner 
Neugestaltung  des  Oberlieferten  Stoöes  wurde  an  mehreren 
seiner  Romanzen,  die  ihren  Inhalt  teils  dem  Alten  Testament, 
teils  mittelalterlichen  Sagen  entnehmen,  gezeigt  und  daneben 
auf  einige  Nachbildungen  seiner  Balladen  in  der  späteren 
dramatischen  und  epischen  deutschen  Dichtung  (bei  Richard 
Wagner,  Alfred  Meissner,  Ludwig  Gangbofer)  hingewiesen. 


6itiing  vom  2.  Januar  1904. 


..,    *•.    *••'  Historische  KlaBse. 

•  •  • 

•  .-.   • 

-  '     Der  Klassensekretiir  legt  vor  den  zweiten  Teil  der  Ab- 
handlung des  Herrn  vux  Ruckinger: 

Deutschen  Spiegel,  sogenannter  Schwabenspiegel, 
Bertbolds  von  Regensburg  deutsche  Predigten 

in  ihrem  Verhältnisse  zu  einander. 

Steht  das  Ergebnis  der  ersten  Hjilfte  der  Untersuchung, 
soweit  es  sich  um  das  zweite  Rechtsbuch  liandelt,  dass  dieses 
von  Berthold,  wie  in  seinen  früheren  Predigten  der  Deutschen- 
s|>iegel,  so  in  den  späteren  verwertet  worden,  dass  es  demnach 
vor  seinem  Hinscheiilen  am  14.  Dezember  1272  in  Umlauf  ge- 
wesen ist,  in  entschiedenem  Widei^sprucbe  mit  der  in  den  (1  rund- 
rissen und  Lehrbüchern  der  deutschen  Rechtsgeschichte  ver- 
breiteten Annahme  seiner  Entstehung  erst  in  den  Jahren  1274 
oder  1275,  so  soll  in  der  zweiten  Hälfte  gezeigt  werden,  dass 
es  keinerlei  Halt  für  die  Möglichkeit  einer  Abfassung  des 
Rechtsbuchs  in  den  bezeichneten  Jahren  gibt.  Es  steht  dies 
auch  in  vollkommenem  Einklänge  damit,  dass  es  mehr  oder 
weniger  vor  Mitte  Dezember  1272  als  üusserster  Endgrenze 
zur  Benützung  vorgelegen,  also  in  der  Zeit  des  sogenannten 
Interregnum,  wohl  in  den  ersten  Jahren  der  Herrschaft  des 
Königs  Richard. 

Herr  Pöhlmann  hält  einen  Vortrag: 

Zur  Geschichte   der  antiken  Publicistik,     Zweiter  Teil. 

Die  Abhandlung  sucht  durch  eine  umfassende  historische 
und  politische  Analyse  nachzuweisen,  dass  die  aus  dem  Alter- 
tuin  erhaltenen  Denkschriften  ,An  Cäsar',  mögen  sie  nun  ein 
|>ublicistisches  oder  rhetorisches  Erzeugnis  sein,  als  Quelle  fCir 
die  Erkenntnis  des  Ideengehaltes  und  des  Geistes  der  Puldi- 
ciütlk  der  Übergangszeit  von  der  Re{mblik  zum  Cüsarismus 
eine  Bedeutung  besitzem,  die  man  biab4är  verkannt  hat. 


Zur  Geschichte  der  antiken  Publicistik. 

Von  Itobert  Pohl  mann. 

|Tiir(?r'ti:it'i-![  ni  «Tor  lurtf nr,  Klasse  am  7.  Nmv   VM)?»  wuA  \t    .l.tii.  iDitj. 


L 

Die  Überlieferung  über  die  welthistorische  Krisis,  in  der 
die  römische  Kepublik  zusammenbrach  und  der  Sieg  des  Cä- 
ftari^mufi  sich  entschied,  enthalt  Für  uns  eine  empHndlii^he  Lücke* 
Was  die  spätere  Geschichtscbreibung  aus  den  vcrtoreiien  Ori- 
ginalquellen ül>er  die  Zeit  unmittelbar  vor  dem  Staatsstreiche 
Cäsarn  mitteilt ^  zeugt  von  wenig  Verständnis  für  das  innere 
Leben  der  sterbenden  Kepublik.  Das  Hauptinteresse  der  er- 
haltenen Literatur  konzentriert  sich  auf  die  PersÖolichkeit  der 
Aktiture  in  dem  grossen  Drama,  auf  das  wechsekolle  Spiel  der 
Intriguen^  Interessen  und  Leiden  schalten ,  sowie  auf  die  £nt* 
Scheidungen  des  Schlachtfeldes.  Wa^  die  gewaltige  Gärung 
drr  Epoche  an  politischen  und  sozialen  Ideen,  an  reformato- 
riscben  Gedanken  zu  einer  Neugestaltung  von  Staat  und  6e- 
(dbcLuft  erzeugt  hat,  das  tritt  in  der  Überlieferung  ebenso 
r«urück,  wie  in  den  Motiven  der  Machthaber,  für  die  ja  im 
letzten  Gmnde  auch  aicht  politische  Prinzipien  im  höheren 
Sinne  des  Wortes  das  Entscheidende  waren.*) 


1)  Cicero  ad  Att,  T1I,  3,  4:  de  sun  potentia  dimicant  hotniDes  hoc 

tmpore  poriculo  ctvitutu.    £bd.  VIll,  11,  2:    dutninatia   quüeaita  ab 

troque  efii,  non  id  actum,  beata  et  hoiie«tu  civitaa  ut  cwet,  .  .  .  noairi 

0Mo,r6^  e«!  ille,  ut  not  beati  simut:  uterque  regnare  vult.    V^l  Nissen, 

r 


Boherl  Pöfdmann 


Tjpiscli  für  dies  Überwiegen  der  persoulicheu  über  die 
politisclien  Gesichtspunkte  sind  die  Denkwürdigkeiten  Cäsars. 
Sie  führen T  ohne  sich  irgendwie  mit  Prinzipienfragen  aufzu- 
halten, unmittelbar  in  das  Thema  ein,  das  Mommsen  als  «die 
Kechtstrage  zwischen  Cäsar  und  dem  Senat*  bezeichnet  hat. 
Die  Katastrophe,  welche  die  Erhebung  Cäsars  über  die  Re- 
publik lieraufbeschwor,  erscheint  für  ihn  in  erster  Linie  unter 
dem  Gesichtspunkt  der  Notwehr  gegen  persönliche  Feinde.  Was 
er  später  gelegentlich  über  die  Wiederherstellung  der  von  der 
herrschenden  Üligarchie  unterdrückten  VolkÄfreiheit  hinzufügt,^) 
hat  lediglich  dekorative  Bedeutung.  Aber  auch  sonst  tritt  in 
der  Pubücistik  und  der  iSchriftstellerei  der  Epoche  überhaupt 
dies  persönliche  und  individuelle  Moment  sehr  charakteristisch 
hervor.  Ich  erinnere  nur  an  die  Korrespondenz  Ciceros,  an 
seine  (rein  literarische)  zweite  Philippika,  an  das  wenn  nicht 
gleichzeitige,  so  doch  der  Zeit  nahestehende  pseudosallustische 
Pamphlet  gegen  Cicero,^)  sowie  an  die  erhaltenen  Angaben 
über   den   Inhalt    verlorener   politischer   Pamphlets*)    und    be- 

Der  Auebruch  des  Bürgerki-iegea  49  v.  Chr.  Hiat.  ZeitscKr.  Bd,  44,  8.  116. 
—  Aach  Seneca  teilt  die  genannte  Ansicht;  ep.  14,13  sagt  er  im  Hin* 
bhi^k  auf  die  Politik  Catos:  iam  non  agitur  de  Ubertatc:  oltm  peaaum 
data  aat.    quaeritur  utmiu  Caesar  an  Pompeius  po^sideat  reiupablicam* 

»)  B.  c.  1,  22. 

*)  VgL  Reitaeastein,  Pseudosallas tische  Invectis^e  gegen  Cicero. 
Hermes  33  (1808).  —  H.  Wir?,^  Sal]i)«itius  iu  Ciceronem;  ein  kliwsiache;* 
Ötilck  Anticicero-  Festgaben  zu  Ehren  Bödingt^rs  1898,  8,  89  ff.  —  Scholl, 
Zu  pBeuJosallustd  [nvectivu.  Rhein.  Mus,  19172,  S.  159  ff.  —  Peiaer«  D& 
iuvectivii^r  qua©  ^aUu^tii  et  Cict^ronit*  Mnii.iiiil.m  f.riHitur.  l*ü!=njn  Pro- 
gramm 1903. 

*)  Wie  X.  B.  die  Flugschrift  Ciceru>  ^^rgeu  Cioani.^  und  Curio,  so- 
wie die  t  lugüchritt  Cttrios  gegen  Cfbnr.  S.  0.  E,  Schmidt,  Fhigschiiften 
an»  der  Zeit  des  L  Triumvirntes.  Neue  Jahrli.  i\  d.  klaM«.  Altert.  IWIt 
ä.  62<)  ff.  Vgl.  auch  die  Lobachrift  Cicerot  auf  Cato  und  die  Invectiven 
gegen  Cato,  wie  t*  B.  die  de«  HirtiuB  und  CiUa»  Antk-atoiie«!  welch* 
letztere  di»r  SchoüäHt  tu  Juvonul  Siit.  Vf,  338  alfl  .libros  furionigHjmaH* 
beieithnük.  —  Vi|L  Cipftfo  ad  Att.  XII,  4,  l  «tu»  40»  1,  Plutarch,  i^aia 
r  Alt.  IV^ltJ,  H.  bi*i  H,  r 

l'  dm    über   dt«  .tt   bin  'l'li      i 

•im»  i.    lfd.  r«  1U3  ff. 


Zur  Geschichte  der  antiken  PuhUcisHk,  6 

sonders  jener  Flugschrifton  in  Briefform,  deren  sich  die  Par- 
teien mit  besonderer  Vorliebe  bedienten,  um  ihren  Hoffnungen, 
Wönschen  und  Leidenschaften  Ausdruck  zu  geben. ^) 

Und  doch  wissen  wir,  dass  gerade  die  Agonie  der  Re- 
publik, welche  die  bange  Frage,  was  wohl  aus  dem  Chaos  sich 
talten  möchte,  jedem  Denkenden  aufdrängte,  zu  einem  über- 
iis  lebhaften  Meinungsaustausch  über  die  Grundfragen  der 
Politik  gefUhrt  hat.  Aber  gerade  diese  Richtung  der  da- 
maligen Publicistik  ist  —  abgesehen  von  den  Schriften  Ciceros 
—  in  der  erhaltenen  Literatur  nicht  mehr  vertreten.  Und  selbst 
ron  Cicero  fehlt  uns  gerade  das  Wichtigste  aus  der  Zeit  der 
Krisis.  Wir  hören  wohl  von  einer  politischen  Denkschrift 
Ciceros  för  CHsar,  aber  diese  Schrift  ist  infolge  der  absprech- 
enden Kritik  einiger  Cäsarianer  von  dem  Verfasser  noch  vor 
der  Absendung  unterdrückt  worden.*)  und  wir  haben  keinen 
anderen  Ersatz,  als  die  bekannten  an  Cäsar  gerichteten  Pam- 
phlets,^) die  sich  in  einer  alten  Chrestomathie  neben  Briefen 
und  Reden  aus  den  Werken  Snllusts  erhalten  haben,  und  als 
deren  Verfasser  lange  Zeit  kein  anderer  galt  als  eben  der  6e- 
schichischreiber  selbst.  Wenn  diese  Ansicht  begründet  wäre, 
wenn  wir  Denkschriften  über  die  Loge  des  Staates  aus  der 
Feder   eines   der   hervorragendsten   Geister   der  Zeit   besässen, 


*)  Cicero,  Ad  Att.  Vlli.  2,  1  und  'J,  K  S.  H.  Peter,  Der  Brief  in  der 
römlscben   Literatur.     Abhandl.  der  Sachs.  6eB.  d.  Wiss.  1901,  Bd.  20, 

s.  2u  er. 

»)  Ad  Att.  XU,  40,  2.  XriL  2G.  2  uij.l  27,  1;  vgl.  30,  2  mit  der  von 
Tyrell  hergestpllten  Lesart. 

■)  Ich  gt?brRuchc»  di*n  Auedtuck  »PaiiipbliU'  für  beide  Schriftstücke, 
obwohl  da»  erste  tinjg  lieh  erweise  »l»  Red«?  geda»^bt  ist,  —  Wenn  ea  Jor- 
dnri  in  seiner  Au9j3:abQ  ohne  weiteres  alä  solche  bezeichnet,  so  ist  das 
;iU€xdiiigs  in  dem  Inhalt  des  Pamphlet«  nicht  begründet.  Die  Worte 
C.  1,  9  ergo  oranes  magna  inediocri  aapientia  ree  hnc  vocat.  quae  quin- 
qtie  optuma  pote«t  ntei  dicant;  nmj  8,8  non  peius  videtnr  pauca  nunc 
d«?  fucto  meo  disM^rere,  Hfiid  keineswegs  so  unzweideutig,  wie  er  an- 
nimmt So  könnte  man  auch  in  einem  Sendschreiben  sich  ausdhlcken, 
Vis).    Tordan    Xh>   «ti:*ij<»inri   a«l  Caesarcm   seneiu  de   vo  publica  inscriptis 


6 


Robert  Föfilmann 


eines  Mnnnes,  der  inmitten  der  grossen  Krisis  selbst  in  den 
leideuscbaftlichen  Kämpfen  des  Forums  als  Volkstribnn  in  d*?r 
vordersten  Reihe  der  Streiter  stand  und  seinen  unversöhnlichen 
Hass  gegen  die  regierende  Oligarchie  mit  schimpflicher  Aus- 
siossung  aus  dem  Senate  zu  biissen  hatte,  so  würden  wir 
Stimmungsbilder  aus  dem  Todeskampf  der  Republik  besitzen, 
die  schon  als  solche  von  höchstem  Interesse  wären. 

Leider  hat  sich  nun  aber  dieser  scheinbare  Ueberrest  zeit- 
genusaischer  Publicistik  unter  der  Hand  der  moderner  Kritik 
sozusagen  in  Nichts  verflüchtigt. 

So  hat  man  zunächst  zu  erweisen  versucht,  dass  schon  die 
Alten  und  insbesondere  der  Redaktor  der  genannten  Chresto- 
mathie  die  beiden  Schriftstücke  nicht  för  sallustisches  Gut  ein- 
gesehen haben.  Eine  Ansicht»  deren  Begründung  allerdings 
nicht  zwingend  ist.*)  Denn  wenn  man  z.B.  geltend  macht,^) 
dass  der  Redaktor  die  Pamphlets  als  eine  ^getrennte  anonyme 
Sammlung*  behandelt  hat,  so  lüsst  sich  dagegen  einwenden, 
dass  dieselben  gar  nicht  anders  als  getrennt  von  den  anderen, 
sallustischen  Stücken  behandelt  werden  konnten,  da  sie  ja 
weder  unter  die  .excerpta  de  bellis*  (d,  h.  Catilina  und  Ju- 
gurtha),  noch  unter  die  .excerpta  de  historiis*  gehörten.  Und 
was  die  »Anonymität*  betrifft,  so  verfUhrt  unsere  —  einzige  — 
Handschrift*)  in  Bezug  auf  die  Benennung  der  Exzerpte  so 
wenig  genau  und  folgerichtig,  dass  z.  B.  die  ,excerpta  de  bellis* 
ebenfalls  ohne  Vorsetzung  eines  Autornaraens  gegeben  werdeo, 
also  auch  zunächst  ,anonym%  obwohl  dann  am  Schluss,  »owie 
an  der  Spitze  der  folgenden  ,excerpta  de  historiis'  der  Name 
SallusU  genannt  wird.  Eine  Nachlässigkeit»  die  es  uns  nicht 
gestattet,  aus  dieser  einen  Handschrift  sichere  Schlüsse  auf  die 
Stellung  des  alten  Sammlers  zur  Autorenfrage  zu  ziehen,  da 
eben  bis  zu  ihm  keine  Überlieferung  zurückreicht 


*)  iiL'gvn  tlii*  von  Hiu-tun^,   [i  ,n 

HnJie  1874  uugtlUhriftj  Gründe  «i.  m- 

aarem  epLttoU  cum   incerti  ttlicuioi  mnMorm  iuncta.   L«5ipzig  1873,  8.  ß. 

»)  Haider,  Zw  öttlhi.tkritik.    Wicni«r  Studien,  Bd.  J7,  18Ö6,  8.  I»a 

»)  Vat.  8S04, 


fr  (mUfi€n  Pume 


Doch  sei  dem  wie  ihm  wolle!    Soviel  ist  gewiss:  dio  längst 
zweifelte  Autorschaft  Sallusts   gilt  gegenwärtig  als  rlefinitiv 

'ausgeschlossen.  Ein  Ergebnis,  das  ein  paar  vereinzelte  Ret- 
tiingsversuche  ^)  nicht  zu  erschüttern  vermochten. 

Auch  das  Werturteil  über  den  Inhalt  pflegt  das  denkbar 
ungünstigste  zu  sein.  Man  sagt»  als  wertloses  Rhetorenmach- 
werk  würden  die  Schriften  schon  dadurch  charakterisiert,  dass 
die  in  ihnen  enthaltenen  politischen  und  sozialen  Reforniideen 
unpraktisch,  unreif  und  trivial,')  die  erwiihnten  geschichtlichen 
Tutsachen  teilweise  ebenfalls  trivial,  teilweise  offenkundig  falsch 
seien, ^)  oder  man  gibt  zwar  ein  gewisses  Mass  Yon  geschicht- 
licher Kenntnis  zu,  sieht  aber  in  der  Art  und  Weise,  wie  die- 
»elbe  sich   äussert,    einen  untrüglichen  Beweis  dafür,   dass  die 

I  Pamphlets  in  einer  Zeit  verfasst  sein  müssten  — -  etwa  gegen 
Ende  des  1.  Jahrhunderts  n.  Chr.  — ,  die  der  Epoche  Cäsars 
und  Sallusts  schon  sehr  ferne  stand.*)  Ergebnisse,  die  die 
Hoffnung  auf  irgendwelche  nennenswerte  historische  Ausbeute 
9Q  gut  wie  aussichtlos  erscheinen  lassen  und  in  der  Tat  dazu 
gefilljrt  haben,  dass  die  Geschichtschreibung  und  Forschung  die 
>i»>n1pn   Schriftchen  fast  völlig  zu  ignorieren  pflegt,*) 


^)  Von  Spandnu,  Eine  Salluststudie.  Bayreuth  1869,  der  beide 
Scbriftchen,  und  Hellwig  a,  &.  0.,  der  wenigstens  daa  zweite  als  echt 
erweisen  wollte.  Die  von  E.  Hanler  a.  a.  0.  erwähnte  Schrift  von  Pajks 
(Progr.  d.  Franx  JosephB-Gjmn.  1893/4),  welche  die  beiden  .Suaaorien* 
wieder  S&Ilast  znschreibt,  ist  mir  nicht  jiUßdng^Hch  gewesen. 

t)  So  H.  Peter  a.  ti.  ().,  8.  175. 

«)  8o  TeuflTel,  Sallost  nnrl  Taeitus.  Tübingen  ISm,  S  U.  Gnn9ti>er 
arteilt  wenig^tt^na  über  das  zweit«  Pamphlet  Schenkl  in  seiner  Besprech- 
ODg  der  Schrift  Jordan«.     Zeilachr.  f.  öiterr,  Qjmn.  1671,  S.  672. 

*)  Jordan  a.  0.,  S.  23, 

*)  Krat  in  allemeueeter  Zeit  scheint  «ch  eine  Wandlung  zu  voll- 
»ehco.  VgL  die  mir  erst  inw!h  Abschlufls  dieser  ünteraachung  zuge- 
kommene schöne  Schrift  von  F.  Cauer,  CicerOB  politische»  Denken,  S.  131, 
der  den  Verfasser  der  Pamphlets  einen  ,  wohl  meinenden  und  Weitblicken* 
den  Monarchisten*  nennt,  der  ,dio  Schäden  von  St^at  und  Geaelbcbaft 
klar  erkaont*  habe.  —  Allerdings  konnte  Cauer  au  dieser  Stelle  nicht 
weiter  auf  die  Frage  eingehn. 


Robert  Pdlhlmann 

Sollte  aber  das  Problem  wirklich  so  einfach  liegen  und 
niifc  den  konventionelleD  Formeln  imd  Schablonen  Idsbar  sein, 
mit  denen  man  hier  gearbeitet  hat? 

Der  Historiker  kann  nicht  den  Anspruch  erheben,  auf  dem 
Gebiete  der  Sprach-  und  Stilkritik  ein  entscheidendes  Wort 
mit'/.uredon;  aber  gegenüber  der  doktrinären  Sicherheit,  die  in 
der  üblichen  Behandlung  unseres  F*roblems  überall  zu  Tage 
tritt,  dürften  ihm  einige  Fragezeichen  wohl  gestattet  sein.  Man 
sagt,  der  oder  die  Verfasser  der  Pamphlets  seien  schon  deshalb 
in  den  Reihen  später  Rhetoren,  etwa  der  archaisierenden  Fron- 
tonianer  zu  suchen,  weil  das  , antike  Kolorit*  (color  antiquus) 
ihrer  Schreibweise  ein  noch  intensiveres  ist,  als  das  der  Sallu- 
stischen.  Sallust  werde  hier  durch  einen  Hyperarchaismus  noch 
überboten,  der  doch  anderei*seits  nicht  habe  verhindern  können, 
dass  gelegentlich  eine  moderne  Form  mitunterlief,  die  das  jün- 
gere Rhetorengesicht  hinter  der  altertümlichen  Maske  deutlich 
verrate,*)  Schade  nur,  dass  bei  dieser  Rechnung  ein  Faktor 
ausser  Ansatz  bleibt,  der  für  die  Beurteilung  der  sprachlichen 
Anachronismen  und  der  altertümlichen  Färbung  der  Sprache 
sehr  ins  Gewicht  fällt,  die  Überlieferung  der  Texte,  Wenn 
man  berücksichtigt,  wie  ungleich  mehr  die  sprachliche  Form 
der  durch  die  Hände  zahlloser  Abschreiber  gegangenen  Ge- 
schichtswerke Salhists  dem  Schicksal  der  Modernisierung  aus- 
gesetzt war,  so  wird  man  an  der  altertümlichen  Schreibweise 
der  beinahe  in  Vergessenheit  geratenen  Paniphlets  an  sieh  kaum 
einen  Anstoss  nehmen  können,  und  wamm  soll  andererseits 
wieder  der  Text  der  Pamphlets  gegen  die  Gefahr  gefeit  ge- 
wesen sein,  dass  der  Feder  eines  Abschreibers  eine  jüngere 
Form  entschlüpfte,  die  dem  ursprünglichen  Text  fremd  war? 
Wie  oft  kommt  es  auch  in  guten  Handschriften  vor,  dass  ori- 
ginale Wortfarmen  den  vulgaren  geopfert  werden!*)  Wie  kann 
da  die  einseitige  Vergleichung   der  Überlieferten  Texte  einen 


*)  Jortlun.  S,  25. 

-)  Kin  Motnmi,  dw  Atich  Win  &.  ft.  0.,  S.  KK)  mit  Ilm^ht  für  dto_ 
Efitik  der  Oberliefctriiog  äallu«!«  (^eltMid  miu'kt 


Zur  Geschtchte  der  antiken  PiibHcistile. 


8D  entÄcheidenden  Boweis  für  die  Beurteilung  der  Sprache  der 
Autoren  gewühren?^ 

Und  vollends  der  BejBp*iff  des  Archaischen  und  des  Ar- 
chaismus selbst!  Wie  wenig  lässt  sich  ihm  ein  wirklich  si- 
cheres Kriterium  für  die  Beurteilung  der  Echtheit  und  der 
AhfassuDgszeit  unserer  Schriften  entnehmen  I  Die  Sprache  SaU 
lusts  selbst  ist  eine  künstliche  und  gerade  wegen  ihres  ,Hyper- 
archaismus*  schon  von  den  Zeitgenossen  angefochten.  Asinius 
Polho  nannte  nach  Sueton'*)  seine  Schriften  geradezu  nimia 
verborum  priscorura  atiectatione  ohlita.  Und  zwar  tritt  diese 
archaisierende  Einseitigkeit  um  so  entschiedener  hervor,  je 
jünger  Sallust  bei  der  Abfassung  der  betrettenden  Schrift 
war.  Wenn  also  die  Pamphlets  in  dieser  Hinsicht  die  Öe- 
schichtswerke  Sallu.st-s  noch  Überbieten,  so  könnte  man  das 
viel  eher  für  die  Echtheit  geltend  machen,  al«  für  die  ün- 
echtheit^  vorausgesetzt,  dass  nicht  ganz  untrügliche  Anhalts- 
punkte für  die  Urheberschaft  eines  späten  archaisierenden 
Rbetors  vorliegen.  Und  solche  sichere  Anhaltspunkte  fehlen 
durchaus!  Ja  nicht  einmal  das  Wesen  des  Archaismus  selbst 
ist  unbestritten!  Gar  manches,  was  man  Archaismus  nennt, 
stammt  einfach  aus  dem  tatsächlichen  Sj)  räch  gebrauch  der  Zeit 
Sallusts  und  Cäsars.  Und  wenn  Wölfflin  einmal  gesagt  hat, 
dass  man  oft  l>esser  täte,  bei  diesen  sogen.  Archaismen  von 
vulgärem  Demok raten latein  zu  reden/)  so  ist  jedenfalls  soviel 
gewiss«  dass  die  an  den  Pamphlets  geübte  W^ort-  und  Stil- 
kritik zum  Teil  mit  ganz  unsicheren  Begriffen  operiert  und 
durch  die  Sprache  des  Lebens,  wenn  sie  uns  genauer  bekannt 
wäre,  oft  genug  ad  absurdum  gpfiihrt  würde. 

Aber  auch  sonst  herrscht  auf  dem  Gebiete  der  Stilkritik 
eine  Willkür,  die  gebieterisch  eine  Revision  der  ganzen  Frage 


*}  Einige  gut^  Bemerk ungen  über  tÜeaen  Punkt  etithriU  schon  die 
^bbuidlung  von  Spandau«  der  allerdings  in  denselben  meihodiBchen 
Fehler  vergilt,  wie  Jurdan  und  andere  Verfechter  der  ünechtheit,  in- 
dem er  gowi»Kt}  ,Arcbai8inen*  der  Pamphlets  bei  ilen  Frontonianern  für 
.nninuglieh'  ürkliiit, 

*)  De  graunn.  lu.         3)  VulgarUtein,  8.  liÖ, 


10 


Bttberl  Pohlmann 


fordeii.  Man  sagt,  ©ine  gan/ie  R^ihe  von  Worten  und  Wen- 
dungen könne  unmöglich  von  Sallust  gehraucht  sein,  weil  sie 
entweder  für  seine  Schreibweise  ,zu  kühn'  oder  ,imgewöhnHch* 
seien,  weil  sie  in  seinen  Geschichtswerken  überhaupt  nicht  vor- 
kommen oder  in  einem  anderen  Sinne  gebraucht  sind,  als  in 
den  Pamphlets,  weil  sie  aus  der  Vulgarsprache  stammen  und 
den  , besten  8chril't«tellern'  fremd  sind,  oder  aber,  weil  sie  zwar 
bei  den  .besten  Schriftstellern ^  aber  nicht  in  den  erhaltenen 
Werken  Salhisis  vorkämen,  oder  endlich,  weil  sie  überhaupt 
nicht  älter  seien  als  Seneca,  Quintih'an  oder  FliniusI^) 

Das  7t()mtoy  i/;frdoc  dieser  Logik  fällt  sofort  in  die  Augen. 
Das  literarische  Porträt  Sallusts,  welches  die  Grundlage 
der  Vergleichung  bietet,  ist  für  sie  sozusagen  eine  konstante 
Grosse.  Dass  ein  Politiker  und  Agitator,  dem  brennender 
Ehrgeiz,  Hass  und  Leidenschaft  die  Feder  in  die  Hand  drückt, 
ein  Publicist,  dessen  Hede  auf  den  erregten  und  gehässigen 
Ton  des  politischen  Pamphlets  und  des  Parteiklatsches  ge- 
stimmt ist,  naturgemäss  eine  Sprache  führen  muss,  die  an 
, kühnen*,  nachUissigen,  vulgären  Wendungen  reicher  isi,*)  als 
die  Sprache  des  Goschichtsch reibers»  der  nach  Jahren  in  der 
friedlichen  Stille  seiner  Gärten  über  die  Dinge  der  Vergangen- 
heit schreibt,  —  dieser  Gesichtepunkt  ist  für  die  übliche  Stil- 
kritik nicht  vorhanden.  Und  was  die  ,Kühnheit*  des  bildlicheii 
Ausdruckes  betrifft,  ist  nicht  gerade  die  «audacia  iu  translatro-fl 
nibus*  schon  nach  dem  Urteil  der  Alten*)  recht  eigentlich 
sallustischV  Wer  will  die  genaue  Grenze  feststellen,  wo  diese 
Kühnheit  und  das  Studium  verborum  fingendi  et  novandi*) 
bei  ihm  ein  Ende  hatte?  ^) 

*}  Unter  «liest*  Kategorien  fallen  so  ziemlich  ttlle  die  Bei»pielei 
welche  Jordan,  S,  23  ff.  aufführt,   V^l.  noch  Harinnj?,  S,  21  <f.  «nd  Hellwijifi^ 

*}  Eiu  Bprechendea  Bmsph?!  dafiir  i»t  I,  4,  i:  »corta  aut  corivivt« 
extrcu4*rint.  Kine  Wpndunjf,  dio  gatia  dein  Ton  d«r  vulgaren  Partei- 
]>ületTiik  etjUprirht  und  dnher  tiä<i  hei  «ieni  Qiwtorlker  Sallnst 

sich  nicht  tindf^t.    Vgl    Planta«  A=  v.  132. 

«)  Sucton,  a-  0.,  c-  10. 

*)  Gdlinn.  N.  A.  IV.  15. 

*)  Vgl  bei  Hollwig,  a.  0^  8.7  ff.  dto  LiwU^  i-on  WotIcji  mid  W«ü- 


Zur  Creschiehte  der  antiken  Publimtik, 

IE»  ist  ein  Gnindirrtum  unserer  Echtheitskritik,  wenn  sie 
das,  was  man  einmal  als  die  Reliquien  aus  dem  Schiffbruch 
der  Sallustiana  bezeichnet  hat,  gewissermasseu  kanonisiert, 
ohne  Rücksicht  darauf,  dass  nicht  einmal  der  Geschicht- 
schreiber Sallust  zur  Aufstellung  eines  solchen  einheitlichen 
Kanons  berechtigt.  Denn  auch  in  seinen  Oeschichtswerken 
ist  ja  eine  genetische  Entwicklung,  eine  fortschreitende  Ver- 
Tollkommnuug,  Um-  und  Weiterbildung  von  Sprache  und  Stil 
Bo  deutlich  erkennbar,  dass  man  geradezu  gemeint  hat.  die 
Historien  würden,  wenn  vollstfindig  erhalten,  eine  ganze  Reihe 
wesentlicher  stilistischer  Unterschiede  gegenüber  dem  Cati- 
lina  und  Jugurtha  erkennen  lassen.*)  Wenn  es  endlich  richtig 
ist,  dass  das  älteste  Geschieh ts werk  Sallusts  an  bewussten 
Abweichungen  vom  üblichen  Sprachgebrauch  reicher  ist,  als 
die  späteren  Schriften  Sallusts,*)  wie  kann  da  schon  der 
Umstand  gegen  den  sallustischen  Ursprung  beider  Pamphlets 
sprechen,  dass  sie,  die  im  Falle  der  Elchtheit  eine  Reihe  von 
Jahren  älter  waren,  als  der  Catilina,  eine  noch  grössere  Zahl 
solcher  Abweichungen  bieten,  also  gerade  das  8tilgepräge 
leeigen,  das  man  aus  dem  Entwicklungsgang  des  sallustischen 
Stiles  für  seine  Erstlingsschriften  mit  höchster  Wahrschein- 
liehkeit  erschliessen  müsste? 

Würden  sich  nicht  umgekehrt  die  Pamphlets  gerade  dann 
als  eine  plumiie  Fälschung  verraten,  wenn  sie  sich  sklavisch 
an   die  Sprache  des  Historikers   Sallust  gehalten  hätten?') 

Wenn  man  wegen  derartiger  Unterschiede  den  Pani- 
pbletisten  Sallust  ohne  weiteres  als  eine  Unmöglichkeit  er- 
klärt, so  ist  das  ungefähr  ebenso  willkürlich,  wie  wenn  man 
Sallust  den  Catilina  absprechen  wollte,  weil  in  dieser  Schrift 


dungen,  die  aich  gexeti  Jordans  Bedenken  sehr  wohl  als  sallüstiscb  hal- 
ten liesaeu. 

M  Wölfflin,  Philoloäsrua.  Bd.  25,  S.  95L  Vgl,  »u  der  Frage  Kunze. 
8allo&iiana  III  (2),  S.  301  fif, 

«)  Teuffei  a.  0-,  S,  6. 

•)  VgL  aoch  die  Bemerkiing  von  Wirz»  a.a.O.,  S.  111  «bor  ,dic 
nu^iillttfliiache  Spruche'  des  Verfassers  der  Invective  gegen  Cicero. 


12 


Robert  Pöhlmann 


das  Wort  ceterum   nur   dreimal,   im   Jugurtha   dagegen   nicht 
woniger  als  ftinfziginal  vorkomnit! 

Eine  Logik,  deren  man  sich  übrigens  allen  Ernstes  be-^ 
dient  hat,  um  das  erste  der  beiden  Pamphlets  als  unsallustisch 
zu  erweisen,^)  Weil  in  demselben  das  Wort  ceterum  nur  ein- 
mal, im  zweiten  aber  viermal  vorkommt»  weil  Nn  1  die  bei 
Sallust  so  gewfjhnliche  Partikel  quippe  —  ,mit  einer  gewissen 
Schüchternheit*,  wie  man  meint,  —  nur  einmal  gebraucht, 
wahrend  sie  sich  in  Nr.  2  viel  öfter  findet,  weil  endlich  in 
Nr.  1  tametsi  gar  nicht,  in  Nr.  2  aber  fünfmal  vorkommt,  ho 
soll  der  Verfasser  des  zweiten  Schriftstücks  ebenso  sicher 
Sallust  sein,  wie  der  des  ersten  nicht!  Schade  nur,  dass  man 
bei  dieser  Rechnung  ganz  tibersehen  hat,  dass  die  durch  ihr 
häufigeres  ceterurn  u.  s.  w.  als  sallustisch  legitimierte  Schrift 
auch  die  weit  umfangreichere  ist,*) 

Übrigens  wird  die  Beweiskraft  dieser  Wortstatistik  schon 
dadurch  zum  grötswten  Teile  illusorisch,  dass  wir  das  Auftreten 
und  Wiederverschwinden  von  Worten  und  zwar  keineswegs 
bloss  von  ungewöhnlichen  und  von  sogen,  Archaismen  inner- 
halb der  historischen  Schriften  Sallusts  genau  so  feststellen 
können.*)  Was  kann  es  überhaupt  für  eine  geschichtliche 
Auflassung  der  Dinge  thörichteres  geben,  als  diese  rein  mecha- 
nische und  schablonenhafte  Handhabung  der  Sprach.statistik/) 
für  welche  die  einfachsten  Prinzipien  echter  Statistik  gar  nicht 
vorhanden  sind!     Man   vergleicht  ohn©  weiteres,  was  gerade 


»)  So  Hellwig,  a.  0.,  S.  12. 

*)  Das  Verhaltni»  iat  4^-3  zu  7^2  Smten  (bei  JonUn). 

^)  Wie  achoii  Hellwig,  a.  0.  mit  ^vht  gegen  Jordan  geltend  ge- 
macht hat. 

*)  Dauiit   »oll    tiutürlirh    der  Wert   ik»r  Spr  k   an  und  ff\r 

lieh  in  keiner  Weis^  vrTkannt  Würdeii.  AUrr  tu. ;,...k..  .icti  denkt  man 
doch  aogeaicbU  der  ob«?n  erwähnten  VerirrunRcn  i*n  diM  Wort  Rohdei 
von   de»r   ^dhatxnfriedfnen   8ekte»    w^Irbß    r     '  '  "     nud   dtm      '  ^ 

nicht   fllr   mehr   zu  halten  «rh<>int   aU   ein  xempeU  r 

tuit  kidlich  g*?»undcn  8inneri  aiiM  dt*n  ein/»?]n*»n  J inten  sieh  /.itHrimiiieti- 
reiChtien    k^IIIlte^      ^     Filiflt     Vo^a^jI.*.«     Firii-fw^N  Iim«!     mit    Frvvin    Rolirlr« 

2.  AaiL,  a  sah 


Zur  Geschichte  dtr  antiken  VuhUcUHJc, 

tufüliig  an  Material  vorlieget;.  Die  Frai,^e  nacli  der  statisti- 
schen Beweiskraft  dieses  Mater iales.  Dach  dem  quantitativen 
Verhältnis  zwischen  dem  erhaltenen  und  dem  verloren en  Ver- 
gldchsmaterial  ist  für  diese  Pseudostatistik  einfach  nicht  vor- 
handen. Wenn  sie  so  glücklich  ist»  ein  Wort  oder  eine 
Wendung  zu  finden,  welche  wir  ausserdem  erst  bei  Seneca, 
Quiutilian  oder  Plinius  konstatieren  können ,  so  ist  das  für 
sie  ohne  weiteres  ein  Beweis  späteren  Ursprungs.  AI«  üb 
wir  es  nicht  mit  einem  verwüsteten  und  halbzerstörten  Ma- 
terial zu  tun  hätten,  das  uns  auf  Schritt  und  Tritt  die  für 
diu  Statistik  notwendigen  grossen  Zahlen  vorenthält!  Und  als 
ob  ein  Ausdruck,  dem  wir  jetzt  bei  diesem  oder  jenem  Autor 
zufällig  zum  ersten  Mide  begegnen,  immer  auch  in  dessen 
Zeit  geprägt  sein  niüsstel  Ja  diese  Echtheitökritik  ist  sogar 
so  genügsam,  dass  Wendungen  der  Pamphlets,  die  in  den  er- 
haltenen Schriften  Sallusts  fehlen,  ihm  selbst  dann  ohne  wei- 
teres abgesprochen  werden,  wenn  sie  sich  noch  in  der  Lite- 
ratur seiner  eigenen  Zeit  z.  B.  bei  Cicero  nachweisen  lassen!^) 
Noch  grössere  Triumphe  feiert  die  Methode  in  der  Auf- 
«pUrung  der  in  den  Pamphlets  augeblich  enthaltenen  litera- 
rischen Keminiszenzen  und  Entlehnungen.^)  So  soll 
z.  B.  der  im  ersten  Pamphlet  (I,  10)  zitierte  Gemeinplatz:  ,pes- 
sumus  quisque  asper rume  rectorem  patitur'  die  Kopie  eines 
gleichlautenden  Satzes  bei  Seneca  (de  ira  III,  36,  4)  sein  und 
dn  weiterer,  ebenda  (I,  3,  2)  sich  findender  Geniein  platz  ,ne- 
que  quemquam  multis  metuendum  esse,  quin  ad  eum  ex  multis 
formido  recidat*  wird  ohne  weiteres  als  oöeubare  Nachbilduog 
eines  Verses  des  Decimus  Liberius  bezeichnet:  ^necesse  est  multos 
timeat,  quem  nmlti  timent*,  obgleich  man  zugestehen  nmss, 
da.ss  dieser  Vers  möglicherweise  auf  eine  alte  Gnome  zurück- 
gebt l^)    Ja  man  ist  sogar  so  weit  gegangen,    die  Bemerkung 


M  3c.  B,  additanientum  fnotionii«  tl,  11,  G.     S.  Jordan,  S*  2(j. 

^)  Zur  Charukteristik  dieser  Methode  im  allgemeinen  vgL  die  tref- 
fanden  BcmerktiogeD  von  Aljr«  Der  Eiubruch  de«  Matdrinlijmus  iu  die 
hittoNHcheu  Wia><ea3chaftcn-     Preüija,  Jabrb.  lÖUr»,  Üd.  Öl,  S.  210  ff. 

«)  Sclierik).  a.  0-,  S,  (jr.9. 


u 


Röbirt  PöMwann 


I,  8,  1  über  den  Kontrast  zwischen  der  manilisclion  Vernach- 
lässigung des  eigenen  Innern  und  der  krankhfiften  Sucht  nach 
einer  möglichst  pomphat teu  Ausgestaltung  des  äusseren  Lebens 
auf  die  Benützung  der  Schrift  des  Apuleius  über  den  üt^tt  des 
Sokrates  zurückzuführen!*) 

Allerdings  hat  sich  diese  schlimmste  Ausschreitung  der 
Parallelenjagd  nur  ein  älterer  Kritiker  erlaubt  und  die  neuere 
Echtheitskritik  gibt  wenigstens  zu,  dass  hier  die  Grenze  des 
bios  Möglichen  und  des  wirklich  Wissbaren  überschritten  ist;^) 
aber  auch  sie  ergeht  sieh  doch  mit  Vorliebe  in  Kombinationen, 
welche  diese  Grenze  fortwährend  verwischen.  Wenn  z.  B.  der 
Verfasser  der  zweiten  Schrift  (1,  3)  seinen  Anspruch,  über  den 
Staat  mitzureden,  darauf  stützt,  dass  er  sich  theoretisch  und 
praktisch  um  die  Kenntnis  des  Staates  aufs  Eifrigste  bemüht 
habe,  so  soll  er  dabei  an  die  Worte  Ciceros  de  oratore  II,  3S7 
gedacht  Imben  ,ad  consilium  de  re  publica  dandum  caput  est 
nosse  rem  publicam*.  Als  ob  nicht  —  um  mit  einem  modernen 
Kationalökonomen  zu  reden  —  ,das  nosse  rem  [»ubitcam  an  der 
Schwelle  der  Politik  stünde*! 

Auch  für  seine  Vorschläge  im  Einzelnen  glaubt  man  zum 
Teil  mit  absoluter  Sicherheit  die  betreuenden  Vorlagen  nach- 
weisen zu  können.  So  soll  er  da,  wo  er  fiir  geheime  Abstim* 
mung  im  Senat  plädiert,  die  Stelle  Ciceros  de  leg,  III,  34  im 
Auge  gehabt  haben,  wo  von  der  Beschränkung  der  Optimaten- 
herrschaft  durch  die  lex  tabularia  die  Rede  tst.^)  Wenn  er 
fenier  11,6  von  den  Anhängseln  der  Machthaber  redet  (addita- 
nienta  factionis),  so  ist  auch  d»iÄ  wieder  eine  Frucht  der  Lektüre 
Ciceros,  eine  Reminiszenz  an  das  in  der  Sestiaua  §  68  erwähnte 
,additumeütum  inimicorum  meoruni*/)  Wenn  er  von  den  beneücia 
populi  Kornani  spricht,  welche  der  gegnerische  Konsul  Ciisam 
streitig  mache  (2,  3),  so  soll  das  eine  Iteminiszenz  sein  an  ditfl 
praedia  pofmli  UomaDi  bei  Cicero  2  Verr.  7/)  ebenso  wie  die 

4  Corte  «ti  d^T  8ie\ln. 

«I  Härtung,  a,  0„  S.  20.  *)  Jowljitt,  S,  28. 

'^)  Ebd.  Hl,    AU  ob  nicht  auch  CAnr  (B,  c.  1,  9)   von  Hern  ,papuli 


antiken  PMfe 


i& 


EinffihniDg  von  Vaterland  und  Ahnen  im  13.  c.  eine  Beminis- 
zutiz  an  Ciceros  1.  Cat.  18  imil  27.*) 

Wenn  der  Pamphletist  ferner  Cäsar  als  Zierde  und  Hort 
der  Partei  feiert  (decus  praesidiumque  nobis  13,  1),  so  soll  er 
dabei  an  das  Horazischc  o  et  praesidiuni  et  dulee  decus  nieom 
gedacht  haben /'^)  ebenso  wie  I,  5,  9  eine  horazischü  Epode  (16) 
benützt  sein  soll,  weil  hier  wie  dort  von  Bürgerkrieg  und  Unter- 
gang Roms  die  Rede  ist!  Wenn  es  endlich  II,  13,  4  von  Cäsar 
heisst,  dass  die  Kunde  von  seinen  Taten  die  ganze  Welt  durch- 
fliegen werde  (per  gentes  omnes  tama  virtutis  tuae  volitabit), 
so  muss  das  natürlich  unfehlbar  Entlehnung  aus  Knnius  (volito 
vivus  per  ora  viruni)  oder  aus  Vergils  Georgica  sein  (3^  9  victor- 
que  virum  volitare  per  ora)!^) 

Mit  dieser  Methode,  die  weniger  für  die  Belesenheit  des 
l*aniphletisteu,  als  für  die  seiner  Beurteiler  beweist,  könnte 
man  ebensogut  zu  Gunsten  der  Echtheit  operieren.  Und  in 
der  Tat  haben  es  die  Verteidiger  der  letzteren  fertig  gebracht, 
Seneca  und  Apuleius  zu  Abschreibern  des  Paniphletisten  zu 
stempeln  und  daraus  Kapital  für  die  Autorschaft  Sallusts  zu 
schlagen!*)  Ganz  im  Sinne  einer  Methode,  die  eben  nur  mit 
solchen  Namen  und  Schriften  zu  rechnen  weiss,  die  zufallig 
überliefert  sind. 


Romatii  benericium'  und  sogar  Siillust  selbst  von  den  ,benefida*  des  rö- 
mischen Volkes  aprächen!    (Jug.  85,8  vgL  4). 

^)  AIb  ob  Salluät.  der  im  Jug.  85,  16  mgt:  Ac  ai  iam  a  patribus 
Albim  aat  Beetia«?  quaeri  poöset,  mene  an  illoa  ex  se  gigni  inalüerint, 
quid  reaponsttro»  creditis,  niöi  eeae  Hberoa  quam  optumoa  voluisse?  — 
ab  ob  der  nicht  auch  gesagt  baben  könnte:  Quodai  t^cum  patria  atque 
parcntes  pos^ent  loqui,  äcihcet  hoc  tibi  dicerent:  o  Caesar,  nos  te  ge- 
naimiis  fortisaimi  viri  etc. 

*)  Ebd.  5.  Dagegen  Hellwig,  S.  25.  Wie  nahe  die  beiden  Begriffe 
Itegeu,  wie  wenig  es  einer  poetischen  Vermittlung  bedurfte,  zeigt  Ta- 
citiw,  Germania  13,  G:  in  pact*  decua,  in  hello  praeaidium.  Vgl.  übri- 
geiM  t»ucb  tJbland,  Herzog  Ernsit  4,  3:  Sie  seien  Euch  im  Frieden  eine 
Zier,  Im  Krieg  ein  Beistand!  --  und  gan»  ähnlich  sagt  .ja  kein  öe- 
fisgercr  als  Snlluat  selbst  (von  den  afrikanischen  Gründaugen  der  Phö* 
nider)  ,  .  .  pari»  originibiia  suis  praeaidio  aiiae  decori  fuerif! 

3)  Jordan,  S.  Ü.  *<)  Simndati,  S.  14. 


Hubert  PAHlmann 

ÜbrigenB  würden  die  meisten  dieser  LesefirÜchte^  selbet 
wr^nii  sie  wirklieh  solche  wären,  für  die  spate  Herkunft  der 
PufTiphlets  gar  nichts  bfiwefsen.  Denn  warum  sollte  ilie  Kenntnis 
und  gelegentliche  Verwertung  ciceromscher  Schriften  für  einen 
Schriftsteller  aus  der  Cbergangwepoche  von  der  Republik  zur 
Kaiserzeit  etwas  Auffallendes  haben V  Genau  dieselbe  Kenntnis 
hat  der  Paniphletist,  der  die  Invektive  gegen  Cicero  schrieb, 
und  wer  wird  dieselbe  etwa  aus  diesem  Grund  für  ein  spätes 
Schulerzeugnis  halten ♦  trotz  der  Geschäftigkeit,  mit  der  man 
auch  bei  diesem  Autor  alle  möglichen  Lesefrüchte  aufzuHnden 
gewiisst  hat?*) 

Merkwürdig,  dass  die  Verteidiger  der  Echtheit  nicht  auf 
den  naheliegenden  Gedanken  verfallen  sind,  in  den  Faniphletä 
den  etwaigen  Spuren  derjenigen  Literatur  nachzugehen,  die 
nachweislich  gerade  die  Schriftstellerei  Sallusts  beeintlusst 
haben.  Die  Beweiskraft  der  hier  sich  ergebenden  Parallelen 
ist  gewiss  nictit  schlechter  als  die  Beweiskrai't  derjenigen,  welche 
für  die  Unechtheit  iuß  Feld  geführt  werden.  —  Kein  Wunder, 
dass  die  Verteidiger  der  Unechtheit  sich  instinktiv  gehütet  haben, 
ihre  Vergleichungen  auch  auf  dieses  Gebiet  auszudehnen,  wo  ihr 
Verfahren  sich  selbst  ad  absurdum  geführt  hätte! 

So  stellt  z.  B.  das  zweite  Pamphlet  den  Satz  auf,  da^s  die 
Auslieferung  der  Gerichte  an  eine  Oligarchie  im  Grunde  nichts 
anderes  bedeute,  als  die  Alleinherrschaft:  ,iudices  a  paucis 
probori  regnum  est*  (7,11).  Warum  kann  hier  dem  Verfasser, 
wenn  er  so  viele  andere  Reminiszenzen  im  Kopfe  hatte,  nicht 
auch  die  Stelle  des  Thukydides  vorgeschwebt  haben,  wo  es 
heisst:  JyyvTdjw  Tvgdv^*ov  dvyaoTna  dUyiüv  ärSgcbv^  (3.  t52,2)?*) 
Und  wenn  er  ein  andermal  die  Ueflexion  anstellt  (13,  7),  dass 
d^  Neid  in  der  Hegel  die  Lebenden  verfolgt»  mit  dem  letzten 


^}  Mit  Eadil  bat  die  Methode  Jai^afia  f^r  clieicn  Autor  xurUck- 
ewie«en  ReitÄenntpi«,  a.  a.  0„  8.  119,  wa*  auch  derjenige  xugeben  wird, 
—  wi»  ich  —  döBten  poBitiven  Er^ebniMtea  «keptiHch  j^e^enaborst^^ht, 
'  >  ^  freilich    i*:t,   r^'i^rt 

ilch   i.  >J  denkt:   .yaucoiiiiu 

dommaiiu  regiuä  IHudiai  propior  esi^ 


Gtiehichte  der  antiken^ 


fliehtik 


17 


Ldbcnshaucli  aber  die  Balin  frei  wird  für  die  Anerkennung  des 
Verdienstes  ,Tivos  .  .  .  saepe  invidia  fatigat:  ubi  anima  natunie 
ee^it,  deuiptis  obtrectatoribus  ip^ja  se  virtus  niagis  inagisque 
exfeollit,  warum  soll  er  da  nicht,  —  falls  der  übüclien  Methode 
einige  Beweiskraft  zu  kommt,  —  an  die  ganz  analogen  Reflexionen 
in  der  Kranzrede  des  Demosthenes  gedacht  haben  (§  315);  jig 
yag  oix  oldev  rwv  TtdvifoVf  5u  rolg  ^ikv  ^ü>ot  Jtäotv  vjieotl  Tic 
fj  jfXiiatP  ij  ikdTTa}%*  qj^ovog,  rohg  red^'e&iag  (S*  oMi  tüjv  ix^gwv 
m  oMelg  ht  fumT;  oder  auch  an  die  berUhraten  Worte  der  periklei- 
H  sehen  Leichenrede  hei  Thiikydides:  ^fp&6vog  yäfj  rolg  C<^jöi  Tioog 
■  tA  äviinaAovt  tö  dk  iiii  ifAitodojv  äyrayaxvwTq)  evvola  reTifirj- 
^kpi*  (H.  45,  1)?  Und  nmss  sicli  das  Bild  von  dem  unaufhalt- 
^^VsTOen  Indiehöhewachsen  des  Nachruhms  für  jene  Methode  nicht 
wie  eine  Keminiszenz  an  den  ebenda  ausgesprochenen  periklei- 
sehen  Gedanken  ausnehmen,  dass  der  für  die  Lebenden  erreich- 
Ilulim  immer  etwas  hinter  dem  der  Toten  zurückbleiben 


Kann  es  ferner  —  vom  Standpunkt  dieser  Methode  aus 
—  ein  Spiel  des  Zufalls  sein,  dass  die  Charakteristik  des 
«taatsmUnnischen  Genies  Cäsars  bei  demselben  Pamphle- 
fcisten  in  ganz  auffallender  Weise  an  jene  berühmte 
Thukjdideische  Charakteristik  der  politischen  Ge- 
niali tat  des  Theraistokles  0  erinnert,  die  bekfinntllch  von 
Sybel  ohne  weiteres  auch  auf  Bismarck  übertragen  worden  ist? 
Kquidem  mihi  decretum  est,  —  sagt  der  Famphletist,  —  nihil  tarn 
ex  alto  repeti  posse^  quod  non  cogitanti  tibi  in  promptu 
sit*)  Was  hier  an  Cäsar  gerühmt  wird,  ist  dieselbe 
Kaschheit  der  Reflexion  (^uUujg  ßoa/vnjg\  die  Thuky- 
dides  an  dem  genialsten  Staatsmann  der  Griechen  her- 
vorhebt, die  sichere  Intuition,  die  im  Moment  das  Richtige 
zu  finden  weiss  {a{^iooxrdidCeiv  rd  diovta)^  auch  da,  wo  für 
andere  die  Sache  noch  im  tiefen  Dunkel  liegt  {h  Jfß  ätpavety 
Kurz  das  Bild  des  Staatsmannes  Cäsar  bei  dem  Pamphletisten 
eotspricht    genau    demjenigen,    welches    Thukjdides    mit    den 


«)  I.  138.  «)  c.  2,  1. 

lOUi.  mUffulL  d.  plii1öe.'philot,  ii.  d.  hUt.  Kl. 


18 


Robert  PölilmanH 


Worten  9:eichnet:  to/i*  rt  nagaxQfjf^ia  it^  Uaxhttjg  ßovX^c  ngd^ 
Tiarog  yvcofimv  xal  xmv  fielhh'jojv  im  TtketoTuv  tov  yevtjoo^ivov 

Aber  auch  im  ersten  Pam(>falet  fehlen  solche  Anklilnge  an 
Thiikydidt'S  nicht.  Wie  deru  Geschichtsschreiber  Athens  wieder- 
holt der  Gedanke  an  den  Untergang  oder  Verfall  des  Staates 
sich  aufdrängt  im  Hinblick  auf  das  allem  Irdischen  inne- 
wohnende Gesetz  der  Vergänglichkeit:  TidvTa  ydg  nitpvHB  Kai 
IhioöovoOat  (II,  64,  3),  so  finden  wir  auch  hier  (c.  5,  2)  einen 
Hinweis  auf  die  Zeit,  in  der  das  Geschick  Homs  sich  ernilleo 
könnte,^)  und  die  ganz  analoge  Begründung:  ,orta  omnia  in- 
tereunt'.  —  Ebenso  hat  die  berühmte  psjchologisclie  Analyse 
der  Ursachen  des  Verfalles  und  der  Auflösung  der  hellenischen 
Staatenweli  ihr  Seitenstück  an  der  Stelle  desselben  Pamphlets, 
wo  die  Zeitmode  der  Umwertung  aller  sittlichen  Werte  ganz 
ähnlich,   wie  bei  Thukydides  gegeisselt  wird. 

Man   vgl.   nur  I,  5,  5    , is  incessit  mos,  ut  homines 

adulescentuli  .  .  .  nihil  libidinei  atque  aliis  rogantibus  dene- 
gare  pulcherrinium  putent,  eam  virtutem  et  magnitudinem 
animi.  pudorem  atque  modestiatn  pro  socordia  aestiment* 
mit  Thukydides  III,  82,  3  nai  fi/v  ilay&vtQV  äiimaiv  libv  (Vo- 
fidiüiv  ig  xä  igya  ärrijilXaSQv  rfj  dixaithoEi'  lökfia  fihv  yäq 
äX6yioio<:  ävÖgia  iptkiraiQoq  ivo/iloötj,  ,  ,  .  to  di  oojffoov 
Toü  (irävAgov  nQ6op}^ta  Hul  x6  ngog  tmav  Svr£x6i^  ijil  näv 
dgyov. 

Auch  die  schon  von  dem  alten  Coiie  angenommene  Be- 
nützung des  Aristoteles  könnte  die  übliche  Kchtheiti*kritik  nicht 
leugnen,  wenn  aie  den  Satz  des  ersten  Pamphlets  (6,  2)  ,Sa- 
pientes  pacis  causa  bellum  gerunt,  laborem  spe  otii  sustentant* 
vergleichen  würde  mit  Politik  IV,  15  §  16  (1334  a)  ^üog  yäo 
.  .  .  Elgfjvij  fih  7ioMp,ov^  o^olij  ä^  äoxoUtw\  Jedenfalls  Iäg6 
diese  Stelle  inhaltlich  näher,  als  etwa  Cicero  de  off.  1, 1 1 :  quare 

h  Ein  Hin  wein,  der  nbngeni  ican»  df^Tu  U«ti«i(«  ein«?«»  Jabrlnindert« 

'^Bxit«! »riebt,   in   tUiii    —   wie  ZielJi    "  1"     '                hat  —  tUö 

Fnigt^  ob  Weltnjitcrgarift  oder  v  mlv  Frago 
iCi^iit«»*  war. 


5iir 


4§aernfm4C0ni*ütm€imk 


10 


SQScipienda  quidem  belU  sunt  ob  eam  causam,   ut  sine  iniuria 
in  pace  rivahir. 

Sollen  wir  angesicbts  dieser  vom  Standpunkt  der  herr- 
iieudoD  Methode  kaum  i!u  leugnenden  Anlehnungen  an  die 
riechen,  besonders  an  Tliukjdides  und  DeinosUienes,  annehmen, 
dass  ein  Khetor  oder  Rbetorenscbüler,  der  in  seinem  (Juintilian 
gelesen  hatte  ,ex  graeca  translata  vel  Sallusti  phirimaV,i)  im 
Hinblick  auf  das  Verhältnis  seines  Vorbildes  zu  Thukjdides 
und  Demosthenes  diese  letzteren  nach  Phrasen  und  Reflexionen 
durchstöbert  hat,  um  durch  eine  thukydideisclie  oder  demosthe- 
nUche  Färbung  den  Eindruck  der  Ecbtbeit  seines  Elaborates 
erhöhen? 
Die  Annahme  ist  möglich.  Aber  sie  drängt  uns  freilich 
auch  sofort  die  weitere  Frage  auf:  Kann  ein  Autor,  der  so 
systematisch  vorgeht,  um  die  schriftsteüerischo  Individualität 
eines  Andern  getreu  nachzuschafleo ,  wirklich  so  nichtig  ge- 
wesen sein,  wie  es  die  herrschende  Anschauungsweise  behauptet? 
Und  andererseits!  Warum  sollte  nicht  auch  der  Schluss  zu- 
lässig sein,  dass  ein  so  geschickter  Nachahmer  thukydideisch- 
Bmosthenischer  Gedanken,  wie  ihn  die  Methode  wenigstens  in 
bm  zweiten  Pamphletisten  sehen  müsste,  möglicherweise  doch 
mit  dem  Geschichtschreiber  identisch  ist?  Denn  die  Anlehnung 
diese  beiden  Griechen,  insbesondere  an  Thukjdides  ist  ja 
cht  eigentlich  für  Sallust  charakteristisch.  Man  denke  nur 
—  Ton  allem  Anderen  ganz  abgesehen  —  an  den  bedeutsamen 
Hinweis  auf  die  perikleische  Leichenrede,  wie  er  sich  im  Ca- 
tilina  findet!*) 

Ja  man  könnte  für  die  Scblussfolgeruug,  dass  in  den  oben 
angefllhrten   Reflexionen  Sallust,   der  Kenner  des  Thukydides 

_        ^)  IX,  3.  17.     Vgl.  Dolega,   De  Salluatio  imitatore  Thucydidi«  De- 
OtiheBis  aliorumque  scriptorum  Graecorum.   Vratialaviae  1871. 

')  S.  6»  3  über  die  magaa  iagenia  acriptoruai ,  deßen  Atben  «einen 
Ruhm  wesentlich  mit  yerdanke:  ita  .  .  .  virtus  tunta  habetur,  quantiim 
eam  verbia  ijotiiere  ex^loUere  praedara  ingenia.  Über  die  BeiuUztini^  dor 
Leicliearedti  in  d^m  Schriften  Öallustst  vgl.  Mollniäiiii,  Quatenun  SalhiktMin 
•ft  ad  esetit|dütti  Gmeconnn  toaroriuuvuni,  S,  ß  ff* 


20 


liohert  Pühlmann 


ZU  uns  spriclit,  eine  Bestätigung  in  dessen  eigenen  Werken 
finden,  wo  ja  ganz  ähnliche  Gedanken  wiederkehren.  Man 
denke  an  die  Äusserung  im  lugurkha  2,  3  über  die  Vergäng- 
lichkeit alles  Gewordenen:  ^Omnia  orta  occiduni*  und  im  Ca- 
tilina  12,  2  über  die  sophistische  Umprügung  der  sittlichen 
Begriffe.  *) 

Nun  sind  freilich  andererseits  die  Anklänge,  welche  sich 
in  sprachlichen  Wendungen  und  Gedanken  zwischen  den  histo- 
rischen Schriften  Sallusts  und  den  Pamphlets  ergeben,  ein 
Hauptarguuient  für  diejenigen,  welche  in  den  Pamphlets  ledig- 
lich sklavische  NacbahmuDgen  Sallusts  sehen.  Man  geht  ja 
nicht  mehr  soweit  wie  jener  alte  Herausgeber,  der  durch  seine 
geradezu  kindische  Jagd  nach  TuraUelen  zwischen  den  Pam- 
phlets und  den  historischen  Sallustiana  unfreiwillig  eine  köst- 
liche Satire  auf  die  ganze  Methode  geliefert  hat.  Aber  der 
Geist  dieses  Pendantismus  ist  doch  noch  lange  nicht  über- 
wunden. Und  nur  zu  Vieles  hat  sich  auch  noch  in  die  mo- 
derne Echtheitskritik  hinübergerettet,  was  bedenklich  an  den 
alten  Corte  erinnert! 

Dass  sich  die  Pamphlets,  —  vorausgesetzt,  dass  sie  b^ide 
nicht  sällustisch  sind,  —  vielfach  in  bewusater  Weise  an  Sal- 
lust  anlehnen,  soll  ja  nicht  bestritten  werden,  aber  es  lässt 
sich  doch  leicht  nachweisen,  dass  die  neuere  Kritik  durch  ihre 
einseitige  mechanische  Behandlungsweise  des  Proljlems,  welche 
den  oder  die  Verfasser  der  Pamphlets  förmlich  zu  , Affen  Sal- 
lusts' stempeltt  jenen  Sachverhalt  masslos  übertrieben  und  da- 
durch eine  unbefangene  literarische  Würdigung  der  Pamphlets, 
sowie  die  Erkenntnis  ihres  historischen  Wertes  unmöglich  ge- 
macht hat. 

So  soll  z,  B.  der  Verfasser  des  zweiten  Pamphlets  an  der 
Stelle,  wo  er  von  der  Schwierigkeit  spricht,  Fürsten  und  Feld- 
herm  zu  beraten  (1,  1),  nur  an  den  3.  §  des  2.  Kapitels  des 
Catilina  gedacht  haben  können,  weil  auch  hier  von  reges  und 
inipprntores  die   ll«»de   i.'<t.'^)     Wenn   er   ferner  von  dem   Volke 

'  \s\.  auch  diH  R^df.«  di««  Ltf|ndi]i  hn  den  Hl v tonen  S  24. 
*)  Jordan,  S.  3. 


Zur  GeichtchU  tlrr  afUikfn  Pithlichtih, 


21 


spricht,  das  einst  einer  Welt  geboten  und  jetzt  von  seiner 
Ackerscholle  vertrieben,  durch  Arbeitslosigkeit  und  Hunger  zu 
iner  unsteten  Existenz  verurteilt  sei  (,sed  ubi  eos  paulatim 
cpulsos  agris  inertia  atque  inopia  incertns  domos  habere  sub- 
egit,  coepere  alienas  opes  petere,  libertatem  suani  cum  re  pu- 
plica  venalem  habere.'  5,  4),  so  soll  die  eine  Hälfte  dieses 
Satzes  auf  bewusster  Anlehnung  an  eine  Stelle  der  Hede  des 
Lepidus  in  Sallusts  Historien  §  24  beruhen»  wo»  —  freilich  in 
ganz  anderem  Zusammenhang,  —  auch  von  der  expulsa  agris 
jdelies  die  Rede  ist,  und  die  andere  Hälfte  soll  die  Kopie  einer 
anderen  Stelle  derselben  Rede  sein  (%  11)»  wo  es  von  dem  rö- 
mischen Volke  heisst:  ,populus  Rooianus  paulo  ante  gentium 
moderator  exutus  iniperio  gloria  iure  agitandi  inops  despectus- 
qae  ne  servilia  quidem  alimenta  reliqua  habet.*  0 

Als  ob  ein  Schriftsteüer,  der  so  ganz  und  gar  aus  dem 
Geiste  der  Zeit  heraus  zu  schreiben  weiss,  wie  dieser  Pam- 
phletist.  es  nötig  gehabt  hätte»  die  WoHe  für  die  Charakte- 
riii^tik  des  die  Revolutionsepoche  beherrschenden  schneidenden 
Widerspruches  zwischen  der  formalen  Rechtsstellung 
des  Bürgers  und  seiner  wirtschaftlichen  Lage  mühselig 
aus  verschiedenen»  weit  voneinander  getrennten  Sätzchen  jener 
Rede  zusammenzusuchen,  um  einem  Gedanken  Ausdruck  zu 
geben,  der  längst  zu  einem  populären  Schlagwort  geworden 
ir,  seitdem  Tiberius  Gracchus  von  den  Herren  der  Welt  ge- 
Eirochen,  die  auch  nicht  eine  Scholle  ihr  eigen  nennen  könnten! 
Man  vergisst  bei  dieser  Annahme  die  bedeutsame  Tatsache» 
dsiss  wir  es  hier  mit  einem  Manne  zu  tun  haben»  der  hei  sei- 
nen Vorschlägen  zur  Demokratisierung  des  Stimmrechtes  ge- 
lade die  Gracchen  im  Auge  hat  und  in  deren  Geschichte  so 
tit  Bescheid  weiss»  dass  wir  ihm  eine  überaus  wertvolle  Mit- 
Teilung  über  die  von  C.  Gracchus  geforderte  Stimmrechtsreform 
verdanken^  die  wir  in  der  ganzen  sonstigen  Literatur  vergeb- 
lich suchen! 

Man  wundert  »ich  nur»   wie  der  Pamphletist  bei  der  me- 


I)  Jordan»  S.  24. 


22 


Hölftrt  Pohl  mann 


chanischen  Ko|>isteü arbeit,  die  man  ihm  zuscbreibt,  noch  selbst- 
ständig  genug  war,  das  Schlussergebnis  seiner  Reflexionen  über 
den  Wandel  der  Zeiten  ganz  anders  zu  formulieren,  als  seine 
angebliche  Vorlage!  Wohl  um  sein  Plagiat  zu  verdecken?  — 
Während  nämlich  jener  Redner  der  Historien  die  Erniedrigung 
des  Volkes  besonders  darin  sielit,  dass  man  ihm  sogar  die  ser- 
vilia  alimenta  der  hauptstädtischen  Kurnverteilungen  genommen 
habe,  besteht  das,  was  der  Famphletist  als  unwürdige  Knecht- 
schaft des  Bürgers  bezeichnet,  darin»  dass  die  haus-  und  herd- 
los gewordene  Masse  sich  gewöhnt  hat,  ihre  Freiheit  samt  dem 
Staate  ffjrmlich  feilzuhalten. 

Aber  was  kümmert  es  die  Schablone,  wenn  die  Gedanken- 
gänge der  künstlich  identifizierten  Schriftstücke  noch  so  weit 
auseinandergehen!  Ihr  genügt  schon  die  Übereinstimnmng  ein- 
zelner Worte,  z,  B.  des  Ausdrucks  composita  für  ^staatliche 
Ordnung*  in  dem  ersten  Pamphlet  5,  6  und  in  der  Rede  des 
Lepidus  g  25,  um  sofort  an  eine  direkte  Nachahmung  der  Hi^- 
storien  und  zwar  gerade  dieser  Stelle  zu  denken!*) 

Nicht  minder  bezeichnend  für  die  Genügsamkeit  dieser' 
Kritik  ist  die  Kühnheit,  mit  der  sie  die  Charakteristik  der 
Plebs  des  Revolutionszeitalters  im  zweiten  Panifdilet  in  einen 
ursächlichen  Zusammenhang  bringt  mit  der  Schilderung  der 
rfimischen  Urgeraeinde  im  Catilina.*)  Von  jener  Plebs  sagt  der 
Pamphletist,  dass  sie  —  sittlich  korrumpiert  und  durch  die 
Gegensätze  des  Berufes  und  Gewerbes  und  der  ganzen  Lebens- 
weise in  sich  ge^iipalten  —  zu  einer  einhelligen  Will(?nsmeinung, 
zur  Bildtmg  einer  volonte  gun<^rale  nicht  föhig  sei  und  erst 
durch  Zufuhr  frischen  Blutes  —  d.  h,  durch  Ausdehnung  des 
Bürgerrechte  —  wieder  politisch  handlungsfiihig  und  zu  einem 
Organ  bürgerlicher  Freiheit  werden  könne!  5,  6:  ,Haec  igitur 
multitudo  primum  raalis  moribus  imbuta,  deinde  in  artis  vitas* 
quo  varias  dispalata,  nullo  modo  iriter  so  congruens,  parum 
mihi  quidem  idonea  videtur  ad  c^ipeasendam  rem  publicnm.  c<^- 
teram  additis  novia  dvibus  magna  me  spes  tenet  fore  ut  omneai 


1}  Jordati,  a.  0. 


«)  Kbd.  S,  d(K 


Znr  Gc^chichle  der  nutilen  PubliciHtik. 


eipergiscantur  atl  libertatem:  tiui|Tpe  cum  illis  lihertatis  reti- 
oendae,  tum  his  serritutis  amittendae  cura  orietun* 

Und  nun  vergleiche  man  mit  dieser  AusfHlirung  ihr  an- 
gebliches VorbilfK  das  sechste  Kapitel  des  Catilina!  Hier  ist 
die  Rede  yon  der  aus  verschiedenen  Bestandteilen  erwachsenen 
AJtbÖrgerschaFt  Roms,  von  der  jcresugt  wird,  dass  ihre  dnrcli 
Abstammung»  Sprache  und  Sitte  so  verschiedenen  Bestandteile 
sich  mit  wunderbarer  Leichtigkeit  zu  einem  Ganzen  verschmol- 
zen hätten  und  so  durch  Eintracht  aus  einer  atoraistischen  und 
unsteten  Menge  ein  einheitliches  Volk  geworden  seien:  Hi  post- 
qnam  in  una  nioenia  convenere,  «lispari  genere,  dissimili  lingua. 
ftlii  alio  more  viventes  incredibile  niemoratu  est  quam  facile 
coaluerint:  ita  brevi  niultitudo  dispersa  atque  vaga  concordra 
civitas  facta  est.  Ich  frage  mich  vergeblich,  worin  hier  die 
Nachahmung  bestehen  soll.  Die  einzige  Ähnlichkeit  zwischen 
den  beiden  Stellen  besteht  darin,  dass  beidemal  von  einer  Volks- 
menge die  Rede  ist,  welche  der  nötigen  Einheitlichkeit  entbehrt 
Aber  bei  der  Charakteristik  dieser  Bimtscheckigkeit  bedient  sich 
der  Pamphletist  ganz  anderer  Wendungen,  als  der  Historiker, 
wie  man  es  bei  einem  sklavischen  Nachahmer  gewiss  nicht  er- 
warten sollte.  Und  andererseits  ist  die  eigentliche  Pointe 
der  Schilderung  bei  dem  Pamphletisten  eine  ganz  an- 
dere, als  in  dem  Geschichtswerk.  Der  Pamphletist  erhofft 
von  dfT  Aufrrahme  neuer  Elemente  eine  Neubelebung  des  Geistes 
bürgerlicher  Freiheit,  während  es  sieh  bei  der  sallustischen 
Schilderung  der  Urgeraeinde  um  den  Übergang  aus  der  Unge- 
bundenhf^it  anarchischer  Zustände  zu  fester  bürgerlicher  Ord- 
fiung  und  Zucht   handelt. 

Ebenso  willkürlich  ist  die  Konstruktion  eines  mechanischen 
Abhängigkeitsverhältnisses  zwischen  dem  sonstigen  Inhalt  dieser 
Einleitung  des  Catilina  und  dem  kurzen  historischen  Expos*^, 
mit  welchem  der  Pamphletist  seine  Forderung  einer  Regeneration 
der  rTimischen  Bürgerschaft  durch  die  Aufnahme  neuer  Bürger 
chichtlich   begründet.')    Einzelne  Anklänge    finden  sich  ja 


*)  Jordan,  8.  IR. 


24 


Sobmi  Pöhimatin 


auch  hier.  Aber  die  Behauptung,  dass  dieses  Expose  lediglich 
aus  salliistischen  Redewendungen  zusammengestöppelt  sei,  ist 
eine  masslose  Übertreibung,  Denn  diese  Anklänge  unterscheiden 
sich  in  nichts  von  denen,  die  sich  zwischen  den  echten  sal- 
lustischen  Schriften  finden,  und  könnten  daher  ebensogut  für 
die  Autorschaft  Sallusts  geltend  gemacht  werden,  wie  fUr  die 
Annahme  eines  Imitators.  Auch  ist  der  Ideengang  in  bei- 
den Fällen  ein  ganz  yerschiedener.  Während  in  jener 
Einleitung  zum  Catilina  die  kapitalistische  Entartung  der  römi- 
schen Oesellschaft  im  Zusammenhang  mit  der  Weltmachtspolitik 
geschildert  wird»  handelt  es  sich  bei  dem  Pamphletisten  um 
eine  kurze  Darlegung  der  Folgezustände,  welche  sich  unter 
dem  Druck  dieses  Kapitalismus  in  der  Masse  des  Volkes  her- 
ausbildeten, um  den  Verfall  der  plebs  rustica  und  ihre  Um- 
wandlung in  ein  arbeitsloses  und  käufliches  Proletariat:  Er- 
scheinungen, von  deneji  im  Catilina  an  jener  Stelle  überhaupt 
nicht  die  Rede  ist! 

^un  könnte  man  ja  einwenden:  ,Hier  hat  eben  der  Pam- 
phletist nebenbei  noch  eine  andere  Schrift  Sallusts  benütsit\ 
die  Historien  —  eine  Möglichkeit,  die  Jordan  ausdrücklich  be- 
tont. Und  in  der  Tat  wird  in  den  Historien  auch  einmal  die 
Vertreibung  der  plebs  von  ihren  Äckern  erwähnt  —  in  der 
Hede  des  Lepidus  JJ  24  (expulsa  agris  plebes!);  —  und  ebenso 
erinnert  das,  was  hier  Salhist  Über  den  Kontrast  zwischen  der 
Herrscherstellung  des  römischen  Volkes  und  der  materiellen  Er- 
niedrigung des  Bürgers  sagt,^)  an  die  Worte  des  Pamphletisten: 
,tta  paulatim  popuhis,  qui  dominus  erat,  cunctis  gentihus  im- 
peritubat,  dilapsus  est  et  pro  communi  imperio  privatim  sibi 
quis(|ue  servitutem  peperit*,  —  aber  im  übrigen  ist  doch  die  Art 
der  Darstellung  eine  so  selbständige,  dass  ein  zwingender  Grund 
für  lue  Annahme  eines  sklavischen  Abhängigkeitsverhältnisses 
absolut  nicht  vorliegt,  Und  mit  vagen  Möglichkeiten  ist 
uns  ja  in  keiner  Weise  gedient.  Mit  ihnen  kann  man  alles 
beweisen;    sie   beweisen   also   nichts.     Mit  demselben  Rechtet 


')  §  II.    S.  oben  S,  2L 


Zur  GeschichU  der  antiken  Puf^iciMtk, 


25 


könnte  man  z.  B.  den  Pamphletisfeen  zum  Nachahmer  der  be- 
kannten Hede  des  Tiberius  Gracchus  machen!^) 

So  bleibt  denn  nur  noch  Eine  Ubereinstimniung  übrig, 
die  den  geistlosen  Nachahoier  unfehlbar  verraten  soll!  —  In 
dem  zweiten  Pamphlet  (c.  8,  4)  findet  sich  nämlich  gelegentlieh 
der  Polemik  gegen  die  plutok ratische  Entartung  des  Staates  und 
gegen  die  hohen  Prämien,  die  in  Korn  gerade  den  Skrupel- 
losesten zuteil  würden,  —  der  allgemeine  Satz  ausgesprochen, 
dass  mit  dem  Wegfall  dieser  Prämien  auch  der  Korruption  das 
FM  abgegraben  würde,  da  ja  niemand  umsonst  schlecht  sei: 
malitia  praemiis  exercetur;  ubi  ea  denipseris,  nemo  oninium 
gratuito  malus  est.  —  Und  diese  Reflexion  soll  einer  Stelle 
der  sallustischen  Historien  nachgebildet  sein,  wo  es  —  in  der 
riede  des  Philippus  JS  9  ^  heisöt,  dass  es  ein  uninteressiertes 
sitiltcbes  Handeln  kaum  mehr  geben  könnei  wo  nur  der  Schlech- 
tigkeit Preise  winken:  nam  ubi  malos  praemia  secuutur,  haud 
facile  quiijquam  gratuito  bonus  est. 

Ich  gebe  zu,  dass  hier  eine  starke  Ähnlichkeit  des  Ge- 
dankenganges vorliegt,  obwohl  die  eigentliche  Pointe  auch  hier 
neder  eine  ganz  verschiedene  ist.  Denn  in  den  Uistorien 
bandelt  es  sich  um  ein  Urteil  über  uninteressierte  Sittlichkeit, 
in  dem  Pamphlet  um  ein  solches  über  uninteressierte  Sc  hie ch- 
kigkeit.  Jordan  hat  diese  für  die  Beurteilung  der  Arbeitsweise 
Pamphletisten  doch  keineswegs  bedeutungslose  Verschieden- 
heit völlig  übersehen,  indem  er  in  blinder  Voreingenommenheit 
die  Stelle  des  Pamphlets,    die  er  in  seiner  kritischen  Ausgabe 

auz  korrekt  wiedergibt,  in  seiner  Abhandlung  über  die  Echt- 
beitsfrage  unbewusst  verfiibcht,  indem  er  den  Beweis  für  die 
sklavische    Abhängigkeit    des    Pamphletisten    auf  die  Yoraus- 

etscung  stützt,  dass  in  dem  Pamphlet  die  Worte  .gratuito  bonus* 
^»tthen,  und  so  triumphierend  eine  »fast  wörtliche^  Überein- 
stimmung konstatieren  zu  können  glaubt,*)  die  in  dieser  Weise 
gar  nicht  vorhanden  ist!!    Aber  auch  wenn  sie  vorhanden  wäre, 

*)  S.  Pluiarcb  in  der  vitti  des  Tib.  Gracchu«:  ♦  .  *  xvgim  rijc  o/«ar- 


26 


Pählmann 


was  wRre  damit  für  die  Echtheitsfrage  bewiesen?  Wissen  wir 
doch  gerade  von  Sftlliist,  wie  gerne  er  einzelne  LieWings Wen- 
dungen und  -gedanken  wiederholt!  Eine  Eigentümlichkeit,  die 
es  von  vornherein  aussichtslos  macht,  wegen  einzelner  sol- 
cher Ähnlichkeiten  oder  t  bereinstimmungen  mit  den  Geschichts- 
werken Salhists  die  Pamphlets  ohne  weiteres  zu  sklavischen 
Nachahmungen  derselben  zu  stempeln.  Mit  demselben  Recht 
könnte  man  von  dem  Verfasser  des  Jugurtha  sagen,  er  sei  nur 
ein  geistloser  Nachahmer  des  Sallust,  weil  er  c»  80  von  der  käuf- 
lichen Optimatengesellschaft  sagt:  ,nmn(a  honesta  atque  in- 
honesta  vondere  mos  erat',  —  und  sich  dabei  genau  derselben 
Worte  betlient,  wie  der  Verfasser  des  Catilina,  der  c,  30  von 
derselben  CIi<jue  wörtlich  sagt:  ,omnia  honesta  atque  inhonesta 
vendere  mos  erat*. 

Auch  könnte  man  angesichts  dieser  Eigentümlichkeit  Sa I- 
luats  aus  Übereinstimmungen  zwischen  den  Pamphlets  und 
echt-salhistischen  Werken  gerade  den  umgekehrten  Schluss 
ziehen,  den  man  daraus  zu  ziehen  pflegt,  d,  h,  man  könnte 
auf  Grund  derselben  auch  für  die  Identitüt  ihrer  Verfasser 
])liidieren,  und  diese  Schlussfolgerung  hatte  gerade  Jordan 
sehr  nahegelegen,  da  er  auch  in  den  Pamphlets  dieselbe  lite- 
rarische Eigentümlichkeit  wiederfindet!  Er  konstatiert  näm- 
lich eine  Reihe  von  Wendungen  und  Gedanken,  die  in  beiden 
Schriftstücken  in  gleicher  Weise  wiederkehren  und  er  zieht 
daraus  den  ^  an  sich  ja  möglichen  —  Schlusg,  dass  dieselben 
das  Werk  eines  und  desselben  Verfassers  seien;*)  —  ohne  zu  be- 
merken, dass  er  damit  in  den  schroffsten  Widerspruch  mit 
seiner  eigenen  Tlieorie  gerät!  Denn  wenn  die  l  bereinsüm- 
mangen  zwischen  den  Pamphlets  die  Autorschaft  Eines  Ver- 
fassers beweisen  sollen,  wie  können  dann  Obereinstimmungen 
zwischen  den  Pamphlet-'^  und  den  sallustischen  Geschichtswerken 
gegen  die  Identität  des  PrnnpM^f »^hn  hthI  dns  llishtrikers 
zeugen  y*) 


»1  8.  80  r 

^  Mit  Hvcbt  tiigt  Spundao  S.  16,  fU»i  gcnkdü  du«  FebUn  Hilchttr  | 


Zur  Ge'chichU  tUr  antiken  Pub!ici$tik, 


87 


Nun  findet  sich  freilicli  neben  Anklätigon  an  echt  sallu- 
stifiche  Schriften  auch  einmal  eine  frappante  Übereinstimmung 
mit  einer  unzweifelhaft  pseudosal lustischen  Schrift:  dem  be- 
kannten Pasquill  gegen  Cicero.  *)  In  dieser  Schmähschrift  wird 
an  Cicero  im  wahrsten  Sinne  des  Wortes  kein  gutes  Haar  ge- 
ia.s:sen.  Er  wird  einer  Art  moralischer  Vivisektion  unterworfen, 
bei  der  Seele  und  Leib  von  Lastern  förmlich  durchseucht,  jedes 
Glied  des  Körpers  als  Sitz  einer  andern  SchäotUichkeit  er- 
scheint: . .  .  raercennarius  patronus,  cuius  nulla  pars  corporis 
a  turpituduie  vacat^  lingua  vana,  manus  rapacissimae,  gula  im- 
mensar  pedea  fuguces:  quae  honeste  nomiiuiri  non  possont,  in- 
honestissima  (III,  5).  Und  eine  ganz  ähnliche  schonungslose 
Zergliederung  der  Persönlichkeit  des  Gegners  findet  sich  in 
dem  zweiten  unserer  Pamphlets  gelegentlich  der  überaus  derben 
und  bitterbiSsen  Charakteristik  einzelner  Fillirer  der  Optiniaten- 
partei:  quoius  nuUum  membrum,  —  heisst  es  von  einem  der- 
selben, L.  Doraitius  —  a  flagitio  aut  faeinore  vacat:  lingua  vana, 
manus  cruentae,  pedes  fugaces:  quae  honeste  nominari  neque- 
uot,  inhonestissima  (9,  2)* 

Allein  ganz  abgesehen  davon,  dass  diese  Übereinstimmung 
;emeswegs  eine  so  absolute  ist,  dass  man  die  Benützung  des 
tinen  Pamphletisten  durch  den  andern  notwendig  annehmen 
mösste,  wer  kann  sagen,  dass  hier  unser  Pamphletist  den  Ver- 
ler  der  Invektive  vor  Augen  hatte?  Genau  mit  demselben 
echt  liesse  sich  das  Umgekehrte  behaupten!  Und  zugleich 
legt,  mindestens  eben  so  nahe,  wenn  nicht  noch  näher  eine 
dritte  Möglichkeit,  nemlich  die,  dass  unser  Paraphletist  diese 
Art  der  Angriffs  weise  der  in  jener  Zeit  überhaupt  üblichen 
Terminologie  der  Parteipolemik  entnüOHuen  hat.  Zu  der  un- 
glaubhchen  Gehässigkeit   und   fanatischen  Verbissenheit  die^r 


I 


AnkllLnge  an  ecbt-ftalhifti^be  Sihriften  die  Echthcnt  der  Pamphlets  ver- 
dttebtigeii  wOrde. 

')  Jordan  limlet  allerdinga  neben  der  ol»en  genannten  noch  eine 
andere  Oberem  in  Stimmung,  indem  er  das  Wort  insiticia  II,  Ol«  S  für  eine 
Nachbild ung   den  Inaitiis   in  der  Invektive  I,  3  erklilii;.     Aber  dajrüber 


28  BobeH  PMmann 

Pülemik  ^)  stimmt  ja  eine  solche  anatomische  Zergliederung  des 
Gegners  vorzüglich;  und  sie  ist  von  dem  Verfasser  der  Invek- 
tive  ganz  gewiss  nicht  erfunden.  Ist  uns  doch  zufiiUi^  bekannt, 
dass  von  dem  Redner  Licioius  Cassus  an  dem  Vater  unseres 
Domitius  eine  ganz  ähnliche  Kritik  geübt  worden  ist,  wie  von 
dem  Paniphletisten  an  dem  Sohn,  Jn  hunc  dixit,  —  heisst  es 
bei  Sueton  (Nero  c*  2),  —  non  esse  mirandura,  quod  aeneain 
barluim  baberet,  cui  os  ferreum,  cor  plurabeiim  esset I* 

Also  diese  Art  Polemik  ist  ebenso  konventionell  ge- 
Imndhabt  worden,  wie  die  ganz  schablonenhafte  Unterstellung 
immer  wieder  derselben  körperlichen  Ausschweifungen,  die  zu 
dem  stehenden  Inventar  dieser  total  verwilderten  Parteipolemik 
gehört^):  Typische  Äusserungen  südlichen  Volksnaturells,  wie 
sie  ja  auch  später  im  Parteileben  der  romanischen  Volker  so 
chfirakteristiscli  hervortreten.  Und  gerade  bei  dem  stürmischen 
Volkstribunen,  bei  dem  diese  leidenschaftliche  Erregbarkeit  aufe 
Höchste  gesteigert  erscheint,  und  der  diese  Art  der  landes- 
üblichen Beschimpfung  sozusagen  am  eigenen  Leibe  erfahren 
ujusstc,   würde  uns  eine  auf  denselben  Ton  gestimmte  Pole- 


*J  Man  denkt  dabei  un willkürlich  an  daa,  was  Juvenal  »ur  Charak- 
tcnstik  der  politischen  Satire  dea  Lnciliu«  sagt:  itncto  ease  ardens  in- 
treinuit.  Vgl,  Birt,  Zwei  politiacbe  Satiren  dea  alten  Rom,  S.  20.  — 
Wft«  in  dieser  Hinsicht  seibat  ein  Cicero  sich  gestattete,  «eigen  recht 
drastisch  die  genieinen  Schirapfworte  ujid  SchmUhnngen  in  meiner  Hedr 
gegen  Vfttiniua  (5G),  von  denen  Ihn»?  (B.  G.  ü,  445)  mit  Becbt  bemerkt 
bat,  das»  taaa  bei  der  blossen  Lektüre  fast  der  Atbem  ausgebt*.  Vgl. 
auüh  üaoner,  Uüliatbe  Volksjustiz.  N.  Rhein.  Mus..  Bd.  56  (lfK>l),  8.  22 
nnd  die  hier  a»igefOhrt.e  Stelle  aus  dem  Briefe  Cicero«  ad  Qtnntum  Fr. 
II,  li,  2  ea  res  acta  est,  cum  born  soxta  vlic  Pompeius  prtroraHnet  iiRfjn^ 
ad  horam  VIII,  com  omnia  malfdicta»  versufi  denitjue  ot*<<  rnissimi 
in  Clodium  et  Clodtam  dicerentur. 

')  V(jL  Ci«:ero»  Phil,  1^  19^  «ed  iauj  Mujna  et  flagitia  onnttara,  wunt 
qaaedain  cjiiae  houctte  non  posaum  dicerr;  nnd  pro  CaeL  fß:  nam 
quod  ohiectnm  t*jit  de  pudiciüa  qnodijue  omninm  arriisniortim 
iion  criniinitiui«  sed  vucibiu  maleiiiottiqui«  eelebratum  est,  —  id  niinqnam 
tarn  acerbe  ferei  M.  Cüeliiu,  —  Juni  a&lm  lila  maledlrta  per?oU 
gata  in  cimiteM,  quaruui  ii      '   '  ii  et  specie»  fuit  ]?■' 

Vgl.  auch  Wir/,  xn  der  hiv.  o,  a.  Ü^  8.  95  u- 


Zur  Geschichte  der  affiik^n  Puft 


29 


mit  am  wenigsten  verwundern!  Hat  sich  doch  noch  der  spä- 
tere Sallust  als  Geschichtschreiber  —  bei  der  psychologischeu 
Charakteristik  gewisser  Elemente  der  ru mischen  Gesellschaft 
genau  derselben  drastischen  Zergliederung  des  Menschen  be- 
dient, wie  der  Pamphletist!  »(Jnicunque  —  sagt  er  von  den 
Catiliiiariern  —  manu,  ventre,  pene  Ivona  patria  laceraverat, 
•  >  »  quos  manus  atque  lingua  periuno  aut  sanguine  civili 
alebat,**)  Und  so  müssen  wir  jedenfalls  das  Jline  zugeben» 
da£8  der  Paniphletist,  wenn  er  etwa  nur  unter  der  Maske  Sal- 
lüsts  schrieb,  es  ausgezeichnet  verstanden  hat,  die  Sprache  des 
Lebens  zu  reden.  Eine  Tatsache,  die  für  die  Würdigung 
dieses  zw€*iten  Pamphlets  als  eines  Zeugnissos  für  vergan- 
genes geschichtliches  Leben  gewiss  von  wesentlicher  Bedeutung 
ist  Es  ist  nicht  so  ausschliesslich  dem  Staube  der  Schule  ent- 
sprungen, wie  man  anzunehmen  pflegt 

.Aber'  —  wendet  man  ein  —  ,sagt  nicht  der  Verfasser 
selbst  von  sich,  das»  er  die  Welt  sozusagen  nur  aus  Büchern 
kennt?*  Jordan  liest  das  nämlich  aus  dem  Text  heraus  und  be- 
merkt dazu  allerdings  mit  Itecht,  dass  €*ino  derartige  Erklärung 
nicht  für  Sallust,  wohl  aber  für  den  lihetor  pjvsst,  der  im 
Dunkel  seiner  Studierstobe  »dem  Sonnnenlicht  des  öffentlichen 
Lebens  und  dem  Kriegsliirm*  völlig  fernegeblieben  sei.^)  In  der 
Tat,  wenn  der  Imitator  Sallusts  so  schmählich  aus  der  Rolle 
gefallen  wäre,  würden  wir  von  seiner  Begabung  und  seiner  ge- 
schichtlichen Kenntnis  die  denkbar  ungünstigste  Meinung  hegen 
dürfen.  Nun  sagt  aber  de  i*  Pamphlet  ist  in  Wirklichkeit 
gar  nicht  das,  was  man  ihm  hier  unterschiebt,  dass  er 
nämlich  zwar  als  ganz  junger  Mensch  den  Gedanken  an  eine 
öffentliche  Laufl:)ahn  gehegt,  als  Erwachsener  aber  sich  aus- 
schliesslich der  Wissenschaft  ergeben  habe  und  insbesondere 
allen  Waffenübungeu  fernegeblieben  sei.^)   In  Wahrheit  sagt  er 


'}  14,  2. 

^  S.  9:  qaae  ut  personae  parum  eotivenienter  acrtpdt,  ita  digiui 
fO  ipflO,  hoc  est  rhetore  qai  fuerit  a  luce  fori  et  strepitu  belli  iiiti« 
ali^nus, 

^  Ebd.:  tj&rrat  igitur  libri  secondi  «criptor  Satlu^Uania  verbia  iidii- 


30 


kfwmwf» 


vielmehr,  dass  er  allerdings  in  die  Araterlaufbalin  eingetreten 
sei  und  dass  es  ihm  andererseits  nicht  bloss  um  das  Amt  sondern 
ganz,  besondei*«  darum  zu  tun  gewesen  sei,  durch  das  Amt  sich 
einen  praktischen  Einblick  in  das  gesamte  Getriebe  des  staat- 
lichen Organi.smus  zu  verschaffen!  ^Hed  mihi  Studium  fuit  adu- 
lescentulo  rem  publicam  capessere,  atque  in  ea  cognoseenda 
mulbam  niagnamque  curam  habui:  non  ita  ut  magistratum  modo 
caperem,  quem  niulti  malis  artibus  adepti  erant^  sed  etiani  ut 
rem  publicam  domi  militiaeque,  quantumque  armis  viris  opu- 
lentia  posset,  cognituni  habuerim»  Auch  sagt  er  keineswegs, 
dass  er  als  Erwachsener  sich  ausschliesslich  auf  die  Bücher 
zuriickgezügen,  sondern  nur,  dass  er  eben  nicht  mehr  viel  Zeit 
auf  Fecht-  und  Reitkunst  verwandt  habe;  ^)  und  zum  Schlüsse 
fügt  er  hinzu,  er  verdanke  seine  Kenntnis  der  Dinge  nicht  nur 
dem  Umstand,  dass  er  viel  gelesen,  sondern  auch,  dass  er  viel 
gehört  haber*)  Kurz  die  Erklärungen  des  Pamphletisten  ent- 
halten nichts,  was  nicht  Sallust  selbst  von  sich  hätte  sagen 
können.  Sie  lassen  sich  mit  Sallusts  autobiographischen  An- 
gaben im  Catilina  (3,  3)  sachlich  durchaus  vereinigen. 

Denn  dass  der  Famphletist  von  dum  brennenden  Ehrgeiz 
schweigt,  der  den  jungen  Sallust  in  die  vorderste  Reihe  der 
Kampfer  riss,  das  kann  doch  niemand  Wunder  nehmen! 

Aber  es  muss  eben  die  Individualität  de^  Autors  um  jeden 

l'reis  in  die  nun  einmal  beliebte  Schablone  gezwängt  werden! 

So  hat  man  z.  B*  im  Hinblick  auf  die  Rolle,  welche  das  ,coii- 

silium  dare*  als  bbungsthema  der^Rhetorenschule  spielt.   An- 

fatoss  daran   genommen,    dass  das  genannte  Sendschreiben  ?or 


leseeil tul um  »ese  nun  Holuin  rem  publicam  lapetsere  verum  etiam  coguo- 
scere  decrevisäe,  adulta  aeiattü  ab  arinorum  exercitio  abstitiuisse  «t 
litteri»  totum  se  deili'we. 

')  10.  3:  poitqtuMü  mihi  aeiöa  ingeninrnque  adele  vi  t,  band  fermfi 
jtruiid  atque  «'quia  corptja  exercui,  aed  ariiiMum  in  Utteris  itgiUivi.  Die 
richtige  Erklllrung  dieser  Worte  gibt  bereit«  Hdlwig-»  S,  20. 

*}  atque  ego  in  «a  Vita,  malta  legendu  atquc*  audiecdo  ita  cam* 
"ptirt  etc.  Uns  VerfiLMi^r  tagt  aUo  vga  «ich  |(enati  dtuiirlbe,  woji  SallitJii 
Ciit.  53,  2  von  licli  sogt:  .  «  ,  mihi  muHn  legeiiti  molta  amünnti,  itoae 
poptilij«  Kr^mauas  domi  militiac«qmi  mari  iitqne  tiirm  pmoclura  fsicinom  («^riU 


» 


fem  Gedanken  Ausdruck  gibt,  wie  schwierig  es  sei,  den 
Groiiäen  dieser  Erde,  zuiiuil  einein  Cäsar  sich  mit  Ratsclüägen 
zu  nahen, *j  Ab  ob  es  für  ein  derartiges  Scliriftstück  überhaupt 
eine  naturgemässere  Einleitung  geben  kiinnte!  Und  wenn  dann 
der  Verfasser  ebenso  sacb gemäss  zu  den  Motiven  seines  Schrittes 
und  ^'iner  persönlichen  Legitimation  übergeht,  wenn  er  weiter- 
hin die  allgemeine  politische  Situation,  die  Gesamtlage  des  Staates 
^hildert  und  dann  mit  den  politischen  Forderungen  und  Vor- 
»ehlagen  endigt,  die  sich  nach  seiner  Ansicht  aus  dieser  Situa- 
tion und  den  Interessen  von  Staat  und  Volk  ergaben,  so  soll 
dos  auch  wieder  nichts  als  ein  Schema  sein,  das  sich  nur  aus 
den  Kegeln  der  Schule  erklären  lasse,  in  der  Schule  und  für 
die  Schule  ausgeklügelt  sei!*) 

Und  dabei  kann  nmn  nicht  einmal  leugnen,  dass  der  Ge* 
daukengang  dieses  wie  des  andern  Pamphlets  von  den  Quiuti- 
lianischen  Schulvorschriften  im  einzehien  doch  recht  beträchtlich 
abweicht!  Aber  das  soll  dann  entweder  sträfliche  Nachlässigkeit 
sein  oder  aber,  —  wie  bei  den  echt-sallustisch  formulierten,  aber 
gegen  die  Kegeln  Quintiürms  arg  verstossenden  Proimiien,  —  sich 
daraus  erklären,  dass  der  betreffende  Autor,  nur  um  das  sallusti- 
sehe  Kolorit  recht  getreu  wiederzugeben,  auch  vor  den  schlim ni- 
sten Sünden  gegen  die  Schultradition  nicht  zurückgeschreckt  sei,^) 

Und  so  zeigt  bei  dieser  Art  der  Betrachtung  das  Bild  des 
beurteilten  Autors  je  nach  dem  momentanen  Stand|Hmkt  des 
Beschauers  ganx  verschiedene  Züge!  Während  die  Pamphlets 
nach  der  Einen  Ansicht  geradezu  Musterbeispiele,  also  Vor- 
i^ilder  für  die  Schule  gewesen  sein  sollen,  sind  sie  nach  der 
ideni  mehr  oder  minder  unbeholfene  Übungsversuche  von 
Schülern  über  ein  von  dem  Magister  gestelltes  Schul thema!*) 


t|  H,  h  »)  Jordan,  S,  16.  »)  Hartun(f,  S,  8, 

«J  Teuffel,  a.  O»,  S,  14.  Dosa  die  Pamphlets  in  der  uns  erhaltenen 
Qnilaiiig  «ad  Caesarein  leaem'  adressiert  werden,  beweist  natürlich, 
wie  man  likngtit  bemerkt  hat,  nur  soviel,  daas  der  Urheber  dieser  für 
Schühweckü  gemachti-ii  Sammlang  sie  anter  diesem  Titel  derselben 
einverleibt  bat«  aber  nicht,  daa^  schon  die  ursprünghche  Adresse  dicäe 
rill  liatte. 


Bnbert  Pöhlmann 


Darüber  kann  ja  freilich  kein  Zweifel  sein,  döss  die  Pam- 
phlets überall  die  rhetorische  Schulung  verraten.  Aber  wo  wäre 
in  der  ganzen,  hier  überhaupt  in  Betracht  kominenden  Zeit 
Rhetorik  und  Kunstprosa  zu  trennen i'  Und  gerade  von  Sallust 
hat  ja  der  Historiker  Licininn  das  bezeichnende  Wort  gesprochen, 
dass  man  ihn  eben  wie  einen  Redner,  nicht  wie  einen  Historiker 
lesen  müsse!*)  Es  würde  daher  ein  sicheres  Merkmal  der  Un- 
echtheit  sein,  wenn  die  Pamphlets  diesem  literarischen  Typus 
nicht  entsprächen,  während  mau  jetzt  umgekehrt  gerade  diases 
der  Zeit  und  der  Schriftstellerei  Sallusts  genau  entsprechende 
rhetorische  Gepräge  als  Beweis  gegen  die  Echtheit  geltend 
macht!  ^) 

Aber  nicht  bloss  in  Bezug  auf  die  Form,  sondern  auch 
auf  den  Inhalt  begegnen  wir  derselben  in  höchstem  Grade 
problematischen,  ja  2um  Teil  geradezu  ti*ügerischen  Art  der 
Argumentation.  Man  hat  nämlich  auf  die  bekannte  Vorschrift 
Qiiiutilians  für  die  Rhetorenschüler  hingewiesen,  denen  etwa 
die  Aufgabe  gestellt  sei,  ein  zur  Übernahme  der  Alleinherrschaft 
aufforderndes  Memoire  an  Cäsar  auszuarbeiten,  und  die  dabei 
von  der  Grundidee  ausgehen  sollen,  dass  ohne  die  Monarchie 
der  Staat  nicht  mehr  bestehen  könne.  ,C.  Caesari  suadentes  reg- 
num  affirmabimus  stare  iam  rem  ptiblicam  nisi  uno  rege  nie 
non  posse.'*)  Diese  Anweisung  Quintilians  hatten  die  Pamphlets 
vor  Augen  gehabt,  wenn  sie  der  Überzeugung  Ausdruck  gäben. 
dass  nur  Cäsar  die  Krankheit  des  Staates  heilen  könne,*)  dass 
nur  er  dem  Ausbruch  eines  allgemeinen  Krieges  vorbeugen 
künne,')  —  Die  Annahme  ist  möglich,  aber  nicht  zwingend; 
denn  es  ist  ja  ohne  weiteres  klar,   dass  sieh  sehr  wohl  echte 

^  SaHufltiuni  noti  ut  hittorieum  neu  ut  oratorem  lei^endum.  Lle. 
ed.  pbiiol.  BoTiri.  liepta«  1858,  p,  42, 

^)  Selbxt  wenn  fii**b  la  Uexug  auf  den  G«?brauch  vulglLrer  rlietori- 
HfhfT  Effektmitiel,  die  ja  allerdings  der  Qt»8chicbtichreiber  8itllu«t  aidit 
Uöbi,  ein  tirferer  öegennat»  «wiscben  ihm  und  den  PatnphleU  heraua* 
ateJlcii  «oUte,  wflrde  immer  noch  die  Fni^e  offtsn  bleibet!,  ob  SalhiH 
anch    in  jtmj?cien  .labrrn    imd   in   *^mt\T  etwair  isÜachen  Tiltig^ 

keit  afinor  8pmcbc  »chon  dan%elbc  Oripriljfe  g^j  if. 

»)  HI,  a  iT.  *)  I.  ^i,  4.  •')  11,  18.  O/ 


Zur  Geschichte  der  antiken  Puhlicisiik. 


33 


publicistis^he  Erzeugnisse  oder  auch  Khetorenprodukt«  denken 
lassen,  die  genau  dersell>en  Idee  Ausdruck  gaben»  ohne  etwas 
von  Quiutilian  zu  wissen. 

Und  dabei  ist  es  gar  nicht  einmal  richtig,  dass  das  von 
den  Pamphlets  Cäsar  gesteckte  Ziel  dem  Quintilianischen  Schul- 
thema entspricht.  Dieses  Scholthema  bezieht  sich  nämlich  offen- 
bar auf  die  berühmte  Forumssitene  vom  15.  Februar  44,  auf  die 
Darbietung  des  Königsdüidems  durch  Antonius,  und  es  will  die 
Übertragung  der  Krone  dadurch  motiviert  wissen,  dass  nicht 
nur  das  Königtum  Casars,  sondern  die  Monarchie  als  dauernde 
Institution  durch  die  Lebensbedingungen  des  Staates  gefordert 
sei,  ähnlich  wie  später  Tacitus  gesagt  hat;  Jramensum  imperii 
corpus  stare  ac  librari  sine  rectore  non  potest/^) 

Das  ist  im  Hinblick  auf  das  Vorgehen  des  Antonius  durch- 
aus konsequent  gedacht.  ,Regnuni  detulit\  heisst  es  von  ihm 
bei  Cicero  2.  Phil.  34.  Wenn  aber  dies  Vorgehen  schon  auf  der 
Höhe  der  Machtstellung  Cäsai-s  leidenschaftlichen  Protesten  der 
öffentlichen  Meinung  begegnete,*)  wie  konnte  da  ein  mit  der 
Zeitlage  genauer  vertrauter  Schriftsteller  sich  in  einem  für  die 
Öffentlichkeit  bestimmten,  sei  es  nun  echten  oder  fingierten 
Schriftstück  so  unzweideutig  und  grundsätzlich  niitnarchisch 
äussern,  wie  man  dies  den  Pamphlets  unterschiebt?  Wenn  sie 
es  taten,  dann  läge  in  der  Tat  der  Verdacht  nahe,  dass  sie 
beide  nichts  sind,  als  plumpe  Schüler-  oder  Stil m perarbeit, 
denn  sie  hätten  eine  Sprache  gewagt,  wie  sie  wohl  tnn  Ctissius 
Dio  in  der  fingierten  Ministerratsszene  dem  Mäcen  in  den  Mund 
legen  konnte,  wie  sie  aber  der  grosse  Cäsar  selbst  noch  nicht 
za  reden  gewagt  hat,') 


1)  Eist  1, 16. 

^)  Auf  dem  Namen  »König*   lag  fldt  dem  Sturz  der  Tarquinier  em 

Fluch.     Ein    feierlicher   Eid    verpflichtete   die  Bür>^ei-«chaft»   nie    wieder 

tönig  über  »ich   zu  dulden.     Wer  nach  der  Königakrone  utrebte, 

Dlfrei,  und  jeder  Bürger  berechtigt,  ja  verpflichtet,  ilin  zu  töten, 

')  Damit  toU  natürlieb  nicht  gesagt  seuL,  daaa  eine  aokhe  Sprache 

ttt  dem  Munde   Irgend  eines  leidenschaftlichen  OtUariaaers   überhaupt 

tinui&glich  gewesen  wäre. 


u 


E^€H  Pählmanm 


In  der  Tat  hüten  sich  die  Pamiihlets  wohl,  diesen  Tao 
Bnzu£cblagen.  Ja  der  Verfasser  des  zweiten  Terwiihrt  sich 
sogar  auf  das  EDtscliiedenste  dagegen,  dass  die  Art  und 
Weibe,  wie  er  Cäsar  als  Retter  des  Staates  begriiastt  und  wie 
er  sich  das  Keforniwerk  desselben  denkt,  den  Optiuiaten  irgend 
ein  Recht  zu  der  gehässigen  Missdeutung  geben  könnte,  als 
habe  er  bei  diesem  Rettung^werk  die  Umwandlung  des 
Freistaates  in  eine  Monarchie  im  Äuge!^)  Kann  er  doch 
selbst  der  Optimatenjustiz  keinen  schlimmeren  Vorwurf  machen^ 
als  den,  dass  sie  ganz  in  monarchischem  Sinne  organisiert 
sei!^)  Denn  sein  Ideal  ist  die  Wiederaufrichtung  des  durch 
die  Platoknitie  geknechteten  Freistaates,  die  Wiederherstellung  ■ 
der  gesiilrzten  Freiheit:  ,Non  flagitium  a  te  neque  nialum 
facinus  petimus,  sed  utei  libertatem  eversam  restituas.*) 
Als  die  Grundbedingung  dieser  Freiheit  aber  wird  ausdrück- 
lich die  bezeichnet,  dass  niemals  die  Macht  eines  Einzelnen 
höher  stehe,  ak  das  Gesetz  (nullius  potentia  super  lege*!)!*) 
Und  er  trifft  damit  aufs  glücklichste  den  Ton,  den  damals  die 
cäsarianische  Demokratie  überhaupt  und  ihr  Führer  selbst  an- 
geschlagen hat,  auf  den  ihre  ganze  Agitation  gestimmt  war. 
,Ich  habe,  —  sagt  Cäsar  nach  Überschreitung  des  llubico  — 
meine  Provinz  verlassen,  um  für  mich  und  das  römische  Volk, 
das  durch  eine  Parteiclique  geknechtet  ist,  die  Freiheit  zurück- 

')  II,  6,  1:  ifidiguabuniur,  omnia  funditus  niiäceri,  antiquit  d* 
vibu«  hanc  BerYitutem  inipoDi,  regDum  denique  ex  libera  civituto 
futurumt  ubi  uoiua  munari*  maltitudo  iogens  in  uivitatem  pervenent 

^  S,  die  oben  S.  16  zitierte  Stelle  c.  7,  11.  —  Wenn  Jordan  sogar 
in  den  Worten  ,cttpe8»e  rem  publicam*  dea  enten  Pamphleta  (6,  3)  einen 
Anklang  an  das  ,regnum  cupere'  findet,  um  das  es  sich  bei  Qufntilian 
bandelt,  »o  übersieht  er,  duas  diese  Worte  eine  viel  allgemeinere  Bedeu- 
tung haben  und  daher  von  dem  Verfaeaer  dea  sweiten  Pamphlets  (1,  IS) 
ttuf  B«ine  eigene  [»oliU^che  Lttufbnlin  ungewandt  werden.  S.  oben  S.  30 
ond  diizu  11,5»  7,  wo  dieaclbo  Wendung  vom  Volke  gebraucht  wird! 
S,  oben  S.  2^2.  Selbst  ein  Republikaner  wie  Cuto  ruft  *-  bei  Sallust, 
Cat.  5^,  5  ^  »eine»  Parteigenoaeen  zu:  expergiidmtni  ftliquando  vA  vn- 
pvasit«  rem  publicam.    «Nehmt  Euch  de»  BUuktum  anT 

')  6.  Z,  d»  et  6  6  re  publica  reilitutjt. 

•}  r.  ö.  ». 


Zur  Geschichte  der  antiken  PMicUtik. 

zufordem.**)  Und  bekanntlich  liat  es  der  grosse  Mime  auf  dem 
Cäsaren  thron,  sein  Nefle  und  Erbe  Octavian,  noch  im  Jahi-e  27 
?,  Chr,  für  zeitgemäss  gehalten,  in  feierlicher  Weise  die  Wieder* 
hersteUung  der  alten  republikanischen  Verfassung  zu  prokla- 
mieren.*) Ja  noch  viel  später,  in  dem  Kechenschaftsbüricht  über 
.•ain«  Taten,  bekennt  er  sich  ausdrücklich  und  im  wörtlichen 
Anschluss  an  die  Erklärung  Ciusars  zu  jener  am  Kubico  ausge- 
gebenen Parole:  ,liem  publicam  dominatione  factionis  oppres- 
sam  in  liberiatem  vindiea\T!^) 

Man  sieht:  Der  Pamphletist  hat  sich  im  richtigen  Gefühl 
ftlr  die  Zeitlage  und  Zeitstimmung  genau  derjenigen  lUiraaeo- 
logie  bedient,  deren  sich  ein  demokratischer  PubJici&t  der  cä- 
^rianischen  Zeit  naturgeniäss  bedienen  musste.  Er  hat  sich 
iteioeswegs  sklavisch  an  eine  quintilianische  Vorschrift  gehalten! 

Nun  soll  sich  freilich  der  späte  Ursprung  und  die  ge- 
schichtliche Unkenntnis  der  Pamphlets  gerade  durch  die  Ana- 
chronismen verraten,  die  man  ebenfalls  in  sie  hineininter- 
pretiert hat!  So  verlangt  z,  B.  das  erste  Pamphlet^  dass  das 
Volk  durch  die  Beseitigung  der  korrumpierenden  Getreidespenden 
wieder  zur  Arbeit  zurückgeführt  werde:  ,Igitur  provideas  oportet, 
uti  plebs  largitionibus  et  publico  frumento  corrupta  habeat  ne- 
gotia  gUÄ,  quibus  ab  malo  publico  detineatur/*)  Das  soll  ge- 
schrieben sein  im  Hinblick  auf  die  bekannte  Verminderung  der 
Kortiverteilungsfcemiine  durch  Augustus,  deren  Motiv  Sueton 
in  seiner  Biographie  (c.  40)  mit  den  —  allerdings  an  die  For- 


*J  c*  i,  2:i:  ae  non  maleficii  causa  ex  provincia  egressum,  aetl  uti 
.  .  .  popolum  Romanum  factione  paueoruin  opprea^UDi  in  liber- 
iatem Tiadiearet. 

*)  Mon*  Ancyr.  ed.  Monmisen'-^  614:  Rem  publicain  ex  mea  pote- 
itaie  in  senatua  populique  Romaiti  arbitnum  träne  tu H. 

^)  Ebd.  1,  2,  Utid  dem  entspricht  ja  auch  durcbaus  die  offizielle 
Anilkifinng  der  kniserlit'hen  Historiker.  VgL  Velleius  Paterrulua  2»  89: 
Finita  ficenimo  anno  bella  civilia  .  .  .  restituta  vis  leg^ibus,  iudiciia  auc- 
toritodf  aenatui  maiestas,  imperium  magistratuum  ad  priatinaiu  re- 
dactom  modam  .  .  .  Pritoa  illa  et  aniiqaa  rei  publicae  forma 
ravooata«  rediit  eultus  agrit  etc. 

*)  c,  7.  2. 


rlerung  des  Fatiiphletlsten  anklingenden  —  Worten  charakie* 
risiert:  ,iie  plebs  frumentationum  causa  frequentius  ab  negotüs 
avocai'etur**  \)  Aber  ist  dann  dieser  Gedanke  erst  ein  augustei- 
scher? Haben  nicht  schon  die  Zeitgenossen  des  C.  tiracchits 
die  Frumentationen  »ofbrt  mit  dem  Hinweis  darauf  bekämpft, 
das«  durch  sie  das  Volk  der  Arbeit  entfremdet  und  zum  Nichts- 
tun verführt  werde?  ßepugnabant  —  sagt  Cicero  —  boni»  quod 
ab  industria  plebem  ad  desidiam  avocari  putabant.^)  Also  der 
Gedanke  lag  doch  nicht  so  ausserhalb  des  Gesichtskreises  der 
Zeitgenossen  Cäsars!  Und  andererseits  weist  das,  was  der  Paui- 
jdiletist  will,  nicht  vit4mehr  auf  die  K^formtätigkeit  Cäsars  hin, 
als  auf  die  des  Augustus? 

Der  l'amphletist  fordert  die  Beseitigung  oder  Verringerung 
dur  hauptstädtischen  Kornspenden,  also  eine  lieform,  die  aller- 
dings auch  Augustus  einmal  rein  theoretisch  erwogen  hat,  deren 
aügemeioe  Tendenz  aber  in  den  Refonnmassregeln  Cäsars  mit 
ganz  anderer  Energie  zum  Ausdruck  kommt,  als  in  den  augu- 
steischen, Cäsar  ist  es  gewesen,  der  die  Zahl  der  Kornempfanger 
—  mehr  ab  300000  —  bis  auf  <Jie  Hälfte  herabgemindert  hat,*) 
während  sie  Augustus  wieder  bis  auf  200000  Kopfe  anschwellen 
liess  und  nicht  einmal  den  schon  erwähnten  schwächlichen  K^- 
formversuch,  das  Getreide  nur  alle  i  Monate  statt  monatlich 
verteilen  zu  lassen,  aufrechterhielt !*)  Die  Möglichkeit,  dasa 
der  Pamphletist  an  Augusius  gedacht  hat,  ist  ja  nicht  zu  leugnen, 
aber  viel  näher  liegt  doch  —  angesichts  der  hervorgehobenen 
Tatsachen  —  die  andere  Möglichkeit,  ja  die  Wahrscheinlich- 
keit, dass  die  Reformbestrebungen  der  cäsarianischen  Zeit 
bei  ihm  zum  Ausdruck  kommen.  Auch  die  Art  und  Weise, 
wie  er  die  Reform  der  Korn  Verteilung  in  Zusammenhang  bringt 
mit  der  Veteranenvorsorgung  in  den  Munizipien  und  EolonieUi 
erinnert  lebhaft  an  die  Politik  Cäsars.*) 


»)  Jordan,  a.  0^  S.  15,        ^  Pro  »Sestio  103.        »)  Sueion,  COearil. 

*)  Suetoa,  Augr  42;  Oasiiiui»  Dio  64.  IL 

^)  Aiicb  bei  Siieiou,  c.  II  f.  wird  d^  Kulmttttlpulitik  Gftjiür«  tu  uq* 
ailttelbiu^em  Zuüaiumeuliaiig  mit  ilt*r  Venatiidei  uug  dt^r  Eoraeaipftlttgar 
gedacLt. 


Zur  Gtschidkie  der  antiken  Ptthlicistik, 


37 


Aber  freiHch  der  Paniphletist  gebraucht  zur  Bezeichnung 
der  Arbeitstätigkeit  des  Volkes  Dicht  den  Ausdruck  industria^ 
sondern  negoiia,  ebenso  wie  Sueton!  Da  inuss  er  doch  wohl 
den  letzteren  ausgeschrieben  haben!  Schade  nur,  dass  sich  die 
Redeweise  des  Pamphletisten  zur  Genüge  dadurch  erklärt,  dass 
er  des  Wortes  indiistria  fllr  den  unmittelbar  folgenden  Satz 
bedarf:  iuventus  probitati  et  industriae  non  smiiptibus  atque 
diTitiis  studeat!  Khngt  übrigens  das  ciceronianiscbe  ab  indu- 
stria  avocari  weniger  an  das  suetonische  ab  negotiis  avoeari 
als  die  Worte  unseres  Pamphlets? 

Dass  hier  der  Pamphletist  nicht  Sueton  vor  Augen  hatte, 
sondern  im  Sinne  eines  Zeitgenossen  Cäsars  schreibt,  das  zeigt 
eine  Vergleichung  seiner  Worte  mit  dem,  was  Sallust  über 
die  Folgen  der  Largitionen  sagt.  Wie  von  ihm^  so  wird  von 
dem  letzteren  die  Menge  arbeitsfähiger  Männer  (iuventus)  unter 
den  Empffingem  der  Kornspenden  hervorgehoben.  Und  wie  es 
nach  Sallust  das  , öffentliche  Unglück'  ist,  welches  diese  arbeits- 
scheue Masse  nährt  (eos  atque  alios  omnis  mal  um  |Mil)licum 
alebftt),*)  so  fordert  der  Pampbletist,  dass  dieselbe  aufhöre,  das 
^öffentliche  Unglück*  zu  fördern  (ab  mal o  publico  detineatur), 
Übereinstimmungen,  die  kaum  zufällig  sein  dürften* 

Noch  übler  hat  die  Willkür  der  konventionellen  Methode 
einer  anderen  Stelle  desselben  mitgespielt,  die  sich  ebenfalls  auf 
die  Frumentationen  bezieht  und  die  Forderung  ausspricht,  dass 
das  Koni,  welches  bisher  der  Lohn  des  Mtlssigganges  gewesen  sei, 
an  die  Veteranen  verteilt  werde,  dif  nach  vollendeter  Dienstzeit 
in  ihre  Heiraatgemeinden  zurückkehren  würden:  Et  fruraentum 
id,  quod  antea  praemiuuj  ignaviae  fuit,  per  municipia  et  co- 
lonias  illis  dare  conveniet,  qui  stipendiis  eraeritis  domos  rever- 
ierlnt  (8,  1),  Bei  diesem  Vorschlag  soll  nämlich  der  Pamphletist 
auch  wieder  an  eine  Massregel  Kaiser  Augusts  gedacht  haben, 
nämlich  an  die  im  Monumentum  Ancyranura  3,  28  ff.  erwähnte 
Abfindung  der  in  die  Heimat  entlassenen  Veteranen  Augusts; 
inilit[ibus,  qu|t)s  emeriteis  stipendis  in  sua  municipi[a  remis]!, 


*)  CatiliiiÄ  37,  7. 


38 


Bohtri  Pohl  mann 


praem[ia  njunierato  persolvi.  ^  I[n]  aerariuni  militare  (jviod 
ex  consilio  in[eol  co[nstitut]um  est,  ex  [q]uo  praemia  darentur 
niilitibus,  qiii  vicena  [aut  plu]ra  stifpendija  eraeruissent,  niil- 
*liens  et  septmg[e]nti[eiis  ex  pa]t[nm]oiiio  [m]eo  deiuli.^)  Und 
zwar  soll  der  Pampbietist  die  Kenntnis  dieser  Akte  Augusts  zu 
ebenso  kühnen,  wie  törichten  Fiktionen  raissbraucht  haben!  Er 
habe  nämlich  an  Stelle  der  Geldprämien  willkürlich  die  Ab- 
lohnung  in  Getreide  gesetzt  und  dann  die  weitere  absurde 
Fiktion  hinzugefügt,  dass  das  hiezu  verwandte  Getreide  früher 
an  solche  verteilt  worden  sei,  welche  die  gesetzliche  Dienstzeit 
nicht  aufzuweisen  hatten! 

Nun  wird  ja  allerdings  auch  von  selten  unseres  Verfaaaera 
Klage  darüber  geführt,  daas  die  Dienstpflicht  höchst  ungleich 
verteilt  sei  und  manche  an  die  dreissig  Jahre  zu  dienen  hatten, 
andere  gar  nicht.^)  Aber  sind  denn  solche  Klagen  erst  unter  den 
Veteranen  Augusts  aufgetaucht,  »o  dass  wir  mit  Jordan*)  an- 
nehmen niüssten,  die  ^Geschichte  Augusts*  habe  das  Material 
für  die  Formulierung  der  in  unserer  t?lchrift  erhobenen  Forde- 
rungen geliefert?  Als  ob  sich  nicht  schon  die  Veteranen  des 
hannibalisehen  Krieges  sehr  energisch  dahin  ausgesprochen 
hätten:  fiuem  aliquem  militandi  fieri  aequum  esse!*) 

Ebenso  willkürlich  aber,  wie  die  Verquickung  der  militäri- 
schen Anliegen  des  Verfassers  mit  der  Sache  der  augusteischen 
Veteranen,  ist  die  weitere  Annahme  JoHans,  dass  seine  Äusse- 
rung über  das  Getreide,  das  bisher  die  Prämie  der  ,ignavia*  ge- 
wesen, sich  auf  diejenigen  bezieht,  welche  nicht  gedient  und 
trotzdem  dieses  Getreide  erbalten  hätten.  Denn  man  braucht 
sich  ja  nur  der  in  dem  unmittelbar  vorhergehenden  Kapitel 
ausgesproclienen  Klage  über  die  verderblich©  Förderung  der 
Arbeitsscheu  durch  das  Staat^korn  zu  erintiemf   um  sofort  su 


Q  TgL  die  bei  Ca^sitis  Dio  45,  23  erwähnt«  Klage  der  angusteiscben 
p^f^iemnaiir  dÜM  de  ^f$tti  roCt  tätay^ivöv  rijc  trtgmtlac  otpiet  jr^drot;'  hAtten 
lienffii  mdfün. 

')  8,  S:  ittm  no,  uti  arlhtic,  tnilitin  iniuNtn  mit  ifiaeqimli»  cit,  omn 
all!  triginta,  paT«  uTilluin  utipendinm  fftcieni. 


Zi»r  Geächtete  äef  antiken  Puhlimtih. 


39 


erkennen,  dass  hier  der  Verfasser  die  hauptstädtische  Getreide- 
verteilung im  Auge  hat,  die  er  durdi  die  Verlegung  in  die 
Munizipien  und  Kolonien  aus  einer  gemeinschädlichen  in  eine 
gemeinnützige  Institution  verwandelt  wissen  will.  Nur  durch 
diese  Erklärung  der  Stelle  wird  man  dem  Verfasser  gerecht, 
und  fttatt  der  Torheiten,  die  man  ihm  unterschiebt,  treten  uns 
Ideen  entgegen,  die  —  wie  gelegentlich  schon  Momnisen  wenig- 
s&eiis  in  diesem  Falle  anerkannt  hat  --  ^ihren  guten  Sinn^  haben. ^) 
Sieht  doch  Momnisen  in  dem  Projekt  des  Verfassers  geradezu 
eine  Parallele  zu  den  staatsmännischea  Gedanken,  die  ,bei  der 
grossartigen  munizipalen  Waisenversorgung  unter  Trajan  ge- 
waltet haben!' 

Nun  ist  aber  freilich  mit  diesen  Stellen  das  Sündenregister 
der  Pamphlets  noch  nicht  erledigt.  Im  Gegenteil!  Das  zweite 
soll  sich  sogar  noch  viel  schlimmere  Fiktionen  gestattet  haben, 
ab  das  erste.  Sein  Verfasser  soll  der  Optimatenpartei  und  zweien 
ihrer  hervorragendsten  Führer»  Cato  und  dessen  Sch^viegersohne 
L.  Domitius^  Greuel  angedichtet  haben,  die  nicht  nur  ander- 
weitig nicht  bezeugt  sind,  sondern  auch  —  wenigstens  was  Cato 
betrifift  —  anderen  Nachrichten  diametral  widersprechen.  Der 
Pamphletist  —  sagt  man  —  erhebt  gegen  Guto  und  seine  Partei 
die  Anklage,  dass  durch  ihre  Schuld  nicht  weniger  als  vierzig 
S^iaioren  und  viele  holfnungs volle  junge  Männer  hatten  in  den 
Tod  gehen  müssen.^)  Eine  Anklage,  der  man  mit  Recht  das 
bekannte  Wort  d^  Rhetors  Seneca  entgegengehalten  hat,  dass 
^Catos  Hiinde  bis  auf  seinen  Tod  rein  waren  von  Bürgerblut*.*) 

In  der  Tat,  wenn  hier  der  Paniphletist  so  willkürlich  mit 
der  geschichtlichen  Wahrheit  umgesprungen  ist,  wie  man  ihm 
iii  die  Schuhe  schiebt,  dann  kann  er  weder  Sallust  sein,  noch 
auch  eine  genügende  Kenntnis  der  Geschichte  der  späteren  Re- 
publik gehabt  haben. 

Wie  steht  es  aber  mit  der  Begründung  dieser  Anklage? 
Sie  beruht  auf  einer  Konjektur,    die  zwar  von  Mommsen  her- 

i)  R.  a  3.  8.  4t>8  A.  «)  Jordan,  S.  17. 

■)  H,  Ä,  2:  illa«  HBque  ad  ultimam  diem  puraa  a  cirili  «an^nni' 
manna. 


40 


Schert  FMmaim 


rührt«  aber  nichts  weniger  uls  zwingend  ist.  Wir  lesen  nämlich 
jetzt  in  der  einzigen  uns  zu  Gebote  stehenden  Handschrift:  ad 
hercuiem  Catonem  L.  Domitio  ceterisque  eiusdem  factionis  qua- 
draginta  senatores,  multi  praeterea  cum  spe  bona  ndulescentes 
sicutei  hoaliae  mactati  sunt.  Daraus  macht  Monmisen  ad  her* 
cule  a  M.  Catone  etc.  Eine  Konjektur,  aus  der  sich  dann  aller- 
dings der  von  Jordan  u,  A.  angenommene  Sinn  ergibt. 

Efi  ist  schwer  verständlich ,  wie  sich  gerade  die  Theorie 
von  der  Herkunft  des  Pamphlets  aus  der  Rhet^renschule  bei 
dieser  Auffassung  beruhigen  kann,  mit  der  sie  nur  neue  Ratsei 
schafft.  Denn  es  wäre  doch  gewiss  in  hohem  Grade  auffallend, 
wenn  ein  Rhetor,  der  sonst  das  traditionelle  Zeitkolorit  so  glück- 
lich zu  wahren  weiss,  die  von  ersten  Schulautoritäten  aner- 
kannte Tradition  Über  einen  Mann  wie  Cato  einfach  über  den 
Haufen  geworfen  hätte,  auf  die  Gefahr  hin,  damit  den  Zweck 
seiner  Stilübung  selbst  auf  das  Äusserste  zu  gefährden!*) 

Nun  hat  man  freilich  die  Stelle  dadurch  mit  der  geschicht- 
lichen Wahrheit  in  Einklang  zu  bringen  gesucht,  dass  man 
durch  Änderung  von  Catone  in  Catoni  den  Sinn  der  Worte 
abschwächen  zu  können  glaubte.  Der  Sinn  würde  dann  nicht 
der  sein,  dass  die  Vierzig  von  Cato  und  seinem  Anbang  wie 
Opfertiere  hingeschlachtet  wurden,  sondern  der»  dass  sie 
ihnen  gewisserniassen  .geopfert*  wurden,  wobei  man  an  wirk- 
liches Blutvergiessen  nicht  zu  denken  brauche,  wenn  auch  der 
Famphletist  den  Mund  mögliehst  voll  nehme  und  von  dem  Blute 
80  vieler  unglacklicher  Bürger  spreche,  an  dem  sich  jene  ver- 
worfene Menschenbrut  nicht  habe  ersättigen  können. 

Wer  die  Sprache  der  damaligen  römischen  Partei polemik 
keimt,  wird  die  Möglichkeit  einer  derartigen  Interpretation 
an  und  fElr  sich  nicht  in  Abrede  stellen  und  ohne  weiteres  zu- 
gebeUt  da*s  man  die  blutigen  Bilder  dieser  echt  Küdländischen 
Rhetorik   keineswegs   immer    im   buchstäblichen  Sinn   zu    vexw 


t)  Jedünfatlfl  w&re  die«  lucbt  im  Siniie  QuintüianB  gewesea!    Vgl. 
l  e^  Ig.  _  lT|,er  dl  "      Hrung  Cttttw  gfsmde  io  der  Rhetorün- 

•cbttle  I.   Breuer,  von   ik*r   Verfwwijög  de«  StAÄt».,, 

Arohiv  für  rhiluaophie  14*03. 


Zur  Geschichte  der  anÜken  Publicistik, 

stehen  hat.  Gebraucht  doch  z.  B.  Cicero  das  Wort  mactare 
von  Opfern  des  Partei  kämpf  es,  ohne  dabei  an  Hinrichtungen 
zu  denken.  Er  spricht  von  dem  Opfer  seines  eigenen  Blutes, 
wo  es  «ich  um  weiter  nichts  handelte,  als  um  seine  Verban- 
nung!^) 

Allein  so  richtig  das  alles  ist,  auf  den  vorliegenden  Fall 
acheint  es  mir  doch  nicht  anwendbar.  Denn  wenn  zwischen 
dem,  was  der  Paniphletist  als  persönliche  Anschauung  Sullas 
ausgibt  —  dem  Verzicht  auf  zahlreichere  Hinrichtungen  — , 
und  dem,  was  nach  seiner  Ansicht  iu  das  Schuldbuch  der  Ari- 
stokraten überhaupt  gehört,  ein  wesentlicher  Unterschied  be- 
stehen soll,  so  kann  der  Sinn  doch  nur  der  sein,  dass  sich 
letztere  wirklich  blutgieriger  gezeigt  haben,  als  jener,  dass 
zahlreiche  Bluturteile  auf  ihr  Konto  kommen. 

Die  Zeit,  in  der  diese  Bluturteile  erfolgt  sind,  wird  nicht 
Iher  angegi^ben ;  aber  der  Text  enthält  doch  einen  Fingerzeig, 
»n  man  bisher  übersehen  zu  haben  scheint,  der  aber  für  die 
Beurteilung  der  Frage  entscheidend  ist.  Ea  werden  nemlich 
unter  den  zahlreichen  Opfern  dieser  aristokratischen  Justiz  in 
erster  Linie  40  Senatoren  genannt,  genau  so  viele,  wie  nach 
Appian  b.  c.  1,  95  auf  der  suUanischen  Proskriptions- 
liBte  standen.  Eine  Übereinstimmung,  die  doch  Beweises  ge- 
nug dafür  ist,  dass  der  Paniphletist  die  Zeiten  der  suUanischen 
Schreckensherrschaft  im  Auge  hatte. 

Dann  müssen  aber  auch  die  Namen,  die  man  jetzt  in  un- 
serem völlig  verderbten  Text  liest,  ursprünglich  so  gelautet 
haben,  daaa  sie  in  den  Kahmen  dieser  Zeit  hineinpassen.  Nun 
begegnet  uns  unter  den  Opfern  der  Restauration  und  zwar  ge- 
rade unter  denen,  deren  Untergang  recht  eigentlich  das  Werk 
des  Pompeius  ist,  ein  Carbt)  und  ein  Domitiüs.  Auch  in  dem 
einen  unserer  Pamphlets  werden  sie  als  solche  namentlich  auf- 


*)  Vgl.  die  von  Hellwig,  dem  Vertreter  der  geuannteu  Anßicht  zi* 
tierteii  täiellen  (S,  23)  bes,  pro  Flacco  52:  liuic  illi  legiito  patroniun  e«* 
am  L,  Flaccinn  mactandum  civitatifl  teatimonio  tradidiBsent;  und  post 
r<vl.  ad  Quirit.  16:  cum  omnia  cum  ohum1)Us  foedera  recoiiciliiitione  izni- 
tiarutn  languine  meo  Bancireutur. 


42 


Haben  Pähimamn 


geführt,')  Liegt  da  nicht  die  auch  schan  von  ao derer  Seite*)  aus- 
jfesprochene  Vermutung  ausserordentlich  nahe,  dass  diese  bei- 
den Namen  ursprünglich  auch  im  Texte  des  zweiten  Pamphlets 
standen  und  erst  von  einem  Späteren,  der  die  hier  erzählten 
Schlächtereien  auf  die  Zeiten  des  Kampfes  mit  Cäsar  bexog, 
mit  den  Namen  der  damaligen  in  demselben  Pamphlet  ge- 
nannten aristokratischen  Führer,  des  Cato  und  L,  Domitius') 
vertauscht  wurden? 

Allerdings  müsste  der  ursprüngliche  Text  bei  dieser  Auf- 
fassung gelautet  haben:  at  hercule  cum  Carbone  Domitio  ce- 
terisque  etc.  Allein  der  Ausfall  dieses  cum  kann  sehr  leicht 
durch  das  cu  in  Hercule  veranlasst  worden  sein,  an  das  dann 
von  der  mechanisch  fortschreitenden  Hand  der  Endkonsonant 
von  cum  angeRigt  wurde.  Durch  das  Wegfallen  von  cum  aber 
wurde  auch  die  Bedeutung  des  Namens  Carbo  unverständlich 
und  eben  jene  andere  Erklsirung  nahegelegt,  dass  es  sich  hier 
um  Männer  handelte,  die  nicht  Opfer,  sondern  Urheber  der 
im  Text  erwähnten  Bluturteile  waren:  eine  Deutung,  aus  der 
sich  die  Änderung  von  Carbo  in  Cato  und  die  von  Dornitius 
in  L.  Dornitius  von  selbst  ergab.  Wurde  doch  diese  Umdeutung 
Ufich  dadurch  erleichtert,  dass  beidemal  ein  Dornitius  in  Frage 
kam  und  —  wie  das  Fehlen  des  Pränomens  bei  Catonem  be- 
weist —  im  ursprünglichen  Text  die  Pränomina  fehlten,  also 
die  Wahl  zwischen  verschiedenen  Domitiem  freistand.*) 

Die  Möglichkeit,  um  nicht  zu  sagen  Wahrscheinlichkeit, 
dass  die  Heilung  der  verderbten  Stelle  auf  diesem  Wege  xu 
suchen  ist,  kann  nicht  bestritten  werden  und  solange  hier  Mög- 
lichkeit gegen  Möglichkeit  steht,  kann  die  Stelle  jedenfalls  bei 
der  literarischen  Würdigung  Am  Autors  nicht  in  die  Wagscbale 
fallen.*) 

'I  l,  4.  L    VrI,  Vttlt'riiis  ^luximuu  VI  2,8.        *^)  von  c^pandau,  6,  11. 

•)  Jdner  andere  Douiitins  hiefd  Cn^   f^oiTiiiiua. 

*)  Ich  vcrwoiiM^  hier  auch  ftufdii  rx, 

tt.  11,0,,  8.  102  aber  ,f|jw  betjneme  Wit  i'tt 

»iifÄU bürden*,  ohne  A^vm  rtian  tiedftikt»  ,wie  tlM  in  be«*/en  Hand«clmfteif 
of!.  di*Ti  Kisr^nnjimoTj  mit  't   win!*, 

*)  Alloniing"«  5»et?.t  .torpretatioi]  bei  dein  Pamphlet isten  eiat? 


Zwt  QeBchidUe  der  antiken  FubUdMilt. 


Für  die  Annahme,  dass  derselbe  die  Gräuel  der  sullani- 
len  Restaurationszeit  im  Auge  hatte»  spricht  übrigens  auch 
r  umstand,  dass  diese  Greuel  ohne  Zweifel  eine  Hauptrolle 
in  dem  Sündenregister  spielten»  welches  die  demokratischen 
Agitatoren  und  besonders  die  cäsarianischen  Volkstribunen,  ein 
Sallust,  Curio  u,  A.,  nicht  müde  wurden  gegen  die  Optimaten 
auszuspielen.^)  Und  in  deren  eigenen  Keihen  wurde  es  ja  ganz 
offen  au8gesp rochen,  dass  der  Sieg  über  Cäsar  gleichbedeutend 
sein  werde  mit  sullanischen  Proskriptionen  und  Schlächtereien/^) 
Der  Verfasser  des  ersten  Pam|>blets  hat  daher  ganz  Reeht,  wenn 
er  Ton  den  Beschuldigungen  redet,  welche  kurz  vor  dem  Aus- 
bruch des  Bürgerkrieges  gegen  die  Feinde  Cäsars  erhoben  wur- 
den, und  die  sich  eben  auf  diese  Vergangenheit  des  Pompcius, 
sowie  auf  den  »sullanischen  Sieg*  bezogen,')  Und  wenn  der 
Verfasser  des  zweiten  Pamphlets  sagt,  dass  nie  ein  Mensch  im 
Siege  so  schonungslos  verfahren  sei,  wie  die  verbasste  Aristo- 
kratenbrut, kann  er  da  einen  anderen  Sieg  vor  Augen  gehabt 
haben«  als  ^ben  die  victoria  Sullana,  die  diesen  Leuten  so  um- 

nde  Gelegenheit  gab,  ihre  blutigen  Instinkte  zu  befriedi- 
m?  Sie  iüt  ihm  Beweises  genug  dafür,  wie  diese  Leute  eine 
ihnen  durch  Zufall  und  fremde  Xachgibigkeit  zugefallene  Macht 
ausnützten! 

Und  vielleicht  hat  hier  das  eine  der  beiden  Pamphlets 
eben  die  antiaristokratische  Polemik  des  anderen  im  Auge  ge- 
habt! Eine  Vermutung,  die  sich  darauf  berufen  kann,  dass 
zwischen  den  beiden  Schriftstücken  ohne  Zweifel  irgend  ein  Zu- 
sammenhang besteht.    Es  würde  den  mannigfachen  wörtlichen 

gewlaae  iprunghafte  Art  in  der  Aiioiiiaiiderreihuiig  der  Gedanken  voraus. 
Aber  ganule  das  i^t  ciiie  Schwäche,  von  der  die  Schrift  auch  sonst  nicht 
frei  iit.  Man  vgl,  z.  B.  nur  c.  10  §  5  u.  6,  wo  der  fitilistische  und  logi- 
iche  Ziiaammenhang  der  Gedanken  ebensowenig  einwandfrei  ist! 

M  Vgl.  z,  B.  Cicero  ad  fam.  VIII,  11. 

*)  Cicero  ad  Att.  IX,  7,  3:  tnirandnm  in  modtns  Gn^as  no8ter  Sul- 
lani  regni  irimilitudineni  concupivit.  —  Ib,  fX.  10.  6:  Sullftturit  ani- 
mtu  etiia  et  proixmpturit  iftm  diu.  —  1h.  X^  7,  1;  si  vincit,  Sullano 
moT«^  exemploque  vinret. 

«)  l  i,  L 


^^f* 


44 


BobeH  PMmann 


Übereinstimmungen  nur  nocb  eine  weitere  hinzufügen,  wenn 
der  Hervorhebung  des  an  Carbo  und  Domitius  verübten  Mortli^s 
in  der  einen  Schrift  eine  ähnliche  Bemerkung  in  der  andern 
entsprochen  hätte. 

So  kommt  man  denn  bei  einer  unbefangenen  und  beson- 
nenen Analyse  immer  wieder  zu  dem  Ergebnis,  dass  die  üb- 
liche Art  der  Beurteilung  im  Eifer  der  Destruktion  den  rätsel- 
haften Schriftstücken  nicht  im  mindesten  gerecht  wird.  Man 
mag  die  Autorschaft  Salhists  auch  fernerhin  bezweifeln,  —  da- 
mit, dass  man  nun  die  Pamphlets  irgend  einem  späten  Dekla- 
mator zuschreibt  und  sie  dann  achtlos  bei  Seite  legt,  —  damit 
ist  für  den  Historiker  die  Frage  nicht  erledigt,  und  am  aller- 
wenigsten wird  er  einer  Methode  zustimmen  können,  welche 
Angaben  der  Pamphlets,  für  die  sich  in  der  sonstigen  Über- 
lieferung keine  Belege  finden  lassen,  einfach  als  Erfindung 
dieses  Deklamators  hinstellt. 

Man  vergleiche  nur  einmal  das  zweite  Pamphlet  mit  einem 
wertlosen  Machwerk  der  letzteren  Art,  wie  wir  es  7.  B.  in  der 
Invektive  Ciceros  gegen  Sallust  besitzen.  Die  geschichtliche 
Kenntnis  erhebt  sich  hier  nicht  Über  das,  was  sozusagen  auf 
der  Strasse  lag,  jede  Anspielung  auf  eine  bestimmte  Zeit,  jede 
etwas  individuellere  politische  Äusserung  wird  sorgfältig  ver- 
mieden.*) 

Wie  ganz  anders  der  Verfasser  jenes  Pamphlets!  Er 
schreibt  unter  der  Voraussetzung  einer  ganz  bestimmten,  zeit- 
lich engumgrenzten  politischen  Situation,  er  kennt  und  cha- 
rakterisiert —  zum  Teil  sehr  glücklich  —  eine  Keihe  einzelner 
Persönlichkeiten  und  Zeitereigniiswse,  ohne  dass  ihm  bisher  ir- 
gend ein  AnHchronisnius,  irgend  ein  Herausfallen  aus  der  Rolle 
wirklich  nachgewiesen  wäre;  er  scheut  endlich  nicht  vor  Ur- 
teilen und  Schilderungen  zurück,  die  ein  recht  individuelles 
flepräge  zeigen  ♦  wie  es  sich  nur  erklärt ,  wenn  der  Verfasser 
entweder  der  Zeit  selbst  nahestand  oder  aus  guter  —  ^i  es 
nun  zeitgenössischer  oder  auf  seeitgenossische  Quellen  zurück- 


'I  Vgl.  ditt  duuiLkterifftik  ron  Rejfcxensicdn,  a.  a.  0.,  S.  9S. 


Zur  Geschichte  der  üniiken  PuhlidstiTc, 


45 


gehender  —  Lberlieferung  gescliöpft  hat.    Eine  Annahme,  die 

^ durch  eine  genauere  historisch-politische  Analyse  nur  besttitigt 
winl.>) 


n. 


I 

I 


Für  die  Beurteihnig  der  Echtheit  eines  politischen  Schrift- 
stücken oder  der  geschichtlichen  Kenntnis  seines  Verfassers  ist 
von  grundlegender  Bedeutung  die  Frage,  ob  die  Situation,  aus 
der  heraus  der  Verfasser  schreibt  oder  zu  schreiben  vorgibt, 
richtig  gezeichnet  ist  oder  nicht.  Allerdings  können  auch  in 
den  echtesten  Schriften  der  Art  die  gröbsten  Nachlässigkeiten 
vorkommen,  wie  wir  denn  z.  B.  von  einer  Flugschrift  Curios 
gegen  Cäsar  wissen,*)  dass  der  Autor  das  in  derselben  ent- 
haltene fingierte  Gespräch  in  Cäsars  Konsiilatsjahr  verlegte  und 
trotzdem  darin  auf  Handlungen  Cäsars  Bezug  nahm,  die  erst 
io  das  Jahr  58  und  die  folgenden  Jahre  seiner  gallischen  Ver- 
waltung fallen-  Allein  im  allgemeioen  wird  man  in  dem  Fehleu 
solcher  Anachronismen  immer  ein  Präjudiz  wenn  nicht  zu  Gun- 
sten der  Authenticität,  so  doch  wenigstens  der  geschichtlichen 
Kenntnis  des  Verfassers  erblicken  dürfen. 

Es  ist  daher  gewiss  nicht  bedeutungslos,  dass  das  (zweite) 
Pamphlet  an  Cäsar,  welches  denselben  angesichts  seines  Kon- 
fliktes mit  der  herrschenden  Oligarchie  zu  einer  umfassenden 
llcfonn  des  Staates  aufruft,  in  dieser  Hinsicht  allen  Anforde- 
rungen der  historischen  Kritik  entspricht.^) 

^)  übrigens  müöden  auch  philologiaclie  Beurteiler,  wie  £.  B.  Schenkl, 
der  Bonst  gaii2  auf  Jordniis  Staadpuakt  ateht,  zugeben,  dane  die  Spruch- 
liehe  ArgumpDtiitiou  Jorda.oei  diircbuus  mebt  genügt,  um  mit  Jordan  die 
Taiiiphlets  in  die  Zeit  der  Fluvier  oder  später  zu  setzen.  Schenkl  meint 
M»gEr:  pSie  sind  unter  dem  frischen  Eindruck  des  Staat^lebena  und  der 
Vcor^uiUlig  wilhrend  der  Uerrschaft  des  Augustus  geBchiiebeu!'    A.  a.  O,, 

»)  Cicero,  Brutus  218  f. 

^)  Ich  behandle  den  in  der  Überlieferung  der  , Rede*  Jiachgeietstten 
Brief  stuerat,  weil  «ich  sein  Inhalt  auf  die  Situation  vor  dem  Siege  Citaar« 
bezieht,  wührend  die  ,Eedo'  an  den  Sieger  Cn^iar  gerichtet  ist.  Wenn 
Hftiilvr,  IL.  a.  0,  8,  130  UDij^ekehrt  die  .B^de'  tin  älter  und  es  daher  auch 


^A 


4« 


Sobert  PMmmm 


Der  Autor  rersetzi  uns  in  eine  Zeit,  in  der  die  Verkajid- 
lungen  über  die  Vollniacbten  Cas&rs  ftuf  eme  Katastrophe  hin* 
drängten,  die  extreme  Senatsftartet  io  Rom  vollkommen  das 
Übergewicht  gewonnen  hatte.  Und  wenn  der  Verfasser  diesen 
Sieg  der  0{jtimaten  näher  dahin  bezeichnet,  dass  sie,  sei  es  in 
folge  der  Torheit  der  Pompeius  oder  infolge  seiner  Feindselig- 
keit gegen  Cäsar,  die  Waffen  gegen  den  letzteren  in  die  Haad 
hekonunen  hätten,^)  so  ergibt  sich  als  der  entscheidende  Mo- 
ment der  grossen  Kri.si8,  der  zugleich  als  der  eigentliche  An- 
las» der  Flugschrift  erscheint,  der  Staatsstreich  des  Konsuls 
C.  Claudius  MarceUus,  eines  leidenschaftlichen  Optimaten,  der 
sich  —  in  Verbindung  mit  den  ftir  49  erwählten  Konsuln  und 
anderen  gleichgesinnten  Senatoren,  —  Anfangs  Dezember  50 
auf  eigene  Faust  mit  Pompeius  dahin  verständigte,  dass  der* 
selbe  den  Oberbefehl  über  die  Truppen  in  Italien  und  zugleich 
das  Mandat  übernahm,  dieselben  durch  Aushebungen  in  Italien 
2U  verstärken*  Eine  Entscheidung,  durch  welche  die  Optimaten 
in  der  Tat  erst  aktionsfähig  wurden,  sodass  der  Pamphletist 
sehr  wohl  von  Pompeius  sagen  konnte:  ita  lapsus  est,  ut  bo- 
stibus  tela  in  manus  iaceret.  Ohne  den  Imperator  und  seine 
Legionen  wäre  die  Verfassungspartei  ohnmächtig  gewesen!*) 
Daher  rechxiet  auch  Cäsar  den  Beginn  des  Kriegszustandes,  das 
initium  tumultus  von  dem  Zeitpunkt  an,  in  den  diese  Ent- 
scheidung des  Pompeius  fiel.*)  Und  ohne  Zweifel  hat  der  Pam- 
phletist dasselbe  im  Auge,  wenn  er  Pompeius  der  conturbatio 
rei  publicae  beschuldigt*). 

ftlr  lach] ich  ricbtlg  hält,  dtuu  der  Kedakt<»r  nach  der  hei  den  änJlmit- 
exzf^rptcn  beobaehtetifu  Heibenfolg^  die  »Ro«!«*  vor  <1^ii  Brief  ietst,  so 
^vermipAe  ich  für  dieaf  Ansicht  «»ine  g'enü^ende  BegrüuiJung. 

*)  8,  l. 

*)  Vgl.  den  b«»»eichi>^nden  1  unweit»  des  Pomptiuü  im  CHsar,  h,  f  VM 
cöpias  flua«  exponit.    legioDefi  habere  »ese  paniUä  ]%, 

>)  b.  V.  l  2,  3:  4,  6;  7.  7,  Vgl.  Cicer  '  '  :  Vir,  4  «nd  daxu  die 
AuÄfrkhruiig«»!!  NJÄnetui,  Der  Aufbruch  de*  '*gea  iiJ  v.  Chr.    lliiit- 

f^iUchr.  Bd.  46,  8,  55  ti.  75. 

*)  ^,  1.  VgK  tmub  die  ZtifninnieiiAiiiiUiig  d«r  Ergt^bnisi«*  der  Opti. 
miitimpotitik  \m  CmLT  U  6:  cmttiia  lUWna  luimaiiatjue  ium  p<iriittflO(iiitiir* 


Zur  Oeachichte  der  antiken  PttUkintik, 


47 


Als  weitere  Folge  dieser  ^Verwirrung*  des  Staates  wird 
dann  in  unserer  Denkschrift  der  ^Umsturz  der  Freiheit*  be- 
zeichnet (libertas  eversal)/)  zu  deren  Wiederherstellung  Cäsar 
aufgerufen  wird.  Eine  Äusserung,  die  sich  zur  Genüge  aus 
dem  SenatÄbeschluss  vom  7.  Januar  49  erklärt;  dem  senatus 
cotisultuni  ultimum,  das  ja  gleichbedeutend  war  mit  der  Sus^ 
pensioD  der  wichtigsten  Volksreohte,  mit  der  Beseitigung  aller 
verfassungsmässigen  Schranken.  Der  Senat  konstituiert  sich 
als  eine  Art  Wohlfahrtsausschuss  mit  unbeschränkter  Souve- 
ranetät.  In  seiner  Hand  vereinigt  sich  die  höchste  administra- 
tive, wie  gerichtliche  Gewalt,  Was  ihm  die  Zeitlage  an  Mass- 
regeln  in  Bezug  auf  Rüstung,  Kriegführung  und  Ergreifung 
?0D  Zwangsniassregeln  jeder  Art  gegeu  Bürger  und  Bundes- 
genossen zu  erfordern  scheint,  darüber  entscheidet  er  oder  viel- 
mehr diejenigen,  denen  er  die  Exekutive  anvertraut,  mit  ab- 
Printer  Machtvollkommenheit.^) 

Diese  Situation,  in  der  der  Pamphletist  ebenfalls  eine  Kon- 
8ei[Uenz  des  Verhaltens  des  Pompeius  sieht,  wird  von  ihm  da- 
hin charakterisiert,  dass  das  Recht  der  obersten  Entscheidung 
über  Einnahmen  und  Ausgaben  des  Staates,  sowie  auch  die 
Gerichte  an  eine  Handvoll  Senatoren  ausgehefert  seien,  duss 
das  römische  Volk  seiner  Souveränetät  beraubt  in  Knechtschaft 
herabgedrückt  sei,  dass  in  Rom  wie  in  einer  eroberten  Stadt 
an  Stelle  des  Gesetzes  die  Laune  und  W^illkür  einer  Furtei- 
dique  herrsche.^)  Eine  Schilderung,  die  lebhaft  an  die  Rolle 
finnnert,  welche  in  den  Tagen  der  Krisis  die  zur  Einschüchte- 


M  3.  3. 

^  Citdftr.  a.  a.  0.  Da^u  Salluat,  Catilina  c.  29i  ea  potestaa  per  te- 
natutn  more  RomaDo  magiatratui  muxuma,  permittitur ^  exercituxn  pa- 
rare,  bellam  gerere,  coercere  omnibus  modia  socio«  atque  civie.  domi 
miliiiaaque  Imperium  atque  iudicium  Buminum  habere;  aliter 

populi  iufiau  nuUiuj  t^arutn  rerum  consuli  iua  est. 

^)  S,  2;  primum  omDitmi  summam  poteBtatem  moderaiidi  de  vecti* 
g^ibus  duoiptiboa  iudicii^  teaatoribus  paucis  tradidit,  pk«bem  ßom&naiii, 
quoiu^  anlea  summa  poteeta«  erat,  ne  aequels  quidem  legibus  io  «ervi* 
tute  reliqiiit. 


48 


Mebm  Pöhlmann 


rung  der  cäsarianisclieii  Masse  in  ßom  Tersammelten  potnpeia- 
uischen  Veteranen  und  Soldaten  gespielt  haben.*) 

Auch  das  ist  ein  bedeutsamer  und  richtiger  Zug  in  seiner 
Darstellung^  dass  er  den  Sieg  der  Aristok raten  als  einen  »un- 
verhofften* hinstellt.  Man  denke  nur  an  die  zögernde,  dem 
Drängen  der  Extremen  ranglichst  ausweichende  Politik  der  Se- 
uat«mehrheit|  an  die  unentschiedene  und  zweideutif^^e  Haltung 
des  Pompeius  selbst,  die  bis  zuletzt  —  noch  im  Januar  49!  — 
eine  Verständigung  der  beiden  Machthaber  über  die  Köpfe  der 
öptiniaten  hinweg  befürchten  liess!'^)  Diese  bis  zuletzt  be- 
stehende Mciglichkeit  eines  Kompromisses  zwischen  den  Impe- 
ratoren wird  uns  nicht  nur  durch  spätere  Autoren,  wie  Vel- 
leius  (II,  49)  und  Plutarch  {Pompeius  59,  Cfbar  31),  sondern 
durch  keinen  geringeren,  als  den  damaligen  diplomatischen  Ver- 
mittler selbst,  durch  Cicero  ausdrücklich  bezeugt.') 

Wenn  uns  femer  als  derjenige,  auf  dessen  Vorstellungen 
hin  noch  in  letzter  Stunde  die  Verhandlungen  zwischen  Pom- 
peius und  Cäsar  abgebrochen  wurden,  (neben  Cato)  der  Konsul 
Lentulus  genannt  wird,*)  so  liegt  schon  in  dieser  Nachricht 
ein  Fingerzeig  dafür,  wer  wohl  der  adversus  consul  sein  mag, 
gegen  den  Cäsar  nach  der  Meinung  des  Paraphletisten  die  ihm 
verliehenen  beneficia  populi  zu  verteidigen  hatte.*)  Er  ist  es, 
der  gleich  am  ersten  Tag  des  entscheidenden  Jahres  49  in  der 
berühmten  Senatssitzung,  in  der  das  Ultimatum  Cäsars  verlesen 
ward,  als  der  leiden  seh  al'tl  ich  ste  Gegner  Cäsars  auftrat  Er  ist 
es,  der  als  Vorsitzender  Konaul  an  diesem  und  in  den  folgen- 
den Tagen  durch  die  Alt  der  Fragestellung  die  Abstimmungen 
des  Senates  zu  Ungunsten  Cäsars  beeinflusste  und  dem  bekann- 
ten die  Entlassung  der  Heere  beider  Imperatoren  fordernden 


')  terror  prueaeiiUs  exeiTÜns!    Uä^ar  1,  2  ff, 

^)  T^l,  Nisne^,  a.  a«  0.,  S.  66  nnd  die  dort  angefahrton  Stellen. 

')  Fiim.  VJ,  6^6:  victii  e«it  niictoritfv»  tne«  non  tarn  a  Pompeio,  — 
na  ED  is  miiTttbatur,  —  qaaui  nb  iiä,  qui  ducf;  Pompeto  freÜ  peroppor- 
ttjuam  ei  rebuf  domeatid«  et  cQpiditatibua  »ais  illin»  belli  victoriam  forc 
|iut;tbaijt« 

*)  Vgl  Nisaea«  ft,*.0,         »>  2,  a. 


Zur  GtMchichle  der  antiken  Pt^lkistik. 


49 


rStnilllujigsantrag  mit  rien  drastischen  Worten  entgegentrat, 
iXMia  brauche  Wafien  gegen  einen  Räuber,  nicht  Stimmen!^) 
Er  ist  es  endlich,  der  in  der  entscheidenden  Senatssitziing  am 
7.  Januar  die  Initiative  zur  Vergewaltigung  der  cäsarianischen 
Volkstribunen  ergriff. 

Kein  Wunder,  dass  ihn  Cäsar  in  den  Denkwürdigkeiten 
lüs  den  Hauptschiirer  des  Konflikts  an  den  Pranger  stellt  und 
mit  ganz  besonderer  Bitterkeit  hervorhebt»  dass  in  den  ersten 
fünf  Tagen,  in  denen  nach  dem  Amtsantritt  des  Konsuls  Len- 
tulus  üt^erhaupt  eine  Seuatssitzuug  abgehalten  werden  konnte, 
ilie  Entacheidung  über  sein  Imperium  und  die  Vergewaltigung 
der  Volkstribunen  im  Senat  erfolgt  ist.*) 

Man  siebt,  wie  ganz  und  gar  aus  der  geschichtlichen  Si- 
tuation und  aus  dem  gegenseitigen  Verhältnis  der  entscheiden- 
den Persönlichkeiten  heraus  es  gedacht  ist,  wenn  der  Para- 
phletist  den  Kampf  Cäsars  um  sein  , Recht*  geradezu  mit  einem 
Kampf  gegen  den  ,Konsul,  seinen  Widersacher*  identifiziert.*) 

Kurz  man  kann  nach  alledem  sagen:  Der  Verfasser  hat 
aus  einer  höchst  verworrenen  Zeit,  in  der  Verhandlungen  und 
Entscheidungen  sich  förmlich  drängten,  ein  Augenblicksbild 
gegeben,  welches  die  wichtigsten  Momente  so  scharf  und  klar 
hervorhebt,  wne  e^  nur  auf  Grund  einer  klaren  Anschauung 
der  Zeitverhältnisse  möglich  war. 

Diese  für  die  Beurteilung  der  Schrift  gnmdlegenden  Ge- 
sichtspunkte, die  gerade  nicht  für  die  Abfassung  durch  einen 
späten  Rhetor  oder  gar  Ithetorenschüler  sprechen,  hat  die  bis- 
herige Kritik  völlig  verkannt  und  daher  als  die  —  sei  es  nun 
wirkliche  oder  fingierte  —  Abfassungszeit  entweder  das  Jahr  51 
oder  das  Ende  des  Jahres  46  zu  erweisen  versucht,  obwohl  die 
Schilderungen  der  Zeitverhältnisse  bei  dem  Pamphletisten  sich 
zum  Jahre  51  nur  durch  eine  sehr  künstliche  Interpretation 
in  B«>zug  setzen  lassen*)  und  bei  der  zweiten  Datierung  vollends 

»)  Flutarch,  Äntoniiia  5,  4  oiid  Caaar  30,  3.         ')  I,  5,         »)  2.  3. 

*)  Nftch  dieaer  von  Hellwig,  S.  2d  f.  vertretenen  Hypothese  aoU  sich 
i«r  8ftt%  über  Pocupeius  c.  3,  I  aaf  desBcti  3.  Kou^ulat,  daa  .teU  in  ma- 
niw  iftcore*  auf  die  Gerichte  beziehen!  Die  Äuaüeruiig  »Poiupeiiu  aut 
liNM.  8iix«ab.  et  pbUoB.-pbllöL  u.  d  bist.  Kl  i 


50 


Hohert  Pöhlmtmn 


angenommen  werden  niüssie,  dasa  der  Parapliletist  die  betutin- 
testen  Männer  wie  z»  B.  Cato  in  einer  Zeit  als  lebend  aufge* 
RUirt  hat»  in  der  dieselben  bereit«  verstorben  waren!*)  Eine 
Annahme,  die  eine  so  kindliche  Unwissenheit  bei  ihm  V€>rau8- 
setzt,  dass,  wenn  sie  Recht  hiltte,  seine  Schrift  allerdings?  ohne 
weiteres  al«  spätes  Machwerk  der  Khetorenschule  gebrandmar| 
wäre! 

Schade  nur,  dass  dieser  künstlich  in  die  Schrift  hincm- 
gelesenen  Unwissenheit  in  Bezug  auf  die  Geschichte  allbekannter 
Zeitgenossen  eine  lebhafte  Charakteristik  derselben  Männer 
gegen übei^steht,  zu  der  der  Verfasser  das  Material  nur  aus  einer 
genaueren  sei  es  persönlichen  oder  geschichtliehen  Kenntnis 
entnehmen  konnte! 

Äusserst  geschickt  lasst  der  Paraphletist  diese  Reihe  too 
Aristokratenporträts,  welche  die  ganze  Erbärmlichkeit  und  Nich- 
tigkeit der  Gregner  veranschaulichen  soll,  mit  dem  Konterfei  des 
ehemaligen  Kollegen  Cäsars  im  Konsulat  (59)  beginnen:  des 
starrsinnigen  Schwachkopfes  M.  Bibulus,  der  damals  CSsar  von 
der  Nobilität  zur  Seite  gesetzt  worden  war,  um  seine  Plane  zu 
'  durchkreuzen,  aber  dabei  nicht  nur  völlig  Schiffbruch  gelitten 
hiitte,  sondern  auch  noch  durch  die  Art  seines  Vorgehens,  — 
er  sehloBs  sich  uemlich  nach  »einem  Fiasko  während  der  ganzen 
übrigen  Zeit  seines  Konsulates  schmollend  in  sein  Haus  ein,  — 
den  Fluch  der  Lächerlichkeit  auf  sich  geladen  hatte.  Von  seiner 
ohnmächtigen  Wut  gegen  Cäsar  zeugten  noch  den  Späteren 
seine  Edikte,  die  mit  so  boshaften  InvekUven  gegen  Cäsar  ge*- 


animi  pravit&te  aut  quia  nihil  eo  tualuit  quod  tibi  ob€R»et,  ii*  Upeo« 
eBt  etc/  pa«se  nicht  in  eine  Bpät^re  Zeit,  wo  aa  der  offeaeD  Gegner- 
schaft dea  Pom peius  gegen  CiUar  nicht  mehr  su  £Wi«ifeln  gewesen  aet. 
Als  ob  man  nicht  noch  bi^  in  den  Anfang  des  Jahren  i^  an  die  Mög- 
lichkeit einer  Ver»tJlniligung  geglaubt  halte!     S.  oben  8.  48. 

*)  Jordan,  der  dieite  Anklage  gt^gen  den  Verfkaeer  isrhehi,  itütst 
dieselbe  auf  die  faluche  Annithnie,  das«  die  3,  1  enthaltenen  Worte  aber 
Pompeiuti  vrti  »ach  deawm  Niederlage  geschriehmi  sein  kOnafi^a,  und 
äüM»  ilie  Heforraronichlttge  des  Verfassers  die  ühertnigung  dtir  Diktatur 
an  VüAiLr  im  Jalire  46  vomusiotaen.  B<«hauptungeti,  du*  kt^iner  Widar* 
liigung  bedürfen. 


Zur  Geschichte  der  antiJcen  PuhJicisii'k. 


Spickt  WBreiit  dass  sie  Cicero  förmlich  ,archilochiscli*  anmuteten 
und  von  ihm  sy»teniatiscli  verbreitet  wurden.*) 

Kann  et^as  treffender  und  zugleich  boshafter  sein,  als  die 
Bemerkung,  mit  der  der  Vejfüi^aer  diesen  öegner  abtut:  »des 
M.  Bibalus  Heldensinn  und  Geisteskraft  ist  in  das  Konsulat 
eingedrungen:  der  zungeiilahme  Mann,  mehr  bösartig  als  schlau^ 
was  wird  der  wagen,  nachdem  ihm  das  Konsulat,  die  höchste 
Wflrde  zur  hÖchi>ten  Schmach  geworden  ist?'^) 

Dem  Charakterbild  des  ehemaligen  Amtsgenossen  reiht  sich 
die  schon  früher  erwähnte  moralische  Vivisektion  von  Catoa 
Schwager  L.  Domitius  an,^)  die  keineswegs  bloss  die  typische 
Phraseologie  der  damaligen  Parteipolemik  erkennen  lässt,  son- 
dern ohne  Zweifel  auch  die  Kenntnis  wirklich  vorhandener  Cha- 
rakterzüge nnd  ganz  bestimmter  Vorkommnisse  im  Leben  des 
Manties  voraussetzt.  Die  Verlogenheit  (lingua  vana),  die  als 
erster  Zug  in  seinem  Charakterbild  vorangestellt  wird»  ist  ja 
»ich  nichts,  was  ihn  von  den  zeitgenössischen  Politikern 
^rhiiupt  unterscheidet,  Dass  er  aber  selbst  dasjenige  Durch- 
schcittsiRftss  von  Verlogenheit,  das  man  an  dieser  Gesellschaft 
gewohnt  war,  um  ein  Erhebliches  übertraf,  das  hat  er  noch  in 
demselben  Jahre  (Febr,  49)  als  Kommandant  des  von  Ctisar  be- 
lagerten Corfiniuni  bewiesen,  wo  er  den  verunglückten  Versuch 
machte,  «eine  eigenen  durch  falsche  Vorspiegelungen  getäuschten 
Truppen  verräterisch  zu  verlassen  und  bei  Nacht  und  Nebel  mit 
«einen  Offlzieren  auf-  und  davonzugehen  I  Eine  Handlungsweise, 
die  snigleich  eine  trefiHche  Dlustration  zu  dem  in  unserer  Schrift 
gfgen  ihn  erhobenen  Vorwurf  der  Uasenfüssigkeit  (pedes  fu- 
gBces)  bildet.  Wahrscheinlich  ist  Übrigens  dieser  letztere  Vor- 
wurf des  Pamphletisteu  eine  boshafte  Anspielung  auf  eine  Epi- 
siode  dea  Jahren  55,  wo  Cato,  Domitius  und  ihre  Gesinnungs- 
genossen durch  ihr  Auftreten  gegen  die  Triumvirn  auf  dem 
Harsfeld  in  ein  Gefecht  mit  einer  bewafliieten  Bande  verwickelt 
wurden,    in   welchem  Cato  den  Domitius  fast  mit  Gewalt  auf 


«J   Ad   Att.  2,  ly  U.  20.  6.    Vgl.    Sui^on,   Cll^nr  r,  9   10  >i.   41). 
»1  II,  h  »)  S.  oben,  S.  27, 

4» 


Mobert  Pöhhnaim 

dem  Kampfplatz  festhielt,  zuletzt  aber  doch  Alle  FerseiigeH 
geben  mussten!')  Eine  Episode,  die  der  Polemik  der  Volkspartei 
gegen  die  beideu  aristokratischen  Führer  gewiss  Stoff  geinig  sfiu 
Spott  und  liohn  gegeben  hat. 

Auch  der  Vorwurf  der  Verlogenheit  hätte  im  Munde  eil 
cäiäarianischen  Parteigängers  eine  ganz  besondere  Bedeutung  ge**^ 
habt,  augebichät  der  schadenfrohen  Bemühungen  des  Dumttius, 
die  übertriebenen  Berichte  über  einen  militärischen  Misserfolg 
Ciisars  im  Jahre  51,  auf  die  er  »Üe  grusst^L^  üoffnung  setzte, 
überall  zu  verbreiten.^)  Was  endlich  den  Blutdurst  (manus 
cruentael)  des  Domitius  betrifft,  so  hören  wir,  dass  er  einst  als 
Sullaner  sich  aus  den  Gütern  der  Geächteten  bereichert  hatte,') 
also  in  der  Parteipolemik  ohne  Zweifel  unter  den  Mitschuldigen 
der  sullanischen  Greuel  figurierte,  dass  er  ferner  als  Prtitor  im 
Jahre  58  den,  —  allerdings  auch  gewaltsamen,  —  Versuch  des 
Volkstribunen  Maiilius,  den  Freigelassenen  das  Stimmrecht  in 
allen  Tribus  zu  verschaffen,  im  Blute  der  Gegner  erstickte  und 
sich  dadurch  den  Hass  einer  grossen  Bevdlkerungsklasse  zuzog,*) 
dass  er  endlich  später  im  Senat  des  Pompeius  derjenige  war, 
der  als  der  Einzige  für  den  Fall  eines  Sieges  der  Senatspartei 
die  Ermordung  nicht  bloss  der  Gegner,  sondern  auch  der  neu- 
tral Gebliebenen  gefordert  hat!  Kein  Wunder,  dass  Sueton^  der 
ihn  ganz  im  Sinne  unseres  Pamphletisten  einen  ,vir  neque  satis 
constans  et  ingeoio  truci'  nennt,  bei  der  Vorführung  von  Cha- 
rakterk^pfen  aus  der  Ahnengalerie  des  Kaisers  Nero  gerade 
seiner  besonders  ausführlich  gedacht  hat!^) 

Sehr  geschickt    ^  '  ■     'h  der  Verfasser  aus  der  Schwierig- 
keit,   mit  einer  Per-  it  wie  Cato  fertig  zu  werden.    Er 


^]  riulanh,  Pi>ti]|>eiua  52,  Cato  41,  Ci                        ;tr  21.  —  Ca^u« 

Dio  39,  31.    Vgl.   übrigeBs  nuch  den  Sclil  ^Uara  Über  Pbar- 

h^luH  II L  99;  L.  Domitius  ex  eaitri»  la  moote^m  refisgieua  etv. 

>)  Cicero.  Farn,  8,  1,  4. 

•)  Cimmm  IHo  41.  11. 

*)  S.  A^r,                   -  jl:   «^uij  huto  vi  pur 

hem  itifiwam  tu  init?mt. 


Zur  Oe$ehichte  der  antiken  PMieMk. 


53 


I 


ID  tiicbt  umhin,  zuzugestehen,  dass  dieser  Mana  unter  den 
Spttxen  der  konservativen  Partei  der  einzige  sei,  der  ihm  nicht 
ohne  weiteres  verächtlich  erscheint.  Er  spricht  von  seiner  gei- 
sdgea  Gewandtheit,  seinem  Wissen,  seiner  Beredtsamkeit,  aher 
freilich  in  Wendungen,  die  diesen  Zügen  einen  bedenklichen 
Beigeschmack  geben,  Sie  herssen  ihm  Verschlrigenheit,  Schlau- 
heit, Zungenfertigkeit,  Eine  Charakteristik,  bei  der  man  sofort 
an  die  Rolle  denkt,  die  Cato  als  einer  der  gefürchtetsten  Dauer- 
redner im  Senate  gespielt  hat.  Und  die  Hervorhebung  gerade 
dieser  Züge  gibt  dem  Verfasser  dann  weiter  die  Müglichkeit, 
von  der  Person  des  Cato  ganz  abzuspringen  und  seine  Beweis- 
ftihruog  auf  das  Gebiet  allgemeiner  Erwägungen  hinüberzu- 
apielen.  ,Solche  Eigenschaften,  —  meint  er,  —  erwirbt  man 
in  der  Schule  der  Griechen/  Was  man  aber  bei  den  Griechen 
nicht  finde,  das  sei  Tapferkeit,  Wachsamkeit,  praktische  Arbeits- 
leiBttmg.  Was  der  Verfasser  dem  gefeierten  Republikaner  nicht 
gerade  direkt  absprechen  will,  wird  als  Defekt  seiner  griechi- 
schen Lehrmeister  und  Vorbilder  hervorgehoben  und  so  we- 
nigstens mittelbar  auch  bei  ihm  in  Frage  gestellt;  —  woran 
«ich  dann  die  nur  zu  nahe  liegende  Bemerkung  knüpft,  ob  man 
denn  im  Ernste  glaube,  dass  es  möglich  sei,  mit  den  Theorieu 
ton  Leuten,  die  durch  ihren  Mangel  an  Tatkraft  die  eigene 
Freiheit  verloren  hätten,  einen  Staat  z\i  regieren.  Ein  Argu- 
ment« das  die  eigentliche  Schwäche  des  Catonischen  Stand- 
Punktes,  seine  Abhängigkeit  von  doktrinärer  Schulweisheit  tref- 
fend kennzeichnet  und  ja  auch  schon  von  den  Zeitgenossen  ge- 
gen diesen  ^politischen  Don  Quixote  der  Aristokratie'  geltend 
gemacht  worden  ist* 

Oberhaupt  entsprechen  die  Schlagworte,  deren  sich  der 
Verfasser  bei  seiner  Kritik  Catos  bedient,  durchaus  der  An- 
schauung der  Zeit  und  zwar  gerade  der  Partei,  in  deren  Na- 
men er  spricht.  Eine  Tatsache,  die  man  merkwürdigerweise 
btsber  völlig  übersehen  hat.  Denn  wenn  er  als  die  Eigen- 
schaften, die  man  in  der  Schule  der  Griechen  nicht  erwerben 
}nne,  virtus,  vigihmtia,  labor  bezeichnet,  so  hat  ganz  ähnlich 

loai  in  der  vergleichenden  Charakterschilderung,  die  er  im 


ü 


Jtufrerf  Pmmanm 


Catilinä  v/)n  Cäsar  und  Cftto  gibt,^)  von  dem  ersteren  —  Jl 
Hinblick  auf  seine  ungeheuere  Arbeitsleistung  —  gesagt:  ia 
nniinum  induxerat  laborare  vigilare*;  und  dem  grossen  Demo» 
kraten  Marius  legt  er  im  Jugurtlm*)  die  Worte  in  den  Mund, 
er  sei  nie  in  die  Schule  der  Griechen  gegangen  und  habe  sich 
nie  um  griechische  Literatur  gekümmert,  da  dieselbe  den  Lehr- 
meistern selbst  zur  Tüchtigkeit  (virtus!)  nichts  nütze  gewesen.*) 
Ein  Ausspruch,  ganz  im  Sinne  eines  Geschlechts,  das  mit  ,mi4- 
leidvoller  Verachtung  auf  die  ,F^atxo*  Kai  oxohwnxoi*^  herab- 
blickte, die  —  vaterlandsloH,  wie  sie  waren.  —  nichts  Iiessere« 
zu  tun  hatten,  als  literarischer  Muse  zu  leben',*)  Und  hat  nicht 
die  moderne  historisch-politische  Kritik  gegenüber  dem  gehÜg 
hcr\"orragendsten  der  Männer,  die  damals  ftir  das  Best^iend« 
eintraten^  ein  ganz  analoges  Moment  hervorgehoben,  um  die 
Schwäche  seiner  politischen  Position  zu  kennzeichnen?  Was 
man  neuerdings  gegen  dieselbe  —  echt  doktrinäre  —  , Verbin- 
dung von  griechischer  Theorie  und  römischer  Praxis*  bei  Cicero 
eingewandt  hat,*)  berührt  sich  doch  recht  nahe  mit  der  Pole- 
mik des  Pamphletisten  gegen  den   Doktrinarismus  Catos! 

Man  sieht,  was  es  mit  der  Behauptung  Jordans  auf  sich  hat, 
dass  diese  Polemik  nur  die  , alberne  antihellenische  Schuldekla- 
nuition  eines  Magisterleins*  (inepta  magistelli  contra  Graecos 
declamatio)  sein  könne.*)  Eine  Polemik,  die  genau  denselben 
Gedanken  enthalt,  den  der  grösste  Geschichtschreiher  der  Zeit 
den  Cberwinder  der  Cimbem  und  Teutonen  auf  dem  romischen 
Forum  aussprechen  lasst! 

Am  glücklichsten  ist  nun  aber  wohl  die  Art  und  Weise, 
wie  der  Pamphletist  zum  Schlnss  nacVi  ein  paar  der  schwäch- 
sten Kämpen  der  Ollirarchie  aljtnt,   einrn  ^«'♦•wissen  L.  Postümius, 


*)  neque  Uttttros  (iraecii«  didld:  jArvtm  plmeebat  üftAcüicere  quippe 
i|iiae  ad  virtut«m  doctoribus  nlhW  prafucraiiL 

^}  N ordern,  Antike  Kunslpro^tA  I,  24 L 

^)fr,   Caner.  CiceroR  politiscbci   Denken,  S.  3€,    Vgl  Schwarldi^  | 
ChÄrnktiirk/Tpff»  aun  At^r  antikr^n  Lit(*ratnr,  S.  108. 

«)  A.  a,  0.»  S.  17. 


Zwr  GeschiekU  *ifv  nntikmk  PMicistik. 


55 


wir  überhaupt  nur  aus  seiner  Schrift  kennen,  und  M.  Fa- 
voniu«,  einen  bekannten  Prinzipictinarren  und  Phrasenhelden, 
der  seinem  Abgott  Cato  überall  wie  ein  Schatten  folgte*)  und 
trotz  seines  unverfälschten  Kepublikanismus  durch  seine  pol- 
ternde Art  den  eigenen  Parteigenossen  lästig  wurde.  Cicero 
fergleicht  einmal  seine  Beredtsamkeit  ironisch  mit  dem  Gang 
eines  Mühlen werks;^)  und  Brutus  hat  ihn  einmal  einen  cyni- 
scboD  Dummkopf  genannt  und  ihm  ob  seiner  Zudringlichkeit 
geradezu  die  Türe  gewiesen!^)  Der  Pamphletist  aber  sagt  von 
ihm  und  jenem  andern  uns  unbekannten,  sie  kämen  ihm  %^or, 
wie  der  Ballast  eines  grossen  Schiffes.  »Kommt  man  wohlbe- 
Iten  an,  so  kann  man  sie  gebrauchen.  Hat  man  aber  mit 
Schwierigkeiten  zu  kämpfen,  so  wirft  man  sie  ^oerst  über  Bord, 
weü  an  ihnen  am  wenigsten  verloren  ist!**) 

und  nun  vollends  der  Hohn,  der  über  den  vornehmen 
Pdbel  in  seiner  Gesamtheit  ausgeschüttet  wird,  diese  »adeüchen 
Nulidu',  die  den  Verfasser  an  die  Inschriften  von  Statuen  er- 
innarti^  —  wohlklingende  Namen,  —  sonst  nichts!^) 

Man  sieht:  all  das  ist  ganz  und  gar  auf  den  Ton  ge* 
ßtimmt,  wie  man  ihn  nur  immer  von  der  politischen  Parteipo- 
lemik einer  Zeit  erwarten  kann,  die  an  , politischen  Zerrbildern 
überreich*  war.  Es  sind  Stimmungs-  und  Charakterbilder,  die 
ikiten  Ursprung  nicht  dem  Dunkel  der  Studierstube,  sondern, 
sei  es  nun  unmittelbar  oder  mittelbar  den  Kärnpten  des  Tages 
und  einer  lebendigen  Anschauung  von  Menschen  und  Dingen 
verdanken. 


^)  aemnlua  Catonia  nennt  ihn  SuetoD,  Octavian  c.  IS* 

«)  Äd  Att.  n,  1,  7.  »)  Plutarcb,  Brutus  34, 

*)  9,  4:  L,  Poatuinii  M.  Pavonii  mihi  videntur  qaast  magnae  na  vis 
•vpervaeanea  ooera  ewe:  ubi  falvi  pervenere,  tisui  sunt;  si  quid  adverri 
ooortum  e^t,  de  illeis  potii^siTnain  iactura  fit»  quia  pretii  mmimi  sunt. 
Dieser  Vergleich  entbehrt  nicht  eines  gewifiaen  pikanten  BeigeschmackeB, 
wenn  man  an  das  von  Cicero  gebrauchte  Bild  von  dem  Schiff  denkt,  in 
d«n  er  alle  .Guten'  vereinij^t  aieht;  una  navia  est  iam  bonoram  omnium. 
Ad  &m.  Xn,  25,  5  (nach  Casani  Tod!). 

^  reliqm  de  factione  sunt  inertisBimi  nobiks,  in  (iiiiba«  dcut  in  ii< 
talo  pra4>ter  bonum  nomen  nihil  mt  additamaiti. 


M 


Jiobefi  P<fhlmann 


Von  dei'selben  lebendigeo  Kenntnis  zeugt  der  glückliche 
Gedanke,  die  Erbärmlichkeit  der  herrschenden  Klasse  an  dem 
Scliicksal  des  Mannes  zu  veranschaulichen,  der,  —  aus  ihren 
eigenen  Reihen  hervorgegangen  und  ein  überzeugter  Vertreter 
der  konservativen  Interessen,  —  die  Bahn  grosser  organischer 
Keformen  beschritten  hatte,  aber  an  der  Haltung  seiner  eigenen 
Standeagenossen  gescheitert  war:  des  ,njachtigen  Tribunen") 
des  Jahres  91  M*  Livius  Drusus.*)  Der  Hinweis  auf  den  Miss- 
erfolg  dieses  »Gracchus  der  AristokmtieS  wie  ihn  Mommsen 
treffend  genannt  hat,  war  in  der  Tat  nur  zu  geeignet,  die 
Unfähigkeit  und  Unverbesserlichkeit  der  oligarchischen  Klassen- 
herrschaft an  den  Pranger  zu  stellen.  Wenn  allerdings  das 
selbstmörderische  Vorgehen  der  Kegieningspartei  gegen  diesen 
Patrioten  einzig  und  allein  aus  der  Furcht  vor  einem  Staats- 
streich desselben  und  diese  Furcht  nur  aus  den  eigenen  bösen 
Instinkten  der  Aristokraten  erklärt  wird,  so  ist  das  ja  keine 
streng  objektive,  geschichtliche  Auffassung,  aber  an  eine  solche 
ist  ja  hier  von  vorneherein  nicht  zu  denken;  und  es  ist  jeden- 
falls diejenige,  welche  die  antiaristokratische  Parteitradition 
ohne  Zweifel  tatsächlich  formuliert  und  nicht  ein  später  Rhetor 
aus  den  Fingern  gesogen  hat.*) 

Doch  wir  kommen  zu  dem  Helden  des  VerfaBsers,  zu  Ju- 
lius Clisar!  Was  die  Denkschrift  von  diesem  zu  sagen  weisd, 
zeigt  nicht  nur  eine  genaue  Kenntnis  der  bisherigen  Laufbahn 
des  Mannes,  sondern  auch  in  der  ganzen  Art,  wie  hier  das 
Fazit  derselben  in  kurzen  prägnanten  Sätzen  gezogen  wird, 
eine  beachtenswerte  Gabe,  aus  der  Fülle  des  Lebens  das  Ent- 
scheidende herauszugreifen   und  plastisch  zusammenzufassen. 

,Wenn  das,  was  Du  im  Innersten  der  Seele  planst,  —  so 
redet  der  Verfasser  den  Imperator  an,  —  sich  nur  darauf  be- 
schränken sollte,  d<  *  mIT  Deiner  Widersacher  abzuwehreni 
und  gegen  den  feiu  i  Konsul  das  zu  bcliau[)ten,  was  Du 
dem  Volke  verdanksfc,   bo  dSehteat  Du  Gedanken,    die  Deines 


*)  Wio  ihn  Cicero  nenuL 
•)  Zur  r  ^      '. 

luai  III  2  Uli 


«)  e,  0,  S  ff. 
vjtl.  Vollcinii  11»  i:k    vairnu*  Maxi- 


Zwr  GtMchitMe  der  antiken  F^bliciMlk,  a7 

hohen  Sinnes  nnwUrdig  wären.  Lebt  aber  in  Dir  noch  der  alte 
Geist,  der  gleich  im  Anfang  die  Adelsclique  auseinandergesprengt 
hat  und  dem  r(^niischen  Volke  nach  harter  Knechtschaft  die 
Freiheit  wiedergab,  der  Geist,  der  Dich  befähigte,  als  Prätor, 
obgleich  selbst  waffenlos,  den  Feinden  die  Waffen  aus  der  Hand 
zu  schlagen,  der  duheim  und  im  Felde  so  herrliche  Taten  voll- 
brachte, das?  selbst  Deine  Feinde  von  nichts  Anderem  zu  spre- 
chen wagen^  als  von  Deiner  Grösse»  so  vernimm,  was  ich  Dir 
er  die  Lebensfragen  des  Staates  zu  sagen  habe!*') 

Diese  Charakteristik  geht  von  der  richtigen  Auffassung 
aus,  dagg  (Tiisar  gleich  in  den  Anfangen  seiner  öffentlichen 
Laufbahn  auf  den  Sturz  der  sullanischen  Verfassung  und  auf 
die  Wiederherstellung  der  Denuikratie  hingearbeitet  hat;  —  eine 
Auffassung,  die  die  genauere  Kenntnis  der  Zeit  voraussetzt,  in 
der  der  jugendliche  Demagoge  Cäsar  sich  an  der  Agitation  für 
f  Wiederherstellung  der  tribunicischen  Gewalt  und  gegen  die 

T^na torische  Monopolisierung  der  Gerichtsgewalt  auf  das  Eif- 
rigste beteiligt  hatte.  Was  ferner  das  Urteil  über  die  Prätur 
Cftsars  (62)  betriff't,  so  wird  natürlich  wohlweislich  verschwie- 
Bn«   das»  es  sich  bei  den  Vorgängen,   die  der  Pamphletist  im 

'Auge  hat,  ursprünglich  um  demokratische  Gewaltpolitik 
handelte^  in  deren  Dienst  sich  damals  eben  der  Priitor  Cäsar 
stellt  hatte!  Er  und  seine  Parteigenossen  hatten  versucbt, 
trotz  der  Interzession  des  Volkstribunen  Cato  einen  Antrag  zu 
Gunsten  des  Pompeius  auf  dem  Forum  mit  Gewalt  durchzu- 
setzen, hatten  aber  vor  den  bewaffneten  Banden  der  Regie* 
rungspartei  das  Feld  räumen  müssen;  —  worauf  Cäsar  vom  Se- 
nate  seiner   amtiichen  Tätigkeit  enthoben  wurde    und  sich  — 

_oach  einem  vergeblichen  Versuch,  dem  Senat  zu  trotzen,  —  in 
^m  Haus  zurückziehen  musstel  In  dieser  Situation,  auf  die 
ler  Verfasser  mit  der  Bemerkung  über  die  damalige  Wehr- 
losigkeit  Cäsars  anspielt,  versammelten  sich  wütende  Volks- 
massen vor  dem  Hause  Cäsars  und  boten  ihm  ihre  Fäuste  an, 
uro  die  W^iedereinsetzung  in  sein  Amt  zu  erzwingen.     Er  be- 


»)  2.  3  f. 


Mtlbm  Pöhlmann 


sichwor  sie,  Äuseinanderaugelien ;  —  wnrauf  der  Senat,  den 
reits  vor  einer  grosseu  Volksbewegung  bangte ,  den  Bescbluss 
Ober  die  Suspendiierung  Cäsars  wiederaufhob.  ^)  Ein  Erfolg, 
den  eben  der  Parapliietist  ira  Auge  hat,  wenn  er  von  der  Ent- 
waffnung der  Gegner  durch  den  waffenlosen  Prator  spricht. 

Nun  gibt  uns  aber  der  Verfasser  nicht  bloas  för  die  Re* 
volutionsepoche  ein  bedeutsames  Stock  Zeitgeschichte  in  demc 
kratisch-cäsaristischer  Beleuchtung;  —  auch  die  Art  und  Weil 
wie  er  über  die  Vergangenheit  der  Republik*)  denkt,  re- 
flektiert auf  das  Getreuest«  die  Anschauungen,  wie  sie  sich 
von»  Standpunkt  der  Demokratie  aus  naturgeniäss  ergaben. 

Das  ausschlaggebende  Moroent  in  der  inneren  Entwicklung 
Roms  ist  für  ihn  das  Verhältnis  zwischen  Patriciat,  bezw,  No- 
bilität  einerseiU  und  Volk  (plebs!)  andererseits;  und  der  poli- 
tische Fortschritt  besteht  für  ihn  darin,  dass  sich  die  Macht 
der  Aristokratie  gemindert  und  das  Recht  des  Volkes  gemehrt 
habe.  Ein  Recht  und  eine  Freiheit,  die  nach  seiner  Ansicht 
dadurch  verbürgt  waren,  dass  damals  noch  nicht  einzelne 
Männer  soviel  Macht  besassen,  um  sieh  über  das  Ge^U:  zu 
erheben,  und  der  Unterschied  von  Hoch  und  Niedrig  noch 
nicht  durch  Reichtum  und  KUssenhochnmt,  sondern  durch  das 
Verdienst  bestimmt  wurde,  während  andererseits  der  Bürger 
als  freier  Mann  auf  freier  Scholle  sass  und  anch  dem  niedng- 
«ten  Volksgenossen  bei  der  friedlichen  Bebauung  seines  Bmlens, 
wie  im  Heeresdienste  nichts  von  dem  mangelte,  was  zu  einem 
würdigen  Dasein  gehört.  , Damals  genügte  jeder  Bürger 
sich  selbst  und  dem  Vaterland!*')  Wie  ganz  anders  jetxt, 
wo  der  Bauer  von  seinem  Gnmd  und  Bodf*n  vertrieben  und 
ein   heimatlOBer  Mann    t^eword^n   ««^i,   der   , seine  Freiheit  zusamt 


r    lü. 

Nprocheu:  die  vctuatutis  exemtdii,   wje  m  im  b.  c*  t« 

hnmillimiui  qnisqne  in  njfrifi  {*o  oder  arvia  tnueii  natürlich 
ge1i*«en  werdttn,  nic^i  armia,  wie  Jordan  niicli  der  Handiichnfk.  »cbreibi) 
ant  hl  militiii  nullius  bonestnc  m  c^gcnt  «att«  tibi  •atiüjue  patriae 
e  r  a  L 


»)    S»1H- 

*)  Ca. 

G 

heisst. 

•I  5,  S; 

Zwr  Oeschidiie  ihr  anüktn  Puhliehtil', 


59 


dem  Staate  feilhalten^  müase,  wo  das  alte  Herrenvolk,  das  einer 
Welt  geboten,  so  tief  gesunken  sei,  dass  dem  Bürger  statt  de^ 
Anteils  an  der  Herrschaft  nur  noch  ein  Sklavenlos  Übrig  bleibe.^) 

Die  Art  und  Weise,  wie  hier  der  Verfall  rler  plebs  ra- 
stica  als  die  entscheidende  Peripetie  in  der  inneren  Entwick- 
lung des  römischen  Volkes  dargestellt  wird,  sowie  die  echt 
gracchische  Betonung  des  schneidenden  Widerspruches  zwischen 
dem  überkoronienen  formalen  Recht  des  römischen  Bürgers  und 
seiner  jetzigen  wirtschaftlichen  Lage  lässt  eine  lebendige  An- 
schauung der  politischen,  sozialökonomischen  und  psychologi- 
ßchen  Tatsachen  erkennen,  von  denen  der  Verfasser  bei  seinen 
Kefonn vorschlagen  ausgeht.  Insoferne  enthält  diese  kleine 
Schrift  mehr  sozialpolitisches  Verständnis,  als  sämtliche  Werke 
Ciceros,  dem  zeitlebens  alles  Wohl  und  Wehe  des  Staates 
durch  das  Dasein  und  Tun  einzelner  Männer  bedingt  schien, 
nicht  durch  eine  gründliche  Reform  der  Zustände.*) 

Das  Gebiet,  auf  dem  die  ungeheuere  Schwäche  in  Ciceros 
'politischem  Denken  liegt,  ist  gerade  rlie  Stärke  des  Pamphle- 
tisten.  Während  wir  bei  Cicero  vergeblich  eine  wirklich  klare 
und  entschiedene  Antwort  auf  die  Frage  suchen,  weshalb  denn 
eigentlich  Staat  und  Gesellschaft  so  tief  gesunken  waren,  und 
was  zu  geschehen  hatte,  um  eine  Regeneration  herbeizu- 
führen,*) sehen  wir  hier  von  dem  Vorkämpfer  der  Demokratie 
dcn-h  einmal  wieder  in  echt  sozial refnrmerischem  Sinn  die  Ver- 
lältnisse  ins  Auge  gefasst,  über  die  der  Führer  der  Pluto- 
ratie  mit  opulenter  Gleichgültigkeit  hinwegsah!*) 

So  liest  sich  unsere  Denkschrift  wie  eine  flammende  Phi- 
lippika   gegen    die   satte   Selbstgenügsamkeit    dieses   Predigers 


•I  c.  5,  1  ff»    Ein  sprechender  Kommentar  zu  der  Kritik,  welche  der 
y  '*  Tjrann   Nnbia   j^egetiHber  Flaniinin   an   dem    rÖniis»chen 

1  Vätern  fibt:  paucoü  excellere  opibu«,  plebem  subiectam  esse 

m«  vuitu.    Liviws  XXXIV,  31,  IL 

*}  CfttJÄT,  *.  a.  0.,  S,  117.  »1  Eba.  S.€7. 

*)  Vgl.  meine  Auaführuögen  über  Uicen>i  sozial  politisch«*«  GUuben»- 
jitantnin  in  meiner  Geecbiehte  des  üntikiMi  Kommnnismns  und  äo^iii' 
ans  n,  487  £ 


60 


Robert  l^lmann 


der  sozialen  Siag-nation !  ÜberliRiipt  ist  auf  dag  Glf^cklichsie 
der  Ton  getroffen,  auf  den  damals  die  antiplutok ratische  Kritik 
der  Gesellschiift  und  die  demokratische  Geschichtsansicht  ge- 
stimmt war. 

Die  wirtschaftliche  Autarkie,  das  , Sichselbstgen iigen'  des 
Bürgers,  wie  es  der  Verfasser  nicht  ohne  eine  gewisse,  —  aber 
auch  wieder  ganz  den  herrschenden  Ideen  entsprechende,  — 
Idealisierung  in  der  guten  alten  Zeit  der  Republik  verwirklicht 
sieht,  entspricht  genau  dem  sozial-ökonomischen  Freiheits- 
hegriff, der  uns  in  der  Literatur  der  Revolutionsepoche  und 
der  beginnenden  Kaiserzeit  öfters  begegnet,  und  dem  gemiiss  nur 
derjenige  wahrhaft  frei  ist,  der  auch  wirtschaftlich  frei  ist,  der 
sich  selbst  Zweck  sein  darf  und  nicht  bloss  Mittel  und  Werk- 
zeug für  Andere,  Diese  Anschauung  des  Famphletisten  von 
der  wirtschaftlichen  Autarkie  und  Autonomie  des  Bürgers  als 
dem  notwendigen  Komplement  seiner  bürgerlichen  Freiheit,  so- 
wie die  Klage  über  das,  was  er  die  ,Sklaverei'  der  Enterbten 
nennt,  ist  kein  Erzeugnis  der  Schulrhetorik,  sondern  wurzelt 
in  dem  tatsächlichen  Empfinden  und  Denken  der  Epoche,  in 
der  die  Republik  an  diesem  ungelösten  Problem  zu  Grunde 
ging.^) 

Man  spricht  gegenwärtig  von  einer  ,neukantischen^  Bewe- 
gung im  Sozialismus,  w^elche  die  ethische  Begründung  seiner 
Forderungen  in  dem  Fundamen talgebot  der  Kantischen  Ethik 
sucht,  keinen  Menschen  bloss  als  Mittel  zu  betrachten.*)  Wa« 
hier  von  einem  universalen  Standpunkt  aus  für  die  Wertung 
des  Menschen  gefordert  wird,  fordert  der  Pamphletist  als 
Römer  für  die  des  Bürgers.  Wenigstens  die  staatsbürger- 
liche Gemeinschaft  soll  eine  Gemeinschuft  frei  wollender  Men- 
schen sein  oder,  wenn  man  seinen  Gedankengang  in  die  Sprache 
von  Marx  Übensetzen  darf,  —  ,eine  Assoziation,  worin  die  freie 


*)  Vtrl.   die  Bringe   in   meinem  f^oniuintiin  Buch  II.  58f»  f.  ü,  eA>0  t 

*)  Vjfl.  Ö.  Iterliirh,  Kjint  nnd  der  ßnxiiüiiBiua  uiitt»r  be#ouaerer  Ht- 

rftcknichtij^ing  der  nfinerrn  thf^cirptidcben  Bi*wi»gQng  inncrbülb  d&L  Moi-- 

xi8mU5.     Zeitüobr,  f.  SoidaVwitiNstniiriuift  IINB.  8*  N)l  W.  und  dio  dort  gi». 

nannte  Literatur. 


Zur  Geschichte  der  antiken  Puhlicistik. 


61 


fickluog   eines  Jeden    die  Bedingung  der  freien  Entwick- 
ttg  Aller  ist*. 

Es  ents|>richt  durchaus  der  allgemeinen  Tendenz  dieser 
Anschauungsweise^  die  womöglich  jedem  Staatsbürger  einen 
Anteil  am  nationalen  Boden  verschaffen  möchte,  wenn  derVer- 
fastser  im  Anschluss  an  die  Klage  über  den  Verfall  der  Plehs 
Landanweisungen  im  grossen  Stil  ftlr  die  alten  und  zugleich 
lür  die  neuen  Bürger  fordert,  durch  die  er  der  bürgerlichen 
Bevölkerung  frisches  Blut  zuführen  und  den  Geist  wahrer  Frei- 
heit verstärken  will:  echt  demokratische  Zeitgedanken,  wie  sie 
seit  den  Tagen  der  Öracchen  immer  wieder  Yon  neuem  auf- 
tauchten. Und  indem  der  l*itniph!etist  diesen  Gedanken  Aus- 
druck gibt,  proklamiert  er  zugleich  den  Kampf  gegen  das  ganze 
plutokratiseh-oligarcbische  System,  in  welchem  er  das  Haupt- 
und  Grundübel  der  Zeit  erkennt. 

Er  lüsst  uns  einen  tiefen  Blick  tun  in  das  ,Gewoge*  schmerz- 
licher Empfindungen,  die  angesichts  dieser  Allgewalt  des  Ka- 
pitalismus in  Staat  und  Gesellschaft  ,die  Brust  des  ebrliclien 
Mannes  durchstürmen\*)  Und  aus  dieser  sittlichen  Empörung 
heraus  fordert  er  mit  emphatischen  Worten  die  Emanzipa- 
tion der  Itegierung,  Justiz  und  Verwaltung  von  der 
Herrschaft  des  Kapitalesl  Die  Wahlen  zu  den  liüheren 
Staatsämtern,  zu  Konsulat  und  Prütur  sollen  dem  Einfluss  des 
Geldes  entzogen  werden.  Statt  des  Reichtums  soll  das  Ver- 
dieost  entscheiden.*)  Ein  Ziel,  das  ihm  vor  allem  dadurch 
rreicfabar  scheint,  dass  die  Ausübung  des  Stimmrechtes  im 
linne  des  C.  Gracchus  eine  demokratische  Umgestaltung  er- 
führe. Nicht  mehr  sollen  in  den  Zenturiatkomitien  die  Zensus- 
klassen, also  die  Wohlhabenden  zuerst  zur  Abstimmung  auf- 
jerufen  werden,  sondern  die  Zenturien  durch  einander  nach 
BT  Entscheidung  des  Loses. 


')  7,  6:  aam  ubi  bonua  deterlorem  divitiis  magis  claram  magisque 
acceptam  videt,  primo  aesiuat  moHaque  in  pectore  valvit 

')  7,  10:  neque  de  eapite  neque  de  boiiore  ex  copiia  qui»i|()aiii 
gü  aut  minue  iadieaverit,  sicot  nequr-  praetor  iieque  consul  ex  opu- 
Itniia  vcram  ex  digtiitate  creetur 


R2 


Pöltimann 


Besonders  verderblicli  erscheint  dem  Verfasser  die  Herr- 
schaft der  Hochfinanz  über  die  Justiz,  Er  bezeichnet  die  be- 
stehende Oerichtsver lassung,  welche  die  Zulassung  zu  den  Ue- 
schworenenfunktionen  von  einem  Zensus  Ton  400  000  Sestorzon 
abh singig  machte,  geradezu  als  eine  Schmach!  Richter,  — 
meint  er,  —  solle  man  nicht  nach  dem  Gel  de  wählen!')  Min- 
destens müsse  der  ganze  Mittelstand  herangezogen  werden,  in- 
dem man  den  Qeschworenendienst  sämtlichen  Angehörigen  der 
ersten  Klasse  zugänglich  mache,  also  den  Richterzensus  auf 
den  zehnten  Teil  herabsetze  und  zugleich  die  Zahl  der  Bei- 
zer der  Gerichtshöfe  vermehre.*)  Ja  er  würde  es  persönlich 
Itir  vollkommen  unbedenklich  halten,  wenn  man  sich  ent- 
schliessen  könnte,  bei  der  Aufstellung  der  Geschworenenlisten 
von  dem  Vermögen  überhaupt  abzusehen,  ühnlicb  wk 
in  Rh  od  US  und  anderen  Staaten,  wo  Reich  und  Arm  ohne  Un- 
terschied, wie  jedem  das  Los  falle,  Übei  die  schwersten  und 
über  die  geringfügigsten  Fälle  entscheide.  Eine  Einrichtung, 
bei  der  man  sich  Tollkommen  wohl  fühle  !^) 

Als  Abscbluss  der  Reform  endlich  fordert  er  eine  Um- 
gestaltung der  Regierung  d.  h.  des  Senates,  der  zu  einem 
willenlosen  Werkzeug  in  der  Hand  der  herrschenden  Adels- 
clique geworden  sei.  Diese  Cliquenherrschaft  soll  gebrochen 
werden  durch  einen  starken  Pairsschub,  sowie  durch  die 
Einführung  des  geheimen  Stimmrechtes.  Die  grössere  Zahl 
der  Senatoren  würde  eine  zahlreichere  Beteiligung  an  den  Ge- 
schäften herbeiführen  und  so  eine  oHgarch Ische  Entartung  der 
Körperschaft  wesentlich  erschweren;  die  geheime  Abstimmung 
aber  würde  es  dem  Einzelnen  wieder  ermöglichen,  sein  Vottnn 


')  7,  11:  iudice«     .  .  ex  |>ecuDiii  legi  inhoDeHum, 
^J  quare   omnes   primae  cla««u  iiidicare  placet.  t»ed  uuutera  plures' 
(|uaiu  iiidicaüt. 

^}  i  12:  noqae  Bhodir;«  tiec|ue  oXitkA  mvitiite«  UD<|utun  iudiuianim 
(tuünim  pufsnituit,  tibi  proiniflcue  dive«  ei  piiu|ier,  Mi  cuiqoe  fon  tuHl, 
da  maximii  r«bui  iiuU  ac  de  riiioimi«  cii«ciipiai.  Vg^L  su  dii'^^r  Cha* 
mkUriilik  Cicero  de  r«  publ.  lU,  4b  imd  Tndiui  Amt.  VI,  42. 


Zur  Geschichte  der  antiken 


memtH 


63 


frei  und  unabhängig  abzugeben,  wovon  bisher  bei  tler  Über- 
macht einer  Fraktion  keine  Rede  gewesen  sei.*) 

Auf  die  weitere  Ausführung  seiner  Refomiideen  glaubt 
der  Verfasser  verzichten  zu  dörfen.  Es  würde  ihm  zwar  nicht 
schwer  fallen,  über  die  wünschenswerte  Zahl  der  Senatoren, 
über  die  Verteilung  in  die  einzelnen  Kommissionen,  über  die 
Aufstellung  der  Geschworenenliste,  über  die  Mitgliederzahl  der 
izelnen  Gerichtshöfe  u.  s.  w.  Vorschläge  zu  machen,  aber  er 
iroUe  sich  auf  die  allgemeinen,  grundlegenden  Gedanken  be- 
schränken! Denn  wenn  Cäsar  diesen  zustimmen  werde,  würde 
sich  alles  Übrige  leicht  Ton  selber  ergeben. 

HU  ist  nicht  zu  leugnen,  dass  diese  letztere  Ansicht  und 
ie  Zukunftserwartungen  des  Verfassers  iSberhaupt  einen  starken 
Optimismus  verraten.  Es  ist  eine  Illusion,  wenn  er  meint,  die 
von  ihm  vorgeschlagene  Reform  der  A^olksabstimmung  würde 
;  lein  gewaltiges  Heilmittel  gegen  den  Reichtum*  wirken,  weil 
das  grosse  und  das  kleine  Vermögen  an  Geltung  gleichge- 
stellt und  ein  Wettstreit  entfacht  würde,  in  dem  es  sich  nicht 
mehr  um  die  Überlegenheit  des  Besitzes,  sondern  der  person- 
Hcheri  Tüchtigkeit  handeln  würde. '^)  Es  klingt  echt  doktrinär, 
m  er  von  Cäsar  hoflFt,  dei*selbe  würde  der  Urheber  des  hoch- 
stet!  Glückes  für  das  Vaterland,  für  die  Mitbürger,  ja  für  die 
Menschheit  werden,  wenn  er  die  Geldgier  verbannen  oder  we- 
nigstens nach  Möglichkeit  mindern,  wenn  er  dem  Gelde  seine 
Ehre  nehmen  würde!*) 

Allein   sowenig   man    hier    die  hohle   Rhetorik   verkennen 


^)  e.  11,  3:  .  .  .  seDtetitiäd  eonim  a  luetu  hbera:  ita  in  oooalto  ^bi 
quiüque  alterias  potentia  carior  erit.  A  bauche  Keformgedaiiken  über  die 
i^ebetiiie  AbBtiinmung  legt  Casalui  Dio  II,  S3,  4  iiucb  dem  Mlicenaa  in 
*       Mund* 

*)  c.  9,  8:  ita  coaequatur  dignitate  pecunift,  virtute  anteire 
alitts  aUum  properabit.  haec  ego  mag^na  remedia  contra  divitiai 
tlatuo. 

•)  7,  10:  ergo  in  primis  au ctori tatein  peconiae  detnito.  Vgl. 
7,  3:  ...  muUo  tuaxuniaiB  boimm  patriae  civibua  [tibi  liberis]  postremo 
homanae  genti  pepereri^,  st  atudium  pecuniae  aiit  sustoloris  aiit, 
qooad  res  feret,  minueriB. 


64 


Mobert  Föhlmann 


darf,  sowenig  ist  doch  der  Scliluss  zulässig,  dass  diese  iloinfi- 
näre  Phraseologie  nur  im  Schatten  der  Schule  entätanden  sein 
kiiune.  Wie  ein  moderner  Italiener  mit  Re^ht  bemerkt  hat, 
ist  die  Neigung,  sich  in  grossartigen  Prograniioen  und  glän- 
zenden Perspektiven  zu  ergehen,  eine  Eigentümlicbkeit  der  la- 
teinischen Kasse  überhiiupt  Und  welcher  Extravaganzen  ge- 
rade in  Rom  die  politische  Phrase  fähig  war,  dafür  haben  wir 
einen  klassischen  Zeugen  aus  der  cäsarischen  Zeit  selbst,  nem- 
lich  Cicero,  Die  Art  und  Weise,  wie  Cicero  einmal  in  der  Se- 
stiana^)  wenige  Jahre  nach  der  Katastrophe  der  Catilinarier 
die  angebliche  soziale  Harmonie  des  damaligen  plutokratischen 
Roms  gefeiert  hat,  ist  mindestens  ebenso  utopisch,  wie  die  Zu- 
kunftstränme,  welche  der  Pamphletist  an  eine  demokratische 
und  antikapitalistische  Umgestaltung  dieses  Uorns  knUptlfc. 

Auch  sind  ja  noch  weit  grössere  Geister  dem  Zauber  des 
Mannes  erlegen,  von  dem  sich  unsere  Denkschrift  so  Gewaltiges 
verheisst!  So  55.  B.  kein  Geringerer,  als  Mommsen,  der  dem 
politischen  Denken  Cäsars  Motive  und  Ziele  zuschreibt,  in  denen 
sich  ein  ausgeprägt  doktrinilrer  Idealismus  kundgibt.  Da  soll 
Cäsar  ,in  seiner  Seele  den  hoffnungsreichen  Traum  einer  Ver- 
einigung freier  Volksgenossen  und  absoluter  Herrschaft  gehegt 
haben* !'^)  Er  soll  ferner  ,zuni  ersten  Mal  in  der  Geschichte* 
im  grossen  Stil  die  ,Idee  der  Solidarität  der  Interessen*  ver- 
wirklicht haben,  iudem  er  durch  seine  Annonarpolitik  «eine 
Einrichtung,  die  für  den  Staat  eine  Last  und  eine  Schmach 
war,  umschuf  in  die  erste  jener  heute  &o  unzählbaren  wie  se- 
gensreichen Anstalten,  in  denen  das  unendliche  menschliche 
Erbarmen  mit  dem  unendlichen  menschlichen  Elend  ringt'.  ^) 
Ja  Monirasen  Ist  auf  diesem  Wege  der  idealistischen  Verklä- 
rung Cäsars  am  Ende  auf  einem  Punkte  angelangt,  wo  er  sich 
von  unserem  Pamphletisten  kaum  mehr  unterscheidet.  Ich  er» 
innere  nur  an  seine  Behauptung,  dass  Cäsar  ,das  Gemeinwesen 
von   sämtlichen  Parasiten    hohen   und   niederen  Ranges   be- 

^)  104  ff.    Vgl,  Dieiiit  Oeick.  d.  a.  E.  und  8.  U,  520  ff. 


Zur  Geschichte  d«f  antiken  Fublicisiüc, 


freien  wollte'/)  und  dass  im  Falle  des  Gelingens  seiner  Wirt- 
scbaflsreforra  »di^  Klasse  der  von  ihren  Zinsen  lebenden  Ka- 
pitalisten in  Italien  giinzlicli  verschwunden  wäreM^)  Das  ist 
ffeist  vom  Geiste  der  Schrift  ,ad  Caesarem*.  *) 

Aber  auch  noch  eine  andere  Analogie  drängt  sich  auf,  die 
flir  die  geschichtliche  Beurteilung  unserer  Schrift  besonders  be- 
deutungsvoll istl 

Die  ganze  Anschauungsweise  des  Verfassers  erinnert  nem- 
lich  lebhaft  an  Idoengänge,  die  wir  in  der  Geschichtschreibung 
Sallusts  wiederfinden.  Wenn  die  Zukunftsromantik  des  Pam- 
phletisten  von  einem  Zustand  träumt,  in  dem  der  Gott  des 
Reichtums  gründlieh  zerschmettert  ^  die  Herrschaft  des  Kapi- 
talismus über  den  Staat  gebrochen  und  die  Geldgier  wenn  nicht 
völlig  aus  der  Welt  geschafft,  so  doch  stark  abgeschwächt  sein 
würde,  so  berührt  sich  das  auf  das  Engste  mit  dem  Ideal, 
welches  Sallust  in  einer  älteren  glücklicheren  Periode  der  Ge- 
schichte bereits  verwirklicht  sah,  wo,  —  wie  er  sich  ausdrückt, 
—  das  Leben  der  Menschen  noch  frei  war  von  der  Begierde 
und  jeder  an  dem  Seinigen  sein  Genüge  fand.*)  Und  wenn  der 
Pamphletist  ferner  meint,  man  brauche  nur  dem  Gelde  seine 
Ehre  zu  nehmen  und  die  Tugend  würde  leicht  über  die  Macht 
der  Gewinnsucht  den  Sieg  davontragen,*)  das  materielle  Über- 
bieten im  Kampf  um  die  Amter  würde  aufhören  und  Jeder  dem 
Andern  nur  noch  durch  grosseres  Verdienst  den  Rang  abzu- 
laufen suchen,  so  rühmt  Sallust  von  der  guten  alten  Zeit  der 
Republik,  dass  hier  dank  einem  Minimum  von  Habsucht  ein 
Maximum  sozialen  Friedens  erreicht  worden  sei,  dass  alles,  was 
Streit  und  Kampf  heisst,  hier  dem  Feinde  gegolten  habe,  Bür- 
ger mit  Bürgern  aber  nur  in  der  Bürgertugend  gewetteifert 


*)  S.  490.  «)  S.  52  L 

^J  Eine  bewaasie  Anlehnung  Mommiens  au  die  Schrift  halte  ich 
aUerdingB  für  anageschlofiaen  f 

*]  CfttUina  1,  2:  tum  viia  hominum  siue  cupiditate  agitabatur.  sua 
cuiqae  Aatis  piacebant. 

^)  Ö,  5:  81  pecuoiae  decus  ademeria,  magna  ilhk  via  avaritiae  fiusüe 
bonii  morlbaa  vineetnr. 

1904.  ailCfib.  d.  pliilo«.-^liUol.  o.  d.  himL  KL  6 


Bobert  P^maMm 


hätten.^)  Und  auch  er  sieht,  wie  der  Paaiphletist,  die  Weo- 
dyng  zum  Verderben  darin,  dass  das  Geld  eine  Ebrei  Armut 
eine  Schande,  Roicbtuiii  eine  Macht  geworden  sei.O  Ja  in 
seinem  Eifer  gegen  die  plutokratische  Entartung  der  Gesell- 
schaft geht  Sallust  .sogar  soweit,  sich  ohne  weiteres  den  Qe- 
danken  der  Stoa  anzueignen,  —  deren  Einfluas  sich  ja  hier 
überhaupt  überall  fühlbar  macht,  —  dass  das  Geld  für  den 
Weisen  niemals  ein  Gegenstand  der  Sehnsucht  gewesen  sei!^} 
Ein  Standpunkt  genau  so  utopisch,  wie  die  Ansicht  des  Pam« 
phletisten  von  der  psychologischen  Möglichkeit  einer  Ausrot- 
tung oder  Abschwächung  des  studium  pecuniae  durch  eine 
moralische  Wiedergeburt  der  damaligen  Welt. 

Dass  es  sich  bei  dieser  antikapitalistischen  Anschauungs- 
weise in  der  Tat  um  echte  Zeitideen  handelt,  sehen  wir  sogar 
aus  den  Schriften  ttLsars  selbst.  Ich  erinnere  nur  an  die  be- 
kannte Stelle  des  b.  g,  VI,  22,  wo  von  den  Gründen  die  Rede 
ist,  welche  für  die  Feldgemeinschaft  der  Germanen  geltend  ge- 
macht würden,  und  diese  Feldgemeinschaft  u.  a.  mit  der  Furcht 
vor  der  ZersUirung  des  sozialen  Friedens  durch  das  Eindringen 
der  pecuniae  cupiditas  motiviert  wird.  Man  hat  von  dieser  Ar- 
gumentation mit  Kecht  gesagt,  dass  sich  in  ihr  der  Geist  ei^er 
Zeit  auspräge,  die  ,voll  sozialer  Fragen*  war.*)  Dasselbe  gilt 
gewiss  auch  für  die  sozialpolitischen  Gedankengänge,  die  uns 
bei  dem  Pamphletisten  vorliegen.  Sie  gehen  in  letzter  Instanz 
auf  die  Schlagwörter  der  Parteipolemik  und  des  Klassenkampfes 
der  untergehenden  Republik  zurück! 

Und  warum  soll  es  bei  den  übrigen,  unmittelbar  in  das 
praktische  Leben  eingreifenden  Keformideen  des  Verfassei-s  an- 

1)  Cftt.  9,  1;  cottcordia  maxnnia,  minama  aTaritiü  emt  —  iurdtA 
diacordias  aimnliates  cum  hoatibu^  exerccbAiit,  cives  cum  civibui  de  vir- 
tute  cei'iahant. 

^}  c  12«  i:  Poitqiiani  dttitiae  honori  mm  GO«f)if«  «t  ea«  f^lorta  Im- 
perium patentia  sequebalnr,  hebetcere  virtm  pau|Mriai  piübro  haiitri 
.  .  .  coepit. 

')  c.  11,  2;  avaritia  pecuniae  studiam  bsUxt,  quam  nemo  lapicisi 
oQueopmi 

*)  8.  meia  genanntes  Buch  IJ,  8.  002* 


Zur  Ge^chicMi  der  antiken  Puhlicistik. 


G7 


der»  »ein?  Dass  sein  Vorschlag  einer  demokratischen  Reform 
des  Stimmrechtes  auf  das  gracchische  Pro^anim  zurückgeht, 
sagt  er  ausdrücklich;  uod  dass  dieses  Ziirückgehen  auf  C.  Grac- 
chus recht  eigentlich  dem  Geiste  der  cäsarianischeD  Demokratie 
spricht,  ist  allgemein  bekannt.  Warum  sollte  das,  was  er 
^nst  vorbringt,  rein  willkürliche  späte  Ertiodung  oder  nur 
aus  einer  Kenntuia  der  augusteischen  Vert'assung  zu  erklä- 
ren sein? 

Wer  das  Letztere  annimmt,  verkennt  entweder  den  Grund- 
charakter dieser  Verffissung  oder  die  ganze  Tendenz  unserer 
Denkschrift.  Diese  Tendenz  ist  ja  eine  ausgesprochen  anti- 
kapitalistische. Sie  möchte  das  plutokratische  Gepräge  des 
Staates  möglichst  beseitigt  oder  wenigstens  stark  ab- 
geschwächt wissen.  Dagegen  bedeutet  die  Verfassung 
des  Prinzipats,  —  soweit  die  Amtsgewalt  des  princeps  nicht 
in  Frage  kommt,  —  den  systematischen  Ausbau  der  plu- 
tokratischen  Organisation  von  Regierung,  Verwaltung 
und  Justiz.  Für  die  Besetzung  der  Senatoren-,  Beamten-, 
Offiziers-  und  Bichterstellen  ist  gerade  das  massgebend,  was 
der  Verfasser  so  energisch  bekämpft;  die  auctoritas  pecuniae, 
der  senatorische  (eine  Million!)  oder  Ritterzensus  (400  000  Se- 
sterzen!).  Und  wenn  Augustus,  weil  sich  nicht  genug  Richter 
mit  so  hohem  Zensus  fanden,  für  geringere  Zivilsachen  not- 
gedrungen eine  vierte  Kichterdekurie  mit  halbem  Uittei*zensus 
schuf,  0  ^^  ^**t  diese  kürgliche  Konzession  an  eine  unabweisbare 
Notwendigkeit  erst  recht  bezeichnend  ftlr  den  Geist  des  ganzen 
Systems.  Diesem  System  gegenüber  würde  die  in  unserer  Denk- 
schrift geforderte  Justizreform,  wenn  der  Verfasser  der  Zeit  des 
Prinzipats  angehörte,  als  der  Ausdruck  der  entschiedensten  Op- 
position erscheinen« 

In  Einem  Punkt  unterscheidet  sich  nun  allerdings  das  Pro- 
gramm des  Verfassers  ganz  wesentlich  von  dem,  was  die  radi- 
kale Demokratie  der  cäsarianiBchen  Zeit  als  Erbin  der  grac- 
chischen   PoUtik  erstrebte.     Während   diese  Demokratie  mög* 


^}  Saeton»  August  32, 


Boberi  Pahlmann 


liehst  darauf  binarbGitete)  den  EinSuss  des  Senates  zu  brechen 
und  das  Schwergewicht  des  staatlichen  Lebens  in  die  Komitien 
zu  verlegen,^)  will  der  Paraphletist  umgekehrt  den  nach  seineu 
Vorschlägen  reformierten  Senat  wieder  im  Besitze  jener  mora- 
lischen Autorität  sehen,  die  er  zum  Heile  des  Staates  iu  den 
gi'ossen  Zeiten  der  Republik  besessen  habe.*}  Er  hebt  sehr 
scharf  hervor,  dass  das  jiolitische  Verantwortlichkeitsgefühl  und 
das  Interesse  an  der  Aufrechterhaltung  der  öffentlicheD  Ord- 
nung in  der  besitzlosen  Masse,  die  wenig  oder  nichts  zu  ver- 
lieren habe,  nicht  entfernt  in  dem  Grade  entwickelt  sein  kdnne, 
wie  bei  denen,  die  im  Besitze  einer  hervorragenden  sozialen 
Position  bei  jeder  Störung  des  politischen  Gleichgewichtes  schwere 
Einbijsse  an  Ehre,  Freiheit  oder  Vermr»gen  zu  befürchten  hät- 
ten,^) Sein  Ideal  ist  daher  unter  der  Voraussetzung,  dass  der 
Seuat  wirklich  seinem  staatlichen  Berufe  gewachsen  sei,  ein 
Zustand  der  Dinge,  in  dem  das  Volk  dem  Seuate,  wie  der 
Körper  der  Seele  gehorcht  und  seine  Beschlüsse  ausiilbrt,  so 
dass,  wie  der  Autor  bezeichnender  Weise  hinzufügt,  eine  be- 
sondere Intelligenz  auf  Seiten  des  Volkes  nicht  vonnöten  sei.*) 
Das  klingt  so  underaokratisch  wie  möglich.  Aber  der  Ver* 
fasser  ist  ja  auch  kein  einseitiger  Parteiraann.  Er  schreibt  als 
Patriot,  der  sein  Auge  den  Staatsnotwendigkeiten   nicht  ver- 


M  Vgl.  Nissen«  a.  a.  0.  435. 

*)  11,  1:  ♦  .  ,  patres  qiiorain  consilio  anttia  dubia  rea  publica  stn^ 
biliebatur. 

3)  10»  4:  cuicuDciue  in  Hua  civitate  ainplior  inhiitriorque  locua  quam 
aliia  est,  ei  magiiaii]  curaui  esse  rei  publicae.  nam  ceteri^  saWa  urbe 
tatitum  modo  liberias  tuta  est:  qui  per  virtutem  sibi  divit.iaj<  tiecu»  bo- 
.  norettj  peperenint,  ubi  paulnm  indmiiltt  res  publica  !i>;itari  roepit,  luul- 
'  tipliciter  animaa  curia  atqne  laboribus  fatigatur;  ant  i^loriam  auf.  über- 
tatem  aut  rem  familiärem  defeDsat,  omnibu»  locin  adest  feBtiimt,  quanto 
iD  seeundia  rebua  florentior  fuit»  taot^  in  a^i vereis  aüperius  magiüque  an- 
xie  ngitat.  Eine  Schilderung,  die  sehr  treffend  das  Gofübl  der  Ünaicber- 
hell  cbarakterisiert,  das  die  höheren  Klassen  in  der  letxten  Zeit  der  Be> 
publik  in  beständiger  Spannting  erhielt. 

**)  lOt  C:  igitQr  tibi  plt^hs  irnAttii  Bicuti  cnrpuji  auimo  oboi^dit  ein»* 
qne  con»iilta  exÄequifur,  patre»  confcilio  valerr  ilu*  ♦'!  normb»  J^u|»^'^vill-il- 
nea  est  ealliditaa. 


Zur  Geschichte  der  antiken  Publieiatik. 


69 


aohlioBflt.    Uüd  was  hätte  es  damals  neben  dem  Kampf  gegen 

das  verrottete  Plutokraten-  und  Aristokrateiiregiment  fUr  eine 

L dringendere  politische  Zeitforderung  gegeben,  als  die,  dass  die 
Tragikomödie  der  Forumsherrschaft  möglichst  unschiidJich  ge- 
macht und  das  Schwergewicht  der  Gesetzgebung  in  eine  re- 
präsentative Versammlung  verlegt  wurde,  zumal  wenn  diese  Ver- 
mnmlang,  —  wie  der  Verfasser  wollte,  —  der  Koteriewii-t- 
pfehaft  der  Nobilität  entzogen  \)  und  zu  einer  Vertretung  der 
Bürgerschaft  in  ihren  tüchtigsten  und  intelligentesten  Elementen 

L umgestaltet  wurde?  ^) 
Auch  will  ja  der  Verfasser  in  der  Hauptsache  nur  eine 
Verstärkung  des  moralischen  Gewichts  der  senatus  consulta, 
keine  Beseitigung  der  formalen  Rechte  des  souveränen  Volkes. 
Jlirgends  findet  sich  bei  ihm  die  Forderung,  eines  der  formalen 
jfouveränetätsrechte  der  Bürgerschaft,  die  freie  Strafgewalt  oder 
die  Beamtenwahl  und  die  Gesetzgebung  auf  den  Senat  zu  über- 
tragen etwa  in  der  Weise,  wie  es  später  der  Prinzipat  tatsäch- 
lich durchgeführt  hat.  Wird  doch  dem  seine  Beamten  selbst 
wählenden  Volk  sogar  ein  sehr  gesundes  Urteil,  die  Fähigkeit, 
die  richtigen  Männer  herauszufinden,  ausdrücklich  eingeräumt!') 
Insofeme  bleibt  der  Verfasser  auf  dem  Boden  der  republika- 
nischen Ideologie  stehen,  wenn  er  auch  gleichzeitig  die  poli* 
tische  Unföbigkeit  der  damals  das  Forum  beherrschenden  Masse 
zugibt  und  eine  bessere  Zukunft  fiir  wahre  bürgerliche  Frei- 
heit erst  von  der  Erneuerung  der  Bürgerschaft  durch  Aufnahme 
frischen  gesunden  Blutes  erhofft*) 

Man  sieht:  Auch  in  verfassungs^eschichtlicher  Hinsicht  ist 
in  der  Denkschrift  das  Zeitkoiorit  wohlgewahrt.    Warum  hätte 

*)  Vgl.  wft8  der  Verfttaser  von  »einer  Senatereform  erhoflFt  (11,  2): 
maioribni  opibus  res  publica  et  minus  potena  nobiHta«  esset. 

*)  Der  VerfüSBer  berührt  sich  hier  ein igerm ästen  mit  Cicero,  vgl, 
E.  B.  de  re  pnbl.  1»  51,  nur  das»  er  mit  viel  grösserer  Energie  die  Frage 
nach  dem  Charakter  und  der  Zusamnaenaetzung  jener  Ariätokratie  von 
Führern  «teilt,  die  in  der  Tat  auch  die  Demokratie  iilelit  nntbehren  kann. 
Wgl  F.  Cauer.  a.  a.  0.«  S.  48  ff. 

*)  7,  11;  de  magistratu  facile  populi  indicium  ai. 

n  5.  7. 


^ 


70 


Bobert  PöMmann 


also  ein  zeitgeDÖssischer  Politiker,  ja  Sallusi  selbst  sieh  nicht 
in  demselben  Sinne  äussern  können? 

Anch  Salhist  ist  trotz  seiner  leidenachaftlichen  Erbitte- 
rung über  die  Optiniatenhen-sehaft  durchaus  kein  Anbeter 
der  Masse.  Wir  haben  eine  sehr  bezeichnende  Äusserung  von 
ihm  über  das  Verhältnis  von  Persönlichkeit  und  Masse,  die, 
wie  er  selbst  sagt,  das  Ergebnis  langen  Nachdenkens  war.  Er 
stellt  die  Frage:  Ist  die  Grösse  Roms  ein  Werk  der  Masse  oder 
der  IndiTiduen?  Und  die  Antwort  lautet  schroff  inTidualtstii#cb: 
^die  ausgezeichnete  Tatkraft  weniger  lierv^orragender  Bürger  hat 
ie  Grösse  Roms  geschaffen,  nicht  die  Masse* J)  Ihr  sei  es  zu 
verdanken,  dass  die  Armut  der  alten  Republik  dem  Reichtum 
ihrer  Feinde,  die  Minderzahl  der  Menge  überlegen  war.  Eine 
Anschauung,  die,  auf  die  inneren  Verhältnisse  des  Staates  Ober- 
tragen, ungefähr  auf  das  hinauskommt,  was  der  Paniphletist 
über  das  Verhältnis  zwischen  Regierung  und  Volk  sagt,  nem- 
lieh  auf  die  Überzeugung,  dass  eine  Minderheit,  die  zugleich 
die  höchste  Intelligenz  und  Tüchtigkeit  repräsentiert,  kraft 
dieser  ihrer  inneren  Überlegenheit  die  natürliche  Anwartschaft 
auf  die  Leitung  der  Mehrheit  besitze. 

Alle  diese  Beobachtungen  über  den  Inhalt  unserer  Schrift 
können  ja  nun  allerdings  die  Möglichkeit  nicht  aus  der  Welt 
schaffen,  dass  dieselbe  ein  Erzeugnis  der  Schulrhetorik  ist.  Aber 
soviel  lässt  doch  eine  möglichst  umfassende  und  unbefangene 
Analyse  deutlich  erkennen,  dass  das,  was  die  Rhetorik  leisten 
konnte,  um  den  Geist  und  den  Ideengehalt  der  Publicistik  des 
sallustischen  Zeitalters  zu  reproduzieren,  hier  jedenfalls  in  an- 
erkennenswerter Weise  geleistet  ist.  Jene  fast  völlige  Abwe- 
senheit alles  Gefühles  für  das  Historische,  jene  nur  auf  den 
Effekt  berechnete  willkürliche  Vermischung  von  Wahrheit  und 
Dichtung,  kurz  jene  systematische  Abkehr  von  der  geschicht- 
lichen Wirklichkeit,  die  der  Schulrhetorik  der  Kaiserzeit  je 
langer  je  mehr  ihr  Gepräge  gibt,  ist  dem  Geiste  dkser  Denk- 
schrift ,an  Cäaar'  noch  durchaus  fremd.    Kann  man  »ich  d€»ch 


*)  OatilinÄ  W,  4. 


Zw  Geschichte  der  antiken  PMieietik. 


71 


bei  der  Lektüre  uDmöglich  des  Eindruckes  erwehren,  dass  der 
Liitor  wirklich  ein  tieferes  politisches  Interesse  gehabt  hat; 

ich  möchte  daher  immer  noch  die  andere  Möglichkeit  often 
lassen  f  dass  hier  Tielleicht  doch  ein  echtes  Erzeugnis  der  pu- 
blicistischen  Literatur  der  Übergangsepoche  von  der  Republik 
Ear  Kaisen:eit  vorliegt* 

Nicht  auf  gleicher  Höhe  stellt  das  andere  weit  kürzere  und 
Hehr  in  Allgemeinheiten  sich  bewegende  Schriftstück,  das  uns 
ID  die  Zeit  nach  Cäsars  Sieg  in  die  Ära  der  Reform  selbst 
hineinversetzt.  Aber  bei  aller  rhetorischen  Phraseologie  ist 
doch  auch  hier  der  historische  Gehalt  nicht  so  gering,  dass 
man  es  in  der  üblichen  Weise  beiseite  legen  darf.  Es  enthält 
immerhin  bemerkenswerte  Züge  genug,  bei  denen  man  sogar 
an  die  Möglichkeit  denken  könnte,  dass  beide  Schriften  von 
Einem  Verfasser  herrühren.  *)  Jedenfalls  ist  soviel  gewiss,  dass 
die  eine  Schrift  im  Hinblick  auf  die  andere  geschrieben  ist. 
Nicht  nur  dass  einzelne  Ged sinken  wörtlich  in  beiden  wieder- 
kehren, sondern  es  ist  auch  eine  Art  Arbeitsteilung  eingehalten, 
die  sich  nur  aus  bewusster  Rücksichtnahme  auf  das  Thema  der 
P^^lelschrift  erklären  lässt.  Während  nemlich  in  dem  bereits 
beafirochenen  Pamphlet  dies  Thema  ganz  überwiegend  die  po- 
litische Reform  ist,  stellt  die  kürzere  Schrift  eine  andere  Seite 
der  casarischen  Publicistik  dar,  die  Sozial-  und  Wirtschafts- 
reform. 

Die  allgemeine  Situation,  an  welche  die  Reflexionen  des 
Verfassers  anknüpfen,  ist  auch  hier  recht  treffend  gezeichnet 
Zur  Entscheidung  steht  die  inhaltsschwere  Frage,  die  auch  Ci- 
cero in  den  Briefen  aus  jener  Zeit  so  lebhaft  beschäftigt,  und 
die  er  ohne  weiteres  bejaht*):  Ist  es  wahr,  was  der  auf  den 
Anteil  an  der  Siegesbeute  lauernde  Anhang  der  Machthaber 
behauptete,   dass  der  Kampf,   der   über  das  Schicksal  der  Re- 


*|  Die  8chlü88e ,  die  Öchenkl,  a.  a.  0.  ime  der  VerBchiedenheit  von 
onti  Inhalt  sieht,  sind  rnolnes  firacbtens  nicht  zwingend,  wie  denn 

rbiittpt  ein  zwingender   Beweis  auch  in  dieoer  Fra^^e  nicht  2u   er- 

Dgen  iit. 

^  S.  oben  S,  1. 


Eobtrt  Pohl  mann 


publik  entschied,  lediglich  ein  Kampf  um  die  Macbi  war,  um 
die  Durchsetzung  der  souveränen  Gelüste  der  Föhrer?  Wie  der 
Verfasser  unserer  Schrift  sich  ausdrückt:  ad  quae  te  idem  illi 
hortantur:  [et]  scilicet  id  certatuin  esse»  utrius  vestrum  arbitria 
iniuriae  fierent,  neque  receptain  sed  capiam  a  te  rem  pubUcam»') 

Und  auf  diese  Frage  hat  der  Verfasser  nicht  etwa  eine 
geschieh tswidrige  rein  verneinende  Antwort.  Er  denkt  nicht 
daran,  —  wie  man  bei  einer  unreifen  rhetorischen  Scbülerarbeit 
leicht  erwarten  könnte,  —  ahne  weiteres  ein  ideales  Ziel  als  be- 
wegende Kraft  bei  der  politischen  Aktion  Cüsars  vorauszusetzen. 
Denn  wenn  er  ihr  seinerseits  eine  solche  ideale  Aufgabe  stellt, 
so  entnimmt  er  die  Berechtigung  dazu  lediglich  der  Erwägung, 
dass  Cäsar  die  Erhebung  über  eine  rein  persönliche  Intereasen- 
politik  der  Ehre  seines  Namens  schuldig  sei,  eine  Auffassung, 
die  sich  mit  der  des  anderen  Pamphlets  aufs  Engste  berührt.*) 

Nicht  minder  treÖend  ist  die  Art  und  Weise,  wie  die  Hin- 
demisse charakterisiert  werden,  die  sich  der  Verwirklichung 
dieser  Aufgabe  entgegenstellten.  ,Die  Sieger  fordern  Beute,  und 
die  Besiegten  sind  Bürger!^  D.  h,  es  galt,  die  Sonden nieressen 
derjenigen,  die  sich  in  den  Dienst  des  Siegers  gestellt,  auszu- 
gleichen mit  dem  Gesamtinteresse  des  Volkes  und  Staates  oder 
vielmehr   das   erstere  Interesse   dem  letzteren   zu  unterwerfen* 

Zugleich  wird  die  Rolle,  welche  die  schlimmsten  dieser 
cäsarischen  Parteielemente  im  Bürgerkriege  spielten,  näher  cha- 
rakterisiert; eine  Schilderung,  die  im  Vergleich  mit  unserer 
sonstigen  Überlieferung  einiger  bemerkenswerter  individueller 
Züge  nicht  entbehrt,  wie  wir  sie  in  dieser  Weise  sonst  nicht 
finden.  Es  beisst  von  den  katilinarischen  Existenzen,  die  von 
Cäsar  Vernichtung  der  Schuldhücher,  umfassende  Konfiskationen, 
Ächtungen  und  Bluturteile  erwarteten,  dass  sie  zuerst  in  Haaae 


»I  I,  4,  8. 

*)  h  1,6:  at  contm  id  eniti  decet,  mm  ipsp  hon  na  atqu^  «trenaut 
Kifi,  uti  quam  optimia  imperiies.  Vf(L  1K2.I>!  imtuqttt^  tibi  et  id  modo 
in  pectore  coimtlii  etit,  nt  ie  «b  inimicomm  intp«in  viiiUici»  qnoqno  mo- 
do rontra  »tlvprstim  coinnlem  h^ueflma  popuH  naiinen«,  indigna  vir- 
täte  taa  cogitas. 


Zur  Geschichte  der  antiJcen  Piä)li€iitik. 


73 


in  Casfirs  Lager  zusammengeströmt,  dann  aber,  als  die  erhofiften 
Schüldenkassierungen  und  Mordbefehle  ausblieben,  sich  zum 
grossen  Teil  wieder  verlaufen  hätten.  Nur  eine  Minderzahl  sei 
eurückgeblieben,  Leute,  die  sich  im  Heerlager  sicherer  fühlten, 
als  in  Rom,  wo  ihnen  gar  zu  riele  Oläubiger  auf  dem  Nacken 
Sassen.^)  Eine  Schilderung,  an  die  sich  dann  spater  einige  dra- 
stische nur  hier  sich  findende  Mitteilungen  über  das  skandalöse 
Treiben  dieser  Schmarotzerexistenzen  anreihen,  wie  sie  damals 
vor  dem  Siege  im  Gefolge  des  Cäsarisraus  auftraten.^) 

Übrigens  sei  keineswegs  Ciisars  Lager  allein  eine  solche 
Zufluchtstätte  zerrütteter  Existenzen  gewesen!  Im  Gegenteil! 
Dasselbe  Motiv  habe  in  der  Folge  zahlreiche  BHeniente  aus  den 
besten  Kreisen  auf  die  Seite  des  Pompeius  geführt,  dessen  sich 
die  Verschuldeten  während  des  ganzen  Feldzuges  wie  einer  hei- 
ligen und  unverletzlichen  Freistätte  bedient  hätten! 

Wir  können  die  Richtigkeit  dieser  Behauptungen  im  Ein- 
zelnen nicht  mehr  feststellen,  Dass  aber  das  katilin arische  Ge- 
sindel von  dem  Moment  an,  wo  es  über  die  wahren  Absichten 
Cäsars  im  Klaren  war,  sich  von  ihm  zurückzuziehen  begann 
und  dass  umgekehrt,  je  sicherer  die  Aussichten  auf  eine  Ära 
der  Konfiskationen  im  Falle  eines  Sieges  des  Pompeius  wurden, 
viele  verschuldete  Existenzen  ihre  letzte  Hoffnung  auf  die  Ge- 
genpartei setzten  und  durch  diese  Hoffnung  in  das  gegnerische 
Lager  getrieben  wurden,  das  ist  selbstverständlich. 

Was  den  ersteren  Punkt  betrifft,  so  sehen  wir  ja  an  Leuten 
wie  Cälius  Rufus  und  Dolabella  und  den  von  ihnen  geleiteten 
Straasenrevolten,  wie  man  io  diesen  Kreisen  durch  eine  Politik 
auf  eigene  Hand  das  zu  erreichen  suchte,  was  Cäsar  versagte. 
und  was  die  Bemerkung  über  die  pompeianischen  Parteigänger 
betrifft,  so  hat  sie,  wie  gesagt,  —  auch  ohne  sonstige  Belege 
—  nicht  nur  alle  Wahrscheinlichkeit  für  sich,  sondern  hat  ge- 
wiss auch  in  der  Parteipolemik  der  Zeit  eine  Rolle  gespielt. 
L  Da  man  angesichts  der  katilinarischen  Anhängsel  der  cäsari- 
■     0cb«n  Partei   den  Befürchtungen  der  Gegner  vor  einem  neuen 

^L  »)  3,  5  t 


»)  3»  5  t  «)  4,  4  f. 


74 


Bobert  PMmann 


Cinna  und  Catilina*)  eine  gewisse  Berechtigung  nicht  ganz  ab- 
sprechen  konnte,  so  hat  man  ganz  gewiss  den  Anklagen  der- 
selben die  Spitze  abzubrechen  gesucht  durch  den  Hinweis  darauf^ 
diiss  jene  Klasse  ruinierter  Existenzen,  die  bei  einer  Entschei- 
dung des  grossen  Kampfes  im  Trüben  zu  fischen  hofil^n,  auch 
auf  pompeianischer  Seite  zahlreich  vertreten  seien. 

Wenn  also  der  Verfasser  diesem  Gedanken  Ausdruck  gibt, 
so  ist  dies  von  neuem  ein  Beweis  dafür,  wie  lebhaft  wir  auch 
durch  dieses  Schriftchen  in  die  wirkliche  Stimmung  der  Zeit 
hineinversetzt  wenkn.  Alles  spricht  dafür,  dass  er  hier,  wie 
bei  den  Mitteilungen  über  die  internen  Vorgänge  im  Lager 
Cäsars  aus  wirklicher,  —  und  sei  es  auch  nur  literarisch  ver- 
mittelter, —  Kenntnis  der  Dinge  geschrieben  hat,  dass  es  also 
vollkommen  unberechtigt  ist,  wenn  man  hier  immer  wieder  von 
, dreister  Rhetorenerfiudung*  spricht,*) 

Was  das  positive  Programm  des  Verfassers  betrifft,  so 
fordert  es  von  Cäsar  vor  allem  eine  entschiedene  Bekämpfung 
der  antisozialen  Instinkte  der  damaligen  römischen  Gesellschaft, 
der  zügellosen  Verschwendungssucht  und  der  durch  sie  gross- 
gezogenen Raubsucht;  jener  , Verwilderung,  die  in  brennender 
Begier  bald  über  Bundesgenossen,  bald  über  Bürger  herfallt,* 
eine  ununterbrochene  Quelle  bürgerlicher  Zwietracht!^)  Hier 
wird  dem  siegreichen  Imperator  das  höchste  Ziel  vor  Augen 
geführt,  das  sich  dem  Staatsmann  stellen  h'isst,  dass  er  nicht 
blos  politischer  Organisator,  sondern  in  gewissem  Sinne  auch 
ein  Bildner  des  Volksgeistes  sei,  dass  er  das  Einigende  pflegt 
und  das  Trennende  einschränkt,  das  Allgemeine  zum  Bewusst- 
sein  bringt  und  dem  Staaistfedanken  wieder  zu  seinem  Recht 
verhilft. 

Dass  zur  Erreichung  des  Zieles  staatliche  Beschränkungen 
des  masslosen  Luiuslebens  und  der  ebenso  roasslosen  Kredit- 
wirtschaft vorgeschlagen  werden,  auf  der  sich  dieses  Luxusleben 

1)  Benorgniii««,  wio  «i€^  besonde»  lablmft  bei  Oieero  ximi  Aiwdrttdt 
komTO4*n.  mi  AU.  7,  T«  ^2,  —  9l  91;  Sil*  —  lOi  ^  ^  9t  7,  ^  —  7.  Sw  t^ 

Vgl.  üoitton,  Div.  Jtii.  c.  27. 

«)  Wie  ».  B,  JoMan,  8,  14,         •)  6.  3  C 


Zur  GeachiMt  der  antiken  Publiciatik, 


75 


mm  grossen  Teil  aufbaute,  entspricht  durchaus  den  Anschau- 
ungen der  Zeit,  wie  denn  auch  Julius  Cäsar  in  der  Tat  durch 
eine  umfassende  Luxus-  und  Kreditgesetzgebung  eine  Gesun- 
dung der  wirtschaftliclien  und  sozialen  Verhältnisse  herbeizu- 
ruliren  gesucht  hat.  Dabei  zeigt  der  Verfasser  ininierhin  eine 
gewisse  Kritik  gegenüber  mächtigen  Voi-urteilen,  wenn  er  vor 
einer  mechanischen  Wiederauffrischung  der  längst  zum  Gespött 
gewordenen  rigorosen  Lnxusordnuogen  einer  älteren  Zeit  warnt*) 
and  ein  milderes  System  der  Abstufung  des  zulässigen  Auf- 
wands nach  der  Höhe  des  Besitzes  vorschlägt. 

Noch  mehr  verspricht  sich  der  Verfasser  von  einem  syste- 
matischen Vorgehen  auf  dem  Gebiete  des  Kredits,  Die  Macht 
deß  gewerbsmässigen  Geldverleiherturas  soll  gebrochen,  das  obrig- 
keitliche Amt  flir  das  Volk,  nicht  für  den  Gläubiger  verwaltet 
werden,  und  Jedermann  lernen  sich  innerhalb  des  Seinigen  zu 
bescheiden P)  Kein  Amt  soll  mehr  dem  blossen  Geldbesitz  zu- 
gänglich sein»  überhaupt  die  Allmacht  des  Kapitals  im  Staate 
gebrochen  werden.  Eine  Forderung,  die  fast  in  dieselben  Worte 
gekleidet  wird,  wie  in  dem  andern  Pamphlet,  dass  nemlich 
.dem  Gelde,  welches  der  Urquell  alles  Verderbens  sei,  EinHuss 
und  Ehre  genommen  werde*. ^)  Und  von  dem  Gelingen  dieses 
Werkes  erhofft  sich  der  Verfasser  nichts  Geringeres,  ala  ein 
allmäliges  Verschwinden  jenes  Triebes,  nach  Aussen  glänzen 
zu  wollen,  den  Reichtum  zum  Gegenstand  der  Schaulust  zu 
machen,  wie  er  in  den  Ausartungen  des  Paläste-  und  Villen- 
bauea,  in  dem  Prunk  und  der  Pracht  des  Lebens  überall  zu 
Tage  trete.*) 

Dasi  auch  hier  der  Politiker  zum  poetischen  Träumer  wird»*) 

')  c.  6,  4<  Eine  Skep^in.  die  btH  asii  einem  gewisden  Grade  an  die 
Tibt*re  erinnert.    Tac.  ann,  IIT,  52. 

*)  ö,  7. 

*)  7,  3:  id  ita  eveniet,  si  pecuniae,  quae  roaxuma  omnlum  pemiciea 
vs»U  cMoe  atqtie  deciui  dempsent.    Vgl.  c.  8,  S  und  FI.  7,  10.    S.  oben  S.  65. 

*)  8,  1, 

^)  Ei  beisut  8.  9  gerai]es;u:  baec  et  omnia  mala  pariter  cam  ho- 
nor<-  pecnniae  definent,  vi  neque  nittgis^tuja  neque  alia  Tolgo  cupienda 
vt^nalia  eruntl 


76 


Bobert  Phhlmann 


darf  uns  nicht  wundernehmen.  Dieses  Stück  Bomantik  ist  ja 
geradezu  ein  charakteristisches  Produkt  der  Zeitalter,  in  denen 
das  Alte  zusammenbricht  und  auf  den  verschiedensten  Gebieten 
Neues  nach  Gestaltung  ringt,  wo  der  Widerstreit  alter  und 
neuer  Bildungen  noch  unausgeglichen  fortdauert  und  Naturen 
von  lebhafter  Empfindung  und  Einbildungskraft  immer  das  Be- 
dürfnis empfunden  haben,  in  echt  romantischer  Weise  wenig- 
stens im  Geist  einen  Ausweg  aus  den  Widersprüchen  des  Tages 
und  dem  Drucke  der  Gegenwart  zu  suchen,  indem  sie  aus  der 
Wirklichkeit  in  das  Land  der  Träume  flüchten. 

Auch  begegnen  wir  hier  wieder,  wie  in  der  anderen  Schrift, 
der  Ideenverwandtschaft  mit  einem  klassischen  Vertreter  einer 
solchen  Übergangszeit,  mit  Sallust.  Die  von  den  Griechen 
überkommene  Philosophie  des  Geldes,  die  uns  hier  ent- 
gegentritt: die  Auffassung  desselben  als  eines  Haupthebels 
menschlichen  Verderbens,  die  Forderung  einer  siegreichen  Er- 
hebung des  Geistes  über  das,  was  der  Verfasser  die  Freude 
am  Gelde  und  an  sinnlichem  Genüsse  nennt,  ^)  die  Behauptung, 
dass  die  Ursache  der  Grösse  und  dea  Verfalles  der  Völker  von 
iem  Verhalten  gegenüber  dem  Reichtum  abhangt,  das«  die  Ver- 
ßhtung  desselben  eine  Bürgschaft,  des  Sieges  und  der  Macht, 
Liebe  zum  Reichtum  der  Weg  zum  Untergang  sei»  —  all  das 
ist  echt  sallustisch  gedacht,^) 

Und  nicht  bloss  dies,  sondern  es  gilt  hier  auch  dasselbe, 
was  von  dem  analogen  Ideengang  des  andern  Pamphlets  ge- 
sagt ist'):  d.  h.  wir  haben  es  auch  hier  mit  Schlagworteti  zu 
tun,  die  nicht  bloss  in  der  Scliultheorie,^)  sondern  auch  in  der 
sozialpolitischen  Partei poIemik  gegen  die  HerrHchaft  des  Kapi- 
talismus eine  Rolle  gespielt  haben.  Wie  in  Hellas  neben  dem 
Schulsatz  des  Stoizismus:  tpiXagyvQia  fit]TQ6jtohi:  ndyrcor  tmr 
xaxan*^)   der   in   rein    praktischeD   so^ialpoh tischen  Tendenzen 


^  7,  5:   »  .  ♦  oini^sis  pt^mnmf  i*i  corporis  gaudiis, 

^)  Vgrl.  di(*  KinliMiung  xum  Caiilina. 

»)  Vgl  Ih  7,  6  uiiil  dii»w  oben  8.  *»6. 

*)  ßo  bi?li«?bt  hier  i*uch  gorad*»  diesfn  Tbe^njÄ  war. 

^)  Vgl.  meine  G^echiolite  dea  ant.  Kümin.  u.  Sox.  1,  a06b 


Zur  Geschichte  dir  anOken  PuhlicistiJt^ 


77 


wurrelnde  Götterspruch  steht,  wonach  Geldgier,  sonst  nichts 
Sparta  verderben  werde,*)  so  hat  auch  der  Satz  unserer  Schrift 
über  die  staatsverderberische  Wirksamkeit  des  Kapitalismus  ohne 
Zweifel  gleichfalls  seine  Parallelen  in  der  Terminologie  der 
mmisclien  Klassenkämpfe  gehabt. 

Ganz  besonders  aber  gilt  dies  von  der  in  demselben  Zu- 
Dmenhaug  ausgegebenen  Parole:  »Fort  mit  dem  gewerbs- 
mässigen Verleiher  für  alle  Zukunft'  (tollendus  est  foenerator 
io  posterum)/*)  Es  dürfte  nicht  zu  viel  behauptet  sein,  wenn 
man  sagt:  Hier  haben  wir  die  Parole  vor  uns,  unter  der  schon 
dio  altplebeiscbe  Bauernschaft  gegen  den  Wucher,  ja  gegen 
das  zinsbare  Darlehen  überhaupt  zu  Felde  zog^  und  die  dann 
anch  die  Parole  zahlreicher  notleidender  E^stenzen  der  späteren 
Zeiten  geworden  ist.  Der  lludikalisnius  und  Doktrinarismus, 
der  hier  ja  in  den  Äusserungen  beider  Pamphletisten  nicht  zu 
verkennen  ist,  ist  eben  der  naturgeraässe  psychologische  Reflex 
der  ganzen  soziatokononiischen  Lage,  der  ungeheuren  Konzen- 
tration des  Reichtums  auf  den  Hohen  der  Gesellschaft  und  der 
schnöden  Spekulantenherrschaft,  deren  roher  Materialismus  kein 
oberes  Ziel  kannte,  als  die  rücksichtslose  Vennehrung  des  er- 
innerten oder  erplünderten  Keichtums,  wie  es  eben  in  unseren 
ächriftchen  so  tief  beklagt  wird»  Wer  hier  nur  an  Schulphrasen 
akt,  verkennt  die  Macht  der  Empfindungen,  die,  —  wie  der 
"n^ne  Pamphletist  so  treÖ'end  hervorhebt,  —  angesichts  dieser 
bodenlosen  Entartung  des  Kapitalismus  die  Brust  des  ehrlichen 
Mannes  durchstürmten !  *)  Wie  sehr  derartige  Reflexionen  auch 
in  der  Schulrhetorik  dem  wirklichen  Leben  abgelauscht  sind, 
das  beweist  die  in  den  Kontroversen  des  Rhetors  Seneca*)  ent- 
haltene Klagerede  de«  armen  Kleinbauern  gegen  seinen  reichen 
Gntsnachbar  und  die  pseudoquintilianische  Deklamation^)  ^de^ 
Artnen  gegen  den  Reichen',  die  sich  wie  Musterbeispiele  zu  der 


*)  u  fptXnxgrif*at{a  ^jiaQTar  öXeT,  äXXo  ds  ovöev.    Kin  Satz«  der  nacli 
aiarcb  fAgin  9)  in  der  Agitation  der  au tikapitalia tisch en  Partei  Spartas 
rine  Bolle  geitpielt  hat. 

«)  ö,  8.  »)  II,  7,  6.    S.  oben  S.  ÖL 

^i  6p  &.         ►)  13, 


78 


Bobert  Föfdmann 


genannten    Bemerkung   über   die   psychischen   Wirkungen   des 
rüinisjcben  Kapitalismus  ausnehmen. 

So  radikal  und  leidenschaftlich  Übrigens  unser  Verfasser 
in  diesen  Fragen  sich  äussert,  so  ist  er  Joch  andererseits  weit 
davon  entfernt  mit  der  extremen  Demokratie  durch  Dick  und 
Dünn  zu  gehen.  Er  bewegt  sich  auch  hier  ganz  in  der  Rich- 
tungslinie, welche  die  Politik  Cäsars  selbst  eingeschlagen  hat, 
indem  er  mit  seiner  Opposition  gegen  die  Plutokratie  eine  eben- 
so entschiedene  Stellnogsnabme  gegen  den  souveriinen  Mob, 
gegen  die  Herrschaft  des  hauptstädtischen  Pöbels  verbindet. 
Aus  derselben  sozialethischen  Stimmung  heraus,  die  das  Ge- 
meinwesen von  allem  Parasitentnm  befreit  wissen  möchte,  for- 
dert er  eine  entschiedene  Abwendung  von  jener  einseitig  haupt- 
städtischen Sozialpolitik,  die  besonders  durch  die  masslose  Über- 
spannung des  Systems  öffentlicher  Kornvert^ilungen  das  faule 
Bettelproletariat  zu  so  unheimlichen  Dimensionen  hatte  empor- 
wachsen lassen.*)  Allerdinga  hat  selbst  der  grosse  Cäsar  es 
nicht  gewagtj  auf  diesem  Wege  so  weit  zu  gehen,  wie  der  Pam- 
phletist, der  geradezu  die  Aufhebung  der  stadt römischen  Fru- 
mentationen  und  ihre  Verlegung  in  die  Munizipal-  und  Ko- 
lonialgemeinden fordert,  und  der  sie  zugleich  auf  diejenigen 
Bürger  beschränkt  wissen  will,  die  dem  Staate  wirkliche  Dienste 
geleistet  hätten.^)  Allein  wenn  hierauch  die  Theorie  der  Pra- 
xis vorauseilt,  so  folgt  daraus  doch  keineswegs,  dass  diese  Ge- 
danken sozialpolitischer  Dezentralisation  lediglich  von  der  Schul- 
rhetorik ausgeheckt  worden  sind.  Sie  können  sehr  wohl  in  der 
politischen  Diakussion  und  in  der  Publicistik  eine  Rolle  ge- 
spielt haben.  Und  es  ist  durchaus  willkürlich,  wenn  mau  auch 
hier  wieder  von  einer  sapientia  ex  umbra  et  scholis  hausta,*) 
von  »leerem  allgemeinem  Gerede*  spricht.*)  Davon  kann  umso- 
weniger  die  Hede  sein,  als  wir  ja  zufallig  wissen,  dass  gerade 
die  am  schwersten  durchführbare  Forderung  de^  Pamphletisten, 
die  Aufhebung  der  hauptstädtischen  Fruraentationen  z,  B.  den 
Kaiser  Augustus  tatsachlich  beschäftigt  hat,  da»s  also  dieser 


^)7.2. 


n  8,  Ö.         »)  Ilellwiir,  B.  18. 


«)  Sdienki,  S.  672. 


Zur  Geschichte  der  antiken  PMicistik.  79 

Gedanke  jedenfalls  nicht  ,dem  Schatten  der  Schule^  entstammt. 
Warum  soll  dies  bei  anderen  Ideen  des  Pamphletisten  der  Fall 
sein,  wenn  wir  zufälligerweise  sonst  keine  Parallelen  dazu  haben? 
So  können  wir  auch  von  dieser  Schrift  sagen:  Sie  enthält  eine 
—  wie  nun  immer  vermittelte  —  Reproduktion  von  Ideen  und 
Stimmungen  der  Übergangsepoche  von  der  Republik  zur  Kaiser- 
zeit und  hat  insoferne  für  die  Frage  nach  dem  Charakter  der 
Publicistik  dieser  Epoche  ebenfalls  eine  gewisse  geschichtliche 
Bedeutung,  wenn  sie  auch  an  innerem  Wert  hinter  dem  an- 
deren Pamphlet  wesentlich  zurücksteht. 


81 


Dramatische  Bearbeitungen  des  „Pervonte"  von 
Wieland, 

(Zur  ErgänzEng  des  Vortrags  Tom  7.  Februar  1903.) 

Von  Franz  Mancker« 

(Vorgebnxgen  in  der  philos.-philol.  Klaaee  am  2.  Januar  1904J 

Wenige  Monate,  nachdeoi  mein  Vortrag  über  Wielands 
^Pervonte*  in  den  Sitzungsbericliten  der  bayrischen  Akademie 
der  Wissenschaften  (pbilos.-philoL  und  histor,  Klasse  1903, 
S.  121  -  211)  erschienen  war,  brachte  August  Sauer  in  seiner 
Vierteljahrschrift  „Euphorion*^  (Bd.  X,  S.  76— 90)  einen  kür- 
zeren, gleichzeitig  mit  meiner  Abhandlung  und  völlig  unab- 
hängig von  ihr  ausgearbeiteten  Aufsatz  von  Bernhard  Seuffert, 
dessen  Ergebnisse  in  den  Hauptpunkten  mit  den  meinigen  über- 
einstimmen. Verscliiednes,  was  ich  ausführlicher  behandelte, 
iireift  Seuffert  nur  mit  wenigen  Worten;  in  andern  Fällen 
wieder  ergänzt  seine  Untersuchung  die  meinige.  So  weist  er 
dem  pPervonte*  seine  Stellung  unter  Wielands  übrigen  Erzäh- 
lungen in  Versen  aus  den  Weimarer  Jahren  an  und  sucht  psy- 
ehologidcb  aus  den  sittlichen  und  künstlerischen  Anschauungen 
des  deutschen  Dichters  zu  begründen,  warum  er  den  Schluss 
des  Märchens  gegenüber  seiner  französischen  Vorlage  ändern 
und  demgemäss  schon  vorher  Einiges  in  der  Charakteristik  der 
Hauptpersonen  vertiefen  musste.  Besonders  aber  teilt  er  zur 
letzten  Ausgestaltung  des  Gedichts  vom  Jahre  1794  Mehreres 
US  Handschriften  des  Goethe-  und  Schiller- Archivs  in  Weimar 
Eid  der  königlichen  öffentlichen  Bibliothek  in  Dresden  mit. 
Neben  dem  auch  von  mir  abgedruckten  Schreiben  Herders  führt 

IMM.  attsgab.  d,  phfl(Mi.-phUoL  a.  d  kiat  Kl.  % 


dl 


Fram  MuncJcer 


er  einige  StelleTi  aus  Briefen  Wielands  an  Göschen  und  Böttiger 
und  grössere  Abschnitte  aus  zwei  Briefen  des  Prinzen  August 
von  Gotha  an,  der  ebenso  wie  Herder  verschiedne,  Ton  Wie- 
land grossenteils  befolgte  BesserungsvorschJäge  im  einzelnen 
machte. 

Auch  Seuffert  deutet,  obgleich  nur  flüchtig,  auf  die  von 
mir  ausführlich  besprochene  Opembearbeitung  des  „Pervonte* 
dui-ch  Fülleborn  hin.  Nun  machte  mich  aber  Artur  L.  Jellioek 
in  Wien  darauf  aufmerksam,  dass  anscheinend  derselbe  Stoff 
auch  sonst  als  Gegenstand  von  Opern  erwähnt  werde,  und  als 
ich  diesem  Winke  nachging,  begegnete  ich  derartigen  Hinweisen 
sogar  noch  öfter,  als  ich  nach  dem  Briefe  des  Wiener  Biblio- 
graphen vermuten  durfte. 

Freilich  ist  aus  den  blossen  Titeln  noch  wenig  zu  schliessen, 
wenn  sie  auch  den  UnvorslGhtigen  leicht  irre  führen  können. 
Nicht  al!e  Opern,  welche  „Die  Wünsche*  überschrieben  sind, 
hängen  mit  dem  , Penion to"*  Basiles  und  mit  dessen  Umdich- 
tung  durch  Wieland  zusammen.  Mehrere  von  ihnen  gehn  auf 
Perraults  Märchen  von  dem  Holzhauer  und  den  drei  Wünschen 
(,Les  souhaits  ridicules*)  zurück,  einige  auch  auf  das  Grimm- 
sehe Märchen  „Der  Arme  und  der  Iteiche*  oder  auf  verwandte 
Ausbildungen  desselben  Grundmotivs  bei  andern  Völkern,^) 

So  ist  die  am  18.  Februar  1763  in  Paris  aufgeführt«  ein- 
aktige Oper  ^Le  bücheron  ou  les  trois  souhaits*  von  Jean 
Fran<;ois  Guichard  und  Gastet,  in  Musik  gesetjtt  von  An* 
dre  Danican  Philidor,  um  anderthalb  Jahrzehnte  älter  fils 
der  Auszug  aus  Baaües  ,Pentameröne*  in  der  ^Biblioth^uii 
universelle  des  romans*  und  die  Wielandsche  Neudtchtung  des 
MärcheuB;  ihr  Inhalt  ist  aus  Perrault  gesch^lpft.  Ins  Deutsche 
Übersetzt,  erschien  »Der  Holzhauer  oder  die  drei  Wünsche, 
eine  komische  Operette*  mit  Musik  von  Georg  Ben  da  1774 
zu  Berlin,  im  Klarierauszug  1778  zu  Leipzig.     Aus  der  natu» 

')  Vgl.  i^üpold  Sülimitlt.  5&ur  aeachichte  der  MariUenaper  (Halb 
a.  S«  IBOö),  H,  60  r,,  75:  und  Mütcuh  Latiduu,  Ih^  Erden waiidt^rucigbti  der 
Hl«imli«ohfii  und  die  WOniche  «ler  Menacben,  in  Mftic  Kotbn  Zeit!«chrill 
nir  v^rglekbendo  Literaturicwebklite,  N^u«  Folf^t.',  ßd.XIV,  H.20ff,  {\9m]. 


Witlandt  f^Permnte**, 


88 


liehen  Quelle  siammt  zweifellos,   wenn  es  nicht  ganz  und  gar 
f«^r  gleiche  Text  ist,  der  von  Johann  Friedrich  Reichardt 
komponierte  ^Holzhauer*  (Berlin  1775). 

Auch  das  Singspiel  ^Die  drei  Wünsche  oder  der  Berg- 
von  Joseph  Alois  Oleich  (1819),  das  in  eineoi  haiid- 
»chriftlichen  ^Verzeichnis  des  deutschen  Schrifttums  nach  den 
Stotfen  geordnet**  (1878)  auf  der  Münchner  Hof-  und  Staats« 
bibliothek  erwähnt   wird,    über  das  ich  aber  sonst  nichts  Oe- 

loere^  ermitteln  konnte,  dürfte  in  denselben  Stoffkreis  ge- 
lleren; der  Dichtung  Wielands  oder  ihren  Vorlagen  ist  es  kaum 
nachgebildet.  Recht  zweifelhaft  wenigstens  ist  die  Ableitung 
atus  diesen  Quellen  bei  der  zu  Königsberg  am  2L  November 
1824  aufgeführten  Zftuberoper  Joseph  Brauns,  deren  Titel 
nach  Hugo  Kieraann  (Üpemhandbuch,  Leipzig  1887,  S.  613) 
^Die  Wünsche  oder  der  Prüfuiig.^jtraum",  nach  Leopold  Schmidt 
frgen  ,Üie  drei  Wüni^he*  lautete.  Ist  die  erste  Angabe 
lehtig,  HO  wäre  die  Mughchkeit  nicht  ausgeschlossen,  dass  der 
Stoff  dieser  Zauberoper  von  Wieland  oder  seinen  romanischen 
Vorgungern  stammte;  bei  dem  zweiten  Titel  wäre  dies  im  höch- 

9D  Grade  unwahi*scheinlich.  Ein  bestimmteres  Urteil  wird  hier 
[ähwerlich  zu  erzielen  sein,  da  die  Oper,  wie  Schmidt  mitteilt, 
Hiebt  im  Druck  erschienen  ist  und  nirgends  etwas  Näheres  über 
ihren  Text  verlautet. 

Gar  nichts  zu  tun  hat  mit  unserm  Märchen  Ernst  Bati- 
pachs  komisches  Singspiel  in  drei  Aufzügen  „Die  drei  Wün- 
sche*', das  rait  der  Musik  Karl  Lowes  am  18*  Februar  1834 
ixn  Berliner  Hoftheater  aufgeführt  wurde*  Der  zu  Bonn  bei 
N.  Simrock  als  op.  42  des  Komponisten  gedruckte  Klavieraus- 
xug  bietet  neben  den  eigentlichen  „Tonstücken*  auch  einen 
, Flüchtigen  Überblick  der  HandluDg",  die  laut  dem  Titel  .nach 
ftinem   orientaUschen   Märchen*   gebildet  sein   soll*     Sie  spielt 

rmr  im  Morgen  lande,  dürfte  aber  kaum  unmittelbar  aus  einer 
morgen ISndischen  Quelle  geschupft  sein.  Vielmehr  stimmt  sie 
in  ihren  Grundzügeri  mit  der  Geschichte  „Per  Arme  und  der 
iieiche*  überein,  welche  die  Brüder  Örimm  1814  im  zweiten 
ßaude  ihrer  , Kinder-  und  Hausmärchen''  erzählt  hatten. 


84 


Auch  die  einer  viel  spätem  Zeit  angehörenden  franzosi* 
sehen  Märchenopern  von  J.  A.  F.  Poise  (Paris  1873)  und  van 
Goarges  Vi  Ilain  (Paris  1890),  beide  ^Les  trois  souhaits*  be- 
titelt, sind  von  Basiie  und  Wieland  ganz  unabhängig. 

Dagegen  scheint  das  von  Larousse  komponierte,  von  Hus 
le  jeune  njit  Balletten  ausgestattete  dreiaktige  Melodram  ,Per- 
vonte  ou  le  don  des  souhaits"  von  1805,  vnn  dem  ich  nur  den 
Titel  aus  Jellineks  Mitteilung  kenne,  sonst  aber  nirgends  etwas 
erwähnt  finde,  wenigstens  auf  die  französische  Nacherzählung 
des  neapolitanischen  Märchens  in  der  ^Bibliotheque  des  romans*, 
wenn  nicht  auf  Wielands  Dichtung  selbst  zurückzugehn* 

OJienkundig  schloss  sich  an  Wieland  nach  FQlleborn  noch 
August  von  Kotzebue  an*  Von  verschiednen  Tonkünstlern 
zu  wiederholten  Malen  um  eine  Operndichtung  gebeten,  gab  er 
1815  (genauer  wohl  schon  1814)  zu  Leipzig  einen  „Opem-Al- 
manach  für  dris  Jahr  1815*  heraus,  der  als  zweites  unter  fünf 
Stücken  (S.  61  —  128)  die  komische  Oper  in  drei  Akten  ,Per- 
vonte  oder  die  Wünsche*'  enthielt.  Öleichzeitig  erschien  diese 
Oper  auch  1814  im  ersten  Band  der  pNeuen  deutschen  Schau- 
bühne oder  dramatischen  Bibliothek  der  neuesten  Lust*,  Schau-, 
Sing-  und  Traut^rspiele'  (, Augsburg  und  Leipzig,  in  Kom- 
mission in  der  von  Jenisch  und  Stagescben  Buchhandlung*), 
S.  255 — 314;*)  später  wurde  sie  im  89,  Teil  von  Kotzebues 
sämtlichen  djamatischen  AVerken  (Leipzig  1829,  S.  175 — 230) 
wieder  abgedruckt. 

Mit  Wielands  Dichtungen  war  Kotzebu©  von  Jugend  auf 
vertraut.  Mehrfach  schon  hatte  er  sich  in  denselben  oder  doch 
in  ähnlichen  Bahnen  bewegt  wie  der  Verfasser  der  .Abderiten*' 

*)  Die  einsselnen  Bande  dieser  Sammlnng  smd  zwar  nicht  mit  Jakre- 
inihlcn  versehen;  doch  erschienen  nach  Wilhebn  Heinsiua  (Allgemeine* 
BUchorlexikon,  Bd,  V,  Leipxig  1617,  S,  485)  die  ertten  •cch«  BJinde  1814 
und  IU15»  der  erate  Baud  ali^o  ibi4.  In  Kaysen  Uikcherlexilcon  wird 
i\WM(ttr   nämliche  Band    rihrigpii«   al«  Band  XXIH   der  ,I»i  .i. 

UOhii«   oder   dmmuli«rben   Bibliotlnjk   dvr  neuesten  bu»-l 
nd  Truurrnpiolc  bia  I8l^i'  bcACichnet.  die  im  |?leichcn  Veriug,  etieiilAll« 
k»ii»   An^'K^"*   «1«'«    Tu>n  »ya})!    niif  dcD   einzelnen   Btini?**rT     *'*M'öfT.Titli*:hi 
wunli). 


Wielands  ,,PervonU". 


85 


uod  des  ^Oberon*,  dem  er  bei  verschiednen  ßelegenbeiten  seine 
Zustimmung:  und  Bewunderung  zu  bezeigen  suchte.  Manches 
komische  oder  satirische  Motiv  seiner  Dramen  ging  zunächst 
luf  Wieland  zurück.  Aber  auch  ganze  Lustspielstoffe  hatte 
Kotzebue  schon  von  ihm  geradezu  entlehnt,  so  z.  B.  erst  1810 
in  der  Posse  ,Des  Esels  Schatten*.  Gern  erklärte  er  denn  auch 
jet^t,  dass  er  ^nach  einem  bekannten  Märehen  von  Wieland* 
seinen  „Pervonte*  ausgearbeitet  habe. 

Kotzebue  wusste,  wie  wenig  das  Publikum  selbst  bessere 
Opern  texte  zu  beachten  pflegte,  und  sprach  daher  im  Vorwort 
zu  seinem  flOpern-Ahiianach'*  die  Hoffnung  aus,  dtiss  man  an 
sein  Buch  keine  allzu  hoch  gespannten  Forderungen  stellen 
werde.  Er  wollte  seinen  Zweck  schon  erreicht  haben,  wenn 
seine  Stücke  den  Komponisten  willkommen  seien  und  ^Veran- 
lassung zu  der  Entstehung  mancher  geflilligen  Musik"  gäben. 
Was  er  im  ,Pervonte*  lieferte,  steht  nun  freilich  auf  einer 
sehr  niedrigen  Stufe.  Seine  Operndichtung  ist  zum  grössten 
Teil  ohne  jeden  künstlerischen  W^ert,  weist  weder  von  den 
philosophisch-sittlichen  Absichten  Wielands  viel  auf  noch  von 
dem  frischen  Humor  und  der  leichten  Anmut,  die  trotz  aller 
ulksiümlichen  Derbheit  die  Darstellung  des  kunstreichen  £r- 
Ithlers  auszeichnet,  vergröbert  ganz  witzlos  die  komischen  Züge 
des  Märchens  bis  zur  plumpsten  Karikatur  und  soll  daneben 
doch  auch  wieder  als  eine  Art  von  Parodie  satirisch  wirken. 
Bezeichnend  für  Kotzebues  niedrige  Auffassung  der  Komik  in 
dieser  Oper  ist  schon  der  Name  Pumpapump,  den  er  dem  Für- 
sten von  Salern  verleiht,  die  ganze  Art,  wie  er  die  Dummheit 
nod  Faulheit,  die  läppische  Unbeholfeuheit  und  hernach  die 
sinnlose  Wut  dieses  würdelosen  Operettenprinzen  ausmalt,  wie 
ebenso  lächerliche  und  geistlose  Höflinge  um  ihn  versammelt, 
e  er  einen  chinesischen,  einen  afrikanischen  und  einen  india- 
lUBcben  Prinzen  als  Bewerber  um  Vastolas  Hand  mit  allerlei 
HÄn»wursfc8pässen  zur  Audienz  aufmarschieren  und  nach  der 
al  '  '  Ten  Antwort  der  Prinzessin  wieder  abziehen  lässt,  und 
gleichen. 

Von  Wieland  entlehnt  er  dabei  Grundzüge  für  den  0ha- 


Be 


Frans  Mumker 


raki€<r  üi^itiar  wichtigsten  Personen  und  im  Allgemeinen  den 
lanx  der  Handlung,  auch  öfters  kleinere  Einzelheiten;  aber  in 
Ifielen  Haupt-  und  Nebensachen  hält  er  sich  mehr  oder  we- 
lligt*r  froi  von  ilira,  viel  freier  jedenfalls  als  Fülleborn,  und 
iiiimentlich  bedient  er  sich  nicht  leicht,  wie  dieser  es  so  gerne 
tut,  der  eignen  Worte  seines  epischen  Vorgängers. 

Wllhrand  der  Breslauer  Schriftsteller  seine  Oper  erst  mit 
dem  Schliias  von  VVielands  erstem  Gesang  eröffnet,  fängt  Kntze- 
hue  die  Miirchenhandlung  von  allem  Anfange  an.  Er  führt 
un»  Eunäclist  den  Hof  des  Fürsten  von  Salem  vor  —  an  die 
Stelle  des  Wiekndischen  Seneschalls  tritt  dabei  ein  possenhaft 
gt*«eichneter  Hofmarschall  —  und  unterrichtet  uns  durch  6e- 
flUnge  und  Wechselreden  des  Fürsten  und  seiner  Höflinge  über 
die  Hartnüekigkeit,  mit  der  Vastola  all  die  vielen  Freier  ab- 
weist. Wieland  hatte  charakterisierend  erwähnt,  sein  Märchen- 
kHnig  sei  «sich  Grosspapa  begrössen  zu  hören  eben  noch  nicht 
niÄchtig  lüstern*  gewesen.  Aus  diesem  Satze  greift  Kotzebue 
nur  das  eine  Wort  ^ Grosspapa "  auf,  kehrt  den  Sinn  de^  Ganzen 
aber  geradezu  ins  Gegenteil  um  und  lässt  die  Klagen  seines 
Fürsten  über  die  Sprödigkeit  der  Prinzessin  mehrfach  in  die 
Verse  ausmünden: 

»Poch  die  schöne  Vastola 

Macht  uns  nicht  zum  Grosspapa !** 

worauf  der  Chor   mit   einem   Triller   das  Wort   «Groaspapa!* 
wiederholt. 

Die  Scene  wird  durch  die  Ankündigung  dreier  fremde 
Prinzen  unterbrochen  ^  die  alsbald  mit  den  lacheriichsten  Mb^ 
nieren  auftreten  und  das  Glücke  das  sie  ihrer  künftigen  Briiut 
«tigedneht  haben,  in  komisch  abschreckender  Weise  beschreiben. 
Die  jiüfort  herbeigerufene  Vastola  spricht  jedoch  deutlich  ihren 
Abttcheu  vor  ihnen  und  überhaupt  ihre  Männerfeind^chaft  zu» 
ümi  in  Prosa,  dann  in  einer  konventionell  gereimten  Arie  au& 
ItuMih  getröstet  entfernen  sich  die  exotis^chen  Freier;  der  Ilof 
iibtr  »itimuit  uui*  Befehl  des  Fürst^m  ein  Klagelied  an  Amor« 
i|i»ri  Kchclni,  an«  der  allein  zu  helfi'H  Tcmnöehle  —  endlich  ein- 


Wielantk  ^t^ervonte*'. 


87 


ein  paar  Verae  von  liebenswürdig-munterem  Humor,  die 
^uch  in  der  äussern  Form  nicht  übel  geraten  sind. 

Daran  schliefst  sich  die  Scene  auf  einem  freien  Platz  im 
Walde,  wo  Pervonte  unter  einem  wenig  charakteriötiscben  Selbst- 
g^pnkh  Holz  hackt,  bis  er  die  i>chlafende  Fee  erblickt,  sie 
gegen  die  Sonne  schützt  und  der  Erwachenden  vergnügt  ins 
flcöicht  lacht.  Statt  der  drei  Feen  Wiohinds  führt  uns  Kotze- 
bud  nur  eine  vor;  ihre  Schönheit  bereitet  aber  dem  betrach- 
tenden Tölpel  bei  ihm  das  gleiche  Behagen  wie  bei  seinem 
Vorgänger;  ja  selbst  die  derbe  Äusserung  des  Wielandischen 
Pervonto  Über  die  schlafenden  Frauen  kehrt  in  der  Oper  bei- 
nahe wörtlich  wieder:  , Jammerschade,  dass  das  arme  Ding  da 
wie  ein  Kalb  in  der  Sonne  liegt!'  Die  unbeholfene  Verlegenheit 
ab^^r,  die  bei  Wielanfl  den  Burschen  vor  den  erwachten  Feen 
belillt,  verwandelt  Kotzebue  in  eine  plumpe  Verliebtheit.  Sein 
Pervonte  läast  sich  in  ein  ziemlich  umstiindliches  Gespräch  mit 
4^r  Fee  ein,  rühmt  ihre  Schönheit,  schildert  ihr  seine  eignen 
rien,  ihm  aber  vollauf  genügenden  Verhältnisse,  die  ihn  nichts 
weiter  wünschen  lassen,  und  erntet  dafür  von  ihr  das  wieder 
atark  an  Wielands  Verse  anklingende  Lob:  ,Du  bist  der  wahre 
Philosoph,  ohne  es  zu  wissen;  und  das  sind  heutzutage  die 
besten.''  Na<5h  ihrer  Gabe,  dass  jeder  seiner  laut  ausgespro- 
chenen Wünsche  sogleich  in  Erfüllung  gehn  solle,  fragt  er 
den  Henker;  für  seinen  Dienst  will  er  einen  Kuss.  Er  „tram- 
pelt* auf  die  Fee  zu,  sie  verschwindet  lachend,  und  er  umarmt 
an  ihrer  Statt  einen  Affen.  Missmutig  setzt  er  sich  auf  sein 
Bündel  Holz,  das  er  nun  heimtragen  nmss,  tut  so  den  vom 
Märchen  her  überall  gleichmässig  überlieferten  W^unseh  und 
rutscht  auf  dem  Bündel  davon. 

Wieder  verändert  sich  die  Scene  in  eine  offene  Gegend; 
Vastola  erscheint  mit  ihren  Frauen»  als  eine  zweite  NausikaA 
den  Federball  schlagend,  freilich  unter  höchst  uuhomerischen 
OpereUenge^nngen.  Da  reitet  Pervonte  auf  seinem  Holzbttndel 
herein,  wegen  seiner  Hässlichkeit  von  allen»  zuletzt  am 
sscblimuiston  von  der  Prinzessin  verspottet.  Ähnlich  wie  bei 
Wieland  nennt  sie  ihn  einen  „Wechselbalg''  und  eine  , elende 


88 


Frane  Muncker 


Missgeburt  an  Leib  und  Seele**)  und  erhält  dafür  statt 
derben  Wunsches  mit  den  Zwillingen,  den  von  Bastle  bis  auf 
Fülleborn  alle  Bearbeiter  des  Märchens  festgehalten  hatten^  die 
aus  sittlich-gesellschaftlichcn  Rücksichten  sehr  abgeschwächte,*) 
nur  in  der  Anrede  noch  deutlich  an  Wieland  erinnernde  Ant- 
wort: ^YA  verflucht!  Prinzessin  Jesabel!  so  wollt*  ich  doch 
gleich,  dass  Ihr  Euch  in  mich  verlieben  müsstet  bis  über  beide 
Ohren.*  Mit  der  sofortigen  Erfüllung  dieses  Wunsches,  die  dch 
in  verzückten  Reden  und  Gesängen  Vastolas  kund  gibt,  schliesst 
der  erste  Aufzug. 

Diese  prüde  Milderung  des  Grundmotivs  führt  naturgemäss 
noch  zu  mehr  Änderungen  im  folgenden.  Zunächst  sehen  wir 
die  Freude  des  Fürsten  über  die  Bekehrung  seiner  Tochter  zur 
Liebe  und  den  jähen  Umschlag  dieser  Freude  in  Schmerz  und 
Wut,  als  er  den  mit  Gewalt  an  seinen  Hof  geschleppten  Per- 
vonte  erblickt,  der  selbst  von  der  Liebe  zu  Vastola  nichts  wissen 
will.  Auf  Pumpapumps  Ablehnung  eines  solchen  Schwiegersohns 


*)  pLasät  doch  tlen  Wechöelbalg  Äufneden.  Ilir  seht  ja.  dass  csr 
nicht  einmal  eine  menschliche  Form  hat;  eine  elende  Misageburt  an  Leib 
und  Seele,  taug-t  XAom  ausgestopft  in  ein  Naturalienkabinett/  Wllhrend 
»ich  Kotzebue  aonRt  (/..  B*  gleich  in  dem  folgenden  ^Prinxesnin  Jesab^J*) 
an  den  Text  in  , Wielands  auserlesenen  Qedichten''  (1785}  hielte  acheiiii 
in  Vastolas  Spottrede  neben  den  Worten  dieser  Ausgabe  fast  noch  ein 
Nachhall  aus  der  früheren  Faat^ung  de»  Märcheus  Im  «Toutschen  Merkur* 
niitzuklingen ,  wo  die  Pnnze8,sin  den  vorbeireitenden  Pervonte  »Bären- 
häuter*,  , Vogelschreck*  und  «miasgeschaffnes  Tier*,  aber  nicht  ,Wech«oI- 
balg'  »chimpft,  Oder  sollten  die  Schmähungen  der  Prinzessin  in  dfr 
Oper,  die  das  tiemcbe  Äussere  Pervontes  treffen»  vielmehr  auf  den 
zweiten  Teil  ron  Wielands  Gedicht  weisen»  auf  das  Gespräch  der  baidetti 
Ünglückagenossen  in  dem  schwimmenden  Fasse,  wo  Pervonte  (Äuaerle- 
aene  Gedichte,  Bd.  V,  S.  210j  die  Schimpfwörter  aufzählt,  die  Va^töla 
ihm  einat  zugeworfen:  »Und  hieHMt  mich  Weeh*<e1balg  und  KatiK  und 
Murmeltier,  und  wa*»  vors  Maul  Euch  kam't 

^)  Oder  Sollt«  Kot£ebti<»  ron  sdnem  AufentbaJi  in  Rutialand  her  oiwa 

das  dem    »Pervonte^    entsprechende   ulaviM'ht*    (niftKiHche   und   polnJRcbo) 

färrdM*n  (?ek»nnt  haben V    l!i*'r  fehlt  da»  I^acUen  der  Pririzt'sgin,  und  der 

Fl'  *   nur,  da»»*  «if  mcb  in  ihn  verlieben  m5ge;  der  weitere 

\  nhte   paiwt   freiUch   da«u  nicht  recht.     Vgl  Reinbr»ld 

KOhJer,  lUeiaere  Schrift^,  Bd,  1.  S.  406  (Weimar  18U8K 


atitwortet  die  PrinÄes&iu  mit  trotzigen  Drohungen;  die  Ein- 
wände des  Hofmarschalk  und  des  gegen  ihre  verliebte  Toll- 
heit herbeigenifenen  Leibarztes  vergilt  sie  mit  Schlägen  und 
Püffen  und  läuft  endlich  davon,  ihrem  Pervonte  in  seine  Hütte 
nach.  Hier  sträubt  sich  der  Tölpel  trotz  dem  Zureden  seiner 
Mutter  lange  gegen  ihre  Liebesversicherungen,  gibt  aber  end- 
lich nach,  als  sie  ihm  bestes  Essen  und  Trinken  im  reichsten 
verspricht.  Da  erscheinen  aber  auch  schon  die  Tra- 
banten des  Fürsten,  um  Vastola  mit  dem  Burschen  gefesselt 
an  den  Hof  zurückzuholen. 

Der  dritte  Akt  führt  uns  ans  Ufer  des  Meeren*  In  grösster 
Wut  auf-  und  abgehend,  erwartet  der  Fürst  hier  die  Gefan- 
genen. Da  Vastola  um  keinen  Preis  ihrer  Liebe  entsagen  will, 
lasst  er  sie  mit  dem  jammernden  und  sich  sträubenden  Per- 
vonte in  eine  Tonne  stecken,  aus  der  die  beiden  übrigens  um 
des  komischen  Effekts  willen  mit  den  Köpfen  herausgucken 
aollen,  und  ins  Meer  werfen. 

Die  Scene  verändert  sich  in  eine  wüste  InseL  Auf  ihr 
choint  die  Fee,  erstaunt,  dass  selbst  in  der  Todesgefahr  der 
Dummkopf  seiner  Zaubergabe  nicht  gedenkt,  und  lässt  durch 
Geiarterhilfe  die  Tunne  ans  Land  treiben.  Hier  erst  —  offen- 
bar aus  bühnentechnischen  Gründen,  der  bequemeren  Darstel- 
lung halber  —  erklärt  Pervonte  der  Prinzessin  auf  ihre  ver- 
reiflungsvolle  Frage,  w^oher  ihre  rasende  Liebe  stammt,  und 
Bfreit  sie  auf  ihre  Bitte  durch  seinen  Wunsch  zunächst  von 
dieser  Liebe.  Entzaubert,  beginnt  sie  von  neuem  ihn  zu  schmähen, 
muas  aber  sogleich  wieder  durch  Liebkosungen  (wenn  auch  nicht 
durch  einen  Kuss,  wie  bei  Wielaud)  seine  Bereitwilligkeit  zu 
weiteren  Wünschen  erkaufen.  So  verwandelt  er  das  Faas  in 
eine  bequeme  Gondel,  sich  selbst  in  einen  schönen  Jüngling, 
wünscht  für  sich  einen  kahlen  Baum  am  Ufer  mit  Bretzeln, 
einen  andern  mit  Bratwürsten  behängt  und  für  Vastola  ein 
prachtiges  Schloss  am  Gestade.  Endlich,  nachdem  er  gehörig 
gege^isen,  durch  seine  Wunderkraft  sich  auch  trefflichen  Wein 
herbeigezaubert  und  dann  unter  Vogelgesang  ein  wenig  ge- 
•chlunimert  hat,  wünscht  er  sich  noch  auf  den  Rat  der  Prin- 


90 


Frans  Muneker 


zessin  Verstand*  Alles  andre  war  in  der  Oper  Tiel  rascher  vor 
sich  gegangen  als  hei  Wieland;  nur  bei  diesem  letzten  Wunsche 
zögert  Pervonte  zuerst  ein  wenig.  Dann  aber,  obgleich  VastoU 
meint:  ,Es  braucht  eben  nicht  viel  zu  sein;  das  könnte  mir 
leicht  zu  viel  werden  %  begehrt  er  doch  «recht  viel  und  vom 
besten*  Verstände.  Sofort  verändert  sich  seine  ganze  Haltung 
gegenüber  der  Fürstin;  nun  wirbt  er,  ohne  jedoch  die  Zauber- 
gabe brauchen  zu  wollen,  um  ihre  Liebe,  und  von  ihr  erhört, 
will  er  nur  noch  ,ein  Glück,  das  Liebe  schafft".  Wieder  er- 
scheint die  Fee,  nimmt  die  Wunderkrat't  zurück,  die  den  Glück- 
lichen keinen  Segen  mehr  bringen  kann,  führt  aber  durch  ihre 
Genien  die  Liebenden  in  ihre  Heimat  zurück,  ihren  Elteni 
wieder  zu. 

Der  ganze  zweite  Akt  bringt  keine  unmittelbaren  Anklänge 
an  Wielands  Dichtung,  die  erste  Hälfte  des  dritten  Akts  nur 
sehr  wenige.  Erst  mit  der  Ankunft  des  ungleichen  Paars  an 
der  wüsten  Insel  setzt  die  Ähnlichkeit  mit  dem  Märchen  wie- 
der ein,  zuerst  mehr  in  allgemeiner  Art,  dann  auch  im  ein- 
zelnen, so  bei  dem  Wunsche  der  Bretzeln  und  Bratwürste,  wo 
Kotzebue  einen  von  Wieland  (Auserlesene  Gedichte,  V,  247) 
nur  flüchtig  angedeuteten  Einfall  scenisch  in  aller  Breite 
ausführt,  und  bei  dem  Verlangen  nach  Verstand;  denn  auch 
bei  Wieland  sträubt  sich  Pervonte  zuerst  gegen  diesen  Wunsch, 
um  sich  dann  bewonders  guten  Verstand  von  den  Feen  zu  er- 
bitteUf  und  diese  erhören  ihn 

,mehr  vielleicht,  als  Vastola 
Am  Ende  selber  gerne  sah*. 

)agiagen  weist  der  Schluss  der  Oper  keinerlei  Abimngigkeit 
von  Wieland  auf. 

Wie  sonst  in  seine  Lustspiele,  so  webt  Kotzebue  auch  hier 
allerlei  Satire  ein,  meist  Satire  althergebrachter  Art'  auf  Miintu^ 
und  Frauen,  auf  das  Hof-  und  Geselkchaftsleben,  auf  das  über-^ 
all  herr^ichende  HrotektionKweüen  —  »elbst  duK  Amt  eina» 
Schweinehirten  wird  in  Prrvuntei^  Darf  nach  Gunst»  an  don 
Vetter  des  Scbulxen,  vergehen  (S.  SO  f.)  — ,  nuf  andere  aocimle 


Widanda  „PeroonU"» 


91 


Schäden^  auf  Literatur  und  Theater.  Da  findet  sich»  recht 
Ettfl^rlieb  angebracht,  eine  Anspielung  auf  Zacharias  Werners 
Sonette  (S,  82),  dort  ein  Spottwort  über  ^mystische  Poeten" 
und  ȟbergeschnappte  Philosophen'*  (8.  102).  Dann  wieder 
parodiert  der  Verfasser  geradezu  die  landläufigen  Theaterraa- 
nieren  und  Tlieaterphrasen,  indem  er  Vastola  und  ihren  Vater 
bei  der  grossen  Umarmung  im  zweiten  Akte  (S,  93  f.)  mehr» 
mals  »einige  Schritte  zurücktreten  und  dann  mit  Gravität  auf 
einander  los  gehn*,  sie  dabei  ,Ha,  mein  Vater!*  und  „Ha^ 
meine  Tochter!**  ausrufen,  die  Prinzessin  zuletzt  »Wo  bin  ich?" 
fragen  und  den  Fürsten  ,In  meinem  Studierkabinett "  antworten 
lässt.  Und  ebenso  satirisch  ist  es  wohl  gemeint,  wenn  im  dritten 
Akte  (S.  118)  der  aus  der  Meeresgefalir  gerettete  Pervonte  beim 
Anblick  der  wüsten  Insel  anhebt:  »Tot  bin  ichl  schon  vor  einer 
Stunde  bin  ich  ertrunken  —  folglich  ist  hier  das  Himmelreich 
—  es  sieht  aber  eben  nicht  lustig  hier  aus.  —  He!  Jungfer 
Prinzessin!  seid  Ihr  auch  gestorben?  —  guckt  einmal  heraus, 
wir  sind  im  Himmel  angekommen."  Das  sieht  fast  wie  eine 
beabsichtigte,  aber  freilich  wenig  geglückte  Parodie  auf  Orests 

lonolog  beim  Erwachen  aus  seiner  Betäubung  und  seine  näch- 
Anrede  an  die  Schwester  aus  (Goethes  ^Iphigenie",  UI,  2 
tind  3,  Anfang).  Auch  sonst  fühlt  man  sich  öfters  bei  dieser 
Oper  Kotzebues  versucht,  der  ausserdem  gar  zu  unschmack- 
haften Komik  durch  die  Annahme  parodistischer  Absichten  we- 
nigstens einige  Würze  zu  geben. 

Von  dem  ausgelassen  muntern  Leben  und  der  wirklich 
lustigen  Beweglichkeit,  die  in  den  meisten  Schwanken  und 
Possen  Kotzebues  waltet,  ist  in  seinem  » Pervonte*"  nur  wenig 
zu  spüren:    die  ihm   sonst  geläufigen  und  bei  ihm  stets  thea- 

ralisch   wirksamen  Motive   der  Verkleidungen   und  Verweehs- 
jen  liessen  sich  hier  nicht  anluingen;  ebenso  war  keine  Ge- 
leit zu  einem  verwirrenden  lutriguenspiel  gegeben.    Dazu 
sind  die  Personen  fast  durchweg  Karikaturen  der  schUm  nisten 

krt,  die  Einfälle  gar  zu  plump  und  arm  an  Witz,   die  Komik 

ftusserlich    und    bisweilen    pöbelhaft,    die   Sprache    meist 

l06,  sehr  niedrig,  prosaisch  auch  wo  die  Leute  in  Versen 


92 


Franw  Muncker,   Wielands  ^.Pervonte** 


und  Reimen  sprechen,  der  Dialog  freilich  leicht  und  lebendig. 
Nicht  einmal  besser  gegliedert  und  aufgebaut  als  Ftilleborns 
schwaches  Singspiel  ist  Kotzebues  Oper,  und  geistig  überragt 
sie  jenes  in  keiner  Weise. 

Und  doch  verhalf  ihr  der  Bühneuruhm  ihres  Verfassers 
alsbald  zu  mehreren  Komponisten.  Gleich  in  den  allernächsten 
Jahren  (gegen  1815)  setzte  sie  Kapellmeister  Leopold  Karl 
Reinecke  zu  Dessau,  1817  Peter  Joseph  Lindpaintner  zu 
München  in  Musik.  Lange  hat  sich  freilich  von  diesen  Per- 
vonte-Opern  keine  auf  der  Bühne  erhalten.  Nach  Felix  Cle- 
ment und  Pierre  Larousse  (Dictionnaire  lyrique,  Paris  [1869], 
S.  526)  wurde  zwar  Lindpaintners  Oper  in  Stuttgart  gegen 
1830  gegeben.  Doch  auch  vorausgesetzt^  dass  diese  unl  •  '  U* 
Angabe  auf  Wahrheit  beruht/)  so  verlaut<*t  doch  von  ^n 

Aufführungen  des  Werkes  um  diese  Zeit  und  vollends  später 
so  wenig,  dass  es  unmöglich  einen  grossen  Bühnenerfolg  ge- 
habt haben  kann« 


^)  In  den  Schriften  Clber  dai  Stattgorter  Hoftheriter  im  ii>.  Jtthr- 
hnndert  von  C.  A.  v,  Scbi-viishnon  (1878)  und  Adolf  Palm  (1881J  wird 
Ltndpaintnera  nPervonte*  nicht  erwö^hnt. 


98 


Sitzung  ?oiü  6.  Februar  1904 

Philosophisch-philologische  Klasse. 

Herr  Kbitmbacher  hält  einen  fllr  die  Sitzungsberichte  be- 
stiminten  Vortrag: 

Eine  neue  Hantlschrift  des  Digenis  Akritas. 

Vor  etwa  dreissig  Jahren  wurde  in  Trapezunt  eine  Hand- 
dchrift  des  verschollenen  byzantinischen  Epos  entdeckt,  dessen 
Inhalt  die  Erzählung  der  Taten  des  tapferen  ürenz?erteidigers 
(Akriten)  Digenis  bildet.  Der  historiscLe  Kern  des  Gedichtes 
ist  im  10.  Jalirlmndert  zu  suchen.  Bald  fanden  sich  drei  an- 
dere Handschriften:  in  Grotta  Ferrata,  Oxford  und  auf  Ändros. 
lede  Handschrift  enthiilt  eine  stark  abweicbende  Redaktion  des 
»'^erkes.  Zu  diesen  vier  Handschriften  ko!noit  nun  euio  fünfte, 
in  der  Bibhotfaek  des  Escurial.  Auch  hier  haben  vrir  es  mit 
einer  neuen  Bearbeitung  zu  tun;  sie  ist  am  nächsten  verwandt 
mit  dem  Texte  von  Andres,  steht  aber,  soweit  sich  nach  den 
bis  jetzt  zugänglicheu  Textproben  urteilen  lässt,  hinter  dieser 
wie  den  übrigen  Hedaktionen  an  Reichtum  des  Inhalts  und 
Gediegenheit  der  Form  erheblich  zurück. 


Historißche  Klasse. 

Herr  Prütz  hält  einen  für  die  Sitzungsberichte  bestimmten 
Vortrag; 

Die    exemte    Stellung    des   Hospitaliter-Ordens. 
Ihre  Entwickelung,  ihr  Wesen  und  ihre  Wirkungen. 

Auf  Grund  der  neuenUngs  ei'schlossenen  Schätze  des  ehe- 
maligen   Ordensarchivs   in    Lavaletta   auf  Malta    führt    er    den 


94 


Sitsung  vom  6.  Februar  1904, 


-Nachweis,  dass  die  dem  Orden  durch  die  päpstliche  Kurie  ver- 
liehenen Privilegien  in  ihrer  Gesamtheit  ein  System  von  Ex- 
emtionen darstellen,  durch  das  der  Orden  nicht  bloss  finanziell 
von  aüen  üblichen  Leistungen  an  die  Kirche  befreit»  sondeni 
auch  in  den  Stand  gesetzt  wurde  vermöge  des  Ordensklerikates, 
des  vielfach  geübttin  Kirchenpatronates  und  im  Besitz  der  Si- 
cherheit gegen  die  bischüfliche  Strafgewalt  weite  Kreise  der 
ordentlichen  kirchlichen  Gewalt  zu  entziehen,  indem  er  auch  die 
Massen  der  Affiliierten,  seiner  Dienstleute^  Arbeiter  u.  s.  w.  und 
selbst  nur  geringen  Zins  zahlende  Fremde  zum  Mitgenuss  seiner 
Ausnahmestellung  zuliess.  Ursprünglich  ein  nur  lockerer  Ver- 
band zur  Armen-  und  Krankenpflege,  dem  man  nur  auf  Zeit 
beizutreten  brauchte,  und  damals  namentlich  auf  Aragonien  und 
die  pyrenäische  Halbinsel  gegründet,  von  wo  ihm  zuerst  reiche 
Mittel  zuflössen,  erlangte  er  eine  herrschende  Stellung  durch 
die  Errichtung  von  dem  Haupthause  zu  Jerusalem  untergeorf- 
neten  Hospizen  an  den  für  den  Verkehr  mit  dem  Hl.  Lande 
wichtigsten  Plätzen  Italiens  und  Südfrankreichs.  Indem  ©r  sich 
der  päpstlichen  Autorität  fast  ganz  entzog,  fand  er  allmählich 
Mittel  und  Wege,  sich  mit  ihrer  Hilfe  auch  in  weltlichen 
Dingen  unabhängig  zu  machen  und  durch  die  Erwerbung  der 
Gerichtsbarkeit  und  deren  zuweilen  geradezu  chikanöae  Übung 
in  manchen  Distrikten  eine  Art  von  Herrschaft  zu  usurpieren, 
die  ihm  vielfach  heftige  Feindschaft  zuzog. 


Die  exemte  Stellung  des  Hospitaliter- Ordens, 

Ihre  Entwiokeluag»  ihr  Wesan  und  ihr«  Wirkuiig«ik 
Von  H,  Pmtz, 

(Vorgetragen  in  der  hialoriBchen  Klaeee  am  6.  Febraar  1904.) 

In  der  Geschichte  der  geistlichen  Ritterorden  ist  eine  Seite 
llbiBher  ohne  die  gebührende  Beachtung  geblieben,  obgleich  sie 
die  historische  Wilrdigang  dieser  merkwürdigen  Bildungen 
anders  lehrreich  ist  und  ihr  neue  Gesichtspunkte  erschliesst. 
"Nur  bei  der  Vorgeschichte  des  Untergang<3S  des  Teruplerordens 
ist  sie  wiederholt  gestreift,  hat  aber  da  bei  der  Lückenhaftig- 
keit  der  Überlieferung  nicht  in  befriedigender  Weise  erledigt 
werden  können.  Weit  bedeutender  aber,  als  man  bisher  annehmen 
.  konnte,  erscheint  nach  neuerdings  erschlossenen,  ebenso  um- 
fiinglichen  wie  wertvollen  Quellen materiaiien  der  Anteil  der 
geistlichen  Ritterorden  an  der  Vorbereitung  und  Herbeiführung 
des  Zersetzungsprozesses,  der  seit  dem  Ende  des  zwölften  Jahr- 
hunderts in  den  kirchlichen  und  staatlichen,  gesellschaftlichen 
und  wirtschaftlichen  Verhältnissen  des  Abendlandes  die  Grund- 
lagen der  mittelalterlichen  Ordnung  auflöste  und  allmählich 
aden  neuen  Lebensformen  Licht  und  Luft  zu  freier  Ent- 
Ifatog  YerschaÖle. 

Hatte  der  Gedanke,  dem  diese  grossen  ritterlich -mön- 
aen  Genossenschaftun  entsprangen,  von  den  geistigen  und 
lieben  Triebkräften,  welche  die  Entfaltung  der  mittehilter- 
lichen  Kultur  vornehmlich  bestimmten,  zwei  der  stärksten 
und  fruchtbarstea  zusammengefasst  und  ^r  einige  Menschen- 


96 


H,  Pnäs 


alter  zu  gemeinsamem  und  daher  unvergleichlich  machtvollem 
iifitl  erfolgreichem  Wirken  verbunden,  so  war  es  doch  nicht 
iriüglich,  den  Gegensatz,  der  ihrem  We^en  nach  nun  einmal 
zwischen  diesen  bestand,  wirklich  auszugleichen  oder  auf  die 
Dauer  unschädlich  zu  machen  und  so  die  Konflikte  abzuwenden, 
in  welche  die  Orden  vermuge  ihrur  Doppelnatur  mit  den  ihnen 
verwandten,  aber  doch  auch  wieder  mit  ihnen  konkurrierenden 
Gewalten  geraten  mussten. 

Seitdem  der  besondere  Beruf»  für  den  diese  Orden  in 
einer  Zeit  hochgehender  kirchlicher  und  ritterlicher  Begeiste- 
rung geächatFon  und  dem  ihre  Institutionen  mit  grossem 
Geschick  angepasst  waren,  ohne  darum  die  znr  Einfügung 
auch  in  andere  Verhältnisse  unentbehrliche  Dehnbarkeit  einzu- 
bü&sen,  durch  den  Zusammenbruch  der  christlichen  Herrschaft 
in  dem  heiligen  Lande  unerfiillbar  geworden  war,  büssten  sie 
die  sittliche  Bads  und  die  ideelle  Berechtigung  ein,  welche 
sie  früher  2U  allgemein  gefeierten  Trägem  einer  unwider- 
stehlichen geistigen  Strömung  erhoben  hatten.  Hinfort  log 
die  Gefahr  nur  allzu  nahe,  dass  sie  vermöge  der  bevorzugten 
Ausnahmestellung,  die  um  jenes  ursprünglichen  Benifos  willen 
Kirche  und  Staat  ihnen  wetteifernd  eingeräumt  hatten,  weniger 
berechtigte,  mehr  oder  minder  selhstsQchtige  Ziele  erstrebten 
und  ihre  kin^hlichen  und  weltlichen  Voireelite  und  Fnnheiten 
in  den  Dienst  aafeclttbarer  Sonderinteras«  stellten.  Waren 
sie  doeh  in  der  glClcktielieii  Luge,  diese  eolspreeliend  ihrer 
DoppabAtttr  hM  mit  geistlidieii^  bmld  mit  welilkliai  Waffen 
wirbun  fördere  n  kSmmi,  Der  Kirdia,  die  ae  de  bevor* 
tilgte  Lieblinge  ^eiehmn  veriÄbdidl  halte,  eotwueboeii  se 
mfyignimaM  je  linger  je  mebr  md  iiwkm  ikr  im  Gefllhl  der 
ikmm,  irieUiidi  vwlirMlIeB  DwdihiMgiigfriil  tind  tlirar  TvaMOi^ 
Udien  UiMDlbelirlidikcit  gelegwUidi  mit  htrmmtimimminä 
Dbermitl  und  sogar  k  Mlbaer  AufMumsg  eolgegeii.  Auf  der 
madefen  Seil«  «mnliii  sie  durdi  den  [iljorniHrigm  Auebra  der 
Mli  eriaiigUo  SoodiffaliUatig  ubeqwntf  O^gMr  da-  mA  mU* 


and  m 


iogar  «m 


Hiadan»  Ar 


Die  exiwtt  Stellung  des  Hospüdliter'Ordens, 


97 


AbsclUuss.  Indem  sie  auf  der  einen  Seite  die  ohnehin  schon 
erschütterte  Ordnung  der  Kirche,  wo  sie  ihnen  unbequem 
wurde^  rücksichtsios  durchbrachen,  stemmten  sie  sich  auf  der 
anderen  dem  erstarkenden  Fürsten fcnm  entgegen  und  suchten 
die  straffere  Anziehung  der  staatlichen  Verbände  bald  auf 
Umwegen,  bald  in  direktem  Widerstand  zu  hindern.  So 
mochten  sie  sich  hier  wie  dort  unversühnliche  Feinde,  deren 
Zusammenwirken  sie  schliesslich  erliegen  musstan. 

Mag  auch  das  ebenso  fesselnde  wie  schwierige  Problem, 
das  in  dem  Untergange  des  Tempelhermordens  vorliegt,  noch 
immer  nicht  als  ohne  jeden  liest  gelöst  gelten  können:  auch 
diejenigen,  die  in  der  Frage  nach  der  Schuld  des  Ordens  ent- 
gegengesetzte Standpunkte  einnehmen,  werden  dariiber  einig 
sein,  dass  die  Katastrophe  der  stolzen  Genossenschaft,  auch 
wenn  die  gegen  sie  erhobenen  Anklagen  ganz  oder  nur  zu 
einem  Teil  unbegi^ündet  gewesen  sein  sollten,  doch  überhaupt 
veranlasst  worden  ist  durch  die  Feindschaft,  die  sie  bei  den 
Bischöfen  und  Geistlichen  gegen  sich  erzeugt  hatte,  und  durch 
den  Gegensatz,  in  den  ihr  Machtstreben  sie  auch  zu  dem 
Fürstentum  bringen  musste,  als  dieses  anfing  sich  seines  Berufes 
iiod  Hechtes  bewusst  zu  werden.  Dem  Zusammenwirken  dieser 
beiden  Mächte,  gegen  die  sie  in  der  öffentlichen  Meinung 
l&ngst  den  Rückhalt  verloren  hatten,  erlagen  die  Tempelherrn, 
indem  nach  den  einen  bei  ihnen  eingerissene,  bisher  aber  ge- 
duldete Irrtümer  und  Missbräuche  plötzlich  als  Handhabe 
gegen  sie  benutzt,  nach  den  anderen  aber  sie  in  ein  raffi- 
niertes Lügengewebe  verstrickt  und  schuldlos  durch  rohe  Ver- 
gewaltigung zu  Fall  gebracht  wurden. 

Nach  der  anderen  Seite  hin  finden  wir  das  kirchlich- 
politische Problem,  das  in  den  geistlichen  Ritterorden  gestellt 
war,  entwickelt  in  der  Geschichte  des  Deutschen  Ordens.  Es 
bat  ©ine  Zeit  gegeben,  wo  dieser  von  geistlicher  und  welt- 
tichejr  Seite  ebenso  heftig  wie  die  Tempelherrn  angefeindet 
und  in  ühnlicher  Weise  verdachtigt  wurde,  ja,  sich  unter 
dem  V'orwand  einer  Reform  von  dem  gleichen  Verfahren 
bedroht  sah,    während  diese  Angriffe  tatsächlich  seiner  kirch- 

t«04.  Sttigab.  d.  |iJiaoi.'pliiIoL  iL  d.  bkt  KL  7 


n,  Pruti 


liehen  Ausnahnjestellutig  und  stolzen  weltlichen  Macht  galten. 
Doch  gelang  es  ihm,  diese  siegreich  abzuwehren,  weil  er  da/> 
Glück  hiitte,  flureli  die  Einchtunt^  eines  Onlensstn/iles  den 
Konflikt  mit  den  konkurrierenden  Gewalten  des  Königtums 
und  des  Bi^itums  auszuschliessen  und  unter  Wahrung  seines 
geistlichen  Wesens  doch  auch  das  damit  verbundene  weltlieh- 
ritterliche  weiter  auszubilden  und  bis  in  die  letzten  Konse- 
ijuenzen  IbljL^erichtig  zu  entwickeln.  Schliesslich  aber  ist  er 
doch  zu  Grunde  gegangen,  weil  er  im  Widerspruch  mit  der 
hohen  staatsmännischen  Einsicht,  die  er  in  seiner  grossen  Zeit 
betätigt  hatte,  sich  eigensinnig  der  erstarkenden  populären 
Strömung  entgegenstemmte,  die  seit  dem  14,  Jahrhundert  infolge 
groHser  wirtschaftlicher  und  gesellschaftlicher  Wandelungen 
auch  die  Masse  der  Bürger  und  Bauern  einen  ihrer  Belastung 
entsprechenden  Anteil  an  den  öffentlichen  Angelegenheiten 
immer  dringender  fordern  Hess:  die  «iudurch  heraufbeschworene 
Kebellion  seiner  Untertanen  hat  den  Ordensstaat  schlieaslich 
2U  Fall  gebracht. 

Einfacher  und  daher  weniger  gewaltsam  wurde  der  hier 
?on  Anfang  an  vorliegende  Widerspruch  gelöst  bei  den  mehr 
national  und  territorial  gebundenen  geistliehen  Ritterorden,  die 
in  der  pTreniiisehen  Halbinsel  als  TrUger  de»  dauernden  Kampfes 
gegen  die  Ungläubigen  zu  ähnlicher  Macht  und  Bedeutung  auf- 
stiegen. Ourch  sein  Bündnis  mit  dem  Bürgertum  der  StÄdte 
von  den  feudalen  Schranken  gelöst,  war  das  Königtum  dort 
gegt^n  Ausgang  des  Mittelalters  stark  genugi  um  die  Orden 
ton  Calatrava,  Aleantara  und  S.  Jago,  die  ihm  1  Isr- 

lieh    werden   können,    unschädlich    und   schliesbh-    „:i.*n 

reichen  finanziellen  und  militärischen  Mitteln  sich  dienstbar  zu 
machen,  indem  der  TriigtT  der  Krone  s^Wysi  m  ihre  Spitze 
Imt   und  das  Meistertum  ein   fiSr  allemal   mit  der  K"---'''*heo 

'Herrschaft  vertHnigt^.    Nicht  gan«  so  rudiknl,  aber  v  av^ 

Wirkung  war  das  Verfahren,  das   lonn  in  Portugal  anwaiidiet 

^nb   bei   fier    Auflöaung    de«   Tempellierniortleiis    di*ssni    dort 
intRdier  Zwmg  tu»  CShriütiisiifdaii  nig«rt«liei  wurde.    Kur 
loy  etD#   Ntuening  dbibd   inaoftni   nielil   vor«   da   mich  der 


Die  exemte  Stellung  da  Hüspitalüer-Oräens. 


09 


Tempelhermorden  dort  dem  Staat  gegenüber  sich  keineswegs 
der  Unabhängigkeit  erfreut  hatte,  wie  anderwärts.  Der  portu- 
giesische Provinzialmeister  durfte  nur  mit  Zu»timinyng  des 
K5nigs  gewählt  werden;  der  Gewfihlte  inusste  dem  Könige 
Treue  schwören  und  dem  Thronerben  huldigen.  War  er  ein 
Fremder,  so  muHste  er  die  Königliche  Bestätigung  einholen, 
bevor  er  das  Land  betreten  durfte.  Ebenso  durfte  er  es  ohne 
Königliche  Erlaubnis  nicht  verlassen,  ausser  zum  Kampfe  gegen 
die  Ungläubigen.  Die  portugiesischen  Tempelherrn  waren 
durchaus  Königliche  Loliensleute  und  hatten  alle  Pflichten  zu 
erfüllen,  die  solchen  oblagen.  Wenn  Alexanders  III.  grosser 
Freibrief  Orane  datura  Optimum  vom  18.  Juni  1163  den  Rittern 
dieses  Ordens  die  Leistung  von  Lehens-  und  Treueiden  verbot, 
so  hat  er  jedenfalls  in  diesem  Punkte  in  Portugal  niemals 
Geltung  gehabt*  Selbst  das  Aufnahmerecfat  des  Ordens  war 
dort  beschränkt;  nur  Portugiesen  durften  den  Mantel  mit  dem 
roten  Kreuz  erhalten,  Ordensbesitzungen  durften  nicht  ohne 
Königliche  Zustmimung  veräussert  werden  und  selbst  Zuwen- 
dungen aus  Ordensmitteln  an  das  Haupthaus  zu  Jerusalem 
mussten  vom  König  gutgeheissen  werden.  Wenn  der  Orden 
seine  Pflicht  zum  Kampf  gegen  die  Ungläubigen  vernach- 
lissigte,  war  der  König  befugt,  über  seine  Güter  anderweitig 
zu  verfögen.*) 

Auch  der  Orden  vom  Hospital  Johannes  des  Täufers  zu 
Jerusalem  hat  vielfache  Anfeindungen  erfahren.  Sowohl  mit 
den  staatlichen  wie  namentlich  den  kirchlichen  Autoritäten 
hat  es  ihm  an  wiederholten  ernstlichen  Konflikten  nicht  gefehlt. 
Dennoch  hat  er  eine  Katastrophe,  wie  sie  den  Tempelherrn- 
ordeo  ajerschmetterte,  glücklich  vermieden.  Andererseits  frei- 
lieh  hat  er  auch  nicht  entfernt  die  grosse  geschichtliche  Rolle 
^-spielt,  y.u  welcher  der  Deutsche  Orden  «Is  Staatsgründer  und 
pmicber  berufen  wurde.  Durch  eine  eigentümliche  Verkettung 
der  Umätande  hat  er  zugleich  mit  dem  Beruf,  für  den  er  einst 


*)   Prutz,   Entwickelung  und   Untergang   des   Tempelherrn ordent. 
Berlin  1ÖÖ8.    S,  59. 

7» 


100 


F,  Pruii 


urrichfcet  war,  die  Form  und  die  Verfassung,  durch  die  er  xu 
seiner  Erfüllung  hatte  befähigt  werden  sollen,  bis  tief  in  die 
modernen  Zeiten  hinein  bewahren  können,  mochte  er  diesen 
iiuch  itls  Vertreter  einer  längst  entschwundenen  Epoche  wie 
ein  sonderbarer  Fremdling  erscheinen,  um  schliesslich  recht 
kläglich  zu  Grunde  zu  gehen.  Als  eine  gefallene  GrösHe  sich 
zu  überleben,  ist  sein  Schicksal  gewesen.  Indem  er  das  ihm 
einst  aufgeprägte  Wesen  auch  in  der  so  ganz  anders  gewor- 
denen Welt  noch  anspruchsvoll  zu  vertreten  suchte  und  dazu 
veraltete  Formen  mit  dem  trügorischen  Schein  einer  der  grossen 
Vergangenheit  entsprechenden  Existenz  zu  unikleiden  strebte, 
wurde  er  schliesslich  zu  einem  Zerrbilde  seiner  selbst.  Der 
Kampf  gegen  die  Ungläubigen,  den  er  von  Malta  aus  doch 
eigentlich  nur  gegen  die  nord afrikanischen  Seeräuber  llUhrte^ 
war  tatsächlich  nicht  viel  mehr  als  ein  legalisierter  Seeraub 
und  trug  diesen  Charakter  vollends  nnverhiillt  an  sich,  wenn 
er  gelegentlich  gegen  die  ketzerischen  Kaui'leute  der  nieder* 
iiindischen  und  hanseschen  Städte  unternommen  wurde. 

Der  historischen  Forschung  aber  ist  aus  diesem  ihm  be- 
schiedenon  Schicksal  insofern  reicher  Gewinn  erwachsen,  als 
seine  Fortdauer  bis  m  unsere  Tage  dazu  beigetragen  hat,  von 
den  auf  seine  Vergangenheit  bezüglichen  Urkunden  eine  ganz 
erstaunlich  reiche  Fülle  zu  erhalten.  Ursprünglich  hat  der 
Orden  sein  Archiv  natürlich  in  dem  Haupthause  zu  Jerusalem 
aufbewahrt.  Nach  dem  Verlust  der  heiligen  Stadt  1187  wurde 
08  nach  Margat  Übertragen,  der  gewaltigen  Veste,  die  der  Orden 
in  einem  11^*1  erworbenen  Gebiet  im  Fürstentum  Antiochien 
aufführte  und  die  auf  unstugiinglicher  Bergeshöh  thronend  der 
Mittelpunkt  wurde  für  die  Anfange  einer  Art  von  Ordensstaat 
dort  im  Norden  Syri<»is.*)  Als  abisr  auch  dieser  Platz  keina 
Sicherheit  mehr  gewälirte,  wurde  es  in  dem  Haupthause  zu 
Aocon  geborgen.  So  viel  von  seinem  Bostando  bei  dem  Falle 
dieser  Fei»tsang  und  der  tlberfitbruog  erst  naoh  Cypem  (1290) 
und  dann  1307   nach  Uhodos  im  Stich  gelassen   odor  in  der 


^)  FraU*  Knlturgwihifihie  dar  KrtnaaUgt  8,  :Ma. 


DU  exemU  äteliui^  'd/ß  bospifaHUr-Orden». 


101 


Folge  auf  andere  Weise  verloren  gegangto -sein  nia^:  ätch 
hir^t  das  ehemalige  Oi'densarchiv  in  Lavaletta  auf  Malta*  m 
dem  jetzt  von  dem  englischen  Gouverneur  bewohnten  Hoch- 
meisterpalast  erstaunliche  Schätze,   die    für  die  Geschichte  des 

►Zeitalters  der  Kreuzzüge  nach  jeder  Richtung  hin  die  reichste 
Atisbeute  gewähren.  Nachdem  zuerst  Karl  Hopf  aus  Anlass 
mner  Forschungen  zur  (xeschichte  Griechenlands  im  Mittel- 
Alter  davon  Kunde  gegeben*)  und  namentlich  auch  auf  die 
kostbaren  Reste  hingewiesen  hatte,  die  zugleich  mit  den  Gütern 
der  Tempelheixn  aus  deren  einstigem  Archiv  an  die  Hospitaliter 
gekommen  und  eben  dort  aufbewahrt  sind,  habe  ich  zunächst 
die-se  letzteren,  soweit  es  bei  beschränkter  Zeit  und  beschränkten 

IMittfdn    möglich    war,    zu    heben    versucht^)     Als    eigentliche 
Lebensaufgabe  aber   hat  wiedernra  ein  Franzose,   Delaville  Le 
Roulx,  die  Erforschung  des  Ordensarchives  in  Lavaletta  erwählt 
und    von    dem    dort    gewonnenen   Urkundenmaterial    aus    allen 
luren  nachgehend  und  räumlich  immer  weiter  um  sieh  greifend» 
unternommen,    die  Ge^samtbeit   der   auf   die  Geschichte    des 
Ordens  bezüglichen  Urkunden  bis  zum  Jahre  1310  zusammen- 
nbringen   und  in   einer  dem  heutigen  Stande   der  Diplomatik 
Htspreeh enden  Gestalt  der  Wissenschaft  zugänglich  zu  machen. 
Da   der   Orden    vermöge   seiner    Organisation    auch   späterhin 

Idas  ganze  Abendland  umfasste  und  in  den  Haupthäusern  oder 
Prioreien  der  einzelnen  Provinzen  nicht  blos  die  auf  deren 
besondere  Verhältnisse  bezüglichen  Urkunden,  sondern  auch 
diejenigen  in  beglaubigten  Kopien  vorhanden  sein  mussten,  die 
sich  auf  die  allgemeinen  Ordensprivilegien  bezogen,  so  gibt  es 
unter  den  grösseren  Staatsarchiven  Europas  kaum  eines,  das 
nicht  Hospitaliterurkunden  enthielte  und  zu  der  von  Delaville 
Le  Rouli  unternommenen  Sammhmg  beigetragen  hätte.  Von 
dieser,  dem  Cartulaire  general  de  POrdre  des  Hospita- 
liers  de  S.Jean  de  Ji^rusalera  (1100—1:110)  liegen  bisher 
drei    mrichtige   Foliobände    vor.     Die   darin    enthaltenen    etwa 

*)  MonaUb.  d.  Berlioer  Akademie  1864,  S.  20i  u.  £ 
*)  Prot 55,   MalteH^r   Urkunden    und   Rege«ten    tnt  üeachicbt«?   der 
Tempelherrn  and  Johanniter.    München   1889. 


j«a 


•^5^,  U^nden  'und  Hegesten,  ron  denen  nahezu  ein  Drittel 
^•;#  ;bi*4K«¥i*'tfberlmiipt  nicht  oder  doch  nur  dem  ungefähren  Inhalt 
nach  bekannt  war»  stellen  die  wertvollste  Bereicherung  dar, 
welche  die  Geschichte  der  Kreuzzngszeit  in  unseren  Tagen 
erfahren  hat.  Sie  betreffen  alle  Verhältnisse  des  Ordens  bis 
1800,  die  allgemeinen  so  gut  wie  die  der  einzelnen  Prioreien, 
«eine  kirchliche  Stellung  so  gut  wie  seine  Beziehungen  «ir 
Stnatsautorität  in  den  verschiedenen  Ländern,  seine  Besitzungen 
und  Gerechtsame,  seine  Regel  und  seinen  Brauch,  seine  Mit- 
glieder so  gut  wie  seinen  Anteil  an  den  Weltbändeln  in  Krieg 
und  Frieden,  seine  militärischen  und  seine  gelegentlich  recht 
bedeutenden  finanziellen  Unternehmungen,  die  Bewirtschaftung 
seiner  Güter  und  Liegenschaften  namentlich  im  heiligen  Lande 
und  seine  Tätigkeit  in  Handel  und  Seefahrt.  Noch  lange  wird 
die  £inzelfor8chung  zu  tun  haben,  um  die  Fülle  des  hier 
gehoionen  Neuen  zu  durchdringen,  zu  sichten  und  für  die 
einzelneil  Gebiete  wissenschaftlich   eu  vorwerten. 

Einen  Beitrag  dazu  bieten  die  nachfolgenden  Studien  2ur 
Qüohichtf^  des  Hospitaliterordens:  sie  eröffnen  zugleich  einige 
Itööe  Ausblicke  auf  allgemeine  Verhältniss<^  und  lassen  ein  über- 
raachendös  Licht  fallen  auf  die  Bedeutung,  welche  die  geist- 
lichen Kitterorden  überhaupt  für  die  allmähliche  Auflösung 
der  nn'ttelalterlichen  Kirchen-  und  Staatsordnung  erlaugt  haben. 


Stellt  man  die  General-  und  Sperialprivilegien,  die  i»m 
llanpitalitiTorden  in  den  i^twu  200  Jahren,  die  der  Schwerpunkt 
seines  Wirkens  erst  tatsächlicli  und  dann  angeblich  im  Osten 
lag,  dareh  die  vielfacli  als  übertrieben  augvfttcJit^fne*)  Ounjt 
der  r5iniscben  Kurie  verli«>hon  wurden ,  nach  Kategorien  zu- 
aainmen,  an  ergibt  dch  ein  fnat  in  sich  geseKlossenes  System 
füQ  Exemtionen,  durch  da$  der  OHkn  d«r  Einwirkung  der 

«)  Otfteliar«  a.  nm  (11,  8.  im  iMMTlii  Ui^ffor  IX.  in  mmBa  Krta« 
iNMn  SIS.  A|tid  ISM.  viele  lieliaitT»!«*»  Wiw  »nMiUi^t  lu^.  tmiftln  fftv..ro   otifl 
vobii  üniM&iien*  imw 


Die  exemte  Stellung  des  HospitaHter-Ordena, 


103 


kirchlichen  Autorität<?ii  so  gut  wie  entzogen  war,  und  zwar 
nicht  blos  die  eigentlichen  Ordensbrüder,  sondern  auch  die  ihm 
ab  Oblaten,  Donaten  oder  Konfratres  nur  locker  Affiliirten, 
ja  sogar  die  ihm  irgendwie  zu  Dienst  oder  Zins  yerpSichteten 
Leute  und  selbst  die  als  Konsorores  ihm  beigeordneten  Frauen: 
ai^  alle  konnten  eigentlich  nur  von  dem  Papste  sei  bat  oder 
auf  gmnd  einer  von  ihm  filr  den  ausdrücklich  genannten  be- 
80o4eren  Fall  erteilten  äpeziellen  Yollinacht  mit  kirchlichen 
Zenairen  belegt  werden. 

Diese  kirchenrechtliche  Anomalie  wird  dadurch  nicht  weniger 
auaseiordentlich  und  folgenreich,  djxss  sowohl  der  Tempelherrn- 
erden  als  der  Deutsche  Orden  ^)  sich  der  gleichen  Ausnahme- 
Stellung  erfreute.  Leider  entziehen  sich  nicht  nur  die  Motive, 
welche  diese  Ounstverleihungen  veranlassten,  sondern  auch  die 
Absichten,  die  damit  verfolgt  wurden,  unserer  Kenntnis.  Denn 
wenn  auch  die  Angabe  eines  wohl  unterrichteten  Zeitgenossen, 
^ier  Kardinalkauzler  Rohmd  habe  neben  den  Mailändern  dem 
Hospitttliterorden  und  dem  König  von  Sizilien  die  Geldmittel 
zu  verdanken  gehabt,  die  ihm  ermüglichten,  als  Alexander  HL 
die  Tiara  zu  gewinnen  und  zu  behaupten,  begründet  ist*)  und 
die  außerordentliche  Gunst  erklären  kann,  die  gerade  dieser 
Nachfolger  Petri  dem  Orden  erwies,  und  wenn  man  das  Gleiche 
gleiten  lassen  will  von  der  von  eben  diesem  Gewährsmann  dabei 
gegen  denselben  Papst  erhobenen  Anklage,  für  die  den  Hospi- 
tal item  erteilten  Dispense,  die  auf  eine  Auflösung  des  Kirchen- 
regiments hinausgelaufen  seien,  habe  er  persönlich  grosse  Summen 
von    ilinen   erhalten,^)  so   ist   doch  die  enge  Verbindung  des 

')  Am  9.  Januar  1221  verlieh  Honorina  Hl,  sumraariseb  dem  Deutachen 
Orden  alle  bisher  den  Hoapitalitern   und  Tempel hpiTii    gewährten  Frei- 
sten: Htrehlke,  Tabulae  ordiiiia  Thevitooici  n.  »09  (S.  281). 

^J  G erhöh  Reicheraperg.  de  invctaiigatione  Antichristi  (Archiv  f. 

Rttnde  Österreich.  Geschichtflqnellen  20,  S.  170):  . .  ,  .  ,  Alexandrum,  qui 

et  ipic  argontum  Hospitalenffiam,  ut  pal  am  est,  argentutn  quoque 

et   MediolaueoBiam,  ut    imperiutu    couqueritur   ac   publica   fama 

|uiiur,  8ut)«^r  imliciis  et  cau  iaaticiB  cum  cet^ris  ucceperit  etc. 

^)  Ebd.  .  .  tUesiaaroa  ab  \l  üibu»  pro  diapeiiBatioue,  irania 

vero  dissipatione  eccleaiaatici  regimliiia  acceptos  ip«e  poaiddet 


104 


H,  PnUi 


Ordens  mit  der  römischen  Kurie  älteren  Ursprungs.  Das  fÖr 
seine  Entwickelung  wichtigste  Privileg,  das  ihn  von  der  bischof- 
lichen Gewalt  so  gut  wie  unabhängig  machte  und  von  dem  de? 
Gerboh  von  Reichersperg  Bedauern  über  seine  für  die  Kirchen- 
zucht nachteiHgen  Wirkungen  besonders  gelten  konnte,  ver- 
dankt er  bereits  Anastasius  IV.,  während  es  die  von  Alexander  IE. 
so  ausserordentlich  bevorzugten  Tempelherren  erst  acht  Jaire 
später  erhielten.  Als  selbstverständlich  aber  wird  angenoniTjen 
werden  können,  dass  solche  Ziigeständnisse,  die  dem  Orden  Auch 
der  Kurie  gegenüber  frühzeitig  eine  Htellung  verschaffteil,  auf 
der  fussend  er  immer  neue  ertrotzen  konnte,  gewährt  würden^ 
um  ihn  auf  das  Engste  an  das  Papsttum  zu  fesseln  und  mit 
seinen  weitverzweigten  Verbindungen,  seinem  moraliscien  Ein- 
fluss  und  fUr  gewisse  Fälle  auch  seinen  reichen  finanziellen  und 
militärischen  Mitteln  diesem  dienstbar  zu  machen.  Freih'ch 
wird  auch  zugegeben  werden  müssen,  dass  der  Gebrauch,  den 
der  Orden  von  dieser  Ausnohmestellung  machte,  für  die  Kurie 
gelegentlich  eine  unangenehme  Enttäuschung  bedeutete.  Sie 
musste  diese  um  so  lästiger  empfinden,  als  einige  der  dem 
Orden  besonders  geneigten  Päpste  sogar  Bestimmungen  ti*aten, 
durch  die  sie  sich  und  ihren  Nachfolgern  selbst  gegenüber 
einem  Missbrauch  seiner  Vorrechte  durch  den  Orden  die  Ilände 
banden^  so  dass  ein  Einschreiten  kaum  noch  möglich  war  ohne 
die  unfehlbare  Autorität  des  römischen  Bischofs  mit  sich  selbst 
in  Widerspruch  zu  bringen.  *) 

Diese  beiden  Momente,  die  wie  in  der  Geschichte  der  geist- 
lichen Ritterorden  überhaupt,  so  namentlich  auch  in  der  der 
Hospitaliter  teils  zusammen-,  teils  einander  entgegen  wirkten  ^ 
in  der  Art  ihrer  Betätigung  völlig  klar  zu  legen,  fehlen  uns 
leider  auch  heute  noch  die  Mittel.  Wohl  aber  darf  jetzt  auf 
einige  bisher  unbekannte  oder  nicht  gebührend  gewürdigte  Um- 


*)  Vorgl.  t,  ß.  Innocen»  [\L  öe«cheid  vom  ÖL  Jnnuar  1207  auf  doa 
Patriarchen  von  Jcnioüeni  Aufra^o  betreffend  il^n  Schvitz,  den  die  Ilitter- 
onleri  iiti  1    Lüiidti  Üb<*ltateni 

eine  Eni  ;4  ab»  ue  for^aii  ini 

ßoutmiret.   Oartubkir«  nu.  124i>  (U*  8.  Üd). 


Die  €xemte  Stellung  des  HospUalüer-Ordens, 


105 


itände  hiDgewiesen  werden,  die  bestimmend  auf  sie  eingewirkt 
haben  und  die  Keime  zu  ungewöhnlichen  RiHungen  spiiterer 
Zeit  bereits  überraschend  früh  als  vorhanden  erkennen  hissen. 
Die  anfängliche  Enhwickelung  des  Hospitaliterordens  steht 
zu  der  der  bedeutendsten  gleichartigen  Genossenschaften  zu- 
nächst insofern  in  einem  Clegensatz,  als  jene,  namentlich  der 
Orden  der  Tempelherrn  und  der  der  deutschen  Ritter  zu  S.  Marien, 
früh  fest  in  sich  abgeschlossen,  Yon  einem  bestimmten  iSitz  ans, 
der  auch  in  der  Folge  ihr  Zentrum  blieb,  mit  dem  Wachstum 
ihres  Besitzes  durch  Erwerbung  weitab  und  zerstreut  liegender 
Güter  sich  ei'st  allmählich  mit  ihren  Interessen  und  Einfluss- 
kreis Ober  grössere  Gebiete  ausdehnten.  Das  Hospital  Johannes 
des  Täufers  dagegen  verdankt  seine  Bedeutung  dem  Umstände, 
dass  es  sich  gleich  anfangs  auf  eine  grössere  Anzahl  weit  von 
einander  entfernt  liegender  Punkte?  stützen  konnte,  und  erst 
im  Laufe  ungefähr  eines  Menschenalters  hat  es  seine  räumlich 
grosse  Dimensionen  umfassende  Organisation  zu  einem  wirk- 
lichen Orden  angezogen  und  zusammengeschlossen.  Gerade  über 
diesen  Punkt  verbreiten  die  durch  Delaville  Le  Rouli  veröflent- 
lichten  Urkunden  willkommenes  neues  Licht:  was  von  den 
Ajitangen  des  Ordens  gemeinhin  berichtet  wird,  erscheint  dar- 
nach vollends  legendarisch. 

Bekanntlich  bringt  die  Tradition  den  Ursprung  des  Ordens 
in  Verbindung  mit  der  alteren  Stiftung  eines  reichen  Bürgers 
von  Amalfi,  Pantaleon  Mauro,  der  wie  schon  früher  iu  Anti- 
schien  so  in  Jerusalem  selbst  auf  einem  ihm  von  dem  Khalifen 
Mostansir  Billah  eingerüumten  Grundstück  in  dem  Christen- 
viertel das  Kloster  S,  Maria  Latina  mit  einer  Pilgeiherberge 
errichtete.  Nach  dem  ersten  Kreuzzug  sollen  dann  neun  edle 
Jünglinge  unter  einem  Oberen  Gerard  zur  Pflege  der  Pilger 
und  Kranken  in  der  heiligen  Stadt  zusammengetreten  sein  und 
sich  in  der  Nachbarschaft  jener  älteren  Stiftung  niedergelassen 
&n.*)  Dies  räumliche  Zusammentreffen  scheint  den  Anlass 
^gebeo    zu   haben,    dass   man    die   beiden   Stiftungen    in    der 


*i  VergL  Hejd,  Geachichte  des  LevaiitehiindeU  [,  S.  115     U7. 


106 


m  BruiM 


Überlieferung!  die  der  Orden  freilich  niemals  bat  gelten  lassea, 
als  xusanniien gehörig  darstellte.  Nun  wird  aber  in  den  hier 
in  Betracht  kam  inenden  ältesten  Ordensurkunden  jenes  Anialfi- 
tanerhospitals  in  Jerusalem  ebensowenig  je  Erwähnung  getban, 
wüe  der  Schwesteranstalt  in  Antiochien,')  Vielmehr  weiseu 
dieselben  für  das  Hospital^  aus  dem  der  nachmalige  geistliche 
Ritterorden  hervorging,  auf  andere  Verbindungen  hin,  welche 
die  Vermutung  nahe  legen,  die  Stiftung  Gerards,  Geralds, 
Giralds  oder  auch  Girauds,  der  darum  doch,  wie  Delaville  I^e 
Kf»ulx  nachgewiesen  haben  wil],^)  schon  vor  dem  Kreuzzuge 
in  Jerusalem  gelebt  und  zum  Besten  armer  und  kranker  Pilger 
gewirkt  haben  kann,  sei  in  ihrem  Ursprung  vielmehr  mit  der 
pjrenäischon  Halbinsel  und  insbesondere  mit  Aragonien  in  Ver- 
bindung zu  bringen  und  habe  demgemäs  auch  die  Mittel  z\x 
ihrer  Erhaltiing  und  Erweiterung  zunächst  namentlich  von 
dorther  zu  beschaffen  gesucht*  Zwar  fehlt  über  die  Herkunft 
ihres  Stifters  jede  zuverlässige  Angabe.^)  Aber  es  ist  doch 
sehr  beachtenswert,  dass  nach  einer  der  ältesten  erhaltenen 
Ordensurkunden  der  päpstliche  Legat  Kardinulbischof  Richard 
von  Alhano  gerade  die  Bischöfe  Spaniens  verptlichtet,  das 
Hospital  zu  Jerusalem  unter  ihren  Schutz  xu  nehmen  und  die 
Schenkungen  nicht  zu  künden,  welche  die  Gläubigen  ihrer 
Diözesen  ihm  zuwenden:   allen  denen,   die  sich    dem   dort  ge- 


^)  Denn  wenn  Patriarch  Bernhard  von  Antiot-hieti  (MÜ0--US4)  Bacb 
einer  undatierten  Urkunde  Cartalaire  au.  5  (T,  S.  9)  den  Brilderu  vom  Hospital 
XU  Jerumleni  auf  ihre  ßittci  schenkt  ftloeuni  quendtini  in  drcuitu  B.  Mariae, 
qtii  est  ante  eonim  hoapitiuin,  ad  stabulum  ftirietnJum,  nbi  mm»  rrrlti- 
dant  et  collocent  equiUtunu*.  00  Ifisai  ichon  die  Bestimmung  des  Plaicet 
erkennen,  Am»  «0  »ich  uni  eine  acae  Anlage  handelt«,  nicht  abtr  lua 
eine  flotcho,  die  »chon  lao^  dem  Pilgerverkebr  i^edieut  hatte. 

*)  De  (>rima  ongine  Boeipitalänorum  HieroBoljinttiuiorum,  Pan«  1885. 

^)  Dean  «fnn  Gcraldai»  iwrvtis  et  minisitiT  IIöepitAUa,  am  1110  in 
rlnontr^  S  Sntamini  tu  Tonlon^e  fttr  den  Abt  xcm  Oluny  Qine  Urkmadn 
AiiMt^'IU  (rartiifatri^  no.  18.  T,  S.  2(».  »0  fblgt  dtLTAU»  fQr  »inen  Hjuto, 
drr  im  Inl^w»»  «ftn&ffi  vkl  tmlBrir  »<% 

nicht«  in  Ik^M  r  ffw  »of  mmm  'l  .q 

dem  Stift«  S.  iSeursia  in  T<' 


Die  e^tmte  Stellung  des  Haspitaliter-Ordens. 


wt 


t»ten  LiebesTrerk  dienstbar  machen,  sollen  sie  dauernden  Frieden 
sicljern,  indem  sie  sie  und  ihre  Besitzungen  mit  strengen  kirch- 
lichen Zensuren  gegen  Störung  schützen.*)  Wenn  ferner  Papst 
PaschaJis  IL  am  15.  Februar  1113  von  Benevent  aus  den  Prä- 
laten und  Gläubigen  Spaniens  den  von  Qerard,  dem  Probst 
|j^es  Hospitals,  zum  Einsammeln  von  Almosen  dorthin  geschickten 
Palacius  empfiehlt,^)  so  wird  man  als  dessen  Namen  mit  viel 
Wahrscheinlichkeit  Pelagius,  Pelayo  vermuten  dürfen,  also 
einen  in  Spanien  besonders  häufigen,  der  anderwärts  in  jener 
Zeit  nicht  leicht  vorkommen  dürfte.  Noch  Gerards  Nachfolger 
in  der  Leitung  des  Hospitals,  Haimund  du  Puy,  stattet  den 
BrQdem  in  Aragonien  besonderen  Dank  ab  für  die  Fortschritte, 
die  das  Hospital  durch  ihre  Bemühungen  dort  gemacht  habe, 
tnid  für  die  reichen  Almosen,  die  ihm  infolgedessen  von  dort- 
her  zuströmen.*)  Angesichts  einer  solchen  augenscheinlich 
besonders  innigen  Verbindung  des  Hospitals  des  heiligen  Jo- 
hannes zu  Jerusalem  mit  Spanien  und  namentlich  mit  Aragonien 
erhält  nun  auch  die  Tatsache  grössere  Bedeutung»  dass  bereits 
1134,  d.  h.  zwanzig  Jahre  ehe  jener  Verband  frommer  Kranken- 
pfleger 2U  einem  festgeschlossenen  Orden  umgeformt  wurde, 
Konig  Alfons  L  von  Aragonien  und  Navarra  ihn,  das  heilige 
Grob  und  den  Tempelherrnorden  zu  Erben  je  eines  Drittels 
von  seinem  lleiche  einsetzte*  Doch  wurde  dies  Testament 
schliesslich  nicht  ausgeführt.  Am  16.  f^eptember  1140  gab 
vielmehr  Raimund  du  Puy  dem  Gnifen  Raimund  Berengar  IV. 
van  Barcelona,  der  nach  der  kurzen  Regierung  von  Alfons^ 
Bruder  Ramiro  IL  als  Verlobter  von  dessen  unmündiger  Tochter 
die  vomiundschaftliche  Regierung  in  Aragonien  antrat,  das  dem 

t)  Cartulaire  no.  6  (I,  S.  12).    Aus  dem  Eingange:  , Novit,  fratres, 

«Ho  vesira  dompnum  papam  oinnlbiis  rebus  »?ccle8ia8ticia  et 
Irvouia  paeem  omni  tempore  servandam  decrevi8»e  et  decretum 
tttviolabile  oxcoDimnnicatione  firmaase't  möchte  tnau  einen  beachtens- 
«Ttfrten  GegennsitA  beniiidhöreu  gi?geD  die  bt^küunte  Formel,  mit  der  im 
Aofichluiia  äD  deD  LüMii  her  tuid  Kölner  GottesfHedeu  der  vod  Heinrich  IV, 
verkündete  äuoitht  h  hegrenzte  Etficbäfnetle  tnngäführt  war* 

«I  Ebd.  no.  U  iU  8.  m 

^•J  KUl.  tio.  123  (1,  8.  102). 


108 


H:  Pntii 


Hospital  vermachte  Drittel  des  Reiches  ausdrücklich  zurück J) 
Aber  erst  am  24.  Juni  1158  wurde  dieser  Verzicht  durch  Papst 
Hadrian  IV.  bestätigt.^)  Die  Sache  scheint  demnach  eine  ganze 
Reihe  von  Jahren  in  der  Schwebe  geblieben  zu  sein.  Warum 
das  geschah  und  was  die  schliessliche  Entscheidung  veranlasste, 
wissen  wir  nicht.  Vermuten  möchte  man^  es  sei  mit  der 
Änderung  in  Verbindung  zu  bringen,  die  inzwischen  nament- 
lich durch  Anastasius  IV.  Privileg  von  1154  in  der  Stellung 
des  Hospitals  eingetreten  war.  Der  Gedanke  an  die  Errichtung 
eines  Ordensataates^  zu  der  die  Gewinnung  eines  solchen  festen 
territorialen  Röckhalts  ihm  die  Möglichkeit  bot,  trat  begreif* 
lieherweise  zurück,  seit  der  geistliche  Charakter  der  Genossen- 
schaft mehr  als  bisher  betont  wurde,  wird  auch  den  Beifall 
des  neuen  aragonischen  Königs  nicht  gefunden  haben  und  von 
diesem  nachdrücklich  bekämpft  worden  sein,  ürasomehr  ist 
man  darauf  zurückgekommen,  als  im  Laufe  der  nächsten  Jahr- 
zehnte vielmehr  die  weltlich-ritterliche  Seite  des  Ordens  immer 
entschiedener  überwog:  nur  war  damals  gerade  die  pyrenäische 
Halbinsel  mit  ihren  verhältnismässig  starken  Monarchien  dazu 
nicht  mehr  das  geeignete  Gebiet')  Für  die  Annahme  eines 
ursprünglichen  besonderen  Zusammenhanges  zwischen  Geralds 
Stiftung  und  Aragonien  und  damit  überhaupt  den  Ländeni 
und  Stämmen  Spaniens  spricht  auch  die  Erwägung,  dass  ohne 
einen  solchen  die  Gläubigen  gerade  jenes  Landes,  die  dauialü 
noch  selbst  in  unausgesetztem  Kampfe  mit  den  Mohammedanern 
zu  ringen  hatten,  kaum  so  erfolgreich  hätten  aufgefordert  we-r* 
den  können  ein  Unternehmern  zu  unterstützen,  das  doch  eigent- 
lich die  daheim  nötigen  Mittel  und  Kräfte  zu  ihrem  Schaden 
nach  einem  andern  Schauplatz  abzuleiten  drohte. 

Freilich  bandelte  es  sich  bei  dem  Johanneshospital  zu 
Jerusalem  ursprünglich  und  oüenbar  noch  längere  Zeit  gar 
nicht  um   die  Beschaffung  von  Mitteln   zu    dauerndem  Kampf 

^  Ebd.  im  (1,  B.  111). 
tj  Ebd.  267  (l  S.  201). 

*)  Über  emtju  «lomrtigen  Vereucli  im  Gebiet«  Vt.n  Trit.nl i*  um]  h« 
AaÜocMeti  v«rgL  Prutx»  a.  a.  O.  8.  247,  Ir 


Die  exemte  Stellung  des  Hospiialiter-Ordens. 


109 


lie  Ungläubigen,  sondern  —  ähnUch  wie  das  auch  bei 
dem  nachmaligen  Tempelherrnorden  ursprünglich  der  FaU 
war  —  nur  von  solclien  zur  Übung  einer  grossartigen  Annen- 
und  Krankenpflege»  die  auch  den  aus  Spanien  nach  dem  hei- 
ligen Lande  ziehenden  Pilgern  zu  gute  kam.  Zunächst  näm- 
lich bildeten  die  unter  Gerards  Leitung  vereinigten  Brüder 
nicht  einen  nach  Ordensart  l'estgeschlossenen  Verband,  sondern 
nur  einen  Verein,  dessen  Glieder  sieb  auf  unbestimmte  Zeit 
rerpflichteten  und  wenn  sie  wollten,  zurücktreten  und  das  weltr- 
liehe  Leben  wieder  aufnehmen  konnten.  Von  einem  endgiltig 
bindenden  Ordensgelübde  war  anranglioh  auch  bei  denen  noch 
nicht  die  Rede,  die  sich  durch  Ablegung  des  Professes  der 
Brüderschaft  anschlössen.  Vielmehr  bat  erst  Papst  Anastasius  IV. 
vermöge  der  Bulle  vom  2L  Oktober  1154,  durch  welche  er  die 
dem  Hospital  von  seinen  Vorgängern  und  namentlich  Inno- 
cenz  IL  am  7.  Februar  1137  verliehenen  Privilegien,  insbesondere 
betreffend  die  Sicherung  seiner  Genossen  gegen  Literdikt  und 
Exkommunikation,  und  die  bisher  von  ihm  erworbenen  Be- 
sitzungen aller  Art  bestätigte,  ihm  auch  erlaubte,  zur  Seelsorge 
Geistliche  und  zur  Krankenpflege  Laien  anzunehmen,  die  ße- 
»limmung  getroffen,  es  solle  den  unter  Ablegung  des  Professes 
der  Brüderschaft  Beigetreteneu  hinfort  nicht  mehr  gestattet 
«ein,  das  Gewand  wieder  abzulegen  oder  zu  einer  andern  Ge- 
nossenschaft überzutreten^  ohne  die  ausdrückliche  Erlaubnis^ 
des  Meistei's  und  die  Zustimmung  der  Brüder.  Diese  Neuerung 
wurde  dabei  ausdrücklich  dargestellt  als  eine  Gegenleistung, 
welche  die  Brüder  übernahmen  für  die  Gewährung  der  kirch- 
lichen Vorrechte  und  Freiheiten,  die  ihnen  zugestanden  wurden,*) 
Bisher  nämlich  war  die  Organisation  der  frommen  Ge- 
nossenschaft insofern  nur  eine  lockere  gewesen,   als  auch  alle 


*)  Ebend*  no,  226  (l,  8.  174):  Fratribut  vero  veatria  aemel  devotia 

^nc  in  eacro  vestro  collt^gio  ret!<*ptis  poit  factum  profesaionem  et  habi- 

religioDij!  nssumptum  reverictidi  ad  seeuluru  inteniieimua  facoltatem 

&ec  alicui  eorum  las  ait assumptam  cructsm  dominicam  et  habitum 

veatrö  prgfefisiouis  abjicere  vel  ad  alium  locum  .....  iaviüs  seu  iacon- 
fuiiig  fratribua  aut  ejua,  qui  mugiäter  exatiterlt,  liceatia  tr&iiemigrari. 


110 


E,  PtuiM 


diejenijB^n,  die  ihr  zur  Förderung  ihres  Liebeswerkes  tliireli 
milde  Gaben  Hilfe  leisteten,  als  ihr  zugehörig  betrachtet  wurden 
und  als  Teilhaher  der  davon  ausgehenden  hininilischen  Gnaden 
galten.  Jeder,  der  zu  der  dort  geübten  Gastfreundschaft  gegen 
die  Pilger  und  Armen-  und  Krankenpflege  irgend  mitwirkte, 
sollte  schon  nach  des  hoch  angesehenen  und  eintiuisareichen 
Richard  Yon  Albano  Meinung  auch  den  besondeni  dauernden 
Frieden  mitgeniessen^  der  dem  Hospital  Tom  päpstlichen  Stuhle 
gewährt  war.V)  In  der  Empfehlung  für  Pelagius  an  die  Prä- 
laten und  Gläubigen  Spaniens  erklärt  auch  Papst  Paschalia  IL 
geradezu,  wer  den  nach  der  heiligen  Stadt  ziehenden  Pilgern 
etwas  zuwende,  sei  deg  Lohnes  gewiss,  welcher  der  Wallfahrt 
dorthin  verheissen  sei.')  Ebenso  sagt  Raimund  du  Puj%  wer 
die  von  ihm  zur  Sammlung  milder  Gaben  ausgeschickten  Boten 
gut  aufnehme^  sei  teilhaftig  der  Wohltaten  und  Gebete,  die  in 
Jerusalem  selbst  geschehen,  diejenigen  aber,  welche  der  BrUder- 
Bchaft  beitreten»  seien  der  Barmherzigkeit  Gottes  so  gewiss, 
als  ob  sie  in  eigener  Person  in  der  heiligen  Stadt  an  dem 
frommen  Werke  teilnähmen.*)  Oft'enbar  galten  demnach  alle 
diejenigen,  welche  dem  Hospitale  milde  Guben  zuwandten  — 
mag  es  sich  dabei  um  eine  einmalige  oder  um  eine  regelmässige 
Beisteuer  gehandelt  haben  —  fUr  ihm  als  Konfratres  affilürt 
ohne  darum  das  dreifache  Gelübde  ablegen  zu  müssen,  das 
Kaimund  du  Puy  von  den  als  vollberechtigte,  aber  auch  voll- 
verpflichtete Brüder  Eintretenden  verlangte.  Diese  Auffassung 
wird  bestätigt  durch  den  Wortlaut  des  Privilegs  Innocenz^  U. 
vom  7.  Februar  1187.    Wenn  es  da  nämlich  heisst:*)  «Decemi- 


1)  VergL  S.  107  Aom.  1, 

^)  Cartulaire  no,  31  (I,  S*30):  Noti  enim  JerosoHmitaüe  peiegri- 
aationiB  mercede  vacaus  est  qui  .....  peref^rinis  suarum  rerum  adanni- 
cidum  aiibininiitrat. 

*)  Khd.  nti.4M  (I,  S.  89): b#^nefjvßtomm  et  amtiomtm,  qxte  fluni 

V  t  »o  eiHH  '  welche  die  Boten  gut  anfoebiiitii 

1  ibr^Tu     t '  autmti    in    aottrain  frateFniiattfin 

k  intrnverutit  vel  intinbiint,  ita  trat  lecori  de  Düuiim  miauriooniimf  <|itlfi 
mUitent  in  Uioroeolimii. 

*)  £ba*  no.  ixa  (1,  8.  im* 


Die  exemte  Stellung  des  Hospitaliter-Ordem. 


111 


iDüs  ©rgo,  ut  receptores  vestrarum  frftternitatum  seu 
eolleciarum  salvo  jure  dominorura  suoriim  in  beati  Pöfcri  et 
nogira  protectione  coiisistant'*  und  weiterhin:  ^Fraeterea  m 
qui  fratrutn  vestrorum,  qui  ad  recipiendas  easdem  fra- 
ternitates  vel  collectas  a  vobis  fuerint  missi  etc.*  so  sind 
die  Ausdrücke  irateroitas  und  collecta  vollkommen  gleichge- 
stellt, so  dass  fraternitas  bedeutet  den  Beitrag  der  Brüder  und 
demnach,  wer  ©inen  solchen  gibt,  als  Bruder  erachtet  wird. 
Demselben  Sprachgebrauch  begegnen  wir  noch  in  der  Inhalts- 
angabe eines  Erlasses  Alexanders  IIL  vom  15.  Juli  1 166  oder  78,*) 
die  lautet:  ,De  confratria  colligenda  et  de  sepulturis  con- 
fratnini  Hospttalis  et  de  septima  parte  relaxare*.  Demnach 
scheinen    anfangs    alle,   die   das  Hospital   zu  Händen   der  von 

_4boi  ftuggeschtckten  Kotlektoren  durch  milde  Gaben  unter- 
9fca&tenf  ala  seiner  Brüderschaft  angehörig  betrachtet  und  es 
scheint  erst  späterhin  zwischen  ihnen  als  Konfratres  und  den 
eigentlichen  Brüdern  ein  Unterschied  gemacht  worden  zu  sein. 
Auch  würde  ein  solcher  Entwickelungsgang  den  Verhältnissen, 
wie  sie  sich  mit  dem  grossartigen  Wachstum  des  Hospitals 
estalteten,  nur  entsprechen.    Wenn  aber  schon  zur  Zeit  Rar- 

'«lunds  du  Puy  in  dem  fernen  Spanien  so  viele  durch  den  so 
leicht  gemachten  Anschluss  an  das  Hospital  sich  der  kirch- 
lichen Vorteile  versicherten,  die  dafür  verheissen  waren,  und 
<1  fis  die  Zahl    der   durch    das   Gelübde   ausdrücklich    ge- 

\r  II  Brüder  im  Vergleich  mit   der  jener    nur  sehr  klein 

gewenen  sein  kann,  so  hat  sich  dieses  Missrerhältnis  in  der 
Folge  sicherlich  nur  noch  gesteigert;  doch  hat  damit  auch  eine 
chärfere  Scheidung  zwischen  den  beiden  Arten  von  Genossen 
Uobpitüls  Platz  gegriffen,  die  nun  als  Fratres  und  Küu- 
fratres  auseinandergehalten  wurden.  Die  Letzteren,  auch  Ob- 
laten oder  Donaten  genannt,  traten  nur  noch  in  eine  Art  von 
Schutzverhältnis  zum  Hospital,  genossen  aber  wie  auch  spJiter 
die  den  eigentlichen  Brüdern  gewährten  kirchlichen  Vorteile, 
Sie  gelobten  der  Brüderschaft,  dc^r  sie  sich  gewissermassen  zu 


>)  Ebd.  00.  3e5  (I«  S.  250). 


112 


H:  Pruti 


eigen  gaben,  Treue  und  Hold^  ohne  dem  weltlichen  Stand  zu 
entsagen.  In  dies  Verhältnis  traten  auch  Frauen  ein,  die  dann 
ak  Konsorores  und  später  geradozu  als  Hospitaliterinneu  be- 
zeichnet wurden.*)  Daraus  allein  erklärt  sich  das  erstaunlich 
schnelle  Wachstum  des  Verbandes,  dessen  Anziehungskraft 
natürlich  mit  seiner  Verbreitung  zunahm,  besonders  da  er 
seinen  Gliedern  bald  auch  allerlei  weltliche  Vorteile  bieten 
konnte.  Das  aber  hatte  unyermeidlich  auch  eine  entsprechende 
Wandelung  seines  anfänglichen  Charakters  zur  Folge, 

Ursprüngiich  nämlich  waren  die  Absichten  Gerards  Wi 
seiner  Stiftung  auf  ein  viel  bescheideneres  Ziel  gerichtet  ge- 
wesen. Denn  dass  die  Pilgerherberge  in  Jerusalem,  welche, 
der  Kirche  S,  Maria  Latina  benachbart,  auf  den  Namen  Jo- 
hannes de^  Täufers  geweiht  war,  die  Schöpfung  Gerards  war 
und  nicht  blos  die  Filiale  oder  die  Erweiterung  einer  ähnlichen 
älteren  Anstalt,  bezeugen  die  sicherlich  mit  gutem  Bedadit 
gewählten  Ausdrücke»  mit  denen  die  päpstlichen  BestäUgungs- 
Urkunden  davon  sprechen,  Paschalis  II.  schreibt  am  15.  Fe- 
bruar 1113  Geraudo  institutori  et  preposito  Hierosolimi- 
tani  xenodochii  und  spricht  von  dem  xenodochium,  quod  in 

civitate   Iherusaleni instituisti.*)     Ebenso  erwähnt  Ca- 

lixtus  II.  Gerard  gegenüber  jenes  Hospital  als  a  te  institu- 
tum,*)     Die  Bestimmung  desselben  war  einmal,    entsprechend 

')  Eine  Urkunde  vom  Juni  1229  Cartiüaire  no.  1941  [U,  S.  396) 
bezeugt  die  Aufnabme  von  Manu  und  Frau  als  Konfratrei  gegen  Ober- 
laasuiig  ihres  Besitzen.  Das  Generalkapitel  von  1262  beeebloM  aUBdrQck* 
lieh,  dass  im  HiiibHck  auf  den  Nutzen  und  die  Ehre,  die  ileai  Orden  au« 
der  Aufnahme  solcher  ScbweBtern  erwüehäen,  und  auf  den  Sehaden,  dou 
man  durch  ihre  Abweisuni^  erleiden  könnte,  die  Ordenaprioren  befugt 
sein  sollten,  solche  Schwester«  in  »jugendlichem  und  unverdorbenen 
Alter"  aufzunehmen:  vergl.  Prutas,  ft.  i^*  0.  8.  241.  Auch  werden  in 
papstUchcn  Erlassen  vom  23.  Oktober  1274  und  vom  22.  September  1288 
Ordensschwestern  auadrQc.klich  erwilhnt  als  teilhaftig  df>r  dem  Onii^i 
darin   gewilbrtcn  V,  »i:    cbend.    no.  3555   und    no,  4019   (IIl, 

^8.813  und  523).    l'  r  I\arl  von  Anjou  aU  KOnig  von  Neapel 

iji  ciM«*r  ürkundfl  vom  21».  Juni  1269:  ebend.  no.  8344  (H.  S.  200). 

«)  Ebd,  no.  m  ih  S.  39). 

»)  Ebd.  no.  48  II,  8.  40). 


2Xe  exemie  SteUun^  dtn  Hospitaliter-Ordens. 


113 


der  Bezeichnung  als  xenödochinm,  Pilgern,  welche  die  heilige 
Stadt  besuchten,  auch  bemittelten,  Aufnahme  zu  gewähren, 
wofür  sie  sich  in  der  noch  heute  in  solclien  Hospizen  Üblichen 
Weise  auf  grund  einer  iSelbsteioschätzung  durch  niiltie  Gaben 
dankbar  bewiesen,  dann  aber  —  und  desshalb  wird  es  auch 
als  ptochium  bezeichnet  —  unbemittelten  für  die  Zeit  ihres 
Aufenthalts  einfache  Herberge  und  Kost,  kranken  aber  Pflege 
la  gewähren.  Vergegenwärtigt  man  sich  die  gewaltige  Höhe, 
TU  der  seit  dem  ersten  Kreuzzug  der  Pilgerst roni  anschwoll, 
der  sich  alljährlich  wenigstens  zweiraal  aus  allen  Ländern  des 
Westens  nach  den  heiligen  Stätten  wälzte,  und  erwägt  dann» 
irie  unter  dem  Einfluss  der  kirchlichen  und  politischen  Ver- 
hältnisse sowie  der  dadurch  gesteigerten  sozialen  und  wirt- 
schaftlichen Gärung  gerade  die  niederen  Stände  daran  massen- 
haft teilnahmen,  so  begreift  man  die  rasche  Steigerung  der 
Ansprüche,  die  an  Gerards  Stiftung  gestellt  wurden,  ebenso 
aber  auch  das  gewaltige  Anwachsen  der  Mittel,  die  ihr  von 
den  Frommen  aller  Länder  wetteifernd  zugewandt  wurden.  So 
überfiOgelte  sie  durch  die  Grossartigkeit  ihrer  Leistungen  bald 
die  älteren  Stiftungen  ähnlicher  Art  und  erfüllte  die  Welt  mit 
ihrem  Ruhm,  den  all  die  Unzähligen  daheim  verkündeten,  die 
ihre  Gastireimdschaft  genossen  hatten J) 

Doch  wird  das  Wachstum  des  Hospitals  Johannes  des 
Täufers  nicht  allein  auf  diese  allgemeinen  Momente  zurück- 
geführt werden  dürfen.  Entscheidend  trug  dazu  vielmehr  augen- 
scheinlich auch  die  Art  bei,  wie  sein  Stifter  das  Pilger-  und 
Herbergewesen  wenigstens  in  denjenigen  Gebieten,  welche  die 
Jerusalem  zustrebenden  Wallfahrer,  von  woher  sie  auch  kommen 
mochten,    fast    ausnahmslos    zu    passieren    hatten,    einheitlich 


*)  Pasebalifl  II.  nenjit  in  der  Empfeblung  fiir  Pelagiua  Gerald  ,a 
\  JmmaoUndM  redeimtiura  testimonio  commendatuio,  quod  aincere,  de?ote, 
]  amhie  peregrioorum  et  pauperum  curam  gerebat  (Cariulalre  oo,  81,  I,  S.  30) 
cotd  Anafitasius  IV.  beruft  »ich  bei  der  Empfehlung  der  Ordenakollelctoren 
üD  djo  Prülaten  vom  24.  Oktober  1164  (Ebenda  no.  227  (1,  S,  176))  ebenfalla 
auf  die  Berichte  der  Pilger  zum  Beweis  daftir,  qaot  bona  ortentali  ecciesie 
«t  peregrinia  loca  »ancta  viditautibofi  proTeniaut. 

I  «04.  Sitxisiib.  <L  p1ii]o&*phUoL  iL  d.  hi»L  KL  9 


114 


mwhtiM 


organisierte  und  dadurch  für  sein  Hospiz  in  gewissem  Sinne 
ein  Monopol  schuf,  dem  gegenüber  keine  Eonkurrenz  recht 
aufkommen  konnte. 

Hospize,  welche  den  nach   den    heiligen  Stätten  oder  an- 
deren berühmten  Wallfahrtsorten  ziehenden  Pilgern  Aufiiahme  l 
gewahren  sollten,    hat   es   namentlich  an  den  nach  und  durch] 
Italien    führenden    Strassen     frühzeitig    verschiedene    gegeben. 
Das  auf  dem  Mont  Cenia  war  von  dem  westfränkischen  König 
Ludwig  dem  Einfältigen  errichtet.     In  Lucca  und  Siena  hatte 
in  Erfüllung    eines  Versprechens,    das   sie    den    München    von 
Monte  Casino  gegeben,  Markgräfin  Mathilde  von  Tuscien  solche  ] 
errichtet,  und  für  ihre  wanderlustigen  Landsleute,  die  seit 
Einführung  des  Christentoms  besonders  zahlreich  nach  Palästina  | 
zogen   und    dann    unterwegs   gleich    San  Jago   de  Compostellai 
und  Rom  besuchten,  hatten  die  Dänenkönige  Knud  der  Qros 
und  Erich  der  Gute  ebenfalls  dergleichen  Anstalten  geschaffen 
und  reich  dotiert,   von  denen  die  eine  am  Taro  zwischen  Pia- 
cenza  und  Borgo  San  Donnino   lag,   etwa  acht  Meilen  südlich 
von  dem  ersteren.^)     Aber  all  diese  Stiftungen,   deren  Unter-] 
halt   zu    einem   Teil    auf  dem    Ertrage    der   ihnen    von    ihren 
Gründern    überwiesenen    Ländereien   und   Kenten    verschiedener 
Art,  2um  andern  Teil  auf  den  freiwilligen  Spenden  der  darin 
beherbergten    bemittelten   Pilger   beruhte,    waren   einmal   jede 
für   sich  selbständig   und    dann    im   allgemeinen   vorzugsweise 
für  die  Angehörigen  einer  Nation  bestimmt.    So  genossen  z.  B, 
die  Besucher  der  von  Knud  dem  Grossen  errichteten  dänischen  j 
Hospize  auf  grund  der  von  dem  vorsorglichen  König  getroffenen 
Abmachungen   das  Privilegium  der  Freiheit  von   all   den  Ab- 
gaben,  welche   andere  Italien   durchziehende  Pilger  sonst  an 
verschiedenen  Stellen  entrichten  mussten. 

Im  Gegensatze  dazu  stellt  sich  Gerards  Stiftung  dar  als 
durchaus  internationalen  Charakters  und  erscheint  sehr  früh 
als  der  Mittelpunkt  eines  weitverzweigten  Netzes  ähnlicher  Ad- 
fitalten^  welche«  ihr  untergeordnet  und  von  ihr  aus  nach  den 


*)  VergL  RiAnt  le«  Scandinaire«  es  T^rre  aaiate  B.  69,  60. 


Die  €:temte  Stdlung  des  Hospitalüer-Ordens. 


115 


ftlr  sie  massgebenden  örundsützeti  eingerichtet  und  geleitet, 
den  Ruhm  und  das  Verdienst,  die  sie  sich  erwarb,  auch  im 
Westen  dauernd  in  Erinnerung  brachten  und  unausgesetzt  ver- 
inebrten.  Dahingestellt  freilich  niuss  bkiben,  ob  es  sich  bei 
deo  Qcrard  bisher  schon  untergeordneten  Herbergen  (xenodochia) 
and  Arraenhäusem  (ptochia)  im  Abendlande,  die  Paschalis  IL 
in  der  für  die  Entwickelung  des  Hospitaliterordens  epoche- 
maclienden  Bulle  vom  15.  Februar  1113  ihm  und  seinen  Nach- 
folgern für  alle  Zeiten  unterstellte,  um  ältere  Anlagen  oder  um 
Neugründungen  handelte,  die  ebenfalls  dem  Stifter  desJohannes- 
hospitals  zu  Jerusalem  ihre  Entstehung  verdankten.  Für  die 
letztere  Annahme  könnte  der  Umstand  geltend  gemacht  werden, 
dass  die  in  Betracht  kommenden  Anstalten  sämtlich  auf  den 
Namen  der  heiligen  Stadt  geweiht  waren.  Andererseits  führt 
ihre  Lage  auf  die  Vermutung,  es  könnten  an  den  betreffenden 
Orten  schon  früher  entsprechende  Einrichtungen  für  den  Pilger- 
rerkehr  bestanden  haben  und  diese  durch  Gerard  nach  dem 
Vorbild  seines  Hospitals  und  als  Dependenzen  desselben  nur 
reorganiaiert  sein.^)  Das  Neue  und  für  die  Zukunft  Entscheidende 
aber  lag  eben  in  der  Einheitlichkeit  der  Organisation  und  der 
herrschenden  Stellung,  die  das  Hospital  zu  Jerusalem  dadurch 
als  das  Zentrum  des  gesamten  Pilgerwesens  erhielt  und  die  ihm 
naturgemäss  massgebenden  Einfluss  verschaffen  niusste  auf  den 
gesamten  Verkehr  zwischen  Morgen-  und  Abendland*  Indem 
Pascbalis  IL  am  15.  Februar  1113  dem  Hospital  zu  Jerusalem 
alle  die  ihm  bisher  zugewandten»  der  Pflege  der  Pilger  zu 
dienen  bastimmten  Schenkungen  beä^tjltigt  und  den  Brüdern  das 
Recht  der  Wahl  ihres  Vorstehers  (provisor  atque  prepositus) 
sagesteht, ^)  bestätigt  er  weiterhin  alle  von  ihm  in  Asien  und 
Europa    erworbenen    Güter    und    insbesondere    „xenodochia   s. 


^}  Die  Worte  am  SchlusB  von  Gartalaire  nOtSO  (T.  S.2d)  «xenodochia 

ft*  ptochia .  Hierosolimitani  n online  tituli  celebrata  tue  et  succesorum 

iaorum  Bicut  bodie  ia  perpetuntu  manere  statuimun''  lassen  beide  Deu- 
iaogen  ara,  auch  in  Verbindung  niit  der  Toraagehenden  BestätigTjag  des 
ber  Erworbenen  ,per  tue  aollicitudinis  insiantiam'*. 

«)  Ebd,  a.  E. 


116 


K  Prutß 


ptochia  in  occidentis  partibus  peues  burgum  S.  Egidii,  Astetise, 
Pisanum,  Baruni,  Ydrootum»  Tarentum,  Messanam''.  Danacb 
bestanden  also  von  dem  Hospital  zu  Jerusalem  abbiingige  und 
seinen  Zwecken  dienstbare  Stiftungen  ähnlicher  Art  in  St,  Gilles, 
Asti,  Pisa,  Bari,  Otranto,  Tarent  und  Messina.  Von  dieseo 
Orten  sind  nun  Bari,  Otranto  und  Tarent  zu  allen  Zeiten  als 
Ausgangshäfen  ivir  die  Fahrt  nach  dem  Morgenlande  wichtig 
gewesen,  mögen  sie  auch  später  in  dieser  Hinsicht  gegen  Venedig 
und  Genua  zurückgetreten  sein ;  sie  waren  Endpunkte  von  eini- 
gen der  zahlreichen  Strassen,  auf  denen  die  Pilger,  die  liom 
besucht  hatten,  in  Erfüllung  ihres  weiteren  Gelübdes  dem  hei- 
ligen Laude  Kustrebten.  Insbesondere  war  Bari,  wo  zudem  das 
Grab  des  hL  Nikolaus  noch  starke  Anziehungskraft  besass,  für 
diese  ein  beliebter  Einscliiffungsort:  bei  den  Skandinaviern  hiess 
deshalb  Unteritalien  geradezu  Bariland,*)  In  Pisa,  das  damals 
der  See  noch  näher  lag  als  heute,  trafen  Schiffe  aus  Griechen- 
land, Sizilien,  Ägypten  und  Syrien  zusammen.  Auch  Asti,  wo- 
hin die  über  die  Westalpen  führenden  Pässe  gleichmässig 
mündeten,  muss  für  den  Verkehr  nach  den  italienischen  Hafen- 
städten und  inabi^ondere  für  die  sich  dort  sammelnden  Pilger- 
schaaren  Bedeutung  gehabt  habeu.  Dafür  spricht  bei  der  Be- 
harrlichkeit derartiger  Verhältnisse  wenigstens  die  Tatsache, 
dass  noch  im  14.  Jahrhundert  das  dortige  Kaufhaus  der  Mala- 
bayla  von  der  römischen  Kurie  beauftragt  war,  die  von  ihren 
Kollektoren  eingenommenen  Subsidien  für  das  beilige  Land  2U 
sammeln  und  nach  Rom  abzuführen.  Der  südfranzösische  Hafen- 
ort  St.  Gilles,  der  für  den  Verkehr  mit  dem  Morgenlande  auch 
späterhin  noch  von  Wichtigkeit  war,  wurde  namentlich  von  den 
aus  dem  Westen  kommenden  Pilgern  aufgesucht,  ganz  beson- 
ders von  den  Skandinaviern,  die  zuerst  San  Jago  besuchten 
und  dann  von  Spanien  dorthin  zogen,  wenn  sie  nicht  in  Lunft 
landeten,  einem  heute  verfallenem  Hafenort  an  der  Mündang 
des  Magra.  Denn  der  dort  vornehmlich  verehrte  heilige  Ägidius 
genoaa  weitbin  ganz  ausserordentlichen  Rufes.    Infolge  seiner 


()  Riaiit  a.  a.  0.  S.  m. 


Die  exemte  Stellung  des  HoapitaliUr-Orden», 


117 


Verknüpfung  mit  der  Karlsage  galt  seine  Fürsprache  für  be- 
sonders wirksam  und  man  meinte  durch  seine  Vermittelung  von 
Oott  jede  Gnade  erlangen  zu  können.  Es  hing  wohl  damit 
zusammen  und  leistete  zugleich  der  Geltung  dieses  Wallfahrts- 
ortes nnd  daher  mittelbar  auch  wiederum  dem  Rufe  und  dem 
Ansehen  des  Hospitals  Vorschub,  dass  der  Kultus  des  heiligen 
Ägidius  seit  dem  IL  Jahrhundert  überhaupt  weit  verbreitet 
w»r:  nicht  blos  in  den  übrigen  Teilen  Frankreichs,  sondern 
auch  in  Deutschland,  England,  Ungarn  und  Polen  fanden  sich 
ihm  zu  Ehren  erbaute  und  reich  dotierte  Kirchen J)  80  wurde 
schliesslich  dieser  Ort  einer  der  wichtigsten  Häfen  für  den  Ver- 
kehr der  westlichen  Lande  mit  Palästina,  an  dem  der  Hospi- 
taliterorden  durch  seine  Schiffe,  die  nicht  blos  zum  Transport 
der  Bedürfnisse  der  morgenländischen  Ordensburgen,  sondern 
auch  zur  Überführung  grosser  Pilgerschaaren  benutzt  wurden^ 
dnen  sehr  bedeutenden  Anteil  hatte.  Infolgedessen  erlangte 
auch  das  dortige  Ordenshaus,  zumal  es  zu  den  am  reichsten 
begüterten  gehörte,  besonderes  Ansehen,  rangierte  gleich  nach 
dem  Mutterhause  in  Jerusalem  und  dann  in  Accon  und  galt 
nach  dem  Verlust  Palästinas  geradezu  als  das  Ordenshaupthaus. 
Der  Zustrom  von  Pilgern  aus  dem  Westen  scheint  namentlich 
stark  gewesen  zu  sein  um  die  Zeit  des  Festes  des  heiligen 
Agtdius  (1.  September);  nachdem  sie  daran  teilgenommen  hatten» 
zogen  die  Pilger  weiter  südwärts  nach  den  italienischen  Häfen. ^) 
Messina  endlich  hat  durch  das  ganze  Zeitalter  der  Kreuzzilge 
als  der  eigentliche  Ausgangspunkt  der  regelmässigen  Seefahrten 
nach  dem  heiligen  Lande  die  grösste  Bedeutung  gehabt.  Dort 
amelten  sich  nicht  blos  die  zweimal  jährlich  nach  dem  Osten 
lenden  Pilgerflotten,  sondern  meistens  auch  die  zur  Bekam p- 
fuilg  dar  Ungläubigen  bestimmten  kriegerischen  Geschwader« 
Deraeottfprechend  haben  die  Begüteruogen  des  Hospitals  in  und 
bat  Meaaina,  die  auf  eine  von  König  Roger  L  am  10.  Oktober 
1136  bestätigte  Schenkung  des  Herzogs 


?er  zurü 


mm 


»)  Vgl  U  vie  de  8.  Gillea  ed.  G.   Paria.   8.  LXXIV. 

S)  Biant  a<  a.  0.  8.  85. 

«)  Cartulaire  no.  119  (T,  S,  99). 


118 


H.  Prutg 


beträchtlichen  Umfang  und  Wert  gehabt,  da  der  Massenhaftig- 

keit  des  Pilgerverkehrs  entsprechend  dort  auch  die  ihm  dienen- 
den Anlagen  in  ungewöhnlicher  Grosse  ausgeführt  sein  musst^n* 
Indem  Gerard  so  in  diesen  für  den  Verkehr  mit  dem 
heiligen  Lande  vornehmlich  wichtigen  Plätzen  festen  Fuss  fasste 
und  die  dortigen  Pilgerherbergen  seinem  Hospital  als  Depen- 
denzen  oder  Filialen  einverleibte»  sicherte  er  diesem  weit- 
reichenden Einfluss  und  erschloss  ihm  zugleich  ausserordentlich 
ergiebige  Hilfsquellen.  Auf  ihnen  beruht  die  spätere  Macht 
und  Grösse  des  aus  dem  Hospital  hervorgewachsenen  Ordens, 
Dass  die  Eetwickelung  zu  einem  solchen  in  der  Absicht  Gerarda 
gelegen  habe,  ist  nicht  anzunehmen.  Dieser  Zug  ins  Grossd 
scheint  vielmehr  erst  durch  Raimund  du  Puy  in  die  Genossen- 
schaft gebracht  worden  zu  sein,  der  sich  mit  der  Veri"Ögung 
über  ungeahnt  reiche  Mittel  Möglichkeiten  erschlossen,  die  ihr 
Stifter  und  seine  Gefährten  in  den  fUr  sie  gegebenen  engen 
Verhältnissen  gar  nicht  ins  Auge  fassen  konnten.  Freilich 
hielt  auch  Meister  Raimund  den  frommen  Zweck  noch  fest, 
dem  das  Hospital  ursprünglich  hatte  dienen  sollen:  er  erscheint 
in  der  von  ihm  gegebenen  Regel  noch  als  die  Hauptsache, 
während  schon  in  seiner  Zeit  weltliche  Interessen  und  Fragen 
des  Besitzes  und  der  Macht  für  den  Orden  unverkennbar  eiöe 
bedeutende  Rolle  spielten  und  das  Rittei'tum  gegen  das  M5nch- 
tum  entschieden  überwog.  Das  ist  dann  weiterhin  je  länger 
je  mehr  der  Fall  gewesen,  und  wenn  der  Orden  auch  allezeit 
einen  Teil  seiner  reichen  Mittel  im  Osten  sowohl  wie  im  Westen 
auf  die  Pflege  von  Armen  und  Kranken  verwendete,  so  war 
das  doch  eigentlich  nur  die  Beibehaltung  eines  alten  guk^n 
Brauches,  der  unentbehrlich  und  sehr  nützlich  war,  weil  streng 
genommen  in  ihm  die  Existenzberechtigung  der  frühzeitig  stark 
verweltlichten  Genossenschaft  beruhte.  Daher  treffen  denn  auch 
die  Bestimmungen  der  von  Baimund  du  Puy  unter  Beirat  der 
Ordensbrüder  gegebenen  Regel  genau  betrachtet  gar  nicht  mehr 
mit  dem  zusammen,  was  ausserhalb  Stehenden  bereits  in  der 
zweiten  Hälfte  des  12,  Jahrhunderts  als  das  Wesentliche  und 
Bedeutende  an  dem  Orden  erscheinen  muäs^te.    Auch  in  diesem  { 


Die  exemte  Stellung  des  Sospitaliter''Oräeni» 


11» 


selbst,  so  möchtie  man  atinehmenf  wurde  der  Regel  praktische 
Bedeutung  später  kaum  noch  recht  beigelegt:  der  Schwerpunkt 
lag  auch  da  in  den  den  veränderten  Verhältnissen  angepassten 
Beschlüssen,  die  das  Generalkapitel  als  Ergänzungen  der  Hegel 
und  des  aus  ihr  erwachsenen  Brauches  fasste.  Es  ist  daher 
doch  wohl  kein  Zufall,  dass  auf  die  Erhaltung  dieses  eigent- 
lichen Grundgesetzes  dos  Ordens  augenscheinlich  viel  weniger 
Sorgfalt  verwendet  worden  ist  als  auf  die  der  ihm  im  Laufe 
der  Zeit  verliehenen  päpstlichen  Privilegien  und  der  seinem 
Besitz  und  seine  weltlichen  Gerechtsame  betreffenden  Urkunden. 
Das  angebliche  Original,  das  in  dem  Haupthause  zu  Accon 
aufbewahrt  war,  ist  bei  dessen  Fall  1290  verloren  gegangen^ 
mit  ihm  die  päpstliche  Bestätigung.  Infolge  dessen  erteilte 
Papst  Bonifaz  VIIL  am  17,  April  1300  auf  Bitten  des  Ordens 
diese  von  Neuem^  und  zwar  nicht  auf  grund  einer  beglaubigten 
Kopie  der  früheren,  wie  man  eine  solche  nach  den  sonstigen 
Gepflogenheiten  des  Ordens  doch  mindestens  in  dem  Haupt- 
hause jeder  Provinz  als  vorhanden  hätte  voraussetzen  müssen, 
aondem  auf  grund  etlicher  mit  dem  Bleisiegel  des  Raimund 
du  Puy  versehener  Abschriften,  in  deren  Besitz  der  Orden  zu 
sein  behauptete,  und  zwar  unter  Abänderung  einiger  Worte 
und  Wendungen,*)  Daher  kennen  wir  den  ursprünglichen 
Wortlaut  dieser  Regel  nicht,  ebenso  auch  nicht  die  Zeit  ihrer 
Entstehung«  Wenn  man  annimmt,  sie  sei  jedenfalls  vor  1153 
abgefasst,  weil  sie  von  dem  am  8.  Juli  1153  vei*storbenen  Papst 
Eugen  HL  bestätigt  sein  soll,  so  erheben  sich  auch  dagegen 
nach  dem  heutigen  Stande  des  Urkundenraaterials  gewichtige 
Bedenken.  Ist  es  schon  auffallend,  dass  Bonifaz  VUL  in  der 
erwähnten   Neubestätigimg    nur   die   mit    Accon    verloren    ge- 

t^)  Zuerst  gedruckt  bei  Priitz.  Kultnrgeschiclite  der  Kreuxzüge  S.  602, 
iiocli  Cartulaire  no.  4496  {III,  S.  801):  ^ pet^bati«  .  . ,  .,  üt. 
TOB    nonnulläs    litterag    condam   fratris    Rayinundi»    tunc   ejusdera 
tiotpitalb  custodia,  qui  predictam  regulam  condidit,  cum  plumbeo  i?igillo 
fftgoatai,  in  qtiibus  regiila  ipaa  contitieiur  deäcripta»  prout  aaaeriti^, 

babeaÜi,    vobis   prefatam   regulam 8ub  bulla  noatra  concedere 

digBaremar.*    Das  gej^chieht  ,qmbuBdam  verbia  de  mandato  noatra  amotia 
et  correcti*  in  ea»* 


120 


n:  Prut» 


gangenen  »apostolicas  litteras  regule  vestre  seriem  conimentes* 
erwähnt,  aber  keinen  bestimmten  Yon  seinen  Vorgängern  als 
ihren  Urheber  nennt,  so  heisst  es  bereits  in  der  Bulle,  durch 
die  Lucius  OL   ani  22,  August  1184—5  die  Regel  seinerseits 

bestätigt,*)  auch  nur:  ,quani felieis  memorie  Eugenica 

papa   praedecessor  noster,    ut   accepimus,   confirmavit • 

Auch  Lucius  IIL  kennt  demnach  die  Bestätigung  durch  diesen 
Vorgänger  nur  von  Hörensagen,  hat  aber  eine  sie  ab  tatsäch- 
lich erfolgt  erweisende  Urkunde  nicht  gesehen,  ja  der  auf- 
fallende Ausdruck  lässt  sogar  vermuten,  auch  in  den  päpst- 
lichen Registern  sei  damals  ein  solcher  Erlass  Eugens  111.  nicht 
mehr  auffindbar  gewesen.  Dazu  kommt  endlich,  dass  Ana- 
stasius  IV.  in  der  für  die  Entwickelung  des  Ordens  besonders 
epochemachenden  Bulle  vom  21,  Oktober  1154  einer  Bestätigung 
der  Regel  nicht  ausdrücklich  als  früher  erfolgt  Erwähnung 
tut,  sondern  nur  im  Allgemeinen  von  der  Bestätigung  von 
Ordensprivilegien  durch  Innocenz  IL,  Cölestin  U.,  Lucius  IL 
und  Eugen  IIL  spricht,  denen  die  Ordensregel  doch  füglich 
nicht  zugezählt  werden  kann. 


IL 

So  entwickelungsfahig  die  Stellung  war,  die  das  Hospi 
des  heiligen  Johannes  zu  Jerusalem  gewann  durch  die  Unter- 
ordnung oder  Einverleibung  der  verwandten  Anstalten  an  den 
für  die  PUgerzüge  nach  dem  heiligen  Lande  wichtigsten  Orten 
Sudfrankreichs  und  Italiens:  ohne  ihre  fortdauernde  Stärkung 
und  Erweiterung  durch  die  Verleihung  weittragender  kirch- 
licher Freiheiten  und  Vorrechte  wäre  ea  doch  nicht  zu  der 
stolzen  Unabhängigkeit  aufgestiegen,  in  deren  Besitz  wir  es 
bereits  nach  zwei  Menschenaltern  finden  und  deren  Ausbau 
durch  die  ihr  feindlichen  Beschlüsse  des  Laterankonzils  von 
1179  nur  vorübergehend  einigermassen  aufgehalten  wurde.  Viel- 
mehr gab  sie  in  eigentümlicher  Wechselwirkung  auch  weiter-* 


M  C&Hulaire  m.  t»90  (I,  B.  456). 


Die  exemie  SteUung  des  HospitalÜcr-Ordens. 


121 


den  Anlass,  dass  die  päpstliche  Kurie  dem  daraus  hervor- 
gegangenen Orden  immer  neae  Gunstbeweise  gewährte  und  ihn 
dadurch  gegen  ihre  eigene  Absicht  veranlasste  und  in  den 
Stand  setzte,  seine  ursprüngliche  zwiefache  Aufgabe,  deren 
LusUDg  nach  der  niilitärischen  Seite  hin  ohnehin  bald  unmög- 
lich wurde,  gegen  Bestrebungen  weltlicher  Natur  zurücktreten 
zu  lassen  und  sich  sclüiesshch  dem  Papsttum,  als  dieses  ihn 
daran  eu  hindern  yersuchte  und  den  ordentlichen  kirchlichen 
Autoritäten  wieder  unterwerfen  wollte,  in  offenem  Widerstand 
entgegenzusetzen.  Auf  diese  Art  gewannen  die  kirchlichen 
Freiheiten»  die  der  Orden  mit  ähnlichen  Genossenschaften  teilte, 
in  seinen  Händen  allmählich  eine  Bedeutung,  die  ihren  Ver- 
leihern ganz  fern  gelegen  hatte,  während  die  rücksichtslose 
Konsequenz,  womit  er  sie,  oft  unter  Anwendung  bedenklicher 
Mittel,  gegen  jeden  Einspruch  durchsetzte,  ihm  immer  neue 
Feinde  machte.  Am  frühsten  und  in  besonders  hohem  Masse 
war  das  mit  dem  Episkopate  und  der  Pfarrgeistlichkeit  der 
Fall.  Dass  er  in  solchen  Konflikten  meist  den  Sieg  davontrug 
oder  doch  eine  gegen  ihn  ergangene  Entscheidung  auf  Um- 
wegen ausser  Wirksamkeit  zu  setzen  wusste,  konnte  seine  An- 
sprüche und  seine  Zuversicht  nur  steigern.  So  gelangte  er 
allmählich  zu  einer  Stellung,  die  mit  den  sonst  für  ähnliche 
Oenossenschaften  geltenden  kirchenreclithchen  Grundsätzen  über- 
haupt kaum  noch  in  Einklang  zu  bringen  war.  Diese  Ent- 
wickelung  vollzog  sich  dabei  im  Allgemeinen  in  der  Weise, 
dass  er  auB  der  Befreiung  von  gewissen  kirchlichen  Leistungen 
und  Pflichten,  die  ihm  als  dem  Vorkämpfer  gegen  die  Un- 
gläubigen im  Interesse  der  gesamten  Christenheit  gewährt  war, 
im  Laufe  der  Zeit  entsprechende  positive  Rechte  zu  machen 
wuBste  und  diese,  waren  sie  einmal  zur  Anerkennung  gebracht» 
planmässig  erweiterte.  Ahnlich  wie  der  Tempelheirnorden  hat 
er  auf  diesem  Gebiete  frühzeitig  eine  ganz  konsequente  Politik 
entwickelt,  welche  trotz  des  Wechsels  der  leitenden  Persön- 
lichkeiten Generationen  hindurch  gl  eich  massig  verfolgt  wurde, 
obgleich  sie  mit  seinem  ursprünglichen  Beruf  eigentlich  nichts 
mehr  2U  tun  hatte. 


122 


B,  PnU^ 


Am  einfachsten  förderte  die  Kirche  die  der  gesamten 
Christenheit  zugute  kommenden  Bestrebungen  des  Ordens,  indem 
sie  die  ihm  dafür  zur  Verfügung  stehenden  Mittel  dadurch 
vermehrte,  dass  sie  ihrerseits  auf  die  Zahlungen  Verzicht  leistete, 
die  sie  von  ihm  zu  beanspruchen  hatte.  Dies  galt  zunächst 
von  dem  Zehnten,  der  von  den  Ordensgütem  an  sie  zu  ent- 
richten gewesen  wäre.  Das  tat  für  seinen  Sprengel  bereits 
der  zweite  hiteinische  Patriarch  von  Jerusalem  Arnulf  am  Tage 
seiner  Weihe  1112,*)  Seinem  Beispiel  folgte  zu  derselben  Zeit 
(18,  Juli  1112)  Erzbischof  Euremar  von  CtLsarea.*)  Dass  Bischof 
Herbert  von  Tripolis  und  sein  Nachfolger  Pontius  die  gleichen 
Bestimmungen  zu  Gunsten  des  Hospitals  getroffen  haben,  lehrt 
ihre  Bestätigung  durch  Papst  Calixt  U.  vom  19,  Juni  1119.') 
Im  vSprengel  von  Nazareth  befreite  Bischof  Bernhard  das  Hospital 
am  20,  Oktober  1125  ebenfalls  von  der  Zehntenpflicht.*) 
Dagegen  bewilligte  ihm  Johannes,  der  erste  lateinische  Bischof 
von  Accon,  am  30.  April  1135  die  gleiche  Vergünstigung  erst 
gegen  die  Zusage,  dass  die  Brüderschaft  ihrerseits  ihn  in  dem 
Streite,  der  zwischen  ihnen  in  bezug  auf  den  nördlichen  Ein- 
gang der  der  Kathedrale  benachbarten  Kirche  zum  heiligen 
Kreuz  schwebte,  hinfort  keine  Schwierigkeiten  mehr  bereiten 
werde.  *) 

Diese  Freiheit  vom  kirchliehen  Zehnten  war  jedoch  eu* 
nächst  keine  unbedingte,  sondern  galt  nur  von  den  LUndereien, 
welche  die  Brüder  selbst  und  zu  eigenem  Unterhalt  bebauten, 
wie  es  klar  in  der  betreffenden  Stelle  des  Privilegs  Innocenz'  IT. 
vom  7.  Februar  1137  ausgesprochen  ist:**)  Doch  wurde  sie  bald 

»)  Cartulaire  no.  25  (I,  S.  25). 

«)  Ebd.  no,  29  H,  S.  28).*  Die  betreffeüde  Urkunde  «chliesst  «ich  wOrtr 
Heb  an  die  Arnulfs  an. 

«)  Ebd.  no.  48  (1,  S.  40). 

*)  Ebd,  no,  71  (J,  8.  68). 

5)  Ebd.  no.  112  (I,  8.94). 

^')  Curtulaire  no.  122  (1,  S,  102):  Qaia  vero  omnia  rc-stm  suiten* 
taliooibuB  puuperum  ei  per^^iuorum  debent  eedore  ac  per  boo  nulla- 
tenuB  ea  alÜM  utibue  conventt  apUcari,  coimtitutmui»,  ut  de  laboribtu, 
quoN  vestris  ufibuü  coUtsa,  dAre  dccijoiu  noa  cogamiai. 


Die  ejoemte  Stdlunff  des  JloäpitaUier'Ordens, 


123 


feiter  (gedeutet  und  um  Missbräuche,  die  in  dieser  Hinsicht 
eingerissen  waren,  zu  beseitigen  und  die  Kirche  vor  finanzieller 
Schädigung  durch  allzu  weite  Erstreck  ung  der  Zebntenfreiheit 
zu  bewahren,  hatte  Iladrian  IV.  eine  Deklaration  erlassen^  wo- 
nach die  solchen  Qenossenachöften  verliehene  Zehntenfreiheit 
gelten  sollte  nur  in  Bezug  auf  die  von  ihren  Mitgliedern  eigen- 
lüindig  oder  auf  ihre  Kosten  bewirtschafteten  oder  erst  urbar 
gemachten  Ländereien  sowie  von  dem  Ertrag  des  Anbaus  von 
Futter  für  ihre  Tiere  und  ihren  Gärten ,  denjenigen  Grund- 
stücken also,  auf  die  sie  mit  ihrem  Unterhalt  unmittelbar  an- 
gewiesen waren.  Von  denjenigen  Ländereien  aber,  die  sie  nicht 
in  Aer  angegebenen  Weise  selbst  bewirtschafteten,  sondern  ver- 
werteten, indem  sie  sie  gegen  Zins  oder  Dienst  austaten,  sollte 
der  kirchliche  Zelmte  entrichtet  werden.  Zweifellos  hat  auch 
die  dem  Hospital  verliehene  Zehntenfreiheit  ursprünglich  nur 
in  diesem  beschränkten  Umfange  gegolten.  Erweitert  aber 
wurde  sie  durch  Alexander  IIL,  der  den  Hospitalitern  ebenso 
wie  den  Tempelherren  und  Cisterciensern  den  Zehnten  ganz 
aUgemein  von  den  von  ihnen  bewirtschafteten  Grundstücken 
erliess*)  und  da»  den  Prälaten  der  Christenheit  durch  einen 
£rlass  vom  4.  Juli  1171,  1172  oder  1180  in  ungewöhnlich 
scharfen  Worten  zu  gewissenhafter  Nach  ach  tung  in  Erinnerung 
brachte,^)  Auch  hier  hat  der  Orden  augenscheinlich  sein  Stück 
jprst  allmählich  durchgesetzt,  indem  er  die  nur  für  gewisse  von 
Binen  Gütern  geltende  Zehntenfreiheit  auf  solche  ausdehnte» 
die  darunter  zunächst  nicht  begriffen  waren,  und  so  vollendete 
Tatsachen  schuf,  die  in  Eom  schliesslich  anerkannt  wurden 
und  die  er  dann  weiterbin  zur  Ableitung  eines  Rechisgrundsatzes 
zu  seinen  Gunsten  benutzte.  Lehrreich  in  dieser  Hinsicht  ist 
ein  Streit  über  eine  Frage  derart  zwischen  dem  Hospital  und 
den  Kanonikern  der  heiligen  Grabeskirche  zu  Jerusalem,  in  dem 
Alexander  IIL  selbst  noch  eine  andere  Stellung  einnahm  als 
in  dem  angeführten  späteren  Erlass  zu  Gunsten  des  Ordens. 
Das   darin   ergangene   päpstliche  Schreiben    lässt  zugleich  er- 

«)  Kbd.  no.  276  {X  S.  207). 
»)  Ebd.  HO,  428  (I,  8.  296), 


B,  Fruit 


kenDen,  dass  die  Praktiken  des  Ordens  io  solchen  Fällen  ge- 
legentlich recht  bedenklich  waren.  Auf  eine  Beschwerde  der 
Kanoniker  der  Grabeskirche,  die  sicher  wirklich  nach  Rom  ge- 
langen zu  lassen  diese  zwei  der  Ihrigen  dorthin  entsandt  hatten, 
zumal  es  zugleich  Klage  zu  führen  galt  über  den  Missbraucb, 
den  der  Orden  mit  den  ihm  in  bezug  auf  interdi eierte  Kirchen 
verliehenen  Vorrechten  trieb,  hatte  dieser  Papst  noch  am 
15.  Februar  1168  verfUgt,  dass  der  Orden  nicht  berechtigt  sei, 
im  Sprengel  von  Jerusalem  die  Zehntenfreiheit  ober  die  her- 
kömmlichen Grenzen  zu  erweitern  und  wegen  anderer  Fragen 
entstandene  Streitigkeiten  als  Vorwand  zu  benutzen,  die  Zahlung 
des  Zehnten  von  den  bisher  dazu  verpflichteten  ßrundstüeken 
zu  verweigern.  Am  Schluss  werden  die  Kanoniker  bevoll- 
mächtigt» das  päpstliche  Schreiben  selbst  dem  Orden  vorzulegen, 
falls  dieser  den  in  dem  gleichen  Sinne  an  ihn  ergangenen  Erlass 
des  Papstes  verheimlichen  oder  die  darin  enthaltenen  Weisungen 
unbeachtet  lassen  sollte.^) 

Solche  Erlasse  aber,  in  denen  die  Kurie  den  Eigenmächtig- 
keiten des  Ordens  einmal  schärfer  entgegentrat,  sind  offenbar 
nur  vereinzelt  geblieben,  hatten  auch  sachlich  keine  weiteren 
Folgen  und  wurden  daher  bald  wieder  vergessen.  So  scheint 
68  denn  schliesslich  etwas  Gewöhnliches  gewesen  zu  sein,  da^s 
die  dem  Orden  ursprünglich  nur  für  gewisse  Teile  seines  Land- 
besitzes zustehende  Zehnten fireiheit  auch  auf  die  übrigen  aus- 
gedehnt wurde  und  namentlich  auch  auf  neu  erworbene  Lau* 
dereien,  die  bisher  den  Zehnten  gezahlt  hatten.  Das  ist  sicher- 
lich nicht  immer  auf  dem  Wege  einer  besonderen  Verleihung 
geschehen,  wie  sie  mit  Rücksicht  auf  die  Opfer,  die  der  Orden 
im  allgemeinen  Interesse  der  Christenheit  brachte,  durch  Papst 
Alexander  ^\^  im  Jahr  1254  für  all  die  Ordensgüter  erfolgte, 
die  im  Geluete  des  als  Grenzfestung  wichtigen  Kurdenschlosses, 
heute  Kaln'at-el-hösn,  lagen  und  in  ihrer  Vereinigung  eine  ftlr 
die  Verteidigung  der  christlichen  Grenze  im  Tripolitanischen 
besonders  wichtige  Grenzmark  bildeten,*)  und  wie  sie  ihm  van 

1)  Ebd.  nu.  305  (T,  S,  270). 

*)  Vgl  I'rut«,  Kulturgcscbicht«  der  Krftu^üge  &  247. 


Die  exemte  SuUung  des  HöspitalUM''Ord€ni, 


125 


demselben  Papste  am  8,  April  1255   in  bezug  auf  Kerak  oder 

MoDtroyal  zugestanden  wurde.*)  Vielmehr  wird  häufig  dor 
Orden  die  bei  der  Erwerbung  neuer  Güter  auf  diesen  lastende 
Zehntenpflicht  alUnählich  abzustreifen  gewusst  haben,  obgleich 
Clemens  IV.  ihm  am  24.  Oktober  1265  im  Widerspruch  eigent- 
lich mit  dem  in  der  Ordensregel  enthaltenen  Verbot  der  Ein- 
gehung derartiger  Abhängigkeitsverhältnisse  ausdrücklich  ge- 
stattete bewegliche  und  unbewegliche  Güter  anzunehmen,  selbst 
unter  der  Bedingung  der  ferneren  Zahlung  des  bisher  darauf 
lastenden  Zinses.^)  Wenn  dann  1274  das  Konzil  zu  Lyon  die 
lum  Schaden  der  kirchlichen  Finanzen  allzuweit  erstreckte 
Zehntenfreiheit  der  Güter  kirchlicher  Genossenschaften  zu  Gunsten 
des  hilfsbedürftigen  heiligen  Landes  durch  eine  Reihe  von  neuen 
Bestimmungen  einzuschränken  suchte»  so  wurde  der  Orden 
auch  dayon  wiedermn  nicht  getroffen,  da  r*ap8t  Gregor  X.  ihn 
und  alle  seine  Glieder  am  23.  Oktober  1274  ausdrücklich  davon 
ausnahm,  indem  er  auf  die  besonderen  Gefahren  hinwies,  denen 
er  bei  der  Verteidigung  F'aliistinas  ununterbrochen  ausge- 
is&tzi  sei.*) 

Demgemäsa  sehen  wir  denn  in  Füllen,  wo  von  Seiten  der 
Kireheufürsten  versucht  wird,  die  Zehntenfreiheit  der  Ordens- 
güter auf  das  herkömmliche  kanonische  Mass  zu  beschränken, 
die  Kurie  sich  ihres  Grünstlings  annehmen  und  die  von  ihm 
bisher  genossene  Freiheit  verteidigen.  Was  aber  vom  Zehnten 
galt,  wurde  natürlich  auch  angewandt  auf  kirchliche  Abgaben 
wie  den  Vierten,  den  Zwanzigsten  u.  s.  w.,  wie  sie  von  dem 
Orden  zugewandten  Schenkungen  oder  von  ihm  ausgesetzten 
Legaten  die  Diözesanbischöfe  beanspruchten.  Solche  Forde- 
rungen verbot  den  Prälaten  Gregor  IX.  durch  einen  Erlass 
vom  20.  November  1228,*)  und  speziell  für  Deutschland,  Mahren, 
Böhmen  und  Polen  eximierte  dann  am  28.  Juli  1249  Innocenz  IV, 
den  Orden  von  dem  Zwanzigsten,  der  durch  päpstliche  Legaten 

»)  Cartülaire  no.  2727  (II,  S.  777). 
«)  EV>d,  HO.  3189  (III,  S.  125). 
«)  Ebd.  HO.  3555  (III,  S.  313). 
*)  Ebd.  no.  1929  (11,  S.  390), 


126 


H,  Pmtr 


Eeitweilig  zum  Besten  des  heiligen  Landes  ausgeschrieben 
wurde,  ^)  Gregor  X.  verbot  den  Kollektoren  am  6.  April  1275 
allgemein  den  Orden  mit  derartigen  Zumutungen  zu  belästigen/*) 
So  galt  scfaJiesBlich  geradezu  der  Grundsatz,  dass  überhaupt 
allgemeine  Erlasse ,  durch  welche  geistlichen  Körperschaften 
irgend  welche  finanzielle  Lasten  aufgelegt  wurden,  auf  den 
Orden  keine  Anwendung  fanden,  wenn  er  nicht  ausdrücklich 
als  mit  darunter  begriffen  darin  genannt  war,  wie  Clemens  IV. 
am  18,  Mai  1265  feststellte,^)  Das  war  die  natürliche  Kon- 
sequenz der  Bestimmung,  die  Innocenz  IV,  am  23.  August  1250 
getroflen  hatte,  wenn  der  Orden  sich  auf  ein  ihn  eximierendea 
Privileg  berufen  könne,  sollte  selbst  aus  seiner  ausdrücklichen 
Nennung  in  dem  päpstlichen  Erlass  nichts  zu  seinem  Nachteil 
gefolgert  werden  dürfen.*)  Das  Prinzip  dei*  Steuerfreiheit  des 
Ordens  in  bezug  auf  seine  kirchlichen  Emkünfte  wird  daher 
auch  dem  König  von  England  gegenüber  durch  Nikolaus  IV» 
in  einem  Schreiben  vom  14.  Mai  1290  uneingeschränkt  ver- 
treten.*) 

Ein  Rechtatitel  für  derartige  Exemtionen  lag  doch  aber 
streng  genommen  nur  vor,  soweit  es  sich  um  besondere  Leis- 
tungen für  das  heilige  Land  handelte,  dem  die  Tätigkeit  und 
die  Mittel  des  Ordens  ohnehin  geweiht  waren.  Dementsprechend 
nahm  der  Orden  denn  auch  nicht  teil  an  den  Auflagen,  die 
zum  Zwecke  von  Kreuzzügen  und  ähnlichen  Unternehmungen 
durch  die  Päpste  ausserordentlicherweise  ausgeschrieben  wurden. 
Innocenz  IV,  erklärt  am  20.  Juni  1245,  derselbe  könne  zur 
Unterstützung  des  heiligen  Landes  und  des  lateinischen  Kaiser- 
tums nicht  herangezogen  werden.*)  Dementsprechend  weist 
derselbe  Papst  am  15.  Juli  1246  seinen  Legaten  Eudea  Yon 
Chateauroux,  Kardinalbischof  von  Tusculum,  an  den  Zwanzigsten, 


^  Ebd.  HO.  2505  (11,  S.  660). 
«)  Ebd.  no.  3569  (lU,  S.  320), 
»)  Ebd,  HO.  3i:U  (III,  S.  101). 
*)  Ebd.  no.  übm  (II,  8.  C06). 
^}  Ebd.  no.  4098  OH,  S.  öSi). 
<"')  Ebd,  üo.  247S  Ül  S.  035). 


}ie  exemie  Stellung  des  Hoipitaliter-Ordens»  127 

der  Ludwig  IX*  von  Frankreich  zu  dem  von  ihm  geplanten 
Kreuzzug  von  den  kirchlichen  Gütern  seines  Reiches  bewilligt 
i»t,  von  dem  Orden  so  wenig  wie  den  Tempelhen-n,  Karthäusern 
und  Cisterziensern  und  dem  Orden  von  Fontrevault  einzufordern. \) 
Qeiuäss  dem  damit  anerkannten  Grundsatz  entscheidet  denn 
auch  Alexander  IV.  am  8.  April  1255^  daas  der  Orden  die  ihm 
zugemuteten  Abgaben  für  die  Unterhaltung  des  Schlosses  Kerak 
oder  Montroyal,^)  der  Hauptfestung  zur  Deckung  des  christ- 
licben  Besitzes  gegen  einen  Angriff"  von  Ägypten  her,  nicht 
XU  zahlen  brauche,')  und  erklärt  am  9,  Februar  1256  die  Ho- 
spitaliter  zugleich  mit  den  Tempelherrn  und  Cisterziensern  für 
nicht  betroffen  von  dem  Zehnten,  den  die  Prälaten  der  Diüzese 
Antiochien  drei  Jahre  lang  dem  dortigen  Patriarchen  zur  Be- 
tigung  von  Kalaat  ez  Zair  zahlen  sollen.*) 

Schliesslich  verzichtete  die  Kirche  eigentlich  überhaupt  auf 
Inanzielle  Beihilfen  des  Ordens  für  ihre  besonderen  Zwecke^ 
wie  sie  ähnliche  Körperschaften  sonst  aufzubringen  hatten. 
Qanz  allgemein  weist  Innocenz  IV.  am  11.  Mai  1247  die  Prä- 
laten an,  Unterstützung  für  die  Kirche  von  ihm  nicht  zu  for- 
dern und  ihn  gegen  Belästigungen  möglichst  zu  schützen,^) 
Als  Alexander  IV.  im  August  1255  den  Erzbischof  von  Arhorea 
iavollm ächtigt,  den  sardinischen  Klerus  zu  Beiträgen  zur  Be- 
testigung  von  Qropella  heranzuziehen,  nimmt  er  wiederum  mit 
den  Cisterciensern,  Tempelherrn  und  dem  Orden  von  AltopasÄc» 
die  Hospitaliter  davon  aus,^)  Das  Gleiche  geschieht  am  19*  März 
1265  durch  Clemens  IV.  in  bezug  auf  den  Zehnten,  der  in 
Frankreich  zu  gunsten  Karls  L  von  Anjou,  des  Königs  von 
Neapel,  auf  alle  geistlichen  Güter  gelegt  war.^)  Derselbe  Papst 
verfügt  am  24.  Oktober  1264  ganz  allgemein,  der  Meister  und 


*)  Ebd.  no.  2409  (II.  S.  644).    VgL  no,  24U. 

«)  Vgl.  oben  S.  125. 

^  Cartulaire  no.  2727  (11,  8.  777). 

*)  Ebd.  no.  2788  (11,  S.  804). 

»)  Ebd.  no,  2441  (II,  S.  666)* 

•I  Ebd,  no,  2764  (II,  S.  791). 

T)  Ebd.  no.  3122  (III,  8.  97). 


128 


li.  Pniti 


die  Brüder  des  Ordens  dürften  von  kirchlichen  Autoritäten  so 
wenig  wie  vun  weltliehen  irf^eiidwie  ungebührlich  besteuert 
werden.  Es  scheint  sich  dabei  um  Güter  zu  handeln»  die  den 
Genannten  persönlich  gehörten»  woraus  hervorgehen  würde, 
dass  der  Orden  es  mit  der  in  der  Regel  vorgeschriebenen 
Armut  seiner  Glieder  d.  h.  ihrer  persönlichen  Besitzlosigkeit 
ebenfalls  nicht  mehr  allzu  gennu  nahm.')  Nur  in  ganz  ver- 
einzelten Ausnah  metallen  suchte  die  Kurie  auch  diesen  Orden 
finanziell  für  ihre  Zwecke  heranzuziehen.  Am  10.  Oktober  1268 
weist  Clemens  IV.  seinen  Legaten,  den  Kardinalbischof  von 
Albano  Rudolf  de  Chevrieres,  ausdrücklich  an,  wie  von  den 
anderen  eximierten  Orden  auch  von  den  Hospital  item  den  noch 
ausstehenden  Rest  des  Zehnten  einzutreiben,  der  zur  Unter- 
stützung des  Königs  von  Neapel  ausgeseh rieben  ist,  und  das 
eingehende  Geld  zunächst  zur  Befriedigung  der  Gläubiger  der 
Kurie  in  Siena,  Rom  und  Florenz  zu  verwenden.*)  Nikolaus  IV. 
aber  ersucht  den  Orden  am  22.  August  1291,  ihm  zum  Unter- 
halt seiner  Galeeren  die  Summe  zur  Verfügung  zu  stellen,  die 
er  sonst  jährlich  auf  die  Unterstützung  des  inzwischen  ver- 
lorenen christhchen  Besitzes  im  Osten  verwandt  habe,*)  Der- 
selbe Papst  hatte  am  20,  September  1290  in  einem  Schreiben 
an  die  drei  grossen  geistlichen  Hitterorden  ausdrücklich  aner* 
kannt,  dass  sie  zu  finanziellen  Beihilfen  für  die  Kirche  nicht 
verpflichtet  seien,  indem  er  sie  zugleich  bat,  ihr  angesichts 
ihrer  dermaligen  Geldnot  freiwillig  Unterstützung  zu  gewähren.*) 
Bedenkt  man,  welche  Summen  die  römische  Kurie  auf 
Grund  der  Rechtstitel,  deren  Geltendmachung  dem  Orden  gegen- 
über sie  durch  die  ihm  verliehenen  Privilegien  aus  der  Hand 
gegeben  hatte,  von  anderen  geistlichen  Körperschaften  jahrein 


1)  Ebd.  DO.  9188  (in,  S.  124) ut  nuila  eccleataatica  iecularitfire 

persona  vob  occasione  prediorum,  que  forte  posaideti^  in  eonua  diatric- 
iibiin,  indebiti^  exactionibus  gravare  Tel  ratloae  prediomm  ip«orQm  vobjs 
uliquam  coUectam  ».  exactionem  imponat. 

*)  EbcL  no,  S318  flll,  8.  189).  ~ 

«)  Ebd.  HO.  4168  (lU,  8.  598). 

<)  KbcL  no.  41tG  (Ul.  S,  671). 


i>t^  tX€fnt€  Stellung  di»  Hospitaliter-Oräens, 


129 


j&bmus  zog  und  zu  welchen  Beträgen  dieselben  durch  ausser- 
ordentliche Erhebungen  derart  zeitweilig  noch  gesteigert  wurden, 
so  wird  man  den  Gewinn  jedenfalls  sehr  hoch  anschlagen 
dQrfen,  den  der  Orden  infolge  seiner  fast  vollständigen  Exemp- 
tion  von  all  dergleichen  Zahlungen  jährlich  machte  und  für 
seine  besonderen  Zwecke  zur  Verfügung  behielt.  Seinen  Betrag 
auch  nur  annähernd  zu  schätzen,  ist  unmöglich:  dazu  fehlen 
uns  alle  Anhaltspunkte.  Wohl  aber  ergibt  ein  Vergleich  mit 
dem  Bilde,  das  wir  uns  auf  grund  einiger  Angaben  von  dem 
Gesamteinkommen  des  Ordens  machen  können,  das  eine  mit 
Sicberbeit.  dass  es  sich  dabei  um  sehr  beträchtliche  Summen 
gehandelt  liaben  muss.  Wenn  nämlich  der  gesamte  Grund- 
besitz des  Ordens  im  18.  Jahrhundert  auf  19000  Manoirs  ge- 
schätzt wurde,  deren  jedes  zur  Ausrüstung  und  Unterhaltung 
eines  Ritters  die  Mittel  lieferte,  und  wenn  man  den  Ertrag 
eines  jeden  dieser  Ritterlehen  nur  auf  den  dafür  später  im 
Königreich  Cypern  geltenden  Satz  von  200  Byzantinern,  das 
läi  1900  Franks  deoi  Metall  wert  nach  abschätzt,  so  würde  das 
immerhin  eine  Jahreseinnahme  fiir  den  Orden  von  36100000 
Franks  ergeben,  die  auf  den  heutigen  Wert  oder  die  Kaufkraft 
des  Geldes  berechnet  etwa  das  Achtfache  in  heutigem  Gelde 
bedeuten  würde*)  —  eine  Summe,  welche  vollkommen  erklärt, 
wie  der  Orden  ebenso  wie  der  der  Tempelherrn  die  Stellung 
einer  finanziellen  Grossmacht  gewann  und  auf  den  Geldverkehr 
namentlich  zwischen  Abend-  und  Morgeuland  und  infolge  dessen 
auf  die  kommerziellen  und  wirtschaftlichen  Verhältnisse  hier 
wie  dort  vielfach  entscheidenden  Einfluss  ausüben  kunnte,  auch 
wenn  er  es  in  späterer  Zeit  noch  mit  der  Bestimmung  genau 
nahm^  dass  er  den  dritten  Teil  seines  Jahreseinkommens  zum 
Besten  des  heiligen  Landes  verwenden  sollte/^)  Geld  aber  war 
in  jener  Zeit  noch  melir  eine  Macht  als  heutigen  Tages,  und 
die  dem  Orden  nicht  eben  günstige  öffentliche  Meinung  wird 
nicht   so   unrecht   gehabt   haben,    wenn   sie   entsprechend   der 

*)  Prutz,  Kulturgeschichte  der  Kreuz/.u|fe  S,  253. 
>)  Da«  erwähnt  Nikolaus  l\\  in  dem  ErlasB  vom  20.  Februar  1201, 
Cartniaire  iio.  4U7  (111,  S,  586). 


1904.  SlUgab.  d.  pliÜ<>t,-ptiilol  ii,  d.  blii.  Kl. 


d 


130 


H.  PruU 


Bedeutong,  die  des  Ordens  Schätze  bereits  zur  Zeit  Alexanders  IIL 
für  das  Papsttum  gehabt   hatten,')   dessen  sowie  seiner  Nach- fl 
folger  Vorliebe   für   ihn    wenigstens   zu   eineni  Teile   von    hier  ■ 
aus  erklären  wollte  und  in  der  Nachgiebigkeit  der  Kurie  gegen 
die  steigenden  Ansprüche  und  sich  häufenden  Übergriffe  der  ab  ■ 
verweltlicht  und  eitel  verrufenen  Genossenschaft  auf  den  Zauber 
zurückführte,  den  deren  Geld  auch  in  der  Folge  noch  dort  ausübte. 
Bestätigt  wird  diese  Auffassung  durch  den  Gebrauch,  den 
wir    den    Orden    auch    anderweitig    von    seinen    für   jene    Zeit ' 
enormen   Mitteln    machen    sehen:    für   geistliche    und    weltliche 
Grosse  ist  er  der  Bankier,  der  ihnen  in  Verlegenheiten  aushilft  j 
und    grosse   Geschäfte   ermöglicht     Dass    er    das    nicht    Dhnej 
entsprechend    reichen    Gewinn    tat,    versteht    sich    von    selbst. 
Begreiflicherweise  ist  uns  aber  nur  von  verhältnismässig  wenigen 
Geschäften    derart   sichere  Kunde   erhalten.     Im  Aagust  1254 
kauft  der  Orden  von  Julian,  dem  Herrn  von  Sidon  und  Beau- 1 
fort,    einen   Güterkomplex    zwischen    Nazareth    und   Tiberias*) 
flSr  24000  Byzantiner  d.  h.  228000  Franks  Metall-  und  etwa 
das  Achtfache,    also    1824000  Franks   an    heutigem  Geldwert* 
Von   dem  Erzbischof  Heinrich   von  Nazareth    i)achtet  er  1259 
eine  Anzahl  v(»n  Caaalien  auf  50  Jahre  gt*gen  2000  Byzantiner 
jährlich,  das  ist  19000  resp,  152000  Franks. >)    Im  Jahr  1261 
wird    die    Pacht,   die   er    Balian    von    Ibelin,    dem    Herrn    von 
Arsur,  jährlich  für  eine  Anzahl  von  Gütern  gezahlt   hat,   von 
4000  Byzantinern,    das    ist   38000    resp.    304000  Franks    auf 
1000  Byzantiner,    daa    ist    9500    resp,    76000  Franks    herab- 
gesetzt.*)   Für  einen  Ankauf  von    Land   verwendet  der  Orden 
im    Herbst    1264     12000    Byzantiner,    das    ist    96900    rt^sp. 
775200  Franks.     Beachtet  werden   muss  dabei  auch  der  Um- 
stand, dass  diese  und  ähnliche  Geschäfte  von  geringerem  Um- 
fang, itlr  die  uns  urktindliche  Zeugnisse  vorliegen,  sämtlich  in 
eine  Zeit   fallen,  wo  die  ijn  Osten    heimiseh  gewoseaen  fräa- 

M  VwgK  oben  8.  103. 

«)  Cartulaire  no.  2G88  (11,  S.  716), 
')  Rbd.  no.  21184  (U.  S.  680). 

4)  Ebd.  tio.  2972  m,  a  IK 


Die  exemte  Stellung  äes  Sospüalüer'Ordenä, 


131 


kischen  Adelshäuser  wegen  der  Aussichtslosigkeit;  der  dortigen 
Verhältnisse  sich  von  dort  zu  lösen  trachteten,   um  nach  dem 
Westen    zurückzukehren.     Um  so  mehr   lässt   sich    annehmen, 
dlflB  der  grössere  Gewinn  dabei  auf  der  Seite  des  Ordens  war. 
hm   darf  man   aus  der   bedeutenden   Rolle   schliessen,  welche 
Bemühen  ura  die  Vermehrung  und  Verbesserung  des  Ordens- 
Bitzes   in    der  Tätigkeit   der  Ordeusbeamten    augenscheinlich 
gespielt  hat:   die  ritterliche  Genossenschaft  ist  offenbar  stark 
K    vom    Geiste     kaufmännischer    Spekulation    ergriffen    gewesen. 

■  Daher   werden    dejm   auch    nicht  selten    durch  Kauf  geraachte 

■  Erwerbungen  hinterher  so  dargestellt,  ab  ob  sie  durch  eine 
H  fromme  Schenkung  an  den  Orden  gekommen  wären,  und  der 
^^^afÜr  gezahlte  Kaufpreis  wird  in  der  betreffenden  Urkunde 
^^BlBgegeben  für  ein  Geschenk  oder  ein  Almosen,  das  der  Orden 
m  seinem  angeblichen  Wohltäter  „zur  grösseren  Festigung  des 
"     Geschehenen^  gemacht  haben  soll.    Auch  legte  der  Orden,  um 

sich  im  Besitz  solcher  Neuerwerbungen  gegen  Anfechtungen 
Zü  sichern,  nicht  selten  dem  Schenker  oder  Verkäuier  und 
dessen  Erben  oder  sonstigen  liechtsnachfolgern  die  Pflicht  auf, 

Iin  allen  Kechtsstreitigkeiten,  die  um  das  betreflfende  Grundstück 
entHtehen  sollten,  ihn  zu  vertreten  und  alle  daraus  erwachsen- 
den Kosten  und  Verluste  auf  sich  zu  nehmen*  Weiter  wird 
iime  Seite  der  Ordenstätigkeit  in  ein  merkwürdiges  Licht  ge- 
reckt durch  den  Beschluss,  dass  die  W^iederer Werbung  von 
Ordensgüt^m,  die  Ordensbearate  früher  eigenmächtig  veräussert 
hatten,  namentlich  denjenigen  Personen  gegenüber  versucht 
werden  sollte,  die  ausser  Stande  wären,  dem  Orden  dafür  beson- 
deren Schaden  zu  tun,  \)  Wie  der  Orden  seine  Geldmittel  auch 
anderwärts  nützlich  zu  verwenden  wusste,  ersehen  Tvir  daraus^ 
da.ss  125^  der  Patriarch  Juknb  von  Jerusalem  bei  ihm  mit 
pipstUcher  Erlaubnis  für  seine  Kirche  eine  Anleihe  von  150  Unzen 
Gold  aufnahju*)  und  1272  Papst  Gregor  X,  ihn  um  ein  Dar- 
lehen votn  25000  Mark  Silber  angeht.") 

')  Prutx,  Kulturgeschichte  der  KreuxÄUge  S*  2ßO,  51. 
>)  Cwiuliure  uo.  2786  HK  8,  8021. 
»)  Ebd.  nc.  5440  OH  8,  263U 


132 


E.  Prute 


In  anderer  Weise  kam  dem  Wohlstand  des  Ordens  ferner 
der  Verzicht  zu  gute,  den  die  Kurie  ihm  gegenüber  auf  ge- 
wisse Rechte  leistete,  deren  Geltendmachung  denselben  mittel* 
bar  in  etwas  verkürzt  haben  würde.  Auch  der  Orden  war 
eigentlich  verpflichtet,  Prälaten  und  namentlich  päpstlichen 
Gesandten  auf  ihren  Reisen  in  seinen  Häusern  Herberge  und 
Unterhalt  zu  gewähren.  Damit  werden  diese  Herrn  bei  ihrer 
bekannten  Abneigung  gegen  den  Orden  freilich  gelegentlich 
wohl  Missbrauch  getrieben  haben,  indem  sie  mit  unnötig  grossem 
Gefolge  und  zahlreichen  Reittieren  einherzogen,  sich  länger  als 
geboten  aufhielten  oder  in  bezug  auf  die  Bewirtung  besondere 
Ansprüche  stellten.  Auf  eine  Beschwerde  darüber  nimmt  sich 
Honorius  IIL  in  einem  Erlass  vom  11,  Dezember  1220  des 
Ordens  energisch  an:  er  sollte  nicht  mehr  zu  leisteji  gehalten 
sein,  als  auf  dem  Laterankonzil  in  dieser  Hinsicht  bestimmt 
war.^)  Doch  war  damit  dem  Übelstand  nicht  abgeholfen,  wie 
denn  Klagen  darüber  auch  anderweitig  vielfach  laut  werden.*) 
Deshalb  erneute  Gregor  IX,  am  1.  Dezember  1228  jenes  Verbot: 
er  könne  nicht  dulden,  dnss  dem  Orden  unter  seinem  Ponti- 
fikate  neue,  bisher  nicht  übliche  Lasten  aufgelegt  würden.*) 
Die  Sache  blieb  trotzdem  zunächst  noch  streitig,  schliesslich 
jedocli  drang  der  Orden  auch  hier  durch»  Am  25.  Oktober 
1266  erklärte  ihn  Clemens  IV.  im  allgemeinen  ftlr  eximiert 
Yon  dem  Herbergerecht  der  l'rälaten,  und  zwar  sollte  diese 
Exemtion  auch  in  den  Fällen  gelten,  wo  ihrer  nicht  ausdrück- 
lich Erwähnung  getan  war**)  Hinfort  wurde  nur  einzelnen 
mit  Gesandtschaften  betrauten  Prälaten  vom  Papst  ausnahms- 
weise das  Recht  verliehen,  auch  in  den  Häusern  der  Hospita- 
liter  Aufnahme  zu  fordern.*)    Mao  sieht,  die  eximierte  Stellung 


*)  Ebd.  no.  1690  (11,  S.  277).   Vergl.  aocb  Clemw«  IV-  firiau  vom 
23.  Januar  1267.   Ebd.  tio.  9242  (III,  8.  U9). 

*)  Vergl.  Prut»,  Malteser  Ürkuuden  no.  222. 
•)  Cartulaire  no.  1931  01.  S.  391). 
^)  Ebd.  no.  8288  UH«  S.  144). 

^)  Qr90or  rX.   am    SL  Mai  128S   Carttilair«   ao,  2055  (II,   B,  iE 
lemcus  lY.  aiu  9.  April  I2S8  ebcnd.  ua.SaiO  mU  8.4411);  Hononus  ! 


Die  exemte  Stellung  des  Hospitaliter-Ordena. 


133 


I 


Ordens  wurde  der  Kurie  selbst  gelegentlich  unbequem,  da 
sie  ihr  die  Führung  der  Geschäfte  erschwerte  und  hlstige  Aus- 
gaben zumutete.  In  aolchen  Fällen  ging  sie  darüber  hinweg, 
freilich  wohl  nicht  immer  in  der  raililen  Form»  deren  sich 
Nikolaus  IV,  bediente,  wenn  er  am  22,  Juni  1290  den  Orden 
anwies,  seinem  Legaten  Bischof  Benveiiutx^  von  Gubbio,  der 
nach  Dalmatien,  B(»snien,  Steiermark  und  Kärnthen  gehen  sollte, 
oach  Kräften  behilflich  zu  sein.*)  Da  die  zur  Forderung  von 
Herberge  berechtigten  Prälaten  befugt  waren,  statt  derselben 
auch  Geld  zu  nehmen,  war  der  Orden  natürlich  auch  von  solchen 
Zahlungen  befreit;  Alexander  IV.  autorisiert  ihn  am  11.  JuU 
1286  ausdrücklich,  sie  zu  verweigern:  nur  die  Kardinäle  sollten 
solche  zu  beanspruchen  berechtigt  sein.  Es  sollten  durch  diese 
Befreiung  dem  Orden  für  die  Armenpflege  noch  reichere  Mittel 
xur  Verfügung  gestellt  werden.^)  Aber  auch  Kardinälen  gegen- 
über ist  der  Orden,  w^ie  es  scheint,  nur  ausnahmsweise  zur 
Leistung  dieser  procuratio  pecuniaris  angehalten  gewesen.  Er 
scheint  sich  ihrer  in  der  ihm  eigen^^n  Art  lärmend  erwehrt  zu 
haben:  wenigstens  teilt  ihm  Nikolaus  IV.  unter  dem  4.  Oktober 
1290  mit,  obgleich  er  die  Procuration  zum  Unterhalt  papst* 
lieber  Legaten  zu  leisten  verpflichtet  sei,  habe  er  den  von  ihm 
tma  Legaten  ernannten  Patriarchen  Nikolaus  von  Jerusalem 
angewiesen,  ihm  gegenüber  darauf  zu  verlieh ten,  , um  Ärgernis 
zu  vermeiden*.^) 

Die  Bereitwilligkeit  der  Kurie,  den  Orden  von  allen  finan- 
ziellen Verpflichtungen  frei  zu  machen,  die  seine  Leistungs- 
fähigkeit im  Morgeiilande  lieeinträchtigen  oder  durch  den  Wider- 
stand der  ebenso  un fügsamen  wie  einflussreichen  Qenossen- 
aeh&ft  ihr  selbst  unliebsame  Weiterungen  zuziehen  konnten, 
macht  es  begreiflich,  wenn  sie  derselben  auf  diesem  Gebiete 
gelegentlich    auch   da  gefällig  war,   wo   sie   es   ohne   eigenen 


STD    81.  Mai  1286    ebend.   no.  3929   (TH,  S,  489)    und   Nikolaus  IV.    am 
9,  AprU  1290  ebend.  no.  4086  (Hl.  8.  558). 

»)  Ebd.  no.  4105  (III,  8.  569). 

»)  Ebd.  HO.  2821  (11,  S.  820). 

*)  Ebd.  no.  4118  (lli,  S.  572). 


184 


H.  Pnä» 


Nachteil  auf  anderer  Leute  Kosten  sein  konnte,  und  sie  ron 
weltlichen  Lasten  frei  zu  machen  suchte,  indem  sie  um  de« 
heiligen  Landes  willen  die  Berechtigken  zum  Verzicht  auf  ihr 
Recht  bestimmte,  Bereits  Alexfinder  IIL  wies  die  Prälaten  der 
ChrLstenhoit  an,  den  Orden  gegen  die  Erhebung  des  Zwanzigsten 
zu  schützen,  den  die  Grossen  in  manchen  Gebieten  zu  inili- 
tärischen  Zwecken  zu  beanspruchen  pflegten.^)  Lucius  IIL  al>er 
eximierte  den  Orden  durch  eine  Bulle  vom  17.  Dezember  1184 
ohne  weiteres  gar  von  all  den  Auflagen,  die  zu  Arbeiten  von 
öÖeutlichem  Nutzen  erhoben  wurden/*)  Diese  Vergünstigung 
iBt  dann  am  5.  Sej>tember  1256  von  Alexander  IV.  wiederholt 
worden.*)  In  gleicher  Weise  weist  ara  17,  März  1267  Clemens  IV. 
den  Prior  von  S.  Amand  de  Ilodez  an,  die  Konsuln  und  die 
Behöi'den  der  Städte  und  Schlösser  der  Provence  zu  liindera, 
dass  sie  von  dem  Orden  seinen  Privilegien  widersprechend  Auf- 
lagen fordern,*)  Es  entspricht  durchaus  der  in  solchen  Erlassen 
zu  Tage  tretenden  hierarchischen  VnrsteUung  von  der  unbe- 
dingten llberordnnng  der  Kirche  Über  alle  weltlichen  Auto- 
ritäten und  dem  daraus  folgenden  Anspruch  auf  die  Befreiung 
aller  GeistUchen  von  dem  für  Weltliche  geltenden  Kecht,  wenn 
ebenfalls  Lucius  IIL  am  20.  Januar  1185  verbot,  das?«  der 
Orden  in  Prozessen  zur  Führung  eines  Beweises  durch  gericht- 
lichen Zweikampf  genötigt  würde:  man  sollte  sich  ihm  gegen- 
über unter  allen  Umstanden  mit  dem  einfachen  Zeugenbeweis 
begnügen.^)  Übrigens  traf  Innocenz  111,  am  28,  Februar  1218 
in  bezug  auf  den  Tempelherrnorden  die  gleiche  Bestimmung,  I 
indem  er  dessen  Brüdern  in  Frankreich  die  Teilnahme  an  dem 
dort  , verderblicher  Weise**  üblichen  Beweisverfahreu  durch  ge- 
richtlichen Zweikampf  ausdrücklich  untersagte:  dasselbe  heisse 
Oott  Tersucheo  und  verfälsche  nicht  selten  seine  urteile.*) 

*J  Cttriulairo  no.  420  (T.  S.  201). 
«)  Ebd.  ao.  707  (1,  S.  464). 
«)  Ebd.  no.  2829  (II,  S,  823). 
*)  Ebd.  110.  3248  (lU,  ä.  152). 
*i  Ebd.  no.  537  (1,  S.  476).   Vergh  ijo.  786. 

*)  Prut«,  Maltetter  Urkunden  no. 08:  ,  ,  .     interdicere  abu»uiit,  jSSI 
Ueus  teiuptatur  et  vera  ftt^ptui»  judiciü  per  vertan  tur. 


Die  exemie  Stellung  des  HrnpitdiUr^Ordens. 

Konnte  man  zu  Gunsten  dieser  Bestimmung  auch  den  üra- 
stand  anftlhren,  dass  die  dem  Kampf  für  den  Glauben  geweihten 
iUtter  nicht  anderen  Fäbrlichkeiten  ausgesetzt  werden  sollten, 
IShi  I2688  sieh  eine  solche  Erwägung  doch  nicht  geltend  machen 
fUr  das  Asylrecht,  dessen  der  Orden  in  PaUlstina  für  seine 
Burgen  genoss:  die  dorthin  flüchtenden  Übeltäter  waren  nicht 
bloe  der  weltlichen  Gerechtigkeit  entrückt^  sondern  auch  ohne 
Verletzung  der  Ordensprivilegien  für  die  strafende  Gewalt  der 
Kirche  unerreichban  Daraus  ergaben  sich  Übelstände,  die 
selbst  Innocenz  III.  auf  die  Be.sch werde  des  Patriarchen  von 
Jerusalem  nicht  in  Abrede  stellen,  nach  seinem  eigenen  be- 
dauernden Eingeständnis  aber  auch  nicht  beseitigen  konnte.  V) 
Es  war  nur  die  Konsequenz  der  Ausnahmestellung,  die  dem 
Orden  auf  diesem  Gebiete  zunächst  in  einzelnen  Beziehungen 
eingeräumt  worden  war,  wenn  er  schliesslich  weltlicher  Gerichts- 
barkeit Oberhaupt  nicht  mehr  unterstellt  sein  wollte:  seine 
Exemtion  von  dieser  sowohl  in  sachlicher  wie  in  persönlicher 
Hinsicht  ist  denn  auch  von  Alexander  IV,  am  2.  Januar  1257 
Ausdrücklich  anerkannt  worden.^) 

Hielt  man  daran  fest,  dass  der  Orden  neben  der  Arraen- 
und  Krankenpflege  und  nach  der  gelegentlich  freilich  selbst 
von  der  Kurie  angefochtenen  Ansicht  vieler  seiner  Glieder  noch 
mehr  als  zu  dieser  zum  Kampf  gegen  die  Ungläubigen  berufen 
war')  und  seine  Mittel  vor  allem  auf  diesen  verwenden  sollte, 


»)  Ebd.  no.  1249  (II,  S.  68).    Vergl.  oben  S.  104. 

*)  Ebd.  no.  2849  lll,  Ö,  835). 

8)  Bereite  Alexander  IlL  schreibt  zwiseben  1178  und  1180  dem 
Meister  Roger  de  Molius  die  Mahnung,  ,ut  aotlkitiorom  curam  pauperum 
luibeas  et  competentiu»  Christi  charita«  valeat  ordinari,  ab  armia  ferendis 
juxt»  conBuetudinerti  predicti  Raitnmidi  omnino  quieacaa,  ntsi  fort«  tunc« 
cnm  vexülmn  1.  crucii  pro  defensiona  regtii  atit  pro  obtidione  aliciiiu« 
civitatis  paganoram  delatum  fuerit^  pro  quibus  aubsidium  necessarium 
68»et  armorum,  quia  congruum  et  consonnin  rationi,  ut,  sicut  domtis  üla 
ftd  easceptionem  et  refectionem  pauperum  est  institiita,  ita  qooque  per 
tnam  instantem  soll icitnd ine m  in  boc  debeat  cooservari,  presertim  cam 
magia  per  c&ritatem  et  misericoniiam  erga  pauperea  exbibitam  quam  per 
fortitudinem  armomm  credatur  posse  defendi*.    Ebd.  no.  627  (1,  8.  360). 


18« 


K  Frmit 


so  koante  es  zunächst  ja  nur  gerechtf»3rtigt  erscfaeinen,  wenn 
man  ihm  auch  die  Beschaffung  all  desjenigen,  was  dazu  nötig 
war,  nach  Möglichkeit  erleichterte.  Nur  sind  auch  derartige 
Freiheiten  bald  über  das  ursprüngliche  und  sachlich  berechtigte 
Mass  hinaus  erweitert  und  dadurch  dem  Orden  Vorteile  zuge- 
wandt worden,  die  mit  seinem  kriegerischen  Berufe  nichts  zu 
tun  hiitteu.  80  untersagte  Honorius  IIl.  am  19.  Dezember  1216 
dem  Erzbischof  von  Arles  von  dem  Holze,  das  der  Orden  zum 
Bau  von  Schiffen  verwenden  wollte,  bei  der  Ausfuhr  aus  seinem 
Gebiet  einen  Zoll  zu  erheben;  dasselbe  sollte  überhaupt  von 
allem  gelten,  was  der  Orden  von  dort  nach  dem  heiligen  Lande 
versandte,  und  zur  Gewährung  der  gleichen  Vergünstigung  an 
den  Orden  sollte  der  Erzbischof  geistliche  und  weltliche  Grosse 
seines  Sprengeis  nötigenfalls  durch  kirchliche  Zensuren  anhalten,') 
Im  Einklang  mit  diesem  Grundsatz  hatte  der  Orden  nach  der 
Bestimmung  Alexanders  IV.  (August  1255)  denn  auch  für  die 
Befestigung  von  üropella  in  Sardinien  ebenso  wenig  etwas  bei- 
zutragen/^) wie  er  die  Abgabe  entrichtete,  die  dem  Patriarchen 
von  Antiochten  zum  Zwecke  der  Befestigung  von  Kalaat  ex 
Zair  von  den  geistlichen  Gütern  seiner  Diözese  auf  einige  Jahre 
bewilligt  worden  war.*)  Natürlich  aber  wurde  auch  diese  ihm 
gewährte  Freiheit  bald  ins  üngemessene  erweitert.  Am  5.  Januar 
1266  eximiert  Clemens  IV.  den  Orden  in  Deutschland  kurzweg 
von  jeder  Zahlung,  die  Grafen,  Barone  oder  Schlossherm  von 
ihm  fordern  würden.*)  Am  2L  Dezember  1267  befiehlt  der- 
selbe dem  Bischof  von  Olmütz,  unter  Androhung  des  Bannea 
dafür  zu  sorgen,  dass  in  seinem  Sprengel  der  Orden  so  wenig 
wie  dessen  Leute  zu  irgend  welchen  Abgaben  von  Lebensmitteln, 
I  Kleidern  oder  Vieh  oder  sonst  seinem  Unterhalte  dienenden  Besitz- 
[tünrem  herangezogen  werde,  wogegen  von  Seiten  der  Stadt 
Olmütz  und  des  Bischofs  und  seiner  ZoUeinnehmer  Verstössen  sel.'^'i 


n  Ebd.  no.  1518  (n,  S,  208). 
IE)  Ebd.  HO.  4iO  (1,  S.  291). 
aj  Ebd.  DO.  2764  (II,  8.  7111), 
«)  Ebd.  HO.  3204  (11 1,  ä.  180). 
»}  Ebd«  ao.  9287  (lU,  S.  160), 


Die  exenUe  StcUimg  du  HospHaLiter-Ordenü, 


137 


Wenn  die  römische  Kurie  den  Grundsatz  der  Freiheit  des 
Ordens  von  allen  derartigen  finanziellen  Leistungen  gegenüber 
geistlichen  und  weltlichen  Grossen  mit  solcher  Entschiedenheit 
vertrat,  konnte  sie  ihm  natürlich  auch  ihrerseits  die  Übeniahnie 
von  solchen  Lasten  zu  ihren  Gunsten  nicht  zumuten,  sondern 
inu^ie  da  ebenfalb  fiuf  seine  Beiliilfe,  so  erwünscht  sie  ihr 
gewesen  wäre,  wohl  oder  übel  verzichten.  Daher  befreit  ihn 
Alexander  IV.  am  9.  Januar  1261  ausdrücklich  von  der  Zah- 
lung der  Auflagen,  welche  die  von  der  Kirche  gegen  die 
Anhänger  der  Htaufer  in  Waffen  gerufenen  Grossen  Siziliens 
mit  seiner  Zustimmung  ausgeschriebeD  hatten,  obgleich  er  in 
der  betreffenden  Bulle  nicht  ausdrücklich  als  eximiert  genannt 
worden  war,*)  und  Clemens  IV.  verbietet  am  3L  Mai  1265 
ganz  allgemein  den  Grafen  und  Edlen,  den  Orden  zu  belästigen 
und  irgend  welche  Zahlungen  von  ihm  sm  verlangen.  Ja,  am 
19-  Februar  12fif»  autorisiert  dei^selbe  den  Orden  ausdrücklich 
zur  Verweigerung  der  Abgaben,  die  Edle  und  Prälaten  unter 
verschiedenen  Vorwänden  von  ihm  zu  erheben  versuchen.*) 
Am  25.  März  1267  nimmt  er  ihn  gegen  alle  derartige  Zu- 
mutungen von  selten  der  weltlichen  Gewalt  in  seinen  Schutz/) 
Im  Einklang  damit  schreitot  denn  auch  am  IL  August  1275 
Gregor  X.  gegen  den  Senesehall  von  Navarra  ein,  der  obenein 
noch  versucht  hatte,  den  Orden  vor  dem  weltlichen  Gericht 
aburteilen  zu  lassen.*) 

Wurde  dem  Orden  schon  durch  alle  diese  Exemtionen  eine 
Menge  von  Ausgaben  erspart,  die  andere  geistliche  Körper- 
achaften  von  ihren  Einkünften  regelmässig  zu  leisten  hatt^S'n, 
so  erschlossen  ihm  andere  päpstliche  Gunsterweise  unmittelbur 
bedeutende  Einnahmen,  die  ihm  jahraus  jahrein  aus  allen  Teilen 
der  Christenheit  zuströmten.  Am  ertragreichsten  war  in  dieser 
Hinsicht  wohl  das  Recht,  durch  ausgesandte  Brüder  in  allen 


*)  Ebd.  no.  2977  (lll  S,  2). 
«)  Ebd.  HO.  3211  flll,  8.  134). 
»)  Ebd.  no,  S244  (in,  S.  160).   V|?l,   den  KrlftHB   vom   6.  MÄrz  1267, 
wiederholt  am  3.  September  1267  no.  3244  und  46  {111,  S   löO,  51). 
*)  Ebd.  no.  8ÖÖS  (111.  y,  WOl 


1S8 


Ji  FmM 


Kirchen  ohne  ßiicksichi  auf  ihre  Zugehörigkeit  zu  einem  be- 
stimmten Si»rengel  Kollekten  für  seine  Zwecke  abhalten  zu  lassen* 
Bereits  der  von  Gerard  nach  Spanien  geschickte  Pelagius  hatte 
von  Paschalis  IL  die  Erlaubnis  zum  Kinsamnieln  von  Almosen 
erhalten.')  Kalixt  IL  erteilte  solche  den  Boten  Raimunds  du 
Puy.'*)  Doch  scheint  es  sich  damals  noch  nicht  um  eine  förm- 
liche Organisation  des  Kollekten wesens  für  das  Hospital  ge- 
bandelt zu  haben.  Eine  solche  lässt  erst  die  mehrfach  ange- 
führte Bulle  Innocenz'  IL  vom  7.  Februar  1137  erkennen,  durch 
welche  die  Einsammler  von  milden  Gaben  für  das  llospital, 
deren  Spender  daflir  demselben  hinfort  als  Fratres,  nachmals 
Konfratres  zugezählt  wurden,  unter  den  besonderen  Schutz 
St.  Peters  gestellt  werden,  so  dass  sie  überall  besonderen 
Friedens  geniessen.^)  Diese  Ürdenskollektoren^  die  von  dem 
Ordensmeister  regelmässig  ausgeschickt  wurden,  um  milde  Gaben 
zum  Besten  des  Hospitals  zu  sammeln  und  die  z.  B.  Anasta- 
sius  IV.,  sicherlich  im  Zusammenhang  mit  der  Bewilligung  des 
epochemachenden  Privilegs  vom  21.  Oktober  1154,  den  Prälaten 
der  Christenheit  am  24.  Oktober  1154*)  zur  Befürwortung  ihres 
Anliegens  bei  den  Gläubigen  empfiehlt^  haben  offenbar  allezeit 
in  der  Agitation  zu  Gunsten  des  Hospitals  sowohl  zum  Zweck 
der  Beschaffung  immer  neuer  Mittel  ftlr  dasselbe  wie  zur  Kr- 
weitening  und  Steigerung  seines  Einflusses  eine  sehr  bedeutende 
Holle  gespielt,  zumal  sie  auch  t^r  Laienkreise,  die  mit  dem 
Orden  sonst  in  keiner  Verbindung  standen,  die  Träger  zeit- 
weiliger kirchlicher  Vergünstigungen  waren. 


*)  Ebd.  no.  81  {I.  8.  80).   Vgl.  oben  S.  107. 

«)  Ebd.  no.  47  fl.  8.  39). 

")  Ebd*  HO»  122  (I,  S.  101):  deceniiimii ,  iit  receptorea  veakm^ 

ram  fraternitatutu  t*.  coUectanim  »alva  jure  dotninorum  duorum  in  beaÜ 
Petri  et  tiOHtm  protectione  consistant  et  per  terra«»  in  quibu^  fueriut, 
pacem  babeünt.  Aqb  dem  Zusatz  aalvo  jure  dominorum  äuorum  ergibt 
lieh  eine  Bef«tätigung  für  die  oben  S.  110  entwickelte  Anaicht.  daea  die 
r  1  ift   ilaa  Hüjfpilul«  dtunrwla  die  A^blegung  wne»  Gelübdea  nicht 


')  idbd.  DO.  227  (I,  ^.  175). 


Dit  exemt€  Stellung  dßs  HospUaltter-Ordens. 


139 


Oerade  diese  Ausgestaltung  des  Kollektetiwesens  zu  Gunsten 
Jes  Hospitals  brachte  nun  aber  für  Bisehöte  und  Pfarrer  in 
mehr  ah  einer  Hinsicht  St<>rungen  und  Nachteile  mit  sieh, 
zumal  der  Orden  auch  hier  Freiheiten,  die  einer  jungen  und 
hüfsbedürfti gon  Stitlbung  gegenüber  wohl  am  Platze  gewesen 
jraren,  in  der  Folge  entsprechend  seiner  gesteigerten  Macht 
P*1ilich  mit  gesteigertem  Nachdruck  geltend  machte  in  einem 
Stnn,  in  dem  sie  ihm  ursprünglich  sicherlich  nicht  verliehen 
woi-den  waren.  Das  Erscheinen  der  kollektierenden  Ordens- 
brüder in  ihren  Kirchen  war  Pfarrern  und  Bischöfen  begreif- 
licherweise nie  besonders  erfreulich,  schon  weil  dadurch  die 
Mildtätigkeit  ihrer  Pfarrkinder  für  die  von  ihnen  selbst  empfoh- 
lenen frommen  Werke  beeinträchtigt  wurde.  Sie  verw^eigerten 
daher  wohl  ihre  Aufnahme»  verwiesen  sie  aus  ihren  Kirchen 
oder  machten  ihre  Zulassung  abhängig  von  der  Einräumung 
eines  Anteils  an  dem  Ertrage  der  Kollekte.  Bereits  Alexander  IIL 
befahl  den  Bischöfen,  ihre  Pfarrer  bei  Verlust  des  Amtes  und 
der  Pfründe  (aub  pena  officii  et  beneticii)  von  so  »unver- 
schämter" Hinderung  des  Liebeswerkes  der  Hospitalbrüder  abzu- 
ItenJ)  Ganz  besonders  beschwert  aber  mussten  sieh  die  Geist- 
chen  durch  das  dem  Orden  eiiigeräuinte  Recht  fühlen,  dass 
«eine  Kollektoren  in  interdizierten  Orten  erscheinend  einmal 
im  Jahr  die  Kirchen  iiffnen  und  unter  Ausschluss  der  Exkonj- 
oiuniziertün  Gottesdienst  halten  durften»*)  namentlich  seitdem 
letEtere  Einschränkung  in  der  Praxis  nicht  mehr  beachtet  wurde 
und  es  ebensowenig  bei  der  einmaligen  Öffnung  im  Jahr  wie 
bsi  dem  Ausschluss   der  Gebannten   blieb/)  ja   die  Suspension 

ij  Ebd.  DO.  356  (I.  S.  246). 

*)  Vgl.  die  Beatiramneg  in  dem  Privileg  Innocenz*  IL  a.  a.  0.: 
Praeterea  ei  qui  fratnim  veBtrorum,  qui  ad  rt^dpiimdas  easdem  frater- 
niiates  vel  oisllectati  a  fobia  fuerint  missi,  in  quamtibet  civitateis,  castel- 
lum  Tel  vicum  advenerint»  ei  forte  locua  ipse  a  divinis  officüa  sit  inter- 
|ictu«,  pro  omnipoteutis  Dei  rererentla  in  eorum  adventu  semel  in  anno 
iantur  eccleaie  et  exelueis  eicommuniealia  divina  ofticia  celebrentur, 

*)  Cartulaire  no.  4029  {lll*  S.  581).  Die  Bescblüsao  dor  Synoden  von 
Cfthom,  Kodt'2  und  Tüll  sbillen  dm  alte  Recbt,  das  der  Onlnri  willkürlir)] 
geändert  hat,  1289  in  diesem  Siiuie  wieder  her. 


140 


H,  PrutB 


des  Interdiktes  nicht  selten  gegen  ausdrückliches  Verbot  be- 
initzt  wurde,  um  inzwischc^n  Verstorbene  während  derselben 
kirchlieh  zu  begraben. 

Abgesehen  von  diesen  Kollekten  aber,  die  auch  den  Orden 
der  Tempelherrn*)  und  der  deutschen  Ritt-er*)  zustanden,  da 
jedoch  nie  eine  iihnliche  Bedeutung  gewannen  zu  haben  scheinen, 
wurden  die  Prälaten  bereits  von  Innocenz  IL  angewiesen,  ihre 
Diözesanen  Almosen  für  das  Hospital  sammeln  zu  lassen,  da 
es  den  durch  die  Pilger-  und  Annenpflege  gestellten  Ansprüchen 
aus  eigenen  Mitteln  nicht  genügen  könne :^)  sie  sollten  die- 
selben zur  Annahme  der  Brihlerschaft  ermuntern.  Man  be- 
greift, dass  die  Ptarrgeistlichkeit  diese  Begünstigung  einer 
Genossenschaft,  die  den  von  ihr  selbst  vertretenen  kirchlichen 
Interessen  gelegentlich  unbequem  Konkurrenz  machte,  mit 
wachsendem  Missbehagen  sah,  der  Orden  dagegen  auf  sie  ganz 
besonderes  Gewicht  legte,  da  sie  ilim  nicht  blos  eine  wichtige, 
von  Zeit  zu  Zeit  immer  wieder  reichlich  fliessende  Einnahme- 
quelie  erschloss,  sondern  auch  eine  kirchlich  einflussreiehe 
Stellung  einräumte,  die  er  unabhängig  von  den  Bischöfen 
gleichmilssig  in  allen  Diözesen  gelti;*nd  machen  konnte,  um 
immer  weitere  Laienkreise  an  sich  zu  fesseln.  Mit  Recht  sah 
er  darin  eines  der  Fundamente  sowohl  seiner  finanziellen  wie 
seiner  kirchlichen  Machtstellung  und  trug  daher  für  seine  regel- 
miissige  Erneuerung  und  Anerkennung  eifrigst  8orge.  Kein 
anderes  der  ihm  von  den  Päpsten  bewilligten  Privilegien  hat 
er  sich  so  hHutig  bestätigen  lassen  wie  Innocenz'  II.  Bulle  Quam 
amabilem:*)  sie  hat  für  seine  Entwickelung  ähnliche  Wichtig- 
keit gehabt  wie  Alexanders  UI,  grosser  Freibrief  Omne  datum 

I)  Prutz,  Malteser  Urkunden  no.  1. 

«)  Strtfblke.  Tab.  Ord.  Theut.  ao.  S21, 

>)  7.  Mfti  1139  oder  1140,  Cartulsire  no.  130  (U  S.  107). 

*)  Bcstfttigiitigen  liegen  vor  durch  Hadrian  IV.  vom  IS^.  Novemli 
1156,  37.  April  115Ö  und  IL  Febniar  1157,  58  oder  69.  (*^bd.  no.  ÄSflt 
248.  254  I,  8,  181,  189,  193).  dnrch  dfn  G^genpajint  Viktor  IV.  vom 
Ü9.  November  1169  nö.  281  (1,  S.  209)  und  durch  AlexHnd<*r  III,  vom 
15.  Mni  1166,  67,  7B,  7U  inul  10.  S.^p!*-fnbfi  117!^.  74.  IC,  m,  nf*-}  uuA 
44i)  (1,  a  24d,  31  Ij 


DU  exemte  Stellung  des  Hospüaliter-Ordens. 


141 


uptimum  für  die  des  Tempelherrnordens.*)  Besonders  nach- 
drücklich wurde  das  olFeiibnr  ini  grossen  Sfrile  organisierte 
Kollekten  Wesen  zu  Gunsten  des  Hospitals  dadurch  gefördert, 
dass  diejenigen,  die  sich  ihm  unter  Gewährung  eines  Beitrages 
2U  seinem  frommen  Werk  als  Konfratres  anschlössen,  dafür 
besonderer,  ihr  Seelenheil  fördernder  kirchlicher  Vorteile  ver- 
mchert  waren;  denn  das  übte  begreiflicherweise  weitlün  eine 
starke  Anziehungskraft  aus.  Bereits  Innocens  II.  bewilligte 
denen,  die  das  Hospital  unterstützten»  jährlich  den  Erlass  des 
siebenten  Teils  der  ihnen  auferlegten  Kircheubussen"^)  und 
veraicherte  die  in  einem  interdizierfcen  Gebiet  verstorbenen 
Konfratres  des  kirchlichen  Begräbnisses»  Beides  wurde  von 
Alexander  III.  ^)  und  Clemens  IV.*)  bestätigt.  So  gross  die 
Anziehungskraft  war,  welche  diese  dem  Hospitale  gewährte 
Yei^ünstigung  ausübte,  indem  sie  den  massenhaften  Anschlu^s 
von  Konfratres  herbeiführte,  so  setzte  die  Kurie  doch  wieder- 
holt auch  noch  andere  Mittel  in  Wirksamkeit,  um  die  Zahl 
der  Genossen  und  die  Mittel  des  Hospitals  zu  vermehren.  Am 
21.  Januar  1217^)  gewährt  Honorius  HI.  z,  B.  allen  denen 
»ligeraeinen  Ablass  in  der  ganzen  Welt»  die  reuig  und  beichtend 
während  der  Fastenzeit  dreimal  eine  Ordenskirche  besuchen  und 
dem  Orden  etwas  zuwenden.  Ähnlich  verhiess  derselbe  am 
13,  Dezember  1226*)  einen  zwanzigtägigen  Ablass  den  Be- 
suchern der  Kirche  und  des  Hospitals  Johannes  des  Täufers 
in  Jerusalem,  namentlich  um  die  Zeit  des  Johannesfestes.  Das 
piederholte  Clemens  IV.  am  22.  Juni  1265.'^)  Was  dem  Orden 
'"^f  solche  Veranlassungen  hin  an  Zuwendungen  gemaclit  wurde, 
ist  sicherlich  sehr  bedeutend  gewesen,  da  namentlich  mancher 
ea  sich  gern   etwas    kosten    Hess,    auf  jeden    Fall  unter  dem 

*)  Prot»,    Entwickelung   and   Untertfang  dm   Terap^lherrnordena 

I:  34  ff. 

«)  Cwiulaire  no.  ISO  (I.  S,  107K 

^)  Ebd.  no.  305  (I,  S.  2&Ü). 

*)  29.  Mtti  12G6,  ebend.  no.  3153  flll,  S.  107). 

^  Ebd.  no.  15S6  (II,  S.  210). 

•1  Ebd.  no.  1840  {11.  B,  357). 

T)  Ebd.  no.  31Ü3  lllf,  S.  112). 


\t2 


H.  PnUe 


Sdkutai  im  Ordens  eines  kirchlichen  Begräbnissee  versichert  zu 
»111.     BiaelU^fti    Utid   Pfarrer    nber   waren   damit   wiederum   gnr 
*   ''«>verHianden:  wie  von  den  iü  ihren  Kirchen  zu  Gunsten 
\u  :i5s  gfhultenen  Kollekten,  verlangten  sie  auch  van  diesen 

ano^üuneti  desselben  ihren  Anteil     Dagegen  verfügte    bereits 

jjßlA^t  IIL,  von  den  dem  Orden  zufliessenden  Almosen  hätten 

Mt'Pvttl^en  gur  nichts,  von  den  ihm  ausgesetzten  Legaten  nur 
l^iu  Viertel  zu  beanspruchen.^)  Letzteres  verbot  Alexander  IV*. 
Atu  U>,  Okiober  1256  ausdrücklich  für  solche  Legate,  die  dem 
i>rden  von  den  auf  seinen  Kirchhöfen  Beerdigten  ausgesetzt 
wurden.*)  Übrigens  wurde  nach  dem  Beschluss  des  im  Juni 
1^70  unter  dem  Meister  Hugo  Revell  gehaltenen  Öeneralkapitels 
ein  »treuger  Unterschied  gemacht  zwischen  solchen  Legatt^n, 
dio  ausdrücklich  den  Kranken  zugewandt  waren,  und  solchen, 
die  dem  Orden  im  allgemeinen  ausgesetzt  wurden:  erstere  unter* 
.Htandcn  der  Verwaltung  des  S[>ittlers  (hospitalarius),  letzkn.^ 
der  des  Grossprilzeptors,  der  als  Schatzmeister  die  Ordens- 
tinanzen  leitete.*) 

Es  scheint  nun,  als  ob  gerade  diese  sozusagen  finanzielle 
Konkurrenz  des  Ordens  demselben  die  besondere  Feindschaft 
der  Prälatur  und  der  Pfarrgeistlichkeit  zugezogen  habe.  Es 
entwickelte  sich  da  ein  Gegensatz,  der  zu  fast  unausgesetzten 
Ileihereien  und  gelegentlich  zu  erbitterten  Streitigkeiten  fühii;«. 
Dies  Missverbiiltnis  wuchs  in  demselben  Masse,  wie  intblge  des 
viilligen  Wandels  seiner  Stellung  der  Orden  die  Armen-  und 
KrankitnpHege  mehr  nur  noch  al»  eine  durch  einen  ehrwürdigen 
alten  Brauch  gebotene  Nebensache  trieb,  den  Schwerpunkt 
mner  Wirksamkeit  aber  in  ganz  anderen  und  keineswegs  immer 
gemeinnützigen  Unternehmungen  suclite  und  demgemiiaB  oucb 
nur   noch   einen  verhfUtnismn  ringen  Teil   seiner   reichen 

KiTikünfte    auf  den   Schutz    h  i;^en   Landes    und    die   Be« 

kiimpfung   der  ungläubigen    verwendete.^)     Letzteren   sollten 


1)  Ebd.  no.  S60  ih  B.  2m. 

«)  Ebd.  nu.  2?- 

■)  Vrnit,  Kur 

«)  Vgl  ob^  S.  12y. 


>ier  Kreu£7.ügn  B.  ^lU  Art.  U4, 


Die  exenUe  Stellung  des  HospUaliter-Ordens. 


143 


iJBch  päpstlicher  Bestimmung  insbesondere  die  Summen  dienen^ 
die  sich  aus  dem  Rückkauf  unerfüllbar  gewordener  Kreuzzugs- 
gelübde ergaben, ')  desgleichen  das,  was  infolge  kirchlicherseits 
auierlegter  Bussen  als  Schadenersatz  für  Diebstahl  und  Wucher 
gezahlt  wurde:  bei  ihm  eingegangene  Gelder  derart  wurde  der 
Bischof  von  Ferrao  von  Alexander  IV,  am  15.  Dezember  1258 
angewiesen  dem  Orden  auszuliefern/*)  wie  derselbe  bereits  am 
4.  Mai  1257  die  Prälaten  Frankreichs  und  namentlich  die 
Bischöfe  von  Cambrai,  Verdun  und  Metz  erniahtit  hatte,  zur 
Unterstützung  des  heiligen  Landes  ausgesetzte  Legate  auch 
wirklich  dazu  zu  verwenden,  dabei  aber  jede  Verletzung  der 
Rechte  der  Hospitabter  und  der  Tempelherrn  zu  vermeiden.') 
Am  19.  Dezember  1286  erlaubt  Ilonorius  IV.  dem  Orden  dann 
weiter,  auch  solche  Gelder  als  Zuwendung  anzunehmen,  die 
aus  Wucher  oder  Diebstahl  oder  anderem  unehrlichem  Erwerb 
stammen,  vorausgesetzt,  dass  die  zur  Wiedererlangung  getanen 
Schritte  erfolglos  geblieben  sind.*)  Wie  wenig  genau  aber  es 
mit  der  Verwendung  solcher  Einnahmen  genommen  wurde, 
beweist  die  von  Aleiander  IV.  dem  Orden  am  7.  Oktober  1255 
erteilte  Erlaubnis,  das  aus  dem  Rückkauf  von  Kreuzzügsgelübden 
stammende  Geld  statt  zu  Gunsten  des  heiligen  Landes  zur 
Tilgung  seiner  Schulden  zu  verwenden.^) 

So  erschloss  die  römische  Kurie  dem  Orden  immer  neue 
EinnabmequeUen,  mochten  auch  die  Interessen  anderer  kirch- 
licher Körperschaften  dadurch  geschädigt  werden.  Schliesslich 
gab  es  infolge  dessen  für  denselben  Überhaupt  kaum  noch  eine 
feste  Schranke  rechtlichen  Erwerbes.  Auch  war  die  Art,  wie 
er  seine  ausserordentlichen  Befugnisae  auf  diesem  Gebiete  gel- 
tend machte,  nicht  geeignet,  sie  den  davon  betroffenen  Kreisen 
minder  anstossig   erscheinen    zu   lassen.     Es   musste   doch   zu 


^)  VgL  den  Erlasa   Innooens*  IV.    vom    18.  März  126L    Cartalaire 
ao.  2655  {Ih  S.  706). 

«)  Ebd.  HO,  2906  ai.  S.  864). 

»)  Ebd.  Tjo.  2894  {II,  S.  Ö48K 

*)  Ebd.  no.  3962  (ill,  8.  498). 

»)  Ebd.  no,  2772  (11,  S.  797), 


144 


H.  Pruts 


sehr  bedenklichen  Konsequenzen  führen,  wenn  Innocenz  IV. 
am  5.  August  1243  dem  Orden  die  Erlaubnis  erteilte  zu  unge- 
hindertem Erwerb  auch  derjenigen  beweglichen  und  unbeweg- 
lichen Güter,  die  seinen  Konfratres  zugefallen  sein  würden, 
wenn  sie  im  weltlichen  Stande  verblieben  wären.  ^)  Das  hies« 
doch  eigentlich  diese  Körperschaft  zu  einer  fürmlichen  Jagd 
nach  Besitz  antreiben,  ähnlich  wie  sie  der  Volksonund  den 
Tempelherrn  nachsagte.  Eine  solche  aber  musste  ihr  in  all 
den  dadurch  gescliädigten  oder  bedrohten  Kreisen  erbitterte 
Feinde  erwecken,  da  sie  dabei  mit  Hilfe  der  durch  die  Üunst 
der  Päpste  erlangten  kirchliehen  Vorrechte  weltUche  Ziele  und 
zwar  oft  recht  bedenkliche  verfolgte.  Es  mag  nicht  an  Leuten 
gefehlt  haben,  die  es  als  einen  Missbrauch  der  kirchlichen 
Autorität  betrachteten,  wenn,  wie  es  am  24.  April  1289  durch 
Nikolaus  IV.  in  den  Diözesen  Köln,  Mainz  und  Münster  ge- 
ßhah,  die  auf  den  Ländereien  des  Ordens  sitzenden  Leute  auf 
päpstliche  Weisung  durch  kirchliche  Zuchtmittel  zur  Zahlung 
des  rückstandigen  Zinses  angehalten  werden  sollten.^)  Bedenkt 
man,  dass  Ahnliches  in  den  über  das  ganze  Abendland  ver- 
streut liegenden  umfänglichen  Begüteruu gen  des  Ordens  gewiss 
rielfach  geschah,  so  wird  man  als  unvermeidliche  Folge  der 
dadurch  bewirkten  Verschiebung  oder  gar  Aufhebung  der  sonst 
geltenden  Grenzen  zwischen  den  verschiedenen  Kechtssphären 
eine  fortdauernde  und  allmählich  gesteigerte  Verwirrung  der 
darauf  beruhenden  Verhältnisse  annehmen,  welche  die  bisher 
geltende  Ordnung  durch  die  Untergrabung  auch  der  jjrivaten, 
Wirtschaft  liehen  und  gesellschaitlichen  Verhültnis.se  störte  und 
zersetzte.  Der  Üegensatz  zwischen  einer  reicher  als  Könige 
begüterten  Körperschaft,  die  von  der  höchsten  kirchlichen 
Auttjrität  eigentlich  Über  alles  kirchliche  Hecht  erhaben  ge- 
stellt war»  da  es  in  dit*seni  üebiete  kaum  etwas  gab,  was 
sie  nicht  durch  irgend  ein  päpstliches  Privileg  als  ihr  erlaubt 
oder  ihr  nicht  geboten  hätte  erweisen  könnoUt  und  der  grossen 
Menge   all   derjenigen,  Geistlicher   m^hI   Wrlflirlur,   TTi.hMr   und 

I)  Ebd.  HO.  2299  (U,  S.  005). 
«)  EIkL  ho.  40^7  (III,  S.  535). 


Ui«  exemU  Stellung  des  JJoHjdiaUter'Ofdens, 


14S 


Niedriger,  Reicher  und  Armer,  die  sich  wehrlos  der  Aus- 
beutung durch  sie  preisgegeben  sahen,  niusste  dazu  beitragen» 
die  Krii^is  zu  beschleunigen,  welche  die  mittelalterliche  Welt 
bereits  ergriffen  hatte.  Das  war  um  so  mehr  der  Fall,  als 
bei  dem  internationalen  Charakter  dieser  Genossenschaft  von 
ihr  ausgehende  Wirkungen  dieser  Art  räumlich  nicht  beschränkt 
und  an  keine  politische  Grenze  gebunden  waren,  sondern  ent- 
sprechend der  Geltung  ihrer  Vorrechte  im  Gebiet  der  gesamten 
Christenheit  sich  ziemlich  gleichmässig  auf  alle  Länder  der 
Christenheit  erstreck ten. 


m. 

Weit  empfindlicher  als  die  kirchlichen  Vorrechte  des  Ordens, 
die  sie  durch  Minderung  ihrer  Einnahmen  finanziell  benach- 
teiligten, trafen  Bischöfe  und  Pfarrer  diejenigen,  durch  die 
ihre  geistliche  Autorität  gekürzt  und  schliesslich  in  gewissen 
llüeksichten  aufgehoben  oder  doch  illusorisch  gemacht  wurde. 
Denn  gerade  auf  diesem  Gebiete  gelang  es  der  von  dem  Orden 
konsequent  verfolgten  Politik  dank  der  Fügsamkeit  und  Lang- 
mut der  päpstlichen  Kurie  gewissen  Hechten  und  Freiheiten, 
die  ihm  zur  Zeit  seiner  bescheidenen  Anfänge  eingeräumt  waren 
und  sich  unter  den  damaligen  Verhältnissen  auch  mit  der  sonst 
in  der  Kirche  geltenden  Ordnung  noch  hatten  in  Einklang 
bringen  lassen,  durch  planmässige  Erweiterung  einen  Inhalt 
XU  geben,  von  dem  dies  nicht  mehr  zutraf,  allein  schon  wegen 
der  über  alles  Erwarten  grossen  Masse  der  Fälle  und  des 
ungeheuren  Gebietes,  worin,  was  früher  nur  eine  vereinzelte 
Ausnahme  gewesen  war,  nun  als  geltendes  Recht  durchgesetzt 
wurde*  Freilich  aber  gewann  der  Orden  gerade  dadurch  immer 
grössere  Anziehungskraft:  statt  sich  seiner  gefährlichen  Gegner- 
schaft auszusetzen,  drängte  sich  Hoch  und  Niedrig,  Reich  und 
Arm  zum  Anschluss  an  ihn,  um  den  Mitgenuss  dieser  kirch- 
lich bevorzugten  Stellung  und  der  dem  Einzelnen  daraus  er- 
wachsenden kirchlichen  Vorteile  zu  erlangen.  In  den  niederen 
aostalen  Schichten    wiederholte  sich    unter  solchen  Umständen 

190«.  8ili««b.  (L  pMlot^-pMol  n,  d.  liisfc.  Kl  iO 


146 


H.  PnUß 


Ähnliches  wie  in  den  Kreisen   des  ritterlichen  Adels,   welcher 

deu  Eintritt  in  den  Orden  vielfach  als  die  einfachste  und 
sicherste  Versorgung  für  seine  jüngeren  Söhne  ansah  und  es  sich 
daher  gern  etwas  kosten  liess,  ihnen  denselben  zu  ermöglichen, 
2umal  manche  Prioren  alsdann  gern  die  Hand  dazu  boten.*) 
Infolgedessen  wurde  durch  das  Generalkapitel  von  1312  im 
Hiobück  auf  die  bereits  Übergrosse  Zahl  der  Kitterbrüder  und 
der  adeligen  Donaten  bestimmt,  ohne  ausdrückliche  Erlaubnis 
des  Meisters  solle  hinfort  kein  Prior  solche  aufnehmen,  aus- 
genommen Spanien,  wo  der  ununterbrochene  Kampf  mit  den 
Ungläubigen  möglichste  Stärke  des  Ordens  wünschenswert 
machte,  und  mit  Ausnahme  des  Grosspräzeptors  jenseits  des 
Meeres,  der  Aufnahmen  derart  erlauben  kann,  wo  sie  ihm 
notig  scheinen.*) 

Hierhin  gehört  zunächst  das  bereits  von  Innocenz  ü.  den 
Brüdern  des  Flospitals,  auch  soweit  sie  nicht  das  Ordensgeltibde 
abgelegt  hatten,^)  gewährte  Recht  auf  kirchliches  Begräbnis 
zur  Zeit  des  Interdikts.*)  Welchen  Wert  man  ihm  beimass, 
ergibt  sich  schon  daraus,  dass  Raimund  du  Puy  seine  Ver- 
leihung den  Brüdern  in  Aragonien  alsbald  besonders  kund  tat: 
wie  viele  würden  sich  anschliessen,  wenn  feststand,  dass  von 
den  das  Hospital  Unterstützenden  hinfort  bloss  die  namentlich 
Exkommunizierten  des  kirchlichen  Begräbnisses  nicht  unter 
allen  Umständen  teilhaftig  würden,*)  Auch  der  Papst  selbst 
macht,  indem  er  den  Prälaten  aufgibt,  ihre  Diözesanen  zur 
Spendung  von  Almosen  an  das  Hospital  aufzufordern,  gerade 
diese  demselben  gewährte  Gunst  als  einen  besonders  wirksamen 
Antrieb  dazu  geltend/)  Ohne  Frage  galt  sie  ursprünglich  nur 
t^r  die  Brüder  des  Hospitals,  das  Wort  in  dem  den  damaligen 


*)  Vgl,  den  dagejftfn  gmclitettui  Erlas»  Alexanders  IV.  vom  IB.  Mirx 
1257.   Ebd.  tjo.  2864  (11,  Ö,  S431. 

*)  Prut2,  Kuliurgeachichte  der  KrcuMüge  3.  61@  Art.  162. 

»)  Vgl  oben  8.  109. 

«)  Ciirttikire  no.  122  H  S.  lOJ). 

»)  Ebd,  no.  129  (I.  8.  102). 

»)  Ebd.  no.  I»0  (K  8. 107K 


Di€  eaoemU  SuUung  dts  JJoRpitaUta'-Ordens. 


U7 


Verhältnissen  enfcsprechenden  weiteren  Sinn  genommen.  Aber 
auch  nach  dem  strengeren  ordensniilssigen  Abschhiss  nahmen 
die  durch  kein  förmliches  Gelübde  gebundenen  Konfratres, 
DoDüten  oder  Oblaten  daran  teiL^)  Gerade  deshalb  werden» 
wie  wir  das  auch  vom  Tempelherrtiorden  wissen,  zahh*eicha 
Leute  jeden  Standes  sich  dem  Hospital  in  dieser  lockeren  Weise 
angeschlossen  haben.  Für  die  Bischöfe  und  die  Pfarrgeistlich- 
keitf  deren  geistliche  Autorität  doch  Schaden  litt,  wenn  das 
▼on  ihnen  über  einen  Ort  verhängte  Interdikt  gegenüber  nicht 
bloss  Einzelnen^  sondern  gelegentlich  grosseren  Gruppen  seiner 
Einwohner  wirkungslos  blieb,  ergaben  sich  daraus  begrei flieh er- 
vreise  häufig  unbequeme  Verwickelungen.  Obenein  wurden 
diese  und  ähnliche  Vorteile,  die  ursprünglich  nur  den  Brüdern, 
dann  aber  auch  den  Konfratres  eingeräumt  worden  waren»  im 
Laufe  der  Zeit  sogar  auf  die  grosse  Masse  der  Leute  ausge- 
dehnt, die  auf  dem  Orden  gehörigen  Ländereien  sassen  oder 
sonst  in  irgend  einem  Abhängigkeitsverhältnis  zu  ihm  standen, 
mochte  auch  nur  der  Schein  eines  solchen  dadurch  erzeugt 
werden,  dass  sie  ihm  eine  kleine  Abgabe  entrichteten.*) 
Schliesslich  wird  es  hier  gewiss  ebenso  gegangen  sein  wie  beim 
Tempel  hermorden,  der  auf  diese  Weise  ganze  Ortschaften  und 
Gemeinden  der  ihnen  eigentlich  vorgesetzten  ordentlichen  kirch- 
lichen Autorität  entzog.  Dementsprechend  wuchs  im  Laufe  der 
|2iit  natürlich  auch  die  tinanzielle  Bedeutung  dieses  Begräbnis- 
chte^  für  den  Orden,  Die  Personen,  welche  sich  das  Kecht 
kirchlicher  Bestattung  auf  den  Ordenskirchhöfen  sichern  wollten, 
werden  ihren  Dank  für  seine  Gewähiung  wohl  nicht  immer 
bloss  durch  Vermächtnisse  von  Watfen,  Betten  und  alten  Klei* 
dem  betätigt  haben. ^)  Jedenfalls  hat  der  Orden  hier  früh- 
zeitig  eine    dem    Sinne    der   ursprünglichen    päpstlichen   Ver- 


*J  Ebd.  no.  866  (T,  S.  250). 

»)  Ebd.  no,  961  ([,  S,  0O9). 

^  Ygh  Alexanders  IV.  Mahmmjjf  an  die  Pr&lfttea  zur  Respektierung 
solch «^r  Legate,  von  denen  sie  keinen  Anteil  verlangen  dürfen,  15.  Oktober 
1256  (ebd.  no.  2886.  U,  S.  229),  wo  insbesondere  Leprnte  erwähnt  werden 
de  armiii«  lectis  et  pannis. 

10» 


148 


Ä  Prnis 


leihung  Dicht  entsprechende  Praxis  geübt  und  wenigstens  in 
einzetuen  Gebieten  als  die  berechtigte  schJiesslich  zur  Aner- 
kennung gebracht»  indem  er  gelegentlich  auch  Exkommunizierte 
auf  seinen  Kirchhöfen  bestattete.  Bereits  Alexander  IIL  niusste 
Erzbischof  Richard  von  Canterbury  anweisen,  das  zu  hindern.') 
Als  dieser  damit  nicht  durchdrang,  gab  er  ihm  am  23.  M*Ari 
1175  den  Befehl,  Hospitaliter  und  Teropelberrn,  welch  Letztere 
sich  der  gleichen  Ausschreitung  schuldig  gemacht  hatten,  durch 
Bedrohung  mit  Exkommunikation  zu  nötigen,  die  auf  ihren 
Kirchhöfen  begrabenen  Exkommunizierten  wieder  auszugraben.*) 
In  ähnlicher  Weise  musste  derselbe  Papst  dem  Ordenspräzeptor 
von  St*  Gilles  ausdrücklich  verbieten,  die  unter  dem  Banne 
des  Bischofs  von  Beziers  Verstorbenen  kirchlich  zu  begraben. 
Nach  dem  betreifenden  Erlass  handelte  es  sich  dabei  um  einen 
vom  Orden  vielfach  geübten  Missbrauch,  durch  den  wie  durch 
andere  Übertretungen  er  seine  Verachtung  gegen  die  kirchliche 
Disziplin  betätigte.^)  Dennoch  setzte  der  Orden  auch  in  diesem 
Falle  eine  Befugnis,  die  ihm  im  Hinblick  auf  die  hier  und  da 
obwaltenden  besonderen  Verhältnisse  nur  filr  ganz  bestimmta 
Fülle  erteilt  war  und  die,  dementsprechend  geübt,  andere  Rechte 
nicht  gekränkt  haben  würde,  schlie^sslich  durch  vielfache  eigen- 
mächtige Übung  in  beträchtlich  erweitertem  Umfange  durch. 
In  der  Bulle  vom  7.  Februar  1137,  an  welche  auch  hier  die 
Entwickeluog  anknüpft,  hatte  Innocenz  U,  dem  Hospitale  näin« 
lieh  nur  die  Erlaubnis  erteilt,  die  Brüder  sollten,  wenn  ihnen 
unbewohnte  Orte  geschenkt  würden,  daselbst  nicht  bloss  Dörfer 
aalegrai  dürfen,  sondeni  auch  Kirchen  und  Kirchhöfe  einiichten 
tum  Bedarf  der  Einwohner.  Wenn  ihnen  aber  bebaute  oder  * 
noch  unbebaute  Ländereien  zugi^eignet  würden^  sollten  sie  dort 


«)  Ebd.  no.  27a  n,  S.  a05). 
*)  EUd.  na.  476  (1.  S,  8:21). 
•)  f  I    S.  U<J4), 

, . .   pa  ■■'■*,  quot    i| 

\  «tiüouU  luirittj^tt,  1^  ilivina  afttciii  i^i  lul 
Tultinttiti*  Tr''-'^ — ^  '*i  in  i?Mtiteiii|ilit  I 
i|n«H)iiiii  altu  ''  nun  vunnilur 


-In 

nni- 
)tk  imuttiD  {im  sttA 
'  --»^t*-  Httriptine 


Die  exemte  Stellung  des  Haspitaliter^Ordemi, 


149 


Eapellen  bauen  und  Kirchhöfe  anlegen  dürfen  nur  zum  Bedarf 
der  ihren  Tisch  teilenden  Brüder.*)  Es  sollte  also  in  dieser 
Hinsicht  augenscheinlich  ein  scharfer  Unterschied  bestehen 
zmschen  städtisch  oder  in  Dörfern  beschlossenen  Gemeinden 
und  über  mehrere  Feldmarken  hin  ländlich  zerstreuten,  welch 
Letztere  demnach  in  kirchlicher  Hinsicht  wohl  immer  der 
Pfarrei  der  nachstbenaclibarten  Ortschaft  zugeteilt  bleiben 
sollten,  so  dass  ihre  Bewohner  mit  ihren  kirchlichen  Bedürf- 
nissen, Rechten  und  Pflichten  dorthin  gehörten  und  nur  die 
ater  ihnen  lebenden  Ordensbrüder  eine  kleine  exemte  Gemeinde 
Ideten.  Diese  Bestimmung  wurde  zunächst  in  Bezug  auf  die 
Konfratres  durchbrochen»  wenn  die  Prälaten  solchen  aus  irgend 
einem  Grunde  das  kirchliche  Begräbnis  verweigern  zu  müssen 
meinten*^)  Lucius  111,  autorisierte  den  Orden  am  7.  September 
1183  ausdrücklich,  solche  in  den  Ordenskirchen  zu  bestatten 
imd  die  ihm  daraufhin  von  deren  Familien  gemachten  Zuwen- 
dungen anzunehmen.  Es  handelte  sieh  also  auch  hier  wiederum 
nicht  bloss  um  eine  Minderung  des  Ansehens  der  Geistlichkeit, 
sondern  zugleich  um  ein  den  beiden  streitenden  Parteien  gleich- 
massig  am  Herzen  liegendes  finanzielles  Interesse.  Wenn  aber 
die  Prälaten  gedacht  hatteu,  da  Abhilfe  zu  schaifen,  indem  sie 
die  Anlage  neuer  Ordenskirchhöfe  dadurch  zu  hindern  suchten, 
dass  sie  die  kirchliche  Weihe  derselben  verweigerten,  so  wurde 
ihnen  auch  das  durch  die  Nachgiebigkeit  der  Kurie  gegen  den 
Orden  unuiüglieh  gemacht.  Denn  Lucius  IIL  erlaubte  diesem 
ausdrücklich,  wenn  seine  ehrerbietige  Bitte  darum  von  dem 
Bisehof  der  betreffenden  Diözese  abgeschlagen  würde,  die  Weihe 

i)  Ebd.    no.  122   (I.   S.  101):   _  .  , liecut   vobia   ibidem    villas 

edificare»  ecclesiixa  et  ciraiteria  ad  opus  ho  min  um  ibi  maueiitium 
&bnci»r€.  Cum  autem  vobis  terre  eulte  vel  inculte  ....  C4>nferentur, 
....  lieeniiam  habeatis  ibidem  oratoriE  construendi  et  cimiteria  faciendi 
Ad  opus  tantumodo  fratrum,  qui  de  vestra  fuerint  mensa. 

*)  Es  heisat  in  dem  hierher  gehörigen  Erlass  Liiciu's  ÜL  vom  7.  Sep- 
ieraber  1183  ebd.  no,  657  (1,  S.  442),  wiederholt  bereits  am  l».  Oktober 
no.  606  (li  S.  443):  «...  Uceat  vobis  eoädem  confratrea,  quo»  ecclesiarum 
prelaii  non  presumpserint  sepelire,  ad  eccleaioa  HospitoJiB  aucio- 
ritate  no»tra  tumulandos  deferre. 


im 


H,  Pndi 


eines  neuen  Kirchhofs  durch  jeden  andern  katholischen  Bischof 
vornehmen  zu  lassen,  es  sei  denn,  dass  jener  för  seine  Weig^ 
rung  triftige  Grünfle  anzufiihren  imstande  sei,*)  In  einzelnen 
Sprengein  aber  schwebte  diese  Streitfrage,  an  der  auf  Grund 
der  Gewährung  entsprechender  Rechte  ausser  den  Hospitalitern 
übrigens  noch  andere  Orden  beteiligt  waren,  auch  in  der  Folge 
und  hier  und  da  trug  der  Episkopat  schliesslich  den  Sieg  davon. 
Wenigstens  erteilt  Innocenz  IV.  am  5,  Juni  1247  dem  Kon- 
stanzer Bischof  Heinrich  von  Tann- Waldburg  (1233 — 48)  aus- 
drilcklich  Vollmacht,  sowohl  die  Hospituliter  wie  die  deutschen 
Kitter  und  die  Brüder  vom  heiligen  Geist  an  dem  Missbrauch 
ihres  Bechts  zu  hindern/)  und  am  15.  Oktober  1248  benach- 
richtigt er  dessen  Nachfolger  Eberhard  von  Waldburg  (1248 
— 1274),  die  drei  geistlichen  Kitterorden  und  die  Lazaristen 
aeien  in  seinem  Sprengel  fernerhin  nicht  berechtigt,  auch  während 
des  Interdikts  in  ihren  Kirchen  Messe  zu  halten  und  auf  ihren 
Kirchhöfen  zu  begraben.^)  Doch  scheint  es  sich  dabei  nur 
um  einen  Ausnahmefall  gehandelt  zu  haben. 

Denn  wie  in  so  vielen  anderen  Fällen,  so  befanden  sich 
die  Bischöfe  auch  in  diesem  dem  Orden  gegenüber  bei  der 
Verteidigung  ihrer  Kechte  in  Übler  Lage,  weil  die  Kurie  ihnen 
den  Gebrauch  der  wirksamsten  Waffen,  des  Bannes  und  Inter- 
dikts, gegen  ihn  unmöglich  gemacht  hatte:  die  Didzesan- 
bischöfe  durften  Ordensbrüder  nicht  exkommunizieren  und 
Ordenskirchen  nicht  interdizieren.  Es  muss  dahin  gestellt 
bleiben,  ob  der  Ursprung  dieser  Bestimmung,  die  in  der  Folge- 
zeit für  den  Orden  die  grösste  Bedeutung  erlangt  hat,  vielleicht 
auf  einen  ähnlich  einfachen,  in  den  anfänglichen  Verhältnissen 


M  Ebd.  verfngt  Ltidui  III.,  «ut  si  cimiteria,  que  vobis  a  tede  apo- 

«tolica  HOtit  eoncesBa,  dioce^atii    episcopi  b»?n«*dicert?  humilüer  requiiiÜ 

aotuerint,  Uceat  vobiti  qiiemctimqnt*  mahieriiis  eathoUcum  udvocare  pon> 

^titieem,   qui  eadr^m  cimitt^rift  nnctonfute  iipoKtohca  benedirnt,   niai   forte 

rdiocoeani  »^piscopi  aliquam  caiiium  rttüonabiliter  podtint  ti  rclint  njilL«ii- 

cli^re,  qua  munu»  poshtlnln  boTiedictioiiift  ddbeant  cimiitirii  dimogare. 

»)  Ebd.  no.  3440  (II,  S.  «60). 

')  Ebd.  HO.  2487  (11,  8.  Ö76). 


Die  extmie  Stellung  des  HospitoJiter-Ordem,  151 

des  Ordens  begründeten  Ansatz  zurückzuführen  iat  wie  wabr- 

pheinlich  bei  dem  Tempel herrnordeo,  der  des  gleicbeti  Vorzugs 
bhoss.  Diesem  nämlich  war  der  Verkehr  mit  Gebannten 
gestattet,  er  also  gegen  die  sonst  damit  verbundenen  Wirkungen 
ansdrücklich  geschützt  für  den  Fall,  dass  es  gebannte  Ritter 
zum  Anschluss  zu  gewinnen  galt.*)  Doch  wird,  als  Honoriuis  III. 
am  20,  Dezember  1225  dem  Meister  des  Hospitals  die  Er- 
laubnis erteilt,  mit  Gebannten  zu  verkehren,  einer  älteren 
Bestimmung  derart  nicht  Erwähnung  getan. ^)  Dagegen  verbot 
bereits  Innocenz  IL  in  der  Kaimund  du  Puy  am  16.  Juni  1135 
zu  Pisa  ausgestellten  Bestätigung  der  Privilegien  des  Hospitals 
den  DiÖzesanbischöfen,  die  Ordenskirchen  mit  dem  Interdikt 
zu  belegen.*)  Das  wiederholt  Eugen  III.  am  29.  Juni  1153*) 
und  Anastasius  IV.  in  seinem  grossen  Freibrief  vom  21.  Oktober 
1154.*)  Es  handelt  sich  bei  dieser  Exemtion  vielleicht  um 
eine  Konsequenz  aus  dem  dem  Orden  im  Interesse  seiner 
Kollekten  verliehenen  Recht,  in  interdizierten  Orten  einmal  im 
Jahr  die  Kirche  zu  öflFnen  und  unter  Ausschluss  der  Exkommuni- 
zierten und  namentlich  Interdizierten  bei  geschlossenen  Türen 
und  ohne  Glockengeläut  in  aller  Stille  Gottesdienst  zu  halten.®) 
Ganz  entsprechend  erlaubt  Honorius  III.  am  22.  November  1224 
die  Abhaltung  des  Gottesdienstes  in  dem  Ordenshause  zu  St. 
Gilles   zur  Zeit   eines  Generalkapitels,    selbst  wenn   die    Stadt 


*)  Prutz,  Entwickelting  und  Untergang  des  Tempel  hermorden«  8.  8. 

»)  Cartulaire  no.  1825  lü,  S,  344). 

«)  Ebd.  no.  113  a  S.  m). 

*)  Ebd.  no.  217  (I,  S,  167). 

^)  Ebd.  no.  226  (l,  S.  174). 

^}  In  der  Bulle  Anastasius  IV,  Cartulaire  no.  226  (l»  S.  174)  vom 
21.  Oktober  1154  heiist  es  nach  Wiederhaliing  der  Bestim muntren  Inno- 
f!0n3c*n.  vom  7.  Februar  1137  weiter  im  Anscblu^B  an  Eugen  III.  Erlas» 
vom  29.  Januar  1153  (no.  217,  I,  S,  167):  .Stiituimua  etiam,  ut  nulli 
pi»eof>o  in  ecclesiis  vobis  siibditifl  interdicti»  snr|>en8ioniH  vel  excom- 
tinic*tiüni8  »ententiam  licent  promulgare.  Verumtamen  ri  generale 
inierdictum  in  locia  UUb  fnerit  prolatum.  exclusisi  excommnnicati«  et 
Qomlnatiro  interdictis,  clausb  januia  abaque  campanamm  pulstttione  plane 
diviua  ofticiä  celebrcntur. 


1&2 


H.  Prntz 


und  die  Abtei  gerade  interdiziert  sein  sollten:  daran  soll  es 
sogar  nichts  ündern,  wenn  etwa  der  Papst  seihst  das  Interdikt 
gegen  sie  verhängt  haben  sollte. *)  Andererseits  aber  ermahnt 
derselbe  Pajist  den  Orden  am  20.  Dezember  1225  bei  den 
gottcsdienstlichen  Feiern  unter  dem  Interdikt  die  gebotenen 
Voi*siclitsniassregeIn  gewissenhaft  zu  beobachten  und  alles  zu 
vermeiden,  was  ihn  der  Gefahr  aussetzen  könnte,  selbst  dem 
luterdikt  zu  verfallen.'*)  Nach  einer  anderen  Seite  hin  .sicherte 
Innocenz  IV.  das  Ordenshaus  zu  St.  Gilles  noch  durch  die  Be- 
stimmung vom  5.  April  1251,  wonach  auch  pujistliche  Legaten 
und  Subdelegaten  das  Interdikt  dagegen  nur  auf  Orund  eines 
ausdrücklichen  pripstlichen  Befehls  sollten  verhängen  können, 
in  dem  obenein  der  dem  Orden  eingeniumton  Ausnahmestellung 
bestiuuut  Erwähnung  getan  sein  müsse.^) 

Höchst  bezeichnend  för  die  Stellung  des  Ordens  zu  den 
Strafmitteln  der  Kirche  ist  ein  Erhiss  Clemens'  IV,  vom  29*  Ok- 
tober 126ti,  welcher  die  Ordensbeamten  ausdrücklich  der  Ver- 
pflichtung enthob,  der  Kirche  bei  ihrer  Anwendung  irgendwie 
Hilfe  zu  leisten.  Falls  nämlich  vom  päpstlichen  Stuhl  dele- 
gierte Richter  dem  Meister  oder  den  Prioren  des  Ordens  schriiV 
lieh  den  Auftrag  geben  sollten,  Wohltäter  des  Ordens  oder  den 
betreffenden  Ordenshausern  benachbarte  Burgen,  iStädte  oder 
Gemeinden  als  von  ihnen  exkommuniziert  öffentlich  zu  ver- 
kündigen, sollten  dieselben  der  Weisung  nachzukommen  nicht 
gehalten  sein,  damit  nicht  das  friedliche  Verhältnis  des  Ordens 
zu  seinen  Kachbarn,  das  zu  seinem  öedeihen  unentbehrlich 
sei,  gestört  werde.*) 

All  diese  Privilegien  des  Ordens  ei*schwerten  Bischöfen 
und  Pfarrern  die  Aufrechterhaltung  der  Kirchenzucht  in  den 
dem  Orden  verbundenen  oder  von  ihm  abhängigen  Kreisen 
natürlich    um    so    mehr,   je    mehr   mit  dessen  Territorialbesitz 


^)  Ebd.  no.  1297  (U.  S.  326). 

*|  Ebd.  DO.  1826  (Jl.  S.  344):   ,. , , ,  dummodo  caasam   ne  dederiUs 
iiiterdicti,  ne  id  cotitiujrat  vobia  apectjtliter  interdicL* 
«)  Ebd.  no.  2561  lU,  Ö.  708). 
*)  Ebd.  no.  3234  (III.  S.  U5K 


DU  exemte  Stettunp  des  HospüaUter-Ordens, 


153 


auch  die  Zahl  seiner  Konfraires  und  der  an  seinen  Exemtionen 

teilnehmenden  Ordensleute  wuchs.  Dadurch  erbittert  scheint 
die  Geistlichkeit  nicht  leicht  eine  Gelegenheit  sich  haben  ent- 
gehen zu  lassen,  um  dieser  neuen  Ordnung  gegenüber  ihr  älteres 
Recht  in  Erinnerung  zu  bringen  und  zu  verteidigen,  und  der 
Orden  bot  ihr  dazu  offenbar  nur  allxu  häufig  Gelegenheit  durch 
die  gewaltsame  Art,  wie  er  sowohl  den  Geltungsbereich  der 
papstlichen  Freibriefe  zu  erweitem  als  auch  ihren  Inhalt  über 
das  ursprünglich  zugestandene  Mass  hinaus  zu  erstrecken  suchte. 
Statt  einmal  im  Jalire  suchten  seine  Kollektoren  manchen 
bisehöflichen  tSprengel  innerhalb  desselben  Jahres  wiederholt 
heim,  öffneten  wiederholt  die  interdizierten  Kirchen  zum  Gottes- 
ohne  dabei  die  gebotenen  Vorsieh tsraassregeln  zu  be- 
Bn ')  und  bestatteten  dann  wohl  auch  die  während  des 
Interdikts  Gestorbenen  mit  kirchlichen  Ehren.*)  Andererseits 
werden  auch  die  Prälaten  nicht  unterlassen  haben,  wo  sie  es 
irgend  konnten,  dem  Orden  Schaden  zu  tun.  Daher  hatte 
jeder  von  beiden  Teilen  über  den  anderen  fast  unausgesetzt 
Beschwerde  zu  führen  und  Klage  zu  erheben,  und  die  Kurie 
scheint  eigentlich  dauernd  mit  der  Untersuchung  solcher  Streit- 
falle 7M  tun  gehabt  zu  haben.  Der  Orden  aber  war  dabei 
meistens  im  Vorteil,  da  seine  Prokuratoren  den  Gegnern  nicht 
nur  an  Geschäftserfahrung  und  juristischer  Gewandtheit  über- 
legen waren  sondern  auch  reicher  mit  den  Mitteln  versehen, 
die  in  Rom  in  solchen  Angelegenheiten  anerkaontermassen  am 
sichersten  zum  Ziele  führten.  Fast  regelmässig  stellte  sich  nach 
den  uns  vorliegenden  Materialien  die  Kurie  daher  auf  die  Seite 
des  Ordens  und  vertrat  die  von  ihm  erhobenen  Ansprüche  gegen- 
über dem  Klerus,  indem  sie  diesen  gelegentlich  niit  strengen 
oder  gar  drohenden  Worten  zur  Fügsamkeit  ermahnte.  Nament- 
lich geschah  das  durch  Alexander  IIL»")   der   sich   dem  Orden 


*)  Vgl.  oben  S.  161. 

*)  Darüber  klagte  man  nach  Alexander  lÜ.  in  England  namentlich 
in  der  Diözese  York:  .  . ,  rjiiod  non  sc»nn.'l  tantiitn  In  anno,  acd  frequenter 
«(liiicopatum  ejus  visUatia  etc.    Cartulaire  no.  275  (I»  8.  20«?), 

•)  Vgl,  afiine  Mahnung  an  die  Prälaten  Fraukreicb«  no.  272  (1»  S,  SK>6). 


164 


ff.  Ptuti 


allerdings  ja  finanziell  ganz  besonders  verpfiichtet  fühlen  sollte,^) 
Fllr  Bischöfe  und  Pfarrer  wurde  dies  Verhältnis  vollends  un- 
erträglich, da  auch  den  Tempelherrn  und  in  mancher  Hinsicht 
den  Cisterziensern  ähnliche  Vorrechte  eingeräumt  wurden.  Die 
dadurch  aufs  höchste  gesteigerte  Erbitterung  kam  denn  auch 
bereits  auf  dem  Laterankonzil  im  März  1179  zu  heftigem  Aus- 
bruclh  Unterstützt  von  der  Klo«tergeistlichkeit,  die  den  Hitt^r- 
mönchen  um  nichts  freundlicher  gesinnt  war,  rangen  die 
BischVjfe  Alexander  IIL  eine  R^ihe  von  Zugeständnissen  ab» 
durch  die  dem  Orden  der  Missbrauch  seiner  Privilegien  wenig- 
stens in  einigen  besonders  lästigen  Punkten  unmöglich  gemacht 
werden  sollte.  Der  Erfolg  war  freilich  nicht  von  langem  Bestand* 
Von  diesen  Vorgängen  und  ihrem  Einfluss  auf  die  Ge- 
staltung des  Verhältnisses  des  Ordens  zu  dem  Episkopate  auf 
der  einen  und  der  Kurie  auf  der  anderen  Seite  entwirft  uns 
der  englische  Geistliche  Walter  Mapes^  ein  ausgezeichneter 
WVlt-  und  Menschenkenner,  der  die  in  intimer  Stellung  am 
englischen  Hofe  gemachten  Beobachtungen  und  gesammelten 
Erfahrungen  gegen  Ende  der  Regierung  König  Heinrichs  II. 
nicht  ohne  scharfe  satirische  Tendenz  aufgezeichnet  hat,  in 
seinem  lehrreichen  Werke  ^De  nugis  curialium*  ein  merk- 
würdiges Bild,  das,  mag  es  auch  in  manchem  Zug  etwas  stark 
auftragen,  der  Wirklichkeit  doch  im  wesentlichen  entsprechen 
dürfte.*)  Er  ist  voll  des  Lobes  für  die  Anfänge  des  Ordens 
und  seiner  damaligen  Verdienste  um  die  Armen-  und  Kranken- 
pflege: dereinst  sei  sein  Haus  in  Wahrheit  als  eine  Wohnung 
der  Biirmherzigkeit  erschienen.  In  der  Folge  aber,  nrteüt  er, 
habe  sich  das  geändert:  der  massenhafte?  Zustrom  Ton  solchen« 
die  an  seinem  Gott  wohlgefälligen  Wirken  teilhaben  wollten, 
und  die  ihm  gemachten  überreichen  Zuwendungen  haben  dem 
Orden  nicht  wohlgetan,  insbesondere  haben  die  Brüder  nach 
pHöflingsart   an  der  päpstlichen  Kurie  sich  Privilegien   ausge- 


M  V|rl  oben  S.  103. 

*)   Bd.  T^    W  rt,-v,f,   Lofiiloii  IÖ5i>  iCmm^t^n   fs^unrUi    D««tioet|o   I, 
e.  ia  (8.  36). 


jy%€  exemte  Stelhing  dts  Bospitaliter-Ordem, 


155 


rkt,  die  mit  den  kirchlichen  Satzungen  nicht  mehr  yereinbar 
"Sud.  Deshalb  sei  der  Klerus  auf  dem  Laterankonzil  in  den 
Papst  gedrungen,  dass  da  Abhilfe  gescliaÖ't  werde.  Nur  habe 
er  damit  nicht  viel  erreicht.  Während  des  Konzils  selbst  freilich 
hätten  die  Hospitaliter  geschwiegen»  hinterher  aber  habe  ^Frau 
Börse*  (Joniina  bursa),  w^elche,  „obgleich  sie  nicht  die  Liebe 
sei,  in  Hom  dennoch  alles  besiege*'  —  der  gelehrte  Walter 
Mnpes  spielt  hier  an  auf  Virgil  Belöge  10,  69^)  —  die  »Falten 
ihres  Mundes  geöffnet**  und  die  Öeistlichteit  sei  wiederum  die 
Beute  des  Ordens  geworden,  dessen  Privilegien  nun  erst  recht 
wirksam  bestätigt  worden  seien. 

Die  Beschlüsse  des  Laterankonzils,  auf  die  Walter  Mapes 
hier  anspielt  und  deren  Wirkungslosigkeit  er  beklagt,  sollten 
den  ftlr  Bischöfe  und  Pfarrer  so  gut  wie  für  die  Kloster- 
geistlichkeit  unerträglich  gewordenen  Übergriffen  der  geist- 
liehen Ritterorden  Überhaupt  Schranken  setzen,  indem  sie  die 
ihnen  verliehenen  Privilegien,  die  sie  ungebührlich  ausdehnten, 
authentisch  interpretierten.  Es  wurde  geklagt,  dass  die  Orden 
sich  namentlich  gegen  die  bischöfliche  Autorität  viel  heraus- 
nähmen, was  den  OlUubigen  Ärgernis  gebe  und  ihr  Seeleuheil 
gefährde.  Zum  Belege  führte  man  an,  dass  sie  Kirchen  von 
Laienhand  in  Empfang  nähmen,  Tnterdizierte  und  Exkommuni- 
zierte zum  Gottesdienste  zuliessen  und  bestatteten,  an  ihren 
Kirchen  Geistliche  eigenmächtig  ein-  und  absetzten,  bei  den 
Kollekten  denselben  Sprengel  mehrmals  im  Jahre  heimsuchten, 
dabei  interdizierte  Kirchen  wiederholt  öffneten  und  unter  dem 
Interdikt  Gestorbene  alsdann  begruben  und  durch  die  von  ihnen 
errichteten  Brüderschaften  auf  Grund  der  ihren  Privilegien  ge- 
gebenen willkürlichen  Deutung  die  bischöfliche  Autorität  ausser 
Wirksamkeit  setzten,  mochte  man  auch  entschuldigend  hinzu- 
ftigeu,  es  geschehe  das  alles  wohl  weniger  nach  Absicht  und 
Willen  der  Oberen  als  infolge  von  Unbedachtsamkeit  der  unteren 
Ordensbeamten,*)    Insbesondere  handelte  es  sich  bei  dem  letzten 


M  Omnjti  vincit  amor,  et  noä  redamus  amori« 

^)  Man«!,  Collect,  concil,  ampl.  XXU,  S.  222-23. 


156 


H.  FrutM 


Beschwerdepunkte,  wie  die  von  dem  Konzil  gefassten  BeacUfl 

erkennen  iasseii»  um  den  vom  Orden  auf  Grund  seiner  Exemtion 
von  der  bischöflichen  Strafgewalt  erhobenen  Anspruch^  dass 
die  gegen  ihm  irgendwie  verbundene  verkündete  E^ckomrouni- 
kntion  oder  Interdizierung  durch  die  von  ihm  auf  Grund  seiner 
Privile^j^ien  erhobene  Einsprache  zunächst;  unwirksam  gemacht 
werden  sollte.  Das  Konzil  erklärte  dieses  Verlangen  ausdrück- 
lich für  hinfallig  und  bestimmte,  dass  in  solchem  Falle  das 
bischöfliche  Strafmandat  zunächst  trotz  der  eingelegten  Berufung 
als  zu  Recht  bestehend  befolgt  werden  müsse,  die  von  ihm 
Betroffenen  also  als  ititerdiziert  oder  exkommuniziert  zu  erachten 
und  Kirchen,  die  sie  trotzdem  besuchen  würden,  ohne  weiteres 
dem  Interdikt  verfallen  sein  sollten.  Jeder  dagegen  fehlende 
Geistliche  sollte,  so  verfügte  das  Konzil  weiter,  sofort  der 
Suspension  und  Exkommunikation  verfallen.  Würde  Jemand 
trotz  des  Interdikts  kirchlich  begraben,  sollte  das  Interdikt  so 
lange  auf  der  ganzen  betreffenden  Pfarrei  lasten,  bis  die  Leichen 
ausgegraben  und  ausserhalb  des  geweihten  Bezirkes  eingescharrt 
seien,  wahrend  diejenigen,  die  das  Begräbnis  vorgenommen  oder 
veranlasst  haben,  gebannt  bleiben  sollten,  bis  sie  mit  einem 
Schreiben  ihres  Bisehofs  zur  Leistung  gebührender  Genugtuung 
vor  dem  Papste  erscheinen  würden.  Bereits  im  November  1179 
fjillt  denn  auch  auf  Grund  dieses  Kanons  des  Lateran konzils 
der  Erzbischof  von  Narbonne,  Ponce  d*Arsace,  gegen  Häretiker 
in  seinem  Sprengel  ein  entsprechendes  Urteil.^)  Diese  Tat- 
sache legt  die  Vermutung  nahe,  die  Missachtung,  die  der 
Hospitaliterorden  in  Bezug  auf  die  Verhangung  von  Bann  und 
Interdikt  der  Autorität  der  Bischöfe  erwies,  indem  er  von  ihr 
Getroßene  in  seinen  oder  den  bei  seinen  Kollekten  in  inter- 
idizierten  Bezirken  vorübergehend  geöffneten  Kirchen  an  dem 
Gottesdienst  teilnehmen  liess,  sei  namentlich  den  um  jene  Zeit 
in  Südfrankreich  bereite  zahlreich  vorhandenen  häretischen 
Genossenschaften  zugute  gekommen*  Das$  von  hier  aus  attch 
auf  die  Frage  nach  den  vielumstrittenen  haretisQhen  Verirrungen 


H  Caituhure  ao.  57ä  (i.  S.  36«, 


Die  exemtt  SuUunß  des  HaspitaUter-Ordens, 


157 


wenigstens  in  einem  Teile  des  Terapelherrnordens  ein  sehr 
beachtenswertes  neues  Licht  fallen  würde,  mag  nur  heiläufig 
bemerkt  werden*  Ist  doch  auch  den  Hospitaliteru  selbst  der 
Vorwurf  nicht  erspart  geblieben,  manche  unter  ihnen  seien  mit 
gutem  Gmnde  der  Ketzerei  verdächtig,  wie  Papst  Gregor  IX. 
1238  dem  damaligen  Hochmeister  schreibt.^) 

Doch  haben  die  Beschlüsse  des  Laterankonzils  von  1179 
weder  allgemeine  noch  lange  Geltung  genossen.  Zwar  ermahnt 
Cülestin  lll,  am  9.  Mai  1194  im  Sinne  derselben  den  Prior 
und  die  Brüder  des  Hospitals  zu  Arles  ihre  Privilegien  nicht 
zu  niissbrauchen  und  das  von  dem  Erzbischof  von  Arles  über 
die  Stadt  verhängte  Interdikt  nicht  dadurch  unwirksam  zu 
machen,  dass  sie  alle  diejenigen  als  Konfratres  in  Anspruch 
jiehmen  und  ihre  Freiheiten  niitgeniessen  lassen,  die  dem  Orden 
jährlich  etwas  zahlen,  tatsächlich  aber  ihm  gar  nicht 
angehören  und  auch  sein  Gewand  niemals  tragen:  der  Orden 
bringe  sich  damit  in  den  üblen  Kuf,  um  Geld  ziir  Unter- 
drückung der  Gerechtigkeit  die  Hand  zu  bieten/*)  Am  2L  Januar 
1201  verbietet  dann  auch  Innocenz  HL  auf  Klage  der  Kano- 
niker von  Reims  dem  Orden  die  Abhaltung  von  Gottesdienst 
in  dem  Gebiete  der  gebannten  Herrn  Nikolaus  de  Rumigny 
und  Itoger  de  Rozoy:  es  scheint  ihn  dabei  allerdings  besonders 
die  Rücksicht  auf  die  hochangesehene  Reimser  Kirche  zu  be- 
stimmen.^) Andererseits  aber  fehlt  es  auch  nicht  an  Beispielen, 
wo  iie  Kurie  sich  im  Widerspruch  mit  den  Beschlüssen  des 
Laterankonzils  auf  die  Seite  des  Ordens  stellt  und  gegen  die 
Bischöfe  Partei  nimmt,  die  ihr  Recht  zur  Verhängung  von  Inter- 
dikt und  Exkommunikation  üben  wollen,  wie  z.  B,  Clemens  IV. 
am   9,  Februar  1268*)  und   Gregor  X.,    der   dem   Orden    am 


1)  Potthaatf  Reg.  pontif.  no.  105S7*  Er  sagt:  ceterum  plures  ex 
6alnbufl  veatm  de  baere^i  probabili  haberi  dicuntur  ratione  saapecti. 

*)  Cartulaire  no.  961  (I,  S,  609). 

')  Ebd,  no.  1137  ill,  S*  4).  Es  heiast  da:  aicut  vestria  noa  nolumua 
privilegÜB  defrtiuduri,  tic  occl^sie  Keinen si  que  magnum  locum  obtinet 
in  occlesia  (j^Uicana. 

*)  Ebd.  no,  3299  {IIF,  S.  178), 


SS 


IL  Prtds 


17.  November  1274    mitteilt,    er   habe   den   Di5z6fltUlbiichdfen 
verboten,  sich  dieser  Waffen  gegen  ihn  zu  betlienen.O 

Mit  dem  Verlust  der  kirchlichen  Disziplinargewalt  übc^r 
den  Orden,  der  sich  aus  diesen  Verhältnissen  illr  sie  ergab, 
biJssten  die  Bischöfe  überhaupt  das  Recht  zu  seiner  Kontrolle 
ein.  So  auch  der  Patriareh  von  Jerusalem,  dessen  besonderer 
Aufsicht  die  Brüder  vom  Hospital  ebenso  wie  die  Tempel- 
herrn'*) ursprünglich  unterstellt  waren.  Bereits  Alexander  III. 
nahm  ihm  ausdrücklidi  da.s  Recht,  den  Orden  und  seine  Leute 
5£U  Gxkomnumizieren,  In  der  Erneuerung  dieses  Erlasses^  den 
bereits  Honorius  HL  und  Innocenz  IIL  wiederholt  hatten,  führt 
Alexander  IV.  am  4.  Februar  1266  als  Grund  dafür  an  den 
Unwillen  seines  Vorgänger«  darüber,  dass  der  Patriarch  gegen 
Priester  und  Laien^  die  dem  Orden  teils  unentgeltlich,  teils 
gegen  Lohn  dienten,  die  Exkommunikation  verhängt  habe  und 
durch  die  Fortsetzung  des  Verkehrs  mit  diesen  dem  Orden 
selbst  als  ihr  verfallen  habe  betrachtet  sehen  wollen,  während 
derselbe  doch  durch  die  Gnade  des  päpstlichen  Stuhls  das  Vor- 
recht besitze,  dass  er  und  seine  Dienstleute  nur  durch  den 
Papst  selbst  oder  einen  von  ihm  ausdrücklich  dazu  Bevoll- 
mächtigten exkommunizieii  oder  interdiziert  werden  könnten: 
das  gelte  auch  von  jenen  Klerikern  und  Laien,  so  lange  sie 
im  Dienst  des  Ordens  stünden,  und  eine  von  anderer  Seite 
gegen  sie  ergangene  Sentenz  dieser  Art  sei  daher  einfach  null 
und  nichtig.  Der  Papst  fordert  den  Orden  geradezu  auf,  wenn 
der  Patriarch  trotzdem  so  gegen  seine  Leute  vorgehen  würde, 
den  Kirchenbesuch  und  die  Teilnahme  am  Gottesdienst  darum 
doch  nicht  einzustellen.')  Dadurch  wurde  allerdings  dasSchreiben 
vom  18.  Februar  1256  vdUig  entwertet,  worin  der  Papst  den 
Orden  angewiesen  hatte,  dem  Patriarchen  zu  gehorchen  trotz 
üiwa  dagegen  geltend  zu  machender  Privilegien,*)    Man  sieht, 

^  Ebd.  no.  3550  Uli.  8.  315). 

^  Protz,  Entwickelang  und  Untergang  d««  Teinpelbermondetui 
S.  $3.    Malteser  Urkunden  no.  223. 

«)  Cartulaire  no.  2787  (lU  S.  803J;  wiederholt  20.  September  1258 
öo,  2901  (U,  S.  858). 

^)  Ebd.  no.  2797  üh  S.  806). 


iTJe  exemte  Stellung  des  Haspitalitif'Orämm. 


159 


me  kart  die  Kurie  gelegentlich  zwischen  den  von  ihr  begün- 
stigten Ansprüchen  des  Ordens  und  den  alten  Recliten  der 
Prälaten  ins  Gedränge  kam  und  wie  sie  sich  durch  die  daraus 
entstehenden  Schwierigkeiten  ebenso  wenig  ehrlich  wie  glück- 
lich hindurch  zu  winden  suchte,  wofür  es  gerade  auf  diesem 
Gebiete  auch  sonst  nicht  an  Beispielen  fehlt.  Nur  scheint  der 
Orden  sich  dabei  nicht  beruhigt  zu  haben:  er  bestand  otfen- 
bor  auf  einer  klaren  und  unzweideutigen  Anerkennung  seiner 
eximierten  Stellung  und  ruhte  nicht,  bis  im  gegebenen  Fall 
auch  tatsächlich  die  Konsequenzen  daraus  gezogen  wurden. 
Daher  kassierte  Alexander  IV.  am  21.  Oktober  1256  die  von 
Diözesanbiächofen  gegen  den  Orden  ergangenen  Urteile  auf 
Exkommunikation^)  und  wiederholte  aus  Anlass  eines  neuen 
Streites  zwischen  dem  Hospital  und  dem  Patriarchen  vuo  Jeru- 
salem am  IL  Januar  1261  die  Exemtion  des  Ordens  und  seiner 
Leute  von  der  Exkommunikationsbefugnis  der  Bischöfe  ohne 
ausdrückli eben  Befebl .  *) 

Tatsächlich  war  also  schliesslich  auch  für  den  Hospitaliter- 
orden  der  Grundsatz  zur  Anerkennung  gebracht,  sein  Bischof 
sei  der  Papst  selbst  und  daher  könne  er  nur  von  diesem  mit 
kirchlichen  Zensuren  belegt  werden.  Er  erschwerte  den  Bischöfen 
die  Aufrechterhaltung  der  Kirchenzucht  ausserordentlich,  ja 
machte  sie  in  gewissen  Ftlllen  geradezu  unmöglich,  zumal  er 
bei  der  ausserordentlichen  Ausdehnung  des  Ordensbegriffcs  auf 
immer  weitere  Kreise  angewandt  wurde.  In  welchem  Mass© 
das  geschah  und  wie  sogar  eine  rein  geschäftliche  Verbindung 
mit  dem  Orden  als  Grund  angesehen  wurde,  um  die  betreffenden 
Leute  als  Teilnehmer  an  den  Ordensprivilegien  den  ordentlichen 
kirchlichen  Autoritäten  zu  entziehen,  lassen  einige  spätere 
pS[istüche  Verfügungen  erkennen,  mögen  sie  auch  zunächst 
nur  bestimmt  gewesen  sein,  den  Orden  gegen  gewisse  bischöf- 
liche Chikauen  zu  schützen.  Honorius  III.  untersagte  am 
8.  Januar  1221  den  Prälaten  Prankreichs,  von  dem  Orden  be* 


*)  Ebd.  DO.  2837  (11,  8.  830). 
2)  Ebd.  üo.  2^78  (Hl.  S,  4). 


160 


H,  Pr§Ug 


schäftigte  Arbeiter  zu  interdizieren  oder  zu  exkommunizieren. ') 
Arn  10.  Dezember  1227  erlässt  Gregor  IX,  das  gleiche  Verbot 
in  Betreff  derjenigen,  die  ihr  Getreide  in  den  Ordensraühlen 
mahlten  oder  ihr  Brod  in  dem  Orden  gehörigen  Backöfen  backen 
lassen.'^)  Innocenz  IV.  verbietet  am  18.  Mai  1245  den  Bischüten, 
diejenigen  ihrer  Pfarrkinder  zu  bannen,  die  für  den  Orden 
arbeiten.^)  Ganz  allgemein  untersagt  Clemens  IV.  am  24.  Oktober 
1265  den  Prälaten  die  Verhängung  des  Bannes  gegen  die 
, Freunde  des  Ordens"  in  der  Absicht,  diesen  zu  treffen**)  Lässt 
dieser  letzte  Zusatz  vermuten,  es  habe  sich  in  den  Fällen, 
welche  diese  päpstlichen  Verfügungen  veranlassten,  allerdings 
zunächst  um  Versuche  der  Bischöfe  gehandelt,  den  ihrer  Straf- 
gewalt entrückten  Orden  auf  einem  Umwege  dennoch  zu  treffen, 
um  ihn  durch  den  Verkehr  mit  Gebannten  in  den  Augen  streng 
kirchlich  Denkender  als  dem  Banne  verfallen  erscheinen  ^u 
lassen  —  obgleich  dem  Orden,  nachdem  Honorius  IIL  am 
20.  Dezember  1225  dem  Ordensmeister  ausdrücklich  erlaubt 
hatte,  mit  Gebannten  zu  verkehren,*)  wohl  auch  zur  Abwehr 
eines  solchen  Angriffs  die  Mittel  nicht  gefehlt  haben  würden,  — 
so  kann  man  aus  derartigen  Vorgängen  doch  jedenfalls  einen 
SchluHs  ziehen  auf  den  Grad  der  Erbitterung,  die  in  den  Kreisen 
der  Prälaten  gegen  den  Orden  herrschte.  Diese  ist  begreif- 
lich, wenn  man  sieht,  welche  Konsequenzen  sich  aus  der  Be- 
schränkung der  bischöflichen  Disziplinargewalt  gegenüber  all 
denjenigen  ergaben,  die  irgendwie  mit  dem  Orden  in  Verbin- 
dung ständen.  Bereits  Urban  IIL  hatte  am  10.  März  1186 
oder  87  den  Prälaten  verboten,  den  Leuten  des  Ordens,  die 
sich  des  Ehebruchs  oder  anderer  Vergehen  schuldig  machten, 
Bussen  aufzuerlegen,^)   Allmählich  hat  der  Orden  sich  gelegen t- 

t)  Ebd.  no,  1704  (II,   S,  280).    Vgl  ämi   Erla«  Clemeoi*  IV.  irom 
^•/'febniar  1268  ao.  8299  (lll,  S.  178). 

-r-     *)  Ebd.  00.  1894  (II,  Ü,  87«),  wiederholt  dtircb  Iitnooenss  IV.  3S,  Juli 
1260  HO.  2627  (11,  S.  690).    Vgl.  Mi*lte»er  Urkunden  no.  2S6. 
»)  Cartulair«  no,  2369  (11.  S.  tJ30) 
^)  Ebd.  DO.  B187  (IIL  S.  124)* 
^)  Ebd.  HO.  1826  (11.  S.  3U).   Vgi,  or>en  6.  löl. 
^  Ebd.  uo.  769  (1,  S.  497). 


Die  tKtmte  Sullung  dt$  HoapitaMer-Oräetu. 


161 


I 


lieh  selbst  eine  geistliche  Gerichtsbarkeit  angeniasst  ußd  durch 
seine  Beamten  auch  die  Sittenzucht  gegenüber  den  von  ihm 
i>hängigen  Leuten  auf  seine  Art  geübt. 

Die  meisten  Streitigkeiten  zwischen  dera  Orden  und  den 
Bischöfen  entsprangen  daraus,  dass  beide  Teile  über  den  Um- 
fang des  dem  Orden  zuzurechnenden  Kreises  von  Personen 
verschiedener  Meinung  waren.  Der  Episkopat  wollte  als  solchen 
und  daher  als  zum  Genuss  der  pfipstlichen  Privilegien  berechtigt 
gelten  lassen  nur  die  eigentlichen  Ordensbrüder,  die  wirklich 
Profesu}  getan  hatten  und  das  Ordenskleid  mit  dem  weissen 
Kreuz  trugen.  Der  Orden  begriff  darunter  auch  alle  ihm  nur 
Affinierten,  Konfratres,  Donaten,  Schutzbefohlene,  Grundsassen 
und  Zinsleute  und  beanspruchte  für  diese  den  ungeminderten 
Mitgenuss  der  jenen  verbrieften  Ausnahmestellung  gegenüber 
der  Jurisdiktion  der  Ordinarien.  Von  dieser  hatte  bereits 
Imiocenz  IV.,  wie  er  am  18.  März  1251  dem  Kantor  von  Sens 
kund  tat,  den  Orden  eiimiert,\)  was  Alexander  IV.  am  20.  Jinii 
1255  bestätigt  hatte,  in  der  Weise,  dass  der  Orden,  wo  es  sich 
am  die  Aburteilung  eines  Vergehens  oder  um  einen  Prozess 
aus  Anlass  eines  Vertrages,  die  ihn  berührten,  handelte,  nicht 
bei  dem  Ordinarius  des  Sprengeis,  in  dem  das  Vergehen  verübt 
oder  der  Vertrag  geschlossen  war,  Recht  zu  nehmen  brauchte^ 
Hondern  sich  damit  hinwenden  konnte,  wohin  er  wollte.*)  Es 
liegt  auf  der  Hand,  zu  welcher  Verwirrimg  es  führen  musste, 
wenn  dies  Recht  auch  für  alle  ibm  irgendwie  verbundenen 
Leute  gelten  sollte.  Gelegentlich  ging  der  Orden  mit  der  Be- 
messung dieses  Kreises  doch  selbst  der  nachsichtigen  römischen 
Kurie  zu  weit.  Das  lehrt  ein  Erlass  Alexanders  IV,  vom 
26.  März  1256,  der  sich  zugleich  auch  an  die  Tempelherren 
und  andere  dergleichen  Exemtionen  geniessende  Orden  in  Frank- 
reich wendet,")  Ihmach  entzogen  die^se  auch  die  ihnen  als 
Oaste  (hospites),  Donaten  oder  Oblaten  nur  locker  Verbundenen, 
ja  sogar  solche,  die  ihnen  nur  einen  ganz  geringen  Zins  zahlten. 

>)  Ebd.  no.  2556  (11,  S.  706). 
«)  Ebd.  no.  2742  (II,  S.  784), 
»)  Kbd.  no.  280n  (ü,  S.  Hll). 
IfMH.  Sllfgih,  rl,  plillo«.  i^lloK  II.  d.  »liBt.  Kl.  11 


162 


H,  Prut$ 


auf  Grund  ihrer  Privilegien  durch  die  ihnen  zum  Schutz  ihrer 
Rechte  yoiq  apostoli^hen  Stuhle  bestellteu  Kanservatoren  auch 
iiu  Falle  von  Diebstahl,  Ehebruch  u»  s.  w.  der  Jurijsdiktiou 
ihrer  kirchlichen  Ordinarien,  denen  sonst  Laien  gegenüber  die 
Sitienzucht  oblug.  Ja,  sie  verhfiugteu  sagar  über  diese  Leute 
für  gewisse  Verfehlungen  ganz  bestimmte  Strafen  und  briichten 
dadurch  geheime  Sünden  unnötiger  und  nachteiliger  Weise  stur 
Kenntnis  weiterer  Kreise.  Demgegenüber  ordnet  der  Papst  an. 
GS  sollten  diese  alle,  die  solchen  exemtun  Genossenscltafton  nur 
locker  verbunden  wären,  sich  ihnen  aber  nicht  ausdrücklich 
ergeben  hätten,  also  im  vullen  Besitz  ihres  Eigenturaü  geblieben 
wären,  in  derartigen  Fällen  der  Jurisdiktion  ihrer  Bischöfe 
unter  keinen  Umständen  entzogen  werden,  sondern  die^se  die- 
selbe über  sie  wie  über  alle  ihre  Pfarrkinder  üben  und  die 
Ordenskonservatoren  dagegen  nicht  einschreiten  dürfen.  Von 
einem  anderen  ähnlichen  Missbrauch,  den  diese  Orden  im  Ge- 
biete der  weltlichen  Hechtspflege  eingeführt  hatten  und  dessen 
Abstellung  auf  die  darüber  erhobenen  Klagen  hier  ebenfalls 
verlangt  wird,  wird  weiterhin  in  anderem  Zusammenhang  xu 
sprechen  sein. 

All  diese  widerrechtlichen  Erweiterungen  der  ihm  ver- 
liehenen, ohnehin  schon  reich  bemessenen  Freiheiten  erklären 
vollauf  die  lebhaften  Antipathien,  die  namentlich  unter  den 
Prälaten  gegen  den  Orden  herrschten  und  gelegentlich  Aktis 
erbitterter  Feindseligkeit  veranlassten.  Entzog  der  Orden  den 
Bischöfen,  was  ihnen  gebührte,  so  vergalten  diese,  wo  es  mdg- 
licli  war,  Gleiches  mit  Gleichem.  Weni^  man  hört,  dass  später- 
hin darüber  geklagt  wird,  die  Bischöfe  begünstigten  aus  Feind- 
schaft gegen  den  Orden  den  Übertritt  der  Brüder  zu  anderen 
Orden,  und  wenn  Innocenz  IV.  am  12.  September  1244  sie 
anweist,  ihre  Pfarrer  dar»in  zu  bindern,*)  so  wird  nuin  die 
Vermutung  nicht  zu  gewagt  finden,  diLsH  ahn  liehe  päpstlichn 
Erlasse  au&  früherer  Zeit  unt^r  gleichen  Umniänden  entstandim 
»ind.    Einen  solchen  haben  wir,  eine  bestimmte  l'ersi^nlicfakeit 


M  Ebd.  DU.  23ä7  (II.  a  eni 


Die  exemU  Stellung  des  HöspitalÜer'Ordens. 


163 


betreffend,  vrm  Alexander  II L  *m  den  Erzbiachof  von  York.^) 
Am  30.  Jaouar  1209  verbietet  Innocenz  IIL  den  Hospitalitern 
Portulak,  das  Ördenskleid  abzulegen  und  den  Vergnügungen 
der  Welt  nachzugeben.'^)  Honorius  ill.  aber  erteilt  am 
18,  Dezember  121t>  den  Ordensoberen  besondere  Vollmaclit  zur 
Hinderung  dor  Ordensritter,  die  den  Orden  verlassen  und  zu 
anderen  Genossenschaften  übertreten  wollen/)  und  weist  am 
26.  Januar  1217  die  Prälaten  Englands  an  zur  Verhängung 
des  Bannes  über  diejenigen  Brüder,  die  den  Orden  verlassen 
oder  zu  einem  andern  übergeben/)  während  er  am  28.  Januar 
1217  an  die  Ordensbrüder  im  allgemeinen  eine  entsprechende 
Verwarnung  richtet.*)  Ea  scheint  eben  Zeiten  gegeben  zu 
haben,  wo  die  Verhältnisse  Manchen  das  abgelegte  Gelübde 
bereuen  Hessen  und  er  sich  demselben  zu  entziehen  suchte. 
Ausserdem  aber  hat  es  in  einer  so  grossen  Gemeinschaft  natür- 
lich auch  zu  keiner  Zeit  an  bedenklichen  Elementen  gefehlt: 
«ie  werden  zugenommen  haben  mit  der  furtschreitenden  Locke- 
rung der  ritterlichen  und  tler  kirchlichen  Zucht.  Aber  auch 
diese  scheinen  gelegentlich  bei  den  Feindon  des  Ordens  einen 
Rückhalt  gefunden  zu  haben.  Wenigstens  musste  Gregor  X 
am  23,  Oktober  1274  ausdrücklich  verbieten,  dass  man  den 
Abtrünnigen  oder  gegen  ihre  Vorgesetzten  aufsätzigen  Brüdern 
irgendwie  Hilfe  oder  Vorschub  leiste.*)     Gelegentlich  scheinen 

ach   Veruntreuungen    an    Ordt'nsgidd    vorgekonmien    zu    sein. 

Lus  einem  Erlass  Martins  IV.  vom  5,  Februar  1285  an  den 
Ordensgiossprior  von  Frankreich  ersehen  wir  sogar,  dass  Ordeus- 

jtter  Jean  d'Isca  aus  dem  im  Erzbisium  UoueT)  gesammelten 
Kehnten   12000  Livree  veruntreut  haben  sollte/j  die  der  Ordön 

ersetzen  musste, 


M  Ebd.  ao.  271  H,  ö.  JOfi). 

*)  Ebd.  no.  1322  (ü,  S,  100). 

>)  Ebif  no.  1501  i\l  S.  199). 

«)  Ebd,  no.  1538  (U,  8.  212). 

*)  Ebd.  no.  1539  (II,  S,  212). 

«)  Ebd.  nti.  ;iü55  (in,  S.  3i:i). 

h  Ebd.  UQ,  3d9o  mi  S,  473),    Vgl.  no.  3607. 


li' 


lU 


n.  pftäg 


War  der  Orden  vrui)  Hospitfil  tle«  heiligen  JdLaniieß  txi 
Jerusalem  durch  die  lange  Reihe  der  hisher  besprocbenen 
Privileg^ien  fast  aller  finanziellen  Verpflichtungen  so  f^ut  wi« 
entledigtf  die  geistliche  Genossenschaften  seiner  Art  der  Kirche 
gegenüber  sonst  zu  tragen  hatten,  und  weiterhin  nicht  bloss 
vor  der  Disziplinargewalt  der  Bischöfe,  sondern  überhaupt  vor 
deren  richterlicher  Befugnis  gesichert,  so  wurde  er  durch  eine 
Anzahl  anderer,  für  seine  weitere  Entwickelung  besonders  wich- 
tiger päpstlicher  Gunsterweise  dem  EinÜusä  der  Kirche  über* 
haupt  in  wesentlichen  Stücken  entzogen  und  sogar  befähigt, 
unter  Uraständen  auf  sie  und  ihre  inneren  Angelegenheiten 
von  sich  aus  einzuwirken.  Das  geschah  einmal  durch  die  Ent- 
stehung eines  zwar  nicht  eigentlich  zum  Orden  gehörigen,  aber 
ihm  doch  eng  verbundenen,  von  ihm  abhängigen  und  zu  seiner 
Verfügung  stehenden  Klerikates  und  dann  durch  die  Erwerbung 
des  Patronatärechts  über  zahlreiche  Kirchen,  deren  Pfarrer 
infolgedessen  ebenfalls  in  Abhängigkeit  von  ihm  kamen  und 
aus  der  engeren  Verbindung  mit  dem  Bischof  ihrer  Diözese 
und  daher  auch  aus  der  mit  der  Qesamtkirche  einigermasnen 
gelöst  wurden.  So  weit  allerdings  wie  bei  dem  Tempelherrn- 
orden, dessen  anfangliche  Einrichtungen  auf  diesem  Gebiete 
denen  des  Hospitutiterordens  zunächst  n^i  '  '  Hilet  waren,  ist 
diese  Entwickelung  hier  nicht  gegangen,  ir  im  Vergleich 

mit  jener  gewissermassen  auf  halbem  Wege  stehen  geblieben. 
I Daher  hat  sie  auch  nicht  zu  den  weitgehenden  Konsequenzen 
geführt,  die  dort  gezogen  wurden.  Der  Grund  dat\lr  lag  aber 
nicht  in  dem  Wesen  der  neuen  Einncbtuug,  sondern  in  der 
verschiedenen  Politik  der  beiden  Orden,  die  sich  wiederum  aus 
den  besonderen  Verhaltni.ssen  eines  jeden  erklftrt  Doch  war 
auch  der  der  Uospitaliter  wobi  in  der  Lage,  sich  der  kirch- 
lichen Aufsicht  zu  entziehen  und  durch  Einsetzung  ihm  ge- 
nehmer Pfarrer  auf  die  von  ihm  abhängigen  Gemeinden  in 
kirchlicher  Hinsicht  bestimmend  einzuwirken.  Nicht  mindei* 
hat  der  deutsche  Kitterorden  ähnliche  Vorrechte  genossen:  uur 


Die  ixemie  Stdlung  des  ffospiifiUter-Ordenn, 

[id  die  Konflikte  mit  der  Kirche,  die  von  ihrer  Übung  kaum 
^U  trennen  waren,  bei  ihm  weder  so  regelmässig  noch  in  der 
Scharfe  eingetreten  wie  bei  jenen  beiden,  weil  ihm  auch  hier 
die  territoriale  Geschlossenheit  des  von  ihm  beherrschten  Gebiets 
einen  starken  Rückhalt  ^ab  und  die  Ausbildung  einer  Art 
von  Ordenslandeskirche  ermöglichte.  Davon  konnte  für  die 
Hospitaliter  schon  deshalb  nicht  die  Rede  sein,  weil  ihr  Land- 
besitz, so  umfänglich  er  war,  trotz  vereinzelter  Ansätze  dazu 
doch  nirgends  wirklich  Landesherrschaft  wurde  und  über  das 
Gebiet  der  gesamten  abendländischeu  Christenheit  verstreut  lag. 
Daher  sind  bei  ihm  die  Anfänge  dazu,  obgleich  sie  nicht  gänz- 
lich gefehlt  haben,  doch  unentwickelt  geblieben,^) 

Grundlegend  für  die  Zukunft  des  Ordens  wurde  in  dieser 
Hinsicht  Anastasius'  IV.  Bulle  Christianae  fidei  religio  vom 
21.  Oktober  1154»*)  auf  der  ja  auch  seine  Unabhängigkeit  von 
den  Ordinarien  durch  die  Exemtion  von  Bann  und  Interdikt 
beruhte.^)  Um  ihm  Alles  zu  gewähren,  was  zur  vollen  Selig- 
fcit  seiner  Mitglieder  für  die  Seelsorge  notwendig  sei,  und  ihm 
fazu  namentlich  den  Genuss  der  Sakramente  und  die  Abhaltung 
des  Gottesdienstes  unter  allen  Umständen  zu  sichern,  erlaubte 
darnach  der  Papst,  dass  der  Orden  Kleriker  und  Priester,  nach- 

*)  über  die   Erwerbunj?  eines   Drittels   dea   Königreichs  Aragonien 

uiid   die  Yereitehmg   der  dem   Orden   dadurch  frühzeitig   erscblosaeuea 

Aussichten   vgL  oben  S.  107.    Nach  dem  aog^enannten   viei-teti  Kreuzzug 

schenkte  der  lateinische  Kaiser  Balduin  T>  dem  Hospital  den  nerten  Teil 

erangturas   Navarin:    Cartulaire  no.  1213  (II»  S.  47).    Einen  Versuch 

Jena,  dich  itn  aüdlieben  Frankreich,  inabesondere  im  Venaissin  auf 

Kosten   des  Papsttums   einzunisten,   könnte   man   vermuten,    wenn  am 

27.  April  1274    Gregor  X,    Wilhelm    von    ViUaret,   den    Groasprior    von 

St.  Gilles,   mit  der   weltlichen  Verwaltung  dieser  Grafschaft  beauftragt 

<ebend,  no.  3536,  lll.  S.  306),  Nikolaus  llt.  denselben  am  2L  Januar  1278 

Ja  dieser  Stellung  beötütigt  (ebend.  no.  3648,  III,  S.  35ö)  und  Martin  V. 

""     27,  Januar  1282  die  Vollmacht  erneut  (ebend.  no.  3778.  III,  8.  422), 

ftnn  aber  Nikolaus  IV,  den  von  ihm  zum  Rektor  von  Venaiasin  beatellten 

Philipp  de  Bernissoii   beauftragt,   die    von  dem  Orden   widerrechtlich   in 

Besitz  genommenen  Burgen   zurück  Anfordern.     Kbd.  no.  3293  IUI,  S,  7Ö). 

^  Cartulaire  no*  226  (I.  S.  174). 

»)  VgL  oben  8.  lOÖ. 


166 


H.  Prutx 


(lern  er  sich  zuvor  soweit  als  möglich  duiTh  briefliche  Erkun- 
digimg oder  glaiihwördige  Zeugen  ihrer  Ehrbarkeit  und  recht- 
in fissigen  Ordination  vei'i^ichert  hätte,  woher  nuch  immer  sie 
knniinen  mochten,  sowohl  in  seinem  Haupthause  als  auch  in 
den  ihm  untergebenen  Gebieten  {lufnelmie  und  behalte,  voraus- 
gesetzt, dftss  sie  keiner  andern  Genossenschaft  durch  ein  Ge- 
lübde verpflichtet  seien.  Nur  sollte  er,  wären  sie  aus  der 
Nachbarschaft,  ihre  Überlaftsung  von  dem  ihnen  vorgesetzten 
Bischof  erbitten.  Verweigere  dieser  dieselbe,  so  .sollte  der 
Orden  knift  der  Autoritjit  der  römischen  Kirche  befugt  «ein, 
sie  dennoch  aufzunehmen  und  hei  sifh  zu  behalten.  Solche 
Geistliche  sollten  ausser  dem  Hrd^mskapitel  nur  dem  Papste 
selbst  unterstehen.  Diese  Bestimmung  entzog,  in  gWteerera 
Massstab  durchgeführt,  die  Seelsorge  nicht  bloss  innerhalb  des 
Ordens,  sondern  auch  in  den  Gemeinden  der  unter  dem  Patronat 
des  Ordens  stehenden  Kirchen  den  Diözesanbischöfen  und  deren 

^Pfarrgeistlichkeit,  und  daran  änderte  es  nichts,  dass  auf  piipst^ 
liehe  Weisung   gewissermassen    als  Gegenleistung   des  Ordens, 

kder  sich  zu  seiner  Unterstützung  bei  der  Krankenpflege  nun  auch 
der  Laien  bedienen  durfte^*)  die  UnUisbarkeit  der  Gelübde  der 
eigentlichen  Ordensbrüder  eingeführt  wurde.  Auch  gewährte 
es  den  Bischöfen  keine  genügende  Bürgschaft  für  die  Aufrecht- 
erbaltung   der   ihnen    belassenen    beschninkten    Autorität    dem 

'Orden  gegenüber,  wenn  ihnen  die  Weihe  der  Altüre  und  der 
Ordenskirchen  und  die  unentgeltliche  Erteilung  der  Weihen  oo 
die  zu  ordinierenden  Kleriker  im  Dienst  des  Ordens  vorbehalten 
wurde.  Denn  wenn  diese  von  dem  betreffenden  Bischof  ver- 
weigert wurde,  sollte  es  dem  Orden  frei  stellen,  sich  deshalb 
an  einen  anderen  katholischen  Bi^^chof  zu  wenden,  der  sem 
Verlangen  dann  kraft  dieser  päpstlichen  Vollmacht  erfüllen 
knnne<  Welche  Bedeutung  der  Orden  dietter  Bulle  beiniass, 
zeigt  zur  Genüge  schon  die  grosse  Anzahl  der  für  sie  nacb- 
esuchten  Bestlltigung<*n.*) 

<j  ^.  *u  wt  v«>n  IliulrUn  IV.  troni  12.  Jiuttuir  110>if  no.  233 

(1,  S.  170),  Aiexaiiij^r  tll.  vom    I.  Augu«i  116^  no.  S47  11,  3.  341),   vt^m 


€se^mie  Stelluntf  den  Hogpitaliter^Ordens. 


167 


Mit  der  praktischen  Durcliführung  dieser  Einrichtimg,  die 
ihn  auch  in  bezu^  auf  die  Kirchen  der  auf  seinem  Grund  und 
Boden  sitzenden  Gemeinden  von  den  Diözesanbischöfen  ud ab- 
hängig machte  und  diese  Unabhängigkeit  immer  weiter  aus- 
zudehnen erlaubte,  stiess  der  Orden  bei  d€»m  Episkopate  natür- 
lich auf  heftigen  Widerstand,  zumal  er  sich  auch  hier  wieder 
gelegentlich  offenbarer  Übergriffe  schuldig  machte,  indem  er 
Geistliche  berief,  gegen  deren  Würdigkeit  berechtigte  Ein- 
wendungen erhoben  werden  kenn  ton  oder  die  mit  ihrem  Bischof 
offen  »prfallen  waren.  Mit  der  drohenden  Bemerkung,  dass 
w^r  solche  Freiheiten,  wie  sie  dem  Orden  Terliehen  seien,  über- 
schreite, verdiene  sie  zu  verlieren^  rügt  Hooorius  III.  am 
26.  März  1224,  dass  der  Orden  in  der  Diözese  Arras  Geist- 
h'che,  die  wegen  Vergehens  exkommuniiiert  sind,  in  seinen 
Kapellen  Gottesdienst  halten  lasse.  ^)  Am  11.  April  1226  da- 
gegen erklärt  derselbe,  so  wenig  wie  zur  Annahme  von  Almosen 
und  zu  Begräbnissen  auf  seinen  Kirchhöfen  l.iedürfe  der  Orden 
2ur  Aufnahme  von  Priestern  in  seinem  Hause  zu  Messina  päpst- 
licher oder  bischöflicher  Vollmacht.*) 

Noch  anders  gestaltete  sich  die  Sache,  als  die  so  in  den 
Dienst  des  Ordens  getretenen  Priester  autorisiert  wurden,  auch 
die  Beichte  der  Brüder  zu  hören  und  sie  zu  absolvieren.  Ver- 
iliisst  wurde  das»  wie  es  scheint,  durch  die  Scheu,  den  ihm 
lehin  nichts  weniger  als  geneigten  Geistlichen  anstössige 
Vorgänge  innerhalb  d^s  Ordens  bekannt  werden  zu  lassen  und 
dadurch  ihre  Antipathien  gegen  ihn  noch  zu  steigern.  Am 
15.  April  1226  bevollmticlitigte  Houorius  IlL,  auf  Bitten  des 
Ordens,  in  Frankreich  die  Prioren  der  dortigen  Häuser  den 
Ordensrittern  für  gegen  einander  geübte  Gewalttaten  Absolution 
zu  erteilen:*)  danach  scheint  es  doch  in  den  Konventen  nicht 

U.  Jani  1167  no.  378  (I,  S.  209),  vom  10.  Januar  1169  no.  406  (1,  S.  280) 
und  vom  9.  Februar  1171  no.  425  (1,  S.  291).  Der  auf  die  Aufnahme  von 
Klerikern  bezüglirlie  Paaaus  iat  wiederholt  von  Ürban  Ol,  am  6.  Juli 
n&G.  Ö7  no.  810  (t,  S,  505). 

»)  Ciirtnliiir^  no.  1783  (11,  S.  319), 

2)  Ebd,  no.  1844  (U,  8.  354). 

»)  Ebd.  HO,  1846  (ü,  S,  365). 


Ifi8 

immer  ganz  friedlich  hergegangen  zu  sein.  Als  dann  am 
15.  Februar  r22f^  Gregor  IX.  erlaubt»  dass  die  Ordensritter 
in  Betreff  privater  und  in  der  Verborgenheit  begangener  Ver- 
stösse den  geistlichen  Ordensbrüdern  beichten  dürfen,  begründet 
er  das  mit  der  Bemerkung,  es  sei  unziemlich  und  widerspreche 
dem  Wesen  des  Ordens,  wenn  die  Ritter  in  solchen  Fällen 
fremde  Priester  aufsuchten:  er  will  durch  die  eingeführte 
Neuerung  des  Ordens  Frieden  und  Ehrbarkeit  fördern.  Sollten 
aber,  bestimmt  er  weiter,  die  von  den  Ordensbrüdern  gebeich- 
teten Verirrungen  so  schwere  sein,  da,s,s  der  Ordensgei.stliche 
sich  bei  anderen  Oeistlichen  Kats  zu  erholen  für  nötig  halte,  so 
solle  er,  damit  dem  Verirrton  für  sein  Seelenheil  geholfen  werde, 
das  tun  unter  Verschweigung  des  Namens  des  Beichtenden.^) 
Es  handelte  sich  hier  doch  wohl  um  Verirrungen  #  die  im 
Interesse  des  ohnehin  schon  vielfach  angefeindeten  Ordens  mög- 
lichst geheim  bleiben  sollten.  Natürlich  aber  wurde  dieser 
besondere  Gesichtspunkt  auch  hier  in  der  Folge  aus  dem  Auge 
verloren  und  es  ging  in  diesem  Falle  ähnlich  wie  in  so  vielen 
anderen:  das  im  Hinblick  auf  ein  ganz  spezielles  Bedürfnis 
und  nur  zu  dessen  Befriedigung  erteilte  Privileg  wurde  ein- 
fach verallgemeinert  und  schliesslich  auch  da,  wo  es  ursprüng- 
lich sicherlich  nicht  hatte  geUen  sollen,  geltend  gemacht  und 
trotz  an  tauglich  en  Widerspruchs  als  geltend  durchgesetzt.  Am 
U.  Oktober  1250  erlaubt  Innocenz  IV.  dem  Groasprior  und 
den  Rittern  des  französischen  Ordenszweiges  ohjie  jede  Ein- 
schränkung bei  den  Ordenspriestern  zu  beiditen  und  bevoll- 
mächtigt diese*  sie  zu  absolvieren.  Ob  die  Brüder  von  dieser 
Erlaubnis  Gebrauch  macheu  oder  sich  an  andere,  dem  Orden 
nicht  angehOrige  Geistliche  wenden  wollten,  blieb  ihnen  über- 
lassen.^)   M«»'    ^vird  annehmen  dürfen,   dass  die  meisten  ©a  för 


^)  fCbiL  ng.  1%)^  (H,  S.  380).  Im  Eingnng  beiiit  es:  Vnm  indöcontia 
i«i  et  omnino  rrsitr«  reHgions  aWurdttm  voa  iacertlutei  cxtnuieoi  |in> 
pHmtift  et  orculti«  peocati»  adira,  nos  pact  el  hooetttaU  vcülrii  volenidi 


fÜM^ieiü,  uuui   t4«£%:i9«w   ftactii,  pii«a»AUA  ««tc»  eonfttm  fjireciitii,  ^iilliat 


€m€mte  Stellung  rfe#  HosininUiff-Ordena, 


im 


gewöhnlich  getan  haben.  DafUr  spricht  auch  die  Bitte  um 
Losung  einer  durch  die  neue  Beichtpraxis  in  manchen  Ordens- 
häusern entstehenden  Schwierigkeit,  auf  die  Nikolaus  IV.  am 
22.  September  1288  verfügte.  Da  nämlich,  wie  der  Orden 
berichtet  hatte,  manchen  Ordenshäuaern  ein  nicht  zum  Priester 
geweihter  Bruder  vorstand  und  dann  etwa  zwanzig  Brüder 
unter  sich  hatte,  darunter  auch  einen  Priester,  der  die  Beichte 
der  übrigen  horte  und  ihnen  die  entsprechenden  Bussen  auf- 
erlegte, waren  Zweifel  darüber  entstanden,  ob  Letzterer  dazu 
berechtigt  sei,  da  er  jenen  doch  nicht  als  Leiter  (rector)  über- 
geordnet sei.  Der  Papst  entschied  dahin,  dass  dazu  hinreichend 
qualifizierte  Ordenspnester,  die  von  den  Prioren  und  den  erfah- 
reneren Brüdern  der  betreffenden  Hüuser  dazu  berufen  wurden, 
im  Bedarfsfalle  die  Beichte  der  übrigen  hören  und  ihnen  unter 
Erteilung  der  Absolution  angemessene  Busse  auferlegen  könnten, 
ausgenommen  die  Fälle,  wo  es  sich  um  Verirrungeu  handelte, 
über  die  an  den  papstlichen  Stuhl  berichtet  werden  musste.') 
Gerade  in  Betreff  dieses  wichtigen  Punktes  liegt  ein  Ver- 
gleich nahe  mit  den  entsprechenden  Brauchen  des  Tempel- 
berrnordens,  für  dessen  Entwickeln ng  erst  das  Recht  und  dann 
die  Pflicht  zur  Beichte  bei  Ordensgeistliehen  besondere  Bedeutung 
erlangt  hat.  Mun  mag  zweifeln,  ob  das  Beichtprivileg  nicht 
ursprünglich  nur  in  dem  Sinne  gemeint  war,  dass  die  Ordens- 
brüder, abgesehen  von  solclien  Fallen,  wo  die  in  der  Bulle 
Gregors  IX.  berührten  Rücksichten  auf  den  Ruf  des  Ordens 
Platz  griffen .  ihre  Zuflucht  zu  Ordensgeistlichen  nur  dann 
nehmen  sollten,  wenn  ihnen,  wie  z.  B,  in  entlegenen  Grenz- 
burgen oder  im  Felde,  andere  Geistliche  nicht  erreichbar  waren. 


c^ritate  nostra  liceat  veHtras   confesfiioues  audire,  cum  opportuaitae 

»aper  bac  auaserit  iriquirenrloa  etc, 
')  Ebd.  110.  '1019  {Hl,  S.  523):  ....  ab  ftliquibtia  dubitatur.  an  aacer- 
dotera  predictum  liceat  talia  exercere,  pro  eo  qtiod  rector  toUium  non 
tixistit,  und  weiterhin :  ....  concedimiis,  ut  fratre»  idonei  vestn  ordini», 
in  Aacerdotto  r.onfltitati,  in  domibus  Teatria  conventnalibus  existenteB,  qni 
(kd  boc  de  consilio  priorum  et  diäcretiorutu  fiütnim  dotnorum  ipaai'uin 
foeriiit  deputati,  confesffionee  fratrum  lororinnque  audire  valeant  etc. 


m 


B,  PmtM 


Bei  dc^n  Tempelherren  ist  schliesslich  die  Beicht©  bei  andet'eli 
als  dem  Orden  selbBt  angehörigen  Geistlichen  den  Brüdern  durch 
die  Regel  ausdrücklich  verboten  gewesen  mit  der  chunikteri- 
stischeo  Bemerkung,  einem  Onlenskaplan  stehe  infolge  päpst- 
licher Verleihung  in  bezug  auf  die  Absolution  weit  grössere 
Machtvollkommenheit  zu  als  selbst  einem  Bischof.*)  Soweit 
scheint  es  nun  allerdingy  bei  den  Hospitalitern  nicht  gekommen 
zu  sein,  obgleich  nicht  ausgeschlossen  ist,  da^  bei  ihnen  auch 
ohne  statutarische  Festsetzung  tatsächlich  die  gleiche  Praxis 
geherrscht  habe.  Beachtenswert  ist  ferner,  da^  die  beiden 
angeführten  päpstlichen  Erlasse  sich  nicht  an  den  ganzen  Orden 
wenden,  sondern  nur  seinen  fraozosisrhen  Zweig  betreffen. 
Vielleicht  handelte  es  sich  also  um  eine  Vollmacht,  die  zu- 
nächst nur  den  französischen  Hospitalitern  gegeben  wurde. 
Dann  aber  führt  der  Eingang  der  Bulle  Gregors  IX.*)  auf  die 
Vermutung,  sie  habe  eine  augenfällige  Ungleichheit  zwischen 
den  beiden  Orden  in  Frankreich  beseitigen  sollen,  damit  die 
Uospitaliter  nicht  in  den  Augen  von  Klerus  und  Laien  in  einer  ■ 
ihr  Ansehen  schädigenden  Weise  hinter  den  Tempelherrn  zurück-  " 
ständen»  Beruht  nämlich  Alexanders  IIL  grosser  Freibrief  für 
letztere,  die  Bulle  Ornne  datum  Optimum  vom  18.  Juni  1163» 
im  wesentlichen  auf  der  von  Anastaslus  IV.  am  21.  Oktober 
1154  dem  Hospital  erteilten  und  stellt  sich  dar  als  eine  Wieder- 
holung uml  Erweiterung  dieser,  so  haben  doch  in  der  Folge 
die  grösseren  Rechte,  die  der  jüngere  Orden  von  ihr  aus  erwarb, 
wiederum  auf  die  dem  älteren  eingeriiumten  Befugnisse  ein- 
gewirkt und  zu  deren  entsprechender  Erweiterung  geführt. 
Immerhin  aber  scheint  Am  OrdeuHklerikat  des  letzteren  an 
Bedeutung  dem  der  Templer  nachgestanden  zu  haben.  Es  hatte 
weder  innerhalb  des  Ordens  eine  so  hohe  Autorität,  noch  nach 
aussen  hin  ein  so  grosses  Ansehen  wie  jenes.  Der  Gnmd  davon 
lag  in  der  Verschiedenheit  der  Satzungen,  die  in  dieser  Hin- 
sicht  in   den  Orden   galten.    Von    diesem  Oesichtspunkte  mua 

*)  Prutt,  EniwicIceUing  und   Unt«r(i^nj;   rtei  *l>inpi>lhi»miörcl«iiÄ 
&  44}  uacl  47. 

<)  V^.  oben  a,  16»  Anmerkung  I. 


DU  extmte  Stellunff  dws  ifnupitaliter'Ordens, 


171 


Rinil  die  Erweiterungen  lehrreich,  welche  Hie  Bulle  Omne  datum 
Optimum  gegen  die  als  Vorlage  benutzte  Ohristianae  fidei  religio 
erfAhren    hat.      Sind    dannch    nänilicli    auch    die    Bedingungen 

;leich,  nnk^r  denen  trotz  der  Weigerung  ihres  Bischofs  Geist- 
liche zum  Dienst  in  die  Ordenshäuser  aufgenommen  werden 
können,')  so  wird  doch  den  Tempelherren  ausdrücklich  das 
Recht  eingeriinint,  als  ungeeignet  befundene  wieder  zu  ent- 
fernen, die  anderen  aber,  wenn  sie  sich  in  einjähriger  Probe- 
zeit bewährten,  in  den  Orden  aufzunehmen  mit  dem  Gelöbnis, 
nueli  der  Ordensregel  zu  leben  und  dem  Meister  gehorsam  zu 
in,  80  jedoch,  dass  sie  sich  nicht  unbefugt  in  die  Ordena- 
n*      '       tlieiten  einmischen  dürfen,  abor  niemandem  ausser  dem 

('.  .  iiiitel  untergeordnet  siml.    Bezeichnend  für  das  Klenfcat 

de«  Tempelherrnordens  ist  dagegen  namentlich  das  Verbot  de» 
Predigen»  für  Geld  oder  um  anderen  Gewinnes  willen.^)  Im 
allgemeinen    scheint    demnach    in    diesem    der    Ordenskleriker 

rei^ntlich  enger  an  die  Genossenschaft  gebunden,  dafür  aber 
Äüch  ihrer  Ehre  und  ihres  Ansehens  in  höherem  Masse  teil- 
haftig gewesen  zu  sein. 

Diese  Verhältnisse  werden  auch  auf  die  Stellung  einge- 
frirkt  haben,  welche  Ordensgeistliche  als  Pfarrer  an  Ordens- 
kirchen einnahmen,  namentlich  an  srdchen,  die  nicht  zu  einem 
Ordenshause  gehörten,  sondern  nur  unter  dem  Patron ate  des 
Ordens  standen.  Hier  entsprang  die  erbitterte  Feindschaft,  von 
der  wir  die  Woltgeistlichkeit  gegen  den  Orden  erfüllt  finden. 
Schwerer  noch  als  dw  Hiscliöfe  sah  sie  sich  durch  diesen  ein- 
mal tinanziell  geschädigt,  ausserdem  aber  in  ihrem  Einfluss 
ftuf  die    Laien    und    damit   in    ihrem    Ansehen    beeintriichtigt. 


*)  VgL   obcMi    8,  160,     Denn    dawa   iii**r    von    der   den    Hospital itom 
fOrjfe^chriehotii^'n  Einholung  eine«  Zeuffttisae«  ftt»er  die  betreffend eo  üeist- 
ben    nicht  ausdrücküeb  ^esptochon    zu  werden   «cbeint»   Uegt  nur  an 
anderen  WortfaseuoK.   die   genau   genommen    doch   dasselbe   sagt: 
* . ,  liceat  Vobis  hoaeato»  dericos  et  sacerdotei  sec  an  dam  De  um, 
Dtum  ad  veatram  «eientiam  ordioiitoa  ....  »uecipere. 

*)  Fer*>ir8,   Meaioria»  de  celebre  Urdeui   Am  TeuipJaHot,   Lidboa 
1735.  a  779. 


172 


n,  B^ff 


Wird  doch  bei  dem  wohlunterrichteten  Walter  Mapes^)  geradezu 
die  Klage  laut,  durch  die  Art,  wie  der  Orden  sein  Patronats- 
recht  übe,  sei  die  Weltgeistlichkeit  von  den  doch  eigentlich 
für  sie  bestimmten  Pfarrstellen  so  gut  wie  ausgeschlossen  und 
finde  daher  immer  schwerer  und  immer  seltener  gebührende 
Versorgung.  Wie  dieser  ungesunde  und  auch  filr  die  Kirche 
in  mehr  als  einer  Hinsicht  schädliche  Zustand  eintrat,  läsat 
sich  ziemlich  deutlich  verfolgen.  Der  Orden  erscheint  auch 
da  nicht  eben  in  einem  günstigen  Lichte,  hat  sich  vielmehr 
auf  diesem  Gebiete  offenbar  häufig  wirklich  rücksichtslos  des 
schnöden  Eigennutzes  schuldig  gemacht,  den  Walter  Mapes 
ihm  nachstigt.  Will  dieser  die  schliessliche  Erfolglosigkeit  des 
auf  dem  Laterankonzil  1179  unternommenen  Ansturms  gegen 
die  übermächtige  Stellung  des  Ordens*)  auch  nicht  allein  auf 
die  von  diesem  an  der  Kurie  getlbte  Bestechung  zurückführen, 
sondern  schreibt  er  sie  zum  guten  Teil  der  grösseren  Geltung 
zu,  die  das  Ordenskleid  und  der  einheitliche  Ordenswille  gegen- 
über dem  geistlichen  Kleid  und  der  ungenügenden  Vertretung 
der  Weltgeistlichkeit  einzusetzen  hatten,  so  steht  für  ihn  doch 
fest,  das«  jener  immer  wächst,  diese  ilagegen  immer  mehr 
herunterkommt.  Die  eigentlich  für  sie  bestimmten  und  ihnen 
einst  auch  verliehenen  Altiire  bleiben,  so  klagt  er,  den  Klerikern 
jetzt  versagt:  Erwerb  suchen  dürfen  sie  nicht,  alüo  können 
sie  betteln  geben;  denn  fast  alle  Altäre  und  damit  die  Unter- 
halt gewährenden  Pfründen  befinden  sich  in  den  Händen  von 
Ordonsleuten,  nur  vereinzelte  in  denen  von  W  "  'liehen, 
deren  es  ohnehin  viel  mehr  gibt  als  Altäre.    In-i  r»^  ver- 

drängen gerade  die  Hospitaliter  sie  aus  den  Kirchen»  Denn 
wenn  ritterliche  Herreu,  denen  das  Patronat  Über  eine  Kirche 
zusteht,  in  Verlegenheit  sind  und  bei  den  Tempelherren  oder 
den  Hospitalitern  um  Hilfe  nachsuchen,  erhalten  aie  die  Ant- 
wort, Mittel  dazu  seien  wohl  vorhanden,  doch  könne  der  Orden 
sie  nur  seinen  Brüdern  zuwenden,  die  Bittsteller  möchten  sich 


^  Um  tiagiii  ctirl&Uuiii«  Disüiict.  K  c  2»  (S.  mi   V|cU  üben  8*  154. 
^  Vgl.  «ibon  S.  155. 


IHe  exemU  Stellung  des  Hasjyitaliter'Ordeiu, 


173 


ihm  also  anschliessen  und  dagegen  ihrerseits  etwas  darbringen: 
dann  solle  ihnen  geholfen  werden.  In  dieser  Lage  bringen 
dann  die  nofcleidenden  Herren  in  Ermangelung  eines  andern 
BeBitzes,  den  sie  dem  Orden  überlassen  könnten,  die  Kirchen 
auf  ihren  Gütern  dem  Orden  dar,  der  damit  das  Recht  erlangt, 
fdr  sie  die  Pfarrer  zu  bestellen.  War  das  so  schon  zu  Ende 
des  zwölften  Jahrhunderts,  so  haben  sieh  die  Verhältnisse  im 
Laufe  der  folgenden  Jahrzehnte  sicherlich  nicht  zu  gunsten 
der  Weltgeistlichen  geändert,  eher  wird  man  vielmehr  das 
Gegen teU  annehmen  dürfen, 

Urspriinglich  lagen  auch  hier  einfache  und  klare  Verhält- 
nisse vor.  Sie  entsprachen  einerseits  der  Stellinig  des  Ordens 
als  des  anerkannten  Verteidigers  des  heiligen  Landes  und  dann 
aeiner  Eigenschaft  als  GrossgrundbesitÄcr.  Erst  die  Kombina- 
tion beider  und  die  Anwendung  der  kirchlichen  Privilegien, 
die  ihm  in  ersterer  zustanden,  auf  die  letztere  und  zwar  in 
etnem  Umfang  und  unter  Umständen,  die  zur  Zeit  ihrer  Be- 
willigung nicht  entfernt  in  Betracht  gekommen  waren,  hat 
die  spätere  abnorme  Entwickelung  ennögUcht  und  gefördert. 
tnnocenz  IL  hatte  dem  Orden  das  Recht  zum  Kirchenbau  und 
zur  Anlegung  von  Kirchhöfen  nur  für  die  ihm  zufallenden 
wüsten  Orte  —  das  kann  nach  Lage  der  E>inge  und  späteren 
päpstlichen  Erlassen  füglich  nur  von  verlassenen  und  durch 
ihn  neu  zu  besetzenden  Ortschaften  an  der  Grenze  des  moham- 
niedanischon  Gebietes  verstanden  werden,  —  gewährt,  ander- 
wärts sollte  er  nur  für  den  Bedarf  seiner  auf  den  betreffenden 
Landgütern  verweilenden  Brüder  Kapellen  errichten  dürfen. 
Die  Absicht  war  also  augenscheinlich,  die  Bewohner  dieser 
ländlicheo  Ordensbesitzungen  in  den  benachbarten  ordentlichen 
kirchlichen  Verbänden  2u  lassen  und  nicht  zu  besonderen  Ge- 
meinden zusammenzuschliessen,^)  Wenn  die  Errichtung  von 
Ordenskirchen  in  wiedergewonnenen  Orten  an  der  Grenze  des 
iristlichen  Gebietes  nur  selten  und  erst  spät  wieder  zur  Sprache 
üint,  80  hat  das  seinen  Grund  wohl  darin,  dass  die  kirch- 


1)  Vgl.  oben  B.  IGG. 


174 


H.  Pffd» 


liehe  Organisation  des  christlichen  Palästina  nitk  ihnen  kleio 
Sprengein  und  auf  ihre  Rechte  eifersüchtigen  Bischöfen  Über- 
haupt zu  kirchliehen  Anlagen  des  Ordens  unabhängig  von 
seinen  Häusern  weder  Anliü^s  noch  Raum  bot.  Dan  geschah 
erst,  als  sie  mit  dem  Verfall  der  Kreuzfahrerstaaten  und  dem 

.«tätigen  Vordringen  der  mohammedanischen  Eroberung  teil* 
weise  vernichtet  wurde.  DeiMgernäss  erteilte  erst  am  27-  Januar 
1207  Inuocenz  IIL  dem  Orden  die  Erlaubnis,  das»  er  in  den 
bisher  wüst  liegenden  Ortschaften,  die  er  in  der  Nachbarschaft 
der  Sarazenen  wieder  aufbauen  würde,  xuni  Gehrauch  der  dort 
angesiedelten  Leute  Kirchen  bauen  und  Kirchhöfe  anlegen  dürfe, 
jedoch  nur,  wenn  in  der  Gegend  nicht  schon  eine  Abtei  oder  eine 
Ordensniederlassung  wäre,  die  dadurch  gestört  werden  könnte,') 
In  etwas  erweiterter  Fassung  wiederholte  am  3.  Januar  1217 
Honorius  Hl.  diesen  Erlass,  indem  er  d^m  Orden  erlaubte, 
überhaupt  in  den  durch  die  Christen  den  UnghUubigen  ent- 
rissenen Gebieten,  soweit  sie  rechtmässig  in  seilen  Besitz  kämen, 

^ebenso  wie  in  den  von  ihm  selbst  eroberten  dies  Kecht  zu  üben.*) 
Doch  müssen  sich  über  die  Stellung  der  Ordenskircheu  in  diesen 
Grenzgebieten  Zweifel  erhoben  haben  und  die  von  Innocenz  III. 
gestellte  Bedingung  bei  ihrer  Errichtung  nicht  eingehalten  wor- 
den sein,  wenn  Gregor  IX.  die  Erlaubnis,  die  seine  Vorgänger 
gegeben,  am  25.  Juni  1227  erneut,  jedoch  mit  der  Beschränkung 
auf  solche  Gebiete,  wo  der  christliche  Kultus  überhaupt  noch 
niclit  herrschtf  dann  aber  mit  dem  wichtigen  Zusatz,  dass  dieue 
Ordenskirchen   unmittelbar  unter  dem  Papste  stehen  soUtiOi**) 


*)  Cartulaire  no.  1247  (11,  S»  63)   ....  ut  in  locis  ddaertis,  qoe 

I Venerabilis  vestra  iloniii»  tibicimquo  et  iin/Mt^rtim  In  coiißnio  Karacenorum 

liabtfre   nüteitur,   vÜlan   vubis  editiciLrM    liceat  et  t*eelefliiii  ac*   etinm  ad 

upm  hominum    ibidem  morautium  dmiteha  fabricar«.  proTm  lamtn, 

i|Uod   abbatia  vel   religioeurum    virorutu   coUi^^um   in    iUa  vi^iaiii  ti<Mi 

^txietdt,  qae  ob  hac  valeai  p*'rturbu.n. 

*)  Kbd.  no.  lo2s  (11,  S.  207):  ,  ,  ,  .  .  ut  in  lemu,  quos  ....  jiopuliT« 
cbrijftiiiniis  a  8iiniut?jjorum  eripucTit  manibtiiu  «i  uJ  vt^  juitw  titalrj  riiciifit 
di«Tolnie,  ac  eis  etiatn.  qua«  vo«  iptt  eiiKimn  aoferre  potfiiü»  ol«- 

•j    KUd.    IIO,    1667    (il»    8.  $a7l:     rri     In^tr,     in     tjmbll«     tiMmidin 

(ml tu«  «^brnttkin«  fldH  «dt  iatrodurtUM 


Die  tätemU  Stellung  des  HaspitnUter'Ordem. 


175 


Wesentlich  anders  lagen  die  Dinge  von  vornherein  einmal 
bei  den  Kirchen  in  den  vom  Orden  als  Grundbesitzer  erwor- 
bc^nen  Gebieten  und  dann  bei  denen,  über  die  er,  ohne  Grund- 

^ besitzet  zu  sein,  irgendwie  —  etwa  in  der  von  Walter  Mapes 
gtjscbilderten  Weise ^)  —  das  Patronatsrecht  an  sich  gebracht 
hatte.  Denn  da  handelte  es  sich  zunächst  nicht  um  exemte 
äabiete,  wohl  aber  war  auch  da  das  Streben  des  Ordens  kon* 
Plt|ueDt  darauf  gerichteti  sie  als  exemte  zur  Anerkennung  zu 
bringen  und  darin  seine  kirchlichhchen  Privilegien  gegen  Bischöfe 
und  Pfarrer  durchzusetzen.  Das  hat  ihn  augenscheinlich  früh 
mit  diesen  vielfach  in  Streit  gebracht  Bereits  auf  dem  Loteran- 
koDzil  von  1179  wurde  als  einer  der  Misabräuche,  durch  die 
er  xum  Nachteil  der  bischöflichen  Autorität  dem  christlichen 
Volk  Ärgernis  gebe  und  sein  Seelenheil  gefährde,  an  erster 
Stelle  der  £mpfang  von  Kirchen  aus  Laienhand  angeführt 
Ferner  warf  man  ihm  vor,  an  diesen  Kirche  setze  er  eigen- 
mächtig Pfaner  ein  und  ab.*)  Damit  wird  es  in  Verbindung 
zu  bringen  sein,  wenn  Alexander  IIL  in  einem  der  Zeit  nach 
nicht  näher  bestimmbaren  Erlass  im  Hinblick  auf  den  Tadel, 
den  sich  der  Orden  dadurch  zuziehe,  und  den  Schaden,  dem 
er  seinem  Rufe  tue,  vorschreibt,  wenn  er  durch  den  Ankauf 
von  Lehen  oder  auf  andere  Weise  das  Patron at  über  Pfarr- 
kirohon  erwerbe,  Pfarrer  für  diese  nicht  anders  als  unter  Mit- 
wirkung des  Bischofs  zu  bestellen  und  die  bischöflichen  Rechte 
i^nch  sonst  gewissenhaft  zu  respektieren,^)  Darnach  stand  dem 
Orden  in  solchen  Fällen  auch  nach  der  Ansicht  diesem  ihm  so 
besonders  geneigten  Papstes  doch  nur  ein  Präsentationsrecht 
zu,  während  die  Bestellung  des  Präsentierten  Sache  des  Di<Vzesan- 
bifichofs  war.     Da  nun  aber  der  Orden  solche  Pfarreien  offen- 


1)  V»?l  oben  S.  172. 

')  Matitii,   Coli.  coDcU.  ampl  XXU,  S.  ±22: cantra  epia- 

(.*0}j;^kMti  iiQlhuritaltjm  itiultu  pre^iimimt  que  et  t^caudalum  geaerant  in 
p«)pnlo  CLrUti  et  ^rikve  puriunt  pencylum  aniiiiarum.  Proponuut  euiuv« 
4uad  eccltfuias  recipiaat  de  mtinibuM  loicorum  ....  et  in  eccleatia  suis 
pr«ti«r  t^urum  oüiucientiain  et  iontitimut  et  aniuveant  in^erdotes. 

«j  CoitüLurt*  üo.  277  (1,  8.  207), 


176 


K  PrutM 


bar  nicht  bloss  benutzte,  um  in  seinen  Dienst  getretene  Geist- 
liche, die  eigentlich  keinem  Diuzesan verband  angehörten  und 
gelegentlich  gar  gegen  den  Willen  ihres  Bischofs  sich  ihm 
angeschlossen  hatten,')  angemessen  zu  versorgen,  sondern  auch 
andere  ihm  fremde,  aber  von  ihm  ous  irgend  welchem  Ghnind 
begünstigte,  dafür  präsentier te,  so  entstanden  Schwierigkeiten, 
indem  die  Bischöfe  diese  letzteren  als  Pfarrer  nicht  annahmen, 
während  der  so  eintretenden  längeren  Vakanz  die  Einkünfte 
der  betreffenden  Kirchen  für  ihre  Zwecke  verwandten  und 
schliesslich,  wenn  die  Kirchen  nach  Ablauf  der  vom  Lateran- 
konzil festgesetzten  Frist  noch  ohne  Pfarrer  waren,  ohne  Rück- 
sicht auf  den  Patron  solche  eiTiannten.  Dagegen  richtet  sich 
ein  Schreiben  Honorius  III.  vom  16,  Januar  1217  an  die  Prä- 
laten Englands.*)  Aus  ihm  erfahren  wir  zugleich,  dass  über 
die  Würdigkeit  der  Vorgeschlagenen  von  dem  Bischof  und  dem 
Orden  gemeinschaftlich  ernannte  Gutachter  zu  befinden  hatten.') 
Mögen  zu  diesen  Differenzen  auch  die  politischen  und  kirch- 
lichen Wirren  noch  besonders  beigetragen  haben,  die  England 
gerade  damals  zerrütteten/)  so  sind  ähnliche  Streitigkeiten 
doch  auch  anderwärts  nicht  ausgeblieben.  Denn  am  21.  Juni 
1217  richtet  Honorius  111.  an  die  Prälaten  überhaupt  eine  Ver- 
warnung, w^eil  viele  ron  ihnen  böswilliger  Weise  die  ihnisn 
vom  Orden  präsentierten  Creistlichen  zu  den  vakanten  Pfarreien 
ohne  triftigen  Grund  nicht  zulaasen,  diese  vielmehr  ausschliess- 
lich solchen  gegeben  sehen  wollen,  die  in  einem  Ordc^nshause 
als  Mitglieder  des  Konvents  gelebt  haben,  mögen  sie  auch 
weniger  geeignet  sein.*)     Nun  braucht  ja  die  Weigerung  der 


1)  Vgl  oben  S.  166. 

«}  Cartulaire  no,  1629  (11,  S.  207»  8). 

*}  Ebd.r  . . .  quos  consÜtent  easc»  idoaeo9  arbttrio  bofiorum  virorum 
octumimiter  electorum. 

*)  Anf  !4ie  e^iielt  an  die  Wendung  ebd.:  unde  cum  satis  guerrartiin 
tiirbtnibu)*  agiUiti  pro  co  qtiod  ventus  viilidna  venieni  a  rcgiono  dv^erti 
qnatuor  anf^ulo»  AngHat  jam  concuimt. 

^)  Kbd«  AO.  158^  df«  B.  209)  ..*<•*  quidatn  eptttcopi,  ftrcbidifteoDi 
et  dt^cant,  ad  qiiOi  tllAr  '  m  invitstituni  portinet,  dtiricon,  iino« 

iideni  fratre»»  idorjeu«  n  j  Lpt?n*  pro  ütm  volmiUitf  contt;«i|in«nt,  i 


JKe  $xemJt0  StcUang  des  Hospitcüitet-Ordens, 


17T 


Pr&Uieti  nicht  imwer  durch  das  Tom  Papst  angeführte  Mutiv 
Teranlasst  zu  sein,  wird  vielmehr  ihren  Grund  für  gewöhnlich 
darin  gehabt  haben,  da.ss  sie  nicht  Leute  zu  Iranern  beätellen 
Boditen,  die*  unter  Berufung  auf  die  exemte  Stellung  des  Ordens 
sich  ihneiD  abbald  entzogen  und  nur  das  Ordenskapitel  und 
weiterhin  den  Papst  selbwt  als  übergeordnet  gelten  Hessen. 
Auch  die  ausserhalb  der  Ordenshäuser  mit  der  Seelsorge  be- 
trauten Brüder  des  Hospitals  in  Frankreich  nahm  Honorius  lU. 
am  8.  Dezember  1220  ausdrücklich  ftus  von  der  Beitragspflieht 
zu  kirchlichen  Abgaben  und  Kollekten,*)  Anderwärts  wird 
doch  wohl  die  gleiche  Bestiinnmng  gegolten  haben.  Tatsäch- 
lich waren  abo  die  Geistlichen,  die  vom  Orden  als  Patron  ihm 
gehörigen  Pfarrkirchen  vorgesetzt  waren,  wenn  sie  ihre  eiemte 
Stellung,  wie  meistens  der  Fall  gewesen  zu  sein  scheint,  auf 
gruod  der  päpstlichen  Privilegien  gegenüber  dem  Bischof  ihres 
Sprengeis  zur  Anerkennung  brachten,  ftir  diesen  gewissermassen 
verloren,  da  sie  sich  seiner  oberhirtlichen  Autorität  nicht  fügten 
und  zu  den  finanziellen  Bedürfnissen  seinerKirche  nicht  beitrugen. 
Das  war  um  so  übler,  als  dem  Orden  als  solchem  an  der 
Bürgschaft  für  eine  geordnete  Seelsorge  unter  den  Eingesessenen 
der  betreffenden  Pfarreien  im  allgemeinen  wenig  gelegen  war, 
er  vielmehr  vornehmlich  die  Einkünfte  schätzte ,  die  er  yoo 
liier  solchen  Kirche  aus  ihrem  Vermögen  zog.  Auch  hat  man 
ribst  an  der  römischen  Kurie  gelegentlich  auf  dieses  sozusagen 
fiskalische  Moment  den  liauptnachdruck  gelegt.  Am  23.  März 
1299  bestätigt  z.  B,  Bonifaz  VII L  dem  Orden  das  Patronats- 
recht  über  die  Kirchen  zu  Kirton  und  Horkstow  in  der  Diözese 
Lincoln  in  der  Weise,  dass  er  mit  Rücksicht  auf  die  schweren 
Opfer,  die  der  Orden  noch  in  letzter  Zeit  an  Personen  und 
Gütern  im  Kampfe  gegen  die  Mohammedaner  gebracht  hat, 
ihre  Eankünfte  vollständig  für  seine  Bedürfnisse  soll  aufwenden 
können:  scheiden  ihre  dermaligen  Pfarrer  aus  dem  Amte  oder 
fterben  sie,  soll  der  Orden  von  beiden  Kirchen  Besitz  ergreifen, 


aisi   ea«deiu   ecclesiaa  cJericis,   qui  de   Üloruui   xneiiia  fneiint, 
licpt  nunus  ezteiit  idoaei,  Urgiantur. 
1)  Cartulaire  n«.  1695  (11,  S.  276), 
1901  aJii«»b.  d.  phUos,'pbIlol.  II.  d.  lil»t.  KL  1^ 


aliis* 


IT? 


ff.  Pridi 


ohn^  daiu  dm  IKözesaribtschofs  oder  sonst  Jemandes  Zustimmuog 
m'^tiK  »u  haben,  und  von  ihren  Einkünften  nur  sariel  aus- 
ych«*iden,  als  zu  angemessener  Versorgung  der  für  sie  zu  be- 
«Mlenden  Vikare  nötig  ist*)  Es  scheint  überhaupt  nichts 
Ungffwöhnliches  gewesen  zu  sein,  dass  der  Orden  an  den  ifam 
untivmtellten  Kirchen  Vikare  mit  der  Wahrnehmung  der  unbe- 
»etitt  gelassenen  Pfarren  betraute,  um  einen  Teil  der  für  deren 
Ausstattung  bestimmten  Mittel  für  sich  einzubehalten.  Diest*  | 
Vikare  aber  zogen  es  gelegentlich  auch  ihrerseits  vor^  sich 
wiederum  durch  andere,  natürlich  noch  dürftiger  bezahlte  Geist- 
liehe  vertreten  zu  lassen:  das  zu  hindern  und  die  Vikare  an 
den  Ordenskirchen  zur  persünlichen  Leistung  des  übernommenen 
Dienstes  anzuhalten,  mahnt  Clemens  IV,  die  Bischöfe  durch 
ein  Ausschreiben  vom  27.  Juni  1265,^)  Das  kirchliche  Leben 
sowohl  wie  das  Ansehen  der  Geistlichkeit  konnte  durch  dos 
hier  gerügte  Verfahren  allerdings  nur  geschädigt  werden.  In 
jedem  Fall  aber  ergab  sich  aus  der  Art^  wie  der  Orden  sein 
Patronatsrecht  übte,  die  fortschreitende  Durchsetzung  der  bischöf- 
lichen Diözesen  mit  exemti^^n  Kirchen  und  um  sie  gesammelten 
Gemeinden,  die  dann  von  dem  Orden  ebenfalls  als  zu  ihm  ge- 
hörig und  seiner  privilegierten  Stellung  teilhaftig  in  Anspruch 
genommen  wurden. 

Nur  den  weiteren  Fortgang  dieses  Prozesses  hat  die  Kurie 
schliesslich  eiaigermassen  aufzuhalten  gesucht,  indem  sie  dem 
Orden  den  Neubau  von  Kirchen  und  Kapdien  auf  nicht  exemtem 
Gebiet  ohne  ausdrückliche  Zustimmung  des  betreffenden  Bischofs 
untersagte.')  Die  mehrfache  Wiederholung  des  Verbots  ^eigt, 
dass  der  Orden  auch  hier  sich  über  den  Willen  der  piipstlicheAj 
Kurie  möglichst  hinwegsetzte. 

Das  Verhältnis  der  Pfarrgeistlichkeit  zum  Orden  blieb  unJ^r 
solchen  Umstünden  dauernd  ein  feindlichem.    Von  der  Kuri' 


^  Ebd.  üü.  4451  (in,  8.  760). 

*)  Ebd.  Du.  3165  Ullt  i>.  Hi^l 

*}  Aleiciiuder  IV,  atu  26.  Mär/,  1256  ebd.  üu.  2805  (II.  8.  811).  17,  Mlri 
Iift7  tio.2ö63  111,  S.  B42).  22.  Jimi  1260  00.2Ö61  \ll  >  "-^n'  <'rMi  rl^^m,*n-  IV 
a.  November  1S^G6  no.  3235  IUI  S.  145)« 


Die  e^eeml«  Sidinng  des  HospUiüHer-Ofdem, 


179 


Stich  gelassen  4  machten  die  Vertreier  der  ersteren  mehrfach 
den  Versuch,  sich  selbst,  zu  helfen,  nur  sahen  sie  sich  auch 
dabei  durch  die  Parteinahme  des  Papsttums  für  den  Orden 
gebiDdert.  So  faaste  z,  B.  1261  eine  Provinzialsyuade  im 
Mainzer  Sprengel  den  Bescbluss,  Ordensleuten  dürfe  ein  Kirchen- 
patronat  durch  Weltliche  nicht  übertragen  werden:  geschehe 
es  dennoch,  so  sollte  der  Übertragende  seines  Rechtes  auf  die 
betreffende  Kirche  ohne  weiteres  verlustig  und  dieses  auf  den 
Uiöze^anbischof  übergehen:  nur  wo  das  Patronat  dem  betref- 
fenden Weltlichen  von  einem  andern  zu  Lehen  gegeben  war, 
sollte  es  an  diesen  als  Lehensherrn  zurückfallen.  Auf  seine 
Beschwerde  wurde  jedoch  der  Orden  durch  Urban  IV.  am 
9,  Oktober  1261  autorisiert,  dies  Statut  der  Mainzer  Kirche 
einfach  als  nicht  vorhanden  anzusehen  und  auch  in  Zukunft 
Kirchenpatronate  von  Laien  anzunehmen  und  die  sich  daraus 
ergebenden  Rechte  wie  bisher  zu  üben,\)  Andererseits  machte 
die  Kurie  allerdings  dem  Orden  zur  Pflicht,  für  vakante  Pfarreien 
den  Bischöfen  nur  wirklich  geeignete  Geistliche  zu  präsentieren, 
durch  welche  die  betreffende  Kirche  in  bezug  auf  den  Gottes- 
dienst keinen  Schaden  erlitte.  Wenn  die  Mahnung  hinzugefügt 
wurde,  diese  Geistlichen  sollten  die  bischöflichen  Rechte  ge- 
wigsenhaft  achten  und  trotz  ihrer  Zugehörigkeit  zum  Orden 
dem  Diözesanbischof  genau  so  untergeordnet  sein  wie  anderen 
Kirchen  des  Sprengeis  vorgesetzte  Weltgeistliche/^)  so  wird 
das  eine  Änderung  in  der  herkömmlichen  Praxis  des  Ordens, 
der  sich  dem  gegenüber  auf  eine  lange  Reihe  von  päpstlichen 
Freibriefen  berufen  konnte,  gewiss  nichts  geändert  haben, 
Andererseits  suchte  die  Kurie  die  Bischöfe  zu  bestimmen,  dem 
Orden  die  Übung  seines  Prosen tationsrechtes  durch  wohl- 
wollendes Entgegenkommen  zu  erleichtern. 

Jedenfalls  war  bei  der  Abgrenzung  der  beiderseitigen 
Rechte  und  Pflichten  der  Orden  Bischöfen  und  Pfarrern  gegen- 
über durchaus   im  Vorteil,   und   die  Kirche   sah   die  Autorität 


1)  Ebd.  no.  2994  (III,  S.  Hl 

^}  ürban  IV.  la.  Mai  126:2  tio.  302S  ULI,  S,  2% 


H:  PruiM 

über  ihn  ihren  Händen  immer  mehr  entgleiten.  Sie  konnte 
sie  eig'entlich  nur  noch  geltend  machen»  wenn  ihr  Oberhaapt 
selbst  unmittelbar  in  Aktion  trat.  Doch  war  auch  dies  nur 
noch  ausnahmsweise  möglidi,  da  der  Orden  vermöge  seiner 
Politik  rücksichtsloser  Selbstsucht,  die  er  frühzeitig  zu  einem 
festgescblosaenen  System  ausgebildet  und  Generationen  hindurcli 
konsequent  yerfolgt  hatte,  wohlweislich  dafür  Sorge  getrag^i 
hatte,  daas  ihm  auch  da,  wo  in  dem  kunstreichen  Gewebe 
seiner  ineinandergreifenden  Privilegien  doch  einmal  eine  Lücke 
geblieben  war,  Änfordemngen  gegenüber,  weiche  direkt  zurück- 
zuweisen ihm  die  Mittel  augenblicklich  fehlten,  immer  noch 
die  Möglichkeit  eines  Entweichens  oder  wenigstens  eines  Auf- 
schubs blieb.  Alexander  IV.  verdankte  er  das  dafür  wichtige 
Recht  (2L  Februar  1256)»  dass  auch  Privilegien,  von  denen  er 
lange  Zeit  keinen  Gebrauch  gemacht  hatte  und  die  infolge- 
dessen in  Vergessenheit  geraten  waren,  trotzdem  unverändert 
Gültigkeit  behielten.*)  Diese  Bestimmung  wurde  durch  Gregor  X. 
am  3L  Oktober  1274*)  und  durch  Martin  IV.  am  1.  Juni  1282 
erneut:  nur  ausdrücklicher  Widerruf  konnte  solche  Privilegien 
unwirksam  machen.  Femer  waren  nach  päpstlicher  Erklärung 
von  der  Kurie  im  allgemeinen  ergangene  Ladungen  für  den 
Orden  nicht  uhne  weiteres  verpflichtend  ^  vielmehr  brauchte 
er  nur  solchen  zu  folgen,  die  ausdrücklich  als  auch  fftr  ihn 
verbindlich  bezeichnet  waren.')  Es  war  der  Kirche  also  selbst 
in  der  obersten  Instanz  schwer  gemacht,  auf  ihn  irgend  einen 
Zwang  auszuüben  und  ihn  unter  ihren  Willen  zu  beugen:  wo 
sie  seiner  bedurfte,  musste  sie  iliu  notgedrungen  zu  gewinnen 
suchen.  Der  Preis  aber^  um  den  das  ge^chiih,  war  doch  immer 
wieder  die  erneute  Anerkennung  der  ihr  selbst  die  Hunde 
bindenden  Ordensprivilegien  und  nicht  selten  ihre  Erweiterung 
zu  noch  grösserem  Umfang-  Ahnlich  wie  die  Tempelherni 
haben  auch  die  Hospitaliter  auf  die  ihnen  bitiher  gewälirten 
Ejtemiionen   jxjchend  neue  ertrotat.     £a   mUfisen  daher  schon 

»)  Ebd.  no.  279d  (II,  S.  807). 
»J  Ebd.  DO.  3668  (lil,  S.  214). 
«)  Vgl.  oben  S.  ISö. 


Die  exemte  SuUunff  des  HöspitaUter-Ordens. 


181 


mhr  arge  Übelstände  und  Missbräuche  gewesen  sein,  solche, 
M^  der  Gesamtkirche  Ärgernis  gaben  oder  für  da»  Papsttum 
Ibst  bedenkliche  Folgen  zu  haben  drohten,  wenn  ein  Papst 
iiilasst  werden  sollte»  dem  Orden  ernst  entgegen  zu  treten: 
sie  vermieden  es  alle  möglichst,  sich  mit  dem  verzogenen 
Günstling  einzulassen,  den  sie  nicht  beherrschen,  aber  auch 
nicht  entbehren  konnten.  Was  aber  die  Kurie  so  an  ihn  band 
und  bestimmte,  ihm  gegenüber  eine  Langmut  »u  üben,  die 
vielen  als  unwürdige  Schwäche  erschien  und,  indem  sie  einen 
Schein  von  Abhängigkeit  erzeugte,  ihr  eigenes  Ansehen  minderte, 
vermögen  wir  nicht  zu  ergründen.  Vielleicht  lag  der  Schlüssel 
cUkq  wie  zur  Zeit  Alexanders  III.  ^)  im  finanziellen  Gebiete. 

Im  Verhältnis  zu  den  zum  Teil  sehr  erbitterten  Streitig- 
keiten, in  die  der  Orden  mit  Bischöfen  und  Pfarrej-n  eigent- 
lich dauernd  verstrickt  war  und  die  der  römischen  Kurie  fast 
unausgesetzt  zu  tun  gaben,  sind  jedenfalls  päpstliche  Erlasse 
eine  Seltenheit,  die  nicht  die  Partei  des  Ordens  ergreifen.  Auch 
wird  diesem  gegenüber  regelmässig  ein  viel  weniger  scharfer 
Ton  angeschlagen,  nh  wenn  es  sich  um  die  Sicherung  seiner 
Rechte  gegen  AngritFe  der  Prälaten  handelt.  Am  10.  Oktober 
1175  ermahnt  Alexander  III.  die  Huspitaliter  der  Provinz  Toledo, 
die  liechte  der  Bischöfe  dort  nicht  zu  stören.'*)  Urban  IIL 
richtet  spater  die  gleiche  Aufforderung  an  sie  und  die  Tempel- 
herrn in  Betreff  der  Kirche  zu  Acqui,  deren  Pfarrkinder  die 
Orden  weder  zu  öftentl  icher  Busse  noch  zum  Begräbnis  an- 
nehmen .srjllen,  weil  er  sich  dadurch  beschwert  fühlen  würde 
und  es  nicht  mit  Gleichmut  hingehen  lassen  könnte.*)  Doch 
handelte  es  sich  auf  der  Seite  des  Ordens  nicht  immer  um 
solche  verhältnismässig  einfache  Übertretungen.  Einen  ganz 
besonders  überraschenden  Einblick  vielmehr  in  die  i\jrt,  wie 
derselbe  auf  grund  seiner  exemten  kirchlichen  Stellung  auch 
seine  weltlichen  Hechte  zu  erweitern  wusste  und  dadurch  mit 
dbr  kirchlichen    Ordnung   zugleich   auch   die   staatliche   plan- 

M  Vgl.  oben  S.  lOS, 

«)  Ebd,  no.  485  {I,  S.  384). 

»1  12.  Februar  1186,  87.    Ebd.  nc  786  U,  Ö.  496). 


182 


H.  PndM 


massig  untergrub,  eröffnet  uns  ein  Erlass  Gregors  IX.  vom 
23.  April  1236,  der  schon  durch  seinen  ungewöhnlich  ficharfen 
Ton  und  die  Androhung  strenger  Massnahmen  erkennen  lILs&t, 
dass  da  wirklich  eine  ganz  ausserordentliche  und  nach  mehr 
als  einer  Seite  bin  gefährliche  Ausschreitung  des  Ordens  vor- 
gelegen haben  rauss.*) 

Höchst  unangenehm  erklärt  der  Papst  berührt  zu  sein 
durch  die  von  vielen  Seiten  unausgesetzt  an  ihn  kommenden 
lauten  Klagen  über  das  schwere  Ärgernis,  das  der  Orden  In 
der  Diözese  von  Saintes  und  den  benachbarten  Sprengein  der 
Kirchenprovinzen  von  Bordeaux  und  Tours  durch  die  Art  gebe, 
wie  er  die  zu  seinem  Schutz  bestimmten  päpstlichen  Privilegien 
und  andere  Freibriefe  boshafter  Weise  zur  Beschwerung  und 
Kränkung  anderer  niissbrauche.  Er  Ia«ise,  so  werde  berichtet, 
durch  seine  Konservatoren  und  Richter  allgemein  bevollmächtigte 
Anwälte  (citatores  generales)  bestellen  und  jeden»  der  ihm  oder 
seinen  Leuten  in  Wort  oder  Tat  irgendwie  entgegen  sei»  zur 
Verantwortung  ziehen  und  zwar  bald  an  diesem,  bald  an  jenem 
weit  entlegenen  Ort,  wohin  man  oft  nur  unter  grossen  Gefahren 
elangen  könne.  Habe  der  Orden  oder  einer  seiner  Freunde 
^'etwas  gegen  Jemand,  so  lade  er  ihn  zuweilen  durch  die  Brüder 
irgend  eines  andern  Ordenshauses  vor  verschiedene  Richter  an 
verschiedene  Orte  und  bereite  ihm  dadurch  Beschwerden.  Auch 
nehme  er  gegen  Entrichtung  des  Zinsen  Geistliche  und  Laien 
in  seinen  Schutz  und  gehe  dann  gegen  diejenigen,  die  ihm 
von  diesen  Leuten  als  ihre  Gegner  bezeichnet  werden,  auf  grund 
seiner  päpstlichen  Privilegien  vor,  als  ob  sie  ihm  selbst  Unrecht 
zugefügt  hätten,  indem  er  sie  nach  Möglichkeit  chikaniere  und 
zur  Verantwortung  ziehe  vor  weit  entfernten ,  oft  des  Recbta 
unkundig»'n  und  zu  seinen  Gunsten  befangenen  Richtern,  wctbei 
irgend  einer  seiner  Freunde  die  Rolle  des  Klägers  übernehme^ 
Obenein  würden  dann  den  Beklagten  so  kurze  Fristen  gestellt, 
dass  sie  nicht  rechtzeitig  erscheinen  könnten,  um  hinterher 
gegen  sie  als  Rechtsverweigerer  in  ihrer  Abwesenheit  zu  ver- 


>)  Ebd.  no.  21S^  qi,  S,  4W. 


Die  ea:tmte  SteUung  de^  HospUaiiter-Ordtm* 


183 


Wenn  sber  gar  einer  von  den  so  Geladenen  Zweifel 
an  der  Echtheit  des  richterlichen  Siegels  auf  dem  betreffenden 
Schreiben  äussere  —  dieses  Hessen  die  Oi'densleute  sich  immer 
sofort  zurückgehen  —  oder  am  Mangel  eines  solchen  Anstoss 
nehme  und  deshalb  nicht  erschiene,  werde  er  dafür  durch  eine 
andere  Ladung  gestraft,  die  ihm  eine  R^eise  von  sieben  oder 
acht  Tagen  auferlege  und  Kosten  und  Mühe  bereite.  Derartige 
Rechtshiindel  erklärt  der  Papst  für  unvereinbar  mit  der  Würde 

Ordens.  Besonders  schlimm  sei  aber,  dass  Kleriker  und 
Laien  dies  hose  Beispiel  nachahmten  und  auf  grund  päpstlicher 
Briefe  ebenso  verfahrend  das  Ansehen  des  apostolischen  Stuhles 
schädigten.  Denn  dafür  machten  viele  diesen  mit  verantwort- 
lich, indem  sie  behaupten,  nur  durch  die  übermässige  Begün- 
stigung, die  er  dem  Orden  zuteil  werden  lasse,  sei  dergleichen 
möglich  geworden.  Der  Orden  mache  sich  dadurch  bei  vielen 
verhasst,  so  dass  der  Pa})st  dergleichen  ohne  schweres  Ärgernis 
nicht  länger  dulden  könne:  er  verlangt  grCindliche  Abhilfe,  damit 
nicht  enieute  Klagen  ihn  zu  strengem  Einschreiten  nötigen.^) 

Dass  die  hier  gevschilderten  Missbräuche,  durch  die  der 
Orden  viele  Leute  ihren  rechtmässigen  weltlichen  Richtern  entzog 
und  durch  parteiisch  fiir  ihn  eingenommene  aburteilen  liess, 
also  den  Rechtszustand  in  manchen  Gebieten  planmässig  unter- 
grub, allein  im  Sprengel  von  Saintes  vorgekommen  sein  sollten, 
läast  sich  nach  Lage  der  Dinge  nicht  annehmen.  Vielmehr 
wird  die  von  dorther  in  Rom  angebrachte  Klage  nur  den  Anlass 
gegeben  haben,  einem  auch  anderwärts  geübten  Verfahren  ein- 
mal nachzugehen:  dass  dieses  auf  einem  wohl  durchdachten 
und  mit  kluger  Berechnung  durchgeführten  System  beruhte, 
liegt  auf  der  Hand«  Auch  sonst  fehlt  es  nicht  an  Beispielen 
dafür,  dass  der  Orden  —  ähnlich  wie  der  der  TompelheriTi  — 
überall  bestrebt  war,  auch  seine  gutsherrlichen  Befugnisse  über 


*)  Gegenüber  Jen  hier  geachilderten  Praktiken  de«  Orden»  gewinnt 
rechte  Bedeutung  erst  die  in  Art.  3  der  Deutscliordens- Regel  (ed,  Perl- 
bitfb)  enthaltene  Mahnnng,  die  eximierte  Stellung  nicht  zu  mi^sbrauchen: 
,non  ex  proposito  maliciQae  et  indebite  vexent  eoa  quoa  couveuiunt,  et 
ab  iiliiii  ronventi  non  doloaa  vel  capcLoaa  quemnt  imbt^rfugja/ 


184 


ff,  Pnt^ 


ihm  eigentlich  nicht  uniertänige  Leute  auszudehaen  und  ihnen 

möglichst  den  Charakter  von  Herrschaftsr  echten  zu  geben. 
Dabei  gebot  ihm  freilich,  namentlich  iu  Frankreich,  die  er- 
starkende Autorität  des  Staates  schliesslich  HalL  Dbs  Purisdr 
Parlament  z.  B-  sprach  ara  11.  November  1260  die  YasaUan 
des  Ordens  frei  von  der  Zahlung  der  fouage  genannten  Abgabe 
(das  ist  Herd-  oder  RauchfnnggeldX  die  der  Orden  trotz  ihrer 
Exemtion  durch  den  König  von  ihnen  forderte.^)  Am  24.  Mai 
1265  weist  es  den  Anspruch  zurück,  den  der  Orden  gegen  den 
Abt  von  Clunjr  auf  die  Gerichtsbarkeit  in  £scuro]es  erhoben 
hatte. '^j  Hierher  gehört  aucli  seine  Entscheidung  vom  IG.  Mai 
1266t  wonach  in  der  Normandie  die  Leute  des  Ordens  vor  die 
Königlichen  Gerichte  nicht  durch  seine,  sondern  des  Königs 
Sergeanten  zu  laden  waren.  ^)  Übrigens  brachte  der  Orden 
gelegentlich  die  Gerichtsbarkeit  in  ganzen  grösseren  Bezirken 
auch  durch  Kaufan  sich.  Wenigstens  kassiert  am  8.  Juni  129^ 
Bonilaz  VIII.  einen  Vertrag  derart,  wonach  König  Jakob  IL 
von  Arogonien  die  Gerichtsbarkeit  in  den  Schlössern  und  Dörfern 
Onda,  Gallur  und  Avenionet  in  Catalonien,  die  sein  Vorgänger 
Peter  Ul.  sich  bei  einem  früheren  Abkommen  ähnlicher  Art 
ausdrücklich  vorbehalten  hatte/)  dem  Orden  gegen  die  Summe 
von  ftinfzehntausend  Denaren  überlassen  hatte,  mit  Rücksichi 
auf  den  zu  niedrigen  Preis  und  die  bei  dem  Abkommen  geilbl;e 
Ausnutzung  der  augenblicklichen  Notlage  des  König)^  durch 
den  Orden,  der  in  jenem  dem  Ordemischloss  Ampoeta  banach- 
barten  Gebiet  dadurch  die  Rechtsprechung  in  Zivil«  und 
Kriminalsacben  an  sich  gebracht  zu  haben  glaubte.^)  Dieiee 
Vorgänge,  besonders  charakteristisch  fiir  die  OrdenspolitiJ^ 
werden  sicherlich  nicht  vereinzelt  geblieben  ttein. 

Andere    Eigenmächtigkeiten    des    Ordens    ähnhcher 
lernen  wir  aus  den  Akten  des  Provinzialkonzüs  zu  Ri^z   L 


H  ELmI.  HO.  2967  Hl  S.  mil 
<}  Ebd.  no.  3137  (ILl,  S.  10*4. 

*i  Ebd.  no.  nm  iiii;  s.  isi^). 

*i  V«rlnig  voi»  7,  Uirsi^ailioi'  VJükK 
^  Khd,  HO*  4tftf  ilU.  S,  Uli 


a7S6  mr*  S.  3dil 


Die  exemte  Stellung  dta  Hogpitaliter-Ordens. 

unen.^)  Dort  wurde  nicht  bloss  über  die  Missachtimg  ge^ 
klagt,  mit  der  der  Orden  sich  über  kirchliche  Strafurteile  hin- 
wegsetze, indem  er  von  ihnen  Getroffene  sogar  als  Konfratres 
aufDahm  und  sie  dadurch  unwirksam  machte,  sondern  insbe- 
sondere noch  darüber,  dass  er  die  Häuser  anderer  Orden  und 
Kloster  okkupiere,  gelegentlich  sogar  gewaltsam.  Diejenigen 
Ordensleute,  die  dergleichen  begangen  und  nicht  binnen  acht 
Tagen  gut  machen,  sollen,  so  erklärt  das  Konzil,  ohne  weiteres 
exkommuniziert  sein:  denn  so  lange  der  Orden  den  Prälaten 
nicht  die  schuldige  Ehriurcht  erweise,  sei  auch  von  diesen  nicht 
za,  Terlangen,  dass  sie  seine  Privilegien  achten  und  schützen, 
vielmehr  müsse  er  mit  dem  Masse  gemessen  werden,  das  er 
selbst  anwende*  Remgemäss  wird  weiter  bestimmt,  diejenigen 
Angehörigen  einer  anderen  Genossenschaft,  die  zu  einer  solchen 
Übertragung  ihres  Konventes  an  das  Hospital  Hilfe  leisten*) 
oder  selbst  übertreten  würden,  sollten  aus  der  betreffenden 
Qenossenscliaft  ausgestossen  und  in  einem  anderen  Hause  der- 
selben auf  Lebenszeit  eingeschlossen  werden.  Die  Strenge  dieser 
Bestimmung  beweist  von  neuem  die  gegen  den  Orden  herr- 
schende Erbitterung. 

Von  solcher  finden  wir  aber  auch  in  anderen  Kreisen  früh- 
zeitig Spuren.  Ja,  sie  scheint  sich  gelegentlich  in  Gewalttaten 
gegen  die  Rittermönche  entladen  zu  haben.  Bereits  Alexan- 
der Hl,  befahl  den  Prälaten,  diejenigen  zu  exkommunizieren, 
die  einen  Hospitaliter  festhielten,  vom  Pferde  würfen  oder  sonst 
vergewaltigten,')  und  Honorius  UI,  wies  am  21.  Januar  1217 
die  Geistlichen  an,  diejenigen  von  ihren  Pfarrkindem,  die  ver- 
dächtig seien,  einen  solchen  geschlagen  zu  haben,  zur  Leistung 
des  Rjeinigungseides  anzuhalten.*) 


>)  Martene,  Tbea,  «leedot.  IV,  col.  196,  ean.  12. 

*)  Am  22.  September  1297  inkorporiert  Bgnifaz  VUI.  die  Benedikt 
iutembiei  S.  Atigelo  del  Pakz^  dem  Orden.  Ebd.  no.  4S56  (II,  S.  721). 
Ein  Beifipiel  von  dem  friedlicben  Übertritt  eine«  Konvents  zum  Hospital 
gibt  CftTittlftire  no.  4477  (III,  8.  788)  vom  14,  Norember  1299. 

«)  19.  Juli  1171,  78  oder  80  Cartulaire  no.  439  (I,  8,297). 

*)  Ebd,  no,  1533  (IT.  S.  210), 


186 


H,  PfuU 


In  einem  auffallenden  Missverhältnis  zu  alledem  steht  die 
bis  zum  Ausgang  der  Ereuzzüge  nicht  abreissonde  Reihe  der 
päpstlichen  Qunster weise  fiir  den  Orden,  Es  handelt  sich  dabd 
nicht  bloss  um  die  immer  wieder  erneute  Bestätigung  der  für 
dessen  Grösse  grundlegenden  Freibriefe  Innocenz'  II.  und  Ana- 
stasius'IV.,  sondern  auch  um  Erlasse  zu  seinen  Gunsten  in 
minder  wichtigen  Dingen,  Vermahnungen  der  ihm  abgeneigten 
Prälaten  und  für  ihn  eintretende  Verftlgungen  in  einzelnen 
Streitfällen  mit  geistlichen  oder  weltlichen  Grossen.  Die  von 
ihm  an  der  ramischen  Kurie  bestellten  Prokuratoren  haben 
augenscheinlich  eine  unermüdliche  Tätigkeit  entfaltet,  deren 
Spuren  uns  namentlich  im  Beginne  eines  neuen  Pontifikates 
und  wahrend  der  Vorbereitung  eines  neuen  Kreuzzuges  in  der 
päpstlichen  Kanzlei  auch  zahlenmiissig  deutlich  entgegentreten . 
Es  liegen  z.  B.  von  Honorius  UL  aus  der  Zeit  vom  1.  Januar 
bis  zum  5.  März  1217  nicht  weniger  als  neunundvierzig  für 
den  Orden  ergangene  Breven  und  Bullen  vor.*)  Entsprechend 
gross  ist  die  Zahl  der  ganz  allgemein  gehaltenen  päpstlichen 
Erlasse,  die  ihn  dem  Wohlwollen  der  Prälaten  empfehlen  oder 
diese  zur  Bannung  derjenigen  auffordern,  die  den  Orden  schädigen 
oder  in  seinem  Besitz  kränken  —  BegrifiFe,  denen  der  Orden 
allmählich  eine  von  der  Kurie  ursprünglich  wohl  nicht  gewollte 
Deutung  gab.  Aber  selbst  in  diesen  päpstlichen  Schreiben 
findet  zuweilen  die  gegen  den  Orden  umlaufende  Üble  Nach- 
rede eine  Stelle:  Honorius  HI,  erwähnt  am  24.  November  1218 
der  ungünstigen  Berichte,  die  aus  Palästina  Heimkehrende  über 
seine  dortige  Wirksamkeit  erstatteten,  und  meint,  danach  würde 
auch  er  tibles  zu  denken  genötigt  sein,  hätte  der  Orden  nicht 
gerade  in  der  letzten  schweren  Zeit  sich  so  glänzend  bewährt.^) 
Beachtenswert  ist  es,  dass  allgemeine  päpstliche  Mahnungen 
zu  Gunsten  des  Ordens  besonders  häufig  nach  Frankreich  er- 
gangen zu  sein  scheinen,  Innocenz  IT*  richtet  solche  am 
11.  November  1250  an  die  dortigen  Prlilaten  zu  Gunsten  den 


'»  Ebd.  HO.  1527  II.  ff. 

«)  Ebd.  no.  1632  (H,  8.  353). 


Die  exemU  Stellung  des  HoapUaliter-Ordem. 


187 


französischen  Ordenszweiges.*)  Bereits  am  24.  März  1251  muss 
er  sie  wiederholen:  die  Prälaten  sollen  Ordensleute  nicht  vor 
ihr  Gericht  laden  und  das  dem  Orden  widerrechtlich  Entzogene 
zurückgeben.*)  Noch  Martin  IV,  hat  das  am  1.  Juni  1282 
Klerikern  und  Laien  in  Frankreich  zu  untersagen.*) 

Danach  gewinnt  es  doch  den  Anschein,  als  ob  die  Mias- 
stände,  die  sich  aus  der  dem  Orden  eingeräumten  Stellung  für 
Kirche  und  Staat  ergaben,  in  Frankreich  lästiger  empfunden 
und  daher  auch  kräftiger  bekämpft  worden  seien  als  anderwärts. 
Das  aber  entspricht  vollkommen  dem  Vorsprung,  den  Frank- 
reich infolge  der  Erstarkung  das  nationalen  Königtums  durch 
seine  straflFere  staatliche  Organisation  vor  den  übrigen  Ländern 
damals  bereits  gewonnen  hatte.  Im  Hinblick  auf  ihre  Zukunft 
war  es  für  den  werdenden  Staat  und  das  ihn  tragende  König- 
tum eine  politische  Notwendigkeit,  dass  den  zersetzenden  Wir- 
kungen rechtzeitig  Einhalt  getan  wurde,  welche  unter  dem 
Schutz  ihrer  sie  eigentlich  über  alles  Recht  stellenden  Privi- 
legien die  grossen  geistlichen  Ritterorden  vermöge  ihres  unge- 
heuren Besitzes  und  der  entsprechend  grossen  Masse  der  von 
ihnen  abhängigen  oder  an  ihr  Interesse  gebundenen  Leute  auf 
die  kirchliche  und  staatliche  Ordnung  ausübten  und  die  um 
so  verderblicher  zu  werden  drohten,  als  bereits  auch  im  gesell- 
schaftlichen und  im  wirtschaftlichen  Gebiete  grosse  Neubil- 
dungen im  Gange  waren.  Deren  energischen  Vertretern  bot 
der  Hospitaliterorden  zu  seinem  Glück  jedoch  nicht  die  Hand- 
habe, vermöge  deren  sie  den  ganz  ähnlich  gestellten  Tempel- 
hermorden  zu  Fall  brachten. 


1)  Ebd.  no,  2543  (II,  S.  700). 
*)  Ebd.  no.  2558  (U.  8.  707). 
•j  Ebd.  no.  3792  (III.  S.  431). 


Sitzungsberichte 


der 


König! .  Bayer.  Akademie  der  Wissenschaften, 


Sitzung  vom  5.  März  1904. 

Philosophisch-philologische  Klasse. 

Der  Klassensekretär   legt   vor  eine  Mitteilung  des  korre- 
Etndierenden  Mitgliedes  Dr.  E.  Schlag intweit  in  Zweibrücken: 

Verzeichnis  der  tibetischen  Handschriften  der 
Königlich  Württembergischen  Landesbiblio- 
thek zu  Stuttgart. 

Diese  Sammlung,  deren  Zustandekommen  durch  die  Be- 
ziehungen der  beiden  Höfe  zu  Stuttgart  und  St.  Petersburg 
erklärt  wird  (eines  der  Stücke  trägt  den  Namenszug  der  Kaiserin 
Katharina  IL  in  Golddruck),  besteht  ohne  die  Schriftproben 
und  Bruchstücke  aus  zweiundzwanzig  Werken  und  Abhand- 
lungen,  welche  eingehend  beschrieben  werden. 

tHerr  Mfiseb  halt  einen  lUr  die  Sitzungsberichte  bestimmten 
Vorbrag: 
L        Kritische  Beiträge  zu  den  Briefen  des  Ahetors 
W  Alkiphron. 

Im  Anschlüsse  an  die  neue  kritische  Ausgabe  Alkiphrans 
foo  Menno  Anton  Schepers  (Groningen,  J»  B.  Wolters,  1901) 
spricht  er  über  Wert  und  Abfassungszeit  dieser  Briefe,  über 
die  Sprache  Alkiphrons  und  seine  Beziehung  zu  Lukian.  Er 
weist  nach,  da&s  Lukian  als  Hilfsmittel  der  Kritik  für  Alki- 
phron beigezogen  werden  müsse,  und  sucht  auf  Grund  der 
neuen  kritischen  Ausgabe  schwierige  Textesstellen  zunächst  de^ 
1.  und  2.  Buches  der  Briefe  AJkiphrons  zu  verbessern. 

190t,  8IUs»b.  d.  |>bi1oft.-phlloL  n.  d.  biiiL  Kl.  iS 


190 


Sitzung  vom  5.  Mörss  1904. 


Historische  Klasse. 

Herr  RiaoAUKK   macht   eine   für    die   Sitzungsberichte    be-j 
stimmte  Mitteilung: 

Kleine  Beitrüge  zur  antiken  Münzkunde^ 

worin  er  eine  Bronzemtoze  yon  Kremna  in   Pisidien  mit  eii 
HarpoknitesdarstelluDg,    ein    bis    jetzt    unbekanntes    attisches  1 
Tetradracbmon  Jüngeren  Stils  mit   dem  Beizeichen  einer  drei*J 
gestaltigen  Hekate,  ferner  eine  Reihe  von   bisher  unbekannten 
Diobalen  vod  Apollonia  Pontica  bespricht  und  schlie.sslich  einige 
wichtige  Fundstücke  aus  der  frühgeschichtlichen  und  römi^hen 
Zeit  Bayerns  bekannt  gibt. 

Herr  Doebebl  hält  einen  für  die  Denkschriften  bestimmt 
V^ortrag: 

Bayern  nnd  die  deutsche  Erbebung  gegen  Napoleon  I. 

Auf  ßrund  der  ihm  zum  ersten  Male  zugfinglicb  gemachten 
Münehener  Staatsakten  schildert  er  zunächst  die  Ge^amtötimmung 
der  Zeit,  die  Zwangslage  Bayerns  insbesondere,  aus  der  heraus 
sich  der  Anschluss  an  Frankreich  vollzogen  hatte,  die  äusseren 
Vorteile  und  die  inneren  Reformen,  die  eine  Zeitlang  Napoleon 
als  den  Wohltäter  Bayerns,  Frankreich  als  das  Land  des  poli- 
tischen Fortschritts  erscheinen  Hessen,  Dann  zeigt  er,  wie 
diese  Sympathien  schon  vor  der  russischen  Katastrophe  sehr 
ins  Wanken  gekommen  waren.  Zur  Zeit  des  Frühjabrsfeldzugs 
1813  war  die  Mehrheit  des  Volkes  nicht  bloss  in  Neubayern, 
sondern  auch  in  Altbayern  gegen  Napoleon.  Die  Regierung 
selbst  erfüllte  keineswegs,  wie  Treitschke  meint»  mit  gewohntem 
Eifer  ihre  Vasallenpflichten  gegen  den  Beherrscher  des  Rhein-  \ 
hunds;  sie  war  vielmehr  nehon  April  auf  Mai.  trotz  des  Ab- 
bruchs der  diplomatischen  Beziehungen  zu  Preussen,  auf  dem 
Sprung,  über  Österreich  ins  Lager  der  Verbündeten  hinüber  zu 
achwenken.  Zuletzt  wird  Schritt  für  Schritt  der  wii^  '  '  \o- 
achluas  Bayerns  an  die  Alliierten    während  des  Heii  jgs| 

geschildert,  das  kluge  Vorgehen  der  österreicbischen  Üiplomatio, 
die  Haltung  des  Königs  von  Bayern,  der  Anteil,  der  Montgclaa  ] 
und   Wrede  an  dieser  bedeutungsvollen  Wondung  gebührt. 


Das  Jahr  1901  hat  uns  eine  neue  kritische  Ausgabe  der 
Briefe  des  Rhetoi*s  Alkiphron  gebracht,  in  Groningen  bei  Wolters 
erschienenf  von  einem  jungen  Niederländer  Menno  Anton  Scbepers, 
fUr  einen  Anfänger  eine  sehr  anerkennenswerte  Leistung,  die 
von  der  tüchtigen  Schulung  der  jungen  Philologeu  in  den 
Niederlanden  ein  rühmliches  Zeugnis  ablegt.  Da  die  Ver- 
gleichuDg  der  Handschriften  in  der  Ausgabe  von  Seiler,  welche 
1853  erschienen  war,  nicht  genügte,  hat  Schepers  8  Pariser, 
2  Wiener  und  die  Leidener  Handschriften  sorgfältig  neu  ver- 
glichen und  hiemit  eine  feste,  sichere  Grundlage  für  die  Kritik 
dieses  Schriftstellers  geschatten.  Da  keine  Handschrift  über 
das  11.  Jahrhundert  hinaufgeht,  die  meisten  späteren  Jahr- 
hunderten angehören,  ist  der  Text  noch  vielfach  entstellt,  er 
leidet  an  Verderbnissen  aller  Art,  ist  durch  Auslassungen, 
Zusätze  und  Interpolationen  nicht  selten  schwer  geschädigt. 
Ohne  Zweifel  wird  sich  der  kritische  Apparat  durch  Aus- 
scheidung unnützer  Handschritlen  vereinfachen  lassen ,  doch 
wird  es  selten  einem  Anlanger  gelingen,  einen  kritischen  Apparat 
in  der  knappsten  Form  herzustellen.  Allein  etwas  praktischer 
hätte  Schepers  die  Sache  anfassen  können.  Es  sind,  von  deu 
Fragmenten  abgesehen,  im  ganzen  118  Briefe»  die  Schepers  1 
t\xm  erstenmale  auf  Grund  der  ältesten  und  besten  Handschriften  { 

13» 


192 


K.  MeiÄer 


in  vier  Gruppen  oder  Bücher  eingeteilt  hat,  so  dass  wir 
nun  22  Fischerb  riefe,  39  Bauernbriefe,  41  Parasitenb  riefe  und 
1 6  Hetärenbriefe  zählen.  Keine  Handschrift  enthält  sämtliche 
Briefe»  sondern  jede  nur  eine  Auswalil.  Da  nun  die  Kume* 
rierung  der  Briefe  bei  Scbepers  mit  der  alten  in  der  Ausgabe 
Seilers  nicht  mehr  übereinstinintt,  so  braucht  er  beim  Zitieren 
für  jeden  Brief,  obwohl  die  Dreisten  Briefe  sehr  kurz  sind| 
5  Zahlen:  die  2  alten  und  die  2  neuen  Nummern  und  die 
ParagraphenzahL  So  ist  der  Apparat  schon  durch  eine  lästige 
Masse  von  Zahlen  überladen*  Hätte  er  sämtliche  Briefe  von 
1 — 118  fortlaufend  numeriert  und  eine  Tabelle  mit  einer  ver- 
gleichenden Übersicht  über  die  alte  und  neue  Zählung  seiner 
Ausgabe  beigegeben,  so  hätte  er  beim  Zitieren  meist  mit  einer 
einzigen  Zahl  ausgereicht  Ich  werde  bei  AnlXlhrungen  im 
folgenden  der  Einfachheit  wegen  die  alte  Zählung  beibehalten» 
Wir  wissen  von  Alkiphron  nichts  als  dass  er  ein  Uhetor 
war.  Auch  die  Zeit  der  Abfassung  dieser  Briefe  ist  uns  al»o 
unbekannt.  Sie  muss  aus  Inhalt  und  Sprache,  so  weit  dies 
möglich  ist,  erschlossen  werden.  Schepers  schliesst  sich  hier 
ganz  au  die  Ergebnisse  der  Untersuchung  von  Hermann  Reich 
^de  Alciphronis  Longique  aetate*  (1894)  an,  wornach  Alkiphron 
zwischen  Lukian  und  Alian  anzusetzen  wäre  und  die  Abfassung 
der  Briefe  in  die  Zeit  von  170 — 200  nach  Christus  fiele.  Aber 
diese  Ergebnisse  sind  durchaus  nicht  feststehend.  Vermutlich 
konnte  Schepers  die  von  Fritz  Scholl  im  Jahre  1900  besorgte 
zweite  Auflage  von  Erwin  Rohdes  bedeutendem  Werke  „Der 
griechische  Roman  und  seine  Vorläufer*  nicht  mehr  benutzen« 
worin  Rohde  (S.  535  Anm.  3  a)  die  Aufstellungen  Reichs  einen 
ganz  unhaltbaren  Bau  von  Annahmen  nennt  Denn  er  habe 
weder  bewiesen,  dass  Alkiphron  den  Longus  nachahme  noch 
dass  Alkiphron  von  Alian  in  seinen  Bauernbriefen  nachgeahmt 
werde,  und  damit  falle  seine  ganze  Kombination  über  den 
Haufen.  Es  sei  ganz  ebenso  möglich  (eigentlich  aber  viel  wahr- 
scJieinLicher),  dass  Longus  aus  Alkiphron  und  dass  Alkiphron 
aus  Älian  schöpfe.  Rohde  selbst  (S.  369  und  535)  betrachtet 
Alkiphron  als  einen  Zeiigeno^sen  des  wenig  filteren  Lukian  und 


Ober  die  Briefe  des  Hhetorg  Älkiphron, 


193 


stützt  diese  Annahme  durch  die  (von  Franx  Passow  zuerst  her- 
vorgehobene) Vereinigung  der  beiden  Namen  bei  Aristänet  1,  5 
\4l?(iq?ga}V  Aovxtarto  und  1^  22  AovHiarog  \ilxi<foov(.  Doch 
kann  auf  diese  willkürlichen  und  ersonnenen  Briefüberschriften 
durchaus  kein  Beweis  gegründet  werden.  Wenn  man  die  Sprache 
Alkiphrons  genauer  studiert,  die  nicht  mehr  die  Reinheit  und 
Glätte  der  Sprache  Lukians  zeigt,  wird  man  vielmehr  zu  der 
Überzeugung  kommen,  dass  Alkiphron  um  mehrere  Jahrzehnte 
nach  Lukian  anzusetzen  ist.  Alkiphron  bemüht  sich,  rein 
attisch  zu  schreiben;  aber  es  wäre  verkehrt,  alle  Verstösse 
gegen  den  attischen  Dialekt»  die  sich  in  den  Hundschriften 
finden  t  aus  dem  Texte  entfernen  zu  wollen.  Schepers  sagt 
daher  mit  R^cht  (praef.  S,  21):  ,An  Cobet  mich  anzuschliessen, 
was  Hercher  fast  überall  getan  hat,  wagte  ich  nicht,  in  der 
Überzeugung,  dass  die  Rhetoren  und  Sophisten  des  sinkenden 
Zeitaltera  mit  dem  attischen  Dialekt  in  Wirklichkeit  nicht  so 
vertraut  waren,  dass  ihnen  nicht  dann  und  wann  wider  ihren 
Willen  Formen  und  Wendungen  der  gemeinen  Sprache  ent- 
schlüpft wären."  (Cobetum  sequi,  quod  fere  ubique  fecit  Her- 
cher us,  non  ausus  sum,  opinatus  sequioris  aevi  rhetores  atque 
sophistos  revera  non  ita  dialectum  Atticara  imbibisse,  ut  non 
idanttdem  invitis  iis  exciderint  fc*rmae  ac  dictiones  r^/c  xotvtjg,) 
So  urteilt  Schepers  in  der  Vorrede  mit  gesundem  Sinne,  aber 
tatJänchlich  hat  er  sich  doch  bei  der  Ausführung  seines  Planes 
I  allzusehr  von  Cobet  leiten  lassen.  So  schliefst  er  gleich  im 
■  1.  Briefe  Ix  <PakfiQiov  ,aus  Phaleron*  mit  Hercher  ein,  weil  Cobets 
"        Machtgebot  lautet  ,Attici  fPaXt]o6&Ev\  wie  im  IL  Bnefe  richtig 

^ steht.  Allein  wer  möchte  glauben,  dass  Alkiphron  im  1.  Briefe 
nicht  habe  ix  ^aktjgmr  schreiben  können  nach  Analogie  von 
|pc  Jfovfv^üa^,  das  im  2,  Briefe  steht,  wofür  er  nach  Stephanos 
Wn  Byzanz  auch  MovrvyJai^Ev  hätte  sagen  können?  Wie  man 
hei  solchem  Purismus  dem  überlieferten  Texte  Gewalt  antun 
muss,  zeigt  ein  kleiner  Satz  aus  3,40,  der  deutsch  lautet:  ^es 
ist  offenbar,  dass  er  das  Geld  verachtet  und  die  Landwirtschaft 
hasst^,  griechisch  nach  der  Überlieferung  in  den  Handschriften: 
tvdfjkoy  M  iaxi  aal  XQimdxmv  nagiogär  xal  yecoQytav   mvyBir* 


IXH 


K,  Meiser 


Tm  ^ba  SikU  attisch  zu  machei),   muss  für  nEgtagäv  ^negogäv 

bd4i  werden,   und  da  e{fd7)kov  nicht  mit  Infinitiv  kon- 

JkUaM^it  w^rdon  darf",  niuss  man  verbessern  entweder  mit  Cobet: 

^^O^Aoii  W  tüTt  —  önegoQiöv  und  arvycov  oder  mit  Karl  Friedrich 

I  llvitiiann:  tßdrjXov  dk  Su  —  {me^og^  und  arvyet    Schepers  hat 

iimch  an  Hermann   angeschlossen.     Aber  darf  man  so  mit  dem 

llWrlif^forten    Texte    umgehen?     Heisst    dies   nicht   den   Autor 

'^Ibnt  statt  des  Schreibers  verbessern?     Ich  glaube«   der  über- 

Itt^forto  Text  muss  in  diesem  Falle  unangetastet  bleiben.    Auch 

rhitarcli  setzt,  vielleicht  unter  dem  Einflüsse  von  TttoiyiyvEfr^i, 

niQtf:tvai  nvogt   jregioQäv   mit  Genetiv   (amator.   p.  764  D    töiv 

d*  äXXu}v   7idvrü}v   Tiegtogäv,   wo    freilich   Herwerden    ebenfalla 

Imigogäv  verbessert  hat).    Ferner  macht  man  die  Beobachtung, 

dass  Aikiphron   zuweilen  eine  unkorrekte  Inflnitivkonstruktion 

zulüsst,   vielleicht  durch  Einwirkung  der   lateinischen  »Sprache. 

So  setzt  er,  wenn  auch  nur  vereinzelt,  den  Infinitiv  statt  ön  oder 

Partizip  nach  oUn  (1,25),  ytyt'a)axü>  (3,10),  Lilarajuai  (8,29), 

Es  versteht  sich,   dass   man   solche  Stellen   nur   notieren,   aber 

nicht  emendieren  darf. 

Die  Sprache  des  AJkiphron  ist  Überhaupt  höchst  merk- 
würdig. Er  schreibt  nicht  mehr,  wie  er  spricht.  Seine  Sprache 
ist  eine  Kunstsprache.  Sie  beruht  auf  einem  sorgfaltigen 
Studium  der  besten  Schriftsteller  von  Homer  bis  Luldan,  die 
er  mit  gross ter  Meisterschiift  ausbeutet,  ohne  den  Fundort 
anzugeben.  Wenn  alle  entlehnten  Ausdrücke  mit  Anführungs- 
2eichen  versehen  würden,  bliebe  von  eigenem  wenig  mehr  übrig. 
Seltsam  ist  dabei,  dass  kein  Unterschied  gemacht  vnrt]  zwischen 
poetischen  und  prosaischen  Ausdrucken,  Er  nimmt  die  Au^ 
drücke,  wo  er  sie  findet,  ob  sie  nun  bei  einem  Dichter  oder 
Prosaiker  stehen,  wenn  sie  nur  in  Sinn  und  Zusammenbang 
passen.  Poesie  und  Prosa  fliesst  in  einander  üben  Warme 
Winterkleider  nennt  er  (3,41)  dhimißw  , windabhaltende* 
weil  t»  bei  Homer  Od.  14,529  von  Eumaios  heisst: 

Einen  Rpit/.l)uben,  der  \m  einem  Bauern  eingebrochen  ilfT 
um   /u    stt'lilrn.   srhiMi'rt   fl«*r  Hain*r\    der   sirli    vor    iliin   niitbfr't,. 


über  die  Briefe  de»  Bhetore  ÄlHphron. 


195 


mit  den  Worten  (3, 19):  ,er  blickt  wild  darein,  zieht  die  Augen- 
brauen zusammen,  hat  üppip^  entwickelte  Schultern  uod  kräftige 
Schenkel*  dgtptv  ßkinn  nai  xo^oitotd  tag  offQVQ  xal  og  Qtyajyjag 
l^ci  Toi'^  fti/iovc  xal  ^6quv  ti)v  iTityovvida  rpaivEi.  Die  ersten 
Ausdrücke  finden  sich  bei  Aristophanes,  die  letzten  Worte 
imyovvida  tpalvii  sind  der  Ausgang  eines  Hexameters  bei  Homer 
Od,  18,  74,  wo  Odysseus  sich  zum  Kampfe  mit  Iros  rüstet  und 

line  kräftigen  Schenkel  aus  den  Lumpen  zum  Vorschein  kommen, 
'2&S  die  Freier   erstaunt   ausrufen:    Mit  Iros   wird  ea   bald  aus 

ßUS,  nach  dem  Schenkel  zu  schliessen,  den  der  Alte  aufweist. 
Von  den  Philosophen  sagt  Alkiphron  (3, 14);  «Jene  Gross* 
Sprecher,  die  keine  Schuhe  tragen  und  bleiche  Gesichter  haben* 
lorc  dkaCowag  ixetrov^  rot^-  drvjiodtjrov^  xal  ct>;f£jt(yi'Tac.  Diese 
drei  Ausdrücke  stehen  bei  Aristophanes  in  den  ,  Wolken**  Vers  102. 
Alkiphron  ist  Atticist,  aber  seine  Sprache  steht  um  eine 
Stufe  tiefer  als  die  Lukians.  Er  gebraucht  Ausdrücke  und 
Formen,  die  sich  bei  diesem  noch  nicht  finden,  wie  yeriota 
«Geburtstag'  statt  yevi&ha^  den  Superlativ  aln)^g6TaTov  statt 
aTöXioxov^  das  Futur  i^Blovrrat  statt  iiatgfjoo^Tai^  den  Imperativ 
(▼on  ii^tl)  loo  statt  la&i^  den  Aorist  ihXiodtjaiv  statt  mhoBiv  u.s.  w. 
Soll  all  das  hinweg  emendiert  werden,  um  ihn  attischer  zu 
machen^  als  er  in  Wirklichkeit  war? 

Er  liebt  die  attische  Sprache,  er  liebt  Athen  und  Attika. 
Einen  Parasiten,  der  den  Peloponnes  und  Korinth  besucht  hat 
und  unbefriedigt  nach  dem  geliebten  Athen  zurückkehrt,  lasst 
er  (3,  51)  ausrufen:  „Möge  es  mir  vergönnt  sein,  Vorkänipferin 
Athene  und  Schirmerin  der  Stadt,  in  Athen  zu  leben  und  zu 
sterben!  [i^l  yh'oijo,  ngdfia^e  \i^rjvfi  xal  jjohovx^  '^^^'  äaiEog, 
*Adrjvriot  xal  l^ijaai  xal  xov  ßiov  6noXt7%eiv.)  und  so  hat  er  uns 
in  seinen  Briefen  kleine  Kulturbilder  aus  dem  reichen  attischen 
Leben  geschaffen,  von  denen  einige  zu  den  Ferien  der  grie- 
ebiaoben  Literatur  zählen,  viele  uns  durch  ihre  schlichte  Natur- 
inihrfaeit  und  Treue  ungemein  anziehen  und  fesseln.  Wenn 
&wiii  Rohde  sagt  (a,  a.  0.  S.  369):  „Alkiphron,  wohl  ohne 
Zweifel  von  dem  wenig  älteren  Lukian  angeregt,  aohöpffc  seine 
Stoffe  vornehmlich  aus  der  neueren  Komödie:  er  stellt  uns  das 


TW 


K,  Mtiser 


^ptaiKgr^sukUÜ'iA^^  gmksstmie  Stilleben   der  AUiener  der  be* 
Ijiiii^tiiirTi  iMlIniiftwbeo  Zeit  in  fein  gezeichneten  Skizzen  Tor  M 
ib|||«i*'*  iö  cfenkl  er  dabei  vorzugsweise  an  die  Parasiten-  und  n 
h^^bmbfUiil^  unter  denen  der  Briefwechsel  Menanders  und  Gly- 
bifih^  vln^  hi>A<t*»  Uterargeschicbtliche  und  allgemein  menseh-  M 
ÜlsIkM^  hlhtunw   «rweckt.     In    den  Fischer-   und   Bauernbriefen, 
MH  ÄMM  Vm  mnächst  die  Rede  sein  soll,  werden  die  Leiden      i 
tMnl  VWitil^a   dieser  beiden   Berufsarten   in    bunt   wechselnden  ■ 
IWtJkit«!  kOtllsl  anschaulich   vorgeführt     Es  ist  zwar   an   sich 
^  V«fll#llfi«r  Qedanke,    Fischer   und   Landleute,    von    denen 
HmiM  attaunehmen  ist,    dass  sie  lesen   und  schreiben  konnten, 
te  Urimftimbäal  treten  zu  lassen,  aber  im  Grunde  ist  dies  doch 
iMA  ikraiger  zu  beurteilen  als  unsere  Dorfgeschichten^  die  ja 
m/tk   lliiit    nur   eine    idealisierte   Wirklichkeit    widerspiegeln, 
X^h   hui   sich  Alkiphron    mit   feinem  Geschmaeke   im    allge- 
üMitt^n  wohl  gehütet^  seine  Fischer  und  Bauern  allzuviel  Kultur 
y^  Bitdung   verraten   zu   lassen,   aber  sie  zeigen    eine  schiine  ^ 
MilvldliUchkeit,  die  uns  wohltuend  berührt.    Obgleich  der  Ver-  I 
|fb»»r   noch   durchaus   auf  heidnischem   Boden   steht»  erfüllen 
W»  dttS  Gebot  «der  Mensch   sei   hilfreich    und  gut*;    denn  der  m 
S||inio)t  »Freunde  haben  alles  gemeinsam"  {^oird  ra  rojv  ^f^iXojy)  | 
wird   immer   wieder   hervorgehoben.     Ja   selbst  die  Mahnung 
^ImImiI  einander!*  klingt  aus  dem  Adjektiv  r^dnUfi?.ot  (3,73) 
wWiW,  ein  Wort,  das  zuerst  bei  Epiktet  sich  findet,  der  an  die 
Slidlf»    des   aristotelischen    6   äv&gmnog   ipiaei   noktrtxAv   C^oy  < 
(l\A,  1,  l,  9)   i<poy   ipddlhjkov   setzte.     (Epict.   disa.  4^  5,  10 
«ind  17  vergL  3,  13,  5.  4,  1,  126.) 

Auch  zu  den  Tieren  stehen  die  Menschen  in  einem  freund* 
lioboti  Varhiiltnisse.  Wie  hübsch  ist  es,  wenn  der  Landmaon,  | 
%\f^t  tut  Geburt4*tagsfeier  seines  Sohnes  seinen  Freund  mit  Weib, 
Kindern  und  Knecht  einlädt,  hinzufügt:  ,,  Wenn  Du  willst,  kannst 
Uli  «luch  deinen  Hund  mitbringen^  der  ein  so  wackerer  Wachte 
tii  und  durch  ^eiu  lautes  Gebell  diejenigen  verscheucht,  die 
den  Uffdon  nachstellen.  Ein  so  braver  verdient  es  wohl,  mit 
uns  gi^meinsam  zu  schmausten*  (3, 18).  Auch  der  Segen  der 
Arbeit   wird   anerkannt.    Wenn  der  Bauer  seiner  Frau  Wolle 


über  dU  Briefe  den  RheiorE  Alkiphran, 


197 


schickt,    die   sie   zu  Sommer-    und  Winterkleidern   verarbeiten 

8oUf  mahnt  er  sie,   auch  die  Tochter  anzuhalten,   Seissig  mit- 

l^arbeiten,    damit   sie   dereinst    als   Frau    ihren   Eltern    keine 

j^Bcbande  mache,  und  fleissige  Mädchen,  schreibt  er,  sind  in  der 

Regel   auch   sittsame    Mädchen  (3«  41).     Die    Anziehungskraft, 

L welche   die  Stadt  auf  das  Landvolk   ausübt,    wird   lebhaft  ge- 

rBcbildert.    Ein  Bursche  vom  Lande  sehnt  sich,   die  Stadt  und 

das  Leben  in   der  Stadt  kennen   zu  lernen.     Er   bittet  einen 

älteren  Freund,  der  öfter  in  der  Stadt  weilt,  bei  seinem  nächsten 

Besuche  der  Stadt  auch  ihn  mitzunehmen.     „Denn  auch   ich, 

meint  er,  bin  jetzt  alt  genug,  mich  weiter  auszubilden,  da  mir 

bereits  der  Bart  sprosst;  und  wer  wäre  so  geeignet  wie  Du, 

mich  in  die  Geheimnisse  der  Stadt  einzuweihen?"   (3,31), 

Das  Mädchen  vom  Lande  schwärmt  für  die  religiösen  Feste 
in  Athen.  Voll  Entzücken  schreibt  sie  aus  der  Stadt  an  ihre 
Hutter:  „Bei  alieo  Göttern  und  guten  Geistern  beschwöre  ich 
Dieb,  meine  liebe  Mutter,  verlass  doch  auf  kurze  Zeit  die  kahlen 
Felsen  und  das  Land  und  betrachte  Dir  noch  vor  Deinem  Ende 
die  Herrlichkeiten  in  der  Stadt  1  Denn  was  bleibt  Dir  alles 
I unbekannt,  was  kennst  Du  alles  nicht!  Die  Haloen,  die  Apa- 
llurien,  die  Dionjsien  und  das  heiligste  Fest»  das  jetzt  eben 
gefeiert  wird,  die  Thesmophorien.  —  —  Wenn  Du  Dich  be- 
eilst, kannst  Du  morgen  noch  das  Fest  der  Kalligeneia  mit 
den  Athenerinnen  leiern.  Komm  also,  zögere  nicht,  ich  be- 
schwüre Dich  bei  meinem  und  meiner  Geschwister  Heil,  Denn 
sein  Leben  zu  besch Hessen,  ohne  die  Stadt  kennen  gelernt  zu 
haben,  das  verhüte  der  Hinmiel,  da  es  tierisch  und  stumpf- 
sinnig ist.  Verzeihe,  liebe  Mutter,  meine  freie  Rede,  die  nur 
Dein  Bestes  will;  denn  schön  ist  es,  mit  allen  Menschen  rück- 
h^tlos  zu  verkehren,  vor  allem  aber  ist  es  Pflicht,  den  eigenen 
Angehörigen  gegenüber  die  Wahrheit  zu  sagen*  (3,39). 

Man  braucht  nur  wenige  derartige  Briefe  gelesen  zu  haben, 
um  sich  J5U  überzeugen,  dass  Älkiphron  ein  begabter,  erfinde- 
rischer und  selbständiger  Kopf  war,  der  es  nicht  nötig  hatte, 
bei  anderen  zu  borgen.  Er  gehört  nicht  zu  jenen  geistlosen 
Kachahmern,   von    denen  Horaz   sagt  (Ep.  1,  19,  19)i    „0  ihr 


198 


K,  Mewer 


Nachahmer,  ihr  Sklavenj^ezüeht,  wie  hat  mir  euer  lärmendfl 
Treiben  oft  die  Galle  erregt,  oft  mich  zum  Lachen  gebracht!* 
(0  imitatores»  servum  pecus,  ut  mihi  saepe  bilem,  saepe  iocum 
veatri  movere  tumiiltus!).  Wie  weit  er  etwa  von  den  Dichtern 
der  neueren  attischen  Komödie  abhängig  war,  können  wir  nicht 
beurteilen»  da  uns  die  betreifenden  Stücke  fehlen.  Für  seine 
Abhängigkeit  von  Lukian  in  stofliicher  Beziehung  führt  man 
hauptsächlich  zwei  Schriften  Lukians  an:  ,den  Hahn*  und  «das 
Symposion*-  Allein  eine  genauere  Vergleichung  der  beiden 
Schriften  Lukiaas  mit  den  betreffenden  Briefen  des  Alkiphron 
(3, 10  und  3,  55)  füllt  durchaus  nicht  zu  Alkiphrons  Ungunsten 
au8.  Seine  Briefe  sind  meist  kurz  und  gut,  er  weiss  mit  wenig 
Worten  viel  zu  sagen,  Lukian  ergeht  sich  in  behaglicher  und 
gefälliger  Breite,  Eine  Nachahmung  dürfte  schon  aus  diesem 
Gnmde  sehr  schwierig  sein,  und  was  wollen  2  Stücke  gegen 
118  Briefe  besagen? 

Dass  einem  Annen  träumt,  er  sei  plötzlich  reich  geworden, 
ist  ein  naheliegender,  allgemein  menschlicher  Gedanke.  Lukian 
bedient  sich  dieses  Traumes  als  Einleitung  zu  einem  längeren 
Gespräche,  in  welchem  die  Vorzüge  der  Armut  und  die  Nach- 
teile des  Reichtums  auseinandergesetzt  werden.  Bei  ihm  ist 
der  Träumende  Mikyllas,  ein  armer  Schuster  in  der  Stadt,  der 
einen  Hahn  besitzt;  vielleicht  weniger  gut  erfunden,  weil  der 
Arme,  der  selbst  nicht  genug  zu  essen  hat.  diesen  Hahn  doch 
täglich  füttern  muss,  aber  Lukian  braucht  den  Hahn,  weil 
dieser  durch  sein  Krähen  den  Traum  stören  soll  und  mit  ihm 
das  folgende  Gespräch  geführt  werden  muss.  Bei  Alkiphron 
ist  es  ein  Bauer,  der  träumt»  der  naturgemäss  auch  einen  Bahn 
besitzt,  Lukian  begründet  umständlich,  wie  Mikjllos  zu  diesem 
Traume  kam.  Er  war  nämlich  zum  erstenmale  in  seinem  Leben 
eingeladen  und  zwar  bei  dem  reichen  Eukrates  /.ur  Feier  dos 
Geburtstages  der  Tochter  (an  sich  nicht  gerade  wahrscheinlich, 
das«  einer  der  Heichston  einen  armen  Schuster  ^u  Tische  hidti 
weshalb  Lukian  ihn  nur  als  Ersat*/mann  für  einen  krank  ge- 
meldeten Ga.^t  eingeladen  sein  h'isKt)  und  in  der  Nacht  nacli 
diesem  glän'^^niden  Mahle  träumte  ihm,  (\ü»i<  Kukratea  sierbend 


über  die  Briefe  dei  Rheton  Alktphrov, 


199 


ihn  zum  einsiigen  Erben  eingesetzt  habe.  Bei  Alkiphron  steht 
ron  all  dieser  unnötigen  Begründung  des  Traumes  nichts.  Der 
Schuster  sieht  sich  also  bei  Lukian  im  Traume  plötzlich  reich, 
Gold  und  Silber  kann  er  mit  Scheffeln  messen,  die  ganze  Ein- 
richtung und  Dienerschaft  des  Eukrates  ist  sein.  In  einem 
Schimmelgespann  fahrt  er  spazieren  mit  VniTeiteni  und  Gefolge, 
Tou  allen  bewundert  und  beneidet.  Priiehtig  gekleidet,  mit 
schweren  Ringen  an  den  Fingern,  etwa  16  Stück,  lässt  er  ein 
sartiges  Mahl   für  seine  Freunde   bereiten.     Eben   will  er 

IS  goldenem  Becher  auf  die  Gesundheit  seiner  Freunde  trinken: 
da  kräht  der  Hahn  und  die  ganze  Herrlichkeit  ist  dahin. 
Es  ist  gewiss  sehr  realistisch  ausgedacht,  dass  der  arme  Schuster 
kein  grösseres  Glück  kennt  als  die  Tafelgenüsse,  aber  der  Bauer 
bei  unserem  Alkiphron  ist  ohrgeiziger  und  hat  sich  ein  höheres 
Ziel  gesetzt.  Auch  er  sieht  sich  im  Traume  plötzlich  stein- 
reich, ein  Schwann  von  Dienern  folgt  ihm,  eine  Menge  Ringe 
mit  wertvollen  Steinen  tragt  er  an  den  Fingern,  seine  Hände 
sind  zart  und  zeigen  keine  Spur  von  grober  Arbeit.  Schmeichler 
stellen  sich  ein,  und  die  Athener  wollen  ihn  eben  im  Theater 
zum  Heernihrer  ausrufen:  aber  mitten  während  der  Abstimmung 
kräht  der  verruchte  Hahn  und  die  Erscheinung  verschwindet. 
Sehr  passend  lässt  Alkiphron  den  Land  mann  seine  briefliche 
Mitteilung  des  Traumes  mit  dem  Hinweis  auf  den  Volksglauben 

chliessen,  wornach  Träume  zur  Herbstzeit,  wenn  die  Blatter 
abfallen,  nicht  in  Erfüllung  gehen.  Bei  Lukian  ist  davon 
nicht  die  Rede. 

Zeigt  sich  hier  bei  Behandlung  des  gleichen  Stoffes  Alki- 
phron durchaus  selbständig,  so  ist  dasselbe  auch  der  Fall  bei 
dem  Symposion.  Symposien,  an  denen  Philosophen  teilnehmen, 
zu  verfassen,  war  seit  Piaton  und  Xenophon  ein  häufiger  Stoff 
und  die  Philosophen  zum  Gegenstande  des  Spottes  zu  machen, 
war  seit  den  Wolken  des  Aristophanes  ein  Hauptvergnügen  für 
alle  witzigen  Köpfe.     Lukians  Gespräch,  das  »das  Trinkgelage 

ier    die    Lapithen*    betitelt    ist,    ist    eine    dramatische    Posse 

Brbster  Art,  die  sich  in  48  Kapiteln  (19  Seiten  in  der  Teubner- 
Ausgabe)   entwickelt.     Den    Mittelpunkt  bildet   der  Brief  des 


200 


Jt  Mmer 


nicht  geladenen  Stoikers  Hetoimoklea,  der  seineni  Unmute  Aus- 
druck gibt,  dass  er  bei  der  Einladung  übergangen  worden  sei^ 
eines  der  witzigsten  Stücke  Lukians.  Dieser  Brief,  der  nach 
Luldans  Erzählung  wie  ein  Erisapfel  in  der  Gesellschaft  wirkte, 
führt  die  Katastrophe  herbei.  Unter  den  streitenden  Philo- 
sophen kommt  es  zu  einer  förmlichen  Schlacht,  bei  der  es  Blut 
und  Wunden  absetzt.  Welcher  ungeschickte  Nachahmer  hätte 
sich  diese  lustige  Prügelszene  entgehen  lassen?  Aber  nichts 
von  alle  dem  bei  Alkiphron*  Der  betreffende  Brief  (»3,  55),  der 
in  der  Ausgabe  von  Schepers  39  Zeilen  umfasst,  ist  der  Stoss- 
Seufzer  eines  Parasiten,  der  darüber  klagt,  dass  Parasiten, 
Sanger  und  Spassmacher  bei  dem  Qelage  nichts  galten  und 
tiberflüssig  waren,  da  die  Kost-en  der  Unterhaltung  die  Philo- 
sophen allein  bestritten.  Bei  Lukian  feiert  Aristänet  die  Hoch- 
zeit seiner  Tochter  Kleanthis  mit  dem  jungen  Philosophen 
Chäreas,  dem  Sohne  des  Wucherers  Eukritos»  wozu  er  Vertreter 
von  4  philosophischen  Schulen  einlädt:  die  Stoiker  Zenothemis 
und  Diphilos,')  den  Peripatetiker  Kleoderaos»  den  Epikureer 
Hermon,  den  Platoniker  Ion;  der  Kyniker  Alkidamas  kommt 
uneingeladen.  Bei  Alkiphron  feiert  Skamonides  den  Geburtstag 
seiner  Tochter,  zu  dem  ausser  Vertretern  des  Reichtums  und 
des  Adels  auch  Philosophen  eingeladen  sind.  An  die  Stelle 
des  Platonikers  tritt  hier  ein  Pythagoreer,  Es  ei-schienen  der 
Stoiker  Eteokles,  der  Peripatetiker  Themistagoras ,  der  Epi- 
kureer Zenokrates,  der  Pythagoreer  Archibius  und  zuletzt  der 
Ejniker  Pankrates,^)  Alkiphron  be^sch rankt  sich  darauf «  das 
anfiingliclje  anspruchsvolle  Auftreten  der  Philosophen  im  Gegen- 
satze zu  ihrem  späteren  unwürdigen  Verhalten  bei  dem  Gelage 
zu  schildern,  wobei  er  in  witziger  Weise  die  einzelnen  philo- 
sophischen Systeme  charakterisiert.  Wenn  die  beiden  Kyniker 
bei  Alkiphron  und  Lukian  am  meisten  Ähnlichkeit  zeigen,  so 
hat  dies  darin  seinen  Grund,  dass  die  hündische  Natur,  die 
bei  beiden  Kynikern   zum  Ausbruche  kommt,  sich  nicht  auf 

^  Einen  Stoiker  DipbiJos  gtib  m  im  2.  Jahrhundert  r»  Chr. 
«)  Ein  Kyniker  Piinkr«t4*9  wirtl  erwähnt  Phlloitr.  vil.  i^hist  1,  S 
(rar  7jeii  dar  AntoDine). 


die  Briefe  äe$  Bheiors  Älkiphron. 


maDnigfaltige  Weise  darstellen  läset.  Beide  Autoren  haben  die 
gleiche  Absicht:  die  Philosophen  an  den  Pranger  zu  stellen. 
Es  veranlasste  sie  dazu  die  Heohachtung,  dass  gerade  die  Männer, 
die  mit  dem  Ansprüche  der  Bildung  und  Gesittung  auftraten»  bei 
Trinkgelagen  Anstand  und  Sitte  mit  Füssen  traten.  Alkiphron 
sagt  daher:  , Während  die  anderen  Leute  von  Anfang  bis  zum 
Ende  ein  gleichnaässiges  und  unverändertes  Verhalten  bei  dem 
Mahle  beobachteten,  begingen  die  Philosophen  im  Verlaufe  des 
Trinkgelages  und  bei  dera  fortgesetzten  Kreisen  des  Bechers 
bald  diese  bald  jene  Ungeheuerlichkeit. "  Und  er  beginnt  den 
Brief  mit  der  allgemeinen  Betrachtung;  , Wenig  oder  gar  nicht 
unterscheiden  sich  von  den  gewöhnlichen  Leuten  die  Stolzen» 
die  das  sittlich  Schöne  und  die  Tugend  immer  im  Munde  führen: 
diejenigen  meine  ich,  welche  die  jungen  Leute  für  sich  auszu- 
beuten suchen.*  Ausführlich  aber  äussert  sich  hierüber  Lukian 
in  seinem  Symposion  (c.  34  f,)  in  diesem  Sinne:  „Während 
dieser  Vorgänge  stellte  ich  bei  mir  allerlei  Betrachtungen  an, 
mein  Pfailon,  zunächst  kam  mir  der  naheliegende  Qedanke,  dass 
die  Kenntnis  der  Wissenschaften  offenbar  keinen  Wert  hat, 
wenn  einer  nicht  auch  sein  Leben  in  Einklang  bringt  mit 
dem  Edleren.  Ich  sah  wenigstens,  wie  jene  Männer,  die  doch 
in  der  Wissenschaft  so  hervorragend  sind,  im  wirklichen  Leben 
»ich  lächerlich  machen.    Dann  fiel  mir  ein,  dass  am  Ende  doch 

fdie  Behauptung  der  Leute  wahr  sei  und  das  Studium  der 
Wissenschaften  diejenigen,  die  ihr  Auge  unverwandt  nur  auf 
lie  Bücher  und  die  darin  enthaltenen  Gedanken  richten,  von 
lern  gesunden  Menschenverstände  ablenke.  Wenigstens  konnte 
man  von  so  vielen  Philosophen,  die  anwesend  waren,  auch  nicht 
zufallig  einen  frei  von  Fehltritten  sehen,  sondern  bei  den  einen 
war  ihr  Tun,  bei  den  anderen  noch  mehr  ihr  Reden  schimpflich. 
Denn  ich  konnte  das,  was  geschah,  auch  nicht  mehr  auf 
Rechnung  des  Weines  setzen,  wenn  ich  in  Betracht  zog,  was 
Hetoimokles  geschrieben  hatte,  ohne  noch  gegessen  und  ge- 
trunken zu  haben*  Es  war  also  die  verkehiie  Welt:  die 
gewöhnlichen  Leute,  die  ganz  tadellos  am  Mahle  teilnahmen, 
Zeigten  weder  Trunkenheit  noch  unanständiges  Benehmen,  aon- 


202 


K.  Meiser 


dem  sie  lachten  nur  und  Yenirteilten  wohl  diejenigen,  welche 
sie  sonst  bewunderten,  weil  sie  etwas  besonderes  hinter  ihnen 
vermuteten  nach  ihrem  äusseren  Anftreten,  Die  Weisen  aber 
benahmen  sich  ausgelassen«  schimpften  aufeinander,  Übernahmen 
sich  im  Essen  und  Trinken»  machten  ein  tolles  Geschrei  und| 
schritten  zu  Tätlichkeiten.* 

Es  ist  also  nicht  frivole  Spottsucht,  was  Lukian  und  AIki« 
ffhron  gegen   die   Philosophen   ihrer  Zeit  reizte,   sondern,   wie! 
man  schon  aus  dieser  Stelle   sieht,   der  Widerspruch  «wischen 
ihrem  Leben   und   ihrer  Lehre,   und  Lukian  verdient  nicht  die 
abfallige    Beurteilung,    welche   ihm   der   geistreiche   Verhss^r 
der   »Grundlagen    des    19.  Jahrhunderts*   (4.  Auflage  1903,   L  ■ 
8.  298  fl.)  zuteil   werden   lässt«   weü  es   m   seine  Kassen theorie  m 
nicht  passtf  dass  ein  Syrer  irgend  etwas  bedeutendes  geleistet 
haben   soll     Es  bleibt  aber  Lukians  Verdienst,   dass  er  aller 
Heuchelei  den  Krieg  erklärte,  und  unter  den  Vorkämpfern  für  J 
Wahrhaftigkeit  steht  er  in  vorderster  Reihe.  ■ 

Auch  sonst  zeigt  Alkiphron  seine  Abneigung  gegen  die 
Philosophen  seiner  Zeit.  Er  nennt  sie  die  un beschuhten,  die 
leichen  blassen,  die  aufgeblasenen  Männer,  die  weder  etwas  wiss«;n 
noch  etwas  zu  tun  imstande  sind^  was  für  das  Leben  nützlich 
wäre,  die  sich  unnötigerweise  mit  den  Dingen  am  Himmel 
zu  schaflfen  machen  (8,  14).  Er  erzählt  von  einem  Vater,  der 
aus  Unverstand  und  altfränkischer  Gesinnung  seinen  Sohn  zur 
Unterweisung  einem  Stoiker  übergab,  einem  gestrengen  Alten, 
der  niemals  lachte.  Der  Sohn  zeigte  sich  sehr  gelehrig,  denn  j 
er  ahmte  vor  allem  den  lockeren  Lebenswandel  seines  Meisters  I 
getreulich  nach  (3»  64).  Nicht  selten  mag  es  vorgekommen 
sein,  dass  selbst  Söhne  vom  Lande  solchen  Philosophen  in  die 
Hände  fielen  und  dadurch  ihrem  Berufe,  der  Landwirtschaftt  j 
und  dem  Elternhause  entfremdet  wurden.  So  klagt  ein  Land^l 
mann  in  einem  Briefe,  dass  er  seinen  Sohn  in  die  Stadt  ge» 
schickt  habe,  um  Holz  und  Gerste  zu  verkaufen,  aber  er  habe 
»ich  dort  an  einen  Kjniker  angeschlossen,  der  den  jongido 
Menschen  völlig  umwandelte,  dass  er  ¥om  Land«  und  aetnenj 
Kitern  nichts  mehr  wissen  wollte.     Er  schlieast  saina  be«)egti^| 


her  di€  Briefe  des  Wietars  Älkiphron, 

Klage  mit  dem  Ausrufe:  ^Weh  mir,  wie  hat  Dicli,  o  Land- 
wirtschaft, die  Schule  dieser  Betrüger  geschädigt!  Ich  tadle 
den  Solon  und  den  Dnikon,  die  es  für  recht  fanden,  Diebe, 
die  Trauben  ätehlen,  mit  dem  Tode  zu  bestrafen,  während  sie 
diejenigeu,  die  Menschenraub  begehen  an  den  jungen  Leuten, 
straffrei  ausgehen  liessen"  (3,  40), 

Ein  Gegenstück  dazu  bildet  der  Brief  einer  Mutter  vom 
Lande,  deren  Soho  Rir  den  Soldatenstand  schwärmte  und  sich 
wohl  irgendwo  anwerben  Hess,  „Tue  das  nicht,  mein  lieber  Sohn, 
schreibt  die  besorgte,  soödein  kehre  zurück  zu  uns  und  gewinne 
das  ruhige  Leben  lieb  (denn  sicher  und  gefahrlos  ist  die  Landwirt- 
schaft, da  gibt  es  keine  Kriegsrotten,  keine  Hinterhalte,  keine 
Schlachtreihen)  und  werde  unsere  Stütze  im  Alter,  indem  Du  dem 
zweifelhaften  Leben  die  anerkannte  Sicherheit  vorziehst**  (3,  16). 
Ich  erwähne  noch,  um  die  Stellung  Alkiphrons  zur  Philo- 
}phie  zu  veranschaulichen ,  den  übermütigen  Brief,  den  er 
Phais  an  ihren  früheren  Liebhaber  Euthydem  schreiben  lässt. 
, Seitdem  Du  Dich  entschlossen  hast,  Philosophie  zu  studieren, 
beginnt  sie,  bist  Du  gar  vornehm  geworden  und  hast  die 
Lugen  brauen  über  die  Schläfen  emporgezogen.  In  stolzer  Hal- 
tung und  mit  einem  Buche  in  der  Hand  steigst  Du  in  die 
Akademie,  an  unserem  Hause  aber  gehst  Du  vorüber,  als  hättest 
Du  es  früher  gar  nie  gesehen.''  Sie  enthüllt  ihm  sodann,  dass 
sein  philosophischer  Lehrmeister  durchaus  nicht  der  Weiber- 
feind seil  für  den  er  dich  ausgebe,  sondern  dass  er  sich  schon 
lange  um  ihre  Gunst  bemühe.  »Geflunker  sind  seine  schönen 
Ki'den,  Aufgeblasenheit  und  Ausnützung  der  jungen  Leute." 
In  einem  Funkte  sei  kein  Unterschied  zwischen  einer  Hetäre 
und  einem  Lehrer  der  Weltweisbeit,  denn  beiden  sei  es  nur 
um  die  Einnahme  zu  tun.  Aber  besser  sei  die  Schule  der 
Hetären:  unter  ihren  Schülern  gebe  es  keine  Gottesleugner 
und  Staatsumwälzer.  Aus  der  Schule  der  Aspasia  sei  Perikles 
hervorgegangen,  aus  der  des  Sokrat-es  Kritias.  Sie  fordert  ihn 
dann  auf,  wieder  zu  ihr  zurückzukehren:  für  so  schöne  Augen 
pa&se  nicht  der  Enstere  Blick,  und  schtiesst  ihre  lauuige  Epistel 
mit  den  Worten:    „Nicht  lange   währt  die  Zeit,    die   uns  die 


iC  MeUer 

Gottheii  zu  leben  rergöDiit;  vergeude  sie  nichts  oline  dass  Du 
es  merkst,  auf  Rätsel  und  Faseleien!*  (1,34). 

Weiss  Alkiphron  in  sachlicher  Beziehungf  auch  wenn  er 
den  gleichen  Stoff  wie  Lukiau  behandelt,  durchaus  seine  Selbst- 
ständigkeit zu  wahren,  so  liegt  die  Sache  ganz  anders  in  sprach- 
licher Beziehung.  Hier  ist  er  so  vollständig  von  Lukian  ab- 
hängig, dass  die  Schriften  Lukians  geradezu  als  Hilfsmittel  der 
Kritik  für  Alkiphron  bei  gezogen  werden  müssen.  Dies  scheint 
mir  Schepers  allzusehr  ausser  acht  gelassen  2U  haben,  was 
manche  Irrungen  zur  Folge  hatte.  Ich  will  daher  zunächst 
an  dem  ersten  und  zweiten  Buche  bei  Schepers  den  Nachweis 
liefern,  wie  sehr  Alkiphron  in  seinen  Ausdrücken  und  Rede- 
wendungen Yon  Lukian  abhängt  und  auf  der  neu  gewonnenen 
handschriftlichen  Grundlage  einzelne  Stellen  des  Textes  zu  ver- 
bessern suchen.  Den  einzelnen  Briefen  schicke  ich  eine  kunte 
Inhaltsangabe  voraus;  die  Briefüberschriften,  deren  Namen  frei 
erfunden  und  meist  mit  Rücksicht  auf  den  Inhalt  des  Briefes 
gewählt  sind,  lasse  ich  ausser  acht,  dem  Herausgeber  bereiten  sie 
bei  der  Verderbnis  der  Handschriften  keine  geringe  Schwierigkeit. 
L.  bedeutet  Lukian;  [L.]  bezeichnet  die  dem  Lukian  falschlich 
beigelegten  Schriften. 


Fischerbriefe. 
L  L 

Reicher  Fischfang  nach  dreitägigem  Sturme. 

1.  (bg  yäQ  rgirrjv  raifrrjv  elx^  ^  ;f€f/i(l;y  t)fiioav.  Da  es 
unten  §  3  heisst:  TitdQirj  de  avu}  —  f)piiQ<i,  muss  xavtf^v  nach 
TQiitjv  gestrichen  werden.  Es  stammt  aus  3,21:  *0  f^h  dvijQ 
dn6dt]^6g  loit  jLWt  tQhrjv  ravTf^v  tj/tiQuv.  Denn  wir  werden 
öfter  die  Beobachtung  machen,  dass  Parallelstellen  aus  anderen 
Briefen  ani  Rande  beigeschrieben  waren,  durch  welche  der 
ursprüngliche  Text  Veränderungen  erlitt  Es  kann  nur  hoisden: 
ojg  yiifj  T(jitrir  rlxtv  6  ;^fi//(J>i'  t)^i(jar  (,denn  wie  der  Hiorm 
drei  Tage  anhielt*),  vergleiche  [L.]  Hole.  3:  imgoxa^,  —  r^riyi*_ 


t}b€r  die  Briefe  des  Bhetors  AlJiiphron, 


205 


i(fir§9jxti^  ebenso  L.  ver.  bist,  2,  30. 

inixXmftiviov   rcav   HVfidioiv^    L.  Tox.  20  toi*    vhaxiK    im* 

8.  dJixvong  —  ^ptigci^  [LJ  Haie.  2  tdg  äXxttövidag  Ttgoa- 
ayogevofiivag  fjfiioag  und  bald  darauf:  (iIhvovI<;  i)  jt^juegov  — 
flfUoa.    Aristophanes  Aves  1594  äkxvoviöaq  —  tjfjtigag. 

oxaffddtov,  ebenso  Ii.  Char.  23  (öfter). 

4,  q)iklöiLfg^  ebenso  L.  Tox.  20  (öfter). 

xaraßnlövTeg  ägyvQtov,  Cobet  verbesserte  richtig  jägyvgtov. 
Dies  zeigt  1»  9  ^Qog  tf)  xaTaßo).fi  rägyvolov  und  L.  vit.  auct.  18 
tägyvgiov  —  xaraßaha,  ibidem  27  rägyugtoi'  xajißalov. 


I.  2. 

Der  Fischfang  trägt  nichts  ein;   es  ist  zum  Davonlaufen. 
L  vTib  rfjg  (ikiag  q^layoitih^otg,  so  dürfte  wohl  zu  schreiben 
[s^D,  da  der  codex  Ven.  dXeäg   hat.     L.  ver.  bist  2,2  äUa  re 
fjdt)    r/y.     Die   andere   Form   clXi;   hat  L.  Lexiph,  2   ngog  T»)y 

Big  Tfiv  Tojv  Javatdwv  —  nißov.  Die  Handselirifteu  schwanken 

Dhen  xbv  nidov  und  rohg  mdovg.  Der  Singular  wird  ge- 
stützt auch  durch  L.  Tim.  18  Ig  tiy  libv  Aat'atdmv  niSov. 

3,  tov  fUiQaxioHov^  L.  mort.  d.  7,  2  6  ^etgaxloxog  (öfter). 

onoyyovg  tj^iiv  Inharze  xo^il^eiv  xat  rd  ix  Tijg  dakdutig 
tg%a,  ä  (pvEtat  iTttnxmg  Iv  e^gvvA^rjg  Etg  kfjfjvov.  Mit  td  Ix 
rfjg  d^akdxrtjg  £Qia  sind  die  feinen,  braungelben,  seidenartig 
glllnzenden  Byssusfaden  der  edlen  Steckmuschel  (Pinna  nobilis) 
gemeint*  Diese  Seide  wurde  gesammelt,  gesponnen,  zu  Kleidern, 
Handschuhen,  Strümpfen  gewebt  und  zu  anderem  Putz  ver- 
arbeitet (s.  Jacobitz  und  Seiler,  Handwörterbuch  der  griech. 
Sprache  sub  v.  mwtxdv^  auch  myvivov^  sc.  eqiov).  Was  in 
unserem  Texte  auf  igta  folgt  h  —  kfj^vov  ist  ein  locus  despe- 
ratus,  dessen  Herstellung  ich  auf  Grund  der  Lesart  des  cod, 
Ven.  versuche*  Diese  Handschrift  ist  sehr  nachlässig  geschrieben, 
wimmelt  von  Fehlern  und  ist  mit  Vorsicht  zu  gebrauchen,  gibt 
doch  nicht  selten  einen   Fingerzeig  zur  Gewinnung  des 

ItO«.  SHsffii)}.  d.  pbUt»B.  pbil(>l.  11.  d.  h\Kt  KL  U 


206 


K,  Meiser 


richtigen  Textes.  So  hat  sie  im  ersten  Briefe  statt  täs  AoUla»; 
mit  leicht  erklärlichem  Fehler  rag  vlag.  An  unserer  Stelle 
bietet  sie  merkwürdig  statt  evQvvofjLtjg  das  seltsame  äßnßnvv6fnjg. 
Ich  gewinne  aus  der  ersten  Silbe  äß  den  zu  iv  notwendigen 
Dativ  ßd§et  und  aus  dem  Reste  den  Genetiv  äßgom^vijg^  der 
abhängt  von  ftV  h]fi^ia,  das  ich  aus  dg  Xrjfivov  verbessere. 
Die  ganze  Stelle  würde  demnach  lauten  id  —  tgia»  ä  q^verm 
imeixcog  h  ßd-äei  äßgoovvTjg  Big  Itj^ßn  lanam,  quae  nascitur 
large  in  profunde  luxuriae  in  lucrum,  (,ünd  jüngst  gebot  uns 
der  Herr  Schwämme  zu  liefern  und  die  aus  dem  Meere  ge- 
wonnene Seide,  die  in  der  Tiefe  reichlich  wächst  zur  Förderung 
der  Üppigkeit*.)  VergL  Elg  ßd^og  3, 47,  elg  tgvtptjv  3,  6* 
äßgößiog  1,  12.    ix  yijg  «er!  ^aXdxTfjg  TQvqprjuaTa  1,  12. 

4,  Von  dem  jungen  Sklaven  Hermon,  der,  des  Fischer- 
gewerbes überdrüssig,  die  Flucht  ergriff  und  sich  an  Rhodier 
anschloss,  heisst  es  nach  den  Handschriften: 

itol  'Podloig  ßakavxovQydtg  dyajLitx&^k'  Aber  nicht  alle 
Handschriften  bieten  dasselbe:  ßaXavotovgyolg  NJ,  ßalavtovQ' 
yoJg  FloT.  Ven.  Dies  führt  auf  ßavavoovgyoTg.  Auf  Rhodos 
sind  die  Metallarbeiter  (die  Teichinen)  zu  hause.  Also  mit 
solchen  Arbeitern  von  Rhodos  ging  Hermon  durch.  ßavavaovQ- 
yog  findet  sich  bei  Pollux  7,6.  Justin.  Mart.  apoL  p.  179; 
ßavavoovgyia  bei  Plutarch  Marcell.  c,  14,  Mor.  p,  743  F, 

L  3. 

Nur  eine  schmale  Bretterwand  trennt  den  Fischer  vom 
To<le;  der  Landmann  hat  es  besser. 

!♦  JitiQ^  —  fiadihv  L.  Herrn.  46  nttQti  ^a9tov. 
3,  Tci^  TQiHv^iag^  ebenso  L.  merc.  cond.  1  (öfter)* 


L  4. 

Ein   Fischer   schreibt  seinem  Weibi?:    1>«>  ' '  \si 

Clement  des  Fischers,   wie  der  Fische.     Auch  ül...        .u  mt 
dieses  Leben  teilen;  wean  Du  lieber  in  der  Stadt  Fcsste  feiem 
willst^  dann  sind  wir  geschiedene  Leute. 


über  die  Briefe  den  Ehetor  $  Älkiphron, 


207 


L  Von  den  Bewohnern   der  Städte  heisst  es:   ot  ^dv  yä^ 

TU  th]fioTu(d  bezeichnet  nicht,  wie  Jacobitz  und  Seiler  in 
tbreni  Wörterbuche  angeben,  , Staatsgeschäfte ''^  sondern  Hand- 
werke und  Gewerbe,  wie  deutlich  hervorgeht  aus  L,  paras,  1: 
rü)v  dk  dt]fiOTt>c(oi'  (seil.  T^;f»^ü>v)  uva,  texrortHi^v  tj  oxvtoto^uxtjv \ 
ibidem  20:  lix^f^^  —  öiajiQfhieü&at.  Meineke  und  Schepers 
hatten  also  zu  dieser  Stelle  Lukian  beiziehen  und  keine  Kon- 
jekturen machen  sollen. 

2,  Das  handschriftliche  rip'  (iHiip'  äjiohTiovaa  hätte  nicht 
angetastet  werden  sollen,  da  es  durchaus  geschützt  ist  durch 
die  Parallelstelle  3,  39  xaiaXmovaa  tovi  oxonelov^, 

L  5. 

Ein  Fischer  macht  dem  siuderen  Vorwürfe,  der  Goldstücke 
aus  der  Zeit  des  Darius  im  Meere  gefunden  (vielleicht  von 
einem  Perserschiff,  das  in  der  Schlacht  bei  Salamis  unterging) 
und  nun  durch  höheren  Lohn  die  Arbeiter  dem  anderen  ab- 
wendig zu  machen  sucht.  Wenn  Du  reich  geworden  bist,  so 
wende  Deinen  Reichtum  edel  an! 

fl.  jiao^  ißol  &iji€vovtag  L.  raort,  d.  15^  1  &f}T€V€tv  nagd  nn. 
H     deksdC^y  L.  pisc.  47   dehdaag  48  dihdoü}f.i€V. 
■     ^o&Wfidicjv  L.  Tim.  22  fxia§€Ofia  (öfter). 
Xgvaovg  x6fi/iiaTog  Aageixov  L.  Tox.  57  äagetxovg  pisc.  14 
TOic    XO^ßUOi. 
2*    Der  Schlusssatz:   ytviaßoj  dt  oot  6  nXoTnog  fii]  xaxlag, 
mä   xaXoxayaSiag  vntjQh^g   ist  aus  Isocrates   ad   Demonic,  6 
entnommen,    wo  es   heisst:    nXoviog  ie  xaxlag   ^äXXov  fj  xaXo- 
xaya&iag  {jjiijgintji;  loriv,   ein   interessantes  Beispiel,    wie  Alki- 
ron  die  attischen  Schriftsteller  ausnutzt,  ohne  sie  zu  nennen. 


I.  6. 

Die  Fiscberin  Panope  ruft  ihren  treulosen  Mann  Euthybulös 
zur  Pflicht  zurück.  Lass  Deine  Weibertollheit  oder  ich  kehre 
xu  meinem  Vater  zurück,  der  Dich  gerichtlich  belangen  wirdi 


208 


K.  lSi€ker 


K   Ta>v   äoTJßimv  L.   mnrt.    d.    1,1   rajT^tvoifg   xal   <JarJ/iot»c,l 
inl  Jtaidmv  äootw  yyTjouov  L,  TJm.  17  in^  dQOtai  7iaido)v  yvf]auov, 
Olam*  Alex.  Strom,  II,  p.  181,  15:  ydfiog  fUv  ohv  iaii  avvoAog 
AvÖQog  xa!   yvvaiHOs  »)  ngiartj  HOjä   vdfAor  im  yrrjotmv  Tixrwv 
anoQ^"  6  yovv  xiofiixög  Mivavögog* 

naidiov  hi  ägdico  yvtjolwv 
diöojjiit  ooi  ye  n)v  l/naviov  dvyatiga 
(vergl.  Apul.  apol.  p,  576). 

2,  ch  dk  ^4^iog  &v  idj  ^(p&alpLdi  xal  ngög  näaav  tJAor^»'' 
äfp(}odlmov  iHHSXVf^^^^^' 

Li,  merc.  cond.  40:  oh  Ak^Ekltiv  xal  ^(f,diog  rov  tqotzov 
ngAg  näaav  ddi^(ay  evxoA(K- 

Wie  man  sieht,  hat  Alkiphron  seinen  Satz  genau  nach 
Lokiati  gebaut  und  es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  offAtog 
hei  Alkiphron  richtig  und  nicht  zu  ändern  ist:  leichtfertige 
Augen  hat  einer,  der  sich  leicht  verliebt.  Statt  xE^vfiivog 
schrieb  Cobet  richtig  ixxexvjuivog*  L.  de  sacrif,  5  igotrixog  As 
(ör  y.al  ig  rd  äcpQoÖiota  ixxExv^i^iyog,  So  lautet  die  Stelle  in 
der  Ausgabe  von  Sommerbrodt(1889),  wohl  nach  Handschriften, 
da  der  kritische  Kommentar  über  ^3<xc;|ju/i£vog  schweigt;  früher 
las  man  auch  bei  Lukian  xexvfiivQg. 

xwfidCovot  yijQ  dg  avi/fv  L,  bis  acc.  17  xmfidCüiv  inl  jtm*jQg. 

veolnia  L*  Phalar.  1,3.    Anach.  38, 

3,  ^lamdag  L.  gallus  22, 
iglykag  L.  ver.  bist.  37  rglykt^g  nUvgq, 
ätpfjItxiüTegog  L.  pseudoL  15. 
naQayxtüvioQödat  L.  Tim.  54  (öfter). 
xEXQV(pälovg  L,  merc.  cond.  33. 

4,  xaxdJotQjg  L.  bis  acc.  29. 

I.  7. 
Wer  Geschenke   verlangt,  muss  auch  Geschenke  machen. 
i/»r)TTar  L.  [»i^c.  49. 

xtmäyT}  htit  der  cod.  Ven,  un<i  L.  somn.  3;  diese  Form  wird 
hImi  herzustellen  satn« 

mQox^<^c  ebenso  h*  pisc.  12. 


Übtr  die  Briefe  des  Bhetors  Ätkipkron. 


209 


I,  8, 

Ein  Fischer  will  aus  Not  Seeräuber  werden;  aber  die 
Stimme  des  Gewissens  mahnt  ihn,  zuerst  seine  Frau  um  Bat 
zu  fragen. 

Ta&  apQQt^  diaXaXi^oag  vergleiche  das  hübsche  Gespräch 
mit  der  aura  bei  Ovid  met»7»813ff,  (Kephalos  und  Frokris) 
und  die  Worte  der  Elektra  bei  Sopbocles  El.  86  oj  fpuog  äyvby 
Hai   —  äfjQ. 

Statt  ovdk  yäg  ovöiv  Termute  ich  ovdhv  yäq  ovdh\  Solche 
Wiederholungen  des  gleichen  Wortes  liebt  Alkiphron;  vergL 
3,  1  xalbg  ydg  loxit  x(xX6g  1,27  fptvyeiq  ße  —  <pevyitg  3,  36 
jraXtJtb^  Jjv  —  ynlendg  3,  39  61a  ytkq  ofa  3,  55  olov  ydg  olov, 
Auch  hierin  folgt  er  dem  Lukian,  aus  dem  ich  folgende  Bei- 
spiele anführe:  pisc.  37  eiol  yaQ,  doi  rtveg  Icarom.  34  änaita 
äx^xoag,  fljraiTa  meretr.  d.  13,  5  /mvov  —  /.letrov  gallus  7 
naiiS ddor,  jro^i'  tjrannic.  18  otf  yäg  ^yvSovv  —  oin  ^yvöovv, 

2-  Totl  lol/ijj^arog  ebenso  L.  Harmon.  3.    Icarom.  11. 

Ttdgovg  in  noQoyy  ev^ieyedetg  vTnoxi'ovfiEvoi,  Schepers  streicht 
mit  Hercher  ev^iiy^Eig,    Aber  der  Fehler  liegt  nicht  in  diesem 

I Worte,  sondern  in  7i6Qon%  wofür  <püvmr  zu  schreiben  ist.  Dies 
zeigt  die  folgende  Ausführung  des  Gedankens  deutlich.  Denn 
XQvoog  und  io^/jq  sind  die  jioqou  die  der  arme  Fischer  ersehnt^ 
(hdgofpovog  aber  bezieht  sich  auf  die  <p6vot^  ohne  welche  die 
^dgot  nicht  zu  haben  sind.  tv^t€yf9t]g  gebraucht  Alkiphron 
öfter:  1,17  iv^tytßrj  xdfitjkov,  3,7  xojiatoy  evfiiye&fg,  3,36 
Hvhxa  Btffiiyidt],  3,  66  S^lov  Ei^iyt&Eq,  Auch  Lukian  hat 
ttATig.  22  evfieyH^eig  ßägfiagoi, 
3.  TiQog  —  tbv  j^gvobv  —  xi^^va  L.  pisc,  34  Jig6g  i6 
ä^yvQioy  xe^V^'^^*^- 

ivdg(Hp6rog  L.  pisc.  14  (öfter). 

ivOgo)  L,  tjrannic.  17  atfiaiog  xal  Ivdgov  meretr,  d,  13,  4 

sreviqi  avCdn'Ta  L.  de  salt.  1  ßlfiy  avxj^fjQiß  ov^mv. 
q6  ipoQipov  L*  Tim.  23  oöxiti  tpogijxog  iort. 


210 


A'.  Meiser 


L  9. 

Ein  Fischer,  dem  es  schlecht  geht,  wendet  sich  an  einen 
Parasiten,  um  durch  dessen  Vermittlung  bei  einem  Reichen 
seine  Fische  abzusetzen.  Er  hofi't  auch  sonst  noch  dabei  zu 
gewinnen. 

(m  in  MarSgoßölov  x^Q^^  ^'^  ngäy^naia  L.  merc.  cond,  21 
htl  Mavöfjoßfdov  x^Q^^  ^^  n^ayf^ia  (nach  Sommerbrodts  Aus- 
gabe),   Bei  Lukian  wird  ebenfalls  Inl  xd  zu  schreiben  sein. 

q^EQii  rrjv  jiQoajÄvMav  {xriv  om.  Yen.)  L.  mort  d.  15,3 
fptQEt  TiaQa^wMav, 

L  10.  I 

Ein  Fischer  nimmt  sich  vor,  die  nach  einem  Sturme  etwa 
ausgeworfenen  Leichen  (bei  dem  Vorgebirge  Kaphareus)  zu 
bestatten,  um  damit  ein  gutes  Werk  zu  tun»  das  nicht  unbe- 
lohnt  bleibe  und  jedenfalls  ein  frohes  Gewissen  schatfe. 

lEimg  L.  Ter.  bist.  2,  2  XeitDQ  xal  jiQoarjvmg  bist,  conscr.  55 

2.  V7i'  dji^ijx^^'^^^i  ebenso  L,  merc.  cond.  24. 
jiolXdxtg  övy  awCovtai  —  ol  nQojnfjOovf^in'ot  —  ilal  ik  oY 

—  <piQEa§aL  &d€v  äxovofiev  etc.  Statt  (pigeo^at  muss  natür- 
lich (pigovrat  geschrieben  werden,  allein  zugleich  ist  ein  Gegen- 
satz zu  oat^ovrat  erforderlich.  Denn  der  Sinn  ist:  alteri  (seil, 
providi)  servantur,  alteri  (seil,  temerarii)  pereunt.  Diesen  Ge- 
danken gewinne  ich,  indem  ich  ergänze  (pigoviat  {el>;  dle^gov), 
das  vor  ö&ei'  ausgefallen  ist.  Vergleiche  1,  37,  5  änoaH/jJtTiiv 
elg  öXeOqov. 

3.  o  Kaq^tjQEvq  L.  Jupp,   tr.  15  tieqI  tov  Kafpf^gia. 
5*    diax^i    T>/v    xagdlay    L.    sympos.  18    cbg    eu    ^lallov    ol 

avfjuidrai  Siayv'^euv. 

rijy  EimoiSav  L.  abdic.  25,  imag.  21, 

Der  Schluss    des  Briefes   ist   bemerkenswert:   Die   Pflicht 
der  Totenbestattung  bezieht  sich  zunächst  auf  vfiofpvkoi.    Ab-  ^J 
geseheD   von    dem    siusseren   Lohne   tragt   tlie   gute   Handlung  H 
ihren  Lohn  in  »ich  selbst  (id  ü\n*u66g\    Das  Strandgut  erwähnt 
er  nicht. 


über  die  Briefe  deB  RHetors  Älkipkron, 


211 


I.  11  und  12  (3,1  UDd  2). 

Glaukippe  schreibt  ihrer  Mutter  Charope^  dass  sie  den  ihr 
'  Tom  Vater  bestiramten  Bräutigam  nicht  heiraten  werde,  sondern 
[nur  den  Jüngling,  den  sie  in  der  Stadt  kennen  gelernt  habe, 
i  dessen  Schönheit  sie  begeistert  schildert  Nur  den  werde  sie 
[lieiraten  oder  sich  wie  Sappho  ins  Meer  stürzen. 

Die  Mutter  rät  ihr»  von  der  Torheit  abzulassen,  sonst 
werde  sie  der  Vater  den  Tieren  im  Meere  zum  Frasse  vorwerfen. 
2  f.  xal  rag  ßokaq  x<bv  d/AfidTüiv  iorl  xvavavytjgf  olog  id 
TtQOiToy  V7t6  rcov  fjhaxojy  finrivon*  6  Ji6vTog  HmnXafmofiEyo^, 
Hier  ist  Punkt  zu  setzen  und  dann  mit  Umstellung  von  Ü 
zu  lesen:  (paiveTat  di  tö  okov  TiQSmojiov  (,es  leuchtet  aber  sein 
ganzes  Antlitz**)  vgl,  L.  meretr.  d.  15,  1  lo  jiQAoionoy  oXov. 
Fährt  man  dann  fort:  ai'rac  lvoQXf^loß<ii  ^(tlg  TtagetaJg  euiotg 
äv  id^  XdQitag^  so  ist  alles  in  bester  Ordnung,  dti^v^^tarai  L. 
imag.  11   dtrivdtQ^hog.    Hippias  6,  bis  acc.  16. 

4.  l^mviijv  dg  t6  HXvdojvtov  ajooj.    Herod.  7,  167  ojoe  kovrov 
lg  ro  nvQ.    L.  Tox.  20  §iipat  favidv  elg  rijy  &dlatrav. 


2.  ix^  irgi/ia  xai  xaid  OEaimir  ^iTit^e  ro  xan^v  iifo§0¥oa 
tijg  dtavoiag.  Statt  {ßlntCe  oder  gdmC^  (Ven.)  vermute  ich  djro^- 
QtCov  („verhalte  Dich  still  und  reisse  in  Dir  das  Übel  mit  der 
Wurzel  aus,  indem  Du  es  Dir  aus  dem  Sinne  schlügst'*)  vgl. 
3,  66.  5  äjteggiCojoa  iTQix^q)f  wo  das  Wort  im  eigentlichen 
Sinne  steht.    Lucretius  3,  310: 

nee  radicitus  evelli  mala  poase  putandumst. 


L  13  (3,  3). 

Ein  Fischer  erzählt,  wie  er  bei  einem  Wucherer  4  Gold- 
stücke   zu   leihen   genommen    habe,    um   ein   zerrissenes  Netz 
fticken   zu   lassen^   und  wie  er  den  Wucherer  nur  durch  Ver- 
kauf einer   goldenen  UaLäkette   seiner   Frau   habe   befriedigen 
I  können.    Er  schwört  zu  keinem  Wucherer  mehr  zu  gehen. 


212 


K,  Meis  er 


iyo}  6e  tijv  oaytjvrjv  Ankioüaq  ijnoQOvv  Sri  ngä^atfu.  Zwischen 
aayrjvf^v  und  änXcoang  ist  änEo^ia^iv^jv  ausgefallen.  Das  Par- 
tizip enthält,  wie  häufig,  den  HauptbejC^riff:  „Da  aber  das  Netz, 
das  ich  entfaltete,  zerrissen  war,  wusste  ich  nicht,  was  ich 
tun  sollte.* 

xaivovQyfjaai  L,   Proni.  6. 

2.  xai£oxh}HOK  Ij.' hist.  conscr.  35;  jo  ooifia  xntEaxlriH6xa\ 
L.  Herrn.  2. 

Aristoteles  hiat.  an.  1,9:  dcf^mq*  al  ah*  Em%Tai  ficuaxov 
rj§ovg  oj]fiEiov  —  —  at  de  xaTeanao^uhat  q^06vov, 

tavQf}ddr  —  imoßXintov  Plat.  Phüdon  117  B  TavQfi6iy\ 
{fnoßki^fag. 

4.  XijLifü  xataoxkT}d^fjvai  {xaTaoxlTJvat  Berg^ler)  L.  mort,  1 
d.  27,  7  ki/aoJ  —  äTteaxXfjxivai,  Es  wird  also  mit  Meineke  die 
Form  HatEoxXfiHivat  vorzuKiehen  sein,  wie  §  2  <5  xatEaxXrixw^] 
steht,  t>7toxeifievov  dtjfionxrn  xal  (piXuxEgdeJ  JtQeoßvTfj.  Da  der 
Begriff , Wucherer*  ausgedrückt  sein  nmss,  wird  statt  dtjfionxM 
zu  schreiben  sein  davEiatixu)  L.  mort,  d,  27,  7  BXi^iUiq  re  i 
davEiOTixog.  Schepers  hat  Xfj^ujtiarixcß  in  den  Text  gesetzt. 
Vgl.  auch  Plutarch  Agis  13  of  ^ih  TtXovatoi  xai  SavetanxoL 

1,  14  (1,11). 

Es  gibt  Krieg!    Es   droht  Gefahr,   dass   wir  ausgeiioE ^ 

'Werden.  Fliehen  wir  oder  bleiben  wir?  Die  Flucht  erscheint  | 
vorteilhafter. 

raxtframovaai  [L,]  anior.  ß  rax^raviovr  axätpog. 

2.  fpEvyo jitEv  fj  fiho/iEv;  Seh luss  eines  Pentameters.  Anthol.  | 
PaJ.  5,  74  epigramma  liufini: 

ärööoXoyovm  L.  Tox.  58  äi'dQoXoyri^h*tig. 

ix  IJEiQatojg  L,  pisc*  47* 

Zowiov  L.  bis  accus.  8. 

rsomorol  L.  Jupp.  tr.  25  ^t  FfgataroJ, 

foff  ngay/Adtoiv, 


über  die  Briefe  des  Bhetora  Alkipfmm, 


213 


I.  15  (1,  12), 

Ein  Fischer  bericbtet,  dass  er  einen  jungen  reichen  Athener 
mit  Herren  und  Damen  auf  dem  Meere  spazieren  gefahren  habe; 
die  Damen  machten  Musik  und  es  ging  sehr  lustig  zu.  Dies 
habe  ihm  den  Neid  seiner  Genossen,  aber  auch  ein  hübsches 
Stück  Geld  eingetragen, 

2.  bil  —  iff€üjgidü)v  L.  mort.  d,  10,  4  t{}v  €q:>£aTQidn  Char.  14» 
meretr.  d,  9,  1, 

lijv  aavida  L.  Jupp,   tr.  48  im  yvfivtov  nov  oayiöojy, 
xi)y  —  cti^dövn  L,  deor,  conc.  10  airdtimv. 

3.  ri/uv  di  —  //  a^rouddC^^at  Imtr  ov  dwafiivoig  rfj  eUfj 
&iQ€ndm.  iv  tofo  yao  xgv/^iot;  xal  Odkaxxa, 

So  die  besten  Handschriften.  Der  Sinn  der  Stelle  ist  klar: 
der  verwöhnte  junge  Herr  aus  der  Stadt  will  Schatten,  wir 
Fischer  aber  sind  um  die  Sonnen witrme  froh,  denn  KüHe  und 
Meer  sind  gleichbedeutend.  Die  verderbte  Lesart  der  Hand- 
schriften ist  also  entstanden  aus:  ^fitv  de  —  eoii  ßovko/ihHHg 
Tg  eUfi  ^igeaüat.  Zur  Erklärung  von  fart  ßovXofihoiQ  war 
Übergesch rieben  f]  oTtovödCerai  (=  unser  Bestreben  ist  es),  was 
in  den  Text  geraten  und  demnach  zu  streichen  ist. 

Tjy  EtXf)  9iQeoßnt  L.  Lexiph,  2  JiQ^g  lijv  etXriv  ^igeo^at 
(Schepers  liest  lUfj^  Seiler  eUfj), 

4.  jitQvoovQyoi  L,  galUis  11, 
hteHooTii  L.  mar.  d,  15,  3  al  NijQtjidas  —  iTTtxQOTovoai, 

5.  nav  ^vfif}diag  ävdtieatov  {jiav&vftTjdiaQ  ist  unmüghch, 
da  :täy  als  Subjekt  notwendig  ist  wegen  des  folgenden  TTlijv 
ifti:  denn  der  Sinn  ist:  alles  war  in  heiterer  Stimmung,  nur 
ich  nicht)  L,  rhet,  praec.  8  §v/ifjdi(^  xai  iQvtpfi.  Kronos  13, 
abdic.  5,  Plut.  Mor.  713  D  EVfpQocvytjg  küI  ^v^itidtag  jingovcffg. 

6.  oödk  yäg  oim  6Xiyoi  raw  öuoßimv.  Hiezu  fehlt  das 
Verbum,  das  offenbar  in  ovdi  liegen  muss,  wofür  irpdovow 
herzustellen  ist;  vergL  3, 30»  3  (p&ovovoi  dk  ol  nortjgoi  rmv 
ytttöyajy.  Vom  Neide  der  Berufsgenossen  Hesiod  i\  h,  fj,  25  f. 
L.  abdic.  32  Eaoov  vno  tviv  6^iozi)^vu)v  (piyoveXGÜat, 

ßaüKülviüv  L,  philops,  35,  navig.  17* 


214 


K,  Meiser 


I.  16  (1,13). 

Ein  Fischer  vertraut  einem  anderen  an,  dass  er  ein  Mädchen 
liebe,  das  er  heiraten  wolle.  Wie  kommt  doch  die  Liebe  zu 
dem  Armen? 

ßvOl^exm  L.  Alex.  13  ßvMoaq. 

2.  äyanrixü^g  jrjv  drayxatav  ixjioQtCovja  öiaTQoffijv  [h/\ 
amor,  33  äyojifptbg  foi'  afna  rä  dvaykäia  ovy^otilÜiBTo. 

iQCDg  —  ivxaHtk  L.  de  morte  Peregr.  22  ¥Q(ag  xijg  A6ii^g 

&alaTTovgy6g  L*  Herc.  1  öl  &QiatTovQyol  yiQovrsg, 

l  17.  18.  und  19,  (1,  14.   LS.  und  16). 

Ein  Fischer  bittet  einen  anderen  um  ein  altes,  zerrissenes 
Netz,  das  dieser  seit  4  Jahren  nicht  mehr  benützt.  18.  Ab- 
schlägige Antwort.    19.  Erwiderung  auf  diese  Antwort. 

Die  gestellte  Frage  ist  zweifach:  1.  Wem  gehört  das  alte, 
zerrissene  Netz?  2.  Auf  welche  Weise  ist  es  zerrissen?  Antwort: 
L  Es  war  vor  4  Jahren  Dein  Eigentum.  2.  Es  ist  an  einem 
unterseeischen  Felsen  hängen  geblieben  und  in  der  Mitte  aiM- 
einander  gerissen.  Also  kann  die  Frage  nur  lauten:  orov  sTrj 
xal  Ttva  jQOTioy  diEogajyog  äjioxioijo.  Das  dazwischen  stehende 
[ovx  —  jiaXmonjTog]  ist  Randbemerkung  eines  weisen  Lesei-s, 
der  überflüssig  und  pedantisch  hinzufügte,  dass  der  Riss  also 
nicht  etwa  durch  ÜberfQllung  des  Netzes  entstanden  sei  {ovx 
i^oyxovfierov^  dies  Wort  fand  der  Leser  in  Epistel  I.  1,4)  und 
dass  es  jetzt  auch  durch  die  Länge  der  Zeit  Schaden  gelitten 
habe  {tjdtj  dk  nal  f^no  ^gövot*  nalaidrrjrog).  Da  die  Handschrift  11 
änonpaf^ijvai  statt  dnoaxiot^h*  hat,  so  ist  diese  Randbemerkung 
wohl  abhängig  gedacht  von  al  dk  ^rpaoav.  Es  ist  sinnlos,  diese 
Randbemerkung  im  Texte  zu  belassen  und  irgendwie  emen- 
dieren  zu  wollen,  da  ja  der  Fragende  xon  vorneherein  nicht 
wissen  konnte,  auf  welche  Weise  da»  Netz  zu  schaden  ge- 
kommen sei.  Er  sieht  nur,  daas  es  alt  und  schadhaft  ist 
(naXntov  nal  tetQvxoy/ievov)  und  fragt  deshalb,  wie  es  in  diesen 
Zustand  gekommen  sei. 

2.  &fpdiqf  —  nhgq  L.  merc.  cond.  2  Jittgav  nvA  (ftpnior. 


über  die  Briefe  des  Ehetors  Alkiphfon, 


215 


18. 

Mlxövi;  ahexv  ydona^.  Statt  MIxoik  hat  der  Vat.  äoiixovg. 
In  diesem  Worte  liegt  also,  wie  auch  der  Sinn  2eif.(t,  ein  Fehler. 
Zu  dem  komisch  übertreibenden  Ton  dieser  Antwort  würde 
sehr  gut  passen  das  Adjektiv  dveffixrovg.  Durch  Auslassung 
einer  Silbe  scheint  daraus  ävixTovg,  dann  doiixovg  und  ädbcovg 
geworden  zu  sein.  Vgl.  3»  67  äveffinuDy  igav.  Soph.  Antig.  90 
a^tf}Xäro>v  i(jf}g,  L,  merc.  cond,  34  x^Q^'^  öv  fiixgciy  uhovof].  pro 
imag.  23  elxovag  äveqHxxQvq,  Tim.  71  IffiXTa  Ev^^'^di*  Hermot.  67 
ät'i(fHHiO¥^  72  iXjiidag  ävEfpixrovg  IhilCovta. 


19, 

Die  Erwiderung  auf  die  abschlägige  Antwoii  ist  ein  echtes 
sophistisches  Kunststück,  das  für  sich  wie  ein  unlösbares  Rätsel 
klingt. 

I.  20  (1,  17). 

Der   misslungene   Fischfang:    statt   der   erhofften    reichen 
Beute  wird  der  Leichnam  eines  Kameles  aus  der  Tiefe  gezogen. 
i^urvon*  L.  Tim.  22  o  ^v%'vog, 

2.  xbv  xohim  HXov  JiegieXdßofiey  (Ven.  nBQteßdXofim\  fehlt 
ei    Schepers).     Dass  neQiekdßofiev   richtig   ist,    zeigt  L,  deor. 

ri  20,  8    ^kov   7tEgi€tkf](pi   /iC. 

iinfAiOfA^a  L.  ver.  hist.  42  ihyirjodjtie&a.  evikTiidEg  L. 
Demon,   6  ngög  lö  /.iMor  Eveljiidag. 

eI  avXXdßotvTQ  fjjutv  xat  ovfAnovrjaatEv,  Soph,  Antig.  41  £^ 
^vfuioyf]OEti;  xal  ^vveQydöf],  oxojtet. 

3.  ^idycp  TioXkip  labore  multo,  das  vorzüglich  passt,  war 
in  keiner  Weise  zu  beanstandeü,    Hom.  II.  4,  27  Tdgtoaa  ßöyq). 

diiXfig  dyyktg  L.  catapl.  12  nigi  iMt}v  dtfdav  ver.  hist.  2,  32. 
bis  accus.  IL    Kronos  14. 

fwdiooav  ifdf}  L,  mort.  d.  14,  5  fwimvra  ^drj.  xal  cxm- 
Ifj^iv  Intßgvovaav  {xal  roXg  ox.  Vat.)  [L.  |  asin.  25  xal  roJg 
axo^kri^t  netpvQfiivt}.  xaxaymvl^sxat  L.  Jupp.  tr.  40.  ^Agt)V  xaxa- 
ywvi^ETOi. 


216 


K,  Meiser 


L  21  und  22  (1,  18  und  19). 

Du  liebst  eine  Sängerin,  wie  ich  höre.  Nirain  Dich  in 
acht»  das9  Du  nicht  auf  dem  Lande  Schiffbruch  erleidest  und 
die  Sfcylla  Dich   verschlingt! 

ineQjuaCf}^  ebenso  L.  navig,  15. 

2.  nal  ovH  äv  Ttore  ipcEivog  Eig  ^pevdfjyogiav  (hUa^rjaEv.  Da 
der  Sinn  sein  muss:  er  nimmt  es  mit  der  Wahrheit  genau  und 
hat  noch  nie  gelogen,  ist  für  ötix  är  note  herzustellen  ovnihmnt, 
Vergleiche:  1,23  ovnwjiors  —  vTiifiuva^  3,31  oijtmjtote  ek 
ä<nv  xataßdg, 

ydgor  [L.]  asin.  47  iv  yd^tp. 

eyteov  L.  Prom.  18   EyovjEg, 

ji6§Er  ovv,  eljti  ^loi,  jUGVOiH^g  oot ;  (sciL  ßtheanv)  [didro^ov 
xai  xQtoimTiKöv  xal  irag/idnov  ßiilog  lorlv]  ihg  <o)  avxiyg  ifpuontv 
änayyiXkdjv'  öuov  yäg  tfj  mgri  jrjg  naidiaxfjg  ^ydo^tiQ  xal  roic 
XQQVfiaoL  Das  von  mir  Eingeklammerte  [difitovor  —  fiiXog 
imir]  ist  augenscheinlich  lnieri)olation,  Randbemerkung  eines 
gelehrten  Lesers.  VgL  Flut,  de  muaica  32  igiatv  yäg  Svuor 
fiegcot%  etg  ä  Stfjgjjjm  Ttjv  xa96kot^  Ataigeoty  fj  naaa  fiovoostj, 
dtaTÖvov  ;|foa>/iaTOi^  ngjLioyiag  etc.  Plut.  sympos.  9,  14,  3  ui 
jiuXq^dovßui'a  yivf],  r&  didroyor  nai  t6  /ocu/iaitxAv  xal  t6  ivag- 
fidnop.  Boetius  de  instit.  mus.  1,21  de  generibus  meloruro. 
sunt  auteui  tria:  diatonum.  chroma,  enarmonium  (warum  also 
bei  Alkiphron  ^Ulog  in  yh^og  abändern?).  Älkiphron  würde 
ganz  aus  der  UoUe  fallen,  wollte  er  einem  ungebildeten  Fischer 
solche  musikalische  Kenntnisse  zuschreiben  und  diese  Einteilung 
in  den  Mund  legen.  Dagegen  konnte  er  wohl  einem  Fischer 
Kenntnis  der  Skylla  und  der  betreffenden  Odyssee-Verse  zu- 
trauen. Vgl,  L.  Char.  7  oV  /«»%C  oM'  afytov  dailhfitov  üytn 
fi€  i&y  'O^i^got* ;  Herrn,  xal  nd^t^*  ttv  i^^g  u  t (Itk  ixilwov  Miym 
yainf^g  AeI  xal  jtg6ax<üJiog  c5v; 

Meineki»s  ümsteUimg  der  Wort«  Ar  —  äMayyill<i3v  nnch 
>  lieint  nicht   notwendig.    Soda«   hat   d«ni  Euploos 

a  :.  ^  :  det,  daas  Tkalaaseroe  jetat  mttsilnJiaeh  ml  Daran 
Mohlidaisit  «ich  richtig  die  Begründung  <5/mm^  yi^  —  x^ov^tMi. 


über  die  Briefe  dett  Bhetors  Alkiphron. 


217 


Dagegen  hat  Meineke  wohl  richtig  tiyda&tjg  statt  des  band- 
schriftlichen rjodo&fjg  geschrieben.  VgL  L.  Charid.  16  oüto}  rt/c 
digag  Idihv  ^yda&tj. 

3-  r^g  tffahgiag  L*  bis  accus.  16.    y^fakiglag  l^^y. 

xataywYtoy  L-  phüops.  35* 

22. 

Deine  Warnung   ist  umsonst.     Meer  und   Liebe  gehören 
zusammen.    Ich  glaube  die  schönste  Nereide  zu  besitzen. 
r^C  ärÖQotJiöv  L.  Hermot.  73  fj  är§Qü)7iog  avit], 
2.  Tlavönji  L.  diaL  mar.  5. 
laXareiq L>  dial, man  1,  ver.  hist.  2, 3  Faiarelag  lijg  Nrigt^ldog, 


Bauerobriefe. 

IL  1  (3,  9). 

Die  missluugene  Hasenjagd:  eine  junge  Hündin  bricht  sich 
einen  Vorderfuss,  der  Hase  ist  halb  zerrissen, 
kayojov  L.   pisc.  34  deiXÖTEQoi  tcüv  Xaycoibv, 
er  rtri  ddjuvcp  — ^  drioxrjoa  Babrios  69,   i^dpvoi'  kaycoop  — 
äyaortjoag  xvojv  und  87  in. 

tpwkEov  Tivog  L.  Char.  6,  xal  uvag  q>o>X&oig, 

2.  7i€QiH€xtp'via  L.  merc.  cond.  3  okov  jieQixanov  jo  ÖikEag, 

loTr  TtQoa&iöiv  Jioöotr  L.  musc.  eoc.  3.  Toig  dk  nQOC&loig  dvalv, 

II.  2  (3,  10). 

lophon  teilt  seinem  Nachbar  einen  herrlichen  Traum  mit, 
wie  er  plötzlich  reich  gev^orden  sei.  Im  schönsten  Augenblicke 
habe  ihn  der  verfluchte  Hahn  mit  seinem  Krähen  aufgeweckt. 
{nngißFirj  L*  gallus  1  ijurgly^eie,  y,ax6g  naxcag  L,  philops.  20. 
^dvy  Öretgov  L.  gallus  1  f^dioTCO  dvElgatu 
Avaßoriaag  iSrjyetgev  L.  gallus  1  Avaßot^oag  inf'jyagag^ 
itf^ijtFo^ni  (ßrtEodm  Ven.)  L.   gallus  12  emorro  nkelovg, 

2.  daHtvlkov  L.  gallus  12  daxTvliovg. 
nokvtaXdvTovg  L.  Jupp.  tr.  7  jtolvrdlavtog  (öfter). 

3.  nQoxngtoaodm  L.  pisc.  23  ngQX€tgiOU>fiEda  (öfter). 


K,  Meiitr  ^^^^^^^^ 

fiEOovafj^  de  zfjg  ;|fftßOTOvfoc  L.  sjmp.  1   ^öovü^g  —  I^A^f 
T^c  pAxfl^^    Hermot.  16  A»  rcus  ;j£tßorai'6ifff, 
TtQfmdvfjQo^  L.  Tim.  13  (öller). 
qdaßta  L.  rhet*  praec*  11   (öfter). 

n.  3  (1,  24). 

Dor  Hagel  hat  uns  die  Saat  vernichtet;  hilf  uns  mit 
20  Scheffeln  Weizen  aus,  dass  wir  nicht  zu  gründe  gehen  ujOss^i! 

f)  x^^C<^  ßagiiog  ißjtneaovoa  L«  Ter.  bist  1,  24  Ifmsoatv 
av€/iog  —  xaiojtljnet  ^  x^^^^' 

did  andvtv  xeg^dtcov  Demosth.  de  falsa  leg.  153  )c^r//idTaiy 
^v  ojidyet, 

2.  avTcß  r(p  fdrgq)  xal  Imov  aus  Hesiod.  l.  x,  ^.  350  too 
Uerel  hergestellt,  die  codd.  haben  den  Akkusativ.  L.  imag.  12 
^vdov  Anl  fiv§ov  äuetipai  avrol  tro  fihofo,  (paoh,  fj  xal  koiiov, 

dg  m€v6v  L.  Hermot.  63  ovvtXavviig  ig  atevdy  musc.  enc.  4, 

n.  4  (1,  25). 

Da  der  Landbau  nichts  einträgt,  will  ich  lieber  auf  die 
See  gehen,  wo  man  reich  werden  kann.  Sterben  muss  man 
da  wie  dort. 

xäv  h  olxlaxip  rtg  airov  xadelgSag  tfjgfj  aus  Demosthenes 
de  cor.  97,  L.  Demosth.  enc.  5,  wo  ebenfalls  die  ganze  Stelle 
sich  findet. 

2.  iv€Qy6g  h,  Tim.  3  ivegy&g  —  6  xcQavvog  i}y.  ^  dfio^- 
^tl  —  &<pvKioy  L.  Jupp.  con£  1  negl  ttjg  il/mQßivfig  xal  tmv 
uoiQtbv  —  &<ffVHta  tlvm,    ibid.  3   fj   iluagfAev^  —  xal  ij   tvxfl- 

wxvfMQöi  L.  Char.  19  dßxv^ogov  t6  q^fiomm.  muse.  enc.  4 
d)x.  ovoa, 

fiQxgSßioi  L.  Macrob.  6. 

xatißUooav  L,  ver.  bist.  1,  12  xataßiü}Qta&£. 

3.  üjoit  —  ßaStov^tat  xal  —  cJ/iiifjoc»  L.  de«>r.  cK  7,  4  <3or^ 
ßadiQVfiat  dnoXfjyfdfitrog  (Naber  wtU  aueb  bei  Alluphroii  d/ii- 
Xfjaaiv  herstellen,  vgl.  3,  7,  5), 


die  Briefe  des  Rhetors  Alkiphron, 


219 


ve6jilovioy  L.  Tim,  7  6  vtojiXoviog. 
rl    zatg   —    loxanaTg    L,    Tim,  42    Jiäaav   jiQidfievog  t^v 
ibid.  6,  30. 

ii/Modeg  Hai  avx^^Qi^  IgvyydvEir.  Plutarch  751  A  (ama- 
torius)  äya<p&£yyo%'rat  tt  Xt/tajSeg  xal  oh^giiHov,  L.  ep.  Sat,  21 
Igvyydvovra  ibid.  28,  dvocodig  xi  xal  xQjtvoydioxBQov  iQvyyd- 
vovxiQ.    Alex.  39. 

IL  5  (1,  26). 

Ich  bin  einem  Wucherer  in  die  Hände  gefallen;  vor  diesen 
Wölfen  mögen  mich  künftig  die  Götter  bewahren! 

loxoyXvqoi  L,  Menipp.  11.  toKoylv<poi  —  thxQoi  xai  tiqo- 
ydatoQBC  xal  nodaygoL    vit,  auct.  23. 

^Bvayt}oavt6g  jui  rivoc  L.  pisc.  12.  ^n*aytjoavr6g  nvog  Char,  1. 
ierayi^aetg  —  /i£  Scyth.  4.  mort.  d.  18, 1. 

2.  (iiHt'ov  L.  bis  accus.  16  ^txvig  lö  ooj^ia.  Anach.  25 
§ixvol  xal  HaxBoxXfix6xtg, 

ovvEüTtaxöxa  xäq  ötpQvg.  L.  vit.  auct.  7  avviojiaxE  xdg  örpQvg^ 
vnd  —  ot]xmy  ^ßißQcoxa  L,  ep.  Sat.  21  vjjo  ot]x<ov  öiaßQOJ^ 
&ivxa, 

ifffäav  fjyovfitvoq  L.  Lexiph.  24.    C^fihv  fjyfj. 

3.  Aihixvev  evdiüig  L.  merc.  cond.  30  xaxeq^Qovfiaev  ev^vg 
xal  dtijnvüE, 

xijv  ovolav  vTioxi&aßivog  tj  eaxi  ^ioi.  Statt  ovoiav  schreibt 
Schepers  mit  Hermann  olxlav.  Allein  ovoiav  ist  dem  Sinne 
nach  besser  («mein  ganzes  Vermögen**,  nicht  bloss  das  Hans!) 
und  steht  auch  bei  Deraosthenes  contra  Timotheum  12  p.  1188,  1 
vnoxi&f]oiy  avxoig  xi]v  ovoiav  und  contra  Polyclem  7,  p.  1208,  13 
vjto&elg  di  xi^v  oioiav  xrjv  l/iovrov  {^^  Fj  iaxi  fxoi  bei  Alkiphron). 

n.  6  und  7  (1,27  und  28). 

Anikeios  beklagt  sich,  doss  6r  bei  Phoibiane  trotz  aller 
Geschenke  keine  Gegenliebe  finde. 

ovxmg  5Xov  fi£  avxfj  .  .  .  xaid  xijv  jiagatfiiar  dvarghi^aoa 
^Xev€tv  ijiijvdyHaoag,  Das  Sprichwort,  auf  das  hier  Bezug 
genommen  wird,  lässt  sich  nicht  nachweisen.    Aber  mit  Recht 


K.  Meiser 

hat  Meineke  nach  atT;}  eine  Lücke  angenommen.  Er  wollte 
avrfi  (oxdfpfi)  ergänzen.  Doch  würde  dies  eratens  eher  für 
einen  Fiacherbrief  als  für  einen  Bauernbrief  passen,  zweitens 
achliesst  sich  an  den  Gedanken  ,cum  ipso  alveo  ut  atunt  me 
subvertisti*  nicht  gut  Sovktvfiv  ijitjvdyyMoac  an  und  drittens 
sagte  man  in  dieser  Verbindung  nicht  ovTfj  oxdfpjj^  sondern 
amro  oxdqiEt.  So  Anaxilas  in  seiner  Neottis  (Athonaeus  13,558  A); 

7J  ök  0gvvti  T^v  Xdgvßdiy  oi^l  nÖQQm  nov  noitl,  t6v  le 
vavxXf)gor  Xaßovon  xaxaniTimx'  avitü  andtpei;  L.  ver.  hist,  1,  33 
avr(o  a>td(p£i  —  xaianodevtEg  und  Alkiphron  selbst  sagt  1,2 
rifiä^  avTO}  axdtpei  (vgl.  L.  ver.  bist,  1,  30  fj^äg  avrfi  vrjl  xaiinttv). 

Für  einen  Bauem»  der  mit  Tieren  zu  tun  hat^  scheint  mir 
eher  zu  passen  der  Ausdruck  Qvrfj  {dogrj):  ,Du  hast  mich  ganz 
mit  Haut  und  Haar,  wie  es  im  Sprichworta  heisst,  in  Deine 
Gewalt  gebracht  und  genötigt  Dir  als  Sklave  zu  dienen/ 
dvatghiEtv  ist  vom  Hahnen-  und  Athletenkampfe  entlehnt;  s. 
Bergler  zu  dieser  Stelle.  L.  de  sacrif.  13  inidtixe  tpigtov  airrß 
doQfJ  T/y**  alya.  Plutarch  sjmpos»  6,  1  rar^^oi*  —  xaraxdif^avieg 
aviddoQov  öXoxavrovaiv, 

Statt  bni]vdyxaoag  war  aus  der  ältesten  und  besten  Hand- 
schrift B  xaxiivdyxaoag  aufzunehmen*  L.  mort.  d.  1 2,  7  (pvyuy 
xarijvdyxaoa.   tyrannic.  18.   vit,  auct.  9.    Anach,  15. 

7. 

Phoibiane  weist  den  verliebten  Alten  mit  derben  Wor 
zurück. 

i^dnivfjg  Imardg  [L.]  aain.  26  iBakpvfiq  itplmatm  nX^&ag 
üTgatKüitm*. 

ti}y  digrjv  AvaxXdoag  xvaat  L,  meretr*  d.  3,  2.  ävaxldaaQ 
i6y  at';ffFa  ifj^  ßatdog  IrpUrjoev, 

raldyiQTov  Aristoph.  Plut.  684  und  1060  laidrrax^  di*^^d>y. 

YeQ6vnQv  L.  Menipp,  21  (uft^r). 

naoöjv  —  i)/^g  L.  deor.  d,  6,  1  fitifv  —  InuQa  xtvd\ 

fd^  hfi'  fßtxlag  äy^ovcag  [L.j  amor*  3  fie^ä  natiotr  tö 
xaX6v  äir^vytujv. 


über  die  Briefe  des  Bhetors  Älkiphron, 


221 


2a  i^y&g  —  7tQoioiäiLin'o<;\  mau  erwartet  das  Adverbium  ägyrng, 

iiitüaai^^  L.   calunin.  10   dri/twg  ^ieojorai. 

taxegov  ßlEiiaq  [L.j  amor.  14  raxegfU'  n  xal  ^iov  h  iol<; 
S^ptact  TiA&oq  &vvyQiimoi%  ibid,  3  llagal  ra>v  u^ißtätojv  al  ßoXal 
xaxiQmQ  drvyQahorxo. 

AraorivBii  zu  dieser  Verbesserung  Bergloi's  ilir  das  hand- 
scbriftlicbe  ävanvitti  vgl.  L,  deor.  d.  6,  2  von  dem  verliebteo 
bdoni   6  dk  xal  Eoteve  xal  ImeddHQve, 

KiQHoyf  ädkie  L.  Alex.  4  TfJ>i'  inl  xaniq,  dtaßoTJrmv  ängo- 
Taj<K  äjieieXio^ri  vjieg  xovg  KtQxionag, 

IL  8  (3,11). 

Drvantidas  macbt  seinem  Weibe  Vorwürfe,  dass  sie  dem 
Landleben  untreu  geworden  sei  und  die  Stadt  vorziehe,  wo  sie 
mit  den  putzsüchtigen  Frauen  wetteifern  wolle. 

2.  äsiihkio^E  fiov  lijg  ^vrifo^q  xä  TilBtova  L.  sonin,  8  tu 
niewta  ydg  fiov  lijv  fivrifxtjv  f}dri  öiiffvyer, 

3.  ov  aajfpQovEig  —  ovdk  ifyiig  rt  ^larojj,  älXä  äfnXXäGai 
h  rmlg  iatiHnTg  xaviawL  Die  einfachste  Herstellung  dieser 
fehlerhaften  Stelle  gewinnt  man,  wenn  man  nach  dtavof^  Komma 
Stützt  und  aiuXXiiot^at  schreibt,  so  dass  dieser  lofinitiv  von 
itQvofj  abhängt,  wie  dmvoeJo&m  mit  Infinitiv  konstruiert  ist 
1,11.  3,70.  iv  ist  nicht  zu  beanstanden,  denn  es  gibt  den 
Kreis  an,  in  dem  sie  mit  den  Schönsten  wetteifert  („Du  hast 
nichts  vernünftiges  im  Sinne,  sondern  zu  wetteifern  unter  diesen 
Stiidterinnen*). 

vno  rgvipijg  Aiaggsovaaig  L,  moit.  d.  11,4  diBggvTiHÖreg 
{fjxd  igvtpfjg, 

rö  ng6aa)nov  iTttnXaojov  L,  mort.  d.  27,  7  imb  —  <\axQvmv 

[doKüv, 

qyvHU  yäg  xai  yn/iw&lq)  xal  naiMgayxi. 

xal  Txmdigfüu  om.  B  vortrefflich!  Denn  wozu  soll  nach 
Erwähnung  der  roten  und  weissen  Schminke  nochmals  rote 
Schminke  erwähnt  werden?  xal  naidegwn  stammt  aus  1,33 
cfc  ro  fpvx6€  fi£  Kai  röv  Jiaiöigtoxa  loxmnxev.  Es  war  über 
tpma  übergeschneben  oder  an  den  Rand  gesetzt  und   ist  so 


K.  Heiser 


in   den  Text   geraten.     Vgl.   L>  pisc.  12  ynfiv&tov   xal  tpBxog 

hist.  conscr.  8  ^vxtov  —  xal  yn^iv^toi*  epigr.  88  o^^nme  tptjxog  \ 
xal  tiHfiv&o^  tEv$n  Tjjv  ''Exdßfjv  ''Ekiv^v  tnerc.  cond.  3?t  rfwxo^\ 
[L*]  amor.  41  tö^  ivamxvvxovQ  Ttngeidg  igv&alpcn'otv  tnixgiürod 
tpvxBotv.  Drei  Glieder  finden  sich  L.  adv.  ind.  23  tpifiv9tov  xai 
fiamiy^  xal  <pvxo^^  olq  vfuiq  xoo^biü&e.  Da  aber  jnaorix^j  keine 
Schminke,  sondern  nach  Suidas  eiue  wolilnechende  Salbe  be- 
deutet {Eldog  ftvQetptxov\  iat  die  Wortstellung  auffallend  und 
es  wird  wohl  araznstellen  sein  fiaoitxf]  xal  yn^iv^iov  xal  tpvxo^. 

devooTioiovöt  L.  imag.  1 6  devooTToioit;  xtm  ^QQßdxotg.  b.  accus.  R 

xh  ^v^fta  L.  Lüxiph.  2  ^rft^axa, 

U,  9  (3, 12), 

Pratinas  teilt  seinem  Freunde  mit,  er  habe  jtlngst  die 
Beobachtung  gemacht,  dass  seine  Ziegen  die  Musik  lieben. 

<pdtivE/nov  —  Tiirw  Plut.  sympos*  5,  1  (^  Tiirvg)  tpUfjvE^Ac 
iojiv  &anig  i)  §dXaaaa, 

ßj^ovoixfjg  ijta<ptjono9at  h»  meretr.  d.  12,  3  inaq^wfuvog 
Tov  toixov. 

2.  TOI' '/Wojvav  B  allein;  tiusgezeiclinete  Lesart,  die  anderen' 
Handschriften  laFc  ^dovaU.  Den  Edoner  =  Thraker  =  Orpheus 
(Sohn  der  Kalliope). 

javxd  Goi  iivv  evayytXi^o^tai  {aot  Schepers  statt  of)  h, 
Icarom.  34  rofe  —  negmaxovöi  —  nrrn  Ttwta  eiyayyeXiovfiefog»' 
philops*  31  tiayy£liC6^ierog  avrtß» 

abtdXiov  L.  catapL  8. 

n.  10  (3,  13), 

Ein   dreitägiges  Unwetter   bat   meiner   Hände    Arbeit   2a| 
nichte  gemacht;  ich  rausj»  einen  anderen  Beruf  ergreifen,  viel- 
leicht ändert  äich  dann  auch  mein  Öeschick. 

ix  tijg  —  fpdgayyoi:  h,  Prom.  1   ifnig  r^c  tpigayyo^. 

2*  h  tQuQ  fjßiioa^  xal  %*vHxa4  foag.  h,  ver.  hist.  2»  1,  ^^iiga^ 
fih  btxA  xal  iaag  itJxra?. 

Iavv  L.  ver  hist.  1,31  ix  rijff  üt?oc. 

ta64tsia  [L.]  Nero  4  hunidot»^. 


ober  die  Bnefe  de$  Wietors  Älktphron. 


ä23 


3,   tI;  äv  —  Jiovolr]  ^dii/i'  L,  deor.  d.  21,  1  fitÜTri^  navr]aeTE. 
XQQQÖuHüjr;  L.  navig*  4  xa^adoHelv. 

jU€raoxt]fi^'f^C^o^m  h.  pro  imag,  9  /iFtanj^fj^uauoetv  [L.] 
Ualcyon  4, 

IL  11  (3,14). 

Halte  Dich  fern,  mein  Sohn»  von  den  Schwätzern  in  der 
Akademie  und  werde  Hober  orn  tüchtiger  Bauer  wie  idi! 

Xaio€iv  dazu  komnit,  auffallend  weit  getrennt,  erst  in  der 
Tierten  Zeile  iüoai;  nach  linTTj^evovrai:,  aber  om.  B.  X'^^Q^^^ 
iät*  i>der  iär  x^uonr  wird  fast  immer  unmittelliar  neben  ein- 
ander gestellt;  Phitarch  z,  ß.  hat  es  22niaJ  verbunden,  nur 
2  mal  durch  wenige  Worte  getrennt  (in  den  vitae  p.  610  D 
laigeiv  tÖv  vofiov  inong  und  1034  E  yaiQUv  /th*  \inoißia, 
Xalgiir  de  tovg  yAfwis  f/wac).  An  unserer  Stelle  wird  also 
Moag  ;^a/^«y  zu  schreiben  sein.  Nach  fpoorth  ist  wohl  Idaaq 
ausgefallen  und  dann  an  unrechter  Stelle  in  den  Handschriften 
eingesetzt  worden.  Alkiphron  scheint  folgende  Vorbilder  im 
Gedächtnisse  gehübt  zu  haben:  Plat  Euthyd.  307  B  ^daag 
fuiQ^iv  loiK  iniTfj^rvovran;  fpiXonorflnv  L»  gallus  fi  hi  x^lgitv 
ih/t  Ifjgov  Ixiivov  ncnjrijy  ovdkr  eldörn  ArsigtüV  negi,  deor. 
1  4,  3  TidvTQ   ;faf|Of ef   ia  meretr.  d.  1 , 2  rovrof^  Ak   xalQBiv  &, 

ßin^tpiUc  [L.]  ainor,  51   ihcotpelkc  ^gäy/ia, 

ta   fieriüiga   dk   noXxmQcty fioveXv  L.    Icaroni.  20   nuv   t^tXo^ 

ov  — ,  oh  ovÖEV  hegth*  iartv  Foyov  Tj  ui^ta  (seil,  ra  ii]g 
^BXtjyfjg)  noXvngnyfioveTv  (öfter). 

iianovovvTi  L.  An  ach.  15  dtanovelv  tb  a^fia  (öfter). 

napoJiiQfuag  L.   Herntot.  61  navoJTegjnh   ng. 

äfitpogag  L.  ver.  bist.  1,  9  i\^(pogia<;  (öfter). 


n.  12  (3,  15). 

Leihe  mir  Körbe  für  die  Ernte,  ich  kann  Dir  dafür  mit 
tien  aushelfen:  xoira  rd  xtuv  tplXwv, 
ö  jgvyfjTog  L.  philops.  22  d^tpl  tgüy^jUiv, 
oÖH  ik  pioxgAv  L.  somn.  10*    Prom.  20. 

16* 


224 


K,  Meiser 


Tii^ikxvia    (so    Bergler    statt    m^'^dxia)    L,    bist,    conscr.  41 
i^(ptXöx^()tiv  L,  bist,  coDScr.  1   i^tfiXo^^WQovofjg  riyc  *Av6qO'  j 

n.  13  (3,16). 

Eine  Mutter  rät  ihrem  Sohne  seine  Schwärmerei  für  ilen 
Soldatenstand  aufzugeben  und  das  ruhige,  sichere  Landleben 
vorzuziehen. 

xtnbv  xal  däq^vag  xal  ^VQglvag  h.  hist.  conscr,  19  ;tf<rTOt?j 
xal  fiVQQlvrjg  xal  dd(pvfig  —  avfi7i£<pvx6twi\  iud.  voc.  9  fdci 
/WQQlrag,  ^ 

änoiyXi^^ag  L.  iud.  voc«  2  äjioi^Xl^fEL 

ßödXag:  L.  diss.  cum  Hes.  4  ßddXXttv, 

2.  *ÄHaQvdv   L,    meretr.    d,    1,  1    riv    oTQaimrrjv    —    tö 
*ÄxaQväva. 

3.  ov  Xdxovg  —  ov  tpdXayyag  L.  Bacch.  1  i}  f^h  <pdX€ty5^^^ 
xal  Ol  Xöxot, 

ytjQOHd^og  L.  Tox.  22  yn^goxo^lv. 

iv  äfi<ptß6X(p  L.  mort,  d.  1, 1. 

Merkwürdig,  dass  B  an  2  Stellen   einen  verkürzten  Text 
hat:   om.  ßddXag  id   afyidta  und  äygf^v  —  äjiarcävjj.    Scheint  i 
absichtlich  verkürzt,  da  auch  di  nach  xQdrovg  fehlt. 


n.  14  (3, 17). 

Ein  Bauer,  der  in  die  Stadt  abgeschickt  war,  uro  Geachiir 
einzukaufen»  hat  die  Nacht  bei  einer  Flötenspielerin  zuge- 
bracht, dass  er  verspätet  heimkommt.  Er  schreibt  dieser  einen  ^ 
Absagebrief. 

xataxotptiaaoa  (B,  Ven.)  L.  ver.  hisL  2,  34  Koroxoi/ifJ- ] 
aavreg  cod.  Mutin.  (die  anderen  IIH.  xaraxot^ionviig ^  wie! 
Cobet  auch  bei  Alkiphron  xajQHOtfuaaoa  hei^telleu  will).  VgLj 
[L-]  asin.  6. 

ßoadvv  dniqn]vag  Soph.  Aias  739  iqdv^v  iyä)  ß^MgA 
id  xegdfUin  CHtvrj  L.  gallui«  14  t&  xtga^ieovr  tQvßXtar,  SjrzQ^j 
pDs.  14  7tüv  xegofu^*    Uermot.  65  x^qdfuov. 


über  die  Briefe  des  Bhetors  Älkiphron, 


22ä 


2.    fyäi   dk  6   ;u^i^oot5c  L,  pro  lapsu  1    iyo}   de   6  ;|fgi'OQi>c. 
x€stavloi'}fievo^  h.  bis  accus,  17,  de  salt.  2.    Phal.  1,  IL 
änu%  L.  philops.  14. 
Ti  na^t^iyt^Eg  ebenso  L.  catapL  12. 

xax6%*  Ti  —  TtQooXnßovoa  änikivofi  L.  Tim,  34  änlm^iEV  — 
fi^  it  Hanor  dnildoj  ngoalaßciv. 

n.  15.  und  16  (3, 18.  und  19). 

Eus-tachys  lädt  seinen  Freund  Pithaknion  zur  Geburtstag»- 
feier  seines  Sohnes  ein  mit  Weib  und  Kindern,  Taglöhner  und 
Hund.    Es  werde  sehr  lustig  zugehen. 

yevima  iograCtov  L.  Hermot.  11  yevi&lia  {^vyaTg6g  iart- 
&vti,  gallus  9  '^tymg^g  rtjfUQov  iorm  yevi^Xta.  deor.  d.  20,  16 
iogrä^etr  —  rovg  yäuovi;  (öfter), 

TtavSataiav  h.  inaag,  15  iogrtjv  —  nal  Jiavdmolav, 

naganakm  L,  rifc.  auct*  27  fi/4äc  —  7iagaxaXovfiey\ 

2.  xrjg  hXaxf]^  L,   philops,  24   vXnxrjg  dk  rjxovoa. 
änoaoßovoav  L,  pro  i mag,  29  aTioooßüK    navig,  4  änoooßmiK 
inißovXEvovraq  xo7g  7i otfiviotg  L.  mar.  d.  2,  2  ijiißovXEvovrag 

ijjlov  Sti  töig  jtotjuvloic. 

3,  fidX^  fjÜmq  L.  bist,  conscr.  11  ^tdXa  f^iv, 
xoghaxlLttv  L,   Baccb,  1  xdgÖaxa  dgxovfihovg, 

t6  xot%'6v  om.  B:  scheint  absichtlich  abgekürzt  zu  haben. 
^wxaycnyfjoEt  [L,]  asin.  48  y'v;faya>5'«>'  övrdv.   ibid,  11. 
ßiil  fiiXXe  ol^v  ebenso  L.  pisc.  28. 

iy  ralg  xat^  ^^*XV*^  iogtaig  L.  syrapos.  10  xi)»-  eüxiatoTdiiiv 
logjTjv  äya)v, 

16. 

Pithaknion  nimmt  die  Einladung  für  Weib  und  Kinder 
er  selbst  sei  verhindert,  da  er  einen  Dieb  erwischt  habe, 
er  mit  seinem  Hunde  bewachen  müsse  bis  zur  Ankunft  der 

10  Hilfe  gerufenen  Dorfbewohner,    Sein  Taglöhner  sei  krank, 
xotvannxdg    L,    Tim.  56    Tf7>i'    St'tfov    xoirojvixdv^    piac,  35 

X0tva>vixov  Elyai  deiv. 

qiditmgog  L.  Tox.  7  tö  maxöp  xal  ^tXhatgov. 


226 


K,  Mmser 


övmo   oaviov  nal  x^g   ywamög  L«  merc,  cond.  34   ofifcucj 
Sraio.  Icarom.  20.  meretr.  d.  4, 1  ps6udol.22  övati  ya  tf}^  etmXelag,^ 
nlcojta  L.   Tox.  57  xAcojicc. 

tfcogaoag  L.   PhaL  1,  4  ffU}Qdaaft&g  Tt)i^  imßovhir, 
IxetXriv  L.  Jupp.  tr.  31   Ixhhjq. 
tovg  xojfifjTQ':  [Ij.]  asin.  26  ol  dk  xtofiijtai  li^  uTtv  xojfArjrS!^ 

2.  7(0  X^*Q^  lni(ldlhty  (nrol  L.  Tini,  4   «('rnl   aoi  rdc  X*^U^^ 
—  ijttßeßlf]XQatv. 

dgiftv  ßXijiet  L.  sjnipos.  16  dgifw  —  ßiina/v. 
0<pQiy(jjyTQg  [L.]  aniar.  12  vti*  dxjufjg  affQtycbvm 

3.  jfjg  ÖiyJkhig  L.  Tim,  12  dixEklav  (oft). 
xai€0Hk7}Hn  L.  galliis  29  Haximih}HSv  SÜog, 
TtUöt*^  ^dv  h*  raig  x^Q^^^  L.  somn.  6  t<ij  x^h**^  tvXcov  dvd.-jlftSgi 
i.eJitüTEQOv    [L,]    asin.   43    kEJtrnc    orr    nurv    ylyvofuu    xal\ 

ßialancäg  i^^t  ebenso  L.  door.  d.  *>,  1.    guUu»  0. 

II.   17  (3,20). 

Ein  Bauer  erzahlt   von   einem  Tasclienspieler,   den   er  h 
Theater  in  der  Stadt  gesehen»   und    wünscht,   dass   ein  Holcheri 
Unmensch,  der  alles  verschwinden  lassen  könne»  nie  aufs  Li) 
kommen  möge. 

bnon^avra    tiiv    Srov    [L.]    ttäin.  16    rov   —   övov   xal 
Ttuiot  inlöälm*  L.  Baech.  3  rohg  Ikiqfaviag  intod^arrtg, 

Ttaid&ag  ebensii  L.  vit  auct.  19.    plsc.  41  jtakd^hiv  h^dötov.^ 
xatayaydvta  (seih  ffc  rijv  AyaQdv)  braucht   wie   das   latcii- 
nische  deferre  (zu  Markte  bringen)  keine  nlihere  Ortsbestimmung J 
Ttüv  iivi  yrrngifitiiv  äyei  fiF  ng  kaßutv  so  B:  statt  Tivt   wirdi 
//Ol   zu   lesen  sein    »einer  von   meinen  Bekannten'^,    VgL  Plut. 
sympos.  172  A  lün*  ovv  yvotgi^toji*  rtg  —  Honötoy  ßs  —  ixdk^aeJ 
2.  dxar/fg  L.  Icarom,  23  Flart^xnv  —  dxnvi)g, 
ävavdog  L.  ver.  bist.  1,  33  äravdat  naoiartjx^otiv, 
V7i6  tnvimg  l<fxe^$  L,  pi«t€*  29  ^Wi  aoi  ox€Jt6fitvo^. 
kevxd  xiva  xnl  ßiikga  xal  mQnyyvkn  kiHStn.    An  dieser  Lll 
der  IliinUsch ritten  ifet  nicht  da^  gerin g??ie  auszusetiien.    Schi 
hat  flinh  durch  Hir»ch!i?  zu  wiUkUrlieben  Änderungen  verleiteu 


Es  heisst:  ^einige  weisse,  kleine,  runde  Steinchen*';  es 
erden  wobl  mehr  als  drei  gewesen  sein,  die  Zahl  der  Steinchen 
ganz  gleichgültig.  Ebensowenig  ist  tnxod  bei  XtiHöta  zu  beau- 
indon.  Alkiphron  gebraucht  mit  Vorliebe  aus  der  Sprache 
der  Komödie  die  Verkleinerungswörter  und  Koseformen  (so 
gleich  im  ersten  Briefe  xalvßiov,  xopLudxiov,  oxarfMtor,  TiQtdtov)^ 
^^ber  die  Verkleinerungsformen  werden  nicht  mehr  als  solche 
^Hmpfunden.  Daher  sagt  auch  Lukian  hist.  conscr.  4  ngdg 
^^MHid»  u  iii}idiov  ngoaTitaioavTa. 

^^f^     ktl  tatt;  ^p^^aig  L.  mar.  d.   13,  1   tieqI  rac  öx^dc;. 
^^       Auch  ävevQioHOftev   hätte   Schepers  belassen  sollen;    denn 
wenn    wir   weisse,   kleine,    runde   Steinchen    sammeln    wollen, 
müssen  wir  allerdings  erst  suchen. 

3.  Das  handschriftliche  Tot'ra  (nämlich  ra  Xi^fflia)  mit 
Heineke  in  zaviag  zu  verwandeln  war  ungeschickt,  weil  da- 
durch die  Zweideutigkeit  entsteht,  dass  tamag  sich  auf  Tiago- 
y*ldac  beziehen  könnte.  Auch  die  weiteren  Änderungen  des 
^^extes  scheinen  mir  durchaus  vertehlt.  Ich  halte  die  Über- 
^Beferung  ftlr  ganz  richtig.  Die  Steinchen  waren  zuerst  unter 
^Ben  3  Bechern  verteilt  {{fnö  xat'Tai^),  dann  brachte  er  sie  in 
^^inen  Becher  zusammen  (xarä  ^tfav  —  miQOfi*ldn),  dann 
zauberte  er  sie  unter  diesen  einen  {vjrd  ifl  ^Hf}\  dann  Hess 
er  sie  ganz  verschwinden» 

xtnaßgox^taag  L,  Prom,  10  xaxfßQdyßtoej*,    Nach  tU  fdnov 
muss  (rcüF  ynjtpojv)  ausgefallen   sein,    daher  r^v  /<e>'  —  r?)v  Ai 

tmig  —  EvQvßdif}v  L.  Alex.  4  irniq  t6v  El^Qvßarov,    Schon 
i  Plat.  Protag.  327  D  eI  ivrvxon  Evgvßarq>. 
rävdov  [L,]  asin.  47  laxoJiovrTo  lävÖor. 
(pgovda  L.  merc.  cond,  24  (pQovöa  jidrra. 


U.  18  (3,21). 

Eme    Bäuerin    klagt    ihrer    Freundin,    dass    während    des 
lufenthaltes  ihres  Mannes  in  der  Stadt  der  Wolf  durch  Schuld 
trägen  Taglöhners  ihr  die  schönste  Ziege  geraubt  habe. 


228 


K  Mfiier 


rghrjv  tavxrjr  ^pii^av  ix^ov  h  äotch  statt  l'jfaw  mvm  < 
äywv  heissen:  s,  zu  II.  30  (3,32). 

&t]TEikop  Jiag'  (jfuv  L.  mort.  d.  15, 1   Otjreimv  nagd  xtvt. 
3-  HQEfu]oEnii  ebenso  L.  fugit.  31. 

a  19  (3,22). 

Ein  Winzer  schreibt  seinem  Freunde:  Eine  Fuchsfalle  stellt« 
ich  auf,  weil  die  Füchse  die  Weinpflanzungen  schädigten,  aber 
statt  des  Fuchses  gißg  das  Malteserhündchen  meiner  Herrin 
in  die  Falle  und  verendete.  Da  mein  Herr  ein  Tyrann  ist, 
der  mir  dies  nicht  verzeihen  wird,  muss  ich  die  Flucht  ergreifen, 
um  mein  Leben  zu  retten. 

Tfic  oxa<pvXdg  —  jag  gayag  [L.]  Macrob.  24  ^äya  CTa(pvl^g 
xaxamwv. 

öXoxlrJQOvg  [L.]  asin.  33  öX6Hlf}Qog  —  vengA^.  L.  philops.  8 
iv  6loKh]Qcp  TOJ  avTov  öiQ^iiajL 

tohg  ßfhovg   [L.]  amor.  12   ä^meXoi  jivHVotg   —   ßdtgvmv^ 

xaxf]yyiXXav  L.  paras.  39  natayyiXXEig. 

2»  yvmfiidta  xai  jtQoßovXev^diia.  L.  paras.  42  yvcofildta 
xal  TtgovßovXiv^idjta  mfVTf&h'iig, 

im  ri]g  Jtrvxog  [L.]  amor,  29  h  nrvxi  (öfter), 

did  oHQiötfiia  tgöjiov,  L,  Tim.  44  tov  tgdnov  &i  yymgiofuna 
—  %gaivi}}g  xal  oxaidtuji;. 

detvörr^ra  gi^ftdimv,  L.  bist»  conscr.  58  r/yr  xmv  X6ymv 
diivdxfjxa, 

htl  Tohg  Mexa  L.  bis  accus.  5  nagadodelg  roTg  lydixa. 

3.  Meltxftlov  xvvtdiov  ebenso  L.  sympos.  19. 
ä&vgfia  h.  mar*  d,   1,  5.    d&vgfidTwv  ägxxov  oxvlaxa 
ngoofjric  L.  imag.  13  ijdvQ  xal  ngocfirfjg. 
ItXveiag  ebenso  L.  Tim.  55  (öfter). 
xilxat   —    ixtddtjp   t*iHg6v    fj&f}   jiwdfjüQv   h,  mort  d.  7« 

ixiddfjv  ixeifitjr  —  vicxgog  mort,  d.  14,  5  fi^i*  ymgiv   —  /xrrf 
ihiv  Hctfievor  ftvdwvxa  ijif]^ 

dy  rc  L«   An  ach*  21    draggt^!  '    ;'). 

4.  ,  }7irt)  L.  deor.  d*  14,  1   xi  tr*ftfr). 
nvyyvt^Hf]  Tj.  m<*rc.  oond.  8  cvyypiifAii  (dfter). 


Ober  die  Briefe  deg  Metors  Alki^wm,  229 

Xaighw  6  äygog  xal  rä^d  ndvta  L.  gallus  33  x^^Q^^  ^^ 
XQvmov  xal  rd  dihira  (öfter). 

€oga  ytiQ  owC^tv  L.  deor,  d.  20,  1  coga  M  —  dmivm, 
Soph.  Aias  245  (oga  —  JtodoJv  xXojiär  dgio^aL 

IL  20  (3,  23). 

Thallos  macht  seiDom  Freunde  frisch  gewonDene  Honig- 
waben zum  Geschenke. 

tQvyäv  h,  catapl.  20  tk  —  xgvyijüei; 

xaQjic^   dnodgiTiio^ai  L.  ver,  hist.  1 ,  8  dginsü^m  —  rov 

djiwtßf}  Slxaiog  [L.]  asiii.  27  dfiotßfj  Tfj  dixair^. 
xä  afirivf)  L.  Char.  15  xoXg  ofiffveotv. 
olfißlovg  h,  epigr,  12  fiihaoa  jiokvTf>f]xotg  M  nl^ßXoiz, 
bno  xfj  7ihof/i  L.  Tim.  10  jieqI  rfj  jiexQq. 
HfiQla  L,  Demon.  52  xd  xTjQta, 

ngtüxov  fiky  —  ^nena  (ohne  ds)  war  aus  B  aufzunehmen. 
dnfjQ^ä/^irjv  —  dnufj^^o^iat  L.  de  dea  Syr.  60  djidgxoyxai. 
2.  elg  vioiTa  L.  Tim.  52  yafAm  —  ig  vicoxa  (Öfter). 
ßiell^ai   xovTCüv   f}   xal   fjdlova   80  B,  Ven.     Eine  Änderung 
^dieses  Textes  war  unnötig. 

U.  21  (3,24). 

Philopoinien  klagt  über  einen  nichtsnutzigen  Sklaven,  der 
ihm  die  Ziegen  teils  verkauft,  teils  geschlachtet  habe  und  aichs 
wohl  sein  lasse.  Wenn  er  ihn  erwische,  werde  er  ihn  mit 
chweren  Strafen  wieder  an  ländliche  Genügsamkeit  gewöhnen. 

IvHov  ioma  xgitpetv  Soph.  Antig.  531  iog  t^tdv^  vq^Ei^ivfj  \ 
lf}9ovoa  /i*  iitjxtvig  öi'ö^  i/uirt^avor  \  tgf^^tüv  öv^  6xa,  L.  Tim*  8 
o^  ovvUi  xdga^i  nal  kvHOig  ;|ja^(to/i£ro^. 

2,  Tfjg  ngaindlfig:  l^nmlaxat  L.  pro  lapsu  1  Hgaindkrjg 
dßAeaxoy, 

3*  yfikta  HQtaxelvag  L.  Leriph.  3  f^x^M^  y^vTxa  xaxaxefyag. 
ep.  Saturn.  35  ogrtg  yttkxa  xaxardvaoaL 

Imovgmv  L.  ver.  hist-  2, 46  nodtigcig  tovg  ;|ft?a>Fa^  im* 
ovQdfiEvat, 


230 


IL  Meiner 


Yvioaerai  olov  f^v  t6  rijv  äygotxov  om(pqQam*fiv  dojidoaa&aL 
So  hätte  aus  B  aufgenommen  werden  sollen^  denn  es  gibt  den 
passenden  Sinn:  ^Er  wird  zur  Einsicht  kommen,  wie  gixt  es 
war  die  ländliche  Genügsamkeit  zu  lieben."  Vgl,  1,  H  toy 
äatpakrj  xal  äÖeä  ßlov  äondaaoßat.  3,  16  r6v  h  fjav^i^  ßlov 
Aond^ov. 

U.  22  (3,  25). 

Hyle  macht  ihrem  Manne  Vorwürfe,  das»  er  sich  in  der 
Stadt  in  den  verrufensten  Gegenden  herumtreibe. 

OaulCiis  —  HOTKÜv,  Warum  streicht  Schepers  xQjtüji\ 
wenn  doch  bei  Piaton  i-es  publ.  1  p.  328  C  stellt  i^aniCa^  — 
Hataßalvfov  d^  töv  IletQatä  und  schon  Homer  Od.  8,  451  sagt 
ov  T(  xojU(C6^i€v6g  ye  ^dutl^ev? 

oiö'  änagfj  ebenso  [L.]  amor.  10. 

T&y  i/iTTovomiüJv.  Dies  ist  durchaus  nicht  2U  ändern; 
vgl.  Tacitus  Germ.  46  ingemere  agris. 

oixovQoi  L,  Nigr,  57  oIhovqhv. 

äyani^Tiüg  ebenso  [L.]  amor,  33. 

rä  Ttaidia  ßovxolovna  L»  Lexiph.  13  nai&oßooxög.    Maximu 
Tyrius  L  p.  171  Ha&djTiQ  al  xir^m  tobe  TtaTSat;  diä  /ÄV^loyia^ 
ßovHoXovot. 

2.  fLEigdmov  danxdv  dvE(pdvt]g  Plat,  Jon  541  E  orguTtfyig 
dytipdvtjg, 

inl  —  KtQafitixov  L.  pisc.  18  h  KeQa^iBixip  (öfter). 

i$(oXt(rrdtovg  L.  Nigr.  23  iirolEOTtQovg, 

§^oT(oyf}  L.  Demon.  5  tfj  lov  ßiov  ^ürtuyfj  (hier  in  gutem 
'Sinne). 

IL  23  (3,  26). 

Der  Sklave  Lenaios  erzählte  wie  ihm  einer  seinen  Kittel 
gestohlen  habe,  so  dass  er  zum  JSchaden  auch  noch  den  Spott  hatte. 
6  Ttajtmoyjjgog  L.  meretr.  d.  1,  1  //  7ia^nAyr}Qog, 
atavoar  L,  rhet,  praec.  16  otovga  rntv  nax^imy, 
hn6  fidlfjq  —  (ptomy  L.  Alex.  15  mh  fidXijg  iymy  (i%fter). 
xmy  StwAnvltov  L.  Tim.  23  Yovg  Sfiodovlovg  (uft«r). 
c&c  —  noocoffkijaui  yiluita  L*  Jupp.  ir.  27  cSorr  xiXmta 
&<piiöHd^itv  deor.  d,  22,  2  yürnza  A^lilioo}  naQQ  näout  (Ofler). 


Gemellos   mahnt   die   Salakonis,   eine   ehemalige   Sklavin^^ 
nicht  so  spröde  und  hochmütig  gegen  ihn  zu  sein,  sonst  werdJH 
er  ßie   den  Herrn    fdhlen   lassen   und  sie  wieder   zu  Skiaven- 
diensten  verurteilen. 

v7teQ}]<pavFU   —    Tf'>i'   öeonAtrjv   B-     Dies   passt   sehr   gut, 
wenn  es  auch    ungewöhnlich    konstruiert  ist.     Ein  Akkusatit 
der  Sache,  wenn  auch  nicht  der  Person,  steht  bei  L.  Nigr.  31' 
10    6^  Iv    xmoqj    Hcd    Karä    ffvotv    ibg    eifi^li^    vTfeQfjcpavoviTas 
(s.  diojtora  auch  in  der  ei^sten  Zeile  der  Antwort).  ^ 

€lg  Toigyaojriotor   L*   pseudoL  9    ol   ijil  Tc5y   iQyaoTtiQtmv 
fugit.  17  ol  Ix  Tojv  iQyaoTfiQUüv  (cifter)» 

2.  jtaiAtaxnoioy  [L.]  asin.  3  x6  naidtnxdgiov.    L,  mort,  d.  7 
rot;  TtatdioHagloiK 

rrjg  AyEQür/^iQs:  [L.]  asin.  40  ok  t\yiQ(t}j^ov  S%*ov. 

xä^QVs  ebenso  L.  Lexiph.  2. 

tpQ^fyetv  [L*]  asin,  6  qygvyei^  28  fpgvyovoa. 

ol  xüHOJv  L.   Alex.  55  61  xivövvov  xaSetajTjxnv, 

oavrijv  Iviarioa^  L.  raerc.  cond,  30  £k  oJov  ßdqa9QOV  (pigt 
ifiavToy  hoioHHd.    [L,]  asin.  31. 


*7.n 


SalakoDis  antwortet»   sie   hasse    ilm   und  sei   entschlossen 
zu  sterben;  denn  sie  empfinde  Ekel  vor  ihm. 

{fJto/iivnv  —  ool  avyxQ^eMetv  L,  meretr,  d,  13,  4  ovx  äv 
f>7tQßehaifti  dvöoofji^6yco  tnfyxa^Evietv,  Dass  auch  die  Lesart 
der  Yulgata  ovyHai'}€vd£i¥  jCierd  oot»  zulässig  wäre,  zeigt  L* , 
meretr.  d.  3,  1   ovdi  —  avytxä&ev&ei;  /iiri^  aiToi^. 

ii)r  xdgdoTiop  ebenso  L.  Lexiph.  3. 

2.  ßgdycp  ebenso  L.  raeretr,  d,   12,2. 

tov  ßiov  IxXiJtf'iv  [L.J  Macrob.  12  iSÜPie  tov  ßiov, 

ä¥ag)avd6v  h.  ver.  hist.  2»  19  (öfter). 

ßdelvTTOfiivi]  pLf.]  philopatr,  26  ra  xtiXXioni  ßAelinTeo 

toanfo  u  xlrado^  ixrotJtouivtj  L.  Hermot*  86  lxxgam]ttap^ 
-*-  &csieg  töhq  Ivrxmvtai;  x^v  nin^m*. 


232 


K.  MiUer 


3,  lijv  dvfj^iQBiav  ebenso  L.  de  domo  82. 

tfjg  qxxQvyyog  ebenso  L.  Tim.  18.  (öfter). 

TfjV  Sffooofdar  L,  Henuot.  34  dvomSeg  —  ro  arofia  xtni 
tijv  dvooidiav, 

lf)fHaoav  —  YQQVV  L.  mort,  d,  9, 2  yigotTn  —  y,at  Xfj* 
^i<b%*rQ  (ötler), 

yofitfHfp  L.  ver.  bist,  2,  1   lovg  yo^itphvg. 

oaleiovaav  L.  Menipp,  10  äjTavra  —  iaaleveto. 

t(ß  ix  Ttjg  nljTTjg  iXaiw  L.  Tim.  44  jiitt^  xal  Halip, 

U,  26  (3,  29). 

_         Horios  schreibt:   mit  Freuden  habe  er  entdeckt,  dass  sein 
'^f'lEiuiid  auch  ein  guter  Redner  sei^  er  solle   ihm  also   helfen, 
wenn  sein  Eigentum  von  anderen  angefochten  werde. 

anloixöv  —  ävdoojixov  L.  Tim,  56  äv^Qa  —  änXoixoy  (öfter). 

äygoiHov  L.  Herraot.  81  Sygoixog  äv&Qionog  (öfter), 

2.   ^axdQt€  T^c  yltüTTfjQ  L.  mar.  d.  15»  4  <5  ^xdate  — 

ialtaxeQe  L,  gallus  2  laXtoidtov  —  &Bwr  Bacchus  7  XaliataTog, 
Igualfö  L*  adTersus  ind.  1  igfiaiov  d  (öfter), 
xovio  dij  tA  tou  löyov  ebenso  L.  sympos.  28. 
o<fnfQtCBa^i  L.  calumn.  8  oip^eQi^öfier*og. 
f  ^v  t)avxlov  —  ix  i^g  djtgayjnoavrfjg  L,  Nigr.  14  ^av^^hv  u 
Vita]  dngayfioovrtiv. 

a  27  (3,30). 

Ampelion  schickt  seinem  Freunde  25  Stück  Vögel  als  Teil 
,  Ton  einem  Fange,  den  er  bei  strengem  Winter  gemacht 

i^ftfirdv  war  au&unehmen,  da  aueh  1, 23  €lonfjT6v  auf- 
genommeii  ist.    Vgl.  Xenoph.  Mem.  K  K  14  limftiior, 

nina  —  f)  xtuir  xaiaki}^  L*  Satiani.  9  r)  x^^  ^^^^X^ 
Td  ndpta, 

d^y^k  a  xma^ijr  R  Plot  Cic  4  ip  ^^*xh  M*^  ^oco^ 

Affodii^pop  ebenso  L.  ajmpos*  37, 


dii  Briefe  des  Bhetürs  Alkipktron^ 


233 


trjg  xalvßrjg  L.  pro  imag,  20  ne^i  rvjg  ovßunov  xaivßfjg, 
nngavoi^ag  tö  ^vgtor  L.  bis  accus*  31  naQavolyovaa  tag  tfit^a^, 
vifftxi^  [L.J  philopatr.  24  vitiexov. 

xooüv^vg  B  (andere  no^^lxovg)  L.  iud.   yoc.  8   xoawyoi^ 
lopod.  118. 

2.  ri}f  Zfxdi'i;^  [L,]  araor.  39  lexandag. 
lioif  ebenso  L.  bist,  conscr.  57  catapl.  14  ifcJ  tivi. 
Toic  xXddovg  L.  ver,   bist.  1,22   xAd^ot;^   xal   q>fHXa   2,5 

Ih  tcüv  fJ^oJd/ivöji'  ebenso  [L.]  amor.  31. 
diafia  ^dtf  L.  mort.  d.  27,  1  t/dv  to  diafta  man  d.  15,  3 
^dv  tovro  &iafia, 

3.  ti^adgxovg  L.  Lexipb.  17  cvoa^xor,  [L.]  asin.  39, 

U.  28  (3,31). 

Ein  Bursche  vom  Lande  will  die  Stadt  kennen  lernen;  er 
bittet  einen  Freund,  der  öfter  in  die  Stadt  kommt,  ihn  das 
nüchstemal  mitzunehmen. 

jiegtßoXcü  L.  ver.  bist.  2»  33  6  jteQlßoXog  Trjg  ndhwg  Tox,  6 
ir  tfp  jiEQtßöXo)  Tov  vew, 

2.  xal  ycLQ  lycoy^  äyeit*  ol^ai  tov  nXelöy  n  fiaOeJr»  So  B. 
Der  Gedanke  muss  sein:  „denn  auch  ich  glaube  alt  genug  zu 
sein,  um  mich  w^eiter  auszubilden."  Dies  ergibt  folgende  Ver- 
besserung des  Textes:  xcd  yäg  fywye  i^^iv  olfim  (wqqv)  tov 
nktiov  ri  fm&eiv  (3,  49  Iv  Sgqi  tov  ndax^^^)»  Vgl.  L.  Alex.  33 
TOV  7iatd6g   —   natdtiag  ajqav  l';ro»To^, 

^votayioyelv  [L.]  philopatr.  22  fwmaymyf^ooy  qe  ra  xdXktora, 

ilg  —  iTiiTiqdetog  fj  ov:  so  die  codd,  Schepers  bemerkt: 
^btiTrjditog  ij  nihil  est.*  Allerdings,  aber  tlg  —  >?  ^=  ^k  äXXog  ij 
kommt  doch  wohl  vor,  Fllr  den  Komparativ  hätte  er  anführen 
können  und  sollen  L.  vit.  auct  15  rfe  d*  äv  imnjÖEiöxEQog  l/nov 
yivoiTo  ovP€ivai  xaXcp; 

n.  29  (3,  73). 
Unser  Mutterschwein  hat  geworfen.     Jetzt  gibt  es  Ferkel 
in  Menge:   2  erhältst  Du  davon,   denn  mir  sind  es  zuviel  und 
Freunde  mUdsen  teilen. 


234 


K,  Meuief 


inkE^  L,  merc.  cond,  34  Mftef  iotlv, 

iiXfpdxtov  L.  ep.  Sat.  23  lä  dtkfpdxta  —  ÖTrrtb^M&va, 

yQvCovoi  L.  iud.  voc.  10  ^if)dk  yQvC^tv, 

idd>di/nov  (seil,  dikipa^  iortv:  „aber  es  ist  ein  guter  Bissen*). 

Eine  Änderung  scheint  nicht  nötig.    L.  Tox.  16  Idojöi/ior  niort. 

d.  20,  3. 

2.  ra)r  xgiOthv  {xQtdtaiV  codd»)  L.  Tim.  14  tü>*'  xgtßuit^, 
ujiXoixfW';  xal  q)tlaXXtjXov<:   Plut,  luor.  977  C  to  xotvwvixur 

xai  t6  qxXrmrikov  und   979  F.  L-  Tim.  5G   nnloixov  xal   nov 

^vtmv  xot%*iDVix6v, 

TOVQ  ßaviijg  TQOcplfwvg  L>  bis  accus,  6  rgofptfiog  tj/c  &ö€Trjg, 
ävB^QiywLXO  L.  abdic.  9.    xciiq  —  dvadge^^afiivoig. 

n.  30  (3,  32). 

Die  Trunkenheit  soll  doch  der  Kuckuck  holen!  Bin  ich 
da  jüngst  in  eine  Gesellschaft  von  Trunkenbolden  geraten  und 
nun  habe  ich  es  drei  Tage  z\x  büssen. 

Dieser  Brief  zeigt  deutlich,  dass  unsere  Handschriften  inter- 
poliert sind.  Zu  totg  i}(}i*oiy^ii%'oig  war  als  Erklärung  beig^ 
schrieben:  et  ng  ^^gvEtzo  r^v  xra^ov  (steht  in  B  nach  iartäy) 
und  zu  ^v  —  rovmtifuoi'  lautete  die  ünischreibung  fiu  yäg  a^ovg, 

oh6fpkvyig  L»  niere.  cond,  15  otv6(flv^  ric. 

üvvBX<^g  if)  neQiqfego/iivfjg  rrjg  xvhxog  L.  synipo«,  1 5  owr^mg 
nEgiEaoßEiTO   ^  XlUlf. 

2.  T^y  —  Tovmti^iov  L.  Tox.  10  bztxifuöv  iarn*  Sat  4  lovtn 
yaQ  Toimaifuov, 

ßaardoag  ebenso  [L.]  aain.  44. 

TQiTfjv  tavTfjv  fifiigav  i^mi  statt  f^^  ist  wie  3,21  äym  CT 
schreiben.  Xenoph.  Kjmp.  ?♦  1»  14  imoram*^e  yrlg  oTm»  vf  ot 
äyaßül  h'  taig  fiäxdig  f)ftiQav  äyovot  xnl  oTat*  ol  xanoL  VgL 
auch  die  Verwechsluag  von  äyetv  und  f^etp  in  3,  3L 

xaQ}jßaQw  L.  Bacch.  7  xagrjßagovrn  —  HaucEV.  ep.  Sat.  28 
Hagrjßagovvtts:  dpamaii]t"  Rf  fg  t^$*  vorrgalav  (öft#r). 

t^r  HQtimdlviy  L.  pro  lapsu  1  ;j^^(Jo*iJc  xgni^dXffg  dt^d/i^moK 

änsQvyydycü  L.  Alex.  39  tiiv  x^xoQQidX^rjv  lgvyydvoytr^(ß{itT%' 


jber  die  Briefe  deg  Bhetors  Älkiphnm, 

n.  31  (3,  33> 

Eine  Frau  schreibt  ihrem  Manne:  30  Jahre  sind  wir  ver- 
heirateti  haben  bereits  Enkel  und  jetzt  läufst  Du  einer  Zither- 
rsängerin   nach*     Du  machst  Dich  lächerlich  bei  den  jüngeren 
[Xieuten. 

ä(pf)ltHiaT€Qog  L.  pseudol.  15  yigxor  &y  Hol  ätpijli^. 
ihjaigtdovg  L.  deor.  conc.  4  tov  Kdöfiov  dvyajQidovg. 
xpiCbiq  L,  meretr.  d.  10,  4  Hepiviojat, 

2.   Süov  oc  avToig  äygotg  xaiQTttovoa  L.  Jupp,  tr.  1   d  ^u^ 
EvQtmdi]p  okov  xaTaj¥ejiü)xafi£y,  ver.  bist.  1 ,  33  aörcp  oxufpet 
—  xaraTTöihivisg. 

TtatyvHn*  L.  deor,  d.  7,  4  (öfter). 


n.  32  (3,  34). 

Qnathon  schreibt  an  einen  Landmann:  Tinian,  mein  reicher 
Gönner,  ist  arm  und  Menschenfeind  geworden,  die  übrigen 
jüngst  zu  Reichtum  gehingten  Athener  sind  elende  Knicker: 
so  muss  ich  mich  zur  Arbeit  entschllessen.  Nimm  mich  als 
Knecht  in  Deinen  Dienst!  Ich  bin  zu  jeder  Arbeit  bereit, 
wenn  ich  zu  essen  bekomme. 

Dieser  Brief  gehört  zu  den  Parasitenbriefen  {fi^mg  xohg 
nagaobov^):  er  ist  nur  an  einen  Landmann  gerichtet. 

Tiuwva  olo&a  —  lov  ^E'/^exgaTidov  lov  KokXjMm  L.  Tim,  7 
äyvong  Tlfion^a  tov  ^Ex^xaaTldov  t&p  Kokktniai  {KoUvteiÖQ  ist 
die  inschriftlich  beglaubigte  Form;  Sommerbrodt  liest  1860 
KoXXinia^   1886  KoXvriia.) 

anaOf]oai;  L.  Prom.  19  ojta^öjyta  (öfter)» 

rovg  nagaolxovg  xal  rdc  haigag  L.  Tim»  12  nagaaltotg  nal 
H6laii  Hai  hatgatg, 

sig  djtoQhv  mfVf]ld^fi  L.  Hermot.  63  ovvEiavvng  ig  <n£v6v. 

fnoav&Q{D7tog  L,  Tim.  35  fnoär^^gfüTtor  44. 

2.  Tfjv  ^oji^aTtay  L.  Tim.  6  ijti  tqvttjv  tt)»'  iaj^nitav  (öfter). 

raTg  ßtoloig  toifg  Jiagt4vtag  ßiXXi.i  L.  Tim.  34  fyth  yao  vfmg 
airtixa  fidXn  ßällojv  loig  ßdiloig  xal  xoig  At&otg  ottvxghifco  (Bergler 
termutet  auch  bei  Lukian   talg  ßfüXotg), 


236 


K.  Memr 


tfjv  xoivijv  (pvaiv  äjiiozQajtjm   L.  culuiüö.  14   thtiar^wtjai 

3.  xüiv  —  veonlovTCüP  L.  Tox.  12  viönloviov  (Öfter). 

fiiHQongE7tiüT€Qoi  L.  ep,  Sat.  32  rotavta  /nxQonoejifj, 

Tidna  imojLih'€iv  4i'f;fa/(troi'  ß  durchaus  richtig;  vgl.  3,  28 
Ttdvra  vTzo/iiretr  oTa  xe  elfd.  dvixo^iai  mit  Infinitiv  auch  1,  39.  3, 1. 
(=  sustiueo)  L.  gallus  1 1  fttjdevog  ävExo^hov  nlrjolov  xataxeToitm. 

dTtX/jQmTov  —  yaoriga  L.  merc,  cond.  39  rr/y  yaotiga  — 
^Xi^q(ot6v  Tt  xul  &naQalr}]Xijv  xuKdv, 

U.  33  (3,  35). 

Ein  Landmann  klagt;  es  will  nicht  regnen,  und  docl 
haben  wir  alle  im  Dorfe  dem  Regengotte  schon  geopfert,  so  viel 
wii*  konnten.    Aber  Zeus  hurt  nicht;  er  scheint  ven*eist  zu  sein. 

avxf^^^  ^'  Lexiph.  1   av^ßiöv, 

6u  dk  htofißgia*;  h*  Icarom.  24  rd  kAx^tva  deitm  nleloviK 
inofißgiag, 

2.  ijjiuv  —  li^viai  L.  Sat.  1  ri&vrm  xal  xenaXXtigfjTai 
Tiag'^  ^ftcör. 

ixaXXt£g7joafi£v  L.  Demon.  11  ixalltEgfioare, 

(bg  manioi;  dvratitmg  i)  negiovoiag  {^h/}-  Dass  Bergler 
richtig  ergänzte  und  auch  die  richtige  Wortstellung  traf,  zeigt 
L.  synipos.  8  log  tKaojog  äiiai  el^t.  Tox.  44  c/jc  t^c  i}  yh^ovQ 
ij  nXovTOV  i}  dvvd/ieojQ  exot. 

ovreiafjviyxato  B.  Das  Medium  scheint  nach  Analogie  von 
üv^ißdXXea&at  gesetzt,  also  nicht  zu  beanstanden. 

6  ^ihif  xgtbv  6  dk  igäyov.  L.  de  sacrif.  14  6  ^kv  —  vnidv 
tgdyor,  6  dk  xg^dv, 

ndnavov  ebenso  L,  de  saerif,  12, 

[eI  ßdXa  ibgaixi<bvraf\  Seiler»  weil  aus  3,  53  (vgl,  L.  Jupp. 
tr.  15)  entnonjuien.  Es  waren  otienbar  Parallelstellen  an  den 
Rand  geschrieben,  wodurch  falsche  Zusätze  entstanden  sind, 

3.  ßooxfjfidxüjv  ebenso  L.  Tox,  41. 

Arjtxoyeaiv  L,  patr.  enc-  10  dycuicüot  xi)r  ;'»7*'  ^^  *f'^'*  ^fl 
jffia»^  xal  iEJtJÖyiOjv, 

öanavTj/idxmv  L«  patr.  enc»  7  ia^iavf'ifAaxa, 


Üher  die  Briefe  da  EheU^rs  Älkiphron, 


237 


n,  34  (3»  36). 

Pratinas  beklagt  sich  über  den  Besuch  eines  prahlerischen 
Soldaten.  Dessen  Aufschneidereien  zum  Schweigen  zu  bringen 
habe  auch  der  grösste  Becher  mit  Wein  nicht  hingereicht. 

(Jftti;^  d^nag  L.  catapL  12  71£qI  dfihp'  (hfiar  (öfter). 

Horijx^  L.  lud.  voc,  7  Kajfjyo^ifjv  de  nagd   —  ttvi  noit^rß. 

roK  iiriY^iiaot  ebenso  L.  meretr,  d,   13,  4, 

dexiiöaq  xivnq  xal  ffdlayya^  L.  bis  accus*  6  naxa  Hag  xal 
fdiayyag. 

aaglaoag  Bergler  (otadgag  B),  aagioag  Hercher*  Hiezu 
bemerkt  Schepers:  ,quae  forma  mihi  ignoia  est"  und  doch  steht 
bei  L.  mort.  d.  27»  3  rfjv  odgioav,   nieretn  d.   13^3  rfj   mighf), 

xaxaniXiag  Polyb.  1,53,  Ih 

öiQQug  Thukyd.  2,  75,  5. 

2.  ävirgey^e  rohg  Ogtlxag  L.  meretr.  d,  13,  1   ävaTgimo  ^ar 
»I*  inrd  (=  p roste roo).    Mit  Unrecht  tilgt  also  Schepers  dv. 

Hoytip  ebenso  L,  Tox.  55. 
diQTiflgag  L.  meretr*  d.   13,  1    ötinetga, 
dgiateiag  —  yigag  L.  meretr.  d.  13,  5  dm&dvovg  ägtarelag 
Nigr.  22  yigag  di  rfjg   —  negtodov. 

3.  xvXixa  EVfuyi&f]  —  ^)Q€yor  L.  Tira.  54  o  jiatg  fiBydlrfV 
irjy  KvXixa  dgi^aev  aruo  sympos.  14   söfiEyah}  axvtpov. 

q?Xvagiag  fpdgfiaxov  L.  deor.  d.  21,2  t?/c  (plvaglag  mori 
d.  27j  9  ddvaxov  wg  jöjv  Iv  T(p  y*}Qfi^  xaKmv  qjdgfiaxoy, 

a  3S  (3,  37). 

Eine  junge  Witwe  erzählt  ihrer  Freundin,  wie  trotz  ihres 
Wunsches  Witwe  zu  bleiben  Moschion  sie  gezwungen  habe 
seine  Gattin  zu  werden. 

Gerne  raöchte  man  den  ersten  Satz  dieses  Briefes  so  deuten, 
wie  ihn  bereits  Herel  in  seiner  deutschen  Übersetzung  des  Älki- 
phron (Altenburg  1767)  verstanden  hat  (^Ich  hatte  einen  Kranz 
?on  Blumen  geHocIiten  und  ging  in  den  Tempel  des  Herma- 
phroditus,  ihn  meinem  Gatten  aus  dem  Alopekischen  Stamme 
XU  weihen*'),   allein   der  griechische  Text  gestattet  dies  nicht. 

IMM.  Slltgilk,  d.  pliIlo«.-p]iÜ«l  u.  ±  liitt.  Kl  16 


S36 


JSr,  Meiser 


Von  ihrem  Gatten  spricht  sie  oiTenbar  erst  §  2  (rdv  ^cuca^hfiA 
—  fpaidgiav  und  löv  7JQ(o  ^Paiöphr),  Wonn  der  erste  Satz,] 
dessen  Erklärung  dunkel  bleiht,  wirklicli  von  einem  HeiligtumeJ 
des  Hermaphroditos  in  Alopeke  und  einem  religiösen  Feste] 
daselbst  zu  versieben  ist,  so  niüsste  man  etwa  annehmen,  dass] 
das  argivjsche  Fest,  von  dem  Phitarch  spricht  (mulier.  virt.  4):1 
/t^XQ^  ''***'  ''^  vßQiötiy.a  TeXovat,  wobei  Frauen  als  Männer,  MannerJ 
als  Frauen  verkleidet  erschienen,  auch  in  Attika  Eingang 
gefunden  habe.  Merkwürdig  ist  wenigstens,  dass  in  diesem! 
Briefe  von  einem  vßgioTiig  v^haio^  die  Rede  ist  und  Epi-| 
phyllis  sagt:  t)i<ü  xov  H  vfigew^  ^rdön. 

Über  solahe  Vorkommnisse  bei  religiösen  Pesten  vergleich« 
Miiller-Heitz,  Geschichte  der  griechischen  Literatur  11*  S.  254:1 
,eine  fortgesetzte  Liebschaft  mit  einer  Athen isclien  Bürgers- j 
tochter  war  nac^h  diesen  Sitten  nicht  möglich  und  kommt  aucli 
in  den  Fragmenten  und  Nachbildungen  der  Menandrischenl 
Komödie  nie  vor;  wenn  die  Verführung  einer  Athenerin  den] 
Knoten  des  Stückes  bildet,  so  ist  sie  bei  einer  plötzlichen] 
Begegnung,  etwa  bei  ein^m  Pervigilium»  dergleichen  die  Religioa] 
Athens  seit  alten  Zeiten  sanktioniert  hatte,  in  jugendlicher] 
Lust  und  Trunkenheit  verübt  worden*. 

Bergk-Peppmüller,  Griechische  Literaturgeschichte  IV  8, 20S] 
Anmerkung  103:    ,Eine   momentane   Begegnung    bei   Festauf-] 
Zügen,    noch    häufiger  bei    nächtlichen  Festen  (:i(ivyv/tAf^)  bot 
gewöhnlich  dazu  (zu  einer  Verführungsgeschichte)  den  Anla 
denn   nur   hei   solchen   Gelegenheiten   traten   athenische  Jung- 
frauen   aus    der    Abgeschlossenheit    des    Elternhauses    heraus.] 
Daher   schreibt    Philostr,    Epist.  47:    doxds    f5e'   fiot  .  .  .  ^a^d^ 
\irTiH/i  (drat)'  tdc  yag  :tavvvx^dag  nal  rag  ioginc  xal  in  Alrvar-^l 
Aqqv  dgufiaia  q&h  üp  ^yvirfoag.    Vgl.  auch  Alian  H.  A.  VlL  19: 

äHoXaota.^    Aus  der  neuen  Knnindlt'  -Jn-r   futnithm  Alktphroul 
tinsweifelhaft  manche  StofVi 


1...,.,      vglJ 


über  die  Briefe  tU$  JUktofs  Älkiphron, 


m 


rimy  Ayi^toxoyv  [L.]  asin,  40  äyigwy^op  l'n*ov. 
In*  Iptk    nvvirrayuiymv   [L.]    lusin,  22    otn^rtArrovio   ijt  lue 
j(D  Mooxiowt  ovvijiQQjiEv.    L.  DeraoD.  8  fptXoi^  dh  oin^ingatie. 
2*  TOI*  ^ianagafp*  L,  meretr*  d.  6, 1  ii  ov  j^rtiHet*  &  ßa^a* 
Qh^g  a&v  Tiai/jg  (öfter). 

är^vnto  ohne   Augment    aus   Homer  IL  23,  204  i}   tY  nvO* 

fd  vmyvA  naidta  L.  mort.  d.  10,  12  rd  jtaidia  v£oyyä  övia 
rmot  10  n.  V,  mort.  d.  27,  2, 
vßotojtp'  vfiivaiov  L.  deor.  d.  11*1    /xea'oc  (sc.  iQUig)  ißgi- 

3,  TO  avvfjgetpig  L.  philops.  50  h'  to}  avytjQe^pet,  Anachars.  18. 
aldovpiai  djidv,  L,  deor*  d.  23,  2  aiSov^iai  de  kiyetv. 
(iTTEioaTov   Eivat    tmv  dßoulrjimv    L.   Nigr.  15    änElQatOs    &k 
^fiolag  (öfter). 

U.  36  (3,  38). 

Eudikos  schreibt  an  seinen  Freund:  Der  Knecht,  auf  den 
ich  beim  Kaufe  alle  Hoffnung  setzte,  hat  sich  als  unbrauchbar 
erwiesen:  er  isst  für  vier  und  schläft  für  drei.  Rate  mir,  was 
soll  ich  mit  dem  Unmenschen  anfangen? 

äjiißt}  totovTog  L.  deor.  d.  22,  2  5/io<oc  d^f^^/c- 

f^C  änißti  rotovTo^  iirl  rmv  dygwr^  Meineke,  Schepers.  Aber 
Jer  RelaÜTsatz  kann  nicht  fehlen;  an  ihn  schliesst  sich  ja  der 
folgende  begründende  Satz  i&g  ydg  an.  Erst  auf  dem  Lande 
hat  er  sich  so  entpuppt,  denn  beim  Kaufe  machte  er  den 
besten  Eindruck,  Aber  dieser  Eindruck  erwies  sich  als  falsch: 
er  war  offenbar  von  jeher  ein  Nichtsnutz, 

Tjj  fvj]  r.nl  vf(}  ebenso  L.  Herniot.  80. 

2,  knttjiQu  Crjiiin  ,ein  Prachtexemplar  von  einem  Tauge- 
nichts* Aristoph.  Acharn.  737  ff^avtfQAv  C*^jiUfiy. 

oxanavEdiv  L,  Tim.  7  aKQTtarevg  Vit.  auct.  7   ananavta. 

fmvoT  L.  ver.  bist.  1,39  hnvmoai  Hom.  11.24,344  f>7ivui' 
tq  iyEtQEi. 

lixvqmifihov  notptüjov  L.  Nigr.  1  äyorjtöv  le  xal  t£t%^iüßipov. 


24Ö 


K  Meiset 


*Eni^Evl6ii%*   itvä  Kgfjra   xexotftfjn9tH.    L«  Tim.  6  i^Jiiq  riv 
*Emjitevidf]y  yag  xeKoi/nfiaaL    Älkiphron  fügt  Ttv6  KQfjia  hin: 
weil  der  Sclireibemle  unwissend  sein  muss. 

rip'  ^Ilgfixkioifg  rgtianfgoi'  L.  .som.  17  fj  id^o  ^ov  jQiicTiiQOZf 
äojtiQ  6  ^HgaHlijg,  xal  avro^  iozi  (sc.  o  övetgog), 

[>}  c&c  aHOVo/uev  tijr^HQaxXEovg  TQiianegot'J  Meineko,  Schepers: 
mit  Unrecht,  denn  es  passt  sehr  gut,  Epinieuides  soll  40  oder 
50  Jahre  geschlafen  hiibon;  wem  aber  dieses  Beispiel  eine  zu 
kolossale  Übertreibung  scheint,  der  glaube,  dass  er  wenigsten« 
dreimal  solange,  wie  ein  gewöhnlicher  Mensch  schläft:  seine 
Nacht  dauert  solange  wie  die,  in  der  Herakles  gezeugt  wurde. 
Beide  Beispiele  stehen  bei  Liikian;  schon  deshalb  ist  das  zweite 
nicht  zu  streichen.  Audi  hätte  Meineke  bedenken  äoIleD,  da&a 
gerade  diei>e  Sage  von  der  Verlüngerung  der  Nacht  bei  der 
Zeugung  des  Herakles  ein  beliebter  Stoff*  der  Komiker  wnr, 
aus  denen  Lukian  und  Alkipbron  schojjften, 

dgyvgidtov  „ein  schönes  Stück  Geld'  oder  »mein  lieber 
Geld"  Anstoph,  Plut*  147  din  /uxgor  ngyrgidiov.  Bei  Älkiphron 
d»is  Verkleinerungswort,  obwohl  .teures  Geld*  gemelnf  ist:  also 
in  anderem  Sinne:  Schnieichel-  und  Koseform» 

II.  37  (3,  39). 

Eine  Tochter   schreibt   ihrer  Mutter,  sie  solle   vor    ihr 
£nde  noch  die  Herrlichkeiten  der  Stadt  kennen  lernen.    Wtforil 
sie  sich  beeile,  könne  sie  morgen  noch  den  3.  Tag  der  Tbes- 
mophorien  mitfeiern-    Siesolle  also  unverzüglich  kommen,  denn 
sterben,  ohne  die  Stadt  gesehen  zu   haben,  verrate  Mangel  aiij 
Bildung.    Das  sei  ihre  offen  ausgesprochene  Meinung. 

-t^6?  §eo}v  —  {^iaom  L.  Prom.  18  ngQ(;  ^€tbv  —  d7t6Hgivai^ 
n^6c  dXt'yov  (=  paululum)  ebenso  L.  deor.  d-  l*S,  L 
xuKUijiovoa  roix  ay.onikov^  L,  deor.  d,  2U,  IS  djtuhsi6vitg\ 
7av£  fixonikov^. 

xat*  äotif  eb<Mi»o   L.  dt*or.  d.   20,  I?, 

'Akftin    h.     in«*rcir.    d.     Kl     h'    ttnc   Whinuc    7,  I     f»/fJi 
'AMd  /(rri. 


Übm"  die  Briefe  des  Rhetors  Alkiphron, 


ztt 


Jtovvata  L.  merc.  cond.  16  Atovvaia  iogidaetv  pisc.  14  ly 
TOK  Aiovvalotg, 

rtüv  Sia^iofpoQiiov  [L,J  amor.  10  ük  iv  fhouofpoQint?. 

2,  xard  rr/v  Jigionjr  yiyoyn'  rijuepay  B,  ganz  richtig:  am 
ersten  Tage  (des  Festes)  fißdet  der  Aul'ziig  »tatt**  (nicht  , gestern 
fand  der  Aufzug  statt*,  wie  Scliepers  will). 

ra  Kalhyhna  kann  man  nicht  sagen,  da  KaXktyivBia  der 
Name  der  Göttin   ist:  ta  KaXhyeveiag  wird  das  Richtige  sein, 

3.  /i^  uUXe  ebenso  L,  Prom,  1, 

äyei^ojov  ndhmg  L.  Nigr.  15  äyivotoq  /ih  iX^vüegtag, 
dnoTQdnalov  L,  pis<:.  33  dnorgoitatov  (bg  hqI  aJo;f^(Jv.         • 
'&7]QiwdEg   L.    vifc,  auct-  10    §ijQUüdri    ra    ndvra    y.al    äygta 

pseudol.  31  äygiop  kqI  {^i^quoAbq  Anach.  37  &rjgiajd£g   yäg  nal 

thtvfbi;  oxaiov, 

T^C   i^l  Tcß   0Vfiq?iQont   Jiaggtjohi;  L.  calumn.  24   Inl   t(ß 

IhiIvcdv  ovfKpiQorii.    Ju[iii.  tr.  19  Im  rro  ov^(f'ligo^'r^  ;ia^{>ijowi- 

nöfin'og, 

dvayxaiov  i6  ist  ganz  richtig;    rlenn    auch    in  xalov   liegt 

der  BegriiF  öiov  oder  yQfojv:  was  schön  ist,  muss  man  tun* 

IL  38  (3,40). 

Eatliydikos  klagt  seinem  Freunde:  mein  Sohn  ist  in  der 
Stadt  einem  Kjniker  in  die  Hunde  gefallen  und  hat  sich  ganz 
von  diesem  betciren  lassen.  Seine  Eltern  und  seinen  Beruf,  die 
Landwirtschaft,  verleugnet  er»  Man  sollte  diese  Seelen  räuber 
nicht  ungestraft  lassen! 

TtnQiyyimv  L.  rnort.  d.   1,2  Jtaoeyyva. 

^6kog    —    datfi6v€ov   (ira    deum)    [L.]    amor.  2  *A(pQodh fjg 

Es  wird  heissen  müssen:  ;KrWoc  <5f  i^iJieothy  öatfidvtüv  pJg 
avj6y  {ovx  ixtu  liyeiy  ü  orotf)  vergleiche  das  parenthetische 
o^H  oW  ÖTtwg  1,  13,  3, 12,  3,  20,  Die  Verschiebung  von  U  örov 
ist  dadurch  entstanden,  dass  ein  Leser  am  Rande  bemerkte,  i$ 
Srav  gehöre  zu  fSaitnjriov.  Die  Hinzufilgiing  von  i^  ist  nicLt 
aulfallend:  da  elg  avtoy  vorhergeht,  hatte  dg  die  gegensiltz- 
liche  Präposition  1$  zur  Folge« 


K.  Meüer 


2.  Tovrcovi  rmv  fiefif^vÖTOv  L,  de  salt.  6  fAi^t^v&xo^  ät^^^-1 
7t€}v  abdic.  30  Ivxräv  xal  fiefif)virat.   Hermot.  86  tovg  ivrtmvta^i 

TU)V    XVVÜJV, 

AQXtjytttiv  L.  syiupos.  16  'liQaxXiovq  &QXiiyitov. 

3.  diafm  änoxQdnaityif  xal  fpoßEQÖv  L.  Tim.  5  dvüdvtTjroy 
xal  äjtoTo6jiamy  diaßia. 

xöurjv  avxftfjQap  ävaaefijüv  L,  soiun.  6  av^^njQa  zip'  xo^tiv 
Alex.  13  ödmv  äfm  t}]v  xöjttfjr  Sviiov. 

fru/ioc  L,  Vit.  auct.  10  ita^idv  xQ^j  «7»'Ot. 

t6  ßkifjL^ia  L*  Zeux.  h  xo  ßkifiaa  —  9t]Qtü}(^i^. 

fl^äyvfirö^  L.  mar.  d.   15»  3  tjfdyvfivoi  (öfter). 

h  TQtßwvkt}  ebenso  L.  paiiis.  51  (öfter). 

TtYiqlöiov  iSf}Qrf]fiivog  Aristoph.  uub.  923   ix  nt]QiiioiK    L*' 
Vit.   auct.  7  6  triv  nrjQQv  l^rjQjijfih'og. 

Sojiakov  —   uerä  x^^Q^^  ^x^-or  L.  Herc.  1.   ro  §6jiaXor  l^eij 
iv  xfi  deiiq  (öfter). 

(h'VTiödtjTog  L,  navig.  1   (öfter). 

§V7id}v  L.  vH.  auct.  7  ^vncTjvxi  (öfter). 

änQaxroQ  ist  ganz  richtig;  es  bildet  den  Übergang  zum 
folgenden  (^ohne  nützliche  Beschäftigung"),  vom  Äusseren  zum 
Inneren,  tlxagiog  passt  nicht,  denn  vom  Haare  vrar  schon  die 
Rede.  L*  piae.  3  6  fiiv  "Ofujqog  fj/biiv  ängaA^oc  (=z  büft  uns 
nichts)   (öfter). 

XQt}^itmv  negio^äv  L.  eunuch.  3  ;rß»y^cita;F  xaraifjgovd}^ 
(öfter). 

4.  f^f    alAc^   xmv   ngoarnntay   dni^vmat    L.    vit.   auct  10 
al&u>g  6k  xal  btudxem   xal  ^iezQiötris  äniaio),  xal  lo   Igv^giäv  j 
&7i6Seaoy  tov  ngoomnov  navitXmg  {.An6ivoov  F  =  Yaticanus  90).  | 

Anmtdivwiv  L.  de  electn  S  änatethv  xal  iptviok&fo^  2k* 
Ö^omoQ*    Jupp.  tr*  40. 

qfQovtiaiiljgiOp  [L.]  Neno  1. 

littgaXi^XtaE  L,  Tox.  l^  ^  di  Jtalkovg  ijöti  viovQ  ixtga- 
^fijlioaon  (öfter). 

t<p  £6X€üri   xal   r^  Ag^Hovn  L.  calunui»  8.   6  ^dXa^  Hal\ 
i  Agäxmy. 


fjhe9-  die  Briefe  den  Ehetm-ä  Alkiphrun. 


243 


ivdgQ^oSiCovtai;   L.  bis  accus.  16   äviQunodioniiievf]   nhöv, 
[dnö  Tov  tpQoveJyj  Randbemerkung  zu  q?Qovuar^giov.    Wim 

zeigt   schon   die  Gleichmässigkeit   des  Satzbaues  und  der  ein- 

zeluen  tilieder: 

johg  fikv  xlijiToyiag  oxafpvXdq 


IL  39  (3,  41), 

Drjades  schickt  seiner  Frau  Schafwolle,  aus  der  sie  Kleider 
für  Sommer  und  Winter  fertigen  solle.  Auch  die  Tochter 
solle  sie  fleissig  arbeiten  lassen,  damit  aie  dereinst  als  Fmu 
ihren  Eltern  keine  Schande  mache,  und  fleissige  Mädchen  seien 
in  der  Kegel  auch  sittsame  Mädchen. 

tmv  —  nooßdjmv  ilnoxdQaq  L.  fugit.  14  äjioKEtQovm  tä 
ngdßara, 

^progag    vnunkfa    L.    bis    accus.   34    iijv    ipu>Qav.    somn.  4 

Zu  fJngout  hat  B  in  inarg.  ovona  UynaL  Solche  Rand- 
bemerkungen sind  oft  in  den  Text  geraten, 

%^ö&ai  lg  Srt  äy  ^iXu  L.  merc.  cond.  9  Inagijtovm  — 
Xgfjo&Qi  ngog  8ji  äv  i&iXojot. 

TiQiv  qSdom  dtaq^&agfjvfu  (,ehe  sie  noch  zu  gründe  gehen*) 
L,  roort.  d.  IS»  2  ou  ydg  itfdaoa  Intoaippai  xt  (,ich  hatte  dar- 
öber  noch  nichts  bestimmt*,  nämlich  Alexander  über  seinen 
Nachfolger).  Schepers  tilgt  mit  Cobet  rpMaai,  aber  Alkiphron 
Terwendet  (pddvoj  öfter  mit  Infinitiv:  2,  4,  17,  3,  3,  4, 

2.  iSv(pf)voy  L,  fugiL  21  tmooov  ydg  dtj  (vl^lnwhr  flA 
iya}  tivfpjjvm. 

ia&fjuara  Thukyd*  3,  58,  4  ia^^tjfiaot, 

Ttgöofpoga  ebenso  L.  fugit.  13,    gallus  5. 

XenTovfjfyfi  [LJ  amor.  41    hnroVipiig  —  ia^fig. 

Ti/g  xg6x7]g  L.  Jupp.  tr.  51  än6  Xemtjg  xgdHtig  (öfter). 

äh^nvtfia  Hom.  Od»  14,  529  dle^dve/inv. 


244  K,  Meiser,  Über  die  Briefe  des  Bhetars  Mkiphran. 

3.  h  &Qq.  ydfJLOv  L.  meretr.  d.  2,  2  ^yaxiga  —  (bQalav 
fldri  ydfiov, 

^eganaivloiv  [L,]  amor.  39  i^eganaivldcov  Sx^iog. 

ek  ävdQog  ll&ovaa  L.  Lexiph.  11  i^oixietv  yäg  (fieXXe 
TYifiEQOv  elg  ävdQÖg  t^v  ^yaxsQa, 

fAYi  xaxaioxvvf]  xovg  naxigag  L.  deor.  d.  22, 3  oä  xaxat- 
axvvcb  ae,  &  näxeg, 

HÖojuq)  ßlov  xal  ooxpQoavvfj  oxoldCovoiv,  L.  ver.  hist.  2,  15 
piovoiHfj  x€  xal  cßdäig  axoldCovaiv.  Tim.  55  negl  acotpQoovvrjg 
xal  xoojbuöxfjxog. 


245 


Verzeichnis  der  tibetischen  Handschriften 
der  Königlich  Württembergischen  Lande^bibliothek 
zu  Stuttgart 

Von  Emil  ScIiLt^lutweit. 

fVorgeleg't  in  der  pMloa.-philol.  Klasse  am  5,  März  1904,) 


Dio  Kgl.  Lamlesbibliothek  zu  Stuttgart  besitzt  eiot»  Rtsihe 
tibetischer  Werke.  Ein  Verzeichnis  fehlte;  auf  Ersuchen  der 
Vorstandschaft,  des  Kgl  Obersiudienrates  Herrn  Dn  Sfceiff, 
enjtellte  ich  ein  solches. 

Die  Sammlung  war  in  9  Nnirmiern  verteilt;  im  j^anzen  ent- 
mlteii  diese  ohne  die  Schriftproben  und  Bruchstücke  22  Werke 
ind  Abhandlnngeiit  Fast  sämtliche  Stücke  sind  Handschrift 
n  der  leicht  leserlichen  Druckschrift  U-can  (dbu  can)  ond  diese 
it  teilweise  von  grosser  Schönheit.  Da^  Papier  ist  haltbar, 
vorwiegend  gut  geglättet  und  diinn;  die  dicke  Sorte,  welche  die 
äteren  Handschriften  aus  Nepal  kennzeichnet,^)  findet  sich  nicht. 
Bei  der  Auswahl  waltete  nicht,  wie  sonst,  ausschliesslich 
der  Zufall;  einzelne  Teile  sind  einheitlich  zusammen  gekommen. 
Den  Anfang  machte  eine  grosse  Kapsel  in  Buchform  mit  rotem 
Maroquin-Leder  überzogen  und  mit  dem  Namenszug  der  Kaiserin 
Katharina  H.  von  Russland  in  Golddruck  geziert;  diese  Kapsei 
war  nach  Stuttgart  geschickt  worden  und  das  beigegebene 
Schreiben  bezeichnet  die  innen  liegenden  Stücke :  eomme  pieces 
en  langue  mongole  et  tungouse.  Zu  dieser  Grundlage  kamen 
dann  unter  den  Beziehungen  der  beiden  Höfe  zu  Stuttgart  und 


*)  Vgl.  Prof  Cecil  Bendall:  ^ik^&aamaceaya  in  Bibliotboca  Buddhiea 
7ol.  1  (1902K  P.XXIV. 


246  E,  Schlagintweit 

St.  Petersburg  die  weiteren  Nummern.  Die  Korrespondenzen 
sind  im  Archiv  der  Bibliothek  nicht  hinterlegt.  Das  Prunk- 
stück der  Sammlung  und  eine  Zierde  für  jedes  Museum  ist  ein 
langer  dicker  Band,  die  Blätter  nach  Landessitte  zwischen 
geschnitzte,  rot  gestrichene  Bretter  eingelegt;  das  Ganze  wird 
von  zwei  festen  Liederriemen,  wovon  der  eine  mit  Schnalle, 
zusanmiengehalten  und  ist  entsprechend  der  solchen  Werken 
gezollten  Verehrung  in  ein  rotes  Seidentuch  eingeschlagen. 
Dieses  Buch  ist  zu  kostbar,  um  im  Handel  erworben  zu  sein; 
es  nahm  seinen  Weg  sicher  aus  den  russischen  Vorräten,  die 
Prof.  P.  S.  Pallas  und  nach  ihm  Baron  Schilling  von  Cann- 
stadt  von  den  burätischen  Mongolen  und  dann  über  Peking 
mit  überaus  wertvollen  Stücken  beschickt  hatten.  Alle  Stücke 
zeichnen  sich  vorteilhaft  durch  gut  erhaltene  Einbanddecken 
ujid  grosse  Vollständigkeit  aus.  —  Inner-Asien  ist  als  Herkunfts- 
land der  Sammlung  auch  nach  ihrem  Inhalte  anzusprechen; 
nicht  blos  in  den  Abhandlungen  aus  der  Kapsel,  sondern  auch 
sonst  wird  örtlichen  Schutzgottheiten  Verehrung  erwiesen,  deren 
Namen  in  Tibet  selbst  nicht  auftreten.  Die  Rechtschreibung 
und  die  Satzbildung  weichen  von  der  Büchersprache  vielfach  ab.^) 


Abkürzungen  in  den  Zitaten:  Buddhism  =  Mein  Buo- 
dhism  in  Tibet.  Engl.  Ausg.  1863;  französische  1881.  —  Grtir- 
wtulül:  Die  Mythologie  des  Buddhismus (1900).  —  Feer:  Analyse 
\U\  Kandjour  et  du  Tandjour,  par  Alex.  Csoma  de  Koros,  tra- 
diüle  de  Tanglais  et  augmentee,  in  den  Annales  du  Musee  Guimet, 
Vt»l.  II  (Lyon  1881).  —  Padma  Sambhava  =  Meine  Lebens- 
ln^rtrhreibung  von  P.  S.  Abhandlungen  der  K.  Bayer.  Akademie 
^01  Wlss.,   I.  Kl.:   Teil  I  in  Bd.  31,   S.  419,   Teil  II  in  Bd.  32, 

*)  IJiuBohrift  des  tibetischen  Alphabetes: 


k 

kh 

g 

n» 

ts 

ths 

dz 

V 

c 

ch 

j 

ny 

zh 

z 

0 

y 

t 

th 

(1 

n 

r 

1 

s 

8 

P 

ph 

b 

m 

h 

A 

V\\\  ^AH»krit  itt  das  eingeführte  Alphabet  benützt. 


Tibeti»di(s  Handschriften. 


247 


S.  619.  —  PeL  Hdsch.:  Verzeichnis  der  tibetischen  Haiid- 
ächriften  und  Holzdrucke  im  Asiat.  Museum  der  Kais.  Akad, 
d.  Wias.,  verfasst  von  L  J.  Schmidt  und  0.  Böhtlingk,  Bullet, 
Vol.  IV  (1848),  auch  separat  8^  —  Waddell:  The  Buddlii^m 
of  Tibet  or  Lamai^im.  (London  1895), 


Nr.  1  des  Bibliotbekverzeichnisses  der  Lande.sbibliüthek  ent- 
hält die  Nummern  1   bis  8, 

372  Blatt,  7  —  45  cm  Schriftbreite.  PapiiT  vun  brauner 
Farbe,  gut  geglättet  Der  8ammelband  enthält  2  Sütras, 
4  Tantras,  die  letzteren  tragen  auf  dem  Titflblatte  ein  ktilo- 
riertes  Bild  einer  Gottheit;  eine  solche  Gottheit  ist  auch  auf 
dem  Schlussblatte  gezeichnet  Aussenlem  ist  jeder  Gruppe  eine 
RiuleituDg  beigegeben,  die  den  Inhalt  der  folgenden  Werke 
dem  Verständnisse  der  Leser  näher  bringen  soll;  denn  alle 
Begebenheiten  spielen  in  Indien,  die  Namen  sind  aiieli  indisch« 

Nr.  1. 

Die  Einleitung  zum  nachfolgenden  Sütra.  1  Blatt,  7 — 45  cm, 
9  Zeilen  wie  meist.  Die  Schreibweise  ist  eigentümlich,  ich 
gebe  sie  unverändert. 

Diese  Einleitung  lag  hinter  der  Schmutzdecke  und  zerfällt 
in  drei  Teile. 

Der  1.  Teil  beginnt:  Die  drei  Körper  sind  selbst  das 
Böchste,  sind  die  kostbaren  Kleinodien,  sind  „die  Siegesstaml- 
arte**  der  nie  sinkenden  Lehre,  welche  die  Wesen  auf  den  Wt-g 
der  Seligkeit  bringt  Verneigung  sei  vor  den  unvergleichlichen 
drei  Kleinodien;  hurtl  (sku  gsum  bdag  njid  dkon  cog  rin 
chen  rtso(l)  |  mi  nub  bstan  pai  rgjal  mthsan  gyur  cing  |  ngro 
mams  mthar  pai  lam  la  ogod  mdzad  pai  |  bla  med  dkon  cog 
gsum  log(!)  phyag  othsal  stod  <  £  ma  ho  »  «Siegesstandarte''  ist 
dfts  Stichwort  im  Titel  des  folgenden  SAtra,  —  Es  wird  nun 
pakyamuni  Verehrung  gezollt,  der  die  Haufen  der  bösen  Geister 
(bdud)  bezwingt  und  in  einem  Augenblicke  die  drei  Körper 
nehmen    kann.      Dann    heisst    es:    Mit   dem    GesetsBe^ikilrper, 


24S 


B,  SMaffimweU 


dem    ^körperlichen  Körper*   (gxugs  sku)  und  dem  magischen 

K/irper  sind  die  30  Buchstaben  angekommen,  Verehrung  sei 
dem  Haufen  der  Konsonanten;  merkt  es  Euch  (ka  kha  phn 
ma  snm  bcu  byon  gm\  byed  yi  gel  thsogs  ia  phyags  atbaal 
lo  ,  E  ma  ho  \  Dieses  Lob  der  Heilslehre  als  Trägerin  v«m 
Schrift  und  Literatur  ist  merkwürdig. 

Den  zweiten  Teil  bildet  eine  Lobpreisung  des  Landes  Tibet 
in  der  hiefQr  eingeführten  Form.  Das  Land  bilde  einen  Teil 
von  Jambudvipa  oder  Indien:  in  seinen  Bergriesen  wurzele  die 
Erde.  Am  Kaihisa  (Tise)  habe  sich  der  Tathägata  nieder- 
gelassen, Manasasaroyara  sei  der  See,  in  weichern  diejenigen 
baden,  welche  die  höchste  Vollendung  erlangten.  In  Vajräsana 
sei  die  Lehre  des  Meisters  vorgetragen  worden;  im  Norden 
davon  Hege  Tibet  ,das  Königreich  der  Verstorbenen"  (spur  rgyal 
bod  kyi  yul).     So  ist  es  (kai  lags). 

Der  dritte  Abschnitt  ist  der  längste,  bietet  aber  «ui  wenigsten 
Allgemeines  Interesse.  Die  ersten  zwei  Siitze  sind  noch  —  wie 
der  bisberige  Vortrag  —  im  üblichen  Versrnass  von  9  Silben 
geschrieben,  dann  folgt  Prosa.  Gepriesen  wird  bLobzang 
gragspa,  ,der  wegen  seiner  Klugheit  Berühmte*»  was  der 
Funiiliennanie  ist  von  Tsongkh»pa,  dem  grossen  Reformator 
des  tibetischen  Munchswesens,  der  unter  den  Nordasiaten  mehr 
geehrt  wird  als  in  Tibet  selbst.  Sodann  sind  der  Verehrung 
verschiedene  unbekannte  Ortsgottheiten  empfohlen  wie  Hamlr 
srid,  Vater  und  Sohn;  Apa,  Ama,  Aco,  Aneba;  diese  werden 
den  Befreiungsweg  schon  nach  zwei  Lebensdasein  finden  lassen 
(thse  odas  gnyis  kyi  thar  lam  thobpa).  Statt  mit  dem  üblichen 
Segensspruch  ^GiUck  sei  und  Segen "*  schliesst  das  Ganze  mit 
Sa  81,  Erdo  und  Pfeifen,  Die  Verehrung  der  Erdgeister  ent- 
spricht dem  Volksglauben;  sie  wird  insbesondere  durch  die 
Uonpo*4  gepHogt 

Die  Bezeichnung  von  Tibet  als  Königreich  der  Verstorbenen 
(spur  rgyal)  findet  sich  selten,  spur  heiast  Leichnam.  Bereits 
bei  den  Indiern  war  die  fiebirgaregion  im  Norden  berühmt 
aU  Wohnsitz  der  Verstorbenen,  König  Yndbi^j^him,  der  ülktsto 
der    5  Pä^dn  -  Prinzen ,    gilt    mythologisch    nls   der  Sohn    fo 


Tihetiifche  Handschriften, 


249 


Dharma,  dem  Gotte  der  Gerechtigkeit.  Nach  der  Schilderung 
im  18.  Buche')  des  Mahäbharata-Epos  besucht  Yudhisthira  die 
Schneeregion,  ehe  er  in  den  Himmel  eintritt;  er  sieht  hier 
seine  Verwandten  unter  den  (Qualen  der  Hnlle  leiden,  zieht  aber 
jschliesslich  mit  ihnen  in  den  Himmel  ein.  —  Den  Buddha- 
bekennern im  ganzen  weiten  Zentralasien  gilt  Tibet  heute  als 
Land  des  ßar-du  oder  als  der  Ort,  \v(*hin  der  Venitorbene  in 
der  Zeit  zwischen  Tod  und  Wiedergeburt  sich  begibt.  Bar  do 
heisst  ZwjÄchenzastftnd;  wähiemi  desselben  können  keinerlei 
Taten,  auch  keine  guten  verrichtet  werden,  demnach  lassen 
dann  Verdienste  nicht  sich  anhäufen.  Der  Zwischenzustand  gilt 
deswegen  als  ungünstig.  Er  sr^ll  iiussersten  Falls  49  Tage 
dauern;  aber  die  Lamas  vermügen  ihn  nicht  nur  abzukürzen, 
sondern  auch  zu  bewirken,  dass  die  Diener  des  Herrn  über  die 
Toten  vor  ihren  Richter  ein  unrechtes  menachh'ches  Wesen 
bringen,  und  besonders  haben  schlechte  Menschen,  über  die 
kein  Schutzgott  wacht,  solches  zu  befürchten,  was  man  als 
vurzeitigen  Tod  bezeichnet  (Buddhism  s.  v. ;  S.  C.  Das,  Lex.  s.  v. 
bor  do).  Den  Gläubigen  dient  es  zur  Beruhigung,  dass  die 
Ihrigen  den  Zwischenzustand  im  Schneereiche  abwarten  dürfen 
und  dadurch  an  seinen  Onadenspenden  teilnehmen,  —  In  der 
Literatur  wird  der  Name  im  Sinne  einer  Sage  behandelt.  Im 
4.  christlichen  Jahrhundert  habe  König  Grigum  btsan  po  im 
mittleren  Tibet,  im  Yarlung  Tale,  seine  Residenz  an  der  Hohle 
iPu  aufgeschlagen,  so  dass  man  Tibet  das  lieich  sVii  nannte; 
unter  diesem  Kamen  wird  Tibet  noch  im  IL  Jahrhundert  in 
einem  indischen  Reiseberichte  erwähnt.^) 


Nr.  2. 

Dieses  bildet  das  erste  Werk  im  Sammelbande.  IRO  Blätter; 
6  Zeilen.    Zeilen  weite  und  Schrift  grösser  aU  in  den   übrigen 

*)  Mehrfach  öberaetzt,  a.  A.  van  Monier  William».  Indian  Epic 
PüHtry  (Loüdcm  1Ö68)  p.  29. 

^  8.  C.  Dai,  Tndian  PandiU  (Calc,  1893)  p*  73;  Lex.  a,  v.  «pur  TgyA\; 
nirui.?  Könige  von  Tibet  (18G6;  Abb.  der  Kßl.  Akad.  d.  Wih».  Bd.  X 
Index  s.  V.  aPu). 


250 


E.  Schlmfintiüeit 


Nummern  dieses  Bandes.  Titel  in  Sanskrit  (die  Fehler  ira 
Original  sind  hier  wie  später  Wrichtigt):  Mahfi  sannipiUa  rat- 
nnkt^tu  flharant  luahayuna  sütra. 

Tibetisch:  oPhagspa  oduspa  ehen  tog  gi  gasungs  xhes  by« 
ba  theg  pa  chen  poi  mdo. 

,Das  ehrwiinlige  Mahäjäna  Sütra.  genannt  die  DhärÄfiT 
liiM*  Standarte  der  gesammelten  Kleinodien- 

Das  Werk  ist  in  den  Kandschur  aufgenommen  und  ist  diirt 
mit  anderen  Siitras,  bald  7  bald  9^  zu  einem  Bande  vereinigt 
Im  Index  des  Kandschur  von  I»  J*  Schmidt  steht  unser  Sütra 
im  12.  Bande  unter  Nr,  138;  in  Osoma-Feers  Ausgabe  bildet 
es  Nr.  135  im  10.  Bande  der  SiUras.  Eine  Analyse  des  Siitni 
gibt  Feer  S.  250.  Zwei  Sonderausgaben  verzeichnet  Pet»  Hdsch, 
unter  Nr.  281. 

£iner  solchen  besonderen  Zusammenstellung  gehdrtc  auch 
unser  Stuttgarter  Kxeraplar  an,  denn  der  Schluss  auf  Foi  179 

lautet  hier:  In  der  I^harani  von  der  Standarte  der  gesr" ^^f^n 

Kleinodien   bildet  diese  Dhara^ii  das  Kapitel  von  der  i  i,» 

nämlich  das  13,  (gxungs  la  nithar  phyin  pai  leu  ste.  beu  gmtiii 
pao).  —  Ebendort  sind  als  itbersetzer  genannt:  ('iiendrabodlii, 
Jinamitra,  Surendradeva  und  , der  grosse  Vergleicher  d«n- Ober- 
setzungen (zhu  eben)',  der  Lot^iava- Bande:  Ye  ^es  sde.  Nachdem 
die^ser  die  Prüfung  der  Sprachen  vollzogen  hatte,  wurde  die 
ObersitUung  fUr  gut  befunden  {skmA  sar  (sie)  cad  kyis  kjang 
beos  nas  btan  las  (sie)  phab  pa  rdzogs  so).  Im  ^Vocubolaire 
de  l'Analyse  du  Kandjour*  (Guimei  H  381)  teilt  Feer  aodi 
die  Namen  der  Cbersetxer  mit     '      '  tib^tisiib^n  Kandsebitr 

mitwirkt4?n,     Ira  Index   von   ^  l   die  Angaben   reich- 

lieber;  nach  meinen]  Auszüge  hiit  ^^^lleodrabodhi  41  maU  Jinii- 
nuira  —  aus  Kik^mir  —  llBrnml,  Sareadnibodhi  mit- 

gewirkt.   EiiMß   Obenms  grossen  Eifer   filr  das  '  ,-.n^. 

werk  «eigt«  der  Mönch  tBand»»^  Vp  m^^  »de,  4,  i  Pri« 
hrit^klasst*.    Dieser  mit  R  '^ava  twler  DolmHsch^ir 

r      '  \ritd<T!     '  iriiU*n  sah        *'  r 


raguog. 


durch  und 


iit 


mimmh  »rdaog»  m*  gut,  ttm«n>iii  ImpftiDaltir! 


T&tetisthe  Htmd»chnften. 


251 


Nr.  3—8. 

Es  folgen  nun  im  Pruokband  5  Werke  mit  einer  Ein- 
leitung, die  y.usammen  ein  Ganzes  bilden.  Sehr  schüne  Hand- 
schrift, f>— 45  cm  Schriftfläche,  6  Zeilen. 

ALs  Titel  des  Sammelwerkes  ist  ein  Blatt  vorgelegt  mit 
dem  Inhalt:  i^Phags  pa  gzungs  cheri  mo  grang.s  Inga  bzhu gs 
so:  Hierin  sind  enthalten  die  ehrwürdigen  Dharar.iLs,  5  an  Zahl. 
Dieses  Blatt  ist  von  sehr  starkem  Papier  und  hat  seitlich  einen 
Anfass  aus  landesüblichem  Canevas:  Gewebe  aus  Hanf,  gemengt 
mit  einer  einheimischen  Gespinnst faser. 

Hinter  diesem  Samnieltitel  liegt  zunächst  eine  Einleitung. 

Nr.  3. 

Ein  Blatt;  In  }*apier  und  Schrift  sorgfältiger  als  bei  Nr.  1 ; 
die  Beziehung  zu  den  folgenden  5  Tantras  auch  deutlicher 
als  dort. 

Im  Beginn  deckt  sich  der  Vortrag  mit  der  anderen  Ein- 
leitung: es  wird  den  drei  Körpern  Verehrung  gezollt,  Janibu- 
dvlpa  der  vorzüglichste  der  Kontinente  genannt,  Vajräsana  als 
Lebrsitz  gepriesen  und  das  Schneereich  als  der  nachtbigende 
Sammelpunkt  der  Lehre  bezeichnet.  Als  Orte,  wo  hier  die 
heilige  Lehre  ihre  Verbreitung  fand,  werden  »Guge  und  Zhang 
Zhung''  genannt  Der  grosse  Gebieter  der  Menschen,  Khri  Ide, 
setzte  den  Helm  auf  den  Kopf;  sein  Reich  erhielt  die  Fülle 
des  Meeres;  unter  der  Herrscliaft  dieses  GesetzeHkönigs,  dessen 
Leib  schien  umgürtet  war  mit  der  magischen  Kette,  war  der 
Segen  der  Freude.  So  ist  es  (mi  dbang  chen  po  gong  ma  Khri 
Ide  dbu  rmag  btzug  zhing  |  chab  srid  rgya  mthsoi  dpal  I  dga 
ba  dei  bilab  phreng  rol  pas  mdzes  pai  sku  chos  rgyal  dei 
üOgnia  I  kye  legs).     Im    folgenden   Schlusssatz    wird   der   Text 

Bhr  s^  ;  der  Inhalt  ist  folgender:  Segen  sei  dem  lleichen, 

fem  U... .  .,  ,.*  nder,  dem  Herrn  des  Lebens.  In  der  Zeit,  in 
welcher  man  nachdenkt  (wörtlich  abwägt)  über  Vater  und 
Mutter»  welche  die  gröasten  Wohlthäter  sind  (tibetisches  Sprich- 

lort),   und  viele  angesammelte  Sünden  das  eigene  Leben  ver- 


mSM 


252 


E,  SehiapntweU 


Jimkeh)T  da  haben  uns  insbesondere  zur  heiligen  Lehre  geführt 
pdie  ehrwürdigen,  die  5  Schulen  (grva  Inga)  enthaltenden  grosseo 
Dharauis"  (ohyor  Idan  yon  gyi  bdagpo  thse  dbang  bkra  $is 
gyis  dria  chen  pha  mai  drin  lan  gzhal  ba  dang  rang  g! 
thse  rab  bsags  pai  sdig  bsgrib  phyir  dus  |  dam  cbos  khyad 
ophags  gzungs  eben  grvas  higa  slus. 

Die  5  Schulen,  eigentlich  Ecken  (grva),  auch  5  Klassen  (sde) 
sind  Bezeichnungen  von  Schulen  in  der  Zeit  des  mjrstischen 
Binldhismus  und  sollen  Zaubersprüche  erklären;  ihre  Bücher 
gehören  der  ältesten  Gruppe  der  Schriften  des  Mystizistnus  zu 
laid  ziihh^u  zu  den  Werken,  welche  Ananda,  der  Schüler  des 
Ueligionsstifters,  in  Indien  hatte  vergraben  lassen,  als  die  Keligion 
dort  in  Gefahr  kam.  Bereits  im  11.  christlichen  Jahrhundert 
wurde  uligemein  geglaubt,  dass  die  5  Grva-Bücher  auf  dem 
Leichen acker  <|.*ltavana  geborgen  wurden  (Padnia  Sambhava  II 
540).  Die  Titel  dieser  5  Dhärapts  wurden  später  personifiziert; 
dies  geschieht  auch  in  der  nun  tidgenden  Ausgabe.^) 

Im  Übrigen  ist  noch  zur  Erläuterung  vorzutragen.  Die 
Landschaften  Guge  und  Zhang  zhung  liegen  in  der  Umgebung  dets 
Maruisasarovara-Sees  (oben  S,  248)  im  westlichen  Tibet,  Provini 
Ngari  Khorsura;  sie  gelten  den  Tibetern  als  das  UrsprungJiland 
der  als  Bonpo-Keligion  zusamniengefassten  Lehrsätze,  soweit 
nie  noch  als  buddhistisch  anzuerkennen  sind.  Im  8.  christ- 
lichen Jahrhundert  bestanden  diese  Länder  als  eigene  Reiche»  die 
Krjuige  erschienen  an  indischen  Höfen  mit  Geschenken ;  es  mufis 


^  Ndhere«  siehe  im  Pet.  Wort,  ntiter  mah&nik^  u^d  bei  8.  C. 
|)|Mi  Lfix-  unter  gxungs  angags*  —  Hemi  ProfesBor  Ä.  Grünweciel  dankr 
I,  iif>  gütige  Mitteilungen;  Die  Mongolen  nennen  die  5  GQttinncn 

1  ikisu,    die    6  Hülfen;    bei    Schieftior    Bulletin  1B77,    Ersülblung 

Nr.  45  ü.  468  findet  sieb  ilie  abweichende  Über««t7.ung  gC4in  riropa  Inga 
|ilii^  6  Reihen  der  ,,,..,?).  Int«reiMtinte  Sarmkrit* Texte  Ubor  di«c 
Üftttinni'H  bietpn  die  Ztipiski  Yi>9tocn»gü  Otdeltrnija  linp.  Raa§k.  Archeol 

liingcG  der  Güttinnen  kommen  aU  \\ö\u 
I    vor  aI0  in  Bronzen.     Di»^  Hrun^eu  «ind 
^»iMi  tdmer   m   heHtimim^n,   da  ihnen   vjelfuch   die   Attribule   veriore» 

j<ind.     An»ftibrliche  Rr^ichn'i**nn.*.M*   .h«r   Mnupifonntai   «nihlUi 

\\\  '  tiiuuAlJL 


TibtHnhe  HaftthchrifUn, 


2S3 


dort  Wohlstand  geherrscht  haben,  sonst  hätt«  sich  ein  Kriegs- 
zug in  das  QueUgebiet  der  Satledsch-  und  Indusflüsse  nicht 
haben  lohnen  können.  Es  bestehen  dort  alte  Klöster,^)  die 
Mönche  gelten  als  hochgelehrt  —  Der  Lebensherr  unseres 
Textes,  Thse  dbang,  gilt  als  ein  Sa  bdag-üngeheuer,  ist  also 
ein  Oott  der  Bonpos  und  der  Volksreligion. 

Nr.  4. 

62  Blatt,  Nr.  22  fehlt  Marginalbezeichoiing  k.  Ayf  dem 
Titelblatt  rechts  wie  links  eine  Figiir;  links  ein  Buddlia,  rechts 
eine  Figur  mit  8  Armen  in  einem  Flammenkreise  stehend,  wie 
sie  zum  Heile  der  Menschen  Chenresi  an  nimmt,  dpr  Schiifezgott 
aber  Tibet  (Buddhism  Tafel  IV,  Grünwedel  p.  130). 

Titel  in  Sanskrit:  Mahasahasra  pramardana  sütra  ^das 
Sttra  vom  Zermalmen  der  tausend  Grossen".  Titel  in  Tibetisch: 
oPhag«  pa  stong  chen  rao  rab  tu  ojoms  pa  zhespai  mdo:  Das 
iSütra  vom  völlig  Zermalmen  der  grossen  tausend  ehrwürdigen 
(Gdttinnen). 

Dieses  Sütra  ist  oft  aufgelegt:  Kandschur  Nr.  558,  unter 
der  Taotra-Abt^ilung  (Analy&e  bei  Feer  p.  316),  Pet  Handsch. 
Nr.  250—253;  hier  ist  zu  tauaend  ergänzt  , Welten*,  Dies 
stimmt   nicht  zum  tibetischen  Text,   der  die  Ehrwürdigen   mit 

Idem  weiblichen  Artikel  aufführt,  Hiezu  passen  die  neuen  Auf- 
schlüsse über  die  Personifikation  der  Trägerinnen  der  5  Grva 
(A^t),  Es  handelt  sich  demnach,  statt  von  Welten,  um  Schutz- 
g5ttianen  oder  auch  die  mystischen  Zeichen  und  Sprüche,  die 
auf  ihre  Eingebung  zurückgeführt  werden.  Es  liegt  hier 
unzweifelhaft  eine  Umdeutung  des  ursprünglichen  Sinnes  Tor; 
einigen  Anhaltspunkt  hiefür  gibt  sTong,  Tausend.  sTong  mit 
pa  heisst  die  Leere  und    in  einem  Hauptwerke  der  Bonpos  ist 

I  der  Frage  ^ über  die  Leere,  welche  die  Befreiungsgesetze  lehrt*, 
ein  eigener  Abschnitt  gewidmet.*) 
*J  Siehe  den  schönen  Farbendruck,  Bd.  II  der  Riwilts  meiner  Bröder, 
welcher  da»  Innere  de«  berühmten  KJoatera  M&ngnan^  daraiellt  —  Über 
KMch^r  beiteht  aas  diesen  Landstreifen  noch  heute  ein  lebhafter  Ver> 
ihr  mit  den  nördlichen  Ländern. 

^  A.  Scbie^ier,  Das  weisse  Käga-Hunderttauaeud,  PeU  1680,  S»  109. 

IfM.  SiUyMb.  d.  phUos.-p]ii)ol  xl  <L  MmL  KL  17 


X  SMaginH^eU 

Nr.  5, 

43  Blatt-  Auf  dem  Titelblatie  edoe  weisse,  in  einem  Feuer- 
strahlenkranze  sitzende  Figur  mit  8  Armen.  Marginalbesteich- 
nuDg  kJi. 

Titel  in  Sanskrit:  Map]  pratisarä  yidyä  räjni;  in  Tibetaseb: 
oPhags  pa  rig  pai  rgyal  mo  so  sor  obrangma  eben  mo  «Die 
grosse  Königin  der  Weisheit,  die  Schutzgöttin  Mauipratisarä. 
Pratisarä  beisgt  Perlenschnur,  Amulet.    Analyse:  Feer  317. 

Nr.  6. 

62  Blatt    In   der  Mitte   des  Tittflblattes  eine   gelbe   achf 
arraige  Figur,  in  einem  Feuerkranze  sitzend.    Marginatbezcick- 
nung  g. 

Titel  in  Sanskrit:  Mahämajüri  vidyä  rajnl  dbitrapl.  Tibei- 
tisch:  rigs  (sie)  sngags  kyi  rgyal  rao  mia  bya  eben  mo:  ,Die 
Königin  der  Zauberkünste,  das  grosse  Pfauen  weibehen  * .  Anal^r^e: 
Feer  p.  316. 

Nr,  7. 

22  Blatt.    In  der  Mitte  des  Titelblattes  eine  schwarze  acbl 
armige    Figur,    in    einem    Flammeukreise    sitzend.     Marginal- 
bezeichnung  ng. 

Titel:  Mabacltavanl  ^tra;  tibetisch:  bsil  bai  thsal  eben 
pai  mdo.  ^Üas  Sfitra  vom  kalten  Walde*  =  ^Itavana.  DieJS  ist 
der  Name  eines  boriUimten  Leicbenackers  im  Qangeslande,  auf 
welchem  nach  diesem  Sütra  bereits  der  Religionsstifter  predigte; 
später  liess  sich  darauf  Padma  Sambhava  nieder^  der  Begründer 
des  heutigen  Lamaismus.  Analyse  bei  Feer  p.317,  wo  ^ttavana 
zu  lesen  ist;  Padma  Sambhava  II  p.  536. 

Nn  8. 

H  Blatt;   in    der   Mitte    des  Titelblattes   eine    rote    acht*] 
armigo  Gottheit  in  einem  Flammen  kreise,  mit  der  rechten  Hand 
vor  der  Brust  eine  nindrü  machend.    Marginalbex^-ichnung  e«.  1 

Titel:  Mabamantra  anudbäraul  s^ütra;  tibtitisch;  SQ^a|{a 
cbegi   pa  rjes  au  oda^in  pai  mdo:   «Das  grosse  Sütra,   das   sstur 


Tibetische  Handschriften, 


255 


Bewahruog  im  Öedäclitnis  das  gi'osse  Mantra  zusammenfasse*. 
Der  Ausdruck  rjes  su  oditin  pa  iat  in  der  Erklärung  schwierig; 
aber  alle  Beispiele  beweisen  seinen  Gebrauch  im  Sinne  vom 
Erwerben  durch  geistige  Arbeit»  vom  Festhalten  der  Anwendung 
von  Zaubersprücheo.    Analyser  Feer  317. 

Das  letzte  Blatt  hat  als  Schlusswort  byon  und  ist  hiedurch 

ausdrücklich  als  ^Schluss"  des  Sammelwerkes  erklärt;  dies  spricht 

sich  auch  in  dem  Schlussatze  aus  ,5  an  Zahl  sind  die  b  Dhäraui- 

Schutzgöttinnen*  (gzungs  chen    mo  grangs   Inga)   und   in    Aer 

m  Verdickung  des  Schluasblattes  unter  Durchzug  von  Lederriemen* 

^v  Von   den  Übersetzern    heisst   es:    »Die  Übersetzung   haben 

^Kv^ii*^^   der   Indier    (^'Uendrabodhi ,   Jnanasiddbi ,   (^likyaprabha 

und  der  Lotsava  Ye  ^es  sde;   im  Ganzen  nind   es  700  (^Uokas. 

PDen  üblichen  Segen»s[»rüchen  ist  beige ttigt:  Mögen  alle  Wesen 
sofort  Buddhas  werden»  welche  Geschenke  darreichten  (jon  mchod 
brtso  bjas  sems  can  thamscad  sangs  rgyas  myur  sgriib  ^g). 
Im  Index  wird  Jäänasiddhi  9  mal,  (,4ikyaprabha  II  mal 
genannt 


Nr.  II  des  Bibliothekverzeichnisses  wird  gebildet  von  der 
durch  Kaiserin  Katharina  IL  geschenkten  Kapsel  und  enthält 
die  Nummern  9  bis  14. 

Nr.  9. 

51  Blatt  Holzdruck;  auf  dem  Titelblatt  zwei  Figuren:  rechts 
ein  Buddha,  links  eine  4  arniige  sitzende  Gottheit  4  zu  10  cm 
Druckfläche,  4  Zeilen.  Schöner  deutlicher  Druck,  aber  Marktware. 

Titel:  aussen  rDo  rje  ;^codpa.  Innen:  Arya  vajracchedika 
Drajna  puramitä  nama  mahayana  sütru.  Tibetisch:  oPhags  pa 
%h  kyi  pha  rol  tu  phyin  pu  rdoije  gcod  ps  zhes  bya 
Da  theg  pa  chen  poi  rado.  »Das  ehrwürdige  Sütra,  genannt 
der  ans  Jenseits  der  höchsten  Weisheit  gehmgte  Diamant* 
zerscbneider,^ 

£s  gibt  kaum  ein  anderes  Werk,  das  in  den  Landern  des 
heutigen  Lamaismus  su  oft  aufgelegt  und  verbreitet  ist  als 
dieft^K  Sf^tru;   in  Europa  iat  es  in  jeder  öffentlichen  Bibliothek 

17* 


056 


K  Schla 


vurhaDden;    eine    ÜbersetzuDg    aus    dem    Tibetischen    lieferte 
h  J.  Schmidt  1832,    aus   dem  ChinesischeD  Rev,  S,  Baal  1876;  I 
den    Sanskrit-Text   edierte    Max  Müller  1881.    —    Auf  S,  51 
unseres  Druckes  sind  handschriftlich  Beschwörungsformeln  bei- 
gesetzt in  schlechtem  Sanskrit. 

Nr.  10. 

Handschrift,  4  Blatt,  4 — 30  cm.  Stork  abgegriffen,  die 
GrifiBächen  voll  Schmutz,  sohin  ist  das  Exemplar  vielfach  ge- 
lesen worden.    Auf  dem  Aussentitel  eine  Zeile  Cursivschrift. 

Titel:  Suvarpa  prabhasa  uttama  sütra  Indraraja  nama 
mahäyana  siitra.  Tib:  oPhagspa  gser  aod  dam  pa  mdo  sdrJ 
dbangpoi  rgyalpo  (Text  hat  dragpo)  zhes  bja  ba  iheg  pa 
eben  jK)i  mdo.  »Das  erhabene  Sötra  vom  Goldglanze,  der 
mächtige  König  der  Sötras.*  dbangpoi  dragpo  hat  den  Sinn: 
Indras  furchtbare  Gottheit. 

Das  Sütra  ist  sonst  lang  und  bereits  von  Burnouf  bear- 
beitet worden;  es  ist  im  Kandschur  enthalten  und  gibt  Feer 
515— 51  ö  eine  längere  Analyse  davon. 

Nr.  IL 

Handschrift,  2  Blatt,  9 — 48  cm.  Zierliche,  schSne  Schrift, 
6  Zeilen  auf  der  Seite.    Papier  hell  und  sehr  dünn. 

Der  Text  ist  durchgehends  in  7  silbigen  W^rsen;  ein  liUl 
ist  nicht  vorge^setzt.  Der  Text  beginnt:  ßlUck  werde,  Ehr- 
erbietung sei  den  alles  Wbsenden,  den  Buddhas;  an  welchen 
von  ihnen  man  sich  hält,  es  fUhrt  zu  Glück  und  ist  ein  Mittel 
des  Gelangens  zur  Befreiung  vom  Da-sein.  Der  Inbegriff  der 
Lehre  des  Tathagata  ist  die  Befreiung,  so  sor  thar  pa.  W« 
als  solche  berühmt  ist,  das  lasst  uns,  alle  Ktassen  und  jeden 
Einzelnen  erfassen  und    im  Leben    festhültt^n  pa  dmtg  ) 

ngo  bo  dang  ni  rab  dbye  dang  i  so  soi  ngo^  yj  bai  rien)* 

Im  Geben  ist  Verdienst  (phan  yon  te);  wie  es  sich  daoiit  ver- 
bUt»  wird  auf  sechserlei  Art  ej-klart.  Ist  der  Oodanke  an  Eni- 
»agen  entstanden,  dann  tat  der  Samen  gt^legt  (apang  bat  «ein« 
pa  rgyan  chags  po  |  üa  bon  dang  em  yio  ue  dies.    So  iai  Ott 


Handschriften, 

In  Allem  gibt  es  zwei  Arten  von  Wünschen  (odod  pai  thsul 
gnjis);  hei  Jedem  liegt  die  eine  nach  oben,  die  andere  nach 
tmten. 

Es  folgt  nun  die  Aufzählung  der  Grade  der  Mönche;  jeder 
untere  sei  Vater  und  Mutter  des  höheren  Grades.  Diiran  schliesst 
sich  eine  längere  Aufzählung  der  Gelübde  (sdom  pa),  die  jeder 
dieiier  Grade  ablegen  milsÄe  und  nicht  übertreten  dürfe J) 

Der  Schlussabsatz  behandelt  sodann  allgemein  die  Not- 
wendigkeit von  Gelübden;  nur  durch  solche  werde  vermieden, 
dass  die  von  frülier  herüber  genomnienen  (rtsa  bai  Itung  ba, 
wörtlich:  wiis  herabgefallen  ist)  Sünden  weiter  wirken  und  dass 
die  Lehre  nicht  abnehme.  Gleich  wie  der  Schuldner  sich  nach 
Edelsteinen  sehnt,  so  müsse  Jeder  sein  Gelübde  hoch  halten; 
dann  werden  im  jetzigen  Leben  die  Früchte  davon  erhingt 
werden  als  Gott  (1ha)  oder  Mensch  und  im  späteren  Leben 
die  ti  Vollkommenheiten  (byang  clmb  gsum).  Die  sich  ihrer 
Gelrdmisse  Befleis^igenden  erhalten  als  Lohn  der  treuen  Be- 
achtung die  Befreiung  (so  sor  thar);  wer  infolge  seiner  tugend- 
haften Lebensweise  einen  Körper  annimmt,  soll  jederzeit  ein- 
gedenk sein  seiner  GelrVbtiisse  (dge  des  skje  dang  lus  can 
raams  '  rtag  tu  thsangs  spyod  la  gnas  250g.  , 


No.  12. 


Deutliehe  Schrift. 


I 


Handschrift,  9  Blatt,  7—27  cm,  7  Zeilen, 
Papier  zart,  etwas  morsch. 

Titel:  ^Ätasahasrika  Prajnä  Päramitd:  „Die  aus  1000 Versen 
bestehende  vollendete  Weisheit*.  Tibetisch:  9esrab  kji  pha 
rol  tu  phyin  pa  la  phyag  othsal  lo:  Verehrung  sei  der  ans 
Jenseits  gelangten  Weisheit. 

Das  Werkchen  ist  eine  der  unzähligen  Aufigaben  der 
Gruppe  von  Zusammenstellungen  der  Prajna  Paramitä.  Vgl. 
Pet.  Hdsch.  102,  187-- 193;  eine  Analyse  der  ganzen  Bücher- 
gruppe gibt  Feer  p.  199—208. 


^)  Genauer  dargelegt  im  Pratimokfe.  SQtra;  tiehe  da«  Niiherp  bei 
Peer  S.  182;  vgl.  auch  Waddell  p.  171. 


358 


PT  ScMaffiniweü 


Nr.  13. 

Handschrift,  3  Blatt,  5  — 15  cm,  5  Zeilen. 

Titel:  thanis  cad  mkhyea  pai  brtan  bzhiigs.  Hierin  AüA 
enthalten  die  niemals  sich  verändernden  Taten  der  alles  Wis- 
senden (Buddhas,  Götter  und  Heiligen). 

Der  Text  ist  eingeteilt  in  5  Strophen  von  8  YerseB  zu  je 
9  Silben.  Glück  sei.  Die  der  Erflillung  der  Wünsche  ßich  be- 
fleissende  Göttin  Qrtdevl  (dPal  Man  1ha  rao)  bringt  alles  zur 
Ruhe,  was  an  Krankheiten,  an  Hindernissen  und  sonst  von 
Schaden  ist;  sie  besitzt  alle  Arten  für  die  Bewirkung  der  Huhe; 
sie  ist  sehr  scliun  und  angenehm,  sobald  sie  ins  R-eicli  der 
Ruhe  geschlüpft  ist  (dge  legs  gdod  dgu  rtsol  bai  dpal  Iha  mo 
»ad  dang  bgeg  (sie)  dang  par  (sie)  du  gcod  pai  thsogs  |  ^lu 
iDifidad  1ha  mo  zhi  bai  dang  thsul  can  zhi  ^hing  odzul  la  rab 
mdzes  yid  ong  ma).  Die  folgenden  Strophen  schliessen  mit 
dem  Scbhißsvers:  ophrin  las  rnams  bzhi  phjogs  bcor  rgyas 
par  mdzod:  In  den  10  Himmelsgegenden  verbreite  sie  die 
4  Arten  der  Taten  der  Werke  (der  Buddhas,  Götter  und  Heiligen). 
Sodann  bringt  der  Text  den  Satz:  Nach  (dem  Kloster)  Rasa 
gekommen,  dem  wunderbaren  (ophrul  snang)«  wurde  sie  zur 
Beschützerin  für  die  Schäden  an  den  Menschen, 

dPal  Idan  1ha  mo  gilt  als  ^^devl  oder  ^Vlnmti  devl  als 
Gattin  des  Totengottes  Yama.  In  Tibet  schreckt  sie  die  bösen 
Geister^)  und  ist  zugleich  die  Schutzgöttin  Über  Lhasas  wo  sie 
in  dem  in  unserem  Texte  genannten  Tempel  Rasa,  einem 
geradezu  als  wunderbar  bezeichneten  Bauwerk  thront,  dessen 
Errichtung  in  das  siebente  Jahrhundert  verlegt  wird.  Kaaa 
bedeute  ^ Ziegenland*  und  sei  dies  der  alte  Name  für  Lhasa 
gewesen;  der  Name  sei  gegeben  worden^  weil  der  Bauplatz  für 
den  Tempel  zu  tief  lag  und  Ziegen  es  waren,  die  mit  dem 
Grund  zur  Auffüllung  beladen  wurden.  Die  Umwandlung  des 
Wortes  für  Ziege  in  Gott,  Lha,  sei  die  Folge  davon,  dass  im 
Tempel  die  berühmte  Bi)*l'^l'?»->^^fi^iJf  nux  Simdi  Ihol/  aufgestellt 


^)  Siohe  üiff  Legende  ioi  buJil^Uia  |>.  ii'i  VSlJi  GtHuwcdnl  p   173» 


Tibet iMche  Hanchchriften. 


259 


ist,  die  TOT  Altera  in  Magadha^  dem  IJrsprungslande  des  Bud- 
dhismus, geschnitzt  worden  sein  soll;  um  das  1.  christliehe 
JahrhunJert  sei  dieses  Kleinod  nach  China  g^'kommen  und  von 
dort  einer  Gattin  des  Königs  Srong  btsan  sgarnpo  (629—98) 
als  Brautgeschenk  mitgegeben  worden,  —  Über  die  4  Arten 
der  Taten  (t»pbrin  las  rnains  bzhi)  bestehen  zwei  Erklärungen. 
Jäachke  erklärt  sie  als  das  Stillen  von  Krankheiten,  das  Ver- 
leiben von  Glück  und  Reichtum,  als  Gewalt  über  alle  Wesen 
und  als  Sieg  über  alles  Wilde,  Feindliche.  8.  C.  Das  bringt 
nach  seinen  Quellen:  milder  worship,  abundant  service,  religious 
Service  to  obtuin  power,  terrific  methods  in  coercing  a  deity  bj 
charms.    Ein  tibetischer  Text  liegt  noch  von  keiner  Seite  vor, 

Nr.  14. 

Handschrift.  5 — ^15  cm.  5  Zeilen.  Numeriert  als  20  Blatt, 
Nr.  17  fehlt,  Text  in  9  silbigen  Versen ;  Schreibweise  phonetisch, 
i.  B.  ngur  smig  für  snirig.  Viele  Zusammenziehungen  und  schwer 
aufzulösende  Abkürzungen. 

■  Ohne  Titel.  Inhalt:  Änrufungsformeln  für  den  einzelnen 
"  Tag  (de  ring).  Die  einzelnen  Absätze  abgeschlossen  durch 
_   Worte  mystischer  Bedeutung  wie  kjai,  bhyo. 

^L^    Sehr  abgegrifi'en,  voll  Schmutz,  ersichtlich  viel  gelesen, 

■  An  diese  Nummern  sind  in  der  Kapse!  10  Schriftproben 
angeschlnssen  Tibetisch,  Mongolisch  und  doppelspräichig  in 
den  beiderseitigen  Alphabeten.  Schrift:  Druck-,  Kurrent-  und 
Schoellschrift;  meist  Handschrift.  Das  Papier  ist  durchgehends 
von  der  feinsten,  besten  Sorte, 


Es   folgt   nun    Bibliothek -Verzeichnis   Stuttgart:   Nr.  III, 
3  Nummern, 

No,   15     17. 

Ein  Sammelband  von  24  Blatt,  5— lOcm^  an  der  schmalen 
Seite  geheftet  in  eine  Schutzdecke  aus  grober  Baumwolle,  mit 


260 


E,  ScMagintweii 


Indigo   gefärbt»     Das  Buch   ist   in   der  Mitte   gefaltet,   um . 

bequem  einzustecken;  zum  Zusammenhalten  ist  eine  lange  Schnür" 
eingeheftet,   die   um   das  Buch   gewickelt   wird   wenn    gefaltet^ 
und   vertritt  diese   die  Stelle   des  Schlosses   in    unseren  Mess- 
und  Gebetbüchern-    Stark  abgegriffen. 

Die  Abhandlungen  enthalten  die  Mantras,  Beschwörunj 
formein,  wie  Anleitungen  zum  Gebrauch  des  Nagels  oder  Phurpa, 
durch  welchen  die  bösen  Geister  gebannt  werden.  AI»  Ver- 
fasser und  Lehrer  des  Phurpa  wird  darin  Pha  dam  pa  sangs 
rgyas  genannt.  Über  diesen  Mönch  ist  neuerdings  das  Folgende 
bekannt  geworden. 

Pha  dam  pa,  der  jetzt  in  Tibet  zu  den  Landesheiligen 
z^hltf  stammt  aus  Indien;  als  sein  Geburtsland  wird  Zentral- 
indien genannt  und  als  Ort  Jara  Sindha  (?  Jaora  oder  Jawm).  ^ 
Sein  Name  bedeutet:  , Heiliger  Vater,  Buddha*,  Die  Sanskrit-  ■ 
Tibetischen  Wörterbücher  übersetzen  Pha  dam  pa  mit  ambuja, 
was  für  den  Donnerkeil  von  Indra  gebraucht  wird  und,  in 
dieser  Bedeutung  im  Namen  unseres  Mönches  angewendet,  be- 
deutet dieser  , Donnerkeil  Buddha*^  was  zu  seiner  Tätigkeit 
paastf  wie  wir  sie  im  Folgenden  kennen  lernen.*) 

Pha  dam  pa  besuchte  Tibet  erstmals  um  den  Beginn  deß^ 
12.  Jahrhunderts;    er  war   über  Kasmir  aufgestiegen   und  sull 
7  Reisen  dorthin  gemacht  haben;   auf  der  letzten,   die  angeb- 
lich   in  das  Jahr  1112   fiel,    gelangte  er   bis  China   und   «itarb  1 
dortp    Pha  dam  pa    wurde   in  Tibet  Gründer  der  Zhi  byed  pa 
Schule,  eines  Zweiges  der  bKa  rgud  pa.     Seine  Anhänger  be-  ' 
sitzen  verschiedene  Klöster;  als  seine  eigene  Gründung  gilt  das  1 
Kloster  Dingri  nordwestlich  der  Bergkette  Labphjn,  in  welcher  j 
dtir  höchste  Berg  der  Erde  liegt,  Gaurisankar-Everesi 

Vgl.  meine  Abhandlung:   Der  Narae  des  höchsten  Berges! 
der  Erde  in  Petermanns  Mitteilungen  1901  und  1902. 


M  Die  HöRköberBetÄtm«?  von  Wa-ddoll  p.  74  nai*h  d»n  Angaben  letmo'^ 
iÜB  tut  ganx  unbi'f  ri  F*ba  khol: 

F.  W.  Thomuft:  M  <.  im  Inüivu  | 

Antiqoitrjr  Vol  82  UOOSy  |n  **r.  \l   1  .iVTutpatti  M.  106  ü. 


Tibetische  Handschrißen, 


281 


Nr,  15. 

7  Blatt;  Anfass  auf  Blatt  2  und  8. 

Char  chod  pai  sngaug  la  ni  ^Die«  ist  der  Sclirecken  des 
iu  Teile  Zerschnitten  werdens*.  Om  vajra  guru  padina  siddhi 
hum.  Durch  die  von  Pha  dam  pa  sangs  rgyas  verfasste  Lehre 
werden  wir  Orthodoxe  insgesamt  erschreckt  pha  dam  sangs 
rgyas  gyis  nulzad  pai  nang  rgya  sngang  cig  la,  | 

Pha  dam  pa  rühmt  sich,  durch  seine  Lehre  alles  Elend 
auf  Erden  zu  vernichten  und  Leiden  van  denjenigen  ferne  zu 
halten,  die  seine  besonderen  Sprüche  oder  Mantras  aussprechen. 
Seine  in  dieser  Nummer  enthaltenen  Sprüche  können  uns  zu 
einer  besonderen  Bewunderung  nicht  liiiireissen;  es  sind  sinn- 
lose Aneinanderreihungen  einsilbiger  Worte,  die  den  einzigen 
Vorzug  haben  mögen,  sich  leicht  dem  Gedüch tu is.se  einzuprägen. 
Eine  solche  Mantra-Ueihe  aus  unserem  Text  wird  genügen: 
Om  naga  duna  {  thsil  thsil,  sul  sul«  ram  ram,  sod  sod,  hüin 
htüm,   phags  SV  aha. 

Vom  Pfeil,  der  mit  den  Mantras  zu  verwenden  ist,  wird 
der  Schaft  sei  von  Berberitzenholz,  die  Feder  von  der 
Eule;  soll  als  Waffe  gehraucht  werden  ein  Mantra  gegen  Gift, 
80  ist  es  mit  einem  Steinchen  zu  verbinden  und  der  Bogen 
hat  die  Möglichkeit  die  Vollendung  zu  geben  (skjer  mda  la 
oug  agro  I  rdeu  la  dug  sna  thsong  sbyar  la  thsar  rgyui  gzhu 
byas  la  (in  der  (hihographie  de>*  Textes  eingestellt.*)  Es 
werden  verschiedene  Gottheiten  zur  Verehi^ung  empfohlen ;  ihre 
Namen  werden  nicht  ausgeschrieben,  sondern  jedem  sein  Mantra 
beigeschrieben  (hns)  und  dieses  gibt  die  Erklärung. 

Des  weiteren  schreibt  sich  Pha  dam  pa  die  Macht  zu,  die 
vor  ihm  Padma  Sambhava  gehabt  habe,  und  er  zeigt,  was  dieser 
Zü  Myang  ral  (einem  Orte  westlich  von  Lhasa)  verborgen  habe. 
.Gekommen  sei  er  aus  Jogdan  in  Purangs"  (westlich  von 
Tashilhunpo  gelegen);  er  habe  hei  vielen  Kindern  das  Sterben 
aufgehalten   und  darnach  gestrebt^   dass  auch   nicht  hei  einem 


1)  Die  Formeln   der  Gtft-Mantras  sind   naehsulesen   bei  S.  C.  Daa 
Wort  erb.  unter  Dug  sngags. 


JB.  SchlaginiiDeii 

Kinde  Erkrankung  aus  Erkältufig  auftrete  (bu  mang  po  sibai 
j?i  pbro  jod  pa  la  rtags  pas  |  bu  la  nad  cbam  pa  cig  kyang 
ma  byung  bar  skyeng  che  bar  byung)»  In  Tibet  herrschen 
ausserordentlich  kalte  Winde  vor,  die  Kindern  jedenfalls 
besonders  geflihrlich  sind.  —  Die  Segensformeln  ersetzt  am 
Schluss  die  Formel  Itha  und  sind  die  beiden  Buchstaben  in 
ganz  ungewuhnlicher  Weise  unter  einander  statt  neben  ein- 
ander geschrieben.  Angeschlossen  sind  einige  Zeilen  in  gröberer 
Schrift  mystischen  Inhaltes. 

Nr,  16. 

9  Blatt;  3,  4  und  5  Zeilen. 

Titel:  Hierin  ist  enthalten  die  Wahrsagekunst  durch  den 
Pfeil,  wie  sie  Dam  pa  sangs  rgyas  verrichtete  (dam  pa  sangs 
rgyas  kyis  mdzad  pai  mda  mo  bzhugs),  Verehrung  sei  (Pha-) 
dam  pa  sangs  rgyas. 

Im  Text  sind  viele  Abkürzungen  gebraucht«  auch  Aus- 
<1  rücke  verwendet,  die  als  technische  der  schwarzen  Kunst  zu 
bezeichnen  sind;  der  Inhalt  ist  folgender:  Es  wird  der  Pfeil 
beschrieben»  seine  Feder  müsse  stets  von  einem  Raubvogel  sein* 
Es  wird  dann  von  Zaubersprüchen  gehandelt,  welche  die  bösen 
Geister  erschrecken  und  deren  viele  auszusprechen  sind,  wlihrend 
der  Pfeil  geworfen  wird  (gzungs  sngang  gang  mang  grangs 
nas  [Öleichlaut!])  mda  la  btab).  Es  folgen  Anleitungen  über 
den  Gebrauch  des  ersten  und  des  zweiten  Pfeiles;  es  werden 
.Regeln  gegeben  für  den  oDre  mda  oder  den  Pfeil  der  Unholde 
und  den  Lha  mda»  den  Pfeil  der  Götter  niederen  Ranges;  in 
der  Einltlhrong  des  aDre  mda  aLs  Bannungsmittel  zeigt  sieh,  dass 
hiemit  Bon-po  Gebräuche  angenommen  sind»  denn  diese  rufSeii 
die  weissen  Dre  etc.  zur  Abwehr  noch  «w^hlimmerer  Dämonen  an. 
Der  Götterpfeil  ist  nur  zusammen  mit  dem  Dre-Pfeil  zu  v«r* 
wenden,  dessen  Erginzung  er  demnach  bildete   Mit  der  Haod- 

>)  Nach  J.  J0II7«  Ober  <imire  bidiflche  fiochietUfarebrandi«  (AXbiUB- 

lern  p,  K  "  n  Pfei!  tu  d«r  Bafid.    Die 

licslitüi  L$re  Beoba^te-  der  bir&b» 

Oebrtttcbe;   der  Ptol    virci   aii  Öjmbol  tkei  Knafpefitssfiot 


Tibetische  Handschriften. 


263 


babimg  sind  kui^e  Mantras  auszusprechen«  immer  doppelt: 
tsag  tsag;  tfiig  tsig:  ^og  sog  u.  s.  w.  Als  Preis  der  Zeremonie 
wird  Befreiung  von  Unheil  durch  die  Scharen  der  Widersacher 
(dgra)  zugesichert. 

Die  Abhandlung  sckliesst  mit  den  Worten:  dies  ist  der 
Spiegel  der  voraussehenden  Gabe,  iu  welchem  klar  von  Ange- 
sicht erblickt  wird  die  Ffeilkunst  von  Dam  pa:  dam  pai  mda 
ino  thong  ba  gdong  gsal  mngon  §es  rae  h>ng, 

Nr.  17. 

Eß  folgen  nun  in  diesem  Sammelbande  8  Blatt,  die  ersten 
vier  mit  Anfass  versehen.  Papier  stärker,  Schrift  grüber,  alle 
Blätter  stark  abgegriffen.    Inhalt  der  ersten  4  Blatt. 

Statt  des  Titels  zeigt  Blatt  1  in  zierlicher  Schrift  «3  Zeilen, 
jede  gelb  getönt:  „Subarta,  Mutter  der  Selbsterkenntnis, 
vollendet  in  allen  Zeichen,  emporgetragen  zu  Deinem  Sitze  zu 
Haupten  von  Vajradhara,  dem  Obersten,  Du  Heldin  in  der 
Bitte  um  Bar  do.  gej»riesen  seist  Du  als  DtikinL  Dreimal  seiest 
Du  angerufen,  damit  beim  AuslüHchen  des  Leben«  nicht  ein- 
trete das  Los  des  Zwischenzustandes  Bar  do^«  rang  rig  ma  \ 
mthsan  rnams  yongs  dzogs  bla  um  rdo  rje  üchang  spyi  bor 
bzhugs  pai  thsogs  nas  ,  bar  do  gsol  udebs  pao  nikha  ogi'o  Su 
bar  byin  gyis  brlobs,  de  nas  chige  moi  min  nas  lan  gsum  bos 
la  nas.  Die  Schreibweise  ist  die  derS  Textes;  chige  steht  für 
(»chi  kha,  Moment  des  Todes,  dann  die  Gebete  in  diesem  Augen- 
bhcke  zur  Verhinderung  von  Bar  do  (s.  S.  241)).  Subar»  Ab- 
kürzung von  Subarta,  angeblich  Tochter  eines  Königs  Kabula 
und  als  Tochter  eines  Gandharva  verehrt.  Über  Bar  do  heisst 
es  dann;  der  äussere  Atem  höre  auf,  nicht  aber  der  innere, 
dieser  bleibe  in  der  Mitte  und  dieses  Fortdauern  kennzeichne 
Bar  do.  Der  Schluss  des  Ganzen  lautet  —  dem  Sinne  nach: 
Demjenigen,  der  ohne  Begehrlichkeit  ernstlich  und  inbrünstig 
bittet,  sei  der  Nagel,  damit  sich  aus  der  Herzensgüte  des  Lama 

gtdeotet  (Winternit^).  kann  aber  auch  auf  alte  Yolkaanschauungen 
Zurückzuführen  »eia^  denn  Fha  dam  pa  hat  die  Anwendung  des  Pfeilee 
wohl  Ulis  seiner  xentmlindiacben  Heimat  nach  Tibet  gebracht. 


264 


E,  Sehiajfintteeit 


seine  Bitte  im  Himmel  erfillle.  So  wird  er,  wie  der  Pfeil,  der 
vom  Bogen  der  grossen  Heldin  abgesandt  ist,  eilig  (über  Bardo) 
hinwegkommen:  gang  la  yang  chags  pa  zlien  pa  ma  byed  par 
snjing  khong  rus  pai  gting  nas  gsol  ba  rts€  eig  tu  gtab  nm 
bla  mai  thugs  dkar  nam  kha  la  hj^a  phiir  ba  ©o. 

Von  Form  und  Gebrauch  des  Phur  pa  oder  Phur  bu, 
Nagel,  ist  bereits  mehrfach  gehandelt J) 

Hinter  diesen  4  Blatt  liegen  Eunäcbst  2  Blatt,  die  susammen 
gehören  uud  enthalten,  ,was  auszuspiechen  ist  beim  Anfassen 
der  Haare";  o  na  (jetzt):  skra  gzungs  la  bijod.  Unter  den 
Haaren  sind  jene  des  Schnitzwerkes  am  Knopfe  des  Nagels 
gemeint»  welcher  stets  einen  Kopf  darstellt.  Diese  mysiischpn 
Worte  und  Sätze  werden  mitgeteilt  Die  3  Kleinodien  (Buddha. 
Lehre  und  Geistlichkeit)  seien  der  lobegriff  allen  Schutzes, 
Pha,  d.  i.  Plia  dam  pa  sang«  rgyas,  sei  der  Inbegriff  der  dkar 
rgyud  pa  (=  bka  rgyud  pa),  das  Dankgebet  habe  der  im 
Akanistha-Himmel  thronende,  d.  i,  Vajradhara  zu  empfangen* 
Als  Erfolg  wird  versprochen,  dass  man  nicht  mehr  umherirre 
im  Kreise  der  3  Reiche,  sondern  geleitet  werde  in  die  Schar 
des  reinen  Kreises.  Als  Stilprobe  setze  ich  die  Schlusszeile 
her:  o^ü  ni  kho  bo  päd  kad  bzang  pai  obris  pao;  bkra  nis 
niangalam:  die^  ist  geschrieben  worden  von  mir,  dem  ,  ,  *; 
Glöck  sei  nnd  Segen. 

Es  folgen  nun  3  Blatt  in  nicht  mehr  einheitlicher  Schrift; 
gerühmt  werden  besonders  Vajradhara  und  der  erste  dkar  rgjiid 
pa  Lama,  der  die  drei  Kleinodien  sammelte.  Hinter  vielen 
Sützen  steht  ein  Kreuz,  was  angebracht  wird,  wenn  eine  Strophe 
nach  Art  der  Litanei-Geslinge  wiederholt  werden  solL 

Den  Schluss  des  ganzen  Sammelwerkes  bildet  der  Satt: 

[Nges  par  mkha  spyod  ogrub  par  hyin   gyi      *  '      "  '        ^^it 

'  «••»  r.ur  Banoung  insbesond»*re  nikha  spyod.    t  n* 

lieb  d^r  OandharTa  bezeichnet;  anch   wird  damit  Kha^pAr^a 

wieti  t*ö,  ein  Beiname    ?on  Chenresi,   dem   Schutzgofete 

von   i.^vv. 


p.atT.  TML  la  Ofiuiwtdsl  aai  WaildeU  n  r. 


Tibet%$(^e  Handschrißen, 


265 


Bibliothek -Verzeichnis  Stuttgart  Nr,  IV. 

Nr,  18. 

.^^yBapclschrift  7—22  cm,  6—7  Zeilen.  4  ganze,  dazu  ein 
ulbes  Blatt.  An  der  Längsseite  in  grauen  Canevjis-Umschlag 
geheftet. 

Titel;  skyabs  thugs  ijes  ma  bzhngs  so.  »Das  durch  den 
Helfer,  den  All  barm  herzigen  (Avalokite^vara)»  Ma  enthaltend*. 
Ma  heisat  Mutter,  dann  Kein  und  dieses  wird  auch  in  der 
Bedeutung  gebraucht  des  nicht  Hängens  an  irgend  Etwas;  in 
diesem  Sinne  kann  es  auch  hier  verwendet  sein. 

Der  Text  beginnt:  Durch  den  Helfer,  den  Allharmherzigen 
ist  für  mich  selbst  (Zuflucht)  beim  Lama,  dem  Schutzgeist  und 
dem  Lha,  Ich  und  die  übrigen  Se  mas  can- Geborenen  drehen 
das  Rad  des  Todes  (skyabs  thugs  rjes  bdag  njid  bla  nia  yi 
dam  1ha  |  bdag  sogs  se  mas  can  skje  ochi  akhor  lo  bskur.  ,j 
Diese  beiden  Sätze  kehren  nach  jeder  Strophe  von  3  Zeilen 
vrieder  und  sind  am  Anfang  wie  am  Schluss  durch  ein  liegendes 
Kreuz  gekennzeichnet.  —  Se  uias  can  ist  nicht  zu  erklären; 
nach  S.  C.  Das  Lex,  s.  v,  thsogs  okhor  werden  zu  den  Tan- 
trika-Gebräuchen    besondere    technische  Ausdrücke   verwendet. 

Vom  3.  Blatt  au  zählt  unser  Text  21  Lebenslagen  (thse) 
auf,  in  denen  Zuflucht  zum  All  barmherzigen  hilft;  hinter  jedem 
thse  stehen  zwei  Kreuze.  Diese  21  thse  behandeln  Vorkomm- 
nisse  des  täglichen  Lebens,  als:  Todesstunde^  die  Gefahren  bei 
E^lzbereitung,  bei  der  Jagd,  bei  Dunkelheit,  bei  Hindernissen, 
K  Unglück,  beim  Ertrinken  u.  s.  w. 

Ira  Schluss  tritt  dann  wieder  die  Mystik  in  ihre  Rechte; 
der  letzte  Satz  lautet:  Zur  Bannung  des  Lebens  (bringt  es) 
die  Hingebung  bei  der  Meditation.  Glück  sei  und  Segen  (thse 
»grub  pa  snyoms  pai  zhe  gzhad  (=  bead)  sogs,  bkra  §is» 


206  E.  Schlaffintweit 

Bibliothek -Verzeichnis  Stuttgart  Nr*  V, 
Nr.  19. 

Handschrift,  liings  geheftet  ohne  Umschlag,  dafür  in  dtr 
Mitte  eine  lange  Schnur  eingeheftet  zum  Umwickeln  und  Ver- 
schliessen  beim  Einstecken.  Papier  glatt  und  dünn.  10  Blatt, 
8—25  cra,  5  Zeilen. 

Titel:  Thugs  rjes  eben  po  aptags  pa  spyan  ras  gzigs  inavi 
snyings  hzhugs  so:  Hierin  ist  enthalten  der  Inbegriff*  das 
sechssilbige  Gebet,  durch  den  AUbarmherzigen,  den  groeaen 
ehrwürdigen  Chenresi. 

Auf  eine  mystische  Einleitung  folgt  der  Satz:  Durch  den 
AllbarfnlierzifTfen  ist  aus  allen  Lehren  eine  geworden  von  gar 
nicht  auszudenkendem  Segen.  Darum  gebeten,  stellte  er  als 
den  Inbegriff  des  Schutzes  die  6  Buchstaben  zusammen,  und 
dieser  Inbegriff  ist  Oni  ma^i  padme  hörn.  Nun  folgen  wieder 
mystische  Erkhirungen,  wie  der  Kräfte  der  Silben  öm,  k^  hüm; 
es  werden  Mantra-Sprüche  eingelegt,  der  Vajra,  die  hohe  Geist- 
lichkeit der  Verehrung  empfohlen.  Die  Schlusszeilen  lauten: 
Der  Allbamiherzige  hat  gesagt:  Dazu  muss  es  kommen,  daas 
.Lehrirrtum  und  zweierlei  Anschauungen  verschwinden;  sonst 
'werden  verkehrte  Methoden  gelehrt  (sems  gnyis  chos  okhrul 
yin  par  bus  dgos  byung  |  rnyams  su  slads  lugs  sad  nas  de 
Itar  yin*  '  Glück  sei  und  Segen. 


Bibliothek -Verzeichnis  Stuttgart  Nr.  VL 

Nr.  20. 

Handschrit^  auf  ausnahmsweise  tief  braunem  groben  Papier; 
in  einen  mit  Indigo  gefärbten  Umschlag  eingeheftet.  1 1  Blatt, 
nicht  numeriert,  10  —  25  cm. 

Eine  Sammlung  voq  S  kurzen  Abhandlungen,  ersichtlich 
zum  Gebrauch  hei  Krankheiten  zusammengestellt;  Hutiptzweck 
ist  irach  Nn  i  die  Beseitigung  ^der  Ursachen  des  Wassers* 
(chu  rgyu).     Ober  die  einzelnen  Abteilungen  ist   TorzutrHgtcrti: 


Tibetisdhe  Handschriften, 


267 


1.  2  Blatt,  kein  Titel;  aus  dem  Inhalt  ein  Satz  als  Probe: 
Der  Schreckliche  lässt  beim  Hersagen  Speichel  (nag  po  skad 
don  khai  chu).  Nasenschleim  sind  eingetrocknote  Triiuen;  ge- 
reinigter Schleim  ist  üerzwasser.  Ob  Wasser  in  dieser  oder 
in  anderer  Form  (eig.  Reihenfolge)  vorkommt,  die  Hauptsache 
und  Kennsfieichen  ist  Wasser.  Sitzt  der  schwarze  Schiangen- 
geist im  Geschwür,  dann  ist  die  Diagnose  richtig  (klo  ni  nag 
po  chigä  sur  gnas   pas  de  la  nyal    thag  chod  do  |  zhes  sogs 

Lsarra  mangalam. 
2.  Kräftige  Schrift,  3  Blatt,  5—6  Zeilen. 
^  Titel:  spjod  khrid  /.ab  moi  brgyud  (sie)  pai  gsol  odebs 
Kfaugs  so.  Hierin  ist  enthalteo  die  Bitte  um  einen  Führer 
für  die  tiefen  Meditations-Reibeu,  Alle  Worte  im  Titel  wie 
im  Text  haben  Bezieh  im  g  auf  die  Erlernung  und  praktische 
Erfahrung  in  der  Zauberei.  Im  Beginn  des  Textes  wird  eine 
Aufzählung  der  Führer  gegeben:  Segen  sei  und  Ehrerbietung 
dem  Guru.  Gesegnet  seien:  Deirjenige^  der  im  Palaste  im 
Akaniötha-Himmel  in  den  Grundlagen  der  Lehre  den  Segen 
der  grossen  Prajnii  Päramitä  besitzt  (d.  i.  Vajradhara);  Bha- 
gavan  ^^'äkyathubpa,  der  auf  dem  Berge  Gridhraküta  den  Segen 
spendet,  und  Manjui^-rl  auf  dem  Berge  mit  den  5  Spitzen 
(angeblich  in  Schansi  gelegen). 

3.  Besteht  aus  2  Blatt  Mantras. 

4.  5  ßlattt  Nr*  8  ist  herausgerissen.  Titel:  rnal  obyor  thun 
bzhii  nyams  len  bjin  blabs  kyi  chu  rgyn  na  zhes  bya  ba 
bzhugs  so:  Hierin  ist  enthalten  in  der  „Wasser-Ursache*  des 
Segens  der  Denkvers  einer  Tages-Meditation  (?).  Es  folgen 
Beschwörungsformeln;  der  Schiusasatz  lautet:  Während  dieQeist- 
lichkeitf  die  den  Sieg  errungen  hat,  und  die  Schüler  solcher 
Art  die  Einleitungsreihe  der  nicht  gewübulichen  Lehre  laut 
hersagen,  werde  ich  mich  für  den  dritten  Puntjartka  vorbereiten. 
De  Itar  thun  mongs  ma  jin  pai  sngon  agroi  rim  pa  adi  nyid 
dge  odun  com   grva   pa   rnaras   kyi  kha  odon  du   padma  dkar 

sum  pa  bdag  gyis  dbyar  bao.    Sarva  mangalarn.     ,Unge- 
hn liehe  Lehre'  wird  von  der  mystischen  Lehre  im  Gegen- 


E^  ScMßffintweit 

Matz  zu  dem  alten  tltnajana-Systeni  gebraucht:  com  ist  sonst 
nicht  goliniuctilicli;  sbyorba  hat  den  Sinn  der  Vorbereitung  zur 
Muditiition;  tIfT  j^anze  Satz  im  Einzelnen  schwer  zu  erklären. 
.    KIn    Hinit  Mantras  in   Sanskrit;    Schrift  sehr   flüchtig* 


Stuttgarter  Bibliothek -Verzeichnis  Nr.  VIL 

Nr.  21. 

Himdwchrirt.  Papier  hellgrau,  zeigt  Ameisengange.  16  Blatt» 
9  — 2ri  cTii,  i)  Zeilen,  Längs  geheftet  in  Canevas;  auf  diente 
8t'hutzdt?eke  ist  das  Titelblatt  aufgezogen.  Die  Blätter  sind  roh 
benchnitt-en  worden;  dabei  ist  die  oberste  Schriftflacho  öfters 
aügc»*ohnitti*ri. 

Titel:  Urg^'an  «kad  du:   Buddha  dharnia  samgha  nanij\va. 

In  der  Sprache  von  üdyuua:  Verehrung  sei  Buddha«  seiner  Lf  hr« 

und   der  öebtlichkeii     Tibetisch:   Bod  skad  du.    Sangs   igyrn» 

wtho»    dang    dge    «dun    la    rtag   tu   gus    pas    phyag   thsal    la 

Gleicher  Sinn. 

Der  Text  ist  in  7  silbtgen  Versen  gesdiriebeii.  Gleich  der 
erste  Vets  bringt  den  Namen  ?t»o  Padm«  Sambh»vm  (pa^A 
l>ung  gna»).  dem  ernten  Heiligeii  der  heotigeti  lainaisclicfa 
Kinrhe,  und  nennt  ihn  den  FOhirer  itt  Menschen  (eden  jm 
kym  UuV  Hiemnf  versaaunelt<»  Kilnig  Mu  Khri  brtna  po 
röfi — 804  tider  816)  die  Prieeleraeliaft  aaf  dem  Dmche  de« 
nnd  Ken  »e  mitf  Thnmati  aus  9  Oberaiumder  grieglm 
Decken  {m  #09  dm  brts^  khri)  Plsti  ne&nieii.  Des 
Voi^li  f&hrli^  Vairocmm,  Tvdils  und  Imks  roo  ihm  mkmnm 
IMmetelier,  Imiidig  des  Tihctiadieii  wie  das  Satukrit.  Pb^ 
XkmsL  He«»  der  K6ttig  KoOliMiEeilea  aller  Att  berixibriagvii, 
Htwlile  mimtf  V«i¥lirai|r  dar  md  biU  «b  MekniBf  .  —  Die 
CMsUicIikeil  antwoHele  »HAre  iumm^t  B  aa  lia,  uf»d  tiim  wird 
la  VsKl  «ear   AaMMim^^  drr  TOm  toq   Redaia 

«ittfeüedt   ia    l«  Ka|Mtel   rai  je   8  Te 


T^etigche  Handschriften. 


269 


sichttgt,  welche  den  Heiligen  nach  der  Legende  im  Verkehr 
mit  übernatürlichen  Mächten  zeigen.  Jedes  Kapitel  schüesst 
lait  E  ina  ho.     Die  Kapitel-Überschriften  lauten:*) 

1.  Die  8  Kamen  des  Guni;  2.  seiner  Väter;  3.  seiner  Mütter 
in  seinen  magischen  Geburten;  4.  seiner  selbst  als  magischer 
Sohn;  5.  die  Länder,  die  er  besuchte;  6.  die  Orte,  an  denen 
er  verweilte;  7.  seine  Lehrmeister;  8.  seine  Bannungen  (auf 
den  im  6,  Kapitel  genannten  Plätzen,  alles  Leichenäcker); 
9.  das  Hinzukommen  der  8  Vollendungen,  um  den  8  Klassen 
(sde)  der  Dämonen  entgegen  zutreten;  10.  sein  magisches  Er- 
scheinen in  8  Schülern;  IL  seine  Einsiedeleien;  12.  seine 
Frauen;  13.  seine  Taten,  um  in  Jambudvipa  den  bösen  Geistern 
zur  Seligkeit  zu  verhelfen;  14.  die  verborgenen  Schatzkammern; 
15.  das  Sicheinprägen  der  tiefen  Lehren;  16,  die  8  Länder  des 
Gebieters  über  die  Erde,  des  Padraa  Sambhava, 

Im  Schkisssatz   wird  das  Ganze  dann   als  eine  abgekürzte 

(mdor  bsdus)  Lebensbeschreibung  des  Heiligen  erklärt,  - —  Wie 

in    allen    Padma-Schriften ,    so    ist    auch    in    diesem    Texte   als 

Interpunktion  statt  eines  senkrechten  Striches  ein   wagrechter 

I  Strich  gebraucht  mit  je  einer  Null  oben  und  darunter. 


Stuttgarter  Bibliothek -Verzeichnis  Nr.  VlIL 
Nr.  22. 

Handschrift,    1  Blatt    dünnes    gelbes   Papier,    6—26  cm, 
^  Zeilen. 

Titel:    thsong    mchod    ni:    Opfer    für    den    Handel,     Man 

erhebt   die   linke  Hand  und   sagt  Om»    dami  die  rechte  Hand 

,  und  spricht  A;  nach  einem  unverständlichen  Spruche  wird  Htün 

»ausgesprochen»     Die   Ausmf,  rnr   dieser    drei   Buchstaben    oder 

von  Ha,  Ho,  Hüm  wiederh^jlt  >*ich;  jeder  Ausrufung  geht  eine 

Handreichung  voraus. 

*)  Zar  Aufklärung  kann  iob  mich  auf  meine  Ausgabe  de»  Paduia  tbari 
jig  oder  der  Lebensbeschreibung  dieses  Heiligen   bezit^beu:  aiehe  8.  216« 
ItO«   flltt^iib.  4.  pbUo«.-|»bilo1.  Q.  d.  bist  Kl  18 


270  E,  ScMagintweü,  tibetisehe  Handschriften. 

Zum  Verständnis  dieser  Nummer  müsste  die  g^nze  Hand- 
lung durch  kundige  Lamas  vorgeführt  werden;  auf  solche  Weise 
kam  Waddell  zu  seinem  Buche  über  den  Lamaismus. 


Stuttgarter  Bibliothek -Verzeichnis  Nr.  IX. 

Diese  Nummer  besteht  aus  einem  prächtigen  farbenreichen 
Blatte,  20—25  cm,  den  Heiligen  Padma  Sambhava  darstellend, 
umringt  von  anbetenden  Bodhisattvas. 


271 


öffentliche  Sitzong 

zur  Feier   des   145.  Stiftungstages 

am  14.  März  1904. 


Die  Sitzung  eröflfnete  der  Präsident  der  Akademie,  Geheimrat 
Dr.  Karl  Theodor  v,  Heigel,  und  brachte  in  seiner  einleitenden 
Ansprache  zunächst  den  Dank  für  den  höchsten  Beweis  des 
Vertrauens  zum  Ausdruck,  das  der  Regent  ihm  durch  die  Er- 
nennung zum  Präsidenten  bewiesen  habe.  Er  gedachte  sodann 
in  längerer,  in  einer  besonderen  Schrift  der  Akademie  er- 
schienenen Bede  der  Verdienste  seines  Vorgängers^  Geheimrats 
Dr.  V.  Zittel,  um  die  Wissenschaft  im  allgemeinen  und  um 
die  Akademie  im  besonderen  und  gelobte,  an  Hingebung  und 
Pflichttreue  keinem  seiner  Vorgänger  nachstehen  zu  wollen. 
Er  feierte  Zittel  als  den  Meister  der  Paläontologie;  als  würdigster 
Nachfolger  Pettenkofers  habe  er  das  verantwortungsvolle  Amt 
eines  Präsidenten  der  Akademie  verwaltet,  bedeutende  Neu- 
erwerbimgen  wurden  unter  seiner  Amtstätigkeit  gemacht  und 
namhafte  Zuwendungen  und  bedeutende  Stiftungen  wurden  der 
Akademie  zuteil.  Wenn  auch  sein  Lieblingsplan,  ftlr  die  wissen- 
schaftlichen Sammlungen  des  Staates  und  die  Akademie  auf  dem 
Areal  der  Türkenkaserne  einen  Neubau  entstehen  zu  sehen,  an 
Unüberwindlichen  Hindernissen  scheiterte,  so  wurden  doch  tHir 
Abb  alte  Akademiegebäude  hochei-ireuliche  Aufwendungen  ge- 
macht. Der  K.  Staatsregierung  und  der  Volksvertretung  gebühre 
daher  der  Dank  der  Akademie  für  diese  Bewilligungen*    Eine 

18» 


272 


Jf.  Th.  V.  Hei^d 


Erweiterung  der  alten  Räume  sei  dringend  geboten,  und  es 
zu  hoffen^  dass  eine  solche  in  Bälde  erfolge. 

Der  Präsident  machte  sodann  folgende  geschäftliche  Mit- 
teilungen: m 

Aus  unseren  Stiftungen  konnten  eine  Reihe  wissenscKaft- 
lieber  Unternebmungen  unterstützt  und  angeregt  werden. 

So   wiirden    aus   der   Gramer- Klett-Stiftung   nnd   der 

München  er  Bürgerstiftung  bewilligt: 

1.  2500  M.   für   eine  Informationa-   und  Sammelreise  das 

Garteninspektors  Bernhard  Othmer  nach  Westindien;        ^^^| 

2.  2500  M.  für  eine  zoologische  Studienreise  des  zweiten 
Konservators  der  zoologischen  Staatssaomilungen  Dr.  Doflein  in 
das  Gebiet  des  nördlichen  und  mittleren  Stillen  Ozeans.  Zu  den 
Kosten  dieser  Heise  hat  ilim  ausserdem  Se»  Kgl.  Hoheit  der 
Prinz-Regent  allergnädigst  einen  erbeblichen  Beitrag  bewilligt. 
Fem  er  haben  die  Herren  Direktoren  der  Ludwigshafener  Farb- 
werke, Kommerzienräte  Brunck  und  Glaser,  Geh.  Kommerzienrat 
R.  Siegle  in  Stuttgart,  Reichsrat  Graf  Moy  in  München  durch 
Zeichnung  von  namhaften  Summen  sich  beteiligt;  auch  sind 
noch  weitere  Zuwendungen  zu  erwarten. 

Aus   der  Königs- Stiftung   für   chemische   Forschungen^ 
wurden  zu  Studienzwecken  verliehen: 

L  dem  Privatdozenten  an  der  Technischen  Hochachula 
Dt,  Emil  Baur  (Mönchen)  500  M,; 

2.  Professor  Dr.  Oskar  Piloty  (München)  300  M.; 

3.  Professor  Dr.  Karl  Hof  mann  (München)  100  M. 

Aus  den  Renten  des  Tbereianos-Fonds  wurde  zunüchstj 
ein  Preis  von  800  M.  vorliehen  an 

Ilerm  Cli.  Tsounias,  Üniveraitite-ProfeawMP  m  At 
ftlr  sein  Werk  üb^  t  Mvk«^nft4*.  diut  1897  b  engtiaciher  Bearbnife 
er^hienen  isit. 


Mitteilungen. 
Femer  wurden  daraus  verliehen: 


273 


1.  1500  M.  an  Professor  Karl  Krumbacher  (München) 
sur  UnteratÜtzung  der  Byzantinischen  Zeitschrift; 

2.  250  M.  an  Dr.  Paul  Marc  (München)  als  weitere  nach- 
trägliche Remuneration  für  das  von  ihm  bearbeitete  Verzeichnis 
mittelgriechischer  Urkunden ; 

3.  900  M.  an  Professor  Adolf  Furt wängler  (München) 
zur  Portfilhrung  seines  Werkes  über  , Griechische  Vasenmalerei* ; 

4.  1200  M.  an  Dr*  Them.  BoHdes  in  Kairo  zu  Unter- 
isuchungen  griechischer  Handschriften  in  Ägypten  und  auf 
dem  Sinai; 

5.  600  M.  an  Gymnasialprofessor  Dr.  L.  Dittmeyer  in 
Würstburg  zu  den  Vorbereitungen  für  eine  neue  Ausgabe  der 
zoologischen  Schriften  des  Aristoteles; 

6.  600  M.  an  Gymnasiallehrer  und  Privatdozent  Dr, 
A.  Heisenberg  in  Würzburg  zu  Untersuchungen  über  mittel- 
griechische Handschriften  in  Italien; 

7.  650  M,  zur  Anschaffung  eines  Annackerschen  photo- 
graphiscben  Apparates  zur  Aufiiahrae  von  Handschriften. 


Die  Kommission  für  den  Zographos -Fonds  hat  folgende 
Preisaufgaben  gestellt: 

1,  »Die  meteorologischen  Theorien  des  griechischen  Alter- 
tums auf  Grund  der  literarischen  und  monumentalen  Über- 
lieferung.*   Endtermin  31.  Dezember  1905. 

2,  »Die  Metrik  der  kirchlichen  und  profanen  Poesie  der 
Byzantiner/    Endteraiin  31.  Dezember  1906. 


274 


NekTütoge. 


Darauf  gedachten  die  KLAS8EN»EK&ETifcE  der  seit  März  190S 
verstorbenen  Mitglieder. 

Die  philosophisch-philologische  Klasse  hat  zwei  Verlu 
zu  beklagen.  Am  24,  Oktober  1903  starb  zu  Berlin  das' 
korrespondierende  Mitglied  Professor  Dr.  Ulbick  Kuhlkb,  ein 
hervorragender  Förderer  der  griechischen  Inschriftenkunde. 
Ebenfalls  zu  Berlin  starb  am  1.  November  1903  das  aus- 
wärtige Mitglied  Professor  Dr.  Theoi>or  MnmisEN,  der  unver- 
gleichliche Kenner  des  römischen  Altertums,  welcher  unserer  i 
Akademie  seit  dem  Jahre  1852  angehört  hat. 


Die  historische  Klasse  verlor  durch  den  Tod  am  19.  Mai  19< 
ihren  Senior  Jakou  HErNBrcu  V(pn  Hefner- ALiEiratTK. 

Hefner,  der  seine  , mitunter  wunderliche  Laufbahn*  Ik 
seinen  ^ Lebens-Erinnerungen*  selbst  beschrieben  hat,  war  am 
20.  Mai  1811  geboren  zu  Aschaffenburg,  der  Residenz 
kaum  mehr  dem  Namen  nach  bekannten,  von  Napoleon  L 
für  den  letzten  Mainzischen  Fürstprimas  Karl  von  Dalberg 
geschaffenen  ßrossherzogtums  Frankfurt.  In  dieser  Mainsuseb* 
Aschaffenburger  Atmosphäre  wuchs  er  auch  heran*  Doch  wurde 
schon  der  Sinn  des  Kindes  durch  das  Vaterhaus,  einen '  Musen* 
tempel,  wie  es  Dalberg  zu  nennen  pflegte,  der  K  '  i^^i 
wendet.    Das  Zeichnen    und   Sammeln    wurde   seine  g^ 

beschäftigung,  und  bald  überragte  sein  InteresBe  daran  daa 
flir  die  gelehrten  Studien.  Da  aber  in  seiner  Jugendzeit  die» 
dem  deutschen  Mittelalter  zugewandte  romantische  Strömung 
herrschte,  widmete  er  seine  Aufmerksamkeit  zunächst  den 
gerätlichen  Leistungen  des  Mittelalters  —  eine  Tätigkeit,  die 
freilich  damalsi  wo  von  Kunstgewerbe  kaum  mehr  die 
war,  «als  etwas  Absonderliches  ohne  Wert  Hlr  das  praktisdie^l 
Leben  galt^.    Tiefer  blickte  indessen  schon  der  Minister  def» 


Nekrologe. 


275 


Innern,  Fürst  Ludwig  von  Öttingen -Wallerstein,  der  sich  die 
Hebung  der  Volksbildung,  der  Gewerbe  und  der  Landwirtschaft 
zur  Aufgabe  gesetzt  hatte.  Er  wurde  nicht  nur  der  Begründer 
der  Gewerbeschule  in  Bayern  (1833),  sein  Plan,  wie  er  ihn 
amtlich  ror  Hefner  und  anderen  aussprach,  ging  noch  höher: 
Kunst  und  Gewerbe  sollten  nicht  länger  voneinander  ge- 
schieden, sondern  wieder,  wie  in  der  deutschen  Vergangenheit, 
verbunden  sein,  und  zu  dem  Zwecke  neben  den  Museen  für 
Kunstwerke  auch  Museen  tllr  Industrie  und  Kunstgewerbe, 
nicht  als  Aufbewahrungsorte  für  Kostbarkeiten  und  Selteu- 
heiten  oder  als  Schaubuden,  sondern  als  Lehranstalten  geschaffen 
werden.  Und  wenn  der  Fürst  auch  nicht  in  der  Lage  war, 
seinen  Gedanken  auszuführen,  so  hatte  er  doch  dem  Sainmel- 
fleisse  Hefners,  wie  dieser  dankbar  anerkannte,  eine  neue 
Richtung  gezeigt. 

Eine    noch    entscheidendere   Anregung    erhielt   Hefner   im 
Jahre   1839  durch  den  General  Kadowitz,   in  weiteren  Kreisen 

I durch  seine  Tätigkeit  im  Frankiurter  Parlament  und  als  ver- 
trauter Ratgeber  König  Friedrich  Wilhelms  IV.  von  Preussen 
bekannt  Der  geistvolle  Mann  hatte  Wohlgefallen  an  Hefners 
Xon,  meinte  aber,  „wenn  er  etwas  schaffen  wolle,  was  Bedürfois 
pr  Zeit  sei  und  eine  Zukunft  habe,  so  wäre  es  ein  Werk  über 
die  Trachten  des  Mittelaltei's,  direkt  nach  gleichzeitigen  Kunst- 

Idenkmalen  und  Kunstwerken  jeder  Art,  welche  noch  nicht 
veröffentlicht  seien**.  Der  Gedanke,  schon  1828  beim  Albrecht 
Dürer-Fest  in  Nürnberg  ausgesprochen,  aber  nicht  ausgeführt, 
zündete  bei  Hefner  und  schon  seit  184U  konnten  die  ersten 
Lieieruügen  unter  dem  Titel  „Trachten  des  christlichen  Mittel- 
alters nach  gleichzeitigen  Kunstdenkmalen ^  erscheinen,  vollendet 
1854  in  3  Bänden  mit  420  Kuptertafeln.  Das  Werk  war^ 
obwohl  er  keine  wesentlichen  Vorarbeiten  benutzen  konnta« 
gleich  eine  seiner  bedeutendsten  Leistungen,  für  die  Gegenwart 

Inur  dadurch  an  Wert  verringert,  dass  er  genötigt  war,  in 
seinen  Handzeichnungen  zur  Darstellung  zu  brbgen,  was  jetzt 
auf  photographischem  Wege  ungleich  deutlicher  und  genauer 
wiederzugeben  ist,  wenn  er  auch  mit  unglaublicher  Mühe«  die 


27ß 


y0lmhg$. 


sich  durch  den  Mangel  der  rechten  Hand  erhöhte,  es  zu  seltener 
Treue  freihändiger  Wiedergabe  gebracht  hat. 

Das  Werk  , Kunstwerke  und  Gerätschaften  des  Mittelalters] 
und  der  Renaissance'',  drei  Btiude  mit  216  kolorierten  Kupfer* 
tafeln,    1847 — ^1862,  steigerte   seinen    Ruf,    der  daon   in    der! 
l'ulilikatinn    , Eisenwerke   oder  Omauieritik   der   Schmiedekunst I 
des  Mittelultors  und  der  Renaissance"  (,1861  -70  und  IH85 — 87) 
«einen  Höheimnkt  erreichte.     Gan«  auf  seine  persönlichen  Er- 
fahrungen gestellt  und  literarischen  Studien  abhold,  sind  aller- 
ding?; die  Begloittexte  weniger  belangvoll  als  seine  Bestimmungen.  ■ 
Auch  wurde  diesen  Missverhältnis  fühlbarer  im  Laufe  der  Zeit,  | 
In  welcher  sich  das  literarische  Material  mächtig  häufte.    Aber 
sein    seltener  Kennerblick    blieb    ihm   nichtsdestoweniger    treu* 
auch  durch  das  ^unehmende  Alter  nicht  gemindert. 

Hefner    war    demnach    nicht    Gelehrter   im    gewöhnlichenj 
Sinne,    aber   eine    Autorität   in   seinem   Fache    und   einer   der 
Begründer  der  deutschen  Altertumswissenschaft 

Ein  unvergängliches  Vordienst   hat  Hefner  sich  erworbenl 
als  Mitsehöpfer  des  Bajerisehen  Nationalmuseums,   das  König 
Maximilian  II.  hochherzig  seinem  Volke  ^zu  Ehr  und  Vorbild* 
widmete.    Penn  er  hat  nicht  bloss  einen  grossen  Teil  der  ko 
baren  Sammlungen  aus  allen  Provinsen  des  Landes  zusammen*^ 
getragen,  er  hat  sie  als  Vorstand  des  Museums  auch  so  g^ 
ordhei,  duss  si^  '      '    h^  Bild  von  Sitte^   Kultur  nnd 

Kttosltiiiigkeit  r  t^chlands,  von  der  karolingiBdien 

h»  in  die  neuere  Zeit  bieten.    Und  was  kaum  geringer  man* 
setikgen  ist,  (■'  Ktiehte  auch  die  Idee  des  FOrslef)  Ludwig 

tdh    Ottingen -V  ...... otoin    und    machte    das    NaÜonalmttseami 

zugleich   et]   einer  LeKnuistalt   für  Kun^  und   Knnatgewerl] 
Wenn  daher  erfreitlicherweiae  der  Kunsteiinn  tn  immer  wrii 
-:  *     **  r&f  Vnficeff  dritiirt,  mt  hat  Huftier  «nnen  wi^aenU 

taran. 

aPtiUmar  -««de.  Tm  90. GeKort» 


»Bi»fb«r-J 


Kt^l^  Kl 


Nekrologe.  277 

Ferner  starb  am  17.  Juli  1903  das  korrespondierende 
Mitglied  Engelbert  Mühlbagher,  Professor  an  der  Universität 
Wien,  ein  ausgezeichneter  Forscher  auf  dem  Gebiete  der  älteren 
deutschen  Geschichte. 


Zum  Schluss  hielt  Professor  Dr.  A.  Prinusheim,  ordent- 
liches Mitglied  der  mathematisch -physikalischen  Klasse,  die 
inzwischen  im  Verlag  der  Akademie  erschienene  Festrede: 

Über  Wert  und  angeblichen  Unwert  der  Mathematik. 


Sitzung  vom  7.  Mai  1904. 


Philosophisch-philologische  Klastte. 

Der  Klassensekretak  lejL^t  vor  eine  Mitteihing  des  Sekretä 
an  der  Kgl,  Hol-  und  Staatsbibliothek  Dr.  UiröTAV  UfiRntG: 

Vorarbeiten    zum    Corpus    inscriptionum    ©trus- 
carum.    Ein  Reisebericht. 

Diese  Mitteilung»  in  welcher  der  Verfasser  die  hauptsäch- 
lichsten Ergebnisse  seiner  im  Frühjahr  1903  mit  Unterstützung 
der  Klasse  ausgeführten  Reise  in  Italien  übersichtlich  zusammen- 
stellt, wird  in  den  Sitzungsberichten  gedruckt  werden. 

Herr  We^klein  legt  vor  eine  für  die  Denkschriften  be- 
stimmte Abhandlung  des  korrespondierenden  Mitgliedes  Professor 
Dr.  Ar>oLF  Roekes  in  Erlangen; 

Zur  Kritik  und  Exegese  von  Homer,  Euripides, 
Aristophanes und  den  alten Erklärern  derselben. 

Im  ersten  Teile  sucht  die  Abhandlung  an  einigen  lehr- 
reichen Beispielen  Umfang  und  Bedeutung  von  Aristarchs  Homer- 
kommentar nachzuweisen.  Der  kurze  Abschnitt  über  Eurtpides 
nimmt  einige  verurteilte  Verse  und  Lesarten  in  Schutz.  Der 
griisste  Teil  der  Abhandlung  Lst  Aristophunes  gewidmet.  Er 
bietet  einige  Konjekturen  und  behandelt  dann  eine  Raihe  von 
Stellen  auf  Grund  der  antiken  Quellen  exegetisch,  wobei  ver- 
schiedene Bemerkungen  der  alten  Exegeten  in  ihr  Recht  öin- 
gesetzt  werden.  Durch  eben  dieselben  alten  Erklärer  auf  dia 
mythologisch*parodische  Komödie  der  Griechen  geführt,  sucbl 


SitÄimj?  vom  7,  Mai  1904, 


279 


der  Verfasser  einige  besonders  charakteristintrhe  Eigentlimlich- 
öifcen  dieser  Gattung  zu  bestimmen.  Den  Schluss  der  Ab- 
handlung bilden  Konjekturen  und  Emendationen  zu  dem  Texte 
der  Schollen  des  Sophokles  und  Aristophanes, 

Herr  vhn  Amiba  berichtet  in  Abwesenheit  des  Verfassers 
über  eine  ttir  die  Sitzungsberichte  bestimmte  Abhandlung  des 
Herrn  Saijdbergeh: 

Über  eine  Messe  in  c-nioll,  angeblich  von  Wolf- 
gang  Amadeus  Mozart. 

Diese  seit  der  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  bekannte» 
in  den  Handschriften  sowie  von  Drobiscb  und  Gathy  dem 
W.  A.  Mozart  beigelegte,  von  0,  Jahn  ihm  abgesprochene  Kom- 
position wird  aus  inneren  und  äusseren  Gründen  als  apokryph 
nachgewiesen.  Insbesondere  wird  dar  getan,  dass  die  zu  München 
beündÜche  Partitur  einerseits  das  Autogramm  des  Komponisten, 
anderseits  aber  nicht  von  der  Hand  Mozarts  ist. 


Historische  Klasse. 

Klassenhekhetär   legt  vor  eine   für  die   Denkschriften 
bestimmte  Abhandlung  des  Herrn  von  Rockinuer: 

Von   der  Zeit   der   Abfassung  des  Kaiserlichen 
Land'  und  Lehenrechts. 

In  der  ersten  Hälfte  der  Untersuchung  ^Deutschenspiegel, 
sogenannter  Schwabenspiogel,  Bertolds  von  Regensbiirg  deutsche 
Predigten  in  ihrem  Vorhältnisse  zueinander''  hat  sich  heraus- 
geftlellt,  dass  Bertold  den  Schwabenspiegel  vielfach  verwertet 
hat,  dass  dieser  demnach  vor  dem  Schlüsse  des  Jahres  1272 
in  Umlauf  gewesen  ist.  Das  Ergebnis  der  zweiten  Hälfte, 
hauptsächlich  ans  inneren  Gründen,  war  die  Unmöglichkeit 
der  Annahme  einer  späteren  Entstehung,  insbesondere  vermeint- 
lich erst  1274  oder  1275.  Es  liegt  hiemit  die  nähere  Zeit- 
bestimmung zwischen  der  Anfangsgren^e,  die  bei  der  Kenntnis 


Sitztmg  Tom  7.  Mai  1904. 

des  Verfassers  von  den  Königs  wählen  von  1257  und  von  Vor- 
kommnissen aus  dem  Schlüsse  des  folgenden  Jahres  nicht  vorher 
lallen  kann,  und  der  nunmehrigen  äussersten  Endgrenze  von 
1272  noch  nicht  vor,  Ihre  FeststeUung  innerhalb  dieser  14  Jabr^ 
hezweckt  diese  Auseinandersetzung. 

Herr  Qiohde  hält  einen  vorläufig  nicht  zum  Druck  bestimmten 
Vortrag  über  die  Frage: 

Wann  wurde  Kaiser  Sigmund  geboren? 

Mit  der  bisher  ganz  unbestritten  geltenden  Annahme, 
dass  Sigmund  am  14.  oder  15.  Februar  1368  geboren  sei,  steht 
iu  Widerspruch  eine  von  Sigmund  selbst  herrührende  Angabe 
in  einem  Schreiben  aus  Siena  vom  5.  Februar  1432  (Deutsche 
Reichstagsakten  Bd.  10»  Nr*  205),  wonach  seine  Geburt  erst 
nach  seines  Vaters  Kaiser  Karls  IV.  zweitem  Romzug,  und 
2war  in  die  Zeit  zwischen  22.  September  und  25,  Oktober  1369 
zu  setzen  wäre.  Mit  Sigmunds  Behauptung  stimmen  einige, 
bisher  nicht  beachtete  Äusserungen  gleichzeitiger  oder  späterer 
Autoren  überein  (in  Sieneser  Quellen^  bei  Enea  Silvio,  im  Mag- 
num  Chronicon  Belgicum  und  im  Schreiben  eines  päpstlichen 
Kurialen  von  1414).  Zum  Teil  gehen  diese  Äusserungen  aller- 
dings mehr  oder  minder  direkt  auf  Sigmunds  eigene  Abgabe 
zurück,  können  also  einen  selbständigen  Wert  nicht  bean- 
spruchen; aber  zum  mindesten  die  eine  Äusserung,  die  er- 
heblich älter  als  Sigmunds  Schreiben  ist.  scheint  die  Existenz 
eiuer  damit  übereinstimmenden,  weiter  zurückreichenden  Tra- 
dition zu  beweisen.  Anderseits  sind  die  Zeugnisse  für  das 
bisher  geltende  Datum  sehr  stark  und  die  Schwierigkeiten,  die 
^  Sigmunds  Behauptung   >  ^stehen,   sehr   erheblich.     Daas 

um   H.  mW  \h.  FebruAT  lern  Kaiser  Karl  ein  Sohii  ge- 

boren wurde,  der  Sigmund  genannt   und  wenige  Tage  diuuM^i 
■.schon   mit  einer  Tochtar  im  Burggrafen  Friediidi  foo  Nllni- 
|1»erg  T^bbt  wtffde,   ist  niehi  xn  bezweifeln.     Mngiieh  wilre, 
dieser  ente  Slgmtmd  ganz  jung  gi^^torben  isl   und  gegen 
Ende  Sefilioiber  1B49  ein  alldi^r«r  Sohn  Karls  g«»bnrai  wnrde« 


Sitzung  vom  7.  Mai  1904. 


281 


der  ebenfalls  den  Namen  Sigmund  erhielt,  auch  ohne  weiteres 
für  seinen  verstorbenen  Brader  in  den  Ehevertrag,  wie  darin 
schon  vorgesehen  war,  einrückte.  Aber  bedenklich  ist,  dass 
die  Kaiserin  schon  ara  22.  Juni  1370  wiederum  einem  Knaben, 
Johann,  das  Leben  gab»  und  noch  bedenklicher  vielleicht,  dass 
der  Prager  Chronist  Beness  von  Weitmul,  der  die  Rückkehr 
der  Kaiserin  von  Italien  nach  Prag  am  2Ü.  August  1369  ver- 
zeichnet, von  der  wenige  Wochen  später  anzusetzenden  Geburt 
nichts  weiss,  obschon  er  sonst  die  Ereignisse  in  der  kaiser- 
lichen Familie  sorgsam  verfolgt.  Anderseits  fällt  es  schwer, 
zu  glauben,  dass  Sigmund  selbst  und  andere  Zeitgenossen  sich 
so  sehr  im  Irrtum  über  das  Geburtsdatum  befimden  haben, 
dass  sie  dieses  nach  Karls  IV.  zweitem  Rom xug  statt  vor  den- 
selben verlegten  oder  dass  sie  aus  gewissen  politischen  Gründen 
bewusst  die  Unwahrheit  gesagt  haben.  Ausdrückliche,  be- 
stimmte Angaben  über  Sigmunds  Geburtstag  oder  sein  Alter 
fehlen  bisher;  die  gelegentliche  Bemerkung,  dass  er  zur  Zeit 
seines  Todes  ein  Siebziger  war,  kann  nicht  entscheiden,  und 
sein  Grabdenkmal  ist  in  den  Türkenkriegen  zu  Grunde  gegangen. 
Redner  neigt  nach  aUem  zwar  dazu,  die  bisherige  Annahme 
für  richtig  und  Sigmunds  Angabe  für  falsch  zu  halten,  glaubt 
aber  vorläufig  doch  ein  ,non  liquet*  aussprechen  zu  sollen  und 
meint,  dass  die  Beobachtung  gelegentlicher  Angaben,  auf  die 
zu  achten  bisher  keine  Veranlassung  vorlag,  vielleicht  die  Ent- 
scheidung bringen  werde.  Er  wird  im  Vorwort  zum  10,  Baude 
der  Deutschen  Reichstagsakten  auf  die  Frage  zurückkommen. 


283 


Vorarbeiten  zum  Corpus  inscriptionum  etruscarum. 

Ein  Reiaebericht  von  öasta?  Merbig, 
(Vorgelefrt  in  der  pliiloa.-philoh  KlaBse  am  7-  Mai  1904,) 

Nachdem  ich  im  Dienste  des  mit  Unterstützung  der  KgL 
Preussischen  Akademie  der  Wissenschaften  und  der  KgL  Sächsi- 
schen Gesellschaft  der  Wissenschaften  herausgegebenen  Corpus 
itiscriptionum  etruscaruni  den  April  1901  in  Lugano  mit  Pro- 
fessor K,  Pauli  und  in  Florenz,  sowie  den  Oktober  1902  in 
Orvieto,  Rom  und  Cometo-Tarquinia,  zusammen  mit  Professor 
0.  A.  Danielsson,  gearbeitet  hatte,  war  es  mir  vorzüglich  durch 
lie  Munifizenz  der  KgL  Bayerischen  Akademie  der  Wissen- 
haften und  durch  das  Wohlwollen  des  KgL  Bayerischen 
Ministeriums  des  Innern  für  Kirchen-  und  Schulangelegenheiten 
vergönnt,  im  Frühjahr  1903  drei  Monate  in  Italien  mit  dem 
Studium  und  der  Kopierung  etruskischer  Orginalinschriften 
_2U  verbringen. 

Ein  Stadium  an  Ort  und  Stelle  schien  bei  dem  Zustand 
fieler  Inschriften,  bei  der  häufig  ungenügenden  Art  ihrer  Ver- 
öffentlichung, besonders  aber  bei  dem  Charakter  des  Corpus 
als  künftigen  Quellenwerkes  ebenso  selbstverständlich  wie  die 
mechanische  Kopierung  aller  Inschriften  durch  Abklatsch,  Pho- 
tographie, Staniol-,  Siegellack-,  Wachs-,  Papierabdruck,  Durch- 
reibung, Pausung  oder  Zeichnung.  Auf  Grund  dieser  Kopien 
soll,  so  weit  als  möglich,  das  ganze  Material  in  Faksimile 
wiedergegeben  werden:  hat  doch  die  bisherige  Erfahrung  deut- 
lich   gezeigt,   dass   bei  einer  noch   fast  durchaus   Unverstand- 


284 


G,  Herhiff 


liehen  Sprache    wie    der    etruskischen   mit  einer   bloss  mibje 
tiven  Transkription  dem  künftigen  Benutzer  des  Corpus  wenig" 
gedient  wäre. 

Neben  der  Neuaufnahme  eines  grossen  Materials  musstea 
während  der  Reise  auch  bei  vielen  schon  in  Paulis  Nachlass 
vorhandenen  Inschriftenkopien  wesentliche  Lücken  in  der  Be- 
schreibung ergänzt  werden:  Angaben  Über  Fundstätte,  Fund- 
zeit, Aufbewahrungsort,  Art  und  Form,  Material  und  Maße 
des  Gegenstandes,  über  Technik  und  Maße  der  Schrift,  über 
die  zerstreute  Literatur  und  manches  andere,  was  bei  der 
Herausgabe  für  jede  einzelne  Nummer  des  Corpus  immer  wieder 
von  neuem  in  Betracht  kommt. 

Nachdem  der  erste  Band  des  Cor|ms  die  Hauptmasse  der 
in  Etrurien  selbst  gefundenen  Grabinschriften  enthält,  sollen 
den  Inhalt  des  zweiten  bilden:  die  noch  ausstehenden  sQd* 
etruskischen,  dann  die  sog,  faliskischen  und  die  ausseretrus- 
kischen  Grab-  und  Monumental-lnschriften,  das  Instrumentum, 
eine  Bibliographie,  sowie  genaue  Indices,  Den  ersten  und  letzten 
Abschnitt  wird  der  Mitbearbeiter  des  ersten  Bandes  O.  A.  Daniels- 
die  mittleren  Teile  werde  ich  vorbereiten  und  heraus* 
'^geben.  *)  Für  die  Vorarbeiten  an  den  Originalen,  also  für  die 
Reise  selbst,  galt  natürlich  diese  Arbeitsteilung  nicht;  ich  habe 
vielmehr  stets  an  Ort  und  Stelle  auch  die  von  Danielsson  aus 
der  vorhandenen  Inschriftenliteratur  und  dem  Nachlass  von 
Pauli  zusammengestellten  Fragehefte  über  die  ihm  zufallenden 
Edenda,  soweit  es  anging,  zu  erledigen  gesucht.  Dabei  galt 
68  als  Grundsatz,  an  entlegeneren  Orten  das  ganze  Material 
genau  aufzunehmen,  in  grösseren,  bequemer  zu  erreichenden 
Städten  dagegen  bei  Zeitmangel  sich  auf  die  für  die  ersten 
Hefte  des  zweiten  Bandes  in  Aussicht  genommenen  Inschriften 
ZM  beschjinken.  Sehr  viel  Zeit  in  Anspruch  nahm  in  ver* 
sehiedenen  Orten  das  Aufsuchen  und  Identifizieren  älterer  In- 
sclirifteiif  die  ihr  Besitzer  vernachlässigt  oder  verkauft  hatte, 


M  l>uiif^)Mon,  PfMAitio  ftun  CIK  I  S.  TUT -IX  und  Herbi^»  Beib 
Ml^mMii«»  ^dtusir.  M(lticb«n  1902,  Nr  109  lom  19.  Mai  8. 283-28S. 


Vorarbeiten  gum  Corpm  inseriptionum  etruscarum. 


285 


oder  neuerer  Funde,  die  man  zurückhielt  oder  die,  von  Hand 
zu  Hand  wandernd,  noch  keine  aichere  Unterkunft  gefunden 
hatten.  Eine  Reihe  blieben  überhaupt  vei-schollen,  und  alle 
Nachfragen  waren  vergeblich. 

Ausser  dem  Studium,  der  Kopierung  und  Beschreibung 
schon  bekannter  Inschriften  handelte  es  sich  in  zweiter  Linie 
auch  darum,  etwaige  noch  unveröifent lichte  aufzuspüren.  Dies 
tat  mir  in  verschiedenen  Fällen  gelungen;  doch  wurde  ein 
Abklatsch  oder  eine  Photographie  nicht  immer  und  in  der 
Regel  nur  für  eine  VerüflFentlichung  im  Corpus  selbst  gestattet 

Einen  Erfolg  des  Aufenthalts  in  Italien  erblicke  ich  schliess- 
lich in  der  Anknüpfung  persönlicher  Bekanntschaften»  die  zu 
gelegentlichen  weiteren  Auskünften  gern  bereit  sind  und  schon 
erfreuliche  Beiträge  geliefert  haben. 

Wenn  mir  aber  auf  dieser  Reise  etwas  geglückt  ist,  so 
verdanke  ich  es  vor  allem  den  ausgezeichneten  Anleitimgen 
in  epigraphischen  und  et ruskologi sehen  Dingen,  die  mir  Pro- 
fessor 0.  A.  Danielsson  im  Oktober  1902  auf  unserer  gemein- 
schaftlichen Studienreise  und  schon  vorher  bei  einem  längeren 
Zusammenarbeiten  in  München  aus  dem  reichen  Schatz  seiner 
Erfahrungen  gegeben   hatte. 

Vom  18. — 26.  März  hielt  ich  mich  in  Bologna  auf. 
Im  Museo  Civico  war  mir  Professor  E.  Brizio  ein  freundlicher 
Führer.  Es  galt  besonders  die  altertümlichen  Sandsteinstelen 
genau  zu  beschreiben,  auf  photographische  Platten  oder  Ab- 
klatschpapiere zu  übertragen  und  zu  den  verschiedenen  Lesungen 
früherer  Publikationen  vor  dem  Original  Stellung  zu  nehmen. 
Das  Instrumentuni  konnte  ich  ausser  den  wenigen  Helmen  und 
Öemmen  nicht  erledigen;  späterer  Untersuchung  blieben  vor- 
behalten die  Spiegel  und  namentlich  die  Buchstaben,  Ziffern, 
Marken  und  Zeichen  auf  Gegenständen  der  Ausgrabungen  in 
der  Certosa,  von  Villanova  und  in  der  weiteren  Umgegend  der 
Stadt  Bologna,  wie  sie  in  den  Veröffentlichungen  von  A,  Zan- 
ooni,  Q.  Gozzadini,  E.  Brizio  niedergelegt  sind,  und  bei  denen 
hüufig    sehr    schwer   sein   wird,   Etruskisches    und   Nicht- 

iiisohes  zu  scheiden. 

1904.  8itsg«b.  d.  phfl<M.-phaoL  o.  d.  lilit.  EL  19 


m 


G.  Heftig 


Über  einen  Monat,  vom  27.  Märss  —  30.  April»  war  ich 
in  Rom  beschäftigt.  Den  Professoren  und  Museumsleitern 
E,  Petersen,  W.  Heibig,  B.  Nogara,  A.  Pasqui  und  L,  Pigurini  | 
bin  ich  zu  besonderem  Danke  verpflichtet.  Den  Hauptzweck 
des  römischen  Aufenthaltes  bildete  die  Aufnahme  der  falls- 
kiächen  Insch ritten  jeder  Art,  der  rein  faltskischen,  der  auf 
faliskischem  Boden  gefundenen  rein  etruskischen  und  der  ge- 
mischtsprachigen. Die  Hauptarbeitsstätte  war  das  unter  Paa- 
quis  Leitung  stehende  ,Museo  Falisco  di  Villa  Papa  Qiulio*  vor 
der  Porta  del  Popolo  mit  seinen  Magazinen.  Als  Vorarbeiten 
durfte  ich  benutzen  den  offiziellen  handschriftlichen  Inventario 
delle  Anticbita,  von  Q.  ßatti  angelegt,  und  einen  kleinen  Zettel* 
katalog  mit  Rotstiftzeichnungen  von  B.  Nogara.  Da  die  weit- 
aus meisten  Inschriften  mit  schlecht  erhaltener  roter  Farbe 
auf  rotbraune  oder  rotgelbe  Ziegeln  gemalt  sind,  verbot  sich 
ein  Abklatsch  ganz,  und  die  Photographie  versagte  fast  immer, 
so  dass  ich  zu  Durchpausungen  greifen  musste.  Sehr  viele 
der  Ziegi»linschriften  sind  noch  unveröffentlicht,  leider  mit 
wenig  Ausnahmen  elende  Fragmente;  meine  Uoffhungen,  eine 
Anzahl  derselben  nach  den  genauen  Pausungen,  die  immer  mudi 
die  Fragmentränder  umfassen,  wieder  zusammenaetzen  zu  kilnneji, 
hat  sich  bis  jetzt  wenig  erfüllt.  Die  etwa  100  Inschnllen  in 
W.  Deeckes  ,FaIisker'  (Strassburg  1888)  werden  immerbin  auf 
mehr  als  250  steigen.  Die  Aufnahme  dieser  sprachlich  fer<* 
eohicdenartigen«  mit  einem  rein  geographiaehen  Sammelnameii 
ala  «faliakisch*  (im  weiteren  Sinn)  bezeichneten  Ijischnfteii  m\ 
ein  Corpus  inscriptionuni  etruscarum  ist  von  K.  Pauli  auf 
S.  1  und  2  des  Prooemiums  zum  ersten  Band  verbrochen  and 
begründet  worden. 

Im  Museo  Kircherianos  wo  Profe^or  I^.  Pignrini  sich  sehr 
'  '  t^rwiea,  wurden  die  wenigeii  noch  dort  befind* 

'  sahnfleii   neu  aufgenoauuen*    Im  Klostor  Saa 

Flaolo  fnori  le  Mura   konnte  ich   mit  Krlaubni«  des  Cadodicii 
Or  '  ri  die  cApt  'nÄe  stndioreii  i 

und  .*.  abpausen.     4  ..    .,  ,.^.   ,.. ,;   in   Knm  gilt 

dem   M.  mo  im  Vatikan.     Ein  Teil  dea  Apparstoi 


Vorarbeiten  tum  Corpm  insertptionum  etrtMcarum, 


287 


fand  dch  in  guten  Kopien  schon  in  Paulis  Nachlass;  ich 
ergänzte  ihre  Zahl  nach  Kräften,  namentlich  durch  Photogra- 
phieren  und  Abzeichnen  der  feinen  Metallinschriften.  P,  Ehrle, 
der  Präfekt  der  Vatikanischen  Bibliothek^  und  Dr.  Nogara  ge- 
währten mir  jede  Erleichterung,  Nogara  hat  uns  auch  weiter- 
hin ausgezeichnete  Dienste  geleistet  und  steht  fllr  die  Zukunft 
zur  Verfügung:  ich  verdanke  ihm  u.  a.  die  sorgfältige  Aus- 
fdllung  eines  Frageheftes  über  Terracotta-  und  Metallgegen- 
stände, die  ich  in  Rom  nicht  mehr  zu  Gesicht  bekoui  oder  aus 
Mangel  an  Zeit  nicht  mehr  erledigen  konnte* 

Acht  Tage,  vom  1* — 8.  Mai^  arbeitete  ich  in  Viterho. 
Zu  meiner  Freude  fand  ich  hier  unvermutet  im  Museo  Civico 
die  faliskischen  Ziegeln  aus  Carbognano.')  Die  Schrift  Ist  bei 
vielen  ganz  verwischt,  doch  liisst  sich  noch  soviel  ersehen,  dass 
Deeckes  und  der  Früheren  »Lesungen'  häufig  genug  nur  Kon- 
jekturen waren.  Auf  der  hübschen  Terrasse  des  Palaz20  del 
Comune  konnte  ich  bei  sehr  gutem  Lichte  die  Inscliriften 
wiederholt  studieren  und  abpausen.    Die  im  Museo  befindliche, 

I  nicht  »ehr  bedeutende  roba  di  Bomarzo  (ciotoIa-Fragmente  meist 
nur  mit  einzelnen  Buchstaben)  wurde  bei  Gelegenheit  neu  auf- 
genommen. 

Die  wichtigsten  Denkmäler  des  Museums  sind  eine  Anzahl 
der  berühmten  Alednas-Sarkophage  aus  Musama  (Civitä):  es 
galt  vor  allem  diese  Grabinschriften*)  immer  wieder  zu  ver- 
gleichen und  für  die  Wiedergabe  im  Corpus  abzuklatschen. 
Ich   hatte  Grund   zur  Annahme,   dass   in   derselben  Nekropole 

I  in  den  letzten  Jahren  neue  Ausgrabungen  stattgefunden  hatten, 
und  auf  Anfrage  teilte  mir  Herr  Luigi  Rossi  Danielli  am 
6.  Mai  mit,  dass  im  Jabre  1900  (richtiger  vielleicht  189R) 
von  dem  jetzigen  Eigentümer  Alarico  Piatti  14  Nenfro-  und 
1  Terracotta-Sarkophag  neu  gefunden  wurden.  Über  die  Hälfte 
davon  hätten  Inschriften  getragen  und  seien  nebst  einigen  Sar- 
kophagdeckeln  nach  Amerika,  z«  T.  nach  Penusylvanien  (Phila- 


Seo. 


^  Deeoke,  Faltsker  Nr.  47—55. 

*)  Fftbretti,  Corpu«  iaacr,  ital,  Nr.  2055—2069,  Pr,  SuppL  Nr.  378  -380, 
Soppl.  Nr.  96—96,  Ter.  ßuppL  Nr.  318—341,  Appendico  Nr.  740, 

19* 


288 


delphiaX  z.  T.  nach  Kalifoniien,  Überführt  worden.    Die  übrige 
keine  Inschriften  tragenden,  fand  ich  zutaUig  auf  der  Rückkell 
von  einem  Ausflug  nach  Castel  d'Asso,   wo  ich  einige  Feli 
inschriften  nachzuzeichnen  und   zu   photographieren  versucht 
in  einem  Gehöfte  vor,  wahrscheinlich  der  Fattoria  di  8.  Caterina. 
Denn    dorthin    waren,    wie   A.  Pasqui    inzwischen^)    mitgeteiM 
hat,   alle   neu   gefundenen   Sarkophage   und    Sarkophagdeckelr 
im  ganzen  23  Stück,  zunächst  v€>rbracht  worden.     Seine  An- 
gaben weichen  in  unwesentlichen  Punkten  von  den  mündliche 
des  Herrn  Rossi  Danielli    ab,   nur  über  das  weitere  Schicksd 
der  Sarkophage   gibt    er   keine  Auskunft.     Dass   es   aber   difl 
selben  Sarkophage   sind,   geht   unzweifelhaft   aus  zweien    vc 
den   vier  Photogi-aphien    hervor,   die   ich    der  Güte    des  let 
genannten  Herrn  verdanke,  und  deren  Inschriften  mit  den  unt 
Nr.  6  und  7  von  Pasqui  mitgeteilten  übereinstimmen.    Pasqu 
Lesungen  müssen  freilich,  wie  die  Photographien  deutlich  zei^ 
an   vei^chiedenen  Punkten   revidiert   werden*     Indessen    hat 
die  Sarkophage  und  Deckel  jedenfalls  noch  in  besserer  Ordnun 
bei  einander   gesehen,   als  wie  sie  die  Photographien   wiede 
geben.    Auf  dem  Deckel  der  cassa  di  nenfro,  die  Pasqui  uni 
Nr.  6  beschreibt,  liegt  nach  unserer  Photographie  eine  Jugend 
liehe   männliche   Gestalt   mit  nacktem   Oberk^irper,   wahren 
der  Deckel,  den  Pasqui  auf  dieser  cassa  sah,  noch  das  na 
der  Inschrift   sicher   zu   erwartende   weibliche    Bildnis    zeig 
(.  •  .    donna    recombente    siil    fianco    sinistro,    mn    Inne^a    v**st<i, 
allacciata  al  seno  .  .  «)* 

Für   die   unb*^schränkte   Arbeitsfreiheit   im    Museum 
ich   dem  Leiter  der  Sammlungen   im  Palazzo  del  Comntie 
Viterho,  Herrn  C.  Pinzi,  ergebenen  Dank. 

Das   Entgegenkommen    des   Herrn   Grafen   GentiU 
sowie  dex  Herren  Leiter  des  Seminarium  episeopale  ermciglichii 
mir   di©    rasche   Erle<ligung   einiger   Architrav-,    Kand<:«laWr-' 
Cippen-  und  Ciotolainschriften,    Im  Laden  des  Antiquars  Fa 
eioni  jun.   machte   mich   Herr  L.  liossi  DaiiitsUi  Auf  aici   mh 


t)  Not  d.  Se«vl  XL,  190S,  8.  Ue-I20. 


Vararbtiten  Mum  Corpus  inscriptionum  etruscarum. 


289 


hübsches  Bucchero-Schöpfgefass  {xva^og)  aufmerksam »  das  er 
1902  in  San  Francesco  presso  Ferento  gefunJeD  hat;  es  trägt 
auf  dem  Henkel  und  auf  den  äusseren  Gefliiisrändern  rechts 
und  links  vom  Henkel  eine  Inschrift,  die  bis  jetzt  nicht  ver- 
öffentlicht ist.  Eine  Pausung  und  Beschreibung  wurde  ebenso 
eitwillig  gestattet,  wie  die  genaue  Aufnahme  einer  Anzahl 
iche  piramidette  mit  Buchstaben  und  Marken  aus  Castol 
d'Asso  und  der  übrigen  Umgebung  von  Viterbo. 

Am  9,  Mai  brachte  mich  die  Post  nach  Toscanella, 
Der  einst  durch  die  in  ihm  aufgestellten  etruskischen  Alter- 
tümer so  berühmte  giardinetto  vonSecondianoCampanari  befindet 
sich  in  einem  wenig  erfreulichen  Zustand.  Die  Rente  der  alten 
Flerrlichkeit  sind  z.  T.  durch  Holzstösse  verdeckt;  der  Boden 
ist  durch  einen  Überlaufenden  Brunnen  in  einen  Morast  ver- 
woodeli,  in  dem  sich  Enten  und  Hühner  tummeln.  Viele  Sarko- 
phage wurden  verkauft  und  sind  verschollen;  fast  nur  die  in 
die  Wände  des  Höfchens  fest  eingemauerten  Inschriftensteine 
verdanken  eben  diesem  Umstände  ihre  Erhaltung,  Ich  liess 
das  Holz  wegräumen  oder  den  Morast  damit  überbrücken,  und 
fertigte  mit  Hilfe  eines  Enkels  des  ehemaligen  Besitzers  Ab- 
klatsche aller  noch  vorhandenen  etruskischen  Inschriften  an. 
Ein  paar  weitere  Kopien  wurden  im  OHo  di  Livio  und  im 
Palazzo  Municipale  nach  Danielssnns  Frageheften  gemacht. 

Dagegen  gelang  es  mir  nicht,  in  zwei  anderen  Fragen 
Klarheit  zu  schafien.  Gamurrini  berichtet  im  Anschluss  an 
die  Inschrift,  Appendice  Nr,  769:  tEsiste  nell'  archivio  del 
comune  di  Toscanella  una  copia  di  alcune  epigrafi  etrusche 
redatta  nel  secolo  scorso,  ma  b  cosi  confusa  ed  incerta  che  ho 
stimato  opera  vana  di  qui  riprodurla'.  Ich  habe  mit  dem  Sin- 
daco  Onofrio  und  dem  Segretario  Comunale  und  Ispettore  degli 
iScavi  Giuseppe  Cerasa  im  Archivio  Comunale  vergebens  nach 
ähnlichen  Notizen  gesucht. 

Die  andere  Frage  ist  wichtiger,  und  nun  auch  zu  einem 
guten  Ende  geführt.  Danielsson  und  ich  hatten  im  Herbst 
1902  bei  dem  Photographen  Moscioni  in  Rom  einige  uns  niibe- 

te  Sarkophag-Photographien  (sarc    agi  trovati  recentemente 


A  ToaeaDclla),  dAnmter  drei  mit  Inscluiftati, 
gekMifl.  Ich  eriniiidigte  loicli  in  To6caiMsUA  aad  srhidt 
Aufllronft,  dmas  sich  eine  Afizahl  neu  geAuidMiar  Sutephagi 
im  CaiiT«iilo  del  Biposc»  bdaadtii.  Deradbt  wmr 
tmd  Herr  Cera»  erklSii«  mir.  das  Eig^otittiisreclil 
and  bit  aar  Erkdigitiig  der  Ftaga  dttrÄ»  dii  i 
ai^peathaa  wwdM.  Itt  aelbsi  w^oQe  aie  fUmgaiia  noah 
des  Jahres  YeiüHbiÜieheti  und  mis  ftlr  das  Corpas  i 
flbeiaeiideii.  Da  ich  weiter  keine  Kachricht  etUeli,  taüfa 
Profmor  k.  Torp,  der  im  Aprü  1904  diesa  < 
daa  Tattwiland  mit  nnd  hal  ihn,  eir.  wttlei«  SekiiHa  an  Im. 
&  8chmbl  mir  anter  dem  d.  April  d.  J.:  ^  Tnananrila  sind 
jaM  die  Yerhiltiiiaaa  gaas  aadera  ak  Torigaa  Jahr.  Dar  Kaft^ 
▼aal  ist  aagiagli^  ich  ging  hinein  und  kennta  mkii  W^aam 
nnMahan.  Es  befimdaii  aich  dort  im  gaaaen  90  Sartopliaga, 
an  iw€i  der  Winde  aogaMitit  Sie  waren  gerade  daanb  c.  T. 
nil  Hob  and  Pümhen  belegt»  einige  aneh  mtl  der  InachiifW 
eefle  gq^  die  Wand  gekehrt  Wir  hatten  riet  Affhait»  se 
mmuwälxen  und  das  Holz  wegzitfinaian,  Anf  14  der  Sark^ 
phi^  baindeo  eieh  Inaehriften.  18  aingehnaan  and  1  gemnlt 
Imgnnaen  mnd  eia  voU  arhalien.  kh  haha 
Abkbiteht  and  Kopien  gamneht,  die  ich  aaafa 
briaga.  Die  aiatalen  der  Ineahnftan  aind  knm» 
eu^ga  miei an  Billige  Wfirlart  ao  awei  nena  ZaUwQMar^^  In 
Schretban  ^cxn  2S.  Aprü  beiael  ee:  JÜe  Sar^ 
'oBeanalln  aoUan  in  einer  bei  Eaai 
Ihm  wasdieh  fon  Tdeemelhk  im  Jahre  13M 
gefkaalen  aein.  Der 
ei  haMeii  aiah  einige 

gi|pn  50  Sarkophage,  jeM  eod  ee  daraa  ai, 
Nenfrc^.    Wo  die  thrigen  sieh  jeM  befinden,  wi 
in  fegen      Anch  ftber  andere  tn  der  Orotte 
altoda  (Vma,  äfuc««!.   OaUkaMen)  war  nichia 
^eimseeln* 

Von  T«nM]li  fafal»  iek  Ma  11.  Ii»i  X« 
Vitart«  mtet  fiikr  B  in  if^rtk« 


Vorarbeiten  zum  Corpus  inscripHonum  etrasmrum^ 

Montefiascone  und  von  da  per  legno  nach  Bolsena,  Es  handelte 
sich  dort  vor  allem  darum,  eine  Anzahl  Inschriften  auf  kleinen 
Basalt-  und  Nenfrocippen  zn  untersuchen  und  abzuklatschen; 
ihnen  gegenüber  kam  von  ein  paar  sehr  grossen  Terracottft- 
vasen  (zum  Autbewahren  von  Flüssigkeiten)  nur  eine  für  das 
Corpus  ernstlich  in  Betracht.  Meine  Arbeiten  im  Museo  Civico 
fanden  an  dem  Ispettore  degli  Öcavi  Ingenieur  B.  Leoneini, 
jene  im  Museo  della  Collegiata  di  S,  Cristina  an  Canon ico  Don 
Ferdio.  Battaglini  tätige  Förderer.  Leoncini  war  mir  überall 
ein  unermüdlicher  Wegweiser.  So  wurden  mir  auch  einige 
Privatsammlungen  erschlossen:  bei  Herrn  Giuseppe  Menichetti 
und  namentlich  bei  Herni  Angelo  Ovidi  konnte  ich  mehrere, 
X.  T.  noch  unbekannte  Cippusinschriften  kopieren.  In  der  Via 
Alessandro  Donzellini  (Haus  Nr.  46)  fand  ich  zutallig  eine  nicht 
unwichtige  Inschrift:  der  Stein  (pietra  calcarea  dura),  auf  dem 
sie  steht,  wurde  vor  einigen  Jahren  als  F Ullstein  in  den  arco 
delia  porta  eingemauert;  bei  dieser  Gelegenheit  musste  er  erst 
zugehauen  werden,  wobei  die  4,  Zeile  stark  beschädigt  wurde. 
Der  Hausbesitzer  Constantino  Colesanti  gestattet«  gern  durch 
einen  Abklatsch  nebst  Teilabklatschen  von  der  Inschrift  genaue 
Kenntnis  zu  nehmen.  Von  Herrn  Pietro  Moscini  erwarb  ich 
eine  einfache  patera  aus  Ton  a  vemice  nera  mit  einer  auf  der 
Innenseite  leicht  eingeritzten  etruskischen  Inschrift.  Moseini 
erhielt  diese  patera  von  Herrn  Cesare  Bianconi;  sie  wurde  vor 
etwa  3  Jahren  bei  Bolsena  oder  Montefiascone  gefunden;  niiheres 
war  nicht  mehr  festzustellen.  Jedenfalls  stammt  sie  nicht  von 
den  Ausgrabungen  her,  die  Moscini  auf  dem  Hügel  Madonna 
dei  Cacciatori,  etwas  nordwestlich  vor  der  Stadt  im  Jahre  1901 
veranstalten  Hess,  und  Über  die  E.  Gabrici  jetzt*)  berichtet  hat. 
Bei  diesen  an  sich  recht  erfolgreichen  Ausgrabungen  scheint 
anwer  einigen  vorrömischen  Mauerresten  überhaupt  nichts  Etnis- 
kisches  zum  Vorschein  gekommen  zu  sein. 

Gar  nichts  erfuhr   ich   in  Bolsena  selbst   von  einem,  wie 
es  scheint,  sehr  wertvollen,  nicht  lange  vorher  erat  gemachten 


»)  Not  d.  Scavi  XI,  1908,  S,  367—375. 


Fand  von  Gold-,  Silber-  und  Metallgegenständeu,  darunter  10 
oder  12  mit  Instrumentiiminschriften.  Der  Fund  war,  wie  mir 
Nogara  und  Heibig  unabhängig  von  einander  schon  in  ßom 
erzählt  hatten,  ihnen  unter  sonderbaren,  nicht  zu  erfüllenden 
Bedingungen  zum  Kauf  angeboten  worden  —  sie  sollten  die 
Inschriften  und  Gegenstände  oder  wenigstens  die  wertvollsten 
derselben  vor  Kaufabschi uss  nicht  ansehen  dürfen,  weil  die 
Herren  Archäologen  sich  alles  so  rasch  merken  könnten  und 
dann  nur  noch  die  Hälfte  zahlten.  Nach  meinem  Bolsener 
Aufenthalt  erzählte  mir  in  Florenz  der  Antiquar  Giuseppe  Pacini 
ganz  gelegentlich  (um  mich  von  der  Höhe  der  Preise  zu  Über- 
zeugen, die  ein  Antiquar  heutzutage  zahlen  müsse)  genau  die- 
selbe Geschichte  und,  dass  die  Besitzer  jener  Funde  auch  bei 
ihm  angeklopft  hätten.  Auf  eine  Anfrage  schreibt  mir  Nogara 
unter  dem  30.  März  dieses  Jahres:  Jje  iscrizioni  che  Le  aeg- 
nalai  lo  scorso  anno  a  Bolsena  e  delle  quali  Ella  [uire  si 
interessö  nel  suo  viaggio  (dieci  o  dodici  iscrizioni  di  imtrumen' 
tum  d'oro  e  d^argento  ecc)  sono  scomparse,  a  quanto  mi  dice 
il  Dr.  L.  PoUack,  fin  dal  maggio  passato,  vendute  ad  un  signor 
Vitalini  di  Roma,  che  le  ha  portate  o  le  porta  direitamente 
sul  mercato  di  Pangi,  senza  lasciarle  vedere  qui  ad  alcuno. .  / 
Den  15.  und  16.  Mai  verbrachte  ich  in  Pitigliano,  Ich 
konnte  im  Hause  des  Herrn  Giuseppe  Denci  noch  die  archäologisch 
bedeutsame  Sammlung  von  Gegenständen  hei  einander  sehen, 
die  er  im  Jahre  1902  aus  1  tomba  a  fossa  und  aus  3  toinbe 
a  camera  ans  Licht  gefördert  hatte.  Die  einzige  dabei  ge- 
fundene etruskische  Inschrift  im  Innern  eines  piattino  durfte 
ich  anschauen,  aber  nicht  abpausen.  Professor  G.  Pellegrint« 
der  die  Sammlung  im  März  studiert  hatte,  könnt«  mir  bald 
darauf  in  Florenz  mitteilen,  dass  die  Inschrift  für  das  Musdo  , 
Archeologico  angekauft  sei.  Er  hat  jetzt  ^)  über  die  Fimde  i 
Denci  Bericht  erstattet  und  auf  den  Wert  dienar  Inschrift  auf-  ^ 
merksam  gemacht.  Herr  Kun&tmaler  und  Scavivtore  R.  Mad» 
AVi    ilpr  in  Sovana,  Poggio  Buco  und  Pitigliano  erfolgreich« 


^}  Kot.  d.  Scavi  XI,  1908»  a  2^7  -279. 


Vorarheitßn  tum  Corpus  inseriptionum  etruscarum. 


293 


Ausgrabungen  veranstaltet  hat,  über  die  G.  Pellegrini  in  ver- 
schiedenen Aufsätzen  der  Not  d.  Scavi  VI,  1898  orientiert, 
besitzt  Docb  eine  Saramlung  dabei  gefnndener  Instnmientum- 
InscbrifteDf  die  ich  in  Pitigliani3  vermutete.  Mancinelli  befindet 
sich  jedoch  fast  ständig  in  Satumia,  und  sein  Instnimentum 
in  Poggio  Buco,  Bei  meiner  immer  knapper  werdenden  Zeit 
Uess  sich  eine  Zusammenkunft  nicht  mehr  einrichten,  doch  war 
Mancinelli  so  liebenswürdig,  mir  in  einem  Brief  vom  6.  Juni 
1903  Pausungen  aller  Inschriften  filr  unseren  Apparat  in  Aus- 
sicht zu  stellen.  Femer  will  mir  Herr  Canonico  und  LokaU 
antiquar  G.  Fabriziani  in  Pitigliano  von  den  einst  der  Familie 
Busatti  aus  Sorano  gehörigen  Inschriften,^)  falls  diese  noch 
existieren,  Pausungen  verschaffen  und  nach  München  senden. 
Die  Herren  Clorindo  und  Francesco  Merlini  besitzen  von  ihren 
Ausgrabungen  in  der  Nekropole  von  Sovana  eine  Inschrift 
auf  dem  Frontstück  einer  Tußcassa  in  Pitigliano,  von  der  ich 
einen  Abklatsch  nahm.  Die  übrigen  Fundgegenstände  —  von 
weiteren  etruskischen  Inschriften  ist  mir  übrigens  nichts 
sicheres  bekannt  —  befinden  sich  teils  in  Merlinis  Magazin  in 
Florenz,  teils  wurden  sie  von  Professor  L.  A.  Milani  für  das 
Museum  dieser  Stadt, '^)  teils  von  Herrn  Alfred  Emerson  für 
amerikaniache  Sammlungen  angekauft.  Herrn  Grossgrundbesitzer 
Cafiimiro  Martinucci  schulde  ich  für  sein  liebenswürdiges  Ent- 
gegenkommen in  vielen  Punkten  verbindlichen  Dank. 

Am  17.  Mai  bemühte  ich  mich,  unter  der  bewährten 
Führung  und  Beihilfe  des  Herrn  Aro  Francesco  Merlini  die 
z.  T,  im  Grundbesitz  der  Familie  Martinucci  liegenden  Feis- 
und Grabinschriften  in  der  Umgegend  von  Sovana  zu  studieren. 
In  Fosso  di  San  Pietro,  ca.  1  Stunde  von  Pitigliano  gegen 
Sovana  hin,  konnte  ich  zwei  in  neuerer  Zeit  gefundene  Fels- 
inschriften   abzeichnen;    in    Poggio    Pischero,    Sopraripa    und 

*)  Gammrini,  Appendice  Nr.  764—760. 

*)  Vj?l.  neben  d«in  FuDdbericht  von  G.  Pellegrini  in  den  Not.  d, 
Scavi  X,  1*J02,  S.  494—509  jetzt  auch  die  nähere  Beachreibung  der  fQr 
Florenz  angekauften  Gegenstände  von  dem  gleicken  Verfasser,  ebenda  XI, 
1903,  3.  217  -a25. 


294 


Q.  HetUg 


Poggio  StaazJale  mussten  die  schon  aus  Fabretti  CII  2025  ff. 
bekannten  Inschriften  identifiziert  und  genau  aufgenommen 
worden.  Wo  Leitern  fehlten,  wurden  Baumäst«  und  Bauern- 
schultern  in  Anspruch  genommen,  und  von  dort  aus  die  Fels- 
inschriften von  Moos  und  Schmutz  gereinigt,  gemessen  oder 
auch  nur  in  die  eine  Abzeichnung  möglich  machende  Gesichts- 
weite gebracht.  Die  Arbeit  nahm  den  ganzen  Tag  in  An- 
spruch :  bei  sinkender  Nacht  musste  die  Suche  nach  zwei  weiteren 
Inschriften  notgedrungen  eingestellt  werden. 

Am  nächsten  Tag,  den  18.  Mai,  brachte  mich  eine 
9  stündige  Postfahrt,  von  San  Lorenzo  ab  unter  Carabinieri- 
Bedeekung,  nach  Orvieto. 

In  der  hochgelegenen  , Alten  Stadt*  mit  ihren  reichen 
Schätzen  hatte  ich  schon  im  Oktober  1902  mit  Danielsson 
gearbeitet,  und  in  Paulis  nachgelassenem  Apparat  fand  sieh 
manche  brauchbare  Kopie.  Trotzdem  reichte  die  Zeit  vom 
19. — 26.  Mai  nicht  aus,  um  die  Arbeiten  zu  Ende  zu  führen. 
Ich  machte  Herrn  Cav.  R.  Mancini  und  Herrn  Commendatore 
Franci  meinen  Besuch  und  darf  hier  dankbar  ihrer  freund- 
lichen, stets  bereiten  Hilfe  gedenken.  Im  Oktober  1902  hatten 
wir  die  photographischen  Aufnahmen  der  Architravinschrifte« 
Iber  den  Orabeingängen  in  der  Nekropole  Mancini  wegen  an- 
"gflnsf  igen  Wetters  abbrechen  müssen,  und  uns  in  den  dunkeln 
Golini-Gräbern  mit  Blitzlich taufhahmen  lange  Zeit  abgequUi. 
Leider  geht  auch  der  Rest  der  Wandgwiälde  and  Inschrifteo 
dieser  in  der  etruskologischen  Archäologie  und  Linguistik  so 
berühmt  gewordenen  Grabstätten  durch  die  starke  Feuchtigkeit 
der  Wände  dem  unaufhaltsamen  ünttTgang  entgegen.  Ich  rer- 
8uchti5  hier  zunächst  missglQekte  Aufnahmen  des  vorigtoa  Jahres 
durch  neue  Photographien  und  Pausungen  su  ersetzen.  Mslmekr 
Hoffnung  auf  gutes  Gelingen  konnte  iob  etne  qrsienHititdie 
Aufnahme  aller  Steininschriften  des  priTaleo  und  staaUicheu 
Teiles  der  Nekropole  Manchii  und  der  slaatUehen  Nelcropole 
Bracmrdi  Yomithmen.  Phologrmpbie  und  Abklatsch  ergimteii 
eimatidür.    Entere  vef^agle  dÄecs»  imoil  die  Ginge  ivisebttii  den 


Grftberraben 


all 


flir  die  AttfiileQiaig  dea 


Vorarbeiten  Mum  Corpus  imeripH&num  etruacarum. 

graphischen  Apparates»  oder  bei  den  Bracardi-Inschril'ten,  weil 

die  Architrave  zu  tief  Ingen  und  erst  wieder  aus  der  Erde 
herausgeschaufelt  werden  mUBsten,  Abklatsche  dieser  letzten 
Inschriften  verdanken  wir  der  Güte  des  Cav,  Mancini  und  des 
Herrn  De-MoUi,  da  ich  selber  mein  in  Rom  nachbestelltes 
Abklatsch papier  nicht  mehr  in  Orvieto  abwarten  konnte. 

In  der  Privatsammlung  im  Hause  Mancinis,  im  Museo  Faina 
und  der  Opera  del  Duomo  nahm  ich  eine  Reihe  von  Kopien 
ab:  neben  ein  paar  neueren  Cippusinschriften  war  namentlich 
noch  ein  Teil  des  Inatrunientnms  durchzuarbeiten,  vieles  an  der 
Hand  von  Notizen  und  Pausungen,  die  sich  in  Paulis  Nachlaas 
vorfanden.  Schon  bei  meinem  ersten  Aufenthalt,  Oktober  1902, 
hatte  ich  mit  dieser  Arbeit  begonnen.  Nogara,  mit  dem  wir 
damals  in  Orvieto  zusammentraten,  hatte,  da  ich  weiter  reisen 
mtiste,  die  grosse  Güte,  einen  Fragebogen,  den  ich  für  die 
Bedürfnisse  des  Corpus  zusammen j^^estellt  hatte,  auszufüllen 
und  mit  den  nötigen  Staniolabd rücken  und  Durchpausungen 
zu  versehen , 

Am  27.  Mai  fuhr  ich  nach  Civitä  Castellana  (Falerii 
veteres).  Ich  bemühte  mich,  nachmittags  die  faliskischen  In- 
sehriften  der  in  Tuffstein  eingehauenen  Felsengräber  rechts 
und  hnks  vom  Ponte  Terrano  nach  früheren  Veröffentlichungen 
zu  revidieren  und  von  neuem  abzuzeichnen.  Ein  Felsengrab 
wird  jetzt  als  Stall  benützt,  ein  anderes  dient  zur  Autl>ewahrung 
landwirtschattlicher  Geräte.  Die  Inschriften  im  Freien  sind 
zum  Teil  verwittert  und  moosüberwachsen,  der  Weg  zu  ihnen, 
wenn  er  Überhaupt  noch  aufzufinden  ist,  durch  Gestrüpp  ver- 
sperrt. Ein  paar  von  Gamurrini  veröffentlichte  Ziegeünschriften 
aus  der  contrada  Regoletti,  l  km  südlich  von  S.  Maria  di 
Falleri  (Falerii  novi),  befanden  sich  damals  im  Besitze  des 
Herrn  Sebastianini.  Derselbe  hat,  wie  mir  Canonico  G.  Orazi 
mündlich  mitteilte,  mittlerweile  alles  verkauft;  an  wen,  ist 
unbekannt.  Den  Vormittag  des  28.  Mai  benutzte  ich  zu  einem 
Ausflug  nach  den  gut  erhaltenen  Ruinen  von  S.  Maria  di 
Falleri,  den  Nachmittag  zur  Fahrt  nach  Florenz, 

Hier  hatte  ich  im  April  1901  meine  epigraphisch-etruskische 


296     Q.  Herbig,  Vorarhtiten  $um  Corpus  inmipiwmm  elfüjoanim. 

Tätigkeit  begonnen  und  die  reichen  Vorarbeiten  im  Nachlaas 
Paulis  systematisch  nach  dem  handschriftlichen  Katalog  de 
Museums  und  namentlich  auch  durch  Nachträge  aus  den  Be-1 
ständen  des  1897  eröfineten,  musterhaft  eingerichteten  ,Museo 
topografieo  delF  Etruria*  zu  vervollständigen  gesucht.  Mein 
neuer  Aufenthalt  vom  29.  Mai  —  6.  Juni  hatte  vor  allem  den 
Zweck,  die  im  Museo  Archeologico  aufbewahrten  südetruskischen 
Inschriften  noch  einmal  genau  zu  vergleichen  und  namentlich 
von  den  Cippusbaseo  von  Cometo,  Bolsena  und  Toscanella 
brauchbare  Abklatsche  herzustellen.  Auch  eine  Anzahl  noch 
vorhandener  Lücken  im  Apparat  der  Instrumentum-Inschriften 
konnten  ausgefüllt  werden;  so  wurden  die  piramidette  tob 
Telamon*)  und  die  erst  in  letzter  Zeit  ins  Museum  gelanj 
Inschriften  neu  aufgenommen;  nur  die  Spiegelinschriften  mi 
ich  auch  dieses  Mal  zurückstellen.  Ich  brauche  kaum  eigens 
beizufügen,  dass  Direktor  L.  A.  Milani  und  Professor  G.  Pellegrioä 
mit  bewährter  Liebenswürdigkeit  das  Arbeiten  erleichterten  und 
jede  mögliche  Freiheit  gewährten» 

Nicht  unerwähnt  will  ich  hier  lassen,  dasa  es  mir  am  di 
und  10.  Oktober  des  gleichen  Jahres  möglich  war,  die  nord* 
etruskischen  Inschriften  des  K.  K.  Ferdinandeunis  zu  Innsbruck 
unter  der  freundlichen  Führung  des  Direktors  F,  v.  Wieser  ein- 
zusehen, zu  beschreiben  und  zu  kopieren.  Es  handelt  sich  mit 
einer  Ausnalune  um  Instnimentum-Insch ritten  aus  Dercolo  im 
Nonsberg,  Stadelhof-Kaltern  bei  Vadena,  Matrey,  Moritzing, 
Tisens  und  Sanzeno.  Besonders  aus  dem  letztgenannten  Fund- 
ort stammen  ein  paar  merkwürdige,  noch  nicht  veröffentlichte 
Inschriften,  deren  wichtigste  mir  mit  seltener  Liberalität  zu 
längerem  Studium  Überlassen  wurde.  Wenn  ich  recht  sehe, 
bedarf  die  ganz€<  Frage  der  ,nordetruskisch6n*  Inschriften  nc 
einer  gründlichen  Nachprüfung, 

*)  Milaui,   Ma8t*o   t^pogr.  dell*  Etniria,    Firenze-Boraa  I8i>0,  S. 
and  160,  Nr.  123. 


297 


Über  eine  Messe  in  Cmoll,  angeblich  von  W.A.  Mozart 

Von  Adolf  Sandbergfer. 
(Vorgelegt  in  der  pMlos.-philol.  Klasse  am  7.  Mal  1904.) 

In  Privatbesitz  zu  München  befindet  sich  die  unzweifelhaft 
Snde  des  18.  Jahrhunderts  geschriebene  Partitur  einer  Messe 
in  C  moU»  auf  welcher  von  wenig  späterer  Hand  als  Komponist 
W.  A.  Mozart  angegeben  ist  Der  erste  Fachmann,  welcher 
das  lange  Jahre  hindurch  in  Verborgenheit  aufbewahrte  Werk 
etwa  um  das  Jahr  1850  wieder  zu  Gesicht  bekam J)  der  acht- 
bare Augsburger  Komponist  und  Kapellmeister  Karl  Ludwig 
Drobisch  (f  1B54),  erklärte  es  ohne  Zögern  für  echt,  ebenso 
der  Pariser  MusikschriftsteUer  August  Qathy  in  dem  Aufsatz 
^ün  manuscrit  inedit  de  Mozart*  (Kevue  et  Gazette  musicale 
de  Paris,  23.  mars  1856,  No.  12). 

Als  Otto  Jahn  im  gleichen  Jahre  den  ei*sten  Band  seiner 
Mozartbiographie  fertiggestellt  hatte,  war  er  noch  ohne  Kennt- 
nis unseres  Manuslcriptes  gewesen.  Durch  Gathys  Arbeit  auf- 
merksam gemacht,  verschaffte  er  sich  dann  die  Partitur  und 
besprach  sie  in  der  zweiten  Ausgabe  seines  Buches.  Deiters 
hat  die  betreÖende  Stelle  in  der  dritten,  von  ihm  besorgten 
Auflage  (1,412  Anra.)  mit  übernommen,  Jahn  konstatiert  zu- 
nächst die  Unterschiede  in  der  formalen  Behandlung,  welche 
Werk  gegenüber  anderen  Messen  Mozarts  aufweist,  Unter- 
ßhiede,  die  sich  indes  nach  seiner  Meinung  auch  aus  der  ab- 
weichenden Augsburger  Tradition  erklären  Hessen,  und  fahrt 

i)  8.  S.  300. 


298 


Ä,  Sandberger 


dann  fort:  ,zu  geschweigen,  dass  in  den  Briefen  (Mozarts  aus 
Augsburg,  s.  u.)  von  keiner  Komposition  die  Rede  ist  —  die 
Komposition  selbst  ist  so  wenig  Mozartsch  als  die  Schrift*. 

Dass  Jahn  für  dies  kategorische  Urteil  Gründe  nicht  an- 
führt, mag  sich  aus  seiner  Absicht,  kurz  zu  sein,  erklären 
hissen.  Die  Angelegenheit  könnte  trotzdem  bei  der  bekannten 
grossen  Verlässigkeit  dieses  Gelehrten  in  Mozartsthen  Dingen 
damit  fUr  erledigt  gelten,  wenn  auch  nicht  in  ganz  befrie<li- 
gender  Weise,  wäre  nicht  in  jüngster  Zeit  ein  wichtiges»  bisher 
unbekanntes  Dokument  aufgetaucht,  welches  eine  neuerliche 
UntersHchung  zur  Pflicht  macht. 

Der  im  folgenden  mitgeteilte  bisherige  Bericht  über  die 
Schicksale  unserer  Handschrift,  der  auch  Jahn  vorgelegen 
hatte,  nahm  an,  Mozart  habe  die  Messe  für  das  Kloster  zum 
HL  Kreuz  in  Augsburg  komponiert.  Nun  hat  kürzlich  die 
Inventarisation  der  auf  dem  Chor  der  genannten  Klosterkirche 
noch  heute  aufbewahrten  Musikalien  für  die  , Denkmäler  der 
Tonkunst  in  Bayern**)  ergeben,  dass  sich  dort,  mitten  unter 
Stimmen  von  echten  und  erwiesenermassen  zum  Teil  von 
Mozart  selbst  dem  Kloster  geschenkten  Stücken  auch  die 
Stimmen  unserer  Messe  vorfanden  und  dass  sie  mit  , Mozart' 
von  derselben  Hand,  die  auch  die  Noten  schrieb,  signiert  sind. 
Unsere  Partitur  und  diese  Stimmen  sind  in  allen  wesentlichen 
Dingen  identisch,  die  vorhandenen  kleinen  Abweichungen 
kommen  für  die  vorliegende  Untersuchung  nicht  in  Betracht. 
Diese  Tatsachen  verleihen  gewissen  äusseren  Gründen  des  bis^ 
herigen  Berichts  Verstärkung  und  Bestätigung;  ich  mache  also 
im  nachfolgenden  den  Versuch,  die  ganze  Angelegenheit  end- 
gültig 3SU  Uluren. 

Auf  der  Reise  nach  Mannheim  und  Paris  1777  weilte  Mozart 
mil  seiner  Mutter  vom  11,  hii«  26.  Okt^>her  in  Augsburg.  Dort 
belHob  der  ältere  Bruder  seines  Vaters,  Franz  Alois,  das  Ge- 
soblft  eines  Buchbinders,  dem  auch  der  Orcissvat«*r  obgelegen 

*)  Vori^&amiMin  von  Umm  Pnvftiiioiciiteii  Dr,  Kroj«r,  dar  mai 
tufin»:'!!   lK*MOiui«r«ii  Wutiacb  auch  di«»  dort  befindtidiea  Moxiii'tiiUi&  mit 

atifnuhm. 


über  eine  Jfe«se  in  CmöH. 


299 


hatte;  Franz  Alois  nahm  sich  des  Neffen  und  der  Schwägerin 
fireuBdlich  an  und  diente  ihnen  als  Begleiter  in  der  Stadt;  er 
war  es  auch,  der  die  Beziehungen  Mozart«  zum  Kloster  HL  Kreuz, 
in  dessen  nächster  Nähe,  nämlich  in  der  Jesuitengasse,  er  selbnt 
wohnte,  vermittelt  bat,  ^Bald  nach  der  Ankunft  in  Augsburg*, 
so  berichtet  Mozart  an  seinen  Vater  nach  Salzburg,^)  ^führte 
mich  mein  Herr  Vetter  zum  Prälaten  vom  HL  Ki'euz,  der  ein 
recht  braver,  ehrlicher  alter  Mann  ist.  Den  Samstag  ehe  ich 
auf  St.  Ulrich  ging,  war  ich  mit  meiner  Base  (Franz  Alois' 
Tochter)  nochmals  im  HL  Kreuz -Kloster,  weil  das  erstemal 
der  Herr  Dechant  und  Prokurator  nicht  hier  war  und  weil  mir 
mein  Bäsle  sagte,  dass  der  Prokurator  so  lustig  sei.  .  ,  .  Ver- 
gangenen Sonntag  (19.  Oktober)  war  ich  im  Amt  beim  HL 
Kreuz.  ,  .  .  Hernach  speiste  ich  mit  meinem  Vetter  beim  Hl. 
Kreuz.  Unter  der  Talf  1  wurde  Musik  gemacht  so  schlecht  als 
sie  geigen,  ist  mir  die  Musique  in  dem  Kloster  doch  lieber  als  das 
Orchester  von  Augsburg/  Ich  führe  diese  Stelle  im  Wortlaut  an, 
weil  sich  aus  ihr  entnehmen  lässt,  dass  unser  Künstler  erst  in 
diesen  Tagen,  erst  1777,  mit  den  Herren  von  HL  Kreuz  in  Verbin- 
dung trat.  Mozart  blieb  den  ganzen  Sonntag  bis  in  die  Nacht  im 
Kloster,  Hess  sich  als  Violin-,  Klavier-  und  Orgelspieler  hören, 
improvisierte  und  schenkte  schliesslich  vor  der  Abreise  dem 
Prälaten  (Barth.  Christa)  zwei  Messen  in  F  und  C  („von  den 
kurzen  Messen  in  C  die  erste*)  sowie  ein  Misericordias  Domini 
und  versprach  ihm  eine  Litanei  de  venerabili.  Jahn  erklärt^) 
mit  Hecht  Nr.  8  der  ersten  Serie  der  Gesamtausgabe  (Köchel 
Nr.  220)  ftir  die  in  Frage  kommende  Messe  in  C:  es  kann  sich 
hier  schon  deshalb  nicht  um  unser  Manuskript  handeln,  weil 
Mozart  sonst»  seiner  Übung  entsprechend,  geschrieben  haben 
würde:  C  minor,  und  weil  unsere  Komposition  nichts  weniger 
als  eine  missa  brevis  darstellt.  Sowohl  von  dieser  Cdur-Messe 
als  der  in  F  dur,  jenem  auch  Fe rnei'steh enden  bekannten,  innig- 
schönen  Werke  des  Meisters  (komponiert  1774,  Gesamtausgabe 


M  Momrt^  Briefe,  h^raung.  von  L.  Nohl,  2.  Aufl.,  Leipz.  1877,  8.  68. 
X)  A.  a.  0.,  1.  Aufl.,  I,  Beilage  VllI»  Nr.  9;    3.  Aufl.,  1,  412. 


300 


X  SäfMefffcr 


Serie  I,  S.  6,  Köcbel  192)  finden  sich  unter  den  obenerwähiit$^| 
Mozartiana  auf  dem  Chor  von  HL  Kreuz  die  Stimmen*  Nun 
berichtet  der  frühere  Besitzer  unseres  Manuskriptes  ohne  Kennt- 
nis von  den  bei  der  Säkularisation  der  Klosterkirche  verbliebenen 
Musikalien  —  um  welche  zu  wissen  flir  seine  Zwecke  so  wichtig 
gewesen  wäre  —  in  einem  Briefe  vom  6.  November  1855:*)  ,Die 
Messe  ward  von  Mozart  im  Kloster  der  Chorherren  zu  Hl.  Kreuz 
in  Augsburg  komponiert»  woselbst  er  als  Knabe  jährlich  (sie!) 
gelegentlich  des  Besuches  bei  seinem  Vetter  (d»  i*  Verwandten) 
Buchbinder  Mozart  in  Augsburg  einige  Tage  zubrachte.  Ich 
habe  sie  von  dem  vor  ca.  12  Jahren  verstorbenen  Buch- 
binder Mozart  in  Augsburg  gekauft,  der  sie  von  seinem 
Vater  (d,  i,  Franz  Alois)  ererbt  hatte;  letzterer  erhielt  sie 
nach  der  Säkularisation  von  einem  Pater  der  erwähnten 
Abtei  mit  dem  Bemerken:  Das  ist  vom  Vetter  Mozart*  So 
mangelhaft  sich  der  Schreiber  hier  über  den  Beginn  von  Mozarts 
Beziehungen  zu  Hl.  Kreuz  informiert  zeigt,  die  Hauptsache  seiner 
thirstellung^  dass  nämlich  die  Partitur  wirklich  aus  dem  Kloster 
stammt,  und  dass  man  sie  dort  für  eine  Komposition  Mozarta 
hielt»  wird  durch  das  Vorhandensein  der  Stimmen  nachträglich 
unzweifelhaft  beglaubigt. 

Trotz  alledem  ist  nachzuweisen,  dass  Jahns  Urteil  auch 
fernerhin  zu  Recht  besieht.  Die  Hesse  ist  weder  von  Mozart 
komponiert,  noch,  was  auch  bei  einer  fremden  Komposition 
der  Fall  sein  könnte,  Ton  ihm  geschrieben. 

D robisch  verlegte  die  Arbeit  in  Mozarts  früheste  Jugend 
und  hatte,  wie  der  frühere  Besitzer  in  dem  obenerwähnten  Briefe 
weiter  mitteilt,  für  ihre  Echtheit  fünf  bezw.  vier  besondere 
Gründe  angegeben,  die  sich  auch  Gatbjr  in  seinem  Artikel  zu 
eigen  macht: 


0  t>«r  Schrvibor  ist  der  BucbhJliidkr  Karl  WeUh(>fer  in  l>omiQ- 
wArth,  der  Adrf'ssat  »ein  Jugcndfreaud,  dw  Arzt  und  Chirurg  Ur.  EolU 
(fttui  MOncben)  ia  Pmifl,  df*w  dAB  Mänuikript  nadi  ftTmchiodeiieii  Vcr> 
«neben,  e-  '4db#4l&rfT  ^nd  tti  v«rlaiitff(n,  sdM  «marh 


tjbit  eine  Messe  in  CmoU. 


301 


,1,  Die  Doppelgriffe  der  Violinen,    uamentlich  in  hohen 
eu  (vor  Mozart  nicht  vorgekomnien). 
2.    Die   bewegten    Figuren   der   Violinen ,    besonders  Auf- 

P*"   mg  der   J^   Figuren   bei  den   Singstimmen    in   ß   bei    den 
linen  --■-- 

Singstimme        J  J   ' 
Violini  I  I   I  J     >   i   \\ 

ä  ^  J  J    ä  0  ^  ä 
3*  Die  unverkennbare  Ähnlichkeit  mancher  Qesangsschemata 
mit  Stellen  aus  Mozarts  Opei-n,  z,  B.  das  schöne  Doniine  Deus, 

I  Tenor-Solo,  das  originelle  Benedictus,' Tenor-Solo. 
4.  Die  nicht  selten  planraässig  angelegte  und  durchgeführte 
Selbständigkeit   der  Instrumente   gegenüber   den   Singstimnien. 
5*  Das  alles  kann  in  einer  Zeit,  aus  der  dies  Manuskript 
stammt}  nur  mozartisch  sein/ 

Von  diesen  Punkten  fallen  für  jeden,  der  nur  einigermassen 
die  Musik  des  18.  Jahrhunderts  kennt,  Ziffer  2  und  4  sofort  weg. 

IBei  Graun  und  Hasse,  bei  Jomelli  und  Gluck  findet  sich,  was 
hier  für  Mozart  angesprochen  wird,  schon  so  häufig,  dass  es 
eiübrigt,  spezielle  Beispiele  anzuführen. 
Was  die  unter  Ziffer  1  erwähnten  Doppelgriffe  in  hohen 
Lagen  betrifft.,  so  ergibt  eine  Durchsicht  der  Partitur,  dass 
es  sich  in  diesen  Lagen  bei  den  weit  überwiegenden  Fällen  ent- 
weder um  schon  seit  dem  17,  Jahrhundert  übliche  Griffe,  wie 
M.  ^  handelt,  ^)  oder  um  Teilungen,  d.  h,  der 

~^3~  ff  h^  Jf — ?~^^^     ^^^^  Spieler  an  einem  Pulte  spielt  die 
TO.     L:^rr     f  höhere,    der    zweite    die    tiefere    Note. 

r  l  Diese   Absicht  des   Komponisten   ergibt 

Äich  z.  B,  unzweifelhaft  aus  folgender  Stelle  der  , Sinfonie*: 


Viol.  1       =5 


^)  Von  solchen  Doppelg^riffen  machte  zur  Zeit  des  junüren  Mozart  gerade 
Gluck  befioöderfl  wirkaugsvoUen,  cbunikteriatinehen  Gebrauch.  VergL  zahl 
reiche  »einer  izeniüchen  Tdnxe  oder  js*  B,  den  letzten  Chorder  AUmi^ 

190i.  Bit«gib.  d.  p)il1oii.-|»tii]»l,  II.  d.  hlat.  Kl.  20 


302 


jL  Sandhtrger 


zu  deu  wenigen,  nicht  zu  diesen  beiden  Kategorien  gehörenden 
FiÜlen  aber  ist  wiederum  unter  Verweisung  auf  die  gleich-J 
y,nitigo  Miiisik  7U  beraerkcm,  dass  solche  Doppelgriffe  keinesw^^J 
etwa  zuiji  aus8chllessliclien  Hiistzeug  gerade  MozarL«i  gehÖnmJ 
Wan  die  unter  Ziffer  3  angetiihrten  Mozartisraen  betriffl,] 
»o  ('nthäli  unsere  Messe  deren  allerdings  eine  ganze  AnzahÜ 
darunter  auch  die  von  Drobisch  erwähnten  Beispiele: 
(ToiiorSolo,) 


^^ 


ts 


a^^gfeg 


£ 


und 


Do  *  mi      ne         De  -  ua         rex 


1# '  ttiil 


(Tenor-Solo,) 


=P1 


ßene     die   tu«      qui        ve 


nii      in        oo-nu-ii« 


^^  wird  auch  später  weiter  deutlich  werden«  dass  es  sieb  bei 
ilinen  um  wirkliche  HosarüsiDen  und  nicht  nur  um  Allgemein 
gut  der  Zeit  handelt 

Aber  diem  HosartisiiMii  trschein^n  gleichsam  iosserlii: 
mi^esetai«  usler  Aneii  bricht  als  wahre  stilistJeche  Phjsia 
gnooiie  der  Komposiiion  ein  anderes  dairh,  das  sich  tc 
aarts  Waise  deatlieh  ahhehl  Melodisch  gewahreo  wir 
pointierte  Umpriginigeii  alier  LombardinDen,  wie: 


'V.  Viol.    BH««*   r'm    -^iif  «)«^  «Iritit»-  Vl.Ti#l> 


r 


nrK9  «    « 


m  macht  sich  ^  Viwliehe  (Klr  triTiale  T^neftgiage  1 

«erklkh,  wie  ^ihalich  Kjnii  Talii  it>  f. 


über  eine  Messe  in  CmoU, 


303 


Harmoaiscli    erscheinen    Stellen,    wie    im    Et    incartiatus 
►  (Takt  12  ff.)  der  Uebergang  von  F  nach  Düs  dur 

^    (Bässe.) 


(Qit.) 


Cm  -d 


ie  die  Modulation  nach  Es  diir  im  Gloria  Takt  24  ff,  oder 
im  Kyrie  die  Wendung  nach  D  dur  bereits  im  8,  Takte  bei 
Hauptionart  CmoU.  In  der  Verwendung  der  Mittel  gewahren 
wir  Dinge,  wie  im  Et  resurrexit  Takt  8  ff.  die  Behandlung 
der  ersten  Violinen 


.^JL^Ai-t 


^' 


''^^ 


wie  den  Anfang  des  Kjrie,  wo  Streicher  und  Bltiser  je  unisono 
dem  Chor  gegenüber  treten  und  der  Tenor  unter  dem  Bass 
steht,  wie  das  Tremolo  der  Streicher  bei  ^miserere*  im  Gloria 
oder  das  unisono  der  Singstimmen  im  Dona  nobis. 

Alle  diese  Erscheinungen  weis(?n  auf  eine  etwas  spätere 
Zeit,  rund  gesagt  auf  die  letzten  Jahre  des  Jahrhunderts  und 
stellen  ein  seltsames  Geraisch  aus  Einwirkungen  der  norddeut- 
schen Schule,  aus  Anfangen  der  romantischen  Tonsprache  im 
Sinne  Voglers  und  Ciniaroaaschem  Neuitalienertum  dar. 

Vor  einigen  Jahren  hatte  ich  eine  gleichfalls  irrtümlich 
Mozart  zugeschriebene  Messe  aus  der  Bibliothek  des  Stiftes  Ein- 
siedeln in  der  Schweiz  zu  prüfen,')  Ihr  fehlten  die  hier  nach- 
weislichen stilistischen  unterschiede,  die  ganze  Ausdrucks  weise 
glich  tiiuschend  der  Mozartschen;  die  Unechtheit  des  Stückes 
Hess  sich  aber  dennoch  feststellen,  nämlich  aus  dem  Mangel 
jener  einheitlichen  Anscliauungsweise  und  sich  treu  bleibenden 


*)  MnzArtiiina,   Jahrbuch  der  Masikbibliothek  Petem.  Leipzig»  Peters, 
Jtthrsrari}2  Vit!.  8.  68  ff. 

20» 


'M4  A.  Sandberger 

(i(;iMi«;Hrictitur)^  in  Bezug  auf  die  Erfassung  und  Interpretation 
(JffK  Mt'.HHiAtxUiH,  welche  Mozarts  sämtliche  Messkompositionen  in 
/w(*i  VorioAo.n,  bis  zum  Jahre  1770  und  später  zeigen.  Auch 
Mtiwirti  Messe  enthält  die  massgebenden  Kennzeicben  nicht. 
Vielmehr  widersprechen  in  der  That  die  zahlreichen  Solosätze 
und  das  Duett  Vltnn  für  Sopran  und  Alt,  die  lange  Sinfonie 
an  »Siel In  des  (Iraduah^  das  Laudate  dominum  als  OflFertorium 
durchiius  Mozarts  Auffassung.  Aber  auch  durch  eine  besondere 
Augsburger  Tradition,  deren  Einflüsse  Jahn  in  Erwägung  zieht, 
ist  (lies(>  Gestaltung  nicht  geboten,  wie  der  Vergleich  mit  Messen 
von  Augsburgor  Komponisten  aus  dem  letzten  Drittel  des  18.  Jahr- 
iuni(h»rtM,  so  des  I)omkap(»llmeisters  Giulini  und  des  Organisten 
ScillVrt  diirtut.  (Janz  abgesehen  davon,  dass  sich  Mozart  an  eine 
solche  Tradition,  wenn  sie  speziell  für  Hl.  Kreuz  bestand,  nicht 
zu  kehren  brauchte  —  man  nahm  dort  ja  auch  die  obenerwähnten 
MesNt»n  in  (•  und  F  gerne  entgegen  und  führte  sie  auf.  Wa«; 
die  (^^samianlage  betrilft,  kennzeichnet  sich  in  unserem  Manu- 
skript ferner  als  unmozartisch  die  gleichgültige  Behandlung 
tler  Worte  ('briste  eleison,  welche  Mozart  stets  hervorzuheben 
ptlegt.M  Dann  die  Wiedergabe  des  Laudamus  te  etc.  im  Gloria; 
Mo/.art  lässt  hier  das  laudare»  benedioere,  adorare,  glorüicare 
im  (lesamtausdruck  bald  stärker,  bald  >chwächer,  stets  aber  in 
plastischer  Scheidung  der  vier  Hegrifte  untereinander  hervor- 
treten» in  unserem  Manuskript  aber  gleitet  die  Musik  ohne 
liHederung  in  gleiolunä^siger  Vei-sohwommenheit  über  die  dif- 
foreu.'ierten  Arten  der  Verehrung  und  üWr  die  vier  Kommata 
hmweg,  rnmo.-.artisoh  ist  auoli  im  Cn^do  das  Fehlen  eines 
einheitlichen  U:u\des  .-wisv^hen  den  einzelnen  Teilen  oder  wenig- 
sten>  des  UestivWns,  ein  solohe,s  her.usuüen.  Das  Credo  ist 
hier  vielmehr  mit  einem  an  vieren  Satre.  dem  Gloria«  durch 
Witslerliolungy^n  verknüpf   i:.  :i,  f, 

/\x\  aH  .v.ox:^  Ker.u5etohen  kon..r.i  viann  noch  eine  ganx 
r.;  ;.i^  KäW*:-.^:.;'  V.Vt  S^uotus  tieklar/.ien  r.  a:t  drti  OWrstimmen 
i:-4   to'4;\'*.»Jr:    .:v/..Ärr:rMoher  Woiiöi^: 

»^  Y«yi,  hxt^yji  «Uy.^  il  A»*     l.  iT;^  t 


«m«  MesM 


305 


T 


=t= 


Sanc 


tUB 


im  Credo  Takt  24  flF.  siod  die  Worte  unterlegt:  uniim  dominum 
Jesum  Christiun»  qui  ex  patre  filioque  procedit  und  auch  sonst 
erscheint  der  Text  wiederholt  aufs  willkürlichste  und  unsinnigste 
entstellt  und  vergewaltigt.  Neben  diesen  Barbarisinen  aber  ge- 
wahrt man  n)it  Staunen  eine  nach  Abzug  otfenkundiger  Schreib- 
Tersehen  verbleibende  übergrosse  Zahl  von  elementaren  Satz- 
fehlern in  unserer  Partitur.  Es  sind  ihrer  so  viele  und  so 
bösartige,  dass  allein  schon  um  ihretwillen  Mozarts  Autorschaft 
unbedingt  als  ausgeschlossen  gelten  muas.  Da  finden  wir  Ok- 
taven: Kyrie  Takt  23/24  (desgl.  bei  der  Wiederholung)  zwischen 
den  äusseren  Stimmen,  Takt  74/5  zwischen  Alt  und  Bass,  dito 
112,  Et  incarnatus  4/5  zwischen  Sopran  und  Bass,  Et  resuriexit 
6/7  vor  dein  Fermate  zwischen  Alt  und  Bass  (dazu  Verdoppelung 
des  Leittons),  Dona  nobis  1  und  2  zwischen  den  äusseren  Stim- 
men; Quinten:  Pleni  Takt  19  zwischen  Sopran  und  Bass; 
weitere  Verdoppelungen  des  Leittons:  Kyrie  Takt  59, 
Et  incarnatus  15,  Credo  90  (mit  Oktaven  bei  der  Auflösung) 
und  andere  schöne  Dinge  mehr. 

Nach  diesem  Befund  kann  es  sich  für  unsere  Vorlage  auch 
nicht  um  die  Arbeit  eines  geschulten  Fachmannes,  sondern 
lediglich  die  eines  begabten  und  so  obenhin  routinierten  Dilet- 
tanten handeln.  Dafür  spricht  auch  der  ungefüge  Aufbau  der 
Sinfonie;  wo  der  Komponist  der  Worte  entbehren  rausste»  Hess 
ihn  charakteristischerweise  sein  Gestaltungsvermögen  im  Stiche. 

Angesichts  dieser  Beschaffenheit  ist  denn  auch  an  sich 
wenig  wahrscheinlich,  dass  Mozart  die  Messe  etwa  aus  freien 
Stücken  eigenhändig  abgeschrieben  hätte;  immerhin  aber  könnten 
irgendwelche  unbekannte  Umstände  ihn  hiezu  veranlasst  haben. 
Indes  ergibt  die  Vergleichung  mit  den  gelungensten,  mir  zu- 
gänglichen Nachbildungen  von  Mozarts  Handschrift,  insbesondere 
aber  mit  den  aus  verschiedenen  Epochen  seiner  Jugend  stam- 
menden Autographen  in  der  Milnchener  Staatsbiblinthek,  dem 


306 


Ä, 


hur^^ 


TagebuchfragraeDt  Ton  1769/70  und  der  Arie  für  die  Gräfin 
Baumgarten  (März  1781),  dass  hier  seine  Schrift  nicht  vorliegt 
Wie  die  Buchstaben  des  Textes  sind  die  Schlüssel  zeichen  und 
NoteD,  die  Vortrags-»  Versetzungs-  und  dynamischen  Zeichen 
von  den  Mozarfcjchen  gänzlich  verschieden.  Mit  diesbezüglichen 
Einzelnachweisen  will  ich  den  Leser  nicht  unnötigerweise  be- 
helligen. Ueberdies  aber  fehlen  dem  Manuskript  alle  Kenn- 
zeichen einer  Kopie  überhaupt.  Dasselbe  stellt  vielmehr  das 
Original  des  Komponisten  und  zwar  vermutlich  die  erste  Nieder- 
schrift der  Komposition  dar.*)  Darauf  deutet  der  ganze  Schrift- 
charakter, femer  die  Fixierung  von  Wiederholungen  durch  Zeichen 
(wie  im  Allegro  des  Kyrie  S.  8  jene  der  ersten  13  Takte),  end- 
lich eine  Stelle  S.  3,  wo  dem  Schreibenden  ofTenbar  »uerst  eine 
andere  Fortsetzung  vorschwebte,  die  ihm  aber  noch  während 
der  Niederschrift  nicht  mehr  gefallen  wollte;  er  nahm  deshalb 
eine  Änderung  vor,  deren  definitive  Gestalt  auf  einer  freien 
Stelle  des  Papiers  nachgetragen  ist,  während  die  ursprüngliche 
Fassung  und  die  Ansätze  zu  dieser  Änderung  den  sonst  be- 
schriebenen Raum  ausfüllen  und  dort  kreuz  und  quer  ver- 
strichen und  annulliert  wurden.  Somit  steht  nach  jeder  Rich- 
tung hin  fest,  dass  die  Messe  weder  Mozarts  Erfindung  noch 
seiner  Hand  entstammt.  —  Wie  knnj  man  nun  aber  im  Kloster 
Hl.  Kreuz  darauf,  sie  für  ein  Mozartsches  Werk  zu  halten? 

Dem    Schreiber    der    Stimmen    galt    die   Autorschaft    de** 
Meisters   als  feststehende  Tatsache;   die   obzwar  etwas  spaten}  ' 
Signierung  der  Partitur  war  für  ihn  offenbar  in  '     id.    In 

der  Partitur  aber  sprang  allerdings  dem  oberfliii  w  Leser 

pdie  unTerkennbar«  Ähnlichkeit  mancher  Oesangsschematii  mit 
Stellen  aus  Mozarts  Opern*  in  die  Augen.  Die  verfUhrerischeß, 
wie  wir  Rahen :  gleichsam  äus^ierlich  aufgesetzten  Stellen  laasen  es 
wenigstens  einigermassen  erklärlich  erscheinen^  da»  der  damalig« 
Pater  Ka{>ollmei«ter  oder  Bibliothekar  dem  ölauben  rerfiol,  ein 
Mozarti»chefi  Werk  Tor  aich  2u  haben. 


M  £•  bissteht  am  29  Bogea  Qm* 

nicht  vor 


-JberjeUjvi 

hnJ«*fi    mich 


308 


A.  Sandberger,  Über  eine  Messe  in  CtnoU. 


itn  Offertorium  mit 

(Violine  I  und  II) 


~0^&- 


der  Graf  aus  Figaro,  Finale  I 


z\;^zi 


m 


Si  len    -   zio       si     -     len   -   zio     u.  8.  f.; 

im  Osanna  in  excelsis  mit 
(Violine  1) 

r  A      f-jJtf-   ^'^  f-'^f-   t^   ^"ß^^   P'f^  •^'■^'F    P 


iSgf^ 


3 


(HiUse  u.  Vol.) 


dio  Figur,  welche  den  Schluss  des  Duetts  zwischen  Don  GioTanni 
und  Zorlina  beherrscht: 

iViol.,  Fl.)  fr 


mif^:\^^^ 


Ir 


'?TS>-^X'li;-i^^^ 


3EI 


|NU?i. 


an». 


Xnch  uns«»rvn  Ergebnissen  kann  es  si^^h  bei  mll  diesen 
Täir^iIWlen  um  nichts  suidervä^  als  um  Reminisienzen  aus 
\Ux^;irt!>  l>iH>m  h^xideln:  dasss  dabei  auch  die  Zaaberflöie 
v>h\  September  I79l>  vertreten  ist,  macht  wiederholt  deotlich, 
.i:(ss    das    \Uuuskript    in    die   leutrn   Jahn-   des  Jakrhaiiderts 


^Eine  neue  Handschrift  des  Digenis  Akritas. 

Von  K«  Kranibacher. 

(Mit  K-vrei  Tafeln.  I 

fVorgetragen  in  der  pMlcn.-philoL  Klaaae  am  G»  Februar  1904.) 


I. 

Die  älteren  Freunde  unseres  Studien kreises  erinneru  sicti 
ncK^h  des  grossen  Aufsehens,  das  zu  Anfang  der  siebziger  Juhre 
die  Entdeckung  der  in  Trapezunt  aufbewahrten  Hs  des  by- 
zantiniscben  Nationalepos  vom  Digenis  Akritas  machte.  Das 
Denkmal  wurde  nach  der  trapezuntischen  Hs  von  K.  Sathas 
und  E.  Legrand  in  der  CVdlection  de  rnonuments  pour  servir 
a  r^tude  de  la  langue  neo-hellenique»  Nouv.  serie,  Nr.  6  (Paris 
1875),  später  noch  einmal  von  S.  Joannides  (Konstantiiiopel 
1887)  veröffentlicht. 

Bald  darauf  fand  J.  MilUer  eine  zweite  IIs  inj  alten  Ba- 
silianerkloster  Grotta-Ferrata  und  versprach,  sie  zu  edieren* 
Der  Plan  blieb  —  wie  leider  so  viele  andere  Plane  des  treff- 
lichen Mannes  —  unausgeführt.  Eine  Beschreibung  dieser  Hs 
gab  Sp.  Lampros  in  seiner  CoUectioo  de  romans  grecs,  Paris 
1880  S.  XC  ff.  und  beabsichtigte,  vereint  mit  N.  Pobtes,  den 
Text  zu  veröffentlichen.  Da  sich  jedoch  gleichzeitig  Legrand 
mit  derselben  Absicht  trug,  traten  die  griechischen  Gelehrten 
zurück  und  E,  Legrand  publizierte  die  Hs  in  seiner  Bibliotheque 
grecque  vulgaire,  vol.  VI,  Paris  1892. 

Eine  dritte  Hs  war  schon  früher  von  Sp.  Lampros  in 
Oxford  gefunden  und  in  seiner  Coli,  de  rom,  gr*,  Pariö  1880, 


K.  Krumhacher 

horau^gegoben  worden.  Die  in  ihr  bewahrte  Redaktion  ist  im 
-fabre  1670  von  düiii  Mönche  Ignatios  Petritzis  in  Chios  ab- 
gt?fjiHüit^  und  die  Hs,  vi^rmutliüh  ein  Autograpb  des  Verfassers,*) 
g<*hriri  derselben  Zeit  an* 

Ungefähr  gleichzeitig  tauchte  in  Andros  eine  vierte  Hb, 
s.  XVI,  auf,  Sie  wurde  durch  A.  Meliarakes,  Athen  1881, 
VLTcjffentlieht 

Seit  der  Auffindung  dieser  4  Hss,  also  seit  mehr  als  20  Jahren, 
ist  koine  neue  Hs  dos  Digenisepos  mehr  bekannt  gemacht  worden, 
r^ljHchon  die  Kunde  von  dem  merkwürdigen  Denkmal  inzwischen 
ihirch  die  „Geschichte  der  byz.  Litt/  und  durch  mehrere  Einzel- 
dariiteüungen  in  weitere  philologische  und  historische  Kreise 
getrugen  worden  war.*) 

Und  doch  ist  hier  jeder  Zuwachs  handschriftlichen  Ma- 
terials von  Bedeutung,  weil  nur  durch  eine  möglichst  voll- 
findige  Kenntnis  der  literarischen  Bearbeitungen  die  inhalt- 
liche und  formale  Beurteilung  des  in  der  bjzantiniseben  Lite- 
ratur oin/.ig  dastehenden  Werkes  geklärt  und  die  Heraus- 
Mchiiliing  des  ursprünglichen  Liedes  aus  der  geschmacklos^i 
UmhtiUung  öder   Schulweisheit   and   erbaulicher  Tendenz   g»- 


*)  Vsfl.  Lrffronil  Bibl.  gr.  vulg.  vol.  VI,  p.  XIJ. 

*)  üb^pr  den  Inhult  und  die  Überlieferung  de»  Ihg*'iiis  Akirt-Ji«  rglA 
in**ini'   beschichte   drtr    hji.  Lttt,*   S.  827  ff.     E»>f^Dda   S.  831  ff.    ist  iliej 
hin  «nm  Jahri'  lH*M  pablizifrte  ljitt*ratiir  vertmchn*^^    Seitdem  L*rärhif*ti»'i 
noch:  0.  Warir'ohftfg,  Da«  niitt*?lgriechiBcbe  B*»blenlied  von  HoJii Irin J 
Digcni«  Akriia».    Gjmnitöialprogr.,  Berlin,  R.  Qürtuer  1897.   Q.  Wi^rtei 
bf*rg,    DiiJi    inittelgrit*chi»che   Ntttiotitüe|»oi.     Biüliigi"    ziir   (Münchnn* 
Allgcmi'iii»-!!  YMimiy^  vom  6.  Febr.  1899   (Nr.  30).     Karl    Diotirii 
lini'    ^tfuppc    von    grirrhischrn    Liedern    aus    dem    Akritdi/yklii«,    fl 
±VMH)  5!5-72.     L    Br^feii 


JSine  neue  Bandschnft  des  DitjtnU  Akfita». 


311 


deihJicb  gefördert  werden  kann.  Ich  schätze  mich  daher 
glücklich,  über  eine  fünfte  Hs  Näheres  berichten  zu  können, 
die  der  Aufmerksamkeit  der  Forscher  bis  heute  entgangen  ist') 
Es  handelt  sich  um  den  Codex  Escrvr,  V— IV  —  22, 
s.  XVI,*)  aus  dem  ich  vor  kurzem  das  „Mittelgriechisclie  Fisch- 
büch*^)  ans  Licht  gezogen  habe.  Die  a.  a.  0.  S,  347  ausge- 
sprochene Hoffnung,  dass  ich  bald  Gelegenheit  finden  werde, 
die  Hs  zu  studieren,  hat  sich  leider  nicht  eifüllt;  meine  auf 
diplomatischem  Wege  vermittelte  Bitte  um  Übersendung  der 
Hs  nach  München  ist  abschlägig  beschieden  worden^  und  zu 
einer  Reise  nach  Spanien  hatte  ich  keine  Zeit.  Da  fugte  ein 
glücklicher  Zufall,  dass  Herr  Professor  <7erhard  BMcker,  Halle, 
der  im  September  190H  im  Escurial  arbeitete,  von  meiner 
Eingabe  erfuhr.  Er  erbot  sich,  mir  eine  genaue  Beschreibung 
der  Hs  anzufertigen,  um  die  von  mir  a.  a,  0.  S.  346  f.  auf- 
geworfenen Fragen  bez,  des  Inhalts  der  Hs  aufzuklären.  Für 
diese  ausserordentliche  Liebenswürdigkeit  sei  ihm  auch  hier 
von  Herzen  gedankt.  Die  von  Herrn  Ficker  aus  allen  Teilen 
der  Hs  entnommenen  Stichproben  genügten  vollständig,  um 
jenes  von  mir  (a,  a.  0.  S.  346)   vermutete  in  den  Roman  Ly- 


*)  Wohl  obne  jede  Bedeutung  iat  eine  uechste  Un,  Ich  meine  die 
im  Jahre  16S2  geschriebene  IIb,  die  vor  einigen  Jahren  Dr.  P.  Paschalia 
auf  Androa  gefunden  hat.  Über  sie  »cbeint  nichts  in  die  öffwjtlielikoit 
gedrungen  zu  sein  als  die  Notiz  in  der  Deutschen  Literaturzeitnng 
1898  Nr.  43  Sp*  1655.  Da  diese  Ha  wie  die  des  Meliarakea  in  Andros 
aufgetaucht  und  wie  diese  in  10  Bücher  geteilt  ist,  wird  es  »ich  wohl 
nur  um  eine  alte  Abachrift  der  von  Meliarakee  publizierten  Hs  handeln. 
Das  ist  vermntlich  auch  der  Grund,  weshalb  sie  weder  veröffentlicht 
noch  genauer  analysit'rt  worden  ist.  Nichts  Weiteres  ist  endlich  über 
«sine  Biebent    '  tut  geworden,  über  die  vor  vielen  Jahren  Dr.  Mord  t- 

mann  dem  K  r  der  traijezuntischen  H«,  S,  Joaniiides,  Mitteüungeu 

gemacht  hat.     Vgl.   K.  Legrand.   Bibl.  gr.  vulg.   vol.  VI   p.  U    und   die 
Hemerkungon  am  Schluss  dieser  Abhandlung. 

'^)  H.  Omont,  deaaen  wichtiges  Urteil  ich  einholte,  antwortete:  ,Le 
ms  parait  bien  plutöt  du  XVI«  siecle  que  du  XV*.  J'ai  peine  t\  croire 
qu'il  puisse  ^tre  de  la  fin  du   XV*,* 

^)  8itzung$ber.  d.  philoa.-philol.  und  der  hist.  Kl.  d.  tC.  Bayer.  Ak. 
löOa  S.  845 -Ö8<). 


^m 


K,  Krumhadhir 


liisiroä  eiDgeschobene  zweite  Stück  mit  Sicherheit  sm  identi- 
fideren.^)  Es  ist  eine  unbekannte  Bearbeitung  des 
Üigenis  in  stark  vulgarisiereoiler  Sprache  und  reim- 
losen Versen. 

Nachdem  ich  diese  Tatsache  erkannt  Latte,  liess  ich 
durch  die  Vennittehing  des  Direktors  der  Escurialbibliothek, 
<leni  für  sein  freundliches  Entgegenkommen  auch  hier  gedankt 
aei,  13  Seiten  aus  verschiedeneu  Teilen  der  Hs  photographiereo. 
Mit  Hilfe  dieser  umfangroichen  Stücke  und  der  von  l*rof. 
Ficker  gelieferten  kleinen  Stichproben  lässt  sich  der  Charakter 
der  neuen  Redaktion,  ihr  Verhältnis  zu  den  übrigen  Bearbei« 
tungen  und  ihre  Bedeutung  für  die  Überlieferungsgesctichte 
des  Digenis  wie  auch  für  die  Geschichte  der  vulgärgriechiücheu 
Sprache  wenigstens  in  den  allgemeinen  Zügen  erkennen. 

Indem  ich  bezüglich  der  äusseren  BeschaffeDheit  und  dct 
Inhalts  der  Hs  auf  die  früher  (Das  mittelgriechischo  F^isehbaeh 
S.  34G  f.)  gegebenen  Mitteilungen  verweise,  verzeichne  ich  die 
neugewonnenen  Tatsachen,  Der  vulgargriechische  Teil  der 
Hs  beginnt  mit  dem  Roman  Ljbistros  und  Rhadamna« 
foL  22^  — 137\  Dimn  folgt  nach  einem  leeren  Blatte  (foL  138), 
mit  einem  neuen  Quaternio  beginnend,  der  Digrnis,  fi>K  IH^ 
bifi  1S5'.  Auf  Blatt  185*  wird  schon  der  Tod  des  Digwk 
L erwähnt;  doch  bricht  die  Erzählung  mttien  im  Verse  «b;  die 
Seitd  8chli<»st  niuiilich  also: 

Im  folgipQdei]  stod  durch  VerseUung  von  Bliitt^ni  Slü^v 
«US  dem  Lvbistrofi,  dem  Digeoia  und  den  Tier-  und  rfiöiiMn* 
hücheni  durclbdiiftnder  gndttdit»  ttnd  xwar,  soweit  kli  mich 
mraien  Texiprobeo  urtrilefi  kann,  folgi^df^nsuyttB^n: 

Blatt  ISe"-  beginnt  mft  Lrbtstros  ed.  Wagn<r  T.  I9d4  IL, 


liO  C  «cna#  Aber  di«  d«i  Diimii  ^ümJ!tm^m  Btia«r  ifr^Mf 
twm  l«iH  AT  0w  tOU  an  Utimi  Tnmmmt  wt.  aber 
bat  m  ib»  Vm^  4m  Wmmm  «laas* 


Eifie  neue  Handsehfift  des  Di{ienis  Äkriias^ 


sid 


Blatt  187'  mit  Lybistros  V.  2195  tf.  Beide  gehören  also, 
wie  sich  aus  den  Notizen  von  Wünsch  und  Ficker  ergibt,  in 
die  Gegend  zwischen  foL  80— 90.  Über  Blatt  188—192  habe 
ich  keine  Notizen;  sie  gehören  wohl  auch  zum  Lybistros. 
Blatt  193  schiiesst  mit  den  Worten: 

Hai  in  if}g  tpiaxiras  ri  vsgdv  m  ipdgta  v'  äyyiargevyouv 
hqI  rd  äXXov  TidXtr  eßAeneg  tov  vd  ßaata  lu^aQtv. 

Ich  kann  diese  Verse  in  den  Ausgaben  des  Lybistros 
von  Maurojihrydes  und  Wagner  nicht  finden;  sie  scheinen  aber 
in  eine  Beschreibung  des  Fischbassins  zu  gehören,  das  schon 
V.  2193  ff.  ed.  Wagner  ge.schildert  wird.  Da  nun  Blatt  186 
bis  193  genau  dem  Umfang  eines  Quaternio  enbprechen,  ist 
wohl  anzunehmen,  dass  sie,  worüber  Ich  leider  keine  Notiz 
habe,  wirklich  einen  (Juatemio  bilden,  der  in  die  Gegend  zwi- 
aen  fol.  80—90  gohnrt,  aber  durch  den  Buchbinder  an  eine 
3Z  falsche  Stelle  versetzt  worden  ist. 

Auf  Blatt  194—197  folgt  schon  ein  Stück  des  Poriko- 
logos,  dann  der  Opsarologos  und  der  Anfang  des  Pulo- 
logos.  Dann  aber  kommt  noch  einmal  ein  Stück  Digenis; 
Blatt  198—201''  enthalten  eine  aüsfiihrliche  mit  breiten  reli- 
giösen Betrachtungen  versetzte  Scliilderung  der  letzten  Stunden 
des  Digenis.  Blatt  198''  beginnt  mit  Worten,  die  sich  offenbar 
direkt  an  Blatt  185^  (s,  o.  S.  312)  anschliessen: 

Eh  ii>  nQOöxiq^aldv  xov 

Kai  Tohq  äyovöovi  zov  iXeyEv,  ovtog  rovc  naqayyiloL 

Mithin  gehört  die  Partie  Blatt  193—201  unmittelbar  hinter 
Blatt  185,  Aaf  Blatt  20l^  beginnt  der  PorikoJogos»  dessen 
Schlussteil  auf  Blatt  194*^-*  steht.  Die  ursprünghche  Ordnung 
der  Blätter  dieser  Partie  der  Hs,  aus  der  fol.  186—193,  wie 
gezeigt  wurde,  ganz  ausscheiden  müssen,  war  also: 
L   f,  185 


2.  t  198 

3.  f.  199 

4.  L  200 
5-  f.  201 


Schluss  des  Digenis;    f.  20P  Anfang   des 
Porikologos 


SU 


A*.  Krumbachet 


G.    f.  VM   ! 


Schluss  des  Porikologoa;    Anfang  des 
Opsarologos 
i".  195^  Schlus8  des  Opsarologos 


7.  t  195 

8.  f.  196 

9.  f,  197  Pulologos 

10,  f.  202— 213 

11,  f.  214—228      lleligiöse  Texte  (vgl  Fischbuch  S.347). 
Digeniöstücke  bewahren  also  nur  die  Blätter  139*'— 185% 

198"'— 201'".  Üarnach  liisst  sich  der  Versumfang  dieses  Teitea 
wenigstens  annähernd  berechnen.  Hinderlich  ist,  ausser  der 
Unsicherheit  der  Zuteilung  einiger  Blätter  (in  der  Partie 
füK  188—192),  der  Umstand,  dass  der  Text  meist  fortlaufend 
wie  Prosa  geschrieben  und  wiederholt  durch  leere,  zur  Ein- 
fügung von  Bildern  bestimmte  Räume  unterbrochen  ist.  Das 
Digenisepos  umfasst  in  der  Hs  wenigstens  101  Seiten  zu 
2ä  Zeilen»  deren  Umfang  ungefähr  je  einem  Verse  entspricht 
Das  ergibt  die  Summe  von  2323  Versen;  dazu  kommt  aber 
noch  der  verlorene  Anfang  des  Werkes.  Da  foL  139  mit 
einem  Quateraio  beginnt,  wird  der  ausgefallene  Anfangsteil 
wohl  einen  ganzen  Quatenüo  umfasst  haben,  waa  16>'23  =  3G8, 
bexw.,  wenn  wir  wegen  der  auch  in  dieser  Partie  vonuisätu- 
sifrtxenden  leeren  KHumc^  einen  kleinen  Ab:eog  uitacheii^  rund 
200  —  300  Verse  ergäbe.  Diese  lUdumiig  wird  durch  die  Ver- 
^.t  t  -^  der  Texte  bestätigt:  d^r  erste  Teis  auf  foL  139 
«  i   dem   Vers  324  der  Kedftktioii  toii  Aaifaroa.     Wir 

habeoi  abo  etaea  Hiaimaltnnfiuig  toh  etwa  2600  Versen  an- 
moelimeii.  Die  Redaktion  von  Grotta-F errat«  siUt  3749 
Verse»  die  trapeanntische  unprünglidi  wollt  bedeoteiid  mehr 
als  4000  (gegeiiw&rlig  wegen  Verstümmdiing  der  Hs  nur  nock 
SISäK  die  mm  Audr^»  177$,  die  Oxforder  30^,  Die  fi^rsrnl-DB 
«lelit  mitliin  an  Umfang  binler  dm  4  aadeieo  Hss  eriMUieli 
torttk.  Zum  Ted  mag  das  diidareli  verKlittHet  «itfi,  daaa 
Attseer  dem  Anfang  wohl  audb  notk  aiiden  Slfli^  mageUlea 
luil;  der  UaoptQrraod  liir|{t  aber  woU*  Meh  dea  ir^itiigeaiJgM 
Textprob«'«    lu  ^hlk':§!är4i,    in  drr  knepMiHi  Furnrnr  iiir  B#^ 


Mme  neue  Handschrift  de»  Dufenis  Äkriias, 


81S 


11. 

Um  nun  die  Be^chaffeiihoit  tler  Bearbeitung  des  Escor, 
und  ihre  Stellung  in  der  Gesanitüberlieterung  klar  zu  miichen, 
lasse  ich  einige  grossere  Teitprobeii  folgen  und  notiere  auch 
den  entsprechenden  Text  der  übrigen  Versionen,  wobei  ich 
die  mit  dem  Escor,  im  Wortlaute  wenigstens  annähernd  über- 
einstimmenden Stellen  durch  gesperrten  Druck  hei-vorhebe 
und  durch  Beifügung  der  Verszahlen  des  Escor,  (in 
Nr.  1  und  9)  identifiziere.  Ich  gebrauche  folgende  Abkür- 
zungen (vgl  0.  S.  309  C): 

Ändr.     —  Hs  von  Andres. 

Crjpt.    —   Hs  von  Grotta-Ferrata. 

Escor.      -  Cod.  Escor.  !P— IV— 22. 

Oxon.     —  Hs  von  Oxford. 

Trap.     —  Hs  von  Trapezunt. 


1,  Escor,  toi.  139'— 140\ 

Das  Digenislied  beginnt  im  Escor,  mit  folgenden   V'ei-sen: 
Kqötoi  )ial  HTimoi  xai  (ini?.ah  /ai}  0€  xntajttotjoovv. 

fing&g  xardgar  (pvXaTZf,  nal  fii]  7tkr]yag  xal 

növovg.    fiilrj  xnl  iiiXt  ävot  jjott'joovoir,  ßkijre 

htgomji*  fti)  nottjOK  AvxaTfßovjiiEv:  -f-  *)  i 

Tovc  nh*r£  äg  /läg  qmreioovoiy  xal  lAie  äg  rrjv  hidgavi*' 

fiSvQV  jrQo&vjtWK  fS^Xi^e  dg  rov  d^ifjgä  Ti]V  ToXfitp^ 

rd  i6o  Gov  x^gia  (pv?MTTt.  xal  6  §fos   vn  fing  ßorjÜT'jofj. 


l  J3Ö«* 


^  DicHCit  Fra^rineiit  limh  bei  Wünsch  8.  161,  —  h-h  habo  in  diesen 
4V*  Versen*  7,or  Probt*,  die  ZeUenteihinff  und  Orthogniphi*'  der  Hs  beibe- 
halten, im  fol|ceiid«n  aber  den  Text  in  Verse  Äbgesetit  und,  aowöit  al» 
möglich*  die  ortbographiachen  Fehler  stillschweigend  korrigiert;  fttich 
andere  offenbiLre  Fehler  aind  ^ebeaaert  und  die  metriachen  Unebenheiten 
weni|78ten8  angpdfiit^t.  Eine  konsequente  Kouftitution  des  Textes  nber 
muBs  dm'  definitiven  Auntgabe  vorbehalten  bleiben. 


U6 


Ä'.  Krumhachef 


yMl  6  ä^ujQäg  iHaßaXUH€va£V,  eis  avTov  vnayaivn, 

10     fpaglv  IxaßallmtvoEv  q:vTiX6v  xal  äoiBQärov 

djUJiQog  ek  rö  jutjcojtir  rov  ;f^t»öor  äarfgay  d^^' 
xä  tiooegä  rov  dpvxia  ägyv gor ^('mwTa  ijoar' 
xaltyoxdQCfHa  Mdgyvga  tjtor  xaXtycofdvoi'' 
fj  oi^gd  Totf  oßvgvoifiivt]  ^ik  t6  ^lagyagtrdgtv,  , 
Jl39^   16     ngaoivoggobtvo^  dexbq  eI^  tip'  oiXXav  i(  djtlao}, 

xal  fioHtdCBi  Tcic  HovzdXag  xov  in  lov  ijXiüv  läg  äxiTvag' 
xovrdgiv  l^iakdxt^f:  ßevexoyj^vomfihov. 
xal  TOTE  ndXiv  6  äfirigä*;  tomov  tüv  Xoyov  Xiyei' 
*An6  MoX^v  ifiov)  nöXffwv  xal  änd  doxijuaalag 

*iO     xal  TidXiv  ?x^  änoöoxiir,  vd  indgoi  xal  \ßTovTo%^\  lo  vix<K^ 
yagaxf]vi^<;  iidXt]agv  rrlr  d/jfjgäv  t>}c  yXajooTji;' 
AvtÖ,  ä^njgät  /*//  t&  yeXr^gf  fifj  ro  xaiovEtöiQyq' 
lyo}  naidlv  xaXdt*  ^bwqw  xal  äwatöv  noXifiov^ 
xal  fly  iyj]  xng&iav  o  äyovgog,  oti  vä  yvg(Ctl  lyXt}yoQa 

(Metrutu!), 

25     T?;»'  xdXfiijv  TovTf^v  ffeo)Q€0  yd  bidgn  xat  lö  dMXffi  [roxi] 
(»-  —  «— w  — M  _)  xal  oXov  /4rtc  t6  xovgoog, 
Taj^img  IxaßaXXlxEvaavp  eig  t6v  xdfjmov  xajeßalvovv^ 
önovdrji^i^)  ydg  xal  6  ff:S6vo(;  rov,  ftii  xal  el^;  r)eüin(  rar  SP^U- 
Avt6q  oxvXl  ^Pm^aJog  A*,  ^t)  os  xaxoöixiion, 

80     ^agaxjjvdg  iXdXr]aey  tov  d^uignv  rrjg  yXtuaotjg' 

IlidoE  /iov,  Xi,  rdv  äyovQQv,  ra^img  vd  rov  vixtjOfig* 
ev^vg  ixaßaXXtxevoay,  elg  t6p  xdfinov  xateßalvovv, 
ibg  dgdxovteg  iavoiCar  xal  (bg  XioyT€g  Ißgv^ovvra 
xal  <hg  dexol  initöin^ta  xal  lafU$aoiv  ol  Avo^ 

85     xal  TcJre  vd  idfig  ndXEfiov  xaXibv  naXXtixagimVt 
tHO**  xal  änb  Tt]^  f^^X^}^  ^^^  noXXfjg  xgovGtv  dt  aovvtofAwg 

xal  ä7t6  TOv  xrvjiov  t6p  ^qXvv  xal  d^ib  xit  Aoc  xal  Xdßi 
oi  xdfiJtoi  qdßov  lixaaiv  xfü  tu  ßovvla  ii&avfjmtty, 
fd  divdgt}  l^iggtlihvovvia  xal  6  ^JU^  ioxorM^, 

40     rd  olfiQV  ixatiggeev  dg  rd  axüXäXovgä  tq>v, 


9  Cod.  rtoavt  ("•  undouilicb»  wiö  «"')  /fnayirif.  Zu  dem  voti  oiir  g^ 
«eUt^n  Accente  aiiov  vftl  Kinmlmcbcr,  E.  ^  27  (11^)  62ii{.  und  K.  Dir 
lerklj,  InJogttnu  Fut^h.   lö  <l0ü4)   17  f.      12  Cod,  dgfVf^mKtiröia^ 


Eine  neue  Bandschrift  des  IHgenis  Akritas. 


317 


xal  6  Tdgwg  jovg  i^ißatvEv  äjidvo}  änh  rd  Jiovgüita, 

^Tor{e)  ydg  tov   KoyvoravTrj  yoQymiigoq  6  fxavQOQ 

xai  HaXbqi^^)  vtihxeQoq  r/rov  «5  KaßeXkdQiq 

Hül  ixQxißtixiv  Eig  xov  äfii]Qäi'  xal  xqovei  tov  ^aßÖia, 

xal  löte  IxigidEvi^o)  6  äfXf}Qäg  m  rgi^ij)  xal  vd  <p&vyf],  45 

ZaQaxi]v6q  HdXtjoev  t6v  äfit^gäv  rijg  ylu>ootig' 

^Q  niaae  [jtov  Xk}  löv  äyovQov,  taxioj^  vci  tov  nxf}of^g, 

fiil  st^  x6  ovvxofxdv  xov  yvQtojna  ndQfi  x^v  XE<paXt)v  oov. 

avz6g  xaXd  as  oißr]X£v,  xioga  vd  ok  yxgefiviof], 

iyd}  dk  \jwv  Xk^  ovdh'  xöv  lyvoidCo/bLatf  vd  t6v  xajanovioi]^,    50 

dÜd  fiij  x6  xav^doETQif  öxi  ixQEytev  fpovaodra, 

xal  6  äfL^gdg  c5^  xb  ijxovaev,  ftaxgia  xov  dno^£ß})V, 

tgoiyfEV  ro  xovxaQiv  xoif  xal  ödxxvXov  xov  dil^yei 

xal  fiExd  rov  daxxvXov  xov  xotovxov  Xoyov  XiyEt' 

Zfjg   vd   ;faü|ocaai,    xaXi   V€(6xeQ€,    idixoy    aov    i%'e    xö  vTxoq,    55 

(Metrum  I) 
xiv  Xdyov  ovx  IjiX/jqwöei*,  ioxQdqn]v  ivxQOTXiao^iivog, 
xal  6  KmvoxavjXvog  {—^—)  vjidet  Eig  xovg  idixovg  xov,  \\ 

Hier   ein   leerer  Raum   von  7  Zeilen,   zur  nachträglichen    f,  i4ö^ 
Eintragung  einer  Illustration  bestininit.    Der  folgende  Text  be- 
ginnt mit  einer  verzierten  Initiale  (A"). 

Kai  ol  Jthxe  ixaßaXXixevaavM  Eig  tbv  dfitigäv  ^ndyow 

*ß  dfiYigä,  Ttgona^utjgd  xal  ngwxE  x^g  £vgiag, 

df  djiifjgä,  dovXe  ^eov,  TxXfjgcooov  (bg  fiäg  eljifff,  60 

xal  ieUe  fiag  x6  ddiXiftv  jnag  vd  x^Qovv  ol  yn^x^^  A*ac- 

xal  xöxE  TtdXiv  6  dfifjoäg  ^aivd^iEvog  xov  Xt/EC 

Evydxe  dg  xd  fpovoadxa  ^ov,  yvgEvoEXE  rdc  xivxag, 

xal  äv  EvgEXE  x6  ddiXfpi  aag,  eig  f^iiav  vd  aäg  x6  dojoco, 

xal  x6xB  ol  nevxE  dÖEXfpol  xdg  xivxag  iyvQEvoav,  66 

lyvgevoat*  xal  ovx  tjvgav  xi)V,  ijg^nvto  miXi  vd  xXaiovv. 

^agaxtp'bv  tj7idvTfjaa%'  ä7ii$m§EV  rcic  xivxag 

xal  Xdyia  xov  IXaXijoaoiv  fuxd  jtoXXrjg  bdvvi^g' 

Käv  i^niAaq>äxe  ol  ägxovxtg  [ojg]  6id  yd/^ov  xogaoiov, 

va  elv  xal  ^  xogt]  i^v/iaorr/,  vd  \\  70 


41  Cod.  ^  ö6gos  \\  51  Cod.  <pcvadie  \\  m  Cod.  i^^faro. 
1904.  Slisgiib.  d.  p}dlot.-plLUoU  o,  d.  lUaL  EL  21 


318 


IC,  Krumhaeher 


Crypt.  I  V.  134— gSL 

Mt}  SXcüg,  leyayv,  dÖEkrpi,  (ptural  yMramoifjaovv, 

135     fitxgdr  n  dediäowoi,  Tihjyai  ae  ixcpoß/joovv 

xär  yvfjtvbv  tSfjg  z6  ojra^Jv,  ipt^yiiv  oStm  fii}  üdioj^g, 
9iäv  äXXo  u  deirStEQov  Etg  TQojifjv  firj  hctpvyj]^* 
vedrtjTOg  fit]  q^EtOfU  av  Tzagd  /xf)Tgdg  nardgar,  (EstJOf 
§c  Evx^'k  üTYiQt^opLtvoQ  t6v  ix^Q^^v  xojaßdXtt^* 

140     ov  yäg  naQ6\pEtat  '^eoq  douXovg  ^fiag  yE^'ioi^ar 
äm^i,  tinrov  evdvfiov,  /i?)  dedtdüfig  SXcot;. 
xal  (ndyteg  ngdg  ä^'aioXdg  &e(}v  ijteHaXovtTö' 
Mi}  üvyxo}Q^(Jf}g  ÖEOTzotaf  dovXovg  ^fidc  ytvitr&ni, 
xal  dojiaodjuevoi  avr6%'  ngo^JiE/ny^av  djtövtEg' 

145     'H  jcör  yorimv  ptag  tvx^}  J'^»'»?^«*  ßorj^Pog  oavl 
6  de  t(p^  fjiTtov  ijtißAg  fiai'^Qov,  ygwmordTov 
OTta^iv  dtaC(üödfi€vog  lafißdrei  ro  xoridQtVy 
ißdora^t  xal  tA  §aß6ly  dg  x6  gaßdoßaordxtv' 
TÖ  dk  arjftEtov  lov  aiavgov  ipgnSd/in*og  Ttm^id^Ev, 

160     i6v  innov  lji€XdXf]oev,  ek  ti»^  xdfinov  iS^X&t. 

htai^E  TtQWTOv  TÖ  öTtaSlVf  ehT  ovT(og  rd  xovtdgtv 
Hai  Tireg  xwv  HagaxTjvojy  (bi*Eidt^QV  t6%'  rioV 
^Ms  nmov  iiißaXoy  ngog  tö  fiovofiax^oai 
r6v  Tgdnata  Jiottjoavra  ^leydXa  etg  ^vgiav] 

155     Big  öi  Tig  xdjv  £agaxf}vrl)y  äxgirrjg  dtXeßhfji; 
yaXfjrd  ng6g  tov  dfiy^gäv  Toiovde  Xöyov  ^(ptj' 
'Ogqg  t&  xaTaTtrigvio^ia  intdi^iov  Snmg, 
ojia^lov  Tijv  vnoöox^v,  yvQtofitt  xovTngiov* 
TötTa  ndyra  ifiqmlvovat  TttTgdr  te  xal  ävdgEtav* 

160     Sga  Xomdy  /i^  ifieX(og  tö  naidiov  ngotfxgovofjg. 
l(ißf]  xal  6  dfiTjgäg  fjg  <pdgay  xaßaXkdgtjg' 
i^gaavraTog  vndgxei  yag  xal  tpaßegog  rfj  Mtjf, 
tä  äg/iaza  AniottXßoy  ^Xtnxdg  ixilyag* 
xovrdgty  tjualAxiCi  ßtvtraVf  jf^ueifü/i^vöy*  (E.  II 

165     xal  Tinvrrg  ovvt^tjX9aatv  etg  ^inp  töv 
S  ffdgag  (jtai^e  tigjtvchg  ndrrag  (megf 
ioi)g  ydg  MÖdag  to{?Q  wiaoagag  dg  Sr  tniavydyan*/ 


Mne  neue  Handschrift  den  tHgeniB  AJcrUan, 


m 


äkXoTs  dk  Iq^aivETo  iBJitoTWHvoßadiCQiv» 

(bg  doKEiv  fiij  jtEQutajety,  dlXä  ;fa^ai  Jtetäa&aL  170 

5  li*  äfu^gäg  UQjzü^ievog  xadmontQ  insyfJa, 
na^sv^b^  IneldlfjoEv,  eig  rdv  xdfinov  i^^l&e, 

.XQavydCüjv  ojotieq  dfToc  «'^t  ovgiCcov  ibg  dgdxmv, 
dfg  kimv  dtQvo/aivog  xaxaTtiElv  lor  riov,  (E.  32^ — 34) 

6  dl  rovTOv  Öe^dfiEvog  evüimg  xal  owidfÄCog,  175 
xal  xopiagiag  dcooavteg,  inkdoi^fjam'  rcbv  ovo, 
iiEQOv  fttj  lox^*oavrog  lov  ezEgov  xQjjfivtoai' 
xal  rd  ona&ia  oigavtEgj  ^ow&ev  xeTgag  dövreg, 
diX/]lovg  lovvixoTixöv  inl  nokijAg  xdg  &Qag' 

TU  ÖQfj  ävttdoyrjoaVf   ol  ßovvoi  ßgovrag  eJ^ov'  (E,  38)     180" 
10  alfAQ  dk  HaxEQQEB  tijv  yrjv  ixeivt]r  ohjv'  (E.  40) 
of  Drjrot  fiyavdxTi]oay,  Jidvjag  SxTikfi^ig  il'^tv' 
Akönhjyoi  ytydvaoif  ^tjöelg  rgomjv  tioiwv  je' 
wg  dk  xal  j6  nagdöo^ov  XaQaxjfivol  xaieldoVt 
Hai  rö  nokv  {^av^idoavteg  tu  jrg6t}vjtwt*  xov  viov,  18B 

IxGtaotv  dk  t^y  änetQOv  xal  Ttjv  yevvaiav  jok^rjVf 

5j?a»*Tf^  HQ&g  xbv  dpfjgäv  ofiofpo>vo)g  Ikdkovv 

'^Äydntiv  imCrjrr)00Vf  xhv  6k  nokefiov  ätfEg, 

6  'PfOfiatog  deivog  ioti,  fiij  ob  xaxQdtxfjo]].  (E.  29) 

xal  TtQog  rpvyi}v  6  äfir^gdg  EV&itog  i^Exgdnf},  (E.  52)       190 

xal  o  nokkd  xavx<JL>/i^evog  i)xxi]di}  naxd  xgdrog' 

xal  yäg  xavx^o^i  ujiaoa  ovx  dyaiJij  rvy^^dyei, 

ndqQiQ^BV  ^inx$i  xo  onadlv,  j^elgag  ilg  v%pog  ägag, 

tovg  daxxvkovg  iaxavQOjaEVt  d}g  i/v  aviuTg  x6  ^t^oci 

xal  xavxtjy  Ttgög  xov  äyovgor  xijv  €pa^vr]y  InatpijHEV       195 

IlavoaitHaki  ytmtBQB'  aby  ydg  lox^xbvlxog'  (E.  53 — 55) 

dtVQO  kdße  xfjy  dÖEkq^ijy  xai  xijv  alx^iakcoolav, 

xal  kvoavxEg  x6  ^iaxgov  dnijk&oy  Eig  xi^y  Xfydav, 

xal  ijy  idäiy  xoifg  dÖEkqRovg  xaofioyfig  ifijikfjot^ivxag, 

^elgag  dg  vtpog  ägapxeg  ^^by  doiokoyovaf  200 

*H  *9/5fa,  ndvxsg  kiyovxeg,  ool  /io>'<f>  '^Eto  TtgiTiBi* 

6  yäg  ikniCfoy  ini  oi  ob  /i//  xarfun^v^'^^^^f 

t6f  äÖEkipoy  fjandioyxo  fuxd  itigi^agiag' 

81' 


320 


K,  KrumhacJier 


ol  fih  (pdovat  x^^^^  ^^^'  äXlot  triv  xeqxil^r  rov' 
2Q5     tdv  Ä'  äjuijgäv  ä^t^poTegoi  i^eg^img  TiagaxaXovat' 

xagdlav   TtaQajuv&tjoov  t^i'  Ivnn  ßagvv&eTonv. 

(E.  58—61) 
6  äfifjgäg  dk  jtQOg  avrovg  ovx  äXf]i^eva)v  i<^yt}' 
ZtpQuylda  XißttE  ifii^r^  yvQevoare  tag  rirSag'  (E.  63, 

210     Tiavraxov  igevvi^aaret  tdete  ri  q>ov0üaTa' 

JTjv  ddeXiprjy  yvcoQtaaviEg  Xaß6%*TEg  7ioQEV§r}Te.  (E,  6^ 
ol  6k  jUErn  noXXrjg  xagäg  tijv  aqjgayjda  Xaßdvreg, 
rdv  doXov  äyvofjaa%*T€g  im^teXoK  i/Qevvövv. 
xal  Tiavta^ov  yvQevaavxEgp  ftridkv  &k  EÖQfjxöteg 

215     Xv7iov/iti*ot  iniaiQUpöv  ngdg  *ijiif]gäv  fi'i?/a>c 

xal  xa^^  öAiv  Hagaxfjvco  dygcixtp  owariafaiy*  (E.  f* 
ixBivog  i<prj  ngdg  avTai;^  dm  tov  dgovyovfi6yoif{?y 
Tlra  C^teTte,  äyovQoit  rtvog  x^Q^'*'  ^gf^VEiJE; 
ol  dk  Avramxgi^oav  XiyovrF.g  fterd  ^gj^yrüv' 

220     KögT^v  fixJii<^XujrEvoarE  ädtXfpijv  t)fi€iigavt 

xal  Tairrjv  /i^  ivglaxomg  ov  C^v  ^iXofier  In, 

Andr.  V.  322—422. 

(XiyBt  air0  fj  pt^tfig  tov*  rXvxvxare  vU  fiov, 
äjiEX&e  Ttghg  t6v  A^njoav,  t%*a  idr  jEoXeut)afigJ 
xal  xgÖTot,  XTVJioi^  äjitiXal  /itjv  oe  xatanroijoovr, 

826     /ir)v  fpoßrj&fjg  tAv  ^ävatoy^  nagä  ^i^rgdg  xardgar, 
/Afltgdg  xardgav  (pvXayEf  xo/ifiätta  KaTax67iTov* 

(E.  1-4) 
xal  Stav  ino^dvBTe  ioeXg  ol  nivxE  oXoi, 
tdteg  flc  tifv  ndgovatv  ixsTvoi  nävtsg,  5Xoi, 
fiövoy  7too&vfi(og  i^EXf^e  V  toi'  *Aftf}gn  tijr  riXfiav, 

880    fAk  tijv  ßofj&itay  r^r,  nrf>z    tmT,  m/:..^*.  AwafUrov 

(E.  6-8) 
iX^o  x6  'ßdggog  e\g  aviov,  tijy  ddEXtpi^v  m  ndgfig, 
ti^^ibg  ti"  dxr>^^       -'s   nfjTQÖg  rovg  X6yovg  nagaitTtna 
t&v  /navQoy  ^l£  V  T6f  *A^tigäv  l^tjyEv, 

xal  fitt^  afnöy  ol  äitXq^ol  lip&döaoi  xandna*. 


Eine  neue  Handschrift  des  Diffenis  Äkritas, 


321 


äXaya  btaßalXtHBioaoiv,  iQfmrcoßivoi  omoL  336 

xai  ihq  ^H«'  6  'Afiygäg  riv  viov  KtüvaravTtvort 

xrjg  xogijq  xuv  avzdÖEkq^ov,  tiov  ^qx^^ov  Ttgög  IhbIvov, 

fpagiY  IxaßaXXiHBVBV  <p}]TiX6v,  äotegdzov, 

IfATiQoa^ev  el^  rd  fiirmnov  XQ^^op  äüTeQa  eix^» 

xd  xiaaaQa  xov  'vvx*^  AQyvgoxCdnox^  fjoav,  Slü 

HalXiyoHdQfpta  dQyvQÜ  f]xov  Haikiywinivov, 

ngaaivoggddtvog  äexog  'g  rifv  oHlav  ^xov  ^nlao), 

(E.  10-15) 
ttoygaqia^ivog  rjiove  ßie  naäagin'  ;r(>rod<^e' 
xä  äg^azd  xov  id^naoiv  {iXiaxdg  dnxivag, 
xai  x6  Hovxdgt  tiaxganxev  odv  Bivexiäg  XQ'^*^^^^-  ^^^ 

(E.  16-17) 
jidvxeg  dk  aifveSi/jXdooar  elg  &iav  xov  noXiptov, 
^  ^dgtxCa  6k  enaiC^y  xal  &avfxaCov  ol  navteg 
elg  fM  ijitovrdyovoa  xd  xiaoagd  xrjg  TidÖiat 
naüdnigt  tooneg  ßifjxfiv}},  iHa&rjxo  ixetvog' 
äJÜioxe  Si  l(f>alvexoy  Tivxvd  l£7ttoßa6iCo>r,  860 

xal  iddxEt  'adv  vd  fifjv  Tieginax^,  dllä  x^^^^^dxov. 
Ixeivog  dk  6  \4fif]gäg  ;fa^ot5,M£vo^  tyila' 
xai  Ttagev&vg  ävixga^ev,  xoviov  xdv  Xdyov  elnev  (E,  18) 
*Ex  xmv  nolijtiioy  xwv  noXXojv  xal  xfjg  AoxifJtaalag 
TtdXiv  ^x^  d7iodoxt]V  xal  xovxov  tva  Xdßm,  855" 

ixovoag  ohv  6  dovXog  xov,  ^agaxtjvdg,  iXdXei* 
'ß  *AfirjQä,  fifjv  x6v  yeXqg,  ^tjv  xov  xaxovEi&iCtig, 
ävdga  xaXdv  x6v  ^Emgo)  xal  dx^vaxiv  TtoXifioV 
(poßovfiai  /i^  6  äyovgog  Ix  Tijg  TiokXfjg  xijg  x6Xß4r^g 
Xdßf]   xrjy  ddeXtfijv  avxov  xal  oXov  ftag  xd  vJxog^  360 

(E.  19—26) 
dXXd  nokifirjoov  ai'riy,  lüyniDg  xal  xhv  rixirjofjg.   (E.  31?) 
ei&vg  xobg   tjiTiQvg   ixvtptiv,    xaxi]k&ov   elg   lovg  xd/4- 

novg,  (E-  27) 
Ag  dgdxovxig  lovgiCov,  cbg  Xiovxeg  djgvÖjyxa, 
xal  fbg  äexol  Jiexdf^ievot  irojdijaav  ot  ovo,   (E,  33 — 34) 
xai  xd  xovxdgta  xgovoayxeg,  IxXda&ijoav  x(bv  ii&o,  365 

hegog  dk  x6r  htgov  ovx  Icx^^oe  xgtj^vlaai' 


K,  Krumbad^er 


Hai  tä  onadia  favgoy  horanftiog  :tEü6}^eg, 

äkXi'jlovg  avvEx6w[ovT0  inl  nolXäg  rdc  S^ag. 

xal  TcJif  P^ßkentq  7t6XBfiQV  Kakwv  naXXt}xaQiüyv\  (E.  35) 
87U     ««i  ^^  Tov  xTvnov  töv  ttoXXov  ol  Hafinot  Ifpoßovrio, 

rd  Sqki  &vti6ovoioaütv  y,ai  rä  ßovvä  ßgoviodoav 

(E.  37—38) 

xal  6  lÄ^cüc  xateggeiv  elg  id  oxaXuXovga  Tmv, 

(E.  40—41) 

Tov  Kmvöjavtlvov  tax^xtgo^  izvyj^avEv  6  ftavQQ^, 

xal  dav/^aoT&g  vec^regog  Jjrov  6  xaßaXXdQtfc' 
375     ^aßdeav  Sk  jov  ä^fjQäv  TtQonixQovoe  ^ttydXTfv, 

xal  r6r^  ait&gämfjgiaTövätgijif}  ditXtäCtor,  (E.42— 45) 

fjäv  eldav  ol  ZoQaxtjvot  TragdöoSov  t6  Jigay/ia, 

xard  JioXXä  tfia^f^iacay  abibv  xbv  viov  8X01' 

fiiav  (fojvfjv  Acprjoaotv,  y^gig  Afi7)Qäv  IXAXovv*   (E.  46)1 
380     Mi]  rgifiijg,  xvgte  fifitbv,  firj  ÖEdtf^g,  aMifiTO, 

Tiidae  fidvop  röv  Syovgov  rax^^^^  »'d  vtHrjofigt 

uij   €ig  x6  öv;fVO^i^^<o/ia   rijy  HEtf'alf'jv  oov   ^6y*fi, 

(E,  47—48) 

xal   Skv    IvvöidCoftai   lyd^  tov  ^Avarov  Jtfuc  vixtjofjg,] 

dXXd  xiTvog  fifjv  Tu  xav^tp^fj  -t'wc   hgaps  (povoödtaA 

(E.  50—51) 
385     xal  Ti]v  äydnfj  C^ttjoov,  riv  ndXffiov  v'  Afpi^oj}^, 

Öturi  €h*ai  &i'i*QT6g  nokläj  fitjV  oh  xaranovicff. 

xal  TtgÖQ  (pvyijv  6  äfirigäg  effi^irng  iiergdTtf],  (E.  52) 

xal  ä  noXXd  xavxof/itvo^  ijrt/j&T)  nagd  viov' 

xnl  ydg  ff  jjoXXf}  xa^'ytjoa;  ovx  dya^fj   vTrag^tt, 
390     Jt6gQü)&£V  ^tniEi  t6  ojia^lvt  jj^cT^ac  eIc  vipog  aTgei, 

xal  tAv  ddxTvXov  detifv  xcnä  tifv  tdStv  önov  *;|far. 

tvdhc  dk  ngbg  i6t*  äyovgov  toT^tov  t&v  Xdyov  EJni* 

TFavaov,  xaXk  vEtnrEgE,  oov  vTidgytt  rb  vJxos;,  (E.53 — 55)j 

iXf9t,  (miQE  ri}V  ddeXiptjv  ix  tiiv  Qtx^aXmolav. 

xbv    X6yQv    dhv    inXi^gmee,    änfjX^s    'vf^o.Tiao/i/rdCtl 

(E.  5«) 

xal  jja^/ioyr^c  lyifuoav  t^Xoi  tA  AfifXfpM  rtfc' 


Eine  nem  Handschrift  des  Digenis  Äkritm,  839 

'H  döSa  Ttäaat   liyovjEs,   aol  ft6v7j  (1.  fi6v(p)  jigiTiEt  7idvra}y' 

6  yao  Ihtii^mv  im  aol  ov  fti]  Hnrmoxvv&Eb}. 

xbv  äö^Xqbv  ^ondi^ovio  ßeiä  7t€^t][afjia^'  400 

ol  fiiv  x^^Q^^  jjoJidCovjOt  äXXot  Ti^r  xecpahiv  tov, 

ol  Ttivtt  HaßaillHivoav,  V  täf  dfitjQäv  ijQiiay  (E.  58) 

xal  ehiov  Xöyovq  tiq^k  dvröv  ^c5c  'fov  TiagaHaXorwtv* 

YJ  djurjQä  xal  liagx^  djidor^g  tfjg  ^vglag,  (K  59) 

änödog  ^fuv  xijv  ädeX^pfjv,  SaniQ  fifjiXv  vnioxov'  (E.  61)    406 

aal  ftii  nixgdvff^  xdq  i^wx^Qt  xadcbg  fj^utv  vjiioxov 

xagdlaq  jiaQa^w&f]ooVf  lijg  ^i5jTt/c  jiAaQavßdatjg, 

Tefrf  jidXtv  6  äfAt^gäg  ovh  dXf]ä£VQjv  elney'  (E.  62) 

Z^gayida  XdßEre  ija^v,  yvQBvaaxB  läg  rivrag,  (E,  63) 

xal  jtavtaxov  yvQEvaa^^ug  xhxaQ  xal  xä  (povaadxa,  410 

Hül  6710V  avitp»  EVQExev,  XdßexEf  ndgexi  ri/v.  (E,  64) 

xal  xtlvoi  fik  noXXijv  x^Q^^  biijgav  xijv  a^gaytöav, 

roy  döXov  ayrof/aa^^tg  läg  xiyxag  dyfjgevymy 

Hai  TiavxQxov  yvgevonvxeg  xi^y  ddeXipiiy  ovx  ^^gay* 

Iml  xal   diy  xi}v  t^l'jgaotv,  iigiayxo  jtdXtv  xXaieiv^  415 

(E.  65—66) 
1  V  Toy  dfiTjgäy  vjtiaxgeqyov,  TtoXXd  XeXvjtTjfjlivoi, 
^üygoiHov  ^agaxfjvvv  V  xöy  ögöfiov  djiavxfjoayi  (E.  67) 
hsiXyog  A^  fi^i?  ^Q^g  avxovg  dtä  xov  igayovjidyov 
Tiya  ^riTitxEt  äyovgot,  xqi  did  noioy  Ogf}V£txE; 
ixEivoi  dn€Hgi&i}oay  xal  itnaaty  Tt}y  ahiav  420 

Kdgtiy  alxfJiaXiüxivaaxef  xtjv  dÖeXq'qv  ftag  xcuga, 
xal  xavxfjy  ^i)y  EvgioxoyxEg  &ev  {^sXofxsy  rd  Cov^e. 


Oxon.  V.  187-844. 

,^Enag€  xd  ddiXq^ia  qov,  vU  ßJtov  Kojvaxayxivs, 
xal  ovoE  xal  noXifia  xov  V  5notov  xojiov  eIve 
xal  iXm^O}  elg  x6y  ßebv  vd  (pa%*ßg  dyÖQEto^/Jtivog 
xal  d^itigäg  &  ämaxog  yd  ^ßyn  ivxgomaoptiyQg. 
iXniCo}  xal  xrjv  x6gi}  jiwv  xal  oeva  ddeXtpr)  oov 
yd  xfjyi  ipigfig  'yh)yoga  V  xijy  ovvodid  fia^i  oov, 
vd  xfjy  ido>  yd  ^Xaipgot&m  dtp*  xd  nsgiaata  7id&i]t 
yior'  d^?*  ri}y  Mlyny  rijy  noXXij  ^  fcü^  fÄov  ixd^fj. 


190 


324 


K,  Kmmhachtr 


xdv  d/if]pä,  ytaTl  xaXa  ^EVQm  Jtojg  ^t  rix^Gfi^J*  (E-  7) 
Hai  nagevOifg  6  Koxvoravrtjg  n;K  He<pai/]  xov  y^Qvei 
xal  rijg  fitjTQÖg  tov  rijv  evxf]  /*i  imanoi}  nalgvet, 
xal  odv  ijtfjQ€v  trjv  Bvj^i),  oeXltüvEi  tf^  (pagi  top, 
'200     oßolmq  h'  ol  iniXomot  nal  äkXot  MeXtpol  tov* 
TO  äXoyo  TOV  Ku}voTavT^  hg^x^  V  tov  äiga 
elg  TÄ  xtfp&Xi  eTxsvß  fvav  xQovod  iotiga,  (E.  11) 
xal  dniom  V  t^/v  §(ix(  rov  ^?6t'  Cfoj'^a^^io/iiröx  (E.  15)1 
dnö  ;f^i'od^t  xai^agü  xal  XUhjvg  xooßit]/aSvo. 

21)5     jd  ägfiata  xal  ^  oroXf}  fjrov  d)gaiotdtf}, 

d7i6  ix^Q^^^^  oco^iarixoifg  &e6g  yd  ttjr  q:>vXdTTfi, 
xaßaXXtxEmi  t6  XotTtdv  x*  elg  xd  ßovvd  xal  ddoff 
lyvgevtv  xov  dftrigä  did  vd  tov  x^<i^t) 
x'  ol  äXX"*  Sßiotmg  ddeXrpol  xal  aÄi*  dg^atw^iroi 

210     £tg  täXoya  Ixdxotimv  oXoi  xovg  ^yyiaxmfihot 

xal  yvgt^av  xal  yugevyav  fit)7ioyg  xal  xov  ivgovot. 
xal  fudv  fl^iiga  ^no  fmxgeid  axgdxevfia  ^emgovai^ 
Xioiv^  ttAbxbg  üv^  Afif}gäg,  jn6v^  &g  ögön^iamavuev, 
\  x6y  ndXc^iio  %*d  ffintofit^^  vd  ßf]v  irxgomaaxovfiev/' 

215     T(i?e<;  SXoi  fie  W/v  X^Q*^  Jtidvnw  xd  otXißdgta, 

V  ti»»  dfifigä  hgix^<^^'^  <^^'*^  &yQia  Xnovtdgia, 
6  df-ttigdg  dTih  fiaxgnd  t6v  KcüvoxayrTro  ßXi:xett 
jTCog  i^Qxovvrav  d7td%*a}  xov,  odv  vd  öitoxfi  xXtJxxf], 
ßXht€i  xal  Tfjv  dg^mxmoid  Snov  ^tov  q^ogi^ihog, 

t20     xovtdgi  ägyvgoxdßmTO,  X9^^^^  oTta&l  C^o^iyog^ 

xal  ^x^Q^^*  ^  xagöla  xov,  Xeyer  „fth^  tov  vtxi^awt 

id  alfia  xov  xov  xantivov  xdxa>  ^g  xi)v  yijv  vd  x^'OfO," 

eif&bg  ixaßaXXtxevaev  vd  tov  ngoVnavTf}of}, 

^ioa  ixEi  V  1^^»*  Igfjfud  ytd  vd  xov  TtoXE^rjofi, 

Ixd  Jtov  ntjyatyEr  Xomiv  ^i  Slo  tov  tö  i^dggoc, 

Ivag  tov  AovXog  Xiyn  tov  „A^ivTift  z^Q*^  ßägoc 

Idyov  &iXa}  vd  oov  e?;rd>  xal  Axovaoy,  vd  (ijog^, 

fifj  ^kg  fi*  niTiv  nov  f^ji^irai  ndXtfiov  vd  xTvit^tj^g^ 

V  iyd)  KaXd  yvmgiCi»  ^oTi  ^<uc  tJv'  ärdgafo/ifvac 

(E.  21-^23) 


Eim  neue  Handschrift  des  Digerm  Akritas, 


325 


H*  ik  t6  Hovidgi  Hai  ona&l  ntQiOöta  ngoHOfi/iÄivog"  230 

div  n€i§£jQi  6  d/o/^ac  V  td  ?,6yiat  nov  tov  Xiyei 

6  SovUq  tov,  fiQ  ägx*^^^  ev&v^  vd  rove  yfiyfp 

liyei  tov*  ,tO(ojTat  &yai*SQ€,  V*  iyw  ^iksi  vixiljaio 

xal  JOTEg  negtooSregov  "dikei  ai  dvEidiao)" 

TOVTti  ^nevE  6  äfujgäs,  yiarl  töjv  dovX(vtdda>  235 

rd  Xdyta  dir  laxvovot  V  lavnä  tcoy  d{feviddü}, 

KO&ihg  ro  Xiyu  6  ao(pog  fiiyag  ^AQiaTOtpdvfjg 

V  tifv  HO}/iiq>dia  nov  XiyExm  rov  IlXomov  x*  ^x^t  x^Q^^^- 

t^Hv  ydg  (ffiQi  rd  ßiinara  d'Egdmov  Xi^ag  rvxfl^ 

Tf/5  X€XTf}fiivfi}  d£  ^ij  dodv  a?*Td   yä  intrvxUt  240 

ävdyxfj  elvm  ßißata  dovXov  j6v  xB&Xi^ifUvov 

fieiix^tv  rd  ßovXevuara  fik  rov  Imvrjfiiyov/' 

Inttöri  Xomov  y^  io/iuiav  xal  IxatgeTtoxijxay, 

6  Kmvarayuvoc  xai  äfit^gäg  xaXd  iyrü>giari}Havt 

dgxii^ovotv  ^tk  Hoi^aoiaig  i'd  ÖiTiXoxaigETOvvrai  245 

xal  tijy  C^i/v  o(>dk  Jioofog  yd  fir]V  tjjr  h^vfioin^xm. 

^nnriXaXövv  id  (f>agia  rovg,  rd  jnEQvtoxtjfna  xgovot 

xal  ndXEfioy  ixdfivamv  xcd  xoyxagialg  xtvnovot* 

odv  dgdxorTes  ifiovyxQiZ^v,   odv  XtoyxEg   ßgvxovvto, 

ady  dexol  Ijihovyxay  «'  fjgxovvxay  xal  xtvjzovyxo,     260 

(E,  33—34) 
6  KojyotayxTyog  ^fioinCey  xov  *ÄxiXXk  V  T?)f  :idXf} 
xai  d^ifigäg  rov  "Exxogog  dvya/iiv  Ti?/y  fiEydXr) 
yt)  Efioia^Ev  6  Koiyoxnvxrjg  Aioftf]6ovg  tov  Tvdimg 
xal  äfiTigäg  {^aggm  xakd  tov  yymattx'*  ^O&voakog. 
ndXefiov  XotTtüv  Exaf.tav  TtoXXd  dydget(üfiEyov  (E.  35)   265 
oxXrjgov  xal  uXoydQinntov,  JiEgioata  rgo/iaofiiyoy* 
ödv  dday  Sn  nmg  uvdg  dkv  ^fondga  yd  Ptxtjafi 
xal  ft^o;  räXkov  Etg  xijy  yrjy  t6  al^a  ytd  yd  x^'^^th 
&{f.iyovv  td  xövxdgia  tovg  xal  mdyovy  rd  onaDtd  xovg 
yiati  x6v  noXifwv  noXXd  tjßfXty  ij  xagdtd  xovg,  200 

hqI  TtdXe  iayagxioaaiv,  nüXr^iov  ixrvnovaav 
ATth  Tovg  XTVTtovg  rd  ßovvd   x*  ol  xAftjiot  idoyovaav, 

(E.  38) 
tdxeg  hid  V  xm*  ndX^/io  af]H€üv^  S  Küivarayrlyog 


K,  Krumbadher 


/n&  §dß6o  Ttov  IxgdiBierc  V  xo  xiQ^  rav  ixEiroc 

266     hqI  fik  aiHr/v  lxTV7tt]aBr  T&^yjQä  V  tA  n^^AXi  (E.  44) 
xal  iJKafii  Ttn^  utdv  JiXrjyyj  xatd  JtoJUä  fieydlrj, 
xal  mtJco  V  Ttjy  ytjv  tneaey  wadv  änoi^a^ifih'og 
xal  Hohovvtov  6  ädXiog  V  to  ^d^^ia  '^^ankui^iBvog. 
mg  eIöuv  Ol  ^aoaHtjrnij  on  nmg  h'ikfjt^tj 

270     6  Ajutjoäg  xal  elg  rijg  yijg  t6  x^M^  irvUx^h 

tqSxovv  xal  x6v  äQjid^ovmt*  vä  /iijv  xov  ^avaidüfi 
6  KmvomvxTvog  x^  elg  jijg  yijg  i6  x^^^  ^^^*^  X^^ft^ 
xal  xa&wg  roy  ä^nd^amv,  rov  XeotV  ,,/i^  ^iXfjaijg 
nXei*  ifpevTti^  fdk  ror  Kairotavtt]  i'd  ßyfjg  vd  noXeuriOf^g^ 

276     fJLdvQ  äydjtTjv  flf  ^fMJioofjg  xdfiE  ßi^  avtöv  yta  vd  ^Xft^ 
ävdjiatpir  xal  ätpoßtä  Etg  ojiotov  totio  kaxfig-** 
Sfiojg  oäy  iovyiiptQev  u  d/ttjQäg  tpoßii^i]t 
^i^jtmg  xal  ätp^  xar  Kayymavrfj  ndyff  fiha  V  xd  ßu^ 
Tov  Z4tdov  xal  hqdfiaiev  xal  ytd  xavto  xa&iC^i 

280     elg  läXoyo  xal  yXfjyoga  V  to  orgdriv^m  yvglC^i' 
xai  tpBvyomag  l)*voioiy  ndki  xal  (poßi^iCu 
xhv  Kajyoxarttyov  x'  ij^x^oEv  fik  X6yia  vd  vßgiCff- 
rb  ddxtvXö  tov  roeitve,  i^ovyetev  xo  xeq^'dXi.  (E.  54) 
„ÄifQto,  tov  Xdyit»  diXei  ^dßg  xal  ot»  ^irydXti  Cairi*** 
1^285     Sg  eUav  ik  6  Kaivtrrayxijg  'xl  nmg  riw  (poßegiC^i 
6  äfir^gäg  xal  ßgi^FA  xov  xal  ^niom  dkv  yvgiC^t 
dgxi^ii  xai  xov  xi^njyn  dtd  vd  rovt  fpxd^fj, 
ßii  x6  xovxdgt  Jtov  xgaxiT  vd  ovQjj  vd  xov  oq?difj. 
xal  Sxay  Ixivriyfev  xovxd  x'  ij/^eiX^  vd  xov  m^ 

2&0     Xfjy  xüvxngtd  xal  elg  xfjv  yfjv  xfiro»  vd  xovt  yvgff, 
hgOjim^ir  6  dfujgäg,  dgxiZ^i  fivgtoXoyia» 
xov  Kwvaxavxirov  Ueyev  /Jlttxetd  xm  xald  XAym. 
„UagaxaXm  oe,  xttv  *Xeytv,  nnvoe^  Ä  di*6geiu}pLivr, 
x^v  ßidx^v  xal  tov  :t6Xeßttn\  vh  juaötio^/w^-" 

295     xöxeg  xov  Xi'  i  Kmr<navifji'  ^A  äilffg  ym  vd  C'Jöfj 
xal  ^  xifiii  V  ti  amti  oov  iimtu  vd  yvgioffg, 
ä  dig  vd  Txavff*  6  jtdXifioQt  rd  naimovirn*  oi  .t<}vo<i» 
vd  navoovotv  xd  daxgva,  vd  navo4»votv  ol  if6vou 
vd  '^c  tfyrfapp  ßmd  /i4r.  Afe  f^on  t^v  Adei^^  poi 


Eine  neue  Handschrift  des  Vigenis  Äkritas. 


327 


n  ä^if]gng'  „Mfrd  yßQ^^>  Xiffit  vd  aov  rrfv  ddtöo), 
^iari  iyvj  dkr  övvofiat  ßii  oiva  %*ä  fiakkihaui, 

4iJ  710V  iloyäntaCnv  Hat  icpikovemoimav 

3I  Toic  äydnaiQ  xal  (piXiatq  vä  nd^ovv  i^tiovoav, 
JA^ay  x'  ol  äXloi  dd£X(pol  odv  kvxot  äygimfievot, 
l:tdrco  elg  tov  dfitjQäv  IrQi^av  ^v/tioj^ivot.  (E.  58) 

Köic,  dwdv  iygolxrjoav  t6  noK  iX€v§FQ(ovei 

Tnvaaoiv  dtp*  ror  &v^idv  x^  i^X&av  dg  '^lEQCoai'vri. 
ta  nQOjrfirä  tä  ddxgvn  tjfpfQav  V  ev<i^goovvrit 
xat  tov  &eov  Idd^aoav  /ik  Sltfv  rijv  HagähVf 
fiazi  V  t//»'  &ki\fnv  Tijr  jioXXijy  f^vgav  jzaQrjyoQtar, 
I9'  ov  Xquiov  hiXetwoav  td  Xoyia  jtov  ^uXovoav, 
tddiXtpia  xbv  ä^if^gav  fjgxtoar  xal  ^giotovonv 
H^|/7^  piag,  dq^ivri]  dfirjgä,  nov  ih*^  ^  ddeXffn'j  fiag; 
^By^  trjv  IdovfÄFV  §iXofA£v,  't^  IßyaivEt  rj  y^^X^l  ß^C- 
^^■oS  er»"*  vd  t7]ve  ndgcü/titv,  vä  näfiev    elg  xrjv  pjoi^a; 
■■■  (E.  59-61) 

^^öo^fidg  Tjyv  Tibga  yXfjyoga  rä  <pvy(ofiev  /ik  ojga,** 

Ifovia  ixBivot  iXsyov,  /id  6  dfi)]Qäg  ndXt 
Wx^  'c  rd  vov  tov  dtyv(o^id  xal  ^mßovXi)  fteydXtjt 
md  tovg  IßydXfj  dn'  ixd,  Siteita  vd  ml  x^^U 
T^v  x6gf],  Sr*  f*'  fjt^eXev  7ioo(bg  vd  ry/Vf  öioo^, 
xal  div  d^tfjyev  f^k  airovg  did  vd  Tip*  yvgevcovr 
xdde  ixarSvzaQxov  xal  Snov  0iv^  futogiaow, 
fjScoxSv  Tovg  öQtof^tli,  ixitvot  ^wvaxol  jovg 
ndyovy  vd  yvQevöovmv  vd  ^ßgovv  Ttjr  dAiXfpi^  rovg, 
xal  xiivog  eTx^ve  ßovXi)  vd  Jtdyf]  äXXo  fiigog 

xfjye  fcgv^ffj,  VI  fi'  avxt^r  ^lov  ^(utiovmfUvog* 
^aJ  Tci  siatdid  dh  fj^EVQav  Tijy  yvw^ttjv  tov  Ttjv  äXXtj, 
yid  T0V10  Jialgvovv  to  X^Q^^  i^*  evfpgoavvri  fisydlfj 

il  Ji^yav  V  rd  (povüodra  tov^  Wft>  h^  ixet  SAevovv,  (E,  63) 
talg  riviatg  xal  otoarrvfiarn  jioXXd  xaXd  yvgevovv,  (E.  65) 
fvoEvovoiVf  oxoxdCf^vxat,  jtoofTig  dh'  tfjt*  Evgloxovv 

(E.  66) 


300 


310 


315 


320 


328  K,  Krumbacher 

yid  rovTo  ndV  ägxl^ovaiv,  fivQtokoyovv  xal  nkrjoxovv, 
335     aäv  sldav  'tL  jicog  nnorig  dhv  xd/nvovv,  /liovq/hovqICovv 
Hai  fxk  &vfi6  V  Tov  djurjQä  näh  SavayvQiCovv. 
V  ttjv  orgdra,  nov  Inijyaivav,  vä  näv  vd  xov  yvQSVOvv, 
HaQaxtjvog  rovg  dnavxq,,  ^Qoyxq,  jovg,  nov  ödevovv.    (E.  67) 
„Uov  Jiäxsve,  Tovg  igcorq,  x^  eloxeve  kvTtrjjLiivoi; 
340     yiaxi  xaXä  atoxd^o/Liai,  Jicbg  eloxeve  xkfjajLiivoi/' 
ixeh'oi  ijioxQl&fjoav  „Ftaxi  alxfiaXoyxio^rj 
fl  &deXq>ri  jnag  xal  yC  avxö  6  vovg  jnag  ioxoxlo^rj» 
xal  Tcoga  xtjv  yvQsvo/uev,  /niJTicog  xal  xrjv  ebqovfiev, 
jigi^ov  vd  (XTto^dvcojuev  ol  ä^Xoi  vd  xrjv  dovjuev,*' 

In   Trap.   fehlt  die   ganze   Stelle   durch  Verstümmelung 
der  Hs.    Sie  beginnt  erst  mit  V.  435  Andr. 


2.  Escor,  fol.  146^—147'. 

el  dk  ovx  ^{^jig  x6  yogyöv, 
jud  xdv  7iQoq?ijxrjv  xov  xaXov  xov  jtiiyav  Maxovfiexrjv, 
xd  xixva  oov  vd  ocpdl^ovoiv  xal  i/nevav  deXovv  nvi^f}' 
xd  de  xogdoia  oov  xd  xaXd  äXXovg  vd  jiegiXdßovv. 
xal  äv  ovdev  SX&fjg  xd  yogyöv,  .  .  . 

Crypt.  n  V.  84  ff. 

El  /ii]  TiageX^fjg  ydg  xaxv  xal  eX&j]g  elg  Svgiav, 
ol  diujgädeg  ßovXovxai  ijue  vd  noxafuoovv, 
xd  xExva  oov  vd  o(pd$a)oiv  wg  Jiaxgog  änooxdxov, 
xd  Tfo-ird  oov  xogdoia  rd  Tiagadcooovv  äXXoig, 
tt  xal  oxevdCovv  did  oe,  vno/Liovijv  ovx  ^xovv. 

Trap    V.  211  ff. 

7iX}}v  el  fii]  Jiagayiveoai  xdxiov  elg  2!vgiav, 

ol  'Agaßlxai  ßovXovxai  ijue  xov  &a%'axcooai, 

vd  oqd^CDoi  xd  xixva  oov  naxgog  wg  änioxovvxog, 

oov  xd  xegnvd  xogdoia  äXXotg  nagaöo&fjvai, 

ä  Aid  ak  oxetHi^ovatv  tj^tegag  te  xal  rvxxag. 


i^'ue  neue  HandHhriß  deg  Digenü  Äkritas. 


329 


Andr.  V.  666  ff. 
7rlf]v  d  fiii  Ttagaylreoai  td^^iov  ek  Svgiav, 
of  'ÄQaßijm  ßovXovxQi  l/ii  rov  &QvaT€üoait 
rä  0(pd^ajot  rä  riKva  ooxu  jiaxQ^g  vjg  d:xicnovvTOgf 
Qov  ta  legTtvd  xogdoia  äiioig  nagadof^fjrm, 
xal  6  ^e6g  x^^^^^*  ^^  ^tbvra  dnö  rov  H6ofwv. 
Im  Oron.  fehlt  der  ganze  Passus^   dessen  Stelle  hier  zwi- 
Lflchen  V.  617  und  618  wäre. 


a  Escor,  fol.  UV^UV. 

dviyvowav  rd  yonufima  xal  ovkoq  idi]lo}rav' 
xal  (os   rjxovoev  rd  ygäfißara,  ldXißi}y  ij  tfn^x^)  toi»i 
ixav&fjxap  rä  osiXäyxy<^  tov,  ix^i^riv  ^  xagdtä  rar, 
ijxovoev  6iä  t^v  fidwar  tov  ,  .  . 

Crypt  n  V.  105  f. 

d>g  dk  eISip  6  ä^trjgäg  zip'  ygaiptp*  t>]s   uijJQog  toi», 
ionXayxvioüt]  xaxä  noXv  cbg  vidg  Tijv  ft^iigaf 

Trap.  V.  235  f.  ' 

xal  c5^  fiHovo&  rä  ygäf-i^iota,  l&Xißi]  ^  ^'^X^  ^***^ 
xal  ^  xagöia  zov  nigwaxetai,  fiXitjoe  rtjv  fifiriga^ 

Andr,  V.  686  t 

xnl  <bg  f^xovüs  rä  ygdfijunrat  l&Xlßij  tj  v''*iK*?  ^^^> 
xal  xijv  xagdlav  rirgwaxETai,  ^jXifjoe  rijv  ^tjiSga, 

Oxon,  V.  655  ff, 
tcJtc  tov  Sivovv  Ti/r  yga^^ff,  dvoiyei  xal  diaßd^it 
xal  t6t€C  iip^  rijy  ntxga  tov  ßagtid  dvaarevd^u, 
ytax^  Imxgd^tjxtp  noXXd  rd  nmg  tov  xajagäxat 

»J  /iidva  ,  ,  . 

4.  Escor,  fol.  158^ 

ijvgiv  tAv  0donajjövv  xal  iH£lT€fo\^v\  etg  ro  xXivdgtv, 
oXXc^v  tir]glaji*  digfiata  elxe^*  dTidray  [^änoJxdTCOt 
t6v  Xiavta  xal  £täv|  avaygov  eJx^  TtgoaxetpaXddtv. 


330  K,  Krumbaeher 

In    Crypt.    fehlt    die   ganze   Episode,    die  hier  nach  IV 
V.  25; J  folgen  sollte. 

Trap.  V.  1061  f. 

xal  fVQR  xi>v  0iX6na7i7iov  5t'  ^xeixo  elg  xUvtjv, 
7t()kkd)v  {^tjQicov  diQfiaia  elx^v  äjidvco  xdtCD. 

Andr.  V.  1599  f. 

xal  fVQOv  t6v  ^doTiajiTiov  x'  ixohexo  V  xijv  xXlvrjv' 
7iokk(7)v  ih]QUi)v  diQfxaxa  sJx^v  djtdvcD,  xdxco, 

Oxon.  V.  1453  ff. 

(^iXtmdjtJtovv  xoy  X(j<rTagxov  XQdCot*v  xal  ovojudCovv, 
Od'  ijxavf  (h'jdfia  xov,  okoi  xove  XQOfm^ovv) 
xafh'iUFViK  xQtyvQov  xov  JioXXibv  i^egiwv  deg^dxia 
rrgiaxorrxai'  xal  elx^y  xa  axißddeg  xal  difidxia, 

h.  Escor,  fol.  170^. 

«,Ti/Atl><^  fiV  XOY  olxor  xov  xal  i&gfjrt^oe  ßAryaixo^' 
xal  j(«4>4*aiiarn  o4xor6uf^oti\  5n  ra  xov  dneaxfUfy 
tVinVxd  .nu>tV>rc  diajiexxovg  tuio  ^voiag  cirr/oio. 

llior  biotou  dio  vior  anderen  Hss  einen  Tiel  ausführlicheren 
Text,  tünen  dem  zweiten  Verse  des  Escor,  entsprechenden 
Vors  hat  nur  Trap.  V.  lo9l: 

IVr  dritte  Vers  lautet  in  Orypt.  IV  V.  d«>4 : 

in  Trtip,  V.  l:>9^: 

in    V''  -r.   V.  ^^r^O  ^c^r:a<\ 
irt  ^H-ix.  V.  :iv.>^; 

yi^^iim^  :mä^Aiitr^  AM/^ttW^-  i»tT^''*"B$M^  mak  JLum 


neue  BaneUchrift  des  Digenis  AX^ritoi^ 


331 


6.  Escor,  fol.  171\ 
Hai  rd  xogaoiov  iyifuoEv,  fi€ydJi(o^  x6  dneäix^y^ 

xal  6  avQtafidg  zov  dgä^onog  tA  yihov  jrjs  xaXrjg  ficv 

Crypt.  VI  V.  86  fif. 

^  dk  HÖgf)  jiQög  yilmxa  ä^ieTgov  Hivt^x^Eiaa 
fpandofLaxa  xov  ÖQdxovxog  q^EQoxma  hil  fjtvij/afjg 
xal  xov  ovrxofiov  ^raxoy  ixiivov  xov  f.tey{dovg, 

Trap.  V.  1964  ff. 

otmco  d*  fj  Tidgi}  JTfJoolaßchv  aviov  yMTtjyoijia^f 
^XX"  av&ig  wg  JiQog  yilojxa  anttQov  xivii&sloaf 

irxdofiaza  xov  dQdxovxoq  (pigovoa  ötJ  fanififig 
nal  oiirxofAov  xiv  ^dvaxoy  ixelycv  xov  fieyi&ovg, 

Andr.  V.  2925  ff. 

oiinoi  1]  xÖQr]  noolaßojv  avrov  TtagtjyoQiag, 
dJU'  avdig  mg  ngog  yikwxa  ÜTtagov  ixtvri^yj, 
(pavxdofiara  xov  ÖQdxoyxog  ixalrtj  iv&vfutxo, 
xal  ovvxofiöv  xov  &dvaxoy  Ixilrov  xov  9figtov, 
'  In  Oxon,  (V.  2420)  fehlt  die  Stelle. 


7.  Escor,  fol.  17i^— 178^ 

yjBvdBlg  k6yot*g  n/c  emev* 
Ek  T(i  ßowd  in£QixQEx<^  ^al  Hogv(pdg  {xatv]  dgiiüVt 
t&eiOQOvy  xd  xkadta  xai  xäg  (jxevag  xhtoovgag. 

Il^eiigow  xal  tohg  Xlovxag  dntom  dg  tö  xaXdfuv 
xai  xovg  ildqovg  ißXemi  unioa/  Eig  xo  dXaog. 
Die  Stelle  stammt  offenbar  aus  der  Rede,  durch  welche 
Digenis  seine  treue  Gattin  über  seine  hedenklichen  Beziehungen 
5U  der  Heldenjungfrau  Maximo  zu  beruhigen  sucht.  Sie  fehlt 
in  den  vier  ajideren  Versionen,  wo  die  ^lügenhaften 
Bn*  wohl  ab  unpassend  für  den  Helden  befunden  wurden, 


332  K,  Krnmhaeher 

und  nur  schonend  angedeutet  wird,  dass  Digenis  der  besorgteii 
Genialilin  seinen  Fehltritt  klug  verheimlichte.  Orypt  VI 
V.  824—883.  Trap.  V,  2671—2682.  Andr.  V,  8841— 3852, 
In  Oxon.  (V*  2963  L)  ist  die  unrühmliche  Epiaode  fast  völlig 
wegretouchiert. 

8.  Escor,  fol.  180^ 

xal  iyä}  fjkjii^a  vä  arjxwßjjt  va  eIöji  TiQoq  ifiivav* 
ilXQ  t6v  rotn*  fiov  eiV  ^(nov^   nnl  6  ylgcov  6  0tkondnc 
in6  nXuyhv  fiov  ^I^fv  xal  HOVTaQmv  ^^  idwxev 
Tf}y  (pagav  dq  lel  firigla  .  ,  . 

Die  Stelle,  die  aus  der  Schilderung  des  Kampfes  des  Di- 
genis mit  Philopappos  und  Maximo  stammt,  gehört  vermutitcfa 
Yor  Nr.  7;  das  Blatt  180  wäre  also  falsch  eingeheftet 

Crypt*  VI  V.  507  ft 

lGi&f.u]V  dk  iyo)  rtjQCjy,  &i  iyeg&rjrat  exft' 

xal  (bc  iv  JovTcp  ^ov  t6y  vovv  eig  wQav  iaxokoufitjv, 

Xa&iov  fi€  6  0iXoJtanjiovg  Hai  il^cbv  ix  nkaylov, 

HOVTQQiaV    h    Tfp    ftf)Q(p    Ttt^idoXEl   flOV    TOV   TjiTior. 

In  Trap.  ist  die  Stelle  durch  die  grosse  Lücke  nach 
V.  238i  ausgefallen. 

Andr.  V.  8487  ff. 

lordjbLfjv  ißXenop  amov^  äv  ndXiv  iyeg&eit}, 
xal  ms  h  tovxq}  ^ov  tov  vovv  ixo^tjv  MI  iS^ar, 
TtXavöJyiag  jae  6  0iX6jiajtJtog  fjX&er  ix  TtXfiyhif 
xal  V  TU  fi€Ql  iXdßüioev  to  äXoyov  fAov  ixelrog, 

Oxon,  V.  2751  ff. 

6  ^iXoTtdnnovg^  ßXiTioyiag,  xovQipä  Ajti^  t6  nXdyi 
€k  täXoyo  TOV  Aiyirij  /^^  h*av  xortagt  ndyn 
xal  xoytagid  läXöyov  tqv  th  to  fug    iÖooev  tov 


Eine  neue  Üandsehnß  des  Digenie  Äkriiaa. 


333 


9.   Escor,  fol.  185'-%  198'  %  199'  %  200'  %  201'. 


15 


avva  jia%*a}fjatQ  t  185' 

:i  ärtiivfo^ev  imitjiTjatv  xtßovQir  tov  ^m^diov^ 
€v^g  Tva  äTTOjtüfj  xd  oö}fia  tov  rexarigov:  — 
Mx0t»aaFf,  r^fivadoare  rcW  Td<pov  tov  vtanigov, 
Sri  ^lor  äavftaoju^  TioXXä  Tiagd  rov<;  älXovg,  nXiov  6 

naod  tov  ßaothiwavrog  ix  fiyc  IlEQaia^  X^Q^^- 
kioitjoii*  (so)  Jiokv^triya%niv  Hat  TtavatQaJov  rdtpov 
f  Hai  irix^^^v  ^  ßaolXioou  tov  ngog  jiagaooydgdotK  f 
ovTog   yng   S   iiayHdXXiotOi;   xal  jjavojomog   (Hs:   nm'awg) 

Td(f>oi; 
ibg  TOV  doxEiTf:»  ol  äg^oytE^,  ^ti  yfnfdfjc  f%-Tap;^n[?].  10 

m^  ix  JtavT^tg  mötEven,  Sn  dkfjMg  vTtdgx^it 
Sil  ßeßotmq  (He:  ßalßeog)  elgrjTat  ek  ndiTag  äXji^EVEtv, 

Ioi  ^övov  eh  T^iyy  {^draTor,  äjidfay  eig  tov  zdtpov  [yovj, 
(**  —  «—«  —  ^—)  iv  Ah}^Blf^  70  liyoj, 
elg  t6  xovßovxktv  de  oi^id,  ijaitgoo^ev  Tfjg  tpiaxtvag, 
dg  t6  djTEöxinofta  tov  ÖevÖgov  cbgaTov  xgeßßdTtv  oTixei" 
ol  ^Cfc  ^oav  ofiagaydol  xal  td  xavdt'ia  novo 
xal  jä  TtoMgia  ökö^Qt^oa  did  Xi^v>v  jiohni/uioy* 
^  fiimi  ^^  ^**^'  Hgaßßdrov  Öe/iAivf}  d(vv  /nerd^tv, 
xai  xelTni  £agaxf}Vixo%*  ^iiTa^mTbv  t6  TiEVXiV. 
HOi  ändvm  xeitui  TitXoiTÖv  ö$m*  Ttgaairoßoidtv 
xal  vtfdjiXcüfja  oeXivcoTov  jueTa  XQvang  vegd^ag, 
xal  Hitrai  äjidllyoi  6  Atycvijg  nldytov  Axovfi7ttojnh*ogt 
xal  tu7tQ€io\^tv  Ton*  yovnTmv  tov  xdthTai   ij   TioOtjtfj   roi' 
xal  TQiyvQov  rov  oxexovoiv  rgtaHoma  naXXrixdgta, 
xal  ot  xgiQHdotoi  Jioav  ifiog<pot  xal  xdxxtya  ipogovatv* 
ßaoTovv  ajia^ia  tiXoy*)]fpüJta  xal  arixovv  ^fAjigom'^iv  tot\ 
Tovg  Etx^r  JidtTag  (fvXaxag  ilg  tag  axf^dg  xXtiOovgag, 
xal  iff^daxTov  Ttjv  'Pfoiiaviav  än<J  ßdgßaga  ^ihi^ 
xal  wadv  JtovkhCin  jrdytigjtva,  Stav  äjiojtETdoovVt  30 

xal  q)igi'ov%*  xTv:tov  :idrTeonrot*  tor  {^avfinoTov  \4xQmjv. 
*E7i€tÄij  TidrTa  rd  rir^jrm  tov  nXdvov  x6o/wv  toviüv 
ßdvoTog  td  {t:toxüaTBl  xat  '^Ai/hjg  zA  xrgöatvEif 
IM«,  mu^h.  d.  piiiicui.-piiiioK  Q.  it  bist  ja  ^2 


20 


f.  186» 


25 


336 


Jff.  Kftmtacher 


110 

f.  199^ 


115 


hqI  iq>6xov  AnsnltiQü^oev  SXfjr  tfjv  x*^Q^^  roun;!', 
laxitp&rjv  äyyeXov  Jtvgoq  Ati^  o^gavou  dneX^ovro^' 
xal  mg  x6v  eIöev  A  Jtyft'^Ci  hQ6^ua(€v  ^teydim^ 
106  xal  xijr  nahjv  rov  Itfdjvia^Ev  (Hs:    ixpovln^ti*)  vä  Idfj  rf/v 

tpavtaniav' 
DXinetqt  Hah)t  rdi'  äyy^kov,  önov  U8  &ikEt  ndgf): 
eXväfjOuv  rä  ;fc^ta  ^ov  ix  r^r  Idiav  lov  äyyiiov 
Hfii  Ikv&rjoav  ot  mfioi  /äov  bi  t^v  Idiav  %ov  äyyiXov. 
x&v  äyyeXov  dinoloyq,  xal  Tfjv  xaXrjv  rov  Xiyer 
Kaklet  OK  tldig  AtC  äQxV^>  ^^'  eix^i^ev  t6v  nd^öv, 
o/]\\/iegov  x^^Q^Co/i^^^^  9ial  ämQXOfim  tk  toi^  hoo^iov, 
t6v  fiavQOP  oxoTetv6raTOv  xal  7idy€i>  xätcü  elg  "Atdfjv* 
ori^iegov  nh}Qihvei  fis  6   ßdyarog  xal  viidycü, 
xaXtj  fjLoVf  //?J  fie  öinao^ßg  dg  tov  ixelae  xoofwv, 

lyo)  Ma'  (f^ydv  xal  mEiv  ej^Etg  xal  kovoi^g  xal  äXid$f]g 
xal  iaiv  dqjtjvu}  m  nkovmav  noXXd  &nb  Jiavtd&ev" 
koydgiv  ix^K  nEQioodr,  do/ijutv  «ai  ;^^üo<i^it»'' 
ol  TQlxltvol  fiov  yfpLovmv  ßXatila  vtpaofiiva. 
xal  firjöky  äXXov  ivßv/ifj&fjg,  äXXov  vä  negtXäßfjg' 
AXXa  äv  §vjU7jt^fig,  §v^u)oov  aXiov  yiwrigov  dydjtfjp* 
vä  fii}  ipoßäxai  ndXi^wv  dg  tovg  ßagiavt  noXifAOvg, 
xal  jiävxag  ^tigvE  xaxd  vovv  xal  fih  tiij  iiyo/iorijo^g* 
^vfiäaat  xal  fj^evgeig,  Xvyegi^,  rd  Ttgioxitva  ixitvOt 
125  Sri  noXXd  ißottXtvßtjoav  rov  vä  ^€  ^aynTtnoavv, 

xal  iyw  ndvza  iCvyiova  tovg  xai  äXXa  nXia  ^nagd  lotna^ 

IxQ^d  TOt*C. 
Xi}oxd6ng  { — J  indxn^n  xal  HXriv  xijv  ^vgiav 
tag  kg^fAovg  xaxoixfiaa  ndketg  xaxaiHrjiiiivag' 
Tüma  ijioirjaat  xaX^,  ksiva  rd  x£gdioto. 


116    Ht:    t]^   l^^*^   ^afifv  um  ntnifV  ixnCm  xal  lopo^tii   xai  dX4^ri€. 
Der  Sinn   Ui  wohl.*    .Ich  woU«  '  und  itu  trinken  h  nd 

lü  baden    und   die  Kleider  m   v  Nach   Oeiu    vorii  -n 

utid  füllenden  Verein  mauste  man  aber  ein«  Au^Majjje  dr*  Pigüui«  «h*f 
sich  «L*lb*»t  t»rwarten.  Ea  »»ili 'ip*  -^'n*-  T.r.rlff,  ,uh'i-  -m.»-  V,.,  iM--«'fM'  ift 
der  Vttrifolge  vonsulieg^itt 


Eine  neue  Handschrift  des  Bigefiis  AJcritas. 


337 


Alla  nXrjQöfpöqioov  ro,  8tt  iyto  äjto^^yi^axQ}'  130 

6  Xdgog  TQETtet  ix  navrig  tov  jti/)7T0TE  x^ajiSvia' 

ü  Xägovra^;  x^^Q^C^i  /*f  änd  oov  Ttjg  tpiXjaTrjg' 

6  ^Aid})g  jragaXafißdvet  fie,  noXvv  {j^m  thv  n6vov  (| 

üov  xrjg  d'ßXiag  ivinev,  tfjg  jaTieivrjg  r^g  x^Q^^'  *^-  -^0^ 

louiov  dvoojjiei  rdv  i^edv  ix  ßd'&ov  tfjg  xagSfag  1S5 

xaid  rd  ovfijra^kg  ("— J  xal  ipiXdv§Qm7iog  fiovogp 

Snmg  vn  fiexa^ufXfi&f}  xai  dtprjof}  t^v  ^>VJ[''^v  f.iov. 

et  di  av  TiQQQxlfi'df}  6  ^edg  xal  dilEt  vd  djio^dvQ}, 

T&v  tfjg  x^oQiag  xnvomva  oö  dvrafiat  uno^iveiv, 

Ag  dtarl  oifdiv  rjrf*?  rtvdv  Elok  rovrov  töv  x6öfiov,  140 

öbdh  HVQiVf  ovdk  ädilrpta,  ovdk  TiQooxdrrjy  (Hs;  nQoxofrxd- 

xY}v)  äkXor. 
htelvf)  6i  c5c  ijxovoev  xä  Xdyta  roß  xaXov  rtjg, 
ei&icog  Jigog  dvatoXag  Tdc  X^^Q^^  ixnexdaag 
xal  TiQog  {}edv  iXdXfjaEv  fpo)vfjv  noXXd   &li/[iuivj}* 
KvQiE  &ei,  na^tßamXEVf  &  xriaag  rovg  alrhvag,  145 

Ö  axEgEwaag  ovgnvov  xal  y^v  dEjUEXuoaagf 
6  ^dinaonv  xfjv  äneigov  yfdii/tcp  negitEixloag 
xal  xovg  l^^vag  jro(K-  nvxtjg  ngoaxd^ag  Cfooyovdo^ai, 
6  jiXdoag  Ak  xai  rov  *Add/i  djio  yi}g  xal  xrjv  Evav, 
6  x^  XEQnr*6v  nagd&Etaov  X^^Q^  xaxatpt^xevoag,  150 

6  idyco  ovartjaduEvog  Sgi]  xe  xal  rag  vdnag, 
tpä)g  xal  digav  di^  i^tk  dsi^ag  xfj  afj  ddXi(^^ 
ö  xaxeX^iov  1$  offgavov,  (hg  f]diXf]aag,  Aöye, 
nal  oagxofpdgog  th'   Ifih  yiyovoigi  nXaoxovgye  juov, 
ual  ^fjxigav  xrjv  äxgavxov  ovgav^v  djieigydoax  155 

<w  —  v_Lv_iw_)  xal  yEt'rtjüelg  äggevaxayg 
xal   Jiadüiv    Ag   a^nog    oJSag    xai  cbg  tjMdxtjoag  aravQw- 

drjvai,  XtMori  ftov  (Vers?) 
dv&mamv  dtogav^ievog  xdfwl  t<j}  Ttejttmxöxi, 
ivdortjaov,  <ptXdp^g(ünet  nal  xiv  \\  IfiAv  ad&Evxff  t  200^ 

xal  iög  xov  vyEiar  djio  dgxyg  dfg  iXiijfucüv,  A6ye,  160 

nal  ßf}  idö)  (rov)  üdvaroy  noxi  xov  nodijxov  fjov, 
dW  (hg  noxk  xhv  Adi^agov  AvEoxtjaag,  Xgiüxi  ßwv, 
xal  olhag  ynOf  fpiXnvßgamE,  AldgSag  xal  tijg  Magiag» 


338 


K.  Krunila>cher 


digfimg  Htvovaa (?)  ddxgva  («^w  —  i-r—v), 

165  ovTü}g  Hai  vvv  ivdojf^oov  veov  fljieAntüpUyoy 

äno  jiavTa}v{so)  {lan'}  laxQmv,  yvojgifuor  re  xal  <piiu}v 
pcal  iöol  ivai^ifievov  idc  iXnldag  ändaas 
Kai  dg  T?)!*  ariv  ßot'j&eiav  dd(^)  fi*^^o^ot»VT<i» 
val  difTJioza,  (ptkav^gcoTtEt  fxovE  xaQÖioyvaHna, 

170  6  <Jr  i^k  (  w  _  V  — )  iHovoioK  ntv>x^voag, 

6  TTjv  ijurjv  äof>iv€iav  i^eiotfil  tpogiaagj 
{naiy  i\ia&Qhpaq  äjieiQov  nXij^og  in  :ievji  äQxmv 
^ij  naQldjjg  xi}v  dhjoiv  i/tiov  tfjg  (i)^a|iac, 
dii*  l$a7i6o7€dov  raxi^  ihoq  i^  äylov, 

176  xkJvov  td  offg  aov,  dioTioTat  Eiodxoifoov  tvx^}^  f^ov, 

ngoifdaoov  iv  dvdyxatg  n'v,  JtQÖrfOaoov  h  tfj  &l(yf€i^ 

IX&i  €lg  Ti]v  ßoTj^etay  ^ßi^mr  rujv  deofievcov, 

xal  Tcl  IXhj  üov  f)fid>v  ^av^dotmoov,  oIxxIqjhov, 

[ix  ^avdjov  dvdoirjoov  Ixhrjv] 

ix   {}avdiov  ärdarrjaoVf  EVOTikayxySt  o6v  txiTf}i% 

Ix  davdiov  i^dQTiaaov  viot*  fAi]  /uejayvdyia, 

avrög  yäg  Etpr^gt  dioTtOTQ,  xäv  Slütg  /4r/  ^aktioai(?) 

&fiaqxOi)Xov  xbv  ddvaxov,  8no>g  vd  ijiiojQiyffj, 

xal  vvvt  (pddv^Qcont  ^ti,  ßo}]{>Ei  xcß  xeifiirqit 

IxxEivov  I   <— >  xfiv  HQmatäv  x^^^^  ^^  evsQyhtjg 

xal    (og    xiv    IlixQOV    (Hs:    naqbv)   iomoag    öakdxxiqg    ro 

(Hs;   ^aidttoo]"^^  yj%*dv%*uv, 
ovxo)  xal  injv  iihjaoy  IxhtiP  aov  äxQ^^^ 
t&ov,  x^Ibvüov,  dioTioxa^  tiqwxov  ißik  lEih^dyai, 
^O]  Tdco  xovxov  ä<po}rov  (Hs:  &fA(po%*ov)  xaraxei^ivov 

(Ha:  xaxix£t/j^:yov)  äTtvovv, 
xal  xakvfifihovg  Afp&aljLiovg  ^pfoyra  xovg  ibgaiovg' 

190  fit)  tdiö  x^^gag  xAg  xakag  idgayaOtj^iarovöag 

deÖEfjiivalg^  axavgoEtdwg  vexgtxd  ovaxalfiivag, 
fifj  fwv  rd  66txQva,  Xgitni^  nc^&fig  hiofiivtig* 
fiif  fik  xoaamtiv  xaxtddv  nagax^agfjäjfg  (Hs:  nagctxtogimgf^ 

dJU'  Inagdv  ^mv  i^y  ^pvxh^  ^Q^  ^ov  yevi^T&m  xavra. 
W}  ndvta  yäg  Xdyq^  itn^aöait  o&div  dÖvraxi^OFi, 


180 


f.  20K 

185 


Mm  neue  Handschrifl  du  IHgenis  Akriiav. 

e&c  dk  nal  {Tai;>Ta  Heye  fiExä  noV,ü>v  daxgvioVf 
atga^etoa  (Hs:  ojgatpfj)  toviov  ahpvtdog  (Ha:  i^rtdoi)  oiga 

ifwxOQgayovvui 
Hai  tdv  novov  tir  äjteigoy  tpigetv  fitj  dvvafihti  (Hs:  dvvdfifi) 
Jtdw  ikiyib^ifi  fii)  oeßanxia^iioai^)  (Hs:  fif)üitßaniio&fioa) 

xai  neaovoa  Inl  zfjg  yijg  TragidwHir  td  nr^vfin.  200 

oß  yäg  eytvwoxE  noxk  ti}v  vn^Q^iivt}v  ^Xltpiv 

Hai  iv  fitq[  (Hs;  ifnä)  äfjUfoteQoi  tr^v  &Qav  ulevttbaa. 


III. 


Die  genealogiscbe  Stellung  des  Em^or.  uml  ntnin^  liktrnrinaha 
und  sprachgeschichtlicbe  Bedeutung  la^en  sich  auf  Orund  d^r 
im  vorhergehenden  Kapitel  DiitgeteiUen  Proben  ziemlirb  gc^imu 
bestimmen.  Um  die  selb^ndige  Vergleichung  At^i  Teit**  und 
die  Kontrolle  der  folgenden  Cntemichung  zu  «rbiichi^rn,  hiibii 
ich  die  dem  Escor.  entspr^eheiideD  Btflck««  der  i\hrigim  Hönr- 
beiiungen,  deren  zum  Teil  telUoe  Aii«gab#n  wohl  nur  i 
gen  Bibliotheken  Tereintgt  «et«  dSrflcn,  in  «»steri^j  b' 
Dadurch  wurde  ancli  die  Mflgtkhkefl  g&wimumf  diu  if#rfrAndt- 
scbaMiche  Beziehung  der  eioxeliheii  BrntMit^ngm  %u  KmttTf 
dureb  Anwendimg  dee  geeperttCB  Droeket  ibemehtliith  ^(H 
Äageo  SU  fähren.  Ich  hiwpreelif  Don  dit  fMebirMNPn  nn^h 
ihi^r  Reihenfolge  in  Kapitel  R 

Hr.  l. 

Die  Vetgleicfaung  der  ühn^^-n  T^Ut  tmifK  Jmi  ^ 
An&Bg  4m  Vimkm  »   Lmte«»  fm  t'-^      '^ 
loreo  gegBD^eii  iil  (#.  a.  B«  914)1  Wie»  4«n 
der  aus  Eeeor.  nnisiiäaim  Partie  h^ 
70  Ve»eo  dei  Emit.  i»  Crfpt  ^  die  MKiOd«»  ' 
aiui&beRid   su  itigteiiefi^   wesl  MfU  ifMK  ääM 
«ntopreebeiide  MTii    tirrt  m  bmJmw  lel   *  »7#  \n  kn^f.  Um, 
tu  OioiL  1S7  Tene.   Ia  Tr*f^.  «I  4m  pmm  MMMk  iwr«  4mi 


338 


K,  Krumhacher 


I6&  ovjoyg  xai  vvv  m*doTijaor  viov  äjiEXnio^evov 

dno  JiarfO)v(so)  (lojy)  laxQOiv,  yvmQif^uov  xe  xal  <pUwv 
xal  iaol  ävQi&i^tyov  id^  ihti^ag  ändaa^ 

val  diojtöja,  tpddr&Qionef  jn6vf  xaQ^ioy vmmat 

170  6  äC  ifiE  (  w  ^  ^  _)  ixovohog  jttiDj^evoagt 

ö  t^v  Ififiv  äo&SvEiav  i^Elavtl  tpogioagt 
{xal}  dia&giyfag  Snetgov  nXijdog  ix  nevts  äQttor 
firj  jiagiöfig  xi^v  difjoiv  ifiov  tijg  äva$iag, 
dlX^  i^ajtOüxeiXov  xaxv  ihag  iS  äylov, 

175  hXTvov  tö  €fig  oov,  dianoxa,  dcdxovoot^  eifxtjc  fiov. 

TiQOip&nüov  iv  ävdyxatg  yvv,  ngöfpüaaov  Ir  xfj   {^klym, 

IX&k  elg  xrjy  ßof]&eiav  ^fiojv  x(7}v  Öeofiiyajy, 

xal  xd  iUrj  oov  ^^mv  ^avfidaxmoov,  olxTlQfAOv, 

[hc  &avdxov  dvdnxtjaov  Ixerr/r] 

ix  Oardxov  ävdaxrjoov,  evankayx^e$  aar  IxcTtjVp 

180  ix  {^avdxov  iidgnaooy  rior  ptif  ^sxayvdrxa, 

avxog  ydg  l(prjg,  dionoxa,  xäv  Sltüg  uii  ^£^r;cKi((?) 
djuaQxmkov  x6v  i^dvaio»',  S7iQ>g  vä  imaxQh^ff), 
xal  >njvt  (pddr&gojnB  ihi,  ßofii^et  xtp  xa^ivcpt 
201'*  ixxetvov  II  ( — )  T^v  xQaraidv  x^^Q^v  tbg  evRgyhi^g 

186  xai   (bg   r&v    llixQOV    (Hs:    nagov)   Xotoaag   &aXdxxffg   rtn^ 

(Hb:  ^aXdtiöov)  xtvdvvov, 
ovxQ}  xal  vvv  iüfiüov  Ixixrjv  qov  ä^geloy. 
tioh,  xÜBvaov,  diosroxa,  ngonov  i^  tt^drah 
fiil  tdm  xovxQv  d(pü)vov  (Hs:  d/nporor)  xaxaxufiivav 

(Hs:  xaxtxfi/iÄivoy)  äjxy(}v%% 
xal  xcdvftßiivovg  dtp&al^ovg  txorxa  xxAg  mgaiovg* 
/ifj  Tdü)  x^^Q^"*  ^^^  xaXdg  ddQayathjjnaxoifoag 
dedsfiival^gl^  oxatfQondc^g  vexQixd  ovaxakfiirag. 
ßil  ßioü  td  ddx^VQt  Xgtaxif  Jiagidfjg   äeo/^hnig, 
fii)  fik  Toaavxtiy  xaxidnv  naga^mgr^ofig  (Hs*:  .Ta^d;^co^/oac) 

AXk^  tnagdv  fiov  rrjv  tp^x^*^  ^^^  ^^  yfifAitfai  xavxa, 
195  ndyxa  ydg  Xoytp  Avvaoau  oiAir  etdt»rari}<7ft. 


Mn€  neue  Hamhchriß  des  Diffenis  Äkriia», 


339 


c6^  de  Hai  {Tav)za  Heye  ^rrd  nollcov  iaxQvmr, 
üiQQ^JEiaa  (Hs:  argatpff)  tovxov  a^tpnöog  (Hs:  iff^Pidag)  aiga 

tf'V/yggayovyra 
xai  töv  n6vov  x6v  äneigov  (pigeiv  f^r^  dvvafiivf)  (Hs:  dvpd^t}) 
jtdw  iXtyca&rj  fiij  Qeßajttic&€Taa{?)  (Hs:  jui/joeßQnTtrr&rjoa) 

Tf]y  &Xiiptv 
xal  neaovoa  bii  rijg  y^g  nagidtünev  td  Jtrevjua.  200 

oif  yäg  iyivoyoxE  noik  vijv  V7ii]gf4h'7]v  'dXixptv 
Hai  h  fuq  (Hs:  ^fuä)  äfofoisgot  ttfv  ägav  jeXEVja>oa. 


IIL 


Die  genealogisch©  Stellung  des  Escor,  nnd  seine  literarische 
and  sprach  geschichtliche  Bedeutung  lassen  sich  auf  Grund  der 
im  vorhergehenden  Kapitel  mitgeteilten  Proben  ziemlich  gonau 
bestimmen.  Um  die  selbständige  Vergleichung  der  Texte  und 
die  Kontrolle  der  folgenden  Untersuchung  zu  erleichtem,  habe 
ich  die  dem  Escor,  entsprechenden  Stücke  der  übrigen  Bear- 
beitungen» deren  zum  Teil  seltene  Ausgaben  wohl  nur  in  weni- 
gen Bibhoiheken  vereinigt  sein  dürften,  in  extenso  beigefügt. 
^ Dadurch  wurde  auch  die  Möglichkeit  gewonnen,  die  verwandt- 
schaftliche Beziehung  der  einzelnen  Bearbeitungen  zu  Escon 
durch  Anwendung  des  gesperrten  Druckes  übersichtlich  vor 
Augen  zu  führen.  Ich  bespreche  nun  die  Stichproben  nach 
ihrer  Reihenfolge  in  Kapitel  H. 
der 


Nr.  1. 


Die  Vergleichung  der  übrigen  Texte  zeigt,  dass  in  Escor, 
der  Anfang  des  Werkes  im  Umfange  von  200 — 3U0  Versen 
verloren  gegangen  ist  (s.  o.  S.  314)*  Was  den  äusseren  Umfaug 
der  aus  Escor,  mitgeteilten  Partie  betrifft,  so  entsprechen  den 
70  Versen  des  Escor,  in  Crypi  —  die  folgenden  Zahlen  sind 
annähernd  zu  verstehen,  weil  nicht  ganz  sicher  ist,  wo  der 
entsprechende  Einschnitt  zu  machen  ist  —  87,  in  Andr.  100, 
in  Oxnn.  157  Verse.    In  Trap.  ist  das  ganze  Stück  mit  dem 


340 


JT,  Krwnbacher 


Anfang  des  Gedichtes  durch  VerstüiiioieluDg  der  Hs  verloren^ 
gegangen.    Das  verwandtschaftliche  Verhältnis    des    Escor*   zu 
den    Übrigen    drei  Texten  wird    aus   der  Vergleichmig   der    imi 
Drucke    hervorgehobenen  Stellen    klar.    Unter  den   87  Veraeo  ( 
des  Crypt.  sind  20,   die  im  Inhalt  oder  Wortlaut  genauer  mit 
Escor.  Übereinstimmen,    unter   den    100  Versen   des  Andr.  54, 
unter  den  157  des  Oxon.  23.    Am  weitesten  entferat  sich  von  i 
Escor,  also  Oxon*  Er  geht  zwar,  wie  die  erwähnten  23  Parallel^  i 
stellen  beweisen,  auf  ein  mit  dem  Escor,  und  den  Übrigen  Ver- 
sionen verwandtes  Original  zurück,  ist  aber  eine  ganz  freie  ver- 
gröbernde Nachdichtung,  in  der  nur  der  allgemeinste  Gedanken- 
gang beibehalten  ist.  Wie  tem  der  Verfasser  von  Oxun.  dem  Ori- 
ginal und  den  in  ihm  vorausgesetzten  Zuständen  steht,  bewei&t 
u.  a.  das  grobe  Missverständnis  V,  285  f.,  wo  er  das  Aufheben  des 
Fingers  als  eine  Drohung  und  Schmähung  auffasst.    Ebenfalls 
ziemlich  fenie  steht  CrjjiL ;    doch  ist  hier  eine  grössere  Zahl 
einzelner  Motive  mit  Escor,  identisch.    Sprachlich  stellt  Crj])t. 
den  äussersten  Gegensatz  zu  Oxon.  dar,  d.  h.  er  bietot  eine  ge- 
lehrte Bearbeitung,  in  der  die  sicher  volksmässige  Diktion  des 
Originals    im    weitesten   Umfange    nach    den   Hegeln   der   ult- 
griechischen   Schulspracbe   zugestutzt  ist.    Bei    dieser   gewalt- 
samen sprachlichen  Umarbeitung  hat  das  Werk  auch  sachlich 
manche  Einbusse  erlitten. 

Viel  näher  steht  dem  Escor.,  wie  nicht  nur  das  angeführte 
Zahlejiverbältnis,    sondern    auch    die    zusammenhängende  Ver- 
gleichung  des  Textes  zeigt,  Andr,    Das  Verhältnis  ist  s^),  dass  | 
wiederholt  ganze  Verse  und  Versgruppen  auch  im  Detail  ziem-  ' 
Uch  übereinstimmen,    dann  aber  wieder  auf  grössere  Strecken 
nur  ein  loser  Zusammenhang  besteht    In  der  Fassung  ist  Andr. 
Öfter  etwas  breiter  als  Escor.    Aus  den  3  Versen  des  Escor. 
V.  6— B  z.  B.    werden   in    Andr.  4    (V.  327-^330);    aus   dem 
einen  Verse  Escor.  18  werden  in  Andr,  2  (V.  352— 35S),    Dazu 
kommen  in  Andr,  überflüssige  ErklÄrungen  und  Betrachtungen 
die  in  Escor,  fehlen,  wie  V,  38«  f.,  391.   Natlhlich  aber  besteht 
kein  direkter  Zusammenhang  zwischen  den  beiden  TezttD^  trie  j 
man  u.  a.  daraus  sieht,  dass  manche  Verse  (z.  B.  14,  30,  49)  des 


Hn«  neue  Hafids^mft  ehs  JM^enis  AkrUat, 


341 


Escor,  in  Andr.  fehlen  und  umgekehrt.  Auch  die  Erzählung  ist« 
vielfach  verschieden;  z.  B.  kehrt  in  Escor.  (V,  57)  Kontitantin 
nach  dem  Siege  zu  seinen  Augehörigen  zurück,  in  Andr. 
(V.  396  ff-)  scheinen  die  Brüder  dem  Kampfe  beizuwohnen, 
freilich  ziehen  sie  später  (V.  402)  doch  aus,  um  den  Emir  zu 
treffen.  Sprachlich  ist  Andr.  zwar  etwas  mehr  nach  den  Regeln 
der  Schule  adaptiert  als  Escor.,  bewahi't  aber  doch  grösstenteils 
den  volksinässigen  Ton.  Wir  erkennen  also  schon  jetzt  in  Escor, 
-f-  Andr.  eine  sowohl  inhaltlich  als  formal  enger  zusammenge- 
hörige Grui*pe,  der  Crypt.  als  eine  ziemlich  freie  gelehrte  Um- 
arbeitung und  Oxon,  als  eine  völlig  freie,  stark  vulgäre  Nach- 
dichtung gegenüberstehen. 

Diis  oben  erwähnte  im  Umfang  dieser  Partie  bemerkbare 
Zahlenverhültnis  (Escor.  70,  Crjpt.  87,  Andr.  100)  stimmt  mit 
dem  Gesamtumfange  der  drei  chronologisch  nicht  näher  be- 
stimmbaren Texte  Escor.  (2600  Verse),  Crypt.  (:3749  Verse)  und 
Andr.  (4778  Verse)  überein.  Ob  sich  nun  freilich,  nach  Analogie 
einiger  anderer  durch  spätere  Überarbeitung  allmählich  anwach- 
senden Tulgärgriechischen  Texte,  aus  dem  Gesamt  um  fange  der 
drei  bezw.  vier  Di  genistexte  —  die  freie  Nachdichtung  Oxon. 
muss  aus  dem  Spiele  bleiben  —  ein  Sohluss  auf  ihre  chrono- 
logischen und  genealogischen  Verhliltnisse  ziehen  lässt,  bleibt 
ganz  unsicher,  solange  Escor,  nicht  vollstiindig  bekannt  gemacht 
fft.  Zur  Vorsicht  mahnt  schon  jetzt  die  Beobachtung,  dass  in 
iEscor,,  teils  durch  Ausfall  von  Blättern  oder  Zerstörung  von 
Blattteilen  in  der  Vorlage  teils  durch  Willkür  oder  Nachlässig- 
keit des  Schreibers,  zahlreiche  Lücken  sind.  Eine  kleine  Lücke 
klafft  nach  V,  4.  Der  Übergang  von  V.  8 — 9  ist  unvermittelt 
und  unverständlich.  Nach  V.  17  Escor,  scheint  die  Beschreibung 
des  Pferdes,  die  Cry^pt,  und  Andr,  übereinstimmend  bieten,  aus- 
gefallen zu  sein.  V.  IR  Escor,  erzählt:  xni  xon  ndXiv  6  dfxt]oäg 
tcBtoy  Toy  ISyoif  kiyii,  obschon  der  Emir  noch  gar  nicht  ge- 
sprochen hat.  Ebenso  sind  Lücken  anzunehmen  zwischen  V.  24 
bis  26,  wo  völliger  Wirrwarr  herrscht,  zwischen  V.  27 — 28 
(vielleicht  gehören  aber  V,  28— 31  noch  zu  der  in  V.  23  be- 
gonnenen Rede  und  sind  durch  Versehen  verstellt),  nach  V,  03, 


S,  Krumbachür 

wo  das  wichtige  Motiv  des  Siegels  fehlt  und  zwischen  V*  68— 69, 
wo  die  Anrede  der  Brüder  und  die  Einführung  der  Antwort 
des  Sarazenen  vermisst  wird.  Ich  bemerke  übrigens,  dass  ich 
auf  die  Lücken,  Wiederholungen,  Unebenheiten  und  Wider- 
sprüche, die  mir  in  Escor,  und  auch  in  den  underen  Texten 
bei  der  Vergleichung  aufgeatossen  sind,  hier  absichtlich  nicht 
näher  eingehe.  Das  könnte  mit  Nutzen  nur  im  Zusammen- 
hange einer  umfassenden  Studie  über  die  Geschichte  und  das 
innere  Verhältnis  der  Digenistexte  geschehen* 

Nr.  2—8. 

Die  vergleichende  Betrachtung  dieser  kleinen  Stücke  ist 
namentlich  dadurch  von  Bedeutung,  dass  hier  auch  Trap.,  der 
leider  t"ür  das  Anfangs-  und  Sclilussstück  fehlt,  beige^ogen 
werden  kann.  In  Nr.  2  steht  Escor,  für  sich,  während  Crypt, 
Traj>.,  Andr.  näher  zusammengehen  und  unter  diesen  wiederum 
Trap.  und  Andr.  enger  verbunden  sind  (beiden  gemeinsam: 
'Agaßtraif  tov  ^avarwaai,  dtg  dmazovyzog,  jiaQado{H}vm),  In 
Nr,  3  stehen  Ciypt.  und  Oxon.  ähnlich  für  sich  wie  in  Nr.  1; 
ihnen  gegenüber  steht  die  Gruppe  Escor.,  Trap.,  Andr.;  in  ihr 
aber  gehören  Trap.,  Andr.  ganz  eng  zusammen.  In  Nr.  4,  wo 
leider  Crypi  fehlt,  gehören  wiederum  Trap.,  Andr.  eng  zusam- 
men, während  Escor,  einige  Abweichungen  im  Wortlaut  und  eine 
sachliche  Erweiterung  (Löwen-  und  Wildschwein  haut)  bietet, 
die  auch  in  Oxon.  fehlt.  In  Nr.  5  ist  ausser  der  erheblichen 
Erweiterung  der  ganzen  Stelle,  die  alle  vier  Redaktionen  von 
Escor,  trennte,  in  einem  Verse  wieder  der  enge  Zusammenhang 
von  Trap.,  Andr.  bemerkbar;  ihnen  steht  Escor,  nfihe,  femer 
Crypt,  noch  femer  Oxon.  In  Nr.  6,  wo  Oxon.  fehlt,  bilden 
wieder  Trap..  Andr.  eine  Gmppe.  der  hier  Crvpt  näher  pt  1  ' 
als  Escor.  Nr.  7  zeigt,  dass  Escor,  ausser  der  ihm  eigen  ii 
liehen  Schlusspartie  auch  mitten  im  Gedichte  gewisse  in  allen 
übrigen  Texten  fehlende  Stücke  besitzt.  In  Nr.  8,  wo  Trap. 
fehlt,  geht  Andr.  etwas  nüher  mit  Crypt.  ala  mit  Escor,  zu- 
sammen. Interessant  ifljfc,  wie  sich  die  Verschiedenheit  der 
stilistischen  Tendenz  und  der  Zeit  hier  im  Worte  für  „Pfenl* 


Mne  neu€  Handschrift  des  TH^fenis  AkrUm* 


343 


w^iederspiegelt ;  Escor,  bietet  das  mitt^ilaUerliche  (paQu^  Crypt, 
das  gelehrte  tnnoQ^  Andr.  und  Oxon,  das  geraeinmitiel-  und 
neugriechische  äXoyov. 

Nr.  9. 
In  dieser  Partie,  die  den  Schluss  des  Gedichtes  bildet, 
I  steht  Escor,  ganz  für  sich,  Die  übrigen  vier  Texte  bieten 
gleiche  Grundschema,  das  in  Oxon.  allerdings  durch  die 
irke  Verkürzung  nur  noch  schwach  erkennbar  ist.  Die  Er- 
zählung von  Crypt.,  Trap.,  Ändr.  kann  in  folgende  Haupt- 
punkte zerlegt  werden: 

1.  Allgemeine  Betrachtung  über  die  Ünvermeidlichkeit  des 
Todes.  In  allen  drei  Bearbeitungen  wie  auch  in  Escor*  (V.  32) 
beginnt  diese  Partie  mit  dem  Verse:  ^EueI  6k  {'Ejieidi]  Crypt, 
Escor.)  Tidvta  xä  rsQTiva  tov  nXnvoi}  hüo/iov  toviov. 

2.  Digenis  fällt  in  eine  schwere  Krankheit.  Nur  in  Crypt. 
das  Detail,    dass   er  mit  Leuten  aus  Emel  auf  die  Jagd  ging, 

■  dann  ein  kaltes  Bad  nahm  und  sich  dadurch  den  Opisthotonos 

\       ZU20g* 

I  3.  Beiziehung  des  Arztes-^) 

■  4,  Letzte  Worte  des  Digenis  an  seine  Gattin:  Rückblick 
^■ftl  seine  Taten,  die  Besiegung  des  Drachen^  der  Löwen,  der 
^Hpelaten,  der  Maxime. 

I  5.  Antwort  der  Gattin  des  Digenis. 

I  6.  Weitere  Zwiesprache  beider  (nur  in  Andr.;    urspriing- 

"  lieh  jedenfalls  auch  in  Trap.). 

17.  Gebet  der  Gattin  zu  Gott  für  Digenis. 
8.  Digenis  und  seine  Gattin  sterben  gemeinsam. 
9.  Schilderung  des  Begräbnisses  der  beiden. 
10.  Lob  des  Digenis  und  seiner  Gattin.  Schlussbetrachtungen 
über  den  Tod. 


*)  In  Crypt.   wird  Dur  ein   Arzt  erwähnt;  deoD  V.  64  (S.  127  ed. 
Legrand)  i^t  statt 

7'tov  InxQiJLiY  xaiatTto   iis   nör  foi5  aigatov  ir  fdxft 
MuUürVich,  wie  aua«er  der  Syntax  aucL  V.  55  und  68  »eigen,  jcu  achreiben: 


344 


K,  Knimbacher 


Am  ausftihrliclisten  sind  diese  Punkte  in  Andr.  entwickelt; 
erheblicli  knapper  (mit  der  erwähnten  Abweiclmng  in  Punkt  2 
und  anderen  kleineren  Differenzen)  in  Crypt.  Die  Bearbeitung 
Trap.,  die  wie  im  ganzen  Gedichte  so  auch  hier  eng  mit 
Andr.  übereinstimujt.,  bricht  jetzt  durch  Verstiimmelunj^  der 
Hs  schon  im  Anfange  der  Rede  des  Üigenis  an  seine  Gattin 
ab  (Punkt  4;  Andr,  V.  4437);  sicher  aber  bestand  das  enge 
Verhältnis  zwischen  Trap,  und  Andr»  auch  in  der  jetzt  in 
Trap*  verlorenen  SchlusÄpartie.  In  Oxon,  liegt  zwar  oflFenbar 
dasselbe  Schema  zu  gründe,  die  Erzählung  ist  aber  der  meisten 
konkreten  Motive  entkleidet  und  auf  einen  ganz  farblosen^ 
äusserst  knappen  Bericht  zusammengedrängt ^  dem  man  deut- 
lich anmerkt,  wie  der  Verfasser  ungeduldig  dem  Ende  ani- 
strebte.  Die  Partie  umfasst  hier  nur  47  Verse  (V.  3015—3062), 
denen  in  Crypt.  313,  in  Andr.  411  Verse  entsprechen» 

Von  dieser  hier  kurz  analysierten  Schlusspartie  des  Ge- 
dichtes weicht  nun  der  oben  mitgeteilte  Text  des  Escor,  ganz 
wesentlich  ab.  Völlig  neu  sind,  von  kleineren  Dingen  ab- 
gesehen : 

L  die  Beschreibung    des    kunstvollen  Sarges    des  Digeiii>i. 

2.  die  Boschreibung  seines  prächtigen  Totenbettes, 

3.  die  grosse  R«de  des  Digenis  an  seine  300  Krieger  und 
das  ihnen  gegebene  Vermächtnis, 

4.  der  Totenengel*) 
Einige  Motive   aus  der  Rede   an  die  Krieger   (Kampf  mit 

dem  Drachen,   dem  Löwen,*)  den  Apelaten*))  kommen  in  den 


*)  Dea  Totenenjpel  erwähnt  auch  ein  Volkslied  aas  deto  Akrtti»ri* 
kreis««    Ygb  Legrand.  Coli,  de  tnaiu,  noQv.  e^rie  Nr.  8  S.  LXIII. 

*)  In  Ciypt.  YTTl  90  nnd  Andr,  V  4445  ist  e»  nur  uin  Löwe  i^ 
tn&Ai  Crypt.  Vi  91  ff.  und  Andr.  V.  2»30  ffJ,  in  Encor.  V.  öS  siod  m 
20,  wonach  wohl  auch  eine  Verschiedenheit  der  Er«jlhhmsr  der  L<>weii- 
episode  selbst  anasunehraen  int 

•)  THü  ApelAt«»Ti  *>rwabn*  d\r  AbflcUiMsrede  in  Orypl.  VlII  97  ff  und 

[Andr.  V.  4168  ff.,  'i* 

rtein**n  Freunden  uii  ^hl 

fljt  ia  Tmp.  V.  2003  und  Antlr.  V.  :r94)7  vorktyinmeodttn  900  Apelatvn. 


Eine  neue  Handeckrift  du  Digems  Akritas, 


345 


anderen  Bearbeitungen  (Crjrpt.,  Andr.)  in  der  Abschiedsrede 
an  die  Gattin  vor,  aber  eine  nähere  Verwandtschaft  zwischen 
der  Rede  an  die  Krieger  und  der  an  die  Gattin  besteht  nicht, 
und  künstlerisch  steht  die  Ansprache  an  die  Krieger  höher 
als  die  an  die  Gattin,  ¥rie  sie  in  Crypt,  und  Andr<  vorUegtj 
denn  während  in  dieser  eine  ziemlich  pedantische  Uekapifculu- 
tion  der  trüber  erzählten  Helrlen taten,  eine  Art  Sachindex  zum 
ganzen  Gedichte»  gegeben  wird,  beschränkt  sich  die  Krieger- 
rede auf  die  Hauptpunkte  und  bringt  einige  neue,  für  die  Er- 
forschung der  Quellen  des  Digenisepos  bemerkenswerte  Züge. 
Das  Gold  echter  Volkspoesie  «chimmert  hier  raehrtach  deut- 
lich durch.    Sehr  ursprünglich  klingen  z.  B.  die  Verse  (46  ff.): 

Sv^modi,  naXhjxdgia  ßiov»  Tjjg  *Agaßiag  tovg  Hdfviottg, 
Su  ^oap  nd^noi  Srvdgoi  xal  Havfima  fiEydXa  u.  s.  w. 

Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  wir  in  der  Schilde- 
rung des  Sarges  und  des  Totenbettes  und  in  der  Krie- 
gerepisode die  Reflexe  volksmässiger  Digenislieder 
vor  uns  haben,  die  in  keiner  der  übrigen  literarischen 
Bearbeitungen  des  Stoffes  Verwertung  gefunden  haben. 
Diese  Tatsache  verleiht  der  neuen  Digenis-Hs  eine  hohe  Be- 
deutung. Inwieweit  Escor,  auch  noch  in  anderen  Partien  eigen- 
artige Züge  enthält,  kann  ich  auf  grund  der  mir  bis  jetzt  zu- 
gänglichen Proben  nicht  beurteilen.  Die  Spur  eines  neuen 
Motivs  bietet  da«  kleine  Stück  Nr.  7  (s.  o.  S-  331 1).  Die  Freude 
über  die  Entdeckung  dieser  neuen  Digenisredaktion  wird  leider 
stark  getrübt  durch  den  erbärmlichen  Zustand  der  einzigen 
bis  jetzt  bekannten  Hs.  Der  Text  ist  in  Escor,  teils  durch 
den  sclilecbten  Zustand  der  Vorlage,  teils  durch  die  seltene 
Nachlässigkeit  und  Ignoranz  des  Schreil)ers  auf  Schritt  und 
Tritt  durch  Lücken,  unsinnige  Schreibungen,  sprachhche  und 
metrische  Fehler   aller  Art   heillos  zugerichtet,*)    und  es  wird 


^  DiLfis  der  Schreiber  den  Ercov«  sieb  de«  metriflchen  Chamlcter« 
itttt  Textes  nur  undeutlich  bewüsftt  war,  wird  ante»  gezeigt  worden. 
Aber  auch  die  Worte  hat  er  viidfaeh  j^r  nicht  verstanden,  wie  ?5ahl- 
reiche   gi^ni  unainnige  Seh  reib  ungea  beweisen.     In  Nr.  1  V*  12  aclireibt 


346 


K^  Rrumhachcr 


eine  schwere  Mühe  kosten,  aus  dieser  US  einen  lesbaren  Text 
herzustellen  und  so  ein  wenigstens  annähernd  getreues  Bild 
der  eigenartigen  Redaktion  zu  schaffen,  auf  welche  der  Escor, 
zurückweist.  Eine  vollständige  Publikation  des  Textes  wäre 
sowohl  wegen  der  genealogischen  Sonderstellung  dieser  Be- 
arbeitung als  auch  aus  spraeiigeschichtlichen  Gründen  wün- 
schenswert. Hoöentlich  gelingt  es  mir  die  materiellen  Schwierig- 
keiten zu  überwinden,  die  der  AustÜhruDg  dieses  Plans  ent- 
gegenstehen. 

Dann  erst  wird  die  Zeit  gekommen  sein,  die  Yerwandt- 
schaftlichen  Verhältnisse  der  fünf  Digenistexte  durch  ein©  um- 
fassende Untersuchung  in  allen  Einzelheiten  festzustellen,  um 
dadurch  die  weit  wichtigere,  aber  auch  weit  schwierigere  Frage 
nacli  den  ui-sprünglichen  Bestandteilen  des  Epos  aufzuklären. 
Die  genealogischen  Örundlinien  lassen  sich  aber  schon  jetzt 
auf  gnmd  der  oben  gegebenen  Vergleichung  erkennen. 

YöUig  sicher  steht  der  enge  Zusammenhang  von  Trap. 
und  Andr.  Doch  ist  Andr.  durch  reichere  Ausführung  man- 
cher Episoden  und  durch  allerlei  Zusätze  bedeutend  umfang- 
reicher als  Trap.,  obschon  auch  Trap.  ein  grösseres  Stück 
(vgl.  Andr.  S.  44)  und  viele  einzehie  Verse  hat,  die  in  Andr. 
fehlen.  In  sprachlicher  Hinsicht  steht  Andr.  dem  volksmSlssigen 
Ausdruck  erheblich  näher  als  der  halbgelehrt  stihsierte  Trap. 
Die  Verwandtschaft  von  Trap.  und  Andr.  spricht  sich  auch  in 
der  ihnen  gemeinsamen  Einteilung  in  zehn  Bücher  aus,  denen 
in  Crjpt.  und  Oxon.  acht  Bücher  gegenübei*stehen,  während 
Escor,  ohne  Bucheinteilung  ist. 

Neben  dieser  Gruppe  steht  Crjpt,  als  eine  wesentliclij 
durch  schulmässige  Prinzipien  bestimmte  gelehrte  Überarbei-| 
tung  einer  Redaktion,  die  im  grossen  und  ganzen  mit  dem] 
Archetypus  von  Trap.,  Andr.  übereinstimmte,  aber  doch  manche 


»tatl  €(i 
Nr.  1   ^ 


rct  (Vgl.  Andr.  V.  8401 


er  jfanz  deutlich   aoyr 

tiöJ  Du   Cnnge  «.  v.   -  ,    ,  ^,     r^^ ,         

^e^aro  (wie  V.  r,ü);    Nr.  H  V.  64   /Ämir  H.  Um^vi  Nr.  »  V.  105  ««p^ 

•t.  IJhgov  und  i^akdttaov  «t.  i^aldrtyi^  tftT'   ^^  "   ^'  ^  "^^    ^ffnnitagiaae  il 


Mn€  neue  Bandschriß  de»  Diffenis  Akritait, 


347 


eigenartige  Züge  besass  (vgl.  die  oben  S.  34fS  erwähnte  Epi- 
sode der  Jagd  und  des  kalten  Bade-s). 

Escor,  stammt  aus  einer  Hedaktion,  die  dem  Arcbetypus 
von  Trap.,  Andr.  näher  stand  ak  dem  des  Crypt.  und  stellen- 
weise  besonders  enge  mit  Andr.  verwandt,  aber  in  einzelnen 
Partien  besonders  gegen  den  Schluss  des  Werkes  durch  neue, 
in  der  literarischen  Überlieferung  des  Stoflfes  sonst  nicht  vor- 
kommende, vermutlich  aus  älteren  Volksliedern  stammende  Ele- 
mente bereichert  war.  Sprachlich  steht  Escor,  dem  vulgären 
Ausdruck  noch  bedeutend  näher  als  Andr.  und  erscheint  von 
gelehrten  Einflüssen  fast  völlig  frei. 

Über  die  Entstehungszeit  dieser  vier  Bearbeitungen 
lässt  sich  vorerst  nicht  viel  mehr  fe>ststollen,  als  die  durch  das 
Alter  der  Uss  gegebene  Öpätgrenze.  Die  Hss  Trap.,  Andr. 
stammen  aus  dem  16.  Jahihundeii/)  ebenso  Escor.;  Crjpt,  ist 
wohl  etwas  älter,  gehört  aber,  wie  mich  eine  zu  Ostern  dieses 
Jahres  vorgenommene  erneute  Prüfung  belehrt  hatt  schwer- 
lich dem  14.  Jahrhundert  an,  wie  man  angenommen  hatte/-*) 
sondern  wohl  sicher  dem  15.  Jahrhundert.  Aus  derselben  Zeit, 
wie  die  Hss,  stammt  wohl  auch  die  letzte  sprachliche  und 
metrische  Formgebung,  wie  sie  in  den  Hss  vorliegt;  dagegen 
müssen  die  ürtypen  (oder  der  Urtypus)  dieser  Bearbeitungen, 
in  denen  noch  mittelalterliche,  echt  byzantinische  Verhältnisse 
vorausgesetzt  werden,  sehr  erheblich  älter  sein.  Es  ist  also 
verfehlt,  wenn  man,  wie  oft  geschieht,  die  uns  erhaltenen 
Fassungen  des  Digenisepos  etwa  ins  11.  Jahrhundert  setzt  und 
als  Denkmäler  dieser  Zeit  sprach  geschichtlich  verwendet.  Wir 
müssen  uns  vielmehr  klar  bewusst  bleiben,  dass  nichts 
von  dem,  was  uns  heute  an  Digenistexten  vorliegt,  in 
seiner  sprachlichen  Fassung  mit  Sicherheit  über  das 
15.  Jahrhundert  hinaufgerUckt  werden  kann. 


*)  Nach  der  Annahme  der  HerauBgeber:  doch  m5rhte  ich  sowohl 
Trap.  alfl  Aodr.  nach  den  in  den  Ausgubeii  luiti^el eilten  FurKiinduH  li^lt^T 
dem  17.  Jahrhundert  zaweiien. 

*)  LamprQ9,  Coli,  dit  rom.  gr.  S.  XC:  E»  L*'irraini,  iiinJ,  ^t.  \m\^. 
Tol.  VI  H.  XVII. 


348 


K,  Kruitibacher 


Fern  ab  von  den  vier  undatierten  Digenistexten  steht; 
Oxon.,  die  von  dem  chiotischen  Mönche  Ignaüos  Petritzis  im 
Jahre  1670  in  seinem  Heiniatsdialekte  und  in  gereimten  Versen 
ahgefksste  Bearbeitung.  Dieser  späte  Nachzügler  bi<Rtet  genea- 
logisch und  stofflich  wenig  Interesse.  Petritzis  hat  offenbar 
eine  mit  Andr.  nahe  verwandte  Vorlage ')  benützt,  sie  aber  in 
völlig  subjektiver  Weise  umgestaltet  Er  folgt  dem  Gang  der 
Eraählung  nur  in  den  allgemeinsten  Zügen  und  ändert  die 
Einzelheiten  nach  seinem  Vermögen  und  dera  Verständnis 
seiner  Zeit  Wajsj  er  selbst  beiträgt,  sind  ausser  der  nnfas^ 
baren  Geschniaeklo&igkeit  seiner  matt  dahinscbieiehenden  ge- 
reimten Verse  vor  allem  bei  den  Haaren  herbeigezogene 
LesefrUchte  aus  alten  Dichtern,  wie  Homer,  Arist^jphanea^ 
Euripides  u.  a.  und  eine  naive  Steigerung  der  scbrm  in  den 
älteren  Bearbeitungen  hervortretenden  erbaulichen  Tendenz. 

Hinsichtlich  der  Sprache  repräsentieren  die  fünf  Texte 
fn Igende  Stu  tenrei he : 

Stark  antikisierende  Form 

Volksmässig  temperierte  Schulsprache 

Schulmässig  temperierte  Volkssprache 

Vom  Sehuloinflusa  fast  ganz  freie  Volks- 
sj»rache  ohne  deutliche  dialektische 
Färbung 

Chiotischer  Dialekt  des  17.  Jahrhunderts 

Natürlich  beweist  diese  Stufenfolge  nichts  für  das  chrono- 
logische Verhältnis  der  vier  undatierten  Bearbeitungen;  denn 
die  Wahl  der  Diktion  hing  von  der  Bildung  und  dem  £rmei6S€fD 
des  Bearbeiters^  dem  Milieu,  in  dem  er  lebte,  und  manch  anderen 
Umstanden   üb/^l 


Crypt. 

Trap. 

Andr. 


Escor. 
Oxon. 


N   Vgl,   h,  Legrand,  BibL  gr,  vulg.  vol.  VI  8.  XIV. 

«)  Mit  Recht,  drückt  sich  daher  L »in pro«»  CHI  He  mm.  pr.  fi.XCVl!! 
»ehr  vorsichtig  ntw:  »la  langnc  (de  la  vmioTi  il  -tiratt 

upfin-rtenir  h  \m  Ä.ge  pln«  HDcien  quo  ccUi*  th^  \a  i        lonäm^* 

Li'^rand,  Bibl.  gr.  valg,  toL  VT  S.  XX  koniQii  &uf  gmnd  9pnbcKlich«r 
Ihdif.ieo  /Auri  Scblüi«:  .Si  le  Span^'ft«  c>it  du  il  '      ''        *  ii 

poiirniil  biffti  «trtf  da  unzieoie!"^  kürrigiert  Bich  lO 


Mne  neue  HamdechHfl  des  Digenk  Akritoi, 


I 


I 


349 


Auch  in  der  Metrik  zeigen  unsere  fünf  Texte,  obschon 
alle  in  politischen  Versen  abgefasst  sind/)  manche  Sonderheiten. 
Legraud  hat  schon  darauf  hin  gewiesen,*)  dass  Crypt.  und  Trap. 
in  der  Behandlung  des  politischen  Verses  sich  grosse  Freiheiten 
erlauben:  In  Crypt.  und  ähnlich  in  Trap.  sind  die  einzigen 
unantastbaren  liegölu  des  Verses  der  Accent  auf  der  6.  oder 
8,  Silbe  des  ersten  Haibverses  und  auf  der  6.  Silbe  des  zweiten 
Halbversea.  Bezüglich  der  übrigen  Silben  herrscht  völlige  Frei- 
heit; häufig  ist  die  3.  und  5,  Silbe  betont.  Bekanntlich  ist 
diese  subjektive  Neuerung  nicht  durchgedrungen,  und  in  allen 
späteren  Gedichten  bis  auf  die  Volkslieder  der  Gegenwart 
herrscht  der  regebnässige  Bau  der  Verse.  Wie  Legrand  an 
einigen  Beispielen  zeigt,  hat  schon  der  Bearbeiter  von  Andr. 
die  Willkür  in  der  Behandlung  des  politischen  Verses,  wie  er 
sie  in  Trap.  bezw.  einer  verwandten  Vorlage  fand,  durch  freie 
Korrekturen  zu  beseitigen  gesucht.  Wie  Andr.  folgt  auch 
Oxon.  der  üblichen  Accentregel 

Escor,  weicht  von  dem  üblichen  Schema  des  politischen 
Verses  mannigfach  ab  teils  durch  die  unerhörte  metrische 
Weitherzigkeit  des  Redaktors,  teils  durch  den  üblen  Zustand 
der  Überliefenmg;  zuweilen  lassen  sich  diese  beiden  Faktoren 
nicht  mit  Sicherheit  scheiden;  manchmal  scheinen  sie  zur  Ver- 
unstaltung eines  Verses  zusammengewirkt  zu  haben.  Sicher 
auf  Rechnung  des  nachlässigen  Schreibers  fallen  die  zahlreichen 
grösseren  und  kleineren  Verslücken  (Ausfall  eines  Halbverses, 
eines  Fusses  oder  Fussteiles),  Viel  Unheil  hat  hier  wohl  der 
Hangel  einer   übersichtliclien  Versabteilung  angerichtet.     Die 

Satze:  »Mais  qu'on  veuille  bieo  ue  pau  s'j  mäprendre,  ce  n'est  pfu 
twe  opinioti  bftsee  eur  des  faits  que  j^exprime  ici ;  car  le  terme  de  com- 
paraiflon  datd  fait  defaut,  ei  un  puriatne  relaiif  peut  fort  bien  n*&tre 
qn*ftrtificieP.  Ganz  richtig;  nur  begreift  man  nicht»  zu  welchem  Zwecke 
Legrand  dann  den  doch  leicht  irreführenden  ersten  Satz  hat  stehen 
Uw»en* 

*)  Eine  Ausnahme  bilden  nur  die  in  Oion.  (S,  214  f.)  eingeachobenen 
achtailbigen  Trochäen  (z*  B,  Afiyv  Jlr.Tdoai,  diysrtj  fxov).  Vgl.  Oetch.  der 
byi.  Litt.«  8.  846  unten. 

«)  Bibl.  gr.  nilg.  vol.  VI  S.  XV  f. 
I»0C  81tEgBb.  d.  pbao<.-ptaioL  n  <L  bbt.  la  28 


350 


K,  Rrumba£h€t 


Verse  sind,    wie    in   vielen    anderen    vulgärgriechischen    HssJ 
nicht    in   Zeilen    abgesetzt,    sondern    nur    durch    Punkt-e    (an 
Schluss  der  Ganzverse)   und  Kommata  (ara  Schluss  der  Halb^ 
verse)  getrennt.     Dieses  System    ist   an   sich   etwas  uudeutlicl] 
und   wird   noch    undeutlicher   dadurch^    dass   die   Punkte    und 
Kommata    sich    sehr    ähnlich    sehen.     Eine   ganze    Reihe   voq 
solchen  Lücken  ist  oben  ira  Texte  Nr,  9  durch  ( )  angedeutet 
Der   gi'ösate  Teil  der   metrischen  Freiheiten   scheint  abe 
von  dem  Bearbeiter  der  Redaktion  Escor,  selbst  herzurühren 
Er  macht  nicht  nur  von  den  legalen  Synizesen  und  Klisione 
einen   ungev^öhnlich   weitgehenden   Gebrauch,   sondern   erlaubl 
sich  auch  aUerlei  sonstige  Verkürzungen  und  Sprünge»  so  ds 
es  zuweilen  nicht  leicht  ist,  seine  langen  Zeilen  auf  den  ersten 
Anlauf  als  richtige  politische  Verse  zu  lesen.     Ich  lasse  einige' 
Beispiele  folgen: 

Nr.  1  V.  9  lautet  in  der  Ha: 

HoX  &  äfivgäc  Ixaßak^xevüEv,  fjaavx  ^nayivfi 

d.  h.  der  erste  Halbvers  hat  11  Silben  statt  8*  Mit  der  üb- 
lichen Sjnizese  xt  6  erhalten  wir  10  Silben.  Schon  etwas  be- 
denklich ist  die  zweite  Synizese  xt  S  dfitjQagj  wenn  man  nichf 
etwa  XI  6  äfignq  lesen  will.  Die  letzte  überschüssige  Silhn 
kann  nur  durch  Tilgung  des  syllabischen  Augments  in  &«- 
ßakli^evosv  beseitigt  werden,  also: 

Ein  anderes  Beispiel  ist  Nr.  4: 

K€J  1}vQ€v  Tcbv  tpdonanovv,  xal  ixirerav  ek 
td  xXrjvdgiv,  TtoXXwv  ^rfgUf)v  digfiara  ij^fev 
äsiAvü}  inoxdTiOt  töjv  hd^ta/v  xal  rdiv  e»idy^V\ 
^X^  nQOOX€fpaXddtv  .  . 

Hier   ziihlt  der   erst-e  Vers,    wie   er  in  der  üs  steht, 
der   zweite  17,    der  dritte   16  Silben.     Um  das  richtige 
von  15  Silben  berzustellen ,   mUsste  man  im  trsUnx  Vene 


Mne  neu€  Handschrift  des  Digenis  Akritas,  SSI 

Inhmov  ein  dreisilbiges  Wort  wie  Ixmo  (?)  setzen  oder,  was 
besser  zum  Sprachcharakter  des  Textes  passen  würde,  ixektr'' 
V  16  schreiben,  im  zweiten  ndroj  statt  dnoxdKo  korrigieren 
(?gl,  Trap.,  Andr.)i  iu3  dritten  wäre  rtoy  vor  oiayo'^'^  zu  streichen 
aad  ausserdem  roy  liovinv  (da  die  Beziehung  zu  nolktov  ^rjgimv 
löglich  erscheint)  zu  schreiben,  wenn  man  nicht  etwa  (mit 
icksicht  auf  ngr.  hovtagt)  die  bedenkliche  Lesung  rov  Xiovtav 
(xal  i6v  öiiayQov)  wagen  will  Dazu  kommen  noch  einige 
Eliaionen  und  Sjnizesen.     Wir  erhalten  dann  folgenden  Text: 

Kit  fjVQtv  t6v   ^tXonnnovv  xt  IxHTer^  V  r^^  xlivägtr  * 
noXkmv  '&ijq((ü%*  digf^ara  eI^ev  dnavcüHdroj^ 
tdr  liovxav  xal  oimygov  elxBV  ngooHi<pakdStr, 

Anderer  Art  sind  die  Fehler  im  folgenden  Stück  (s.  oben 
8*332): 

^X^  rdv  vovv  ^ov  Eig  avTovg.    xal  6  yig(Ov  ötpiXona 
Jiov^f  äji6  nXaylov  fwv   ^Xt^ev.  xal  xovxagiav 
jC/£  idwHßv  Ti^v  (pdgav  £fc  rd  f/vgla  .  ,   . 

Im  ersten  Verse  muss  xi  lym  t^Xml^a  gelesen  werden,  im 
zweiten  avjovg  statt  des  überlieferten  und  in  mittelgriechischen 
Gedichten  allerdings  häufigen  avtovg^)  und  etwa  6  yigtoy 
0iXondjiJtovg^)  Ganz  inkorrekt  ist  der  Ausgang  ^X&n*  im  ersten 
Kolon  des  dritten  Verses;  doch  ist  die  Umstellung:  ^X^ev  äjid 
nXaytov  fiov  zu  gewaltsam;  im  zweiten  Halbvers  genügt  die 
leichte  Accentverschiebung  l^toxtv})     Also: 

xt  iyoj  tjXjitCaf  vä  mjxcodf],  vd  lütf^  ngog  i/iivav* 
dxo  rdv  rovv  fiov  «fc  ahovg  xt  6  yigmv  ^tXondnnovg 
äjto  nXayiov  ^ov  ^Ad«'  xal  xoytagidv  ^^  ldd>xEv 


M  Vgl,  oben  S.  316  Anm, 

*)  Nur  Oxon.  bietet  diesen  Accent  {^tXo^djt:tov^ ;  auch  ^doTtdno^ 
und  0iXojiiuiaTog i  vgL  Lampros.  Coli,  de  rom.  gr.  S.  CYU).  In  CrypL 
TLnd  £BCnr.  heisst  der  Apelat  0iXtmajr:iovf  (0iXwian<ws  Eboot.),  in  Tnip 
nnd  Andr.  ^tidjfojrnoe, 

»)  TgL  K,  Z.  27  (1884)  624  f. 


352 


K.  Krttmhacher 


Eine  ganze  Musterkarte  ähnlicher  schwer  zu  lesender  Vene  | 
und  zahlreiche  Beispiele  verstümuielter  Verse  bietet  das  um- 
fangreiche Schlussstück  (S,  3^3  ü\).  Wie  diese  holprige  Metrik  ^ 
in  der  Hs  aussieht,  lehren  die  zwei  Facsiniiletafeln.  Viel  I 
haben  sich  die  Herausgeber  den  Kopf  über  die  Frage  zer- 
brochen, wie  solche  widerspenstige  Verse  im  Drucke  wieder- 
zugeben seien,  um  sie  auch  für  den  weniger  Geübten  lesbar 
zu  machen.  Die  häufigste  Elision,  die  der  Partikel  xat^  gibt 
Wagner  durch  xi  (z.  B.  x*  6)  wieder,  wobei  das  i  den  pala» 
talen  Klang  des  x  ausdrücken  soll.  Die  Verschlei fangen 
kann  man  durch  Verschiebung  des  Aceentes  ausdrücken  z.  B. 
dv6s  Q}gm6g,  wobei  aber  der  Übelstand  bleibt,  dass  der  dem 
Accent  vorhergehende  Laut  ungenau  wiedergegeben  ist*  Dera 
suchte  man  durch  Anwendung  von  Verbind angshaken  unter 
der  Zeile  abzuhelfen  z.  B.  dv6^  mgatdg^  ein  ebenso  unprakti- 
sches als  unafithetisehes  Mittel,  durch  das  die  Zeilen  auseinander- 
gesprengt werden  und  ein  abschreckendes  Aussehen  erhalten. 
Die  einzigen  anwendbaren  Mittel  scheinen  mir  die  Andeutung 
der  Elision  durch  den  Druck  (z,  B.  t<Jt')  und  die  Andeutung 
der  Synizese  durch  den  Accent;  aber  von  Haken  und  son- 
stigen ungewohnten  Zeichen  sollte  man  Abstand  nehmen.  Un- 
kundige werden  sich  ja  ohnehin  nicht  an  vulgärgriechische 
Texte  wagen.  In  der  obigen  provii^orischen  Mitteilung  ein- 
zelner Proben  habe  ich  auch  die  erwähnten  Mittel  nicht  an- 
gewandt, sondern,  von  den  notwendigen  orthographischen  und 
formalen  Korrekturen  abgesehen ,  einfach  die  Schreibung  der  | 
Hs  vriedergegeben. 

Für   eine   definitive  kritische  Ausgabe  der  ganzen   Ite*- 1 
daktion    müsste  bei    aller  Konserrierung  des   im  Escor,    über- 
lieferten Wortlautes  doch  als  Prinzip  festgehalten  werden,  dass 
aus  dem  wüstrn  Schutte  der  Hs  nicht  blos  die  Üliliche  Ortho-  * 
graphie  und  das  grobe  Gciilst  eines  erkennbaren  Verses,  son- 
dern auch  das  Werk  des  unbekannten  Bearbeiters  so  treu  alsl 
möglich    hergestellt   werde,    ein    lesbarer  Ti  -"^      -    riubert  Ton 
grammatischen  und  lexikalischen  UnmOglicii  /  verstiüd- 

*)  Vgl.  oben  8.846  Anm.  l- 


Mne  neut  Handschrift  deä  Digenis  Äkritas. 


S68 


lieh  und  zusammenhängend.  Diesem  Unternehmen  stehen  frei- 
äch  die  grössten  Schwierigkeiten  entgegen.  Zahlreiche  Lücken 
lai^en  sich  teils  aus  inneren  Gründen^  teils  durch  Vergleichung 
der  übrigen  Digenistexte  erkennen;  aber  eine  wirkliche  Ergän- 
zung des  Wortlautes  verbietet  die  starke  allgemeine  Abweichung 
ies  Escor,  von  den  anderen  Bearbeitungen;  der  Herausgeber 
nrd  sich  also  auf  eine  kurze  Andeutung  der  Lücken,  ev,  mit 
einer  Notiz  über  den  Inhalt  der  verlorenen  Stellen  beschränken 
müssen.  Aber  auch  die  formale  Konstitution  des  überlieferten 
Textes  ist  eine  Aufgabe  voll  von  Unsicherheit  und  Zweifeln. 
Wir  wissen  nicht,  von  welcher  lokalen  und  zeitlichen  Stufe 
des  Neugriechischen  der  Verfasser  ausging,  und  noch  weniger 
Lwissen  wir,  welche  subjektiven  Freiheiten  in  der  Behandlung 
näer  Sprache  und  Metrik  sich  der  offenbar  in  formalen  Dingen 
recht  weitherzige  Verfasser  erlaubt  hat.  Dazu  kommt,  dass 
die  vulgäre  Sprachform  und  Metrik  für  den  literarischen  Ge- 
brauch niemals  in  feste  Regeln  gebracht  wurde,  und  dem  Ein- 
zelnen dahiT  immer  ein  weiter  Spielraum  blieb.  Besonders 
hinderlich  für  die  Kritik  ist  der  Mangel  an  Eioheitlichkeit  in 
der  SprachfoiTO  der  meisten  vor  oder  ausserhalb  des  kretischen 
Literaturkreises  des  16.  — 17,  Jahrhunderts  entstandenen  vulgär- 
griechischen Werke;  der  allenthalben  spukende  Makaronismus 
macht  es  oft  unmöglich,  mit  Sicherheit  zu  sagen,  ob  eine  be- 
stimmte Wortform  in  einem  Texte  möglich  ist  oder  nicht.*) 
Wir  müssen  uns  daher  hüten,  die  für  die  antiken  Texte  (auch 
bei  ihnen  oft  unrichtig)  angewandten  Grundsätze  der  Einheit- 
lichkeit und  Konsequenz  oder  die  durch  die  neueste  Sprach- 
forschung gewonnenen  Einsichten  auf  die  Herstellung  vulgär- 
griechischer  Texte  zu  übertragen.  Manche  Hilfe  gewährt  für 
die  Emendation  die  Beiziehung  der  übrigen  Bearbeitungen ;  aber 
auch  dieses  Mittel  darf  nur  mit  der  grössten  Vorsicht  benützt 


^  So  bfigegnet  in  Nr  9  V.  116  (oben  S.  3Sfi)  die  Form  r*\ai  oh- 
•chon  d«»r  Sinn  »ein  mviM  ,ich  v?ei^*,  entschlösBe  man  uich  iingedciiti 
de«  vulgÄreo  Charakters  der  ganzen  Umgebunj?  nur  zweifelnd  ztir  Öcbrei- 
bung  oWä,  wenn  nicht  eine  zweite  Stelle  (Nr-  9  V,  167)  deutlich  bewiese, 
das»  der  Verfasser  diese  gelehrte  Form  tatsächlich  gebraucht  hat. 


354 


JT,  Krumhaclier 


werden,   da  ja  kein   direkter  ZusammenhaDg   zwischen  Escor. 
und  den  übrigen  Texten  besteht. 

Die  eigenttimliche  Behandlung  der  njetrischen  Form  im 
Escor,  gibt  uns  auch  den  Schlflssel  zur  Lösung  der  Frage,  ob 
jemals  eine  Prosaversion  des  Digenis  existiert  hat.  Dr.  MordU 
mann  hatte  einst  dem  Sabbas  Joannidis,  wie  dieser  in  der 
Vorrede  seiner  Ausgabe  berichtet»  mitgeteilt,  das«  er  in  Kon- 
stantinopel  eine  Prosabearbeitung  des  Digenis  gesehen  habe. 
Diese  Nachricht  wurde  dann  zusammengebracht  mit  einer 
Äusserung  des  Konstantin  Dapontes,  eines  griechischen 
Polyhistors  des  X^^1I.  Jahrhunderts.  Dieser  erzählt  in  seiner 
BißXo?  ßaoiknojv^  er  habe  zwei  Exemplare  des  Digenis  Akritas 
gesehen,  ein  illustriertes  und  ein  zweites  ohne  Bilder.  Dann 
klagt  er,  dass  zwar  der  Erotokritos,  die  Erophile  und  andere 
tlhnliche  Werke  gedruckt  seien,  nicht  aber  der  Digenis.  So 
Gott  ihm  das  Leben  schenke,  wolle  nr  ihn  in  Verse  bringen 
und  in  Venedig  herausgeben.  Der  Buchdrucker^  der  ihn  drucke, 
werde  viel  Gewinn  und  Ruhm  ernten. 

Kai  SXa  Sk  ;f€i^/*Tfa"  Skv  etAa  xvnmfihov, 

öihv  Tvnovt  xudcüs"  (pafveiatt  t^h'  ßahH^jai  ßak^iirov. 

Tvntnoa%*  ^EganÖHgirov,  ^'ayonvrat*,  *Egco(pilr] 

aal  Skka  xai  dtv  rvmooav,  ngT/tta,  xnl  tov  Bantlff, 

Za}ijv  äv  ^x^  ^  f^eov,  0ikm  /li  ortxovgytar 

ru  TOV  ovv&iooj  xal  avzov,  xt  evI^v^  triffv  Bfn^jitw. 

Xnod  ordv  oTafinadovQor  de  önov  rove  orafiTia^fi, 

Lani[>ros  (a.  a,  0.)  bat  diese  Stelle  meines  Erachten»  zweifel- 
los richtig  so  interpretiert,  dass  Dapontes,  der  offenbar  die  ge- 
reimte Bearbeitung  des  Petritzis  nicht  kannte,  die  Absicht 
hatte,  das  Digenislied  in  gereimte  Verse,  wie  sie  zu  setner 
Zeit  allgemein  üblich  waren,  zu  übertragen.  Legrand*)  be- 
merkt dagegen,  der  Ausdruck  mtx^vqyh  schliesse  k«*ine8we^ 
den  Begriff  ^Reim*  in  sich  und  beruft  sich  für  die  Auffassung, 


^)  Nach  Lampros,  Coli,  d«  rotu.  gr.  d«  C. 
^  BibL  gr.  vtilg.  voL  Vi  S.  XI* 


Eine  neue  Handschrift  des  Digeni«  Äkritct», 


355 


dass  Dapontes  einen  Prosadigenis  vor  sich  gehabt  habe,  auf 
die  erwähnte  Mitteilung  Dr.  Mordtmanus.  Aber  aus  dem  Zu- 
sammenhang der  Stelle  des  Dapontes  und  aus  seiner  früheren 
Bemerkung,  dass  an  der  Spitze  jedes  Buches  eine  Inhaltsangabe 
in  fünf  Versen  stehe,  geht  deutlich  hervor,  dass  er  Bearbei- 
tungen in  reimlosen  Versen  vor  sich  hatte,  in  denen,  wie  in 
Ändr.,  jedem  Gesänge  ein  kurzes  ebenfalls  metrisches  Argu- 
ment vorausgeschickt  war.  Als  wahre  artj^ovQyta  galt  dem 
Dapontes  aber  offenbar  erst  die  schwierige  Umsetzung  in  ge- 
reimte Verse.  Dr.  Mordtmann  aber  hat  offenbar  eine  Hs  ge- 
sehen, in  welcher  der  Text  ähnlich  wie  im  Escor,  ohne  Her- 
vorhebung der  Verse  durch  Zeilenabteilung  und  mit  starker 
Verwischung  des  metrischen  Charakters  geschrieben  war. 

Auch  die  andere  Bemerkung  des  Dapontes,  dass  er  ein 
illustriertes  Exemplar  des  Digenis  gesehen  habe,  wird 
nun  durch  den  Escor,  aufgeklärt  bezw,  bestätigt.  Sowohl  im 
Lybistros-  als  im  Digenistexto  ist  öfter  (im  Lybistros  durch- 
schnittlich alle  4  iSeiten)  ein  leerer  Kaum  von  10—12  Zeilen 
gelassen,  offenbar  zur  nachträglichen  Ausfdhrung  der  in  der 
Vorlage  an  diesen  Stellen  eingefügten  Bilder.  *)  Die  Hoffnung, 
dass  ein  solcher  illustrierter  Digenis  eines  Tages  noch  gefunden 
werde,  scheint  mir  freilich  gering. 

*)  Vgl.  Wonach,  B.  Z.  VI  S.  160  f.,  der  auch  den  Zweck  der  leeren 
Räume  richtig  erkannte.  Seine  Angaben  beziehen  sicib  nur  auf  den  Lj- 
biBtros.  Aus  Fickers  Notizen  und  meinen  Photographien  lehe  ich  aber, 
da«8  ähuliche  Zwischenräume  auch  im  Digenia  rorkommen. 


356 


BerichtigaiigaD . 

S.  316  mu88  zu  V.  17  im  Apparat  bemerkt  werden:    Cod.  ßevho^ 
XQvooftepcjv, 

S.  322  V.  3%  lies:  x^Qf*^^^^  st-  X^Qf*^*'^^^' 
S.  329  Nr.  4  V.  3  lies :  Uovxav  st.  Xeovia. 


7,iar  KbbandUic  von  KrumliBfliAr  „tm  vnt  nunilKrlirill  Ick  Diü^'ttii  UrtUs".    V^l.  iJ.  Slft. 


B  -r»  I  ^'A  H  frr.tTft^  |  tCig^A^rt |  ^«^  •  «m»  <9f  t  iiirf W<f  «n^ *<^ '  • 

'  /  V    \^*  f  t 


a-^^DAÄ^f  d*i 


CodBx  Escor.  ir-lV-22.  (ol  139^. 


190L  Rlickil  ]>M)itM.'pkiWl.  ti.  d  l^ffi  KI 


rirn.r^'ri    v»v  Ji  K  OtniKrukti»*,  fti(tiii«4i«» 


•  •• 

•  •  • 

'    ••  • 


Tafel  II. 


7.nr  Abhandliini;  von  KriiiiibiKhrr  ,*,Ki1irJHllc'|liöi(ls<4ir9°t:«!rsl)ls<-ni8AkritiUi>'.  .V>'l. 


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Sitzungsberichte 

der 

KönigL  Bayer.  Akademie  der  Wissenschaften. 


Sitziing  vom  4.  Jimi  1904. 

Philosophisch-philologische  Klasse. 

HeiT  Ckösius  legt  vor  eine  für  die  Sitzungsberichte  bestimmte 
Abhandlung: 

Studien  zu  neueren  Papjrusfunden. 

Er  besprach  einige  nachträglich  zutage  getretenen  Frag- 
mente des  Mimen  dichte rs  Herondas,  durch  welche  u.  a.  die 
Situation  des  zum  grössten  Teil  verlorenen  letzten  Mimus,  der 
.Frauen  beim  Festmahl*  aufgeklärt  und  auf  einen  Hauptakt 
der  attischen  Thesmophorien,  das  , Kinderfest*  der  KalUgeneia 
neues  Licht  geworfen  wird.  Bemerkenswert  sei  es,  dasä  auch 
in  dieser  Dichtung  (ebenso  im  3.  Mimus)  die  Kinder  eine  FtoUe 
spielten,  wie  die  Puttentypen  in  der  gleichzeitigen  Kunst  durch- 
gebildet seien.  Im  Anschluss  daran  wurden  Bemerkungen  über 
die  Possen-  und  Mimenfragraente  aus  Oxyrhjnchos  mitgeteilt, 
die  Grenfell  und  Hunt  veröffentlicht  haben.  Die  durch  eine 
kühne  Mischung  von  Poesie  und  Prosa,  von  Griechisch  und 
Barbarenkauderwelsch  ausgezeichnete  Öesangsposse  (Griechen 
im  Barbarenland)  verarbeitet  Euripideische  Motive  (Iphigeneia» 
Helena,  K  jklops),  ohne  eigentlich  parodisch  zu  sein ;  die  Mimen- 

1904.  SiUKSb.  d.  |»liÜQt,-pliUol  n.  d.  hisL  KL  M 


358 


Sitxung  yom  4.  Jimi  1904. 


fragmente    spinnen    das    aus   Herondas    bekannte   Thema    der 
, Eifersüchtigen**    weiter;    für    beide    Dichtungen    lassen    sieh 
Nach-   und  Anklänge   in   der  späteren   Roman-   und  Novellen- 
litteratur  nachweisen.  —  Angeregt  durch  Arbeiten  von  Albrecht 
Dieterich  bemerkte  der  Vortragende   einiges  über   das  Zauber- 
ritual   der    Papyri    und    benutzte   diese   Gelegenheit,    um    eine  ^ 
unverulleutHchte  Zauberlampe  aus  dem  Besitz  des  Mr.  Warren 
vorzulegen,  mit  apotropäi scher  Inschrift  {Xvnav  näliv  v^lv,  <Jfc);  j 
gegen   manche  Versuche  Dieterichs,   Reste   reh'giöser  Liturgien 
(in  den  Papyri,  bei  Klemens  von  Alexandrien,  Apuleius,  Lucian,  ^ 
Hesych)    nachzuweisen,    erhob    er    Einwände.    —    Schliesslich  Ä 
machte  er  vorläufige  Mitteilungen  über  unveröffentlichte  litte- 
rarische  Papyri    in   Heidelberg  (Choliamben    des  I'hoenix    Ton 
Kolophon,   Fragmente  seltsamer  Verwandlungssagen   in  Qink- 
anapästen)  und  London  (Choliamben,   Pap.  CLV;  Bruchstücke 
eines  lehrhaft-erbaulichen  Romans,  der  den  Typus  des  alexan- 
drin ischen  Volksbuchs  zu  repräsentieren  scheint,  Pap.  CCLXXIV). 


Historische  Klasse. 


Herr  Tbuiube  spricht 

über  kleine  Perganientstreifen  mit  Uncialschril 
des  b.  Jahrhunderts, 

die  ihm  zur  Begutachtung  von  ihrem  Finder,  Herrn  Joh.  Fischer, 
dem  Vorstand  der  KgL  Bibliothek  in  Bamberg,  zugeschickt 
waren  und  aus  einem  Einband  einer  jungen  Bamberger  Hand- 
schrift stammen.  Sie  erwiesen  sich  als  die  Überreste  des  Arche- 
typon  der  vierten  Dekade  des  Livius.  Es  gelang,  nacb 
und  nach  den  grösseren  Teil  zweier  Blätter  zusammenzuaetzeiii  { 
die  einige  Kapitel  aus  dem  33.  und  39.  Buch  enthalten.  Trotz 
des  geringen  Umfangs  der  Bruchstücke  erhält  die  Kritik  der  | 
vierten  Dekade  damit  das  lang  entbehrte  Richtnmss  und  ein 
wesentliches  neues  Hilfsmittel, 


Sitzung  vom  4.  Juni  1904.  359 

Herr  Grauebt  hält  einen  fUr  die  Sitzungsbericlite  bestimmten 
Vortrag : 

Jordanus  von  Osnabrück  und  Alexander  von  Roes. 

Er  behandelte  dabei  den  Tractatus  de  praerogativa  Romani 
Iraperii,  die  Noticia  Saeculi  und  das  allegorisch-satirische  latei- 
nische Gedicht,  das  unter  dem  Namen  des  Pavo  bekannt  ist. 
Auf  Grund  erneuter  Prüfung  des  Inhaltes  aller  drei  Schriften 
sprach  er  sich  abermals  dahin  aus,  dass  nur  der  Traktat  dem 
Jordanus  von  Osnabrück  zugewiesen  werden  könne,  die  beiden 
anderen  Schriften  aber  aus  der  Feder  des  Alexander  von  Roes, 
Kanonikers  von  S.  Maria  im  Kapitol  in  Köln  hervorgegangen 
seien.  Der  von  Waitz  hergestellte  Text  des  Traktates  bedarf 
einer  Revision,  bei  welcher  die  Handschritten  der  Klassen  E 
und  F  mehr  zu  berücksichtigen  sind. 

Herr  von  Rebek  legt  eine  fUr  die  Sitzungsberichte  bestimmte 
Mitteilung  vor: 

Die  Kunstkorrespondenz  zwisclien  dem  Kron- 
prinzen Ludwig  (König  Ludwig  L)  und  dem 
Galerie-Inspektor,  nachmals  Galerie-Direktor 
Gg.  Dillis. 


2t* 


360 


Sitzung  vom  2.  Juli  1904. 


Sitzung  vom  2.  Juli  1904. 

Philosophisch-philologische  Klasse. 

Der  Elassen8ekb£tär  legt  vor  eine  Abhandlung: 

Einige  neugefundene  etru»kische  Inschriften. 
Herausgegeben  von  Alf  Torp  und  Gustav 
Herbig, 

Einige   auf  zwei   italienischen  Reisen  von  den   beiden  ge-  , 
nannten  gesammelte  Inschriften  werden   hier  zum  ersten  Male 
kritisch  mit  genauen  Faksimiletafeln  herausgegeben.    Es  handelt 
sich  um  etwa  60,  meist  kunae  Inschriften:  einzeln  ist  keine  von 
bemerkenswertem  umfange  doch  enthalten  sie  im  ganzen  nahezu 
200  Wörter,    leider  zum   grössteiv  Teil  wieder  Personennamen, , 
die  indes  Öfters  durch  besondere  Bildung  aufMlen.    Die  Fund- 
gegenstände  zeigen  eine  bunte  Mannigfaltigkeit,  und  Sarkophag-, 
Cippus-,  Ossuarien-,  Grabziegel-  und  Steininschriften  wechseln 
mit   Instrumentuminschriften    der  verschiedensten   Typen.    Die  ^ 
Fundstätten  verteilen  sich  über  einen  grossen  Teil  des  einst  von  I 
Etruskern    besiedelten    Gebietes;    Cortona,   Chiusi,    Cittä   della 
Pieve,   Perugia,   Orvieto,  Bolsena,   Proceno  bei  Acf|ua|)endente, 
Viterbo,  Toscam'Uu   und  Corchiano  t*ind  vertreten.    Im  Mittel- 
punkt des  Interesses  stehen  die  Sarkophaginschriften  und  anter 
diesen  zweifellos  die  Funde  von  Toscanella.    Geben  verschiedene 
der  Cippen-   und   Instnunentuminschriflen   zunächst    nur  neue 
Kfibiel  auf,   so  scheinen  einige   Aufsi^hriflen  der  altcTtümlicben 
ToficaneUa-Sarkophage   die   Lüsung   eines    andern   zu   fördern : 


Sitxung  vom  2.  Juli  1904. 


m 


des  heisa  umstrittenen  Probleraes  der  etruski&chen  Zahlwörter, 
das  einem  älteren  Toscaneller  Fund,  den  berühmten  Würfeln, 
seine  Formulierung  verdankt. 

Die  Abhandlung  wird  iti  den  Sitzungsberichten  gedruckt 
werden. 

Herr  ScuLAoiNTWErr   hält   einen    für   die   Denkschriften   be- 
imten  Vortrag: 

Bericht  über  eine  Adresse  an  den  Dalai  Lama 
in  Lhasa  (1902)  zur  Erlangung  von  Bücherver- 
zeichnissen aus  den  dortigen  buddhistischen 
Klöstern, 

dessen  Abdruck  ^  mit  dem  Texte  der  inzwischen  über  Peking 
nach  Lhasa  übermittelten  Adresse  —  die  sämtlichen  auf  den 
Gegenstand  bezüglichen  Aktenstücke  beigegeben  werden  sollen. 


Der  ELASsENSEHiKErriit  legt  vor  eine  Abhandlung  des  Pater 
W,  Schmidt  in  St.  Gabriel,  Mödling  bei  Wien: 

Qrundzüge  einer  Lautlehre  der  Khasi-Sprache 
in  ihren  Beziehungen  zu  derjenigen  der  Mon- 
Kh  nier-Spruchen.  Mit  einem  Anhang:  Die 
Palaung-,  Wa-  und  Riang-Sprachen  des  mitt- 
leren Salwin. 

Es  wird  nach  einer  eingehenden  Analyse  der  Präfix- 
uud  Intixbildungen  des  Khasi  das  gesamte  Lautsystem  einer 
spezieilen  Erforschung  unterzogen  und  auf  Grund  derselben  fest- 
gestellt, dass  das  Khasi  den  eigentlichen  Mon-Khmer-Sp rächen 
gegenüber  ein  selbständig  entwickeltes  Glied  des  diese  und 
andere  Gruppen  umfassenden  Sprachstammes  darstellt.  Die  im 
Anbang  erörterten  Sprachen  bilden  dann  —  wie  nach  ihrer 
geographischen  Lage  zu  erwarten  ist  —  die  Vermittlung 
zwischen  den  beiden. 

Die  Abhandlung  wird  m  den  Denkschriften  gedruckt  werden. 


362 


Siixung  vom  2.  Juli  1904. 


Herr   FüktwInöler   luaclit   eine   für   die   Sitzungsberichte 
besti mmte  Mitteilung : 

Zu   früheren  Abhandlungen. 

L  Zu   den    marathoniachen  Weihgeschenken   d< 
Athener   in    Delphi.    Mit   Bezug  auf   die    neueren  Ver- 
öffentlichungen von  Homoll©  und  Poinptow  wird  die  Frage 
über    die    Topographie    der   Denkmäler    am    Anfange    der 
Periegese  des  Fausanias  von  neuem  behandelt. 
IL  Zu   den   Tempeln   der  Akropolis.     Es   wird    die   neue  j 
These  von   Dörpfeld    behandelt,   wonach   das   Erechtheionfl 
nur  einen  Teil   des  ursprünglich   geplanten  viel  grösseren 
Baues    darstellt    und  werden    die    sich    daraus    ergebenden  ^ 
Konsequenzen    für    die  Geschichte    der  Akropolis  gezogen.  | 
Dabei  kommt  auch  die  Frage  nach  der  Zeit  der  Erbauung 
der  Propyläen  und  des  Atbena  Niketempels  zur  Erörterung. 
IIL  Zum  Tropaion  von  Adamklissi,    Es  werden  die  neueren 
Behandlungen  der  Frage  erörtert  und  wird  die  Datierut 
des  Denkmab  in  die  Augusteische  Zeit  neu  gestützt 

HiBtoriache  Klasse. 


Herr  Tbaübi    legt   den    in    den   Denkschriften   gedruckten] 
dritten  Teil  seiner  Palaeographischen  Forechungen  vor: 

Jean-Baptiste  Maugerard.  Ein  Beitrag  zur 
Bibliotheksgeschicbte  von  L.  Traube  und 
R,  Ehwald. 

Es  wird  in  dieser  Abhandlung  der  Versuch  gemacht,  dial 
mannigfachen  Transaktionen  aufeuklären,  durch  die  der  im] 
Titel  genannte  Bibliophile  in  den  Jahren  1766  bis  1815  Ver- 
wirrung in  die  Bestände  hauptsächlich  der  französischen  undl 
dimtschen  Handschriftensammlungen  gebracht  hat.  Die  Biblio-| 
theksTorstände  werden  ersucht,  der  Abb: '^^■•''  ihre  Aufmerk- 
samkeit zu  »cbenken  und  weitere  B  ^^*n  MaugtbiirdaJ 
nachzuweisen,  an  denen  es  nicht  fehlen  wird. 


Sitzaing  vom  2.  Juli  1904. 


363 


Derselbe  spricht  ferner: 

Ober  den  Anonymus  Corteaianus. 

Im  Jahre  1884  fand  Herr  Giacomo  Cortese,  jetzt  Lehrer 
an  der  Universität  zu  Kom,  ein  Fragment  wie  er  njeinte,  der 
verlornen  Vita  Catoni«  de^  Cornelius  Nepos^  das  erlesene  und 
sonst  nicht  überlieferte  Nachrichten  über  literarische  Strömun- 
gen in  Rom  zur  Zeit  des  Dichters  Ennius  und  des  Historikers 
A.  Postumius  Älbinus  enthält,  und  veröffentlichte  es  zusammen 
mit  einem  Faksimile,  Obgleich  alsbalJ  aus  der  Sprache  der 
Nachweis  erbracht  wurde,  dass  Nepos  nicht  der  Verfasser  sein 
kdnne,  hat  man  doch  sonst  dem  merkwürdigen  Stück,  das  man 
einem  späteren  römischen  Historiker  zuschrieb,  vollen  Glauben 
geschenkt  und  sein  Inhalt  ist  längst  Gemeingut  der  römischen 
Literaturgeschichte  geworden.  Allein  Herr  Cortese  war  das 
Opfer  einer  frechen  Fälschung  geworden.  Der  Nachweis  kann 
auf  palaeographischem  Wege  geführt  werden.  Uud  da  die 
KenntnisBe  des  Fälschers  gering  waren,  so  genügt,  um  ihn 
zu  entlarven,  das  erwähnte  Faksimile. 


Herr  Brentano  hält  einen  für  die  Sitzungsberichte  be- 
stimmten Vortrag: 

Über  die  Entstehung  des  modernen  Kapitalismus. 

Nach  einer  Kritik  der  Meinung  Somberts,  welche  er  ab- 
lehnt, führt  er  aus,  der  moderne  Kapitalismus  habe  sich  in  un- 
unterbrochener Kontinuität  aus  den  Ansätzen  entwickelt,  welche 
bereits  in  der  römischen  Kaiserzeit  dazu  vorhanden  gewesen 
und  welche  in  Byzanz  und  den  sarazenischen  Staaten  weitere 
Portbildung  gefunden  hätten.  Im  Occident  habe  der  moderne 
Kapitalismus  seinen  Anfang  in  Italien  genommen.  Der  Vor- 
tragende scheidet  Italien  in  eine  nordöstliche  Hälfte,  in  welcher 
eine  Landwirtschaft  möglich  gewesen,  ausreichend,  um  die  dort 
Wohnenden  zu  ernähren,  imd  in  eine  südwestliche,  in  welcher 
die  hierzu  nötigen  Bedingungen  fehlten.  Diese  Scheidung  falle 
im   grossen    und  ganzen    mit  den  Grenzen    der  Langobarden- 


364  Sitzung  vom  2.  Juli  1904. 

herrschaft  und  denen  der  Stadtgebiete  zusammen,  die  mehr  oder 
weniger  byzantinisch  geblieben.  In  den  letzteren  entwickelte 
der  Handel  mit  dem  byzantinischen  Reiche  und  den  sarazeni- 
schen Staaten  sowie  mit  dem  germanischen  Hinterland  schon  in 
der  Zeit  Tor  den  Ereuzzügen  die  kapitalistische  Unternehmung 
und  die  ihr  adäquate  Wirtschaftsverfassung  in  einem  Masse,  dass 
dort  schon  lange  Tor  dem  Jahre  1202,  welches  Sombert  als 
das  Oeburtsjahr  des  modernen  Kapitalismus  betrachtet,  dieser 
über  die  feudale  Wirtschaftsorganisation,  welche  den  Gegen- 
satz zu  ihm  bildet,  triumphiert  hatte.  Der  Vortragende  betont 
die  Dringlichkeit  von  Forschungen  über  byzantinische  Wirt- 
schaftsgeschichte, damit  die  wirkliche  Genesis  des  modernen 
Kapitalismus  geschrieben  werden  könne. 


Zu  früheren  Abhandlniigen. 

Von  i.«  Furtwäng'ler. 

(Vorgetragen  in  der  philoa.-philol.  Klasse  am  2.  Juli  1904.] 


L  Zu  den  marathoniscben  Weihgeschenken  der  Athener 

in  Delphi. 

Die  schwierige  Frage  der  Topographie  der  Denkmäler  am 
Anfange  der  delphischen  Periegese  des  Pausanias,  die  ich  in 
diesen  Sitzungsberichten  1901  ^  S.  396  f.  behandelt  habe,  ist 
kurz  darauf  von  Th.  Honiolle  in  den  Comptes  rendus  der 
Pariser  Akademie  1901,  p.  670  f.  sowie  von  Pomptow  im 
Jahrbuch  deg  archäologischen  Instituts  1902,  Anzeiger  S.  14  ff. 
und  S.  80  f.  neu  vorgenommen  worden.  Ich  hübe  nun  im  Früh- 
jahr dieses  Jahres  Gelegenheit  gehabt,  die  Frage  an  Ort  und 
Stelle  in  Delphi  von  neuem  zu  prüfen  und  bin  zu  Modifika- 
tionen meiner  früheren  Ansiebt  gelangt.  Um  es  kurz  zu  sagen, 
ich  glaube,  dass  die  umsichtigen  Erwägungen  von  Pomptow 
im  wesentlichen  das  Richtige  getroffen  haben. 

Wenn  man  den  Worten  des  Pausanias  folgt,  ohne  eine 
Änderung  zu  machen  oder  einen  Irrtum  anzunehmen,  so  muss 
die  Phidias  zugeschriebene  Gruppe,  das  marathonische  Weih- 
geschenk der  Athener,  auf  die  rechte  Seite  der  Strasse  in  die 
dort  befindliche  grosse  Kammer  angesetzt  werden.  Da  diese 
aber  aus  bautechnischeu  Gründen  nicht  vor  die  Epoche  um 
400  V.  Chr.  gesetzt  werden  kann«  so  ergeben  sieh  daraus  die 
Ton  mir  früher  gezogenen  Konsequen7en. 


3ft6 


J.  Furttcängler 


Allein  diese  unterliegen  unleugbar  schweren  Bedenken. 
Schon  die  Periegese  des  Pausanias  wird  danii  sehr  unklar; 
denn  es  ist  nicht  zu  verstehen^  dass  Pausanias,  nachdem  er 
die  arkadischen  Heroen  rechts  an  der  Strasse  genannt  hat^ 
nicht  gleich  die  unmittelbar  dahinter  in  der  grossen  Kammer 
befindlichen  Figuren,  sondern  erst  eine  gegenüber  an  der  linken 
Seite  gelegene  Gruppe  erwähnt  und  dann  erst  jene  Figuren  in 
der  Kammer  genannt,  sie  aber  nicht  nach  den  Arkadem,  soa* 
dem  nach  einem  irgendwo  —  ein  wirklich  geeigneter  Platz  ist 
nirgends  vorhanden  —  höher  aufgestellt  gewesenen  Pferde  topo- 
graphisch fixiert  haben  sollte. 

Alle  Schwierigkeiten  hangen  an  dem  Worte  äjtavftxov,  mit 
welchem  Pausanias  X,  9,  7  die  Lage  des  Lakedaimonier- Weih- 
geschenkes als  gegenüber  dem  der  Arkader  bezeichnet.  äjiamKgv 
heisst  nichts  andere«  ak  gegenüber,  und  der  Ausweg  TOn 
Horanlle  (a.  a.  O.  p.  680),  es  könne  wohl  auch  »tont  droit  en 
avant*  bedeuten,  ist  sicher  nicht  gangbar.  Es  bleibt  vielmehr» 
wenn  wir  den  Sinn  des  Wortes  , gegenüber*  nicht  brauchen 
können,  nur  übrig  mit  Pomptow  ein  Versehen  des  Pausanias 
oder  unserer  Überlieferung  anzunehmen.  Pausanias  kann  beim 
Ausarbeiten  seiner  Notizen  ja  gewiss  leicht  der  Irrtum  passiert 
sein,  änavtiXQv  statt  etwa  öjito^Ev  zu  schreiben. 

Sobald  wir  letzteres  annehmen,  fügt  sich  alles  leicht  und 
gut:  Hinter  den  Arkadern  stehen  in  der  grossen  Kammer 
Lysander  und  die  Nauarchen.  An  diese  knüpft  wegen  dee 
Sibjllenorakels  Pausanias  das  liölzerne  Pferd  der  Argiver  und 
orientiert  nach  diesem  als  unterhalb  desselben  befindlich  (r-^ia 
roi*  ijinov)  die  marathonische  Gruppe  der  Athener,  und  als 
nahe  bei  dem  Pferde  (nlTjalor  tov  Ijtjtm')  die  anderen  argivi- 
sehen  Weihgeschenke,  die  Sieben  gegen  Theben  und  die  Epi- 
gonen, deren  Standort  links  gesichert  ist.  Ich  möchte  nun, 
naehdem  ich  mir  die  Situation  am  Orte  frisch  vergegenwärtigt 
habe,  vorHchlageo,  das  Pferd  links  oben  auf  die  Temt^nos-Muuer 
anzusetzen,  wo  es  weithin  sichtbar  und  als  f4>pographt8cher 
Fixpunkt  gei^ignet  war.  Gerade  unterhalb  desselben,  i^to  toy 
TTtnov^  stand  die  (Jruppe  der  Athener  mid  weiterhin  nlfjciop  dia 


L  Zu  den  maifathm.  WeikgwAenken  der  Athtmmr  m  DdfM.      367 

a/giTische  Ghiippe  der  Sieben.  Pomptow  mdchte  das  Pferd 
gleich  links  vom  Eingang  ansetzen;')  allein  dann  erklärt,  nch. 
das  Imo  nicht  gut,  denn  die  Athener  standen  dann  Tieimebr 
hinter  dem  Pferde,  und  noch  weniger  stimmt  das  nXriohw  da  das 
Pferd  dann  von  jenen  anderen  argivischen  Votiven  weit  getrennt 
ist.  Auch  die  Annahme  von  Homolle,  der  das  Ross  unmittelbar 
neben  die  Epigonen  am  östlichen  Ende  von  deren  Halbkreise 
ansetzen  will,  passt  nicht  zu  Pausanias;  denn  wenn  die  Sieben 
zwischen  dem  Roese  und  der  Athenergruppe  standen,  so  wfiren 
Pausanias  Angaben  unverständlich.  Dagegen  scheinen  sie  mir 
völlig  klar  bei  meiner  Annahme,  wo  das  Pferd  links  etwa  in 
der  Mitte  hinter  und  über  der  Athenergruppe  stand. 

Leider  ist  das  ganze  Terrain  links  von  der  Strasse  bis  xu 
dem  Halbrund  der  Epigonen  jetzt  nur  ein  Loch,  indem  man 
die  ganze  antike  Anschüttung,  auf  welcher  sich  einst  die  Basen 
erhoben,  ausgehoben  und  entfernt  hat.  Ich  muss  noch  einmal 
betonen,  was  ich  schon  Sitzungsberichte  1901,  S.  398  hervor- 
gehoben habe,  dass  an  dieser  ganzen  Stelle  überhaupt  keine 
Reste  von  Basen,*)  sondern  nur  Reste  von  kleinen  alten  Stütz- 
mauern erhalten  sind,  und  dass  Homolle  hier  mit  Unrecht  von 
«fondations'"  von  Basen  spricht,  was  auch  Pomptow  irre  ge- 
leitet hat. 

Die  grosse  Kammer  rechts  kann,  wie  ich  früher  gezeigt 
habe,  nicht  wesentlich  vor  die  Epoche  um  400  v.  Chr.  datiert 
werden.  Die  Analogien  in  Del]>hi  gehören  alle  erst  dem  vierten 
Jahrhundert  an.  Die  Bauart  ist  im  wesentlichen  dieselbe  wie 
sie  für  uns  zuerst  in  Athen  am  neuen  Dionysostempel  mit  dem 
Bilde  des  Alkamenes  und  den,  wie  ich  Sitzungsber.  1901»  S,  411 


')  Vgl.  seinen  kleinen  Plan  im  Arch.  Anzeiger  1902,  Ö.  l&, 
*)  Ganz  phantaetiach  und  töricht  ist  die  Angabe  der  Bimen  ho 
dieser  Stelle  auf  dem  reBt^urierten  Plane  der  delphiachcn  Publikntion, 
Delphe»,  Albnin  pL  6.  Das  bei  allen  reBtatrrierten  Plilm^n  und  Zrirh- 
nungen  dies«*»  Werke»  herrechende  System,  dan  was  willkürlirh«t.r  modt^me 
Fbantafii«'  ist  in  der  Wiedergabe  ni<!ht  zn  unterscheiden  von  tlern  dTinb 
antike  Reste  todi zierten,  tat  eehr  bedauerlich  ttnd  mindtyrt  de«»eu  wttiaen- 
•ehaftlicben  Wert  erheblicb. 


Ä.  Furtwän(fler 

gezeigt  habe,  zugehörigen  Teilen  des  grossen  Theaterbaues,  d,  t, 
gegen  Ende  des  fünften  Jahrhunderts  auftritt.  Danach  besteht 
kein  Bedenken,  in  die  delphische  Kammer  die  lakedamonische 
Oruppe  zu  setzen,  die  um  400  v.  Chr.  aufgestellt  sein  mrd  und_ 
die  vorzüglich  hereinpasst. 

Meine  frühere  Annahme,  dass  die  Aufstellung  des  Arkader-* 
Anathems   der  Anlage   der  grossen  Kammer  gleichzeitig  sein 
müsse  (Sitzungsber.    1901,   S.  403),    halte   ich    nach    erneuter 
Untersuchung  an  Ort  und  Stella  nicht  mehr  aufrecht.    Sicher  ist 


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Eck«  d«r  BASia  dei  Ark«d«r-WciilageBcboakM  in  Dflt|»hi. 

allerdings,  dass  die  vorspringende  entlang  der  grossen  Kammer 
laufende  horiÄontale  Terrasse,  auf  welcher  das  Arkader-Anatbem 
aufgestellt  wurde,  ein  Teil  des  Baues  der  Kammer  selbst  ist 
(vgl»  a.  a.  0.  und  die  beistehende  Skizze  der  Ecke  der  Kammer 
mit  der  Ecke  der  Arkaderbasia);*)  allein  nicht  sicher  ist,  dasa 
diese  Terrasse  für  das  Arkader-Anathero  bestimmt  war;  ja  eine 
Einarbeitung  oben  auf  dem  Konglomerat- Vorsprung  der  Kammer 
scheint  darauf  zu  deuten,  dai*s  liier  etwas  Grösseres  lag  oder 
liegen  sollte  als  es  die  Arkaderbasis  ist.  Es  scheint  mir  also 
jetzt  möglich ,   dass  die  Arkaderbasis  erat  spSter  auf  die  vor- 

')  In  der  Skizifce  bedeute  1 11    '  ^  '    "'  '*  '  t, 

die  unten  in  ila^  Futiilameiit  der  h  i 

«eititj  ist;  n^  beller  schraffiert,  i«t  der  iieiie  Kalk.?tmn,  die  üntewtofe 
der  Arkaderb&Hf«'  I  *ii.»  -»>>twHr/i^  Afirmorsehieht  mit  äi^n  FiiJ4*"-^.iir».ti  .)«r 
Arkadergnippe, 


J»  Zu  ätn  marathon,  Weihgeschenken  der  Athener  in  Delphi.     369 

handenef  ursprünglich  zu  etwas  anderem  bestimmte  vorsprin- 
gende Terrasse  der  grossen  Kammer  gesetzt  worden  ist.  Ur- 
sprünglich stieg  die  Strasse  wohl  nicht  als  schiefe  Ebene  an, 
sondern  von  der  Horizontale  neben  der  Stierbasis  führten  wahr- 
scheinlich Treppenstufen  zu  der  Horizontale  entlang  der  grossen 
Kammer. 

Somit  besteht  jetzt  auch  kein  Grund  mehr,  an  dem  Alter 
der  athenischen  Gruppe  und  der  Angabe  des  Pausanias,  dass 
sie  vom  Zehnten  von  Marathon  geweiht  wurde,  zu  zweifeln. 
Ob  die  Urheberschaft  des  Phidias  freilich  glaubwürdig  ist,  ist 
eine  andere  Frage. 

Wenn  aber  diese  Gruppe  das  delphische  Weihgeschenk 
der  Athener  für  Marathon  war,  so  war  der  Thesauros  oben 
gewiss  nicht  von  demselben  Zehnten  errichtet.  Pomptow  wird 
Recht  haben,  wenn  er  annimmt,  dass  der  Thesauros  etwas  älter 
war  und  aus  der  Zeit  um  510—490  stammte,  sowie  daas  er 
gar  nicht  infolge  eines  besonderen  kriegerischen  Ereignisses 
errichtet  wurde;  denn  Pomptow  zeigt  (Areb.  Anz.  1902,  S.  84), 
I  die  älteren  Thesauren  gar  nicht  mit  Kriegsbeute  zusam- 
menzuhängen pflegen.  Das  Original  der  uns  nur  in  einer  ver- 
stümmelten Kopie  des  vierten  Jahrhunderts  erhaltenen  Basis 
mit  den  dxoo{^tvta  von  Marathon  vor  der  Südseite  des  Tliesatiros 
mag  wirklich  nach  dem  marathonischen  Siege  dort  aufgestellt 
^worden  sein.*)  Es  ist  recht  wohl  denkbar,  dnüs  Athen  nach 
larathon    unten    die   Gruppn    gleich    links    vom    Eingang  ins 


')  Die  ÜliterBtufe  ist  aichiSr  all,  weicht  nher  m  der  Form  der 
KUmitiem  ab  von  dt-m  Thesauros  (l^ts^tercr  hut  ^cbwiilbens^t^hwan/förruige 
aiD  in  er  II,  jene  Unterstufe  aber  Z-fÖnuige,  ho  wie  die  Kpigouenbiwi*  u,  üj; 
rauch  diea  tpricht  für  verschiedene  Entat^^hung^özeit.  Zwischen  dieser  er- 
halten«n  ünterftnfe  und  der  Oberstufe  mit  der  Inschrift  ist  wahracbeinlicb 
nach  eine  vcHoreno  Stufe  zu  ergönzen.  Die  Inschrift  «tanimt  gandi**h 
au»  dem  vierU*n  Jahrhundert  und  ist  keine  Spur  der  Exiatenz  einer  {Utercn 
*-■  Auf  der  ObertliU'he  der  Ba^ia  «ind  nuj-  wenige  undeutliche  flache 

\  gen  lu  sehen;  auf  den  meisten  Blöcken  i«t  gar  nichts.   E«*  wird 

hii*r  nicht  »^hr  viel  tiufgesteUfc  gt»w€>«t«n  nein:  «icher  keine  Statuen.  f>ii» 
«•ttaurii'rte  Zt^ichnung  Delphes,  Album  pl.  12  ist  ebeniia  phiintiutisch 
unwahr  wie  abHcheuürh. 


Ä.  Furtwän^ler 

Heiligtum  und  gleichzeitig  oben  am  Thesauros  einige  Beute- 
stücke aufstellen  liess.  Dann  aber  ist  es  wahrscheinlich»  dass 
damals  die  Stoa  an  der  Terrassenmauer  des  Tempels  noch 
nicht  existierte;  wäre  sie  dagewesen,  hätte  man  jene  äxQO&tvia 
doch  wohl  in  der  Halle  aufgesteUt.  Ich  halte  es  jetst  mit 
Pornjitow  (Arch.  Anz.  1902,  S.  85)  für  wahrscheinlich,  dass 
die  Halle  erst  nach  der  Schlacht  von  Salamis  errichtet  worden 
ist')  und  bestiDimt  war,  die  umfangreichen  Beutestücke  jener 
Seeschlacht  aufscunehmen* 


II.  Zu  den  Tempeln  der  Akropolis. 

iVgL  SitziingöVKT.  1898,  I,  349  f.) 

Es  ist  nicht  meine  Absicht,  hier  auf  aUe  die  mannig- 
faltigen Forschungen  zur  Geschichte  der  Tempel  der  Akropolis 
einzugehen,  welche  seit  jener  meiner  letzten  Abhandlung  er- 
schienen sind*  Nur  an  einen  Punkt  mochte  ich  hier  anknüpfen, 
an  die  sensationelle  neue  These  Dörpfelds  über  den  ursprüng- 
lichen Plan  des  Erechtheion  (Athen,  Miti  1904,  S.  101  ff.). 

Wenn  auch  wohl  mit  Widerstreben  —  ist  doch  das  ge- 
wohnte Bild  des  Erechtheion  ein  gar  zu  reizToUee  —  wird 
man  doch  zugeben  müssen,  dass  Dörpfelds  Annahme,  das  Erech- 
theion sei  ursprünglich  ganz  anders,  viel  grOsser  und  in  völlig 
symmetrischer  Anlage  geplant  gewesen  (s,  die  umstehende 
Wiedergabe  von  Dörpfelds  Plan),  eine  grosse  Wahrscheinlich- 
keit für  sich  hat. 

Wenn  dem  so  ist,  wenn  das  Erechtheion  beabsichtigt  war 
wie  Dörpfeld  annimmt,  dann  scheint  mir  aber  Eines  ganz 
evident:  der  Bau  war  als  ein  streng  symmetrischer  Doppel- 
tempel angelegt;  er  enthielt  nach  Ost^n  eine  Cella,  und  genau 
^benso  eine  nach  Werten.  Hier  kann  man  gar  nicht  von  vorne 
fid  hinten  sprechen;   die   beiden  Seiten,    die  östliche  und  die 

0  Datm  bmuebi  iriün  »ii«  il^ot  ümittatide,  diUA  di«  ßa««»  iler  SAiil^n 
anü  |>aiii!cljeoi,  die  Öchafi  ( 

iDfi^hr  auf  ipütere  Ec'statir  I  I 

»921  Ut 


IL  Zu  den  Tempeln  der  Akropdü. 


371 


che,  waren  durchaus  gleich  intendierl  Daas  Dörpfeld 
gleichwohl  in  der  westlichen  Cella  den  ^interbau'',  den  ^Opistho- 
dorn"  sehen  will,  ist  nur  zu  erklären  durch  seine  vorgefasste 
Meinung,  die  den  Opisthodoni  ^)  im  ^alten  Tempel'*  und  im 
Erecbtheion  den  Ersatz  dieses  sucht*     Für   den  Unbefangenen 


^äTt  & 


jjt^iy** 


Bor  tinpriiiigUcb«  Plan  dsi  Er««htbekin  umH  Dörpf^ld, 


kann  es  nicht  zweifelhaft  sein,  dass,  wenn  die  östliche  Cella 
einer  Gottheit  galt,  die  völlig  gleich  angelegte  westliehe  Cella 
dieselbe  Bestimmung  haben  niusste.  Da  wir  nun  über  die  ge- 
raeinsame Verehrung  der  Athena  und  des  Poseidon-Erechtheus 


*)  Über  die  OpUthodomfra^e  kann  ich  jet7;t  auf  di<^  treflflirlipn  Am- 
fühnmgen  von  Michael  18  im  Jalirb.  d.  Iiittt  IdOi,  8.  24  ff.  verweisen. 


372 


Ä,  Furtwängler 


in  einem  Tempel  auf  der  Akropolis  die  unzweideutigsten  Zeug- 
nisse haben/)  so  ist  es  unzweifelhaft,  dass»  ebenso  wie  die  äst- 
liche Cella  die  der  Athen a,  die  westliche  die  de-3  Poseidon- 
Erechtheus  sein  sollte. 

Von  den  drei  mittleren  Bäumen  des  ursprünglichen  Planes 
war  nach  Dörpfeld  wahrscheinlich  nur  der  mittelste  gedeckt; 
er  war  im  wesentlichen  nur  Verbindungs-  und  Durchgangsraum; 
die  beiden  ofiPenen  seitlichen  Räume  waren  für  die  heiligem 
Wahrzeichen  der  beiden  Gottheiten,  für  den  Ölbaum  und  den 
Salzquell  bestimmt.  Das  Dreizackraal  kam  unter  die  nördliche 
Vorhalle  zu  stehen,  ward  aber  durch  eine  besondere  kleine 
Türe  mit  dem  Innern  in  Verbindung  gesetzt.  So  entsteht  ein 
überaus  einfaches  und  klares  Bild  des  ursprünglichen  Planes: 
an  den  beiden  Enden  nach  Osten  und  nach  Westen  die  Gellen 
der  beiden  Gottheiten,  Athena  und  Poseidon-Erechtheus,  beide 
mit  einer  Säulen vorhalle;  in  der  Mitte  die  heiligen  Wahrzeichen 
derselben  beiden  Gottheiten,  von  Norden  und  von  Süden  durch 
Eingangshallen  zugänglich*  Natürlich  boten  diese  Räume  auch 
Platz  genug,  den  Kult  der  beigeordneten  Gottheiten  und  Heroen, 
des  Butes,  des  Kekrops,  der  Erichthoniosschlange,  des  Hephaistos 
und  der  —  bei  dem  Ölbaum  verehrten  —  Pandrosos  aufzunehmen. 

Der  von  Dörpfeld  rekonstruierte  ursprüngliche  Plan  des 
Erechtheion  scheint  mir  eine  schöne  Bestätigung  lür  das  Haupt- 
resultat von  MichaeUs' jüngster  gründlicherUntersuchung  der  alten 
Tempelfrage  (Jahrbuch  d.  Inst,  1902,  S.  1  f.)  zu  bieten.  Micha- 
elis hat,  wie  mir  scheint  durchaus  mit  Recht,  den  Dörpfeld- 
sehen  sogenannten  alt^n  Tempel  als  das  Hekatompedon, 
einen  Bau  des  sechsten  Jahrhunderts,  von  dem  äox^iog  vfußi;, 
dem  alten  Tempel,  geschieden,  den  er  als  Vorläufer  des  Erech- 
theion un  dessen  Stelle  als  Doppel tempel  der  Athena  und  den 
Poseidon-Erechtheus  supponierte.  Wenn  nun  der  wiederher- 
gestellto  ursprüngliche  Plan  de«  Erechtheion  ergibt^  dass  dieses 
ganz  anders  deutlich,  als  dies  in  der  wirklichen  Ausführung 
hervortritt,  als  Do|»pelt«rtiipe]   beabsichtigt  war  mit   zwei   sich 


0  Vgl.  Sit/QQKibtir*  ims,  I.  S.  mi  liud  >lidmelb.  Jäkth,  1Ü02.  S.  U. 


IT,  Zu  den  Tempehi  der  Älerapolui, 


373 


entsprechenden  Gellen  nach  Ost  und  West  und  mit  Räumen 
für  die  gemeinsamen  Wahrzeichen  in  der  Mitte,  so  wird  da- 
durch offenbar  die  Ansicht  bestätigt,  dass,  der  alte  Bau,  an 
dessen  Stelle  das  neue  Erechtheion  zu  treten  bestimmt  war, 
eben  ein  solcher  Dnppeltempel  bei  den  Kultmalen  war. 

Ausgeführt  wurde  nur  die  Ostcella,  die  der  Aiheua,  in 
welche  das  alte  Bild  der  Polias  kam,  wonach  der  ganze  Bau 
ja  in  der  Inschrift  der  Tempel  iv  ![/  r6  äg^aJov  äyalfia  heisst; 
vor  das  Bild  wurde  die  für  den  Neubau  gearbeitete  Prachtlampe 
des  Kallimachos  gesetzt.  Für  den  Kult  des  Poseidon-Erech- 
theus  musste  man  sich  nach  der  eingetretenen  Beschränkung 
des  Baues  mit  den  allein  ausgeführten  zwei  östlichen  Mittel- 
räuraen  behelfen,  was  insofeni  anging  als  ja  wenigstens  die 
Male  des  Poseidon  hier  miteingeschlossen  waren;  der  Ölbaum 
mit  dem  Kulte  der  Pandrosos  konnte  schon  draussen  im  Freien 
bleiben. 

An  dem  Baue  blieb  die  Bezeichnung  äQxaios  vecog  haften, 
weil  er  eben  der  Tempel  mit  dem  ägj^aiov  (lyakfia  war.  Auch 
jtaXaid^  veiic  bei  Xenophon  ist  doch  nur  eine  Variante  jener 
Bezeichnung  und  kann  nicht  einen  anderen  Bau  meinen.  Ich 
lialt^e  Michaelis  Gedanken  (Jahrbuch  1902,  S.  22),  der  Brand  im 
smifiidg  v£€Üc  Ton  406/5  bedeute  das  Ende  des  Hekatompedon, 
nicht  für  glücklich.  Ich  kann  nicht  annehmen,  dass  man  darauf 
gewartet  habe,  bis  ein  Zufall  dem  Hekatompedon  ein  Ende 
machte;  auch  bedeutet  ^v^ji^*;ödr/,  wie  Michaelis  selbst  betont, 
ja  nicht,  dass  der  Bau  niederbrannte.  Michaelis  muss  ferner 
annehmen,  dass  der  Rratid  auch  hinüber  auf  das  Erechtheion 
gegriffen  habe;  da  ist  es  doch  einfacher,  den  jtnXatög  raos  als 
dasselbe  zu  verstehen  wie  den  dgxaiog  v€wg.  Der  Brand  mag 
leicht  im  Holzdache  der  Polias-Cella  entstanden  sein,  da  der 
Rauch  fang  der  ewigen  Lampe  von  Kallimachos  ja  durch  da^s 
Dach  ging.  Dass  der  Brand  nichts  mit  einer  noch  kenntlichen 
Restauration  von  Marmorteilen  der  Westseite  und  nördlichen 
Vorhalle  zu  tun  hat,  da  diese  fr  Oh  römischer  Zeit  angehört^ 
zeigt  Dörpfeld,  Athenische  Mitteilungen  1903,  S.  466.  Was  das 
Ende  des  Hekatompedon  betrifft,  so  bleibe  ich  aus  den  früher 

l»D^  a)t««ib.  d.  plilloi^'phllol.  ta,  d.  hUL  KL  S5 


374 


A,  Furiwänghr 


(Sitzungsber,  1898,  I,  S.  351)  entwickelten  GrÜiidt^n  bei  der 
Annahme,  dass  es  mit  einem  Male  ganz  abgebrochen  wurde, 
wa^  spätestens  geschehen  sein  rauss,  als  der  Neubau  des! 
Erechtheion  auf  die  Ringhalle  des  Hekatompedon  übergriff* 
Indem  ich  indes  Michaelis  in  der  Annahme  einer  alten  dos  | 
Idol  enthaltenden  Polius-Cella  nördlich  vom  Hekatompedon  folge, 
erscheint  es  mir  auch  als  mügiich,  dass  das  HekatompedoD 
schon  früher  abgebrochen  worden  ist. 

Hier  sei  bemerkt,  dass  Dörpfeld  durch  seine  xlunahmi% 
die  Westcella  des  ursprünglichen  Planes  des  Krechtheion  sei 
als  „Opisthodom''  beabsichtigt  gewesen,  «eine  neue  wertToUe 
Stütze*  für  seine  bekannte  These  von  dem  Fortbestehen  de» 
Hekatompedon,  des  sogenannten  alten  Tempels  zu  gewinnen 
glaubt  (Äth.  Mitt.  19Ü4,  S.  106);  die  Nicfitausfülirung  de^* 
»Opisthodoms"  des  Krechtheion  habe  als  Grund  zur  Krhaltung 
des  , alten  Tempels*  beigetragen.  Die  angebliche  Stütze  ruht 
also  auf  der,  wie  wir  sahen,  verkehrten  Deutung  der  beab- 
sichtigten Westcella  des  Erechtheion  als  Opisthodoni.  Die 
Ostcellft  Hess  Dörpfeld  früher  ganz  unbenutzt  sein;  jetzt  nimmt 
er  an  (Ath.  Mitt,  I90a,  S.  im  und  1904,  S.  107),  dass  hier 
Hephaistos,  Erechtbeus  und  Butes  verehrt  worden  sei,  Erech- 
theus  also  in  beiden  Gellen  des  Neubaues  Kult  genossen  habe 
—  eine  neue  von  jenen  verxweiftilten  Konsequenzen,  'a\i  df*nen 
Durpfeld  dadurch  getrieben  wird,  dass  er  entgegen  dem  sonnen- 
klaren Zeugnis  der  Inschrift,  die  den  Neubau  den  vmc  iv  ift6 
ägx^^*^y  äyul^a  nennt,  das  alte  Bild  der  Atheiia  nicht  in  der 
Ostcella  des  Krechtheion,  sondern  im  alten  Hekatompedon  sucht. 
Im  übrigen  verweise  ich  für  diese  Frage  auf  meine  AusfÜli* 
rungen  Sitzungsber,  1898,  I,  349  fl'. 

Die  Gründe,  welche  zur  ßeschrlinkuug  des  Bauplanes  das 
Erechtheion  geführt  haben,  werden  im  weKentlicheu  dieaelben 
gewesen  sein  wie  die«  welch«  di<»  Verkürzung  de4S  Planes  der 
Propyläen  zur  Folge  hatten:  es  war  der  Einspruch  der  Gi^er 
^des  Perikles,  der  sich  gewiss  auf  allerlei  h  '*''-^  *^  V- \'im 
»tütete;  dict$»er  Einspruch  hatte  den  Erfolg,  a  .gv 

keii  der   porikleischen  Baupläne  wtoseotlicii  geschmiUert  wttrd» 


JT,  Zu  dm  Tempeln  dir  Älctvj)oiis,  375 

Dass  der  Neubau  des  Erechtheion  ebenso  wie  Parthenon  und 
Propyläen  zu  einem  einheitlichen  grossen  perikleischen  Plane 
gehören,  davon  bin  auch  icli  jetzt  überzeugt  (vgl,  Dürpfeld  in 
itk,  Mitt.  1902,  S,  414  f,).  Freilich,  dass  ein  ,il11  gemeiner  Burg- 
bauungspian "  schon  457  aufgestellt  worden  sei«  kann  ich 
Iiirch  Bruno  Keils  an  eine  doch  sehr  zweifelhafte  Lesung  und 
Ergänzung  des  , Anonymus  Argentinensis**  anknüpfende  Kom- 
binationen noch  nicht  für  erwiesen  halten. 

Das  Erechtheion  wurde,  wie  Dorpfeld  gewiss  mit  Recht  ver- 
mutet,  wohl  gleichzeitig  mit  den  Propyläen  437  begonnen, 
nachdem  der  Parthenonbau  im  wes*^ntlichen  vollendet  war.  In 
diese  Zeit  fallt  Prozess  und  Flucht  des  Phidias  (vgl,  in  Melanges 
Perrot  S.  109  ff.X  Die  Macht  des  Perikles  begann  ins  Wanken 
zu  geraten,  und  die  Beschränkung  dts  grossartigen  Bauplanes 
von  Propyläen  und  Erechtheion  ist  gerade  in  dieser  Zeit  ver- 
standlich. Der  verkürzte  Propyläenbau  wurde  vor  dem  Kriege 
.gerade  noch  im  wesentlichen  fertig;  nur  die  letzte  Vollendung 
'fehlte  und  ward  nie  nachgeholt;  viel  mehr  fehlte  am  Erech- 
theion, und  dieses  wurde  denn  auch  später  vollendet. 

Propyläen-  und  Erechtheionbau  sind  auch  verbunden  durch 
die  beiden  gemeinsame  Neueinfühning  des  eleu^inischen  sichwar- 
zen  Steines  und  die  Absicltt,  durch  diesen  einen  neuen  kolo- 
ristischen Reiz  des  Baues  zu  erzielen.  Der  gleichzeitige  pht- 
diai^ische  Einbau  in  der  Colla  des  Zeustempels  zu  Olympia  zeigt 
bekanntlich  diei^elbe  Erscheinung  (vgl.  in  Melanges  Perrot  S.  1 17). 

In  einem  soeben  erschienenen  Aufsätze  (Jahrbuch  des  arch. 
Instituts  1904,  S.  22  ff.)  hat  allerdings  Löschcke  die  Meinung 
ausgesprochen^  es  lasse  sich  beweisen,  dass  die  Propyläen 
schon  bald  nach  460  zu  bauen  begonnen  worden  seien,  und 
dass  der  Unterbau  derscdben  schon  vor  445  fertig  gewesen  sein 
mdsse;  nur  das  könne  zweifelhaft  sein,  ob  damals  auch  schon 
der  Hochbau  der  Pinakothek  und  des  SüdHügels  ausgeführt 
gewesen  »ei  oder  nicht. 

Wie  mir  scheint,  eine  ganz  unhaltbare  These.  Doch  hören 
wir  den  angeblichen  Beweis.  Weil  die  eine,  ältere  der  beiden 
Wüihinschrifteüi    welche  sieh  auf  den  Basen  der  Keiterstatuen 

2ß* 


376 


A,  Furlieän^ler 


befinden,  die  auf  den  Anten  des  Unterbaues  der  PröpflÄ<M5J 
standen,  der  Zeit  vor  445  angehöre,  müsse  dieser  ganze  Unter- 
bau in  jene  frühe  Epoche  gesetzt  werden.  Ich  folge  gerne 
mit  Lüschcke  der  Autorität  Ad,  Wilhelms,  der  in  der  Anzeige 
von  Uitten bergers  Sjlloge,  Göttrnger  geL  Anzeigen  1903,  S.  773, 
bemerkt,  dass  die  ältere  jener  beiden  Inschriften  für  ,die  ur- 
sprüngliche, Mitte  des  fünften  Jahrhundeiis  eingezeichnet«*  zu 
halten  sei,  während  Lolling  auch  sie  für  eine  jüngere  Er* 
neuerung  angesehen  hatte.  Allein,  folgt  denn  daraus  irgend 
etwas  für  die  Zeit  des  Propyläenunterbaues?  Doch  nur  dann^ 
wenn  sich  beweisen  liesae,  dass  jene  Basen  für  die  Propylilen* 
anten  gearbeitet  wären,  also  nicht  älter  als  diese  sein  könnten. 
Allein  diesen  Beweis  bleibt  uns  Löschcke  schuldig.  Er  kann 
nicht  geliefert  werden;  denn  die  Basen  stehen  in  gar  keiner 
engeren  baulichen  Verbindung  mit  den  Anten;  auch  ist  ihr 
Marmor  von  dem  des  Propyläenbaues  verschieden;  sie  sind  auf- 
gelegt auf  die  Anten;  sie  können  jederzeit  hierher  gelegt  worden 
sein.  Einen  terniinus  ante  quem  gibt  nur  die  Germanicua- 
Inschrift  auf  der  einen  Ante, 

Die  Basen  sind  bekanntlich  zweimal  verwendet  worden. 
Die  Reiterfigur,  die  zu  der  einen  älteren,  nach  Wilhelm  ur- 
sprünglichen um  die  Mitte  des  fünften  Jahrhunderts  einge- 
hauenen  Inschrift  gehörte,  das  Werk  des  Lykios,  des  Sohnes  de« 
Myron,  ist  herausgerissen  und  die  Basis  umgedreht  worden. 
Auf  der  jetzt  zu  oberst  gekehrten  ursprünglichen  Unterfläche 
wurde  wieder  eine  Reiterfigur  aufgestellt,  die  aber,  den  erhal- 
tenen Fiissspuren  des  Rosses  nach»  etwas  anders  dastand  als 
die  ursprüngliche;  gleichwohl  wurde  die  alte  Inschrift  mit  dem 
Künstlernamen  des  Lykios  genau  wiederholt;  diese  Kopie  der 
Inschrift  datiert  Lolling  (wegen  der  Gestalt  des  Theta  mit 
Strich  statt  Punkt)  nicht  vor  das  ernte  Jahrhundert  vor  Chr, 
{JfXHop  1889,  S.  188).  Offenbar  sind  die  Originale  als  wert- 
volle Kunstwerke  geraubt  worden,  und  man  er.<ietzte  sie  durch 
,twei  undem  Rfi^  "  r>»  wiederholte  aber  die  Inschrift,  als 
Db  es  noch  die  :.-  orke  wären.   Dieser  Vorgang  bat  seine 

gienaue  Analogie  in  Olympia  bei  d^r  Statue  de»  Pythokle«  von 


JJ,  Zu  den  Tempdn  der  AkrüpoU8. 


377 


Poljklet;  auch  diese  wurde  geraubt  und  durch  eine  andere 
Statue  mit  anderera  Standmotive  ersetzt,  gleich  wohl  aber  die 
alte  Künstlerinschrift  erneuert»  und  zwar  geschah  dies,  wie  es 
scheint,  im  ersten  Jahrhundert  vor  Chr.  (vgl  meine  Meister- 
werke d.  griech.  Plastik  S.  472  und  Olympia  V,  die  Inschriften 
Nr,  102,  168).  Es  wäre  nicht  undenkbar,  dass  die  Autstel- 
lung der  Heiterstatuen  bei  den  Propyläen  erst  der  Zeit  jener 
Erneuerung  der  Inschriften  und  des  Ersatzes  der  verlorenen 
Originalwerke  angehörte;  wahrscheinlicher  aber  ist  es,  dass  schon 
die  Originale  dorthin  gebracht  worden  waren  und  spater,  etwa 
bei  der  Sullanischen  Belagerung  der  Burg,  in  Verlust  gerieten, 
worauf  man  sie  durch  andere  Figuren  ersetzte.  Die  eine  dieser 
wurde  um  18  nach  Chr,  dem  Gemianicus  zu  Ehren  auf  diesen 
umgeschrieben. 

Die  Beiterstatuen  waren,  wie  LoUing  (Aehiov  1889,  S.  186) 
^aus  den  Standspuren  schloss,  unterleben sgross.  Bei  der  weiten 
Entfernung  der  beiden  Propyläen-Anten  und  den  mikhtigen 
Dimensionen  des  Baues  müssen  die  Figuren  recht  klein  und 
keineswegs  als  passender  tektonischer  Schmuck  gewirkt  haben. 
Auch  dies  spricht  gegen  ihre  ursprüngliche  Zugehörigkeit  zu 
den  Propyläen  des  Mnesikles.  Eher  könnte  man  vermuten, 
dass  sie  vielleicht  einst  zu  den  Seiten  des  Einganges  der  älteren 
vorperikleischeu  Propyläen  aufgestellt  waren  und  dann  zum 
Schmucke  des  so  viel  grösseren  perikleischen  Torbaues  ver- 
wendet wurden,  wo  sie  freilich  nicht  mehr  recht  passten. 

Es  ist  klar:  der  mnesikloische  Propyläen-Unterbau  und  die 
Hei tersta tuen  gehörten  von  Haus  aus  gewiss  nicht  zusammen. 
Es  hat  weder  der  Propyläen-Architekt  mit  seinem  Bau  gewartet, 
bis  die  athenischen  Ritter  gerade  einen  Anlass  hatten  zwei  Reiter- 
statuen  zu  weihen,  noch  haben  die  letzteren  mit  ihrem  Weih- 
geschenke gewartet,  bis  man  die  Propyläen-Anten  baute. 

Die  Zweizahl  der  Reiter  auf  zwei  getrennten  Basen  deutet 
indes  auf  ursprüngliche  symmetrische  Aufstellung,  So  mag  die 
obige  Vermutung,  dass  sie  zu  den  Seiten  des  alten  vorperiklei- 
schen  Torbaues  aufgestellt  waren ^  wohl  die  am  meisten  wahr- 
pheinliche   aein.     Mne.H(ikles    benutzte    dann    die    vorhandenen 


378 


A,  Furtwängiler 


Figuren  zum  Schmucke  der  Anten  seines  Aufgangs.  Neuen 
eigenen  plastischen  Schmuck  an  den  Propyläen  anzubringen, 
dazu  haben  bekanntlich  Zeit  oder  Mittel  nicht  mehr  gereicht 
Weder  Giebelfiguren  noch  Akroterien,  die  doch  gewiss  beab* 
sichtigt  waren,  sind  je  ausgeführt  worden. 

Der  Vorschlag  Löschckes  hat  sich  also  als  unmöglich  er- 
wiesen. Seine  Meinung  von  dem  hohen  Alter  eines  Teiles  der 
Propyläen  erscheint  aber  auch  allein  schon  ausgeschlossen, 
wenn  man  sich  gegenwärtig  hält,  wie  absolut  einheitlich  der 
Propyläenbau  ist  Er  ist  völlig  aus  einem  Gusse  und  damit 
steht  die  Überliefemng  im  Einklang;  Heliodoros  berichtet  be- 
kanntlich (bei  Harpokration),  dass  die  Propyläen  in  fünf  Jahren 
vollständig  erbaut  wurden  und  dm^  die  grosse  Summe  von 
2012  Talenten  für  sie  in  diesen  Jahren  verausgabt  ward.  Da 
handelt  es  sich  zweifellos  um  den  ganzen  Bau,  nicht  um  die 
Fertigstellung  eines  längst  begonnenen.  Die  Einheitlichkeit  des 
Baues  erhellt  namentlich  auch  daraus,  dass  der  Zustand  der 
ünfertigkeit  —  namentlich  das  Stehenlassen  des  Werkzolls  —  an 
allen  Teilen  des  Baues,  den  unteren  wie  den  oberen  der  gleiche 
ist*  Dann  sei  auch  noch  einmal  an  das  Auftreten  des  schwarsen 
Marmors  erinnert,  der  gerade  im  unterbau  der  Propyläen  er- 
scheint, und  endlich  wie  unglaublich:  den  Unt-erbau  des  un- 
fertigen und  als  Bauplatz  liegen  gelassenen  Baues  sollen  schon 
die  Bronzestatuen  der  ReitcT  geschmückt  haben! 

Doch  genug;')  die  Veranlassung,  die  Lüschcke  auf  den 
Gedanken  der  Möglichkeit  jenes  hohen  Alters  der  PropylÄen 
brachte,  war  die  Entdeckung  der  Herme  von  Pergamon  mit  der 
Inschrift,  die  Alkamen  es  nennt  und  den  Hermes  als  rov  .t^ä 
mdän'^  d*  h.  als  Propylaios  bezeichnet.     Wie  Conze  sofort  er- 


')  leb  kann  bi'j^F  noch  anlOhrua,  daiM  nacb  Dörpfelil,  wid  ich  dtirüh 
briefliche  Miiteiliing  wüinb,  dtt«  Aaiit'lit  LövfhckeM  ftir  ^ranz  imsulliAiiir  hlklL 
^'  ,  ^  Hilf  (llt^  tjj  i]t»n  F'  n-n 

1  hin  Vro^t}  :  mi^irnn?  HcbauUe  u»  ihre 

r»  ._ j   könnivu  ..,,   .  , *  |frwo•^n 

periklemrben  Propjl  Ann  verbaut  iinci 


.t, 


TT,  Zu  den  Tempeln  dir  ÄJcropolis. 


379 


kannt  hat^  ergibt  sich  <lie  Herme  offenbar  als  Kopie  des  am 
ünganp  der  Akropolis  zu  Athen  aufgestellten  Hermes  Pro- 
rpjlaios,  der  sonach  von  Alkamenes  war.  Mit  vollem  Hechte 
betont  Löschcke  den  altertümlichen  Charakter  des  Kopfes»  Dieser 
tritt  aber  noi^h  besser  hervor  in  anderwärts  erhaltenen  besseren 
Repliken;^)  die  pergamenische  Herme,  die  ich  unlängst  in 
Konstantinopel  studieren  konnte,  ist  ein  recht  flaues  iind  ge- 
ringes Werk;  eine  sehr  viel  bessere,  schiiifere  und  offenbar 
stilistisch  treuere  —  auch  in  den  grösseren  Mi\ssen  mit  dem 
)riginal  wohl  genauer  übereinstimmende  —  Kopie  ist  die  in 
der  Münchner  Glyptothek  (Nr.  200  meines  Kataloge»  von  1900). 
In  meiner  Beschreibung  diese«  Werkes  (a.  a.  0.)  habe  ich  dessen 
Original  in  die  Zeit  um  470  vor  Chr.  datiert  und  in  Athen 
angesetzt.  Die  Inschrift  des  pergamenischen  Exemplare«  lehrt 
uns  nun,  dasa  es  in  der  Tat  in  Athen  stand.  Allein  der  AI- 
kamenes,  der  es  schuf,  kann  nicht  derselbe  gewesen  sein,  den 
wir  in  den  letzten  Dezennien  des  ftinfteu  Jahrhunderts  (vgh 
Meisterwerke  S.  122  und  741)  wirksam  finden,  Löschcke  er- 
innert mit  Recht  an  die  früher  schon  von  ihm  und  mir  be- 
tonte Möglichkeit  eines  älteren  Alkamenes.  In  den  attischen 
Bildern  der  Hekate,  die  auf  des  Alkamenes  nahe  dem  Hermes 
Propylaios  aufgestelltes  Werk  zurückgehen  müssen,  sah  ich 
schon  1878  tsine  „Bestätigung  dafür,  diiüs  ein  Alkamenes  noch 
in  altertümlichem  Stile  gearbeitet  hat"  (Ath.  Mitt.  1878,  S.  194). 
Das  Charitenrelief  des  Sokrates»  dm  ebenMls  in  unmittelbarer 
Nühe  des  Hermes  und  der  Hekate  sich  befand,  gehört  auch 
stilistisch  in  dieselbe  Reihe;  nicht  nur  wie  ein  ^jüngerer  Bruder 
der  mittleren  Charis*,  wie  Lösclicke  (S.  24)  sagt,  sondern  wie 
ein  gaoz  gleichaltriger  sieht  der  Hermes  in  den  guten  Kopien 
US*  Rs  geht  nun  aber  absolut  nicht  an,  die  Propyläen  des 
Inesikles  nacli  diesen  Werken  datieren  zu  wollen.  Sie  sind 
älter  und  gehören   der  Zeit  bald   nach  480  an,    da   man  die 


*)  E»  gibt  sabllose  Wiederholungen  des  Tjrpas,  daruntex  Bcbon  recht 
lie»  So  Ist  du*  Henne,  auf  tlk'  eine  derThessaler-Stkitueu  mis  Delphi  sich 
Eltst,  eine  HepUk  des  Typu«;  ilie  Sttttnu  ist  gewisü  ebenso  wie  der  Agia« 
-~  dmn  L/sipp  gAnzHclt  ferne  efceht!  —  voa  emem  Atheaisr  gemaeht. 


380 

älteren  Propyläen  in  Stand  gesetzt  hat.  Die  dort  angesiedelten, 
durch  die  Perser  jedenfalls  zerstörten  kleinen  Rultstätten  des 
Hermes^  der  Chariten,  der  Hekate  mussten  vor  allem  wieder- 
hergestellt und  für  die  Gottheiten  neue  Bilder  beschafft  werden. 

Mit  dem  Probleme  der  Propyläen  hängt  das  des  Athen a 
Nike-Tempels  eng  zusammen.  Es  ist  dieses  letztere  seit 
meinen  Ausführungen  in  den  Sitzungsberichten  1898,  I,  380  f, 
von  Bruno  Keil,  Anonymus  Argentinensis  S,  302  f.,  noch 
einmal  behandelt  worden.     Durch   eine  sorgfaltige  F   '  Ti- 

ung  über  die  Inschrift  ^Efprjfi.  doy.  1897,  Taf.  11  gel;  -  il 
zu  einem  einleuchtenden  wichtigen  neuen  Resultate.  Die  jüngere 
auf  der  Rückseite  des  Steines  eingegrabene  Inschrift  gibt,  wie 
Bruno  Keil  erkannt  hat,  den  Beweis^  dass  der  schon  gegen  die 
Mitte  des  Jahrhunderts  beschlossene  Bau  eines  Tempels  der 
Athena  Nike  erst  wesentlich  später  ausgeführt  worden  ist.  Die 
jüngere  Inschrift  i^erfügt,  dass  nun  erst  die  früher  für  die  neu 
einzusetzende  Priesterin  beschlossenen  50  Drachmen  Einkünfte 
von  der  Staatskasse  ausgezahlt  werden  sollen;  offenbar«  wie 
Bruno  Keil  gesehen  hat,  weil  jetzt  erst  der  früher  beschlossene 
Tempel  und  Altar  gebaut  worden  sind  und  die  Priesterin  jetzt 
erst  ihr  Amt  antreten  konnte.  Man  bat  meine  Annahme,  daas 
zwischen  dem  Beschluss  des  Baues  und  der  Ausführung  ein 
Zeitraum  liegt,  bezweifelt,  freilich  ohne  Gründe  anzugeben;^) 
die  Inschrift,  richtig  erklärt,  bestätigt  sie  nun. 

Bruno  Keil  mcichte  nun  die  jüngere  Inschrift  wegen  des 
AntragstelhTs  Kullias,  den  er  vermutungsweise  mit  Kallias  des 
Kalliades  Sohn  identifiziert,  der  Herbst  482  starb»  noch  kura 
vor  diese  Zeit  ansetzen.  Allein  jene  Identifikation  ist  ganz  un- 
sicher (vgl.  E.  Meyer,  Forschungen  II,  U8).  Im  nllgemeinen 
mag  man  es  dagegen  wahrscheinlich  finden,  daaa  der  Tempel 


1)  Ed.  Mi^Tör,  Fomhungeii  11.  B.  118  Ani»,  und  GtÄcb,  d.  Altert.  IV, 

S.  SCi  tin(i*«t  p«  nifht  wrihri<^hevnlirli,  dä»9  zwiÄch*^n  fU'm  Be«chlnH8  tmd 
der  AuHführiinir   oine   Ulii^^f^rL»  Z^t  TorÄtricb:    GrJInün   >?iht  er  nicht  au, 

ttl  •  ■  rft 

laiige  aac'Molgte* 


Xr.  Zu  den  Tempeln  der  Äkropolis, 


381 


auch  noch  vor  der  Xriegszeit  erbaut  ward.    Dann  müsste  sein 

Bau  432  vollendet  und  kurz  vorher  begönnen  worden  sein,  und 
jener  Kallias  könnte  irnraerhin  des  Deiniades  Sohn  sein.  Was 
feststeht  ist  nur,  dass  der  Niketempelbau  etwas  jünger  ist  als 
der  d(ir  Propyläen.  Dieser  durch  die  Tatsachen  unumgäng- 
lichen Forderung  würde  jene  Datierung  gerade  noch  entsprechen. 

Die  ionischen  Siiulenkapitälo  des  Atbena  Niketempels  stehen 
denen  der  Propyläen  sehr  nahe,  sind  aber  zweifellos  von  jüngerem 
Charakter;  sie  vertreten  eine  in  der  strengen  Folge  der  Kapitäl- 
tyjien  dezidiert  jüngere  Stufe  als  jene.  Ich  habe  diese  von  mir 
zuletzt  in  den  Sitzungsberichten  1898,  I,  S.  386  eingehend  dar- 
gelegte Tatsache  kürzlich  an  den  Originalen  von  neuem  kon- 
statiert. Es  ist  undenkbar  und  gänzlich  ausgeschlossen,  dass 
die  Niketempelsäulen  älter  wären  als  die  der  Propyläen.  Zu 
demselben  Resultate,  dass  der  Niketempel  jünger  ist  als  die 
Propyläen,  haben  bekanntlich  die  Untersuchungen  von  Wolters 
geführt  (Bonner  Studien  S.  92  f.);  die  Bedenken  von  Üörp- 
feld  dagegen  sind  durch  die  Ausführungen  von  H.  Bulle  in 
meinem  letzten  Aufsätze  (Sitzungsber-  1898,  I,  S.  385  f.),  wie 
mir  scheint,  erledigt  worden.  Endlich  beweist  der  Stil  der  Fries- 
reliefs des  Niketempels,  die,  ein  integrierender  Teil  des  Baues, 
mit  diesem  zugleich  ausgeführt  worden  sind,  unwiderleglich  und 
zweifellos,  dass  der  Bau  jünger  sein  muss  als  der  Parthenon- 
fries. Denn  die  Bildung  des  Gewandes  steht  auf  einer  wesent- 
lich vorgeschrittenen,  jüngeren  Stufe  als  dort  (vgl.  Sitzungsber. 
1898,  8,  386  und  Griech.  Originalstatuen  in  Venedig  S.  10); 
die  ruhig  stehenden  Gewandfiguren  des  Ostfrieses  des  Nike- 
tempels  haben  dagegen  nächste  Verwandtschaft  mit  den  Koren 
vom  Erechtheion;  der  Niketempel  muss  diesen  gleichzeitig,  aber 
jünger  sein  als  der  Parthenonfries. 

Ich  muss  hier  noch  einmal  wiederholen,  was  ich  schon 
Sitzungsberichte  1898,  I,  S.  387  bemerkt  habe,  dass  die  Tat- 
sachen des  successiven  Fortschreitens  in  der  ionischen  Kapitäl- 
bildung  ebenso  wie  in  der  Stilisierung  des  Gewandes  der  Figuren 
in  jener  Epoche  zwar  bisher  vielleicht  weniger  bekannt,  aber 
deswegen  nicht  weniger  strikt  beweisend  für  die  Datierung  von 


.9BS'  -4.  Furhcätt0lef 

Bauten  und  Skulpturen  als  die  Tat.sachen  der  Entwicklung  iler 
Schrift  für  die  der  Urkunden  sind. 

Sonach  ist  die  Zeit  unmittelbar  vor  Aus]>rucb  des  Krieges 
die  frühest  mögliche  Datierung  flir  den  Niketempel.  Die  Ba- 
lustrade kam  erst  später,  wahrscheinlich  in  der  Zeit  wo  man 
das  Erechtheion  fertig  stellte,  hinzu. 

Br.  Keil  hat  sich  gegen  meine  Auffassung  gewendet,  wo- 
nach der  Niketempel  von  einer  der  perikleiachen  feindlichen 
Richtung  herstammt.  Er  will  nur  eine  friedliche  Einheit  in  der 
ganzen  Burgbebauung  gelten  lassen  und  altes,  auch  den  Nike- 
tempel,  auf  einen  einheitlichen  Bebauungsplan  vom  Jahre  457/6 
iiurikkf (Ihren, 

Daas  die  These  von  dem  grossen  Burgbebauungsplane  aus*^ 
dem  Jähre  457/6  doch  auf  ganz  schwachen  Füssen  «teht,  daran 
habe  ich  oben  schon  erinnert.  Es  fehlt  ihr  jeder  wirklich  zuver- 
lässige Halt;  so  ist  es  erlaubt,  sie  stark  in  Zweifel  zu  ziehen. 
Allein  wie  dem  auch  sei,  der  erhaltene  Beschluss  über  den  zu 
entwerfenden  Bauplan  eines  Tempels  für  Atbena  Nike  gibt 
jedenfalls  nicht  die  geringste  Andeutung  von  einem  Zusammen- 
hange mit  anderen  Baupllinen  auf  der  Burg,  sondern  steht  gana 
t^r  sich  isoliert.  Ferner  aber  scheinen  mir  die  folgenden  Tai 
Sachen   festzustehen. 

Zunächst  der  unversöhnte  feindliche  Gegensatz»  in  welchem 
der  Bau  des  Niket^mpek  zu  dem  der  Propyläen  steht  (vgl, 
Sitzungsber,  1898,  I,  S,  388  und  388)v  Hier  ist  es  ganz  an- 
möglich,  die  friedliche  Einheitlichkeit  zu  sehen,  die  Br.  K«^il 
vorausetzt.  Die  grelle  Disharmortie  ist  unverkennbar,  und  «ij 
erscheint  mir  nach  wie  vor  undenkbar,  ,^dass  beide  Bestandteil! 
dea  Bauprogrammes  gewesen  sein  sK>]lten,  durch  das  Perikles  die 
athenische  Burg  Über  alle  anderen  Uoili^tümer  in  Griechenland 
erheben  wollte/  Der  grossartige,  streng  »ymnietr tische  und  gemd-1 
linige,  breit  und  mächtig  auagreifende  Plan  der  Propyläen  schloss 
einen  Tempel  bau  schräg  vor  der  Front  de>ä  einen  Flügels  ge^ 
aus:  das  alte  Heiligtum  auf  dem  Pv*  -  -H  meinem  Altar,  nacfc 
welchem  die  Huulenstellung  »ich  öl!'  u',  konnte  dem  Pia 

nicht  «chadtfn,   wohl  aber  der  Bau  des  Tttmjiels. 


IIJ,  Zum  Tropaion  rön  AdamMissi, 


388' 


Ferner  wissen  wir  nun  ja,  dass  sowohl  der  Plan  des  Erech- 
theion  wie  der  der  Propyläen  sich  hat  eine  bedeutende  Ein- 
schränkung geiküen  lassen  mQ:ssen,  was  doch  von  einer  jenen 
Plänen  feindlichen  Macht  sicheres  Zeiip^nis  ablegt. 

Endlich  wissen  wir,  dass  der  Beschluss,  der  Athena  Nike 
einen  Tempel  zu  bauen,  zwar  schon  in  kimonischer  Zeit  ge- 
fasst,  aber  erst  ausgei'Ührt  worden  ist  frühestens  unmittelbar 
vor  dem  Kriege,  als  des  Perikles  Macht  schon  bedeutend  ins 
Schwanken  geraten  und  die  grossen  Pläne  von  Ereclitheion 
und  Propyläen  schon  eingeschränkt  waren. 

Aus  allen  diesen  Umständen,  glaube  ich,  darf,  ja  muss 
mau  den  Schluss  ziehen,  dass  es  auch  bei  den  Bebauungsplänen 
der  Akropolis  zu  Athen  ebensowenig,  wie  dies  auf  dieser  Welt 
bei  verwandten  Anlässen  an  anderen  Orten  und  zu  anderen 
Zeiten  zu  geschehen  pflegt,  ganz  friedlich  zugegangen  ist.  Ich 
hatte  früher  nur  darin  Unrecht,  dass  ich  auch  das  Erechthcion 
als  einen  der  der  perikieischen  entgegengesetzten  Richtung 
entsprungenen  Bau  ansehen  zu  dürfen  meinte.  Im  Athena 
Niketempel  und  in  der  Verkürzung  von  Propyläen  und  Erech- 
theion  sehe  ich  ein  untrügliches  Spiegelbild  des  Widerstreites 
der  Parteien  in  der  glänzendsten  Epoche  der  Geschichte  Athens. 


III.  Zum  Tropaion  Yon  Adamklissi. 

(Vgl.  8itzUDg8ber.  1897,  I,  247  ff,    Abhandl.  h  Cl.  Bd.  22,  3.  1903,  S.  455  ff.) 

und  nun  —  zum  vierten,  doch  wie  ich  hoffe  nicht  letzten 
iB  —  ZU  meinem  geliebten  Tropaion  von  Adamklissi!  Ich 
bin  zwar  seit  einiger  Zeit  init  der  Ausarbeitung  einer  Abhand- 
lung beschäftigt,  deren  Grundüüge  ich  im  November  vorigen 
Jahres  vorgetragen  habe  (vgl  l:5itzungsber»  1903>  S.  513)  und 
m  welcher  auch  die  Stellung  de»  Denkmals  von  Adamklissi 
innerhalb  der  ronuschen  Kunstgeschichte  noch  schärfer  zu  be- 
stimmen gesucht  wird. 

Wenn  ich  hier  vor  Vollendung  dieser  Abhandlung  in  der 
Adamklissi-Frage  noch  einmal  das  Wort  ergreife,  so  geschieht 


384 


Ä,  FurtwäftfiUr 


es,  weil  mittlerweile  als  Antwort  auf  meine  let2te  BehaDdlutig 
derselben  (in  den  Abhandl.  I  CI.  Bd,  22,  3,  1903,  S.  455  ff.; 
im  folgenden  nur  als  meine  Ahh,  zitiert)  nicht  weniger  als  vier 
Aufsätze  erschienen  sind,  welche  die  von  mir  bekämpfte  alte 
Datierung  des  Denkmals  in  die  Zeit  Traians  zu  yerteidigen 
suchen.  Sie  rühren  von  denselben  vier  Gelehrten,  Benndorf,"' 
Petersen,  Cichorius  und  Studniczka  her,  die  auch  bisher 
schon  für  jene  Datierung  Stellung  genommen  hatten.  Die  Frag 
wird  auch  gewiss  so  bald  noch  nicht  von  der  Tagesordnung  vcir'« 
schwinden.  Dergleichen  Dinge  brauchen  ihre  Zeit*  Ich  rechne 
auf  das  allmälige  Wachsen  unserer  Kenntnis  der  lange  Yemacb- 
|ässigten  römischen  Kunst,  indem  mir  selbst,  je  weiter  ich  in 
meinen  Stadien  auf  diesem  Gebiete  komme,  meine  These  von  der 
Unmöglichkeit  des  traianischen  Ursprungs  jenes  Monumentes 
sich  immer  mehr  und  mehr  bestätigt  und  befestigt.  Ich  bin  gcy- 
wohnt  allein  auszufechten,  was  ich  für  richtig  halte,  und  der 
Zeit  das  Übrige  zu  überlassen.  In  demselben  Bande  (.Inter- 
mezzi", 1896),  in  welchem  ich  zuerst  meine  These  über  Adam- 
klissi  aufstellte,  habe  ich  auch  zuerst  eingehend  meine  Ansicht 
über  die  berühmte  „Tiara  des  Königs  Saitapharnes*  begründet. 
In  dem  darum  entbrannten  Streite,  der  sich  lange  Jahre  hin- 
durch hinzog,  stand  ich  ohne  Helfer  allein.  Dagegen  befanden 
sich  zwei  der  oben  genannten  Adamklis^i^Forscher,  Benndorfj 
und  Studniczka,  auf  der  Seite  meiner  Gegner,  indem  ihr  Stil- 
gefühl ihnen  erlaubt  hat,  eben  jene  Tiara  für  echt  zu  haltea 
und  zu  bewundern,')  die  sich  bekanntlich  unlängst  definitiv 
als  das  herausgestellt  hat,  wofür  ich  sie  damals  erkhlrt  hatti?, 
als  das  stümperhafte  Machwerk  eines  kümmerlichen  Fälschers. 
Die  erst  erschienene  und  die  wenigst  bedeutende  der  oben 
erwähnten  vier  neuen  Abhandlungen  zur  Adamk!is«?i-Fra^e  ist 
die  von  E,  Petersen  in  den  Mitteil.  d.  archjiol.  löstiluis,  Rom, 
1903,  S.  68 — 72.  Der  Verfasner  hat  keine  eigene  Anschauung 
von    dem   Denkmale;   wenn   er  dennoch  über  die  Dinge   ab- 


*)  rublfsi<*rt  itt  der  B€»Hcht  von  Bonmlorf  im  Tiisrait)  tum  H.  Ar  Hl 
190S;  vgl.  Kerue  arcb.  1908»  II,  105,  L 


III,  Zum  Tropaion  ton  AdamJeliiH, 


38S 


sprechen  will,  zu  deren  Beurteilung  jene  unentbehrlich  ist,  soJ 
erhellt  schon  daraus,  welcher  Wert  dem  zuzumessen  ist»  Es 
folgte  die  Ahhandlung  von  Benndorf  in  den  Jahresheften  des 
Österreich,  archiiolog.  Institutes,  Band  VI,  1903,  S.  251  — 2^6, 
Benndorf  ist  also  seinem  früher,  1898  ausgesprochenen  festen  i 
Vorsatze,  es  werde  jenes  seine  , letzte  Äusserung*  in  der  Adam- 
klissi-Frage  sein  (vgl.  meine  Abh.  S,  455),  untreu  geworden. 
Er  hat  offenbar  mittlerweile  einsehen  gelernt,  daas  die  Frage 
trotz  all  seiner  lauten  Versicherungen  eben  doch  keinesweges 
so  einfach  ahzutun  ist,  wie  er  glaubte.  Ebenda,  in  den  österr. 
Jahresh-  1903,  S.  247—251  hat  G.  Niemann  meine  neue  Ke- 
konstruktion  des  Oberbaus  des  Denkmals  akzeptiert.  In  einer 
eigenen  kleinen  Schrift  „Die  römischen  Denkmäler  in  der  Do- 
brudscha*,  Berlin  1904  handelte  C.  Cichorius  von  Adamklissi. 
Er  war  an  Ort  und  Stelle  und  ist  der  einzige  unter  den  vier 
Gelehrten,  der  etwas  neues  Tatsächliches  beibringt,  das  für 
die  Beurteilung  der  Frage  von  Wichtigkeit  ist.  Es  ist  ihm  ge- 
lungen, das  äoldatendenkmal  neben  dem  Tropaion  neu  zu  da- 
tieren: auch  dieses  wird  jetzt  der  traianischen  Epoche  ent- 
zogen. Endlich  hat  Fr.  Studuiczka  io  einer  ausführlichen 
Abhandlung  ^Tropaeum  Traiani'  im  22.  Bande  der  Abh.  d, 
philol-hist  Classe  d,  k.  sächs.  Gesellsch.  d.  Wissensch,,  Eeft  4, 
1904  die  traianische  Datierung  des  Tropaions  durch  kunst- 
geschichtliche  Erwägungen  zu  stützen  gesucht.')  Eigene  An- 
schauung des  Denkmals  besitzt  er  ebensowenig  wie  Petersen; 
mit  letzterem  berührt  er  sich  auch  sonst  und  führt  vielfach 
nur  dessen  Behau [»tungen  näher  aus.  Seine  kunstgeschicht- 
lichen Betrachtungen  bewegen  sich  naturgemäss  auf  demselben 
Gebiete  wie  meine  oben  erwähnte  noch  nicht  fertiggestellte 
Abhandlung.  Es  ist  sehr  zu  bedaueiii,  dass  er  seine  Zusam- 
menstellungen über  einige  römische  Kunstformen  nicht  mit 
weniger  befangenem  Blicke  ausgeführt  hat  Mit  dem  leiden- 
schaftlichen Eifer  eines  Inquisitors  verhört  er  seine  Zeugen  und 


*)   Vgl.   auch   eine  Aiuzeige    der   Schrift    von    mir  in   der  Berliner 
Philol.  Wochenschrift , 


ö86  A,  Furlwänffter 

erprobt  so  lange  an  ihnen  die  Folterqualen  der  Tortur,  bis  sie 
ihm  günstig  aussagen;  während  dieselben,  nihig  verhört,  teils 
nicht  für  ihn,  teils  direkt  gegen  ihn  zeugen.  Das  wird  Jedi?m 
bei  unbefangener  Prüfung  deutlich  werden,  und  alle  Emphase 
der  Behauptungen  und  aller  Zitatenschwall,  den  8t  auflnf^t^^t, 
wird  daran  nichts  ändern.  Offenbar  durch  unsere  notgedrungene 
jLbwehr  einiger  seiner  früheren  Aufstellungen  (Abb.  S.  510  ff.) 
^reizt,  greift  er  zu  jedem  Mittel/)  uneingedenk  ofienbar  des 
"Sprichworts  vom  blindeu  Eifer.  Durch  seine  kunstgeschicht- 
lichen  Ausführungen  aber  zeigt  er  nach  meiner  Ansicht  nur, 
wie  wenig  er  es  verstanden  bat»  in  der  Fülle  der  erhaltenen 
Denkmäler  die  Grundlinien  der  Entwicklung  zu  erkennen  und 
wie  falsch  seine  Grundanschauungen  von  der  ronaischen  Kunst- 
geschichte sind»  in  welche  er  seine  Schlagworte  wie  .illusio- 
nistische Nonplusultraplastik  der  domitianischen  Zeit*  (S.  73) 
hoffentlich  vergeblich  einzuführen  bemüht  ist.  Doch  darüber 
mehr  an  anderem  Orte, 

Indes  die  vier  genannten  Schriften  zeigen  deutlich,  das« 
die  Verteidiger  des  traianischen  Ursprunges  des  Tropaion  sich 
eigentlich  in  vollem  Rückzuge  befinden  und  diesen  nur  durch 
eine  recht  lebhafte  Kanonade  zu  maskieren  suchen.  Tatsache 
jöt,  dass  sie  alle  ihre  bisher  als  uneinnehmbar  gepriesenen 
Aussenforts  aufgegeben  und  sich  in  ihren  letzten  Zufluchtsturm 
gerettet  haben;  allein  auch  dieser  ist  alles  andere  als  sicher^j 
er  ist  ganz  wackelig  und  morsch.  Es  ist  die  Inschrift,  aufdÜ 
sich  jene  jetzt  allein  sttitzen,  nachdem  durch  mich  der  Nach- 
weis erbracht  worden  war,  dass  di*^  Platte,  auf  welcher  die  In* 
schrifl  steht,  wirklich  zu  dem  ursprünglichen  Bau  und  zwar 
zu  dem  oberen  Geschoss  der  turraartigen  Tropaionbasis  gehörte. 
Allein  mit  völliger  Verdrehung  des  Tatbestandes  wird  nun  g©- 


^J  So  ist  er  auf  8.  111  glücklich  dainu^i,  m  nll 
gnnv^  *1r*»i  Bei^pifle  von  Veraehen  in  der  Bi»-rhftMl'niii 
IV  *  ä  hiibiMi !     Ich  jifMniJO   iliin  (lii'Hi» 

Up  t   diirfh  dftH  GttfQlil   vordorbcni  w- 

ttdlc  —  uiiwQrdi^  imi 


WIMIII    Uli«    jibii 
Art  der  Vol4 


Ur.  Zum  TropawH  w>n  AdamJdmi. 


387 


redet,  als  ob  ich  das  klare  ausdröckliclie  Zeugnis  der  Inschrift 
^verwerfe*  und  bloss  aus  Belieben  und  WillkUr  , allem  Ge- 
gebenen und  Überlieferten*'  zum  Trotz  nach  einer  anderen  Da- 
tierung suchte!  Wie  kann  ich  „verwerfen*  was  gar  nicht  da 
ist!  Der  Inschrift  fehlt  ja  die  Hauptsache;  wir  wissen  ja  gar 
Dicht,  was  von  Traian  in  ihr  ausj^esagt  war.  Kein  Mensch 
weis«,  was  in  den  verlorenen  drei  Zeilen  der  Inschrift  Btand, 
von  denen  nur  wenige  Buchstaben  geblieben  sind.  Nur  so  viel 
ist  sicher,  dass  hier  eben  das  gestanden  hat,  was  wir  wissen 
wollen,  nämlich  was  Traian  getan,  ob  er  das  Tropaion  selbst 
errichtet  hat  oder  nicht.  Solange  die  fehleuden  Zeilen  nicht 
wiedergefunden  werden,  solange  besitzen  wir  ein  iuscliriftliches 
Zeugnis  über  die  Herstellung  des  Tropaion  durch  Traian,  das 
ich  angeblich  , verwerfen"^  soll,  nicht.  Wir  wissen  durch  die 
Inschrift  nur,  dass  Traian  das  Tropaion  dem  Mars  Ultor  weihte. 
Allerdings  würde  man  natürlich,  da  die  Platte  für  eine  In- 
schrift ursprünglich  bestimmt  war  und  dem  Bau  selbst  ange- 
hört, ohne  jedes  Bedenken  annehmen,  dass  in  den  fehlenden 
drei  Zeilen  nichts  stand,  was  die  Annahme,  Traian  sei  auch 
der  Erbauer  des  Tropaion,  ausschloss:  man  würde  dies,  sagej 
ich,  unbedenklich  annehmen  —  wenn  eben  nichts  gegen  Traian  1 
als  den  Erbauer  vorläge.  Allein  es  ist  ja  wieder  eine  völlige 
Dmkehrung  des  Tatbestandes,  wenn  die  Verteidiger  des  traia- 
nischen  Ui^prungs  so  tun,  als  oh  alles  aufs  beste  zu  der  traifu 
nischen  Datierung  stimme,  wahrend  doch  alles  an  dem  Denk- 
male das  entschiedenste  Zeugnis  dagegen  ablegt.  Und  deshalb 
dürfen,  ja  müssen  wir  vermuten,  dass  in  den  fehlenden  drei 
Zeilen  der  Inschrift  nicht,  dass  Traian  der  Erbauer  sei.  son- 
dern etwas  Anderes  gestanden  habe. 

Ich  vermutete  in  den  drei  Buchstaben  ilu  am  Ende  der 
8.  Zeile  rest]iiu[iL  Cichorium  hat  jetzt  an  dem  Steine  zusam- 
men mit  Tocilescu  konstatiert,  dass  hinter  dem  V  sich  noch 
die  Spur  einer  senkrechten  Hasta  befindet  (Cich,  S.  16).  Er 
schliesst  daraus,  dass  meine  Ergänzung  resütidf  unmöglich  sei, 
weil  dann  das  schliessende  T  allein  abgetreutit  die  nächste  Zeile 
begonnen  haben   müsse.     Obwohl  dieser  Schluss  nicht  absolut 


388 


J.  FurtwängUr 


zwingend  ist  —  denn,  soviel  ich  sehe,  scheini  die  analoge  Ab- 
trennung eines  einzigen  Buchstabens  doch  nicht  ganz  uner- 
hört*) —  so  wird  die  Ergänzung  restUuit  durch  jene  Beob- 
achtung doch  unwahrscheinlich;  allein  ich  sehe  nicht,  wodurch 
es  verwehrt  wäre  tropaeiim  restUtä  \  iussit  zu  ergänzen.  Immer 
wird  es,  wenn  man  bedenkt,  wie  ausserordentlich  häufig  das 
Verbum  resütuere  in  den  römischen  Bauinschriften  vorkommt, 
ganz  abgesehen  von  allen  sachlichen  Gründen  schon  an  sich 
die  grosste  Wahrscheinlichkeit  für  sich  haben,  dass  der  Laut- 
korn plex  Uta  in  einer  Bauinschrift  eben  von  jenem  Verbum 
herrühre.  Auch  macht  in  unserem  Falle  der  Versuch  jeder 
anderen  Ergänzung  die  grössten  Schwierigkeiten,  Danach  wird 
man  dem  Vorschlage  resätui  iuiisit,  auch  wenn  mau  von  allem 
anderen  absieht  und  nur  die  erhaltenen  Buchstaben  nach  der 
Analogie  anderer  Bauinschriften  zu  vervollständigen  unternimmt, 
eine  hohe  Wahrscheinlichkeit  nicht  absprechen  dürfen. 

So  gerät  denn  auch  jener  letzte  vermeintlich  feste  Turm, 
iu  den  sich  die  Verteidiger  des  traianischen  Ursprungs  zurück- 
gezogen haben,  ins  Wanken;  auch  die  Inschrift  gewährt  ihnen 
nicht  den  gewünschten  Schutz.  Alle  die  Aussenforts  aber,  auf 
die  man  früher  so  stolz  war,  hat  naan  schon  freiwillig  aufgegeben. 

Wie  hat  man  doch  früher  mir  triumphierend  entgegen- 
gehalten, es  sei  der  traianische  Ursprung  ganz  sicher;  denn 
der  Kaiser  sei  ja  selbst  im  verkennbar  deutlich  auf  dem  Denk- 
mal mehrfach  porträtiert;  ja  Benndorf  verstieg  sich  sogar  da- 
zu, die  Perrücke,  die  Traian  vielleicht  in  Wirklichkeit  gehabt 
haben  könne,  auch  unverkennbar  abgebildet  zu  finden!  Irh 
habe  (Abb.  S,  492)  diese  schöne  Entdeckung  durch  photo- 
graphische Aufnahme  und  genaue  Beschreibung  des  betrelfen- 

I)  leb  finde  zufallt^  bt^iio  BlCitieru  Desaau  351  (CIL  VI II  329)  im/i* 
t'acü'T'  Ae\l*  und  CIL  HI  tappL  12477  an\n%  In  dü*«t«ij  B«-!  '  f 
tritt  der  BiiphstÄbc   lUlcrdingt  ei»e  gnnze  Silbe.     Nirht  «o    i  11 

«uppL  14184,  25    Valn'iu\m,  eim«  nJU'rdini?*  a}iAti!  Ja»i^lmfl.  n 

erglänzte  in  der  Tfopaion-Inftchrift  CIL  III  ««ppL  124^  exerf  ^  md 
in  der  folgenden  Zeik  tH[b  ofTenbar  In  di^r  falichon  Annahme,  e«  m 
ler  Stein         '         ^  '       .lig.    Statt  #«  in  der  Ö.  Zeile  hat  Cl- 


III,  Zum  Dropaion  von  Adamklis$i, 


389 


den  Reliefs  ins  rechte  Licht  gesetzt.  Mao  ist  seitdem  mäus- 
chenstill davon  und  hat  das  Lächerliche  wohl  empfunden. 
Studniczka  giebt  nuu  auch  offen  zu  (S.  122),  daas  das  mit 
dem  Porträt  Traians  —  nichts  war. 

Und  wie  hat  man  ferner  früher  van  einer  Münze  von  Tonii 
geredet,  die  beweisen  sollte,  dass  Traian  der  Erbauer  des  Tro- 
paion  sei.  Auch  davon  wagt  Niemand  mehr  zu  sprechen  — 
weil  der  Schluss  doch  etwas  gar  zu  unlogisch  war  (vgl.  Abh. 
S.  472)! 

Und  nicht  anders  ist  es  mit  jenem  früheren  vermeintlichen 
Beweis  aus  dem  Namen  der  Stadt  Tropaeum,  den  man  auch 
nicht  mehr  zu  wiederholen  versucht  (vgL  Abh.  S.  471). 

Wie  frisch  und  tröhlich  hat  ferner  Benndorf  früher  Ge- 
schichte konstruiert!  Unbekümmert  um  alle  Tatsachen  der 
Überlieferung  hat  er  Traian  in  phantastischer  Weise  mit  ko- 
lossalem Umwege  über  Korintb  nach  dem  dakischen  Kriegs- 
schauplatze reisen  und  unterwegs  in  der  Dobrudscha  eine  grosse 
Schlacht  personlich  schlagen  und  dafür  das  Tropaion  errichten 
lassen.  Die  Idee  war  wenigstens  konsequent  und  kühn  durch- 
geführt; sie  ging  von  der  ganz  richtigen  gesunden  Grund- 
anschauung aus,  dass  der  Feldherr,  der  dies  Tropaion  errichten 
liess,  auch  zweifellos  selbst  in  eben  diesen  Gegenden  einen 
[)ssen  Sieg  erfochten  haben  musste;  da  für  Benndorf  nun 
3al  Traian  der  Erbauer  war,  ao  musste  er  denn  auch,  wie 
sehr  es  gegen  alle  Überlieferung  ging,  Traian  selbst  hier  siegen 
lassen.  Allein  dies  ganze  Gebäude  haben  Cichorius^  sorgfältige 
Untersuchungen  (Traianssäule)  vollstiiudig  zerstört  (vgl.  Abh. 
S,  476).  Traians  Dakerkriege  haben  weit,  weit  von  Adamklissi 
entfernt  gespielt,  und  Traian  ist  niemals  in  jene  Gegend  ge- 
kommen. Also  der  früher  als  tatsachUch  gepriesene  angeb- 
liche Anlass  zur  Errichtung  des  Tropaions  durch  Traian  ist 
als  ein  blosses  Hirngespinst  erkannt  worden. 

Und  endlich  das  letzte  wichtigste  der  Forts,  auf  welches 
sich  die  Verteidiger  der  traianischen  These  zu  stützen  pHegten, 
das  augeblich  traianische  Soldatendenkmal  neben  dem  Tropaion 
—  es  wird  durch  Cichorius'  neue  scharfsinnige  Untersuchung 

19M.  SiU^b.  d.  philotU'pbUol  11.  il.  hlat  Kt  2^ 


390 


Kerstörtl  Cichorius  weist  nach,  dass  das  Soldatendenkmal  gar 
nicht  einmal  traianisch,  sondern  älter,  oifetibar  dotuitiauisch 
iät!  Damit  ist  den  versinkenden  Verteidigern  des  traianischen 
Ursprungs  des  TropaioDS  der  letzte  Strohhalm  entriaseu,  nach 
dem  sie  greifen  konnten,  um  doch  etwas  von  militärischer 
Aktion  traianischer  Epoche  in  der  Gegend  von  Adatnklissi  zu 
erweisen.  Nachdem  das  Soldatendenkmal  nicht  mehr  traianisch 
ist,  fehlt  alle  und  jede  Spur  irgend  welcher  kriegerischen  Er- 
eignisse zu  Traians  Zeit  in  der  Dobrudscha.  Und  dies  ent- 
spricht auch  allein  den  historischen  Verhältnissen  der  Epoche, 
welche  durch  die  traianische  Inschrift  am  Tropaion  bestimmt 
wird.  Die  bisherige,  jetzt  von  Cichorius  als  falsch  erwiesene 
Annahme  eines  traianischen  Gefechtes  in  der  Dobrudscha  war 
ein  unglücklicher  , wenig  befriedigender  Notbehelf*  (Cich,); 
denn  in  die  Geschichte  der  Dakerkriege  konnte,  wie  Cichorius 
gezeigt  hat,  der  Kampf  keinesfalls  eingereiht  werden»  und  nach 
Beendigung  der  dakischen  Kriege  einen  von  keinem  Autor  er- 
wähnten Krieg  in  der  Dobrudscha  anzunehmen,  war,  wie 
wiederum  Cichorius  betont  hat,  unzulässig,  indem  gerade  dieser 
Zeitpunkt  der  , denkbar  ungünstigste  Moment  für  eiuen  Ein- 
fall der  Barbaren  in  das  römische  Gebiet  gewesen"  wäre  (Uich* 
S.  18). 

Dieser  Anstoss  ist  nun  behoben  durch  Cichorius'  scharf- 
sinnigen und  öberzeugenden  Nachweis,  dass  das  Soldatendenk- 
mal nicht  traianisch,  sondern  domitianisch  ist.  Durch  richtigere 
Lesung  und  Ergänzung  der  Inschrift  ward  Cichorius  äu  dem 
Resultate  geführt,  dass  das  Monument  —  ein  Ehrenmal  oder 
Kenotaph*)  —  von  Domitian  um  89  n.  Chn  für  die  nicht  lange 
vorher  in  einer  grossen  Niederlage  des  Oardepräfekten  Cor- 
nelius Fuscus  gefallenen  Soldaten  errichtet  worden  ist  Auf 
den  vier  Seiten  waren  die  Namen  der  Gefallenen  aufgezählt; 
Cichorius  berechnet  ihre  Zahl  auf  ungefähr  3800.    Eine  Frage 


^)  leb  faabe  «ebon  Abb.  3.  479  anf  Grund  meiner  Buobü'htitiigfta 
an  OH  luid  !?lt*Ue  bemerkt,  das»  df*r  Hau  nuth  dem  H<«auUütc  dc^r  Au»* 
Ifralmng  offenbar  nieinaln  t^u^"  HniTisträü*^  »ijtljit^It  Al^  f'  (\)hn^ü  al«) 
mchi  lu*r  beittiiit^t  waren. 


in.  Zum  Tropaion  von  Athmklim. 


391 


von  sekundärer  Bedeutung  ist  es,  ob  Gichorius  Recht  bat  (S.  18 
und  37  f".)»  in  dem  ganz  nahe  beim  Tropäon,  Tom  Soldatcn- 
denknml  jedoch  weiter  entfernt  gelegenen  Tuuiulus  das  Keno- 
tftph  des  Fuscus  zu  erkennen*  Der  Tumulus  ist  noch  nicht 
genügend  untersucht  und  bekannt*) 

Das  eine  aber  wird  durch  Cichorius  nun  offenbar:  die 
traianische  Datierung  des  Tropaions  wird,  nachdem  das  Sol- 
datendenkmal der  traianischen  Epoche  entzogen  und  der  do- 
mitianischen  zugeteilt  ist,  und  nachdem  nun  jede  Spur  einer 
kriegerischen  Tätigkeit  Traians  in  der  Dobrudscha  fehlt,  vol- 
lends   zu    etwas  ganz  Unverständlichem,    zu  einem  Absurdum, 

Allerdings  hat  Cichorius  den  Versuch  gemacht,  auch  jetzt 
noch  die  traianische  Datierung  historisch  begreiflich  erscheinen 
zu  lassen.  Allein  dieser  Versuch  ist  ein  Notbehelf,  dessen 
Schwäche  und  ünhaltbarkeit  gar  zu  deutlich  ist.  Auch  setzt 
sich  Cichorius  dabei  sofort  mit  sich  selbst  in  Widerspruch:  auf 
8.  36  nimmt  er  auf  Grund  der  Überlieferung  gewiss  richtig 
an,  dass  i^Traian  bei  dem  schroffen  Gegensätze,  in  dem  seine 
ganze  Begierung  zu  der  Domitians  gestanden  hat,  nicht  daa 
mindeste  Interesse  ftir  Domitians  Gardepräfekten  und  seine  Sol- 
daten haben  konnte*;  dagegen  glaubt  er  S.  39,  dass  Traian 
doch  eben  »den  Tod  jener  Soldaten  (des  Domitian)  und  ihre« 
Peldherm*  dadurch  zu  ,, rächen*  bestrebt  gewesen  sei,  dass  er 
sein  eigenes  ^grosses  Siegesdenkmal  über  die  Daker"  an  diese 
Stelle  verlegt  und  es  dem  „Mars  Ultor,  dem  rächenden  Kriegs- 
gotte*  geweiht  habe.  Also  aus  Rücksicht  auf  die  verlorene 
Ehre  des  domitianisclien  Feldherm  und  jenen  Gefallenen  des 
Domitian  zuliebe,  für  die  er  doch  ^ nicht  das  mindeste  Interesse 
haben  konnte*  (Cich,  S.  36),  errichtet  Traian  das  Denkmal  für 
seine  eigenen    weit  davon  in  ganz  anderen  Gebieten  erfoch- 


')  SitnationsslQÄae,  Grundriß  und  Durchschnitt  bei  Todlefiro,  Fooilleei 

et  nouvellt!8  recherchea»  p.  68,     Mir  selbst  gebrach  e»  an  Ort  uihI  Stelle 

I  an  Zeitt   die  Ruine   genauer  zu   uuterBuuhen;   doch   schien   e»   mir  dort 

'  nicht,  daae  aie  einen  hohen  Aufbau  getragen  habe;  derselbe  niö«8te  denn 

von   Lehm   und   Holz   fjeweaen  sein;   denn   von  einem  iiteiiiernen  Borh- 

,  bau  wüixJpn  Reste  vorhanden  lein. 

26» 


892  A.  Furticänght 

ienen  Siege  ^gerade  an  dieaer  Stelle  der  Dobrudscha,  so  fern 
von  dem  Schauplatz  seiner  eigenen  Kriege  und  Siege"!  Ich 
kann  kaum  glauben,  dass  Cichorius  dies  ira  Ernste  selbst  fÖr 
etwas  Wahrscheinliches  hält.  Er  hat  selbst  ausdrücklich  her- 
vorgehoben (S.  17),  dass  /rraians  Kriege  sich  weit  von  hier 
im  Banate^  in  der  kleinen  Wallachei  und  im  Siebenbilrgischen 
Berglande  abgespielt"  haben,  ^eio  Siegesdenkraal  anläasiich 
jener  Kriege  also  unbedingt  in  einem  jener  von  ihm  neu  er- 
oberten Länder  zu  erwarten"  wäre,  « nicht  aber  auf  eineii) 
Terrain,  das  sich  bereits  seit  längerer  Zeit  in  römischem  Be- 
sitze befand  und  noch  dazu  an  diesem  entlegenen  Flecke  der 
Dobrudscha,  der  an  sich  so  durchaus  bedeutungslos,  so  ohne 
jede  strategische  Wichtigkeit,  so  entfernt  von  allen  Kultur- 
zentren und  von  den  grossen  Strassen  liegt,  und  wo  ausser  den 
Bewohnern  der  Umgegend  kaum  je  einmal  ein  Mensch  das 
Siegesmonument  zu  Gesicht  bekommen  haben  würde*.  Diesen 
seinen  eigenen  treffenden  Erwägungen  gegenüber  glaubt  er 
(S.  38)  indess  ^besonderes  Gewicht"  darauf  legen  zu  müssen, 
dass  das  Denkmal  , gerade  dem  Mars  Ultor  geweiht*  sei. 
Allein  dieser  Umstand  hat  doch  gar  nichts  Besonderes  und 
Individuelles;  denn  es  war  seit  Augustus  einfach  das  einzig 
KoiTekte»  ja  Notwendige,  dasa  ein  Denkmal  für  8iege  des  rö- 
mischen Heeres  dem  Mars  Ultor  geweiht  wurde,  dem  alle 
Siegeszeichen  von  Rechts  wegen  zukamen*  Also  ist  aus  dem 
^Ultori"  sicher  nicht  zu  schliessen,  dass  Traian  hier  eine  be- 
sondere Rache,  das  Rächen  des  Todes  jener  domitianischen 
Soldaten  (^für  die  er  nicht  das  mindeste  Interesse  haben 
konnte!*),  habe  ausdrücken  wollen. 

Hervorzuheben  ist  auch,  dass  Cichorius,  indem  er  selbst 
erwiesen  hat,  dass  Traian  in  der  Dobrudscha  abj>»olut  nichts 
Kriegerisches  zu  tun  gehabt  hat»  genutigt  ist  anzunehmen,  das 
Tropaion  sei  das  , grosse  Siegesdenkmal  Traians  ilber  die  Da- 
ker*;  er  «agt  aber  nicht,  wie  er  sieh  mit  der  Tatsache  aus- 
einanderBetzt,   dass  die  Darsf   "  n  di-r  Tropaiou-Relief*  ab- 

solut nichts   mit  denen  de^  «Siegesdeukmalx  Ober  diu 

Daker',   der  Traiansilule   gemein   liaboo,    vielmehr  diifisen  be- 


ni.  Zum   Tropaion  mn  Aäamklism, 


998 


baanUich  in  allem  und  jedem,  vor  allem  aber  in  der  Haupt- 
sache, der  Bezeichnung  der  Gegner  der  Römer  widersprechen! 
Jene  Annahme  ist  ein  nnmügliches  Absurdum. 

Verweilen  wir  dagegen  ncvch  etwas  bei  den  Konsequenzen 
Ton  Cichorius'  schönem  Resultate,  dem  domitianischen  Ursprung 
des  Soldatendenkmals.  Nach  der  Niederlage  des  Cornelius 
P^uscus  folgte  ein  entscheidender  Sieg  des  Nachfolgers  desselben, 
des  Julianus.  Domitian  war  schon  nach  des  Fuscus  Niederlage 
selbst  auf  den  Kriegsschauplatz  geeilt  Es  wurden  nun  die 
ganzen  Verhältnisse  an  der  unteren  Donau  neu  geordnet.  Wir 
wissen,  dass  Domitian  Mösien  in  zwei  Provinzen  zerlegte  und 
die  Provinz  Moesia  inferior  zusammen  mit  den  beiden  Legions- 
lagem  von  Troesmis  (wohin  die  legio  V  Macedonica  kam)  und 
Durostorum  (mit  der  legio  I  Italica)  neu  errichtete.*)  Duro- 
storum  lag  nicht  weit  westlich  von  Adamklissi.  Ferner  ist  es 
wahrsclieinlich  (vgl.  Cichorius  S.  8.  40),  dass  Domitian,  der 
Linie  eines  älteren  vorrömischen  Walles  folgend,  den  grossen 
an  die  gleichfalls  domitianischen  Limesanlagen  in  Germanien 
erinnernden  Wall  nordöstlich  von  Adamklissi  zum  Schutze  gegen 
Barbarenein  lulle  hat  errichten  lassen.  In  diesem  Zusammen- 
hange steht  nun  die  von  Cichorius  erschlossene  Errichtung  des 
Ehrenmales  fttr  die  mit  Cornelius  Fuscus  gefallenen  Soldaten 
durch  Domitian  bei  AdamkUssi. 

Wenn  man  diese  grossartige  schöpferische  Tätigkeit  Do- 
mitians  eben  in  dieser  Gegend  recht  bedenkt  nnd  sich  femer 
erinnert,  dass,  wie  ich  (Abb,  S.  469)  nachgewiesen  habe,  das 
Soldatendenkmal  mit  der  Anlage  der  Stadt  von  Adamklissi 
durch  die  Verwendung  des  gleichen,  von  dem  des  Tropaion* 
baues  verschiedenen  Materiales  eng  verbunden  wird,  so  liegt 
es  nahe  zu  fragen,  ob  denn  nicht  auch  die  Gründung  der  Stadt 
von  Adamklissi  vielmehr  Domitian  und  nicht  Traian  zuzu- 
schreiben sein  wird.  Es  ist  doch  gewiss  an  sich  wahrscfaein* 
lieber,  dass,  nachdem  Domitian  eben  die  Gegend  von  Adara- 
klisai  ganz  speziell  durch  den  Wall  gesichert  und  die  Legions- 

*)  Vgl,  V.  Premerstein  in  den  österr.  Jabreah.  BeibL  I,  177.  184.  19 L 
Karnemann  in  Lehmanna  Beltr.  z,  alten  Gesch.  l  (1902)  S.  135. 


394 


Ä,  Furitffänsler 


lager  an  der  unteren  Donau  errichtet  hatte»  auch  er  »chon 
eine  bürgerliche  Ansiedlung  hierherzog  und  sie  mit  stiirken 
Mauern  umgeben  liess,  als  dass  dies  erst  unter  Traiiin  gc* 
sthehen  sein  sollte.  Denn  bei  jener  ersteren  Annahme  ist  die 
Gründung  ein  Glied  in  einer  festen  zusammenhängenden  Kette 
von  Tatsachen,  was  sie  bei  letzterer  nicht  ist.  Die  überlieferten 
zahlreichen  Stadtgründungen  Traians  im  unteren  Donaugebiete 
liegen,  ausser  Dacien,  im  Inneren  oder  längs  der  Nordgrenze 
Thrakiens,  Wenn  also  nichts  Entscheidendes  im  Wege  steht, 
werden  wir  die  Stadtgründung  von  Adamklissi  lieber  Domitian 
als  Traian  zuschreiben.  Ich  glaubte  früher  mit  Anderen  an- 
nehmen zu  sollen,  dass  der  Name  der  Stadt  den  Beweis  ent- 
halte, dass  sie  von  Traian  gegründet  sei  (vgL  Abh,  S*  471). 
Bei  genauerem  Zusehen  ist  das  aber  gar  nicht  der  Fall.  Die 
Stadt  heisst  in  den  Inschriften')  ganz  regelmässig  municipium 
TrojHtmm  (z,  B.  CIL  III  12481.  12473.  14214,  G);  unter  Kon- 
stantin  wird  sie  Tropacensium  civUas  genannt  (CIL  HI  13734), 
Nur  ein  einziges  Mal  (CIL  111  12470)  kommt  die  Bezeichnung 
Trauinmses  Tropaeenses  vor  und  zwar  in  einer  115/16  datierten 
Inschrift,  welche  die  Widmung  einer  Ehrenstatue  von  Traian 
eben  durch  diese  Tralanensts  Tropaeemes  enthalt.  Liegt  es  hm 
diesem  Sachverhalt  nicht  nahe*  den  auch  sonst  bezeugten  Fall 
anzunehmen,  dass  „in  die  bereits  bestehende  Stadt  neue  An- 
siedler deduciert^  worden  sind  und  diese  neu  i, angesiedelten 
Colonisten  als  solche  einen  Namen  führten,  den  andere  Bürger 
derselben  Stadt  zu  führen  nicht  berechtigt  waren*  (E,  Borniann 
in  Archiiol.  epigr.  Mitt.  aus  Osterr.  XLX  S.  184  Anm,),  dass 
also  die  Traianenses  von  Traian  in  der  Stadt  Tropaeura  an- 
gesiedelte Kolonisten  sind,  Veteranen  aus  dem  Heere,  mit  dem 
l«r  die  Dakerkriege  gefllhrt  hatt^?  Dass  diest^  die  danach 
Tmianenses  Tropaeenses  hiessen»  dem  Traian  eine  Ehrenstatue 
errichteten,  ist  überaus  natürlich.  Indem  dies  neue  Bevdlke* 
rungselement  als  besonderes  getrenntes  wohl  bald  £tt  exiätiereu 


^  Die  gwamixi^H   »infl   tm   CIL  Ul    p.  ISSI:   natnA    t^  JIOO.  234/^. 
2816,  49.  2B2d,  90. 


tu.  Zum  Tropaion  ton  Adamhlitai. 


395 


I 


P 


aufhörte,  erklart  es  sieb,  dass  nur  die  eine  Inschrifl  von  ihm 
Kunde  gibt. 

Wenn  es  sonach  als  historisch  wahrscheinlich  gel  ton  mua^, 
dass  die  Stadt  Tropaeum  schon  voo  Doinitian  gegründet  wor- 
den» so  passt  dieü  natörlich  vortretilich  zu  unserer  These,  wo- 
nach das  Tropaion,  von  dem  sie  den  Namen  hat,  vortraianisch 
ist;  wogegen  es  unvereinbar  ist  mit  der  von  uns  bestrittenen 
traianischen  Datierung. 

Vielleicht  wird  man  fragen,  ob  das  Tropaion  nicht  selbst 
auch  domitianisch  sein  und  den  durch  *TuIianu8  erfochtenen 
Sieg  feiern  könne.  Indes  abgesehen  von  allen  anderen  gegen 
eine  solche  Annahme  sich  erhebenden  Bedenken  scheitert  die- 
selbe schon  allein  an  der  von  mir  Abh.  8.  468  flF.  nachgewie- 
senen Tatsache,  dass  Tropaion  und  Soldatendenkmal  bei  gleicher 
Bauaufgabe  ein  verschiedenes  Bamuaterial  verwenden,  während 
Soldatendenkmal  und  Stadtanlage  darin  übereinstimmen,  woraus 
der  Schluss  gezogen  werden  muss,  dass  letztere  gleicher  Epoche, 
das  Tropaion  aber  einer  anderen  angehört. 

Studuiczka  hat  allerdings  die  Berechtigung  dieses  Schlusses 
in  Zweifel  gezogen  oder  vielmehr  in  seiner  lauten,  alles  andere 
als  ruhig  sachlichen  Weise  bestritten  (S,  14)*  Er  will  nicht 
anerkennen,  dass  eine  gleiche  Bauaufgabe  vorlag,  sondern  will 
einen  , schreienden  Unterschied*  statuieren  zwischen  dem  n sta- 
tuengleichen Riesentropaion  auf  reliefiibersponnenem  Unterbau* 
und  dem  »bescheidenen  .  .  nur  sparsames  Architektururnament 
tragenden  Kriegerdenkmal  und  vollends  den  schlichten  Nutz- 
bauten des  Municipiums  einschliesslich  der  Stadtmauer*.  Der 
Unterschied  sei  derselbe  wie  der  zwischen  dem  Parthenon  und 
den  Akropolismauern  und  der  Unterschied  des  Baumateriales 
dort  ebenso  begründet  wie  hier. 

Ich  habe  Studniczka  früher  (Abh.  8.  510  f.)  den  Rat  geben 
müssen,  sich  doch  die  Zeit  nehmen  zu  wollen,  die  Zitate,  die 
er  gibt,  etwas  genauer  anzusehen,  damit  er  nicht  das  Gegen- 
teil von  dem  behaupte,  was  diese  aussagen.  Ich  möchte  ihm 
jetzt  raten  sich  doch  Zeit  und  Mülie  zu  nehmen,  um  einen 
originalen  Einblick  in  die  Dinge  zu  gewinnen,  über  die  er  so 


396 


Ä.  Furtwänffler 


lauttönend  sich  v^ernetmen  zu  lassen  gedenkt;  er  würde  dann 
vermeiden,  dass  derjenige,  der  eigene  Anschauung  von  der  Sache 
hat,  lächeln  musa  bei  Bis  Behauptungen,  die  wirklich  nur  er- 
kl urbar  sind  bei  völliger  Unkenntnis  der  tatsächlichen  Ver- 
hältnisse. Wäre  Studniczka  je  an  Ort  und  Stelle  in  Adamklissi 
gewesen»  würde  er  nie  so  weit  haben  abirren  tonnen. 

Die  technische  Aufgabe  des  Baues  am  Tropaion  und  am 
Soldatendenkmal  ist,  wie  ich  Abh.  S.  469  hervorgehoben  habe, 
die  gleiche:  beide  male  handelt  es  sich  um  einen  Bruchstein- 
kern  und  Hausteinverkleidung,  welch  letztere  hier  wie  dort 
zum  Teil  glatt  zum  Teil  verziert  ist;  ein  Unterschied  besteht 
nur  darin,  dass  am  Tropaion  zu  der  tektonischen  auch  figür- 
liche Verzierung  kommt.  Es  würde  ganz  verständlich  sein^ 
wenn  am  Tropaion  eben  diese  figürlichen  Zutaten  aus  einem 
anderen  feineren  Maieriale  beständen  als  der  Bau  selbst;  allein 
dies  ist  nicht  der  Fall;  das  Ganze  ist  von  unten  bis  oben  aus 
einem  und  demselben  Materiale  hergestellt,  und  die  ornanien- 
talen  wie  figürlichen  Teile  bestehen  aus  demselben  Stein  wie 
die  rohen  Brocken^  welche,  mit  Mörtel  gemischt,  den  Beton- 
kem  ausmachen,*)  Und  dasselbe  ist  am  Soldatendenkmal  d*T 
Fall:  auch  hier  besteht  alles,  Kern,  Verkleidung,  Zierstücke 
aus  einem  und  demselben  Materiale  —  und  dies  ist  ein  anderes 
als  am  Tropaion.  Wenn,  wie  Studniczka  meint,  die  Verschie- 
denheit des  Materiales  durch  das  Anspruchsvollere  des  einen 
und  das  Bescheidenere  des  anderen  Baues  veranlasst  wäre,  aa 
müsste  man  doch  erwarten,  daas  an  beiden  Bauten  die  ge^ 
längeren  nicht  sichtbaren  oder  unverzierten  Teile  aus  dem  einen 
geringeren,  die  Zierstücke  aus  dem  anderen  Steine  gearbeitet 
^ien*  Da  dies  nicht  der  Fall  ist,  muss  der  Orund  doch  wo 
anders  liegen. 

*)  Studniezka  S,  14  ft^gt,  ob  ich  ^verburgi'ir  könne,  »ia^s  nicht  in 
dem  Brtichtrteinkerne  doch  irgend  ein  Brock»?«  tl»»8  anderen  QpBteii)<>a  wi 
finden  sei.  In  das  Innere  kon^n  gelbst  vorstand  lieh  Niemtind  hineinsehe 
alleiii  der  ganze  biossliegende  aasftere  Umtütii;  de«  fi^iirne»  and  4»h« 
die  ganze  Bekleidung  desselben  zeigen  mn^  to  ahaolute  Einheit  des  Ma- 
teriales, «lasB  damoü  das  Qleiche  für  diu  Hicbtflichtbare  ertdüoeecn  wrr^ 
den  mufts. 


III,  Zum   Tropaiün  von  ÄdamUUsi, 


397 


Aach  bei  der  Sfcadtraauer  handelt  es  sich  um  wesentlich 
dieselbe  technische  Bauaufgabe:  Bnichsteinkem  nüt  Verklei- 
dung von  Quadern  in  Haustein.  Studniczka  spricht  gar  gering- 
schätzig von  den  „schlichten  Nutzbauten  des  Municipiums"^ 
die  er  doch  durch  gar  nichts  anderes  kennt  als  durch  das,  was 
ich  über  dieselben  Abh,  S.  469  kurz  angedeutet  habe.  Er  hätte 
wenigstens  dies  etwas  genauer  ansehen  sollen,  ehe  er  urteilte.  Ich 
habe  doi-t  hervorgehoben,  dass  die  Stadtmauern  in  ganz  gross- 
artig monumentaler  Weise  gebaut  sind  mit  vorzüglicher  Quader- 
bekleidung des  Bruchsteinkernes;  ebenso  die  grossen  sowohl 
runden  wie  viereckigen  Türme;  auch  hier  die  gleiche  Aufgabe 
wie  an  dem  grösseren  Teile  des  Tropaionbaues;  allein  das  Ma* 
terial  ist  das  des  Soldatendenkmals.  Und  ferner  das  grosse 
basilikenartige  Gebäude  mit  der  „stattlichen  Reihe  grosser 
Säülenbasen**  (Abb.  S.  469),  die  auf  Postamenten  stehen  — 
es  war  wahrlich  nichts  weniger  als  so  ein  verächtlicher  Nutz- 
bau, wie  StudnicEka  ohne  jede  Sachkenntnis  redet,  der  in 
seinem  Gleichnis  das  Tropaion  gleich  dem  Parthenon,  die  »Stadt- 
bauten gleich  den  Akropolismauern  setzt!  —  sondern  ein  ganz 
prächtiger  Säulensaal  Wenn  der  Wechsel  im  Materiale,  wie 
Studniczka  meint,  dadurch  bedingt  gewesen  wäre,  dass  man 
gleichzeitig  das  eine  &ir  die  vornehmeren,  dos  andere  für  die 
geringeren  Zwecke  benutzt  hätte,  so  müsste  jener  Säulenbau 
notwendig  aus  dem  besseren  Steine  bestehen;  er  hat  aber  das- 
selbe Material  wie  die  ganze  Stadtanlage  und  das  Soldaten- 
denkmal;  wogegen  das  Tropaion  vereinzelt  steht.  Der  Grund 
muss  also  ein  anderer  sein:  es  kann  nur  der  verschiedener  £nt- 
stehuBgszeit  sein. 

Nichts  ist  bekannter  —  und  man  sollte  unter  Archäologen 
kaum  daran  erinnern  müssen  —  als  dass  verschiedene  Zeiten 
bei  gleichen  Bauaufgaben  verschiedenes  Material  zu  bevorzugen 
pflegten ;  jede  neue  Ausgrabung  lehrt  uns  neue  Tatsachen  dieser 
Art.  Besonders  bekannt  ist  der  Wechsel  von  Burgkalkstein, 
ein  von  Kara,  Piräuskalk,  Konglomeratstein  bei  Fundamenten 
Eid  gewtihnlichen  Mauern  in  Athen,  oder  der  Wechsel  von 
Peperin    und    Travertin    in    Rom,    oder   der   von    pariscKcm, 


Sd8 


A.  Furtwängler 


hymettischem,  pentelischem  Marmor  in  Athen,  wo  überall  der 
Wechsel  durch  den  Wandel  der  Zeiten  bedingt  ist. 

Benndorf  (S.  254  f,)  glaubte  den  Wechsel  in  Adanikh'ssi 
freilich  auf  eine  sehr  einfache  Weise  erklären  zu  können.  Er 
verweist  auf  einen  früheren  Bericht  von  Tocilesco  über  den 
noch  kenntlichen  Steinbruch,  aus  dem  das  Material  für  das 
Tropaion  gewonnen  wurde.*)  Nach  diesem  Berichte  liegt  das 
letzt-ere  in  der  Tiefe  der  Gruben  und  darüber  liegen  andere 
geringe  Schichten,  zu  oberst  Lehm,  dann  Kalkkonglomerat, 
dann  Löss,  Benndorf  identifiziert  nun  ohne  weiteres  jenen 
„Kalkkongloraerat**  mit  dem  Mat-eriale  des  Soldatendenkmals 
und  der  Stadtanlage,  und  schlieast  weiter,  da  jenes  oben,  der 
Tropaionstein  unten  liege,  sei  alles  aus  jenem  Stein  gebaute 
älter  und  das  Tropaion  jünger.  Ein  Überaus  naiver  Sehluss 
—  als  ob  in  einer  Steinbruchgrube  jede  Schicht  von  oben  nach 
unten  einer  Periode  entspräche,  und  als  ob  man  nicht  nach 
einem  gesuchten  Materiale  gleich  in  die  Tiefe  gehen  könnte; 
danach  müsste  die  erste  Periode  in  Adamklissi  nur  Lehm  ver- 
wandt haben  u.  s,  f.  Dazu  ist  Benndorfs  Identifikation  jene« 
^ Kalkkonglomerats**  mit  dem  Materiale  des  Soldatendenkmals 
und  der  Stadtanlage  äusserst  zweifelhaft;  die  Beschreibung, 
von  der  Benndorf  den  Zusatz  „das  horizontale  Schichtungen 
zeigt  und  mit  rötlichen  Steinadem  durchzogen  ist*  weglässt^ 
passt  absolut  nicht  zu  jenem  Baumate riale;  und  dann  kon- 
statiert ja  Tocilesco  die  „Spuren  der  antiken  Meisself  üb  rung", 
die  von  dem  säubern  Herausarbeiten  grosser  Blöcke  zeugen^ 
nur  an  der  unteren  Schicht,  der  des  „kostbaren*  Tropaion» 
Steines.  Das  Material  des  Soldatendenknuüs  und  der  Stadi- 
anlage muss  nach  dieser  Beschreibung  offenbar  aus  ganz  an* 


*)  Herr  Tocilesco  hatte  auch  mich  an  Ort  und  Stelle  in  AdamkUati 
auf  dia  £xUt6nz  dieser  Brüche  aufnitirkttatii  gemacht;  zn  ihrem  Beeuolie 
blieb  leider  keine  ZoH-     Beim  N'  -  iben  von  Abh.  8*  470  war  mir 

*die  Existetis;  der  BrUche  alk*ri3iti:  ll-d;  von  dtii  drei  Gründen  do» 

Wecbael«,  die  ich  dort  zur  Wahl  stellte,  sollte  nur  d«y  dritte  anf^vftlhrt 
werde«:  .weil  «le  —  die  eipäterrn  Archit«lct4m  —  f**^  ».- r,,...,pr.r  ..,  i.a^ 
arbeiiendet  wdchertt  Material  suebtca^. 


III,  Zum  T^opaion  von  Ädamklijtsi, 


399 


deren  Brüchen  stammen;  die  beschriebenen  waren  nur  die  des 
Tropaionbaoes. 

Benndorfs  , merkwürdig  einfache**  Lösung  des  Tropoion- 
problemes,  mit  der  er  allein  schon  meinte  mich  ganz  wider- 
legen zu  können,  ist  denn  auch  sa  merkwürdig,  dass  selbst 
Stndniczka  (S,  13  und  S.  VI)  den  Schluss  aus  der  Schichtung 
auf  die  Zeit  der  Verwendung  nicht  angenommen  hat. 

Der  Material  Wechsel  in  Ädamklissi  ist  also  durch  den 
Wandel  der  Zeiten  zu  erklären.  Da  wir  jetzt  das  Soldaten- 
denknial  und  die  Stadtanlage  als  doraitianisch  ansehen,  so 
würde  die  traianische  Datierung  des  Tropairm  jener  Forderung 
schiedener  Entstehungszeit  desselben  entsprechen.  Allein 
ler  Gedanke  an  diese  Datierung  unter  jener  Voraussetzung 
wird  ja  allein  schon  ausgeschlossen  durch  den  Namen  der  Stadt 
Tropaeum,  der  die  Existenz  des  Tropaion  zur  Zeit  der  Stadt- 
gründung voraussetzt;  auch  das  passt  nicht,  dass  nicht  nur  die 
Stadtgründung,  sondern  auch  die  ganze  ihr  folgende  Bautra- 
dition in  der  Stadt,  also  auch  die  der  traianischen  Zeit,  daa 
vom  Tropaion  verschiedene  andere  Material  verwendet,  indem 
der  Tropaionstein  in  der  Stadt  zu  Quadern  überhaupt  nicht 
mehr  benutzt  worden  ist.') 

Es  bleibt  also  nur  übrig,  dass  das  Tropaion  älter  ist  als 
die  domitianische  Epoche.  Das  schon  vorhandeue  Tropaion  zog 
unter  Domitian  da&  Ehrendenkmal  für  die  unter  Cornelius  Fus- 
cus  Gefallenen  an  sich  und  gab  der  nahebei  entstehenden  Stadt 
den  Namen.  Dies  ist  gewiss  an  sich  schon  die  natürlichste 
Folge  der  Ereignisse,  und  das  Umgekehrte,  dass  das  kleine 
Ehrenmal  das  Tropaion  zu  sich  gezogen  hätte,  ganz  unwahr- 
scheinlich. Auch  ist  das  Tropaion  etwas,  das  in  einem  frisch 
eroberten  Gebiete  als  Wahrzeichen  der  neuen  Herrschat^  vor- 
trefflich passt;  der  Eroberer  muss  sein  Heer  aus  der  Gegend 
zurückziehen,  da  er  an  dauernde  Besetzung  noch  nicht  denken 
kann;   allein  er  hinterliisst  ein  unverwüstliches  Zeichen  seinem 


*)  Vgl.  Abk.  S,  469.  Nur  Seh  welle  nsteine  ond  auch  jejue«  stümper- 
hafte konstatitinische  Tropnion  (Mon.  v.  Adamkl.  S.  100,  Fig.  126)  sind 
imn  dem  hiirten  Trupttionsteine  gearbeitet. 


400 


A,  Furtwän^ter 


Sieges  (Tgl.  Abk.  S,  482).  Dagegen  das  Ehrenmnl  der  6e^ 
fallenen  nur  verständlich  ist  auf  fest  und  duuernd  besetztem 
und  besiedeltem  Boden;  es  verlangt  die  römische  Stu<li  \u  A*^r 
Nähe,  verlangt  Kultus  und  Pflege. 

Meine  Hypothese,  dass  das  Tropaion  von  Crassus,  dem 
ersten  Eroberer  dieser  Gegenden,  errichtet  vrorden  sei,  ent- 
spricht den  dargelegten  Indizien.  Die  historischen  Bedenken, 
die  Cichorius  S.  12  ff.  dagegen  vorgebracht  hat,  scheinen  mir 
nicht  stichhaltig  zu  sein.  Er  bezweifelt,  dass  die  nötige  Zeit 
für  den  Bau  des  Tropaions  in  Cra^ssus'  Feldzug  zu  gewinnen 
seL  Offenbar  mit  Unrecht.  Wir  lassen  es  dahingestellt,  ob 
Crassus'  zweiter  Feldzug  erst  im  Frühjahr  28  v.  Chr.  (Cich, 
S.  14)  oder,  wie  ich  (Abb.  S.  483)  annahm,  im  Winter  20/28 
begonnen  habe;  da  die  Barbaren  regelmib^g  im  Winter  übor 
die  nur  dann  für  sie  passierbare  Donau  zu  setzen  iind  ihre 
Einfiille  zu  macheu  pflegten  und  Crassus  nach  Dion  nur  un- 
willig aufbrach  {aHoyy  l^uvioirf}^  so  wird  der  Winter  wahr- 
scheinlicher sein;  allein  abgesehen  davon  bleibt  für  den  von 
Dion  erzählten  Feldzug  die  Zeit  bis  in  das  Frühjahr  27  v.  Chr., 
da  Crassus  erst  am  4.  Juli  dieses  Jahres  in  Born  den  Triumph 
^ex  Thraecia  et  Qeteis'  feierte.  Crassus  musste  jedenfalls  eine 
nicht  zu  kurze  Zeit  in  den  neu  eroberten  Gegenden  verweilen, 
indem  er  mit  all  den  einheimischen  Fürsten  zu  verbandeltj  hatte, 
denen  er  als  römischen  Vasallen  den  Schutz  der  neu  gewonne- 
nen Donaugrenze  übertrug,  und  indem  er  nach  Erledigung  dos 
grossen  Krieges  noch  verschiedene  kleine  Stämme,  die  sich  bis 
dahin  nicht  ergeben  hatten,  besonders  die  Artakier,  zu  be- 
kriegen hatte.  Diese  Umstände  setzen  gerade  ein  nach  dem 
Hauptsiege  folgendes  längeres  Verweilen  des  Crassus  in  dem 
Gebiete  voraus.  Und  während  dieser  Zeit  eben  wird,  wie  ich 
annehme,  eine  aus  den  dafür  Geeigneten  gebildet«  Abteilung 
des  Heeres  —  Belbstverständlich  musste  nicht,  wie  Cichorius 
(8.  13)  meint,  «die  ganze  Armee  ausaclüiesslich  für  diese  Bau- 
arbeit verwendet*  werden  —  das  Tropaion  errichtet  haben. 
Die  dafür  nach  der  von  mir  Abh.  S.  4B1  erwähnten  fachmin'^ 
nischen  Berechnung  nötig«  Zeit  von  ungefähr   sechs  Monatifii 


in.  Zum  Tfopaion  von 


401 


ist  innerhalb  der  gegebenen  Zeitgrenzen  offenbar  verliigbar  ge- 
®en.      Man   hat  jene   Berechnung  angezweifelt;   Studnicaka 
18»  8  teilt  mit,    dass  der  Arckitekt  H.  Jacobi  ihm  zwei  Jahre 
als  Minimum    angegeben  habe*     Mein  Gewährsmann    war   der 

L Architekt;  Dn  ing,  E.  ß.  Fiechter  in  München.  Vorausgesetzt 
war  natürlich  grösstmögliche  Arbeitsteilung  und  eine  reichliche 
Arbeiterzahl,  so  dass  gleichzeitig  der  Betonkern  errichtet  und 
die  Steine  für  dessen  Bekleidung  und  Krönung  zugehauen 
|lfiirden.  Auch  in  unseren  Tagen  sieht  man  ja  oft,  wenn  es 
feilt,  Bauten,  die  sonst  unter  gewöhnlichen  Umständen  Jahre 
brauchten,  in  wenigen  Monaten  entstehen,  ür,  ing.  Fiechter 
■  hat  jetzt  die  Gefälligkeit  gehabt  unter  Zuziehung  des  grossen 
Bau-  und  Stein geschafis  Zwisler  und  Baumeister  in  München 
die  Berechnung  der  notwendigen  Bauzeit  des  Monumentes  noch 
genauer  auszuführen,  woraus  hervorgeht,  dass  die  Annahme  von 

Petwa  sechs  Monaten  reichlich  genügt.') 
Wenn  Cichorius  es  ferner  (S.  15)  unwahrscheinlich  findet, 
dass  Crassus  den  Bau  ^mitten  im  Feindesland*  emchtet  habe, 


I 


')  Dae  genannte  Rallg^^srbäfl.  berecbnet  die  Zeit  fnr  die  Stüinmetz- 
arbeit  auf  ea.  1*/^  Jahre  (450  Tage),  wenn  18  Mann  werktäglich  »ehn 
Stunden  arbeiten ;  uuf  135  Tage,  wejin  60  Steinmetzen  angenominen  wer- 
deiii  eine  Zahl,  die  gewias  nicht  zu  hoch  gegriffen  ist.  Dazu  kämen  dann 
ca.  100  Leute  am  Baue  (50  Bauarbeiter,  50  Hilfskräfte);  ferner  die  Arbeiter, 
welche  die  Steine  in  den  nahen  Brüchen  brechen  und  auf  den  Platz 
transportieren,  eine  Arbeit,  die  ständig  neben  der  Herrichtung  und  dem 
Aufbau  fortgehend  anKiinehmen  wÄre.  Für  die  Maurerarbeit  sind  hei 
einer  Zahl  von  50  Mann  am  Bau  «nd  360  Mann  drauasen  rund  120  Tage 
au  berechnen;  die  Arbeiterzahl  konnte  aber  leicht  eine  höhere  iiod  da- 
mit die  Arbeitflzeit  eine  noch  geringere  sein.  Die  Stein-  und  Mauj-er- 
axbeiten  gingen  sicher  ju  einem  groäsen  Teile  nebeneinander  her,  bo 
daM  sich»  bei  der  angenommenen  eher  zu  niedrig  als  «ii  hoch  gegriffenen 
ArbeiterzaKlf  eine  eigentliche  Bauzeil  von  immer  noch  nicht  mehr  ah 
cü,  fünf  Monaten  ergäbe.  —  Dr.  Fiechter  weist  auch  darauf  hin,  da^a 
der  Aufbau  eigene  Substruktion  bat.  man  also  nicht  etwa  auf  das  Er- 
härten des  groasen  Kerns  zu  wai'ten  hatte  (technisch  wfire  es  leicht  niög- 
licb  gewesen  den  Aufbau  auf  den  Bruchsteinkem  2u  9t.ellen,  wenn  man 
diesen  hätte  völlig  erhärten  lassen,  waa  ab^r  10—12  Monate  erfordert 
hätte). 


402 


A,  F'urtwänifter 


so  ist  dies  nicht  zutreffend;  denn  für  Crassus  war  die  Oegend 
nicht  mehr  ^Feindesland**,  indem  er  alle  Öegner  besiegt  hatte, 
das  Land  bis  zur  Donau  für  Uom  in  Anspruch  nahm  UDd  die 
einheimischen  Fürsten  zu  römischen  Vasallen  machte,  denen  er 
die  Obhut  der  Grenze  Übergab  und  damit  auch  die  des  Siegen 
denkmals.  Dass  das  Tropaion  dann  in  der  Folge  trotz  mancher 
Barbareueiotalle  im  wesentlichen  unversehrt  blieb,  ist  bei  86iner 
Bauart  und  bei  der  Unfähigkeit  der  Barbaren,  mit  ihren  Mittehi 
ihm  etwas  anzuhaben,  nichts  wenigem  als  •unmöglich*',  sondern 
vielmehr  sehr  natürlich. 

Femer  meinten  Benudorf  (S.  257),  Cichorius  (S.  15  f.)  und 
Studniczka  (S.  9),  meiner  Annahme  stünde  die  Tatsache  im 
Wege,  dass  Mars  Ultor  erst  seit  dem  Jahre  2  v,  Chn  mit  der 
Inauguration  seines  Tempels  zu  dem  ^ obersten  Siegesgotte  der 
Armee*  wurde.  Allein  was  sollte  denn  Traian  in  dem  von 
mir  gesetzten  Falle,  indem  er  die  Wcihioschrift  an  dem  Baue 
anbrachte,  der  ohne  jede  Inschrift  dastand,  anderes  tun  als  was 
er  tat?  Er  musste  doch  einfach  als  selbstverständüch  an- 
nehmen, dass  das  Tropaion  dem  Mars  Ultor  gehörte,  und  so 
durfte  er  es  ihm  auch  restituieren;  er  war  ja  kein  Archäo- 
loge; seit  melir  als  hundert  Jahren  war  Mars  Ultor  der  Gott, 
dem  alle  Siegeszeichen  römischer  Heere  gehörten;  dass  der 
frühere  rumische  Feldherr,  der  Erbauer  des  inschriftlosen  Tro- 
paions  dasselbe  etwa  nicht  dem  Mars  habe  zu  weihen  beab- 
sichtigt, das  konnte  Traian  gar  nicht  annehmen;  für  ihn  musste 
Mars  Ultor  der  rechtmässige  Besitzer  des  inschriftlos  überkom- 
menen Denkmals  sein. 

Man  hat  es  endlich  unwahrscheinlich  gefunden,  daasCraaaus 
die  beabsichtigte  Inschrift  nicht  angebracht  habe  (Cichorius 
S.  17,  Studniczka  S.  7  f.);  doch  ohne  die  Sonderart  der  hier 
vorliegenden  Verhältnisse  zu  würdigen,  die  mir  jene  Annahme 
als  sehr  naheliegend  erscheinen  lassen  (vgl.  Abb,  8.  485).  E» 
war    wahrlich    keine    «Übergroese    Gewissen haftigkeit*,     wenn 

^Crassus  bei  seinem  Auftraggeber  wegen   V" -7  der  Inschrift 

st   anfragte»    sondern    einfache    Notwt.  Weuu    die 

Athener  in   einer  Ehreninscfarift   (CIA  lU  57^2)   dem  Crassua 


III,  Zum  Trapaion  von  Adamklüsi 


im 


den  von  ihm  gewtinscliten  und  beanspruchten  Imperatortitel 
gaben,  so  mochte  dies  leicht  hingehen;  allein  etwas  ganz  an- 
deres wäre  es  gewesen,  wenn  Crassiis  selbst  sich  an  dem  Mo- 
numente für  die  im  Auftrage  Octavians  erfochtenen  Siege  den 
Imperatortitel  beigelegt  hätte;  dies  durfte  er  als  kaiserlicher 
Mandatar  keinenfalls  ohne  Ein  vernehmen  mit  Octavianus  wagen. 
Die  Fassinig  der  Inschrift  an  einem  solchen  Monumente  war 
nichts  unbedeutendes,  sondern  eine  grosse  und  wichtige  Sache 
nach  römischer  Auffassung.  Ein  deutliches  Zeugnis  von  der 
Diiferenz  zwischen  Crassus  und  Augustus  ist  die  Tatsache»  dass 
Crassus  zwar  den  Triumph  durchgesetzt  hat,  nicht  aber  den 
Imperatortitel  und  nicht  das  Recht  die  Waflen  des  Deldon  als 
spolia  opima  zu  weihen.  Die  Inschrift  an  dem  Tropaion  unter- 
blieb, wie  ich  annehme,  weil  ein  Einvernehmen  mit  Augustus 
sich  verzögerte  oder  wohl  gar  nicht  erzielt  ward,  indem  Augus- 
tus in  der  Verweigerung  des  Imperatoiiitels  beharrte  und  ihn 
sich  selbst  beilegte.  Crasaus  hätte  Augustus  als  den  Weihen- 
den in  der  Inschrift  nennen  müssen;  es  wird  sein  Trotz  ge- 
wesen sein^  wenn  er  nun  auf  die  Inschrift  überhaupt  ver- 
zichtete, die  unter  diesen  umständen  für  ihn  keinen  Wert 
mehr  hatte.  Einen  Nachklang  dieses  Streites  glaube  ich  noch 
in  dem  Umstände  zu  sehen,  dass  Augustus  im  monumentum 
Ancyranum  des  Feldzugs  des  Crassus  und  seines  Sieges  gar 
nicht  erwähnt.  Und  doch  war  dieser  eine  gewaltige  Sache  ge- 
wesen; denn  zur  Zeit  des  aktischen  Krieges  fürchtete  man  in 
Italien  die  ägyptische  Flotte  nicht  mehr  als  die  Daker  und  die 
Geten  (Mommsen,  mon.  Ancyr.*  p.  130),  und  von  dieser  Furcht 
ward  Rom  zunächst  durch  niemand  anders  als  Crassus  befreit. 
Drum  musste  Augustus  ihm  auch  den  Triumph  in  Rom  ge- 
statten; in  der  für  ihn  prinzipiell  ungleich  wichtigeren  Frage 
des  Imperatortitols  blieb  er  beharren. 

War  aber  die  beabsichtigte  Inschrift  an  dem  Tropaion  van 
dem  Erbauer  nicht  ausgeführt,  so  bot  sich  nachher  natürlich 
kaum  Gelegenheit  dies  nachzuholen;  es  war  ja  auch  schon 
technisch  nicht  leicht  und  nicht  ohne  Gerüst  zu  machen;  und 
wer  sollte   gewagt  haben   es  zu  tun?     Es  war  Traian  vorbe* 


404 


A.  FurtiOängilBr 


halten,  der  j^herba  parietaria*,  dem  Kaiser,  der  die  Leiden- 
schaft hatte»  seinen  Namen  in  monumentalen  Bauinselirifteo 
verewigt  zu  sehen-  Diese  Schwäche  des  grossen  Kaisers  uA 
wohl  bezeugt  durch  Konstantin,  und  ich  glaube  immer  noch 
annehmen  zu  müssen,  dass  dieser  seinen  Vorfahren  auf  dem 
Throne  doch  besser  gekannt  hat  als  alle  modernen  Gelehrten 
zusammen.  Die  Anregung,  das  inschriftlose  Monument  mit  einer 
Inschrift  zu  versehen,  das  offenbar  Fehlende  nachzuholen,  winl 
von  den  durch  Traian  in  der  Stadt  Tropaeum  angesiedelten 
Veteranen,  welche  die  Liebhaberei  des  Kaisers  gewiss  kannten, 
ausgegangen  sein.  Die  in  der  Inschrift  von  uns  vermutete 
Fassung  ^resHitd  iussit'^  passt  sehr  gut  zu  dieser  Annahme* 
Unsere  Kenntnis  des  Denkmals  verbietet  zwar  irgend  eine 
durchgreifende  wesentliche  Ilestauration  anzunehmen,  nicht  aber 
Ausbesserung  im  Kleinen«  Reinigung  und  Instandsetzung,  die 
in  der  auf  Befehl  Traians  erfolgten  Restitution  enthalten  zu 
denken  sein  wird. 

So  scheinen  mir  die  historischen  Bedenken,  die  man  gegen 
meine  These  vorgebracht  bat,  nicht  haltbar  zu  sein;  und  das 
gleiche  ist  der  Fall  mit  den  kunsthistorischen,   die  namentlich 
Studniczka  zu  sarimieln  sich  bemüht  hat*    Im  Gegenteil,  meine 
These  wird   ebenso   von  den  historischen   wie   von  den  kunst- 
historischen Verhältnissen  gefordert.    Da  ich  über  das  Kunst- 
geschichtliche  an    anderem  Orte    eingehender  zu    handeln    ge- 
denke, verweise  ich  hier  nur  auf  meine  früheren  Ausführungen, 
die  ich  in  vollem  Umfange  aufrecht  erhalte   und  die  sich  nair 
immer  und  immer  —  auch  durch  das  was  Studniczka  beibringt  — 
bestätigt  haben.     Studniczka  hat  trotz   allen   Bemühens   auch 
Dicht   einen   einzigen  Punkt  aufdecken  können,   der  den  Ver« 
iteiJigem    der    traianischen   These    irgend    etwas   Festes,    Ent- 
i  scheidendes  in  die  Hand  gäbe.    Dagegen  muss  er  viele  Punkte 
berühren,  die  aufs  Deutlichste  die  frühere  Datierung  empfebleiL 
Tatsaclie  ist  und  bleibt  vor  allem,  dan^s  es  aus  truianiscfaer 
Epoche    etwas   mit    dem    so   eigenartigen    provitiziollen    liarteti 
iStilcharakter  des  Monumentes  von  Ädamklissi  irgend  Vergleiche- 
bares  nicht  gibt,  wohl  aber  nnu  augusteischer  J^eit.    Das  einzige 


XII.  Zum  Tropaion  von  Adtimklitsi. 


405 


I 


I 


erhaltene  monumentale  Beispiel  eines  anaIo]^en  Stiles  ist  der 
Bogen  von  Susa  mit  seinen  KeliGfs,  und  im  Gebiete  der  niedri- 
geren Kunst  finden  sich  die  Änalogieen  nur  in  den  Irührötui- 
sehen  Grabsteinen  wieder. 

Über  die  seltsame  Behauptung  von  Petersen  und  Studniczka, 
die  Reliefs  von  Adaniklissi  seien  denen  der  Traianssäule  stilistisch 
ähnliüher  als  denen  des  Susa-Bogens,  wird  man  am  besten 
schonend  schweigen.  Es  ist  ein  arges  Beispiel,  wie  weit  Vor- 
eingenommenheit blind  macheu  kann,  so  dass  alles  Wesentliche 
nicht  mehr  gesehen  wird.  Ich  fordere  jeden  Unbefangenen 
auf,  die  IMiotographieen  der  Traianssüule  neben  die  von  Adam- 
klissi  und  Susa  zu  legen  und  dann  zu  sagen,  was  sich  mehr 
gleicht.  —  Der  Fehler  von  Petersen  und  Studniczka  liegt  übri* 
gens  auch  darin»  dass  sie  immer  reden,  als  ob  Susa  und  Adam- 
klissi  Werke  einer  primären,  aus  sich  emporstrebenden  Kunst 
wären  und  als  ob  Komposition,  Baume,  Verkürzung,  Schmerz- 
ausdruck  u.  dgl  Dinge  wären,  die  in  Augustus  Zeit  noch  gar 
nicht  existierten  und  selbständig  hätten  geschaffen  werden 
müssen.     Doch  genug  von  dieser  Verirrung. 

Tatsache  ist  ferner,  dass  es  keine  erbauten  TropUendenk- 
mrder  gibt,  die  später  wären  als  die  augusteische  Epoche  (vgl. 
Benndorf  S.  261),  dass  aber  aus  dieser  und  der  nächst  voran- 
gegangenen Zeit  eine  Reihe  schlagender  Parallelen  zu  Adam- 
klissi  bekannt  sind.  Diese  wichtige  und  wesentliche  Tatsache 
sucht  man  vergebens  zu  verschleiern. 

Ich  habe  Abh.  S.  480  das  7/6  v.  Chr.  errichtete  Tropaion 
von  Iju  Turbie,  die  tropaea  Augusti,  einen  dem  von  Adamklissi 
verwandten,  doch  reicheren  Bau  genannt.  Benndorf  glaubt 
jetzt  (S.  265  f.)  sagen  zu  können,  das  Gegenteil  davon  sei 
richtig,  der  Bau  stehe  ,in  vollkommenem  Gegensatze'*  zu  Adam- 
klissi. Wieder  ein  merkwürdiges  Beispiel  von  Unfähigkeit,  das 
Wesentliche  zu  sehen.  Weil  La  Turbie  keine  Wiederholung 
7on  Adamklissi  ist,  sondern  eine  den  lokalen  Verhältnissen 
atigepasste  Variante,  soll  es  im  Gegensatze  stehen!  Das  ge- 
meinsame Wesentliche  wird  ganz  übersehen.  Welch  kUmmer^ 
lieber  Begritf  von  augusteischer  Kunst,  als  ob  sie  nur  dasselbe 

1«04.  6it<g«t».  d.  ptaiOL-ptaiDl.  a.  d.  hfit.  Kl.  27 


i 


A,  Furiw&ngftr 


wiederholen,  nicht  frei  Tariieren  durfte!    Und  bei  dar  Fb 
des  axigeblicheD  Gegensatees  pariert  Benndarf  noch  mn  sehlk 
nies  Versebeo:  er  sagt  «als  Basis  des  Siegeszeichens'    «1 
Adamklissi  «ein  rings  in  die  Breite  weit  ausgreifender    . 
nerter  Tomnlus*,  tn  La  Tnrbie  »ein  hocbcjlindrischer  gesault 
Etagenbau*.     Benndorf  war  hier  wohl  noch  in  der  alten   von 
mir   beseitigten   falschen    Rekonstruktion    Ton   Adatnkliasi 
fangen!    er    hätte   sagen   müssen,    die  Basis  des  Tropaioms 
dort  in  Adaniklisai  ein  sechseckiger  Tunn,  der  auf  runder,  hier 
in  La  Turbie  ein  runder  Turm^  der  auf  viereckiger  Basis  mbt* 
Das  ist  der  gan^e  ^Gegensatz*.     Die  Yerscbiedenbeit  der  Pro-. 
Portionen  aber,  dort  gedrungener  breiter,  hier  schlanker  höhn 
ist  ja  offenbar   aus  den  gänzlich  verschiedenen  örtlichen   VerJ 
hältnissen  entsprungen,   und  wird  dem  Betrachter  an  Ort  und 
Stelle  sofort  klar:   das  Tropaion  von  La  Turbie  liegt  auf  delf 
Höhe  eines  steilen  Berges  oberhalb  Monaco  Qber  dem  Meere« 
Adamklissi    auf  dem    breiten    Rücken   einer  weiten    leicht   g^ 
wellten  Hochebene,    Für  den  Architekten,  d^r  auf  kQnstlerisdie 
Wirkung  bedacht  war  und  nicht,   wie  Benndorf  zu  verlungen 
sclieint,    nach  Schablone   arbeitete,    ergab  sich    dadoreh   jene 
vollkommene  ^.Gegensatz*:   er  muaste  die  Tropaionbasb  in 
Turbie    schlanker    emporstreben,    in    Adamklissi    breiter    ooc] 
m;issiger  ausgreifen  lassen.     Deshalb    mi   dort   auch    die  Basi« 
viereckig T    hier   rund.     Das  Wesentliche   aber»   die   eigeoUiche' 
Bauidee,   der  aus  mächtiger  Basis  aufsteigende  Turna  als  Tri* 
ger  des  Tropaion»,  »owie  der  Wechsel  von  rundem  über  vie 
eckigem    oder   poljgonem    über  rundem  Geschoss   ist    hier   wiel 
dort  ganz  gleich.    Dieser  Wechsel  ist  ein  spezii'll  hellenistischer  i 
Baugedanke  und  erscheint,    wie  H.  Thiersch  nachzuweisen  im 
Begriffe  ist,  insbesondere  schon  an  dem  berühmten  Pharos  vottj 
Alexandrien, 

Benndorf  hat  das  Verditmst  eine  ältere  Rekonstraktioii  de 
Tropaions  von  La  Turbie  aufgespürt  und  neue  Rekonstruktiaiis-l 
versuche  veranlagst  zu  haben,  die  ein  .fippn^iimativr    *''■  -      Hit-| 


>ild*   geben  mögen.*)    Indium  der  das  Tropaion  trag. 


rm 


*)  In  den  MC»m,  dö  centeDaire  de  l*  »oc.  nat  tki  aatj<|tuwM  d#j 


Ilt,  Zum  Tropaian  von  Ädamkliasi, 


40? 


mit  einem  Kranze  freistehender  marnionier  Säulen  in  zwei  Ge- 
s<;ho8sen  geschmückt  war,  erhellt  rleiitlich,  dass  der  Bau  ^rei- 
cher*   als   der  von  Adaiuklissi  war,    wie  ich  früher  hemorkte. 

Ich  habe  im  Herbste  1903  das  Monument  von  La  Turbie 
besuchen  und  in  Müsse  studieren  können.  Der  Eindruck,  den 
die  gewaltige  Ruine  in  ihrer  herrlichen  Umgebung  noch  heute 
macht,  ist  ein  ausserordentlicher.  Was  mich  aber,  nachdem 
ich  gerade  ein  Jahr  vorher  auf  der  Basis  des  Tropaions  von 
Adamklissi  gestanden  hatte,  geradezu  überwältigte,  war  die 
Evidenz  der  Gleichartigkeit  beider  Ruinen.  Ich  mächte  allen 
denen,  die  über  das  Adamklissi-Problem  etwas  lernen  wollen 
und  nicht  schon  alles  zu  wissen  vermeinen,  raten  kurz  hinter* 
einander  die  beiden  denkwürdigen  Ruinenplätze  La  Turbie  und 
Adamklissi  zu  besuchen.  Der  Eindruck  höchster  Gleichartig- 
keit des  Baues  ist  von  zwingender  Kraft;  mit  Worten  lässt  er 
»ich  nicht  beschreiben.  Es  sei  nur  darauf  hingewiesen,  dass 
hier  wie  dort  ein  Turm  aus  Quadern  von  unten  aus  empor- 
steigt und  unten  eingebettet  ist  in  einen  niHchtigen  massiven 
Bmchfitein-Betonkem,  der  nur  dort  viereckig,  hier  rund  ist  und 
nach  aussen  mit  (Quadern  verkleidet  war.  Man  weise  mir  einen 
wirklich  analogen  Bau  aus  der  traianischen  oder  überhaupt  der 
späteren  Kaiser-Zeit  nach  und  ich  will  gerne  daran  lernen. 
Bis  dahin  aber  halte  ich  mich  an  die  Überlieferung,  welche 
derartige  Tropaion bauten  in  nachaugusteischer  Zeit  nicht  mehr 
kennt,  und  sehe  ferner  eine  weitere  Bestätigung  meiner  Datie- 
rung von  Adamklissi  in  der,  wie  ich  früher  schon  bemerkte, 
so  9 überaus  verwandten"  Gesamtanlage  und,  wie  ich  neu  hinzu- 
fügen kann,  überraschenden  Gleichartigkeit  der  Bauausführung. 

Die  Krönung  beider  Bauten,  das  Riesentropaion  mit  den 
jtwei  am  Boden  sitzenden  traueniden  Figuren  muss,  wie  Benn- 
dorf  selbst  zuerst  erkannt  hat,  hier  und  dort  ganz  gleichartig 
gewesen  sein. 

France  1^4;  kurz  ist  d&s  Wesentliche  zusummeugefasst  in  Oiterretch« 
JühreBh.  190S,  H.  204  f.  Die  eratere  Publikation  enthalt  eine  gute  pboto- 
gniphläche  Änaicbi  der  Ruine  sowit*  atiaaer  dem  Niemannschen  noch 
einen  etwaa  ab  weich  enden  Eekonatiuktionsentwurf  von  WUberg, 

87* 


408 


A.  FuHwangUr 


Zu  dem  unteren  kreisninden,  zinnengekrönten  Teile  de« 
Denkmals  von  Adamklissi  hatte  ich  (Abb.  8.481)  als  Däch«d 
vfTwandt  den  aus  der  augusteischen  Epoche  vielfach  erhnltenfl 
und  gerade  damals  zweifellos  sehr  beliebten  Grabmaltypus  vei 
glichen,  von  dem  die  Caecilia  Metella  das  bekannteste  Exen 
plar  ist;  ich  nannte  noch  da«»  Grabmal  der  Plautier  bei  Tibü 
und  hätte  als  besondei-s  gute  Beispiele  noch  anführen  könne 
das  Grab  des  Munatius  Plancus  zu  Gaeta  (vgl.  Benndorf  S.  26S 
Anm.  17)i  das  schöne  Grab  in  Villa  Patrizi  %\x  Rom  (Stud 
niczka  S.  21,  Anm.  12),  die  Fragmente  eines  gleichen  aus  F« 
lerii  in  Berlin  (Skulpt.  KataK  992;  Studniczka  S.  50)  sowiJ 
mehrere  Beispiele  an  der  Via  Appia,  die,  soweit  erhalten^ 
Kunstfornien  ein  Urteil  gestatten,  alle  früh  sind.  Das  Wc^senk 
liehe  dieses  Grabtypus  ist  die  einem  kreisrunden  Festungstur 
gleichende  quaderbekleidete  und  zinnengekrönte  Gestalt.  De 
obere  Abschluss  mit  «amt  den  Zinnen  ist  zum  Teil  reich  ver^ 
ziert.  Diesem  durch  datierte  Beispiele  als  in  der  letzten  re 
publikanischcn  und  der  augusteischen  Epoche  beliebt  erwc 
senen  Grabtypus  folgt  der  kreisrunde  unterbau  des  Monument 
von  Adamklissi.  Allein  bei  jenen  Grabujäloni  ist  der  Hund^ 
türm  das  oberste,  die  Krönung  des  Monumentes;  liier 
Adamklissi  sollte  er  nur  die  breite  Basis  für  den  empomtci^ 
genden  sechseckigen  Tu nn  bilden;  daraus  ergab  sich  natürlich 
dass,  der  ganz  verschiedenen  Funktion  entsprechend,  der  Uund^ 
bau  dort  schlanker,  hier  gedrungener  gebildet  werden  niusst 
Dies  hat  Studniczka  wieder  gar  nicht  verstanden;  er  stellt  dii 
gedrungene  Kundform  von  Adamklissi,  die  ein  spätes  ,Archai-l 
sieren*^  bekunde,  mit  der  des  Mausoleums  Uadrians  zuüannnei; 
und  will  dies  für  die  traianiKche  Datierung  von  Adamklissi  be 
nutzen.  Überhaupt  hat  nmn  ujir  die  raoles  Hadriani  eutgegen-*| 
gehalten  als  nahe  Analogie  zu  Adamklissi»  die  für  dessen  traia 
nischen  Ursprung  zeuge.  Ich  hatte  sie  früher  aU  Analogii 
nicht  gelten  lassen,  weil  der  llundbau  des  Mausoleums  nieblj 
als  glatter  Turm,  ^sondern  von  Silulen  oder  Pilastern  umgi^bonl 
rekonstruiert  wird;  Benndorf  S.  262  und  Studniczka  S,  21  f 
nehmen  die  Rekonstruktion  mit  Pilo*tera  an,    dw  ünter»cbii 


JII,  Zum  Tropaion  t?o?i  ÄdamkliBm. 


409 


ist  aber  unwesentlich  für  diese  Frage;  sie  hätten  weitergehen 
und  darauf  hinweisea  könnea,  dass  auch  die  Bekleidung  mit 
Pilastern  gänzlich  willkürlich  ist  und  der  Bau  violleicht  wirk- 
lich jenem  Typus  der  glatten  Hund  türme  angehörte.  Auis  den 
Proportionen  aber  (die  übrigens  nicht  einmal  genau  bekannt 
sind,  da  die  Hr»he  des  ganz  überbauten  Rundes  unsicher  ist) 
ist  nichts  zu  schliessen;  denn  wir  wissen  nicht,  wodurch  sie 
motiviert  waren;  wahrscheinlich  wie  bei  Ädamklissi  durch 
den  Oberbau,  der  aber  hier  gänzlich  unbekannt  ist;  ein 
rundes  Friesstück  wird  zwar  von  demselben  stammen  (Riim. 
Mitth.  1893,  323),  allein  in  welcher  Hohe  und  in  welchem  Ge- 
schoss  es  sass,  ist  unbekannt.  Es  ist  also  nicht  unmöglich, 
dass  die  moles  Hadriani  Ädamklissi  näher  war  als  Benndorf- 
Studniczka  annehmen,  die  ohne  Kritik  die  letzt  veröffentlichte 
Bekonstruktion  zu  Grunde  legten.  Allein  was  wäre  daraus  zu 
liessen?  Die  Tatsache,  dass  der  Rundturmtypus  bei  Grab- 
'^Slern  gerade  in  der  augusteischen  Zeit  besonders  beliebt  war, 
der  gegenüber  man  nur  ein  einziges  vereinzeltes  kleines  Beispiel 
antoniniseher  Zeit  in  Kordafrika  hat  namhaft  machen  können,^) 
wird  eben  zu  dem  Schlüsse  führen,  dass  Hadriiui  sich  an  Vor- 
bilder jener  Epoche  angeschlossen  hat.  Dazu  passt  recht  gut, 
dass  die  Stierkopf-Guirlanden^Friese  des  Hadrianischen  Baues 
sich  offenbar  als,  in  der  Ausführung  freilich  schon  weit  ab- 
stehende, Nachbildungen  augusteischer  Vorbilder  bekunden: 
das  Ornament  war  in  jener  Epoche  überaus  beliebt.  Wir  wissen 
aber  femer,  dass  Uadrian  das  Mausoleum  als  Ersatz  für  das 
das  Augustus  baute,  indem  das  letztere  voll  war  und  eine  neue 
Grabstätte  tllr  die  Kaiser  notwendig  wurde  (Dio  (>9,  23),  Schon 
deshalb  offenbar  scbloss  sich  Hadrian  an  einen  augusteischen 
Typus  an.  Auch  das  Mausoleum  des  Augustus  war  bekannt- 
lich ein  gewaltiger  Rundbau,  der  uns  leider  nur  sehr  schlecht 
bekannt  ist;  über  demselben  stieg  ein  mit  Bitumen  bepflanzter 
Tumulus  an.     Es  liegt   der  alte  Tjpus   des  Tumulus   auf  ge^ 

1)  Studnicstka  S.  20,  Grab  des  Q.  Lollitia  ürbictis  bei  Cirta,  Gaell, 
MöTi.  de  TAlg^rie  !I,  9Ö.  —  Der  Rtindturra  von  Attakna,  den  Stiidnic»ka 
8.  23  auch  beiÄuzieht,  i«t  nicht  datiert  und  von  j^w^ifelbufter  Bod^utnng, 


410 


X  FmHwmtfUr 


mAueriem  Unterbau  zu  Grunde,     Der  Kund  bau   des  Hu 
Uausoleums  war  im  wesentlielieii  durdi  dies  Vorbild  bciding 
so  TerscliiedeD  auch  die  Aosgettaltung  im   einzelnen   gewm^ 
seüi  tDi^. 

Studniczka  hat  dann  die  Einzelformen  des  I>enkmals  ro 
Adamklissi   behandelt.     Keine   einzige   Form    ist    es    ibm 
langen   etwa  als  Indaiiiseh  nachzuweisen;    dagegen  vieles  ro 
dem,  was  er  gesanmidt  hat,  auf  die  frühe  Datierung  binweij 
So    die    »Zwei^feiler*    mit   den    ,Metop«*n**,    ein    Mutir,    da 
hellenistischen,  spätetniskischen,  frührGmischen  und  frdlmagu 
äteischen    Beispielen    eigen    ist;   so   femer   das  Motiv    des  g^ 
schmückten  Zinnenkranzes;   so   die  Eigenart  and  Yerwendund 
de>s  Strickornamente^  die  an  dem  Späth ellenistischen  oder  früh«^ 
rdmischen  ,Absalomgrab*  seine  nlicliste  Analogie  hat  (Htudi] 
8.  76)  und   vieles  Andere,    wofQr  namentlich  auch  die  früh« 
provinziellen   Grabst*^ine   Analogieen    bieten,     über   all    die 
werde   ich^    wie  schon  oben  bemerkt  ward,    an  anderem  Or 
eingehender  handeln.     Von    dem    Akanthoskelch    am    Panzeü 
über  den   ich   Abb.  8.  510  ff.  gegen  Studniczka  sprach,   gili 
dieser  jetzt   (S.  IH)    selbst   zu,    dass   er  wohl  schon   vor  du 
Flavier  zu  datieren  sei.     Es  ist  sellsam»   wie  man  gerade  die 
in  der  augusteischen  Dekorationskunst  so  ganz  besonders  be- 
liebte Motiv  hat  meinen  können  gegen  au- 

verwenden    zu    dürfen.      Das    Kapitel    Sti, 

Akantfaosranke  S.  93  ff.  übersieht  wieder  das  Wesentliche:  di| 
Umgestaltung  der  älteren  StieURank«^  zu  der  Blätterranki^ 
in  augusteischer  Epoche  bereits  vollkommen  vollzogen.  Diö 
Form  in  Adamklissi  ist  ein  trockener  provinzieller  Auszug  auB_ 
dem,  was  die  Vorbilder  der  grossen  augusteischen  Kunst  boten 
Wie  gänzlich  verschieden  aber  diese  magere  knH[»i»e  Uank^ 
nebst  ihren  zierlichen  Vügelcbtjn  von  der  wuchtig  sehwüLstigeji 
Pracht  traianischer  Friese  ist,  lehrt  ja  gerade  die  Nebeneinander 
Stellung  von  Studniczka  S.  94,  Abb.  54,  &5.  Doch  auch  hier 
über  auderwiirf  ^  -. 

In   dem   .  •    Ober  die   Reliefs    hat  Studujczka   ei» 

gute  Beobachtung  mitgeteilt     Benndorf  hatte  bekanntlich 


TU,  Zum  Tropuion  x^n  AdamMhw^ 


411 


meint,  auf  einer  »Metope*  (Nr.  6)  ,vollkoniraen  deutlich*  eine 
statuarische  Gruppe.  Kaiser  Traian  als  Reiterstatue  über  einen 
Barbaren  reitend  dargestellt  zu  sehen,  was  ich  als  verfehlt 
zurückwies  (Abh.  S.  490).  Studniczka  (S,  146)  weist  jetzt  auf 
ein  Relief  aus  Ljdien  hin  (abg.  bei  Sfcudo.  S.  134  Fig.  70), 
das  eine  auffallende  Verwandtschaft  mit  Adamklissi  bekundet 
in  dem  ganzen  hölzernen  Stile  und  besonders  in  der  Wieder- 
gabe TOn  Ross  und  Reiter;  auch  hier  stehen  die  Ilinterbeine 
des  Rosses  auf  einem  gerade  abgeschnittenen  Stücke  stehen- 
gelassenen Kelietgrunds!  Mit  Recht  betont  Studniczka  die  auf- 
fallende Übereinstimmung  in  dem  „so  befremdlich  irrationalen 
Detail**.  Wenn  das  Relief  ihm  nun  nur  auch  den  Gefallen  tun 
wollte  und  sich  in  Traians  Zeit  datieren  Hesse!  Allein  —  es 
hat  eine  Inschrift  —  und  diese  benennt  den  Reiter  als  rdtog 
ViQ^avixdg^  sei  es  des  Drusus  Sohn  oder  dessen  Sohn  Caligula, 
der  als  Besieger  der  Germania  dargestellt  ist.  Es  ist  zu  fatal, 
wenn  irgendwo  einmal  etwiis  mit  Adainklissi  wirklich  Zusam- 
menhängendes herauskommt  —  es  ist  allemal  früh  und  liegt 
weitab  von  Traian! 

Studniczka  verweist  auch  auf  ein  Relief  aus  dem  Hau  ran 
(bei  Clermont-Ganneau,  Etudes  d'archeoL  Orient  I  (1895)  p.  179), 
das  wiederum  einen  solchen  Reiter  mit  der  scheinbaren  Plinthe 
unter  den  Hinterbeinen  des  Rosses  zeigt;  derselbe  schiesst  Bogen 
auf  einen  schlangenbeinigen  Giganten.  Der  sehr  hölzerne  Stil 
ist  Adamklissi  verwandt.  Eine  Inschrift  fehlt;  es  nützt  uns 
also  hier  nichts;  nach  allen  Analogieen  prorinzialer  Kunst  ist 
es  früh  zu  datieren.^) 

Benndorf  und  Studniczka  haben  es  verschmäht  die  Ent- 
wicklung der  provinzialrümischen  Kunst,  in  der  ich  einige 
Grundzüge  bestimmt  zu  haben  glaube,  zu  verfolgen;  der  ihnen 
freilich  sehr  wenig  paösenden  Tatsache,  dass  alle  datierbaren 
stilistischen  Analogieen   zu  Adamklissi   der  augusteischen   oder 

^)  Die  ErkUirung  von  Clennont-Ganneau ,  ea  stelle  Ma]rim]aD  und 
Diokletian  dar,  igt  gänzlich  auB  der  Luft  gej^riffen  und  verfehlt.  GlfT- 
mopt-Gunneau  ist  noch  in  der  gewöhnlichen  Meinung  befangen,  wüa 
UMcböii  «ei,  müese  mögliclist  ip&t  datiert  werden. 


412 


A,  Kurtwäntjfer 


frühkaiserlichen  Zeit  angehören,  stellen  sie  nur  das  bequemo 
alte,  einfach  auf  Unkenntnis  beruhende  Gerede  von  der  aDgel>« 
liehen  ^Zeitlosigkett*  aller  , Pfuscherei*  entgegen. 

Allein  der  Stil  ist  ja  nur  ein  Grund  gegen  die  traianiaclie 
Datierung  des  Tropaions,  und  zwar  einer,  der  für  mich  erst 
sekundär  hinzukam.  Die  Hauptsache  ist  ja  immer,  dass  die 
ganze  Tracht  und  Bewaflnung  der  Römer  im  voUaten  Gegen- 
satze zu  der  traianischen  Epoche  steht  und  dagegen  in  Z4ihl- 
reichen  wichtigen  Punkten  auf  eine  bedeutend  frühere  Zeit 
weist;  sowie  ferner,  dass  die  Tjpen  der  Feinde  der  Kömer 
ganz  andere  sind  als  an  den  die  traianischen  Kämpfe  Terherr- 
liebenden  Denkmälern;  und  endlich,  dass  das  Tropiiion  histo- 
risch  in  der  ti*aianischen  Epoche  absolut  unverständlich  wäre. 

Die  Verfechter  der  traianischen  Datierung  müssen  ao- 
nehmen,  dass  dieselbe  Armee,  dieselben  Legionen  in  Bildrrn 
desselben  Krieges  an  der  Säule  Traians  und  am  TropaioQ  in 
gänzlich  verschiedener  Ausrüstung  dargestellt  worden  seien! 
Früher  hat  Benndorf  versucht  den  dem  Tropaion  unjjekannten 
Schienenpanzer  der  Traiansäule  als  eine  frei  erfundene  Kunst- 
fonuel  hinzustellen,  was  dann  durch  die  Auffindung  von  Ori- 
ginalen solcher  Schienenpanzer  erledigt  worden  ist  (vgh  Ablh 
S.  478).  Jetzt  behauptet  man  (Petersen  S,  71;  Benndorf  S,  259; 
Studniczka  S.  120)/)  Traian  habe  wohl  gleich  nach  dem  Kriege 
mit  einem  Schlage  die  ganze  Bewaffnung  jener  Legionen  total 
geändert,  und  die  Süulo  zeige  dann  diese  R4ffor0ieo,  nicht  die 
wirkliche  Rüstung  des  Krieges!  Und  die  Barte,  die  den  Adam- 
klissi-Soldateu  (bis  auf  eine  zweifelhalle  Ausnahme^))  fehlen, 


')  Studniczka  übergeht  die  ganze  ftindiinjentule  für  die  Datienanf»* 
fra^je  entscheidende  Differ<*nz  der  lipwiiffmmg  und  l»»gt  dagfgen  aufitwd 
Liklle  Beh-i»ptiifi**eii  '  nif  dio  Kniehosen  und  den  Pf^ndfr 

rJchmuck,   die   zur  1  .  int    nirlii  zu  verweiidcn  niiul.     Uh 

Ktiichoaen  aiod  sicher  ücbon  vortmiHiiisc-h  naebge wichen  und  «iud  bei  dar 
überhaupt  in  Adttüiklingi  d ar freut idUün  Wint^rtmcht  ja  «uhr  boffrfiflich. 
Df^r  Si'htnnck  der  Home  mit  B(*hansr  idt  abor  ffanst  tiich^r  aaeh  lAogii 
vor  Traiftii  ■  n  (irftb^m 

und  Stopli 

']  Nor  an  ^tandart^ntruger  vou  Adümkliwfti  (Met^^pe  IS)  i«t^  mmn 


Platäisches  WeihgeschenJc. 


m 


welche  aber  an  denen  der  Traiansiiule  sehr  gewöhnlich  sind, 
bütten   die  Bildhauer  eben  aus  „Bequemlichkeit"   weggelassen! 

Diese  traurigen  Ausreden  werfen  ein  grelles  Schlaglicht 
auf  die  verzweifelte  Lage,  in  welcher  sich  die  Verteidiger  der 
traianischen  Datierung  befinden.  Wenn  sie  sich  indes  auf  diese 
Art  zu  trösten  vermögen»  so  Überlassen  wir  sie  ruhig  ihrem 
Glauben  und  forschen  unbeküniuiort  weiter  an  dem  Probleme, 
das  uns  Adamklissi  stellt. 

Unsere  Hypothese,  dies  haben  wir  erkannt,  entspricht 
Allem  was  die  historischen  Verhültnisse,  was  Tracht  und  Be- 
wafiiiung  der  Körner,  was  die  Barbaren  typen,  was  Inhalt  und 
was  Form  des  Denkmala  fordern;  und  ebenso  widei*streitet  allem 
diesem  die  Datierung  unter  Traian. 


Anhang  zu  L 
Zum  platäischen  Weihgescbenk  in  Delphi. 

Bei  den  Erörterungen  über  die  Gestult  des  berühmten 
Schlangendreifuüses,  den  die  Üriechen  nach  der  Schlacht  von 
PlatEä  in  Delphi  errichteten,  ist  der  wichtige  tatÄ*^chliche  An- 
halt, den  der  erhaltene  Teil  der  Basis  gibt,  bisher  nicht  be- 
nutzt worden.  Auch  die  letzt  veröffentlichte  Rekonstruktion 
von  Lücke nb ach,  01ym|)ia  und  Delphi,  1904,  S.  55  nimmt 
keine  Rücksicht  darauf.  Ebenso  ist  Reise  h,  der  soeben  bei 
Pauly-Wissowa  V  S,  1688  über  die  Frage  gehandelt  hat,  über 
jene  Tatsache  nicht  orientiert  Da  mir  dieselbe  schon  bei  einem 
früheren  Besuche  in  Delphi  und  jetzt  wieder  aufgefallen  ist, 
sei  hier  in  aller  Kürze  darauf  hingewiesen.  H.  Bulle  hat  die 
Freundlichkeit  gehabt,  mir  für  diesen  Zweck  seine  Auftiahme 


der  Schein  nicht  trügt  —  ich  habe  mir  am  Orij^inale  nichts  darüber  be- 
merkt; der  Kopf  iat  sehr  verstümmelt  —  bärtig*  Ich  habe  SitTJung^ben 
1897,  I,  S.  276  diese  eine  Aaanahme  auBdinlcklich  konsluHprt. 


der  erhaltenen  Bassstufe  mit  den  Einlassspurea  zur  Verftigujig 
EU  stellen  (s.  betstebeode  Figur). 

Diese  Stufe  besteht  aus  drei  mit  Klammem  verbundenes 
Steinen.  Schon  aas  der  Tatsache  der  sicbtbaraii  Klmnttier« 
spuren  erhellt,  dass  dies  niebt  die  oberste  Stufe  war.  Es  fehlt 
noeb  eine  Stufe,  die  um  so  riel  xurüektrat  als  die  feine  Itand-'' 


Phitäiaches  WeÜitfeschtnk, 


415 


Damit  ist  die  von  Pomptow  (Berl*  PhiL  Wochenschr. 
1903,  268  tf.;  Areh.  Anzeiger  1904,  157),  Michaelis  (Springer- 
Mich.,  HarKlbuch"'  S.  174  mit  Zeiclinimg  Fig.  822)»  Luckeü- 
bach  und  Heisch  vertreteue  Annjihüie,  wonach  die  SchLmgen- 
säule»  uöten  kreislÖniiig  aufruhend,  allein  emporragte  und  oben 
auf  den  Köpfen  der  Schlangen  die  Dreifussbeine  trug,  ausge- 
schlossen. Indes,  da  der  Wortlaut  bei  Herodot  und  Pausunias  in 
der  Tat  darauf  weist,  dass  der  Tgijiovg  oben  auf  den  Schlangen 
ruhte,  kam  mir  der  Gedanke,  es  niüchten  die  drei  Schwanz- 
enden der  Schlangen  unten  ähnlich  auseinandergegangen  sein 
wie  oben  die  Hälse,  und  die  drei  Löcher  stammten  von  der 
Belestigung  der  drei  Schwanzenden,  Ich  ward  darauf  gefuhrt 
durch  einen  Bronzekandelaber  in  Neapel,^)  der  mir  wie  eine 
kleine  Nachbildung  der  delphischen  Schlangensäule  erschien; 
hier  gehen  die  drei  Schlangenschwänze  unten  in  der  angedeu- 
teten Weise  auseinander  und  auf  ihnen  ruht  das  Ganze.  Allein 
dieser  Gedanke  erwies  sich  als  unmöglich,  indem  die  erhaltene 
SchlangensHule ,  wie  an  dem  Abgüsse  in  Berlin  deutlich  ist^*) 
unten  im  wesentlichen  volktändig  ist,  und  die  Schwanzspitzen 
teils  vollständig  erhalten  teils  im  Kontur  noch  sichtbar  sind. 
Übrigens  hätte  auch  Herodot  die  Schlangensäule  schwerlich 
einen  jQixdo^rog  Sqng  genannt,  wenn  die  Trennung  in  drei 
Leiber  unten  deutlich  sichtbar  gewesen  wäre. 

Die  drei  Einlassungen  können  also  nur  von  den  drei  Beinen 
des  Dreifusses  herrühren.  Es  muss  angenommen  werden,  dass  die 
Schlangensäule  als  Mittelstütze  fungierte  und  nur  in  der  oberen 
(verlorenen)  Stufe  der  Basis  eingelassen  war,  während  die  Drei- 

neh  X.  B.  üu  dem  Dreiftisse  derVaae  Furt wün gier- Reichbold,  Gr.Yasenmal. 
Taf,  19.  —  Unter  der  zweiten  Stufe  der  lielphischen  Basis  befinden  sich 
noch  drei  andere  sichtbare  Stufen  und  darunter  noch  eine,  die  als  Funda- 
ment dient.  Die  zerstreut  gewesenen  Blöcke  sind  von  den  Franzosen 
susammen^estellt  worden. 

*)  Den  auch  Fabriciiia,  Jahrb.  d.  Inst  I,  1886,  S.  186  Anm,  15  an- 
führt,  ohjie  indes  die  Bedonderheit  der  drei  Stützen  3£u  erwähnen. 

*}  Vgl.  Friodericha-Wolteri,  Gip«abgöjae  Nr.  227;  fi^nndliche  Mit- 
teilungen von  Br.  Schröder  haben  mir  den  Ttitbestand  noch  gena«t»r 
nufgeklilri. 


416 


Ä,  FufiwängUf 


fussbeine  bis  in  die  zweite  Stufe  henmtergriffen*     Die  RekoD- 
struktion  von  Fabricius  und  Paul  Graf  (beistehend  nach  Juhrb« 

d.  Inst.  I,  1886,  a  189  wiederholt) 
behält  also  in  einer  Haüptsaelie 
Recht. 

Allein  sie  ist  freilich  giinzlich 
verkehrt  in  Bezug  auf  das  tirüssen- 
verhMtnis  des  Dreifusses  atu  der 
Schlangensüule.  Wenn  man  den 
unteren  Durchmesser  der  Schlangen- 
säule (0,55)  io  die  Mitte  der  er- 
haltenen Basisstufe  einzeichnet»  so 
ergibt  sich,  dass  die  Drei  fussbeine 
derselben  ganz  nahe,  nur  etwa  ge- 
gen 30  cm  weit  von  ihr  aufruhlen. 
Es  ergibt  sich  daraus  eine  sehr 
enge  schlanke  hohe  Gestalt  des  Drei- 
fusses, Auch  ist  der  Kessel  bei  Fii- 
bricius  viel  zu  gross  angenommen.') 
leb  denke  mir,  dass  nur  der 
Kessel  von  Gold  war  und  nur  er 
bei  Herodot  und  Pauisani?is  mit  dorn 
Worte  jQbiovg  gemeint  ist;  dann 
passen  die  Worte  i  IM  tov  iQty.a* 
j  Q}'jTov  öipio^  . ,  *  hfeojtmg  (Derodot) 
und  '/^Qi^oo^if  iQiJioön  dgdxovrt  Int 
R«ko»i.tnikiianro,iu^rkiu«u^^^  ^ain^)  (Pftus.)  recht  wohL 

Die  Dreifussbeine,  die  wie  di£ 
Schlangensilule  von  Erz  waren,  er- 


iJahrli. 


^)  Die  Kins^ifbrmen  d^a  P.  GdifAcben  KritwiufH  Hind  imtQrlich  iraux 
verfelilt;  er  hat  Fornien  der  JÄbrhunJerte  Ältweii  (reom<?tri«cben  Drei* 
fÜ88«t  von  Olympin  *  t    und   dieJiilbeti   daxii  noch  willkürlich  mit 

urieuUIiaien^ndijn    1  i»    mit   denen    «le    ni^nmlf    ^iiHnmmon    vw> 

Dmmcn,   vomii»cht     Wdi  mftn  dro  Ürdfüiw  r  wird  man 

lio  Form^  von  Va^etibildßni  der  Mi  den  etnriv  -         .lin  m  «nt. 

nebnten  haben.    Hier  komasen  tchoA  tf^hr  «dilanke  DreiBlo«  vor. 


Platäisches  Weihgeschenk, 


417 


wähnen  Herodot  und  Pausanias  als  unwesentlich  nicht.  Zwi- 
schen den  enggestellten  Dreifussbeinen  schauten  oben  unter- 
halb des  Kessels  die  drei  gewaltigen  Schlangenköpfe  heraus. 
Über  die  allgemeine  Anordnung  der  Schlangenhälse  und  -köpfe 
und  deren  Wendung  nach  aussen  kann  nach 
der  von  Mordtmann  publizierten  türkischen 
Miniatur  des  16.  Jahrhunderts  (beistehend 
nach  Dethier  und  Mordtmann,  Epigraphik 
von  Byzantion  und  Constantinopolis,  in  den 
Denkschriften  der  Wiener  Akademie  XIII, 
1864,  Taf.  I,  14c)  kein  Zweifel  sein.  Die 
Hälse  wurden  bekanntlich  erst  um  1700  ab- 
geschlagen. Die  Säule,  die  man  gewöhnlich 
als  Kern  der  drei  Schlangenleiber  rekonstru- 
iert, hat  sicher  nie  existiert;  es  müsste  auch 
an  dem  Erhaltenen  oben  die  Spur  sichtbar 
sein  und  sie  müsste  auf  jener  Miniatur  er- 
scheinen. Die  Idee,  den  aufgerichteten  Schlangenleib  als  Stütze 
zu  verwenden,  ist  eine  der  archaisch  griechischen  Tektonik  ge- 
läufige, wie  Reste  alter  Bronzegeräte  beweisen  (s.  meine  Nach- 
weise in  Olympia  Bd.  IV,  die  Bronzen  Nr.  906.  907 ;  Taf.  54). 


419 


Die  KorrespoiideDZ  zwischen  dem  Kronprinzen  Ludwig 
I        von  Bayern  nnd  dem  Galeriebeamten  G.  Dillia 

I  Beh 

I  försters 


Von  F.  T,  Iteber. 

(Mit  «iD€r  Tkfol) 

(Vorgelegt  in  der  historiaclieii  Klasse  am  4.  Juni  1904.) 


Bekanntlich  Imtte  Georg  v.  Dillis,  als  Sohn  des  Revier- 
försters Wolfgang  Dillis  zu  Giebing  bei  Wasserburg  1759  geb,, 
sich  frühzeitig  dor  Hofgtmst  zu  erfreuen,  indem  schon  Kur- 
fürst Maxiinüian  ITL  den  Knaben  in  München  erziehen  liesjs. 
Allein  nach  dem  Tode  des  Kurftlrsten  wnr  es  ihm  unmögh*ch 
geworden  seine  üniversitätsstudien  in  Ingolstadt  fortzusetzen. 
Zum  Priester  geweiht  suchte  er,  schon  früher  durch  den  Land- 
schafter Dorner  vorbereitet,  an  der  Akadenjie  der  Kilnste  sich 
■  weiter  auszubilden  und  begann  durch  Zeichenunterricht  sein 
Brot  zu  verdienen.    Durch  die  letztere  Tätigkeit,  wie  es  scheint, 

»kam  er  in  Beziehung  zu  dem  Grafen  Maximilian  v.  Preysing, 
dessen  Sohn  Karl  wie  den  Kanzler  von  Vacchiery  er  auf  einer 
Reise  in  die  Schweiz  und  in  die  Rheinlande  begleiten  durfte» 
Es  muss  1786  gewesen  sein»  denn  er  malte  damals  in  Strass- 
bürg  den  Zweibrücken-Birkenfeldschen  Erbprinzen  Ludwig  in 
erster   Begegnung    mit   seinem    nachmaligen    grossen    Gönner. 

(Dieser  gedenkt  noch  nach  38  Jahren  dieses  Vorgangs^  indem 
er  einen  an  Dillis  gerichteten  Brief  dd.  Brückenau,  29,  August 
1824  mit  den  Worten  beginnt:  , Meinen  Dank  für  die  treff- 
lichen Wönsche  eines  meiner  ältesten  Bekannten  und  des  ersten 
mich  abgebildet  habenden  Künstlers^  der  ich  erst  sechs  Wochen 
auf  dieser  Erde  war." 


420 


K  ü.  Beher 


Bald  naeli  seiner  Rückkehr  durch  Karl  Theodor  6a 
Inspektor  zu  München  1790,  wurde  er  später  (1799)  als  solcher 
dem  Galeriedirektor  Job,  Christian  v.  Mannlich  (geb.  1740  xu 
StrassburgX  welcher  als  Schützling  der  Zwei  brück  enschen  Pfak- 
grafenfamilie  mit  Maximilian  IV.  nach  München  gelangt  wiir, 
uiitorstellt.  Inzwischen  hatte  sich  aber  Dillis  durch  Studien 
in  den  Galerien  zu  Dresden,  Prag  und  Wien  in  seinem  Beruf 
gefestigt  und  namentlich  1794/5  als  Begleiter  des  Gilbert  EUioi, 
nachmaligen  Vizeköuiga  von  Korfu,  Italien  und  besonders  Rom 
gründlich  kennen  gelernt,  welcher  Heise  er  1805  einen  aber- 
maligen Besucli  Italiens  folgen  liess.  Diese  Beweglichkeit  ver- 
anlasste den  damals  zum  König  erhobenen  Maximilian  L,  den 
erfahrenen  Galerie -Inspektor  dem  Kronprinzen  Ludwig  zum 
Reisebegleiter  durch  die  Schweiz,  das  südliche  Frankreich  und 
Spanien  wie  nach  Paris  zu  bestimmen.  Der  Kronprinz  gedenkt 
auch  in  späteren  Briefen  in  dankbarer  Freude  dieser  Heise* 

Kein  Wunder,  dass  sich  dabei  Beziehungen  anknüpften, 
welche  Dillis  während  seines  ganzen  späteren  Lebens  zum  ver- 
trauten Ratgeber  des  Kronprinzen  und  Könige  Ludwig  in  allen 
Kunstangelegenheiten  machten. 

Da  aber  der  Kronprinz  bis  zu  seiner  1825  erfolgenden 
Thronbesteigung  selten  in  München  verweilte,  vollzog  sich  der 
Verkehr  grossen  teils  auf  brieflichem  Wege,  und  bei  der  Ängst- 
lichkeit des  Kronprinzen  vor  der  Öffentlichkeit  wie  vor  der  Kri- 
tik seines  königlichen  Vaters  nur  in  seltenen  AusnahmelüUen 
durch  die  Hand  eines  Sekretärs.  Es  liegen  (Bibliothek  der  A. 
Pinakothek)  212  eigenhändige  Briefe  vor,  abgesehen  von  unda- 
tierten und  uanumerierten  Z«ittüln,  Nicht  blos  mit  Ort  und  Zeit 
datiert,  sondern  mit  fortlaufenden  Numern  versehen,  sind  sie 
durchaus  aphoristisch  gehalten:  alle  Wünsche  und  Entschlics- 
sungen  sind  zieujiich  zusammenhanglos  aneinandergereiht  und 
auch  satzweise  numeriert,  wubei  der  Füi-st  verlangte,  dass  auch 
die  Autworten  ähnlich  behandelt  wurden.  Der  erbolti^  Rat 
furdv  in  der  Hegel  berÜekHichtigi,  wi«?  auch  die  Ent- 

ßhlicssimgen    keineswi*gj»   unreformiert   blieben.  jj-l   ist 

der  Kampf  zwischen   den  Wünschen   de«  Prinsim   und  aeijien 


Kronpring  Ludwig  von  Baifem  und  G,  Dillis.  421 

geringen  Mitteln.  Die  Finan^lragen  und  -anordonngen  Mlen 
ein  Dritteil  der  Briefe  utid  nicht  selten  fühlt  man  die  Qual 
des  Entschlusses,  auf  eine  Erw'erbung  aus  finanziellen  Gründen 
zu  verzichten  oder  peinlich  zu  markten.  Niemals  ist  von  Luxus 
oder  Liebhaberei  die  Rede,  es  handelt  sich  immer  um  höchste 
Ziele:  der  Prinz  will  das  Beste  erwerben^  Grosses  schaffen^  die 
in  München  zusammengeströmten  reichen  Schätze  namentlich 
im  Gebiete  der  Malerei  mehren  und  ergänzen. 

Merkwürdig  ist  auch  das  Zurücktreten  des  Persönlichen. 
Wir  erfahren  soviel  wie  nichts  von  den  grossen  Ereignissen 
und  Schicksalen  der  napoleonischen  Zeit  und  von  den  Ver- 
wicklungen, in  welche  Bayern  geraten  war,  nichU  von  Politik, 
nichts  von  Familienbegebnissen. 

I,  Walhalla. 

So  begreift  man  kaum»  dass  schon  der  erste  Brief  der 
Sammlung,  datiert  PuUusk  (dem  französischen  Hauptquartier), 
L  Mai  1807,  der  politischen  und  Kriegsereignisse»  die  des  Prin- 
zen patriotisches  Herz  schwer  betrüben  mussten,  nicht  gedenkt. 
Er  spricht  nur  zum  Maler:  „Die  Lage  von  Pultusk  ist  male- 
risch, sie  nmss  es  vorzüglich  sein  von  dem  linken,  dem  jen- 
seitigen Ufer  (der  Narew),  wo  die  Russen  stehen,  deren  ich 
täglich  mit  freiem  Auge  sehe."  Dann  spricht  er  eingehend 
von  Bestellung  bei  Thorwaldsen,  von  einer  Büste  der  Ang.  Kauf- 
mann, für  welche  Dillis  einen  deutschen  Künstler  ermitteln 
solle,  von  den  Büsten  Gessners  und  Pfeffels,  die  er  dem  Bild- 
hauer Christen  überwiesen,  vou  der  Büstf^  Schillers,  des  grossen 
Dichters  Freund  zu  übertragen,  dessen  Namen  er  sich  nicht 
augenblicklich  erinnert  (Dannecker),  der  lorbeerbekränzten  Büste 
des  Erzherzogs  Karl,  die  er  bei  Prof.  Zauner  um  250  Dukaten 
bestellte.  Weiterhin  ,wer  mir  die  Büsten  von  Uui.  v.  Habsburg, 
Maria  Theresia,  Haydn  und  Mozart  diese  4  würdig  skulpiren 
kann,  vors  erste  mir  ihre  Meinung,  denn  Zauner  wäre  mir 
dazu  zu  teuer.  Selbstverständlich  alles  in  gleichem  Maass  und 
in  Carrara-Marraon    Einheit  muss  werden/    Schliesslich  folgt 

1904,  SiUgBb,  d.  pbüOi.-phllol  o.  «L  bbL  KL  28 


422 


F.  V.  Ileher 


noch  Verfügung   über  einen  Raberschen  Kupfersticli   mit  deml 
Bildnis  des  Kronprinzen    und  der  Auftrag  „schreiben  sie  mir, 
was  es  neues  bei  uns  giebt  in  Produkten  als  in  Einrichtangen  1 
in    den    Fiichem    der    Kunst",     Es   beschäftigte    ihn    also    aufj 
russischem  Boden  im  Lager  und  in  den  Zeiten  tiefster  Erni<>d- 
rigung  Deutschlands  bereits  der  Gedanke  an  einen  RuhmefibAU 
verdienter  Deutscher*  j 

Im   zweiten  Brief,   Pultusk,  17.  Mai  1807   gedenkt  er  derm 
kriegerischen  Ereignisse  lediglich  auf  die  Anregung  des  DiUiü, 
dass    ein    flüclitiger  Entwurf  von    den   militärischen    Begeben* 
heiten  gemacht  werden  möge:    «der  14.  wo  den  glücklich  ab-  i 
gelaufenen  Übergang   auf  das  Hnko  Ufer  der  Narew    wir  be- 
werkstelligten  und   der  gestrige  Tag  wo  unser  der  Sieg  ward 
in  einem  Tretten,  gaben  Gelegenheit  dazu,  die  auch  nach  Ihrem  ^ 
Wunsch  benutzt  worden".    Des  Prinzen  Gedanken  lenken  «berl 
sofort  vom  Kriege  ab.    , Sagen  Sie  mir  lieber  Dillis  im  nächsten  1 
Brief,    w^as  aus  Salabert's  Gaiien   [zwischen  Galerie-   und  von  j 
der  Tannstrasse]  geworden?  Ich  vernahm,  m.  Vater  liiltte  ihn! 
gekauft.  Wohin  hat  man  die  Abbildung  der  Mühldorfer  Schlacht  | 
aus  dem  Herkulessaale  gethan?    Was  giebt  es  sonst  Neues  an 
Produkten    oder   Anordnungen    im    Kreise    der  Kunst?     SoIlt€t| 
Dr,  Gall  [der  bekannte  Phrenologe]  noch  in  MUnehen,   lassen 
sie  mir  wenn  möglieh  seine  Büste  in  eben  festgesetztem  For- 
mat aus  Gips  verfertigen   durch  Kirchnjnier  dem  ich  es  zahle.  { 
Leicht  kann  es  sein,  dass  in  der  Folge  in  Marmor  ich  sie  aus-l 
führen  lasse,  jeUt  aber  noch  nicht  *" 

In  einem  dritten  Brief  aus  Pultusk  vtmi  IL  Juni  IH07 
findet  sich  kein  Wort  mehr  von  den  kriegerischen  Verhalt- 1 
nissen.  Wieder  die  Bestellung  der  Pfeffelbüäte,  wot)ei  »(Christen  , 
gleich  sagen  soll,  was  er  verlangt,  und  gleich  zu  bilden  an- 
fangen. Nicht  die  Zeit  bestimme  ich  der  Eniligung,  lieber] 
dfrure  es  lange  und  werde  ein  Meisterwerk*  Ehe  ich  wegen] 
den  andern  4  Büsten  in  Wien  zu  machen  etwas  bestimme,  willJ 
ich  erst  den  Namen  etn-  -  »  ^^^  -  nd  doch  nicht  so  theure.n| 
Künstlers    wissen.*     Tli  er   für   eine  n»innliche 

Statue  (seiner  Wahl)  lUOO  scudi   bieten    unter   Besorgung  dtrj 


Kronprins  Ludwig  von  Bayern  und  G.  DüH$, 


423 


I 
I 


I 


BesteUung  durch  Bischof  Uae^Telin.  für  die  Büste  der  A.  Kauft- 
mann  wird  Eberhard  anzugehen  sein,  diejenige  Schillers  werde  bei 
Scheffauer  bestellt.  Der  Kupferstich  Raber's  mit  dum  Bild  des 
Kronprinzen  werde  aufgeschoben  bis  er  selbst  dazu  sitzen  kann, 
vorausgesetzt,  dass  Raber's  Geld  Verhältnisse  ihn  nicht  bewegen, 
den  Stich  gleich  zu  machen,  in  welchem  Fall  der  Prinz,  ,wenn 
Artaria  es  nicht  thut/  zahlen  wird.  „Der  Ausgaben  habe  ich 
viele.*  Dann  die  in  fast  allen  Briefen  sich  wiederholende  Wei- 
sung, über  die  Kunstaufträge  zu  schweigen:  , Weder  Sie,  lieber 
Dillis,  noch  der  Bischof  sollen  was  sagen  von  meinen  Bestel- 
lungen/ Gelegentlich  sind  sogar  einige  Worte  cbitfriert,  in 
grösserem  Umfang  jedoch  nur  in  einem  Briefe  dd.  München, 
4.  Oktober  1808  nach  Rom, 

Dasselbe  Schweigen  über  kriegerische,  politische  und  pei-sön* 
liehe  Verhältnisse  im  vierten  Briefe  (aus  Kolaki,  27.  Juni  1807). 
«Ich  bin  beinahe  gewiss  dass  der  König  Salabert^s  Garten  be- 
hält» dieses  genüget  mir  obgleich  für  jetzt  noch  an  keine  Ver- 
grösserung  der  Galerif  wohl  zu  denken  ist,  aber  befindet  man 
sich  nur  in  des  Lokales  Besitz,  das  andere  kann  geschehen 
dann  wann  der  König  will.  Sollten  in  München  oder  im  Lande 
besonders  schöne  Werke  der  Kunst  sein  oder  kostbare  der  Sel- 
tenheit wegen  und  der  König  kauft  sie  nicht,  so  trage  ich 
Ihnen  auf  sie  gleich  für  mich  zu  kaufen,  wenn  die  Summe  nicht 
hoch,  im  entgegengesetzten  Falle  mir  mit  dem  ersten  meiner 
Kuriere  Nachricht  davon  zu  geben.  .  ,  .  Können  Sie  nicht 
erfahren ,  wo  unsere  Kame<:>saromlung  bewahrt  wird,  vielleicht 
durch  Bisch.  Ilaeffelin  .  ,  , 

PS,  Was  macht  «lie  Akademie  der  Künste,  hat  sie  das 
Tageslicht  erblickt,  oder  nur  eine  fausse  couche?  SoUte  die 
Zeit  der  Schwangerschaft  schon  verflossen  sein,  bin  ich  be- 
sorgt, dass  sich  das  liebe  Kind  nicht  gar  versteinert.* 

„Mein  erster  Ausgang^,  schreibt  der  Prinz  am  1.  August 
1807  aus  dem  französischen  Hauptquartier  in  Berlin,  ,war  wie 
Sie  vermuthen  werden,  lieber  Dillis,  zu  Schadow,  wo  ich  die 
Büsten  Friedrich  II  und  Wieland^s  schon  vollendet,  zwei  an- 
dere angefangen  fand.    Die  Höhe  griechischer  Kunst  erreichea 

ad* 


424 


P,  V.  Beber 


sie   nicht,    sind    aber  schone  Werke,   sie  gewähren,  Friedr 
vorzüglich^  einen  herrlichen  Anblick.*    Es  folgen  dann  weitere 
Büsten  bestelluDgen. 

Zwei  Tage  später  berichtigt  der  Prinz  die  Bestellung  bei 
Scheffauer,  da  Dannecker,  „des  Dichters  Freund*,  die  Schill« 
büste   machen  solle.     ^Aueh  wenn  Schefiauer  sie  gcbon  an« 
fangen  hätte,   wäre  es  mir  sehr  lieb,   wenn  er  statt  deren 
von  Rudolph  v.  Habsburg  machte  .  .  .  Ihr  nächstem  Schreiben 
nach  Dresden  poste  restante.     Ich  lebe  in  der  Kunst,  vereinigt  M 
niit  schöner  Natur,  gei.streicher  Literatur,  ist  das  schönste  auf" 
Erden/ 

Am  IL  August  1807  aus  Berlin  folgt  auch  ein  Widerruf  j 
wegen    der    A,  Kauflfmann-Büst^.     Eberhard    solle    ^wcnn    die  | 
Sache  nicht  schon  bekannt  geworden  ist  und  namentlich   wennj 
die  Künstlerin  noch  nichts  v.  d.  Vorhaben  weiss,   statt  die 
Büste  jene  Winkehnann's  machen*. 

Man  würde  diesen  Anteil  für  relativ  Untergeordnetes  wie 
Knnstangelegenbeiten  in  der  damaligen  Lage  des  Kronprinzen 
nicht  begreifen,  wenn  man  nicht  wüsste,  dass  des  Kronprinzen 
und  nachmaligen  Königs  Kunstliebe  eine  geradezu  leidenschaft- 
liche war.  Denn  wenn  man  sich  bei  der  Lektüre  der  vier 
Briefe  Tor  Augen  hält,  wie  widerwillig  der  Kronprinz  sich 
dem  Befehl  seines  Vaters  fügte,  das  bayerische  Kontingent  im 
Dienste  Frankreichs  gegen  Preussen-Russland  zu  führen,  und 
wie  todesmutig  er  sich  wiederholt  in  den  Gefechten  aussetzte, 
80  dass  der  Marschall  Massena  den  General  Wrede  sogar  mah- 
nen musste,  für  das  Leben  des  Prinzen  mr^glichst  Sorgt?  zu 
tragen,  bann  man  nur  staunen,  wie  er  Spannkraft  genug  hatte, 
seinen  in  den  Tagen  der  französischen  Besetzung  der  Haupt- 
stadt Preussens  gefassten  Beschluss»  dem  deutschen  Vaterlande 
eine  Ruhmeshalle  zu  errichten,  im  Stillen  durch  die  Büsten- 
besorgung  ins  Werk  zu  setzen. 

Die  ersten  sieben  Briefe  bezieben  sich  demnach  fast  aus- 
schliesslich auf  die  Bestellung  vnn  Bunten  berühmter  T^  '  ^►r, 
ohne  dass  ein  bestimmter  Zweck   irgendwo  in  der  i  ,ii- 

denz  ausgesprochen   worden   wäre.     Doch  erscheint  ea  bei  der 


Kronprinz  Ludwig  von  Bauern  und  G.  Dülis, 


425 


steten  Betonung  der  Mass-  und  Materialeinheitlichkeit  der 
Büsten  unzweifelhaft,  dass  der  21jührige  Kronprinz  schon  1807 
einen  fertigen  Gedanken  in  der  Hichtung  mit  sich  herumtrug, 
eine  grosse  Zahi  von  Büsten  berühmter  Deutscher  in  einer 
deutschen  Ruhmeshalle  zu  vereinigen.  Es  wird  bereits,  abge- 
sehen von  Bestellungen,  die  vielleicht  schon  vor  1807  gemacht,  in 
zwei  Jahren  eine  ganze  Anzahl  Büsten  in  Auftrag  gegeben,  so 
bei  Jos.  Christen  [geb.  1769  zu  Buochs  (Schweiz)»  t  1834  in 
Basel]  Pfeffel  und  Pestalozzi,  bei  Joh.  H.  Dannecker  [geb.  1758 
in  Waidenbach  bei  Stuttgart,  f  1841  in  Stuttgart]  Schiller, 
bei  Franz  Zauner  [geb.  1746  zu  Kauns  (Tirol),  f  1822  in  Wien] 
Erzherzog  Carl,  bei  Jos.  Kirchmair  [geb.  1773  zu  Rockersing 
(Niederbayern),  f  1845  in  München]  der  Phrenologe  Gall,  bei 
Konr.  Eberhard  in  Rom  [geb.  1768  in  Hindelang,  f  1^^^^  in 
München]  erst  Ang.  Kaufmann,  dann  in  Berichtigung  Winckel- 
mann,  bei  Gottfried  Schadow  [geb.  1764,  f  1850  in  Berlin] 
Friedrich  II.  und  Wieland,  bei  Phil.  Jak.  Scheffauer  [geb.  1756, 
t  1808  in  Stuttgart]  Keppler  und  Itudolph  v.  Habsburg,  bei 
Christ.  Friedr.  Tieck  [geb.  1776,  f  1851  in  Berlin]  Gothe,  bei 
J.  M.  Fischer  [geb.  1740  zu  Bebele  (Algäu),  f  1820  in  Wien] 
Mozart^  bei  Landolin  Ohmacht  [geb.  1760  in  Dunningen  bei 
Rottweil  ^  f  1834  in  Strassburg]  der  Marechal  de  Saxe,  bei 
Rabatz  (verschollen)  in  Wien  Haydn  und  Friedrich  d.  Gr.  Nach 
1809  tritt  dann  eine  Stockung  ein,  da  sich  der  Kronprinz  un- 
sicher fühlt  wegen  anderer  tüchtiger  Kräfte,  bei  denen  nur 
feststeht,  lediglich  deutsche  Künstler  zu  beauftragen  (1.  Mai 
1807).  Noch  ist  die  Frage  über  die  Lokalität  einer  deutschen 
Huhnie^halle  ganz  unklar.  Vorläufig  sucht  der  Prinz  nach 
architektonischen  Eindrücken  und  nach  einer  hervorragenden 
Kraft.  Dillis  wird  beauftragt,  Notizen  im  vatikanischen  Mu- 
seum zu  sammeln»  er  selbst  hat  Weinbrenners  Werke  in  Karls- 
ruhe prüfend  besichtigt,  schreibt  aber  darüber  aus  Baden,  12.  Juli 
1810.  Jn  Carlsruhe  und  hier  sah  ich  öffentliche  wie  private  Ge- 
llide von  Weinbrenner,  z.  Th.  wenn  auch  Grösse  in  ihnen 
Kleinliclies  ist  beigefügt  was  sich  nicht  gehurt  dazu,  das 
Ganze  liissrt  unbefriedigt.    Manches  hillig  gebaut,  wie  fUr  dieses 


i2(\ 


F,  V,  Reher 


gilt  das  ürtheil  für  das  viele  was  noch  zu  werden  a 
den  gesehenen  Planen,  Wie  andei-s  unser  Fischer!  i 
es  dem  Könige,  der  auch  mit  mir  übereinsttnimt."* 

Karl  V.  Fischer,  K-  Baurat  und  Professar  der  Architektur  1 
an  der  Akademie  der  Künste,  geb.  zu  Munnheinj  1782,   f  ztt 
München  1820,  hatte  bis  1806  unter  lier  Ägide  seii        ^rrin-l 
heimer  Lehrers  M.  v.  Verschaifelt,  welcher  vom  kui;  hen 

Hofdienst  in  Esterhazysche  Dienste  getreten  war,  zu  Wien  ge-j 
wirkt  und   hatte  schon  dort   an  einem  Entwurf  für  das  M un- 
ebener Hottheater  gearbeitet,  dessen  Neubau  bereite  unter  Karl 
Theodor  durch  Verschaffelt  geplant  worden  war.    Fischer,  der  I 
sieb  zunächst  durch  das  kleine  Palais  Salaberts,  des  bajerischtn 
Minister- Abbes   (jetzt   die  österr.-ung.  GesanilUchaft   am  engl 
Garten),   einen  Namen  gemacht,    hatte  am  Karolinenplat/,  und 
Umgebung  mehrere  herrschaftUche  Häuser   gebaut,    worunter  | 
das  Kronprinzenpalais»  jetzt  Törring- Palais  am  Karolinenplatr, 
und  schuf  schliesslich  das  noch  bestehende  hiesige  Hoftheater, 
welches    1818   eröffnet   auch   nach  dem  Brand  1823   seine  ur- 
sprüngliche   Gestalt    belialten    hatte.      Fischer    waren    jedoch 
schwere  Kämpfe  niclit  erspart  geblieben,  in  die  wir  z.T.  durch 
die  vorliegende  Korrespondenz  Einsicht  gewinnen. 

In  einer   Nachschrift  des   Briefes   dd.   Innsbrnek,   1.  No-] 
vember  1810  stellt  der  Kronprinz  die  Frage:   »Hat  Qua 
[Cav.    Giac.   Quarenghi,   geb.   1744    in   Bergamo,    f   1817   dil 
Kaiser!.  Staatsrat  in   St  Petersburg]   Zeichnung  zum  Theater 
sch(m  entworien?* 

Und  in  einem  Schreiben  vom  26,  November  1810  frigij 
der  Prinz:  „Hat  Klumb  als  Mibtärbaumeister  dessen  gantos] 
Bauwesen  Plan-Bntwerfung  und  Anii^icht  der  Ausführung  unter  | 
sich?  Sahen  Sie  schon  seine  Arbeiten?  Wen  halten  Sie  vor«  | 
»Oglicher  Fischer  oder  ihn?  Wie  sind  Hie  zusammen?  Werl 
brachte  Klumb  in  Dienst?*  warauf  sich  LHIlis  den  zurückge- 
haltenen Ärger  gründlich  von  der  Seele  rodet;  «Elumb^  wel-j 
eher  in  iU\m  eben  keir       '  '  ^       ^*  '  ^    Hn   nnd   sich   ml 

8t  Vaterlande  keim»i  gud  konnte,  snchU« 

hier  bei  Gärtner  Zutritt  und  T^riinbt«  aich  in  die  Tochter  im* 


Kronprinz  Ludwig  mn  Bayern  und  G.  DÜlis, 


427 


selben,  Gärtner  [Joh,  A*  Gärtner^  geb.  1743  zu  Dresden»  täti^ 
in  Polen,  Paris,  Koblenz  und  Würzburg,  1804  Hofbau  Intendant 
in  München,  Vater  des  unter  König  Ludwig  tätigen  Architekten 
Friedr.  v.  Gärtner,  f  1826]  hat  bei  Triva,  Kraus  und  Langlois 
das  Gesuch  seines  künftigen  Schwiegersohnes  unterstützt  und 
Klunib  erreichte  seinen  Zweck.  Der  Architekt  Morell  erklärte 
schon  in  Koni,  weil  in  Bayern  soviel  Ausländer  angestellt  wer- 
den, werde  ich  auch  dort  meine  Anstellung  suchen  und  auch 
er  erreichte  schon  vor  2  Jahren  durch  Gärtner  seinen  Zweck, 
dem  nur  daran  gelegen  ist,  seine  Partei  gegen  Fischer  stärker 
zu  machen.  Dabei  ist  dann  kein  anderer  Plan,  als  dass  kein 
anderer  ehrlicher  Bayer  mehr  aufkommen  kann.  Diese  An* 
Stellung  hat  hier  grosse  Sensation  gemacht:  es  wird  in  den 
Kunstsacheu  wie  in  den  wissenschaftlichen  gehen.  Die  Aus- 
länder erhalten  die  besten  Stellen,  vor  denen  sich  der  Inländer, 
obgleich  mit  mehr  Kenntnissen,  beugen  niuss:  sie  machen  sich 
noch  obendrein  lustig  Über  uns,  entwerfen  ungeheure  Pläne 
die  nicht  auszufühi^en  und  schimpfen  dann  auf  unser  Vater- 
land —  so  hat  Morell  einen  Plan  zu  einem  Scbrannengebäude 
vor  dem  Karlsthor  entworfen  und  dazu  die  Rotonda  von  Rom 
zum  Modell  genommen^  aber  mit  einem  hölzernen  Dach  —  hat 
man  je  etwas  alberneres  gesehen?  Klumb  weiss  aber  noch 
nicht  seinen  Wirkungskreis,  der  Referendar  Langlois  wird  erst 
seine  Instruktion  entwerfen/ 

Darauf  der  Kronprinz  Innsbruck,  IL  Dezember  18 10:  «Das 
ist  wirkhch  auffallend  einen  Architekten,  dessen  Fähigkeit  nicht 
bekannt,  anzustellen,  ohne  nur  von  der  Akademie  der  Künste 
ihn  prüfen  zu  lassen,  die  in  der  selben  Stadt,  und  sie  gar 
nicht  um  ihre  Meinung  zu  fragen.  Als  Stiefkind  wird  bei 
uns  die  Kunst  behandelt,  eine  Luxussache;  ich  höre  sie  die 
gehaltlosen  Reden,  was  braucht  man  Künstler  zu  sein  fiir  das 
Militär,  das  Landbauwesen?  als  wenn  Kuunt  nicht  in  Allem 
sein  sollte,  so  lange  dies  nicht  ist,  sind  wir  immer  z,  Th.  noch 
Barbaren.  Lassen  Sie  Sich  doch  von  Klumb  Pläne  weisen. 
Sehen  Sie  nach  bei  dem  Portugiesen  d'Herigoyen,  durch  Regens- 
burg auch  in  unseren  Diensten,  wie  ich  glaube,* 


428 


F.  i\  Beber 


Gleichzeitig  erscbeinfc  in  der  Korrespondenz  zum  erstenmal 
der  Name  ^Walhulla*  (Brief  des  Kronprinzen  vom  K  Dezeinb^  i 
1810).  In  der  ersten  Hälfte  des  folgenden  Jahres  muas  dmnii 
Fischer  den  Auftrag  eines  Planentwurfs  erhalten  haben,  denn 
der  Kronprinz  schreibt  aus  Salzburg,  19.  August  1821:  «An 
Architekten  v.  Fischer  meinen  Auftrag,  ich  wünschte  sehr, 
dass  der  Plan  für  Walhalla  vor  Neujahr  beendigt  sei.  Wenn 
das  Parthenon  die  vortrefflichsten  Säulen  dorischer  Ordnung 
enthalt,  sollen  an  Höhe  und  DurchmeHser,  welche  an  WalbulU 
kommen,  diesen  gleich  sein.  Wenn  vereinbar  mit  der  Kunst 
Kaum  auf  dem  Fronton  haben  für  ein  grosses  Bassorilievo  und 
anderen  für  die  Aufschrift;  wird  doch  schwerlich  tunlteh  sein; 
In  der  Alternative  will  ich  die  Aufschrift  einzig  und  allein  den 
Namen  W^alhalla,  oben  über  der  Pforte  in  das  Innere  gleich- 
falls Raum  für  eine  Aufschrift  aus  wenigen  Worten  bestehend. 
Das  vergesse  v,  Fischer  nicht,  dass  hundert  Gestelle  fiir  BUsten 
zu  ordnen,  die  Namen  jener,  von  welchen  keine  Büsti*n  be- 
stehen (und  deren  sind  nicht  wenige)  an  die  Decke  aus  £nc 
von  gleichen  Kränzen  umgeben  zu  kommen  haben.  Dieser 
Vorschlag  rühret  von  Fischer,  wüsste  er  aber  einen  besseivii 
noch,  wende  er  ihn  im  Plane  an." 

Die  Baufrage  ruht  wenigstens  in  der  Korrespondenz  drei 
Jahre.  Etwas  rätselhaft  ist  eine  Briefstelle  dd.  Wien,  9.  No- 
vember 1814:  , Schreiben  Sie  Metzgern  [dem  in  Florenz  wohn- 
haften und  für  die  Gemaldeaukäufe  des  Fürsten  vielfach  be- 
schäftigten Kupferstecher],  dass  ich  wünsche,  die  vorzttglich* 
sten  Architekten  möchten  sich  mit  den  drei  Preisaufgaben  be- 
schäftigen, und  sollten  auch  die  Pläne  für  das  zweite  mid 
dritte  Gebäude  der  Aufgabe  gleich  nicht  gemäss  ausfallen  (widi 
jedoch  mir  nicht  so  lieb)^  werden  aie  dennoch  wenn  nur  jene 
stark  entsprechend,  angenommen  zum  Concurs,  der  Entschei- 
dungstag ist  um  Va^Tahr  hinausverlegt,  folglich  am  L  Juli  1815.* 
Der  Sinn  der  Stelle  ist  übrig^nB  belanglos,  denn  der  Kron- 
jirinz  hatte  schon  1813  den  ausser  Diinist  gesetzten  Hofbau- 
riirektor  von  Kassel,  L,  v.  K lenze,  in  München  kennen  gelernt, 
1815  in  Paris  an  sich  gezogen,  wie  auch  bewirkt,  da«s  Künig 


Jbm§fin£  lAidwig  ison  Bauern  und  G,  Dülis.  429 

Maximilian  L  ihm  die  HofbauinteDdantenstelle  in  M uneben 
verlieh.  Zwar  frligt  der  Kronprinz  dd*  Wien,  18.  Januar  1815 
bei  Dillis  an:  , Wären  Sie  der  Meinung  für  Walhallas  und  des 
Antikengebiiudes  Fussbodeu  Mosaik  verfertigen  zu  lassen  oder 
für  welches  oder  flir  gar  keines?  Glaube  für  Walhalla,  das 
aber  ist  dabei  zu  beherzigen,  der  Teutschen  Ausgezeichneter 
Brustbilder  und  die  Namen  derer  von  welchen  es  keine  zu  ver- 
fertigen giebt^  sind  die  Hauptsachen,  alles  muss  yeruiieden 
werden,  was  die  Aufiuerksanikeit  abzöge."  Darauf  Dillis  aus- 
weichend: Wenn  hei  Walhalla  Bildhauer  und  Architekt  nicht 
im  Einklang  stehen,  wird  die  Wirkung  nicht  erreicht.  In 
Walhallas  Aufgabe  finden  die  grössten  Architekten  in  der  Ver- 
einigung des  Stils  und  der  zweckmässigen  Aufstellung  und  Be- 
leuchtung die  grösste  Schwierigkeit  —  und  viele  sind  schon 
zurückgetreten. 

Da  Fischer  1820  in  seinem  38.  Jahre  starb,  wird  sich 
wohl  auch  die  Stelle  eines  Briefes  des  Kronprinzen  dJ.  WUrz- 
burg,  16.  Juni  1820  schon  auf  Klenzes  Werk  beziehen,  zu 
welchem  freilich  erst  am  18-  Oktober  1830  der  Grundstein  ge- 
legt werden  sollte.  Der  Kronprinz  erholt  bei  Dillis  ein  Gut- 
achten über  den  Plan  und  sagt;  „Bin  begierig  auf  Ihre  Be- 
merkungen über  die  Pläne,  begierig  auch  auf  die  welche  Ringseis 
was  Cornelius  Walhalla  betreuend  schreiben  wird/ 

Darauf  erwidert  Dillis  am  28.  Juni  1820:  »Den  Plan  über 
Walhalla  neuesten  Entwurfes  habe  ich  eingehend  gesehen  und 
habe  mich  tiberzeugt,  dass  vorzugsweise  die  Pantheonsform 
[im  erhaltenen  Konzept  verschrieben  für  Parthenonsfurm?]  mit 
dem  oben  einfallenden  Licht  zu  wählen  und  die  allerzweck- 
mänagste  von  ausnehmender  Wirkung  im  Innern  und  durch 
den  umgebenden  griechisch  dorischen  Säulengang  von  aussen. 
Bei  der  erhöhten  Stufenreihe  eintretend,  wie  herrlich!  Ein 
Gebäude  muss  sich  vom  Boden  erheben,  dass  man  nicht  nöthig 
hat,  das  Terrain  abzugraben  [vielleicht  ein  Tadel  der  Glypto- 
thek], Für  die  Aufstellung  der  Büsten  dUrfte  wohl  noch  der 
plastische  Künstler  zu  Kat  gezogen  werden  —  ich  weiss  nicht, 
ob  die  der  dritten  [Reihe]  angezeigten  Büsten  zu  2  und  2  nicht 


430 


F.  r.  JMer 


am  s&eiBtreut  leicht  Tapfen  geWo,  tiod  ob  nicht  eine  zweifii' 
Reihe    der   BQst^^n    nuf  einer   leb^indigiäii   Harmorwiind    eail 
gr5ssem  Eindruck  gewähren  würde.    Mein  Aug«  ist  fär 
Linien  und  es  scheint  etwfts  gebrSckelt«  wenn  man  nc»ch  2  Ba- 
sten   Qber  der  2.  ßeihe   so   in  entfernten  Distanzen  erblickt.* 

Mit  dem  Bau  der  Walhalla  hatte  es  übrigens  keine  Eile, 
da  derselbe  dem  Kronprinzen  doch  neben  der  Oljfttothek  qd- 
erschwinglich  sein,  namentlich  aber,  da  die  Beschaffung  der 
Büsten  noch  riele  Zeit  erfordern  mttsste.  Vergingen  doch  Jaihre 
mit  den  Recherchen  nach  authentischen  Bildnissen  der  be- 
rühmten Deutschen  Tor  dem  15»  Jahrhundert«  deren  Erfolg- 
losigkeit heutzutage  Jedermann  begreift.  Die  Briefe  sind  durch 
einige  Jahrzehnte  hindurch  reich  an  Fragen  nach  di»  -  *?  h- 
tung,  die  nicht  blos  bei  dem  damaligen  Stand  der  D-  r- 

künde  unerledigt  bleiben  mussten,  sondern  auch  heutentage  bei 
fast  allen  berühmten  PersunliehkHten  der  Zeit  vor  dem  !•>.  Jahr- 
hundert nicht  beantwortbar  wären.  EheuHOwenig  konnte  na- 
türlich Dillis  Aufschlüss  geben  über  Geburts-  und  Sterliedaten 
eines  ülphilas,  Marbod,  Äthaulf,  Hermanrich,  des  Ostgothen 
wie  des  Westgothen  Tbeoderich,  eines  Alarich,  Genserich  und 
Clilodwich,  riach  welchen  der  Prinz  in  einem  Schrpfben  tom 
4.  Mai  1804  gefragt. 

Trotz  dieser  Schwierigkeiten  und  anderweibger  In;  h- 

nahme  der  Mittel  des  Kronprinzen  besonders  in  Antik  ...„,:  u 
und  Erwerbungen  von  iTemälden  alter  wie  neuer  Meister  setzen 
lieh  die  Bestellungen  bezw.  Abliefenmgen  von  Büsten  berühmt.er 
)eutscher  fort  So  ergehen  in  erster  Reihe  an  Rauch  die  Be- 
stellungen auf  Büsten  des  Grossen  Kurfürsten  und  der  Kaiserin 
Katharina  IT.  von  Russland.  des  Hans  Sachs  (vollendet  1812), 
der  Büsten  von  van  Dyck  und  Snjders  und  auffallendere »ise 
des  L/indscliaft^rs  Beieh,  des  GeneraU  Gnei^^enau  und  doa  Ad- 
mirals  Tromp,  BlücherE^  Jan  van  Bycks  und  SchamhorsU,  un- 
gefähr in  der  Zeitfolge  der  Aufträge  hier  wie  bei  den  fniginden 
gereiht.  Dann  nn  Tieck  Btlstena-'*  -  -  für  Kaiser  Fri«^drich  L 
und  IL,  Bernhard  v.  Werumr,  W  u,  Lessing  und  Niko- 

laus von  der  Fltle^  Horit^  t«  Sachi^en  <^Mar^chaI  de  Saxe)  und 


Kronprinz  Ludwig  von  Bauern  und  G.  DülU,  4al 

Kaiser  Heinrich  ^\^,  Ernst  den  Frommen  v.  G<»tha,  Willielm  v. 
Oranien,  Hugo  Grotius,  Landgräftn  Amalie  von  Hessen,  Wür- 
ger, öeschiclitsschreiber  Tschudi,  Graf  L.  F.  Stolberg,  J,  P, 
Hichter,  Voss  nnd  Rudolph  v.  Habsburg.  G.  Schadow  lieferte 
noch  Heinrich  den  Löwen,  Rud.  Schadow  Händel,  Kirch- 
mai er  U,  T.  Hütten  und  Markgraf  Ludwig  von  Baden  Ftdd- 
marschall,  Ohm  acht  den  Erwin  v.  Steinbach,  Weisser  in 
Gotha  die  Büste  Cranachs,  Eberhard  Mich.  Wolgemufc  und 
Herzog  Karl  V,  von  Lothringen.  Bei  Dnnnecker  wurde  die 
Büste  Schillers  bestellt,  bei  Christen  U,  v.  Haüwyl,  der  bestellte 
Pfeife!  aber  nicht  angenommen,  weil  er  in  Schweizer-  statt  in 
Carrara-Marmor  ansgeftjhrt,  bei  Haller  Wilhelm  HL  von  Eng- 
land und  Fürst  Wrede  und  eventuell  Pfarrer  Schmidt  v*  Mies- 
bacbf  wenn  er  sich  als  der  wirkliche  Entdecker  der  Litho- 
graphie erwies,  wie  Theophrastus  Paracelsus,  bei  Wagner  in 
Stuttgart  Graf  Eberhard  im  Barte,  bei  Losch  in  Baden  J,  A,  Koch, 
bei  Wich  man  [Ludwig  oder  Kar!  ?]  Th.  Kömer.  Die  Liste 
der  vor  des  Kronprinzen  Thronbesteigung  (1825)  bestellten  und 
ausgeführten  Wal  hall  ab  unten  kann  jedoch  nicht  als  vollständig 
erachtet  werden,  weil  manche  Bestellungen  vom  Prinzen  direkt 
gemacht  oder  mit  Dillis  mündb'ch  vereinbart  wurden.  Einige 
Bestellungen  verschlugen  sich  bei  der  UnausfÜhrbarkeit  ent- 
sprechende Vorlagen  zu  gewinnen ,  namentlich  wenn  in  Er- 
nianglung  von  Gräberbildnissen  zu  Siegeln  gegrififen  werden 
musste. 

n.  Glyptothek. 

Nicht  minder  als  die  Sammlung  von  Büsten  berühmter 
Deutscher  beschäftigte  den  Prinzen  die  Erwerbung  antiker 
Skulpturen,  seitdem  er  1804,  mithin  noch  vor  seiner  näheren 
Bekanntschaft  mit  Dillis  seine  erste  Reise  nach  Italien  unter- 
nommen. Seit  Dillis  Ratgeber  geworden,  fragt  ihn  der  Prinz 
im  Frühling  1808  um  die  Antikensammlungen  ürimaTii  und 
Rondanini,  auch  um  »ein  Urteil  über  bereits  gekaufte  Werke 
(Zeno,  die  sog.  Muse,  das  Relief  mit  dem  Priapusopfer  und 
anderes).     ^Die  einzige  Gelegenheit  klassische  Hauptwerke  zu 


432 


F.  V.  Beber 


kaufen,  ist  im  Falazzo  Braschi*"  schreibt  Dillis  aus  Rom,  und 
empfiehlt  den  kolossalen  ^Antiiious  Bacchus,  Draperie  ebemaLn 
in  Bronze*  den  „kleinen  Bacchus  erst  zusammenzufügen*  den 
,,Cincinatus  [Hermes]  schöner  als  der  Pariser*  den  Indischen  Bao 
chus,  die  *  Venus»  Oberleib  Ton  der  besten  Zeit".  Bezüglich  der 
Sammlung  Rc^ndaninis,  Über  welche  der  Prinz,  nachdem  er  deren 
Preise  erfahren,  am  21.  September  1808  Dilüs^  Gutachten  er- 
holt, scheint  er  die  Preise  zu  hoch  zu  finden:  »Medusenhaupt 
650  scudi,  Basrelief  der  Masken  40O,  Basrelief  der  Bacchanten 
460,  Basrelief  der  Thiere  400,  Kopf  des  Marius  und  BrutuK 
460,  Corbolon  200  scudi,  summa  2570*,  wenigstens  fägt  er  an: 
„Da  sie,  wenn  ich  will,  mir  nicht  entgehen  können,  kaufeich 
sie  noch  nicht/ 

Die  fünf  Braschischen  Statuen  aber  hat  der  Kronpriui 
nach  eingehenden  Erkundigungen  über  deren  Wert  im  einzel- 
nen (20.  und  29,  September  1809  und  13.  November  1810)  dem 
König  zum  Ankauf  empfohlen,  der  König  ist  dazu  entschlosbea, 
»Canova  rouss  aber  ein  Zeugnis  über  ihre  Würdigkeit  ausstellen*. 

Damals  beginnt  die  Erwerbungsangelegenheit  des  Barbe- 
riuischen  Fauns  mit  der  Anfrage  des  Kronprinzen  dd.  Inns- 
bruck, 27.  Dezember  1810  in  Fluss  zu  kommen:  „Soll  Barbe- 
rini's  Faun  12000  Scudi  wert  sein  oder  kosten?  Sehen  Sie  doch 
In  einem  Ujrer  Briefe  von  Wagner  nach,  ich  glaube  dieses 
Sommers,  wo  er  schreibt  für  wie  viel  der  vorläufige  (nun  nicht 
mehr  bestehende)  Vertrag  mit  Lucian  Bonaparte  war  wegen 
ihm  mit  Pacetti,* 

Ein  weiteres  Werk  ersten  Ranges  wird  damals  feil,  der 
Diskobol  Lancelotti.  Am  30.  April  1811  fragt  der  Kronprinz: 
9  Kennen  Sie  den  Diakobol  bei  Massimi,  erkennen  selben  für 
ausgezeichneter  Schönheit?  ganz  erhalten  antik?  zusammen- 
gesetzt?* Zunächst  erwidert  Dillis,  dass  er  den  Diskobol  nicht 
kenne.  Aber  am  22.  August  1812  schreibt  Dillb  aus  Kom: 
„Der  Diskobol  ist  eine  Statue  von  erster  Klasse  und  ganz  ausser* 
ordentlich  schön  —  in  der  Vigna  Colorobara  vor  15  Jahnen  gi»- 
funden  —  mir  .scheint  der  rechte  Fuss  restauriert  zu  aeiu,  g^ 
wi^s  ist  es  die  rechte  Hund  an  den  Fingern,     Leib  und  Kopf 


Kronprinz  lAidwi§  fKm  Bauern  und  G>  DUUh. 


433 


sind  von  ausserordentlicher  Schönheit.  —  Von  3000  Zechinen 
=  7000  Hcudi  kommt  der  Besitzer  nicht  herab,  was  uns  ein 
übertriebener  Preis  scheint.  Man  muss  also  noch  einige  Zeit 
zusehen  bis  der  Besitzer  etwas  von  jenen  hartnackigen  For- 
derungen zurückkommt  —  aber  es  bleibt  immer  die  erste 
Statue  unter  den  jetzt  verkäuflichen  und  hat  mich  ganz  hin- 
gerissen.* 

Wenn  dem  so  war,  warum  fand  Dillis  den  Preis  zu  hoch? 
Es  scheint  nicht  blos  nach  eigener  Schätzung.  Denn  nachdem 
der  Kronprinz  am  2.  September  1812  abermals  der  Sache  mit 
den  lakonischen  Worten  „Massimi  will  Diskobol  verkauften" 
gedenkt,  erwidert  Dillis:  , Diskobol  Massimi  wird  zwar  verkauft, 
aber  nur  für  7000  Scudi.  Nach  Rauchs  und  aller  Sachverstän- 
digen (M.  Wagner?)  Meinung  ist  dei^selbe  aber  nur  3500  Sc. 
wert/  Der  Kauf  unterblieb,  eine  der  unglücklichsten  Ent- 
schliessungen  des  Kronprinzen,  der  auch  nicht  in  der  Lage 
gewesen  zu  sein  scheint^  seinen  königlichen  Vater  in  der  Weise 
zu  engagieren  wie  bei  der  Sammlung  Braschi. 

Die  Mittel  des  Kronprinzen  waren  damals  durch  andere 
umfängliche  Gelegenheiten  in  Anspruch  genommen*  Die  Samm- 
lung Bevilacqua  in  Verona  lockte  z.  T.  durch  die  Stückzahl, 
eine  Auswahl  von  28  Skulpturen.  Der  Prinz  schrieb  darüber 
dd,  Innsbruck,  4,  Oktober  1811 »  nachdem  General  Pompei  als 
nicht  genug  Kenner  einen  kompetenten  Beurteiler  gewünscht: 
„Auf  Dillis  sopra  il  Giorgio  Bavarese  fiel  augenblicklich  meine 
Wahl,  dass  der  mir  schon  wichtige  Dienste  geleistet  diesen 
leiste  mein  sehr  angelegentlicher  Wunsch  ist;  demnach  viel  mir 
darauf  ankommend,  dass  wenige  Tage  nach  meiner  Ankunft 
zu  München  Ihre  Abreise  nach  Verona  erfolge,  sehr  wünschte 
ich,  dass  vor  ersterer  Sie  Ihre  Erlaubnis  und  Pässe  erhalten, 
auf  dass  nicht  bekannt  werde,  dass  ich  der  Beweggrund  bin; 
und  zu  des  Geschäftes  [Angabe]  müssen  Sie  sich  nur  als  Land- 
schaftsmaler, nicht  als  Galerie-Inspektor  einschreiben  lassen. 
Was  Ihnen  günstigen  Vorwand  abgiebt,  nämlich  Zerstreuung 
nach  dem  vielen  Sitzen,  hat  wirklich  Grund,  wird  wirklich  gut 
für  Sie  sein«     Dass  ich  die  Beisekosten  bezahle,  versteht  sich, 


T,  e.  lUhtf 


ihre  möglich  wohlfeilste  Einrichtung  wird  raeinein  Ticlbel 
Beutel  lieb  sein,* 

Dor  Aufwand  tUr  die  wirklich  zum  Abschluss  gekommene  ^ 
Bevilacqua-Erwerbung  war  natürlich  der  DiskoboUFrtigo  hin*  ■ 
derlich,  wie  auch  andere  mit  mehr  Nachdruck  betriebene  Gd- 
legenheiten,  namentlich  die  drei  mysteriös  behandelten  Fragten  h 
wegen  des  ^Kräftigen',  des  , Schlafes**  (der  barberintsche  Faun)  V 
und  des  «Metalls*.  Im  Vordergrund  des  prinzliohen  iDtenessed 
aber  stand  eine  Erwerbungsgelegenheit,  die  der  Kronprinz  mit 
Reclit  über  alle  anderen  setzte  und  welche  wegen  des  Äuktions* 
tennins  auch  nicht  aufschieblich  behandelt  werden  konnte,  nem- 
lieh  die  Erwerbung  der  Agineten, 

Haller  v.  Hallerstein  hatte  dd.  Athen,  den  23.  Dezember 
1811  einen  ausfuhrlichen  Bericht  erstattet,  von  welchem  sich 
Dillis  Auszüge  machte,  die  als  zusammenhangalas  z.  T.  schwer 
verständlich,  z.  T.  was  die  Bemerkungen  über  den  Tempel  toii 
Agina  und  über  die  Giebelskulpturen  betrifft,  nach  spateren 
Untersuchungen  belanglos,  z.  T.  endlich  in  den  weitläufigen 
Auseinandersetzungen  über  den  Landtransport  nur  von  rer- 
kehrsgeschichtlicher  Bedeutung  (übrigens  auch  praktisch  un- 
benutzt geblieben)  sind.  Interessant  ist  vielleicht  die  Mittei- 
lung über  »weiters  vorgefundene  Sachen:  1)  einen  Teil  eines 
parallelepipedischen  Marmors  mit  angefügter  Inschrift  —  wel» 
che  ein  Krgister  von  üerätschaften  ist,  die  wahrscheinlich  im 
Tempel  vorhanden  waren  (bekanntUeh  im  Aginetensaal  der 
Glyptothek),  2)  den  grössten  Teil  eines  grossen  elfenheinerneö 
,  Auges  —  das  vielleicht  von  einer  kolossalen  Statue  des  Gatt» 
abrig  geblieben  ist  —  man  sieht  deutlich,  dass  es  eingeaitsi 
geweseTi  ist  —  und  dass  es  einen  eingesetzten  Augapfel  batti» 
—  vielleicht  ist  es  eine  Maske  gewesen  (Antiquarium  zu  Mün* 
eben),  *6)  mehrere  Fragmente  von  Vasen  aus  gebrannter  Erde, 
4)  Fragmente  kleinerer  Figuri^n  aus  gebrannter  Erde,  Übw- 
reste  von  Votivgeechenken  to  dem  Tempel*'* 

Von  untergeordnetem  Belang  ist  dann  die  Abschrift  von 
§  3  der  Convontiun  entre  ks  ijuatre  proprietain*  -lohn  Fostijr 
jun-,   Chr.   de  Haller,   Jacques  Linkh  et  Ch*  Hob.  Cockeridl, 


Kronprini  Ludwig  ron  Bti^ffn  und  G,  Dütuf. 


435 


die  Bedingung  enthaltend,  dass  der  Käufer  jedem  der  vier 
Interessen teD  einen  Gipsabguss  des  Ganzen  zu  liefern  habe. 

Aufs  böcliste  zu  beklagen  aber  ist,  dass  die  Notiz  von 
zwei  Pterdekopfen  des  Parthenon,  welche  Lord  Elgin  zurück- 
^lassen  zu  haben  scheint,  keinen  Anklang  fand.  Hfiller  hatte 
sich  darüber  wie  folgt  geäussert:  ^Die  gegenwartig  noch  auf 
dem  Parthenon  liegenden  beiden  Pferdeköpfe  als  die  in  der 
Gruppe  zu  hinterst  gestandenen,  nie  vollendet,  sind  gegen- 
wärtig durch  die  Zeit  zu  einem  nicht  viel  mehr  als  rohen 
Marmorstücfc  geworden:  ich  werde  sie  indessen  einer  noch  ge- 
naueren Prüfung  unterziehen,  sobald  es  mir  gelungen  sein  wird, 
die  dazu  nötige  Erlaubnis  des  auf  der  Akropolis  kommandie- 
renden Distars  erhalten  zu  haben/  Es  können  nur  Giebel- 
fragmente gemeint  sein,  denn  in  den  Transportvorschlägen  ist 
von  einer  Wagenladung  die  Rede.  Dillis  hatte  dazu  in  seinem 
Antwortschreiben  an  den  Kronprinzen  vom  26.  April  1812  be- 
merkt: p,Die  zwei  Pferdeköpfe  scheinen  mir  kautn  für  eine 
kostbare  Sammlung  geeignet  zu  sein,*" 

Dillis  wird  indes  den  Agineten  gegenüber  nicht  warm.  In 
demselben  Briefe  schreibt  er:  „Aus  den  Zeichnungen  der  Giebel- 
figuren geht  ein  älterer  Stil  als  der  aus  der  schönsten  Blüte 
Griechenlands  hervor.  Wie  glücklich  würde  ich  mich  schätzen, 
wenn  ich  die  für  mich  gänzlich  erhol ungslose  Stadt  wieder  ver- 
lassen und  von  E,  K.  H.  allergniidigstem  Anerbieten  bald  Ge- 
brauch machen  könnte.  Aber  für  jetzt  kann  ich  noch  keine 
Zeit  bestimraen.  Erat  wenn  das  für  das  Galeriepersouale  ganz 
neu  entworfene  Keglement  wird  erschienen  sein,  werde  ich  die 
llealisierung  meiner  Entfernung  von  meinen  Geschäften  be- 
stimnien  können.  Seit  der  letzten  Entwendung  des  Gemäldes 
aus  der  k.  Galerie  wird  eine  ganz  neue  Einrichtung  und  Vor- 
kehrung getroÖeu.**  Es  erscheint  kaum  zweilVlhaft,  zwischen 
den  Zeilen  dieser  schwachen  Ausrede  einen  Rückzug  zu  lesen, 
sei  es  nun,  dass  dieser  au»  persönlicher  Ängstlichkeit  einem  in 
jener  Zeit  nicht  ungeffLhrlichen  Unternehmen  gegenüber,  sei  es, 
dass  er  aus  der  Besorgnis  entsprungen  war,  mit  der  Sache  an 
sich  keine  Ehre  einzulegen  und  namentlich  jsich  die  Ungnade 


T,m.\ 


Itm  Kmfrns  wiiDle  aber  dola  iii^  ><'■  wirflUili  n  und 
•ebieb  6A,  JijwfhBtlbßm^  I.  Joai  181t  u  Dflü»  u.  •.:  .Wenn 
Bm  m  jetzt  flelum  für  »Imb  kalfaii,  IwBtuiwAw  S»  Sidi  nü  i 
GUgni  T.  fimgdt  wie  skk  n  Wodum  aa*  imm  Se  Urlaub 
and  Piae,  mAAm  okse  Anbdien  mach  ohne  hkagen  Pablikniii^ 
Wimen  beLonmen,  weiui  idi  wie  wmhfsclräilicli  (doch  nicht 
gtwifli]  in  dte$ein  Somner  seödeit  w«de  nach  Zanle,  Äginas 
Fsod  betreffend.  Da  es  in  adcher  Zeit  der  üniuhn  des  Kri^n, 
wOrden  die  Ifeitaffhen  nnfeMbar  sekraea^  nidit  bedeckend»  dass 
AD«  auf  meme  Koeteii,  in  Priedett  tind  Krieg  meine  Einnahsie 
gleieh  seL  Denn  erwerbe  ich  dieae  Hamiwlimg^  ao  will  ich  Preis 
wie  Fracht  und  die  aadereD  Koeleii  gaos  aattschlieasllch  auf 
eigner  Bechnnng  haben.  Dorch  Oiorgia  BaTareae  besorgt  v^cr- 
trane  ich  anf  günstigen  Etfolg,* 

Dilii^    erwidert  anter  anderen  Mitteilungen   aas  Floretts 
darauf  lakonisch:   «Mit  Hm  v.  Ringel   über  die  bewoaste  An- 
I  gelf^geuheit  zu  sprechen,  habe  ich  noch  nicht  Gelegenheit  ge- 
funden.* 

Der  Kronprinz  darauf  dd.  Salzburg,  7.  Juni  1812:  «Eb 
anderer  ab  ich  hatte  als  gewiss  daa  Vorhaben  Sie  nach  Zante 
zu  senden,  Ihnen  geschrieben,  aber  als  höchst  wahrscheinlich 
tue  ich  es.  Sprechen  Sie  in  meinem  Namen  mit  Geh*  Leg. 
Rat  r,  Ringel,  daas  ich  Ihnen  dazu  im  Vertrauen  seiner  rast- 
losen Tätigkeit  für  Kunst  den  Auftrag  erteUet  und  er  ausser 
Dilli»  der  erste  äu  München  sei,  welcher  Kenntnis  davon  be- 
kflmmt.  Was  sein  Hat  sei,  die  verschiedenen  zu  erörternden 
Punkte  betreffend«  Sie  können  (wünsche  dass  Sie  es  tun)  aus 
idem  von  Ihnen  geraachten  Auszug  aus  Haller's  Schreiben  ohn- 

(müss  zu  Land  geschehen)*)  der 
jhnliche 


Igel 


i\U 


gewi. 


Fatm«,  Oreai,  Vol'>   THrfed 


Rrmtpritu  Ludmg  von  Baifem  ttnä  ß,  DUIk, 


437 


Lubensgrosse  wieget.  Wann  deucht  beste  Zeit  zur  Abreise,  da 
Versteigerung  zu  Zante  L  Nov.?  Vergleichlos  besser  zu  frühe, 
als  zu  spät  dorten  eintreöen,  wäre  Übelangewandte  Ersparnifts. 
Aus  Beilage  berechnen  Sie  mir  beilautig  der  Heimreise  Kosten. 
Meint  Hr  v.  Ringel,  dass  um  französische  Pässe  sich  zu  ver- 
wenden und  welcher  Art  es  sei,  schon  jetzt  es  notwendig  sei? 
,  .  .  Dillis  auf  Sie  vertraue  ich  zu  glücklicher  Ausführung. 
Freuet  Sie  nicht  Griechenland  zu  berühren?  .  ,  ,  Lesen  Sie 
noch  einmal  bedachtsam  Ihre  Agina's  Fund  betreffenden  Ab- 
schriften und  was  davon  in  zwei  Blättern  des  Morgen blattes 
im  heurigen  Jahrgange  enthalten.  Irre  ich  nicht  muss  nur 
^4  des  Preises  gleich  bar  erleget»  wenn  dieses  nicht  geschiehetf 
Hicherheit  geleistet  werden.  Denken  Sie  nach,  was  besser»  Kredit- 
brief oder  Wechsel,  glaube  letztere  ausschlieaslicli,  wenn  mit 
nicht  mehr  Unkosten  als  jene  verbunden  sie  sind.  .  .  ,  Ich 
weiss  Ihre  erprobte  Gründlichkeit  in  Geschäften,  in  diesen 
grossen  weitentfernten  kommt  auf  vorherige  möglichst  genaue 
Bestimmung  viel  an,  besser  vergeblich  als  dass  unterlassen 
wird  Ausführung.* 

Noch  ehe  Dillis*  Antwort  vom  14.  Juni  in  die  Hände  des 
Kronprinzen  gelungen  konnte,  dringt  dieser  dd.  Salzburg, 
15,  Juni  1812  mit  weiterem  Detail  in  Dillis:  ,Ich  sehe  Ihrer 
Antwort  mit  lebhaftem  Interesse  entgegen.  Wenn  Ihre  so 
wahrscheinliche  Keise  nach  Zante  geschiehet,  werden  Sie  nicht 
Oriecbenland  nur  berühren,  wenn  Haller  noch  daselbst 
fast  mit  Gewissheit  Sie  nach  Athen  selber  kommen,  zugleich 
mir  mitzubringen,  wjts,  sei  es  gleich  weniger,  durch  Haller  mir 
geworden«  —  Halten  Sie's  nützlich?  oder  doch  nicht  schädlich, 
wenn  Ihre  Ankunft  dorten  vorher  bekannt?  —  Sie  gehen  doch? 
Diese  und  vorige  Fragen  daium,  weil  ich  gerne  Haller  dem 
ich  geschrieben  er  möge  die  Gegenstände  mir  erworbene  nem- 
Ucb  in  Griechenland  mitbringen^  nun  das  Gegenteil  kund  ma- 
ßn  würde,  damit  nicht  in  der  Zwischenzeit  jenes  erfolge, 
aehrt  meine  Ausgaben  werden.  Dann  alles  mit  Agina's 
Fund  in  einem  Transport  unter  Dillis'  Führung,  Oder  halten 
Sie  es  für  weniger  kostspielig,   wenn  aus  Athen  unter  Haller 

tOOt.  SlUgtb.  d.  pliUot.-plilioL  u.  d.  lii«L  KT.  '^9 


438 


die  einen,  aus  Zanie  Ägina's  Fund  zwar  auch  zu  Landtt  nmh" 
ster  Weg  unter  Ihnen  nach  Baieni  kommt?   Oder  ersteren  Fallsl 
aus  Zante  gesehii^   z.  B.   nach  Lepauto   da  haJt^    Dälis  nuck 
Athen,    von  wo  nmn  Eigenthuin  nach  Lepanto  gehracht  und 
alles  nach  Baiern. 

Einen  in  jeder  Hinsicht  zuverlässigen  Diener  fiirj 
diese  Reise  Sie  zu  begleiten  schlagen  Sie  mir  vor  (oder  meh- 
rere auf  dass  ich,  wenn  mir  einer  unter  ihnen  gefallt,  ihn  dazal 
wähle)  welcher  in  dem  nicht  zu  erwartenden  doch  möglicbfJi| 
Falle  Ihrer  Erkrankung  während  des  Transportes,  Sarge  trage? 
—  Dünkt  Sie  nicht  ratsamst  Kreditbriefe  (oder  Wechsel)  nar  j 
auf  Sie  lautende  Titel  beiltigend  auszustellen? 

Schriftliche  Weisung  werde  ich  Ihnen  geben,   Sterblicher' 
seiend  träfe  mich  das  aUgemeine  Los,  sind  Sie  dann  auch  nacb 
meinem  Tode  gerechtfertigt  vor  allen  erscheinend,  wie  in  Ihrem 
Herzen  Sie  es  immer  sein  werden,     Empfehlungsschreiben  bö-J 
kommen  Sie. 

Nicht  die  grosse  Kaufsumme  und  nicht  der  beschwerlich«^  j 
Transport  was  mich  bekümmert,  sondern  wie  zu  machen,  dasa] 
Sie  aufisehenlos  von  München  hingehen.    Ghmleg.Rt  Ringel,  der! 
mit    rastloser  Tätigkeit   innig    angelegen   sein   lägst,    kann  am 
meisten  dafür  thun,  und  er  wird  es,  ich  vertraue  darauf,  aagen 
Sie   es  ihm,    legen  Sie  es  ihm   recht   ans  Herz.     Könnte  muu 
nicht  Reise   nach  Italien    vorgeben»    denn   wenn  ausser  Üingei« 
man  es  zu  München  erfahret,   giebts  ein  allgemeines  Geschrei ' 
gegen  mich,  und  wenn  dies  vermeidbar,  sehr  ratsam.   Sie  kennen  1 
dies  Publikum!* 

Der   warmherzige   enthufiiastische  Brief  kreuzte   steh   au 
dem  Wege    mit    der  matthpi-zig   ablehnenden    Antwort    DillisM 
auf  jenen  vom  7,  Juni,   dd.   München,   14.  Juni  1812»  natürlich 
vnvi  alle  Antworten  des  Galerie-Inspektors  nur  im  Konzept  vor- 
liegend:  «Herr  v.  Ringel  könne  mir,   wenn  erst  zum  Vnraual 
die  Hei>>eroute  bi\^immt  angegeben   is^t,  nur  französisch©  Pässe 
verschaffen;   ohne  das«   es  aber  Aufsehen  mache   und   bekannt  i 
wird,  kann  er  nicht  verheisi^ii*   Wenn  E.  K,  H*  da«  erswirckeitJ 
«ollen  —  wäre  es  besser,  K.  K.  H.  schicken  ilen  in  Rom  be»J 


Rronprim  Ludwig  ton  Bayern  und  G,  DüUjs. 


439 


tiadlichen  Maler  Wagner  zur  Versteigerung  ab,  da  wird  es  gar 
kein  Aufsehen  machen.  Auch  hat  Wagner  einen  tieferen  Blick 
in  die  griechische  Kunst.  In  der  Lage  von  E.  K.  H,  würde 
ich  keinen  besseren  Plan  mir  wühlen,  kein  zuverlässigeres  Ur- 
tbeil  verschaffen  können»  —  Wagner  bat  von  Jugend  auf  dies 
Fach  studiert,  bei  mir  sind  es  erst  einige  Jahre.  Wagner  hat 
seit  sechs  Jahren  seinen  Blick  schärfen  können  —  auf  seine 
Kenninisse,  auf  sein  richtiges  Urtheil  werde  ich  nie  Anspruch 
machen  können.  —  Es  wäre  von  mir  eine  Frechheit,  den  Wert 
von  G(),ÜÜÜ  fl.  durch  mein  Urtheil  zu  garantieren:  eine  solche 
Verantwortlichkeit  auf  mich  zu  nehmen,  dafür  habe  ich  nicht 
einmal  das  Vertrauen  zu  mir  selbst,  wie  könnte  ich  dem  Ver- 
trauen E.  K,  H.  entsjiretlien! 

Wenn  der  Mensch  sich  Geschäften  untemeht,  denen  er 
nicht  gewachsen  ist,  so  ist  es  entweder  Eigennutz  oder  Leicht- 
sinn. Ehrgeiz  —  bisher  habe  ich  mich  noch  immer  gegen 
diese  Schwachheit  verwahrt,  und  ohne  dergleichen  alles  was 
ich  Übernora men  habe,  ausgeluhrt.  —  Einen  grösseren  Eigen- 
nutz iilr  mich  könnte  es  nicht  geben,  als  Griechenland  und  die 
malerischen  Küsten  dahin  zu  sehen  —  aber  diess  hat  mit  der 
Sendung  gar  keinen  Verband:  eigennützig  wäre  es  von  mir, 
Griechenland  zu  sehen.  Eitelkeit,  einen  so  wichtigen  Auftrag 
erhalten  zu  haben  und  Leichtsinn,  einem  Geschäft  mich  zu 
unterziehen,  dem  ich  nicht  gewachsen  bin.  Ich  traue  mir  die 
Kenntnisse  nicht  zu,  die  mich  der  Verantwortlichkeit  eines 
solchen  ungeheuren  Werthes  überheben  würden. 

Bei  Beurtheilung  der  Gemälde  traue  ich  mir  mehr  zu, 
weil  ich  n»ein  ganzes  Leben  dem  Studium  derselben  gewidmet 
habe  —  für  die  Beurtheilung  der  plastischen  Kunstwerke  habe 
ich  zu  wenig  antiquarische  Kenntnisse. 

Da  die  Sendung  nicht  geheim  bleiben  kann  —  so  würden 
neuerdings  alle  Künstler  über  mich  herfallen  und  das  bischen 
mir  erworbene  Zutrauen  untergraben,  und  der  Giorgio  Bavu- 
rese  wird  voll  Gram  bald  sein  mühevolles  Leben  endigen  und 
seiner  Familie  die  bisher  geleistete  Unterstützung  entziehen 
müssen.    —    Ditf  Ethaltuug  eines  FamiUenvatera  ist  doch  die 

29« 


440 


F.  p.  lUher 


ei«te  uod  Datürlickste  Pflicht.  —  Allein  mein  Leben  aufisu 
opferOf  dazu  bin  ich  jeden  Augenblick  bereit  —  die  Aufoiifr^ 
rung  aber  meiner  Ehre,  meines  Huhjn^  —  dafilr  habe  ic 
noch  nie  Anlage  gehabt* 

Da  Dilüs   den   oben   angeführten  Brief  des  Prinxen    you 
15.  Juni  erst  nach  Absendung  seines  Schreibens  vom   14.  Juni] 
erhielt,  liess  er  (Dillis)  sofort  eine  Nachschrift  folgen,  in  wel- 
cher er   einen   anderen  Vorschlag  zu   dem  vorigen   fügt: 
meinem  letzten  Brief  habe  ich  den  Punkt  des  Anfsehens  eiuerl 
solchen  Heise  und  die  Äusserung  des  llerm  v.  Ringel  dariiber] 
erörtert  (der  Reinschrift  des  Briefes  scheint  noch  die  Bemer-j 
kung  eingefügt  gewesen  zu  sein,  dass  der  König  für  den  Er- 
werb der  Agineten  nicht  eingenommen  sei).  Dorthin  zu  schreiben  I 
und  meine  Ankunft  anzukündigen,  wird  kaum  von  einigem  Er- 
folg sein.    Glücklich  würde  ich  mich  schätzen,  den  urklasaiischenl 
Boden  zu  betreten.    Da  aber  E.  K.  H.  einmal  schon  von  Hallt*r 
einige  Gegenstände   angekauft,   da  Hatler   ein  Unterthan,   daSj 
Haus   Haller   von   Hallerstein   mit   Ehr   und   Vermögen    eineoi 
solchen   Kauf  verbürgen   kann   —    warum   soll    Ilaller   hieriaj 
E.  K.   H.    bei   dieser   Unterhandlung    nicht  vollkommen    ent-| 
sprechen  können,  da  gerade  durch  ihn  das  Geschäft  ohne  Auf- 
sehen zu  machen  und  am  besten  besorgt  werden  kann?' 

Der  Kronprinz  konnte  die  eigentlichen  Motive  der  Ab-J 
lehnuog  nicht  verkennen,  wie  er  auch  den  Einwand  der  Ton 
Dillis  geltend  gemachten  Unzulänglichkeit  de«  Urteils  Ange-4 
aichts  der  sonstigen  Betiitigung  bei  viel  heikleren  Antiken-j 
kfiufen  entsprechend  gewürdigt  und  das  etwas  feige  Gewimmer! 
mn  Schlüsse  des  ersten  Briefes,  mit  Ehr-  und  Huhmesph rasten J 
vermischt,  unangenehm  empfunden  haben  muss.  Ohne  aber  auf-l 
zubrausen,  wie  bei  einer  späteren  Gelegenheit,  Bchrieb  er  dd.l 
Salzburg»  28.  Juni  1812:  ,Jhre  Gründe  tindo  ich  triftig  und! 
habe  schon  vorläufig  Wagn<»r  geschrieben.  Haller  soll  nichtl 
zur  Ausführung  gehöriges  Geschick  besitzen  und  ob  er  nochl 
in  jenem  Lande  ungewiss.  Das  wllre  schlechto  Ökonomi*^,  iiini 
R^i>»*tko.Hteu  zu  ersparen  Gefahr  hiufiMi,  da.S8  alles  unti^rbtiebetj 
Antworten    Bie,    lieber   Dillis,    warum   de   mir   seh  lieben. 


Kronprim  Lmimtf  von  Baffem  und  G,  Dillis, 


441 


S.  M.  der  König  schon  zum  vr»raus  gegen  den  Erwerb  ein- 
genommen siml,  ist  solches?  wer  sagte  es  Ihnen?**  Und  als 
Üiilis  geantwortet:  ,S.  M.  d*  König  haben  sich  über  diesen 
Gegenstand  an  der  öffentlichen  Tafel  geäussert:  aber  nur  er- 
zählungsweise, dass  E.  K.  H.  zu  dem  Erwerb  Lust  haben*, 
fragt  der  Kronprinz  noch  einmal  dd.  Sakburg,  3,  Juli  1812: 
»Schreiben  8ie  mir  ob  der  König  nur  wegen  bewussten  meinem 
Vorhaben  blos  Äusserung  oder  missbilligende  gethan,  worauf 
Dillis  wieder  ohne  Angabe  der  Quelle  erwiedert:  , Seine  Majestät 
haben  nur  das  bewusste  Vorhaben  in  Anregung  gebracht/ 

Eine  Woche  später,  12.  Juli  1812,  betraut  der  Kronprinz 
Dillis  mit  einer  Mission  nach  Rom,  die  z.  T.  mit  der  Ägineten- 
frage,  z,  T.  mit  anderen  An tikener Werbungen  zusammenhängt: 
»Giorgio  Bavarese,  den  talentvollen  redlichen  tätigen  wünsche 
ich  wieder  in  der  Kunst  zweiter  Heimat  Italien,  auf  dass  solcher 
Sammlung  antiker  Werke  herausgeleite  in  das  Baierland;  an- 
derer wichtiger  Grund,  von  mir  Aufträge  auszurichten  an  Maler 
Wagner  um  aus  der  Kunst  (der  herrlichsten)  ursprünglichem 
Mutterlande  ihrer  acht  hellenischen,  Werke  uns  zu  erwerben. 
Viel,  sehr  ?iel  liegt  mir  daran,  dass  sie  geschehe,  Ihre  Reise  .  .  .* 

Zwei  Tage  späser  konstatiert  der  Kronprinz  die  durch 
V.  Ringel  vermittelte  Zusage:  „Sagen  Sie  ihm  (v.  Ringel)  dass 
ich  heute  in  einer  Woche,  also  künftige  Woche  Sie  hier  [Salz- 
burg] wünsche  mein  Dillis;  dass  Hr  v.  Ringel  einige  Zeilen 
Ihnen  mitgebe  für  Wagner  im  Fall  dass  solcher  einen  Pass 
brauche,  sie  dem  Gesandten  Häffelin  zu  übergeben,  damit  dieser, 
welcher  Wagnern  nichts  weniger  als  liebt  wie  auch  Sebastian 
Mehlera,  keine  Schwierigkeiten  mache.  Mit  Doublet  ist  Wagner 
entzweit,  wodurch  Dillis'  schleunige  Ankunft  um  so  erforder- 
licher .  .  .  Ihnen  wird  Heb  sein  aus  den  Mauern  zu  kommen 
in  den  Genuss  Italienischer  Natur,  Also  spätestens  21.  Juli 
in  Salzburg,  lieber  Tag  früher,  von  da  in  Eile,  nächsten  Weg, 
ohne  Aufenthalt  ausser  Nachts,  nach  Rom.* 

Die  mündlichen  Abmachungen  in  Salzburg  reissen  natür- 
lich eine  Lücke  in  den  Zusammenhang  der  Korrespondenz,  wie 
wir  auch  die  Auftrage,  welche  Dillis  dem  M.  Wagner  zu  ver- 


442 


K  r,  Sthtr 


milleln  hatte,   nitht  kennen.     D«^  Kreta iirinzen  nacliste  Brief« 
Dich  Rom  eothalteD   wegen  Wagner,    welcher  nun  direkt  mit 
dem   Prinzen    verkehrt,    nur  Nebensächliches,    2,   B. :    ,W«in 
Wagner  seinen  jungen  Italiener  nicht  mitnehmen  konnte,  gehe  j 
ich  zum  Toraus  meine  Einwilligimg  zn  einem  andern  Mensehen«  I 
erwartend,   nur  Toüig  zuTerliaaigeis   er  nehmen    wertie.      Oial 
wettere  enthält  der  Briefweehsel  des  Kronprinzen  mit  Wagner,  1 
aas  welchem  L.  ütridia  die  Geeehiehte  der  Erwerbung  nnd  des 
Transports  der  Ägineten  *)  gesehopft  hat.    Wir  fögen  dazu  nur 
noch   eine  merkwürdige  leider  allzu  knappe  Kotiz   des  Kn>n* 
prinzen  an  Dillis  dd.  Salzburg,  3.  Juni  1813:  «An  dem  Fries 
des  Phygaüschen  Apollotempels  habe  ich  '/»  AntheiL* 

Angesichts  eines  solchen  zu  erwartenden  Zuwachses  der 
plastischen  Bestände  musste  der  Kronprinz»  den  auch  die 
Klagen  Dillis*  wegen  Raummangel  zur  Aufbewahrung  emiddea 
mochtisn,  an  ein  entsprechendes  Museumsgehaude  denken,  und  1 
es  scheint  auch,  nach  dem  oben  erwähnten  Brief  des  Prinr«! 
vom  9.  NoTember  1814,  zu  einem  Kookurren zausschreiben  mit 
dem  Termin  L  Juli  1815  gekommen  zu  sein.  Von  Erfolg  war 
jedoch  dies  nicht,  da  um  diese  Zeit  der  Kronprinz  mit  dem 
1813  am  Kasseler  Hof  stellenlos  gewordenen  Hofbaudircktor 
in  HQnchen  bekannt  geworden  war  und  1811V  mit  demselben 
in  nähere  Verbindung  getreten  war.  Es  kostete  auch  den 
Kronprinzen  keine  grosse  Mühe  den  königüehen  Vater  Ton  der 
Unzulänglichkeit  der  bau  technischen  Kräfte  in  Hltnchen,  wo 
nur  Fischer  Anerkennenswertes  leistete^  zu  überzeugen  and 
dessen  Au&ahme  in  den  Dofdienst  zu  ♦         '  *■  ^    !»>r  An« 

nähme  des  Bauplanes  Klenzes  ftlr  das  r       ^  ^jm  en* 

digte  Dillis'  Anteil   an  dem  Bau  wenigstens  im  Wesenllicheo. 

Schon  Tor  der  Gewinnung  Klenzes  hatte  der  Konig  Aus* 
atattungafragen  an  DilHs  gestellt,  wie  dd.  Wien,  18.  Januar 
1815,  ob  .für  Wullialla's  und  des  Äntikengehüude«  Fus&boden 
Mosaik  angefertigt  werden   sollten •  und  am  26*  Januar  1815 


^  Vh  Oljrpiothtfk  8.  MaJ.  dei  Königt  Ludwig  I.  tmx  rtuvt^m  mich 
Uirer  Gr^ekieht«  und  iknuu  Bmitafiile*    Th.  Ackermmm  lBt> 


Kronf/fim  Ludwig  poh  Baifcm  und  G,  DüUb, 


443 


,ob  in  der  Antiken  Stätte  Säle  Gipsmarmorw linde  wünschens- 
wert* und  ,  welcher  Farbe  zu  jenen  passende  und  z.  B.  zu 
grüner  welcher  Farbe  die  luarmornen  Büsten-Gestelle,  so  »u 
jeder  sie  angebend,  oder  nur  von  einer  Farbe  alle»  von  der- 
selben Gestalt  alle  oder  von  welcher  alle,  wovon  ich  mir  tun- 
lichst schnell  Zeichnungen  verlange,  damit  solche  gleich  in 
Arbeit  genoiumen  werden  können.  Denn  es  ist  sehr  leicht  mög- 
lich, das  Gebäude  stehet  schon  vollendet,  jene  sind  es  aber 
noch  nicht  (den  Statuen  ihre  müssen  mehr  zu  jeder  einzelnen 
gepasst  werden,  darum  von  solchen  erst,  wenn  sie  aufgestellt) 
diesen  §  teilen  mündlich  oder  schriftlich  (vielleicht  besser)  an 
beide  Langer  und  Fischer,  an  jeden  besonders  als  Auftrag  von 
mir  an  solche,  mit  beigefügt,  der  Grand  meiner  Eile.** 

Schwanthalers  geschieht  in  der  priozlichen  Korrespondenz 
zum  erstenmal  flrwähnung  aus  Wien,  18,  März  1815,  aber  noch 
nicht  im  eigentlich  künstlerischen  Sinne:  «Fragen  Sie  Schwan- 
thaler  was  20  Büstensockel  kosten/ 

Der  Klenzesche  Plan  war  übrigens  mit  1816  definitiv  be- 
reift, denn  in  diesem  Jahr  fand  laut  Inschrift  in  der  Eingangs- 
halle der  Baubeginn  statt.  Für  den  Umfang  des  Gebäudes  war 
endgültig  der  in  Paris  abgeschlossene  Albanische  Antikenkauf 
ma«igebend,  welcher  allein  die  Sammlung  um  46  Stück,  da- 
runter 21  z.  T,  kolossale  Statuen  wie  der  Antinous  in  Rosso 
autico  und  der  Heros,  sonst  die  Pallas,  Mars  Victor,  Augustus, 
Domitian,  Sept.  Sevems,  der  liegende  Faun,  die  schwarze  Faun- 
statue,  der  schwarze  Flussgott,  die  Basalt -Isis,  der  Granit- 
Anubis,  die  4  Karyatiden,  14  Büsten,  4  Heliefs,  2  Sphingen, 
1  Obelisk  und  4  Säulen.  Einzelerwerbungen  wie  der  herrliche 
sog.  llioneus,  für  welchen  sich  der  Kronprinz  in  persönlichem 
Ankauf  in  Wien  1814  zu  dem  hohen  Preis  von  6000  Dukaten 
ent?H:.h Jossen  und  dafür  den  Hohn  des  kaiserlichen  Hofes  er- 
worben hatte,  kamen  dabei  weniger  in  Betracht,  Wahrschein- 
lich gleichzeitig  wurde  der  Name  des  Gebäudes  festgestellt,  in 
der  Korrespondenz  mit  Dillis  erscheint  das  W^ort  Glyptothek 
erst  in  einem  Briefe  desj  Prinzen  vom  24.  September  1816.  Der- 
selbe Brief  zeigt  uucli  bereits  den  Ent^chluss  des  Prinzen,  sich 


444 


F.  t,  M^tr 


Dicht  auf  die  Antike  zu  beschränken:  , Sehen  Sie  (in  Itdieo) 
für  die  Glyptothek  wünschenswerte  Werke  von  der  Zeit  der 
Antiken  weit  bis  zu  unseren  Tagen,  wünsche  ich  deren  genaue 
Angabe.*  Ein  Wink  der  leider  von  den  Organen  des  Priiwen 
unbeachtet  oder  nur  Yon  , unseren  Tagen"  yerstanden,  auch 
vom  Prinzen  nicht  weiter  verschärft  wurde:  für  die  Schätzung 
der  Pisani  und  Donatello  war  eben  die  Zeit  noch  nicht  ge- 
kommen. 

Das  Cinquecento  vertritt  in  der  Qlyptothek  nur  ein  1816 
in  Rom  erworbenes  Terracottaporträtköpfchen ,  falschheh  Ha- 
phael  genannt  und  das  17.  Jahrhundert  ein  marmornes  Chri- 
stuskind,  damals  dem  Fiamingho  (jetzt  Aless.  Algardi)  2iig^ 
schrieben. 

Mehr  geschah  von  vorneherein  für  die  Plastik  des  19.  Jahr- 
hunderts, abgesehen  von  den  Skulpturen  für  Walhalla  und  die 
Aussenausstattung  der  Glyptothek:  Canovas  Paris  wie  die  Paris- 
büste  wurden  schon   1812/1813  erworben,    bald  darauf  Thor- 
waldsens  Adonis  auf  eine  schon  1807  erfolgte  Bestellung,  Scha-  j 
dowa  Sandalenbinderin  1819  und  Vittoria  Caldoni,    die  Büste  | 
des  Kronprinzen  von  Thorwaldsen  1821.    Die  Büste  Napoleons  i 
von  Spalla  (1808)  wie  die  Muse  mit  Amor  von  Eberhard  war] 
von  König  Max  L  erworben. 

Ein  Brief  dd.  Brückenau,  8.  August  1818  beschäftigt  sich! 
bereits  mit  den  Giebekkulpturen  der  emporwachsenden  Gly]>to- 
thek:   ^Sagen  Sie  femer  Klenze  in  meinem  Namen,  was  er  da-j 
von   hielte,   wenn  Haller  schon   diesen  Herbst  nach  Rom  nh^l 
ginge.    Wie  auch  seine  Antwort  ausfallen  möchte,  meinte  ich,] 
dass  abzuwarten   wäre  bis  Wagner's  Zeichnung  zu  den  Glypto-j 
thekgiebelfiguren,  die  an  ihn  (Klenze)  zu  senden  ich  ihm  heute^ 
noch  schreiben  werde,   [hier],   auf  dass  mit  Haller  Übereinge- 
kommen werde,  wie  viel  derselbe  flür  deren  Ausführung  in  Gips 
iß  der  erforderlichen  Grösse  zu  bekommen  habe,  auf  Abschlag 
einstweilen  in  Korn  die  Modelle  verfertigend,  wo  ich  aber  der 
Pack-  und   Frachtkosten   wegen    schwerlich   weder  diese    nocl 
die  in  den  Nischen  fehlenden  im  Orassen  werde  in  Gips  mAchen 
lassen.     Wenn   nicht  zu  vermuthen,   dass  letztere  hedeutent: 


Kfonprini  Ludwig  i^w  Baperti  und  G,  DiUi», 


445 


werden,  so  bin  ich  schon  entschieden  dafür,  dass  solche 
in  München  vor  Rom  vollendet  werden." 

Der  Berufung  des  Architekten  war  drei  Jahre  später  die 
eines  Malers  gefolgt^  des  P.  Cornelius,  welchen  der  Kronprinz 
während  seiner  italienischen  Reise  an  Freskoleistungen  in 
der  Ca.sa  Bartoldi  und  Villa  Massimi  kennen  gelernt  hatte. 
Nach  niehrmonatliüher  Kaiionarheit  hatte  dieser  1820  die  Aus- 
führung der  Fresken  in  den  drei  Empfangssälen  an  der  Nord- 
seite der  Glyptothek  begonnen  und  trotz  eines  Stabes  von  Ge- 
hilfen erst  1830  vollendet.  Der  Kronprinz  wollte  zunächst 
dd,  Aschaffenhurg,  3L  August  1819  von  seinen  Katgebern 
wissen,  wie  er  mit  dem  Künstler  den  Vertrag  machen  soll: 
,  Bald  ige  Antwort  Ihrer  Ansicht  und  der  vom  K  lenze,  ob  es 
besser  sei,  bei  dem  zu  bleiben,  den  Cornelius  betreifend,  wie 
Sie  ihm  geschrieben»  oder  eine  Übereinkunft  mit  ihm  zu  schliessen, 
z.  B,  für  jedes  Saales  Cartous  ^/i  so  und  so  viel,  für  dessen 
Malen  al  fresco  so  und  so  viel.  Würde  letzteres  vorgezogen, 
genaue  Angabe,  wie  es  festzusetzen  wäre,  dass  ich  nicht  zu 
kurz  komme.  Der  Gedanke  kam  mir  selbst,  was  beaser,  fragt 
sich,  ,  ,  ,  Teilen  Sie  als  von  mir  Klenzen  folgendes  von  Wagner 
unterm  13.  dieses  mir  geschrieben  wordenes  mit:  »Hr  Eber- 
hard und  Cornelius  gedenken  in  den  ersten  Tagen  Septembers 
von  hier  nach  München  abzureisen  und  ihren  Weg  über  Ve- 
nedig zu  nehmen.  (■orneJius  hat  bereits  zu  diesem  Zwecke  sein 
ihm  zugesagtes  Reisegeld  von  200  scudi  bei  mir  erhoben,  — 
In  Hinsicht  der  Farben,  nemlich  des  ültramarins  den  er  noch 
einzukaufen  gedenkt,  möchte  ich  einstweilen  100  scudi  in  Be- 
reitschaft halten,  worüber  er  mir  eine  spezifizierte  Quittung 
gehen  wird.«* 

Nachdem  nun  Dillis  am  3.  September  1819  dem  Kron- 
prinzen mitgeteilt:  „Ich  habe  endlich  einmal  von  Cornelius  aus 
Rom  unterm  25.  Aug.  eine  Antwort  auf  den  von  E.  K.  Hoheit 
mir  anbefohlenen  Brief  erhalten,  worin  er  mir  anzeigt,  dass  er 
näclistens  das  Glück  haben  wird,  die  Entwürfe  und  Cartons 
E,  K.  H.  selbst  vorzulegen  und  hiedurch  um  die  Begünstigung 
naclisucht,    dass   während   seiner   Abwesenheit   seiner   in   llom 


4M 


F.  iL 


hma  30  m9Ü  m  MwUiebra  Rmkm 
beidUel  lud  liieribcr  fio  W«ims  •■  Wiener  »Imma  wer- 
doi  dftrfit«  gü«  «r  am  C  niipiiirtui  1819  den  Bai,  ,bm  dma 
K«etnkt  siekai  n  Ueihai  mmi  alkrcüiBl  auf  die  VerfertK 
gnog  der  Ckrioii«  ra  dring««,  4amik  im  ciwBS  Ar  gutes  Gdd 
erkik\ 

Am  5.  Jasaar  1820  war  der  Kroapffim  in  Mflnehen  eia* 
getroffen  und  balte  Dillk  aad  Klem:e  brieflick  flir  den  6.  mor- 
gaos  sa  sich  befohko*  Natfiriidi  folgt  jelil  Hagere  Pause  in 
der  Korrespoadei».  Am  21.  Augnit  1890  ▼mbmgt  der  Priaz 
aun  BrOekenaa  Nackriclit  fiber  die  Fiedumialereien  der  01j{ita- 
tbek:  «Schivibea  Sie  mir  gleich  Ihr  Urteil  über  das 
Jeder  al  fresco  io  der  Gljpiolhek  gemalt,  die  Arliett  eines  Jedi 
aucli  jedes  Schulen  eiazela  durehgehend,  was  aelur  sehdn« 
miHelm&mtg  cnler  gar  schlecht  wirSt  gsnao  angebend.*  Darauf 
konnte  DiUis  am  26.  August  1820  freilich  keine  all: 
Fortsehrtite  bericfaten.  ,Habe  ich  die  in  der  Qljrpiotliek 
reits  irorgeiscfaritlenen  Freskogemilde  eingeselien  und  bemerkt» 
da»  Qberhaopt  die  Künstler  immer  rertranter  mit  dieser  kl 
sieben  Art  zu  malen  und  die  Farben  immer  lebhafter,  glOhen^ 
und  rerschmolzener  aa%etragen  werden.  Cornelius  eilt 
Itiesenschriiten  Yoran.  Er  hatte  eben  zwei  weibUche  K5pfe 
recbU  ron  der  Nacht  mit  einem  besonderen  Schmelz, 
schöner  Form  und  Ausdruck  rollendet,  weldie  mir  einen  be- 
sonderen Qenufls  gewährten.  —  Zimmermann  malte  eben  an 
dem  Fries  um  den  Bogen  mit  Arabesken  mit  einem  markichl 
verschmolzenen  Ton  so  vollkommen ,  dsss  nichts  zu  wftnsckan 
übrig  bleibt  und  demselben  wobt  auch  ein  Tablean  mit 
hi^^torischen  Figuren  in  Zukunft  übertragen  wenlen  kann.  ^ 
Nach  ihm  bildet  sich  besonders  für  die  Arabesken  Sieb  mann 
welcher  ein  zweiter  Jcibunn  da  Udine  werden  kann:  und  ein 
befionders  genialisches  Wesen  für  aolcbe  Gegenstände  aefaon  jetzt 
ausspricht  —  Düberg  könnte  dem    *'  *        '  '' 'cdte 

imr  Seite  gestellt  werd«Mi,   wenn  tr  den 

Erwerb  seines  Ijebenßunierhaltes  verwenden  mllsiite.   ^   Sehol 
nrbeitet  fleiasiig  die  kleineren  Arabesken,  blosote  VorsEiurung  Okkne 


Kronprinjs  Ludwüf  t}on  Bauern  und  G,  Dülü, 


447 


I 


I 


I 
I 


Figuren.  —  Thelot  dürfte  erst  sich  noch  mehr  in  dein  Ltninhfeen 
der  Farben  einstudieren  und  öeiu  Gemälde  (ein  Fächer)  zeigt 
noch  etwas  Härte  und  Trockenheit.  —  Küchlen,  weicherden 
zweiten  Fücher  malt,  zeichnet  sich  durch  Fleiss  und  Mühe  aus, 
da  wo  es  Jbni  an  genialischem  Schwung  fehlt.  —  Schlothauer 
hat  erst  einige  Versuche  gemacht,  worüber  man  ergt  das  Auf- 
trocknen abwarten  muss/ 

Die  Ungeduld  des  Kronprinzen  war  gross;  noch  waren  die 
Wände  der  l.xljittothek  nicht  verputzt,  als  zu  den  46  Antiken 
der  Sammlung  Albani  noch  die  sog.  Leueothea  (Eirene  mit  dem 
Plutos),  die  grosse  Minervabüste  und  der  Faun  mit  dem  Flecken 
über  Antwerpen  nach  München  kamen,  der  lang  umworbene 
barberinische  Faun  nach  langer  Winterrast  der  ungenügenden 
Notbrücke  Kufstoins  wegen  eintraf  und  endlich  auch  die  Be* 
vilacqua-Skulpturen  den  Weg  nach  München  gefunden  hatten» 
Das  Ballhaus  vor  dem  Schwabinger  Tor  (jetzt  Arkaden)  war 
zur  Aufstapelung  zu  eng  geworden,  man  fing  an,  an  der  Glypto- 
thek abzuladen. 

Es  mu«5ste  an  die  Aufstellung  gedacht  w^erden  und  selbst- 
verständlich zunächst  an  die  Vollendung  der  Wände,  In  der 
Deckenornamentik  hatte  Klenze  sein  Bestes  ja  nicht  geleistet, 
zu  noch  weniger  niusste  er  sich  in  der  Behandlung  der  Wände 
entschliessen  Der  Prinz  hatte  wieder  den  Rat  seines  Dilüs 
dd,  Aschaffenburg  1822  angerufen:  , Darüber,  lieber  Dillis, 
wird  wohl  nicht  viele  Verschiedenheit  in  der  Meinung  be- 
stehen, dass  marmorn  die  Wände  in  der  Glyptothek  am  schön- 
sten seien,  aber,  ein  fatales  aber,  solche  würden  (52  466  fl.  10  kr. 
kosten,  und  dieses  Geld  datiir  hat  weder  der  Kronprinz  noch 
wird  es  der  Kronprinz  bekommen.  Jetzt  frage  ich  Sie,  ob  Sie 
riethen,  dass  falls  derselbe  einst.  König  würde,  er  diese  Summe 
dazu  verwenden  solle,  oder  sie  dermalen  mit  stucco  lustro  be- 
kleiden und  diesem  lassen  soll,  was  etwa  9300  fl*  kosten  würde 
(wohlverstanden  in  all  diesem  ist  von  den  Freskosälen  keine 
R«de),  oder  nur  provisorio  mit  Leinöltarben,  was  etwa  2780  fl. 
erfonlerte.  Oder  auch  mit  stuccn  lustro  nur  bis  zu  der  ein- 
stigen Mamiorbokleidung,   von  welchem   dazu   benritigten   Ka- 


US 


F,  tf.  Beher 


pitale  der  Aufwand  für  ersteres  einen  Sjährigen  Zirrseuketrag 
aiisnjachen  würde.  So  übel  auch  der  erste  Saal  al  stucco  lustro 
aussieht,  so  gut  lUsst,  was  nicht  zu  leugnen  ist,  des  Herocin» 
saales  grauer  stucco  lustro*  Niemandem  sagen  Sie,  dass  ich 
Ihnen  davon  schrieb/ 

Niemals  riet  Dillis  zutreffender  als  in  seiner  Antwort  vom 
21.  Juni  1822:  ,Die  Bekleidung  der  Wände  mit  einem  den 
Marmor  nachahmenden  Ölfarben-Anstrich,  welcher  von  jeder- 
mann getadelt  wurde  [und  noch  wird],  ist  auch  in  dem  sonst 
dekorativ  guten  grauen  Saal  nicht  geeignet,  die  darin  uuf- 
gestellten  alten  Statuen  zu  heben,  die  kalte  Farbe  teilt  sieh 
denselben  mit  und  die  griechische  Wärme  und  der  Geist  wo- 
mit sie  gearbeitet  sind,  geht  verloren.  Die  Griechen  würduu 
die  Wände  mit  einem  enkaustischen  Anstrich  bekleidet,  die 
liömer  mit  Freskogemälden  geziert  —  und  die  herrliche  Kuost- 
epoche  unter  Kurf.  Maximilian  I  w^ürde  den  stucco  lustro  (oder 
Scajola)  angewendet  haben,  worüber  uns  der  ehemalige  Schimmel* 
saal,  welcher  zerstört  wurde,  ein  herrliches  Beispiel  gab,  und 
wovon  ich  noch  ein  herrliches  tableau  vom  Untergang  auf  dem 
Lechel(?)  gerettet  habe.  Da  Marmorbekleidung  zu  62  466  fl. 
10  kr.  freilich  weder  für  die  Ka.sse  eines  Kronprinzen  noch 
eines  Königs  begutachtet  werden  kann,  so  würde  ich  die  Wände 
mit  stucco  lustro  als  f.  immer  bestehend  bekleiden  lassen  und 
dadurch  wieder  die  ehemals  von  Max  I  gestiftete  u,  in  Wesso*- 
brunn  wohnende,  jetzt  ausgestorbene  Stuccatorenschulo  wieder 
zum  Lehen  erwecken,  welche  zur  Ausschmückung  ööentlicher 
Monumente  vieles  leisten  würde  und  bei  Erbauung  einer  Kirche 
auch  wieder  zweckmiissig  verwendet  werden  könnte.  Sowie 
dermal  die  Steinmetzkunst  durch  die  v.  £.  K.  U.  unternam- 
meuen  Gebäude  wieder  ins  Leben  g«*treten  ist/ 

Leider  verhallten  diese  durchaus  zutretenden  Worte,  und 
Glyptothek  wie  Treppenhaus  der  Pinakothek  und  einzelne  liäume 
der  Residenz  etc.  erhielten  jene  umso  widerwärtigere  Marmo- 
rierung in  Ölfarbe,  als  die  Ausfuhrung  flüchtig  und  schlecht, 
die?  Farbe  meist  ungünstig  gestimmt  idt.  Jm  übrigen  war  Dülia 
nicht  mehr  mit  der  Glyptothek  befmsüt,  indem  die  pla^ti^ehw 


Kranprint  Ludwig  von  Bauern  und  G,  Dütiir, 


449 


Angelegenheiten  jet«t  in  Wagners  Hand  laufen,  und  für  Dillis 
ihn  näher  berührende  Angelegenheiten  heranreiften,  nenilich 
der  Neubau  lilr  die  Gemäldesammlung. 


III.  Die  Pinakothek. 

Auch  wenn  König  Maximilian  nicht  selbst  und  der  Kron- 
prinz ganz  besonders  als  Geniäldesammler  grösseren  Stilas  auf- 
getreten waren,  würde  ein  Neubau  oder  erweiternder  Umbau 
der  Münchener  Galerie  notwendig  gewurden  sein.  Denn  weder 
Max  Einanuels  Galeriebau  zu  Schltiissbeim  noch  Karl  Theodors 
anspruchslose  Galerie  zu  München  konnte  trotz  Besetzung  der 
Schlösser  Dachau,  Neuburg  und  Nymphen  bürg  und  trotz  der 
reichen  Ausstattung  der  von  Kurfürst  Maximilian  I.  erbauten 
Residenz  nicht  mehr  genügen.  Die  Tausende  von  Gemälden, 
welche  seit  der  Verschraelzung  des  pfälzischen  Besitzes  mit 
dem  bayerischen,  durch  die  Verbringung  der  Mannheimer  Ga- 
lerie unter  Karl  Theodor,  durch  die  Versetzung  der  Galerien 
von  Zweibrücken  und  Düsseklorf,  dann  durch  die  Einverleibung 
der  Reichsstädte»  durch  die  Säkularisation  der  geistlichen  Stifter 
und  durch  die  Klosteraufhebung  von  Franken  bis  an  die  ita- 
lienischen Grenzgebiete  Tirols  in  München  zusamiuengeströmt 
waren,  konnten  nur  mehr  zum  geringeren  Teil  und  lediglich 
in  den  hervorragenderen  Stücken  zur  Auistellung  gelangen. 
Manches  lagert  sogar  noch  jetzt  in  den  Depots ^  obwohl  eine 
Unzahl  von  Kirchen  und  öffentlichen  Gebäuden  mit  den  de- 
korativen Bestandteilen  bis  auf  die  neuerliche  Erschöpfung  des 
Vorrates  ausgeschmückt  worden  ist. 

Der  König  kaufte  zwar  mehr  als  Liebhaber  besonders  im 
Gebiet  der  Niederländer  des  17.  Jahrhunderts  oder  auf  An- 
dringen der  Akademie  der  Ktlnste,  der  Kronprinz  aber  von 
vorneherein  zielbewusst  und  aus  eigener  Initiative,  mit  dem 
ausgesprochenen  Zwecke,  die  Lücken  auszufüllen,  welche  durch 
das  mehr  einseitige  und  planlosere  Sammeln  der  Vorgänger, 
trotz  der  reifen  Kennerschaft  der  Kurfürsten  Max  L  und  Max 
Emanuels  von  Bayern  wie  des  Kurfürsten  Johann  Wilhelm  ?. 


F,  r.  JltUr 


d.  Pfalz,  geblieben  wareru  Es  handelte  sieb  dabei  IwjsoihIm» 
um  die  bisher  vernachlässigten  Gebiete  des  italieniftchen  Quatro- 
und  Cinquecento  wie  des  deutschen  und  niederländiiscbeii  16.  Jnbr* 
bunderts. 

Im  ersteren  Gebiete  war  die  Kennerschaft  Dillia^  besonder» 
nützlich,  womit  sich  die  Hinneigung  und  auch  R^iseerfahrutig 
des  Kroi]i»rinzen  aufs  förderlichste  verband. 

Die  Tendenz  des  Prinzen  wird  uns  aus  der  Liste  der  an- 
gekauften wie  der  angestrebten  Gemälde  vollkommen  klar,  wo- 
bei im  allgemeinen  die  Wahl  die  vollste  Anerkennung  verdient 
Von  Venedig  aus  fragt  der  Prinz  am  8.  Dezember  1807,  ob 
Dillis  den  verkäuflichen  Tizian,  Beweinung  Christi,  kenne,  ob 
der  König  einen  Oiorgione  besitze  nnd  ob  ein  Lionardo  da 
Vinci  in  Mailand  zu  haben  sei.  Im  folgenden  .Jalkre  wird  dafi 
angebliche  Selbstbildnis  Raphaels^  wahrscheinlich  Bildnis  im 
Bindo  Altoviti,  aus  Casa  Altoviti  in  Pavia  um  50f)0  Zechinen 
(22  000  fl.),  welcher  Preis  am  30.  September  1808  nach  Florent 
abgeht,  für  den  Kronprinzen  erworben.  Gleichzeitig  beginiit 
die  Werbung  um  die  herrliche  Kaphaelsche  Madonna  aus  de» 
Hause  Tempi,  deren  am  21.  September  1808  zum  erstenmal 
durch  den  Kronprinzen  gedacht  wird  und  nach  welcher  der 
Prinz  stets  und  in  hundertmaliger  Wiederholung  als  Kronprinz 
wie  als  König  leidenschaftlich  begehrt.  Der  Besitzer  (March. 
Tempi)  wird  mehrfach  genannt,  man  war  jedoch  mündlich 
übereingekommen,  vom  Bilde  selbst  pa^udonjm  ala  der  »Tau* 
bin*  zu  sprechen,  da  damals  Brieferbrechung  und  ünterscbift» 
gung  nicht  selten  waren.  , Sehnend  girrt  der  Tauber»  schon 
lange  Über  die  Alpen  getlogen,  nach  der  Täubin^  dass  sie  ihm 
doch  endlich  folgen  möge.  Wenn  »(cbon  lange  nicbt  mehr  hin* 
geschrieben,  wiederholen  sie's  bald*  schreibt  der  Kronprinz  am 
14.  April  1812  aus  Innsbruck.  £s  wird  alles  aufgeboten,  An* 
walte,  Abbates,  Geliebte,  Hausverwalter,  Beiliente  der  Umgebung 
desMarchese  angerufen,  aber  erst  nach  /»wanzigjahrigem  "Werben 
gelangt  die  »Täubin',  deren  Name  sich  wie  ein  roter  Fadeii 
^durch  die  ganze  Korrespondenz  hinzieht,  in  den  Bei^itsc  im  b- 
z wischen  auf  den  Thion  gelangiuu  Beworbt^m.    En»t  am  9.  Fe- 


Kronprinz  Ludwig  eon  Bayern  und  G,  DUli^. 


451 


bruar  1828  hatte  Marchese  Tempi  das  Bild  am  15000  Fran- 
eeftconi  ^^  75 000  M.  abgetreten.^) 

Am  1.  Juni  1811  will  der  Kronprinz  Bescheid  Ober  eine 
„Ziügara^  von  Correggio,  kauft  io  Wien  (10,  Mär^  1815)  einen 
Tizian,  den  Nobile  mit  dem  Korallenkreuz (?),  in  Paris  1815 
eine  iJeihe  kostbarer  Werke  für  den  König»  bei  deren  Aus- 
wahl Dillis  beschäftigt  war  (^Murillo,  Thomas  von  Villanueva, 
Tizian,  Madonna  mit  Kind^  Francia,  Madonna  im  Kosenhag, 
Cima  da  Conegliano,  Maria  mit  Heiligen  und  11  andere),  wel- 
cher dann  eine  stattliche  Zahl  älterer  Italiener  folgte,  deren 
Preise  immerhin  interessant  sind.  Wir  lieben  hervor  Fiesole, 
der  Schmerzensmann  (?)  (26  Zechinen),  Fra  Pilippo  Lippi, 
Madonna  (155  Zech.),  Filippino  Lippi,  Christus  erscheint 
seiner  Mutter  (75  Zechet  Predella  dazu  (25  Zech.),  Botticelli, 
Beweinung  Christi  (155  Zech.),  Ghirlandajo,  Altarwerk  Ton 
S.  Maria  Novella  (510  Zech.)»  Lor.  di  Credi,  Anbetung  des 
Kindes  (105  Zech.),  Granacci,  Vier  Heilige  auf  4  Tafeln 
(200  Zech.),  Beccafumi,  Hl.  Familie  (550  Zech,)»  Pontormo, 
Madonna  (150  Zech,). 

Minder  erfreulich  sind  die  unrichtig  bestimmten:  Giotto, 
2  Tafeln,  je  fünf  Heilige,  jetzt  Spinello  genannt,  Starnina, 
Uccelli,  Baldovinetti,  Fiesole,  Pollajuolo,  Verrocchio  und  der 
mit  560  Zechinen  überzahlte  Ouercino.  Innerhalb  mehrerer 
Jahre  in  Florenz  und  Umgebung  erworben,  sind  alle  diese 
Bilder  1818  in  München  angekommen,  nach  Dillis'  Bericht  vom 
29.  August. 

Wie  der  Mann  mit  dem  Zirkel  aus  der  Schule  des  Jan 
V.  Eyck,  den  der  Kronprinz  1824  in  Nürnberg  hei  Dr-  Feust 
entdeckte,  Grünewald  heissen  konnte,  ist  schwer  zu  sagen,  zeigt 
aber,  wie  die  Kenntnis  der  Deutschen  des  15.  Jahrhunderts 
noch  im  Argen  lag.  Als  recht  betrüblich  aber  ist  zu  ver- 
zeichnen, dass  die  Erwerbung  des  Donischen  Ehepaars  von 
Raphael^   nach  brieFlicher  Mitteilung  des  Prinzen  vom  15.  De- 

*)  F.  Reber,  Dit*  Erwerbung  von  ItÄphaels  Madonna  Tempi  durch 
K5nig  Ludwig  1.    Jahrbuch  f.  MOnchtmer  Geschieht««  Ul,  168^,  S.  1-S4. 


452 


F.  r.  Iltber 


zember  1824  käuflich,  daran  scheiterte,  dass  der  Prin2  mit  der 
Prüfung  desselben  dd.  Würzburg,  15.  Dezember  1824  den 
M.  WagTier  in  Rom  beauftragte,  dessen  bedenklichem  urteil 
es  zuzuschreiben,  dass  die  zwei  Bilder  nicht  um  den  Preis  von 
4000  Sc.  (Brief  Metzgers  vom  14.  Februar  1820)  in  bajerischeu 
Besitz  gelangt  sind.  Der  Kronprinz  hatte  darüber  dd.  Würz- 
burg, 15.  Dezember  1824  geschrieben:  , Könnte  ich  doch  Über 
den  lieben  Dillis  ,  .  .  verfügen,  er  sässe  nach  Empfang  dieses 
Schreibens  im  Wagen  nach  Florenz  eilend,  aber  so  kann  ich 
es  nicht  einmal  wäuschen  des  Aufsehens  wegen  wie  des  \W- 
dinisses  oder  der  Unannehmlichkeit  die  ihm  und  mir  daraus 
entstehen  können.  Also:  wenn  Ihrer  Ansicht  nach  Wagner 
Gemäldekenner  ist  .  ,  .*  Jedenfalls  bleibt  die  versäumte  Ge- 
legenheit und  das  lahme  Urteil  des  Bildhauers  M.  Wagner 
ebenso  zu  beklagen  wie  bei  dem  oben  erwähnten  Verzicht  auf 
den  Diskobol  Massimi,  an  welchem  zum  grossen  Teil  der  Maler 
Dillis  die  Schuld  trägt,  wenn  er  sie  auch  auf  Rauch  abzu- 
wälzen gesucht  bat. 

Von  italienischen  Erwerbungen  folgte  dann  noch  in  der 
Zeit  des  Dillis  (Brief  des  Königs  Ludwig  L  von  Brückenau 
17.  Juli  1829)  die  Erwerbung  des  schwachen  Innoeenzo  da 
Imola  und  des  erfreulicheren  M.  Palmezzano. 

Dagegen  wurde  die  Ergänzung  von  klafibnden  Lücken  im 
Gebiet  der  altdeutschen  wie  der  rdtniederländischen  Kunst  ilureb 
ungewöhnliches  Glück  begünstigt.  Was  die  ersteren  betrifft, 
hatte  schon  Kurfürst  Maximilian  I.  seine  Sammlung  durch 
Sie  Erwerbung  Dürerscher  WVrke  geadelt,  von  welchen  vor 
^ihm  nur  die  ^Lucretia*  in  hei-znglich  bayerischem  Besitz  war 
*  "?inakothek).  Nun  hatte  der  Herzog  und  nachmalige  Kurfürst 
'*1C12  den  Puumgnrtnef^chen  Altar  (Pinakothek),  1613/4  den 
1G78  in  der  Kesidenz  verbrannten  Hellerschcn  Altar,  1627  die 
vier  Apostel  (l'inakothek),  Maria  mit  der  Nelke  (Gal«  Augs* 
bürg),  die  Beweinung  Christi  (Pinakothek)  und  das  Gebetbuch 
CaiHer  Maximiliane  (Bibliothek  in  München),  1628  das  Lein- 
wandbild ,  Herkules  und  die  stjmph&lischen  Vögel*  (Oerm«  Mu- 
seum zu  Nürnberg)  und  die  hl.  Anna  nelbdritt  (I8S2  verkauft) 


KrcmprinM  Ludwig  mn  Bayern  und  G,  DUlis. 


453 


I 


I 


wie   der   hl.   Hieronynius   und   drei   auf  eine   Schreibtafel   ge- 
zeichnete Köpfe  (verschollen)  erworben J) 

Seinen  Nachfolgern  niusste  dann  freilich  diese  Richtung 
unsjnipathisch  sein:  einem  Ferdinand  Maria,  der  die  italienische 
Kunst  des  17.  Jahrhunderts  bocbhielt,  einem  Max  Emanuel, 
den  niederländische  namentlich  vlämische  Werke  interessierten 
und  nach  den  sammlungsuDlustigen  Zeiten  eines  Karl  Albert 
und  Maximilian  III,  einem  Karl  Theodor,  der  wie  übrigens  auch 
sein  Nachfolger  Maximilan  IV.  ^  nachmals  König  Max  I. ,  von 
der  niederländischen  Kunst  der  hulländischen  des  17.  Jahr- 
hunderts den  Vorzug  gab. 

Wenn  1805  durch  König  Max  L  das  wundervolle  Selbst- 
bildnis Dürers  (Pinakothek)  von  1500  um  600  Gulden,  viel- 
leicht den  fünf  hundertsten  Teil  des  jetzigen  Wertes»  in  die 
kurfürstliche  Galerie  gelangte,  so  hatte  sicher  schon  der  Kur- 
prinz die  Hand  im  Spiele,  welcher  mit  seiner  klassizistischen 
Erziehung  eine  deutsche  Gesinnung  verband,  die  damals  kaum 
irgendwo  dni^tischer  zu  Tage  trat.  Denn  schon  damals  ent- 
standen bereits  die  Keime  zu  der  deutschen  Ruhmesstätte,  der 
Walhalla,  und  schon  1809  erwarb  auch  der  Kronprinz  zwei 
weitere  Bildnisse  Dürers  aus  dem  Praunschen  Kabinet  in  Nürn- 
berg, den  sog.  Hans  Dürer  und  das  Bildnis  des  Michel  Wol- 
gemut,  zusammen  um  350  Dukaten,  sodass  die  bayerische  Dürer- 
sammlung zu  München  als  erste  der  Welt  dastand.  Dillis,  dessen 
italienische  Richtung  bekannt  war,  scheint  dabei  nicht  zu  R^te 
gezogen  worden  zu  sein,  wenigstens  findet  sich  in  der  Kor- 
respondenz darüber  keine  Andeutung, 

Inzwischen  hatte  aber  die  Klosteraufhebung  wie  die  Ein- 
verleibung der  fränkischen  Lande  und  die  Säkularisation  der 
geistlichen  Stifter  einen  ausgedehnten  Zuwachs  an  anderen  frän- 
kischen und  namentlich  auch  an  schwäbischen,  ober  bayerischen 
und  ürolischen  Werken  ergeben.  Diesen  stand  freilich  jene 
Zeit  vorläufig  noch   ziemlich  ratlos  und  sogar   geringschätzig 


^  F.  Reber,   Kurfürst   Maxiiiülian   I    wU   Geiniildeaamraler,    Mön- 
chen 1893. 

ItKH.  StUgBb.  4.  phUoi^phUol  u.  d,  hiaL  KL  30 


451 


F.€ 


r,  TOinb  Pürat  WallfT- 
nnd  Cinqueeeiilo  | 
SlrSmuiig 
BednrangsD  trageo 
UniTenalat  Landgut  war 
nd  Diu»  iMtte  uadi  Scknrilm 
29.  Aagmat  183t  bndklel:  «Bd  »er  inir  diu^h  aller- 
BcÄnpi  im  26.  Asg.  fiberti^geoeii  Dnlenradituif 
uni  m  ttefaiiui  AibwU  der  auf  der  k*  üasrernlal  zu  Laods- 
hat  befiodfidieii  Oa^Ode  kake  kk  wMm  ein  lortreff  lickes  alU 
dMtadieaAliarbiU  mit  iwct  Flttgd-GeiDildeQ  angefunden,  itnd 
nebst  nocb  andern  40  Btldem  mr  Clierfiihntng  nach  Mancben 
Terpackt«  weleheB  wagen  ^ren  asagcseiclineien  Wert  zur  Auf- 
stellung in  der  Pinakothek  geeigiMi  ist  —  worüber  ich  aber 
erst  den  Kfinstler  dahier  werde  nikar  beetimmen  können.^  Daa 
Bfld,  zur  Zeit  dem  U*  ApI  sageackrieben,  worde  später  der 
CmTersitJit  M&neben  Jtnrikkgi^cbeo,  ist  jedoch  wieder  in  der 
Pinakothek,  auf  AnsocbeD  des  Verfnasers  ron  der  £igentümdrin 
auf  50  Jahre  geliehen.  Die  staatlichen  Klaetererwerbangen  aber 
^landen  ihre  Klärung  nnd  Ergänzung  doich  den  Übergang  der 
Fallersteinschen  Sammlung  in  den  Basita  das  Königs  Ludwig  L 
welcher  sieh  1828  um  den  Terfailinismaasig  g^iogen  Preis  ton 
54  000  Gulden  rolbog. 

Der  Kronprinz  hatte  nach  eiinem  Brief  an  DiUis  dd*  Din« 
kelsbühl,  6.  April  1823  die  Sammlung  im  Schlosa  zu  Dinkels^ 
Dülil  am  5.  April  d.  J,  besichtigt,  ohne  sich  weiter  darüber  zq 
^Hussem.  Erst  kurz  nach  seiner  Thronbesteigung  in  einer  am 
25.  Februur  1826  dem  Dillis  gewährten  Auditmz  sprach  er 
näher  duTon  und  zeigte  sich  zum  Ankauf  geneigt  , wegen  dfa$ 
ftchuneii  Holbein-BildniBses  des  grossen  Fugger [r]*.  Auch  traf 
er  schon  die  vorläufige  Bestimmung  das  Beste  in  der  Pinako- 
thek aufzustellen«  Au»  Übrige  nach  Nllrnberg  zu  bringen«  Dbiib 
c^s  2M;i,  sugti*  dtrr  König,  wohl  dvr  Mflhu  wert,  das  Inl&ndii9ch» 
nicht  auH  doTn  Lande  zu  la&sen.  Diese  Ausscheidung  wurde 
luch  nacb  dem  Kaufmbschluss  betätigt:  der  Anteil  der  Pi» 
uakotbek   konnte  freilich  erst  nach  V^ollendung  des  Oebiliidas 


Kronprinz  Ludmg  vcn  Bauern  umä  ü,  DUlis. 


I 


I 
I 

I 


zur  Aufi»telluDg  kommen;  der  Anteil  Nürnbergs  aber  wurde 
sofort  übergeführt.  Schon  am  13.  April  1829  berichtet  Diilis, 
dass  die  auflässige  Moritzkapelle  bei  S,  Sebald  in  Einricfitung 
begritten  sei,  und  am  18.  August  1H29  schreibt  der  König  von 
BrUckenau  aus  an  Dillis:  „Rühmen  hörte  ich  die  Wirkung  der 
Gemäldesammlung  Aufstellung  in  der  Moritzkapelle-  Die  Stadt 
richtete  ein  Dankschreiben  au  mich.*  Der  (jesamteindruck  war 
allerdings  ein  guter,  da  aber  die  Bilder  zur  üälfte  zwischen 
und  unter  die  Fenster,  z,  T,  über  Sehweite  kommen  mussten, 
war  eine  entsprechende  Besichtigung  im  einzelnen  ausge- 
schlossen, weshalb  es  später  (1876)  geboten  erschien,  dem  An- 
suchen der  Direktion  des  Germ.  Museums  in  Nürnberg  zu  ent- 
sprechen und  die  Gr-mälde  in  das  Museum  zu  versetzen. 

Von  noch  höherer  Bedeutung  wurde  die  ein  Jahr  früher 
vollzogene  Erwerbung  der  Sammlung  Boisseröe,  Die  könig- 
lichen Galerien  hatten  von  der  niederrheinischen  und  nieder- 
ländischen Kunst  des  15.  wie  vom  An&uig  des  16.  Jahrhunderts 
nur  sehr  wenig  bedeutendes  besessen,  wie  seit  Kurfürst  Max  I. 
den  Lucas  v.  Leyden,  die  Pieta  von  Q.  Massys,  die  Verkün- 
digung und  die  Anbetung  der  Könige  von  Bles,  die  Qeld^ 
Wechsler  von  Marinus  v.  Koymerswsle,  den  sterbenden  Isaak 
von  Hemessen,  Christus  als  Kinderfreund  von  Sellaer.  Dazu 
waren  später  gekommen:  Maria  mit  Heiligen  von  Q*  David, 
die  Danae  von  Gossaert,  die  Dreifaltigkeit,  Maria  und  der 
hl.  Rochus  von  Patinir,  der  Steuereinnehmer  von  Roymers- 
wale.  Durch  Kurfürst  und  König  Maximilian  aus  den  auf- 
gehobenen Stiftern  die  beiden  Woensam,  die  Anbetung  der 
Könige  von  Mostaert»  weniges  aus  den  pfälzischen  Samm- 
lungen ;  durch  Kauf  die  beiden  Coxiescheu  Kopien  der  Hubert 
V.  Eyck,  die  Gefangennehmung  Christi  von  D.  Boute  und  Jo- 
hannes der  Täufer  von  Memling.  Nun  bot  sich  in  dieser  Rich- 
tnng  mit  einem  Schlage  ein  Schatz  dar,  welcher  zwar  die  vier- 
fache Summe  der  Wallerstein-Sammlung  erforderte,  aber  auch 
hinsichtlich  des  Einzelnen  wie  des  Ganzen  von  entsprechend 
oberem  Werte  war. 

Mit  der  Einleitung  des  Kaufes   war  Dillis  befasst,   indem 


456 


K  V,  lieber 


er,   wie  es  scheint   mündlich ,   beauftragt  wurde,   die  in  StuitJ 
gart    aufgestellte   Samiölung   zu    besichtigen.     Er    kannte 
kein  rechtes  Verhältnis  zu  dem  Inhalt  der  Sammlung  gewoniüeiil 
haben,    denn    er    berichtet   an   den    König    anscheinend    Ende 
Juni  182()  folgeiidermassen :  ,Von  den  Hm  Boisseree  und  Ber*fl 
trara  habe  ich  einen  Brief  erhalten,  worin  selbe  die  Summe  fllr  ™ 
ihre  Sammlung  auf  280,000  ti.  feststellen,  auch  noch  eine  Ver-      i 
gütung  ihrer  Umzugskosten   beantragen.     Nach  meiner  unter- ■ 
nommenen   Schätzung  beläuft  sich   der  Werth   der   vorzüglich 
zum  Erwerb   geeigneten  Oemälde   auf  U»7,000,    demnach    mag 
sich  der  Wert  des  Ganzen  auf  21Ü;000  fl.  belaufen.    Nach  meiner 
Ansicht  dürfte  bei  Vermehrung  einer  schon  zahlreichen  Samm-  i 
lung   eine   zu   treffende  Auswahl   jedesmal    das  z  wec  km  aasigste  J 
Prinzip   sein  .  .  .*      Wenn   aber   die  Dillisschen  Konzepte 
6,  August  1836  als  auszuwählen  vorschlagen: 

n**  Ift.  19,  Meister  Wilhelm  2  grosse  Altarbilder  je  4  Hei 
lige  [M.   V.   Heisterbach] 

n°  56  Gerard  v.  Harlem.  Rulie  auf  der  Flucht, 

119.  120.   121   Walter  V.  Assen  Mittelbild:  Kreuzabnalime ' 
Flügel:  Abt  Hugo  u,  S.  Katharina  [Meister  v.  Frankfurt] 

122  Job.  V.  Calcar  schmerzhafte  Mutter, 

132  Meiern  Selbstbildniss 

141  Schwarz  v,  Groningen.  Anbetung  der  Könige, 

142  Bernh,  v.  Orley  Norbert  u.  Tanchlin, 
so  erscheint  die  Auswahl,  wenn  sie  überhaupt  im  Konzept  voll- 
ständig,  unbegreiflich,  da  dies  fast  durchaus  minderwertige  und  ■ 
keinesfalla  dem  Preise  von  167  000  Gulden  entsprechende  Bilder      > 
sind.     Die  Hauptstüeke  von  Uogier,  Bouts  und  Memling.   von 
Lochner,  vom  Mei!:$ter  des  Marienlcbeos,  des  hl,  Bartholomäus 
und  des  Todes  der  Marin  aber  fehlen. 

Dies   konnte    die  Entschliessung  des  Königs  zum  Ankauf 
nicht  fördern,  und  Dillis  war  daher  auch  schon  vor  AufsteUung  | 
dieser   Liste   ermilchtigt   worden,   in   einem    Briefe   an   Melch, 
Boisscree    vom  4,  Julf   1826   so  viel   wie  abzuschreiben.     Der  | 
Brief  aber  lautete;   »Bei  meiner  glücklicheo  Ankunft  in  MOn- 
eben   und  auf  den  an  S.  M^estat  enttalieten  Bericht  Über  Aw\ 


Eranpring  Ludwig  von  Baffem  w^ä  G,  JHUU,  457 

genommene  Einsicht  Ihrer  ausgezeichneten  Gemäldesammlung 
und  der  Details  Ihrer  gegenwärtigen  Verhältnisse  und  in  Er- 
wägung, dass  die  Herrn  Besitzer  mit  dem  Verkauf  derselben 
nicht  beeilt  sind  —  geruhten  Seioe  Majestät  zu  antworten,  dass 
AUerhüchstdiesülben  diese  Verhältnisse  in  Erwägung  bringen 
und  deshalb  für  den  gegenwärtigen  Zeitpunkt  in  keine  defi- 
nitive Unterhandlung  eingehen  wollen/ 

Der  König  wollte  indes  die  Ablehnung  keineswegs^  wie 
aus  einem  Schreiben  an  Dillis  dd.  Aschaffenburg,  15.  August 
1826  hervorgeht:  ,Wie  denken  Sie,  dass  es  anzufangen  ohne 
die  ganze  Boisseree'sche  vSammlung  zu  kaufen,  die  Vervollstän- 
digung der  Alten  Teutschen  Maler  zu  bewirken?  Wenns  da- 
mit bis  zu  meiner  Rückkehr  im  Herbst  Zeit  hat,  denken  Sie 
darüber  nach  einstweilen,  um  mir  dann  mündlichen  Antrag  zu 
machen.  Nicht  als  Handelsmann  dächte  ich  wäre  zu  rechnen, 
darum  selber  über  Werth  bezahlt  dennoch  ftlr  des  Zweckes 
Erreichung  nicht  zu  theuer,* 

Am  19.  August  1H26  antwortet  DiUis;  ^Mit  der  Vervoll- 
ständigung der  altniederdeutschen  Schule  aus  der  Boisser^'- 
sehen  Sammlung  hat  es  Zeit,  bis  wir  wieder  das  Höchstorfreu- 
liche  Glück  geniessen^  Euer  K.  Majestät  in  unsem  Mauern  zu 
verehren.  Vorläufig  schicke  ich  noch  den  Wunsch  voraus,  das« 
nebst  den  fehlenden  Meistern  auch  ein  vorzügliches  Gemälde 
von  Van  Eyck  und  noch  eine  Perle  von  Hemling  zum  Erwerb 
bestimmt  werden  mochte." 

Dillis^  ablehnende  Haltung  wie  seine  Wahl  wäre  geradezu 
unbegreiflich,  wenn  man  nicht  seine  ausschliesslich  italienische 
rtichtung  in  Betracht  zöge,  abgesehen  von  dem  Umstand,  dass 
er  auf  Künstlernamen  Wert  legt©  und  darum  namenlose  Werke, 
wie  die  meisten  Kölner  und  einige  ältere  Niederländer  es  selbst 
noch  heutzutage  sind,  trotz  ihrer  höheren  Qualität  vemachlfissigte. 

Unter  den  folgenden  Notizen  Dillis'  über  die  mündlichen 
Aufträge  des  Königs  findet  sich  unterm  26.  Januar  1827  die 
nicht  völlig  klare  Notiz:  ,Neue  Auftriige  zum  Ankauf  der  Ge- 
mäldesammlung bei  den  Hm  Boisser<§e  in  Stuttgart,  veranlasst 
durch  Freiherm  v.  Cotta.'' 


F,  f?.  Meber 


Es  katu  glücklicherweise,   ohne  dass  die  vorliegend«  Kor^ 
respmidcnz  darüber  ein  weiteres  Wort  bringt,  zum  TotHJankaiifl 
der  öanimlung.  Am  4.  Juli  1827  schreibt  Dillis:   ^Kauui   battej 
ich  die  50  Kisten  der  von  E.  K.  M.  angekauften  und  hieber- j 
gebrachten   Boisser*^e^schen  Gemäldesammlung  in  Schieissheim,  | 
so  kam  der  Engländer  Calcott  mit  seiner  Frau,  einer  geh,  Gra- 
ham   und    durch  Bücher    berühmten  Frau  hier  an.     Ob  die  in 
Schleiasheira  befindlichen  Bilder  ihnen  gezeigt  werden  dürfen?! 
.  ,  .*    Mit  dieser  Anfrage  wird  zugleich  die  Anfrage  verbunden, 
^ob  diese  Sammlung,  welche  in  einigen  Tagen  voUstündig  aus- 
gepackt sein  wird,  auch  so  aufgestellt  werden  dürfte^  da»  selbe 
dem  Besuch  des  Publikums  geöflnet  bleiben  könnte?* 

Die  Briefe  des  Königs  aus  dieser  Zeit  fehlen  und  zwar  bis 
31*  Dezember  1828.    Doch  lässt  ein  Schi'eiben  Dillis^  vom  An- 
fang August  1827  schliessen,  dass  der  König  bezüglich  der  g^i- 
sonderten  Aufstellung  der  Boisser^e-Sanimlung  noch  nicht  im  f 
Jvlareu   wan     ,E.   K.  M.    haben   durch   Allerhöchstdero   Kabi*  j 
netsrat  Y.  Kreutzer  mir  aufzutragen  geruht,  eine  Kostenberech- 
nimg aufzustellen    für  Versetzung   der  Boisser^e-Galerie    nachj 
Landshut  und  Aufstellung  im  dortigen  k.  Schlossgebäude,  und] 
zugleich  die  Kosten  der  Autstellung  in  SchJeissheim  zur  aller- 
höchsten Kenntnis  zu  bringen/'^  Nachdem  Dillis  dann  die  Kosten 
der  Wiederverpackung,  des  Transportes  und  der  Aufstellung  auf 
1200  fl.  berechnet,  die  der  Aufstellung  in  Schleissbeim  dagegen 
auf  300  fl.,   widerrät  er  die  Versetzung  nach  Landshut;    ,Den| 
so  zart  ausgeführten  Gemälden  der  niederdeutschen  Schule,  wel- 
che auf  Holz   gemalt  sind,    kann   das  öfters  wiederholte  Ein- 
und  Auspacken  nicht  zuträglich  sein  —  sie  sind  mehr  als  an- 
dere Gemälde  gefahrrollen  Einflüssen  und  bei  aller  möglichen 
Sorgtalt    noch    vielen    unvorhergesehenen    ünnUleu    ausge^eUi» 
und   es  ist  sehr  schwer    gegen  selbe  eine   beruhigende  Bürg- 
schaft zu  leisten  .  .  / 

Nach     diesen    beiden    wichtigen    Masst^nerwiTliungen     er- 1 
^heinen  in  der  DilÜKHchen  Korras]jondunz,  welcher  nur  wenige 
Handschreiben  des  Königs  eu  Grunde  liegen,   nur  noch  Ter- 
einzelte  Erwerbungen  für  die  Pinakothek,  worunter  die  wieb*] 


Kronprim  Ludwig  eon  Baifern  und  G.  Dülis, 


459 


tigste  auch  zeitlich  obenansteht ^  nemlich  Pietro  Perugino,  die 
Vision  des  hl.  Benihard  aus  der  Casa  Ercolani  in  Bologna, 
nach  Mitteilung  Metzgers  an  DUlis  Tom  27.  Oktober  und  Ant- 
wort Dilliü'  vom  3.  November  um  3000  Francesconi  (Floren- 
tiner Scudi)  weit  unter  dem  Werte  gekauft.  Darauf  folgte 
(minder  frlücklich  um  550  Luisd^or  erworben)  Albertinellis  Ver- 
kündigimg (Briefe  Dillis'  an  den  König  vom  29.  Juni  1832  und 
vom  8.  Agust  1832),  der  schöne  kleine  Francia  aus  der  (xalerie 
Zambeccari  in  Bologna  von  dem  Kronprinzen  Maximilian  ge- 
kauft und  der  Pinakothek  geschenkt  (Brief  Dillis'  an  den  König 
vom  4.  Januar  1833)  und  M,  Basaitis  Kreuzabnahme  nach  Dillis' 
Brief  an  den  Agenten  Ant.  de  Cornet  in  Venedig  vom  5.  Juli 
1839  um  6000  fcs  erworben.  Mit  diesem  Jalir  endigen  über- 
haupt die  Konze]»te  und  Notizen  des  am  28.  September  1841 
verstorbenen  Qaleriedirektors. 

Schon  vor  der  Unterzeichnung  des  Befehls  (31,  Dezember 
1805)  die  Düsseldorfer  Galerie  nach  München  zu  verbringen, 
war  die  Unmöglichkeit  offensichtlich  gewesen,  den  Zuwachs  der 
kurfürstlichen  Oemäldesamnilung  in  dem  traurigen  alten  Ge- 
bäude unterzubringen,  welches  Kurfürst  Karl  Theodor  an  der 
Nordseite  des  Hofgartens  hatte  erbauen  lassen  und  welches 
unter  Auflässigmachung  der  südlichen  Räume  des  Erdgeschosses 
als  öffentliche  Arkadenpronienade  noch  jetzt  im  wesentlichen 
besteht,  z.  Z.  benutzt  für  die  Qipssanimlung  klassischer  Bild- 
werke wie  für  die  ethnographische  Sammlung.  Galeriedirektor 
Männlich  hatte  um  1804  eine  Erweiterung  geplant,  von  welcher 
Grundriss  und  Obergeschossplan,  Querschnitt  und  Aussenansicht 
bei  den  Akten  der  Pinakothek  liegen  und  welche  kunst-  und 
muaeumgeschichtlich  interessant  genug  sind  in  der  Beilage  zur 
Veröffentlichung  zu  gelangen.  Angesichts  dieser  Entwürfe  kann 
«6  nur  als  ein  Glück  bezeichnet  werden,  dass  der  Umbau*  wel- 
cher das  Gebäude  um  zwei  Querschiffe  verlängerte,  nicht  zur 
Ausführung  kam.  Die  öden  verhältnismässig  niedrigen  Längs- 
fluchten ohne  jede  Mittelbildung  würden  gerade  durch  die  dem 
Karl  Theodorbau  anzufügenden  schwertaUigeii  Transseptt^  mit 
ihren  riesigen,  60:35'  messenden  Inschrifttafeln,  welche  viermal 


160 


K  ü,  Beher 


wiederholten,  dass  Kurfürst  Max  Joseph  den  bildenden  Künsten] 

dieses  (traurige)  Denkmal  weihte^  der  Gestaltung  der  nachma-  \ 
ligen  Ludwigstrasse  wie  der  Galeriestrasse  ein  schweres  Minder- J 
nis  bereitet  und  künstlerisch  noch  unter  der  etwa  gleichzeitigen 
Hofgartenkaserne   gestanden  haben,    welche  jetzt  dem  Armee- 
museum  Platz  gemacht  hat. 

Der  Kronprinz  hatte  dann,  wie  aus  den  bereits  angezo- 
genen Briefen  desselben  aus  Pultusk  und  Kolaki  vom  17.  Mai 
und  vom  27.  Juni  1807  hervorgeht,  an  den  Sulabert-G arten 
(nachoials  Prinz  Karl-Garten),  welchen  damals  der  König  käuf- 
lich erworben,  für  einen  Galerie-Neubau  gedacht;  doch  ruhte 
die  Sache  weitere  15  Jahre. 

Erst  am  19,  März  1822  erfolgte  ein  erneuter  Antrag  der 
K.  Galeriedirektion  auf  einen  Erweiterungs-  bezw,  Neubau  der 
Galerie.  Am  31.  März  gab  das  Ministerium  des  Innern  die 
Angelegenheit  an  das  FinanzrainJsterium  hinüber,  welches  am 
20.  April  erklärte,  dass  sich  die  Direktion  Ober  den  Umfang 
des  Bedürfnisses  in  näheres  Benehmen  mit  dem  K.  Hof  bau- 
Intendanten  Klenze  setzen  wolle,  welchem  gleichzeitig  der  Äiw  I 
trag  zur  Ausarbeitung  und  Vorlage  eines  vollständigen  Bau- 
planes und  der  Kosten  Voranschläge  zuging. 

Der  auf  die  bezügliche  Entschliessung  des  Ministeriums 
des  Innern  vom  1.  Mai  erfolgte  von  dem  Hofbau-Intendanten 
Klenze  und  dem  Galerie-Direktor  v.  Dillis  gemeinschaftlich  aus- 
gearbeitete Bericht  vom  1.  Juni  machte  geltend,  dass 

i»l)  weder  das  derraalige  Galerie-Gebäude  noch  der  Platz 
desselben  zu  vorliegendem  Zwecke  anwendbar  sei,  denn 

a)  sei  die  Lage  des  Gebäudes  zwischen  dem  Uocb walle  des 
Palais  Royal-Qartens  [SaJabert-Gartens]  und  den  Baurareihen 
des  Hofgartens  so  ungünstig  und  feucht,  djiss  die  lIauptmaut»ro 
schon  vom  Salpebrfra^se  angegriffen  und  hi^von  nicht  mehr 
zu  heilen  sind; 

b)  würde  dieser  Galerie   das  nötige  Licht  zu  geben,   Ar- 
beiten erfordern  >  welche  rüeksicbtlich  der  Küsten  einem  Neu-  | 
haue  fast  gleich  kämen. 


KronprinM  Ludwig  von  Boffem  und  0.  DiHis. 


46T 


c)  hätte  der  Platz  doch  nie  die  Breite,  welche  eine  Ga- 
lerie nach  den  wahren  Erfordernissen  haben  müsse, 

d)  wäre  durch  einen  Ban  an  dieser  Stelle  wenig  oder  nichts 
für  die  so  nötige  Verschönornng  und  Vervolktändigung  der 
Stadt  gewonnen,  und  endlich 

e)  dürfte  das  Lokal  der  jetzigen  Galerie  nach  Erbauung 
einer  neuen  Galerie  oder  Pinakothek  ein  sehr  passliches  Lokal 
für  Kupferstiche,  Handzeicbnungent  Elfenbeine  und  ethnogra- 
phische Seltenheiten  abgeben, 

2)  Dagegen  biete  der  Garten,  welcher  jüngst  von  dem  Ge- 
neral Grafen  Anton  von  Rechberg  an  den  Banquier  von  Hirsch 
verkauft  worden,  einen  geeigneten  Platz  zur  Erbauung  einer 
neuen  Galerie  dar  und  derselbe  stehe  zu  diesem  Zwecke  um 
den  nemliehen  Preis  zu  Geljote,  welchen  v.  Hirsch  dafür  be- 
zahlt hat  [jetzt  Oebäudekoniplex  zwischen  Briennerstrasse  und 
FinkenstrasseJ.  * 

Die  Antwort  darauf  erteilte  das  Ministerium  des  Innern 
am  15.  Juni  ausweichend:  es  habe  bei  seinen  bisherigen  An- 
trugen über  diesen  Gegenstand  stets  nur  eine  Erweiterung  der 
schon  stehenden  Galerie  vor  Augen  gehabt  und  hielte  sich  nicht 
r[\r  berechtigt,  dem  Staate  unter  den  jetzigen  Verhältnissen  so 
bedeutende  Opfer,  wie  sie  ein  völliger  Neubau  erfordern  dürfte, 
zuzumuthen,  so  lange  nicht  eine  ganz  dringende  und  auf  an- 
dere Weise  nicht  zu  beseitigende  Notwendigkeit  dieselben  er- 
heischt; allein  durch  den  Bericht  der  Hofbau-Intendanz  und 
der  Galerie-Direktion  sei  die  Sache  von  einer  andern  Seite  be- 
leuchtet worden.  Die  Entscheidung  zwischen  der  früher  bean- 
tragten Erweiterung  der  Galerie  und  dem  jetzt  vorgeschlagenen 
Neubau  hänge  von  Vorfragen  ab»  welche  nur  von  Etinstlern 
und  sachverständigen  Technikern  geUist  werden  könnten  und 
das  Ministerium  des  Innern  müsste  hiebei  wieder  auf  das  Gut- 
achten derjenigen  zurückkommen,  von  denen  der  neue  Vorschlag 
herrührt,  wonach  in  der  Hauptsache  ein  anderes  Resultat  als 
das  schon  vorlieg*^nde   mit  Grund   nicht  wohl  zu  erwart<^n  sei» 

Das  Ministerium  des  Innern  unterstellte  es  daher  der 
näheren    Erwägung  des   Finanzministeriums,    ob    die  Hof  bau- 


462 


F.  V.  lieber 


Intendanz  zur  Anfeiiigung  vollständiger  Pläne  und  Kc 
Überschläge  filr  eines  oder  beide  Projekte  angewiesen  und 
hienach  wegen  Auffindung  der  Mittel  zum  Ankauf  des  tc 
geschlagenen  Platzes  und  zur  Führung  des  Baues  überhaupt 
"Ugt  werden  wolle.  Sollten  dann  für  einen  Neubau  über- 
wiegende Gründe  sprechen,  so  erachte  das  Ministerium  des 
Innern  diesen  Gegenstand  in  Rücksicht  des  Staatsaufwands  wie 
in  Beziehung  auf  Kunst  und  öffentliches  Urteil  für  so  wichtig, 
daas  es  die  Akademie  der  Künste  in  Folge  der  Bestimmungen 
ihrer  Verfassung  Art.  XXII  und  XXXIV  n**  i  darüber  zu  ver- 
nehmen sich  vorbehalten  müsse. 

Der  König  war  jedoch  bereits  für  den  Neubau  gewonnen. 
Denn  der  Kronprinz  schreibt  dd.  Würzburg,  25.  Juni  1822  au 
Dillis:  »Wie  freut  mich,  dass  S.  Majestät  der  König,  wie  er 
mir  selbst  schrieb,  für  das  neue  Qaleriegebäude  sich  entschieden, 
innig  hänge  ich  daran,  dass  aus  der  Grundlage  neu  gebaut 
werde,  Flickwerk  widerstrebt  meinem  Wesen,  Freunde' 
hat  dieses  wie  Feinde  jenes  genug,  aber  festgehalten,  Dillis, 
an  meinem  Dillis  werden  alle  Versuche  zum  Gegenteil  ihn  zu 
bewegen  vergebens  sein/  In  einem  weiteren  Briefe  dd,  Brücken<-j 
au,  19.  Juli  1822  beschäftigte  sich  der  Kronprinz  sogar  schoal 
mit  den  12  kolossalen  Künstlerstatuen,  die  nach  Klenees  Vor- 
schlag an  dem  Neubau  augebracht  werden  sollten,  und  schlug 
vor:  Ciraabue  oder  Giotto  oder  Ghirlandajo,  Raphael,  Buona- 
rotti,  L*  da  Vinci,  Correggio,  Tisdan,  Jan  van  Eyck.  Martin 
Sehi>n  oder  Memling  oder  Scorel,  A*  Dürer,  Rubens,  Velaz- 
quas,  welche  Liste  Dillis  dahin  verbesserte,  daas  er  für  Cima- 
bue  Maaaecio,  für  M*  Schön  Holbein  setzte. 

Nach  weiterem  Hin  und  Her  zwischen  den  Ministerien  der 
Finanzen   und  des  Innern  vom  1.  und  8.  Juli  1822   hatte 
Ministerialrat  Freiherr  v.  Stengel  am  24.  Juli  ein  eingehend 
Referat  ausgearbeitet,  in  welchem  er  der  Adaptur  und  Erwei- 
terung des  alten  Baues  djis  Wort  redete  und  die  5  Punkte 
kämpfte,  welche  Dillia  und  Klenxe  gegen  diesen  Neubau  ins  Feld 
geführt  hatten.     Es  sei  das  ErweiteruDgsbedürfni»  noch  nichkJ 
feortgeatellt,    da    noch   kein    Plan   der   auf/.unehmandrn    Bilder J 


Kronprinz  Ludwig  wm  Baffem  und  Q,  DiUis, 


463 


erfolgt  Bei.  Was  dano  die  Feuchtigkeit  betriflPb,  so  sei  ja  der 
Hoclivvall  des  SaIabert(Palais  Royal) -Gartens  abzuheben  und 
die  nächste  Baiimreihe  des  Hofgartens  zu  ejiifernen.  Übrigens 
befanden  sich  die  Bilder  auch  jetzt  schon  in  gesundem  Zustande 
und  der  Bericht  Dillis-KIenze  schlage  sogar  vor,  die  dennalige 
Galerie  zur  Aufbewahrung  von  Handzeichnungen»  Kupferstichen 
etc.  zu  verwenden,  wozu  doch  gewiss  kein  feuchtes  Lokal  ver- 
wendbar sein  würde.  Wenn  femer  die  dermalige  Galerie  zu 
schmal  sei,  so  brauche  sie  ja  nicht  durch  den  Salabert-Wall 
und  durch  die  nächste  Baumreihe  des  Hofgartens  beschrankt 
zu  bleiben.  Über  die  Behauptung  aber,  dass  um  der  derma- 
ligen  Galerie  das  erforderliche  Licht  zu  geben  Arbeiten  erfor- 
derlich wären,  welche  rücksichtlich  der  Kosten  einem  Neubau 
gleich  kämen,  lässt  sich  nicht  urteilen  ohne  Pläne  und  Kosten- 
voranschiäge.  Die  Ausgabe  eines  Neubaues  käme  sicher  auf 
eine  Million  Gulden  und  darüber,  welchen  ein  jährlicher  Land- 
bauetat für  das  ganze  Königreich  zu  84d000  gegenübersteht» 
Er  wisse  dass  es  sich  um  eine  wahre  National -Angelegenheit, 
um  die  würdige  Aufstellung  eines  Kunstschatzes  handle,  auf 
welchen  Baiem  mit  Hecht  stolz  ist.  Wenn  aber  der  Zweck 
auch  durch  eine  Erweiterung  der  gegenwärtigen  Galerie  er- 
reicht, und  zwar  schon  in  3  Jahren  statt  erst  in  8  —  10  Jahren 
durch  einen  Neubau  und  überdiess  dabei  eine  halbe  Million 
Gulden  erspart  werden  könnte!  Denn  die  Erweiterung  würde 
nicht  über  ein  Drittel  hinauszugehen  brauchen  und  wäre  in 
Flügelbauten  gegen  den  Salabert-Garten  hin  über  dieses  Maass 
hinauszuführen.  Die  Galeriestrasso  würde  dem  allgemeinen  Ge- 
brauche, wofür  sie  ohnehin  entbehrlich,  entzogen  und  die  Ga- 
lerie käme  unmittelbar  zwischen  Hof  garten  und  Salabert-G  arten 
zu  stehen  ohne  von  dem  einen  oder  andern  ♦lureli  eine  öffent- 
liche Strasse  geschieden  zu  sein.  Wo  könnte  eine  Gemäldegalerie 
zweckmässiger  stehen,  als  hier,  an  dem  beliebtesten  Erholungs- 
platze der  Bewohner  Münchens  und  doch  entfernt  vom  Staube  der 
Strassen,  von  allen  geräuschvollen  und  feuergefahrlichen  Ge- 
werben, umgeben  von  grossen  öffentlichen  Plätzen  und  Anlagen, 
worauf  niemals  neue  Privat-Gebäude  entstehen  können! 


464 


F.  r.  Jtefttff 


Dem  Referenten  entgegengesetzt  Terhielt  sich  der  Kor- 
ref€*rent  Generaldirektor  Ton  Neumayer  in  seinen  am  30,  Juli 
1822  gegebenen  Bemerkungen  zu   Frhr.  tr.  Stengels  Vortng« 

Durch  einen  Vorbau  an  der  Hofgartenseite  würde  die  Sym* 
tnefcrie  der  Anlage  des  letzteren  geschädigt^  welche  man  rieU 
mehr  heben  und  dadurch  restituieren  sollte,  dass  die  Munificeoz 
der  Regierung  die  vier  Fontänen^  die  ein  technischer  Beamter 
mutwillig  zerstört  hat,  wieder  herstellt.  Die  Kosten  des  Süd- 
Anbaues  würden  sich  yerdoppeln  durch  die  FlOgelbauten  gegen 
den  Salabert-Oarten  hin  wie  die  hier  nötigen  Erdafahebungen. 
Auch  würde  während  der  dreijährigen  Umbauzeit  der  Oemälde^ 
mhair.  abgenommen  und  eingepackt,  somit  dem  Publikum  ent- 
zogen werden  müssen,  was  beim  Bau  einer  neuen  Galerie,  auch 
wenn  er   10  und  20  Jahre  dauerte,  nicht  der  Fall  wäre, 

Korreferent  ist  daher  der  Meinung,  dass  die  vorgeschlagene 
Erweiterung  des  Galeriegebäudes  nicht  stattfinden  sollte,  und 
das»  in  dem  Falle,  wenn  der  Neubau  einer  Gemäldegalerie  an 
einem  andern  Platze  aus  finanziellen  Rücksichten  nicht  angehen 
kann«  es  geratener  sei,  die  Sache  vorderhand  un verrückt  beim 
Alten  zu  lassen. 

Der  Gedanke  eines  Neubaues,  wenn  auch  nur  zur  Vor- 
bereitung der  Sache  verdiene  dennoch  nähere  Entwicklung  und 
Prüfung. 

Dabei  sei  aber  das  erste,  einen  Platz  zu  bestimmen,  auf 
welchem  die  Galerie  erbaut  werden  solle.  Denn  ein  Plan  Über 
den  Aufbau  kann  nicht  bearbeitet  werden,  bevor  nicht  den 
Künstlern  der  bestimmte  Platz  gegeben  ist,  und  da  kein  Grund 
sei  in  den  bezüglichen  Vorschlug  ,30  bewährter  und  hier  ganz 
kompetenter  Künstler*  (Dilüs  und  Klenze)  Misstraucn  zu  setzen 
„so  bin  ich  der  Meinung,  dass  der  Garten  des  Banquier  von 
Hirsch  sogleich  erkauft  werden  solle*,  bei  welchem  vorteil- 
haften Kaufe  dem  Staat,  auch  im  Fall  des  Niehtzustendekom- 
mens  des  Galeriebaues,  kein  namhatter  Schaden  entstehen  könne. 

r    '»:♦'     und  V.  K^     -      lu'en  dann  zur  Planherstp!'  nrl 

sn  A  iLug  der  ischläge,  ?.  Dillis  zur  A>  ^ 

der  in    Betracht  kommenden   Gemäldeli^en   nebst  Di^po^atiou 


Kronprint  Ludwig  tton  Baijern  und  6,  DUlis, 


465 


aufzufordern,  wobei  die  Auswahl  eher  zu  liberal  ak  zu  streng 
rorzunehraen  sei*  Dann  erst  würde  es  Zeit  sein  das  ßutacliten 
des  angeordneten  Kuustkomitüs  zu  erholen. 

Das  K.  Staatsnvinisteriuni  der  Finunxen  neigte  sich  dem 
Referat  seines  Generaldirektors  zu  und  bescbliesst  den  Ankauf 
des  V.  Hirsclischen  Anwesens  bei  S*  Maj,  dem  König  auf  alle 
Falle  zu  beantragen,  überhi-sst  aber  in  der  Note  vom  2.  August 
1822  die  Entscheidung  über  die  Sache  selbst  dem  Ministerium 
des  Innern,  dem  es  allein  zukomme»  bestimmt  auszusprechen, 
ob  selbes  eine  Veränderung  der  vielfiiltig  zerstreuten  Gemälde 
und  eine  zweckmässigere  Aufstellung  derselben  für  notwendig 
erachte,  ob  selbes,  um  diesen  Zweck  zu  erreichen,  eine  blosse 
Erweiterung  des  gegenwärtigen  Galerie-Gebäudes  für  genügend 
ansehe,  oder  den  Bau  einer  neuen  Galerie  auf  einem  anderen 
Platze  vorziehen  zu  müssen  glaube  •  ,  .  Die  beiden  Berichfc- 
geber  v.  Dillis  und  v.  Klenze  seien  nochein  mal  anzuweisen  mit 
wohlerwogenem  Gutachten  zugleich  Pläne  mit  genauen  Kosten- 
Voranschlägen  vorzulegen,  letztere  in  doppelter  Beziehung, 

a)  in  sofeme  blos  eine  Erweiterung  des  gegenwärtigen 
Galerie-Gebäudes  oder 

b)  die  Erbauung  einer  ganz  neuen  Galerie  an  einem  an- 
dern Platze,  nemlich  in  dem  zunächst  für  diesen  Zweck  er- 
kauften  Garten   des  Banquiers  v.   Hirsch   beliebt   werden   soll. 

Nach  Eingang  dieser  sei  dann  das  Gutachten  des  Kunst- 
komites  zu  erholen  .  ,  .  Freiherr  v.  Stengel  überreichte  am 
gleichen  Tag  (2.  August  1822)  noch  einen  Nachtrag  zu  seinem 
Referate,  um  u.  a.  auszuführen,  dass  von  einer  Schädigung  des 
Hofgartens  nach  seiaeni  Beiträte  schon  deshalb  nicht  gesprochen 
werden  könne,  da  der  Umbau  vielmehr  eine  neue  Zierde  des- 
selben werden  könne. 

Wie  aber  die  Referate  im  Finanzministerium,  so  gehen, 
nach  vorheriger  Einhelligkeit,  nun  auch  die  Anschauungen  des 
Galeriodirektors  und  des  Architekten  auseinander.  Der  erstere 
ist  mit  dem  vorgeschlagenen  Bauplatz  (dem  v.  Hirschschen  An- 
wesen zwischen  BneMuor-  und  Finkenstrasse)  unzufrieden  und 
entwickelt   dafür  emphatisch   den   Gedanken   an    den    Umbau. 


466 


Jl^.  JMer 


Yerschiedene  Eonzeptfragmente  sind  leider  undatiert,  teDlft 
ohne  Adresse.  In  diese  Zeit  aber  müssen  einigo  Konzepte  fallen, 
welche  in  Beziehung  stehen  zu  dem  ministeriellen  Auftrag  Tom 
21.  August  1822,  die  aufzustellenden  Gemälde  und  deren  An* 
Ordnung  namhaft  zu  machen,  die  Zahl  der  Säle  and  die  Qrikm 
der  Wandflächen,  die  hiezu  erforderlich»  zu  bestimmen  und 
in  Erwägung  zu  ziehen,  ob  das  alte  Öaleriegebäude  ganz  oder 
teilweise  zur  Ausführung  dieses  Planes  benutzt  werden  könne. 
Schon  ein  Konzept  an  den  Kronprinzen,  unten  mit  dem  Zusatz 
»Unabgesandt*  (vom  15.  August  1822?),  lässt  eine  entbchieden« 
Stellungnahme  gegen  Klenze,  auffUllig  nach  dem  einhelligeii 
Vorgehen  am  I.Juni  1822,  erkennen.  «EbenfaUs  habe  ich  bei 
meiner  Ankunft  erfahren,  dass  der  Antrag  zu  einem  neuen 
öaleriegebäude  zu  Jedermanns  Kenntnis  gekommen  ist,  dass 
man  die  gewählte  und  bereits  erkaufte  Lokalität  sich  gar  nieht 
würde  erklären  können,  wenn  man  nicht  wüsste,  dass  solches 
blos  aus  dem  Grunde  geschehen  sei,  um  dem  in  Üeld Verlegenheit 
sich  befindenden  Grafen  Rechberg  ein  Benetice  zu  machen  [bös- 
willig und  unrichtig  zugleich,  da  damals  das  Grundstück  im 
Besitz  des  Banquiers  von  Hirsch  gewesen).  Die  unTistheiische 
Lage  an  den  Bierhäusern,  die  drohende  Feuersgefahr  und  die 
nachteilige  Einwirkung  des  Staubes  lässt  sich  das  Publikum 
durchaus  nicht  wegdemonstrieren.  Überdies  hat  der  Bauinten- 
dant bereits  schon  alles  Vertrauen  bei  dem  Publikum  verloren, 
Kelata  refero,*  Das  Konzept  an  das  Ministerium  (?)  aber  spricht 
sich  im  Anschluss  an  das  Gutachten  des  Frhm.  t,  Stengel  deui- 
lichor  aus:    ,üie  Lokalität,  wo  das  jetzige  Gal  '       '    ^imht^ 

zwischen  den  beiden  Gärten  auf  der  Nord-  u  ist  so 

vorteilhaft  gelegen,  dasa  solche  nie  verbaut  werden  kann,  Tor 
Feuergefahr  und  Staub  geschützt  und  an  der  Htelle,  wo  die 
Einwohner  ung^'^tört  vom  iJirm  der  Bier-  und  Brauhäuser  hin'- 
wandeln,  wo  BogengÜnge  und  der  nahe  englische  Garten,  Auf 
die  ermüdenden  Arbeiten  sucht  sieh  der  Mensch  zu  erholen, 
bald  in  der  Niitur»  bald  in  dt^r  Kunst . . .  Die  von  IL  Ilofbao- 
Intendanten  projektierte  Lage  bietet  von  allem  die4«em  ntebtii 
dar,    von  Bier^  und  Brauhäusern   umgeben ,   wie  oft  wird  dor 


Kroytprinx  iMdwig  «Ofi  Bayern  m^  G,  DtUia, 


467 


Gknuss  der  Kunstwerke  durch  Qeräusch  gestört  und  wie  sehr 
kontrastiert  nicht  der  prächtige  Genuss  an  Kunstwerken  mit 
dem  sinnlichen  Lärmen  in  den  Bierhäuseru.  Der  Lärmen  von 
Wagen,  besonders  der  schnell  vorüberrollenden ^  der  dadurch 
aufgeregte  Staub,  alles  diess  wirkt  nachteilig  auf  die  Kunst. 
Weit  glücklicher  ist  die  Lage  im  Hofgarten,  wo  das  Gebäude 
von  allen  Gefahren  gesichert  ist"*  .  .  . 

Der  Kronprinz  schreibt  d.  d.  Brückenau  23,  Augiist  1822 
ziemlich  gereizt  an  Dillis:  »Während  meiner  kurzen  Anwesen- 
heit in  Wünsburg  mangelte  mir  die  Zeit  Ihnen  auf  Ihren  dort 
empfangenen  vorzüglich  von  Galerie- Baustelle  handelnden  Brief 
zu  antworten,  worüber  ich  in  den  letzten  Augenblicken  dem 
(über  denselben  Gegenstand  mir  geschrieben  habenden)  Finanz- 
minister  schrieb,  ihn  beauftragend  meine  Antwort  Ihnen,  lieber 
Dillis,  mitzuteilen,  sie  Ihnen  solche  lesen  zu  lassen.  Machen 
Sie  nicht,  dass  durch  Ihre  Schuld  der  Bau  unterbleibt.  Dem 
Staub  (aber  meistens  ist  Koth)  dem  Staub  sage  ich,  ist  leicht 
abzuhelfen,  und  wo  giebt  es  keine  Feuersgefahr !  Die  Galerie 
müsste  dann  am  Ende  der  Stadt  gebaut  werden,  wo  keine  Ge- 
t^äude  stehen,  und  verhindert  müsste  dann  noch  werden,  dass 
welche  hinkommen.  Gegen  Vergrusserung  der  jetzigen  Galerie 
und  den  Bau  in  dem  darum  zu  zerstörenden  Salabert  (pavillon 
royal)-Oarten »  gegen  beides  bin  ich  erklärt.  Mit  letzterem 
kam  mir  Jahre  laug  Klenze  und  ich  war  dagegen,  wie  ich  jetzt 
dagegen  bin.  Übrigens  ist  Münchens  gute  Löschanstalt  bekannt. 
Ich  hoffe,  lieber  Diilis,  dass  Sie  mich  nie  hindern  werden,  mich 
immer  nennen  zu  können  Ihren  Ihnen  wohlgewogenen  Ludwig 
Kronprinaj.* 

und  d.  d.  Würzburg,  7*  September  1822  äussert  sich  der 
Kronprinz  noch  lierber:  , Dillis,  ich  las  Ihren  den  Qaleriebau 
betreffenden  Bericht,  las,  was  Sie  mir  schrieben,  was  jenem 
widerspricht,  sowie  das,  was  Sie  nun  sagen ♦  obgleich,  seit  jener 
verfasst  ist,  keine  neuen  Gründe  entstanden  sind.  Zwingen  Sie 
mich  nicht  meine  allen  so  oft  bewährten  Gefühle  gegen  Sie  zu 
andern,  machen  Sie  dass  ich  mich  immer  nennen  kann  , meines 
lieben  Dillis  sehr  geneigter  Ludwig  Kronprinz*** 


Kronprinz  Ludwig  von  Bayern  und  G.  Dülis, 


469 


Direktor    werde    sagen    können.     Ihre    grosse    Verdienste    er- 
kennend   L.  K." 

Und,  etwas  misstrauiscli,  schreibt  der  Kronprinz  am  folgen- 
den Tag  dd.  Würzburg,  vor  Soiineiiautgang  16.  September  1822; 
»Ich  wünsche  und  das  sehr  lebhaft,  lieber  Dillis,  Ihren  Be- 
leuchtnng  etc,  der  Galerie  betreÖenden  Aufsatz  vor  dessen  Ein- 
gabe zu  sehen  und  dass  solche  erst  nach  Empfang  meiner 
Antwort  darauf,  die  bald  erfolgen  wird,  geschehe,  denn  wenn 
mir  der  Vorschlag  nicht  gefiillt,  werde  ich,  aufrichtig  sage  ich 
es  Ihnen  zum  voraus,  mit  allen  meinen  Kräften  gegen 
dessen  Ausführung  wirksam  sein,  und  so  können  Sie 
dies  nach  Ihrer  Meinung  besser  haben  wollend  Schuld  sein, 
dass  das  Gute,  dass  alles  Gute  unterbleibt,  dass  nichts  geschieht 
und  Zeit  und  Geld  bleiben  nicht  aufgehoben,  beide  gehen  weg, 
und  die  man  in  Zukunft  zu  etwas  neuem  Schönen  hätte  Ter** 
wenden  können,  muss  man  dann  zu  der  Galerie  verwenden, 
weil  man  jetzt,  da  man  sie  hat  bauen  könneo,  es  unterlassen 
hat...  Dem  einnlal  von  Ihnen  unterschriebenen  gemein- 
schaftlichen Antrag  werden  Sie  doch  durch  keinen  zweiten 
widersprechen  wollen,  das  wäre  ja  sich  selbst  widersprechen. 
Sollte  Ihre  Arbeit  auch  erst,  wenn  ich  in  Italien  bin,  fertig 
werden,  schicken  Sie  mir  solche  hin,  denn  der  Verzug  selber 
von  ein  paar  Monaten  schadet  nichts,  weil  es  überhaupt  mit 
der  Arbeit  keine  Eile,  da  es  in  jedem  Fall  vor  Jahr  uud  Tag 
an  keinen  Galeriebau  gehen  wird/ 

Es  gab  bald  darauf  Gelegenheit  zu  mündlicher  Aussprache, 
bei  welclier  Dillis  zermürbt  die  Bestrebung,  dem  Umbau  das 
Wort  zu  reden,  fallen  liess,  so  dass  der  Kronprinz  in  einem 
Schreiben  dd.  Tegernsee,  8.  Oktober  1822  die  Forderung  vor- 
heriger Einsichtnahme  des  Dillis'schen  Gutachtens  zurücknahm. 
^Wenn  Sie  Ihr  Gutachten  über  den  bedürfenden  Galerieraum 
noch  nicht  Übergeben  haben,  so  wünsche  ich,  lieber  DiUis,  dass 
solches  sehr  bald  (doch  unter  conditio  sine  qua  non  wonach 
es  Ihrer  Gesundheit  nichts  schaden  kann)  geschehen  möchte 
^ÄDS  Ministerium.  Sie  wissen,  dass  ich  bei  der  Meinung  bleibe^ 
der  Grundlage   eine  Galerie  zu  bauen  ist,    dass  ein 

t«04.  Sitxipib.  ä,  pbUov.-p]iUoL  u.  d.  hiat.  KL  81 


4?0 


K  V.  R€ber 


Modell  ¥or  deren  Ausführung  zu  verfertigen  sei,  diese  Aimicht^ 
teile  ich  mit  Ihnen,  dem  Finanzminister  und  Klenze,*    Darauf 
Dillis,  10.  Oktober  1822:   ,  Schon  bereits  vor  8  Tagen  habe  ich 
meinen   Bericht   Über  den   bedürfenden    Raum  zum   K.  Staatü- 
ministerium  d.  I.  eingesendet  und  das  Bedürfnis  der  Erbauung  j 
einer  neuen  Galerie  angegeben;    woraus  kein  anderes  Kesultst  { 
als  die  Auffiihrung  einer  neuen  Gnmdkge  hervorgehen  kann** 
Das  wieder  in   der  alten   Huld  gehaltene  Schreiben  dd,  Wör*- 
burg»  4.  November  1822  schliefst  mit  den  Worten:   »Nur  nicht 
zu  viel  gearbeitet  damit  Dilüs  sich  erhalte,  lang.  Meines  lieben  | 
DiUis  sehr  gewogener  L.  K. 

In  dem  Schreiben  dd.  Würzburg,  26.  Januar  1823  frÄgt 
der  Prinz:  ^Welche  Gebäude  müssen  hinweg  kommen,  damit 
Ihnen  die  Galerie,  wo  der  Uechberg-Oarten ,  brandgesichert 
erscheine?  Wüssten  Sie  eine  andere  Stelle  für  selbe,  wo  sie, 
nicht  versteckt,  die  Stadt  zierte  und  die  Kabinette  NordtidH 
hätten?  Das  lieber  Dillis  wissen  Sie,  dass  wenn  es  einmal  an 
einen  Bau  geht,  nach  mir  ein  ganz  neuer  aufgeführt  würde, 
der  alte  jedoch  Mt  andere  Zwecke,  wenigstens  für  eine  Samm- 
lung von  Merkwürdigkeiten  erhalten  bleiben  sollte.*  Di Uis  er- 
widert 8.  Februar  1823:  , Meine  Üesorgnis  der  für  die  Zukunft 
in  Gefahr  stehenden  Residenz  gründet  sich  auf  die  mit  beiden 
Theatern  mit  so  vielen  hölzernen  Hütten  bestehende  Verbindung 
—  und  wird  so  lange  nicht  behoben  sein,  bis  diese  VerfainduDg 
durch  Abtragung  des  alten  Theaters  behoben  wird.  Alle  Theater 
sind  Bränden  unterworfen,  besonders  die  von  Leichtsinn  dirigiert 
werden.  Hätte  der  Himmel  nicht  am  12.  Januar  alle  Schindel* 
dächer  mit  Schnee  bedeckt  und  alle  die  über  die  ganse  Schön- 
felder Vorstadt  Terbreiteten  Flammen  sogleich  aasgelöscht  — 
die  Folgen  wären  schrecklich  gewesen.  Durch  den  in  dem 
Herzog  Leuchten berg'schen  Gebäude  bei  starkem  Westwind 
ausgebrochenen  Brand  war  die  Galerie  zum  zweitenmal  bedrobi. 
Datier  sollen  die  Staatsgebäude,  welche  viel  brennbaren  Stoff 
enthatten,  wie  die  Theater  und  noch  molir  Geniäl-T  *  -  n  frei- 
stehen,   damit  man   mit  den   KettungHmitteln  Ixi     n  kann 

und   nie  Mangel    an  Wasser   leidet     Daher   müssten   in   deai 


Kronprinz  Ludwig  von  Baifern  und  0,  DUlis, 


471 


Rechberg'sclien  Garten  alle  nördlich  an  der  engen  Finkenstraase 
gelegenem  Gebäude  —  Wirthshaus,  Schmiede»  Wagner»  wegge- 
brochen werden. 

Eine  bessere  Lokalität  zu  einer  Galerie  würde  die  der 
Hauptfa^ade  des  Sulabert^scben  Hauses  gegenüber  rundum  mit 
Bassin  umgebene  Insel  [östlich  vom  sog.  Prinz  Karl-Palais, 
dem  jetzigen  Palais  der  österr.-ungar.  Gesandtschaft!  »larbieten, 
die  geeignete  Nordseite  erhalten  und  die  herrlichste  Ver- 
schönerimg von  München  darbieten  und  nicht  der  mindesten 
Gefahr  ausgesetzt  sein.  —  Zugleich  würde  das  Gebäude  von 
allen  Seiten  ein  herrliches  Tableau  geben ^  welches  in  der  Welt 
seines  gleichen  nie  würde  aufweisen  können,  weil  durch  die 
.»honen  Umgebungen  die  Natur  selbst  schon  Zierde  darböte  .  .  . 
Man  würde  nicht  erst  Häuser  zum  Niederreissen  kaufen  milsaen 
und  könnte  mit  dem  Erlös  des  Rechberg'schen  Gartens  den 
Grund  herausmauern  ..." 

Der  Kronprinz  nahm  von  diesem  Vorschlag  kühl  Akt  dd. 
Würzburg,  23.  Februar  1823:  ,,Mir  war  es  sehr  angenehm  Ihren 
Antrag  zu  vernehmen  und  lieb  soll  es  mir  sein,  wenn  Sie 
nemüch  Zeit  haben,  den  von  Dinen  erwähnten  kleinen  Riss 
der  Örtlichkeit  (Situationsplan),  wohin  Sie  die  neue  Galerie 
wünschen,  zu  bekommen.  Von  mir  hängt  es  nicht  ab,  wohin 
selbe  gebaut  werde,  übrigens  kann  ich  noch  nicht  sagen,  ob 
ich  Ihrer  Meinung  beipHichte,  das  aber,  dass  wenn  solche 
auch  entgegengesetzt  sein  sollte,  die  meines  lieben  Dillis  zu 
vernehmen  mir  erfreulich  ist,  dessen  Redlichkeit  ich  kenne. 
Von  dem  was  Sie  mir  geschrieben  und  ich  Ihnen  reden  Sie 
keinem  Menschen.^ 

Nachdem  v.  Dillis  am  3.  Oktober  1822  seine  Gemälde- 
zusammenstellung und  die  Auseinandei-setzung  über  die  Vorteile 
eines  Neubaues  einem  Umbau  gegenüber  eingereicht,  übergab 
V.  Klenze  am  23.  März  1823  den  Plan  und  Kostenanschlag  zu 
einem  Neubau  neben  einem  Umbauprojekt  mit  dem  Nachweis, 
dass  ersterer  wenig  mehr  kosten  würde  als  der  Umbau»  worauf 
am  21.  Mai  1823  beides  dem  Kunst-Komitee  bei  der  Akademie 
der  bildenden  Künste  zur  Beurteilung  übergeben  ward.     Das 

8l» 


472 


F,  V.  R€ber 


Ergebnis  der  Prüfung  war,  dass  zwar  die  Unmöglichkeit,  durcli 
Vergrösser uiig  und  Umbau  der  jetzigen  Galerie  den  Zweck  tu 
erreichen,  nicht  einstimmig  zugegeben  wurde,  dass  aber  di« 
Mehrheit  für  den  Neubau  war,  während  alle  Stimmen  deo  vor- 
geschlagenen  Bauplatz  (Rechberg- Garten)  ablehnten.  Dioser 
Beschluss  vom  28,  Mai  1 823  wurde  vom  Ministerium  des  Innern 
am  12*  Juni  mit  umständlichem  Bericht  an  Seine  Majestät  ge- 
leitet, deren  Entschliessuiig  dahin  lautete,  es  solle  eine  neue 
Galerie  erbaut  werden, 

^Wie  lieb  ist  es  mir,  ich  wiederhole  es*,  schreibt  der  Priax 
am  30.  Juni  1823  an  Dillis,  ^^dass  der  König  filr  den  Bau  einer 
neuen  Galerie  sich  entschieden  hat.  Die  alte,  auch  wenn  daran 
geflickt  und  gestückt  würde,  bekäme  meine  Gemälde  nie  zu  ent^ 
halten.  In  der  neuen,  nach  ihren  treifiicben  Gedanken  beleuchtet 
und  abgeteilt  in  Säle  und  daranstossende  Gabinete  werden  die 
Gemälde  herrlich  stehen!' 

Am  13.  Juli  1823  berichtet  Dillis  an  den  Kronprinzen: 
„Von  S.  Majestät  dem  König  zn  dem  feierlichen  Fest  des 
Geburtstages  Ihrer  Majestät  der  Königin  nach  Tegemsea  ein- 
geladen ,  ,  ,  haben  mir  S.  Majestät  der  König  den  defioitir 
bestimmten  Neubau  seiner  Galerie  bekrättigt  und  sich  über  die 
Lokalität  dahin  zu  äussern  geruht,  dass  ein  anderes  Lokal  al» 
jenes  Rechbarg'sche  gewählt  werden  dürfte  und  mir  autgetragen, 
an  E.  K.  U.  darüber  zu  schreiben.  Da  mir  E.  K.  U.  Stillschweigen 
Über  den  mir  bei  Höchstdero  Aufenthalt  vorgezeigten  neuen 
Platz  aufgetragen  hatten,  so  bitte  ich  E.  K.  H.  hierüber  Seinr 
Majestät   den    König    £u    beruhigen/      Darauf  der    Kronprinz 

'Würatburg,  23.  Juni  1823:  ,Mit  dieser  Post,  lieber  Dilli», 
schreibe  ich  Meinem  Vater,  dass  ich  schon  lange  die  Meinung 

.terloren  habe,  den  Ant.  Rechberg'schen  Garten  als  2u  einer 
neuen  Galerie  geeignet  2u  betrachten.  Von  der  bewussten  Bau» 
stelle  in  der  Gegend  der  Glyptothek  schrieb  ich  nichts,  ebenso 
wenig  dass  ich  Ihnen  bereits,  bevor  ich  München  verlieäa,  von 

^dieser  meiner  veränderten  Ansicht  in  Kenntnis  g^rf-^  ^  ttei, 
lamm    sagen   Sie   anch   nichts   davon,*     Am  8.  All  iS 

wiederholt  der  Prinz,  welcher  damals  sehan  8  Wocheti  auf  dem 


Kronprinz  Liidwig  von  Batfern  und  G.  Düli^, 


473 


Kraukenlager,  das  Gebot  des  Stillschweigens  »auch  wenn  es 
beschlossen,  dass  sie  auf  die  bewusste  Baustelle  kommt*'. 

Am  14.  September  1823  t'rfiillte  Klenze  den  Auftrag  der 
höchsten  Stelle  durch  Vorlage  eines  neuen  Entwurfes  und  den 
Vorschlag  von  vier  neuen  Bauplätzen.  Diese  waren  der  Platz 
an  der  Königs-(Brienner-)Strasso  zwischen  der  Augusten-  und 
Luisenstrasse,  der  von  Dillis  empfohlene  östlich  vom  Salabeii- 
Pavillon,  der  sog.  Zweibrücken'sche  Garten  [an  der  Stelle  des 
jetzigen  Justizpalastes]  und  das  vom  Prinzen  als  in  der  Nähe 
der  Glyptothek  befindlich  erwähnte  und  dem  Dillis  persönlich 
gezeigte,  und  weiterhin  als  der  „bewusste*"  bezeichnete,  von 
der  Theresien-,  Arcis-»  Gabelsberger-  und  Barerstrasse  einge- 
schlossene Quadrat.  Er  empfahl  den  letzteren  Platz,  und  v.  Dillis, 
dem  die  Vorlage  am  HO.  September  zur  Würdigung  zugeschlossen 
worden  war,  äusserte  ara  10.  Oktober  1823  dazu  »dass  man 
den  jetzt  wirklich  gewählten  Platz  für  den  zweckmässigsten 
erkenne,  und  dass  die  gewünschte  Verbesserung  des  Bauplanes 
im  neuen  Entwürfe  genügend  gelöst  worden  sei*. 

Der  Kronprinz  hatte  schon  von  Klenzes  vier  Platzvorschlägen 
gehört  und  dd.  Würzburg,  25.  September  1823  an  Dillis  ge* 
schrieben:  ^Dass  verschiedene  Meinungen  wegen  der  Galerie- 
Baustelle  obwalten  sollen,  hörte  ich,  ich  aber  gebe  noch  immer 
der  bewussten  Ihren  Beifall  erhaltenen  den  Vorzug.  Sollten 
Sie  einer  anderen  Ansicht  geworden  sein,  wa^  ich  jedoch  nicht 
vermuthe,  so  teilen  Sie  mir  Ihre  Gründe  mit,  wann  ich  nach 
München  komme  {da  ich  am  4.  Okt.  Abends  in  Nymphenburg 
bin).  Bis  dahin  aber  wünsche  ich,  dass  Sie  Ihre  Stimme 
darüber,  wenn  Sie  nemlich  nicht  mehr  für  die  bewusste  Bau- 
stelle wären,  (ohne  jedoch  den  Beweggrund  zu  sagen  Missdeutung 
zu  vermeiden)  abzugeben  vorschieben  möchten.* 

Dillis  fand  es  auf  diesen  Wink  unter  keinen  Umständen 
ftlr  ratsanif  wie  bei  der  Umbaufrage  eine  von  den  Wünschen 
des  Kronprinzen  abweichende  Meinung  geltend  zu  machen  oder 
gar  seine  gegebene  Zustimmung  zu  widerrufen.  Er  schreibt 
am  29.  September  1823:  „Da  die  bewusste  von  E.  K.  H.  mir 
vorgezeigte  Baustelle  bisher  noch  immer  nicht  bekannt  gemacht 


474 


F,  V.  Beber 


werden  darf,  so  sied  verschiedene  Meinungen  wegen  der  nento 
Baustelle  in  Umlauf^  welche  man  nicht  bekämpfen  darf.  Unter 
anderen  halten  einige  die  Lage  des  Herzog-Zweihrücken^schen 
Gartens  nördlich  von  dem  botanischen  und  südlich  von  einarn 
Obstgarten  begränzt  für  günstig.  Bei  einer  Berathung  mit 
Herrn  v.  Klenze  hat  sich  aber  ergeben,  daa«?  auf  der  Südaeite 
einige  Gärten  und  kleine  Häuser  zu  nahe  liegen^  und  wir  sind 
dahin  übereingekommen»  dass  jener  bewnsste  freie  Platz 
vorzugsweise  als  der  beste  und  geeignetste  zu  einem 
unbeschränkten  Bau  anzunehmen  sei.  Demnach  fand  sich  Herr 
V.  Klenze  instand  gesetzt^  seinen  ersten  Bauplan  freier  zu  ent- 
wickeln und  mit  Benützung  von  den  Neugaleriebauten  in  Venedig, 
Parma  und  Mailand  ihm  die  zweck  massigste  Vollkommenheit  zu 
geben  —  welches  E.  K.  H.  bei  Höchstdero  Ankunft  hier  zu 
prüfen  geruhen  .  ,  .■ 

Nach  dieser  Erklärung  hält  der  Kronprinz  weiteres  Schweigen 
nicht  mehr  für  geboten,  sondern  sogar  für  schädlich.  ,Nur  för 
den  Fair,  schreibt  er  dd.  Würzburg,  10.  Oktober  1823  an 
Dillis,  ^wenn  Sie  nicht  mehr  mit  der  bewnssten  Baustelle  für 
die  neue  Galerie  einverstanden  gewesen  wären,  wünschte  ich, 
dass  Sie  mit  der  Abgebung  Ihrer  Meinung  warteten,  bis  ich 
zu  München  mich  befände;  da  ich  aber,  und  das  mit  lebhaf- 
testem Vergnügen  aus  Ihrem  Briefe  gesehen,  dass  Sie  dieselbe  m 
fortwährend  vorziehen,  so  äussere  ich  Ihnen  meinen  Wunsch»  ™ 
dass  Sie  unverzüglich  von  dieser  Ihrer  Ansicht  (ohne  aber 
meiner  zu  erwähnen)  das  angehende  Ministerium  offiziell  in 
Kenntnis  setzen.  Es  ist  keine  Zeit  zu  versäumen,  damit 
noch  vor  meiner  am  18.  dieses  früh  zu  erfolgenden  Abreiae 
nach  Italien  die  Baustelle  per  rescripto  bestimmt  wird,  als 
woran  mir  ausserordentlich  viel  gelegen  ist.  Sogloicfa 
reichen  Sie  dieses  Ihr  Qatachten  ein  lieber  Dillis  und  bei 
Ihnen  ist  es  unnötig  hinzuzufügen,  da^  die  mindeste  Zeit- 
versäumnia  (denn  es  brennt  auf  den  Nagel)  einen  unfrcnnd» 
liehen  Empfang  bei  mir  bereiten  und  es  einen  gar  wi^l*  '"'in- 
,  druck  bei  mir  hf>rvorbriugen  würde,  aber  wie  gesagt,  li  em 

lieben  Dillis  brauchts  die«e  Bemerkung  nicht  von  sehr  viel  auf 


KronprifiM  Ludwig  von  Baifern  und  G,  Düliim 


475 


ikn  haltenden  L*  K.  PS.  Ich  hoife  erwarte  bestimmt,  dass  der 
neue  Galeriebau  nächstes  Frilhjulir  beginnt, **  Die  Antwort  fehlt 
leider  unter  den  Konzepten,  sie  scheint  inhaltreich  gewesen  zu 
sein,  denn  der  Kronprinz  schreibt  aus  Rom,  6.  März  1824: 
^Mit  vielem  Vergnügen  las  ich,  was  Sie  mir  die  zu  erbauende 
Pinakothek  (Galerie)  betreffend  geschrieben ,  denn  nah  wie 
fem  liegt  mir  die  Ausführung  am  Herzen.*  Der  Kronprinz 
machte  dazu  mit  Kleoze  Studien  im  Braccio  nuovo  des  Vatikan, 
wie  aus  Dillis  Antwort  hervorgeht,  in  welcher  er  für  die  ge- 
sandte Beschreibung  desselben  dankt  und  daran  die  Bemerkung 
knüpft:  ijDenn  immer  liegt  mir  noch  der  mittlere  Saal  der 
neuen  Pinakothek  am  Herzen,  dem  ich  gerne  die  ganze  Breite 
Gebäudes,  nemlich  60  statt  40  Fuss  [gegeben  sähe]  um 
»durch  den  Gemälden  von  Rubens  den  richtigen  Stand-  und 
Gesichtspunkt  zu  verschaffen.  Doch  es  ist  mir  genug,  dass 
E.  K.  H,  begleitet  von  dem  Architekten  diese  neue  Construktion 
gesehen,  sich  von  der  richtigen  und  zweckmässigen  Beleuchtung, 
den  Verhältnissen,  der  Wirkung  Überzeugt  haben.'' 

Nach  seiner  Rückkehr  fragt  der  Kronprinz  dd.  Brücken  au, 
10.  Juli  1824:  ,Ist  die  Pinakothek  (Galerie)  noch  nicht  ange- 
fangen? Wenn  nicht  äussern  Sie  doch  in  Meinem  Namen  dem 
aister  bei  welchem  dieses  ruht  meinen  innigen  Wunsch,  da^s 
aeuer  wenn  gleich  die  vorhandenen  Mittel  nur  wenig  darauf 
zu  verwenden  gestalten,  dieses  wenige  doch  darauf  verwendet 
werde,  den  Anfang  der  Grundlage  machend,"  Sonst  interessiert 
ihn  jetzt  besonders  brennend  die  Erwerbung  der  Madonna  Tempi, 
für  welche  nun  Dillis  der  sonstigen  Belastung  des  Prinzen  wegen 
den  König  gewinnen  soll.  Schon  am  folgenden  Tage  schreibt 
er  darüber  an  Dillis:  „Gleich  das  erstemal  wann  Sie  den  König 
sehen,  sagen  Sie  ihm  das  was  ich  Ihnen  gestern  auftrug,  wäre 
er  nemlich  sehr  gut  aufgelegt,  denn  nur  in  solcher 
Stimmung  ist  von  der  Bache  zu  sprechen.  Dass  ein  Herrscher 
sich  nicht  immer  in  solcher  befindet,  ist  so  natiirlicli,  dass  das 
Gegenteil  davon  fast  unnatürlich  sein  würde/  Die  Tempi- 
Angelegenheit  verzögerte  sich  jedoch  noch  weitere  vier  Jahre. 
Wenn  aber  dd.  25.  Juli  1824   Di^llis  dem  Kronprinzen   mitteilt 


F.  G,  Eeher 

^Über  die  Galerie  habe  icb  in  Erfahrung  gebracht,  dass  man 
noch  nicht  über  das  Grund-Eigentum  des  Platzes  ins  Reine 
gekommen",  so  steht  diess  im  Widerspruch  mit  einer  Notiz 
einer  von  Klenze  eingeleiteten  und  bezüglich  der  aktenmässigen 
Wahrheit  verbürgten  Dnickschrift  von  1831  ^),  nach  welcher 
der  Ankauf  des  neuen  Platzes  am  8.  Januar  1824  zu  Stande 
kam,  diese  aber  auch  mit  einer  anderen  Stelle  derselben  Schrift, 
wonach  am  15.  September  1824  vom  Finauzministerium  die 
Erklärung  erfolgte,  dass  gegen  Platz,  Plan  und  Überschlige 
keine  Einwendungen  zu  machen  seien.  Die  allerhöchste  Ge- 
nehmigung aber  erfolgte  am  2.  Oktober  1824  mit  der  Bestim- 
mung, dass  am  27.  Mai  1825  der  Grundstein  gelegt  werden 
solle,  wenn  es  die  Finanzumstände  bis  dahin  erlauben  würden. 
^Warm  und  schön  wird  das  Nest  [der  Madonna  Tempi]/ 
schreibt  der  Kronprinz  am  3.  Oktober  1824,  ,wenn  die  Pinako- 
thek erbaut  ist,  aber  ich  hoffe,  dass  die  Täubin  nicht  viel  sputer 
in  München  einfliege,  als  der  Grundstein  in  die  Erde  gesenkt 
sein  wird.  Dieses  hat  doch  an  des  verehi'ten  Königs  Namens- 
tag statt  »  .  .  Oder  ist  es  wieder  Terschoben  und  wenn  leider, 
schreiben  Sie  mir  das  Warum?** 

Am  24.  November  1824  wurde  in  Audienz  beim  Kron- 
prinzen der  Plan  der  Gartenanlage  bestimmt,  im  wesentlichen 
so  wie  diese  noch  jetzt  besteht  mit  Ausnahme  von  vier  Brunnen 
an  der  Stelle  der  jetzigen  Sy ringen boskets,  Dillis  sucht  sich 
der  Luftheizung  zu  erwehren,  ohne  jßdoch  des  Grundes  zu 
gedenken,  der  bald  nach  Eröffnung  der  Galerie  zwang  dieselbe 
wieder  ausser  Gebrauch  zu  setzen,  nemlich  der  namentlich  den 

rEoIzbildern  schädlichen  Austrocknung  der  Luft.  Noch  gedenkt 
DiUis  eines  am  11.  Februar  1825  erfolgten  Auftrage»  für  ih 
6  Wandflächen  des  Stift^rsaales  die  Stifterbildtiisse  zu  bestimmi>o« 

*tun  welchen  er  mit  Recht  und  mit  Erfolg  die  Bevorzugung  des 
Kurfürsten  Maximilian  I.  vor  Karl  y*  Zweibrückea  in  Vorschlag 
gebraciit. 

*)  über  <lifl  Verwaltung    de«   HofliÄiiwesun«    ii  -n 

Bau  der  Pinakothek,   ilArgeatnllt  mit   bewilligter  l>  ,  „, 

MüuchcD  1881. 


Kronprin*  Ludwig  von  Bauern  und  G,  DüUs,  477 

Damit  endet  die  auf  den  Pinakothekbau  bezügliche  Kor- 
respondenz zwischen  dem  Kronprinzen  und  Dilhs*  König 
Maximilian  war  am  13,  Oktober  1825  gestorben,  noch  ehe  die 
Grundsteinlegung  erfolgte»  und  der  Baubeginn  verzögerte  sich 
bis  zum  26.  April  1826.  König  Ludwig  L  hatte  als  König 
mehr  Gelegenheit  mit  Dillis  persönlich  zu  verkehren,  so  dass 
der  briefliche  Verkehr,  auch  weiterhin  sachlich  und  liebens- 
würdig, überhaupt  seltener  werden  rausste.  Obwohl  jetzt  die 
Lage  des  Königs  dem  auf  Staatskosten  gebauten  Werke  gegen- 
über ungleich  günstiger  war,  als  die  des  Kronprinzen,  so  hatte 
er  doch  schon  vor  seiner  Thronbesteigung  erreicht,  was  er  sich 
vorgesetzt,  nenilicb  den  Neubau  statt  eines  Umbaues,  wie  auch 
die  von  ihm  selbst  bevorzugte  Baustelle,  Freilich  fehlte  es  auch 
jetzt  noch  keineswegs  an  Bemänglungen  in  Landtag  und  Presse, 
wegen  der  Submission^  zunächst  dann  wegen  der  aufwandvollen 
Seidentapeten,  und  selbst  wegen  der  Malerei  in  der  Loggia, 
ja  selbst  der  Bilderrahmen,  allein  der  energische  Wille  des 
Königs  brauchte  nicht  mehr  wie  in  der  machtlosen  Stellung 
als  Kronprinz  jede  Einwendung  zu  scheuen,  da  er  keine  könig- 
liche Instanz  mehr  über  sich  sah. 

IV*  Die  Galerie  der  Zeitgenossen. 

Der  Gedanke  eine  Sammlung  zeitgenössischer  Malerei  an- 
zulegen, war  bei  dem  Kronprinzen  noch  nicht  zu  Tage  getreten. 
_Zwar  fehlte  es  ihm  für  die  moderne  Kunst  keineswegs  an  In- 
se,  ohne  ihr  jedoch  vor  1809  ernstlich  näher  zu  treten, 
tm  26.  Juli  1809  konnte  er  von  Wien  aus  noch  die  Frage  an 
Dillis  richten  „Welcher  lebende  Historienmaler  hat  grösseren 
Wert  als  Füger,  von  denen  nemlich  Sie  Werke  gesehen,  und 
in  Landschaften  als  Wutkj?*  [Mich.  Wutky,  geb.  1738  f  1823 
in  Wien,  in  Rom  nach  Poussin  und  Claude  gebildet],  und  auf 
Dillis  Antwort  fahrt  der  Kronprinz  dd.  Salzburg,  28.  August 
1809  fort:  «Sie  schreiben  mir  lieber  Dillis,  Füger  sei  unt«*r 
den  jetzt  lebenden  TTistorien malern  der  vorzüglichste,  nicht  so 
Wutky  in  Lundschaften,  Mich  t'i'eut,  dass  von  dem  ersten  ich 
ein  Bild  gekauft  habe,  eine  herrliche  Magdalena.    Abgehärmte 


478 


F.  ».  Beher 


Büsserin   ist   diese   nicht;    in    Lebensgrgsse    und  Lage    gleicbt 

ieles  der  corregianischen,  unwiderstehlich  hinreissender  Farben» 
^hinelz;  Füger  will  es  noch  kopieren,  Geben  Sie  Keiuhard 
[Job.  Christ  R,  geb,  1761  bei  Hof,  f  1847  in  Rom,  Schüler 
des  Oser  und  Kiengel]  oder  welchem  Künstler  unter  den  Leben- 
den den  ersten  Platz  ira  Fach  der  Landschaften?  Wissen  Sk 
den  Preis  für  den  grössten?  —  Was  thäten  Sie  an  meiner 
Stelle,  wenn  Sie  zum  Erwerben  von  Kunstprodukten  eine 
Summe  bestimmt,  bei  gleichem  Werte,  zögen  Sie  Statuen  vor 
oder  Cameen?"  Bei  Reinhard  bleibt  der  Kronprinz  auch  weiter- 
hin haften,  obwohl  er  ihn  noch  nicht  näher  kennt:  .Da  ich 
mich  nicht  entsinne,  in  welches  alten  Meisters  Art  Reinhard 
malet,  ob  nach  Claude  Lon^ain»  nach  N.  Poussin',  schreibt  der 
Prinz  dd.  Salzburg,  18,  September  1S09,  ^da  ich  auch  nicht 
den  Preis  weiss  seiner  Gemälde,  der  Grösse,  welcher  er  sich  be- 
dienend, so  schreiben  Sie  mir  beides.  Halten  Sie  Reinhard  ftir 
solch  einen,  die  unter  die  Klassischen  der  Nachwelt  reihen 
werden?*' 

Dillis  ist  ihm  hierin  nicht  bloss  kunsthistorischer  Berater, 
sondern  auch  Künstler:  als  Reisebegleiter  des  Kronprinzen  in 
Südfrankreich,  dann  in  Italien  und  Sizilien  macht  er  für  den 
Prinzen  Skizzen  zu  einer  Reihe  von  Qemlilden,  deren  nachträg- 
liche Ausführung  den  königlichen  Besteller  hochgradig  ent- 
zückte, wenn  er  sie  auch  mehr  als  R^iseerinnerung,  für  welche 
er  einen  besonderen  Mappenschrank   bauen   Uess,    betrachtete. 

Mit  monumentaler  Absicht  bestellt  er  seit  seinem  Eintritt 
in  die  Armee  bei  Wilhelm  v,  Kobell  (geh,  1766  in  Mannheim, 
f  1855  in  München)  wie  vorher  sein  Vater,  Schlachtenbilder, 
beginnend  mit  der  Schlacht  bei  Poplavi  (Pultusk  1809),  wo- 
rauf zunächst  die  Schlacht  bei  Eckmühl,  und  die  Erstürmung 
des  Lagers  von  ßlatz  folgten*  Dann  liess  er  Kobell  zur  Skiz- 
zierung  zweier  tiroler  Kampfstellen  kommen,  t^^^oh  Würgei, 
wo  Wrede  im  Mai  1809  ein  glänzendes  Gefecht  gegen  die 
Österreicher  und  Tiroler  hatte,  auch  an  den  Kniepaaa,  wie 
Pompei  ihn  erstürmte*,  1812  bestellte  er  die  Schlacht  bei 
Wagram,  1815  bei  Brienne,   1816  bei  Arci«  »ur  Anbe.     Dietie 


Kronprinä  Ludwig  von  Bauern  und  (7.  Dülü, 


479 


OttBÜfte  erscheinen  im  Briefwechsel  direkt,  die  übrigen  des 
Schlachtensaals  der  Residenz,  der  Pinakothek  und  des  Arniee- 
museums  fallen  zumeist  in  eine  spätere  Zeit.  Etwas  später  wer- 
den etliche  Münchener  Ansichten  von  Dom.  Quaglio  und  die 
Schweizerlandschaft  von  H.  A-  Koch  im  Besitz  des  Prinzen  er- 
wähnt. Nach  Ludwigs  ThronheHteignng  Rottnianns  Palermo^ 
Stielei"«  Schönheiteukabinett,  Landschaften  von  liebeil  und  Catel, 
Oberbecks  Vittoria  Caldoni. 

V.  Persönliches. 

Selbstverständlich  kann  es  trotz  der  königlich  reservierten 
Haltung  des  Kronprinzen  und  Königs  nicht  ganz  an  intimen 
Ergüssen  fehlen,  in  welchen  dann  nach  langem  Briefwechsel 
fast   rein    geschäftlicher  Natur    die    tatendurstige  Begeisterung 

[des  Prinzen  wie  eine  mühsam  zurückgedrängte  Glut  in  lichter 
Flamme  zum  Durchbruch  kömmt. 

Die  Stellung  Bayerns  in  den  napüleoniachen  Kriegen  ist 
bekannt.  Der  Kronprinz  selbst  musste  sich  unter  das  wider- 
willig getragene  Joch  beugen,  das  Napoleon  unter  der  Form 
der  Bundesgenossenschaft  Bayern  aufgezwungen  hatte.  Bekannt 
ist,  dass  Ludwig  seiner  deutschen  Gesinnung  in  jener  kritischen 
Zeit  bei  besonderen  Anlässen  wiederholt  Ausdruck  gab,  dass 
er  in  Russland  sich  in  seiner  Verstiranumg  unnötig  dem  Kugel- 
regen aussetzte,  was  den  Marschall  Massena  sogar  zu  Vorstel- 
lungen veranlasste,  da^  schliesslich  Napoleon  auf  die  Denun- 
ziation des  Marschalls  Lefebvre  gegen  den  Prinzen  Verdacht 
schöpfte,  und  selbst  vom  Flbilieren  spracht)  Allein  in  der 
Korrespondenz    mit    Dillis    landet    sich    davon    höchstens    eine 

iKusserliche  Andeutung.  Doch  sprechen  zwei  verstreute  Sätze 
von  seiner  Stimmung  deutlich  genug.  So  schreibt  er  nachdem 
der  Alp  der  Knechtschaft  genommen  dd.  Salzburg»  3L  Dezem- 
ber 1814:  »Mit  nächstem  Postwagen  sende  ich  an  Sie  gerichtet 
das  neueste  mich  darstellende  gleichende  Miniaturbild»  damit 
es  der  Omen   bewusste  mich   in    der  Lande^bewaffnungstracht 

*)  Gerstenecker.  Ludwig  I.,  König  von  Bayern,  in  seinen  Briefen  an 
Ph.  T.  Licbtentbaler. 


480 


F.  V,  Bd^er 


in  Kupfer  stechende  Künstler  benützt,  dass  ich  wie  auf  dein- 
selben  heiterer  aussehe^  nicht  düster  wie  auf  dem  von  Keller- 
hoven  gemalten  Bildnis,  während  Napoleonischer  Untergang 
drohenden  Zeit,  wo  ich  mich  so  vorgestellt  haben  wollte.* 
Und  wenige  Wochen  darauf:  „Wie  fiel  mein  Kupfersiich  aus? 
Gleicht  er?  Bin  ich  finsteren  Aussehens?  So  hatte  ich  mich 
vorsätzlich  in  bonapartischer  Zeit  von  Kellerhoven  malen  lassen. 
Diese  drohenden  Wolken  sind  verweht;  freundlicher  uod  hell 
ich  wirklich  aussehe  und  freundlich  wünsche  ich  mich  auch 
vorgestellt,  * 

Aus  seinem  glühenden  Patriotismus  war  ja  auch  der  schon 
vor  1807  entstandene  Gedanke  entsprungen,  den  verdienten 
Deutschen  ein  Ruhmesdenkmal  zu  errichten,  und  die  Briefe 
geben  hundertmal  davon  Zeugnis,  welche  Mühe  er  sich  gab, 
geeignete  KUnstler  deutscher  Nationalität  ausfindig  zu  machen 
und  geeignete  Vorlagen  zu  bescliaflen.  In  einem  Briefe  dd.  Linx, 
25,  Juni  1809  dämmert  sogar  schon  der  Gedanke  an  eine  spe- 
ziell bayerische  Ruhmeshalle:  ^In  meinem  Namen  zu  Westen - 
lieder,  wünschte  von  ihm  ein  Verzeichnis  aller  grossen  Bayern 
aus  allen  der  Geschichte  bekannten  Zeiten  aller  Stände,  der 
Herrscher  und  des  Volkes,  zu  erhalten;  glaube  schon  einmal 
mit  ihm  gesprochen  zu  haben/  ,Es  ist  eine  Schande,  dass  tu 
den  K.  Sammlungen  zu  München/  schrieb  er  ein  Jahr  später 
dd.  Innsbruck,  11.  Dezember  1810,  „die  heimische  Schule  fast 
aus  allen  am  meisten  vernachlässigt  wird.'  Er  lässt  auch  von 
diesem  Standpunkte  aus  Bildnisse  von  Andr»  Wolf  und  Karl 
Loth  für  sich  kaufen. 

Das  Land  seiner  Sehnsucht  aber  war  und  blieb  Italien» 
seit  er  es  im  Jahr  1804,  als  er  noch  Kurprinz,  zum  erstenmal 
betreten  und  in  Rom  die  Anregungen  empfangen  hatte»  von 
welchen  die  Mehrzahl  seiner  Kunstschöpfungen  die  Folge  war. 
Aus  Russland  und  Berlin  zurückgekehrt,  verweilt  er  im  Win^^r 
1807  auf  1808  in  Venedig  und  fragt  Dilli«  am  8.  Dezember  1807 
um  die  MUnchener  Bestünde  an  Tizian  und  Giorgione,  wie  ob 
in  Mailand  ein  Lionardo  zu  haben?  Die  Fünf  in  Salzburg  und 
Innsbruck   verbrachten  Jahre  von    1809 — 1814  sind   ihm  wie 


Kronprins  Ludvfiff  von  Baiftm  und  G,  Dülis. 


481 


ein  Exil,  wenn  sich  auch  anfangs  noch  ein  Ausflug  von  Wien 
an  die  italienische  Grenze  ermöglichte.  »Von  Wien  begab  ich 
mich/  schreibt  der  Kronprinz  am  28.  August  1809,  „nach  Triest 
—  auch  dorten  atmet  man  Italien.  Nach  Pola  die  htrrlichen 
Altertliroer  zu  sehen  hatte  nicht  statt,  du  ich  mich  nicht  aus- 
setzen wollte,  der  Engländer  Gefangener  zu  werden,"  Von 
London  aus  hat  dann  der  Fiiuz  die  Freude,  am  26.  Juni  1814 
einen  langen  Brief  mit  Nachrichten  über  italienische  u.  a»  Maler 

^an  DiUis  gelangen  zu  lassen.  Der  fröhliche  Winter  in  Wien 
1814/15  bringt  eine  Anzahl  von  Kunstgeschaften,  die  sich  fort- 
spinnen  während  des  Somnierfeldzuges  nach  Frankreich, 

Nach  geschlossenem  Frieden  aber  sind  die  Gedanken  des 
Kronprinzen  leidenschaftlich  iilier  die  Alpen  gerichtet.  ^Glück- 
licher Dillis^  ruft  der  Priuz  dd.  Würzburg,  26.  November  1816 
zu  »der  Sie  so  oft  und  jetzt  erst  wieder  in  Rom,  der  ewig  ein- 
zigen waren,  in  dem  Blüthegarten  Italiens.  Mit  Schiller  klage 
ich:  ,Ach  aus  dieses  Thaies  Gründen,  die  der  kalte  Nebt^l  drückt., 
könnt  ich  doch  den  Ausgang  finden'  und  ich  werde  ihn  finden, 
doch  wann?  Dahin,  wohin  ich  mich  sehnte!  An  allen  vielen 
Orten,  wohin  es  mich  nie  verlangt,  war  ich,  dorten  nicht  mehr 
seitdem,  von  dem  ich  nie  sagen  werde,  dass  ich  zum  letztenmal 
gewesen.  Glücklicher  Dillis,  der  Sie  wieder  Körper-  ond  Geistes- 
Lebensluft  geathmet,  eingesogen  haben,  dass  sie  auch  unter 
unserni  rauhen  trüben  Himmel  wohltätig  fortwirken/ 

Ein  halbes  Jahr  später  wird  dem  Prinzen  das  ersehnte 
Glück  selbst  zu  Teil  »Der  König,  lieber  DiUis,*  schreibt  er 
BUS  Aschaffenborg,  18.  Juli  1817,  ^hat  mir  die  Erlaubnis  er- 
teilt, Sie  mit  nach  Italien  zu  nehmen.  Das  wäre  also  zum 
12.  Malf  dass  Sie  über  die  Alpen  kämen,  in  das  Land,  wo  man 

^das  Leben  lebt.  Diesen  Herbst  gehts  fort,  wahrscheinlich  in 
Oktobers  Hälfte,  vielleicht  früher,  doch  von  dieser  letzteren 
Möglichkeit  (Wah schein lichkeit  ist  es  nicht)  noch  nichts.  Wie 
ich  66  werde  beistimmt  haben  (täglich  erwarte  ich  noch  Nach- 
ricbtcn)  teile  icha  Ibnen  mit  .  .  .  Das  Leben  geht  mir  auf 
denke  ich  bald  im  südlichen  Italien  zu  sein.  Lltalia  mia  comiu- 
oia  a  Taltra  parte  degli  Apennini.   Vale  earo  Giorgio  BaTaresel* 


482  F. «.  Bt^er 

Auf  DilliV  etwas  gedrückte  Zustimmung  fährt  .der  Prm2 
fort:  .Aschaffenburg,  22.  Aug.  1817.  Sie  möchten  wissen,  wie 
es  mit  der  italienischen  JKeise  gehalten  wird:  Hier  folgts'  und 
erstlich  was  Sie  betrifft.  Die  Zeicbnungen«  die  Sie  daselbst  wie 
in  Sizilien  machen,  hätten  mir  zu  gehören  uud  würden  ron 
Ihnen  wie  die  des  mittäglichen  [Frankreich]  es  geworden,  aua^ 
gefiihrt  in  Bayern ,  wofür  ich  Ihnen  300  (iulden  gehe.  Diiftlr 
ist  nicht  seu  sorgen,  dass  Sie  zu  wenig  zeichnen  werden,  eher 
ist  mein  lieber  Dillis  abzuhalten  des  Guten  zu  viel  zu  tun. 
Keine  trüben  Gedanken!  Ueiter  in  das  heitere  Land  der  Kunst 
lasst  uns  wandern.    Was  drückt  meinen  Dillis? 

Schicken  Sie  mir  einen  Vorschlag  wo  übernacht  zu  bleiben 
ist:  den  15.  oder  wenn  es  zu  spät,  den  14.  Oktober  von  München 
wegreisend  auf  dem  kürzesten  Weg  (aber  nicht  über  Florenz) 
den  27.  Oktober  Abends  in  Rom  eingetroffen  wo  ich  nur  den 
28.  verweile,  den  30.  in  Neapel  ankommen,  von  wo  auf  dem 
feden  1.  des  Monats  nach  Palermo  abgehenden  Brick  dahin  g^ 
schifft  wird.  Ganz  Sizilien  nebst  dem  Ätna  bereisen  wir  zu 
Pferde  oder  wer  will  nach  belieben  in  den  von  Maultieren  ge- 
tragenen Sänften.  Wo  die  Reste  altertümlicher  Kunst  es  wert 
sind  uns  genügsame  Zeit«  damit  sie  gezeichnet  werden  können 
verweilend.  Nicht  vorüberrennen,  gemessen  will  ich  den  Seele 
erhebenden  Anblick,  Zurück  gehts  nach  Neapel  wieder,  dessen 
herrliche  Gegend  (und  Pastum)  besucht  wird,  um  Neujahr  nach 
Rom,  wo  bis  zum  April  geblieben,  dann  sieh  in  Florenz  auf- 
gelialten,  zu  München  den  26.  Mai  eingetroffen  werden  wird.* 
Eine  Woche  später  (Aschaffenburg,  6,  September  1817)  ve» 
langt  der  Prinz  zwei  weitere  Wegbeschreibungeu;  „Ich  wüns 
dass  Sie  mii*  über  Fuligno  ein  Verzeichnis  der  Nachtlager  ver- 
fertigten, um  wo  es  dessen  wert  mich  einige  Stunden  oder 
halben  ja  ganzen  Tag  aufzuhalten,  desgleichen  die  Angaben 
für  jede  dieser  beiden  Voraussetzungen  auf  die  Straase  nach 
Ancona  angewendet.  Welche  dieser  zwei  Strassen  bietet  in 
Hinsicht  auf  Kum^t  und  v  -  -  ^  -'  ■*  n  mehr  merk-  *^"'  ^« 
dar?*    Und   schon    am   fi-  .  Sept.")   bfi  -r 

Kronprinz   noch  des  weiteren  *     u  u     ^    tirn   bcur**! 


Ktmiprins  Ludwig  mn  Bauern  und  G,  DtUis. 


483 


4  Reiseeinteilungen  wünsche  ich  noch  eine  fUnffce  von  Ihnen 
geschickt  zu  bekommen ,  nemlich  über  Ferrara  und  Eavenna, 
wenigstens  Über  letzteres,  um  das  merkwürdigste  dieser  merk- 
würdig sein  sollenden  Stadt  zu  sehen/ 

Naturgemäss  nun  neanmonatliche  Korrespondeuzpause, 
unseres  Wissens  leider  durch  Dillia  nicht  tagebuchartig  ersetzt. 
Dass  aber  des  Kronprinzen  Begeisterung  für  italienische  Kunst 
sich  die  Wage  hielt  mit  jener  für  die  Xatur,  beweisen  mehrere 
nach  seiner  Rückkehr  entfallende  Äusserungen.  Keineswegs 
unempfänglich  für  die  Schönheiteo  nordischer  Natur,  wie  aus 
den  Worten  eines  früheren  lunsbriicker  Briefes  hervorgeht: 
II Habe  oft  an  Dillis  gedacht  während  meiner  halbmonatlichen 
Reise  zu  Fuss  durch  wilde  und  anmutige  Taler,  auf  mit  zehn 
Schub  Schnee  bedeckten  Höhen  über  den  Wolken*»  schwelgt 
der  sonst  so  sparsame  Fürst  ein  Jahr  nach  seiner  Rückkehr 
(Ascbaffenburg,  8*  Aug,  1818)  noch  in  opferwilliger  Erinnerung 
an  die  lauschige  Acqua  acetosa  bei  Rom,  die  er  mit  Baum- 
pflanzungen aus  Platanen  und  immergrünen  Eichen  zu  umgeben 
besehloasen,  wozu  Klenze  und  Kobell  die  Entwürfe  machen  sollen. 

Rührend  ist  die  tröstende  Liebenswürdigkeit,  mit  welcher 
der  Kronprinz  stets  die  dUstc^re  Stimmung  des  Dillis  zu  zer- 
streuen und  den  beratenden  Freund  zu  fördern  sucht. 

Anfangs  Winter  1812  hatte  Dillis  geklagt  über  die  Chi- 
kanen  der  beiden  Langer,  welche  ihm  die  Aufträge  des  Königs 
zu  antiken  Einkäufen  in  Italien  vergällten:  „Ich  kannE. K.  H. 
versichern,  dass  wenn  S.  Maj.  der  König  mir  ein  Königreich 
schenken  würde,  um  noch  einmal  eine  solche  Reise  zu  machen, 
ich  dasselbe  nicht  verdienen  könnte'*  und  weiterhin  „Wirklich 
Ursache  alle  Freude  des  Lebens  zu  verlieren.  Die  Statuen 
haben  Raphaels  Schicksal,  man  würdigt  sie  nicht  einmal  ab- 
zustäuben, den  Fuss  des  Gennanicus  anzukitten,  kurz  mau  tut 
Alles,  selbe  in  einem  schlechten  Lichte  darzustellen.  Qanz 
anders  sind  die  Herrn  Langers  verfahren,  wie  sie  ihre  Gipse 
aufstellten,  eiu  ganzes  Jahr  haben  sie  daran  geflickt»  ehe  sie 
dem  Publikum  das  Anschauen  erlaubten,  ganz  anders  verfahren 


486 


F,  r.  Bebet 


Nach  der  Rückkehr  bleibt  der  Verkehr,  z:war  nach  wie 
vor  überwiegend  geschäftlich,  herzlich  und  vertrauensvoll,  nor  ■ 
durch  die  geschilderte  Differenz  mit  dem  Pinakothelcprojekt 
vorübergehend  getrübt.  So  schreibt  der  Kronprinz  am  21.  April 
1821  aus  Rom  ,Ss  muss  mein  lieber  Dillis  sein,  dass  ich  heute 
und  so  kurz  vor  meiner  (am  10.  Mai  Abends  erfolgenden)  An- 
kunft selbst  diese  wenigen  Zeilen  schreibe.  Herrlich  hi  die 
Witterung  in  dem  herrlichen  Rom,  Nun  Gott  befolüen  treuer 
Dillis  Ihr  Sie  schätzender  Ludwig  Kronprinz** 

Um  Dillis'  Lage  zu  verbessern,  hatte  sich  der  Kronprinx 
bemüht,  dem  treuen  Katgeber  eine  Domkapitnlarstelle  zu  ver- 
mittein.  Allein  als  es  zur  Organisation  der  Domstifter  kam, 
hatte  man  Dillis  vor  die  Alternative  gesetzt,  entweder  auf  die 
Galerie-Inspektorstelle  oder  auf  die  Domhermstelle  zu  ver- 
zichten. ,Da  E.  K.  H/,  schrieb  er  an  den  Prinzen  am  1.  Juh 
1821,  , meine  Neigung  für  die  Kunst  und  die  seit  40  Jahren 
mir  erworbenen  Kenntnisse  zur  Genüge  kennen,  so  wird  es 
E.  K.  H,  nicht  auffallend  erscheinen,  wenn  ich  die  Lispektor- 
stelle  vorgezogen  habe.**  Huldvoll  erwiderte  der  Kronprinz 
dd.  Brückenau,  8.  Juli  1821  „Das  war  meine  Absicht  nicht, 
lieber  Dillis,  als  ich  Sie  zur  Domhermstelle  empfohlen,  dass 
Ihnen  die  Wahl  zwischen  dieser  und  der  jetzigen  gestellt  wnrdc, 
sondern  dass  zu  dieser  jene  gefügt  würde,  Ihre  Entscheidung 
lässt  mir  meinen  Dillis  erkennen  und  ich  hoffe,  dass  dem  aus* 
gezeichneten  Künstler  in  Ihrem  Gebiet  eine  würdige  Anstellung 
nicht  entgehen  wird.* 

Diese  Voraussage  erfüllte  sich  bald,  sicher  nicht  ohne  Zutun 
des  Prinzen  aber  ohne  dass  dessen  in  der  übrigens  damals  spär- 
lichen Korrespondenz  Erwähnung  geschah,  Direktor  Mannlich 
war  am  3,  Januar  1822  gestorben,  und  schon  am  10.  Januar 
konnte  Dillis  seinem  Freunde  Metzger  berichten,  dass  S.  M^V 
stfit  ihm  (Dillis)  die  Direktorstelle  erteilt. 

Die  Korrespondenz  erhebt  sich  auch  nach  den  erzftUtoii 
Zwischenfällen  mit  dem  Pinakothekbau  rasch  wieder  aus  dem 
gedrückten  Tone.  Der  Kronprinz  er/Ühlt  dem  Freunde  SDC^ar 
ausführlich   das  Wunder,   das  Fflnut  von   Hohenlohe  1821   an 


Kronprim  Ludwig  von  Bauern  und  G»  DiUis, 


487 


einer  sterbeDden  Frau  gewirkt,  natürlich  wieder  mit  der  Nach- 
schrift, Niemandem  davon  zu  sagen  * ,  .  »ich  habe  meine  gnten 
Gründe  dazu/  Auch  das  Ereignis  der  Thronbesteigung  Ludwig  I. 
geht  in  der  Korrespondenz  spurlos  vorüber,  welche  auch  spär- 
licher werden  musste,  weil  selbstverständlich  der  König  jetzt 
zumeist  in  München  verweilte.  Der  Ton  der  Briefe  bleibt  übri- 
gens der  gleiche  bis  zum  letzten,  vom  9.  August  1833.  ^Habe 
vor**,  schliesst  dieser  Brief,  ,aua  Rücksicht  für  meinen  Dillis, 
den  Sohn  dessen  Neffen  Lieut.  Kirchmajers  in  das  Cadetten- 
corps  aufnehmen  zu  lassen.  —  Sich  nicht  angestrengt,  Ihre 
Gesundheit  erhalten  und  sich  dem  Ihnen  recht  gewogenen 
Ludwig,* 

Alle  Briefe  atmen  Gerechtigkeit»  den  Ernst  der  Verant- 
wortlichkeit, Festigkeit  in  der  Verfolgung  grosser  Ziele,  Um- 
sicht und  Überlegung  bezüglich  der  Mittel  zu  deren  Verv?irk- 
lichung.  —  Eine  riesige  Arbeitskraft  umfasst  das  Grosste  wie 
das  Kleinste  in  bewundernswerter  Gründlichkeit,  verbunden 
mit  einem  strengen  aber  idealen  Zwecken  gegenüber  zu  jedem 
Opfer  bereiten  Haushalt  Besonders  wohltätig  berührt  dabei 
des  Kronprinzen  zarte  Rücksicht  gegen  seine  Umgebung,  Fein- 
fühligkeit in  der  Beurteilung  ihrer  Schwächen,  ein  liebenswür- 
diges Eingehen  auf  ihre  Bedürfnisse  und  Wünsche,  wie  herz- 
liche Anteilnahme  an  ihren  Schicksalen:  Eigenschaften,  welche 
caum  irgendwo  sich  deutlicher  aussprechen  als  in  den  Briefen 
den  alten  Freund,  welche  jeder  Gemütsregimg  des  hochbe- 
ieutenden  Fürsten  trotz  der  knappen  Form  reichliche  Ausdrucks- 
gelegenheit geben. 


I' 


■  ; 


Sitzungsbericlite 


der 


König].  Bayer.  Akademie  der  WisöeoscliafteD, 


Emige  neugefundene  etniskische  Inschriften. 

Von  Alf  Torp  tind  Gbsüit  Uerbig. 

(Mit  4  Tif^ln.) 

(Vorgelegt  in  der  pMloB.-philoL  HaBse  am  2.  Juli  1904.) 

Zwei  Dritte]  der  folgenden  Inschriften  wurden  von  A,  Torp 
wälirend  eines  mehrmonatlichen  Aufenthaltes  in  Italien  in  der 
ersten  Hälfte  des  Jahres  1904  kopiert  und  zum  Teil  erworben; 
ein  weiteres  Drittel  bat  ti.  Her  big  auf  einer  italienischen  Iteise 
im  Frühjahr  1903  teils  selbst  aufgenoromen*),  teils  nach  Auf- 
nahmen Ton  B.  Nogara  aus  den  Jahren  1902  und  1903,  die 
ihm  gütigst  überlassen  wurden,  bearbeitet.  Der  Veröftent- 
lichung  in  diesen  Sitzungsberichten  und  nicht  erst  im  ClE 
liegt  ein  vierfacher  Wunsch  zu  Grunde:  1.  die  wichtigsten  der 
Inschriften,  namentiich  die  aus  Toscanella  stammenden,  den 
Fach  genossen  so  rasch  als  möglich  vorzulegen,  2.  auch  weniger 
wichtige,  die  aber  im  GLE  erst  spat  erscheinen  können,  einst- 
weilen zur  Diskussion  zu  stellen,  3.  ein  paar  gefälschte  In- 
schriften durch  die  Veröffentlichung  unschädlich  zu  machen 
und  auf  ein  paar  verdächtige  hinzuweisen,  4,  italienische  und 
amerikanische  Archäologen  zu  veranlassen  Inschriften,  deren  Ori- 
ginale ihnen  erreichbar  sind,  und  die  wir  z.  T.  nur  nach  nicht 
kontrollierbaren  Kopien  geben  konnten«  recht  bald  besser  und 

*)  Vgl*  dazu  G.  Herbig,   Vorarbeiteo   zitm   Corpui   iuscriptionuni 
etruücanim,  in  dieflen  Sitzungibencliten  190i«  üeft  11»  B*  283—396. 
tOCM.  «Ivgal».  d.  p1ülo*.-i>ka<»l  fl.  d.  bist  Kl.  38 


490 


Alf  Torp  und  Gustatf  Hahig 


m  einer  auch  ftir  das  CIE  genügenden  Faksimile-Form  hc 
zugeben  oder  wenigstens  zweckdienliche  Nachricbten  darüber 
an  die  Herausgeber  des  CI£  gelangen  zu  lassen*  £s  handelt 
sich  besonders  um  die  Nummern  2,  3,  7  —  12,  35 — 36,  40 — 45. 

Die  folgenden  Inschriften  sind  in  derselben  Weise  geogra* 
phisch  nach  Fundorten  zusammengestellt  wie  im  CIE,  Fast 
alle  wurden  von  den  Herausgebern  einmal  gemeinschaftlich 
durchgesprochen,  doch  sind  die  einzelnen  Gruppen  und  Num- 
mern jedesmal  mit  To.  oder  He.  verantwortlich  gezeichnet. 
Für  die  Clichevorlagen  trägt  He.  allein  die  Verantwortung*      J 

Gelegentlich  hat  sowohl  der  eine  als  der  andere  Heraus-' 
geber  einen  Den  tu  ngs  versuch  nicht  ganz  unterdrücken  können: 
wer  mit  solchen  Versuchungen  schon  gekämpft  hat«   wird  tms 
die  Sünde  nicht  allzu  hoch  anschlagen. 


Cortona. 

In  Cortona  wurde  mir  ein  Krug  aus  Terracotta  angeboten, 
der  vor  8 — ^10  Jahren  bei  Barallo,  etwa  8  Miglien  von  Cortona, 
gefunden  sein  soll.  Höhe  0,22  m,  Durchmesser  0,23  ra.  Die  | 
Inschrift  zwischen  den  beiden  Henkeln.  Die  Buchstaben  leicht 
eingeritzt;  Höhe  derselben  0,03 --0,04  m.  S.  Taf.  I  Nr.  1  nach 
einer  Abpausung  von  min 

1)  an^im 

Ein  Mann  aus  dem  Volke,  ein  gewisser  Gio.  Zaccaria, 
teilte  mir  mit,  dass  ein  Sign*  Terosi  bis  vor  4  Monaten  eine 
Schale  aus  Bucchero  besessen,  dann  aber  an  einen  ,Komano* 
verkauft  habe.  Die  Schale,  die  vor  15—20  Jahren  in  einem 
Tuffsteingrab  bei  Metigliano  sopra  a  Bergo  gefunden  sein 
soll,  war  mit  Henkeln  versehen,  ca.  0,25  m  hoch,  der  Fuss 
unten  0,10  m  breit.  Sie  war  oben  mit  einem  ringsumlaufenden* 
nackte  tanzende  Figuren  darstellenden  Ornament  geschmückt.  { 
Unter  diesem  Ornament  stand  zwischen  den  b**iden  Henkeln 
eine  eingeritzte  Inschrift  Hohe  der  Buchstaben  ca,  0,015  m. 
Ich   erhielt  von  dem  Manne   eiflje   von  ihm  selbst  verfertigte 


I 


Einige  neugefundene  etfuskist^e  Ingckriften,  491 

Zeichnung  der  Inschrift*  Die  Kopie  scheint  treu;  der  Mann 
versiehertef  dass  er  alle  BuchstabeD  genau  gezahlt  und  keinen 
übergangen  habe.  Er  verstand  die  Zeichen  nicht;  auch  meinte 
er,  dass  die  Inschrift  von  links  nach  rechts  zu  lesen  sei.  Es 
handelt  sich  also  um  eine  ganz  mechanische  Kopie,  Natürlich 
aber  bildet  sie  für  eine  Publikation  keine  genügende  Grundlage. 
Ich  teile  sie  dennoch  hier  mit^  so  wie  sie  ist^  in  der  Hoöbung, 
dass  die  Kunde  von  dem  Vorbandensein  dieser  wichtigen  In- 
schrift dazu  beitragen  werde  sie  wieder  einmal  ans  Licht  zu 
fordern  1),    S.  Taf.  I  Nr.  2. 

2)  turms  -  ar  •  apumat  •  apimi  -  raßs  -  trisnat 

Derselbe  Mann  gab  mir  auch  eine  von  ihm  selbst  verfer- 
tigte Zeichnung  einer  Inschrift,  die  auf  einem  grossen  flachen, 
vor  25  Jahren  nahe  bei  Cortona  „sotto  il  cimiterio  detto  il 
Monasteraccio*  gefundenen  Steine  gestanden  haben  soll. 
Der  Stein  war  zerbrochen.  Der  gefundene  Teil  etwa  1  m  lang, 
0,60  m  breit   Höhe  der  Bochstaben  ca,  0»05  m.    S.  Tal  I  Nr.  3. 

3)  —  — ^  —  ena  larcana 

— as&  larezu 

^  —  Xa  lare^d 

— X  katnial 

larejFul  steht  auf  dem  grossen  Cippus  von  Perugia  (CIE 
4538);  auch  die  übrigen  Wörter  bieten  nichts  Neues.        (To.) 

ChiuBi. 

Sign,  öiometti 'besass  einen  piattino  von  Terracotta  mit 
Inschrift.  Durchmesser  des  Gegenstandes  0,125  m;  Höhe  0,015. 
Die  Inschrift  ist  auf  der  Unterseite  eingeritzt;  sie  bildet  einen 
Kreis,  lässt  aber  zwischen  dem  a  und  dem  r  eine  kleine  Lücke 
übrig,  so  dass  zweifellos  mit  dem  v  die  Lesung  zu  beginnen 
hat  S*  Taf,  I  Nr.  4  nach  einer  Abpausung,  Die  Origtnalbuch- 
staben  sind  ca.  0,015  m  hoch. 


^  Oder  sollte  die  Kopie,  richtiger  vielleicht:  ihre  Torlage,  nach  GIE 
4152  und  4153  gefälscht  «ein?    Korr^Note. 


■  Mf  Ibrp  und  Onstm  Herbig 

4)  ve :  ceverpd&ts :  ^vnapma 

Die  Echtheit  der  Inschrift  ist  aus  äussern  Oründeii  an- 
fechtbar. Die  Konsonantellhäufung  pddi£  an  und  für  sich  ge- 
nügt nicht  um  eine  Fälschung  zu  erweisen:  der  Buchstabeo- 
komplei  könnte  in  zwei  Wörter  zerlegt  werden,  und  tjff  fttr  fear 
geechrieben  sein. 

Bei  Sign.  Mignioni  befand  sich  ein  piattino  aus  Terre- 
cotta  und  ein  vasetto  aus  demselben  Stoff  mit  Inschriften,  deren 
Unechtheit  aus  äusseren  und  inneren  Gründen  feststehen  dürfte: 

5)  Piattino.  Durchmesser  0,13  m;  Höhe  0,02  m.  H5be 
der  Buchstaben  ca.  0,012  m.  Die  Inschrift  ist  auf  dem  obem 
ßand  eingeritzt.    S.  Taf.  I  Nr.  5  nach  einer  Abpauaung. 

d  *  viieca&a 

Die  Vorbilder  der  Fälschung  stammen  ebenfalls  auB  Chiusi: 
CIE  688  bringt  eine  tegula  sepulcralis  mit  der  Inschrift 

vi :  Ute :  ca^a\  vi :  vijfdnal 

und  OLE  2897  eine  olla  sepulcralis  mit  der  Inschrift 

vi :  Ute :  cada  :  alpisnal : 

Auch  die  Inschrift  der  olla  in  Cittä  della  Pieve,  CIE  4880, 

vi :  vUeca^a :  vpmai 

scheint  nach  CIE  638  getaucht  zu  sein,    zumal  aoeli  ändere 
Spuren  Yon  FäUchungen  nach  dieser  Stadt  weisen.  S.  unten  Nr.  14^ 

6)  Vasetto.     Durchmesser  0,072  m;    Höhe  0,05  m.     Hohe 

der  Buchstaben    ca.  0,008  m.    Die   leicht    eingeritzte  Inschrift 

steht   auf  dem   äussern  Rande.    Sie   ist  dem  Schriftzuge   nach 

von  derselben  Hand  gefälscht  wie  Nr,  5,    S.  Taf.  I  Nr.  6  imch 

einer  Abpausung. 

evantralt 

Die  gleiche,  offenbar  yom  Fälscher  als  Muster  benuiste  In- 
schrift findet  sich  CIE  4792  und  4793  auf  einer  t^guIa  septiU 
cralis  und  auf  einem  dazu  gehörigen  Tasculum  cinerariuru,  eben» 
falls  aus  der  Nähe  von  Chiusi  (aus  Valdacqua); 
evanira\lt  und  emn^rtdt 


Einige  neufefundene  etrmküehe  Imchriften. 


493 


Beide  Inschriften  müssen  den  Namen  der  verstorbenen 
Person  enthalten  und  können  kaum  etwas  anderes  bedeuten 
als  evantra  l(a)utm&a  ss  Euandra  liberia  (Gamurrini»  Not  d* 
Scavi  1897  S.  250  Nr.  c  und  d.  —  Pauli,  OLE  L  cJ).  — 
Wilhelm  Schul ze.  Zur  Geschichte  lateinischer  Eigennamen  ^^ 
Äbh.  d.  K.  Ges.  d.  Wiss.  zu  Göttingen.  Phüol.-hisi  Kl.  N.  F. 
Bd.  V  Nn  5,  1904  S.  397  Anm.  6),  (To.  He.) 

Beim  Antiquar  Lancetti  sah  ich  drei  Ossuarien  aus  Nenfro 
mit  Inscbriften,  die  ich  hier  nach  meiner  Abschrift  vorläufig 
mitteile.   Hoffentlich  werden  sie  später  ediert  werden: 

7)  ludlarce 

lavrstiai 


9) 


a^  •  sepäevi  •  vijmi 
a& '  hantisaplatitia 


Weiter  eine  Platte  von  Terracotta»  die  vor  3 — 4  Jahren 
bei  Chiusi  gefunden  sein  soll.  Breite  ca.  l  m;  Höhe  0,50  m. 
Inschrift: 

10)  vipi:a>pmS 

Beim  Antiquar  Pacini  (Florenz)  sah  ich  zwei  Ossuarien, 
die  nach  seiner  Aussage  vor  6  —  7  Jahren  bei  Villa  Strada 
(zwischen  Torontola  und  Chiusi)  entdeckt  wurden.  Auch  diese 
Inschriften  teüe  ich  hier  vorläufig  mit: 


11) 

12) 


pä&iveiuicaei 
lardi  •  mwhm  •  faUu^, 


(To.) 


^)  Pauli  gibt  die  InBchriften  nur  in  den  konventionellen  etrualdicheu 
LetterOf  nicht  in  Fakeimile  wieder,  d.  h.  er  hatte  keine  Gelegenheit  die 
Originale  im  MuBeum  von  Chind  zn  kopieren,  sondern  er  Übernahm  den 
TesEi  der  InBchriflen  und  die  ungendgende  Beachreibung  der  Gegenstilnde 
von  Gamurrini*  Die  endgültige  Entscheidung  der  Frage  über  dai  Ver- 
haltoii  von  Nr.  6  sra  GIE  4793  wird  aich  erst  fUlIen  laasen,  wenn  ein 
Faksimile  und  eine  genauere  Beschreibung  der  letzteren'  Inschrift  vor- 
liegen. 


494  Alf  Torp  und  Gmiav  Herhig 

13)  Klemes  Bleigewicht,  in  Form  einer  Pyramide;  0,02 
hoch;  die  Schwere  ist  mir  nicht  bekannt. 

Gefunden  in  der  Umgegend  von  ChiuBi,  Ende  Juni  1903. 
Jetzt  im  Besitze  des  üerrn  Dr.  Emilio  Casuccini,  wo  es 
Nogara  Ende  September  1903  abpauste.  Höhe  der  Buch- 
staben ca.  0,004  m,    S.  Taf.  I  Nr,  13. 

p€se\üa  (He.) 

Cittli  della  Pieve. 

14)  ,In  una  tomba  scavata  il  24  settembre  1903  si  troTa«] 

rono  due  vasetti  di  bucchero  combacianti  fira  loro  colla  boecü 
che  chiudevano  la  bocca  di  tin  pentolino  di  terracotta,  alto' 
0,15  circa.  Sulla  parete  esterna  del  vasetto  superiore  capovolto, 
alto  0,03  e  largo  0,07,  e  incisa  riscrizione.*  (Schriftliche  Mit- 
teilung von  Nogara,  der  jetzt  auch  Besitzer  der  Inschrift 
ist.)  Höhe  der  Buchstaben  0,012—0,02  m.  Dem  Faksimile  auf 
Tafel  I  Nr.  14  liegt  eine  Pausung  und  ein  Staniolabdruck  von 
Nogara  zu  Grund. 

Menage  •  cUia 

E.  Lattes,  dera  Nogara  die  Inschrift  zeigte,  hält  sie  siel 
für  falsch.  Auch  Nogara  hegt  starke  Zweifel  an  der  Echt 
der  Inschrift  (nicht  des  Gegenstandes);  er  wird  in  seinen  i 
Zweifeln  bestärkt  durch  andere  verdächtige  Inschriften  der-j 
selben  Herkunft  und  desselben  Typus,  die  er  zu  sehen  und  zu] 
kopieren  Gelegenheit  hatte.  Ohne  Autopsie  wage  ich  kein  ab-  * 
schliessendes  Urteil.  In  ihrem  Bau  erinnert  die  Inschrift  an  eine 
eingehauene  Architravinschrift  aus  Orvieto,  die  R.  Mancini  in 
den  Not.  d.  Scavi  1886  S.  289  venim*nt1icht  hat.  Nach  ihrem, 
Wortlaut 

akasearices 

hätten  wir  wohl  auch  hier  zwei  Eigennamen  anzunehmen,  we^l 
von    der   zweite    im   Genitiv   stQnde:    bei    citia   wilre   also   dftnj 
schliesaende   -.9  oder  4,    wie   öfters   im   Etruskischen   (Mflller- 
Deecke,  Die  Etrusker^  11  9.  493),  nicht  geschrieben.   Auch  ftlrj 


Einige  ne%igefunäene  etru9hi9the  Imehriften. 


495 


das  Nebeneinandervorkommen  des  älteren  k  und  des  jungem  c 
würde  die  angezogene  Inschrift  ein  Beispiel  bieten.  (He.) 


Perugia. 

Bei  Sign.  Coppioli  fand  ich  zwei  Ossuarien  mit  Inschriften, 
die  vor  6 — 7  Jahren  bei  Monte  Ville  in  der  Nähe  von  Perugia 
gefunden  sein  sollen.  Die  Inschriften  sind  mit  roter  Farbe  auf 
die  Vorderseiten  der  Ossuarien  gemalt. 

15)  Ossuarium  aus  Nenfro.  Lange  unten  0,24  m;  oben 
0,22  na;  Breite  unten  0J85  m,  oben  0,17  ra;  Höhe  0,21m; 
Hohe  des  Deckels  0,05  m ;  Länge  der  Inschrift  0,205  m ;  Höhe 
der  Buchstaben  ca.  0,03  m.  Vgl.  Taf.  I  Nr.  15  nach  einer  Ab- 
pausung Ton  mir. 

laris  •  tipi|i  •  üXXsX& 

16)  Ossuarium  aus  Nenfro.  Länge  unten  0,27  m;  oben 
0,255  m;  Breite  unten  0^2  m;  oben  0,18  m;  Höhe  0,21  m; 
Höhe  des  Deckels  0»07  m;  Höbe  der  Buchstaben  0,02-0,03  m. 
8*  Tat  I  Nr.  16  nach  einer  Abpansung  von  mir. 

aide  *  vijpii\  larisal 

17)  In  Perugia  erwarb  ich  von  Sign.  Mariano  Rocchi 
einen  rollen  förmigen  Gegenstand  aus  Tuff,  gefunden  nahe  an 
der  Porta  S.  Giovanni  im  Jahre  1903,  Er  ist  jedenfalls 
eines  jener  Webegewichte,  die  dazu  dienten,  die  senkrechten 
Fäden  des  Webstuhles  gespannt  zu  halten.  Die  beiden  ebenen 
Flächen  sind  mit  dreifachen  roh  ausgeführten  Swastikakreuzen 
geziert.  Ringsum  die  Rolle  läuft  eine  Inschrift  in  drei  Zeilen, 
von  welchen  nur  die  mittlere  unversehrt  erhalten  blieb,  während 
die  beiden  äusseren  durch  Brüche  an  den  Rändern  sehr  ver- 
stümmelt sind.  Da  die  Zeilen  Kreise  bilden,  und  nirgends  ein 
grösserer  Zwischenraum  vorhanden  ist,  lässt  sich  vorläufig  nicht 
entscheiden,  mit  welchen  Buchstaben  angefangen  werden  soll; 
der  unten  gewählte  Zeilen  beginn  ist  also  willkürlich.  Höhe  der 
Rolle  0,042  m;  Durchmesser  der  Mitte  0,025  m,  der  beiden 
Flächen  0,038  m.   Auf  Tafel  I  Nr.  17  sind  die  Buchstaben  nach 


JÜ(tm9 


a.  der 


Ziüe 


gelfc] 


AittMr  eiDigeo  BocbsUbeofonDen  —  die  Schrift  seil 
lieft  freOJch  entgegen  Ann  g^wdlmfidiea  KiuakiwJMBi  üs» 
TOD  links  nach  rechtii  —  ttod  etirm  der  \mu¥M^  «rf  in  dar 
enten  Zcik  zeigl  die  ljudiriü  nidila  «jigiiwigt  BfauAiidiML 

18)  Sign*  Roeelii  besan  «icli  emen  kTrinpn  niiid«ii  Stwn, 
gefunden  im  Februar  1904  am  Ponte  S.  ßioranni  Liage 
0,06  m;  Breite  0,055  m;  Höbe  0,03  ol  Inschrift  in  der  Mitte. 
AbpMunng  Ton  mir.    S.  Ta£  I  Nr.  18. 

oioef  (To, 


Orvieto. 


1 


In  Orrieto  erwarb  ich  bei  Sign,  LocateIH  zwat  Xen&o- 
cippeUt  die  im  Janiiar  1903  ganx  nahe  bei  Orrieto  geftinden 
sein  «ollen. 

19)  NeoArocippna.    Höhe  0,28  m;   Breite  tinian  0,15.    In- 

sehrifl  auf  allen  rier  Seiten  des  oberen  nnd  auf  der  Vorder- 

Bite  dee  unteren  Stückes  eingehanen.    BuchstabenliÖlie  0,0l| 

^tia  0,037  ro.   Abklatsch  Ton  Herbig,   VgL  Taf.  11  Nr.  19. 

Inschrift  des  oberen  Stückes: 

a)  ?om  x*efaiii* 

b)  links  ^äe^u 

c)  hinten  ifoaht^ 

d)  rechts  X*Mifa 

Inschrift  des  nnteni  Stückes,  Tom: 

e)  lQg>&imX 
1  Der  BtMhstabsnrest  '  keimte  aof  ein  m  denAan.    '  Uerk- 

wQrdig  int  das  siebenstrichige  m.  »  Wohl  liemlicli  aiolia- 


^'fti^e  neugeftmäene  etrmhiichB  Imchnften 


497 


der  Form  ^^  *  0^  ©in  ^  od^r  ^i^  P  kann  ich  nicht  entscheiden. 
*  Vor  dem  s  kann  ein  enger  Buchstabe  gestanden  haben.  ®  Viel- 
leicht am  nächsten  v. 

20)  Nenfrocippus.  Hohe  0,27  m;  Breite  nnten  0,14.  In- 
schrift auf  drei  Seiten  des  oheren  und  in  zwei  Zeilen  anf  der 
Vorderseite  des  unteren  Stückes.  Buchstabenhöhe  0»027— 0,04ra* 
Abklatsch  von  Herbig.    S.  Taf.  H  Nr.  20. 

Inschrift  des  oberen  Stückes: 

a)  rechts  arese 

b)  vom  l^ieaas 

c)  links  amX^ 

Inschrift  des  unteren  Stückes: 

d)  obere  Zeile         uiesa^i 

e)  untere  Zeile        eua^cU 
*  Der  letzte  Buchstabe  wohl  am  nächsten  s,  (To,) 


Bolseaa. 

21)  Inschrift  auf  einer  pietra  calcarea  dura.  Der  Stein 
wnrde  vor  einigen  Jahren  in  den  freistehenden  Torbogen  eines 
Anwesens  (Via  Älessandro  DonzeUini  Nr,  46)  als  Fütlstein  ein- 
gemauert; er  musste  zu  diesem  Zweck  erst  trapezförmig  zu- 
gehauen werden,  wobei  die  Inschrift  beschädigt  wurde.  Nach 
der  Aussage  des  Eigentümers  Costantino  Colesanti  wurde  er 
in  der  Umgegend  von  Bolsena  gefunden,  näheres  war  nicht 
mehr  festzustellen.  Die  Langseite  des  Steines  misst  jetzt 
0,33  m,  die  Schmalseite  an  einem  Ende  0,25  m,  am  andern 
0,17  m.  Die  ganz  erhaltenen  Buchstaben  der  beiden  mittleren 
Zeilen  sind  durchschnittlich  0,06  m  hoch.  Ein  Abklatsch  und 
ein  Teilabklatsch  von  mir  (Mai  1903).     S.  Taf  H  Nr.  21. 

havretHe[s?J 
fleres:c[a?  oder  n?] 
ecn  ceaxa 


»^ 


Vmim 


i?  Di». 


Ar  fift  4  ZAm  ier 
wmAmm  hm^.    Dm 


1. 


m  m 


(3.  Zdk) 


3L  nd  4.  Zeile  bealcid  km 

ndera  Zeil»:  4er  ScUow  i 

oceli  XV  Koi  nf  d9  imiprttitfiribim  FUdM 

da.   Dagegen  iit  Jeraicin.  mahFlMma 

mf  «Ilea  wier  Seüen  eteie  wagAammt,    Ia  di 

feiilai   die   BMlabdmepiizeii 

ftoeb  die  L  eeokreelile  Haete  imd  die  ^neitrf^  der  W 

hmtem  Bicki  mnkv  m  eebea;  indi  dem  Rrhlnw  r  Mmjt 

effliki  KoiToäoo«  tu  der,  tdk 

noch  em  oder  nrei  BoebilBbeo 

ukaleode  f  ier  2.  Ztüe  eelst  zwar  aiaii  u&ter  den  A,  h 

den  lEBler  dem  «  der  1.  ein,  doch  ecbeöit  irarho'  niditi 

fehle»;  dag^^en  wär^  am  SeUii«  der  Zeüe  noch  em 

Baum  fflr  etoeo  wetteren  Bochataben  rorhaiideB;  iigmtd  welcka 

Sporen  aehe  jeh  fireUich  siehL    Zu  Anfing  dar  3.  Zeile  liMBOi 

Aeh  die  8pit»eo  ron  2  oder  rieUeidii  3  Qnerhasten  mkemnemt 

alio  dftrfen  wir  am  ersten  eto  e  renooteft.    IKe  folgenden  Bodb* 

alabea  c  nod  n  sind  tmteo  etwaa  geküirL    Dea  e  in  oaaj« 

wohl  ala  «tcber  gt^Uen:  iat  fodess  die  3.  Bäme  nach  unlea  niclil 

znfiUltg,   dann  haben  wir  aaeh  mit  etoera  |  xn  rechnen. 

kislen  Bocbatabeo  der  3.  Zeile  wQrde  ich  am  liebetcn  ak« 


Einige  n^ugefundene  etruskiidhe  Inschriften, 


499 


doch  sehe  ich  nichts  von  einer  zweiten  senkrechten  Haste,  ob- 
wohl der  Stein  an  jener  Stelle  intakt  zu  sein  scheint;  es  bleibt 
also  immerhin  die  Möglichkeit  eines  v  offen.  Von  den  erhal- 
tenen Buchstaben  der  4.  Zeile  ist  das  erste  n  ganz  unsicher. 
Beim  letzten  e  sieht  man  von  der  mittleren  Querhaste  nur  eine 
schwache  Spur;  in  der  Korrosion  nach  dem  Schluss-^  kann  noch 
ein  Buchstabe  gestanden  sein.  Wie  viele  Buchstaben  am  An- 
fang der  4.  Zeile  fehlen,  ist  nicht  mehr  zu  ermitteln:  hier  ist 
der  Stein  am  meisten  zugehauen.  Ich  halte  es  freilich  für  denk- 
bar, dass  gar  keiner  fehlt  —  die  Spitze  des  letzten  Buchstabens 
vor  dem  jetzigen  tunMe  milsste  man  eigentlich  noch  sehen.  In- 
dess  will  ich  die  Möglichkeit  einer  Lesung  wie  sfninßie  nicht 
von  der  Fland  weisen, 

Ist  über  den  Inhalt  der  Inschrift  eine  Vermutung  erlaubt» 
so  muss  zunächst  betont  werden,  dass  wir  die  ursprüngliche 
Verwendung  des  Steines  nicht  kennen  und  so  eines  wichtigen 
ErklärungBmittels  beraubt  sind.  Da  wir  aber  aus  andern  In- 
schriften Grund  zur  Annahme  haben,  dass  fleres  etwa  ,Bild* 
bedeutet  und  in  ea  oder  cn  und  ecn  vielleicht  Demonstrativ- 
pronomina vorliegen^),  scheint  es  nicht  zu  gewagt  die  erste 
Hälfte  der  Inschrift  ungefähr  so  zu  deuten :  .Des  Havrenie  Bild 
[ist]  dieses.*  Darf  man  femer  im  ersten  Wort  der  zweiten 
Hälfte  ein  ähnliches  Pronomen  (ecn),  im  dritten  einen  Eigen- 
namen oder  das  Fragment  eines  solchen  sehen,  so  mag  das 
zweite  als  Form  mit  verbaler  Funktion  gelten;  es  hätte  sich 
dann  hier  möglicherweise  der  Stifter  des  fleres  oder  der  Künstler, 
der  es  fertigte,  verewigt.  Die  denkbaren  Ergänzungen  am  Schluss 
der  Zeilen  sind  auf  diese  Deutung  ohne  Einfluss:  havrenie  und 
. . .  ^inMe  können  mit  oder  ohne  Schlusses  sowohl  Nominative 
als  Genitive  sein,  und  die  Ergänzung  des  Schluss-c  in  der  2.  Zeile 
zu  ca  oder  zu  cn  wäre  für  die  Bedeutung  des  Wortes  belanglos. 

22)  ,Frammento  di  pietra  squadrata  presso  i  signori  Ni- 
cola e  Giuseppe  Guido tti,  trovata  nel  rifabbricare  una  casa 

*)  tJher  fleres  .Bild*  und  ecaica,  tcn:tn  vgl.  Etaletzt  Torp,  Etniak. 
Beiträge  l  (1902)  S.  83  und  23/24.  92;  dazu  auch  Pauli,  EtniHk.  Forach, 
u.  Sbid,  III  (1882)  S.  17  und  116. 


500 


Alf  T&rp  und  Gustav  Herbig 


di  loro  proprieta  attigiia  aUa  casa  padronale,  ed  ora  posata 
sopra  im  muricciuolo  dell' orto.  0,41  X  0,26  m.  La  pietra  ai- 
tuale  Aeve  essere  V  avanzo  di  una  pietra  maggiore,  sulla  quäle 
era  iocka  una  lunga  iscrizione,  della  quäle  rimane  ora  parte 
di  4  linee.  Le  lettere  erano  profondamente  incise/  (Nogara, 
1.  X»  1903.)  Ein  Abklatsch  von  Nogara.  Höhe  der  Buch- 
staben 0,045—0,06  m.    Vgl.  Taf.  II  Nr.  22. 

hescnas:^l 

i:udnas:v: 

23)  Cippusfragment  tod  Basalt.  Höhe  0,30  m.  Gefunden 
in  der  Umgegend  von  Bolsena  zwischen  1890  und  1900  (B, 
Leoncini);  jetzt  im  Museo  Civico  von  Bolsena,  wo  ich  im 
Mai  1903  einen  Abklatsch  nahm.  Darnach  das  Faksimile  Taf*  II 
Nr.  23.     Buchs tabenhöhe  0,035—0,06  m. 

[vjd»ur :  f  .  .  . 
Eine  weitere  Ergänzung  scheint   nach  dem  Zustand   des 
Fragmentes  aussichtslos* 

24)  Cippus  von  Basalt.  Höhe  0,29  m;  Durchmesser  0,18  m« 
Gefunden  ca»  1900  von  den  fratelli  Vannini  in  der  contrada 
Pietre  Liscie,  l*|t  km  nördlich  von  Bolsena  (B.  Leoncini). 
Im  Mai  1903  machte  ich  im  Museo  Civico  von  Bolsena  zwei 
Teilabktatsche,  die  dem  Faksimile  Taf.  II  Nr.  24  zur  Grund- 
lage dienen.     Buchstabenhöhe  0,025—0,035  m. 

Ums  tafHos: 
Es  fehlt  nichts. 

25)  Cippus  von  Basalt.  Höhe  0,34  m;  Durchmesser  0,21  m* 
Gefunden  vor  ca.  50(?)  Jahren  in  der  contrada  Citerno,  2Vakm 
nördlich  von  Bolsena;  jetzt  Eigentum  des  Herrn  Ängelo  Ovidi 
in  Bolsena,  wo  ich  die  Inschrift  im  Mai  1903  kopierte.  Vgl. 
das  nach  meinem  Abklatsch  angefertigte  Faksimile  Taf.  H  Nr.  25. 
Buchstabenhube  0,03—0,04  m. 

»  f 


Mnige  neugefunätne  etru»ki$che  Imchriften, 


SOI 


26)  Cippus  aus  Baflalt.  Höhe  0,46  m;  Durchmeflser  0,25  m, 
QefuBden  ror  ca,  10  Jahren;  FundBtäfcte  und  jetziger  Eigen- 
iünier  wie  Nr,  25.  Vgl.  das  Faksimile  Taf,  II  Nr.  26  nach 
einem  Abklatsch  von  mir  (Mai  1903).  Buchstabenhöhe  0,035 
bis  0,06  m. 

Se&ra  :  veliMä :  uv : 

27)  Cippusfragment  ans  Basalt.  Höhe  0,14  m;  ursprüng- 
licher Durchmesser  0,19  m;  Fundzeit,  Fundstätte  und  jetziger 
Eigentümer  wie  Nr.  26.  Vgl,  das  Faksimile  Taf.  11  Nr.  27 
nach  einem  Abklatsch  yon  mir  (Mai  1903).  Buchstabeuhühe 
0,033— 0,043  m. 

fcts  .  .  .  ;  tui  ' 

Die  beiden  Interpunktionszeichen  (vor  t  und  besonders 
nach  i)  sind  nicht  sicher;  sswischen  s  und  t  fehlen  etwa  drei 
Buchstaben;  zwischen  i  und  /'  wäre  noch  Raum  für  zwei»  doch 
scheint  nie  etwas  dagestanden  zu  sein. 

28)  ZiegeUragment  mit  einem  eingedrückten  Stempel.  Die 
Stern pelfläche  kt  0,06  m  lang  und  0,02  m  breit;  die  aus  ihr 
hervortretenden  Buchstaben  0,01 — 0,015  m  hoch,  Fundstätte, 
Fundzeit  und  jetziger  Eigentümer  wie  Nr.  26.  Vgl,  Taf.  U 
Nr.  28  nadi  einem  Abklatsch  von  mir  (Mai  1903). 

l:ve 

29)  Cippus  aus  Nenfro.  Höhe  0,28  m;  gröseter  Durch- 
messer 0,16  ni;  gefunden  ca.  1885  zu  Piazzano,  P,i  km  nord- 
weetUch  von  Bolaena.  Jetziger  Eigentümer:  der  Sakristan  An- 
tonio Cevoli,  bei  dem  ich  im  Mai  1903  einen  Abklatsch  nahm. 
Die  Inschriftenfläche  ist  stark  beschädigt,  eine  zuverlässige  Le- 
sung scheint  kaum  möglich.  Vgl,  Taf,  11  Nr,  29.  Buchstaben- 
höhe 0,025—0,03  m. 

^  *  ^  Die  beiden  v  und  die  drei  Punkte  sehr  zweifelhaft» 
*  Zwischen  s  und  i  stark  korrodiert;  auf  dein  Abklatsch  glaubt 
man  ein  e  zu  erkennen,  am  Original  sehe  ieb  nichts  Erkennbares, 


Mni^e  neugefundene  etrmkUche  Imchriften, 


503 


Proceno. 

(Comune  del  ierritorio  di  Acquapendente.) 

Bei  der  Aufdeckung  einiger  Gräber  ,al  Paradiso  (comune 
di  Proceno)*  fanden  Bauern  eine  Anzahl  piatti  rozzi  di  terra- 
cotta,  die  im  Herbst  1902  von  dem  Altertumshändler  Ginseppe 
Pacini  in  Florenz  erworben  wurden,  Nogara  nahm  mit  dessen 
Erlaubnis  im  November  des  gleichen  Jahres  Staniolab drücke 
der  Inschriften,    Vgh  Taf.  II  Nr.  31-34. 

31)  Schale  (piatto)  aus  gebrannter  Ziegelerde  mit  hervor- 
springendem erhöhtem  Rand.  Durchmesser  0,19  m;  Ilöhe 
0,045  m;  Grösse  der  Buchstaben  0*02 — 0,023  m.  Die  Inschrift 
ist  auf  dem  imiern  Boden  eingeritzt,  dem  Kande  ungefähr  pa- 
rallel laufend. 

'&a:€aiune  i 

Die  zwischen  dem  Mittelpunkt  der  Schale  und  dieser  In- 
schrift stehenden  Zeichen  (s.  Faksimile)  können  als  ein  im  Ver- 
hältnis zur  Inschrift  auf  dem  Kopf  stehendes  ri{^)  gelesen 
werden.  Der  gleiche  Vor-  und  Gentilname  ist  noch  zweimal 
belegt:  CIE  4282  ^a  *  calunei  -  velsis  ^  namultl  auf  dem  Deckel 
eines  Ossuariums  aus  Perugia  und  CIE  1511  ^ania :  calund  i 
ptimpuval  auf  einem  Qrabziegel  aus  Sarteano. 

32)  Schale  (piatto)  aus  gebrannter  Ziegelerde.  Durch- 
messer 0,20  m;  Höhe  0,04  m;  Grösse  der  Buchstaben  0,01  bis 
0,015  m.    Die  Inschrift  ist  aussen  unter  dem  Rande  emgeritzt. 

vdxera  .  .  i 

Das  a  wurde  aus  den  geringen  Buchstabenresten  nach 
OLE  624,  550,  549  velxera,  vdxcirct,  tW;^ra  wieder  bergesteUt; 
der  näcliste  Buchstabe  bleibt  freilich  unklar, 

33)  Schale  (coppa)  aus  gebrannter  Ziegelerde,  Durchmesser 
0,19  m;  Hohe  0,06  m;  Grösse  der  Buchstaben  0,01  m;  sie  sind 
unter  dem  Fuss  eingeritzt. 

av 


S«M 


Alf  Tbfp  ml  GmUm  BeMff 


34)  Sog.  etr.-camp.  Schale  (piitloX  sehwvi; 
Stück  des  Randes  Ist  ausg^brodiaiL  DurchnMaflser  0»21 
Höbe  0,25  m;  Grösse  der  Bucli^tabea  0,0^5  tmd  0,02  m.  Dis 
e  ist  IQ  der  Nabe  des  Ifittelpxankies,  das  e  in  der  nikhiiao 
Zone  des  innem  Bodens  eingeritzt. 

e  e 


Viterbo, 

35)  Sarkopbagcaasa,  aus  einem  einsigen  Ken&oblock  roh 
zngehauen  mit  Decket  Länge  nngefthr  2,15  m;  Breite  0,75  m; 
Höhe  0,60  m.  Gefunden  1898  nebst  zehn  andern  Sarkaphagra 
tmd  zwölf  einzelnen  Deckeln  in  dem  schon  früher  so  ei^ieU- 
gen  Boden  Ton  Musarna  bei  Viterbü  Ton  Alarieo  Pistti  und 
Mancinelli-Scotti  (Pasqui).  Nach  mündlicher  Anssage  (Mai 
1903)  des  Herrn  Liugi  Bossi  Danielli  aollen  es  dagegen 
vierzehn  Nenfro-  und  ein  Terracottasarkophag  geweaen  sein, 
|jdie  im  Jahre  1900  gefunden  wurden  und  too  denen  etwa  die 
Hälfte  d.  h.  alle,  die  Inschriften  tragen,  nach  Amerika  über* 
führt  wurden.  Vgl  zum  Gammen  A.  Pasqui,  NoL  d,  Scavi 
XI  (1903)  S.  116—120  und  G.  Herbig,  Sitzungsberichte  o. 
S«  287—288,  Die  Inschrift  ist  am  oberen  Bande  der  Torderea 
Längsseite  der  cassa  eingeschnitten  und  mit  roter  Farbe  aua-; 
gemalt.  Das  Faksimile  (T^f.  U  Nr.  35)  wurde  nach  einer  Pholc^ 
graphie  gemacht,  die  ich  der  Freundlichkeit  des  Herrn  Luigt 
Rossi  Danielli  verdanke. 

Pasqui  liest  (Nr.  6  8.  118): 

nefinal  •  ratwtfti  •  auUs  •  ril  •  tllX  •  uücrav  ta&uras  ud&ur9  • 

la&alc 

Nach  der  Photographie  ergibt  sich  die  Lesung: 
f  f 

nermai  •  ravn^  •  avUs  *  rü  •  f  IIX  •  td  •  cravsa^uras  vd^tirs  •] 

Die  Punkte  narb  mils  uud  at  fehlen  auf  dem  Faksimile, 
scheinen  indess  auf  dor  l^hotographie,  wenn  auch  ftusserst 
schwach,  noch  henrorzutreten. 


Einige  neugefunäene  etruskiiche  Inschriften, 


SOS 


Herr  Prof,  A.  Pasqui  hatte  die  Güte,  mir  am  24.  Juni 
1904  brieflich  mitzuteilen,    dass  er  die  M 13 sarna- Inschriften 

unter  sehr  ungünstigen  äussern  Verhältnissen  kopierte  und 
drucken  lassen  musste  ohne  die  notwendige  Korrektur  lesen 
zu  können,  so  dass  einige  Irrtümer  stehen  blieben;  nur  statt 
des  ai  hält  er  seine  Lesung  aü  aufrecht.  Auf  der  Photographie 
kann  ich  nur  eine  nicht  senkrechte,  schmale,  scheinbar  zufäl- 
lige Furche  in  Stein  erkennen;  doch  ist  die  Möglichkeit  eines 
i  inimerhiu  zuzugehen. 

Die  Inschrift  ist  sehr  durchsichtig  gebaiiL  Auf  einen 
Gentilnamen  mit  weiblicher  Endung  folgt  ein  weiblicher  Vor- 
name und  darauf  die  übliche  Altershezeichnung,  Die  drei  letz- 
ten Worte  bedeuten  ,des  Veh^ur  und  (-c)  Lar^  Oravzai?ura';  es 
handelt  sich  also  um  zwei  Brüder  des  Gentilnamens  Cravzaöura. 
In  welchem  Verhältnis  stehen  diese  zu  der  im  Sarkophag  bei- 
gesetzten weiblichen  Person  oder,  grammatisch  gefragt,  wovon 
hängt  der  Genitiv  crav^aOuras  ab?  Ein  Genitiv  der  Abstam- 
mung ist  unmöglich,  denn  Ravn»>u  kann  nicht  die  Tochter 
zweier  Brüder  sein.  Wir  müssen  also  den  Genitiv  mit  at  (oder 
ati)  in  Beziehung  bringen  und  dürfen  in  diesem  Wort  am  ehe- 
sten einen  weiblichen  Verwandtschaftsnanjen  oder  die  Abkürzung 
eines  solchen  vermuten.  Am  nächsten  lägen  etwa  ,Gattin*, 
»Schwester*  oder  ,Mutter'.  Dabei  ist  zu  beachten,  dass  die 
Gentilnamen  (Nerinai  und  Cravza?9ura)  verschieden  sind,  dass 
also,  wenn  wir  die  Möglichkeit  eines  Adoptivnamens  auf  der 
einen  oder  andern  Seite  ganz  ausser  acht  lassen,  bei  der  Be* 
deutung, Gattin*  oder , Mutter*  die  ursprüngliche  gens  der  Ravn^u, 
bei  der  Bedeutung  ^Schwester*  die  neue  gens,  in  welche  sie  durch 
Heirat  eintrat,  gemeint  sein  müssten.  Am  natürlichsten  wäre 
zweifellos  die  Bedeutung  ,Mutter*.  Denn  für  ,Gattin*  haben 
wir  das  sichere  Wort  pula;  auch  müssten  wir  den  ganz  be- 
sonderen Fall  annehmen,  dass  Ravnt^u  zuerst  die  Gattin  des 
Velour  und  dann  die  des  Lan?  Cravzai>ura  gewesen  sei.  Bei 
der  Bedeutung  , Schwester*  müsste  auffallen,  dass  auf  dem  Sar- 
kophag einer  verheirateten  Frau  ihre  Brüder  und  nur  diese 
genannt  werden.    Statt  »Mutter*  könnten  in  zweiter  Linie  auch 

1904.  SiUgiib.  d.  pbn<»ii.-|»tiüol,  v.  d.  lifat  Kl.  94 


■Ü  Deckd.   Alka  wtäete  vm  Kr.  SS. 

titbt  mof  Aen  Oeclcel  «ad  swar  aof 

s   Buhdageffs,   te*  od  ier  FwIwfiW  4cr  os»  is 

Eb€M  liegt   Sie  Ooft  m  einer  ga»'«  Zäfe  vb4  radktt 

laf  dem  ^Uer  KügeoJcu  aekr  ichkdit  moAdUacrtoi 

nliclM  Geitmit  ^rnnrnm.  etwa  nm  üaM  bis 

Aaa  Seliatteo  sitf  im'  PbotograpUe  iei  m 
wohl  Mxuh  mit  roler  Farbe  unB^malt  gewesen«    Dm  Fak* 
Taf,  n  Nr.  36  nacli   eiiier  Fholopapliie  wie  Xr.  S^ 

ka!>e  <&  InaduiR  oben  S.  288  mit  Pasqais  Xr.  19  wm- 
wollen  (wobei  ärgei&Iier  Weise  statt 
K mmner  7  ia  «teo  Text  geratoi  lat).  Die  Wien  kdnttaii 
trotz  gnisier  liusKchkeit  aoch  icB  geaaea  SaricopHagdedEeb 
aicht  i<feiiCisch  sefo«  Pa^qui  bringt  abgeselieo  too  den  Teiaeiue» 
dtmen  Lenungen  am  Anfang  (doch  s.  tt.)  luid  am  Rdihiaa  ctne  s  we^ 
zeilig«^  Iti$fhrift;  auch  die  Angabe«  dais  sie  aürmmm  S  cmxitm 
Koft«  stintnit  nicht  mit  der  oben  gegelieiien  Besehreibung. 
Iheiffjks  TgT.  **€«  Fabr.  CU  2334,  ^wMß]  CfE  4721 
9vcBUei  Fabr.  Suppl.  n  104:  auch  Pasqai  a.  a.  0.  Kr.  7 
und  die  rer&iQimnelteo  Anfiftogsw5rter  Toa  Nr.  19  ood  21 
wohl  nach  ^eaen  Beispielen   zn  berichtigen  and  an  ergicai»!* 


7m\ 


37)   Scb5p%eßia  ^ßvfi»^  aaa   Boeeheiia     Dui 
tiaK>  m;    üahe  aha»  ttndcd  a,0f>5  m«   nit  Henke' 
Uahii  lief  ßuehslabem  OjMfr— «,0l  ai.  äeftiodea  bit .-  i.- 

«MC(^  priau»  Ferei^  (aadl  des  AiMana  «iaaa  Bmi»w)  isa 
Jali^  1908*  KigieiilfliD^  "  r  Lm^  Boaat  Daniel! i^  di^r 
mir  daa  Oefaiw  aaüni0^  _.  -  '  »3  \m  Qenihifti  d«s  Amit.tr 
Ifi^Uiaiit  jitik  aeigl4fv    VgL  yhim  3.988—289. 


Einige  mwfefundene  etrttHkisi^€  Injtchriften. 


507 


Von  den  drei  Würtem  der  Inschrift  ist  a)  auf  der  iassern 
Seite  des  Henkels,  b)  auf  dem  äti^idera  ßefässrand  links  und  t) 
auf  dem  äussern  Gefiissrand  rechts  vom  Henkel  eingeritzt,  so 
dass  die  Buchstaben  von  b)  und  c)  bei  liuhelage  de»s  Öefasses 
auf  dem  Kopf  stehen.  Die  Inschrift  ist,  Taf.  II  Nr.  37,  auf 
etwa  ^ji  verkleinert,  nach  einer  Pauaung  von  mir  wiedergegeben. 

a)  ünia  b)  arvnde  c)  mia 

Zu  a):  tima  bekannter  etruskischer  Göttername,  der  be- 
sonders auf  Spiegelinschriften  den  Gestalten  des  .Tuppiter-Zeus 
beiges<;hrieben  wird.  Zu  b):  W.  Schulze  schreibt  (Lat,  Eigenn. 
S.  128):  ,dass  Arv-mim  CIL  V  2096  (Asolo)  Ärb-mius  2898 
(Patavium)  Arb-orÜHS  VI  1058  XÜ  568671  .h^-enÜHS  IX  890 
(Lnceria)  etruskische  Formen  des  Tjpus  tarcna  tarxu  iar^nte 
sind,  scheint  das  Cognamen  des  C  Cadius  C.  f.  Ärtentus  domo 
Lucanm  VI  2572  zu  lehren.  Vielleicht  sind  Arventns  und  Ar- 
ventius  identisch,  wie  das  Gentilicium  llsckis  und  das  Cognomen 
Visctis  (der  Vibii  Visci)^  die  beide  dasselbe  etr.  visce  repräsen- 
tieren: nur  die  verschiedene  Geltung  im  römischen  Namen- 
system hat  die  verschiedene  Behandlung  des  Suftixes  bedingt. 
Die  Veränderlichkeit  des  Lautstandes,  die  Armndius  Pais  228 
(Aquileia)  zeigt,  würde  zu  einem  etr.*ar«w^  oder  arvn&e  recht 
gut  stimmen  .  ♦  .*  Diese  von  Schulze  bloss  erschlossene 
Form  wird  jetzt  durch  das  artmdv  unserer  Inschrift  be- 
legt. Zu  c):  arta  scheint  am  ehesten  nur  eine  graphische 
Variante  zu  dem  bekannten  Genitiv  m^dal  zu  sein.  Die  Nicht- 
Schreibung  des  n  und  des  schliessenden  ^  sowie  die  Schreibung 
t  statt  ü  lässt  sich  mehrfach  belegen;  ich  fdhre  beispielsweise 
nur  an  ar»al  (GIB  35),  artal  (CIE  1653);  über  die  Möglichkeit 
der  Nichtschreibung  des  Schluss-?  vgl  Müller-Deecke»  Die 
EtruskerlP  (1^77)  S.  403  {am(^a  und  lari^a,  Not.  d.Scavi  1898 
S.  312  Nr.  41  und  45,  sind  falsche  Lesungen,  wie  aus  CIE  4685 
und  4718  hervorgeht;  sie  gehören  also  nicht  hierher),      (He.) 

In  Viterbo  erwarb  ich  beim  Antiquar  Falcroni  eine  Tasse 
von  Buccboro  und  einen  kleinen  schwarz  bemalton  Cylkrug  von 
Terracotta, 

84  • 


SlO 


AlfTmpmmd 


4€)  ämkopbmg  mi^  Ikdad,  woranf  im 
i^m  tiaktm  Ann  nikendcD  jumge^  WmImsl  _ 

phiga  2,03  m:  Hohe  0«60  m;  Breü»  0,M  b;  Bite  dm  IhAA 
bit  £un  Gipfd  des  Kopfi»  0«S8  n*  üwlrrfalh  der  ¥^6mm  im 
BaUouKS  biUcfc  dfr  Ded^el  iwti  sduige  PBcImo;  nf  dtr  forw 
dem  TM  iiasn  ni  die  laaelirift  Mgehmnu  HAh«  d«  b* 
selifift  0415  m;  Bmle  OM  m;  Buhe  dar 
0^6  mi,  AbkUlscli  Ydi  mir.  Pbatogrm|»bie  voa  Ifoseirai 
Auf  d€r  PhoiogTaphie  seht  Bum  ton  der  leixleo  Zmim 
Opur^  d&  flk  daueh  die  aafgewidcelte  BoUe,  in  welche 
ichrige  Fliehe  rasteft  dan  Amge  wmrieAi  wird.  S.  Taf. 
h>.  46. 

In  zilinat  ist  das  (  gmaz  deutlich.  Abo  6«9iitiir, 
Dach  steht  r»m&a  Hir  ram&asi  OenitiT  mit  Schwund  der 
dupg  -f.  In  der  letzten  Zeile  sind  die  Buchstaben  kleiner 
dia  der  Gbrigen  Zeilen  and  sehr  Terwitiert.  Hinter  dem 
glaabt  man  ein  k  xu  entdecken.  Nach  dem  0  ein  rerhült 
mfisstg  tief  eingehauener  vertikaler  Strich»  Von  dem  ot 
Ende  de»s<tlben  scheint  ein  «ehr  schwacher  gebogener  Zug  naeb 
unten  %u  liiufen*  Wenn  dieser  Zug  nicht  ^fällig  istt  wiid 
dfUB  Zeichen  ab  a,  anderenfalls  als  i  zu  lesen  sein.  £s  folgt 
einQ  aenkrecht«  Hoste;  ob  dabint43r  nach  etwas  g^^tanden  ist» 
lilsst  fiieb  kaum  entsclioiden. 

Int  "       - 1  ist  das  Zahlwort  dunem  :  raÖr?fiw5,  Nach 
Auseiti^"  aingon  (Etr.  Beitr.  I  04  ff.  und  Etr.  Monat 

paaaim)  bedeutet  es  19.    Das  Alter  stimmt  vollkommen  mit  de 
dat^estfjllleu  Figur.     Auf  meine  Fnige  an  die  beiden  MfinDi 
die  mir  btbilflich  waren,   wie  hoch  sie  das  Alter  des  Weil 
wohl   absetzen    würden,   antwortete  der  eine   ,auf  19  Jalir^*J 
der  undero  ,auf  18 — 19  Jahre*. 

47)  Harkophag  mit  Dookel,  auf  welchem  das  Bildnis  eii 
auf  dem  h'nken  Arm   ruhenden  jüngore^n  Mannes.     Lange 
Sarkophagea  2  mi   Höhe  (^HH   m;    Breite  0^63  m;    HOhe  dca 
lieckeU  biH  /.um  Ciipfel  de»  Kopfesi  0,77  m.     Die  Infichrift 


Einige  neugefundt'ne  tlrw^]£i^feflK  tnäcJuifUn.  Sil 

tindei  steh  auf  der  Vorderseite  des  Sarkopliages,  eingehaueo 
und  rot  gemalt.  Länge  der  Inschrift  1,98  »i;  Höho  der  BucIh 
staben  etwa  0,U4 — 0^*45  m.  Abklati^cli  von  mir,  Pliotographio 
von  Moscioni,  Leider  ist  mir  der  Abklatsch  des  umgebogonen 
Teiles  der  Zeile  abhanden  gekommen;  das  lujm  erscheint  aber 
deutlich  auf  der  Photographie.     S.  Tat  III  Nr.  47. 

sUoilam'S '  lard  -  velus :  hqm  ^  avUs  ■*  XXX AI  nmru  ■  paxa&nrm  ;^ 
mt>56"  I  iupu 

^  Das  5  etwas  verwittert,  aber  deutlich,    '^  Nach  avils  wohl 
ein  schwacher  Punkt.     ^  Wohl  Doppelpunkt,  sehr  schwach. 
Die  Verbindung   marti  *  pft/aßuras :  ca&sc   habe    ich  ,Vor- 
riechische  Inschrift  von  Leninos*  S.  41  — 42  näher  besprochen. 

48)  Sarkophag  mit  Deckt?l  ohne  Bildnis.  Länge  des  Sar- 
kophages  2,05  m;  Hohe  0;ß4  m;  Breite  0,60  ni;  Hohe  des 
Deckels  0,255  m»  Die  Inschrift  ist  auf  dem  vorderen  Itaod 
des  Deckels  eingehauen,  die  letzte  Hälfte  in  zwer  Zeilen  ge- 
ordnet. Länge  der  Inschrift  0,82  m;  Uöhe  der  Buchstaben 
0,03—0,04  m.    Abklatsch  von  min    S,  Taf,  III  Nr.  48. 

.  ,    .    sfahnes  rvelus 
c^tanu:ptna 

*  Nach  rami^a  wohl  «wei  Punkte,  der  eine  sehr  weit  unten, 
der  andere  sehr  hoch  oben.  '^  Wohl  sicher  c.  Allerdings  scheint 
das  Zeichen  im  Original  unten  einen  ganz  unbedeutenden  nach 
rechts  gerichteten  Strich  oder  eine  Vertiefung  zu  haben,  aber 
die  Vertiefung  ist  gewiss  nur  zufällig. 

Das  Wort  danll  ist  neu.  Hier  ist  es  offenbar  an  puia 
attributiv  angefügt  Man  könnte  dann  an  so  etwas  wie  „ge- 
lieht* denken.  Mir  ist  es  aber  weit  wahrscheinlicher,  das»  es 
Diit  dem  Zahlworte  ri,  für  welches  ich  den  Wert  ^drei**  nach- 
gewiesen habe,  zusammenhängt,  und  ,^ dritter"  bedeutet.  Also 
wohl:  „des  Vel  Stalane  dritte  Frau."* 

49)  Sarkophag  mit  Deckel  ohne  Bildnis.  Länge  des  Sar- 
kophages  2.08  m;    Höhe  0,63  m;    Breite  0,62  m;    Höhe   des 


Alf  Torp  und  Gustav  Htrhlp 

Deckels  0,22  m.  Die  Inschrift  ist  auf  der  Vordersi'ilr  Je 
Sarka|ihages  cingehauen.  Länge  1,49  in:  Hulio  der  ßucfa«UUtfi^ 
0,06— 0»08  111.    Abklatsch  von  mir.    S.  Taf.  lll   Nr.  4'J. 

eea  :  mutna  :  ^^el/hims:  stalanes  j  lariscäiMa 

50)  Sarkophag  mit  Deckel  ohne  Bildnis.  Länge  des  Sar 
kophages  2^08  m;  Höhe  0^64  in;  Breite  0,62  m.  Höbe  de 
Deckels  0,22  nu  Die  Inschrift  ist  auf  der  Kopfseite  des  SarkcN 
]>hiiges  eingehauen;  Länge  0,52  m;  Höhe  der  Buchstaben  Ofii 
bis  0,00  ni.    Ahklatsch  von  mir,    S.  Taf,  UI  Nr,  W, 

ca  mufnavdus  j  stathncslan  j  sal 

51)  Sarkophagdeckel  mit  dem  Bildnis  eines  auf  dem  liCtcke 
liegenden  Weibes»  dessen  Kopf  abgebrochen  ist.  Liinge  2  m{ 
Höhe  0,Ü0;  Breite  0.63  m.  Die  Inschrift  ist  auf  dem  Tordereo 
Hand  eingehauen;  Länge  0,56  m;  Uöho  der  Buchi^taben  0,C 
bis  0,05  m.    Abklatsch   von  mir.    S.  Taf.  HI  Nr.  5L 


eea  :  mutna  :  ramOas :  man'm 

Nach  mania   hat  gewiss  nichts  gi^tanden.     Es  fehlt 
die  Genitivendung, 

52)  Sarkophag  mit  Deckel  ohne  Bildnis.    Länge  des  Sar-^ 
kopbugiis    1,02  m;    Höhe  0,50  m:    Breite  0,5i  m;    Höbe  de 
Deckels  0,52  in.    Die  LiMcIirift  ist  auf  dem  vorderen   Hand  d»" 
Decktds  erngehauen  und  rot  gemalt;  Länge  0,50  m;  Höbe  d«r , 
Buohfttftben  0,05-^0,08  i\u  Abklatsch  von  mir,  8.  Taf.  Hl  Nr.52.| 

sÜanes  j  vd :  amtJal 

53}  Sarkophag  mit  Deckel,  auf  welclicm  das  Bildnis  etoe»! 
Kindes.  Länge  des  Sarkophage»  1.24  m;  Hohe  0,52  m;  Breitt] 
0,48  m;  Höhe  des  Deckels  bis  zum  öi|»fel  des  Kopfes  0,22 
Dio  Inschrift  hi  auf  der  Vordei-seito  des  Sarkophage«  oin^«-] 
hauen  und  schwarz  genmlt*  Läoge  1,02  m;  Höhe  der  Bueb»] 
fttaben  0,06  m,    Abklatsch  toh  mir,    S,  Taf.  HI  Nr.  53. 

cm  mfdnavtl^HfvsIvduila 


Einige  nenffefnndene  ttrtiM^che  Inschriften. 

54)  Sarkophag  mit  Deckel  ohne  Bildnis.  Längi»  des  Sar- 
kophage«  1,SU  m:  Höhe  0»62  m;  Breite  0,52  m;  Höhe  des 
Deckels  0^20  m.  Die  Inschrift  ist  auf  dt'jn  vorderen  Rand  des 
Deckels  eingehauen,  Länge  0,68  m;  Höhe  der  Buchstaben 
0,05-0,06  111.    Abklatsch  von  min    S.  Tai  Ül  Nr.  54, 

ahaÜ :  i^anyvil 

55)  Sarkophag  mit  Deckel,  auf  welchem  das  Bildnis  eines 
auf  dem  Rücken  ruhenden  Jünglings,  der  in  der  rechten 
Hand  ein  Täfelchen  hält.  Länge  des  Sarknphages  2,05  m; 
Höbe  0,65  m;  Breite  0,57  m;  Höhe  des  Deckels  bis  zur  Stirn 
des  Jünglings  0,10  m,  Die  Insclirift  ist  auf  dem  Fussende  des 
Sarkophages  eingehauen.  Breite  der  Inschrift  0,50  m;  Höhe 
0,52  ni;  Höhe  der  Buchstaben  ca.  0,0r)  m,  Abklatsch  von  min 
S.  Taf  ni  Nr.  55. 

larisalluri I salLsla j  ßanxi'iittslmlmtmljclanl^  avilsjhnßnars 
^  Ich  lese  danL  wenn  auch  das  zweite  ?  umgekehrt  ist 
und  mit  der  zweiten  senkrechten  Haste  des  darunter  stehenden 
n  zusammenläuft.  Diese  Form  des  Genitivs  ist  freilich  höchst 
auffallig,  da  cl^n  sonst  den  Genitiv  clertii  bildet,  hier  niuss 
aber  das  Wort  notwendig  im  Genitiv  stehen,  da  es  zu  }ansal 
Apposition  bildet.  Die  Inschrift  bietet  uns  ein  neues  Zahlwort, 
huOnar-^  das  erste  Beispiel  einer  Bezeichnung  von  10  + Einer. 
Nach  meiner  Anordnung  der  Zahlen  ist  hu§  6,  hudnar-  also  16. 
Dieses  Alter  stimmt  vollkommen  mit  dem  Aussehen  des  dar- 
gestellten Jünglings,  In  meinem  Aufsatze  ,Die  vorgriechische 
Inschrift  von  Leranos*,  S.  64  f.,  habe  ich  versucht  die  Annahme 
zu  begründen,  das  etruskische  Wort  für  10  sei  /u.  Wenn  dies 
richtig  ist,  so  würde  es  sich  jetzt  zeigen,  dass  das  Wort  für 
16  und  wob!  auch  die  Übrigen  Zahlwörter,  die  die  Zahlen 
10  + Einer  bezeichnen,  nicht  mit  dem  Worte  für  10  zusammen- 
gesetzt sind.  Darin  läge  nichts  auffallendes.  Man  vergleiche 
z,  B.  die  germanischen  Zalil Wörter  df  und  zwölf,  hußnm'- 
könnte  etwa  ^(j  darüber  hinaus*  bedeuten. 

56)  Sarkophag  mit  Deckel,  auf  welchem  das  Bihlnis  eines 
auf  dem  linken  Arm   ruhenden   Mannes  in  mittlerem  Lebens- 


[es  Sarkophages  ist  mit  zwei 
ausgeschailickt.    Länge  des  Sarkophages  1^95  m;    E 
Breite  0,64  m;    Höbe  des  Deckels  bis  zum  Grjpfel    des  Kc^fn 
0,76  m.    Die  Inschrift  enthält  zwei  Zeilen.    Die  1.  ZeiJe  sMii 
auf  dem  Tordereo  liand   des  Deckels,    die  2.  gerade  unter  der 
l.  auf  dem  Sarkophage  selbst    Die  Inschrift  ist  sowohl  einge^     i 
hauen  wie  mit  roter  Farbe  gemalt    Länge  der  Inschrift  1,49  m;  m 
Höhe  der  Buchstaben   0,05—0,06  m.     Die  ersten   Hälften   der  " 
Zeilen,  besonders  ein  grosser  Teil  der  L,    sind  stark  TerBiüm- 
nielt  und  abgeschabt  Die  eingehauenen  Züge  sind  an  melu^roii 
Stellen  ganz  verschwunden,  von  den  gemalten  sieht  man  einige 
Flecken.  Die  Flecken  sind  oft  sehr  schwach  gefärbt,  so  schwadu 
dass    mau    ihre   Grenzen    nicht  genau    bestimmen   kann.     Fj 
nirgends  decken  sich  die  F'arbenreste  ganz  mit  den  eingeha 
Zügen,  an  mehreren  Stellen  weichen  sie  vollständig  ab,  so 
auch    da    sich   Farbenreste    vorfinden,    wo   kein    eingehat] 
Schriftzug  gewesen  ist    Abklatsch  und   teilweise  Abpausung 
der   Farben reste   von    mir,    Photographie   von   Moscioni.     Die 
beiden   Abklatsche    sind   mit   darunter  gesetzten   Ahpausungen 
auf  Tafel  IV  Nr.  56  in  Faksimile  wiedergegeben.   Leider  treten      j 
die  leisen,  unsichem,  häufig  kaum  fühl-  und  sichtbaren  Buch-  ■ 
stabenspuren  im  Clicht^- Abdruck,   der  freilich  nur  ein  getreues  " 
Abbild  der  Cliche-Vorlage  bringt,  viel  zu  deutlich  und  bestimmt 
hervor.    Es  empfiehlt  sich  also   nicht  sich  an  ihnen  oder  nur 
an  ihnen  mit  Textverbesserungen  zu  versuchen. 
Z.  L  lese  ich: 


so  dasV 
bauener  ^ 


4c  ft 


x^x^e^^xyj^u^^ 


»»♦ex»^w»*fi 


*  Ein  n  glaubt  man  auf  dem  Abklatsche  sehen  zu  können; 
auf  der  Photographie  ist  es  recht  deutlich.  Von  Farbe  keine 
Spur.  *  Die  Farbenflecken  unbestimmbar.  Auf  dem  Abklatsch 
wjire  ein  P  möglich.  ^  Nach  den  Farbenflecken  am  wahrscfaein» 
liebsten  e,  *  Farbenflecken  unbestimmbar.  Die  Breite  des  Räume»' 
deutet  am  ehesten  auf  ein  a*  'Das  s  recht  dentltch  sowohl  auf 
dem  Abklatsch  wie  in  den  Parbenresten.   Danach  ziemlich  siolier 


Einige  neugefuwiene  ctruskUd^e  Inschriften, 


515 


zwei  pLiakte.  ^  Nach  dem  c  des  Abklatsches  d.  h,  der  deutlicher 
erkennbaren  Rückseite  des  Abklatsches,  auf  der  die  Buchstaben 
natürlich  im  Gegensatz  zu  denen  auf  unserm  Faksimile  von 
links  nach  rechts  häufen,  hebt  sich  durch  ander©  Färbung  de« 
Steines  (ein  Eindruck  ist  nicht  wahrnehmbar)  ein  kurzer  senk- 
rechter Strich  ab^  von  dessen  unterem  Ende  ein  anderer  schräg 
nach  oben  läuit:  /V,  viellmcht  lleste  eines  n,  "'Die  Farben- 
reste deuten  auf  ein  v;  oben  rechts  ein  ziemlich  grosser  Flecken, 
der  wohl  nur  zuriillig.  Dann  gefiirbt  zwei  Punkte,  *  ^  Auf  dem 
Abklatsch  wie  auf  dem  Original  etwa  ^^V.     Mit  dem  ersteren 

•  dieser  Buchstaben  reste  stimmt  auch  ein  Farben  flecken.  Daneben 
Farbenflecken  links  oben  und  unten.  Vielleicht  .s.  Mit  dem 
zweiten  Buchstabenrest  decken  sich  die  Farben  flecken  nicht 
'*^Auf  dem  Abklatsch  ziemlieh  deutlich  i\    *'Die  Farbenflecken 

(deuten  am  meisten  auf  ein  s.  Kaum  mehr  als  ein  Buchstabe. 
l*  Wohl  sicher  ff  mit  folgendem  Punkt.  "Auf  dem  Abklatsch 
erkennt  man  ic.    Hsimi  wohl  zwei  Punkte.    **  Auf  dem  Abklatsch 

[lieht  man  ziemUch  deutlich  ^  -< .  Das  eratere  könnte  man  fllr 
len  Keet  eines  a  halten,  aber  die  Farbenreste  deuten  vielmehr 
auf  ein  ».  Mit  dem  zweiten  stimmen  die  Farbenreste  nicht,  sie 
sehen  ganz  deutlich  wie  ein  e  aus,  also  ne?  Danach  wohl  Punkt. 
*^  Auf  dem  Abklatsch  sieht  man  nur  einen  nach  oben  rechts 
hinlaufenden  Strich  /,  der  auch  in  der  Fitrhong  vorhanden  ist. 

^Danach  aber  mehrere  gefärbte  Flecken.  Ich  weiss  nicht,  was 
laraua  zu  machen  ist.  ^^  Auf  dem  Abklatsche  glaubt  man  ein 
m  und  danach  ein  u  zu  erkennen.  Die  Farbenreste  deuten 
aber  viehnehr  auf  ein  n  und  danach  vielleicht  auf  cc.  ^'^  So- 
wohl Abklatsch   wie  Färbung  ziemlich   sicher  u.    Danach  fast 

[ganz  sicher  L   Das  darauffolgende  udu  ist  auf  dem  Abklatsch 
deutlich  erkennbar. 
Z,  2  lese  ich  so: 
XXX  lane  v^els^e&al  *  a^cilc  •  t  -  f\*  -  cetc^ :  ceamtÜ  :  avih* 

^  Wohl  iK  Der  Abklatsch  hat  die  beiden  Seitenstriche  ', 
die  Fiirbung  nur  den  unteren  Strich,  Dann  nach  der  Farbe 
deutlich  eL    Das  e  ist  auch  auf  dem  Abklatsch  recht  deutlich. 


516 


nnfi 


*  Die  Farben resto  tk'utea  um  iiüclisten  auf.v.  Die  schriig'O 
rechts  ist  aucb  auf  tiem  Abklatsch  vorhanden.  Dann  ^ef 
deutlich  cOuL  Das  i^  und  das  /  sieht  mau  auch  auf  dem  Ab- 
klatsch. '  Nach  der  Farbe  deutlich  aäic.  Auf  dem  Abklatscli  | 
tritt  cllc  klar  hervor.  *  Wohl  Ziöer  /\,  Den  scheiobBren  mitt- 
leren Strich  halte  ich  für  eine  Absehälung  des  Steines.  ^  Wahl 
sicher  t\  Den  kleinen  das  untere  Ende  de^  c  durchkrettzendfio 
Strich  halte  ich  für  zufällig. 

Auch  hier'  begegnet  uns  ein  neues  Zahlwort  Cfximiß.    Dhä 
vorausstehende  eelc  ist,  trotz  des  fehletiden  l^  ganz  sicher  Seiten* 
form  von   cialxlf  cealyl  ^^  30.    ceanud  ist  offenbar  in   CM9§'-u9  ' 
zu  zerlegen.    Es  enthält  die  beiden  Zahlwörter  d  und  haß,  die 
entweder  zu  addieren  oder  zu  multiplizieren  sind*    Ich  hallo  ar 
nicht  für  wahrscheinlich,  dass  die  Zahl  B,  abweichend   ton  d^n 
übrigen  Einern,  durch  Addierung  zweier  Einer  bezeichnet  seiD 
sollte.    Dagegen    wäre    die    Bezeichnung  von    18    als    , dreimal 
sechs"    nicht   auffallend.     Man  vergleiche    die   von    mir   schoo 
früher  erkannte  Bezeichnung  von  12  (,Monatsdaten'  9  f.),  die  nur 
insofern  abweicht,  dass  es  dort  nicht  3x4,  sondern  ,3  Tetraden* 
heisst  {ds:ians).    celc  ceanuü  wäre  dann  30  und  1H=  48,  ein 
Alter,  das  mit  dem  Aussehen  des  dargestellten  Mannes  vollkoin* 
men  stimmt.    Es  würde  sich  also  zeigen,  dass  das  Einisktscbe 
lür  40,  und  demnach  wohl  auch  für  60  und  80,  kein  besonderes 
Wort  hatte,  sondern  von  30,  50,  70  an  w*eiter  zählte.   50  heiast 
nach  meiner  Anordnung  muvalyL    Die  beiden  anderen  bis  jätet 
bekannten  Zehner  ce^jKifyJ  und  seniqalyl  werden  also  bezw.  70 
und  90,  nicht  70  und  80  oder  80  und  00,  bedeuten.    Die  Er- 
klärung Yon  ceanud'  als  18  wird  nicht  dadaroh  widerlegt^  das» 
es  auch  eine  andere  Bezeichnung   von  18   gibt  (fslemsa&ntmj^ 
8o    hat  ja    das   Lateinische    auch   dcc^tn   et  octo   neben    duöde^ 
viijintL     AuffaHend   ist  hei    iins4?rn    beiden   Zahlen   celc  ixanu^ 
das  Fehlen  der  Genitivendung  i?,  die  in  dem  damit  verbundeni*« 
müs  vorliegt. 

In  der  Z,  2  iat  da-s  zweite  Wort  affenbar  der  Vornamo  vd. 
In  dem  vorangehenden  Wort  hat  man  demnach  einiMi  Familien- 
nanien  xu  suchen.    Wenn  man   nun  bedenkt^   dasa  dir  moiaipfi 


Einige  netigefundene  etruskische  Inschriften, 


517 


Sarkophage  dieses  Grabes  Person eu  angehören,  die  den  Namen 
sialane  tragen,  so  wird  die  Annahme  wohl  fiir  eine  fast  sichere 
gelten  können,  dass  das  Wort  zu  [siajlane  zu  ergänzen  ist. 
Das  folgende  iedal  wird  der  Familienname  der  Mutter  im  Ge- 
nitiv sein.  Dieser  Name  ist  mir  sonst  nicht  bekannt.  Es  wer- 
den also  in  unserer  Inschrift  zwei  Pei'sonen  mit  verschiedenen 
B'amiliennamen  erwähnt:  Z«  1  ein  Velchas  und  Z.  2  ein  Stalane. 
Es  fragt  sicli,  wie  das  VerhäUnis  zwischen  beiden  zu  denken 
ist,  und  wer  von  beiden  in  dem  Sarkophage  ruht.  Das  lässt 
sich»  wie  ich  glaube,  leicht  entscheiden,  [siajlane  veJ  ist  durch 
*€  ^und''  mit  ,.acU  W  verbunden,  acü  hat  man  gewöhnlich 
mit  .Eigentum**  übersetzt,  was  an  den  verschiedenen  Stellen 
ziemlich  gut  zu  passen  schien.  Hier  zeigt  sich  nun  aber,  dass 
das  Wort  vielmehr  adjektivisch  ist  und  wohl  , eigen,  zugehörig'* 
bedeutet.  Es  heisst  also  wohl:  ,Vel  Stalane  und  15  Zugehörige* 
(d.  h.  Verwandte),  und  das  Ganze  bildet  gewiss  das  Objekt  des 
Verbs  ptidce  Z.  L  Vor  piidce  steht  iu&u^  ein  Wort,  das  offen- 
bar mit  ki^i  verwandt  ist  (Lokativ  auf  fi?  Der  gewöhnliche 
Lokativ  des  Wortes  lautet  ku7it{i)X  Man  kann  wohl  mit  ziem- 
licher Sicherheit  vermuten,  dass  in  unserer  Inschrift  gesagt 
wird,  dass  der  Velchas,  welcher  in  dem  Sarkophage  ruht,  den 
Stalane  Vel  und  15  Angehörige  in  sein  Grab  aufgenommen  hat. 
Zuletzt  wird  das  Alter  des  verstorbenen  Velchas  angegeben. 
Mit  diesem  Inhalte  vergleiche  man  die  Sarkophaginschrift  Fa. 
2335,  wo  es  offenbar  beisst,  dass  der  Bestattete,  Camnas  Lard, 
für  ^ muri/ XX*  im  Grabe  Raum  gewährt  hat. 

Der  Nominativ  der  Familiennamen  hat  in  unseren  In- 
schriften immer  die  Endung  s.  Hier  bei  [siajlane  fehlt  das  s. 
Liegt  hier  ein  Akkusativ  vor?  Vielleicht  hob  sich  zu  jener 
Zeit  der  Akkusativ  der  Familiennamen  durch  das  Fehlen  des 
-Ä  vom  Nominativ  ab, 

57)  Sarkophag  ohne  Deckel   Länge  2,02  m;  Höhe  0,67  m; 

Breite  0,63  m.    Die  Inschrift  ist  auf  der  Vorderseite,  von  der 

Mitte  derselben  an,  rot  gemalt.    Länge  0,7H  m;  Höhe  der  Buch- 

jituhi  n  0,05—0,07  m.    Abpausung  von  mir.   S.  Tflf,  IV  Nr.  57. 

larOal :  stntlanes :  vdtdJa 


58)  Sarkophag  ohne  Deckel  Länge  2  m:  Höbe  0,69  9| 
Breite  0,64  m.  Die  Inschrift  ist  auf  der  Kopfseite  rot  gemalt 
Länge  0,56  m.    Abpausung  ?on  mir.    S.  Tat".  IV  Nr.  58. 

Der  erste  Buchstabe  ist  offenbar  ein  c,  das  sekr  weit  naeli 
unten  verlängert  ist.  Die  übrigen  Buchstabenreslie  sind  kBom 
bestimmbar.    Ich  vermute 

camutaIna  ^am[vUusJ 

p  *  *?p    ^p    " 

59)  Kleiner  Nenfrocippus  (Basis  mit  Kegel),  i^efunden  b 
derselben  Grotte,  worin  die  Sarkophage  standen.  Habe  ikf 
Basis  0,19  ra;  der  Langseiten  0,28  m;  der  Breitseiten  Ot25  m; 
Höhe  des  Kegels  (Gipfel  abgebrochen)  0,05  m.  Die  Insclirifl 
ist  auf  der  einen  Langseite  eingehauen  und  sehr  verwittert 
Schrift  rechtsläufig.  Breite  der  Inschrift  0,135  m;  Hohe  0»10  m; 
Höhe  der  Buchstaben  0,02—0,03  m,    S.  Taf.  IV  Nn  59, 

(kt. ?)      su^.  u^n 

(etr.)  fil  f»^I 

(lat,)  eomo 

(lat.)  v-a'LXl 

^  Scheint  ein  r,  wenn  auch  der  Vorsprung  rechts  sehr 
eng  ist  und  sehr  hoch  steht,  so  dass  der  Buchf^tahe  fast  win 
ein  i  aussteht.  ^  Von  dem  schrägen  Strich  unten  sieht  tOBU 
nichts.  Das  Zeichen  sieht  ganz  wie  ein  »  aus.  Wenn  wirklich 
ril  LXI  zu  lesen  ist,  haben  wir,  wenigstens  was  Z.  2  und  4 
;rifft,  eine  bilinguis  vor  uns.  (To.) 


u  ^MP 


Corchiano« 

(Zwei  Intfchnften  falkkiflcben  Dialektes.) 

60)  Fnigaieut  eines  Grabssiegeb;  Grüase  0,46x0,42  m. 
funden  bei  Corchiano,  war  Juni  1903  im  Besitze  des  Herrn 
AquiliAO  Creacenzi  ebenda.  Die  Inschrift  ist  «tngiescfanitten; 
die  Grösse  der  Buchstaben  ach  wankt  zwischea  0,025  und 
0,03  ni,  die  Läng«  der  gan»etj  Inschrift  beträgt  0,82  m.      Ihm 

(Faksimile  (Taf.  IV  Nr,  (10)  wurde  itach  zwei  Dorchmtbunjofnn, 

[die  Nogara  sandte,  gefertigt. 


f  ^f" 


SMgt  neayefMNdeiM  etrutkiiche  Inschriften. 


519 


I 


arwf :  cesve :  aruto 

FalLsk.  amj^  (z  =  ts?)  neue  Form  zu  lat.  Äruns  aus  '^'Arunis, 
etr.-lat.  Aros,  etr.  ami?;  arnto,  zum  gleichen  etr.  Stamna  ge- 
hörig, neuer  Beleg  neben  den  ebenfalls  in  Corchiano  gefun- 
denen Formen  aruto,  uronfo  bei  De  ecke,  Falisker  Nr.  57 
und  5().  Die  ganze  Frage  über  arwt?  und  seine  Verwandten 
bedarf  einer  gründlichen  Neunntersuchung;  einiges  hoffe  ich 
gelegentlich  geben  zu  können. 

Die  Formen  des  js  und  des  vierstricliigen  5  deuten  auf  ein 
hohes  Alter  der  Inschrift  (vgl.  das  Faksimile  und  den  Text  zu 
l>eecke,  Falisker  Nr.  47);  die  Form  des  v  (^  statt  falisk,  V) 
ist  ganz  etruskisch,  ebenso  wohl  auch  die  Endung  -c. 

61)  Grabziegel;  Grösse  0,48x0,66  m.  Herkunft  und  Be- 
sitzer wie  Nr,  60.  Die  Inschrift  ist  eingeschnitten ;  Grösse  der 
Buchstaben  0,03—0,04  m;  Länge  der  Inschrift  0,37  +  0,05  ra. 
Dem  Faksimile  auf  Tafel  IV  Nr.  61  liegt  eine  Durchreibung 
Yon  Nogara  zu  Grunde. 

uendtes :  sapnon  /  ia 

Die  Lesung  f  ist  nicht  ganz  sicher;  doch  zeigt  die  Durch- 
reibung eher  ein  t  als  das  zu  erwartende  i.  Sollte  das  Original 
ein  i  bieten,  dann  reiht  sich  das  Wort  an  lat.  VeHelius  (Belege 
bei  W.  Schulze,  Lat  Eigenn.  S.  379,  445,  462);  statt  der 
falisk.  Endung  4o  hätten  wir,  wie  öfters  in  falisk,  Inschriften 
(De ecke,  Falisker  S.  263)»  die  unter  etrusk.  Einfluss  stehende 
Endung  -ies  vor  uns.  Sapftonia  scheint  eine  Weiterbildung 
aus  dem  etrusk.  Stamm  saj)(i)n'  zu  sein  (CIE  1976,  2094,  2915) 
und  gehört  zu  etr.  sajm  (CIE  2713),  lat.  Saho  (CIE  4840). 
Falisk.  Carcmüa  dagegen  (De ecke,  Falisker  Nr,  42)  ist  wie 
etn  carcunia  (CIE  1906,  1908)  unmittelbar  aus  ceircu  (CIE  1710), 
nicht  aus  carcna  (CIE  1956)  gebildet.  Über  die  Ableitungen 
aus  sapu  und  carcu  vgL  jetzt  auch  W.  Schulze»  Lat.  Eigenn. 
8,222-223,   171—172,  (lle.) 


520  Alf  Torp  u.  Gust.  Herbig,  Etruakisehe  Insehrißen. 


Nachtrag. 

Während  ich  die  Korrektur  abschliesse,  scheint  der  auf 
S.  489  —  490  geäusserte  vierte  Wunsch  schon  in  einigen  Punk- 
ten in  Erfüllung  zu  gehen.  Dr.  B.  Nogara  teilt  mir  in  einem 
Briefe  vom  26.  Oktober  1904  mit,  dass  gute  Aussicht  besteht, 
die  vorläufigen  Mitteilungen  über  Inschriften  bei  Herrn  Lan- 
cetti  in  Chiusi  (S.  493  Nr.  7—10),  über  Sarkophagaufschriften 
bei  Herrn  Rossi  Danielli  in  Viterbo  (S.  508  Nr.  42—45), 
sowie  den  Fundbericht  über  die  To  s  c  an  e  IIa -Sarkophage 
(S.  289-290,  508—509)  bei  nächster  Gelegenheit  teils  zu  be- 
stätigen, teils  zu  ergänzen  und  zu  berichtigen.  (He.) 


Zur  Abhandlung  von   Torp  und  Herbig,  Einige  neugefundene  eir 


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15. 


16. 


1904.    Sitzb.  d.  philo8.-phnol.  u.  d.  hist  Kl. 


Insekriften. 


Tafel  I. 


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^^»  iHv/1-^'1f?/^v^7/I*^^.MWv^' 


2. 


AcTTn^    /^(oT^7?>\ 


5. 


^n/1^ 


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^  V  1/  p  ^^\AoV^\D 


17. 


Keprod.  von  Joh.  Ainbr.  Barth  (A.  Meiner),   I^ipzi<if. 


Zur  AbhandluDg  von  Torp  und  Herbig,  Einige  neygefundene  e 


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38. 


32. 


1904.    8iUb.  d.  philos.-philul.  u.  d.  bist.  Kl. 


nschriften. 


.•.  .....    TafelJL,  .. 

'•t.**      •     •••• 

»••.••      •     •  ••• 

I   ■  ■       1    ■       ■       >  ■  I       I        w 

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85. 


V 


l^-"'^"*   A  +  <j^J^Oi;<?^ 


37. 


c^ 


> 


imts'i 


39. 


46. 


Keprud.  von  Job.  Anibr.  Rartli  (A.  Meiner),  Leipzig. 


Zur  Abhandlung  von  Torp  und  JJerbig,  Einige  neugefufidene  et 


>i^^  >^^Ä*5^@  ^>i-fli-^^  ^ä^pax^. 

> 

> 

\iy\mßix.\y^ 

50. 

53. 

54. 

1904.    Sitzb.  d.  philoti.-pliilol.  u.  d.  hUt.  Kl. 


Inschriften.  Tafel  III. 


^^^'Viv^;W5^'©^i^U'i3^A  411^11 


■7. 


:{^J4I1V^^®«!J4@ 


I. 


Keprod.  von  Job.  Ambr.  Hartb  (A.  Meiner),  Loipzig. 


Zur  Abhandlung  von  Torp  und  Herbig,  Einige  neugefundene 


SMi 


^v.-'**'»'^:/^.»'c^ 


ß^i..^0.%^iBM^^'m 


57. 


50. 


Orvp,d:.ii^m-ti^-^^ 


60. 


1904.    Sitzb.  (l.  philort.-philoI.  ii.  d.  lii.st.  Kl. 


Inschriften. 


Tafel  IV. 


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58. 


Gl. 


Reprod.  von  Job.  Ainbr.  Bnrth  (A.  Moiner),  Lei|>zi«(. 


521 


SiUung  vom  B.  November  1904. 

Philosophiech-philologieche  Klasse. 

Herr  ton  Amiba  hält  einen  für  die  Denkschriften  bestimmten 
Vortrag: 

Die   Handgebärden    in    den   Bilderhandschriften 
des  Sachsenspiegels.     (Erste  Hälfte.) 

In  den  950  —  1000  Illiistrationeii,  womit  eine  Familie  von 
mittelalterlichen  Handschriften  den  Text  des  Sachsenspiegels 
begleitet,  fallt  vor  Allem  die  ungewöhnlich  lebendige  Gesti- 
Lkulatinn  der  Figuren  auf.  Es  wird  nun  untersucht»  inwieweit 
die  dort  vorkommenden  Handgebärden  unmittelbar  dem  Leben» 
insbesondere  dem  Reehtsbrauch  entnommen  sind  und  inwieweit 
sie  auf  freier  Erfindung  der  Illustratoren  oder  auch  auf  künst- 
lerischer Überlieferung  beruhen.  Der  Vortrag  erstreckte  sich 
fürs  erste  nur  auf  die  sogenannten  Redegesten  and  auf  die 
hinweisenden  Gebärden  und  gelangte  zu  dem  Ergebnis,  dass 
in  beiden  Klassen  nur  gewisse  Gruppen  Geschäftsformen  des 
wirklichen  Rechtslebens  wiedergebeni  alles  übrige  dagegen  zu 
einem  sehr  ansehnlichen  Teil  älteren  Vorbildern  entlehnt  ist, 
zu  einem  anderen  Teil  aber  der  subjektiven  Symbolik  der 
Illustratoren  seinen  Ursprung  verdankt. 


lOOi.  StUgvh.  d.  i^hlloiL-pMloL  a.  d.  liisl  KL 


S5 


522 


Sitzung  vom  t*  November  1904. 


HiBtorische  Klasse. 

Herr  Riehl  spricht  ausgehend  Ton  den  Bildern  der  Ulrichs- 
legende  in  St.  üirich  zu  Augsburg  über: 

Die  selbständige  Entwicklung  des  Naturalismus 
in  der  oberdeutschen  Kunst  des  15.  Jahr- 
hunderts und  den  nur  sehr  sekundären  Ein- 
fluss  der  Niederländer  auf  die  Malerei  dieser 
Schulen, 
Der  Vortrag  wird  zusammen  mit  dem  vom  13.  Juni  1903 
«Nationale  und  internationale  Züge  in  der  Entwicklung  der 
deutschen   Kunst*   in  den  Sitzungsberichten  erscheinen. 

Herr  Simoh8Fei,d  spricht  Über: 

Aveniin  und  das  PriTÜegium  minus* 

Der  Vortragende  behandelt  im  Anschluss  an  Erben,  Das 
Privilegium  Friedrichs  I.  für  das  Herzogtum  Österreich»  die 
von  diesem  aufgeworfene  Frage»  wieweit  aus  Aventins  (ge- 
druckten und  ungedrucktenj  Schriften  sich  entnehmen  lEsst, 
ob  es  neben  der  Ausfertigung  des  Privilegium  minus  von  1156 
für  den  neuen  Herzog  von  Österreich  auch  eine  bayerische  fiJr 
Heinrich  den  Löwen  gegeben  habe.  Der  Vortragende  stellt 
fest,  döÄS»  wenn  ein  solches  bayerisches  Exemplar  wirklich  ron 
Aventin  benutzt  wurde,  dasselbe  keine  wichtigen  Differenzen 
gegenüber  dem  sonst  bekannten  Texte  des  Privilegium  minus 
entbalteu  haben  dürtUs  dass  insbesondere  die  von  Erben  (nach 
der  Meinung  des  Vortragenden  unrichtig)  für  interpoliert  ge- 
haltenen Stellen  in  der  bayerischen  Überlieferung  ebenso,  wie 
sonst  bekannt,  gestanden  hätten.  Er  weist  namentlich  auch 
nach,  dfiss  die  Abweichungen  in  der  Zeugenliste  bei  Aventin 
auf  dessen  eigenes  Konto  zu  setzen  sind^  zumal  dessen  Nach- 
richten über  den  ganzen  Hergang  in  den  Annalen  unrichtig 
und  entstellt  sind. 

Der  Vortrag  wird  in  den  neuen  pFor»chungi?n  zur  Qe- 
schichte  Bayerns*  veröfTüntlicht  werden. 


523 


Öffentliche  Sitzung 

zn  Ehren  Seiner  KöniglicheD   Hoheit  des 
PriDz-Regenten 

tm  12.  November  1904. 


Der   Präsident   der  Akademie»   Herr  K.  Th,  v.  Hei  gel, 
i eröffnete  die  Festsitzung  mit  der  folgenden  Ansprache: 

Das  erste  Wort  gebührt  heut^  dem  Landesherm.  Die 
Akademie  der  Wissenschaften  hat  sich  nur  mit  wissenschaft- 
Ijchen,  nicht  mit  politischen  Fragen  der  Qegenwart  zu  beschäf- 
tigeUf  aber  wir  erfüllen  nur  eine  Ehrenpflicht,  wenn  wir  ehr- 
furchtsvoll und  freudigen  Herzens  zugleich  dem  Dank  Ausdruck 

pgebeOf  dass  wir  in  einem  monarchischen  Staate  leben,  dass  wir 
den  Schutz  des  Wittelsbachischen  Hauses  geniessen,  das  allzeit 
sein  köstlichstes  Reservatrecht  in  der  Pflege  von  Kunst  und 
Wissenschaft  erblickt  hat,  dass  an  der  Spitze  des  Staates  ein 
Fürst  steht)  mild  und  gütig  auf  dem  Thron»  schlicht  und  brav 
in  seinem  Daheim,  ein  ritterlicher  Degen  und  ein  unparteiischer 
Hüter  des  Rechts,  auf  dass  alle  Stände  in  gleicher  Weise  ge- 
deihlich sich  fortentwickeln  mögen  1  Dem  Allverehrten  und 
seinem  blühenden  Hause  möge  der  Segen   des  Himmels  aller- 

_ wegen  beschieden  bleiben! 

Unser  Landesherr»  die  Königliche  Staatsregierung  und  die 
im  Landtag  verkörperte  Volksvertretung  sind  die  drei  Faktoren, 
denen  wir  zu  danken  haben,  dass  wir  uns  ungestört  und  unab- 
hängig unseren  wissenschaftlichen  Aufgaben  widmen  können. 
Doch  auch  der  Spenden  grossmütiger  Gönner  haben  wir  zu  ge- 

3&* 


Sä4 


K.  Th.  V.  Heigd 


denken.  Wir  brauchen  uns  des  Bekenntnisses,  dass  uns  frei- 
gebige Wohltäter  nötig  sind,  nicht  zu  schämen.  An  die  Regie- 
rungen treten  in  unserer  Zeit  immer  stärkere  Anforderungen 
heran,  und  zumal  in  wirtschaftlich  gedrückten  Tagen  kann 
wirklich  nicht  alles  zur  Förderung  eines  grossen  wiasenschaft- 
liehen  Betriebs  Notwendige  oder  doch  Nützliche  vom  Staate 
geleistet  werden.  Die  Hilfe  von  einsichtsvoileu  und  opferwilligen 
Privaten  ist  dazu  unentbehrlich.  Der  Reiche  wird,  wenn  anders 
er  das  Herz  auf  dem  rechten  Flecke  hat,  selbst  sich  verpflichtet 
filhlen,  seinen  tiberfluss  zum  Wohl  der  Allgemeinheit  nutzbar 
zu  machen,  und  wie  könnte  dieser  Bürgurpllicbt  auf  edlere 
Weise  nachgekommen  werden,  als  durch  Fönlerung  der  Auf- 
gaben von  Kunst  und  Wissenschaft?  Ks  ist  bekannt,  welch 
ungeheure  Summen  in  Amerika  für  sokhe  Zwecke  von  Privaten 
geschenkt  werden.  Bei  uns  sind  —  ich  darf  wohl  sagen:  Gott 
sei  Dank!  —  so  märchenhafte  Reichtümer  nicht  in  PrivatbesibB 
aufgestapelt.  Doch  auch  in  deutschen  Landen  wird  zwar  in 
bescheidenerem  Masse,  sicher  aber  nicht  mit  geringerem  Ver- 
ständnis gespendet.  Wenn  wir  Galerien  und  wissenschafUiche 
Institute  in  Berlin,  Leipzig,  Hamburg,  Frankfurt  und  anderen 
deutschen  Städten  besuchen,  begegnen  wir  auf  Schritt  und 
Tritt  erfreulichen  Beweisen  bürgerlicher  Muniüzenz.  Auch 
unserer  Akademie  wird  zur  Vervollständigung  der  Sammlungen« 
tut  Stellung  von  Preisaufgaben,  zur  Untej*stötzung  von  For- 
schungsreisen immer  wieder  von  hochwillkommenen  Oüunem 
hilfreiche  Hand  geboten.  Wir  graben  die  Namen  unserer 
Bundesgenossen  dankbaren  Sinnes  in  steinerne  Tafeln,  doch  ein 
schönerer  und  dauerhafterer  Lohn  bietet  sich  ihnen  im  Anteil 
an  den  segensreichen  Wirkungen,  welche  die  echte  Wijasen- 
scbaft  zu  allen  Zeiten  auf  das  gesamte  Kulturleben  ausgeübt  hat. 

\Um  den  zahlreichen  beschenken  und  Widmungen,  welche 
die  wissenschaftliehen  Staats&ammlungen  im  Jahre  1904  erhalten 
haben  und  welche  anderweitig  veröffentlicht  werdou,  «eien  lii^r 
nur  einzelne  h^r  '    Wn: 

Die  Herren  1      lut  Ernst  August  Ferdinand  MQIIi^r, 

Oberförster    a.    D.    Max    MttlUr    und    Rechtsanwalt    Oiio 


Änttprache 


525 


Eretschmarf  sämtliche  in  Dresden  wohnhaft,  haben  die 
unpemein  wertvolle  Käfersammlung,  welche  der  verstorbene 
Fabrikbesitzer  Klemens  Müller  in  Dresden  hinterlassen  bat, 
der  zoologischen  Sammlung  zum  Geschenk  gemacht. 

Sie  ist  eine  der  reichhaltigsten  und  wertvollsten  privaten 
Käfersammlungen  Deutschlands,  in  welcher  das  paläarktische 
Faunengebiet  in  ganz  aussergewrjhnlicher  Vollständigkeit  der 
Arten  durch  hunderttausende  von  Exemplaren  vertreten  ist; 
ihr  wissenschaftlicher  Wert  wird  noch  dadurch  gesteigert,  dass 
sie  die  berühmte  Kiesen wetter'sche  und  Haag-Ruteu- 
berg'sche  Sammlung  enthält,  aufs  beste  geordnet  und  samt 
einer  etwa  1200  Bände»  darunter  sehr  seltene  Werke  ent- 
haltenden entomologischen  Bibliothek  übergeben  wurde* 

Herr  Krapfenbaur  hat  der  zoologischen  Sammlung 
8 — 9000  Konchylien  in  auserlesenen  schönen  Exemplaren  ge- 
widmet. Der  besondere  Vorzug  dieser  Kollektion  besteht  darin, 
dass  manche  seltene  Arten  in  grossen  Serien  vertreten  sind  und 
iftus  Gi'genden  stammen,  deren  politische  Verhältnisse  Auf- 
immlungen  nicht  mehr  gestatten. 

Die  paläontologische  Sammlung  wurde  durch  Aus- 
grabungen bereichert,  welche  der  Forschungsreisende  Herr 
Eugen  Wolf  auf  Madaga^ikar  hatte  vornehmen  lassen.  Aus 
den  dort  gefundenen  Bruchstücken  lässt  sich  das  Skelett  einer 
nur  auf  Madagaskar  vorkommenden  subfosailen  Hippopotamusart 
zusammensetzen.  Ein  ausserordentlich  dankenswerter  Zuwachs 
für  unsere  Sanmilung! 

Die  von  Qeheimrat  von  Zittel  hinterlassene^  sehr  reich- 
haltige Bibliothek,  welche  fast  sämtliche,  während  der  letzten 
30  Jahre  auf  dem  (iebiete  der  Paläontologie  erschienenen 
Schriften  enthält,  mithin  für  die  Fachwissenschaft  von  unschätz- 
barem Wert  ist,  wurde  von  drei  Akademiemitgliedern,  deren 
Namen  nicht  genannt  werden  sollen,  ei*worben  und  der  paläonto- 
logiscben  Staatssammlung  zum  Geschenk  gemacht. 

Der  W Ö If  f  1  i  n'sche  Reservofond  für  den  Thesaurus 
linguae   Latin ae    hat   durch   Vermittlung   den   Herrn   Qe- 


K,  Th.  tK  Htigel 

heimrats  von  Wöllflin  von  Herrn  Profesaor  Tbeadoi 
Üsfceri  in  Zürich  einen  stattlichen  Zuschuss  erhalten. 

Die  silberne  Medaille  Bene  raerenti  widmete  unsere  Aka- 
demie dem  Herrn  A,  Fruhstorfer  flir  Schenkungen  von  In^ 
sekten  und  Reptilien  aus  Annam  und  Tonkin  an  die  zoo- 
logische Samralung,  sowie  Herrn  Paul  Bau d in,  Direktor 
der  Eisenbahn  Smyrna-Kassaba,  für  die  Zuwendung  trissen- 
schaftlich  wertvoller  Grabfunde  und  späthell enisclier  Terra- 
kotten an  das  K.  Antiquariuni. 

Der  Grosskaufmann  Bernhard  Lust  in  Charlottanburg^  aus 
Nürnberg  gebürtig,  widmete  aus  Anlasa  des  60  jährigen  Be- 
standes seines  Geschäfts  dem  K.  Münzkabinett  die  Sumnte 
von  25  000  M.  zum  Ankaufe  wertvoller  Münzen. 


Endlich  hat  der  in  Bonn  am  10.  Oktober  ds.  Js.  verschiede« 
Universitäisprofessor  a.D.  Edmund  Hardy  durch  rechtsgültigt» 
Testament  vom  28.  Oktober  1901  die  K.  Bayer.  Akademie  der 
Wissenschaften  zur  Erbin  seiner  Hinterlassenschaft  eingei^Ut 
mit  der  Bestimmung,  dass  aus  der  Erbschaftsmasse,  abzüglich 
einiger  besonderer  Vermächtnisse,  mindestens  50  000  M.  zu 
einer  Stiftung  für  indologische  Studien  verwendet  werden*  Die 
Stiftung,  zu  deren  Annahme  das  K.  Staat^ministerium  des  Innern 
für  Kirchen*  und  Schulangelegenheiten  durch  Entschliessung 
vom  27.  Oktober  Nr.  22978  die  Akademie  bereits  ermächtigt 
hat,  soll  den  Namen  »Hardy-Stiftung'  führen.  Über  ihre 
Verwaltung  hat  Hardy  folgende  Bestiaimungen  getroffen:  ,Der 
Zinsertrag  soll  alljährlich  am  9.  Juli  entweder  a)  zur  Unter- 
stützung eines  jungen  Gelehrten,  gleichviel  welchem  deut^hen 
Bundesstaat  er  angehören  mag,  der  seine  üniversitütsstudien  be- 
reits vollendet  hat,  behufs  Fortsetzung  seiner  Fachstudien,  oder 

b)  zu  Preisen  ftlr  vorliegende,  wi&äenschaftliche  Leistungen  oder 

c)  zur  Unterstützung  wissenschaftlicher  Unternehmungen  ver- 
wendet werden,  —  alles  jedoch  unter  Beischränkung  auf  das 
Gebiet  der  Indologie  in  dem  Umfang  dienes  BegriÖes,  wie  e£_ 
Tfissenschaftlich  anerkannt  wird. 


Anspra^ 


527 


Die   Verleihung    eines   Preises    f^r    gedruckte    Worke    ist 

auf  solche  zu  beschränken,    die  iiu  Laufe  der  letzten  3  Jahre, 

fVOId  Verleihungsterniin  an  gerechnet^  erschienen  sind.  In  diesem 

^Falle,   aber  auch  nur  in  diesem  allein,   soll   die  Zugehörigkeit 

oder   Nichtzugehürigkeit    des   Verfassers    zu    einem    deutschen 

Bundesstaat  keinen   Üntei-schied  begründen. 

Bei  der  K.  Bayer,  Akademie  der  Wissenschaften  soll  es 
atehenf  im  Falle,  dass  es  sich  um  eine  wissenschaftliche  Reise 
oder  um  Unterstützung  grösserer  wissenschaftlicher  üntemeh- 
imungen  handelt,  auch  über  den  Zinsertrag  von  zwei  oder 
nebreren  aufeinander  folgenden  Jahren  kraft  eines  einmaligen 
Beschlusses  zu  verfügen.  Für  die  Verlängerung  über  das  dritte 
Jahr  hinaus  soll  es  jedoch  eines  erneuten  Beschlusses  bedürfen. 

Die  Verwendung    des   Jahresertrages    der    Hardy-Stiftung 
tfioll  jedesmal  an  einer  geeigneten  Stelle  bekannt  gegeben  werden. 

Wenn  Verhältnisse  irgendwelcher  Art  die  Inanspruchnahme 
der  Zinsertrage  der  Stiftung  tur  ihren  eigentlichen  Zweck  der 
Förderung  der  Indologie  aussehliessen,  so  bleibt  es  der  K.  Bayer. 
Akademie  der  Wissenschaften  anheimgegeben,  sie  für  andere 
Zweige  der  orientalischen  Forschung,  jedoch  unter  Bevoi-zugung 
solcher  Zweige,  welche  sich  rait  der  Indologie  berühren,  ent- 
sprechend zu  verwenden/ 

Hardy  schliesst  seine  Bestimmoogen  mit  den  Worten: 
iMöge  diese  Stiftung  Zeugnis  ablegen  von  meiner  Vorliebe  für 
ein  Forschungsgebiet,  das  mir  den  Vorteil  gewährte,  in  geistigen 
Verkehr  mit  vielen  Mitstrebenden  zu  treten,  älteren  und  jüngeren 
aus  der  alten  und  der  neuen  Welt,  und  manche  dei*selben  mir 
als  Freunde  zu  erwerben!* 

Dem  edlen  Stifter  sei  an  dieser  Stelle  der  wärmste  Dank 
der  Akademie  ausgesprochen.  Nicht  bloss  die  6abe  selbst  ist 
für  uns  wertvoll,  sondern  auch  die  Tatsache,  dass  ein  Gelehrter, 
der  zu  unserer  Akademie  nicht  in  nfiheren  Beziehungen  stand, 
uns  sein  Gut  anvertraute,  weil  er  die  Überzeugung  hatte,  dass 
es  hier  zu  Nutz  und  Frommen  der  Wissenschaft  vorteiUiaft 
verzinst  wird. 


528 


K  Th,  v\  fTeifjel 


Ich  komme  sicberlich  nur  einem  Wunsche  der  Mitglieder 
der  Akademie  und  ebenso  auch  unserer  verehrten  Gäste  ent- 
gegen, wenn  ich  nach  Mitteilungen  unseres  Mitgliedes  Herrn 
Professor  Kuhn  die  wichtigsten  Daten  über  Leben  und  Wirken 
unseres  Gönners  bekannt  gebe. 

Edmund  Georg  Nikolaus  Hardy  wurde  am  9.  Juli  1852 
zu  Mainz  geboren,  studierte  daselbst  ara  bischöfliclien  Seminar 
und  war,  1875  zum  Priester  geweiht,  mehrere  Jahre  als  Kaplan 
zu  Heppenheim  an  der  Bergstrasse  tätig.  Nachdem  er  1879 
in  Heidelberg  zum  Doktor  der  Philosophie  promoviert  und 
später  noch  einige  Zeit  in  Berlin  philosophischen  Studien  ob- 
gelegen hatte,  veröfiFentlichte  er  1884  eine  geschätzte  Abhand- 
lung ,Über  den  Begriff  der  Physis  in  der  griechischen  Philo- 
sophie*. 1885  in  Freiburg  im  Breisgau  zum  Doktor  der  Theo- 
logie promoviert,  habilitierte  er  sich  1886  in  der  dortigen 
theologischen  Fakultät  und  erhielt  noch  im  gleichen  Jahre 
eine  ausserordentliche  Professur»  die  er  mit  der  Rede  »Die 
allgemeine  vergleichende  Religionswissenschaft  ttn  akademischen 
Studium  unserer  Zeit*  öffentlich  antrat  und  bis  1893  bekleidete. 
1894  übernahm  er  eine  ordentliche  Professur  des  Sanskrit  und 
der  vergleichenden  Religionswissenschaft  zu  Freiburg  in  der 
Schweiz,  legte  jedoch  infolge  bekannter  Vorgänge  im  Frühjahr 
1898  zugleich  mit  acht  anderen  reichsdeutschen  Kollegen  sein 
Amt  nieder  und  lebte  dann  als  Privatgelehrter  zuerst  in  Würz- 
burg, seit  1903  in  Bonn,  wo  ihn  am  10.  Oktober  dieses  Jahre« 
ein  vorzeitiger  Tod  ereilte. 

Von  Hardys  fachwissenschaftlichen  Arbeiten  können  hier 
nur  die  ^vichtigsten  genannt  werden.  1890  erschien  ^Der 
Buddhismus  nach  älteren  Pali- Werken  dargestellt',  189S  »Dk 
vedisch-brahmanisclie  Periode  der  Religion  de«  alten  Indiens*  — 
zwei  Werke,  die  ihm  sofort  die  allgemeine  Anerkennung  der 
Fachgelehrten  eintrugen*  Seit  1894  beteiligte  er  sich  auf  das 
eifrigste  an  den  Arbeiten  der  Pali  Text  Society,  eines  von  Pro- 
fessor Rhys  Davids  in  London  begründeten  Vereins,  der  sich  die 
Herausgabe  der  tu  Pali  (der  ältesten  Tochtersprache  des  Sans- 
krit) geschriebeDOD  Religionsbücher  des  südlichen  Buddhiaiuns 


Amprathe 


529 


zur  Aufgabe  gesetzt  hat.  Sechs  Bände  dieser  Reihe  hat  Uardy 
mit  unermüdlichem  Fleisse  und  ^rössfcer  Sorgfalt  nach  den  Hand- 
schriften herausgegeben-  Daneben  liess  er  in  diesen  Jahren 
drei  selbständige  Schriften  erscheinen:  in  der  von  Kampers, 
Merkle  und  Spahn  herausgegebenen  »Weltgeschichte  in  Cha- 
rakterhildern**,  die  wertvolle  Monographie  , Indiens  Kultur  in 
er  Blütezeit  des  Buddhismus.  König  Asoka"  1902,  eine  ein- 
ßhende  Würdigung  dieses  berükmten  Königs  aus  dem  3.  vor- 
christlichen Jahrhundert  nach  seinen  Inschriften  entworfen, 
und  in  der  bekannten  Sammlang  Göschen  zwei  anspruchslose, 
aber  tüchtige  Büchlein:  ^Indische  Religionsgeschichte*  1898 
und  ^Buddha"  1903,  in  welch  letzterem  der  Versach  gemacht 
rird,  den  Religionsstifter  und  seine  Weltanschauung  auf  Grund 
einer  eigenen  Aussprüche  psychologisch  zu  begreifen.  Dazu 
kommt  in  der  Abhandlung  »Zur  Geschichte  der  vergleichenden 
Religionsforschung*  in  Band  IV,  1901  des  „Archivs  für  Religions- 
wissenschaft* ein  wertvolles  Zeugnis,  wie  allseitig  und  um- 
fassend Hardy  die  Ziele  der  Religionsgeschichte  aufgefasst 
wissen  wollte.  In  den  letzten  Jahren  beschäftigten  ihn  die 
Vorarbeiten  zu  einem  Wörterbuche  der  Pali- Sprache,  dessen 
Vollendung  wir  voti  dem  vorher  genannten  Rhys  Davids  er- 
hoffen dürfen* 

Hardy  hat  sich  in  verhältnismässig  kurzer  Zeit  vom  ein- 
eiigen Parteistandpunkt  zur  Unbefangenheit  des  freien  For- 
chers hindurchgearbeitet  und  bei  unverbrüchlicher  Treue  gegen 
die  Kirche,  der  er  durch  Geburt  und  Erziehung  angehörte,  steht 
er  mit  seinen  späteren  Arbeiten  sichtlich  unter  dem  Einflüsse 
des  friedvollen  und  toleranten  Geistes,  welcher  die  Lehre  des 
Fürstensohiies  von  Kapilavastu  so  rühmlich  auszeichnet. 

Die  Stiftung  des  hochherzigen  Gelehrten  in  seinem  Sinne 
zu  verwalten,  wird  der  Akademie  stets  eine  Ehrenpflicht  sein. 


Endlich  habe  ich  noch  bekannt  zu  geben,  dass  das  Kura- 
torium  der  Liebigstiftuug  auf  Antrag  seines  auswärtigen  Mit- 
gliedes, des  Geheimen  Hofrats  Prol  Dr<  0.  Kellner  in  Möckem- 


530 


WaM€n 


Leipzig,  dem  Zivilingenieur  Professor  Dr.  Adolf  Frank  in  Chir- 
lottenburg  die  goldene  Liebig-Medaille  verliehen  hat.  Frniik 
hat  durch  die  Einführung  der  Düngung  mit  Kaliaaken  und 
durch  seine  erfolgreichen  Bemühungen,  den  Luftstickstoff  1 
in  ein  wertvolles  Düngemittel  zu  verwandeln ,  sich  um  die 
Landwirtschaft  hervoiragende  Verdienste  erworben  und  d}\ftir 
eine  öffentliche  Anerkennung  nach  dem  Stiftungszwockc  verdient 
Das  Kuratorium  hat  weiter,  dem  Antrage  desi^lben  Mit- 
glieds und  dem  vorgelegten  Versuchsplane  zustimmend«  dem 
Direktor  des  Landwirtschaftlichen  Instituts  der  Universität  Kiel, 
Professor  Dr.  Rodewald,  zur  Ausführung  von  Ven>uchen  übi*r 
die  Selbstentzündung  des  Heus  aus  den  Erträgen  der  Stif- 
tung eine  Beihilfe  von  1000  M,  gewährt. 


Dann  verkündigten  die  Klassensekretäre  die  Wahlen. 

Es   wurden   gewählt  und   von  Seiner  Königlichen  Hoheit 
dem  Prinz- Regenten  bestätigt: 

L  In  der  philosophisch-philologischen  Klasse: 
als  korrespondierende  Mitglieder: 

Dr.  Johannes  Vahlen,  Geh.  Regierungsrat,  Profesaor  der 
lateinischen  Philologie  an  der  üniversitlii  zu  Berlin; 

Dr.  Ulrich  von  Wilamowitz-Moellendorff,  Geh*  Regie- 
rungarat,  Professor  dt-r  griechischen  Philologie  an  der 
Universität  zu  Berlin; 

Dr,  Henri  Omont,  Direktor  der  Uandsehriftenabteilung  m 
der  National -Bibliothek  zu  Paris; 

Dr.  Wilhelm  Windelband,  Geh.  Hofrat,  Professor  der  Philo- 
sophie an  der  Universität  zu  Heidelberg; 

Dr.  Wilhelm  Braune,  Geh.  Hofrat,  Professor  der  deuiüebett 
Philologie  an  der  Universität  zu  Heidelberg; 

Dr.  Vilhelm  Thomsen,  Professor  der  verp'-'-^ — ^*n  Sprach- i 
wii>8enschafl  an  der  CmVcn«itat  zu  Ko^  i. 


Wahlen 


5^1 


II.  In  der  historischen  Klasse: 

als  ordentliches  Mitglied; 
Dr.  Hans  Riggauer,    Honorar-Professor  der  Numismatik  an 
der  Universität  zu  München; 

als  ausserordentliche  Mitglieder: 
Dr.  Georg  Preu8s»   Privatdozent  der  Geschichte  an  der  Uni- 
versität zu  München; 
Dr.  Walter  Goetz,  Privatdozent  der  Geschichte  an  der  Uni- 
versität zu  München; 

als  korrespondierende  Mitglieder: 
Dr.  Georg  von  Below,  Professor  der  Geschichte  an  der  Uni- 
versität zu  Tübingen; 
Georges  Vicomte  d'Avenel  zu  Paris; 

Dr.  Ernesto  Monaci,    Professor   der   romanischen  Philologie 
an  der  Universität  zu  Rom. 

Darauf  hielt  das  ordentliche  Mitglied  der  historischen  Klasse, 
Herr  J.  Friedrich,  die  hesonders  veröffeütlichte  Gedächtnisrede 
auf  Karl  Adolf  von  Cornelius. 


532 


SitzuDg  vom  3.  Dezember  ld04. 

Philosophisch-philologische  Klasse. 


Herr  vo»   Hertlinu   halt   einen   für  die  Sitzungsberichti] 
bestimmten  Vortrag: 

Auguatinus-Zitate  bei  Thomas  von  Aqnino. 

Es  wird  imtersucht,  welche  Stellung  Thomas  von  Aquino 
bei  dem  Gegensätze  zwischen  Augustinismus  und  Aristotelismus,  ^ 
der  sich  in  der  Scholastik  des  13,  Jahrhunderts  entwickelt  hatte,  fl 
zu  Augustinus  selbst  einnimmt,  und  in  welcher  Weise  er  sich 
mit  den  in  grosser  Zahl  von  ihm  herangezogenen  AtissprOchen 
des  Kirchenvaters  auseinandersetzt.  Die  Prüfung  ergibt,  dass 
er  sie  zu  einem  Teile  nur  konventionell  verwertet,  wie  die« 
durch  die  scholastische  Lehrmethode  herbeigeführt  wurde,  teils 
stillschweigend  seiner  Denkweise  eingliedert,  teils  aber  auch 
im  Sinne  dieser  letzteren  vollständig  umdeutet.  Zwar  weiss 
eff  dass  Augustinus  durch  die  Platonische  Philosophie  beein« 
flusst  war,  aber  er  kennt  die  letztere  nur  aus  dem»  was  Aristo- 
teles von  Plafco  berichtet,  nicht  ihre  spätere  Ausgestaltung  im 
Neuplaionismus.  Zugleich  wirkt  offenbar  die  Absicht  mitt 
den  Gegensatz  gegen  die  gleichfalls  dem  Neuplatonismus  ent* 
stammte  Lehre  des  arabischen  Philosophen  Arcrroes  scharf 
hervortreten  zu  lassen. 


Sttsung  vom  3,  Desteraber  1904. 


533 


Historische  Klasse. 

Herr    fon  Heigel    hält    eineD    für   die  Sitzungsberichte 
bestimmten  Vortrag: 

Das  Projekt  einer  Vermählung  des  Herzogs 

Philipp  Wilhelm  von  Pfalz-Neuburg  mit  der 
^grande  mademoiselle*   1652 — 1653. 

Herzogin  Anna  Maria  von  Montpenaier,  bekannter  unter 
dem  Namen  «la  grande  mademoiselle*,  spricht  in  ihren  Me- 
moiren in  spöttischem  Ton  von  dem  Annäherungsversuch  eines 
, kleinen  deutschen  Fürsten  aus  dem  Witteisbach ischen  Hause*, 
des  Herzogs  Philipp  Wilhelm  von  Pfalz-Neuburg,  der  durch 
Vermittlung  eines  Neuburger  Jesuiten  ihr  Geld  und  ihre  Hand 
habe  erschleichen  wollen;  die  Erzählung  von  der  Brautwerbung 
Ae%  „drolligen*  Paters  liest  sich  wie  eine  burleske  Operetten- 
ene.  Dagegen  lässt  sich  aus  bisher  unbekannten  Archivalien, 
Briefen  des  Herzogs  an  die  grande  mademoiselle  und  die  Mit- 
glieder des  königlichen  Hauses,  insbei^nndere  aber  aus  zahl- 
reichen und  sehr  ausfuhrlichen  Berichten  des  Brautwerbers^ 
P.  Antoni,  —  Berichten,  die  ein  originelles,  fesselndes  Bild  von 
den  Zuständen  in  Frankreich  und  speziell  am  französischen 
Hofe  nach  der  Niederwerfung  der  Fronde  gewähren,  —  fest- 
stellen, dass  die  Erzählung  der  Dame  wohl  in  den  Hauptzügen 
richtig  ist,  aber  in  groben  Übertreibungen  sich  gefällt  und  das 
W^ichtigste  nicht  erwähnt.  Das  Projekt  einer  Vermälilung  des 
Herzogs  mit  der  französischen  Prinzessin  ist  auf  kirchlich- 
politische  Motive  zurückzuführen.  Der  EinQuss  und  das  Ver- 
mögen der  Herzogin  sollten  vor  allem  dazu  dienen,  in  Jülich 
und  Berg  die  Alleinherrschaft  des  katholischen  Bekenntnisses 
wieder  zu  begründen. 

Aus  den  vorliegenden  Korresponderizen  und  Berichten  lässt 
auch  ersehen,   dass  nicht  bloss,   wie  es  in  den  Memoiren 
stellt  ist,  einige  bestochene  Hofbeamte,  sondern  die  Eltern 
ler  Prinzessin,  die  Königin-Mutter  und  Kardinal  Mazariu  den 


534  Sitzung  vom  8.  Dezember  1904. 

Plan  begünstigten.  Die  preziöse  ^  Jungfrau  von  Orleans *"  selbst 
zog  die  Heirat  sehr  ernsthaft  in  Erwägung,  und  wenn  sie 
schliesslich  eine  ablehnende  Haltung  einnahm,  so  geschah  dies 
nur,  weil  sich  auf  einen  Augenblick  Aussicht  eröffnete,  dass 
sie  zur  Gattin  des  jungen  Ludwigs  XIV.  erhoben  werden  könnte, 
um  die  Aussöhnung  zwischen  der  Krone  und  der  besiegten 
altnationalen  Partei  zu  besiegeln. 


535 


AugustinusCitate  bei  Thomas  von  Aquin. 

Von  G.  Frhn  Ton  UertUng. 

(Vorgetragen  in  der  philoB^-pbtlol.  Klaisae  »m  8,  Dezember  1904  ) 

Die  Beachtung,  welche  dor  Geschichte  der  mittelalterlichen 
Philosophie  in  der  wissenschaftlichen  Forschung  der  Neuzeit 
zuteil  geworden  ist,  kann  sich  mit  derjenigen,  welche  andre 
Perioden  der  Geschichte  der  abendländischen  Spekulation  ge- 
funden haben,  in  keiner  Weise  messen.  Immerhin  haben  die 
letzten  Dezennien  erhebliche  Fortschritte  gebracht.  Die  Durch- 
forschung der  Bibliotheken  hat  die  Aufmerksamkeit  auf  früher 
übersehene  Schriften  gelenkt,  von  wichtigen  Werken  sind  neue, 
den  heutigen  Anforderungen  entsprechende  Ausgaben  veran- 
staltet worden,  vor  allem  aber  haben  sich  die  Gesichtspunkte 
in  aller  Schärfe  herausgestellt,  welche  ftir  eine  wissenschaft- 
liche Erkenntnis  und  Würdigung  der  Scholastik  massgebend 
sind.  Worauf  es  in  erster  Linie  ankommt,  das  ist,  für  jede 
Phase  der  Entwickelung  und  für  jeden  selbsttätigen  Förderer 
derselben  genau  festzujib^llen,  welches  der  Umfang  überlieferten 
Materials  an  Problemen  und  Lösungsversuchen,  Ausdrucks- 
formen und  Gedankenreihen  war,  worüber  sie  verfügten,  um 
sodann  zu  untersuchen,  was  sie  daraus  gemacht,  wie  sie  es 
angewandt  und  verwertet  haben.  Das  Material  stammt  zu 
einem  Teile  aus  dem  klassischen  Altertum,  aus  der  griechi- 
schen Philosophie,  und  dann  handelt  es  sich  weiter  darum, 
die  Wege  aufzudecken,  auf  denen  es  den  mittelaUerlichen  Ge- 
lehrten zukam.  Es  stfiTrinii  /um  andern  Teile  aus  der  patri- 
stischen  Litteratur. 


S86 


Frhr,  v.  fferUing 


Arbeiten  zur  Geschichte  der  niittelalterUchen  Philosopl 
welche  unter  diesen  Gesichtspunkten  unternommen  «nirden, 
haben  das  Bild  verändert  ^  das  früheren  Cveneratiooen  geliltifig 
war.  Wir  wissen  jetzt,  dass  sich  auch  in  der  Periode  der  FrOh- 
scholastik  das  spekulative  Denken  nicht  in  dem  Streite  uin  die  J 
Existenzweise  der  Universalien  erschöpfte;  wir  wissen,  dws$\ 
der  Strom  der  Überlieferung^,  der  seine  Quellen  in  griechischer  | 
Wissenschaft  hat,  schon  vor  dem  Beginn  des  13«  Jahrhundert«  \ 
viel  breiter  floss,  als  man  früher  anzunehmen  geneigt  war;  es 
ist  deutlich  geworden,  in  welchem  Umfange  Augustinus  nicht 
nur  in  der  Theologie  Führer  und  Lehrer  war,  sondern  auch 
darüber  hinaus  die  Gedanken  der  Scholastik  auf  metaphyai- 
schem,  p^chologischem  und  ethiscliem  Gebiete  bestimmte,  und 
ebenso»  dass  Boethius  keineswegs  nur  für  die  Aristotelische 
Logik,  sondern  auch  für  andere,  fundamentale  Lehrsätse  der 
peripatetischen  Schule  der  einflussreiche  Vermittler  gewesen  tit  | 
Auch  der  Fortgang  der  Entwickelung  stellt  sich  infoigede 
in  verändertem  Lichte  dar.  Die  gewaltige  Vermehrung  dot 
überlieferten  Materials  beim  Beginn  des  13.  Jahrhunderts  dcircb 
das  Bekanntwerden  der  Aristotelischen  Schriften  samt  den  Er- 
klärungen der  arabischen  Philosophen  kann  nicht  mehr  ab 
der  allein  ausschlaggebende  Faktor  in  detn  bedeubiainen  Auf-  ; 
Schwünge  angesehen  werden,  der  im  Verlauf  eines  halben  Jahr* 
hunderts  die  Scholastik  auf  ihren  Höhepunkt  führte.  Weit  eher 
wird  mau  geneigt  sein,  diesen  Aufschwung  einem  gr^ssser^n 
Zusammenbang  einzureihen,  und  sich  an  den  Nachdruck  «r«^ 
innern,  mit  welchem  zuerst  hervorragende  Kunsthistoriker  der 
Gegenwart  die  gesteigerte  Lebensbrtütigung  der  eur<>[uüi!(chdli  ( 
Völker  seit  dem  Ausgange  des  12.  Jahrhunderts  betont  hab^n 
und  die  mächtigen  religiösen  und  sozialen  Bewegungen,  deren 
Führer  Franz  von  Assisi  war.  Di<*  gesteigerte  wiÄianschaft- 
liche  Tätigkeit,  welche  der  Richtung  der  Zeit  gemäss  sich  nur 
nach  der  philosophisch-spekulativen  Seite  äussern  konnte,  wüni«} 
hiernach   nur  eine  Seite  dieser  Gesamt«       '  >     -   ''*'n,  i 

L>afUr  tallt  zugleich  ins  Gewicht^  dass    i  .^.  im 

ersten   Drittel   des   IS.  Jahrhunderts  entstandenen  Orden   der 


ÄuffHstinfni-Citate  hei  Thomas  oon  Äqnin, 


537 


Franziskaner  und  Dominikaner  auch  die  vornehmsten  Träger 
eben  dieser  wissenschaftlichen  Tätigkeit  wurden. 

Die  stoMiche  Unterlage  für  die  letztere  gaben  dann  frei- 
lich die  zur  Kenntnis  des  Abendlandes  gelangten  naturwi.ssen- 
scbaftlichen,  metaphysischen  und  ethischen  Schriften  des  Ari- 
stoteles und  seiner  Kommentatoren.  Aber  das  Verhältnis  war 
doch  nicht  dies,  dass  man  jetzt  erst  Kenntnis  von  dem  Lehr- 
gebäude des  Stagiriten  —  abgesehen  immer  von  seiner  Logik 
—  als  von  einem  bis  dahin  völlig  Unbekannten  erhalten  hätte, 
vrohl  aber  war  man  nunmehr  in  den  Stand  gesetzt,  die  ein- 
zelnen und  in  ihrer  Vereinzelung  nicht  immer  richtig  aufge- 
fassten  Bestandteile  jenes  Lehrgebäudeb  in  ihrer  wahren  Gestalt 
und  ihrem  systematischen  Zusammenhange  kennen  zu  lernen. 
£bea  dies,  dass  eine  Tradition  Aristotelischer  Lehrmeinuugen 
End  Aristotelischer  Terminologie  schon  vorher  bestand,  lässt 
auch  die  oft  hervorgehobene  Tatsache  minder  befremdlich  er- 
scheinen, dass  der  unglaublich  verderbte  und  verdunkelte  Text 
der  mittelalterlichen  Übersetzungen  dem  Verständnis  der  Zeit- 
genossen kein  merkliches  Hindernis  entgegenstellte.  Indem  sie 
aber  in  ihren  Sinn  eindrangen,  und  ihnen  die  getrennten  Bruch- 
stücke, mit  denen  man  sieh  vorher  beholfen  hatte,  wieder  zu 
aem  Ganzen  zusammenwnchseUf  gewannen  sie  selbst  eine  ein- 
heitliche Denkweise,  welche  den  ganzen  L^mfang  der  Probleme 
von  einer  festen  prinzipiellen  Grundlage  aus  in  strenger  Folge- 
richtigkeit zu  lösen  unternahm.  Aus  dieser  geschlossenen  Denk- 
weise, aus  dieser  strengen  Schulung  und  schulraässigen  Kon- 
sequenz entsprang  der  Gegensatz  gegen  die  bi-sherige  Weise 
des  Philosophierens,  der  als  Gegensatz  des  Aristotelismus  gegen 
den  Augustinismus  bezeichnet  zu  werden  pflegt.  Durch  Al- 
bertus Magnus  ist  der  Aristotelismus  in  den  Dominikanerorden 
eingeführt  worden,  in  seinem  Schüler  Thomas  hat  er  den  be- 
deutendsten, durch  die  Jahrhunderte  fortwirkenden  Vertreter 
gefunden. 

Auf  diesen  Gegensatz  soll  im  folgenden  etwa.s  näher  ein- 
gegangen werden,  und  zwar  in  der  Weise,  dass  die  Stellung 
untersucht  werden  soll,    welche  Thomas  persönlich  dazu  ein- 

1«04.  Bitfgib.  d.  |»1iUos.-philol  u.  d.  hiat.  KL  96 


S38 


Jyfcf,  «,  BeHUn0 


genommen  hat.  Thomas  galt  den  Zeitgenossen  als  der  gros«** 
Neuerer»  dem  die  einen  ebenso  ergeben  anhingen,  wie  ihn  die 
andern  eifrig  befehdeten,  weit  mehr  als  seinen  Lehrer  Albert> 
den  wir  doch  als  den  eigentlichen  Begründer  der  neuen  Kicfa- 
tung  anzusehen  haben.  Die  Frage  ist:  wie  dachte  TboniM 
über  jenen  Gegensatz?  Wie  stellte  er  sich  persönlich  zu  dem 
grossen  Kirchenvater,  der  bis  dahin  in  den  Schulen  des  Abend* 
lands  unbestritten  als  die  erste  Autorität  verehrt  worden  war. 

Man  wird  nicht  erwarten,  dass  er  selbst  sich  diese  Fragm 
vorgelegt  hätte,  um  sie  in  einer  zusammenhängenden  Er5rte- 
rung  systematisch  und  allseitig  zu  beantworten.  Das  lag  nicht 
in  der  Art  des  wissenschaftlichen  Betriebs,  wie  ihn  die  Zeit 
kannte,  derselbe  verweist  vielmehr  auf  den  Weg  der  Einiel- 
untersuchung  und  zeigt  zugleich  die  Richtung^  in  der  sie  zn 
erfolgen  hat. 

Über  den  Ursprung  und  die  Entwickelung  der  schola«ti* 
sehen  Lehrmethode  kann  seit  Denifles  Untersuchung  über  die 
Sentenzen  Abälards  vom  Jahre  1885*)  ein  Zweifel  nicht  mehr 
bestehen,  aber  es  scheint,  als  ob  die  daraus  sich  ergebende 
Auffassung  nicht  überall  die  gebührende  Beachtung  gefunden 
hätte,  daher  mit  einigen  Worten  daran  erinnert  werden  miürt. 

Die  scholastische  Wissenschaft  lebt  in  ihren  Anf&ngen 
zum  grossen  Teile  von  dem  Erbe  der  Patristik.  Ihre  früheste 
kümmerliche  Regung  zeigt  sich  in  den  Sentenzensammlungi*n, 
welche  Aussprüche  der  Väter  über  einzelne  Punkte  der  christ- 
lichen Lehre  zusammenstellten,  zuerst  nur  je  einen  von  einem 
Kirchenvater,  dann  mehrere  und  von  mehreren.  Dabei  ergnb 
sich,  dass  die  Autoritäten  nicht  immer  übereinstimmten,  und 
so  erwuchs  die  Aufgabe^  die  Öegeusätze  auszugleichen  und , 
durch  die  wirklichen  oder  scheinbaren  Widr^rsprüche  hindureh 
zu  einem  einheitlichen  Lehrinhalte  vorzudringen,  Ahälardit  Inv 
kanntes  Werk  mit  der  kecken  Aufschrift  Sic  et  non  verfolgt 
nicht  etwa   eine   skeptische  Tendenz,   sondern   will  durch   die 

I)   Archiv  für  Litterat up   und  Kirch engoDchicb tu  dM  MitteUlteni, 
bt^rdu^g.  von  H.  DetilBe  uml  Fr.  Ehrle.    l  Bd.    Berlin  1685.    S*  402—409  | 
^und  5^    621. 


Äugu3iinus-Cäate  bei  Thomas  von  Äquin, 


539 


Gegenüberstellung  der  einander  widerstreitenden  Aussprüche 
den  Scharfsinn  der  Leser  antreiben,  die  Auflösung  zu  suchen, 
und  gibt  die  Regeln  an,  nach  denen  dabei  zu  verfahren  ist. 
Die  von  ihm  aufgebrachte  Methode  wurde  vorbildlich  für  die 
Einrichtung  der  Quaestionen  und  Disputationen  der  späteren 
Epoche  auf  theologischem,  philosophischem,  kanonistischem  und 
civilrechtlichem  Gebiete,  Aber  an  einem  Punkte  wurde  eine 
wichtige  Ergänzung  hinzugefügt.  Abälard  setzt  voraus,  dass 
es  eine  Versöhnung  der  einander  widerstreitenden  Autoritäten 
gebe,  und  deutet  den  Weg  an,  auf  dem  sie  zu  suchen  ist,  aber 
er  bringt  sie  nicht  selbst.  Seine  Nachfolger  ergänzen  diese 
Lücke.  Damit  sind  die  Elemente  bezeichnet,  aus  denen  sich 
die  einzelnen  Artikel  in  den  grossen  Summen  und  Quaestiones 
disputatae  zusammensetzen.  Zuerst  die  genau  foimulierte  Frage, 
die  in  der  Regel  mit  ja  oder  nein  zu  beantworten  ist.  Dann 
eine  Anzahl  von  Argumenten  für  diejenige  Meinung,  welche 
er  demnächst  zu  begründenden  entgegengesetzt  ist,  in  den 
leisten  Fällen  aus  Autoritäten  bestehend,  hie  und  da  auch 
aus  einem  Einwurfe,  den  der  Autor  sich  selbst  macht.  Hie- 
rauf folgt  die  Beantwortung  der  Frage  und  ihre  Begründung, 
wiederum  mit  einer  oder  auch  einer  Reihe  von  Autoritäten 
eingeleitet.  Den  Schluss  bildet  sodann  die  Auseinandersetzung 
mit  den  an  die  Spitze  gestellten  gegenteiligen  Aussprüchen, 
den  sogenannten  Objektioneu.  Auf  eine  sachliche  Würdigung 
dieser  Methode  einzugehen,  ist  hier  nicht  der  Ort.  Zu  ihrer 
Rechtfertigung  berief  sich  schon  Abälard  und  später  Albertus 
auf  Aristoteles,  der  verlange,  dass  wer  einen  Knoten  lösen 
wolle,  verstehen  müsse,  ihn  zu  schürzen.  Tatsächlich  aber  ist 
sie  nicht  in  Nachahmung  der  Aristotelischen  Aporien  ent> 
linden,  sondern  sie  war  das  Ergebnis  eines  in  der  Eigenart 
der  mittelalterlichen  Wissenschaft  begründeten  geschichtlichen 
Prozesses. 

Wünscht  man  also  zu  wissen,  welche  Stellung  Thomas  von 
Aquin,  der  diese  Methode  mit  grösstor  Virtuosität  handhabt, 
Augustinus  gegenüber  einnimmt,  so  bleibt  nichts  übrig,  als  im 
Einzelnen  festzustellen,  wie  er  sich  im  Rahmen  derselben  mit 

3ö^ 


540 


Frhr,  v.  HtriUnff 


den  Aussprüchen    des  Kirchenvaters  auseinandersetzt.    Eß   gillj 
also^  die  Augiistinus-Citate  bei  Thomas  zu  saminelu   und  zuieo«| 
sehen,  welchen  Gebrauch  er  davon  macht  oder  was  er  darül 
zu  sagen  weiss.     Dabei  muss  man  sich  freilich  erinnern, 
die  Bedingungen,   unter   denen  die  mittelalterlichen  Uelehrtenj 
zu  arbeiten  pflegten»    weit  ungünstiger  waren,    als  sie  seit  der 
Erfindung  der  Buchdruckerkuust  sind.    Citieren  sie  einen  Aua- 
spTUch,  so  beweist  das  nicht,  dass  ihnen  die  Schrift  des  Autcirs 
vorgelegen  habe,  der  er  entnommen  ist,  und  sie  Kenntnis  ron 
dem  Zusammenhange  besitzen,   in  welchem  sich  derselbe  dort. 
findet.    In  vielen,  vielleicht  den  meisten  Fällen  werden  sie  ihn 
einer  Sentenzensammlung  verdanken,  und  sie  citieren  ihn  mAg* 
1  icherweise  so,  wie  er  sich   ihrem  Gedächtnisse  eingeprägt  hat, 
ohne  das  Bedürfnis  zu  empiinden  oder  die  Verpflichtung  zu  er- 
kennen, eine  Vergleichung  mit  dem  Original  vorzunehmen,    Bfti  1 
dem  häufigen  Aufenthaltsweichsel,  welchem  die  Lehrer  an  den 
Ordensschulen  unterworfen  waren,   und  der  Beschaifenheit  der 
Klosterbibliotheken    konnte    eine    solche   Forderung  gar    nicht  j 
als  Regel  aufgestellt  werden. 

So   sind  denn    auch   die  Augustin us-Citate  bei  Thomas  in  ' 
vielen  Fällen  keine  wörtliche  Wiedergabe  von  Aussprüclien  den  J 
Kirchenvaters.  Häufig  ist  nur  der  Sinn  einer  längern  Erörterung 
in  einen  kurzen  Ausdruck  zusammengedrängt.    Dabei  legt  dtej 
mehrfache  Wiederkehr  der  gleichon  Formulierung  die  Vermutung 
nahe,   dass  es  sich   um  ein    in  den  Schulen  umlaufendas  Citat  j 
handelt,   und  nicht  erst  Thomas  nach  Einsichtnahme  des  Ori-  | 
ginaltexts  diese  Form  der  Anführung  gewählt  habe.    Damit  ist 
dann   aber  die  weitere  Möglichkeit  gegeben,    dass  ein   solches  | 
vermeintliches  Citat   schon   längst  in   einem  Sinne  umgeprägt  | 
war,    welcher  der  wirklichen    Meinung  des  Autor»  fremd   bt  | 


A.\ 


<?r- 


Alsdann  kann  es  auch  geschehen,    dass  nur  durch  ^^ 
haften  oder  veränderton  Wortlaut  der  Schein  eines  <«  u^\ 

der  Ansichten  hervorgerufen  wird.  Was  die  Art  des  CiUereas 
betrifft,  80  begnügt  sich  Thonww  maTirlimal  damit,  einen  S^tz 
oder  eine  Lehrmeinung  kurzerband  alb  von  Augustinus  bisr- 
rührend  zu  bezeichnen,   in  d^  Reg^l  aber  gibt  er  die  Sciirifti 


AuguBtinu4i-CüaU  bei  Thomoi  von  Afuin, 


541 


an,  welcher  das  Citat  entnoraoien  ist.  Später  sind  dann  die 
Herausgeber  mit  grösserem  oder  geringe  rem  Erfolge  bestrebt 
gewesen»  die  Fundstellen  genauer  zu  verzeichnen* 

Ich  bin  bei  der  Untersuchung  von  der  theologischen  Summe 
auBgegangen  und  habe  dann  zur  Ergänzung  namentlich  die 
Quaestiones  disputatue  und  die  sogenannte  Summa  contra  gen- 
tilea  lierang6zogen.  Obwohl  alles  spezifisch  Theologische  bei- 
seite gelassen  wurde,  alles  was  sich  auf  Trinität  und  Erlösung, 
auf  Prädestination,  Gnade  und  Sakramente  bezieht,  ebenso  die 
Engellehre,  die  Auslegung  des  Mosaischen  Schöpfungsberichts 
und  die  spezielle  Moral,  ergab  sich  die  beträchtliche  Zahl  von 
über  250  Citaten,  aufweiche  die  Untersuchung  sich  zu  erstrecken 
hatte,  darunter  mehr  als  200  allein  aus  der  Summa  theologica. 
Die  Prüfung  dieser  Citate  und  ihrer  V^erwertung  durch  Thomas 
wirft  ein  scharfes  Licht  auf  die  Arbeitsweise  der  mittelalter- 
lichen Gelehrten  und  das  allmäbliche  Heran  wachsen  der  Jahr- 
hunderte lang  herrschenden  Schuldoktrin. 

Unter  ihnen  nimmt  zunächst  eine  Gruppe  einen  breiten 
Haum  ein,  welche  man  als  die  der  konventionellen  oder 
dekorativen  Citate  bezeichnen  kann.  Es  sind  diejenigen,  welche 
sich  aus  den  Anforderungen  der  zuvor  geschilderten  scholasti- 
schen Methode  und  der  Form  des  Lehrvortrags  ergeben.  Da 
die  theologische  Summe  ttir  die  von  Thomas  selbst  vertretene 
Ansicht  fast  immer  nur  eine  einzige  Autorität  beibringt,  — 
ich  nenne  sie  im  folgenden  die  Hauptautorität  —  so  gehören 
die  in  Rede  stehenden  Augustin  us-Citate  der  Mehrzahl  nach 
den  Objektionen  an.  Sie  scheinen  nein  zu  sagen,  wenn  die  an 
die  Spitze  gestellte  Frage  ein  Ja  verlangt,  und  ja,  wenn  das 
Umgekehrte  der  Fall  ist.  Das  einzelne  Citat  muss  filr  sich  selbst 
sprechen,  der  Zusammenhang,  in  den  es  hineingehört,  bleibt 
zunächst  ausser  Betracht  und  wird  auch  späterhin  nur  hie  und 
da  berücksichtigt.  Vielmehr  geschieht  die  Lösung  der  Schwierig- 
keit fast  immer  auf  dialektischem  Wege,  durch  Distinktion,  Es 
wird  unterschieden  zw^ischen  den  verschiedenen  Bedeutungen, 
in  denen  ein  Ausdruck  gebraucht  wird,  oder  den  verschiedenün 
Gesichtspunkten,    unter  denen  die  Erörterung  eines  Problems 


HeHling 


erfolgen  kann,  so  dass  je  nachdem  die  Antwort  veracbieden  aus- 
fiillt  und  trotzdem  ein  Widersprucli  nicht  vorliegt.  Einig*»  Bei- 
spiele werden  dies  erläutern. 

S.  th.  L  Q.  14,  a.  5  wird  gefragt,  ob  Gott  AussergrtttlichÄi 
erkennen  könne?  Die  Frage  hatte  dnrch  die  Beschäftigung  mit 
der  Aristotelischen  Metaphysik  ein  erhöhtes  Interesse  n, 

waren  doch  schon  von  griechisclien  Erklüreni  die  b*  „  i**ii 
Aussprüche  des  XIL  Buchs  dahin  verstanden  worden^  dass  oaeh 
Aristoteles  Gott  lediglich  um  sich  seihst  wisse,  aber  niebi  am 
die  Welt.  Man  konnte  also  erwarten,  dass  einer  dieser  Aii»- 
sprtlche  unter  den  Autoritäten  für  das  Nein  aufgezählt  ware^ 
dagegen  gründet  sich  der  erste  Einwurf  auf  Augustin  De  diveras 
quaestionibus  83,   qu.  46  und  führt  den  Satz  an:    m*  id- 

quam  Deus  extra  se  ipsum  intuetur,')    Ist  dies  schon  n  iid, 

so  zeigt  eineVergleichung  mit  dem  Originaltexte,  dass  nur  die 
ungenaue  Art  des  Gitterens  den  Schein  einer  gegenteiligen 
Meinungsäusserung  hervorbringt,  denn  Augustin  sagt  dort  in 
Wirklichkeit:  non  enim  extra  se  quidquani  positum  intueViatur 
ut  secundum  id  constitueret  quod  constituebat.  Y^  ist  die  klsts- 
aische  Stelle  für  die  in  christlichem  Sinne  umgebogene  Ideen- 
lehre; aus  den  für  sich  bestehenden  Wesenheiten  sind  Gedanken 
Gottes  geworden,  Thomas  aber  geht  darauf  nicht  ein,  sondern 
hält  sich  nur  an  sein  Citat  und  erklärt  in  der  Beantwortung 
der  Einwürfe,  Augustinus  meine  nicht,  dass  Gott  nichts  er- 
kenne oder  schaue,  was  ausser  ihm  ist,  sondern,  dass  er  das, 
was  ausser  ihm  ist,  in  sich  schaue. 

Q.  IG,  a.  1  lautet  die  Frage,  ob  Wahrheii  sich  nur  in  ihr 
Erkenntnis  finde?  So  behauptet  in  der  Tat  Aristot  -les,  der 
ausdrücklich  erklärt,*)  Wahrheit  und  Falschheit  finde  sich  nichk 
in  den  Dingen,  In  der  ersten  Ohjektion  werden  xwei  Defini- 
tionen des  Wahren  angeführt»  welche  Augustinus  in  den  8<*U- 
loquien  erörtere  und  aus  dem  Grunde  verwerfe,   weil  sie  eine 

^  Tidetur  qac^d  Dent  non  cognoidt  alia  a  ti^  Qnär«  tintme 
iiunt  aJia  u  Deo,  sunt  exiru  ipjlutn.    Bed  AugU4tiiio$  äh>  n 

im  Text)   Ergo  non  rogiio«cit  alta  a  »e. 

*)  Met.  VI.  4,  IU27»'  25. 


I 
I 


AuguatinuH'Cüate  hei  Thomaä  mn  Aquin, 


543 


Bezugnahme  auf  das  erkennende  Subjekt  enthalten;^)  dagegen 
stelle  er  ebendort  die  andere  auf:  verum  est  id  quod  est.  Er 
nehme  sonacb  aüi  da^^  die  Wahrheit  in  den  Dingen  und  nicht 
im  erkennenden  Verstände  sei.  Die  positive  Erörterung  im 
Hauptteil  des  Artikels  führt  aus,  da&s  sich  die  Wahrheit  pri- 
mär im  Intellekt  befinde;  die  Erkenntnis  wird  wahr  genannt 
wegen  ihrer  Übereinstimmung  mit  der  erkannten  Sache.  In 
übertragenem  Sinne  aber  kommt  sie  auch  den  Dingen  zu,  in- 
sofern diese  auf  den  Intellekt  bezogen  werden;  per  se,  wenn 
sie  in  ihrem  Sein  von  dem  Intellekt  abhängen,  per  accidens,  so- 
fern sie  erkennbar  für  unsern  erkennenden  Verstand  sind.  Daher 
könne  man  in  verschiedenem  Sinne  von  dem  Wahren  und  der 
Wahrheit  reden,  was  an  zwei  weitern,  aus  Augustin,  De  vera 
religione  c,  36  entnommenen  Definitionen  erläutert  wird.  Von 
jenen  beiden  aus  den  Soliloquien  angeMirten  aber  sagt  die 
Responsio  mehr  spitzfindig  als  zutreffend,  Augustinus  spreche 
dort  voD  der  Wahrheit  der  Sache  und  lasse  die  Beziehung  dieser 
Wahrheit  auf  unsern  erkennenden  Verstand  weg,  weil  das,  was 
nur  per  accidens  ausgesagt  wird,  von  einer  Definition  ausge- 
schlossen bleiben  müsse. 

Q.  79^  a.  1  will  feststellen,  dass  der  Intellekt  ein  Vermögen 
unserer  Seele  ist.  Aber  aus  Augustinus,  De  Trinitate  IX,  4,  glaubt 
die  erste  Objektion  die  Meinung  herleiten  zu  soUen,  der  Intellekt 


^)  Videtur  quod  veritas  non  sit  tantuni  in  inteUei^tUf  aed  rnagis  in 
rebus  Auguatinm  emm  üb.  2  Solüoq.  reprobat  haue  uotificationem  ?eri: 
irerum  est  id  qmxi  videtur;  quia  Becundum  hoc  lapidea,  qui  sunt  in  ab- 
ditiasimo  temie  ainu,  non  essent  veri  laptdea,  quia  non  videntur.  Repro- 
bat etiam  eod.  libro  iatam;  verum  est  quod  itn  tte  habet  ut  videtur  cogfii- 
iori,  jri  velit  et  pfjsmt  cogtioscere,  quia  jieeundum  hoc  aequeretur  quod  nihil 
et  verum  si  nullos  poaset  cognoscere.  Et  definit  eic  verum:  verum  €»i 
^uoä  est.  Et  aic  videtur  quod  veritaa  »it  in  rebus  et  non  in  intel- 
lectu.  —  Von  den  drei  Ci taten  findet  sich  daa  erste  in  dieser  Form  bei 
Auguitinua  nicht,  Tielmehr  heidat  ea  a.  a.  0.  c.  4»  n.  5:  R.  Eeaponde  un- 
de  tibi  videatnr  pariea  iste  veru«  esie?  A.  Quia  eiua  non  f&llor  adapectu. 
B.  Ergo  quia  ita  est  ut  videtur.  A.  Etiam.  E.  Si  igitur  aliquid  inde 
Maiim  eat  quod  aliter  videtur  atque  eat,  inde  verum  quod  ita  ut  est 
videtur  etc. 


514 


Frhr,  «?,  Htrümg 


bezeichne  vielmehr  das  Wesen  der  Seele.  ^)  Die  Erklärung  geht  | 
dahin,    wie  man   unter  sensus  bald  das  Vermögen  der  Sinnen 
Wahrnehmung,  bald  die  anima  sensit! va  verötehe,  so  auch  werde  I 
die  auima  intellectiva  gelegentlich  intellectus  genannt:  f|aast  n  { 
principaliori   sua   virtute.    So   sage  ja   auch  Aristoteles,^)   der  i 
vövg  sei  eine  Substanz^  und  nicht  anders  meine  es  Augusiiiitt»* 
Q.  87,  a.  1,  und  im  engsten  Anschlüsse  daran  Kapital  46 
des   dritten   Buchs   der   SuBima   contra   gentiles   erörtern   den 
Aristotelisch-scholastischen  Satz,  dass  die  Seele  sich  nicht  im* 
mittelbar  erfasse,    sondern   nur  durch  Vermittelung  ihrer  Be- 


*)  Videtor  qiiotl  intellecUis  non  ait  iiliqua  potentia  animae,  m^  tit 
ipia  eiuB  estentia.     InteUi'ctue  enim  idem  videtur  eeae  qood  mens.    8ed 
meni  non  est  potentia  animae  aed  e4iaentia;  dicit  eniui  ^u^^ti^tnuji  ^.  di 
Trinii. :  »iow»  et  »pintus  tton  relative  dicuninr  grd  fAsctttuim  ihmfrnxtrnni. 
Ergo  intelloctus  est  ipsa  eösentia  antinae.     Drj  Citat  ist  ungenau«  wenn 
auch  dem  Sinne  nach  nicht  anrichtig.    Auffallender  ist  die  Abwpirhnng 
qu,  77,  a.  l,    utrutu  ipaa    easentia   animae  ait  dua  potentia?    Ob.  1  be- 
sagt: Yidetur  quod  ip«a  essentia  animae  tit  eiua  potentia.    Dicit  tuim 
Auguitinus  in  9  de  Trinit.,  quud  men»  notitia  ei  amnr  »unt  suhHanti'a- 
Hier  in  anima  vel,  ut  ita  dicam,   essentialiter ;   et  in  10.  dieit   quod  iwii- 
moria  intellifjenfia  et  volufttm  ifunt  una  vitn   w««  mens  *t  unn  rturfnlvt. 
Auf  die  erste  Stelle  verweist  ebenso  Qt$,  dkp,  de  ftpirttualibtts  cneaturu, 
a.  U,  wo  es  mit  Besiig  auf  dieselbe  Fra^e  hetMt:  Videtur  qnod  sia   0i*  | 
cit  enim  Augustinus  9,  th  Tiinüatti    adnmnemur  Kaec,  ifcihcet  mentem 
fiotitiam    et    amorent    in    anima    existert   nthstantialiter  give  esttentialiier, 
tton   tamquam    iti   suhiecto  ut  ciflor   aut   figura    iii    corjiore    aut  uUa  alitt 
quantitas  aut  qunUtaa,     Dortselbst  aber  heisst  es  i*ap.  4,  n.  4:  Men«  et 
atnor  et  uotitia  eins  tria  quaedam  «unt  et  haee  tria  unum  sunt:  et  cuns  | 
perfecta  sunt»  atiqualia  sunt.    Sodann  n.  6:  Simul  etiam  admuneoiur  , 
hnec  in  anima  eiciatere  et  tarnquatn  involuta  evolvi  ut  sentiantur  et  di- 1 
numerentur  ajubstantialiter  vel,  ut  ita  dicam,  ewsentialitrr»  non  tanquani 
in  atibie^to  etc,  wie  oben  ,.,».,     Qfiamobrpm   non  amor  et  cognitirt 
tamquam  in  subitirto  inaunt  menti;  sed  irub*iiantrialiter  etiam  ista  «110!,  { 
sicut  ipsa  men»:  quia  etsi  relative  dieuntur  ad  iuvicem,  in  «na  tameti  | 
sunt  singula  quaeque  subatantta.    --   Das  Cilat  aus  dem  selinien  Bticli«l 
kehrt  in  vOlUg  d-  *  jils  üb.  ^  1      m       tial  aber  | 

steht  0.  U,  n.  1B:   1  nemoria  1  üs,  quo* 

jMm  non  ^unt  insi  vtiae,  eed  nna  vita«  nee  in*«  mcntes,  sed  uua  mtjui,  j 
Misequenter  utiqae  nee  tres  suhstaiitiat^  sunt,  sckI  una  »mli^tantia* 

S)  Ue  anima  l,  4,  408^  18. 


Auifuntinue-Cüatt!  bei  Thrnnaa  van  Aquin, 


545 


tätif^ng,  also  nicht  per  essen tiam,  nicht  seipsam  per  se  ipsam. 
Augustinus  ist  anderer  Meinung;  aus  De  Trinitate  IX,  3  citiert 
die  erste  Objektion:  mens  seipsam  novit  per  seipsam  quoniam 
est  incorporea.  Ohne  tieferes  Eingehen  auf  die  Denkweise  des 
Kirchenvaters  sagt  die  Responsio:  man  könne  das  per  seipsam 
gelten  lassen,  denn  es  ist  ja  die  intellektive  Seele  selbst,  die 
durch  ihre  Erkenntnistätigkeit  sich  selbst  erkennt. 

Kann  Gott  durch  seine  Allmacht  etwas  ins  Nichts  zurück- 
fuhi-en?  Für  eine  verneinende  Beantwortung  verweist  in  Q.  104, 
a,  3  die  erste  Objektion  auf  den  Satz  Augustins  aus  De  diversis 
quaest.  83,  (|u.  21:  Dens  non  est  causa  tendendi  in  non  esse. 
Der  Ausspruch  gehört  dort  einer  Erörterung  über  das  Übel  an, 
das  seiner  Natur  nach  als  etwas  Negatives,  ein  Nichtseinsollendes, 
eine  privatio  boni,  bestimmt  wird.  Die  Beantwortung  ignoriert 
dies  ganz  ebenso  wie  die  Objektion  und  begnügt  sich  mit  der 
Bemerkung^  Gott  sei  allerdings  nicht  Ursache  des  Nichtseins 
im  eigentlichen  Sinne,  wohl  aber  sei  er  es  per  accidens,  indem 
er  den  Dingen  mit  seiner  Wirksamkeit  die  unerlässliche  Stütze 
ihres  Seins  entziehe. 

Koramt  den  Körpern  eine  Kraft  zu  wirken  zu?  Einwand  1 
in  Q.  IIa,  a.  1,  citiert  die  merkwürdige  Stelle  aus  De  civitate 
Dei  V,  9,  wo  Augustinus  nur  die  geistigen  Wesen  aU  wirkende 
Ursachen  anerkennen  will/)  und  führt  in  freier  Wiedergabe  des 
dort  Gesagten  die  Dreiteilung  auf:  actum  et  non  agens,  sicut 
sunt  Corpora;  agens  et  non  actum,  sicut  Dens;  agens  et  actum, 
sicut  substantiae  spiritualest  Die  liesponsio  will  dies  dahin  ver- 
standen wissen,  daiss  hier  nur  von  der  Körperwelt  im  ganzen 
die  Rede  sei,  die  kein  Substrat  ihres  Wirkens  mehr  unter  sich 
habe,  wie  es  die  geistige  in  der  körperlichen  Natur  besitze. 

Aristoteles  lehrt  und  Thomaa  iblgt  ihm  darin,  dass  der 
Intellekt  den  Willen  bewege-  Die  Erörterung  im  zweiten  Teil 
der  Summa,  1»  Q.  9^  a.  l,  bedarf  entgegengesetzter  Aussprüche 

*)  Causa  itaque  rerum,  quae  facit.  nee  fit,  Dem  e«t.  Aliae  rero 
causae  et  fociant  ist  Sunt,  licut  iunt  omnei  oreati  sptritui,  ma»me  ni' 
tionnles.  Cotportiles  autem  causii.e,  quae  magifi  fiunt,  quam  f&ciuntt  non 
BUßt  inttfr  causa»  efficientes  adnunieraudae. 


546 


Frhr.  v,  Merilmg 


und  findet  einen  solcben  in  einer  Predigt  Augustins,  Enarr,  in 
Psalm,  118,  sermo  8,  n,  5,  den  sie  folge ndermassen  wiedergibt: 
praeyolat  intellectus,  sequi itur  tardus  aut  nullus  affectus,  sciiiius 
bonum»  nee  delectat  agere.^)  Die  Auflösung  der  Schwierigkeil 
aber  wird  darin  gefunden,  dass  die  angezogene  Autorität  nicht 
besage,  quod  intellectus  non  moyeat,  sed  quod  noii  niaveat  ex  ne- 
cessitate.  Zu  einer  eingehenderen  Untersuchung,  welches  lüer« 
über  die  Meinung  Augustins  gewesen  sei,  findet  »ich  Thomas 
nicht  veranlasst* 

P.  II»  2|  Q.  58,  a.  11  bestimmt,  dass  die  Gerechtigkeit 
dem  reddere  unicuique»  quod  suum  est»  ihr  Wesen  habe.  Aber 
Augustin,  wirft  die  erste  Objektion  ein,  sagt  De  Trinitate  XIV, 
9,  zur  Gerechtigkeit  gehöre  das  subvenire  miseris.  Das  verschlägt 
nichts,  besagt  die  Antwort,  denn  zu  der  Gerechtigkeit  als  Kar- 
dinaltugend  treten  andre,  sekundäre  Tugenden  hinzu,  daruntt^r 
die  misericordia,  und  so  kann  auch^  was  Augustinus  an  der 
citierten  Stelle  anführt,  per  quandam  reductionem  der  Gerech- 
tigkeit als  der  prinzipalen  Tugend  zugeschrieben  werden. 

Diese  Beispiele  können  genügen.*)     Man  sieht,    ron  einer 


'}  Wörtlich  heisst  es  a.  a.  0.:  Praevolat  intellectue;  et  tarde  it- 
qaitur  et  aliquando  noa  sequitur  huroanus  atqne  infirmus  alfeetiu. 

^)  Dieaelben  lassen  sich  beliebig  vermehren.  Ich  greife  heraus:  i',  l, 
qu,  14,  a.  12  stellt  fest,  dass  sich  die  Erkenntnis  Gk)ttes  auch  auf  Un- 
endliches —  infinita  —  beziehe,  und  bedient  sich  als  Hauptautontftt 
eines  Ausspruchs  auH  De  civitate  Dei,  Aber  aus  einem  und  demselben 
Kapitel  dieses  Werks  --  XU,  18  —  stammt  auch  der  eraie  Einwurf: 
quidquid  »cknHa  comprehenditur  scientis  compTehi!nsi4}ne  finiiur,  Bed 
infinita  non  possunt  finiri,  etc.  Bei  Aufj^uütiniiiii  bildet  jener  Saie  kei* 
nen  Einwurf,   sondern   nur  ein  Mittel^   ilie  Unver^^^lcicbli  tt* 

liehen  Wissens  hervortreten  zu  laesen.     Thomas  aber  un  ia 

cogiioscere  infinituni  secundum  moduni  infinitt,  ein  tu  Ende  Zahlen  un- 
endlicher Teile  ist  unm(>gl]ch;  da«  göttliche  Denken  aber  ist  ein  simul- 
tanes, in  ihm  ist  alks  zugleich.  —  Qu^  17,  a.  1  fragt,  ob  es  Falsehheii 
in  den  Dingen  gebe,  und  citiert  uns  Df  vera  rfUmotu!,  wit«  sich  freiUeh 
dort  iK»  nicht  findet^  wenn  es  anch  an  dii*  ünti^rsurhung  in  cap.  S3  ao* 
klingt r  re«  non  fallnnt,  quin  non  Mtendunt  aliuä  quam  attam  itpeei^m^ 
Aus  dem  folgifuden  Kapitel  der  gleichen  Schrift  ist  die  Uituptaatoriykl 
entnommen:   mnne   coryM  est  verum  corim*  et  falsa  uniUu.     Di«  Anl> 


AugtMtifHM*Citaie  bei  Tlhoma»  v<m  Aquin, 


547 


wirklichen  Auseinandersetzung  mit  Augustinus  ist  nicht  die 
Rede,  sie  liegt  gar  nicht  in  der  Absicht;  es  sind  konTeutionelle 
Citate.  und  die  Erörterung  bleibt  überall  an  der  Oberfläche. 
Man  kann  auch  nicht  sagen,  die  Aunösung  des  Gegensatzes 
tue  ihnen  Gewalt  an.  Der  Sinn  wird  nicht  verändert,  aber  so» 
wie  sie  dastehen,  erhalten  sie  die  Etikette  aufgedrückt,  die  sie 
als  verträglich  mit  den  Lehrsätzen  der  Schule  erscheinen  liisst. 
Nicht  minder  zahlreich  aber  sind  die  Stellen^  an  denen 
sich  aus  der  Verwertung  der  Citate  die  inhaltliche  Beeinflussung 
des  mittelalterlichen  Denkens  und  Wissens  durch  den  afrikani- 
schen Kirchenvater  ermessen  lässt.  Dabei  sind  wieder  zwei 
Gruppen  zu  unterscheiden.  Die  Citate  der  einen  gehören  mit 
verschwindenden  Ausnahmen  sämtlich  dem  grossen  Werke  de 
civitate  Dei  an.  Wie  dem  Mittelalter  überhaupt  dient  es  dem 
Aquinuten  als  Quelle  für  seine  antiquarischen  und  philosophier 
geschichtlichen  Kenntnisse.  Dort  findet  er  die  Angabe,  Anaxa- 
goras  sei  von  den  Athenern  angeklagt  worden,  weü  er  die 
Sonne  für  einen  glühenden  Stein  gehalten  und  geleugnet  habe, 
dass  sie  gottlich  sei^*)  und  nicht  minder  die  andere,  dass  Plato  im 
Timaeus  unter  dem  Feuer  den  Himmel  verstehe;*)  von  dort  über- 
nimmt er  die  berühmte  Stelle  aus  dem  gleichen  Dialoge,  welche 
den  Willen  des  obersten  Weltbaumeisters  als  das  festeste  Band 
derUnauflrjsbarkeit  für  die  gewordenen  Götter  bezeichnet;')  von 
dort  weiss  er,   dass  zu  denen,    die  Fatum  und  Providenz  ge- 


wort  lautet:  res  per  «e  non  fallunt,  aed  per  accidena.  —  Der  dritte  Ar- 
tikel eben  dort  «teilt  feat»  da«B  sich  Wakrbeit  und  Falflchbeit  nur  im  In- 
tellekt tindet.  Aber,  wird  ei n ff e wendet,  Angiiatinus»  De  diversiti  quaetft  83^ 
qti,  32  iiügt:  Omni»,  qui  faUitur,  id  in  quo  ftdlitur  non  inteUiffit.  Er- 
_      kennen  wir  also^   so  täugcben  wir  un£  nicht,  und  es  kann  sonacb  keine 

■  Falachheit    im   erkennenden   Yeratande    geben.      Die   Antwort    betagt: 

■  Augiiaiinua   bat  Recht,   wenn    man    von  Erkennen   im  strengsten  Sinne, 
H      vom  Erfassen  dea  Weaenabegriffa  redet. 

H  1)  Dr  ciritate  Dei  XVIll,  41  in  S   tK  ],  qu,  70,  a,  », 

^^^       >)  Ibid.  Vni,  1 1  in  qu,  66,  a.  1  ad  2. 

^^B       "}  Ibid.  Xül,  16  in  qn.  diap.  de  itpint.  crefüuris  a.  1«  ob.  16.    Tho> 

itui0  bemerkt  dara,  Plato  meine  nicht  die  Engel,  aondera  die  Himmid»- 

kOrper. 


548 


Frhr,  V.  Eertling 


leugnet  haben,   auch  Cicero  gehörte,^)  und  dass  dieser  loeutor 

egregius  keinen  Anstanrl  nahm,  die  Barmherzigkeit  eine  Tiigtetid 
zu  neonee;"'*)  von  dort  kennt  er  die  acht  Strafarton,  welche  ein 
Fragment  aus  Ciceros  Werk  de  legibus  auf/Jhlt.*)  Wenn  er 
an  zwei  Stellen  von  Varro  berichtet,  dass  dieser  Gott  fUr  die 
Seele  der  Welt  gehalten  habe,  so  beruft  er  sich  dafür  ebenäio 
auf  Augustin,*)  wie  da,  wo  er  eines  Ausspruches  des  gleichen 
Varro  gedenkt,  nicht  die  Seele  allein  und  nicht  der  Körper 
allein,  sondern  beide  zusammen  machten  den  Menschen  aus.*) 
In  dem  gleichem  Werke  hat  er  gefunden,  dass  und  warum 
einige  von  den  alten  Philosophen  die  Ewigkeit  der  W^elt  be- 
haupteten,^) dass  ebenso  manche  einen  W^ecbsel  der  Weltperiodcii 
gelehrt  haben;'')  aus  der  gleichen  Quelle  hat  er  geschöpft,  waa 
er  über  die  Lehre  von  der  Seelen  Wanderung  wusste.'*)  Aus  ihr 
hat  er  entnommen,  dass  in  der  Lehre  von  den  Affekten  eine 
Diiferenz  zwischen  den  Peripatetikern  und  den  Stoikern  be- 
stand,^) dass  die  Griechen  die  motus  animi  midt]  nannten,  was 
Cicero  mit  perturbationes  übersetzt  habe,  andre  mit  afPectiones 
oder  affectus,  wieder  andre  in  näherer  Anlehnung  an  die  Qriecheo 
mit  passiones,*^)  dfiss  die  Stoiker  tlen  perturbationes  drei  evnd&am 
entgegenstellten»^^)  Dort  fand  er  einen  dem  Hermes  Trismegtatas 
zugeschriebenen  Ausspruch/*)  dort  die  Lehre  des  Apulejus  und 
andrer  Platoniker  über  die  Dämonen,^')  dort  insbesondere  wis 

i)  Dt  civitate  Bei  V,  9  in  S.  th.  I,  qu.  116,  a,  1. 

*)  Ibid,  IX,  5  in  5.  th.  IL  1,  qu.  69.  a.  l. 

*)  Ibid.  XXI.  U  in  qu,  105,  a«  2,  ob.  10. 

*)  Ibid.  VII.  6  in  I,  qu.  90,  a.  1  nnd  qu.  8.  a.  B. 

&J  Ibid.  XIX,  3  in  f/w.  76,  a.  4. 

«)  Ibid.  XI,  4  in  qu  ifi,  a.  2  ad  l. 

')  Ibid,  XII,  13  in  Summa  e,  n,  17,  c.  82. 

»I  Ibid.  Xir«  13  in  H.  ih.  U  qn-  40,  a.  ^  ad  8. 

»)  Ibid.  IX,  4  in  n,  l,  «TM.  59,  a.  2. 

>«)  Ibid.  IX,  4  in  II,  1,  qn.  22,  &.  2, 

^»)  Ibid.  XIV,  8  m  qu,  59,  a.  8. 

»*)  Ibid.  VIU.  23  in  Summa  r,  ß,  jU.  o.  104, 

^>)  Ibid.   VUl,  16  ta  qu.  116,  a.  6,  11  Diiil,  8,  //m.  1,  a.  1,  ob.  ]; 

8.  e,  jT.  HI.  109:  in  6.  e^  1,  f|ii.  i2,  a,  8  b^richt^t  Th.,  die  Platoniktr 

h&tten  DainonHn   al»  Mittelwi.*«äti   swiüirban  ÜOtt^ni   und  Menicbea  an* 


ÄugusUnus-Ckate  hei  Thomas  van  Äquin, 


S40 


er  des  öfteren  von  Meinungen  des  Porphyrius  zu  berichten 
weiss.*)  Dagegen  ist  die  Notiz,  Demokrit  lasse  die  Sinneswalir- 
nehraung  durch  Bilder  zustande  kommen,  welche  von  den  Ob- 
jekten ausströmen,  nicht  dem  grossen  Werke,  sondern  einem 
der  Briefe  Augustins  entnommen.*) 

Weit  wichtiger  ist  die  andre  Gruppe.  Sie  Ulsst  erkennen, 
in  welchem  Umfange  die  eigenen  Gedanken  Augustins  zu  festen 
Bestandstücken  der  christlichen  Spekulation  geworden  waren. 
In  mehr  als  vierzig  Artikeln  der  theologischen  Summe,  in 
welcher  Fragen  erörtert  werden,  die  in  das  philosophische  Ge- 
biet einschlagen,  heisst  es  nach  der  Aufzählung  der  üblichen 
Objektionen:  sed  contra  est  quod  dicit  Augustinus,  und  bildet 
ein  Ausspruch  von  ihm  die  Hauptautorität,  welche  für  die  nach- 
folgende Auseinandei'setzung  massgebend  ist.  Dazu  sind  dann 
noch  weiter  die  zahlreichen  Stellen  zu  rechnen,  an  welchen 
Augustin  zur  nachträglichen  Bestätigung  der  entwickelten  Lehr- 
meinung  herangezogen  wird. 

Mit  Augustinus  lehrt  Thomas,  dass  in  Gott  Sein  und  Denken 
zusanunen fallen,^)  dass  das  göttliche  Denken  kein  diskursives, 
sondern    ein   simultanes  und   stetiges  ist*)  und  sich   auch  auf 

^Dommeti,  denen  die  Fümor^'e  für  die  letzteren  Übertragen  seit  und  be- 
ruft »ich  dafHr  auf  CitK  Vei  IX »  wo  in  c.  1  und  2  davon  die  Rede  ist, 
daas  die  Platouiker  gute  Dämonen  angenoninien  bäUen,  welche  im  Inter- 
ei»e  der  Menschen  zwischen  ihnen  und  den  Göttern  vermittelten;  Civ. 
Dfi  Vlir,  c.  13  u.  14  in  qu.  63,  a.  5. 

»)  Ibid.  X,  11  in  qu.  63,  a.  4.  ob.  Ij  X,  0  in  qu,  6U,  a.  3;  X,  11  in 
q*t,  116,  a.  5,  oh,  3;  Xll.  26  in  11,  I,  qn,  4,  a.  6;  X»  II  in  5.  c.  (f.  HI, 
c.  106  0.  107. 

*)  Ad  Dmcnruw,  Ep.  118»  c*  4  in  8.  th,  I,  qu,  84»  a.  6. 

')  .S.  th.  qii.  14,  a.  4:  ntrum  ipsiitu  intelligere  Üei  mit  eiua  sabBtan* 
titt.  Nach  den  Objektionen:  Sed  contra  ett  qnod  didt  Augustinus  in  7  de 
Trift,  Dm  fioc  est  ejtae  qitod  Hapientem  esse,  Daa  Citat  fasat  eine  länfj^ere 
Erörterunpf  in  eine  kur7.e  Formel  zuaammen.  Bei  A.  a.a.O.  c.  L  n,  2 
hei«at  es:  .  .  vere  ibi  est  »lutnma  siniplex  essen tia:  hoc  ergo  est  ibi  esse 
qnod  sai^ere,  Jn  der  von  Thomas  gegebenen  ßegrftiiilung  ist  von  bt?- 
<toad«retn  Interesse  die  Beziehung  auf  das  BwÖlft«  Buch  der  Metaphysik 
dev  Anstotetes. 

♦}  Ibid,  a.  7»  Hauptaatorität.   De  Trm.  XV,  14,  n.  23;  g«.  12,  a,  10. 


550 


Ffhf,  t\  HtHUn0 


das  Ünendliclie  erstreckt,')  von  ihm  übernimmt  er  die  chri^tlielil 
gewendete  Ideenlehre.^)     Mit   ihm   lehrt   er,    dass  ein  Schiifftrtij 
aus  Nichts  allein  Gott  zukommen  könne,^)   dass  sich  Gott  beij 
der  Gestaltung  der  Dinge  keiner  Zwischenwesen  bedient  hftbe,^)! 
dass  auch  die  materia  prima  von   Gatt  geschaÖen   sei,*)    ihin 
folgt  er   in   der  Verwerfung   der  Lehre  des  Origeues,    welcher 
das  Entstehen  der  materiellen  Welt  mit  dem  Falle  der  Geister 
in  Verbindung  gebracht  hatte.^)    Mit  seinen  Worten  lehrt  «r, 
dass  die   Welterhaltyiig  nichts  andres  ist,  als  eine  fortgessetxti» 
Weltschöpfung;')    was   er    über   die  Weltregierung^)   und   die 


Hftuptautorität  De  Tri«.  XV,  16,   wo  aber  der  im   übrigen  wörtlicli  d- 
tierte  Satz  durch  fortaftsis  eingefüiirt  wird. 

1)  Ibid.  a.  12,  Hauptaut,  Civ,  Bei  XII.  18. 

^  ^1*.  15,  8.  1,  «trutn  ideae  aint:  a.  2,  iitrum  eint  plures  idtme; 
a.  3,  uirtim  omnium  quae  cogDOscit  Dens  aint  ideao.  In  allen  dreieii 
bildet  die  Hauptautorität  De  divers,  quae^t.  83 «  qu.  4G.  Die  gleicJie 
Stelle  Hauptaut,  qu.  45,  a.  3,  utrum  causa  «Xfiuplari«  ait  aliquid  pt] 
ter  Deum. 

■)  Qu.  45,  a.  5»  utnim  aoliui!  Dei  ait  ereare.  Nach  Anführung 
Objektionen:  8ed  contra  est  qiiod  dicit  A.  in  3.  de  IVtw,  quod  ne 
honi  tieque  mali  angeli  posaunt  esse  creatorea  alicuiua  rei«  Multa  muiiia 
igitur  ahae  creaturae,  A,  a.  0.,  c.  8  will  A.  sceigenf  dass  die  DJLmoiie]] 
nicht  seibat  etwas  schaffen,  »ondern  nur  die  den  Dingen  anerachaSimiiii 
Kräfte  und  Samen  zur  Entwiekelung  bringen:  Invisibilium  enim  Hcmi- 
num  Creator  ipse  Creator  est  omuiiini  rerum:  quouiam  quaecuTn<)ue  nft* 
Bcendo  ad  oculos  nostros  exeunt^  ex  occuUis  aeminibus  accipiunt  progre* 
diendi  primordia  .  _  _     Sicut  ergo   nee  parentes  dicimuH  cr«/atore(t  hib- 

minum,   nee  agricolas   creatorea   Crugtim :   tta  nan  äolum  malo«, 

sed   nee   bonos  angeloa  fas  est   putare  crefttores.     Dom  Gott  lülein  die 
Schöpfermacbt  eigne,  ist  somit  alletdingn  seine  Meinung. 

*)  0«.  65,  a.  4,  utrum  formae  corporum  «int  ab  angeht.  lii<?  Haupt- 
autoritltt  ist  abermals  De  THn*  111,  c.  8,  wo  A.  *»age;  Non  cat  putjin* 
dum  angelis  ad  uutum  aervire  banc  coqioralem  maleriam  ^ed  potins  Dto. 
Wörtlich  hdast  es  dort:  Nee  ideo  putnndiim  est  i»tiii  tninsgresiiaribm 
angelia  ad  nutum  servtre  hiuic  Yisibilium  rerum  materiam. 

^)  9m.  44,  tt.  2,  H..  '        '■'      .  7. 

«I  Qu,  47,  Ä.  2:  m.  igen  Ciü.  />ci  XT.  r  1ä3, 

'^}  i^u,  9,  a.  2  erörtert  die   üuvf^riuiderlidikeit  alt«  a*i  Im 

Merkmal   Gottes.     Diift   Uauptautoritlt  mt  iler  aus   De  natur.  ^  I 

nioht  wDriÜdi  nbor  sinngemiLsa  zitierte  Aussprudi:  Bolmi  Dm»  inuAilUl!- 


Äugustinm-CUat^  hei  Thomas  mn  Äqutn. 


551 


Unterbrechung  des  regelmässigen  Naturlaufs  durch  das  Wuu- 
der,*)  was  er  über  Wesen  und  Ursprung  des  Übels*)  zu  sagen 
weiss,  stützt  sich  auf  Augustins  grundlegende  Erörterungen. 
Nicht  minder  folgt  er  ihm  in  der  Lehre  von  der  Subsistenz,*) 
Immaterialität^)  und  Gottebenbildlichkeit  der  menschlichen 
Seele.*)    Nur  an  einem  Punkte   nennt  er   ihn  nicht.     Ihm  hat 


bilis  est,  quae  autem  fecit,  quia  ex  nihilo  sunt,  mutabüia  sudI.  Die  Aus- 
einandersetzung bewegt  «ich  gans  in  A/schen  Gedanken,  und  beruft  aich 
für  den  Satz,  daaa  die  Dinge  ins  Nicbta  zurückfielen,  entzöge  ihnen  Gott 
Beine  Wirksamkeit,  auf  Gen,  ad  liUeram  IV,  wo  c.  12,  n.  22  der  Gedanke 
mit  aller  Schärfe  auagesprochen  wird,  der  von  da  in  die  christliche  Spe- 
kulation übergegangen  ist. 

®|  Qu.  103,  a.  ö,  Hftuptaut.  Civ.  Dei  V;  U;  a.  G,  Hauptaut.  De 
Trin,  lU,  4. 

*)  Qu.  105,  a.  6,  utrnm  Dens  poasifc  facere  aliquid  praeter  ordinem 
rebus  inditum.  Massgebend  ist  Contra  Famtum  XXVI,  c.  3.  Ob.  1  citiert 
daraus  Deus  conditor  ei  aeafor  omruum  nafurarum  nihil  contra  naturam 
facit  (das  gleiche  Citat  auch  S.  c,  g.  11 1,  c.  100).  Von  dort  ist,  nicht  wÖrt- 
lieh,  aber  dem  äinne  nach  richtig  die  Hauptautoritat  entnommen:  Deus 
aliquand<i  aliquid  facti  contra  cur$um  naturae^  Äti*  der  gleichen  Schrift 
zieht  sodann  die  Erörterung  im  Hauptteil  noch  zwei  Sätze  heran;  Deas 
contra  ^olitum  cursain  mUurae  facit:  ned  contra  Btimmam  legem  nulh 
modo  facit  quia  cofilra  seipsum  non  facit  (verkürzt  wieder  gegeben)  und : 
id  tftt  euüihet  rei  naturale  qtwd  üle  fecerit  a  quo  est  omms  modus  nu- 
et  ordo  naturac.  Damit  sind  zugleich  die  sämtlichen  Funkte  be- 
eichnet,  auf  welche  die  Erörterung  sich  erstreckt. 

^1  Qt4  48,  a.  3  u.  4,  Hauptaut  Euchirid.  c.  14;  qu,  49,  a.  2,  Hauptaut. 
De  divers,  quaest  83,  qu,  21  (nicht  wörtlich,  aber  dem  Sinne  nach  richtig). 

^)  Qu.  75,  a.  2,  die  menschliche  Seele  ist  aliquid  subtistens,  Haupt- 
au  ton  tat  De  Trm,  X,  7,  n.  10  (nicht  ganz  wörtlich), 

*)  Qu  75,  a*  1,  Hauptaut.  De  Trin,  VI,  6,  quod  anima  simpiex  di- 
citur  respectu  corporis  qma  mote  non  diffundilur  per  spatium  loei,  Wort- 
Heb  heis&t  ea  a.a.O.;  Creatura  quoque  apiriUlis,  sicut  est  anima,  est 
quideni  in  corporis  comparatione  simplicior  .....  Nam  ideo  stmplicior 
est  corpore,  quia  non  mole  diffunditur  per  spatium  loci.  Ibid.  a.  5» 
Hauptaut.  Gen,  ad  litt,  VIT  (c.  6,  7,  8),  wo  A.  beweise,  quod  anima  non 
est  facta  ex  materia  corporali  nee  ex  materia  äpiritali.  Doch  kann  man 
zweifeln,  ob  hier  wirklich  eine  Kontinuität  der  Lebre  besteht. 

^)  Qu,  98,  a.  1.  Die  Darlegung  im  Hauptteil  nimmt  Aufgang  von 
^  De  dieers,  quaest,  83,  qu.  74;  a.  2,  die  Hauptautorität  aui  Gen.  ad  lUt. 
VI,  12,  n.2l. 


552 


^hr,  V.  HeriUftff 


Aristoteles  für  die  Ansicht  des  sogenannten  Creatiantsmos  neue] 
Stützen  geliefert;  dass  Augustinus  zeitlebens  zwischen  diaser j 
und  der  des  Generatianismtis  geschwankt  hat,  wird  nicht  er-1 
wähnt.^)  Von  ihm  übernimrat  er  dagegen  wieder  die  Fonnelt  I 
welche  das  Verhältnis  von  Seele  und  Leib  ausdrückea  st»U. 
dass  sie  nämlich  ganz  im  ganzen  und  ganz  in  jedtmt  sdnür 
Teile  sei.^)  Auf  Augustinus  stützt  er  sich,  wo  er  beweisen 
will,  dass  der  Intellekt  dann,  wenn  er  sich  auf  sein  eigent» 
liches  Objekt,  die  qaiddita.s  rei,  richtet,  niemals  falsch  aM*iD 
könne,  ^)  und  da,  wo  er  bestreitet,  dass  ratio  und  intelligeDiia 
getrennte  Vermögen  seien.*)  Augustin  ist  sein  Föhrer,  wenn 
er  lehrt,  dass  es  Für  den  Willen  des  Menschen  ein  letztets  Zid 
gebe,  einen  obersten  Endzweck,  in  dem  alle  übereinstimmen/) 
dass  auf  dieses  Ziel,  das  höchste  Out,  die  Glückseligkeit,  iitr 
Wille  mit  Notwendigkeit  hin  gerichtet  ist,^)  dass  er  da^^egen« 
was  er  im  einzelnen  erstrebt,  die  verschiedenen  Kinzelgüter, 
nicht  notwendig  wollen  muss.'O  Augustinus  ist  endlich  Führer 
in  den  grundlegenden  Bestimmungen  auf  dem  ethischen  Ge- 
biete. Die  Lehre  Ton  der  lex  aeterno,  dem  ewigen  Weltgesetz, 
welches  zugleich  die  Norm  für  die  Ordnung  des  Menschenlebens 
enthält,  war  von  der  Stoa  ausgebildet  worden,  mit  allem  Glänze 
seiner  Rhetorik  hatte  Cicero  sie  verkündet,  durch  Augu»tinu9 
aber  war  sie  unter  ausdrücklicher  Zurückführung  jenes  Oesetzea 
auf  den  göttlichen  Willen  dem  christlichen  Gedankenkn^H»*  ^m^ 


^)  Be&onders  auffallefid  i^t  diese«  Scbweig^a  qtt.  ]18,  ti.  1^1^. 

*)  Qu.  76.  a,  8.  Hanptaut.  Dt  Tfimt  Vi,  6,  ebenso  V«.  ^^P  «*< 
Spiritual,  creaiur,,  a,  4  erste  Autonlät,  Qu,  disp,  de  amma,  a.  6  HaapU 
aiitoritAt 

•)  Qt4,  65,  a.  0,  Rauptaut  De  4ii>ers.  quakst,  83.  qu*  32, 

«)  Qu.  79,  a.  8,  Hauptaut  Oen,  etd  Un,  Tlf,  20*  wo  rnnlith  nur 
[ratio,  mens  tmd  int«lHgentia  ab  gleichwertige  AusdrQcke  neben  einander  J 
ehen. 

^)  3.  tK  Ih  1.  qu.  1.  a.  0.  Haoplaat  Civ.  Du  XIX  tUupl- 

auiorität  De  Trin    XTU.  3  wuä  4  ffonuelh&fl  ;-  i  Aigi^ni. 

«)  S.  tK  h  qu.  82,  a.  l,  Uiiuptuut*  De  Tt 

^)  Ibid.  Ä,  a.  Hauptaut-  Httraei.  l.  9»  o.  4. 


Äugustinna-Cilale  hei  Thamas  von  Aquin, 


ssd 


gefügt  worden.  Von  ihiD  übernimmt  sie  Thomas;*)  mit  ihm 
erblickt  er  den  Sitz  des  moralisch  Guten  and  Bösen  im  Willen 
des  Menschen  ^)  und  den  Masüstab  dafür  iiu  Verhältnis  des  Willens 
2ur  lex  aeterna.^)  Mit  ihm  bekennt  er  sich  zu  dem  bei  richtigem 
Verständnis  unbestreitbaren  Grundsatz,  dass  sich  der  moralische 
Charakter  einer  Handlung  durch  den  Zweck  bestionue,*)  mit 
ihm  ist  er  tiberzeugt,  dass  die  Glückseligkeit  nicht  in  einem 
geschaffenem  Gute,*)  sondern  nur  im  Schauen  der  absoluten 
Wahrheit  bestehen  könne,*^) 

Trotzdem  wäre  die  Annahme  irrig,  dass  Thomas  in  allen 
Fällen  der  Autorität  Äugustins  den  Vorrang  vor  jeder  anderen 
einräume.  Es  fehlt  doch  nicht  an  Stellen,  an  denen  die  Meinung 
dieses  Kirchenvaters  nur  als  eine  neben  anderen  aufgeführt  wird, 
aber  sie  sind  häufiger,  wo  das  theologische  Gebiet  berührt  wird, 
als  bei  rein  philosophischen  Erörterungen,'')  Wichtiger  scheint 
etwas  andres  zu  sein. 

Wo   die    ün Veränderlichkeit   Gottes    den    Gegenstand    der 


i)  De  libero  arbitrio  l,  6,  n.  15:  tiiiid  illa  lex,  quae  summa  ratio 
iiominaiuT,  cui  semper  obterBperandum  est  et  per  quam  mall  miaerain, 
boiii  beatfini  vitam  merentur,  per  quam  denique  illsi,  quam  temporalem 
vocandam  diximuB,  recte  fertur,  rectcque  mutatur,  pote»tne  cuipiam  in- 
tellipenti  hqii  incommatabilia  aetemaqae  videri?  Daraus  in  S.th.  [1,  1, 
qu.  91,  a.  1  al8  Hauptautoritäi  eitiert:  Lex  quae  Humma  ratio  nomiDa- 
tur  non  potest  cuipiam  iDteUigenti  non  incommutabilis  ueternaque  vi- 
dm;  ebenso  qu.  93,  a.  1:  lex  aetema  est  summa  ratio,  cui  semper  ob- 
teinperarjdum  est.  Im  weitem  Verlauf  heisgt  es  a,  a.  0,:  üt  igitur  bre- 
l^iter  aeteniae  legis  notionemf  quae  impreflsa  nobis  e«t,  quantum  valeo 
verbi«  erplicem,  ea  est  qua  iuatum  est  ui  omnJa  siut  urdiimtiflaima»  Mit 
Bejcug  hierauf  eitiert  die  Hauptautorität  (Jit.  03,  a.  2:  aetemoe  legia 
Uo  nobia  impreasa  est.  —  VgL  Qu,  93,  a,  6,  Hauptautoritllt  Civ.  DH 
M2. 

«)  8,  ih,  1,  2,  qtK  20,  a.  1,  Hauptaiit*  BettacL  I,  9,  4, 

«)  Qu.  19,  a.  4,  Hauptaut.  Contra  Fausinm  XXII,  c.  27. 

*)  Q^'  1*  a.  3,    Hauptaut.    Dt   vmrihun   Manich,   c.  13  (s^usantmea- 
gcxogeü), 

*)  Qa.  2.  a.  8,  Hauptant.  Civ.  Dei  XIX,  c.  26. 

^  Qn.  3,  a.  5,  Hauptaut.  Df  Trtn,  l,  c.  10  (lusammonge^ogen). 

'^)  VgL  beiapielawei^e:  S,  th,  I,  qu.  19,  a,  6;  tjti.  6G,  a.  1;  */m.  67,  a.  4; 
qu  69i  a.  l;  a.  2;  qu.  71.  a.  1:  qu,  74,  a.  2. 

1001.  S$U««b.  d<  pbitot.<phIIo1.  o,  d.  Übt.  Kt  97 


554 


Frhr,  t\  Heritin^ 


Untersuchung  bildet,^)  wird  ein  Ausspruch  Augustins  imjss  s*ii>c 

Erläuterung  der  Genesis^)  in  Form  eines  Einwands  heranj 
Spiritus  Creator  movet  se  nee  per  tempus  nee  per  locuoi.    AI 
wenn  er  überhaupt  sich  bewegt,  so  ist  er  in  einem  be^iimiDteB 
Sinne  veninderlich.     Die  Antwort   besagt:    Augustinus  Hprich4^ 
dort  im  Sinne  Piatos,    der  vom  ersten  Beweger  lehrt,    duss 
sich  selbst  bewege^  wobei  er  jegliche  Tätigkeit,  also  auch  Denke 
und  Wollen  unter  dem  Begrifl'  der  Bewegung  subsumiert.     Dw 
aber  sei  ganz  etwas  andres,  als  was  man  jetzt  in  den  Schulen 
unter  Bewegung  verstehe  —  ut  nunc  loquimur  — ,  wo  mau  mit, 
Aristoteles  die  Bewegung  als  die  sich  verwirklichende  Fot«tiirj 
fasse,   insofern   sie    im  Prozesse  der  Verwirklichung    begriffe 
ist.  —  Aus  dem   gleichen  Werke  wird  anderswo  die  Meinungl 
angeführt,^)    die  Dämonen   hätten    luttartige   Leiber,    aber  inifc 
der  Bemerkung  zurückgewiesen:    Augustinus  non  loquitur 
serendo,   sed    opinioue    Platouis    utens.*)     Die   Bemerkung    isi 
nicht  unberechtigt,    da  Augustinus  jene  Meinung,    die  er  de 
Apulejus  zuschreibt,  nicht  ausdrücklich  billigt,  sondern  zeigi^n| 
will,  wie  mit  ihr,  wenn  sie  als  richtig  vorausgesetzt  wird,  derl 
Text    der   hl.  Schrift  in  Einklang  zu  bringen  ist.    Wieder  anf 
einer  andren  Stolle^)  wird  den  Confessionen,   Xll,  2,   die  An- 
sicht entnommen  und  der  aristotelisch-thomistischen  entgegeks*! 
gehalten,  dass  es  nur  eine  Materie  för  alle  Körper  gebe.     Di^l 
Antwort  besagt:  Augustinus  sequitur  in  hoc  opinionem  Pl&iDnbl 
non  ponentis  quintam  essentiani.    Hit  diesem  Namen  bezeichnet I 
bekanntlich  Cicero  den  von  allen  irdischen  Elementen  durchaoa^ 
unterschiedenen  Äther,  aus  dem  nach  Aristoteles  die  Htintiiek- 


^  Qu.  9,  ft.  i. 

<)  Gen,  ad  liU,  VHI,  c.  20,  wo  es  wörilieb  hm%t:   Si!>intm  «isttca] 
Creator  movet  seipftum  sinfi  tempore  nc  loco,  movei  couditum  npirilae 
per  tempu»  »iue  loco,  movet  corpus  per  tmnpiii»  «t  loctitn, 

>)  Oen,  aä  lUi.  IIl,  lü. 

^)  ^.  ih.  I,   //».  51,   a.  1,  üb.  1    u.  lul  1.     Wörtlich    (lU'.rcia«Uiiai3ii»jd 
Qua€0t,  tUäputai,  de  ttptrüuah  ^eat,  a*  7«  ob.  I  u.  a^l  L 

^)  Qu,  66,  a.  2,  ob.  L 


Ängmiinu^CUaU  bei  Thomoi  von  Äquin. 


S55 


körper  bestehen  sollen.  Und  von  der  an  dem  gleicheo  Orte 
sich  findenden  Änsserung  über  eine  gewisse  prophetische  Kraft 
der  meDSchlichen  Seele  meint  Thomas,  sie  lasse  sich  nur  ver- 
teidigen oder  sei  nur  in  dem  Falle  rationabilis,  wenii  man  .^ich 
zu  der  Platonischen   Ideenlehre  bekenne.^) 

Dürfen  wir  hierin  die  Ansätze  zu  einer  geschichtlichen 
Würdigung  erblicken?  Erkannte  Thomas  an,  da8S  Augustinus 
in  manchen  seiner  Ansichten  auf  einem  andren  Standpunkte 
stehe,  dass  sich  sein  Denken  unter  andersgerichteten  Einflüssen 
entwickelt  habe?  In  der  ersten  Periode  der  Scholastik  bis  hin- 
auf 2U  Abälard  hatte  Plato  als  der  grösste  unter  allen  Philo- 
sophen des  Altertums  gegolten.  Begreiflich  genug;  denn  be- 
man  auch  von  seinen  Schriften  nichts  als  den  Timäus  In 
er  Übersetzung  des  ChalcidiuSi  so  hatte  doch  Aogustiiuis  von 
ihm  gesagt,  dass  sein  Euhm  den  aller  andren  verdunkelt  habe 
und  dass  er  von  allen  dem  Christenfcume  am  nächsten  gekommen 
sei.  Jetzt  aber  galt  in  den  Schulen  der  Albertisten  AristoteleB 
als  der  erste  Meister  in  der  Philosophie;  ihm  folgte  man  auch 
da,  wo  er  sich  in  seiner  Polemik  gegen  Plato  wendet,  während 
diejenigen»  die  in  den  alten  Bahnen  weiter  gingen,  an  dieser 
Polemik  Anstoss  nahmen.  War  Augustinus  von  Plato  beein- 
flusst,  so  konnte  es  wohl  kommen,  dass  einzelne  seiner  Be- 
luptungen  sich  den  Gedanken  der  neuen  Aristoteliker  nicht 
ügen  wollten.  Sollte  Tlionias  dies  erkannt  und  unbefangen  ge- 
würdigt haben?  Die  letzten  Anitlhrungeo  betrafen  nebensach- 
liche Dinge.  Können  wir  erwarten,  dass  in  wichtigeren  Fragen 
Thomas  sich  mit  dem  platonisierenden  Augustinus  wie  mit  einem 
wissenschaftlichen  Qegner  gemessen  und  ihm  das  Gewicht  der 
von  Aristoteles  hergenommenen  Argumente  gegenübergestellt 
habe?  Das  würde  völlig  aus  dem  Rahmen  der  mittelalterlichen 
Denkweise  und  jener  die  Scholastik  von  ihren  Anfangen  an  be- 
herrschenden  harmonisierenden  Ten<!Mn/  li^i .austreten.   Tutsüch- 


')  Qu,  66,  a.  4,  ad  2  ciiiert  aus  den  Confemanes:  anima  habet  quan* 
Jttrn  vim  «arfii  ut  ex  siia  natura  possit  futura  cognoacero.  Zur  Suche 
z.  gl.  A.  a.  0.  IV.  3  und  VH,  6, 

87  ■ 


&56  ^VÄr.  p,  Htflämf 

lieh  ist  er  Ton  einer  solchen  SteUangnahme  wril  ratfemt  mA 
sein  Verfahren  ist  ein  andres. 

S.  Th.  I,  qu.84,  a-6  bringt  einen  ansfährlicben  Berii  r 

die   Lehre    Plaias   vom   Zustaniiekommen    unserer   Krk^ 
der  höheren  wie  der  niederen,  und  darin  die  suis  Aagasliii  g^ 
schöpfte  Angabe,    Plafco  habe  im  Gegensatz  zu  Arisftotelea  dk 
Sinnestatigkeit  als  eine  der  Seele  selbst  zukommende  beseieknet. 
Dann  heisst  es  weiter:  et  hanc  opinionem  tangere  videtur  Augis^ 
stiniis,  Gen.  ad  liti  XII,  24,  ubi  dicit  quod  corpus  ncm  seotti, 
sed  anima  per  corpus,    quo  velut  nuntio  utitur  ad  formaiMii 
in  aeipsa  quod  extrinsecus  nuntiaiur.    Aber  an  der  angegi 
Stelle  findet  sich  keine  Andeutung,   dasa  Augustinus  nur  mt 
fremde  Meinung  habe  berühren,   nicht  seine  eigene  Tortragee 
wollen*')     In   der  Untersuchung  über  die  Seelen vermdgea  und 
ihr  Verhältnis  zueinander,    welche  qu.  77,  a.  h  anstellt,   wird 
aus   der  gleichen   Stelle   eine   der   üblichen    Objektioneii    eot-A 
nommen.^)     Die  Besponsio  sagt,    nach  Plata  solle  das  aentirt^ 

»)  In  dem  gleichen  Artikel  wird  in  ob.  2  ao«  Gtn.  ad  hU,  JtU,  lt. 
33  angefTihrt:  Non  nsi  putandiim  facere  oliqaid  irorpo«  in  Bpiritam  tMm^ 
quam  spiritufi  corpori  facienii  materiae  vice  atibdatnr.  Omni  entia  modi^ 
praestantior  est  qui  faeit  ea  rtj,  de  qua  aliqtiid  ttkcit,  Dte  Solutio  flk]ict| 
aus:  A.  ipreche  nicht  ?on  der  InteUektualerkenutnifl,  Bondem  roo 
tina{;(inaiiveD,   und  da  Plato  annehioe,  dais  dtestf  Knit'  Htfi^ 

zukomme,  bediene  «ich  A.  hier  dcMelben  Argumenta» 
teleä  zur  Einführung  de»  intellecius  agena  bediene  (vgl.   De  ammm  JIL  3 
430»  18:  agi  yäg  tifttäntgop  t6  ,tötot:'r  rot}  :tdaxovt<K  Mai  i}  dg^ff  ^'^  vlffti* 
Et  procnl  dubio  oportet  saenndom  hanc  pogitiouem  in  vi  imaginaria  ] 
weate  non  äolum  |>otentiam  piMitivam»  ued  etiam  aetivam.    VI 
andeTB.  wenn  man  hiö  mit  Ariätüteles  für  eine  vi«  cuniunct* 
corpus  »entibile  est  nf^biliun  organo   animiiUfl«     Man   könnf   aber 
sagen,  es  sei  Kwar  die  immutatio  virtutis  imAginartae  per  motum  it 
üum.  wie  Arifftoteles  lehre»  daxn  komme  dann  al>er  noeh  eine  weiti 
Beeleakraft  im  ]^r  ndo  et  di     '  He  FhaataMi^' 

Uldar  gefltalu«:  ^^uot  ac^  ,  AugaaUai -- 

der  e«  abe*  offenRichtlit'h  nicht  so  gemeint  hat. 

«)  Wahrend  aber  in  V«.  84.  a  (J  wörtlich  ciiiert  wird,  heuat  e«  I 
untar  wahrscheinlicher  Nachwirlmng  dftr  Auifnhmngen  ia  0«i.  «4  < 
XII»  24.  n,  50,  quod  in  titti!  i 

por<*.  ut  e«t  timor  et  i   *■• 


AngustinuM-Citaie  bei  Thoma»  ^'>on  Aquin. 


557 


ganz  ebenso  eine  Tätigkeit  der  Seele  allein  sein,  wie  das  in- 
ielligere,  und  fügt  bei:  in  multis  autem  quae  ad  philosophiam 
pertinent,  Augustinus  utitur  opinionibus  Piatonis,  non  asserendOt 
sed  reciiando,^)  Dadurch  wäre  freilich  eine  wirkliche  Divergenz 
der  philosophischen  Lehren  ein  für  allemal  beseitigt,  wenn  man 
jede  Äusserung,  welche  den  Einfluss  platoTiisierender  Denkweise 
verrät,  als  blosses  Referat  verstehen  dürfte.  Aber  an  den  an- 
geführten Stellen  erscheint  dies  doch  wie  ein  blosser  Notbehelf, 
der  bei  öfterer  Wiederholung  seine  Wirkung  verlieren  mösste.*) 


^)  GanK  das  gleiche  Verfahren  befolgt  Qu*  89,  a.  7,  ob.  2.  Aus 
Aug.  De  ditinatione  daemoitum  wird  citiert:  daeraonea  propter  celerita- 
tem  motu»  aliqua  nobi»  ignota  denuntiant.  Die  Solutio  besagt,  A*  spreche 
hier  im  Sinne  einiger,  die  da  angenomtneti  b&tten,  die  Dämonen  h&lten 
Körper,  eine  Meinung,  die  er  dort  ansdrücklich  berühre  —  exprease  ian- 
git  — ,  aber  magia  recitando  quam  a^gerendo.  Davon  iät  indessen  an 
Ort  nnd  Stelle  nichts  2U  bemerken.  A.  stellt  sich  bei  seiner  Erklärung 
dnrchaui  auf  den  Boden  eben  dieser  Meinung.  Wenn  sich  indessen  die 
Solutio  zur  Bestätigung  auf  Cit\  Dei  XXI,  10  beruft»  ao  ist  riehtig,  das« 
A.  dort  die  gleiche  Meinung  al»  eine  Bokhe  1>ezeicbnet,  welche  von  »ge- 
lehrten Männern*  gehegt  worden  sei»  und  bintiiftigt»  wenn  dagegen  an- 
dere meinten,  die  Dämonen  hlltten  keine  Leiber»  so  wolle  er  darüber 
nicht  streiten. 

«)  Auffallender  noch  ist  daa  Verfahren  Qu,  77»  a.8,  wo  gefragt  wird, 
üb  der  aniraa  separata,  der  durch  den  Tod  vom  Körper  geschiedenen 
Seele»  die  sämtlichen  Vermögen  verbleiben.  Für  Ja  wird  in  ob.  6  aus 
Gen,  ad  litt.  XFf  angeführt:  »icut  anima,  cum  corpus  iai-et  «ine  sensu 
nondum  penitus  mortuum,  videt  quaedam  secundum  imaginariam  visionem: 
tta  cum  fnerit  a  corpore  penitua  separata  post  mortem.  Das  Citat  hat 
den  Text  der  Stelle,  c,  32,  vollständig  verändert,  so  daas  er  einen  ganz 
andren  Sinn  gibt.  Dort  handelt  es  sich  um  die  Frage»  ob  die  Seele  sich 
nÄch  dem  Tode  an  »?inen  bestimmten  Ort  begebe,  und  ob  sie  dazu  einer 
neuen  körperlichen  Hülle  bedürfe,  M,  vgl  a.  a.  0.  n.  60:  lam  utnim  ha- 
beat  aliqnod  corpus;  cum  de  hoc  corpore  exierit»  ostendat  qui  potest, 
cgo  autem  non  puto:  spiritaleni  enim  arbitror  esse,  non  corporalem.  Ad 
9piriUlia  vero  pro  meritis  fertur,  aut  ad  io(^  poenalia  similia  corporibus; 
qualia  saepe  demonatrala  sunt  üb  qui  rapti  sunt  «  con^ons  senaibus  et 
inortuis  Himilcs  iacuenait  et  infemaleä7poenns  viderunt,  cum  et  ipsi  in 
fgiptis  gererent  quandivm  aimilitudiuem  con>oris  sui  per  quam  possent 
ad  lila  f»'rri  et  talia  Himilitudiiiibu»  Hmsuum  Mperiri,  Neqae  enim  Video 
riir  habeüt  anima  similitudinem  corporis  sui»  cum  irtc^^nte  sine  sensu  ipw.« 


§56 


^Vfcr,  V.  Herüing 


In  der  Regel  befolgt  daher  Thoraas  eine  andre  Methode:  die 
Augustinus-Citate  werden  unigedeutet  durch  stillschwei- 
gende Assimilieriing,  durch  leise  Korrektur  oder  auch  durch 
völlig  gewaltsame  Interj)retHtion, 

Der  Übergang  von   der  zu  Anfang  besprochenen   konveo 
tionellen   Verwertung   zur   t^ tillschweigenden   Eingl* 
das  eigene  Lehrsystem  ist  ein  kaum  merklicher;  niai -L-       clleii 
lassen   sich   ebensowohl   der  einen   wie   der   andren    Kategorie 
einordnen.     In   fjü.  88,  w,  1   wird  gefragt,   ob  die  menselilic!) 
Seele   in    diesem   Lehen    geistige  Wesen    oder  Substanzen    un-1 
mittelbar   oder  als  solche    erkennen   könne.     Die   Erörterung,J 
welche   zu  einem  verneinenden  Ergebnisse  führt,    nimmt  An 
gang  von  der  Lehre  Piatos,  wonach  die  Ideen,  also  immateriell^l 
Wesenheiten,  nicht  nur  überhaupt  für  uns  erkennbar,  sondc 
sogar  das  erste  in  unsrer  Erkenntnis  sein  sollen.    Und  in 
Objekiionen  wird   aus  De  Trinitate  IX,  3  der  Satz  angefllltrt:! 
mens  ipsa  sicut  corporearum  rerum  notitias  per  sensus  corpor 
colligit,  sie  incorporearum  rerum  per  seipsam.  Über  den  Sinn  de 
selben  ist  ein  Zweifel  kaum  möglich:  wir  erkennen  die  Körper- 
welt durch  iinsre  körperlichen  Sinne,  das  Geistige  erkennt  uoserJ 
Geist  aus  sich  selbst  oder  durch  sich  seihst.    Die  Beantwortung] 
aber  meint,  man  könne  ihn  dahin  auslegen  —  ex  üla  auetori- 
täte  Augustini  haberi  potest  — >  dass  unsre  Seele  nach  Ana- 
logie der  Erkenntnis,  die  sie  von  sich  selbst  besitzt^  auch  dirJ 
übrigen    geistigen    Substanzen    erkenne.     Damit   ist    dann   di«| 
Möglichkeit  gewonnen,  die  Übereinstimmung  mit  Aristoteles 
behaupten,*)  der  Augustmische  Gedankengang  aber  völlig  auf-] 

corpore,  nondnm  tarnen  penitiis  mortuo,  videi  talia,  qtuilia  mdti  es  illaj 
fubdiictione  vivig  redditi  nanraveroDt,  et  noii  babeat  ciim  perfecta  mofimi 
nitDB  de  ci»p[iore  eiierit.    Die  Aniwart  Uiitetf  A.  loqtntnr  iht  inqnir 
nori   aflserendo*   tiiide  quiiediira   ibi  dicU  rotmctat«     Nnn   ta^gi  iway  A| 
Betract.  U,  24,   wo  er  von  dieser  teiner  Krkldtiiitf  der  Qeneiii  npHelit: 
in  quo  operts  plorti  qQKi^ita  quam  iii?eTita  fttint,  et  eorum  quii«  iaTentaj 

•oüi,  piindom  flrmiisi,  ccttjra  vero  it*  powta  v  *  '  r^'     niliiiat  | 

ZurQokgencmiiiion  aber  hat  er  von  ^in«elü«ii   i  ^  Bvtcht  \ 

niebt  mi^br  al«  von  deueo    '  'h. 

M  A.  a,0.  ad  1:    .  .  t  i  q  venim  c*t.  ui  otiam  apm!  Phil*»- 1 


Ättgtigtinus-Üiiate  bei  Tfumoi  tmn  Aqum, 


559 


giigibeii.^)  —  Kurs  zuvor  —  qu.  87,  a.  3,  —  wird  fUr  den 
Satz,  dass  der  lutellekt  imstande  sei,  seine  eigenen  Akte  2U 
erkennen,  die  Hauptautorität  aus  De  Tri ni täte  X,  11  genommen: 
intelligo,  me  intelligere  — ,  was  aber  mit  der  aristotelisch- 
thomlstischen  Lebre  von  der  Erkenntnis  der  Substanzen  aus 
ihren  Akten  nichts  zu  tun  bat,  aondern  nur  das  unmittelbare 
Zeugnis  des  Bewnsstseins  wiedergibt  Qu.  84^  a,  6  handelt  von 
dem  Zusammenhang  der  IntelJektualerkenntnis  mit  der  sinn- 
lichen. Die  Einwürfe  bringen  Autoritäten,  aus  welchen  sich  im 
Gegensatze  zu  der  aristotelisch-scholastischen  Doktrin  die  Leug- 
nung  eines  solchen  Zusammenhangs   zu   ergeben  scheint,    dar- 

I  unter  eine  auch  sonst  mit  Vorliebe  herangezogene  Stelle  aus 
den  83  Quästionen  —  qu.  9  — ,  wo  Augustinus  mit  den  Ar- 
gumenten der  griechischen  Philosophie  den  Satz  begründet, 
quod  non  est  expectanda  sinceritas  veritatis  a  corporis  sensibus. 
Die  Antwort  will  dies  dahin  verstanden  wissen,  dass  man  die 
Wahrheit  nicht  von  den  Sinnen  allein  erwarten  dilrfe,  es 
müsse   die  Tätigkeit  des   intellectus   agens   hinzukommen;    sie 

■  verknüpft  also  kurzerhand  die  dort  sich  tindenden  Ausfüh- 
rungen mit  einem  ihnen  fremden  Bestandteil  des  mittelalter- 
lichen Aristotelismus,  ganz  ebenso  wie  anderswo  Augustins 
Äusserungen  über  die  materia  informis,  gleich  als  könne  hier- 


■Dpbum  dicatur  .  .  lib.  1  De  anima,  quod  acieDtia  de  aaima  e«t  pnnei- 
pium  quoddam  ud  cOjBnioBcendum  eubstantias  neparatjis.  Per  hoc  etiim 
quod  anima  riostra  cognoscit  aeipsanj,  pertingit  ad  cognitionem  alic|tiam 
bttbeadam  de  subatantiia  iocorporpiä,  qualem  etun  contijigit  habere,  non 
quod  «implieiter  et  perfecte  eas  cognoscat  cognoscendo  seipaaui.  Die  t^n- 
g^S^^ene  Stelle  hi  I»  1.  p»  402^  4:  dvxet  6e  nal  Jttjvi  dXrjthtay  ä.^aoav  j} 
yv&as  avt^i  fityaku  nvftßtiXlen^at ,  ftaXtaxa  t\k  itQd^  ttj^y  <jpvoty*  ran  yü{* 
ftw  dgirj  rdJy  Cu"*^*'-  In  »einem  RommentÄre  erläutert  Th.:  Ad  onines 
Bnim  partes  philosopbiae  insignes  dat  oruasionea  (sie),  quia  si  ad  pbüo- 
iophiam  primam  itritendanms,  non  poäsumui^  de  venire  in  Cognition  ein  di- 
vinarum  et  altiasiniarum  cauaarurß,  niai  per  ea  qiiac  ex  virtute  intellectus 
poeüibili»  acquLrimu9.  Si  enim  natura  intellectua  posFibilia  esiet  nobia 
igziota^  noii  po^iMemus  scire  ordinem  anbatantiarum  aeparataruiD :  Aicut 
dicit  coinmentätor  auper  undecimo  Metaphyi^icae. 

^)  Trot/Aknn    bildet  das  gleiche  Citat   mit   der  glotclien  Auslegung 
den  Anfangspunkt  für  ilie  Erdrterung  in  Vm,  8S)»  ii,  2. 


560 


Frhr.  v.  Hertling 


über  gar  kein  Zweifel  bestehen,  im  Sinne  dieses  letzteren 
standen  werden. ^) 

Anderwärts  muss  eber  von  einer  Korrektur  y^fesprocbei 
werden,  nur  tritt  sie  nicht  als  siilche  auf;  es  soll  nur  der  1 
einer  Äusserung  richtig  gedeutet  werden.  Bekanntlich  war 
der  Plrttonismus  Augustins  nicht  der  der  alten  Akademie^  Hiio^fl 
dern  vielmehr  der  des  Platin  und  der  Neuplatoniker  überhaupt  ^ 
Lesen  wir  also  De  doctrina  christiana  I,  32  den  Satz:  qaia 
bonus  est  —  sc.  Deus  —  sumus,  so  erinnern  wir  uns,  dam 
Plotin  das  überweltliche  Eine  als  das  Gute  bezeichnet  bat,  um 
dadurch  sein  kausales  Verhältnis  zu  dem  abgeleiteten  Sei«  aus- 
zudrücken, das  aber  nicht  mit  Bewusstsein,  nach  Zwecken^  von 
ilim  hervorgebracht  wird,  sondern  mit  Notwendigkeit  aus  ihm 
hervorgeht  Augustiu  ist  weit  entfernt,  ihm  hierin  zu  folgto,. 
daran  hinderte  ihn  sein  christlicher  Standpunkt,  Auch  betont I 
er  mit  Nachdruck  die  Freiheit  des  göttlichen  Wirkens.  Sejul 
Gedankengang  an  jener  Stelle  ist  ein  andrer,  denn  er  fährt  1 
fort:  et  inquantum  sunius^  boni  sunius,  und  weiterhin:  iu- 
quantum  mali  sumus,  minus  sumus.  Gott  ist  das  absolute  6ol«-| 
und  das  absolute  Sein»  unser  kreatürliches  Sein  ist  nur  ein 
mitgeteiltes,  wir  sind  nur  durch  Teilnahme  am  gf>ttlichen  Sein«  | 
und  insofern  wir  sind,    nehmen  wir  auch  teil   an  Gottes  Oöti»  1 


*)  Vgl.  Qu  dhp.  de  npirit.  creat.,  a.  1.  wo  auf  Gtn,  ad  liit,  I.  U  ti.  1&  j 
Bezug    getiOiumen   wird.    —    Hierher  gehört  auch   die   Erörterung   Qbo 
die  AllgtsgtiiiwHrt  Guttes  in  S,  th.  1,  </»,  8,  a.  1.  Ob.  2  dtiert  aus  De  d»ü€rm\ 
qaatd.  83,  qu.  20:  in  ipso  potius  sunt  omniu  quam  ip««  alicubi.    Bei  A. 
bedeutet  dies  eine  Steigenuijr  der  TransarendenÄ  in  der  An  •  y*w^' 

riotina,  und  «eine  Argumentation  verlauft  folgendorniaaiaen:  rid' 

wö  Lit,   ist  von  einem  Räume  umscbloBsen;  wtki  sich  ho  verhält,  int  «sa 
Körper:  aber  Gott  ist  kein  Körper,  also  u.  s.  w.  Th.  dagegen  tsrgunimiti^H 
qtiod  est  in  aliquo,   c^^niitietur  nb  i^o,   sed  Deus  non  conti netur  a  rM^ui,  [ 
!*ed  mngis  continet  res.    Am  inj 

der  Responsior   licet  corput  nti. 

nent^r,  tarnen   spiritualia  eontinent  ea  in  quihuji  aunt,  «iout  aauxiti  oon* 
tiaet  corpus   (RcfiiiSmscenz   aus  Ar,  He  an.  I,  5,  411^7).     Unde  i*t  D^ru»^ 
««t  ia  rebui*  sicut  conünons  rea;  lamon  per  quandam  simOittiditieiii  ci 
poralinm  dicuntur  omnia  e«c  in  Deo,  in  qna 
A.  dfigegen  sagt  a.  a.  O«:  N«c  tamea  ita  iu  ii 


Äu§u3tinujit'Citate  bei  Thomas  von  Afiuin, 


561 


und  Vollkominenheit  Aber  das  aus  jedem  ZusammeDhange  los- 
gelöste Citat  gibt  keinerlei  Andeutung  darüber,  in  welchem 
Sinne  es  zu  verstehen  ist,  und  dass  auch  dem  Mittelalter  eine 
pantheistische  oder  emanatistische  Deutung  des^selben  nicht  völlig 
fremd  war,  ersehen  wir  aus  Thomas  selbst,')  Um  so  eifriger 
ist  er  bemüht,  dasselbe  anders  zu  erklären  und  die  Beziehung 
auf  den  göttlichen  Willen  zu  gewinnen.  Daher  erliiutert  so- 
gleich in  Qu*  5,  a,  4,  wo  das  Citat  unter  den  Einwürfen  vor- 
kommt, die  Responsio  das  bonus:  dadurch  werde  bezeichnet: 
qui  habet  bonam  voluntatern.  Der  Wille  aber  bestimme  sich 
aus  dem  Zweck,  und  so  spreche  jener  Satz  nicht  von  Gott  als 
der  wirkenden,  sondern  als  der  Zweckursache-  Später,  in  Qu.  19, 
a.  4,  wo  es  sich  darum  handelt,  den  göttlichen  Willen  als  die 
Ursache  der  Dinge  zu  erweis<Bn,  erscheint  der  gleiche  Satz 
wiederum  unter  den  gegenteiligen  Argumenten.  Die  Übjektion 
leitet  daraus  ab,  ftott  sei  vielmehr  durch  seine  Natur  Ursache 
der  Dinge,  wie  das  Feuer  Ursache  der  Wurme;  die  Antwort 
aber  erklärt:  bouum  est  obiectum  voluntatis,  und  deutet  den 
Satz  dahin,  dass  die  6üte  Gottes  fUr  ihn  der  Grund  sei,  das 
andre  zu  wollen,  was  er  will.  Und  in  Qu.  104,  a.  3,  wo  aus 
dem  gleichen  Satze  der  Einwand  hergeleitet  wird;  wenn  wir 
sind,  weil  Gott  gut  ist^  so  müssen  wir  immer  sein,  weil  Gott 
immer  gut  ist,  —  wird  ausgeführt;    Gott  ist  die  Ursache  der 

)inge^  aber  nicht  aus  Notwendigkeit,  sondern  mit  Freiheit» 
ienn  die  götthche  Güte  hängt  nicht  von  den  geschaffenen 
Dingen  ab.  Wie  es  also  seiner  Güte  keinen  Eintrag  getan 
hätte,  den  Dingen  rlas  Sein  nicht  zu  verleihen,  so  kann  es  auch 
ohne  Beeinträchtigung  derselben  geschehen,  dass  er  sie  nicht  im 
Sein  erhält.  Wie  sehr  ihm  daran  gelegen  ist,  nach  dieser  Rich- 
tung jedes  Missvers tändnis  auszuschliessen,  ergibt  sich  da,  wo 
LBuch  vom  göttlichen  Wissen  gesagt  wird,  dass  es  Ursache  der 

)inge  sei.  Qu*  14,  a.  8  führt  dort  als  Hauptautorität  aus  De  Tri- 
nitateXV,  13  au:  nniversas  creaturas,  et  spirituales  et  corporales, 
non  quia  sunt,  ideo  novit  Dens:  seJ  ideo  sunt,  quia  novit.    Die 


1)  VgL  S.  e.  tf.  11.  c.  28. 


Erörterung  aber  hebt  ausdrücklich  hervor,  dasa  zum  Erkent 
das  Wollen   hinzutreten   müsse,    wovon  bei   Augustinus   nichli 
steht»  was  aber  seiner  Meinung  auch  nicht  widerstreitet.^) 

Ein  weiteres  Beispiel.  Qu,  17,  a.  2  behandelt  die  Frage,  ob 
die  Sinneswahmebmung  falsch  sein  könne,  und  citiert  aus  De 
Vera  religione  c-  33  eine  Autorität  für  die  verneinende  Beant* 
wortung.  Wenn  dort  Augustinus  sage:  si  omnes  corporis  nensüs 
ita  nuntiant  ut  afficiuntur,  quid  ab  his  aniplius  exigere  debeamos 
ignoro,  so  behaupte  er  damit,  dass  uns  die  Sinne  nicht  täusclseii 
und  es  keine  falsitas  in  sensu  gebe.  Die  Auseinandersetzung 
im  Hauptteil,  welcher  bezeichnenderweise  eine  andre  aus  Augusiiti 
geschöpfte  Stelle  als  Hauptautoritäi  vorangeht,*)  reproduziert 
die  Aristotelische  Lehre  von  der  verschiedenen  Weise,  in  welcher 
etwas  Objekt  der  Sinneswahrnehniung  sein  kann,  und  entwickelt 
danach  die  drei  Richtungen,  nach  denen  die  Sinne  uns  tauschen 
oder  uns  Falsches  zuführen  können.  Im  Anschlüsse  daran  wird 
mit  Bezug  auf  jene  Autorität  für  die  eutgegengesetzte  Meinttng 
gesagt:  dass  der  Sinn  affiziert  wird^  ist  eben  das,  was  sein  Emp- 
finden ausmacht.  Daraus  also,  dass  uns  die  Sinne  melden,  wie 
sie  af&ziert  werden,  folgt,  dass  wir  uns  nicht  täuschen,  wenn 
wir  erkennen,  dass  wir  emplinden;  daraus  aber,  dass  die  Sinne 
in  einer  den  äusseren  Objekten  nicht  entsprechenden  Weise 
affiziert  werden  können,  folgt,  dass  gelegentlich  ihre  Meldung 
der  Sache  nicht  entspricht,  und  wir  daher  in  bezug  auf  dies«, 
nicht  in    bezug  auf  unser  Empfinden   in  Täuschung  verfallen. 

Ferner:  im  Anschlüsse  an  Avicenna  lehrt  Thomas,  dass  es 
fdnf  Vermögen  des  inneren  Sinnes  gehe,  den  aensus  communiii 
die  Phantasie,  die  Einbildungskraft,  die  sogenannte  vis  ae^tti- 
luativa,  woraus  die  instinktiven  Handlungen  der  Tiere  erklärt 
werden,  und  das  Gedächtnis.    Durch  eine  etwas  künstliche  Kon- 


^)  Das  gleiche  in  Qu,  disp.  de  i^eritaie  LI»  de  «ci«ntia  Dm,  luri.  14, 

*)  Citiert  whd  uus  Sohhq».  II,  6:  Äpparet  iioh  in  nv  u« 

.  Minilitudme  leoötinaiit»;  feUi,   doch  wird  der  Uwiankc  »i^  i-r 

|leichen  absotutefi  Weise  auigesprochen,  vielmehr  beisft  m  n.  12:  apparel 

DOS   in   atnnibtiJi  BenaihiiR  mve  aeqnalitas  iiivo  in  detenorihtis  rebiia  aal 

mmilitudine  leDoclnautc  falli.  aut  etc. 


Au^ittfius-Cüate  bet  Thomas  von  Äquin, 


563 


struktion  wird  aus  Augustin,  De  Gen,  ad  litt.  XU^  7,  der  Ein- 
wurf hergeleitet,  die  vis  imaginativa  allein  stehe  zwischen  den 
äusseren  Sinnen  und  dem  Intellekt  in  der  Mitte.  Thomas  weist 
ihn  zurück  mit  der  kurzen  Bemerkung^  was  Äugustin  dort  Ton 
der  Einbildungskraft  sage,  passe  vielmehr  auf  die  sämtlichen 
etatigungsformen  des  inneren  Sinnes  (Q.  78,  a.  4). 

Ich  komme  nunmehr  zu  dem  Punkte,  an  welchem  der 
tärksfce  Zusammenstoss  zwischen  dem  scholastischen  Äristotelis- 
raus  und  dem  Augustinismus  erfolgen  musste,  zu  der  Lehre 
von  der  Intellektualerkenntnis»  ihren  Bedingungen  und  ihrem 
umfange.  Es  wird  gut  sein,  der  den  einzelnen  Citaten  folgen- 
den Untersuchung  einen  kurzen  Bericht  über  Augustins  An- 
sichten voranzuschicken*  wie  sie  sich  aus  seinen  Schriften  er- 
geben. Dabei  besteht  freilich  die  Schwierigkeit,  dass  Augusti'n 
dieselben  weder  systematisch  entwickelt,  noch  auch  die  erkenntnis- 
theoretischen Probleme  rein  für  sich  ins  Auge  fasst,  sondern 
fast  immer  die  Erörterung  derselben  mit  theologisch-ausdeuten- 
den  oder  mjstisch-erbaulichen  Nebengedanken  verknüpft  Immer- 
hin lajisen  sich  gewisse  Gedankenreihen  herausstellen,  welche, 
cliarakteristisch  für  seine  Auffassung,  zugleich  wichtige  Elemente 
deutlich  aufweisen,  die  der  Aristotelischen  Spekulation  fremd, 
und  durch  die  spätere  Entwicklung  der  griechischen  Philosophie, 
insbesondere  auch  durch  das  Aufkommen  und  die  Bestreitung 
der  akademischen  Skepsis  bedingt  sind.  Hat  er  doch  Anlass  ge- 
nunimen,  sich  mit  der  letztem  eingehend  auseinanderzusetzen. 
Mit  ganz  besonderem  Nachdrucke  betont  er  demgemäss 
die  Objektivität  der  intelligibelen  Wahrheit,  Wie  es  die  gleichen 
Gegenstände  der  äusseren  Welt  sind,  welche  die  verschiedenen 
Menschen  mit  ihren  Sinnen  erfassen,  so  sind  es  die  gleichen 
Wahrheiten,  auf  die  sie  mit  ihrem  Denken  treffen.  Es  hat  nicht 
der  Einzelne  seine  Wahrheit  für  sich,  sondern  eine  und  dieselbe 
ist  da  für  alle,  sonst  könnte  es  ja  auch  keine  Verständigung 
darüber  unter  verschiedenen  denkenden  Subjekten  geben.*)   Be- 


*)  De  libero  aibitrio  II»  c,  12,  n.  flÖ:  Quapropter  nuHo  modo  nega- 
veri«,  es»e  inc^tumutabilem  veritatem»  haec  omnia  quae  incommutabiliter 
Vera    sunt  continentem,    quam  non  posaiB  dicere  tuain   vel  meura   ?el 


564 


Frhr,  u,  HeriUnff 


sonders  deutlich    zeigt  sich  diese  allen  geroeiDsaine  AVahrlieifc 

in  den  mathematischen  Wahrheiten')  und  in  den  logischen  Ge- 
setzen,^)    Im   Unterschiede   von    den    der  Veränderung    untcr- 


cuiuscamque  botuiuis,  4ed  omnibus  ineommutabilia  vera  cerBentibos«  taai< 
quam  luiria  modia  flecretum  et  publicum  lunien,  pnieato  esse  ac  «e  prmc^ 
bere  communiter:  omne  auteni,  quod  cotnmuniter  otnnibus  ratiocinantilHi« 
atque  intclHgentibus  praesto  est,  ad  nllius  eorum  proprie  natunini  fKir 
tiuere  quia  dixerit?  Meministi  enim,  iit  opinor»  quid  de  ftenfiiboi  cor- 
poris panlo  ante  iractatum  sit;  ea  sciliiet  quae  oculorum  vel  nttriiaai 
seDsu  commuuiter  tangiroua,  sicuti  sunt  colores  et  aoni,  qaos  ego  ei  tu 
siiun]  irideinus  vel  simul  audimus,  non  pertinere  nd  oculorum  uosirontm 
anriunive  natiir&ra,  «ed  ad  sentienduni  nob!»  esse  communia.  Sic  ergo 
etiam  illa  quae  ego  et  tu  comiimniter  propna  quisque  meinte  coafptd* 
mus,  nequaqimm  dixeris  ad  meniis  nlieutuB  iiostrani  pertinere  uatunuiu 
--  ConfenH.  XU.  c.  26,  n.  35*.  Si  ambo  videmus  verum  esse  quod  dicis  «ft 
aiubo  videmua  verum  esse  quod  dico,  ubi  quaeso  id  vtdemua?  Nee  ego 
utique  in  te  nee  tu  in  me,  sed  aiubo  in  tpen,  quae  aupra  mentes  nost7%t 
est  iuconimutabili  veritate, 

1)  Ü€  lih.  arb,  II,  c.  6,  n.  20:    Omnes  nitiocinarites  ßua   quisque  m- 
tione  atque  meute  communiter  vident,   cum  illud  quod  videtur  pme^to 

itit  Omnibus ratio  et  veiitaa  numeri  omnibus  mtiorinautibtt» 

pmesto  est  .  ,    n,  24t  Hin  et  talibus  multis  do<  fatm» 

quibus  diflputationia  Deua  donavit  ingeiiium  et  i  m  nos 

obducit»  rationem  veritateuique  nuraerorum  et  ad  sensus  corj»ons  non 
pertinere  et  invertibilem  sinceramque  eonsistere  et  omnibus  nitiociuaji» 
tibua  ad  videndum  esse  communem.  Quapropter  rum  multa  alia  poflsittil 
occurrere,  quae  communiter  et  tamquaiu  publice  pra^'sto  sunt  rmtioci* 
nautibus  et  ab  ris  videantur  mente  at^jue  rationc  »^ingulorum  qoomiilr 
que  cernentium,  eaque  inviolata  et  incommuLabÜia  uianeant  otc^ 

*}  Dt  dociiina  chmUana  II,  c,  31,  u.  ßO:  lata  tarnen  vmtat  con- 
nezionuiu  —  die  ItjL'biigkeit  der  Schluasfolgernngen,  w#ilcbe  ru  von  allen 
t?leicbniilaaig  anprkauuten  VVahrbeiten  fiihvi  —  noii  inntitiita  sed  ani* 
miulveraa  mi  ab  bominibu«  fi  notat«»  ut  eam  posfint  vel  dicere  vel  do- 
cere:  uam  #tst  in  rtTum  ratione  perpetna  et  diviaitus  ini*titut&.  Sicui 
entm  qui  nnrrat  ordjnem  teutporum«  udq  eum  ipse  componri;  ut  loconiiti 
Situs  aut  natura^  aniinalium  vel  stirpium  vel  Lipidiim  qui  o«t«ndit  hau 
res  ostendit  ab  bumiuibus  in-i  ^s- 

que  motus«    non  a  «e   vel  nb  ,  t; 

sie   eiiam   quj  dicit:   cum   faUnm   e«!    quod  ixiDML'quUur,  neeesM  est  ut 

fklsum  sit  quod   pmec^dit,   veriasima    ^  -'     ^     Tfrsi*  facti  itt  ila  iÜ» 

w^  tuntum  itA  os«e  deiuoDstmt 


AugustinuS'CUate  hei  Thomas  wm  Äquin, 

worfenen  Gegenständen  der  sichtbaren  Welt  ist  die  intelligibele 
Wahrheit  unveränderlich  und  ewig.*)  Darin  ergibt  sich  neuer- 
dings eine  Bestätigung  für  ihre  Objektivität.  Denn  auch  wer 
über  den  Lauf  der  Gestirne  oder  die  Beschaffenheit  von  Tieren 
i  und  Pflanzen  berichtet,  will  nicht  erfinden,  sondern  unabhängig 
von  ilim  Vorhandenes  aufweisen*  Die  mathematischen  Wahr- 
heiten aber  können  gar  nicht  von  einem  in  der  Zeit  stehenden 
Geiste  erfiinden  werden»  denn  sie  sind  ewig.  Erweist  sich  somit 
unserro  vergänglichen  Geiste  gegenüber  die  Wahrheit  als  da» 
Höhere»  so  noch  weiterhin  dadurch,  dass  sie  filr  uns  die  Regel 
abgibt,  nach  der  wii*  urteilen.  Wir  messen  die  Dinge  der  Aussen- 
welt  an  Massstäben,  die  wir  in  uns  vorfinden  und  die  wir  nicht 
ändern  können,  denn  sie  stehen  fest,  wie  die  unveränderlichen 
Zahlen  Verhältnisse,  wie  die  obersten  Prinzipien  des  Gut-  und 
Rechttuns.*)    Wie   könnten  wir    die  Dinge  nach   ihrem  Werte 


^)  De  hb,  arb.  II,  8,  n.  21i  Quidquid  leiisu  corporis  tango,  veluti 
est  hoc  coelum  et  haec  terra,  et  qnaecimique  in  ei»  alia  corpora  sentio, 
quamdiu  futura  sint  nes^cio,  Septem  autem  et  tria  decem  sunt  et  non  ao- 
lum  Tiunc%  sed  etiam  semper  neque  ullo  modo  aliquando  septem  et  tria 
non  erunt  decem.  —  SoUloqu,  11,  19  beweist  A.  aus  der  ünvergänglich- 
keit  der  Wahrheit  —  nee  interire  veritas  poteat  —  die  Unsterblichkeit 
der  Seele.  —  Ue  immoriahiate  ammae^  c,  4,  n.  6:  Cum  vel  nos  ipsi  no- 
bisrum  ratiocinante»  vel  ab  alio  bene  inten^ogati  de  quibnsdam  libera- 
libns  urtibuä  ea  quae  invenimue,  non  alibi  quaui  in  animo  nostro  inve- 
nimufi,  neque  id  etit  invenire  quod  iUcere  aut  gignere,  alioquin  aetemu 
gignerei  animiis  inventione  temporali,  nam  aeterna  saepe  invenit,  quid 
eDim  tarn  aeternum  quam  eirculi  ratio  vel  ii  quid  aliud  in  huiuscemodi 
artibufl  nee  non  fuisee  aliquando«  nee  non  fore  eomprehenditur? 

^)  De  /i6.  arb,  II,  12,  n.  34:  Hanc  ergo  Teritatem«  de  qua  iamdiu 
loquiniur  et  in  qua  una  tam  umltn  coiispicimu«,  exrellentiorem  putaa 
eme^  quam  mens  nostra  est,  an  aequalem  mentibus  nostria  au  etiaiu  in- 
feriorem? Sed  ai  esaet  inferior,  non  aecundum  illam,  sed  de  üla  itidica- 
remua.  «icut  iudicamua  de  eorporibuB,  quia  infra  sunt,  et  dicimus.  ea 
plernnique  non  tan  tum  ita  esse  vel  non  ita,  Bed  ita  vel  non  ita  ü5«<*  de- 
ere:  sit-  et  de  animis  noatris  non  solum  ita  ea^e  animnm  novimu«,  sed 
plerumquß  etiam  ita  esse  debere.  Et  de  coq>oribu8  qnideni  aic  iudica- 
mua, cum  dieimus,  minua  candidum  eafc  quam  debuit  aut  minus  quadrum 
et  miilta  aimiliter.  De  animiü  vero;  minus  aptus  est  quam  debet  aut 
minu»  leiiib  aut  minuti  velieinond,  «acut  noDtranim  momm  se  ratio  tulerit. 


566  Frhr,  v,  Hertling 

Abschätzen,  weno  wir  nicht  den  Begriff  eines  höchsten  Wer 
eines  absolut  Guten,  besässen?*) 


Et  iudicamu3  haec  secundum  illaa  interiores  regula»  veritatii,  quas  com- 
rauniter  oerninius:  de  ipais  vero  duIIo  modo  quiB  iudicat:  cum  enim  *iuU 
dixerit,  aetertia  temporalibiM  eaae  potiora  aut  aeptem  et  tria  decem  e«»e, 
nemo  dicit  ita  esse  debuisae,  «ed  tantum  ita  esae  cognoscene ,  non  e»8- 
rainator  currigitt  «esd  tantum  la^tatiir  iiiventor.  Si  ailtem  esset  aeqtiitlts 
mentibus  nostria  haec  verita«,  mutabiUs  etiara  ipaa  e«ä<it.  Mentea  enim 
nostrae  aliquiindo  cum  plua  vident  aliquaudo  minua  et  ex  hoc  fateiitar 
ae  eaae  miitabües:  cum  illa  in  ae  manena  nee  proficiat  cum  plua  a  not 
videtur,  nee  deficiat  cum  minus,  eed  int^gra  et  incorrupta  et  conve 
laetifieat  lumine  et  averaoa  puniat  caecitate.  Quid  quod  etiam  de  if] 
mentibua  nostris  aecundum  illam  iudicamus,  cum  de  illa  nuUo  mo 
iudicare  possoniua?  Dicimus  enim:  minua  intelligit  quam  debet,  aut 
tantum  quantum  debet  intelligiL  Tantum  autem  mens  debet  intelligerev 
quantum  propiua  admoveri  atque  inbaerere  potuerit  incommutabili  veri- 
tati,  Quare  m  nee  inferior  nee  aeqaalis  est,  reatat  ut  ait  auperior  atqne 
eicelleutiür  De  vera  religione^  c.  31,  n.  68:  üt  enim  noa  et  omnes  aoi- 
mae  rationalea  aecundum  veritatem  de  inferioribus  recte  iudicamas,   wc 

de  nobia  quando  eidem  cobaeremua,  sola  ipsa  verita»  iudicat 

Sicut  in  istia  temporalibus  legibus,  quamqnam  de  hia  hominet  iudicaot, 
cum  eaa  inatitmint,  tarnen  cum  fuerint  institutae  atque  firmatae,  non 
Itcebit  iudici  de  ipaia  iudicare,  aed  Hccuudum  ipsaa.  Conditor  tarnen  Iv- 
gum  temporalium,  ai  vir  bonus  est  et  aapiena,  illam  ipaam  conaulit  aetcr- 
nam,  de  qua  nuUi  animae  iudicare  datum  est:  ut  secundum  eiua  incom- 
mutabilea  regnlae,  quid  sit  pro  tempore  iubendum  vetandumque  disceriiAt. 
Aeternam  igitur  legem  mundis  animis  faa  est  cognoscere,  iudicare  non 
faa  etc.  De  TrifK  IX,  c.  6,  n.  10:  .  *  ,  regulia  super  m entern  nostram  in* 
commutabiliter  manentibua  .  .  .  viget  et  claret  desuper  iudicium  veritatia 
ac  sui  itu'ia  Lncorruptiaaimia  reguliä  firmum  est.  ~  XU,  c.  2,  n.  2:  Subli^ 
moris  rationia  est,  iudicare  de  iatia  corporalibus  eecundum  ratione«  incsor- 
poralüfi  et  sempitemas:  quae  nisi  sapra  mentem  humanam  esaent.  inconi- 
mutabilea  profecto  non  essen t,  atque  bis  niai  subiungeretur  aliquid  nostnim, 
non  iecundnm  ea»  poasemua  iudicare  de  corporalibua.  ludicamn»  aut«m 
de  corporalibua  ex  ratione  dimensionum  . . ,  quam  inconvmut-abiliter  manon* 
mens  novit  —  XIY,  c.  15,  n.  21:  Gott  ist  immex  und  überall,  daher  die 
Menachenseele  in  illo  et  vivit  et  movetur  et  est,  et  ideo  reinlnisci  eins 
potcHt,  nicht  freilich  in  eigentlichem  Sinne,  »ed  coramemorator,  ut  cun* 
vertütur  ad  Dominum,  tamquflm  ad  eam  lucem  qua  etiam  cum  ab  Ulo 
gverteretur  quodam  modo  tangebatur.  Nam  hinc  est  quod  etiam  iropü 
oogitant  aeternitatem  et  multa  recte  reprehejidunt  rCKrti^qoe  laudant  in 
hominum  moribus,    Quibus  e«.  t&nd^n  regults  iudicant,  nisi  in  qnünts 


Ä^igusHnm-Oitate  hei  Thomas  von  Aquin. 

So  erweist  sich  die  Wahrheit  zugleich  als  ein  System  von 
Wahrheiten,^)  und  darunter  sind  nicht  etwa  nur  Urteile  zu  ver- 
stehen^ sondern  ebenso  auch  Begriffe,  wie  die  der  Gerechtigkeit, 


videut  quemailmodum  quiaqiie  vivere  debeat,  etiamsi  Bec  ipsi  eodem 
modo  vivant?  Übi  eas  videntV  Neqiie  enim  in  yiia  outura»  cum  procitl 
dubio  meote  ista  videaütur,  eoriim*nie  mentea  constat  esse  miitabile?, 
has  vero  regulas  immiitabilea  \^deat,  qiuaquia  in  eis  et  hoc  videre  po- 
tuerit;  nee  in  habitu  suae  mentis,  cum  illae  regulae  sint  iti»iitiae,  roent«« 
vero  eorum  conatet  esse  iniusta.^,  übinam  sunt  istae  regulae  scriptae 
.  .  .  ubi  ergo  acriptae  iunt,  riiai  io  libro  lucis  illioa  quae  veritas  dicitur? 
unde  otnniH  lex  iusta  daacribitar  et  in  cor  bominiB  qui  operatur  iuisti- 
tiam,  Qon  migrando  8ed  tamqu&m  imprlmenda  tranafertur;  iicut  iniafi^o 
ex  anulo  et  in  ceram  transit  et  anulum  non  relinqnit. 

^  De  Trin  VIIT,  c.  3,  n,  4:  Neque  eniin  in  bis  omnibus  bonia  .  .  . 
diceremus  aliud  alio  cnelius  cum  vere  ludicamus,  nisi  esset  nobis  im- 
presaa  notio  ipaius  boni,  aecundum  qnod  et  probaremua  aliquid  et  aliud 
alii  praeponeremua. 

*)  De  Ith.  arh.  II,  c.  13,  n*  36:  Haec  enim  veritas  oatendit  omnia  bona 
quae  Vera  aunt,  quae  sibi  pro  auo  captu  intelligentes  hominea  vel  singula 
vel  pluru  eligunt,  quibus  fruantur.  Sed  quemadmodum  illi  qui  in  luce 
aolia  eligunt  quod  libenter  adapiciant  et  eo  adapectu  laetificantur,  in 
quibus  si  qui  forte  fuerint  vegetioribua  saniaque  et  fortiasimis  oculia 
prae^liti,  nihil  libentiua  quam  ipaum  aolem  contuentur,  qui  etiam  cetera, 
quibua  inßnniorea  oculi  delectantur,  illuaferat:  sie  fortia  aciea  mentis  et 
vegeta,  cum  multa  vera  et  incommutabilia  certa  ratione  conapexerit, 
dirigit  ae  in  ipsam  veritatem,  qua  ctincta  monetrantur,  eique  inbaerens 
tamquani  ohliviacitur  cetera  et  in  illa  aimul  omnibua  fruitur*  Quidquid 
enim  iuL'undiira  est  in  ceteris  reris  ipsa  utique  veritate  incunclum  esfc.  — 
De  Trin,  IX,  c,  6,  n.  9:  Manifestum  e»t,  aliud  ununiquemque  videre  in  ae 
quod  sibi  alina  dicenti  credat,  non  tarnen  videat:  aliud  aulem  in  ipaa 
veritate»  quod  aliua  qnoque  poaait  intueri:  quornm  alterum  mutari  per 
tempus,  alterum  incommntabili  aetemitate  consiatere,  Neque  enim  oculia 
corporeia  uiultas  mentea  videndo,  per  aimilitudinem  colUgirnua  generalem 
Irel  specialem  mentis  humanae  notitiam:  aed  intuemur  inviolabilem  veri- 
atem,  ex  fjua  perfectej  quantum  poaauraua,  definiamua,  non  qualia  ait 
aniQacQiuaque  hoininia  mena,  aed  quaiis  esse  aempitemia  rationibua  debeat, 
—  XII,  c.  15,  n.  24:  Credendiun  est,  mentia  intellectuali«  ita  conditam  eaae 
naturam.  ut  rebua  intelligibilibua  naiurali  ordiue,  diaponente  Conditore, 
aubiuocta  aic  iafji  videat  in  quadam  luce  aui  generia  incorporea,  quemad- 
modum ocnlua  carnia  videt  quae  in  hac  corporea  luce  circumadiaceiitf 
cuiufl  lucta  capax  eiqae  coDgriieiid  est  creatua. 


568 


Hr.  V. 


der  Weisheit  u.  a.*)  Liegt  nun  schon  in  dem  Bisherigeti  mnt 
Richtung  auf  Verdinglichung  der  Wahrheit,  so  tritt  dietsefbe 
anderwiirts  ooch  deutlicher  hervor.  Aus  Wahrheiten,  weicht? 
gelten,  werden  Dinge,  die  sind.*)  Mehr  noch,  als  die  geznhlUan 
Dinge,  so  wird  eingeschärft,  sind  die  Zahlen,  mit  oder  nach 
denen  wir  sie  zählen,  und  ebenso  wird  den  Wisseuschaftan  ein 
eigenes  Sein  zugeschrieben.')  —  Noch  in  andrer  Weise  zeigt 
sich  diese  Verdinglicbung.  Das  einzelne  Wahre,  hören  wir,  ist 
nur  wahr  durch  die  Wahrheit.  Völlig  im  Sitine  Piatos  erscheint 
der  abstrakte  Begriff  hypostasiort  und  zur  Ursache  dea  nach 
ihm  benannten  Einzelnen  gemacht.*) 

Wie  aber  und  wo  erfassen  wir  diese  höhere  Wahrheit  <Kler 
dieses  System  von  Wahrheiten  ?  Sicherlich  nicht  durch  die  äusser*!D 


*)  Ep,  120,  c.  2,  n.  9:  Qan.e  vero  itu.  sunt  ut  ncqae  praeter  ne 

futura  »mt,  aed  aeterna  permaneant,  partim  sunt  invidbilia,  -li- 

tift,  fiicut  aapientia,  partim  visibilia  .  .  »ed  invisibilia  intellecta  contipici* 
untur  ac  per  hoc  et  ipsa  modo  ({nodam  aibi  congruo  videntur.  et  cum 
videntur,  multo  certiora  sunt  quam  ea  quae  corporis  seasus  adtineiU 

^)  De  Tritt.  XII,  c.  14,  n.  23:  •  ,  .  aapientia,  ad  qtiam  i'  a, 

qaae  nee  fueruat  nee  futura  suat,  aed  sunt,  et  propter  eain  «ii  :m 

in  qua  sunt  et  fuisse  et  esae  et  futura  easa  dicuntur,  sine  idla  mulftbiti- 
tate  temporam.  Non  enim  sie  fueruat,  at  esae  deaioerent,  aut  «ic  fatuiA 
sunt  qnm'i  nunc  nou  äint«  sed  ipsum  eeae  aeiziper  habueruiit,  «eai|)€T  bi^ 
bitura  sunt.  Maueut  autem  non  taniquam  in  epatÜH  lucorum  llxa  viduti 
Corpora,  ied  in  natura  incorporali  sie  ioteüigibilia  praeat.o  aunt  meaÜ« 
adapec-tibua,  aicat  iata  in  locia  fiaibilia  vel  coatr^ctabiHa  carporia  «itiiia* 
biig.  Non  autem  aolum  rerum  aen&tbitium  in  locis  pi>€itanim  siae  spatH* 
löOtilibuB  naanent  intelligibilea  incorporalosque  ratiouea.  verum  eti»m  tm»- 
tioniim  in  temporibue  iran&euntium  aiae  temporali  trausitu  •in 

i]>8ae  utique  intelli^ibiles,  non  sensibiles.    Ad  qua«  mentia  nci'  in» 

paucorum  eat«  et  cum  pervenitur.  quantum  lieri  potuat,  non  in  via  sumtl 
ipse  penrentor.  aed  veluti  aciu  ipsa  reverberata  ropcllitut,  et  fit  rei  noa 
tranaiioriae  tranäitoria  uoi^iatio. 

«")  SnHioqu.  IJ,  c.  11,  n.  21:  8i  eo  verae  «unt  quo  sunt  dindpliß«^ 
negabitne  C|ui«piam»  veritatem  ipaani  e^^te  per  quam  ümnea  vtinus  «tuil 
diaciplinae?  rVwi/fw,  X.  c.  12,  d.  19:  Seniti  etiam  numcrcM  omnibfiia  oof 
pöfh  anuvibuti  quoa  numerarnua,  aed  iUi  alü  auxit,  qtiibu«  nuiSRtmiiM^ 
acc  imagiac«!  euram  «ant,  i*t  ideo  valde  nuut. 

*)  üolilQqu,  I,  c^  16»  n.  27  u.  28.     />f  ^Arn  rtliffiant,  c.  39»  tt.  73. 


ÄugustintM^Citate  bei  Tk&mm  von  Aquin.  S69 

Sinne,  denn,  wenn  wir  beispielsweise  ein  Gesetz  erkennen^ 
welches  von  allen  Zatlen  gilt»  so  können  wir  dies  unmöglich 
den  Sinnen  verdanken,  mit  denen  wir  niemals  die  unzähligen 
Fälle  erreichen  würden,  welche  die  Allheit  ausmachen,"^)  —  Von 
den  Inteltektualerkenntnissen  haben  die  einen  schlechterdiogs 
nichts  mit  den  Sinneswahinehmungen  gemein,  wie  wenn  ich 
den  Intellekt  selbst  denke  oder  die  verschiedenen  Tugenden.  Ihr 
Inhalt  ist  von  dem  der  körperlichen  Erscheinungen  durchaus 
verschieden.  In  andren  Fällen  bringen  die  Sinne  als  Boten  der 
Seele  Angaben  aus  der  äusseren  Welt»  der  Verstand  aber  urteilt 
Ober  sie,  ihre  Bedeutung  und  ihren  Wert.  So  gibt  es  ein  inner- 
liches Sehen  oder  Schauen ^  welches  freilich  mit  dem  äusseren 
nicht  zu  vergleichen  ist,  aber  grössere  Gewissheit  als  dieses 
gewährt.*) 


*)  De  lüf,  arb.  II,  v.  S,  n.  23:  Hoc  erjfo  qiiod  per  ornnoö  ntimeroa 
eise  immobile,  fii-mum  incürraptumque  conspicimut,  unde  conapicimu»? 
QOn  enim  uJlus  ullo  sensu  coi^oria  omnea  adtiog^it;  inuuuieraliiles  enim 
«iint:  uude  er^o  novinius  per  nmnes  hoc  esse  aut  qua  pliantäsia  ve)  phsmtas- 
mate  tarn  certa  veritaa  numeri  rea  iDiiunierabilia  tara  tidenter,  nm  in 
lüce  interiore  consplcitur  quam  eorporftlis  senaus  ignorat. 

•)  Oen,  adlUL  XII,  c,  24,  u.  60:  .  ,  .  illud  mentia  atqui«  iiitt?Hit,^vii' 
tiae  Itimeu,  quo  et  iata  inferiora  diiudicantur  et  ea  cernuntvii-,  quae  neque 
nünt  coq)ortt  neijue  ullas  gerunt  forrnftu  similci  corparuni,  velot  ipsa  mens* 
et  omnid  animae  afPectio  bona,  cd!  €ODtrari&  sunt  eiua  vltia  .  .  «  Quo 
enim  aho  mf>do  ipac  intdlectiia  niai  intelUgendo  conspicitar?  Ita  et  Ca- 
ritas, gaudiiim,  pax,  longatiiitutaSp  benigtiitaa  .....  et  cetera  huiiis* 
inodi.  —  Kp,  147  {De  videndo  Deo)  c.  17,  n,  41:  Cum  ergo  interiorea  oetili 
indices  %h\i  o<'\ilorum  exteriorum,  isti  autcm  illie  quodam  officio  nuntian- 
di  et  ministeno  famulentur,  «lultaque  illi  vidcant,  quae  isti  nou  vident, 
mhil  isti  vident,  unde  non  ille  tamquam  praeaid^»  iudicant;  quia  nou 
illoa  incomparabili  aestimatione  praeponat?  Ep.  120,  c.  2,  n.  10:  lu«ti- 
tiam  et  supientiam  qiiidqidd  eiusmodi  est  «  .  .  boec  inviüibilia  siruplid 
meiiti«  atque  ratiouia  intentione  intellecta  cODspicimua  sine  tdlia  forniia 
et  motibua  corporalibas  .  ,  .  .  Ipsumque  lumeu,  quo  cunctÄ  iäta  discer- 
lüinua  ....  non  utique  sicut  huius  solis  et  cuiuaqQü  corporel  himinii«  ful- 
gor  per  localia  spatia  circumqunqiie  difiTunditur  menternquu  noBtnim 
qua«!  visibili  candore  illüstrat»  aed  invisibiliter  et  jneffkbiliter  et  tarnen 
iotaUigibililer  lucet,  t^rimque  noble  certum  est,  quam  nobia  efficit  certa, 
ijtme  •ecundum  ipsum  cuncta  congpicimoB«  —  De  tera  rehgione  30,  n.  65.  — 


570 


Prhr,  r,  MerÜinff 


Darum  ist  die  Bedingung  jeder  höheren  Erkenolnts, 
Voraussetzung  jedes  eigen tlicheu  Verstehens  und  Wisseits,  di^ 
Einkehr  in  uns  selbst»  Äussere  Belehrung  kann  nur  den 
folg  haben,  dass  sie  uns  hierzu  anregt.  Denn  nur  in  ut 
Innern  findet  sich  die  Wahrheit;  hier  beurteilen  wir,  ob  dai 
Gehörte  wahr  ist;  in  den  verborgenen  Tiefen  unseres  Oaisto» 
erfassen  wir  die  wahren  Begrifie;  im  inneren  Menschen  walm^ 
die  Wahrheit  Aber  er  selbst  findet  sie  nur,  wenn  er  nidil 
an  das  Sinnliche  und  Ausserliche  gefesselt  ist,  und  der 
mehr,  der  andre  weniger.^) 

Als  bedeutsames  Moment  ergibt  sich  sodann  die  enge»  Be- 
ziehung, in  welcher  für  Augustinus  die  Wahrheit  noit  Gofc 
steht»  Menschliche  Weisheit  ist  Teilnahme  an  der  Weis^heilj 
Gottes.*)  W^enn  die  Schrift  sagt^  der  Mensch  sei  nach 
Bilde  Gottes  geschaffen,  so  bezieht  sich  dies  auf  die  Vensui! 
oder  den  Verstand  oder  die  Intelligenz,  oder  welchen  Aus»dnick 
man  wählen  will:  es  besteht  nicht  in  körperlicher  Öeetal* 
tung,   sondern  im  Lichte   der  Erkonntniskraft.')     Gott  ist   di« 


ßen.  aä  liU,  XII,  c,  36«  tu  ÜÜ:  Sapientes  autetn  ita  nuiil  lu  lu'^  ti>r{HimU-^ 
bufi  yiais,  ut  quatnvis  ea  pnieaeDtiora  videantnr«  eertiörei  mint  iameii  m 
Ulis  quao  praeter  corporis  speciem  praeterqtie  corpori«  «iinsi  ,j  ijj*| 

telligendo  utcunque  perspiciunt,  quamris  ea  tion  Tale&Dt  it  >  *.tm^ 

spicore,  nt  haec  aensn  corporis  intucntnr.    Tgl.  Kp,  IS  ad  Neifridmm4,M 

^)  De  immortalüate  anfmae,  c.  10,  n.  17:  Ea  quae  intelllgit  tttumail 
cnm  9e  avertit  a  corpore,   non  sunt  profecio  corporea  et  tamen   •uu^j 
maximeqoe  sunt,   nana  eodem  modo  semper  sef?e  hjibeat,    Nam  nihil  äI»* 
s^urdiuB  dici  potest,   quam  esse  quae  oculia  videmus.   ea  non  es«c  quA«J 
Intel] igen tia  cernimus,  enm  dubitare  deaieotis  »It,  inteUigentiam  iDooni«r 
parabiliter  oculia  anliefern.    Flaec  autem  quae  inti*l!igiintur  eodem  modol 
aese  Läbentia,  cnnj  ea  intiietur  iinimua.  fltttis  ostendit,   «e   illis   enjie  coii- 
iunctuni  tniro  quodam  eodemque  incorponili  miido,  gci licet  iiou  lücalitt^i] 
Ibid,  c,  i,  n,  6:   Miinjfestum  est  iminortalciii   ense  iininiuni   htimanum  ^U 
omnes  varns  rotiones  in  secreti«  (>ivt9  este,   qtianirin  eaa  nvB  ignorntioii^ 
BiTe  obljvione  atjt  non  habere  aut  am5jii«fle  videator, 

*)  De  Genr^i^  op,  imperf^  c  16,  n,  57  .  ,  ,  in  Dco,  ubi  «Ät  etiao 
ilb  aapientia  quae  non  participanilo  sapieiia  ent«  t^ed  cuiui  paitidpatton^ 
fiapieiu  est  anima  quaecunqu»  sapieai  tut. 

t)  Qen,  ad  hti.  }\l,  20,  d.  90. 


Augustinnn^CiMe  bei  Thamm  w>n  Aquin^ 


%n 


Wahrheit  und  das  Licht  der  menschlichen  Vernunft,^)  Dass 
der  Mensch  in  der  Erkenntnis  mit  der  Wahrheit  vereinigt  wird, 
ist  gleichbedeutend  mit  dem  Sut/e^  da^s  er  mit  Gott  in  Ver- 
bindung trete."-*)  Durch  den  Blick  unsres  Geistes  erfassen  wir 
die  ewige  Wahrheit,  nach  der  alles  Zeitliche  geschaffen  wurde.*) 
Das  ist  das  Ziel  wissenschaftlicher  Unterweisung,  dass  sie  den 
Geist  vom  Irdischen  abzieht  und  zur  Vereinigung  mit  Gott  ohne 
Scheidung  und  Trennung  hinleitet,*)    Oder  auch  die  Wahrheit 


*)  Ep.  137,  c.  6,  n.  17  (Ea  iat  vom  Gebot  der  Gottes-  iiud  Niichötbu- 
liebe  die  Rede):  Hie  logica,  quoniaJii  veritu^^  luii^eticjue  aDimae  rationsiliKi 
nonmsi  Deaa  est. 

*)  De  utUitate  credendi  c.  15,  n.  33:  Cum  eniiu  sapiens  sit  Pea  ita 
mente  coniunctu«,  ut  nihil  ititerponatur  quotl  separet»  Deus  enim  est 
veritaa.  nee  ullo  pacto  sapiena  quisqaam  tni^  si  non  vmtatem  mente 
contiagat. 

8)  De  Trinü.  IX,  c.  7,  n,  12:  In  illa  igitur  aeterna  Teritate,  ex  qu» 
temporalia  facta  sunt  omaia,  fonnam  secnadum  quam  suuuiä  et  hecun- 
dam  quam  vel  in  nobis  vel  in  corporibua  vera  et  recta  ratione  aliqaid 
operainiia,  visu  mentia  adspicimns:  aique  inde  conceptam  reruro  veracem 
notitiam  tamquam  verb;im  apud  nos  habemas. 

*)  De  di^em.  quaest.  83,  qu.  51,  n.  2:  Quae  sapiunt,  ita  illi  similitn- 
dine  sunt  proxinia»  ut  in  crcaturi»  nihil  sit  propinquiue  .  .  .  qiiare  cum 
komo  postii  particeps  esse  sapientiae  äeeundnm  interiarem  hominem,  fe- 
cund nzn  ipsum  ita  est  ad  imaginenif  ut  nulla  natura  interposita  forme- 
tw,  et  ideo  niliil  ait  Deo  coniiinctins-  —  Qu,  54:  Qnod  e*t  omni  anima 
melius,  td  Deum  dicimui,  cui  qaisqala  eium  int-elli^t,  inncttiB  emt.  Qaod 
«■iiD  intelligitur  verum  est  .  .  .  Deo  igitnr  iunctum  t^t  quod  intelligit 
DeoD.  Intelligit  autem  rationalis  anima  Deum,  Nam  intelligit  quud 
aemper  eiusmodi  est,  neque  ullam  patitur  miitationem  .  .  .  Quod  autens 
msnpet  eodem  modo  est*  melius  profecto  est  quum  \ä  quod  non  ita  e*it. 
Nee  qnidquam  est  melius  rationali  anima,  nist  Deu9.  Cum  igitnr  intel- 
ligit aliquid,  qnod  semper  eodem  mode  »«ac  habet,  ipsum  aiue  dubio  in- 
telligit. ilaec  atttem  est  ipea  veritae«  cm  qoia  inteUigetidc»  mnima  mtio- 
nalia  iungitur  etc.  De  vera  religione  c.  6ö,  n.  113:  Inter  mentem  nnstram 
qua  illum  intelligimu«  Patrem  et  Veritatem  id  eat  lucem  interiorem  nulla 
int«?rpci8ita  creatura  e«t.  —  De  wusica  VI,  1:  Die  Schrift  will  dazu  bei- 
tmgen,  da^s  alle,  quos  botio  ingenio  dona^t  Deus  .  .  ,  a  «ensibut«  eumis 
aJtqne  camalibnfl  litterii  «  .  «  duee  nttaune  avellerentor  atqni:^  otii  Deo  tt 
Dominik  rermn  amnium^  qui  kumania  mentiboa  nulla  natura  inierpodta 
pfaesidet,  iueommutabilis  veritati»  amore  adhaerescerent 

SS* 


572 


fVhr,  V,  Ürrtfing 


wird    mit  dem   Logos  der  chrisÜicheu   Heilslehre   identifiziei 
Chnstus  erscbeint  ak  der  Lehrmeister,   der  in  uoserm  Imia 
wohnt  und  von  uns  zu  Kate  gezogen  wird  und  sich   im«  m 
dem  Masse   unserer  Fiissungskraft   und   unseres  gut^n  WiU 
mitteilt.^)    Wie  gross  auch  der  Abstand  zwis^^hen  dein  Sehd|i 
und   den  Geschöpfen   gedacht  werden    muss,   Gott  ist  uhä  den 
noch   näher  als  vieles  von  dem,   was  er  hervorgebrxicht  hiit**] 
Üeon  in   ihm,    wie  der  Apostel  sagt,    leben  wir   und  bewi 
wir  uns  und  sind  wir.    Es  gibt  nur  eine  Wahrheit,  und  doch 
kann  der  Psalmist  von  vielen  Wahrheiten  reden,  denn 
und   dasselbe  Antlitz   in   vielen   Spiegeln,   so  spiegelt  m 
eine   göttliche  Wahrheit    in   der   Vernunft   der    verschiedeni 
Menschen.*) 

Im  Zusammenhange  dieser  Gedanken  kehrt  daa  Bild 
der  Sonne  immer  wieder,  das  zuerst  von  Flato  im  sechsten  und 
siebenten  Buche  der  Republik  angewandt  worden  war.  Intelli^fl 
gibel  ist  Gott,  int^lligibel  sind  die  Lehren  der  Wi^enschafWo, 
aber  zwischen  beiden  besteht  ein  grosser  Unterschied*  Denn 
wie  die  Sonne  sichtbar  ist  und  die  Erde,  die  letztere  aber  oor, 
wenn  die  Sonne  sie  bestrahlt,  so  erkennen  wir  auch  die  inteU 


'A 


A)  2}e  magiitro  c.  11»  n.  86:  De  univertiit  autem  quae  mtelltgtiBi]^ 
non  loquf ntcni  qtii  personat  fori«  eed  intus  ip«i  nienii  praesidenUm  < 
(lulimu^  vtTitatcfin,  verbi«  fortAsse,  ut  cnniiulainiu,  admoniti.  llle 
qtit  eotiiriilitar,  doc^t,  qui  in  interiore  homino  habitaro  dictu«  mi  Obfteliu, 
id  eit  ineouimutabiliH  Dei  vtriu^i  ät4|ii«  Ml^lupit<^^xla  a&pieLitta,  tjuaiit  qvA* 
dam  (JOuiiB  mtionalls  anititti  i:onffulit,  aed  ttuitum  cuiqut*  Kindittir«  qiwn* 
tntn  cnpere  {^ropter  prupriiim  äiv«  rnalani  (iiv<d  bun  mi  potcti. 

')  Gtn,  ad  htL  V.  e,  lö,  n.  Sil  .  .  .  tarnen  pt  h  est  q«t 

fecit»  quam  mnlta  qua«  facta  sunt.   In  illo  «nim  vivimus  et  iiiovi*n>iir  H 
»umiiJi:  illornm  autem  pleraqoe  remota  tniit  n  mente  nnsLra  propt^r  lÜi« 
ittuiilitndint*m  »ni  gfinuri»,   quoouuu  coq>oniba  »ant»  nt*c  tdoiic^  est  i|Ma 
metifi  nottra  in  iptls  rutiantbus 
ot  p«^  boc  iciiauus  quot  cd  quA 
■■MM9  Wpoii«  spniiM. 

•  ^^'JMarr.  m  P^aim,  XI,  cu  2:  Tent^i«  uaa  est,  tp»  Ulottimutisr 
animai  tanela«:  ted  qao&iaai  oialtaa  «tuit  anigiae,  iii  ipti»  majtit 
vtritatai  did  fUMfitiit;  ijeai  ab  «aa  &cst  molta«  in  t|)«CQlia  imgiaM 
apiwrtati 


AaguMiinitH'Citate  het   Thomas  von  Aquin,  S7tS 

ligibelen  Wahrheiten  nur,  wenn  sie  beleuchtet  sind  von  dem  Lichte 
ihrer,  der  geistigen  Sonne,  und  wie  die  sichtbare  Sonne  für  uns 
ein  dreifaches  einschlieast»  dasa  sie  ist,  dass  sie  glänzt  und  dass 
sie  andres  erleuchtet,  so  gilt  von  Gott,  dass  er  ist»  das«  er 
erkannt  wird  und  dass  er  andres  erkennbar  macht.*)  Denn 
ein  anderes  ist»  was  in  der  intellektuellen  Anschauung  die  Seele 
in  sich  selbst  erblickt,  ein  andres  das  Licht»  welches  sie  er- 
leuchtet» damit  »ie  es  erblicken  könne.  Jenes  gehört,  wie  die 
Seele  selbst»  der  geschalfenen  Welt  an^  dieses  dagegen  ist  Gott. 
Versucht  sie  aber  ihren  Blick  zum  Lichte  selbst,  zu  dieser 
geistigen  Sonne  zu  erheben,  so  wird  sie  geblendet  und  vermag 
es  nichts  und  doch  erkennt  sie,  was  sie  erkennt»  nur  in  dem 
Lichte,  das  von  dort  stammt»^) 


*)  Soltioqu,  I»  c.  6,  D.  12:  K.  Bene  moveria,  Promittit  enim  ratio 
qiiae  t^cum  loquitur,  ita  st?  JenionstnUtirum  DeiUD  tuae  menti,  ut  oculia 
8ol  demonatratur,  Kum  mentis  quii^i  sui  sunt  oculi  aensus  animae:  dia- 
ciplinarum  autem  quaeque  certiseima  talia  sunt^  qualia  illa  quae  eole 
iUufftrantor  i»t  videri  posaint,  vehiti  terra  est  atque  terrena  oirjnm:  Dens 
autem  est  ipse  qoi  illustrat.  Ego  autem  ratio  ita  aum  in  raentibu»  tit 
in  oculia  eat  aspectus.  c.  8,  n.  15:  Intdli^biiiä  nempe  Deus  est,  intelli- 
gihilia  etiam  illa  disciplinarum  3pe*:tamina,  tarnen  plurimura  differunt. 
Nam  et  terra  visibilia  et  lux,  aed  terra  niai  liicc  illu^trata  videri  non 
potest.  Ergo  et  illa,  quae  in  diBciplinia  traduntur.  quae  quisquis  intel- 
ligit,  verisBima  ease  nuUa  dnbittitione  concedit,  credendum  est,  ea  non 
posae  intelligi  nisi  ab  alio  quasi  «uo  aole  illustnuitur.  Ergo  quomodo  in 
hoc  fiole  tria  qaaedam  licet  animatvertere,  quod  est»  quod  fulget,  qaod 
illuminat,  ita  in  illo  aecretissimo  Deo,  quem  via  intellipere,  tria  quaedam 
innti  qur>d  est,  quod  intelHgitur.  et  qaod  cetera  facit  iTitelligi. 

*)  Gin,  ad  Htt,  XU,  c.  31,  n,  59-:  In  illo  genere  intellectualiuni 
vitionum  alia  aimt,  quae  in  ipsa  anima  ridentur,  velut  virtutes  .  »  .  . 
aliad  eat  ipsum  luineu  quo  illustratur  anima,  ut  omnia  vel  in  »e  vcl  tn 
illo  veradter  intellecta  con«piciat;  natn  illud  iam  ipae  Deus  eat,  haec 
autem  creatnva»  quamvi«  rationalia  et  intellecttialia  ad  eiut  imaginem 
fkctoLt  quae  cum  conatur  lumen  illud  intueri,  palpitat  infimiitate  et 
minua  valet.  lade  est  tunien  tjaidqnid  intellipt  sicut  valet.  Cum  ergo 
illiir  riipitur  et  a  carnalibua  aubtracta  senaibua  illi  vitioni  expreasiua 
prmeMentatur,  non  apatüa  localibus  aed  modo  quodam  auo,  etiam  supra 
r  videt  illud,  quo  adjuta  videt  quidquid  etiam  in  se  intelligendo  videt. 
Jn  Johann,  tract,  XIV,  l:    Aliud  eat  euim  lumen  quod  üluminat  et 


5?l 


Ffhr,  V.  HerOm^ 


Der  Ursprung  dieser  Gedanken  aus  dem  Neupltttoiil 
iät  unverkennbar«  aber  sie  sind  in  christlichem  Oei&tii  uoige- 
schmolzen.  Der  vovs  des  Plotinos  ist  mit  dem  Elherfr^^llliebtti 
Einen  zuisamniengefftUen  oder  zur  Weisheit  Gottes,  zum  hoffm 
und  der  zweiten  Person  der  Gottheit  geworden.  Geblieben 
der  xoo^toQ  %*o7jt6^,  die  inteUigibele  Welt,^)  in  der  »leh 
Fülle  des  vov^  auseinanderlegt  und  mit  welcher  die  remUnf 
Seele  in  Verbindung  steht,  nicht  räumlich,  sondern  in  luidrer, 
eigenartiger  Weise,  Gott  ist  die  absolute  Wahrheit,  welefae  die 
einzelnen  Wahrheiten  in  sich  umfasst.  Indem  die  Seele  i^ich  iah 
sich  selbst  zurückzieht,  ündet  sie  diese  in  sich  vor.  Die  intel«V 
ligibele  Welt,  in  die  sie  eintritt,  ist  wie  die  lichte  Atmospbire, 
die  die  ewige  Lichtquelle  umgibt;  was  sie  erkennt,  erkemii 
sie  in  ihr  und  durch  sie,  jene  selbst  aber  bleibt  ihr  verborgeii* 
Sie  erkennt  die  Richtung,  in  der  sie  Gott  selbst  suchen  nitw; 
nur  indem  sie  über  sich  selbst  hinausgeht,  kann  sie  ihn  zu 
finden  hoffen,  aber  das  letzte  Ziel^  die  wirkliche  Vereinigulig 
mit  ihm  selbst^  wird  ihr  in  diesem  Leben  höchstens  in  ein», 
zelnen  flüchtigen  Augenblicken,  in  der  Bk#t4W*  zuteil.*) 

Der  Lehr-  und  Lernbetrieb  der  mittelalterlichen  Schulen  | 
brachte  es  mit  sich,  dajss  man  weder  Anlass  hatte»  noch  dasj 
Bedürfnis  empfand,  sich  mit  diesen  weit  ausgreifenden  und  hn\ 


aliud  Inmen   ij^Lnui   illuminatiir,    nam  et  ocali    Hu«ni  hiuhmu  (ucuntur  rtj 
tarnen  in  tenebrid  patent  et  iioti  videiit.   Lumtia  autem  Ulumimtaf  a  i»-1 
ipso  luiaen   est  et  sibt  luiu^n  tut  et  non  iadt^et  aÜo  lumÜM  tii  |iio«f 
pOMit.  «ed  ijwo  iadigtat  cetera  ut  luccimt. 

4  A.  verwahrt  sich  Reimet.   I»  3,  d.  2  geg^ri  da«  Wort»  w^ldiet 
der   kirchliche  Sf  .     '  '     nicht    kernte,   uud    mi^ybilUgt,    iLim  ist 

l)€  Qi'dine  I,   c.  II  iih   bei  Joh*  18,  3t)  auf  die  io teilt ffibrlii 

Welt  Ptutos  und  «icr  i'btoiiiker  gedeutet  habt«.     Die  Siichu  verwirfl 
nicht:  Ncc  Plaio  c|uidviD  in  hoc  erruvii,  quia  etiie  oiuiidum  iateUifnhilfi 
dixit,  01  non  vocabulum,  qood  «cdeftiaaticae  coniuetudiai  in  re  ilU  mom 

■   '"  , '-      '  "'      '    ,       r].p9  ini«t- 

-tabil«!!^ 
V|tub  lt;c4t  D4Mi?<  iiiiiDÜum.  i>4imit  i»t  Wt  ittl«UigtbaJ#a 

VVüdt  aiii  iiott  und  der  gOtÜicben  \'^  „  .     üjü. 

1  üonfM.  IX,  10,  a.  Oft.   Setmo  £i2,  c.  i.  iL  10. 


Augusiinus-Citate  (m  Thomtm  van  Aquin. 


St5 


Aiigimtinus  »elbst  von  Öberschwenglichen  Gefühlen  getrageBen 
Gedanken  als  mit  einem  zusam^menhängenden  Ganzen  ?on  eigen- 
artigem Gepräge  auseinanderzusetzen.  Es  waren  immer  nur 
einzelne^  aug  dem  ZusRmmenhange  gelöste  Bruehstücke,  auf 
welche  man  stiess,  und  das  Interesse  ging  nicht  dahin^  eben  jene 
Eigenart  richtig  zu  verstehen,  sondern  die  Autorität  des  grossen 
Kirchenvaters  für  die  vertretene  Schulmeinung  anrufen  zu 
können»  sei  dies  nun  die  allgemein  herrschende,  wie  sie  sich  in 
Jahrhunderte  langer  Entwickelung  festgestellt  hatte,  sei  es  eine 
besondere,  wie  sie  einer  bestimmten  Richtung  innerhalb  der 
Scholastik  entsprach. 

8.  th.  I,  qu,  16,  a.  7  wirft  Thoraas  die  bezeichnende  Frage 
auf,  ob  die  geschaffene  Wahrheit  ewig  sei?  Die  Antwort  muss 
vemefnend  ausfallen,  denn  nichts  Geschaffenes,  nur  Gott  ist  ewig. 
Wie  die  Erörterung  zeigt,  ist  jede  Erinnerung  an  eine  Verding- 
Itchung  der  Wahrheit  ausgelöscht,  Wahrheit  findet  sich  nur 
im  Denken,  ewige  Wahrheit  setzt  ewige  Gedanken  voraus, 
kann  sich  also  nur  in  Gott  finden.  Von  dem  so  bestimmten 
Standpunkte  aus  wird  eine  frei  wiedergegebene  Äusserung 
Augustins  gedeutet,  welche  als  erste  Olijektion  dienen  muss.*) 
Was  zum  Begriffe  des  Kreises  gehört,  oder  dass  die  Summe 
von  zwei  und  drei  fünf  ist,  hat  Ewigkeit  allein  im  Verstände 
Gottes,  Aber  der  Gedankengang  bei  Augustin  und  bei  Thomas 
deckt  sich  nicht.  Jener  meint:  die  Wahrheit  ist  ewig^  die 
Wahrheit  ist  Gott*  Dieser  dagegen  sagt:  Gott  ist  ewig,  und 
darum  auch  die  im  göttlichen  Verstände  beruhende  Wahrheit, 
Völlig  in  gleichem  Sinne  erfolgt  die  Entscheidung  im  näch- 
sten Artikel,  wo  nach  der  Unveränderlichkeit  der  Wahrheit 
gefragt  wird.*) 


')  Das  aua  zwei  verschiedenen  Stellen  zuaatnmengefloiuiene  Citat 
(■.  oben  S.  565»  Anm.  l)  findet  «ich  in  wörtlich  gleicher  Fasaung  auch 
Qu,  disp.  de  varUate  I,  a.  5,  ob.  8.  Die  im  übrigen  gleichlauteode  Ant- 
wort fögt  dort  notU  den  Zua&it  bei:  vel  aceipitar  aeternura  pro  peqietao. 

*)  Hier  wird  ans  De  hber,  arbitr,  II  cttiert:  verita»  non  est  aequalis 
menti  quin  eRsei  mtitabiU»  aicnt  et  mens,  wai  die  Stelle  zwar  nicht 
wörtlich,  aber  dem  Sinne  nach  richtig  wiedergibt,   vgh  S,  6%b,  knm*  % 


576 


Frhr,  v.  BeHJtn^ 


Nahe  verwandt  damit  mi  die  andre  Frage,  ob  es  imr  tu 
einzige  Wahrlieit  gebe,  durcb  welche  alles  andre  wahr  i«t*)| 
Thomas  erklärt,  diiss  man  je  nachdem  von  einer  oder  niehrer 
Wahrheiten  sprechen  könne.  Das  einemal  meine  man  die  Tivleni 
wahren  Gedanken  in  den  verschiedenen  denkenden  We»oii#  da« 
andrenial  meine  man  die  Wahrheit  der  Sache  nach,  wdcha  tu  « 
dor  Beziehung  der  Dinge  auf  den  göttlichen  Verstand  begründet  ^ 
sei,  von  dem  dann  in  erster  und  eigentlicher  Weise  die  Wahr» 
heit  ausgesagt  werde.  Von  Interesse  ist  dabei  die  Ven^ 
der  auf  Aristoteles  zurückgehenden  Unterscheidung  ?.»' 
univoker  und  analoger  Prädikat ion/*)  Unter  den  Obj»! 
erscheint  in  freier  Wiedergabe  der  Augustinische  Gedanke^  j 
dass  die  Wahrheit,  weil  sie  höher  stehe,  als  der  uien>rl 
Geist»  Gott  sein  mlisse.^)  Die  Erwiderung  geht  leicht  <i 
hinweg,  indem  sie  sich  mit  der  Andeutung  begnügt,  dass  die  | 
vielen  Wahrheiten  die  Spiegelbilder  der  einen  un geschaffenen  ^ 
Wahrheit  seien,  um  sodann  hervorzuheben,  dass  auch  die  ge-  , 
schaffene  Wahrheit  in  gewissem  Sinne  höher  stehe,  als  dio  i 
einzelne  Seele,  die  sich  in  ihrer  Erkenntnis  vollende.  Etwas 
ausführlicher  setzt  sich  Thomas  mit  den  Gedanken  Augu&tin»  mi 
in  der  Quaestio  disputata  de  veritate  I,  Artikel  4,  auseinander,  m 
Über  das  Verhältnis  der  Wahrheit  ira  göttlichen  Yerstande  atii 
der  Wahrheit  im  menschlichen  Denken  wird  gesagt:  a  reritatf» 
intellectus  divini  fxemplariter  procedit  in  intellectum  nostrum« . 
ein  etwas  unklarer  Ausdruck,  der  an  dieser  Stelle  ohne  ge- 
nauere Bestimmung  bleibt,  demnächst  aber  »eine  ErkUlrimg 
finden  wird.    Dann  wird  hinzugefügt:  den  Mas&stab  der  B^ur- i 


K)  8.  ih.  qu.  le,  a.  6. 

>)  U*it  IV,  2,  p,  lOOS*  33  ff.  wird  alcbi  dtiert,  UeRt  aber  der  f^ 

Ling  tn  Üroade. 

')  Videtiir  qqöd  nn«  »ola  «ii  veritiu  »Acundum  quam  omni«  •aut^ 
vem.  QuiM  si-  ■  u    *  *  .  . 

m4i  JJeuM.    i  <<  he«  in  {^ln 

tu**,  Ä.4,  ob,  5  wifNierkebrt,  &,  vgK  Üe  hher,  a/lntr.  k,  c.  lü,  ä.  ZU 
rationabili  *>%  Hapietitl  meiste  quidquam  tu»«  |irae»laiitju».  Nihil  pn 
Daum  fttbitron  ^ 


Auguatinuä'GUuU  bei  Thomas  von  Aquin* 


577 


teilung  könnten  die  obersten  Wahrheiten  in  imsrem  Verstände 
nur  abgeben  wegen  ihrer  Ähnlichkeit  mit  der  göttlichen  Wahr- 
heit, und  in  diesem  Sinne  könne  man  sagen,  dass  wir  über 
alles  seeundum  prinmm  veritatem  urteilen*  Dass  der  Gedanken- 
gang August  ins  damit  nicht  getroffen  ist,  ergibt  sich  aus  der 
obigen  Darlegung.  Weiter  aber  wird  nun  noch  unter  den  fiir 
die  von  Thomas  vertretene  Auffassung  sprechenden  Autoritäten 
^in  ungenaues  Citat  aus  De  Tri ni täte  XU,  15  angeführt:  Cre- 
dendura  est  mentis  huraanae  mituram  sie  rebus  intelligibilibus 
connexam  ut  in  quadam  luce  sui  generis  omnia  quae  cognoseit 
intueatur,  —  und  die^  dahin  erklärt;  das  Licht,  dem  gemiiss 
—  seeundum  quam  —  die  Seele  alles  erkennt,  ist  die  Wahr- 
heit, also  ist  die  Wahrheit  de  genere  ipsius  animae,  und  so 
gibt  es  eine  geschaffene  Wahrheit  und  in  den  verschiedenen 
Geschöpfen  verschiedene  Wahrheiten.  Thomas  wird  hier  durch 
das  ungenaue  Citat  irregeführt/)  so  da^ss  er  die  Worte  sui 
generis  auf  die  Seele  bezieht.  Augustin  aber  sagt  ausdrücklich: 
ein  andres  ist  das,  was  die  Seele  in  sich  wahrnimmt,  ein  andres 
das  Licht,  in  dem  sie  es  wahrnimmt;  dieses  letztere  ist  Gott, 
jenes  etwas  Geschöpfliches.^)  Die  Deutung  ako,  die  Thomas 
der  angezogenen  Stelle  gibt^  widerstreitet  direkt  Augustins 
eigener  Meinimg. 

Drei  Fragen  aber  sind  es,  bei  denen  der  Gegensatz  der 
beiden  Richtungen  in  der  Scholastik,  des  Augustinismus  und 
des  Aristotelismus,  seinen  deutlichsten  Ausdruck  lindet:  er- 
kennen wir  in  diesem  Leben  Gott  dem  Wesen  nach?  Erkennen 
wir  die  geschaffenen  Dinge  irgendwie  aus  Gott  oder  den  gött- 
lichen Ideen,  so  dass  wir  also  zuerst  ihn  selbst  erkennen 
müssten?  Kommt  die  Erkenntnis  Gottes  auf  dem  gleichen 
Wege  zustande,  wie  die  Intellektualerkenntnis  überhaupt,  oder 
bedürfen  wir  dazu   einer  besonderen  Hilfe?    Auch  jetzt  kann 

*)  Vgl.  oben  S.  667»  Anm,  2,    Ungenau  ist  ebendort  auch  das  Citat 
_am  De  vera  rtlig.  c.  36:  Sicnt  aimilitudo  e^t  forma  similium  ita  veritajs 
furnia  vtfroruuu     Bei  A.  a.  a,  Ü.  n«  66  hei^att  es  utn^kehrl  r    ui   ergo 
iiiuA  forma  verorum  est,  ito  BittiiHiudo  foru^a  atmilium  eat. 
«)  Vgl  oben  Ö.  573,  Anm.  2. 


<>€i  Thomas  von  Äquin. 


57Ö 


■  Licht  unsrer  Vernuoft  ist  nichts 
tw  an  dem  göttlich eo  Lichte,  In 
1  ja  aucli,  dass  wir  alles  Sichtbaro 
Lichte  der  Sonne,  d.  h.  durch  das 
las  meine  auch  Äugustin,  wenn  er  in 
die  Erkenntnisse  der  Wis.se nschaften 
«werden,  wenn  sie  von  ihrer  Sonne  be- 
Gott* ^)  Wie  es  nun  ftber,  um  die  sicht- 
sehen, nicht  notig  ist,  die  Sonne  selbst 
es,  um  das  Intelügibele  mit  den  Augen 
nicht   erforderlich,    dass   wir   Gottes 


.  Sg  des  Bildes  ist  geistreich  und  treffend, 
^behauptet  nicht,  dass  wir  von  Gott  eine  voll- 
%Bmittelbare  Erkenntnis  haben;  er  nennt  ihn 
^krotzdem  ist  es  ein  von  dem  seinen  verschie** 
IgRng,  der  hier  von  Thomas  in  jene  Auss|:irüche 
ird.  Der  platonisierende  Ausdruck  participatio, 
wer  Vernunft  an  der  göttlichen,  verdeckt  dies 
ch,  denn  er  hat  bei  Thomas  eine  völlig  ver- 
lung  gewonnen.  Er  besagt  nun  nichts  andres, 
jtwas,  was  in  ihm  in  absoluter  Vollkommenheit 
den  Geschöpfen  nach  Massgabe  ihrer  geschöpf- 
erliehen  hat:  die  von  Gott  stammende  mensch- 
ist nur  ein  schwaches  Abbild  der  göttlichen. 
:;he,  was  an  der  früheren  Stelle  durch  die  Worte 
irocedit  ausgedrückt  wurde»  die  nunmehr  ihre 
len.  Gott  ist  cauaa  exemplaris  für  die  ganze 
^o  auch  für  die  menschliche  Vernunft  und  die 
welcher   diese  sich  erheben   kann.     Vor  allem 


I,  c.  8,  oben  S.  673,  Anm.  1. 

K>  ad  videndum  aliquid  BenBibiliter  non  eit  oeceme  quod 
ua  soll«,  ita  ad  videiidutn  aliquid  intelligibiliter  non  est 
l  ¥id«atur  essen tia  Dei. 

a  8.  573«  Anm.  1. 


578 


Frhr,  !?,  McHlm^ 


es  sich  nicht  darum  handeln,  zu  diesen  Fragen  sachlich  Siellttigl 
zu  nehmen  oder  sich  für  die  eine  der  beiden  Ricbtungeo  mi 
entscheiden,  die  bei  ihrer  Beantwortung  innerhalb  der  Scholanlik 
sich  geltend  machen;  es  soll  lediglich  das  Verfahren  nntersticht 
werden,  welches  Thomas  in  ihrer  Erörterung  den  AassprOebas 
Augustins  gegenüber  einhält;  die  Feststellung  ihres  nrsprüng* 
liehen  Sinnes  ist  aber  damit  untrennbar  verknüpft. 

Die  erste  Frage  wird  in  der  theologischen  Summe,  p«  I« 
qu.  12,  a,  11,  aufgeworfen.  Im  Hauptteile  entwickelt  und  be- 
gründet Thomas  den  Satz,  dass  wir  in  diesem  Leben  Ootles 
Wesenheit  nicht  schauen  können.  Dem  gegenüber  wend<^  dMi 
dritte  Objektton  ein:  dos,  worin  wir  alles  andre  erkennen  und 
wonach  wir  über  alles  urteilen,  ist  uns  selbst  offenbar  durch 
sich  selbst  bekannt,  per  se  notum.  Nun  aber  erkenoen  wir 
schon  in  diesem  Leben  alles  in  Gott,  denn  Auguatinns  sagt  im 
den  Confessionen ,  ^)  wenn  zwei  sich  über  ein  und  dasselbe 
Wahre  verständigen,  so  kann  dies  nur  dadurch  geschehen,  dass 
sie  es  beide  in  der  unsren  Verstand  überragenden  einen,  unver- 
änderlichen Wahrheit  erkennen;  in  der  Schrift  De  Tera  religton^ 
c.  31  führt  er  aus,  dass  wir  alles  nach  der  Wahrheit  beur- 
teilen,'^) und  im  zwölften  Buch  De  Trinitate  c.  2»*)  dass  ei 
Sache  der  Vernunft  ist,  über  die  körperlichen  Dinge  nach 
Massgabe  der  unTcränderlichen,  ewigen  Ideen,  rationea,  vn 
urteilen,  die  nur  darum  unveränderlich  sein  können,  weil 
über  unsrer  Vernunft  st6h«fn« 

Folgendermassen  weiss  sich  Thomas  mit  diesen  Siten 
abzufinden.  Wenn  man  sagt,  dass  wir  alles  in  Gott  sehen 
und  nach  ihm  über  alles  urteilen,  so  heisst  dies,  dass  wir 
durch  Teilnahme  an  seinem  Lichte  alles  erkennen   und  bc^ur- 


')  Vgl.  oben  S.  569,  Anin.  1. 

*)  »ecnndam  veriUtem  diviaam  de  omaibuB  iodlcamu»,  wai  deo  Inluül 

der  A/ichea  ErOriertniff  in  ♦  i  *'  Foruiel  '     '  jü 

S.  &65,  Awiri.  2.  DerSfmt«!!?'  twr.  IV,  i  tf 

citiert  mit  Besag  aaf  die  |;1  ^^cundiiiD  rantoan 

de  gmiuhun  iudiirainii».  S.  c,  *}...,,.  >        •  iHnlf^tn  r  im  Ht**. 

>)  Oben  S.  566,  Aam.  2, 


Autfustinus-CilaU  bei  Thomas  ton  Äquin, 


579 


teilen.  Denn  das  natürliche  Licht  unsrer  Vernunft  ist  nichts 
andres  als  eine  Anteilnahcue  an  dem  göttlichen  Lichte.  In 
derselben  Weise  sagt  man  ja  auch,  dass  wir  alles  Sichtbare 
sehen  und  beurteilen  im  Lichte  der  Sonne,  d,  h.  durch  da«i 
Licht  der  Sonne.  Und  das  meine  auch  Augustin,  wenn  er  in 
den  Soliloquien  sage,  die  Erkenntnisse  der  Wissenschaften 
könnten  nur  geschaut  werden,  wenn  sie  von  ihrer  Sonne  be- 
leuchtet sind,  nämlich  Gott.^)  Wie  es  nun  aber,  um  die  sicht- 
baren Gegenstünde  zu  sehen,  nicht  nötig  ist,  die  Sonne  selbst 
zu  sehen,  so  auch  sei  es,  um  das  Intelligibele  mit  den  Augen 
des  Geiätes  zu  schauen,  nicht  ertorderhch,  dass  wir  Gottes 
Wesen  schauen.*) 

Die  Verwertung  des  Bildes  ist  geistreich  und  treffend. 
Auch  Augustinus  behauptet  nicht,  dass  wir  von  Gott  eine  voll- 
kommene und  unmittelbare  Erkenntnis  haben;  er  nennt  ihn 
secretissimum.^)  Trotzdem  ist  es  ein  von  dem  seinen  verschie- 
dener Gedankengang,  der  hier  von  Thoraas  in  jene  Aussprüche 
hineingelegt  wird.  Der  platonisierende  Ausdruck  participatio, 
Teilnahme  unsrer  Vernunft  an  der  göttlichen,  verdeckt  dies 
nur  oberflächlich,  denn  er  hat  bei  Thomas  eine  völlig  ver- 
änderte Bedeutung  gewonnen.  Er  besagt  nun  nicht«  andres, 
als  dass  Gott  etwas,  was  in  ihm  in  absoluter  Vollkommenheit 
vorhanden  ist,  den  Geschöpfen  nach  Massgabe  ihrer  gescliopf- 
lichen  Natur  verliehen  hat:  die  von  Gott  stammende  mensch- 
liche Vernunft  ist  nur  ein  schwaches  Abbild  der  göttlichen. 
Es  ist  das  gleiche,  was  an  der  früheren  Stelle  durch  die  Worte 
exemplariter  [uocedit  ausgedrückt  wurde,  die  nunmehr  ihre 
Erklärung  finden.  Gott  ist  causa  exemplaris  für  die  ganze 
Schöpfung,  also  auch  für  die  menschliche  Vernunft  und  die 
Wahrheit,   zu   welcher    diese   sich   erheben    kann.     Vor   allem 


<)  SoUloqa.  1,  c,  8,  oben  S.  573,  Anm.  L 

^  Sicut  ergo  ad  videndiim  aliqtiid  eiJiisibjUter  n«n  rat  necetrae  qtiod 
pdeatur  aubNtitntia  mlis,  itii  ad  videnduni  aliquid  intelligibiliter  non  est 
essariDn]  qiiod  videatiir  essen tiii  Dei, 

»)  Vgl.  oben  8.  D73,  Aam.  1. 


m 


Frhr.  r.  HeriUn^ 


aber  ist  er  causa  efficlens,  und  zwar  absolute  wnd  tranfiBcen- 
d€nt6|  Ton  den  Geschöpfen  durch  eben  unendlichen  Ab^titod 
,  getrennte  Ursache.  Denkt  man  aber  an  dieses  Verhältnis  der 
kreatürlichen  Abbildlichkeit,  so  passt  der  Augustinityche  Ver- 
gleich mit  der  Sonne  und  dem  Seben  dicht  mehr,  denn  nieht 
das  Sehen,  sondern  das  Beleuchtetsein  ist  ein  Teilnehmen  an 
ihrem  Lichte.  Und  dass  Augustinus  die  eigene  Kraft  der  Seele 
ausdrücklich  von  dem  erleuchtenden  Sonnenlichte  scheidet,  i»l 
soeben  erst  hervorgehoben  worden.  Hätte  Thomas  die  Tön  ihm 
.eitierte  Stelle  aus  den  Soliloquien  vollständig  und  im  Zusaniitten- 
hange  eingesehen,  so  hätte  ihm  dies  wohl  kaum  verhorsren 
bleiben  können. 

Völlig  parallel  mit  den  Ausführungen  der  theologtuehen 
Summe  gehen  die  in  der  sogenannten  Suraraa  contra  geniUes, 
wo  im  47.  Kapitel  des  dritten  Buches  die  gleiche  Frage  be- 
handelt wird.  Zu  den  dort  in  den  Einwendungen  herang«^ 
s&ogenen  Augustin us-Ci taten  kommen  hier  noch  zwai  weitert 
hinzu.  Das  eine  aus  De  Trinitate  IX,  7,  wo  gesagt  wird,  AwM% 
unsre  Erkenntnis  vermöge  eines  Blicken  unsres  Geistes  in  dtr 
ewigen  Wahrheit  zustande  komme.  In  welcher  das  Zeitliche 
gescliaflen  wurde;*)  das  andre  aus  den  SoUloquien  genommen: 
prius  ipsa  (sc.  veritas)  cognoscenda  est,  per  quam  possunt  itia 
(sc,  Deus  et  anima)  eognoscL^)  Dass  nun  aber  Augustinus 
wirklich  gelehrt  habe,  wir  vermöchten  in  diesem  Lebten  Gott 
dem  Wesen  nach  zu  erkennen,  will  Thomas  trotzdem  nicht 
annehmen,  da  er  in  dem  Briefe  an  Paulina,  der  auch  ak  Libcir 
de  videndo  Deo  angeführt  zu  werden  pflegt,  das  Gegenteil 
sage.^)  Ist  dies  ausgeschlossen,  so  bleibt  dann  freilich  zu  untc^f* 
suchen,  auf  welche  Weise  wir  im  irdischen  Leben  jene  unrer^ 


')  Oben  8.  Ö7J,  Ann».  3. 

h  Sülihqu,  I»  c,  15»  IL  27:  R.  Animam  te  certc  dimn  wt  Dctim  v*»fft 

Dpiotfctsre?    B,   Hoc  est  lottim   negt»liaiii   tneuiu.    1  =? 

FA.  Nihil  proriiiB.    R.  Quid,  vi»ntal«^tn  non  vi«  cui»jii  .    Ml 

vero  poMim  hmc  nisi  perillum  «^ogiioveerd.    E.  ^go  ]>riuf  ipta  eo^no* 

•oeada  mt,  per  qiiaiD  poxvunt  illa  co^o»«. 

»)  Fp.  147,  c,  4  und  5. 


Äugu9tinui-CiiaU  hfi  Thomas  von  Äquin. 


581 


iinderliche  Wahrheit  und  jene  ewigen  Ideen  —  rationes  — 
schauen,  nach  denen  wir,  wie  Augustinus  lehrt,  das  andre 
beurteilen. 

Thomas  nimmt  Ausgang  davon ,  dass  Augustinus  selbst 
zugestehe,  die  Wahrheit  finde  eich  in  der  menschlichen  Seele, 
da  er  ja  hieraus  sogar  ihre  Unsterblichkeit  beweise.*)  Nun 
aber  sei  die  Wahrheit  in  ihr  nicht  nur  in  der  Weise,  wie  Gott 
vermöge  seiner  Allgegenwart  seiner  Weisen heit  nach  in  allen 
Dingen  ist,  und  nicht  nur  so,  wie  sich  Oott  der  Ähnlichkeit 
nach  in  allen  Dingen  findet,  sondern  auf  eine  besondere  Weise, 
nämlich  in  der  Form  Jer  Erkenntnis  und  insofern  das  von  der 
Seele  Erkannte  ein  Abbild  der  von  Gott  erkannten  ewigen 
Wahrheit  ist,  und  die  vielen  Menschenseelen  nach  dem  Ver- 
gleich der  Glosse  zum  elften  Psalm'^)  die  eine  göttliche  Wahr- 
heit widerspiegeln  wie  viele  Spiegel  ein  und  dasselbe  Antlitz* 
Das  gelte»  nun  ganz  besonders  von  den  obersten  Prinzipien, 
den  theoretischen  sowohl  wie  den  praktischen,  bezüglich  deren 
alle  Menschen  übereinstimmen,  so  dass  sich  also  mit  Rücksicht 
auf  diese  in  allen  Menschen  das  gleiche  Abbild  der  göttlichen 
Wahrheit  herausstelle.  Da  wir  nun  alles,  was  wir  mit  Gewiss- 
heit  erkennen,  in  diesen  Prinzipien  schauen,  so  könne  man 
sagen  f  dass  wir  alles  in  der  göttlichen  Wahrheit  schauen. 
Aber  wenn  Augustinus  sich  in  dieser  Weise  ausdrücke,  so 
meine  er  doch  nicht,  dass  uns  in  diesem  Leben  eine  andre  als 
eine  unvollkommene  Öotteserkenntnis  zukomme.  Hier  also  wird 
das  Schauen  in  der  einen  unveränderlichen  Wahrheit  auf  da& 
Erkennen  des  Abgeleiteten  aus  den  Prinzipien,  der  Schluss- 
folgerungen aus  den  Obersätzen  gedeutet. 

Das  gleiche,   nur   kürzer,    hatte   Thomas   schon   in  einem 

Mner   frühesten  Werke   gesagt,    in    dem   Kommentar   zu    den 

Sentenzen büchern  des  Petrus  Lombardus,  IV,  D.  49,  qu.  2,  a.  7. 

Dort  aber  tindet  sich  noch  ein  andres,   bisher  nicht  erörtertes 

Augustinus-Citat,    In  der  elften  Objektiou  lieisst  es:  secundum 


»)  ¥ifl.  oben  S.  565,  Anni,  l. 
«)  Oben  S,  67a.  Aam.  3, 


Augustintim    mens    nosira    m   Deo    duIU    mlerposita 
forroatur:    sed   in    omni  mediat»   Tisiooe   alii|iiid  i 
ergo  et  in  hac  Tita  mens  nostra  immediate  Tidet  Dmib*    Ffr 
das  Citat,   das  in   der  gleichen  Farm  auch  im  ffaimmmtir  tm 
dea  Boethius  Traktat  De  Trinitihte  wiederfseiiii,   vervmeo  üt 
Aoagaben   auf  De  Oeoeai  ad  litt.  VII.  c,  13.     Dort  ifeelii  in* 
dessen  hiervon  nichts,  anndem  in  einer  durch  mdirere  KmfiM 
sich  hindurchziehenden  Erörterung  wird  fesigeatellt,  daaa  QaftI 
die  Menscbenseele  nicht  aus  einem  Earper,  aondern  aas  iisdilB 
geschaffen  habe.     Wörtlich  findet  es  sich  dageg«si  I>e  divenL 
quaest.  83,  qu.  51,  n.  2,  wo  ron  der  GottebenhiUlicfakeil  des 
Menschen  die  Uede  ist:  quare  cum  homo  possil  particeps  mm 
aapientiae  seeunduni  interiorem  honiiaein,  saeiiiidBB  i|MHiin  ila 
est  ad  imaginena,  ut  nuUa  natura  interpomta  ffiuwitm^  et  Um 
nihil  ait  Deo  eoniunctius.    £t  sapit  enini  et  ^ink  d  eai:    qaa 
creatura   nihil   mi   melius.      Der   Ausspruch   besagt   also   Uar 
nicht,   dass   der  Mensch  Gott  ohne  jede  kreatürUcbe  Yernul» 
telung  erkenne,  sondern  dass  er  secundum  interiorem  hootijien 
Oott   am    nächsten   stehe.     Einen  andren  Sinn   lual  alletdioga 
der  gleiche  Ausspruch  in  der  Schrift  De  yera  religioBe,  e.  SS, 
n*  1 13,  wo  üs  heisst:  inter  mentem  nostram,  qua  illum  inteDigijiiiis 
patrem,  et  veritatem,  id  est  lucem  interiorem^  per  quam  iliun  to- 
telligimus,  nuHa  inteq^oaita  creatora  est.  Hier  finden  wimnsTiUlig 
in  die  früher  diirgelegte  Denkweise  zurückversetzt.  Indem  vsMf 
Geist   sich    von    der  Aussen  weit   abwendet   und  in  sick  aelliat 
einkehrt,  tritt  er  zugleich  in  die  intelligibele  Welt  eja«  kumnil 
(tr  in  Verbindung  mit  den  von  Gott  gleichsam  aaaatraUeiiditt» 
in  Beinern  LkhUt  erleuchteten  intelligibelea  Waluhaüeii.    Bm 
er  nun  auch  Gott  seinem  Wesen  nach  schaue,  ist  daniii  nidit 
gesagt,  sondern  nur  die  hiihere  Erkenntcjs  auf  eine  direkte  Ver- 
bindung der  Soelt  mit  der  intelligibelen  Welt  zurückgeftthri.^) 


»IM  i!»' opcriort  Qu.  disp.  de  veritAleX,  i.  11: 

Ä«rh  hm  nnid  mit  dec  nödren  Anilei^nj^en:  S^ 

ciindiim  fi-go  hoc  naa  in  veritatü  increaU  illiquid  videre  didmur*  teeon- 
dum  qijod  pi*r  utu«  flimiHtudinem  in  nietiU  nmtm  niMiHaii^Eii  de  aliiitio 
iadicamun,  ut  com  pif  priDcipia  p^v  »o  noiaiailiaitrai  de  co<idattoBthii% 


Augmiinus'Ckate  bei  TlnomoB  wm  Aquin, 


&83 


Auf  den  gleichen  Gegenstand  kommt  Thomas  auch  noch 
in  einem  ganz  andren  Zusammenhange  zu  sprechen  in  der 
J^aest.  disp.  de  spiritual.  creat.  a.  10.  Die  achte  Objektion  führt 
'*«us  einer  schon  früher  erwähnten  Stelle  die  von  Augustin  her- 
vorgehobenen Gründe  fiir  die  Unzuverlässigkeifc  der  Sinnes- 
wahrnehmungen *)  an  und  schliesst  daraus,  dass  wir  aus  ihnen 
kein  Urteil  über  die  Wahrheit  gewinnen  können ;  da  nun  aber 
die  gleichen  Gründe  auf  alles  Geschaffene  zuträfen,  so  sei  das 
Urteil  über  die  Wahrheit  überhaupt  nicht  bei  etwas  Geschaf- 
fenem zu  finden  nnd  müsse  deshalb  der  intellectus  agens  — 
von  ihm  ist  in  jenem  Artikel  die  Rede  —  etwas  Ungeschaflenes 
sein.  Di«  Antwort  unterscheidet  zunächst.  Wenn  man  aoge^ 
duss  wir  durch  etwiis  oder  mit  Hilfe  von  etwas  über  ein  an- 
dres urteilen,  so  könne  man  dabei  an  einen  Massstab  oder  eine 
Regel  denken,  welche  wir  dabei  zu  Grunde  legen,  oder  an 
unsre  Urteilskraft.  Augustinus  habe  das  erstere  im  Auge.*) 
Dann  aber  soll  tiefer  in  die  Meinung  de^s  Kirchenvaters  ein- 
gedrungen werden.  Es  wird  berichtet,  einige  von  den  alten 
Philosophen   hätten  kein  andres  als  das  sinnliche  Erkenntnis- 


unde  aon  oportet  quod  ipea  increata.  verita«  a  noLis  per  essen tiain 
videatnr. 

*)  De  dicers.  qmtest,  83,  qti.9:  Omne  quod  corporeua  fiensus  ad- 
tingit,  quod  et  sensibile  dicitur,  sine  ulla  intennissione  temporU  com- 
mntatnr:  .  .  .  Qtiod  antem  non  manet,  percipi  non  potest:  illnd  enim 
percipitur  quod  scientia  coTuprehenditur.  Comprehetidi  autem  non  pote«t 
quod  ftiae  intermissione  muiatur*  Non  est  igiiar  exspectanda  ainceniu 
veritatis  a  lenaibus  .....;  lUud  certo  nemo  eat,  qai  non  cogatur  fa- 
teri,  nihil  esse  aensibile,  quod  non  habeat  aimile  falao,  jta  ui  intemosci 
non  poaait,  Nam  -  .  .  omnia  quae  per  corpus  aentimus,  etiam  cum  ea 
non  adsunt  sensibus,  iniagines  tarnen  eomm  patimur  tamquam  prorsus 
ad  sin  t,  vel  in  somno  vel  in  furore. 

*)  ladicare  enim  aliqiio  de  veritate  dicimur  dupliciter»  ano  modo 
licut  niedio,  sicut  iudicamufi  de  conclusionibua  per  principia  et  de  regn- 
Üa  per  re^ilam ,  et  sie  videntiir  rationea  Augustini  procedere.  Non 
BiDi  ilhn]  quf>d  est  inutabile,  vel  quod  habet  simititudinem  illins,  pote«t 
enM  infalJibilis  regula  veritatis.  Älio  modo  dicimur  aliqno  iutlicare  de 
?«ritaie  aliqua,  aient  virtnte  ludicatira,  et  hoc  modo  per  intelldetixm 
ageatem  iudicamua  de  veritate. 


584 


JUr.  r.  UMiMf 


vermögen  angenoiniKieD  und  in  ÜbemnstimniQog  damit  bt- 
haupiet,  das9  es  wegen  des  steteii  Flnans  der  Din^e  und  der 
ÄfaDlichkeit  der  Tmambilder  mil  den  YorsteUangen  tin  wa 
Zustande  keinerlei  Gewissheit  geben  kdnne**)  Damm  habe 
Sokrates  atksschliesslich  auf  die  Elhä  geworfen,  sein  Sohl 
Plato  aber  zwar  um  jener  Gründe  wtllea  an  der  Unerkemil 
keit  der  Sinnendinge  festgehalten,  daneben  aber  ein  Vfhmm 
um  die  Ton  den  Dingen  getrennten  spedm  derselben  Wigem 
nommen  und  mit  Rücksicht  hierauf  dem  Menseben  eine  bdhai« 
Erkenntniskraft  zugeschrieben,  den  Verstand  oder  den  Intelkktv 
der  darum  Ton  einer  höheren  Sonne  erleucbtet  aei.  Dia  Uta* 
teren  Worte  haben  in  dem  Berichte,  welchen  Artsloieles  in 
Metaphjsik^)  über  die  Genesis  der  PI:'  '    n  IdeenJehre  | 

und   welchem  Thomas  gefolgt  ist,    k  viihalt     Abar 

Vergleich  mit  dem  Lichte,  den  dieser  an  einer  andren  Stelle, 
De  anima  III,  5,^)  gebraucht,  wo  vom  Ursprünge  nnsrer  Ge- 
dimkf^n  die  Kede  ist,  war  den  mittelalterlichen  Denkern  sehen 
allein  von  den  neutestamentüchen  Schriften  her  yollkommea 
geläufig.  Dabei  bleibt  es  zunächst  bei  einem  bQdlicben  Ai 
druck,  aus  dem  sich  Schlüsse  irgend  welcher  Art  ntebt  ite 
laasen.  Wenn  ihn  Thomas  hier  gebraucht,  do  gescbiehl 
wohl,  um  zu  der  Ausdrucksweise  Augustins  überzuleiten.  Dieser» 
so  wird  weiter  gefahren,  habe  sich  an  Plato  angeschlossen^ 
weit  der  katholische  Glaube  es  zuliess,  und  danim  habe  er 
Stelle  der  für  sich  bestehenden  Ideen  die  ewigen  Begriffe  — * 
rationes  —  im  Verstände  Gottes  gesetzt  und  gelehrt,  dass  vir 
durch  sie  vermöge  des  vom  göttlichen  Lichte  erleucblseten  In* 


1)  Von  diesen  beiden  Argtiinenten  i^ehiVrt  nor  dai  enie  df 

,^»1    ,i      '       "' "'        '       an,  dwi  JEwdte  em  '        ntik«>o 

'^'\'  -tla  und  »telJt  «?«  ^i^  •  l^^n  tüu 

>)  Utt.  I,  6,  p.  ^7«  B2  ff. 

»}  P.  430«  10  ff,   D'-  .  «üt-,  daw,  wW  -*«■ 

Nator,  tQ  auch   in  der  >  k^üido»  tttid  2ji  rki 

mdfuahmetideA  Prinzip  ^xidt;n   muw«i    drayxri  Mai  h  wi  rv'lt 

f^  .TdvTa  npulrp  <&p  t {ff  u^,  clor  t6  ^f^ct^. 


Au§U8Unu8-CitiU€  hei  Thomas  ^n  Äquin, 


585 


tellckts  über  alles  urteilen,  aber  tiidit  in  der  Weise,  dass  wir 
jene  Begriöe  selbst  erfassten»  denn  das  könnten  wir  nur  durch 
Erfassung  des  göttlichen  Wesens.  Denn  auch  Plato»  so  wird 
versichert,  habe  ja  das  Wissen  um  die  für  sich  bestehenden 
Ideen  nicht  darauf  gegründet,  dass  wir  diese  selbst  schauten, 
sondern  darauf,  dass  unser  Geist  durch  Teilnahme  an  ihnen 
ein  Wissen  um  die  Dinge  habe.^)  Diese  Teilnahme  an  ihnen 
will  somit  Thomas  ausdrücklich  nicht  so  verstanden  haben,  dass 
sich  die  Ideen  als  vorgestellte  oder  begriÖene  in  unsrem  Geiste 
ßinden.  Und  auch  die  Meinung  Augustins  wird  ziemlich  unbe- 
stimmt dahin  angegeben,  dass  jene  obersten  Begriffe  auf  unsreu 
Geist  einwirkten.  Sodann  folgt  wieder  der  Vergleich  mit  dem 
einen  Antlitz  in  den  vielen  Siuegeln.  Aristoteles  dagegen,  so 
liihrt  Thomas  fort,  schlug  einen  andern  W^eg  ein.  Er  zeigte, 
dass  auch  in  den  Sinnendingen  nicht  alles  veränderlich  ist,  dass 
die  Sinne  bezüglich  des  ihnen  eigentümlichen  Objekts  keiner 
Täuschung  unterliegen,  und  dass  Über  den  Sinnen  das  intellek- 
tuelle Vermögen  steht,  welches  über  die  Wahrheit  urteilt, 
nicht  nach  Massgabe  für  sich  bestehender  inteUigibelcr  Dinge, 
sondern  vermöge  des  Lichts  des  intellectus  agens,  der  die  in- 
teliigibelen  Objekte  als  solche  hervorbringt  oder  die  Dinge  in- 
telligibel  macht.  Während  nun  aber  wir  heute  dafür  halten 
müssen,  dass  diese  Tätigkeit  des  intellectus  agens,  wie  sie  von 
dem  mittelalterlichen  Aristo telisQius  formuhert  worden  war, 
mit  der  Auffassung  Augustins  schlechterdings  nichts  gemein 
habe,  meint  Thomas,  es  komme  im  Grunde  nicht  viel  darauf 
an,    ob    man   sage,    das   Inielligibele   selbst,    oder   das   Licht, 


')  Au^aatinas  autem  Plutonein  secutus  quanttno  fides  catbolica 
paiiebt&tur,  noa  posuit  «peciea  rei-um  per  se  subaiätentes,  sed  loco  earum 
poaiiit  rationes  rernm  in  mente  dirina,  et  |>er  eaa  aecundum  intellectum 
illuRtratum  a  luce  divina  de  omnibuB  iudic^miis«  non  quid  ein  eic  qnod 
ipinaa  ratio» es  videaraus,  hoc  eaim  esset  iinpoMMibilf  nisi  Dei  esaentiam 
vidareraua,  eed  secundiitn  quod  illae  tapreiiia**  rationes  imprimnnt  in 
nißiitei«  nofltms«  8iu  enim  Plato  posuit  BcientiaB  de  apeciebuti  separat] i« 
«M«,  non  ipjod  ipsae  videreutur,  aed  aecundimj  quod  esis  muna  iiostni 
p(trticipat  de  rebus  scieBtiam  habet 

I^.  SlfevBtl».  d.  phUo«.-pM]oL  Q.  d,  litst.  Kl  89 


welches  das  Intelligibele  als  solches  hertorbringe,    sei  uns 
Üott  mitgeteilt^) 

Imnierhin   wird    hier   eine  Verschied enlifjt   nnt'  1| 

[iiir  die  Bedeutung  derselben  herabgesetzt.   Aber  die  i 
ist  zu  kurz  und  zu  wenig  beistimmt,  als  dasa  grofiMiB  Ge«riclii 
hierauf   gelegt    werden    könnte.     Wichtiger   ist,    was    Thomi 
dort  über  den  Sachverhalt    äussert,   wo   ^t    Hm    *^icr^Tw    ?». 
handlung  nimmt. 

8.  th.  I,  qu.  84,  a.  5  fragt,  ob  die  veruiini^ige  Seele  die 
Hcheu  Dinge   in  den   ewigen  Ideen   erkenne y    Nach  deai, 
swben  aus  der  Quaest.  disp.  de  spiritualibus  creaturis  mitget^fUt; 
wurde,  möchte  man  eine  Terneinende  Antwort  erwarten,    AI 
das  öegenteil  ist  der  Fall,    wie   sogleich  die  aus   den   Confes- 
siouen*)  genommene  Hauptautarität  andeutet.    Dieselbe  besagt, 
dass  wir   übereinstimmend  das  AVahre  in  der  unveründerlidieii 
Wahrheit  erfassen.     Die  Wahrheit  aber,  fügt  Thomas  b^i,  t«tfl 
in  den  ewigen   Begriffen   oder  Ideen  beschlossen,    also  erkennt 
die  menschliche  Seele  in  ihnen  alles  andre. 

So  wären  wir  also  plötzlich  im  Platonismus  oder  Augu* 
stinismus  drinnen?  Die  Darlegung  im  Hauptteile  geht  aua  TOn 
De  doctrina  christiana  II,  40,  wo  gesagt  wird,  dass  man  das 
Oute,  was  man  bei  den  heidnischen  Philosophen  ßnde,  sich 
aneignen,  das  Falsche  und  Aberglüubisehe  aber  meiden  aolle. 
[Daher  nun  habe  auch  Augustinus  selbst,  der  von  den  Lebren 
der  Platoniker  durchtränkt  war,  angenommen»  was  er  unter 
'ihren  Aussprüchen  mit  dem  Glauben  Übereinstimmend  fand, 
das  diesem  Widerstreitende  aber  habe  er  verbessert.  So  gleich 
die  Ideenlehre,  indem  er  viehnehr  geltend  mache,  da--  V  ^  '  eo 
oder  WesensbegriflFe  aller  Dinge  sich  im  göttlichen  *^  la- 

den, dass  nach  ihnen  alles  geformt  sei  und  auch  die  mensdn  1 
liehe  Seele  ihnen  gemäss  alles  erkenne/)     Bezüglich  der  jetarl 


H  Neu  mnitum  auiem  refbii  dioere  qaotl  iptai  iji teil i gib iljA  pttki-  ' 
p^inliir  m  D«o,  vel  qtiod  lotneJi  fkmim«  inlelli^bilJA  participetur, 
^  ObMi  &5e8t  Anm.  1 
'}  AmpntiiiQi . . .  petuit  loco  fiemin  i4eanini,  qua^i  Plato  poneMt 


Äugustlftus-Citate  hei  Thomas  von  Äquin, 


587 


zur  Erörterung  stehenden  Frage  aber  müsse  uiiterscliieden 
werden,  in  welchem  Sinne  man  sage^  dass  etwas  in  einem  an- 
dren erkannt  werde»  Es  könne  das  heissen,  man  erkenne  etwas 
in  einem  andren  als  in  einem  erkannten  Objekte,  so  wie  man 
etwas  im  Spiegel  sieht;  man  sieht  den  Spiegel  und  den  Gegen- 
stand in  ihm.  In  dieser  Weise  sehen  die  Seligen  im  IJimmel 
alles  in  den  ewigen  Ideen,  denn  sie  sehen  Gott  selbst  und  mit 
ihm  die  in  ihm  beschlossenen  Ideen,  in  diesen  aber  das^  was 
nach  ihnen  gebildet  ist.  Man  könne  aber  mit  jenem  Ausdrucke 
auch  das  Prinzip  der  Erkenntnis  bezeichnen;  in  diesem  Sinne 
sage  man,  dass  wir  die  Dinge  in  der  Sonne  sehen,  weil  diese 
sie  sichtbar  macht.  Verstehe  man  es  in  diesem  Sinne,  so  könne 
mit  Recht  gesagt  werden,  dass  die  Seele  alles  in  Jen  ewigen 
Ideen  erkenne,  denn  wir  erkennen  alles  durch  die  Anteilnahme 
an  ihnen.  Die  ewigen  Ideen  bedeuten  also  das  Prinzip  der  Er- 
kenntnis, aber  was  ist  unter  Anteilnahme  zu  verstehen?  Thomas 
fiihrt  fort:  das  lumen  intellectuale  in  uns,  also  unsre  Erkenntnis- 
kraft, ist  nichts  andres  als  eine  uns  zuteil  gewordene  Ähnlich- 
keit mit  dem  ungeschafifenen  Lichte,  ein  Abbild  also  oder  Nach- 
bild des  göttlichen  Verstandes,  in  welchem  die  ewigen  Ideen 
eingeschlossen  sind.  In  Anlehnung  an  die  Worte  des  Psalmisten 
kann  man  daher  sagen,  dass,  weil  wir  bezeichnet  sind  durch 
das  göttliche  Licht,  in  uns  alles  aufgewiesen  und  erkannt 
werde.^) 


rationes  omnium  creaturarum  in  mente  divina  eidstere,  secunrlum  quai 
oinnia  formantur  et  »ecundum  qua»  etiam  anima  huroana  cogno8cit. 

^)  Cum  ergo  quaeritur,  utrum  aaima  bumana  in  rationibaa  aeternig 
oinnia  cognoscit,  dicendam  est  quod  aliqiüd  in  altquo  diciiur  cognoaci 
dupllciter.  üno  modo  sicut  in  obiecto  cognito  ...  et  hoc  modo  in  statu 

praesentia  vitae  mm  potest  ridere  ornnia  in  ratioaibna  aeternis 

AUo  modo  .  .  .  ^icut  in  cognittonis  principio:  Bleut  si  dicainus,  quod  in 
9o\ü  videntur  ca  quae  videntur  per  Bolem;  et  sie  neceaee  est  dicere,  quod 
anima  humana  omnia  cognoscat  in  ratimiibuB  aetemia  per  quarnrn  par- 
ticipationem  oinnia  cognoaciraua.  Ipaam  enira  Innien  intnll*?ctuale,  quod 
est  in  nobiy,  nihil  aliud  eat  quam  qnaedam  participata  Himiütudo  htmi- 

nifl  incretiti Per  ipsam  aigillationem  divini  litmtnia  in  nobis 

umniu    demonstmnttir. 

30* 


588 


Frhr,  r.  fferiUn^ 


Das  also  ist  es,  was  Thomas  einschärfen  will:  wi 
in  uns,  was  wir  erkennen,  und  wir  sind  liiezu  fiUiig,  weti 
unsre  Erkenntniskraft  ein  Abbild  der  göttlichen  ist.  Die  Be- 
deutung der  ewigen  Ideen  für  unsre  Erkenntnis  ist  TiSllig  zu» 
rilckgedrängt.  Der  Zusammenhang  mit  ihnen  bertibt  nur  oooli 
auf  dem  Verhältnisse  der  Ähnlichkeit,  in  welchem  unser  Vc 
stand  mit  dem  göttlichen  steht.  Zum  Überflüsse  fährt  Thomi 
fort:  »weil  jedoch,  um  von  den  materiellen  Dingen  eine  Wisset] 
Schaft  zu  besitzen,  neben  dem  Lichte  der  Erkenn tntakrmll 
uns  auch  noch   die  von  den  Dingen  h^i  menen  iniel 

belen    species   —    die   objektiven   West  i  Te   —    erforde 

werden,  so  haben  wir  die  Kenntnis  von  den  mat^^riollen  Din| 
nicht,  wie  die  Platoniker  meinten,  durch  blosse  Teilnahme 
den  ewigen  Begriffen*.  —  Aber  was  bedarf  es  dieser  letj&ter 
überhaupt  noch,  wenn  wir  in  den  Dingen  oder  in  den  iron  den 
Dingen  herrtlbrenden  Phantasmen  mit  Hilfe  des  intellectus  ag^ns 
die  Intüllektualvoi-stellungen   gewinnen?     In   Wirklichkeit  sind 
sie  vollkommen  beseitigt.    Aber  ein  Gegensatz  gegen  Augustinus 
wird  damit   nicht  zugegeben,   vielmehr  wird   umgekehrt  sseioel 
Autoritilt  angerufen.    Sage  er  doch  De  Trinitate  IV,   16,  da 
die  Philosophen,    trotzdem   sie  sich   auf  die  ewigen  Ideen  be-l 
ziehen,  aus  ihnen  die  Zahl  und  Art  der  lebenden  Wesen  nichlf 
herleiten  konnten,  sondern  sie  auf  dem  Wege  zeitiich^rilumlichcrl 
Erfahrung  aufsuchen  mussten.    Aber  so  frappant  das  Citafc  ge-[ 
rade  in   diesem  Zusammenhange  wirkt»    und   so  wichtig  t^  itu  i 
übrigen   für    die   genaue   Feststellung  von   Augustina   dgeoür 
Deokweise  ist/)  so  betont  es  zunächst  doch  nur  die  iSchmnkenj 
der  Intellektuaierkenntnis,  und  eine  unbefangene  Betrachtung] 


')  4.  a/O*  IL  21:    Naniquul  enim  quJa  venssime  diflputant  et  doca* 
tnentis  certiaBuntti  persutulent,  iMitm'ni«  ri&tiouibua  omnia  temptir.iT    "    - 
prujjterett  pututTunt  in  ipsi«  rniionibui  p«r«pit'«»rtft  vc*l  ex  i\mt 
quot  sini  unimatiuiD   geocra«   quae  i^rniiina   -  ^ui  • 

modiM  in  incrcmenti«,  ,  .  .  qtu  tuoim  in  a{i}m  .  na-^ 

tmain  auni,  fu^eodiiKiut  coDimria'/  Könne  inta  omtiia  bao  per  ülam 
incommutabileni  -  ^  m,  ^tfd  per  looorum  ac  temponnu  htitoriasn 
qmiesierout?  —  \  ahm  S,  673,  Anm.  2. 


ÄuguHmuS'ihiaie  hei  Thowas  mn  Aquin. 


589 


kann   sicherlich    nicht  daraus   entnehmen  ^   dass  wir,   wie  der 

mittelalterliche  Ai'isfcotelisraus  lehrt,  mit  HÜfe  der  uns  ver- 
liehenen Erkenntniskraft,  des  inteliectus  agens»  aus  den  Sinnen- 
bildem  die  Wesensbegrifte  der  Dinge  gewinnen. 

Thomas  aber  möchte  völlige  Ubereinstiramung  konstatieren. 
Dass  Augustinus  unter  der  Erkenntnis  in  rationibus  aeternis 
nichts  andres  habe  verstehen  wollen,  dass  also  der  oben  vorge- 
norameneD  Distinktion  zufolge  damit  nur  unsre  gottebenbildlicbe 
Erkenntniskraft  gemeint  sei,  soll  auch  daraus  hervorgehen,  dass 
er  anderswo  —  De  diversis  quaest.  88,  qu.  46  *-  sage,  nicht  jede 
Seele  sei  geeignet,  die  Ideen  zu  schauen,  sondern  nur  die  reine 
und  heilige,  so  dass  er  also  deutlich  diese  andre  Erkenntnis 
den  Seligen  im  Himmel  vorbehalte.  Aber  Thomas  irrt.  Wie 
der  Zusammenhang  ergiljt,  spricht  dort  Augustin  zunächst  im 
Sinne   der  Platoniker.*)     Aber  auch  wo  er  weiterhin  ausein- 


^)  Efl  ist  die  schon  erwähnte  klasRiacbe  Stelle,  wo  A.  die  Iileenlehre 
in  die  chn9t.liche  Spekulution  eingliedert,  Niichdem  vod  ihrer  Einführung 
durch  Plato  und  dem  Namen  der  Ideen  die  Hede  war,  heiuat  es  weiter: 
Anima  vero  negatur  eag  intueri  posse  nisi  rationaÜB,  ea  sui  parte,  qua 
exeellit,  id  est  ipija  mente  atque  ratione,  quasi  qimdam  facie  vel  octilo 
sao  interiore  atqne  intelligibili.  Et  ea  quidein  ipsa  rationalis  aniina,  aon 
omnis  et  qaaelibet  aed  quae  aancta  et  pura  fuerit»  baec  aieeritur  Uli  vi- 
«ioni  ease  idonear  id  eat  quae  illum  ipauui  oculum,  quo  videntur  ista, 
sannm  et  sineerum  et  aerenum  et  äimileni  hia  rebu«,  quas  videre  intendit, 
bubuerit.  Quis  autem  religioBu«  et  veni  religione  imbutus,  iinatnvig  non- 
dum   poaait  hiiec  intueri,   oegare  tarnen  audeat   »  .  .  omni»  qoae  sunt 

...  Deo  aactore  esae  procreata ?    Quo  conatituto  atque  con* 

oeiflo,  quia  audeat  dicere  Deum  irrationabiliter  omnia  condidissc? 

fUba  autem  ratiunes   ubi  arbitrandum  est  ease,  nist  in  ipaa  mente  Crea- 

tori«? QuchI   si   hae   rerum  omnium   creandaruTii   crcutarumve 

ratione«  in  divina  mente  eoiitinentur,  neque  in  divina  mente  qnidquam 
tnu  aeteruuoi  atque  incommutubile  potent  esse  .....  non  soIüdi  aani 
tdeae,  aed  ipeae  verae  ^unt  quia  aeternae  sunt  .  .  .  .;  quaruin  partici- 
patione  fit,  ut  äit  rjuidquid  ent,  quoquomodo  eat.  Sed  onima  rationalis 
inter  ca>»  res,  quae  sunt  a  Deo  conditae,  omnia  aupernt  et  Deo  [»roxima 
ei*t,  quando  pura  eat;  oique  in  quantnm  caritat^^  lohaereacit,  in  tantum 
ab  ec»  lutnine  illo  intelligibili  parfusa  quodam  modo  et  üinstrata  cemit» 
per  corporcoa  oculoa,  aed  per  ipaiue  iui  principale,  quo  excellit,  id 
f  per  intelligcntiain  auam,  ietaa  rationes,  quarum  visione  tit  bciitiaaima. 


«ndeiselii,  in  welchem  Sutne  die  Uae&ldif«  mngmuMimen  wer> 
deo  ktaoe  oder  angeDomoiesi  werden  nllne,  epHdil  «r  gni 
«mgemein  toq  der  meDscUiefa«!!  Seele,  wddi«  mIb  ilas 
ftller  Geschöpfe  Goit  am  iiä€hi$U*is  siebe  und  um  so  melir 
dem  Lichte  der  göttUchen  Erkenntnis  dttrehsftcmUi  nes«,  je  reise 
und   heiliger  sie  sei.     Von  einer  Beschrinknng  mut  das  s«1j| 
Seh&ueo  im  Jenseits  ist  nicht  die  Rede.  In  den  B^irmktstaMen 
korrigiert  Augnsünia  einen  Satz  attö  den  Soliloquieo^    wo  ei 
faeiert^  dnas  Gott  nur  die  Reinen  zur  Erkenntais  der  Wnlulieil 
zokfise,  aber  nicht  so,  dass  er  auf  den  ünter»chjed  des  aeUgea 
Schsnens  und  der  Erkenntnis  im  Diesseits  hinweist,  scmdem  m, 
daas  er  zugesteht,  dass  auch  diejenigeu,  welche  nicht  rein  sind«! 
vieles  erkennen   können;')    er  verwahrt   sich   ako    ntir 
einen   gewissen    Überschwang   nenplatonischer    B«fiuniaceBie 
Dass  er  aber  einen  Zusammenhang  zwischen  dem  Gradi* 
Erkenntnis  und  dem  Grade  sittlicher  Reinheit  ßr  diese 
annimmt^  zeigt  er  ebendort,  wo  ein  Ausspruch  aas  dem  Bncbel 
De  moribus  ecclesiae  catholicae   richtig  gestellt  wird.^)     Dortl 
hatte  er  gesagt«  dass  wir  Gott,  den  wir  erkennen  woU^i^  in* 
erst  mit  voller  Liebe  lieben  sollen.    Die  W    "        '  't^l 

gehen  ihm  zu  weit,   sincera  caritate  wäre  iy  firl 

die  Steigerung  der  Liebe  im  Jenseits,  wo  das  Sehauen  von  An^ 
gesiebt  zu  An  gewicht  eintritt,   noch  Raum  bleibt.    Auch  dann 
also,    wenn   der   oben   dargelegte  Zusammeabang  nixtht  so  hfr-  ^ 
stimmt   dagegen   spräche,    hätten   wir  kein  Recht,  jene   Be-  H 
schrankung  auf  die  reinen  und  heiligen  Seelen  mit  einer  Be> 
schränkang  auf  die  Seligen  im  Jenseits  zu  iden*  "' 
Verwandt  mit  der  soeben  erörterten  Frag» 


*)  K^trtici.  I.  4,  n.  2. 

*)  Ibid.  c.  7|  n»  4.  —  Daio  Soliloqu.  I,  e.  G.  ti^  VA  i^isU  ö\ytm  S,  j 
Anm.  1):  Koki  eoiui  boc  ett  htibere  ucujan  quocl  ud9^itc»;re:  nui  uittm  hat  I 
qiitid  vidtTc.     Er/ 
kmbmitf  qaibu«  in 
ijtniltu  oiuini  niuni  o«t  ab  omni  luUct  otrportih  fura,  %d  vm%  a 
retum  mortaiiinti  tani  ntmuta  ai<|Qi»{»ur|r^^'    ^"^    *■  *'*■  >*-  iri, 


Äugustifms'Citate  hei  Thomatt  mn  Äquin. 


691 


ob  Gott  das  Erste  ist,  was  der  menacliliche  Geist  erkennt? 
Die  Antwort,  welche  S.  th.  I,  qu.  88^  a.  8  erteilt  wird,  lautet 
verneinend:  Oott  ist  nicbt  das  Erste,  was  wir  erkennen,  son- 
dern wir  kommen  zu  seiner  Erkenntnis,  indem  wir  aus  der 
Schöpfung  auf  den  Schöpfer  schliesaen.  Auch  die  Meinung 
Augustins  geht  nicht  dahin,  wie  aus  den  früheren  Angaben 
deutlich  ist.  Trotzdem  wird  unter  Berufung  auf  ihn  als  erste 
Objektion  angeführt,  dass  wir  alles  im  Lichte  der  ersten  Wahr- 
heit erkennen  und  durch  sie  über  alles  urteilen.')  Die  Zurück- 
weisung derselben  lässt  die  gewaltsame  Umdeutung  mit  be- 
sonderer Schärfe  hervortreten.  In  dem  Lichte  der  ersten  Wahr- 
heit, heisst  es  hier,  erkennen  wir  alles  und  beurteilen  wir  alles 
insofern,  als  das  Licht  unsres  Intellekts  selbst,  das  natürliche 
wie  das  gnadenni bissige,  nichts  andres  ist,  als  ein  Abdruck  der 
ersten  Wahrheit.  Da  nun  das  Licht  unsrer  Erkenntnis  —  die 
Erkenntniskraft  —  sich  zu  unsrer  Erkenntnis  —  dem  einzelnen 
Akte  —  nicht  als  das  verhält,  was  erkannt  wird,  sondern  als 
das,  wodurch  erkannt  wird,  so  ist  um  so  weniger  Gott  das, 
was  zuerst  von  uns  erkannt  wird.*) 


*)  Omidft  in  luce  primae  veritatii*  cognoadrau»  et  per  eara  ilt*  om- 
nibua  ludicamus,  ut  dicit  Augnstinua  in  üb.  de  Trinitata.  Ea  ist  offßnbar 
das  gleiche  Citat.  wie  oben  S.  578,  Aiiin.  2,  doch  kann  auf  »einen  be* 
»ondereu  Wortlaut  die  Erinnerutig  an  De  Trin,  XII,  2,  oben  JS.  5ü6, 
Anni,  2.  eing'ewirkt  haben.  Auch  Civ.  Dei  XF,  27  lässt  sich  huran/ieb*»», 
wo  es  lieisit:  ♦  ,  ,  .  bicem  illara  incori>oream  ♦  .  »  ,  qua  mens  nostm 
qtiodam  modo  irradiatur,  iH  de  Ms  omiiibiaa  rocte  indicare  possimna. 
Nam  in  qnantum  eani  capimus  in  tantum  id  possumufl. 

*)  Ad  primum  er^o  dic<L*tiJum  quod  in  luee  primae  veritatis  omnia 
intelligimus  et  iudicamu«,  in  quantnm  ipaum  lumen  intelleftiH  noi^tri, 
«ivü  naturale  alve  griituitum,  nihil  aliud  est  quam  quaedam  inipre«Hio 
▼eritatis  primae  .  .  .  üfide  cum  ipsnm  lumen  intellectua  nostri  non  fle 
habeat  ad  intellertnm  nOHtrum  mcut  quod  int^lliffitur,  aed  ticnt  quo  in- 
telligitur.  multo  minuw  Deus  est  id  quod  prinio  a  nostro  inteHectu  intellt- 
(fitur.  —  Der  gli^rcheu  Uütenicbeiduug  be<lient  aich  Tb.  auch  qu*  84»  n,  L 
Gegen  die  Lehr»,  dnss  wir  mittels  des  IntellektB  die  Körper  %\x  erkennen 
vermögen,  werden  »wei  AunsprOche  aue  An^ustin  anj?*»l'ührt.  Der  ertte: 
Corpora  int-ellcctn  rompn^hendi  non  y>o8sont,  nee  uliquod  f  i  ni«i 

tensibus  vidf^ri  potest  —  xieht  ij)  eine  Formel  Äuaamnuin,  >^  .^/.  U, 


JMr.  c 


Aiwf&hrlkli  wiri  das  gfei^  Tknt  fo 
Btftr  n  Boeiliiiis  De  TrhiilftAe  ctürtert.   Em 


Gebt  erkeime  oder  e 


dm  das  «nie,  w 
Gott  mSbek.  stL 


aiidre  erkannt  wird  and  wodnreii 


«Ue 


kttEDtniflse  arteilen«  wird  tcmi  ims  xncflil  wAmaM^  wie  ^is  lidil^ 
den  Angen  frilier  bdcuml  bt,  ak  was  dam  gi  lAf n  wird» 
und  die  PiinzipieD  friber  eingesdieo  werden,  ak  da« 
fojtgeningen.  Aber,  wie  Aa^gaftin  in  den  B&ckem  De  Trtnrtalp 
nnd  De  Tera  religione  aagi:  wir  erkennen  aOm  in  der  tnlai 
Wahrbeil  und  tutetlen  durch  sie  aber  alk»  andre.  Akn  nl 
die  erete  Wahrheit  daa  nierst  roo  ms  Brkannte.  Ans  dter  Bt- 
gründong  der  gegentetligen  Lehre  isl 
Thoiaas  hier  unt^  andrera  auf  zwei  aus 
nane  gmadaitie  süizL  AUe  unsre  Kriiennfaiia  liai  ihren  üiw 
ii(f rufig  um  der  StaDeswahmehauuig,  €Mi  aber  iai  am  weitealia 
fou  der  Siaoeswahniehmuiig  entfernt.  Panier:  waa  der  Katar 
nach  apiter  iit,  ist  frdher  für  uns,  und  daa  der  Kalor  aadi 
minder  Erkennbare  ist  für  uns  das  Erhennbarara»  WeQ  also 
die  Gesehdpfe  ron  Natur  spiter  und  minder  erkennbar  sind,  ab 
Ootl«  an  bt  umgekehrt  (ftr  uns  Oott  spiier  etkembar*  Ißt 
Besng  auf  die  Torausgesehiekte  Objektion  aber  beiart  es:  aoldw 
und  ihnlicha  Aussprüche  Aogustins  seien  nicht  90  zu  Terstehsn, 
als  ob  die  ungesebaffene  Wahrheit  sdbat  das  nächste  Priusip 
wäre,  dureb  welches  wir  erkennen  und  urteilen,  sondern  Tiel- 
mehr  dahin,  das»  wir  durch  das  uns  «verliehene  Licht,  welcbcf 
ein   Abbild   der  UDgeschafiFiien    Wahrheit  ist,    erkennen    und 

c  4^  n«  t  ilflkl:  E.  Tidetume  tibi  qua«|Qe  safpam  -  ntilxiüs,  in« 

taUfcta  pows  comprebeiuli?  A.  Kern  ftdeator«  D^r  i-it  ctsrnn  U 

Mupttr  Gtn,  ad  läi,  qucid  Tino  toisUaetwüi«  out  tenixit  «ii^e  mint  per  e»- 

ientism  tasm  in  anima  —  kann  nicht  einaisl  slf  neblige  Inhsltaiagsbt 

dir  UrMenrng  a*  a.  0«  c.  24  irdien.  vgL  uben  ä.  509«  Ajiui.  ±     Die  Aal- 

Vw-bttiB  Aitjr«-'  -lieüiijendttm  -i  ^1  ea  qnibSi 

e'EKMdti  noo  SU  I  tttm  ad  ea fpsi  -  n  t»|pioeeii; 

'  mim  cofpQcm  intcüigendOr  «ed  mra  ptr  CDcpocs  n«qii*  per  siai^ 

1*. -  Dsteriale*  et  eorporsap  »ed  p«r  «pode»  immt»*»'«'»!*-  *»»  i.~t..|i' 

IgibÜM,  qiiae  per  tui  eieentisiii  in  »niaiA  ttmm  po«<uit. 


Äugustinuit'CitiUe  bei  Thomas  von  Aquin, 


698 


urteilen.  Die  Wirksaaikeit  dieses  Lichtes  aber  beruht  auf 
jenem  ersten  Lichte,  wie  beim  Beweis  verfahren  abgeleitete 
Prinzipien  uns  die  Gewissheit  verleihen,  die  sie  selbst  auf  Grund 
der  obersten  Prinzipien  haben.  Und  eben  darum  ist  es  auch 
nicht  nötig,  dass  das  uns  eingepflanzte  Licht  zuerst  von  uns 
erkannt  wurde,  denn  w^enn  wir  durch  dasselbe  erkennen,  so 
geschieht  dies  doch  nicht  so,  dass  es,  selbst  erkannt,  uns  andre 
Erkenntnisse  vermittelte,  sondern  so,  dass  es  das  andre  erkenn- 
bar macht.^)  Nur  an  oder  aus  diesem  letzteren,  dem  Erkenn- 
baren, müssen  wir  es  erkennen,  so  wie  auch  das  Licht  von  den 
Augen  nur  an  den  beleuchteten  Farben  gesehon  werden  muss. 

So  ist  der  Gedankengang  überall  derselbe.  Wir  erkennen 
die  Dinge,  indem  unser  Intellekt  sie  erkennbar  macht;  unser 
InteUekt  ist  uns  von  Gott  gegeben,  er  ist  ein  Abglanz  des  gött- 
lichen Lichtes,  ein  Abbild  der  höchsten  Wahrheit,  von  da 
stammt  seine  Leistutigsluhigkeit,  und  insofern  kann  man  sagen, 
dass  wir  alles  im  Lichte  der  ewigen  Wahrheit  erkennen  und 
beurteilen.  Die  Theorie  des  scholastischen  Aristotelistiius  wird 
in  die  Aussprüche  Angustins  unbedenklich  hineingelegt. 

Eine  letzte  Ergänzung  erhiilt  dieses  Verfahren  da,  wo  die 
Frage  aufgeworfen  wird,  ob  der  Mensch  zur  Erkenntnis  der 
Wahrheit  göttlicher  Gnadenbilfe  bedürfe?  In  der  S.  th.  11,  1, 
qu,  109,  a.  1  wird  aus  einem  Citat  aus  den  Soliloqiiien  ^)  der 
Einwand  hergeleitet,  dass  der  menschliche  Geist  ohne  göttliche 
Erleuchtung,  die  auf  Gnadenhilfe  beruhe,  die  Wahrheit  nicht 
zu  erkennen  vermöge.  Thomas  führt  aus,  die  Wahrheit  er» 
kennen  heisse  von  dem  lumen  intellectuale  oder  der  Erkenntnis- 
kraft Gebrauch  machen.  Jedweder  Gebrauch  aber  oder  jedwede 
Betütigung  schUesse  eine  Bewegung  ein,  sofern  dieser  Begriff 
so  weit  gegriffen  werde,  dass  auch  Erkennen  und  Wollen  dar- 
unter fallen,  wie  dies  Aristoteles  im  dritten  Buche  De  aniuia 
tue.^)     Der  so   gewonnene    Begriff  der   Bewegung    muss    nun 

*)  Non  eniiü   eo  alia  co^tnoHciruus,  «icut  cü^^noscibili  niiod   fit  tn**. 
dinm  coguitiüDiJi«  eed  tticut  eo  r|uod  fticit  alia  cognoBcibilia. 
«)  I,  6,  n.  12,  übt.ji  S.  573,  Antiu  l. 
'J  Die  otigciogenc  Stelle  ist  De  anima  HI,  c.  7,  p,  4^1»  4  ff.,  wo 


594 


I^yhr.  V,  Ifcriling 


weiter  führen.     Zur  Bewegung,   hören  wir,    ist   nicht  nur  dia 

Foitnalursache    gefordert,    welche    nach    Aristoteli.scher    hthr 
doa  Prinzip  der  Bewegung  und  Tätigkeit  ist,  sondern   auch  ii 
Bewegung  des  ernten  Bewegei-s,  unter  dessen  EinHu^s  sich  alle 
betätigt.     Wie   nun  —  nach   der  miitelalterliefaen  Koainologie 
—  alle  körperliche  Bewegung  auf  die  Bewegung  t^m  FixHtcro- 
himmels  zurückgeht»  der  das  priraura  inovens  corponile  ist» 
geht  alle  Bewegung  überbauptf  die  körperliche  wie  die  geifltig4&t| 
auf  den  zurück,   der  das  primum   raovens  Minpliciter  ist,   taf 
Gott.     Daraus  ergibt  sich«    dass   die  intellektuelle   Betätig 
jeder  Kreatur  in  doppelter  Beziehung  von  Gott  abhängt,    rin-j 
mal  sofern  sie  von  ihm  die  Wesensbestimmung  oder  Form  er*] 
hält,    durch  welche  oder  gemäss  welcher  sie  sich  betätigt, 
dann   aber  sofern    sie  von   ihm   zur  Betätigung   bewegt  wird*l 
Die    den   geschafienen   Dingen   von   ßott   verliehenen    Formea 
haben  nun  jede   eine  spezifische  Wirksamkeit.     Wiis  den  Um- 
fang  derselben    überschreitet,    können    sie    nur    leisten,    weiuij 
ihnen  ein  weiterer  wirksamer  Faktor  mitgeteilt  wird»  oder 
Thomas  es  ausdrückt:  per  aliquam  form&m  superadditam.    So 
reicht  die   dem   menschlichen   Geiste  eigentömliehe  Form,   da 
intelligibele  Licht,  aus  eigener  Kraft  dazu  aus,  einen  gewissoe 
Umfang  intelligibeler  Kenntnisse  zu  gewinnen,  diejenigen  oSni-  ] 
lieh,  zu  denen  wir  auf  Grund  der  Sinneswahrnehmuii  :6ü 

können.  Was  darüber  hinausliegt,  kann  der  mensch inn»^  iT^^ist 
nur  n»it  Hilfe  eines  höheren  Lichtes  erfassen,  durch  das  Liebt 
des  Glaubens  oder  das  Licht  der  Prophetie;  als  ein  dem  Menscfaen 


von  dem  Zii«tiiiidekommeii  der  Stnnt'8w&hntt*Hmn»g  geta^  wird,  ev  ül  \ 
oiao  andr«!  Art  von   Bowc»gting;    At6  dllo  e/doc   toPto    MrK#}offi»v*  4   f^9 

Hierxu  bemerkt  Th«  in  »erineni  Kommentar:  Qnia  utottm,  qo]  «Mi  iii  rebui 

ittaritim,  tnaaifestiiai  i«t  qnftl 
inoim  u  . .  iUe  PffSm  tnelus  eil 

Art  II  « Ö«?d  hu*   motu»  '  .cHeeti: 

•--I  .     uim  ft^C'Ü  in  Mtu  pw  ■uaiti  .  ♦  .  Kl 

Ucilur  propri«  (»|>«fiilio  nt  evnliT»  et  iniellifrer«  nl  w^Skt4 
t^  kwn/^rwsh  doi  4rt«t<»t«l««,  «And^ni 

um  'fh^ 


Augusiinua-Citait  hei  Thomas  von  Aquin,  Sw 

hinzug^egebenes  wird  es  lurnen  gratiae  genannt*    Daher  könne 

man  allerdings  sagen,  dass  der  Mensch  zu  jeglicher  Erkenntnis 
der  göttlichen  Hilfe  bedürfe,  nämlich  sofern  der  Intellekt  von 
Gott  zu  seiner  Tätigkeit  bewegt  werde,  nicht  aber  bedürfe  er 
dazu  jedesmal  des  Hinzutretens  einer  besonderen  zu  der  natür- 
lichen Erleuchtung,  In  der  Beantwortung  des  Einwurfs  aber 
sagt  Thoraas:  Die  körperliche  Sonne  erleuchtet  äusserlich,  die 
intelligibele  Sonne,  das  ist  Gott,  innerlich.  Daher  ist  eben  das 
uns  eingepflanzte  natürliche  Licht  die  Erleuchtung  Gottes,  durch 
welche  er  uns  erleuchtet,  um  das  zu  erkennen,  was  in  das  Be- 
reich der  natürlichen  Erkenntnis  fülltJ)  Und  in  Übereinstim- 
mung damit  heisst  es  an  einer  andern  Stelle*)  mit  Bezug  auf  Augu- 
stins  Schrift  De  magistro:  Insofern  belehrt  uns  Gott  innerlich  bei 
der  natürlichen  Erkenntnis,  als  er  die  Ursache  des  natürlichen 
Liefats  in  uns  ist  und  dasselbe  auf  die  Wahrheit  hinleitet; 
anderswo  aber  so,  dass  er  uns  ein  neues  Licht  eingiesst. 

Kein  Element  der  Augusiinischen  Überlieferung  soll  auf- 
gegeben werden,  und  doch  ist  so  gut  wie  nichts  roxi  der  ur- 
sprünglichen Denkweise  des  Kirchenvaters  übrig  geblieben.  Es 
ist,  wie  schon  wiederholt  bemerkt  wurde,  nicht  die  Absicht, 
in  eine  sachliche  Würdigung  weder  dieser  letzteren,  noch  der 
an  ihre  Stelle  getretenen  thomistischen  Erkenntnislehre  einzu- 
treten und  die  eine  und  andre  auf  ihre  wissenschaftliche  Grund- 
lage und  ihren  bleibenden  Gehalt  zu  untersuchen.  Auch  braucht 
nicht  erst  hervorgehoben  zu  werden,  wie  weit  das  von  der  har- 
monisierenden Tendenz  des  Mittelalters  geleitete  Verfahren  von 


*)  Ad  9<cuinlam  dieendum  quod  sol  corporalis  i!ltj»trat  eiteriii8: 
eqI  intr^Uii^ibUiä,  qiii  eil  Deua,  ilhiatriit  inierius;  unde  ipstim  lumen 
naturale  aüimne  inditam  est  illuetratio  Dei»  q«tt  iJluBtmioiir  ab  ipao  ad 
eognoi9CCiiriinn  ea,  r^nae  pertinent  ad  naturalem  cognitionem;  et  ad  boc 
non  reqniriiuf  alia  illuHtratio,  »ed  solum  ad  illa,  qtiae  naturalem  cx)gni- 
tiottr?«»  excediuit. 

*)  Im  Kommentar  3m  Boothi  118,  />f  rnn.,  fjti.  l,  a.  I,ad  2:  Secon- 
dnm  hon  Dens  nos  inieritis  docet  in  nuttituU  cognitiane,  qaad  niitmiile 
Innjcn  in  nnh'a  raunat  et  illud  dirigit  in  veritatem:  in  aliis  vero  etioto 
lumou  lioviiQi  iiifuudcDdo, 


596 


Frhr,  r.  HtriUng 


UBsren    wissenschaftliclien    Gewohnheiten    abliegt.      Zwei    ÜBH: 
stände  aber  lassen  sich  auizeigen,    welche  dieses   Verfahren 
den    hier    untersuchten    Fällen    leichter    verntändlich     modiM*^ 
Wenn  Thomas   auch    darüber  unterrichtet   ist,    dass    Augusünl 
unter   dem   Einflüsse   der   Platonischen    Philosophie    gi^t^odeti 
hat,   so  stützt   sich   doch   die  Kenntnis,    die  er  selbst   von  der 
letzteren  besitzt,    nahezu  ausschliesslich   auf  die  Angnbrn,    4ie 
er  bei  Aristoteles  fand.    Von  den  Neuerungen  Plotins^  ron  dtr 
ganzen  Ausgestaltung  des  Neuplatonismus,  von  eben   den  Ele- 
menten also,    deren   bedeutsame  Einwirkung  Augustin  nn  sich 
erfuhr,    weiss   er    wenig   oder    nichts.     Wo    er    bei    den  Pro- 
blemen   der   Intellektualerkenntnis  Anlass   nimmt,    von    di^er 
Einwirkung  zu  sprechen,  denkt  er  lediglich  an  die  Plaloni^whi* 
Ideenlehre   und   bemerkt  jedesmal,    Augustin  habe  die  salbit- 
ständigen  Wesenheiten   in  Gedanken  Gottes  umgesetzt. ')    VoB 
andrem  ist  nie  die  Rede.    Dass  die  geläufigen  bildlichen  Aus- 
drücke  von   Licht  und  Erleuchtung    bei  Augustin    eine  spezi* 
fische  Bedeutung  haben,  dass  die  enge  Verbindung,  in  wddie 
er  die  Intellektualerkenntnis   mit  Gott   bringt,   dadurch   notk 
nicht  erschöpft  sein   könnte,    dass  diese   unsre  Erkenntnis  ab 
ein  Abbild  der  göttlichen,    unsre  Erkenn tni&kraft  als  eine  um 
von  Gott   mitgeteilte  gefasst,    unsre   erkennende  Tiitigkeit  m%» 
jede  Tätigkeit   und   Bewegung  auf  die   göttliche   Mitwirkung 
zurückgeführt  wird,  kommt  ihm  nicht  in  den  Sinn.  So  gewaltaain 
die  Umtleutung  uns  erscheint,  so  mag  es  sich  (Qr  Thomas  um 
mie  völlig  naive  Assimilation  der  fremden  Gedanken  gehandoll 
haben,  und  dies  um  si»  mehr,    als  ihm  die  letztern  in  weitaus 
den  meist'en  Fällen  nicht  in  ihrem  ursprünglichen  Zusammen- 
hange, sondern  in  Gestalt  von  ein?.plnen  herausgerissenen  An^ 
Sprüchen  entgegentraten 

Dazu  kommt  dann  noch  ein  zweites.  Thoraas  hatte  sehr 
bestimmte  Gründe,  gegen  eine  andre  Ausdeutung  dieser  Aus- 
sprüche Stellung  zu  nehmen.  Mit  den  Schriften  des  Aristoirl^ 
waren    dem    chrislUobün   Abendlande    auch   die   Schriften   der 


1)  Oben  a  586,  Anm.  t,   S.  im,  Aom.  d. 


Au^itifiinm'CUatt  hei  Thoma$  «OH  Aqmn.  RSf 

arabisclien  Philosophen  in  lateinischen  Übersetzungen  zuge- 
kommen. Der  arabische  Aristotelismus  ist  eine  durch  neu- 
platonische Interpretation  beeinfluaste  phiintastische  Ausgoütal- 
tung  des  ursprünglichen  Systems  untl  seiner  einzelnen  Bestand- 
teile, in  welcher  die  Intelligenzen  als  Zwischenwesen  zwischen 
dem  obersten  Einen  und  dem  Menschen  eine  grosse  Rolle 
spielen.  Zu  ihnen  gehören  der  intellectus  agens  und  der  Intel- 
lectus  possibilis,  die,  obwohl  jeder  von  ihnen  nur  einmal  vor- 
handen ist,  doch  für  alle  Menschen  Prinzip  und  Ort  der  Go- 
dankenbildung  sein  sollen.  Insbesondere  in  der  Form,  welche 
die  Lehre  durch  Averroes  gefunden  hatte,  scheint  sie  die  niitiel- 
alterliche  tielehrtenwelt  sehr  ernsthaft  beschäftigt  zu  haben. 
Albert  wie  Thomas  sahen  sich  verauhisst,  ihr  nicht  nur  in 
ihren  grossen  Werken,  sondern  auch  in  besonderen  Schriften 
entgegenzutreten. 0  So  wird  es  glaubbatit,  dass  der  Gegensatz 
gegen  den  Averroismns  die  Deutung  der  Aussprüche  Augustins 
durch  Thoraas  raitbeein Aussen  konnte. 

Was  oben  S.  583  aus  der  quaestio  disp.  de  spirit.  ereaturia 
geführt  wurde,  gehört  in  diesen  Zusammenhang.  Artikel  10 
^irft  die  Frage  auf,  ob  es  nur  einen  intellectus  agens  für  alle 
Menschen  gebe?  Sehr  bezeichnend  verweist  gleich  die  erste 
Objektion  auf  den  Prolog  zum  Johannesevangelimn:  erat  lux 
Vera,  quae  illuminat  etc.;  das  Erleuchten  aber  sei  Sache  des 
intellectus  agens,  also  sei  dieser  Gott,  Was  die  achte  Objekt ion 
zur  Begründung  der  gleichen  Meinung  beibringt,  ist  früher 
besprochen  worden,*)  Aber  noch  drei  weitere  auf  Augustinus 
zurückgeführte  Aussprüche  werden  als  Kinwürfe  in  demselben 
Sinne  verwertet.  Im  vierzehnten  Buche  De  Trinitute*)  weist 
dieser  darauf  hin,    dass    auch    Gottlose    gelegentlich    richtige 


^)  Im  Eingänge  leitier  kleinen  Schrift  De  unitate  intdUciuH  cüntra 
Acerroistas  (opuac.  16)  ««li^  Tb.:  Inoltsvit  »ifpadem  iaitidodiim  rircii  in- 
tellectum  error  npod  ihuUq«,  ex  dicttn  A^erroi«  *uiut!iii  exordiuin.  Kr 
apricht  nur  voiu  int^^llectu»  pu»»ibili^  aber  liie  Lehre  dar  Araber  ?om 
iat«nectu8  ageiiü  liÄtii^'t  damit  auf»  engste  ziisammea. 

»)  ObiftJ  J5.  583  ff. 

>i  Oben  S.  665.  Ann.  8. 


«M 


PHkr,  f.  HtrÜmg 


Urteile  über  das  moralische  Verhalten  der  Meosehen  abgvbei;  j 
was   nur   deshalb   möglich  sei,   weil  sie  die    oiiTeräfiiierlkliea | 
Regeln    des    Ilechituns    im    Lichte   der    Wahrheii    erbUe 
Daraus  gehe  also  hervor,  macht  die  neunte  Objektion 
dass  uns  aus  dem  über  unsrem  Geiste  stehenden  Lichte  dus  Vcr-1 
m^gen  zukomme,  über  gerecht  und  ungerecht  su  urteil«i| 
dies  aber  sei  Sache  des  intellectus  agens,  und  so  gebe  m 
einen   fiir   alle  Menschen.     Die   zehnte  Objekiion    folgert  i»\ 
gleiche  unter  Bezugnahme   auf  die  Schrift   De  Tem   n*ljgioiie,.| 
wo  Augustinus  behaupte,  wenn  unter  zwei  Dingen  kein  b«9lMi] 
sei,  so  lasse  sich  beurteilen,  welches  von  ihnen  das  Bessere 
nur  durch  etwas,  was  besser  sei,  als  beide.   Urteilen  wir  ä 
daes  der  Engel  besser  oder  vollkommener  ist,  als  Atr  HM8cli«i 
80  können  wir  dies  nur  durch  etwas,  was  besser  ist«  ab  dii 
also  Gott,  und  da  Urteilen  Sache  des  intellectus  agens  tsl, 
folgt,   dass  eben  dieser  Gott  ist.     Das  Citat  findet  sich  m  der 
von  Thomas  angeführten  Form  weder  in  dem  erwähnten  Werke. 
noch  anderswo,  immerhin  konnte  der  Gedanke  für  Augustiniäch 
gelten.^)     Die   zwölfte  Objektion   endlieh   zieht  die  Stelle  am 
dem  zweiten  Buche  De  libero  arbitrio  heran,   wo  von  der  All- 
gemeingültigkeit  der   Wahrheit  mit  besonderer  Hücksicht  «uf  I 
die  Zahlen verhiil tri isse  die  Rede  ist.^)   Wenn  es  somit  etno  ttn4 
dieselbe  Wahrheit  für  alle  gebe,  die  allen  in  der  gleichen  Weise 
nahe  steht,  so  müsse  eben  der  die  aUgenieinen  Begriöe  bildende 
intellectus  agens  einer  und  derselbe  für  alle  sein*  Daneben  sind 
freilich  auch  die  beiden  Autoritäten,  weiche  neben  Aristoiel«, 
De  aninia  111,  5,  430  a.  13,   für  die  gf^gputrilige  Ansiehl  bei- 
gebracht werden,  aus  Augustin  entnommen  :'1  um  so  einleüch- 


I)  Vielleicht  ist  es  eine  EeminiBcen^  au»  D^  Trin,  VlII.  i .  3v  0.4  ^ 
Obes  8.  mi,  Antn.  L 

«>  Oben  8.  664,  Anm,  l. 

•)  Die  Auswahl  deraelUen  itft  höelint  b<?/ 
oben  8.B88  mit  Aiini.  l  bctprocheti«  SU*Ui*,  \¥el  i         ^  li€ 

wird:   Pbiloiiojib]  cetdri»  meliaref  nun  (ront  in  iWU  §nu\mu  aekmiia^ 
rationihiu  iiit"     ^  '  tl  ca,  qua^  ab  hiUoria  v.     '   '       *  "^     niL  ^ 

iDiLmuB  wü'd    .  iuuil  in  al)(|tta  face  ftU  n% 


ÄngmtintiS'Öiiate  bei  Thomas  van  Aqum. 


59» 


tender  konnte  es  alsdann  gemacht  werden,  dass  zwischen  seinem 
Standpunkte  und  dem  der  arabischen  Philosophen  keine  Ver- 
wandtschaft bestehe.  Darauf  ist  die  ganze  Auseinandersetzung 
angelegt 

Dieselbe  erinnert  zunächst  an  die  Gründe,  welche  Aristo- 
teles zur  Annahme  des  intellectus  agens  geführt  hätten,  und 
erwähnt  soditnn  die  verschiedenen  Auslegungen»  welche  diese 
Lehre  gefunden  habe.  Die  einen  erblickten  in  dem  intellectus 
agens  eine  für  sich  bestehende  immaterielle  Substanz»  die  andren 
eine  jeder  Einzelseele  gleichnnissig  zukommende  Kraft.  In  ge- 
wissem  Sinne  haben  beide  Hecht.  Denn  einerseits  moss  über 
der  Menschenseele  ein  Intellekt  stehen,  von  dem  ihr  Erkennen 
abhängt.  Dafür  werden  drei  Gründe  angeführt.  Das  Eisen  ist 
nur  warm,  weil  das  Feuer  ihm  die  Warme  mitteilt,  dieses  selbst 
aber  ist  nicht  nur  warm  per  participationem,  sondern  per  sub- 
stantiam.  Der  Satz  wird  verallgemeinert:  wo  immer  sich  eine 
mitgeteilte  Natur  oder  Eigenschaft  findet,  setzt  dies  ein  andres 
Toraus,  dem  diese  substantialiter  zukommt.  Nun  ist  die  mensch- 
liche Seele  nicht  ihrem  ganzen  Wesen  nach,  sondern  nur  ihrem 
höheren  Teile  nach  denkend,  also  —  was  freilich  durch  das 
obige  Beispiel  nicht  mit  illustriert  wird  —  niiiss  es  etwas  geUm, 
was  seinem  ganzen  Wesen  nach  Denken  und  Intellekt  ist,  und 
wovon  die  Intellektualität  und  das  Denken  der  Menschenseele 
abhängt.  Ferner:  allem  Beweglichen  muss  ein  unbewegliches 
vorangehen.  Das  menschliche  Denken  geschieht  nach  Art  einer 
Bewegung;  es  geht  diskursiv  vom  einen  zum  andi-en  am  Leit- 
faden der  Kausalität,  der  Ähnlichkeit  und  des  Gegensatzes, 
Also  rauss  über  der  Menschenseele  ein  Intellekt  stehen,  dessen 


ea  eoatempläti.  Lux  autem  in  qua  contcmplamor  veritatem,  est  Intenectus 
ageQH,  ergo  intellectus  agens  e«!  aliquid  animae.  Die  andre  ist  die  etwiw 
weniger  utigeimu,  aber  auch  jetjit  noi.'h  nicht  wörtlich  wiciierj^^egebene 
Stelle  De  Tri»,  XU,  15,  n.  24,  üb^r  deren  raisverstlindliche  Aneleguüg 
oben  S.  677  gehandelt  wurdo:  Credtmdum  est  lacis  intellectDalit  ita 
conditam  esi^e  naturam.  ut  «ubatantia  tata  sie  videat  in  quatlam  luee  sai 
generiü  incorporea»  iiaetiiadmodum  oculiia  camis  videt,  quae  in  hac 
corpurea  luce  circumivimcent. 


Frhr,  V.  HertUng 


Denken  ein  unwandelbares  ist.  Endlich:  das  menschliche  Denkea 
gebt  von  der  Potenz  zum  Akt,  von  dem  blassen  Vermögen  zoid 
wirklichen  Erkennen  über.  Also  inuss  über  der  Men&cheniieele 
ein  Intellekt  stehen,  der  immer  in  actn  ist  und  die  vaUkommeod 
Erkenntnis  der  Wahrheit  in  sich  beschliesst. 

Andrerseits  aber  braucht  nun  nicht  angenommen  zu 
den,  dass  dieser  höhere  IntelJekt  unmittelbar  auf  uns  ejnwtrti 
und  das  Intelligibele  in  uns  hervorbringt  Vielmehr  gilt  inner- 
halb der  ganzen  Schöpfung  das  Gesetz,  dass  den  Dingen  eiiif 
eigene,  ihrer  Beschaifenheit  entsprechende  AVirksamkeil  lu- 
kommt,  die  sie,  wenn  auch  in  Abhängigkeit  von  der  obersten 
schöpferischen  Ursache,  betätigen.  Und  so  kommt  auch  itr 
Menschenseele,  welche  das  vollkommenste  Geschöpf  in  dieser 
niederen  Welt  ist,  eine  besondere  Kraft  zu,  durch  welche  üe 
die  intelligibelen  Objekte  als  solche  hervorbringt.  Daher  ist 
die  Tätigkeit  des  intellectus  agens  im  Menschen  vielmehr  eine  Be- 
tätigung des  einzelnen  Individuums,  und  er  kommt  demgemitäs 
jedem  Menschen  seinem  Wesen  nach  zu.  Was  also  in  uns  da^ 
Intelligibele  aktuell  macht  nach  Weise  eines  mitgeteilten  Lichtes, 
ist  eine  Eigenschaft  der  Seele,  die  sich  in  jedem  Menschen  findet 
Was  dagegen  nach  Weise  der  Sonne  das  Intelligibele  macht 
—  wie  dies  zu  verstehen  ist,  wird  nicht  weiter  erklärt  — ^  i»4 
ein  Einziges  und  t\lr  sich  Bestehendes:  Gott.*)  Eben  dies  meine 
auch  Augustinus  in  den  Soliloquien,  Dort  verspricht  die  Ver» 
nunft  Gott  ebenso  für  den  denkenden  Geist  aufzuzeigen,  wie 
die  Sonne  für  die  Augen.  Die  Kräfte  der  Seele  sind  gleichsam 
ihre  Augen,  die  höchsten  Erkenntnisse  der  Wissenschaft  laosea 
sich  dem  vergleichen,  was  die  Sonne  erleuchtet,  und  Gatt  iai 
es,  der  erleuchtet.^)  Aber  damit  wird  er  nicht  dem  inteUectuii 
agens  gleichgesetzt,  da  dieser  vielmehr  dos  Licht  ist»  welches 
unsre  Seele  von  Oott  empfangen  hat 


')  Sic  igitur  \d,  quod  facit  in  nohU  int'  moduio 

luminia  pai-ticipati,  e^t  illiquid  aitinitto  «*t  mult^  la  wakü- . 

iadinnu  ammorum  Vi  hominüm*  Illad  tuto,  quod  fi&di  intfrUigibilift  pir] 
mcKlain  «olis  illDmixtiLntiit,  e^t  unum  »opamtiiin,  qvod  ett  Donji. 

^)  Obou  S,  bn^  Aiun.  1. 


Am^maimmM  CMmt  kä  XliSiai  mm 


tUF. 


Tmi  den  Aiicw«ntcii  auf  Ae  ' 

Fob^ffi  Sw  583  ndtgoieilt  wcfde«.  G«gfs  ii»  a«p  De ' 
1  b  hergeleitei&n  Emwaiid  mmA 
welche  aadi  die  GofeÜo«»  i  iIiiimi,  mmi  At 
|>i€&  clesi  Handdos;    im  LicUe  i»  ««b  Gott  ■■» 
intelleeta&  agvos  w^rdrn  dies 
ibersten  Ibeoretiftelieii  PriiiiipWii     Mk 

'  vertnetutltdi  AugasibufidbeEi  AaiBprnrt    witd 
betirteilfio«  wetehes  ton  iwexn  d 

I  drittecu  das  beiser  kk  ab  bade^ 

|uitd  den  Mitsssüib  begretfini.   micki  aber, 

;  Erkenntniskraft  gmieini  isL  nnd  so  reidhl  der  naa 
liebe  iotigllectus  agens  aus,   um   ra  urteilen,   dtte^  4er  Engi^l 
liuber  sieht  als  die  MenadieDaeele.    I>er  Ein  wand  eodlicfa,  der 

I  ana   dem    zweiten   Buche  De  Ijbero  arhitnn  gesonuiieii   war,  I 
wird   durch   die  Bemerkimg   beseitet,   wenn   alle   in   Ob^^rein- 
stinuDeDder  Weise  eine  luid  dieselbe   Wahrheit   erkennen,   so 

[liegt   das   ta   der  Einheit   der  erkannten   Sache,    nicht   tiariti, 
ein  und  derselbe  intellectua  agens  me  erkennt. 
Deutlich  tritt  hier  überall  das  Bestreben  hervor,  die  Augu- 

[stinischen  Aussprüche  nicht  nur  im  Sinne  des  scholastiselittii 
Aristotelismus  zu  deuten,  sondom  auch  der  Gefahr  vorzu- 
beugen, dass  die  Anhinger  des  Averroe^  die  Autorität  de» 
Kirchenvaters  für  sich  in  Anspruch  nehmen  könnten. 

Vor  einer  hist«>risch-kritdschen  Betnichtungswoiso  hält  djwi 
VeriUiren  nicht  Stand.  Das  Vertrauen  zu  seinrn  Erg<0>THss»m 
moasle    erschüttert    werden,    sobald    die    Alleinherrschafl    der 

[Scholastik  gebrochen  war  und  andre  Riclitungen  aufkamon. 
Im  fBJebzehnten  Jahrhundert  berief  sich  Mulebranelu!  auf  Augu- 
stin filr  seine  Lehre»  wonach  wir  die  Dinge  in  Gott  orkenntm 
und  nur  in  ihm  erkennen  können.    Sowohl   in  seinem   Hiiupt- 

[werke,  der  Recherche  de  la  voritö,  wie  in  den  erläuternden  Kn-  , 
tretiens  sur  la  metaphysique  zieht  er  eine  Reihe  der   oben  er- 
örterten  Aussprüche  heran,    um  sie   in   Beinetii   Sinne   zu    ver- 

1  werten.     Seinem  Beispiele  folgten  im  neunzehnten  Jahrhundert 
Vertreter  des  sogenannten  Ontologismus»   Beide  mit  Unrecht, 


ItMH.  SiUiE«b.  d.  pbnoi.-philnt.  11.  d.  hiiiL  KI. 


40 


602     Frhr,  v.  Hertling,  Atigustinus-Cüate  bei  Thomas  von  Aquin. 

denn  für  Augustin  ist  Gott  nicht  der  Anfang,  sondern  das 
letzte  Ziel  der  Erkenntnis,  welches  wir  in  diesem  Leben  nie- 
mals erreichen.  Ihre  Gegner  aber  schwächten  die  eigene  Stel- 
lung, indem  sie  sich  ihrerseits  in  der  Auffassung  jener  Aus- 
sprüche an  Thomas  anschlössen.  Das  Wort,  dass  man  Augustin 
verstehen  müsse,  wie  Thomas  ihn  interpretiere,  hat  einen  ver- 
ständlichen Sinn,  wenn  es  besagen  soll,  dass  in  dieser  Aus- 
deutung die  Sätze  des  grossen  Kirchenvaters  zu  bleibenden 
Bestandteilen  der  traditionellen  Schuldoktrin  geworden  sind: 
als  methodischer  Grundsatz,  um  zum  Verständnis  seiner  ur- 
sprünglichen Meinung  zu  gelangen,  konnte  es  selbstverständlich 
niemals  gelten  wollen. 


Yerzeicliiiifl  der  eiogelaarenen  BruckRchrineii 
Januar  bis  Juni  1904, 


Dte  T(*r«brliohen  GMeUscbsften  uüd  fnBtftute,  mit  welchen  uniiere  AJcmdemto  in 
T»u»cb-<rflrkokr  Riebt,  w«rdi»i]  gebeten^  nAcbaiebenile«  YtirftoichtiiA  xugleieb  »Is  fimpf&nga- 
bMÜtiguitg  ta  betnebtea. 


Von  folgeaden  Q^esellscliaft«!!  und  Institüteii : 

Ge8chi<ihtsverein  in  Aachen: 
ZeiUcbrift.    Band  XXV.    190S.   ^. 

Histonsdie  Gesellschaft  ths  Kantons  Äargau  in  Aarau: 
Argovia.    Bd.  29.  1901;  Bd.  30.  1903.    8». 

üniventity  of  Aberäeen: 
Studies,    No.  8.  9.    1903.    4<», 

Boyal  Society  of  South-Au^trälia  in  Adelaule: 
Tranaactions.    Vol.  27»  part  2.    1903.   8« 

Süddavische  Akademie  der  Wissemchaften  in  A^ram: 
Ljetopis.    1903.    1904.   8«. 
Rad,    Vol.  168—166.    1903.    8«». 
Moöumentü  historico  juridica.    Vol.  IX,    1904,    B^. 
Zbornik.    Bd.  VHI,  2;' IX,  1,    1908.    S«. 
Rjee^nik.    Svemk  23.    1903,    4». 

K,  kroat-daiYni-dalmatinischei  Landesarchiv  in  Afffrmt 
Vjeätaik.    Bd,  VI,    1904.    gr.  8". 

Kroatische  archäolo^schi  Qenelhch&fl  in  Agram: 
VycBnik.   N.  8er.   Bd.  VII,  Heft  1,    1903.    i^. 

NeW'Yink  State  Lütrarg  in  Albany: 
New-Tork  SUte  Library.  Annual  Report.  Vol.  84.  86,  1.  2.   1901—02,  8». 

Ufiiversity  of  the  State  of  New- York  m  Älhang: 
New- York  State  Museum.    Report.    VoL  64»  1— 4;  55,    19öO— Ol.   8^ 
Report  of  the  College  Depurtment    Vol.  4*1>  1901;    6*^  1902.     1903.    6^ 
Builetin    of  the   New-York  State   Moteam*    No.  44;   52  —  62;   64  —  67. 
1901—1908.   80. 

1 


ft* 


VetMeichnii  der  eingelaufenen  Druchtchriften, 


AUtghen^  Obaervatory  in  AlUffheny: 
MiBcellaDeoua  scientific  Paperä.   N.  Ser.    No«  15— 17»    Clilc«^   und  Lar 
ceiter,    190S.   %^, 

Sodäi  des  Aniiquaires  de  Picardie  in  Amt^ns: 

G.  Düraüd,  La  Cath*5drale  d'Aroiens.    Tom.  IL    1903     fol. 

Memoirea,    IV*  S^rie,  tom.  4.    1903,   8«. 

Bulletin.    Änn^e  1903.   2^  et  B^  trimeetre».    1^03,   8". 

Historischer  Verein  in  AndKU^: 
50,  u."51.  Jahresbericht.    l903-(>4.   4<*, 

Medakiion  der  Zeitsdinft  „Athena**  in  Atheh 
Athena.    Tom.  15.    1903.    S^. 

jScole  frani^ai^e  in  Athen: 
Bulletii]  de  corre*poiidance  hell^niqae.     1890—1892;   1806 — 1001; 
No.  1-6.    Paria  1901—03-    8<^. 

Eist&riacher  Verein  für  Schwaben  und  Neuburg  in  Au^fs^urfi 
Zeitachria.   30.  Jahrgang.   1903.   &^. 

Johts  Hopkins  Unicersittf  in  Baltimore: 
Circulara.   Vol.  23,  No.  166.    1903.   8«. 

American  Journal  of  MiithematicH.    Vol.  XXV,  No.  2—4.    1908,    4*. 
Tbe  American  Journal  of  Philology.    Vol.  XXIV,  No.  l— 3, 
American  Chemicial  Journal.  Vol.  ^9,  No.  3--6;  Vol.  30,  No.  1—6;  Vi»l  31. 

No.  1—3,    1902-04     6« 
JohcB  Hopkins  Univeraity  Stodies.    Öer.  XXI,  Mo.  1—12.    1903.    8*. 
tialletrn  of  the  Johna  HopIrina  HoipiUl    Vol,  XI.  No.  1-9,    1903.   8*. 
Tiie   Johna   Hopkine   Honpital   Reports.    Vol.  XIV.    No.  159;    Vol. 

No    154—157.    1903-04.  4^. 

Nütur forschende  Gesellschaft  in  Basti: 
Verbandlungen.    Bd.  XV,  2.    1904.   8^. 

Historisch-antiquarische  Gesellschaft  in  Basel* 
Zeitschrift  för  Oeschichtf  und  Altertumskunde.    Bd.  Ill»  Heft  2.    1901.  ^. 

Universitätsbibliftthek  in  Basel: 
Schriften  der  Universität  aus  dem  Jahre  1902/03  in  i^  o*  8^, 

Bataviaasdt  Genoatsekap  van  Künsten  en  Wetenschappen  in  Meii«mmi\ 
Tijdachrift.    Deel  46,  afl.  6;   Deel  47,  afl.  1.  2     19ü3-04.   8<>. 
Notulen.    De«l  41,  afl.  2.  3     1903.   80. 
Dagh- Register.    Anno  1647-1648.    s'Oravenhage  1903.    4*. 
De  Tjandi   Mendoet   voor  de  Re^ianrtatie ,  door   B.  Kersjeii   en  C.  den 

Hamer.    1903.    fol. 
De  Java-Oorlog  Tan  1825-30  door  P.  J.  F.  Louw.    Deel  III.    1904  4^ 

B.  Öbaervatory  in  Batavia: 
ObaerTationi.    Vol.  XXV,  1902.    1904,    fol. 
Eegemvaamemtngen.    Jahrg.  1902.    1903.   gr.  8^. 

KffL  natuurkuniUge  Vereeniging  in  Nederlandsd$  Tudi^  JH  BmiMWiMf  j 
Natuorkundig  Tg'dschrifl,    Deel  69.    Weltevredeo  IW$*  i^. 


Verteidutit  der  eingelaufenen  Vruckedvtiften, 


3* 


HinioTiBcher  Verein  in  Bayreuth  t 
"ArdiiF.    öd.  XXIT,  2,    1903.    8". 

K.  Serbische  Akademie  der  Wi$8emchaften  in  Belgrad: 
8  Karten  zum  geologischen  Atlas  von  Macedonien.    1903.    fol. 

Museum  in  Bergen  (Norwegen): 
G-  0,  Sars,  An  Account  of  the  Ciuatacea  of  Norway.    1903.    gr.  8^* 
Aarbog  für  1903.    Heft  3.    1904.   8^ 

Unitcrtiiiy  of  California  in  Berkeley: 
briften  au«  <L  Jahre  1903* 

K,  preiMS.  Akademie  der  Wisse nschaflen  in  Berlin: 
Politisch©  Correq^ondenz  Fnednchs  des  Grosaen.    Bd.  29.    U>04.    8**^ 
Corpus  inscriptioDiim  latiDaruin.    Pars  lü.    1^4.    fol. 
AbhandluDgen  aus  dem  Jahre  1903.    1903.    4^ 
Sitzungsberichte.    1908.  No.  XLl-LIU;  1904,  No.  I-XXIY.    gr.  S®. 

Zcntralhureau  der  internationalen  Erdmeasung  tn  Berlin: 
Veröffentlichungen.   N.  F.   No.  9.    1904.   4». 

Deutsche  chenmche  Gesellschaft  in  Berlin: 
Berichte.    36.  Jahrg.,  Heft  18;  87.  Jahrg,  Heft  1-10.    1904.    8«. 

Deutsche  geologische  Gesellifchaß  in  Berlin: 
ZeiUchrift.    Bd.  66.  Heft  3.    1903.   &>. 

Mediciniscfte  Gesellachaft  in  Berlin: 
Yerhandlangen.    Bd.  34.    1904.   8<^. 

Deutsche  physikalinche  Gesellschaft  in  Berlin: 

Berichte.   Jahrg.  2,  Oeft  1.    Brauntchweig  1904.   6^ 
Verhandlungen.    Jahrg.  6,  No.  21,  1903;  Jahrg.  C,  No.  2.    Braun^chweig 
1904.    &*, 

Physiologigche  Gesellschaft  in  Berlin: 
Zentralblatt  für   Physiologie.    Bd.  Vü.   Ko.  2ü-26;   Bd.  VIII,   No.  1-7. 

1903.    8**. 
Verhandlungen.    Jahrg.  1902 --03.  No,  le.  17.    1903.   8^. 
Jahrg.  1903-04,  No.  &—11.    1904.   B«. 

Kaiserlich  deutschen  ardiäologisehes  Institut  in  Berlin: 

Jahrbuch.    Bd.  XVHl.  4;  XXIX,  1.    1904.    4^. 

K,  premn,  geodätisches  Dtstitut  in  Berlin: 

Verhandlungen  der  XIV.  allgemeinen  Konferenz  der  internationalen  Erd* 
mesaung.    1904.    4^. 

Be&nliater  af  Vanditandä-Obaervationer  paar  den  Norake  Kyat.  Heft  VI 
KriHiania  1904.    4®. 

VerÖffentlichani?.    N.  F.,  No.  14—16.    1904,    BP. 

F.  R.  Helmert,  Zur  Abt+^ilon^  der  Formel  toö  C.  F.  Gauai  fOr  den  mitt- 
leren Bt'übackitun^jdieliler.    1904.    4**. 

K,  preues^  mettorciogisches  Institut  in  Berlin: 

ErgcbntHse  der  Wolkenbeobiichiungen  in  Poti^dam  i.  d.  J.  1896  u.  1897. 
1903.    4^ 

r 


4*  Veraichms  der  eingelaufenen  Druckidm/Un, 

Ergebniise  der  Arbeiten  am  Aeronantiicben  Observafcoriom   1901 — ÖS  fvt 

E,  Aismacn  und  Beraon.    1904.    4*^. 
AbhandlQQgeD.    Bd  II,  No.  3.  4*    1902—04,    4^ 
Die   Temperatur   der    Luft   über   Berlin   1902—08    von    Bicli. 

1904.    4^ 
Deutschea  meteorologUchea  Jahrbuch  für  1903>   Heft  1.    1901.    1^. 
Archiv  de«  Erdmagnetismui.   Heft  L   Potadam  1908. 

Jahrbuch  über  die  Fortschritte  der  MathemaUk  m  litrim: 
Jahrbach.    Bd.  32,  Jahrg.  1901,  Heft  3.    1905.  8*. 

Verein  mut  Beförderung  des  Gartenbaue»  in  den  preu80,  Siaaieu 
in  Berlin: 
GartenOora.   Jahrg.  1904.  Hea  I— IS.    1904.   gr.  B^. 

Zeitschriß  für  Instrumentenkunde  in  Bertin: 
Zeitschrift.  XXJIl.  Jahrg.,  1903,  Ueft  12;  XXIV.  Jahrg.,  1904,  B%ii  l— e.  I*. 
Allgemeine  geschichtsforschende  Qtselhchaft  der  Schweiz  in  Bern:     1 
Jahrbuch  für  SchweJÄeriiehe  Ueechichte.    XXIX.  Bd.    Zürich    1904.   8^. 
Quellen  xur  Schweizer  Geschichte.    Bd.  XV,  2  u.  XXI.   Ba».el  190i— (M.  8* 

Natur  forschende  OtseUachaß  in  Bern: 

YerhaudluDgeD   in  LocarDO.    2,-5.  Sept  1903.   Zßrich  1901.    8^.     Keb 
einem  franzöa.  Aaszug  darausp    Gen^ve  1903.   &^, 

SaciäS  d*£'midation  du  Doubs  in  Bemn^on: 
M^moires.    VII*  S^r.,  Vol  7.  1902     1903.   8. 

U.  Deputazione  di  sloria  patria  per  h  Prümficie  di  Moma^mß 

%n  Bologna: 

Aiti  6  Memorie.    Serie  HL    YoL  XXL  fa"c.  4  -  Gi  VoL  22«  fm»c.  1-1 
1903-04.    6«. 

Niederrheinische  GeBtlUchaft  für  Natur^  und  Heilkunde  in  Botm^s 

aiiziingsberichte.    1903,  1.  a.  2.  fl&lfte,    1908-04.   ö«. 

ÄusschuHS  für  das  Kekut& Denkmal  in  Bonn: 

Das  KekuM  Denkmal    Berlin  1904.   6^. 

NaturhiMorischer  Verein  der  ifreusmchen  Üheiftlande  tu  Bonn: 

Verhandlungen.    60.  Jahrg,,  1902«  2.  H&lfte;  61.  Jahrg ,   1903,   1.  Hillto^ 
1903-04.    8°. 

SöcUti  de  g^graphie  eommm-wüe  in  Bordeaux: 
Bulletin.    1904,  No.  1—12.    1004.   8», 

American  Academy  of  Arta  and  Sdences  in  BouUm: 
Proceeding».    VoL  XXXIX,  No.  6— 18.    1903-04-    8«. 
Memoirs.    VoL  Xllt,  1.   Cambridge  1904.    4<>. 

Public  Library  iii  Bo$tcn^: 
Annuat  Report.    Vol.  34     1903,   6^. 

Verein  für  NaturwitMen^eliaft  in  Brnunnehweig: 
0   und   18.  Jahresbericht  für  di»  Jahn;  1893—95   und  1901—0$. 
bis  1904     8^. 


Veneichnii  der  eingelaufenen  Druckuchnften» 


5* 


Naturwissenschaftlicher  Verein  in  Bretnen: 
Abbandlmijfeii,    Bd.  XYll,  3.    J903.   8«. 

Deutscher  Verein  für  die  Geschichte  Mährens  und  Schiedens 
in  Bri^nn: 

Zeitochrift.    VUI.  Jahrg.,  Heft  1.  2.    1904,   8» 

Mährisches  Landesmuseum  in  ^ni«*i: 

Zeitachrift,    Bd.  IV,  L    1904,    B^. 
Cftsopis.    Bd.  IV,  L  2.    1904,    8**, 

Natur  forschender  Verein  in  Brunn: 
Verbaodluugen.    Bd.  41,  1902.    1903.   8^. 
.21-  Bericht  der  meteoroL  KominiaaioiL    1902.    8**, 

Acadiitiie  Boy  ah  de  midecine  in  Brüssel: 
Memoire»  couronnä».,    Tom,  XVI.  XVIL  XVHI»  7.    1904.    B^. 
Bulletin.     IV.  S^rie,    Tom.  XVII,    No.   IL    12;    Tom.  XVIII,    No.  1-5. 

1903.  8". 

Acadhme  Moyale  des  sciences  in  Brüssel: 
Memoiree.    Tom.  54.  faac.  6.    1904.    4<'. 
Mtooires  conroon^e  in  4<».    Vol,  62,  fasc.  5—.    19Ö4.    4<*. 
M^moirea  couronces  in  S^,  Tom.  63,  faßC.  B;  Tom.  64;  Tom.  65,  fasc.  1.  2; 

Tom.  66.    1903/04.    8^. 
Biographie  natioiiale.    Tom,  XVII,  2.    1903.    S«». 
Annuaire.    1904.    8^. 
Bulletin,    a)  Claiie  dea  lettre«  1903.  No.  11.  12;  1904,  No.  1--4.   &o. 

h)  Claaee  des  sciences  1903.  No.  11.  12:  1904,  No.  1-4.    8^. 
Recueil    de«   Instruction«  g^nt^rales   aux  Noncea  de  Flandre  1596  —  1635. 

1904.  8*>. 
La  Chronique  de  Gislebert  de  Mon^.    1904.    8^. 
Matricule  de  Tüniversit^  de  LouTain  L    1903t    4^. 

Acte«   on  Proc^s-verbaux  dea  seanoea  tenue«  par  le  conaeil  de  Tüniver- 

■  sit4  de  Louvain.    Tom.  I.    1903.    4^. 

I      Acte«   et  documenti   anciena   int^reMant   la  Belgique.     Nouv.   S^r.  par 

■  Charle»  Duviyier.    1903.  8*>. 

|H  Bibliatht'que  Bo^aie  in  Brüssel: 

M     Cfttalogne  de«  Manascriti  par  J.  Tan  den  Ghein.   Tom.  3.   1903.   8°. 

■  SocietS  des  Bollandistes  in  Brüssel: 

^Analecta  BoUandiana,    Tom.  XXUI,  fa^c.  1—3.    1904.   8«. 

^^H  S(Hsiiti  entomoloffiqiue  de  Belgique  in  Brüssel: 

^T&Mle«.   Tom.  47.    1903.    6^ 

Memoire«.   Tom.  X.  XI.    1903.  8^ 

SadHi  beige  de  ghlogie  in  Brüssel: 
Annale«.   Tom.  XXVI,  2.    Li^ge  1903-04.    8» 
Bulletin.   Tom.  XVII,  faac.  6.  6.    1904.   8** 

SoeUti  beige  d*astr&nomi€  in  Brüssel: 

8«  ann^.  No  12,    1903. 

9«  ann^e,  No.  1—6.    1904.    B^ 


-a^iü 


ßalletin. 


Verztithnü  der  eingelaufenen  BmekichHfi&n, 

K.  Ungar,  geologvfche  Änettüt  in  Budapests* 
PubliliationeD:  Allgemeine  und  pallloßtologiflcKe  Litemtor  der  P<»fiti«ebMi| 

Stufe  Ungarns.    Von  Gyula  HalavaU.    1904.    8«. 
Földtani   Közlönv.     Bd.  33,   Heft  10-12;    ßd.  84,   Heft  1  —  4.    100^- 

gr.  8«. 
Jabresbericbt  mr  1601.    1908.    40. 
Geolo^iucbe    Special  karte    der    L&nder    der   ungantfcbeo    Krön«.      Blalll 

Zone  lö     Zone  16     Zone  14 

Col  XX'   CÖTXX'  Col.XlX* 
4,  Nacbtrug  /.um  Katalog  der  Bibtiotbek:  von  Brack  J6i&<h'£.  1897. 

K,  Ufigarische  naturwi^srnschaßhche  Gtstlhchnfi  in  Budaptft: 

A  Magyar  Allattani  irodalom  wmertel^»e,    III,  1891—1000.    1«>0S.   Is« 
Term«58/,ettudomanyi  Koovvkiadö-ViUlälat    Kötet  LXXF,  LXXII.  LXXni/ 
1903.    4P. 

Botanischer  Garten  in  Buitenioorg  (Jata): 
Verelag  over  het  jaar  1902.    1903.    gr.  6®. 

Mededeelingen.    No.  LXVL  LXVII    LXX-LXXll.    1903-04,    4« 
Bulli^tin.    No   XVIll.    1904.    4». 

Society  of  natural  seiencee  in  Buffalo: 
Bulletin.    Vol  VlII,  No.  1--8,    1903.    8*». 

Institut  i^gyptien  in  Cairo: 
Bulletin.    1902,  fasc.  5-8;  1903,  fa«c.  l.  2.    1902—08.   8«»^ 

Meieorotogical  Department  of  ihe  Government  of  Itniia  lii  CatcnifaT 
Monthly  Weatber  Review  1903.   July— Dez.    1903.   fol. 
Indian  Meteorological  Memoin.    Vol  XV,  part  3.    1904.   fot 

Asiatic  Saciety  of  Bengal  in  Caicutta: 

Bibliotbeca  Indica.    New.  Ser,,  No.  1049— 10G6.    1908—01.   Ö*. 
Journal.    No.  411  — 18.    1903.    8*>. 
Proceedingi.    1903,  No.  6— 10.    1903,    8^ 
CaUlogue,   Pasc.  IV.    1904,   4» 

Oeofogical  Survey  of  India  in  Calcutta: 
Content  and  Index  1887—1897.    1903,    4^ 
Memoirs.    Vol.  XXXIII,  3;  XXXIV,  3;  XXXV,  3.    1903.    4« 
Paläontologica  Indica.    Serie  IX,  Vol.  Ill,  part  II,  No,  l.    1903.    fol, 
General  Report.    1902—1903.    1908.    4». 

Museum  of  comparcUwe  Zoology  at  Harvard  College  in  Cambridge,  M€m,t\ 

Bulletin.   Vol.  39,  No.  9;  Vol.  41,  No.  2;  VaL42.Kö.5i  Vol.  4&,  Nq.  l.  ^; 

Vol.  46,  No.  1.    1904,  8« 
Anniial  Report  for  1902-03.    1903.   6<*. 
Memoire.    Vol.  XXIX,  Teit  and  k%\%»,    1908.    4® 

ABtrmxomical  Ohsrrvatory  o/"  Bartard  College  in  Cambridge,  Mast»: 
58^  annonl  Report  for  1902—08.    1908.    6^. 
Annais.    Vol.  43,   No,  3;   Vol  46,   No.  1;    Vnl.  48,   Kü,  (1-7,  •;    Vol.  il.  | 

1908.   40. 
Circttlaw.   No.  72.  73.    1903,   4«». 


Ve¥^€khms  der  eingelaufenen  Ikuckschriften, 


7* 


FMoiophieai  Society  in  CawUmdge: 
duigB,    Vol.  Xn,  4,  5,    1904,    80, 
PnmwMjtiODi.    Vol.  XIX,  pari  3.    19i>4,   4«. 

outh  Äfrtcan  Association  for  the  advancewent  of  Science  in  Capeiwon: 
Heport.    !•*  MeeÜDg.    1903.    8**. 

South  African  Mu^et$m  in  Capetown: 
Äoiiala,   Vol.  IV,  part  1-3.    1908.   8°. 

tAceatUmia  Gioenia  di  gcietue  nattircdi  in  Catanut: 
tollettioo  roeneile.    Nuova  Ser..  f'aac.  79.    1904,   8^. 
K.  iechniscfie  nochschule  in  Charloiienburg: 
L  Hettner»  Alte  mathetnatiirlie  Probleme.    Berltn  1904.   4^. 
John  Crerar  Library  in  Chicago: 
^  annual  Report  for  1903.    1904.    S**. 
fHeld  Columhian  Museum  in  Chicago: 
IPablicfttioai»   No.  76,  77—80.  83.  86.  87,    1903.   S^ 
Yerhes  Obsercatory  of  the  Universtty  of  Chicago: 
PublicatioDa.    Vol  III,  part  L    1903.    4^. 
University  of  Chicago: 
Tbe  Decensial  Pablicatioai»    1903.    4*», 
Beport  for  tbe  period  1899-1902,    1903.    40 
Zeitschrift  ^Aatrophydcal  Journal"  in  Chicago: 
Vol.  XIX,  No.  1-4,    1904,    gr,  8*5. 

Norsk  Folkemuaeum  in  Christiama: 
Äargberetning  1903.    1904,   i\ 

Gcselhchaft  der  W%a§emchaften  in  Christiania: 
ForhaDdliai?ar  Aar  1903,    1904.    8^*. 

Skriller,    Matbem.-naturwias.  Klasse.    1903,  2  Bde.    1904.    4^, 
Archiv  for  Mathematik  og  Natur videntkab.    Bd.  23-25.    1900—08.    8^ 

■  Kgl,  Nontegische  Universität  in  Christiania: 

Nyt  Magazin  for  Natarvidenskaberne.    Bd.  40,  4L    1902—03.    8^. 

Historisch-antiquarische  Gesellschaft  für  Graitbuf\d€n  in  Chur: 
XXXllL  Jahreebejicbt,    Jahrg.  1903.    1904.    ßO, 

Lloyd  Museum  and  Library  in  Cincmnati; 
BoJIetin  No.  6.    1903,   S». 
Mycological  Notes  No.  10—14.    1903.   8<>. 

Wegipreussischer  Geschichtsverein  in  Dataig: 

Zeitscbria.    Heft  46     1903.    «r,  8^, 
MittfiilimgeD.   Jabrg  3,  Nr.  1  und  2.    1904,    8^ 

KmserL  Gouvernement  van  DeutschrOstafrika  in  Dar-es-Salam: 
•ßeriebte   über  Land-   tind   Forsh-  Mn  neutach-Ostafirika,    Bd.  !♦ 

Ueft7i  Bd-  II.  Heft  1—3.    11.  1903—04.   8", 


VtfgeichnU  der  eingelaufenen  Druekadkrißtn. 


Verein  für  Anhaltüche  Geschichte  in  Dessau: 
Mitteüungen.    Bd.  IX,  7.    19-04.    ß^. 

Historischer  Verein  in  lyüHm/jen: 
Jahrbuch.    XVL  Jahrg.    1003.    S^. 

Union  giographique  du  Nord  de  la  Fratice  in  Douai: 
BulletiD.    Tom.  36,  8«  trimestre.    1903.    Ö^. 

Verein  für  Erdkunde  in  Dresden: 

Literaiar  der  Landea-  und  Volkikoode  Sacbflüot  von  Faul  EratI  Eieiil«* 

Nachtrag  4.    11)03,    B«. 
MitgLiaderTerfteichnis  1904.   6^. 

Uoyal  Iriah  Amdemy  in  Dublin: 

Froceedings.    Ser.  III,  Vol.  24,  pari  8  Q.  4,  Sect  Ä;  pari  4  q.  5.  SeetSl 

part4  u.  5,  Seot,  C.    1903-04.    8» 
Tranaactiona.    VoL  32»  pait  7— 10,  Sect,  A;  pari  8.  4,  Sect  B;  pari  3l 
Sect.  C.    1903-04.   4", 

Eoyai  Society  in  Dublin: 
The  economic  ProceediDga.    Vol.  I,  part  4.    1903.    8**. 
The  scientific  Proceedinga.    Vol.  X,  pari  1,    1903.    6«. 
Traniactions.    Vol.  VIII  (Serie  II),  No.  2—6.    1903.   4«. 

AmericaH  Chemicod  Society  in  Eastt>n,  Pa,: 
The  JournaL    VoL  XXV,  No.  12;  Vol.  XXVI.  No.  1-6.    ISO«.    §•. 

Kgh  Preuss,  Forst akademie  in  Eherswalde: 

Johannea   Schubert.    Der  W&rmeauaUuach   im   festen   Erd  bauen.    BerUa 
1904.    ßo. 

Eoyal  Society  in  Edinburgh: 

Proceedings.   Vol.  XXIV,  No.  5;  Vol.  XXV,  No.  1-3,    1908—04,   &K^ 

Scottish  Microacopical  Soaetu  in  Fdiubufoh: 
Proceedinga.    Vol.  lU,  No.  4.    1908.    B^. 

Geaelhchaft  f.  bildende  Kun4tt  w.  vaterländt^che  AUertümcr  in  Emdemi 
Jahrbuch.    Bd.  XY,  1     1903,    8«>. 

KgL  Akademie  gemeinnütziger  Wissenst^uiften  in  Erfurt: 
Festschrift   zur  Feier   des    l60jähngi^D    Bestehens   der    Kgt,    Aka^emie.j 
1904.    gr.  ß«. 

Ueale  Accademia  dei  Gtorgofili  in  Flarens: 
AttL    IV.  Serie,  VoK  26.  di«p.  4;  V.  Serie.  Vol  1,  disp.  1.    1903 -OL 

Societä  Atnatiea  Italiana  in  Flotem: 
Giornale*    Vol.  XVI,  2.    1903.   8^ 

Senckepdfergi-irhe  natur forschende  OeMlUchaft  in  Frankfurt  a/Af,: 
AbbindluDgeii.    M  XXVU,  2  o.  8s  XXIX,  l,    1908-04.   4». 
IBfricbt.    1903.   ßö. 

Verein  für  Gejtchichie  und  AUertumMkunde  in  f>ankft$ri  WÜHr 

'  Per  K5nigfll(%utnant  Gmf  Thoranc  tu  Frankl^irt  e/M ,   foa  H*  Orot^firrd 
1904.    8«. 


VerMeichnis  der  einffelaufenen  Dn*cHr«cÄrt/Vön, 


9* 


Pht/dhüische  GeHtllschaft  in  Frankfurt  a/M,i 
JahreBbericht  für  1902-03.    1904.    8^ 
Waither  ZurheHeD,   Darlegung  und  Kritik  der  f*nt  Eeduktton  photogra- 

pbiacher  Himmeltaufnahmen  aufgeiiteUten  B^ormeln  und  Methoden. 

1904.   80. 

BfeisgaU'Vtrein  Schawins-Land  in  Fretburtf  i.  Bt,: 

,Scbau'iii8-Land'.   30,  .lahrg.  1903,   fol. 

Kirch  et}  geschichtlicher  Verein  in  Freihurg  i.  Br.; 
Freiburger  DiöxeBQn-Archiv.   N.  F.»  Bd.  17.    1908.   8<>. 
Observatoire  in  Genf: 

Keüam^  m^t^orologiqae  de  rannte  1902  pour  Genbve  et  le  Grand  Saint- 

Bernard  1903.    BP. 
ObservattoDä  met^orologiques  faitea  aux  fortifications  de  Saint-Maurica 

pendant  i'annee  1902.    1903.    8^. 

Sociiti  de  phymque  et  d'histoire  naturelle  in  Genf: 
Mt^moirei.    Vol.  84,  faac.  4.    1904.   4^ 

/£.  Umvermtä  di  Genota  in  Genua: 
Atti,    Vol.  XI.  XVli.    1892-1902.   4«. 

Oberhemicher  Geschichtsverein  in  Gieuen: 
Mitteilungen.    Bd.  XIL    1903.    8^. 

Oberlau^trische  Gesellschaft  der  Wianenschaften  m  Görlitz: 
Neae8  Lannitaiflcbe«  Magazin.    Bd.  79     1903    S«. 
Codex  diplomaticua  Lunatiae  auperiori»,    Bd.  2,  Ffeft  4.    1903,   8**. 

J^.  Geselhchaft  der  Wissenschaften  in  Göttingen: 
Göttingische  gelehrte  Anzeigen.    1904,  No.  1—6.  Berlin,   gr.  6<*. 
Abbandlnngen.    N.  F. 

Pbilol.-hiBt.  Klasse.    Bd.  V,  6;  VII,  5;  VIll,  1.    Berlin  1904.    4<». 
Nachricbten.  a)  Philol-hiBt  Klasse    1903.  Heft 6;  1904.  H*^ft  1—3.  1904.  4^ 

b)  Matb.-phys.  Klaftse.  1903,B«rt6j  l902,H<?fll  u.2,  1904.  40, 

c)  Geschitaiiehe  Mitteilungen,    1903.  Hea  2;    1904.  Heft  U 
1908—04.    40. 

Universität  in  Gotkemburg: 
Amkrift    Bd.  VIII,  1902;  Bd.  IX,  1903.   8^. 

Scitntitie  Laboratories  of  Deniaon  ünipersttg  in  Granvilte,  Ohh: 
Bulletin.   VoL  XII,  artide  6-7.    1902-03.   8«. 

Universität  Grai: 
Die  Glaub wQrdigkeit  des  irenäiscben  Zeugni^ges  ttber  die  Abfassung  dei 
IV.  Evangt^liums  von  F.  S.  Gutjahr.    1904.    gr,  8*, 

Biigiich'Pomnterttcher  Genchichtftverein  in  Greifstcaid: 
Pomraericbe  Jahrbücber.    Bd.  6.    1904.   S^. 

K^Institunt  roor  de  Taal-,  Land-  en  Volkenfcunde  van  NederJandsch  Inäii 

im  Haag: 

Bijdragen.    VII.  Reeks»  Deel  2,  afl.  1—4.   1904.   8». 


10* 


Veriiicknii  der  eingelauf€nen  Lruekgiiuifi^m^ 


Cmnmknie  ran  Ädvies  voorg  lüjks  Gescfmdkundise  Public4iiia»  im  ffm 
OTerRicht.    1904,   4«». 

Teyler*s  Genooischap  in  Haarlemi 
Arthivea  du  Musie  Tejler.  S^.  11,  Vol.  S«  pftrüe  4;  VaL  B,    pmriie  Su 

1903-01.    40. 
CatalöK'ue  de  la  Biblioth^que  pur  G,  C,  W,  Bohnensieg.  Tom.  $,  1688— 190i. 

iy04.  40. 

SociiU  HoUandaise  des  Sciences  in  BaarUm 
Archives  N^erlandaiaefl  des  «ciences  exactes*   S^rie  11»  Tom.  %  liwt*  1—1 
La  Haje  1D01.   8« 

KauerL  Leopoldinisch-CaroHnisdie  DeutscJ^e  Akademie  der  Naiurfarwdur 

in  HaUe: 
Leopolditja.    Heft  99.  No.  12;  Heft  40,  No.  1-4.    1904.    i^. 
Abbaadlungen.    Bd.  80.  8L    1903,    4«. 

Deutsche  morgenländi^che  Ocselhchaft  in  HaUe: 
Zeitschrift,    ßd,  67»  Heft  4;  Bd.  58,  Hea  l.  2.    Leipzig  190S-04.    BP, 

Naiuru^memchaftlicher  Verein  für  Sachsen  und  Thürintfen  in  HMtf' 
Zeitschria  für  Niiturwisienfcbaften-  76.  Bd.,  Heft  3— 6.  StottKart  1904,  &•. 

ThGkrr-sächs.  Verein  für  Erforschu%%Q  de$  vaterländischen  Aliertum$ 

in  HaUe: 
Neue  MiUeilaögen.   Bd.  XXII.  1.    1908.   8®. 

Mnthemaliitche  GesclUehaft  in  Ifambufff: 
Mitteilangeo.    Bd.  IV,  Heft  4.    Leipzig  1904.    8<>. 

Deutsche  Stewart e  in  Hamburg: 
26.  Jahreabericbt  für  1903,    1904.    4« 

Siadtbibliothek  in  Hamburg: 
Jahresberichte  der  Hamburger  wissens(?hafllichen  Anitalten  a,  d.  J.  190S, 

Verein  für  Hamburgische  Örschichte  in  Hamburg: 
Mitteilungen.    23.  Jahrg.  1903.    1904.   6<>, 

Na turwissertHchaft Itcher  Verein  in  Hamburg: 
Verhandlungen.   III.  Folge,  XI,    1904.    8^. 

Wetteramsche  GeseVschaft  für  die  gesamte  Naturkunde  in  Hamm: 
Bericht  Qber  den  Zeitraum  vom  1.  April  1899  hU  SO.  Sept.  1903.   1908.   ^* 

Historischer  Verein  für  Niedernachsen  in  Hannüi*er: 
Zeitschrift.   Jahrg.  1903,  Heft  3;  Jahrg.  1904.  Heft  1.   ßO. 

Unirtrsitnt  HriMhcrg: 
Heidelberger  Profeasoron  aut  dem  19.  Jahrhundert.    2  Bd«.    190S,   4*/ 
Die  Univeraität  Heidelberg  im  19.  Jahrhundert   Fettrede  von  Erich  Marki, 

1903.    8Ö. 
Über  die  Entwicklung  der  Chirurgie  von  Vintens  Ci^rny.    1903.    4^. 

Hisforisrh-philnsojihischer  Verein  in  Ifndelberg: 
Neue  Beidelbfrger  Jahrbücher.  Jahrg.  XIII,  1.    190*.   8» 


Veneichnia  der  emttelaufenen  Drueksdmflen. 


11* 


NaturhistimtKih-meditiniseher  Verein  tu  Heuhlherff: 

"Verhandlüngeo.    N,  F.,  lid.  VlI,  Heft  3— &.    1904.   8^ 

Geschäfts^  fähre  tider  Ausschms  der  EeichsUmeskommission  in  HcideXhergi 

Der  0 be rg^e rm an iflt'h'Hae tische  Limes  des  Eömerreiche«,   Liefg.  XX  u.  XXI, 
1903-01.    40, 

Finländmhe  Geleit  schaß  der  Wis9en8ch4iften  in  Hehinitforn: 

Acta   Äociefäiis  .seien tiarum   Pennicae.     Vol.  XXV,    1;    XXVIIJ— XXXI. 

1899.    40. 
Ufvemgt  XLIV   XLV.    1903-04,   S*». 

Bidra^  tili  kännedora  afFinLinda  Ndtur  och  Folk.  Heft 6L  62.  1902-03,  Ö". 

InBiii^  mitioroloffique  centrai  in  Helmig fars; 
Obflctvadom  met^orologiqoe«.    Vol.  16  u.  17.    1897  et  1898.    1904.    4®. 
Etat   des   i^^lacea   et  des   neiges  en   Finlande   pendant   rhi?er   1892—93, 
Kuopio  1904.    40. 

Vertin  für  siebenbürgische  Landeskunde  in  Hermannstadt: 
Archiv.    N.  F.,  Bd.  XXXII,  Heft  I  u*  3.    190Ä-04.   B». 

Siebe nbürgischer  Verein  für  Natürwissenitchaften  in  Jfermannstadt: 
rerhandlun^en  und  MitteiluDjjen.    52.  Bd..  Jabrgr.  1902.    1903.    8**. 
Die  ÜBFollkomwenheit  d.  Stoffwechsels  v.  Karl  F.  Jickeli,   Berlin  1902.  8^ 
Karl  Petri,  Monographie  der  Coleopteren-Tribus  Hiperini.   Berlin  1903.  8". 

Verein  für  Sachsen-Meiningiscf^  Geschichte  in  Hddburghansen: 
achriften*    46.  u.  47,  Heft.    1903—04.    S^. 

Ungarischer  Karpathen- Verein  in  hfl6: 
Jahrbuch.   31.  Jahrg.  1904,   8^ 

Hiatoi'ischer  Verein  in  Ingolstadt: 
Sainmelbktt.   Heft  XX VII,    1902.   8«. 

Naturunssenschaftlich-inedisinUcher  Verein  in  Inmbruckt 
Berichte.    28,  Jahrg.  190-2/03.    1903.    8^, 

Journal  of  Fhg»iaü  Chtmktry  in  Ithaca,  N,T,; 
The  JournaL    Vol.  VII,  No.  9;  Vol.  VIII,  No.  1-6.   1903-01.   gr.  8. 

Meditinisch-naturwissctischaßliche  Gesellschaft  in  Jtna: 
Festschrift  tum  70.  Geburtstag  von  Ernst  Haecket.    1904.    fol. 
Jenaische  Zeitschrift  fQr  Natur wissenichaft.    Bd.  38.  No.  3.  4«    1904.    8^. 
Neurobiologische  Arbeiten  I,   ?.   0.  Vogt    ßd.  I   Text,   Liefg.  2;   Bd.  II 

Atlas,  Teil  l.    1904.   fol. 
Neurobioiogijfcbe  Arbeiten  H.  v.  0.  Vogt.    Bd.  1,  Liefg.  2- 

Verein  für  ThüringtJiche  Geschichte  und  AHertumskundc  in  Jena: 
Zeitschrift.    N.  F.,  ßd.  XXIV,  l.    1903.    8«. 

Natttrforschende  Gesellschaft  bei  der  UniveritUät  Jurjew  {Darpat): 
Sitiungshorii'hte.    Bd.  XIH,  2.  1902.    1908.   S<*. 
Schriften.   Bd.  Xll    1903.   i^. 

Univer^tHät  Jurjew  {Ikrrpai): 
ßiogr.  Wdrterboeh  der  Professoren  der  Universität  Jui^ew.  Dorpat  1903.  8^. 


12* 


VerMeicfinii  der  eingelaufenen  Druckschriften^ 


Badischt  ImtorUche  Kommmion  in  Karlsruhe: 
Zeitachrift  fiir  die  Geecbichte  dea  Oberrbeim.   N.  F.»  Bd.  19,   Beft  1  m,% 

Heidelberg  1904.    8^, 
Bericbt  über  die  22.  PlenÄraitÄtiiig.    Heidelberg  1903,    8^, 
Topographische«  Wörterbuch  des  Grossherzogtum»*   Baden.    Bd*  I,  Halli-1 

bftnd  2.   Heidelberg  1901.    B^. 

South  AfrUsan  Museum  in  Kapstadt: 
Annala.   VoL  fV,  part  4—6.   Capetown  1904.    8<>. 

Departement  of  Mines,  New  Söuth  Wales  in  Kaj^Uuu : 
Annukil  Report  1903.    Capetown  1904.    fol. 

SociiU  physico-mathimatique  in  Kasan: 
Bulletin.   IL  S^rie.  Tome  XHI,  8.  4,    1903.   8«». 
Ünivemtät  Kasan: 
ütacbenia  Sapiaki.    Bd.  70,  No.  12;  Bd.  71,  No  1-6.    1903—04.    ^. 
W.  A.  Bogoroditzkij,  Allgemeiner  Kunj  der  rusa.  Gnimmatik.    1!K>4. 
5  Diasertationeu  in  raBsischer  Sprache.    1904,   8^. 

Verein  für  Jtessische  Geftchichte  und  Landeskunde  in  Kassel: 
Zeitschrift.   N.  F..  Bd.  XXVll.    1903.   8''. 
MitteiluDgeo.    Jahrg.  1902.    1903.    6<». 

Verein  für  Naturkunde  in  Kassel: 

Abhandlungen  und  Bericht  XLVÜI.    1903.   S«. 

SoeiM  maMmntiqHe  in  Kharkow: 

CommanicatioöB.   2«  S^rie,  Tom   VIII,  No.  1-3.    1902,    gr.  8^. 

Sociil4  des  scii^nceit  pkyitico^chimique  ä  VUmvirmU  de  Kharkow: 

Traraux    6  Hefte.    1903.   8«. 

Universiti  Impiriale  in  Kharkow: 

Annalea  1903,  faac.  4;  1904,  faio.  X.    1904.    4». 

GestUächaft  für  Schleswig- Holsteinische  Geschichlt  in  Kief: 

Zeitschrift    Bd.  33  und  RegiHpr  zu  Bd,  21— 30.    1904.    8^ 
Qaellensammlung.    Bd.  0.    1904.    B^ 

Kommission  rur  icissenschaftl.  Untrrsud^Hng  der  äiutsehen  Meere  in  KiU: 
Wi8«enschaftlicbe  Meereguntersuchungen.  N,  F..  Bd.  5,  Abteilung  HHgo> 
land,  Heft  2;  Bd.  6,  Abteilung  Helgoland,  Heft  1  n.  2.    1^01.    4<>. 

K,  üniverHitäi  in  Kiel: 
Schriaen  aus  dem  Jahre  1902/03  in  i^  u.  8<^. 

Universität  in  Kiew: 
Uwettija.    Bd,  43.  No.  10— 12,  Bd.  44,  No.  1-8.    1904.  e«. 
'  rerein  für  Kärnten  in  Klagen fyertt 

Jahresbericht  r  1908.   8<*. 

Carinthia  l.    98.  Jahrg.,  No.  1—4.    1908.    8^, 

NatuthiMörischeB  Landesmw^um  in  Klagen  fürt; 

Carinthia  U.    190S,  No.  6i  1904,  No.  1  u.  2,   6^. 


Verxeidmü  der  eingelaufenen  DfMcIcschriften, 


13* 


SithenbürgUcher  Muaeumsverein  in  Klnmenbufffi 
SiUungsbericbte.   3  Hefte.    1904.   S^^ 

Physikalisch-ökonomiiche  Geseihehaß  in  König nberg: 
Scbrifteu.    44.  Jahrg.    1908,    4<>. 

K.  JJtademie  der  Wiissemchaften  in  Kopctihagen: 
Mtooiref.   u)  6«  Sürie.    Section  des  lettre»^  t,  VI,  No,  2. 

b)  6»     ,  ,  ,     aciences,  t.  XU,  No.  4. 

7«      .  ,  ,  »         t.  11.  No,  1.    1904.    4». 

OTersigL    1903,  No.  6;  1904.  No.  1—3,    1904.   8«, 

Council  of  the  Fridtjof  Nansen  Fund  in  KopertJmgen: 
Tbe  Norwegion   North  Polar- Expedition   1693— 9^.    Sdentißc  ResaHs. 
Vol.  IV.    London  1904.   4". 

Constil  permaneut  inttr national  pour  Vexploratiün  de  la  wer  in  Kopenhagen: 

Bulletin.    Annde  1903—04.  No.  L  2,    4". 

Publicationg  de  circonatance,  No.  8 — II*    1904«    gr.  8^. 

Gesellschaft  für  nordische  Altertumskunde  in  Kopenhagen: 
Aarböger.  IL  Raekke,  Bd.  XV[IL    1903.   &>. 

Akademie  d^r  Wutsenschaften  in  Kräkau: 
Anzeiger.    Oktober  und  November  1903.    8^. 
Bojiprawy.    a)  aiolog.  IL  Serie,  Toto.  23;  b)  hiitor -filoz.  IL  Serie,  Tom.  2L 

1908—04,    8^. 
Biblioteka  piaarxow  polikich,    No.  47-  48.    1903.    S**, 
RocEDik.    Rok  1902/03.    1903.    S*'. 
Ärchiwum  Komisyi  liter.    Tom.  X,    1904.    8*^. 
Karlowitcz,  Slownik  gwar.    Tom.  IIL    1903.    8^ 

Katalog  literatury  naukowej  polnkiej*    Tom.  III,  Heft  2  u.  3.    1903.    8<*. 
Bulletin  in terDational.  1903,  Decembre;  1904,  Janvier-Mana.  1908—04.  8<*. 

College  of  Sciettce  and  Engineering  in  Kyoto: 
Mömoir».    VoL  L  No.  1.    1903.   gr.  8». 

SocUtl  Vaudoise  des  science^  naturelles  in  Lausanne: 
Btületin.   IV.  H6ne,  Vol.  39,  No.  148.    1908.   8*. 

Kansas  Umversity  in  Lawrence f  Kafisas: 
Bulletin.    Vol.  2,  No.  1-9.    1908.   80. 

Ä.  OcHellschaft  der  Wissenschaften  in  Leipzig: 

Abhandlungen  der  pbilol.-hist.  Kla^^e.    Bd.  22,  No.  4.  6. 

,     math.  physik.  Kla»8e.    B.L  28.  No,  6,  7.    1904.   40. 
Berichte  der  philol  'hi**tor,  Klaaae,    Bd.  66,  No,  3—0. 

,  .     matb.-phj«ikaL  Klai§e.    Bd.  65,   No,  6;    Bd.  56,   No.  1—8. 

1903-04.    8» 

Fürstlich  Jablonowskische  GeseUechaft  in  Leipiig: 
Jahresbericht,    Mars  1904.   8^. 

Verein  für  Erdkunde  in  Leipdg: 
Mitteilungen  1903,  Hett  1.    1904.    8^ 
WiBBenschafthche  VeiOÖentlichungen.    Bd.  VI.    1904.   8". 


14"^  Verzeichnis  der  eingdaufenen  Bruck^ehriften. 

GescfUehts-  und  Aliertuuuverein  in  LeiMnig: 
Mitteilangen.    12.  Heft.    1904.   ^. 

Cuerpo  de  Ingenieros  de  minas  del  Peru  in  lAnma: 

Boletin  No.  9.    1904.   80. 

Sociedade  de  geograpkia  in  Lissabon: 
Boletim.    1903,  No.  8—12;  1904,  No.  1.  2.   8». 

üniversiU  Catholique  in  Loetcen: 
Schriften  der  Universitöt  aas  dem  Jahre  1903. 

Nationcd  Physiccd  Laboratory  in  Ijmdon: 
Report  for  the  year  1903.    1904.   4«. 

The  English  Historiecd  Beview  in  London: 
Historical  Review.    Vol.  IX,  No.  73.  74.    1904.   8*. 

Boyal  Society  in  London: 
Year  Book  1904.   S«. 
Proceedinga.   Vol.  72,  No.  486—495.    1908.   8». 

R,  Astronomical  Society  in  London: 
Monthly  Notices.   Vol.  64,  No.  2—7.    1903—04.   8^. 

Chemical  Society  in  London: 
Journal  No.  495—600  und  Indexes.    1904.   8*. 
Proceedings.   Vol.  19,  No.  274;  Vol.  20.  No.  275-281.    1904.    8». 

Geologiccd  Society  in  London: 
The  quarterly  Journal.   Vol.  59,  part  1—4.    1903.   8*. 
List.    November  2«"!  1903.   8®. 
Geological  Literatur  during  the  year  1902.    1903.   8^. 

Linnean  Society  in  London: 
The  Journal,    a)  BoUny:  Vol.  35,  No.248;  V0LS6,  No.253.    b)  Zoology: 
Vol.  29,  No.  189.    1903-04.    80. 

E.  Microscopical  Society  in  L)ndon: 
Journal  1904,  part  1—3.   &<>. 

Zoolog ical  Society  in  London: 
Proceedings.    1903,  Vol.  II,  part  1  u.  2.   8«. 

The  Cancer  Research  Fund  in  London: 
Scientific  Reports  No.  1.    1904.    4°. 

Museums 'Verein  für  das  Fürstentum  Lüneburg  in  Lüneburg: 
Museumsblätter.    Heft  L    1904.    S«. 

Societe  geologique  de  Belgique  in  Lüttidi: 
Annale«.    Tom.  30,  livr.  2;  Tom.  31,  livr.  1.    1902—01.    8*. 

Societe  Royal e  des  Sciences  in  Lüttich: 
Memoires.    lU«  S^r ,  Tom.  5.    Bnixelles  1904.   8*. 

Universität  in  Lund: 
Acta  Universitatis  Lundensis.    Tom.  38.    1902.   Afdeling  I.  IL    49, 
Sveriges   offentliga   Bibliotek.   AccMdi<au- Katalog.   XVI.    1901.    Siodt- 
holm  1902-08.   8». 


Vereeidime  der  dngelauftmn  Pfttekschriften, 


U 


Section  historique  de  VInsHtut  Etn/al  Grand*DtiCal  in  Lttxemhurff: 
Püblicationi.    Vol.  5L62.    1903.    gr.  e«. 

Acadimie  dea  scienees  in  Lyon: 
Memoirea.   HIß  Serie,  Tome  7.    Parii.    1903.   8^.  ~ 

SocirU  d\jffn€ultur*i,  science  ei  indttstrie  in  Lyon: 
Annale«.    VIL  Sörie,  Tome  9,  10.    190l'-02.    1903.    8^. 

Societe  Linnienne  in  Jjyon: 
Annaleg.    Annee  1902,  Tome  49.    190S.   %^, 

üniteriite  in  Lyon: 
Annales.    I.  Sciences,  fasc.  12;  IT.  Droit»  fftsc.  U— 13.    1903.    8^. 

Wisconsin  Academij  of  Sciences  in  Ätadison: 
Tranaactions,    Vol.  XIII,  pari  2;  Vol.  XIV,  part  1.    1902—03.    8<». 

Wisconsin  Genlogical  and  Natural  Bisiory  Survey  in  Madiaon: 
Bulletin.    No,  9.  10.    1903,    8°. 

Government  Museum  in  Madras: 
ßnlletin.    Vol.  6,  No.  l.    1903.   8^ 

Kodaikänal  and  Madras  Observ^ories  in  Madrast 
Annuiil  Report  for  the  year  1903.    1904.   fol. 

E.  Äcademia  de  ciencias  exactas  in  Madrid: 
ABuario.    1904.    16« 

E,  Äcademia  de  la  Mstoria  in  Madrid: 
Boletin.    Tom,  44,  cuad.  1—6.   1904.   8^ 

U.  Istituto  Lnmbardo  di  seieme  in  Mailand: 

Rendiconti.    Ser.  IT,  Vol.  36,  faBC.  17— 20;  Vol.  37,  fasc.  1— 3.   1903—04,   8^. 

Memorie.    CUisae  di  HcienKe  matematiche.    Vol.  19,  fa-sc.  10  u.  11;  VoL  20» 

fanc.  2.    1903,    4» 

R.  Osservatorio  di  Brera  in  Mailand: 
FublicaztoQL    No.  XL^  parte  1.   Medioiani  1903.    4*^. 

Socieiä  Italiana  di  acicnie  naturaii  in  Mailand: 
Atti.    Vol.  42.  fasc.  4;  Vol  43,  fasc.  1.  2.    1901.    &^ 

Socieiä  Siorica  Lomtarda  in  Mailand: 
Ärchitrio  Sfcorieo  Lombardo.    8er.  HI,  fasc.  40,  anno  XXX,  1903;   Ser.  IV», 
Ikic.  1,  anno  XXXT.    1904,  Ö**. 

Literary  apid  philosöphical  Society  in  Manchester: 
Memoire  and  Proceedingä.    Vol.  48,  part  1,  2.    1903—04,    8®. 

Ättrrlumsverein  in  Mfjrmheim: 
Mannheimer  OeHchichUblätter.   B.  Jahrg.  I90i,  Nö.  2— 7.   4*>. 

Verein  für  Gesdüchte  der  Stadt  Meissen  in  Meissen: 
Mitteilungen.    Bd.  VI,  3.    1903.   8«. 

Boyal  Society  of  Victoria  in  Melbourne: 
Proceedings.   Vol.  XVI,  part  2.    1904*   eP. 


16* 


Verieichnia  der  eingelaufenen  Druckickriflen, 


ÄcadSmie  in  Mete: 
M^moirea.   Annde  1900-01,    1908.   B^ 

Irtsiituto  geMgko  in  Me^mca; 
Pareriroiie§.   Tom.  1,  No.  1.    1908.   4°. 

Obaervatorio  meteorologicO'magnSticf)  centrtU  in  Menden  ^ 
Boletin  menraal.    1902  Marzo— Majo.    1902.   foL 

Sociedad  cientifica  „Antonw  Ahaie^  in  Mexico; 
Memoria»  j  revista.    Tomo  XVIH,   No«  6;   Totno  XiX,    No, 


e.  lA 


1902—03.    80. 

Sociedad  de  historia  natural  in  Mexieai 

La  Natttrale^a.    H.  Serie,   Totno  2,    No.  12;   Toma  3,    Ka  1.  S.  6»UK^ 

1898—1908.    fol. 

University  in  MisBouri: 
Studies.   VoL  11,  No.  2,    1908.   &*, 

Miiaee  ocianograpJhique  in  Monaco: 
Bulletin  No.  1-9.  IL  12.    1904,    8« 
Rd«tiitati  des  campo^es  «cientifiqups,  fa^c.  XXV.  XXVL    lllöl.    Tot 

Mu9to  nacioncd  in  MontevuUo: 
Annalea.   Serie  11«  Eotrega  1.    1904.   4.K 

Acadtmie  de  aciences  et  lettrea  in  3iohtpdlier: 
M^moires.    Section  des  äcience«.    2<>  Sär.,  Tom.  8,  No.  8,    1903.    8^. 

NumiJunatic  and  Antiquarian  Societjf  of  Montreal: 
Tbe  Canadian  Autlqaärian  and  Komismatic  Joarnal.    IH.  Seriei,   VoL 
Na  2— 4,    1902.    8°. 

SociiU  ImpShah  des  Katuralistea  in  Moikat^: 
Bulletin.    Annde  1908,  No.  2.  3;  1904,  No.  1.   8«. 

Mathematische  ßesellechaft  in  Moskau: 
MatematiUeheukij  Sbornik.   ßd,  XXIJI,  3.  4.  1902;  Ud,  XXIV.  2.   IMI. 

lAck  Ob^icrvatory  in  Mount  Jlamüton,  Valifomia: 
Poblicatioiw.    Vol,  VI.    Saoramento  1908.    4<>. 
Uulletiu  No.  60—56.    1904     4« 

HydroitchniacheB  Bureau  in  München: 

Verzeichnis    der    Fl  lieben  Inhalte    der   Bach*   und    Plu^^tgebiete    ElAjeniM. 

Heft  ni.    1904,    40. 
Jabrbuob.    6.  Jahrg.,  Heft  4;  6.  Jahrg.,  Heft  L    4^. 
Abhaudlungen.    L'nter^iufibungen  über  den  Eiufloifi  d^e  Walde«  auf  du» 

GruDdwa8>ieritaDd  etc.    1904.    4^. 

GeneraldireUion  der  K,  B,  Posten  und  Tehgrnphen  (n  Mün^ienf 

V'eneit^hni«    der    in    und    auiiit^rhalb    ßajem    ergcbisinenden    'At^itnnittn. 

10  bexw.  6  Nivchtr»tge  eu  den  Zeitang*jireiiVürieicbntii«m,    foL 

iC  B.  Technijtche  Uochschule  in   Mündien: 
PertODalstand.   SomiDeniemeiter  1904.  B\ 


1* 


Metropolitan- KapiUl  München-Preisinff  in  München: 
SchemAtismua  der  Geistlichkeit  für  da«  Jahr  1904.    8^. 
Amtflblatt  der  Erzdiözeie  München  und  Freiaing,    1904,  No.  1—16,    8''. 

K.  Staatswinisierium  des  Innern  in  Münchm: 

Die  Massnahmen  auf  dem  Gebieie  der  landwirtachaftlichen  Verwaltung 
in  Bajern,    1897-1903.    1903.    gr.  6*>. 

Universität  in  München: 
Soliriften  aui  dem  Jahre  1908  in  4^  n.  8^. 
Amtl lebet  Verzeichnis  deä  Person ala.    Soinmersemeater  1904. 

AritUcher  Verein  in  München: 
fßitznngäberichte.    Bd.  XU,   1901    1903.   8^, 

Kaufmännischer  Verein  in  München: 
,  ao,  Jahregbericbt  fär  da»  Jahr  1903/")4,   8<», 

Historischer  Verein  in  München: 
AUbayerische  Forschungen.    Heftlf.  I!I,    1904.    B^ 
Oberbayerische»  Archiv.    Bd.  62,  Üeft  1.    1904,    6^. 
I  Alibajeriflche  Monataächria.    Jahrg.  IV,  Heft  4,  5.    1904.   4^. 

Verein  filt  Luftschiffahrt  in  München: 
14.  Jahresbericht  1903.    1904.   8<». 

Verlag  der  Hoch^chttl- Nachrichten  in  München; 
^Hochschul-Nftchrichten  No.  160-165.    1904.    4". 

Verein  für  Geschiciäc  und  Altertumskunde  Weatfidem  in  Mümter: 
\  ZeiUchrift.    Bd.  61  und  Eegisier  %n  Bd.  1—50.    1903.   S^, 
Söciite  des  Acicnces  in  Nancy: 
Bulletin,   8ir.  III,  Tom.  4,  fjtsc.  3.    Paria  1903.   8^ 

Accademia  delie  Hcieme  fisiche  e  matematiche  in  Neapel: 
Bendiconto.   Ser.  3,  Vol.  IX,  fasc.  8—12.    1903*   8^. 

Zoologische  Station  in  Neapel: 
Mitteilungen,    Bd.  XVI,  3;  XVII,  1.  2.    Berlin  1903-04.   B^, 

Historischer  Verein  in  Ncuhurq  a/D.: 
Neuburger  K oll ektaneen- Blatt   05.  Jahrg.  lOOL   8^. 

Snciiti  des  sdences  naturelles  in  Neuchatel: 
Bulletin.    Tom.  28,  Ann^o  1897—1900.    1900.    h^, 

Institute  of  Engineers  in  Netv-CasOe  fupon-TgneJ: 
Tranittctiona.    V0L6I,  partT;  Vol.  62,  purt?;  Vol.  68,  part  3.  »;  Vol.  64, 
pttrt2*-&  und  Index  zu  Jahrg.  1901.    1904.    8^ 

The  American  Jourfml  of  Science  in  New-Haven: 
Journal.   IV.  Ser.»  Vol.  17,  No.  97— lOU    1904.   8", 

American  Oriental  Societg  in  New-Hai^en: 
yonmal.    Vol.  XXIV,  2<i  Half.    1903.   fi®. 


18*  Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druekeehriften. 

Äcademy  of  Sciences  in  New -York: 
Annale.    Vol.  XIV,  8.  4;  XV,  l.    1903—04.   8^. 

American  Jetcish  Historical  Society  in  Neu) -York: 
Publications  No.  11.    1903.   8<>. 

American  Museum  of  Natural  History  in  New -York: 
Annual  Report  for  1903.   Vol.  XVITT,  2;  XIX.    1903—04.    8®. 
Memoirs.    Vol.  I,  part  8.    1908.   4®. 
Journal.    I-III;  IV,  1.  2.    1900-04.    gr,  8<>. 

American  Oeographical  Society  in  New -York: 
Bulletin.    Vol.  35,  No.  6;  Vol.  36,  No.  1—6.    1908-04.    e9. 

Archaeological  Institute  of  America  in  New -York: 
American  Journal   of  Archaeology.    Vol.  VII,   No.  4    und    Sapplement; 
Vol.  VIII,  No.  1    2.    1903-04.   8«. 

Nederlandsche  botanische  Vereeniging  in  Nijmegen: 
Prodromus  Florae  ßatavae.   Vol.  I,  pars  8.    1904.   8®. 

Germanisches  Naiionalmuseum  in  Nürnberg: 
Anzeiger.    Jahrg.  1903,  Heft  1—4.   8^. 
Katalog  der  mittelalterlichen  Miniataren,  von  E.  W.  Bredt.    1903.    8^. 

Neurussische  naturforschende  Oesellschaft  in  Odessa: 
Sapiöki.    Tom.  XXIV,  2;  XXV,  1.  2.    1902-04.    8« 
Sapieki  (mathemat.  Abteiig.).    Tom.  XX.    1902.   8«. 

Historischer  Verein  in  Osnabrück: 
Oenabrücker  ürkundenbuch.    Bd.  IV.    1902.   8®. 

Verein  für  Geschichte  und  Landeskunde  in  Osnabrück: 
Mitteilungen.    28.  Bd.,  1903.    1904.    8<^. 

Geohgical  Survey  of  Canada  in  Ottawa: 
Altitudes  in  the  Dominion  of  Canada  by  James  White.  Mit  Atlas.    1901.  8*. 

J?.  Accademia  di  scienze  in  Padua: 
Atti  e  Memorie.    Nuova  Serie.    Vol.  19.    1903.   8®. 

Bedaction  der  Zeitschrift  „Rivista  di  storica  antica"  in  Padua: 

Kivista.    N.  S.    Vol.  VlII,  1—4.    1904.    8^. 

Circolo  matematico  in  Palermo: 

Annuario  1904.    eP. 

Kendiconti.    Tom.  18,  fasc.  1—3.    1904.   4« 

Collegio  degli  Ingegneri  in  Palermo: 

Atti.    1903,  Aprile-Dicembre.    1903.    gr.  8<>. 

Academie  de  niidecine  in  Paris: 
Bulletin.    1903,  No.  43;  1904,  No.  1-26.    8^. 

Acadimie  des  sciences  in  Paris: 
Comptes  rendus.   Tom.  178,  No.  26;  Tom.  174,  No.  1—26.    1908—04.   4«. 
Oeuvres  complätes  d^Augustin  Cauohy.   II.  Särie,  Tom.  5.   Paria  1909.   4P* 


I 
I 


I 


i 


Maniteur  Scientifique  in  Paris: 
Li?r  746-751,    1904.    4* 

Musie  G atmet  in  Pans: 
Bevue  de  rhi«toire  des  r^ligions.  Ami^e  XXIV,  Tom.  48,  No.  1.  2.  1903.  B^ 

Museum  iVhiMoire  naturelle  in  Paris: 
Ballefein.    Änn^e  1903,  No.  L  2.  B.  6.    1903,    8^ 

Süciiti  Sanihropologie  in  Paris: 
BalletinB.    V«  St«rfe»  Tom.  4»  faac,  1—4.    1903.    8^ 

SociMe  de  In  Chromque  de  France  in  Auxerre-PariH: 
La  Chronique  de  France.    4«  aoD^e  1904.    Nebat  Carnet  bibliograjiliique, 
Pani,    80. 

SociHi  de  giogra]^i€  in  Paris: 
La  GiSogmpbie,   VoL  VIU,  No.  2-6;  Vol  IX,  No.  L    1902—01,   gr,  8^ 

Sociiii  mathhnatiquc  de  France  in  Paria: 
Bulletin.    Tom,  81,  fa*c.  4j  Tom.  32,  fatc.  1.    1903-04.    Bfi, 

SocilU  zoologique  de  France  in  Paris: 
Bunetin.   Tora.  28.    1903.    &>, 

Acndimie  Imperiale  des  sciences  in  St.  Petersburg: 
Byaantina  Cbronika.    Tora.  IX,  3.  4;  Tom.  X,  1—4,    1902—03,    40, 
Annasire  du  Mu«öe  3«>ologique.  Tom.  VllI,  2—4,    1903—04.  S^. 

ComiU  fjlolagique  in  St,  Petersburg: 
Bulletins.   Vol.  XXU,  No,  1-4     1903.   8*. 
M^moires.   Vol.  XllI,  4;  XV.  1 ;  XIX,  2.  Nouv.  S^t.,  Li7r,ß-9, 12.   1903.  4**. 

Kaiserl.  Botanischer  Garten  in  St,  Petersburg? 
Acta.   VoLXlX,  Töm,XXT,  8;  XXII,  1,   1908,   40. 

Kai»tTi%€k  Bussische  archäologische  Gesellschaft  in  St.  Petersburg: 
Sapiski.    Tom.  IX,  3.  4;  X,  3.  4;  XI,  1-4;  XII,  1-4.    1897-1902.   4<», 
SapiBki.   Orientalische  Abteilung,  Tom.  XII,  2-4;  XlII,  1—4;  XIV,  1— 45 

XV,  l.    1899—1903.    40 
RuasiBch-^lavonische  Abteilung:  Tom.  V,  1.    1903.    4**. 
Intcriptionei}  antiquae  orae  Septentrionalia  Ponti  ßuxiri.  Vol.  IV.  190 U  4**, 

KaiserL  mineralogische  Gesellschaft  in  St,  Petersburg: 
Materialien  zur  Geologie  liusalaud^.     Bd.  XXI,  2     1904,    6<>. 
Verhandlungen     IL  Serie,  Bd.  41,  Liefg  1,    1904.   8«. 

Physikai-chem,  Gesctlschaft  an  der  KaiserL  Universität  St,  Peter shufffi 
Sobumal.    Tom.  35,  Hyft  9;  Tom.  36,  Heft  1—4,    1908-04.    8^. 

KaiserL  Universität  in  St,  Petersburg: 
ZapUki  der  bitlor.  philol.  Fnkultät.    Bd  49.  BO,  1.  62,  63.  64.  1.  55.  56, 

♦52.  63.    1899-1900.    8'>. 
Schriften  tvai  dem  Jahre  1908—04. 

Academtf  of  natural  Sciences  in  Phüadetphia: 
Journal,    irdgeHe«,  Vol.  XI T,  9.    1903.   gr  4<». 
Proceeilings,   VoL  55.  part  2.  3.    1903.   40. 


20* 


VHUUkAäir  ein^dwfemm  DntdMMßem. 


Hisiürical  Society  of  Penns^hania  in  J'hüadelphiat 
Tbe  Pefiikajlrania  lU«»»De  ofHistory.    Vol.  2^,  No.  töO.   Il<),    ttOi  "^ 

Alumni  ÄstoeJaühm  of  ihe  Coli^ye  of  Pharmacf^  in  PhiiadelphiA: 
Alnnmi  Report   Vol.  89,  No,  lÄ;  Vol.  40,  No.  1—4.    1903  -  04.   Sß. 

Ainerican  Pkihmphiat!  Soeiettf  in  PhÜiHMjiMa: 

ProceedingB.    Vol.  42,  No.  171.    1903,    6^. 

E,  Scmda  narmaie  tupmiore  di  Pisa: 

Ji.   Scienxe  fiiiche.    VoL  tt.   1901    8P. 

Soei4tä  Tmcana  di  menst  naturali  in  Pisa: 

Ätti.   Proceasi  Terbaü.    Vol.  XIV,  2.   löOL  €K 

Societä  Jtahana  di  fisica  im  Piäa: 

II  BttOTO  Cimenio.  S^rie  V,  Tom.  6.    Settembre— Dioambr«  1908,  Omaaio 
— MHrzol904.   e«. 

ÄlUrtumiverein  in  Pla^t^: 
MitteiloDjfen.    16   Jahrewchrift  wf  das  Jabr  1903—04,    IIKM.    ö*, 
Pa8  Amt  Paüaa  von  C.  y.  Haiib.    1903.    6^. 

Ui^orische  GeitellHchaft  in  Posen: 

-Zeitschrift    18.  Jabrfr*    1.  u   2.  Halbba&d.   190S.    8^. 
tHisionscbe  Monaliblätier.    4  Jahrsr.    1903    8^. 

BÖhmuithe  Kaiser  fVani  Josef- Akademie  in  Prap: 
PamjUkjr  archaeoloRickt5.    Br».  XX.  7.  8:  M.  XXI,  1        1908—04.    !•.' 
Rospr&wj.   TKdal,  RodoJkXl;  THda  11,  Roönfk  XH;  TKdalM.  Mtloj 

1903.  8^. 
Hifitoneky  Archiv.    Öwlo  22,  23.    1903.    Ö**. 
Veatnfk.    Ro^^nils  XII.    1908.    S^. 
Bulieiiti  interBatioaal    Clae^e  des  ^cetenees  muih^^maiiqaei.    Ann^*  VtlJ 

VHI:  MMecine  Ann^e  VII.  VIIL    1908-04,  8*. 
Almanacb.    Ro^nik  14.    1904,    8^. 
Bibliot^ka  Klaadkö.   Cfalo  6.  8.    1908-04.   8^. 

Sbfrka  pmmenJl.  SVapina  1,  Rnda  1,  CnIo 5.  6;  ftada  11,  tU\o 6.  Bk»|iii»IL  1 
CMoÖ.  7;  Sktipinalll,  Cfilo  4,    1908.    8«»-  ' 

Ge$elhchaft  lur  Förderung  deuUchtr  Wiinemehaflt  Kunst  und  Lii€raiwe  | 

in  Prag: 
Recbenaohaftibenoht  für  das  Jahr  1908.    1901.  &. 

K,  Biihnmdie  GeselUchaft  der  Winitemehaften  in  Pra^: 

Joti»f  Janko,  Soustavti  etc.    1903.    8^. 

8aro*lav  Bidlo,  Jedöola  Bnitr*ktt  etc,    Bd.  1.  3.    lüOO  -08.    8^. 

Jahreabericht  für  da««  Jahr  1903,    1904.    8<* 

8it36tingtUerichte  ll>03.     a)  Kla^ae  lar  rbiloiophie. 

b)  Mfttbem  iiiituTw.  Klaw.    1903.    1904    9^| 

Mathematiidi'lih^jdhiiiMehe  Oeitelhdhaß  in  Prnf: 
Öanopii,   Tom.  83,  Hüft  1-8.    1903  ~«U,   8^. 

Lfii'  nml  liedehMe  der  deutuchf»  süuilrutr*,  t.«   r.vi/i 
^b    BtritH  ims.    1904.  B^. 


Vermt^ms  der  eingetaufenm  J}ruekschrißen, 


2V 


Mm$tm  de$  Königrricha  Böhmen  in  Prag: 
Beriebt  für  claf^  Jabr  1903.    1901.    B^, 
CMopis.   Bd.  77,  H€a5.  H;  Bd.  78.  Heft  l.  2.    1903-04.   8«. 

/T.  JT,  Sternwarte  in  Prag: 

Magnet  Q.  meteorolog.  BeobftcbtunsfeQ  im  Jabre  1903.   64.  Jahrg.  1904»  4*^, 

Deutsche  Karl  Ferdinmtdtc  ümversitäi  in  Prag: 

Die  feierliche  iiwtallation  des  Rektow  für  daa  Jahr  1903/04.     1904,    8**. 

Verein  böhmischer  Mathematiker  in  Pcagi 

ÖaMpis.    Bd.  8.    1904.   8<*. 

Deuticher  ntUurwissenachaflL-mediMin.  Verein  für  Böhmen  „Latos*'  in  Prag: 

Öitzangsberichte.    6L  Bd,    1903.    8**. 

Kgh  botanische  Oeselhchnß  in  Begensburg: 

Denkschriften.    Bd.  VIIL    1908.    8<*. 

Bibltothtque  Nationale  in  Ria  de  Janeiro: 

0  Tamakoard,  e^peciea  novas  da  ordeEU   dat  Ternstroemiaceas.    Maiiäoa 
1887.    40 

Observatorio  in  Bin  de  Janeiro: 
Boletim  mensal.    Abril— Jiinbo  de  1903.     1903.    4*>. 

Geoiogicat  jSocietif  of  Am  er  im  in  Ixacke.iter: 
Bulletin.    Vol.  14.    1903.    6^ 

Reale  Accademia  dei  Lincei  in  Born: 
Annaario  1904.   ßo. 
AUi,    Serii»  TV.    Claue  di  scienze  morali.    Vol.  XI,  parte  2.  NotisJi©  degli 

scaai  fasc.  9—12  und  Indici  Serie  V,  Vol.  l  faac,   l.    1908.    4*». 
Rendicooti.    Clause  di  scieDze  morali.    Serie  V,  VoL  Xlt  fa^c.  ll—l^*^  0 

Indice.    1903.    b*», 
Alti.    Serie  Va,  Rendiconti.   ClasBe  di  iciense  ßticbe.    Vot.  XTI,  «ementre  2 
fasc.  12;  Vol.  XUl,  «emestre  1,  faac,  2— 11.    1903.    4«^ 

JiHiliateca  ApogtoHca   Vaticamt  in  Barn: 
Studie  Documenti  di  atoria  e  diritto  Annv  XXt— XXIV.    1900—03.   4^. 

B.  Comitato  geologico  d^liatia  in  Bom: 
BoUeltino.    Anno  1903,  No.  3    4.    19i»3.    6«. 

Kaiserl,  deutü'hts  archCuilogi^dies  Institut  (röm,  ÄbtJ  in  Born: 
Miiteilungeti.    Bd.  XVIIt,  Heft  3.  4.    1904.    S^'. 

Service  de  la  Carte  gldogique  d'ItnHe  in  Born: 
Carte  g«Sologiqtic  d'Italie.    FeuilfeB  201-201.  213-215.  223.    1904. 

B,  Societä  Botnana  di  sioria  patria  in  Bom: 
Arcbivio.    Vol   XXVI,  1-4     1903,    S^. 

B.  AcCiidemia  di  scienie  dtgli  Agiati  in  Bmereto: 
Äiti.   Serie  ni  VoL  9,  faac.  8.  4;  Vol  10,  faac.  l.  1908-04.   e<>. 

Nnturwi.'ixen$chaftlicke  Oesethchaft  in  St,  Gallen: 
Jahrbuch  ftlr  die  Jahre  1901-02,    1903.    S*'. 


22*  VerieithnU  der  eingelaufenen  Drueksekriften, 

Mis90tin  Botanical  Garden  in  8t.  JjndMz 
Utk  annaal  Report    190S.   ^. 

Instituto  y  Observatorio  de  marina  de  San  JFernaw%do  (Cadix): 
Anale«.     Seccion  2^  Ano  1902.    1903.    foL 

Californio  Acaderny  of  Sciences  in  San  FVandteoz 
Proceeding.^.  III<i  Seriet.  Zoologv.  Vol.  3,  No-  6.6;  Botanj.  Vol.  2,No.lO; 

Geoloev.  Vol.  2,  No.  1;  Math.-PhTs.  Vol.  1,  No.  a   1902—03.   8». 
Memoiw.   Vol  IH.    1903.   4<>. 

Cmrersifät  in  Sassari  i Sardinien): 
Stodi  Sas^areai.    Axino  III.  Sex.  H,  fatc.  1.    1908.   8^. 

E.  Accademia  dei  /Uioeritiei  in  Siena: 
Atti.    Serie  IV.   Vol.  15.  No.  7—10.    19(»— Ol    4*. 

iL.  K.  archä-?ioffiid^fs  3iuseMm  in  Spadato: 
Ballettiao  di  Arrheologia.    Anno  XXVI.  1908,  No.  12;  Avao  XXVIL  190i 
No.  1—4.   8«. 

iL.  Akademie  der  ITissenfehaflen  in  Sioddkotm: 

ArchiT  f5r  Kemi.    Bi.  1.  Heft  2.    1904.    S«. 

Archiv  ßr  Botanik.    BJ.  1.  Heft  4:  Bd.  2.  Heft  1—8.    1904.    8*. 

Meteoroloirlsti  Jaktta*re:«T  i  Sreripe.   Bd.  48.  44  (IL  Sarie.  Bd.  SO). 

HAndiingÄT.    N.  F.,  Bd.  37.  Heft  4— ä.    1903-OI.   4». 

Astronomiska  iakttaselser.    Bd,  S.  Heft  1.    1908.   4« 

Skrifter  af  Retiiu«.    l'.^>2.    S*. 

G^:m*>ji4h.i  FörfMHg  in  Stoeükolm: 
F5rhaBdliB$rar.    Bd.  '25.  Heft  7:  Bl  26.  Heft  1—4.    1904.    80. 

(yf-»^"*^j'^  i'ir  J'.ViV'-v'v   "''•■  in*5^^«A<i/J«i  in  Strasrf^mrg 
Monatiberi-ht.    Bd.  87.  fa.M..  S— 10:  Bd.  Sä.  faac.  1-4.    1906— 04.    8». 

ni<*  •ny'Ch'Tr    V^^f^in  in  Stfrtmiying: 
.Tahre>>r::h:.     Uhr?   1-5.    :S^?-1902.    S«. 

IT.  tc irr t*fi*:.  «:  v \<r i^ch r* *  L'.inKie:f.vmf  im  St uU fori : 

Wär:tc=:l:er^:v:ii-*  Jahrl  ich^r  :1r  StatJtik.    JttktpkMf  131».     Heft  1.  2. 

I9^:t3.    A'. 

-lflwcr.it. 3 >i^!n  A^<'\'ii:i  :*^  '.r  \h^  aäcaneii wtent  of  tdemee  im  Sydney: 
Hepor.  o:  th-?  IX'-  Meeting  IHXi.    H:*iarL  s^. 

Dri  irm^'it    .•^'  Minij    zm»i  ^^Twu'rar^  ^^'  yev-Somik-Waie:§ 

Mecioire«   er*  liir   Gro! .-^^i^il   Si-t^t    ::   N.    S.  Wale«,      öeolc^x   No.  3. 

IVK^.     4' 
Palaeonto  -\CT      V:..  XI     Tr»ii  --ad   Atla*     1*.>2.    4». 

linny..!»  Svvffy  ■■•  yftC'>ym£h'WiiU9  in  Sndmep- 

Pn>:eediiic*.     Vol.  26,  part  3.  4.    1*».   S*. 

ttt^ercÄt»>rw  Mtrvmfmteo  nfwwirf  im  TmenkmmmT 

An:iario.     Ano  XXTV.    1904.    M«n«o.    80. 


VerieichniB  der  evigelaufemn  Druckicfiriften. 


23* 


I^arthquake  InüCitiffatton  Commütee  in  Tokjfo: 
Püblications.    No.  16,  16.    1904.   4^. 

Kaiserl.  üniceraitäi  in  Tokio  (Japan): 
ICalendar  1^03—01.    1^)4.    8^. 
IThe  Journal  of  the  College  of  Science.     Vol.  18.   article  6.  (3;   Vol.   19, 

article2-ö.  11-13-16,  17.  20.    llK)3-04,    4». 
^ÄJitteüungen  aua  der  mediiiniachen  Fakultät.    Bd.  VT,  No.  2.    1903.    4''. 
The  Bulletin  of  the  College  of  Agriculture.    Vol.  0.  No.  1.  2.    1904.   4'. 

^K  Uuiversiti  in  Toidonse: 

HAniialeB  da  Midi*    1903.    No.  60.  61.   80. 

r      Anoafes  de  la  faculte  des  icience«.  11«  Sor.,  Tom.  6.   Ann^e  1903.  Pari« 

t  1903.    40. 

^K£aum oratio D  des  groopes  d'operatioas  d*or  donn^  par  Rajmond  Le  Yn* 

^M        Yasseor.    Paris  1904.    4^. 

^H  Biblioteca  e  Mu$eo  comunale  in  Ttient: 

^  Archido  Trentino.    Addo  XVIU,  faac.  3.    1903.    8*>, 

E,  Äecademia  dclle  scieme  in  Turin: 
ktil    Vol  39,  diip.  1-7.    1904.   8«>, 

Varein  für  Kunst  und  ÄUerium  in  Ulm: 
,  Katalog  dea  Gewerbema^eumfl.    1904.    8'^. 

Uumaniätika  Vetenkapssamfund  in  Upsata: 
Skrifter.   Bd.  Vlll    1902^-04.   80. 

Meteorolog,  ÖbBervfiiorium  der  Universität  Upseda: 
Bulletin  menauel.    Vol.  85,  Ann^e  1904.    1903—04.    fol. 

K,  Universität  in  üpsala- 
Retnlts  of  the  Swedish  Zoological  Expedition   in  Egjpt.    1901.    Part  TT 
1904.   8^. 

Physiologisch  Laboratorium  der  Tloogegchöd  in  Utrecht: 
Ondemoekingen.    V.  Reeks;  Deel  V,  aflev.  L    1904.    8^ 

Aieneo  Vmeto  in  Venedig: 
V  Äteneo  Veneto.    Anno  26,  Vol.  2,  fasc.  1-3;  Anno  20,  Vol.  1,  fi*ic.  1— S 
Anno  20,  Vol.  2,  fasc.  1—3  und  Apptudice.    1902-03.   8*^. 

B.  Inüiüuto  Veneio  äi  seitnse  in  Venedig: 
AttL    Tom.  Ol,  diep.  10;  Tom.  62,  disp.  1-10.    1902-08.    S^^ 
Memorie.    Voh  XX Vit,  No.  1.  2.    1902-03.   4«. 

Accademin  OUmpica  in  Vi(xnia: 
Uti.    Annale  1901-^02.    Vol.  XXXIII.    1908.    8^. 

Mathewaliich'physthalisch^  GtnelUdkafi  in  Warschau: 
Prace  roatematjrcxno-fixyczne.   Tom.  15.    1904.   4<*. 

Bureau  of  American  Elhnoloffy  in  Washington: 
»»»>  aunual  Report,    1903.   4«'. 


24* 


VerstiehnU  der  eingct4iufen€n  Dnuikschriften, 


CommMofier  of  Eäucation  in   Washimgtan : 
Report  for  the  jear  1902.    Vol.  1  und  2.    1903.    8». 

ü.  b\  Department  of  AgricuHure  in   WoMhinfftaH: 
NorÜi  Atoericau  Fauna,    No.  23.    1904.   Bfi, 
Yearbook  19U3.    1904,   B^. 

Smithionian  ImtUtUi^n  in  WaslUngUm: 

Ck>iitribtitioDB  io  knowled^e.    No.  1443.    1903.   4P, 

Index  to  the  Litemture  of  Thoriatn  1817—1903  by  U.  loaet  190S.  8*. 
AnnuAl  Report  for  the  year  ending  June  30,  1902.    1903.    8^. 
SmühfloniaD  Mi.^cellaneoai  CoUectiona.    Vol  45,  p»rU  1.  2.    1W4.    #. 

ü.  S,  Kational-Mwfeum  in  WaMn^tOn: 
Report  for  1900—01.    1903.    8®. 

(J.  S.  Narai  Observatory  in  Woihtn^Um: 
Publication«.    U^  Seriea,  Vol.  6.    1908.   4^, 
Export  for  tbe  year  1902-03.    1903.   8^. 

Pkihsophical  Society  in  Waithinffton: 
Bulletin.  Vol.  XIV,  p.  233— 246.    1903.    8^. 

ü.  S.  Coast  and  Oeodetit  Survty  in  Wathinstom 
Aonual  Reports  1903.   4°, 

UmUd  States  Geül&^al  Sureey  in  Washington: 
Balletine.    No.  209-217,    1903.    B^. 
Monographa.    No.  XLIV,  XLV  and  Atla«.    1903.    4«. 
Water-Supplj  Faper  No.  80—87.    1903.   8^'. 
Protessional  Paper  No.  9.  10.  13-15.    iy03.    4«. 

Hariverein  für  Geschichte  in  Wernigerode: 
Zeitschrift.  Jahrg.  36,  Heft  2  tmd  Register  xu  Jahrg.  25—30.    1908.  $fi^ 

Kaiserh  Ähuiemie  der  Wtssensciinften  in  Wien: 
SitEungübericbte.    Philoa.-hiet.  Klaaae.    Bd.  146.  147.    190»— Oi,  8*. 

Mathem.-naturwisBeDBcbaftlirhe   Kla«3e.  Abt.  I*   1902.   Bd    III, 
Heft  10;  Abt.  IIa,  1903,  Bd.  112,  Hett  1-9;  Abt.  Hb,  1903,  Bd.  111» 
Heftl— 10;  Abtlll,  1903,  Bd.  112,  Heft l—l»,  1903,  Bd,  112,  Heft I—IO. 
Uenkachriften.    Philos.-hiht.  Klasse.   Bt],  49-    1904.    4K 

Mathem.-nattirwia.qen8chaft1.  Klasie.    Bd,  74.    19UI 
Archiv  far  öaierre  ich  iahe  Geschichte.   Bd.  92,  2.  H&lfte;  Bd.  98.  l.  : 

1903-04,    8«. 
FoQte»  rernm  Auütriacarotn.    Abt.  n,  Bd.  66;  Abt,  11,  Bd«  &7«   SeripUirei 

Abtl,  Bd.  IX.  1.    1908-04.   8«. 
Almanach,    63.  Jahr^-    1903.   8^ 

Mitteilungen  der  ErdbebenkommisHion.    N.  F.,  No   U^23.    1903—01.   8^. 
Verhandlungen.    1903,  No,  !«>— 18;  1904.  No.  1— 8.   A^, 

A'.  K.  GeseU Schaft  der  Ante  in  Wien: 
Wiener  kliniiche  Wochenachnfl.    1901.  No.  1—27.    4«, 

Zoolo^ich-bofanischf  Oe Seilschaft  in  ITiVti: 
Verhandlungen-   63.  Bd.,  Heft  lü;  64,  Bd.,  Ri^ft  J.  5.    1903— 04*    8*>. 
Abhandlungen.    Bd.  H.,  Btjft  3.  4.    1904,   4«». 


M 


Verseidmiu  der  eingelaufenen  Vruckschrifun, 


25^ 


R,  K  naiurhüiorücfkes  Mofmuseum  in  Wien: 
Aimalen.    Bd  XVIIf,  4.    1903,    gr.  8*5. 

Oherstkämmercramt  Sr,  Majestät  das  KaUers  von  Österreich  in  Wien: 
,  Anicia  Juliana  im  Wiener  Diotkoridea- Kodex  ron  Antoo  t.  Premerateio. 
1903.    fol. 

Herxogliche  BibUothek  in  Wolfenbüttel: 
Die  HaDdschrillien  der  hcrzoflflichen  Bibliothek  «n  Wolfenbflttel.  Bd.  VIII 
1903.    Kr.  8<*. 

Physikalisch-medidnische  Gcstlhch({ft  in  Würiburg: 
Verhandlungen.   N,  F.,  Bd.  36.  No,  8;  Bd,  36,  No.  1— 7.    1903^04.   8«». 
Sitzungiberichte,    Jahr^.  1903,  No.  1—7.   8®. 

JJhiorischer  Vermn  von  Unietfrnnken  in  Wiirzhurff: 
Archiv.    Bd.  46.    1U03.    8^ 
Jaht'e«bericht  tiir  1902.    1903,    B^, 

Schweizerische  3[eteoroloj)ische  Zentral mistnlt  in  Zürich: 
Annalen  190L    SB.  .Fahrg.    4^. 

Antiqftariitdie  Gendhchafl  in  Zürich: 
Mitteilungen.    Bd.  XXVI,  2.    1901.    4«. 

Natur  forschen  de  Grsdhchaß  in  Zürich: 
I  Ueiyahrablatt  auf  da»  Jahr  1904,    100.  Stück.   4^ 
'  VScrteljahmchrin.    48.  Jahr^.    1903.    Heft  8.  4.    1904.    8«. 

Sdiweiterisches  Landesmuseum  in  Zürichr 

AijÄeiger  fÖr  Schweizerische  Altertumskande,    N.  F..   Band  V,  No.  2—4. 
1903-04.    40. 


Von  folgenden  Privatpersonen; 


I 


Ermt  Abbe  in  Jena: 
Gesammelte  Abhandlungen.    Bd.  I.    1904.   8^. 

0.  K  Leo  Anderlind  in  Baden-Baden: 

Ein  Sy«tein  Ton  Mitteln  zor  Verhütung  ach&d Itcher  Hochwftsier.    hemST 
1{K)4.    8*>. 

Verlag  ton  Johann  Ambro$itis  Barth  in  Leipzig: 
Beiblätter  2u  den  Annalen  der  Physik.   1904.  No.  l— IS.   Leipzig  1904.  B^, 
Journal    für   praktische   Chemie.    N.  F.,   Bd.  68,   No.  1,  2.  11.  12;   B.  09 ,] 
Heftl—ll.    Leipzig  1908-04.    8«. 

Hitgo  Bermühier,  Verlag  in  Bei'lin: 
Forflchungen  £ur  Geschichte  Bayerns.    Bd.  XL    Berlin  1903.    gr.  8^«^ 

Ch,  CK  Charitoniäes  in  Athen: 
noi3<ika  ^iXol^tMd,   Tom*  I.    Athen  1904.  8^. 


28^*"  Verzeichnis  der  eingelaufenen  DrueksduriftetL. 

Adolf  SiöUel  in  Berlin: 
Noch  einif^es  über  den  Brandenbarger  Schöppenstnhl.    1903.     8^. 

Hans  Spörry  in  Zürich: 
Die  Verwendung  des  Bambus  in  Japan.    1903.    8**. 

B,  G,  Teuhner,  Verlagsbuchhandlung  in  Ijeipzig: 

Archiv    der   Mathematik    und    Physik.     III.  Reihe,    7.    Bd.,    Heft  1-4- 

1904.    gr.  B^. 
Encjklopädie   der   mathematischen   Wissenschaften.    Bd.  III,  2,    Heft  2. 

Bd.  V,  2.  Heft  1.    1904.    8». 
Thesaurus  linguae  latinae.    Index  librorum  scriptoram  u.  Vol.  2,  fasc.  6 

1904.    40 

F,  Gmnes  Tcixeira  in  Porto: 
Obras  sobre  mathematica.    Vol.  I.    Coimbra  1904.    49. 

Eduardo  Torroja  y  CabalU  in  Madrid: 
Teorfa  geom^trica  de  las  lineas  alabeadas.    1904.   4^. 

Eduard  von  Wölfflin  in  München: 

Archiv    für    lateinische    Lexikographie    und    Grammatik.     Bd.  XIU,  4. 
Leipzig  1904.   8®. 

E.  V,  Zach  in  Peking: 

Lexikographische  Beiträge.    Teil  I.  II.    1902—03.    8<>. 
Chinesische  Übersetzung  der  Geschichte  der  Ostmongolen   Ton  Ssanang 
Ssetsen. 

August  Zöppritz  in  Stuttgart: 

Gedanken  über  Flut  und  Ebbe.    Dresden  1904.    8^. 


29* 


TerzeictiEi»  der  eiugelaofetieti  Druckschriften 

JqU  bia  Dezember  1904* 


Di«  v(»r«hrlicb«D  Gesell Bcbftften  und  Institut«,  mit  w«lcb«ii  uiisef«  AltAdemiA  in 
Tfte4aliT«rlc«hr  lieht,  w«rdon  g«b«t«a.  tiiiebLBt«fa«nda«  V«rMJcbniii  tugleieb  min  Ktspfkngt- 
liMÜtigiing  EU  betrmeht«ii. 

Das  Formet  ist,  vrenn  nicht  Anders  angegeben,  ^. 


Von  folgMdeB  ^aBellfiehaften  uski  Infititntenr 

SocilU  d^ Emulation  in  Abbcvüle: 
Hommage  k  ßoucber  de  Perthei  par  k.  Tbieuller.   Paria  1904.   4**. 

K,  kroat.'slavoH.-dcämatinist^ea  Landesarchiv  in  Aj^am: 
Vjestnik.    Bd.  VI.  3.  4.    1904.    4". 

Kroatische  archäologische  Gesellschaft  in  Agram: 
VyeifeDik.    N.  Ser,  Bd.  VU,  2.    1904.    4». 

Geschieht»'  und  Alteriumaforsehende  GeBeltschaft  des  Osterlandes 
in  AUenbwrg; 
MHt^Umigen.    Bd.  XI,  3.    1904. 

SocUU  des  Antiquaires  de  Picordte  in  Amiens: 
M^molreB.    IV«  S^rid,  iom,  %,    Paris  1904. 
Baltetin.    knu4e  1908,  4«  tnmeitre;  aoD^e  1904,  1«  trimettre.    1904. 

K.  Akademie  der  Wissenschaften  in  Amsterdam: 
VerhandeHugen.    I  Sectie,  Deel  VMJ,  Nr.  6.  7 ;  II.  Seciie,  Oeel  X,  Nr,  1-6. 

1908-04.    4<>, 
Jaarboek  1903.    1904.    4^, 

Paedaf^ogiam.    CarmeD  Johannifi  P&acoli.    1904. 
VerhandeliDKtin.    Äfd.  Letterkande.    Nieawe  Reeki,  Deel  IV.  No.  3;  Deel  V, 

No.  4,  6.    1904-    4«. 
Verslag.    Wis-en  natuarkuudige  Äfdeeling.    Deel  XU,  K  2.    1904.    i^. 
Venlagen,    Afd.  Letterkunde.    IV.  Reeki.  Deel  VI.    1904. 

K.  Zoologisch  GeTWotschap  in  Amsterdam: 
Bijdragen  tot  de  Dierkunde.    Aflev.   17  en  16.    Leiden  1893—1904.    fol. 

Paetlologisd^fB  Labor aionum  der  St<xdt  AnHoerpen: 
Paedologiscb  Jaarboek«   V.  Jahrg.  1904. 

8 


32*  FmeidMi  4tf 

FenesNi  wmt  B€flMtnm§f  du  Garttmbtmn  im  dem  Ptwium,  3immiem 
t«  BeHim: 
Otttaribn.  Jahrg.  1904,   B«ft  14-34;  1906,  Bell  1. 

Vereim  für  Gemhk^€  der  Mark  Bnmdem^m^  tu  Berim: 
Foreclmiigeii  rar  ErmadenbiirgiBcbeji  o.  PreuMitekea  Oeaoluokt«.    if . 
1.  II.  2.  HJUfU.    Uipsi«  1904. 

ZtUttshnß  fkr  Inttrmmemimikunde  im  BewÜm: 
ZeitMsiinft.   S4.  ialuK«  He^  7-U.    1904.    4^. 

JJZ^oRekPt«  ^€9eyey^or»eftefi4J«  GtsdUchaft  tUr  Seku^eiä  m  B#m,- 
Qnetleii  cor  Scbweiier  Gesdiicbt«,    Bd,  SS.  SS.    Bajel  1904. 

.^j^cmetite  Sehwäieriidke  Gt^dUthafi  für  du  gesamUem  Hü 
aehaflen  in  Bern: 

N^ae  Denktehriaeii.    Bd.  XXXtX^  1.  2.   Bftiel  1904.    4^. 

Sdiweiserische  Oeoh^ehe  Kommisätm  in  Btm: 
BeiMi^  KOT  freolof^  Kart«  der  Schweiz.    N.  F.,  Lief.  XIV     Bern  t90l, 
Beitrige  xnr  Geologie  der  Seh  weis.  Geoiecbnüiche  Serie.   Lief.  3.    1904     4* 

Historischer  Verein  im  Bern: 
AiebiT«   Bd.  XYil  2.    1904. 

Sociiti  des  iciences  phfmques  et  maiurdleM  im  Bmdenm^r 
Proce«-ferbaux  1903-03.    Pari«  1903. 
VI«  S^rie,  tom.  3  et  Appendice  oii  (om.  3.    Parti  1903, 

Soeiiti  lAnnienne  im  Bordeaux: 
Acloi.   Vol.  b.  8.    1908. 

Societi  de  f^eographie  oommereiale  in  Bardeaiixi 
Bulletin.    1904,  No.  13—18;  20-24. 

American  Academy  of  Arie  and  Smeneu  im  B^akm; 
Proeeedings.    Vol.  39»  No.  19—34;  Vol.  40,  No.  1-7.    1904* 

Meteorol(Hfiseh€s  Observatorium  in  Bremen: 
MeteorologiMcheif  Jabrbuob   der  freien  HaiiBeBiadt  Bremen.    Jahrg.  XF 

1903.    1904.    40. 

Schletiische  GtmUsclmfi  für  Vaterländische  Kultur  tw  Breslau: 
81.  JabreHbericht  1903.    1904. 
Die   Hundertjahrfeier   der    Schleeiachen  GeselUcbaft   für  Vater] And itch« 
Kultur,    1904. 

3fähri»che8  Landesmuseum  in  BrUmn: 

ZeiUcbrift     Bd.  IV,  2.    1904. 
CsMfopi«.    Bd.  IV,  2.    1904. 

Demtächer  Verein  f&r  die  Geschieht^  Mnhrewi  11.  Schiebens  in  Bf 

Zeitüchrift    8.  Jahrg.,  No  8,  4,    1904. 

The  Museum  of  the  Brookiffn  Inntituie  nf  Arte  and  Äctr*^-"^  '^    f^v^^iW^,. 

Memoir«  of  natural  iviencet.    Vot.  L  No.  I.    1904,   i<^. 


VetMeidkmi  der  eingelaufenen  Druckiehriften. 


I 

I 


» 


Acaditnie  BöycHe  de  m^dedne  in  Bräseel: 
MdmoireB  coDronn^a,    Tom.  18,  faic.  8  u.  9.    lfK)4. 
Bulletin.     IV.  Sörie,  Tom.  IB,  No.  6—9.    1904.    4*"; 

Aeadimie  Eoi/ale  des  sciencen  in  Brüsnel: 
Bulletin,    a)  Gliwse  des  lettre!  190i.  No.  6-11. 
b)  Claaie  dea  adence«  1904.  No,  5 — 11. 

öbservatoire  Modale  in  Brüssel: 
Annuaire  aatronomique.    1901 — 05. 

SociäS  des  BoUandietes  in  Brüenl: 
Analecta  Bollandiana.    Tom.  XXIII,  4,    1904. 

HoeifU  beige  de  glclogie  in  BrÜemel: 
Annale».    Tom.  XXVin,  1—3,    1904, 

Soci^t6  beige  d*a3ironotMe  in  BriUseh 
Bulletin.    9«  ann^e,  No.  7—11.    1904. 

iT.  Ungarische  Akademie  der  Wiiiensehaßen  in  Budapeat : 

Almanach.    1904. 

Törti^nettud.  Ertekex^^ek.    (Hietor.  Abhandhingen.)    Bd.  XTX,  10. 
Archaeolo«iai  ftrtesitö.    Neue  Folge.    Bd.  XXIII,  3—6;  XXIV,  L  2.    i^. 
Tarfladalmi  ftrteke«^«ek    (Staats wisaenichartl,  AbhaodJtanR'en.)  Bd.  XH,  10; 

Xm,  1.  2,    1908—04. 
NjeWtodom^nji   ßrtekexäsek.     iSprachwisaenschaft liehe    AbhandlungeD.) 

XVni.  6-8;  XXX,  3-'4;  XXXIV,  1      1903-04. 
Ctoma  Jösüsef  A.  Mai^jar  nemzets^get.    1903. 
Mathematikai  Krtesitö.    «M^itbemat  An«eiger.)    Bd.  XXl,  3-6;  XXll,  l.  2. 

1903  -04, 
Matbematilai  Köslem^nyek.  (Mathem.  Mitteil ungenj  Bd.  XXVIII.  2    1904. 
Matbemut.  und  naturwiasensebaftl.  Berichte  aus  Ungarn.    Bd.  XIX.    1901. 

Leipzig  1904. 
Rapport     1903. 

Bölcfleazettudomänyi  l^rtekeseiek.  (Philoa.  AhbandluDgeii,)  Bd.  IJI,  5.  1904. 
Analecta  nova  ad  hiBtoriam  renasc^ntium   in  Hungaria    litterarum  epec* 

tantia.    1903. 

K.  Ungar,  Geotagische  AnstaU  in  Budapest: 
Földtani  Ködöav.    Bd.  34.  Heft  8-10;  Bd.  8ß,  Heft  5—7.    1904. 
A.  Magjar  Kir.  földtani  int^zet  ^Fkflnyve.    Bd.  XV,  1.    1904. 

Statistiftches  Bureau  der  Haupt-  und  Rend^nMtndt  Budapest: 
Pablikationen.    Vol.  XXXIU,  1/2;  XXXV;  XXXVI.    BerUn  1904.    40. 

Musen  naeionnl  in  Bueno»  Aires: 
Aiialef.    Serie  III.  toiii.  2.  3.    1903— Ot   4«. 

Botanischer  Garten  in  ButtenKK^rg  (Jata): 
MededeeliDffen.    No.  68.  69.    1904.    4« 
Bulletin.    No.  19,    1904,   A^, 

Academia  Romana  m  Bukarest: 
Aaalele,    Ser.  II,    Memoriile  eect  istorice.    Tom.  26.    1904.    4**. 
Memoriile  «ect,  stüntifice.    Tom.  26,    19i)4.    4**. 
Partea  »claOniatrativA.    Tom.  26.  26.    1903  -04.    4". 


S4*  Verseiehnii  der  eingelaufenen  Dfmek§dknflem, 

Bibliofirf&phiii  HofD&n6icä  1608—1630. 
S.  \'\  MÄrian,  Insectele.    1904. 
S.  >\  Mariftn«  Lefi^endele  Maicii  DotnuulDi. 
Diicuri^uri  de  receptiune  XXV [.    1904,    A9. 

Institut  ^gyptien  in  Cmro: 
Bulletin.    IV*  S^rie,  No.  4,  fasc  8.  4,    1908. 

Meteorological  Department  of  the  Oovemmem  of  India   in  Cafcrntta 

Report  on  the  Administration  1903/04,    1904-    foJ. 

Monihl;  Weather  Beriew  1904,  Jan  ,  Febr.»  April-Joui.    fal. 

Indian  MeteoroIofTical  Memoirt.    Vol  XVIL    1904     faL 

Agiatic  S<yciety  of  Bengal  in  Calcutta 
Bibliotlieca  Indica.    New  Ser.,  No,  1067—1098,    1904 
Journal.    Vol,  68,  part  I,  Extra-No.  2.    1899.    No.  414— 430.    1904, 
Proceediüffi.    No.  X,  ßxtra-No.  1903,  1904  No.  1—5- 

Office  of  Superintendent  of  (h^vemment  Printing  in  C^cuiiu: 
Annoal  Report  for  the  year  1902—03.    1904.    fol. 

Oeologicül  Sumey  of  India  in  Calcutta : 
Hecordfl    VoL  81,  pari  1.  2.    1904.   4«. 
Menaoiri.   VoL  35,  partB;  VoL  86«  pari  1.    1904,   4^ 

Mueeum  of  comparative  Zoology  at  Harvard  College  in  Cambridge.  Momm. 
Bulletin,    Vol.  43,  No,  2,  3;  Vol.  44,  46.  46,  No.  3.    1904. 
Annual  Report  for  1903-04.    1904. 
Memoir».    Vol.  30,  No.  L    1904.    4**. 

Astronomicctl  Ohaervatf^ry  of  Harvard  CoUcge  lu  Cambridge^  Mast. 
E.  C,  Piokering,  A  Plan  for  the  Endowment  of  Attmnoniioat  Beiett^   1904. 
The  Astronomical  OhBervatory  of  Hat  ward  College»    1904, 
Annals.    VoL  46,  part,  2;  Vol'öS,  No.  l-l.    1904.    4\ 

Obsenmiory  in  Cambridge: 
Annaal  Report  for  1901—03.  1902-09,  1903—04.    4». 
Fh^OiOphieal  Society  in  Cambridgf: 
?TOceedingt.   VoL  Xtl,  No.  6*   1904. 

Department  of  Agricuiture  tn  tapftowm 
Annnal  Report  of  the  Geological  Commission.    ll^QS.    1904.    4* 

Äccademia  Öioenia  di  »dense  naturtüi  in  Caiama: 
BoUetüno  cnentile.    Noora  S^.,  faic.  80—82.    1904. 

JT.  eächeieeheg  meieorologinches  Inätitut  in  GhemnUi, 
Dekaden-Monaisberichte  !90S,    Jahrg.  VL    1904.    foL 
Jahrbuch  1900.   Jahrg.  XV 111  der  seaeii  Reibe.    1904.    4«. 

Socüti  de*  ideneu  not  umlief  in  Cherhourg: 
Mdtnoiret.   Tom.  33,  Hue  2.    FariM  1903 

Pield  Columbian  Museum  in  Chicagin 
Publkatumfi.   No.  81.  83.  84.  86.  89—92.  91^    1908—04. 


VeneitAmt  der  eingelaufenen  JJruckechriften, 


36* 


liUtoriaeh'afUiquariadie  Geeellschaft  für  Graubünden  in  Chur: 
XXXn.  Jabre«bencht     Jahrg.  1902.    190S. 

Naturforschende  öeselhchaft  Ora$$büntUnM  itt  Chur: 
Jahresbericht     Neae  Folge.    Bd.  4$.    1904. 

The  University  of  Mwmuri  in  Columbia, 

Balletin.    Vol.  V,  No.  4 -7.    1904. 

Studien,    VoU  II,  No.  3v  4.    IWl.    4^ 

The  Negroe*  of  Columbia,  Mis^onri,    By  William  WiIbod  Elwany.   1904. 

A  Bulletin  on  tbe  CoDditioD  of  the  Countj  Jails  of  MiBsouri.    6t  Charle« 

A,  Ellwood.    1904. 
A  Bulletin  od  the  Condition  of  the  County  Almihouse«  of  Miesouri.    By 

Charles  A,  EUwooJ,    190  i, 

IV  Missouri  Commieeion  io  the  Louieiana  Purchaee  Exposition 
in  Columbias 
The  State  of  MtBaouri.    1904. 

Westpreussischer  Geschichtsverein  in  Danzig: 

Geochichte  der  Danriger  Willkür  von  Paul  Sitnson,    1904. 

Zeiti^chrift    Heft  47 

Mitteilungen.    Jahrg  S.    1904.    Nr  3.  4. 

KaiserL  Gouvernement  von  Deutsch-Ostafrika  in  Dar-es-Salam: 
Berichte  Über  Land-  u,  Forst  Wirtschaft  in  Deuts  cb-Ostafrika.   Bd,  II,  3,    1904. 

RiBtorii<ker  Verein  für  ätu  Grosshereogtum  Hessen  in  Darmstaät. 
Archiv  für  He^siiche  Geschichte.  Nene  Folge.  Erg&nzungiband  U,  Heft  2, 
1908.    Bd.  ni,  S;  IV.  1,   1904. 

Colorado  Scientific  Society  in  Denver ^  Colorado, 
ProceedingB,  Vol.  7,  p.  267-840.    1904. 

Verein  für  Änhaltische  Geschichte  in  Dessau: 
Mitteilungen.    Bd.  X.  1.    1904. 

Verem  für  Geschichte  und  Naturtfeschichte  in  Donaueschingen, 
Schriften.    XL  Beft.    1904.    Tflbingen  1904. 

Union  giographique  du  Nord  de  la  France  %n  Tkmai: 
Bulletin.    VoL  36,  irimevtr^  i,   1903.    Vol.  27,  trimeatre  l.    1904, 

K,  Sächsischer  Ältertumit verein  in  Dresden: 
Neue«  Archiv  für  atchB.  Geachichte,    Bd.  XXV  u.  Register  im  1—25.    1904. 

Eoyal  Irish  Academy  in  Dublin: 
Proce^inga.    Vol.  26.  Section  A ;  No.  1.  2.    1904. 
PoUichia  in  Dürkheim. 
Mitteilungen.    No.  18  n.  19,  Jahrg.  LX.    1909.    Ludwigthafen  1904. 
^      Heinr.  Schiifer.  Ueber  die  StirnwaSPen.    1904.    i^. 

I  American  Chemicai  Society  in  Etistont  Pa,; 

I  Tbe  Journal    Vol.  26,  No.  7— 12.    1904. 

H  Royal  Society  in  Edinburgh: 

I  Prooeedingfl.    Vol.  2b,  No.  4.    1904 


86* 


Verißkhms  der  Hnffelm^enen  Drtiekädkriften, 


Scöttish  Miero8€öpi€al  Soeiettf  in  Edimhur§ht 

ProceediDgt,    Vol.  IV,  No,  l,    1904. 

Eoycd  Phydcal  Society  in  Edimbur§h: 
Proc«edii]gi.   Seuioss  1902—04.    1904. 

Verein  für  Geschkhtt  der  Grafschaft  Mamfeld  in  ^txieben : 
Manafelder  Blatt«r.    Jahrg.  XVIIL    1904. 

K.  Universität 9bibtinth€k  in  Erlangen: 
Scbriaen  am  d.  J.  1903/04  in  4<^  u.  S« 

Reale  Accademia  dei  Georffoßi  in  f^treni: 
Degli  itiidi  e  delle  ^icende   dellm   H.  Accademia  dei  Geoi^ofiU  dsJ 

al  1908  per  Tito  Manicelli  1901. 
Attu   V,  Serie,  Vol.  1,  disp,  2.  3.    1904. 

Sodetä  Äsiatica  Italiana  in  Ftorem: 
Oiornale.    Vol.  XVII.  parte  L    1904. 

Senckenbergiid^  naturforschende  GeselUchaft  in  I^ankfHri  nfM, 
Bericht.    1904. 

KaturwiBM^ngehaftlicher  Verein  in  Frank fmi  a(0^: 
Helios.    Bd.  XXT.    Berlin  1904. 

Naturfarschende  Gesellschaft  in  J^cihura  i    Br.: 
Bericht«.    Band  14.    1904. 

Kirehengesehichlhcher  Verein  in  Frttbur^  t,  .Br.; 
Freiburger  Diöietan-Ärchiv.    1904.    L  Halbjahr,    fol. 
Umtier$Uät  in  Ff^nrg  iL  Bf,: 
Schriften  aui  d.  J.  1903/04  in  4<»  u.  8<>. 

üniversüäi  i«  Genf: 
Schriften  aus  d.  J.  1903—04  in  4^  u.  80. 

Universität  in  GieMen: 
Schriften  au6  d.  J.  1908/04  in  4^  a.  8^». 

Natur  forschende  Genellechaft  in  GMiU: 
Abhandlungen.    Bd.  KXIV.    1904. 

Oberlaumteische  Gesellschaft  der  Wiuemekßfi^^  in  G^iUs 
Neae«  LauHJUiicbei  MagaKin.    Bd.  80.    1904. 
Codex  dipIoiuatioQs  LuHatiae  superiori«.    II.    1904. 

K,  GeweUgehaft  der  Wissenachafien  m  O^Umgen: 

(löttingiache  gelehrte  Aoteigen.    1004,  No.  VII— XII  (Jali— Ue«,). 
Abhandlungen.    N.  F. 

a)  Phiiol.-hiat  Kla»e.    Bd.  VII,  No.  4,  6;  VIII,  %    Berltb  1904* 

b)  Mathem.'pbjiikaL  Klane.    Bd.  U!.  No.  1.  2. 
Nachriehten.    Mathem -phy«.  KUfiie     No.  3— 6.    1904.   4*. 

K.  GAgetUchafl  der  Wtäsen$€haften  m  OctSernfhurg : 
Handimgar.    IV.  Folge.    Heft  ft— 6.    1904     4^. 


im 


Verseichnii  der  eingelaufenen  Druckschriften. 


37* 


Naturufifi$en»chaßlicher  Verein  ßtr  Steiermark  in  Graz: 
Mitteilungen,    Heft  40.    Jahrg.  1908,  11K>4. 

Naturfüis^enschaftUcher  Verein  für  Neu- V(yrj)ommern  in  Greißwaldi 
Mitteilangen.    35.  Juhrg.«  1903.    Berlin  1904. 

SöciHf:  Hollan4a\Be  des  Sciences  iw  HaarJem: 

Archivea  Ntferlandaiaee  de«  «ciencee  exactes.    Särie  JI,  Tom.  IX,  livr.  4.  ö,^ 
La  Haje  1904. 

Kaiserin  LtopaUUnisdhCarolini«che  Deutsche  Akademie  der  Naturforscher] 

in  Halle: 
Leopoldina.    Hea  40,  No.  5— IK    1904,    4°. 

Deutsche  morgenländische  Gesellschaft  in  Halle: 
Zeitäcbrift.    Bd.  58,  Heft  3.    Leipzig  1904. 

NatunmssefischaftUcher  Verein  für  Sachsen  uiid  Thüringen  in  Halle: 
Zeitüchrift  für  NaturwisBewcliaften.  Bd.  77,  Heft  1.  2.    Stuttgart  1904. 

Thürrsächs,  Verein  für  Erforschung  des  vaterländischen  Altertums 

in  Halle: 
Neae  Mitteikngen.    Bd.  XXIT,  1.    1903. 

Deutsche  Seewarte  in  Hamburg: 
7.  Nachtrag  «um  KatÄlog  1903.    1904. 

Stadihihliathek  in  Hamburg: 
Die  im  J.   1903/04  erschienenen  Veröffentlichungen  m  4<*  u.  8^. 

Verein  für  Hamburgische  Geschichte  in  Hamburg: 
ZeitBchnn.    Bd.  Xll,  L    1904. 

Verein  für  Naturwissenschaftliche  UnterhaJtung  in  Hamburg: 
Verbandlungeo  1900—03,    XII.  Band.    1904. 

Historischer  Verein  für  Niedersachsen  in  Hannover: 
Zeitachrift.   Jahrg.  1904,  Heft  1—3. 

Örossherzogl,  Sternwarte  in  Heidelberg: 
Mitteilungen.    No.  III.  IV.    Karlsruhe  1904. 

üniv  er  Sit  ät  Heidelberg : 
Die   Matrikel   der   Univerait&t   Heidelberg.    Teil  V,   herausgegeben 

Gu»t.  Toepke.    1904. 
Schriften  der  üniTertitat  ans  dem  Jahre  1903/04  in  4^  und  8°. 

Historisch-philosophischer  Verein  in  Heidelberg: 
Neue  Heidelberger  Jabrbaofaer.   Jahrg.  XII,  Heft  2.    1908. 

Badische  Historische  Kommission  in  Heidelberg: 
Nevjahrfiblätter.   1905, 

Geschäft  »führender  Auss^uss  der  Heiclislimeskommtssion  in  Heidelberg: 
Der  Ober  germanitch-Kaet]9<;be  Limef  dei  RÖm  erreich  es»  Lief,  XXII  u.  XXIH. 
1904.    40. 


38* 


V€rw€khmi§  der  eirngdamfcnen  DrudtMkrift^n. 


Kommimon  gMogiqne  de  F)miande  in  Hdmmgfitrw* 

ßüUdtin.    No.  14,  1909. 
Carte  g^lof^ique  ä  1 1  4O0»O00.    Seetioo  D  2,  Nyclolt  »iree  last«  me^ 
caÜf«    1904. 

Cfnivenntät  Bdmm^fors: 

Scfariften  aus  d.  Jahre  I90a— 04  in  4^  u.  8^. 

Wilhelm  Braune,  über  die  Einignnf;  der  deutschen  Anwpniebe.   19DI> 

Verein  ß.r  withenbürgincht  Landeskunde  im  Hewmeemmttmdt : 
Ajthiv.    N.  F.,  Bd.  XXXI,  Heft  2     1904. 
Jahreibericbt  für  daa  Jahr  190S.    1904. 

Verein  für  Sachsen- Meininffüche  Gt^efMUe  m  Hüdbmrghausen: 
Schriften.    46.  u.  49.  Heft,    1904. 

Ferdinandeum  in  Innsbruck: 
ZeiUchnft    8.  Fo1f(e.    Band  48.    1904. 

Journal  of  Phygieal  Chemieirjf  in  Ithaea,  N,Y,: 
The  Joaraal.   VoL  VIU,  No.  6-9.    1904. 

Üniversii^  de  Jaemf: 
Annalet  tcientifiqaes.    Tom.  3,  fatc.  1.    1904. 

Medi^nisch-naturwiäsenschaftliche  Oc8eli9ehaft  in  Jena: 

Denkschriften.   Bd,  TY,  Liefg.  4,  Text  u.  Atlai;  Bd.  VI,  Teil  2.  Text 

Atlas.    1904,  fol. 
Jenaiache  Zeitschrift  fQr  Natarwiatenichaft.    Bd.  89,  Heft  I.    1904* 

Verein  für  Thünn^fiiiche  Gestrickte  und  Altertumskunde  in  Jena: 
Zeitschrift.    N.  F.,  Bd.  XIV.  2;  XV,  1.    1904. 
Ref^eBta  diplomatic«  historiae  Tbürin^ae.    Bd.  III,  1     1904.    4^. 

Gelehrte  Estnische  Qeselhchäft  tu  Jnrjew  f  DorpaiJ^ 

Sitzungra  berichte  1903.    1904. 
Verhandlungen.   Bd.  XXI,  l.    1904 

üniversttät  Jurjett  (Dorpai): 

Schriften  ans  dem  Jahre  1908/04  in  4*  n*  60, 

Badische  Historische  Kommission  in  Karlsruhe: 

Zeitschrift  für  die  Oeicbichte  des  Oberrheins.    N.  F.,  Bd.  19,  HeflS«.  C] 

Heidelberg  1904. 
Topographifches  Wörterboob  de«  Groäshers^gtumi^  Baden.    Bd.  II,   Hatlr-  { 

band  1.    Heidelberg  1904 

Zentralbureau  für  Meteorologie  ete,  in  Karlsrulif 
Jahreiberiüht  fUr  das  Jahr  1908.    1904.    i^. 

Gros^^erMoghch  Technische  Hochsehuk  in  Karleruhe* 
Schriften  ans  dem  Jahre  1908/04  in  4^  u.  8^. 

Naturtpissenschaft Itcher  Verein  in  Kaeisruhe: 
Verhandlungen,    XVIL  Bd.    1908—04.    1904. 

Sot^ti  phifsico-tHath^atique  in  Kasan: 
Bulletin.   \l  S^rie,  Tom.  XIV,  1.    I9ü4. 


Verzeidtnig  der  emgeliatftnen  Druektehriften. 


39* 


Universüät  Kasan: 

ütachenia  Sapiski.    Bd.  71,  Heft  7— 11.    Id04. 

3  medizinische  Dissert&tioneii  in  roiBiecher  Sprache.    1904. 

Vtrein  für  Hensinche  Geschichte  und  Landeskunde  in  Kassel: 
Festschrift  mm  Gedftchioii  Philipps  de«  GrotRiuüti^en.    Id04. 

SociHe  mathimaiupit  in  Kharkow: 
Coramnaicationt,    2«  S^rie,  VoK  VIII,  No.4— 6.    1904. 
Universiti  Impiriah  in  Kharkow: 
Sapiiki  1904.    6d.  0. 
A^nnsles  1904,  knjga  B, 

Gesellschaft  für  Schleswig- Holsteinhche  Geschichte  in  Kiel: 
Zeitschrift.    Bd.  84.    1904, 

K,  Universität  in  Kiel: 
Schriften  aua  dem  Jahre  1903—04  in  4**  ü.  8^. 
Universität  in  Kisiß: 
Vol.  44,  No.  4-10.    1904. 
Naturhistürisches  Landesmuseum  in  Klagen  fürt: 
Carinthia  IL   94.  Jahr^.  1904,  No.  8—6. 

ünivergität  in  Königsberg: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1903—04  in  4*  u,  8^ 

K,  Unii^ersitäiS'Sternwarte  in  Königsberg: 
Ä.  Auwert,  14  uDbekannt  gebliebene  Zonen  von  Königüberg.  Berlin  1904,  4^. 
AstroDomiiobe  Beobachtungen,  AbteiL  40.    1904.    foL 

K.  Akademie  der  Wissenschaften  in  Kopenhagen: 

Oversigt.    1904,  No,  4.  6. 

M^moiret.    7*  Sörie,    Sectinn   des   «cience«,    Tom.  I,   No.  1—3,    Tom.  11, 
No.  2.  3.    1904.    4^ 

Conseil  permantnt  international  pour  Vecephration  de  la  mer 
in  Kopenhagen: 
Pablicatione  de  circooBtance,  No.  12.  ISA.  14—20.    1904.    4*'. 
Bulletin.    Änn^e  1903—04,  No.  3.  4.    1904.    40. 
Bapporta.    Vol.  IL    1904.    4°. 

Akademie  der  Wissenschaften  in  Krakau: 
Anieiger.    1904,  No.  4.    4^. 
Rozprawy  filologiozne,  Lom.  36  u.  39.    1903—04. 

bistorycine,  tom.  46.    1908. 

matemat.    Serya  llf,  tom.  8  A.  ß.    1903. 
Biblioteka  piearzow  polakicb.    No.  49,    1904. 
Roc»nik.    Rok  1903/04.    1904. 

8prEW07.danie  komiäyi  fizyograßciny,  tom.  37,    1908, 
Prace  kominvi  jezyk  wej,  tora.  1,  Heft  3.    1904 
Materyaly  a'ntropoL    Tom.  VII.    1904. 
übiory  ludti  polskiego.    Zeizyt  L    1904.    4**, 
Fioket,  BibliograSa,  tom,  IlT,  L  2.    1904. 


40* 


r«riiMWt  der  eingelaufemn  Drmkgehrißen, 


Hhtorischer  Verein  in  Latulshut: 
Verhandlungen,    XL,  Bd.    1904. 

Natuneiitsen^chaßlieher  Verein  in  Landshut: 
XVII.  Bericht  1900-03,    1904. 

Sociite  Vattdoiae  dtä  sciencea  nalureltefi  in  Lausanns: 
Balletin.    4«  SÄrie,  Vol.  40,  No.  149.  150     1904. 

Kansas  University  in  Lawrence j  Kansas' 
Bulletin.    Vol.  IV,  No.  9.    1904,    4'». 

K,  Geselhchaft  der  Wü^ensd^aßen  in  LeipHfft 
Abhandlungen  der  philol.-histor  Klawe,    Bd.  XXII,    No.  S;    Bd.  XXI?. 

No.  1—3.    1904.    4« 
Abhandlungen  der  math.-physik.  Klasee.    6d.  XXIX,  No.  t  u.  2.    1901.    4* 
Berieb te  der  philoL-biator.  klaaae.    Bd.  56,  No.  1— IV.    1904. 

ünivergiti  de  Lülei 
Tableatix  de«i  coun  et  conföreneei  1904—05.    1904. 

Cuerpo  de  In^ienieros  de  minas  del  Peru  in  lAnmi 
Botetfn  No,  6— 8;  11—14.    1904. 

Museum  I*yanciseo-Carohnum  in  lAns: 

62.  Jabreibericht.    1904. 

Moritz  7.  Schwind  u.  seine  Beziehungen  tn  Linx,  von  Alexander  NieolüdMi. 

1904,    40 

R.  Obgervatorio  aatronomico  tn  Lis9al>on: 
Campos  Rodrigrue«,  Correctioni  anx  Ascentiont  droite«  de  quelquee  ^i0l1«u 

Kiel  1902,    4». 
Cüospoi  Rodrigues,  Obiervations  d^eclipse»  de  Lone.    Kiel  ldf)4.    4*^. 

Sociednde  de  geographia  in  Lißsabon: 
Boletim.   22«»  S^rie,  No.  5-10.    1904. 

Zeüschrift  „La  Celtule*'  in  Luewen; 
La  Cellule.   Tom,  XXI,  I.  2.    1904.   4«. 

IT»«  Englüh  Historical  Bevkw  in  London  i 
Eifttorical  Review.    Vol.  XIX,  No.  75.  76,    1904. 

Boyal  Soeiety  in  London: 
Proeeedingi.    Vol,  73,  No,  496—502.    1904. 
Philosopbical   TraneactiODi.    Series  A,  Vol,  202.  208;  Serie«  B.  Vol.  IS 

19i>4.    40. 
Obitaary  Noticei.   Part  I,    1904. 
,  ,        offeUowe.    1904. 

B,  Ä3trönomic<ü  Sttctety  in  London; 
Monthly  Notice«.    Vol.  64.  No.  8.  9:  Vol.  65,  No.  1.    1904. 
Memoirs.    Vol.  54,   1899—1901   u.  Appendix.  No.  1 -5 ;  Vol.  W,    1904 
Appendix,  No.  l,    1904.   4^ 

Chemical  Socieiy  in  London: 
Journal.    No.  501-606.    1904. 
Proceedingi.    Vol.  20,  No.  282-287.   IW4. 


Vereiiehnii  der  emgdaufenen  Druckschriften. 


41* 


Linnean  Societff  in  London: 
lietli  Session  from  Nov.  1903  to  Jüne  1904.  1904. 
The  Journal,    a)  Botany:  VoL  36,  No.  254;  Vol.  37,  No.267;    b)  Zoology: 

Vol.  29,  No.  190,    1904, 
The    Transactionä.     2^^  Ser.     a)    Zoology;    Vol  VIII,    part  IS;   Vol.  IX, 

part  3— 6.     b)  Botany:  Vol.  VI,  part  7-9.    1903—04.    4^. 
List  of  tbe  Linnean  Society  1904-05.    1904. 

Mtdical  and  chirurgical  Society  in  Londant 
Medico-chirurgical  Trao^actions.    VoL  87.    1904. 

R.  Microscopkal  Sücietif  in  London: 
Journal  1904,  part  4—6,    1904. 

ZiXihfficai  Society  in  London: 
Proceedingfi.    VoL  I,  part  L    1904. 

SociHe  giotogiffue  de  Belgiquc  in  Lüttieh: 
Annale».    Tom.  XXXI,  3.    1903— OL 
Memoire«.    Tom.  11,  livr.  L    1904.    4^. 

InatUut  Bot/al- Grand  Ducal  in  Luxemburg: 
Pnblicationt  de  la  sectinn  des  sciences  naturelles.    Tom.  XXVll  (B).    1904. 

Historischer  Verein  der  fünf  Orte  in  Lusem: 
Der  Geiobiclitflrreund.    Bd.  59.    Stans  1904. 

SociHi  d*agrictUturef  ndence  ei  indusirie  in  Lyon: 
Annalei.    Vlll.  S^r,,  Tom,  l,  1903.    1904. 

Soeiiti  Linneenne  in  Lyon: 
Aonalee.    Nouqv.  S^r.,  Tom,  50.    1904. 

Universiti  in  Lyon: 
Annale«.    L  Sciences,  fa»c,  13—16.    1904. 

WiBConsin  Gedogical  and  Natural  History  Survey  in  Mmdisoni 
Bulletin.    No.  XI— XIIL    1903-04. 

if.  Acadtmia  de  dencim  exacta»  in  Madrid: 
Revista.    Tomo  I,  No.  1-5.    1904.   4P, 

i?.  Äcademia  de  la  hi$tor%a  in  Madrid: 
Boletin.    Torao  45.  cuad.  1—6,    1904. 

Itistiiuto  geMgico  in  Madrid: 
PäTergonew.    Tom.  I,  No.  3,    Mexico  1904. 

Natvnrissenschaftlidier  Verein  in  Maqdehurq: 
Jahresbericht  und  Abhandlungen  1902—04.    1904 

Cmnitnto  per  te  onoranze  di  Francenco  Brioscht  in  Mailand: 
Opere  matematiche  di  Francesco  Rrioscbi.    Tom.  8.    1904.    49. 
Ä.  Istituto  Lombardo  di  neienge  in  Mailand: 

Heudiconti.    StSr.  IL  Vol.  37,  fa^c.  4— 16.    1904, 

Memorie.    Ctaaie  Ui  ecienze  matematiche.    VoL  XIX.  fa^ic.  12.  13*   1904.    4^. 


42» 


VetieiehnU  der  eingelaufenen  DtitckMdlriftmu 


Söcieta  Itahnna  di  umeme  naiufaii  in  Mailaml 
Atti.    Vol.  48,  faüü.  3,    1904. 

Soeieia  Storica  Lombaräa  in  Mailand: 
ArchiTio  Storico  Lombardo.    Ser.  IV,  anno  XXXt,  2.  ^      1904« 

Liter ary  and  pMosophical  Society  »w  Manchester: 
Memoirs  and  Proceedinga.    VoK  48,  part  3.    1904. 

Department  of  ihe  Interinr.  PHihppine  Wcntker  Bureau  in  M 
Bulletin  for  Januar^r-Mai   1904.    1904,    4^. 

AU ertumtf verein  tn  Mannheim: 
Mannheimer  Geachichtablätter  1904,  No,  8— 12;   1906,  Nft.  1      1» 

Umver&ität  in  Marbnrff: 
Schriften  aua  deoi  Jahre  1903/Ü4  in  4°  ü,  S^. 

Verein  für  GeachidUe  der  Stadt  Meinsen  in  Meis^rr» 
Mitteilungen.    Bd.  VI,  4.    1904, 

Royal  Society  of  Victoria  in  Melbourne: 
Pfoceedioga,    Vol,  XVII,  1.    1904. 

Acadimie  in  Metz: 
Annales  de  Bali  na,  publikes  par  E.  Paolu«.    1904, 
Mdmoirea.    3<»  8ene.    Anne  31.    1901—02.    19U4. 
Eitrait  dei  Mdmoirer    Annee  1904 

OescUßchaft  für  Lothringische  Geschichte  in  Met* 
Jahrbuch.    XV,  Jabrg.  1903.    4*». 

Imtituto  geolöyico  tn  Mextcu: 
Parergones.    Tomo  J.  No.  2.  4,  ö.    1904. 

Ohsertatorio  meieorologico-magnitico  centrat  in  Mexica: 
Boletfn  uieziiual.    Junio,  Julio  19ü2.    1902.    foL 

Sociedad  cientifica  „Antonio  AUatt"  in  Mexico: 
Memoriaa  y  revista.     Tomo  XIII.  7.  ö;  XIX,  8-10;  XX,  6—10,    tS 

Musie  ocianographique  in  Mnunrn 
Bulletin  No.  1Ö-17,  90-22,    1904. 

Obsereaioire  wit^ntoffique  du  Munt  Blane: 
F.  Vallot  es  son  oeu?re.    Parii  1901*   foh 

Muaeo  nacion(ü  in  Montetsideo: 
Felii  de  Azara,  Geograf^a  fT-iica  j  eafdrica  de  las  pro^tncias  del  Paraiffl 
I9ü4.    40. 

Academte  de  actencex  et  ieitreit  in  MonipelUer: 
M^tnoirea.    i>eciion  des  lettre».    2"  Sdrie,  tom.  IV,  Nq.  2.    1904, 

Mueeo  Michoacano  in  Morelüh  Mtxieoi 
Kelacion  de  Michoacan.    1904, 

Latareü^Hche»  Institut  fär  OrientattMche  Sprachen  m  Mimktm: 
Tnid^.    Heft  17.  19.  20  il  Bd,  VIII»».    1904-06. 


Veräeiehnia  der  eingelattfeften  Druekichriflen. 


43* 


SociiU  Imperiale  des  Naturaiisten  in  Moskau: 
Bulletin.    Annöe  1903,  No.  4.    1904. 

Mathematische  GeaeHiidiafi  in  Moskau: 
MfttematiiicbeRkij  Sbornik.    Bd.  XXIY,  3.    1904. 

Lick  Obserentorff  m  Mount  Uamüton^  Califofnin: 
Balletin.    No.  66-63^    1904.    40. 

Statisliifchejs  Ami  dtr  Stadt  München: 
MüncheDer  JahreHiibergichlen  für  1903.    1904,    i^. 
Bericht  über  d'w.  ArbeiUlo^retizäblufig'  7om  27.  Nov.  1904, 

Ilydrottchnisches  Bureau  in  München: 
Jalirbacb  lyOS,  Hefiö;  ll»ü4,  üeft  2,  3.    fol. 

Abband  langen:    Das    PegniU-Gebiet  Toa    Adolf  Speobt  (mit   7  Tafetn). 
1904.    foL 

K.  Schwedisehen  umi  NorwefjUches  Konsulal  in  München: 

Sweden.    lU  Peopleund  iU  Induetry.    ByGuirt,  SundbÄrg.    Stockholm  1904* 

Generaldirekivm  der  K.  B.  Posten  und  Telegraphen  in  Müudien: 

Nachtrage  zu  den  ZeitangapreitverseichniBBeD.    fol. 

Met ropoiitan- Kapitel  München-Fnising  in  München: 

Amtsblatt  der  Erzdiözete  Manchen  und  Freising.    1904,  No.  17—82. 

Mmenm  voft  Meüterwerken  der  Naturwigsefi^chaft  und  Technik 
in  München: 

Verwaltungabericht  über  das  1.  Oe^chäftrtjfthr.    1904.    fol 

Unhersität  in  München: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1903/04  in  4^  ii.  8^. 

Ärztlicher  Verein  in  München: 
Sitiangttberichte.    Bd.  XIll,  1903.    1904. 

Verlag  der  Hod*ttchul'N(ichrichten  in  München: 
Hochachul-Nachricbten  1904,  No.  166-171.    4« 

Äcadhnit  de  Stanislaa  tn  Nancy: 
M^moirea.    Ano^e  154,  6«  S^rie,  tooi.  L    1904. 
Bulletin.   Serie  3,  tom.  4,  Umc.  4,  tom.  5,  fa»c.  1.    Pari«  1908— Oi. 

Äccademia  delle  scieme  fisiehe  e  matematiehe  in  Neapel: 
Bendiconto.   Ser.  3,  VoL  10,  fwe.  1—7.    1904. 

Institute  of  Engin eent  in  Nete-Castle  (upan-TgneJ: 
TransactioDH.    Vol.  53,  part  4;  Vol.  64,  part  6;  VoL 65,  paril.    1904. 
Annual  Report  for  the  year  1903  -04,    19<)4. 
The  Aüthracitation  of  Coal.    By  David  BurnH.    1904. 

1%«  American  Journal  of  Science  m  New-Haven: 
Journal.    IV.  8er.,  Vol.  18,  No.  103-108.    1904. 

American  Orienial  Society  in  New- Hainen: 
Journal    VoL  XXV,  l«t  and  3*»  Half.    1904. 


44* 


V€fW0kkma  dsr  emffclamfemn  DmekHskrifUn. 


Academ^  of  Bömeet  m  JVeir-rarlr: 
Ansiklfl.    VoL  XV,  2.    1908. 

Americem  Museum  of  Natural  Hudoru  in  Nett- York: 
Journal.    Vol.  IV,  4.    lt»04. 

Ämeriean  GtographicaJi  SoaHu  i»  New- York: 
ßolletin.    VoL  86,  No.  7— IL    1904, 

Archaeölog%c(U  ItutUut  of  America  in  Noneood,  Maa^: 
American  Joarnal  of  Ärchaeology.    Vol.  VIll»  9,    1904. 

Verein  fitr  Geschickte  der  Stadt  NümX^^r^i 
Jahr««bencbt  19U8,    1904. 
MiiteilangeD.    Ueft  XVI.    1904. 
Die  ?Ütge  der  Dichtkunst  im  alten  NQraberK.    1904 

Departmeftt  of  the  Inierwr  in  Oiiawaz 
Dictionarj  of  Ältitadinei  in  C&oada.    By  Juuet  Wliile.    1909. 
BepoH  on  the  Great  Undilide  at  Frank,  illla.    1908^    19CM 

Geological  Sicrrey  äf  Canada  m  ÖUama: 
Catalogae  of  Can&dian  Birdn.    PaH  HL    1904. 
Annoal  Report    New  Series.    VoL  XIH.    1900.    With  U^p*.    1900. 

Royat  Sodetif  af  Camada  in  ^Mtawa: 
Prooeedings  and  Transaction».    2^  Sen^d.    VoL  fX.    190S. 

Accademia  seienbßca  VenetthTrenUna  in  Padun: 
Atta,  Nnova  Serie.    Anno  I,  faac.  1.    1904. 

Eedaction  der  Zeitschrift  „EtctHa  di  skniea  antiea'  im  Padma: 
Binita.   N.  S.,  Anno  iX,  L   1904. 

Oweeio  m4ü^matim  m  Palefmn: 
Rendiconä.   Tom.  XVHL  4—6.    1904. 

Sodeia  di  ddense  naturali  td  eeon^tmuli  m  Palermn, 
Giomale.    VoL  24.    1904.    4<>. 

AcadimU  de  wMeeim  in  Paris: 
BoHetin.    1904,  No.  27-8K  89—43. 

Aeadimie  des  snences  in  Paris: 
Oeofrei  de  Laplace.    Tom.  XflL    1904.   4^. 
Compies  rendoe.    Tom.  1S9.  Ka  1—26.    1904.   4^. 

£oi>le  poi^i^knique  in  Paris: 
Journal.   U*  Serie»  C«bier  9.    1904.   4fi. 

Manileur  Scientifique  in  Paris: 
Moniteor.   Litr.  7&r-767.    1904.    4* 

Muses  Qutmei  in  Par^: 
JMU  du  Mttäite  Ouiinet.    1901. 

fUTne  de  rhiitoin»  di?«  r^Hgion«.    T<nn.  4P    V      '     Tom.  49.   x^n,  i 
19ü8-04. 


der  tingelaufenen  Druekschriftefi, 


45* 


Hushim  tVhi^toire  natt^relh  in  Paris: 

Bulletiö.    Annee  1909,  No.  7  ii,  8;  1904,  Nr.  1,  S. 
Nouvellea  Archive».    IV«  Sör„  tom.  6,  Iimg.  L  2.    1903.    iK 

SocUU  tVanihrofioloffie  in  Paris: 
Bulletiu  et  Memoire».   6«*S^rie,  tom.  4.  fasc,  h,  6;  tom.  5,  fiMc*  l,   I90a— 04. 

SoalM  des  etudes  histöriques  in  Paris: 
Revue  1901,  Janvier  Avril  et  Sept-D^cembre  1903.    1903.    1904,   Janvier- 
Dycenibre, 

Sociit^  de  gSo^raphie  in  Pari^: 

La  Q^ographie.    IX*  Annee  1904,  No.  2—6;  X.  Annee  1905,  No.  L   4«, 

SociiU  m€fthimatique  de  Franee  in  Paris: 
Bulletin.    Tom.  32,  fa»c.  2.  8.    1904. 

Süditi  toologique  de  France  in  Paris: 
Mtooires.    Ann^e  1903,  Tom,  16. 

Äcadimie  ImpSriale  dew  seiemces  in  St  Petershuirff: 

Comptes  rendua  dea  s^ancea  de  la  CommiiBion  sisrnique.    Tom<  1^  livr.  3. 

1904.    40. 
M^moirea.    a)  Clasiie  histortco-philoloifique  VIII«  Sörie,  Vol.  VI,  No.  5.  6. 

1904.    4^       b)   Clasae   phjaico-iiinthematique-    VIII«  Serie,    Vol.  13, 

No.  6:    Vol    14.    No.  I-IO;   VoL  16,    No.  1— U;  VoL  16,   No.  1—3. 

1903-04.    40. 
Aonuaire  du  Mus^e  /.oologiqae.    1904,  Tom.  IX,  No,  1—3. 

KaiserL  Bibiiathek  in  St,  Psicr^mrg: 

Ot«cliet  1899.    1903. 

ComiU  ghAogique  in  8t,  Petersburg: 

BulletiöB.    Noav.  S^r,  Livr.  10    IL  18.    4«*. 

Kaistd.  Botanischer  Garten  m  St.  Petersburg: 

Acta  horti  Petropolitani.    Tom.  22,  fasc.  2;  Tom.  28,  faac.  I.  2.    1904.   4^, 

KaiserL  mineralagische  Gesellschaft  in  St,  Petersburg: 
MateriaüeD  zur  Geologie  Hudstanda.     Bd.  XXII,  L    1904. 
Verhandlungen     IL  Serie,  Bd,  XXI,  2.    1909. 

Physifcalrcheni.  ÖeseUschaft  an  der  Kais.  Universität  St,  Petersburg: 
Scbumal,    Tom.  86,  No  6-8.    1904. 

Physikai,  Zentral-Obserwäorium  Nicolas  in  8t,  Petit Anrg: 
Publication«.    S6f.  II,  Vol.  IX.  3.  4.    1903-04.    fol. 
Annales.    Annee  1900  Supplement,  Annet?  1902,  partie  1,  II  et  Suppl^mentt 
1904.    4<>. 

Seetion  ghhgiqne  du  cabinet  de  Sa  Majesti  in  St,  Petersburg: 
Travaux.    Vol.  VI  Iivr  l.    1904. 

Aeademg  of  natural  Sciences  in  Phüadelphini 
Journal,    ü.  Seriei.  VoL  XIT,  4.    J904,    gr.  i^, 
ProoeedingB.    VoL  56,  part  L    1904. 

4 


46* 


Vereeidinis  der  emgdanfentn  Druek^^rtflen 


Hiätorical  Society  of  Fennsylvania  tn  Phiatieluhta 
The  Pennsylvania  Magazine  of  Higtory.    Vol  28,  No,  l\%.    1904. 

American  Philosophical  Sfwiety  in  Phüadtlfihin: 
Proceedinga.    Vol.  43,  No.  175.  176,    1904. 

Societä  Toscana  di  scieme  naturtüi  m  Pi^a: 
Atti.    Processi  verbau.    Vol.  XIV,  3.  ö.    1904*   40. 
Atti.    Meroorie.    VoK  XX    ll»04.    4^. 

Societä  Itaitana  di  fimca  in  Pitia: 
II  nuovo  Cimeato.    1904.  April-Juni,  Aogusi-Novembre. 

Kaiser  Wüfiehn' Bibliothek  in  Po^en: 
Die  6egTÜndtmg  der  Kaiier  Wilhelm- Bibliothek  in  Po«en.    1904«    4^« 

Böhmische  Kaiser  Fr  am  Josef- Akademie  in  Pra^: 
PamÄtky.    Bd.  XX T,  2,    IVJOt.    i^, 

Monumenta  palaegrapbica  Bohemiap  et  Moraviae,    Vrdava  Gast.  Friedricb. 
Heft  I  (mit  Tafeln  in  (o\X    1904. 

Geselhchaft  mr  Förderung  deutlicher  Wissenschaff,  Kunst  und  Ijütratm 

m  Prag: 
Bibliolbek  deutscher  Schrifti^teller  aus  Böhmen.    Bd.  XI  u.  XIV.    1904. 

Mathematisch' physikalische  Gesellschaft  tn  Prnn 
Öasopis.    1904.  Bd.  78.  Heft  8.  4. 

Verein  für  Geschichte  der  Deutschen  in  Böhmen  m  PrnßT 
Mitteilungen.    42.  Jahrg.,  No  1—4.    190». 

Verein  für  Natur-  und  Heüktitide  in  Presshurg: 
Verhandlungen.    Bd.  XXIV.    (N.  F.,  Bd.  XV.)    1904, 

Geological  Surt^ey  Office  in  Pretoriat   Transvaal: 
Annual  Report  of  ihe  Geological  Snrvey  for  1908.    1904.    fol. 

Historischer  Vrrfin   iti    Rruftishur*!: 
Verhandlungen.    Bd,  55«    190r: 

Natu r for schr-f  -  V  crtifi  m  Ktfja: 
Korrespondentblatt.    No.  XLVU.    1904. 

Bibliothrque  Nationale  in  Bio  de  Janeiro: 
Relatorio  de  la  Bibliotheca  Naciosal  1901.    1903. 

Observatorio  in  Rio  de  Jantwoi 
Ann  aar  io.    19(^)4. 
Boletim  mensat.    Julio-Det.  de  IfK^B.    1904. 

Reale  Accademia  dfi  Lincei  in  Rtrni: 
Att».    Serie  V.    Cluise  di  scienzt?  morali.    Vol  VOL  IX.  X.    4**. 
Atti.   Serie  V.    Class«?  di  »cienae  morali.    Vo>.  I,  3.  8.    Noti«i#  degli  icaTJ. 

1904.   4^, 
Atti.    Serie  V.    Glaste  di  >««:ien«e  litiche.    Memorie,  VoJ.  IV.    4* 
Hendi(H>nti.    Clasne  di  Ncieute   roorali.    Sr^rie  V,   Vol.  JCllI.  l— B.    1901. 
Atti.    Serie  V,  Bendicoiiti,    Cla»«e  dt  wi-  ^^^    Vol.  XIU,  ncmestjr»  1, 

fa«»c.  Vi,  vptüt*Htre  U,  fa«c.  l-ll.    l 
Atti.    f  <o  deir  adunanta  «oK^nni    del  &  Gmgno  1904.   Vol.  IL     i**. 

Frider=  jUis  de  plauti«,  lUrum  i*d.  Uomouldu.  Ptrt:«tU.    1904»    4^. 


Verseiehms  der  eingelaufenen  Drueknehrißtn. 


47" 


Accademia  Povtificia  de^  Nufwi  Idncei  in  Üüm: 
kiil    Anno  67,  Hewione  1—7.    1904,    4^ 

E.  Comitato  gtologico  d^Italia  in  Moni- 
BoUettino.    Anao  1904,  Vol  86.  No.  1.  3. 

KeünerL  Deiäjßrhe,s  Ärchäolo/füchen  Institut  {rom.  Äbi.j  tn  Rom: 
MitteiluDgren.    Vol.  XIX,  faRC.  L  2.    1904. 

J?.  Ministerin  detla  InMruzioiie  puhhlicn  in  Rmn: 
U  opere  di  Galileo  Galilei.    VoL  XIV.    1904.    4^. 

Ministero  di  ngricaltura,  industria  c  commercio  in  Rom: 
Cfttalogo  della  mogtra  fotta  dal  Corpo  Reale  dello  Miniere  alT  espoiwione 
uniTertale  di  8aint  Louit  ael  1904,    1904.    4^. 

R   Ufficiö  gtologico  m  Rom: 
Carla  f^eologica  dei  vulcani,    Vulijni.    1904. 

U.  Sodetä  Homnnn  di  storia  pairia  in  Rom: 
Archivio.    Vol  XXVIl,  1.  2.    1904, 

HiHtorificher  Verein  i«  Rofienhcim: 
Das  bayerisclie  Oberland  am  Inn.    8.  Jabr^.    1904. 

Universität  Roatock: 
Schriften  aus  dem  Jahre  1903/04  in   4^  u.  8<*. 

Bataaf^ch  Genootschap  der  Proefondermnädijke  WijsbtgMriß 
in  Rotterdam: 
Nieuwe  Verhandelinifen.    11.  Heeka,  V^«  Deel    1904    4«. 

Academie  des  mences  im  Rouenr 
Pr^cis  analjtique  des  travaux.    Ann^e  1902—08.    1909. 
Liate  ^en orale  de^  membres.    1903. 

12.  Accademia  di  acienie  degli  AgictH  in  Roveriio: 
Mih   Senelll«  VoL  10.  fasc.  2.    1904. 

£colc  frangaine  d^Eotirtme-Orient  in  Saigon: 
Pröcis  de  graramaire  p&lie  par  Victor  Henry,  Paria  1904. 
Bulletin.    Anno  IV,  No.  l.  3.    Hanoi  1904.    4^, 

GeneUschaft  für  Saleburger  Lande»l(*inde  in  Sahburg: 
Mitteilungen.    44.  Jabr  1904. 

Acndtmie  of  Science  in  8t,  Louit: 
TrftoaactionH.    Vol  Xll,  9.  10;  Vol.  XIll,  1-9;  Vol.  XIV,  1-6.    1902-04. 

Mismuri  Botankal  Garden  in  St.  Louis  i 
15.  annuai  Beport.    1904. 

Instituto  y  (Jbgensatono  de  manna  de  San  Fernando  (Cadig): 
Almanaqne  a&utico  para  1906.    1904.    4<*. 

Sociedade  Acientifica  in  8,  Pauio: 
EeUtorio  da  ülrectoria  1908-0^1.    19^)4. 


48* 


Ferwtftc^M  der  m^tlaufeiieN  Dnteka&knfi^^, 


Bosnmch'Hetie^f&oinisehf  Landetiretfierung  im  S^m^^va: 
ICrgebnisse  der  meteoroL  Beobüchtongreo  im  Jahfe  X^GÖ,    Wiwi  190«. 

Vereint  für  MecHenburgisehe  Gfgchiehtt  in  Schwerin: 
JahrbOcber  und  Jahreiberichte    69,  Jabr^;.    1!*0I, 
Register  über  die  Jahrgänge  41—50  der  Jahrbücher.    1901, 

R,  Äccadewia  dei  fiMocriÜm  in  Siema: 

Aitt.   S«rie  IV,  Vol.  XVI,  1—6. 

K,  K,  Arehäeiofischea  Museum  in  SpatiUo: 

Biillettmo  di  Archeologia.    Adoo  XXVÜ,  6—8,    1<»04. 

K,  VitierhHü  Hiftime  och  AnttquUets  AkmUmie  im  Stockholm: 
Minadiblad,    27.  u.  28,  Är^raog.    1898    \Bm.  1901   q.  1902      1904. 
Antiqoarisk  Tidekrift  P5r  Sverige.    Bd.  XVII,  2.  8.    1904. 

K  Akademie  der  Wüsenschaften  in  Siockhf^im: 
Archiv  för  zoologi.    Bil  l,  3.  4.    1904. 
Archiv  fTir  bot^inik     Bd,  2,  Heft  4;  Bd.  3,  Heft  1—3.    1904. 
Meteorologiska  JaktageUer  i  Svenge.    Bd.  45.  1903.    1904.    4*. 
Aitrotiomiüka  Jaktagelaer.    Bd.  VI.   I,    1904.    4*». 
Handliogar.    N.  F.,  Bd.  88,  No.  1—6,    1904.    4^ 
Ärabok  1904. 
Les  pnx  Nobel  en  1901.    1904. 

GtoUygiskn  Förening  in  Stttckholm: 
FörhaDdliBgar    Bd.  XXVI,  5    6,    1904. 

Nordiska  Mnuet  in  Stoekhoim: 
Meddelandan  1902.    1904. 

Oesellschaft  tur  Förderung  der  Wisaen^chaften  in  Stra$$burg. 
MonaUbericht.    Tom.  88,  Heft  5—9.    1904, 

Kais,  üniveraitM  Sirasä>urg: 
Schriften  am  dem  Jahre  1 903/04 . 

Württemberg.  Kommiggicn  für  Lande$ge$diiehit  in  Stuttgart: 
Warttemberg.  GeschichUqadleo.    Bd.  V.  VI.    1904 
Vidrte]jalire8hefte  f.  LandeHgeaehicJit«.    N.fe^.,  XIII  Jahrg.,  Heft  1—4.    1904, 

IT«  Wikrttemh,  SUiti9ii«die.9  Lamieatimt  in  SitUl^^ut: 
Statiitiachei  Bandbach  für  da^  Köaigreicb   WaKti^mWrg.    1904*    4®, 

Linnean  Socieip  of  New  '8<hUh'  Wnles  im  S^dn€f: 
Proceedinga.    Vol.  XXII,  pari  1  o.  Vol.  XXIX.  pftrtS.    1904 

Ob$ereatioire  (utronomiqu*  et  pk^ftique  in  Ta^kent: 
PublicatiODf .   No.  4.  6.    1904.   4«. 

Earthquake  Inregligatwn  Ccmmtttee  %m  IVii'yor 
PublicationH     No.  17.  18.    1904.    4^». 

Deuiif^  Qeäellifchafi  für  Natur*  u,  Völkerkunde  Üttusiem  in   Tokio: 
Haofl  Haa«,  GMchicble  d«i  Cbn»tMitQm«  id  Japan.    TmJ  IL    1904. 


AM^ 


VerMti^nU  dtfr  tingdaufentn  Druüksehriften, 


49* 


7;    Vol 
40. 


Knueri.  ünwermtät  in  Tokio: 

Th#  Journal   of  the   College   of  Science,     VoL  Xlll, 

Vol.  XIX,  9.  14.  15.  18    19;  Vol.  XX»  1.  2,    1904, 

The  Builetiii  of  the  College  of  Agricnltnre.    Vol  VI 

^Ältertumsverein  in  Torgau 
VeNIflRBDtlichuiigeo.    Heft  XV (L    1904. 

CanaMan  Iftstitute  in  Tonmtoi 
Proceeding«,   N.  8.,  Vol,  II,  ß.    1904. 
TransaciioDs.    VoLVtl,  8,    1904. 

Universiti  in  Toulouse: 

Arninle»  du  Midi.    XVl«  lum^.  No.  62.    1904. 

ADHÄles  de  la  facolte  den  scienceB,    II*  Ser,^  tom.  5*  ann^e  19ü3; 

aon^e  1904     Parin  1903-04,    i^. 
Balletin  de  la  Station  de  pitcfculture  No.  1.    Part«  1904, 

Biblioteca  f  MtMeo  comunnte  in  Drientr 
ArchiTio  Trentino.    Anno  XIX,  L    1904. 

MuHeum  für  Kunst  uml  Gewerbe  in  2Vo|»pau: 
Jahresbericht  1903.    1904. 

llnivcrftität   Tiihxngen: 
Über  die  Sprache  der  Gefi«tie,    Hede  von  Otto  Wendt.    1904.    4^. 

TufU  (Mtege  lAbrary  in  Tuftn  Coli  Mas».: 
Studien.    No.  8.    1904.    i^. 

R,  Accnäemia  delle  seiende  in  run«: 
Otjerfazioni  meteorologichf«  Ddll*  anno  1903.    1904. 
Atti.    Vol  39,  ditp.  8—15.    1904. 
Memorie.    Serie  11.  totii.  54.    1904.    A^. 

B.  Aecademin  d^agrieoitura  in  Turin: 
AnnaH.   Vol.  46.    1908.    1904. 

Biblioteca  muionale  in  Turin: 
tofentano  dei  oodici  «uper«ti1i  uteci  e  latini  anticht.    1904. 
iC.  (leHdUcha/t  d^r  WiRsenschafUn  in  Upimla: 
No?a  Acta.    Serie  Hl  Vol.  XX.  2,    1904.    4«. 

K.  Unwffrsitäi  m  Üpsala: 
Nordiska  Stadier    Tillogna  de  Adolf  Noreen.    1904. 
Eranos.    Acta  philoloffica.    Vol.  5,  faic.  8.  4,    1901, 
Schriften  aus  dem  Jahre  1903/04  in  4^0.  8^ 

Itiiftitut  Boyal  Mitktrolorpqtte  de^  Patfi-Ba»  in  UtredU: 

Oeuvrea  ocäano^rafiqae«,  No.  90,    1904. 
Annoaire  meteorologique.    Ann^  1902.    1903.    4**, 
Onweders  enz.    1903. 
Schriften.  No.  94,  96  (Te^l  u.  AiUi)     1904.  fol. 

Ac€ii4€mia  di  ScienBe  in  Verona: 

Atti  e  Memorie.    Serie  IV.    Appendice  al  Vol.  lU.    Vol.  fV. 


tom.  6. 


h2^ 


Veneichnis  dir  einyelaußmn  Vrmkäduiften, 


Verlag  von  Johann  AnihroMi4s  Barth  in  Leipzig: 
Joaraal  für  prakt.  Chemie.   N.  F.,  Bd,  69,  Heft,  lü;  Bd.  70,  Heft  1— U-    I9UI. 
Beib1&tt«r  su  den  Annalen  der  PbjrHik.    1904,  No.  14—23,    1004. 

Manuel  B,  de  Berlan^a  in  3falci^a; 
Uatalogo  del  Muaeo  de  loa  Senores  marquese«  de  CaaA-Lariog,     190S. 

Hermann  Böhtaut  NachfaUjer  m  Wvimar: 
Zeitschrift  der  Saviguy-Stiflaog  für  Eecbtttgei^ekicht«.    )Sä.  26  def  ton 

niachen  uod  j^ermaniachen  Abtei  lang.    1904. 

Wilhelm  i'.  Christ  tu  München: 
Geechichte  der  griecbiacheii  Literaiur.   4.  Au(i.    1906. 

U.  Con%eentM  in  Ikintifi* 
Die  Oef^ibrdang  der  Naturdenkmäler  a.  Vorschläge  iti  ihrer  Erhalluag.  1901. 

M,  Doeberl  in  München  t 
Bajern  und  Ftankreich.    IL  Bd.    Mönchen  1904. 

Vicomte  G,  tfAvenel  in  Pari§: 
La  Noblesie  frangaise  loas  Richelieu«    1901* 

Verlag  von  GiMtav  Fischer  in  Lmptig: 
Natarwit»»eniichaftl   Woohentohria.    Id04.  No.  42^66;  1906,  Na.  L  S. 

Paul  Fonnuer  in  GtenMe: 
^tudes  fiur  lei  r^nitentiels,   IV,    Ma9oii  1904. 

K«*  J.  B^  Andft  Qodin  in  Qm$t  (Aime>' 
Le  Devoir.    Tom.  28,   Juillet-Decembrc  1904. 

Friedrich  Ofippelsrödcr  in  Basel: 
Studien  über  di('  Anwendung  der  Capillaraoaly^e.    1904 

S,  Grenander  in  üpnaia: 
Les  Tariations  anDueUea  de  la  temperatare  dea  lacs  luedoi«.    1901b 

5.  Qukl  in  Zürich: 
Lücken-Qnadrate.    1904. 

Victor  Hantitch  in  Wien- 
Konstruktion  zur  ErmOglichung  d.  intermittierenden  Kraftau^DQtsang.  1904* 

Jakob  Haunf  in  Hüf: 
Proeopii  Caesarienaia  opera  omuia.    2  Voll    Ltpiiae  1904. 

Camdlo  Hell  m-   ir.- .^  : 
Ideale  Planiiuetrie.    1904. 

G    Htnnksen  %n  t/iruitianwi. 
On  the  kon  Ore  [»epoaitti  m  äydFaranger.    1DU4. 

Fneändt  Uuih  i»  A'ctt»' Ytfrkz 
Chioe^iacbe  Aiksichien  Über  die  Brooaetroiuiiiiiln.    lieip^iif  19<^^ 


Verieiehniä  der  emgelauftnen  Druckschriften,  51* 

K.  K,  Naturhititorutcheä  Hofmwteum  in  Wien: 

Annalen.    Bd  XIX,  1.    19<H.    i«>, 

I?.  Kuffntr^che  Sternwarte  in  Wien: 

Publikationen.    Bd.  VI,  2—4.    1908—04.    4^. 

A''.   K,  Unhersiiät  in  Wien: 

Sobrifien  &U8  detu  Jahre  1^04.    6  SiQck. 

Verein  für  N<x»gamBch€  AUertumskunde  ttc,  in  Wie^aden: 

Annalen,    Bd,  38,  Heft  2,    1904,    4« 

Ndfssfmischer  Verein  fikr  Naturkunde  in  Wiesbaden: 

Jahrbücher.    Jabrir^  67.    I9ü4. 

Herzogliche  Bililiaihek  in  Wolfenbüttel: 

RegiBter  zur  IL  a.  111.  Abteiluni;  des  Hand  sehr  iftenkatalogf.    1904. 

GeschichLifverein  in  WolfenbiUtel : 

Jithrbach.    2,  Jahrg.    1903. 
Braunichweigiäcbes  Ma|^a/Jti.    Jahrg.  1903.    4^. 

Phi/sikaiiHch'medieiniscke  Genelhchaft  in  Wür^burff: 
Verhandlungen.    N.  F..  Bd.  37,  No,  1.  2.    1904. 
Sitzungsberichte.    Jahrg.  1904.  No.  l  -3. 

Kanion^ibliothek  in  Zürich: 
Schriften  au^  dem  Jahre  1903/04  in  4<'  u.  %^. 

Sci^weiierische  Meieorologi$che  Zentralanstait  in  Zürich; 
Annalen  11)02.    1904.   4*^. 

NaturfQr$chende  (ieselhchafi  in  Zürid%: 
Vierteljabriichnft.    49.  Jahrg.  1904,  Heft  1.  2. 

Schu'eizerischeH  Lattdesmuseum  in  Zürich: 
I  Anseiger  für  Schweizerische  AUertomakande.    Bd.  VI,  1.    1904.    4^. 
'  XU.  Jabreibericht  1908.    1904. 

Sternwarte  in  Zürtch: 
Astronomische  Mitteilungen.   No.  95.    1904. 


Von  folgenden  Friviitpersonen : 


I^'ürBt  Albert  von  Monaco: 
^fritultati  de«  Campagnee  ecientifiques.  faäc.  XVII.    1904.   fot. 

Rafael  Bamirti  de  AreUano  in  CfWtloba, 
La  banda  real  de  Ca^tiDa.    16911 

Jon   Arginh  utm  j}i   hnktirteat : 
Uiom  Roffi^nilor  Mact:doneni     19tH. 


54*  Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften. 

Verlag  von  B.  G.  Teubner  in  Leipzig: 
Archiv  der  Mathematik  u.  Physik.   111.  Reihe,  Bd.  8,  Heft  1—3.    1904. 
Encyklopädie  der  mathemat.  Wissenschaften.  Bd.  I,  Heft  8;  Bd.  II,  1  n.  5: 

Bd.  IV,  1.   II,  Heft  1.    1904. 
Desgl.  in  französ.  Ausgabe.    Tom.  I,  1,  fasc.  1. 
Thesaurus  linguae  latinae.   Vol.  1,  fasc.  7;  Vol.  2,  fasc.  7.    1904.    4«. 

Giuseppe  Veronese  in  Padua: 
La  Laguna  di  Venezia.    1904. 

Eugen  Wolf  in  München: 
Henry  Moi-ton  Stanley,  t    1904. 

JFJ.  c.  Zach  in  Peking: 

Spiegel  der  Mandschu-Sprache.  Verbesserte  Ausgabe  des  Kaisers  Kien-lung 
aus  dem  Jahre  1771.   8  Bde. 

Marion  Zukowski: 
Die  Erde  ein  Elektromagnet.    Dortmund  1904.